49 N285 NH a i KfW SCHRIFTEN j DER NATURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT IN NEUE FOLGE. FÜNFZEHNTEN BANDES ERSTES UND ZWEITES HEFT. I. TEIL: JAHRESBERICHT FÜR 1918. MIT UNTERSTÜTZUNG DES WESTPR. PROVINZIAL-L ANDTAGES HERAUSGEGEBEN. \ . ' ! - . hl M Q DANZIG 1919. KOMMISSIONS-VERLAG VON R. FRIEDLÄNDER & SOHN IN BERLIN NW. G, KARLSTR. 11. Bitte die 1. Seite dieses Umschlages zu beachten. [ SCHRIFTEN DER IN DANZIG. NEUE FOLGE. FÜNFZEHNTEN BANDES ERSTES UND ZWEITES HEFT. I. TEIL: JAHRESBERICHT FÜR 1918. MIT UNTERSTÜTZUNG DES WESTPR. PROVINZIAL-L ANDTAGES HERAUSGEGEBEN. DANZIü 1919. KOMMISSIONS-VERLAG VON R. FRIEDLANDER & SOHN IN BERLIN NW. 0, KARLSTR. 11. Inhalt. Seite 1. Jahresbericht der Naturforschenden Gesellschaft für 1918 ... 1* 2. Bericht über die Ordentlichen Sitzungen und anderweitigen Ver- anstaltungen der Gesellschaft im Jahre 1918 10* Sommer: Der Anteil der verschiedenen Kulturvölker an der Entwickelung der Mathematik 10*; Wangerin: Der Generationswechsel im Tier- und Pflanzenreich 12*; Neu mann: Die Entwickelung der zahnärztlichen Wissen- schaft und ihre Bedeutung für die Gegenwart 14*; Braun: Die geographi- schen Grundlagen der westpreußischen Landschaftsbilder 15*; Wallenberg: Ludwig Edinger und sein Werk 16*; Seligo: Der Seehundsfang in der Danziger Bucht und über einige niedere Organismen in der Danziger Bucht 16*; Kumm: Westpreußens Kultur vor viertausend Jahren 17*; Ehlers: Die Schiffahrtsstraßen durch die westpreußischen Seen 17*; Lakowitz: Das Studium westpreußischer Binnenseen 18*; Siiring: Der Einfluß der höchsten Luftschichten aut das Wetter 19*; Ackerknecht: Das Lichtspiel im Dienste der Naturkunde 20*; Krüger: Die Elektronenemissionen und ihre praktische Verwertung 20*; Seligo: Das Leben in der Stromweichsel 21*; Jonas: Die Natur des Baltenlandes 22*; Jonas: Das Baltenland in Vergangenheit wie Gegenwart und seine Bedeutung für Deutschlands Zukunft 22*; F ri edrichsen: Land und Leute in Polen, aus eigener Anschauung 23*; von W eickmann: Vom Tigris zur Marne, Betrachtungen über das Werden und Vergehen der Völker. I. Teil: Erlebnisse und Gedanken auf der Reise durch Mesopotamien und Kurdistan und in der Gefangenschaft im Kaukasus; II. Teil: Beobach- tungen auf den Kriegsschauplätzen Muropas. Der Weltktieg, was er war und was er wurde 23*; Rößler: Einführung in die Elektrotechnik 24*. 3. Übersicht über die in den Ordentlichen Sitzungen 1918 behandelten Gegenstände 25* 4. Jahresbericht des Ärztlichen Vereins zu Danzig über das Vereins- jahr 1917/18 .................. 27* 5. Bericht über die Sitzungen der Anthropologischen Sektion im Jahre 1918 ........... 29* 6. Jahresbericht des Westpreußischen Vereins für öffentliche Gesund- heitspflege für das Geschäftsjahr 1918 ......... 30* 7. Bericht über die wissenschaftliche Tätigkeit des Westpreußischen Fischereivereins im Jahre 1918 ............ 31* Jahresbericht der laturforschenden Gesellschaft zu Danzig für 1918. Vorgelegt von ihrem Direktor Professor Dr. L a k o w i t z in der Sitzung vom 2. Januar 1919, am Tage des 176 jährigen Bestehens der Gesellschaft. Bei einem Rückblick auf die Geschehnisse in unserer Gesellschaft während des soeben abgelaufenen Jahres gedenken wir in erster Linie aller der Mitglieder, die, durch den Tod abberufen, nicht mehr an unseren gemein- samen Arbeiten teilzunehmen in der Lage sind. Zunächst sind drei unserer geschätzten Korrespondierenden