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Giroßne

Romantiker·Briefe Herausgegeben von Friedrich Sundelfinger

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Werlegtbei Sugen Diederichs, Jena 1907 |

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ÜBER DIE ROMANTISCHE SCHULE

Zur Einführung

DD‘ Romantik bat sich nicht in großen Menschen erfüllt und nicht in Werken ihr eigentümliches Leben zusammendrängen und festhalten können. Nur dichterische und gedankliche Bruchstücke geben uns Kunde von ihr als einer weit über ihre Ergebnisse hinaus eindringlichen und umfassenden Bewegung, wie ange- spülte Trümmer vom Sturm. Man hat in diesen Trümmern die Bewegung selber sehen und sie danach werten wollen. Aber alle von ihr übernommenen Schlagworte und Richtungen, die Be- reicherungen, die man aus ihr ziehen durfte die Kenntnis aus- ländischer Literaturen oder das Wiedererwachen des Deutschtüm- lichen sind nicht ihr Wesen, sondern Begleiterscheinungen, die letzten, dünnen, bis ins Bewußtsein geschlagenen Wellen der Wirbel, denen sie entstieg.

Nach solchen stofflichen oder gesellschaftlichen Ordnungen hat man ihr auch Heinrich von Kleist angegliedert. Die Wurzeln seiner Schöpferkraft liegen in einem andren Boden. Er ist eine Einzelgestalt, nicht Ausdruck und nicht Mitglied einer Gesamtheit auch das gehört ja zu seiner Tragik. Nur manche seiner Be- griffe und Zwecke sind romantisch. Doch besessen war er von andren Dämonen, und Geistesgeschichte ist mehr, als die Geschichte der menschlichen Begriffe.

Anders mit Hölderlin. Die Art seiner Bewegtheit erinnert auf den ersten Blick an die romantische: dieselbe jünglingshafte Flucht und Suche, dies Wogen und Tauchen und heilige Ferne wie bei

I Romantiker-Briefe I

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Novalis, dem Magier der Romantik. Dem All eins zu werden in mystischer Verschmelzung, werfen sich beide dem drängenden Leben entgegen: aber Novalis, um sich selber auszudehnen, das All in einen Leib zu wandeln; Hölderlin, um sein gebrochenes Ich auf- zulösen, zu zersprengen durch Eingehen ins göttliche All. Novalis ist zentrifugal, Hölderlin zentripetal, und nicht zufällig ist das Symbol des Einen der griechische Empedokles, der in den Glut- abgrund stürzt, und das des Andren der schweifende Sänger. Nicht umsonst sucht der Eine die Flamme, das Sinnbild des reinen, körperlosen Geistes, der verzehrt und belebt; der Andre Fleisch und Blut, worin alles Seelenhafte sich verdichte. Hölderlin kommt aus einem unterirdischen Hellas in eine spiritualisierte Zeit und hat nicht Rast, bis der lastende Körper aufgegangen ist im Geist. Er kommt vom Leib her und sucht den Geist. Novalis ist ganz Seele, schattenhaft und vampirisch, mit brennendem Durst nach Verleiblichung: so ißt und trinkt er und seine Schar das All, bis sie es in sich hineingenossen haben und sich selber zum Weltleib aufgeschwellt. Darum haben die Romantiker, voll von Geist, keine Ehrfurcht vor dem Geist; ihnen ist er Mittel und Spiel, sie suchen ihn nicht und beten ihn nicht an. Die Welt ist ihnen ein Grenuß- mittel, ein Schauspiel: das ist der Sinn der Ironie. Hölderlins Wesen wird bezeichnet mit „Enthusiasmus“, begeistete Sehn- sucht. Sein All hat eine heilige Wirklichkeit, seine Bewegtheit ist Ekstase, „Außersichsein“. Ekstase kennt die Romantik nicht, weil sie gar kein Sonder-Ich gelten läßt. Bis in das Einzelne des Schaffens und der Schicksale ist der Gegensatz deutlich. Die Romantik strebt zum Roman, zur breiten Schilderung der geistig- sinnlichen Fülle der Welt. Der gesellige Eros ist ihr Gott. Hölderlins letzter Aufschwung sucht das lyrische Drama, worin alle Bilder nur Wellen des glühenden Seelenstroms sind. Sein Gott, Dionysos, haftet nicht an Gestalten, er drängt aus jeder Verkörperung hinaus und all seine Inkarnationen und Propheten enden tragisch, von Alexander bis Zarathustra. Sie zersprengen ihre Endlichkeit durch das eingeschlossene Göttliche; sie sind einsam, solange sie auf Erden

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weilen. Romantiker enden nicht tragisch: ihnen ist der Tod Sät- tigung und Übergang. Man fühlt die satte Seligkeit, die gesellig- süße Sinnlichkeit des Todes in Novalis’ Versen über einer Fried- hofstür diesen Wechselsang von Tod und Liebe, von Glück und Vernichtung. Alle Götter der Romantik sind grenzenlos ge- sellig, sie erst hat den Begriff Einsamkeit als wollüstigen Gegen- satz der Geselligkeit geschaffen. Sie ist eine Religion der Frauen, die der Gesellschaft Form und Wärme geben, und die romantische Schule erscheint manchmal wie die Ausstrahlung eines einzigen Weibes, der Caroline.

Man könnte glauben, die Suche des Leibs teile die Romantik mit der Renaissance; diese Suche sei Goethisch, klassisch, indi- vidualistisch. Aber Goethe sucht die Gestalten und Gebilde und die Romantik sucht den Einen Leib. Für das Klassische besteht kein Gegensatz zwischen Leib und Geist: kein Leib tritt in Erscheinung, der nicht Ausdruck eines Geistigen wäre, während die Romantiker aus diesem Gegensatz, dem Ungleichgewicht, dem Widerstreit ihre wollüstigsten Spiele und Gedanken machen. Sie erst haben den Kampf zwischen Geist und Natur, zwischen Mann und Weib, zwischen Gott und Mensch, zwischen Traum und Wirk- lichkeit aus einem Problem und Schicksal zu einem geistigen Raf- finement, ja zu einem Gesellschaftsspiel des Bewußtseins umge- schaffen. Nicht daß sie ihn oberflächlicher genommen hätten sie waren nicht frivol nein, sie haben die Antithese, den Witz, die Ironie, das Spiel selbst als fast religiöse Angelegenheit betrieben. Die Beziehungen waren ihnen alles, die Dinge nichts. Sie statuierten keine Dinge, sondern eben nur das Spiel, das Fließen des Bluts in dem großen Leib, der die Welt war. Ihr Witz ist die Auf- lösung aller Gesetze und Maße, die allverknüpfende Willkür, die Brechung aller Bilder im regen Wellenspiegel ihrer Seelen. Ihre Ironie ist die Lust, alles als Schauspiel zu genießen, alles in be- liebigen Abständen zu betrachten; denn es gibt ja für sie keine festen Bezüge, es gibt kaum Mittelpunkte. Das Ich selbst ist ihnen ein Schwankendes, man kann es sein und man kann es

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sehen, von innen und außen es gibt keine Wirklichkeit als das Denken.

Dies scheidet die Romantik von allen andern Bewegungen. Sie ist Bewegung um ihrer selbst willen. Sie hat kein Ziel, kein Be- streben ; was als solches erscheint, ist nur eine intellektuelle Selbst- täuschung einzelner Mitglieder und auch bei diesen nur Durch- gangspunkt. Die Romantik wollte gar nicht zu einem Resultat kommen. Das Denken (im weitesten Sinn) hat sie als eine von allen Zwecken gelöste sinnliche Macht, als seelische sich selbst genügende Wollust geschaffen und betrieben. Sie wollte weder Gott finden, noch die Menschheit bessern, noch die Welträtsel lösen. Sie hat an Fichte angeknüpft. Dieser macht das souveräne Ich zum Weltschöpfer durch den Akt des Denkens. Um diesen Akt selbst, nicht um das Ich, drehte sich das ganze romantische Leben. Das Ich wäre ihr schon zu bestimmt gewesen. Sie wollte Wege, nicht Ziele; Prozesse, nicht Resultate; das Gebären, nicht die Geburt. Daher ihre Vorliebe für alles Schwanke, Schwebende, Nacht, Geheimnis und Dämmerung gegenüber dem Greifbaren, Ge- formten, daher ihre Abneigung gegen feste Begriffe, gegen Moral und Dogmatik, die sich nicht in Aphorismen und Mysterien auf- lösen ließ. Kein Ens realissimum war ihr Gott, sondern eine Actio realissima, das sich selbst genügende Denken, aus dem alle Weltbilder aufstiegen, nicht um wie bei Fichte gesetzt zu ‚werden, sondern als Spiel und zur Vernichtung bestimmt. Schon nach dieser Weltverfassung konnten die Romantiker nicht das In- dividuum suchen wollen, an Ausbildung der Persönlichkeit dachten sie nur, sofern dadurch ihr Spiel und die Fülle ihrer Gesichte ge- steigert wurde. Sie sind darin die Widerrenaissance und stellen das Goethesche Ideal in Frage. Sie fühlten sich als Fragmente, als Wellen einer großen Vibration. Keiner konnte allein stehen, obwohl keiner sich mit dem andren im menschlichen Sinn einig fühlte und sie sich bald wechselseitig vergötterten, bald durch kleine Bosheiten aneinander rieben. Doch sie alle fühlten in sich den Wellenschlag des allmächtigen Denkens, das immer sich wan-

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deinde Gleiten der Welt, und ihre Geselligkeit ist das Werk eines feinen, unterirdischen Instinkts. Sie suchten die Geselligkeit, wie die Renaissance das Individuum gesucht hat, wie von Gott ge- trieben, weil sie nur so zu ihrem Ausdruck kommen, nur so Vibration bleiben konnten. Dazu war die Romantik ja in die Welt gekommen. Heroen hat sie nicht hervorgebracht und nicht hervor- bringen wollen. Aber so hat sie doch das höchste geistige Niveau erreicht, das bisher einem Bildungskreis in Deutschland vergönnt war. Die Gegenwart muß beschämt stehen vor dieser Fülle und ‘Weite der Ansichten und dem Pathos, womit sie, auch spielend, das Leben beseelte. Wir haben das Recht, die ganze Romantik wie eine Person anzusehen. Wenn man heute wieder fasziniert zu ihr zurückkehrt, so ist es weniger, weil uns einzelne ihrer Erschei- nungen brauchbar oder reizend sind, als weil hier ein Einmaliges und Unverlierbares aus dem Chaos herausgehoben ist: das Denken als sinnliche Weltkraft sehr fragmentarisch und unvollkommen und unrein, doch einer künftigen Ausbildung vielleicht fähig und (gerade wegen seiner Anfänglichkeit) bedürftig, wenn auch kaum wünschbar. Hier sind vielleicht erste Anzeichen eines neuen Formprinzips neben Religion und Philosophie: ein neues Verhalten des Menschengeistes zum Unendlichen, und die Morgenluft, die diese Anfänge umweht, macht noch heute den Atem freier.

Die Renaissance und ihr Gefolge hatten das Individuum frei gemacht vom Zweckbegriff, aber seine geistigen Funktionen hatten durch sie dem Begriff der Persönlichkeit zu dienen. Die Romantik machte einen Anfang, diese Funktionen zu verselbständigen. Den- ken, Wünschen, Formen, Fühlen, Genießen werden Selbstzwecke. Damit ändert sich auch der Wert aller Ausdrucksmittel: das Wort vor allem hört auf bloß Mittel zu sein. In der Sprache liegen nicht mehr nur die Dinge, sondern die Bezüge. Die Begriffsbildung der Romantiker will ein von aller Wirklichkeit gelöstes Netz weben, während die Philosophen bisher immer eine Wirklichkeit einfangen wollten. Andrerseits soll dadurch das Wort, welches bisher im

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Sachbegriff aufging, die sinnlich-magische Selbständigkeit zurück- erobern, mit der es dem Chaos des noch werdenden Geistes ent- stieg. Die berüchtigte U-Romanze ist eine rohe Andeutung dieser Tendenz. Die spätere Romantik hat manches davon verwirklicht, besonders Brentano. Die Romantiker wollten den ganzen Kosmos des Geistes aus der empirischen Welt herausziehen und ihn in eine Musik verwandeln, in ein Reich ohne Grenzen und Dinge, in eine göttliche Einheit (Substanz) mit zwei Attributen: Bewegung und Sinnlichkeit. Bewegte Sinnlichkeit und nichts anderes sollte das All sein. Alle scheinbaren Wirklichkeiten und Festigkeiten waren nur da, um diesen unsterblichen Tanz und Fluß üppiger gleiten zu machen.

Die Wirklichkeit, mag sie nun Geist oder Natur sein, rächt sich immer an ihren Verneinern. Die Romantik hat es büßen .müssen, daß sie mit Gewalten spielen wollte, die mächtiger waren als sie, daß sie Grenzen und Dinge, die sind, hat leugnen und ihre sehr bedingte Menschlichkeit nicht nur zum Maß, sondern zum Inhalt der Welt hat machen wollen. Sie ist nicht tragisch untergegangen, sondern erbärmlich im Sand verlaufen. Die Formel dafür liegt in Goethischen Sätzen: „Wer zuviel unternimmt muß ein Schelm werden“ (er sagt es von Friedrich Schlegel) und „Absolute Tätig- keit macht zuletzt Bankrott“. Wieviel mehr erst das absolute Denken! Dies braucht immer neuen Stoff und wird nicht satt. Bei den Romantikern ist eine wahre Vielfresserei daraus geworden: alles wurde angeschmeckt, Naturwissenschaften, Philosophie, alle Literaturen. Wir verdanken freilich diesem Laster einige beste deutsche Übersetzungen, die Wiedergeburt der deutschen Alter- tümer, die Naturphilosophie, die Anfänge des Indismus. Wenn je, so ward hier aus der Not durch den Erfolg eine Tugend, die wir segnen wollen. Aber, wie gesagt, man sehe nicht in dem Nutzen, den die Romantik auf ihrem Weg gestiftet hat, ihr Wesen, in ihren Folgen nicht ihre Absichten. Demselben Trieb wie diese vielfachen Anregungen entstammen die unselige Pro- jektenmacherei und der genüßliche Dilettantismus des Ankostens,

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das aphoristische Antasten und Abtun aller Materien, die ungenüg- same Begehrlichkeit, die sich dann wieder satt und übersatt. ab- kehrte, wenn etwas einmal in ein Apercu verwandelt war. Die aphoristische Manier mußte übrigens Lieblingsform von Geistern werden, denen das Denken als Weltsubstanz galt. Denn wozu ein Ganzes formen, da alles gleitend ist? Entfließt nicht jeder angestochenen Stelle das gleiche Blut? Man begnügte sich, nur Stellen anzustechen. Zur Unersättigung des selbstherrlichen und rastiosen Denkens gehört auch der Menschenhunger eine weitere Ursache der Geselligkeit. „In der Freundschaft bin ich eine un- ersättliche Bestie“ (Friedrich Schlegel). Auch die Menschen waren nur Stoff wie die Wissenschaften und Künste, es blieb bei einem hastigen und eifersüchtigen Aussaugen dieselbe gefräßige Hast, wodurch Friedrich Schlegel seinen garstigen Tod fand. Und als alles verbraucht war, alles angezehrt und ekel geworden war, blieb denen, die nicht rechtzeitig starben oder abbogen, nur die Über- sättigung, die häßliche, fette Ruhe, das Untertauchen in behäbiger Frömmigkeit, die schwelgerische Betäubung. Friedrichs und Doro- theas Konversion hat, bei aller individuellen Rechtfertigung, die wir gern zugeben, etwas Widerliches. Das ist kein Versenken in Gott, es ist ein Mißbrauch des katholischen Prinzips (das doch auch ein Prinzip des Opfers ist) zur Stillung und Füllung leer ge- wordener Seelen. Diese Menschen hatten Gott nichts mehr zu bringen.

Wir haben vom metaphysischen Trieb der romantischen Schule gesprochen, es. erübrigt ein Wort über ihre zeitliche Erscheinung. Der Gegensatz zwischen jenem unendlichen Trieb und ihren irdisch bedingten Mitgliedern gehört zum Wesen. der Romantik. Sie geht nicht in ihren Mitgliedern auf, sie ist mehr als deren Summe.

Die Romantiker scheiden sich deutlich in die eigentlichen Be- weger, d. h. Getriebenen, und in die Teilnehmer, die diesen Be- wegungen Fleisch ansetzen und aus dem ursprünglichen, für uns nur noch zu ahnenden Leben Literatur und Gedanken oder Ten-

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denzen machen. Die Letzteren sind gerade die berühmteren und in der Literaturgeschichte wirksameren geworden, weil sie sich leichter mitteilen konnten. Da ist zunächst Tieck, der allregsame Literat und Dichter, der immer neue Masken fand, um mit seinem unglaublich gewandten, aber parasitischen Talent jeder Anregung Gestalt zu geben. Immer kam er mit, immer war er dabei, wo das vorderste Leben oder auch das tiefste zu sein schien, von Goethe bis Hebbel. Er besaß kaum ein eigenes Herz, und so erreichte er nur, was sich mit Literatur, mit Spiegelung erreichen ließ. Das Wirkende der Romantik selbst dürfen wir bei ihm nicht suchen, seine Gesichte und Formen sind von durchsichtiger Dünne; wohl aber können wir an seiner Produktion, wie an oberen Kräuselungen erkennen, was in der Tiefe sein Wesen treibt. Er hat die Romantik begleitet und überlebt und ist der treue, nie ganz verstehende Hüter ihrer Gedanken geblieben, auch als Nachlaßverwalter. Man darf seine Werke als Gefäße der roman- tischen Ideale ansehen, worin diese gebettet waren, ohne mit ihnen eins zu sein. Die Ehren, die ihm als Haupt der Romantik ge- zollt wurden, hatten ihren Grund eben darin, daß er der vollkom- menste, dem Verstand mögliche Ausdruck ihrer Tendenzen schien, und daß nach außen mit ihm allein, als dem Schöpfergeist der Gruppe, sich Staat machen ließ. Er schien den Makel der Ohnmacht von ihr zu nehmen, der heimlich die andern manchmal plagte. Im Stillen machte man sich wohl über ihn lustig. Er taugte zum Repräsentanten, selbst durch seine unschuldige und ge- winnende Eitelkeit, er war unantastbar und liebenswürdig in der Gesellschaft, ein hinreißender Vorleser und als Nachempfinder und Nachschaffer der beste Vermittler zwischem dem was war und dem was kommen wollte, dem was gefordert wurde und dem was man zubrachte. Brauchbarer war keiner als er.

Was Tieck als produktive Kraft vorstellte, war Wilhelm Schlegel als reproduktive und kritische. Schon viel angreifender, schärfer, ebenso bereit wie Tieck von überall her das Möglichste aufzunehmen, aber nicht als Stoff, sondern als Gegenstand. Tieck wollte in alles Lebendige

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hineinkriechen, Schlegel allem begegnen. Eitel waren sie beide und viele ihrer Leistungen haben wir dieser beständig regen Eitelkeit zu verdanken. Doch war die Tiecks unschuldiger und einschmeicheln- der (wie bei allen Menschen, die ihres Lebens erst froh werden, wenn sie es in irgend einer Formung mitteilen können); die Schlegels klug und wachsam, in seinem Bestreben immer der Vorderste an den Quellen zu sein und das erste Kennerwort zu sagen. Er besaß das Selbstgefallen des unschöpferischen Menschen, in welches die Furcht sich verkleidet. Solch einem machen die Sachen nur Spaß, wenn er sie mit sich identifizieren darf. So stand er auch zu den ihm nahen Menschen meist in einem halb gönnerhaften, halb feind- seligen Verhältnis, immer wachsam, wo er Seelenhoheit beweisen könne und zu Liebe oder Bewunderung dann am ehesten geneigt, wenn man seiner benötigte. Größeren Menschen Förderung oder Wohltaten zu erweisen war ihm Bedürfnis. So hat er seinem Bruder und Caroline geholfen, so hat er Goethes Ruhm gebahnt, zum Teil aus diesem Trieb hat er Shakespeare übersetzt. Bei diesem Wunderwerk, dem folgenreichsten der ganzen Romantik, haben ihn sicher auch noch andere Notwendigkeiten geleitet, doch auch das Hochgefühl, Protektor der Weltliteratur zu sein. Von diesem Pathos zeugt sein Sonett auf sich selbst. Er war eine kleine Seele mit großer Begabung und noch größerem Bestreben. Seine Verdienste bringen es mit sich, daß wir uns um seine Seele nicht zu kümmern brauchen und uns seiner Leistungen freuen dürfen. Zuletzt hat er ja nie für sich geredet, sondern für Größere, und wenn er die Ro- mantik als solche nicht unmittelbar förderte, so hat ihre praktischen und greifbaren Früchte er uns gereicht.

Vieleindringlichere und beseeltere Männer warenSchleiermacher und Schelling, die, von den Salzen des romantischen Bodens ge- nährt, nachher anderswohin wuchsen. Nur ein Stück ihres Lebens gehört bierher. Schleiermacher wurde durch die unruhige Gewalt Friedrich Schlegels in dies Treiben hineingezogen, und seine Teil- nahme geht nicht weit über seine Beziehungen zu ihm hinaus: Plato, Briefe über Lucinde, Reden über Religion. Er war ein

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leiser, gefühlig regsamer und fast eigensinnig-besonnener Mensch, sein ganzes Dasein eigentlich nur ein einziges Streben, ins Grleich- gewicht mit Gott zu kommen. Die Mittel dazu waren im Lauf seiner Jahre verschieden, Theologie und Pantheismus, Frauen und Freunde, und eine Zeitlang mag ihm wohl das Brausen und Wallen der Romantik, wie es ihm Friedrich zutrug, als das Meer erschienen sein, worin er selig untertauchen könne. Das war eine Selbst- täuschung, doch Gleichgewicht .und Bereicherung fand er auch hier. Seine Fähigkeit, jedes noch so konkrete und böse Erlebnis sanft zu vergeistigen, beruhte auf fast widerstandsloser und sinnlicher Weichheit der Seele, in die alles eindrang und die alles sich anver- wandelte. Seine Energie bestand darin, Schicksale und Erlebnisse in Religion zu verwandeln, selbst auf Kosten der intellektuellen Ehrlichkeit. In seinem Geist lösten sich wie in einer Säure die festesten Gegenstände auf. Von seiner Weite und Feinheit, der nur die platonische Fülle fehlte, sei hier nicht die Rede.

Dagegen war Schelling ein böser, metallener, breiter Schwabe mit dem Temperament einer Bulldogge. Bei ihm hatte verwegener Idea- lismus sich mit stämmigem Kraftgefühl durchdrungen, dem nichts unerreichbar und unumfaßbar erschien. Das Umfassen war seine wahre Lust; das Entlegenste zu verknüpfen, die weitesten Geister- striche unerbittlich zum Kreis um sich her zu biegen, Extreme zu vereinen, und ganze Bündel von Wissenschaften in sich zu verkochen schien sein Beruf. Man denkt an den rasenden Roland auf Böck- lins Bild ein ungestümer Koloß mit strotzenden Armen, zum Schlagen und Reißen bereit. An der Romantik zog ihn die Lok- kerung, das Durcheinanderwerfen an, der ihm ‚verwandte Drang, das Gebundene zu lösen und in neuen Verhältnissen wieder zu binden. Was ihn von ihr abstieß war die Spielseligkeit, was ihn festhielt war Caroline. Als sie tot war, ging er seinen eigenen Weg, zerfiel mit der Romantik, blieb Romantiker dem Wesen nach, durch den ungeduldigen Kampf zwischen der Fülle seines Inneren und der Masse der Wirklichkeiten. Er hat sein Leben lang den Körper zu seinem Geist gesucht, und Ruhe hatte er nur

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bei der süßen und großen Frau, die Leib und Seele der Romantik war. Auch von ihm gilt Goethes Wort: „Wer zuviel unternimmt muß ein Schelm werden“. Er blieb nicht immer ehrlich vor sich selbst. Auch Nietzsche fällt uns ein: „Die Schwaben lügen un- schuldig“.

Die drei Chorführer der Romantik, Schöpfer und Künder ihrer Geheimnisse sind Novalis, Friedrich Schlegel und Caroline. Novalis hat alle ihre Kräfte am keuschsten und vollsten gesammelt und sie am hellsten gespiegelt. Weil er jung gestorben ist, blieb er vor dem Romantikerschicksal bewahrt: das überschwengliche Treiben zu vermischen mit niedren Menschlichkeiten. Ein Jüngling, atmet er im kristallischen Äther von Jugend, wo selbst die Feuer und Fieber nicht an den Erscheinungen haften, sondern alles gleich heilig aufzehren. Daß er als Jüngling starb ist kein Zufall; seine ganze Mantik ist Vorgenuß von Tod und Übergäng. Viele seiner Sätze und Sänge klingen, als sei er schon drüben gewesen und habe die selige Gewißheit seiner künftigen Verklärung, innigerer Fleischwerdung mit herübergebracht. „Heiterkeit, güldene, komm, du des Todes heimlichster, süßester Vorgenuß.‘“‘ Solche bräutliche Heiterkeit hat ihn ganz ausgefüllt, ist ihm Religion und Lebens- stimmung. Sie teilt sich mit, wenn man sich ihm nähert. Er webt in unbeschreiblicher Ruhe bei der heftigsten Leidenschaft, dunkel und leuchtend wie mittägliches Meer. Unsterblichkeit ist ihm nicht ein abstrakter Glaube und Trostgedanke, sondern körperliches Gefühl, der Tod kein Schicksal von außen, kein Abschnitt, sondern ein actus und Zustand zugleich, ganz sinnenmäßig empfunden, die Zeit, da alles ein Leib wird, kein eschatologisches Gespinnst, son- dern Sinnbild eines höchst persönlichen Erlebnisses. Seine Sehnsucht nach der blauen Blume ist nicht der Ausdruck einer inneren Un- befriedigung, sondern das Atemholen, das Aus- und Einziehen der Welt in die Seele, ein unsterbliches Gleiten von einem Leben in das andere. Und so hat er sich wirklich erotisch eins mit dem All gefühlt. Sein Leben hat er in hochzeitlicher Erwartung und Erregung zugebracht; der Tod war ihm das Fest der Vereinigung,

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seine Lieder sind Hymenäen, die bald unter christlichen, bald unter magischen Symbolen die Braut, die Brautschaft, die göttliche Ver- mählung feiern. Und zwar war ihm die Hochzeit Mischung und

Kampf: Der Kampf derfElemente

Ist der Liebe höchstes Leben Und des Herzens eignes Herz.

Dies beherrschte all sein übriges Denken und war seine Form des Gleichgewichts und des Universalismus. Wie das Denken Schleier- machers eine subtile Dialektik, ein Wägen, das Schellings ein Er- greifen und Zusammenbiegen, das Friedrich Schlegels ein Kosten und Fordern genannt werden darf (das Goethes ein Bilden, das Kants ein Abgrenzen), so war seins ein Mischen, auch ein Schweifen um des Mischens willen. Er war nie auf der Suche, aber immer unterwegs und überall heimisch, weil überall im Mittel- und Misch- punkt der Welt. Weniger seine Dichtergabe, obwohl die größte der Romantik, als seine seherische und jünglingshafte Sicherheit scharte die abenteuerlichen, mehr oder weniger des Gleichgewichts bedürftigen Gesellen um ihn. So ist er der eine Brennpunkt der Romantik geworden, Caroline war der andere. Über diese hatte er weniger Gewalt, weil sie selbst ein Zentrum hatte. Friedrich Schlegel verkörpert das äußere und innere Schicksal der Romantik unmittelbar, ein faszinierenderund verderblicher Mensch. Seine Begabung war grenzenlose und dabei expansive Empfänglich- keit. Er hat in die Romantik erst die Erregung gebracht und ihr Tempo bestimmt, sein Genie ist der Gärstoff, der alle einzelnen Geister durchsäuert hat. Er ist der Genius der romantischen Ge- selligkeit. Er hat ihr zwar nicht ihren Gehalt und ihre Form, aber ihr Temperament gegeben, und ihm ist auch vielleicht ihr Verfall zuerst zuzuschreiben. Er war der Anreger, er brachte die Stoffe und die Menschen zueinander, durcheinander. Nichts ließ er zur Ruhe kommen, ungeduldig, abenteuerlich, ungenügsam, gewaltsam verfeinert und brutal, eifersüchtig und überzart. Nichts tat ihm genug, was sein war und nichts ließ ihm Ruhe, ehe es sein war.

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Beständig war er gespannt sich hinzugeben, aufzuopfern oder etwas zu vergewaltigen. Seine Kunst, Menschen und Dinge zu finden, anzulocken und zu verwirren, war fast dämonisch. Die Begeisterung war ihm Genuß, das Philosophieren Spiel, das Lieben Experiment. Greeborener Schauspieler und Selbstbeobachter, war er gierig auf alle Reize aus und vermochte die feinsten zu zerlegen und zu zer- stören. Der wachste und voreiligste seiner Genossen, konnte er nichts Werdendes auswachsen lassen, hielt unter die Früchte noch das Licht, um sie schneller zu reifen. Ein unsteter Projektemacher war er und geschwätzig über angebrüteten Plänen. So gab er freilich fast allen mannigfache Anregungen, aber löste auch vieles durch sein Zickzack und Mißtrauen und Hetzen auf, ehe es ge- festet war. Gedanken, die einer fruchtbaren Stille wert waren, wurden zu Geschwätz und Literatur verarbeitet. Was auf dem Weg war sich zu bilden, warf er in Splittern vorschnell aus. Aus der Flut machte er Wellenspritzer und aus der Flamme Funken. Soweit Mysterien ausgeschwatzt werden konnten, hat er sie aus- geschwatzt und den Reichtum, der in ihm selber war, verarmt und verflacht. Dabei war er ein Genüßling, kein böser, freilich auch kein gütiger Mensch, nur ohne jedes Gewissen. Es kam ihm nicht mehr auf die Sache an, wenn er sein Spiel mit ihr getrieben hatte. So kostete er früh sich selbst und die Welt stumpf und erkaufte, fett geworden, die Ruh der Seele durch ein sacrificio del intelletto und mit unterirdischem Mönchshaß gegen das helle und schöpfe- rische Leben.

Dorothea ist nurdurch ihn und neben ihm zu denken. Er hat sie gefüllt und ihre eitle Seele hatte keine andere Aufgabe, als ihn zu spiegeln. Regsam und empfänglich, anschmiegend und wach, mit zudringlichem und nie unbefangenem Verstand, machte sie alle Schillerungen Friedrichs mit und trägt seinen Fluch und hat nur dies vor ihm voraus, daß sie eine wahrhaftige Hingebung bis zum Opfer treu bewährt hat, weiblich, fast hündisch., Sie ist merk- würdig als Medium, worin das sprunghafte Wesen Friedrichs steter und in einer Folge sich mitteilt.

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Die romantische Frau ist Caroline. Wenn Novalis der Geist und Friedrich das Temperament der Romantik war, so darf sie deren Leib und Seele heißen. Liest man ihre Briefe, so scheint alles um sie her nur ihr Atem. Sie ist eine der großen Frauen der Geschichte, ein geborener Mittelpunkt, ein elementarisches und mit Verhängnis geladenes Wesen, voll Zauber und Verderben, voll tröstlicher Weisheit und ruhigen Kindersinns; mit jeder Lockung und Gefahr der Sinnlichkeit ganz durchtränkt, ganz Leib und bis in die Fingerspitzen beseelt, ein rührendes und mächtiges Geschöpf. Man begreift, warum manche der tiefsten Kräfte der Romantik nicht zu Produktionen werden konnnten: sie waren gleichsam in dieser Frau gebunden. „Bewegte Sinnlichkeit“, der Inhalt der Romantik, war ja hier körperlich unter die Sucher gestellt. Hier war das Fleisch Seele geworden, nicht durch christliche Entkörpe- rung und mystische Umkehr, sondern gerade durch Erfüllung seines eigensten Sinns, im Sonnenlicht des Genusses und in der Luft des alltäglichen Geschehens. In diesem Sinn steht sie gegen No- valis, der die Fleischwerdung des Geistes sang und in. sich erlebte. Und wie Caroline ihr Sinnliches zu Seele umschuf, so auch ihr Schicksal. Diese Zarte, Holde, Empfängliche war durchaus heroisch gestimmt und was ihr widerfuhr, verwandelte sich unter ihrem sanften und festen Willen in Notwendigkeit und Harmonie. Ihr Leben steht unter einer göttlichen Gerechtigkeit. Als deren Trägerin und Botin empfindet sie sich auch andern gegenüber, was ihr bald als Kälte, bald als Koketterie ausgelegt wurde. Sie konnte von nichts befleckt werden, keine Hingabe machte sie zur Sklavin, immer blieb sie unbefangen und im Gleichgewicht. In ihr ist keine Spur von Hysterie, Lüsternheit, Empfindelei. Mit der seherischen und unerbittlichen Unschuld eines Kindes schreitet sie sicher durch Menschen und Ereignisse; alles empfindend und nichts betastend, stolz und geduldig, nie satt und nie gierig, heiter wie eine antike Göttin und bräutlich still vor dem Göttlichen, das sie in allem Leben walten fühlte, voll leiser Fieber und Verführungen und mit hellem Bewußtsein ihres Wertes wie ihrer Gefährlichkeit. Wir denken

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an Monna Lisa. Auch sie lächelt jenes unsterbliche Lächeln. Und damit ihr das weiblichste Geschick nicht fehle, ward sie Mutter und ihre Mütterlichkeit wuchs ihrem frauenhaften Reize zu. Ihre Tochter hatte ihr Wesen geerbt, aber dies Kind sollte schicksallos bleiben wie der schlafende Säugling. Was bei der Mutter Er- füllung wurde, ist in Auguste Böhmer Hoffnung und Geheimnis geblieben und um so vieles unendlicher. Das frühentrückte Seel- chen erscheint wie ein Wahrzeichen vom Tod der Romantik, da sie eben in Karolinens Stelle hineinwuchs. Daß sie starb, hat der Romantik ihr unverbrauchtestes Herz vor der Zeit geraubt.

Von zwei genialischen Menschen, Ritter und Hülsen, ist die Wirkung in derRomantik fühlbar, aber noch nicht genügend erforscht, um in einer Auslese des Bekannten Platz zu finden. Wir erwarten aus dem Nachlaß dieser beiden wesentliche Einsichten in das Ro- mantische und die rundere Kenntnis zweier Geister, deren Frag- mente aus einer ahnungsvollen Weite und Tiefe zu kommen scheinen.

Noch einige Sätze über die romantischen Briefe.

Die eigenste Ausdrucksform des romantischen Geistes war sicher das Gespräch. Wem es nicht auf Begriffe und Gestalten, sondern auf Bewegtheit, nicht auf Ordnung und Organisation, sondern auf Mischung ankommt, muß den Augenblick anbeten und den Aus- flüssen der plötzlichen geselligen Inspiration sich am willigsten hin- geben. Welches Leben in der Romantik war, könnten wir an- nähernd nur erfahren als Zuhörer dieser Redelustigen. Auch mag erst am atmenden Wort ihr Geist sich entzündet haben. Begriffe wie „Ironie“, „Witz‘“ und die „ovu‘“‘ können ihre besondere Farbe nicht am Schreibtisch, sondern nur im unberechenbaren Wechsel- gespräch und dessen Erfahrungen bekommen haben. Die „Frag- mente‘ sind erst verständlich aus jener geselligen Luft heraus und selbst vieles der gesamten Produktion entsprang zum Teil solchen redseligen Instinkten. Die Umstände hielten die Romantiker viel getrennt und Briefe dienten als Ersatz der unentbehrlichen Gremein- samkeit. Aus dem dialogischen ward ein monologischer Zusammen-

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halt. Die Briefe sind nicht nur Parerga, sondern auch Behälter ihres eigentlichen Produktionsmaterials; bei den Frauen sogar fast die einzige Produktionsform. Nur so rechtfertigt sich eine Sammlung und Auswahl. Selbstverständlich gibt es von den Romantikern auch nichtromantische Briefe, Geschäftszettel, Mitteilungen, kurz Beiträge zur äußerlichen Biographie, die etwa soviel Wert zur Geistesge- schichte haben, wie Kleidungsstücke. Wenn dergleichen mit Eifer und Philologie gesammelt wird, so ist das ein Auswuchs des In- dividualismus und beruht auf der Verwechslung von individuell und privat (sofern es nicht nur bescheiden Stoflsammlung bleiben will für künftige Einschmelzung). Individuell nenne ich eine nur einmal mögliche Form oder Bewegung des unsterblichen, unendlichen, gött- lichen Lebens, das eben in ihr und durch sie sich begrenzt und faßbar macht. Das Private sind die zufälligen Funktionen oder Schicksale, die dem Menschen als einem beschränkten Erdenwesen aufgenötigt werden. Dies ist allen Menschen mit allerlei Ab- wandlungen gemein und umfaßt das bürgerliche Dasein, die Ge- burt und das Sterben, die Staatszugehörigkeit, kurz den em- pirischen Lebensgang; da unterscheidet sich Goethe nur wenig von Fritsch. Darüber geben nachgelassene Zeugnisse freilich fast immer Kunde; nur wissen wir damit über das Leben eines Menschen, über die Kräfte noch nichts, um derentwillen wir uns um ihn kümmern müssen. Es ist eine gefährliche Plattheit, in äußeren Anhälten wesentliche Bedingungen des Schaffens zu sehen und die Milieu- theorie in ihrer heutigen Anwendung ist keine Errungenschaft, sondern eine Verflachung. Von Shakespeares und Dantes indivi- duellem Leben wissen wir mehr als von dem Schillers, weil es ihnen ganz Gestalt geworden, während es diesem vielfach Trümmer geblieben ist. Hundert überlieferte Handlungen sagen nicht soviel über das Wesen eines Menschen aus wie eine einzige Geberde. Das Wie offenbart, nicht das Was. Gewiß kann jedes Private mit individuellem Geiste durchdrungen und individuell werden. Die jenigen sind die großen Lebenskünstler, deren umbildende Kraft bis in die letzten Zufälle reicht, so daß ihr ganzes Leben eine Not-

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wendigkeit, ein Organismus, eben „individuell“ wird. Nur wo auf diese Weise das Private vernichtet wird, geht es uns etwas an. So hat Goethe in Dichtung und Wahrheit seinen Lebenslauf umge- deutet und symbolisch gemacht, nicht aus Interesse für seine Privat- person, sondern als typisches und allumfassendes Beispiel, wie das Unsterbliche unter gewissen Bedingungen sich ausbilde. Wer hier, wie im Werther oder im Tasso nach Biographie von Modellen schnopert, erfährt nicht nur nichts von Goethes Dichtungen, son- dern auch nichts von seinem Leben und bleibt ein neugieriger Barbar. Grerade auf Goethe dürfen sich die Erforscher seiner Privatverhältnisse am wenigsten berufen, gerade sein Privates hat er immer verbergen, sein Individuelles immer gestalten wollen, und was er uns nicht selbst entgegengeformt hat, damit wissen höchstens die ganz Wenigen etwas anzufangen, denen jene Fähigkeit symbolischer Umbildung eignet. Alles andere bleibt gewöhnliche Klatschsucht im wissenschaft- lichen Mantel. Völlig absurd wird aber das bloß biographische Stöbern, das willkürliche Verknüpfen von Daten mit Inhalten bei Dichtern, denen die Goethesche Tendenz zur Verschmelzung von Zufall und Notwendigkeit, der Trieb das eigne Leben gesetzlich zu machen, nicht das Beherrschende ist. Nur Schlüsselromane be- dürfen biographischer Kommentare, aber nicht weil sie Werke, son- dern weil sie Klatsch sind. Einen Lebenslauf als Organismus typisch darzustellen ist der Sinn guter Biographien und hat einen hohen Wert, wie jede Synthese. Aber aus aufgedröselten Lebens- daten aufgedröselte Werke erklären zu wollen hat gar keinen Wert.

Die Auswahl der Romantiker-Briefe würde ich nicht übernommen haben, wenn ich nicht in ihnen eine wesentliche Ausdrucksform dieser Bewegung sähe. Was bloß privat, biographisch, literarisch, spintisierend ist, ohne die besondere romantische Lebendigkeit, wurde ausgelassen; was von dieser Zeugnis ablegt ist aufgenommen. Wer das Biographische und Literarische sucht, darf sich ohnehin nicht an eine Auswahl wenden. Auch diese Einleitung gibt natürlich nur Umrisse von Geist und Seelen.

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Die Romantik nehme ich als ein Individuum und habe daher die zeitliche Anordnung durchgehalten, nicht unter Briefschreiber verteilt. Bei der Auswahl waltete keine Rücksicht auf Ruhm und Ansehen der Person, sondern nur darauf, ob die betrefienden Briefe für das Romantische unmittelbar bezeichnend sind. Haben doch gerade die literarisch produktiven Naturen, welche sich in ihren Werken einigermaßen ausgeben und plastisch machen konnten, ia Briefen weniger offenbert. Die reichsten Zeugnisse stammen von Nowalis, Friedrich und Caroline, und Dorothea spiegelt gut. Nur einige Briefe an Goethe sind, obwohl unmittelbar weniger bedeutend, eingefügt, weil die Beziehungen zu Goethe zum Gresamtbild der Romantik gehören. Der Allgegenwärtige war eben auch eines der Elemente, die im Strom mitgewälzt wurden; auf Richtung wand Schnelligkeit des Stroms hat er kaum Einfluß, höchstens auf die Farbe der Wellen. Teilnehmer der Romantik, die früher oder später eignen Trieben folgten, wie Schleiermacher und Schelling, kommen selbstverständlich nur soweit und solang sie romantisch sind, bier zu Wort. Die katholischen Äußerungen Friedrichs und Dorotheas (wenn auch mehr von einem typischen Ende tiberspannter Genießer schleehtkin Kunde gebend) stehen als Abschlußsymptome da, wie man ja wohl auch den Tod mit zum Leben rechnet.

Ein zweiter Band soll brieflich darstellen, wie diese ersten ro- mantischen Anstöße fortgewirkt und sich umgestaltet haben m der zweiten Romantik oder in versprengten Individuen. Freilich be deuten dabei die Briefe nicht so viel neben den Werken. Die Spätromantiker waren, Bettina ausgenommen, die das Briefschreiben als Literatur trieb, mehr produktive als geistreiche Lente und sangen oder fabulierten, was ihnen auszudrücken gegeben war.

DARMSTADT, JANUAR 1907

Earoline an Lotte Michaelis [1] Clausthal, 20. März 1786 Mich deucht, ich fehe hier den Winter mit leichterem Herzen fommen, als den Frühling. Der Winter darf nun einmal rauh fein, und die Natur im Winter arm und kalt. Auch feh ich die Hälfte des Tages über nidyts von ihr, und bin die andre Hälfte ungeftört ich, in meiner Stube. Der Frühling madje mir Heim» weh; es ift immer die Jahrszeit füßer Schwermut; but, as there is no occasion for a sweet one, fo wird dann eine bittre draus. Doc wer weiß, was das für taufend Eleine Urſachen find, die mich diefen Abend unzufrieden machen und mit denen die wärmere Gonne nichts zu ſchaffen hat. Ich weiß es felbft nicht. Meine eigne Loft drüdt mid. Es geht mir immer fo, wenn ich einmal lange nicht über mich nachgedacht habe und halte dann Revue es findet ſich fo vieles zu verbefjern, die edle Tätigkeit ift fo fchlaff geworden, und man merft dann, wenn man menigftens unparteiifch mit ſich umgeht, daß beinah alles, was uns Mißmut macht, eigner Mangel derfelben war. Hernach wird es wieder beſſer man ift wieder beffer bis man von neuem finft und fi) von neuem erhebt. Ich freue mich, daß ich das erfte bad wahrnehme; aber weil ich weiß, wie leicht es ift, mit fehen- den Augen blind zu fein, fo warne id Dich fo oft, meine liebe Schweſter, welches Du mir nicht übelnehmen muft; das mürde nichts helfen, ich laffe nicht ab, Dich zu erinnern, folange Dein Schickſal unfidher if. Quaͤlen will ih Dich nicht, nur möcht id) wohl, daß Dir Deine Sreuden dann und wann ein wenig zittrig fehmedten, damit die Sicherheit des Genuffes Dich nicht zu meit führe. Mißfallen habe ich ja weiter gar nicht geäußert. Nimm Did nur ja immer vor der argen Welt in adjt; ich fehe nicht recht ein, wie das noch gefchehn Fann, da Ihr fo mutwillig feid, und es kommt doch fo viel darauf an.... 22. März Hätte nicht brauchen in DBorrat zu fchreiben, da die Donna erft morgen mweggeht. Sie wird hinunter geregnet werden; wir ı Romantiler«Briefe 1

haben heut ordentliche Gemwitterfchauer gehabt; und bei Sonnen untergang die prächtigfte Erleuchtung, auf die die Gonne traf: tieren kann. ber ich für mein Teil bin nicht wohl, ich fläche die Seder lieber unter die Nachtmütze, als daß ich fie zwifchen Singern halte ja diefe Begierde wird fo leidenfchaftlidh bei mir, daß ich ihr nachgeben Abfchied von Dir nehmen muß. Nur das noch, ob Du nichts zu lefen für mich haft? Ich ver: trodne feit einiger Zeit, weil alle meine Bücherquellen fich ver: ftopfen. Marianne ſchickt nichts Blumenbach ift ein Gevatter Johannes Mad. Bolborth hab ich den Kauf aufgefage Du? und fo gehts mir wie dem, der Gäfte laden wollte, und alle entfchuldigten ſich. Sans comparaison mit den Blinden und Krüps peln, nun bitt ic; Meyern, ecftlid um etwas Amüfantes gut zu lefen, wenn man auf dem Sopha liegt. Das muß Fein Koliant fein, fondern was man mit einer Hand hält. Wohl möcht ich neuere frangöfifche Trauerfpiele, Eleine Romane, Memoires oder auch etwas Ernfthaftres. Gott! er muß es ja wiſſen. Mir ift alles willkommen, was ich nody nicht gelefen habe. Zweitens möcht id) etwas zu lefen, wenn man auf dem Sopha fißt und einen Tiſch vor ſich hat, als ältere englifche Gefchichte aus Alfreds Zeiten, und den 4. Teil von Plutarch (die andern hab ich ge= lefen). Alles auf einmal will ichs nicht. Bei der nädjften Ges legenheit fommt auch Windelmann und Dffian wieder. Betreib dies ein bißchen für Deine Schweſter; es ift unverantwortlich, daß man mich fo gleichgültig zum Afchenbrödel werden läßt. Mad; es Meyern wichtig. Bekomme ich nichts, fo glaub ich nicht an Deine Gewalt über ihn. Die Drohung zeigt Dir mwenigftens, daß es mir mit meinem Wunſch ein Ernft ift.

Mir ift wirklich übel,zumut. Ich muß! mid, ausziehn. Leb wohl, meine Liebe, liebe mich, folge mir und forg für mid).

Caroline

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Caroline an Lotte Midaelis [2] Clausthal 1786 ... Gib mir Deine Philofophie aufzuheben, bis Du fie wirk⸗ lich brauchſt fie fol vom Tragen nicht fchlechter werden. Was ich dagegen einwenden Fönnte, damit bift Du mir fehr ſchlau ent⸗ gegen gegangen nun muß ich ſchweigen. Nur merk Dir das, fie hält nicht länger Stich, als der Genius der Jugend und reis heit über unferm Haupt. Gie entfpringt aus der Situation, und nicht die Art, mit der wir die Situation anfehn, aus ihr. Gie ift mie die Sreude, die vor dem Kummer flieht. Gei Du glüd: id, folange Du Fannft. Früh genug wird die Stunde Fommen, die den Zauber bricht, mo das große Intereſſe des Lebens ver: ſchwindet ein Tag dem andern ohne Sturm und ohne Ruh folgt, und das Tränen fparen Roſen brechen ſich in Trä- nen verbergen und Tränen trod'nen verwandelt. Daß hohe Tu- gend überfpannter Geift wär das hat ſich Meyer von TIherefe abftrahiert. Er kann recht haben, ob ich gleich wünfchte, er hätt es nicht, denn warum darf überfpannter Geiſt nidyt Natur warum nicht höhere Natur fein?...

Caroline an Lotte Michaelis [3]

Clausthal, 28. Mai 1786

Ich bin nicht unglüdlich, mwenigftens nicht durdy meine Lage, ja was jag id) wenigftens? Bin ichs denn überall? Nennt ers ein Unglück, eine Ceele zu haben? Go ſcheints mir beinah. Es war eine Zeit, wo Therefe ſich alle die unglüdlidy dachte, die fie liebte, daher fchreibt fi) das. Gie ift von diefer Grille zurück⸗ gefommen. Gie glaubt an Glüdfeligfeit. Die meinige ift nicht überfpannt, aber ich bin ihre Echöpferin, fiel mir auch in den erften Zeiten wohl der Gedanke ein warum mußt Du bier Deine Yugend verleben, warum Du hier vor fo vielen andern; und vor manchen doch fähig, eine größere Rolle zu fpielen, zu

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höhern Hoffnungen berechtigt? Das war aber Eitelfeit. Yest fagt mir mein Stolz, was ich habe, ift mir gegeben, diefe Situation zu tragen, mich felbft zu tragen. Ich bin fehr zufrieden. Ich leugne es nicht, es im Anfang nice geweſen zu fein. Das Flagte ich freilidh Therefen. Biel Fam mit daher, daß ich nicht gefund war, nie fo fehr wie jeßt, und das ſchwaͤcht meinen Kopf, und Schwäche erzeugt bei mir immer glühende Phantafien. Die Eön- nen nicht anders wie fich zur ZTraurigfeit neigen mit meinen fonftigen von entzüdter Schwärmerei entfernten Gefühlen. Wie wenig Gegenftände gibts, mo die halbiweg vernünftige Einbildunges- Fraft fi) an Freuden übt. Ich bin nicht mehr Mädchen, die Liebe gibt mir nichts zu tun, als in leichten häuslichen Pflichten ich erwarte nichts mehr von einer rofenfarbnen Zukunft mein Los ift geworfen. Auch bin ich Feine myſtiſche Religions: Enthufiaftin das find doch die beiden Sphären, in denen ſich der Weiber Leidenfchaften drehn. Da ich alfo nichts Nahes fand was mich befchäftigte, fo blieb die weite Welt mir offen und die machte mid; weinen. Da ift immer die Rede von fchtvachen Stunden. Weh mir, wenn in guten es mir an Sreuden man- gelte. Go eingeſchraͤnkt bin idy nicht. Durch Intereſſe an Din- gen außer mir, durch Betrachtung, durch Mutterfchaft, durch alles was ich fu, genieß ich mein Dafein....

Caroline an Lotte Michaelis [4] Clausthal 1786?

... Augufte ift unausfprechlidy liebensmärdig, fchön wird fie gewiß nicht, da fteht ihr Näschen im Weg, aber jet hat fie alles, was Schönheit erfeßt, und Gott gebe, daß fie gut werde.

Caroline an Lotte Midhaelis [5] Clausthal, März 1787

Streu Dich für mid, idy hab heute ſchon wieder fpazieren gehn Fönnen. So gräßlidy die Welt vorgeftern ausfah, fo ſchon ift fie jet, voller Sonnenſchein und Borbedeutungen des Fommenden Gottes id weiß nicht, welches Gefchlechts der Krühling ift oder Göttin, alſo denn ich mill ihnen nicht zu nahe tun mie Du die nur einen Buben für mas redits hält. Nimmer werdet ihr veriwahrlofeten Mädchen dody eure Natur verleugnen, oder der gemeine Haufen die erften Vorurteile ablegen. Ich gebe feinen Heller für einen ungen, als infofern idy mich herablaffend ſchmiege zu andrer Glauben. Und wird es ein Mädchen, fo folft Du es wohl gern nennen, denn es Friegt einen Namen der gut lautet, obgleich Bafen und Bettern dagegen fchrein, und ſich das arme Wefen durch nichts als überſchwengliche Liebwürdig- feit von der vorgefaßten Meinung wird retten Fönnen, die auf feinem Gefchlecht und Namen ruht. Aber Du mollteft mir ja einen für einen Jungen angeben, tu es bald, oder ich. nenne ihn in der Desperation Johann Georg oder David Ludwig. Ein Unglüd ift es, dag Du fo oft auf Kragen nicht antiworteft; feinen fie Dir gleich unbedeutend, fo wiſſe, daß fpartanifches Gewicht auf ihnen ruht, Feine gefchieht überflüffig als zum Beifpiel: fol ich meine meißen Kleider plätten laffen, oder nicht. ....

Grüß Louifen Michaelis herzlid,, und fie follte gern kommen. Laß fie gleich mas zu lefen mitbringen, nad) dem Ideal des Chevalier de Ravannes. Anders gilt nidyts vor und nach dem Wochenbett. Gott, wie war ich dody das vorigemal fo herunter, daß ich, die den Arioft nie mit der geringften Bermegung las wie das in der Überſetzung auch wohl nicht möglich ift, fondern über das Getürm von herzbrechenden und lanzenbrechenden Aben» teuern leicht hinwegglitſchte, nun mit höchftgereizter Einbildungs» kraft jeden Riefen und Drachen fah, zifchen hörte, und heulen fonnte über die Schöne, die ihren unverwundbar geglaubten Hals

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zur Probe dem Schwert darbot. Ganz fo arg, daͤcht ich, Eönnt es auch bei gleichem Leiden nicht wieder werden, denn ich bin vorher getvaffnet, und jene Zeiten waren überall eine Krifis der ſchwaͤrmenden Bernunft: Wörter, die fehr wohl zufammen paffen, ohngeachtet es nicht fo fcheint. Recht neugierig bin ich, wie es mir diesmal gehen wird. Da kommt Augufte: fihreiben an Tante Lotte: Auta ift ein gut Kind mie ich fchrieb Auta, fagte fie: heißt Auta. Lotte, ich ſchwoͤre Dir, Du mürdeft Dich bis in die Kingerfpigen des Mädchens freuen. Gern hätte ich die Borrede von Schlözer, und etwa fonft noch was, nur da- mit die Botenfrau das Anfehn eines füßen Padefels nicht ganz berliert....

Caroline an Lotte Michaelis [6)

Clausthal 1787

... Augufte ift reizend lieblich, ich bete fie an, das zu hof:

fende Kind ift nur ein Unfepauz (?) in meiner Einbildungsfraft, ich lieb es nicht vorher, wie ich jene liebte... ..

Caroline an Zuife Öotter [7] Göttingen, 8. März 1789

... Ich komme nicht zu Dir, ich darf alles was Du mir fo lieb- reich anbieteft, Dein Haus, Deine Gefellfehaft, die Sreuden der Erinnrung der erften glüdlichen Jahre meiner Jugend, die eine fo ganz andre Zukunft zu meisfagen ſchien, ich darf fie nicht annehmen, meil id} eine andre Reife zu madjen habe, und welche die ift, das errätft Du leicht. Mein Bruder bot mir fein Haus an, fobald ich meine Heimat verloren hatte; der Zuftand, in dem ich war, und die Wünſche meiner Eltern, denen id) leicht nadjgab, weil ich nicht die Kraft haben Fonnte zu überlegen, zu

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einer Zeit, wo ich fie alle aufbieten mußte, um dem Unglüd zu moiderftehn, machten, daß ic; damals wenig Rüdficht darauf nahm, und es ihm vors erfte ganz abſchlug. Wie idy aber nad) und nad) die Berhältniffe in einem helleren Licht zu fehen anfing, mie id) in alle diejenigen zurüdlfehrte, die man mit einem Herzen, das jenfeits feines Grams nichts mehr erblidt, fo leicht vernach⸗ Läffigt, und die wiederholten Bitten meines Bruders binzufamen, da reifte der Entſchluß, den ich nun gefaßt habe. Ich glaube er ift gut, und das muß mir mandjes Opfer verfüßen, das id; ihm bringe. Dort fann ich nüßlidyer und tätiger und freier fein für mid), und mas mid) eigentlich beftimmt, für die Erziehung meiner Kinder. Gie find das einzige, worauf ich ſicher rechnen können muß, fie find meiner Glüdfeligteit notwendig, und ich fühle, daß fie ein mir anvertrautes Gut find, das ich alfo nie nach; meinen Konvenienzen behandeln darf. Erziehung ift nad) meinem Begriff nicht Abrichtung, das ift ein Zweck, den ich durch Strenge allenthalben erhielte es ift die Entwidlung der an- gebornen Anlage durch die Umſtände und diefen getraue ich mir bier, wo idy meine Kinder nicht allein habe, wo fie unter dem Einfluß des Beifpiels ftehen, nicht fo entgegenarbeiten zu Ffünnen, daß fie würden, was ich aus ihnen machen möchte meine Kunft, die eigentlich Feine Kunft.ift, fondern nur eine gewiſſe LIntätigkeit, welche höchitens vor böfen Gewohnheiten zu bewahren und die erften entfcheidenden Eindrüde zu lenken fucht, traut ſich das nicht zu, und fo till ich lieber den freien Boden wählen, to fie gedeihn muß, wenn Kinder ihren Eltern gleichen, als mich der Gefahr ausfegen, fie mißglüden zu fehn. Ich Eönnte doch auch für die Zukunft nicht ruhig daran denken, Töchter, die keinen Eduß haben wie ihre Mutter, auf einer Univerfität erwachſen zu fehn. Mlarburg] ift zmar auch eine, aber es hängt ganz von mir ab, inwiefern M. es nicht fein foll, ich erwarte überhaupt nichts von dem Ort, und es ift bloß der, wo das Haus meines Bruders liegt, mo ich mehr Einfamfeit, Sreiheit und Ruhe finden werde. Die Sreude, die ich diefem Bruder mache, felbft der

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Nutzen den ich ihm leiften Fann, ift ein Bewegungsgrund, der ſchon hinreichend wäre, ohngeadhtet er mein erfter nicht ift. Dir braucht ich vielleicht nur diefen anzuführen, aber hier, mo man nicht ganz begreift, warum id) eine ganz angenehme Gituation mit einem offenbar weniger angenehmen Aufenthalt verwechfele, will man ihn nicht gelten laffen, und ich kann doch nicht wohl einen andern nennen. Es wird mir auch ſchwer von hier zu gehn, das leugne ich nicht, Göttingen ift eine Stadt, von der im Allgemeinen nicht viel £röftliches zu fagen ift, allein in Feiner von fo geringem Um⸗ fang wird man fo viel einzelne merfwürdige gefcheute Menfchen antreffen, und id) Fonnte diefe einzelnen genießen, und brauchte mid) an den Zon des Allgemeinen nicht zu binden, wenn ich da= für leiden wollte, was ſich nady Weltlauf gebührt. Ich hatte ein bequemes Leben, ich mag aber Fein bequemes Leben haben, wenn es nicht ewig dauern kann. Kurz, das Loos ift nun ge= worfen zwiſchen Oſtern und Pfingften werde ich abreifen. : Was aus unferem Wiederfehn wird, das wiffen die Götter! Go offen wie jeßt alles vor meinen Ginnen da liegt, fo jeder Moͤglich⸗ Feit untertworfen, verzweifle ich an nichts, ich ertvarte aber aud) nichts mas mein Wille kann, das wird er und mas die Notwendigkeit fordert, werd ich ihr einräumen, doch niemals mehr ihr geben, als fie wirklich fordert...

Könnt id nur einmal die balfamifche Luft eines fo milden Himmelftrichs einatmen, nur einmal im Regen der Drangenbläten fpazieren gehn, ein munteres Volk fehn, oder das Gchaufpiel tmärmerer Leidenfchaften, als unfre gemäßigte Zone auffommen läßt auch fromme Wünſche! doch eröffnet mir das Leben mit meinem Bruder eine etwas mweitre Ausficht, ich komme den Rheingegenden näher. Es ift doch betrübt zu wiſſen, daß man noch gar nichts Gchönes gefehn hat.

Tieck an Goethe (8) Berlin, 10. uni 1789 Ich bin fo dreift, Yhnen dies Eleine Buch zu überſchicken, nicht, teil ich es für würdig genug hielte, von Yhnen gelefen zu merden, fondern weil ich endlich dieſe Gelegenheit ergreife, um Ihnen meine Verehrung und liebende Bewunderung zu befennen. Es ift ein großes Glüd, der Zeitgenoffe eines großen Mannes zu fein, denn die Liebe, mit der wir das Edelſte und die Kunft um» fangen mödjten, findet dann einen wirklichen Gegenftand vor fih, da uns die Künftler der Vorwelt in vielen Stunden nur mie Traumgeftalten erfcheinen. Ich habe es mir oft gedacht, mie glüdli” ich mich fühlen würde, wenn ich mit Shaffpearr ſprechen, wenn ich ihm ſchreiben Fönnte, und doc, bin ich nicht zu furchtſam diefen Brief fortzufegen. Bergeben Gie mir; mie gluͤcklich würde idy mich fehägen, wenn ich Gie einmal fehen Fönnte, um aus Ihrem Mund zu hören, ob und mie ich auf der Bahn fort gehn follte, die ich vielleicht zu leichtfinnig und voreilig betreten habe.

Caroline an Meyer

| [9] Marburg, 24. DEtober 1789 ... Sie haben mir Wahrheit gegeben, die für mich einen unmiderftehlichen Zauber hat. Es ift das Einzige, mas mid) täufchen Eönnte. Der Menfch, welcher fie inniger liebt wie ich, muß ungeheure Faͤhigkeiten haben oder fteht unter allem Ber- gleiche. Wiffen Gie aber, daß man fie geben kann ohne mehr zu fein? Ich ziehe Sie nicht in Verdacht, doch geftehe ih ich ergründete Sie noch nicht, und mollte, daß Gie mir foviel über fi) wie über mic, fagten. Was liegt denn am tiefften in Ihrem Wefen gegründet? SHerrfcht der Leichtfinn Ihres Kopfes, oder

der Ernft Ihres Herzens da, wo Ihre heftigfte Leidenſchaft 9

ſpricht wanken Gie zwiſchen beiden ich begriff Gie nie ganz und Fonnte auch nicht, denn wie wenig Fannte ich Gie durd) mich felbft. Wie ich Sie Fannte, intereffierten Gie mid; aus meinem Geſchmack den viele Leute falfc nennen und einer felt- famen lÜbereinftimmung mit dem, was den leifeften, den halb unverftandnen Bildern meiner Phantafie ſchmeichelt. Ich hätte Empfindungen erregen mögen, wie Gie fie fdhilderten, und doch nicht die Yhrigen denn mein Herz hatte ſich von aller Wirf- lichkeit entmöhnt ich mußte nicht mehr damit umzugehen. Das gab mir einen Ernft gegen Gie, den Gie nur erwidern wollten, und fo, daß ich ihn nidye für natürlich hielt, zurüdigaben. Ber: trauen hatte ich für Gie nur durdy andere. Daß Gie meine Lage vollfommen richtig beurteilten, wußt ich fehr wohl, aber ich konnte audy darüber nicht offen fein, meil ich den legten Wahn zu retten hatte, der mir mein Schickſal erträglicd) machte, den leßten Bahn der Liebe: Zärtlidykeit. Zu delifat, zu gut, zu fanft diefe wegzuwerfen vielleiht auch zu fehr eingeengt behielt ich fie bei, und fie lebt felbft nody in der Erinnerung, ob ih glei” mit Schauer und Beben an jene Zeit zurüddenfe, und von ihr mie der Gefangene von dem Serfer mit einer ſchrecklichen Genugtuung rede....

Man liebt midy fehr, weil mein Herz ein Gewand über die Vorzüge des Kopfes wirft, das mir beides Äußerungen als Ber- dienft anrechnen läßt. Daß ich gehn kann wann ich will, macht, daß ich alles Ungemachs zum Troß bleibe das ift die Art. von Trägheit, welche der hat, der den Tod nicht fürchtet.

Ich habe mir ein Ziel meines Bleibens gefegt dann meiter, wohin mein Genie reicht denn id; fürchte, das Geſchick und ich haben feinen Einfluß mehr aufeinander feine gütigen An- erbietungen kann ich nicht brauchen feine böfen Gtreidye will ih nit achten. Wünfche hören auf befcheiden zu fein, wenn in ihrer Erfüllung unfere höchfte und füßfte Glüdfeligfeie läge auf Wunder rechnet man nicht, wenn man fich fähig fühle Wunder zu fun, und ein mwiderftrebendes Schickſal durch ein

Io

glühendes, überfülltes, in Schmerz wie in Freuden ſchwelgendes Herz zu bezwingen.

Meine Kinder find liebe Gefchöpfe. Daß Sie Fämen, Meyer mit fanften und feftem Schritt käme Ihnen eine Freundin entgegen in

@aroline

Caroline an Philipp Midyaelis (?) [10] Nach dem Tode ihres Töchterdjens Thereſe Marburg, Dezember 1789

... Ich war tätig, bis ich nichts mehr zu tun fand dann feste ich mich neben Lotte aufs Kanapee meine Rofe wurde ſtill die Malsburgen und Breidenftein Enieten vor ihrem Bett feins von den Mägden war gegenwärtig alles wurde ftill und ih wünſchte ſehnlich, dag doch diefe Gtille nie möchte unterbrochen werden. Ich bebte vor dem Augenblid, wo id, bewegungsios mit feftgehefteter Seele mid) wieder bewegen müßte. Wo bift Du Geift der Schlummernden? Die Frage trat mir nahe unter Bidern, unter Ideen, vor welchen die eingefchränfte Menfchheit nur dumpfen Ginn bat und menn fich diefe Dumpfheit mit Sehnſucht nach deutliherm Wiffen mifht und in denfelben Vorftellungen auch das Gefühl des Berluftes erwacht meine Bruſt arbeitete entgegen mit der Gewalt die ich wohl kenne allein ganz fo noch nicht übte. Ich blieb mit Lotten zulegt allein und rief nun die Leute, damit fie des Nachts bei der Entfchlafnen wachen follten. Gie. famen, und mußten noch nidyt, daß fie tot war. Ob ich nachher ſchlief oder wachte, weiß ich nicht. Ich blieb ruhig Augufte befchäf: tigte mich fie ſchien es gar nicht zu merfen fie ging allein in die Stube Fam wieder heraus ohne weitre Äußerung, end- li fagte id ihr, dag NRöschen nun nicht mehr mit ihr fpielen

II

Fönnte. Da brad) es aus fie fdhrie mit einem beinah wider- wärtig heftigen Ausdrud: das follft Du mir nicht fagen, Mut⸗ ter! als wenn fie es vor fich felbft hätte verbergen mollen bis dahin. Ich Fann Dir das Eigne davon nicht befchreiben es ſchien innre Tiefe mit einer fo fonderbaren Gedanfenlofigkeit verknüpft ich Fonnte nicht wahrnehmen, daß etwas in ihr arbeitete und doch, wenn es auch nachher wieder zu Tränen fam, fchien es Ausbruch verhehlter Regung zu fein. Jetzt mifcht fie viel Eindifchen Leichtfinn in ihre Erinnrungen, welde fehr häufig kommen. Gie ruft Röschen fie fagt: ich fehe fie, fie will nicht kommen, fie ift bei ihrem Bater.

Ich brachte den übrigen Tag in einer Gleichgültigfeit zu, in welcher ich mir nicht gang bemußt war, wieviel idy dazu beitrug, fie zu erhalten die Erfchöpfung fagte es mir. Ich mar am Abend fo matt, daß ich nicht gehn Fonnte, und mie ich ins Bett Fam, wurde mir fehr übel, und ich huſtete Blut, weldjes die ganze Nacht anhielt, und worauf eine große Schwäche folgte. Ich ger wann aber meine Kräfte bald wieder, und ward menigftens nicht untätig. Meine Gefundheit ift feitdem gemwefen, wie Du es Dir bei meiner Konftitution denken kannſt nur litt meine Bruft und zog fi) fo zufammen, daß ich nicht grade fißen Fonnte, und mitunter fam immer etwas Blut, welches vermutlidy davon her- rührte, daß es fich im linterleib angehäuft hatte. Es ift mir jegt doch erträglich zu Mut ich bin zweimal fpazieren gegangen und mein Huften ift nur Frampfhaft die freie Luft ftärfe meine Bruft mwieder....

Lebe wohl, id kann nicht mehr fihreiben. Die La Roche fchreibt mir heute, daß fie Dich erwartete Du bift alfo vermutlich da gewefen. Sage Therefen, daß ich ihr wohl mit nächftem Pofttag fehreiben werde meil id gern will. Gott erhalte ihr, mas ich nicht habe, und was nicht mehr zu haben, ich nie ſchwächer fühlen kann, da id; es mit voller Befonnenheit fühle. Nur noch ein Kind und das holde, das mir fo viel füße Erwartungen gab hin mit allem was ich für fie hätte tun Fönnen.

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Garoline an Meyer [11] Marburg, 1. März 1791

... Unfre Samilie ift zerrüttet durch DBerdorbenheit, Unver⸗ ftand, Schwädje und Heftigfeit der einzelnen Mitglieder. Der eine betet, der andre klagt das Schickſal an, der Grund des Übels liegt aber nicht jenfeits der Wolfen. Meine Augufte hat Feine großen Anlagen, fie ift leichtfinnig, aber gut mwird fie werden echt gut id) darf fagen wie die Mutter, und vielleicht weniger Hinderniffe äußern Glücks in fidh finden. Ich feh im Gang meines Lebens Urſache und Folge genau miteinander verflocdhten und will mid) nicht gegen die Notwendigkeit auflehnen. Es gibt gefammelte Stunden, wo der tief allem zum Grunde liegende Schmerz über ein Dafein voll Widerfpruch herrſchend wird er löft fich fanft auf, in jedes Gefchäft, an welches die Gegen» wart mid) heftet, in den geringften Genuß, den fie mir darbietet. Dies ift auch Widerfprud;) aber wir müffen den Göttern danken nicht Eonfequent zu fein.

Dürfen Ihre Freunde in Deutfchland nicht darauf rechnen, Gie im Laufe diefes Jahres wieder zu fehn? Antworten Gie mir bald ich hoffe dies Pafet erreicht Gie no, ehe Sie Rom verlaffen Gie brauchen den Gegen nicht, den Gie verlangen, aber er ift doch das einzige was wir Yhnen geben Fönnen. Übrigens, was T. als Geheimnis bewahren foll, werd ich nicht verraten. Nehmen Sie meine ganze wunderbare Zeilnehmung

an Ihnen freundlidy hin. Adien.

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm Schlegel [12] Leipzig, 18. Mai 1791

Mein Kreund, der Ungeftüm, mit dem Du bei der Abfahrt aufbraufeteft, hat mich beunruhigt. Ich weiß, Du haft ihn noch

nicht überrwunden, fondern wirft der Laune fein wie fo oft in

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Göttingen. Aber Du mußt ihn überwinden. Du muft Deinen Grundfägen getreu fein, fonft denke ich, Du feieft nicht ftarf ges nung, Gott zum Trotz Did) glücklich zu madjen. Für mid, war der Abfchied fehr herrlich. Denn als ih Dich umarmte, fühlte ich fehr ftarf, dag Du auch mein bift, weil ich Dich liebe. Den Rückweg nad) Hannover war ich in herrlihem Taumel. Ich biete Dir alles was ich habe und mehr als bis itzt gab wegen der befannten Mutloſigkeit. Diefe zu überwinden braudje ich nur ein gewaltfames Aufraffen meiner Kräfte, denn bei mei- nem \ntereffe an der Natur ift der Stoff unendlid. Ich habe mich oft durch einen gewiſſen geiftigen Gchmuß, der allen Dingen anhängt, an Betrachtung des Yntereffanten hindern laffen. Es ift derfelbe Stoff, die Welt, der dem dummen Wilden efelt und dem erhabenen Betrachter zur Luft dienen muß. Mein Wahl ſpruch ift in diefen Worten

Die Geifterwelt ift nicht verfchloffen,

Dein Ginn ift zu, dein Herz iſt tot!

Auf! Schüler, bade unverdroffen

Die ird'ſche Bruft in Morgenrot.

Ich bin bereichert durch die Briefe der B[öhmer). Etwas unbegreif: lid) bleibt fie mir nämlidy wie bei der Erhabenheit die leicht: beweglidye Phantafie und die Zartheit des Gefühls fein Fann. Du darfft Dirs nicht gereuen (denn wenn Du diefe heilige “dee entweiheft, fo würdeſt Du Reue fühlen) laffen. Mit ihrer Erhabenheit fompathifiere ich, und das Zartere erreiche ich mit den VBerftande. Ich glaube nicht, daß ich ihre Zartheit ver: legen würde auch bei dem freieften Berhältniffe...

20. Mai

Ich denke mir Dich in den Wirbel kleiner Gorgen und Fleiner Geſchäfte. Du mirft lernen, das Geringe durd) große Zivede zu adeln wie die Bd. wie Geift über den Waffern ſchwe— bend. Du bift oft zu ungeduldig dazu. Die ganz poetiſche Bildung trägt dazu bei. Der Zweck der Kunft ift die Schön:

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heit des Lebens hervorzubringen, und das bemwirft fie auch. Wenn aber ein Mann mit fich felbft oder mit der Welt noch nicht ganz in Übereinftimmung ift, fo fehlt es dazu an Kraft, und fie weckt grade das Gegenteil, die Harmonie eines Augenblides macht die beftändigen Diffonanzen fühlbarer; man erliegt defto mehr unter der Laft der Alltäglichfeit. Es liegt dann etwas ganz Zerreißendes in der Poefie, welches ich aus Erfahrung weiß.

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [13]} Leipzig, 4. Juni 1791

Saft Bin id) beforgt, da ich noch immer nichts von Dir höre. Ich kann mir denfen, daß alles Neue Dir wenige Zeit übrig läßt für freundfchaftlichen Genug. Denn id; weiß, dag Du im Getriebe Fleiner Sorgen fo viel Schönes auf dem Fluge ent: mwendeft, wie Du Fannft. Goeben diefen Morgen las id; eins Deiner Lieblingsbüdyer. Herders Plaſtik ich glaube feinen Charafter igt mehr zu verftehen wie in Göttingen es hat mich vergnügt mich in fein Wefen zu verfegen und gewiß ift es das feinefte feiner Werfe, um mid, eines Ausdruds von ihm zu bedienen. Gehr zart und fein ift fein Sinn, aber auch empfind- lich und verlegbar durch das Eleinfte. Geine Sprade ift wie eine blumenteiche Wiefe und wenn fie fich erhebt wie der Regenbogen. In der Plaftif ift fie fehr bilderreich und ich glaube orientalifch; es füge fidy ineinander wie ein Blumenftraug. Es fehlt ihm ganz an Kraft zum Widerftande; feine Klagen quälen mid) noch widerlicher wie die des Rouffeau. Echte Schönheit muß fich als Giegerin über das Schidfal zeigen. Aber für das Schöne ift Herder zu zärtlih, und das Erhabene gar, das würde ihn niederdrũcken. Eine Eleine Stelle für Dich wegen Herabfegung der Landfchaften: ‚die Tafel der Schöpfung fdhildern ift Ihnen unedel; als ob nicht Himmel und Erde beffer wäre und mehr auf ſich hätte, als ein Krüppel, der zwifchen ihnen ſchleicht, und deffen

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Konterfeiung mit Gewalt einzige mürdige Malerei fein fol.‘ Einige feiner Klaglieder find Dir zu nahe geworden; fie zerftören die Ruhe und lähmen den Mut. Einige Lieder von Goethe, unter andern die Worte, an die wir uns bei der Kahrt aus Han⸗ nover erinnerten, haben die entgegengefeßte Wirkung. Gie tönen mir oft noch vor und haben eine Zauberfraft. An ein foldjes Wort heftet ſich fo viel Erinnerung ehemaligen Entfchluffes und Genuffes, fo daß es plögliches Licht in die Finfternis bringt.

Caroline an Philipp Michaelis [14] Marburg, 22. Juni 1791

... Männer wirft Du mie Weiber unzuverläffig finden, wenn Eigennutz die erfte Angel war. Du mirft fagen, was be- weift das, außer daß die Mlenfchen elend find ftatt einer Hälfte des Menfchengefchlehts? Das ift ſchon etwas denn man kann fid) doch über die notwendige Unvollkommenheit des Geſchlechts überhaupt eher beruhigen. Wer darüber wollte zum Schwermütigen oder zum Haſſer werden, wär menigftens um nichts ftärfer mie der gemeine Haufen. Die traurigften Er: fahrungen werden einen Mut nicht dämpfen, der in unferm eignen Bufen die Quelle des fchöneren Glaubens findet, auf den er fidh unverrüdt, in Überzeugung der Möglichkeit gut zu fein, trog der Taufende, die fehlecht find, fügen Fanı...

Seit kurzem ift wahrlich erft für mid) die Periode eingetreten, wo ich von Erfahrungen fprechen kann ich hatte ihrer wenig. Gie machen midy weder betrübt noch irre. Niemand, der einen fo tiefen Abfcheu vor allem Niedrigen hat, kann mit mehr Elen- digkeiten nmringt fein, wie id).

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [15] Leipzig, 21. Yuli 1791

Es ift mir lieb, daß Du mir fchriebft, das einzige Unglück, welches Dir in Amfterdam zu drohen fehiene, wäre: Dein Wefen

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eingufchränfen. Ich fchliege daraus, daß Deine Lage gut ift und diefes Unglüd wird Dich hoffentlidy nie treffen, auch nicht im fpäteften Alter. Ich wuͤnſchte nicht, dag Du die Zeit Deiner Jugend und das Jugendliche in Deiner Liebe als Dein ganzes Leben anfäheft. Die Jugend ift noch lange, und Du kannſt wohl während derfelben einmal fie lange fehen. Dody warum mollteft Du das Ende der jugendlichen Liebe als das Ende Deiner Herr: lichkeit des Lebens überall betrachten? Sie follte eigentlich nur den Enthufiasmus in Deiner Seele ftarf und vollfommen gemadjt haben, deffen Gegenftand alsdann im männlicyen Alter der Wille und die Gedanken Deines eignen beffern Gelbft fein Fönnte; diefes ift nicht Egoismus fondern es heißt fein eigener Gott fein. Und diefes kannſt Du, ja es beruht nur auf dem Wollen, und diefe Liebe wird nur mie eine Borbereitung zu Deinem Leben fein. Wenn mir im Ernft alles Enthufiasmus unfähig find, dann ift es die rechte Zeit zur Abfahrt.

Gieh! die Sonne ſinkt

Eb mid Greifen ergreift

auf feuchtem Moore Nebelduft.

Entzahnte Kiefer ſchnattern

Und das ſchlotternde Gebein.

Trunknen vom letzten Strahl

Reiß mich ein Feuermeer

Mir im Aug

An der Hölle nächtliches Tor.

Töne, Schwager, ins Horn,

Raſſle den ſchallenden Trab,

Daß der Orkus vernehme: wir kommen,

Daß gleich an der Türe

Der Wirt uns freundlidy empfange.

Was fönnte wohl eher die Sonne des Lebens genannt werden als der Enthufiasmus oder die Liebe? ch müßte nicht, zu was ein Alter ohne fie lebte, als etiva feinen Beift ſtuͤckweiſe abfaulen zu fehen.

Sür das Mitgeteilte von B. danke id) fehr. Über die Fehler— Iofigkeit denke ich ziemlid) einig mit Die. Im ftrengften Ber: 2 Romantiker⸗Briefe 17

ftande ift das Vorgeben ebenfo miderfinnig als wenn jemand fagte, er hätte einen Körper gefunden, der eine ganz vollkommne Kugel fei. Wir verftehen aber, denfe ich, darunter ein mitt: leres Maß an allen Geelenfräften, ein Menſch, der es befigt, lebt recht ordentlidh und anftändig, ift ziemlich liebenswürdig, ziemlich Flug und tut das, was die Menge mit Verehrung nennt. Er ſchweift alfo nirgends fehr ab, ftößt nicht an; mit einem Worte, er hat fo etwas der Tugend ähnliches, in kritiſchen Zäl- len, mo eigentlid mehr dazu gehört, muß ihm der liebe Gott helfen. Er ift alles was ein gewöhnlicher Menſch fein Fann. Die Bidner der Menſchen haben ihre Einrichtungen als Staaten und Religionen, und in Eleinen Kreifen Gewohnheiten und Kurfiv- moralen, an die man glaubt durdy Ehre und Schande, nad) den allgemeinen Eigenfdaften der Klaffe recht fehr gut ge macht, um die Menfchen unfchädlich und doch aud) ein klein wenig gut zu machen. Für gewöhnliche Menſchen verdient daher der Inbegriff diefer Eigenfchaften, melden Du Kehlerlofigfeit oder Rechtlichkeit nennen Fannft, alle mögliche Empfehlung, und laß uns ja das Genie nit maden mollen. Das wahre Genie oder der Reichtum kann ſich nicht in Ddiefen fremden Ma$- ftab fügen, bald überfpringt es ihn weit, bald bleibt es zu— rüd. ...

Das Gedicht an den Äſthetiker gefälle mir fehr gut; es ift ernft und der Tadel grade wie ich ihn billigen fann. Da ich fehe, daß Du poetifche Laune haft, fo fehlage ih Dir ein Gujet vor das Genie Mid) wundert, dag Du nicht ſchon darauf ge= fallen bif. Die Korm wirft Du am beften zu wählen miffen. Dder Du Fönnteft auch einen profaifchen Auffag darüber fchreiben. Meine Gedanfen über das Genie weißt Du ziemlich. In Wahr: heit, es ift die eterna fontana des Lebens. Es fcheint wirk⸗ ih, als wären diefe wenigen eine ganz andre Art Weſen, die mit den andern nichts gemein haben. Es wird mir diefes immer mehr und mehr deutlihd. Es fehle den andern nicht an dem Willen, fie lernen die Lektion recht fleißig, und doch

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formen fie mit allem Ernſt einen fehr leichten Zweck nicht er⸗ reichen.

Gedichten wünfdye ich: Hinaus! mein Blick ins Tal ufio., dann zwei, die Du mic nicht gezeigt, fondern nur vorgelefen hajt. Eins bei Gelegenheit, daß Du ihe ſcheichſt Du wollteft eher alles aufgeben als Deine Göttin entgöttern laſſen; die nähere Beranlajjung fagteft Du mir nicht. Du fagteft es mir in meiner Gtube diefen Hinter, das dritte fagteft Du mir vorigen Commer des Abends bei Dir; es ift voll Verachtung des Lebens, es war das erfte, was Tu mir fagteft.

Mit Deinem Urteile über C. Rſehberg] bin ich faft ganz mit Dir einig. Da Du fie intereffierft, weiß ich, uber ſonſt nichts fpegielles, als daß fie einige Borurteile gegen Dich hat, 3. B. mit der Eiteffeit. Es kann möglich jein, dag Du einen ſolchen Eindruck auf ſie ge madyt, wie du glaubft. Schreiben wird fie Dir aber nicht, wenn ih fie kenne: aus der Urſache, die Du anführft. Du müßteft wenigſtens Deinen Briefton, der ihr zu hoch und zu fein fein würde, fehr affomwdieren; fie kann ihren Ton nicht modifizieren; er ift ſimpel, ade und gemäßigt, bisweilen grenzt er wohl ans Schwatzhafte. Ceit der Zeit, da Du fie am meiften gefehn, ift fie viel erufihafter geworden und fühlt auch das Leere ihrer Lage fehr lebhaft. Cie fett ein Mißtrauen in ſich, und denkt nicht fehr hoc; von ihrem ganzen Geſchlechee: und ich glaube, daß dabei zum Zeil ein richeiges Gefühl zum Grunde legt, wie weit ihre Kräfte gehen. An Anlag zum Vortrefflichfein fehlte es mur wenigen Menſchen) und ihe gewiß nicht, da fie ſchon mit vielen vortrefflchen Menſchen in Berbindung geflanden; doch Fonnte fie noch jest mehr fein, als fie in ihrer Familie ift; denn der Bruder beherrfdyt fie ganz in ihrem lirteil über ihre und fremde Hand⸗ fangen. Und doch ift es außerordentlich, wie fehe fie diefen Dur;

*) Denn eröffnet ums nicht eine auch nur verloren hingeworfne Spur eimes Edlen eine ganz neue Belt? Zite geringe Anläffe batten die Bortreft- lichſten, die ich Eenne?

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fieht. Ihre Ideen zu erweitern oder eigentlicyer ihren Geift zu befreien, würde daher nicht gut möglich fein, folange fie in der Samilie lebt, und ift vielleicht überall zu fpät. Du haft recht, zu fagen, daß fie fo ſchon liebenswürdig if. Ihr Umgang mit Mannsperfonen verrät geringe Kenntnis der Dinge, in der Art wie fie Öffentlich mit ihren Empfindungen ift, und auch fonft, ich weiß es nur nicht gleich auszudrüden. Doch glaube ich, fie hat Geele, was viel ift.

Über Papen muß id) die alltägliche Bemerkung machen, daß Du von Marburg kamſt, wie Du ihn jegt fahft; wie bift Du fo liebensmwürdig gervefen, und wie fdjien Dir die Welt fo liebens⸗ würdig. Er ift fünf Tage hier gemwefen, ich habe ihn nicht verlaffen und habe ihn auch oft allein gefehen, fo daß ich ihn recht genofjen. Aber kaum mag ichs fagen, als er weg war, fehien mirs, ich wäre ihn fatt. Es war dies nur die Empfindung einer Zeit, mo ich in Efel an mir und meinem Leben verfunfen war, und feinen Ausweg als das Ende fah. Doch meine Leiden: fhaft für ihn ift erlofchen. Mein Faltes Urteil ift: Größe hat er nicht. Man wird immer von ihm fagen fönnen: er Fönnte lieben oder er kann lieben; aber geſchehen wird es nie. Was er von Dir denft, habe idy nicht erforfcdyen Eönnen. Ich mache mir nichts draus, alle feine Delifateffen zu beleidigen, wenn es nötig. Doch tue id) es nicht gern oft.

Wir bleiben bei unfrer Gewohnheit; Du indem Du viel fchreibft, und ich da ich viel leſe. Im Anfang las id) einige äfthetifche Sachen, befonders Heydenreichs Afthetik zweimal mit Intereſſe; doch bin ich nicht befriedigt. Nachher habe ich mich in deutfcher Literatur im allgemeinen umgefehen, in der Abficht, einen feinen Taft in der Mutterfpradhe zu erlangen. Und wenn ich Fünftig ohne Zweck Iefe, fo werde ich dies auch fortfegen. Es ift zupiel, als daß ich davon fdhreiben Fünnte. Thümmels Reifen haben Dir wohl zum Zeil deswegen gefallen, weil Du eben nach Marburg reifen mwollteft. Die Briefe an Theokles find das Bouterweckſchſte von Bouterweck, find mir aber weit intereffanter als der Donamar.

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ö— —z —— -

In Klingers Schaufpielen habe ich viele großgedichtete Charaktere gefunden, befonders in der Medea, der neuen Arria, dem ver: Bannten Götterfohn, und dem Derwiſch, obwohl wenig Dialog. Im Paul Slemming ift mandjes gefühlvolle Lied; befonders ein Sonett, das er drei Tage vor feinem Tode gemadit:

An Kunft und Gut und’ Ehren war idy reidy und groß, Des Glückes lieber Sohn. Bon Eltern guter Ehren Meine; frei. Konnte midy aus meinen Mitteln nähren. ufw.

An Schillers Werfen habe ich viel gefunden. Doch auch mit:

unter fallen mir dabei die Zeilen ein:

Mit TZugendfprüdhen ımd großen Worten Gefällt man wohl an allen Orten;

Denn da denkt ein jeder bei fich allein: So ein Mann magft du auch wohl fein.

Nachher war ich einmal in einem fonderbaren Humor über alles zu lachen; da las ich viel in Voltaires Fleinen Erzählungen. ch bin willens, ihn noch einmal recht zu ſtudieren; es iſt ein großer, eigentlicher ein ſuperieurer Mann. Wenige haben wohl die moraliſchen Eigenſchaften der Klaſſe fo eingeſehen und über- fehen; zu einer Perfeftion fann man es hierin mohl nur in einer geoßen Stadt bringen. Sein Witz zeigt das Berhältnis der ge wöhnlichen Dinge zu einem fuperieuren Geifte, der guter Laune ift; feine Sprade ift präzis und ftarf, nur im Ernſthaften wird er leiht lahm.

est ftudiere ich zu einem beſtimmten Zweck die Gefchichte des Untergangs der römifchen Republif. Hier entiteht nun die Stage, wie die Römer das große Volk murden? Die Größe einer Nation, glaube ich, läßt ſich immer beffer aus der Kreiheit oder dem Entſchluß als aus dem Schickſal erklären, obwohl das Außere auf die Art der Größe Einfluß hat. Der Menſch ift leichter nad) einem Vorbilde vortrefflich als Erfinder. Wenn nur in einer Nation einige auftreten und in irgend einer Vortrefflich- feit ein Vorbild zeigen, fo wächſt diefe wie ein Cchneeball.

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Als nun die Größe des Reiches die alte Konftitution ummarf, fo entftand ein nie wieder gefehnes Schaufpiel, daß eine Eleine Zahl wahrhaft Foloffalifher Menfchen fiy um die Herrfchaft der Welt ftritt, und zwar einer erleuchteten mut= und tatvollen Welt. Mi fur mostrati li spiriti magni Che di vederli in me stesso n” essalto.

Die größten fcheinen mir Cäſar, Cato und Catilina.. Doch grandiosi find fie faft ohne Ausnahme, ja ihre Lafter find erhaben. Das mas bei uns oft der edelfte Teil des Lebens ift, war bei ihnen Vorbereitung; nämlidy die Befchäftigung mit den beften Wiffenfchaften*) und Künften, Leibesübungen und Reifen durch die fehönften Zeile der Erde bis ins dreißigfte Yahr, da unter» deffen die Foloffalifchen Taten eines Gulla vor ihrem Auge ge: fhahen. Erft alsdann fing ihr Leben an, da unferes oft ſchon aufhört. Freilich denfe ich, es hätte bei diefen Anläffen mehr geſchehen Fönnen, und vielleiht waren nur zwei Genie, Cäfar und Cato, die andern mollten nur auch gern Villen haben und Murenen efjen, oder mie @icero fid) im Genate reden und be wundern hören. Allein audy noch @icero würde unfern Thronen Ehre maden. Eine Eigenfchaft mar dem ganzen Bolfe gemein, nämlidy die Verachtung des Todes; es verdient den Beinamen prodigus animae grandis. Doch ich habe das Studium erft ange: fangen und in einigen Wochen merde ich Dir beſſer darüber ſchreiben Fönnen.

Du fiehft, daß ich nicht müßig bin; mein Geiſt ift regfamer wie in Göttingen. ch fee mir gemwiffe Ziele, die ich denn mit allem Eifer zu erreichen ſuche: das muß fein, wenn idy Ruhe haben fol. Umgang habe ich ziemlich viel; ob ich gleidy noch niemand fah, nad) dem ich etwas früge. Doch mit Heydenreidh, den ich oft fehe, ift der Umgang menigftens nicht gang un» intereffant.

) Und die Erwerbung der Kriegskunft, Rednerkunft oder Staatskunſt in der höchſten Vollkommenheit.

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Das juriftifche Studium betrachte ich viel ernfthafter wie Du. Es ſcheint mir viel feiner bürgerlichen Beftimmung gut zu er» füllen, und ich werde immer darnady ftreben. Crlaube mir Dir hierüber meine Theorie mitzuteilen. Ein ganz vollfommener oder wie Schiller fagen würde, ein gereifter Querpfeifer erfüllt doch fein Wefen, nämlich die Querpfeiferei. Aber wer nicht ift, was er ift, und wäre er Gott, der macht fidy felbft zu nichts, ja zu weniger als nichts, denn alles was er ift, ift verneinend. Bin ich genötigt, etwas zu fein, fo gehört die vollfommene Erfüllung defjelben mit zu der Auflöfung von allen den Aufgaben, die mir das Schickſal vorlegt. Auf den äuferliden Erfolg dürfen wir nicht fehen; denn wenn mir auf diefen bei unfren Handlungen fehen wollen, fo find wir nur arme Laftträger des Schidfals. Es beruht alles auf dem Bewußtſein, daß der Querpfeifer, wenn er einen guten Pfiff tut, eben fo gut hat, als Gott, wenn er eine Welt madt. Da der alte Saturnus aus fonderbarem Eigen» finn das Arbeiten mit dem Effen und diefes mit dem Leben in fehr genaue Berbindung gefegt, fo fiehft Du, warum id) erfteres ergreifen muß. Schlecht mag ich aber nichts machen. Deine Karriere wäre gar nicht für mid), und von der Profefforei mag id} heute Abend gar nicht reden, ich bin zu aufgeräumt dazu....

Das Kapitel am Ende Deines Briefes ift lang; nämlidy von den Weibern. Wenn es nicht eine Lage ift, mo ich es nicht kann und darf, fo verfteht ſichs. Doch, glaube ich, ift daran nicht viel zu denfen. Die Weiber im ganzen find noch platter für mid) als die Männer im ganzen. Es müßte fich fonderbar fügen. An Umgang mit gewöhnlichen Weibern finde ich menig Geſchmack; weit mehr z. B., einen Mann zu meinem Zmed zu lenfen. Einer die ich nicht liebe die Cour zu madjen bin ich zu ftolg. Sinn⸗ li) bin ich ſehr; allein zu fehr, um deswegen amlimgang mit jungen Weibern Gefallen zu finden; indeffen habe idy mir vorge: nommen, diefem Hange nicht zu folgen, da es mir gegen die Würde der Gefinnungen zu fein fiheint, ſich mit der Kreatur fo

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gemein zu machen. Doch verdenfe ich es niemand, der nad andern Grundfägen handelt.

Caroline an Meyer [16) Marburg, 11. Juli 1791

Wenn Ihr Weg fi) einmal durch meinen Wohnplag kreuzt wenn der Pilger, der es fo fremd findet, daß ic) Teil an ihm nehme, an die Tür Elopft, die zwar nicht mein ift denn ich habe ja fo wenig ein Eigentum wie er die ich ihm aber doch öffnen Tann, und ihn neben mir ausruhen heißen darf dann werd ich ihn über vieles gern hören wollen, und ihm mandjes zu fagen haben. Ich wünſche das innig, weil id) Gie ganz Fennen und nicht eine falfhe Borftellung mit der andern verwechfeln möchte. Kann man fo getrennt, fo entfernt je die richtige faffen? Lieber Meyer, Abweſenheit ift der Tod der engften Verbindung man hört auf fi zu verftehn follte man ſich in ihe ver» ftehn lernen fönnen? Es ift möglich, dag der Grund dazu gelegt wird zumal in unferm Sal, da uns außerdem nie ein uns unterbrodyner, ungeftörter Umgang vergönnt mar id) meine auch davon hier überzeugt zu fein eine Ulrfache, um defto in⸗ niger zu wünſchen. Gie würden mir nüßlid fein, denn Gie kennen die Welt, ohne daß Ihre Erfahrungen Gie über die Begriffe, nach denen man fidy felbft in ihr zu regieren hat, gleichgültig machten, und ich bedürfte den Rat eines foldyen Mannes. Sch wäre Yhnen mwohltätig denn Sie würden das Gute über: twiegend finden, und in den Abweichungen eine milde Gleichheit wieder erkennen in der Gefchichte Yhres Lebens darf Feine Stunde, die Sie fo zubrädhten, überfehn werden. Allein darum haben Gie ſich ſchon betrogen, dag Sie meinen Rat einer frem» den Eingebung zuſchrieben und wirklich warum follte er fi) nicht mit mir vereinigen laffen? Golange das Leben Ihnen läftig ift warum es endigen? Das mär ein Mutwillen, der

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ſich nur nad) Erfchütterung und DBeränderung fehnt. Gie werden dann morgen wie heute Menſchen finden, mit denen Cie das Bergnügen Yhres Daſeins teilen. DBergnügen ift Nutzen wer möchte unternehmen, die Grenzen zwifchen beiden zu beftimmen? Ich halte alfo nicht das anfcheinend unbeftimmte Ihrer Lage für das Unglück, welches nur in den Slammen zu erftiden tmäre. Aber id) glaubte die Möglichkeit eines Zeitpunfts vorauszufehn, mo die Külle der Bergangenheit einen zu ſchneidenden Kontraft mit der Ausficht ins Künftige machen fönnte mo eine lange Arbeitslofigkeit Ihren Gefhmad an Anftrengung zu fehr ges ſchwaächt haben möchte, um neue Welten zu erfchaffen, und als dann war das Ihre Zuflucht, mas ich mir unter mandhen Lim» ftänden, auch für mich, als den letzten glüdlichen Augenblid als das legte Auflodern jugendlicher Kraft denfe. Wenn diefe Idee in der Anwendung auf Sie unrichtig mar mohl! fo wird mir leichter denn der Gedanke an Gie lag zu Zeiten ſchwer auf mir. Ihre Öorglofigkeit war mit zu vielen Rüdbliden ver: mifcht, als daß ich fie hätte für fo rein halten fönnen, wie meine heitre Ergebung. Und der Ton Ihres legten Briefs mar aud) noch nicht der, welcher Ihre Freunde beruhigen durfte. Ich tadle Gie nicht Gie fühlen mit männlidem Widerftand, wo fich der weibliche Geift hingibt, und im SHingeben neuen Genuß entdedt, und oft Befchäftigung ftatt herber Kränkung findet. Mancher ſcheint beftimmt vom Zufall nichts zu hoffen und alles zu fürchten zu haben und ich habe Ihnen längft gefagt, da geb ih Ihnen als Bruder die Hand. Muß aber nicht die Kolge unfers eignen Weſens vom Zufall unterfcyieden werden? Wer da fordert, daß die Menſchen von ihrem eigentümlidden Weg ab- weichen follen, begehrt nicht die Gunft des Gefchids, fondern Wunder vom Himmel. Ihnen ifts Prinzip, das zwar nicht von der Gerechtigkeit eingegeben ift, allein dennoch auf eine weiſe Ber: teilung abzweckt, für den Uinbedeutenden immer mehr wie für den Bedeutenden zu tun. Mit dem beften Willen wiſſen fies nicht beffer einzurichten fie feßen ſich leichter an die Stelle des erften,

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und der letzte fcheucdht fie zurüd ja fie vergeffen nicht felten über den Anteil an ihm, daß etwas für ihn zu fun ift, und über die Unabhängigkeit, die fie in ihm entdeden, daß er etwas be- dürfe. Ich will nicht predigen nicht tröften Ihnen nur fagen, wie ichs anfehe. Es gibt viel andre Seiten, die ich nicht falfch zu nennen wagte wenn fie nicht das Übel vermehrten; der Beranlaffungen mandje, mo es mir auch Foftet diefe zu be: haupten. Doch bleibe der fefte Wille Sieger er hat ja das ‚Begehren nach Freude mit in fein Intereſſe gezogen. Göttern und Menſchen zum Trotz will ich glüdlic fein alfo Feiner Hitterfeit Raum geben, die mid quält ich mill nur meine Gewalt in ihr fühlen. Wenn es gelingt, dann ergreift fie das Findifche Herz mohl noch auf einer füßen Regung des Danfs gegen die Mächte, denen es Troß bot. Das ift eine täglich wieder: fehrende Gefchichte. Ich habe Gelegenheit mich zu üben die Zeit der Ruhe ift die der höchften Unruhe für mich, weil fie ftatt des Ungemachs mir die Furcht desfelben gibt. Das Detail davon ift nicht zu geben, auch wenn ich wollte und möchte, nur das glauben Gie: unter den taufenderlei Mifchungen von Menfchen- ſchickſal kann nicht leicht eine peinlicher fein es ift fo, daß ich mir Fein Berdienft daraus mache, fie zu ertragen das wahre liegt darin, fich ihr zu entreißen und binnen eines Jahres muß das auch gefchehn. Bis dahin nehm ich, wie bisher, die nädjften BVerhältniffe für die fremdeften, da ich nicht mit Liebe in fie ein- gehen kann und was ich in Rüdficht auf fie tun muß, ift der Gegenftand meines Spottes freilich eine ermüdende Zeitfürzung. Gie umzuändern ift nicht möglich, ich entziehe mid, ihnen alfo fo oft id kann indeffen halten midy meine Fleinen Befchäf- tigungen, die Srohheit meines Kindes und meine Crinnerungen bin die beftändig gegenwärtige Überficht des Ganzen hütet mid) vor Ermattung und dann und wann begeiftert mid) ein Pro- jete für die Zukunft, das mich mit fhönen Erwartungen für den Augenblick täufcht, ohne den Mißmut fehlgefchlagener Erwartungen in feinem Gefolge zu haben mit lädjelndem Ginn entded ich

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den Betrug, eh er fich feftjegen Eonnte. Das Unmöglidye bleibt Borftellung das Mögliche wird Entſchluß. Go bin id; mit beflemmter Bruſt und mit freieren Atemzügen. War id) immer fo? Nein, ich habe mandjen Pfad des Schauens und Glaubens und Unglaubens betreten, eh id} zu dieſem reineren Gottes» dienft zurũckkehrte zurüd? denn gegründet lag er immer in dem fanften Mut meines Herzens meine Handlungen folgten diefem Zuge, wenn auch meine Denkart wechfelte und wenn gleid) nicht ſtark genug, ftets die Feſſeln eines widerfprechenden Eins fluffes zu brechen, fand ich doch mir felbft überlaffen den Weg bald, den ich nady einmal erlangter Freiheit unverrüdt gehn

werde. Entfagungen waren und bleiben notwendig, um fo zu genießen alfo werd ich nicht weichlidy werden. Aber Genüg- famfeit allein kann midy nicht befriedigen fie wäre nur

Begrenztheit, wenn nicht die Quellen nur vertauſcht mürden, aus welchen der Beffre am unerfchöpflichften zu fchöpfen trachtet.

Sie nennen unter den Orten, die Sie auf Ihrer Reiſe nach Hamburg berühren werden, einige, die meinem verwünſchten Schloß ſo nah liegen, daß Sie es kaum vermeiden können und ſagen mir nicht, daß ich Sie ſehn fol? Ich ſoll alſo bitten, denn warum Gie mir aus dem Weg gehn mollten, das wüßt ich nicht. Wenn dies Blatt, mit welchem ich mich wieder verfpätet habe, nicht der rechten Zeit verfehlte fo rechne ich auf Ihre Erſcheinung. Sinden Gie die VBerfpätung nicht wunderbar es Foftet mir Überwindung zu fehreiben, mo es nicht fo ganz in den täglichen Saden meines Lebens verflodyten ift es macht mich ungeduldig, deutliche, lange gefaßte, ſtündlich ausgeübte Überzeugungen hin zumwerfen, oder von einem herzlich innigen Gefühl zu erzählen. Allein laffen Sie fi darum nicht abfchreden das Gefchäft wird mir, Ihnen gegenüber, immer leichter werden. Jetzt arbeiten manche Ideen in meinem Kopfe, die ich Ihnen mitteilen würde, um die Yhrigen dafür zu hören ich denfe ernftlid) an eine Veränderung meines Aufenthalts aber das wie und wo

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liege no in Dämmerung. Eingeſchränkt wie ichs bin, muß irgend eine Öpefulation der Ausführung vorhergehn, nur aben- teuerlich darf fie nicht fein. Der Mutwillen meines Geſchmacks würde mich leidyt dazu hinneigen die fpäteren Solgen und Rüdfichten für andre, für mein Kind, halten mid, zurüd. Meine Weltfenntnis reicht nur hin, mid) über nichts erftaunen zu laffen, und in alles mid, zu finden nicht um vorherzufehn. Meine Menfchenfenntnis betrügt mid) noch oft und leider um fo öfter, je näher mir der Gegenftand meines Urteils fteht ich bin allein ohne fchüßende, forthelfende Berbindungen meine Sreunde fordern Rat von mir es fällt ihnen nicht ein, mir welchen zu geben dem fich felbft überlaffnen Weibe. Gie haben infofern recht, daß ich mich von jeher gewöhnt habe, nicht auf Hilfsmittel zu bauen, die ich nicht in mir felbft fand. An einen völlig unbefannten Ort Fann ich mid; nice wagen id habe etwa zwifchen Gotha, Weimar und? Mainz zu wählen und dann da meiner Eriftenz, die ich eignen Bemühungen ver- danfe, den möglichft anftändigen und anziehendften Anftrich zu geben das erfte für andre das leßte für meine eigne Phan- tafie. Mainz häfte zwei große Anlodungen die Gegend und Forfters, aber es ift auch weniger geſchickt, weil es der Beranlafjungen zu Depenfen und Prätenfionen zuviel hat und weil id nicht aus Ehrgeiz, fondern weil ich fühle, daß es jo am beften für mid) ift meinen eignen IBeg gehn muß. Kann man das und Therefe lieben kann mans, und fie ſich erhalten wollen? Damit verdamme id) fie nicht was von ihrer Gewalt zeugt, zeugt nicht gegen fe auch Ihre Ausfage nicht, mein lieber Meyer! Gie Fönnen recht in manchem haben und fie ift nicht ver- dammenswert Sie find aber in vielem ungereht und wer ifts dann? Gie find ungerecht wie ein Mann! Ich höre nicht auf Gie. Therefe kann dem Bild gleidjen das Bild ift doch nicht fie warum zeichnen Gie aus dem SHohlfpiegel, der den erlauchten Sremden auf der Gött. Bibliothet vorgewieſen wird? Einige Befchuldigungen Eönnen gegründet fein als müßten Gie

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nicht, daß bei vielem Licht ftarfer Schatten ift! Ich möchte fie einzeln durchnehmen wenns nicht zu weitläuftig wäre. Be⸗ urteilten Gie fie immer fo, oder kennen Sie fie nicht mehr? Viel⸗ leicht ift fie verändert genug fie ift fo wenig, was fie aus ihr machen, daß fie vielmehr Yhren Umgang genußt zu haben fcheint. Ihre Unglüdsfucht in der Gie die Eonvulfivifchen Ber wegungen einer großen Geele nicht verfennen werden hat fidh in Liebe zu häuslichem Srieden verwandelt fucht fie fid) durch den fanfteren Hang nur über die innere Unruhe ihres Herzens zu täufchen was Eann fie dafür? Aber liebenswürdig, mwohl- tätig ift fie in diefer Erholungsftunde. Wo fie das lefte nicht ift, da fteht ihr ein Grad von Energie im Weg, der ihr verbietet tolerant zu fein. Wo fie drüde (?), da ift fie mehr wie andre. Es ift feine Bereinigung mit ihr möglich, außer wo Wahn und aller Trug der Liebe hinzufommt mas ihre Zufammenfegung darin den Menſchen entzieht, gibt fie in fonft nie gefanntem Maß dem einzelnen wieder, der die individuelle Stimmung hat, ſich ihr hinzugeben. Gie ift wenigen alles foll fie lieber vielen etiwas fein? Mir ift fie das interefjantefte Schaufpiel, und es wider: ftehe mir zu denken, daß id) ihre freien Wirkungen hemmen mollte nur das wäre bei der Kur gewonnen, die Gie vorfchlagen ein Mann, mie Gie ihn befchreiben aber freilidy unrichtig be zeichnen denn die Bereinigung zwiſchen diefen beiden. müßte fücchterliche Kolgen haben, oder in drei Tagen aufgehoben werden. Wie werden Gie einft über feine Stumpfheit erftaunen! Könnt es Ihnen Kreude machen, ein außerordentliches Gefchöpf von Fleinen Leidenfchaften genedt zu fehn? Das hätte ein ſolcher Mann in feiner Gewalt mehr nicht. Therefe ift ihrer fähig, wie der erhabenfte Menſch, weil er Menſch ift, dem Los der Unvollfommenheit nicht entgeht ein mittelmäßig gutes und ſolides Weib wird vielleicht die Klippe der Eitelkeit vermeiden, wo fie es nicht tut. Ihre Kühnheit dabei löfcht die Schwäche darin aus. Mit wenigen Gaben kann der verdienftlofefte unter euch die vorzügliche unter uns feffeln, durch Ungewißheit, durch Beweg⸗

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gründe, die man um ihrer Geringfügigkeit willen zu überwinden nicht der Mühe wert achtet, deren Aufopferung in der Geele Fein Gleich— gericht, im Bewußtſein der dabei angewendeten Stärke, findet, Der denfende Mann wird ohne Anftrengung erobert der Tor durch Reize, denen wir, weil fie ung fremd find, weil fie einer gewiſſen Ver⸗ dorbenheit der Einbidungsfraft, die in unferer Kühnheit gegründet ift, fehmeicheln, nachftreben. Das alles liegt im Umfang unferer Empfänglichfeit dieſe in unferer weichen Organifation o mas wollt Ihr doch? Geftehn Sie mir Gie haben aus depit fo gefprocden ich würde es an Ihnen lieben mer des depits noch fähig ift, deffen Gefühle find nicht abgefchliffen und Fönnen noch reich an Sreude für ihn werden. Übrigens ift fie wohl und ihr Wochenbett glüdlic vorüber. Gie hat ein Mädchen, das Luife heißt. Wenn ich gleid) Bedenken trage, neben ihr zu leben, fo mird fie doch ihre Berteidigerin an mir nicht verlieren und wenn idy auch müßte, daß fie die meinige nicht in gleichem Sal wäre, fo muß ich fie doch lieben. Eben weil ich fo an fie gezaubert bin, kommt es mir in den Ginn, fie zu fliehn. In Gotha herrſchen noch alle gute Vorurteile für: mich, und id Tann mir einen Ruf geben, wie id) ihn zu meinen Abfichten brauche. Weimar ift in der Nähe, mo es allerlei in- duftrieufe Leute gibt, die meine Hand» und Kopfarbeiten brauchen fönnen. Gchreiben Gie mir etwas darüber. ch mollte Gie twären in Paris und könnten mir fagen, wie es dorf feit der ver⸗ unglüdten Flucht des Königs ausfieht, welche Häupter das Volk leiten, das ſich von Freiheit begeiftert dünkt, und ob fich die mütenden Wellen verhaßter Übertreibungen bald legen werden. Hätt ich noch Plas, fo fehrieb ich Ihnen literarifche Dinge von Schiller, der Bürgern um alle menſchliche Ehre rezenfiert hat, und Bürgern, der fi} nur durch Ironie zu helfen weiß eine Waffe, die in den Händen der meiften Schriftfteller, weil fie meiftens Männer find, verunglüdt und & plus forte raison in der feinigen auch von Bürger dem Ehemann, an dem fidh die Schatten feiner feligen rauen in der lebendigen rädyen von

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Schlegel, der in Amfterdam gut ißt und trinft und Hofmeifter ift aber Gie fehn, id muß enden. Leben Gie wohl,

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [17)] Leipzig, 26. Auguſt 1791

Mein Studium der römifchen Geſchichte iſt ſchon ſeit einiger Zeit geendigt. Ich hatte die Abficht, zu verfuchen, ob fich nicht der ganze eigentümliche Charakter diefer Nation in der Dar: ftellung eines ihrer Heroen und einer ihrer Kataftrophen zugleich in einem Bilde vereinigt geben liege: ein Kunſtwerk, welches die tätigfte Wirkſamkeit diefer Nation in einem Brennpunfte ver: einigen würde. Allein etwas fo gang remdartiges läßt fid) wohl in abstracto erfaffen, aber es in concreto wieder lebendig zu machen, ift ſchon meinen Kräften ganz unmöglid. Doc, hat mir die Sache viel Vergnügen gewährt. Ich faßte den Gedanken ſchon vorigen Winter. Es lag auch der Gedanke dabei zum Grunde es mit mehrern Nationen auf diefe Weife zu ver: fuchen den Charafter einer jeden in der höchſten Vollkommen— heit zu geben, ſoweit diefe in concreto dargeftellt werden kann, um fo den Geift durdy die Betrachtung der verfchiedenften Voll⸗ fommenheiten immer höher zu führen. Mlontesquieu, Sergufon und Middleton habe ich gelefen. Leßterer ift mir außerordentlich brauchbar geweſen. (Herder enthält viel Vortreffliches. Die erfteren beiden find doch et mas pedantifch. Unter den Alten las id) vors erfte Plutarch, Sueton und Lucan, bis ich die Sache aufgab. (Yndeffen enthält ſchon Middleton die reichhaltigften Auszüge aus allen Gchriftftellern über die Zeit, wo Cicero lebte.) Was indeffen den Charakter betrifft, da muß man fidy felbft fort: helfen; auf alle data, die dazu führen Fönnen, adjten und zwar muß man fidy ordentlich Regeln darüber machen; und von dem Gefundenen muß man dann ungefähr meiter ſchließen. Bon eini- gem Nußen ift mir ein neues Bud, von Morig: Anthufa (ein

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Beiname von Rom) oder die Feſte Roms gewefen. Es gefällt mir beffer als die griechifche Mythologie, und wenn er fo fort fährt, fo glaube ih, kann er noch fehr gut werden. Überhaupt aber, beiläufig gefagt, glaube ich, möchte er wohl den Windel mann in der Philofophie und in der Gelehrfamkeit machen; die Manier ift nun mohl da, der Geift aber fehler. Man fieht aus dem Buche, wie ſich die Religion der Römer an ihr tätiges Leben auf alle Weife anſchloß, an Aderbau, Krieg, Rechtspflege und Bürgerpflicht. Die ganze Arbeit hat mid, jedoch bereichert; ic; habe lebhaft empfunden, daß es unendlich viele Vortrefflich⸗ feiten gibt und zwar ganz verfichiedene entgegengefeßte, und in diefer Rüdficht habe ich an der Gefchichte der Menfchheit fehr vielen Geſchmack gewonnen. Es ftößt mir aber hier wiederum eine traurige Bemerkung auf, daß fo wenig Gutes darin vor: handen, da doch hiftorifche Kenntnis aller Art der Liebling und der Charakter des Jahrhunderts if. Zum Hiftoriker in jedem Sach gehörten erftlich Fleiß und Treue und Drdnung wie die eines Linné; fchon diefes ift felten; aber an der Liebe, die not wendig ift, fehle es faft gänzlidy in der allgemeinen Engherzig⸗ feit.

Bon Nteßproduften ift mir befonders merfwürdig getvefen Gafontala, ein indifches Schaufpiel aus dem Engliſchen von ®. Forſter. Außerft intereffant wegen der Fremdartigkeit: es find viele feine Empfindungen darin; die Charaktere find ein wenig flach; der Dialog und befonders die Handlung haben einen langfamen matten Gang: überall glaubte ic; die Spuren des Klimas darin zu entdeden. Die Sache hat Lärm gemacht.

Dein Urteil über Boltaire gefällt mir fehr gut. Ich habe feit der Zeit nody alle feine kleinen philoſophiſchen Schriften nebft feiner Lebensbefchreibung gelefen. Er fdjeint ganz eigentlidy von der Natur gebildet, um Kehler oder eigentlicher Widerfprüche zu bemerken; er fühle fie allenthalben zuerft, und zwar oft in Dingen und Befcyäftigungen, deren Geiſt er gar nicht einſah, beffer als tiefe Kenner derfelben. Etwas in Kontcaft hiermit

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fteht der wunderbare Enthufiasmus für den Lodianismus, der bis zum ridicule geht. Ich hatte noch vieles über ihn zu fagen, aber grade in diefem Augenblidte will es ſich nicht zu Papier bringen laffen. Überhaupt, glaube ich Fönnte ich großen Gefhmad gewinnen an diefer Arc der Lektüre die Schriften und das Leben eines großen Mannes zufammen zu vergleichen und mir ein Ganzes daraus bilden. Es Fann zu vielen Gedanken Anlaß geben indem man alles Bemerfte zufammen nimmt, fo gut als möglidy auf etwas Gemeinſchaftliches zurüdführt, ins dem man dies weiter ausführt, wie es in der höchſten Bollfome menbheit geweſen fein würde, indem man fid) zu erflären ſucht, mie es wurde, und wie es fid) nad) der jedesmaligen äußern Welt modifizierte und an fie anſchloß, indem man auf die Übergänge und Änderungen achtet, oder die Anomalien zu entdeden ſucht uſw. Je nachdem es die Eigentümlichfeit oder die Stimmung des Betrachters mit ſich bringt. Diefe Betrachtung erhebt den Betrachtenden felbft und wirkt tätiger in ihm als Moral oder das “Ydealfchöne der Künfte. Die Moral gibt nur Ideale, deren Anſchauung ganz unmöglid ift, und die nur in abstracto betrachtet werden Fönnen. Da Poefie und Malerei gewöhnli auf Eins Fonzentrieren (fei es eine Handlung oder ein Charafter oder eine Leidenfchaft ufiv.), fo geben fie die Vollkommenheit in idea— liſchen äußern Berhältniffen oder geben dody nur ein abgeriffenes Stück, nie die Vollkommenheit in einem ganzen Menſchenleben. Das Leben eines aufßerordentlichen Mannes hingegen zeigt eine Bollfommenheit, die in die verwidelten Berhältniffe hineingefchaffen, an ein ftets wandelbares Wefen befeftigt und gegen den ewigen WBiderftreit unendlich vieler Wefen gefchügt if. Es erhöht alfo unfer eignes Leben mehr als die höchfte der Wiffenfchaften und das fehönfte der Künfte. Der Stoff und die Vollkommenheit, die hineingetragen wird, mögen noch fo verfihieden fein, fo find doch die Schwierigkeiten, die der Stoff macht, ungefähr gleich groß; und in der Überwindung derfelben befteht doch die Hauptfache. Ich follte auch denken, daß diefes Studium Dir angemeffener 3 Romantiker⸗Briefe 33

wäre, als das der eigentlichen philofophifehen Wiffenfchaften. Ich bitte Dich bei allen Heiligen, die Arbeit über den Dante nicht liegen zu laffen. Halte Did, lieber bloß an dies, an Korres fpondenz, und wenn Du etwa poetiſche Laune haft und laß alle übrige eigene Leftüre, die Dich doch mahrlidy nicht fo erheben kann wie der Dante. Für das Überfandte danke ich recht fehr. Die Hieroglyphe die Priefterin hat meinen gangen Bei: fall; ein einfaches bedeutungsvolles Symbol. Den Lefern des Almanachs mwird es wohl fo geheimnisreid) fein als eine ägyptiſche Schrift. Ich wünſche, dag Du Luft zum Abfchreiben befommft. Die überſchickten Gedichte, die zum Drud find, werde ich Loft. chen mitteilen. Ich follte Dir wohl mehr über die Gedichte fhreiben; vor einigen Tagen hätte ich es auch getan; geftern und heute aber bin ich gar nicht poetifch, ich habe ftarfes Kopf: meh.

Friedrich Schlegel an Auguft Wilhelm [18]

... Kunft, Wiffenfchaft, Umgang müffen mid) aufrecht halten. Doch ift der leßte jegt nur Spiel des Vorſtandes für mich; denn ich liebe nichts, gar niemand. Bedenfe was in diefen Worten liegt und preife Dich glüdlih, dag Du große Leiden haft!

4. Oktober 1791

Du wirft Dir ſchon müffen gefallen laffen, daß id Dir Bücher ftate Briefen ſchicke. Es ift mir beinahe zum Bedürfnis geworden, mic) Dir ganz mitzuteilen. Diefen DBorzug verdanfft Du aber nicht der Gewohnheit, fondern der Überlegung. Denn ist kenne ich Eeinen, der mich fo ganz verftehen könnte und mas das wichtigfte ift, ich darf auch hoffen, Dir nicht unnützlich zu fein; wenn aud) durch nichts, als daß ich bisweilen daran erinnere, daß es nur auf Dich anfömme ein großer Menſch zu werden. Ich

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fage Dir aber, daß ich es jo mit Dir halte wie Lavater mit Chriftus, der ihm gradezu erklärt, daß, wenn er ein noch beffres Medium mit Gott findet, er den erften Pla räumen muß. Golange Deine jegige Verbindung mit B. dauert, rechne ich nicht fo fehr auf Bezahlung als nachher. Doch hoffe ich, daß Deine Briefe nicht abnehmen werden, fondern immer wachſen an Länge und Gehalt. Du hätteft in Deinem legten Briefe wohl ein- mal wieder eine Nachricht von Deiner Korrefpondenz mit B. geben fönnen. ... Gebr viel wert würde es mir auch fein, wenn Du mich Fünftig zum DBertrauten Deiner Pläne machteft, weldyes Du in Göttingen nicht immer getan. Du weißt, dag Du auf meine Berfchwiegenheit rechnen Eannft. Ich kann ohne diefes nie Deine ganze Lage recht überfehen. Doch Du weißt gewiß ſelbſt am beften, welche Mitteilung mir die angenehmfte ift.

Du fragft mich, ob ich nicht Luft zur Schriftſtellerei befäme? Allerdings habe ich fehr viel Plane dazu, und ich glaube, ich werde die meiften ausführen; nicht ſowohl aus Liebe zum Werke als aus einem Triebe, der mich von früh an ſchon befeffen,dem ver- zehrenden Triebe nad Tätigkeit, oder wie ich ihn noch lieber nennen möchte, die Sehnfucht nad) dem Unendlichen. Es verfteht ſich, daß Dir alles mitgeteilt wird, auch unreife Plane. Das erfte, was ich ausführen werde ift eine Allegorie und dann ein Ge fprädy über die Poefie. Doch davon nicht eher als bis ich Dir etwas ſchicken Fann. Überhaupt mußt Du meine hiefige Lebensart gar nicht nady der in Göttingen beurteilen. Ich fuche den Umgang, wenn nur einiges Yntereffe daraus zu preffen; und meine Art des Uimganges ift der in Göttingen ohngefähr grade entgegengefegt. Seit ich bier in Leipzig bin, habe ich nicht fehr anftrengende oder trodene Sachen getrieben; im Gegen: teile, bald diefer, bald jener Laune im Lefen gefolgt, und meiftens mid; mit Dingen befchäftigt, die dem Herzen friſche Lebenswärme geben; fo daß ich eigentlich fagen Fann, mein Geift ift noch nie fo Eraftvoll und gefund gemefen als ißt; und Du würdeſt den vorigen Abfchnitt diefes Briefes mißdeuten, wenn Du glaubft, daß

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dies nicht damit beſtehe. Denn nie habe ih noch fo vieles unter: nommen und mit fo lebhaften Tyntereffe....

@aroline an Meyer [19] Göttingen, 29. DEtober 1791

... Ihr haftets gut mit mir im Sinn umd mwolltet mich auch wieder ins Gleis bringen ad) den Berfügungen des Himmels zum Trotz folg id; meinem Geſchick! Wiffen Sie aber fdyweigen Gie davon! daß ich aus eigner Macht eine Eroberung, die Ihr mir zugedadht hattet, vollbracht habe doch man poll: bringt nur eine Sache, die man unternahm, und idy war un- fhuldig an dDiefem Beginnen. Nur mein a, fo war der Roman fertig, den man Stück vor Stüd mit foldyen Singerzeigen, wie fi) am Rand der engliſchen Zeitungen befinden, hätte bezeichnen fönnen, denn von da an, daß ich einer feligen Srau ähnlich fah, bis auf die Herzensbewegung des geiſtlichen Mannes, die ihn trieb, meiner zu begehren, pafte ſich alles vortrefflich. Im Ernft, mein lieber Meyer, die gottlofe Eleine Frau die Fofette junge Witwe denn es gibt doch dergleichen Lefearten über mi feffelte durch ihre unfcheinbare Hülle ihn Du weißt feinen Namen und id) ftand an das ganze Lebensgewirr Ereuzte fi in meinem Kopf fo oder fo! Drei Tage lang wars mir ein Rätfel es löfte fidy zulegt in die Stage auf: Willſt du gebunden fein, und gemächlich leben, und in weltlichem Anfehn ftehn bis ans Ende deiner Tage oder frei, müßteft du es aud) mit Sorgen erfaufen. Die träge Natur lenfte fidy dorthin und die reine innerfte Slamme der Geele ergriff diefes ich fühle was ih muß meil ich fühle was ich kann ſchelte mid) nie mand unvernünftig ich habe wohl erwogen, und Tenne den ganzen Wert einer Lage, wie ſie ſich in die gewöhnliche Reihe der Dinge paßt aber verblenden Fonnt er mich nicht über den wahren Wert des Lebens, Wer ficher ift, die Folge nie zu

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bejammern, darf tun was ihm gut dünft. Ich hätte mid, freilich noch fehr nüßlich für den Staat machen Fönnen, wenn ih ihm eine Hauchaltung beforgt und ein halb Dußend Kinder mehr erzogen pätte, wie mein einziges liebes TNädden aber es geſcheeht ebenfo- gut ohne mich, und Feine Glüekfeligfeit wird dan Dabei zerfiückt für des lieben Gottes Staat ifts alfo beſſer. Wer mollte geſchieht nur von dem, der Lüden zu füllen Leere zu verbergen hat. Ich glaube an feine Dpfer und an feine Ausnahmen. Dos erfle wird mich hindern nicht ohne Lot unglücküch zu jein, und mich nicht dafür zu halten das zweite, in meinen Erwartungen nicht getäufdjt zu werden.

Garoline an Luife Gotter [20]

Göttingen, 31. Dftober 1791

Wohl mir, daß ich in Eure Hände gefallen bin, wo der freund ſchaftliche Eifer ſich auch Feinen Schritt über die Grenzen des holden Anftändigen hinaus verirrte wenn Grandifon und Miß Boon diefe Sache zu behandeln gehabt hätten fir würden nicht feiner die zartefte Empfindung beider Teile geſchont haben ih erkenne Gottern aber die Erkennung war mit neuen Entdedungen verbunden und müßt ich ihm nicdhe wiederum dafür danken, daß er mir die Freude macht, ihn auch von diefer Geite zu bewundern, fo würd ich fagen fr nehmen ift fo felten felbjt unter Leuten von Berftand und doch ift Delifateffe das Wort des Verſtandes! Hier ift es mir doppelt wert, weil es beinah unverzeihlicher ift, Hoffnungen zu geben, die man nicht erfüllt, als voreilig die Erfüllung derfelben ahnden zu laffen verfiehft Du dies Wort? Meine gute Louife Du fahft es mit Deiner jhlihten Weisheit. ſchon voraus und im Son Demes Briefihens liegt auch Feine gefpannte Er⸗ 37

martung mehr Du mirft nicht fehr befremdet fein, wenn ich Dir befenne, daß ich nicht kann. Mir ift, als müßt ic) mid) darum bei Dir als um einer Torheit willen entfchuldigen, fo feft ich in meinem Ginn überzeugt bin, daß es für mich die Eühlfte Vernunft if. Hat niche ein jeder die feinige, und nur das darf Schwärmerei genannt werden: unternehmen, ohne die Folgen zu überfehn, und dann mutlos und erfchlafft unter ihrem Gericht erliegen. Jene hab ich mir lebhaft vorgeftellt, und diefes darf ich nie fürchten, felbft wenn ſich Dinge ereignen follten, die ich nicht vorausfah. Kann ich fie nicht noch weniger berechnen, wenn ih Eurem liebreichen Plan nachginge, als wenn id) den einfachen Weg verfolge, den ich mir vorgezeichnet habe? Ich habe fehr den Ehrgeiz nüßlich zu fein aber das Nützlichere ift auch immer das Glückliche und ich bin gewiß um fo glüdlicher, je freier ich mich weiß um fo gebundner an die Pflichten, für welche ich Kräfte habe, je millfürlicher ic) handle. Verdammt mid) alfo nicht, daß ich Die Winfe der Borfehung zu Schanden made ich bin dennoch fo fromm zu glauben, daß fie nichts umfonft tut. Laß uns auch den kurzen Traum nicht bereuen es ift nicht mahrfcheinlih, dag Schmerz für ihn die Wirkung davon fein werde und uns hat er den der Trennung fo gänzlich erfpart hat mir mein Schidfal von allen Geiten gezeigt. Nachdem ich entfchloffen bin, feh ich der Bedenklichkeiten für einen ent- gegengefegten Entſchluß, gegen welche ich mich im Anfang ver: blendete, weil ih gewünſcht hätte, einmwilligen zu Fönnen, noch fo mandje meine Beratfchlagung hat mehrere Tage gedauert ich bin wirklich fo unparteiifch verfahren, mie es fterblichen Nlen- ſchen möglich ift entfchied der geheime Hang des Herzens fo hab ih nicht Unrecht, denn dann madje ich mir doch nie VBormürfe....

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Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [er]

,.. Was es aud) fein mag, mas Du unternimmft, lieber Bruder handle groß, und wenn es nicht gelingt, fo bleibe feft ftehen. Du wirft alsdann eine glorreicje Gelegenheit haben, Gott zu ver⸗ achten. Bei allem Reichtum, wenn wir nicht unfrer eignen Boll: kommenheit felbft entfagen Fönnen, find mir nur Diener Gottes. Wenn Du unglüdlich bift, fo fürdhte ich für Deine Geele. Doch wenn Du nur willft!...

Nach einem Zwifdjenraum von einigen Tagen, den mancherlei Gefchäfte und Plane und ein heftiger Anfall von Mißmut ver» urfacht haben, feße id; mid) wieder nieder, um meine unterbrochene Unterhaltung zu vollenden. ch überdenfe fo eben mas alles in meinem Kopfe vorging in diefer fo kurzen Zeit, die zahllofen Gedanken, die mein Geift baute, allen Schmerz alle Sreude, alles das, was id) Dir nicht nennen kann. Die Menfchheit ift etwas wunder: bar Schönes etwas unendlidy Reiches und doch zerfrißt das Ge⸗ fühl „unfrer Armut jeden Moment meines Lebens. Und dann gibt es Zeiten, wo das Befte was ich mir zu denken vermag, meine Zugend, wenn fie aud) auf den Augenblid erreichbar würde, mid) anefelt. So lebe ich denn immer fort glaube aber nicht, daß ich jeder Laune fo diene wie in Göttingen, ganz fo Fränf- liches Herzens bin. Du mwürdeft den IBeg billigen, den ich gehe; es ift ziemlich der, den Du mir zeigft heilfame Tätigkeit. Zwar find die Wege zum Glüd ganz dunfel und fo geringfügig das ſcheint, ob eine Kreatur wie ich glüdlich ift fo ift doch Fein endlicher Berftand fähig einzufehen, ob mich dies zum Glüd oder zum Berderben führt. Doch, denke ich, würde vor der Hand ein Werk des Geiftes recht gute Dienfte tun; ob ich glei), wenn ich beten Fönnte, Gott nicht um Verſtand fondern um Liebe bitten würde.

Erwarte nicht zu viel von meinem Zuftande und überhaupt; über den gemeinen Pöbel der Günder feße ich mid) hoch weg; aber ich fühle es oft, recht viel bin ich nicht wert. Es gilt hier erft was Du von der Geringfügigkeit aller menſchlichen Bortreff:

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lichfeit fehr richtig bemerfftl. Ich wüßte mich auch nicht zu entfinnen, daß ich etwas fehr gutes getan hätte; wohl einiges ſchlechte und übrigens habe idy gedacht und bin oft feelenfranf geweſen. Ich darf mich noch Faum einen Mann nennen; was meinem Berftand betrifft, fo habe id; doch nicht felten die lädjer- lichſten Irrtümer begangen; ich betrüge mid, fehr leicht felbft. Was ich aber eigentlich am meiften an mir zu tadeln habe, da- für finde ich Feine Worte, es auszudrüden; es gehört mit dahin, dag die feltfamften Abfprünge von der höchften Höhe zur tiefften Tiefe meinem Gefühl fo gewöhnlich find.

Diefes find meine Gedanfen über mich; mißfallen fie Dir, fo denfe an das herrliche Wort: zwifchen uns fei Wahrheit.

Wenn ich ein Gefpräcd dichten werde, fo wird mein höchſter Wunſch fein, alles aus der immenfen Eigentümlichkeit unfrer Nation zu nehmen. An die Erdichtung- eines echt griechiſchen Gefprächs wage ich mich nicht. Es feheint mir zuerft am beften das Große mas man um fid) fieht und von dem man Teile in fich hat, in der Vortrefflichfeit darzuftellen. Und dann find die meiften unfrer Gedanken nicht neu, aber in ihren feinften Zweigen und Blättern anders gewachſen und gebildet; und diefe Teile fehe ich nicht für unbedeutend an. Es gibt eine Größe und eine Schönheit für jedes Klima, auch für den Nordpol und für jedes noch fo ent» artete Gefchlecht der Menſchen. Unſer Geift ift munderbar bieg- fam und bildfam, fo mie unfer Leib.

Auf den deutfchen Charafter ift man noch nicht fehr aufmerf- fam. Seit einiger Zeit, deucht mich entdedt zu haben, daß unfer Volk einen fehr großen Charakter hat. Go nenne ich den Inbegriff klimatiſcher und geſchlechtsmäßiger Vortrefflichkeiten; vollendet fehe ich ihn nur in einigen wenigen großen Männern, verzerrte Züge finde ich faft in allen Deutſchen... Unter den Männern, die der öffentliche Ruf kennt, nenne ich Dir hier &riedrich, Goethe, Klopftod, Windelmann und Kant. Ich Fönnte noch viele andere von etwas geringerm Gehalt nennen, deren Größe ich auch urfprünglih deutfch finde. Bon obiger Art Menſchen

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ift mohl unter allen Gefchlechtern nicht viel gleiches zu finden, und fie haben mehrere Eigenfchaften, wovon nie ein uns befanntes Volk ein Ahndung gehabt hat”). Ein andermal mehr davon, Du mwunderft Dich vielleicht, daß ich Klopftod oben. nannte. Ich habe Frieden mit ihm gefchloffen. Es atmet aus feinen Schöpfungen und feinem Leben eine edle Männlichkeit, Kühnheit, Beftimmtheit, unerfchütterliche Beharrlichkeit; er ift ein Mann und ein Mann ift ein fo feltnes Weſen, daß ich jeden der es ift in dem Herzen meines Herzens trage und alles an ihm dulde. Über feine Gedichte rede ich wohl einmal umftändlicher.

Diefer zu verfchiedenen Zeiten gefchriebene Brief ift den 8. No⸗ vember abgefchict.

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [22]

... Ich bin fehr geneigt zur Ahndung verborgnen Elends. Du fönnteft mich darin faft einen Propheten nennen obwohl das Weisfagen und Divinieren hier eben nicht ſchwer ift; denn in allen Dingen find wir enge endliche Wefen, nur in einem machte uns Gott unendlich in der Zerrüttung.

Muͤndlich hätte ich Dir wohl vieles über die Gegenftände von meines Bruders Brief und Schillers Rezenfion zu fagen; denn ic) habe, feit ih Dich nicht fah, viel über die Dichtfunft nachge: dacht. Nur einige wenige Worte über den Magftab zur Schätzung des Wertes der Dichter. Diefer Mafftab, denke ich, ift für die öffentlihe Dichekunft die Wirfung auf das Volk und alfo der Grad des Bergnügens und der Erhöhung zur Wir:

*) Ich ſehe m allen, befonders den wiffenfchaftlidhen Taten der Deutſchen nur den Keim einer großen herannahenden Zeit und glaube, daß unter unferm Volke Dinge gefcheben werden, wie nie unter einem menfchlichen Geſchlecht. Naftlofe Tätigkeit, tiefes Eindringen in das Innere der Dinge, febr viel Anlage zur Sittlichkeit und Freiheit finde ich in unferm Dolfe. Allenthalben aber fehe ich die Spuren des Werdens.

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fung für diefes. (Wirkung und Glück und die Mittel dazu laffen fi) aber nicht etivan meffen und berechnen.) Ich fagte für die ‚öffentliche; ich nehme auch eine geheime Dichtkunſt an. Ye ‚inniger diefe mit der Eigentümlichfeit der wenigen, von denen und für die fie ward, verfettet ift, je mehr erfüllt fie ihre Beftimmung, und je mehr ift fie vielleicht dem Volke ungeniegbar. Man fieht diefe Geheimniffe zwar oft um einen Lobfprudy verfaufen, aber ich für meinen Zeil würde nie imftande fein, mein innerftes Ich, gleihfam als eine Naturfeltenheit, die in einem Naturalienfabinet verwahrt wird, den Liebhabern vorzuzeigen. Wenn ich von der Wirfung auf das Volk ausgehe, fo würde ich mwünfchen, der Dichter mödjte gang in das Intereſſe derer, auf die er wirfen will, eindringen, alle ihre Berhältniffe erforfchen. Darum muß der Dichter ueyalowvyog, großherzig fein; denn mas das Herz von NMüllionen ausfüllt, das muß in feinem Geifte Raum haben. Jeden vielleicht unbedeutenden Keim des Glüds und der Wirkung, der in der Eigentümlichfeit und in den äußern Berhältniffen des Bolfes liegt, entfaltet er dann: die Geele des Volks wird’ dürd) ihn geadelt. Über irgend einen Mangel des Stoffs wird ein Dichter nicht Flagen; denn wäre das Erdreich auch dürre Öteppe, wohin der Dichter mit feinem Zauberftabe ſchlägt, da fpringt der heilige Quell des Genufjes und der Geelenwirfung hervor....

Caroline an Gotter C23)

Göttingen, 13. November 1791

... Nennen Gie mid) immer kalt finden Gie, daß ich mich aufs Leben ſchlecht verftehe nur geben Gie mir nicht Schul, daß ich minaudiere und laffen Gie mir meine eigne Art zu fophiftifieren da fie mwenigftens das nicht mit jener gemein haben wird, daß fie fi in Geifenblafen auflöf. Ich glaube audy mit meiner eigentümlichen Weiſe ohne Anfprüde auf

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den Glanz, den Gie mir gütig zuwenden noch Anfpruch auf Ihre Verehrung madjen zu dürfen war ich nicht gerecht gegen einen würdigen Mann? und ift das nicht das fchönfte VBerdienft des Weibes? Ich Fonnte es nicht „beffer beiweifen, als daß ich die Tür flog es gefchah nicht aus der Kofetterie, damit an- geflopft werden möchte id kann mid) aber auch nicht rühmen, der Konvenienz gar nicht zu achten wenn man nun fo offen und bedächtlich verfährt, kann man dann nicht hoffen, das ver: nünftigfte ermählt zu haben? War es das für mich, fo mußt es auch fo für ihn fein. Je mehr ich einen Mann ſchätze, um fo weniger mödt ich ihm Opfer anzurechnen haben. Scheint Ihnen das Sophiſterei nun fo laffen Gie es fein, daß ein Glied in der Kette der Schlußfolge fehlte! ...

Nur noch eins erft jegt dürfen Gie von bewährter Yugendfreundfchaft reden, und wenn Gie wollen fingen! Sich mwährend zehnjähriger Trennung lieben, Tann die Kortdauer eines glüdlichen Eindrucks fein fidy dann fehen in mwefentlichen Dingen verſchiedner Meinung fein in Willen und Wünſchen gefchieden und dennody innig in Liebe bleiben das iſt die Frucht gegenfeitiger inniger Überzeugung, die aud) zehn nebenein- ander zugebrachte “Jahre nicht auslöfchen würden. ...

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [24] 5. Dezember 1791

... Wenn B. Did) liebte, fo dürfteft Du auch vielleicht die Zukunft nicht achten und alles aufopfern. Wie fehr mir die Art ge fälle, wie Du nachher gehandelt, Tann ich nicht fagen, und wenn alles fo fortgeht, fo wirft Du mit Recht fagen Fönnen, ‚mehr gewonnen als verloren zu haben‘. Du bift der Herrfchaft ent gangen, willft Du ein Bündnis fehliegen? Ich will fehen, ob man nicht in der männlichen Liebe die weibliche vergeffen Tann,

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und ich fordere Dich auf, nad) Jahren über den Vorzug zu ur teilen. In der Tiefe meiner Geele dämmert ein erhabenes Bid der Freundfchaft; wenn wir noch einmal zufammen leben, fo foll dies wirklidy werden. Ermwarte nicht zu viel von mir; nur an einem dürfen Deine Korderungen ohne Grenzen fein, an Liebe und Aufopferung für Dich. Glaube nicht, daß ich in bald vergeffnem Taumel rede....

Caroline an Meyer [25] Göttingen, 6. Dezember 1791

... Es Eann fein, daß wir immer getrennt bleiben, und die Blüte eines mwohltätigen Zutrauens nie Srüchte bringt, aber fie ift mir doch lieb jeder angenehme Augenblid hat Wert für mid Gtüdfeligkeit befteht nur in Augenbliden ich wurde glücklich, da ich das lernte. Darum, wenn ich Gie auch nur auf kurze Zeit fehn follte wie gern würd ich es! Iſt denn Fein Mittel? Gie fommen nicht an diefen verhaften Ort Gie gehn nad) feinem, der auf meinem Wege liegt? Wenn nun die Anſchläge glüdten, welche man für Gie gemadjt hat wär es denn nicht tunlich? Ich verlaffe Gött[ingen) in diefem Jahr noch nicht, vermutlich erft im Februar des Fünftigen, fo ungern id) hier das heißt doch noch mehr, fo ungern ich in diefem Haus bin aber die Mutter glaubt, id könne meinen Schweſtern nüßlid) fein und folange ich ohne Nachteil für meine Kleine und mich Tann, will ich ihren Glauben ehren. Lottens Schickſal ift in einer Kriſis, wo ich etwas fun konnte. Ein genauer Umgang mit einer gemwiffen Madam Bürger ift den beiden Mäd- chen jegt wieder fehr unvorteilhaft gewefen! Frau Menfchenfchred! Du Fennft die Menſchen, Du- haft wahr prophezeit! Es ift ein Fleines niedliches Figürchen, mit einem artigen Geficht und Gabe zu ſchwatzen empfindfam mo es not fut, intrigenfüchtig. im

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höchften Grad und die gehaltlofefte Kofetterie der es nicht um einen Liebhaber ſowohl ohngeadtet fie auch da foweit geht, wie man gehn fann fondern um den Schwarm unbedeutender Anbeter zu tun ift, die ihre ganze Zeit damit verdirbt, und den Kopf dabei verliert. Mir tuts fehr weh für Bürger eine vernünftige rau, feinen Jahren angemeffen, hätte ihn noch zum ordentlichen Mann gemacht aber jeßt droht feiner Haushaltung ein völliger Untergang, weil fie fidy um nichts bekümmert nidyt einmal um ihr Kind den Eleinen Agathon, der, feit die Leute fi} nicht mehr über den Namen wundern, von aller Welt und von der Mutter vergeffen ift. Nicht ein Funken mütterlich Ge- fühl in ihr! Gehn Gie, Meyer darum müſſen Weiber Feine Liebhaber haben, weil fie fo leicht Kind und Wirtfchaft darüber vernachläffigen. Ich Fönnte Yhnen hiervon Anekdoten erzählen, die mir die Tränen in die Augen gebracht haben mein innerfter Unmille wird reg, wenn ein Weib fo wenig Weib ift, das Kind vergeffen zu Fönnen, und wär idy Mann, id möchte fie nicht in meine Arme fchliegen. Bürger fühle alles und weiß ſich nicht zu helfen ift es denn fo ſchwer Mann neben euch zu fein? fagte mir Zafter. Er wird eigentlidy ftüpide neben ihr ift ſtill und ftarrt mit abgeftorbrien Augen in das Weſen hinein. Neulich) Flagte ers mir bitterlid), daß er fo gar Feinen Geift mehr habe kommen Gie dody ihn wieder aufzuwecken vor ihrem Weg find Sie fidjer ein gefcheuter Mann war bis jeßt noch nicht darin. Ad, dann wärs ja zu verzeihn denn daß ich nicht aus Intoleranz fo urteile, verfteht fi) wohl. Mein Liebesmantel ift fo weit, als Herz und Sinn des Schönen gehn. ...

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [26]

... Ich überlaffe es der Zärtlichkeit des WBeibes, den Sreund aus Eigennuß zu einem gewagten Schritt zu verleiten diefe Tann ja noch mehr, fie kann durch alle Künfte zu einer Handlung ver-

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führen, die die völlige Entadelung der Natur ihres Sreundes zur unvpermeidlichen Folge hat. Aber fie fagt felbjt fehr richtig, daß der Mann der Liebe jedes Opfer bringen fönne außer eins fein Gelbftgefühl diefem bringe er jedes Opfer oder eigent- lich keins. Und fo haft Du Dich gezeigt; und ich glaube, daß fie Dich höher darum achten muß, wenn fie es gleich verbirgt. Warum beleidigft Du fie aber, wenn Du nicht wahre Verachtung gegen fie fühlft? und wenn das, fo war es genung, zu ſchweigen. Dies hätteft Du ſchon nad) dem zweiten Brief tun mögen oder ftatt der Antwort ihn zurückſchicken. Gchonung ver- diente ein Weib nicht, die Dir unbefonnen eine Berfchreibung auf Dein Glück gibt, und bald diefe ganz unbefangen zerreißt, aus feinem Grunde, als weil fie fühlt, daß es fo tief in ihr liegt. Daß Du auf ihren dritten Brief eine andere als eine ſolche Ant: wort nötig gefunden haft, darüber munderft Du Dich mit Recht felbft, noch mehr mundre ich mid, aber über ihre Ankündigung einer gleichgültigen Korrefpondenz, die Du doch wohl unerbrodyen laffen wirft, als märe eine geiftreiche Korrefpondenz fo mas feltnes, daß die Qual, die es Euch beiden machen wird, nicht dagegen in Anſchlag kommt. Euer Bund ift ganz zu Ende und Dein Aner- bieten der Sreundfchaft halte ich nicht für Ernft. Euer Bund ift ganz zu Ende, denn Deine Liebe zu ihr war nur Mittel zu einem hohen Zweck, den das Mittel zu zerftören droht. Dies zeigft Du, indem Dir der Zweck mehr galt als das Mittel. Du haft fie nur gebraucht, und mit Recht mwirfft Du fie weg, da fie Dir ſchädlich wird. Der weißt Du etwa nicht, dag Du in ihr Dein eignes Ideal der Größe liebteft? Syn einigen Jahren mußt Du einfehen, daß der Grund Deiner Erhöhung in den legten Yahren in Dir felbft lag: fie war nur der Anlaß und doch verfichert fie Did) ganz naiv, dies fei ganz ihr Werk. Bei einer perfönlichen Zufammenfunft hätte fie vielleicht Mittel gehabt, es glauben zu machen. Mein Lieber, ich verfenne fie nicht. Und fie hat Recht, wer nichts als die Buhlerin in ihr fieht, der verdient Verachtung. Gie

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ift mir noch diefelbe, die fie mir war. Uber ich frage nur nad) dem, mas fie für Did) ift, nicht mas fie an ſich ift. Und da haft Du vortrefflich entſchieden. Wenn fie Dich liebte, und dies ift möglich, fo galt ihr ihr Kigendünfel und ihre weibliche Herrſch⸗ begierde mehr als Du. Einzelne fehr große Züge verfenne ih nicht an ihr; ich wünſchte doch, daß fie mit der ſchonungs⸗ Iofen Aufrichtigkeit, deren fie fidy rühmt, auch nur einmal in ihr Inneres blickte. ft denn die Größe fo begierig, Gupe- riorität fühlen zu laffen? ſpricht fie ohne Unterlaß; ich bin die Größe? und glaubt ſich felbft nicht, fondern bedarf jemand, der fie von. ihrer Größe unterhält? Wer nicht in dem Bewußtſein feiner unendlidyen Kraft von dem Gefühl feiner Geringfügig- feit durchdrungen ift, defien Blick muß wenigſtens etwas kurz fein. Hinter den Ausfprücdhen ihres Gefühls, die die Dunkel: heit und die Anmaßung der Orakelſprüche haben als es liegt fo in mir id) fage wie es ift, nicht wie es fein follte ich fühle das es ift muß ich darf, was ih muß hinter diefen ſcheinbaren Geftalten möchten vielleicht andre Dinge im Hintergrund lauern als fie felbft ahndet. Es ift nicht unmög- lich, daß fie ihren Schritt einmal bereuet; fie fühle Deinen Verluft tief. Der arme Betrogene wird einmal fürchterlich erwachen gewiß ohne Dein Zutun. Deine Schilderung im vorleßten deutet auf einen Mann, von dem ich aber nicht begreifen Fann, daß fie ihn grade jeßt wieder gefehn und einige andre Umſtände. Ein Mann von vieler Klugheit der ſich in froftigem Eigen- dünfel in ſich und aus ſich felbft nährt. ch wünſchte doch Aufflug darüber.

Ihr Urteil über Deinen fitelidyen Wert ift Dir nad Deinem legten von großer Wichtigkeit ein beleidigtes Weib ift mohl nicht Falte Richterin und fie hat Dir ja in ihrem legten Brief beiviefen, daß fie auch gegen ihr Gefühl Dir Verachtung blicken (affen toird. Über noch einen Punkt muß ich reden, den ich nicht für fo ganz unwichtig halte. Gie verfichert Dich in dem Briefe, mo fie Dein Kommen ablehnt, Du mwürdeft Fein großer Gchrift:

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führen, die die völlige Entadelung der Natur ihres Sreundes zur unvermeidlidhen Folge hat. Aber fie fagt felbft fehr richtig, daß der Mann der Liebe jedes Opfer bringen könne außer eins fein Gelbftgefühl diefem bringe er jedes Opfer oder eigent- lich feins. Und fo haft Du Dich gezeigt; und ich glaube, daß fie Dich höher darum adjten muß, wenn fie es gleich verbirgt. Warum beleidigft Du fie aber, wenn Du nicht wahre Berachtung gegen fie fühlft? und wenn das, fo war es genung, zu ſchweigen. Dies hätteft Du ſchon nach dem zweiten Brief tun mögen oder ftatt der Antwort ihn zurüdfchiden. Schonung ver- diente ein Weib nicht, die Dir unbefonnen eine Berfchreibung auf Dein Glück gibt, und bald diefe gang unbefangen zerreißt, aus feinem Grunde, als meil fie fühlt, daß es fo tief in ihr liegt. Daß Du auf ihren dritten Brief eine andere als eine foldye Ant: wort nötig gefunden haft, darüber wunderſt Du Dich mit Recht felbft, nody mehr wundre ich mich aber über ihre Ankündigung einer gleichgültigen Korrefpondenz, die Du doch wohl unerbrochen laffen wirft, als wäre eine geiftreiche Korrefpondenz fo was feltnes, daß die Qual, die es Euch beiden machen wird, nicht dagegen in Anfchlag fommt. Euer Bund ift ganz zu Ende und Dein Aner- bieten der Sreundfchaft halte ich nicht für Ernſt. Euer Bund ift ganz zu Ende, denn Deine Liebe zu ihr mar nur Mittel zu einem hohen Zweck, den das Mittel zu zerftören droht. Dies zeigft Du, indem Dir der Zweck ınehr galt als das Mittel. Du haft fie nur gebraudjt, und mit Recht wirfft Du fie weg, da fie Dir fhädlidy wird. Dder weißt Du etwa nicht, daß Du in ihr Dein eignes Ideal der Größe liebteft? In einigen Yahren mußt Du einfehen, daß der Grund Deiner Erhöhung in den legten Jahren in Dir felbft lag: fie war nur der Anlaß und doch verfichert fie Did) ganz naiv, dies fei gang ihr Werk. Bei einer perfönlichen Zufammentunft hätte fie vielleicht Mittel gehabt, es glauben zu madhen.

. Mein Lieber, id verfenne fie nicht. Und fie hat Recht, wer nichts als die Buhlerin in ihr fieht, der verdient Verachtung. Gie

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ift mir noch Diefelbe, die fie mir war. Aber ich frage nur nad) dem, mas fie für Did) ift, nicht was fie an fich ift. Und da haft Du vortrefflich entſchieden. Wenn fie Did; liebte, und dies ift möglich, fo galt ihr ihr Eigendünfel und ihre weibliche Herrſch- begierde mehr als Du. Einzelne fehr große Züge verfenne ich nicht an ihr; ich wuͤnſchte doch, daß fie mit der fhonungs- Iofen Aufrichtigkeit, deren fie ſich rühmt, auch nur einmal in ihr Inneres blidte. Iſt denn die Größe fo begierig, Gupe- tiorität fühlen zu laffen? ſpricht fie ohne Unterlaß; ich bin die Größe? und glaubt ſich felbft nicht, fondern bedarf jemand, der fie von ihrer Größe unterhält? Wer nicht in dem Bewußtſein feiner unendlichen Kraft von dem Gefühl feiner Geringfügig- keit durchdrungen ift, deffen Blick muß mwenigftens etwas Furz fein. Hinter den Aueſprüchen ihres Gefühls, die die Dunkel- heit und die Anmaßung der Ocakelfprüdje haben als es liegt fo in mir id) fage wie es ift, nicht wie es fein follte ich fühle das es ift muß id; darf, was ich muß hinter diefen ſcheinbaren Geftalten möchten vielleicht andre Dinge im Hintergeund lauern als fie felbft ahndet. Es ift nicht unmög- lich, daß fie ihren Schritt einmal bereuet; fie fühlt Deinen Verluſt tief. Der arme Betrogene wird einmal fürdterlic erwachen gewiß ohne Dein Zutun. Deine Schilderung im vorlegten deutet auf einen Mann, von dem ic) aber nicht begreifen Fann, daß fie ihm grade jetzt wieder gefehn und einige andre Umftände. Ein Mann von vieler Klugheit der ſich in froftigem Eigen» dünkel in ſich und aus ſich felbft nahtt. Ich wuͤnſchte doch Aufſchluß darüber.

Ihr Urteil über Deinen fittlihen Wert ift Dir nad; Deinem legten von großer Wichtigkeit ein beleidigtes Weib ift wohl nicht alte Richterin und fie hat Die ja in ihrem legten Brief bewieſen, daß fie auch gegen ihr Gefühl Dir Verachtung bliden laffen wird. Über noch einen Punkt muß id) reden, den ich nicht für fo ganz unwichtig halte. Gie verſichert Did) in dem Briefe, mo fie Dein Kommen ablehnt, Du würdeft Fein großer Schrift⸗

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fteller werden. (Es fehlt in der Tat dem Brief Nr. = nichts, als daß fie Dich wiederum auf ihr Wort verficherte, Du wuͤrdeſt es werden.) Ihr Urteil hierüber gile mir nicht ſoviel als fonft es Eönnte aber doch Einfluß auf Did) haben und da ich glaube, es würde Dir gut fein, Did grade jegt durdy Werke zu zer« ftreuen fo behalte idy mir por, einen eigenen Brief darüber zu fehreiben. Ihre verftellte Beratung muß Dich aud) nidht einen Augenblid unmutig madjen. Ich denfe, wenn id) abziehe, mas fie dadurd), daß fie Weib ift, bei Dir voraus hat, die lange Gerwohnheit der angemaßten Guperiorität, ferner was längre Erfahrung ift wirklich vorausgibt, und in betreff der Trennung der Umftand, daß fie aus dem Befig eines andern redet fie müßte in der Tat fehr tief unter Dir ftehen, wenn fie nicht ein fcheinbares Übergewicht haben follte.

Wenn ich daran denke, wie dein Geift, grade ift, da er gewalt⸗ fam von dem Gegenftand, an dem er ganz hing, abgeriffen ift, öde und einfam von der äußern Lage ganz dem bittren Schmerz Preis gegeben ift, in dem er fo lange gefoltert werden wird, bis er durch Leiden geftähle und veredelt ducch eigne Kraft ſich auf- ſchwingt fo blutet mir das Herz, daß ich nicht bei Dir fein darf, daß ich nicht alle meine Kräfte zufammenraffen darf zu Deiner Erheiterung. Es find Ausdrüde in Deinen Briefen, die mich fürchten laffen, daß Du fogar in Kleinmut ſinken Fönnteft. Aber wehe Dir, wenn Du nicht bald ruhig und glüdlid, bift. Sonſt wäre Dir beffer gemefen, und Deiner Natur angemeffner in ewger Dienerſchaft zu huldigen. Du trägft den ſchönen Namen Menfcd mit Ehren; der Quell der Liebe und Freude in Deiner Bruft ift zu rein und ftark, als daß niedrer Unmut und unmürdiger Troß ihn auf lange Zeit trüben und zurüdprefjen fönnte. Betrachte doch nur mit Ernft das große Ziel Emige unwandelbare Ruhe in Dir felbft, und zahllofe geiftige Sreu- den, aus deren jeder wieder zahllofe neue entfpringen und dies er- reichft Du ficher und leicht, wenn Du nur erft einmal alle Deine Kräfte aufs äußerfte anfpannft; und nun fiehe mie geringe

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fügig ift das, was Did Deiner großen Beftimmung verluftig machen fönnte ein kurzer Schmerz, VBerzagtheit und zweck⸗ lofes Hadern mit dem tauben Schickſal. Ich wünſchte fehr, das mas fo feurig in mir glüht, in den toten Buchftaben gießen zu Fönnen die Größe, die ich weiß, daß Du erreichen Fannft, wenn Du mit Ernft mwillft aber ich fühle tief, wie nichts das alles jest für Dich ift. Mit der gemiffeften Einſicht, wie es fein müßte und fein: Eönnte, zu wiſſen, daß man nichts helfen kann, das ift eftvas, wobei nichts übrig bleibt als die armfelige Genug- tuung, den Gott zu verfluchen, der feinen blutigen Spott mit uns treibt.

Alles mas mich betrifft, behalte ich für den nächſten Brief. Nur von einem muß id) doch erzählen: Das Schickſal hat einen jungen Mann in meine Hand gegeben, aus dem alles mwerden kann. Er gefiel mir fehr mohl und id) fam ihm entgegen; da er mir denn bald das Heiligtum feines Herzens weit öffnete. Darin habe ich nun meinen Sitz aufgefcylagen und forſche. Ein noch fehr junger Menſch von fdylanfer guter Bildung, fehr feinem Geficht mit ſchwarzen Augen, von herrlichem Ausdrud wenn ec mit euer von etwas ſchönem redet unbefchreiblid) viel Feuer er redet dreimal mehr und dreimal fihneller wie wir andre die fehnellfte Kaffungskraft und Empfänglichkeit. Das Gtudium der Philofophie hat ihm üppige Leichtigkeit ge- geben, fchöne philofophifdye Gedanken zu bilden er geht nicht auf das Wahre, fondern auf das Schöne feine Lieblingsfchrift- fteller find Plato und Hemſterhuys mit wilden Seuer trug er mir einen der erften Abende feine Meinung vor es fei gar nichts Böfes in der Welt und alles nahe ſich wieder dem goldenen Zeitalter. Nie fah id) fo die Heiterkeit der Yugend. Seine Emp- findung hat eine gemwiffe Keufchheit, die ihren Grund in der ©eele bat, nicht in Unerfahrenheit. Denn er ift ſchon fehr viel in Gefellfhaft gemwefen (er wird gleidy mit jedermann befannt) ein Jahr in Jena, wo er die fchönen Beifter und Philofophen tohl gekannt, befonders Schiller. Doch ift er auch in Jena ganz 4 Romantiker⸗Briefe 49

Student gemwefen, und hat ſich, wie ich höre, oft gefchlagen. Er ift fehr fröhlidy, fehr weich und nimmt für jeßt noch jede Form an, die ihm aufgedrüdt wird.

Die ſchoͤne Heiterkeit feines Geiftes drückt er felbft am beften aus, da er in einem Gedichte fagt, ‚die Natur hätte ihm ge⸗ geben, immer freundlidy himmelmwärts zu ſchauen‘. Diefes Gedicht ift ein Gonett, mweldjes er an Did) gemadjt, weil er Deine Ge- dichte fehr liebt. Cs ift aber ſchon vor einigen Yahren ge macht und Du mußt fein Talent nicht danach beurteilen. Ich habe feine Werke durchgeſehn: die Außerfte Unreife der Gprade und Berfifilation, beftändige unruhige Abſchweifungen von dem eigentlichen Gegenftand, zu großes Maß der Länge, und üppiger Überfluß an halbvollendeten Bildern, fo wie beim liber: gang des Chaos in Welt nad; dem Ovid verhindern mid nicht das in ihm zu wittern, was den guten vielleidyt den großen Igrifhen Dichter machen kann eine originelle und ſchoͤne Empfin- dungsmweife, und Empfänglichkeit für alle Töne der Empfindung. Im Merkur April 1791 ſtehn Klagen eines Jüng— lings von ihm. Die Gonette hat er mir verſprochen und Fann ih fie vielleicht beilegen. Gein Name ift dv. Hardenberg.

Das Berhältnis mit einem jüngern als id), gewährt mir eine neue Wolluft, der ich mich überlaffen.

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [27] Leipzig, ı1. Sebruar 1792

Ich wünſchte fehr, daß Du it etwas unternehmen Fönnteft, was Deine Geele ganz in Tätigkeit feßte. Meine feurigften Wünfche werden zwar ohne Deine eigne Außerliche Anftrengung und vielleicht ohne den Willen des Schickſals, nicht vermögen Did zu befeelen; doch glaube ich ift es nicht ohne Nugen wenn id Dir it einmal -alles das fage, was ich darüber denfe. Ich halte es für Außerft wichtig, daß Du ift einmal alle Deine

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fhriftftellerifchen und Fünftlerifchen Plane überdenfft, Deine Kräfte miffeft, und einen oder den andern Plan zur Vollendung ernftlich vornimmft, Ich glaube dag die Kreuden des Künftlers Dir vorzüglidy angemeffen find, und dag Du ohne fie die hödhften Steuden entbehren mürdeft, deren Du fähig bifl. Wenn Du allen Künftlerarbeiten entfagteft, fo würde ich beforgen, daß Du in Leere und Herzenskaͤlte verfinfen würdeſt. Bringe auch den Beifall andrer des Bolfs in Anſchlag und ſcheue Dich nicht zu berechnen, was er Dir fein kann.

Obwohl faft alle Menſchen Dir vorwerfen, und Du felbft ge: twiffermaßen zumeilen eingeftanden haft, daß ein dunkles Gefühl Deines Werts Did) zu unrichtigen Urteilen verleite, oder daß Du Dir wegen Dinge, die es nicht können, einen Wert beilegteft, fo urteilft Du doch felbft, wie ich glaube, von Deinem poetifchen Talent im ganzen, und Deinen Kunftwerfen im einzelnen, lange nicht günftig. Wie ganz Du der Sprache mädtig bift, Fannft Du felbft nicht verfennen; und idy brauche Dir nicht zu fagen, dag Du der höchſten Liebe fähig bift. Die Kraft in die innerfte Eigentümlichkeit eines großen Geiftes einzudringen, haft Du an Dir oft mit Unmut mit dem Namen ‚Überfegertalent‘ gebrand- markt; und an Goethen, der fie uns in meiterm Umfange ge- zeigt hat, bewunderteſt Du fie, als Wahrzeichen des großen Geiftes. Es ift wahr Du haft nur wenige vortreffliche Kunft- werke felbft gedidytet und diefe wenigen find fo ganz individuell. Dies rühre aber daher meil Du feit der Zeit dag Du fhöne Werke dichten Fannft, fo wenig verfudhft. Durch das Gediht an den Kunſtrichter, welches idy neben Deine beften ftelle, haft Du Deine Gtärfe in einer von Dir noch unverfuchten Art. gezeigt, und ich glaube es würde Dir in diefer Art ganz vorzüglich gelingen. Du mwürdeft darin originell fein: ich meine nämlich die Philofophie des Schönen poetifdy behandelt.

Wer Fann fagen ob Du Anlage haft ein Welt: oder Univerfal- Dichter zu werden? Gefest aber man wollte es nur darum verneinen, weil Du es bis itzt nody nicht warſt; ‚noch viel Ver:

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dienft ift übrig‘. Wer nur einen Ton der Empfindung und Be— geifterung anzugeben weiß, fann ein ſehr großer Dichter fein.

Ich wünſchte Du riefeft Deine alten Plane zurüd ins Ge- dächtnis die Erzählung von Dante das Trauerfpiel Ugolino das Trauerfpiel Eleopatra den Auffag über den Atheis- mus. Vielleicht findet fidy dann eine glüdlidye Laune. Ob ſich gleich die Liebe nicht erzwingen läßt, fo glaube ich doch nicht, daß alles fo ganz von der Gnade des Herrn abhängt, und daß die Willkür nichts vermöchte.

Was Deinen profaifchen Gtil betrifft, fo hat die B. infoweit recht, daß er ſich nicht glei if. Der Auffag über das hohe Lied, über die Künftler und endlich über den Dante; alle find verfchieden, fo wie auch felbft in Deinen Briefen. Deine Art zu reden ſchließt fi) fehr an den Gegenftand und fchreitet mit Deinem Geifte felbft ftarf vorwärts. Ich bin weit entfernt, dies als eine Unvollfommenheit anzufehen. Biele der größten Schrift: fteller haben denfelben Gang genommen. Dein Stil ift von gutem Periodenbau, feiner Auswahl und gedankenreich. Überflug an ausländifchen Worten und Wendungen und hie und da Mangel an Kürze fönnte vielleicht von einigen darin getadelt werden....

Migperftehe diefen Brief nicht fo wie den vorigen. Nir- gends zeigt fich unfre anmaßende Unwiffenheit fo nadend, als wenn mir raten, urteilen, verdammen, über Dinge, die in der Tiefe eines fremden Bewußtſeins verborgen liegen. Wir Armen tappen nun einmal an der Außenfeite der Dinge herum. Und dies fühle ich auch ißt fehr lebhaft. Dennoch wenn idy nur einen fruchtoollen Gedanken über Did felbft in Dir rege gemacht, nur einen Wunſch belebt habe, der vielleiht zur Tat werden Tann, fo werde ich mid, freuen diefen Brief gefchrieben zu haben. Laß mid; noch das hinzufegen, dag um zu mirken ich vielleicht mannicjmal Gefahr laufen mußte, Deine Empfindlichkeit zu be- leidigen.

Mit mir ift es noch mie bisher. Die Srondienfte find die Hauptfache. Dabei habe ich, feit ich hier bin, bald dies, bald

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jenes getrieben, und dieſe Abmwechflung glaube ich ift mir vor: teilhaft gewefen. Cine zahllofe Menge Plane habe ich aus- gehedt, und ich werde auch gewiß ernftlihh Hand an irgend ein Werf legen. Wenn idy auf dem Wege, den ich in Göttingen ging, beftändig mit dem Berftande zu genießen ohne zu han⸗ dein blieb, fo hätte er mich ficher in Furzem zum Gelbftmorde geführt. Die Liebe zu einem Gegenflande, der Kampf mit Hindernifien und die Freude des erfämpften Gelingens muß unfern eilenden Geift aufhalten; denn fonft wird diefem Kurz: fihtigen die Welt bad zu, Elein....

Hier find die Gonette von Hardenberg. Ich bitte aber um zarte Behandlung. Ich fehe ihn noch oft, und hier ift niemand, den ich fo gern fehe. Anfangs war ich mwillens ihn ganz an mich zu ziehen; ich glaubte ihm dann fehr viel nügen zu Fönnen. Ihn zu beherrfchen ift zwar nicht ſchwer; aber feine grenzenlofe Flũchtigkeit zu feffeln, würde vielleicht felbft einem Weibe einmal ſchwer werden. Dies ift eins; und dann halte ich es auch itzt beffer ihm im ganzen fo gehen zu laſſen; ich freue mich über ihn, und nur felten rege ich etwas an in feiner Geele. Es Fann alles aus ihm werden aber auch nichts.

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [28] Dresden, 13. April 1792

Dein Schickſal ift auch über mid, gefommen freundliche Gefichter zu madjen und Langeweile im Herzen zu haben. Schenke mir das Aufzählen aller der wichtigen. Kleinigkeiten oder Eleinen Wichtigfeiten, die eine ruhige Antwort auf einen ſolchen Brief jo lange zurüdhielten. Das wichtigſte ift meine Rechtfertigung auf Deinen harten Borwurf des Mangels an Menſchlichkeit. Ich kann ihn nur dadurd) beantivorten, daß ich Did) felbft bitte, nur den Ginn meines ganzen Driefs zu nehmen, darin Du ge: wig Achtung für B. fehen wirft. DBeleidigt diefer Sinn des

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Ganzen die Menſchlichkeit, fo bitte ich Dich das Papier ins Seuer zu werfen, wenn auch noch mehr ſcharfe Blicke darin wären, als Du gefunden. Wenn aber nur ein einzelnes Wort mit diefem Ginn ftreitet fo erwäge, daß der Brief nicht in froher Ruhe gefchrieben ift. Nur der Sinn des Ganzen ift mein, nur diefen erkenne ic); das Äufre träge die Spur der gepreften Lage in der mein Herz fich faft immer ängftig.. Du mirft mir aber verzeihen, nur das mit innerftem Scharffinn zu unterfuchen, was fie Dir ift, das was fie an ſich ift nur mit dem SYntereffe, den ein großer und neuer Gegenftand gibt. Hier fehe ich noch immer mehr Berlangen nad dem Vergnügen die erfte Stelle zu haben, als nad) Liebe. Es find in Deinem legten Briefe fo viele neue Berveife Deiner Menfchlicjkeit, und foviel neue Gründe die Sache nur bon der Geite anzufehen. Doch mag id, den wahren Ge: ſichtspunkt vielleicht ganz verfehlt haben, und ift dies, fo ift Deine halbe Eröffnung daran ſchuld. Noch einen Vorwurf muß ich heben. Unfer Wefen ift freilid der Grund unfrer Handlungen. Doch glaube ih, wirft Du nie fagen: Du follft verderben, weil ich fo bin, oder Du bift gering, weil ich fo denke: und nur dies habe ich getadelt. Um alles in einem Worte zu faffen, mas ich darüber zu fagen habe, ich fadle fie nicht des- halb, weswegen Du fie verlaffen haft fondern ich halte die Ber- bindung mit ihr einem Manne für gefährlich, wegen ihrer Neigung fi) huldigen zu laffen. Gie fteht doch in großer Achtung bei mir, diefe Neigung ift nur eine Abart des Cdelften. Ich überlaffe es nun Dir, zu beurteilen, ob idy Dich verftehe, und ob Du recht tatft mich zum halben Bertrauten zu madjen, und mir dadurch Offenherzigfeit aufzulegen.

Hier ift ige meine Huuptbefchäftigung einen jungen Menſchen alle Künfte der Gefelligkeit zu lehren zu fprechen ohne zu denfen Freude zu geben, ohne fie zu haben alles zu aller Zeit fein können die Tiefen des Herzens zu ergründen fchnell in einer neuen Lage, was unfer Wefen erfordert, zu beftimmen geduldig zu tragen Funken aus Waffer zu loden.

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Dazu machte ihn die Natur nicht; ftumm, gleichgültig, blöde und arrogant fängt er feine unverftändlichen Reden gemöhnlidy mit den Worten an, die die Langeweile fidy ganz zu eigen gemacht hat. Er weiß nicht was ihm auf die Dauer gefällt; launen⸗ haft, heftig und treu. Jetzt glaube ich mwünfchte er, daß ihm eine fyöne Stau durch bemwundernde Liebe zugefichert würde. Ich verforge ihn denn reichlid) mit Regeln und dealen, den Reful: taten meines allertiefften Nachdenkens, die ihn menigftens be: fhäftigen. Diesmal hoffe ich weißt Du von wem id) rede, ob Du gleich letzthin fragen Fonnteft ob Hardenberg Ähnlichkeit mit Woltmann habe? Hardenberg ift rafdy bis zur Wildheit, immer voll tätiger unruhiger Sreude. Ich habe ihn nicht durchgelefen. Ich leſe zwar ſchnell, aber nicht alle Bücher. Die Freude über den unerwarteten Fund war wohl das fchönfte, weil ich ihm nicht viel fein kann; denn er mweiß noch nicht, was er an mir haben Fönnte....

Caroline an Luife Gotter [29] Mainz, 20. April 1792

... Mirabeau bat in feinem Kerker die göttliften Dinge auf Stückchen Papier gefchrieben, die er von gedruckten Büdjern ab» riß erwart aber nur ja nichts dergleichen im Verhältnis als meine Anftalten beffer find, werden die Sachen fehledhter fein. Dir liegt auch nur dran zu miffen, wie es der Frau Eigenfinn ergeht, die bei Deinem Mann den Gpottnamen der Kalten bei einer Gelegenheit davon getragen hat, die eben nicht von ihrer Kälte zeugte. Ym Grund hält er mid) doch für eine Schwaͤrmerin nicht war? und Du liebes gutes Weib dazu? Schwärmerei nimmt fo viel Geftalten an, daß ic; die Kühle meiner Über: legungen nicht dagegen anzuführen wage aber was ift übles dabei, wenn fie ſich fo menſchlich, ohne irgend ein auffallendes Schild auszuhängen, vielmehr im Gchleier der fillften Gemöhn-

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lichkeit mit der Wirklichkeit vermähle? Dann ift doch dieſe Gchmärmerei nur die eigentümlidye, höchftens in etwas abweichende Natur des Menfchen. Ich bin nur hier feit acht Wochen und habe recht es ift viel, das zum Anfang eines Aufenthalts an einem ganz fremden Ort zu fagen, wo man ſich unmöglidy ſchon feine ganze Eriftenz gemacht haben fann. Auch fühl ich, dag ichs noch nicht habe, und mehr Befdhäftigung mir gut tun würde. Die Zeit wird mehr Nlannigfaltigfeit in meine Art zu fein bringen, weil fie Bande anfnüpfen wird. Kein Augenblid® geht leer vor- über meine Teilnehmung an Korfters Haus, Fleiß, Lektüre und das Kind das ift ſchon fehr viel aber idy war fo ge mohnt für mehrere zu forgen, in mehreren zu genießen! Sale das nicht für Unzufriedenheit fieh es nur als einen Beweis an, daß weit davon entfernt, daß das neue meiner Lage mich blenden follte, ih ihre Mängel fehe aber fie find notwendig, find ge ringee als die ſchweren Übel der vorigen, und von einer Art, daf jeder Gegenftand der ſich der unruhigen Tätigkeit darbietet jede einzelne Sreude und Arbeit fie hebt. Den $rühling hab ih ſchon in den fchönften Spazierfahrten und Gängen genoffen, er ift aber ja wieder auf eine Weile verſchwunden. An meiner Kleinen hab ich mehr Sreude wie jemals. Kurz, id kann Dir fagen, es ift alles wie ich erwartete. Wir können noch fehr lebhafte Szenen herbefommen, wenn der Krieg ausbrechen follte ich ginge ums Leben nicht von hier dent nur, wenn ich meinen Enkeln erzähle, wie ich eine Belagerung erlebt habe, wie man einem alten geiftlihen Herrn die lange Naſe abgeſchnitten und die Demokraten fie auf öffentlichem Markt gebraten haben mir find doch in einem höchſt intereffanten politiſchen Zeit: punft, und das gibt mir außer den Elugen Sachen, die ich Abends beim Teetifch höre, gewaltig viel zu denken, wenn idy allein, in meinem recht hübfchen Zimmerdyen in dem engen Gäßchen ſitze, und Halstücher ausnähe, wie ich eben tue. In meiner Nach— barfchaft wohnen eine Menge Franzoſen man hört und fieht das Volk allenthalben die Männer find im Durchſchnitt ſchöner

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wie die Deutfchen, haben ein fpirituellers Anfehn, und derfelbe Grad von Berdorbenheit hat nicht fo den Eharafter von ftumpfer ſchlaffer Abgelebeheit unter den Weibern fah ich noch Feine, die halb fo liebenswürdig und einfadh gemwefen wär, als meine franzöfifche Bekannte Mad. de Liocon (?) in Göttingen, das einzige nebft ihrem Fleinen Zirkel, was ich dort regrettierte. Die Leute madyens bier teuer für Kamilien mwenigftens bei meiner Einrichtung fühl id) wenig davon mein Logis ift auch mwohlfeil, die fonft jegt, nebft Handwerkern, die für Ameu- blement arbeiten, fehr hoch im Preis ftehn nebft der Waͤſche, Holz und allen Lebensmitteln, außer Brot und Fleiſch.

Gelefen hab ich ſchon viel, und was mehr ift, viel Gutes. Kennt Ihr Mirabeaus Briefe, aus dem Kerfer an feine Geliebte gefchrieben? ich glaube Reichard überfeßt fie unter ung, tie will das der Fraftlofe Menſch anfangen, den Äußerungen des Kraftvollften Sprache zu geben? oder die in eine andre zu über- fragen, die im Original fo unaufhaltfam aus der Quelle ftrömend, zu der Seele, zu dem Herzen, zu den Sinnen redet. Liebe Madam Luife, Du Fönnteft doch auch dergleichen lefen, wenn Du Deine Kleinen, die Dir im Gchaufpielerafzent vorgelärmt haben, zu Bett geſchickt haft aber ich weiß, dann wirft Du müde, und forderft im Schlaf Ketterdyen das Gänfebein ab um es mir mit auf den Weg zu geben denn Du Gute forgft für Deine nahen Sreunde und befümmerft Dich nicht um einen häßlichen Böswicht, wie der außerordentliche Mirabeau tar, der für taus fend andre ehrlidye Leute noch Tugenden, Talente und Kräfte übrig hatte, und zuviel wahren Geift um im Ernft ein Bös— wicht zu fein, wie mans aus einzelnen Zügen fließen möchte. Häßlich mag er gewefen fein, das fagt er felbft oft in den Brie- fen doc hat ihn Sophie geliebt, denn Weiber lieben gewiß nicht vom Mann die Schönheit und doch imponierte der häß- lihe Mann auch durd fein Äufres der aufrührerifchen Menge nachdem er einige Stunden Toilette gemacht hatte, ehe er in die Jlationalverfammlung ging. Aber er foll mir bier nicht allen

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Plag wegnehmen der groß Eophta muß nody den feinigen haben, und der muß recht weit und breit fein, denn es ift die Art leerer Helden, vielen einzunehmen. Ich bitte Dich, wie fommt er Euch denn vor? Korfter befam ihn am erften April von Goethe geſchickt, und tat einen Sprung vom Stuhl auf, als wäre fein Heiland gefommen denn wer würde da nichts Gutes er: twarten, fei es auch in der fimpelften unfcheinbarften Einfleidung aber diefe da diefe fo gang unbedeutende Behandlung, wo beinah muttoillig alle benugbaren Gituationen weggemworfen find? ein bloßes Gelegenheitsftlüd mich deucht es kann nur auf die Wirfung tun, auf melde Eaglioftro felbft Wirfung gehabt hätte, als der plumpe Betrüger, wie er bier erfcheint und das ift ja wohl eine Art von Lob für das Stüd. Goethe ift ein übermütiger Menſch, der ſich aus dem Publitum nichts macht, und ihm gibt, was ihm bequem ift....

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [30] Leipzig, 17. Mai 1792

Jetzt ift es ein Yahr, da wir zufammen in Hannover lebten; eine Zeit, bei der meine Crinnerung gern vermeilt. Ich werde nie vergeffen, als Du wiederfamft, wie wir allein zufammen waren, da ftandft Du vor mir und zeigteft mir die Kette, in der Du gefangen warft. Dein ganzes Weſen zeugte von einem Glüd:, welches ich nicht begreifen Eonnte, daß man es haben könne. Du vergaßeft, dag Du Dich in wenigen Tagen von Deiner Heimat trennen follteft, Du dachteft, diefes Glück fei unvergänglid. Und als nun der Augenblid fam, wo das Gefühl der Trennung Did) faßte, da ich troftlos nichts vermochte als Deine Klagen in treuer Bruft aufzunehmen.

Berzeih, daß ich diefe Gedanken anrege ich war fo ganz in Betrachtung dieſer Zeit verloren und ich hoffe, daß der Blid

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auf Dein Herz bei Dir ift, wie die ſchmerzlich⸗ſüße Erinnerung an ein fehr entferntes Leiden. Was läßt mich Dein Stillſchweigen fürchten? Ich wage kaum zu hoffen, doch will ich die Hoff: nung hegen, bis Du felbft fie mie nimmft. Ich denke mir Did), wie Du ißt die Ruhe wieder erfämpft haft, heiter auf Deinen Schmerz herabfieheft, zum Gefchäft Fröhlichkeit um Dich ver- breiteft, und Dir dann Stunden zu einfamer Geligkeit erringft. Laß mid; immer dasfelbe wiederfagen, in jedem Briefe Dir fagen, wie groß Deine Kräfte find, Dich beſchwören, dag Du fie anftrengft und Dich bitten, fo glüdliy zu fein, als Du fein Fannft. Diefes ift ja das einzige, was mir übrigbleibe. Ich darf

nicht um Dich fein, nicht in Dir leben, und raftlos die Furchen

(diefes Wort hat meinen ungewohnten Augen Tränen entriffen) von Deiner Stirne zu verfcheuchen fuchen. Ad, dürfte ich mid) nur einmal, nur ein einziges Mal an Deinen Umarmungen, an Deinen Geſprächen fättigen! Und daran darf ich gar nicht denken, was Du mir ige fein Fönnteft, und daß ich vielleicht it wirklich die Kraft hätte, Dich zu erheitern. Meine verborgenften Kräfte find lebendig, alles in mir ift rege, und ich ſuche nur das, wo ich zuerft mid) von meiner drängenden Külle erleichtern Fönnte. Ich leugne Dir nicht, daß ich noch mit geheimer Bangigfeit mid) felbft beobachte, in der Furcht, es möchten, beim Mißlingen, mit doppelter Verzweiflung alle diefe Kräfte in ihren vorigen angft- vollen Schlaf zurüdfinken. Diefen Sommer darf ich mehr für mich felbft leben, und kann es, da ich fehr geftärfe bin. Das Denken über moraliſche Gegenftände, welches mich zuerft zur Metaphyſik trieb, wird mich befchäftigen, und vielleicht au die Kunft. Vom Denken ließ ich nur aus vollendeter Berzieif: fung ab und hier bin ich des Gelingens gemifjer. Nicht fo in der Kunft; ich habe aber fehr guten Grund zu glauben, daß fie mich gluͤcklicher machen würde. Mein Geift gewinnt an Gtärfe und Ruhe, ja auch an SHeiterfeit, und vielleicht werde idy einmal den Entſchluß die Welt zu verlaffen, den ich nur aufgefhoben hatte, vollends aufgeben....

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Ich habe in Dresden mich mit vielen gut unterhalten, Harden- berg ift mir durch einen fehr edlen Zug noch ſchätzbarer geworden und doch ift unter allen diefen niemand, gar niemand den ich lieben fönnte, als nur Du allein. Iſt es mein Mangel an Ge- (hi, das Gute zu fuchen, um mich ihm leicht zu nähern, oder ift es die Befchaffenheit defjen was ich fuche? Kine Berbindung mit mir, die lange beftehen fol, muß auf gegenfeitiger Anregung der Gittlichfeit beruhen denn diefe Verbindung nimmt ewig zu. Bor allem aber muß der, den ich lieben foll, fähig fein nur in Einem zu leben, und über Einem alles zu vergefien. Bor allem aber diefelbe Stärfe der Liebe, die aus der Gehnfucht nad) dem Unendlichen herrühren kann, indem das Herz das unendliche Gut, was ihm fehlt, in dem Geliebten zu finden vermeint. Diefes alles findet mein Fälteftes Nachdenken bei Dir, und darum würde ih itzt auch von dem häufigften Genuß keinen Überdruß befürdhten. Zwar Ebbe und Flut ift notwendig in der Liebe; das Herz glaubt einen Augenblid im Befiße des unendlichen Gutes zu fein, und finfe dann wieder nieder. Aber man Tann doch gewiß voraus: fehen, daß die Slut ewig wiederfommen mürde.

Ich habe bei Weibern nie etwas von diefem Triebe nach dem Unendlichen gefunden, und ich habe noch Feine gefehen, bei der ich die Möglichfeit einfähe, fie lieben zu Fönnen. Nur bei einer findet es ſich; ich weiß aber nicht ob ich fie felbft verehre oder ihr verfchönertes Bild in dem Spiegel einer edlen männlichen Seele.

Noch eine Bitte. Du lebft it vielleicht auf fehr lange, nur unter alletägliden Menſchen. Ich glaube in der Kunft mit diefen umzugehen, kannſt Du noch lernen. Dem tiefen Be: obadjter geben fie reichen Gtoff; es find in dem gemeinften Menſchen viele wunderbare Kräfte tief verborgen, dem gemeinen Auge, dem Befiger felbft ganz unfichtbar. (Ich geftehe, daß mid) oft, auch bei Betrachtung eines Narren oder eines Böfewichts, diefe verborgenen Kräfte mit Ehrfurcht gegen die Echabenheit unfrer Natur erfüllen.) Wie angenehm wäre es, unfidytbar wie

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Gott, aus der Tiefe eines geſchwächten Herzens neue Tugenden hervorzuloden indes andre vielleicht nichts darin fehen würden, als daß man einen Kröhlichen gemacht habe. Ich brauche Dir nicht zu fagen, was Du Fannft im Umgange. Doch Fönnte nun zu langer Übung aud) das Nachdenken hinzukommen. Bon dem Wollen fage idy nichts, weil ich Dein Herz Fenne, deffen Wefen die Menfchlichkeie ift und es kann durdy unmutige Laune und Gewohnheiten nur auf kurze Zeit gehemmt merden. Du fiehft die alltägliden Menſchen mit zuviel Verachtung an. Vergleiche fie nie mit Dir, erforfche was fie find, und er- mwäge mas Du ihnen fein Fannft.

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [31] 4. Juli 1792

Das Hindernis, welches mid) fo lange hat warten laffen, ift das ermwünfchtefte, und Dein muntrer, faft mutmilliger Brief hat mich alles vergeffen laffen. Überdem mar ich nicht ohne Beforgnis für einen Rüdfall. Meine Neugier ift ganz rege, und id) fehe mit Ungeduld Deinem nädjften Briefe entgegen deffen Inhalt ich ist vergebens zu erdenfen ſuche. Gage indeffen der ©. meinen fhönften Danf für die gegebene Erlaubnis; fie wird dafür auch einen fehr ſchönen Plaß in meiner Geele befommen, da fie Dir anhängt. Befonders aber wünſchte ich ihr dafür danken zu Fön- nen, daß fie Dich liebt, und grade ist. Nichts Eonnte Dir tmohltätiger fein. Du wirft nicht verlangen, daß ich noch mehr darüber fage, da Du nur einige ziemlidy dunfle Zeilen darüber hinwirfſt. Defto mehr verfpreche ich, wenn ich erft unterrichtet fein werde. Was das Gedicht betrifft, fo gehört wohl doch mehr dazu, um es zu verftehen, als zu wiffen, daß fie vortrefflich finge wenigftens müffen wahrfcheinlidh einige ſchweigende Umfänge‘ vor: hergegangen fein, ehe man Harmonien fühlt. Das andre ift faft

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italienifch, befonders das legte Terzett; das erjte Quartett weniger. Das deutfche gehört unter Deine beften.

Es freut mich daß Dir mein eignes Gemälde treffend gefchienen. Es war nur eine augenblidliche hingeworfene Laune, deren Ynhalt mir ganz entfallen. Überall ift diefes Verhältnis zu fich felbft meiner Art und meinen Öefinnungen eigentlich entgegen. Berftehe mich recht eine launichte Anficht kann ung vielleicht zu einer Entdedung über uns felbft helfen, wenn aber fie herrſchend ift, wenn jemand fich felbft ein Spielwerk oder ein Buffon ift, der ift verloren und hingegen, wer ſich felbft liebt, der ift auf dem Wege etivas Großes zu werden. Du haft einige treffende Be— merfungen über mid) gemadjt. Doch die Fleinen Dinge mache ich meit beffer, als in Göttingen und welches find denn die großen Dinge, die Du von mir hoffft? Ich werde noch lange immer werden, doch ſcheint mirs als Fönnte ich ige die Bahn, die ich noch zu durdjlaufen habe, gleichfam ſchon überfehen. Ich glaube, daß ich mid; auch im Ernft treffend darftellen Fönnte.

Was gebüdt an der Erde fortfchleiche, läßt ſich wohl durch Ton und Wort gefangen nehmen; aber aud) Geift?

‚Leicht wie Äther fchlüpft er fort‘ Ein echter Geift trägt das Haupt ftolz empor, und das fut auch der, den id meine er filzge die Natur aus, wenn fie ihm nicht gehorcht was von ihm kömmt und um ihn ift, foll jedes in feiner Art das befte und edelfte fein.

‚Das fchönfte Leinenzeug, ein feiden Kleid Mit etwas Stickerei‘, das frägt er gern. Hätte er dody gern etwas zarteres als Worte zum Organ feiner Gedanken. Es ift die Art der Geifter den Berftand der Korfcjenden zu vermwirren und diefer perleugnet auch hier feine Abfunft nicht. Er ift ein ahndender und auch ihn kann man oft nur ahnden, DBerzmweiflung und Mutmillen, Pedanterie und Grundfaglofigkeit, romantifcher Mut und zarte Menfchlichfeit, die feinften Gefühle und Frevel der Laune oder Bitterfeit gehen in ftetem Wechfel aus ihm hervor; und es ift auch ein feiner Zufammenhang in dem allen. Was

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ift mit ihm zu maden? Stage Deine Weiber. Ich werde ihnen mein Herz öffnen. |

Meine Briefe haben nun doch einmal die Geſtalt einer göttlihen Komödie und fo will ich nun nicht vergeblich fuchen, Ordnung hineinzubringen. Du magft felbft zufehen ob was folgt in die Hölle oder ins Kegefeuer gehört, eine Auswahl junger Geifter der neugebornen Bücher. ...

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [32) 15. und 28. Yuli 1792

... Mein Freund, Du teilft Deine Geheimniffe mit wie Srauen ihre Gunft, immer mehr, und nie alles. Ich follte Dir eigentlich ernftliche Vorwürfe machen über Deinen Hang da Fünftlid) zu fein, wo die höchfte Einfale herrfchen fol; aber Du bift der fügen Borwürfe aus füßem Munde mehr gewohnt, als männlicher, und ich bin auch ißt zu fehr mit Dir und Deinem Schickſale zufrieden, als daß ich fehmählen Fönnte. Gag mir, haft Du im Ernft geglaubt, daß ein menfdjlidhes Gehirn den Ginn dieſer zerfchnittenen Briefe enträtfeln Fönnte? In Wahrheit wenn es nit B. wäre, wenn dies Phantom mid) nicht mehr intereffierte als die Wirklichkeit der Weiber, die ich fenne (— ein Phantom, defjen wirfliches Erkennen mir vielleicht gefährlich fein Fönnte —) fo mürde ich den Geift diefer einzelnen Laute nicht zu ahnden verfuchen.

Nun! genieße Deiner Yugend, und Deiner heimlichen Sreuden. Wenn fie dauern, fo wirft Du neu aufleben, dann ift die Zeit gefommen, da Du alles werden wirft, mas Du fein Ffannft, B. fagt fehr fein, ‚für Deinen Geift ift mir nun nicht mehr bange uf.‘ Dein Glück wird Dir unendliche Kraft geben und es wird audy ein Teil diefer neuen Kraft fich gegen mid; wenden, unfre Freundſchaft wird ein neues Leben erhalten....

Schreib mir recht viele Gtellen aus ihren Briefen ab. Das

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Fleine Stück aus ihrem erften hat mich bezaubert; es ift fo viel Liebe und Wirklichkeit darin; mehr als gewöhnlich in B.'s Briefen. Meine Gedanken über diefe ganze Berbindung, und ihren Einfluß auf Dich wage ich nicht eher feftzufegen, bis Du mich noch weiter hinein geführt haft. Indeſſen kann idy mich auch ißt Deines Glückes freuen, vielleicht haft Du ist den Gipfel Deines Glüdes erftiegen, und vielleicht ift ißt die Zeit gefommen, wo Du das werden mußt, was Du auf Deine Lebenszeit bleiben wirft. Nuße Dein Glück für Deine Vortrefflichkeit.

Mit Sophiens Bildnis mürdeft Du mir ein großes Gefdjenf machen, aber ein noch größeres mit Deinem eignen, um das id) Di fon einmal gebeten habe. Laß Dich it in der glüdlichften Stimmung Deines Geiftes zeichnen: das, was ich am meiften an Dir liebe, ift am fichtbarften, wenn Du glücklich bift.

Du biſt mir noch die Geſchichte Deiner ganzen Berbindung mit B. ſchuldig; weißt Du? Ich werde mich auch mit hal» bierten Briefen abfinden laffen. Hier haft Du fie mit Danf zurüd; Du meißt daß fie mir lieb geweſen find, meil id) fie fo larıge an mid) gehalten habe. Es ift eine meiner angenehmften Befchäftigungen für mich geweſen, aus den vielen Fragmenten die Du mich haft fehen laffen, das große Ganze ihres Geiftes zu erraten. Welches Weib! Du Glücklicher, Du magft es noch zu Elagen? Was mollte ich nicht mit einem ſolchen Glücke ertragen! Aber ich mag hieran gar nicht denken, was ein Weib mir fein Fönnte; daß ich eins der größten Güter fo ganz entbehre.

Nun lebe wohl, Befter. Nächftens recht viel.

Caroline an Meyer [33] Mainz 29. Juli 1792

... Mir tät es auch not zu überfegen ums täglidye Brot aber es ift noch nicht fo weit gediehn, troß einiger Berfuche.

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Gie glauben nicht, mit mweldyer Geduld ich alle folche fehlge- fylagne Plane ertrage, und feft auf die göttliche Vorſehung traue. Alles (läge mir fehl. Wenn der Nebufadnezar nicht wäre, fo Fönnt ich jegt recht glüdlich fein. Gie follen fehn, ich werde es niemals werden. ft das nun wohl meine Schuld? Und dennoch zürnt meine milde Geele nicht mit dem Schickſal und trachtet nur darnach, fidy aud) das Härtefte zu verfüßen. Es ift doch nicht zu leugnen, dag mir vieles fehle und wenn ich es tief im Herzen fühle, Flag idy midy wohl am Ende darüber an. Nichts verzeih ich mir weniger als nicht froh zu fen auch kann der Augenblid niemals Fommen, mo id) nicht eine Freude, die ſich mir darbietet, herzlich genießen follte. Das ift mir natürlid” das wird immer meine Unruhe dämpfen, meine Wünfche zum Schweigen bringen und wenn es aud) lange noch feine Gleichmütigkeit wird, fo kann id) doch nie unterliegen. Ich habe mid nun einmal fo feft überzeugt, daß aller Mangel, alle Unruhe aus uns felbft entfpringen wenn Du nicht haben kannſt was Du mwünfdeft, fo fhaff Dir etiwas anders und wenn Du das nicht Fannft, fo Plage nicht nicht aus Demut, aus Gtolz erftide alle Klage. Die Moral hab ich mir nicht der Strenge wegen erfunden, id) Fonnte aber nie mit einer andern fertig werden. Vom Geſchick hab ich nichts gefordert, und bin ihm noch nichts ſchuldig geworden, als was es nicht verfagen Fonnte....

Caroline an Meyer [34] Mainz, ı2. Auguft 1792

... Ich habe leider in folchen Dingen, die nicht von der ftrengften Notwendigkeit befohlen werden, und in denen ich niche felbft tätig werden kann, eine Heftigkeit, von der meine ftille Außen- feite nichts fagt. Wie oft hat er mich ſchon gegen meine Über: zeugung nachgeben maden wenn fie nun einmal ftärfer

5 Nomantiler:Briefe 65

würde, als mein Wille fie zu beugen mwenn das Unrecht nun fo offenbar wäre, daß ich ihn verdammen müßte? Das ift der Augenbli@, gegen den ſich meine ganze Geele fträubt. Lieber Meyer, ich würde mich betrüben, wenn Gie dies Gefühl für die Spannung der nädjften Erwartung, oder wenn Gie mid) über- haupt für überfpannt hielten. Ich kann es nicht anders fehen, nicht anders fein. Wenn eine Empfindung zu quälend wird, wenn der Öchmerz nicht mehr füß ift ifts nicht natürlid,, dag man fich loszureißen ſtrebt? Aber wenn diefer Gieg das Herz von diefer Geite nun für immer verödet, ift es dann nicht ſchrecklich? Ich hätte dann nur noch mein Kind, und würde es nicht ohne Angft anbliden Fönnen meine Sorge und Liebe würden von ihrer Entfchloffenheit verlieren. Meine Lage gibt mir nicht die mohltätige Zerftreuung nüglid für andre fein zu fönnen. DBegreifen Gie mid) nun mohl? Ich habe manches überwunden nicht aus Stärke fondern meil id; aus dem Leid noch Freude fhöpfen Fonnte ich fchied von dem Gegen: ftand einer in meinem Leben gewiß einzigen Anhänglichfeit und vergaß den Abfchied über ihr ich fügte mich in Verhältniffe, die mich bei einem leeren Herzen unfinnig gemacht hätten es erhielt meinen Kopf in der Faſſung ſich damit zu amüfieren, Ein Strom der reinften Heiterfeit konnte fidy über mid; ergießen, wenn die Sonne fehlen oder auch der Wind an die Kenfter ftürmte, und ich nur über einer Arbeit eifrig ſaß. Mir ift jede Stunde mohl gemwefen, two mir wohl fein fonnte. Bin id) es, die nach fruchtlofem Sram jagt? Nein, mein Ginn gehört jeder moͤglichen Glückſeligkeit das Schickſal gab mir wenig es ift hart mir dies rauben zu wollen. Das würd ich vielleicht nicht überwinden, denn Gedankenlofigkeit ift mein Leichtfinn nicht. Ihr Brief hat einen tröftlichen Eingand, der fidy an die wachen⸗ den Träume meiner leßten ſchlafloſen Nacht fließt. Wenn die Borftelung auch falſch ift, fo weiß ich dody den Schöpfer ſchon nicht zu verteidigen, der fie im Gehirn feines Gefchöpfes entftehn lieg die Idee vom vorigen läftigen Dafein...,

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Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [35] Auguft 1792

Ich muß Dir nun fagen, was mid) in die Geſellſchaft gezogen hat, es war die Neigung zu einer rau, die ich bis igt faft nur noch in Geſellſchaften gefehen habe. Es läßt fich ganz unmög- lich ſchon eine Erzählung davon machen id) habe midy noch nicht der Fleinften Gunft zu rühmen; id) habe noch nicht einmal ein einziges armfeliges Billet angebracht, Zwar habe ich wohl einige gute Zeichen erhalten, aber noch das letztemal bin ich fehr unglimpflich behandelt worden, Ich hatte es aber auch verdient.

Einige Tage fpäter

Du fiehft leicht ein, daß ich ige gar nicht imftande bin, Dir zu fagen, wie die Sache ift; dazu Fenne ich fie viel zu wenig und bin viel zu leidenfchaftlich; ich gäbe alles darum Did) hier zu haben, Dein Rat würde mir gleid) helfen. Eine halbe Stunde tete-A-tEte wmärde mich aud) au fait feßen; darauf muß ich viel- leicht nody einige Zeit warten: bei dem verftediten Gefpräd in größerer Gefellfehaft fallen fo viele Mlißverftändniffe vor, daß man am Ende nicht weiß, mo einem der Kopf fteht. Mit jedem Moment wechfeln alle Leidenfchaften in mir; es würde vergebens fein mehr zu fagen, ich könnte Dir dody nur die Anficht eines Augenblids geben, Aber fobald als ich fähig bin zu erzählen, ſollſt Du alles aufs puͤnktlichſte roiffen.

Du Eennft mid, Du wirft alfo wiffen, wie mir ift; wie die Leidenfchaft mir die Nichtsmürdigkeit meines Lebens deutlidy macht. %d habe das nie fo gefühlt wie igt, und vielleicht ift unfre Tren⸗ nung nahe. Es fällt mir ſchmerzlich, Did um Geld bitten zu möffen. Aber es ift nun gefchehen und ein Zeil meiner Glück⸗ feligkeit ſchier hängt nun davon ab. Was Du mir geben Eannft, hängt von Dir ab, nur bitte id) Dich, es fo bald als möglidy zu ſchicken.

Warum ſoll ich leben? Du kannſt mir das nicht beant⸗ worten, und kannſt mir nicht aus Gründen raten zu leben, wenn

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nämlich nach andern Gründen als nad) der Neigung entfdjieden werden foll. Denn frage ich diefe, fo ift Fein Jaudern. Ich würde Didy nicht mit der Kreude wieder umarmen, als die Werkzeuge meiner &reiheit, in der Gemißheit, fie gleich brauchen zu koͤnnen.

Ich bin matt und kann nicht mehr fdhreiben. Etwas mollte ich Dir doch ſchicken und fo muß der Brief nun fo fort wie er iſt. Bon meiner Berforgung und meinen Ausſichten auch ein ander: mal. Nur foviel vorläufig. Wenn Du eine Hofmeifterftelle für mich in Holland findeft, fo bin id} geneigt zu kommen. Vielleicht bedarf es aber aller tiefen Plane auf die Zukunft nicht.

Schreib mir it viel, ich will Dir zur beffern Zeit vergelten.

Sriedrich Schlegel an Auguft Wilhelm [36] 5. Oftober 1792 Sehr würdig ift der Gegenftand wohl nicht. Zwar ift fie ſchön, fie bat fehr viel weiblichen Verſtand, fie will auch männlichen haben, aber ich zweifle, ihre Liebe ift mir noch ein Rätfel, feurig mag fie wohl fein, wenn fie nur nicht allein im Blute tobt. Ich habe mein Spiel fehr ſchlecht gefpielt; jeder Zug faft ein Sehler. Ich habe mich noch nicht der Eleinften Gunft zu rühmen. Und doch, wenn ich alle Umftände zufammen nehme, die mir günftig find, fo glaube idy mein Ziel noch zu erreichen. Dein Rat ift falſch; zu früh waren meine Erklärungen nicht zu fpät. Wäre ich fehneller gemwefen, fo hätte ic wohl ſchon ißt alles was id wünfche. Gie ift darüber äußerſt empfindlich, auch darüber, da fie glaubt, id) hätte einige günftige Zeichen nicht verftanden; dies ift entfcheidend, fie äußert mit Mißvergnügen Succht über Mangel an Borficht, fie fürchtet daß ich nur ihre Schönheit liebe, ich foll Achtung für ihren Berftand haben, fie zeigt gern daß fie auch die Eigenheiten meines Beiftes faßt, nämlich die, auf die ich einen Wert lege es entfuhr ihr einmal eine flüchtige Röte der Eiferfucht,

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im Anfange unfrer Befannfdyaft. Dazu nimm fehr bedeutende Blide. Zwar gab fie mir ſchon vor langer Zeit das erfte Billet, weiches ich ihr beim Handfug in die Hand drüdte zurück: ich meiß aber noch nicht ob nicht vielleicht meine Ungeſchicklichkeit daran ſchuld war in dem Augenblid verlor ich fo ganz alle Saffung, daß ich nichts unterſchied. Es ift beinahe wahrfcjeinlich, weil fie einige Tage darauf mir es abforderte; ihre Worte ließen ſich nämlich fehr gut fo auslegen, und wenn ihre Worte einen verftediten Sinn haben fönnen, fo haben fie ihn gewiß. Ich hatte das Billet oder vielmehr ein andres denn id; habe viele fo an fie gefdyrieben bei mir und gab es nicht. Ich hätte der Freundin aud wohl ein Billet geben dürfen, hätten nicht un- glũckliche Zufälle mir die Gelegenheit geraubt; denn ich irre mich gewiß nicht darin, daß eine Kreundin da ift, fie machte mir, glaube ich, einmal Borwürfe, daß ich fie an einem Drte wo ich hätte jein können, nicht aufgefucht. Daraus zufammen läßt ſich fol- gern, doß nicht nur ihre Eitelkeit gefchmeichelt ift, fondern ich glaube hoffen zu dürfen. Wäre es nur Eitelkeit, fo hätte fie ſich ganz anders betragen damals, als id; alle Beleidigungen gegen fie aus fließ, die man einer Frau fagen kann. Gie hätte mid dann ganz entfernt.

Nur einmal fahe id, fie allein und das nur. wenige Minuten. Es Fam ganz unerwartet, die heftige Bewegung in die id) geriet machte ihr das größte Bergnügen; vielleiht irre id) mich doch, wenn ich glaube, daß fie auch nicht ganz ruhig war. Gie nahm, ich weiß nicht wovon, Gelegenheit mit vieler Bitterfeit zu fagen ‚md da Sie weit mehr Berftand haben als ah‘. Ich fagte: Ihre Befcheidenheit ift wie Ihre Bonhommie (id) hatte ihr einmal halb Scherz halb Ernft medifante Bonhommie vorgeiworfen). Gie for derte Erklaͤrung; ich fagte: Gie find fehr ſtolz. Gie geriet in Berwirrung ımd wußte nichts zu fagen als ‚und Gie fehr offen- berzig‘; aber ich merkte daß ich durch dieſe zwei Worte unendlich viel bei ihr geivonnen hatte.

Könnte ich nur eine einzige Stunde mit ihe allein fein!

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Kurz drauf verreifte fie; feit den vierzehn Tagen, da fie wieder hier ift, habe ich fie ganz vernadjläffigt; meine Ber: zweiflung hatte fo überhand genommen, daß ich doch fidher nur alles verdorben hätte. Geftern fahe ich fie zuerft mieder. Gie zwang ſich, fo dünfte mirs, eine natürlihe Kälte anzu: nehmen; fie wollte mid) glauben madjen, fie hätte neue inter: effante Befanntjchaften gemacht; aber wäre dies, warum es zeigen? Zwar hat ‚mic; das Betragen der Freundin ängftlic) gemacht, als wäre es mehr als Berdruß: bin ich aber nicht ver- drängt, nur vors erfte ganz aufgegeben, fo ift die Sache fehr leicht gutzumachen.

Ich hätte diefe armfelige Raferei gegen Dich nicht Liebe nennen follen. Du darfft davon nicht fo viel hoffen, als fie für Dich tat. Dod würde ich lernen Ntenfchen zu behandeln und Iügen, da fo viel Zwang dabei ift: und bin ich glüdlidh, fo wird mid) das fröhlich und fanft machen, dadurch ftarf. Ich Fann Dir ige Fein Bild von ihr und meiner Liebe geben; es ift zu früh: auch eine pollftändigere Erzählung bleibe Dir Fünftig, Denn bis ige ift ja nod) fo wenig zu erzählen, wenigftens feine Taten von mir. Ich wollte alfo nur meine Hoffnungen und Erwartungen mit Dir teilen. Ich nußte die einzige heitre Stunde, die ich feit langer Zeit gehabt.

Nun nur noch ſchnell vor Abgang der Poft die Geldangelegenheit. Ich fürchte Deine Grogmut zu mißbraudhen. Aber wäre es Dir nicht möglich Dir, ohne Schulden zu madhen, einen Monat voraus» geben zu laffen? Wenn id) nicht zwanzig oder dod; fünfzehn Dufaten von Dir erhalten kann, fo gerate ich in die größten Ber: legenheiten. Einen Teil davon menigftens wünſchte ich recht bald. Verzeihe mir den Ausdrud betteln; ich nannte es fo, im Verdruß über meine Verfchleuderung des Geldes und Träg- heit in Erwerbung. Es muß mid, fränfen Geld von Dir zu for⸗ dern, da ich mandjes davon fo ausgegeben. Nicht nur das was Gefellfchaft und meine Gefundheit nötig madjte; auch Debauche, der ih mich aus Verzweiflung einige Zeit ergab, hat mich in

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Schulden geſtuͤrzt. Ich verfpreche Dir aber auf die Zukunft befjere Drönung und Aufmerffamfeit.

Es ift noch etwas in Deinem Briefe welches ist fo flüchtig nicht beantiwortet werden kann; ich fehe aber, dag Du Did) nie bon mir wenden wirft. Wenn ich mill, fo darf ich doch nun nicht heimlich entwifchen; ich kann mit Ehren und fröhlidy verlaffen.

Nächftens mehr. Schreib mir bald. Deine Briefe find fo kurz, und fie find mir doch fo nötig, Du bift mir das Ende der Ge- ſchichte Deines Glücks noch fchuldig.

Friedrich Schlegel an Auguft Wilhelm | . [37]

Dein Brief war ein heller Strahl in die Finfternis und auch Dein Geld Fam zur rechten Zeit. Bon beiden brauche ich mehr. Ich muß Did) noch um 15 Dufaten bitten: das heißt wenn es Dir möglich ift mich zu retten. Und dann bitte ich Did recht fehr, fehreibe mir ige oft und viel; ich bedarf ift fremder Kraft fo fehr, und bier bin ich in diefer Rückſicht allein. Du bift der einzige Menfch, der mir Kraft geben kann. Dies Fannft Du nicht nur, indem Du über mid) fcheeibft; denn ich werde doch wohl nicht fo mweitläufig und fo fein fein Fönnen, dag es Dir möglid) ift den rechten Punkt zu treffen. Teile auch Du Dein Leben mit mir; ich bitte dies ißt, da Du glüdlich bift, aber ich will auch darum bitten, wenn Du Unglüd zu teilen haft. Das Ende Deiner Erzählung bift Du mir lange ſchuldig. Mlitgeteilte Briefe von ihre Bönnten fie wohl am treuften darftellen. Wenigftens waren es nur B.'s Briefe, die fie mich einigermaßen Eennen lehrten. Das ift wohl nad) alter Weife, daß ich einmal mieder einen halben Brief von ihr zu lefen befommen. Alles, was von ihr kommt, ift mir merkwürdig, Ihr lebendiges Bild von Goethe kömmt mit meinen Vermutungen und Körners und andrer Er- zählungen überein. Meine Liebe zu ihm ift nicht mehr diefelbe. Der Inbegriff feiner Werke ift der Abdrud einer eigennüßigen

Faltgeivordenen Geele. Der Werther, Götz, Fauft, Iphigenie und einige Igrifche Stücke find der Anfang eines großen Mannes es ift aber bald ein Höfling draus geworden. Aber auch in diefen ift die Wahrheit zu fehr Abficht, peinlich gelernte YBiffen- fhaft, nicht angebornes Wefen. Ich meine die Einficht in den Geift der Welt, woran felbft Klopſtock ihn übertrifft. Und dann die Männlichfeit und der reife Berftand desfelben, die jugendliche Kraft duch Erfahrung geübt, und durch Gedanken beherrfcht. Es ſchlummert viel Stoff in mir, id) weiß aber nicht ob Gtoff zu einer Äſthetik oder zu einem Kunſtwerk. Cs ift aber noch nicht Zeit. Zeile Dein Künftlerleben mit mir. Es war ja in Göttingen beiden fo nüßlich, und in Amfterdam haft Du es nicht mehr getan. Die böfen Weiber haben Dich mir geftohlen, Es knüpft fidy auch für mich noch ein Genuß der Erinnerung daran denn gemeinfchaftlicher Kunftgenuß ift ja unfer älteftes Band.

Ich habe einmal wieder unter fo vielen Bekanntſchaften das Glüd gehabt einen jungen Mann zu lieben. Du weißt nun fon daß die Befanntfchaft ſchnell gewefen fein wird. Ein Graf Schweinig aus Halle. Da habe ich denn einige Tage unter einer Geſellſchaft Debauches und Haudegen gelebt, geduldig ihre DBertraulichfeiten von ... Farao und Mädchen angehört. Doch einer unter ihnen war ein feineres Wefen. Er kannte feine Geſellſchaft. Ich fagte ihm flüchtig: ‚Deine Kreunde da gefallen mir gar nicht‘. Er lächelte (er hat ein fehr feines Lächeln) und fagte Furz: ‚Sindeft Du das auch?‘ wie er über- all wenig fpridt. Er yannte dann den einen, den auch ich vorzog. Ich habe mit allen meinen Spaß gehabt. Ein Iufliges Bolt! Go viel Geld und fo wenig Gehirn! Ich habe viel Nachrichten von ihm befommen, denn es waren feine Kameraden von früher Jugend auf und ein offenherziges Volf! Er gefällt mir über alles. Es ift noch fo früh, doch will ich ver- fuchen einige Gedanken zu entwideln. Denke Dir erftlid) einen fhönen Mann in der Blüte der Yugend, Fünftigen Erben einer halben Million, im Gefichte feinen Geift, Stolz, aber aud

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Spuren der Wolluft, der er jegt ganz ergeben ... und doch fo viel Empfänglichkeit für jede leifefte Anforderung von mir; fo feine Erwidrung, als ich fie äußerft felten gefunden. Er ift mehr fröhlich), aber dabei doch feine Menſchlichkeit und Männ- lichkeit, auch ernftes Intereſſe. Er ſprach mit Wärme von Deinen Gedichten; er macht felbft welche, über die er höchſt be» feheiden ſich ausdrüdte. Aufbraufend, grogmütig und befcheiden. Er fand auch unter hiefigen Studenten ſchnell die guten heraus. Aber bald mehr davon. Wir werden uns oft fehen und ung fchreiben. Ich überlaffe mich fo gern dem Enthufiasmus fo ganz, daß ich alle Befonnenheit abwerfe und jede Furcht vor Gelbfttäufgung vergeffe. Ich bin Tnun ſchon fo oft bitter ge- fränft, follte es wieder fein?

Mein Geift ift noch nicht ermordet. Du fiehft dies zum Teil aus dem erften Blatte. Fürs erfte wird Dich mein voriger Brief ſchon beruhigt haben. Ich fohäme mid, igt faft, daß der Ge⸗ danfe, der Spott eines verächtlichen Weibes zu fein, mid) zuerft fo ganz feig machte. Das übrige nächſtens. Über die Mög- lichkeit mir eine Hofmeifterftelle in Amfterdam zu fchaffen recht umſtändlich. Dies ift die einzige Befchäftigung, unter allen mir möglidyen, die ich gern übernähme,. Gie ift mir notwendig, weil ich nur da ſoviel erwerben kann, als ich nötig brauche. Meine Gefundheit erfordert viel ich fechte und ich werde auch reiten müffen. Ich werde ohne Reue immer foviel brauchen als ich bedarf um zu fein, was ich will und muß. Fehlt mir das, und ich tat vorher alles, fo Tann ich ruhig weggehen.

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [38] Leipzig, 21. November 1792

Diefe Antwort kömmt fo fpät, wegen einer Unpäßlichkeit von einigen Wochen, die mid) zu angreifenden Gefchäften unfähig machte, und einiger nötiger Briefe nady Haus und an Papen.

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Itzt erft fühle ich mich ftarf genung, einen Brief zu beanttvorten, der mir das Merz durchbohrte. Ich Elage Dich bei Dir felbft an, nicht über den zum Teil gerechten Tadel; aber über den Scherz. Konnte es Dir fo gleichgültig fein mid) tadeln zu müffen ? Ich will Dir verſchweigen, in welcher Lage idy Deinen Brief empfing; da ich in Verzweiflung lange fehnlichft dem legten Trofte entgegengefehen, und mid) nun verfpottet fahe. Dies fonnte ic} nur einen Augenblid® der heftigften 'Kränfung glauben, und ich fehe igt Deinen Brief als einen wahren Beweis Deiner Liebe und Deiner frohen Lage an; doch mwünfchte ich, das frohe Gefühl Deines Glüds hinderte Dich nicht, Dich in mich zu ver- fegen. Ihr Glücklichen vergegt fo leicht, wie leicht wir zu ver⸗ legen find, und daß wir Unglüdlichen heilig find.

ch werde nun faft ängftlich fuchen, das Rauhe meinen Mit: teilungen zu benehmen und über dem Abwägen verſchwindet vielleicht das Gefühl Dein Vorwurf trifft mich fehr tief, weil er fo wahr ift, und mehr fagt, als es ſcheint. Mein Gefprädy ift noch weit rauher, als meine Briefe, und es ift nicht bloß Äußeres, es ift wirklih Ausdruck meines Geiſtes. Ich fühle felbft in mir beftändigen Mißflang, und ich muß mir felbft ge- ftehen, daß ich nicht liebensmwürdig bin, welches mich oft zur höchſten Verzweiflung treibt. Es fehle mir die Zufriedenheit mit mir und andern Menſchen, die Ganftmut, die Grazie, welche Liebe erwerben kann. Ich wünſchte fo auf die Menfchen zu wirfen daß von meiner Rechtfchaffenheit immer mit Adytung, von meiner Liebenswürdigfeit allgemein oft und viel mit Wärme geredet würde. Bon meinem Geifte brauchte gar nicht die Rede zu fein, oder höchftens follte man mich verftändig finden. Jeder⸗ mann follte mich gut nennen, mo ich hinträte, follte ſich alles erheitern, jeder ſich nad) feiner Art an mich fchmiegen, und die fi) was dünfen, mich gnädig anlächeln. Aber längft habe ich bemerkt welchen Eindrud id; faft immer made. Man findet mid) intereffant und geht mir aus dem Wege. Wo ich Bin- Fomme, flieht die gute Laune, und meine Nähe drückt. Am

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liebften befieht man mid) aus der Ferne, wie eine 'gefährlidye Rarität. Gewiß manchem flöße ich bittern Widermwillen ein. Und der Geiſt? Denjmeiften heiße ich doch ein Gonderling, das ift ein Narr mit Geiftl. Meine täglidye Anftrengung ift vergeblid), und haft nur meinen Schmerz vermehrt. Aber dann haben Did auch die Weiber verzärtelt und der weibifche Soelferfohm. Ich bewundre Sophiens Ganftheit, aber verlerne nur nicht auch rauhen Wert zu ſchätzen. Wenn id; geliebt würde, fo würde ich liebenstwürdiger werden. Aber faft fürdjte ich, es ift audy bei Dir mehr Yntereffe als Liebe. Es ift feltfam zu bitten, daß das vorangehen fol, was nur folgen kann. Aber ich Farın weiter nichts hinzufeßen, als das, was fo ganz hieher- gehört, obgleich ich es zuerft geftern an Papen fchrieb.

Ich wünſchte, id Fönnte mas beffers mit Dir teilen, als meine arme Eriftenz. Verſchmaͤhe es aber nicht und teile auch Du wieder mit mir. Laß mid) in Dir glüdlid) fein, da ich es in mir nicht bin. Iſt das aber nicht, fei es das ſchlimmſte, ich will es gern mit Dir -teilen.‘

Die Lügen hoffe ich verteidigen zu können. Stoße Dich nur nicht an der Ede des Worts, fo mirft Du eins mit mir fein. Ermwäge alle Eigenfchaften des Menfchen und der Welt, und Du wirſt finden, daß fie mit größter Kunft den Schmerz des Menfchen beabfichtigen, die Lüge und die Gelbftverachtung. Die Lüge ift der Mtenfchheit fo notwendig, als ſchwach zu fein, und das Schreckliche zu fliehen. Was ift aber ſchrecklicher als die Wahrheit, im allgemeinen und im einzelnen? Es iſt unfern Kenntniffen von der Geele ganz Janalogiſch, wenn ich vermute, daß viele die fich ftets felbft belügen, der Schmerz in dem Augen- blide töten würde, da fie der Wahrheit ganz teilhaftig würden. Die Sreuden, denen fie am meiften nadjlaufen, find kurze Irr⸗ tümer und die fehönften Sreuden find fo vergänglidy, weil die WBahrheit fehr bald ihr furdytbares Recht geltend madjt. Ohne Irrtum würde alle Tätigkeit erlahmen, denn nur wenn ein Ge danfe den Schein eines unendlichen Werts erlügt, erhält die

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Neigung volle Kraft ihn wirklidy zu machen. Diefe Lüge der Natur gibt der jugend ihre Energie, bis eine Eurze oder lange Erfahrung gelehrt hat, daß alles nichtswürdig fei. Wie groß muß der Mann fein, in deffen Bruſt die reine Wahrheit ruhen fann, ohne das irdifche Gefäß zu zermalmen? Wofern es nicht alle menfchlidhe Kraft überſteigt. Diefes kann mir wohl fo feheinen, da die wenige Wahrheit, die ich erfannt habe, mich un= glücklich gemadjt; und weswegen flieht 'man mich, als weil ich wahrer bin, als man fein darf? Noch ein Grund wirft viel- leicht bei Dir, der glaubt, daß der äußere Körper die Movdififationen des Geiftes ausdrüdt. In gewöhnlichen felbft ſchönen Köpfen verrät nun jeder Zug, jede Bewegung das lügenhafte Herz. Aber zeige mir audy nur ein Geſicht ganz wahr, rein von allen Spuren der verborgenften Lüge und Lift, ‘ein Geficht das nicht lügen fann. Die höchſte Begeiftrung kann kaum ein Bild der Wahrheit erſchwingen; denn unter den fehr pielen Gemälden, die in Dresden vorhanden find, find nur einige Köpfe des Raphael der Art, und vielleicht einige des Menges. Die Mlenfdyen des Eorreggio find allefamt Lügner, obwohl fie mit Grazie lügen. In der Wirklichkeit [fah ich nie ein ganz wahres Geſicht. Jeder abfichtliche Irrtum heißt mir Lüge, und wenn id) hinzu⸗ fege daß es nicht nötig ift, ſich der Abſicht deutlich bemußt zu fein, fo ift es nicht übertrieben, wenn id) zweifle, ob in vieler Leben ein einziger Moment ohne Lüge war. Es ift trivial, dag wir uns ftets felbft belügen, und feinem Zeichen trauen dürfen. Lügen das Elingt beinahe fo ſchlimm als Er- morden. Die efoterifehe Philofophie Fünnte aber mohl beide in Schutz nehmen. Viele befonders Schulweife halten das Lügen für an ſich fchledye. Aber niemand von ihnen hat mir noch meine Stage beantworten Fönnen: ‚warum mir aufridtig fein follten?‘*) Ich follte dies nun auf Umgang und Freundſchaft befonders antvenden. Ich kann über einen unerfchöpflichen

*) Daß die Erkenntnis der Wahrheit ein notwendiger Zweck der Menſch⸗ beit fei, dadurch geſtört werde, iſt unzureichend.

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Gegenftand nur tenige flüchtige Gedanken hinwerfen. Um nur geduldet zu werden, die gefellfchaftliche Ehre zu erhalten, begünftigt zu merden, braucht es zahllofer Unwahrheiten. &ben- falls aber auch um andere zu erforfchen, fie zu erfreuen, und ihnen zu nüßen, gegenfeitige Liebe und Achtung zu erregen und zu empfangen. Zwar ift der Grad der Wahrheit der Maßſtab der Erhabenheit einer Sreundfchaft, aber vielleicht nicht ihrer Sreuden. Und in Feiner Erdenfreundfchaft kann die Wahr- heit ganz erreicht werden: Du. erinnerft Dich an eine Stelle in B.'s Briefen, die dasfelbe fagte: Wenn die eherne Hand der Wahrheit alle Schleier zerriffe, fo mürdeft Du auch in unfrer Freundſchaft feine Lügen wahrnehmen. Ich fage dies ficher- lich nicht um das Kleinod meines Lebens zu fchänden. Nun noch die unzähligen äußern Berhältniffe, die es notwendig machen, und die nie fo fehr als beim Berhältniffe mie Weibern und mit eigner Kamilie ftattfinden. Es ift gut, daß ich gegen meinen Bater Religion und gegen meine Samilie Achtung heudjle, die ih nicht habe. Das wenige, was in menſchlichen Verhält—⸗ niffen Kunſt ift, ift mit Geſchick lügen Fönnen, und dies läßt fi} lernen. Mit Weisheit lügen will unendlich viel fagen, und ift mehr als Kunft.

Nach einer Mitteilung, die (ich geftehe es) gar nichts wert war, haft Du ſchnell über meine Leidenfchaft abgeurteilt; Dir haft nidye erwogen was fie für mid), wie id) nun einmal Bin, fein könnte. Du vergleichft fie mit einem willkürlichen Bilde, wie es bei mir hätte fein follen. Ich erftaune, dag Du nicht alles fo erwarteteſt. Habe ich mid) etiva verwandelt, oder kennt man fid) niemals? Wußteſt Du nicht, daß ich Mangel an innerer Kraft immer durdy Plane erfege? Wenn Did das Geftändnis meiner Wünfche beleidigt hat, fo muß id) Dir fagen, dag die Wolluft fo tief in meiner Geele liegt, daß fie bei jeder Liebe fein wird, obwohl mein Enthufiasmus für Männer Dir betveifen fönnte, daß ich die Wolluft für beffre Freuden lange vergeffen Fönnte. Eine Liebe ımter fteter Entfagung aber twäre

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mir Dual. Was märe eine Liebe ohne volle Vertraulichkeit, und Enthufiasmus? Das erfte folgt nur aus der letzten Gunft, und das andre führt dazu. Könnte ich fie Dir nur zeigen, Du mwürdeft anders urteilen, meine Wahl billigen. Es wäre leicht, ein reigendes Bid von einer verführerifch liebens- würdigen rau zu machen. Und noch immer glaube id), daß fie twirflid lieben könnte. Jugendliches Feuer eine blißfchnell entzündbare Phantafie ein Berftand, der mit Feinheit ſchaͤtzt und unterfcheidet (unfre Wahl trifft wmeift zufammen, nur find ihre Urteile nicht fo fehneidend, und gehn etwas mehr auf äußern Schein) eine wahre, prunflofe Anhänglichfeit an ihre Sreunde (diefe zeigt fi) befonderg gegen eine Schweſter und Schwager, die liebenswürdig und fehr verftändig ſchienen) Leichtfinn Lift etwas Eitelkeit, mit aller Liebensmürdigfeit einer jugend- lichen Fröhlichkeit geſchmuͤckt und dann befonders manches, was mid; ahnden läßt, ihre Neigung könnte wohl inniger und feiner fein, als fie bis igt felbft erfahren hat, Was Fönnte das bereinigt nicht hervorbringen. Gemwiß! fie muß lieben fönnen. Dabei ift unbegreiflich, (vielleicht die Heftigkeit des Lemperaments) dag nur ihr felbft verächtliche Menſchen fcheinen bisher ihre Gunft genoffen zu haben. Dies ift es, was mich von ihr zurüd- flieg und dann ein getiffer Mangel an Güte, da fie be- leidigt faft hämiſch ift und endlidy die entfernte Ahndung, daß Heftigkeit ihr wohl nicht erlaubt, ihre Gunft mit Grazie zu geben. liber zwei Intrigen gaben mir mahrfcheinlid) Ge- rüchte den erften Argmohn, ihre Wendungen, diefen Argmohn zu erftiden, und ihr Benehmen bei meinen Anfpielungen faft gemiffe Überzeugung. Cinen kenne id) genau, Nimm ihm fo viel Außeres als notwendig ift, um zu brillieren und es bleibe ein ganz nichtswürdiger ein Debauche wie ein Srifeur. Gie veradhtet ihn, alfo waren feine Berdienfte wohl Berderbtheit, Schlauigfeit, Disfretion, An Kigel der Eitelleit und Nahrung der Phantafie ift bei Ddiefer Intrigue nicht zu denken. Nimm zufammen ihr Leichtſinn ihr Temperament die Gittenlofigkeit der

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hiefigen Damen völlige Freiheit von Geiten des ſchwachen Mannes. Es begreift ſich wohin fie zielte und wie weit fie ging. Möchten doch der Begünſtigten zahllofe fein, nur Männer lieber als ein Nichtswürdiger, Die Ungemwißheit machte mid) launenhaft, und unentfdjloffen, und dies verdarb meinen Plan. Anfangs nur erft etwas gereizt, urteilte id) über fie faft wie igt, doch hoffte ich faft, fie fei der Liebe fähig, und ich befchloß zu verfuchen, fie auf mich zu lenken. Auf Figur fieht fie nicht, auf Rang auch fehr wenig, und id) hatte Vermutungen, daß ein ‚Charafter wie der meinige fie reizen könne. Fürs erfte wollte idy nur ihre Einbildung befchäftigen mar id nur erft dahin, daß ich mich ihr ganz zeigen durfte, fo wird es nicht eitel fein, daß ich hoffte edjte Liebe einer Frau verdienen zu können, da id) die Deinige verdient, Ich ftellte mich fo heftig, als ich bald wurde, ftolzer und fonderbarer als ih bin; meine Bewundrung follte einen hohen Preis befommen, Denn diefe Dinge find mehr für die Eitelkeit, als ein richtiger einfacher Verſtand. Abwechſlung tat das übrige und ich erreichte meine Abficht ganz. Zugleich follte mich der Schein der Sonder: barfeit für manches privilegieren. Unentfcloffenheit in den günftigften Momenten, da die Heftigfeit mir einige Zeit alle Befonnenheit raubte, fand fie unbegreiflidh, und nichts beleidigt Weiber fo fehr, als Nichterwidrung auch der Fleinften Avancen. Immer mehr flieg mein Argwohn, und id) äußerte einigemal Beratung, Vielleicht tat Furcht vor meiner Unvorſichtigkeit das übrige, und ich glaube der Schein des Yntriganten hätte mir nüglich fein Fönnen, Ich habe gewiß nicht wenig verloren, denn hätte fie mir audy gar nichts neues gegeben, fo würde ſich doch fehr viel aus mir felbft entmwidele haben: obmohl unfre große Verfchiedenheit für mich viel Schmerz zur Folge hätte haben müſſen. Mißtrauen und Eitelfeit madjen mein Urteil über meinen Eindrud auf fie gleidy fehr unſicher. Es ift dem Weibe natürlid), mit einem heftigen Manne ihr Spiel zu treiben; es Figelt ihre Eitelfeit um fo mehr, je mehr männlidyen Berftand

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fie felbft ihm zutraut. Aber verächtlich bin ich ihr nicht, wie ich meiß; und wenn dies nicht ift macht heftige Leidenfchaft allemal einigen Eindruck, fehr tiefen aber ein ftolzes Zurüdtziehen. Geit ih aus jugendlichen Unfinn der R. gutgemeintes Wohlwollen zurückſtieß, hatte ich merflidy Einfluß, wenn nicht auf ihre Zu⸗ friedenheit, doch auf ihre SHeiterfeit. Zwar mache fie, als hätte fie mitleidig mit meiner Einfalt mich aufgegeben. Doch die beften Gründe liegen in Fleinen Zügen die ich vermeide, meil Du fie letzthin alle ganz mißverftanden: und Verſtändlichkeit würde einen langiveiligen Roman erfordern. Damit Du nicht denkſt, dag Eitelkeit oder Hoffnung mid) verführt noch dies: ich habe nicht die Fleinfte Spur von echter Liebe, aber ihre Eitel- feit und ihre Phantafie glaube id, gereizt zu haben, ımd auf Furze Zeit hat fie günftige Abfichten für mid; gehabt.

Meine Schmerzen habe ich mir felbjt zu danfen. Es war vertvegen, Liebe in Lüge und Luft erzeugen, die feinfte Ber: ftelung mit meiner unverberglidjen Heftigkeit, Launen, Mangel an gefellfchaftlicyer Erfahrung, Geld und Zuverſicht gegen ein Weib ducdhführen zu tollen. Doch waren fie nicht fruchtlos fie gaben meiner Geele einen gewaltigen Stoß.

Mein Wille ift fie zu vergeffen, durch beffre Mittel als bisher angeftrengte Tätigkeit. Das befte wäre wohl häufiger Um⸗ gang mit liebenswürdigen Weibern, wenn es nur ftattfände. Hätte ich doch nur zo Thl. übrig! und morgen wäre ich bei Schweinitz. Acht Tage bei ihm Fönnten mid, verwandeln.

Meine Leidenſchaft ift noch fehr ſtark. Ich hatte fie faft fünf Wochen mit Fleiß nicht gefehen: in diefe Zeit fiel meine Krank: heit, tiefeindringende Bervegungen ganz andrer Art, und ange ftrengte Tätigkeit mit intereffanten Gegenftänden. Bor adjt Tagen fprad ich fie wieder und feitdem hat fie mid) Tag und Nacht faft nicht verlaffen. Ya mich mit ihe in einem Gaale zu miffen, fest mich in die heftigfte Unruhe, wie vom Sieber. Ich bin, ſcheint es, auch noch nicht aus ihrem Gedächt⸗ niffe ausgeftricden: bei ihrem Leichtfinn ein ftarfer Beweis für

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mich. Wenige Stunden allein Fönnten mir Auffchlüffe geben, die vielleihe eine Willensänderung möglid” machten. Denn fönnte nicht alles Kinbildungen fein? Und dann hätte: ich ſchlecht gegen fie gehandelt. Ich habe mich twenigftens über der Wahrheit zerfonnen aber fo ift es, notwendig flieht fie uns, immer bereit uns unnütz zu quälen. Nun endlich genung von ihr und vielleidye zu viel. Nur noch die Berficjrung, daß ich die Befonnenheit nicht wieder verlieren werde. Du haft nun reichen Stoff zu DBermutungen, meldjen Gang id; überhaupt immer in der Liebe nehmen werde. Du wirft von den beften Weibern geliebt fein, und ich bei den fehlechteften nidyt reuffieren. Sie können Di als.einen edlen Mann ſchätzen, und Du ver: führft fie fo guet wie der liebenstwürdigfte Böfewidht; das wollen felbft die beften doch auch haben. Mich werden nur wenige Weiber bemerfen. Den eitelften werde ich intereffant fein, durch Hoffnung fchmärmerifcher Bewundrung. Vielleicht bin ich reiner Liebe nur gegen Männer fähig. Die Weiber find feit einiger Zeit ein Lieblingsgegenftand meines Nachdenfens aber ich denke gering von ihnen. Liebe, Lift, Divination Andrer find häufiger unter ihnen, aber in größter Vollkommenheit bei wenigen Männern.

Meine erfte Liebe war die R. und fie hatte fehr viele, faft alle von den Kennzeichen, die Du mit fo viel Wahrheit ihr bei- legft. War gleidy der Anfang linfifch, das Ganze fehr jugendlich, fo verdanfe ich ihr doc, unvergeglidhe Augenblide in ftiller Emp⸗ findung zu Hannover oder in zügellofer Ausgelaffenheit in Dresden. Und endlidy flürzte größtenteils fie mid) in die tieffte Melandyolie, in der ich ein Jahr in Göttingen immer tiefer fanf, und aus der ich nur langfam und mit Mühe auferfiand. Das dürfte nicht Liebe heißen? Du treibft eine Fleine Pedanterei mit diefem Worte, die man Dir als Birtuofo zugtste halten muß, Bedenke doch welche verfchiedene Wefen Menfch heißen! Deine Leiden» ſchaft zur F. war, glaube ich, noch weniger wert als meine zur R. und jegt muß ich diefe Vergleihung gang abwenden.

6 NRomantiter-Briefe 81

Gage mir, liebft Du ©.? Ich glaube nicht Du bift zu gluͤcklich. Und Caroline auch nidye mehr. Beneidenswürdiger ! Kür die fchönfte aller Eigenfchaften, Liebenswürdigkeit, trägft Du den fchönften Lohn davon, das Glüd geliebt zu fein. Teile doch endlich Deine Sreuden ganz mit mir, und überwinde Träg- heit, oder Geheimnisfucht. .Die Erzählung ift noch immer halb, und G.s Bild ift nicht gefommen. Noch immer ift die Gtelle aus Carolinens Briefe in meinem Gedädhtniffe ‚Du zählteft den Mann unter Deine Freunde?“ liber die ängftliche legte Auße⸗ rung verlange ich mehr zu wiſſen. Ich Fönnte im ſchlimmſten Kal Dir vielleicht nüglich fein, und hoffe, wenn Du nad, Deutfdh- land zurüdkehrft, den Borzug vor Mainz. Laß mir diefe Eifer- fucht ich weiß, fie tat unendlich mehr für Dich, als ich je fonnte. Aber war es nit auch Glück, blog Berdienft? An Willen glaube idy gleidy zu fein. Und dann wärft Du ihr nur ein Sreund mir aber Alles. Auch hoffe ich fünftig Dir mehr zu fein. Mit größtem ntereffe hörte ich legthin viel Tad;- richten von ihe. Aber, der Augenblide, wo fie Buhlerin war, find doch wohl nicht wenige geweſen? Und follte fie wohl, wenn die Guten fehlen, mit den Schlechten ſich begnügen? Vielleicht müßte man ihr felbft darüber ein Privilegium geben. Bei Fleinen Briefen lege mir immer etwas von ihr bei. Iſt es dodh faft, als ob ich fie fennte! Gewiß wir müßten harmonieren durd; Wahrheitsliebe, Sreundfchaftsenthufiasmus, und Gtolz! Was würde fie mohl von mir denken? Haft Du ihr je von mir ge- fprochen? ft Deine Korrefpondenz mit ihr geftört? Faſt fürchte ich, unfre ift es auch; da ich feit einem Monat noch nidyts befommen.

Die geftandnen Ausfchweifimgen haben mir wohl einige Zeit Gefundheit gekoſtet und find fehr ſchlechte Mittel um meife zu werden. Doch war ich nie, die ganze Zeit über, lange untäfig, und noch nie fo tätig als ift. Die Mitteilung unterbleibt, da der Brief oder das Buch doch endlich fort muß. Zudem ift meine Zeit geteilt unter juriftifche Studien und Kollegien in Metaphufif; die

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Nebenftunden find der medizinifchen Lektüre gewidmet. Bon dem Neuen der legten Meſſe ift nicht viel zu reden. Ich denke feit etwa einem halben jahre über die Dinge, die mit meinem Leben und meinen Handlungen am innigften verfnüpft find, fehr viel, und befonders über den Umgang. Ich finde ihn der Anftrengung aller willfürlichen Kräfte würdig, nicht bloß als Erwerbung von Konnerionen und gefellfchaftlicher Klugheit, fondern an ſich felbft. Es ift falſch nur Arbeit für die Zukunft verdienftlich zu finden. Aber die meiften leben in Hoffnung und Einbildung, id) till aber in der Gegenwart und in der Wahrheit leben. Hier haft Du einige Brucdftüde. Kür den etwanigen Plan zum Hofmeifterleben habe idy mir Platner zum Gönner gemadjt, dem ich zumider war. Ich mußte feinem trivialen Garven zu gefallen, und man darf nur feine kleine Weisheit und unendliche Eitelkeit geduldig an- hören, und dann und wann eine Laune nicht bemerken; auf feine Eitelkeit hatte es befonders Einfluß, daß ich ihm Anlaß gegeben, mich für einen befehrten Kantianer zu nehmen.

Gonft ift es mit allem Umgang, der noch etwas wert war, aus. Des Beften nicht zu gedenken, fo ift die Eleine Kreude mit Hardenberg geendigt. Um bei ihm fo wahr fein zu dürfen, als ich war (idy kann Dolche reden) hätte idy mehr Schmeicheleien lügen müffen. @itelfeit wegen meiner Meinung von feinen Ta- lenten, und mandjes gleiche Intereſſe zog ihn nad) häufigen Eurgen Entfernungen immer wieder an mid), aber endlidy beredete ihn doch beleidigte Eitelfeit, mein Benehmen fei hämifche Tadelfucht, und unfinniger Gtolz; er hielt mich für gefühllos und fing an mir nicht gu trauen. Auch fah ich immer deutlicher, daß er der Freundſchaft nicht fähig, und in feiner Geele nichts als Eigennuß und Phantafterei ſei). Dazu fam er hatte in pöbelhafter Luftigfeit ſchon einigemal meine Empfindliczfeit auf eine gemiffe Art gereizt; endlich einmal brach ich trocken ab, mit Hindeutung auf ein Duell, obgleid; er nichts gefagt, was einer Gottife ent:

*) Ich fagte ihm einmal: ‚Gie find mir bald Tiebensmwürdig, bald ver: ächtlich.‘ 83

ferne ähnlich gemefen. Obgleich ich damals wirklich das erfte- mal in meinem Leben im Zorn war, fo würde ich doch nod) ist ebenfo handeln. Bon da erlofdy fein Zutrauen, und meine Neigung für immer. Es war mir doch etwas wert ich mollte ihm fo gern nüßen, und auch gegen feinen Willen ift es doch wohl gefihehen er hatte Intereſſe für mid) und meine Eigen- tümlichfeiten Berftand und Witz hatte er wirklich nicht wenig. Du baft gewiß nad) den Berfen und meiner Schilderung ihn Dir zu kindiſch denken müſſen. Bergebens hoffte idy die Schwäche feines Herzens fo zu erklären. Gie wird ewig bleiben und ewig mit fchönen Talenten fpielen, wie ein Kind mit Karten. Ich fagte ihm noch zulegt: ‚Sie fehen die Belt doppelt; einmal wie ein guter Menſch von funfzehn, und dann wie ein nidhtswürdiger bon dreißig “Yahren.‘ -

Auch Berger, von dem ich fo wenig gefchrieben, mweil er mid) fo wenig anging, den ich aber täglidy fah, feit ich hier bin, ift fort. Wie ſchatzbar find doch Rechtſchaffenheit, Ehrgefühl, und treue Anhänglichfeit! Ich vermiffe ihn ohngeachtet feines befchränf: ten Berftandes, feines ſchwerſinnigen Lrübfinnes (erregt durch die Forderungen feiner Eitelkeit an ſich felbft, und das dunkle Gefühl feiner Schwäche) feiner unzähligen Vorurteile. Er hatte den tiefften Reſpekt für Profefforen, Bücher und Worte, den größten Eifer, anhaltenden Fleiß, und doch fo gar feine Einſicht in das Weſen irgend einer Wiffenfchaft. Auch feine guten Eigenfchaften gehörten nicht ihm zu, es war alles an ihm Gewohnheit und Tem» perament. Und fo ganz ohne innere Bildungsfraft die verſchie⸗ denften Einwirkungen zu verfnüpfen. Die Stücke lagen gleidyfam roh nebeneinander. Hier ein großes von der Berlepſch dort Bruchſtücke aus Rouffeau da etwas aus der Kaferne und hart daneben ettvas von alten adligen Weibern bier Hefte von nicht verftandnen Kollegen und dann die Empfindungen empfindfamer Schweſtern und Mütter, und drunter einige Grund- fäge aus Affembleen und Bureaur d’Efprits. Ein rediter Bißderfaften, wie man auf Meſſen um einen Dreier fieht

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"und doch denfe Dir meine unendlidhe Armut vermiffe ich ihn.

Wäre Schmweiniß bier, er Fönnte meinen dreifachen oder zwie⸗ fadyen Berluft wohl erfegen. Ich mäßige meinen Ausdrud? mit Bedacht. Denn nad) augenblidlidem Gefühl, würde ich fagen: ‚ich boffe ihn einft neben Dir ftellen zu Fönnen.‘ Aber ich habe mid) ſchon fo oft felbft betrogen. Ich werde einen beffern Halt in feiner Seele haben, als Eitelkeit. Ich glaube einige Zärt: lichkeit zu bemerken, und ift das, fo laffe id} nicht ab, bis er in meiner Gewalt if. Meine Kräfte find weit größer, als meine Tätigkeit, denn noch immer Fämpfe ich mit dem Gedanken: ‚Es ift doch alles umſonſt.“ Fürchterlicher Abgrund! Zu ftolz das ‚Etwas befjer‘ der Mühe wert zu achten, fi; danach zu büden, finfen wir von der höchſten Einſicht, mit den ſchwächſten Menſchen immer tiefer in Trägheit und Selbſtverachtung. Wir follen fteigen, oder ſchnell endigen. Gib mir den Glauben der Jugend wieder, und das Größte wird mir nicht zu ſchwer fein. Aber alles ift mir unbefriedigend, leer und efelhaft Du felbft, ich felbft. Mic, dünfe oft, als wäre es mir gleichviel, gut oder ſchlecht, glücklich oder unglücklich zu fein. Nach diefem Glüd und diefer Bollfommenheit Iüftet mich nicht; und endlicyes Un: glück hoffe ich wohl ertragen zu Fönnen. Ich fönnte nun nodh viele Bogen anfüllen in Antwort auf den Fränfenden Vorwurf der aufbraufenden Ankündigung des Gelbftmordes, und des feig- hberzigen Zögerns. Habe ich ohne Bemußtfein gefchrieben, oder wie Fonnte das Mißverftändnis entftehen, daß ein Weib, ein Weib mid; zu diefer Unmürdigkeit treiben Eönnte? Der Wert meines Lebens hängt nicht von einem Weib ab. Geit faft drei Jahren ift der Gelbftmord täglidyer Gedanke bei mir: id) verfchob ihn, weil id) einfah, daß ich unvollendet und es alfo zu früh fei, welches ich fehr weit ausführen Ffönnte: und ich verachte das Unglück zu fehr, um einige Yahre fehr unerträglich zu finden. Do es gibt Fälle, mo Fein Abwägen des Wertes des Lebens gilt, die ich nicht überleben will, und in die meine Dir bekannte

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Lage mich fehr leicht fegen Fönnte. Ein Mann muß fterben, ehe er eine Unmürdigfeit tut; aber es gibt au Unmürdig- feiten des Leidens.

Nun habe ich mit Dir gerechtet, nun tritt die Liebe, die bisher fhmwieg, in ihr Recht. Nimm meinen heißeften Danf für Deinen Tadel, und laß es nicht den Testen fein. Denke über mid; von neuem nad; wir fahen uns lange nicht und es ift ſchwer mi zu kennen die am längften mit mir lebten, und am fchärfften urteilten, gaben es ganz auf, wie ich felbft; und teile mir Lob und Tadel zu, wie Dir gutdünft. Ich reihe Dir den Dolch felbft dar; ſchone nicht und durchbohre mir das Herz, wenn es notwendig. Bon der Hand eines Bruders Fann es nidht fehmerzen, und fchmerzt es auch, fo will ich unfre Sreundfchaft gern auch mit meinem Blute verfiegeln. Ich glaube an Did) nenn Du aud) einen wahren Doldy gegen mich brauchteft, fo würde id} Dir fterbend danken, in Gewißheit Deiner weiſen Abficht.

Deine Sorgfalt für meine Geldfachen ift fidy immer gleid). Ich nehme alles gerne fo an, wie Du beftimmt haft, mit der Bedingung, dag Du vorſichtig genung bift, Dich felbft nicht in Berlegenheit zu ftürgen. Die 6 Dufaten erwarte ich ſchon feit einigen Pofttagen; wenn fie nur nicht verloren, oder Didy gar Unannehmlichfeiten gehindert. Ich habe indeffen nötig befunden, bei noch jemand Hülfe zu fuchen, ohne welche ich igt nicht mehr fein würde und Ddiefer ift Pape. Er verdiente, daß id) ihn Dir in diefer Rückſicht gleichfegte. Ich erhielt fogleidy, was id) verlangt, 100 Thl. und nun bin ich noch 200 Thl. ſchuldig. Biligt Du mid? Es war nicht Feigheit denn ich hätte den Tod vorgezogen, lieber als einen kriechenden Brief an meine Eltern. Wenn man weiß, daß man geben mürde, fo darf man fordern, auch befteht die Freundſchaft nicht in Geſchwätz, fondern im Tun. Und id weiß unfre Sreundfchaft wird ge- iwinnen. ‚Aber feine Eonderbarfeiten? Iſt es nicht gefährlich?‘ Auf jeden Fall ift etwas in meiner Bruft, welches bei jeder Ges fahr ganz fidher ift. | 86

Novalis an feinen Bater [39] 1792/1793

... Boll Zutrauen nahe id; mich Deinem Herzen. Go lange ich denken Fann, haft Du verfprocdden, mir mehr Sreund als jtrenger Bater zu fein. Ich hatte nie mehr Bedürfnis, ein er- fahrenes Herz zu finden, das mid, zutraulic; aufnähme, als jegt. Borwürfe, lieber Bater, und gerechter Tadel find überflüffig, denn ich habe mir hundertmal Alles lebendig vorgeftellt, was Du und die firenge Gtimme meines eigenen Bewußtſeins mir fagen föonnen. Du weißt ſchon, was ich wünfdje, wonach ich ein heißes Verlangen trage. Soldat zu werden, ift jeßt die Außerfle Grenze des Horizonts meiner Wünfche. Die Erfüllung diefer Hoffnung wird die fieberhafte Unruhe flillen, die jet meine ganze Geele bewegt. Du, befter Bater, bift die größefte und faft einzige Schwierigkeit, die ich zu überwinden habe. Habe ich den Weg zu Deinem Herzen gefunden, und löſcht diefer fchnelle jugendlidye Entſchluß nidye alle Funken einer zärtlichen Liebe zu mir darin aus, die ſchon zwanzig jahre alt ift und mehr aus dem innern Sond Deines Charafters als aus der Natur entftanden ift, fo glaub ich auch, diefe überwunden zu haben, fo glaub ich, daß nichts mehr der Ausführung meines Borhabens entgegenfteht. Ehe ich meinen Entſchluß feit faßte, habe ich freilich innerlich fehr mit der Borftellung gekämpft, daß idy im höchſten Grade undanfbar gegen Euch, liebe Eltern, erfiheine, daß id) Euch liebe Hoffnungen zerfiüre und Euer Herz an der verwundbarften Stelle angreife; aber als id; nachher bedadjte, daß nicht der gegemivärtige Angenblid, fondern gerade die Ausficht des ganzen Lebens mich beftimmen müffe, daß das Glüd und die Ruhe von meinem Leben und ein großer Teil des Eurigen an diefem Ent: ſchluſſe hinge, indem ich mir von ihm den vorteilhafteften Ein⸗ flug auf die Bidung und Konfiftenz meines Charakters ver: fpredje, daß denn doch bald Zeiten Eommen würden, wo Euch das alles Flar und Fräftig einleuchten würde, und Ihr mit der Wendung meines Schidfals gewiß würdet zufrieden fein; als id)

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dies alles bedachte, fo war auch mein Entſchluß da, mit der freudigen Hoffnung, daß Ihr mir zutrauensvoll die Hand bieten und mein ohnedem verwirrtes Herz durch eine Härte und Kälte, durch einen Mangel an freiem Zutrauen und berzlidier Teil⸗ nahme, der Euch fonft fo fremd war, nicht nody mehr nieder: drüden würdet. Diefem innerliden Kampfe mußt Du es audy zufchreiben, daß Du nicht der erfte mwarft, dem id) mein volles bedrängtes Herz ausfrhüttete; ich konnte mich erft nicht über: winden, eine Schüchternheit und Zurüdhaltung gegen Dich fahren zu laffen, die Dein firenger Sinn vielleicht feit langer Zeit ſchon als einen feften Eindruck zurüdigelaffen hat. Go freundfchaft- ih und warm Du zumeilen bift, eine fo hinreißende Güte Du fo oft äußerft, fo haft Du doch auch fehr viele Augenblide, wo man ſich Dir nur mit fchüchterner Furchtſamkeit nähern kann, und wo Dein feuriger Charafter Dich zu einer Teilnahme treibt, die zwar Ehrfurcht, aber nicht freies unbefangenes Zutrauen ge: bietet. Nicht gerade Deine Hige meine idy, aber jene tiefe, er: fehütternde Empfindung, die Dich ergreift, wenn Du in einer anfcheinenden Ruhe und Kälte biſt. Und dies fürchte id am meiften. Nichts ift mir unerträglicher und peinlicher, als Dich falt und verfchloffen zu fehen; ad), ich habe auch zu oft Dich im höchſten Grade mohltätig, offen, zutraulich, herzlich und als die Güte felbft gekannt, mo jedes Deiner Worte Liebe einflößte, und die fanftefte Überzeugung ſich in jedem Herzen ermwärmte. Wenn ih wüßte, dag Du immer fo gegen mich wärft, fo wäre fein glüdlicherer Menſch als ich, fo follte auch Fein Wort fidh für Did) in meinem ‚Herzen verfteden. Doch ich bredje hier ab, um mich zu meinem Entſchluß zu wenden und über ihn Dir alles zu fagen, was ich zu fagen habe,

Bor allen Dingen muß id Dir ein Mißtrauen benehmen, als ob ih ſchon lange mit diefem Vorſatz umgegangen fei. Ich fann Dir aufs heiligfte verfihern, daß er erft feit Weihnachten mich ergriffen hat. Vorher habe ich nie daran gedacht, fondern mid) mehr davor als vor einer Maßregel gefürchtet, die Ihr

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ergreifen tmürdet, wenn mein Fleiß Euren Erwartungen nidjt entfprecjen würde. Die Entftehungsgründe find kurz folgende. Bis Weihnachten war id) fleißig geweſen, das kann id freiherzig geftehen. Als id) nady Weihnachten zurüdfam, fo war id) ein paar Tage krank, mißmutig und unzufrieden mit mir. Ich war zwanzig Jahre alt und hatte noch nichts in der Welt getan. Mein bisheriger Fleiß erfchien mir felbft in einem verädhtlichen Lichte und ich fing an mich nad) Reffourcen umzufehen. Da ſchoß mir zuerft, wie ein fliegender Gedanke, der Wunſch durch den Kopf, Soldat zu werden. Es blieb aber jest alles noch im tiefften Hintergrunde ftehen. Dann hatte mein Bruder wieder einen Anfall von Hypochondrie. Ich redete ihm zu, er fprad) vom Goldaten. Ich redete ihm diefe Sache fo ziemlich aus, aber mir noch tiefer ein. Diefer Wunſch trat immer heller und lebendiger hervor und fing an, mich zu beunruhigen. Jetzt wars, daß ich, verzeihe meine Juvenilitaͤt, mid). in ein Mädchen ver: liebte. Die erfte Zeit ging noch alles recht gut; aber diefe Leiden- fhaft wuchs fo fehnell empor, daß fie in Eurzer Zeit ſich meiner ganz bemädhtigt hatte. Mich verließ die Kraft, zu mwiderftehen. Ich gab mid, ganz hin. Überdies wars die erfte Leidenfchaft meines Lebens. Vielleicht ift Dir das nicht fo fremd und analoger, als id) glaube, da Du doch ein äußerſt empfindliches und heftiges Temperament haft; aber Du bift ſchon von früh an vertrauter mit der Idee der Pflicht gemwefen, und meine Phantaſie ift vielleicht "ungebändigter, als es die Deine mar. Genug, id} geriet in einen Zuſtand, in dem id) noch nie war. Eine Unruhe geigelte mich überall, deren Peinlichkeit und Heftig⸗ feit ih Dir nicht anſchaulich zu madjen vermag. Hin und wieder gab es doch eine Fühlere Minute, mo mir das Gefühl von Pflicht, von meiner Beftimmung, die Erinnerung an Euch einfiel und meine innere Pein um die Hälfte vermehrte, weil ich zu gut fah, daß ich nicht fo fein follte und doch Mangel an Kraft fühlte, mic) herauszureißen, weil id) zu unzertrennlich mit der Empfindung der Liebe verbunden war, weil ich gern beides

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verfnüpft hätte und doch Feine Möglichkeit vor mir fah. Bier- zehn Tage habe ich faft nicht ordentlich gefchlafen und felbft diefen Furzen Schlaf machten mir lebhafte Träume peinlidh. Da fam der Entſchluß der Reife. In diefer Epoche fah id; Did), Deine kurze Anmefenheit machte meine innere Gituation ver: mwireter. Damals ſchrieb ich zuerft alles an meinen Onkel. Nad; gerade legte ſich diefes Geelenfieber, aber mein Entfchluß blieb. Meine Leidenfchaft ift jet ganz erlofchen und Du Fannft jegt vor den Rezidiven diefer Leidenfchaft ficher fein. Gie hob ſich felber auf, als fie auf einen Grad geftiegen mar, von dem Du Dir feine Borftellungen machen fannft. Einige Wunden hat fie noch zurüdgelaffen, die nur die Zeit vernarben kann; aber es bleibt mir ewig eine der merfmürdigften Zeiten meines Lebens. Daß ich in diefer ganzen Zeit nichts tat, kannſt Du Dir leicht vorftellen, und Du mirft darüber nicht ärgerlicher fein als über die ganze Gefchichte. Ich Fönnte hierüber noch eine ganze Menge Bemerkungen machen, aber Dein Herz, Dein Gelbft- gefühl, Deine Güte, Erfahrung und Mtenfchenfenntnis madjt fie mir überflüffig.. Mein Entſchluß foll mich nun ganz allein be- fhäftigen. Die Entftehung desfelben haft Du nun gefehen, und aus ihr ergeben fidy leicht die meiften Motive. Go aufmerffam ich ſchon feit langer Zeit auf mich bin, fo gut id} vorher glaubte, mid) ganz gu Tennen, fo hat mir doch erft diefe Begebenheit die Augen geöffnet. Bon meiner Leidenfchaftlicyfeit mußte id) wenig. Ich glaubte nie, daß mid, etwas fo allgemaltig in fo Furzer Zeit unmerflid ergreifen, mid) fo in meiner innerften Geele gefangen nehmen könnte. Ich habe nun die Erfahrung gemacht. Bin ih ficher, daß nicht heute oder morgen mich wieder fo ein Unfall trifft? Als Soldat bin ich gezwungen, durch ftrenge Disziplin meine Pflichten gemiffenhaft zu tun; überdem find es größten: teils medjanifche Pflichten, die meinem Kopfe und Herzen alle möglichen Sreiheiten geftatten; als Zivilift, Gott im Himmel! wie würde das mit meinen Gefchäften ausfehen, wenn foldye Paufen von gänzlidyer Kopfabrvefenheit Fämen. dh mürde

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Euch, mich felbft und meine Pflidyten täufdyen, obendrein un- glüdlid) fein und Eeinen Troft haben. Ich muß noch erzogen werden, vielleiht muß ich midy bis an mein Ende er- ziehen. Meine leidenfhaftliche Unruhe und SHeftigkeit würde fi) auf alles erftreden, und leider würden die trodenen Geiftes- arbeiten davon den menigften Nutzen haben. Im Zivilftande werde ich verweidjlicht. Mein Charafter leidet zu menig heftige Etöße, und nur diefe Fönnen ihn bilden und feft machen. Schon diefe heftige Leidenfhaft hat auf meinen Charafter und meine Einſicht einen, wie ich mir ſchmeichle, vorteilhaften Einfluß ge- habt. Go ein Charafter wie der meinige bildet ſich nur im Gtrome der Welt. Einem engen Kreife fann idy nie meine Bildung danken. Vaterland und Welt muß auf mid, wirken. Ruhm und Tadel muß ich ertragen lernen. Mich und andere werde ich gezwungen, recht zu Fennen, denn nur durch andere und mit anderen komme ich fort. Die Cinfamkeit darf mid; nicht mehr fchmeichelnd einwiegen. Es mill der Feind, es darf der Freund dann nicht fchonen. Dann fange ich erft an, meine Kräfte zu üben und männlich zu werden. Männlichkeit ift das Ziel meines Beftrebens. Nur fie macht edel und vortrefflich, und wo könnte ich fie eher für mich finden als in einem Stande, wo ftrenge Ordnung, pedantifcdye Unbedeutendheit und Ein Geiſt zu Einem großen Ziele führe, mo das Leben immer nur als Medium erfcheint, und das Prinzip der Ehre das Gelbftgefühl fyärft, die Empfindungen veredelt, den Wetteifer erhöht und den Cigennuß aufhebt, wo man faft immer mit feiner leßten Minute umgeht. Wenn man da nicht geweckt wird zum Ernft, zur Männlichkeit, zu Elugem Gebrauch feiner Kräfte und feiner Zeit, wenn da nicht der Charakter Konfiftenz und Bildung und Größe erhält, fo müßte man auf der unterften Stufe der menſch⸗ lichen Würde, der menfchlidyen Natur ftehen. Ich hoffe, daß Du jegt ſchon einfehen wirft, daß nicht eine kindiſche Vorſtellung vom Goldaten mein Hauptbeweggrund gemefen ift. Ich weiß zu gut, was ich aufopfere und was ich erhalte, wozu id) mich

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entfchliege und mas ich verlaffe. Ich weiß, daß der Soldaten ftand Eein Rofengarten ift, aber mas gerade andere daran ſcheuen, das zieht mid an und läßt mich den heilfamften Einfluß für meine Bildung davon hoffen. Vorher will id) noch einiges über DBeftimmung überhaupt erinnern, wovon ich feft überzeugt bin, dag es mit Deiner Denfungsart nicht kontraſtiert. Du weißt zu gut, wie lange man ſich über feine eigene Beftimmung täufdyen fann, und wirft mir daher feinen weſentlichen Vorwurf machen, dag ich nicht eher auf diefen Entſchluß verfiel. Man ift fo lange unbeftimmt und gleichgültig in der. Wahl feines Gegen: ftandes, bis man durch fich felbft, durch ein individuelles Bedürf- nis feine Richtung erhält. Manche und die meiften eigentlid) haben fo menig Sinn für eigentlicheg Bedürfnis, daß fie fidh gutmwillig vom erften beften äußeren Gegenftand beftimmen laffen, ohne ſich zu fragen, ob diefe Leitung ihnen audy angemeffen ift oder vielmehr ob fie zu diefer Beflimmung paffen. Die Edlen unter ihnen werden durch diefe verfehlte Wahl unglücklich, die minder Edlen laffen fichs freilich nicht zu Herzen gehen, fehen es hundertmal nicht ein und verderben den Plaß, auf dem fie ftehen, und verfürzen die Linie, die ihnen ihre falfdy gewählte Beftimmung vorfchreibt. Erlaube mir daher doch, daß ich dem Rufe jest folgen kann, den id; aus meinem Herzen und den Gegenftänden um mich her höre. Höre ich zur Unzeit, nun fo fann ich mir doch felbft Vorwürfe madjen und habe nicht nötig, unwillig auf einen andern zu fein. Du denfft ferner zu hell, als daß Du nicht überzeugt fein follteft, daß der Zivilftand eigent⸗ id nicht um ein Haar vorzüglicher fei, als der Soldatenftand, fondern dag der Mann den Stand mache; ich gehe alſo ſchnell über diefen Vorwurf hinweg. Das tätige Leben, in das ich nun trefe, wird meinem braufenden Kopfe und meinem unruhigen Herzen höchſt mwilllommen fein. Meine Grundfäge und Ideen werden geprüfter, fehärfer gedacht, tiefer empfunden werden. Die wilde, leidenſchaftliche Hige wird fid) legen und nur eine fanfte, gemäßigte Wärme zurüdbleiben. Der üppige Gedanken-

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from wird ſich verlieren, aber er wird defto reicher werden. Die Erfahrung wird ihre Hand an meine Bildung legen, und in ihrem hellen Lichte wird manche romantiſche Yugendidee ver: ſchwinden und nur der ftillen, zarten Wahrheit, dem einleuchten» den Ginn des fittlid Guten, Schönen und Bleibenden den Plas überlaffen. Mein Sinn wird Eharafter, meine Erfenntniffe werden Grundfäße, meine Phantafie wird Empfindung, meine Leidenfchaftlichfeit mohltätige Wärme, meine Ahnungen werden Wahrheit, meine Einfalt, Einfachheit, meine Anlage wird Ber: ftand, meine Ideen werden Bernunft. Giehe, lieber Bater, das ift der Zweck, den ich habe; mißbilligen fannft Du ihn unmög- li, und das gewählte Mittel fcheint mir das zweckmäßigſte zu fein. Ich glaube mit diefem ſchon alle jene Einwürfe entfräftet zu haben, die Du mir etwa in Rüdfidyt der Berhältniffe meines Charafters zum Soldatenftande machen Fönnteft. Mir wird die Gubordination, die Drönung, die Cinförmigfeit, die Geiftlofigkeit des Militärs fehr dienlidy fein. Hier wird meine Phantafie das Kindifche, Jugendliche verlieren, was ihr anhängt, und gezwungen fein, fi) nach den feften Regeln eines Syſtems zu richten. Der romantifche Schwung mird in dem alltäglichen, fehr unromanti» fihen Gange meines Lebens viel von feinem ſchädlichen Einfluß auf meine Handlungen verlieren, und nichts wird mir übrig bleiben, als ein dauerhafter ſchlichter Bonfens, der für unfere modernen Zeiten den angemefjenften, natürlichften Gefichtspunft darbietet. Was die Ötrapazen betrifft, fo weiß ich, daß id fie ausdauern werde, wenn id) fie ausdauern foll, und fo fürdhte ich mich nicht davor. Was die Todesfurdjt betrifft, fo müßte in mir fein Tropfen Deines Blutes fließen, wenn fie mid) zurüd- halten follte. Bei mir fommt auch noch aus gemiffen individuellen Hinfihten, die Du auf keinen Fall mit mir teilen fannft, eine Sfeichgültigkeit gegen das Leben mit hinzu, die Dir parador vorfommen wird, weil Du mich nicht ganz kennſt. Ich bin feft überzeugt, dag man in der Welt mehr verlieren kann als das Leben, und daß das Leben nur von uns feinen Reiz erhält, daß

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es immer nur Mittel und faft nie Zmwed fein darf, und dag man oft wenig verliert, wenn man von diefem Ötern abtritt. Meine Handlungen, hoffe ich, follen Dir zeigen, daß hierin mehr als Tirade if. Was das Zerfchießen und Zerhauen angeht, fo bleibt mir auch in diefem Kalle noch immer die Zuflucht zu den Wiffenfchaften, die bisher das Glück meines Lebens ausmadhten und gewiß jet nicht aufhören werden, Don ihnen und von dem forgfältigen Studium meines Handwerks verfpredje idy mir die Ausfüllung der vielen Stunden, die mir der Dienft übrig läßt, und dies wird allein ſchon genug fein, die Langeweile und den Müßiggang zu verbannen, der die Geißel der meiften Dffiziere if. Mein Geift und feine Bildung ift ohnedem mein heiligfter Zweck; äußere Beränderungen und Eörperliche Unfälle werden alfo diefem nie entgegenftehen, wenn fie nicht mittelbar die Sreiheit feiner Bewegung und feiner Entmwidelung hemmen.

Ich Habe fonft noch vielerlei überdacht, ob jemand reellen Schaden von meinem Entſchluß , haben könnte, aber idy habe nichts gefunden. Euch wirds im Anfang fdymerzen, meinen an- gefangenen Lauf unterbrochen zu fehen, mich, den Ihr fo zärt: lid liebt, dem ungewiffen Kriegsglüd anvertraut zu fehen, zwei Jahre Hoffnungen und Depenfen umfonft gehabt zu haben; aber hängt nicht die ganze Lebenszeit des Menſchen an unfidht- baren Fäden zufammen? kann Euch beim feften Glauben an die Borfehung das Erſte wahre Unruhe madjen? und vergegt Ihr das Zweite nicht gern, wenn Ihr mid nun endlidy auf einer feften Bahn feht und mein Glück und meinen Charafter ge: borgen und Eure Hoffnung gegründet, fo daß jeder gelungene Schritt Euch der befte Dank wird? Ach dann werden Zeiten fommen, two mir uns mit gerührtem Herzen umarmen werden, und froh fein über das Bergangene und heiter entgegenfehen den fommenden Stunden, mo Du einfehen wirft, daß meine innere Gtimme rede hatte, und daß mich ein ſchützender Engel fo führte. Crleichtere mir alfo, befter Bater, meinen jegigen Ent: flug, und mache mir das Herz nicht ſchwer mit Deinem inneren

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verhaltenen Kummer, das ohnehin Hoffnung und Kraft und Mut bedarf, denn die bisherige untätige Ruhe hat es verzärtelt. Es wird Dich nicht gereuen, mir entiveder meinen legten, oder meinen erften männlichen TBeg verkürzt und erleichtert zu haben. Komm ich nicht wieder, fo bin ich doch meinem Schickſal gefolgt, das mir Fein längeres Leben gönnte, und auch dann wirft Du der Borficht Plan ftill verehren....

Stiedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [40] 29. Dezember 1792

Ich bin fröhlid), und mie Eönnte ich es allein ohne Dich fein? Heute Abend, müde von philofophifchen Studien laufe id) aufs Kaffeehaus um Schach zu fpielen, und fiehe da fteht Schweinitz vor mir, offen und voll tiefen Gefühle. Und ich fürchtete faft, er hätte mich vergeffen, aber er ift gang wie ich wünfchte. Ich liebe und merde geliebt. SHeiliges Geheimnis! Warum meine ich igt zum zweiten Male in meinem Leben? Warum mürde ich fo gerne mein Blut für ihn vergießen, alle mühvolle langſame Arbeit erdulden?

Gewiß will ich diefen großen Augenbli@ nußen, und das Herz diefes Vortrefflichen foll nicht vergebens in meiner Hand fein.

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm (41) Anfang 1793

... Ich bin ige ganz heiter, fehr tätig, und werde bald ganz über- twunden haben. Beftändige Tätigkeit tut fehr viel und nad) den beiden Befuchen von Schweinitz bin ich wie auferflanden. Ich fehe immer mehr, daß idy mich nicht in ihm betrogen habe; id) darf ihn bald meinen Freund nennen, er hängt gang an mir, es

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fehlte ihm grade ein Sreund wie id), und wenn ich ihm das bin, was ich hoffe für ihn fein zu Fönnen, fo werde ich glauben, nicht umfonft gelebt zu haben. Es wird mir noch nicht möglid) fein, Dir ein anſchauliches Bild von ihm zu geben, und aus einigen meiner vorigen Außerungen Fönnteft Du nur gar zu leicht eine falfche Meinung zu feinem Nachteil befommen. Dod hat er freilich große Fehler. Aber auch diefe tragen das Gepräge der Geelenftärfe und männlidyen Denfungsart, die fidy gewiß bald reinigen wird. ...

Friedrich Schlegel an Auguſt Wilhelm [42] Halle, 19. Februar 1793

Geit einigen Wochen habe ich umfonft auf eine Gtunde ge: hofft, mo id Dir alles erzählen Eonnte, was feit diefer Zeit ge: ſchehen ift. Vielleicht gelingt es mir heute aber erwarte nicht mehr, als die miderlihe Schilderung eines zerrüfteten Herzens und wiederholte Bitten um häufigere Briefe, Rat, Teilnahme und Unterftüßung! Zwar wäre es einem edeln Stolze gemäßer, jeßt, ftatt um Hilfe zu bitten, da ich für itzt nicht erwidern kann, mid von meinen Freunden zurüd zu ziehen, um einfam zu fterben. Aber ich muß mwohl leben bleiben, da ich ‚noch nicht mit Ehre fterben kann; und aud) diefes legte bleibt mir verfagt. Meine völlige Unzufriedenheit, die Hoffnungslofigfeit meiner Ausfichten, und der Zuſtand meiner Gefundheit find genung für meine Stand⸗ baftigfeit. Ich fürdhte, fie wird ermatten unter den ausgefuchten Leiden, die mid) feit einem halben Yahre quälen.

Schon empfand ich die wohleätigen Wirkungen einer unermü- deten Arbeitfamfeit und meiner neuen Verbindung mit Schweinitz, als ein Zufall mir eine Menge neuer Auffchläffe gab, und mid; mit neuer Hoffnung betrog. Meine ganze Leidenfchaft murde wieder rege auch dadurch, daß ich fagen mußte, was idy feit fo langer Zeit in meiner Bruſt vergraben hatte ich mußte und

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fonnte Schweinitz, Hardenberg und Carlowitz zu Vertrauten machen. Aber nur zu bald fah ich ein, daß fie fid) wie ein ge: meines Weib an mir gerächt hatte. Ich erfuhr, es würde in der Gefellfehaft äußerft fchledht von mir geſprochen, und fo ſchlau es angelegt war, fo ließ fid) doch leicht die Quelle erraten. Unter den Männern war es mir leicht, in wenigen Tagen mir ein folches Anfehn zu geben, daß niemand wagen wird an Öffentlichen Orten ſchlecht von mir zu reden. Aber ich verlangte nach Rache. Das Paradies, welches ich noch wenige Tage zuvor geträumt hatte, wäre mir ist umfonft angeboten, ihr Blut wäre mir viel lieber geweſen. Ich Eonnte mich nicht rädyen als nur auf eine gräßliche Art. Schweinitz fand felbft diefe gerecht. Carlo⸗ mis, ein Menſch von feinem Chrgefühl und Falter Überlegung, fagte, fie hätte infam gegen mid gehandelt, doch fand er die Rache zu ſchrecklich Hardenberg, der fie kennt und bewundert, fand nur den Gedanken, den Du leicht erraten wirft, entfeßlich, doch geftand er fehr oft, fie hätte fehr ſchlecht gegen mid) ge- handelt. Wäre ihre Schuld noch größer gemwefen, fo hätte ich ihr vielleicht fo Schönheit und [Ehre rauben können, und ihr das Leben laffen, um ihre Niedrigkeit zeitlebens zu bereuen. Allein mein Leben fonnte ich leidyt aufopfern, aber ging meine Ehre nicht auch verloren? Und lieber, als graufam zu fein, follte fie ungeftraft bleiben! Um Richter in meiner Sache zu merden, müßte das Maß der Beleidigung voll fein, und die Gewißheit vollfommen, fo dag auch Fein Zweifel möglih. Cs blieb alfo nichts übrig, als alles zu vergeffen und dies verfuche ich feit vier⸗ zehn Tagen bei meinem reunde....

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [43]

Leipzig 10. März 1793 ... Die Zerftreuung ift der Tod aller Größe, welche immer mit Konzentration der Kräfte verbunden ift. Endlidy werden mir der

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Begeifterung ganz unfähig, und was ift das Leben ohne diefe für den nämlid), der die Begeifterung kennt; denn fonft ſchwimmen viele auf einem fteten Strome von Gefdyäftigkeit, Spiel, Sorgen ıc. ganz unbefümmert fort. Und Eönnte audy ein Leben, ohne diefes glücklich und ſchön fein, fo iſt es in fpäteren jahren doch nur möglich, wenn wir felbft vollendet find, und der Krühling der Begeiflerung nicht verfäumt ift. Um ein eignes Werk zu tun, gehört Konzentration, aber auch. Ausdauer, an der es Dir im ganzen vielleicht mehr fehle als an der erften. Du wirft wohl fehr lachen, daß dies die Einleitung ift, um zu verlangen, daß Du die Zeit, die Du bisher auf den Moniteur gewandt, zu Briefen an mid) anwenden follfl. Du wirſt Dir doch das bißchen übrige von Caroline nicht vollends rauben laffen. Übrigens bitte id; um einige Demofraten-Briefe von ihr. Dafür erhältft Du hier einen von Hardenberg, aus dem Du verfchiedenes meiner Lage deutlicher jehen wirft. Wenn ich Dir aber mehrere von ihm fdhiden foll, fo mußt Du nicht voreilig urteilen. Laura ift meine Freundin und Julchen ihre Schweſter, ein ſchönes, fehr Fofettes Ding. Ich bin wirklich heute nicht fähig von mir zu fehreiben, fo wenig auch mein leßter Brief Dich befriedigt haben wird. Es mürde mir doch heute nicht gelingen ich fühle mich feit einiger Zeit fo gang ermattet und fiumpf. Es find vermutlid) Äußerungen in meinem le$tern, die Dir mißfallen werden. Ich bin vermwildert und Fenne mid, Faum felbft mehr es hat mir unendliche An- ftrengung gefoftet meine Rachſucht zu bezähmen, und ich ſchäme mich recht, wie Eindifch argwöhniſch und jachzornig id) oft gervefen bin.

Novalis an feinen Bruder Erasmus [44]

Weißenfels, 16. März 1793 Keiner fühle es inniger als ich, wie fehr ich an dem fehler des Egoismus Trank Tiege, der freilich allen Leuten meines

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Ginnes fehr natürlidy ift und faft fidy aus ihrer innerjten Natur entwidele. Ich bin daher den Leuten vielen und wahren Danf fohuldig, wenn fie über diefen Gplitter hinmwegfehen ‚und mir doch gut find. Ich werde auch mit jedem Tage aufmerkfamer auf diefe Auswüchſe des an und für fich edleren Gelbftgefühles, das allemal mehr als gemwöhnlidye Anlagen begleitet, und ich hoffe, daß diefe firenge Selbſtkritik das liebe Ich immer mehr befchränfen wird.

Berzeihe, daß ich fo viel von mir felbft rede in dem Augen: blicke, wo ich gegen die Selbftfucht mein wahres Gefühl äußere; aber ich war es Dir ſchuldig, der aus Freundſchaft fo oft und gern fein Selbſt vergißt..

Gelbftändigfeit und die Kuhe, die aus he entfpringt, ift Solge und Urſache zugleid) von einer einmal gewählten Lebens- art, die zu unfern Kräften und Bedürfniffen paßt. An dem legteren zweifelft Du; aber verzeihe mir, aus wahrer jugend» licher Unkunde des Lebens. Glaube mir, wir Eönnen alles aus uns felbft herausbilden, und nichts von innerlicher Zufriedenheit und Beftändigkeit ift an eine äußerliche Stelle gebunden. JIllan hat Langeweile und Verdruß, findet Unbedeutendheit und Leer- heit, martert ſich mit Eränfelnder Empfindung und Phantafie, ebenfo gut in den vielfeitigften Berhältniffen, wie in dem be- fehränfteften Zirkel. Ich will nicht behaupten, daß man alle ehrgeizigen Neigungen diefen Ideen unterordnen foll; aber der Charafter unferes Lebens, der deutliche Fingerzeig unferes Schickſals, Zwecke, die mit unferm Weſen innig verwebt find, treue Unterſuchung deffen, wozu uns unfere Organifation und alle Umftände und Berhältniffe der Außenwelt zu beflimmen fcheint, Eönnen und müſſen allein unferer Wahl Leitung und Richtung, unferen Ausfichten Grenzen, unferer Gedankenwelt Anordnung und Beftimmung geben.

. Auch mein und faft der meiften Lieblingsfehler ift, alles in uns und eins in allem haben zu wollen; wir fuchen alle mehr, als wir für unfere Bedürfniffe notiwendig brauchen. Wir fehen dann

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oft den Wald vor lauter Bäumen nicht, und fireben nad) etwas, das wir nicht anfchaulich, fondern nur begriffsmeife begehren; und verfehlen dadurch des leifen Winks, den uns die Natur gab. Unterfuche Dich felbft und fage Dir dann aufrichtig, ob viele Dinge, die Du münfcheft und die Dir felbft Sorgen und Pein machen, wirklich fo vorhanden find, und ob Du fie auch wirfli nötig bedarfft, oder fie weſentlich entbehrft. Lieber Erasmus, folge der Natur mehr. Ich habe gefunden, daß der unbehaglichen Sehnſucht nad; einem andern Zuftande und der Unzufriedenheit mit unferm jeßigen, allemal linmiffenheit, Ein- gefchränftheit und Schwäche zum Grunde lieg. Es ift nur ſchwer zu unterfcheiden, was Natur ift, und was fie nicht ift. Um dies zu erfahren, kann id; Dir nichts befferes empfehlen, als forgfältige Unterfuchung deffen, mas Du wirklich bift. Un⸗ geduldig mußt Du freilich hierbei nicht fein; denn felbft diefer langfame Gang unferer Bidung und Entwidlung ift Natur. Ihr getreulich folgen, nie ungeduldig fein, immer das Gute an- erkennen, mas wir haben, und nicht von der Franken Empfin- dung und Phantafie Parallelen ziehen laffen, die höchſt unnütz, ſchädlich und unmwahr find, nicht zu raffinieren auf Empfindung oder Gituation, nichts unterdrüden, mas gefundes und wahres Gefühl ift, unbefangen fi und feine trüben Launen zu be: urteilen, tätig der Natur enfgegenzufommen und ſich vor jeder Überfpannung in ade nehmen: das ift es, was uns zu fun bleibt, und wahrlich, es ift genug. Das nil admirari des Horaz und zmwedmäßige, anhaltende Befchäftigung find große Hilfs— mittel, feinen Eharafter feft und feine Ruhe, linbefangenheit und gute Laune dauerhaft zu machen. Der Augenblid erſchöpft nicht das Univerfum, die Gegenwart befängt nicht unfer ganzes Dafein, wenn mir nicht mollen.

Reine Willensfraft, ohne alles Gewicht von raffimierten Gefühlen, ift das, wodurch wir einzig leben und handeln Eönnen. Gie ift das Element des Mannes, der ohne fie Fein Mann ift. Gie ift es, durdy die wir gefund find und merden.

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Denn gewiß nur die Harmonie unferer Kräfte, die nur durch fie möglid; ift, madjt uns zu wahren Menfchen, zu echten Wefen in der Reihe der Dinge und dem wunderbaren Zufammenhang der moraliſchen und phufifchen Welt. Wo Eranfe Phantafıe, Pa ift auch Franke Empfindung und kranker Verftand. ins wird durch das andere gefund. Go wirft aud) Gefundheit des Körpers und der Geele ineinander, obgleidy nie, oder höchſt felten, Krankheit des Körpers weſentlich nadjteiligen Einfluß auf das Gemüt haben Fann, wenn reine, fefte, ewige Willenskraft da ift.

Doc es ift genug; Du felbft wirft Dir dies alles anfchaulicher machen fönnen und mußt es, wenn es nicht für Did) unwahr fein fol und umſonſt. Kein Menfch gibt mehr, als er weiß und als er darftellen kann. Bei der Berfchiedenheit jedes Cha⸗ rafters kommt überddm bei dem andern vieles in Anfchlag, was ich überfehe und mir nicht eigentümlicdh if. Daher muß jeder Menſch feine Philofophie aus fich felbft heraus bilden.

Noch bin ich auch felbjt zu unausgebildet, zu unbeftimmt, zu verwirrt in der Wahl der Begriffe, als daß ich in der Darftellung deutlicher und glüdlicher fein follte....

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [45] Leipzig, 24. März 1793

... Bielleicht ift es für die Dauer Deiner Verbindung gut, daß fie mit Gefahr und Einſchränkung verbunden if. Doch kann ich Dir nicht fagen, wie fehr mid) foldye einzelne ängftliche Auße⸗ rungen ohne völlige Mitteilung beunruhigen, und laß es Dein erſtes ſein, wenn Du wieder Zeit haft, mich von Deiner Lage ganz zu unterricdjten. Wo möglich ſchicke mir aud) etwas von ihr; ich geftehe Dir, dag mir die Fleinen Gtellen aus ihren Briefen, die Du vorigen Sommer fehidteft, ich will nit fagen beffer gefallen haben, doch ebenfo intereffant geweſen find, als irgend was von der B. Es ift wahre Weiblichkeit darin.

IOI

Du fchreibft von einer zu fürchtenden Trennung: ‚alle unfre Lebensfreude märe dahin‘. Ich muß Did; darüber bei Dir felbft anflagen, als Dein Freund und als Dein Genius. Bin id; Dir denn gar nichts? Und es ift Deine Pflicht, die reinfte Sreudenquelle in Deinem Innern nicht verfiegen zu laffen. Laß doch ja nicht die Gottheit aus Deiner Bruft aus Trägheit allmählich entweichen. Vielleicht habe ich unrecht, aber nur die Möglichkeit macht mich zittern; Schickſale und Gefchäftigkeit find Feine Einwendungen, denn unfer mwahrftes Dafein ift davon nicht unabhängig, und braucht gar Feine Zeit....

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [46) Dresden, 3. April 1793

... Ich finde hier bis ist wohl tätige Zerftreuung, doch Feine ganze Beſchäftigung. Doch werde id) fie bald in Carlowitz fin- den, den ich in einigen Tagen mwiederzufehn hoffe. Geine Be: ftimmung ift vielleicht Feine der größten, aber er wird fie ganz erreichen, und ich hoffe viel dazu beizutragen. Er ift jünger, und id} weiß, daß ich einen größern Berftand habe, aber dennod) hege ich die tieffte Ehrfurcht vor ihm. eine Geele ift durd;- aus wahr, ftarf und fchön. Jeder Tiebt ihn und niemand Fennt ihn; denn er fcheint Findifch, unbedeutend, ftolg, bizarr und über die Maßen Ealt. Nur einen Eleinen Zug von der Feinheit feines moralifchen Ginnes. Das Militär (feine Liebe dafür geht bis zu kleinen Lächerlichfeiten) ift oft ein Gegenftand unfres Ge- ſprächs. Da es einmal fehr lebhaft ward, rief ich aus: ‚Es ift groß mit dem Tode zu ſcherzen, aber es ift ſchändlich zu dienen‘. Ich hatte feinen tiefften Gedanfen ausgefprodjen, und fah, daß er mohl ärmer an Worten ift, aber nicht an großem Gefühl.

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Novalis an Friedrich Schlegel [47) Srühjahr 1793 Dein Brief trifft diesmal ungemein glücklich. Ich faß foeben auf meinem Sanapee in ziemlich heller Laune und überließ mid) den fügen Eingebungen der Böttin Karniente. Ein paarmal war ich ſchon an Dir vorbeigeftrihden da Fam er. Der alte Kopf vorn am Eingang erfüllte mich mit heiligem Schauer, und an den Zügen der Inſchrift erfannte ic den frommen Mann, der diefe Blättergrotte dem ohne der Lieblingstochter Jovis und der Nemeſis der Kreundfchaft weihte. Krwartungsvoller ftieg Fein Reifender in die Wunderhöhle von Antiparos, als ich von Zeile zu Zeile in die Geheimniffe Deiner Wanderung. Das Orakel ſchweigt, Deine Augen funkeln mit überirdifdyem Glanz und Dein Stern taucht ſich ins Göttliche ich ftehe neugieriger als je vor Dir. Daß Du noch unter den Lebendigen bift, freut mich. Kann man Di) doch noch anfaffen und fühlen Dein Fleiſch und fchlagen ‚hören Dein Herz. Du tranfft aus der Quelle der Durftigen Du biſt nun unerfättlid. Das reißt Dich noch vielleicht aus den Banden der vier Elemente, in denen es uns doch mwohler fein fann als einer Yntelligenz in ihrer Haut. Mich dauert Dein armes, fchönes Herz. Es muß brechen, früh oder fpät. Es kann nicht feine Allmacht ertragen. Deine Augen müffen dunkel wer: den über der ſchwindelnden Tiefe, in die Du hinabfiehft, in die Du den bezauberten Hausrat Deines Lebens hinabftürzeft. Der König von Thule, lieber Schlegel, war Dein Vorfahrt, Du bift aus der Samilie des Untergangs. est kann id Dirs fagen und wundre mid), dag Dirs Dein Bruder nicht ſagt. Du wirft leben, wie wenig leben, aber natürlich fannft Du auch feinen gemeinen Tod fterben Du wirft an der Ewigkeit jterben. Du bift ihe Sohn, fie ruft Dich zurüd. ine feltne Beftimmung haft Du bei Bote. Vielleicht feh ich nie wieder einen Menſchen wie Did. Kür mich bift Du der Oberpriefter von Kleufis ge: mwefen. Ich habe durch Dich Himmel und Hölle Fennen gelernt, durch Dich von dem Baum des Erfenntniffes gefoftet.

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Aber nun fag einmal, ift es denn nidye möglich, daß Du unter uns bleibft? find die feierlichen Worte der Weihung ſchon unwiderruflich ausgefprocdhen? hat Dir ſchon Iris die Locke abgefchnitten? mußt Du als Opfer fterben? Ich bitte Dich, antworte Dir felbft ohne Überfpannung. Ich habe für die Schön- heit Deiner dee unendliche Ehrfurcht, aber idy weiß auch, daß das Leben ewig ſchön fein kann. Erhalte Di, wirf Dich der Natur in die Arme fie hat Pla und Liebe genug für Dich. Mein ganzer Grund ift mein inniges Gefühl am Leben, mein Glaube und Zuverficht zu allem, was in mir und um mid) ift denn bier weiß ich jet fonft nichts von Recht und Unrecht. Freilich kann ich Dir Eeine ſolche Teilnehmung einflögen, wie ich an allem Menſchlichen habe, mich nicht auf die Berjüngungsfraft Deiner Natur berufen, nicht auf den fichtbaren Gang einer himm⸗ liſchen Ordnung und Nemefis in Deinem Leben; aber wer meiß, wie nah Dir ein foldyer Augenblid des Zurüdfehns ift.

Go hätt ich doch vielleicht einmal wahr gedadht und gefprochen. Dein Geift kann unmöglid; lange mehr diefen Aufruhr Deines innern Lebens ertragen. Alles Elingt tief bei Dir hinab, Deine Erſcheinung Löft fi in ſich felbft auf, Deine herrlichen Kräfte müſſen erlahmen. Bürdteft Du Dich nicht vor dem Pflangen- leben. Ich fürdyte mich nicht, aber ich erfenne hier nicht meinen, noch Deinen Beruf. Kann Did, denn das Leben gar nicht fefjeln? Mußt Du Deine arme Hülle zerreißen? Du verſchwendeſt in Minuten, movon Du jahrelang zehren Fönnteft. linbefriedigt wirft Du von allem zurüdfehren und tödlich Eranf.

Ich erwarte geduldig, ob Du für gut finden wirft, mir etwas Näheres von Deiner Reife zu fagen. Die gänglidje Ungewißheit hinderte mid; an Dich zu fehreiben. Übrigens wußt ich auch wenig. Mir gehts bier recht wohl. Ich habe alle Urſache zu- frieden zu fein und bin auch jegt in einer glüdlichen Ruhe. Ich freue mich jest über alles, aber mit meinem Schöndenken und -f(hreiben ifts jeßt vielleicht auf immer vorbei. Ich hoff es menigftens von ganzem Serzen. Geitdem ich wieder von Leipzig

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zurück bin, hab ıdy Feine zehn Blätter gelefen. Dafür bin ich jest tüchtig fleifig und nehme Anteil an manchen frohen, gejell- fchaftlichen Stunden. Meine Gefdyoifter brauchen nad) dem Tode meines Baters aud) einen Bater. Diefe häusliche Kamilien- beftimmung ift ganz die meinige. Diefe Lebensart befommt mir wie Bergluft taufendmal ftärfer, inniger und frifcher als jonft. Wir trennen uns wie Abraham und Lot. Du gehft nad Auf: gang der Gonne, id) den gewöhnlichen Weg nad; Weſten zu. Uns beide aber trägt der unendliche Bater am Flopfenden Herzen, wenn wir unfte Kraft brauchen, fo weit es gut ift und fdhon, und er felber läßt uns himmliſche Kreiheit. Fliehe nicht aus diefem Zeitpunft des Tordlidyts und ergreife nicht in der Blüte Deines Lebens den Hammer der Zerftörung. Mir gefällts doch bier unter diefer Sonne. Du Fannfts nirgends beffer finden, und wenn Du glauben willft, fo findeft Du alles leicht, was Du ſuchſt. Rede mir hier nichts vor von ewigen Bedürfniſſen und Kraft. anlagen Deine urteilende Idee fteht mit Deiner geniegenden Idee im Mifverhältnis. Glaube und dann urteile. Treibe die Gäfte aus Deinem Haufe, die Dich verführen. Laß Dir das Schickſal der Semele einfallen. Du kannſt doch nicht Zeus zwingen, Dich zum Ganymed zu machen. Lebe wohl. Dein Freund Albert von Hardenberg

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm 45]

%c hatte mir vorgenommen, Dir diefen Sommer meine Ge danken über verfdyiedne Gegenftände weitläuftiger darzulegen, zu- erft über die Dichtkunſt in einer Reihe Briefen. Ich war ent- jchloffen, meiner Lage fo oft als möglidy einige Gtunden zu rauben, um das Wenige an Geift und Gefühl, was ich etwa zu retten vermödhte, zu entwideln, zu fammlen, und es an dem teuerften Drte niederzulegen. Aber mas ich bis it nur wider

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und über meinen Beruf verftohlen tun mußte, ift nun mein großes Amt. Davon nächſtens mehr: it nur dies. Es fieht mir nun nur ein einziger Weg offen, und zwar fein andrer als ‚die lichte Bahn des Ruhmes‘. Doc, gewiß! nicht Ehrbegierde führt mich zu der heiligen Kunft, fondern Liebe. Schon lange liebe ich fie, und zwar darf idy noch nicht Fühn fein aber doch nähre ich fchon Hoffnungen, wegen einiger heimlichen Winke.

Ich bringe Dir mweniges dar, mit dem Wunſche vieles dafür mwiederzuerhalten. Werde mein Lehrer und Borbild. Ich Eann nur das wefentlichite berühren, und darf es, weil Du audy Winfe verftehn wirft. Crinnre Dich zu Zeiten, daß die hergebrachten Worte leicht das Schöne geben, als wähnte man, das fei Wahl, was doch nur Natur ift.

In einem dichterifhen Kunftwerfe muß die Drönung richtig und ſchön fein, der Stoff wahr, die Ausführung gut.

Es gibt nur zwei Gefege für die Dichtkunſt. Eines derfelben ift das Mlannigfaltige muß zu innerer Einheit notwendi verfnüpft fein. Zu Einem muß alles hinwirfen, und aus diefem Einen, jedes Andren Dafein, Stelle und Bedeutung notwendig folgen. Das, mo alle Zeile fidy vereinigen, was das Ganze be- lebt und zufammenhält, das Herz des Gedichtes liegt oft tief verborgen. Go ift es im Hamlet feine Stimmung die ihm ganz eigentümliche Anficht von der Beitimmung des Menfchen. Im Götz vom Berlichingen ift es der deutſche Rittergeift, fein legtes Aufjtreben, ehe er erlifcht. Einige der Handelnden ftellen gleihfam das neue Yahrhundert vor, wie es mit dem alten fämpft mit Götz und feinen Genoffen ftirbt die Tugend und die Zeit der Helden. Im Romeo ift Einheit, aber noch habe id) fie nicht erforfchen Fönnen. Und im Karlos habe ich fie vergeb- ih gefucht. Ohne Natureinheit und Bernunfteinheit (von der unten geredet wird) ift die höchſte Schönheit der Anordnung un: möglich. Diefe leidet fonft Feine DBorfchriften. Zu ihr gehört die Berteilung in Eleinere Ganze, welche unter andern aud) durd) die millfürlichen Einfchnitte des Versbaues bewirkt wird. Die Teile

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müffen in das größere Ganze fanft verſchweben, wie Wellen des Gtromes. Daß eine Reihe von Gemälden gleidyer Größe, in ähnliche Rahmen eingefeßt, ein Ganzes natürlidy bilden können, kann ich nicht glauben. Doch umfichreibe ich vielleicht mit Unrecht die Stangen fo. Es kann bier gar nicht die Rede fein von der armfeligen Kunft, die Neugier zu fpannen, die felbft Schillers größtes Werk verunftaltet.

Zur Wahrheit gehört erftens die Tiefe im Gegenfaß zur Slachheit, dem untrüglichen Kennzeichen der Gemeinheit. Auf jene haben unfre drei Dichter gleiche Anfprüdye. Zum andern wird erfordert die Ähnlichkeit mit der Natur. Ehe der Geift mit der Natur eins ift, wirft er zu fehr nur aus fich und aus feinen Begriffen, weiß nicht fi dem Wirklichen anzufchmiegen, mie Gchiller, deffen Erfindungen eckicht find, wie die Taten eines großen Yünglings. Wenige nur vernehmen den leifen Gang der Natur in der Zeit. Goethe Fennt die Welt und einige Leidenfchaften, und Klopftod laufchte fehr glücklich auf die zarte Stimme in feinem Innern. Schiller ift abgeriffen und unnatür- lid. Ein Höchftes läßt fich hier nicht beftimmen. Shakeſpeare ift unter allen Dichtern der Wahrfte.

Die Ausführung oder Bezeichnung verlangt Reinheit und Lebendigkeit. Zur leßteren gehört das meifte des Versbaues. Die Fehler wider die Reinheit find am leichteften anzugeben, und Wieland Fann als ein vollftändiges Beifpiel derfelben angefehen werden. Ein Hödjftes läßt fich nicht beftimmen. Vielleicht Fann felbft Ktopftod noch übertroffen werden.

Der Charakter des Dichters ift Trieb zur Darftellung felbft; und zwar eines dichteriſchen Gtoffes. Geine Vollkommenheit, die allgemeine Kähigkeit alles gut darzuftellen, und es fcheint diefes Goethens Abſicht geweſen zu fein.

Ein bloß volllommenes Gedicht wird ſchon alle Erfenntnis- fräfte üben und fchärfen, durch Schönheit und Zweckmäßigkeit den Geift vergnügen, und die Triebe in Spiel fegen. Um aber das ernfte Lob derer zu verdienen, die über Wert und Unmert

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allein gültige Richter find, muß es mehr als vollfommen fein, einen großen Gehalt haben; ‚muß‘, wie Klopftod fagt, ‚uns mächtig daran erinnern, daß wir unfterblih find‘. Nur der menfchliche, felbfteätige Beift und feine Taten haben felbfteignen Bert. je menfdjlicher, je würdiger! So viel geiftiges Leben ein Werk enthält, fo viel Wert hat es. Die hödjfte Tätig- feit, Bolltommenheit und Harmonie aller unfrer Kräfte, innigfter Genuß unfres eigenften Gelbft, Erhebung, Geligkeit felbft kann die Wirkung eines Kunſtwerkes fein. Aber auch die beften haben nur geringen Bert. Ich würde Gchiller unter den Deutfchen nennen, wenn er fo viel Harmonie befäße, als kämpfende Kraft, und ungeheure Einbildung. Man darf fordern, daß die Werke des Dichters nicht kleiner find, als er felbft, wie man Goethen Schuld gibt. Über den Gehalt ift es amı ſchwerſten zu urteilen, wie über die Wahrheit eines Gedichts. Cs gibt nur ein unbedingtes Gefes Bernunfteinheit, nämlid) daß der freie Geiſt ftets fiege über die Natur. Vielleicht machte im Hamlet der Inhalt felbft der Gelbftmord. des freien Geiftes an ſich felbft eine einzige Ausnahme möglich und erlaubt. Aber ich halte es noch für unentſchieden, ob diefes bewunderungswürdige Werk überall verftanden werden kann. Gonft ift die Eleinfte Berlegung unfrer heiligften Kraft vollftändig und unverzeihlid). Beim Schluß epifher und dramatifcher Werke ift es höchſt ſchwer, beide Bernunft und Natur zu befriedigen.

Wenn man erwägt, wie eng der Umfang auch der weniger portrefflidjen ift, fo möchte man wohl fagen: es gibt eine eigne Poefie nicht nur für jeden Stand, Volk, Zeitalter; fondern felbft für jeden einzelnen. Zwar alles Gute, aller Geift ift eigentlid) allgemein; aber der Geift, der zu eigentümlidy wirft, ift nur denen wenigen verftändlich, deren Sphäre fehr groß ift. Unſre Kümftler dichten meift nur für fich felbit, und denfen fo wenig an die Welt, wie diefe an fie. Und doch ift es eine ewige Wahr: heit: wer für die Welt lebt, in deffen Herzen muß Raum fein für eine Welt. Ghafefpeare möchte man den Örenzenlofen

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nennen. Deutſche Kraft ift ſchon oft unſichtbar verſchwendet worden. Man denke nur an Klopftodis Ehriftentum und Gram- matif, und manche Laune von Goethen.

Den großen Gebrauch, den die Kunft von der äußern Welt derer machen kann, für die fie dichtet, haben die Deutfchen lange geahndet, nur irrten fie oft, mie im Götz, den DBardieten, in Hans Sachſens Manier und mehrern andern mißglädkten Hoff: nungen. .

Auf die große Frage: ‚ob das Ziel ſchon erreicht fi ruft uns alles laut die Antwort entgegen, welche der heilige Ahn⸗ herr deutfcher Kunft ahnend ausſprach ‚Noch viel Berdientt ift übrig‘. Mir deucht der Tag bricht an unter uns, und wenn es wird, wird es ein großer Tag werden.

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm . [49] 2. Juni 93

Lieber Bruder, ich habe auf Dein Berlangen Deine Abfchriften von Earolinens Briefen fogleid) verbrannt, und ſchicke Dir hier ihre Blätter zurüd. Du haft mich fehr damit erfreut; ich habe den innigften Anteil an ihrer Lage genommen, die fie fo tief fühle. Und doch dabei ganz fo, wie fie fein mußte, wie id) es hoffte. In welcher jämmerlichen Hülflofigkeit würden an ihrer Stelle die Flügften, liebenswürdigften Weiber fein? Gie hat viel gelitten, und doch geftehe ich Dir, fürchtete ich alles viel ſchlimmer, ich fürdhtete, fie habe ſich wirklich in die Geſchichte gemifcht, fei vielleicht beſchimpft, und habe es doch überlebt, um des Kindes willen. Es ift unendlich viel damit gewonnen, daß fie als Geifel angefehen wird; nun ift ihre Ehre völlig gerettet, und es ift doch nun meiter nichts als eine fehr große IUlnannehmlichkeit. Ja! noch mehr es ift ganz unftattftaft, fie als Beifel zu behalten, weil fie fein Landes- find und nur Schwägerin des Böhmers ift; und es fdeint, dag die, fo ihr Schickſal beftimmen, fehr verftändige billige Maͤn⸗

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ner find; für die Kabale wird da Fein Raum fein. Ich glaube allerdings, daß die Hannöverſche Regierung fie mit Erfolg wird requirieren Ffönnen, als Landesfind. Iſt denn Tatter gar nicht tätig bei der Sache?

Ich wünſchte, Du hätteft mir ausführlicher gefchrieben über Deine. möglidye Reife nad Deutfchland, und bitte ich um fernere Nachrichten, momöglidy auch Stellen aus Briefen, fo mir die Sache immer am hellften aufflären.

Ich danke Dir aufs wärmfte für Deinen Brief! Schreib mir oft folde. Es würde mid auch aus dem tiefften Schlafe geweckt haben, wenn das mein Kall gewefen wäre. Du haft vermutlich ſchon aus dem vorigen meine Abfichten erfehen. Ohne diefe zu mwiffen, mußte Dir mein Drang zum SHofmeifter- leben freilich unerklärlich feheinen. Ich will Dir nur geftehen; wie ich Dich bat, meine Borftellungen bei meinen Eltern zu be- günftigen, feßte idy voraus (Du magft alfo wohl nicht unrecht haben, was die Taciturnität des Gtils betrifft) Du mürdeft meine eigentlichen Gedanfen dabei erraten, und zugleich einfehen, daß ich fie meinen Eltern nicht fo ganz mitteilen Eonnte.

Ich fehe die offenbare Unmöglichkeit ein, mid; igt in ein bürger- liches Joch zu fchmiegen, um einen dürftigen Lohn meinen Geift, das befjere Teil meines Lebens unmiederbringlicy hinzuopfern, ohne Erſatz, ja! ohne Linderung des harten Schickſals. Es ſcheint mir Pflicht, zu verfuchen, ob es nicht wahr fei, was id) fo lange ge: hofft hatte, mas felbft einige Freunde zu beftätigen fdhienen. Sollte es «nicht tunlidy fein, daß ich mir meinen Plag felbft aus- fuchte und bildete? Alle Neigungen, die id) vergebens fo lange Zeit niederzudrüden fuchte, fuchen mußte, fchlugen mit neuer Macht empor. Ich will dem’ Rufe folgen; ich muß das Spiel wagen, weil ih muß. ch brauche Dir nun ſchon nicht zu fagen, welches mein Ziel ift; zu leben, frei zu leben, und habe id) dies erreicht, Did freizumachen, und mit Dir mid) zu vereinigen. Mein Lieber! Gollte ich einen jungen Mann finden, wie ich doch ſchon mandjen Eenne, fo habe ich zu nichts foviel Beruf und Neigung,

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mie zum Sofmeifterftande, und Du wirft das dann auch nicht unerflärlich finden. Gollte es nötig fein, und ich fände eine nur ſchickliche Stelle, bei der ich einige Freiheit behielte, fo ließe fi) das auch ſchon ertragen. An Ausficht zu Fonvenablen Bor: fhlägen fehlt mirs nicht; fowie nicht an Konnerionen zu dem Behuf. Mein Plan flimmt alfo im ganzen ziemlidy mit dem überein, was Du mir vorfchlägft, wiewohl ſich überall nichts Genaueres beftinmen läßt, und manches darin mir nicht gefällt.

Meiner Plane zu Werken find fo viele, und viel zu fehr nur

Plane, fo daß ich mich nicht drauf einlaffen kann, fie Dir als ſolche mitzuteilen; aber ich glaube Du wirft am Ende diefes Som: mers einige Pafete erhalten. ° Du haft eine fehr lange Reihe Briefen von mir, die fehr viele Auffchlüffe über mich geben müffen; Du Eennft midy nun fo fange denke noch einmal über mid) nad), und fage mir, wozu ich beftimmt bin, mas aus mir werden wird, mas ich tun foll? Ich kann Dir nicht genung fagen, wie fehr idy Deine Anfeurung, Dein Urteil und Rat bedarf. Hier habe ich nur jüngere Sreunde, ſchwere Sorgen drüden mich zu Boden, und die Schwierigkeiten in mir machen mid) oft unluftig und verzagt. Ich brauche einen männlidjen Sreund; wenn Du es immer fein mollteft, wie Du es Fannft! Wenn Du mir redyt fehr oft fo fehriebeft, wie der legte Brief. So würde ich gewiß nicht Elagen. Und das kannſt Du, und etwas dem ähnliches ift es, zu dem ich Dich legthin aufmunterte. Dazu braucht man wenig Zeit; idy weiß wohl, daß it nicht die Zeit der Kunftwerfe für Did) ift, aber um vortrefflich zu fein, braucht es das nicht. Dir felbft und Deiner Freundſchaft gleich zu bleiben! das war es, was ich Dir zurief: und daß Du in den Augenbliden, die Dein find, Dich nicht zerftreuen fondern fammlen, zufammenhalten möchteft.

Deinen legten Brief habe ich recht zu Herzen genommen. Bei dem, was Du von der Taciturnität meines Etils fagft, habe id) recht fehr lachen müſſen, da idy an meinen legten Brief dachte, den Du nun längft haben mußt. Ich bitte mir aber Feine taci-

III

turne Antwort aus. Mein Stil ift noch nichts aber ich hoffe, daß ich lernen werde Deutſch zu reden; und vielleicht mich meiner Cigentümlichkeit, wenn ich will, zu entäußern, allgemein zu fein, und mie es jeder Gtoff will und doch wiederum auch fagen zu Fönnen, was fi; im tiefften Grunde meines Herzens rege. Das legte, glaube ich, ift mir ſchon je zumeilen in einigen Briefen gelungen. Was Du vom Lefen im allgemeinen fagft, ift fehr wahr. Ohne beftimmte Richtung die ganze Welt zu durchlefen, in freudenlofer Abgezgogenheit, und zu rezenfieren ‚das gibt fauren Humor‘ nad) dem Ausdrud eines fehr klugen Mannes man wird da leicht zum Schuhu, und ich glaube daf dies ein wenig der Sall ift mit dem vortrefflihen Rehberg, der immer nur ge- urteilt, eigentlich noch nichts namhaftes getan hat. Allein was mich betrifft, fo bedenfe nur die entfegliche Zeit, die ich dem Um- gange gewidmet habe, two idy doch wirklich felbfttätig war, wie ich es nur je fein Fann: und dann habe ich auch oft, fehr oft ftudiert, nicht bloß gelefen; ich habe den Geiſt einiger großen Männer, vielleicht nicht ganz ohne Erfolg, zu ergründen gefucht als Kant, Klopftod, Goethe, Hemfterhuys, Spinofa, Gchiller ; andrer von weniger Bedeutung nicht zu erwähnen, Herder, Plat- ner etc. Die Phnfiologie und die Politif habe ich auch, wenn fon nur angefangen, doch ernftlich angefangen; im Studium des Shafefpeare und Gophofles ward ich unterbrochen. Mit der Mathematif und mit der Gefchichte ift es freilich noch nicht recht Ernft geworden. Bei der flüchtigen Lefung einer ungeheuren Anzahl Bücher lag doch eigentlidy eine Abficht, und eine ernfte Unterfuchung zum Grunde, nämlid) die des deutfchen Geiftes und der deutfehen Sprache; und ich glaube etwas davon ergriffen ‚zu haben. Es gefchieht überhaupt fehr oft, daß die, fo mich am beften fennen, glauben, idy handle ohne Grund und Zweck, wenn eigentlich der Sal der ift, daß ich mich nur fcheue, meine Sonder: barfeit zu geftehn. Du weißt in der Tat nicht, wie fehr krank ich war, als ich hieher Fam, und fo grübelte idy heraus, daß Mannigfaltigfeit der Studien meiner Gefundheit fehr zuträg-

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lich fein würde. Und der Erfolg ſcheint mir zu bemweifen, daß ich nicht Unrecht hatte.

Ich werde mich ordentlich methodifch darauf üben müffen, ver- ftändlich zu werden. Ich habe foviel Hang über das unbegreif: liche zu denken und zu reden, und fo füge es fich oft, daß id) eine fehöne Stunde mit dem größten Eifer mid) martere, und am Ende muß ich immer noch fragen, ob ich verftanden bin. Go ging mirs nur vor ein paar Tagen mit einer langen Rede über Ham- lets Charakter bei Earlowig. Diefer dient mir darin wie ein Seuerftein; es ift nichts ihm zu hoch, doch begreift er Außerft ſchwer. Hat er aber einmal etwas, fo hält ers feſt.

Doch ich merke, daß Taciturnus anfängt zu fchmäßen, und damit es nicht heiße, der große, erhabne Gegenftand, er felbft, habe ihn fo begeiftert, fo fei hiemit ein defpotifcher Punkt gemacht.

Was die Weiber betrifft, fo waren fie mir ehedem unendlich interefjant weil ich fie ganz und gar nicht verftand. Jetzt aber find fie mir im ganzen genommen gleicygültiger. Freilich einen Derührungspunft ausgenommen, der ungemein viele Kraft hat. Hier muß idy jegt aus vielen Gründen ganz Verzicht darauf tun; follte ich aber einen Teil des Winters in Dresden zubringen, fo würde ich fie jehr auffuchen.

Du wirfſt mir meine Öfonomie vor, und id) habe Dir ja oft genung geftanden, nicht ohne Grund. Allein zu dem meiften war id) gezwungen; was hätte bleiben follen, ift fo fehr viel nicht. Daß ich mid einfchränfen kann, hoffe ich Dir bald bemweifen zu fönnen. Jetzt ift mir aber fo etwas fehr unangenehm zu hören. Du wirft mir nichts Neues über eine Sache fagen, die mich leider ftündlid an ſich felbft erinnert. Und grade jegt befinde ich mid) in der allerdringendften Not, und weiß eigentlich gar nicht mehr mas ich anfangen fol.

Schreib bald.

8 NRomantiler.Briefe 113

Dorothea an Rahel Levin [50]

6. uni 1793 Gie follen mir mit allen Ihrigen taufendmal willfommen fein. Liebe, gute Rahel, kommen Gie und meiden Gie fidy an meinem Vergnügen; idy bin beinahe bange, daß ich Yhnen fein andres werde bier verfchaffen können aber ich bin fehr, recht fehr vergnügt. In meinem Zimmer und rund um mid; ift es rein und draußen weit und heiter, der Kopf kalt und ruhig, mein Herz warm und empfänglich für jedes Gefühl erfennen Gie das Glück? Ich wollte Ihnen immer ſchon auf Ihr erftes vor- treffliches Billet antworten; aber laffen Gie midy es Ihnen ge- ftehen, noch bin ich zu fehr Gewohnheitsſklavin, um glei im erften Augenblick tun zu Fönnen, mas id) gerne tun mödhte. Noch frag ich immer bei einem foldyen Kal: habe ich nichts nötigeres zu tun? Und mir Elenden verftreicht darüber nur zu oft der Augenblid. Nennen Cie es Phantafie, worin ich mich jest fo wohl fühle? Gie mögen redyt haben, es ift viel zu ſchön und heiter, um etwas NReelles zu fein. Damit mögen fi Kaufleute freuen. DBielleicht werden Gie es lächerlich finden, wie mich meine Fleine Anftalt hier fo vergnügen kann. Aber ent—⸗ weder groß oder Flein, id kann midy nicht auf der lumpigen Mittelſtraße herumtreiben und die halbvermwelften Blumen mit Mühe und fchmweißbededter Stirne auffuchen, die dem feligen Glück in feinem Taumel entfallen. Genug morgen halte id) Gie, und Ihre Stimmung mag fein, welche fie will, Sie müffen, Gie follen fi mit mir freuen. Können Gie es nidjt fo ein: richten, daß Sie einige Tage bei mir bleiben? Meine Schweſter wartet mit dem Abendbrot. Gie grüßt Gie herzlidy und freut ſich nicht weniger als idy, Sie zu fehen....

Caroline an Meyer [51]

Kronberg, 135. Yuni 1793 ... Lebe wohl. Was Du von mir hören magft, jest da ich einem gehäffigen Publikum ſchmählich überantwortet bin und was für Entfchlüffe ich ergreifen möge denk, id) fei diefelbe Stau geblieben, die Du immer in mir kannteſt, gefchaffen um nicht über die Grenzen ftiller Häuslichfeit hinwegzugehn, aber durch ein unbegreiflidies Schickſal aus meiner Sphäre geriffen, ohne die Tugenden derfelben eingebüßt zu haben, ohne Aben- teurerin getvorden zu fein. Nochmals lebe wohl.

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [52] 19. Juni 1793

... Meine Entfchlüffe in betreff auf mein Fünftiges Leben wirft Du aus meinem leßten Briefe deutlich gefehen haben. Ich wünfche Deine Gedanken darüber. Daß mein Beruf mehr ift als Scheu vor der beharrliden Gelbftverleugnung, Gehorfam gegen die Befehle des Schickſals, Drdnung und Fleiß, die es braucht um ſich in einen beftimmten Plaß zu fügen, das glaube ich ziemt fich am beften durch die Tat zu beweifen; ich weiß aber wenigſtens, daß ich jede bürgerlidye Beftimmung fdhledht erfüllen würde, und nice glüdlidy darin fein Fönnte. Und wenn Du es gelten läßt, dag man die Refultate aus einer Menge innerer Wahrnehmungen, die man nidyt völlig entwideln, von denen man feine vollftändige Rechenfchaft geben Tann, die aber doch fehr ſicher fein fönnen, entfcheidend ausfpricht, fo fage ich ganz ohne Ausnahme, nur der eine Weg fteht mir offen. Man Fann die menfchlichen Dinge nur recht faffen, wenn man frei ift, und gleihfam von aufen. Es fpringt in die Augen, daß unfte beften Köpfe durch ihre bürgerliche Beftimmung verftümmele find. Ich fehe die Abgründe, über die ich hinfchreite; aber ich will hinüber. Ich weiß, daß idy gar nicht leben kann, wenn ich nicht groß bin,

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d. h. mit mir zufrieden. Denn mein Berftand ift fo, daß wäre alles ihm gleich, und Harmonie in mir, fo wäre ichs ſchon. Du haft mich zu einer Ausfchweifung verleitet. Ich habe geftern abends den Hamlet gelefen. In meiner jegigen Gtim- mung war das nichts; das liege mir nun alles im Ginne, und ich weiß nicht wie id) das empörte Herz befänftigen foll. Er: warte nur nichts Außerordentlicjes; was ich fagen werde, wird Dir vielleicht fehr alltäglidy und nahliegend, vielleicht eine fpiß- findige Grille, vielleicht abenteuerliche Schwärmerei ſcheinen. Der Gegenftand und die Wirkung diefes Gtüds ift die heroifche Ver⸗ zweiflung d. h. eine unendliche Zerrüttung in den allerhödjiten Kräften. Der Grund feines innren Todes liegt in der Größe feines Verſtandes. Wäre er weniger groß, fo würde er ein Heroe fein. Für ihn ift es nicht der Mühe wert, ein Held zu fein; wenn er wollte, fo wäre es ihm nur ein Gpiel. Er überfieht eine zahllofe Menge von Berhältniffen daher feine Unentfchloffenheit. Wenn man aber fo nady Wahrheit frägt, fo verftummet die Natur; und foldden Trieben, fo firenger Prü- fung ift die Welt nichts, denn unfer zerbrechliches Dafein kann nichts fehaffen, das unfren göttlichen Korderungen Genüge leiftete. Das Innerſte feines Dafeins ift ein gräßliches Nichts, Verachtung der Welt und feiner felbft. Dies ift der Geift des Gedidhts; alles andre nur Leib, Hülle. Und diefer kann feiner Natur nad) nur von fehr wenigen gefaßt werden; fo daß es wohl gefchehen mag, daß im Schaufpielhaufe Fein einziger von den Gpielenden, und aud Fein einziger von den Zufcdjauern etwas von der Sache ahndet. Unglüdlid wer ihn verfteht! Unter Umftänden Fönnte dies Gedicht augenblidlichen Gelbftmord veranlaffen, bei einer Geele von dem zarteften moralifden Gefühl. Ich weiß noch mas es auf mid) mwirfte, als ich vor anderthalb “Yahren es in der erbärmlichften Vorſtellung fahe. Ich war mehrere Tage wie außer mir. Geine Größe mwird vielleicht parador fdheinen; meine Beweiſe find fein anerfannter Mut und Berftand; vor- nehmlich aber eine gewiffe Befonnenheit, überhaupt das

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ficherfte Kennzeichen des Helden. Denn wenn wir diefen Ehren» namen wohl mit Zuverficht für jemand in Anſpruch nehmen, fo fügen wir nicht felten hinzu, z. B. daß er Fühl und gelaffen unter dem Donner von hundert Kanonen umherwandelte und fo frei dachte wie je. Ich made Dich auf die Stelle aufmerkfam, mo die Leidenfchaft nur einen Helden nicht übermältigen konnte, mo er ruft hold my heart, And you, my sinews, grow not instant old.

und dann auf die Szene mit der Mutter, wo der Geift zum zweiten Male erfcheint. Mein befter Beweis aber ift feine er: habene Begeifterung für das wenige Gottähnliche, mas etwa noch im Menſchen wohnt. Go z.B. die Stelle in der Szene mit Guißenftern und Rofencrans I have at late man delights not me. Geine riefenhafte Überlegenheit über alle, die um ihn find, fpringt in die Augen. Nur für den, der ihn faßt, werden diefe fo im dämmernden SHintergrunde ſchweben; verfinft man nicht ganz im Hamlet, treten diefe mehr vor, fo ift das Ganze eine Platthei. Man follte denken, hier Eönnten gute Schaufpieler viel tun, da es doch von dem Lefer viel verlangt, fo vieles zu erraten. Man redet von Garrif, und ich erinnre mid) noch daß Schröder ihn doch bedeutend und wie einen denkenden Mann fpielte. Hein ich zweifle, daß den Hamlet darzuftellen, ein Unternehmen für einen fterblidyen Mann ift ....

Die Begierde feinen Vater zu rädjen, der Unwille über feine Mutter ift nur der Anlaß zu Hamlets innerer Zerrüttung, der Grund davon liege in ihm felbft, in dem Übermaß feines Ver: ftandes (oder vielmehr in der falfchen Richtung desfelben, und den Mangel verhältnismäßiger Kraft der Vernunft) und der Inhalt felbft, Verzweiflung macht ein wahres Ende unmöglid). Bielleidyt habe ich den erhabenen Geift des Werfes ergriffen, aber jegt fühle ic mein Unvermögen da ich von der äußern Hülle reden fol. Nur einige Bemerkungen. Die Erfcheinung des Geiftes gleich im Anfang fpannt die ganze Geele, und fchärft

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fie das feine Weſen zu faffen. Die Schwäche der Königin, die elende Geele des Königs, die Albernheit des Polonius, die Gemeinheit der übrigen, die Befchränktheit des einzigen den er fhägt, des Horatio, alles wird höchſt bedeutend durch Hamlets Denkfart, und durdy feine Stellung. Der Wahnmwig des guten Mädchens, wo die Rührung bis zum Gräßlichen fteigt, hat hier einen fücchterlihen Ginn. Alles ift bedeutend bis auf das platte Geſchwätz des Totengräbers. Der innre Zufammenhang (mas ich letzthin Natureinheit nannte) kann nicht vollfommner fein. Aber nur wer das Große in Hamlet faffen kann, wird ihn wahr- nehmen. Um mid) durch ein Beifpiel verftändlidh zu machen, Hemſterhuys ſagt fehr richtig: es galt dem römifchen Pöbel für Mord, in der Geele des Brutus aber war es der ewigen Drd- nung gemäß. Im Hamlet fdjeint alles Außre wie aus dem Geifte hervorgefeimt. Gonft war bei Ghafefpeare die äußre Hülle oft ehe da als der Geift, der in eine Gefchichte oder Le gende, die ihm Anlaß gab, erft hineingebildet wurde, und in vielen feiner Werfe fucht man dies, da Geift und Hülle nicht fo ganz eins ift, vielleicht aud) Romeo, deffen Weſen Du, glaube ich, richtig angegeben haft. Der Ausdrud ‚Romantifcdje Melodie‘ ift höchſt treffend. Kein Gedicht ift fo romantifch und fo mufi- kaliſch. Die fehöne, ſchwaͤrmeriſche Schwermut des Romeo ift ein mwefentlicher Zug.

Eine Note zum Hamlet bezieht ſich auf eine Legende des Garo Grammaticus von König Fengo und König Amlethus. Die Tollheit, die Liebe, das Geſpräch mit der Mutter, und die Reife nad; England find ſchon in diefer enthalten. Nur von der festen könnte man vielleicht vermuten, daß fie nur ftehen geblieben fei. Der Hamlet wird immer ſchlecht aufgeführt werden, weil feinen Gchaufpielern die Weisheit zuzutrauen ift, daß fie alle ihre Bedeutung nur vom Hamlet entlehnten: und das ganze befteht aus fo zarten Berhältniffen, daß der geringfte Mißlaut alles zerftören mwürde....

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Novalis an feine Mutter [53] Wittenberg, 28. uni 1793

Wie innig kann ich Dir zu Deinem Hochzeitstage Glück wünſchen. So ein Glück ift das Ziel meiner fernften, aber liebften Wünfdye. Diefer Sinn für Samilienglüd, der in mir fo fräftig und lebendig ift, wird auf das Schickſal meines Lebens gewiß einen mohltätigen Einfluß haben und am erften die wilden Auswüchſe meiner Phan⸗ tafie befchneiden, die mich beftändig innerlich unftet und flüchtig machen. Diefen Ginn recht rein auszubilden, ihm vorzuarbeiten, foviel ich kann, im dunkeln Gewebe meines Schiefals, fol mein Hauptziwed fein, und nur das widerwärtigfte Los, die Loskettung von Allem, was mid; ans Leben Enüpft, Fönnte mir das Ziel verrücden. Ich hab ihn von Euch, diefen Ginn, der jegt ſchon in mir oft leidenfchaftlich wird und ſich in die lächerlichften Träume verliert. Die Samilie ift mir noch näher, wie der Staat. Kreilid) muß id} ein tätiger Bürger fein, um eine Samilie an mich knüpfen zu Fönnen. Aber mir ift das leßtere näherer Zweck als das erftere. Man ift auch am allervollfommenften Bürger des Staates, wenn man zuerft für feine Samilie ganz da ift. Aus dem Wohlſein der einzelnen Samilien befteht der Wohlftand des Staates. Nur durch meine Samilie bin idy unmittelbar an mein Baterland gefnüpft, das mir fonft fo gleichgültig fein Fönnte, wie jeder andere Gtaat. D id fühle fie ganz, die Güßigfeit des Berufs, Stütze einer Samilie zu fein, und darum plagt mid) aud) oft mein wildes, leidenſchaftliches Temperament bis zum höchjten Überdruß. Es ganz zu fein, erfordert unendliche Talente, Kraft des Geiftes, Sinnenkraft, eine Fülle des Herzens und eine unbefchreiblidye, unnachahmliche Beftimmtheit des Charakters. Wieweit ich von alledem troß aller zufälligen Bildung meiner Geele bin, kann id felbft am beften beurteilen. ch bringe nichts dazu mit, als ein leidenfchaftliches Gefühl für ftille, haͤusliche Glückſeligkeit. Biel: leicht erleichtert mir das nody den Weg zu diefer Beftimmung. Eine freundlihe Ahnung fagt mir, ich bin dazu geboren, und felbft mein äußeres Schickſal flögt mir Fein Mißtrauen ein.

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Ich bin vol Glauben und Zuverficht, und erwarte alles, wenn id) meine ruhelofen Launen bezwinge ...

Caroline an Meyer [54] feipzig 30. Juli 1793

... Wie ich von jedermann verlaffen mir allein nicht einmal die Möglichkeit zu fterben hätte verfchaffen Fönnen, vertraute ich mid einem Mann, den ich von mir geftoßen, aufgeopfert, ge⸗ kränkt, dem ich Feinen Lohn mehr bieten fonnte, wie es wohl

in der Natur meines DBertrauens lag und er betrog mid; nicht Caroline an Friedrich Schlegel [55]

Ende Auguft 1793 Gie fühlen meld ein Freund mir Wilhelm mar. Alles was idy ihm jemals geben konnte, hat er mir jeßt frei⸗ willig, uneigennüßig, anſpruchslos vergolten, durdy mehr als Hilf: reihen Beiftand. Cr hat mid; mit mir ausgeföhnt, daß ich ihn mein nennen Tonnte, ohne daß eine blinde unmwiderftehliche Emp- findung ihn an mid gefeffelt hielt. Gollte es zu viel fein, einen Mann nad) feinem Betragen gegen ein Weib beurteilen zu wollen, fo fcheint mir doch WB. in dem, mas er mir war, alles umfaßt zu haben was man männlidy und zugleidy kindlich, vor- urteilslos, edel und liebenswert heißen kann.

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [56] Leipzig 28. Auguft 1793 ... Manuffripte erwarte nur nody lange nidjt, und Sragmente

will ich nicht ſchicken. Du wirft höchſt begreiflich finden, daß mir

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für jegt Ausführung und Vollendung unausſprechlich ſchwer wird; meine Abficyten müßten weniger umfaffend und groß fein, wenn das nicht fo wäre. Wenn etwas vollendet fein wird, fo erhäleft Du’s fogleih, und dann made ich große Anſprüche auf Dein ganzes Urteil. Gei nicht böfe, halte mid; nicht für läffig. Die erfte Woche war ich faft unaufhörlidy bei ihr, und nur damit be- fhäftigt. Störungen find feit der Zeit ſchon oft wieder geweſen, häufige Briefe, fchlechte Gefundheit, Fleine Gefchäfte. Gehr viel reine Zeit ift alfo nicht übrig geblieben. Und diefe Zeit ift noch nicht Muße. ‚Die ernfte Liebe der heiligen Wahrheit füllt nur freudige Herzen‘, ſchrieb ich neulid einem Freunde. Wenn das nicht wäre, fo war id) freilid; noch nie fo fähig, einem großen Gegenftande mich ganz hinzugeben, die Welt zu vergeffen, und in eine felbfterfchaffne Natur zu verfinfen. Die Mutter der Begeiftrung ift die Einfamkeit. Ich lebe fehr einfam, und auch im innerften Herzen fühle ich mich einfam. Die Bande oder Ketten der Natur habe ich zerriffen, und ich fühle immer mehr, daß die Bande meiner Erfindung ſchwach und Eraftlos find, id) ftehe einzeln, gleichſam nur außerhalb der Belt, ich bin fehr über: flüffig, und ich wüßte auch nichts, deffen ich bedürfte. Einiges in meinem legten Briefe mußteft Du als ſolche Anſichten eines Einſamen beurteilen, fonft Fönnteft Du fehr ungerechte Vorwürfe daraus madjen. Doch folft Du nädjftens den deshalb verfprochnen Brief haben.

Ich wollte Dir noch fehr viel von Caroline fchreiben, aber ich fann nie Worte finden, wenn id) von ihr reden will. Was fie von mir denft, glaube ich ohngefähr zu raten (mas Du von ihrer Menfchenkenntnis fagft, ift mir fehr einleuchtend); die Hoffnungen, die ich felbft und etwa ein Freund von mir haben, die hat fie nicht; und wie follte fie das auch? Ich habe PVerftand, aber bin fo unerfahren, befchränft, und vor: allem es wäre ungerecht mir Geele abzufpredyen, aber die Geele der Seele, lieber Wilhelm, die fehlt mir doch ganz offenbar, nämlidy der Sinn für Liebe. Vielleicht ſchätzt fie eine gewiffe Kraft des Charafters an mir;

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(die fich doch fehr ungleich ift) aber daflır würde es mid) aud) gar nicht wundern, wenn fie mid; rauh fände. Ich bin es auch; und dann zwingt mich die Ehrfurcht, fie als Mann zu behans» deln. Wie äuferft fremd und fern ich ihr bin, kannſt Du allenfalls denken: wir find zufammen, nit weil wir zufammen- gehören, fondern weil wir uns in demfelben Haufe treffen (mo das Haus liegt will ich Did, raten laſſen). Wenn das nice fo ein übelElingendes Wort wäre, fo möchte ih fagen, wir Fünnten als Gefchwifter zufammen leben. Somme tout ich bin hödjft ge: wöhnlich, aber für einen Menſchen immer gut genung. Das Kind madjte beim erften Anblid einen ungünftigen Eindrud auf mich, weil es ſchielt; und ein wenig häßlich ift (das kann fich noch fehr ändern). jest gewinne ich das Eleine einfache Weſen lieb, um feiner Unverdorbenheit, guten Anlagen, und Treue für die Mutter. Bon ihr ift mir jegt noch ganz unmöglidy zu fdjreiben. Dod kann ih fagen: Einfachheit und ein ordentlich göftlicher Ginn für Wahrheit, habe ich durdjaus nicht erwartet, nad) dem was ich wußte und gelefen hatte; und doch ift es das, was meiner Eigentümlichkeit am meiften ſchmeichelt, und ihr Schmerz bringt fie mir am nädjften. Ich glaube man fann fie nicht fennen, wenn man fie nicht liebt oder von ihr geliebt wird.

Ich verlange mehr zu mwiffen von Gophien oder von ©. mie Du fie immer nennft, gewiß aus Furcht vor der Philofophie, Deiner Todfeindin. Weiß ich doch von der ſchönen Frau Faum mehr, als daß fie Did) liebt, und daß fie Billette gefchrieben, wo⸗ von mid) einige entzüdt haben. Überall ift es ſündlich Deine Bertraulicfeiten Fommen immer nur wie Überſchwemmungen, wenn das volle Herz überbraufet, und dann verſchwindet gleich wieder alles hinter den Ufern der Trägheit und des Mißtrauens zurüd. Gib auch einmal eine Bertraulichfeit als großmütiges Almofen.

Einen drollichten Zug von Auguften muß id) Dir doch erzählen. Sie rühme ſich fehr, daß fie der Mutter unentbehrlidy fei. ‚Wenn ich nicht wäre, fo würdeft Du Di von der Schlegelfudht gar

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nicht zu retten wiffen‘ Wie fie nad; L—a abreiften, ich den Abend vorher Abfdjied nahm, lag fie ſchon im Schlaf. Wie fie geweckt war, fagte fie: ‚Mutter wirft Du von dieſem Gchlegel auch die Schlegelſucht Eriegen ?

Wundre Dich nicht, dag ich Dir fo viel vorſchwatze, was Du vielleicht nicht einmal aufmerffam leſen Eannft, nad) dem Anfang diefes Briefes. ch weiß, was ich Dir gefchrieben habe, und ich fühle es auch; ich fuchte eben deshalb Zerftreuung, vielleicht ift es Dir auch fo, wenn Du die Nachricht empfängft. Ich durfte Dir nichts verhehlen; ich weiß wie viel Deine Briefe ihr find; aber fie Fönnens nicht fein, wenn man fich nicht die Wahr: heit zu fagen traut. Ich hätte deffen wegen Gophiens nicht erinnert, wenn ich nicht die unzmweideutigften Zeichen davon hätte. Ich gebe ihr deshalb nichts Kleinlides Schuld; es ift höchft natürlich in ihrem Zuftande. Denn fonft bin ich gewiß, daß man wahr gegen fie fein darf. Und größeres läßt fidy von feinem Menfchen fagen.

Ich hätte einen fo hoffnungsvollen Anfang, als unfre Mit: teilungen über Dichtkunft find, nicht unterbredyen follen: ich hoffe aber das reichlich erfegen zu können. Ich finde es immer mehr die herrlichſte Art über diefen Gegenftand, wo Bollendung im Unterfuchen nicht fo früh zu hoffen ift, zu den reichhaltigften Auf: fhlüffen zu fommen; einer regt den andern an, eine Anficht ge: biert viele andre, und fo werden wir mit dem ganzen Umfang unfres Gtoffs befannt, und entgehen der drohenden Gefahr die unendliche Natur in einen engen Begriff eindrüden zu wollen. Wir find aber vielleicht noch nicht ganz auf dem redjten Wege getvefen, befonders ich. Ich ſchwankte immer, ob ich Dir ein Werk ſchicken follte, oder ob ich ſchreiben follte, wie Gott will, und wie die Feder läuft. Ich habe nun das legte gewählt: mein erfter Brief aber hat alles Unbehilfliche und Schwerfällige eines halbangefangenen Werkes an ſich, und alles Undurchdachte, Un⸗ ausgeführte eines Driefes. Und Du haft Did durch meine mir natürliche Art, es zu fagen, verleiten laffen, es viel zu fehr als

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vollendete Überzeugungen, nicht als hingerworfene Einfälle, und unentwidelte Wünſche von Gedanken anzufehen. Das ein- zige was ich Dir vorwerfen kann. Wenn es nicht noch wäre, dag Du felbft nichts gibft, als nur auf DBeranlaffung, zu fehr widerlegft, was ich ſchon felbft verworfen, oder was auch nidjt verfianden if. Der Vorwurf der Sprünge und Drafel trifft mid) glaube ich nicht; es kann fein, daß ich auch im Denken ge- waltſam verfnüpfe; aber Du zielteft auf Urteile, die feinen Er- weis zulaffen, wie Begriffe und allgemeine Gäße, 'fondern Sache des Gefühls find, die immer ihr Eigentümliches hat, wie ich und jeder Bernünftige ſich befcheidet. ‚Du glaubft nicht, daß es catfam fei, bei Unterſuchungen über die Poefie, von ihren höchſten Gefegen auszugehen.‘ Es ift mir nicht eingefallen einen Dichter nad) Begriffen a priori Eonftruieren zu wollen. Kür den Schöpfer gibt es Feine Gefege, aber Richter kann man nur fein, mit Ginn, nad; Gefegen. Ich nahm den Weg, der mir natür- lich war, und daß er das war, wirft Du fehr begreiflidy finden, megen einiger Gewohnheit und Übung jeden gegebenen Stoff nad) den wefentlichen Zwecken des Verftandes und der DBernunft in ein vollftändiges Ganze zu ordnen. Und diefes hat aud feinen Wert. (Mein Wunſch war, daß jeder nad) feiner Natur täte was er Fönnte, für die Unterfuchung felbft und um fie gemein- fhaftlid; zu madjen). Ich muß zwei Dinge gegen Didy in Schuß nehmen die Du verfennft, das Syſtem und das Ideal. Ich weiß, der fehändliche Mißbrauch finn- und feelenlofer Bernünftler hat diefe Namen für Did; fehr befudelt; aber Du fiehft nur darauf und verfennft, veradhteft ungeredhterweife die Föftlichen lauten Urfunden unfres göttlichen Adels. Was wir in Werken, Handlungen, und Kunftwerfen Geele heißen (im Gedichte nenne ichs gern Herz) im Menſchen Geift und ſittliche Würde, in der Schöpfung Gott, lebendigfter Zufammenhang das ift in Begriffen Syſtem. Es gibt nur Ein wirkliches Syftem die große Berborgene, die ewige Natur, oder die Wahrheit. Aber denfe Dir alle menſchliche Gedanfen als ein Ganzes, fo

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leuchtet ein, daß die Wahrheit, die vollendete Einheit das not⸗ wendige obſchon nie erreichbare Ziel alles Denkens iſt. Wir Leute ſind alſo auch nicht unnütz, wenn wir auch nicht ſo gute Beobachter ſein ſollten, wie Ihr Propheten; Ihr dürft nicht ein⸗ feitig eine heilige Anlage der Menſchheit geringſchätzen. Und lag michs hinzufegen, daß der Geift des Syſtems, der etwas ganz anders ift als ein Syſtem, allein zur DBielfeitigfeit führte welches parador ſcheinen kann, aber fehr unleugbar ift.

Die Quelle des deals ift-der heiße Durjt nach Ewigkeit, die Sehnſucht nad) Gott, alfo das Edelſte unfrer Natur. Einige die es verfennen, mähnen es ftreite mit der Natur, die doch nur in Eintracht mit dem Geifte das wahrhaft Große erzeugt. Die Begeiftrung ift die Mutter des deals und der Begriff fein

| Bater. Was ift denn unfre Würde, als die Kraft und der | Entſchluß Gott ähnlich zu werden, die Unendlichkeit immer vor | Augen zu haben? Das regfame Streben des Handelns, der höchſte Maßſtab des Urteils ſchließt ja gar nicht aus alle Tugenden der Empfänglichkeit, ſondern kann ja nur mit ihnen beſtehn. Nächſtens mehr.

Friedrich Schlegel an Auguſt Wilhelm [57] 16. Geptember 1793

... Gie machte einen fehr lebhaften Eindrud auf mid); die erften Tage überließ ich mich diefem ganz, fuchte mid ihr zu nähern, fie Fennen zu lernen, ich wünſchte nad) ihrer Mitteilung und Freundſchaft aufs emfigfte ftreben zu dürfen; aber grade da fie einige Teilnahme zu äußern fdhien, fah ich fehr beftimmt, daß ein bloßer Verſuch in die heftigften Kämpfe führen, und wenn eine Sreundfchaft zwiſchen uns möglidy fei, fie nur die fpäte Frucht vieler verkehrten Beftrebungen fein könnte. Du fühlft, wie unfchielid, dies in ihrer Lage wäre jeder eigennüßige An- fpruch ward von da an aufgegeben; von mir war nun gar nicht

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mehr die Rede. Ich hätte wohl Luft Dir das als ein Opfer anzurechnen, weil mir diefe Enthaltfamkeit fo unendlich ſchwer geworden ift. Ich feßte mich alfo in das einfadjfte, einfältigfte Berhältnis zu ihr, die Ehrfurcht eines Sohns, die Offenheit. eines Bruders, die Unbefangenheit eines Kindes, die Anfprudjslofigkeit eines Sremden. Go bin id) gegen fie, und das mußte fo fein, weil es darauf anfam, daß ich ihr nützlich wäre, und nicht, daß fie meine Sreundin würde. Es könnte alfo fehr leicht gefchehen, daß fie fo wunderbar über mich urteilte, daß Du felbft mich darin nicht wieder erfennteft; aber zufrieden hoffe ich mwird fie mit mir fein; mit‘ meinem Eifer und guten Willen in den Kleinig- feiten, die ich für fie ausrichten kann, und es fcheint auch, daß ich ihr Zutrauen habe, da fie mir vieles fagt....

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [58] 29. September 1793

... Ihr, die ihre die Vernunft haffet und das Denfen ver: achtet, die allmächtige Natur, wenn fie von aller Tugend forg- fam gereinigt ift, vergöttert ihr, an die Öffenbarungen Eures Herzens glaubt ihr, und Eure Lehre ift ftets eine erhabene Gelbftftändigfeit. Ich bin aber nur ein armer Laie, meine Gelbftftändigkeit geht nicht über Recht und Schönheit hinweg, fie ſchaͤmt fidy nicht, der Weisheit zu gehordhen.

Große Männer! laßt Euch zu der hellen Einſicht herunter, und verftändigt fie, was nennt ihr Natur? Etwa alle einzelne Dinge fo vorhanden find? Oder die Geele des Alls? Das mächtige Leben, das in allem, was entfteht und untergeht, feine eigne unendliche Gülle, in wechfelnder Liebe und wechſelndem Kampf mit fich felbft, ewig umſchlingt? Ihr ahndet im heiligen Dunkel nicht ein unendliches Nichts, fondern ewige Quellen ver- gänglihen Lebens? Wir aud. Oft fdheint es, als meintet ihr alle Regungen des menfchlidjen Herzens, in ihrer Üppigkeit

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und Ausfehweifungen? Wir braudjten aber unferer edelften Kraft nicht zu entfagen, wir dürfen auch ohne das innere Ein⸗ tracht hoffen. ft denn Vernunft etwas anders, als höheres Leben?

Erfläre mir, warum Du den Petrarfa unter allen Dichtern den am meiften idealifdyen nennft. Was ich fonft Bernunftein- heit nannte, poetifche Gittlichfeit, wird am meiften an Trauer: fpielen gefunden und gefordert. Das Ganze ift umfaffender wie ein lyriſches Gedicht, und enger beſchloſſen wie ein erzählendes, epifches; fie ftellen in unendlichen Abwechslungen ein Schaufpiel dar, den Kampf des Schidfals und des Herzens. Das Ende (nicht grade das lefte der Zeit nach) fondern was im Weſen felbft den Schluß madjt, gibt eigentlich den Ausfchlag, ob mir erhoben oder niedergedrüdt würden. Die beften Beifpiele, die ic) weiß, find der Prometheus des Aefchylus, der Ajar des Sophofles, Richard der Dritte von Shakeſpeare. Denn in dem legten Stücke ift deutli), daß der große Sünder von der verborgenen Hand des ewigen Richters gefchlagen wird, fein Sturz ift nicht Zufall fondern gerechte Strafe. Nimmſt Du das Gtüd von der Kaffandra aus Aeſchylus Agamemnon heraus, fo ift es ein herrliches Beifpiel. Aber immer laß midy den Ajar des Sophokles noch einmal nennen. Da id) von Richard ge: redet, fo will ich noch hinzufügen, daß ich völlig mit Schiller ein- ftimme, dag man Gott im Trauerfpiele fehr gut brauchen kann. Beffer aber ifts immer, wenn das Herz der fiegende Bote ift, wie im Ajar. Diefe Werfe erheben uns aufs höchſte; es liege in der Natur fehr vieler andern, daß fie das nicht Fünnen, wenn ihr Ende alfo nur befriedigt, nicht beleidige. Gophofles ift hierin vielleicht nicht zu übertreffen. Unter Soethens Trauerfpielen ift Feines, fo uns da fehr erhebe; vielleicht hätte es der vollendete Sauftl. Egmont, Taffo, Iphigenie, Stella endigen ſich gut. Gög läßt vielleicht zu viel Bittres zurück; doch ich will das noch nicht als mein Urteil angefehen haben. Ich höre Dich ſchon fragen: ‚Redjt gut, wenn es da ift. Aber wie kann man das

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fodern, gleichſam beftellen, wie wenn der Dichter ein Hand werker wäre?‘ Mein Lieber, ich rede wirklich nur von der Wertfchägung eines Gedichts; ich gebe ja Fein Geſetz, daß die Dichter ihre Werke fittlid machen follen. Sie müffen felbft gut und edel fein. Oft hängt der Schluß von der Wahl des Dichters ab. Zu Zeiten fchafft aber die Begeiftrung gleichſam ein vollendetes Werk, deffen Weſen zerftört würde, durch eine fo wichtige Änderung. Go mar es vielleicht beim Hamlet, der alle Sittlichkeit umwirft. Das Leßte, wenn es einmal gefdjieht, gibt fid) von felbft; aber von dem erften muß oft die Rede fein....

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [59] 13. Dftober 1793

... Kants Lehre war die erfte fo ich etwas verftand, und ift die einzige, aus der ich noch viel zu lernen hoffe. Allein ich bin mit dem nicht eins, was ihr doch zum Grunde liegt, die intelli- gible Sreiheit, der regulative Gebraudy der Ideen überhaupt, die reine Gefegmäßigfeit als Triebfeder des Willens uf. Bei der Kritif der Urteilsfraft vergiß doch ja nicht, daß er ein alter Mann ift, und dann daß er es fchnell gefchrieben, nur wie zur Erholung. Daher Wiederholungen, Abfchiveifungen, Verworren⸗ heit, Tadjläffigfeiten mehr als in irgend einem andern Werke von ihm. Wer leugnet das? Aber vernimmft Du nicht hie und da das Wort einer großen fihönen Geele, fo macht Dich Dein Vorurteil taub. Diefe nachläffige, fteife Hülle gibt dem Gött⸗ lichen, fo fie einfchliegt, ein Giegel der Echtheit, das ich ungern vermiffen würde, fo ungern wie Windelmanns Gteifheit. Syn: deffen zweifle ich fogar noch, ob es eine Kritik der Urteilskraft gibt; die Urteilsfraft ift meines Bedünfens Fein ewiger Zweig des Vorftellungsvermögens, fondern eine ganz beftimmte Tätigkeit des Berftandes, und nad; dem Sprachgebrauch nicht der reine Begriff diefer DBerftandeshandlung, fondern die Erfcheinung mit

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allen Befonderheiten, die die Erfahrung daran entdedit, und dann auch Richtigkeit und Fertigkeit darin. Sollte der Unterſchied unter fubfumierender und refleftierender Urteilskraft fo ſchwierig fein? Ich will und mag nicht nadjlefen, und nicht einmal zu viel nachdenken. Mich daäucht der Gegenftand des Urteils wird entweder einem Begriff untergeordnet, oder einem urfprünglichen Zuftande des Gefühlsvermögens. Die vollendete Bearbeitung diefer kann dem Denker vielleidyt unentbehrlidy fein, aber mas foll der Künftler damit, und auch der, der ihn beurteilt? Gind fie fo unglüdlid), ſchon einige Begriffe zu haben, fo dürfen fie freilid) nicht ftehen bleiben, und müffen auf einem dornichten Wege fort: gehen, der fpät aber doch endlich wieder zur Natur zurüdführt. Ich rede von nichts geringern, als von dem, wonach immer zuerft gefragt -wird, fobald von den Künften die Rede ift, nämlich die Lehre von dem Begriff des Schönen, Erhabnen, wozu dann noch das Rührende, Bolltommne, Wahre fich gefellen mag. Ich führe fo einige an; denn wer hat nur nad) dem Duell geforfcht, aus dem ſich die vollftändige Aufzählung aller diefer urfprüng- lichen zufammengefegten Zuftände des Gefühlsvermögens ergeben fönnte. Bergiß aber ja nicht, daß ich eben blog von Begriffen redete. Dft hat man auch foldje Mafjen von Erfahrungen diefer Art, die ſich fehr deutlich von dem übrigen abfondern, und ſich zu einem Ganzen gleichſam zufammenhäufen. Bilden fage id) mit Fleiß nie, weil an innren Zufammenhang und alfo an äußre Ordnung bier nicht zu denken ift. Ich dächte jemand der feinen Gegenftand ganz überfieht, und der ſich hinfegt, um eine Abhandlung über das Lächerliche, Naive, Erhabene, Schöne (hier in ganz anderm Sinne) gu fihreiben, müßte gar nicht mwiffen, wo er anfangen und enden follte. Wie fol da ein Ganzes entftehn? Einzelne reichhaltige Beobachtungen, aber ift es nicht barbariſch diefe fo in dem ſchwankenden Umfange irgend eines Wortes, nebeneinander aufzuhäufen?

Was aber die Begriffe betrifft, fo ift das vielleicht, wenn man alles Überfläffige abfondert, nur die Stage von den Grundtrieben

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der Seele. Ich halte dafür, daß alles Gefühl fidy in drei Ele- menten auflöfen läßt, drei ewige Unterfdhiede, fo den Umfang der Welt (d.h. aller unfrer Gedanfen, alles unferes Geins) umfaffen. Gib wohl Acht. Ich werde ein wenig weit ausholen.

Wir trachten nad) drei Dingen, nämlidy Vielheit, Einheit und Allheit: in Deiner Spradje, Leben, Kraft, Bott. Nur die Ver: mählung Aller erzeugt menſchliches Dafein; die ftrenge Abfonde- rung ift nur Werf des VBerftandes; die rohe gehört dem Ginne, nach dem herrfchenden Element. Leben offenbart ſich in Luft, Kampf und Liebe. In den beiden legten Geftalten vermählt fich das Ewige gern mit dem Öterblidyen, fie feheinen den Irdiſchen gefchenft, als Reiz wie Gott zu genießen. Unter Kraft meine ich eigne Tat, Gelbfteätigkeit, d. 5. Einfiht und Ehre; denn fo könnte man die Kraft des Willens an fidy nennen. Ehre ohne Tugend ift wie Berftand ohne Bernunft. Die Richtung auf Gott und der Genuß Gottes ift Tugend, nicht unfre ganze Beftimmung, aber unfre höchſte. Ein Menſch hat fo viel Wert als Dafein, d. h. als Leben, Kraft und Gott in ihm ift. Hat er aber auch viel Kraft und Leben, find diefe aber im Ötreite mit dem Gott in ihm, fo wird er immer ein häßlicjer Menſch, ein verädhtlicher Dichter, und fein Urteil fchief fein. Diefer Mafftab gilt auch für einzelne menfchlidhe Werfe; alfo ein Gedicht 3.3. hat fo viel Wert als menfchlidhe Lebenskraft darin iſt. Dazu gehört aber aud die Richtung aller Zeile auf das höchſte Ziel; und mas anders ift Sittlichkeit?

Ich habe kaum angefangen, bin aber fdyon müde. Nun noch eins und das andre Wichtigere, wie es mir beifälle.

Ich fagte, dag ich an dem Dafein einer Kritif der Urteilsfraft zweifelte; das will fagen, die Kritik der reinen Vernunft ift ewig, meil ihre Irrtümer weſentlich notwendig find. Den Gtreit über die Allgemeingültigfeit des Schönen halte ich aber für zufällig.

Hier ift ein Anfang eines Briefes an Did, der fehr lang werden, und alles umfaffen follte, was ich über die Kunft im allgemeinen zu fagen habe.

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ich hoffe große Auffchlüffe von Dir, und ich ſchmeichle mir, fo lange Du unter Barbaren lebft, Dich zumeilen an Deine ehe malige Liebe und an Deine fünftigen Werke erinnern zu dürfen. Wer Tann beffer über Kunſt denken und lehren als Du in Deiner jegigen Lage? Du haft Muße genung; beffere wäre zu gut. Und was die Hauptfadhe ift, Du befigeft die Kunft, ohne daß fie Dich befäße. (Sollte es Dir mit ihr etwa gehen, wie mit Go: phien?) Du Bift nahe und doch aud) fern genung zum Senner, zu dem ich Dich für vorherbeftimmt halte. Bon mandjem, wuͤnſchte ich, möchte ſich Dein Urteil noch reinigen und dann Dein uralter Haß gegen die Bernunft. Die Geele meiner Lehre ift, daß die Menfchheit das höchſte ift, und die Kunft nur um ihrent» willen vorhanden fei. Nicht fo wohl Schiller, als Bürger adjtet die Kunft höher, wie die Natur. Ya felbft der große Goethe ift im Alter zu diefer Gelbflvergötterung herabgefunfen. Er fcheint felbftgefällig feinem Genius zu laufdjen, und id) erinnre mid) dann wohl an Mozarts Mufif, die in jedem Laute Eitelkeit und weichliche Berderbtheit atmet. Das legte unter dem Giegel der Berfchtviegenheit, man möchte mich fonft dem Arzte emp» fehlen uſw.

Wie Syſtem und DBielfeitigkeit verwandt find, würde man nicht fragen, wenn Syſtem nicht aud) einer der Sremdlinge wäre, die mit euer und Dolch getilgt werden müffen, wenn die Wiffen- ſchaft gedeihen fol. Beftimmtheit des Erflärens, Genauigkeit der wiſſenſchaftlichen Bezeichnung heißt man oft ſyſtematiſch. Ich redete aber bloß von Vollftändigkeit der Einſicht, innrer Vollendung. Daß Bielfeitigkeit zur Allfeitigkeit der Weg fei, ift doch einleudytend?

Welche Stelle hat denn Deinen Beifall fo fehr, die vom Schluß der Trauerfpiele, oder von der Natur? Du fiehft daraus meine Unfchuld.

Bom deal.

Das Gtreben nad; dem Unerreichbaren, die Liebe zu dem Namenloſen, von denen Du fehreibft, das ift grade das Rechte.

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Aber beinahe mußte ich lädjeln, wie ich las, daß Du das Un- mögliche forderſt. Wer die Wahrheit liebt, ſoll nie wähnen, fie zu befigen; und der, fo das Ewige genießt, foll feinen [chädlichen Irrtum fahren laffen, daß alles Andre nichts fei. Du haft das Unendlidye nur von einer Geite ergriffen, und wie wenn man an Dich diefelben Korderungen madjen wollte? Du liebft wohl! aber Du darfft nicht denken, daß es nichts Höheres gibt als der Genuß des Geliebten; nein Du mußt das gegen andre Vorteile vernünftig berechnen! Aber mir deucht, wir wiſſen nicht wo— von wir reden, was wir unter dem “deal meinen; das fiel mir auf, weil Du von einem Werke, deffen Geele das deal und deffen einziger Inhalt die Bernunft ift, behaupteft, es führe alles im Menſchen auf Empfänglicdjkeit zurüd. Nämlidy Allwills Pa- piere. Und dann wieder die Bernunft leihe dem Ideal ja nichts? Gie leiht ihm weiter nichts, als daß fie es erzeugt. Denn mas ift Vernunft als Bermögen der Ideale? Was idy vorhin in der Rhapfodie Allheie nannte? Und mas ift “deal, als Vernunft: begriff? DBernunft ift ja nicht nur ein Teil des Borftellungs- bermögens, fondern auch ein Grundtrieb, der nach dem Ewigen. Der Zufammenhang diefes Triebes mit dem Vermögen zu be- greifen und zu ſchließen ift nicht ganz leicht einzufehen, aber doch wahr. Du redeft immer nur von dem natürlichen aber ſchäd— lichen Mißbrauch des leßteren.

Sriedrid Schlegel an Auguft Wilhelm [60] Dftober 1793

Endlidy bin ich einmal wieder bei ihr gewefen, nad) einem fo langen Zwifchenraume. Ich traf fie wohl, und am Stidrahmen, bei dem fie den größten Teil des Tages zubringt. Sie fchläft gut, und ift des Morgens wohl, des Abends leidet fie viel durch Hige und andres Unbehagen. Sie muß fehr zufrieden fein, daß fie ohngeachtet ihrer Geelenleiden und des Mangels an fo guter

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Pflege wie fonft, doch nicht mehr leidet wie ehemals in ähnlichen Sällen. Meyer ift einige Stunden bei ihr gemefen, fie mar vergnügt ihn mwiedergefehn zu haben, und ſchien weit zufriedner mit ihn, als fie vorher zu erwarten fihien. Ich habe feine Be: Fanntfchaft nicht gemacht. Während Sie einige Gtunden bei den Herrn Gtadtfchreiber und rau Liebften zubringen mußte (die legte hat ihr unter andern ähnlichen Neuigkeiten aud) er: zählt; man fagte ja, Siberien wäre untergegangen) gab fie mir Ihre Briefe von Mainz gefchrieben an Louife in Hamburg und an ihre Mutter zu leſen. Wenn ich dazu nehme, was fie mir jegt oder ſchon vorhin mündlich geftanden, fo finde idy alles uns begreifli), was ihr miderfahren ift. Freilich auch wieder fehr begreiflich bei der befannten Unmenfchlichfeit der Kürften und ihrer Diener. Wenn id, ihre Anficht des Ganzen nur von wenigen Zügen, die einer ungerechten Eigentümlichfeit, oder der erften Hitze ihr Dafein verdanken, reinige, fo ift fie gang die meinige. Einen Brief nad) dem Verluft von Sranffurt, glühend von dem ſchönſten Unmillen, hat fie mir ſchenken müffen. Ich kann ihr jegt fat verzeihen, daß fie des Unfinns fähig geweſen wäre, Dich in den Strudel und in Dein Unglüd mit hineinzuziehen. Diefe Be: geiftrung für eine große öffentliche Sache macht trunfen und töriche für uns felbft und unſre Eleinen Angelegenheit, muß es madjen, wenn fie echt iſt.

Gefchichte und Staatswiffenfchaft find Feine unbedeutende Aus- fit in dem Entwurf meines Fünftigen Lebens. Bald diefe, bald jene Abficht führte mid) bald zu diefen, bald zu jenen Geſchichts— fihreibern, und ohne abfichtliches Korfchen liegt viel Stoff in meinem Gedächtniffe vorrätig, und mein Ginn für Ddiefe große Kunft ift nicht ganz ungeübt. Kurz nach Anfang diefes ftürzte mich der Entſchluß mid) zu befchäftigen, in das Leſen der be: Fannteften neuen politifchen Werfe, und ich fand nur einen wert, ihn zu erfchöpfen, Rouffeau. Geit einigen Monaten nun ift es meine liebfte Erholung geworden, dem mädjtigen rätfelhaften Sange der Zeitbegebenheiten zu folgen; und davon fängt ſich eine

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Denkart an in mir zu bilden, die es tollfühn wäre, nicht zu ver- ſchließen. Ich denfe aus der Richtung auf das Wefen der Sache, und das Ganze folgt unausbleiblidd Beifall und Teil- nahme. Die Gadje hängt aber in meinem Kopfe mit tieferen Forſchungen zufammen, als ein Brief zu entwideln erlaubt. Willſt Du miffen, wie die Art meiner Gedanken, der Sinn meiner Teilnahme ift, fo lies Kant im September Berlinifdje Monats» fchrift über Theorie und Praris, Rettung der unterdrüdten uns fhuldigen Wahrheit gegen die Eitelkeit Fleiner Bernünftler, wie Rehberg 3. B. Dann alle Dden von Klopftod. Das Leben eines edeln Volkes in feinem Herzen tragen ift immer fdhön, aber in diefer verworfnen Zeit foldje Dden wagen zu fönnen, das ver- rät etwas Erhabnes.

Lieber Sreund, id) fehe voraus, daß es mir in einiger Zeit ganz am Gelde fehlen fann. Kannft Du mir einige Dufaten ſchicken, fo wäre es fehr ſchön.

Menſch, ich fol Dir beweifen, daß Schiller ein großer Mann ift? DBemeifen fagft Du? Krämer mögen von der Zugend Rechnungen madjen; wir in Deutſchland pflegen unfre Liebe und Achtung nur zu reditfertigen. Gei doch fo gütig, Du, und beweife mir, daß Du ein Dichter bift, beweiſe mir, daß B. das ift, wofür Deine Liebe fie gab, beweife mir, dag Du Sinn und Ge- fühl haft. Melde mir doc, auch wo Du mit diefen Beweiſen anzufangen denkft, und wann Du endigen wirft. B.'s Frage, was er denn Großes getan habe, als etwa fhöne Bücher fchreiben? war weiblich. Es ift etwas Großes, den Menſchen nicht nad) feinen baren Taten, fondern nad) feinem innern Leben wägen zu fönnen; nur der Weife vermag es; oder ift der Dichter des Prometheus weniger groß wie Alerander, weil diefen das ganze Geſchlecht, jenen nur einige für das was er ift, anzuerkennen vermögen? Das Ewig Gute in dem Leben eines Menſchen recht. fertigt feine Ehre und Liebe; id) kann diefes doch zulege nur wahr⸗ nehmen, den Berftand und Erfahrung nur brauden, um das Urteil des Herzens zu reinigen, und unabläffig nad) Löfung aller

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Irrtümer zu ftreben. Denn nur das nenne id, vorurteilsfrei, fein Herz höher ehren als feine Begriffe.

Nun aber, das innre Leben eines Menſchen, verrät es fich nicht in den Eleinften Äußerungen, und Fann id) durch VBernünf: teln jemanden eine Wahrnehmung geben, die er nicht hat, viel- leicht nicht haben will?

Nun meine Rechtfertigung. Sie liegt glaube id) deutlid) genung in feinen Werfen. Doch würde ich in einer Geſchichte der Kunft fehärfer beftimmen, und ihm vielleicht diefen Namen verfagen, wegen des Rohen und Abgeriffnen in allem, und dann der unzüchtigen Einbildung; und am Ende ift fein ganzes Wefen zerriffen und ohne Einklang. Aber die große Kraft find id von Anfang bis noch jegt, da er zu fterben anfängt: zuerft in der unfinnigen DBerzmweiflung über früh verlorne Unſchuld der Gitten und des Verſtandes. Dann in dem Furzen Gtolz über angeborne Kraft und errungne Bildung, und endlidh in dem Bemühen ſich felbft a priori zu Eonftruieren, da die Liebe er: loſchen ift.

Nächftens mehr.

Friedrich Schlegel an Auguft Wilhelm [61] 1. November 1793

... Giehe doch Klopſtocks grammatifche Gefprädhe zu befommen ; fie werden Dir wenigftens zu denken geben, wenn Du fie auch nicht fo vollendet fchön gefagt, und faft durdaus unumftößlid) wahr findeft wie ih. Die wenigen eingeftreuten Überfegungen machen es Dir allein wenigſtens lefenswert; mir ſcheinen fie in ihrer Art das Höchſte zu fein. Er glaubt felbft beſcheiden über Sprache und Verskunſt nur eine Stimme gegeben zu haben, will nicht zu denen gehören, die vielftimmig zu fein bermeinen. Mir daucht aber, es war die einzige, wenigſtens haben meine Ohren keine andre Stimme vernommen. Denn Stimme kann

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doch das nicht heißen, was etwa Wieland oder ſolche, Schiller radofiren und abfprechen. Aber die Größe muß id) an Klop- ſtock verehren, mit der er Fühn und doch befdheiden gegen fein Jahrhundert die unfchuldige, verfannte Wahrheit, verteidigt, für ein befferes Jahrhundert niederlegt, wie in allem diefen, was er über Sprache und Verskunſt gefagt hat, in feinen neuften Dden, in feiner Würdigung deutfchen Wertes und GBeiftes, in feinem Urteil über Friedrich uſp. Schon in manchem ift die Welt ftill zu feiner Meinung übergegangen, bei anderm hoffe id) daffelbe, und bin gewiß, daß die Nachwelt feine Überlegenheit anerkennen wird. Das, und der männlidje, edle, hohe Geift, den Du doch in dem Unbedeutendſten was er gefihrieben, in dem Meſſias felbft, nicht immer vermiffen wirft, wäre ſchon genung meine Bor: liebe zu rechtfertigen, hätte er auch Fein einziges vollendetes Werk gedichtet. Und ich denke, das ift doch Hermanns Tod und viele feiner Dden. Und mären fie nicht' grade vollendete Werke, denn vollendet find fie, Fann denn nur durch diefe großer Ruhm verdient werden? PBiele erwerben ihn, durch vollendete Dar: ftelung einer großen igentümlichfeit, in ebenfo abgeriffnen Worten und Werfen, wie felbft Plato, der Fein großes Ganzes hervorgebracht, und vollends fein Lehrer Gofrates. Schillers Werfe find mir auch nur um feinetwillen wert; als Gedichte, Ge- fhichten und Philofophien, welches fie doch fein wollen, fchäge ich fie vielleicht noch geringer wie Du. ‚Was ift denn nun die große Eigentümlichfeit in Klopftod und Schiller?‘ frägft Du. Es verfteht fich, daß es nur das fein Fann, deffen Wert ſich aus der Natur des Menſchen ergibt, und alfo eigentlich allgemein- gültig ift, Herz, Mut, Berftand, Empfindung, verfteht fid fo wie ich fie zu faffen vermag; eine Einfchränfung, die jedes befcheidne Urteil vorausfegt. Nächftens mehr. Noch eins: unter vollendeten Werken meine ich nichts dem deal adäquates, fondern fo wie man einen Charafter gebildet reif zu nennen pflegt.

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Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [62) 17. November 1793

... Ich hoffte duch die Fleine Rhapfodie über Allheit, Einheit und Vielheit meine Gedanfen in das hellfte Sonnenlicht geftellt zu haben; und nun Fannft Du noch fagen (Du fdhließeft ohn- gefähr fo; wenn es eine und diefelbe Sinnlichkeit ift, die fi an der Diofima und an der Phryne äußert, fo muß fie ſich in der Tat proteusmäßig verwandeln Fönnen!) die Vernunft herrfche in Schillers Ießtem Werke, welches doch fo ganz ausfchliegend ein Crzeugnis des Berftandes allein if. Aber Du nennft nun ein— mal mit dem gemeinen Sprachgebrauche Bernunft nur ihren Ge- brauch zum Behuf des Berftandes (mittelbare Erkenntnis). Das Herz ift freilidi mit dem Triebe, Bernunft, eins; denn fie find daſſelbe. Jacobis Bernunft ift eins mit der feinften Ginnlichkeit, aber vielleicht nicye ganz mit dem Berftande. Mit Recht zwar ift ihm Einficht nie das Legte, nur Mittel. Aber er braucht es nicht felten, überläßt fich der Leitung der Empfäng- lichkeit fo hingegeben, daß fie ihn nicht bloß in die feltfamften Eigenheiten führt. Nein er glaubt an platte Strafe und niederes Borurteil, wie an das Höchſte. Ich verzeihe es alfo, wenn jemand, von dem ich nicht die größte Beſtimmtheit fodere, ihn Feind der Bernunft nennt. Diefe Unbilligkeit Maftiaurs ent: fpringt aus dem fehr weſentlichen edeln Triebe nad) deutlichen Begriffen, nad) Elarer Einſicht, ein Trieb der bei Jacobi ver- hältnismäßig zu ſchwach ift. Bei diefer heiligen Dämmerung ift innres Glüd noch möglich. Iſt jener Trieb unnatürlid). ftarf, fo entftehen herz und marflofe Bernünftler, bei gemeinen Anlagen; ein unzählbarer Haufen neurer Aufklärer uf. in unferm VBater- Iande fann zum Beifpiel dienen. Große Anlagen aber zerrüttet Feine Ausfchweifung fo fehr, der Kranke drängt nur die Natur zu kennen, das Schöne und Gute zu miffen, bis alles Leben ftumpf wird, und das Herz ohne Rettung verzmweifele. Du wirft erftaunen, wenn id Dir eingeftehe, daß Schiller jegt ohn- gefähr hier fteht; idy behaupte aber, daß Du diefen Gang feines

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Geiftes für fein Wefen felbft genommen haft. Ich glaube den Übergang von feinen alten zu feinen neuen Werken gefunden zu haben, der mir ehedem unmöglich ſchien. Nämlich wer als Jüng⸗ ling gang in Einbildung lebt, der muß als Mann ganz im Ver⸗ ſtande leben. Aber es müßte doch tiefer hin noch im Verborgnen etwas zum Grunde liegen, das ihn ſo mächtig von Abgrund zu Abgrund ſtürzte. Und dieſes iſt es, was ich nie aufhören kann, an ihm wie überall für groß zu achten, die Leidenſchaft zum Ewigen.

Warum führſt Du an, Größe fei ein Begriff? Sittliche Größe, und von der allein war hier die Rede, ift über allen Be- griff erhaben; ja faft über alle Lehre: denn über die Tugend kann man nur den belehren, der fie ſchon Fennt. Groß ift eigentlich nur eine fehr unbeftimmte Bezeichnung des Vortrefflichen aller Art; mobei gar nicht immer Vergleich und gemeiner Maßftab ftattfindet, wie in der Größe, nad) der in Preußen die Örenadiere gewürdigt werden. Unſchuld, Liebe, reines Gewiſſen, Geredhtig- feit find etwas Abfolutes und laffen Feine Grade zu, und Fönnen wir nad) unferm Gprachgebraudje von ihnen fagen, daß fie etwas großes find. Die Grade des Mutes, des Berftandes, des Lebens aber laffen ſich durdjaus nicht meffen, weil es Feinen gemeinen Maßftab gibt; und fo ift alle Anwendung der Mathematif auf die Moral vergeblicher Verſuch. Den Wert eines menſchlichen Dinges, mag es fein was es will, darf nur der Kundige und der Edle beftimmen (denn nur diefer fteht auf dem Ort, von dem man die Welt richtig fieht) und auch diefer hat nur eine Stimme; zu reiner Wahrheit gehört nur Allwiffenheit. Nun fdheint nichts fo fehr unfre Pflicht als ftrenge Prüfung. Aber ift es damit gethan, daß mir uns felbft Gewalt antun, zu bezeichnen, zu erflären, zu beweifen was ſich nur fühlen läßt? Das Hilft doch nichts, wenn unfer Sinn niit offen ift nad) allen Seiten, jeden Schein ahndet. Ferner da des Menſchen Geift ſich nur mittelbar Fund gibt, auf fo unendlidy verfchiedne Weiſen, deren jede gleichfam eine eigne Sprache ift, und da es diefer Sprachen

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unendlich viele gibt, fo fcheint die Kenntnis des Menſchen un- endlich zu fein, und wir können Unfehlbarfeit durch Feine Me- thode erreichen. ....

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [63] 11. Dezember 1793 ... Ich habe Schiller nie geliebt, Klopftod lange gar nicht fehr geachtet; vielleicht bin ich eben deshalb um fo mehr gerecht gegen fie, feit der Zeit, da ich aud) andre Dichter verftehe, als die meinem eigentümlidyen Geſchmack befonders analog find. Und nun bitte ich Dich, laß uns diefen Streit auf immer aufgeben; haft Du noch etwas über Bürger zu fagen, fo werde id} es gern lefen, dern gewiß wirft Du über ihn nicht bloß mit Wiß ſchreiben, aber ich werde es nicht beantworten. Gabe und Kunft der Darftellung, Leben hat er in fo hohem Grade, feine Erfindung ift in ihrem befchränften Kreife fo vollendet, daß ich alleufalls zugeben Eann, er bat Öenie, aber nie, daß er Genie ift wie Klopftod und noch mehr Schiller. Daß der legte auch im Leben ein hödhft außer: ordentlicher Menſch ift, davon habe ich viele Bemweife. Ich kenne viele, denen er fich mitteilte; und wenn es mir mannichmal ſchien, daß er feinen Anhängern einen gemwiffen Stempel aufdrüde, fo war doch fein Einflug immer fo mädjtig, wie nur der eines fehr überlegnen Geiftes fein kann: nicht felten fehr vorteilhaft, und faft immer traf er Menſchen, die audy mir von vorzüglichem Bert fdhienen. Das find nun meine Refultate; aber damit Du Dir Eeine falfchen Gedanken machſt ich betvundre eigentlid) keinen deutfchen Dichter als Goethe. Und doch ift er vielleicht nicht grade durch Übermacht des Genies fo unendlich) weit über jene beiden erhaben als durch etwas andres. Etwas, das er doch nur beinahe hat, was allein den griechifhen vorzüglich den athenienfifchen Dichtern eigentümlidh ift....

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15. Dezember 1793

Ich hörte in meinem legten Briefe bei dem auf, mas die Griechen fo ganz von allen andern Bölfern abfondert, fie fo unendlid) hoch über fie erhebt, was weder Kunſtſinn, nod) hohe Bildung, noch Erhabenheit, noch Berftand ift; was aber alles diefes in ſich faßt. Etwas, was ich an modernen Helden durdz aus vermiffe, felbft an Kriedrich, deffen Größe doch der römifchen Erhabenheit ähnlih ift. Ich vermiffe es an Ghafefpeare; und Goethe fcheint es nur zu befigen. Das einzige Werf von Raphael, welches id; Fenne, ſcheint mir von diefem antiken Beifte befeelt.

Die poetifche Gittlichfeit in des Pfarrers Tochter von Tauben» hain fcheint mir nur äußerlich und zufällig; fie kann zur Lehre - und Warnung dienen, zu Gott aber zu erheben, weiß fie nicht, fie wird, wer nur Nerven bat, mit jämmerlidem Ekel erfüllen. Deine Rührung über den braven Mann teile ich ganz; id) geftehe Dir aber in meiner Einfalt, daß ich nur ihm felbjt dafür gedankt habe, dem Dichter nicht mehr, als daß er nichts verdorben hat. Die poetifche Sittlichkeit muß Werk und Verdienft des Künftlers fein, wie fie denn auch Korderung der Kunft ift, nicht Gabe der Natur, die den Stoff gibt. Im Taſſo rechtfertigt wohl eigentlich den Dichter die fefte Ruhe der Darftellung, die ich beim Schluß des Werthers vermiffe, und die Goethe, wenn er den Werther fpäter gedichtet, vielleicht nur mit Flachheit erfauft hätte, wie es fich hie und da in feinen fpätern Werfen zeigt. Diefe Ruhe fol bloß in dem Künftler liegen; denn ftürbe Werther wie ein Held, fo wäre er ganz etwas anders, fo wäre er zu groß für fein Jahrhundert, nicht zu Flein für fein Herz, wie er es wirklich if. Sie ift das Verhältnis einer erhabnen Geele zum Schickſal und allen feinen Schrecken und Bermirrungen. Aber fo wie die GStandhaftigkeit nur in großen Leiden geprüft wird, fo ift fie nur bei mächtiger Erfchütterung ein Verdienſt, nämlid) in Ber: bindung mit Pathos. Das größte Mufter ift hier ohne Zweifel Aſchylus.

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In der Abſicht, Dir deutlicher zu machen, wie id) von der poetifcjen Sittlichkeit denke, und wie wenig id) fie in etwas Zu⸗ fälliges feßen ann, füge ich hinzu, daß ich mir zutraue, den Arifiophanes als Muſter der Sittlichkeit der Eomifdyen Poeſie darzuftellen. Ich kann unmöglid) den Kernando unfittlidy finden, wenn er auch liebenswürdig, und nidjt bloß geliebt wäre. Den Schluß der Stella aber finde ich in Rückſicht der Sittlichkeit vortrefflidh.

Über die Onomapoietica bin ich gegen Schiller ganz Deiner Meinung. Du hätteft auch noch die Auftorität der Griechen für Di anführen Fönnen, befonders den Ariftophanes. Doch muß ich Dich erinnern, daß die Beifpiele aus Goethe eigentlich Aus- Brüche einer Laune find, nicht Nachahmungen eines phyſiſchen Klanges, die ich mir nicht ganz rechtfertigen kann. Denke Dir nur hingegen felbft, mas ein wißiger Schaufpieler oder Gänger aus jenen machen kann. erfenne id; an. Aber vergift und verliert der bildende Künſtler nicht auch ſich felbft, wie der dramatifche Dichter? Verſinkt der Muſiker nidye in ſich felbft, wie der leftere? Kann man nid beides vom Denker fagen? Ich würde fagen, das Weſen des Dichters fei Harmonie innrer Fülle. Das wefentlide Attribut Trieb nad; dieſem Bewußtſein innrer Sülle in Harmonie; die äußre Erſcheinung diefes Attributs Trieb zur Darftellung (nicht Bloß zur dramatiſchen, fondern auch zur lyeiſchen). Iſt aber nicht diefe Bemühung überhaupt vergeblid), den Charafter einer Klaffe von Menſchen, durch eine Definition beflimmen zu wollen? Dein Unterſchied hat mid) noch daran erinnert, daß die mo- dernen Dichter ſich in zwei Klaffen zu teilen fcheinen, die muſi⸗ falifyen und die bildenden. Goethe neigt fidy mehr zu den legten. Bürger, Klopſtock und felbft Schiller find ganz lyriſch. Shakeſpeare möchte ich LovoLxoTaTo» To» Nomtwy nennen: und wieder ift er dramatifcher wie irgend ein neuerer Didjter. Doch befenne id), Dir fcheinen diefe beiden Elemente feines Genies abgeriffen zu wirfen, nicht fo ſchon vereinigt, wie bei allen griedjifchen Dichtern.

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Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm (64) 10. Sebruar 1794

... Mit Begierde erwarte id Deine Abhandlung über Eu— rhythmie, und werde fie umftändlichft beantworten. Grade jeßt eriffft Du mit meinen Unterſuchungen zufammen. Den Grund» faß: alles was dem Sprachwerkzeug ſchwer und mühfam, ift dem Gehör unangenehm, kann ich nicht ganz gelten laſſen. Im Griechiſchen kommen oft fehr viel Längen und fehr viel Kürzen hintereinander vor; gewiß ift das rohen Organen ſchwer, ja uns möglid. Und idy würde mich nicht wundern, wenn ein foldhes Drgan fihon deshalb die Muſik der Griechiſchen Sprache für lÜbellaut erflärte. Aber, würde id) fragen, ift es leichter zu fingen oder zu reden? zu reden oder zu lallen? oder zu ſchreien? und ift nicht überall das Weichliche mehr vom Schönen entfernt, wie das Harte? Wenn id Dir auch zugeftehe, daß die deutfche Gprade hart ift, fo mußt Du doch bemeifen, daß fie der Schön- heit nicht fähig fei, wobei es wohl mehr auf ihren Rhythmus an- fommt. Denn Deine Behauptung, daß finnlicher Reiz das erfte Erfodernis einer Sprache fei, daß ohne diefen Schönheit und Rhythmus nicht wirken Eönne, haft Du nicht ertviefen.

Es war zwar zuerft die Neigung, melde mich antrieb, die Kunft da zu erforfchen, wo fie einheimiſch if. Daß ich aber in dem Entwurfe meines Lebens mit der Kunft den Anfang mache, das ift fo tief in meiner Natur und in meinen Abfichten ges gründet, daß vielleicht nur ich felbft den Grund davon einfehen fann. Auch vermag id Dir dies und mein ganzes Verhältnis zu derfelben nicht mitzuteilen. Gie felbft ift mir notwendig, und erft dann ftrebe ich fie mitzuteilen, in fomeit die Natur und meine Kräfte es vergönnen. Vielleicht irre ich nicht, wenn ich zur Kunft aud) diejenige Philofophie rechne, deren Zweck nicht Wiffen- fhaft fondern die Mitteilung des Schönen durch den Berftand ift, nämlidy die Philofophie des Sokrates. Du erinnerft Did) einiger mitgeteilten Plane in Göttingen. Gie find nicht ver- geffen und enthielten den Keim meiner jegigen Abſicht. Ich

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habe diefe Periode erft angefangen, und ich kann mid alfo vielleicht irren, wenn id; den Übergang zu der nächſten ſchon deutlich vorauszufehen glaube. Darüber alfo jegt nicht weiter....

Caroline an Meyer [65] Gotha, 20. Februar 1794 ... Die Berfchuldungen meiner ehemaligen Sreunde, die Fehl⸗ tritte, zu denen ich hingeriffen wurde, ja meine Tugenden felbft haben fid) gegen mid) verſchworen der wunderbare Zufall fo gut wie die natürliche Folge meiner Handlungen drüdt mid) nieder und ich kann nicht verlangen, daß es anders fein foll. Wer fennt mid), wie ich bin wer kann mid) Eennen! Man hält mid) für ein vermorfnes Gefchöpf, und meint es fei ver: dienftlich, mich vollends zu Boden zu treten. Die Verwuͤnſchungen, die über Iherefe ausgefprocdhen mwerden, treffen mich mit. lim diefe Situation zu überwinden, müßt id) wahrhaftig eine Zaube- rin fein. Wiſſen Sie Feine Hütte für mid)? Ich bin ja ausgefloßen und muß mwenigftens ins Sreie bliden können in einen Spiegel, der mich nicht entftellt zurückwirft. Ich fürchte, der Schritt war falfch, unter befannte Menfchen zu gehn. Zwar will ich nicht zu früh urteilen vielleiht Fann ich aud) dies noch durch Sanftheit befiegen die Gefahr lauf ich nicht, es duch Erniedrigung zu tun. Du wirft mich nicht für mutlos halten, weil ich lebhaft gerührt bin Du kannſt nicht von mir erwartet haben, daß ich mit gemachtem Heldenmut diefer Art von Leiden troßen follte fo wenig als daß es mich mit mir felbft follte uneins machen. Der gemöhnten Achtung entbehren ift das härtefte ich habe Genügfamkeit, die mich jede Einfchränfung tragen lehrt ich bedarf den Umgang und die Liebe der Menge nicht aber Fann ich gleichgültig bleiben, wenn meine Freunde in Berlegenheit durch meine Gegenwart geraten?... Augufte ift ein glüdlidyes liebes Mädchen fie gefällt fehr

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durch ihre entfchloffnen und graden Antworten und das Leichte in ihrem Tun und Wefen. Ich babe fie gefragt, ob Du ihr gefieleft, was Du mir auftrugft fie hat fehr weiſe erwidert: ih Fenne ihn noch nicht....

Friedrich Schlegel an Auguft Wilhelm [66] Dresden, 27. Februar 1794 ... Der Gedanke madt mir Vergnügen, daß unfre Ber ftrebungen, fo verfdhieden fie auch find, dennoch vielleicht an dem⸗ felben Ziele zufammentreffen. Das Problem unfrer Poefie fcheint mir die Dereinigung des Weſentlich- Modernen mit dem Wefent: lich Antiken; wenn id} hinzufege, daß Goethe, der erfte einer ganz neuen Sunft-Periode, einen Anfang gemadjt hat, fich diefem Ziele zu nähern‘, fo wirft Du mid; wohl verftehen. Wenn Du den Geift des Dante, vielleicht auch des Shakeſpeare erforfcheft und lehreft, fo wird es leichter fein, dasjenige was ich vorhin das Wefentli: Moderne nannte, und was id) vorzüglich in diefen beiden Dichtern finde, Fennen zu lernen. Wie viel würde dazu auch die Gefchichte der romantifchen Poeſie beitragen, zu der Du einmal den Plan faßteft? Die Geſchichte des neuern Dramas, und des Romans wäre dann vielleicht nicht fo ſchwer. Da Du Did ſoviel mit römifcher Pitteratur befchäftige haft, follte es Dir nicht leicht und angenehm fein, eine Gefchichte des Eigentlich- Römiſchen in der Poefie zu ſchreiben, deffen freilich mohl nicht gar viel ift. | Iphigenie Hat mir Caroline vorgelefen. Wie fie lieft, weißt Du wohl, und id} geftehe Dir, daß die Muſik diefes Werks mir der geflügelten Fülle und der Fräftigen Zartheit der Alten nahe zu fommen fcheinen....

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Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [67]

5. April 1794

... ©eit einem Monat habe id, Feine Nachricht von Caroline. Damals litt fie vie. Wenn fie nur gefund iſt! Du haft es fonderbar genommen, mir ift unbegreiflih wie das Eure Ber: bindung verfpäten Fönnte, daß fie ihr notiwendiges Leiden, mehr als recht ift, fühle? Ich würde, was ich befchloffen hätte, auf das Gchnellfte und Entfciedenfte ausführen. Berfpäten das heißt langfam vernichten. Ich beſchwöre Dich Caroline nicht durch Unbeftimmtheit zu verderben. Ich wünſche Nachricht von Deiner Rüdfehr, Deinem Borhaben.

Deine Teilnahme an meinem Werke, Deine Erinnerungen und Mitteilungen find mir ein teurer Beweis Deiner Sreundfchaft. Heute bin ich unfähig Deine Diatriben zu beantworten, Dir den Plan meines Werks mitzuteilen: es wird nicht fo lange fein, daß ih Dir das Werf felbft darreidhen fann. Zmar habe id, die Hoffnung aufgegeben, vor Ende Yuni, ehe ich nach Pillnig gehe, die legte Hand dran zu legen: aber das Wenige Übrige werde ich Fünftigen Winter in vier bis ſechs Wochen vollenden Fönnen. Das Meeifte, was Du verlangft ift ſchon gefchehen; das Werk ift aber von noch größerm Umfange, als Du angiebf. Die Geſchichte der Griechifchen Poefie ift eine vollftändige Natur: gefehichte des Schönen und der Kunft, daher ift mein Werf Aſthetik. Diefe ift bisher noch nicht erfunden, fie ift das philo- fophifche Refultat der Gefchichte der Afthetit und auch der einzige Schlüſſel derfelben. Das philofophifche Gefprädy, Biftorifche Kunft, Beredfamkeit verhalten fidy zur Poefie etwan wie Bau: kunſt zur Bildhauerfunft; fie enthalten Poetifches: die Lehre von diefem und deffen Gefchichte macht vielleicht ein weſentlich Stück meines Werks. Doch bin ich noch nicht entfchieden.

10 Romantiker⸗Briefe I 45

Novalis an Friedrich Schlegel [68] Weißenfels, ı. Auguft 1794

Endlid wieder ein Brief von Dir! Der alte befannte Kopf auf dem Giegel mwedte mic; aus tiefem Gchlummer. Ich fah lange die Züge Deiner Hand an und wollte nur nicht glauben, daß ich wirklich Did) vor mir hätte. Gott fei Dank! ftammelte ich gegen Kommerftedt, der von mir gewohnt ift, daß ich meine meiften Briefe erft binnen acht Tagen Öffne oft gar nidht, wenn ich weiß, von wen er ift und riß den Brief auf. Ein ganzes volles Jahr verſchwand aus meiner Erinnerung es rüdte alles fo nah zufammen und mir war, als hätt ich lange geträumt. Noch immer der gute, innige Öchlegel, voll Zutrauen und Hoffnung. Go manches ift vorübergegangen in Sreud nnd Leid, und Du bift mir freu geblieben und haft mein Andenken nicht auf Sand am Ufer gefchrieben. Ich war wirklich feit acht Tagen mit einem Briefe an Didy in Gedanken befhäftige denn das Fannft Du wohl glauben, daß ich Dich nie vergeffen haben kann aber Du warft mir zuvorgefommen. Was mid) am meiften freute, war, dag Du mit fo viel Heiterkeit fchriebft. Ob fie ganz edit ift, gefraue ih mir nicht zu entfiheiden. Zu den Unerfättlichen hab ic) Dich immer ein wenig gerechnet. Wie gern fäh ich Dich in Deinem Patmus, laufchend auf die Ein- gebungen der Natur, und ob Du einen Nachhall vergangener Tage ertappen fönneft. Du Fönnteft recht froh da leben, wenn Du einig wärft mit Dir und der Welt und Dich mit Deinen Bedürfniffen knapp einfchränktefl. Wer weiß, ob es nicht fo ift aber Mitteilung, Teilnahme, Arm, an dem Du mwandelteft das wird Dir fehlen und wird Dir fehlen, wie es Feinem fehlt. Neulich erfchrad ich recht. Ich war in Leipzig und faß more modoque consueto bei Donna Efter. Ein junger Menſch feste fich zu mir Meſtmacher. Er fing an von Dir zu reden, redete nad) feiner Art warm von Dir, aber Elagte, daß Du fo fremd und krank ausgefehen hätteft, und Dein Geficht nicht von innerm Frieden ſpräche. Er erzählte weiter, daß Du bei einer

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froben Partie traurig und froftig gefjienen und gar nicht mit jugendlichem Mut aufgelodert mwärft. Dies beftimmte mid, fo glei) zum Schreiben an Did), das ich wirflidy teils unterlaffen, weil ein Tag mir nad) dem andern vor dem Cramen trüb und feelenlos hinfloß, teils weil ich hoffte, Dich nach einer folchen Paufe fröhlich zu überrafchen und Did, mitten im geiftigen Ge nuß wie einen Apicius zu finden, glänzend und heiter. Gonft hab ich auch Feine Sterbengfilbe von Dir gehört, und alles (pannte meine Erwartung. Den Oftermeßkatalog nahm id; begierig her Dein Grundfag, nie anonym zu fehreiben Dein Name wear nicht zu entdeden. Nun weiß id doch, was Du vorhaft, was Du Dir für einen Umgang unter Deinen Gedanken gewählt haft, und genieße Dein Bud ſchon halb in der phantaftifchen Borftellung, die ich mir davon made. Ich wünfdhte freilidy jegt fehnlich die Politif eher zur Welt; die liege mir jege näher am Herzen. Könnt id mit Dir jegt reden über meine Lieblings: gedanken bei Tag und Nacht, Du würdeft mir und mandjem nüßlich fein, fintemalen jeßt die Zeit der Anwendung vor der Tür ift; und deutlid muß ich mir felber noch werden.

Neulich nody hab ich Deine Zauberfraft auf menfdlichen Geift bewundert. Ich las einen recht viel verfprechenden Brief von Lent lang und voll Analyfe und Kritik und mitten drin hie und da Züge Deiner Urbilder Kopien, die mich überrafcdhten, wie in Haͤberlins Reichsgeſchichte eine Klopftodifche Ode. Ich traue ihm wirflid) Wärme für Dinge zu, die nicht von heut und morgen find, wahres SYntereffe an den Angelegenheiten der Menſch⸗ heit. Plato aber und die Republik find Pfropfzmweige. Zachariä hatte herzliche Sreude; ich wollte fie ihm nicht ftören mit einer Bemerkung, die nur die Eitelkeit Eränfen Fann.

Mir behagts auch in der Einſamkeit herrlih. Es find viel⸗ leicht die legten ruhigen Monate. Cine weite, tumultvolle Zeit wird folgen, und mie gewidjtig wird dann jeder wohlangelegte Augenblid meiner Ruhe. Die Natur fcheints darauf abgefehen zu haben, die Schuld hernady auf mich wälzen zu Fönnen, wenn

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ich ftolpre; denn an Belehrungen und Erfahrungen hat mirs nie gefehlt, und jest brauch ich nur hinzuhören, hinzufehn, wohin ich will, fo finde ich, was mid; leitet, ftärft und erhebt. (jedes Bud), das ich in einem Winkel liegen fehe, mas der alltäglichite Zufall mir in die Hände fpielt, ift mir Orakel, ſchließt mir eine neue Ausficht auf, unterrichtet und beflimmt mid).

Doch ih muß Dir kurz zuvor noch erzählen, wie mirs im ganzen gegangen ift. Ich habe in Wittenberg faft total meine Lieblingsbefchäftigungen verlaffen. Studium churſächſiſcher Gefese nahm alle meine Zeit weg. Mit den Beften war ich befannt, und da fie etwas aus mir machten, fo lebte ich gern und frei dort. Jeder Tag hatte feinen Plan, feine Hoffnung. Wünfche quälten mich nicht fehr, id) wies alle auf die Zeit hin nach über: ftandenem Examen. Zerftreuung hatte ich genug, mit der erften Zenſur war id) um einen guten Schritt weiter. Der Pedantis- mus der Schule war nun überftanden, und ich war mit dem zweiundzwanzigften Jahre frei, munter und mutig. jest hat mein ganzer Charafter einen politifcy= philofophifchen Schwung erhalten und zwar fehr unmerflid. Ich bin plöglich von Witten: berg mweggegangen, um mid) allein zu haben, des jugendlichen Lärms hab ich genug. Hier erwart id) gelaffen den Ruf meines Schickſals: denn mein Leben ift fchon fertig, ich habe nur einen Zweck, der ift überall erreichbar, mo ich tätig fein Tann; doch hab ic mir nicht, wie ein Spießbürger, allzu enge Grenzen gemacht. Bleib ich gefund, fo muß ich ein Marimum für mich erreichen; ich bin wenigftens jeder Art von Aufklärung fähig, und dies ein- zige berechtigt mich vielleicht ſchon zu Fühnen Anfprüchen. Ich will Did, ruhigen Bürger nicht langweilig von meinen Träumen unterhalten, doc, wiffe, daß ich gewiß Deiner würdig bleibe und werde. Wir Fönnen doch eine Bahn gehn pergiß meine zweiundzwanzig Jahr auf einen Augenblid und laß mir den Traum vielleicht wie Dion und Plato. Heutzutage muß man mit dem Titel Traum doch nicht zu verfchtwenderifch fein. Es realifieren fidy Dinge, die vor zehn Jahren nody ins philofophifche

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Narrenhaus verwiefen wurden. Magnis tamen excidit: ausis. In einem Monat muß viel für mid; entfchieden fein, in der Wahl des Weges blog. Du erfährft alles, fowie id} doch auch von Dir etwas erfahre. Was macht denn Schweinitz und Carlowitz? Aud nicht ein Wort ſchreibſt Du. lich intereffiert jeßt zehn- fach jeder übergewöhnliche Menſch: denn eh die Zeit der leid; heit kommt, brauchen wir noch übernatürliche Kräfte.

Du glaubft nicht, lieber Junge, wie ganz ich jegt in meinen Ideen lebe. Es find die Tage des Brautftandes, noch frei und ungebunden und doch ſchon beftimmt aus freier Wahl. Ich jehne mich ungeduldig nad Brautnacht, Ehe und Nachkommenſchaft. Wollte der Himmel meine Brautnadjt wäre für Defpotismus und Gefängniffe eine Bartholomäusnadt, dann mollte idy glüd- liche Eheftandstage feiern. Das Herz drüdt mid), daß nicht jest ſchon die Ketten fallen wie die Mauern von Jericho. Go leicht der Sprung, fo ftarf die Schwungkraft und fo ſtark der mei- bifchte Kleinmut. Gtarbrillen find nötig zum Starſtechen ift die Zeit noch nicht. Aber immer ein Zirkel: zum Kreidenfen ge- hört Sreiheit, zur Freiheit frei denken; zum Zerhauen ift der Knoten, langfames Nefteln hilfe nichts.

Schreibe mir bald wieder meine Antivort foll nicht zaudern und vergiß nie wieder, daß ich Dich nicht vergeffen kann, und daß es Hypotheſe, pure, blanfe Hypotheſe war von der diver- gierenden Bahn, ein Schuß in die blaue Luft. Unfer Gang muß Approrimation fein, bis wir beide von einer Flamme anzünden linfs und rechts um uns her, wie zu Weihnachten, mo denn das neue Jahr acht Tage darauf fällt.

Caroline an Meyer [69] Gotha, 30. Auguft 1794

... [Augufte) ift ein fiebensmwürdiges, holdes, fchüchternes Ge» ſchöpf. Wenn Gotter ihr fagt, bring mir ein Glas Waſſer,

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Sräulein Iſabelle, fo errötet fie von einem fanften Widerſchein, als wenn ein rofenfarbner Schleier fie ummallte. Es ift fdyade, daß fie dabei ift, wenn wir zufammen nad; Dresden fahren, fonft Fönnt ih Dir viel von ihrer himmlifchen Einfalt, ihrer Lebensmweisheit, von allem was fie weiß und nicht weiß, erzählen. Gie ift gewiß ein fehr intereffantes Wefen, und ich glaube, fie erhält grade die Bildung, welche diefer Gtoff bedarf....

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [70] 7. Dezember 1794

Nimm meinen heißen Dank für die Zärtlichkeit mit der Du meine Erftgeburten aufgenommen haft. Dein Beifall war mir der füßefte Gelbftgenuß, in dem ich feit geftern Abend ſchwelgte und mid) beraufdjte. Daran bift Du ſchuld, daß ich heute nichts habe mache Fönnen, als mid; meinen unruhigen Phantaſien über: laſſen. Du haft es aud zu toll gemacht: Alles was ich zu leiften mag, Fannft Du wohl Dein nennen, und wenn man das Geinige lobt, muß man immer etwas Befcheidenheit bewahren. Indeſſen mag es fo hingehen; ich werde fuchen, was Du diefen unreifen Arbeiten ſchenkſt, durch die folgenden zu verdienen; id) allein kann mid) meiner noch nicht erfreuen. Noch lange nicht wird die Zeit fommen, mo ich es darf. Bis dahin fei Dein Beifall meine Zu: friedenheit und der Lohn meiner Anftrengung.

Meinen Jubel über Deine befchloffene Rüdfehr und meine Steude über den Dante. Ich ftimme SKarolinen bei; mit der Ruhe haft Du noch nie gefchrieben. Aber auch hat Dein Gtil in einer andern Rüdficht fehr gewonnen. Er ift nervöfer. Ich kann Dir Deine Kritifen nicht vergelten, ich habe nicht das Talent. Nur mit einigen allgemeinen Bemerfungen begnüge Did). Über den Dante find wir ohnehin ganz einverftanden, und an Deinen Überfegungen Fann es mir nicht einfallen zu Eritifieren. Es hat mir gefchienen, als wäre die Gtelle von den Teufeln,

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dafür daß fie auf den erften Anblick etwas beleidigend ift, zu lang. Allein fie ift freilich fehr charakteriſtiſch und fehr Eraftvoll. Das Beleidigende trifft eigentlid nur die erfte Leftüre und um die Länge zu beurteilen müßte man das ganze Werk vor Augen haben. Alsdenn möchte idy im allgemeinen Dich erinnern mit eingewebten Bemerkungen und Geſchichte nicht zu fparfam umzugehen, wenigſtens nichts von dem, was Du etwan im Manuffript oder im Gedanken haft, dem Lefer zu unterfchlagen, aus Furcht das Werk zu fehr aufzuſchwellen. Auch die Stellen, welche Karoline nicht kraft ihres Richteramtes, fondern Eraft ihrer Weiblichkeit ausgelöfcht hat, laß Dir nicht unterfchlagen. Ein einzig Mal fchien es mir, als ob Du in Gefahr ſchwebteſt, in einen Fehler zu fallen, vor welchem Du etwas auf der Hut fein mußt, nämlich dem Hange zu einem ſchwärmeriſchen Kolorit im Ausdrude. Es ſcheint mir überhaupt, dag Du nur zwei Klippen im Gtil zu meiden haft. Beide entfpringen entfernterweife aus dem edelften Zeile Deines Wefens und greifen eben darum Deinen Werken ins Leben. Go fehr id, aber glaube, dag Du in diefen beiden Punften unerbittlidh ftreng gegen Dich fein mußt, fo wünfchte id), daß Du Dich übrigens ganz frei Deinem Hange überließeſt. Die Scylla Deines Stils ift der heilige Unmut, die Reizbarkeit, die unvız die Du vermutlich vom Achilles geerbt haft. In diefem Stüde habe ich allen Refpeft vor Karolinens Tribunal, der gewiß nicht der leifefte Mißton diefer Art entgeht. Kür jegt bift Du untadelig; aber wenn Du vielleicht in der, Kolge einmal angegriffen wirft, oder doch gereizt wirft, fo wird es vielleicht einiger Wachſamkeit brauchen. Die Chargbdis mas id) vorhin nannte ‚das heilige Ahndungsvermögen‘. Ich möchte nicht, dag Du dem Publitum Vorſchub täteft, Dich wie Jacobi zu ver- fennen, welches der fichre Erfolg ift, und dann finde ich auch den äfthetifchen Lurus, den Herder und Jacobi mit der Kunft: fpradje der Schmwärmer treiben, überflüffig und felbft geſchmack⸗ widrig. Wie viel edler ift die Einfalt des Hemſterhuys und die Beftimmtheit des Windelmann. Dein Stil war immer frifd)

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und fläffig, jeße ift er auch nervös. Du vereinigft beinahe ſchon vollkommen die reine Bildung Windelmanns mit Herders Lebendig- feit und mit Müllers Mannheit. Aber noch außerdem haft Du die Anlage zu etwas, was ich nicht nennen Fann, weil wir Fein Wort dafür haben, auch ift mir die Sache bei feinem Modernen borgefommen, außer ein Verdacht davon bei Hemfterhuns. Die Alten nannten es Duft. Go ſagt Dionys fehr richtig: ‚über Platos Werfen ſchwebet ein Duft des Altertums xvovc doyaıo-. tntog.‘ Es ift wie die lebendige Luft in Claude Lorrains Land» fhaften. Ich wünfche fehr Deine Entwürfe zu mwiffen, mas Du vornehmen mwillft, wenn Du frey bifl. Ich bin fo reich an Pro⸗ jeften, daß ich heute audy weldye für Dich ausgehedit habe. Ich unterwerfe fie Deiner Nachficht; weil Du mir Deine nicht mit. teilft, fo muß ich mir helfen und felbft mas ausdenfen; was die Poefie betrifft, fo kommt es aufs Schickſal an, wie fehr Dich die Sreiheit begeiftern wird; darüber läßt ſich nichts im voraus beftimmen. Und vermutlich wirft Du die Überfegung des Shake— fpeare wohl auch fo treiben, nicht als Arbeit, fondern als Geſchenk der Mufe. Bift Du fchon über die Arbeit beftimmt, welche Du zunächft vornehmen willſt? Mir ſcheint Dein Talent zur Gefchichte, befonders zur Biographie überwiegend: ich glaube, Du vereinigft die Eigenfchaften, die dazu gehören, in einem fehr feltnen Grade. Wie wäre es, wenn Du damit anfingft, alle Flaffifchen Werfe (und nur diefe) über neue Gefchichte zu ftudieren: um Dir Deine Überſicht vom Ganzen vollftändiger zu machen, und etwa befondern Stoff auszuwählen. Cine Gefdjichte der romantifchen Poefie oder der italienifchen Republifen, an die Du fonft wohl dachteft, ſcheint mir für jegt gleich zu umfaffend, zu mühſam. Sn der deutfhen Gefchichte find herrliche Gegenftände zur Biographie ganz ungenußt. Kriedrich II. kennſt Du aus italienifchen Gefchichtsfchreibern; und die Scharteke, die in der. Literatur-Zeitung fo gepriefen wurde, darf Dich nicht hindern. Allein ich möchte Dich vorzüglich auf Rudolf pon Habsburg aufmerffam machen. Ich bitte Dich ernftli im erften Teile

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des Müller nachzuleſen was er ‚von ihm ſagt. Es wäre Deiner würdig auch diefen erhabenen Mann der Nacht des Mittelalters zu entreißen, und ihm wie dem Dante ein bleibendes Denkmal zu feßgen, zugleich ein Denkmal Deines eignen Beiftes. Was ich Dich aber aufs allerernftlicfte zu überlegen bitte, ift fol- gender Einfall, welcher mir wirklich glüdlich ſcheint. Du follteft ein Wer? organifieren (ohngefähr mie Schillers hiſtoriſche Mes moiren, nämlicd; Auszüge und Überfegungen aus Haffifhen Geſchicht⸗ fepreibern der Italiener und Spanier, weldje in Deutfchland eigentlidy wenig bekannt find; mit Anmerkungen, Zufäßen, Eins leitungen uf. Wenn es auf die rechte Art angefangen wird, fo zweifle ih nicht, dag Du einen Verleger und ein Publifum fändef. Dann würde das Werf Dir ein beträchtliches Ein» fommen gewähren, bei einer Arbeit die Dir angenehm und ver- mutlid) größtenteils fehr leicht wäre. Du hätteſt zugleidy ein Behifel, Eleinere hiſtoriſche Auffäge von Dir, ja alle Gedanken, die Du bei Gelegenheit des Hiftorifchen Studiums hätteft, zu nußen und ins Publifum zu bringen. Allein freilich erforderte diefer Plan, dag Du feine andre Arbeiten vornähmeft, und Dich außer den Eingebungen der Muſe, auf das Hiftorifche Gtu- dium einfchränfteft, Rezenfionen, förmlidem Mlitarbeiten an Journalen, Unterricht, Überfegen uf. entfagteft. Du Fönnteft immer noch nebenhin hiftorifche neue Werfe überfegen; allein die Konkurrenz ift hier gewöhnlich fo groß, daß nicht viel Gegen herausfömmt. Ich ſtelle mir vor, diefe Plane feien Dir fehr angemeſſen auch haft Du wohl fo viel Grund gelegt, daß die Mühe ehe Du zum Genuß gelangteft, mäßig wäre. Du bift mit allen neuen Sprachen völlig befannt, und mit der italienifchen Geſchichte auch, und was das größte ift, Du Fennft den Geift des Mittelalters durch den Dante. Vor allen andern vergiß nie: Dein Zalent zur Biographie ift entfchieden. Mit dem ‚heiligen Ahndungsvermögen‘ von Herder und Humboldt ver⸗ bindeft Du eine weit männlidyere Würdigung des fittlichen Wertes, wovon Stellen in Deinem Dante, 3.B.die von Farinata, untrügliche

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Dokumente find. dh beſchwöre Dich, Dein Talent nicht zu zer- ftreuen; ich würde nicht fo reden, und mich fürchten unbefdyeiden zu fcheinen, wenn id) nicht fo feft überzeugte wäre, und wenn id) nicht glaubte, daß einige Gefahr da fei, Du felbft möcdhteft Dein Talent mißfennen. Ich will gar nicht fagen, dag Du es auf den Profeffor der Gefchichte anlegen follteft; ich wünſche, dag Du nur grade fo gelehrt mwäreft, als zu Deiner Kunft notwendig wäre, und als Deine Neigung Dich triebe; und die Profefforei wäre vielleicht Feine gefunde Lebensart für Didh....

Schelling an Hegel [71] Tübingen, am heil. Dreifönigsabend 1795

Du erinnerft Did alſo doch noch Deiner alten Freunde? Beinahe glaubte ich mid; und uns alle von Dir vergeffen. Über: haupt ſcheinen unfre alte Befannte uns nimmer zu kennen. Renz ift in unferer Nähe; wir fehen und hören nichts von ihm, und Hölderlin ich vergab es feiner Laune, daß er unfrer noch nie gedacht hat. Hier meine Hand alter Freund! Wir wollen uns nimmer fremd werden! Ich glaube fogar, wir Eönn- ten uns indeß neu geworden fein: defto beffer zum neuen Anfang! Willſt Du wiffen wie es bei uns fteht? Lieber Öott, es ift ein @vxuog eingefallen, der dem alten Unfraut bald wieder auf: helfen wird. Wer wird es ausjäten? Wir erwarteten alles von der Philofophie und glaubten, daß der Stoß, den fie audy den Tübinger Geiftern beigebradjt hatte, nicht fo bald wieder ermatten würde. Es ift leider fo! Der philofophifche Geift hat hier bereits feinen Meridian erreiht vielleicht daß er noch eine Zeitlang in der Höhe Freift, um dann mit afzeleriertem all unterzugehn. Zwar gibt es jet hier der Kantianer die Menge aus dem Munde der Kinder und Gäuglinge hat fidy die Philofophie Lob bereitet aber nad; vieler Mühe haben nun endlich unfere Philofophen den Punkt gefunden wie weit man (da es nun ein-

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mal ohne die leidige Philofophie nimmer fort will) mit diefer Wiſſenſchaft gehen dürfe. Auf diefem Punkt haben fie ſich feft- gefegt, angefiedelt und Hütten gebaut, in denen es gut wohnen ift, und wofür fie Gote den Heren preifen! Und wer wicd fie noch in diefem “Yahrhundert daraus vertreiben? Wo fie einmal feft find, da bringe fie der weg! Eigentlich zu fagen, haben fie einige Ingredienzien des K.fchen Syſtems heraus- genommen (von der Oberfläche verfteht ſich), woraus nun tanquam ex machina fo Fräftige philofophifche Brühen über quemcunque locum theologicum verfertigt werden, daß die Theologie, welche ſchon hektiſch zu werden anfing, nun bald gefünder, als jemals einhertreten wird. Alle möglichen Dogmen find nun ſchon zu Poftulaten der praktiſchen Vernunft geftempelt und, mo theoretifd}- hiſtoriſche Beweiſe nimmer ausreidyen, da zerhaut die praftifche (tübingifche) Bernunft den Knoten. Es ift eine Wonne den Triumph diefer philofophifchen Helden mit anzufehen. Die Zeiten der philofophifchen Trübfal, von denen gefchrieben fteht, find nun vorüber! Wenn ein großer Mann erfdjeint und einen neuen, meteorifdjen Gang; weit über die Köpfe der bis- herigen Menſchen weg, vorfchlägt, wie angft und bange wird es da dem großen Haufen der gemäßigten, mohlgeregelten Menſchen, die die Mittelſtraße wandeln, und welche Not ift es, bis fie endlich, im Schweiße ihres Angefichts zwifchen dem neuen, erzentri- ſchen und dem alten bequemen und abgetretenen Wege eine neue Mittelftraße gefunden haben, auf der ein rechtlicher Mann in Fried und Ruhe einträdhtig mit anderen Parteien wandeln Fann. Diefe Mittelftraße ift nun gefunden! Nun Friede und Ruhe und fanfter Schlaf mit ihrem Geifte an allen Enden und Orten! Gie haben nun wieder ausgearbeitet! Ihr Maß ift voll!

Du ſchreibſt von meinem Auffage in Paulus’ Memorabilien. Er ift ſchon ziemlich ale flüchtig gearbeitet, vielleicht aber doch nicht ganz umfonft gefchrieben. Bon meinen theologifchen Arbeiten fann ich Dir nicht viel Nachricht geben. Geit einem jahre bei- nahe find fie mir Nebenſachen geworden. Das einige was mid)

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bisher intereffierte waren hiftorifche Unterfurgungen über das X. und N. T. und den Geift der erften chriſtlichen Jahrhunderte. Hier ift noch am meiften zu tun feit einiger Zeit aber ift auch dies abgebrochen. Wer mag fidy im Staube des Altertums be- graben, wenn ihn der Gang feiner Zeit alle Augenblidle wieder auf- und mit fich fortreißt. Ich lebe und webe gegenwärtig in der Philofophie. Die Philofophie ift noch nicht am Ende. Kant bat die Refultate gegeben: die Prämiffen fehlen noch. Und wer fann Refultate verftehen ohne Präamiffen? Ein Kant wohl, aber mas foll der große Haufe damit? Nichte, als er das legte Mal bier war, fagte, man müffe den Genius des Gofrates haben, um in Kant einzudringen. Ich finde es täglidy wahrer. Wir müffen noch weiter mit der Philofophie! Kant hat alles weggeräumt aber wie follten fies merfen? Bor ihren Augen muß man es in Stüde zertrümmern, daß fies mit Händen greifen! O der großen Kantianer, die es jege überall gibt! Gie find am Buchſtaben ftehen geblieben und fegnen ſich, noch foviel vor fi) zu fehen. Ich bin feft überzeugt, daß der alte Aber» glaube, nicht nur der pofitiven, fondern audy der fogenannten natürlichen Religion in den Köpfen der Meiften fdjon wieder mit dem Kantiſchen Buchſtaben Fombiniert if. Es iſt eine Luſt anzuſehen, wie ſie den moraliſchen Beweis an der Schnur zu ziehen wiſſen ehe man ſichs verſieht, ſpringt der deus ex machina hervor das perfönlich individuelle Weſen, das da oben im Himmel fige!

Fichte wird die Philofophie auf eine Höhe heben, vor der felbft die meiften der bisherigen Kantianer ſchwindeln werden....

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [72] 20. “Januar 1795

... Humboldt ift ein philofophifcher Hofmann. Ich Fann es nicht leiden, daß .er einem jeden gerecht fein will. Auch wird es

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ihm teuer zu ftehen Eommen, eine geiftige Echo fein zu wollen, alle einzelne Perfönlichkeiten in fidy zu vereinigen. Er wird feine Beftandheit zulegt verlieren, wenn es nicht ſchon gefchehen ift, und entmannt, feinen Ton mehr geben Eönnen als einen fremden. Er wird aus ſittlicher Unmäßigkeit Banfrott machen.

Mit Karolinen bin ich jest ganz wohl zufrieden, lieber Gevatter. Du braudft fie alfo nicht zu ftrafen, welches doch zulegt auf Dein Haupf zurüdfehren möchte. Ich Tann es mohl leiden, daß fie fi) an mir zuweilen eine Güte tut, meil fie es doch bei Dir nicht mehr Tann; mo es auch zu ernfthaft. Gollte es zu toll werden, fo werde ih mich ſchon meiner Haut wehren. Alles Üble in ihrer Geele treibt nad) außen, fo wie in den gefundeften Konftitutionen die Krankheitstoffe in die Ertremitäten fahren. Gute Nacht.

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [73] 16. uni 1795

.. Dein Brief enthält einmal wieder eine demi-confidence, id)

liebe fie nicht fo wenig wie alle demi-mesures. Ich bin aber weit entfernt Angft und Kummer zu empfinden über etwas, was mir nur Unmillen verurfachen Eönnte, wenn es ernfthaft genung wäre. Wenn Du um einige Stunden Genuß Karoline einen Augenblid Kummer machen twillft, fo werde ich Dich haffen. Überhaupt nimm Did, in Acht vor Übermaß in bonnes fortunes. Kömmt es von felbft, fo ift es eine recht artige Sache. Eine foldye Er: frifhung zu rechter Zeit ift äußerft mohltätig, fie verbreitet eine gewiſſe finnliche Ruhe über das Leben und erquidt auch den Geiſt zu neuer Seiterkeit, fie gibt der Manier eine Dreiftigkeit und Eleganz, die. nicht zu verachten find. Routine gibt in allen Dingen Guperiorität, aber eben darum ift fie hier fo gefährlich, Übermaß fo leicht, und das Bleinfte fo gefährlich. Miſcht fich Eitelkeit drein und nicht blog Sinnlichkeit, fo ift der Charafter

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in Gefahr verloren zu gehen. Die Weiber madjens mit Die bald wie mit einem gemwiffen andern Wilhelm, den Du erft in Deutfchland wirft Fennen lernen. Es ift wahr, bonnes fortunes multiplizieren ſich felbft wie Schulden. Und kaum ift ein Jude fo ſcharfſinnig, die Größe Deines Defizit an Deinem Gefidjte zu mefjen, als eine unſchuldige Frau den Lauf-Fettel in den Augen zu lefen, zu dem die erfte unfchuldige Frau dem eiligen Reifenden ihren erften Beitrag mitgab. Nächftens mehr. Lebe herzlich wohl.

Caroline an $riedrid Schlegel [74] Braunfchtveig, Juni 1795?

... Sriß, es gibt zwei Bücher, die Gie lefen müffen, und das eine derfelben Enüpft fidy in meiner Erinnerung an die Materie vom Wiffen an. Das ift Condorcet. Er gehört in Ihr Fach indem Gie die Stufe der Kultur eines Bolfes und den Wert diefer Kultur gegen den Begriff, den wir von frühfter menfdjlicher Bollfommenheit haben Fönnen, gehalten, beftimmen mollen. Bon Ihrer einzelnen großen Umfchwingung weiß Condorcet nichts, aber von den Schwingungen ins Unendlidye mehr wie mir beide je davon geträumt haben. Er legt fehr großen Akzent aufs Wiffen durch Erkenntnis baut er uns Brüden in die himm⸗ liſchen Gefilde. So fehr ich nun felbft jest das Nötige und Er: freuliche desfelben einfehe, fo Fann ich mich denn doch in meiner Demut wie die Demütigften oft die GStolzeften find nicht enthalten, zu meinen, daß dem, der den Funftreichern Inſtinkt des Brüdenbauens entbehrt, der einfache Inſtinkt des Kliegens gegeben ift, durch welchen die Lerche an einem ſchönen Morgen hoch in den Lüften ſchwebt. Das Bleichnis vom Adler, der zur Gonne dringt, war mir hier doch zu prächtig. Condorcet fehreibt mit großen Anficyten, aber vielleicht war fein Geift doch nicht ganz frei nicht als feffelte ihn der Drud der Lage ich fehe ein andres Stück Feffeln, und er hält fie für ein Ausmeffunges

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mwerfzeug und paßt fie an alles an mit einem Wort er wendet die Mathematik und die Berechnung nicht nur auf das Ginnlidye, fondern aud) auf das Unſinnliche an, das fie erzeugte. Gie werden fehn, wie flüchtig er die Sittlichkeit des Menſchen berührt, und wie fie fid aus den Zahlen als Zahl ergeben foll, Und wir haben fie doch nicht zu fuchen unter den Himmels förpern, wohin die Leiter der Zahlen reicht fie ift nicht dort fie ift hier ja das Gefühl, mit dem wir von jener Betrach⸗ tung anbetend zurüdfehren, ift es nicht worin fie vorzůglich legt. Die Berhältniffe zum Menſchen find dem Menſchen wichtiger wie die zum Cchöpfer, und mir hat es fogar oft gefcjienen, als hingen fie nur ſchwach zufanımen. Freilich deutet das darauf hin, wieviel Stufen wir noch zu durchwandern haben, wozu uns dann die Ewigkeit ihre Zeit gönnen wird. Nur auf der Erde, fürcht ich, ift unfer Los begrenzt und der Mangel, den ich im Eondorcet, in eines Menſchen Überficht der Menfchheit fühle, mahnt mich fehr an die Unvollfommenheit, weiche er im Bilde mir entrüden möchte wenn es auch nicht der Bid auf das Nächſte täte auf alle die Vorurteile, die er in feinem Zirfel weniger fah, da er unter den geiftreichften Menſchen einer geift- reichen Nation in ihrem gefpannteften Moment lebte auf den böfen Willen, auf die Plattheit, über welche fidy immer nur fo wenige Einzelne erheben.

Daß Cie mir nicht verfäumen dies und die Werfe eines ge- wiffen Fulda zu lefen, der ein Magifter mit recht echtem ovrigi- nellem Illenfchengefühl gewefen fein muß....

Earoline an Friedrich Schlegel [75] Auguft? 1795

... Wahrlich, lieber Kris, ich werde zuleßt wohl auf die dee geraten mid zu bilden und zu meiftern, um alles was da ge

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fchieht ruhig mit anfehn zu Fönnen. Gie werden es kaum glauben, daß ich in diefem Betracht aus dem Auffa über den fr. Nationaldyarafter Nutzanwendungen gezogen habe. Diefem Auffag, den Wilhelm unreif nennt, in welchem er Urſache und Wirkung miteinander verwechſelt und die Tatfachen felbft nicht treu dargeftelle findet. Mir fiel die Richtigkeit der Anficht auf, daß Leidenfchaft, aus welcher die höchſte Kraft und Genuß hervor- gehn, gemäßigt und abgeleitet werden muß, um Tugend und Glück zu erzeugen. ft es nicht fo, daß der weſentliche Unter- fchied zwifchen Ihren alten Griechen und meinen Neufranfen in den Grade der Leidenfchaft befteht? Gäben Sie diefen etwas weniger heißes Blut, fo müßten alle Bölker‘ der Erde fie beneiden und lieben. Woher kommt es ihnen aber und wie follen fie es vertilgen? Das Klima und feine Produfte bleiben diefelben. Die Phantafie hat eine Richtung genommen, welche die Revo- Iution noch nicht dadurch anders gelenft hat, daß fie ihr andre Begriffe unterfcdhob....

Sriedridh Schlegel an Auguft Wilhelm [76] 17. Auguft 1795 ... Darf ich fragen ob Du außer dem Dante ſchon eine be= ftimmte Arbeit unter den Händen haft? Vor einigen Yahren glaube ich fehrieb ich Dir nad; Amfterdam: Konzentriere Did‘. Damals hatte das Feine Bedeutung. Jetzt ift es ein Wort zu feiner Zeit. Zerftreue Dich nicht in Lektüre, in literarifchen Kleinigkeiten. Tue Dir Gewalt an. Wer immer warten wollte, bis die Begeifterung vom Himmel käme, würde endlich in Bür- gerſche Trägheit verfinfen. Schiller muß nad) Körners Ausdrud die Gedanken mit der größten Anftrengung heraufpumpen. Auch Goethens Leichtigkeit ift oft die Frucht von unfäglidem Fleiß und großer Anftrengung, ohne foldye wütende Art wie Schiller, der fidy durch Weintrinken begeiftert....

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Mit wahrer Beflemmung habe id von Eurem midrigen Ver⸗ hältnis zur Mutter in Carolinens Brief geleſen.

Ich habe Dir nichts ſchicken können was ich nicht habe, und nichts fagen mas ich nicht weiß. Die Diotima fteht im Julius der Berliner Monats-Schrift: das Ende wird im Auguft erfchei- nen. Den Gophofles hat er mir zurückgeſchickt. Der Auffag über das Studium ıc. fommt in die Berliner Monats: Schrift oder in die Horen, oder in die Beiträge. Der Auffag über die Schulen (aber genau wie Du ihn gelefen haft) und über die Ko— möpdie in November und Dezember Berliner Monats-Schrift 94. Über weibliche Charaktere ıc. September und Oktober 94 des Damenjournals. Geraume Zeit vor Oſtern ſchrieb Böttiger in Weimar, Wieland würde den Auffag über die Grenzen des Schönen mit Bergnügen unter der gemachten Bedingung (6 TI. Honorar) einrüden. ft er noch nicht gedruckt, fo wird er es ſchwerlich. Caroline wird ihn Dir vorlefen. Ich bin fehr be- gierig Dein Urteil über diefen und die Diofima zu erfahren. In dem Auffag find ganz ſchreckliche Drudfehler in nicht ge- ringer Anzahl.

Ihr feid wunderliche Menſchen, daß Ihr von einer philofo- phifchen Abhandlung die Art von Klarheit verlangt, die man in einer hiftorifchen Darftellung wünſcht. Ich ftrebe im Philofophi- ſchen nach der höchſten Beftimmtheit, ohne felbft Trodenheit zu fürchten. ch bin mit dem Auffag über das Studium in diefer Hinſicht fchon fehr zufrieden, und Biefter weiß nicht mas er will. Im Sophofles war der Ausdrud wirklich verfehlt, und das Kolorit trug das Gepräge der hypochondriſchen Winterluft.

Ich will aber fehr gern verfprechen recht viel hiftorifche Ber: fuche auszuarbeiten, um meiner Sprache frifches Leben und Flare Anfchaulichkeit zu erhalten.

Deine heftige Anti-Kantik erinnert midy an unfre Verwandt⸗ ſchaft. Laß Did; umarmen! Du bift ein Schlegel Schlegeli— ZWTRTOG.

Eben wenn ich durd bin, fo wird mein Etil klar werden.

N Romantiler:Briefe 161

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Und ich bin auf dem Punft, mo ich weiß, daß ich durch eine An- ftrengung, die nur angenehm fein kann, mein Ziel erreichen Fann. Aud muß id, früher oder fpäter durch. Schiller und Humboldt pfufchen viel in der Metaphyſik, aber fie haben den Kant nicht verdaut, und leiden nun an Indigeſtion und Kolif. Der größte metaphufifche Denker, der jegt lebe, ift ein fehr populärer Schrift⸗ fteler. Das Fannft Du aus den berühmten Beiträgen fehn, in welchen Rehberg gefpießt wird. Vergleiche die hinreißende Be— redfamfeit diefes Mannes in den DBorlefungen über die Beftim- mung des Öelehrten mit Schillers ftilifierten Deflamationsübungen. Er ift ein folder, nad) dem Hamlet vergebens feufzte: jeder Zug feines öffentlicjen Lebens fcheint zu fagen: dies ift ein Mann....

Du liebſt die wiffenfchaftlide Form nicht und empfiehlft mir Hemfterhuns' Gefpräde. Wenn Du mir erlauben mwillft, ohne mich des Rotwelfch zu befchuldigen, daß ich alle die, welche fidh der Ausbildung in ſich und der Mitteilung gegen andre desjenigen ausfchlieglidy widmen, mas eigentlidy für jeden Menſchen höchſter Zweck des Lebens ift, Künftler nenne: fo gibt es drei Arten Künftler. Ihr Ziel ift das Wahre, das Schöne, das Gute. Bei den Griechen war die Mitteilung des Wahren und des Guten vereinigt: die Philofophie der Weiſen lag nicht weniger in ihrem Leben als in ihren Lehren. Einige teilten die Tugend im Um— gang mit wie Gofrates, andre in Gchriften wie Plato. Die Bereinigung der beiden verfchiedenen Zwecke war nicht felten bei- den fehr fchädlich wie auch Rouffeaus Beifpiel Dir beweiſen Tann.

Den Wert der Wahrheit und der Wiffenfchaft wirft Du ver- mutlich nicht leugnen.

Über den Sokrates magſt Du die Diotima fragen. Ich glaube, daß der große Zweck des Sokrates aud in unfrer Schrift: ftellerei auf doppelte Art erreicht werden kann. In der einen ift der überfchidte Auffag mein erfter Verſuch. Mehrere wie die andre Art müffen für eine glücklichere Zeit aufgefchoben bleiben. Eine foldje Rede muß ganz frei fein von den Dornen der Methode, von den Feſſeln des Syſtems. Das ift die Philofophie,

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deren Ähnlichkeit mit den Diehyramben fo auffallend ift. Hemfterhuns Fönnte vielleicht noch freier fein. An der Korm hängt es nicht. eine ift nur für Dilettanten des Plato, wie er wohl mußte, da er fie nicht für die Welt beftimmte.

Lebe wohl.

Novalis an Erasmus [77] 26. Dftober 1795 ... Öolange der alte Gott im Himmel lebt, folange müffen mir findifh froh fein. Wie ruhig und fill hoffend ich jegt werde, fann id) Dir nicht fagen. Es kann mir jegt vieles, fehr vieles ſchief gehen und ich bleibe doch gelaffen. Zumeilen wird mohl diefer Zuftand von Mißmut unterbrochen aber es ift ein flüch— tiges Übel. Ich hoffe Euch und mich noch recht glücklich zu fehen. Nur Geduld und frifcher Mut. Schreib mir bald wieder. Deine Briefe find mir Panacke. Du haft Did, gewaltig fchnell ausge: bildet. Dein Bruder nach Yahrtaufenden noch

Sriedrich

Novalis an Erasmus [78] November 1795

... Für die Menſchen zu leben und Gutes zu tun, mo ich Fann diefe bimmlifche Rolle bleibt mir immer gewiß, und wünſche mir Glück, daß ich tagtäglich mehr Ginn dafür befomme. Hoffentlich werde ih ein Mann fidher werdet Yhr es! Gind mir bei diefen Ausfichten unglüdlih? D, wenn wir ung einft, mit diefem Bewußtſein erfüllter, innerer Beftimmung um: armen, werden wir dann unglüdlid; fein, wird diefes fchöne

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Refume eines Augenblids uns nicht allenfalls für mißglüdte Be- fisnehmung einer Sophie entfchädigen? und das wachſende Ge: fühl, fie verdient zu haben, das ſchwindende Gefühl eines imagi- nären Verluftes nicht aufiwiegen? Mein Schickſal ift das Eurige. Unfre Begebenheiten find in ein fchönes Ganze ver: flochten. Der Familiengeift verſchmilzt dies Mannigfaltige in eine Einheit. Einer wie alle, und alle wie einer. Ich vermute, daß es fich wie die meiften natürlichen Romane in einer Kinder: ftube fliegen und der Borhang über einem Brautbette zufallen wird. Doch dies sub rosa. Man darf nicht vor der Zeit plau: dern, um den Spaß nicht zu verderben. Was find Jahre voll Beichäftigung gegen Gefühle einer Ewigkeit? ... |

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [79]

... Die Art, wie Du den Shafefpeare bearbeiten willft, hat meinen ganzen Beifall. Kannft Du eine foldje poetifche Über- ſetzung nicht, wie doch felbft Raphael und Mengs ihre großen Erfindungen ausführten, als Arbeit treiben? Wenn Du das nicht Fannft, fo rate ich Dir unverzüglidy eine andre zu wählen mit der dies der Sal. Denn ich halte eine foldye Befchäftigung für unentbehrlih. Die ruhige reude, gut und fleißig gearbeitet zu haben erhält uns, und befördert grade die glüdlichfte Gtim- mung die zum eigentlichen Erfinden und Bilden (noıeıv) fo not: wendig ift. Erlaube mir immer etwas über Gchriftftellerdiät zu ſchwatzen. Ich rede als ein junger Burfche zu einem ältern Meifter. Aber Du bift erft feit Furzer Zeit in dem Fall, ganz fhriftftellerifdy zu leben, ich ſchon dritthalb Yahre: denn ich darf das legte halbe Yahr in Leipzig wohl mitrechnen. Man muß die glüdliche Stimmung nur gleich nußen, wenn fie fommt: wartet man drauf, fo pflege fie eigenfinnig zu fein, wie eine fhöne Frau. Ich denke noch mit Schreden an den Mißmut und den Zeitverluft, den ich mir im Sommer 94 felbft zuzog, da

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ich mid) Hinfegte an einem Roman und einigen alten philofo- phiſch⸗ moraliſchen Projekten zu erfinden und zu arbeiten. Bei jeder Arbeit muß man einen äußern Anhalt haben, ein völlig Gegebnes, wo unfer Geift daran hinwandelt, hineinarbeitet, ver: tieft, bejtimmt, tappt und leife fühle. Wenn wir eben auch nicht jeden Augenbli® große Blide ins Innre tun, fo kommen wir doch ganz leife immer weiter. Meine Arbeiten über die Griechen find faft alle Arbeiten in diefem Ginne, und ich befinde mid) wohl dabei. Ich weiß, Du wirft nicht eher in Ruhe kommen, nicht eher fchöne Drganifation in Dein ganzes Leben bringen, bis Du ein foldjes gefunden haft. Die Erfahrung würde Dich bald belehren, aber ich möchte gern, daß Dir die Fleinen Borteile, die ich teuer erfauft habe, gleich geſchenkt wären. Für mid) ift eine hiftorifche, kritiſche Arbeit eine foldye Grundlage, und ich habe guten Grund zu glauben, daß bei allen Menſchen eigentlich philo- fophifche und poetifche Arbeiten Sache der Begeifterung find, und niit permanent gebildet werden Eönnen. Bon großem Borteil ift es mir gewefen, alle Plane fogleih zu Papier zu bringen, wenn auch nur mit einigen Worten, was ein Bud werden foll. Ich wende dann rhapfodifch dazu, was mir während der perma- nenten Arbeit von felbft einfällt, und ich habe gewöhnlich zuſam⸗ men mehr Plane, als ich beftreiten fann. Bor diefem zu Papier bringen hat man gewöhnlich eine lebhafte Abneigung. Diefe muß überwunden twerden, und man kann ſich hier ohne allen Nachteil Zwang antun. Es ift eine natürliche Empfindung, was mir in dunkler Form ahndeten mit warmer Glut, wo ſich das Unbe— ſtimmte regt wie der ſchwangre Keim einer werdenden Belt, das erfcheint in den Eahlen Zügen, die ſich grade faffen Iaffen, dürftig und oft genung fogar lächerlich. Dadurch kommt in unfer Bilden und Weben Beharrlichkeit, die dem Künftler und Denfer fo notwendig ift, wie dem Helden. Ich verftehe nicht die eiferne Hartnädigfeit der Armut, fondern ein fanftes Zufammenhalten feiner Gelbft ohne Gewalt.

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Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [80] Dresden, 23. Dezember 1795

Macte virtutis! d. h. fihreibe nur immer fo weiter an Amalia, oder ich habe endlich zwei Deiner Briefe gelefen, und bin fehr erfreut und für das entfeglidh lange Warten belohnt. Es ijt darin die Reinheit, Weichheit und Klarheit vollkommen erreicht, nad) der ich fo oft umfonft ftrebe. Ebenſo untadelhaft ift die Anordnung. Ganz was fie fein foll, gefeglidy frei fo daß Du felbft wagen durfteft, fie dithyrambifdy zu nennen. Und die An» ordnung ift doch eigentlidy das große Weſentliche die Zeichnung des Gchriftftellers. Ym einzelnen bat mir die ‚Werkftätte des Dichters‘ im Eingang am fhönften gefchienen. Caroline hatte fehr Recht zu fagen, daß Diffonanzen Dir unmöglidy wären. Du gibft dem Kritifer wenig Anlaß ſich in Tätigkeit zu fegen, und id) habe vergeblich (verfteht fidh, nicht in den erften Tagen der Bekanntſchaft) nach einem Flecken in Rüdficht der Form gefudht. Der Stoff ift fo reichhaltig, daß darüber ſich unendlich viel reden liege. Wenn wir nur einmal beifammen fein Tönnten! Ich wünfchte, daß Du bei Deinen Unterfuchungen über Sprache ıc. eine Abhandlung darüber von Fichte in Niethammers philofo- phiſchem Journal lefen möchteft. Du darfft hier nicht Schillerfche Scholaſtik fürchten: denn diefer Denker, der wenn es fein muß, Kant und Spinoſa zurüdläßt, kann auch, fobald er reden will, Rouffeau übertreffen. Ich bin aud; darüber mit Dir fehr einig, daß der Anteil der Empfindung an der Sprache weit größer ift, als gemeine Denfer wiſſen und lehren. Wie natürlidy ift auch dies! Alle diefe Gelehrte, Forſcher, Denker und Vernänftler haben mehr oder weniger doch einigen Ginn für das SYntelleftuelle und Charafteriftifhe. Aber unter Hunderten diefes Gefchlechts bat Faum einer auch nur ein Organ für die mufifalifcdhe Geite des Univerfums. Ich nehme mir die Sreiheit, Dir aus meinen mufikalifchen Kolleftaneen einige Gedanken über dasjenige herzu- fegen, was noch außer dem Rhythmifchen und Maleriſchen in der Sprache mufifalifch ift. Ich gehe gleichfalls von dem Gage

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aus, daß die Sprache aus mufikalifchen Beftandteilen (Außerungen innerer Zuftände) und charafteriftifhen (Nachahmung äußerer Gegenftände) zufammengefegt ift. Aller Schall ift von zwie— facher Art c) Der bewegte Gegenftand enthält nidyt den Grund der ſchallenden Bewegung; er ift phyſiſch. P) er enthält ihn. Die Wirkung entfpridt dem Wirkenden. Der organifche Laut ift befeelt und ein Abdruck des innern Zuftandes der organifchen Kraft. In dem organifchen Laut unterfdyeiden wir 1) ‚feine Qualität 2) feine Quantität «) die intenfive, Höhe und Tiefe (tovog, Stimme); 8) die ertenfive (Dauer, Takt, Tempo) c) Melodie und 4) Rhythmus 3) Relazion. Harmonie. f Ich rede hier nur von der 1). Dis jegt fehlt es an einer äfthe- | tifchen Theorie der mufifalifchen Qualität nicht zum Vorteil der Philofophie der Sprache! Denn hier glaube ich den gemiß fehr tief liegenden Grund des Reims entdedt zu haben. Gie ift gleichfam die muſikaliſche Maffe, welche der Form freilid) untergeordnet werden muß. Mit andern Worten: nur durd) die höchfte Homogeneität mird die mufifalifche Qualität kom— menfurabel, und alfo mufifalifhe Quantität d. h. Rhythmus und Melodie möglich. Ihre unendliche Wichtigkeit auch hier wirft Du leicht zugeben, wenn ich Did erinnre, daß alle die Modififationen und Nuancen des Vortrags als piano, forte, dolce, espressivo, lento uftv. ihr angehören, d. h. alles dasjenige # was bei gleichem Tempo einen richtigen und einen feelenvollen ' muſikaliſchen Vortrag unterfcheidet. Gie gibt der Muſik das Individuelle weldjes allerdings jest fehr gemißbraucht wird, indem man fogar eine Kunſt, deren Zweck durdyaus nur das Schöne fein Tann, zum Intereſſanten erniedrigt, und durch fie darafterifieren will (Bogler ift zum Gelächter geworden, weil er in der Narrheit Eonfequent mar, aber vielleicht ift Fein Muſiker unferes Zeitalters von allen Boglerismen frei) ohne welches aber das Treffliche in der Kunft nicht wohl möglidy if. Jedes organifche Wefen hat feinen eignen organifchen Laut, und mo aud; die Äußerung nicht wirklich vor ſich geht, ift doch die Ten-

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deng da. Jeder organifche Laut, fo fehr er zum Allgemeinen er: höht fein mag, hat doch etwas Yndividuelles, welches wie alle Individualität unerſchöpflich und im eigentlidyen Ginn unendlid) ift. Bon dem Menſchen kann man nicht fagen, daß er ein eignes tierifches Gefchrei habe; denn unbeftimmte Beftimmbarfeit ift eben der Unterfchied feiner Tierheit von der der andren Liere, welche eine beftimmte Ridjtung haben. Allein man kann dem Menfchen, weil er die Macht hat zu fehreien wie er will, dody nicht das Dermögen tierifcher Laute abfprechen. Befchreiben nicht alle Reifenden die Mitteilung der Wilden mehr als ein tieriſches Gefchrei als eine Sprache, und ich glaube immer das Kollern der Hottentotten, Heulen der Pefcherähs uſw. mürden ſich immer mehr aus dem Klima und den Nahrungsmitteln, die fie zu fich nehmen, als aus den Tieren, die fie nachahmen Fönnten, erklären laſſen. Diefe tieriſchen Laute ſcheinen mir die Grundlage der Sprache, Bezeichnung und menſchliche Stimme Frucht langer Übung und fpäterer Bildung. Würde es eine Sprache geben, wenn es Feine Neigung zum Sprechen Feine organifche Ten⸗ denz tierifeher Laute gäbe? Was erwacht eher, Empfindung oder Berftand? Ehe man das Ziſchen Kappen uftv. durch ähnliche Laute bezeichnen Eonnte, mußte man fchon diefe Laute bis zur Sertigkeit geübt haben. Woher endlich die fo auffallende und fo große Berfchiedenheit der Grundgefege der Sprachbildung in ver: ſchiednen Sprachen in Miſchung der Konfonanten uſw. wenn fie nicht aus der Organifation herrühten? Doc, ich bin für jegt zu erfchöpft, um diefen Gegenftand nody weiter zu verfolgen. liber den Reim wirft Du etwas in meiner Gchrift finden, welches Du aber nicht mißverftehen mußt. In der fchönen Kunft kann ich ihn freilich nicht gelten laffen, aber twenn der Zweck der dyarafte-

riftifchen Poefie das Yntereffante ift, erkenne ich feinen großen Bert und feine volle Gültigkeit volllommen an... .

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Friedrich Schlegel an Auguft Wilhelm [81]

... Es fcheint faft Deine Meinung zu fein, als Fönnte poetifche Schoͤpferkraft, chythmifche Kunft und grammatifcher Fleiß in der- felben Perfon ſich nicht vereinigen. Ob dies von modernen Didy tern ſich ganz allgemein behaupten läßt, mirft Du felbft am beften beurteilen Fönnen. Bon den Griechen gilt es nicht. Bei ihnen entwickelten ſich alle Beftandteile der fchönen Kunft gleich» mäßig, und der ordnende und ausführende Berftand und Urteils fraft ift mit der erfindenden und bildenden Kraft im Homer und Gophofles im völligen Gleichgewicht. Gophofles und Homer find auch in Sprache und Rhythmus die vollfommenften unter den griechifchen Dichtern. Die bei den Alten fo gerühmte (und auch mir fehr fühlbare) rhythmiſche Schönheit des Euripides fteht eigentlih dem Rhythmus des Gophofles nad), und £ritt nur darum bunter und auffallender hervor, weil Euripides ſchon nad) rhythmiſcher Schönheit ifoliert ftrebte, felbft auf Unkoſten des Ganzen, welches nun zerftört war, deffen Harmonie auf immer zerrüttet war. Ich made Dich auf diefe Kleinigkeit nur darum aufmerffam, mweil es mir ſchon oft der Kal zu fein geſchienen hat, dag mas von den modernen Dichtern ganz allgemein gilt, darum keineswegs auch auf die griechifchen Dichter fi anwenden ließe. Ya oft fand ich das Gegenteil. Ein paar Einfeitigfeiten tun dem philofophifchen Wert einer fonft reichhaltigen Schrift feinen fonderlichen Schaden. Aber wenn die Form fonft vollendet ift, fo ift es doch ſchade fie durch folche Fleden zu mißzieren....

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [82] Dresden, 15. Januar 1796

... Willſt Du den griedifchen Rhythmus Fennen, fo mußt Du eine vollftändige Theorie der Muſik, die an mwiffenfchaftlicher Evidenz der Mufif nichts nachgibt, ſchon mitbringen. Ya nod) mehr, Du mußt die ganze Maſſe der griechiſchen Bildung Fennen

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im vollften Sinne des Worts. Niemals wird einer, der den Geift der Golonifchen Gefeßgebung nicht Fennt, die Winfe der Alten über den Dithyrambus verftehn, und wer kann den Pin- darifchen Rhythmus begreifen, dem die Sitten und die Ötaate- verfaffung der Dorier fremd find. Die Metrik der Griechen ift durchaus muſikaliſch. Du kannſt den Teil nicht vom Ganzen trennen. Die Gefchichte der griechifchen Muſik ift aber der dun- felfte Zeil der Altertumskunde und einer der ſchwerſten meines Unternehmens. Ich habe ihn auf eine reifere Zeit zurüd:» gelegt... .

Ich bin gewiß, daß Du einen Roman in feiner Art vollenden wirft, fobad Dich ein Stoff begeiftert, oder fobad Du mit Dei- nem Ölüde vertraut genung und von Deinen Leidenfcdyaften ent- fernt genung bift, um fie darftellen zu Fönnen. Dein Gelbft wird der Gegenftand Deiner Kunft fein. Die Welt oder die Natur hat Did; bis jegt noch nicht begeiftert. Überall, wo Du Dich wahrhaft begeiftert fühlteft, fandeft Du Dein höheres Gelbft wieder, oder glaubteft es zu finden. Es fdheint mir, daß Du zu der lyriſchen Art gehörft.

Auguft Wilhelm Schlegel an Augufte Böhmer [83] 1795/96 ... Was die Mutter von den Männern gefagt, hätte fie ebenfogut von den Frauen fagen Fönnen. Gie tun aud oft lieb mit einem, und meinen es doch nicht von Herzen. Wenn man unglücklich wird, dann lernt man feine Freunde erft recht fennen. Die wahren Sreunde bezeigen einem doppelt foviel Liebe als vorher; die falſchen tun als ob fie einen gar nicht Fennten. Deine Mutter hat es erfahren. Ob Ihr mir trauen wollt, das müßt Ihr einmal zufammen überlegen, Du und Deine Mutter. Du wirft mir doch nicht ent- gegen fein, liebe Guftel!

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Ich höre, dag Du ein gutes Herzensfind bift und der Mutter viel Sreude machſt. Dafür habe ich Dich fehr lieb, und wünſche Dir recht vergnügte Tage.

Dein Freund Wilhelm

Friedrich Schlegel an Auguft Wilhelm [84]

Liebfter Freund, Du bift ein äußerſt drollichter Menſch. Diefen Morgen hatte id) Luft Dir some terrible lashes über Deinen Mut- willen, und gelegentlich noch über Deine ſchöne Geſchichte von der alten Elegie zu geben. Diefen Nachmittag habe ich Deinen Takt gelefen und Bin in der Stimmung, Dir zu verzeihen. Ich finde nicht nur noch mehr Klarheit, Rundung und Zeftivität (wenn Du mir diefen Ausdrud® vergönnen willft) in der Sprade, als im vorigen, fondern ich bin auch durch Deine Erklärung völlig befriedigt, und ich befenne mit Danf, daß ich mid belehrt, und meine Gedanken dadurch erweitert finde. Wundre Did, nicht, wenn Du in den Feitaltern etivas von dem Deinigen tvieder- findeft. Ich finde eine Stelle, wo ich das fehr gut einfchieben, oder vielmehr meine Genefis des Herameters nad) Deinen Ge danken berichtigen und erweitern kann. Du haft mid) audy auf eine überfehene Gtelle im Homer aufmerffam gemacht, die fehr wichtig ift. Ich bin völlig mit Dir einverftanden, daß nicht das Wohlgefallen an Einheit und Gefegmäßigfeit den älteften Rhythmus hervorgebracht, und daß es eines finnlidyen Eindruds zum Maßſtabe der Gleichzeitigfeit bedurfte, aber darum möchte ich doch die dem Menſchen fo ganz eigne Anlage zum Takt fo wenig körperlich nennen, als die Anlage zur Sprache. Die gleid;- zeitigen Einfchnitte der Bewegung ſcheinen audy mir ein Ergebnis des Dedürfniffes, nicht ein Kunſtwerk des Verftandes. Aber warum follte der Takt in der Freude älter fein als im Schmerz, im Zanz älter als in der Rede? Könnte man nicht gegen Dein

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‚undermerkt‘ einmwenden, was Du gegen Moritzens ‚zufälligerweife‘ fo artig geltend zu machen weißt.

Wenn Du mir die Spradje als ſchon vorhanden gibft, fo kann ih den Urfprung des Tafts für alle Empfindungen, und alle Äußerungen derfelben leicht zeigen. Gibt es Sprache, fo gibt es auch ſchon ein Bedürfnis der Mitteilung ein dunkles Streben, den Punkt auszudehnen, den Augenblid feftzuhalten, die Empfin- dung zu miederholen, ihr Dauer zu geben, fie allgemeiner zu machen. Denn auch in der Einfamkeit wird der Naturfohn, in dem der Funken der Menfchheit fchon erwacht ift, ſich eben da= durch von dem Tiere unterfcheiden, daß er wie Regner, tie jene neufeeländifchen Knaben mit feinem Schmerz ſich felbft unterhält. Eben darin liegt das Menſchliche, weldjes jeden Menfchen rührt. Es ift nicht bloß Leiden, welches nicht rührt und intereffiert, fon- dern Wehmut, deren das Tier nicht fähig ift, mit Tätigkeit und Genuß gemifchter Schmerz. Gobald nun aber ein leidenfchaft: licher Zuftand und deffen Äußerung dauernd gemacht werden foll, fo ift zuoörderft nötig, daß die ganze Maffe der Empfindung finnlid begrenzt mird, und da fie zu groß ift, um zugleich gefaßt oder gegeben zu werden, durch gleiche (aber nicht durch den Verſtand fondern durdy die Ginne an einem gegebenen Ein— druck ohngefähr gemeffne) Einfchnitte wieder in Eleinere Maſſen finnlidh geteilt wird. Bei dem Mangel Eräftiger Hilfsmittel würde das Gedächtnis ohne diefe natürliche Erleichterung durch— aus unfähig fein, fie aufzubewahren.

Alle Beifpiele, die Du anführft, find vorzüglich intereffant. Die Stelle von der Leidenfchaftlichfeit der Wilden ift frefflich, Eraft- voll ohne die Befcheidenheit der Natur zu verlegen. Noch wollte ich gegen das höhere Alter des Takts in freudigen Außerungen anführen, ob nicht jene ausfchmweifende Sreude ſich nad) Lufrez und den meiften Alten erft nad) dem Urfprung des Aderbaus bei Erntefeften und Weinlefen eigentlich enttwidelte. Der eigent- lihe Wilde ſcheint mir von ernftem Charakter, und weit mehr zum Schmerz geneigt, als zur Freude.

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Schiller ift fehr tief gefunten in dem erſten Stück, und indem er die Plattheit durch alle Kategorien verfolgt, gerät er felbft in nicht geringe Gefahr.

... Um eine Überfegung zu beurteilen, ift es ja durdjaus not: wendig, daß man das Original nicht Fenne: denn fonft ift der Eindruck nicht rein. Überdem gehört ein revolutionäres Genie dazu, um den politifchen Geift der Alten zu verftehen. Ein Neu: modifcher, Moderner ein Kontrerevolutionär wie Du nennt unfre (ic; meine mid; und Caroline) Mitbürger Triſte. Du magft wohl felbft ein Zrifter fein. Was bift Du denn am Ende, Menfh? Ein Poet, nämlidy ein moderner. Wenn Herodot wie ein alt Weib gefchrieben hat, fo wünfche id Dir, daß Du am Ende Deiner Tage auch wie ein alt Weib fehreiben mögeft. Ich weiß von alten Zeiten, wie Du ihn nach Herderfcher Art traveftierft, und laffe das Wahre in jener Anficyt gelten. Aber ich verfichre Dich, wer den Herodot nicht erhaben findet, der kennt ihn nicht ganz. Du mirft zugeben, daß ihm an Klarheit und Güßigfeit wenige gleich. Eommen. Beides ſcheinen mir für einen Erzähler große Tugenden. Wirft Du nicht den ‚Meifter‘ rezen- fieren? Solche Rezenfionen wie die über die Horen find treff- liche Borübungen zu unfern Gefprädyen über die deutfche Poefie. ayxıvoıa ift ſchon viel in Deinem Urteil, und auch Seftivität: doch kann von beiden nie zu viel fein. Nur wünfdje ih, daß Du noch mehr deıwog rezenfieren möchteft; mehr sententiat vibrantes, fulminis instar, die wie römifche Schwerter zufchlagen; fchärfer und beizender. Cine Rezenfion muß um es Lufrezifch zu fagen tota merum sal fein...

Caroline an Luiſe Gotter [85] Braunſchweig, 10. Februar 1796

... Nachgerade bin ich fo mweife, mich nur um die wenigen zu befümmern, von denen ich fo gewiß, wie eine Sonne am Himmel

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fteht, weiß, daß fie mid; lieben. Mithin befümmre ich mid) auch nicht um Meyer. Artige Sachen von ihm ftehen in Schil⸗ lers Almanadj. Ich ruhe nicht, Gotter muß Fünftiges Jahr etwas in diefen Almanach geben das wird allerliebft gegen die hochfahrenden Poeſien abftechen, die gereimten Metaphyſiken und Moralen, und die verfifizierten Humboldeſchen Weiblichkeiten. Schillern hängt das deal gar zu fehr nad er meint, es ift fon gut wenn ers nur ausfpridit. ... .

Novalis an Erasmus [86) Weißenfels, März 1796

Ich bin Dir jegt immer in Atem, das geht von einem Ort zum andern. Ich für meinen Zeil wäre fürs GStillffigen, daher das feltene Schreiben. Wie gern märe ich jeßt bei Dir, Dein erfter Brief betrübte mid) fehr. Dem zweiten fah man ſchon wieder den alten Erasmus an. Die Langemeile ift das Allerfchlimmfte ... Barum fie Dir Lefen und Schreiben verboten haben, begreife ich nicht recht. Raffe allen Deinen Mut jest zufammen. Ich Bin jegt überzeugt, daß der Menſch nichts befferes in der Welt tun fann. Mein Syſtem der Philofophie hoffe ich zu dem Deinigen zu machen. Dann follte mir mein Nachdenken recht lieb werden. Es enthält eine unerfchöpfliche Quelle von Troft und Beruhigung. Sreilid bedarf es noch fehr der Feile. Du mirft auch eine gemwiffe Deutung über Dein rätfelhaftes Schickſal finden. Du bift ein phyſiſch leidender, aber moralifd) tätiger Mann. Das Blatt dreht ſich einſt. Die Legten werden die Erften fein. In diefem Worte liegt eine Fülle troftreichen Ginnes. Bleibe feft im Glauben an die Univerfalität Deines Ichs. Du mirft auf Deine Leidensftunden wie auf ein verwelktes Blatt einft herunterbliden. Himmlifche Flucht der Zeit! Halte Di am Großen und Guten in der Zeit der Mühe und des Duldens. Du haft noch eine Emig- Feit vor Dir. Wenn Dir meh mird, fo denke an die Menfchheit,

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die Du bift. Ein himmlifches Mädchen fteht fie auf Hügeln und firedt die Hand aus, um Did, hinauf zu heben aus dem Tale der Geduld. Denke Dich als vermundeten Helden auf dem Gieges- plage. Um Did herum Deine Kameraden, die Edlen aller Zeiten, und am Himmel ſchon die Hand, die Deinen Namen mit Sternen fegt! Wäre da nicht jeder Geufzer ein Triumphgefang? D mie leicht wäre da der Schmerz zu ertragen. Laß Dich nicht eitle Sehnſucht zufammenpreffen, überall ift Hubertsburg, mo Dein Geift nicht frei auffteht und den Staub von feinen Slügeln ſchüt⸗ tele. Du bift ja fo nahe Deinen Lieben, nicht in fibirifchen Wüften Tran, verlaffen der fehneidende Nord Dein Tröfter. Made Dir Deine Lage intereffant; denke alles, was Dich um: gibt, im Berhältnis zur ewigen Dauer. Weiſe Einteilung Deiner Zeit, Konzentrierung Deiner Kräfte, das find die Mittel, Dir die Zeit nicht unluftig zu kürzen. Ruhe vor allem. Ad, hätte ich die, fo wäre ich glücklich. Krankheit ift Erzieherin zur Ruhe. ...

Schelling an feine Eltern (87) Leipzig, 29. April 1796

... Dagegen habe ich Schillern gefehen und viel mit ihm ger fprochen. Aber lange fünnte ichs bei ihm nicht aushalten. Es ift erftaunend, wie diefer berühmte Gchriftfteller im Sprechen fo furchtſam fein Eann. Er ift blöde und fchlägt die Augen unter, was foll da ein andrer neben ihm? Geine Furchtſamkeit madjt den, mit dem er fpricht, noch furchtfamer. Derfelbe Mann, der, wenn er fchreibt, mit der Sprache defpotifch fchaltet und waltet, ift, indem er fpricht, oft um das geringfte Wort verlegen und muß zu einem franzöfifchen feine Zuflucht nehmen wenn das deutfche ausbleibt. Schlägt er die Augen auf, fo ift etwas Durchdringendes, Bernichtendes in feinem Blid, das ich noch bei niemanden fonft bemerft habe. Ich weiß nicht, ob dies nur bei der erften Zufam-

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menkunft der al if. Wäre dies nicht, fo ift mir ein Blatt von Schiller den Schriftfteller lieber, als eine ftundenlange Unterredung mit Schiller, dem mündlichen Belehrer. Schiller kann nichts Uns interefjantes fagen, aber was er fagt, feheint ihn Anftrengung zu koſten. Man fcheut ſich, ihn in diefen Buftand zu verfeßen. Man wird nicht froh in feinem limgang. .

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [88]

Pillnig, 27. Mai 1796

. ch bin der Kritik herzlich fatt, und werde mit unglaubs

lihem Enthufiasmus an den Revolutionen arbeiten. Ich werde

zu gleicher Zeit etivas Populäres über den Republifanismus

ſchreiben. Ich werde glüdlich fein, wenn ich erft in der Politik ſchwelgen Fann.

Dann werde idy auch mit Euch leben, und nicht mehr fchreiben, was ſich nicht fagt, fondern wieder reden lernen. Es wird eine glüdliche, felige, herrliche Zeit fein.

Ich will Dirs nicht leugnen, daß mir der Republifanismus noch ein wenig näher am Herzen liegt, als die göttliche Kritik, und die allergöttlichfte Poefie....

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [89] Pilnig, 15. Juni 1796 . Geftern war ein Götterfeft für mich. Ich las die Idylle. Nur einmal, aber wenn es auch das einzige Mal bliebe, fo würde fie nie aus meinem Gedächtnis verlöfchen. Es hat mich mit Ent- züden ducchdrungen. Das Ewig ging mir durch Marf und Bein. _ Eine mollüftige Träne fiel auf das Blatt. Wie zart ift nicht die Rede des Mädchens. Es ift mir lieber als alles was Goethe je über Liebe metrifch gedichtet hat. Cine Eleine Unſchicklichkeit

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fühlte ich gleih darin, daß Aleris noch fo nahe am Ufer redend eingeführt wird, und doch mit fo ruhiger Gorgfalt ausmalt, wie das Gleichnis vom Rätfel und das bequeme Bette. Die Mifchung des Weiſen und Ginnlid-Güßen mit der Leidenfcyaft, deren Brand halte ich dem Gedichte für mwefentlich, feine eigentümliche Gchön- heit. Nur gegen die Wahrheit fcheint mir jenes ein Eleiner Ber- ſtoß. dh erfläre es mir daraus was Körner mir fagte: es hat erft follen eine Heroide werden, dann ift es in diefe Form um: gegoffen. Er hat übrigens fehr recht es eine Idylle zu nennen. Es it wirklich eine, nur nicht im modern Schillerfchen Sinn, fon- dern im Griechiſchen. Doch verfteht ſichs, daß fie mehr wert ift, als alle Theokritiſchen und dergl.

Novalis an Friedrich Schlegel [90)] Dürrenberg, 8. Juli 1796

Du glaubſt nicht, alter guter Schlegel, wie herrlich Du mich mit Deinem Briefe überraſcht haſt. Gut, dag Du mir auf ge— wiffe Weiſe nicht zuvorgefommen biſt. Wahrſcheinlich ift mein Bruder Erasmus fdyon bei Dir gemwefen oder hat Dich nicht zu Haufe getroffen. Er war mein perfönlicher früherer Brief. Ich hab ihn aufs dringenöfte gebeten, Did, aufzufuchen und Dir Nach richt von mir zu geben. DBergeffen hab ich Did) auf Feine Weiſe und Eonnte es fo leicht nicht, ohne mich felbft zu vergeffen. Du weißt, welchen Anteil Du einft an meiner Erziehung hatteft. Auch gewöhnliche Dankbarkeit vergift den Lehrer nicht. jeder Ge- danfe an meine hiſtoriſche Bidung war mit Deiner Erinnerung verbunden. Bollends die Ankündigung Deiner Griechen hat mid; ganz außerordentlich bewegt. Das ift das Buch, dacht ich, woran feine Seele fo lange brütete, das ihn fo lange aus ſich und aus der wirklichen Welt gedrängt hat; endlich da, wird es wohl Spuren feiner Schöpfungsperiode tragen, aber defto ſchoͤnere Ruhe, je wißder der Sturm war, aus dem es hervorging. Ich erinnerte ı2 NRomantiler-Briefe 177

mich der Bruchftüde, es entftand in mir eine Intuition des Un— befannten, die meinen Geiſt in unbefannten Weiten umbertrieb. Es reichen nicht fechsfache Erfundigungen nad; feiner Erfcheinung. Ein einziges köſtliches Stückchen hab ich gelefen in ‚Deutfdjland“. Im 2. Stück der ‚Horen‘ ift Goethe armfelig dagegen behandelt, fo brav übrigens der Auffag iſt. Du fprichft durchaus neue Dinge, Du bereicherft Spradje und Geift, Du fehaffft eine Kritik, Du haft ein taufendfad, feineres Netz, durch das Fein Fiſchchen, und wärs ein Eſſigälchen, entfchlüpfen kann. Dies nur im Bor: beigehn. Du bift mir alfo twiedergegeben. ch dachte, feine Liebe wird dahin fein, die Griechen haben ihn alles vergeffen machen, er lebt im Anfchaun feiner Welt, die alte Zeit drüdke ihn zu ge mwaltig und hat mich auch mit totgedrückt man wirft ja alles weg, um einem verhaßten Zuftande zu entfliehen. Glücklich dacht ich Dich mir; die Zeit und Öelbfttätigfeit tun IWWBunder, man wird alles gewohnt, und Deine politifche Lage dacht ich mir beträdht- lid) verbeffert. Gut, dag Du mwenigftens heiter bift; Du fängft Dich an wieder der Sonnenmwelt zu nähern wie ein Komet. dh freue mich herzlich Dich zu fehn. Du wohnſt, folange Du willft, in Weißenfels oder mo ich bin bei mir, ohne Zwang und nimmft mit uns vorlieb. Ich böt es Dir nicht an, wenn ichs nicht könnte und dürfte. Nach Yena kommſt Du immer noch früh genug. Ich bin nicht mehr fo fürs Eilen, idy habe langſam gehn gelernt. Einmal für allemal, fieh Fünftig meine Stube für die Deinige an; dies Wenige vermag id).

Bon mir erzähl ih Dir das Befte mündlich. Präliminariter nur, daß ich im ganzen froh gelebt habe und zufrieden mit der Anwendung meiner Zeit bin. Mein Amtmann ift mein Sreund gervorden. Er hat mid) zum Gefdyäftsmann mweitergebildet. Geit dem Februar bin id in Weißenfels, angeftellt bei den Galinen, gut mit allen Menſchen dran, in einer erträglichen Kreiheit, mit binlänglicher Muße meine inneren Gefchäfte fortzutreiben, und zufrieden mit allem, außer noch hie und da nidye mit mir. Freunde hab ich fonft in der Zeit eigentlidy nicht acquiriert, außer den 178

Kreisamtmann. Aber fonderbarer Weife hab ich, außer Dir, vier höchft verfchiedene Leute gefunden, die nach langer Zeit ſich meiner beftens erinnert haben und mich wieder auffuchten. Der eine war Manteufel sen., dem es, Gott weiß wie, einfiel nad) einem jahres langen Stillſchweigen und ohne daß uns auch in Wittenberg ein engeres Band umfchlang, an mich höchft freundfchaftlich zu ſchreiben. Der zweite war Sorberg in Jena, der eben nad; fehr langer Unter» bredung unſrer Steundfchaft mir ein Herz voll Zärtlichkeit für mich zeigte. Der dritte war Bolſchwing, der vor einigen Mo» naten mir einen Brief im alten Stil fchrieb, der mir aber die uns angenehme Erfahrung abnötigte, daß durch fein Gtehnbleiben eine fehr große Kluft zwifchen uns entftanden war. Mledem !!! war der vierte. Gein Brief war voll freundfchaftlicher Erinnerungen und mir von allen der unermwartetfte. Du meißt, wie wir uns trennten, fo kalt, fo gefchieden als möglich und nun nad) drei Fahren das! Kurz id) kanns nicht begreifen und bitte Dich mir das Rätfel zu löfen.

Aus meinen alten Verbindungen bin ich ganz heraus. Julchen hat geheiratet. In diefer Rückſicht ift mit mir eine mächtige Ber: mandlung vorgegangen; betrachte dies Kapitel wie abgetan in meis nem Leben. Mein Gchidfal hat einen großen Epichronismus ge⸗ macht. Go bald hätteft Du Dir dem natürlichen Lauf der Dinge nad) die Löfung diefes ECharafterzugs nicht erwartet. Kurz hier- über bift Du nun mit mir im Klaren. Mid, hat es am meiften überrafcht. Geit ?/, Jahren bin ich einer und derfelbe im tmefent- lichen, denn ich bin folange firiert und Eurz und gut feit °/, Jahren verfprocden. Jetzt in diefer Stunde beteure ich, daß ich wie in der erften Stunde denke und womöglich ernfter, zärter, fefter und wärmer bin. Mehr mündlid. Mein Lieblingsftudium heißt im Grunde wie meine Braut: Sophie heißt fie Philo- fophie ift die Geele meines Lebens und der Gchlüffel zu meinem eigenften Gelbft. Geit jener Befanntfchaft bin ich auch mit diefem Studio ganz amalgamiert. Du wirft mich prüfen. Etwas zu fehreiben und zu heiraten ift ein Ziel faft meiner Wuünſche. Fichten

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bin id Aufmunterung ſchuldig. Er ifts, der mich weckte und in- direkte zufchürt. Glaub aber nicht, daß ich wie fonft, leidenſchaft⸗ lich bloß eins verfolge und nit vor meine Süße fehe. Mein Bater ift zufrieden mie meinem Fleiß und idy kann nicht über Larıgeweile bei andern Befdhäftigungen lagen. Ich fühle in allem immer mehr die erhabenen Glieder eines wunderbaren Ganzen, in das ich hineinwachſen, das zur Fülle meines Ichs werden foll; und muß ich nicht alles gern leiden, da id) liebe und mehr liebe als die fpannenlange Geftalt im Raume und länger liebe als die Schwingung der Lebensfaite währt? Spinoza und Zinzendorf haben fie erforſcht die unendliche Ydee der Liebe und geahndet die Methode, fich für fie und fie für fi) zu realifieren auf diefem Gtaubfaden. Schade, daß ich in Fichte noch nichts von diefer Ausficht fehe, nichts von diefem Schöpfungsatem fühle; aber er ift nahe dran er muß in ihren Zauberfreis treten, wenn ihm nicht fein früheres Leben den Staub von den Slügeln gemifcht

hat. .

Caroline an Luiſe Gotter [gr] Jena, 4. September 1796

... Es geht mir nody immer über alle Maßen wohl hier, und ich habe mich recht angefiedelt, mit dem Gefühl, als wenn meines Dleibens hier fein Fönnte. Meinem Borfag, wenig Befannt- fihaften zu madyen, bin ich treu geblieben. Bon der ftudierenden Jugend werd ich nichts gewahr, und ich bin wenigſtens gefichert, daß fie mir die Senfter nicht einwerfen kann, da wir kuͤnftig über einen Sof hinüber wohnen. Spaziergänge nehmen mir jeden Abend vor, und die heilige Dreizahl unfres häuslichen Zirfels hat ſich in eine partie quarree feit der Ankunft meines Schwagers verwandelt, der uns mit feinem in» und auswendig Fraufen Kopf viel Vergnügen macht. Für den Spätherbft befommen mir das Weimariſche Schaufpiel. Goethe ift jest wieder hier und läßt das

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Theater arrangieren, fonft gibt er fich diesmal viel mit Raupen ab, die er tot macht und wieder auferwedt. Wenn Du den Almanach fiehft, fo wirft Du auch fehn, wie er fich feither mit dem Totfehlagen abgegeben hat. Er ift mit einer Fliegenklappe umbergegangen, und mo es zuflappte, da wurde ein Epigramm. Stiller hat ihm treulich geholfen, fein Gewehr gibt Feine fo drol⸗ ige Beute von ſich, aber ift giftige. Goethe hat eine Parodie auf den Kalender der Mufen und Grazien gemadjt, die einem das Herz im Leibe bewegt. Es heißt die Mufen und Grazien in der Mark

Ach wie freu ich mich mein Liebdyen,

Daß du fo natürlidy bift!

Unfre Mädchen, unfre Bübchen

Spielen künftig auf dem Mift.

fo fagt er unter anderm darin... .

Caroline an Luiſe Gotter [92] Jena, 25. Dezember 1796

... Goethe gab ein allerliebftes Diner, fehr nett, ohne Über: ladung, legte alles felbft vor, und fo geivandt, daß er immer da⸗ zwifchen noch Zeit fand, uns irgend ein fchönes Bild mit Worten binzuftellen (er befchrieb 3. B. ein Bild von Fueßli aus dem Gommernadtstraum, mo die Elfenfönigin Zetteln mit dem Efelsfopf liebEofet) oder fonft hübfche Sachen zu fagen. Beim füßen Wein zum Deffert fagte ihm Gchlegel grade ein Epi- gramm vor, das Klopſtock kürzlich auf ihn gemacht, meil Goethe _ die deutſche Sprache verachtet hat, und darauf fließen mir alle an, jedoch nicht Klopftod zum Hohn; im Gegenteil, Goethe ſprach fo brav, wie fidjs geziemt, von ihm. Gern wär ich noch länger dageblieben, um bei Goethe nicht allein zu hören, fondern auch zu fehn, und daneben freilich auch zu hören, aber das muß auf den Sommer verfpart bleiben. Was id; fah, paßte alles zum Be:

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figer feine Ulmgebungen hat er jich mit dem Fünftlerifchen Sinn geordnet, den er in alles bringt, nur nicht in feine dermalige Lieb- fchaft, wenn die Verbindung mit der Vulpius (die ich flüchtig in der Komödie fah) fo zu nennen ift. Ich ſprach noch heute mit der Schillern davon, warum er fich nur nicht eine fchöne Italienerin mitgebradjt hat? Jetzt tut es ihm freilidh auch wohl nur weh die B. zu verftoßen, und nicht mohl fie zu be halten. Du fiehft, daß mir unfre Zeit in IB. recht gut zu- gebracht haben. Gollten wir einmal wieder hingehn, fo will ich doch ©. bitten, daß er fid) der Herzogin Amalie befannt machen läßt, und Einfiedel foll uns alsdann gewiß nicht entgehn. Knebel ift feitdem hier bei ung gewefen ein ehrlid) Gemüt von einem Edelmann! Wenn wir oder aud) idy allein im Gafthof waren, fo leiftete uns Salt Geſellſchaft, der Satirenfchreiber, das gutmütigfte Kind von der Welt, der fich jest in Weimar aufhält und von den IBeimeranern lieb haben läßt, die immer jemand des Gchlages haben müffen. Im Frühjahr war es Jean Paul Richter, in deffen Büchern Gotter gewiß nidjt eine ©eite läfe....

Novalis an Frau von Thümmel [93]

Weißenfels, 8. Sebruar 1797

Gollte meine peinliche Lage mein Nichtſchreiben nicht längft bei Ihnen entfchuldige haben? Es war mir eine gute Portion Leicht: finn nötig, um feither nur noch fo fertig zu werden, um ruhig ſchlafen, arbeiten, denken, fprechen und gleidy andern fein zu fönnen. Rechnen Gie hiezu noch eine Menge anderer Verdrieß- lichkeiten, fo wird es Gie nicht befremden, wenn id), zufrieden, das Noötigſte getan zu haben, mich fo tief als möglich in die Sluten des menſchlichen Wiffens verſenke, um, folange ih in diefen heiligen Wellen bin, die Traummelt des Schieffals zu ver: geffen. Dort blühen mir allein die Hoffnungen auf, die idy hier verliere; die hiefigen Rüdfchritte find dort Fortſchritt das

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vermundende Schwert wird dort zum befeelenden Zauberftab die Afche der irdifchen Rofen ift das Mutterland der himmlifchen. Meine Phantafie wähft, mie meine Hoffnung finfe menn diefe ganz verfunfen ift und nichts zurüdließ als einen Grenz: ftein, fo wird meine Phantafie hoch genug fein, um mich hinauf zu heben, wo ich das finde, was hier verloren ging. Frühzeitig habe ich meine prefäre Eriftenz fühlen gelernt, und vielleicht ift dies Gefühl das erfte Lebensgefühl der zukünftigen Belt.

Wie fehr wünfchte ich wieder einmal mit Ihnen in Grüningen zu fein. Daß wir dann endlid) aufhören mögen, für Sophiens Tage zu zittern, daß ich nicht mehr mie ein verzmeifelter Spieler lebe, deffen ganzes Wohl und Wehe davon abhängt, ob ein Blütenblatt in diefe oder in jene Welt fälle.

Novalis an Friedrich Schlegel [94] Weißenfels, 14. März 1797

Dein Brief hat mid) in einer £roftlofen Lage getroffen. Ich bin aus Grüningen mit der faft apodiftifchen Gewißheit zurück⸗ gefommen, daß Sophie nur nod) wenige Tage zu leben bat. Wenn ich nur immer meinen könnte; aber fo bin ich in einer ſchlaffen, ängftlichen Gleichgültigkeit, die mir jede Safer lähmt. Es ift eine Verzweiflung in mir, deren Ende ich nicht abfehe. Der Ekel, den mir alles, Bergangenheit, Gegenwart und Zukunft, einflögt, ift unbefchreiblih. Nur felten kann ich mid) auf einige Gtunden mit Arbeiten zerftreuen. Der Kopf ift in dem wüſteſten Zuftande, ih kann nichts mehr finden. Die Gemißheit ihres Be: jißes ift mir zu unentbehrlid; geworden. Jetzt erft fühl ich, mie fie, mir ſelbſt unmerflidy, der Grundftein meiner Ruhe, meiner Tätigkeit, meines ganzen Lebens gemefen ift. Der Lebensüberdruß ift entſetzlich und ich fehe Fein Ende. Ich hoffte, die Wiffen- ſchaften follten mir einen Erfaß bieten, aber alles ift audy hier tot, mwüfte, taub, unbeweglich. Der Schlaf ift meine einzige Wohl-

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tat; wenn ich kann, fo ſchlafe ich. Gott weiß, wie ſich das alles löfen fol. Dich fäh ich doch gern, Du mwürdeft mich doch viel leicht mit Deinen Eräftigen Anſichten der Dinge und Wiffen- ſchaften beleben. Ach! nur ein Funken Lebensgeift; matte Unruh ift ein fürdhterlicher Zuftand.

Leb wohl, ‚guter lieber Schlegel! Mit mir hats bald aufgehört. Gei glüdlicher als ih. Nur ein Wunder kann mid mir felbft wiedergeben.

Grüße herzlich die Deinigen. Die Bücher erhältft Du anbei zurüd; taufend Dank, ordentlich lefen kann ich fie jetzt nicht. Was Deinen Brief an Geverin betrifft, fo glaub ic Dir recht zu handeln, wenn id; ihn Dir unbeftelle zurückſchicke. Severin hat Fein Geld er ift feit mehrerer Zeit in der größeften DBerlegen- heit es wäre ihm zu münfchen, daß er fich helfe, denn er ift fonft ein fehr honetter Mann. Über die andern Gegenftände Deines Briefes erlaube mir jetzt zu ſchweigen ſchon diefer Brief ift mir fauer genug geworden.

Novalis an Yuft [95] Weißenfels, 28. März 1797

Gewiß habe ich zu fehr an diefem Leben gehangen, und da ift freilich wohl ein gewaltfames Korreftiv nötig.

Für Sophie kann ich nicht Flagen. Gott hat gewiß recht väter= lich an ihr gehandelt; und hat er da nicht nach meinem oftmaligen Gebet gehandelt? Jetzt weiß es Sophie, daß der Wunfch, fie zu befigen, der zweite in meinem Gebet für fie war; denn ihre Ber- volltommnung, fie felbft lag mir am meiften am Herzen.

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Novalis an Yuft [96) Weißenfels, 29. März 1797 Wenn ich bisher in der Gegenwart und in der Hoffnung irdi⸗ ſchen Glũcks gelebte habe, fo muß ich nunmehr ganz in der echten Zufunft und im Glauben an Gott und Unſterblichkeit leben. Gie würden Mitleid mit mir haben, wenn ich Ihnen von den IBiderfprüchen der feitherigen Stunden erzählen wollte. Ich leugne nicht, daß ich mich vor einer entfeglidhen Berfnöcherung des Her- zens, vor diefer Öeelenauszehrung fürdyte. Die Anlage dazu ift unter den Anlagen meiner Natur. IBeich geboren, hat mein Ber: ftand ſich nady und nad) ausgedehnt und unvermerft das Herz aus feinen Befißungen verdrängt. Sophie gab dem Herzen den verlorenen Thron wieder. Wie leicht Fönnte ihr Tod dem Uſur⸗ pator die Herrſchaft wiedergeben, der dann gewiß rädhend das Herz vertilgen würde. Aber vielleicht rettet mich noch die unficht- bare Welt und ihre Kraft, die bisher in mir ſchlummerte. Die “dee von Gott wird mir mit jedem Tage lieber. . .

Novalis an Srau von Thümmel (97) Tennftedt, 13. April 1797 ... Das Blütenblatt ift nun in die andere Welt hinüber ge- weht, der verzweifelte Spieler wirft die Karten aus der Hand und lächelt, wie aus einem Traum erwacht, dem leften Ruf des Wächters entgegen und harrt des Mlorgentots, das ihn zum fri« ſchen Leben in der wirklichen Welt ermuntert. Je ängftlicher die Träume, defto näher die erquieende Frühe. Ich fehe fie, den Engel meines Lebens, meine verewigte Sophie, bald, fehr bald wieder.... in

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Novalis an Friedrich Schlegel [98] Tennftedt, 13./15. April 1797

Mein Wunſch mit Dir in Jena diefen Sommer zu leben, ift mir nicht gelungen. Daher jeßt erft die Antwort auf Deinen herz- lichen Brief. Erasmus ift wahrſcheinlich jeßt, indem ich dies fchreibe, nicht mehr unter den Lebendigen. Dies befdjleunigte meine Abreife es blieb mir, da Jena nicht mein Aufenthalt fein follte, fein Ort übrig als Tennftedt. Hoffentlich leb id) hier einige Monate in einer wünfchenswerten Ruhe. Es foll mir recht lieb fein, wenn Du mir oft von Dingen fdhreibft, denen vormals mein ganzes Leben gewidmet war, und die mich fo glüdlidy an Sophiens Seite gemacht haben mürden. Auch jetzt noch find die Wiffenfhaften das Hauptintereffe, was ich an der Welt nehme. Mein Plan, nad; Jena zu gehn, entftand hieraus, und id) red nete freilich dabei fehr mit auf Euren ermedenden Umgang. Der Tod von Erasmus hat eher eine mohltätige als nadhteilige Wirkung auf midy getan. Er hat meine Kräfte eher vermehrt als vermindert. Er hat unbefchreiblid) viel gelitten. Meine Eltern und Geſchwiſter tun mir fehr leid. Schon Gophiens Tod hatte fie erſchüttert und nun fo kurz drauf zum erftenmal den Berluft eines Kindes und Bruders. Du Fannft denken, wie es mic in diefer Gegend, der alten Zeugin meiner und ihrer Herrlidy feit, vorfommt. Dennody hab ich eine geheime Freude, fo nah ihrem Grabe zu fein. &s zieht mid; immer näher, und diefer Zug madjt jegt zumeilen mein unausfpredjlicdies Glück. Mein Herbſt ift da und ich fühle mich fo frei, gemöhnlidy fo Fräftig es Fann noch etwas aus mir werden. Sobiel verfichre id Dir heilig, daß es mir ganz klar fchon ift, weldher himmliſche Zufall ihre Tod gemwefen ift ein Schlüffel zu allem ein munderbar ſchicklicher Schritt. Nur fo Eonnte ‚fo mandjes rein gelöft, nur fo manches Unreife gezeitigt werden. Eine einfadje, mächtige Kraft ift in mir zur Befinnung gefommen. Meine Liebe ift zur Flamme geworden, die alles Yrdifche nachgerade verzehrt. Deine Hoffnung hat recht gehabt: es ift weit mehr Heilkraft, Ausdauer und Wider:

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ftand in meiner Geele, als id} felbft wußte eine Heilkraft, die dem Übel die Quelle abgräbt eine Ausdauer, die Stunden nicht meffen Widerftand gegen alles, was mein Heiligtum entweihen mill.

Bier Yahre war ich auf Akademien und ein Jahr hab ich ftudiert 25 Jahr bin ich alt geworden und nur ein halb Jahr hab ich gelebt. Du wirft gewiß mit mir zufrieden fein. Viel⸗ leicht erfährft Du noch, wie lieb ich Did) habe. . .

Sriedrih Schlegel an Augufte [99] Jena, 28. April 1797 ... Sag Du nur Deiner Mutter gelegentlich: idy hätte Dich eben jo lieb, wie fie; und dann fag ihr auch: fie möchte fid nur in acht nehmen. Ich hätte mir vorgenommen, ihr von dem Augenblid an, wo id) ihr Fein Geld mehr ſchuldig wäre, wenn fie mid) welches fie doch nicht laffen kann über gewiſſe Dinge, mo fie fein reines Gemiffen hat, fragte, ihr allemal die reine Wahrheit zu antworten. Gag nur dem Bater: Er müßte notwendig auch eine Hiftorie ſchreiben. Ich hätte neulich gelegentlidy ausgefunden, daß feine ganze Natur eigentlidy hiftorifdh wäre. Wenn die Mutter etwa auch wiſſen will, was fie für eine Natur hat, fo fag ihr nur: politifcherotifch: doch möchte das Erotifche wohl überwiegend fein. Ich fehe Dir fon an, dag Du nun audy Deine Natur wiffen willſt. Du haft aber noch feine, liebes Kind. Die wächſt einem erft fpäter. Dod wird fie wahrfcheinlidy orchaftifch werden....

Novalis an Kriedri Schlegel [100] Tennftedt, 3. Mai 1797 Deinen legten Brief hab ich mit dem Buche richtig erhalten.

Diesmal ſchicke ich Dir dasfelbe noch nicht zurüd, vielmehr wieder:

hole ich meine Bitte um ‚Agnes‘ und um einige Nova, befonders von Dir. Ich mills nit lange aufhalten und mit a—3 Poft-

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tagen ſchicke ih Dir alles zurüd. Ich habe hier gar nichts, und es finden fi doch Stunden, wo ich einer ermunternden, wieder reizenden Erholung bedarf. Untätig bin idy gar nicht ich nähere mich jeßt auf einer andern Öeite meinem alten Ziele, und bevor ich dies nicht habe, denk idy auch nicht ans Gtillfigen und Aus» ruhn. Manches kann man nicht direkte faffen und da tut man gut, wenn man fidh ftelle, als ginge man nad) einer andern Seite; fo Eommt man ihm unvermutet nah. In vier Wochen komm id) gewiß auf einige Tage bei der Rüdreife nach Jena; hoffentlich zeig ich Dir da mandjes, mas ich getan habe. Ich will mid) nicht übereilen und langfam Eins vollenden, um mid, felbft vollenden zu lernen. Ich lebe hier fehr glüdlidh, denn alles ift ruhig um mich ber, und id) habe mein Heiligtum nicht fern. Schellings ‚Philofophie der Natur‘ findet in mir einen fehr neugierigen Lefer. Deine Rezenfion von Niethammers Journal hat den gewöhnlichen Sehler Deiner Schriften: fie reizt, ohne zu befriedigen fie bricht da ab, mo mir nun grade aufs Befte gefaßt find Andeutungen, Berfprecjungen ohne Zahl Eurz man Fehrt von der Lefung zu⸗ rüd, wie vom Anhören einer fdyönen Muſik, die viel in ung er- regt zu haben ſcheint und am Ende, ohne etwas Bleibendes zu binterlaffen, verſchwindet. Augen haben Deine Schriften genug belle, feelenvolle, Feimende Stellen aber gib uns aud) end- li, wenn Du anders nicht gang Künftler werden willft mo nicht etwas Brauchbares, doch etwas Ganzes, mo man auch Fein Glied mehr fupplieren muß. Du verzeihft meine treuherzige Er- mahnung, die Goethes Gefprädyen gegenüber eine noch armfeligere Geftalt machen muß. Indes will ich Feinen andern Effekt als den, daß es Dich überzeugt, daß ich warmen Anteil an den Ge- ſchaͤften Deines Lebens nehme und bis zum legten Momente neh- men werde. Ich bin Dir immer herzlich gut geweſen und menn id) auch zuweilen mit Dir unzufrieden war, fo habe id) doch nie von Dir laffen Fönaen und ſicher nehme id; Dein Andenken mit SYnnigfeit hinüber in jene Welt mit. Lebe mohl.

Dein Freund Hardenberg

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Novalis an Sriedrid Schlegel [101] Tennftedt, 25. Mai 1797

Hier Deinen Shafefpeare zurüd, wie ich denke unverfehrt, auch das Stück von den ‚Horen‘, Woltmann und die beiden Gtüde von Niethammers journal. Dein Bruder hat den Shafefpeare jegt fo überfesen müſſen; jest gedeiht das Beſte. Er hat einen ſchönen Kranz errungen. Merkwürdig ift es, daß Du mir jegt ‚Romeo‘ ſchickteſt. Ich habe ihn oft gelefen. Es ift ein tiefer Ginn in dem mas Du fagft, daß hier mehr als Poefie fei. Yet fang id an zu ahnden, mas Shakeſpeare fo einzig macht. Er dürfte leicht divinatoriſche Anlagen entwideln. Die Kontrafte haben mid), gegen meine alte Gitte, nicht geftört; ich habe das GStüd ganz, wie es ift, genoffen. Ich kann vieles, mas ich emp- funden habe, noch nicht deutlich machen. Die Anlage ift herrlid). Mit weldyen Gühnopfern endet der alte Zwiſt. In verzehrende Liebe löft fi) der wide Haß auf.

‚Der Sommernaditstraum‘ ift eine echte Groteske. Geine Dicht: ung beſchreibt Ghafefpeare felbft: ‚Des Dichters Aug in fehönem Wahnfinn rollend, uf.‘

Endlich ift mir Hülfen lieb geworden. Nun feh ich mohl, mas an ihm ift. Ich behalt ihn noch einige Zeit. Ich danke Dir für Deine Gefälligkeit fehr. Mache, daß ich bald von den Philofo- phicis etwas zu fehn kriege. Ich bin jegt für alles empfänglid). Lebe wohl, Befter.

Dein Hardenberg

Novalis an Friedrich Schlegel [102] Wiederftädt, 14. Yuni 1797

Deine beiden Briefe hab id) erhalten. Du erhältft hier Hülfen, das 3. Heft und das ‚Attifche IMufeum‘ zurüd. Geit dem 1. Yunius bin id} von Grüningen weg und hieher, mo ich in Gefellfchaft ‚meiner ganzen &amilie gelebt habe und in acht Tagen über

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Deffau, Wörlig und Halle mit meiner Mutter und Schweſtern nad Weißenfels zurüdfehren werde. Freilich hab ich durch diefe Veränderung meines bisherigen Aufenthalts mandjes eingebüßt und befinde mid) feitdem ungleidy übler ich bin auch untätiger. Indes verlag ich mid; auf die Wahrfdeinlichkeit, diefen Sommer doch größtenteils in der Einſamkeit ungeftört auf den Galinen zuzubringen. Bon Köfen aus fomm ich fobald als möglich auf einige Tage nad Jena. Wie viel beffer wärs geivefen, bei Euch den Sommer zuzubringen. Nichts als eine Grille meines guten Baters hindert diefes in mehr als einer Rückſicht für mid) wohl tätige Projeft. |

Du wünſcheſt mehr von mir in betreff meiner Gehnfucht zu hören. Befter, wenn es mir nur nicht immer ſchwerer würde, davon zu reden. Ich weiß auch wenig davon zu fagen. Es bleibe beim Alten es wird immer älter immer tiefer immer befaffender. Glaube nicht, daß id” Woltmann viel davon gefchrieben habe. Immer nur meniges und das halb mit Gewalt mir entriffen. Die Beranlaffung unfers Briefmechfels brachte das fo mie fi). Diefe Geſchichte brachte uns in Verhältnis und mei- nen erften Brief glaubte ich ihr, ihm und mir fchuldig zu fein. Doch davon nichts meiter. Es ſcheint mir hierin etwas zu liegen, mas eigentlid) bloß zwiſchen mir und Woltmann hätte bleiben follen und was Du verftehft, ohne daß ichs Dir zu erklären brauche. Du, befter Sreund, Fannft nichts bei mir verlieren, haft nichts bei mir verloren. Im Öegenteil bift Du mir fo lieb geworden, daß ich Dich vielleicht noch einmal auf die Probe feße und Dir den höchſten Beweis meines Zutrauens gebe. Deine Gtreitigfeit mit ihm ift mir gänzlich unbefannt, wiewohl id) fie vorausfah. In die Handhabung Deines kritiſchen Rechts menge idy mich nicht und fühle in mir Feinen Beruf, Dich zu beurteilen.

Übrigens aber nehme ich den wärmften Anteil an Deinen philo« fophifchen Plänen, denen ich erft jegt meinen vollen Beifall zu ſchenken angefangen habe. Ich glaube überzeugt zu fein, daß Du berufen bift, in der Philofophie die ehrenvollfte Rolle des endlichen

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Bermittlers zu fpielen. Deine Hefte fpufen gemaltig in meinem Innern, und fo menig idy mit dem einzelnen Gedanken fertig werden Fann, fo innig vereinige ich mich mit der Anficht des Ganzen und ercate einen Überfluß des Guten und Wahren. Willſt Du mid) nennen, fo ift es mir lieb in diefer großen Angelegenheit mit genannt zu werden. Vielleicht liefere ich Dir ein Beiwort zu mei- nem Namen, indes und wenn Gott will, auch eine fpezielle Ber: anlaffung dazu. Mit Kichten haft Du ungezmweifelt recht. Ich rüde immer mehr in Deinen Geſichtspunkt feiner Wiſſenſchafts⸗ Iehre hinein. Bon Weißenfels aus fchreib id Dir ſogleich und zwar alsdann jede Woche, fo gewiß ich lebe. Mlündlicy hoff id) Dir aber zu zeigen, wie fehr ich Dir vertraue, und dann mirft Du mit mir in diefer Welt zufrieden fein. Mit Schelling ſuch ich je eher, je lieber befannt zu werden. In einem Gtüde ent- fpricht er mir mehr als Fichte. Ich will bald miffen, was id) an ihm haben Tann. SHülfen, Schelling und Fichte nezeffitieren Did. Hülfen ift Deinem Geſichtspunkte am nächften aber fo ſchwerfällig. Fichte kann nicht aus der Wiffenfchaftslehre heraus, menigftens nicht ohne eine Gelbftverfegung, die mir uns möglich fcheint. Gchelling Fönnte in der Kraft Dein Rival fein; er übertrifft Dich vielleiht an Beftimmtheit aber wie eng ift feine Sphäre gegen die Deinige. Fichte ift der gefährlichfte unter allen Denkern, die ich Fenne. Er zaubert einen in feinem Kreife feft. Keiner wird wie er mißverftanden und gehaßt werden. Aber die Mißverftändniffe werden bier erfchöpft werden. Du bift er- wählt gegen Fichtes Magie die aufftrebenden Gelbftdenfer zu fhüßen. Ich hab es in der Erfahrung, wie fauer diefes DBer- fländnis wird. Manden Wink, manchen Fingerzeig, um ſich in diefem furchtbaren Gewinde von Abftraftion zuredjt zu finden, verdanf ich Dir und der mir vorſchwebenden dee Deines freien, kritiſchen Geiftes.

. Lebe wohl, Befter, grüße die Deinigen und Fichte.

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Sriedrih Schlegel an Augufte | [103] Berlin, 25. Yuli 1797

... Aber ich bin nicht froh, Augufte, denn idy fann meine Steunde nicht fo bald vergeffen, die Mutter und Wilhelm und Dich, wie Yhr es mohl Fönnt, Du nicht minder wie die Mutter. Gag nur der Mutter, ic märe recht böfe auf fie, daß fie mir nicht gefchrieben hätte, und ich wäre recht unglüdlich. Ich möchte oft mein ganzes Leben mit einem Geufzer von mir ftoßen....

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [104] Berlin, 2. Auguft 1797 ... Ich mußte mich erft Eunftmäßig äfchylifieren, um Deine Behandlung mit der mwahrfcheinlichen der Alten zu vergleichen. Im Geift möchte wohl darin die wefentlichfte Berfchiedenheit fein, dag mehr H802 in feiner Darftellung gewefen fein muß. Was die Philofophie betrifft, fo mag er, um bei der Modefpracdhe zu bleiben, leicht ebenfoviel praktiſche enthalten haben, aber gewiß nicht fo viel theoretiſche: und in der Vereinigung beider fcheint mir bier doch eigentlich das Wefentliche zu liegen. Überhaupt werde ich in der Folge (denn ich bleibe gewiß Deiner Anfrage die Antwort nicht ſchuldig) nicht vergleichen, nicht tadeln, auch nicht die Eigenheit diefes einzelnen Gedichts entwideln, fondern vor allem den Charakter der Dichtart zu der Pygmalion und Pro: metheus gehört, zu beftimmen ſuchen. Da diefe Form Dir fo ganz eigentümlich ift, da Du immer darin fo fortfchreiteft, da fie dabei in ihren Eigenfehaften und Merkmalen fo äußerft beftimme ift: fo ift es gewiß für den Kunſtfreund fehr intereffant, darüber Rechenſchaft zu geben, und auch für den Künftler felbft halte ich diefe Unterfuchung für die einzig praftifch recht fruchtbare... .

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Sriedrih Schlegel an Augufte [105] Berlin, 26. Auguft 1797 Affchen Auguftchen,

Deine ebenfo geiftvollen als lehrreichen, ebenfo Iuftigen als chro⸗ nologifchen Briefe find mir nicht nur angenehm, fondern aud) nützlich. Im Ernft, liebes Mädchen, ich danke Dirs recht, daß Du mid) in meinem Elende nicht verläßt und mir fo ordentlich ſchreibſt. Ich habe allemal eine rechte Freude, wenn ich das Eouvert öffne, und mir auch ein Blatt von Deinem liebenswürdigen Gefrigel in die Hand fälle.

... Auch vermifje ich die Lifte von den Büchern, die Du in der legten Woche gelefen hafl. Wenn Du einmal fo viel lefen willft, fo mähle nur lauter vornehme, klaſſiſche Bücher; nicht fo gemeines, alltaͤgliches Zeug, niedern Pöbel der Bücher.

Nach dem was Du mir immer von Deinen Fortfihritten im Griechiſchen fehreibft, wird Dir die Spradye bald zu enge werden, und fi) vor Dir verfriehen. Wenn nur Wilhelm auch fo zu frieden mit Dir ift, wie Du mit Dir felbft! Wenn Du erft ein Bud von Herodot recht fleißig und forgfältig durchgelefen haft, fo wird er Dir gar feine Mühe mehr madjen, und nachher wirft Du den Homer nicht zu ſchwer finden... .

Die Liebesfind fehe ich ziemlich oft, finde aber fie und ihr Kind nichts weniger als lieblih. Die Herz, eine alte Sreundin von mir (das ift fo zu verftehen: die Sreundfchaft ift jiffig, aber die Sreundin ift al. Mit Dir wäre es grade umgekehrt. Da ift die Sreundfchaft alt und die Freundin jung. Das ift aud) weit mehr nach meinem Gefchmad) bat mir auf die Saframente gefehtworen und fie ift eine Yadin daß fie an der enifcherei ganz und gar Feinen Anteil hätte. Gag das der Mutter. Es ift wirklich die Wahrheit.

Was Du im Poftffript von den Berliner Srauen und meinem Verhältnis zu ihnen andeuteft, hat mich betrübt und erfreut. Gottlofer Schelm! möchte ih zu Dir fagen, mie Apollo zu dem Fleinen Hermes. Ich habe Did, lieber, als Du verdienft. 13 Romantiter.Briefe 193

Nun bift Du ſchon übermütig und troßeft. Das betrübt mich! Du haft alfo audy die Ähnlichkeit mit der Mutter; eine mehr als türfifche Eiferfucht. Das erfreut mi! Es geſchieht alles um Deinetwillen, Augufte, damit ich nämlich in der Anmut wachſe, wie mir die Mutter immer gepredigt hat, und mie ich nun dichte und trachte von ganzer Seele und von ganzem Ge- miüte; damit ich Dir nicht mehr fo rauh begegne, wie wohl fonft, wenn wir twieder beifammen find... ..

Wenn die Mutter nicht felbft an mid) ſchreibt, fo folleeft Du mir immer recht viel von ihr ſchreiben, was fie gefagt hat, ob fie Iuftig ift, ob fie von Weſpen geftodyen ift, oder von andern Un⸗ geheuern, ob fie einen Roman fehreibt oder dergl. Bor allen Din- gen bitte fie aber immer und fuche fie zu bereden, daß fie mir ſchreibt.

Ich verſpreche Dir auch, daß ich Dir alles berichten will, wenn mich eine Frau liebt (— wenn ichs nämlich erfahre) oder dergl.: denn daß ich eine liebe, wird wohl fo leicht nicht vor⸗ fommen. Übrigens hätte ich wohl fo gut Urſache zur Eiferfucht wie Du: der vielen Campenhaufens nicht zu erwähnen, fo ift da Grieg, der Kleine, und Eſchen, der unge.

Willſt Du nicht etwa am Attifchen Muſeum Anteil neh- men? Du befömmft für den Bogen ı0 Tr. Doch wäre cs nicht überflüffig, wenn Du vorher lernen mollteft, die deutfche Drthographie ein wenig weniger liebevoll behandeln. ... .

Dein Dir bis in den Tod getreuer Fritz

Auguft Wilhelm Schlegel an Goethe [106]

Jena, 24. September 1797

Schon oft nahm ich mir vor Ihnen zu fehreiben, doch war mir, als ob das was ich zu fagen hätte nicht bedeutend genug toäre um Ihnen fo weit nachzureiſen: eine Bedenklichkeit über die mid) Ihre freie Mitteilungsmeife im Gefpräd, feit dem erften Augen»

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bli® der Befanntfchaft weggefegt hatte. Daß ich Yhren Umgang unendlich vermiffe, daß nichts mir ihn erſetzen Fönnte, wenn id; auch jest weniger ifoliert, und nicht beinahe für alles mas meinem Geift und Herzen wert ift auf meine geliebte Freundin einge fihränft wäre, glauben Gie mir gewiß gern.

Gie find uns indeifen während diefer Zeit im Geifte einige Male fehr nahe gemwefen, wir haben die ganze Gewalt Ihrer Gegenwart gefühlt. Ich habe die Bogen vom Almanad) einzeln gehabt, und wollte, ich Fönnte Ihnen mein Entzüden und meine Bewunderung ausdrüden. Aleris hat einen gefährlidyen TTeben- buhler am Paufias gefunden: der neuefte Eindruck ift immer der reizendfte, und man muß fich alfo jege hüten jenem unrecht zu tun. Aleris hat die unmiderftehlidhe Macht der Leidenfchaft für fi), die meiften Menſchen mwerden durch die Gegenwart ftärfer ergriffen werden als durch die Erinnerung, wenn diefe glei) viel- leicht gefchickter ift, in zaubrifehem Lichte aus dem Spiegel der Dichtung zurüdgeftrahlt zu werden.

Im Paufias liebe ich eben diefe ſchöͤne befonnene Ruhe unter den füßeften Empfindungen. Die zartefte Sinnlichkeit ift mit dem reinften und edelften in der Liebe fo innig verfchmelzt, wie in der Zeichnung der Geftalten das Liebliche mit großen herrlichen Um- riffen. Die Wechfelreden fügen ſich aneinander wie die Blumen im Krange der Geliebten. Das Idylliſche in das wirkliche Leben hinein zu verpflanzen und ihm dadurdy eine Wahrheit zu geben, die es bei der Berfegung in eine ifolierte ländliche Welt ſchwer⸗ üch für uns haben kann, weil uns bei unfrer rauhen Natur die feine Bildung der Gefühle unerflärlid bleibt dies war ſchon im Aleris gelungen; aber hier fteht das Idyllenleben des Malers und der Blumenfünftlerin, wie mid) deucht, nody unabhängiger und fchöner entfaltet, dicht neben den Gzenen der großen Belt. Ob alles fo täufchend im griechifchen Koftüm ift, wie das Gaft- mahl, darüber haben wir geftritten. Vielleicht Eonnte ein grie- chiſcher Dichter die Vorzüge des Dichters, des Malers, der Lie— benden nicht fo vergleichen: aber doch lägen ihm diefe Zeilen wohl

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nicht fo fern, daß er fie, ins Griedhifche übertragen, nicht ganz gefühlt hätte.

Ich kann mir nit helfen, ich muß Gie von Dingen unter: halten die Ihnen freilich nicht neu fein können. Die Braut von Korinth ift mir unter Ihren diesjährigen Gaben doch die liebfte. Ich las fie meiner Stau vor, ohne noch von dem In— halte zu miffen, und da ich nun anfing etwas linheimlicdyes zu ahnden, und allmählid ein immer ftärferer Gchauer durch die glühende Szene binlief, fo geriet ich in Verwirrung, ich ftodte, und meine Srau behauptete, ich hätte eben deswegen darftellender gelefen, als nadjher, da ich die Wendung ſchon vorausfah. Das Gefpenftermäßige auf diefe Art mit dem idealiſch Schönen zu vereinigen, war Ihnen vorbehalten; der innerliche Schauer ift defto gewaltiger, weil er gar nicht durch ſinnlich empörende Bor: ftellungen erregt wird. Und wie Fühn und groß ift der noch un: entfchiedene Antagonism zwifchen den heidniſchen Göttern und den chriftlichen! Es ift als ob der Geift des Mädchens aus einer doppelten Serne herfäme, weil fie durch die Kluft des Lebens und der Religion von dem Geliebten geſchieden iſt. Das Gilben- maß ſcheint auch eine wahre Eingebung für diefen Gegenftand: es tritt fo leis und heimlich auf und befchleiht das Gemüt mit ftiller Gewalt; der ganze Rhythmus der Erzählung ift wie ein Geifterfchmeben.

Mit der Bajadere haben Gie Ihr Geheimnis ein wenig ver- raten: wir laffen es uns nicht ausreden, daß Sie der Gott Ma—⸗ hadöh felbft find, der jegt, ich weiß nicht in der wievielſten Ver: mandlung auf der Erde umbhergeht.

Welch neue Ausfichten für die Poefie eröffnen ſowohl Ihre Idyllen als die hier aufgeftellte Reihe von Balladen! und mie werden durch ſolche Bemweife diejenigen widerlegt, welche behaupten, das Gebiet der Dichtung werde durdy den Gang unfrer Bildung immer mehr verengt, und fei nahe daran erfchöpft zu fein! Gie haben der Ballade durch die Wahl des Gtoffes, durd) die Be- handlung und felbft durch die erfundenen Gilbenmaße ganz neue

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Rechte gegeben, und für alles bisher vorhandene in diefer Gat— tung ift ein anderer Mafftab gefunden, ein neuer Gefichtspunft gegeben. Bei Gelegenheit habe ic einmal Bürgers Balladen wieder gelefen, und unter andern ftarfe Zweifel gegen ihre durch— gängige Bolfsmäßigfeit befonımen. Ich glaube nämlich, es läßt fi) eine pofitive Popularität, und eine negative unterfcheiden. Bon der erften, die eigentlich ganz entbehrlid) ift, hat Bürger nur allzu viel; (ich recjne dahin: ‚Herr Marfchall, was haun wir das Leder uns wund‘ u. dergl.) gegen die legte aber, die in bloßer Ent: haltung befteht, feheint er mir oft durdy das Beftreben nad) Stärfe und Lebendigkeit der ſinnlichen Darftellung, auf die er meiftens fein ganzes Bertrauen feßt, zu verftogen. Die alte fpanifche, englifche und dänifche Romanze oder Ballade tut ja in diefem Gtüde immer lieber zu wenig als zu viel und überrafcht durch die große Wirkung bei fcheinbar geringen Mitteln.

Ich habe diefen Sommer audy noch fleißig gedichtet: Sie werden mich mehrmals im Almanach finden. Ich gehöre zu den Leuten, die Luft zum Gpazierengehen befommen, wenn das Tor eben gefchloffen werden foll; erinnern Gie fidy noch, wie Sie mid) einmal vorigen Herbft auf dem Garten zum Dichten ermunterten und fagten: man rechne bei dem Almanad) auf nichts, was nicht vor dem Schluffe des Jahres fertig wäre? Ceit vielen Jahren fühlte ich mich nicht fo dichterifch geftimmt als grade jegt. In früheren Zeiten, als Knabe noch, hatte ich eine unfägliche Leichtig- feit, die freilih mit dem immer regen Nachbildungstriebe zu: fammenhing. Seit ich in das männlidhe Alter trat, waren die Sorderungen, die ich an mich machte, mit der Schwierigkeit fie zu realifieren, immer in einem ſolchen Berhältniffe, daß es mir einen Entſchluß Eoftete etwas zu unternehmen. Das Mechaniſche der Ausführung habe ich freilich durch fo mancherlei Übungen zu fehr in meine Gewalt befommen, als daß es mich aufhalten Fönnte. Nur über die Anlage wurde es mir ſchwer mit mir eins zu werden: aber ich fehe, wieviel man auch hier durd) einige ges Iungene Anftrengungen an Öicherheit und Gelbftändigkeit gewinnt;

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und id) hatte jeßt mehrmals das Gefühl wie gegen diefe frei- tätigfte aller Befchäftigungen des Beiftes jede andre ihren Reiz verlieren muß. Leider verhindern mich ganz heterogene Arbeiten diefer günftigen Stimmung nadjguhängen.

Ein Gedicht von mir über und wider die Wegführung der Kunſt⸗ werke aus Rom wird Ihnen vielleicht wegen des Gegenftandes feinen fonderlich erfreulichen Cindrud! machen und ich wünſchte wirklich, die Begebenheiten hätten Feinen Gtoff zu einem ſolchen Gedichte gegeben. Haben Gie vielleicht einen Auffag von Rö- derer gelefen, worin er die Gründe gegen die Wegführung auf das Bündigfte zufammengedrängt hat, der vor ziemlicher Zeit im Jour- nal de Paris und feitdem, wo ich nicht irre, in der Minerva überfeßt geftanden? Es nannte jemand neulich diefen unbefted;- lichen GSchriftfteller einen überfranzöfifdyen Kopf, und id) würde fhon nad) diefem einzigen Auffage fo urteilen.

Ich habe mich auch an eine Romanze gewagt, und zwar, ohne von den Kranichen des Ibykus zu mwiffen (welches mir die fchönfte von Schillers Balladen ſcheint) einen Gegenftand gewählt, der Pendant dazu macht, obgleich in einem ganz entgegengefegten Sarbentone, die Geſchichte vom Arion. Ich bin Auferft begierig Ihr Urteil darüber zu erfahren. Was wohl eine Geſchichte für Befchaffenheiten haben muß, um zu einer Ballade zu taugen? Denn auf die glüdliche Wahl des Stoffes kommt doch hier wohl vor⸗ züglic) viel an. Ich bin mit meinen Gedanken darüber noch nicht viel weiter gefommen, als daß diefe Dichtart immer etwas wunder⸗ bares zu verlangen fdheint; grade nicht immer ein eigentliches Wunder obgleich die alte englifche, fchottifche und dänifche Bal⸗ lade gar zu gern in die Geiftermelt hinüberfchreitet, aber dod) eine feltfame Berfettung von Umſtänden, oder ein Wunderbares der Gefinnung. Gobald ich einmal wieder Zeit habe, werde id) Jagd auf paffende Geſchichten madjen, auch auf morgenländifche. Da Gie mit der indifchen Ballade vorgegangen find, fo denke ich, wird die Dichtart die Reife um die Wele machen, und vielleicht einmal in Madagaskar die vermwiefenen Deputierten befuchen.

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Bei Gelegenheit der Gedichte für den Almanad) habe ich mit Schiller mehrere Briefe gewechſelt; er hat mir auch auf ein paar andre Gedichte lebhaft feinen Beifall bezeugt, auf meine legte Sendung aber mit dem Arion, den er indeffen ebenfalls eingerüdt, habe ich gar Feine Antwort von ihm befommen, id) weiß nicht aus welchen Grunde. Goviel id weiß, hat noch niemand hier diefe Entfer- nung bis jegt bemerkt: doch hat es mich einige Male in Ber: legenheit gefegt, daß fich Leute an mich gewandt haben, in der Borausfegung ich fähe Schillern häufig. Ich Eonnte jet feinen Schritt zur Annäherung weiter tun, wenn Sch. nicht meinen Eifer zu feinem Alm. beizutragen dafür genommen hat. Es follte mir leid tun, wenn ich die Hoffnung aufgeben müßte, diefes unver: ſchuldete Mlißverftändnis wieder ausgeglichen zu fehen, weil ich es alsdann mir felbft ſchuldig wäre, meine Gadjen nicht mehr in Inſtitute zu geben, die Sch. herausgibt; fo ungern ich mich von der guten Gefellfhaft ausfchliegen mürde.

Wir haben hier verfchiedentlid, intereffanten Befuch von Sremden gehabt: daß der Rittmeifter von Funk hier war, werden Gie viel» leicht twiffen; Hr. von Hardenberg aus Weißenfels hat einige Male einen Zag bei ung zugebracht. Gie werden ihn hier oft gefehen haben, aber ich weiß nicht, ob Sie je näher ins Geſpräch mit ihm gefommen find. Er ift für uns ein äußerft intereffanter Mann, und die ſchwärmeriſche Wendung, die ihm der Tod feiner jungen Geliebten, des Kräuleins von Kühn, gegeben hat, macht ihn noch liebenstwürdiger, da ein fo ausgebildeter Beift fie unterftügt, oder ihr das Gegengewicht hält. Seine Schwermut hat ihn mit dop- pelter Tätigkeit in die abftrafteften Wiffenfchaften geftürzt: feine innre Unruhe verrät fi) dabei durch die Menge und Neuheit feiner eigentümlichen Anſichten. Er verläßt jegt diefe Gegend, um nad Dresden und von da nach Sreiberg zu gehen. Bon meinem Bruder aus Berlin haben wir recht angenehme Nach— richten. Wie es fcheint, wird er fehr in Gefellfchaften gezogen, doch beteuert er, daß er immer fehr fleifig ift, und die Griechen nicht vergißt. Doch wird auf Michaelis noch nichts davon, id)

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denfe dagegen, auf Oftern alles erfcheinen. Am zweiten Bande meines Shakeſpeare wird ftarf gedruckt, er muß nädjftens fertig fein. Bei dem zweiten Stücke hat mir die Profa, worin es des großen Teils gefchrieben ift, viel Not gemadjt, beinah foviel als die verfifizierten Stellen; mwenigftens hat die alte Überfegung dabei eine ebenfo ſtarke Umformung erleiden müffen. Diefe Zeit her habe ich viel für Fiorillos Werk gearbeitet, befonders die Artikel von Leonardo da Binci und Michel, piü che mortal, Angel divino. ...

Sriedrih Schlegel an Augufte [107] Berlin, November 1797 An Augufte Sie.

Das Gemüt, liebfte Sie, ift das Ynnerfte an einem Menſchen, mas übrig bleibt, wenn man die Schalen und Hülfen abftreift; es ift der feinfte Geift der Seele, und die zartefte Geele des Gei- ftes. Wenn Du die Erklärung davon verftehn könnteſt, fo wür⸗ deft Du gar nicht mehr danach fragen; alfo Fann fie Dir doch nichts helfen.

Ich habe Anteil an Deiner Betrübnis wegen Gotters Ticht« fommen genommen, die nun wahrfcheinlich längft vorbei iſt.

Schreib mir nur bald wieder, daß es vortrefflid mit Deinem Griechiſch, und ſchicke Herodot. .. .

Ich hoffe immer noch, dag Du mit nad) Berlin fommft. Befteh nur darauf. SKoften macht es nicht im mindeften mehr. Es ift hier viel Merkwürdiges für Dich zu fehn und zu hören; und ge- fallen fol Dirs aud) mohl. Davor will ich ſchon forgen. Wirft Du Dich nicht aud) etwas freuen, mich wieder zu fehn?

Die Liebesfind ift ja recht lange in Sjena geweſen.... Gie hat fich fehr in Unkoſten geſteckt, und der Herz einen langen Brief voll Lob über die Mutter geſchrieben. Ehedem hätte fie

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nur ihren Kopf gefannt, nun ehre und liebe fie auch ihr Herz; und was des abgeſchmackten Zeugs mehr ift. Lebe wohl, liebfte Sie, und vergiß nicht

Deinen freuen

Ich

Caroline an Auguſt Wilhelm Schlegel [108]

... Das Stück [Romeo und Julia] ift voller Leben, voller Be- deutung, aber doch auch fo einfach es find Feine Rätfel darin zu löfen. Der Charakter des Möndjs hat Tiefe, ohne Geheim- nis. Kein Heiliger, ein würdiger, fanft nadydenfender Alter, ein edel betrachtender Beift, faft erhaben in feiner vertrauten Befchäf. tigung mit der leblofen Natur, und äußerſt anziehend, pifant (wenn Du erlauben mwillft) durch feine ebenfo genaue Befannt: fehaft mit dem menſchlichen Herzen. Geine Kenntnis desfelben ift mit einer fröhlichen, ja witzigen Laune gefärbt. Er hat einen ſchnellen Kopf, ſich in den Augenblid zu finden und ihn zu nugen, mutig in Anfchlägen und Entfchluß, fühle er ihre Wichtigkeit mit menſchenfreundlichem Ernſt. Bon feinem Orden fcheint er nichts zu haben, als ein wenig Berftellungsfunft und phufifche Furcht⸗ famfeit er ift frei von Herrſchſucht, und feßt ſich ohne Be: denken aus, um etwas Gutes zu ftiften, ift freimütig und Herr feiner felbjt in einer Gefahr, der er nicht mehr entrinnen Fann. Es ift fonderbar zu fagen, aber es gibt nichts liebensmwürdigeres als diefen Mönd, und die erfte Szene in der er auftritt dient dazu, uns eine adjtungswürdige Gewalt in feinem Weſen fühlen zu laffen, die jenen Eindrud durch Verehrung ftärft. Er tut was die jungen Leute haben mollen, aber er fcheint uns nicht ihrem Ungeftüm, fondern der beinah heiligen Empfindung, der Erfahrung von dem was Leidenfchaft ift, nachzugeben. Er tut an Yulien eine Korderung wie an eine Seldin, er mahnt fie zur Stand» haftigkeit in der Liebe, wie an eine hohe Zugend, und ſcheint vor:

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ber zu wiſſen, daß er fich nicht in ihr betrügen wird in der fi) zur Leidenfchaft ſchon die reine gemiffenhafte die fromme Treue der Gattin gefelle. Julie ift nichts wie Liebe, und doch wär es unmöglich fie nur für ein glühendes Mädchen zu nehmen, das zum erftenmal erwacht, und gleichviel auf welchen Gegenftand verfällt. Diefe beiden fcheint wirklich ihr guter Geift fi) einander zugeführt zu haben fie treffen fi in einem Dlid, und jedes nächſte Wort ift wie diefer Bid. Man glaubt mit ihnen, daß bier Feine Täufchung ftattfinden kann. Gelbft Romeos Klatter- haftigfeit gibt uns feinen Zweifel es ift als wäre feine erfte Anhänglichkeit nur ein Geficht der Zukunft gewefen, ein Traum feiner Phantafie, ihn vorzubereiten. Und ob wir gleidy an beiden nichts fehn wie ihre Leidenfchaft, fo zeigt fie fidy doch fo, daß fie auf eine edle Beftimmtheit der Geele fchliegen läßt. Zuͤrnt nicht mit Julien, daß fie fo leicht gewonnen wird fie weiß von Feiner andern Unſchuld als ohne Kalfc dem mächtigen Zuge zu folgen. In Romeo Eann nichts ihre Zartheit, und die feinen Forderungen eines wahrhaftig von Liebe durdydrungnen Herzens zurückſcheuchen und beleidigen. Sie redet frei mit ſich und ihm, fie redet nicht mit vorlauten Ginnen fondern nur laut, mas das fittfamfte Wefen denken darf. Der heißen Italienerin verzeiht man die Lebhaftigkeit der Vorſtellung. Bon dem Augenblid an, da fie feine Gattin wird, ift ihr Leben an das feinige gefeffelt; fie hat den tiefften Abfcheu gegen alles was fie abwendig machen will, und fcheuet glei die Gefahr entweihet oder ihm entriffen zu werden. Da jie gezwungen wird ſich zu verftellen, tut fie es mit GStandhaftigkeit, und deswegen ohne Gemiffenszweifel, meil fie ihre Eltern nach ſolcher Begegnung nicht fehr achten Eonnte. Ihren Menolog halt ich für einen von ©hafefpeares Meifterzügen, die ohne Kleden find. Erft der Schauer ſich allein zu fühlen, faft fhon wie im Grabe das Ermannen die Überlegung, der fo natürliche Argwohn, und wie fie ihn heldenmütig, mit einer Geele über alles Arge erhaben von füch weift größer wie der Held, der wohl nicht ohne Dftentation die Arznei austranf. ...

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Caroline an Auguft Wilhelm Schlegel [109]

. .. Die Hufland hat vorgeftern faft die ganze Rolle der Yulie aus Gotters Dper gefungen; die Muſik ift fehr edel nad) meinem Gefühl. In die Oper felbft ift nichts vom Geift des Originals übertragen. Die Liebenden kommen mir immer wie Yulie und St. Preux darin vor die ſich Mad. de Stael mag es anders fagen ein wenig nad; ©rundfägen liebten. Ghafefpeares Julie iſt fo jung, fo aufrichtig glühend. Dort haben wir eine moralifche, bier eine romantifche Leidenſchaft. Darin gleicht Romeo dem St. Pr., daß er feinen Schmerz nicht verhehlen und nicht bes meifteen kann. Wer aber würde diefes auch von dem Jüngling fordern? Was dem Manne ziemt, weiß der Mönd) wohl, aber auch, daß er in die Luft redet und nur die Amme erbauen wird, doch vergingen darüber einige Minuten, in denen fich der Ber: zweifelnde fammeln und dann auf den reellen Troft des Tröftenden horchen Eonnte, der ihm eine Julia zufagt, wies die Philofophie nicht konnte. Romeos milde Feftigfeit wird bei andern Gelegen- beiten fichtbar. Geine Tapferkeit fucht Feinen Gtreit, aud) ohne Liebe fcheint er über den Haß hinaus zu fein dieſe läße ihn eine Beleidigung verfchmerzen. Der Tod des edlen Sreundes nur twaffnet feinen Arm.

Im erften Ausbrudy von beider Verzweiflung find unftreitig wir mögens uns fo fanft vorfagen wie wir wollen, lieber Freund einige Shafefpearefche Härten und Unſchönheiten aber dagegen ift es auch wieder himmlifch, wie in dem Abfchiedsauftritt die Sreuden der Liebe den milden Kummer gebrocdyen haben wie wehmütig, hoffnungsvoll und unglüdahndend zugleidy fie aus ihnen ſpricht. Du wirft nicht unterlaffen zu bemerken, daß in diefem Auftritt ganz vorzüglich die poetifche Schönheit mit dem einfachften Ausdruck eines zerriffnen Gemütes verfchmolzen if. Die erfte Unterredung im Garten bat einen romantifchern Schwung, aber fie hat auch ebenfoldye Ausdrüde der innigften Zärtlichkeit, wie fie unmittelbar dem Herzen und der von Liebe erfüllten Phan- taſie entfchlüpfen.

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Romeo ift nicht mehr niedergefchlagen die Hoffnung, die blühende jugendliche Hoffnung hat ſich feiner bemächtigt faft fröhlich wartet, er auf Nachricht. Er nennt das felbft nachher den legten Lebensblig. Dergleichen Züge gehören ganz Shafefpeare. Ich weiß niemand, der ihm darin ähnlid wäre das find foldje, womit er die Geelen der Ntenfchen ummendet. Was Romeo nun hört, das verwandelt auch wie ein Blig fein SYnneres zwei Worte und er ift zum Tode entfchloffen, entſchloſſen in die Erde Hinabzufteigen, die ihn Faum noch fo ſchwebend trug.

Den nächften Auftritt find ich fehr gut, auch nicht etwa das Ganze unterbrechend. Hier ift eine Spur vom Ton des Hamlet der fünnte fo geendet haben, wenn er Gift zu Faufen nötig gehabt hätte.

Laß Romeos leßte Szene für ſich felbft reden merfe nur an, mie verfchieden die Zotenfeier des treuen Bräutigams von der des Geliebten ift, wie gelaffen er feine Blumen ftreut. Und dann, dag Romeos Edelmut auch hier hervorbricht, wie ein Strahl aus düftern Wolfen, da er über dem in Unglück verbrüderten die legten Gegensworte fpricht. ch kann deswegen aud) nicht fragen, war es nötig, daß diefe gute Seele hingeopfert wurde, und Romeo noch einen Menfchen umbringt? Paris ift eine durchaus notwen⸗ dige Perfon im Stück und eine foldhe, denen im Leben und Sterben wohl ift. Bon einer gewiffen Ökonomie (vortrefflicher) neuerer Stüde Leffings Gtüde find fo eingerichtet wo alles überflüffig fcheinende erfpart wird, und auch oft Perfonen nur erwähnt, nicht dargeftellt werden, wo jedes fo genau berechnet ift, daß fein Wort wegfallen darf, ohne Nachteil des Ganzen, wußte ©h. freilich nichts. Er war fo freigebig wie die Natur, der man zumeilen auch müßige Rollen und unnötige Begebenheiten vor» werfen möchte. Es ift viel, daß er Rofalinden nicht erfcheinen läßt, da es ihm auf einen mehr oder weniger gar nicht anfommt. Vielleicht Fönnte Rofalinde ganz wegfallen, ohne Schaden des Gtüds. Und doch pflegt man, je tiefer man in den Gang eines Shake» fpearefchen Stüds eindringt, defto mehr Harmonie und Notwendig:

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feit, fo daß man fich zuleget nichts nehmen laffen mag, zu ent deden (Cimbelyne wird diefe Freude ſchwerlich gewähren; es ift wenig Zufammenhang darin, nur die Ausführung einzelner Sachen ſchmelzend fdön).

Die Gefchichte, die Kabel ift nicht fein eigen, heißt es oft. Der Geift ifts immer. Der rohe Plan, und der Geift, wie ich hier immer den feinern Plan nennen will, find fehr verfchieden. Go wie Hamlet jegt ift, ift er Sh. eigenfte Schöpfung (wie wir längft wiffen). Ich bide mir ein, es ift eher vorteilhaft für das Genie, nicht ftets zugleich zu erfinden und auszuführen. Gollte nicht eben -. die Sremdheit des rohen Gtoffes zu Schönheiten Anlaß geben, indem das weniger Zufammenhängende in dem was der Dichter vorfindet durch die Behandlung erft twahre Einheit gewinnt? und diefe, wo fie ſich mit foheinbaren Widerfprücdhen zufammen findet, bringt den wundervollen Geift hervor, dem mir immer neue Ge- heimniffe abloden, und nicht müde werden, ihn zu ergründen. (Wenn Ihr Euch nur verfteht, ich begreif es recht gut). Ich entfinne mich nicht der Legende von Hamlet, aber vermutlich war das Ende wie im Trauerfpiel, daß der Zufall die Rache über: nimmt mehr wie Hamlet. Und wem find mir dann den Hamlet ſchuldig? Im Romeo fand Sh. weit mehr Stoff vor, und ift ihm fehr treu gefolgt, aber wie ift er fein eigen geworden. Die Charaktere helfen der Gefchichte nad) und bringen die lebendigfte WBahrfcheinlichkeit hinein. Die Heftigkeit des Baters, das Ger meine im Betragen beider Eltern ift fehr anftößig, allein es rettet Aulien von dem Kampf zwifchen Leidenfchaft und Findlicher Liebe, und von allem Tadel. Jener wäre hier gar nicht an feiner Stelle gewefen (tie er es allerdings in dem moralifchen Liebeshandel der nouvelle Heloise war). Diefer bleibt nun lediglich Yohnfons Strenge überlaffen (dent an die Note). Das muß ich fagen, alle Schimpfwörter des Baters find mir nicht fo anftößig als der Mutter Wort: I would the fool were married to her grave. So mas überſetzt' ich nım fo gern weg. Iſt es nur ein pöbelhaft gedanfenlofer Ausdrud, warum follte mans nicht tun dürfen?

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Eelten wird fi) foldy eine Gelegenheit zur Untreue finden. In Margarethens Munde (King Richard II.) will id} feinen Fluch unterdrücden, und auch Lady Macbeth mag fagen: ich weiß wie füß es ift, ein Kind an eigner Bruft zu tränfen ꝛc., ſtatt id) habe Feine Kinder x. Aber Mißlaute wie jener, wo fonft alles fo harmoniſch ift, tun weh.

Den Merkutio und die Amme, die man auch ihrer eignen ſchwatzhaften Zunge überlaffen kann, magft Du allein behalten.

Und ob Romeo und TYulie ein Trauerfpiel ift, mögt Ihr bei: den ausmachen.

Sriedrih Schlegel an Caroline [110] Berlin, November 1797 Wenn ich doch nur mehr fchreiben Fönnte, liebe Caroline! Es gefchähe fo gerne. Gie müffen nicht übel nehmen, daß ich nun in dem Gedränge von allem, was ich eigentlich fchreiben wollte und follte, jegt immer dem den DBorzug gebe, was das Journal betrifft. Schreiben Gie mir doch ja, alles mas Gie für ſich dazu zu fun denken, auch noch ehe Gie firiert find. Ich rate Ihnen dann fo gut ichs weiß. Raten audy Gie mir, und über— legen Sie alles was ich von meinen Arbeiten und Projekten da=- für fchreibe, recht kritiſch und gründlid. Befonders aber auch das, was Wilhelm tun Fann und will, befördern Gie durch Ihre Teilnahme. Wenn er meinen Vorſchlag wegen der neueften lyri⸗ fchen Gedichte des Meifters eingeht: fo Fönnen Sie ihm gewiß fehr viel dazu helfen. Laffen Gie ſich meder Wilhelms Treiben noch ihre Arbeitsfcheu den Gedanken verleiden, felbft Beiträge zu geben. Wenn Gie dies aber auch nicht gleich können oder wollen, fo bleibe Ihnen doch ſchon viel übrig durch Teilnahme und Rat unfern Eifer zu verdoppeln und zu berichtigen. Ich habe immer geglaubt, Ihre Naturform denn ich glaube jeder Menſch von Kraft und Geift hat feine eigentümliche

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wäre die Rhapfodie. Es wird Ihnen vielleicht Flar, mas ich damit meine, wenn ich hinzufege, daf ich die gediegene, fefte, Elare Maffe für Wilhelms eigentlid)e Naturform, und Fragmente für die meinige halte. Ich habe mohl aud; Rhapfodien ver: fucht und W. kann gewiß fehr gute Sragmente madyen, aber ich rede nur bon dem was jedem am natürlichften iſt. Man erſchwert fichs gewiß fehr, wenn man, befonders bei wenig Übung, eine Form wähle, die einem nicht natürlich und alfo nur durdy große Kunft und Anftrengung erreichbar ift. Gollten Sie jemals einen Ro- man fdhreiben: fo müßte vielleicht ein andrer den Plan madyen, und wenn nidyt das Ganze aus Briefen beftehn follte, auch alles darin fehreiben, twas nicht in Briefen wäre. Sie können wohl Sragmente fprecdhen und auch in Briefen fchreiben: aber fie find immer grade nur in dem, mas ganz individuell und alfo für unfern Zweck nicht brauchbar ift. Ihre Philofophie und Ihre Krag- mentheit gehen jede ihren eignen Gang. Gein Sie alfo ja vor« fihtig bei der Wahl der Korm, und bedenken Gie, daß Briefe und Rezenfionen Formen find, die Gie ganz in der Gewalt haben. An den Briefen über Shafefpeares komiſchen Geiſt fehreiben Sie doch auch mit, wenn der Borfchlag akzeptiert wird? Was fi) aus Ihren Briefen druden liege, ift viel zu rein, ſchön und weich), als daß ich es in Kragmente gleichfam zer- brochen und durch die bloße Aushebung Fofett gemadt fehn möchte. Dagegen denke ich, es würde mir nicht unmöglich fein, aus Yhren Briefen eine große philofophifche Rhapfodie zu diasfeuafieren. Was meinen Gie dazu? Das wäre etivas für den Gommer, wenn ich wieder bei Yhnen bin: denn ich bin fehr geneigt mit Euch zu ziehn und im Sommer vollends bei Euch zu bleiben: dagegen aber auf den Winter wieder hierher zurüdzu- Fehren. Was mir auf die Länge jeßt noch in Jena fehr fehlen würde, find Bücher, die ich hier haben kann, wie id) wuͤnſche, und die ich dort ganz entbehren muß. Wenn ich mid) ſchon in Muße Dinfegen dürfte und einen meiner Romane ausführen, fo wäre es etwas anders. Doc würde idy auch dabei homogene Lektüre

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brauchen. Es freut mich fehr, dag W. mid) wieder zu fid) wünfcht, und wie haben Gie glauben fönnen, daß id) einer Ein- ladung mwiderftehen Fönnte, die nur meinem Wunſche entgegenkam?

WBas Gie mir von Auguften fihreiben, freut mich fehr. Nur das nicht, daß Gie fie nicht mitbringen wollen. Gingen fann fie bier fo gut lernen, wie irgendwo. Vielleicht Fönnte ich ihr Zu: tritt in der Faſchiſchen Gingafademie verſchaffen, mo fie Vokal⸗ mufit hören würde, wie man fie felbft in Dresden gar nicht hat. So oft Ihr in Gefellfchaften gingt, mo fie nicht Luft hätte, oder Gie nicht gut fänden, daß fie mitginge, Fönnte fie mit mir ins Theater gehn. Ich verfpare das abſichtlich auf die Zeit und bin feit einem Vierteljahr nicht dreimal drin gemwefen. Oder fie kann auch Griechiſch mit mir lefen. Ich bitte Gie recht fehr es zu überlegen. Mit der Unſchuld, da ift nichts. Erſtlich kann Augufte Berlin fehen und unfchuldig bleiben. Wenn die Unſchuld aber darin befteht, dag man immer an demfelben Fleck Flebte: fo ift Augufte, die fchon fo vieler Menfchen, Städte und Sitten ge- fehn hat, ein weiblicher Ddnffeus, nicht mehr unfchuldig, und hat alfo nichts mehr zu verlieren. Im Ernft, ich daͤchte es Fönnte ein Fleiner Beitrag zu der Art von Bildung, die ihr nächft dem Beifpiel doch auch etwas der Zufall gegeben hat, und die fie fo ſehr von andern Mädchen ihres Alters unterfcheidet, fein, Berlin zu fehn. Und dann, denken Sie nit an die Trennung? ...

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [111] Berlin, 28. November 1797

... Bon Schleiermacher kannſt Du Dir leicht eine un— richtige Vorftellung aus den hingerworfenen Worten von mir ges bildet haben. Was aber das Paradore betrifft, bin ich nicht Deiner Meinung, und ich glaube die Erfahrung feßt es außer Zweifel, dag nur die mittleen Grade der Paradorie unpopulär find, die höchften aber wieder abfolut populär. Giehft Du nicht,

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dag ſchon Fichte wieder populär wird? Daß feine Paradorie und feine Popularität in gleihem Berhältniffe zunehmen? Daß Schleiermacher Popularität haben Fann, ift ein Faktum. Go haben mir viele Philifter ihn als einen fehr guten Prediger ge: rühmt. Denke Dir ja nicht, daß feine Paradorie fo mit der Züre ins Haus fällt, wie meiftens meine. Es ift ihm überall ein gewiffer leifer Gang eigen, worin er mit Hülfen große Ähnlichkeit hat, den er aber an dialeftifcher Kraft weit übertrifft, die recht Fichtiſch bei ihm ift. Er liebe auch die Fühnen Kombinationen, worin er aber weit mehr Hardenberg als mir gleicht. Bor der Hand Fann er wohl nichts fchreiben als Rhapfodien; aber in diefen hat er auch, was mir in diefer Gattung eigentlich das Hochſte zu fein feheint, den geogen Wurf und den unaufhalt: famen Strom. Aber ſchreiben! Ad, lieber Freund, Du darfit leider nicht beforgen, daß er zu viel tätigen Anteil an unfrer Gadje nehmen würde! Denn das ift fein Hauptfehler, daß er Fein rechtes Intereſſe hat, etwas zu maden, obgleidy ers Tann; aber bier gilts: denken ift leichter als machen. Ich treibe und martre ihn alle Tage, wo ich ihn fehe.

Was er uns geben kann, ift freilich fehr befchränft; aber ich weiß, daß es auch in feiner Art vortrefflich fein wird. Was ich von ihm außer den Beiträgen zu meinen Annalen’ der Philofophie vor der Hand erwarte, ift bloß eine Rezenfion von Kants Metaphyſik der Gitten. Gie wird gewiß an Gründlichkeit und Gtrenge ihresgleichen fuchen und gewiß eine ungemeine Popu=

larität haben, d.h. großen und allgemeinen Effekt. Daher wünfchte.

ich fehr, daß ich fie noch zeitig genung erhielte zu den beiden erften GStüden, da fie allerdings zu dem eclat, mit dem mir auftreten möüffen, auch das ihrige beitragen könnte. Da ich fehr viel mit ihm darüber gefprocdyen und auch ein bedeutendes Stück, mas dazu gehört, gefchrieben gelefen habe, fo wirft Du meinem Urteil wohl etwas trauen dürfen.

Schleiermacher ift ein Menſch, in dem der Menſch gebildet ift, und darum gehört er freilidy für mid) in eine höhere Kafte. (Lied 14 NRomantiler.Briefe 209

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3. B. ift doch nur ein gang gewöhnlicher und roher Menſch, der ein feltnes und fehr ausgebidetes Talent hat.) Er ift nur drei Yahr älter wie ic), aber an moralifhem Verſtand übertrifft er mich unendlidy weit. Ich hoffe noch viel von ihm zu lernen. Sein ganzes Weſen ift moraliſch, und eigentlidy überwiegt unter allen ausgezeichneten Menſchen, die ich Fenne, bei ihm am meiften die Mloralität allem andren... .

Novalis an Auguft Wilhelm Schlegel [112]

Weißenfels, 30. Iovember 1797 Erft jege hab ich mich von Hemfterhuys trennen Fönnen. Bis jest hat ſich auch meine Reife verzögerte. Mlorgen geh ich von bier ab und gerade nad) Freiberg. In Dresden denk ich Weih- nadjten zu fein. Nach Berlin hab ich gefchrieben. Nun da ich zur Ruhe Eomme, hoffe ich nach Berlin "und Jena fleißiger zu fehreiben. Der Rezenfent Ihres Shakeſpeare ift ein gutmeinender Menfch. Geine Rezenfion ift aber wahrhaftig Feine Poefie. Was hätte fich nicht über Ihren Chafefpeare, befonders in Beziehung auf das Ganze, fagen laffen. Er ift unter den Überfegungen, was ‚Wilhelm Meifter‘ unter den Romanen ifl. Gibts denn fehon eine ähnliche? Golange wir Deutſchen überfegen, fo national diefer Hang des Überfegens ift, indem es faft Feinen deutfchen Gcriftfteller von Bedeutung gibt, der nicht überfegt hätte und wahrlich darauf foviel ſich einbildet als auf Driginalwerfe fo ſcheint man dod) über nichts unbelehrter zu fein als über das lÜberfegen. Bei uns kann es zur Wiſſenſchaft und zur Kunft werden. Ihr Shakeſpeare ift ein treffliher Kanon für den wiffenfchaftlichen Beobachter. Außer den Römern find wir die einzige Nation, die den Trieb des Überfegens fo unwiderſtehlich gefühlt und ihm fo unendlich viel Bildung ſchuldig find. Daher manche Ähnlichkeit unfrer und der fpätrömifchen literarifchen Kul- tur. Diefer Trieb ift eine Ynditation des fehr hohen, urfprüng- 210

lichen Eharafters des deutfchen Volks. Deutfchheit ift Kosmo⸗ politismus mit der Fräftigften Yndividualität gemifcht. Nur für uns find Überfegungen Ertveiterungen geweſen. Es gehört poetifche Moralität, Aufopferung der Neigung dazu, um fich einer wahren Überfegung zu unterziehen. Man überfegt aus echter Liebe zum Schönen und zur vaterländifchen Literatur. Überfegen ift fo gut dichten, als eigne Werfe zuftande bringen und ſchwerer, feltner.

Am Ende ift alle Poefie Überfegung. Ich bin überzeugt, daß der deutfche Shafefpeare jegt beffer als der engliſche if. Auf den ‚Hamlet‘ freue ich mich wie ein Kind. Ich möchte wiſſen, ob ich recht oder unrecht hätte. Sind nicht ‚Hamlet‘ und ‚Elektra‘ Pendants? Meinem Gefühl nad ſcheidet ſich griedhifche und moderne Poefie hier Außerft anſchaulich. Sie müffen miffen, ich babe zeither Gophofles und Ghafefpeare, beide in den ſchlechten Überfegungen, wechſelweiſe gelefen. Leben Gie wohl und behalten

Gie beide mich ein bißchen lieb. Auch Auguften meinen Gruß. Bald mehr.

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [113]

.... Man bat bisher immer Briefe zu einer Perfon: ich läfe gar zu gerne einmal eine Korrefpondenz von zwei Perfonen ge: druckt. Das wäre eine ganz neue Gattung! Meine Meinung ift, daß meine Briefe nur Anſtoß und Nicht⸗Ich fein follten, aber eben nicht ftößig noch anftößig. Vielmehr will ich mich Deiner Vorſchrift, was Stil, Ton und Kolorit betrifft, fo gemäß betragen als ih Fann. Denn wenn diefe Dinge auch in unfern Briefen fehr verfchieden fein müffen, fo ifts doch nötig, daß die Ber-' fhiedenheiten fich einigermaßen gruppieren, und tie mehrere Stimmen oder nftrumente in der Muſik hbarmonieren. Überlege den Einfall ja recht ordentlih. Da Du meinen Ideen⸗ reichtum immer fo rühmft, fo werde ich Dir ja wohl als Zunder brauchbar fein Fönnen. Ich wünſche es audy vorzüglich darum,

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weil ich glaube, daß Du Deine Ideen in Briefen an mid, pifanter und fredjer ausdrüden wirft, als in einer Differtation. Und für diefen Stoff Fönnte' das doch wohl fehr vorteilhaft fein! Da wir nun bei diefem Auffage beide Mitarbeiter wären, fo Fönnten wir für diefe und ähnliche Fälle unfer Direktorium an Caroline übertragen. Was mid) befonders dabei intereffieren würde, wäre die Symphiloſophie, ro ovvagırıceıw. Crftlih an ſich ift es jeßt eine Lieblingsidee von mir; dann mit Dir; endlich in den Parzen, von denen ich wünſche, daß mir bei der Drganifation und Konftitution nicht bloß nady der höchſtmöglichen Freiheit, fondern auch nad) der größten Gemeinſchaft firebten. Durch Einheit des Stoffs Fann ein Journal wohl eine gemwiffe Einheit erreichen, aber es wird dadurch auch fidyer monoton und wenn es nicht ein Brotfach betrifft unintereffant, wie es doch felbft bei dem Philofophifchen Journal von Kichte verhältnismäßig der Kal if. Einheit des Geiftes würde ein journal zu einem Phönir feiner Art machen. Gie ift aber gewiß fehr mög- li, mo die Herausgeber auch die Verfaffer find, und mo die Herausgeber leibli und geiftlic Brüder find. (Daher wünſche id) aud), und werde es als einen Artikel vorfchlagen, daß Feine Art von Stoff oder Form bloß deswegen ausgefchloffen fei; außer die Form, die mit dem Begriff eines Journals ſtreitet die foftematifche, Werke oder Stüde von ganzen Werfen, die für fi) fein Ganzes find.) Es ift meine fchönfte Hoffnung bei diefem Unternehmen, unfern Geift dadurch in recht innige Ber: bindung zu ſetzen. ...

Nopvalis an Auguft Wilhelm Schlegel [114]

Giebeneicyen bei Meißen, 25. Dezember 1797

Auf Ihren lieben Brief hat zum Teil ſchon ein älterer Brief mit der Beilage des Hemfterhugys geantivortet. Die Crekutorialien waren mir fehr angenehm, weil ich daraus die Gewißheit eines

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Unternehmens erfehe, von dem id) mir fehr viel verfpreche. Meiner Teilnahme, wenn Gie davon Gebrauch machen mollen und Fönnen, feien Gie verfidyert. Nur muß idy noch einige Friſten mir aus bitten. Ich bin in der Lat jet in köſtlichen Unterfuchungen be⸗ griffen aber nur noch einige Zeit Dftern fol Ihr Bruder mandjes befommen. ‚Meiftern‘ hab ich jetzt ganz beifeite gefeßt. Diefe Aufgabe ift fo gemifcht, daß ich ohne eine Menge Bor: arbeiten nicht eine Zeile von mir gelten laffen Tann. Diefer Gegenftand wird überdem von Fr. Schlegel ganz erfchöpft. Die erften Stüde Ihres Blatts werden fo üppig genug fen an Stoff, denk ich, wirds nicht fehlen, eher an Plag. Wird es auch fo mannigfady, daß die eigentlichen Gegenftände meiner Befcdhäf: tigungen dahin paffen?

Auf das Gedicht über ‚Hermann und Dorothea‘ in der ‚Lit. Zeitung‘ bin id; fehr begierig. Heil Ahnen, dag Sie Mahadöh fo nah find. In Sreiberg ift hierin alles leer und kahl fein fortftrebender Kopf. Indes foll mich Brieftmechfel ſchadlos halten. Mit Schelling bin ich fehr Freund geworden. Wir haben einige Föftliche Stunden fomphilofophiert. Mehr davon an Yhren Bruder. Er ift in der Tat ein Außerft hoffnungsvoller Menſch all: empfänglid). Etwas fehr Intereſſantes fagt er mir über Goethe. Er hält die Dönffee für Goethes Matrir den Kommentar für ihn. Ceine Poetif wird gewiß merkwürdig der zweite Teil feiner Ideen fehr new und meit über den erften, deifen Schwächen er lebhaft fühlt.

Ihre Schweſter hab ich zweimal verfehlt. Nach den eier: tagen hoff ich Gie zu fehn. Bei Körners bin id; gewefen habe alles wahr gefunden, was unter uns darüber gäng und gäbe war. Paradorermweife hat fie mir nody am beften gefallen. Gie war fehr aufgelegt und liebenswürdig. Sein Ausfehn hat mid von ihm au fait geſetzt. Bon Ihnen foviel wie nichts, lauter Allgemeines und von Schiller und Goethe. Lefterer foll einen Prometheus auf dem Ambos haben. Einen berrlidyen Gefang der Dfeaniden haben fie gehört. Nach den Feiertagen feh id) fie

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wieder vielleicht Geßlern mit merfwürdig als Marimum eines gebildeten Weltmanns. Empfehlen Sie mich Ihrer guten Stau bald mehr freilidy bin ich wieder ab von der Poefie und ganz in der Natur verfunfen. Myſtiſche Sragmente find das vielleicht, was ich anzubieten habe ein Bogen davon wird des nächften an Ihren Bruder gelangen. Friede fei mit Ihnen. Hardenberg Bon Humbolöts sen. ‚Eharakteriftif des Zeitalters‘ haben Gie wohl nichts gehört? Ich habe befcheidene Zweifel gegen feine Gewachſenheit erregt. Er ift jest in Paris.

Novalis an Friedrich Schlegel (115) Giebeneichen bei Meißen, 26. Dezember 1797

... Dein Bruder hat mir einen fehr angenehmen Nachmittag gegönnt. Wir haben bis zur Erfchöpfung gefprocdhen. Die Guten haben mir lebhaft merken laffen, daß ich ihnen etwas wert bin. Bon Dir ift fehr viel gefprodhen, von Dir, dem hypermyſtiſchen, bypermodernen Hyperlyriker. Wir haben uns gemeinfchaftlid) Deiner Tätigkeit, Deiner Hoffnungen gefreut. Deine Sragmente hatte ich nebft Leffing ſchon gelefen. Leffing hat mir unter allen Deinen epigrammatifchen Dithbyramben am beften gefallen. Du bift da an den fruchtbarften Gegenftand für Did” gefommen er ift für Dich, was Laudanum für Brown ift eine Art von Univerfalmedizin. Du bift dephlogiftifierter Leſſing. Deine Frag: mente find durchaus neu echte, revolutionäre Affichen. Manche haben mir bis ins Marf gefallen. Wo mird die Sortfegung Leffingg nach Deinem Brudy mit Reichardt, deffen Urkunde ich noch nicht gelefen habe, erfcheinen? ‚Die Gefchichte der griechi— fihen Poefie‘ ſchicke mir doch, fobald Du Fannft, auch bogenteife.

Euer Journal ift lang von mir erwartet. Mit ihm Tann eine neue Periode der Literatur beginnen. Meine Teilnahme verfpred)

ic Euch mit Kreuden aber noch Geduld bis Oſtern. Du follft 214

dann dag von mir in Händen haben, was ich zu madjen imftande bin. Es find Bruchſtücke des fortlaufenden Selbſtgeſprächs in mir Genfer. Du Eannft fie dann behandeln, wie Du willſt. Re: volutionären Ynhalts feinen fie mir hinlänglidh. Freilich bin ich nod zu fehr jegt in DBorübungen begriffen. Beweiſe bleib ich ſchuldig. Mancherlei ift mir feit drei Monaten durdy den Kopf gegangen. Erft Poefie, dann Politif, dann Phyſik en masse. In der Poefie glaub ich feften Fuß gefaßt zu haben; denn es fcheint mir, als fei ich überall auf Deine Entdedungen geftoßen. In der Politif glaub ich nicht ohne Grund au fait zu fein. Allen, . denen ich noch davon gefagt, hat die Wahrheit meiner Gäße ein: zuleuchten gefchienen. In der Phyſik bin ich nody in der Gärung. Hauptideen glaub ich gefaßt zu haben. Aber hier will id) glei) praftifh auftreten. Zu einem Traftat vom Lichte ift vieles fertig. Das Licht wird nur der Mittelpunft, von dem aus id) mid) in mandjerlei Richtungen zerftreue. Die Philofophie verftehe ich immer beffer, je tiefer ich in die übrigen Wiffenfchaften ein- dringe. Ich lebe jegt wirklich recht fchön, heiter, unaufhörlid) be- fhäftigt und ganz meiner Dispofition unterworfen. Daß wir uns fehn Fönnten, meine und Deine Papiere gegeneinander auszu- wechfeln! Du mürdeft viel Theofophie und Aldyymie finden.

Schelling hab ich Eennen gelernt. Sreimütig hab id) ihm unfer Mißfallen an feinen Ideen erklärt. Er war fehr damit einver- ftanden und glaubt im zweiten Teil einen höhern Flug begonnen zu haben. Wir find fchnell Sreunde getvorden. Er hat mid) zum Briefwechſel eingeladen. Diefe Tage über werde ich auch an ihn fohreiben. Er hat mir fehr gefallen echte Univerfaltendenz in ihm wahre ÖStrahlenfraft von einem Punkt in die Un— endlichfeit hinaus. Er fdheint viel poetiſchen Ginn zu haben. est ift er über den Alten. Er findet in der Ddnffee Goethes Mutterboden. Auf das ‚Lyceum‘ hab ich feine Aufmerkſamkeit gelenkt.

Körner hab ich jeßt Fennen gelernt. Es ift mir unbegreiflid), daß Du noch folange mit ihnen haft leben können. Kür mid)

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ſchon ift es ſchwer, nidyt bei ihm anzuſtoßen. Gie hat mir, unter den Dreien, noch am beften gefallen vielleicht nur den Abend. Wie ich fie erwartete, fand ich fie freilich fir Dresden mehr als zu gut. In Dresden würd ich doch oft da fein, befonders da ich mir Mühe gebe, mich zu gerieren nad, jedermanns Weife. Bon Goethe und Schiller hab ich mit ihnen geredet und dann Allgemeines. Kür ordinären Wis und einzelne Bemerkungen find fie empfänglih das Höchſte fehn fie nicht. Man befindet fih bei ihnen, wie man ſich in jeder Gefellfchaft befinden follte. . Ihre Bidung ift die notdürftige, die jeder Menſch haben muß. Nach den Keiertagen treff ich vielleicht Geßler einmal dort. Hum⸗ boldt sen. ift in Paris zum Behuf einer Charakteriſtik des Zeitalters. Was fagft Du dazu? Der fchwerfällige Humboldt Mineur diefes unendlidyen Proteus? Goethe hat einen ‚Prome» theus‘ vor und den ‚Bauft‘.

Dein Bruder hat mir gefchrieben, daß die Kritik von ‚Hermann und Dorothea‘ fertig ift. Ich bin unbeſchreiblich gefpannt. ‚SHer- mann und Dorothea‘ ift für mich erftaunlich viel. Ich habe mir noch nicht verftattet, ein Urteil darüber zu fällen, und noch Fann ih auch Fein Gedicht darüber machen. Deine Schweſter hab ich zweimal nicht getroffen. Nach den Keiertagen denk id fie doch zu finden. Ich fehe baldigen Nachrichten von Dir mit Ber: langen entgegen. In Sreiberg bin idy ganz ifoliert. Ich bedarf geiftiger Würze. Dein Bruder, Schelling und Du find mir voll formen genug. Bald mehr auch zur Probe ein Bogen myſti⸗ ſcher Fragmente. Du lebſt prächtig in Berlin, foviel ich aus Dei- nen riefen in Jena gefchloffen habe. Schreibe mir doch mehr von Schleiermader. Am aufmerffamften bin ich auf Deine Philofophie und Deinen Roman. Leßterer ift mir freilidy Rärfel. Du und ein Roman non credo. Nur ein wenig beftimmter! Du folft auch von mir beftimmtere Dinge über meine bisherigen Taten in der Philofophie erfahren. Hier kann ichs nicht fo guet meine Papiere hab ich nicht bei mir, und die Zeit und die Sammlung fehle. Gobald ich wieder in Freiberg bin, follft Du

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einen langen Brief nebft dem Probebogen erhalten. ‚Meifters Lehrjahre‘ hab ich jegt lange nicht angefehn. Zaufenderlei Neues fönnt ich darüber auffchreiben, wenn idy Zeit hätte. Dein Buch wird mir, dent ich, alle Müh erfparen und mir jede bisherige Mühe reichlid, belohnen. Medio Januars Eomme idy wieder mit Thielemann und Funk in Dresden zufammen. Go gut ih mit ihnen dran bin, fo gehören fie doch beide nicht zu meinen echt republifanifchen Sreunden, d. i. mit denen id) gemeine Sache habe. Der leßtere hat den meiften Sinn der erftere mehr unter: haltendes Talent. Beide, wie mir dünkt, wirklich brav und freund» fchaftsfähig. Lebe wohl, befter Schlegel, behalte mich lieb. Friede fei mit Dir.

Novalis an Auguft Wilhelm Gdlegel [116]

Steiberg, ı2. “Januar 1798

Recht lange hab ich nichts von SYhnen vernommen. Indes bin ich einigemal mit ganzer Seele bei Ihnen geweſen. Ihre vor: treffliche Schweſter hab ich bei meinem Aufenthalt in Dresden noch gefehn. Gie hat mir bei weiten in Dresden am beften gefallen. Wir haben von Ihnen gefprocdhen und mie erfreute mid) die Nachricht, die fie mir mitteilte, von Ihrem befchloffenen Aufenthalt in Dresden. Es foll mir unbefchreiblidy lieb fein, Gie fo nah zu miffen und Gie alle in fo feelenvoller Vertraulichkeit zu genießen. Meine Entfernung von einem fo bildenden Umgang wie dem Ihrigen fühl ich fehr lebhaft. Was hätt ich nicht drum gegeben, wenn ich neulidy bei der Leftüre Ihrer Philofophie ‚Her- mann und Dorothea‘ bei Yhnen hätte fein können. Sie hat mei: nen Genuß diefes fchönen Gedichts dephlogiftifiert. In dieſem hohen Geiſt, womit Sie es umgeben, leuchtet es mit zehnfachem Lichte und ſcheidet ſich in den ſchärfſten Umriſſen von allem, was es umgibt. Einige Stellen haben mich vorzüglich belebt: ‚Bes fonnenpeit ift die frühfte INufe des nady Bildung ftrebenden Men⸗

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fhen ꝛc. ꝛc.“ Ein treffender Lichtftrahl auf die frühfte Poefie! ‚Das Geheimnis der ſchönen Entfaltung‘ ift ein weſentlicher Be- ftandteil des poetifcyen Geiftes überhaupt und dürfte im lyriſchen und dramatifchen Gedicht wohl auch eine Hauptrolle fpielen, frei- lid) modifiziert durch den verfchiedenen Inhalt, aber ebenfalls ficht: bar als befonnenes Anſchauen und Gchildern zugleich giveis fache Tätigkeit des Schaffens und Begreifens, vereinigt in einen Moment eine Wechfelvollendung des Bilds und des Begriffs ein vereinigtes Hinein- und Herauswirken, wodurch in einem Ku der Gegenftand und fein Begriff fertig wird.

Ich habe nicht geglaubt, Gie falfch zu verftehn, wenn id) Ihre DBemerfung über die Liebe fo nahm, daß Gie die Liebe nicht für einen direkten Zweck, aber mohl für einen indireften Zweck an- fehn. Man verfehlte die Natur der Liebe ganz, wenn man gerade- zu fid) Liebe zur einzigen Befhäftigung wählt. Aber wie, wenn alle direften Zwecke gleihfam Mittel für diefen indirekten Zweck werden, der fie alle in einen Punft vereinigt, der die höhere Einheit aller diefer niedern Einheiten ift? Wenn man die Summe aller direften Zwecke Bildung nennt, fo Fönnte man fagen, der Geift diefer Gefamtheit, der Schlüffel der Bildung, der Ginn diefes großen Gegenftands ift Liebe.

Ohne Gegenftand Fein Beift, ohne Bildung Eeine Liebe. Bil dung ift gleichfam der fefte Punfe, durch welchen diefe geiftige Anziehungskraft fid) offenbart, das notwendige Organ derfelben. Es ift wie mit der Glüdfeligkeit; es ift eigentlicher Unſinn mit dem fogenannten Cudämonismus; aber wahrlich bedauernswert, dag man je ſich auf ernfthafte Widerlegungen davon eingelaffen. In der Tat ift es Feinem nachdenkenden Menfchen in den Sinn gekommen ein fo flüchtiges Wefen wie Glüdfeligfeit zum höchften Zweck, gleihfam alfo zum erften Träger des geiftigen Univer— fums zu maden. Ebenjo Fönnte man fagen, daß die Weltkörper auf Äther und Licht ruheten. Wo ein fefter Punkt ift, da fam- melt fi) Äther und Licht von felbft und beginnt feine himmliſchen Reigen; wo Pflicht und Tugend Analoga jener feften Punfte

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find, da wird jenes flüchtige Weſen von felbft ein» und aus- ftrömen und jene Falten Regionen mit belebender Atmofphäre um- geben. Wer alfo nicht jene zu firieren fucht, der wird diefer um— fonft duch alle Räume nachfolgen, ohne fie zu erreichen, ohne fie je fammeln und fefthalten zu Fönnen.

Eine höchſt fruchtbare Äußerung dünke mir die zu Ende über den Rhythmus der Erzählung. Sie fcheinen zu glauben, daß er fi zum epifdjen, wie der oratorifche zum Gilbenmaß verhalte. Wenn man fi) nun die Sache fo dächte: Wenn fi) die Profa erweitern will und der Poefie auf ihre WBeife nadjahmen, fo muß fie, fobald fie ihre gewöhnlichen Gegenftände verläßt und fich über das Bedürfnis erhebt, auch die Gitten diefer höhern Welt an» nehmen und fi) zu einer ihr ungewohnten Cleganz bequemen. Dennody bleibt fie Profa und alfo auf einen beftimmten Zweck gerichtet, befchränfte Rede Mittel Gie nimmt nur Zieraten an und läßt fid) einen gemwiffen Zwang des Wohllauts in der Gtellung der Wörter und in der Abmwechfelung und Bildung der Säge gefallen. Gie tritt rei) gefhmüdt und mit Überfluß auf und das höhere euer, mas fie durchdringt, verrät fid) durch die fliegende Kohäfion ihrer Glieder fie ift ein Strom.

Anders ift die Poefie. Gie ift von Natur flüffig, allbildfam und unbefchränft jeder Reiz bewegt ſich nad) allen Seiten fie ift Element des Geiftes ein ewig ftilles Meer, das ſich nur auf der Oberfläche in taufend willkürliche Bellen bricht. Wenn die Poefie fich erweitern will, fo Tann fie es nur, indem fie fich befchränft, indem fie fi) zufammenzieht, ihren Keuerftoff gleid;- fam fahren läßt und gerinnt. Gie erhält einen profaifchen Schein, ihre Beftandteile ftehn in Feiner fo innigen Gemeinfdhaft mit: hin nicht unter fo ftrengen rhythmifchen Gefegen fie wird fähiger zur Darftellung des Befchränften. Aber fie bleibt Poefie mit: bin den mefentlichen Gefegen ihrer Natur getreu; fie wird gleich— fam ein organifdhes Wefen, deffen ganzer Bau feine Entftehung aus dem flüffigen, feine urfprünglidy elaftifche Natur, feine Un- befchränftheit, feine Alfähigkeit verrät. Nur die Mifchung ihrer

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Glieder ift regellos, die Ordnung derfelben, ihr Verhältnis zum Ganzen ift noch dasfelbe. Kin jeder Reiz verbreitet fidy darin nach allen Seiten. Auch hier bewegen ſich nur die Glieder um das ewig ruhende, eine Ganze Wir nehmen das Leben oder den Zuftand des Geiftes Ddiefe unbemweglidde Einheit und das Maß aller Bewegungen nur mittels der Bervegungen der Glieder wahr. So erblidt man die Vernunft nur durd) das Ile: dium der Sinne. je einfacher, gleichförmiger, ruhiger auch hier die Bewegungen der Gäße, je übereinftimmender ihre Mifchungen im ganzen find, je loderer der Zufammenhang, je durchfichtiger und farblofer der Ausdrud deflo vollfommner diefe im Gegenfaß zu der gefhmüdten Profa nadläffige, von den Gegenftänden abhängig fcheinende Poefie.

Die Poefie fcheint von der Strenge ihrer Korderungen bier nachzulaſſen, williger und gefügiger zu werden. Aber dem, der den Verſuch mit der Poefie in diefer Form wagt, wird es bald offenbar werden, twie ſchwer fie in diefer Geftalt vollfommen zu realifieren ift. Diefe erweiterte Poefie ift gerade das höchfte Pro- blem des poetifdhen Dichters ein Problem, was nur durch An» näherung gelöft werden Fann und was zu der höhern Poefie eigentlich gehört, deren Grundfäße zu der niedern ſich verhalten, wie die Grundfäße der höhern Meßkunde zu denen der niedern. Hier ift noch ein unermeßliches Feld, ein im eigentlichften Ginn unendliches Gebiet. Man EFönnte jene höhere Poefie die Poefie des Unendlichen nennen.

Es fcheint mir aud), als ließe ſich ein epiftolarifcher und dia- logifcher Rhythmus in dem Verhältnis zu dem Iyrifchen und dra⸗ matifchen, mie der romantifche Rhythmus zu dem epiſchen recht gut denken. |

Ich erwarte darüber von Ihnen mehr. Gie fehn meine Be— reitwilligteit, midy Ihnen beftmöglichft mitzuteilen. Halten Gie mir das VBernünfteln zugute das ift noch das befte, was ich habe. Ich bin voll Erwartung des Journals, das da kommen fol. Bon Friedridy hab ich noch Feine Nachricht. Nun hat er

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fon zwei Briefe. Er ift gewiß jegt ganz in Arbeiten zum Journal verfimfen. Gie werden mir mehr davon fagen. Ich Bin ziemlich fleißig und habe freilich jege mit ſoviel empiriſchem Wuſt zu tun, dag mir oft angft und bange wird, wo ich Ver—⸗ dauungsfraft hernehmen fol. Wie wohl wird mir nicht, wenn ich zumeilen meine liebe Spefulation hervorfuchen kann und mid) bier allein ſtark und lebendig fühle. Madyen mirs die Empiriker zu toll, da mache ich mir eine empirifche Welt, mo alles hübſch nad) fpefulativem Gchlendrian geht.

Leben Sie wohl. Ihrer guten Frau berzlidden Gruß, auch Auguften.

Auguft Wilhelm Schlegel an Schleiermacher [117] Jena, 22. Januar 1798

Ihr Brief würde mir eine ganz reine Freude gemadjt haben, wenn er mic nicht fehr lebhaft die Beforgnis erregt hätte, daß Gie meinen Bruder ungebührlid verwöhnen. Wie Fönnte es ihm fonft einfallen, eine weit geiftreichere Feder wie die feinige ſich auf dieſe Art dienftbar zu maden?....

Daß er Gie Kragmente fuchen läßt, ift ebenfalls die verkehrte Welt. Gie fönnten gewiß mit weit geringerer Mühe und Zeit: verluft unfre Anfangsfymphonie von Fragmenten durch tmeit fchönere bereidyern. Aber diefe Anmutung ift ganz im Charakter eines Menſchen, der unaufhörlid feine inneren Reichtümer in allerlei Ungeftalten von ſich gibt und doch einen auf der Treppe verlornen Gedanfen mit unſäglichem Kummer mie eine Stecknadel fuchee. Mit den Reichtümern ift es audy fo fo; erft hatte er ihrer ganz unendlich viele; fedys, fieben, acht Bogen voll Fonnte er geben. Nun da ich doch wenigftens einen Bogen voll geliefert, hoffe er mit Mühe und Not vier bis fünf Bogen zuftande zu bringen, und ich fürchte, da wird noch viel heruntergedungen werden. Daß der junge Mann doch gemerkt, daß das Myſtifi⸗ zieren gegen ihn gerichtet ift, das nenne ich wirklich ungemein

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gefcheit von ihm. Er ift überhaupt, was der alte Nicolai von mir rühmt, ‚ein Jüngling von herrlichen Anlagen‘, und wenn Gie fi mit feiner Erziehung bemühen wollen, kann nod) etwas aus ihm werden. Die Art, wie Gie mir feine Arbeit am Wilhelm Meifter fehildern, überzeugt mich, daß er noch ganz der alte ge= blieben iſt. Walten Gie ja ein wenig über der Chronologie feiner Arbeiten erfchöpfen und ergründen läßt fidh ja doch in der Welt einmal nichts, und wenn man ihn fidh felbft überläßt, fo wühlt er fich wie ein Maulwurf immer tiefer ein man fann nicht miffen, mann er etwas zutage fördern wird, ja er kommt

vielleicht einmal unvermutet bei den Antipoden wieder zum Vor⸗ fchein. ... .

Ich kann Ihnen meinen Berdadht nicht bergen, daß Gie an der Abgeneigtheit meines Bruders Berlin zu verlaffen große Schuß haben. Ich freue mich von ganzem Herzen darauf, Rache an Ihnen zu nehmen, wenn idy hinfomme. Auch habe ich darüber ein Hühnchen mit Ihnen zu pflüden, dag Sie meinen Bruder ſchlechthin Schlegel nennen und mich dadurch für null und nichtig erflären, foviel an Yhnen ift. Wenn einer von ung Gchlegel ift, fo bin ich es doch wohl und er ift Friedrich Schlegel ich will mir aber auch allenfalls das A. W. gefallen laffen. Der ältere bin ich zwar urfprünglidy nicht, aber der rauhe Eſau hat mir, den fanfteren Jakob, die Erftgeburt für ein Linfengericht verkauft.

Novalis an Auguft Wilhelm Schlegel [118]

Steiberg, 24. Sebruar 1798 Ihr Befehl kommt meinem Wunſche entgegen. Geltner

Sall mit Befehlen. Gie follen mid) gewiß Fünftigen Sommer nicht zu wenig fehn. Es hat mid, ein wenig geärgert, daß Fried: rich nicht von der Partie ift und in Berlin bleibe. Es ift mir unbegreifli), wie er ein fo fchönes halbes Yahr von fich ftoßen kann. Indes wundern Gie ſich nicht, wenn Gie mid) noch in

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der Zwifchenzeit plöglid in Ihre Gtube treten fehn. Dann will ich Gie von der Beforgnis befreien, daß ich hier zu lautera + b werde. Ich bin vielmehr wahrhaft entfchloffen, die Mathematik fünftig fehr verächtlich zu behandeln, meil jie mid) wie einen AB E-Shüßen behandelt. Mit der Chymie ift die Gefahr größer. Jedoch hat mich meine alte Neigung zum Abfoluten auch dies» mal glücklich aus dem Gtrudel der Empirie gerettet, und id) ſchwebe jeßt und vielleicht auf immer in lichtern, eigentümlichern Sphären. Beilommende Fragmente werden Sie davon über: zeugen. Die meiften find ältern Urfprungs und nur abgefehrt. Ihr beiderfeitiges Urteil mag Gie zum Feuer oder zum naffen Wege beftimmen ich fage mid) gänzlich davon los. Hätten Gie Luft öffentlihen Gebrauch davon zu machen, fo würde id) um die Unterfchrift ‚Novalis‘ bitten, welcher Name ein alter Ge: fihlechtsname von mir ift und nicht ganz unpaffend. Friedrichs Marxime ift die meinige nicht. Der Name tut nichts zur Sache und ſchadet ihr gemeiniglidh. Hier ift Fein pflichtmäßiges Votum abzulegen, wo jeder ehrlihe Mann fidy nennt. Steht Yhnen diefe Maffe an, fo kann idy nody mit mehr aufwarten. Ich habe noch einige Bogen logologifche Fragmente, Poetigismen und einen Anfang unter dem Titel ‚der Lehrling zu Gais‘ ebenfalls Fragmente nur alle in Beziehung auf Natur.

Es fehle mir nur fo fehr an Büchern noch mehr an Nlen- fihen, mit denen ich philofophieren, an denen ich mid) eleftrifieren könnte. Ich produziere am meiften im Geſpräch und dies fehlt mir bier ganz. Ihr Projekt mit Jena wäre freilich recht ſchön, aber es ift für mic) unausführbar. Künftigen Winter bleib id; noch bier und darüber hinaus feh ich gar nicht.

Ihre Einladung auf bildende Kunft nehm ich mit Sreuden an. Schlegels Sragmente, die neuen, kenn ich noch nicht. Ihre Ahn- dung und meine Unmiffenheit find ein trefflicher Boden zu Kunft- paradoren. Ich beziehe mich in puncto der Unmiffenheit auf eins bon meinen feinfollenden Sragmenten ich weiß ja noch nicht, ob Friedrich fie als Sragmente anerkennt. Wenn bildende Kunft

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auch Poefie ift, fo muß ich etwas davon verftehn. Das Tedh- nifche ift mir durchaus fremd, aber die ſchöͤne Geftalt da hab ich doch, wie mid) dünkt, Sinn für. Ich rede bloß von der fchönen Geftalt, von Kompofition ıc. weiß ich gar nichts. Daher ich auch nur die einzelne Geftale fehe und die Perfpeftive, die Sarben und alles übrige ſchlechthin ignoriere. Wenn Gie nun erft diefe Sragmente gelefen haben werden und die Kolge, die noch ftärfer auftritt, fo bitt ich mir von neuem ihr Urteil über meinen Mpftizismus aus, der noch ein fehr unreifes Weſen ift. Münd⸗ li) davon mehr. Künftig treib ich nichts als Poefie. Die Wiffen- fchaften müffen alle poetifiert werden. Bon diefer realen, wiffen- ſchaftlichen Poefie hoffe id) recht viel mit Ihnen zu reden. Ein Hauptgedanke dazu ift die Idee der Religion in meinen Frag⸗ menten. . . .

Friedrich Schlegel an Auguft Wilhelm [119] Berlin, 27. $ebruar 1798

Deine neueften Sragmente haben mir eine große Sreude ges macht, befonders die über die Kunſt. Wie fchön find die einzel- nen, und wie erft in Maffe. Sreilich müffen fie beifammen bleiben. Ich jubiliere ordentlid, wenn ich dran denke, welch eine erudeigıs von liniverfalität das geben muß. Wollte Gott, idy Fönnte nun noch ein Pad phufifche oder chemiſche von Hardenberg habhaft werden. Was wirft Du aber fagen, wenn id) fo fredy bin, den Mummius mit einem andern etwas abgefürzten Kragment von Dir zu fonthefieren, und eine ähnliche Dperation mit dem großen über den plaftifchen Geift der Dichter vorzunehmen? Deine Erlaubnis dazu einzuholen, ift Feine Zeit mehr, wenn die Maſſe dahin fol, wo fie Hin muß. Und grade diefe möchte ich nicht daraus zurüdlaffen. Bon den übrigen nicht Fünftlerifchen gefallen mir viele und diefe fehr: aber einige nicht fo. Obgleich Feines ‚darunter ift, gegen das ich als Mitherausgeber das Beto auszu- fpredhen für nötig fände: fo werde ich doch einige jegt noch zu-

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rüdlaffen, und vielleicht fällt mir noch bei einem oder dem anderen ein Vorſchlag zu Änderung ein. Laß ja nidye ab, Earolinen zu treiben, daß fie alle meine Briefe durchfieht. Ich bin gewiß, fie findet ein paar Dugend brauchbare moralifche drin, und das find gerade die, deren ich noch am meiften brauche.

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [120] Berlin, 25. März 1798 ... Du fiehft, daß ich auf Deine Kritik über die Kragmente oft Rüdficht genommen habe. Was das Ganze betrifft, fo meinft Du, ich fei übers Ziel hinausgegangen: aber Du haft Dich über den fehr durchdachten Zweck, Tov ovre yeıuegıog oußoos enaxtos EeAIwy Egıßoouov vepeläs zoaTos ausılıyos Ovtꝰ avsuocs ec uvxovs GAoc Agoı ıc. vielleicht felbft etwas getäufcht: denn Du appellierft ja noch immer ans Lyceum. Da ich doch, fogar noch vor Eröffnung des Athe- ndums immer dabon geredet habe, wie ganz anders meine neuen Sragmente werden follten. Mein Zweck war ı) die größte Maffe von Gedanken in dem Eleinften Raum, 2) erı- dsıgıs von Univerfalität. Diefer legte Zweck wäre ohne Dein Hinzutreten fehr unvollkommen erreicht und dadurch wurde nun noch etwas in den Zweck gebradht: 3) Ouvertüre des Athe- näums, fraternaler Potenzismus, und gigantifche Gynfonierung. Ich denfe noch viel Sragmente in meinem Leben zu fihreiben von verfchiedner Art, und hoffentlid auch ſolche, die Dir nod) mehr gefallen als die im Lyceum oder mwenigftens nicht fo miß- fallen, wie die jegigen. Was die im Loceum betrifft, fo haben fie ein gemiffes Kolorit vor den jeßigen voraus, in denen aber wohl etwas mehr Form und GStil ift! Das bißchen Farbe oder wie ichs nennen foll,

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mas Dir an jenen, die doch ebenfo bunt in der Sprache waren wie die jeßigen, beffer gefallen hat, war doch hier mit den andern Sweden nicht vereinbar. Ich weiß nicht recht, ob die Sragmente im Lyceum eigentlich mwißig find. Gind fies aber, jo finds die jegigen von mir (von den meiften der Deinigen verſteht ſichs ohne» bin) noch mehr.

Über die ein und unteilbare Schreibart bin ich durchaus nicht Deiner Meinung, wenn fie die andre verdrängen foll und alles auf gleichem Fuß behandeln will. Das ift aber Stoff für ein peripatetifches Gefprädy im Tiergarten oder in Pillnig.

Daß alle unfre Kähigkeiten fraternifieren müffen, verfteht fich von felbft aus der Natur des Athenäums. Ich Fann nichts als Dir beim Apollo beteuern, dag mir nicht in den Sinn ge- fommen ift, mit Philofophie gegen Dich groß zu fun.

Du unterfcheideft fehr feharf zwiſchen uns, lieber Sreund. Bon Deiner Wiffenfchaftsfähigkeit und Erfindungsfraft hab ich wahr- ſcheinlich eine weit größere Meinung wie Du felbft. Das ift aud) gar nicht fo eine leichtfinnige Meinung, fondern eine prophetifche Ausficht und Einficht meiner philofophierenden Naſe. Ich kann Rechenſchaft davon geben und habe viel darüber auf dem Herzen. Dagegen wollte ich untertänigft gebeten haben, mich nicht für fo Fannibalifhy ungeſchickt und fo unendlichjt unbedingt roh zu halten.

Auch bitte ich die alte Carolinifche Hypothefe von der reidy lihen Empfindlichkeit aus Eitelkeit aufzugeben, weil fie grund» falfch if. Beim Ariftophanes! auch Deine legten Parodien find nur Fünftliche Balfamtropfen gemwefen in den bittern Keldy von fapphifchem Wermut. Ich erteile Dir ius plenissimum parodandi atque ironandi cum omnibus affıxis atque annexis.

Was aber eine andre Reigbarfeit betrifft, die mit dem Athes näum und mie meiner Autorfchaft nichts zu fun hat, fo werde ich fie nur mit dem Leben verlieren. Es ift eben die auf dem fapphifchem Gebiet. Ich war es mir und dem Athenäum ſchul⸗ dig, dergleidhen & tout prix von dem Athendum zu entfernen.

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Sollte fi) diefe Reizbarfeit nicht mit dem Zynismus vertragen, fo will ih infofern lieber den Zynismus aufgeben. Ich glaube das aber nicht. Der Zynismus verträgt fi) mit allem was gut und groß ift, gewiß auch mit der Gottvaterfchaft. ... .

Novalis an Friedrich Schlegel [ı21) Steiberg, 11. Mai 1798 ... Ich habe bald wieder einen großen Vorrat zur Aufbereitung zufammen. Zum nädjften oder folgenden Stüd ftehn Euch Dia- logen und vielleicht Anekdoten zu Dienſte. Gpäterhin vielleicht ein Roman in Gedez. Ich bin ziemlich fleißig und ziemlich reich on Einfällen. Cine dee ſuch ich jest zu bearbeiten, auf deren Sund ich beinah jtolz bin. Gobald etwas davon verftändlid, ift, fo folft Du gleich Nachricht davon erhalten. Mir feheint es eine fehr große, fehr fruchtbare “dee, die einen Lichtitrahl der höchften Intenſität auf das Fichtefche Syſtem wirft eine praftifche ‘dee. Du verzeihft, daß ich Deine Neugierde fpanne, ohne fie zu befriedigen. Wahrhaft befriedigen kann ich fie noch nicht und doh muß ich Dir meine Sreude mitteilen, da es nichts minder betrifft, als die mögliche, evidente Realifierung der Fühnften Wünſche und Ahndungen jeder Zeit auf die analogfte, begreif« Iichfte Art von der Welt... .

Sriedrih Schlegel an Schleiermacher j [122) Dresden, 3. Yuli 1798

Bor der Hand geht mirs wohl genug. Das Unangenehme der Reife habe ich vergeffen, und ich bin eben befchäftigt mid) zur Gelbftändigkeit zurecht zu feßen. Dabei werde ich viel an Did) denfen Fönnen und denken müffen, teils weil Du doch aud) ein Eſſayiſt, ein Rhapſode, ein fophiftifcher Myſtiker bift, teils aber 15° 227

weil es da in den Mittelpunkt der Menfchheit geht. Denn das Symmenſchen (nicht manfchen) werde ich wohl verſchieben müffen, bis ich wieder bei Euch bin. lim aber doch etwas zu tun, haben wir Hardenberg zum Sympropheten zitiert.

Da ich geftern die eigentlih Dir beftimmte Zeit durch einen Zufall verloren und jeßt nur noch eine halbe Stunde Zeit habe, fo will id mid; bloß an Fakta halten und die Mpfterien auf das nächſte Mal verfparen. Ich werde Dir permanent fchreiben wie der Beit, und ich rechne auch darauf, daß Ihr Euch gegen- feitig das Gemeinfame mitteilt.

Mit Earolinen habe ich geftern ſchon in eignen und öffent: lichen Angelegenheiten viel gefprochen, und mir find in beiden dem Reinen beträchtlid) näher gefommen. Im erften durch häufige Anerkennung emwiger Berfchiedenheit, Scheidung und Nichtver⸗ ftehung. In dem zmeiten durch bloße Auseinanderfegung und Wechſelwirkung.

Über meinen Übermeiſter habe ich hier noch nichts Bedeutendes vernommen. Wilhelm hat zu tun und iſt sub rosa Profeffor ge⸗ morden, und für Caroline ift das erfte Stüd zu Elein gemefen, um ihr einen recht entfchiedenen Eindrud zu geben. Gie gibt ins deffen doch zu, daß Goethe Fein ganzer Menſch fei; daß er aber, wie ich behaupte, teils ein Gott, teils ein Marmor ift, will fie nicht zugeben. Go ftehts mit ihr und ihre Abſicht ift audh noch diefelbe.

Ich bin begierig, wie Dir der Übermeifter vorgefommen ift und hoffe in Deinen Briefen nicht bloß den Aushängebogen für diefes Sad) zu finden, obgleidy wir auch diefen mit der größten Gehn- fucht erwarten.

Der alte Herr hat fo gut und fchön als billig (er lobt uns über die Maßen und empfiehlt nur Gerechtigkeit und Mäßigung; diefe find nun fo einmal feine Liebhaberei) über das Athenäum gefchrieben, worüber Wilhelms höchlich erfreut find. Caroline fagt, er würde die Yronie in meinem Auffage nicht merfen. Das heißt viel fagen.

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Str. Richter ift ein vollendeter Narr, und hat gefagt, der Meifter fei gegen die Regeln des Romans. Auf die Anfrage, ob es denn eine Theorie desfelben gäbe, und mo man fie habhaft werden möchte, antwortet die Beftie: Ich Fenne eine, denn ich habe eine gefchrieben.

Schreib mir recht genau über Deine Reife nad) Landsberg, was die Herz macht und mas irgend interefjant ift.

De Wilhen bat fo eine unruhige, haftige Art, die ich ihm noch abgewöhnen muß. Gein Arbeiten ift zugleid das Arbeiten des Arbeitens. Aber einige find doch hier, mit denen ich ſym⸗ faullenzen d. h. fpneriftieren Eann: meine Schwefter und ihr drol⸗ Iiges Kind.

Halt Du Dir den dritten Zeil vom Ghafefpeare bei Ungers geben laffen?

Dies find nun alfo die Fakta, die Myfterien kommen nad). Lebe wohl.

Sriedrih Schlegel an Schleiermacher [123]

Hardenberg ift einige Tage bei uns gemwefen, und dies ift die Urfache, warum ic Dir erft da es Zeit ift ſchreibe. Er hat ſich merflic geändert, fein Geficht felbjt ift länger geworden und windet ſich gleichſam von dem Lager des Irdiſchen empor wie die Braut zu Korinth. Dabei hat er ganz die Augen eines Geijterfehers, die farblos geradeaus leuchten. Er fucht auch auf dem chemifchen Wege ein Meditament gegen die Körperlichkeit (mittels der Ekſtaſe), die er denn doch für eine Sommerfproffe in dem ſchönen Geheimnis der geiftigen Berührung hält. Ich werde mic; aus maieutifcher Machtvollkommenheit mit ihm in eine ab» folute Korrefpondenz fegen über den Galvanismus des Geiftes, eine feiner Lieblingsideen. Ich werde ganz befcheiden auftreten, nur als Prophet; er felbft wird den Zauberer vorzuftellen die Ehre haben. Wie nun feine Theorie der Zauberei, jener Galva⸗

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INN E% LIEITV IT FI DU I TR ES TINTE

nismus des Geiftes und das Geheimnis der Berührung fi in feinem Geifte berühren, galvanifieren und bezaubern, das ift mic felbft noch ziemlich geheim. Unterdeſſen ift der Galvanismus des innern Menfchen für mich, wie Kant fagen würde, ein artiger Gedanke, und das übrige hoffe ich um doch auch wie Lafon- taine zu jeanpaulrichterifieren durch die ſokratiſche Tortur zu erfahren.

Überhaupt habe ic eine ſtarke Tendenz in die Chemie zu pfu⸗ ſchen, beiläufig auch in die Theorie der Malerei, befürchte indeffen nicht, daß meine Gelbftändigkeit ſich zwifchen diefen zwei Stühlen niederfeßen moͤchte. Da ich in der Philofophie des Eſſay fomeit gefommen bin, daß ich das Univerfum felbft für einen Effay nicht ſowohl im Stil des Hemſterhuys als Garvens halte, fo werde ich mich unftreitig fogleidy orydieren und mid) aus dem Azote der Konftruftion in den lieblichen Strom der Praris ftürzen. Mit der Malerei, das hat auch gute Zwecke. Wilhelm und Caroline wollen Kunjtbefchreibungen und Kunftdialoge ins Athenäum geben, die dasfelbe fehr zieren werden, und da die Luft, wie Novalis meint, und ich voll von den Keimen aller Dinge fteden, fo kann ich mid; doch der Dienftpflicht der nährenden Befruchtung nicht entziehen, und muß auch die Honneurs der Synkonſtruktion madjen.

Schellings Weltfeele und Überfichten habe ich gelefen. Er wird Leibnig im Bortrage immer ähnlicher. In der Weltfeele ift ſchon eine göttlihe Nachläffigkeit und die gelegenheitlichen Urſachen herrſchen immer mehr in feiner praktiſchen Literatur. Übrigens ſcheint mir feine Philofophie ganz ftiroridiert, und ich fürchte die Schwindſucht nicht blog, ich fehe fie ſchon Eommen. Geine fos genannte Energie ift ganz mie die blühende Farbe foldyer Pa- tienten. Schon ift nichts Lebendiges für ihn als Plus und Minus.

Er ift auch Profeffor in Jena. Wilhelm desgleihen. Nun wird alfo mit einemmal die Äſthetik und die Phyſik in Gefang verwandelt. Miet mir hat es noch Zeit. Vielleicht kommt in zehn jahren oder fo die Reihe an die Mathematif. Dann

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mw

mic; nehmen. Ich habe große Luft, den Euflides madhen. ift wirklicher Miniſter, und da er die Crzellenz war, fo hat er fie nım aud. ....

HE

Sriedrih Schlegel an Schleiermacher [ı23]

. . Görtlich ifts, dag Du am Kant biſt. Nur nimm ja den Fichte mit; vielleicht wäre es am beiten ihm zu zeigen, daß fein Syſtem von Moral und Jlaturredt mit dem Kantiſchen identifdy fei, wie ich es dafür halte, im ganzen nämlid). Geiner Myſtik der Xechtlichkeit, feinem bis zur Liebenswürdigfeit Nechtlichſein kann da das grade nur individuell und doch nicht eben das Hoͤchſte if Ich glaube, Deine Kritif der Moral, die wenn fie im Ton zu polemifd, wird, als eigener Yuffag, wenn fie aber hiſtoriſch bleibt, als zweite Rhapfodie der hiſtoriſchen Anſichten der Philo- fophie das Achendum zieren foll, bedarf gewiß einer Konftruftion und Konftitution der ganzen vollen Menſchheit und Moralität im as der ifolierten Philofophie. Gollte diefe am Anfang oder am Schluß am beften tun, oder verteilt werden müffen? Ich kann Dir nicht fagen, wie ih mich darauf und damit freue. Es ift mein höchſter literariſcher Wunſch, eine Moral zu ftiften, und im Achenäum durd) die Eſſays und auch, fonft für diefen großen Zweck zu präfudieren. Aber ich glaube nicht, dag ich Fanıı ohne Dich: es ift weniger Deine Arbeit, deren ich bedarf, als Deiner Befruchtung und auch Deiner Berichtigung. Denn ich Tann diefer fehr bedürfen, da ich der Poeſie in allen Sack gäßshen des Univerfums nadjlaufen muß und Fichte nice fo ver- achten darf, wie Du auf Deinem Ctandpunft mußt. Du mußt es, und zwar Fann diefe fehr begeifterte Beradjtung nur abfolut fein; auch muß fie grader ſprechen, da die Beradjtung des ganzen Menſchen nur im Sintergrunde lächeln darf; doch wünſche ich fie fo leife, jo ruhig und fo ironifdy, als eine abfolıte Verachtung

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fein kann. Dies betrifft nur die Form. Du mußt mid) dagegen in der Mitte der Menfchheit felbft fefthalten, dadurd dag Du Did, aus Deiner Harmonie erhebft und Dich herabläßt aufzuftehn. Der Winter, mo id) von dem was wir Belt nennen, ſchon freier zu fein hoffe, muß viel Srüchte tragen. Ich geftehe Dir, daß alles, was Du mir bift, durch diefe Teilnahme für mich verdoppelt werden wird... .

Sriedrih Schlegel an Schleiermacher (125)

Bott fei Dank, Du findeft Jronie im Übermeifter. Das andre gibt fi. Du machſt mir Luft, bald wieder ein Stüd zu fertigen (denn zwei Portionen dürften es nod) werden), weil Du diefes fo gar fehr als VBorrede anfichtigft. Aber die Moral bleibt doch mein Meifter; und wenn Du audy nicht ſynkonſtruieren magft oder mwilljt, mas dody auch gut ift, fo wünfche ich doch fehr mit Dir ovvevgovouasev zu Fönnen. Die Gottheit möchte mir fonft auf die innern Teile fallen. A propos von Gottheit, Dein Geift über den Waffern, das ift doch eben nur ein Weidhling, der in Falten Waſſer baden foll und nicht hinein will.

Die Gelbftändigkeit kann bald ftehn und gehn. Noch ſitzt fie. Wie es mit dem Drud werden foll, weiß ich vor der Hand noch nicht, da Vieweg wünſcht, der Druck des dritten Gtüds würde nicht eher angefangen, bis das Manuffript vollftändig da fei. Nächſtens mehr darüber!

Daß Hardenberg ſich felbft tötet, glaube ich nur darum nicht, weil er es beftimmt will und es für den Anfang aller Philofophie hält. Bei dern Galvanism des Geiftes Eommt es natürlid nur darauf an zu finden, was Nerv und Muskel im Gemüt ift. Du würdeft Hardenberg fehr wohl tun, und ich fühle Deine Wehmut fehr gut. Was mid) betrifft, fo habe ichs ſchon fehr lange nur mit feinem Geift zu tun, in den fich vielleicht Feiner fo finden kann tie ich, und das fcheint er auch zu miffen. Übrigens fehe ich

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ganz hartherzig zu. Das ift meine Treue gegen das Univerfum, in das id) knollig verliebt, ja vernarrt bin. Du hältft doch aud) noch etivas auf dasfelbe, und darin laß uns immer fraternifieren.

Da ichs weder gegen Dich noch gegen die Herz hatte, für die ich im Gegenteil fehr freundfchaftlich gefinnt war, fondern gegen die Treue, nämlich die gegen das Sndividuum, den Mikrokosm, und Du mich aus brutaler Unſchuld gar nicht verftanden haft, fo will id Dir hiermit Deinen Efel mit Agio wieder zugeftellt, auch den Ginn für niedliche Bosheit abgefprodjen haben.

Nun muß id Dir nody das Rätfel löfen, daß Du mich be» feuchten follft. Was für mich fo unerfchöpflich fruchtbar an Dir ift, das ift, daß Du eriftierfi. Als Objekt würdeft Du mir für die Menſchheit fein, was mir Goethe und Fichte für die Poefie und die Philofophie waren. Da ich aber in diefen nur auf Reifen bin, und auch die Ehre habe im Mittelpunft zu Haufe zu fein, fo bift Du mir niemals nur Objekt, fondern Landsmann und Hausgenoffe.

Diefer Brief ift in wenigen Augenbliden aufs Papier geworfen. Daß Du mit der Veit fo fraternifierft, ift gut und fchön; noch beffer ift es, daß Du Dich von ihr ganz willſt durchfchauen laffen, fomweit ihr Auge reicht. Denn nur dadurch, daß Du es nicht wollteſt, oder nicht zu wollen fchienft, Eönnten Fleine Abweichungen von der ewigen Bernunftwahrheit, daß Du uns (nicht zu mir und der B.) gehörft, möglich werden. Herr in Deine Hände bes fehle ich meinen Geift.

Die Herz grüße vielmals von mir. Tieck aud. dh ſchreibe nächftens eine epistola Shakespearia an ihn.

Sriedrih Schlegel an Ödleiermader [126]

Schön ifts, daß Du neulich einmal einen ganzen Tag bei der Veit warf. Das war für fie der Trübſal füge Mildy, Philofos phie c. Tu es nur fo oft als Deine Zeit erlaubt. Wenn die

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Quadratur unfres Zirfels (in deren törichter Hoffnung ich neu⸗ lich allerlei gefcherzt, was Du nicht haft verftehen wollen) unmög⸗ lid) bleibt, fo laß uns mwenigftens die Trigonometrie zu einer uns endlichen Höhe treiben. In der Tat habe ich unter andern Ge- heimniffen auch das von Dir gelernt, daß die Kreundfchaft und die Liebe ſchweſterliche Künfte find, wie Muſik und Poefie. Nun, wir wollen viel zufammen mufizieren und poetifieren diefen Winter ; wir wollen fleißig fein, aber vor allen Dingen nad; dem Reich Gottes trachten, und nicht forgen, ob das Athenäum vier oder fechs Stücke jährlich hat, fo nur jedes fo pfündig ift, mie diefe beiden, und fo mir nur Lebensmittel genug haben, wie ſich bei einiger Okonomie wohl finden wird... .

Mit Carolinen harmoniere ich wieder aufs befte.. Ihr Sinn für die Liebe hat das gegenfeitige Berftändnis, fomweit es gut und fhön ift, wieder hergeftelle. Ich überzeuge midy immer mehr, daß Deine Kritif der philofophifhen Moral für ſich beftehen muß, und daß die Apologie der Humanität gegen die Philofophie nicht eigentlich in meine Anfichten gehört.

Novalis an Caroline (127) Sreiberg, Yuli(?) 1798

... Meine Somphnfif „mit Friedrich betrifft meine neufte Maffe allgemeiner philoſophiſch phufiologifcher Erperimente vor- züglid. An die Form Faun ich unter diefen Umftänden noch nicht denken. Schreiben Gie ihm das. Geine Papiere foll er eheftens erhalten; wann die meinigen verbeffert, vermehrt und geordnet das weiß ich noch nicht beftimmt zu fagen. An meis nem Fleiße fol das Spät nicht liegen eher an der Unfultur des Öegenftandes und feiner unermeßlichen Mannigfaltigkeit, die zwar um desmillen audy höchft einfach ift, aber fo ſchwer als foldhe gefaßt, gehalten und nachgebildet wird. Je tiefer ich in die Uns reife von Gchellings ZBeltfeele eindringe, defto intereffanter wird

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mir fein Kopf, der das Höchfte ahndet und dem nur die reine Wiedergebungsgabe fehlt, die Goethe zum merfwürdigften Phyſiker unfrer Zeit macht. Schelling faßt gut er hält fon um vieles ſchlechter und nadzubilden verfteht er am menigften.

... Friedrichs petillanter Geift hat munderbare Mifchungen und Kntmifchungen im phyſikaliſchen Chaos zumege gebradjt. Geine Papiere find durchaus genialifd; voll genialifcher Treffer und Sehler. Schreiben Sie ihm, mein Brief würde durchaus neu nur wenig aus den alten Papieren. Ich hoffe, unfer Brief: wechſel foll wahrhafte fermenta cognitionis in Külle begreifen und mehr als eine Lavoifierfche Revolution entzünden. Mir ift jest, als fäß id} im Comite du Salut public universel.

Novalis an Sriedrid Schlegel [128] Töplis, 20. Yuli 1798

Ich habe die ganze Zeit über auf Nachricht von Euch gemartet. Ich dachte, Du mwürdeft mir die ‚Jahrbücher‘ ſchicken und etwas über meine Papiere fchreiben. Mit dem verfprodjenen Briefe dürfte wohl hier nichts werden. Es fehlt an Muße, Büchern und Erlaubnis den Kopf anzuftrengen. Indes bin ich doch nidjt ganz müßig und id) hoffe Euch mandjes mitbringen zu können, mas Euch vielleicht freut. Es find freilich nur Früchte einzelner Augenblide unter andern Titel Eurer Sragmente. Es Fönnten auch noch zu einigen Borreden hinzufommen denn man muß fie als Büdyer behandeln und das Fehlende ergänzen. An einer Kritik derfelben fammle ich. Gonft find die Srauen, die dhriftliche Religion und das gewöhnliche Leben die Zentralmonaden meiner Meditationen. Kür das Lete verſprech id mir insbefondre Deinen Beifall, weil id} hier einen ganz neuen Standpunkt ge wonnen zu haben glaube. An ‚Meifter‘ fehle mir viel. Syn meiner Philofophie des täglichen Lebens bin ich auf die Idee einer

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moralifdyen (im Hemſterhuyſiſchen Sinn) Aftronomie gefommen und habe die intereffante Entdedung der Religion des fichtbaren Weltallse gemacht. Du glaubft nicht, wie weit das greift. Ich denke hier Schelling weit zu überfliegen. Was denkſt Du, ob das nicht der rechte Weg ift, die Phyſik im allgemeinften Ginn ſchlechterdings ſymboliſch zu behandeln? Auf diefem Wege dene ich tiefer als je einzudringen und aller Campanen und Ofen ent: übrige zu fein... .

Shleiermader an Henriette Herz (129) Berlin, 20. Juli 1798

Meine Rüdreife ift fehr müfte und leer gemwefen; dumm genug war ich auch und wenn ich nicht hie und da einen Moment gehabt hätte, der hell genug war, um an die Hinteife zu denken, fo hätte ich leicht in den fieben Stunden aus Mangel an frifcdyer Luft des geiftigen Todes fterben Fönnen. Es ift ein merfiwürdiger Unterfchied, daß im Geiftigen die Luft, die ſchon einmal eingeatmet gewefen ift, noch vollkommen fo gute Dienfte leiftet wie friſche mir wenigſtens, und ich hoffe, das zeugt von Feiner verderbten Zunge. ...

Schleiermacher an Henriette Herz [130] Landsberg, 6. September 1798

Mein Gott, wie bin ich überftrömt von lauter Herrlichkeit und Freude von Berlin her. Gie im Tiergarten, Schlegel zurüd und zum Überflug fogar in Oranienburg und unabhängig von allen Nachrichten, Eure lieben ſchönen Briefe, es ift wahrlich faft zu: viel. Gie find eigentlich fehr kurz in Lanfe gemwefen und haben doch fo viel Entzüden eingefogen, und das ſchlechte Wetter ift nicht einmal ein Leiter getwefen, der Ihnen diefe eleftrifche Külle wieder abgezogen hätte? führen Sie mid) doch ein in die My—

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fterien Ihrer unbefriedigten Wünfde. Wir müffen wirklich etwas erfinden, damit fich diefe Elektrizität nicht häuft und uns irgendwo einfchläge. Ach Liebe, meine Saat fteht fo ſchön, meine Wohs nungen find alle fo friedlich und heimifch, daß mir wohl vor dem Fleinften Wölkchen bange fein darf, das irgendwo auffteigt, und gar in Ihnen? Ich will einmal eine kalte und fühllofe Geite herausfehren und Ihnen fagen, daß ich gar nicht begreife, daß und wie's Ihnen das Land tut, find wir etwa nicht mit in der großen Tätigleit? Eigentlich gibt es doch Feinen größeren Gegen- ftand des Wirfens, als das Gemüt, ja überhaupt Eeinen andren; wirken Gie etwa da nie? O Sie Fruchtbare, Sie Vielwirkende, eine wahre Ceres find Gie für die innere Natur und legen einen fo großen Akzent in die Tätigkeit der Außenwelt, die fo durchaus nur Mittel ift, wo der Menſch in dem allgemeinen Mechanismus fi) verliert, von der fo wenig bis zum eigentliden Zweck und Ziel alles Tuns bingedeiht und immer taufendmal foviel unter: weges verloren geht! Und jenes Tun und Treiben, wobei ſich der Menſch müht und ſchwitzt mas er doch eigentlich nie tun folte —, ift es nit lärmend und tobend gegen unfere ftille Tätigkeit? Wer vernimmt etwas von uns? was weiß die Welt von unferer inneren Natur und ihren Bewegungen? ift ihr nicht alles Geheimnis? Gehen Gie nur, mas Gie getan haben und noch tun und fun werden, und geftehen Gie, daß diefes Tun und Bilden unendlich mehr ift, als alles, mas der Menfch über das große Chaos, welches er fich zurecht machen foll, gewinnen Fann.

Bin ich nicht dithyrambiſch geworden, und das aus lauter Po» lemif! Aber recht habe ich doch! und Fünftiges Jahr will id) wirklich die phyſikaliſche Reife madjen und die große Elektriſier⸗ maſchine in Lanke befehen.

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Schleiermacher an Henriette Herz [131] Landsberg, 9. September 1798

Arme Freundin, was iſt Ihnen begegnet! dacht ich doch Wunder was für ein Unglück es wäre. Ya, das müſſen Sie allein fühlen, da Fann id; Ihnen nun nicht helfen. Übrigens ift es mir eben recht, daß Schlegel ein wenig den Korfaren gegen Sie fpielt und alles, was er von Ihnen auf offener Gee oder an alliierten Küften findet (Gie fehen, ich habe eben die Zeitungen gelefen), als eine gute Prife aufbringt. Es gibt einmal Fein anderes Mittel gegen Sie. Was fchadets aud), daß er alle guten Worte weiß, die zwiſchen uns gewechfelt werden, er Fennt ja doch die innerfte Quelle derfelben, und fo Fönnte er fie in Ermangelung unferer Mitteilung aus eigenen Kräften fupplieren, und fein Recht daran läßt fich aus dem ewigen Gefeß deduzieren, daß jeder alles verdient, was er ſich anzueignen verfteht. Ich habe nichts da⸗ gegen, daß Sie Ihr Bertrauen nicht erzwingen, das aftive näm- lich, aber auf das paffive hat Schlegel doch durch feine doppelte Berbindung ein volles Recht, und ich fordere es für ihn aus mei- nem Recht. Laffen Gie uns menigftens eine Welt fein, Gie werden fehen, es gibt einen fchönen Sphärenflang, und mir werden alle glücklich fein. Laffen Sie fidy auch nicht ſchwindeln! zwei ſolche Menfchen überfpringen ſich nicht. Wenn ich nicht ſo viel Mut hätte und ſo viel aufs Unvergängliche hielte, hätten Sie mir wahrlich bange machen können. Fühlen Sie denn nicht ſelbſt die Ewigkeit von allem, was iſt, und iſt es nicht eine un⸗ trügliche, ſittliche Anſchauung, daß dasjenige iſt, was ſich fo offen- bart? Gie üben durch diefe Furcht ein Eleines Bergeltungsrecht aus; waren doch jene aud) bange, daß wir ung überfprängen. Ich weiß aud) nicht, wie Ihnen aus unferm Standpunkte diefe Höhe fo überhoch ſcheinen kann mir ftehen freilidy auf einem andern Gipfel; aber es gibt nody nicht Maßtheorie genug für diefe Größe, um zu beftimmen, welcher höher if. Wer nur auf dem Boden gehen Eann, für den ift freilich eine Kluft dazwifchen; die geht uns aber nichts an. Doch will ic mich über diefen

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Gegenftand nicht vertiefen, idy würde fonft zwar nicht mid), aber doch meinen Brief überfpriugen.

Tröften Gie fi nur über meine funfzig jahre. Wozu märe denn die ewige Jugend ewig, wenn es dabei auf Länge und Kürze anfäme. Laffen Cie ung in der Zeit die Qualität fuchen; dies ift immer zugleich die fchönfte Antizipation der Quantität. Wenn wir uns das goldene Alter machen, ift das nicht ebenfogut, als ob wir fo wohl hundert Jahre gelebt hätten, bis es etwa von felbft zu uns gefommen wäre? und fo haben wir es felbft nodh dazu gemacht. Es bleibt doch ein verzmweifelter Unterſchied zwi⸗ ſchen einem Körper, der chemifch bereitet wird, und einem, den die Natur liefert, die doch immer ein bißchen wie Lafontaine arbeitet.

@aroline an Friedrich Schlegel [132] j Jena, 14. Dftober 1798

Ich Fann Ihnen heut allerlei fagen was Sie gern wiffen wollen. Wilhelm blieb in Weimar zurüd um Goethen zu fprechen, und der ift fehr wohl zu fpredjen gewefen, in der beften Laune über das Athenäum, und ganz in der gehörigen über Ihren W. M., denn er hat nicht bloß den Ernft, er hat auch die belobte Ironie darin gefaßt und ift doch fehr damit zufrieden und fieht der Sort: fegung freundlichft entgegen. Erft hat er gefagt, es wäre recht gut, recht charmant, und nach dieſer bei ihm gebräuchlichen Art vom Wetter zu reden, hat er audy warm die Weiſe gebilligt, mie Gie es behandelt, daß Gie immer auf den Bau des Ganzen gegangen und fich nicht bei pathologifcher Zergliederung der ein» zelnen Charaftere aufgehalten, dann hat er gezeigt, daß er es tüchtig gelefen, indem er viele Ausdrüde wiederholt und befonders eben die ironifchen. Gie haben alle Urfache, Ihr Werf zu voll» enden von diefer Geite, und fo tun Sie es denn doch recht bald. Er hat WB. mit Grüßen für Gie beladen, und Jäße vielmals um Entſchuldigung bitten, wegen des Jlichtfchreibens, eine Gadhe, die

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wirklich aus der Gefchäftigfeit des legten Bierteljahrs, wovon nachher ein Mehreres, zu erklären if. An IB. hat er den ganzen Brief ſchon fertig diftiert und doch nicht abgeſchickt. Auch von der griechifdyen Poefie hat er gefprodyen; bei mandjen Gtellen hätte er eine mündliche Unterredung und Erläuterung dazu ge- wünſcht, um etwa ein längeres und breiteres Licht zu erhalten. Gelefen hat er auch redlidh; das kann man ihm nicht anders nadh- rühmen. Die Sragmente haben ihn ungemein intereffiert; ihr hättet euch in Kriegsſtand gefegt, aber er hat Feine einzige Ein⸗ wendung dagegen gemacht; nur gemeint, es wäre eine allzu ftarfe Ausgabe (die Verſchwendung wäre dody zu groß, mar der pivot feines allgemeinen Urteils), und es hätte follen geteilt werden. W. bat ihm geantwortet, in Einem Strich liege ſichs frei⸗ lich nicht lefen; da hat er fo etwas gemurmelt, als das hätte er denn doch nicht laffen Fönnen, es wäre denn doch fo an⸗ ziehend. ... .

Schelling wird ſich von nun an einmauren, wie er fagt, aber gewiß nicht aushält. Er ift eher ein Menfh um Mauern zu durchbrechen. Glauben Gie, Kreund, er ift als Menſch interef- fanter als Gie zugeben, eine echte Urnatur, als Mineralie be» trachtet, echter Granit.

Tied muß ſich nun ebenfowenig über Goethens Schweigen ftandalifieren als Gie, denn er bittet auch ihn um Nachſicht. Und ih will Ihnen auch fein Urteil über den erften Teil von GSternbald wiedergeben; Gie überantworten es Tied. Man könnte es fo eigentlich eher mufifalifche Wanderungen nennen, wegen der vielen mufifalifhen Empfindungen und Anregungen (die Worte find übrigens von mir), es wäre alles darin, außer der Maler. Gollte es ein Künftlerroman fein, fo müßte doch noch ganz viel anders von der Kunft darin ftehn, er vermifte da den rechten Gehalt, und das Künftlerifche käme als eine falfche Tendenz her- aus. Gelefen hat er es aber, und zweimal, und lobt es dann auch wieder fehr. Es wären viel hübfche Sonnenaufgänge darin, hat er gefagt (an denen man fähe, daß fid) das Auge des Dicy 240

ters wirklich recht eigentlid an den Karben gelabt, nur Fämen fie zu oft mieder).

Wollen Sie nun mein Urteil über den zweiten? Vom erften nur foviel, ich bin immer noch zweifelhaft, ob die Kunftliebe nicht abfichtlic, als eine falfche Tendenz im Gternbald hat follen dar- geftellt werden und fchlecht ablaufen wie bei W. M., aber dann möchte offenbar ein andrer Mangel eintreten es möchte dann vom Menfchlidien zu menig darin fein. Der zweite Teil hat mir nod fein Licht gegeben. Wie ift es möglich, dag Gie ihn dem erften vorziehn und überhaupt fo vorzüglid behandeln. Es ift die nämlicye Unbeftimmtheit, es fehlt an durcdhgreifender Kraft man hofft immer auf etwas entfcheidendes, irgendwo den Kranz beträchtlich vorrüden zu fehn. Tut er das? Biele liebliche Sonnen- aufgänge und Srühlinge find wieder da; Tag und Nacht wechfeln fleißig, Sonne, Mond und Sterne ziehn auf, die Böglein fingen; es ift das alles fehr artig, aber doch leer, und ein Fleinlicher Wechfel von Stimmungen und Gefühlen im Gternbald, Elein- ich dargeitell. Der DBerfe find nun fait zu viel, und fahren fo Iofe in» und auseinander, wie die angefnüpften Geſchichten und Begebenheiten, in denen gar viel leife Spuren von mancdherlei Nachbildungen find. Sollt idy zu ftreng fein, oder vielmehr, Un: recht haben? Wilhelm will es mir jegt vorlefen, ich will fehn wie wir gemeinfdyaftlich urteilen. . . .

Friedrich Schlegel an Caroline [133] Berlin, 20. Dftober 1798

... Hören Gie, Sie wiffen, idy mollte auch etwas Allgemeines über die Griechen fürs Athenäum fchreiben. Es follte ein Ge: fprädy werden. . Aber ich habe mir nun überlegt, daß es beſſer ift, diefe Korm Wilhelmen zu überlaffen. Es wird mir leichter und anzüglicher fein, wenn ichs in einem Srauenbrief an Gie tun darf. Ich Eann leicht von Ihren Myſticismchens Anfang, 16 Romantiler«Briefe 241

Anlaß und Anftog nehmen. Noch fehöner ifts aber, wenn Gie nebft der Einmilligung auch noch ſich fafrifizieren und die Friti- fen Griechen und die abgebrochne Poefie noch einmal leſen wollen und fchreiben, wie es der Kritif auf Ihrem ganz menſch⸗ lichen Richterftuhle bedünfen will. Denn das ift ja eben der Punkt, worauf es anfommt. Wichtiger ift es aber doch, daß Gie mir melden, ob Gie Caroline, oder wie Gie fonft heißen wollen.

... Hören Gie, ich habe feit ich hier Bin auch einige Romane gelefen, und Richter hat dadurch bei mir ſehr gewonnen. Er ift meit origineller als Hippel, obgleidy diefer fein Original if. Er hat ihn eigentlid vernichtet und überflüffig gemacht. SHippels Geift liegt übrigens in den Worten: Ich liebe Minen in Tinen‘. Auch Yacobi hat den Hippel viel gelefen. Der Eindrud ift mir nun ewig. Jacobi fei in der Weichlichkeit gebildet bis zum Künftlichen, und auf feine eigne Eitelkeit eitel, und wieder auf dies Eitelſein eitel bis ins taufendfte Glied. Das bißchen An- mut in Sterne follten wir doch nicht zu ausfchließend fdhäßen. Er ſcheint mir noch ärmer als Richter. An Smollet gefällt mir am beiten, daß es ihm fo Ernſt ift mit feinem üblen Humor. Stift finde id am größten: fein Gulliver fcheint mir fo tief und ſyſtematiſch, daß er wohl felbft nicht recht wiſſen mag, wie gött- lid) groß der Gedanfe fei. Sonſt würde er ihn nicht oft fo jämmerlid) gemein mißbraudjen und behandeln.

Bom Richter kann ich alfo, wie gefagt, nicht ganz ablaffen. Dagegen glaube ich jeßt, dag Voß und Wieland der Garve und Nicolai der Poefie find. Es gibt jeßt offenbar ein wirkliches böfes Prinzip, einen Ahriman in der deutfchen Literatur. Das find fie, die negativen Klaſſiker. Ihr Dichten und Trachten fcheint mir nicht etwa nur unbedeutend und weniger gut, fondern ihre Poefie ift abſolut negativ, fo gut twie die franzöfifche von Eorneille bis Voltaire. Gie hat gar feinen Wert, fondern wirk-

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lichen Ilnmwert und muß alfo in Belagerungsftand erklärt werden. Und ich wünſche zu Bott, dag Wilhelms Annihilation des alten Wieland nicht bloß ein Ei bleiben mag.

Noch habe ich nichts durch den Tod verloren. Da haben Sie rede. Ich Eönnte viel. Manches würde aber anders auf mich wirken, als auf Euer einen. Das madjt, weil ich doch nur gleich⸗ fam in und auf dem lebe, was wir Welt oder Erde nennen. Mir kommt es vor, als ginge die moderne Gefchichte jest noch einmal an, und als teilten ſich alle Menſchen von neuem in Geiftlihe und in Weltliche. Ihr feid Weltlinder, Wilhelm, Henriette, und auch Auguſte. Wir find Geiſtliche, Hardenberg, Dorothea und ich. Gie mögen ſich Yhre Seelen felbft beftimmen, wenn es Ihnen nicht mißgfälle, die Menfchheit fo mitten durdy zufchneiden, und wenn Sie nicht wie Böttiger auf beiden Achſeln tragen wollen, werden Gie ſich wohl entfchliegen müſſen, wie die Tyndariden bald hier bald dort zu fein.

Im Ernft, meine Religion fängt an aus dem Ei ihrer Theorie auszufrierhen, und id wünſche, daß Ihr Romänden ihr bald folgen mag. Es hat mir und ihr, der Religion nämlid), Mut gemadt, daß einige von meinen Gedanken über die Unfterblichfeit der Veit fo unmittelbar und Flar einleuchteten, wie Yhnen einige über Natur und Örganifation.

Leben Sie wohl und fehreiben Sie Briefjen und Romändsen. Friedrich Fichte ift aud) gegen mich fo biderb und wader, wie er überall if. Wenn es von diefer Sorte noch einige mehr gäbe, fo wäre es eine Luft zu leben und ein Deutfdyer zu fein, . .

Kriedrih Schlegel an Earoline [134] Berlin, 29. Oktober 1798

... Was Schiller betrifft, fo bewundre ich naͤchſt der helden⸗ mötigen Gelbftentäußerung in dem Goetheſchen Prolog, der mir

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wie eine ausgehöhlte Sruchthülfe vorkommt, nichts fo fehr wie die Geduld. Denn um foldje lange Drachen in Papier, in Worte und Reime auszufchnigen, dazu gehört doch eine impertinente Geduld. Übrigens erinnert mid) fein Glüd an fein Unglüd, daß ihm die äfthetifchen Briefe nicht rein herausfamen und geftört wurden. Die fteden ihm nun im Geblüte, und die ganze Wuͤrd⸗ anmut ift auf die innern Teile gefallen. Audy vergeht felten eine lange Zeit, daß er ſich nicht in einigen Gedichten, die äfthetifcher als dichterifch find, Luft made. Wenn das erfte Eiftel feines Wallenſtein fo Goechefch ift wie der Prolog, fo bin ich auf alle elf Eifel niche fehr begierig. Ich kann mir denken, daß eine fo angeftrengte Nachahmung bei dem Spiel und Anblid und erſtem Eindrud täufcht: aber beim Lefen muß dann die Täuſchung wegfallen. Ich habe gehofft, er würde etwa im dreißigjährigen Kriege eine Mittelgattung zwifchen feiner alten und feiner neuen Tollheit entdeden.

Unter Goethes Sachen bete ich die Metamorphoſe abfonderlich an; die fchöne Müllerin, das verfteht fid) ohnehin. In der langen Idylle auf die Schaufpielerin ift viel pittoresfe Bäterlichkeie. Alles was Gie mir von Goethe gefehrieben haben, ift ſchön und herrlich, daß er zufrieden ift, daß er die Ironie verftanden hat. Aber auch daß Gie mir fo ordentlidy gefchrieben haben und gleidy fam Briefe mit mir wechfeln zu wollen fcheinen dürfen... .

Wenn id) doch bald einen Brief von Hardenberg erhielte! Ein Projeft habe ich indeffen nicht für ihn, fo wenig wie für mid) felbft. Eins der reizendften und notwendigften unter meinen Pro« jeften wäre eine Pandora für Schleiermadher. Ich wünſchte, daß er, wenn wir einmal fcheiden müffen, wieder eine gute Srau bes Fäme, die feiner würdig ift.

Hülfen heiratet effeftivement in einigen Wochen und errichtet eine Erziehungsanftalt. Das ift nun alfo in Richtigkeit. Aber mo wird Gchelling, der Granit, eine Granitin finden? Wenigſtens muß fie: doch von Bafalt fein? Und diefe Stage ift nicht aus der Luft gegriffen. Denn ich glaube, er hat un tant soit peu

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Liebesfähigkeit. Würde er die Levi, fo würde ich fie fihiden. Er bat Eindrud auf fie gemacht. Bon mir hat fie gefagt, ich hätte tie der Meſſias unter Euch gefeffen und Ihr hättet mich aud) ganz apoſtoliſch behandelt.

Novalis an Kriedrich Schlegel [135] Sreiberg, 7. November 1798 ... Dein Brief hat mich in der Überzeugung von der Not wendigkeit unfers Zufammendafeins beftärft. Wenn Du Dich immer mehr in mich findeft, fo erkenne ich Dich auch meinerfeits immer mehr. Eins von den auffallenden Beifpielen unferer innern Symorganiſation und Spmevolution ift in Deinem Briefe. Du fchreibft von Deinem Bibelprojeft und id bin auf meinem Stu⸗ dium der Wiſſenſchaft überhaupt und ihres Körpers, des Buchs ebenfalls auf die Idee der Bibel geraten der Bibel als des deals jedweden Buchs. Die Theorie der Bibel, ent- twidelt, gibt die Theorie der Schriftftellerei oder der Wortbildnerei überhaupt, die zugleich die fnmbolifche, indirefte Konftruftionslehre des fihaffenden GBeiftes abgibt. Du mwirft aus dem Brief an die Schwägerin fehn, daß mich eine vielumfaffende Arbeit befchäftigt, die für diefen Winter meine ganze Tätigkeit abforbiert. Dies foll nichts anders als eine Kritik des Bibelprojefts ein Verſuch einer Ulniverfalmethode des Biblifierens die Einleitung zu einer echten Enzyflopädiftif werden. ch denke hier Wahrheiten und Ideen im Großen genialifche Gedanken zu erzeugen ein lebendiges, wiffenfchaftliches Drganon bervorzubringen und durch diefe fynkritifche Politif der Intelligenz mir den Weg zur edhten Praris dem wahrhaften Reunionsprozeß zu bahnen.

Ich habe Dir mit Fleiß die Aufgabe mit mehreren Ausdrüden bingefeßt, um eine vollftändige Antivort in betreff Deiner Bibel idee zu erhalten.

Je länger wir miteinander umgehn, defto mehr werden mir

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uns aufeinander befinnen und des Geheimniffes unfrer Ent» zweiung immer teilhaftiger werden. Deine ‚Sragmente‘ und das Bruchſtuͤck von ‚Meifter‘ verfteh und genieß ich immer mehr. Einen wünſcht ich noch in unfre Gemeinfchaft einen, den id; Dir allein vergleije Baadern.

Geine Zauber binden wieder,

Was des Blödfinns Schwert geteilt.

Ich habe jest feine ältere Abhandlung ‚vom Wärmeftoff‘ ge= Iefen. Ich denke an ihn zu ſchreiben. Könnte er nicht zum ‚Athenäum‘ eingeladen werden? DBereinige Dich mit Baadern, Freund Ihr Fönnt ungeheure Dinge leiften.

Scelling ift jetzt auch mit der Mathematif handgemein ge= morden. Schreibt er auch hier zu fehnell, fo muß er Lehrgeld wie mit den Ideen bezahlen. Es ift ein fonderbares modernes Phänomen, das nicht zu Schellings Nachteil ift, daß feine Ideen ſchon fo welk, fo unbrauchbar find. Erft in neueften Zeiten find ſolche Eurzlebige Bücher erfchienen. Auch Deine ‚Griechen und Römer‘ find zum Teil eine ſolche intereffante Yndifation der zu= nehmenden Geſchwindigkeit und Progreffion des menfchlichen Geiftes. Mit der Kürze der Lebensdauer wächſt der Gehalt, die Bildung und Geiftigfeit. Die Bücher nähern ſich jegt den Einfällen einmal vorübergehend aber fchöpferifche Funken. Wenn es mir gelänge einen foldyen Funken als Lebenstätigfeit zu firieren!

Bon den ‚Propyläen im Briefe an die Schwägerin. Den Almanach hab ich nody nicht. Deine ‚Lucinde‘ reizt mid) im vor: aus, wie die Venus Kallipygos, von der fie gewiß eine Schweſter fein wird. Kants ‚Streit der Fakultäten‘ ift ein fihönes Advo⸗ Fatenfpezimen ein Gewebe feiner Chifanen. Kant wird jegt, wie Ihr Leibnig befchuldigt, juriſtiſch und ift es von Anfang an etwas gemwefen. Die philofophifche Kakultät ift mie der ärgfte Günder am beften zu verteidigen. Die philofophifche Darftellung diefes Gtreits wäre die fchönfte Defenfion der philofophifchen Safultät gemwefen. Kant ift in Beziehung auf die Bibel nicht & la hauteur. Leibnizen fcheint mir Schleiermacher fehr unredht

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zu behandeln die einzige Ötelle von der Combinatio analogica ift alle Lobeserhebungen tert, die man ihm gegeben hat. Lebe wohl, lieber Schlegel, und behalte lieb

Deinen Sreund Hardenberg

Sriedrih Schlegel an Earoline [136] Berlin, Anfang Dezember 1798

... Ich habe noch einen andern wichtigern und tiefern Kum⸗ mer. Schleiermacher verdirbt durdy den Umgang mit der Herz an fid) und auch für mid) und die Freundſchaft. Die Weiblid. keit diefer Srau ift doch wirklich fo gemein, daß fie felbft diefen fünften Mann am Wagen allein befigen muß, wenn es ihr Freude machen fol. Gie machen ſich einander eitel: es ift kein großer Stolz, fondern ein alberner Dampf wie von barbarifchem Punſch. Jede kleine noch fo laufige Tugendübung rechnen fie fi) hoch an: Schl.'s Geift kriecht ein, er verliert den Ginn für das Große. Kurz, ich möchte raſend werden über die verdammten und winzigen $emütereien! Dod ift ihr Betragen gegen ung bei diefer Sache tadellos geweſen.

Das ſchlimmſte ift, daß ich Feine Rettung für Schl. fehe, ſich aus den Gchlingen der Antife zu ziehen. Ich weiß nicht, ob Gie nicht das alles für Schmwärmerei oder Tand halten. Aber es ift nun einmal fo, mit der feinften Blüte ift in der maͤnnlichen Sreund- ſchaft alles weg: ich werde ſchwerlich wieder einen Freund finden, der fo fein und tief in alle Fugen meines Geiftes einflänge und eingriffe; und ich bin nun einmal eine unendlid) gefellige und in der Freundſchaft unerfättliche Beftie. . . .

Auguften grüße ich herzlich, und werde fie fehr betvundern, wenn fie nad) ihrer ſchönen Ungeduld nun audy Geduld übt.

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Sriedri Schlegel an Novalis (137) Berlin, 2. Dezember 1798

Allerdings ift das abfichtslofe Zufammentreffen unfrer biblifchen Projekte eines der auffallendften Zeihen und Wunder unfres Ein» verftändniffes und unfrer Mlißverftändniffe.

Ich bin eins darin mit Dir, daß Bibel die literarifche Zentral« form und alfo das ‘deal jedes Buchs fei aber mit mannig« fadhen ganz beftimmten Bedingungen und Unterfchieden. Auch das Journal, der Roman, das Kompendium, der Drief, das Drama ıc. follen in einem gemwiffen Ginne Bibel fein und doch das bleiben, was ihr Name und fein Geift bezeichnet und umfaßt. Nun habe id; aber eine Bibel im Sinne, die nicht in gewiſſem Ginne, nicht gleichſam, fondern gang buchſtäblich und in jedem Geift und Ginne Bibel wäre, das erfte Kunſtwerk diefer Art, da die bisherigen nur Produkte der Natur find. Die, welche es verdienen unter ihnen, müſſen, um jenes Produft zu realifieren, als Elaffifche Urbilder gefegt werden, wie die griechiſchen Gedichte von Goethe praktiſch und von mir theoretifch als foldhe für die Kunft der Poefie gefegt find.

Soviel ich ahnde, hat Dein Werf mehr Analogie mit einem idealen Buch von mir über die Prinzipien der Schriftſtel— lerei, wodurch ich den fehlenden Mittelpunkt der Lektüre und der Univerfitäten zu Eonftituieren denfe. Die Sragmente von mir und die Charafteriftifen betrachte als Ceitenflügel oder Pole jenes Werkes, durdy das fie erft ihr volles Licht erhalten werden. Es find klaſſiſche Materialien und klaſſiſche Studien oder Erperi- mente eines Schriftftellers, der die Cchriftftellerei als Kunft und als Wiffenfchaft treibt oder zu treiben ftrebt: denn erreicht und getan hat dies bis jegt fo wenig ein Autor, daß id) vielleicht der erfte bin, der es fo ernftli will. Meine Enzyklopädie wird nichts fein als eine Anmendung jener Prinzipien auf die Univerfität, das Gegenftüd zu dem echten Journal.

Mein biblifches Projekt aber ift Bein literarifches, fondern ein biblifches, ein durchaus religiöfes. Ich denke eine neue Reli

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gion zu fliften oder vielmehr fie verfündigen zu helfen: denn kom⸗ men und fiegen wird fie aud) ohne mi. Meine Religion ift nicht von der Art, daß fie die Philofophie und Poefie verfchluden wollte. Bielmehr laffe ich die Gelbftändigkeit und Freundſchaft, den Egoism und die Harmonie diefer beiden Urkünſte und Wiſſen⸗ fihaften beftehn, obwohl ich glaube, es ift an der Zeit, daß fie mandje ihrer Eigenfchaften wechſeln. Aber ganz ohne Eingebung betrachtet, finde ih, daß Gegenftände übrig bleiben, die weder Philofophie noch Poefie behandeln kann. Ein ſolcher Gegenftand fcheint mir Gott, von dem ich eine durdjaus neue Anficht habe. Die befte Philofophie wird am geiftlofeften und trodenften von ihm reden oder ihn ſacht aus ihren Grenzen fchieben. Das fcheint mir ein Hauptverdienft von Kant und Fichte, daß fie die Philo- fophie gleichſam bis an die Schwelle der Religion führen und dann abbrechen. So luſtwandelt von der andern Seite auch Goethes Bildung in den Proppläen des Tempels. Du mirft die Mittelglieder leicht hinzudenken und Dir einen Überblid? der Sachen, der Gedanken und Gedichte verfchaffen, die nur in Evangelien, Epifteln, Apofalypfen u.dgl. dem Zeitalter enthüllt werden können.

Noch von einer andern Seite. Man ſpricht und erzähle feit etwa hundert Jahren von der Allmacht des Wortes der Schrift und was mweiß ich fonft noch. Im Bergleich mit dem, was da ift und was gefchieht, fcheint mir das nur ein mißlungener Scherz zu fein. Ich bin aber gefonnen, Ernft daraus zu madjen und die Leute mit ihrer Allmacht beim Wort zu nehmen. Daß dies duch ein Buch gefchehn foll, darf um fo weniger befremden, da die großen Autoren der Religion Moſes, Ehriftus, Moham⸗ med, Luther ftufenmweife immer weniger Politifer und mehr Lehrer und Schriftſteller werden. Übrigens weißt Du, mie ich auch kleinere Ideen adle und umfaffe, und für diefe, die das Herz und die Geele meines zeitigen und irdifchen Lebens ift, fühle ich Mut und Kraft genug, nicht blog wie Luther zu predigen und zu eifern, fondern audy wie Mohammed mit dem feurigen Schwert des Wortes das Reich der Geifter melterobernd zu überziehn oder

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wie Chriftus mich und mein Leben hinzugeben. Doch vielleicht haft Du mehr Talent zu einem neuen Chriftus, der in mir feinen madern Paulus findet. Wenigftens ift die eine Ähnlichkeit da, daß eine gemwiffe Energie und Furie der Wahrheit nur da ent- ftehen kann, wo redlicher Unglaube nicht aus Unfähigkeit, fondern aus GSchwerfälligfeit voranging.

Lebte Leffing noch, fo brauchte ich das Werk nicht zu beginnen. Der Anfang wäre dann mohl ſchon vollendet. Seiner hat von der wahren neuen Religion mehr geahndet als er. Nicht bloß Kant ift hier weit zurüd, fondern auch Fichte und Yacobi und Lavater. Einige Millionen der legten Sorte in den Gchmelz- tiegel gefchüttet, geben noch nicht foviel folide Illaterie und reinen Ücher der Religion, wie Leffing hatte.

Doch laß das Fein Kriterium fein, ob Du mit mir einflimmen fannft. Die eigentlidje Sache ift die, ob Du Di entſchließen fannft, wenigftens in einem gemwiffen Sinne das Ehriftentum ab⸗ folut negativ zu feßen. Ich Eonnte Dir wohl beiftimmen, da Du es pofitiv feßteft, weil ich Deine Lehre von der Wilfür und die Anwendung derfelben aufs Ehriftentum nicht bloß verftand, fondern antizipiert habe. Aber freilicdy war, mas für Did) Pragis, für mid) nur reine Hiftorie. Daher der Dualismus unfrer Sym⸗ philofophie auch über diefen Punft. in halbes Berftehen und ein halbes Einverftehen war hier möglich, da Praris und Hiftorie in Deiner Religion bisher in unaufgelöfter Gärung find. Gelingt es mir, beide gegenfeitig zu faturieren und zur völligften Harmo⸗ nie zu bvermifchen, fo Fannft Du dann freilich nur ganz einftim- men oder ganz nicht. Vielleicht haft Du noch die Wahl, mein Freund, entiveder der legte Ehrift, der Brutus der alten Religion, oder der Ehriftus des neuen Evangeliums zu fein. Mich däucht, diefes neue Evangelium fängt ſchon an ſich zu regen. Außer jenen Yndifationen der Philofophie und Praris überhaupt regt fi auch die Religion bei den Yndividuen, die ganz eigens unfre Zeitgenoffen find und zu den wenigen Mitbürgern der anbrechen⸗ den Periode gehören. Nur einige Beifpiele. Schleiermadyer, der

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zwar wohl Fein Apoftel, aber ein geborner Rezenfent aller bibli⸗ ſchen Kunftreden ift, und wenn ihm nur ein Wort Gottes gegeben würde, gewaltig dafür predigen würde, arbeitet auch an einem Werk über die Religion. Tieck ftudiert den Jakob Böhme mit großer Liebe. Er ift da gewiß auf dem rechten Wege. Nun noch eine Bemerkung: gibt die Syntheſis von Goethe und Fichte wohl etwas anders als Religion? Wie bald aber muß diefe Syntcheſis nicht blog an der Tagesordnung, fondern auch allge mein fein, da das llifverhältnis beider zum Zeitalter, welches allein aus ihrer perfönlicy betrachtet unabänderlien Trennung entfpringt, fdyon fo ungeheuer auffällt, und da die Keime zu den Mitteln und Werkzeugen diefer Synthefis ſchon im Leffing liegen, und nun im Wolf mieder andere rege werden, Schelling und Hülfen nicht zu erwähnen, die ich als Fühlhörner betrachte, fo die Schnede der ifolierten Philofophie gegen das Licht und die Wärme des neuen Tages ausſtreckt.

ft es nicht möglich, dag Du unfer Iegtes Gefpräcdy auf irgend eine Art fortfegeft?

Das ‚Athenäum‘ bricht wieder los mit neuem Titel und Ber: leger. Schick alfo ja, mas Du haft und geben mwillft, fobald Du fannft. Wie ftehts mit den chriftlichen Sragmenten? Darauf wäre ich fehr begierig.

Wenn Du unfre romantifdephilofophifchen Briefe über Natur und Phyſik für nicht ausführbar hältft, fo vergönne mwenigftens, daß ich meine Ideen darüber, fo es mic zweckmäßig feheint, in einem epiftolifehen Monolog an Did) richte; und verfäume nur nicht die Korm der Briefe, die Dir gewiß fehr angemefjen ift. Du kannſt ja Sragmente, Gedichte, Fleine Romane darin mifchen,

wie fihs fügt... .

Noch einiges. Die vollften Keime der neuen Religion liegen im Ebhriftentum; aber fie liegen auch da ziemlid) vernadhläffigt. Der Buchftab ift der echte Zauberftab.

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Alle Wünfdye der Liebenden und alle Bilder der Dichter find buchftäbli” wahr: nämlidy der EFlaffifhen Dichter, der echten

Liebenden.

Eine Stage über Baader, den ich noch fo gut wie gar nicht fenne. Schließt er ſich an Kichte an wie Gchelling und Hülfen und ift etwa ein chaotiſcher Mittelpunfe für diefe beiden? Oder ift er ein Sohn der neuen Zeit und hat etwa in der Mlitte der Phyſik fo originell begonnen, wie ich aus den Tiefen der Kritik? Dann fönnte ich die Polarität unfrer Geifter für den Dei- nigen begreifen und dann wäre fie nicht bloß fubjeftiv. Aber dann habe ich nicht nötig mich noch mit ihm zu verbinden. Ich bin es fon, nämlidy in Dir, und mas durch diefe Vereinigung geſchehen Fönnte, muß alfo allein durch Dich zuftande fommen.

Die neue Religion fol gang Magie fein. Das Ehriftentum ift zu politiſch und feine Politik ift viel zu materiell. Eine ſym⸗ bolifch myſtiſche Politik ift ja anderfeits erlaubt und weſentlich.

Novalis an Friedrich Schlegel [138] Sreiberg, 18. Dezember 1798

Goeben erhalte ich Deinen langen, reichen Brief, der mid) von neuem lebhaft in Deine jeßige, forgenvolle Lage verſetzt. Biel» leicht könnte ich Dir tätigen Beiftand leiften, wenn ich erft von bier weg märe. Du meißt felbft, wie es um mid) fteht. Ich lebe ein unfichres Leben: feit zwei jahren hab idy nicht mehr für die Zufunft geforgt, vieles vernadjläffigt, was ich nicht mehr zu brauchen glaubte, mid) fo frei als möglidy zu madjen gefucht. Zufälle haben midy bisher erhalten mit der größten Faſſung und in der heiterften Ruhe hab id) feheiden wollen. Jetzt ſcheint fi manches gegen meinen Plan zu verbinden. Anftatt mid) ent behrlich zu fehn und werden zu fehn, fühl id) mich durch ein Ge:

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fühl von Pflicht an alte und neue Befannte gebunden ich fühle, wie nützlich ich noch vielen fein Fann, wie Kameradfcyaft mich zwingt, meine Lieben in diefem verwirrten Zuftande nicht zu verlaffen und jede Not diefes Lebens mit ihnen zu teilen. Benn ihr alle glüdlidy mwärt, fo Fönnt ich getroft von dannen gehn; fo aber darf ich mir ein fo glückliches Schickſal nicht allein anmaßen. Dringt dies durch, fo muß ich bald ein neues Leben anfangen wo nicht ein höheres. Der frühe Tod ift jegt mein großes Los das Kortleben der zweite Gewinn. Die Zeit meines Abgangs von hier ift entfcheidend. Scheid ich, fo hab ich es in der Gewalt, Dir einen Eleinen Dienft zu tun; bleib ich, fo feßt mid; meine dann mit Macht erwachende Ynduftrie gewiß bald in Stand Dir hilfreich zu fein.

Deine Bitte hat mid) von neuem in dem Vorſatz beftärkt, mo: möglich, wenn ich fortlebe, ein reicher Mann zu werden, hoffent: lich nad) einem großen Plane. Ich habe mich geärgert, fo wenig nüßliche Befanntfchaften zu haben.

Wärft Du in Jena, fo hätt ich noch eher Hoffnung Dir gleich helfen zu fönnen, wenigftens per tertium. Wenn Dir meine ganze Lage befannt wäre Du mwürdeft Didy bald felbft von der temporellen IInmöglichfeit überzeugen, Dir jegt meinerfeits zu helfen. Die Ungewißheit der Zufunft nötige mid) jet zu einem Sleiße im Detail, der meine fchriftftellerifchen Projekte verzögert befonders da jeßt Krankheit und andre Unannehmlichkeiten

mich fo fehr geftört haben und noch foren... .

Novalis an Sriedri Schlegel [139]

Seit drei Wochen hab ich Feinen ordentlichen Gedanken gehabt. Bis dahin bin ich fehr glücklich geweſen; die Zeit Fommt bald wieder. Schreibe mir nur je eher, je lieber, wie Du oder ein glüclicher Zufall Die geholfen hat, wer Deinen Prozeß beforgt kurz Deine Domeftifa, Etwas Gutes haft Du mir gefchrieben:

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dag das ‚Athenäum‘ fortgeht. Ich habe der Schwägerin deshalb geſchrieben. Sein Aufhören hat mich entfeßlidy verdroffen. Mein neuer Plan geht fehr ins Weite; auf Oſtern teil ich ihn Wilhelm in extenso mit. Bleib ich bei Euch, fo foll diefer Plan ein Hauptgefchäft meines Lebens werden. Er betrifft die Er: richtung eines literärifchen, republikaniſchen Ordens, der durchaus merfantilifdy politifch ift einer echten Kosmo- politen⸗Loge.

Eine Buchdruckerei ein Buchhandel muß das erſte Stamen fein; “Yena Hamburg oder die Schweiz, wenn Frieden wird, müffen der Gig der Bureaur werden. jeder (chaffte einige tüch⸗ tige Kandidaten. GBemeinfchaftlicyer Fleiß, gemeinſchaftlicher Kopf, gemeinfchaftlicher Kredit kann den Eleinen Zündfunken bald ver- - größeren. Ihr follt nicht mehr von Buchhändlern literärifch und politifch gewiffermaßen dependieren. Wer weiß, ob Dein Projekt nicht in das meinige eingreift und ebenfo den Himmel in Bewe— gung feßt, wie meines den irdifchen Gphäroid. Man hat lange genug von foldden Projekten gefprodhen. Warum follen wir nicht etwas ähnliches auszuführen fuchen. Man muß in der Welt fein, was man auf dem Papier ift SYdeenfchöpfer.

Auf Deine Gedanken von Religion und Bibel geh ich jeßt nicht ein kann audy nicht eingehn, weil mir das meifte davon cim- merifch dunkel ift einige treffliche Einfälle, befonders die Kühl- hörner ausgenommen.

Mündli einmal mehr davon oder ſchriftlich, wenn lesbare Bruchftüde fertig und gedrudt find. Ich weiß nidjt, ob ich Dir fon von meinem lieben Plotin fehrieb. Aus Tiedemann lerne ich diefen für mich gebornen Philofophen Eennen und erfchraf bei: nah über feine Ähnlichkeit mit Fichte und Kant und feine idea- liſchen Ähnlichkeiten mit ihnen. Er ift mehr nach meinem Herzen als beide. Jemand hat mir gefagt, daß meine Entdedung nicht neu und fon in Maimons Leben diefe wunderbare liberein- kunft bemerkt worden fei. Warum ift aber alles ftil davon? “in Plotin liegt noch vieles ungenußt, und er märe mohl vor allen

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einer neuen Derfündigung wert. Zu dem ‚Athenäum‘ im neuen Stil werd ich vielleicht literärifche Korrefpondenznachrichten im flüchtigften, leichteſten Gtil einſchicken, wenn es wirklich noch fo weit kommt; vielleicht kommt da gleidy etwas von Plotin ıc. mit hinein. Schade, daß ich jeßt noch fo viel zu tun habe. Stoff zu intereffanten Briefen hätt id) im Übermaß. Mit den romanti- fchen Projeften muß ich auch noch eine Zeitlang zurüdhalten. Der Kaufmann ift jegt an der Tagesordnung. Chemie und Mechanik oder Technologie im allgemeinen Sinne müffen jeßt vorzüglich dran. Das Andre muß warten.

Novalis an Yuft [140] &reiberg, 26. Dezember 1798

Wenn meine abgeriffenen Gedanken Yhnen einige befchäftigte Stunden gemacht haben, wenn fie Ihnen geweſen find, mas fie mir waren und noch find, Anfänge intereffanter Gedanken: folgen, Terte zum Denken, fo find meine Wünfche erfüllt. Viele find nur Spielmarfen, und haben nur einen tranfitorifcdyen Wert. Manchen hingegen habe ic; das Gepräge meiner innigften Über- zeugung aufzudrüden gefucht. Gern geftehe ih, daß ich felbft glaube, fehr entfernt von Ihrer Weiſe die Religion zu betrad;- ten und zu beurteilen, einen Weg eingefdjlagen zu haben, der Ihnen wunderfeltfam ſcheinen muß. Indes wir find Freunde und werden Sreunde fein, und hierin ftoßen unfere Religionen, beffer unfere Theologien, zufammen. Wenn Sreundfdyaft, Liebe, Sittlichkeit, Tätigkeit das Refultat von beiden ift, fo müffen wohl beide Schweſtern Glieder jener heiligen Samilie von Religionen fein, die, von jeher unter den Menfchen einheimiſch, die treuefte Pflege alles Guten und Schönen bewiefen, in ihrem Schoße Tugend und Liebe in den mwildeften Zeiten bewahrt, und Zroft und Hoff: nung, Mut und Zufriedenheit überall erhalten und verbreitet hat. Ihre Sreundin hat durch ihren Verſtand ſich Ihnen offenbart, 255

da ein herzlicher Berftand der Hauptzug in Ihrem Eharafter if. Mir ift fie dur herzliche Phantafie nahe gefommen denn dies ift vielleicht der hervorftehendfte Zug meines eigen- tümlichen Wefens. Gollte ſich gerade in dem bedeutendften Berhältniffe unfere mannigfache Berfchiedenheit, der Grund un- ferer ganzen menſchlichen Berfaffung nicht zeigen? Gie hängen mit Eindlihem Ginn an den unmandelbaren Ehiffern einer ge: heimnispollen Urkunde, die feit Jahrtauſenden unzählige Men— ſchen mit göttlihem Leben erfüllt, und Ihre ehrmürdigen Bor: fahren ein langes Leben hindurch wie ein Palladium begleitet einer Urkunde, die außer wenigen unbegreifliden Worten, Bor: ſchriften und Beifpiele, Geſchichten und Lehren enthält, die mit allem übereinftimmen, mas die beften und meifeften Menſchen, was unfer eigenes Gewiſſen mehr oder weniger Flar als das Bor: trefflihe und Wahre empfohlen, Fennen gelernt und bewährt ge: funden haben. Es fcheint fidy in ihr noch über alles diefes eine unendliche Welt wie ein Himmel zu mwölben, und eine entzüdende Ausficht in eine himmliſche Zukunft mundertätig zu eröffnen. Mit welchen Herzen nehmen Sie an der Bibel ein Unterpfand Gottes und der Unfterblichfeit in die Hand mie glücklich müffen Gie fi vorfommen, wenn Gie fidh überzeugt fehen, an ihr eine über- irdifche Schrift, eine bleibende Offenbarung zu befigen, in diefen Blättern gleichfam eine leitende Hand aus einer höhern Sphäre feftzuhalten! Ihre Theologie ift die Theologie des hiſtoriſch-kriti⸗ ſchen DBerftandes; diefer fucht eine fefte Grundlage, einen unum⸗ ftöglichen Bemeisgrund, und findet ihn in einer Sammlung von Urfunden, deren Erhaltung allein ſchon ein beftätigendes IBunder zu fein fcheint, und für deren Glaubwürdigkeit alle hiftorifchen Beweismittel und Herz und Bernunft zugleidy fprechen. Wenn ich weniger auf urkundliche Gemwißheit, weniger auf den Buchftaben, weniger auf die Wahrheit und Umftändlichkeit der Geſchichte fuße; wenn ich geneigter bin, in mir felbft höheren Einflüffen nachzu⸗ fpüren und mir einen eigenen Weg in die Urwelt zu bahnen; wenn ich in der Geſchichte und den Lehren der hriftlichen Reli

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gion die ſymboliſche Vorzeichnung einer allgemeinen, jeder Geftalt fähigen Weltreligon das reinfte Muſter der Religion, als hiſtoriſcher Erfcheinung überhaupt und wahrhaftig alfo auch die volllommenfte Offenbarung zu fehen glaube; wenn mir aber eben aus diefem Standpunkt alle Theologien auf mehr und mins der glücklich begriffenen Offenbarungen zu ruhen, alle zufammen jedoch in dem fonderbarften Parallelism mit der Bildungsgefdhichte der Menfchheit zu ſtehen und in einer auffteigenden Reihe ſich friedlich zu ordnen dünken, fo werden Sie das vorzüglichfte Ele: ment meiner Eriftenz, die Phantafıe, in der Bildung diefer Reli- gionsanficht nicht verfennen.

Novalis an Earoline [14r) Sreiberg, 20. Januar 1799 Ich bin, feit ich Ihnen nicht ſchrieb, glücklich genug gerefen. Julie ift wie durdy ein Wunder, feit dem heiligen Abend, mo das fürdhterliche Übel plötzlich abriß, wieder gefund und heiter. Meine Gefundheit ift recht leidlih. Ich habe die gute Ernften gefehn freilich nur auf fehr Eurze Zeit; indes denk id) fie bald wieder zu fehn und länger. Mich dauert es unendlidy, daß meine Fünftige Wohnftätte fo entfernt von Dresden iſt. Die Nähe der Ernften würde mir fehr viel wert fein. ch fage unendlich viel bon meinem Herzen, wenn ich fage, fie ift eine Frau nad) mei- nem Herzen. Auch über Friedrichs glüdliche Verbindung hab ich mich innig gefreut. . Auch ich hab eine neue vortrefflicdhe Schwaͤ— gerin erhalten. Freilich fäh ich auch die bürgerliche Berbindung fehr gern, wenn es möglid wäre. Wilhelms lieber Brief war mir neulich recht willfommen. Er wird mohl verzeihn, wenn id) Ihnen darauf antworte Ihnen, die mir wirklich werter und lieber durch Ihre neuliche herzliche Teilnahme und Eilfertigkeit geworden ift. Seit zwei Monaten ift alles bei mir ins Stoden geraten, was

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zum liberalen Weſen gehört. Nicht drei gute Ideen hab ih in diefer geraumen Zeit gehabt. Jetzt leb idy ganz in der Technik, weil: meine Lehrjahre zu Ende gehn, und mir das bürgerliche Leben mit manchen Anforderungen immer näher tritt. Kür Fünf: tige Pläne fammle ich nur jegt und gedenfe vielleicht diefen Som: mer mandjes Angefangne oder Entiworfne zu vollenden, Die Poefie mit lebendigen Kräften, mit Menſchen, und fonft gefälle mir immer mehr. Man muß eine poetiſche Welt um fidh ber bilden und in der Poefie leben, Hierher gehört mein merfan- tilifcher Plan. Diefem ordne ich die Gchriftftellerei unter.

Ich Iobe Wilhelm wegen feines lebhaften Treibens der Pro- fefforei. Auch dies gehört zur fhönen liberalen Öfonomie, dem eigentliden Element der gebildeten Menfchen. Auf feine Elegie bin ich fehr begierig. Die wird unftreitig ein ſchön gebildeter Niederfchlag von Lebensftoff aus dem Duft der Vergangenheit fein. Wenn er doch audy ein wenig Zukunft zuvor darin auf: löfte, fo würde der Anſchuß noch ſchöner. Das Wiederaufleben des ‚Athenäums*‘ ift mir unſchätzbar. Auf Friedrichs Roman wag ih Feine Vermutung, Es ift gewiß etwas durdjaus Neues. Tieds ‚Phantafien‘ hab ich gelefen. Soviel Schönes darin ift, fo fönnte doch weniger darin fein. Der Ginn ift oft auf Un- Foften der Worte menagiert. Ich fange an das Nüchterne, aber echt Sortfchreitende, Weiterbringende zu lieben. Indes find die ‚Phantafien‘ immer phantaſtiſch genug und vielleicht wollen fie auch dies nur fein. Tiecks Don Quirote ift ja auch ſchon unter- wegs. Schreiben Gie mir nur bald von Ritter und Gchelling. Ritter ift Ritter und wir find nur Knappen. Gelbft Baader ift nur fein Dichter.

Das Defte in der Natur fehn indes diefe Herrn doch wohl nicht klar. Fichte wird hier noch feine Sreunde befchämen, und Hemfterhuns ahndete diefen heiligen Weg zur Phyſik deutlich genug. Auch in Spinoza lebt ſchon diefer göttliche Funken des Naturverftandes. Plotin betrat, vielleicht durch Plato erregt, zu- erft mit echtem Beifte das Heiligtum und noch ift nad ihm Feiner

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wieder fo weit in demfelben vorgedrungen. In mandjen ältern Schriften Elopft ein geheimnisvoller Pulsfchlag und bezeichnet eine Berührungsftelle mit der unfichtbaren Welt ein Lebendigwerden. Goethe foll der Liturg diefer Phufif werden er verfteht voll: fommen den Dienft im Tempel. Leibnigens Theodicee ift immer ein herrlicher Verſuch in diefem Felde geivefen. Etwas Ähnliches wird die Fünftige Phyſik aber freilich in einem höhern Stile. Wenn man bisher in der fogenannten Phyſikotheologie nur ftatt Bemunderung ein ander Wort hätte!

Aber genug behalten Sie mich nur ein bißchen lieb und bleiben Gie in der magifchen Atmofphäre, die fie umgibt, und mitten in einer ftürmifchen Witterung, mitten unter fümmerlichen Moosiınenfchen wie eine Geifterfamilie ifoliert, fo daß Feine nie- dern Bedürfniffe und Sorgen fie anziehn und zu Boden drüden können. Schicken Gie doch den Brief an Sriedrich, dem ich nur fehr kurz gefchrieben habe, meil ich jeßt viel unter der Erde bin und über der Erde mit fo vielen mühfamen Studien geplagt bin. Oftern geh ich hier weg und denke im April bei Ihnen zu fein. Mein Fünftiges Leben Fann fehr reizend und fruchtbar merden.

Schreiben Sie mir bald momöglidy in Begleitung des ‚Athe- näums‘. Mir liegt jegt zuviel untereinander auf den Halfe. Nah Dftern werd ich tief neue Luft fchöpfen und das Srühjahr mich mwieder auftauen und erwärmen. Ohne Liebe hielt ichs gar nicht aus. Mlündlich recht viel Tleues und Schönes. Wilhelm und Auguften taufend herzliche Grüße.

Novalis an Sriedri Schlegel [142] Sreiberg, 20. “Januar 1799

... Deine Berbrüderung mit Hülfen ift ein erfreuliches Zeichen. Solche Konjunftionen bedeuten glüdliche fruchtbare Zeiten. Auf Deinen Roman bin id, fehr gefpanne. Mir fehlts an allen Ana» logien zur Voreinbildung desfelben. Über Deine Anſicht der Rer

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ligion mödjt idy am liebften mündlidy mit Dir fpredjen. Deine Meinung von der Tlegativität der dhriftlichen Religion ift vor- trefflih. Das Ehriftentum wird dadurdy zum Rang der Grund- lage der projeftierenden Kraft’ eines neuen Weltgebäudes und Menfchentums erhoben einer echten Befte eines lebendigen moralifchen Raums. Damit fchließt ſich dies vortrefflich an meine Ideen von der bisherigen Berfennung von Raum und Zeit an, deren Perfönlichfeit und Urkraft mir unbefchreiblidy einleuchtend geworden ift. Die Tätigkeit des Raums und der Zeit ift die Schöpfungskraft und ihre VBerhältniffe find die Angel der Welt.

Abfolute Abftraftion, Annihilation des Yesigen, Apotheofe der Zufunft Ddiefer eigentlichen beffern Welt: dies ift der Kern der Geheiße des Chriftentums, und hiermit ſchließt es ſich an die Religion der Antiquare, die Göttlichkeit der Antike, die Herftellung des Altertums, als der zweite Hauptflügel an; beide halten das Univerfum, als den Körper des Engels, in ewigem Schweben, in ewigem Genuß von Raum und Zeit.

Mündli dies Frühjahr von Deinen Domefticis. Vielleicht fann ich dann mit Dir wahrhaft nüßliche Berabredungen treffen, befonders wenn ich ausführli” von Deinem Fünftigen Lebens: plan weiß.

Empfichl mid; Deiner Gattin herzlich und bleibe mie bisher der freue

Steund Deines Sreundes Hardenberg

Caroline an Novalis (143) Jena, 4. Sebruar 1799

Ob Gie mid) gleidy mit Ihren Dithyramben über das merfan- tilifhe Genie, das uns fehlte und Gie auch nicht haben, einmal recht böfe gemacht, fo find Gie doch beffer wie ich geweſen. Sie geben mwenigftens Nachricht von fidh. Ich aber habe mich in Ab-

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ficht der nötigen Mitteilungen ganz auf Ihre Weihnachtsunter: haltung mit der Ernft verlaffen und mehr an Gie gedadjt als gefchrieben. Endlich kommt beides zufammen.

Was Sie von Ihrer Kränklickeit erwähnen, darüber will id) mich nicht ängftigen, weil immer viel guter Mut dadurd) hervor: leuchtet, und Gie bei hrer Reizbarkeit immer Zeiten haben müffen, mo Gie nichts taugen. Das Wort des Troftes, mas Gie nennen, geht mir meit mehr zu Herzen: Liebe. Weldje? 280? Im Himmel oder auf Erden? Und was haben Gie mir mündlich Schönes und Neues zu fagen? Tun Sie es immer nur gleich, wenn es nichts fehr Weitläufiges und etwas Beftimmtes ift. Es gibt Feine Liebe, von der Gie da nicht fprechen könnten, wo, mie Gie miffen, lauter Liebe für Gie wohnt. In der Tat darf ich alle Bedeutung in den Schluß Ihres Briefes legen, den er zu haben fcheint? Ich will ruhig ſchweigen, bis Gie mirs fagen.

Ihre übrige innerliche Gefchäftigfeit aber macht mir den Kopf über alle Maßen warm. Gie glauben nidyt, wie wenig ich von Eurem Wefen begreife, wie wenig ich eigentlid) verftehe, twas Gie treiben. Ich weiß im Grunde dody von nichts etwas als von der fittlihen Menfchheit und der poetifchen Kunft. Lefen tu ich alles gern, was Gie von Zeit zu Zeit melden, und idy verzweifle nicht daran, daß der Augenblid Fommt, wo ſich das Einzelne auch für mich wird zufammenreihen, und mid) Ihre Außerungen nicht bloß darum, weil es die Yhrigen find, erfreuen. Was Ihr alle zufammen da fchaffet, ift mir auch ein rechter Zauberkeffel. Bertrauen Gie mir vors erfte nur foviel an, ob es denn eigent ih auf ein gedrucktes Werk bei Ihnen heraustommen wird, oder ob die Natur, die Gie fo herrlich und Fünftlid und einfad) auch Fonftruieren, mit Ihrer eignen herrlichen und Eunftvollen Natur für diefe Erde fol zugrunde gehn. Sehn Sie, man weiß fi) das nicht ausdrüdlich zu erflären aus Yhren Reden, wenn Gie ein Werk unternehmen, ob es foll ein Buch werden, und wenn Gie lieben, ob es die Harmonie der Welten oder eine Harmonika ift.

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Was Tann ih Ahnen von Ritter melden? Cr mohnt in Belvedere und ſchickt viel Froͤſche herüber, von welchen dort Über: flug und bier Mangel ift. Zumeilen begleitet er fie felbft, allein ich fah ihn noch nie, und die andern verfichern mir, er mürde auch nicht drei Worte mit mir reden Fönnen und mögen. Er bat nur einen Ginn, foviel ich merfe. Der foll eminent fein, aber der höchſte, den man für feine Wiffenfhaft haben Fann, ift es doch wohl nicht der höchfte befteht aus vielen. Schelling fagt, Sie follen Rittern nur fchreiben, wenn Gie ihm etwas zu fagen haben. Es täte nichts, daß Ritter felbft gar nicht ſchreiben fönnte. Aufs Srühjahr werden Gie ihn ja fehn.

Was Schelling betrifft, fo hat es nie eine fprödere Hülle ge— geben. Aber ungeachtet ich nicht fechs Minuten mit ihm zus ſammen bin ohne Zanf, ift er doch weit und breit dag ynteref- fantefte was ich Fenne, und ich mwollte, wir fähen ihn öfter und vertraulier. Dann würde ſich audy der Zanf geben. Er ift beftändig auf der Wache gegen mich und die Ironie in der Schlegelſchen Familie; weil es ihm an aller Kröhlichfeit mangelt, gewinnt er ihr auch fo leicht die fröhliche Geite nicht ab. Gein angeftrengtes Arbeiten verhindert ihn oft auszugehn; dazu wohne er bei Niethammers und ift von Schwaben befeßt, mit denen er fi mwenigftens behaglich fühle. Kann er nicht nur fo unbedeutend fh wagen oder ſich wiſſenſchaftlich mitteilen, fo ift er in einer Art von Öpannung, die ich noch nicht das Geheimnis gefunden habe zu löfen. Neulich haben wir feinen vierundzwanzigſten Geburts- tag gefeiert. Er hat nody Zeit milder zu werden. Dann wird er auch die ungemeffne Wut gegen folche, die er für feine Seinde hält, ablegen. Gegen alles, was Hufeland heißt, ift er fehr auf: gebracht. Cinmal erklärte er mir, daß er in Hufelands Gefell- ſchaft nicht bei uns fein Fönnte. Da ihn Hufeland felbft bat, ging er aber doch hin. Ich habe ihm mit Willen diefe Inkonſe— quenz nicht vorgerüdt. Er hat fo unbändig viel Charakter, daß man ihn nicht an feinen Charakter zu mahnen braudt. Der Normwege Steffens, den ich Ihnen ſchon angefündigt habe, hat

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bier in der Geſellſchaft weit mehr Glück gemadjt. Das fcheint ihn auch fo zu feffeln, daß es die Srage ift, ob er noch nad) Freiberg fommt. Er würde Ihnen angenehm gemwefen fein. Er ift es uns auch, aber ganz Fann ich ihn nicht beurteilen, denn ich weiß nicht, mie weit er da hinausreicht, wo ich nicht hinreiche, und die Philofophie ift es doch, die ihn erft ergänzen muß.

In Fichten ift mir alles Flar, auch alles was von ihm Fommt. Ich babe Eharlotten aufgetragen, Ihnen feine ‚Appellation‘ zu ſchicken; er läßt Sie daneben grüßen. Schreiben Sie mir etwas darüber, das ich ihm mieder beftellen Fann. Was fagen Gie zu diefem Handel? was zu Reinharden? und wie ihn Fichte zwifchen Spalding und Jacobi ftelle. Ein menig zuviel Akzent hat Fichte auf das Märtyrertum gelegt. Das Übrige ift alles heil und binreißend. Ich bin andädjtig geweſen, da ich eg las, und überirdifch. In Dresden wird die Schrift noch nicht zu haben fein. Ich beredete Fichte, fie Ihrem DBater zu ſchicken, und glaube, daß ers getan hat.

Nach dem Atheismus ift hier das neufte Evenement die Auf: führung des erften Teils von Wallenftein, ‚die Piccolomini‘, in Weimar. Wir haben fie gefehn, und es ift alles fo vortrefflich und fo mangelhaft, wie id} mir vorftellte. Die Wirkung des Ganzen leidet fehr durch die Ausdehnung des Gtoffes in zwei Schauſpiele. Aber das Dramatifche intereffiert Sie nicht will mir die paar Augenblide, die ung bleiben, hiermit nicht rauben. Goethe bringt den Februar hier zu. Die Elegie ift noch nicht vollendet, das ‚Athenäum‘ erft zur Hälfte gedrudkt. .. .

Schleiermacher an Henriette Herz [144] Potsdam, 15. Sebruar 1799

Ich babe einen Dialog in Platon gelefen, ich habe ein Eleines Stück Religion gemacht, id habe Briefe geſchrieben, Furz, id) habe alles verfucht, außer die gute Lebensart und mas foll

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ich mit diefer ohne Geſellſchaft? Aber es geht alles nur fehr mittelmäßig. DBielleicht gehts morgen beffer, wenn ich ein Feder⸗ mefjer habe und mir die Feder nad) meiner Hand fchneiden Fann. Ad, liebe Jette, tun Sie Gutes an mir und ſchreiben Gie mir fleißig, das muß mein Leben erhalten, welches fchlechterdings in der Einfamfeit nicht gedeihen kann. Wahrlich, ich bin das aller- abhängigfte und unfelbftändigfte Weſen auf der Erde, ich zweifle fogar, ob ih ein Individuum bin. Ich ftredde alle meine Wur⸗ zeln und Blätter aus nach Liebe, ich muß fie unmittelbar berühren, und wenn id; fie nicht in vollen Zügen in midy ſchlürfen kann, bin id} gleich troden und welk. Das ift meine innerfte Natur, es gibt Fein Mittel dagegen und ich möchte auch keins. In Landsberg war ich zwar meiter von Ihnen, aber was hilft mir der Raum, ich war doch nicht fo verfommen und lebte in einem befferen Klima. Mein legter Gedanke, als Gie mir Lebemwohl fagten und mir mit wenig Worten ein fo inniges Gefühl Yhrer Freundſchaft gaben, war, daß das Wegreifen doch auch etwas Schönes fei. Es war fehr frevelhaft, doch auch fehr religids. .. .

Caroline an Novalis [145]

Jena, 20. Sebruar 1799 . ©o ift es denn wahr, mein liebfter Sreund? Gie haben uns recht glücklich und froh gemadye. Ihren Sreunden blieb bisher fein ander Mittel übrig, als nur an Gie allein, nicht an Ihre Zufunft zu denken, und Sie hatten uns auch oft alle Öorge ver« beten. Ich nahm das felbft fo an gegen die, die ung lieb find, ift man fo leicht gelehrig und gehorfam. Nie habe ich Gie gefragt, wie wird fich der Knoten löfen? Tann das fo bleiben? Kaum habe ich mich felbft gefragt. Ich war ruhig im Glauben denn ich habe doch am Ende mehr Glauben als ihr alle nicht daß es grade fo Fonımen würde, aber daß ſich an irgend einer Bruft die Spannung brechen müßte, und das Himmlifche

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mit dem \\rdifchen vermählen. Was Gie Scheidung zwiſchen bei- den nennen, ift doch Verſchmelzung. Warum foll es nicht? Iſt das Yrdifche nicht auch wahrhaft himmliſch? Nennen Gie es aber, wie Gie wollen, genug Gie find glücklich. Ihr Brief ift eigentlich voll Wonne und wie auf Flügeln zu mir gefommen.

Ich freue mich jegt mie Gie fich freuen werden daran zu denken, wie dies fo ſich machen mußte. Nur in diefer faft öden Einfamkeit, durch das Band der füßen Gewohnheit konnten Gie allmählid) gewonnen werden. Wie meife und artig feßten Gie uns einmal auseinander, daß dies alles feine Gefahr habe. Gefahr nicht, aber Kolgen doch. Coll das Liebenswürdige um- fonft fein? Wie doppelt leid tut es mir, Yulien nicht gefehn zu haben. Es war meine Schuld nicht, die Yhrige auch wohl nicht. Gehn Gie, liebfter Hardenberg, das Fönnte mich doch traurig madjen, wenn Gie nicht unfer blieben, wenn Ihre Frau nicht unfre Freundin durch ſich felber würde, aus eigner Neigung. Kommen Gie nur, wir ſchwatzen mehr darüber. Es ift faft wahr: fcheinlih, dag Sie um Dftern uns hier finden und wir erft um Pfingften reifen.

Eharlotten haben Sie gewiß aufs Leben verboten uns nichts zu fagen, denn ich errate nun, fie hat es um Weihnachten er- fahren, aber gefchwiegen über alle Maßen. Sie ſchreibt mir eben, daß fie Eharpentier und Gie zufammen hofft bei ſich zu fehn. Ein Glück, daß fie nicht gern ſchreibt; gefagt hätte fie mirs doch. Friedrich verrät aud) eine Ahndung ich habe ihm Ge: wißheit gegeben. Gehr möglich, daß ein Dach uns alle noch in diefem jahr verfammelt. Friedrich bleibt den Sommer in Berlin, was mir lieb ift. Im Winter mwünfcht er herzufommen. Gie eben in Weißenfels. Gie könnten auch wohl einmal eine Zeit: Iang bier leben. Mit Ihrem Vater ift wohl alles überlegt und es ftehn Ihnen Feine Schwierigkeiten im Wege? Er wird nur froh fein, Gie froh zu wiffen. Muß fi) Thielemann nicht unendlid) freuen! Ihren andern Schwager abandonnieren wir Fichten.

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Es ift Fein Zweifel, wenn Kichte fidh ganz von Reinhards Mit⸗ wirfung überzeugen Fönnte, fo würd er ihn zum zweiten Göze machen. Er wills noch nicht glauben, oder vielmehr er wünfcht Tatfadhen, um den Glauben in der Hand zu haben. Mit der legten Poft hat er R. felbft gefchrieben, ihm feine Schrift geſchickt und ihn zum Wehe über das Pfaffentum aufgefordert. Er will abwarten, was er darauf ermwidert. Schreiben Sie mir nur, ob Gie es gewiß mwiffen. Ich zmweifle nicht einen Augenblid daran, aber ſchwerlich hat er doch offen genug gehandelt, dag man Tat fadjen von ihm anführen könnte. Fichten ift fehr daran gelegen übrigens. Ich habe ihm den größten Teil Ihres Briefs mitge- teilt ja, meil er Gie fo liebt auch das was Gie angeht, und morüber er ſich innig gefreut hat. Daß man in Preußen honett verfahren ift, werden Gie nun miffen.

Bald, bald kommt das dritte Stüd ‚Athenäum‘. Hier ift in- deffen etwas andres. Was merden Gie zu diefer ‚Lucinde‘ fagen? Uns ift das Sragment im ‚Loceum‘ eingefallen, das ſich fo an— fängt: ‚Sapphifche Gedichte müffen wachſen oder gefunden mwer- den‘ ıc. Lefen Gie es nad. Ich halte noch zurzeit diefen Roman nice mehr für einen Roman als Jean Pauls Gaden mit denen id) es übrigens nicht vergleiche. Es ift weit phan- taftifcher, als wir uns eingebildet haben. Gagen Sie mir nun, mie es Ihnen zufagt. Rein ift der Eindrud freilich nicht, wenn man einem Berfaffer fo nahe fteht. Ich halte immer feine ver- ſchloſſene PerfönlichEeit mit diefer Unbändigkeit zufammen und fehe, wie die harte Schale aufbricht mir Tann ganz bange dabei werden, und menn ich feine Geliebte wäre, fo hätte es nicht gedrudt werden dürfen. Dies alles ift indes Feine Berdammnis. Es gibt Dinge, die nicht zu verdammen, nicht zu fadeln, niche twegzumünfchen, nicht zu ändern find, und was Friedrich tut, ge= hört gemeiniglich dahin.

Wilhelm hat die Elegie geendigt. Eine Abfchrift hat Goethe, der hier ift, die andre Friedrich. Gie müffen alfo warten. Der eigentlihe Körper des Gedichts ift didaktiſch zu nennen und follte

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es auch fein nach Wilhelms Meinung. Die Ausmalung des Ein- zelnen ift vortrefflich das Ganze vielleicht zu umfaffend, um als Eins in der Seele aufgenommen zu werden, wenigſtens er- fordert dies eine gefammelte Stimmung. Gie follen es hier lefen. Es fommt in das vierte Stüd....

Edleiermader an Henriette Herz [146) Potsdam, 22. Kebruar 1799 ... Über mein Berhältnis zu Schlegel haben Gie das Urteil recht Flar ausgefprochen, aber Gie Ffünnen doch nidyt fagen, daß ich mir das nid geftände, ich habe immer etwas Ähnliches zuge: geben, wenn wir darüber geſprochen haben. Ich habe nie gefagt, daß ich mit Schlegel einerlei Gemüt hätte, nur habe ich ge firitten, er hätte Feins. Mit den verwandten Gubitanzen aber, das haben Gie reiht auf den Kopf getroffen, die trennen uns immer. Ya, Cie find doch eigentlidy meine nächfte verwandte Gubftanz, ich weiß fo weiter Feine, und Feine kann mid; von Ihnen trennen. Das war nur fo nebenbei; denn eigentlid, ſprach ich doch von Gchlegel, aber ich habe eine recht ordentliche Paufe hier gemadyt. Gehen Cie, der wundert ſich über die Trennung, welche die nahen verwandten Gubftanzen verurfadyen, und das Wundern befommt unferer Freundſchaft ſchlecht. Übrigens ift die Bindung doch nicht ſo locker, wie Sie meinen. Wenn man Kenntniſſe, Wis und Philoſophie, alles dreies erſt aufheben muß, Das find denn doch artige Dinge, und die beiden legten können doch bei einem ordentlichen Menſchen ſchlechterdings nicht vom Gemüt abgefondert fein. Diefe Dinge find Fein bloßer Kite, und was dadurdy gebunden ift, ift nidye mit Gewalt gebunden. ...

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Schleiermacher an Henriette Herz [147] Potsdam, 25. Kebruar 1799

Ich bitte Gie, Liebe, laffen Gie uns nicht fo auf das fehen, was begegnen wird oder kann, fondern forgen, daß wir uns alle fo body heben und halten, als es geht, damit wir das alles recht Elein fehen.

Wir find alle Dpfer unferer Zeit, und das ift jeder Menſch in irgend einem Ginne; wenn wir nur leben und find und lieben das eine ift die Hauptſache. Gie mwiffen, daß ich etwas leiften kann in der Wehmut, und ich wollte nur, Gie hätten fid) in Ihrem leidenden Gefühl bis zu ihr erhoben, fo wäre Ihnen das andere wieder verſchwunden. Nur um Gottes willen geben Gie für ſich nicht diefen Gedanken an Trennung und Einfamkeit Raum, und denken Gie, daß der Wille auch etiwas ift in der Welt. Vergleichen Sie einmal, ob ich irgend meniger unglücklich täre, wenn ich, wer weiß mo, fein müßte. Was follte aus mir werden? aus mir, der ich mid) nicht einmal von der Fleinlichen Liebe gleihgültiger Menſchen nähren könnte? der ih ſchon an einer Probe von wenigen Tagen fehe, wie ich zufammenfalle, wenn es mir an der wahren und einzigen Nahrung meines Geiftes fehlt, dem es ganz an der beharrlichen Tätigkeit fehlt, womit Sie im- mer den Kummer und Jammer noch glüdlidy genug beftreiten würden. Aber ich fürchte das nicht, meil ichs nicht brauche kom— men zu laffen, und fterben Gie mir, nun dann werde ich mid nicht leiblidy aber geiftig töten, ich werde fo fortleben ohne Ich zu fein, und meine Grabfchrift wird auf meiner Gtirne ftehen.

Die ©. macht auch einen eigenen Punft in Ihrem Briefe. Glauben Sie nur nicht, daß fie Gie lieber hat, als Sie fie, denn was nennen Sie lieb haben? fie hat eigentlich nichts Tieb und ‚niemand. Ich glaube gern, dag Menfchen wirklich lieben fönnen, die diefes Syſtem haben, praktiſch nämlidy; aber in wen es fo zur Reflerion gefommen ift, wie in ihr denn fie ift doch ganz aus Reflerion zufammengefeßt der kann nicht mehr lieben; denn er fängt immer beim Ich an und endigt aud) beim Ich.

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jenen Abend verriet fie ihr Syſtem ſchon fehr deutlich durch das gänzlidje Gleichfegen jeder Art des Genuffes. Übrigens aber, liebe Freundin, laffen Gie fid) das in gleichgültigen Menfchen zerftreute Analogon von Liebe gegen Gie immer wohl gefallen; denn in unfere, die ganz anderer Art ift, läßt es ſich doch nicht verſchmelzen. Ich mag das in der Welt nicht miffen, es ift ein Aufbraufen, welches betveift, daß die Aufterfchalen, trotz ihrer Härte und Glaͤtte, doch auch Kalkerde find, Kitt, womit das Größte und Schoͤnſte zufammengefügt werden fann, und durch diefes Aufbraufen werden jene wirklich zubereitet, es zu werden. Auch gibt es ein eigenes Gefühl von Gegenliebe für diefe Menſchen, was ich denn doch auch nicht entbehren möchte. Gie fehen, ich fehe alles mit Reli- gion an, aber ich fhreibe noch Feine, wie wird das werden! Die dritte Rede liegt mir noch gar nicht fertig im Kopf, es fehlt mir noch eine SYnfpiration, und ehe die nicht kommt, kann ich nichts anfangen. Go etwas läßt aber lange auf ſich warten. Wüßte ich doch, mie Wilhelm Gchlegel es immer madjt, de se battre les flancs, wenn es nof tut, ich täte es ihm gern nad. Don Sriedrich habe ich noch immer Feine Zeile, was mich fehr beun- ruhige. Möchte ich Gie bald in einer ruhigen Stimmung miffen, ohne einen Mißlaut. Wie gepeinigt werde ich Sreitag in dem Zehlendorf fein, und doch kann ich nicht die andere Hälfte auch machen, weil id” Sonnabend hier nicht fehlen darf. Es ift frei: fi nur ein optifcher Betrug, daß ich Ihnen dann näher, wäre, aber es quält mich doch. Was macht das Griedjifche? ich lege es Ihnen recht ans Herz.

Novalis an Earoline [148) Steiberg, 27. Sebruar 1799

Bor zwei Stunden, beim Srühfaffee, an einem ftürmifchen, fneeftöbernden Morgen erhielt ich Ihren Brief und fah mid) plößlich im Befiß der fonderbaren ‚Lucinde‘, auf deren Bekannt:

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ſchaft ich mich fo lange gefreut hatte. Erft las ich Yhren Juli: fchen Brief das eine Dach war allein einen ganzen Roman wert. Denfen Gie fi) nur unfern prächtigen Kreis. Bor dem Jahre ftanden zwei noch fo vermwaift da. Einer ſchien auf glühen⸗ dem Boden zu ftehn. Er fah fidy immer um, und wer weiß, was ein heilgefchliffenes Auge oft über ihm bemerft haben würde. “est hebt ihn eine freundliche Geftalt, wie eine Gabe von oben, weihend und dankbar in die Höhe, und ein irdifcher, erquidiender Schlaf hat feine Augen für eine andre Sonne wieder gefdjloffen. Alfo zurüd im Lande der Träume und nun mit voller Seele bei Euch trefflihe Miefchläfer. Yest kann erft rechte Freund- fchaft unter ung werden, wie denn jede Geſellſchaft nicht aus ein- zelnen Perfonen, fondern aus Samilien befteht. Nur Samilien können Gefellfchaften bilden, der einzelne Menſch intereſſiert die Geſellſchaft nur als Sragment und in Beziehung auf feine An- lage zum Samiliengliede. Gewiß wird meine Julie ganz für Gie und alle paffen. Aber ich bitte Gie um Berfchiwiegenheit. Noch weiß meine Samilie nichts, audy ihre Eltern mwiffen von mir nichts. Der Erfolg hängt von Klugheit ab. Er ift mir ziemlich gewiß; nur muß ich der Erfte fein, durch den mein Bater etwas davon erfährt. Ich bitte Sie alfo und Fichte inftändigft, dort alles für fich zu behalten. Die frühe Verbreitung machte mir übleres Gpiel.

... Bir leben fehr vergnügt. Schade nur, daß mir jegt Feine Zeit zum ideenreichen Müßiggang bleibt und ich fo felten mid) fammeln und auf meinen inneren Sprachorganen phantafieren fann. Ich fühle jedoch, daß diefe Unterbrechung eine ruhige, mweinichte Gärung befördert und ich nach geendigtem Lernen mit neuer, gebildeter Kraft zur alten Poefie und Philofophie zu- ruͤckkehren werde, beide find zur glüdlichen Ehe unentbehrlidy und ohne fie muß jeder Umgang in Überdrug und Langeweile aus- fchlagen.

Rouffeau hat die Weiblichkeit ausſchließlich verftanden und alle feine Philofophien find aus einer nachdenkenden mweiblidjen Geele

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entftanden. eine Apologie des Naturſtandes gehört in die Srauenphilofophie: die Stau ift der eigentliche Naturmenſch die wahre Stau das deal der Naturmenfchen, ſowie der mahre Mann das deal des Kunftmenfgen.

Naturmenſch und Kunſtmenſch find die eigentlichen urfprüng- liden Stände. Gtände find die Beftandteile der Gefell: fhaft. Die Ehe ift die einfache Gefellfchaft, wie der Hebel die einfache Maſchine. In der Ehe trifft man die beiden Stände. Das Kind ift in der Ehe, was der Künftler in der Gefellfchaft ift ein Nichtſtand, der die innige Bereinigung den twahren Genuß beider Gtände befördert. Die große Ehe, der Staat, be fteht aus einem weiblichen und männlichen Stand, die man halb richtig, halb unrichtig den ungebildeten und gebildeten Stand nennt, Die Stau des gebildeten Standes ift der lingebildete. Leider ift eben bei uns der lingebildete weit hinter dem Gebildeten zu: rüdgeblieben er ift zur Sklavin geworden. D! daß er wie: der Stau würde!

Dod wieder zur, Lucinde Die erſte Bekanntſchaft iſt gemacht. Ich teile Ihnen Spuren des erſten Eindrucks mit. Friedrich lebt und webt drin. Vielleicht gibt es nur wenig individuellere Bücher. Man ſieht das Treiben feines Innern, wie das Spiel der chymi⸗ ſchen Kräfte in einer Auflöfung im Zuderglafe, deutlich und wun— derbar vor ſich. Zaufend mannigfaltige, helldunfle Borftellungen ftrömen herzu und man verliert ſich in einem Schwindel, der aus dem denfenden Menfchen einen bloßen Trieb, eine Naturfraft madt, uns in die mollüftige Eriftenz des Inſtinkts vermwidelt. An romantifchen Anklängen fehlts nicht indes ift das Ganze und das Einzelne noch nicht leicht und einfach und rein vom Schulſtaub genug. Ich prophezeie mir wenig Gutes von der Aufnahme, Gollte diefer Roman nicht voreilig, wie vielleicht fein Milhbruder fein ein wenig zu früh, nach bürgerlichen Gefegen, das Licht der Welt erbliden? In zehn Jahren würde man ‚die Befenntniffe des Ungeſchickten‘ um des Autors willen vielleicht mit Wärme und Nachſicht aufnehmen. Jetzt ift alles

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noch unreif. Die Serzensergiegungen des SYünglings darf der Mann, aber nicht der Jüngling zeigen. An den Ideen ift übrigens nichts auszufeßen; indes manches am Ausdrud, der mir nicht felten dem Krates abgeborgt zu fein ſcheint. Nun aber ift das Poftulat: Sei zyniſch! noch nicht gäng und gäbe und felbft fehr innige Srauen dürften die ſchöne Athenienferin tadeln, daß fie den Markt zur Brautkammer nähme.

Bergleichungen mit Heinfe Eönnen nicht ausbleiben. Gollte dies nicht eine Lektüre nur für den Meiftergrad in der Loge der Sittlichkeit fein?

Die Skizzen müffen in der Fortfegung noch häufiger werden die Fleine Wilhelmine ift allerliebft auch der Prometheus. Mehr dergleichen und dann der Litel: Zynifhe Phantafieen oder Satanisfen. Viele werden fagen: Schlegel treibts arg nun follen wir ihm auch nody das Licht zu feinen Orgien halten. Andre: Die Stimme vom lieben Sohn haben wir nicht gehört; dies ift ein falfcher Meffias des Wiges Freuziget ihn! Noch andre: Da feht die Goethiſche Erziehungsanftalt der Schüler über feinen Meifter, aus Benedig ift Berlin geworden. Richter wird einen rechten Greuel haben. Der züchtige Richter wird Seuer vom Himmel rufen. Indes bin ich gewiß, daß er im Grunde über diefen Blick in feine eigne Phantafie erfchridt denn er ift ausgemacht ein geborner voluptuoso.

In mir regt ſich viel dafür und viel dagegen. Ich weiß, daß die Phantafie das Unfittlichfte, das geiftig Tierifchfte am liebften mag; indes weiß ich auch, wie fehr alle Phantafie wie ein Traum ift, der die Nacht, die Ginnlofigkeit und die Einſamkeit liebt. Der Traum und die Phantafte find das eigenfte Eigentum, fie find höchftens für zwei, aber nicht für mehrere Menfchen. Man darf ſich nicht dabei aufhalten, am mwenigften ihn veremwigen. Nur feine Flüchtigkeit macht die Frechheit feines Dafeins gut. Bielleicht gehört der Sinnenrauſch zur Liebe, mie der Schlaf zum Leben der edelfte Teil ift es nicht, und der rüftige Menſch wird immer lieber wachen, als fchlafen. Auch ich kann den Schlaf

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nicht vermeiden, aber ich freue mid, doch des Wachens und wünfchte heimlich immer zu waden. Die Jdealifierung der Begetation hat mid) vorzüglich interef: fir. Merfiwürdig verfchieden hat auf uns beide die hödhfte Liebe gewirkt. Bei mir war alles im Kirchenftil oder im dorifchen Tempelftil Tomponiert. Bei ihm ift alles korinthiſch. Jetzt ift bei mir bürgerlihde Baufunft. Ich bin dem Mittage fo nahe, daß die Schatten die Größe der Gegenftände haben, und alfo die Bildungen meiner Phantafie fo ziemlich der wirklichen Welt ent: fpredjen. Goviel feh ich, unfre erften Romane werden himmel weit verfcjieden. Der meinige wird diefen Sommer twahrfchein- lid in Töplig oder Karlsbad fertig. Indes, wenn ich fage, fertig fo heißt dies der erfte Band denn ich habe Luft mein ganzes Leben an einen Roman zu wenden, der allein eine ganze Bibliothek ausmachen, vielleidyt Lehrjahre einer Nation enthalten fol. Das Wort Lehrjahre ift falſch es drüdt ein be flimmtes Wohin aus. Bei mir foll es aber nichts als Über- gangsjahre vom Unendlichen zum Endlichen bedeuten. Ich hoffe damit zugleidy meine hiftorifche und philofophifche Sehnfucht zu befriedigen. Eine Reife nad Süden und Norden ift mir als Vorbereitung hiezu noch unentbehrlih. Norwegen und Gchott- land einerfeits und die griedhifchen Inſeln andererfeits wären die nächften Erreichungspunfte diefes Zwecks. Vielleicht bietet mir meine Handelfchaft die Hände zur Ausführung diefes jest ent: fernt fcheinenden Plans. Ä Möchten doch auch Gie die Hände ausftreden nad) einem Ro: mon! Wilhelm müßte die Poefie dazu beforgen. Es Eönnte ein fchönes Doppelwerk werden. Auf die Elegie freue ich mid) leb- haft. In der Mitte des April Eomme ich gerade nad) Jena.

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Sriedrih Schlegel an Novalis [149] | Berlin, März 1799 ... Bir denfen viel an Did) und haben uns fehr gefreut über Dein neues Leben. Laß mich bald mehr und redjt genau wiffen. Dder komme lieber felbft zu Pfingften, wenn auch WBil- helms hier find. Gonft fehe ich Dich wohl nicht vor dem Herbft. Bir bleiben noch ein Yahr in Berlin und haben uns einge richtet. Was dann weiter gefchieht, melde ich Dir nächſtens. Bor allen Dingen fordere idy Dich auf, etwas fürs ‚Athenäum‘ zu geben. Haft Du nicht felbft ſchon etwas, fo fchlage ich Dir vor und bitte auf jeden Kal darum, mir Eurze Notiz von dem Teueften aus der Phyſik zu geben als Beitrag zu einem Artikel, der unter dem Titel ‚Notiz‘ oder einem ähnlichen Nachricht von dem, was wichtig ift unter dem Neuen fürs Allgemeine, geben fol. Ich werde einige der neueften literarifchen Erfcheinungen für mich erfehen, Tieds ‚Don Quirote‘, Gchleiermadyers ‚Reden über die Religion‘ und vielleicht nody andre. Ich werde mir oft einen beftimmten Freund denken, 3.8. bei jenen beiden Produkten Did, um fo den rediten Ton zu treffen, als wenn id; Dir eine vorläufige dee machen wollte. Wenn Du über Ritter, Baader, Schelling doch auch fo fihreiben mollteft, als wäre es an midh oder fonft an einen, der nicht foviel davon weiß, aber wohl wiſſen Fönnte. Ich meine, Du follft Deine Idee von merkantiliſchem und Öfonomifchem Geift in der Literatur hier ausüben und zeigen, und alles recht populär und zweckmäßig abfaffen, übrigens aber ohne alle Form wie in einem Brief. Wie fehr der ganze Ar- titel auf Ddiefen merkfantilifchen Geift geht, fiehft Du von felbft. Habe ih nice Hoffnung, daß Du mir eine Mlaffe Papier ſchickſt? Ich werde nun bald wieder mit ganzem Eifer für das ‚Athenäum‘ arbeiten. Vielleicht Fönnte id vieles von Dir brauchen, zu mancherlei Kompofitionen, die ich im Ginn habe. Daß Dich die ‚Lucinde‘ fo intereffiert hat, freut mich fehr. Auch gefällt mir das, was Du an Caroline darüber fchriebft, noch mehr aber der göttlidye Gedanke, den Gtaat als Ehe der ge

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bildeten und der ungebildeten künftig der bildenden und der gebildeten Maſſe zu betrachten.

Bon meiner Religion folft Du und alle Welt bald genug be- fommen, nicht Beuchftüde, fondern Maffen. Mochteſt Du doch bald wieder ein ‚Glauben und Liebe: offenbaren. Weniges ehre id} fo, und weniges hat fo auf mich gewirkt. Überhaupt fühle ich midy durch zwei Dinge nun unauflöslid) an Dich ge: kettet das ift die Religion und die Che.

Ich flinme Dir bei, daß das Ehriftentum eine Religion der Zufunft ift, wie die der Griechen eine der Bergangenheit, ſchon bei den Alten ſelbſt. Aber ift fie nicht noch mehr eine Religion des Todes, wie die Elaffifche eine Religion des Lebens? Mir däucht, ich finde darüber herrlide Andeutungen in Deinen ge» drucken Sachen und mwas id; mid) aus den Papieren erinnere. Es muß dies ungefähr auch Deine Meinung fein. Wenn Du bosch die über das Ehriftentum einmal in einen Brennpunft fam- meln wollteſt! Bielleidye bift Du der erfte Menſch in unferm Zeitalter, der Kunftfinn für den Tod hat. Ich glaube, daß das Ehriftentum ſich eben deswegen, und weil Tod und Leben eins find, fi mit dem äuferften Realismus behandeln ließe. Ich um- arme Dich herzlich. . . .

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [150] Berlin, März 1799

Macte virtutis! Das heißt, Deine Kunftelegie, vortrefflichfter Freund, ift das antiffte, was ich noch in teutoniſcher Sprache gelefen habe. Es ift in der Tat ein gemaltiges Produft und was mir nebenbei noch befonders daran gefällt, ift eine gemwiffe Ebbe und Slut in den Maffen der Gedanken oder Bilder, die mir fehr elegifch feheint. In das Ende Fonnte ich mich erft nicht recht finden, nun finde ichs aber fehr ſchoön; überhaupt muß man fich

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tief hineinlefen. Was will Earoline? Wenn fie nur nicht an⸗ fängt, für die ſchöne Mitte, die ihre alte Piebhaberei ift, bis zur Sintoleranz zu fchrwärmen. Es ift auch gewiß nicht zu gelehrt, denn Dorothea und Henriette haben fie ſchon beim dritten Lefen volllommen verftanden, nachdem ich die verfteinerten Fraun leife mit der Noten ÖI beneßt. Bon Gtellen ift mir die Lafonifche Sungfrau die liebſte. in göttlicher Gedanke. Nächſtdem die Gorgogeharnifchte Pallas des fterblichen Baters. Dem Tieck, der meinen Enthufiasmus ganz teilt, gefällt die Gtelle von Go- phofles befonders. Er bewundert auch die Berfe fehr; am meiften aber mit mir, daß Du fo teufelmäßig antik bift. Ich ftellte neu- lich die Elegie mit den italienifchen Gonetten von Dir in einer gewiffen Rüdficht zufammen: er tat aber ganz verädtlidy über mein Urteil und meinte, die wären doch nur modern.

Der einzige Ring am Finger des gefchidteften Mannes kam mir beim leßten Leſen ein ganz Flein wenig modern vor. Das Beil des Anakreon aber hat mich noch bei jedem Lefen mit betäube.

Du erwirbft Dir fo himmelhohe Berdienfte um das Athenäum, daß mir bange wird, wie id) Dir einigermaßen nachkommen folL Indeſſen fol es doch ernftlich verfucht werden, fobald ich nur den erften Band der Lucinde vollends vom Halfe habe. Es freut mid, daß Du noch fo viel Anteil an diefer haft nehmen mögen da Du mie gefagt fo teufelmäßig antik biſt.

Ich bin fehr begierig, was Du zu Hülfen fagen wirft. Bom Athenäum habe ich hier noch nicht viel Yntereffantes gehört. Hirt bat fi) fehr gewundert, daß nichts gegen ihn darin ift. Einigen Frauen gefällt mein Brief, andre empören fi) dagegen. Durch die Gonette und durch die Elegie haſt Du Dich zum Gründer der Poefie in und dur Dich felbft Eoroniert. Schleiermacher ſchreibt mir, wie er fich an den Gemälden deleftiere und wie ihn auch die Religion intereffiere, die nicht darin fei. Goldde Men- ſchen, die ſich auf die Religion applizieren, find in diefem Gtüd immer etwas bochmütig und intolerant.

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Sriedrich Schlegel an Schleiermacher [151] Berlin, März 1799

Ich bitte Dich, lieber Kreund, recht faul zu fein. Die Herz fagt, dag Du am Machenwollen leideft. Ich beſchwöre Did, Did) ja nicht zu übereilen und Dir Deine volle Bequemlichkeit zu neh⸗ men und zu laffen. Gelbft für die äußere Erfdjeinung der Reden ift dies heilfam, da man es Deinem Gtil leicht anmerken Fönnte, wenn Du ängftlidy wirft.... Ich habe die Reden als Deine erfte Schrift betrachtet, die Dich mit oder wider Willen ins Unendliche ziehen mwürde.... Die dritte Rede hat mir fehr gut gefallen, auch das Ende, ja diefes vorzüglich. Den Gtil finde ich weniger vollendet, wie in den erften beiden Reden, aber der Inhalt gefällt mir fehr und auch die Gubjeftivität der Anficht und der Behandlung. Ich finde in diefer etwas fehr Rhetorifches, obgleidy es mehr von der unfichtbaren Art if. Am lauteften wird die Subjeftivität in der Gtelle gegen die Kunft. Indeſſen bin idy ganz vollfommen Deiner Meinung, infofern Du dody überhaupt nur vom Zeitalter redet, und Dich überall und unſichtbar auf dasfelbe beziehft und an das felbe anfchließeft. Gonft finde ich in der alten Tragödie allerdings eine große gediegene Maſſe von Religion; und auch in den älteren modernen, die Du wenig Eennft, van Dante bis Calderon find viel Myſterien. Aber dag Goethe Feine Religion hat und Fichte ziemlich viel, wiewohl fie philofophiert und gebunden ift, fieht fich Flar....

Sriedrih Schlegel an Earoline [152] Berlin, März 1799

Quell nobil alma

Che giammai curö rime ne versi

Denken Gie nur nicht, daß mein Gehorfam etivas andres ift als Gehorfam, romantifcher Gehorfam. Nach den Leuten frage id) gar nichts, denn id) fchreibe das Euch aus Religion, wie jedes andre; und wenn Sie mirs diesmal zu toll machen, fo fehreibe

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sh fogleich meine Bibel, und dann verfichse ich Ihnen, fol von der Lucinde nicht mehr die Rede fein.

Wenn Wilhelm die Lucinde durdjaus als Roman oder Unroman beurteilen will, fo follte ichs wohl zur Bedingung machen, daß er den Cervantes gelefen hätte, nicht den Don Quirote allein. Der gehört mehr in die Sphäre, für die id) aus guten Gründen den Namen Novelle gewählt; fondern die Novelas, noch mehr den Perfiles und am meiften die Galatea. (Witziger als die letzte foll die Lucinde nicht fein das Ganze hat eine wigige Form und Konftruftion, Wegen des realen Wises, den WB. zu er warten feheint, affigniere idy ihn auf die Novellen. Hier würde das gegen meine Abficht ftreiten und den Ton fo verderben wie eingeftreute Lieder. Die Gtelle vom Wis, gegen die es W. hat, ift die, welche Tie im ganzen Buch am meiften Iobt.)

Ebenfo würde ich auch nicht gern mit einer Srau über Romane reden, von der ich nicht notoriſch wüßte, daß fie alle englän> diſchen Romane verabfcheut, oder mas idy noch vorziehen würde, feinen derfelben gelefen hat. Gervantes poftuliere ich nicht, mie von jedem Manne, denn ich glaube, Ihr habt jede und alle Einen Roman in Euch, der noch etwas echter ift als jene vier echten und fie alle umfaßt... .

Sriedrich Schlegel an Garoline [153] Berlin, März/April 1799 ©o find die Menfchen! Erft wohnen fie halbejahrelang einige Häufer weit voneinander, find fremd und unfreundlidy, tun fich auch wohl gelegentlich allerlei Herzeleid an, und dann nehmen fie mit einemmal Abfchied voneinander und find gerührt, fo wie Die meiften erft dann glauben, daß fie tot find, wenn fie wiffen, daß man fie bald begraben wird. So ſcheint nun auch Henriette zu fühlen, daß fie uns verläßt, obgleidy es eigentlidy ſchon viel früher gefchehen ift.

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Indeſſen ift es nun einmal meine Art oder linart, nichts ver- geffen zu können, und fo ſchicke ich Ihnen denn das liebens- mwördige Kind mit vieler Sreude und Rührung. Ich habe ge» glaubt, fie follte einmal zu uns gehören. Das wird nun wohl nicht gejchehn, es müßte ihr denn ſchlecht gehn, oder fie müßte von felbft zu ſich Fommen. Gehn Eie fie felbft an, ob fie wohl zu uns gehört oder nicht. Freilich können Gie fie nicht in der närriſchen Umgebung der gutſchlechten Gefellfchaft fehn, und möffen alfo prophetifch verfahren.

Dorothea behauptet, ich hätte fie etwas geliebt. Sie hat recht und unrecht. Denn fo liebe idy wohl jeden, der mir nicht gleichgültig iſt.

Hier ift nun wieder etwas Lucinde. Ich wunſche bald darüber etwas von Ihnen zu hören, nicht eben reines Lob, aber aud) etwas mehr als Urteil; fo ein mweniges Etwas aus dem Gemüt. Laſſen Gie fich dabei auf nichts. ein, was nicht Ihres Gefühls ift, befonders nicht auf die Kunft, und glauben Gie es mir lieber vor der Hand, daß das Ganze eines der Fünftlichften Kunft- werkchen ift, die man hat.

Wenn Gie uns fähen bei und mit der Lucinde, würde ich Ihnen vorfommen mie der wilde (Jäger, Dorothea wie der gute Geift zur Rechten, und Tied? wie der böfe zur Linken. Er ver: göttert fie etwas und nimmt daher alles in Schuß, wobei Dor. ſchüchtern ift, und Gie vielleicht tadeln würden.

Ihr kommt nice! Aber ich komme diefen Sommer nod) auf einige Wochen mit Tiecks oder mit der Eleinen Levi, die ihren Plan Eurer Schwäche wegen auch nicht gleich aufgibt.

Wie fehr wir außer der Betrübnis aber ergrimmt find, wird Henriette nicht ganz verſchweigen. Tied hat befonders gefchimpft, und wirklich treibt Ihr die Schwachheit für Iffland und die fo- genannte Schaufpielerei fehr weit. Tieck meinte unter vielen andern pifanten Gaden, W. möchte doch den Gophofles über: fegen, damit Iffland ihn fpielen Eönnte.

Schreiben Sie mir ja von Schelling, mas Sie mögen. Wenn er mir auch nicht fo höchſt unbändig intereffant ift, fo ift es doch

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vielleicht Ihr Fntereffe an ihm. Übrigens fdjien mir allerdings der Menſch Schelling merkwürdig und gut, nur noch fehr roh. Geine Philofophie an ſich würde etwas fehr Ephemeres fein, wenn er nicht in das neue Zeitalter eingreifen kann. Und ob er das Fönnen wird, darüber bin ich noch gar nicht im Reinen. Er ſchien mir nad) uns hin fehr zu. Daß er mid) vermuten follte, wäre eine überfpannte Koderung. Aber Hardenberg einigermaßen zu verftehn, wäre doch wohl feine Schuldigkeit, die er durchaus nicht erfüllt. Daß er für Tieck fo viel Liebe hat, ift ein gutes Zeichen, aber er hatte ihn nur fehr gemein genommen. Daß er für Wilhelm bei fo bemandten Umftänden gar keinen Ginn hat, verfteht fi) von felbftl. Nun genug von ihm. Übrigens hatte ich ehedem geglaubt, er und Henriette wären eben gut genug für: einander. Gie, verfteht fi, immer noch etwas zu gut für ihn; aber fo gehört ſichs ja mohl?

Augufte an Sriedri Schlegel und Lied [154] Jena, März /April 1799 Brief an Fritz und Tied Du wirft wohl etwas tolle fein, Und Deine Bernunft ganz ElumperElein Wegen der fatalen Gefchichte Bon unferm weltberühmten Fichte. Darum will ich Dich dispenfieren, Mir vors erfte wieder ein Briefchen zu fehmieren. Doc fobald Du wieder vernünftig bift (Bis dahin ifts wohl noch 'ne ziemliche Friſt) Mußt Du mir wieder einen fchreiben, Und mein Diener ftets treu verbleiben. Auch ich bin ganz des Giftes voll, Und auf den alten Kaufmann toll,

Der mir mein Schweſterchen entführt,

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Eh id; es orntlich lernte kennen, Ich möchte den häßlichen Menſchen verbrennen!

Doch mas ift weiter da zu tun?

Man muß in der füßen Erwartung ruhn,

Daß alles ſich noch recht glücklich ende,

Und ſie, und Du, und Deine Veit

Bei uns bleiben bis in Ewigkeit.

Fürs erſte iſt es doch noch gut,

Daß Tieck und Du im Sommer kommen:

Daß der Gedank Euch nur nicht wird benommen, Sonſt würd ich Euch entſetzlich ſchelten,

Und Euch auch gleiches mit gleichem vergelten, Und im Herbſt nicht kommen nach Berlin,

Und laͤſe aus Rache auch nicht Tiecks Zerbin! Drum laßt Euch raten und kommt wie der Wind, Damit Yhr dem Unglüd vorbeugt gefchwind.

Das muß ich Euch nun beteuern fehr, Die Unger'n trüg ich gleich ins Meer, Wenn ich an Eurer Gtelle wär;

Und wenn Ihr meinen Rat befolgt, So hängt ihr einen Mühlftein an, Damit fie nicht wieder ans Ufer kann; Denn Unfraut geht fo leicht nicht unter. Ihr feht, ich bin entfeglidh toll

Und ganz des dummen Zeuges voll, Das macht ich habe Fauſt gelefen,

Da fuhr in mid) fein tolles Weſen. Nun gute Nacht! Es brummt zehn Uhr, Daß es mir durdy alle Glieder fuhr.

Nehme mirs nur nicht ſchief, Daß ich nicht eher einfchlief

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Und Euch noch erft fo ennupierte;

Es iſt gewiß nicht gern gefehehn,

Denn eigentlich wars auf amüfement für Euch abgefehn. Und wenn Ihr juft nicht in der Laune

Seid, das heute zu lefen, fo laßts liegen;

Der Geift davon wird nicht verfliegen.

Nun grüß id Euch insgefamt recht fdyön

Und werde bald zu Bette gehn.

An Augufte. Stiedrich Schlegel Ich habe würklich fehr gefehmiert. und feinen Bufenfreund Doch das Blättchen bedarf Feiner Ludwig Tied. äußeren Zierd. Dorothea an Schleiermacher [155]

Berlin, 8. April 1799 - .. Bon Ddiefer Nachricht will ich mid; aber gar nicht irre machen laffen, lieber, Schleiermacher, fondern Ihnen getroft ſchrei⸗ ben, fo als follten Gie noch lange in Potsdam bleiben; freuen follte es mich doch, wenn er Gie nicht träfe. Was ‚Lucinde‘ betrifft ja was ‚Lucinde‘ betrifft! Oft wird mir es heiß und wieder Falt ums Herz, daß das Innerſte fo herausgeredet werden fol was mir fo heilig war, fo heimlidy, jest nun allen Neu⸗ gierigen, allen Haffern preisgegeben. Umfonft fucht er mid) durch den Gedanken zu ftärfen, daß Gie noch Fühner wären als er. Ad, es ift niche die Kühnheit, die mid) erfchredt. Die Natur feiert auch die Anbetung des Höchften in offnen Tempeln und durch die ganze Welt aber die Liebe? Ich denke aber wieder, alle dieſe Schmerzen werden vergehen mit meinem Leben und das Leben auch mit; und alles, was vergeht, follte man nicht fo hoch achten, dag man ein Werk darum unterliege, das ewig fein wird. Ya, dann erft wird die Wele es recht beurteilen, wenn alle diefe Nebendinge wegfallen. ... .

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Earoline an Luife Gotter [156] Jena, 24. April 1799 ... Wir haben in Weimar endlidy den Wallenftein ums Leben gebracht und wollen hoffen, daß er dadurch die Unſterblichkeit erlangt. Die Schönheit und Kraft der einzelnen Teile fällt am meiften auf. Wenn man es nad) einem einzigen Gehen beurteilen dürfte, fo würd ich fagen, das Ganze hat fehr an Effekt durch die Länge verloren. Es hätte nur Ein Gtüd fein mrüffen, dann hätten fich die Szenen Eongentriert auf Einen Brennpunft, die fi) jegt langfam folgen, und dem Zufchauer Zeit zu Fühler Bes formenheit laffen. Der legte Akt tut Feine Wirfung man merft den Sal des Helden Faum, an deffen Größe 11 Akte hindurch gebauet worden, um eine große Erfehütterung durch feinen Sturz hervorzubringen. Und die mannigfadje Abficht, die Berechnungen, welche hinducchfchimmern! Es ift eben ein Werk der Kunft allein, ohne Inſtinkt. Ich kann Dir nicht fagen, wie dagegen das Ende Shafefpearefcher Trauerfpiele, auch feiner politifdyen, das Herz erfüllen und bewegen. . . .

Sriedrih Schlegel an Schleiermacher [157] Berlin, April 1799

Beforge auch nidyts von meinem Zreiben ins Unendliche. Es ift eigentlich nicht nach dem Buchftaben gemeint und auf ganz etwas Beftimmtes abgefehn. Ich bin nämlidy unendlich begierig auf die Bifionen. Ich weiß nicht wie es Fommt, daß ich mir denke, diefe würden mehr den Charakter heiliger Schriften haben, wie die Reden, die mir dafür zu rhetorifch und zu beftimmt find. Ich habe in der dritten Rede mit Freude eine rethorifugifche Be- wegung gefpürt, die etwas ähnlidyes, als idy meine, zu wollen ſcheint. In diefem erften Berfuch und Taubenangflug aus dem Kaften der Kultur ins Kreie der Religion fcheinft Du mir zwar

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in der Mitte zu fein, nicht aber die Schrift. Gie ift voll vom heiligen Geift, aber fie felbft ift nicht heilig.

Außerdem habe id) freilidy noch ein großes, literarifches ovps auf dem Herzen, in dem ich die Stimme eines hohen Berufs fehe. Aber was foll uns ein noch fo großes, angetvandtes ovu, folange das urfprüngliche, menſchliche ſich nicht wieder findet?

Ich für mid; habe auch vor einigen Wochen eine neue Er- fdeinung gehabt. Es ift nämlidy ein Bote des Herrn Du weißt, daß ich aud; an gute Geifter glaube bei mir getvefen, und hat mir geheißen, dem Teufel das Dintenfaß an den Kopf zu werfen; und ſchon war id im Begriff Dich zu bitten, Du möchteft mir den prächtigften Luther von Gad oder fonft brieflich verfchaffen. Indeſſen hats füglid, Feine Eil und kommt nicht an auf einige Zeit... .

Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [158] - Berlin, 7. Mai 1799 ... Mit der Religion, lieber Sreund, ift es ung keineswegs Scherz, fondern der bitterfte Ernft, daß es an der Zeit ift, eine zu fliften. Das ift der Zweck aller Zwecke, und der Mittelpunft. Ya ich fehe die größte Geburt der neuen Zeit ſchon ans Licht treten; befcheiden wie das alte Ehriftentum, dem mans nicht ans fah, daß es bald das NRömifche Reich verfchlingen würde, wie auch jene große Kataftrophe in ihren meitern Kreifen die fran» zöfifche Revolution verfchluden wird, deren folidefter Wert viel» leich€ nur darin befteht, fie incitiert zu haben. .. .

Shleiermader an Henriette Herz [159] Berlin, 18. Juni 1799

Haben Sie denn im Diesfauer Waifenhaufe meiner gedacht? Da habe ich mit Brinkmann philofophiert, fo Haus-Philofophie,

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und Poefie gelefen, und id; habe mir von ihm erzählen laffen von den Menſchen; denn ich felbft fah Feine und wollte Feine fehen. Mehr noch das Bewußtſein meiner innern Unfertigkeit und Gärung, als äußere limftände hielten mid, davon ab. Auch fonmte alles, was er mir Schönes fagte, nidjt hindern, daß nicht der Keim der Beracdhtung eben damals fein erftes Leben gewann, troß des Bewußtſeins, daß ich in die Bildung, wie Brintmann fie mir beſchrieb, und wie fie in ihm war, nicht hineinreichen fonnte. Zot war id) eigentlid, damals nidyt, aber äußerlich we⸗ nigftens lebte id; gar nicht. Ich glaube nicht, daß es je einen jungen Menſchen gegeben, der weniger an die Zukunft gedacht und doch auch den Augenblid® weniger genußt und genoffen hätte. Auch an den Wiffenfchaften verzweifelte ich in der Gtille. Ich fah, wie geiftlos alles betrieben wurde, und felbft Kant, den ich eifrig fiudierte, Eonnte mir den Glauben nicht benehmen, daß die Pilofophie noch gar nicht auf dem rechten Fleck wäre. Es war alfo natürlid) und meiner Faulheit fehr gemäß, daß ich lavierte, und das ſchlechte Manöver ift Gott fei Dank noch fo leidlic, abgelaufen.

Mittwoch Abend Diefen Mittag habe id) bei der Beit gegeffen, habe dann meine Notiz von Kants Anthropologie dort zu Ende ins Reine ge- ſchrieben und dann find wir in Bellevue gemefen, wo die Afazien göttlich riechen; hernach habe id; noch mit Schlegel ein wunder. bares Geſpraͤch über mid; gehabt, wobei wir uns wahrſcheinlich beide nicht verftanden haben. Er notiziert jegt die Religion, und da ftudiert er mich ordentlich; er will mein Zentrum miffen, und darüber haben wir nicht einig werden können. Ob ich mid) wohl felbft fo verftehe, wie er mich verftehen will? Ich habe ihm ge: fagt, ich würde mohl nie bis ins Zentrum fommen, mit dem Machen nämlich, meinte ich; das hat er für eine DBlasphemie gegen mich felbft genommen, Eurz, wir find nidjt zufammen ge fommen. Was ift denn mein Zentrum? mwiffen Gie es? In Schlegels Notiz, die erft angefangen ift, fteht unter andrem, 285

der Stil der Reden fei eines Alten nicht unmwürdig; das ift mohl zu⸗ viel gefagt. Übrigens bin id) fehr begierig darauf, was alles in diefer Notiz ftehen wird.

Gute Nacht! In welchen Neſt mögen Gie ſchlafen? Morgen kommen Gie nad) SYlfenburg, und ich denke, mit dem Harz foll Ihnen eine neue Göttlichkeit und ein neuer Enthufiasmus auf:

gehen.

Schleiermacher an Henriette Herz [160] Berlin, 20. Yuni 1799

Mid wundert etwas in Ihnen, nämlich der totale Gieg der Kunft über die Natur, fo dag Sie mit einer gemiffen Gleidy- gültigfeit von der großen Natur reden, der Gie damals entgegen- fahen. Ich mwünfche ihr aber (der Natur nämlid)) zu dem neuen Kampf ſchönes Wetter, wie es fcheint, dag wir es befommen. So fehr idy mid; über die Gewalt der Kunft freue, fo leid follte es mir tun, wenn diefe Natur nicht ihre Wirkung täte. Sie wiſſen, inwiefern ich mir aus dem Schönen in ihr nicht eben viel mache, aber das Erhabene in ihr halte idy in großen Ehren. Es find wirklich nicht dem Gnade nad, fondern fpezififch ganz ver: fehiedene Eindrücke und beziehen füh auf ganz etwas anderes. Auf Bergen oder auf dem Meer made die Entfernung, dag man außerhalb der Erde zu ftehen glaubt, und das mag ich gar gerne.

Schleiermacher an Henriette Herz [161] Berlin, ı. Juli 1799

Wie ich mit Sriedrich ftehe, weiß ich eigentlich nicht; es drückt mid; gewaltig. Audy darin bin ich nicht gang Ihrer Meinung; unfere Gemüter find mohl redjt füreinander, Friedrichs und meines, nur nicht auf die Art, wie Ihres und meines, fondern eben, infofern fie einander nicht ähnlich, zur Ergänzung. Daß

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man unter diefen Umftänden nicht fo leicht auf den rechten Punkt zufammenfommt, ift natürlich; aber es kann doc, gehen und muß gehen, mern Öchlegels SHeftigfeit und Ungeduld uns nicht aus dem Wege bringt. Ich weiß nicht, ob er ein ſolches herunterge- brachtes Verhältnis leiden kann, ich kann es nicht und werde mir nächſtens das Herz faffen, wieder mit ihm zu reden. Es ift nur fo übel, daß ich ihn ungern jeßt auf eine Art affizieren möchte, die ihn beunruhigt, weil es einen ſolchen Einfluß auf feine Ar: beiten hat. Ad), es ift ein großes Elend! Mit Dorothea Tann ih über diefe Dinge gar nicht reden; fie ftelle fidy fo fehr auf einen unrechten Standpunkt, daß idy gar nicht hierüber ſprechen fann. Worauf Gie zurüdgehen, das ift mohl etwas. Gein gänz- liches Nichtverftehen unferes ZBerhältniffes geht aus mehreren Gtellen in der Lucinde klar hervor; aber es ift doch nicht alles, er verfteht auch mein Verhältnis zu ihm nicht und deutet meine Demut und meine ehrerbietige Schonung nicht recht, aus der ich mir gar vieles verfage. Doch das muß man mündlich befprecdhen, und ich hoffe auch dafür viel von Ihrem Hierfein.

Was Sie von Tief in den Zeitungen gelefen haben, weiß id) nicht; mir ift nichts dergleichen vorgefommen; aber übermütig wird er nicht werden durch das Lob, meil er die Menfchen viel zu fehr veradjtet. Übrigens überzeuge ich mid), daß er fehr viel ift für die deutfche Literatur, und zwar etwas, mas meder Övethe noch Schiller nody Richter fein Fönnen, und was vielleicht außer ihm jegt niemand fein fann; müßte er fidy nur nicht auch mit feinen Arbeiten eilen. Die Grobheiten im Athenäum merden Gie doch auch wohl billigen, wenn es notwendige Wahrheiten find und wenn fich zeigen läßt, daß es nad, richtigen Begriffen viel gröber märe, wenn man fie anders fagte. Mit der Natur, das ift mir noch immer nicht klar. Gie haben fie doch eben auch als einen toten Stoff angefehen, der behandelt werden muß, und es ift Ihnen immer der von uns eingefallen, der grade diefe oder jene bejtimmte Gattung desfelben am beften behandeln Eonnte. Aber wie haben Gie ihn denn felbft behandelt? Friedrich meint

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in feiner Notiz, wo ich mid, in der Religion der Natur nähere, da offenbare fic meine SYrreligion als Mangel. Er hat befondere Begriffe von Natur, die idy noch nicht verftehe aber meine Behandlung derfelben verftehe ich wohl. Was Sie mir fo oft als Polemif ausgelegt haben, daß ich gleich geradezu auf die Unend⸗ lichfeit der Chemie gehe, damit ift es mir bitterer Ernft, obgleich mancher einzelne Genuß dabei verloren geht, der aber freilich von einer Art ift, die ich für niedriger halte.

Ein großes Wort hat Sriedrich doch über mich gefagt. in unferm Geſpraͤch, ich weiß nicht recht, woher es bei ihm gefommen ift, aber wahr ift es nad) allen Seiten, nämlicdy idy müffe aus allen Kräften darauf arbeiten, mid) innerlidy friſch und lebendig zu er⸗ halten. Niemand ift dem Verwelken und dem Tode immerfort fo nahe als id, ich kann das meder Fonftruieren noch demon— ftrieren, aber es ift leider wahr. Mit dem Befragen, das über: treiben Gie, liebe Jette, und ich bitte Gie, ſchlagen Gie einmal die entgegengefegte Mlaßregel ein. Es ift. nichts mwohltätiger für mid), als wenn man mich über mid) zum Reden bringt, ich dächte, Gie müßten das gefühlt haben, fo oft es der Fall geweſen ift. Es mag eine ſchwierige Dperation fein, aber ich bitte Gie in» ftändig, laffen Gie es ſich nicht verdrießen.

Dorothea an Caroline [162) Berlin, Juli 1799

Ich meinerſeits liebe den Hülſen nicht ſo ſehr, obgleich er ein ſeltſamer Menſch iſt. Man vergibt es ja gern, wenn jemand ein Argernis an der Lucinde nimmt, wie kann man aber nichts als Ärgernis daran nehmen? und die allerliebſte Fordrung, lieber den zweiten Teil gar nicht zu geben und was ſonſt noch aller⸗ liebſtes in dem allerliebſten Briefe ſteht. Ich möchte ihn perfön- lich Eennen, um zu miffen, ob ich ihn recht aus diefen Briefen beurteile; nämlich ich glaube, er hat recht viel verhaltnen, inner-

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lichen Ingrimm und affektierte Gimplizitt! Gie Fennen ihn, Liebe, fagen Sie mir, ob ich nicht ein bißchen Recht habe? War Lied fröhlid und guter Dinge in Jena, fo zweifle ich keinen Augenblid daran, daß er Ihnen nicht recht gut gefallen. Der Himmel behüte ihn nur für üble Laune, und die wird ihm gar leicht, mit irgend einem Winde angeweht. Wir find recht be gierig zu wiffen, ob er fich entfchloffen hat, ven Winter in Jena zu leben? Herrlich wärs, nur die Krau! die Frau!

Es geht fehr gut mit Fichten hier, man läßt ihn in Krieden. Nicolai hat ſich verlauten laffen: man würde fidy nicht im ge ringften um ihn befümmern, nur müßte er nicht öffentlich lefen mollen, das würde dann nicht gut aufgenommen werden. Ich werde ganz erzellent mit Fichten fertig, und überhaupt, id) nehme mich fo gut in diefem Philofophen-Konvent, als wäre ich nie etwas fdhlechters gewohnt gewefen. Nur habe ich noch eine ge- wiſſe Angft vor Kichte, doch das liegt nicht an ihm, fondern mehr an meinen Berhältniffen mit der Welt und mit Friedrich ich fürdjte doch ich irre mid) vielleicht amd. Schreiben kann ich fein Wort mehr, Liebe, meine Philofophen laufen unaufhörlich die Stube auf und ab, dag mir ſchwindelt. Zudem ift Friedrich auch unzufrieden }, daß ich ihm mitten in feinem Briefe ge- fchrieben, da er ſich vorgenommen hatte, eine linzahl von geift- reichen Dingen zu ſchreiben. Diefe Sünde will idy nicht auf mich nehmen, id) laffe ihm alfo noch Raum genug, wenigftens eine Probe davon zu geben; er muß es auch noch tun, denn das, was er fehrieb, ift fo greulich trocken. Leben Gie wohl, liebe Freun⸗ din, ih empfehle mich unferm Schlegel.

Dorothea

T Das ift eine höchft entfegliche Lüge. Durch einen Fußfall habe ich fie dahin gebracht, mir zu helfen, da ich gar nichts mehr zu fchreiben wußte: denn fo dumm bin ich jegt wirklich.

| [von Friedrich)

19 Romantiker.Briefe 289

Steffens an Earoline [163) Steiberg, 26. Juli 1799

... In der italienifchen Cammlung fah ich blog die Madonna bei Gott! nichts als die Madonna, die der Inſpektor mir, weil id) mich fo lange bei der Holbeinfchen aufhielt, bald zeigte. So mirfte noch nie ein Bild auf mid). Gie fahen mid) an, fie fehen mich noch an, die großen, hellen, blauen Augen, die eine Unendlichkeit abfpiegeln. Alles was id) je gefühlt und geahndet hatte, alle die unbeftimmten Bilder, die, eingehüllt in trüben Nebel, meiner Geele vorſchwebten, das ganze bunte Gewimmel meines inneren Lebens flrahlte mir verherrlicht aus diefen Augen ent gegen. Was ich fühlte, nenne idy Andadyt, wahre religiöfe Ans dacht, Anbetung, weil ich Fein Wort fonft weiß. Und mas ift denn Andacht? Daß der Begriff Gott nichts ift als das abfolut Unendliche, wovon wir uns Fein Bild machen dürfen und fein Bildnis, um es anzubeten, das gebe ich ja gern, fehr gern zu. Aber wie entflund die Idee einer blog idealen und doch zugleich förperlihden Welt? Yd meine dadurch: uns engte von allen Geiten das Notwendige ein. Müde von den ewigen Beſtrebun⸗ gen, uns durch den rohen Gtoff hindurdy zu Fämpfen, eine neue Belt aus dem Chaos hervor zu rufen und für uns zu ſchaffen, fuchten wir einen anderen Weg, dem Unendlichen entgegen zu eilen, welchem mir, mit der rohen Maſſe beläftige, nur langfaın entgegen gehen Eönnten. Wir gingen in uns zurüd, und ſchufen eine andere Belt, in welcher ätherifche, ſchwebende, ſchnell ent- ftehende, fchnell verfchwindende Wefen uns die Spuren des Weges bezeichneten, denen wir im Sluge vorbeieilten, Go entftand hohe Dichtung, fo, indem man fich einer andern, auf einmal uns endlih vieles ausdrüdenden Sprache bedient, die Kunft, fo überhaupt das Romantifche. Aber mas ift es anders als ein Gehnen nad dem Unendlichen, das unaufhaltfam fort- treibt und jede felbfterbaute Schranke fofort wieder herunter: reißt? Und das Gefühl, mweldres uns bei der Anſchauung eines Bildes, deffen hoher, tiefliegender Sinn faft bloß durdh

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unendliche Approrimation errungen wird, was ift es, wenn nicht religiöfe Stimmung, Andacht? ...

Novalis an Tieck [164) 6. Auguft 1799 ... Deinen übrigen Verwandten fage, daß ich mid, mit Liebe jenes frohen Abends erinnern werde, den ich unter Ihnen zus gebracht habe der fo reich an mannigfadjen Genüffen war und durch den fchöne Art noch fehöner ausgehoben wurde. Cine einfache Befchreibung gäbe ein liebliches romantifches Bruchſtück. Deine Bekanntſchaft hebt ein neues Buch in meinem Leben an. An Dir hab ich fo manches vereinigt gefunden was ih bisher nur vereinzelt unter meinen Befannten fand. Wie meine Julie mir von allen das Beſte zu befißen fdheint, fo ſcheiſſt auch Du mir jeden in der Blüte zu berühren und ver: wande zu fein. Du haft auf mich einen tiefen, reigenden Ein» druck gemacht. Noch hat mid Feiner fo leife und doch fo überall angeregt wie Du. Jedes Wort von Dir verfteh ich ganz. Nies gend ftoß ich auch nur von weitem an. Nichts Menſchliches ift Dir fremd Du nimmft an allem teil und breiteft Dich leicht wie ein Duft gleich über alle Gegenftände und hängft am liebften doh an Blumen... . Lebe wohl. Dein treuer Sreund Hardenberg

Friedrich Schlegel an Schleiermadher (165)

Es ift endlich Zeit, daß ich Dir einmal wieder einige vernünf: tige Zeilen fchriebe. Und heute Faun ich mir ſchon ein außer ordentliches Bergnügen verftatten, da ich mit dem Briefe über die

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Philofophie fertig bin. Etwas fo populares habe ich noch nie gefchrieben, und Caroline meint, Wilhelm koͤnne in feinem ganzen Bermögen nicht ſoviel Heiligfeit und Innigkeit auftreiben. Er hat aber darauf gedroht, wenn wir ihn lange ſchören, fo würde er ſich noch auf die Religion legen! Wenn Du ihn fiehft, diefen Brief, fo wirft Du miffen, wie ich ihn gefchrieben habe. Ohne Materialien und Gerät, außer ein Dftavblättchen Ehiffern, und bis auf wenige Worte glei fo wie er bleibt. Du wirft dann erraten, warum ich foviel neue Zuverficht habe, Du mirft felbft die befte Hoffnung von meinen Essays oder Moral befommen. In der Tat ift damit eine neue Epoche in meiner Gchriftftellerei angefangen, und ift mir ein Felſen von der Bruſt genommen. Mir ift es darum fo froh, weil ich weiß, wie auch Du Dich mit mir und an mir freuen wirft. Ich weiß fehr gut, wenn id; mich täufche, und es ſchmerzt mid) tief, wenn irdiſche Sorge die reine Börtlichkeit unferer Sreundfchaft trübt. In der Tat bin ich ent- ſchloſſen, mich für diefen Winter durch michts im Genuß derfelben ftören zu laffen, und bin gefonnen, aus dem fehönen Übermut des porigen Serbftes, der Tiefe des Winters und dem milden Witz und Kolorit des Srühjahrs eine Muſik zu Fomponieren, zu der Du aber die andere Hälfte geben mußt.

Schön ifts, dag Du einige Sragmente gelegt haft, und ebenfo ſchön, daß Du endlich zu Deinen vielen Gedanken auch eine Schachtel Haft. Ich glaube, daß diefe Begebenheit für Deine GScriftftellerei und für Deine ganze äufre Eriftenz Epoche machen wird. Denn gu allen Analogis von Gedanken fehlte es Dir doc; eigentlich an nichts, als an einer Schachtel, wo Dir etwas fehl. Wir wollen unfre Eier in guter Ruhe wie gute Hennen miteinander verzehren. Ich habe freilich nicht viel gelegt, wenigftens nicht viel Sragmente. Doc Fannft Du leicht denken, daß ich das Ideal der nächften Maffe ſchon ganz fertig im Kopfe ttage. Cie rucken Dir immer näher, und utiter andern müffen rede viele von der Art des Katedjismus gemacht werden, der denn doch wohl der Mlatador in der großen Maſſe bleibt....

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... Auf das, was Du vom Ridicule ſchreibſt, kann ich nichts fagen als D! Cynism, Cynism o! Wenn man fidy einmal fiber die geoße Lächerlichkeit, ein GSchriftfleller zu fein, aus heiligem Beruf mweggelächelt hat, fo gibts weiter Fein Ridiculeres en detail. Das ift meine geringfte George. Aber audy für meine äußere Eriftenz wäre der Verluſt nicht groß, da ich, was ich mwirflidy fertig hätte, überall fo gut bezahle Eriegte, taufend Projekte für Eins habe, und unter anderem recht gern gleich auf der Stelle einen Roman fehriebe. ... .

Aber um der Sache, um der Literatur, um meiner literarifchen Ehe mit Wilhelm willen liegt mir unendlich viel daran, daß die Sache befteht und fortgeht. Ich werde alles tun und hr folle nur fehen! Das Geld ift nicht Motiv genug für mich, und der Zank im Winter hatte mir eigentlich alle Luft verdorben. Nun mir in der fchönften Harmonie find, die gewiß nie wieder unter: brochen wird, nun fühl ich unfägliche Kraft und Liebe und Mut zu dem Werfe. Meine Satanisfen über die Herz und Did haft Du ſehr fchön ermwidert. Cs lag nichts dabei zum Grunde als folgendes. Dein eigentlicher Beruf ift die Freundſchaft, und was für uns andere Beruf ift, Amt oder fiterarifcher Cynism, ift für Di nur Element, in dem Du Dich leicht bewegſt. Wenn id) Dir nod) durd, etivas andres mohlgetan habe, als durch meine Eriftenz und mein unerfättliches Bedürfnis Deiner Sreundfchaft, fo war es vielleidht durch den Sinn für die Kreundfchaft und ihre Myſterien überhaupt, durch meine Philofophie der Freund: ſchaft, die mich Deinen Wert nicht bloß fühlen fondern auch ver⸗ ftehen lehrte. Aber ich halte Kreundfchaft und Liebe nicht bloß fo für Schwefterfünfte, daß zmei fie, jeder eine für ſich, neben- einander treiben follten, two dann etwa erft vier Gtüd Perfonen einen ganzen Menſchen ausmachen würden. Sondern jeder follte fie felbft beide treiben, und gleich ganz fein. Ich habe oft mit Gorge daran gedadht, weldy ein Phönir eine Krau fein müßte, die für Deine Liebe eben recht wäre, und ich bin von der Not—⸗ twendigkeit, Muſik und Poefie zu verbinden, fo überzeugt, daß

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ich nice umhin Tann zu wünſchen, obgleidy es eigentlidy, wenn Du millft, ein Frevel ift, nicht mit Deiner bloßen Eriftenz zu- frieden zu fein, und auch noch um Deine Wohleriftenz forgen zu mwollen. Bielleicht wird die Liebe Dir nur Element und Gupple= ment fein; aber auch fo ift ein Phönir nötig. Eine, die in dem, mas vom Außern Glanz und Zier ſchön ift, Deine Ergänzung fein ann, findeft Du leicht. Du haft eine Freundin gefunden, die durch ihren Ginn für Deine Tiefe Dich ans Licht lockt, oder, wie Du’s nennft, herausarbeitet, denn dazu hat die Herz mohl foviel gewirft als ich. Aber es müßte doch Liebe fein, und diefe fie müßte nody eine Eigenſchaft haben, die ich nicht zu nennen meiß, obmohl id; fie als eine fühle und beftimmt weiß. Gonft wäre fie Deiner nicht wert.

Sriedrih Schlegel an Schleiermader [166] Jena, 20. September 1799

... Zu Hülfens Bildungstrieb habe idy mir noch feinen Trieb ge- bildet. Alles was er fchreibt ift für mid) moraliſch. Seiner ent⸗ fpricht fo meiner dee von Moral; felbft die epifche Form ge- hört mit dazu. Moral ift mir gerade wie Religion unfichtbares Element der Myſtik. Etwas ganz andres Praris und die Prinzipien derfelben. Gie find bei mir äußerſt revolutionär, da⸗ her ich auch da manche Berfchiedenheit von Dir vermute. reis li) nur Berfchiedenheit; denn Deine Anſicht der Praris ift mir höchft intereffant. Dahingegen Hülfen von dem, was id ‚darunter verftehe, weder Einficht noch Bermutung hat.

Was in den Ideen in näherer Beziehung auf Deine Reden ſcheint, als das übrige, ift eigentlich weder an Did), noch gegen Did), fondern nur, wie die Schwaben fagen, aus Gelegenheit Deiner. Die ganzen Ideen gehen beftimmt von Dir, oder viel: mehr von Deinen Reden ab, neigen nad) der andern Geite in

den Reden. Weil Du ftarf nad) einer Geite hängft, habe ich 294

mich auf die andere gelegt, und Hardenberg mich gleichfam, mie es fcheint, angefdjloffen. . . .

Friedrich Sqlegel an Schleiermacher [167)

Jena, Geptember 1799 .. Lieber Sreund, wie wunderlch haſt Du das aufgenommen, was ich Dir legthin geſchrieben; als ob ich fordern Fönnte, Du follteft die Ideen verftehen, oder unzufrieden darüber fei, dag Du fie nicht verftanden. Es ift mir ja eben nichts verhaßter als diefes ganze Verftandes- und Mißverftandes-IBefen und Unweſen. Ich freue mid; herzlid, wenn irgend einer, den ich liebe oder achte, einigermaßen ahndet was ich will oder fieht was ich bin. Du kannſt leicht denken, ob ich in dem Kalle bin, diefe Freude oft erwarten zu fönnen. Ich erwarte es nie, und nehme es eben als eine Gabe des Himmels an, wenn die Liebe einem einmal das Berftändnis öffnet. Aber eins erwarte ich von jedem Freunde, weil id) es erwarten will, daß mas mit Liebe und Sreude in befdjeidner Hoffnung dargeboten mird, auch entweder gar nicht, oder in demfelben Geifte und nicht im enfgegengefeßten ange: nommen wird.

Geben Dir meine Schriften nur Anlaß, Dich mit einem hohlen Gefpenft von Berftehen und Nichtverſtehen herumzuſchlagen, fo lege fie noch beifeite. Oder mache es mit allen, wie Du es, glaube ich, niit der Lucinde gemadjt haft; freue Dich an dem, was na Deinem Ginne ift, und laß das Übrige fallen.

Das Berede darüber Fann aber gewiß wenig fruchten, ge: ſchweige denn gar über andere zartere Berhältniffe. Der glaubft Du, daß zerriffne Blumen durch Dialeftif wieder wachen? Wie menig das Reden hilft, das bewährt ſich gleich in dem, was Du auf meine Bemerkung über Deine vorfchnelle Klarheit ertoiderft. Lieber Sreund, mie feltfam drehft Du das? Und die Worte find doch eben ganz und flar und verftändlicy. Es ijt immer

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ein und dasfelbe, was ich tiber Dich zu Elagen habe. Da ich zur legt mit Dir über Dich ſprach, ſprach ich eben davon, von Dei nem Borausfeßen des Nichts, von Deiner Zuverficht im Unglauben, von Deinem Mangel an Sinn und Liebe im Einzelnen, der mid) oft fo gefchmerzt hat. Ich kann den Grund davon freilid) nicht in Deinem urfprünglidien Wefen fudhen, fondern nur in einem zufälligen Mißverhältnis und? Mißbraudy Deines Vers ftandes zu finden glauben. Und wenn ich in einem erften Augenblick des Gefühls diefes Prinzip fehr hart bezeichne, fo Eannft Du es vielleicht verzeihen, wenn Du Dich erinnerft, daß es eben diefes ift, was unfre Freundſchaft fo feindlidy berührt hat.

Du wirft vielleicht finden, daß auch diefer Brief eben ein neuer Beweis von der Unnütze des Redens bier fei, und daß Du alfo meine Befhuldigung nach allem Recht und Billigfeit mir zurüd- geben Fannft. Ich befenne es im voraus und bitte Dich nur, es den legten Bemeis der Art fein zu laffen. Ich darf mich jenem Gefühle nicht ferner überlaffen, es ift mir hart genug, mid) diefer Notwendigkeit zu fügen; und ich kann nun eben nichts tun als die Hoffnung verehren, bis uns neue Freundſchaft erleuchtet.

Ein Beſuch hat mich unterbrochen. Wächftens mehr.

Caroline an Augufte [168] Jena, 30. September 1799

Du Herzensmädchen, was hat mis Dein Brief gefreut, und die arme böfe Mutter kann nun erft heut antworten! Du glaubft nicht, mie gefchäftig ich in der legten Woche gemwefen bin, und Fran? dazu, denn endlid muß mir mein Laufen und Rennen, das ich fo gern fat, doch zu Haus und zu Hof Fommen. Loder- chen hat mir was verfchreiben müffen. Nun ift das ganze Haus gereinigt und neu aufgepußt. &riedridy wohnt Dir wie der befte appanagierte Prinz. Diefen Abend foupieren wir drei bei Schelling, um ihm fein neues Neſt einzumeihen. Er freut fi,

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daß Du ihn zum Bacchus gemacht haft, indem Du ibn den Geber des Weins nennft, bald wird er audy der Geber der Freude heißen Fönnen, denn er ift ſanft und liebreich und ſcherzhaft und läßt Dir fagen, Du möchteſt ihm bei Deiner Wirderfunft nicht wie eine fpröde Halbmamfell begegnen. Wilhelm macht alle Morgen ein Gedicht. Friedrich tut alle Tage nichts als die Beit er: warten, die nicht über Deſſau Eommt. Wir wollten fie vorgeftern von Leipzig abholen, Kriedridy und ich, als wieder andre Ordre fam, doc Fommt fie ſicher nächfte Woche. Vorgeſtern fand ſich mit einmal Hardenberg ein, blieb aber nur bis geftern nad, Tiſch, was gut war, denn ich mochte ihn diesmal gar nicht leiden, er hat recht abgefchmadtes Zeug mit mir gefprochen, und ift fo ge= finnt, daß er, darauf wollt id; wetten, die Tieck mir vorzieht. Denk nur Kind! wir wiſſen noch nide, warn diefe kommen, wahrſcheinlich bald. Ungemeſſen lange Spaziergänge haben wir gemadjt, von 2 bis 7 ift das gewöhnliche Un-Maß. Wilhelm will nicht mehr mit ausgehn, er liefe fich die Beine ab; da er nun die vorige ganze Woche jeden Morgen von 10 bis ı Uhr mit Goethe hat auf- und abfpazieren müffen, fo ift es wohl billig, daß er den Nachmittag ausruht, der Länge lang nach. Goethe hat feine Gedichte, nämlicy Goethens Gedichte, von denen ein neuer Band herausfommt, mit ihm ducchgefehn, und ift erftaun- lich hold. Wriefette war vor 8 Tagen unglücklich, denn Schiller ließ ihn auf den Abend bitten, mo Goethe und Gchelling da waren, und er war ſchon mit uns, bei Frommanns, mo es auch wirflich etwas flupide zuging. Geſtern ift er nun glüdlidy wor: den, denn da wurd er wieder gebeten und ging aud) effective- ment hin... .

Schelling läßt der Tifchbein fagen, das wär wenig, daß Goethe fie eine angenehme Gegenwart genannt. Ihm wäre fie auch eine änßerft angenehme Erinnerung. Adien, id drüde Dich braun und blau an mein Serz.

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Caroline an Augufte [169] Jena, 6. DEtober 1799 In der Nacht feß ich mid; noch hin, damit Du liebes Seelchen morgen gewiß ein Briefchen befömmft, da Du fo fehr jammerft. Du mußt bedenken, daß id) wirklich oft nidje fchreiben kann, weil ich doch auch alle Deine Eleinen Gefchäfte neben meinen großen verfehe. Nur das neueſte. Diefen Mittag Fam die Beit ‘an, nachdem Friedrichs Ungeduld aufs höchſte geftiegen war. Alfo nun ift fie da da ift fie merke Dirs wohl. Gie hat ein nationales, c’est & dire jüdifches Anfehn, Haltung und fo meiter. Hübſch kommt fie mir nicht vor, die Augen find groß und bren- nend, der Unterteil des Geſichts aber zu abgefpannt, zu ftarf. Größer wie ich ift fie nicht, ein wenig breiter. Die Stimme ift das fanftefte und mweiblichfte an ihr. Daß ich fie lieb gewinnen erde, daran zweifle ich Feinesweges. Bor dem ungen fürdyte Dich nicht länger, c’est un joli petit espiègle, er wird Dir taufend Spaß maden, ih Bin ſchon fehr gut Kreund mit ihm. Er ift ganz klein und gefchmeidig wie ein Page, „wir mollen ihm Deine Livree anziehn. ... .

Sriedrih Schlegel an Augufte [170]

Jena, 7. Dftober 1799

... Die Veit ift feit geftern hier. ... Schreib Deiner Mutter

nicht fo wißige Briefe, Augufte, fie wird immer Iuftiger, fo luſtig, daß es beinah nidye mehr zum Aushalten ift..... .

Dorothea an Schleiermacher (171) Jena, 11. Oftober 1799

... Denken Gie ſich, id war auf dem Wege von Leipzig hieher einen Mittag in Weißenfels. Ein gewiffer DoEtor Lindner,

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der mit mir fuhr, befuchte Hardenberg, und ich habe nichts dazu getan, ihn zu fehen, fo begierig ich audy war. Lindner durfte es ihm gar nicht einmal fagen, daß ich dort wäre. Er Fomme mir erſchrecklich parador und eigenfinnig vor nad) allem, was ich von ihm höre; er ift ganz toll in Tied und in feine Frau, als Tiecks Stau, verliebt und verachtet alles übrige. Alles übrige fagt man. Wie lange diefes Delirium anhalten wird, weiß man nicht zu fagen. Enfin, mir hat aber fein Wefen, das ich ſchon immer ahndete, eben feinen Mut gemadjt, ihm mit einem Schritt zuvor: zufommen, um feine Bekanntſchaft zu madjen. lingeheuer aber ift es, daß Goethe Hier ift, und ich ihn wohl nicht fehen merde. Denn man fdheut ſich, ihn einzuladen, meil er, wie billig, das Befehen haft, und er geht zu niemandem als zu Schiller, obgleid) Gclegels und GSchelling ihn täglich auf feiner alten Burg be» fuchen, in der er hauft. Bis die andre Woche bleibt er nur hier. Zu Schiller geht man nicht; alfo ich werde in Rom gemwefen fein, ohne dem Papft den Pantoffel geküßt zu haben. Es ift unrecht, und was noch mehr ift, dumm, und was nody mehr ift, Tächerlich. Aber man kann mir nicht helfen.

... Mit Sriedrich, der mir immer lieber wird, je mehr id andre neben ihm fehe, will es nur nicht fo recht fort; das Ar- beiten wird ihm immer ſchwerer, und er dadurch immer betrübter. Ich hüte mid, ihm meine tiefe Beforgnis bliden zu laſſen, weil das ihn völlig niederdrüden würde; aud Wilhelms find mit mir darüber einverftanden, dag man ihn nidye quälen dürfte, und man läßt ihn in Ruhe. Das ift wirklich das einzige, mas man für ihn tun Fann, damit er nicht zerftört werde.

... Es ſcheint, die Berliner können nicht ruhen; fie Fönnen ebenfowenig ein Leben als einen Roman ſich ohne gefdjloffnen Schluß denken und nehmen nun gar bei mir die heilige Taufe als völligen Ruheftand und Auflöfung an. Wie märe es, wenn fie mid; tot fein liegen? Go wären Gie aus der Ungewißheit, und mic gefchähe aud) Fein Fleiner Dienft damit. . .

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Caroline an Augufte [172] Sjena, 17. Oktober 1799 Meine liebe Augufte, ich habe geftern Dein Briefel befommen, woraus ich feh, daß Du eine wütige impertinente Fleine freatur bift, und auch den Schnupfen haft. Eigentlich hab ich Dir tveniger zu fagen wie Du mir auf mein letztes. Wie wird Dir Dabei zumut geworden fein! Ich wünfde, Du haft Dich frei willig entfchloffen, denn fonft möchteſt Du es unfreiwillig tun müffen, nicht daß wir Did) zwingen mollen, mein Herz, aber der Zufall denn Hufelands, die noch nicht in Berlin find, reifen nicht über Deffau, fondern Leipzig, mo er jemand zu treffen denkt. Mein beftes Mädchen, Dein ganzer Ginn ift bloß auf DBelufti- gung gerichtet, und auf diefe Weiſe wird nie etwas Entfchiednes aus Dir werden. Nicht nad) dem Mütterdyen fehnft Du Did allein, obwohl ich weiß, Du tuft das auch, und wir heulen aud) gewiß beide vor Kreude, wenn mir uns mieder fehn. Gei nur jest gefcheut, fieh ein, daß Du nun noch nichts für Dein Gingen haft tun Fönnen, und es war mir doch heiliger Ernſt damit, wie ich Didy nad) Deffau gehn lieg. Gollt ich Dich blog zum Scherz von mir trennen? Das hab ich Dir ſchon gefagt, auf Oſtern kann Dir die Entfernung vielleicht erfpart werden; wenn Ehar: Iotte bier ift, moͤcht ich Did) fo gern bier haben. Wir haben die Fleine Perfon verwöhnt. Cie will genießen, als ob fie andern Fönnte zum Genuß verhelfen, wovon noch feine Rede ift. Dies drückt fi in Deinen Äußerungen genug-

fam aus... . -

Caroline an Augufte | [173] Jena, 21. Dftober 1799

... Am Donnerstag famen Tieds. Gie find durch Deffau gefommen, und glaubten Dich mit der Tifchbein in Dresden, fo daß fie Dich nicht gefucht haben und nur wahrfdheinlic mit Dir

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in der Komödie waren, in den Arfadiern. Häßlich ift die Tieck nid. Hätte fie Anmut und Leben und etivas mehr am Leibe als einen Sad, fo Eönnte fie für hübſch gelten. Das Eleine Tieckchen ift recht fehr hübſch und blühend geworden. Es macht ſich übrigens alles redyr gut zufammen. Den erflen Abend hat Schlegel gleidy den König Richard und gefteen Tied ein Stück von Holberg vorgelefen. Das foll alles noch einmal gelefen wer⸗ den, wenn Du Eommft. Haft Du denn auch von dem Spuk in Leipzig gehört? Daran wirde ſich Kuhn jämmerlid, ergößen. Koßebue hat ein Stück gegen die Schlegel gemacht und während der Meſſe aufführen laſſen. Eine Rolle drin ift aus den Krag menten im Athenäum ausgefchrieben, und foll fo den Friedrich vorftellen, der zulegt ins Tollhaus geſchickt wird. Übrigens platter- dings Fein Witz darin außer der Gchlegels ihr eigner. Es hat großen Lärm im Parterr gegeben pro und contra das pro hat natürlidy bei den Leipzigern die Oberhand behalten, hinterher hat Möller aber die weitre Aufführung verbieten laffen. Das Stück heißt der hyperboreiſche Efel oder die Bildung unfrer Zeit. Du Fannft leicht denken, wie fidy Schlegel tout de bon daran ergbgt hat. Es ift Dir ein Taufendfpaß. Schillers Muſenkalender ift auch da, das Gedicht von der Imhof eben weiter nicht viel als ein Rudel Herameter, aber über ein Gedicht von Gdhiller, das Lied von der Glode, find mir geftern Mittag faft von den Stühlen gefallen vor Lachen, es ift & la Dog, à la Tieck, & la Teufel, wenigftens um des Teufels zu werden. .

Caroline an Augufte (174) Jena, 28. Oktober 1799

... Buonaparte ift in Paris. D Kind bedenke, es geht alles wieder gut. Die Ruffen find aus der Schweiz vertrieben die Ruffen und Engländer müſſen in Solland ſchmaͤhlich Eapi- tulieren, die Franzoſen dringen in Schwaben vor. Und nen

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kommt der Buonaparte noch. Freue Di ja auch, fonft glaub ih, daß Du bloß tändelft und Feine gefcheiten Gedanken hegft. Die Tieck migfälle mir im Grunde doch, ich mag es nur nicht auffommen laffen. Er ift fehr amüfant, und wir find viel bei- fammen. Was die Mlenfchen vor Zeugs ausheden, das glaubft Du nicht. ch werde Dir ein Gonett auf den Merkel fcdhiden, der in Berlin geflatfdjt hat, der Herzog habe den Schlegels wegen des Athenäum Verweiſe geben laffen uſw. Da haben fich Wilhelm und Lied legt Abends hingefegt und ihn mit einem verruchten Sonett befchenft. Es war ein Feſt mit anzufehn, wie beider braune Augen gegeneinander Funken fprühten und mit welcher ausgelaffenen Luftigfeit diefe gerechte malice begangen wurde. Die Veit und ich lagen faft auf der Erde dabei....

Dorothea an Scleiermader [175] Jena, 28. Dftober 1799

Lieber Freund, feien Gie gut gegen Stiedrich; denn niemand ift fo gequält wie er bei feinem Jlichtgelingen. Reden kann id) nicht viel darüber; wie es gehen wird, weiß ich auch nicht. Jetzt arbeitet er, wie er fagt, am zweiten Teil der Lucinde; aber er ift nicht fo frei, fo munter, als er fein follte. Es ift entſetzlich, daß ihn die Sorgen am Arbeiten verhindern, anftatt ihn zu fpornen. Noch entfeglicher ift es, daß die Sachen, die er doch in fo kurzer Zeit gemacht hat, nicht foviel eintragen, daß er wieder ruhen und fammeln Fönnte. Entfeglich, daß er von Kunſtwerken leben foll, die wie Handwerksarbeit bezahle werden. Bei alledem habe ich die befte Hoffnung, daß wenn wir ihm nur noch einige Jahre durchhelfen, fo wird es gewiß beffer gehen. Die Welt feheint ja wieder von der Sonne befchienen zu werden, die Guten fiegen ja wieder. ch träume mir noch immer, daß Schlegel ein— mal eine andre Karriere ergreift, als die er jest hat. Gibt uns das Gchidfal einen Staat, fo wird er gewiß auch noch Bür-

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ger. Bald, nur bald, lieber Himmel, ehe es für uns zu fpät ift! Was in aller Welt fagen Sie nur zum Buonaparte? Darf man wohl dem Glüd eines wahrhaft großen Menfchen mißtrauen?

Schelling? Ich weiß noch nicht viel von ihm. Ex fpricht wenig; fein Äußeres ift aber fo, wie man es erwartet: durch und durch Eräftig, troßig, roh und edel. Er follte eigentlich franzöfifcher General fein, zum Katheder paft er wohl nicht fo recht, noch weniger, glaube ich, in der literariſchen Welt. Überhaupt bin ich der Meinung jegt: Ihr revolutionären Menfchen müßt erft mit Gut und Blut fechten, dann Eönntet Ihr um auszuruhen fehreiben, wie Gög von Berlichingen feine Lebensgefdjichte. Dar: um gefällt mir auch ‚Benvenuto Cellini‘ fo gut. Ich möchte auch gern einmal vom Luther lefen; ich ahnde, daß der eine rechte Ähnlichkeit von den beiden haben muß. Und fo follte es mit Euch nur auch fein. Denn Euer Wefen und Euer Wollen, das paßt zum £iterarifchen ganz und zur Kritif und alle dem Zeuge wie ein Riefe in ein Kinderbettchen, Ich fehe es jet recht deut: lich, daß die, die das Ruder führen, höfliche, Ealte, gefchmeidige Flachkoͤpfe find und Euch nicht brauchen Fönnen zu den Eleinen Mafchinen, die fie für ihre ſchwaäͤchlichen Hände eingerichtet haben. Gie gehen tief gebüdt durch die Fleine Pforte, und Ihr wollt ge: cade aufrecht durch; freilidy zerſtoßt Ihr Euch die Köpfe. Der Zwift mit der Literaturzeitung ift angezettelt, und es wird wohl nun bald etwas öffentliches darüber erſcheinen. Wilhelm ift ein rüftiger Kämpe; aber mir tut es leid, dag er Wis und Kräfte gegen die Wichte fo verfchwenden muß. Nächſtens follen Gie ein herrliches Gonett erhalten, die Srucht einer herrlichen Stunde von Wilhelm und Tied (Tieck ift aber ein Geheimnis dabei). Ich habe es recht gerwünfcht, daß Sie hier dabei geiwefen wären, um das Sprudeln und das Funkenſprühen der beiden Menjchen zu ſehen. Gie hätten fid) gewiß ebenfofehr als ich ergögt. Über⸗ haupt ift Tied hier eine gute Figur; er nimmt fich fehr brav aus und ift an feiner rechten Gtelle. Sa, lieber Sreund, Gie follten herfommen; wenn es fo recht Eunterbunt hergeht mit Witz

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und Philofophie und KRunftgefprächen und Herunterreifen, dann erinnere ich mich fehr lebhaft Ihrer. Cie wirden eine rechte Luft haben, und ſchwerlich würden Sie Zeit genug zu Ihrem mwyti⸗ ſchen Kugelwerfen nach Tiſche und zu den gefährlidyen äquilibri- ſtiſchen Stuhldrehumgen finden; denn fagen Sie, was Sie tollen, das waren doch nur immer Zeitverfürzungen, wenn fie gar zu lang werden wolle.

Daß ich den Sardenberg nicht auffuchte, war ganz recht (als ich angenommen). Mid, ſetzt eine Bekanntſchaft, vollends eine fo intereffante Befanntfdhaft, immer in DBerlegenheit, die hernach fo fänftiglidy allmählidy abnimmt; dazu gehört aber Zeit, und die hatte ich nicht. SHätte ich feine Bekanntſchaft machen Fönnen, ohne daß er die meinige hätte madjen müffen, fo wäte es ange: gangen. Dann gehört auch einiges Selbſtbewußtſein will ich es nennen dazu, um jemand fo zu fidy zu rufen, um ihn zu befehen. Cine foldye edle Dreiftigkeit haben nur ſchöne Srauen, oder follten nur diefe haben. Er kommt gewiß diefen Winter noch ber. Wahr ift es, daß er ganz kürzlich eine fehr twunder- lihe Manier angenommen bat. Und nad; dem, was man fid) hier von ihm erzählt, ift es etwas wunderbar! So z.B. ift er ganz toll und rafend in Tieck verliebt und behauptet, das wäre noch ein ganz andter Dichter als Goethe u. dergl. (‚Und dergleichen‘ ift eine von Schellings Redensarten). Daß ich den Papft nicht gefehen, darüber kann mid; Fein Menſch tröften....

Earoline an Augufte [176] Jena, 4. November 1799

... Geftern war der erſte Klub. Wir haben gar nidjt diesmal bezahlt und werden kaum einmal bingehn.... Uns las Tieck ein Stuck von Holberg vor, Ulyffes von Ithaka, zum Todlachen. Er wills alles noch einmal lefen, wenn Du kommſt, er ift eine techte £efemafchine, ift unermüdlich dabei. Gei nur ruhig, das Katerchen

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fol dir ned) genug vorſchnurren. Sie gefällt mir nun gar nicht mehr, fie ift doch eine Katze, nur eine weiße... Holberg ift der dänifche Luftfpielfchreiber, von dem Gteffens jo voll if. Es ift verfluchtes Zeug. Wenn man fo ein Gtüd hört, ift einem als hätte man vier Deine.

Hier haft Du das Ding, das Wilhelm und Tieck legt Abends machten. Davon find nun viel Eremplare nad) Berlin gegangen. Der Merkel wird Augen madyen! Er hat aber aud) fo viel über die Gchlegels geklatſcht, daß ers redlidy verdient. Mit Bohns kommt aud) ein Shakeſpeare, lies ihn recht.

Friedrich hat Dich fehr lieb und wird Dir nächſtens fchreiben.

Schelling grüßt das noch zarte Kind, und wünſcht, daß es nie aufhöre es zu fein. Amen.

Diefes bezieht ſich auf Deine bisherige Schlanfheit und Fünf: tige Dide....

Dorothea an Schleier macher [177)

Jena, 15. November 1799 Lieber Sreund, es ift nicht recht, daß Gie fo felten jchreiben. Hardenberg ift hier auf einige Tage. Gie müffen ihn fehen; denn wenn Gie dreißig Bücher von ihm leſen, verftehen Gie ihn nicht fo gut, als wenn Gie einmal Tee mit ihm trinfen. Ich rede nur von der reinen Anſchauung, zum Gefpräd, bin id) gar nicht mit ihm gefommen, id) glaube aber, er vermeidet es; er ift fo in Tieck, mit Tied, für Tieck, daß er für nichts anders Raum findet. Enfin, mir hat ers noch nicht angetan. Er fieht aber wie ein Geifterfeher aus und hat fein ganz eignes Weſen für ſich allein, das kann man nicht leugnen. Das Ehriftentum ift hier à l’ordre du jour; die Herren find etwas toll. Tieck treibt die Religion wie Schiller das Schickſal; Hardenberg glaubt Lied, ift ganz und gar feiner Meinung; id; will aber wetten, was einer till, fie ver- ftehen fich ſelbſt nicht und einander nicht.

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Nun hören Gie! Geftern Mittag bin ich mit Schlegels, Caro⸗ line, Schelling, Hardenberg und einem Bruder von ihm, dem Leut⸗ nant Hardenberg, im Paradiefe (fo heißt ein Spaziergang bier) mer erfcheint plöglich vom Gebirg herab? Kein andrer als die alte göttliche Erzellenz, Goethe felbjt. Er fieht die große Gefell- fchaft und weicht etwas aus, wir machen ein gefchieftes INlanöver, die Hälfte der Gefellfchaft zieht ſich zurück, und Gchlegels gehn ihm mit mir grade entgegen. Wilhelm führe mid. Friedrich und der Leutnant gehen hinterdrein. Wilhelm ftelle mich ihm vor, er macht mir ein auszeichnendes Kompliment, dreht ordent: lichermweife mit ung um und geht wieder zurüd und noch einmal herauf mit uns und ift freundlidy und lieblidy und ungeziwungen und aufmerffam gegen Ihre gehorfame Dienerin. Erſt wollte ich nicht fprechen. Da es aber gar nicht zum Gefprädy zwifchen ihm und Wilhelm kommen wollte, fo dachte ich, hol der Teufel die Befcheidenheit, wenn er fich ennupiert, fo habe ich unmwieder- bringlich verloren! Ich fragte ihn alfo gleidy etwas, über die reißenden Ötröme in der Saale, er unterrichtete mid), und fo ging es lebhaft weiter. Ich habe mir ihn immer angefehen und an alle feine Gedichte gedacht; dem ‚Wilhelm Meifter‘ fieht er jest am ähnlichften. Gie müßten ſich totladjen, wenn fie hätten fehen Fönnen, wie mir zu Mute war, zmwifchen Goethe und Schlegel zu gehen. Die Wafferprobe des Unmuts habe ich ehmals glüdlich überftanden, werde ich auch die Seuerprobe des Übermuts überftehen? An Friedrich machte er auch ein recht auszeichnendes Geficht, wie er ihn grüßte; das freute mich recht.

Dorothea an Rahel [178] Jena, 18. November 1799

Ich mollte, Sie hätten die Briefe befommen, die ich Ihnen recht eigentli und im ganzen Ernft im Herzen adrefjierte, fo hätte ich ein gutes Gewiſſen. Das ſchlechte Gewiſſen will ich

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aber auch nicht länger behalten. Es geht mir Bier gut, meine Sreundin. Wie Gie richtig bemerft haben, ich verlange nichts weiter, als vergnügt zu fein! Wäre ichs nun bier nicht, fo fönnte mir nimmer geholfen werden. Wie follte mir nicht wohl fein? wenn aud) nur in diefer einzigen Rüdfjicht, daß ich mit feinen Menfchen umgeben bin, die bloß das zu ſchätzen miffen, was ihnen durch Tradition als fhäßbar befannt ift, fondern: hier fteht ein jeder feinen Mann! Und mit welchen Menſchen lebe ih? In den ſechs Wochen, die ich nun hier bin, habe ich noch nicht ein einziges Wort gehört, das mir eine unangenehme Empfindung gemadt hätte. Mit Earolinen bin ich fehr zufrieden, ich ftehe mit ihr aufs befte, und das ift nicht fo etwas leichtes; denn fie fehmeichelt nicht ein einziges Mal und tut dergleichen nie aus reiner Gefälligkeit, id) mußte alfo von ihrer Seite eine etwas fcharfe Prüfung ausftehen, eh fie mir gut ward, freundlich war fie aber von Anfang an. Was mir aber fehr fdäfbar an ihr ift, das ift ihre zwar etwas harte, aber immer brave Grad- heit und Aufrichtigkeit. So urteilt fie aud) über jedes Werk der Kunft und über alles gang dreift; mas aber von andern arrogant wäre, liegt bei ihr in der UInbefangenheit und unbefonnenen Rüd: fichtslofigeit ihres Charakters. Gie ift wirklich recht fehr brav, und jedes Gute an jedem Menſchen fteht bei ihr am rechten Ort angefchrieben. Gie hat zwar eine fehr hohe Meinung von fidh, eigentlich follte aber jeder rechtlihe Menſch diefe von ſich haben, befonders wenn fie fo neben der Gerechtigkeit für jedes fremde Berdienft fteht, als bei Carolinen, und fo ganz naiv ſich bei jeder Gelegenheit zeigt und niemals die hohe Meinung über ſich felbft im Herzen verftede, während fie eine für einen andern erheuchelt. Man ift auch in ihrem Haufe fehr gut, fie macht die Wirtin fehr gut und mit einem leichten Anftand. Wie fie ſich aber in einem fremden Haufe mit ihrer dreiften Zuverfichtlichfeit und ihrem unbefürmmerten Weſen ausnehmen mödhte, ift ſchwer zu fagen; etwas fauer möchte fie es einem wohl madyen, ihre Wirtin zu fein! Ich bin ihre aber recht gut geworden und feße das un-

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umfchränftefte Zutrauen in fie. Gehr hübſch ift es, mie dieſe Frau ihre Yugend fo erhält, ſowohl Förperlich als geiftig. Was Gie mir von ihrer Koketterie gegen Wilhelm Schlegel fagten, gab mir gleich anfangs die Bermutung, daß fie ihn nicht liebt, wonon ich nun die völlige Überzeugung habe.

Hardenberg habe ic, gefehen, er mar einige Tage hier, und die Anſchauung feiner Perfönlicykeit hat es mir erklärt, warum er einft Ihrer Aufmerkſamkeit entging; feine Freunde behaupten, er hätte fich zu feinem Nachteil verändert; ich behaupte aber, ge: mein wird man nidht, das wird einem angebpren.

Und nun zulege: in heller Punkt in meinem Lebenslauf. Goethe habe ich gefehen! und nicht bloß gefehen; er ift mit mir und den beiden Gchlegels wohl eine gute halbe Stunde fpazieren gegangen; hat midy mit einem auszeichnenden Blick gegrüfßt, als mein Name genannt wurde, und ſich freundlid, und ungezwungen mit mie unterhalten. Er hat einen großen und unauslöfchlichen Eindrud auf mid) gemacht; diefen Gott fo fichtbar und in Menfchengeftalt neben mir, mit mir unmittelbar befchäftigt zu wiffen, es war für mid) ein großer, ein ewig dauernder Moment! Bon dem zurüdfchredienden Weſen, das man fo allenthalben von ihm fich erzählt, habe id} wenig gemerkt; im Gegenteil, ob- glei meine Schüchternheit und Angft groß war, fo nahm fie doch fehr bald ab, und ich gewann vielmehr ein gewiſſes fchivefter- liches Bertrauen in ihn. Ewig ſchade ift es, daß er fo Eorpulent wird; das verdirbt einem ein wenig die SYmagination! Wie er fo neben mir her ging und freundlich redete, da verglich ich feine Perfon mit allen feinen Werfen, die mir von ihm in der Eil einfielen, und da habe id} gefunden, daß er dem ‚Meifter‘ und dem ‚Hermann‘ am meiften ähnlidy ſieht. Am allerwenigften fonnte ich aber den ‚Sauft‘ in ihm finden, alles andre aber ganz deutlich, die ‚vermifchten Gedichte‘, ‚Taffo‘, ‚Egmont‘, ‚IBerther‘, ‚Bög‘, ‚Elegien‘, überhaupt alles, alles! Auch der väterliche Zon in feinen legten Sachen ward mir Elar. Er geht zu nie: mand als zu Schiller, deffen Srau fehr krank ift; die Gchlegel

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macht mir aber doch Hoffnung, daß er einmal ein Souper an- nehmen wird. Wenn es geſchieht, fo follen Sie davon hören. Denn Gie, meine Liebe, verdienten eigentlicy mit Dabei zu fein! Hier haben Sie nun meine $reuden, die id) Ihnen gern noch weit ausführlicher mitteilte, aber ich darf nur wenig Beit an die Korrefpondenz mit meinen $reunden wenden, ich muß, foviel mir meine noch immer wankende Gefundheit erlaubt, arbeiten.

@aroline an Huber [179] Jena, a2. November 1799

[Gelegentlich einer Anzeige des Athenaͤums]

... Es bildet ſich jeßt ein allgemeiner Kampf des Guten und Schlechten, Sie Eennen revolutionäre Zeiten, und follten an der Weife nicht Erittlen. Was Gie wollen, nennt man im Politiſchen halbe Maßregeln, ich geftehe, ich halte Gie, auch im Politifchen, für zu friedliebend, zu genau abiwägend, darum haben Gie eine größere Wirkung verfehlte, die Ihnen fonft gewiß zu Gebote ftand. Was id hierüber meine, ift gewiß nicht Liebe zum Gteeit. An meinen Borftellungen, ja an meinen dringenden Bitten hat es nidjt gelegen, daß nicht die Hälfte des Anzeigers im Athe- ndum unterdrückt wurde. Ich habe zulegt der männlichen Ge- walt nachgegeben, ich habe gefchiwiegen, wie id) das eben in polis tifyen Angelegenheiten aud) tun würde, im Glauben, daß, aller unfter Bernunfe zum Trotz, die Männer diefes doch beffer ver: ftehen. Jetzt, da es gefihehen ift, kommt es mir notwendig vor, und wenn fich die ganze Welt dagegen auflehnte, wie es ja aud) gefdjieht. Denn fehen Sie, mein Freund, id; Ferne ©., id) bin wie von meinem Leben davon überzeugt, daß nicht der Gchatten eines perfönlidjen acharnements in ihm ift. Hat er fich denn nicht alle diefe Feinde erft gemadjt? Die Plattheit, die Nullität, die Unpoeſie ift ihm in den Tod zumider. Verfolgt mau die Sache, fo geht es dann auch gegen die Perfon. ft nicht Wie:

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lands Poefie Wielands Perfon? Es ift nur törichte Weisheit, beide hinterher noch trennen zu wollen. Am Privatleben eines ſolchen Menfchen wird ſich ©. nie vergreifen, das geht dann ans Pasquill, er felbft wird ſich wahrſcheinlich dergleichen gefallen laffen müffen, man wird alle Waffen gegen ihn aufbieten. Ich fenne niemand, der das ruhiger zu ertragen imflande wäre. Gein ganzer Geift ift vorwärts gerichtet, der Widerftand kann nur ihn mehr beflügeln. &lauben Gie doch nicht, daß er fidy eenftlich mit diefen Zeufeleien abgibt. Er lebt in ganz andern Planen. Diefes amusement wird eine Weile dauern, ift es dann vorüber, fo bleibt es nicht ohne Wirfung, es ift gut gemwefen, weil es zum Fortkommen gehörte. Aud wird er fidh nicht dabei aufopfern, da er noch andre als Eritifche Mittel in feiner Gewalt hat, um durdhzudringen. Gie Fennen ©. nicht, wenn Gie ihn an Männlichkeit mahnen, er ift Mann: frei und felb- ftändig wie je einer war, dazu hat ihn die Zeit gebildet. Was er zu Ihrem Brief und der Rezenfion fagen wird, weiß ich, was er Ihnen fagen wird, nicht; für alle Bitterfeit aber ftehe ich Ihnen und verfichre Gie im voraus, daß die nicht ftattfinden wird, im all er felbft etwa nicht antworten follte. ‚Die Hand aufs Herz‘ und an den Kopf gelegt, würde er Ihnen erzählen, daß er im innerften Gemüt fo ſchlecht von Wieland denkt, und in einem folchen Grade ihn für unſittlich hält, als er es noch nie öffentlid) ausgefprochen hat. Und diefes auszufprechen, unter feinem eignen Namen, ift alfo für ihn menigftens ebenfo billig und gerecht, als es für Sie ift, Ihre Migbilligung am Athenäum und der Qucinde in der A. L. Z. unter dem Schuß der Autorität auszudrüden.

Ihre pfochologifchen Bemerfungen über Friedrich find. wirklich ebenfo ungegründet. Das ift ja doch wohl pſychologiſch, einen der Affektation, der Sucht nach Driginalität zu befchuldigen. Er weiß gar nicht anders, als daß man fo wunderbar ift, wie er den Menfchen erfcheint. Er mundert ſich kindiſch über unfern Widerfpruc und Kopffchütteln. Friedrich ift ein tiefjinniger, oft

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tiefgrübelnder, innerlich großer Menſch, der äußerlich ein Tor ein« hergeht. Selbſt die künſtliche Abfichtlichkeit feiner, Kompofitionen behandelt er mit Eindlicher Zuverficht und Unbewußtheit. Er ift in allem aufrichtig, bis in den tiefften Grund der Geele hinein. Und da ſprecht Ihr nun fo leichthin von Affektation, und dag der Menſch verkehrt fei, oder vielmehr ſich verkehrt machen wolle und Gie follten doch bedenken, daß es von je der auferordent: lichen Menſchen Schmach geweſen ift, fo auszufehen. Lucinde hätte nach meiner Meinung nicht gedrudtt werden müffen, näms ih in der Gegenwart nicht. In zo jahren da Fönnt ich es leiden, daß fie vor 50 jahren gedrudit worden wäre. Wozu hatten Gie aber nötig, fie zu rezenfieren, das, dächte ich, hätte nod) tweit weniger gefchehen müffen, zumal da fie noch nicht fertig ift.

Denken Sie nicht, daß diefe Männer ſich untereinander ſchmei⸗ cheln und etwas weiß madyen: fie kennen fidh, fie fagen ſich ihre Wahrheiten, aber fie haben ein Ziel und das haben fie fehr feft in den Augen. ch Fönnte mir fehr den Triumph münfchen, Sie perfönlidy unter uns zu fehen. Es würde lebhafte prächtige beredte Disputen geben. Was fpredden Gie von Faktion? Keine Revolution ohne aktion, das miffen Gie, oder find Gie plößlicy fo modere geworden? Zu den Klagen gegen die L. 3. und Schlegels Erklärung ſchließen ſich Fichte und Schellings Sache und Klage unmittelbar an. Das alles wird noch viel lauter werden, und die 2. 3. fürchtet ſich bitterlih. Sie haben das Ihnen mögliche getan, um Öchlegels Erflärung zu verhindern, die fie nun fo nach Hufelandfcher Art fein und hinterliftig, aud) etwas langweilig beantivortet haben. Und glauben Gie denn, daß in die Sache der ſchlechten Schriftfteller niche auch die hohen Häupter gemifcht werden? Es ift alles gefchehen, um den Herzog aufzu: wiegeln, und mas der nicht fat, oder nicht tun Fonnte, wurde ihm angelogen. Und alle dies Volk wird ſich nun ausgelaffen über Ihre Rezenfion freuen, et vous av&s bien merit& de la patrie! Die Redaftoren fügen ficher noch die Anmerkung hinzu, daß fie von einem Freund Schlegels fei.

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Schl. dachte Sie in aller Unſchuld zu bitten, Sie möchten um der guten Sache und andrer Projekte millen nicht mehr für die A.L. 3. arbeiten, befonders ihnen den IB. Meifter nicht liefern. Er dachte ſich mie Ihnen einzuverftändigen. Das fdyeint mir nun freilich nicht mehr an feiner Stelle. Nie wird er ſichs zum Fleinften Berdienft anrechnen, Jhrem Willen Gerechtigkeit wider: fahren zu laffen, und in diefem Sinn hr Freund zu bleiben, wie ers bisher war, aber wie foll er es mehr merden können? Den Eifer habe ich ihm nun vorweg genommen auf alle Fälle. Die Parteilichkeit werden Sie natürlich finden, doch erinnern Gie fi, dag mich Fichtens Sache auch watm gemadjt hat. Auch ift der Eifer überhaupt in mir erregt, durch die erneute Teilnehmung an den franz. Begebenheiten, befonders feit Buonaparte Konſul if. Adieu...

NB. Der £iterarifche Anzeiger ift, zwei Fleine Sachen aus- genommen, ganz von IB. Schlegel, alfo macht er freilich nicht bloß halb mit.

Caroline an Huber‘ (180) Jena, 24. November 1799

... Ich mag nicht tiefer in den Text kommen ich weiß blutiwenig von der Literargefchichte fehe nur was jeßt vorgeht habe mein Tag Wieland nidjt refpeftiert er (dien mir die Sittlichkeit ſchlecht zu verftehn und die Sinnlichkeit obendrein. Wie es die Schlegels betreiben, das weiß ich, und daß fie dabei vor fich felber und fo Gott will auch einmal vor der Welt be- ftehn Fönnen, und fomit wird Ihr Strafgericht ſchon feine ge- wiefenen Wege gehn. Das der Lucinde fteht uns noch bevor. Möge der Himmel und das Publitum Ihnen alles zugute kommen laffen! Noch das Wort im Ernft, alles was in mir für Gie und Thereſe fpricht, kann Ihnen nidjt verzeihn, daß Sie ein Ber:

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ftändnis, wus ſich in der Folge noch fo ſchoön haͤtte bilden Eönnen, da ſelbſt unfer perfönlihes Zufammentreffen allen Ausfichten nach in den nädiften Sommer fiel, fo übereile zerftört haben. Das war recht dumm von Ihnen, lieber Huber. Leben Sie wohl. Lebe

wohl, Iherefe.

Schelling an Goethe [181] Jena, 6. Januar 1800

... Es hat mich ausnehmend gefreut, aus dem Brief an Schlegel zu vernehmen, daß wir vielleicht bald der Beendigung Ihrer neuen Darftellung der Karbenlehre entgegenfehen Tönnen. Ich fühle es faft in allen meinen Arbeiten, wie fehr man von allen Geiten gehemmt ift und nicht vorwärts Fann, ehe diefes große und all- gemeine Phänomen der Natur ins Reine gebracht if. Davon nichts zu fagen, daß diefe Unterfurhung, wenn fie vollendet fein wird, für die gleidje oder ähnliche Behandlung aller andern all- gemeinen Toaturphänomene ein allgemeines Schema fein wird. Ich habe mich bemüht, den Ideen gemäß, welche Gie mir über das Phänomen der Sonorität mitzuteilen die Gewogenheit gehabt haben, eitien Entwurf zu machen, der, wenn nicht einen Muſik⸗ gelehrten, doch einem Phnfifer, wie Ehladni vorgelegt werden fönnte, allein teils meine gänzlidje Unwiſſenheit in der Muſik, teils die vielen andern Atbeiten, die ich feßt zu vollenden habe, haben mid; an der Ausführung gehindert. Ich Hoffe, bald die Ehre zu haben, Ihnen das erfte Heft der Beitfchrift für ſpeku⸗ lative Phyſik zu überfchieken.

Ein andres Dbjekt, was faft allen Unterfuhjungen im Wege liegt und bis jetzt faft für ganz intraftabel gehalten wird, ift eine twahre und eigentliche Theorie der Erde, die vielleicht eben da auf⸗ hören follte, wo die jetzige Geſchichte der Erde anfängt. Jedoch ift für diefen Gegenftand menigftens einige Ausficht vorhanden. Der dynamiſche Weg fiheint auch hier, durch den allgemeinen

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Magnetismus, zum Ziele zu führen, obgleich freilich die teutfchen Phyſiker dafür großenteils wenig Ginn zu haben fcheinen. Der teutfche Überfeger von VBancouvers Reifen (wovon id) das Dri- ginal durch Ihre Güte zu erhalten hoffe) hat alle Nachrichten über die Abweichungen der Magnetnadel in verfchiednen Belt gegenden ausgelaffen, ‚weil diefe doch nur für Schiffer intereffant wären‘!

Ich hoffe, bald entiweder hier, oder, wenn diefe Hoffnung nichtig fein follte, mit Ihrer gütigen Erlaubnis, in Weimar das allge meine Schema der Sarbenlehre von Ihnen 'zu erhalten, der id) mit der vollflommenften Verehrung verharre....

Sriedrih Schlegel an Scleiermader [182] Jena, Januar 1800

...&s ift fehmählich, dag Du nicht recht an die jeßige Philo- phyſik willft. Gie ift doch auf dem fogenannten theoretifchen Felde das einzige was Leben hat, das einzige Zeichen der Zeit. Du hafts felbft verfündigt und nun hältft Du Did) in Deiner alten Ruhe; da Du doch durch Deine hemifchen Kenntniffe fo fehr gegen uns arme Schächer im Vorteil bif. Mir fehle es gar fehr an der Anſchauung, und ob ich gleich durch den Umgang mit Gchelling, Ritter, Hardenberg foweit gefommen, daß ich diefe einen durch den andern gleichfam verftehe, fo drückt mich doch jener Mangel ſehr und ich muß ihm in der Tat bald abhelfen. Tied war ſchon vor dem Lefen meines Geſprächs voll von Philophyſik; indeffen hat das Philo bei ihm zu fehr das Übergewicht. Wilhelm hin- gegen nimmt es faft zu ſtreng und wiſſenſchaftlich. Indeſſen ift doch ſchon viel gewonnen, daß er fich nach dergleichen Reden als mohlumfrängter Dichter für verpflichtet hält, Phyſik zu ftudieren, fo daß mir denn auch wohl zufammen bei Ritter in die Gchule gehen werden. In der Tat hat meine Rede über die Mytho— logie einen großen Eindrud auf ihn gemacht. Kür mic; ift die

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Phyſik immer noch faft nur Quell der Poefie und Inzitament zu Bifionen. Vermutungen habe ich wohl über das Wiffenfchaft liche, aber ehe ich fie ins Reine bringen foll, werde ich die Ma- themati® eben auch dazu nehmen müffen. Indeſſen für Gchel lings Naturphiloſophie reicht die meinige audy wohl hin, und fo will ich dDiefe Anforderung wohl wieder zurüdnehmen....

Dorothea an Schleiermacher [183] Jena, 6. “Januar 1800 Was fagen Sie zu den Stangen? idy meine zu Sriedrid) feinen? Und mas werden Gie erft fagen, wenn Sie hören, daß ich, ich felbft diefe Stangen» Wut und Blut über unfer Haus gebracht habe! Ich Iefe nämlich in einer italieniſchen Reifebefchreibung, daß die Italiener in Stanzen impropifieren, und daß Taffos und Meifter Ludwigs ottave rime im Munde alles Volks dort find. Ich nicht faul, laffe gleich meinen ‚Slorentin‘ in ſolchen niedlichen fliegenden Stangen impropifieren, und fie gelingen mir fo mohl, daß fie des Meifter Wilhelms ganzes Lob erlangen. Diefem meinem Ruhm ward natürlich nachgeeifert, fo entjtanden Gchel- lings Stangen, und nun gar der heilige Friedrich! der mit feinem Glanz uns fo verdunfelt, daß wir uns fhämen, auf derfelben Bahn mit ihm zu treten. Eben darum will id) es mir aber nicht nehmen laffen, daß id) die erfte war, die es wagte. Friedrid) ift fehr fleißig, es geht aber mit allem erfinnlichen Fleiß doch nur langfam vorwärts. Im übrigen geht es uns allen fo gut und wir leben fo angenehm als gewiß nur wenig Menſchen in einem fo engen Zirfel fi werden rühmen dürfen....

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Dorothea an Scleiermader (184) Jena, 16. Januat 1800 ... Friedrich hat wunderwürdige Terzinen gemadzt, Fönimt mit jeder einzelnen Terzine drei Treppen herunter, lieft es mir ein- jeln vor, und da ich flupider Weiſe unmöglid) gleich den Ginn faffen kann, obgleich der Glanz der Berfe mich trifft und mir behagt, fo fährt er mich dermaßen an, daß ich vor Angft faft geftorben bin. Auf diefen Borfall habe ich dies Gonett gemacht, das ich Ihnen hier mitfdjide; es wird Gie gewiß amüfieren. Obgleich es & l’ordre du jour hier ift, daß ſich die Menſchen hier, wie es in einer Republik von lauter Defpoten natürlid, ift, immer zanfen, fo bin ich ganz allein davon verfchont und ich habe mid) noch immer einer zärtlichen und adjtenden Behandlung zu erfreuen. Friedrich aber auch größtenteils. Wir beiden ſind mie die Patri- archen geehrt und geliebt. Lieber Freund, idy muß mich rafend fputen, Daher kommt die Konfuflon in einem Üchreiben, ich unterhielte mich gern länger mit Ihnen, nur habe ich nicht viel Zeit. Die fchöne Gefelligkeit Eoftet gar zu viele Jeit....

Dorothea an Rahel [185) Jena, 23. Januar 1800

... Sie wollen Caroline Schlegel nicht für hart etfennen? Datin haben Gie nun geirrt, und hätten Sie auch fonft niemals geirrt. Hart, hart wie Gtein; wir beide, Sie und ich, meine Liebe, wir ſind ſammetweich gegen Caroline! Gie kann übrigens reihe liebenswürdig fein, wenn fie will! aber fie muß niche! Sein, Liebe, fie hat unendliche Vorzüge vor den meiften Frauen, in andern fteht fie wieder gang mit den tmeiften auf demfelben Grad; in der Kiefelhärte fucht fie aber ihresgleichen, und tie Ihnen das entgehen Fonnte, ift mir unbegreiflid. Über die Pleine große Augufte Böhmer fagten Sie mir einmal fehr mahre Worte. Aber fie ift doch eine ſchoͤne Natur, es ift ſchade, daß

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niehts mehr aus ihr wird. Ihre Gtimme wird auch zugrunde gehen, fie hat hier Feine Gelegenheit, etwas zu lernen, und hat fi eine Menge falfcher Manieren angemwöhnt; aber ich wünſchte recht, Daß fie einmal nad, Berlin Fame, um etwas ordentlidyes zu hören und zu lernen, denn fie hat für ihr Alter eine feltene und ftarfe Gtimme.

Je länger ich hier bin, defto liebevoller und zutraulicher wird mir begegnet, und meine ftolge Demut ift mir zugleich ein un» durchdringliches Schild gegen Falten Egoismus. Go vornehm, fo fein, fo ftill treu und liebend wie &riedrich ift Feiner mehr! und den göttlichften Berftand hat er obenein....

Dorothea an Schleiermacher [186] Jena, 14. Sebruar 1800

... Wolle mid; nur das Glück begünftigen, daß ich noch einige Jahre lang meinen Freund unterftügen Fönnte! Es ift gewiß und hier fann man das eher wahrnehmen als in Berlin, daß er in einigen Jahren große Gchritte tun muß. Er arbeitet auch jegt vedblih und unermüdlich, aber wie fann man von einem Künftler verlangen, daß er mit jeder Meſſe ein Kunſtwerk liefere, damit er zu leben habe? Mehr verfertigen Fann er nicht, es dürfen aber nur einige Umftände zufammentreffen, fo befümmt er mehr bezahlt, und das müffen, das dürfen wir hoffen; treiben aber und den Künftler zum Handwerker herunterdrängen, das Fann ich nicht, und es gelingt auch nicht. Was ich fun Fann, liege in diefen Grenzen: ihm Ruhe fchaffen und felbft in Demut als Handwerferin Brot fchaffen, bis er es kann. Und dazu bin ich redlid) entfchloffen. D mein Freund! ich bin befchämt, daß ich Ihnen fo viel für mich zu tun und zu denfen gebe; wodurch werde ich Gie belohnen Fönnen? Wann werde ich Yhnen eine reine $reude mit meinen Briefen madjen Fönnen, ohne Auf: träge, Beforgungen und Beforgniffe? Was werden Sie zu diefem

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ungeheuer großen ſchwatzhaften Briefe fagen? Ich konnte heute mit diefen Sorgen der wirklichen Welt für keinen Preis das lofe und übermütige Wefen im Roman treiben, ich entfchloß mich alfo, um nice in dummen Zrübfinn zu verfallen, Ihnen recht vieles - zu fchreiben und was man nennt mit Ihnen zu plaudern. Ich fige dabei auf Ihrem gelben Sofa, die Füße bequem hinauf: gelegt, Sie figen neben mir und treiben Scherz und Hohn mit meinen Gorgen und meinem betrübten Geſicht! Friedrich fieht über uns hin und denkt an dag, was wir fagen, aber mit einem . fo tiefen Ausdrud, dag man ſchwören möchte, er denft an die neue Mythologie. Apropos, wie gefällt Ihnen diefe? Test brütet er den zweiten Zeil der ‚Qucinde‘ witzig aus. Gelten hat er einen fo fchönen, naiven, wißigen, erfreuliden und freundfchaft- lichen Brief gefchrieben, daß er mid) recht in die Geele erfreut....

Dorothea an Schleiermader [187] Jena, ı0. März 1800

... Ich nehme eine gefchnittene Seder und lege ein neues Blatt an, danke Gott, daß ich für diefesmal mieder über den Sinanz- artifel hinweg bin. Laffen Sie mid; Ihnen noch ein paar Ge— mütstvorte fagen. Fürs erfte erfläre idy Ihnen meine Liebe, ja meine Liebe; und zwar nicht etwa daher, weil Gie fo gründlidy und liebreic fich unfer annahmen das gehört ins Danfbarfeits: departement —; fondern weil Gie liebenswürdig find, weil Gie die Lucindenbriefe fchreiben, Eurz, weil Sie mit Anftand und Würde mein ganzes Herz erobert haben. Wie ich begierig bin, dieſe Ihre Briefe zu lefen, können Gie denken; die Polemik verftehe ich ſchon jegt, noch ehe ich fie lefe....

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Dorothea an Rahel [188] Jena, 28. April 1800

... Zun Gie Verzicht auf alle andere Zerftreuungen ‘und Bergnügungen als Kunft, Poefie, Wis, eine liebliche mannigfal: tige Natur und den liebenswürdigften Frühling, den fi) Ihre Einbildung je malte! Grünfamtne Teppicye die fanften Berge hinan, mit Veilchen, Schlüffelblumen und Primeln geftidt und taufend wohlriechenden Kräutern durchwirkt; alle Bäume in der glorreichften Blüte; Flieder und Maiblumen in diden Haufen; eine Art Weiden, wie ich fie noch gar nicht Eannte, deren Blüte wie Orange riecht, ftehen allenthalben auf allen Wiefen und Ber: gen. Der lebhaft raufchende Klug wie ein Gpiegel hell; warm vom Morgen bis wieder zum Morgen; eine Luft, die ſich weich, lau und blau um einen her lagert und auf den Bergen wie eine Dede ruht; zur Beränderung einmal ein paar Ötunden des waͤrmſten tmohltätigften Regens; ein Grün, von dem die Berliner Feinen Begriff, nein, feinen Begriff haben, das ift es, mas ich Ihnen allenfalls hier verfprechen fann. Es ift für mid) eine nagelneue Erfahrung, dag es einen Frühling wirklid und wahrhaftig auf Erden gibt. Kommen Gie nur!...

Friedrich, der Göttliche, ift diefen Morgen zu Vater Goethe oder Gott dem Vater nad) Weimar getwandert; fonft hätte er Ahnen eigenhändig feine Sreude über Ihren Borfaß bezeigt. Ich tue es aber in feinem Namen und grüße Sie von ihm des freund:

lichſten....

Auguſte an Schelling [189] Bamberg, 4. Yuni 1800

est bin ich doch wieder ein bißchen in Nahrung gefeßt, die Mutter nimmt es recht gern an, daß ich mich hinfege und Dir ſchreibe, denn fie wendet ihre Kräfte lieber darauf, Dir von ihren Empfindungen bei Deiner Abreife zu fagen, als von Gefchäften.

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Ich danke Dir recht fehr für das Mittel, was Du mir an die Hand gegeben haft, Mlütterchen zu amüfieren, es fehlägt herr- id ‘an, wenn ich auch noch ſoviel Narrenspoſſen treibe fie zu unterhalten, und es mwill nicht anfdjlagen, fo fage ich nur: ‚wie fehr er Dich liebt‘ und fie wird gleich mutig, das erflemal als ich es ihr fagte, wollte fie auch mwiffen, wie fehr Du fie deun liehteft, da war nun meine TBeisheit aus, und ich half mir nun geſchwind damit, daß ich fagte: mehr als alles, fie war zufrieden und ich hoffe, Du wirft es auch fein.

Auguft Wilhelm Schlegel an Scleiermader [190] Jena, 9. Juni 1800

... Es freut mich, daß fo vieles in meinen Gedichten Ihnen Freude gemacht hat, und noch mehr, daß Ihnen dabei eingefallen ift, was Gie felbft zu tun und auszuführen denken, aber zu beneiden haben Gie dabei wahrlich nicht vie. Wenn Gie fonft gefonnen find, fich zur Poefie zu werden, und Glauben und Andacht dazu in fi fühlen, fo ift die Ungeübtheit in der äußeren Technik ge» wiß der geringfte Anftog. Sriedridy kann Ihnen hierbei ein großes Beifpiel fein. Gefchmeidigkeit des Geiftes haben wir gewiß nicht als feine auszeichnende Eigenſchaft gekannt, fein philologifcher Enthufiasmus und Myſtizismus hat ihn zunädhft auf die ſchwie⸗ rigften modernen Formen geführt, mweil diefe fo abftraft ſymme⸗ triſch und antithetifch Eonftruiert find, und er hat uns alle durdy die dabei berviefene Maestria in Erftaunen gefeßt. Seine Stangen im Athenäum waren nur ein leichter Anfang gegen das nad; herige, er hat unter anderm das Kunftftüd in Nikon und Helio⸗ dora fehr glücklich durchgeführt. Wenn er nun erft wieder bei Ihnen ift, wird er Ihnen ſchon mandjes mifteilen Fönnen. Ich ftehe auch auf diefen Fall mit meinen metrifchen Kenntniffen zu Dienft. Das Refultat unfrer Mitteilungen darüber wird fein, daß es damit ganz und gar Feine Hexerei ifl. Manches ift frei-

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li in unfrer Spradye noch ſchwer, es muß aber leicht werden, fie erweitert fic nad; allen Geiten, benugt ihre vernadjläffigten Schaͤtze und wirft die unnüßen Feſſeln ab. Uns Beteranen muß das Verdienft bleiben, dag wir die Bahn gebrochen, und es den Nachfolgenden erleichtert haben.

Übrigens zweifle id) gar nidjt, daß die Poefie nicht auf diefe Weiſe noch manche herrliche Afquifition machen follte. Befon- ders die echten Phyſiker feh ich im Geifte ſchon alle zu uns über- gehen. Es ift doch wirklich etwas anfteddendes und epidemifches dabei; der Depoetifationsprozeß hat freilich lange genug ge: dauert, es ift einmal Zeit, daß Luft, Keuer, Waffer, Erde wieder poetifiert werden. Goethe hat lange friedlich am Horizont ge: wetterleuchtet, nun bricht das poetifche Gewitter, das ſich um ihn verfammelt hat, wirklich herein, und die Leute wiffen in der Gefchwindigkeit nicht, was fie für altes verroftetes Geräte als Poefieableiter auf die Häufer ftellen follen. Dies Schaujpiel ift zugleich groß, erfreulih und luſtig. Det Ausgang Fann nicht zweifelhaft fein, alfo muß man aud den Mut nicht verlieren, wenn man die ungeheure Maſſe von Stumpf heit, Plattheit, Altgläubigfeit, Sriedliebendheit und eigentliher Dummheit vor ſich fieht, die noch zu befiegen ift, wie ich in Leipzig denn oft Gelegenheit hatte, dergleichen Ausblide zu tun.

So lange es alfo nody fo in der Welt fteht, ift die Kritik ein unentbehrlicdies Drgan der Revolution, und die glücklichen Zeiten, wo man ſich ganz einer pofitiven Wirffamfeit wird bingeben fönnen, müffen wir uns erft fchaffen. .. .

Dorothea an Ödleiermader [191] Jena, 16. Juni 1800

... Die Lucindenbriefe habe idy zu mir genommen und muß Ihnen dafür danken, denn es ift wahr, daß Gie mid) mandjes in der ‚Lucinde‘ haben beffer verftehen gelehrt, wenigftens ihn Elar Romantiler:Briefe 321

und beftimmt feinen Pla angewiefen, wo ich es hin zu tun habe; fie find eine erfriſchend gereifte Frucht, aus der Lucindenblüte gefproffen, und Eleonorens Fragmente waren für mid) der füße Kern. Mich dünfe, Sie haben fo fcharffinnig nody nichts ge ſchrieben und fo leicht und Elar; Friedrich rühmte auch die reli- giöfe Gewiſſenhaftigkeit. Soll ich Ihnen aber ein Geftändnis ablegen? Eigentlich dürfte ich. gar nicht darüber urteilen, denn ich fühle es deutlich, daß Gie es weit ſchlechter hätten machen fönnen, und ich hätte mich dennody damit gefreut; ich fühle es, dag die Abficht mich befticht; jede andere Polemik märe über: flüffig, die Abficht der Briefe ift an ſich ſchon eine fürdhterliche Rache, und die ‚Zueignung‘ ift vollends das Slammenfchwert, das ‚den linverftändigen‘ am Eingang des Paradiefes entgegenbligt. Dem Himmel fei Dank, daß diefe nicht iſt weggenommen worden, wie Gie es anfangs willens waren. Die andern find fehr vom ‚Verfuc über die Schamhaftigkeit‘ entzüdt; ich will aber nicht zu ſchamhaft fein, Ihnen zu geftehen, daß ich ihn noch nicht fo recht fort habe; es wird aber wohl noch fommen. Mlir war es, als zögen Gie Disfretion und Befcheidenheit mit hinein; Scham— baftigfeit habe ich mir immer als das Bemußtfein der Blöße ge- dacht, das ganz natürliche Gefühl, wovon in der Bibel fteht, daß es die Menſchen durdy den Fall erhielten mit dem DVerftand zu gleidher Zeit. Alfo je mehr Perftand, defto mehr innerliche Schamhaftigkeit wegen des befannten Bewußtſeins, aber auf feinen Kal eine Tugend. Haben Sie ebenfo gemeint? oder wie? Der fünfte Brief ift recht fophiftifch. Caroline hat ganz recht: er geht fehledjet mit den Mädchen um; aber Ihre Verfuche zu lieben find erzellene und machen alles klar und gut. Daß mir nun die Driefe von und an Leonoren die liebften find, wird Gie meiter wohl nicht Wunder nehmen. Dürfte ic; Eleonoren in £ucindens Namen und in ihrer Seele antworten, fo würde id) fagen über das, was Gie ein Mißton im ‚Duett‘ dünft: eben weil der Grund auf der Emigfeit der Liebe ruht, darum muß fie entfagen können ohne Furcht, die Liebe zu zertrümmern. Gie

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muß entfagen wollen Eönnen, oder fie darf nicht bejigen wollen. Dem zweiten Mißlaut, den Friedrich will im ‚Duett‘ gefunden haben, wag idy nicht in Julius’ Namen zu mwiderfprechen, darüber hängt der undurdpdringliche Borhang der ndividualität, den auch Zucinde wohl niemals megzuheben vermochte und aus heiliger Ehrfurcht lieber zurüdktrat. Gie fehen, wie aufmerffam ich die Briefe ftudiert habe, und wie fehr fie mich intereffieren. Das muß ich Ihnen aber doch fagen, daß fie mir wenigftens fo Fühn wie die ‚Lucinde‘ felbft zu fein fcheinen, und daß fie der Welt hoffentlidy mit ihrer Gründlichkeit vollends den Kopf verrüden werden.

Sie ſehen, ich habe den Ramdohr ein wenig gewaſchen und zwar auf ausdrücklichen allerhöchſten Befehl; es iſt ſchon ſeit Oſtern fertig. Nun tut es mir leid, daß es ins allerletzte Stück kommen ſoll, wo eigentlich nichts als Hochgebornes hineinkommen müßte.

War denn Jean Paul nicht bei Jetten? Über diefe Begeben- heit müßte fie mir doch fehreiben! Was hat er zu ihr gefagt? mas fagt fie von ihm? Daß Gie glauben, er könne Gie nidjt leiden, und daß Gie ihn ſich abflemmen, das habe ich aus den ‚ANonologen‘ verftehen lernen. Geinen ‚Litan‘ habe ich lefen wollen, aber es geht nicht, man lernt nidjts neues von ihm darin, es find immer diefelben Narren mit andern Kappen. Borige Woche habe ich einen Brief von Humboldt gehabt, alfo auch wahrſcheinlich Jette einen. Er wird im Herbſt hier durch nad) Berlin reifen. Übrigens geht es uns gut. Wir haben hier feie einiger Zeit hübfchen Spaß mit einigen Bewundrern und Nachahmern von Tier! und Friedrich, die aud) in Tieds ‚Journal‘ tüchtig perfifliert werden. Der eine ft Clemens Brentano; der legt fi) darauf, Tiecks Nachahmer zu fein, und ſchämt fidy feiner fentimentalen Ader, die er doch gar nicht verleugnen kann. Er bat eine Sarce gefrhrieben: ‚Guftav IBafa‘, worin er glaubt, der Tied des Tieds zu fein; es ift aber herzlich dumm und toll und klingt doch wie Tieck ungefähr, fo daß fich diefer tüchtig darüber

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erboft, und darum hat er ihn aud fo derb mitgenommen im Journal‘. Uns bat er aber den Anfang eines fentimentalen Romans zu lefen gegeben; der ift ungleich beffer, und das ver- drießt ihn nun wieder: er will von Teufels Gewalt ſatiriſch ſein.

Kurz, es iſt ein Hauptſpaß!

Dorothea an Auguſte [192] Jena, uni 1800

Liebe liebenswürdige Auguſte, ich will keinen Menſchen in meinem Namen Dir danken laſſen für Deine Aufmerkſamkeit für mich; das will ich ſelber tun! ...

Meine beiden neuen Kleider geb ich drum (das will viel ſagen), wenn ich Dich, liebe Auguſte, könnte die ‚Nina‘ ſpielen ſehen. Gag mir nur, wo willſt Du die Bläſſe hernehmen und das Un⸗ glück Du Blühende! Du wirft doch gewiß recht viel Details bon. Deinem Debut fihreiben? Deiner Mutter dank ich redht herzlich für das liebe Heiligenbild. Ich habe es hier immer vor mir liegen; mid) dünft, ich hätte mir felbft Feine andre Heilige erwählt, fie paßt mir recht. Die Bilder und die Fatholifchen Ge— fänge haben mich fo redjt gerührt, daß ich mir vorgenommen babe, wenn ich eine Ehriftin werde, fo muß es durdjaus katho⸗ fifch fein. Ich bitte die Mutter, mir fagen zu laffen, wie ich es anfangen muß, wenn ich 3. B. in Bamberg mid) taufen laffen tmollte! Lache nur nicht, es ift mein Ernft. Ich freue mid, daß es mit der Gefundheit Deiner Mutter fo gut geht, und wir alle hoffen, Daß das Bad vollends alles wieder herftellen wird. Ich habe einen drollig pathetifchen Brief von Humboldt aus Paris gehabt; er läßt fi Deiner Mutter recht fehr empfehlen. Was es übrigens hier neues gibt, fihreibt doch Wilhelm gewiß. Grüße die Mutter und behalte mich etwas lieb. Friedrich läßt viele Grüße fagen. |

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Novalis an Sriedrih Schlegel [193] Weißenfels, 18. uni 1800 Geit vorgeftern bin ich erft wieder hier daher fo fpät die Antwort. Heute nur in Eil, daß Ihr mir herzlich auf den Frei— tag oder Sonnabend willkommen feid, befonders da ich gerade jest zu Haufe fein kann, indem id) fpäterhin wieder verreife. Mündlich mehr. Grüße Wilhelm herzli und Tiecks, fomie Ritter. Deinen Tadel fühl ich völlig. Diefe Ungeſchicklichkeit in Übergängen, diefe Schwerfälligkeit in der Behandlung des mandelnden und bewegten Lebens ift meine Hauptſchwierigkeit. Gefchmeidige Profa ift mein frommer Wunſch. Der zweite Teil wird der Kommentar des erften. Die Antipathie gegen Licht und chatten, die Sehnſucht nach Elarem, heißem, durchdringen» dem Äther, das Unbefanntheilige, die Veſta in Gophien, die Bermifchung des Romantifchen aller Zeiten, der petrifizierende und petrifizierte Verſtand, Arktur, der Zufall, der Geift des Lebens, einzelne Züge bloß, als Arabesten fo betrachte nun mein Märchen. Der zweite Zeil wird ſchon in der Form weit poetifcher als der erſte. Die Poefie ift nun geboren. Ich freue mich Euch zu fehen unbeſchreiblich. Alle grüßen Eud).

Novalis an Friedrich Schlegel [194] Weißenfels, 28. Yuli 1800

Du haft mir eine fehr traurige Nachricht geſchrieben. Wilhelm dauert mid am meiften. Hat ihr Tod einen Zufammenhang mit Carolinens Gefchichte? Du ſchreibſt mir nicht deutlidy dar: über. Augufte war ein liebes, ſchönes Mädchen. Die hellen Sarben und der fchlanfe Wuchs Fündigten das frühe Hinfcheiden wohl an. Gie mwäre fehr reizend geworden. Der Himmel hat fi ihrer angenommen, da ihre Mutter fie verließ und ihr Vater fie bingab. Eben auf der Schwelle der Welt mußte fie um— fehren. Gie ift einem trüben Schickſal entgangen; und laß ihr

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uns glüdtwünfden und ung freuen, daß fie ein reines, jugend⸗ liches Andenfen von diefer Welt nody mitnahm.

Der Srieden ihrer Seele Eomm auf Wilhelm. Kür die Mutter ift es eine ernfte Warnung. Ein foldjes Kind läßt ſich nicht fo leicht wie ein Liebhaber erhalten. Sie ift nun ganz frei, ganz ifoliert. Ich zmweifle, daß fie es fo nimmt, wie es zu nehmen wäre. Die Eitelkeit ift ein unfterbliches: Kind....

Gteffens an Schelling [195] Dresden, 8. Auguft 1800

... Ich bin in die Naturphilofophie ganz verfunfen. Ein inneres Leben ift mir aufgegangen, über deffen Fülle id er: ftaune. Tag für Tag wird alles mir heller, die Hauptfäße epidenter, die Anwendung leichter. Ich fühle es, daß ich felbft mir einen Punft firiert habe. Was ich als Kremdes annahm, ift gang mein geworden. Mit dem Erdmagnetismus befchäf- tige ich mid) unabläffig. Es ift ein großes ich möchte fagen ein foloffalifches Werk, wenn es fo aufgeführt werden foll, daß es Beftand hat. Was ift der Ehrgeiz der Gelehrten wenn nicht der Zweck, feine ndividualität in dem immer ſich fort= wälzenden Strom zu erhalten und zu fihern? Wirken können wie freilich alle. Was wir taten, verliert ſich aber feine individualität als die ewige Quelle beftimmter Wirkfamfeit auf immer feftzuftellen, beißt vergöttert werden, und die Ewigkeit, die ich nicht Fenne und nidyt glaube da das ungeheure Tier, das mich gebar mid) auch verfdjlingen wird, gebe ich für jene auf, die ich erringen kann.

Nichts hat mich fo begeiftert wie Ihre Transfzendental:Philo« fophie. Ich habe fie vier- bis fünfmal durchgelefen und wieder gelefen. Es ift das IImfaffendfte, was ich kenne das wahrfte Syſtem ein erhabenes Kunſtwerk immer flieht fi), was fih ſuchen fol ich geriet in die fürdzterlichfte Spannung,

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verlor mid, um die Welt zu behalten und wieder die Welt um mich zu behalten, vergrub mid) immer tiefer und tiefer in die Hölle der Philofophie hinein, um von dort aus den Himmel zu fehauen, meil ich ihn nicht, wie der dichtende Gott,‘ unmittelbar in meinem Bufen habe. Hier fahe ich nad; und nad) die Sterne hervortreten bis plößlich die göttlide Sonne des Genies aufftieg und alles erhellte. Gelten wurde ich in der legten Zeit gerührt. Hier aber ergriff mid, eine wunderbare Rührung Tränen der beiligften Begeifterung flürzten aus meinen Augen und id verfant in der unendlichen Fülle der göttlichen Erfcheinung. Nicht eine Stelle in dem Bud, mar mir dunkel. Es ift das wichtigfte Geſchenk, der transfgendentale Ydealismus. Und bier lege ih ich darf mitſprechen den Kranz vor Ihre Süße, den ein Fünftiges Zeitalter Ihnen ficher reichen wird. Meine Fameraliftifh-öfonomifche Unbefonnenheit bat meine Sinangen erfchöpft. Ich muß meine Reife nad; Frankreich auf- ſchieben und mid) diefen Winter nad; Göttingen retirieren, weil da eine große Bibliothek ift und id} das finde, mas ich zum Erdmagnetismus bedarf. Erft im Dftober gehe ich hin. Bis dahin Fönnen mid) Briefe hier finden. Bon den Gebirge:

reifen, die ich mache, Eomme idy immer twieder hier zurüd....

Dorothea an Ödleiermader [196] Jena, 22. Auguft 1800

Die Öfonomifa till ich diefesmal zulest laffen, damit fie mir niche die Phantafie verderben. Zu allererft will ich Ihnen meine innige Sreude bezeigen, daß es mit Ihrem Herkommen fo gut als ausgemacht ift.... Ritter, deffen Befanntfchaft id} feit Eurzem genauer gemadjt habe, hat mit uns draußen gelebt. Es ift ein herrlicher Menſch, eine von den feltenen Erfcheinungen auf diefer Erde. Geien Gie fo gut und gebrauchen Sie Ihre bekannte unausbleiblihe Dppofition nur fogleich, ehe Gie ihn fehen; denn

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uns glückwünſchen und ung freuen, daß fie ein reines, jugends liches Andenken von diefer Welt noch mitnahm.

Der Srieden ihrer Seele komm auf Wilhelm. Kür die Mutter ift es eine ernfte Warnung. Ein foldjes Kind läßt fich nicht fo leicht wie ein Liebhaber erhalten. Gie ift nun ganz frei, ganz ifoltert. ch zmweifle, daß fie es fo nimmt, wie es zu nehmen wäre. Die Eitelkeit ift ein unſterbliches Kind....

Gteffens an Schelling [195] Dresden, 8. Auguft 1800

... Ich bin in die Naturphilofophie ganz verfunfen. Ein inneres Leben ift mir aufgegangen, über deffen Fülle ich er: ftaune.e Tag für Tag wird alles mir heller, die Hauptſätze epidenter, die Anwendung leichter. Ich fühle es, daß ich felbft mir einen Punft firiert habe. Was id; als Sremdes annahm, ift gang mein geworden. Mit dem Erdmagnetismus befchäf- tige ih mich unabläffig. Es ift ein großes ich möchte fagen ein Foloffalifches Werk, wenn es fo aufgeführt werden foll, daß es Beftand hat. Was ift der Ehrgeiz der Gelehrten wenn nicht der Zweck, feine ndividualität in dem immer ſich fort wälzenden Gtrom zu erhalten und zu fihern? Wirken fönnen wir freilid alle. Was mir taten, verliert ſich aber feine individualität als die ewige Quelle beftimmter Wirkffamfeit auf immer feftzuftellen, beißt vergöttert werden, und die Ewigkeit, die ich nicht kenne und nicht glaube da das ungeheure Tier, das mich gebar mid) auch verfchlingen wird, gebe ich für jene auf, die ich erringen Fann.

Nichts hat midy fo begeiftert wie Ihre Transfzendental-Philo- fophie. Ich habe fie vier- bis fünfmal durdjgelefen und wieder gelefen. Es ift das lImfaffenöfte, mas ich kenne das wahrfte Syſtem ein erhabenes Kunſtwerk immer flieht fi), was fih ſuchen fol ich geriet in die fürchterlichfte Spannung, 326

verlor mich, um die Welt zu behalten und wieder die Welt um nrich zu behalten, vergrub mich immer tiefer und tiefer in die Hölle der Philofophie hinein, um von dort aus den Himmel zu fehauen, weil ich ihn nicht, wie der dichtende Gott,“ unmittelbar in meinem Bufen habe. Hier fahe ich nad; und nad) die Gterne bhervortreten bis plößlich die göttliche Gonne des Genies aufftieg und alles erhellte. Gelten wurde ich in der legten Zeit gerührt. Hier aber ergriff mich eine wunderbare Rührung Tränen der Bheiligften Begeifterung flürzten aus meinen Augen und ich verfan® in der unendlichen Fülle der göttlichen Erſcheinung. Nicht eine Stelle in dem Bud, war mir dunkel. Es ift das wichtigfte Gefchent, der transfzendentale “Ydealismus. Und bier lege id ich darf mitfpredhen den Kranz vor Ihre Süße, den ein Fünftiges Zeitalter Yhnen ficher reichen wird. Meine Pameraliftifch-ökonomifdye Unbefonnenheit hat meine Finanzen erfchöpft. Ich muß meine Reife nad; Frankreich auf: ſchieben und mich diefen Winter nad) Göttingen retirieren, teil da eine große Bibliothek ift und ich das finde, was id; zum Erdmagnetismus bedarf. Erft im Dftober gehe ich hin. Bis dahin Eönnen mich Briefe hier finden. Bon den Gebirgs- reifen, die ich madje, komme ich immer wieder hier zurüd....

Dorothea an Schleiermacher [196] Jena, 22. Auguft 1800

Die Okonomika will id; diefesmal zulegt laffen, damit fie mir nicht die Phantafie verderben. Zu allererft will ich Ihnen meine innige Sreude bezeigen, daß es mit Ihrem Herfommen fo gut als ausgemadit ift.... Ritter, deffen Bekanntſchaft ich feit kurzem genauer gemacht habe, hat mit uns draußen gelebt. Es ift ein herrlicher Menſch, eine von den feltenen Erfcheinungen auf diefer Erde. Seien Gie fo gut und gebrauchen Sie Yhre befannte unausbleiblihe Dppofition nur fogleidy, ehe Gie ihn fehen; denn

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alsdann dürfen Sie wahrhaftig Feine Zeit damit verderben. Gie müffen ihn ja doch am Ende liebgewinnen Er ift einer Yhrer größten Liebhaber und Lefer; die ‚Monologen‘ waren von großer Wirfung auf fein Gemüt, und mit den ‚Reden‘ geht eine neue Zeitrechnung bei ihm an. Die ‚Briefe‘ (ohne daß er den Ber- faffer kennt) liebt er fehr; Eurz, er ift durdjdrungen von Ihnen und liebt Gie wahrhaft. Ich habe es ihm gefagt, daß Gie Fommen, und er läßt Ihnen durch mich feine Freude bezeigen, Gie per: ſonlich Fennen zu lernen. D, wie will idy mid) ausgelaffen freuen, wenn ich in meinem Zimmer die ganze Kirche verfammelt fehen werde. Hardenberg rechne ich mit, der fol auch kommen; id) habe jeßt mehr Bertrauen zu ihm als anfangs, wo ich mit Ca⸗— rolinens Hülfe alles ſchief anſah und die Schuld war, daß mid) wieder alles ſchief anfah. Gie, Sriedrich, Ritter und Hardenberg! Wenn ic; mich nicht gewöhnen werde, jede Mahlzeit als ein Liebesmahl zu betradyten, fo werde ich nimmermehr den Mut haben, mit Euch an einem Tiſch und aus einer Schüffel zu effen. Paulus ift wieder hier; ich habe ihn von Ihnen unbekannter: weiſe gegrüßt, und der danft und freut fidy auf Ihre Bekannt⸗ ſchaft. Es ift ein fehr würdiger Mann; um auch liebenswürdig zu fein, fehle ihm nichts als mwenigftens eine Art von Sinn für andere Poefie als die orientalifcdye; er ift verftändig, gelaffen, freundlic; und fo fill tätig, dag man fich recht glüdlich fühle, ihn zum weltlichen Freunde zu haben. Geine rau habe id) fehr lieb. Sie ift die erfte Krau, in deren Umgang ich mid wieder der erften jugendlichen Freundſchaft mit Jetten erinnern darf. Es ift diefelbe Art von gänzlichem Zutrauen zwiſchen ung; auch ift zwiſchen uns, wie damals, mehr Ergänzen als ÄAhnlich⸗ feit....

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Caroline an Schelling [197] Braunſchweig, Dftober 1800 Gieh nur Goethen viel und ſchließe ihın die Schäße Deines Yn: nern auf. Foͤrdre die herrlichen Erze ans Licht, die fo fpröde find zu Tage zu kommen. Mein Herz, mein Leben, idy liebe Dich mit meinem ganzen Weſen. Zweifle nur daran nidyt! Welch ein Blitz von Glück, wie mir Schlegel geftern Abend Deinen Brief gab... Rofe ift allerliebft —. Gie hängt ſich ganz an mid), und ich bin recht gut mit ihr. Wir wollen weiter fehen. Gott fegne Did, fei recht ruhig, Du darfft es feyn.

Caroline an Schelling [198] Braunſchweig, Oktober 1800 Ich habe den Himmel recht gebeten, mich zu erleuchten und mir gute Gedanken zu verleihn, ehe dieſe Poſt abginge, und er hat mich auch erhört. Wenn ich Dir wollte oder vielmehr vermöchte alles hinzufchreiben, was in mir vorgegangen ift, eg würde fo tief und fo wehevoll werden wie Deine Blätter, aber idy muß mid) ſchonen und gebe Dir nur den Frieden von Gott, in dem ſich mein Herz aufgelöfet bat, voll fefter Hoffnung, daß ich ihn Dir auch mit: teilen werde. Ich habe Dich innig lieb —. Wenn id) Dir aud) Fönnte lange Borftelungen erwidern über Deine Borftellung und eine Menge begeifterte Bernunft gegen Deine irrigen Anfichten fegen, es wäre eine bloße Redeübung genug, daß ich meinem Steunde verfprecdhe, daß ich leben will, ja daß ich ihm drohe, ich twerde leben, wenn er fo zur unmwahren Stunde den Tod fudt. Du liebft mid), und follte die Heftigfeit des ſich in Dir bewegen⸗ den Wehes Dich auch einmal mit Haß täuſchen und mid) damit zerreißen, Du liebft mid) doch, denn ich bin es wert, und Ddiefes ganze Univerfum ift ein Zand, oder wir haben uns innerlich für ewig erfannt.

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Ich mwiederhol es noch einmal, warum kann id; dem Goethe nicht fagen, er fol Dich mit feinem hellen Auge unterflügen. Er waäre der einzige, der das nötige Gewicht über Did) hätte. Gib Did) mwenigftens feiner Zuneigung und feinen Hoffnungen auf Did) ganz bin, und denke, dag Du doch liebe Kreunde haft fo gut wie das Jahrhundert fie vermag. Schreib mir, was Du eigentlich jeßt arbeiteft, am journal, das errat ich mohl, weiß aber nicht, welches Thema. Kriedrich feine Querfpiele haben mid) fehr amüfiert. Ich habe hier beiläufig von Wilhelm vernommen, er fehe feine Borlefungen aus einem fehr fublimen Gtandpunft an, nämlich er könne ſich der Ironie nicht dabei enthalten, die Studenten wären gar zu dumm. Die Ironie ift doch zu allen Dingen nüße. Euer Konverfatorium mird übrigens zu allerlei Parteiwut, Streichen, Nüden und Tüden Anlaß geben, deswegen hat es mir gleich nicht befonders gefallen. Gib Du dem Widel- mann immer nur ein humanes gutes Wort, damit er Deine Divi- nität wieder befennt. Man muß nichts vernadläffigen im Gpiel. Pauluffens find ein jüdifch und judaffifches Bolf, aber ihnen ganz aus dem Wege gehn follteft Du doch nicht. Über die Veit denke Wilhelm nun nad) und nad) faft wie wir ich habe ihm auch gefagt, daß fie fo tiber das Innre unfers Haufes geſchwatzt und gelogen hat, was er als einen fehr ſchlechten Dienft gegen ſich felber anierfannte.

Haft Du das neufte Stüd der Propyläen ſchon gefehen?

Sei nur nie beforgt was Deine Briefe betrifft; id} befomme fie aus der Hand des Briefträgers immer zu eignen Handen, beantivorte fie aber nur manchmal fo überzwerdy, wie Friedrichs Philofopheme find. Ich muß doch auch probieren, ob ich nicht aus Gamer; > sonne Leben und Frieden herausbringen Fann. Woher mir die Urfäge Fommen, darum wirft Du mich mohl nicht fo ſcharf befragen. Es ift doch arg, wenn man etwas ge- wiß hat, und foll nun auch nody Rechenfchaft geben, moher man es nimmt. Ä

Goethe tritt Dir nun auch das Gedicht ab, er überliefert Dir

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feine Natur. Da er Diy nicht zum Erben einfegen kann, macht er Dir eine Schenkung unter Lebenden. Er liebt Dich vaͤterlich, ich liebe Dich mütterlich was haft Du für wunderbare Eltern! Kränfe uns nit. Und haft Du mohl bei Deinen legten Bor: fäßen an Deinen guten Bater und die gute Mutter gedacht, die einfältiger aber ebenfo kraftvoll und liebreih Dir das erfte Leben gaben? D meld ein fehmwarzer Nebel hatte das Haupt meines Freundes umzogen.

Ich wollte Dir felbft ſchon vorfchlagen, ob ich Dir etwas für Dein geplagtes Schweſterchen ſchicken follte. Nur daß id) gar nicht ausgehe, hat mich verhindert es ſchon zu tun. Ich möchte wohl miffen, ob Du ihr lieber etwas zum Anzug oder zum An- denken gäbeft und ob fie Ohrringe trägt.

Es ift vielleicht ein feltfamer Kontraft, daß ich Dir fo heiter fehreibe nad) einem foldyen Brief. Aber idy habe viel gelebt in diefen wenigen Tagen, und das ift mein innerftes Weſen, daß ein Lächeln grenzen kann an die unfäglichfte Not. Du haft mich wieder geweckt, und gewiß, wir quälen uns nun wohl recht mit hin und her fdhreiben, und taufend Widerfprüdje fallen vor, aber am Ende werden mir doch uns etwas bilden, das alle löfet. Berlaß mid) nicht, ich liebe Dich, ich wollte, ich könnte Dir fagen wie fehr...

Caroline an Schelling [199] Braunſchweig, Dftober 1800

Am letzten Pofttag konnt idy nicht fchreiben, lieber Freund, weil idy mir nicht merfen laffen wollte, daß ich an einem ganz ungemeinen Schnupfen daniederlag ordentlich im Bette. Ich hoffe, Du wirft, weil es ein fthenifches Übel war, weiter über dies Be- fenntnis nidye jammern; idy bin ſchon ziemlich miederhergeftellt, jo daß ich geftern Abend imftande war, in das Schauſpiel zu fahren mit ausgehn gebe ich mich überhaupt nicht ab um

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den Oedipe & Colone zu fehn, eine Oper mit Rezitativen, jedoch nicht tout & fait tragique, denn der Ödip geht zulegt noch mit zur Hochzeit feines Cohnes und der charmante princesse Eriphile, die wirflid) ein charmantes Mädchen und im 8. Monat guter Hoffnung ift. Ich wollte doch gar zu gern eine Anſchauung von dem franzöfifchen ernfthaften Spiel haben, die denn auch tüchtig war und mic eine Stunde nachher noch in den Ohren weh tat. Odip und Antigone wurden von nicht ſchlechten Schaufpielern gemacht, ift aber überflüffig zu fagen, wie fie die Griechheit zerfegten und vermutlich auch noch weit unter der pittoresfen Leidenfchaftsdar- ftelung eines Talma blieben. Und doch das Wenige, was aus dem Alten übrig geblieben war, nur bloß die Erſcheinung des Blinden von der Tochter geführt, es bewegte gleich die ganze Geele, und ich dachte an alles Liebfte und Gchmerzlichfte und das eigne unter Fluch und Gegen der Götter ruhende Geſchick.

... Allerbefter Freund, geftern Fam aber auch Dein Brief, und das war eine große Sreude für mid. Es geht ja herrlid), ich wußte es vorher und mollte nur nicht viel davon reden. Du bift nicht großfprechend, fürdjte nichts, ich weiß gewiß, daß alles fo gemefen ift, id} habe Dich gefehn, wie Dich Dein Bruder fah, verflärt durch Kraft und Gelingen. Ja Du bift wieder in die Schlacht gekommen, teurer Achilles, und nun fliehen die Troer. Die Unſterblichen haben Did; wieder geehrt und werden Dir das lange Leben obendrein geben. Das ift die wahre Rache, und id) triumpbhiere ohne alle Schonung. Nichts von Bedauern, fie wäre gar nicht im großen Sinn der Humanität felber. Denn manche gedeihen in der Unterdrückung, dahin gehört Friedrich es würde nur feine befte Eigentümlichkeit zerftören, wenn er einmal die volle Glorie des Giegers genöffe. Dir geziemt fie, Du weißt Di; in diefem Elemente zu bewegen follte mein Sreund end- lich aber Gbermütig werden wollen, fo wird er ſich erinnern, daß er den befcheidnen Sinn feiner $reundin damit von ſich ſcheuchte,

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und weiter hat fie ihm bei diefer Gelegenheit, die für fie höchſt ergöglich ift, Fein memento vorzuhalten. Was nun die Geite betrifft, daß es ihren Mut ftärfen foll, bald jenen Schauplaß zu betreten, fo ift fie munderlic und fühle fidy vielleicht noch weit untiderftehlicher hingezogen, wenn fie dem Geliebten eine öde Laufbahn zu erhellen hätte, als eine ... (Schluß fehlt)

Dorothea an Auguft Wilhelm Gdlegel [200]

Jena, 28. DEtober 1800 Ich habe von Kriedrid; den Auftrag befommen, Yhnen auf alles zu antworten. Gie Fönnen denken, wie der tiefe Sreund fi) immer mehr in die Tiefe verfenft bei feinem tieffinnigen Ge: fhäft und wie es ihm Zeit und Gedanken hinnimmt. Die Pub- Iifa waren beträdjtlidy voll, nach der geringen Anzahl der Stu denten. Geftern haben feine Borlefungen angefangen, foeben ift er zur zweiten gegangen; wir haben beidemal zwifchen 60 und 80 gezählt. Geſetzt, es fallen auch noch gehne zurüd und einige Sreibeuter, fo befümmt er es dennody gut genug bezahlt; es mel: den fich doch auch jeden Tag einige Herren mit Laubtälerchen. Es märe vielleicht zu wünſchen, er arbeitete feine DBorlefungen gleich ordentlidy aus, fo Fönnte er fie alsdann ohne Zeitkoſten druden laffen. Das Fann er aber nicht; er improvifiert fie durd)- aus und nimmt nichts mit aufs Katheder als ein Quartblättchen mit + = < und folcherlei Krafelfüße, mie Sie ſchon aus feinen Heften Eennen. Der Beifall ift übrigens geteilt:“viele Elagen, fie verftänden ihn nicht; diefe aber find grade die meitläufigften Be— urteiler, wie natürlih. Kommen Gie nur recht bald, damit Gie ihn hören, er mwünfcht es herzlid. Was befremdend ift, feine perfönliche Erfcheinung, Stimme, Sprache und Anftand wird ge- rühmt. Man denke!... ... Der ‚Slorentin‘ wird wirklich gedrudt zu meiner großen Angft. Wollte doch Gott, wir Fönnten dasfelbe von der ‚Zucinde‘

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fagen. Dod hat der Freund das Dichten nicht verlernt trotz feinem jegigen Philofophieren. Den Kreitag war mein Geburts- tag, da hat er mir drei Gedichte gemadjt: zwei Gonette, die vor den ‚Slorentin‘ gedrudt werden, und noch ein Gedicht, das ich bier beilegen werde, wenn mir Zeit zum Abfchreiben bleibt. Es ift nämlidy auf einen welken Veilchenkranz, den Augufte einft für ihn gewunden, und den er mir überreichte. Es ift göttlih! Und ift es nicht wieder der ganze Friedrich, der mir unter einer großen Menge der herrlichften Blumen, Früchten, ſchönen Slammen und Muſik diefes rührende Andenken gibt ein Zotenopfer im vollften blühendften Leben! Ya, fo ward mein Geburtstag be- gangen. Wären Gie doch zugegen geweſen, unfer Entzüden und der innige golöne Srieden hätte Gie gewiß herzlid; mit den Samilienfeften ausgeföhnt. Wenn Sie wieder bei uns find, will ich es ihnen umftändlich erzählen. Gie follen ſich ſchon freuen.

Soeben fehe ich in Ihrem Brief, daß Sie darauf redjneten, Ihr Brief würde den Montag anfommen. Er ift aber erft heute früh gefommen und heute geht ja Feine reitende Poſt. Wir fönnen uns alfo zum antworten noch alle Fünftige Tage Zeit nehmen. Gie befommen das Pafet ja doch mohl nody zur rechten Zeit.

Die Schlüſſel zum Haufe haben wir hier; die Kaber gibt adht. Ich habe mir Ihr Klavier mit her genommen. Wäre es Ihnen etwa ungelegen, es mir noch auf einige Zeit zu laffen? Geien Gie fo gut, mir Antwort darauf zu fehreiben, wenn es noch geht.

Wie aber der Sriedrich ins Philofophieren hineingeraten ift, da⸗ rüber muß ich Ihnen mas Poffierliches erzählen. Geftern Abend fhlief er auf dem Sofa ein und wie es ſpät ward und id) ihn weckte, fagte er nody halb träumend: ‚ja, ja, id) merde mid) gleich ana⸗ Infieren‘ und wiederholte dies, da ich entfeglidy lachte, wohl noch einigernal gang ernfthaft. Kommen Gie bald und wohnen Gie bei uns, es ift recht arfig und freundlidy hier. Adieu, lieber Freund.

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Dorothea an Schleiermader [201] Jena, 31. Oktober 1800 Mit Elopfendem Herzen und errötenden Angeſichts, als müßte ich fie Ihnen felbft in die Hände geben, ſchicke ich Ihnen die Aushängebogen; die übrigen follen folgen, fowie idy fie erhalte. Gie behalten fie geheim, lieber Sreund, mwenigftens fürs erfte; an die Herz, und wenn Gie es gut finden, Ihrer Sreundin, mögen Gie das Geheimnis anvertrauen. Wenn ich meiner eigenen Über- zeugung trauen dürfte, fo würde ich Sie erfuchen, mir lieber nicht Ihr Urteil darüber zu fehreiben; denn nun hilfts nichts, es muß fertig gemadjt werden und an Mut darf es mir nidjt fehlen; aber Friedrich behauptet nody immer, es wäre recht amüfant, troßdem daß es mir je länger je mehr Eindifh vorfömmt. Die beiden Sonette find von Friedrich, fie werden vorgedrudt. Er hat fie mir heute vor acht Tagen an meinem Geburtstage ge- madjt. Das zweite ift fogar mit allen Slammen, Farben und Blumen Wort für Wort aufgeführt worden. Nämlich des Morgens gab er mir die Gonette; auf den Abend waren wir bei Paulus, da ward ich denn in ein Zimmer geführt, wo mir zuerft grüne, rote und weiße Slammen entgegenbrannten, die Ritter chemiſch veranftaltet hatte. Diefe Karben haben mehr als einen Ginn; für uns bedeuten fie Glaube, Liebe und Hoffnung; in der erften Perfon wird Ritter gemeint als die weiße Flamme, die zweite, rote ift Sriedrih, und ich habe der Hoffnung Grün. Bei diefem Feuer bradyten mir Philipp und die Eleine Paulus, beide phantaſtiſch aufgepußt, ein Gehänge von Drangeblüten und einen Kranz von Myrthe und Lorbeer, mit den Kindern nahte fi) die Paulus und befränzte mid) damit, neben ihr fand Sried- ri) und brachte mir reife Pomeranzen und Rofen in einer Schale und (hier erfennen Gie den ganzen Friedrich) mitten in diefem Zumult von Leben, euer, Blüten und Srüdjten, während Ritter auf dem Klavier die Arie von ‚Erwin und Elmire‘ fpielte :

Mit vollen Atemzügen Gaug id), Nafur, aus dir,

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und die Paulus es fang, bradjte er mir einen verwelkten Beildyen- franz, den ihm Auguſte einmal gefchidt hatte, mit einem hödhft rührenden Gedicht dazu. Ich war, als alle diefe Dinge wie be- fannte Erſcheinungen fo nad) und nad) heraustraten, wie in einem Zraum, in dem man träumt, daß man träumt. Erſt wie das ganze beifammen war, befann id mid), daß es das Sonett fei.

Friedrich fchreibt Ihnen noch nicht; er ift auf feine bekannte Weiſe mit einem Gegenflande immer fo einzig befchäftigt, daß es ihm nicht möglid, ift, etwas anderes vorzunehmen. Jetzt ift er nun wieder ganz bei den Dorlefungen. Wird er aber ſchwer über den Dingen, oder die Dinge ſchwer über ihm es ift nicht zu entfcheiden, aber gewiß ift, daß das Leben ihm fauer wird. Gott helfe ihm und gebe ihm Ruhe! Wie die Borlefungen ausfallen werden, das hängt nur vom Beifall ab, und diefer hängt ja wieder von den Vorlefungen ab. Aber hier ift es, wo die Ruhe ihn verläßt. Wie viele bezahlende Zuhörer er haben wird, ift noch nicht ausgemacht, und zu mandjen Ausgaben haben ihn feine fanguinifhen Hoffnungen verleitet, denen man nur fruchtlos miderfpridht; ja fogar die ſchädlichſten Kolgen hat es auf feine Stimmung und feine Arbeiten, wenn man es magt, diefen zu widerſprechen. Wilhelm ift noch nicht hier, kommt aber recht bald. Cotta hat gefchrieben und feheint zurückzuziehen ; Wilhelm ift ganz beruhigt darüber, daß die Annalen den Weg vieler Projekte gehen; Friedrich wünſcht nichts mehr als das; Ritter ift über und überfroh darüber, und Gie, mein Freund, welche Haft haben Sie denn mit diefen Annalen? Haben Gie nichts befjeres zu tun? Denken Gie dody an Ihren Roman, an den Plato; laffen Gie Friedrich an den Plato, an die griechiſche Poefie und an die Lucinde‘ denken, Wilhelm an Shafefpeare und an ‚Triftan‘ feht, das find andere Dinge! Mir war redit bange zu Mute bei diefen Fritifchen Anftalten. Laßt ja die Kritik zu Haufe; es ift ein ſchlechtes Handwerk und ift in ſchlechten Händen; und Ihr follt Euch nicht die Singer

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damit befymugen, denn Ihr lernt nichts zu von Eurem Kriti- fieren und die andern danken fchon. ...

Dorothea an Schleiermacher [202] Jena, 17. Iovember 1800 .. . Über Ritter fol id) Ihnen ſchreiben? Ich Eann ihn Ihnen mit nichts vergleichen als mit einer eleftrifchen Feuermaſchine, an der man nur die ftille Künftlicykeit bewundert und eben nichts glei wahrnimmt als das Elare Waſſer. Wer fie aber verfteht, bringt auf den leifeften Drud eine ſchöne Flamme hervor. Übrigens ift er auch, wie der erfte Brief in der ‚Lucinde‘, Schelmerei und Andacht und Effen und Gebet, alles durdhein- ander... .

Garoline an Öovethe [203] Braunfchweig, 26. November 1800

Wenn Ihre eigene Hoffnungen von Gdelling und alles was er ſchon geleiftet hat, wenn er felbft Ihnen fo lieb und wert ift, wie id) es glaube, fo werden diefe Zeilen ihre Entſchuldigung finden, ungeachtet ihrer Seltſamkeit, die Gie bitten follen, ihm zu helfen. Ich weiß in der Welt niemand außer Yhnen, der das jegt vermödhte. Er ift durdy eine Verfettung von gramvollen Ereigniffen in eine Öemütslage geraten, die ihn zu Grunde richten müßte, wenn er ſich ihr auch nicht mit dem Dorfaß hingäbe, fid) zu Grunde richten zu wollen. Es kann Ihnen faft nicht unbe: merft geblieben fein, wie fehr fein Körper und feine Geele leidet, und er ift eben jeßt in einer fo traurigen und verderblichen Stim⸗ mung, daß ſich ihm bald ein Leitftern zeigen muß. Ich bin felbft müde und frank und nicht imftande, ihm die Fräftige Anſicht des Lebens binzuftellen, zu der er berufen ift. Gie fünnen es, Gie

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ſtehn ihm fo nah von feiten feiner höchſten und liebften Be- firebungen, und der perfönlicjen Zuneigung und Verehrung, von denen er für Gie durdjdrungen ift. Gie haben das Gewicht über ihn, was die Natur felber haben würde, wenn fie ihm durd) eine Stimme vom Himmel zureden Fönnte. Reichen Gie ihm in ihrem Namen die Hand. Es bedarf weniges weiter als Gie wirklich ſchon tun, Ihre Teilnehmung, Ihre Mitteilung ift mehr⸗ mals ein Öonnenftrahl für ihn geweſen, der durdy den Nebel hindurch brach, in dem er gefangen liegt, und manches, was er mir gefchrieben, hat mir den Gedanken und den Mut gegeben, Gie beftimmter für ihn aufzufordern. Laffen Sie ihn nur mwiffen, dag Gie die Laft auf feinem Herzen und eine Zerrüttung in ihm wahrnehmen, die ihm nicht ziemt und wenn das Gefchid auch noch fo ausgefucht graufam ift. Laffen Sie ihn einen hellen, feften Blick auf fi) tun. Gie werden durdy jeden Wink auf ihn wirken, denn mag er noch fo verfchloffen und ftarr erfcheinen, glauben Sie nur, fein ganzes Weſen öffnet ſich innerlid; vor Ihnen, wenn Gie fi zu ihm wenden, und wenn er nidjt die heftige Erfchütterung ſcheute Ihnen gegenüber, fo hätte er viel- leicht felbft getan, was ich fanfter, obwohl fehr befümmert, an feiner Statt tue: fein Heil Ihrer Borforge übergeben. Es ift das befte, was die Sreundin für ihn zu tun vermochte, die ihn nicht auf die Art tröften kann, mie fie ſich felbft tröften darf. Ich habe es gewagt im Vertrauen auf Ihre Güte und den ernften Ginn meines Anliegens. Meine Augen find trübe, ich fehe nur noch, daß er leben muß und alles Herrliche ausführen, was er fich gedadjt hat.

Wenn ich einen Wunſch befonders ausfpredhen darf, fo ift es der, daß Gie ihn um Weihnachten aus feiner Einfamfeit Ioden und in Ihre Nahe einladen.

Ohne weitere Antwort hoffe ich es beruhigend zu erfahren, daß Sie meine Bitte geachtet haben, und nur zum lÜberfluß er: ſuche ich Gie, ihrer auf Feine andre Weife zu erwähnen.

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Caroline an Ödelling [204] Braunfchweig, Dezember 1800 ... Ich erkenne Deine Schmerzen alle und habe fie mit Dir auszutaufcjen. Aber id habe noch welche zurüd, die immer nur mein bleiben müffen. Nie kannſt Du dody das Wehe der Mutter ganz in Did aufnehmen. Gei nicht betrübt, wenn Du Dir denfft, wie das Deine Sreundin zerreißen müffe, was fie in diefe Worte ausbredhen läßt ja, foeben zerreifen müffe. Diefes alles muß mir wieder zur Sreude werden, glaubft Du es nicht? Es Ilöft ſich meine Geele mehr und mehr in jenes Wehe auf, und doch bin ich getroft und ftarf. Dies erhalte Dir gegen- mwärtig, wenn ich aud) nicht verhindern Fann, an Deinem Bufen zu weinen. Es quillt ein neues Leben aus diefen Augenbliden, fie find felbft ein hohes Lebenszeichen, mein Gram ift nicht Tliederfchlagenheit, Eein Berzagen und Feine Verzweiflung, und dann fann ich erft volles Vertrauen zu meinem Freunde haben, wenn ich ihm nichts davon zu verbergen brauche. Berühren laß es mich menigftens, idy will Dich nicht dabei verweilen. Ich ver- weile felbft nicht. Wenn die Wolfen des eignen Jammers mir aud) das Saupt eine Weile umhüllen, es befreit ſich bald mieder, und wird vom reinen Blau des Himmels über mir befdjienen, der mein Kind einfchließt wie mid. Die Allgegentvart, das ift die Gottheit und meinft Du nicht, daß wir einmal allgegenmärtig werden müffen, alle einer in dem andern, ohne deswegen Eins zu fein? Denn Eins dürfen wir nicht werden, weißt Du mohl, dann würde das Streben ſich zu Eins zu machen ja aufhören.

Mein lieber Sreund, idy habe eben einige von den Gonetten für Did abgefchrieben, von denen ih Dir legthin fagte. Das mittelfte ift befonders von fehr großer poetifcher Schönheit. Du wirft Dich erinnern, daß der König von Thule ihr leßtes Lied mar. Die Wahrheit madjte ſich bei diefem Kinde oft ſchon von felbft zu einem lieblichen Gedicht.

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Ich hoffe nicht Did hart zu unterbrechen in Deinen jeßigen guten Tagen. Nein, das ift eben gut, wenn Deine Erinnrungen gleichfam durch einen Sonnenftrahl ziehn, in dem auch die dunkle Farbe helle erfcheint.

Am Sonnabend erft erhielt ich Deinen Brief vom Montag. Wetter und Wege find fo fehr fchlimm, dag man auf Feine be- flimmte Anfunft mehr rechnen kann. Gie halten auch Schlegel bier zurüd, der eigentlidy gewillt war, nädjften Sonnabend abzu- reifen.

Carl von Hardenberg an Lied [205] Dresden, 2. Januar 1801

... Ich bin froh, Gie, lieber Tied, noch kennen gelernt zu haben; ic komme mir mit jedem Schritt mehr ifoliert vor, und ic) freue mich unendlich, in Ihnen nicht allein einen foldyen Sreund meines guten Fritz, fondern auch fo taufend Ähnlichkeiten von ihm zu mwiffen. Ich lebe jegt in den traurigften Erwartungen, und nur die gewiſſe Überzeugung, daß unfer jegiges Leben nur eine flüchtige Reife ift und ein inniges Vertrauen auf Religion, die meine tröftende Sreundin bleibt, erhalten mid; in leifen Hoffnungen. Der Kunft und Poefie werde ich ewig treu fein; ich bin es Fritz und Ihnen ſchuldig, daß ich von diefer Stufe herab auf dag ge= mwöhnliche Leben blicke. Wären jegt nicht die trüben Zeiten, fo hätte ich Ihnen vielleicht ein paar Gedichte von mir gefchidt; vielleicht gefchieht es noch.

Wie fehr mid) Ihre Genoveva erquickt und begeiftert hat, fann idy Ihnen nur mündlidy fagen. Ich würde mich fehr freuen, wenn Gie vielleicht bald wieder an Fritz oder mid; ſchrieben; dem erftern, der durch feine Krankheit jegt in allem gehemmt ift, macht ein Brief von Ihnen unendliche Sreude. 3u Oſtern fehen wir uns dody wohl? Gott weiß, wie es dann ſteht. Ich verlange nicht in die Zufunft zu ſchauen, in filler

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Ergebenheit will ich tragen. Bleiben Gie nur der Sreund Ihres Sie aufrichtig liebenden Carl Hardenberg

@aroline an Schelling [206] Anfang Januar 1801 . .. Geftern haben wir dody etwas für die neue Zeit getan. Herr und Madam Schlegel haben ein Gouper gegeben von einer fehr feinen Gattung, feine Leute, feine Speiſen, feine Beine, feinen Geift. Zuerft ift der Triftan vorgelefen, dann Paläophron und Neoterpe und zum Nachtifc ein Hansſachſiſch Kaftnadıts- | fpiel, das Schlegel in aller Eile machte, wodurch es nidjt ſchlim⸗ mer geriet; es geht ins Zransfzendente, ift aber doch fehr lebendig und gefiel ungemein. Er wird Dirs gern mitteilen. Höre, ich will Dirs nicht verbergen, aud) der Pfarrer ift vorgelefen worden, und es entging niemand der großen Wirkung diefes inforrekten Gedichts. Anonym blieb es, wie es ſich verfteht; nur Luife ahndete, es möchte von Dir fein, und fagte es mir nachher. Schlegel, der es vorlas, wurde felbft wieder ganz davon ergriffen, und id} geriet in ein Zittern, an dem die Dorftellung, daß dies Dein Werf fei, wie gemöhnlidy feinen Eleinen Teil hatte. Ya, Du triffft meine Schwäche recht gut, indem Du mir die Ver: Fündigung Deiner Größe überfchidft, ich leſe erſchrecklich gern da⸗ von, und dies ſcheint mir aud) ganz geiftreich ausgedrüdt und mit Ginn abgefaßt zu fein. Weißt Du, wer es gefehrieben hat?...

Caroline an Schelling [207] Braunſchweig, Januar 1801

Ich hatte mich recht auf Deinen Brief gefreut, mein liebſter Freund, aber ich denke, es ift auch nicht umfonft geweſen, denn

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er hat mich in ein wahres Entzüden verfegt, fo dag, wenn Du es nicht übelnehmen millft, ich nad) der erften Stunde wie ein leichtes Kopfiveh davon befam, das aber bald wieder verflog und nur das Entzinken blieb. Du haft mir fo herrliche Gedanken mitgeteilt, fo ſchoͤne Biber, ja Töne felbft und dann fo allerliebfte Notizen, und was mehr als alles Einzelne ift, es leudjtet fo aus allem hervor, daß mein Freund wirflidy wieder zum Stehen kommt. Wohl hatte ich redjt in den verfloffnen Tagen in Dir zu leben und zu weben, und wenn Du fo fortfährft, fo wirft Du mich bald ganz gefund machen. Wenn mein Herz wanfen will, dann kann id mid) nun an das Deinige lehnen und Troft fuchen; das ift das rechte Verhältnis zwiſchen der ſterblichen Mutter und dem göttlichen Gohn. Ja Du erhebft mid; ſchon durch die Hoff: nungen, die Du mir gibft, durch Deine Anfichten, wie ich fie auch haben Fönnte, Deine Ideen, wie ich fie nur Dir nachhaben Fann, und daß mir uns in jener heitern Helle begegnen, welche allein das wahre Element meines Gemüts ift.

Ich leſe Deinen Brief unaufhörlid) wieder, weil mid) alles darin fo fehr ergögt, und diesmal hat Schlegel auch fein Teil hingenommen, denn Du Eannft denken, daß der Beifall, der dem Werkchen wird, was ihm fdyon unſäglich viel Spaß beim Ber: fertigen gemadjt hat, den Spaß daran aufs hödjfte treibt. Er ift Dir fehr verbunden, daß Du ihm zu der Wiffenfchaft feines Gelingens mit verholfen haft, und auch noch weiter fein Berfün- diger werden willſt. Es ift ein glüdlicher Ausdrud, dag Du feine Poefie ein kräftig gewordenes Organ nennft, man kann auch in der Tat gar nicht abfehn, wie viel Gewalt und Umfang es noch gewinnen mag, daß er ſich endlich ganz in diefes Eine verrmandelt. DBefonders freut er ſich jest einer Prophezeiung des Propheten Sriedrich, der ihm einmal fagte, fein Witz und feine Luftigfeit wären poetiſcher Natur, nicht im allgemeinen, fondern ganz befonders, und wenn er dazu gelangte, fie auf diefe Weiſe auszufprechen, fo würde er fehr viel damit machen Fönnen. . .

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Earoline an Ödelling [208] Braunſchweig, Januar 1801

Was für eine Nachricht haft Du uns gegeben, mein lieber Schelling, und melde mwird heute kommen. Ich Fann nichts ordentliches fchreiben und tun bis zu Ankunft Deiner Briefe, und ich geftehe Dir, ich bin innerlich krank vor Angft, ob die Hoff nung, die ewig wache, und das gute Zutraun ſchon noch nicht ganz ertötet find. Du haft aud) fo wenig geſagt. Wir haben nur duch einen Brief von Hufelands noch erfahren, daß Stark gerufen worden ift, und wenn Goethe nur nicht alle Befinnung verliert, fo wird der ja nach feinen Angaben und Anmweifungen das Beffre zu tun mwenigftens nicht eigenfinnig fein. Was hielt Did) ab, mehr zu fdhreiben, nur einige Worte mehr? Gtahl foll aud) fehr krank fein, wareft Du pvielleidyt bei dem geweſen? Kann man fo viel noch zu verlieren haben, nachdem man ſchon fo viel verloren hat?

Wenn es ift nein, wir wollen nicht darüber reden. Es ift das Schlimmſte, und Du mußt Did, doch um fo mehr erhalten. Was follte auf Erden werden?

Ich bin mit dem heftigften Herzklopfen nach einer fchlaflofen Nacht aufgeftanden und zähle die Biertelftunden, bis die Poft fommt. Du wirft mid) doch heute nicht verfäumen? Ks ift mir ſchon eingefallen, daß. Du vielleicht hinüber gingeft am Sonntag und mer weiß, ob Du miederfameft. Dody Du haft gewiß für mid) geforgt. Du meißt wohl, daß er mein Hort und Heil für Did) war und ich mich weit mehr auf ihn verließ als auf mid). Was vermochte die gedämpfte Stimme Deiner Sreundin?

Caroline an Ödelling [209] Braunfchweig, Winter 1800/1

Lieber Freund, idy Fomme weit her fon an diefem frühen Morgen und war dabei, wie fich die glühende Erde zuerft ver-

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härtet hat und DBlafen warf, aus denen die Berge wurden, welches alles mir fehr begreiflid, fcheint. Lieber Gott, wenn man fi) die Materie einmal vorausgibt, fo hat man ein leichtes Spiel und Tann ſich die Dinge nach Belieben geftalten laffen. Mir liegt aber ordentlidy die Materie ſchwer auf, in der ich mich bei diefer theorie de la terre und é poques de la nature herumarbeiten muß, welches doch fehr töridyt von mir ift, weil idy gewiß bin, daß meine Vorſtellungen fidy niemals folide werden über fie er: heben Fönnen, fie werden wieder herunterflattern, wie DBögel müffen, wo die Luft zu leicht für fie würde, und wenn felbft Adler unter ihnen wären. Gag mir nur, wie weit feid Ihr denn darüber hinaus? Du mußt indeffen dies nicht fo nehmen, als ob ich die Materie fo roh fonderte, indem id) es beim Büffon blog mit ihr zu tun habe. Ich erinnre mich fehr wohl des Geiftes im Mittelpunft und daß Licht Geift und Geift Licht ift. Diefes ift mir nicht begreiflich, aber glaublich, und durch den Glauben und die Imagination wirft Du mid, auch leicht bis zum Zweck von allem End und Ziel führen Eönnen, nur die Sproffen der Leiter, die Demonftrationen, die Kolgerungen, das ift nichts für mid).

Und meinft Du alfo, daß ich je zu einer andern als poetifchen Erfenntnis Deines Gedichtes gelangen werde?

Eine Menge Begriffe hab idy mir doch neuerdings eingefammelt, der Himmel gebe nur, dag mein Gedädtnis fie fefthäle. Mit einer Anhäufung von Tatfachen, welche hie und da einen Artikel im Büffon einer Kompilation von Mleiners ähnlich fehn machen, fann id) es nun vollends nicht befchtweren, und frage bloß, was er jedesmal bemweifen will, dann ſchenk ich ihm von den Beweiſen immer die Hälfte. Ich hab einen Verdacht, mein Freund, als wenn Du eben auch nicht gründlicher Läfeft.

Jetzt will ih Dir eine neue Tatſache erzählen, die Du piel- leicht von mir zuerft erfährft; in dem ſchrecklichen Sturm vom g9.— 10. November ift die ganze Inſel St. Thomas in Weft- indien untergegangen. So regt fidh noch das Fantom des jahr:

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hunderts in Taturbegebenheiten, Peft und Krieg, ehe es Abfchied nimmt. Diefer Sturm muß doch einen unterirdifchen Urfprung gehabt haben, eine Höhlung der Erde muß eingebrochen fein und ihm Ausgang gemacht haben. Giehft Du, wie ich zunehme an Weisheit? Wenn ich mittags mid; um nähere Erläuterungen von diefem und jenem befrage, fo ladjen die Herren über mid, geben mir doch aber fehr ernfthaften Beſcheid und Gchlegel er: mangelt nicht zu bemerfen, wenn ich mid) doch nur jemals einer Sache fo ernftlid gewidmet hätte, die feine Befchäftigungen an— ginge! Was wäre das denn auch mohl geivefen, außer dem was ich nicht zu lernen brauchte, der Poefie!.. . .

Dorothea an Schleiermacher [210] Sfena, 17. Sjanuar 1801

... Verwirrung in der Gefundheit? Die haben wir auch. Im Beutel? Die haben wir auch. In den bürgerlidyen Berhält- niffen? Auch daran kann es uns nicht fehlen, und doch find wir vergnügter als Gie, unfer Freund, es ſcheinen zu fein; und doch ift es wieder eben diefer Kreund, der mich fo vorzüglich Tehrte, aller dergleichen Berwirrungen ungeachtet und fie vernichtend ver: gnügt zu fein. Alfo werde idy glauben müffen, daß dod) noch eine andre größere, tiefere Berwirrung an Ihrer Verdrießlichkeit ſchuld ift als die gezählten. Was ift Ihnen, lieber Schleyer? D wären Gie hier, fönnten Gie mit uns leben! wie ganz anders, wieviel leichter werden einem die Fatalitäten hier zu erfragen als in Berlin! Aber ich verzeihe Yhnen nicht, daß Gie fo gar nichts fehreiben von dem, mas Sie beunruhigt. Erinnern Gie fi, wie Sie mid) um Facta quälten. Wilhelm ift immer noch nicht hier. Er ift ein mwunderlicher Menſch, ich werde ihn nie verftehen; ich bin es überzeugt und habe den ftärfften Glauben, daß er fehr etwas edeles im innerften Herzen trägt, aber man wird oft fehr irre an ihm. Meines Bedünfens ift er

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der objeftiofte Dichter; denn ihn felbft aus feinen Gedichten fennen zu lernen, wird man nie fonft verſuchen, diefes müßte denn felbft die Gubjeftivität darin fein. igentlidy bin ich ein bißchen böfe mit ihm daher alle diefe Ausfälle.

Caroline an Luiſe Gotter (211) Braunfdyweig, 23. Januar 1801 ... Eine andre Nachricht, die Cecile traurig machen wird, ift die von Hardenbergs gefährlichem Gefundheitszuftande. Er ift in Dresden, feine Braut aud), aber wie man uns ſchreibt nur noch ein Schatten von ſich felber, völlig erfchöpft, nicht imftande an der Unterredung teilzunehmen und oft einſchlafend in der Gefellfchaft, mo er dann mie ein Toter unter den Lebenden da- läge. Dies befümmert Gchlegeln befonders fehr tief und ift eine neue Wunde neben der unheilbaren. Ich kann ihn nuc beneiden, wenn er ihr nachfolgt, um derentwillen er lange ſchon zwiſchen Tod und Leben geſchwebt hat. Er mollte ſich endlidy für das Leben entfcheiden und durch die Liebe eines fehr liebevollen Wefens, wie feine jegige Braut ift, wieder daran knüpfen, aber es ſcheint nicht zu gelingen, und er wird vielleicht der Braut entriffen, wie die Braut ihm. Auch um Goethens Leben haben wir einige Tage in der herzlichften Angft zugebracht. Er war fehr Frank. Gott- lob, er ift gerettet....

Schleiermacher an Sriedrid Schlegel [212] Berlin, 24. Sjanuar 1801

Es geht mir fehr ſchlecht, lieber Sreund, und das bloß, weil ich feit einer unerhört langen Zeit gar nichts von Dir meiß. Es ift mir nicht gegeben, gerade ein Unglüd zu ahnden, was unter Euch vorgegangen fein follte, aber nachgrade wird mir

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doch herzlich bange. Doch ift das nur das menigfte; ich leide aber wirklich Not am Geifte, da unfre Gemeinfdyaft fo ganz unterbrodyen ift. Zwar habe ich nur kürzlich alle Deine Briefe gelefen, die nad; Landsberg, die aus Dresden, die nad) Potsdam, und alle alten Zetteldjen von Dorothea, und mid) aller gelöften Diffonangen herzlidy gefreut und alles defien, mas mir von Deinem Innern dabei wieder recht lebendig geworden ift, und fo manches Einzelnen in der früheren Zeit, was id) aus der fpäteren beffer verftehe, und geftern noch habe ich eine Stunde mit Tied blog von Dir geſprochen. Du weißt, wieviel das ohngefähr fein kann, aber es war mir doch ein rechter Genuß. Denn ob id) gleich nicht glaube, daß er vieles von Dir eigentlidy verfteht, fo Fann er doch mandjes recht gut wiedergeben. Aber fage felbft, ift es nicht eine rechte Hungersnot, wenn man fid) fo nähren muß?...

Caroline an Ödelling (213) Braunſchweig, Januar 1801

... Was Du mir geſchrieben von der Pflanze, die das Waſſer, vom tierifchen Organismus, der das Eifen, und von der Ber: nunft des Menfchen, die alles zerlegt, das befchäftige mich Tag und Nacht. Wenn ich nicht ſchlafen kann und mir nicht er— lauben will zu träumen, fo denfe ich mir jene wunderbare und doch fo natürliche Stufenfolge und fuche davon zu begreifen was in meiner Gewalt fteht. Wer zerlegt nun unfere Vernunft? Werden wir es nicht felbft einmal tun? O merde mir aud) nod) darüber ein Prophet.

Ich fehe es Elar, wie ſich Deine Nachzeichnung der dichtenden Natur von felbft zu einem herrlichen Gedicht ordnen wird. Du entfinnft Dich des Fleinen Gedidytes von Goethe, mo Amor die Landfchaft malt, er malt fie nicht, er zieht nur den Schleier von dem was ift, und dann kommt ein Punkt, wo die Öonnenftrahlen fo hell wieder glänzen, ja fo wird Dein Genius die Liebe

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werden, die alles beliebt. Ich verdenfe Dir es ganz umd gar nicht, daß Du auch mit mir nicht über das nähere reden magft, Dis mußt es doch ganz allein vollenden. Ich würde felbft nichts im voraus mitteilen Fonnen, wenn ich in Deiner Ctelle wäre, in einer Stunde etwas, was man in einer andern anders einfiche.

Wenn Du mir nur einen Übergang machen könnteſt von meinen Höhlen und Bergeshöhen zu Deiner Pfhilofophie, nämlich einen gründlichen, denn übrigens ift mir nichts leidyter als gleich da zu fliehen, wo die Bernunft ſich felber faßt. Alles was Du mir in Briefen geſcheieben Haft, habe ich rede gut zu faffen geglaubt, und es wäre doch ganz vortrefflidh, wenn Du das ausführteft, wovon Du letzthin fprachft: eine Darftellung, die Du Dir dädyteft an mich zu richten. Fange alfo nur immer da- mit an. Jetzt wird es noch recht natürlid; werden. Gehr glüdlidy wird es mid; machen, wenn id) nur etwas von der Art begreife, wie Fichte fein Syſtem ändert.

Gie nur, wir haben als ausgemacht angenommen, Fidjte ftünde ſtill ja doch! wie die Sonne im Tal Gideon oder wie es heißt. Ich liebe diefe Überrafdyungen. . . .

Caroline an Schelling [214) Braunfchtweig, Januar / Februar 1801

... Du mußt redlich verſuchen, ob Du mich entbehren kannſt, aber traue Dir langſam darüber. Wir gehören einander an, wir ſollten innig eins ſein. Habe ich Dir je mißtraut, Du meine Seele? Warum denn Du mir?

Du wirſt mich fragen, ob mir denn der Ausgang gleichgültig iſt? Ja muß ich antworten und wenn die ſüße Liebe mich auch zuruckhalten will. Ich bin meines unzerſtörbaren Glücks, wie meines unheilbaren Unglücks gewiß. Das iſt mein Vorrecht.

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Und nun laß uns wieder in unfre bisherige Gtille be= geben, Du haft mich fo oft ſchon Entzüden in ihr über Did) empfinden laffen. a erheitre mid; mit Deinen Beftrebungen und Gedanken. Liebe mid), ich Enie vor Dir nieder in Gedanken und bitte Didy darum.

Wahrlih, eg war nur ein plößlidyer Einfall mit der Reife, und ich bin überzeugt, daß Du in Jena bleiben mußt.

Der Genius, der mid; leiten wird, das ift Dein Genius. Er wird gewiß gut fein...

Caroline an Ödelling [215] Braunſchweig, 13. Februar 1801

... Ich kann mir wohl vorſtellen, dag Dir Hardenberg nicht wohl will; Du haſt ihm Deine Abneigung auch deutlich genug gezeigt. Er wird mir auch gram ſein, und uns beiden einem um des andern willen, dazu wird man ihn ſchon geſtimmt haben. Wir können ihm nicht helfen, wenn ihm Gott nur hilft, es ſei zum gefunden Leben, oder zum freudigen Tode. Ich kann ihn nicht beklagen, wenn er dahin if. Er hat die Schranken gebrochen.

Nun reut mid) mein Einfall, Du Lieber Lieber, daß ich nicht ſchrieb. Was Du mir vorwirfſt ich hab eben Deinen Brief erhalten daran bin ich unſchuldig, ih ſchickte die Dofe aller» dings am Dienstag ab, wo reitende und fahrende Poft in einer Stunde gehn aber nun bin ich nicht mehr unfchuldig, ich habe meinen lieben traurigen Sreund gewiß gekränkt. Warum bift Du nur fo traurig? id möchte Dir ganz kindiſch fagen: ich bin es ja nicht. Ich bin es nicht anders, als id) eg ewig fein muß, und Dein Zroft ift der meinige. Unſer Kind weicht mir einen Augenblid@ von der Geite, ich kenne Fein Bergeffen, ob ich äußer- lich ſchon lebe wie ein Andrer. Ya, Du meißt es, liebe Augufte, wie Du bei Tage und bei Nacht vor Deiner armen Mutter

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ftehft, die kaum mehr arm zu nennen ift, denn fie blidt Dich mehr mit Entzüden als mit Jammer an, die Klage über den herben bittern Tod hat Feine Dolche und zerreißenden Schmerzen mehr, ic kann lächeln, freundlidy mid) befchäftigen, aber ich lebe und bewege mid, immer nur in Dir, mein füßes Kind ach flöre mich nicht in meinem fanften Trauern, lieber GSchelling, dadurd daß ich bitterli über Dich meinen muß. Das follte niche fein. Hätteft Du Dir vorzumerfen, dann ich taufendmal mehr; aber Gott weiß, es will nit Raum in meiner Geele finden und haften. Ich habe Dich geliebt es war Fein frevel- hafter Scherz, das fpricht mid) frei, dünft mid).

Earl von Hardenberg an Tieck [2:6] Weißenfels, 15. Sebruar 1801

Wir find wieder hier, lieber Tieck; die Ärzte rieten meinem Bruder Beränderung des Orts und Ruhe, Bequemlichkeit und gänzliche Losfagung von Gefchäften und unruhigen Zerftreuungen ; alles dies fanden mir hier, und Gberdem fehnte fidy mein Bruder fehr nady Haufe. Ihren lieben Brief, teurer Freund, habe ich erhalten, und wie fehr mir Ihre herzliche Teilnahme mohl- getan und mich tief gerührt hat, Fann ich nicht mit Worten ausdrüden; Ad, lieber Tieck, das ift ja das einzige, was uns auf diefen dürren Boden übrig bleibt; alles vergeht und ver: ſchwindet in dem loderen Gande, und wie dankbar können wir fein, wenn nur noch Teilnahme geliebter Freunde ung bis zum legten Schritte diefes wunderlichen Labyrinthes begleitet. Mein Schickſal hat viel ähnliches mie dem Yhrigen; Meine liebften Wünfche, meine fehönften Hoffnungen verfanfen im Augenblid der Erfüllung plögli, wie von einem DBlisfchlag bei Flarem Himmel. Wohl mir, daß ich ſchon oft Stunden habe, mo die Erde mit all ihren rätfelhaften Begebenheiten tief unter mir liegt. ımd id) aus der reinen Luft einer Fünftigen Welt hell und Elar

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herabfehe; dann bin idy glüdlid und danke dem Unendlichen für diefe himmliſche Offenbarung. Aber wer kann fidy losreißen auf immer von feinen Geliebten? Wer ſich der Tränen bei ihren Leiden enthalten? Ich nicht! und ich will auch nur dulden, und in &rgebenheit die Laften diefer TBelt tragen. Mit Srig geht es nicht gut; die Ausfichten werden mit jedem Tag trüber; wenn nur feine Leiden nicht gemehrt werden; denn jegt find diefe noch erträgli. Nun, des Heren Wille gefchehe, er wird einft diefe dunkeln Rätfel löfen. Gie find aud) Eranf geweſen, guter Tieck? und haben doch zu uns Ffommen wollen? Nein, Gie haben es recht gemadjt, daß Sie nicht gekommen find, Gie hätten nur Leiden gefehen und vielleicht Ihrer Gefundheit gefchadet, und diefe find Gie Ihrer Frau, Ihrem Kind und allen Ihren Sreunden fchuldig; ich fuche mid) nur vor eignen Vorwürfen, etwas verfehen zu haben, zu hüten, dann wird alles leichter zu tragen. Die Abreife von Dresden machte uns nur der Ab- ſchied von Ihrer guten Schwägerin, die wir herzlid, lieben, und der Ernft ſchwer; die haben beide viel zur Erheiterung meines guten (Sri beigetragen, und wir haben befonders der erfteren manche freundliche Stunde zu danken. Mit meiner Schweſter Gidonie ging es auch nicht zum beften, doch ift fie jegt wieder beffer und lebt bei meiner älteren Schweſter, die in diefem Früh— jahr ihre Niederkunft erivartet in der Dberlaufig. Leben Gie wohl, lieber Sreund, grüßen Gie Ihre liebe rau, auch von meiner Mutter, herzlich. Ewig Ihr Carl Hardenberg

Caroline an Schelling [217] Braunfchtweig, Sebruar 1801

... Nein lieber Sreund, und idy nenne Didy fo mit Liebe, viel leicht bin ich wirklich ſchwer zu einer Entſcheidung zu bringen,

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allein ich habe Gie noch ftets gefaßt, ehe es zu fpät war und mich unverrädt an ihr gehalten. Ich fage nicht heut ich will das tun und morgen ich will ein andres; und jedesmal fo zuverfichtlid), als wenn es ewig gelten würde nein, es malt fi) wohl ſehr deutlich in meinen Äußerungen, daß ich nicht weiß, was ich tun foll bis der Moment fommt. Der ift da, und ich bitte Didy, nimm es fo an.

Ich fcheide nicht von Dir, mein Alles auf Erden, das Mittel, das die Geele ergreift, um fich der Entweihung des Bundes zu entziehn, ftellt alles her, ihn felbft in feiner ganzen Gchöne und die Zärtlicjfeit, die ihn unterhält.

Ich Bin die Deinige, id} liebe, ich achte Did ich habe Feine Gtunde gehabt, wo ich nicht an Dich geglaubt hätte, es find Um— ftände gemwefen, die Deinen Glauben an mid, trübten, es wird nun beller werden. Ich fehe Dich wieder, vermutlich fobald als ich mir kürzlich vorftellte. Als Deine Mutter begrüße ich Dich, feine Erinnrung fol uns zerrätten. Du bift nun meines Kindes Bruder, ich gebe Dir diefen heiligen Gegen. Es ift fortan ein Berbrecjen, wenn wir uns etwas anders fein wollten... .

Caroline an Edelling [218] Braunſchweig, Februar 1801

... Eigentlid; wär mir es doch jegt fehr gelegen, wenn id) ent: ſetzlich reich wäre. Aber reich oder nicht, ich will nichts tun, wobei ich meinen Steund aufopfern müßte; das ift nun feit furzem mie ein heller Stern vor mir aufgegangen, da ich bisher im Nebel lebte.

Gern möchte ich Dir auf viel wichtiges in Deinem Brief nod) anttvorten, nur fehle mir manches dazu, faft auch die Zeit. Ich fonnte die Erklärung von Kichte nicht zu fehn befommen. Meine Divination fagt mir indeffen, daß Du nicht unrecht haben magft mit der Bitterfüßigkeit. Ob Fichte ſich über das Bemußtfein und

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die Reflerion erhoben hat, möcht ich fo genau nicht entſcheiden können über fein Ich, das weiß ich gewiß, Fann er nidye jo weit hinaus, daß er nicht ein andres Ich gern an die Geite fdjieben follte, wenn es ſolche Ahndungen in ihm erweckt wie Du. Sehr bin ich aud der Meinung: lag Did, nicht wegfdhieben. Das Entgegenfegen, dent id), Fönnte wohl fo abgehn, daß es nur die wahrhaft Eingeweihten gewahr würden denn Du fannft fortbauen, ohne Dich um ihn zu Fümmern, er ift an Kenntniffen und Poefie fo gewaltig zurüd, daß er mit aller Denffraft Dir dody Deine Natur nicht nachmachen Tann, alfo haft Du Di nicht fo fehr dagegen zu verwahren, daß er Dir das Deinige raube, und eine offenbare Spaltung würde eine un- geheure Berwirrung nad) ſich ziehn. Die Philofophie der Natur ift es ja doch, durdy welche Dein Idealismus etwas anders ge- worden ift als der feinige ımd die er eben muß ftehn laffen. Ich muß nur noch verfucdhen, ob denn das Blatt hier gar nicht hergefommen ift; Schlegel ift dreimal vergeblich auf den Lefeflub danad) gegangen.

Berfäum e8 nid an Fichte zu fihreiben, was Du Dir vor: gefeßt Haft. Es foll mid; wundern, ob er gegen Schlegel über Die ſpriche. Ich weiß nice, wir ers mache bei feiner Recht— ſchaffenheit, um falſch zu fein, aber es ift doch manchmal fo was bei ihm vorhanden. Verwunden follte es Dich nicht diefe Falſchheit ift audy oft nur eine gewiſſe Bielfeitigfeit, ein Mangel an einer redjt tũchtigen Parteilichkeit für den Sreund, die wenig⸗ fiens jede Mitteilung des Urteils über ihn verhinderte. Wenn jemand rein in diefem Stück ift, fo iſt es Schlegel, und es dauert mich zu fehn, daß es ihm fo wenig gelohnt wird. Dei feiner Eitelkeit ift es fehr viel, daß es ihn nicht mehr aufbringt, wenn er zuweilen erfährt, wie Leute über ihn abfprechen, die feinen Ruhm nie erreichen werden; er ift fo gebildet, ſich auch darin zu fügen. Vielleicht nähm er felbft Ritter in Schutz. Er macht fih gar nichts aus der Falſchheit, und ift der Redlichſte 23 Romantiker-Briefe 353

Caroline an Auguft Wilhelm Gdlegel [219g]

Braunſchweig, 27. Sebruar 1801

... Goethe ift wohl und freundlich und fprudelt von bon mots auf alle fchlechten Poeten; ein wenig eingefallen foll er im Ge- ſicht ausfehn. Er hat das Zimmer verlaffen, in welchem er Fran gelegen, um nit an diefen Zufland erinnert zu werden. Scjiler erzählt, daß das Hauptehema aller feiner Phantafien die Naturphilofophie war, die Natur, und die Philofophie. .. .

Dorothea an Elemens Brentano [220} Sjena, 27. Kebruar 1801:

Etellen Sie fid) vor, guter Brentano, ich muß Ihnen fchreiben, erftlih weil in Ihrem legten Briefe viel hübſche Sachen ftehen, mit denen ich mich fehr freue: Ihre gelinde fänftlicdye Stimmung, die Befchreibung der Gegend, in der Gie leben, Ihr Wunſch, uns dort zu fehen, Ihr Ärgernis an Ihrer eigenen Wißelei. (Diefes ehrliche Ärgernis erinnerte mic) auf eine fehr luſtige Weife an Niethammer, dem ich gar zu gern nachfehe, wenn er aus feinem Haufe herausgeht. Er Fommt immer gewaltig heraus- geftürzt, läuft, was er kann und ohne ſich umzufehen, dann er⸗ innert er ſich plöglih, ftüße ſich auf ſich felbft zurüd! und mar- fhiert ganz mürdig weiter. Diefes Schaufpiel genieße ich jegt täglich einigemal; wir wohnen ihm gegenüber.) Dann hat mir aud) das, mas Heinfe über die ‚Bucinde‘ gefagt hat, fo mwohl- gefallen, daß ich notwendig Ihnen ein Zeichen diefes Wohl: gefallens geben muß. Es ift fehr gut, es erfrifcht einen ordent- lid, wenn man unter der Menge von einfältigem Muß, das ber diefe ‚Lucinde* zum Ruhm ſowohl als zur Läfterung vor- gebracht wird, einmal ein Wort hört, das nach Ingwer und Banille riet. Dann ift es aud) gut und löblid), daß Gie den Leſſing lefen, und dag Gie ihn lieben, ift fehr glücklich. Im ‚Herkules Mlufagetes‘, den Kriedrich Ihnen mwahrfcheinlidy mit-

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fehidt, werden Gie finden, was idy damit meine, nämlidy in den Berfen, wo die. Rede davon ift, wen man lieben müßte. Auch dag das Gefhäft Yhnen gelungen ift, darüber will ich Ihnen meine Sreude bezeugen. Gie haben etwas gutes zuftande gebracht.

Da nun alles, was ich Ihnen zu fchreiben und geſchrieben habe, nichts als Sröhlichkeit, Zufriedenheit und Sreude bezeichnet, fo kann Ihnen mein Brief nicht anders als angenehm fein, fo leer er auch von anderm Inhalt ift. Ich habe auch darum Rofa= papier erwählt, damit Sie gleich an der Sarbe erfennen mögen, welch Geiftes Kind er ift. In den ‚Lebensläufen nad) auf: fteigender Linie‘, die Sie auch einmal lefen müffen, wenn Gie es noch nicht getan haben, da ift ein fehr wuͤrdiger Mann, der ge wiffenhaft immer die Farbe feines Kleides, das er anzieht, nad) den Begebenheiten, Gelegenheiten und Stimmungen wählt, die er foeben erlebt. Das ift eine recht gute Einrichtung. Warum follen wir denn nur die Trauer äußerlich bezeichnen? Gind es andere Empfindungen weniger wert? wie oder mehr?

Es geht uns recht gut fo unter uns; fremde Leute fehen wir aber gar nicht und hören nur wenig von ihnen; was wir aber fo erfahren, das beluftige uns ganz unerhört. So wird jeßt, wie uns gefagt wird, in ganz Jena behauptet, den ‚Slorentin‘ hätte ich, ich gemacht! Und weil man nun fo davon überzeugt ift, fo ſchimpft man eben darum ganz unbarmherzig darauf. Einige Leute, die nad) der Anzeige glaubten, er müſſe von Friedrich felbft fein, Iobten ihn ſchon vorher, die jegt ihr Lob zurüdinehmen; andre hatten ſchon vorher darauf gefhimpft, die nun nicht wiffen, was fie dazu für ein Geſicht machen follen. Kurz, es ift ein Spaß. Am allerüberzeugteften, daß er von mir fei, ift unfer Sreund Windelmann. Es geht fo weit mit ihm, daß er ein ordentliches Mitleiden mit mir hat; nichts defto weniger aber foll er doch ein wichtiges Mitglied einer Partei fein, die ſich laut gegen diefen ‚Slorentin‘ erklärt. Er fol nämlid aus dem ‚Meifter‘, dem ‚Sternbad‘ und dem ‚Woldemar‘ zufammenges

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fiohlen fein, fagt jene Partei. Den legten in jedem gebildeten Buche zu finden, ift nun einmal Windelmann feine Schwaͤche; hat er ihn doch auch in der Lucinde‘“ gefimden. Alle Romane, die ihm nach etwas ansfehen, Fommen ihm mie ‚IBoldemar‘ und alle Menſchen, die er leiden mag, wie fein Onkel Leiſewitz vor. Es ift doch ein ehrlidyes, treues Gemät. Ich kann nun von diefen Ähnlichkeiten, die der ‚Zliorentin‘ haben fol, Feine finden, außer das Beflreben nad) einem gebieten Stil. Cbenfogut fönnte man viel vom Abc darin finden. Friedrich gibt ihn unter feinem Namen heraus, wenn wir ihn aber eigentlid, zu verdanken haben, weiß ich wahrhaftig auch nicht. Dem fei, wie ihm wolle, es ift ein recht freundliches, erfreuliches, ergößliches Buch, das mit aller Macht dem Weinerlichen entgegenftrebt, in dem die Karben mandymal etwas Findlidy zu grell aufgetragen ſind, aber fi) eben darum perfpeftivifdy wie eine Dekoration recht luſtig ausnimmt, und das allerliebfte Geſchichtchen recht gebiet vor» trägt. Was mill man mehr? Mich hat es fehr amüſiert, ih habe es zmeimal gelefen und erwarte mit lingeduld die Kort- fegung. Schreiben Gie mir auch etwas darüber....

Caroline an Auguft Wilhelm Schlegel (221)

Braunſchweig, 6. März 1801

... Was id) Dir zu fagen habe, ift jest bloß das ich kann niemals Gchelling als Freund verleugnen, aber aud) in Feinem Salle eine Grenze überfchreiten, über die wir einverflanden find. Dies ift das erfte und einzige Gelübd meines Lebens, und ih werde es halten, denn ich habe ihn angenommen in meiner Geele als den Bruder meines Kindes.

Dadurch dag ein verräterifches Geheimnis zwiſchen uns meg- fällt, gewinnt alles eine andre Geftale, zuerft für ıms ſelbſt, und diefe Sicherheit geht in die llmgebungen über. Ich glaube daher nad) Jena gehn zu Zönnen....

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@aroline an Ödelling [222] Braunfchweig, 6. März 1801 ... Ich werde heute einen Brief von Dir befommen, dem ich gern ruhig entgegenfehn möchte, aber mein unruhig fihlagend Herz Fann nicht. Nur bin ich entfchloffen, es meinem Freunde nicht wiederzugeben, wenn er mir zürnet, und vielleicht ſchicke ich diefes noch ab, ehe ich das andre erhalten Fann. Ich liebe Dich herzlich, Du magft mid) auch kränken, befümmern und miß- billigen, nur mußt Du mich nicht haffen, und wenn Du es zu tun glaubft, fo aboliere ich es im voraus, fehe es als nicht ge: fhehn an, und verfahre mit mir darin nad; Deiner Liebe. Gott nehme Did, in feinen heiligen Schutz.

D Du Lieber, weine nicht, ich bitte Dich mit Tränen darum. Wird alles, was ich Dir feitdem fagte, wird es Dich gar nicht beruhigt getröftet haben? Haft Du nicht darin gefunden alles was Du Dir als Milderung wünſcheſt? Mein Herz weiß ja gar nichts mehr vom legten Anftog, es erfennt ihn felbft als zu- fällig, und die jegige Entfcheidung als die einzig wahre unfrer Liebe an, die aus ihr hervorgehen mußte, die unfer ewiges Bünd- nis allein feft beftimmen Fonnte feiner Art nad). Schelling, es ift unfäglidy, wie Deine Wehmut meine Bruft zerreißt, ich Fönnte Deinen Brief nicht noch einmal lefen; er kam früher wie ge wöhnlich, ich mußte kaum von mir felbft, wie id) ihn öffnete. Ich liebe Dich fo, daß ich meine, es müßte Did, heilen Eönnen. Über: eile nichts im Berlauf des nächften Monats feh ich Did und bleibe den Sommer in Jena, alfo bitte ih Did} um meines Glüdes willen, auch zu bleiben. Zu triumphieren dazu | follen unfre Feinde Feine Gelegenheit finden, glaube es mir. Wenn Du während der Ferien eine Reife madyen Fönnteft zu Steffens, mo nicht mit ihm, bei Deiner Räückkunft fändeft Du mid).

Alles Heil erwarte ich von Dir, und es muß uns beiden tverden, wenn mir uns nicht fernerhin von einem ftürmifchen Gefühl re:

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gieren laffen. Meine Seele nährt ſich von der Gewißheit eines baldigen WBiederfehns. Ich befinde mid; wohl und will niche zu meinem Bruder reifen, um mich recht zu fdjonen. Leb wohl, wohl, ich trenne mid, auch von diefem Blatt nur um mid, zu erholen.

Berfäume Dich nicht in Deinen legten öffentlichen Gefcyäften, und wenn Du augenblickliche Erquidtung bedarfft, fo geh zum Goethe, er weiß, daß Du fie brauchſt.

Caroline an Schelling (223) Braunſchweig, März 1801 ... Bor dem Jahre o Du weißt es, was ich fagen will da pflüdteft Du fie mit meinem Kinde und Ihr brachtet fie der Franken Mutter, nun bredjen Veilchen wohl aus der heiligen Erde, die fie bededit. Arme Mutter, warum nicht aus Deinem Hügel? Meine beiden Lieblinge würden in fanfter Wehmut daran knien. Ich hätte Euch nicht unglücklich gemadjt, wie mein füßes Kind uns getan hat. Vergib mir, ich will auch nicht weiter fehreiben und kann auch nicht. Gute Nacht.

Sreitag früh Guten Morgen, guter Sreund, idy habe recht lange gefchlafen. Die Theogonie geht mir fehr im Kopf herum (fo heißt doch das deutlich gefchriebne unterftrichne und dennoch unleferliche Wort ?). Das wäre wohl ein vortrefflidh Studium, aber verfplittere Deine Kräfte nicht. Sieh mit dem Befchränfen im voraus fieht das Borgefegte nur fo unendlich aus, es beſchraͤnkt ſich von felbft, fobad man an die Ausführung gekommen ift. Doch madje nur, alles was Du madjft wird gut fein, und ift denn dody da und wird bleiben... .

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Caroline an Gdelling (224) Braunfdweig, März 1801

Wenn ich nur zu Dir fommen fönnte diefen Abend und lieb- reich mit Dir ſchwatzen. Die Sonne und der blaue Himmel lodten mich heute unmiderftehli” an und mahnten mid; an meinen Sreund; ich wünſchte zulegt nur, es möchte recht ſchlecht Wetter fein und bleiben Bis zum wahren $rühling, dann ift doch alles rund herum zu und man weiß, daß man nicht hinaus kann. Ich bin vor dem Tore gewefen in einem proteftantifchen Yungfrauen- flofter, mo SYerufalems Tochter Domina if. Es ift da noch einige Sreundlichfeit der Ausficht und vor allen Senftern herrlidje Pflanzungen, Refeda, Heliotropium und was es liebes in der Art gibt, deffen Gemüt in Duft befteht. Süßer Freund, Dein Brief hat diefe Nacht mit mir geruhet; ich befam ihn geftern fehr fpät; halb mit Schmerz habe ich alle feine Liebe in mid, gefogen. Wenn Du es nun fehr gemwaltfam nimmft, was id) Dir geftern geſchickt habe ad) wie wirft Du mid) noch be» fümmern. Es ift doch gar nicht gemwaltfam im Anfang war ich erfchüttert, aber alles hatte fich gelegt, und die Geele meiner Entſchließung wurde von dem Anfang ganz unabhängig. m Grunde haben wir uns oft gedacht, daß es fo mit ung merden follte, Du haſt es mir auch gefchrieben. Glaube nür, ich werde nie ettvas eingehen, wo ich nicht ganz Deine Sreundin bleiben kann.

- Den Freund will ich nicht Iaffen, Noch läßt er audy von mir.

Taufendmal hab ich mir heut ſchon diefes einfältig liebe Lied vorgefagt. Freund ift ein allgemeines Wort gegen das mas ich meine, Liebling, Du, den ich wie ein teures Kind an mein Herz drüde und verehre als Mann. Du meißt, ich tue beides, muß ich gleich Dich zuweilen hart tadeln. Mein lieber Joſeph, ob ih mich freuen werde, Dich wieder zu fehn? ja wahrlid) mehr wie ih Dir fagen Tann, eilt meine Sreude fdyon der Zeit voraus, die ung noch trennt, und ich überlaffe mich ihr jeßt ohne Furcht; id) bin fo ficher in mir felber geworden, weil ich weiß, was ich till.

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Miet Wonne werd ich Did) fehn, D nimm mid auch fo auf.

Gott führe Dir ein Herz zu, das Dir feine Treue reiner be- mweifen darf, aber ein treueres nein Du Fannft es nicht finden, und darum leg ich auch einigen Wert darauf, daß Du diefes aus dem Sturme dennody davon bringft. Stoß es zurüd im Augen bli des Unmuts es hofft auf die Stunde der rüdfehrenden Liebe und bleibt Dir. Gag, hab ich Dich nicht immer geliebt, und wenn id; mich gegen Dich auflehnte, meil ich nicht anders fonnte, dennody geliebt? ...

Wenn nur die Sorge erft ein wenig gemildert wäre in mir, daß ich Dich flöre in Deinen Gedanken und Worten durd) das, was ich Dir gefchrieben habe. Erft mit Ungewißheit, nun viel- leicht durch Gemwißheit, denn Du mirft fie Dir viel fehneidender denken als fie ift, nämlich) gewiß ift fie, aber was ift denn fo fehr bittres daran? Wir wollen uns bloß unabhängig wiffen von uns felber und der Welt... ..

Novalis an Tieck [225]

... Ich höre, daß Du eine wunderfame Melufine gedichtet haft. Auf alles bin ich gefpannt befonders auch auf Dein Be: dicht über Böhme. Friedrich verharrt im Müßiggange und hat nichts als einige Gedichte, von denen ich mehr zu wiſſen münfdte, zuftande gebradt. Du haft Did mit Wilhelm zum gemein: ſchaftlichen Angriff des Cervantes verbunden, welches eine an: genehme Ausficht eröffnet. Ich bin würklich fehr fleißig. Wenn Du die mannigfaltigen Zerftreuungen, Zeitverlufte und Ge: ſchäfte meines Berufes Eennteft, fo mwürdeft Du mir ein gutes Lob erteilen, daß ich foviel nebenbei gemacht habe. Mein Roman ift im vollen Gange. Zwölf gedrudte Bogen find ungefähr fertig. Der gange Plan ruht ziemlich ausgeführt in meinem Kopfe. Es werden zwei Bände werden der erfte ift in drei

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Wochen hoffentlich fertig. Er enthält die Andeutungen und das Fußgeſtell des zweiten Teils. Das ganze fol eine Apotheofe der Poefie fein. Heinrich von Dfterdingen wird im erften Teile zum Dichter reif und im zweiten als Dichter verflärt. Er wird mancherlei Ähnlicykeiten mit dem Sternbald haben nur nicht die Leichtigkeit. Doch wird diefer Mangel vielleicht dem Ynhalt nicht ungünſtig. Es ift ein erfter Verſuch in jeder Hinſicht die erfte Srucht der bei mir wieder ermadjten Poefie, um deren Erftehung Deine Bekanntfchaft das größefte Berdienft hat. Über Spefulanten mar id; ganz Spekulation geworden. Es find einige Lieder darin von meiner Art. Ich gefalle mir fehr in der eigentlichen Romanze.

Ich werde mannigfachen Nußen von meinem Roman haben der Kopf mimmelt mir von Ideen zu Romanen und Luft fpielen. Gollt idy Dich bald fehn, fo bring ich eine Erzählung und ein Märchen aus meinem Roman zur Probe mit.

Jakob Böhme leſe ich jegt im Zufammenhange und fange an, ihn zu verftehen, wie er verftanden werden muß. Man fieht durchaus in ihm den gewaltigen Frühling mit feinen quellenden, treibenden, bildenden und mifchenden Kräften, die von innen heraus die Welt gebären. Ein edjtes Chaos voll dunkler Ber gier und munderbarem Leben einen wahren, auseinander: gehenden Mifrofosmus. Es ift mir fehr lieb, ihn durch Dich fennen gelernt zu haben. Um fo beffer ift es, daß die Lehr: linge ruhn die jeßt auf eine ganz andere Art erfcheinen follen. Es fol ein echtfinnbildlicher Naturrcoman werden. Erft muß Heinrich fertig fein eins nad) dem andern, fonft wird nichts fertig.‘ Darum find aud, die Predigten liegen geblieben und ich dene, fie follen nichts verlieren. Wenn die Litt. Zeit. nicht fo jämmerlih wäre, fo hätt ich Luft gehabt, eine Rezenfion von Wilh. Meift. 2. einzuſchicken die freilich das völlige Gegen: ſtück zu Friedrichs Auffage fein würde. Soviel id) audy aus Meifter gelernt habe und noch lerne, fo odiös ift doch im Grunde das ganze Bud. Ich habe die ganze Rezenfion im Kopfe es ift

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eine Candide gegen die Poefie ein nobilitierteer Roman. Man weiß nicht, wer fchlechter wegkömmt die Poefie oder der Adel, jene weil er fie zum Adel, diefer weil er ihn zur Poeſie rechnet. Mit Stroh und Läppdhen ift der Garten der Poefie nachgemacht. Anſtatt die Komödiantinnen zu Mufen zu madjen, werden die Mufen zu Komddiantinnen gemadt. Es ift mir unbegreiflich, twie id) folange habe blind fein Fönnen. Der Berftand ift darin wie ein naiver Teufel. Das Bud, ift unendlid) merkwürdig aber man freut ſich doch herzlich, wenn man von der Äängftlichen Peinlichkeit des vierten Teils erlöft und zum Schluß gefommen if. Welch heitre Sröhlichfeit herrſcht nicht dagegen in Böhme, und diefe ifts doch allein, in der mir leben wie der Fiſch im Waffer. Ich wollte noch viel darüber fagen, denn es ift mir alles fo klar und ich fehe fo deutlich die große Kunſt, mit der die Poefie durch fich felbft im Meifter vernichtet wird und während fie im Sintergrunde fcheitert, die Okonomie ficher auf feftem Grund und Boden mit ihren Freunden ſich gütlid) tut und achfelzudend nad) dem leere ‘fieht. ... .

Caroline an Auguft Wilhelm Schlegel [226]

Jena, 5. Mai 1801

. . . Geftern früh Fam Friedrich ins Haus, um ein Buch von Deinem Zimmer zu holen; id; ließ ihm hinausfagen, er möchte nachher zu mir fommen; er fam alfo, und ich gab ihm den Brief und fprady mit ihm von den andern Gefchäftsfadhen. Er war ungemein beflommen, obgleich niemand da war tie lefthin, der ihn möglidjerweife genieren fonnte. Sein Wort von meinem Briefe, oder irgend eine Annäherung, er konnte nur einige leife Töne mit mir wechfeln. Er fah Auguftens Bild ftehen mit dem Schleier bedeckt, und ich nahm wahr, daß er es ahndete, aber er hob diefen Schleier nicht, fo wenig wie den, der über unferm Berhältnis liegt. Schreib mir, ob er fid) denn auch gegen Dich

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nicht erklärt. Du mußt mir zugeftehn, daß id) alles getan habe, und glaub mir auch, mein Sreund, ich hege Feinen Haß, und Du tuſt mir fehr Unrecht, je von Gpötteln und dergl. geredet zu haben. Was id gegen ihn habe, werde ich aud) gegen Did), ohngeachtet Deiner großen Parteilichkeit des Momentes denn aud in Dir, redlichfter aller Kreunde, find die Parteilichkeiten vorübergehend immer freimütig fagen. Ich Eonnte nie auf: hören, freimütig fein zu dürfen.

Auf weffen Seite das Unedle und befonders die Gemeinheit ift, wird Dir nicht entgehn nad) einiger Zeit; ich befchuldige Kriedrich nicht von diefer Seite. Ich habe ihn jegt wieder aufs ſchonendſte behandelt, da ich gezwungen bin, über die häuslichen Dinge mit ihm zu verkehren... .

Earoline an Auguft Wilhelm Schlegel [227] Syena, 18. Mai 1801 ... Da man fid) ordentlich miteinander befchäftigen muß, um in der Ordnung zu bleiben, fo will ih Dir nur fagen, mein lieber Wilhelm, daß Schelling diefes Heft Zeile vor Zeile mit mir liefet, und es gar anders helle in mir zu merden anfängt. Es ift eine wahre Wonne um das Verftehenlernen, und das Er- leuchten einer dunkeln Vorftelung, und endlich um die Ruhe diefer Borftellung felbfl. Da das Höchſte nicht zu hoch für diejenige Eleine Perfon ift, welche Dir ſchreibt fo Fann ich diefe ftrenge Folge, da fie mir fo lebendig erflärt wird befonders, und das von allem Gubjeftiven gleichfam entbundene Bild der Welt auch beffer faffen als den fonnenflaren —. Und mie ftille madht fie das Gemüt. Ya ich glaube wohl an den Himmel in Spinozas Geele, deffen Eins und Alles gewiß das alte Urgefühl ift, das ſich nun auch in Schelling wieder zum Lichte drängt.

Apropos, dünkt Did die Form der Darftellung wieder bar« bariſch? Gie fah mir auf den erften Blick freilich fo aus, aber

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ich Fann fie für den Zwed nicht tadeln, fo wenig als in einem arithmetifdyen Bud) die Zahlen. Und ich mödjte wiffen, ob es wohl eine andre Korm als die ——— gäbe für die Spe⸗ Fulation Poefie ift Dffenbarung. .

Caroline an Auguft Wilhelm Schlegel (228) Jena, ı2. Juni 1801

Lieber Schlegel, ich fie an Deinem Schreibtiſch, weil unten rein gemacht wird, es ift aber fo fühl, dag mir die Hand fteif ift. So mar es vor dem Jahr aud. Es ift heute Sronleichnamstag.

Wieviel an der Witterung eines Yahres hängt bis alles gleichgültig getvorden ift.

Saft möchte ih Dir den Brief ſchicken, der von der Reife diefes Tages erzählt, denn da liegt ja das offne Pafet mit meinen und ihren Briefen vor mir. Geftalte es zum Gedicht in Deiner Seele, wie wir auf dem blumenbeftreueten Wege in den Tod gingen. Gedenke des Hügels am Main mit den drei Bil: dern von weißem Ötein und den Unterſchriften, die höchfte Liebe, der höchſte Schmerz, das höchſte Mitleid. Gedenke der ſchwert⸗ durchbohrten Mutter, diefes ift das Feſt vom Tode ihres einzigen Liebling. Aber auch fie bleibt nicht auf Erden, und ift ſchon nicht mehr auf Erden, auch fie nimmt der Himmel auf.

Wenn Du einmal gefammelt bift, dann öffne den Brief, den ich wirklich will beilegen, und dichte einmal mieder und trachte nad) dem Finde und für die Mutter.

Wir tun das Mögliche, um uns aufredyt zu erhalten, und Schelling ift gut, er ftärft meine Geele in diefem Kampf und ftellt mid) auf den höchften Punft des Geins, felbft körperlich bis in die Gruft gebeugt.

Ich will nod von fremden Dingen mit Dir fprechen, um mic einen Übergang zur Ruhe zu bahnen, von einem Eindrud‘, den

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ich Fürzlich empfangen habe. Unter den zuräderhaltnen Büchern befand ſich Boffens Aneis, und zum erftenmal hab id) denn eine Idee von diefem Werk befommen, über die idy ganz erftaunen mußte. Niemals habe ic; es mir ſo ſchlecht denfen Fönnen. Erſtlich dünkt es mid) ganz und gar nicht epiſch es ift nir- gende ein heitres Verweilen, fondern eine foldye Raftlofigkeit und Leidenfchaftlichfeit, dag mir moderner wie modern dabei zu Ginne wird. Und das ift dem Homer nadhgebildet? Nun, fo erfennen wir ihn doch jeßt viel beffer. Ich finde Kogebue darin aus- genommen den Reſpekt vor Arbeit und Kunft, der aus dem Machwerk und der Künftlichkeie hervorleuchtet. Was ift das für ein Gewimmel von unnüßem Tun und Treiben und von wahren nordifchen Gefpenftererfcheinungen. Die Beziehung auf Roma ift das befte darin, aber wie unepifch. Wieder ift mir ein Licht aufgegangen, mie bei alledem der DBirgil den Dante veranlaßt hat. Im Klopftod ift die Nachbildung fehr ſtark. Es freute mich, mich eines Winfes von Goethe zu entfinnen, mo er bei Gelegenheit des Laofoon die Stelle im Dichter fo tief herabwürdigt und alle Bergleichung mit jenem Kunſtwerk verbittet.

Wunderbar, wie an diefen ſchlechten Virgilius fich wieder das höchfte der tiedererftehenden Kunft Enüpfte und aus dem Un⸗ reinen Dante hervorging mit feiner Dramatif und Plaftif. Aber ganz rein ift doch Feine Gattung wieder zum Vorſchein ge- fommen, befonders die epiſche nicht, höchftens die Inrifche (im Petrarf) als die ſchwaͤchſte. Nimm es nicht übel, daß ich Dir befannte Dinge hererzähle, mir find fie neu und felbft gefunden. Man muß Gott preifen, daß es folche unermüdliche Leute mie Voß in der Welt gibt, die eigends dazu organifiert find, den Homeros und aud) den Birgilius zu überfegen.

Immer jammerts mid), daß Friedrich ftatt allem fonft was er feitdem getan, nicht die Geſchichte der griechifchen und römifchen Poefie vollendet hat. Das ift doch feine rechte Beftimmung, und ich habe jegt wieder das Sragment mit Sreuden gelefen.

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ich Fann fie für den Zweck nicht tadeln, fo wenig als in einem arithmetifdyen Buch die Zahlen. Und ich mödjte wiffen, ob es wohl eine andre Form als die mathematifcdje gäbe für die Gpe- Fulation Poeſie ift = Offenbarung. . .. .

Caroline an Auguft Wilhelm Schlegel (228)

Jena, 12. Juni 1801

Lieber Schlegel, ich fie an Deinem Gchreibtifdy, weil unten rein gemacht wird, es ift aber fo kühl, dag mir die Hand fteif ift. So mar es vor dem Jahr auch. Es ift heute Kronleidynamstag.

Wieviel an der Witterung eines Yahres hängt bis alles gleichgültig geworden ift.

Saft möchte ih Dir den Brief ſchicken, der von der Reife diefes Tages erzähle, denn da liegt ja das offne Paket mit meinen und ihren Briefen vor mir. Geftalte es zum Gedicht in Deiner Geele, wie wir auf dem blumenbeftreueten Wege in den Tod gingen. Gedenke des Hügels am Main mit den drei Bil- dern von weißem Stein und den Linterfchriften, die höchfte Liebe, der höchfte Schmerz, das höchſte Mitleid. Gedenfe der fdhwert: durchbohrten Mutter, diefes ift das Feſt vom Tode ihres einzigen Lieblinge. Aber auch fie bleibe nicht auf Erden, und ift ſchon nicht mehr auf Erden, auch fie nimmt der Himmel auf.

Wenn Du einmal gefammelt bift, dann öffne den Brief, den ich wirklich will beilegen, und dichte einmal wieder und trachte nad dem Kinde und für die Mutter.

Wir tun das Moögliche, um uns aufrecht zu erhalten, und Scelling ift gut, ec flärft meine Geele in diefem Kampf und ftele mich auf den höchften Punft des Seins, felbft Eörperlich bis in die Gruft gebeugt.

Ich will noch von fremden Dingen mit Dir fprechen, um mir einen Übergang zur Ruhe zu bahnen, von einem Eindruck, den

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ich Türzlich empfangen habe. Unter den zuridlerhaltnen Büchern befand ſich Voſſens Äneis, und zum erftenmal hab ich denn eine “dee von diefem Werk befommen, über die ich ganz erftaunen mußte. Niemals habe id es mir fo fihledht denken Fönnen. Erſtlich duͤnkt es mich ganz und gar nicht epiſch es iſt nir- gends ein heitres Verweilen, fondern eine foldye Raftlofigkeit und Leidenfchaftlichkeit, dag mir moderner wie modern dabei zu Ginne wird. Und das ift dem Homer nachgebildet? Nun, fo erkennen wir ihn doch jeßt viel beffer. Ich finde Kogebue darin aus- genommen den Reſpekt vor Arbeit und Kunft, der aus dem Machwerk und der Künftlichkeit hervorleuchtet. Was ift das für ein Gemwimmel von unnäßem Tun und Treiben und von wahren nordiſchen Gefpenftererfcheinungen. Die Beziehung auf Roma ift das befte darin, aber wie unepiſch. Wieder ift mir ein Licht aufgegangen, mie bei alledem der Virgil den Dante veranlaßt hat. Im Klopſtock ift die Nachbildung fehr ſtark. Es freute mid), mich eines Winfes von Goethe zu entfinnen, mo er bei Gelegenheit des Laofoon die Stelle im Dichter fo tief berabmwürdigt und alle Vergleichung mit jenem Kunftwerf verbittet.

Wunderbar, wie an diefen ſchlechten Birgilius ſich wieder das höchfte der miedererfiehenden Kunft Enüpfte und aus dem lin- reinen Dante hervorging mit feiner Dramatit und Plaftif. Aber ganz rein ift doch Feine Gattung mieder zum DBorfchein ge- kommen, befonders die epifche nicht, höchftens die Inrifche (im Petrarf) als die ſchwaͤchſte. Nimm es nicht übel, daß ich Dir befannte Dinge hererzähle, mir find fie neu und felbft gefunden. Man muß Gott preifen, daß es folcdhe unermüdliche Leute mie Voß in der Welt gibt, die eigends dazu organifiert find, den Homeros und auch den Pirgilius zu überfegen.

Immer jammerts mich, daß Friedrich ftatt allem fonft was er feitdem getan, nicht die Befchichte der griechifcdyen und römifchen Poefie vollendet hat. Das ift doch feine rechte Beftimmung, und id) habe jegt wieder das Sragment mit Sreuden gelefen.

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Leb mohl, ich muß fließen, denn mein Kopf ift fo ſchwer, daß er fich hinzulegen fehnet.

Sgelling an Auguft Wilhelm Schlegel [229] Jena, 3. Yuli 1801 ... Ich muß Ihnen nody fehreiben, daß ich ein fehr eifriger £efer und Verehrer der Reden über die Religion gemorden bin. Gie wiſſen, wie es mir aus einer unverzeihlichen Nachläſſig- feit oder Trägheit darüber ergangen war. Ich ehre jegt den Verfaffer als einen Geift, den man nur auf der ganz gleichen £inie mit den erften Driginal-Philofophen betrachten Fann. Ohne diefe Originalität ift es nicht möglich, fo das Innerſte der Spe— Fulation durchdrungen zu haben, ohne auch nur eine Spur der Gtufen, die man durchgehen mußte, zurüdzulaffen. Das Werk, wie es ift, feheint mir bloß aus fich felbft entfprungen, und ift dadurch nicht nur die ſchönſte Darftellung, fondern zugleich felbft ein Bild des Univerfums, und gleichwohl muß, wer etwas derart bervorbringen will, die tiefften philoſophiſchen Studien gemadjt haben oder er hat durd blinde, göttliche Inſpiration gefchrieben. Was Carolinens Gefundheit betrifft, fo fcheint fie außer einer mwahrfcheinli nie ganz zu überwindenden Schwäche vorzüglid) des Nervenſyſtems, in einer Berfaffung zu fein, welche wenig— ftens fein tiefer greifendes Übel verfündigt und begründete Hoff: nung läßt, fie werde uns noch erhalten werden. Die legte Fühle Zeit hat ihr etwas zugefeßt, doch ohne weitere böfe Kolgen. Am meiften bedarf fie der Ruhe und Stille. Gie ift heiter in ihrem Ginne, Tieft viel und überläßt fi) ganz der Freude, auch die tieferen Studien nicht zu ſcheuen. Die freie Luft genießt fie fo: biel als möglid. Gollten Sie von Röſchlaubs Diftichen Feinen Gebrauch machen Fönnen, fo bitte ich fie mir aus, da ich ihnen eine gute Beftimmung geben Fann. Leben Gie wohl und vergnügt.

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Caroline an Auguft Wilhelm Schlegel [230] Jena, 10. juli 1801

... Bon Tied möchte ich fagen, er fei gleichfam unmutig in Deiner Geele. Aber er follte zugleid) auch mutig fein. Ich babe nie ein Unrecht in Deinem Handel mit Unger erblidt, deswegen können mir alle dody wünſchen, daß Du lieber ein Unrecht ver- ſchmerzt oder noch leiter genommen hätteft, um diefen dummen Erfolg zu verhüten, wie Du es wahrfcheinlich felbft wünſcheſt, aber nicht fo tief wie ein Nadelrig geht ein folches Gefühl, hin- gegen Tieds Äußerungen find Nadelrige. Zweckten fie auf irgend etwas ab, follten fie Dich zu einem Schritt, der in Deiner Ge: male ftände,- bewegen, fo wäre es gut aber er hat Eeinen Borfdlag zu maden. Es wäre überhaupt fchlimm, wenn ſich ein ordentlicher Menſch nicht einmal in Berlegenheit fegen und ettva eine unrichtige Maßregel ergreifen dürfte; ift man felbft tüchtig und ift von tüchtigen Dingen die Rede, fo gleicht fich das doch bald aus...

... Bring dod im Ernſt Schleyermacher mit; ich will ihm ſchon ein Pläßchen im Haufe bereiten und mich mit ihm philo- fophifch unterhalten, nur nicht religiös. Gchelling fagt, dies fei der erfte Geiftlihe, der ihm je vorfommen, aber ih fann gar feinen Geiſtlichen brauchen.

Hege die Hoffnung nicht, daß Friedrich genefen Fönnte. Es geſchieht nicht, weil es nicht nad} und nad) gefchehen Fann. . .

@aroline an Auguft Wilhelm Schlegel [231] Jena, 19. Juli 1801

... Alles kommt über kurz oder lang an feine rechte Stelle zu ftehn im Gemüt der Welt und im Gemüt des Individuums. Ich gebe auf mein eignes Urteil nur nad) Jahr und Tag etwas, deswegen lege ich fo ungern gleich Rechenfchaft ab, und Du mußt mir aud) jest erlauben, daß ich alles Überfdjiete in meinem

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Auguft Wilhelm Schlegel an Schleiermacher [234]

Jena, 7. September 1801

... Friedrich muß id) das Zeugnis geben, daß er einen fehr erbaulicjen und fleifigen Lebenswandel führt und eigentlid) be» ftändig arbeitet... . Wir fehen uns täglich), gehen viel mitein- ander fpazieren, und unfer beftändiges Geſpräch ift die Kunft und jest vorzüglich die dramatifhe. Da muß doch endlich auf eine oder die andre Art wieder etwas zuftande fommen. Was machen denn die poetifchen Überfegungen und Studien? Der Gophofles und die Trimeter. Nehmen Gie fi) in acht, daß ih Ihnen nicht zuvorfomme. Befonders von Trimetern wird gewaltig viel die Rede fein, und Kriedrich, der fid) einmal dagegen zu erklären ſchien, ift nicht der legte daran, welche zu machen. Goethe äußerte auch, er münfche diefe Materie einmal mit mir durdhgugehn, über: haupt die in der antifen Tragödie vorfommenden Gilbenmaße..... ... Wegen Ihrer Predigten habe ich ſchon an Bernhardi ge- fihrieben, was Ihnen wohl wird ausgerichtet fein. Da id) die Freunde hier fo lebhaft mit der Lefung derfelben befchäftigt fand, wollt ich es, wie Eulenfpiegel, doch auch felbft probieren. Allein es ift mir dabei natürlich ergangen mie einem Profanen; zu großem Ärgernis der andern habe id; geäußert, es müßten wohl tomantifche Predigten fein, weil fo viel Ironie darin wäre. Die vortreffliche Predigt über den Text: Der Faule ſtirbt über feinen Wuͤnſchen, denn feine Hände mollen nidjts tun, ſcheint mir eine offen- bare Perfonalität gegen Tieck, dem id) fie wohl vorlefen möchte... .

Sriedrih Schlegel an Ögdleiermader (235) Jena, Geptember ı801

... Erft über deine Predigten. Weißt Du wohl, dag ich fehr geneigt bin, fie für Dein beftes Werk zu halten, nämlid) als Werf, und das gar nicht aus WiderfeglichEeit, fondern aus reiner Zuneigung. Gie find fo vol Ruhe und frei von jedem Schein von Gezwungenheit....

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Earl von Hardenberg an Lied [236] Meiningen, ı2. November 1801

... Es kommt mir noch mannigmal vor, als träumte id), und kaum wage ich es, die frohen Stunden feftzuhalten; werde ich glüdli, fo ift es nur der Gegen meines Sri, der mid; ewig umſchwebt; er war und ift mein Genius des Himmels, und mas ich genieße, habe idy nur durd) ihn... .

... Mit 5. Schlegel habe ich bei meiner Durdhreife nur wenige Worte gefprocdhen, ich bin ganz mit Ihnen, wegen der Herausgabe der nachgelaffenen Schriften, einverftanden; machen Sie es ganz nad) Ihrem Sinn: Gie, guter Tied, kannten unfern Fritz am tiefften in Hinſicht feiner literärifchen Arbeiten, und Gie können audy am beften urteilen, was dem Druck kann übergeben werden; nur eine kleine Auswahl unbedeutender Auffäge aus frühern Jahren behalte ich mir vor; wie? und wann? Ihnen die Papiere ſchicken? kann idy zwar noch nicht genau beftimmen, doch denfe ich, in einigen Monaten gewiß. Haben Gie die Lehr- linge von Gais? Es ift das einzige Manuffript, das mir fehle. Sür die Änderungen in dem Liede in Yhrem Mufen: almanad), der mid; unendlich freute, den herzlichen Dank; ich fühle jest, wie notwendig fie waren. Haben Gie Zeit, guter Tieck, fo fehreiben Sie mir doch einmal hierher; können Gie mir dann vielleicht einige meiner Lieder Forrigiert mitſchicken? Adieu; ewig

Ihr Carl Hardenberg

Caroline an Auguſt Wilhelm Schlegel [237]. Jena, 10. Dezember 1801

... In der Stunde, wo du liefeft, bin ich immer ganz be» fonders bei Dir, und wenn nur die blauäugigte Caroline einmal die blauäugigte Athene werden Fönnte, um unfichtbar neben Dir

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zu ftehn, und Dir göttlidhe Rede in den Mund zu legen. Da Du ſchon fo allerliebft gepußt uud gefalbt bift, braucht ich mid) ja damit nicht, wie jene Göttin nicht unterließ, abzugeben.

Schelling wird Dir wohl felbft wegen Deiner Idee hier im voraus für Fünftigen Sommer etwas zu arrangieren, fchreiben. Er findet es völlig tunlic; und "wird fichs ganz befonders ange⸗ legen fein laffen, wozu ihn feine Berbindungen mit einigen Ton» angebern durch das Disputatorium auch in Gtand feßen. Es ift ein empfänglid; Volk, diefe ftudierende Yugend, ſchwatzt das Kluge wie das Dumme nad), und ift ihnen alles ein bittrer Ernft, möchten fid) aber dabei audy gern produzieren, was Schelling viel⸗ fach erfährt und immer Falt Waſſer drein gieft. ... .

Wenn Friedrich den verwilderten Roman T. 2 bei fi) haben follte, fo mußt Du Dir ihn doch anfehn, denn es find Romanzen darin, die ordentlich fo ausfehn, als wenn fie nicht eben gemacht worden wären, fondern fid) vor langer Zeit felbft gemacht hätten. Gedichte fo gut wie die beften aus diefer Schule, Einfälle, Wort⸗ fpiele, derbe gute Szenen und ein prächtiger kleiner Dichter Haber, kurz fehr viel Kluges, nur das Ganze ifts nicht, verfteht fi), und der erften Anlage nad) ift der Hr. Clemens Brentano nur ein etwas poetiſcherer Jean Paul, alfo hat er auch mehr Wis und fist ein wenig fefter auf, auf der ſinnlichen Belt. Was jener an Bergleichen leiftet, tut diefer in Wortfpielen, aber wahrhaftig nicht übel, gar nicht übel, es hat mid) fehr unter: halten. Und mie gefagt, die Romanzen find gut, die muß man ihm fehr honorieren. ... .

Gteffens ift noch immer nicht hier, und niemand meiß etwas, außer daß er in Sreiberg feſt fißt, aber der andre Däne, Müller, ift da von Paris. Auch ein heißes Blut, Gchelling will ihn mir in diefen Tagen bringen. &s find einige Spuren da, daß ihn der Gonnenftrahl der Kunſt, der in Paris fo plöglidy und ſenk⸗ recht auf ihn fiel, ein wenig verbrannt hat. Ermußte bis dahin nur bon der Natur. Unterwegs hat er eine große Krankheit ausgeftanden, und ift hier auf die Sprünge geraten, Fein Fleiſch

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zu effen und dergl. wie die Braminen, und Geifter zu fehn, das hat ihn fehr abgemattet.

Ich befinde mich beffer, wie es den Anfchein hatte das Wetter tobt vergebens um mich her ich werde mich gewiß diefen Abend noch ein wenig mälzen vor Ladjen, denn da be: fomme ich eben den Vermehriſchen Almanad) und Stanzen und Sonette von der ladierten Frau VBermehren zu lefen, das ift ein guter Spaß wenn $riedridy nur das Eine Lied von den Eleinen Liedern hingegeben hätte, fo wäre es charmant von ihm geweſen aber die Diftien auf Goethes Werke fi donc!

Lieber, ftimme nicht in die Läftereien Goethes ein, die fie da unter ſich zur miferabeln Mode gemadht haben. Adieu, mein Befter.

Earoline an Auguft Wilhelm Schlegel [238] Jena, 20. Dezember 1801 ... Du mußt Friedrich nichts wieder verfraun, was zu ver— ſchweigen wirklich not tut, oder Dir menigftens ausdrädlidy von ihm verfprechen laffen, der Beit nichts zu fagen. Es herrſcht in jenem Kreiſe ein endlofes Wiederfagen, und gewiß wird ein gut Teil weniger Geklatſch werden, wenn ſowohl die B. als Sriedrid) weg find, denn er ift nicht frei von diefer Schwachheit. Ritter ſcheint ſich auch Fein Bewiffen hierüber zu madjen mie er denn in mehr Dingen höchſt unverſchämt ift. Er hatte Gries fol- gendes Fomifche Ding mitgeteilt, das ic Dir zu Deinem Amuse- ment, wenn Du es nicht von Sriedrich felbft weißt, ebenfalls mit: teilen will. Sriedrich hatte in das Eremplar des verrüdten Ro- mans des Brentano ein Diftichon gefchrieben, was ungefähr fo lautet:

Hundert Prügel vorn A— die wären Dir redlich zu gönnen, dr. Schl. bezeugts, andre Vortreffliche aud).

Und hierunter haben mehr gute Sreunde ihren Namen feßen müffen, Ritter unter andern. Diefer hat das Eremplar gern

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haben wollen, um es Brentano in die Hände zu fpielen, der hier ift, allein es heißt, Sriedric habe es beigefdjloffen, die Veit ver- leugnet es natürlich. Wiedererfahren wird es Brentano dennod), was auch recht heilfam ift. Er ift gefommen, wie er fpricht, um ſich Fr. Schlegel zu zeigen, gleichſam dem Hohepriefter, ob er noch Ausſatz an fi) hat, und wie er befchaffen if. Nun war Stiedridy weg, und er treibt ſich hier mit feiner grengenlofen Im⸗ pertinenz herum, ſchimpft item auf Goethe, daß man täglich neue alberne Streiche davon hört, mas uns in der Kerne beluftigt, da der Narr uns nicht zu nahe kommt. rn diefer Gerne hat mir denn fein Roman gleichfalls ein augenblidliches Vergnügen ge- macht. Allein es gibt andre Dinge mie fie Fein Auge gehört hat, Fein Ohr gefehen ja der Menſch ift nur ein alberner Hanswurſt, wenn er zu fagen unternähme, was für Dinge? dh habe ein äußerſt rares Geficht gehabt: und will hierunter den Bermehrerifen Almanach verftanden mwiffen. .. .

Schelling an Auguft Wilhelm Schlegel (239) Jena, 4. Januar 1802

Bon der Aufführung des “Yon, teuerfter Sreund, werden Gie die dvollftändigfte Nachricht durch Carolinens Hand erhalten, und follte ihr das Geringfte während des Schreibens entgangen fein, fo wird fie oder ich es in der Folge fupplieren. Es bleibt mir demnach nichts übrig, als in meinem Zeil zu bezeugen, wie ges lungen die Darftelung war, und wie fehr die innere Bortrefflid; feit des Stücks ſich durch diefe entwidelt hat. Die Aufführung war, wie das Stück felbft, aus Einem Geiſte geboren; dies fah und fühlte man durchaus, und ich erinnere mid) nicht, jemals auf dem Theater eine fo harmonifcye Anſchauung genoffen zu haben. Ich bin davon entzüdt und im nnerften erfreut geweſen. Neh— men Sie die Bezeigung meiner reinften Bewunderung an, die ich dem Talent zollen muß, dag mit dem erften dramatifchen Werk,

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das aus ihm hervorgeht, und der innern Vollkommenheit desfelben gleich auch diefen äußeren Effekt zu vermählen wußte. Es war mir, als ob ich nicht nur für Gie, fondern für die ganze drama- tifche Kunft die Laufbahn eröffnet, die Schranken aufgetan fähe. Es ift das erfte Mal, daß ich angefangen habe mit ficherm Zu- trauen zu glauben, daß das Antike in diefem Teil der Kunft auf: hören Fönne, es zu fein, und unfer werden. Nachdem ich diefes gefehen habe, glaube idy auch an die Möglichkeit des Höchften in diefer Art, und in Ihrem Geift erfenne ich das, was fonft als ungeriffe Serne erfdhien, als fichere Gegenwart. . . .

Auguft Wilhelm Schlegel an Goethe [240] Berlin, 19. Januar 1802 Empfangen Gie meinen mwärmften Dan für die liebevolle Pflege, die Sie meinem erften dramatifchen Verſuche gefchenft haben. Der Beridyt, den mir meine SYenaifchen Steunde von der fo volllommen gelungnen und, auf dem deutfchen Theater wenigſtens, beifpielloes harmoniſchen Darftellung erteilen, hat mid) entzüdt; der Beifall, den das Stück bei dem dortigen Publitum davongetragen haben mag, ift gewiß größtenteils Ihr Werk. Ganz befonders bin ich Ihnen noch für die ftrenge Geheim- haltung meines Namens verpflichtet, womit wir leider unfern Zweck nicht erreicht haben. Ich bin Yhnen hierüber noch einen Pleinen Aufſchluß ſchuldig, es möchte Ihnen fonft befremdlich er: feheinen, daß id, ein Geheimnis andern zu bewahren anempfehle, mährend es von mir felbft oder den meinigen verwahrloft wird. Bei meiner Zurüdfunft in Jena teilte ich natürlich meinem Bruder die angefangene Arbeit mit, jedoch unter der ausdrüd- lichen Bedingung, durdjaus niemanden etwas davon zu zeigen ‚oder zu fagen. Ich bezog dies allerdings mit auf eine Perfon, die ihn umgibt, die er als die feinige betrachtet, gegen die ich aber durdy Schaden vorfichtig gemadjt Feine Art von Zutrauen

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hege, und allen Umgang mit ihr abgebrodyen habe. Er hat meine Forderung nicht fo verftehen wollen, und dadurch die klatſchhafte Indiskretion, wie der Erfolg gezeigt, auf eine zu ſchwere Probe geftell. Genug, nad) der Abreife meines Bruders ift durch die Freunde, mweldye in feiner Wohnung aus und eingehen, die Sache herumgebracht worden. Es foll mir fo etwas nidht wieder be» gegnen, das nächſte Mal merde ich meine Maßregeln ſchon beffer nehmen. ... .

Carl von Hardenberg an Lied [241] Meiningen, 18. Januar 1802

Ihren Brief vom 26. Dezember erhielt ich in den erften Tagen meines Glüds, da id; meine Caroline ganz mein nennen Fonnte, und fie zum erftenmal als mein liebes Weib umarmte; Gie fönnen denfen, wie unendlid; wert mir nun des Kreundes Gruß war, da id; mich ohnehin folange nad) einem Brief von Yhnen gefehnt hatte; doch zuerft die herzliche Bitte, alle Entſchul⸗ digung wegen Nichtfchreibens oder verzögerter Beantwortung auf immer aus unfter Korrefpondenz zu verbannen; Freundſchaft, mie die unfrige, ift nicht an Buchftaben gebunden: unfere Geelen find inniger als durch Briefe verbunden; die Sreunde meines ewig geliebten Sri find für mid; ein Vermächtnis für die Ewigkeit, und wohl mir, wenn fie einen Teil ihrer Sreundfchaft für den Berflärten auf mid; übertragen; doch, auch davon bin id) bei Ihnen, lieber Zied, den ich den erften feiner Sreunde nennen fann, überzeugt; alfo diefes Kapitel wäre gefchloffen. Wie felefam ich in den erften Tagen des völligen Befiges meines lieben lieben Weibes geftimmt war, Tann ich nicht ausdrüden; in meinem Innern wogte alles in wilder Verwirrung; die trübe Bergangenheit und freudige Gegenwart beengten mich auf eine wunderliche Weiſe; das Schickſal hatte mid) mit fo eiferner Hand angegriffen, daß ich nicht begreifen Fonnte, wie mid) auf einmal

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fo. mide Srühlingsluft anmehte, und ich wie durch einen Bauber- flag aus tiefer Nacht in den himmliſchen Glanz eines neuen Morgens verfeßt war. Erwacht bin id) jest zu frifchem Leben und Tätigfeit, und dankbar bin id, wenigftens für diefe Föftlichen Augenblide; die Erde mit ihren Bewohnern ift mir nicht mehr fremd, und id, gehe wieder mit neuem Mute dem bunten Laby- rinthe entgegen. Der erfle Yanuar war mein Hochzeitstag; mein guter DBater überrafchte uns den Tag zuvor; meine Zu« friedenheit ftärft aud) meine guten, fo tief gebeugten Eltern; den herzlichen Dank für ihr Andenken an fie. Meine wenigen Gedichte find ganz zu Ihrer Dispofition, lieber Tied, nur bitte ich, den Namen Roftorf nicht zu vergeffen; der Name märe mir gleichgültig, aber mein guter Fritz hat mir felbigen noch ges geben; alles mas Sie daran ändern ift mir recht; Gie guter Tieck find und werden mein Kührer auf dem Wege der Poefie, der ich ewig treu bin, bleiben. Mit den Gedichten in dem Mlufen- almanady haben Sie mir viel Kreude gemadjt und neue Luft ins Herz gebracht; und ich freue mid), fehr bald wieder etwas von Ihnen zu lefen; jest habe ich zwar Feine fertigen Gedichte, aber vielleicht Tann ich Ihnen bald einige zufenden; id; habe noch etwas zu arbeiten angefangen und denke vor der Meſſe noch etivag ganzes fertig zu liefern. Bon dem Mlanuffript unfers Srig kann ich Ihnen nur jest die beifommenden geiftlichen Ge dichte fenden; das übrige muß bis auf meine Rückkunft nad) Weißenfels beruhen, und leider kann id; vor Ende Kebruar nicht dahin Fommen; dann denke ich Kriedric Schlegel dort zu fehen und die Auswahl zu madjen. Über die Lehrlinge bin ich wirklich in Sorge, doch Fönnen fich felbige wohl noch bei dem Manuffript in Weißenfels befinden; Ihnen beiden bleibt ohne Stage ganz allein die Auswahl und Redaktion.

Meine Srau grüßt Sie und Yhre liebe Frau fehr herzlid, und freut jich unendlid auf Ihre DBefanntfchaft, Ihre Schwägerin, die Ernft und Dora Stod bitte idy von mir beftens zu grüßen; ich verfeße mich oft in den Zirkel meiner geliebten Freunde.

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Über Jean Paul, der hier haufet, hätte ich Ihnen noch mandjes närtifche zu fdhreiben, aber er verliert nachgerade das ntreffante und die Poft eilt. Leben Sie mohl, teurer, befter Sreund; habe ih zur Oſtermeſſe vielleicht Hoffnung, Gie in Leipzig zu fehen? Auf immer Ihr Carl

Schelling an Auguſt Wilhelm Schlegel [242]

Jena, 4. April 1802

. Daß ein fo harmoniſcher Geift wie Hülfen fich felbft in

meinen philofophifdyen Ideen erfennen Fann, freuf mid) ebenfo

fehr, als es mich freuen wird, wenn Fichte immer mehr gegen

mich polemifiere. Über diefen bedarf ich Feines weiteren Zeug: niffes mehr und mweiß woran idy mie ihm bin... .

Schleiermacher an Henriette Herz [243] Stolpe, 19. Auguft 1802

Mit meinem Reidytum, meine herzlich geliebte Jette, das hat feine volle Richtigkeit. Glaube nur, idy halte gutes Bud) darüber und Du glaubft nicht, wie ich meine Freude habe an jedem Zu- wachs, der, dem Himmel fei Dank! gerade feit dem Punkt meiner Bermwe[ajifung (die beiden Lesarten find gleich richtig) fo gefegnet gemwefen if. Denke nur an Reimer, an Dein immer näheres Verhältnis mit Leonore, an Lottens Liebe zu ihr und an den ſchönen Anfang, den fie gemacht hat, in meinen ganzen Kreis hineinzutreten. Denfft Du, daß ich das alles nicht fühle? und daß es mich nicht glücklich macht? Nein, fo ſchlimm fteht es nicht mit mir, und ich fage mir recht oft, daß es wohl wenige glücklichere Menſchen geben mag als mich. Aber kann nicht auch

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der reichfte Menſch einen augenblidlidyen Mangel haben, wenn er nun grade Alles auf Zinfen getan hat? Giehft Du, das ift grade mein Kal und bier ift fein Geld zu haben, und alle Pros zente, die ich böte, mürden nichts helfen. Es kann mir niemand helfen als Ihr, indem Ihr mir recht fleißig Rimeffen ſchickt. Und ich habe ja feit Deiner Rüdfunft alle Urſache, Dich zu loben. Nur Dein Wundern begreife ich nicht an etwas, das Du nicht nur lange kennſt, fondern das auch fo tief in meiner innerften Natur liege. Oder liegt das nicht in meiner Natur, daß ich Fein unabhängiges Dafein habe? Daß alle meine Tätigkeit ein Pro- dukt der Mitteilung ift? und daß fie alfo nur mit diefer in Ber: hältnis ftehe? Kür alles, was ich tun foll, kommt es darauf an, daß ich lebendig affiziert werde, und Eure Briefe helfen nidje nur meinem ein, fondern auch meinem Wirfen mehr als irgend ettvas; ja fie allein find es, an die ich mich halten muß und ohne die auch alles Gefühl meines Reichtums grade zum Wirken und Arbeiten nichts helfen Fönnte.

Carl von Hardenberg an Lied [244] Meiningen, 31. Auguft 1802

... Diefe wenigen Bogen [die Lehrlinge von Gais) bleiben eine Borhalle voll unendlichen Reichtums: ich begreife jetzt mohl, daß Er hat fterben müffen. Wir find noch nicht reif zu den uns geheuern Offenbarungen, die durch ihn zu uns gefommen mären, Ich lebe jetzt fehr glücklich und im eigentlichften Ginne des Worts der Liebe im Schoß! Gehr froh würde es mich freis lich machen, Sie, lieber Tied, und andere Sreunde in der Nähe zu haben; aber darauf leifte ich auch noch nicht Verzicht, daß es wenigftens Fünftig gefdjieht. Geit ich verheiratet bin, werde ich täglidy ruhiger und nüchterner, ohne jedoch an Fantaſie zu ver» lieren oder gleichfam erdigerer Natur zu werden. Ich kann es mit Worten gar nicht fagen, wie mir fo alles anders, fo vieles

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Far und hell erfdyeint, was vorher nur in trüben Nebel gehülle war; es ift als hätten fich die Erfahrungen reifen Alters mit dem Gefühl ewiger Jugend und glüdlicher Kindheit verbunden. Jo oft fühle ich mich fo unbeſchreiblich und feltfam, daß ich meine, ich fei nahe am Ziel des Lebens! Aber was ift denn auch Jah und Kerne? Die Zeit ift nur das traumerregende Prinzip! Wir träumten nicht, wenn wir Feine Zeit hätten. Ich freue mich ſehr, Gie, lieber Tieck, bad zu fehen, und follte denn dies auf der Michaelismeſſe nicht möglid, fein? Dann bin ich wieder in Weißenfels und bleibe den ganzen Winter dafelbft. Sie haben gewiß herrliche Dinge in der Zeit gearbeitet, und die Ausficht zu diefem Genug macht mich fehr lüftern. Auch id) habe einiges in der Arbeit, und wie lieb würde es mir fein, “Yhnen fo mandjes zeigen zu Tönnen, und wieviel habe ich mit Ihnen zu fprechen. Hier bin id von mündlidher geiftuoller Geſellſchaft gänzlich abgefchnitten, und Heil mir! daß mein Glüd jegt nur in mir und meiner Pine ruht; die andern Menſchen Eönnten einen toll für Lachen oder Mitleiden madjen; fie find in mandyer Hinficht viel dümmer als ich ahnden Fonnte; Jean Paul, der bier lebt, wird taäglich armfeliger und natürlicdy auch übermütiger. Cs ift ganz fpaßhaft, wie er oft unbewußt einige Rollen im geftiefelten Kater und Zerbino übernimmt. . . .

Auguft Wilhelm Schlegel an Goethe [245]

Berlin, 11. Geptember ı802 Es iſt recht lange ber, daß ich auf Ihren legten gütigen Brief, den ich in Dresden erhielt, die Antwort fehuldig geblieben bin. Alein id) mußte, daß Sie zum Zeil verreift und in zerftreuenden Gefchäften waren und mwollte deswegen, da id) nichts befonders Intereſſantes zu melden hatte, nicht ftören. Jetzt gibt mir ein ſpaniſches Schauſpiel, mit deffen Bearbeitung ich vor kurzem

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fertig getworden, und das Ihnen Tied mit diefem Briefe ein- bändigen wird, Beranlaffung zu fchreiben.

Gie haben ſich meines Yon fo väterlich angenommen, daß id) Ihnen gern diefen Herbſt wieder eine originale Arbeit für das Theater zugeſchickt hätte, !aber ich bin noch nicht wieder fo weit gediehen. Die beikommende Überfegung, die fo treu als möglid, ift, mit Beibehaltnng der urfprünglicyen Formen, ſoweit es die verfchiedene Natur der Sprachen geftattet, fende id) Yhnen, teils in der Hoffnung, daß die Leftüre Sie intereffieren wird, teils um fie Jhnen für Ihr Theater anzubieten, falls Sie davon Gebraud) machen Fönnen und wollen. Gie werden es ſich vielleicht nicht mehr erinnern, daß ich Gie vor mehr als zwei Jahren einmal fragte: ob Sie wohl Wunder auf das Theater zu bringen wagten? worauf Gie ermwiderten: Wunder hätten an ſich nichts Bedenk⸗ liches, wenn fie nur fonft theatralifch eingerichtet wären. Ich zieltee damals eben auf dies Stück, das idy aber nur flüchtig gelefen hatte und nicht gehörig verfland, fo daß id) den Gedanken zu einer freieren Bearbeitung faſſen konnte. Seitdem habe id) wohl eingefehen, daß die ganze Aufführung bis in die Keinheiten der Sorm mit der beftimmteiten Notwendigkeit dafteht, und kann ebenfo wenig daran denken, etwas von Calderon zu bearbeiten als von Shakeſpeare.

Über das Stüd füge ich nichts weiter hinzu, um Ihrem Urteile nicht vorzugreifen. Nur will id) bemerken, daß Sie den Dichter feineswegs daraus Fennen lernen, nicht einmal feine eigentüm- lichfte Geite. Ich habe den Ealderon feit etwa einem Jahre viel ftudiert, jedoch lange noch nicht genug, um ihn gang zu kennen und zu verftehen. Auf Oftern werde ich anfangen, ein Spa⸗ nifches Theater herauszugeben, worin ich aber die Gtüde des Calderon von denen der übrigen fpanifchen Dichter abfondern werde... .

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Sriedrih Schlegel an Auguft Wilhelm [246] Paris, 16. September 1802 . Ich bitte Dich fehr mir Nachricht zu geben von der deutfchen Literatur überhaupt und von Dir felbft und Deinen eignen Arbeiten befonders. Was madjt der Philorenos? und was der Son? d. h. wann eher werde ich ihn gedruckt fehen? Bor allem aber wünſche idy vom Triftan zu hören. Moöchteſt Du doch auf meine Überzeugung genug adjten, um im Drama auch das Romantifche befonders zu Fonftituieren. Ich über: zeuge mid) immer mehr, daß diefes der einzige wahre Weg ift, und das fogar für die Komödie. Das Antife bleibt flady oder wird gelehrt und Fann nur mythologiſch genommen bedeutend fein, wo es dann von felbft in das Gebiet der efoterifchen Poefie tritt. Das ganz Moderne aber ift felbft für die Komödie ein unmürdiger und fteriler Gtoff. . .

Schelling an Auguft Wilhelm Schlegel [247) “Xena, 21. Oktober 1802

Das Stück von Calderon hat mid; in hohes Entzüden und tiefe Bewunderung gefegt. Es ift eine völlig neue Anſchauung und Öffnet mehr, als ich zu fagen vermag, die Perfpeftive auf die Größe, deren die romantifche Poefie fähig if. Wenn id) je ein Stück gefannt habe, das ganz Stoff und ganz Form ift, fo ift es diefes: beide durchdringen ſich bis zur abfoluten Durchfichtig: feit. Gelbft Shakeſpeare erfcheint mir dagegen trüber, über deffen Abfichten es Zweifel und abmeichende Meinungen geben fann. Hier ift die Abficht ganz ins Objeft übergegangen und ihm verbunden. Wollte man die Offenbarung innerer Abfichten, die unwillkürlich erfcheint, Naivetät nennen, fo wäre Calderons Gedicht das Naivfte, was mir vorgefommen ift: er fpielt ein ganz offenes Spiel, man fieht auf den Grund feiner Geele, er felbft ſpricht in verſchiedenen Stellen feinen ganzen Ginn und Abficht

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aus und macht doch die ganze Wirkung, melde bei Shafe- fpeare oft nur die unenehüllbare oder unergründliche Abſicht und Tiefe hervorbringt. Das ift die wahrfte und innerfte Rührung, die von diefem göttlichen Gedicht ausgeht. in anderer Punkt der Bergleihung und Unterſcheidung von Ghafefpeare ift die Miſchung des Komifchen und Tragifchen: ich geftehe, daß mir diefe Elemente bei Shafefpeare weit mehr neben einander zu liegen fcheinen, und daß jenes in den viel leiferen Zügen, mit weldjen es bei Ealderon entworfen ift, dem Ganzen eine weit größere Identitaͤt und Reinheit läßt. Diefes Gedicht zeigt, welch ein notivendiges Element der Poefie die Religion iſt, mas diefe dem Dichter erlaubt, da er in ihr die Mittel der VBerföhnung und der Harmonie findet. Der weit zurüdgehende Hintergrund, da Eufebios Schickſal nicht durch ihn felbft, fondern den Willen des Himmels beftimmt ift, der ihn nad) der Geburt bei dem Kreuz zurücklaäßt und dadurch die blinde Wut feiner Liebe zur Julia, die nach allen tragifchen Begriffen nichts anderes als Schredlicjkeiten erzeugen fann und den Brudermord nebft allen Folgen begründet dieſe Zurüdiweihung des Ganzen in ein früheres Berhängnis wie die religiöfe Löfung am Ende geht zu: nädjft an das Antike und erinnert an Dedipus und alles große, fotwie überhaupt dies das Antife wahrhaft im Modernen der Gegenfaß wahrhaft und weſentlich aufgehoben ift, ohne daß diefes aufhörte romantiſch und modern zu fein. Kurz, ich fehe, daß was man ſich in der Theorie als ein Problem dachte, deffen Löfung in der Serne läge, hier wirklich geleiftet ift, und es möchte ſchwer fein, ſich zu überreden, dag über diefes hinaus noch etwas höheres läge....

Schleiermacher an Henriette Herz (248) Königsberg, 26. Dftober 1802

Eben, liebe Yette, habe ich in einem Buch von Schaffner etwas gelefen über die Kofetterie, was mich natürlich auf Deinen vor⸗

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letten Brief und die Konfeffionen in demſelben zurödführt. Ich möchte aber wieder bei der Krage anfangen, was nennft Du Kofetterie? Wollen wir an den Gofrates denken, der eine Athenifche Hetäre in der Kunft unterridytete, Menſchen zu fan gen? Etwas Ähnliches ift es freilich immer; allein es macht doch darin, ob diefe Kunft eine liberale oder illiberale ift, einen großen Unterfdjied, ob der ganze Menſch gefangen werden foll oder nur feine Sinnlichkeit. Das leßte ift nach meiner Anſicht die Kofet- ferie, welche eigentlich zu tadeln ift, und ziwar um fo mehr, wenn fie nicht auch nur die Sinnlichkeit braucht, um die Ginnlichkeit zu fangen, fondern wenn jie Beift und Berftand fogar als Mittel braucht und der eigentliche Triumph doch nur auf die Ginnlid;- feit gerichtet ift. Die Abſicht überhaupt und das bewußte Dex ftreben, Männer an ſich zu ziehen, liegt in der weiblidyen Natur und gehört zu ihr (bei Mädchen ift es mehr Wunſch und In⸗ ftinft, bei Frauen mehr Wille und Abfiche), nicht etwa als ein Sehler, fondern ganz notwendig und weſentlich. Denn nur da⸗ durch entgehen die Srauen der Erniedrigung, zu welcher fie Fichte verdammt, untätig zu fein in dem ganzen Prozeß der Liebe vom erften Anfang an. Es ift aber nicht nur in der Liebe fo, fondern auch in der Sreundfcdhaft, weil ihr auch diefe in eurer dermaligen Lage nicht offen anbieten dürft, fo daß dies mir fehr mohlbefannte Phänomen meiner Anficdyt von dem Unterſchiede der Freundſchaft und Liebe gar nicht im Wege fteht. Auch nicht dies, daß die Kofetterie der Freundſchaft und der Liebe nicht weſentlich unter: ſchieden find. Das allgemeine Gefdjledytsbewußtfein muß doc) immer der Punkt fein, von dem man ausgeht; es muß erft arran⸗ giert werden, wie es hiermit gehalten werden foll, ehe fich eine Berbindung zmwifchen Mann und Stau beftimmt zur Kreundfdjaft entſcheiden kann....

Noch ein Wort von Deiner Sentimentalität. Da haft Du doch zwei ganz verfchiedene Dinge vermifcht; das Rechtliche, Edle ift eins, das Zarte und Keine ein ganz anderes. Es gibt große Gemüter, die mehr politifch oder Fünftlerifdy find als ethiſch, und

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denen die "Berhältniffe, worin fid) das Zarte und Keine gewöhn⸗ lich zeigt, zu Plein find, weil fie immer weiter fehen. Man fann ihnen deswegen das Schöne doch nicht abfprechen, wenn man ſich nur auf den Geſichtspunkt ſtellt, auf welchem man ſie recht über⸗ ſehen kann. Zum Teil gehoͤrt auch Friedrich zu dieſen, wiewohl es nicht immer das Große iſt, mas ihn empfaͤnglich für das Zarte macht. Ich möchte nody weiter gehen und fagen, es kann große und fehöne Gemüter geben, freilich nidjt, denen es an Gefühl fürs Rechtliche fehlt, aber die berufen find, es zu verlegen, weil fie an folcher Stelle ftehen, two fie die Grenze desfelben beftimmen follen. Du fiehft, aud) diefen Fann idy das Gefühl für das Rechtliche nicht erlaffen, gar wohl aber jenen das Gefühl für das Zarte, nämlid” nicht überhaupt, aber doch faft in allen einzelnen Zällen. Du mußt es Dir befonders zur Pflicht madjen, nicht aus Vorliebe für das Zarte das Gefühl für das Große zu ver- lieren. .. .

Caroline an Julie Öotter [249] 18. Sebruar 1803

... Es ift endlich auch nötig, daß ich Rechenſchaft von mir gebe. Im Mai oder Junius verlaffe ich Jena auf lange Zeit und gehe erftlich in ein Bad in Schwaben, dann aber im Herbft nad SYtalien, und der Winter wird in Rom zugebradjt, fo Gott will. Um aber hierzu völlige Freiheit zu haben und auch nie- mand in feiner Sreiheit hinderlich zu fein, wird vorher, oder ift vielmehr fihon, das Band der Ehe zwiſchen Schlegel und mir aufgehoben das einer herzlichen Freundſchaft und Achtung wird hoffentlich immer beftehen. Ich zweifle nicht, daß Dir diefes in diefem Augenblid Feine Neuigkeit mehr if. Alles andre hierüber laffen wir aber abfeits liegen und halten uns an das, was id Eudy unmittelbar mitteile, und was an Dich zu riditen, meine junge Freundin, id) nicht das geringfte Bedenfen trage, 25 Romantiler.Briefe 385

noch, fo mie alles der Wahrheit nad; und in meinem Herzen fteht, tragen darf. Indem mir das Schickſal oft feine höchſten Güter nicht verfagt hat, ift es mir doch zugleich auch fo ſchmerz⸗ lich getwefen, und hat fo feinen auserlefenften Jammer über mich ergoffen, daß wer mir zufieht nicht gelodt werden fann, ſich durch Fühne und willkürliche Handlungsweife auf unbekannten Boden zu wagen, fondern Gott um Einfachheit des Geſchickes bitten muß, und fich felbft das Gelübd ablegen, nichts zu tun, um es zu verfcherzgen. Nicht als ob ich mich ankflagte; mas id) jegt zu tun genötigt bin, ift bei mir vollkommen geredjtfertigt, nur vers leiten kann das Beifpiel nicht. Ich habe nun alles verloren, mein Kleinod, das Leben meines Lebens ift hin, man würde mir vielleicht verzeihen, wenn id} auch die legte Hülle noch von mir twürfe, um mich zu befreien, aber hierin bin ich gebunden ich muß diefes Dafein fortfegen, fo lange es dem Simmel gefällt, und das einzige, was ich dafür noch beftimmtes wünſchen kann, ift Ruhe, wahrhafte Ruhe und Übereinftimmung in meinen nädjften Umgebungen. Diefe kann id) in der Verbindung mit Gchlegel nicht mehr finden; mannigfaltige Störungen haben ſich dazwiſchen getvorfen, und mein Gemüt hat ſich ganz von ihr abgemwendet; das habe ich ihm vom erften Moment an nicht verhehlt, meine Aufrichtigkeit ift ohne Rüdhalt gewefen. Es hätte feitdem. viel- leicht mandjes anders werden Fönnen, allein andre bemädjtigten fid) feiner, da ich zurüdktrat, und nicht die löblichften Menſchen, wie Du weißt, und ich gewann immer mehr Urſache, mich für eine entfchiedne und Öffentlihe Trennung zu entſchließen, nicht ohne Kampf, weil es mir fehredlidh war, auch noch durd) diefes gehn zu müffen, das ich aber endlich durdjaus für Pflicht hielt; ich Eonnte und wollte Schlegeln nicht mehr alles fein und hätte ihn nur verhindert, ihn, der in der Blüte feines Lebens fteht, auf andern Wegen fein Glück zu ſuchen. Dazu Fam, dag meine Gefundheit mir nicht die Hoffnung läßt, Mutter zu werden; und fo wollte ich ihn auch deffen nicht berauben, mas mir ihm zu ge- währen verfage war. Kinder hätten unftreitig unfre Verbindung,

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die wir unter uns nie anders als wie ganz frei betrachteten, un⸗ auflöslich gemacht. Das find die Geiten meines Geſchicks, wo das DBerhängnis eintritt und von Feiner. Verſchuldung die Rede fein Tann. Dagegen hätte ich behutfamer fein follen, die Heirat mit ihm nicht einzugehn, zu der mid; damals mehr das Drängen meiner Mutter als eigner Wille beftimmte. Schlegel. hätte immer nur mein Freund fein follen, wie er es fein Leben hindurch fo redlich, oft fo fehr edel gemefen ift. Es iſt zu entfchuldigen, daß ich nicht ftandhafter in diefer Überzeugung war, und die Angſt⸗ lichkeit andrer, dann auch der Wunſch, mir und meinem Kinde in meiner damaligen zerrütteten Lage einen Beſchützer zu geben, mich überredeten, allein dafür muß ich nun doch büßen. Inſo⸗ weit Du Schlegel kennſt, Julchen ich muß an Dein unbe⸗ fangnes Gefühl appellieren glaubſt Du, daß er der Mann war, dem ſich meine Liebe unbedingt und in ihrem ganzen lim» fange bingeben Eonnte? Unter andern Umftänden hätte diefes bei einmal getroffnee Wahl nichts verändert, fo wie fie hier in- defjen nad; und nach ftattfanden, durfte es Einfluß über mich ge» twinnen, befonders da Schlegel mich ſelbſt mehrmals an die unter ung beftehende Sreiheit durch Srivolitäten erinnerte, die, wenn id) auch nicht an der Kortdauer feiner Liebe zweifelte, mir doch miß- fallen Eonnten und mwenigftens nicht dazu beitrugen, meine Nei- gung zu feffeln. Jetzt, nadydem das Schickſal Feines andern Wefens mehr mit dem meinigen verflochten ift, bin ich wohl be- rechtigt zu tun, was für mich das Rechte und Wahre ift, und auch ganz und gar nicht danad) zu fragen, wie das nad) außen hin ausfehn mag, was an fidy gut ifl. Daß es fo ift, darauf gedenfe ich zu leben und zu fterben. In Berlin, wo mir alles mißfiel und Schlegel doch zu bleiben gedachte, Fam der Entſchluß zur Reife, die Krankheit meiner Mutter verzögerte die Aus: führung, aber wie Du zulegt bei mir marft, waren ſchon alle Schritte deshalb gefchehn ich will und darf Dir nicht fagen, wer mir in diefer Angelegenheit faft väterlidy beigeftanden hat genug, der Herzog zeigte ſich geneigt, uns alle langwierigen und

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widrigen Sormalitäten der Sache zu erfparen, und fehr bald wird das leßte Wort darin geſprochen fein.

Ich kann Dir nicht ausdrüden, wie ruhig id) feit dem Mo: ment bin, wo wir uns entfdjieden hatten, ich bin faft glücklich zu nennen, und meine Gefundheit hat beträchtlich germonnen. Alle Läfterungen, die es ferner nad ſich ziehn möchte, gefprochne und gedrudte Pasquille, und was dahin gehört, das kann mid) nicht anrühren. Ich habe nur die Meinigen gebeten, mid) nicht mit Betrachtungen zu zerreißen, die aus einer andern Welt genommen find, als in der ich eriftiere. Bon der andern begehre ich nichts, und id) Fenne fie obendrein fo gut, daß ich fogar weiß, es würde doch nur von mir abhängen, meine Anfprüdje an fie auch wieder geltend zu machen, fobald id; es wollen Fönnte. Gonderbar ift es, dag Einmal in die Stürme einer großen Revolution ver» wickelt mit meinen Privatbegebenheiten, id) es gleichſam jegt zum zweitenmal werde, denn die Bewegung in der literarifchen Welt ift fo flarf und gärend wie damals die politiſche. Die Schufte und ehrlofen Gefellen feinen eben die Oberhand zu haben. Bon Koßebue an, der in Berlin faft Minifter geworden, ift ein gött- licher Zufammenhang der Tliederträchtigkeit in der Welt, ich fage ein göftlicher, denn die Borfehung wird fich gewiß noch verherr- lichen, indem fie ihn auflöfet. Schlegel ift nicht fo infonfequent, daß er fi im mindeften irgend etwas von dem, mas gefchieht, anfechten ließe, und er hat diefe Gefinnung in ihrem ganzen Nachdruck noch ſoeben in einem Brief an Scelling erflärt, was mid) denn vollends in meiner Ruhe befeftigt. ... .

Schleiermacher an Kriedrich Schlegel [250]

GStolpe, 15. März 1803

Du wirft Did) nicht wundern, lieber Freund, daß ich Deinen

Brief an die Herz auch mir zu Herzen genommen und ihn als

an mid) gefchrieben angefehen, bis auf die Haupffache freilich, zu 388

der ich leider nichts tun fann. hr armen Menſchen, in mel: chem Zuftande feid Ihr, und meld ein fchredliches Gefühl muß es fein, fo zu leiden und zu miffen, daß durd) etwas, was eigent: ich fo leicht herbeizufchaffen fein follte als Geld, alle Pein Fönnte hinweggenommen werden. ch bin vielleicht in einer andern Art ebenfo unglüdlicy, aber ich habe doch das Gefühl, dag mir nichts Außerliches in der Welt helfen Tann, und diefes ift fehr tröftlich und aufmunternd. Das Unglüd befommt dadurdy einen ganz andern Eharafter; es ift doch ein vernünftiges Wort mit ihm zu reden, und es lohnt im fchlimmften Kall immer der Mühe, es fennen gelernt zu haben. Wollte Gott, ich hätte Geld; ich Fönnte es Euch mit jener derben Zunötigung anbieten, welche verfichert, daß, wenn das Dargebotene nidyt genommen wird, es doch nur für die Schweine geht. Zu nur um Öottesmwillen alles Mög- liche, lieber Freund, um Dir irgend ein Schickſal zu firieren, fonft ift es unvermeidlich, daß Ihr immer wieder in einen fo ähnlichen Zuftand zurüdfallt. Geht es in Frankreich nicht, fieh Did, lieber nad) irgend einem Kanal im füdlicdhen Deutfchland um.

Ich hätte nicht erwartet, fo traurige Nachrichten von Euch zu hören, weder von Eurer Lage nody von Eurer Stimmung. Dein legter Brief handelte fo ruhig vom Plato; Dorothea felbft ſchien fo gute Ausfichten zu haben und fpracdh von der bevorftehenden Einrichtung als von einer Sache, deren Schwierigkeiten überfehen und beredjnet wären. Wenn id; Dich bitte, doch ja alle Deine Kräfte zufammenzuhalten, um fie der Sorge für ihr Gemüt zu widmen, fo ift es nicht als zmweifelte ich, fondern nur der natür- liche Wunſch, daß, wenn Du in Deinem Namen fchon genug getan, Du auch in meinem nod etwas tun mögeft. Wie gern wäre id) um Euch; ich, der ich hier zu nichts nuß bin, und leider nichts zu verfäumen habe. Deine Sehnſucht nad; mir hat mid unendlich gerührt: aber, lieber Friedrich, Fannft Du glauben, id) könnte Dich vergefien haben? Es waren die Erwartungen und die Täufchungen meines eignen Zuftandes, die mich gänzlich un- fähig zum Schreiben machten. Laß mich auch jeßt nicht von

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meinem Zuflande reden: warum foll ich in Deinem Leiden noch das Bild des meinigen anhängen? .. .

Anton von Hardenberg an Lied [251] Dresden, 2. Dezember 1803 ... So fehr ih mid aud) freue auf diefen Augenblick der Verbindung, fo fommt es mir doch flets vor, als wenn ich, wie einft die Töchter der Jsraeliten, meine verlorne Freiheit auf den Gebirgen beweinen müßte; das Eintreten in die feften, bürger- lichen Berhältniffe erfdyeint mir wie der proſaiſche Teil der Ehe, die nur erft durch die wirkliche Ehe zur reinen Poefie erhoben werden Fann, die aber wie die Zahlen in der Mathematik oder die Noten in der Muſik ſchlechterdings vorangehn möäffen, ehe wir zum Abend oder zu der eigentlichen Ehe gelangen. Gie müffen eigentlidy recht der Tert oder der erläuternde Kommentar zu jener großen Abendmufif fein, und ich geftehe, daß fie mir nur aus dem Befichtspunft angefehn erträglidy werden. Mein jegiges Verhältnis habe ich nie als Verhältnis betradyten Eönnen, fon- dern immer nur als Kette, die ich entiweder zerbrady oder deren drüdende Laft ich foviel als möglich geduldig ertrug. Es fette mich mit den Menfchen in gar Feine Berbindung, und da mein Fünftiges mich fchledhterdings dazu nötige, fo ift mir dafür am meiften bange, und ich kann Ihnen wohl fagen, dag mid) die Brautnadt nicht wenig beunruhigt, und diefe quälende Unruhe hat mid) bis jegt von vielem abgehalten. .. .

Schleiermacher an Henriette Herz [252] GStolpe, 17. Dezember 1803

... In unferer Lebenstheorie find wir entweder nicht einig, oder wir verftehen uns nicht. Ich meinesteils halte wenig auf das

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Nützliche. Wenn man das Leben nur für das nimmt, mas der Menfch in der großen Maffe und auf fie wirft, fo ift es in der Tat nicht der Mühe wert. In diefem Ginn aber möchte auch zwifchen Deinem Leben und dem meinigen wenig Unterfdjied fein; fie find eben beide unbedeutend. Ich nehme aber die menſch⸗ liche Natur als eine notwendige Gtufe des geiftigen Lebens, die eben da fein muß, und von dieſer Geite betrachtet ift Fein Menſch unbedeutend, der etwas Cigentümlicdyes hat. .der die menſchliche Natur von einer eigenen Geite darftelle. Dergleichen Individuen find wir nun beide, Du und ih. Du wirft nicht fo befcheiden fein zu behaupten, dag Du bloße Maffe mwäreft und fein eigenes Wefen, und id will auch Eeine Umſtände damit machen. Allein jedes Leben ift ein beftändiges Werden; es foll fein Gtillftand darin fein, es foll weiter kommen und in un» unterbrochener Entwicklung fortfchreiten. In diefer 'eigentlichen Beftimmung nun bift Du gar nicht gehemmt; Du haft dazu alle Mittel, die Du immer hatteft, und bielleicht einige Hinderniſſe weniger. Ich habe das große Spiel gefpielt, viel zu getvinnen oder alles zu verlieren, und habe verloren; mas bleibt mir übrig! Dog Du mir ſagſt, id) kann noch nüßen, ift mir nichts, rein nichts. Kannſt Du mich überzeugen, id Eönnte noch etwas werden, fo mill ich gewiß nicht fterben. Indes ift es mit dem Nützen auch eine mißliche Sache. Du fiehft ja, wie die Menfchen fi) gegen alles verwahren oder alles von ſich ftoßen, mas id) tue. Dies macht mid, wie Du weißt, nicht irre und verbittert mir das Leben nicht, aber es kann doch auch nicht helfen, daß ih auf meinen Nutzen ein großes Gewicht legen follte. . .

ECaroline’Tan Yulie Gotter [253] Würzburg, 18. März 1804

... Tieck hat mir jetzt die vollendete Buͤſte von Auguften geſchickt. Sie ift ähnlich, fo daß ein jeder fie erfennen muß, aber ihre

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Herrlichkeit ift nicht darin. Hätte er fie nur einmal gefehn, oder hätten meine Worte den Ton bilden können. Es fehlt das fhönfte, er hat ſich zu treu an die Zeichnungen gehalten und befonders nicht mweggenommen, mas Tifchbein gleidy fälſchlich hineingebracht hatte, gleihfam das Niedergeſenkte des Geiftes. Es ift etwas Kranfes da, was mir das Herz mit Crinne- rung zerreißt, doch Fann ich es nicht mehr von meiner Geite laffen.....

Solger an Kraufe [254] | Schwedt, 16. Auguft 1804 Antworte mir recht bald, lieber Krauſe, damit ich fehe, daß Ihr mich in einem feinen Andenken behalte. Wenn ich zurüd: fomme, morauf id mid) audy fdyon freue, müffen wir twieder etwas ordentlich zufammen treiben. Geße Dich dann fo mit Deinen Gefchäften, daß ich einen rechten Teil Deiner Zeit ganz unbefchränft für mid; habe. Was ift das Leben ohne die Philo- fophie, und was die Philofophie ohne die Mitteilung? Und diefe ift immer feine ohne das innigfte Vertrauen. Wie leer ſchleppen ſich die Menſchen durch dieſe paar Tage Leben, ſowohl die, welche in den Gewerbsgeſchäften und dem Familienſchlamm ver- finfen, als die, welche in grund» und bodenlofem Gingfang und ſchlaffer Myſtik Iuleien! Cs gibt niemand, von dem ich nicht eins oder das andre in gewiſſem Grade zu fürchten hätte, als Di! So will ich denn geftehen, daß für mich das dringendfte, ja das einzige recht ernfte Bedürfnis Dein Umgang ift. Es gibt feinen feften Grund und Boden in der Wirklichkeit, als diefen innigen Umgang mit Sreunden, und ich werde mid) nie gewöhnen Fönnen, die Menſchen, die ohne ihn vegetieren, als etwas anders denn Gcheinbilder, xanvov oxıav, anzufehen; fie ſcheinen nur zu leben, fie leben nit. Nur fo kann ich feftftehn, um allen: falls auch andere zu heben und zu fragen; und das will ich ver-

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ſuchen. Wenn ich zuweilen über Dich geflagt habe, fo twerde nicht ungeduldig. Hier will ich gern meine Schwäche geftehen;; es gefchieht nicht Deinetiwegen, fondern meinetiwegen. Das find eben folche Unvollkommenheiten, mie die ſchwankende Spekulation, die immer im rechten Clemente lebt, aber ſich oft mit Sorgen bemühen muß, in den energifchen Mittelpunft zu gelangen. Wer wollte aber an beiden zweifeln? .

@aroline an Frau Liebesfind [255] Würzburg, 19. Auguft 1804

... hr Brief unterbricht mid; bei diefem Blatt und wie! Ich komme wieder, nadydem ich mich matt geweint habe, denn folche Gelegenheiten ergreift der in ſich gefehrte Schmerz in mir, um ſich einmal zu ergiegen. Ich kann über meinen Berluft nicht meinen, die Furcht, als ob die Tränen blutig werden möchten und mic dahin brädhten, wo der ermüdete Mlenfch nicht leben und fterben kann, ein Zuſtand, vor dem meine Natur das Ääußerfte Entfegen hegt, die Furcht hält mich in Schranken, auf Erden noch zu Elagen, bis ein Anlaß kommt wie diefer, dem ich unauf: haltfam mich hingebe. Daß Adele nun aud) hin ift, ift mir fo ımerwartet, fo unglaublidy und alles zufammengenommen ſchreck⸗ ich. Und wahr ift es mir wie Ihnen, der legte Eindruck be- ftimme fich durdy den Brief der Mutter, der fo ganz ein Ber: gangnes und nicht die gegenmärtige natürlidye reine Empfindung bezeichnet. Ich mollte, Sie hätten ihn mir nicht mitgeteilt, und ich mag nichts näheres darüber fagen, ınn die Stunde nicht durd) Urteile und? Wahrnehmungen zu entweihen, die eben, meil fie Therefens Eompliziertes Wefen betreffen, immer etwas von der Art ihrer eignen Urteile und moralifhen Wahrnehmungen an fid) tragen müffen. Nur Fann ich mich nidyt erwehren, mid) bei jedem neuen Todesfall diefer Kinder jener Worte von Korfter zu er: innern, die er mir fagte oder ſchrieb, wie davon die Rede war,

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daß Forſter ihr die Claire laffen möchte, ‚ja er würde es tun, denn Hubers Kinder blieben nicht am Leben, und er wolle fie nicht aller Kinder berauben, man habe es an George und Luiſe gefehn‘. Aber ftille davon, denn das ift nicht was mid; befchäftigt, obwohl ich auch darüber nicht fprechen Fann, was diefe heißen Tränen bedeuten. Der Tod ift eine himmliſche Hoff: nung, wenn er fo der Bewahrer unfrer liebften Schäße geworden. Das Leben wäre unerträglid und eine Schmad), menn es, diefer beraubt, nicht dennoch ein überirdifches Intereſſe enthielte, einen Zeil jener ewigen Geligfeit, und Gie miffen, wer mir nicht bloß ein zeitlicher Gefährte ift.....

Dorothea an Caroline Paulus [256] Köln, 16. Oktober 1804

Wie danfe ich Dir, geliebte, liebende Geele, dag Du mir Deine Empfindung für mid) mitteilteft! Ya, ich fühle es und miederhole es mit Sreuden: Du bift meine ertwählte, gefundene Schweſter, und fo wie Du, fo fühl auch ich, daß mir im Geiſte unzertrenn- üh find... . Außer Friedrichs Schweſter, Charlotte Ernft, habe ich nie‘ eine Srau geliebt wie Dich. Sie ift eine vortreff liche Stau, aber freilich fo verliebt in Dich, wie ich bin, würde fie vielleicht nicht fein; ja recht eigentlidy verliebt, ich kann mich oft nad) Deinen Augen fehnen, nad) dem Ton Deiner Rede, wie ein Berliebter... . Bon unferm Friedrich hab ich erft einen Brief aus Coppet. Bon der Stakl fchreibt er Gutes. Er meint, fie fei zwar gang und gar Sranzöfin, aber doch von der beften Gattung, die ihm noch vorgefommen fei; fie ſchiene ſinnlich und veränderlidh zu fein, aber nicht von der mwüften Kofetterie, die fonft bei ihnen fo gewöhnlich if. Im legtern, glaube ich, irrt der liebe Sriedrih. Der ‚Delphine‘ nad; zu urteilen, gehört fie zu den Eitelften der Eiteln. Gie fcheint den Wilhelm noch fehr zu lieben, fährt Friedrich fort, obgleich fie in Meinungen und

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Grundfägen fehr verfchieden von den feinigen ift; denn fie foll poll von franzdfifchen Vorurteilen fteden. Wilhelm foll fanfter geworden fein. Die Gtael fehreibt dies ihrer Erziehung zu. &riedridy meint aber, es fei weit richtiger dem angenehmen Ge fühl feiner günftigen Lage zuzufchreiben. Iſt es Dir nicht auch verhaßt, wenn die Krauen ſich fo viel auf die Erziehung ihrer Liebhaber einbiden? Mich dünkt, darin tut die allerunbefangenfte Frau das befte. Die Liebe, die nicht an und durch ſich felber den Illann bildet, die wird es mit der prächtigften Abficht gewiß nicht tun. Wieviel Krauen haben nun ſchon den Wilhelm er: zogen? Eigentlich wird er aber nur, wie eine Springfeder, ein» mal von diefer, dann von jener Geite zufammengedrüdt. Hört nım der Drud einmal auf oder läßt nad, fo fährt die Spring⸗ feder wieder ganz natürlid; auseinander. . . . Glaube doch nicht, lieber Engel, als ob ich vor dem Wert und der Würde des Goldes keinen Refpeft hätte. Kein Menſch in der Welt hat es mehr erfannt als ich, da es mir befländig daran mangelt; aber wenn ich mein auserwähltes Glüd, monad Millionen Frauen ſich vergeblid, fehnen, nicht erkennen oder weniger fchäßen follte, wäre ich da nicht das undankbarfte Gefchöpf unter der Sonne?

Das Notwendige, Speis und Trank und reine Waäͤſche, ein gutes Bett und ein warmes Zimmer, hat uns nod) nie ges mangelt... .. In der Tat, Liebe, war es recht wunderbar, wie uns in großer, dringender Not bei irgend einem Bedürfnis plöß- lich eine Hilfe kam.... Das fdönfte Glüd einer Frau ift mir auf Erden getvorden. Keine Macht, Fein Geſchick kann mir rauben, was ich empfand und erkannte. Ich trage es für die Ewigkeit. Zwei gute Dritteile meines Lebens find wahrſcheinlich vorbei. Iſt diefer geringe Teil, der noch zurüdbleibt, mohl noch großer Sorge wert? ...

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Dorothea an Caroline Paulus (257) Köln, 8. Dezember 1804

... Ich habe, feitdem ich Goethe Fenne, immer eine Art von Mißtrauen gegen ihn gehabt. Man darf ja auch nur den ‚Meifter‘ recht aufmerffam Iefen und dabei ſich feine Perſonlichkeit rede lebhaft vor die Geele bringen, fo wird man es ja ſchon ganz klar finden, wie er eigentlid, weit mehr von einem mittelmäßigen als von einem hervorftechenden Talente hält, und wie er nur fo- viel Sinn von den Menfchen verlangt, daß fie feine Ideen, aber gerade nur feine Ideen, auszuführen imftande find, nicht weniger, aber auch nicht mehr. Cr behandelt die Univerſität wie fein Theater und die Profefforen wie feine Schaufpieler, die er dreſ⸗ fiert, fo Gott will, auch Biden will, aber freilich nicht jeden auf feine WBeife, fondern hübſch harmonifch, daß ein jeder für fich eben nicht viel, aber alle zufammen das Kunſtwerk bedeutend be- deuten. Daß er den Müttelmäßigen jege ſchmeichelt, das muß er nun wohl tun, meil er Feine befjern hat. Aber warum er die Guten hat gehen laffen das ift es, mas wenige verftehen werden, und was mir gang natürlidy bei ihm dünft. Go ift es ihm eben recht. Alt war der alte Herr ſchon längft, fonft hätte er die ‚Eugenie‘ nicht dichten können: aber nicht alle, welche alt ‚werden, find deshalb fo veraltet als er. Dazu muß man eben nie recht jung geweſen fein. ®eh, er hat Fein Gemüt und Feine Liebe, und wenn es damit nicht richtig ift, kann alles auf die Länge nicht gut werden... . Daß Llemens Brentano nad) Berlin zieht, um alte romantifche Dichtung zu fuchen, ift ein Iumindfer Gedanke; id; glaube aber, Du haft das erfunden; es ift viel zu erzellent, als daß es wirklich geſchehen follte. Das ift ungefähr fo, als wenn jemand nad; Grönland reifen wollte, um Ananas wachſen zu fehen. Was Du von Fichtes Ziweifelsfyftem fagft, ift fehr gut; es fdheint freilich, als ob Zweifel und Syſtem einander nicht allein mwiderfprechen, fondern eins das andere auf: hebe. ... . Wenn Du fehen Fönnteft, in welcher Einfamfeit und Einförmigkeit ich lebe! ..... Es ift nichts, mas fo ftärkt, fo er-

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hebt und eigentlich erfrifcht als Einfamfeit, wenn man einfam zu fein verftehe, und fie Fann ordentlich zur Leidenfchaft werden, wie die Liebe zur Gefellfchaft. . ... “Ye einfamer ich lebe, defto mehr fehne ic; midy danach.... ch Fann es wohl fagen, daß ich auf dem Wege bin, im Herzen recht glücklich, überſchwenglich glüdlid zu werden. ... Will es das Schickſal, daß ich noch der äußeren Sorge enthoben werde, fo habe ich dann nichts mehr zu tun, als meine Geligfeit recht inne zu werden und zu fterben. ... Auch habe ich gehört, Euer Landesherr will den Kindern nichts mehr zum heil. Nikolaus befcyeren laffen. Das nenne ich Aufflärung. Die armen Wörmer müffen nun auch ſchon auf: geflärt fein! Da ift mein Philipp fehr weit zurüd. Der hat zum Nikolaus befchert gefriegt, weil es hier nun einmal fo Ge brauch ift und das fchlimmfte ift, er hat fidy gefreut damit. Es ift ein unglüdlidies Kind! Was fol daraus werden? Lebe wohl, geliebte, liebe Seele.

Deine alte Dorothea

Caroline an Frau Liebesfind [248] Würzburg, Anfang 1805

- . . Sagen Gie, wie kann man das Bedürfnis haben, feinen Mund gegen die Welt zu öffnen, ſich der, immer ſchmählichen, Gegenwart gegenüberzuftellen. Iſt das bloß der theatralifche Eharafter oder böfes Gewiſſen?

Ich Eönnte begreifen, wie man die Dokumente eigner ver- worrner Begebenheiten feinen Kindern und auch der nad) uns lebenden Welt als eine die Mlenfchheit überhaupt interefjierende Erfahrung hinterlaffen Eann. Erft wenn Namen und Perfonen nichts mehr zur Sache tun, tritt fie in ein wahres Licht.

Aufrichtige Konfeffionen zu fchreiben wie Rouffeau, deutet nad) meinem Gefühl immer auf eine mehr oder weniger Tranfe und haͤßliche Natur gefchmüdte Darftellungen werden, ohne von

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ihrer innern Unwürdigkeit und meibifdyen Urſprung zu fprecdhen, am Ende doch entlarvt dann ifts ja noch ſchlimmer.

Mein fefter Glaube ift, daß alle Lüge ans Licht kommt und daß Lüge das einzige Lafter ift und der Teufel ihr Bater. . . .

Dorothea an Caroline Paulus [259] Köln, 13. Yuli 1805 ... Den ‚Windelmann‘ von Goethe habt Ihr doch gewiß ſchon gelefen? Was fagft Du zu diefem fächfifch-weimarifchen Heidentume? Ich geftehe Dir, mir fommt das ganze fehr flad), ja gemein, Goethes Stil unerhört fteif und pretiös und die Anti⸗ pathie gegen das Ehriftentum fehr affektiert und lieblos vor, und wahrhaftig, wenn man alt ift, ift man noch lange nicht antif. Aber wenn man ſich fo gemwaltfam verfteinert und durch⸗ aus antik fein will, dann wird man vielleicht alt. Die Briefe felber find recht intereffant; aber mich dünkt, es ift nicht recht, fie druden zu laffen; denn fie find urfprünglidy gar nicht dazu gefehrieben. . ... Übrigens habe ich den ‚Slorentin‘ wieder vor- genommen. . . . Schreib doch, Geliebte, was das Buch von Goethe in Deutfchland für eine Art von Wirkung hat?... Sind die Katholifen damit zufrieden oder nidht?... Iſt Schelling nicht in aller Eil wieder zum SHegeltum befehrt? Nach unferer Berechnung predigt er jest den Mahmud. Wir werden noch neue Kreuzzüge erleben und gegen die Hegelingen fechten. Waͤre Friedrich nur zwei Jahre lang Herr feiner Zeit und ohne Sorgen, er follte ihnen das Verftändnis eröffnen! ...

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Dorothea an Earoline Paulus [260] Köln, Weihnachten 1805

... Dein antidriftlicher Eifer hat midy ganz außerordentlich ergößt! Der Taufend, Du disputierft ja wie ein Doktor! Nein, einer foldjen Überlegenheit an Gründen bin ich nicht getvachfen. Ich habe überhaupt Feine Gründe für meine Meinung; ich be Fenne mid) überwunden und gefdjlagen wie die Ruffen bei Aufter: . is. Eine Stelle in Deinem Brief hierüber hat mid, aber lange beſchaͤftigt. Es waren die unterftrichenen Worte: Daß ich mich von der modernen Fatholifhen Wut hinreißen ließe.... Wenn dumme Leute uns mit den Affen und albernen Nach— abhmern auf eine Linie fegen, fo habe ich nichts dagegen; denn fie gehen mich nichts an. Wenn aber eine fo geiftreidye Frau, wie Du, dies nicht zu unterfcheiden weiß und nicht unter- ſcheiden mill, was denfende Männer, mie Friedrich und wie Lied, tun, und was jene albernen Nachbeter treiben, dann fteht es ſchlimm mit der Zelt. . .. . Liebe Elifabeth! Es ift eben fo fündli, Friedrichs Streben (denn von ihm ift eigentlid, die Rede, da ich felbft nichts anderes will, als mich ihm anfchliegen) es ift alfo eben fo fündlich, fein Streben, fein Berlangen nad) der Wiederherftellung des echt driftliden Glaubens mit jenen Affenfprüngen zu verwechfeln oder zu vergleichen, als den Geift Luthers mit dem faden Gefchwäsß, das uns von unfern proteftantifcjen Kanzeln ertönt... . Es ift hier von etwas ganz anderm die Rede als von Rofenfranz, von fetten Mönden und von S. B. Da Du doch die Briefe in dem Almanad) gerne liefeft, fo verweiſe ich Did) auf die Stelle darin ©. 351. Was da von den alten Denfmälern gefagt wird, kann man füglich auf manche andere Mißbräuche anwenden. .... Ich behaupte, Du bift im Grunde gang unbewußt katholiſch gefinnt; denn Dein Eifer, Deine Kraft, momit Du Did) dagegen ftemmft, das ift (don ganz und gar Eatholifch. Zur rechten Aufflärung unferer Zeit gehört diefer Eifer gar nidye. Zu diefem gehört die Neu: fralität zuerft, alsdann Bedeutungslofigkeit, Kraftlofigkeit, ge-

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danfenlofes Nachplaudern, unbezähmte Eigenliebe, närrifcdye Eitel- feit, platte Empfindlichkeit, Leerheit und Sreudenlofigfeit. Was fagft Du zu meiner Litanei? Gott! fie ift fo gut, als Deine gegen den Katholizismus! Serrnhuter werden? Nein, das geht nicht. Die find wenigftens ebenfo gefhmadlos als die Katho- liken. Ich meinte, das befte wäre, mir errichteten eine ganz neue Sreimaurerloge, verbunden mit einem Liebhabertheater, alles im griechifchen Koftüm das wäre für unfer Zeitalter gewiß am paffendften!... Goethes neue Sachen lefen wir nicht. Erft die ‚Eugenie‘, dann der ‚Windelmann‘! das ift zu arg!... Ich habe einen Roman aus dem Altfranzöfifcyen (Merlin) überfegt, einen aus dem Altdeutfchen, ‚Zother und Maller‘ genannt... . Befonders hab ich es im Spaniſchen ſoweit gebracht, Calderon und Cervantes lefen zu Fönnen. Dies find zwar alberne, dumme, gottesläfterliche, geſchmackloſe Katholifen, aber doch Feine übeln Dichter... Wilhelm lebt noch immer bei der Gtadl. Haft Du feine Elegie von ‚Rom‘ gelefen? Wie gefällt fie Dir? Mir ift fie zu gelehrt; es foll aber ein Meifterftüd der Berfififation fein. Die Stasël fchreibt einen neuen Roman über Italien, der aber vielleicht erft in einem Jahr erfcheinen wird. Ich bin recht be» gierig, mas der Umgang mit Wilhelm für Einfluß auf ihre Dicht: funft haben wird. Ich fürchte nur, fie wird am Ende mehr Einfluß auf ihn, als er auf fie haben. Wir Eennen ja feine liebenswürdige Weichheit....

Dorothea an Caroline Paulus [261) Köln, 23. Juni 1806

... Ich haſſe diefe Aufklärung unferer Zeit recht von Herzen; es ift noch nichts Gutes, nein nichts von ihr hergefommen. Schon, weil er fo uralt ift, zieh ih den Katholizis- mus vor. Alles Neue taugt nichts. Wir haben hier eigent: id) die Religion oder beffer die Konfeffion noch nicht geändert.

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Man bat uns kein Glaubensbefenntnis abgefordert. Wir halten uns alfo nicht für befugt, eines abzulegen. Gollte es aber ges fordert werden, fo find mir entfdjloffen. . . Ungeachtet aber, daß wir für Proteftanten gelten und auch uns nicht dagegen er: klärt Haben, haben diefe fo verrufenen Katholifen dem Kried- rich doch die fehr wichtige Lehrftelle der Philofophie anvertraut. Die Drthodoren haben im Anfang feine Borlefungen beſucht und haben die Hefte der Studenten unterfucht, worauf fie dann, da fie feine Mäßigung und feine Gründlichkeit erfannten, ihm nicht allein ihre Zufriedenheit, fondern bei allen Gelegenheiten die aus- gezeichnetfte Achtung erzeigt. .. Wenn es je welche gibt, die fo ausfehen, als Fönnten fie einmal Feinde vorftellen wollen, fo find es die wenigen fogenannten Aufklärer... . Ob ich glaube, fragft Du, daß die Künfte in Deutfchland eine Kolge des Katho- lizismus feien? Allerdings glaube id das. Wenigftens find fie mit dem Katholizismus verfunfen, fo wie fie mit diefem geblüht haben. Alles ift ſchlechter feitden, ja Deutfchland felber ift darunter zugrunde gegangen und Feine Kraft und Fein Wille mehr darin, als etwa noch in dem unglüdlichen, unterdrüdkten und betrogenen Reft, mo auch noch ein Eleiner Schimmer jenes alten Glaubens nody fparfam glimmt. Wilft Du mir das, mie billig, nicht aufs Wort glauben, fo lies die alten Geſchichten....

Hätte ich nur Dein und Deines Wilhelms Bid, ich würde mit Steuden jeden Morgen meine Andacht davor verrichten, ob- gleich ich ſchon eine recht ſchöͤne Mutter Gottes habe. Man hat fie mir zu meinem Namenstage gefchenkt. .... Eine neue Re- ligion hätte Friedrich ftiften !mwollen, [meinft Du? Das Fann er nicht gewollt haben. Man macht Feine neue Religion. Hat er von Religion gefprochen und von Poefie, fo war es immer die alte und zwar die allerältefte, die uralte, die vor Alter ganz vergeffene und deswegen für die ganze Welt wieder neue. Du fannft mir freilidh den Einwurf machen: Warum eriftieren denn jeßt nicht noch große Dichter unter den Katholifen, mwenn es bloß diefe Religion madjt? Es ift wahr, das Zeitalter der Poefie 26 Romantiker⸗Briefe 401

und aller Künfte fcheint erlofchen; aber es ift erft feit dem fürchter- lihen Aufruhr der Reformation erloſchen. Allenthalben hat diefer Aufruhr zerftört...... ft nice Klopftodis großes Werf kalt und hat feine Abſicht, Bolfspoefie zu werden, verfehlt, weil es proteftantifch iſt? ... Unſere Gegner haben die ‚Europa‘ befchimpft, den ‚Leffing‘, diefes herrliche Werk! und über meine ‚romantifden Dichtungen‘, Die freili unter Friedrichs Namen herausfamen, find fie wie die Harpyen hergefallen. ... . (Nachſchrift von Friedrich Schlegel.) Gchliegli grüße ich hierdurch Euch noch herzlich. In Yhre dogmatiſchen Streitig— feiten mit meiner Frau mifche ich mid) nicht. Gie fehen felbft, was Sie fich für eine Predigt zugezogen haben! Um aber doch zu beweiſen, wie anftedend das Gtreiten und Predigen ift, mil ich wenigſtens noch eins hinzufügen aus dem Meinigen. Wenn Gie uns für etwas parteiifch halten für die Katholiken, fo muß ich nur geftehen, daß dies zum Teil der Fall ift aus perfönlidher Sreundfchaft. Diefe allgemeine Achtung und diefe herzliche Sreund- ſchaft fand ich nur bei diefen fehr verdammten Menfchen. Meine ehemaligen fogenannten Sreunde, als Falvinifche, Tuthe- rifche, herrnhutiſche theiftifche, atheiftifche und idealiftifche mie eingerechnet, haben fi, meinen einzigen leiblidjen Bruder aus- genommen, der aber auch ein fehr ſchlechter Kalviner ift, fämtlich

als wahres Zigeunergefindel ‚gegen mich aufgeführt. Ihr Friedrich

Sriedrih Schlegel an Schleiermacher [262] Unterzell b. Würzburg, 17. September 1806 ... Mit der fpefulativen Philofophie das find doch nur Aus- flüchte; denn darin ſteckt ja eben die Kegerei, dag Ihr Spino- fiften ein foldjes Wefen mit der Naturphilofophie treibt, fo doch nur ein bverkleifterter Materialismus if. Bon der Entftehung der Natur, und diefes ift das einzige von ihr, was ich in der ' 402

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Philofophie an feiner Stelle finden kann, hat doch jene fo- genannte Naturphilofophie wohl fo wenig Kundfchaft als die gemeine Phyſik. Vielleicht wird nun aber Deine Theorie des Apoftel Paulus etwas was ich nad meiner Weife fpefulativ nenne. Und fomit Gott befohlen.

Schelling an Windiſchmann [263] Münden, 18. Dezember 1806 ch freue mich herzlid) der aus dem Herzen gequollenen Schrift, von der Sie mir Nachricht geben. Wen follte die Zeit jegt nicht zum Öeher oder Sprecher machen? Und dody empfinde ich tief die Unheilbarkeit der Zeit und fahre fort, der Zertrümmerung mich zu freuen. Die Dummheit von oben her, die tiefe Gemein heit der Regierungen, die wir fallen fehen, haben wir uns nicht vorftellen können; jet ift fie Elar, und ich möchte nicht Flagen, fondern womöglich felbft noch helfen, daß das Alte vergehe. Die Zeit, mo das vielleicht alle unfere Gedanken übertreffende Neue gepredigt werden und hervortreten Tann, ift noch nicht ge: fommen: ich erwarte eine völlige Berföühnung aller europäifchen Bölfer und mieder eine gemeinfchaftlidhe Beziehung auf den Drient. Bewußtlos oder bewußt arbeitet der Zermalmer dahin und ift ſchon außer den Grenzen, worin er bisher ſich hielt. Diefe hergeftellte Einheit der Beziehung mit dem Morgenland halte id; für das größte Problem, an deffen Auflöfung der Weltgeift jetzt arbeitet. Was ift Europa, als der für ſich unfruchtbare Stamm, dem alles vom Drient her eingepfropft und erft dadurch veredelt werden mußte? Wir Fönnen des leßteren nicht entbehren, offne, freie Kommunikation mit demfelben muß fein, damit das alte Leben des 15. und 16. Yahrhunderts fehöner mwiederfehre. ... Eine literarifche Neuigkeit, die Gie erfreuen wird! Vor einigen Monaten Fam die Nachricht von einem Erz: und Waſſer⸗ fühler in Italien, ähnlid) dem Pennet, Thouvenel u.a. Franz

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Baader (ein herrlicher Geher und trefflicher Menſch), Ritter und ich gaben uns alle Mühe, die Sache zur Unterfuchung zu bringen. Der für alles Große und Schöne empfänglide Minifter hat Geld dazu bewilligt und Ritter ift vor einigen Wochen abgereift. Die erften Nachrichten find da. Die Wünſchelrute ſchlägt jenem Yndividuum. Dies ift ausgemadjt. Welch ein Phänomen, auffchließend die Magie und Obergewalt des menſchlichen Weſens über die Natur! Ritter ift mit Campetti (fo heißt der Menſch) zu Volta gereift. Dort foll das Factum zuerft Eonftatiert und Campetti dann hierher gebradyt werden, um alles außer Zweifel zu fegen. Die Aufgeklärten fchreien entfeglid über die Ym- pertinenz der Natur. Divulgieren Gie das Kactum noch nicht, damit Fein vorlautes, einfältiges Gefchrei Unberufener entftehe.

Dorothea an Schleiermacher (264)

Köln, Dezember 1806 oder Januar 1807 Ich ſchrieb Ihnen immer nicht, liebfter teurer Freund, weil ich Ihnen fo fehr vieles zu fchreiben hatte; wo follte ich anfangen? Und immer mehr häuften fich die Gedanken, und immer voller ward mir das Herz! Zu Stunden lang gehe ich einfam in meis nem weitläuftigen Zimmer auf und ab und meine Seele weilt bei Euch. hr Armen, Zerftörten, Zertrümmerten, die ich fo gerne tröften, fo gern wieder einmal um mid, verfammeln möchte! Syn den Zeitungen fuchte ich nichts fo eifrig als die Namen Berlin, Jena, Halle; auf der Landkarte ruhten meine Augen auf diefen Orten, als hätte ic) Euch felbft dort finden, Euer Schickſal darin erfahren Fönnen. Hätten Gie mich fo gefehen, es wäre Ihnen ſicherlich viel lieber gemefen als ein Brief; mie Fönnen diefe armen Zeichen Ihnen wohl ebenfogut von meiner ängftlichen Sorge, von meiner unmandelbaren Liebe ſprechen? Gie verlangen etwas von mir über mein Leben zu hören. Meinen Gie das äußere oder das innere Leben? Das eine ift

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fo ũberſchwaͤnglich reich, als das andre arm ift; urteilen Sie num felber, ob ich mehr zu beneiden oder zu bedauern bin. Freilich bin ich fehr allein, aber das verftehe ich befier zu fein als die meiften Frauen; das wiffen Sie wohl; die Einfamfeit wird mir durch die Gewohnheit immer werter. Wenn idy meine Lage ftandhafter als manche andre ertrage, fo darf ich mid, deffen Feineswegs als eignen Berdienftes rühmen; was würde einem mit einem Berouftfein, als das meinige ift, nicht leicht? Mit meiner Gefundheit geht es auch ganz leidlidy; ein hiefiger Arzt hat mid, aus den 'meiften meiner fo fatalen Zufälle ganz herausgeriffen ; der Schwindel, diefe Krankheit aller Krankheiten, hat fidy gänz- lich verloren. Außer den Verordnungen diefes fo ganz vorzüg- lichen Arztes mag auch wohl der gute Wein und die reine Luft ſchuld an meinem Befferbefinden fein; man lebt hier beffer, zu einem mäßigen reife, als irgendwo fonft. Troft, Mitteilung, Liebe, Muſik, Malerei und mohltätige Tränen finde ich in der Kirdye. Übrige Details würden Ihnen nidjts weiter lehren, da Ihnen meine ganze lImgebung fremd ift; wie dem aber auch fei, Sie haben fehr recht, ich bin und bleibe ganz die Alte! Iſt auch mandhes als Korm ſichtbar geworden, was fonft als Stoff tief in mir verfchloffen lag, fo wird midy das für Gie nicht verändert haben. Yhrem freundlichen Korfcherblid wird nichts neu und nichts unbefannt von mir erfcheinen; für den, der mid, fo Eennt, bleibe ich die Alte! Dft fand ich ſchon, daß grade dasjenige, was mich am meiften fchmerzte, in der Kolge eine neue Duelle von Glück für mid, war. Niemand hat wohl mehr als ih Ur- ſache, ſich ganz ohne Widerftreben der leitenden Hand der Bor: fehung zu überlaffen. Oft ift mir, als gefchähe alles mit mir nur darum, um mich fo zu madhen, wie ih bin! Doch nun ges nug von und über mid); ohne Ihre rührende freundliche Liebe hätte ich noch lange nicht zu verfuchen gewagt, nur fo viel zu ſagen....

Sehen Sie, lieber Schleier, ſo ſehr bin ich noch die Alte, daß ich unter Traͤnen mich dennoch nicht des Lachens enthalten kann,

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wenn ich mir die Berliner ſchöne Welt denfe, die bis jegt das Wort Feinde äußerft delifat, gleihfam nur wie in der allegori- fchen Schmiede gefannt haben, dag diefe nun fo plöglidy nicht allein natürliche grobe Feinde, fondern fogar den mwahrhaftigen böfen $eind, den fie fo lange geleugnet oder ignoriert hatten, bei fich in ihren geſchmackvoll verzierten Zimmern haufen fehen und durch die eignen Schläge gezwungen werden, ihn an zuerfennen! Schmälen Gie nicht zu fehr auf midh, lieber Schleier- macher, ih kann es wahrhaftig nit laffen. Wären Gie nur hier in guter Nähe bei mir, Cie müßten mit mir lachen, wenn ich erjt mit Ihnen gemeint hätte. ...

Caroline an Gotters (265) München, 4. Januar 1807 . Wie zerriffen fieht es in der Welt aus welche Un: fumme von Elend, vernichtetem Wohlftand, Schlechtigkeit welcher gängzlicher Mangel an der gemeinften Gicherheit. Man hört nichts anders in der Nähe und Ferne. Wie mag den Menfchen zumut fein, die nun wirklich drinnen fteden mit ihrem Geift und Gemüt, und nicht eine Atmofphäre um fi) her ziehn fönnen, in welche das alles nur fdheinbar dringt. Wie viel lieber wollte ich in einem Dorf auf der Schladhtlinie von “Jena gewohnt haben und in Staub mit getreten fein, als mir die Geele an- fteden laffen, durch diefe abfcheuliche Verwirrung aller moralifchen Dinge. Ich bin aber auch fehr glücklich, daß ich die Ägide neben mir habe, denn, geht von einer Geite die ganze Konvenienz⸗Welt mit allen ihren alten Formen unter, fo geht mir an einem ſchö— nern Horizont eine unmwandelbarere Welt auf. Der, in dem id) fie finde, ift ein unerfchöpflicher Brunnquell alles Herrlihen und Tröftlichen. ... .

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Schelling an Windiſchmann [266) München, 7. Januar 1807 Es ift wahr, geliebter Freund, unfere Äußerungen flimmen munderfam überein und mie möchte es auch anders fein? Vielmehr hoffe ich und bin gewiß, es wird darin immer weiter gehen. Ye mehr die Konvenienzmwelt untergeht, defto mehr tritt die Natur und das Urfprünglicdhe wieder hervor; und diefe Natur⸗ welt ift die eigentli neue, an die Ötelle der alten tretende, welche, Feiner Umfchaffung wert, billig zertrümmert wird. Möchten alle, die noch an diefer Konveniengmwelt bangen, davon befreit werden; unfern Yohannes (Müller) davon abzubringen, laffen Gie fidy angelegen fein. Die Revolution hat jegt erjt in Deutfch- land angefangen; ich meine nämlid), daß erft jest Raum mird für eine neue Welt. Campetti, der Rhabdomantift, ift hier, und Ritter hat aus Italien, wo dieſe Kunft ſchon hoch vervollkommnet ift obgleich im Gtillen Wunderdinge mitgebradit. ... .

Auguft Wilhelm Schlegel an Dorothea (267)

Aubergenville, 19. Januar 1807

Meine teuerfte Schweſter und Freundin! ſchon lange habe ich an Gie fehreiben wollen, um Ihnen zu fagen, wie mohltätig der Beſuch meines Bruders für mid) ift, und um Ihnen herzlich zu danfen, dag Gie mir ihn auf einige Zeit leihen wollen. Ich fürdjte zwar, man wird ihn mir über Eurz oder lang wieder ab- fordern, und es wird nichts helfen zu fagen, daß ich ihn noch nicht ausgelefen habe; jedoch Fann ich das leider nicht unbillig finden und muß es beklagen, dag Sie fo einfam find, während mir uns unfrer DBerbrüderung erfreuen. Es wäre fchön, wenn wir einmal in Köln, auf altdeutſchem Grund und Boden bei: fammen fein und vertraulidy von vaterländifdhen Dingen und allem, was uns nahe angeht, ſchwatzen Fönnten. Die Zeit führt

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aud; das gewiß herbei; vorigen Sommer war idh ſchon ganz nahe daran, hätten nicht meine Krankheit und andre Umftände den herrlichen Plan vereitelt. Glauben Gie mir, das Heimtveh, das Gefühl der Bereinzelung in der Sremde ift gar eine traurige Krankheit. Gie haben das nie fo empfinden können, weil Gie in Frankreich immer von den Ihrigen umgeben waren. Darum hatte ich Friedrichs Zuſpruch fo fehr nötig; er fand mid) in einer großen Verſtimmung, und nun habe ich Seiterfeit genug ge- wonnen, um fogar verfdjiedenes zu dichten, wovon er Ihnen Abs ſchriften mitbringen fol. Wir haben lebhafte Mitteilungen über unfce beiderfeitigen Studien und Pläne, man muß auf die Zus kunft finnen, wenn auch die Gegenwart wenig Aufmunterung gewährt. Friedrichs neuefte Gedichte find mir eine wahre Er- quiddung getvefen. Ich finde, daß er feit einiger Zeit ein un- mittelbareres Organ entdedit hat, um feine innere Poefie Fund zu geben, er fpielt ein weniger künſtliches, aber inniger tönendes Inſtrument. Die echt deutfche Gefinnung, die aus allem fpriche, muß ibn zum Lieblingsdichter aller nicht ausgearteten Landsleute machen. Wäre nur erft alles gedruckt! Indeſſen habe ich mid, die Mühe nicht verdriegen laffen, diefe fämtlichen Gedichte abzu- ſchreiben, um fie als ein Eräftiges Troftbüchlein immer bei mir zu führen. Unſer brüderliches Bündnis ift mir um fo werter, weil es fich nicht felten begibt, daß einer oder der andre von den fogenannten guten Sreunden zum Teufel geht. Die Abtvefenheit bringt mandje heimliche Gefinnung an den Tag. Ich fage dies namentli in bezug auf meinen ehemaligen Berliner Zirkel Nicht alle äußern ſich zwar mit fo drolligen Anfpielungen wie Sichte in feinem Zeitalter. Denken Gie ſich, Tieck hat fid) gegen Madame Unger erboten, meinen Shafefpeare fortzufegen. Gie hat natürlid; geantwortet, fie wolle es nur in dem Kalle an- nehmen, wenn er mit mir darüber einverftanden wäre. Ich habe mir nun feft vorgenommen, ihm dafür bei Gelegenheit, nach dem biblifchen Ausdrud, einen Tuck zu beweifen und feine Kagenpfote einmal feft in die Schlinge zu ziehen. Aus den Albernheiten,

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welche allhier ein getoiffer dänifcher Geebär und Poet, namens Dehlenfcjläger, vorgebracht, haben wir ungefähr abnehmen koͤnnen, wie fündhaft der alte Heide Goethe über uns reden mag. Alles dies hat mir denn doch einen Antrieb gegeben, einmal wieder mit entfchiedener Tätigkeit in der Literatur aufzutreten. Wenn Yhnen der ‚Berlinifche Damenkalender‘ zu’ Geſichte kommt, fo werden Sie einen Auffag und ein Gedicht von mir darin finden. Näch— ftens fol nun wieder Shafefpeare und ‚Spanifches Theater‘ er: feinen. Bald dürfte ich auch als Schriftfteller in franzöfifcher Sprache auftreten. Nach einigen unvollendet gebliebenen Ber: ſuchen habe id) endlidy eine ‚Bergleidhung der Phädra des Racine mit der des Kuripides‘ fertig gefchrieben. Eine Bekehrung zur franzöfifchen Literatur ift es indeffen nicht, denn meine Begeifte: tung dabei war hauptfädhlidy, daß es die Lefer verdrießen foll. ‚Lother und Maller‘ habe ich mit großem DBergnügen gelefen, der Ton ift vortrefflidh gehalten. Können Sie nicht mehr der- gleichen geben? Der neue Roman der Krau von Ötael wird Sie gewiß fehr intereffieren. Friedrich hat nun die Überfegung zu beforgen übernommen, zu "der ich mid) früher anheifdjig ge⸗ madjt hatte. In etwa einem Monate fol der Druck anfangen. Madame Unger äußert, ungeadjtet der ungünftigen Zeiten, ein großes Verlangen, die Überfegung im Verlage zu haben. Doc; ich ſchwatze Ihnen mancherlei vor, was Ihnen Friedrich vielleicht ſchon gemeldet, und vergeffe Ihnen zu fagen, mas er übergangen haben wird, namlich wie fehr meine Freundin ſich in feinem Um⸗ gange gefällt, wie lebhaften Beifall ſowohl fein Scherz als fein geiftreicher Ernft findet, wie viel er überhaupt beiträgt, das ge- fellige Leben in unferm Haufe angenehm zu befeelen. Geine BVorlefungen über Philofophie und Gefchichte der Philofophie find mir fehr bedeutend; ich wollte nur, daß er endlich einmal öffent: li) aufträte, um feine Überlegenheit über Schelling und den feligen und ſeligmachenden Kichte zu bemweifen. Freilich liegen mir feine poetifchen Linternehmungen nody mehr am Herzen. Wenn meine Sreundin die Rückkehr nad; Paris erlangen

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follte, fo könnte es für meinen Bruder ein Mittel werden, uns öfter dort zu vereinigen, da er einmal in ihrem Haufe einheimifch geworden. Paris muß ihm für feine Studien immer wichtig fein, befonders da Deutfchland großenteils fo wüſt und unmirtbar ge- worden. Denn feine Abfichten auf Wien fcheinen mir manden Bedenklichkeiten unterworfen zu fein. Ihre Schweſter hat mid) fehr freundfchaftlidy aufgenommen, nur verdarb fie es wieder da- mit, daß fie, ungeachtet fie ung beide in demfelben Haufe wußte, an meinen Bruder ohne allen Bornamen, blog an Gdlegel ſchrieb. Kann man mid) vollitändiger vernichten? Doch das ift wohl eine Samilien-Eigenheit nur einen Öchlegel als den allein gültigen anzuerfennen.

Leben Gie taufendmal mohl, und lajfen Gie mid; Ihrem freundlichen Andenken empfohlen fein.

Ganz hr AWE.

Caroline an Pauline Gotter* [268] München, 24. Auguft 1807

... Um den Durchzug Napoleons habe ih Euch nicht fehr beneidet, ob mir ſchon zumeilen der Wunſch fommt, ihn doch auch einmal zu fehn, um ihn lieber zu geminnen. Yedermann fagt, daß fein Anblid etwas verföhnendes habe. Kür mid; ift er immer nur nod) das perfonifizierte Schickſal geweſen, das ich nicht haffe und nicht liebe, fondern abwarte wohin es die Welt

führt... .

Golger an eine ugendfreundin [269] 30. Auguft 1807

Gie find und bleiben mir doch eine munderliche Sreundin, wie Gie da fagen Fönnen, ich würde über Ihre Religiöfität

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lachen. Überhaupt ärgere id) mid) immer, wenn man fo mi trauiſch gegen mid) ift, welches mir jedody oft widerfährt, und im Vertrauen gefagt, gar oft von Srauen und Mädchen, für die ich immer ein gewiſſes tendre gehabt habe. Ich bin mand;- mal ehrlicher als ich ausfehen mag, vor allen Dingen aber in geiftlichen Angelegenheiten, worüber mir ja ſchon mehr als ein mal miteinander gefprocdhen haben. Die Gtumpfheit und die matte und unlebendige Weisheit Eennt Feine Religion. Wer aber in Sleifh und Blut recht lebendig und wirklich lebt und fühlt, der hat manche Lüde, die ihn hintreibt, fie in dem auszufüllen, der alles erfüllt, und jenes Blut und diefes Gefühl bringen mit den Fehlern und Widerſprüchen, wozu fie hinreißen, auch die un- mittelbare und lebendige Gewißheit, daß es eine unendliche und allgemeine Liebe und Gnade gibt, die das mit fich felbft Un— einige wieder verföhnt, und nur geliebt fein will, um zu ver- geben.

Caroline an Luife Gotter [270] Münden, ı2. Dftober 1807

... Ich habe Werner, dem Verfaffer von der Weihe der Kraft, aufgetragen, Euch zu befuchen; er ging von hier über Gtuttgart und Frankfurt und Gotha nach Berlin zurüd. Cs ift wunder» lich, indeffen fehr wahr, daß ich bis jegt feine Weihe der Kraft noch nicht gelefen, auch für Feins feiner Produfte ein gutes Bor» urteil nach den Bruchſtücken, die ich von ihnen fah, hegte. Aber der Mann hat mir durch fein Wefen ein Intereſſe dafür ge- geben, und in dem was ich wirklich von ihm nun kenne, läßt fi) ein großes und des Kortfchreitens fähiges Talent (obſchon der Berfaffer felbft nicht mehr jung ift) nicht verfennen. Die Kraft feiner Darftellung hat er bisher nur an unrichtige Gedanken ver- fehtvendet; das geheime DrdenIBefen hat ihn beftridt und die Liebe zur Allegorie ihn von der rechten Poefie abgeführt. Ich

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kann mir denken, daß er wirklich nod) einmal ein tüchtiges Schaufpiel ſchreibt, und weiß eben nicht viele, von denen ich mir dies vor⸗ ftellen koönnte....

Schelling an Windiſchmann [271] Münden, 31. Dezember 1807

... Ihre Nachrichten von Fr. Schlegel haben mich fehr intereſſiert; was mir ſein Bruder bei neulicher Durchreiſe mit Frau von Gtadl erzählt, war in manchem Betracht beftätigend, unter anderm, daß er fo voll und ſtark geworden, daß er einem wahren Monch gleicht. Außerdem ſcheint er ganz hiſtoriſch ge⸗ worden und meditiert eine Geſchichte des oͤſterreichiſchen Hauſes. Frau von Gtadl ift eine bewunderungswürdige Frau, die Form ift franzoͤſiſch foviel fie es nur fein kann, der Grund aber um gar viel befjer. Ich habe fehr viel mit ihr gefprodyen und mid; nidye wenig an den Lebhaftigkeiten, der Schnelle und dem euer ihrer Reden ergößt. Zur Ermiderung till ich Ihnen von Kichte melden, wenn Sie es noch nicht mwiffen, daß er den Dante über: fest, (ein Gefang diefer Überfegung ift bereits in einer Könige berger Zeitfchrift erfcjienen); unferm Freund Köhler, der beiläufig zu fagen mit gar viel Ehre und Lob eben aus dem Feld zurück⸗ gekommen ift, hat er drei Gonette rezitiert, worin feine ganze Philofophie enthalten ift (diefe werden nun zum PBerftehen überreden, da das Zwingen nicht helfen wollte), und nadjdem er jenem die verborgenen Schönheiten, diefelben vordozierend, enthüllt, feßte er hinzu: das wäre doch Fein Gchlegelfcher Ging Gang und Kling Klang. Sonderbar ift, dag unter dem Ruin des preußifchjuridifchen Staats, deffen deal zur legten Vers herrlichung ſich eben in Fichte reproduziert hatte, er auf Machia⸗ velli fiel, und ganz von ihm ergriffen, auch gleich eine Abhand⸗ lung über ihn ad modum des Goethefchen Windelmanns (in der nämlichen Zeitfchrift) fehrieb, welche von verftändigen Leuten fehr

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gerühmt wird. Ein ſolcher ſchrieb aus Königsberg recht gut über ihn hierher, ‚feine alte Wahrheit fei ihm genommen worden; das woll er ſich nicht geftehen, nun .fei er ein Betrüger feiner felbft und der Welt, ein Deutler und Wortklauber‘, ıc. intereffant wird fein zu fehen, wohin die verfchiedenen Naturen alle fidy wenden. Die unferes Johannes hat gewaltige Sprünge gemacht; mög es ihm Gott gefegnen, und mög er viel Kluges und Tüchtiges tun Fönnen für deutfches Wefen!...

Dorothea an Kriedrid Schlegel (272) Köln, am Tage Johannes des Täufers 1808

... Öeliebtefter, wie fehr fehne ich mich, von Dir zu hören! Ich weiß beftimmt, daß ich unter vierzehn Tagen keinen Brief von Dir zu erwarten haben Fann, denn wahrſcheinlich ſchreibſt auch Du mir erft heute, da Du in den erften Tagen Deines Aufenthaltes in Wien wohl Feine Ruhe dafür gefunden haben wirft; und dennoch meine ich ungeduldig werden zu müffen, wenn twieder der Driefträger vorbeigeht. Ich habe an Wilhelm nad) Hannover gefchrieben (obgleidy ich nicht weiß, ob er ſchon dort if, Du haft mir ja die Zeit feiner Ankunft dafelbft nicht be ftimme); ich habe den Brief an die Mutter adreffiert und ihn fehr gebeten, dag er über Köln reifen und mit mir bis Mainz den Rhein hinauffahren möchte. Glaubft Du, daß er es tun wird? Jllir wäre es eine rechte Freude.

An dem Tage, wie ic; meinen legten Brief an Dich abfandte, hatte ich noch eine große Freude: nämlidy ein Paket aus Berlin! ©. Beit fchreibt mir fehr gut; mein Brief mit der DBerficherung, daß der Zeitungsartifel'ganz ohne unfer Borwiffen und zu unferm größten Verdruß eingerüdt worden ift, hat ihn ganz beruhigt. Ich habe ‚alle Hoffnung, daß ich die finder nad; Dresden be fommen werde, obgleidy er mid fehr dringend verfichert, daß es fein Tod und fein bitterfter Gram fein würde, wenn er, wie er

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fi) ausdrückt, von den Kindern verlaffen würde, und fie das Ehriftentum annehmen. Und doc; mird dies geſchehen, und feine Macht wird es verhindern können; denn lies diefen herr- lien Brief von Jonas! Du Eannft Dir denken, wie ganz ent: zückt id) davon bin. Ich ſchicke ihn Dir mit, obgleich ich mid) nicht gern davon trenne, aber auch Du follft Deinen Teil daran genießen. Cine reinere himmlifchere Sreude habe ich nie emp: funden, felbft nicht, als ich die Kinder geboren, und alle Angft und alle Furcht vor der öffentlichen Befanntmadjung und den befürchteten Folgen war rein aus meinem Herzen gelöfcht. Ich war wirklich glüdlih und wie zu einem ſchönen Tode geftärkt und vorbereitet. ‚Diefe Zeicdjen aber werden denen, die glauben, folgen: in meinem Namen merden fie Teufel austreiben, mit neuen Zungen reden, Schlangen vertreiben, und wenn fie etwas tödliches trinken, wird es ihnen nicht fihaden‘. (Im Evangelium am Himmelfahrtstage.)

Bis jegt war ich bei alledem noch zweifelhaft, ob ich recht tue, nad Dresden zu gehen, bevor Du mit Gemwißheit fagen Fannft, ob Du nicht wieder einen andern Ort wirft mit Wien vertaufchen müffen; denn die Kriegsgerüchte erfchrediten mich, und ich hielt es in diefem alle nicht für recht, mich fo auf Deine Schmefter zu werfen. Aber da die Kinder nun hinkommen merden, muß jede andre Rüdficht ſchweigen; es ift nun, wie auch Du mir gefagt haft, ein heilige Pflicht, nad; Dresden zu gehen, es komme, mie es wolle. ©. Veit Flagt aber erbärmlicdy über die Unglüde und Drangfale. %d erwarte für mid) nichts mehr von ihm, aber aud; den Kindern wird er es wahrſcheinlich Enapp zufchneiden müffen. Heute ift Bertrams Namenstag; er hat mich zum Mittag eingeladen; ich glaube aber nicht, daß ich hingehen werde, der Kopf tut mir weh. Reinhards waren diefer Tage in der Stadt und haben mich auch befucht; ich mar aber zufällig nicht zu Haufe. Du fiehft alfo, daß fie freundlich find.

Wir haben Goethes ‚Sauft‘ hier und ich habe ihn auch ſchon gelefen. Es find viele neue Sachen darin, doch hängt es bei

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alledem nicht mehr zufammen, als auch das erfte, es find nur noch mehrere Sragmente. Die Walpurgisnadht ift zivar aus gelaffen genug, doch dünft fie mich nicht fo leicht phantaftifch und fo bedeutend genialifch wie die Szene mit den Klagen und der Here. Das bedeutende in der Walpurgisnacht ift ftörend, als ob es Perfönlichfeit wäre; der Nicolai ıc. ift auch wirklich dort mal-A-propos. Das DBerhältnis des Menfchen zum Böfen ift, meine ich, audy gar nicht Flar und beftimmt genug dargeftellt; denn mid) dünkt bei einer ſolchen befonnenen Überlegenheit des Menſchen kann das Böfe nicht fiegen. Fauſts Monolog über die erften Worte des Evangeliums SYohannis: ‚Ym Anfang‘ ꝛc. ift zwar recht ſchön, aber Calderon hat in feinem Monolog über denfelben Gegenftand (die erfte Szene in Los dos Amantes del cielo) viel mehr Tiefe und Reichtum. rgreifenderes aber und fo bis ins tieffte erfchütternd habe ich nie etwas gelefen als die legte Szene von Gretchen im Gefängnis. In diefer Gzene glaube ich ganz Calderons Geift wehen zu fühlen, aber dod) ganz deutfch, fo daß es jedes deutfche Gemüt erfchüttern muß; fie ift romantifchtragifch im allerhödjften Sinn. Mit melden Worten fol ih mir nur den Unterſchied machen zwifchen der Rührung in diefer Szene und jener in der ‚Öenoveva‘, wie fie fterben will im Wale und die Engel Gottes treiben den Tod von ihr fort. Wie kann zwifchen der Bitterfeit und der Güßigkeit eine foldje Berwandtfchaft der Gefühle ftattfinden? Hier die leidende Un- ſchuld, gegen die ganze Hölle Fämpfend, gebunden unterliegend; dort die erhabene Schuldlofigfeit, den Schmerz befiegend, ruhig ergeben; und beide gerettet durch den Ruf von oben! Es wird mir aber doch Flar bei diefem ‚Sauft‘, daß Goethe wohl nicht fo glüdlich ift, als man in den Werfen feiner mittleren Zeit ihn wohl halten möchte. Es ift doch eine rechte Bitterfeit darin troß der anfdheinenden Luftigkeit; kommt er Dir nicht audy fo vor? Indeſſen ift diefe Stimmung grade die rechte zur Darftellung der Hölle... .

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Dorothea an Kriedrid Schlegel [273] Köln, 28. Juni 1808

... Mit weicher Sehnſucht id; auf Deine Nachrichten aus Wien verlange, das wirft Dis Dir wohl vorfiellen! Ich habe die gewiffe Hoffnung, daß die Gcgvermut fih wieder bei Dir zer- fireuen muß bei den Gegenftänden, die Dich dort umgeben, und denen Du Dich hingeben wirft. Kaffe immer wieder neuen Mut, mein @eliebter! Denk doch zurüd, wie vieles wir erreidyt; ja mehr haben wir erreidyt, als wir uns anfangs gar vorgefeßt. Unfre Augen trugen uns ja nidjt fo weit, als wir wirklich durch himmliſche Hilfe nun erreichten. Friedrich, wer kann uns denn jegt ſchaden? Und auf Zeit meines Lebens arm zu fein, bin ich wenigftens mehr als je gefaßt. Alfo um meinetwillen habe feine Angft; würdige mich ruhig zu fein meinettivegen! Freilich näherft Du Did) einem längft erfehnten Ziel, und diefer fo ahndunge- reihe Augenblid muß Deine Geele allerdings ganz erfüllen und kommt Dir darum mie Schwermut vor. Aber warum nennft Du dieſes Ziel Deinen legten Wunſch und warum einen ir- difhen? Der Wunſch, immer mehr Gottes Willen zu erfennen und nad) allen Kräften zu erfüllen, der wird Did, nicht verlaffen und in immer andrer Geftale Did, ftärfen und antreiben bis an den Tod. Go auch ift Dein Streben und Deine Sendung Feine irdifche und auf nichts iedifches gerichtet, denn fonft hätteft Du nicht nötig gehabt, mit ſolcher Befchwerde nad) Wien zu ziehen, ein irdifches Ziel hätteft Du am Ende leichter noch in Paris erreiht. Zu Dir alfo felber nicht das Unrecht an, Deinen Be⸗ ruf als etwas irdifches anzufehen und Dich von ihm befchränfen zu laffen. Gelingt es Dir in Wien, fo bin ich bald bei Dir; macht aber der Krieg wieder allen Hoffnungen ein Ende (wenig⸗ ftens Ebnnte er einen fehr großen Auffchub veranlaffen), fo kommſt Du nad) Dresden, und Du mirft dort ebenſowohl Arbeit finden als fonft irgendwo. Deine Autorität mädjft täglid, und es kann Dir am Ende an irgend einer Anftellung gar nicht fehlen. Karl V. muß Dir zur Krone werden! Laß allen Trübs

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finn fahren und dichte heitres Leben in Dir und aus Dir. Die Prager Gefprädye über ‚Delphine‘ und ‚Corinne‘ find allerliebft. Wie kömmt es nur, daß einem immer noch das Geſchwätz nicht ganz gleichgültig werden fann, wenn man auch die Dummheiten noch fo gut erfenne? In welch einer Art von Humor muß man fein, um ein Verbot gegen das Blumenftreuen bei der Pro- zeffion ausgehen zu laffen? Welche erhabene Einfälle! Die fhöniten beften Grüße von allen $reunden und Bekannten, Ich umarme Did; von ganzem Herzen; denfe mit treuer Liebe an Deine rau und fchreibe ihr bald mieder.

Schelling an Bindifhmann [274) München, 30. Juli 1808 ... Das Berfinken in Gott ift mohl herrlich als Faſſung und Zuftand des Empfangens, aber nicht als Ausbildung des Empfange- nen. Bär es damit getan, fo müßten wir der Meinung unferes ehrmwürdigen Braminen und Sleifhhaffers, Sr. Schlegels, zufolge alle Philofophie überhaupt für abſcheulichen Hochmut und Gräuel halten. Wollen wir aber einmal diefe gräuliche Günde begehen, jp laßt fie uns wenigſtens recht begehen, damit wir nicht von beiden Geiten ausgeftoßen merden, von den Berftodten, die es noch mit der Wiffenfchaft und dem Berftand halten, und den Erleuchteten, die dem allem gänzlich erftorben find. Es fcheint (aber werden Gie ja nicht böfe) es ſchwebt Ihnen bei ſolchen Arbeiten öfters das Erempel unferes guten Joh. Müller vor, und Gie fpielen, ihm nach, manchmal ungebührlid) den alten Herrn. Gott fei Dank, daß wir es noch nicht nötig haben; mir Fönnen ung noch rühren und brauchen der Kraubaferei nicht, womit man im Alter zwiſchen Gutem und Schlechtem ſich durdibringt. . . .

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Dorothea an Kriedrid Schlegel [275] Stanffurt, 13. Auguft 1808 ... Sür mid) fei nicht bange. Jene alte Heftigfeit hat der großen Weihe weichen müffen: wer die himmliſche Ruhe einmal genoffen hat, ſich felber, alle feine Gedanken, Worte und Werke in jedem Augenblid der heiligften Dreifaltigkeit aufzuopfern, der ift in einem Hafen, wo Fein Sturm ihn trifft; trennen kann uns nichts in der Welt, wir find in Gott vereinigt. Geelen, die Dich zu finden, zu lieben mwiffen und Deiner würdig find, Eönnen mir nicht hinderlidy fein, ich begrüße fie ſchweſterlich. Ein ein» ziges nur liegt meinem Herzen dabei auf; nämlidy daß Feine Ber: bindung in der Welt Dich wieder von Deiner einmal erwählten Tätigkeit abwärts führt oder auch nur aufhält, nicht einmal - Deine Berbindung mit mir Dein Leben, Deine Zeit gehört Deiner großen Beftimmung! Du haft Dir nun ein Baterland gewählt, Du mußt mit ihm ftehen oder fallen. Eine Reife nad) München in diefem Moment fcheint wirklich fehr gefährlid. Mein innigft verehrter Mann, id umarme Dich fchmwefterlid). 0 . Bon. Dresden fchreibe id, gleih. Liebe Deine Dorothea Brentano wird, wie man am Rhein fagt, nad; Straßburg gehen. Was diefes für ein literärifches Bewandtnis hat, Fannft Du Dir wohl denken; indeffen ift es vielleicht auch nur fo ein Gerede.

Dorothea an Friedrih Schlegel [276) Pillnitz, ı. September 1808

. .. Geftern Abend im hellen Mondfchein war id; wieder mit ganzer Geele in Koblenz und auf dem See Laadh; denn ebenfo filbern leuchtete er damals zwifchen den Riefeneichen und Buchen auf den Felſen und über den Wunderſee, wie id) damals fo in die Smaragdflut hineinblidte, wo jeder Ruderſchlag eine Reihe

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der Föftlichjten Perlen aus der goldblinfenden Tiefe heraufholte, und die Welle ſich an der Spitze mit blinfendem Gilber fpielend Fräufelte, und der blaue Himmel hinein fchien, und die hohen Bäume am Ufer audy fidy darin befchauten, fo dag Gold und Smaragd, Perlen‘, Gilber, Blau und Grün in unbeſchreiblicher Klarheit und Tiefe fi) vereinigten, ohne fich zu vermifchen. Dann die waldbewadjfenen Selfen um den anderthalb Stunden langen und dreiviertel Stunden breiten Gee, die ganz deutlich noch die Spuren von vulfanifchen Ausbrüchen zeigen, und der dichte Wald, die uralten Stämme, fo daß alle Bergangenheit, die mir befannt ward, und die ich mir denken kann, mir wie heute und geftern dagegen vorfam. Dann mitten auf dem Gee die Tiefe, die den Augen ganz entfchmwindet, und die Gage, die hier einen ganz uns ergründlichen Abgrund angibt, der nie eine Beute wieder an das Licht des Tages fendet, und mo immer ein ftarfer Wind geht, der die Wogen ziemlich hoch herantreibt. Dann die Abtei am Ufer mit der alten Kirche, die Menfchenfpur und Kunft, die uns wieder Beruhigung gibt und Staunen und Erfchreden von der Geele löſt. Alles das mußt Du felber fehen; ich habe den beften Willen, es Dir zu befchreiben, aber es geht nicht. Und das Ganze zufammen war mir nur ein Bild Deiner Geele; mir war, als fehauteft Du midy an mit der ganzen Fülle Deines Wefens, und ich ſchaute Dich wieder an und verfenfte ganz mein Auge in das Deinige, bis es in Tränen überfloß. Auch waren ein paar recht liebe Menfchen mit mir, deren Heiterfeit und gutmütige Sröhlichfeit mid) erfreute, und die mir viel Liebe erzeigten; dann die unbefchreiblich leicht zu atmende Luft! D warum warft Du nicht bei mir!

... Unter den Seiligen gibt es mehrere, denen ich mid) fäg- ih mit vollem Vertrauen empfehle. Unter vielen ragt Johannes der Täufer hervor, diefer Morgenftern, diefer Borläufer und Ber: Tündiger des Tags; dann die Weifen aus dem Mlorgenlande, die mit fo lebendigen unmwandelbarem Glauben die ewige Wahrheit fuchten, bis fie fie fanden; der heilige Joſeph mit feiner auf:

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opfernden, felbftverleugnenden Geduld; die heiligen auserwählten Mütter Anna und Elifabeth; Dorothea, die Reine, Begeifterte, die im Tode nichts fah als den Garten des Geliebten; Cäcilia, die in den Harmonien des Himmels wandelte; Katharina, die durch die Kraft des heiligen Beiftes die menſchliche Weisheit über: wältigte; Maria Magdalena, die die Gnade empfing, daß fie aus dem Leben der Sünde mit liebend reuiger Seele fich Ipsreißen durfte und Berzeihung erhielt. Dies find vorzüglich die Geftalten, zu denen das Auge meiner Seele ſich mit jedem Augenbli zu menden fucht; und gar piele gibt es noch, an deren Beifpiel ich denfe und mich zu halten fuche, wenn eine Schwachheit mich an- wandelt. Wie fol ich den unermeßlichen Reichtum befchreiben, der ſich mir in den Schätzen des Fatholifchen Glaubens eröffnet hat? In die Kirche bin ich nicht gekommen, feit ich aus Köln bin; es wird nun auch wohl damit Anftand haben müffen, bis ich nad Dresden fomme. &inen Geiftlihen werde ich wohl ſchwer⸗ ih hier finden, an den ich mich wenden fönnte, um mid) von Saftenfpeifen dispenfieren zu laffen; ich denke aber, in meiner Lage wird es mir wohl erlaubt fein, ... .

Caroline an Yohanna Frommann [277]

Münden, November 1808

... Überhaupt war es ein Zeitpunkt, wo alte und neue Be: fannte nadjeinander auftraten und wo die weite Welt einem ganz enge und traulich vorfommt, weil man von allen Geiten mwiederfieht, was in die Kerne verſchwunden ſchien. Es läßt ſich überhaupt dazu an, als würde fi) hier ein Gammelplag bilden, wie Jena war, eine Menge Kaden laufen hier wieder zufammen, teils find fie wirklich ſchon angefnüpft, teils fehen wirs nur kommen. Jetzt find wir nun fo weit, daß Lie! manchen ſchoͤnen Abend wieder porlieft, eine Gabe, die er fo ausgebildet hat, daß er wirklich einen ganz einzigen Genuß dadurch gewährt und fidh

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in einer Perfon zu einem ganzen Theater auf» und zufammen- tut. Er ift übrigens noch der alte, die Anmut feiner Gitten hat fi) nur mit einer gemiffen Würde vermählt, die aber abfonderlich ihren Gig in den von der Gicht gefteiften Beinen genommen hat. Unſer Baron ift uns, wie Sie von feiner Schweſter wiffen werden, feit mehreren Monaten abhanden gefommen. Er fing uns und fich felbft fo dezidiert zu ennuyieren an, daß er plößlich ein Bündel zufammenmadjte und mit Zurädlaffung feiner Effekten und feines Bedienten an den Rhein wandelte nad Köln, wo er den Dom nicht fah, ins Giebengebirge, mo er mehr fprach mie gut mar, und endlich fihrieb er von der böhmifchen Grenze in kläglichen Ausdrücken um feinen Paß ‚und feinen Bedien- ten, Die ihn beide, wie ich vermute, zur rechten Zeit erreicht haben. .. . |

Gie haben fidh in diefer legten Zeit auch ganz nahe am Mittel. punft der Erde befunden, und ich zweifle nicht, daß Gie die großen Gchaufpieler, die in Erfurt verfammele waren, felbft fahen, fowohl die Helden als die, welche die Helden fpielten. Cs be: dunkt mich, als wenn der Talma faft mit ebenfoviel Furcht, ein crime de l&ze majeste zu begehn, beurteilt wird, als wenn er der Gebieter felbft wäre... .

Grüßen Gie Ofen von uns; es freut mid, daß er an Ihnen Steunde gefunden hat, die er in den Winterabenden mit feinem Laternen in der Hand auffuchen kann, wie er zu uns in Würz- burg manch liebes Mal ins Zimmer getreten ift.

Schelling an Windifhmann [278] Münden, 8. Dezember 1808

... Seit vielleicht 6 Wochen ift Ludwig Tied? mit feiner Schweſter bei uns. Erift und bleibt ein anmutiger, liebenswürdiger Menſch. Gein Talent, Komödien und Tragddien nicht ſowohl vorzulefen, als leibhaft gu agieren und zu tragieren, hat den hödhften Grad

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von Bolllommenheit erreicht; es läßt ſich Fein königlicher Ber: gnügen denken, als eine Gozz iſche Komödie von ihm vorgelefen und improvifiert zu hören. Die Produfte der Einfiedler, welche er hier erft durch Clemens Brentano vollftändig zu lefen befam (fo wie ich durch ihn), haben ihm bitteres Bauchgrimmen ver- urſacht. Haben Gie denn Börtes’ wahnfinniges Programm zur Ankündigung feiner VBorlefungen (ic) glaube vom vorigen Jahr, oder ift es älter?) gefehen? Wie ift es möglidy, daß Männer wie Creuzer und Daub einen fo wahnmißigen Mit: arbeiter an den Gtudien und der Univerfität in ihre Proteftion nehmen! Voſſens Gekreiſch und Katzenmuſik dazmwifchen vollendet diefes heidelbergifche Konzert, das jedem gefunden Menſchen die Ohren zerreift. ... .

Dorothea an ihre Göhne [279] Wien, 10. Dezember 1808

... Vorgeftern als am Befttage der unbeflediten Empfängnis Mariä habe ich in der Stephanskirche zum erftenmal das feier- liche Hochamt vom Erzbiſchof in Pontificalibus celebrieren fehen. Meine lieben Kinder, das ift etwas ganz Herrliches, das über alle Befchreibung geht. Bon einer foldyen erhabenen Pracht hat man gar Feine Borftelung außerdem. Alles, was Könige um ſich verfammelt haben, ift Eleinlidy dagegen. Alle Sinne find aufs allervortrefflichfte angeregt und empfangen durch alle Formen und Geftalten die Berherrlihung Gottes und des heiligen Myfteriums. Weit entfernt aber, daß ich durch diefe Pracht der Ginne hätte beleidigt werden follen, wie die Proteftanten behaupten mollen, fo ift mir erft recht deutlidy geworden, wodurch wir unfre Sinne er: heben Fönnen, daß fie in Übereinftimmung mit der Geele das Erhabene und das Schöne lieben und erfennen follen, und dann auch, mas denn eigentlidy Pracht bedeutet und wozu fie foll. Alles, was der Menſchen Kunft und Erfindung hervorbringt, das

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fol dazu dienen, des Herrn Dienft zu verherrlihhen und ein ewiges Gut der ewigen Kirdye fein und bleiben. Da, mo alle Kunft herfommt, von Gott, dort foll fie auch wieder zurück ftrömen; jeder andre Gebrauch, zu vorübergehender Eitelfeit der IMlenfchen- Leiber und Leben, ift unheilig und des göttlichen Urfprungs nicht würdig. Muſik und Malerei, Baufunft und edle Gewaͤnder ſollen nur eine Idee ausfpredyen und nidyt das felbftifche Eigen⸗ tum eines, fondern ein ganz allgemeines Gut zur Erweckung der Andacht aller Gläubigen werden. Gelbft das tote Metall aus dem Schacht der Erde foll einen Mund befommen, um im eigen- tümlichen Glanze im allgemeinen Hallelujah miteinzuftimmen....

Caroline an Luife Wiedemann [280] München, Sebruar 1809 ... Wir befigen alleweil die ganze Ange-Brentanorei; Gapvignp, ein Juriſt, der eine von den Brentanos geheiratet, ift an Hufelands Stelle nad; Landshut gerufen und bringt mit: den Clemens (Demens) Brentano famt deffen Frau, eine Beth- mannifdye Enkelin, die ihn fich entführt Hat dann Bettine Brentano, die ausfieht wie eine Eleine Berlinerjüdin und ſich auf den Kopf ftellt, um wißig zu fein, nicht ohne Geift, tout au oon- traire, aber es ift ein Jammer, daß fie fidy fo verkehrt und ver: redt und gefpannt damit hat; alle die Brentanos ſind höchſt un⸗ natürliche Tlaturen. . . »

Caroline an Pauline Gotter [28:1] Münden, ı. März 1809

... Da Fürzlich in einem Almanach eine Erzählung von Goethe unter der Benennung die pilgernde Zörin fand, glaubt ich, er Fönnte niemand anders damit gemeint haben als eben

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Deine Nebenbuherin, doch paßt die Geidjihte gar niche, aber jener Name paßt wie für Bettine Brentano erfunden. Haft Du ned; nicht von ihr gehört? Es iſt ein winderfuhes Fleines Weſen, eine wahre Bettine (aus den venetianijdyen Epigrammen) an Forperficher Ceienieg- und Biegfamfeit, innerlich verftändig, aber äußerlich ganz töricht, anfländig und doch über allen Anſtand hinaus, alles aber was fie ift ımd tut ift nicht rein natũrlich, und doch iſt es ihe ımmöglidh anders zu fein. Gie leidet an dem Brentanoiſchen Zamilientibel: einer zur Natur gewordnen Ver⸗ ſchrobenheit, ıft mir indeffen lieber wie die andern. Syn Weimar war fie vor 1-2 Jahren, Goethe nahm fie auf wie die Tochter ihrer Mutter, der er fehr wohl wollte, ımd bat ihr taufend Kreundlichkeiten und Liebe bewiefen, fdyeibt ihr auch noch zu= mweilen. Du Fannft ihn fdjon einmal bei Gelegenheit nad) ihr fragen. Hier fam fie mit ihrem Schwager Savigny her, weldyer in Landshut angeftellt ift, blieb aber ohne ihn, um fingen zu lernen und Tieck zu pflegen, der feit Weihnachten an der Gicht klaͤglich danieder liegt und viel zartes Mitleid erregt. Den Leuten, die ihn befuchten, hat fie viel Spektakel und Skandal gegeben, fie tändelt mit ihm in Worten und Werfen, nennt ihn Du, küßt ihn, und fagt ihm dabei die ärgften Wahrheiten, ift auch ganz im Klaren über ihn, alfo keineswegs etwa verliebt. Ganze Tage brachte fie allein bei ihm gu, da feine Schweſter auch lange Franf mar und nicht bei ihm fein Eonnte. Manche fürdhteten fich ihrent⸗ twegen hinzugehn, denn nicht immer gerät ihr der Witz, und dann kann fie wohl auch grob fein oder läftig. - Unter dem Tiſch ift fie öftrer zu finden wie drauf, auf einem Stuhl niemals. Du wirft neugierig fein zu wiſſen, ob fie dabei hübſch und jung ift, und da ift wieder drollicdht, daß fie weder jung noch alt, weder hübfch noch häßlich, weder wie ein Männlein noch wie ein Fräulein ausfieht.

Mie den Tieds ift überhaupt eine närrifhe Wirtfchaft hier eingezogen. Wir mußten wohl von fonft und hatten es nur vor der Hand wieder vergeffen, daß unfer Sreund Tieck nichts ift als

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ein anmutiger und twürdiger Lump, von dem einer feiner Sreunde ein Lied gedichtet, das anfängt:

Wie ein blinder Paflagier

Fahr ich auf des Lebens Poften,

Einer Freundſchaft ohne Koften

Rühmt fidy Eeiner je mit mir. Aber ich meine, wir haben hier nad) der Hand wieder erfahren, was es mit diefer Kamilie für eine Bewandnis hat. Der arme Tieck erfcheint in feiner doppelten Qualität als Kranfer und Armer in feiner ganzen Unfähigkeit, ſich felbft zu helfen, weichlich, ohnmädjtig, aber immer noch aimable wenn Leute dabei find. DBettine fagte ihm einmal, da von Goethe die Rede war, den Tieck gar gern nicht fo groß laffen möchte, wie er ijt: Gieh, wie Du da fo liegft, gegen Goethe kommſt Du mir mie ein Däumerling vor was für mich eine recht anſchauliche Wahrheit hatte... .

Earoline an Luife Wiedemann [282] Münden, 17. März 180g

... Wilhelm fcheint doch unter feiner Ägide, das heift unter der Ägide feiner Pallas, proteftantifch zu bleiben, fo gläubig er fonft gegen feine $reunde gefinnt ift, aber hier geht eben Glauben gegen Glauben und Einfluß gegen Einfluß auf. Dennoch ift er der reinfte von allen diefen denn ad) mie find jene von der Bahn abgewichen, wie haben fie ſich ſämtlich durch Bitterfeit gegen die Schickſale beftimmen laffen, die fie ſich Doch felber zu« gezogen! Friedrich hat die Anlage ein Keßerverfolger zu werden faft fol er ſchon fett, bequem und fchwelgerifch wie ein Mönd) - fein. Ich habe fie alle in ihrer Unſchuld, in ihrer beften Zeit gekannt. Dann Fam die Zwietracht und die Sünde, man kann ſich über Menſchen täufchen, die man nicht mehr fieht, noch Ber: Fehr mit ihnen hat, aber ich fürdhte fehr, ich würde mich aud)

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über Sriedrich entfegen. Wie feft, wie gegründet in fidh, mie gut, Eindlich, empfänglich und durchaus würdig ift dagegen der Steund geblieben, den ich Dir nicht zu nennen brauche. . .

Gdelling an Schubert [283] Münden, 28. April 180g

... Was Gie mir von Schlegel fchreiben, hat mid) außerordentlid, intereffiert, obgleich die Empfindung, welche Ihnen fein Umgang und Gefpräcd über das böfe Prinzip verurfadht, eine meiner obigen Äußerungen zu beftätigen ſcheinen Fönnte. Ich habe mir bisher, befonders feit der Befanntfchaft mit Ihren Dresdener Borlefungen, auch nach Ihrem in den Ahndungen aufgeftellten Begriff der Reaktion der Bafis vorgeftellt, daß Gie über diefen Punft im Reinen und völlig in der redjten Anficht wären. Yn» deffen wir befißen auch geiftig Manches, wovon mir nichts wiffen und zu deffen Bewußtſein ung erft Andere bringen müffen. Was mich betrifft, fo bat Friedrich Schlegel gemeint, mit feiner fraffen, höchft allgemeinen und unvollftändigen Schilderung des Pantheismus mich zu fhildern. Er und feine Anhänger haben diefe DBorftellung meines Syſtems fogar unter den Pöbel der philofophifchen Literatur mündlich ſchon lang verbreitet. Mit folhem Volk, als man bisher gegen mich aufzuhegen gefucht, mich einzulaffen, habe ich unter mir gehalten. Es war mir da» ber fehr angenehm, daß er felbft hervorgetreten. Ich habe feiner fünftlihen und auf Schrauben gefeßten Polemik eine gerade, unumtmundene Erflärung meiner Anficht entgegengefeßt, und be» trachte von jet an fein ganzes Beginnen und Weſen als eine Sache, der ich mit aller Kraft, wiſſenſchaftlich und literariſch auf jedem Wege entgegenmwirfen werde. Ich münfche nichts mehr, als daß die Sache durch das, was ich darin getan, zum offen. baren und entfcheidenden Streit Tomme. Glauben Gie darum

nicht, daß ich nicht die größte Hochachtung für Friedrich Schlegel 426

habe. Ich fchäge ihn weit höher als Novalis und alle die Andern. Aber ich halte fein jegiges Wollen Feineswegs für rein, und fein Beginnen in philofophifcher Hinficht für ungenügend. Syn dem Werk über Indien herrſcht nach B.s Ausdrud eine wahre Gou- vernanten-Philofophie. Fr. Schlegel ift Philolog im höchften Sinn des Worts; ich betradyte fein jegiges Treiben als eine Rückkehr zu diefer Beftimmung. Ich glaube, feine wahre Meinung über Bös und Gut wohl ziemlidy deutlich zu fehen; Gie würden mir aber einen großen Gefallen erzeigen, wenn Sie mir, da Gie ihn mündlidy darüber gehört, nur mit einigen Worten die Stage be: antıworten wollten: Nimmt Friedrich Schlegel wirklich ein böfes Ur- und Grundmwefen, im Manidyäifdyen, oder (mie dies Syſtem gewöhnlich verftanden wird) Parfifchen Sinn an? ft er wirk- lich für den abfoluten, oder auch für irgend einen modifizierten Dualismus, bei welchem ein weſentlich⸗ und unfprünglich=böfes Prinzip angenommen wird? Aus Ihrer Äußerung von einem folchen, noch über die Lehre des Ehriftentums hinausgehenden Prinzip fcheint es mir, daß Sie nicht wie ih bloße Vermutungen darüber haben, fondern beftimmte Kenntnis. Ich verfichre Ihnen, ich werde von diefer Mitteilung nie Gebraudy machen; auch ift, was ich in diefer Beziehung gegen Friedrich Schlegel zu fagen habe, bereits gefchrieben und gedrudk.... .

Schelling an Windifhmann (284) München, g. Mai 1809

... Ich meiß, daß Gie nicht wie Friedrich Schlegel denken, deffen verdeckte Polemif ich in eine offne zu verwandeln gefucht habe. Gein höchſt Eraffer und allgemeiner Begriff des Pantheis- mus läßt ihn freilich die Möglichkeit eines Syſtems nicht ahnden, worin mit der Immanenz der Dinge in Gott Kreiheit, Leben, Individualität, desgleichen Gutes und Böfes befteht. Er Fennt nur die drei Syſteme feines indifchen Buchs; das Wahre liegt

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über Friedrich entfegen. Wie feft, wie gegründet in ſich, mie gut, kindlich, empfänglicdy und durchaus würdig iſt dagegen der Freund geblieben, den ich Dir nicht zu nennen braude. ...

Schelling an Schubert [283] Münden, 28. April 180g

... Was Gie mir von Gchlegel fchreiben, hat mich außerordentlich intereffiert, obgleich die Empfindung, welche Yhnen fein Umgang und Gefpräd über das böfe Prinzip verurſacht, eine meiner obigen Äußerungen zu beftätigen feheinen Fönnte. Ich habe mir bisher, befonders feit der Befanntfchaft mit Ihren Dresdener Borlefungen, auch nad Yhrem in den Ahndungen aufgeftellten Begriff der Reaktion der Bafis vorgeftellt, daß Gie über diefen Punkt im Reinen und völlig in der rechten Anficht wären. In— deffen wir befißen auch geiftig Manches, wovon wir nichts wiffen und zu deffen Bewußtſein ung erft Andere bringen müffen. Was mich betrifft, fo hat Friedrich Schlegel gemeint, mit feiner fraffen, höchft allgemeinen und unvollftändigen Schilderung des Pantheismus mich zu ſchildern. Er und feine Anhänger haben diefe Vorftellung meines Syſtems fogar unter den Pöbel der philofophifchen Literatur mündlich ſchon lang verbreitet. Mit folhem Volk, als man bisher gegen mid) aufzuhegen gefucht, mich einzulaffen, babe ich unter mir gehalten. Es war mir da: her fehr angenehm, daß er felbft hervorgetreten. Ich habe feiner fünftlihen und auf Gchrauben gefegten Polemif eine gerade, unumtundene Erklärung meiner Anficht entgegengefegt, und be: trachte von jegt an fein ganzes Beginnen und Weſen als eine Sache, der ih mit aller Kraft, wiffenfchaftlidh und literarifc auf jedem Wege entgegenwirken werde. Ich wünſche nichts mehr, als daß die Sache durd) das, was ich darin getan, zum offen. baren und entfcheidenden Gtreit komme. Glauben Gie darum

nicht, daß ich nicht die größte Hochachtung für Friedrich Schlegel 426

habe. Ich fchäße ihn weit höher als Novalis und alle die Andern. Aber ich halte fein jegiges Wollen keineswegs für rein, und fein Beginnen in philofophifcher Hinfiche für ungenügend. In dem Werk über Indien herrfcht nach B.s Ausdrud eine wahre Gou- vernanten-Philofophie. Sr. Schlegel ift Philolog im höchſten Sinn des Worts; ich betrachte fein jegiges Treiben als eine Rückkehr zu diefer Beftimmung. dh glaube, feine wahre Meinung über Bös und Gut wohl ziemlich deutlich zu fehen; Gie würden mir aber einen großen Gefallen erzeigen, wenn Gie mir, da Gie ihn mündlich darüber gehört, nur mit einigen Worten die Stage be antworten wollten: Nimmt Friedrich Gchlegel wirklich ein böfes Ur- und Grundmwefen, im Manidjäifdyen, oder (mie dies Syſtem gewöhnlich verftanden wird) Parfifchen Sinn an? ft er wirk⸗ lich für den abfoluten, oder auch für irgend einen modifizierten Dualismus, bei welchem ein weſentlich⸗ und unfprünglich=böfes Prinzip angenommen wird? Aus Ihrer Äußerung von einem ſolchen, noch über die Lehre des Ehriftentums hinausgehenden Prinzip fcheint es mir, daß Sie nicht wie ich bloge Bermutungen darüber haben, fondern beftimmte Kenntnis. Ich verfichte Ihnen, ich werde von diefer Mitteilung nie Gebrauch maden; auch ift, mas ich in diefer Beziehung gegen Friedrich Schlegel zu fagen habe, bereits geſchrieben und gedrudt. .. .

Schelling an Windifhmann [284] München, 9. Mai 1809

... Ich weiß, daß Gie nit wie Friedrich Schlegel denken, deffen verdeckte Polemif ich in eine offne zu verwandeln gefucht habe. Gein höchſt Fraffer und allgemeiner Begriff des Pantheis- mus läßt ihn freilich die Möglichkeit eines Syſtems nicht ahnden, morin mif der Ymmanenz der Dinge in Gott Freiheit, Leben, Fndividualität, desgleichen Gutes und Böfes befteht. Er kennt nur die drei Syſteme feines indifchen Buchs; das Wahre liegt

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aber gerade zwifchen diefen dreien mitten inne und hat die orgea- nifch verflocdhtenen Beftandteile eines jeden in fi). Es gibt einen (aber auch nur einen) Punfe, bei dem die Borftellung der Ema⸗ natton anwendbar ift, einen (aber auch nur einen), wo die des Dualismus, und endlid; mieder einen, mo die Indifferenz des Pantheismus. Ich glaube, diefe Punkte in meiner Abhandlung mit zuvor nie erreichter Deutlichkeit bezeichnet zu haben. Die Privatmeinung Sr. Schlegels iſt ein Alles zerreigender Dualismus, ein eigentlidy bbſes Grundmefen, das über das böfe Prinzip im Chriftentum noch weit hinausgeht. Über den Dualismus von But und Schlecht, den er in die Hiftorie einzuführen gedenft, habe ich mich auf eine ähnliche Weiſe erklärt, wie Sie, wenn ich nicht itre, in der Regenfion einer perfifihen Schrift von Dalberg. Ich würde Gie dabei angeführt haben, wenn ich nicht jene Re: zenflon erft erhalten hätte, da mein Aufſatz ſchon im Drud war. Ich habe in diefer Abhandlung das, was man mein Syſtem nennen fann, da hinausgeführt, wo es auf dem Wege der erſten Dar: ftellung wirklich hinaus ſollte. Es war ein Unglüd, daß diefe _ nicht fertig gefchrieben wurde; viel Mißverſtand twäre dadurch in der Wurzel abgeſchnitten worden. Ich habe jegt viel Fertiges liegen; ein faſt gang vollendeter Aufſatz, ähnlichen Inhalts wie jene Abhandlung, wurde wegen der öfterreidhifihen Unruhen nicht mehr fertig. Aber ich werde jegt überhaupt mit neuer Tätigkeit zu Werf gehen und wieder einmal aufräumen, wie ſich gebührt.

Sr. Schlegel hat unter der Hand eine Partei gegen mid) auf: zubringen gefucht; mit folcher Mifere als diefer mollte id) mid; nicht abgeben. Gehr erwünſcht war mir darum fein Hervortreten. Gie Ffönnen den inquifitorifchen Geift in Sachen der Philofophie gewiß niche billigen; darum arbeiten auch Sie dagegen. Ein Täufling Sr. Schlegels ſcheint auch der bewußte Molitor zu fein. Ich bitte Sie doch, fun Sie diefem vermorrenen Hopf feinen Vorſchub, der mit echt-jüdifiher Unverfchämtheit über Syſteme deräfonniert, da er von Rechtsivegen den Schüler machen follte. Eind wir vor 8 und 9 Jahren und feitdem die ganze Zeit foldhe

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Lumpenhunde geweſen, daß ein ſolcher Menſtch, cui crassa Minerva, uns zurechtiweifen und des Befferen belehren Fönnte? Mir dünfe, die Einfichtigen follten ſich fefter als je zufammenfcliegen. Wenn etwas Tüchtiges, Bleibendes, der deutfchen Nation zur ewigen Lehre und zum Ehrendenfmal Dienendes aus den wiffen» ſchaftlichen Bewegungen unferer Zeit hervorfommt: fo ift es auf unferm Wege. loch find wir nicht am Ziel; aber die Andern find niit einmal auf dem Weg dazu und betrachten die ges wonnene Freiheit des Geiftes nur als Kreiheit zum Unfinn, zum Herumſchwärmen und zu dem lädyerlichen Dünfel, daß jeder gern fein eignes Kirchlein bauen möchte, anftatt mit vereinten Kräften ein großes Münfter deutfcher Wiffenfchaft zu erbauen. Es ift leider wahr, daß Zr. Schlegel mit den Öfterreichern hier in Bayern und ſchon zu Landshut eingerücht war. Zu welden Abenteuerlichfeiten reißt diefen trefflichen Beift der furor fanaticus fore!

Leben Gie recht wohl und fdhreiben Sie bald Ihrem Schelling.

Schelling an Windiſchmann [285] München, 17. Juni 1809

Es war mir nicht wenig erfreulich, zu fehen, geliebter Freund, wie Gie meine legte Abhandlung gerade von der Geite nehmen, von teldjer ich fie genommen wüͤnſchte, und das darin finden, was ich eben am meiften hineinzulegen fuchte. Ihr Wort ift mir eines der erfreulichften. Ich habe noch wenige Äußerungen ver: nommen; doch feheint fie auf alle, deren Empfindung mir etivas gilt, Eindrud gemacht zu haben. Ich bin zwar nicht geneigt zu Sichtefhem Mißmut; indes wenn idy die ſchlechten Wirkungen manches Beftrebens und das niedrige VBerfennen ven beiden ©eiten fehe, kann ich doch irre werden und die Luft zu lite rariſcher Zätigkeit verlieren. Das Urteil von Männern wie Gie richtet mid, wieder auf. Es wird mir gar lieb fein, wenn Gie

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bald ein öffentliches Wort darüber fagen, und dabei den Leuten den Kopf noch beftimmter als ich zurechtrüden. Das fentimen- tale Gefchledht, welches feit einiger Zeit fein Unweſen treibt, weiß fi gar viel damit, daß fie die Natur Gott unterordnen; in den Heidelberger Jahrbüchern erfand neulich Daub die neue! Kormel, Gott nicht = AU oder = Menſch, fondern Gott > AU > Ich; was wir freilich alle von der Kinderlehre her wiffen. Die Srage, um deren willen allein philofophiert wird, ift aber die, wie jenes Unter: geordnete, das durchaus anerkannt werden muß, aus Bott heraus- oder zu Gott hinzufomme, und da weder das eine noch das andere von diefen beiden denkbar ift, fo wird es wohl immer in Gott felbft gefucht werden müffen; und da ſcheint mir der Be— griff von Potenz noch immer bezeichnender als jeder andere, und die Natur als Gottes Wefen in der unterften Potenz (als Dunkel: heit) begreiflicyer, wie als Stoff, Werkzeug, Bafis oder dergl. Gie mögen ganz recht haben, daß meine Polemif gegen Sr. Schlegel noch viel zu fanftmütig ift und ich bitte Gie, mir das auch öffent: lich vorzuwerfen. Teils aber habe ich wegen alter Befanntfchaft mit ihm ein gewiffes Maß zu halten ſchicklich gefunden, teils wurde Manches verfpart auf eine andere Abhandlung, die zugleich mit jener erfcheinen follte und an deren Vollendung die Kriegs unruhen mid; gehindert haben. Noch ein anderer Grund mar, daß ich über fein ganzes Wefen nicht reden Eonnte, ohne das ganze neu=äfthetifhe Unmwefen mit zu berühren, wozu da fein Raum mar; diefes, mit unfern Ideen vermengt, hat uns den größten Schaden getan; ich werde mich nun aber aud) davon fäubern und zwar tüchtig und öffentlich, wie ich mich privatim von Anz fang an darüber luftig gemadjt. Befonders werfe ich mir vor, über das gefchichtlich Falſche feiner Darftellungen auch nicht ein: mal einen Wine gegeben zu haben, indem es fcheint, als ob ih die Wahrheit derfelben zugebe. Ich bin aber überzeugt, daß, fo dürftig und armfelig feine Philofophie erfcheint, ebenfo gering und dürftig auch feine Kenntniffe des orientalifhen Altertums feien. So bin ich teils durch eignes Studium, teils durch die Natur der

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Sache felbft überzeugt, daß gerade der rechtverftandene Pantheis- mus das ältefte Syſtem ift, wie er das wahre ift, und daß der Dualismus der früheften Zeit entiveder eins mit jenem war (mie fi) denn vernünftigermweife ein Dualismus nur innerhalb des Pantheismus, d.h. eines Syſtems der Einheit denken läßt), oder doch ein Abfömmling von ihm und ein durch Iſolierung entftandenes, aber darum entweder fchon gleich Anfangs verdorbenes oder doch zum Salfdjen hinführendes Denkſyſtem. Go roh aber, als Sr. Schlegel den Dualismus denkt, bat er als öffentlidjes Syſtem wohl ſchwerlich vor den Zeiten des Gnoftigismus und Manidyäiss mus eriftiert. In den Zendbüchern wie in indifchen Denfmälern findet fich nichts dergleichen. Verfolgen nun Sie, wackrer Sreund, diefen wunderbaren Zufammenhang und die feltfam mechfelnde Geftaltung des Einen Urglaubens, wozu in Ihrer Schrift über Magie ıc. ſchöne Gelegenheit fein wird... .

Solger an Raumer [286] Berlin, 17. September 1809

... Das nnerfte und SHeiligfte ausfprechen zu müffen, und gar nicht oder fchief gehört zu werden, ift hart. Die Weisheit wird an den Eden ftehen und predigen, und niemand wird ihrer achten. Dennoch will id) nicht den Mut verlieren, fo lange id) hoffen Fann, zwei oder drei zu finden, bei melden das Samen forn auf befjeren Boden falle. Aber wahr ift es, in der poli- tifchen Welt und ziwar vorzüglich in der uns zunächft umgebenden, fteigt das Efelhafte in diefem Zeitpunfte auf den hödjften Grad. Es war in der Tat das Letzte, mas wir noch zu erwarten hatten, daß nad der allgemeinen Aufflärerei und Geiftlofigkeit, nachdem dadurch alle wahrhaft innerlihen Prinzipien mit Stumpf und Stiel ausgeroftet waren; um die darauf eingefretene feichte, nach— äffende und durchaus bis in ihr Ynnerftes nichtswürdige Genie- fucht der verächtlihen Schriftftellermenge, auch diejenigen ergreifen

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mußte, die praftifch den Staat lenken follter. Kränfliche, aber defto fchöner aufgeftugte Halbphilofophie, eitele Ziererei mit dem Edelften und Erhabenften der Mlenfchheit, und die finnlofe Frech⸗ heit, nad) eigenen Phantafien in die göttliche Drönung eingreifen zu mollen, find meines Erachtens die Haupterfcheinungen bei unferer geträumten politifchen Wiedergeburt. Das DBefte dabei ift noch, daß nichts recht fertig werden, fondern alles noch auf halben Wege wieder zurüdfinfen wird. Wie dürfte man hoffen, wenn man allein die Sprache der Vernunft zu reden entfdjloffen ift, von halbtauben Träumern gehört zu werden? Berzeihen Gie mir diefen Ausbruch. Es ift immer gut, einmal feinen Zorn recht auszufchütten. ... .

Dorothea an Sriedri Schlegel [287) Wien, 21. November 1809 ... Aber denke dir nur, daß Caroline gejtorben ift! Es war mir doch ein Öchreden, als Beft es ſagte. Mir ift fehr mohl, daß ich ihr längft ſchon verziehen habe, fonft müßte mir bange fein, daß fie ohne Berföhnung hat aus der Welt gehen müffen, und ich hoffe nun, fie wird Vergebung finden, mie ich ihr von ganzem Serzen vergeben habe. Gie machte mit Schelling und feinem Bruder eine Luftreife nach Schorndorf, dort ward fie plöß- li) krank und ftarb nach wenigen Tagen an derfelben Krankheit und auf diefelbe Art, wie ihre Tochter ftarb, unter Schellings und feines Bruders Händen. Go wie Du im Ginne haft, den Gtreit mit Schelling aufzunehmen, darf ich mid, länger nicht das gegen feßen, obgleicy mir innerlich davor graut, zumal wenn id) bedenke, dag Du den Faden da anknüpfeft, wo es dann nidjt mehr bei Dir fteht,. ihn wieder fallen zu laffen, nämlich bei Dei: nem Ölauben und bei der Ehre der Kirche. Gott molle Dir Kraft geben und Di mit allen Gaben feines Geiftes er- leuten! ...

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Sriedrih Schlegel an Dorothea [288) Peft, November 1809

... Go mollen wir uns übrigens diefe fämtlichen Tieds nur gar nicht weiter zu Gemüte ziehen, außer infofern fie in einer und derfelben irdifchen TBele mit uns atmen. Mir tut es am meiften leid um feine Poefie, die doch in der Gemeinheit mit zus grunde gehen muß. Was die Religion betrifft, fo laß Dir das meiter nicht empfindlidy fein; der Mißbrauch der Unmürdigen ge: hört mit zu der irdifchen Erfcheinung des himmlifchen Lichts. Glaube mir nur, zu den Zeiten der Apoftel, felbft unter ihrer nächſten Umgebung und vorgeblichen Anhängern, hat es grade foldhe falfche Bekenner, die einen Teil der Mofterien mit dem Berftande oder der Phantafie wohl ergriffen hatten, von Sinnes— art aber wüft und ſchlecht geblieben waren, genug gegeben. Du wirft die deutliche Beziehung darauf in fehr vielen Gtellen des neuen Teſtaments finden und diefe jegt noch um fo befjer ver: ftehen.

Dein Klagelied über die Gelehrten jegiger Zeit ift fehr gerecht. Aber ließe fich nicht ein eben folches von den GStaatsbeamten von der Geſellſchaft und wovon nicht alles noch anftimmen? Man muß eben unerfchütterlidy ftandhaft und geduldig fein... . Wegen Scellings Angriff fei nur unbeforgt; antworte ich ihm, fo gilt. es nicht ihm allein, fondern ich nehme gleich Pland, Billercs und alle einigermaßen honetten Gegner mit dazu und werde mir ſchon meine Grenzen zu fegen wiffen. ... .

Alfo nun aud Caroline? Ich muß mich erft befinnen, mas mir dies für einen Eindrud macht. Freilich, mir mar fie ſchon lange geftorben.

28 Romantiker-Briefe 433

Schelling an Philipp Midaelis '[289] München, 29. November 1809

Rechnen Gie es, befter Schwager, meinem innern und äußern Zuftand zu, deren einer immer den andern fehmerzlidher macht, daß ich fo fpät erft auf Ihren Brief vom 25. September ant- worte, der mir in manchem Betracht fo tröftlich gemwefen ift. Ich hätte Ihnen nody von Stuttgart fihreiben follen, twenigftens um zu danfen für den Anteil, den Gie bei eignem Schmerz an dem meinigen nehmen, für die Bezeugung Ihrer Gefinnungen gegen den verlaffenen Freund der verewigten Schweſter. Immer meinte ich früher nady Münden zurüdzufehren. Die Gorge meiner Eltern hielt mid) zurüd und das eigne Gefühl, dem Ein- druc der vorigen Umgebungen noch nicht gewachfen zu fein. Adh, Herz und Gefühl maden jede Berechnung zuſchanden. Es ift, als hätte mein Leiden hier erft recht angefangen; es feheint, daß ein folder Schmerz mit der Zeit eher zu als abnimmt. In je größere Ferne fie mir tritt, defto lebhafter fühle ich ihren Ver— luſt. Sie war ein eigenes, einziges Weſen, man mußte fie ganz oder gar nicht lieben.

Diefe Gewalt, das Herz im Mittelpunkt zu treffen, behielt fie bis ans Ende. Wir waren durch die heiligften Bande vereinigt, im höchften Schmerz und im tiefften Unglüd einander freu ge- blieben alle Wunden bluten neu, feitdem fie von meiner Seite geriffen if. Wäre fie mir nicht geweſen mas fie war, id) müßte als Menſch fie beweinen, trauern, daß dies Meifterftüd der Geifter nicht mehr ift, Ddiefes feltne Weib von männlicher Geelengröße, von dem fihärfften Geift, mit der Weichheit des meiblichften, zarteften, liebevollften Herzen vereinigt. D etwas der Art fommt nie wieder! Wie glücklich find Gie, ſich fagen zu Fönnen, für dies edle Weſen gehandelt, ihr Aufopferungen gemacht zu haben. Hätte ich Jahre noch zu leben, ich mollte fie alle mit ihr teilen, ja gern jeden Tag, den idy mit ihr twäre, mit einem Blutstropfen bezahlen, um mit ihr zu fterben. Was fie Ihnen in dem legten Brief ſchrieb, war wirklich ihr Gefühl.

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Münden mar ihr verleidet für den Augenblid® menigftens. Alle Übel der Zeit drangen diefen Gommer gemwalttätiger auf uns ein: die Krechheit und kaum glaubliche Roheit franzöfifcher Envoyes, dergleichen vielleicht nur München Fennt, erfchien in der häglichften Geſtalt. Menfchen, mit denen wir zuvor als Leuten von Gitte und fdyeinbarer Bildung in einem anftändigen Berhälenis geftanden hatten, wurden verwandelt, die Zeit der Denungiationen und politifcher Berfolgungswut fing wieder an; es hat nicht an diefen Menſchen gelegen, daß nicht alle Fremde vor ein NRevolutionstribunal gefchleppt wurden. Obgleich dies alles mich weniger als manchen Andern traf, fo madjte es doch gerade auf Earolinen den mwidrigften Eindrud. Dazu Fam mein zweimonatlicjes Kranffein, deffen Grund fie in den hiefigen Ber- haͤltniſſen fuchte. Ach ich Fann, ich darf es mir nicht verbergen, daß fie das vollends fo ermüdet hat, daß diefe Sorgen, diefe Mühen, diefe Nachtwachen ein Hauptgrund zu jener Schwäche der Nerven wurden, die fie fo fehnell zum Raub der fehredlichen Krankheit machte. Überhaupt war ſie widrigen Eindrüden feit langer Zeit weniger gemwachfen. Ihre Geele hatte ſich feit dem Tode Aus guftens immer mehr jener Welt zugewandt; nur eine ftete, liebe- volle, freundliche Gegenwart konnte fie zurüdrufen und feft- halten. Wir haben viel durch die Zeitumftände gelitten. Im Anfang unfrer Verbindung war es ihr Wunſch, nad Italien zu reifen. Ich brachte fie davon zurüd, aus dem viel leicht engherzigen Gefichtspunft, ihr erft einen Zuftand in der Welt zu fchaffen, und in der Hoffnung, die Reife leicht in der Kolge zu machen. Diefe Hoffnung trog; von Yahr zu Jahr machten es die Zeiten ſchwerer. yet hatten wir uns wieder, durch mandje Aufopferungen befonders von ihrer Geite, zu einem freieren Dafein emporgearbeitet, und lebte fie, fo fahen wir im nächften Jahre das Land, nad) dem fie fo fehr fi) fehnte. Nun find die lieben Augen gefdjloffen und mein Herz faugt aus diefen Umftänden für ſich felbft die bitterften Vorwürfe. Die fanf: teften Ahndungen ſcheinen hier noch ihrem Tode vorangegangen

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zu fein. Einer Frau von Etengel, die vom erjten Augenblid Der Befanutfcyaft mit ganzer Gerle an Carolmen hing, wie diefe an ihre, fiel fie am legten Zage auf die Worte: ‚Jiun fehe ich Cie bald wieder (aurferdem erſchopft vieleicht durch die Unruhen des letten Tags) mit den Torten um den Hals Bielleidht niewieder.

Bir fahen uns den ganzen Nachmittag nicht, da ich noch vieles außer dem Haufe zu beforgen hatte; ich Fam erjit um 10 Uhr zum Nladyteffen. Dabei war ie erftes Wort: Schelling, wenn ich zurũckkomme, wünſche ich doch eine andere Wohnung. Ich nahm das wenn für wann /quand) und bemerkte ihr, dag es um die Zeit unferer Zurüdkunft zum Wechſel zu fpät fein würde. Mit manchen Gefühlen von Kränflichfeit uſw. mochte fie mich verſchonen wollen, weil ich Franf war. Einmal im Zenfter zu Maulbronn fagte fie mir: Schelling, glaubft Du wohl, dag ich hier fterben könnte? Ich erinnerte mich erft lange nach⸗ her wieder diefer TBorte; damals nahm id) fie als Ausdrud? vom Ktöfterlih«melandolifchen der Gegend. Wie follte ich auch der- gleichen Gedanken hegen ich war ja der Kranke, fie die Ge⸗ funde! Die ganze legte Zeit war fie fanfter und lieblidjer als je, ihr ganzes Wefen in Güßigfeit aufgelöftl. Bei der Rückkehr von der Eleinen Nebenreiſe Eonnte ich faft nicht erwarten, mit ihr wieder allein zu fein wenige Stunden nadjher famen die erften Anfälle. Und doch lag feit Anfang des Sommers das druckendſte Borgefühl eines nahen Unglüds auf mir es mar eine Urſache meiner Krankheit. Ad} es gibt doch Eeinen andern Troft als den, von dem Gie fo zweifelhaft reden. Aus Weich— herzigkeit würde ich ihn nicht ergreifen, wenn nicht Verftand und Überlegung, die in diefem dunklen Ganzen fonft nirgends einen Ausweg fieht, mid) längft auf diefen Standpunft geftellt hätten. Ich fammle alle Reliquien der Teuren aus der legten Zeit. Ent- hält ihr leßter Brief nichts, das zwifchen Ihnen und ihr bleiben muß, fo bitte ich, laffen Gie ihn mir zukommen, er foll bald wieder in Ihren Händen fein.

Erhalten Sie mir Ihre Sreundfchaft, fie wird meinem Herzen

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feuer fein. Ich weiß, was Gie für Carolinen getan haben. Es würde mir eine mehmütig frohe Empfindung gewähren, Sie eins mal perfönlich zu begrüßen. Der Himmel fegne Cie und Ihre Kamilie! Ich bin mit achtungsvolifter Sreundfchaft der Ihrige Schelling

Schelling an Windiſchmann [290] Münden, 14. Januar 1810

Daß ich Ihren Brief nad) Maulbronn nicht beantivortet, ge- liebter Sreund, haben Gie ſich felbjt erklärt; br zweiter Brief drückt es gang aus, wie zart Gie für mid) gefühlt, wie fehr Cie erkannt, daß hier von Feinem bloß perfönlichen Berluft die Rede fei, daß die Welt ärmer merde durch ſolchen Tod. Nie werde ich Ihr und anderer, befferer Sreunde fchönes Gefühl hiebei ver: geffen, es verknüpft mid) noch inniger auf die ganze Lebenszeit mit Ihnen; denn wenn die, die ich verlor, mein Herz felbft war und bleibt, fo find die meinem Herzen am nächften, die fie am meiften erkennen. Gie ift nun frei und ich bin es mit ihr: das legte Band ift entzwei geſchnitten, das mich an diefe Welt hielt; all mein Liebes dedt das Grab, die legte Wunde Öffnet und fchliegt, je nachdem mwirs denken, alle übrigen. ch gelobe Ihnen und allen Sreunden, von nun an ganz und allein für das Höchfte zu leben und zu wirken, fo lang ich vermag. Einen andern Bert Eann diefes Leben nicht mehr haben; es in Unwert zuzu- bringen, da ich es nicht willkürlich enden darf, wäre Schmach; die einzige Art es zu ertragen ift, es felbft als ein emwiges zu be» trachten. Die Vollendung unferes angefangenen Werks kann der einzige Grund der Kortdauer fein, nachdem uns in der Welt Alles verſchwunden Vaterland, Liebe, Freiheit. Zählen Gie auf mich, rechnen Cie auf midy ich werde alle Kräfte aufbieten;

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erft dann, wenn es nicht gelingt, dann beflagt mich, Freunde; dann erft ift mir nichts mehr geblieben dann bin auch ich wirklich tot, follte idy auch noch atmen und vegetieren. .. .

Golger an eine Freundin [291] Stanffurt a/d, 11. März 1810

Nehmen Sie zuerft meinen herzlidden Dank für Ihre Freund (haft und Ihr Vertrauen; mas Sie mir fchreiben, ift mir ſchmerz⸗ haft, für Sie und auch für mid, da fich in foldyen Dingen nicht wohl etwas raten oder verlangen läßt. Nur das kann ich Gie bitten, mit möglichfter Ruhe die Berhältniffe zu überfehen, und vorzüglich fo wenig wie möglich ſich felbft zu täufchen. Halten Gie nicht eine freilich entfchiedene Schwäche für Bosheit, wollen Gie feinen abſichtlichen Betrug glauben, aber feien Sie darum nicht weniger feft und entfchieden. Wie ich die Menfchen Eenne, muß man ihnen mandes in gewiffen Sinne nadjfehen, und doch ſich nicht weniger vor ihnen hüten. Wer es nur über fidy ge- winnen Fönnte, nicht allein feine Worte, fondern feine Stimmung felbjt aufzufchieben, bis uns die erfte Leidenfchaft einen ruhigen Blid vergönnt! Gtreben muß man gewiß dahin: denn nur fo ift es möglich, die VBerhältniffe von fich felbft aus zu beherrfchen, und diefes Gefühl allein macht uns ſicher und einig mit uns felbft. Und mwer mit ſich einig ift, den Fann vieles betrüben, aber nichts zerflören und verlegen. Alles diefes würde ih Ihnen nicht pre digen, wenn ich nicht wüßte, wie viel Gie felbft in ſich haben, was Ihnen diefe innere Einigkeit verfchaffen muß, worauf alles anfommt. Wer diefe befigt, der fieht die Kehltritte der Men- ſchen an wie die Sehltritte der Kinder, die man nicht haffen wird, wenn man fie auch nicht beffern kann. Und diefe Guperiorität muß Gie auch eben vor aller Gelbfttäufchung ſichern. Man liebt es bisweilen, einen Schmerz felbft zu hegen, der wohl auch durd) Erinnerung ſchmeichelt. Ausgerottet kann und foll ein gerechter

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Schmerz nicht werden, aber feine Güßigfeit muß ebenſowohl be- fämpft werden, als feine Schärfe; nur das nimmt auch die legte Gefahr weg, etwas Unwürdiges zu tun oder audy nur zu denken; wer aber vor diefer Gefahr gefichert ift, von dem Fann man allein fagen, daß es ihm wohl gehe. Man foll die Gefühle des Bergangenen mit ſich tragen, aber gemildert und veredelt; fo werden fie, flatt zu zerftören, eine wahre Nahrung für eine edle Seele. Die Frauen mögen wohl entfdjiedner in ihren Leiden- fihaften fein als wir, daher fie uns auch des Wankelmuts be ſchuldigen; es ift aber audy nichts fdjöneres, als eine Stau, welche die Dinge Flar und ruhig überfieht und im innern Gleichgewicht ift. Cine foldhe ift eine Wohltat des Himmels für alle, die ſich ihr nähern, und ihr bloßes Dafein ift die ſchönſte Wirkſamkeit. Ja diefe Borzüge laffen ſich felbft durdy Erfahrung erjt redjt ge: mwinnen. Noch einmal, glauben Gie an Feinen Betrug, und laffen Gie Ihr Bertrauen zum Menſchen nicht erfchüttern. Der Menſch ift nie Dderfelbe, er wird flärfer, oder immer, immer ſchwächer. In einem jeden fann man nur an die innere wahre Menſchheit glauben, und an die muß man immer glauben, der Cinzelne ift allen Gefahren ausgefeßt, das fühlt jeder an ſich felbf. Wenn wir an einem nicht mehr adjten Fonnen, was er ift, fo werden wir nie aufhören zu achten, was er war, und uns durch Feins von beiden an dem andern irte machen laffen. Go werden mir uns auch mit uns felbft vereinigen, ohne ung zu täufchen.

Auguft Wilhelm Schlegel an Goethe [292] Genf, 15. März ı8ıı

Empfangen Gie meinen herzlidjften Dank, mein verehrtefter Freund und Mleifter, für Ihre fo freundliche und höchſt mill- fommene Begrüßung, die mir durch Srau von Schardt zuteil ge- worden ift. Ich darf es Ihnen wohl nicht erft ausdrüdlidy ver⸗ fijern, dag mir die Aufführung des ftandhaften Prinzen mit fo

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ausgezeichneten Beifalle eine fehr lebhafte Freude gemacht hat. Gie allein retten unfere Bühne aus ihrer Gemeinheit. Diefe Darftellung ift in der Tat ein in den Jahrbüchern des Theaters einziges Ereignis; ich glaube nicht, daß jemals zuvor ein heroifches Stück von Calderon, oder irgend einem fpanifdyen Dichter, dies- feits der Pyrenäen in feiner eigentümlichen Geftalt und in allen feinen Sarben aufgeführt worden. Das einzige, was mir dabei leid tue, ift, daß ich nicht felbft habe Zeuge von der Bewunderung fein Fönnen, die meinem geliebten Calderon, deſſen erfter Miſ⸗ fionar in Deutfchland id; denn doch war, zuteil wurde, und daß ich auch für die Zufunft Feine twahrfcheinliche Ausficht dazu weiß.

Ich bin feit einigen Jahren ziemlich vom poetifchen Überfegen abgefommen. Es ift im Grunde ein undanfbares Handiwerf, wo⸗ bei man immerfort durch das Gefühl unvermeidlidher Unvoll- kommenheiten gequält wird. Auch habe ich vielleicht durch den Mangel an Übung etwas von meiner ehemaligen Biegfamfeit eingebüßt. Doch überfegte ich noch vor zwei Jahren den legten Aufzug der Brüde von Nlantible.e Wäre ich in Ihrer Tläbe, fo würde ich mir eine Freude daraus madjen, irgend ein Stück von Calderon, welches Sie der deutfchen Bühne angemeffen hielten, zu diefem Zweck zu überfegen. Bor mehreren Yahren habe ich die Loden des Abfalon angefangen, dann hatte ich die Aurora in Copacavana, eine Darftellung der Eroberung von Peru vor Augen, die freilich für unfere heutige Ginnesart das gegen fi) hat, daß die Abgötterei als allegorifche Figur darin auftritt. Doc fehe ich für jeßt Feine Muße voraus, um dies Vorhaben auszuführen.

Gie find mir eigentlid zuvorgefommen. Schon zu Anfange des Winters hatte ich den Vorſatz, endlich einmal wieder durch einen Brief mein Andenken bei Ihnen zu erneuern. Ich war damals durch Lefung Ihrer Sarbenlehre viele Tage mit Ihnen auf das lebhaftefte befchäftigt, ich fühlte mich ganz in Ihre TTähe und in die befeelendfte Unterhaltung mit Ihnen verfegt. Ich las dies Buch, wie man die anziehendfte Dichtung lieft, die man

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nicht eher aus den Händen legen fann, bis man zu Ende iſt. Ich weiß nicht, ob Gie die alten Phyſiker befehren werden, in deren Köpfen fidh die früh erlernte Meinung einmal verfteinert bat, aber gewiß wädjft das nädjfte Geſchlecht in einer freieren und umfaffenderen Anficht heran, und dies kann nicht anders als für die gefamte Naturmwiffenfchaft die ſchönſten Srüchte bringen. Mir, als einem Laien, waren die Zugaben faft noch erfreulicher als die firenge Durchführung der Hauptfache. Mit welcher Mei⸗ fterhand ift das Gemälde vom Gange des menfdlichen Geiftes überhaupt in der Gefchichte der Sarbenlehre enttvorfen! Welche Charafteriftifen wie die vom Plato und Ariftoteles! Welche Hei- terfeit und überlegene Gicherheit in den eingeftreuten Betrach tungen! ch wurde auf eine fehr angenehme Weife überrafcht, in Anfehen deffen, mas Gie über die Entdedung des Kopernifus und deren moralifhe Wirkungen fagen, mit Ihnen auffallend zufammengetroffen zu fein. Der Merkwürdigkeit wegen fchreibe ich Yhnen die Stelle ab aus einem ſchon vor Yahren abgefaßten frangöfifchen Auffage, der ein Bruchftüd geblieben ift.

Nehmen Gie meinen beften Danf für dieſen herrlichen Genuß, ſowie für alles, was Gie ung neuerdings gefchenft haben.

Hoffentlidy wird Yhnen mein Richard II. nebft den drei Bänden über die dramatifche Kunft eingehändige worden fein, menigftens babe ich beftimmte Aufträge dazu gegeben. Meine Schriften fehe ich gern als ein Zirkularfchreiben an die deutfchen Freunde an, mit der ergebenften Bitte, fi meiner noch dann und wann zu erinnern.

Ich wünſche, Gie mögen mit dem wenigen, was ich über das deutfche Theater und deffen Literatur gefagt, nicht unzufrieden gemwefen fein. Bei dem Umfange von Gegenftänden, auf die ſich mein Werk erflredt, mußte die Sache freilich fehr im ganzen und großen genommen merden. Diefe ‚vernünftigen Diskurfe‘ mögen nicht ohne Nutzen fein, um die Begriffe zu berichtigen; indeffen mwird ducch fie Fein Kunſtwerk hervorgebracht, und eine einzige Aufführung mie die des ftandhaften Prinzen fördert die

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Sache weit wirffamer. Ich bin zu weit entfernt, um felbft rüftig init Hand anzulegen, auch hat mir nach Erfcheinung meiner Schrift noch Fein deutfcher Kürft angetragen, ihm ein Theater zurichten und zu leiten. Gie haben wohl andre Gorgen im Kopfe. ..

Johannes Beit an feinen Bater [293] Rom, 7. Yuni 1811

Deinen leßten Brief vom 6. April habe ich Furz nach Abgang des meinigen erhalten, und ich freue mich, daß Du ruhig und heiter ſchreibſt. Gewiß, lieber Bater, es find die höchften Schäße, die wir einfammeln Fönnen Geiftesruhe und Feſtigkeit des Charafters, und fie bleiben ung ewig, da hingegen die glängendften Güter diefer Welt oft eben fo fehr vergänglidh find. Jene find es, wonach ich felbft hier im Anſchauen des Höcjften, mas Menſchen⸗ geift und -kunſt je hervorgebracht, unaufhörlich ringe. Leicht lafjen wir uns durch die Luft froher Augenblide zu einer Gelbjt- vergeffenheit hinreißen und fehen oft fehr fpät ein, daß felbit die höchften Genüffe uns nicht dauernd befriedigen Fönnen. Es ift eine fehr unrichtige Meinung, daß die Kunft nur aus einer höhern Sinnlichkeit hervorgegangen fei, und daß fie fomohl als ihre Mutter, die Natur, nur da fei, um diefe Triebe im Menſchen zu befriedigen. Dies Fönnen ‚nur Menſchen glauben, denen nie eine höhere Anficht deutlich germorden, und die nie von einer andern Belt ergriffen waren als eben von der fie beherrfchenden finnlichen. Wäre es ihnen vergönnt, nur einen Augenblid zu erwachen zum Leben in der Geiftermwelt, zum wahrhaft fchöpferifchen Handeln des SKünftlers, wie würden fie in ſich beſchämt zurüdfehren möffen und ihre eigene Armfeligfeit erkennen. Nur der Glaube an ein höheres unvergänglides Wefen kann neue Schöpfungen hervorrufen und ſpricht aus den Üiberbleibfeln der Vergangenheit gewaltig an unfer Herz. Dies, lieber Vater, find die Gedanken, die mich hier begleiten, wenn id} 3. B. vor den Koloffen auf Monte

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Cavallo ftehe, zwei Foloffalen SYünglingen, die mit gewaltiger Sauft himmelanfchnaubende Roſſe bezähmen bei hoher innerer Geiftesruhe Werke des Phidias und Prariteles. Oft bin ih auch im Mondenſchein bei den ſchaurigen Ruinen des alten Rom. Schwarzes Gebüfche befchattet die Riefentrümmer umgeftürzter Zempel und Paläfte; oft entzünder ſich dann plöglich ein auf« Ioderndes GStoppelfeuer und beleuchtet wie mit flammenden Bligen die Tiefen zertrümmerter Hallen, aus denen nun Eulen und dunkle Nachtvögel traurig in die weite Einſamkeit fchreien. Doch bocherhaben über die ſchreckenvollen Szenen fdyaut friedlich der Mond hinein und haucht Milde in die Geele des erbebenden Wanderers, und die Geifter vergangener Zeiten umſchweben ihn und erzählen von den Tagen ihrer jugendlidhen Größe und Herr- lichkeit. ...

Golger an Kraufe [294] Sranffurt «/9, 16. Juni 1811 ... Zied ift einer von denen, mit weldyen man ein gründliches und zugleich erfreuliches Gefprädy mit der größten Ruhe führen fann. Er ſpricht nicht ab, flreitet mit Gründen, mifcht zumeilen feine pifante Gatire ein und drüdt ſich herrlich aus. Wenn er in den Zug Fam, eine Weile allein zu fprechen, um etivas aus: zuführen, babe ih ihm mit wahrem Genuffe zugehört; fo ſchön fpridt er. ...

Dorothea an Johannes Veit [295] Wien, 23. Dftober 1811

... Deinen legten Brief, mein geliebter Sohn, habe ich in der freudigen Aufwallung meines Herzens an unfern mürdigen Sreund und geiftlichen Bater, den vortrefflichen Pater Hofbauer,

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zu lefen gegeben, der Did, herzlich grüßt und Dir mit ung Glüd wünfcht. Gefegnet feien Deine Krankheit und Deine Schmerzen, wenn fie die nächfte Beranlaffung zu Deiner jeßigen Gefinnung waren; wir wollen nie aufhören, dem heiligen Liguori Dank zu fagen und ihn unaufhörli” um feinen fernern Schu und Hilfe für Dich anzurufen. Welch ein neuer Bemeis ift mir dies, daß die Sürbitte der Heiligen ganz gewiß wahr ift, und daß Gott fie erhört! Alles, was ih Dir jegt zur Befefligung und Stärkung fagen Fönnte, das wirſt Du viel beffer an der redyten Quelle zu fhöpfen wiſſen und haft fie bereits gefunden, wofür ich Gott und der heiligen Yungfrau von Herzen danke. Die Kirche ift allein dag wahre Licht der Wahrheit und Weisheit; alles mas Menſchenwitz fonft erdacht in Philofophie und Spekulation, muß wie Funftoolle Gänge durch mancherlei Eingänge in den Mittel: punft des Lichts, in den allein feligmadjenden Glauben der Kirche zufammenführen; geſchieht dies nicht, fo ift es ein Irrgang, der uns in zweckloſer VBermorrenheit bald tiefer, buld äußerlicher umberleitet, bis er uns mieder hinausführt, mo wir ung in der- felben Leere wieder ausgeftoßen fehen, von wo wir zuerft einen Eingang gefuht. Möge Deine Seele doch ihre Ruhe hier auf ewig finden. ...

Johannes Beit an feinen Vater [296] Rom, 29. Dezember 1811

Zaufend Dank für alles Schöne und Gute in Deinem legten Briefe. Ich weiß nicht, wie ich auf alles erwidern foll, denn ich befinde mich gegenmärtig in einer foldyen Gedankfenarmut, daß ich gerne diefen Brief noch verfchoben hätte, wenn ich nicht be- fürdhtete, Dir Unruhe dadurch zu madjen. Es ift das Gebrechen unferer menfchlichen Natur, daß unfere fehönften Gedanken und Gefühle uns zumeilen dann am erften verlaffen, wenn wir ihrer am meiften bedürfen, und dann fühlt man ſich fo leer und einfam,

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daß die ganze Welt einem zur Einöde wird. Die ganze Natur fiheint mit uns zu trauern, und überall fehen wir nur den Ab» druck unferer innerlichen Schwermut. Ich Eönnte mid) tagelang über höchſt trübfelige Gedanken grämen, und die ganze Welt geht mir wie ein Traum vorüber, fo daß ich nicht imftande Bin, das Allergeringfte deutlich zu denken. Gerne möchte ich Did) mit dergleichen verſchonen; doch Du willſt an allem teilnehmen, was mich angeht, und fo müffen daher auch meine Leiden Dir nicht verborgen bleiben. ...

Gdelling an Pauline Gotter [297] Münden, 13. November 1812

... In Earolinen wohnte eine prophetiſche Seele, ihr felbft unbewußt. Wie mir hundert Eleine Worte und Handlungen durch ihren Zod erjt Elar wurden oder vielmehr in einem neuen Licht erfchienen, fo auch Manches, mas fie in bezug auf den Bruder geredet und getan; ihr Herz hat gemußt, wenn auch fie nicht, daß er zuerjt von allen ihr folgen würde. D mie habe ich in diefen SHerbfttagen, da uns alles an die Bergänglichfeit erinnert, und die Zeit des erften Schmerzes durdy taufend Bilder erneuert wurde, ihren Berluft gefühlt mollte ich fagen, mas fie gemefen; und was ich an ihr verloren, ich Fönnte nicht ausreden. Und doch, fo verklärend wirft der Tod, daß ich fagen möchte, fie ift erft jest ganz mein. Noch diefer Tage wurde ich tief gerührt, als ih in Joh. Müllers, auch eines Berftorbenen, Werfen jenen Brief an feinen Bruder las, darin er ihm von einer Notiz des Athenäums über feine Yugendbriefe aus der Schweiz fchreibt: ‚ch fenne den Berf. nicht, fagt er, aber er ift mein vertrautefter Sreund. ©o hat mid im Leben nody niemand aus meinen Schriften her» aus dechiffriert zc.‘ Der Berfaffer war fie. Es wäre mir ein großes Glück gemefen, den einen Knaben zu erhalten, den der Bater zurüdlieg (der andere ging ihm voran, ein Opfer der

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nämlichen Krankheit), aber Wiedemanns haben gleidy nad ihm gegriffen, ob mir gleidy ſcheint, fie Fönnten leichter eines der Mäd⸗ chen nehmen, das ich doch nicht erziehen Fönnte. Vielleicht erhalte ich ihn noch. Philipp war der erfte, der ihr Kunde von mir brachte, wenn fie anders deren bedurfte; das ift auch ein Borzug der Geligen, daß fie uns nicht aus den Augen verlieren, wie wir fie. Syn Ihrem Brief, liebe Pauline, hat mid, ein Wort ganz befonders erfreut, wie Gie von dem Glück, eine fo gute Mutter zu haben, reden und hinzufeßen: das find Empfindungen aus dem Himmel! Halten Gie daran feft, liebe Pauline, ja, es gibt Empfindungen aus dem Himmel bis zu unglaublidyer Klar- heit, die allein allen Schmerz ftillen, uns wahrhaft befeligen. ...

Dorothea an Auguft Wilhelm Schlegel [298] Wien, ı2. Januar 1813

... Wir haben ‚Den vierundzwanzigften Kebruar‘ gelefen und Ihrer fleißig dabei gedacht, wie Gie den Kurt wohl mögen dar- geftelle haben. Meiner Meinung nad ift das wohl von Werner das bollendetfte Werk, aber leugnen kann ich nicht: Er ift mein Dichter nicht, nad) diefem Werk weniger als je. Nie habe ich mich gegen jemand, der in der Tat ein Dichter ift, fo feindlich geftimmt gefühlt; er ift meine ganze Antipathie. Es ift Eein Leben, Fein marmer Hauch, Feine Natur, Fein Glauben und Fein Gefühl, feine andre Bewegung, als die man bei einem toten Froſch noch durch den Galvanismus hervorzudt. Es ift die Günde und die kalte, kalte Hölle! Pfui! Das ganze ſchreckliche, unabwendbare Schickſal der Griechen ift fanft und tröftlidy dagegen, weil man es bei jenen mohl fühle, daß diefer Aberglaube bei ihnen wirklich Glaube war, und wo nur der ift, da hat auch jedes Verhängnis etwas Deruhigendes, Heilendes. Aber bei Werner ift es weder Glaube nody Aberglaube, fondern Faltes beobadjtendes, konvul⸗ fivifches Nichts, der Lähmende, ftarrende Tod im Innerſten. Hätte

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er wenigſtens diefen Gtoff in eine Ballade oder Romanze ges bracht die Vergangenheit wird durch die Gegenwart des Er: zählenden gemildert aber diefe Greuel fo zu vergegenmwärtigen, wie gefühllos, welch ein Scheufal! Er ift jegt in der Tat und, wie man fagt, ernſtlich zur Fatholifchen Kirdye übergegangen. Iſt dem fo, dann habe ich Hoffnung für ihn, dag ihm der Einn für die Schönheit aufgehen wird, der ihm jeßt fehr fern zu fein feheint; dann wird er diefe Mißgeburten aber gewiß ebenfo ver- abfcheuen wie ih. Wie Fonnte fich Ihr fchönes Herz entfchließen, in einem foldyen Stüd eine Rolle zu übernehmen!

Dagegen lebt jegt ein andrer Sreund von Ihnen auf, der alte Pellegrin, Ihr Schüler und wahrhafter Verehrer Kouque. Diefer fohreibt ganz trefflide Sachen. Er hat jet einen Ritterroman gefchrieben: ‚Der Zauberring‘, und nun Fann man fagen, daß die Deutfchen einen Roman haben, den man den beiten andrer Na⸗ tionen an die ©eite feßen kann. In feinen ‚Jahreszeiten‘ find auch ganz unvergleichliche Märchen und Novellen von ihm. Dabei ift er fo wahrhaft, fo liebend und treugefinnt. Es ift ein redjter Meeifter, und mir mögen uns Glück zu ihm wünſchen. Geine Frau ſchreibt auch vieles, manches recht Gute; fie felber aber ift mir nicht fo lieb als ihr Gemahl. Sie rühmt ſich in einem Briefe an $riedrich, daß Sie fehr leicht von der Sreundin fich beftechen liegen. Ei, ei, was man nicht alles erfährt!

Serner haben wir Goethes zweiten Teil feiner ‚Dichtung und Wahrheit. Es ift in diefem zweiten Teil mehr Reichtum als in dem erften; es will einem aber doch nicht Elar daraus werden, moher denn nun der ausgezeichnete Mann, der Dichter feines Volks daraus hat entftehen Fönnen. Am Ende glaube ich doch, daß er diefe ganze Form bloß braudt, um manches zu fagen, mas ihm zu fagen bequem ift: das Befte aber verſchweigt er dennoch. Aus diefen meiftens läppifchen Gefchichtchen kann id) mic feine Entftehung nicht zufanımenfegen. ... .

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Tied an Golger [299] Ziebingen, ı. Sebruar 1813

Liebfter Sreund, Gie haben mit Recht fdyon längft einen Brief von mir erwarten können, und idy muß wieder an Ihre freund- ſchaftliche Nachſicht appellieren. Gie gehn dem Krühjahr und Ihrem Glüd entgegen, und ich hoffe Sie im Sommer recht froh zu fehn und vielleidyt mehr Ihren Umgang zu genießen. Noch oft hab ich jenes Gefpräds gedacht, in welchem Gie mir fo offen Ihre Meinung über meine Schriften mitteilten: Ihr Lob war mir erfreulich und Ihr Tadel lehrreich. Ich wünſchte wohl zu erfahren, inwiefern der zweite Zeil des Phantafus Gie befriedigt hat, ob Ihnen die Berbefferungen wirklich als foldhe erfchienen, und welche Gnade Däumehen vor Ihnen gefunden hat, fo wie die Abhandlung über die ſinkende Schaufpiellunft. Der Schrift fteller lebt in unfern Tagen in einer Einfamfeit wie noch nie, und es ift nicht zu vermundern, wenn er ſtörriſch, eigenfinnig und gleichgültig wird: denn dasjenige, mas man mit Recht Kri- tif nennen Fann, ift völlig untergegangen, Mitteilung gibt es gar nicht, troß der unzähligen “Journale, troß allem Kritifieren an allen mögliden Orten. Denn wir fehn, es gibe Werke, befon- ders auf unferm Theater, die allgemeine Wirfung tun und doch allgemein veradjtet werden; wieder haben wir andere, die man allgemein verehrt und die doch nicht die mindefte Wirkung her- vorbringen. Es gibt fanftionierte Meinungen, die doch Feiner wahrhaft ernfthaft nimmt, und jeder hält ſich in diefer Anardjie für den Erften, Einzigen, er fei nun Leſer oder Gchreiber, und fest voraus, daß von ihm Feine Appellation ftattfindet. Darüber entfteht dann bei den meiften Gchriftftellern, vorzüglich wenn fie älter werden, jener bittre, abfprechende Ton, jenes geängftete Auffudyen von Beleidigungen und Kränfungen, jene Eliquen, die fi) gegenfeitig unterftüßen, und diefer allgemeine Zorn, diefes Hafen der Welt nad) allem Geiftreidhen und SYntereffanten, ohne wahres Wohlbehagen, ohne Luft des Herzens. Ich fürchte, daß manche meiner Sreunde mid) tadeln werden, daß ich in fo

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wichtigen bedrängten Zeiten die Spiele meiner jugend wieder vorſuche und nirgend in jenen ahnungsvollen Ton einftimme, den mir jest von fo vielen edlen Geiftern hören. Gie werden nice zu diefen gehören, auch dünft mich die Sache fo groß und ernit- haft, dag man recht aus voller Bruft darüber ſprechen muß (mas jeßt nicht möglich ift), oder gar nicht, am menigften ges legentlih. Doc find Plane zu vielen Schaufpielen aus der deut: ſchen Gefchichte in meiner Geele fertig, und ich werde diefe mit befonderer Liebe ausarbeiten, wenn mir Gott nody Leben ſchenkt (wie fi) unfre Borfahren ausdrüdkten), um meinen Landsleuten zu zeigen, daß idy mich wohl zu ihnen redyne. Hab ich doch faft zuerft mit Liebe von der deutfchen Zeit gefprochen, als die meiften noch nit an ihr DBaterland dachten oder es ſchalten. est möchte ih gern recht ſchnell den Phantafus befchliegen. IBollen . Gie mir antıvorten und recht umftändlidh, und mir z. B. raten, was im Zerbino bei einer neuen Ausgabe wegbleiben Fönnte, fo würde ich Ihnen fehr dankbar fein. Recht fehr hat es mir an einem Steunde gefehlt feit langer Zeit, wie Gie find, der ebenfo wohl⸗ mollend als unbefangen ift, und der nicht zu jenen Rüdhalten« den gehört, die immer meinen, man verftehe fie nicht, wenn man nicht ihr ganzes Syſtem mit allen feinen Sippſchaften Fennt. Liegt doch immer in jedem klugen Wort ein ganzes Syſtem, und zwar oft für den Nachdenkenden vollftändiger, als wenn diefer nachher diefes fogenannte Syſtem mit feinen Lüden und Wider: fprüchen Tennen lernt. Allenthalben ift der Mlittelpunft des Erfennens, alles fest ein Bor und Nach voraus, und wer beim rechten Anfange anfangen mollte, der müßte doch ſchon den erften Schöpfungstag in den dritten Aft legen.

Es gibt taufend Anfichten der Kunft und Poefie. Alle haben Wahrheit, felbft die einfeitigften. Ich wünfche reiht viel von Shnen zu erfahren und über vieles belehrt zu werden. Je älter ich werde, je mehr löfet ſich bei mir alles in hiftorifche Anficht auf. Das Gute bleibe darum doch gut, fo mie das Schlechte ſchlecht.

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Das Yndividuelle, das Eigne, Driginale ift in mir am Freunde, an jedem Menſchen das Intereſſanteſte. Ich meine nicht die Sammlung von Zufälligkeiten oder Angewöhnungen, fondern das, wodurch er gerade diefer Geift und Fein anderer ifl. Schulen und Nachbeter find mir von je fatal oder unverftändlid, geweſen. Alles was ich nody von Ihnen gehört habe, ſchien mir original und felbfterfahren, darum bin ich auf Ihr Werk über die Kunft fehr begierig. ... .

Golger an feine Gattin [300] Berlin, 22. April 1813

... Ich komme mir in diefen Tagen ganz verwaift ımd ver- laffen vor und fühle es recht lebhaft, daß eine längere Trennung mir unendlichen Schmerz Eoften würde. Es ift nicht die bloße Gewohnheit eines fo herrlichen, freudenreichen Umgangs, welche dies Gefühl bei mir hervorbringt, fondern es kommt mir vor als würde ich in dem heiligften und mwürdigften Gefchäfte geftört, nämlid) immer mehr und mehr mich Dir zu nähern und uns gegenfeitig zu verftändigen. ja, mein liebftes, liebftes Yettchen, es ift Fein vorübergehender Geſchmack, Eein zufälliges Yntereffe, das mic) an Dich bindet. Du weißt es, daß es das innerfte Bedürfnis meiner Geele ift. Oft wünſcheſt Du Dir Talente für Muſik oder dergleichen, die würden mir gewiß Bergnügen madyen, wenn Du fie befäßeft, aber auch nicht ein Taufendteildhen von dem erfeßen, warum ich Dich über alles liebe, wenn Du das nicht befäßefl. Wenn ich mir recht lebhaft vorftelle, wie ich Dich ge- funden habe, und was ich an Deiner reinen Geele befige, fo bin ich voll von innigfter Rührung; und wenn dann mandje, die mir das Gefühl abfprechen, in mein Inneres fehen Eönnten, fo wür= den fie eines andern belehrt werden und erfahren, daß id) es nur für die würdigen Gegenftände aufbewahre, und daß es eben des: halb um fo reiner und mwahrhaftiger if. Je mehr man das Herz

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poll hat von innigen wahrhaft geliebten Menſchen oder großen Gegenftänden des Denkens, defto mehr muß man gegen die übrige Welt zwar nicht Falt werden, aber doch fo ruhig, dag man nicht fehr von ihr erfchüttert wird, und das ift noch dazu eine von den edelften Wirkungen der Liebe und einer edlen und angeftrengten Tätigkeit.

Bon jeher bat meine Neigung für vortreffliche Menſchen immer die meifte Ähnlichkeit mit der zu den Wiſſenſchaften gehabt. Das Einfache, Wahrhafte, den eigentlichen Kern liebe id in beiden. Du haft mir oft gefagt, liebes Jettchen, daß aud in anderen Menfchen ein ſolcher echter Kern fein möge, wie ich in Dir annehme. "Das will ich gern zugeben, aber der Unterſchied ift der, was ich in andern als das Ihrige achte und verehre, das erfcheint mir in Dir als mein eigen; es ift mir ganz als mwäreft Du mit für mid) edel und gut und rein, und woher dies Fommt, fann ich Dir nicht fagen: denn das ift eben das Geheimnis der Liebe, das fein Menſch ergründen kann. Nur mit einer Perfon war ich in einem ähnlichen Berhältniffe, mit meiner unvergeß- lichen Schweſter. Was bei der das gemeinfchaftlihe Blut auf mich wirkte, das wirft bei Dir noch auf ganz andere Weiſe die Liebe. Wenn etwas diefes Glüd der Liebe, das ich jegt befiße, unvollkommen machen könnte, fo wäre es, daß diefe Schweſter nicht Teil daran nehmen Fann. Auf der andern Geite habe ich wieder einen fo großen Erfaß für fie.

Das mas uns verbindet, meine einzige Geliebte, ift alfo feinem Weſen nach unveränderlid. Ich gebe gern zu, es märe möglich, dag unfer Umgang getrübt und geftört werden Eönnte, davor ift nichts Menfchliches ficher; aber das eigentlidhe Wefen davon muß bleiben bis in den Tod. Deffen bin ich gewiß und nicht bloß von meiner, fondern auch von Deiner Geite: denn ich wollte lieber tot fein, als einigen Zweifel in Deine Liebe und Deine Gefin- nungen feßen. Auch ift das Wefentliche nicht ein allgemeines leeres Bild, das ih mir von unferm Berhältniffe in Gedanken entworfen; Du weißt, wie ich diefes Träumen haffe, und wirft

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immer mehr einfehen, wie fehr mit Rede. Wie fi, ein echter Eharakter nicht in allgemeinen Reden offenbart, fondern in der tätigen Erfüllung von taufend großen und Eleinen Pflichten: fo auch die Liebe in jeder Lage und in jeder Äußerung des Höchften, wie des alltäglichften Lebens. Darum, mein Jettchen, kannſt Du gewiß fein, daß ich mir immer Feinen leeren Traum von Deinen DBorzügen vorbilde; vielmehr find fie mir immer im Pleinen wie im großen in der Wirklichkeit gegenwärtig. Gerade fo wie Du wirklich bift, fo biſt Du mir immer die Liebfte und Beite.

Weißt Du wohl, daß eine zu ſcharfe Trennung der geiftigen Vorzüge von den äußerlichen Annehmlichkeiten, Schönheit des Körpers und dergleichen, fich diefen Träumen nähert? Die zu weit getriebene Uinterfcheidung davon ift nicht edler, wie Du manchmal denkeſt, fondern geringer als die volle, alles umfafjfende Liebe. Das Gute und das Schöne find in ihrem höheren Urſprunge eins, welches Du zwar nicht einfehen, aber fühlen Fannft, da Du fo viel Sinn für die Kunft haft. In der wirklichen Welt ſcheidet fi) beides fiheinbar oft voneinander, und der kalte Ber: ftand hat daher oft recht, beides forgfältig zu trennen und das Gute zu achten, das Schöne aber als bloße Annehmlichkeit den Ginnen zu überlaffen. Aber wo er das tut, ift auch nicht die Liebe. Diefe ift ja eben darum fo gewaltig, weil fie uns mieder zu der urfprünglichen Einigkeit zurückführt. Durch fie wird uns das Gute zugleich reigend, ohne von feiner Güte zu verlieren, und der Widerftreit in unferer Natur wird durch fie gehoben, und eben dadurch alles veredelt und geheiligt. Wie kann ich inniger mein Gefühl für die Trefflichkeit Deiner Geele äußern, als durch den Kuß, den ich auf deine fügen Lippen drüde?....

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Golger an feine Öattin [301] Berlin, 22. Mai 1813 .. Ich fürchte nicht zu fehlen, nody zu fehr auf das Irdiſche und Bergängliche zu bauen, wenn ich mein Glüd in Deine Hände lege. Denn die wahre Liebe, die Liebe, die allein in Deiner reinen Engelfeele wohnen kann, ift nicht vergänglich. Sie ift felbft einerlei mit dem Unſterblichen und Ewigen in uns: von diefer reinen Wahrheit ift mein SYnnerftes durchdrungen. Und ich fühle es auch in allen ihren Wirkungen, daß ich mid) weder in meinen eigenen Gefühlen täufche, noch in Dir. Es ift mir, als würde ich durch Dich ‚geheilige, als befäße ich nun in fichtbarer Geftalt und als den Gegenftand meiner heißeften Triebe das, mas der Religiöfe und der Philofoph in fremden Welten ſucht. Du weißt, meine innig Öeliebte, wie ich Dich oft gewarnt habe vor falſcher Empfind- famfeit und Schwärmerei, und wie fehr ich alles haffe, was dahin gehört. Wenn Du Did) nun daran erinnerft, fo wirft du doppelt überzeugt fein, daß meine Worte zu Dir die reine Sprache eines vollen und cseugten Herzens find, das fi Dir ganz one Rückhalt hingibt. .

Tieck an Golger [302] Ziebingen, 21. März 1814

. hr Brief hat mich fehr erfreut, und ich kann mit Wahr-

heit fagen, dag mir alles über die Art, wie man an den öffent: lichen Begebenheiten teilnehmen möchte, aus der Geele gefchrieben ift. Mir ift auch das Schariwari der vielfältigen Stimmen von Herzen verhaßt, und id Fann in dem vermwirrten Gefchrei Feine Melodie oder Harmonie hören, wenn man mir auch fagt, daß es alle gut meinen. Nicht einmal werden fie das Berdienft der Kraniche und wilden Gänfe haben, die menigftens Frühling und twärmeres Wetter verfünden. hr Urteil über den Phantafus fowie über alle meine Schriften ift mir ebenfo mwidjtig als er:

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immer mehr einfehen, wie fehr mit Recht. Wie fi) ein echter Charakter nicht in allgemeinen Reden offenbart, fondern in der tätigen Erfüllung von taufend großen und Eleinen Pflichten: fo auch die Liebe in jeder Lage und in jeder Äußerung des Hödhften, wie des alltäglichiten Lebens. Darum, mein Jettchen, Fannft Du gewiß fein, dag ich mir immer Feinen leeren Traum von Deinen Borzügen vorbilde; vielmehr find fie mir immer im fleinen wie im großen in der WirflichEeit gegenwärtig. Gerade fo wie Du wirklich bift, fo biſt Du mir immer die Liebfte und Beſte.

Weißt Du wohl, daß eine zu ſcharfe Trennung der geiſtigen Vorzüge von den äußerlichen Annehmlichkeiten; Schönheit des Körpers und dergleichen, ſich diefen Träumen nähert? Die zu weit getriebene Unterfcheidung davon ift nicht edler, wie Du manchmal denkeſt, fondern geringer als die volle, alles umfafjende Liebe. Das Gute und das Schöne find in ihrem höheren Urfprunge eins, welches Du zwar nicht einfehen, aber fühlen Fannft, da Du fo viel Sinn für die Kunſt haft. In der wirklichen Welt ſcheidet fich beides fcheinbar oft voneinander, und der Falte Ver⸗ ftand hat daher oft recht, beides forgfältig zu trennen und das Gute zu achten, das Schöne aber als bloße Annehmlichfeit den Ginnen zu überlaffen. Aber mo er das tut, ift auch nicht die Liebe. Diefe ift ja eben darum fo gewaltig, weil fie uns wieder zu der urfprünglichen Einigkeit zurüdführe. Durch fie wird uns das Gute zugleich reizend, ohne von feiner Güte zu verlieren, und der Widerftreit in unferer Natur wird durch fie gehoben, und eben dadurch alles veredelt und geheilig. Wie kann ich inniger mein Gefühl für die Trefflichfeit Deiner Seele äußern, als durch den Kuß, den ich auf deine fügen Lippen drüde?....

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Golger an feine Gattin [301] Berlin, 22. Mai 1813 . Ich fürchte nicht zu fehlen, noch zu fehr auf das Yrdifche und Dergängliche zu bauen, wenn idy mein Glüd in Deine Hände lege. Denn die wahre Liebe, die Liebe, die allein in Deiner reinen Engelfeele wohnen kann, ift nicht vergänglidh. Gie ift felbft einerlei mit dem Ulnfterblihen und Ewigen in uns: von diefer reinen Wahrheit ift mein SYnnerftes durdjdrungen. Und id) fühle es auch in allen ihren Wirkungen, daß ich mid) weder in meinen eigenen Gefühlen täufche, noch in Dir. Es ift mir, als würde ich durch Did, geheiligt, als befäße ich nun in fichtbarer Geftalt und als den Gegenftand meiner heifeften Triebe das, was der Religiöfe und der Philofoph in fremden Welten ſucht. Du weißt, meine innig Öeliebte, mie ich Dich oft gewarnt habe vor falfcher Empfind- famfeit und Schmärmerei, und wie fehr ich alles haffe, was dahin gehört. Wenn Du Dich nun daran erinnerft, fo wirft du doppelt überzeugt fein, daß meine Worte zu Dir die reine Sprache eines vollen und nergeugten Herzens find, das fih Dir ganz ohne Rückhalt hingibt..

Tieck an Solger [302] Ziebingen, 21. März 1814

. Ihr Brief hat mich fehr erfreut, und ich kann mit Wahr⸗

heit fagen, daß mir alles über die Art, wie man an den Öffent: lichen Begebenheiten teilnehmen möchte, aus der Geele gefchrieben ift. Mir ift auch das Schariwari der vielfältigen Stimmen von Herzen verhaßt, und ich kann in dem verwirrten Gefchrei Feine Melodie oder Harmonie hören, wenn man mir auch fagt, daß es alle gut meinen. Nicht einmal werden fie das Berdienft der Kraniche und wilden Gänfe haben, die wenigftens Srühling und mwärmeres Better verfünden. Ihr Urteil über den Phantafus fowie über alle meine Schriften ijt mir ebenfo wichtig als er⸗

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munternd; Sie fennen mid) genug, um mich nicht zu den emp⸗ findliden Autoren zu zählen. Mit Däumdjen muß id Ihnen völlig recht geben: es ift zu viel Symmetrie und zu wenig Har⸗ monie in diefem Spaß: ihm fehlt ein leichtes, frohes Leben; oft kömmt es mir vor, ich werde alt und follte auch als Autor ge⸗ fegter werden. Wenn Gie einmal fo viel Muße übrig haben, follten Gie mir mehr über meine Schriften mitteilen. Über dase jenige, was Sie mir im vorigen Winter fagten, habe ich noch oft nachgedacht; wo ich Gie verftanden habe, habe ich gelernt, mo hr Urteil mein Unbewußtes, Yndividuelles trifft, was außer der Abſicht und Kunft liegt, habe ich Ihnen nicht folgen können, wie 3.3. über die Genoveva, die damals meine natürlichfte Herzensergiegung war in Sprache wie in Darftellung; fie hat fi), möcht ich fagen, felbft geſchrieben, recht im Gegenfaß des

DEtavian. ...

Dorothea an Yohannes Beit [303] Wien, Pfingften 1814

... Was fagft Du denn zu Baals kläglichem, erbärmlichen Sturz? Sinkt er nicht halb lächerlich zufammen wie das vierte Königsbild in Goethes ‚Märchen‘? Iſt es nicht, als wolle Gott ihn nicht fchredlich, fondern recht gemein und nichtswürdig endigen laffen, um feinen Anhängern zu zeigen: ‚Seht, das war euer Göge Wäre nun doch aud) erft der ganze Baalstempel zer: trümmert, denn aus jedem einzelnen Stein desfelben droht Gefahr, und in jedem Winkel desfelben niftet irgend ein böfer Geift.....

Golger an Tied [304) Berlin, 11. Dezember 1814

... Ich muß noch einmal auf Ihren hiefigen Aufenthalt zus rödfommen, und auf den Dank, den ich Ihnen ſchuldig bin,

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auf die”Nachficht, die ich bei Yhnen gefunden habe. Wenn Gie klagen, daß Sie bei ung zumeilen abgefpannt gemwefen, fo bin ich beſchaͤmt über das, was ich Ihnen überhaupt gewähren konnte. Sindeffen find die großen Uingleichheiten zwiſchen uns gehoben, fobald Gie von der Zorderung einer redlidhen und tiefen innern Übereinftimmung über die Hauptfadjen. im geiftigen Leben aus- gehen. Go mie Gie mir geftanden haben, daß Eie in mir dem Philofophen wegen der jeßt gewöhnlichen Einfeitigkeiten nicht ge: traut haben, fo muß ich fagen, daß id) früher glaubte, die Schärfe Ihres Beiftes laffen Sie nicht leicht Schwächen um Gie her überfehen. Jetzt aber denke ich, daß die innere Wahrhaftigkeit, deren ich mir bei meinen Beftrebungen bewußt bin, Alles in Ihren Augen ausgleichen wird. Darum bin idy unendlidy froh, Ihnen fo nahe gefommen zu fein, und erwarte noch viel Hilfe von Ihnen. Den inneren Kern und Mittelpunft in Allem, mas das Leben Edles und Wefentliches in ſich trägt, aufzudeden und als den eigentlidjen Urquell aller abgeleiteten Wahrheit im Bewußt⸗ fein lebendig zu erhalten, das ift das Ziel, dem id) alles mein Gtreben geweiht habe. An der Kunft habe ich dies verſucht und werde es auch am Ötaate, an der Religion und felbft in gewiſſem Ginne an der Natur verfuchen. Und da Gie mid) in dem Einen verftanden und gebilligt haben, fo hoffe ich dies auch für alles Andere. Ihr Urteil über die vier Gefprädjye wird mid) auch gegen Anfechtungen, die nicht ausbleiben dürften, aufrecht erhalten, und ich fage mir, daß ich dadurch und durch die Wirkung, die das Werk auf einige andere meiner beften Freunde gemadjt hat, meinen ſchoͤnſten Lohn dahin habe....

Tied an Golger [305] 6. SYanuar 1815

... Ich verfege mid) täglich zu Ihnen und fpreche mit Ihnen

in Gedanken über alle Materien, die mir am Herzen liegen.

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Schon längft hätte ich Ihren lieben Brief beantworten follen, da ich fo gern mit Ihnen fpreche und jedes Wort von Ihnen mich erfreut; aber mein Lafter, die Dinge aufzufdhieben, ergreift aud) das mit, was id) am liebften tue. Wenn Gie mir fagen, Sie hätten mir vorher ein zu ſcharfes (abfpredjendes, intolerantes) Wefen zugetraut, fo freut es mich, daß Gie es anders gefunden haben. Ich habe die Erfahrung ſchon öfters gemacht, daß fich auch die Menfdyen, die ich am liebften zu meinen reunden rechnen möchte, und die im ganzen mit mir einverftanden find, ſich aus meinen Schriften ein unrichtiges Bid von mir entiworfen haben, weil fie das Unabfichtliche, Arglofe, Zeichtfinnige, ja Alberne nicht genug darin hervorgefühlt haben. Es ift wahr, die Heuchelei unferer Zeit habe ich immer von Herzen gehaft, die grobe An- maßung der Unwiſſenheit, oder die Berfpottung des Gemüts und der Kindlichfeit und des Heiligen, die befonders in meiner Kind: heit und früheren jugend fo fehr auf unfere Gegenden laftete: dabei haßte ich aber vom früheften Befinnen an die fogenannten Satyriker ebenfo fehr, die die Geißel ſchwingen, Torheiten und Lafter durch Lachen und Schelten beffern wollten, und was der hohlen Redensarten mehr find, die noch immer nicht ganz abge- ftorben, fondern ſich noch oft von.Belehrten hören laffen. Schon fehr früh ſchwebte mir die Ahndung vor, daß es Luft, Scherz, Big geben müffe, die nur um ſich felbft da feien, und diefe medi- zinifchen Anwendungen des Hellften in uns erfchienen mir ekel— haft. Ich kann behaupten, daß ich nie gegen die Autoren, gegen welche ich geſprochen, Haß empfunden habe: ja, ich Fönnte auch wohl im Drud über Freunde fdherzen, wenn ich wüßte, daß idh ihre Sreundfchaft nicht verfcherzte. Ein Charakter wie Swift ift mir in feinem Stolze, in welchem er feine Radje an der ganzen Menfchheit nehmen will, zwar nicht unbegreiflidh; aber hödhft twiderlich und gemein dünft mid) das Allermeifte, was in der fo- genannten perfönlicjen Satyre bisher geleiftet ift. ch denke, daß wir uns auch hierüber verftehen. Grade ein folder Sreund, tie Gie es find, hat mir in meiner Yugend gefehlt, um mein Talent

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zu ftärfen und mid; zur Arbeit zu ermuntern.. Vom erften Augenblid? habe ich Ihnen angefühlt, daß Sie feft auf ſich ftehen, ebenfo entfernt von jener Bildung des Geſchmacks, die aus her- gebrachten Grundfäßen alles verftehen und beurteilen will, als von jener flatternden Schwaͤrmerei fo vieler in unfern Tagen, die ihre Unfelbftändigfeit für Gemüt und reizbaren Ginn halten, die vierteljährig ein Ertrem gegen ein anderes vertaufchen, und um nur immer eine eingebildete höchite Höhe zu behaupten, Grund und Boden und fich felbft verlieren. Ich bin überzeugt, wir werden noch Abgefchmaditheiten erleben, wie fie Feine vorige Zeit, in denen doch in der Philifterei Ernft und etwas Liebe war, hat aufzeigen fönnen. Diefe Quinteffenzen aus Goethe, Shake— fpeare, dem Mittelalter und den übergriechifcdyen Griechen, die fo ohne Appetit und Hunger, bei ſchwächlichen überladenen Magen, in allen Zageszeiten gefchlungen, aber nicht genofjen werden, ver: ſprechen erbärmliche Bapeurs und hypochondriſche Blähungen aller Art, in welchen diefe Geiftesarmut in SYfflandifcher Verzweiflung endigen und den jämmerlichften Bankrott deflarieren wird.

Ihr Buch wird, hoffe ich, von der durdhgreifendften Wirkung fein. Ich Eonnte mir beim Lefen durdjaus nicht den Genuß ver: fümmern und viel an den DBleiftift denken, was überhaupt eine mißliche Waffe ift; denn, Lieber, warum foll denn nicht auch ein- mal bie und da ein Plato etwas Kenophon fein? Es ift mit Stil und Gchreibart ein eigenes Ding. Bon einem Autor, den wir nody nicht Fennen, und deffen Werk wir in die Hände neh» men, indem wir auf den Inhalt begierig find, mit welchem wir ſchon mehr oder minder vertraut zu fein glauben, erwarten wir etwas Unbedingtes, und er wird es uns im Anfange nicht leicht recht machen: denn da er uns noch nicht zu feiner Manier er: zogen hat, fo erwarten wir eigentlich, daß er fo fchreiben wird, wie wir felbft unferer Borftellung nad; über den Gegenftand ge» fehrieben haben würden. Ye öfter ich die Dialogen wieder las, je weniger fand id; daran auszufeßen, denn ich glaubte immer mehr einzufehen, daß diefes eine GSchreibart und Manier fei, die

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Ihnen gezieme, die wohl Ihr eigentliches Wefen ausfprechen möge, und vieles, was mir erft als Nadjläffigkeit hatte erfcheinen wollen, erſchien mir nun im Lichte einer verehrlichen nicht anzu⸗ greifenden Jndividualität. Seien Gie alfo mit dem Ändern nicht zu freigebig; der erfte Wurf, der in der Regel der beite ift, ver⸗ fhiebt ſich gar zu leicht. Goll ich Ihnen danken (es würde nicht recht paffen), daß Sie meiner mehr als einmal erwähnt, und zwar fo ehrenvoll erwähnt haben? Aber es wäre Eitelkeit, wenn ich leugnen wollte, daß ich erfreut dadurch bin, ja daß ich bis zur Rührung überrafcht war, als idy auf diefe Gtellen traf. Aber laffen Sie uns nun auch einen Vertrag machen, wie er Sreunden geziemt, die ohne Eleinliche Rüdficht das Gute wollen, nämlidy, daß Sie auch, wenn es die Gelegenheit gibt, meiner im Tadel erwähnen wollen, wenn Gie an mandyen Schriften Ihre Ge- danken deutlich machen Eönnen, ohne dabei auf unfere nähere Be- kanntſchaft Rüdficht zu nehmen. Ich hoffe ja nichts zu ſchrei⸗ ben, was Gie ganz verwerfen möchten; auch denke ich, follen wir uns nie als Gegner gegenüber ftehen. ... .

Tied an Öolger [306) 31. März 1815

... Meinen herzlichften Dank, mein geliebter Freund, für Ihre fchöne Gabe und Ihr freundliches Andenken; id} werde mid) noch in vielen Stunden daran erquiden und belehren. Gie befchämen mich aber damit, daß Sie mir fo bedeutende Berdienfte um Ihr Werk zufchreiben wollen; ich habe das meifte davon nur in flüch⸗ tigen, zerftreuten Stunden lefen Fönnen, wie Gie felbft wiffen, und habe deshalb nur darüber ertemporifiert; audy als id; es hieher mitnahm, mußte idy es Ihnen etwas eilig zurüdfenden. Wie bin ich erfreut, wenn mein Gefpräd, darüber, mein Urteil Gie wirklich geftärkt, und alfo etwas mit zur Erfdyeinung diefes Buches beigetragen hat! Bon meiner völlig unparteiifcyen Mei-

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nung fönnen Gie vergemwiffert fein. Ich freue mich in jeder Stunde des reinen Erwerbs, der wahren Aufflärung, die mir daraus geworden ift, denn es fdheint mir eben das rechte Lernen, daß uns deutlich und zufammenhängend wird, was wir ſchon felbft gefehen oder geahndet haben, was uns bald deutlich, bald dunfel vorfchtwebte, mas doch wieder andern Gedanken und Bor: ftellungen zu widerſprechen ſchien, die wir auch lieben mußten, und nun plöglich in Allem Licht und notwendige Solge fehen, und die Widerfprüche gerade, die uns ängfligten, uns und unfere Lehre nun felbft beitätigen. So ift es mir mit Ihrem Bude gegangen. Gar mancher Lefer würde über mich als unphilofophis ſchen Kopf ſchnell aburteilen, wenn ich geftände, daß mir nie um das Denken als ſolches zu tun geweſen ift; die bloße Luft, Übung und Gpiel der Ideen, auch der Fühnften, ift mir unintereffant, alle Unterfuchungen, aller Gedanken» und Ideengang foll mir tiefe Vorurteile beftätigen, d. 5. doch nur mit andern Worten, den Glauben und die unauslöfchlidye Liebe. Gedanken, die mir ganz neu find, nehme ich mit ſcheuem Mißtrauen auf, id) ver⸗ lange, fozufagen, daß fie ſchon in meinem Gefühle follen ge: fchlummert haben; daß ich mich gern von dergleichen blenden ließ, um fo neuer fie waren, ift ohngefähr nur in einem halben Yahre meiner frühen jugend gefdyehen. Gie fehen aus diefem Bekennt⸗ nis, teuerfter Sreund, mit welchem höchſtparteiiſchen Beurteiler (in diefem Standpunkt) Gie es zu tun gehabt haben. Kür das äußere Schidfal diefes Buchs halte ich es für ein Unglüd, daß es mit dem Manne zugleich auftritt, der uns feit zehn SYahren fo vieles Unglück bereitet hat: die Welt wird nun nichts als Zei⸗ tungen träumen und atmen, und im Gewühl des Marfts können die ftillen Götterbilder nur von menigen Auserwählten beadjtet werden.

Auch für Ihre Nachſicht mit dem guten Lovell danke ich Yhnen, denn er ift wirklich in dem Ginne gut (d. 5. er felbjt), als es felbft bis in unfere neueften Tage hinein die Welt if. Es ift das Denfmal, das Maufoleum vieler gehegten und geliebten

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Leiden und Irrtümer; aber als es gebaut ward, war der Zeichner und Arbeiter ſchon von diefen Leiden frei, id; war faft immer fehr heiter, als ich dies Bud) ſchrieb, nur gefiel ich mir noch in der Ver⸗ wirrung. Etwas von diefer Gucht wird mir gewiß immer anhängen bleiben, aud) hängt es wohl mit meinem Beften wieder zufammen....

Solger an Tied [307] Berlin, 19. Mai 1815

Ihr lieber Brief, verehrtefter Sreund, den Sie mir nad) Emp- fang des Erwin fohrieben, forderte mid; auf, Ihnen fogleich wieder zu antworten; aber es kam allerlei dazwiſchen, und das erfte Feuer verrauchte. Deswegen habe id; aber nicht minder an Gie und an Ihren Brief gedacht. Er enthielt wieder, wie alle von Ihnen, mandjes, was mid) lebhaft traf. Die Überein- flimmung in unferer Denfart, die fich bei vielen Gelegenheiten offenbart, beftärft mid; immer in der frohen Überzeugung, daß ich Ihrer Sreundfchaft nicht unmert fei, wenn gleidy meinem Streben nad; dem Wefentlihen die Ausführung und die Übung in der Darftellung felten entfpredjen mag. Gie fagten, es fei Ihnen bei Philofophen Feinesweges um das ganz Neue zu tun, vielmehr um die Beitätigung und Bereinbarung alter Vorurteile. Diefes nun ift von jeher das Bedürfnis gemefen, welches mid) zum Philofophieren getrieben hat. Und was kann man denn auch anders wollen, als das, was im vollen, lebendigen Dafein ftumm, oder fich in mannigfaltigen Geftalten der Erfcheinung äußernd wirklich lebt, zur deutlichen Einficht bringen! Das Ber: ſprechen eines neuen WBeltalters, das Anfangen von vorn, und dergleihen Anmaßungen mehr, find auch wirklich erft in der neueften Zeit aufgefommen. Sie laffen ſich nur erklären aus zweierlei, erftlid) aus der Leere des Zeitalters und der umgeben» den Welt, welche wohl den verkehrten Wunfch erregen Tann, ſich felbft erft einen Stoff des Dafeins zu machen, und zweitens

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aus der überwiegend pfychologifchen oder fubjeftiven Richtung, welche die Philofophie genommen hatte. Denn diefe bringt, da- bin, mie die Juden an einen meltlidjen Meſſias zu "glauben. Damit hängt zufammen die unendliche Annäherung an das Ideal und viel dergleichen idealifierendes Weſen, mogegen ich fireite, weil es durdjaus nur bei einer feftgehaltenen Cinfeitigkeit und Sciefheit entftehen kann, und von da aus die Gophifterei in alles Übrige dringt. Wenn Fichte hätte ehrlich fein wollen, fo hätte er etwa über Platos Republif nur fo urteilen Fönnen, daß es eine unfinnige Gchmwärmerei fei; und doch find feine eigenen Anmaßungen das eigentlid) Berkehrte, während jenes fich in aller Demut an die wirkliche menſchliche Natur anfdließt.

Ad, Fönnte idy doch nur ſoviel Kraft und Kunftfertigfeit er- langen, um weniges von dem darzuftellen, was mir vorſchwebt! Ich möchte gern in einzelnen Dialogen die Hauptrichtungen des jegigen Treibens der Menſchen aufftellen, und auf das Wahre, das ihnen felbft unbewußt darin liegt, zurüdführen. Dann wollte ich in einer großen Kompofition das ganze religiöfe Leben ent- wideln, und zwar auf doppelte Weiſe. Cinmal, wie die Men⸗ ſchen von verfchiedenen Seiten hingeftrebt haben nad; dem Wefen aller Wahrheit, in Mpthologien und Myſterien, bis ſich dasfelbe felbft im Ehriftentum entfaltet hat; zweitens, wie das Ehriften- tum aus rein fpefulativen Gründen verftanden und zur Einſicht gebracht werden kann. Hierauf follte das große dialeftifdye Werf folgen, und endlidy ein fehr großes, das ganze ſittliche Leben, Kirche, Sitte, Kunft nicht ausgefdjloffen, vom Standpunkte des Gtaates aus, bilden. Und das alles denke ich mir fo voll und rei im Einzelnen, daß mir der Erwin mager dagegen vor: fommt. Aber es wird mir auch bange, wenn id an die Aus führung denfe. Wenn man es recht. durchdenft, ift es gar zu mannigfaltig und verwickelt. Und dann ift mein Hauptgrundfag, nichts auf ſolche Weiſe darzuftellen, was ich nicht wirklich er- fahren und erlebt habe, fo wie ich die Wirfung der Kunft er« fahren zu haben glaube... .. .

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Tied an Solger (308)

» 1. Geptember 18135

... Wenn ich Ihre Briefe leſe, fo ift mir jedesmal, wenn mich auch die Klarheit und fdjöne Sicherheit überrafdht, als fämen Gie ganz aus mir, ich höre mein eigenes Inneres, nichts verwundert mich. Oft begegnet es mir, daß mir einige Gedanken recht lebhaft geworden find, die ih dann plöglid in Ihren Briefen ausgefprochen finde. Warum foll denn nicht auch eine‘ Sympathie unter $reunden herrfdyen, daß zu gleicher Zeit SYdeen in ihnen reif werden? ch glaube, wir haben den nämlichen Widerwillen gegen die Einfeitigkeit, Erhitzung ımd leere Schwär- merei unferer Zeitgenoffen. Irgend etwas ift immer in Deutfdy land an der Tagesordnung, das leere Korn, geiftlofe INode und übertriebene Einfeitigfeit wird, und immer fehen wir einige von den Beiten eifrig Zeil nehmen und fich verblenden, und diefelbe Nation, die für Biel- und Allfeitigkeit ſchwärmt, kann immer vor irgend einer neuen Berblendung nicht zur Befinnung fommen. Bei meiner Luft am Neuen, Geltfamen, Zieffinnigen, Myſtiſchen und allem Wunderlichen lag auch ftets in meiner Geele eine Luft am Zweifel und der Fühlen Gewöhnlichkeit und ein Ekel meines Herzens, mich freiteillig beraufchen zu laffen, der mich immer von allen diefen Sieberfranfheiten zurüdgehalten hat, fo daß ich (feit ih mich befonnen) weder an Revolution, Philanthropie, Pefta- lozzi, Kantianismus, Fichtianismus, noch. Naturphilofophie als legtes einziges Wahrheitsfyften gläubig, habe in diefen Formen untergehen können. Gie verftehen, wie ich es meine, und find ja von demfelben Geifte befeelt, den manche junge Herren ja eben Philifterei nennen wollen, und nicht einfehen, daß fie auch felbft nicht einmal. zur Erkenntnis des Dinges Fommen, für das fie fi} begeiftert mähnen. ... .

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Tied an Öolger [309] ı. April 1816

Mein liebfter Sreund; freilich Fönnten Gie mir zürnen, aber gewiß nicht mehr, als id} mir felber tue, daß ich diefes Lafter des Auffchiebens, welches ich fo herzlich an mir haffe und nicht pflege oder entfchuldige, nicht mehr befiegen kann. Wollt idy mich ent- ſchuldigen, fo könnte ich es vielleicht auf mandjerlei TBeife: denn freilich bin ich ſchon feit lange nichts weniger als wohl, fondern ich befinde mich im Gegenteil recht fchlecht, und leide vielfältig, hauptſaͤchlich an Kopf und Augen, am meiften aber an der Seele, weil mich wieder jener Zuftand (den Sie hoffentlid gar nicht kennen) von Mutlofigkeit, Lebensüberdruß und eigentlichem Ver⸗ zweifeln an mir felbft überfallen hat, der mid) von Yugend auf von Zeit zu Zeit wie eine wahre Krankheit beſchleicht, und gegen welchen ich dann vergeblidy nach Hilfsmitteln fuche. In diefer Melancholie find meine Geelenfräfte dann mie erlahmt und alle Zedern meines Innern wie auf immer zerbrochen; und ob ich gleich in Gefellfchaft dann ziemlich heiter erfcheinen Fann, fo bin ich doch diefe Zeit über für jede Tätigkeit verloren. Ich glaube nicht, daß es hinfällige Weichlichkeit ift, denn im ganzen nehme id mid) doch bei meinen ununterbrocdhenen Förperlicdhen Leiden noch ziemlidy zufammen. ...

Je länger ich mit Yhnen umgehe, je mehr glaube idy Gie zu verftehen, je näher fühle ich mich Ihnen; ja ich bin ſchon oft im Begriff geweſen, Ihnen eine mahre Liebeserklärung zu tun, Die der Mann aus fpröder Scham immer auch gegen den innigften Sreund zurückhält. Ihre Briefe, Ihre Geſpräche und Ihr herr- liches Buch befriedigen mich immer ganz, es ſind da keine Lücken, keine Dunkelheit, als die der Tiefe, und nicht jenes Zerriſſene, durch welches man oft mit den trefflichſten Freunden, möcht ich doch faſt ſagen nicht ſowohl ſich mit ihnen verbunden, als von ihnen getrennt fühlt. Ihren vortrefflichen Brief über Ihre Anſicht der Religion habe ich feitdem oft gelefen und mid; dabei Ihrer münd- lichen Geſpräche wieder erinnert. Diefe Anficht geht mir immer

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mehr auf, und mit diefem Keime entwideln ſich viele andere Keime, die mir vielleicht Fünftig blühen und Früchte tragen. Scheint alles mir doch immer mehr einzugehen in jene moftifche Anſicht, die ich nie wieder loswerden kann, feit fie fi mir vor vielen Jahren vergegenwärtigt hat. Ich glaube fat, Gie find berufen, jene für unmöglich geachtete Brüde aus der wahren Philofophie in die echte Myſtik hinüber zu fchlagen. Je öfter ich Ihre Dialogen lefe (bei denen ich eben wieder bin), je Flarer wird mir diefer Gedanke. Ihrem tiefen vielfeitigen Geifte fehle jene Schärfe des Einfeitigen, die ihn emig hindert andere Na⸗ turen und Gedanken zu verftehen, wie es mit Kichte der Fall war. Es ift leicht, jene fcheinbaren Träume der gefpannten Phantafie zu verwerfen, und auch gar nicht ſchwer, nad) Prinzipien fie abzu⸗ weifen und ihr Unzulängliches darzutun; wie,es der Schwärmer ebenfalls bequem hat, ſich in ein Gefühl gleihfam zu Eleiden, das ihm wohl tut und ihn warm hielt; aber fi) wahrhaft in die Er- leuchtung eines begeifterten Gemüts zu erheben, und hier in den Gphären eines viel verfchlungenen Zuſammenhangs und der har» monifchen Bereinigung aller Kräfte auch Vernunft und Berftand wieder anzutreffen, ift nur Wenigen gegeben; den Allerwwenigften, bis jegt fcheint es Keinem, Kunde und Rechenfchaft darüber zu geben: denn den impropifierenden Kranz Baader Eann ich wirklich nicht rechnen, die herrlichen Rhapfodien eines Hamann Flingen wie einzelne Zöne durch die Welt, St. Martin ift zu fehr Gentimentalift und Polemifer gegen die Berdorbenheit, und ohne es zu wiffen, gegen feine eigene Unmiffenheit; die Religiofen, aud) die beften, ziehen alle Erfcheinungen zu fehr in ihren Zunftgeift und nehmen eben von allem nur, was fie dafür brauchen Fönnen. Und fo fühle ich, daß bei uns immer (auf lange, vielleicht. auf immer) alles, was id) das Rechte nennen möchte, fei es in Phi Iofophie, Kunft oder Religion, als ein Eremit mohnt, defjen Pflicht es ift, Eeiner Gemeine anzugehören. Mit dem politifchen Baterlande haben wir längft auch das geiftige verloren, und die Art, wie man beides jeßt fuchen will, läuft dod auf Schaf

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. gräberei hinaus. Und vielleihe muß es fo fein: ja wohl vor: nehmlich für uns, damit wir im vollen Ginne, im Guten und Böfen, Deutfche bleiben Eönnen. Gie fehen hier meine Hypo» chondrie, die doch eins mit meinem Aberglauben ift-und die mich feit zwanzig Jahren dahin bringt, den Verächtern der Deutfchen als ein Enthufiaft und fanatifcher German, und den leeren vater= ländifhen Ganguinitern und blinden Patrioten (den wahren blinden Heffen) als ein Falter unentfchloffenee Menſch zu er- feheinen, der nicht fähig ift, der guten Sache beizutreten. ... .

Tied an Öolger (310] 7. Mai 1816

Dank Yhnen, mein liebfter Sreund, für Ihren herrlichen Brief, an welchem ich noch lange zu genießen haben werde; ich glaube Gie ganz zu verftehen, und freue mich immer mehr, daß wir fo zufammentteffen, oder vielmehr, daß Sie der Dolmetfcher meiner Anfichten und Ahndungen mir felber werden. Ich muß jest über mich lächeln, wenn ich der Zeiten gedenfe, als ich, ungeachtet eines großen Bertrauens, eine Art von Furcht vor Ihnen als einem - Philofophen und Philologen hatte; id) geriet in einen rührenden innerlichen Unmillen, als ich vor Jahren hörte, daß man Gie in Dresden bei den Antifen ftudierend gefunden, und daß Gie etwas über die Schönheit und Kunſt ſchreiben wollten, denn mir wurde bon neuen gegenwärtig, wie die Antife (auch die redende) bisher faft nur zu einer unbilligen Einfeitigfeit, zu einem Berfennen der berrlichften Erfcheinungen mittler und neuer Welt auch die edelften Gemüter verlodet hatte; ich hatte mwenigftens die Erfahrung ge- macht, daß viele in meiner Jugend mit mir wohl einzuftimmen ſchienen, bis fie von einem feheinbaren Enthufiasmus für die alte Belt wie von einem Sieber hingeriffen, alles hohnlächelnd von ſich wiefen, was fie noch kürzlich mie ſchwächlichem Entzüden er⸗ mwärmt hatte; und wir mögen uns fo felbftändig fühlen mie wir

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wollen, fo kann doch unfer Geift in gemwiffen Stunden ebenfo ſchaudernd wie unfer Körper von einer Falten Einfamkeit ange- weht werden, befonders da ich mir ſchon feit lange fagen mußte, daß die meiften um mich, vorzüglid) die jüngern unferer dichtenden Zuhörer, nie jene Erfdyeinung verftanden und gefehen haben, die mein Herz ſchon früh gewonnen hat. Dies ift Fein Irrewerden, aber wohl ein Zodesfchauer, in welchem man oft aufgibt, je die wahre Einftimmung zu finden, und endlich ſich gewöhnt, allent= halben nur Schein zu fehen. Nehmen Sie mit Ihrer getvohnten Liebe diefes mein aufrichtiges Bekenntnis an; ich bin wahrhaft fo glüdlidy, daß gerade Gie der find, der mir meine Iräume aus- deutet. Wenn id) etwas über Gie vermöcdhte, müßten Gie recht fleißig ſchreiben, auch noch viel über Kunft und Poefie; denn oft liegen in den Dialogen in hingetvorfenen verlorenen Worten Keime zu den herrlichften Blumen und Bäumen... .

Dorothea an ihre Söhne (311) Frankfurt a/r, 3. Juli 1816

«.. Gonft babe id} nichts neues gelefen, als ein Bändchen von Goethe über die Kunft in den Rheingegenden. Das ift nun end» li; das Kunftadels-Diplom, was zu erlangen die Boifferees fo lange um den alten Heiden herum geſchwänzelt haben. Und wie überflüffig! Wer die Sammlung fieht und nur nidjt eines ganz verftodten Ginnes ift, der braucht ja weiß Gott Feines foldyen GStempels, um zu fehen, daß diefe Sammlung einzig in ihrer Art if. Schwerlich werden Boiſſerées fehr zufrieden fein mit diefem platten affeftierten Gewäfch; aber gewiß werden fie nicht unterlaffen, die Miene anzunehmen, als wären es golöne Sprüde. Stiedrich fein Verdienft um die neue Würdigung unfrer älteften Kunftdentmale hat der alte Eindifdye Mann dadurch zu ſchmälern gefucht, daß er ihn in diefem ganzen Werke gar nicht genannt, feiner weder bei dem Dom zu Köln, noch bei der Boiſſeréeſchen

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Sammlung und Eulpizens Arbeit, noch bei den kolniſchen Kunft- denfmalen, überhaupt nicht mit Namen gedadjt hat, während er jede, auch die Eleinfte und unbedeutendfte Schrift Anderer über diefen Gegenftand, teils verunglimpfend, teils über den Wert fhägend, lang und breit genannt und beleuchtet hat. Hat er aber durch foldyes Ignorieren geglaubt, Friedrichs großes Berdienft ganz auszutilgen, fo hat er geirrt; eben dadurch, daß er ihn nicht genannt hat, wo er alle Andern nennt, hat er ihn wirklich doch genannt, nämlid fo wie man ein Lidyt in der Zeichnung aus» fparen Fann, indem man die Schatten zeichnet. Jeder muß ja hier gleich eine böfe Abficht einfehen! Eine Gtelle ift darin über das Chriftentum als Gegenftand der Malerei, diefe ift nicht allein das klare kecke Geftändnis feiner antichriftliden Denkart, fondern durch Stil und Schreibart fo über alle Maßen platt und bierbrudergemein, daß ich heftig im Lefen darüber erfchroden bin; es war mir zumute, als fähe ich einen verehrten Mann voll« betrunfen berumtaumeln, in Gefahr, ſich im Kot zu wälzen. Bei reiflicher Überlegung Eommt es mir aud) wahrſcheinlich vor, dag dieſe Stelle gar nicht von Goethe felber, fondern vielmehr von feinem Mlephiftopheles Meyer fein muß; fo platt und durch⸗ aus gemein verteufelt kann doch wohl Goethe nicht fein. Diefe Hppothefe ift mir aber mehr eine Erflärung als eine Entſchul⸗ digung für diefe Gemeinheit. Ein Autor muß für das einftehen, was in feinem Buche vorfömmt. Goethes größte Anbeter ſchweigen mäuschenftille; andre [impfen laut; einige verlangen, man müffe diefe Stelle ausfcheiden und das übrige als geiſtreich würdigen. Das ift mir aber einmal nicht gegeben. Zum Teil kömmt mir das Ganze armutfelig und geiftesarm vor; zum Teil aber ift mir ducch diefe verruchte Entwürdigung der heiligen Geheimniffe, die auf einmal ganz unvermutet und plöglich zum Borfchein kommt wie der Pferdefuß des in einen Menſchen verfappten Teufels, auch das Übrige, mas es allenfalls Hübfches Haben mag, in Aſche und raus verwandelt, wie die bekannten Zauberftüdchen Saufts, wenn .die Täuſchung durch ein Wort oder einen Zufall geftört ift.

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Kunft hinüberzieht. Diefe ift aber audy niemals fo auf Erden gewefen, daß mir unfere Gitte, Baterland und Religion deshalb gering ſchätzen dürften. Iſt es nicht faft dasfelbe wie Mlercier und andere Schwachen, die die Gegenwart wegen ihres Jahres 2440 verachteten? Hier find Sie mir, Liebfter, recht als Elarer Vermittler eingetreten, und ich glaube, Gie verftehen mid) darum, wenn ich auch in Eile midy ungeſchickt ausdrüden follte.e Bor der Kunft, namentlich vor der alten, meine innigfte Anbetung; aber fie als unbedingte Wirklichfeit fehen wollen, als einen Aus- bruch einer unbedingt beffern und größern Zeit, fcheint mir klein⸗ ſtädtiſch. Aus einem Luftball gibt es Feine Ausſicht. Dies macht mir ein ähnliches Gefühl. Ich hatte auch die Antife gefehen, Gt. Peter, und konnte den Straßburger Münfter nur um fo mehr bewundern: nach dem auswendig gelernten Raphael verftand ich erft die Lieblichkeit und Würde altdeutfcher Kunft und dies wäre Oberflächlichkeit, Einfeitigkeit zc. in mir gemefen? Ich Tiebe die Italiener und ihr leichtes Weſen, bin aber in Italien erft recht zum Deutfchen geworden. Und nun! ft Goethe als Greis nicht gemwiffermaßen von neuem irre geworden? Und etwa durch neue Entdelungen? Durch dasfelbe, was aud) in feiner Jugend da war, was er zum Teil Eannte, durdy Gedanken, die er zuerft ausgefprochen. Ohne Baterland Fein Dichter: ſich von diefem logreißen wollen, heißt die Mufen verleugnen. Auch hierüber mündlich einmal recht viel.

Auch ärgert es mich von Goethe, der fo viel anatomiert, Steine gefammelt, Bücher nachgefchlagen, unermüdet gemwefen ift, daß er noch nicht einmal Ihren Erwin gelefen hat. Und er hat ihn nicht gelefen, fonft hätten wir längft die Spuren davon gefehen; aber feine Bequemlichkeit, feine Gicherheit halten ihn ab, im erften Dialog (wenn er das Bud) vielleicht fah) hat er Befanntes ſcheinbar gefunden und geglaubt, längft darüber weg zu fein. Kant wollte von Kichte, diefer von Schelling nichts wiffen, und las lieber nichts, um ruhig zu bleiben. Wird der legte es mit Ihnen ebenfo madjen? Werden die Schlegel ein reines Yntereffe

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an Ihren Bemühungen nehmen? Mir fällt bei alledem immer Nero ein, der nie von dem Aufruhre ſprach, weil er fern fdhien, in deffen Nahe niemand davon zu reden wagte. Behielt er darum den Thron? Gie glauben nicht, wie mich immer Petrarcas erftes Gonett gefränft und verdroffen hat. Iſt denn Liebe und Poefie nicht auch himmliſch und ewig? Galderon wollte im Alter von feinen Schaufpielen aus Religiofität nichts wiflen; Boccaz molite feine Bibliothek ins Keuer werfen. Was einmal wahrer Ernft war, follte nie anders erfcheinen dürfen. Auch hierin find Cer⸗ vantes, Shakeſpeare mir leuchtende Lieblinge. Ihr Leben, ihre Liebe zur Kunſt und zum Scherz ſcheint mir fo rein, menſchlich und göttlid. Aber idy will mid) auch recht wahren, nicht in jene Saumfeligkeit jemals zu verfallen, und lieber Optik, Mine ralogie und Phyſik und manches andere, was mir nicht vergönnt wurde, dreift von mir abmeifen.

Liebfter, madjen Gie mir das Herz nicht zu ſchwer durch Ein- ladungen, diefen Winter Tann ich meiner Kränklichfeit wegen nicht reifen; muntern Gie mid; auf, öfter mit Ihnen zu ſchwatzen, indem Gie mir recht bald hierauf etwas antworten; vor allem aber erhalten Gie mir Ihre Freundſchaft und Liebe, mit der id) mic; ohne alle Wendung wahrhaft nennen Tann

ganz den Ihrigen

Tied an Öolger [313] Ziebingen, 30. Januar 1817

... Es gehört zu meinen Eigenheiten, daß ich lange Jahre den Perifles von Shakeſpeare vielleicht übertrieben verehrt habe; ohne diefen wäre Zerbino nicht, noch weniger Genoveva oder Oktavian entftanden. Ich hatte mid) in diefe Korm wie vergafft, die fo wunderbar Epif und Drama verfchmelzt; es ſchien mir möglich, felbft Lyrik hineinzumerfen, und ich denke mit wahrem Entzüden an jene Stunden zurüd, in denen Genoveva und fpäter

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Oktavian in meinem Gemüte aufgingen: dies Entzüden mollte ich wohl zu Förperlich, buchftäblich Kineinbringen, und fo entftand das Manirierte....

Ziel an Öolger [314] Ziebingen, 24. März 1817

... Längſt war ich mit Ihrer Ynfpiration der Philofophie, mit der nahen Berwandtfchaft derfelben, ja Blutsfreundfchaft und Gelbftheit mit der Religion einverftanden, mas mid nur einen furzen Kampf Eoftete: denn die poetifche Begeifterung er- flärte mir ja das Faktum hinlänglich, und daß ich es mehr wie einmal in mir erlebt hatte, machte mir ja eben immer mein Sprechen mit den Philofophen von der Schule unmöglid. Mit Jacobi hatte ich zuerft eine Art von Dialog führen fönnen, von zwei Ufern einer Kluft herüber, wo mir wohl mehr das Echo als unfere Worte hörten. Was war nun alfo noch mein Kampf? Das Berhältnis, in welches durch einen Ideenſchlag die Myſtik zu mir gefegt wurde. Weil ich Eeinen dialogifchen Philofophen bis dahin gefunden hatte, und mich die verſchiedenen Syſteme nicht befriedigen, befonders allen meinen Inſtinkt zur Religion verlegten, fo glaubte ich oft gar nicht für Spekulation Sinn zu haben: meine Liebe zur Poefie, zum Gonderbaren und Alten führte mich anfangs faft mit frevlem Leichtfinn zu den Myſti⸗ fern, vorzüglich zu J. Böhme, der ſich binnen furzem aller meiner Lebensfräfte bemädhtigte: der Zauber diefes wunderſamſten Tief. finns und dieſer lebendigften Poefie beherrfchte midy nach zwei Jahren fo, daß ich von hier aus nur das Chriftentum verftehen tollte, das- lebendigfte Wort im Abbild der ringenden und fich verflärenden Naturkräfte, und nun murde mir alle alte und neuere Philofophie nur hiftorifche Erfcjeinung: von meinem Bun» derlande aus las ich Fichte und Schelling und fand fie leicht, nicht tief genug und gleichſam nur als Gilhouetten oder Scheiben

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aus jener unendlihen Kugel vol Wunder. Wie oft bemühete ich mid) törichterweife, andern diefe Gefühle zu geben! Keiner war fo tief in Böhme, ja ich argmöhne, felbft nicht fo tief in den Philofophen. Ich erfchrede aber noch vor den Gedanken, die in mir aufgingen, indem ich mit aller Phantafie und dem redlihften Herzen, ja meinem Hange zum Tiefſinn mich diefem Triebe, der wahre Leidenfchaft geworden war, überließ; dazu ge: fellten fi) nad; einiger Zeit leidenfchaftliche Zuftände und un: erwartete Erfahrungen an mir felber, und wie denn alles in uns, wenn es nicht geradezu Lüge ift, mächft und ſich ausbreitet, daß es unferen eigenen Geiſt verfchattet und verdunkelt, fo Fam es da: hin, daß mein jugendlicy leichter Sinn, meine Luft zur Ppefie und an Bildern mir als etwas Verwerfliches, Verfehltes erfchien, daß idy nun glaubte, Spekulation und das innere Leben gefunden zu haben, daß es ſich für mich, aber nicht mit den fonftigen weltlichen Bemühungen vertrüge: fo gab es nun viele Gtunden, wo ich mich in die Abgefchiedenheit eines Klofters wünſchte, um ganz meinem Böhme und Tauler und den Wundern meines Ge- müts leben zu fönnen. Dies hatte ſich ſchon im Zerbino leicht povetifd, in der Genoveva dunkler und im Oktavian vermirrter geregt. Meine Produftionsfraft, mein poetifches Talent fdhien mir auf immer zerbrochen. Ich Fämpfte ſchmerzhaft, da ſich mir die heitere Welt und mein Gemüt fo mit Sinfternis bededite, die mir anfangs in hellerem Glanze geſchienen hatten. Go waren einige Yahre gefunden, als mein alter Homer und die Nibe— Iungen und Gophofles, mein teurer Shakeſpeare, eine Krank: heit, die erfte in Münden, Stalien, eine Überfättigung gleihfam an den Myſtikern (in meiner erften Krankheit noch las ich faft nur diefe, von allen Nationen, in allen Sprachen), vor⸗ züglich wohl mein ſich regendes Talent mir im Verzweifeln neuen Leichtfinn gab (die Stärke aus der Schwäche nehmen, wie Cer— vantes fagt); und faft ebenfo leichtfinnig wie ich in dies Gebiet hineingeraten war, verfeßte ich mich durch einen einzigen Akt der Willkür wieder hinaus, und ftand nun wieder auf dem Gebiete

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Leiden und Irrtümer; aber als es gebaut ward, war der Zeichner und Arbeiter ſchon von diefen Leiden frei, ich war faft immer fehr heiter, als ich dies Buch fchrieb, nur gefiel ich mir noch in der Ver⸗ wirrung. Etwas von diefer Sucht wird mir gewiß immer anhängen bleiben, auch hängt es wohl mit meinem Beften wieder zufammen....

Solger an Lied [307] Berlin, 19. Mai 1815

Ihr lieber Brief, verehrtefter Sreund, den Sie mir nad) Emp⸗ fang des Erwin fchrieben, forderte mid; auf, Ihnen ſogleich twieder zu anttvorten; aber es Fam allerlei dazwiſchen, und das erfte Feuer verrauchte. Deswegen habe ich aber nicht minder an Gie und an Ihren Brief gedacht. Er enthielt wieder, wie alle von Ihnen, mandyes, was mid) lebhaft traf. Die Überein- flimmung in unferer Denfart, die ſich bei vielen Gelegenheiten offenbart, beftärfe mid) immer in der frohen Überzeugung, daß ih Ihrer Sreundfchaft nicht unmwert fei, wenn gleich meinem Streben nad) dem Wefentlihen die Ausführung und die Übung in der Darftellung felten entfpredyen mag. Gie fagten, es fei Ihnen bei Philofophen keinesweges um das ganz Neue zu tun, vielmehr um die Beftätigung und Bereinbarung alter Vorurteile. Diefes nun ift von jeher das Bedürfnis gemwefen, welches mid) zum Philofophieren getrieben hat. Und was kann man denn auch anders wollen, als das, mas im vollen, lebendigen Dafein ftumm, oder fich in mannigfaltigen Geftalten der Erfcheinung äußernd wirklich lebt, zur deutlichen Einficht bringen! Das Ber: fpredjen eines neuen WBeltalters, das Anfangen von vorn, und dergleichen Anmaßungen mehr, find auch wirklich erft in der neueften Zeit aufgefommen: Gie laffen ſich nur erklären aus zweierlei, erftlic) aus der Leere des Zeitalters und der umgeben- den Welt, welche mohl den verfehrten Wunſch erregen Tann, ſich felbft erft einen Stoff des Dafeins zu machen, und ziveitens

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aus der überwiegend pfychologifchen oder fubjeftiven Richtung, welche die Philofophie genommen hatte. Denn diefe bringt, da⸗ bin, mie die Juden an einen weltlichen Meſſias zu "glauben. Damit hängt zufammen die unendliche Annäherung an das Ideal und viel dergleichen idealifierendes Weſen, wogegen ich fireite, weil es durchaus nur bei einer feftgehaltenen Einfeitigkeit und Sciefheit entftehen Eann, und von da aus die Gophifterei in alles Übrige dringt. Wenn Fichte hätte ehrlich fein wollen, fo hätte er etwa über Platos Republif nur fo urteilen Fönnen, daß es eine unfinnige Schwaͤrmerei fei; und doch find feine eigenen Anmaßungen das eigentlidy Berfehrte, während jenes fich in aller Demut an die wirkliche menfchlide Natur anfdließt.

Ad, Fönnte ich doch nur foviel Kraft und Kunftfertigfeit er⸗ langen, um tweniges von dem darzuftellen, mas mir vorſchwebt! Ich mödjte gern in einzelnen Dialogen die Haupfrichtungen des jeßigen Treibens der Menſchen aufftellen, und auf das Wahre, das ihnen felbft unbewußt darin liegt, zurüdführen. Dann wollte ich in einer großen Kompofition das ganze religiöfe Leben ent- wideln, und ziwar auf doppelte Weife. Cinmal, wie die Men—⸗ ſchen von verfchiedenen Seiten hingeftrebt haben nad; dem Weſen aller Wahrheit, in Mythologien und INyfterien, bis ſich dasfelbe felbft im Chriftentum entfaltet hat; zweitens, wie das Ehriften- tum aus rein fpefulativen Gründen verftanden und zur Einficht gebracht werden kann. Hierauf follte das große dialeftifcdye Werk folgen, und endlich ein fehr großes, das ganze fittliche Leben, Kirche, Sitte, Kunft nicht ausgefchloffen, vom Gtandpunfte des Staates aus, bilden. Und das alles denfe ich mir fo voll und rei im Einzelnen, daß mir der Erwin mager dagegen vor—⸗ fommt. Aber es wird mir auch bange, wenn ich an die Aus führung denke. Wenn man es recht, durchdenkt, ift es gar zu mannigfaltig und verwidelt. Und dann ift mein Hauptgrundfag, nichts auf ſolche Weife darzuftellen, mas ich nicht wirklich er- fahren und erlebt habe, fo wie id die Wirfung der Kunft er- fahren zu haben glaube... .

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Lied an Öolger [308] » 1. Geptember 18135 ... Wenn id Ihre Briefe lefe, fo ift mir jedesmal, wenn

mich auch die Klarheit und ſchöne Sicherheit überraſcht, als

kämen Gie ganz aus mir, ich höre mein eigenes Inneres, nichts verwundert mich. Oft begegnet es mir, daß mir einige Gedanken recht lebhaft geworden find, die id dann plößlih in Ihren

Briefen ausgefprochen finde. Warum fol denn nicht auch eine‘

Gpmpathie unter Sreunden herrfchen, dag zu gleidyer Zeit Ideen in ihnen reif werden? Ich glaube, wir haben den nämlichen Widerwillen gegen die Einfeitigkeit, Erhigung und leere Schwär⸗ merei unferer Zeitgenoffen. Irgend etwas ift immer in Deutfch land an der Tagesordnung, das leere Korn, geiſtloſe Mode und übertriebene Einfeitigkeit wird, und immer fehen wir einige von den Beften eifrig Teil nehmen und ſich verblenden, und diefelbe Nation, die für Biel- und Allfeitigkeit ſchwärmt, kann immer vor irgend einer neuen Berblendung nicht zur Befinnung fommen. Bei meiner Luft am Neuen, Geltfamen, Zieffinnigen, Myſtiſchen und allem Wunderlichen lag auch ftets in meiner Geele eine Luft am Zweifel und der Fühlen Gewöhnlichkeit und ein Ekel meines Herzens, mid) freiwillig beraufchen zu laffen, der mich immer von allen diefen Sieberfrankheiten zurüdigehalten hat, fo daß ich (feit ich mid) befonnen) weder an Revolution, Philanthropie, Pefta- lozzi, Kantianismus, Fichtianismus, noch Taturphilofophie als legtes einziges Wahrheitsſyſtem gläubig, habe in diefen Formen untergehen können. Gie verftehen, wie idy es meine, und find ja von demfelben Geifte befeelt, den mandje junge Herren ja eben Philifterei nennen wollen, und nicht einfehen, daß fie auch felbft nicht einmal. zur Erkenntnis des Dinges Ffommen, für das fie ſich begeiftert mähnen. ... .

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Tied an Öolger [309] ı. April 1816

Rein liebfter Sreund; freilich Fönnten Gie mir zürnen, aber gewiß nicht mehr, als id) mir felber tue, daß ich diefes Lafter des Aufſchiebens, welches ich fo herzlich an mir haffe und nicht pflege oder entfchuldige, nicht mehr befiegen kann. Wollt idy mid) ent- ſchuldigen, fo Fönnte ich es vielleicht auf mandherlei WBeife: denn freilich bin ich ſchon feit lange nichts weniger als wohl, fondern ich befinde mich im Gegenteil recht ſchlecht, und leide vielfältig, hauptſaͤchlich an Kopf und Augen, am meijten aber an der Seele, weil mid) wieder jener Zuftand (den Gie hoffentlidy gar nicht Eennen) von Mutlofigkeit, Lebensüberdruß und eigentlichem Ber: zweifeln an mir felbft überfallen hat, der mid; von Yugend auf von Zeit zu Zeit wie eine wahre Krankheit beſchleicht, und gegen welchen ich dann vergeblich nach Hilfsmitteln ſuche. In diefer Melandyolie find meine Geelenfräfte dann wie erlahmt und alle Federn meines Innern wie auf immer zerbrochen; und ob ich gleidy in Gefellfchaft dann ziemlich heiter erfcheinen Fann, fo bin ich doch diefe Zeit über für jede Tätigkeit verloren. Ich glaube nicht, daß es hinfällige Weichlichkeit ift, denn im ganzen nehme idy mich doch bei meinen ununterbrodhyenen Eörperlichen Leiden noch ziemlidy zufammen. .. .

Je länger ich mit Ihnen umgehe, je mehr glaube ich Gie zu verftehen, je näher fühle ich mid) Ihnen; ja ich bin ſchon oft im Begriff geweſen, Ihnen eine wahre Liebeserflärung zu tun, die der Mann aus fpröder Scham immer auch gegen den innigften Freund zurücdhält. Ihre Briefe, Ihre Geſpräche und Ihr berr- liches Buch befriedigen mich immer ganz, es ſind da keine Lücken, keine Dunkelheit, als die der Tiefe, und nicht jenes Zerriſſene, durch welches man oft mit den trefflichſten Freunden, möcht ich doch faſt ſagen nicht ſowohl ſich mit ihnen verbunden, als von ihnen getrennt fühlt. Ihren vortrefflichen Brief über Ihre Anſicht der Religion habe ich ſeitdem oft gelefen und mich dabei Ihrer münd- lichen Gefprädye wieder erinnert. Diefe Anſicht geht mir immer

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mehr auf, und mit diefem Keime entwideln ſich viele andere Keime, die mir vielleicht Eünftig blühen und Früchte tragen. Scheint alles mir doch immer mehr einzugehen in jene myſtiſche Anficht, die ich nie wieder loswerden kann, feit fie ſich mir vor vielen jahren vergegenwärtigt hat. Ich glaube faft, Sie find berufen, jene für unmöglich geadjtete Brücke aus der wahren Philofophie in die echte Myſtik hinüber zu fchlagen. Je öfter ich Ihre Dialogen lefe (bei denen id) eben wieder bin), je klarer wird mir diefer Gedanke. Ihrem tiefen vielfeitigen Geifte fehlt jene Schärfe des Einfeitigen, die ihn ewig hindert andere Na—⸗ turen und Gedanken zu verftehen, wie es mit Fichte der all war. Es ift leicht, jene fcheinbaren Träume der gefpannten Phantafie zu veriwerfen, und auch gar nicht ſchwer, nad) Prinzipien fie abzu⸗ weifen und ihr Unzulängliches darzutun; wie es der Schwärmer ebenfalls bequem hat, fid in ein Gefühl gleidyfam zu kleiden, das ihm mohl tut und ihn warm hielt; aber ſich wahrhaft in die Er» leuchtung eines begeifterten Gemüts zu erheben, und hier in den Sphaͤren eines viel verfchlungenen Zufammenhangs und der har⸗ monifchen Bereinigung aller Kräfte auch Vernunft und Berftand wieder anzutreffen, ift nur Wenigen gegeben; den Allerwenigften, bis jegt fcheine es Keinem, Kunde und Rechenfchaft darüber zu geben: denn den impropifierenden Sranz Baader Eann ich wirklich nicht rechnen, die herrlichen Rhapfodien eines Hamann klingen wie einzelne Töne durch die Welt, St. Martin ift zu fehr Gentimentalift und Polemifer gegen die Berdorbenheit, und ohne es zu mwiffen, gegen feine eigene Unwiſſenheit; die Religiofen, aud) die beften, ziehen alle Erfcheinungen zu fehr in ihren Zunftgeift und nehmen eben von allem nur, mas fie dafür brauchen Fönnen. Und fo fühle ich, daß bei uns immer (auf lange, vielleicht. auf immer) alles, mas id) das Rechte nennen möchte, fei es in Phi Iofophie, Kunft oder Religion, als ein Eremit wohnt, deffen Pflicht es ift, Feiner Gemeine anzugehören. Mit dem politifchen Baterlande haben wir längft auch das geiftige verloren, und die Art, wie man beides jeßt fuchen will, läuft doch auf Schatz⸗

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. gräberei hinaus. Und vielleiht muß es fo fein: ja mwohl vor: nehmlich für uns, damit wir im vollen Sinne, im Guten und Böfen, Deutfche bleiben Fönnen. Gie fehen hier meine Hypo⸗ chondrie, die doch eins mit meinem Aberglauben ift-und die mid) feit zwanzig Jahren dahin bringt, den Berächtern der Deutfchen als ein Enthufiaft und fanatifcher German, und den leeren vater- ländifden Ganguinifern und blinden Patrioten (den mwahren blinden Heſſen) als ein Falter unentfdjloffener Menſch zu er- feheinen, der nicht fähig ift, der guten Cache beizutreten. ... .

Tied an Öolger [310] 7. Mai 1816

Dan Ahnen, mein liebfter Sreund, für Ihren herrlichen Brief, an welchem id} noch lange zu genießen haben werde; idy glaube Gie ganz zu verftehen, und freue mich immer mehr, daß wir fo zufammentreffen, oder vielmehr, dag Sie der Dolmetfcher meiner Anſichten und Ahndungen mir felber werden. Ich muß jegt über mich lächeln, wenn ich der Zeiten gedenfe, als ich, ungeachtet eines großen Vertrauens, eine Art von Furcht vor Ihnen als einem - Philofophen und Philologen hatte; ich geriet in einen rührenden innerliyen Unwillen, als ich vor Jahren hörte, daß man Gie in Dresden bei den Antifen ftudierend gefunden, und daß Gie etwas über die Schönheit und Kunft ſchreiben mollten, denn mir wurde von neuem gegenwärtig, wie die Antife (auch die redende) bisher faft nur zu einer unbilligen Einfeitigkeit, zu einem Verkennen der herrlichſten Erfcheinungen mittler und neuer Welt auch die edelften Gemüter verlodt hatte; ich hatte menigftens die Erfahrung ge» macht, daß viele in meiner Jugend mit mir wohl einzuftimmen fehienen, bis fie von einem feheinbaren Enthufiasmus für die alte Belt wie von einem Fieber hingeriffen, alles hohnlädjelnd von ji) wiefen, was fie noch kürzlich mit ſchwächlichem Entzüden er: mwärmt hatte; und wir mögen uns fo felbftändig fühlen wie mir

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wollen, fo Tann doch unfer @eift in gewiſſen Stunden ebenfo fejaudernd wie unfer Körper von einer Falten Einfamfeit ange: weht werden, befonders da ich mir ſchon feit lange fagen mußte, daß die meiften um mich, vorzuͤglich die jüngern unferer dichtenden Zuhörer, nie jene Erfdyeinung verflanden und gefehen haben, die mein Herz ſchon früh gewonnen hat. Dies ift Fein Irrewerden, aber wohl ein Zodesfchauer, in welchem man oft aufgibt, je die wahre Einftimmung zu finden, und endlich ſich gewöhnt, allent- halben nur Schein zu fehen. Nehmen Sie mit Ihrer getvohnten Liebe diefes mein aufrichtiges Bekenntnis an; ich bin wahrhaft fo glüdlidy, daß gerade Gie der find, der mir meine Träume aus- deutet. Wenn ich etwas über Sie vermöchte, müßten Sie recht fleißig ſchreiben, auch noch viel über Kunft und Poefie; denn oft liegen in den Dialogen in hingeworfenen verlorenen Worten Keime zu den herrlichften Blumen und Bäumen. ...

Dorothea an ihre Söhne [311)] Frankfurt a/m, 3. Juli 1816

... Eonft habe ich nichts neues gelefen, als ein Bändchen von Goethe über die Kunft in den Rheingegenden. Das ift nun end: lich das Kunftadels-Diplom, was zu erlangen die Boifjerees fo lange um den alten Heiden herum geſchwänzelt haben. Und mie überflüffig! Wer die Sammlung fieht und nur nicht eines ganz verftocten Ginnes ift, der braucht ja weiß Gott Feines foldyen Gtempels, um zu fehen, daß diefe Sammlung einzig in ihrer Art ift. Schwerlich werden Boifferees fehr zufrieden fein mit diefem platten affeftierten Gewäſch; aber gewiß werden fie nicht unterlafjen, die Illiene anzunehmen, als mären es goldne Sprüche. Friedrich fein Verdienft um die neue Würdigung unfrer älteften Kunftdentmale hat der alte Findifche Mann dadurch zu ſchmälern gefucht, daß er ihn in diefem ganzen Werke gar nicht genannt, feiner weder bei dem Dom zu Köln, noch bei der Boifjereefchen

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Gammlung und Eulpizens Arbeit, noch bei den kolniſchen Kunft- denfmalen, überhaupt nicht mit Namen gedadyt hat, während er jede, auch die EFleinfte und unbedeutendfte Gchrift Anderer über diefen Gegenftand, teils verunglimpfend, teils über den Wert fhägend, lang und breit genannt und beleuchtet hat. Hat er aber durch ſolches Ignorieren geglaubt, Sriedridys großes Verdienft ganz auszutilgen, fo hat er geirrt; eben dadurch, daß er ihn nicht genannt hat, wo er alle Andern nennt, hat er ihn wirklich doch genannt, nämlidy fo wie man ein Licht in der Zeichnung aus» fparen Eann, indem man die Schatten zeichnet. Jeder muß ju hier glei eine böfe Abficht einfehen! Eine Stelle ift darin über das Chriftentum als Gegenftand der Malerei, diefe ift nicht allein das Flare kecke Geftändnis feiner antidhriftlichen Denkart, fondern durdy Stil und Schreibart fo über alle Maßen platt und bierbrudergemein, daß ich heftig im Lefen darüber erfchroden bin; es war mir zumute, als fähe ich einen verehrten Mann voll» betrunfen herumtaumeln, in Gefahr, ſich im Kot zu wälzen. Bei reiflicher Überlegung kommt es mir auch wahrſcheinlich vor, dag diefe Stelle gar nicht von Goethe felber, fondern vielmehr von feinem Mephiftopheles Meyer fein muß; fo platt und durd; aus gemein verteufelt kann doch wohl Goethe nicht fein. Diefe Hypotheſe ift mir aber mehr eine Erklärung als eine Entfchul: digung für diefe Gemeinheit. Ein Autor muß für das einftehen, was in feinem Buche vorfömmt. Goethes größte Anbeter ſchweigen mäuschenftille; andre ſchimpfen laut; einige verlangen, man müffe diefe Stelle ausſcheiden und das übrige als geiftreich würdigen. Das ift mir aber einmal nicht gegeben. Zum Zeil kömmt mir das Ganze armutfelig und geiftesarm vor; zum Teil aber ift mir durch diefe verruchte Entwürdigung der heiligen Geheimniffe, die auf einmal ganz unvermutet und plöglidy zum Vorſchein fommt wie der Pferdefuß des in einen Menſchen verfappten Teufels, auch das Übrige, was es allenfalls Hübfches haben mag, in Aſche und raus verwandelt, twie die befannten Zauberftüdchen Kaufts, wenn die Täuſchung durch ein Wort oder einen Zufall geftört ift.

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fınhte, aber wnbewußt, und ich nannte es Kunft (mie es denn das auch wieder if), und ih muß dann zu meiner Beſchamung einfehen, daf die ausdrücklichen Tiyfüiker mid, auf zierslid) lange von der befferm Einficht entfernten, der ich früher näher fland (wie denn das fo oft im Leben geht; die Stelle im geftiefelten Kater darüber bat mid, ſelbſt immer am meiften getroffen). Ilm begreife ich erft ganz, warımı Jlovalis den Jakob Böhme will: fürlid nannte, warım er ihn als einen allegorifdyen Poeten an- gefehen wiſſen wollte; in defien Manier und Ginn man gleich weiter denken, füh die Natur und alles fo vorfommen laffen könnte, ja felbft fo zu freien fortfahren möchte, tem Dies große Talent verliehen: allerdings, wie man ſehr gut Calderons Autos nadjahmen und felbft auf philoſophiſche Gegenftände über- tragen EFönnte, und unfern neuen Poeten ift bis jetzt nur noch abgegangen, diefe Autos zu Eennen, um myſtiſche, religöfe, philo- ſophiſche Gedichte, wie nad) Peſchecks Rechenbrche, zu machen; dagegen ift denn die Schuld und der ganze Illonat Februar doch nur Kinderei.

Liebfter, id) weiß nicht, ob ich fo in Ihrem Ginne gefprocden habe; aber gern möchte ich mid) belehren. Meine allegorifchen Entwärfe find mir von neuem lieb geworden; nur das WBillfür- liche muß vermieden werden: echte Degeifterung meidet es von felbft.. Nice wahr, mit meinem Prolog zu Oktavian find Gie zufrieden, and) mit den Romanzen von Rofe und Lilie? Mit der Genoveva werde ich Feine großen Änderungen vornehmen: ich möchte mehe verderben als verbeflern; nur Nachläſſigkeiten, die mir immer auf dem Herzen lagen. “jest bin ich im Zirkel wieder herumgefommen, wo ich 1798 war, wur hoffentlich doch mit etwas Gewinn, und traurig macht mic; dies Gefühl auf Feine Weife.. Wenn man nod) laden, weinen, fidy begeiftern und amäfieren kann, wenn das, was mir vor 20 Jahren lieb war, mir noch friſch und wahrhaft gefällt, fo darf man, denke ich, nicht an ſich verzweifeln. Herz und Gemüt find wenigftens in Kraft, wenn auch Berftand, Einſicht und philoſophiſches Ta- 482

[ent ſchwach fein follten; wir ſcheint nun, man kann eigentlid nur auf eine Weife Erfahrungen madjen, die anderen find ja Feine: wenn id) wirfliy immer auf eine neue Stelle gerate, und Die vorige wirBlich einbüße, das ift nur etwas erfahren im TBagen wie von Darmftndt bis Heidelberg.

Golger an Tied [320] Berlin, 22. November 1818

... Über die Myſtik feinen wir jegt ganz einverftanden zu fein. Das gehört auch zu meiner Pfilifterei, daß ich alle die Austweichungen in das Auffallende, und alles was den Namen an der Stirn trägt, demjenigen nachfeße, was auch alle ſchon längft zu Eennen meinen, aber nur nicht verftehen und es deshafb für das Alttägliche halten. Denn den Shakeſpearre z. B. laſſen fie eigentlich doch nur gelten, einmal, mweil er das wirkliche Leben fo fchön pſychologiſch⸗richtig nachbildet, und zweitens, weil er bis an die äuferften Grenzen des Erfchütternden in der menfchlichen Natur zu geben fcheint; daß er beides nur deswegen darf, weil er überall den innerften, feft und ruhig ftehenden Grund mitbringt, das begreifen fie nicht. Nun kann man, mas meine Philifterei betrifft, freilich fagen: wenn wir immer nur das Allbefannte und Gegebene verftehen wollten, fo wuͤrde ung diefe Pedanterei nicht meiter helfen; wenn etwas Neues getan werden foll, fo muß es Schwankungen und befondere Richtungen geben. Diefe will ich aber audy nicht aufheben; fie follen nur nicht ins Leere gehen, fondern immer in der Sphäre des ewig Beftehenden bleiben und wieder zu ihm zurüdfehren. Auch die Allegorie ift ja niche zu periverfen, fo wenig wie die Symbolik; aber beides muß von Myſtik voll fein. Diefe ijt das innere Leben, jene deffen Ge: ftaltungen. Die Myſtik ift, wenn fie nad) der Wirklichkeit hin» ſchaut, die Mutter der Yronie, menn nad) der etwigen Welt, das Kind der DBegeifterung oder Inſpiration. Cie haben das,

3“ 483

was ich Myſtik nenne, Poefie genannt; ich nenne es audy fo, auch Religion, je nachdem fie ſich ihrer nach beiden Geiten bewußt oder unbewußt ift. Was ich aber Mpftif für ſich nenne, ift die lebendige und ‚unmittelbare Einficht, die fie auf allen Stufen in ſich felbft hat, und deren Entiwidelung wieder die Philofophie ift.

SHelling an Atterbom | (321) Münden, 29. Januar 1819 . Wie Gie mir Fr. Schlegel fohildern, habe id} ihn ‚genau bei feiner Durchreiſe durch Münden gefunden, und faft der bloße Anbli reichte hin, die entfchiedne Abftogung hervor zu rufen. Eine ſolche entfeglidye Veränderung habe id) nie gefehen; was er aud) unternehmen möge, von diefem Menſchen kann nie mehr, ohne Wunder,. etwas Reines kommen. Unfern Freund Sr. Baader fehe ich feit einiger Zeit fehr. wenig, und bin damit gang wohl zufrieden. Das Legte, was ich von ihm hören mußte, mar, daß der Teufel nun wirklich Zeichen gebe und ihn (B.) in feinem Haus auffuche und verfolge. Unter anderm fei feine Tochter (die ich als ein reines, lieblidyes Kind kannte), jegt in Ekſtaſe verfallen, in welcher der böfe Geift ihr gottlofe und un— züchtige Reden abdringe. Cr ſprach davon wie von einem er- freulihen Phänomen (fo groß ift die Liebhaberei) und ſchien fi nicht wenig darauf zugute zu tun, daß der Teufel. nun end» lich Notiz von feinen Angriffen genommen. . ... :

Kusuf Bitgelm Söteget an Goethe. [3a<] | Bonn, 1. November 1824

. dh hatte vom 1 Anfange meiner ſchriftſtelleriſchen Lauf: Bahn es mir: zum befondern Gefchäfte gemacht, das Bergeffene und DBerfannte ans Licht zu ziehen. Go ging id). von Dante

484

zum ÖShafefpeare, zum Petrarca, zum Ealderon, zu den alt deutfchen Heldenliedern fort: faft überall habe ic) Faum die Hälfte defjen ausgeführt, was ich mir vornahm: doch war es gelungen, eine Anregung zu geben. Goldyergeftalt hatte ich die europäifche Literatur gewiffermaßen erfchöpft, und wandte mid) nad) Afien, um ein neues Abenteuer aufzufucdjen. Ich habe es glüdlich da- mit getroffen; für die fpäteren Jahre des Lebens ift es eine er: heiternde Befchäftigung Nätfel aufzulöfen; und hier habe ich nicht zu beforgen, daß mir der Stoff ausgehen möchte. Die ge ſchichtliche Bedeutung, den philoſophiſchen und dichterifchen Ger halt ganz beifeite gefegt, würde mid) ſchon die Form der Sprache anziehen, welche in der Bergleichung mit ihren jüngeren Schweftern fo merkwürdige Auffchlüffe über die Gefege der Sprachbildung gibt. Aus der beifolgenden Ankündigung werden Gie fehen welch ein großes Tagewerk ich mir auferlegt habe. . .

ANMERKUNGEN

(W.) weist auf Walzel (Friedrich Schlegels Briefwechsel), {R.) auf Raich

Seite 1. 2.

15.

17. 18.

19.

486

(Nevalis’ Beisfwechsel) als Gewährsmaun

Lotte Michaelis: Carolinens Schwester.

Meyer: Friedrich Ludwig Wilbelm M. (1759 1840), Schrift- steller (vgl. Allgemeine Deutsche Biographie 21,573), Freund Carolinens.

Therese: Therese Heyne (1764— 1829), Carolinens und Meyers Freundin. 1784—1793 Georg Forsters Frau, 1794— 1804 die des Politikers und Belletristen Ludwig Ferdinand Huber (vgl. ADB. 13, 240).

Louise Michaelis: Carolinens Schwägerin.

Luise Gotter: geb. Stieler, Frau des bekannten Rokoko- dichters.

. Philipp Michaelis: Carolinens Bruder. . Böhmer: Caroline, meist durch die Chiffre B. in diesen

Briefen bezeichnet.

Herders Plastik: „Plastik. Einige Wahrnehmungen über Form und Gestalt aus Pygmalions bildendem Traume.“ Riga 1778.

Die Verse sind aus Goethes „Schwager Kronos“.

Das Gedicht an den Ästhetiker: „An einen Kunstrichter“, Göttinger Musenalmanach 1792. A. W. Schlegels Werke I, 8. (W.)

Romanzen: Drei Romanzen aus dem Spanischen, Göttinger Musenalmanach 1792. Werke IV, 169. „Hinaus, mein

Seite

20.

22. 24. 3:

31.

34.

44- 4.

Blick“: „Abendlied für die Entfernte“, Werke I, 17. C. R.: Caroline Rehberg, Freundin Friedrichs, Schwester des Staatsmanns und Staatsschriftstellers August Wilhelm Rehberg (1757 1836). ADB. 327, 571.

Pape: Hofgerichtsassessor von Pape in Hannover. (W.) „Wie bist du so liebenswürdig gewesen und wie‘ etc.: So der Text bei Wealzel, sollte nicht „nie“ zu lesen sein? Heydenreichs Ästhetik: Karl Heinrich Heydenreich (1764 bis ı801), Dichter und philosophischer Schriftsteller, Professor der Philosophie in Leipzig (ADB. XI, 355), „System der Ästhetik“, Bd. I. Leipzig 1790.

Thümmels Reisen: Moritz August Th. (1738 —ı817), „Reisen in die mittägl. Provinzen von Frankreich usw.“ 1791 1805. Friedrich Bouterwek (1766 —ı827): mittelmäßiger Dichter und fleißiger Literarhistoriker (ADB. III, 213. Goedeke V, 467). „Graf Donamar, Briefe, geschrieben zur Zeit des 7jährigen Krieges. Hgg. v.E. R. T. O. B.U. E W. K.“ Göttingen 1791—1793. „Briefe an Theokles, 1. T.“ Berlin u. Leipzig 1798.

Die Verse sind aus Dantes Inferno IV, 119.

Meyer: s. Anmerkung zu Seite 2.

Adam Ferguson (1723 —ı816). „History of the Progress and Termination of the Roman Republic.“ London 1780.— Conyers Middleton (1683 —ı750), berühmt durch seine „History of the life of Cicero“. London 1741.

32. Karl Th. Moritz, ANGOVXA oder Roms Altertümer. Ein Buch für die Menschheit.“ Berlin 1792. „Götterlehre oder die Mythologie der Alten.“ Berlin 1791.

„Die Priesterin der Trümmer.“ Göttinger Musenalmanach 1792. A. W. Schlegels Werke I, 16. (W.)

Madame Bürger: Elise, geb. Hahn.

Franz Hemsterhuys (1720— 1790): holländisch - deutscher Mystiker.

487

Seite 50.

55-

57.

64. 81. 82. 84.

97. 103.

109. 132.

134.

135. 137.

488

„Die Natur hätte ihm gegeben“ usw.: in einem Sonett an F. Schlegel.

Karl Ludwig Woltmann (1770— 1817): Historiker; Freund, Nachahmer und Obtrektator Johannes von Müllers; wege wandter, eitler Streber.

Mirabeaus Briefe: aus dem Kerker von Vincennes (17.77 bis

1780) an Sophie Monnier. Eine Ausgabe seiner Kerker- briefe erschien 1792.

Sophie: August Wilhelms Amsterdamer Geliebte. (W.)

R.: die. Rehberg.

S.: Sophie, A. W. Schlegels Freundin.

Berger: wird in Walzels Ausgabe .dieser Briefe Seite 13 erwähnt . als „Lieutenant von Berger, ein Mann von Kenntnissen, von Ehre und von Welt-Lebensart“, mit dem Friedrich genauer liiert sei; vielleicht identisch mit Albrecht Ludwig von Berger (1768— 1813). ADB. 2, 372. ? Emilie von Berlepsch, geb. Oppel (1757—1330), Schriftstellerin, Freundin Jean Pauls; ſorungen. Gotha, Weimar.

Hans Georg v. Carlowitz (1772 1840), später bekannt als sächsischer Politiker, damals juristischer Beaniter.

Antiparos: Griechische Cykladeninsel n mit wunderbarer Sta- laktitengrotte.

G. Böhmer: Sekretär Cüstines, des Eroberers von Mainz. Allwills Papiere: F, H. Jacobis „Eduard Allwils Brief-

sammlung“. Königsberg 1792.

Kant: Biesters Berlinische Monatsschrift Sept. 1793 "enthält Kants Aufsatz: „Über den Gemeinspruch: das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis“.

A. W. Rehbergs: „Untersuchungen über die französische Revolution etc.“ Hannover 1793. (W.)

„Grammatische Gespräche‘: Altona 1794.

Mastiaux: Jugendfreund Wilhelms. (W.)

Seite 140. 145- 147.

150.

152.

156.

157.

158.

162. 166.

167. 171.

173.

„Des Pfarrers Tochter“: Gedicht G. A. Bürgers. Teilnahme an meinem Werke: „Über das Studium der grie- chischen. Poesie‘,

Karl Salomon Zachariä (1769 1843), später bedeutender Rechtslehrer.

Meine Erstgeburten: „Über die Grenzen des Schönen“ (Wie- lands Neuer Deutscher Merkur); „Von den Schulen der grie- chischen Poesie“, „Vom ästhetischen Wert der griechischen Komödie‘ (Berliner Monatschrift); vgl. Minors Ausgabe von

' Schlegels :prosaischen Jugendschriften. ‚Dante: A. W.-Schlegels Aufsatz mit Auszügen. Werke III.

Johannes v. Müller (1752— 1809): der Verfasser der Schweizer- geschichte, der große Geschichtschreiber der Epoche.

. Humboldt: Wilhelm von H. ‘In der zweiten Zeile des Briefs Nr. 73 ist nach „nicht“ ein

Komma zu setzen. Condorcet: Marie Jean Antoine Nicolas, Marquis de C. (1743 —ı1794), französischer Forscher und: Denker, Opfer der Revolution: „Esquisse d’un tableau historique des pro- gr&s de Pesprit'humain“. Paris 1794. Wohl Friedrich Karl Fulda (1724—ı788), Sprachforscher (ADB. 8, 192). „Grundregeln der deutschen Sprache“ u.a. Der größte metaphysische Denker: Fichte. Abhandlung Fichtes in Niethammers Philosophischem Journal: „Von der Sprachfähigkeit und dem- Ursprung der Sprache“ (Fichtes Werke 8, z01ff.). Abt Georg Joseph Vogler (1749—ı3814), Komponist und Musiktheoretiker, Lehrer C. M. v. Webers. „Deinen Takt‘: Im 3. Brief über Poesie, Silbenmaß und Sprache. Werke. VI, 126. (W.) „Schiller usw.“: Beschluß der Abhandlung über naive und sentimentalische Dichter, nebst einigen Bemerkungen usw.

.Horen 1796, 1. (W.)

489

Seite 176. 177.

178.

179.

180. 181.

186. 188.

189.

490

Idylle: Alexis und Dora. |

Ankündigung Deiner Griechen: „Die Griechen und Römer. Historische und kritische Versuche über das klassische Alter- tum“, J. Bd. Neustrelitz 1797.

Ein einziges köstliches Stückchen: „Goethe, ein Fragment“ in Reichardts Zeitschrift Deutschland. (R.)

Im 2. Stück der Horen: Staels „Versuch über die Dich- tungen“. (R.)

Mein Amtmann: Just.

Forberg, später als Fichteaner bekannt, in den Atheismus- streit verwickelt. Karl vom Bolschwing, ein Livländer. (R.) Medem: Ernst Johann Alexander Freiherr von Mandern, ge- nannt von Medem, ein Kurländer. (R.)

Manteuffel: Hans Karl Erdmann Freiherr vonM. aus Sorau (Vater des Feldmarschalls Edwin von M.). Alle drei sind Leipziger Studiengenossen des Novalis gewesen.

Zinzendorf, der Begründer des berrnhutischen Quietismus. Almanach: der Goethe-Schillersche Musenalmanach mit den Xenien.

Jobann Heinrich Fueßli (1742—ı825) malte Bilder zur Shakespeare-Gallerie.

Novalis’ Bruder Erasmus war am 14. April 1797 gestorben. Schellings „Ideen zu einer Philosophie der Natur.“ Leipzig 1797.

Deine Rezension: der vier ersten Bände des Philosophischen Journals in der Jenaer Literaturzeitung 1797. (R.)

Attisches Museum, hgg. v. Ch. M. Wieland, Zürich 1796 bis 1803.

August Ludwig Hülsen (1765 —ı8 10), philosophischer Schrift- steller: „Über Popularität in der Philosophie‘ (Niethammers Philosoph. Journal 1797); „Über die natürliche Gleichheit der Menschen‘ (Athenäum 1798); ‚„Naturbetrachtungen auf einer Reise durch die Schweiz“ (Athenäum 1798); „Über

Seite

193.

199.

200.

203. 205. 210.

214.

217.

225. 228.

229.

den Bildungstrieb“ (Niethammers Journal 1800); „Über das Wesen und die notwendige Form der Wissenschaften“ (Schel- lings allgemeine Zeitschrift von Deutschen für Deutsche 1813).

Liebeskind: Dorothea Margaretha Liebeskind (1765 1823) geb. Wedekind aus Göttingen, Frau des Justizkommissars Job. Heinrich L., später Oberappellationsrat in München. | Sie schriftstellerte. Die Herz: Henriette Herz. Rittmeister Funk: Karl Wilhelm Ferdinand von Funck (1761—ı828), später Major und General, Freund und Gön- ner Novalis’.

Johann Dominicus Fiorillo: „Geschichte der zeichnenden Künste von ihrer Wiederauflebung bis auf die neuesten Zeiten.‘ Göt- tingen 1798— 1808.

Julie und St, Preux: aus Rousseaus neuer Heloise.

Samuel Johnson, der berühmte Shakespearekommentator. Der Rezensent Ihres Shakespeare: in der Jenaer Allgem. Literaturzeitung 1797, Nr. 347. (R.)

In der letzten Zeile des Briefs Nr. 114 muß es statt erregt (bei Raich) vielleicht heißen gehegt. |

Brown: Jobn Br. (1735—1788), englischer Mediziner, Be- gründer des Reizbarkeitssystems; seine Schriften übertrug 1806 Röschlaub ins Deutsche.

Euer Joumal: das Athenäum.

Thielemann, Rittmeister, Freund Novalis’. (R.)

Ihre Philosophie „Hermann und Dorothea“: A. W. Schlegels Rezension in der Jenaer Allgem. Literaturzeitung 1797. Werke XI, 133.

Das Zitat aus Pindar, Pyth. 6. 10. (W.)

Übermeister: Friedrichs Aufsatz „Über Goethes Meister‘ im ersten Band des Athenäums.

Der Brief 123 parodiert leise des Novalis allvermischende chemisch-philosophische Terminologie.

491

Seite 230.

231. .

240f.

242. 243.

246.

247.

492

„Von der Weltseele, e. Hypothese der höheren Physik“ 1798. Übersichten über die philosophische Literatur in Niethammers Philosophischem Journal 1796—1797.

. daß Du am Kant bist: Schleiermachers kurze Anzeige von Kants Anthropologie 1798. Athenäum 1799. II, z, 300: Über Fichtes Bestimmung des Menschen. Athenäum 1800. II, 2, 281.

„Franz Sternbalds Wanderungen, eine altdeutsche Geschichte, herausgegeben von Ludwig Tieck‘“‘, erschien 1798.

Smollett, bekannter englischer Romanschreiber.

Henriette Schlegel, verehlichte Ernst, die Schwester der Schlegel.

Franz Benedikt Baader (1765-—ı841), Religions- und Natur- philosoph: „Vom Wärmestoff“ 1786; „Beiträge zur Ele- mentarphysiologie“ 1797; „Beiträge zur dynamischen Philo- sophie“ 1809. - Combinatio analogica: Vermutlich meint Novalis die im ersteri Teil der Theodicee, in der Dissertatio de Conformitate Fidei cum Ratione $$ 54. 55 enthaltene Stelle, die ihn durch: die Verknüpfung von Mathematik und .christlicher Mystik ver- wandt ansprechen mußte: „Sufficit nos habere intelligen- tiam aliquam analogicam Mysterii, quale est Trinitas et Incarnatio. ...“ ,„... Quando nobis sermo est de unione Verbi Dei cum Natura humana, in cognitione analogica nos acquiescere oportet, qualem unionis animae cum corpore comparatio nobis suppeditare potest; caeterumque contenti esse debemus, si dicimus, Incarnationem esse unionem arctis- simam quae Creatorem inter et Creaturam existere possit.“ Der geläufige mathematisch-philosophische Terminus technicus „combinatio analopica“ mag sich ihm statt der hier ge- brauchten einmaligen Substantive untergeschoben haben. Die Übersetzung der Stelle siehe Leibnitz’ Theodicee I, 129f. (Reclam).

Seite 258.

„Phantasieen eines kunstliebenden Klosterbruders“ von Tieck und Weackenroder.

. Johann Wilhelm Ritter (1776—ı81ı0), Physiker: „Beweis,

262.

263.

264. 265. 266.

276.

277. 278. 281.

daß ein beständiger Galvanismus den Lebensprozeß begleitet“

. 1798; „Das elektrische System der Körper‘ 1805; „Phy-

sisch-chemische Abhandlungen“, .2 Bände, 1806. Vgl. ADB. 28, 675.

Gottlieb Hufeland: Redakteur der Jenaer Literaturzeitung. Friedrich Immanuel Niethammer (1766 —ı848), Philosophie- und Thbeölogieprofessor in Jena. Vgl. ADB. 23, 689.

In Fichten usw.: bezieht sich auf den Atheismusstreit. Statt Reinhbarden muß es wohl Reinholden heißen (vgl. Fichtes Leben und Literarischer Briefwechsel I, 323). Karl Leonhard Reinhold (1758 —-ı825), Fichteanischer Philosoph. Appellation: „A. an das Publikum gegen die Anklage des Atheismus, eine Schrift, die man zu lesen bittet, ehe man sie konfisciert.‘* Tübingen 1799.

Brief 145 bezieht sich auf Novalis’ Verlobung mit it Julie von Charpentier, der Tochter des Berghauptmanns und Geologen Joh. Friedr. Wilhelm von Charpentier (1728 1805). Charlotte Ernst, .Schlegels Schwester.

Die Elegie: „Die Kunst der Griechen, Elegie an Goethe.“ Athenäum U. Vgl. Anfang Brief 150.

„was Du zu Hülsen sagen wirst“: „Über die natürliche Gleichheit der Menschen“. Athenäum II.

„an den Gemälden‘: Die Gemälde von A. W. Schlegel. Ebd.

‚Die Reden: „Über die Religion. Reden an die Gebildeten

unter ihren Verächtern.“ Berlin 1799.

Henriette: die Schwester der Schlegel.

Tiecks Zerbin: „Prinz Zerbino oder die Reise ‚nach dem guten Geschmack; gewissermaßen eine Fortsetzung des gestiefelten Katers. Ein Spiel in 6 Aufzügen von L. Tieck.“ Leipzig und Jena 1799.

493

Seite 284.

313.

314.

321.

322. 323.

494

Brinckmann: Karl Gustav v. B. (1764— 1847) schöngeistiger Diplomat. ADB. so, 236fl.

. Brief Nr. 165 ist vom Sommer 1798 und zwischen 126 und

127 einzureihen. Hülsens „Bilduıngstrieb“: der Aufsatz Hülsens in Niet- hammers Journal

. Kotzebue: „der hyperboreische Esel“. 1799.

Das Gedicht von der (Amalie von) Imhof: die von Goethe gelobten „Schwestern von Naxos“.

. Garlieb Merkel, der bekannte Pampbletist und Goetheschmäher. . Holberg, der große nordische Lustspieldichter. . Ludwig Ferdinand Huber (1764—ı804), der Mann von

Carolinens Freundin Therese, Politiker und Schriftsteller, hatte in der Jenaischen Allgem. Literaturzeitung eine zwei- Ernst Florens Friedrich Chladni (1756 1827): „Entdeckun- gen über die Theorie des Klanges“ 1787. „Akustik“ 1802. George Vancouver (1758-—1798), Seefahrer, Begleiter Cooks: „A voyage of Discovery to the North Pacific Ocean and ronnd the World in the years 1790—1795 .., under the Command of Captain G. Vancouver“. III vol 1798. Schleiermachers Vertraute Briefe über Schlegels Lucinde er- schienen Lübeck und Leipzig 1800.

Eleonore: Grunow, Schleiermachers Freundin.

Friedrich Wilhelm Basilius Ramdohr (1757 - 1822), kunst- philosophischer Schriftsteller: „Charis oder über das Schöne und die Schönheit in den nachbildenden Künsten“ 1793; „Venus Urania“ 1798/1799. Seine „Moralischen Erzäh- lungen“ hatte Dorothea im dritten Band des „Athenäums“ rezensiert. Tiecks Journal: „Poetisches. Journal 1800“, die Verhöhn Brentanos darin: „Der neue Herkules am Scheidewege‘‘, eine Parodie in Versen.

Seite 326.

333-

340.

343. 360. 362.

366. 370

Heinrich Stefiens, aus Stavanger (1773—1845), Verehrer und Schüler Schellings und Mittler zwischen deutscher und nordischer Bildung: „Über die neuesten Schellingischen natur- philosophischen Schriften“ in Schellings Zeitschrift für spe- kulative Physik 1819/21.

„Florentin, em Roman, hgp. v. Friedrich Schlegel“, I. Teil. Dorothea war die Verfasserin.

Karl Gottlieb Andreas von Hardenberg, Novalis’ Bruder (1776—1ı1813), schrieb unter dem Namen Rostorf, haupt- sächlich als Schüler Tiecks. „Rostorfs Dichtergarten“, Würz- burg 1807. Novalis schreibt über ihn an Tieck: Mein Bruder

ist recht fleißig und es. rührt sich in ihm unser gemeinschaft-

liches Band, die Poesie. Er dichtet und schreibt und mich dünkt, nicht ohne Hoffnungen. Er hat in kurzer Zeit viele Schwierigkeiten der ersten Versuche überwunden und seine Versifikation bildet sich immer mehr. Ich habe ihn gebeten, nur emsig fortzufahren und sich von den Fehlern der ersten Versuche nicht abschrecken zu lassen. Er muß sich nach- gerade von dem Einfluß seiner Lieblingsmuster losmachen lernen. Man lernt mur nachgerade ohne Hilfe gehn und es istgut, wenn die Muster auch ihren romantischen Gang gehn. Stark, Goethes Leibarzt.

Der Brief Nr. 225 ist aus der ersten Hälfte von 1800 und etwa zwischen Nr. 192 und 193 einzureihen oder noch früher. „Sehr wunderbare Historie von der Melusina 1800. Candide: Anspielung auf Voltaires berühmten Roman gegen den Optimismus,

Röschlaub, Arzt, behandelte auch Caroline.

Predigten von Dr. F, Schleiermacher, Berlin 1801, erste Sammlung.

August Ferdinand Bernhardi (1770 1820), Mitarbeiter des Athenäums, Mitläufer der Romantiker: ‚„Bambocciaden‘“ 1797—1800,

495

Seite J

372. „Godwi, oder das steinerne Bild der Mutter, ein verwilderter Roman von Maria“, Bremen 1801. Brentanos Erstlingsroman.

373. Johann Bernhard Vermehren (1774—1803), Privatdozent in Jena, gab 1802 und 1803 einen Musenalmanach heraus.

374. „Jon“: ein Schauspiel von A. W. Schlegel. Hamburg 1803.

380f. Ein spanisches Schauspiel: Calderons Andacht zum Kreuz. Ebendarauf bezieht sich .Nr. 247.

385. Julie Gotter, Tochter von Carolinens alter Freundin Luise Gotter.

390. Novalis’ Bruder Georg Anton von Hardenberg, als Schrift- steller „Sylvester“ (1773—1825).

391. Der Bildhauer Friedrich Tieck.

392. Karl Wilhelm Ferdinand Solger (1780—1819): „Erwin, vier Gespräche über das Schöne und die Kunst“, Berlin 1815; „Eine Übersetzung von Sophokles’ Tragödien‘“ 1808 ; „Philosophische Gespräche“ 1817.

Karl Christian Friedrich Krause (17811832), Philosoph : „Das Urbild der. Menschheit“ 1811.

393. Therese: Therese Huber.

394. Caroline Paulus (1767—1844): Base und Frau des rationa- listischen Theologen Heinrich Eberhard Gottlob Paulus (1761—ı851). Sie schriftstellerte unter dem Namen Eleu- theria Holberg.

397. Mein Philipp: Dorotheas Sohn : aus erster Ehe, Philipp Veit.

400. „Greschichte des Zauberers Merlin‘ und „Lother und Maller, eine Rittergeschichte aus ungedruckten Handschriften, hgp. u. bearbeitet von F. Schlegel“. Frankfurt 1305.

403. Karl Joseph Hieronymus Windischmann (1775— 1839), katho- lischer Philosoph: „Ideen zur Physik“ 1805; „Untersuchungen über Astrologie, Alchemie und Magie‘ 1813; „Der Geist des Herrn über Europa“ 1814; „Grundlagen der Philosophie im Morgenland‘“ ı827fl. Er gab 1827—ı834 Friedrich Schle- gels philosophische Vorlesungen heraus.

496

416.

422.

425. 426.

427. 428.

. Fichte in seinem Zeitalter: „Grundzüge des gegenwärtigen

Zeitalters. Berlin 1806.

. Adam Oehlenschläger (1779—ı850), der Führer der nor-

dischen Romantik.

Der nene Roman der Frau von Sta@l: „Corinna oder Italien, übersetzt von Friedrich Schlegel‘‘ 1807—-1808.

Pauline Gotter, Tochter von Carolinens Freundin, spätere Frau Schellings.

„Weihe der Kraft‘‘ von Zacharias Werner 1807.

Unser Johannes: Johann von Müller, der damals zu Napo-

leon überging.

. Simon Veit, Dorotheas erster Mann.

Johann Baptist Bertram (1776—ı841), Kunstsammler, Ge- nosse der Boissereeschen Bestrebungen.

Reinhards: Graf Karl Friedrich Reinhard, französisch-deut- scher Diplomat, Freund Goethes.

Karl V.: Friedrich hatte vor, eine Geschichte dieses Kaisers zu schreiben.

Unser Baron: Karl Friedrich von Rumohr (1785-1843), reisender Kunstschriftsteller.

Lorenz Oken (1779—1ı851), Naturphilosoph.

Georg Friedrich Creuzer (17711858), bedeutender Sym- boliker und Mythologe. Karl Daub (1765— 1336), Theologe. Die „Heidelberger Studien“, von diesen beiden herausgegeben, erschienen von 1805 ab.

„seine Pallas“: Frau von Stael.

Gotthilf Heinrich Schubert (1780-— 1860), naturphilosophisch- mystischer Schriftsteller: „Ahnungen einer allgemeinen Ge- schichte des Lebens“ 1807; „Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaften‘‘ 1808; „Symbolik des Traums“ 1814.

„nach B’s Ausdruck“: Baaders?

Molitor: Joseph Franz M. (1779 —1860), philosophischer

32 Romantiter.Briefe 497

. Schriftsteller, Halbmystiker: „Ideen zu einer künftigen Dy-

431. 432.

440.

442. 448.

459. 464.

namik der Geschichte“ 1805; „Über den Wendepunkt des Antiken und Modernen. Ein Versuch,. den Realismus mit dem Idealismus zu versöhnen‘“ u. dgl. Schriften. VgL ADB. 22, 108. Er war auch der entfernte Anlaß zu einem Streit zwischen Schelling und Johannes v. Müller über Geschichte und Philosophie.

Friedrich von Raumer, der Historiker (1781—1873). Heinrich Ludwig Planck? (1785—1831), Theologe. Vgl. ADB. 26, 227.

Charles Villers (1765— 1815), französisch-deutscher Bildungs- schriftsteller: „Philosophie de Kant etc.“ 1801; „Essay sur l’Esprit et l’Influence de la Reformation de Luther‘ 1804. Vgl. ADB. 39, 708.

Die Brücke von Mantible, die Locken des Absalon, die Aurora von Copacavana: Titel Calderonscher Stücke. Johannes Veit; Dorotheas Sohn von Simon Veit, Maler. „Phantasus, eine Sammlung von Märchen, Erzählungen, Schauspielen und Novellen, herausgegeben von Ludwig Tieck“, Berlin 1812 1816, enthielt unter anderm im III. Teil „Leben und Taten des kleinen Thomas, genannt Däumchen, ein Märchen in 3 Akten‘.

„Geschichte des William Lovell“ 1795—1796.

Louis Claude Saint-Martin (1743 1803), französischer Theo- soph, ‚le philosophe inconnu‘, übersetzte Böhmes Aurora ins Französische. Seine eignen Werke: „Des erreurs et de la

. verite“ 1775; „Tableau naturel des rapports qui existent

470.

entre Dieu, l’homme et l’univers“‘ 1782; „Ecce homo“ 1796; „De l’esprit des choses“‘ 1800, deutsch von G. H. Schubert 1811. 1812; Oeuvres posthumes 1807.

Louis Sebastien Mercier (1740—1ı814), Pariser Literat, am bekanntesten durch sein Zukunftsbild „L’an 2440“, Paris

. "1770.

498

Seite

473. „Leben und Tod der Heiligen Genoveva“ („Romantische Dich- tungen“, Bd. 2). „Kaiser Oktavianus“, ein Lustspiel in 2 Teilen. Jena 1804. '

474. De Civitate Dei: Augustins geschichtstheologisches Werk,

484. Per Daniel Amadeus Atterbom, schwedischer Dichter und Denker (1790—ı855). Vgl. seine Reiseerinnerungen aus den Jahren 1817 1819, deutsch von Maurer 1867.

499

VERZEICHNIS DER BRIEFSCHREIBER UND

ADRESSATEN (Alphabetisch geordnet. Die Ziffern bedeuten die Briefnummern)

Von Auguste Böhmer an Friedrich Schlegel und Tieck 154. an Schelling 189. Von Caroline

an Auguste Böhmer 168. 169. 172—174. 176. an Frau Frommann 277. an Goethe 203. an Gotter 23. an Julie Gotter 249. 253. 265. an Luise Gotter 7. 20. 29. 85. 91. 92. 156. 211. 270. an Pauline Gotter 268. 281. an Huber 179. 180, an Frau Liebeskind 255. 258, .an Meyer 9. ı1. 16. 19. 25. 33. 34. 51. 54. 65. 69. an Lotte Michaelis ı— 6. an Philipp Michaelis 10. 14. an Novalis 143. 145. an Schelling 197—199. 204. 206—209. 213— 215. 217. 218.

222 224. an August Wilhelm Schlegel 108. 109. 219. 221. 226— 228.

230— 232. 237. 238. an Friedrich Schlegel 55. 74. 75. 132. an Luise Wiedemann 280. 282.

Von Dorothea

an Auguste Böhmer 192. an Clemens Brentano 220. an Caroline 162. an Caroline Paulus 256. 257. 259— 261. an Rahel 50. 178. 185. 188. 315. an August Wilhelm Schlegel 200. 298.

500

an Friedrich Schlegel 272. 273. 275. 276. 287. an Schleiermacher 155. 171. 175. 177. 183. 184. 186. 187. 191. 196. 201. 202. 210. 264. an Johannes und Philipp Veit 279. 295. 303. 311. Von Anton von Hardenberg an Tieck 251. | Von Karl von Hardenberg an Tieck 205. 216. 236. 241. 244. Von Novalis an Caroline 127. 141. 148. an Erasmus von Hardenberg 44. 77. 78. 86. an Just 95. 96. 140. | an seine Mutter 53. an August Wilhelm Schlegel ı12. 114. 116. 118. an Friedrich Schlegel 47. 68. 90. 94. 98. 100 - 102. 115. 121. 128. 135. 138. 139. 142. 193. 194. an Frau v. Tbümmel 93. 97.' an Tieck 164. 225. an seinen Vater 39. Von Schelling an Atterbom 321. an seine Eltern 87. an Goethe 181. an Pauline Gotter 297. an Hegel 71. an Michaelis 289. an August Wilhelm Schlegel 229. 239. 242. 247. an Schubert 283. an Windischmann 263. 266. 271. 274. 278. 284. 285. 290. | Von August Wilhelm Schlegel an Auguste Böhmer 83. an Dorothea 267. an Goethe 106. 240. 245. 292. 322. an Schleiermacher 117. 190. 234.

501

Von Friedrich Schlegel an Auguste Böhmer 99. 103. 105. 107. 170. an Caroline 1I0. 133. 134. 136. 152. 153. an Dorothea 288. an Novalis 137. 149. an August Wilhelm Schlegel ı2. 13. 15. 17. 18. 2I. 22. 24. 26—28. 30—32. 35—38. 40—43. 45. 46. 48. 49. 52. 56—64. 66. 67. 70. 72. 73. 76. 79— 82. 84. 88. 89. 104. IM. 113. 119. 120. 150. 158. 246. 318, an Schleiermacher 122—126. 151. 157. 165—167. 182. 233. 235. 262. Von Schleiermacher Henriette Herz 129—131. 144. 146. 147. 159— 161. 243. 248. 252. Friedrich Schlegel 212. 250. Von Solger

E56

an eine Freundin 291.

an seine Gattin 300. 301.

an eine Jugendfreundin 269. an Krause 254. 294.

an Raumer 286.

an Tieck 304. 307. 316. 320.

Von Steffens an Caroline 163.

an Schelling 195.

Von Tieck an Goethe 8.

an Solger 299. 302. 305. 306. 308—310. 312—314. 317. 319. Von Johannes Veit . an seinen Vater 293. 296.

502

QUELLENANGABE

Entnommen sind

die Nummern

16. 7. 9—II. 14. 16. 19. 20. 23. 25. 29. 33. 34. 51. 54. 55. 65. 69. 74. 75. 83. 85. 91. 92. 99. 103. 105. 107 - 110. 132—134. 136. 152— 154. 156. 168—170. 172—174. 176. 179. 180. 189. 197—199. 204. 206—209. 2II.

213—215. 217—219. 22I—224.

226—228. 230—232. 237. 238. 249. 253. 255. 258. 265. 268. 270. 277. 280—282

12. 13. 15. 17. 18. 21. 22. 24. 26—28. 30—32. 35—38. 40— 43. 45. 46. 48. 49. 52. 56—64. 67. 70. 72. 73. 76. 79—82. 84. 88. 89. 104. III. 113. 119. 120. 150. 158. 246. 318

50. 155. 162. 171. 178. 183 - 188. 191. 200 202. 210. 220. 259—261. 264. 267. 272. 273. 275. 276. 279. 287. 288. 293. 295. 296. 298. 303. 311. 315

175. 192. 256.

177. 196.

257.

117. 122—126. 129—13I. 144. 146. 147. 151. 157. 159161. 165—167. 182. 190. 212. 233— 235. 243. 248. 250. 252. 262

aus: Caroline. Briefe an ihre Ge- schwister, ihre Tochter Auguste, die Familie Gotter, F. L. W. Meyer, A.W. und Fr. Schlegel u.a. Herausgegeben von G. Waitz. Erster und zweiter Band. Leip- zig, S. Hirzel 1871.

aus: Friedrich Schlegels Briefe an seinen Bruder August Wil- helm. Herausgegeben von Dr. Oskar F. Walzel. Berlin, Speyer & Peters 1890.

aus: Dorothea von Schlegel, geb. Mendelssohn und deren Söhne Johannes und Philipp Veit. Brief- wechsel, im Auftrage der Familie Veit herausg. von Dr. J. M. Raich. Erster und zweiter Band. Mainz, Verlag Franz Kirchheim 1881.

aus: Schleiermachers Leben. In

Briefen. Erster und dritter Band. Berlin, Georg Reimer 1858. 1861.

503

47. 68. 90. 94. 98. 100—102, 112. II4—116. 118. 121. 127.

128. 135. 137—139. 141—143.

145. 148. 149. 193. 194

254. 269. 286. 291. 294. 299— 302. 304—310. 312—314. 316. 317. 319. 320

71.87. 163. 195. 223. 239. 242. 247. 263. 266. 271. 274. 278.

283— 285. 289. 290. 297. 321

39. 44. 53. 77. 78. 86. 93.

95—97. 140

8. 106. 292. 322

181. 203. 240. 245.

164. 205. 216. 225. 236. 241. 244. 251

504

aus: Novalis’ Briefwechsel mit Fr. und A. W. Schlegel, Char- lotte und Caroline Schlegel, Her- ausgegeben von Dr. J. M. Raich. Mainz, Franz Kirchheim 1880.

aus: Solgers nachgelassene Schrif.. ten und Briefwechsel. Herausg. von Ludwig Tieck und Friedrich von Raumer. Erster Band. Leip- zig, F. A. Brockhaus 1826.

aus: Aus Schellings Leben. In Briefen. Leipzig, Hirzel 1869. 1870. Erster und zweiter Band.

aus: Friedrich von Hardenberg (genannt Novalis). Eine Nach- lese aus den (Quellen des Fa- milienarchivs, herausg. von einem Mitglied der Familie. Gotha, F. A. Pertbes 1873. (2. Aufl. 1883.)

aus: Goethe und die Romantik. Briefe mit Erläuterungen. I. Teil. Herausgegeben von Karl Schüdde- kopf und Oskar Walzel (Schrif- ten der Goethe-Gesellschaft, 13. Band). Weimar 1898.

aus: Briefe an Ludwig Tieck. Ausgewählt und herausgegeben von Karl von Holtei. Erster Band. Breslau, Eduard Trewendt 1864.

REGISTER ZUM TEXT

Die mehrfach verheirateten Frauen sind unter ihren Vornamen (Caroline, Dorothea, Therese) zu suchen, Titel ausführlicher besprochener Werke unter den Verfassernamen

Alexander der Große 134.

Alfred v. England 2.

Allgemeine Literaturzeitung 310f. 361.

Amalie Herzogin v. Weimar 182.

Andacht 290.

Anna, Hl. 420.

Antikes, Altertum 332. 468 ff. Ariost 5. 315.

Aristophanes 141. 226. Aristoteles 441.

Äschylos 127. 134. 140. „Athenäum“ 225fl. 309f. „Attisches Museum‘ 189.

Aufklärung 399 fl. Auguste, s. Böhmer.

Augustin 474.

Baader 246. 252. 258. 274. 403 f. 464.

Ballade 196 ff.

Berger 84.

Berlepsch, Emilie v. 84.

Bernhardi 370.

Bertram 414.

Bibel 245f.

Biester 161.

Blumenbach 2.

Boccaccio 471.

Böhme 251. 360f. 472fl. 482.

Böhmer, Auguste 4. 6. II. 13. 132.143. 149. 208. 243. 316f. 325. 334. 349. 352. 358. 362. 392. 432.

Böhmer, G. 109.

Böhmer, Therese 11.

Boissere&es 466f.

Bolschwing 179.

Böttiger 161. 243.

Bouterweck 20.

Brentano, Bettina 423. 424ff.

Brentano, Clemens 323. 372ff. 396. 418. 422. 423f.

Brinckmann 284f.

Brown 214.

Brutus 118.

Buffon 344.

Buonaparte, s. Napoleon.

Bürger, Elise 44f.

Bürger, G. A. 30. 45. 131. 140. 148. 160. 197.

Cäcilia, Hl. 420.

Cagliostro 58.

Calderon 277. 381. 382ff. 400. 415. 439 ff. 471. 48ıfl. 485.

Campenhausen 194.

Campetti 404. 407.

505

Carlowitz 97. 102. 113. 149.

Caroline 14. 17. 35. 43f. 45fl. 52. 53f. 63f. 71. 77. 82. 98. 101. 109. 121. 125f. 132. 134. 144. 145. 150f5. 157. 161. 166. 170. 173. 187. 194. 212. 225. 226. 228. 233. 276. 306. 307. 316. 322. 324. 325f. 366. 432. 433. 434fl. 437. 445.

Cäsar 22.

Catilina 22.

Cato 22.

Cervantes 278. 400. 471. 473.

Charpentier, Julie 265. 270. 346.

Chladni 313.

Christus 35. 349 ff.

Christentum 250ff. 256f. 275. 284. 399fl. 444. 467. 472.

Cicero 22. 31.

Claude Lorrain 152.

Condorcet ı58f.

Corneille 242.

Correggio 76.

Creuzer 422. 431.

Cynismus 227. 271fl. 293.

Dante 22. 34. 52. 144. 150f. 153. 277. 365.

Daub 422. 430.

Deutsche 40. 56.

Dichter, Dichtung 4ıf. 106f. 123. 169.

Dion 148.

Dionys v. Halicamaß 152.

506

Diotima 137. 162.

Dorothea 243. 276. 279. 285. 287. 297. 298. 302. 330. 373- 375f. 389. „Florentin‘“ 315. 333. 355f. 398.

Dorothea, HL 420.

Egoismus 17. 98f.

Einsiedel 182.

Eleusis 105.

Elisabeth, Hl. 420. Enthusiasmus 17.

Erde, Theorie der 313.

Ernst, Charlotte 257. 265. 376. Ernst, Henriette 243. 276f. 278. Erziehung 7.

Eschen 194.

Euripides 169.

Eurhytbmie 142.

Falk 182.

Familie 119.

Farbenlehre 313. 441.

Ferguson 31.

Fichte 156. 162. 166. 179. 180. 191. 209. 227. 231. 234. 243. 249. 250. 254. 258. 263. 265f. 277. 280. 289. 312. 348. 352f. 408. 409. 412. 429. 461. 470. 472.

Fiorillo 200.

Fleming 21.

Fölkersahm 75.

Forberg 179.

Forster 28. 32. 56. 394.

Fouque& 447.

Franzosen 56f. 160.

Freundin Fr. Schlegels in Dres- den 67fl. 77ff. 80. g6f.

Freundschaft 44.

Friedrich d. Gr. 40. 136. 140.

Friedrich II. Hohenstaufen 152.

Frommanns 297.

Fueßli 181.

Fulda 159.

Funck 199. 217.

Garick 117.

Garve 83. 242.

Gebet 476.

Genie 18. 139.

Gleim 468.

Goethe 9. 16. 17. 40. 51. 58. zıf. 106. 107. 108. 109. 112. 127. 131. 139. 140. 141. 144. 160. 176. 177. 178. 180f. ı81ff. 188. 212ff. 228. 230. 233. 235. 239ff. 244. 248. 249. 259. 266. 277. 287. 297. 299. 304. 306. 308. 319. 321. 329. 330. 343. 346. 347. 354. 365. 370. 373. 374. 3968 398. 400. 409. 412. 414f. 424. 425. 447. 457. 466f. 468 ff. „Farbenlehre“ 441. „Faust“ 414f. „Gott und Ba- jadere“‘ 196. „‚Idyllen‘‘ (Alexis, Pausias) 195. „Iphigenie‘ 144.

„Italien. Reise‘ 468. „Wil- helm Meister“ 212. 222. 228. 236. 239. 240. 361 fl.

Görres 422.

Gotter 149. 174. 182. 200.

Gotter, Luise 133.

Gozzi 422.

Griechen 139. 141. 142. 160. 169f. 177. 178.

Gries 194.

Grösse 97. 138.

Grunow, Eleonore 322. 378.

Häberlin 147.

Hamann 464.

Hardenberg, Erasmus 177. 186.

Hardenberg, Friedrich, s. Novalis.

Hegel 398.

Heinse 272. 354. 468.

Hemsterbuys 112. 118. 152, 162f. 230. 236.

Henriette, s, Ernst.

Herder 15. 31. 112. I51. 153. 173.

Herodot 173. 200.

Herz, Henriette 193. 200. 247. 293. 323.

Heydenreich 20. 22.

Hippel 242. 355.

Hirt 276.

Hofbauer 443.

Hölderlin 154.

Holbein 290.

Holberg 301. 304.

151. 258.

152.

507

Homer 169. 171. 213. 215. 365.

473. Hufeland 262. 343.

Hülsen 189. 190. 191. 244.

251. 259. 276. 287. 294.

Humboldt, W. v. 153. 156f.

162. 174. 214. 216.

Ideal 33. 124. 131£. Iffland 249.

Imhof, Amalie v. 301. Indisches 485. Inspiration 483.

Ironie 483.

Jacobi 132. 137. 151. 242. 250.

263. 472. Jean Paul, s. Richter. Jenisch 193. Jerusalem 359. Johannes d. Täufer 419. Joseph, Hl. 419. Jugend 17. „Julchen“ 98. 179. Juristisches Studium 23.

Kant 40. 112. 128f. 134. ı54ff. 161.162. 166. 209. 230. 234.

246f. 249. 254. 285. 470.

Karl V. 416.

Karl August 387. Katharina, Hl. 420, Katholizismus 399 ff. 420f. Kirche 444.

508

Kleist, H. v. 477£.

Klinger 21.

Klopstock 40. 41. 72. 107. 108. 109. 112. 134. 135f. 139. 141. 147. 181. 365. 402.

Knebel 182.

Kohler 412.

Koketterie 383f,

Körner 71. 160. 177. 213. 215.

Kotzebue 301. 365. 388.

Krates 272.

Kritik 321.

Kuhn 301.

Kühn, Sophie v. 164. 179f. 183 ff. 186. 199.

Lafontaine 239.

Laroche 12,

„Laura 98,

Lavater 35. 250. Lavoisier 235.

Leibniz 230. 246f. 259. Leisewitz 356.

Leonardo 200.

Lessing 204. 214. 250. 402. Levi 245. 279.

Liebe 17. 218. 450fl. Liebeskind 193. 200. Liguori 444.

Lindner 298. Literaturzeitung 309f. 361. Locke 33.

Loder 206.

Lope 481.

„Lother und Maller‘“ 400. Louis XVI, 30.

Lüge 75f.

Lukan 31.

Lukrez 172.

Luther 249f. 303.

Machiavelli 412. Maimon 254. Manteuffel 179. Maria Magdalena 420, Mastiaux 137. Medem 179. Mengs 76. Mercier 470. Merkel 302. 305. „Merlin“ 400. Mestmacher 146.

Meyer, Fr. L.W. 2, 3. 9. 13.

133. 174. Meyer, H. 467. Michaelis, Louise 5. Michaelis, Philipp 6. 445f. Michelangelo 200. Middleton 31. Militär 88f. 102. Mirabeau 55. 57. Mohammed 249. Molitor 428. Monnier, Sophie 57. Montesquieu 31. Moral 33. 294. Moritz 31f. 172. Mozart 131.

Müller, Däne 372.

Müller, Joh. 152. 153. 407. 413. 417. 445. 468.

Musik 166. 169f.

Mystik 464. 472ff. 483.

Napoleon 301f. 303. 312. 410. 454.

Naturphilosophie 354. 402.

Nero 471.

Nibelungen 473.

Niethammer 166. 188. 269. 354.

Nikolai 214. 242. 289.

Novalis 49f. 53. 55. 60. 83f. 97. 98. 199. 209. 224. 229ff. 232. 243. 244. 280. 295. 297. 299. 304. 305. 307. 308. 314. 328. 340. 346. 349. 350. 371. 376ff. 379. 427. 475. 4798. 482. „Heinrich von Ofter- dingen‘“ 361. „Lehrlinge von Sais‘‘ 371. 379. 333.

Nützliche, das 391.

Öhlenschläger 409. Oken 422. Ovid 50,

Pape 20. 75. 86. Paradoxe 208f. Patriotismus 464. 470.

- Paulus, Apostel 402.

Paulus, Theologe 155. 338. . Pennet 403.

509

Pescheck 482.

Petrarca 127. 365. 471. 485. Phidias 443.

Phryne 137.

Pindar 170, zitiert 225. Planck 433.

Platner 83. 112.

Plato 136. 147. 148. 152.162f. 258. 263. 336. 441. 457. 461.

Plotin 254f. 258. Plutarch 2. 31.

Poesie und Prosa 219f. Praxiteles 443.

Raffael 76. 140. 470. Ramdohr 323. Raum und Zeit 260. Reformation 402.

Rehberg 19. 80. 81. 134. 162.

Reichardt 57. 214. Reinhard 414. Reinhold 263. 266. Religion 250. 252. 294. Renz 154.

Rhythmus 169ff. 171f. 219. 248.

Richardson „Grandison“ 37.

Richter, Jean Paul 182. 223. 230. 242. 266. 272. 287.

323. 372. 378. 380.

Ritter 258. 261. 274. 314. 335.

337. 373. 404- 407. Röderer 198. Rom 21. 31ff. Röschlaub 366.

510

Rousseau 15. 84. 133. 161.

166. 203. 205. 270. Rudolf v. Habsburg 1352. (Rumohr) 421.

Saint-Martin 464.

Sakontala 32.

Savigny 423. 424.

Scham 322.

Schelling 188. 191. 213. 215f. 230. 235. 240. 245. 246. 257. 258. 262. 274. 279 297. 299. 303. 314. 315. 337fl. 356. 363. 372. 398. 406. 409. 432. 433. 470. 472.

Schelling, Rose 329.

Schiller 21. 23. 30. 41. 106. 107. 108. 112. 131. 134fl. 137f. 139. 141. 153. 160. 162. 166. 173. 174. 175f. 177. 181. 198f. 213. 215. 244. 263. 287. 297. 299. 301. 308. 354. „Wallen- stein‘ 283.

Schiller, Charlotte 182.

Schlegel, A. W. 31. 34. 120. 187. 189. 206f. 214. 216. 228. 229. 257f. 266. 269. 273. 292. 297. 299. 301fl. 303. 304. 308. 310. 312 314. 315. 330. 336. 341. 345. 346. 353. 360. 385 ff. 394f. 400. 401. 425. 470. „Elegie“ 275. „Jon“ 374.

Schlegel, F. 180. 181. 213. 221ıfl. 235. 238. 257f. 266. 267. 271f. 285. 286ff. 289. 296. 297. 299. 301f. 302. 305. 306. 307. 310f. 315. 316. 317ff. 320. 323. 327. 330. 332. 333ff. 336. 342. 354f. 362. 365. 367. 368. 370. 371. 372. 373f. 3751. 385. 394. 398f. 401 ff. 407 fl. 4ı2fl. 417f. 425. 426 fl. 429ff. 466f. 470. 480. „Lu- cinde“ 271f. 274. 276. 277f. 3ı1. 321. 327. 333. 336. 354.

Schleiermacher 207. 216. 244. 247f. 251. 274. 276. „Pre- digten“‘ 370. „Reden über Re- ligion“ 336. „Vertraute Briefe über Lucinde“ 321.

Schlözer 2.

Schriftstellerdiät 164.

Schröder 117.

Schweinitz 72. 85f.95.96f. 149.

Selbstmord 85.

Severin 184.

Shakespeare 9. 106. 107. 108. 109. 112. ıı6fl. 127. 128. 140.141. 144. 164. 189. 200. 206 fl. 210. 211. 283. 301. 305. 336. 354. 381. 382f. 457. 471f. 473. 481. 485. „Hamlet“ ıı6fl. „Romeo“ 201 ff.

Smollett 242.

Sokrates 136. 142. 156. 160. 162. 384.

Solon 170.

Sophie 64. 75. 82. 122.

Sophokles 112. 127. ı61f. 169. 211. 473.

Spinoza, Spinozism 112. 166. 180. 258. 363. 398. 402.

Sprache 166f. 169. 219.

Sta&l 203. 394f. 400. 409 417. 425.

Stahl 343.

Stanzen 315.

Stark 343.

Steffens 262. 373.

Sterne 242.

Sueton 31.

Sulla 22.

Swift 242. 456.

Symphilosophie 212. 250.

System 124.

Talma 332. 421.

Tasso 315.

Tazitumeität 110. III.

Therese (Heyne, Forster, Huber) 3. 4. 12. 28f.

Thielemann 217. 265.

Thouvenel 403.

Thümmel 20.

Tieck 209. 240f. 251. 258. 274. 276. 278. 279f. 281. 287. 289. 297. 299. 300ff. 303.

511

304f. 307. 314. 323. 347. 367. 370. 381. 399. 408f. 420. 421. 422. 433. 443. „Däumchen“ 448. „Geno- veva“ 471. 473. „Journal“ 324. „Lovell“ 459. „Okta- vian“ 471. 473. „Phantasus‘‘ 448. „Sternbald‘‘ 240f. „Zer- bino“ 281. 471. Tiecks Frau 297.' 301. 305. Tieck, Friedrich 392. Tischbein 297. 300. Transcendental-Idealismus 326f.

Übersetzen 51. 173. 210ff. 440. Unger 281. 367.

Vancouver 314. Veit, Jobannes 414, Veit, Philipp 335. Vergil 365. Vermehren 373f.

Vernunft 137.

Vogler 167.

Volta 404.

Voltaire 21. 32f. 243. Voß 242. 365. 421. Vulpius, Christiane 182.

Weiber 4. 16. 23. 45. 57. 60. 75. 81. 85. 113.

Wermer 411. 446fl.

Wieland 136. 16I. 242. 309. 312. 468.

Willenskraft 100.

Winckelmann, J. J..40. 128. 151.

Witz 456.

Woltmann 55. 160. 189. 190.

Wünschelrute 404.

Xenophon 457.

Zachariae. 147. Zinzendorf 180

GEDRUCKT BEI POESCHEL & TREPTE IN LEIPZIG