Mitglieder gestorben. Ein beklagenswertes Ge- schick fügte es, daß schon drei Wochen nach seiner Ernennung zum Korrespon- dierenden Mitglied unserer Gesellschaft Professor Dr. Ludwig E d i n g e r, der bekannte Neurologe und Gehirnforscher in Frankfurt a. M., am 26. Januar 1918 aus dem Leben schied. Zusammen mit der uns verbundenen Senkenbergischen Naturforschenden Gesellschaft in Frankfurt, deren hervorragendes Mitglied E d in g|er seit mehr als 30 Jahren war, trauert unsere Gesellschaft um den als Mensch wie als Forscher vorbildlichen Verstorbenen. Dies hat sein Freund und wissenschaftlicher Mitarbeiter, unser Professor W a 1 1 e n b e r g, in einem aus- gezeichneten Nachruf in der Sitzung am 3.. April zum Ausdruck gebracht. Am 21. Juli 1918 verschied Hofrat Prof. Dr. Friedrich Lu d w i g in Greiz. Als Biologe, im besonderen als Mykologe, ist Ludwig in der wissen- schaftlichen Welt bekannt. Im Jahre 1890 trat er durch seine Ernennung zum Korrespondierenden Mitglied mit unserer Gesellschaft in Fühlung und übermittelte an die Bibliothek eine Anzahl seiner eigenen Schriften. Jetzt sind uns durch seinen Sohn, Herrn Dipl. -Ing. Ludwig, aus dem Nachlaß des Verstorbenen weitere Avertvolle Druckschriften zugesichert worden. Am 12. Oktober 1918 starb Prof. Dr. Emil Koehne - Berlin-Friedenau, •der 1909 als derzeitiger Vorsitzender des Botanischen Vereins der Provinz Brandenburg aus Anlaß der 50. Jahresfeier des genannten Vereins zum. Sehr. d. N. G. zu Danzig. Bd. XV, Heft 1. 1* 1 Korrespondierenden Mitglied unserer Gesellschaft ernannt wurde. Seine Schriften zur Dendrologie und zur Systematik einzelner Pflanzenfamilien sind ein Schmuck unserer Büchersammlung. Die Wissenschaft und mit ihr unsere Gesellschaft beklagen den Tod der drei uns nahestehenden .Forscher. Ferner hat der Tod hinweggerafft folgende einheimische Mitglieder: Sanitätsrat Dr. Al-thau s, Geh. Sanitätsrat Dr. F a r n e, Kaufmann Hagen - d o r f , Tierzuchtdirektor Dr. Hesse, Dr. med. Jeckstadt, Apotheken- besitzer Langer, Studienrat Prof. Dr. Müller, Dr. med. Reichel, Ren- tier Scha h n a s j a n, Oberbürgermeister S c h o 1 1 z, Dr. med. Ernst Schul z.. Bankdirektor Thomas, Kaufmann W inke Ihausen und folgende aus- wärtige Mitglieder: Geh. Sanitätsrat Dr. H i 1 b e r t - Sensburg, Geh. Medizinal- rat Dr. Kämpfe- Karthaus und Pfarrer a. D. Krenz- Zoppot. V on ihnen hatten die Herren A 1 1 h ä u s 44 Jahre, F a r n e 40 Jahre, Schahnaß j a n 36 Jahre, Thomas 25 Jahre, Kämpf e 23 Jahre hindurch treu zur Gesell- schaft gehalten. Dr. Hesse ist durch seine interessanten Vorträge über neuere Tierzuchtversuche bei uns hervorgetreten, und mit Oberbürgermeister Heinrich S c h o 1 1 z hat unsere Gesellschaft eines ihrer werktätigsten Mitglieder, einen erfolgreichen Förderer ihrer Interessen verloren. Ihm verdankt die Gesellschaft einen erhöhten jährlichen Beitrag seitens der städtischen Körperschaften, ferner regste Anteilnahme an der finanziellen Sicherung des Planes unserer neuen Sternwarte, und aus Anlaß der Feier des 175 jährigen Bestehens unserer Gesell- schaft eine besondere Zuwendung zur Förderung unserer wissenschaftlichen Auf- gaben. In einem besonderen Nachruf in der Sitzung am 16. Oktober 1918 hat Berichterstatter diese Verdienste des zu früh Entschlafenen bereits gewürdigt. Voll Trauer gedenken wir in dieser Stunde nochmals aller der im Berichts- jahr unserer Gemeinschaft Entrissenen und ehren ihr Andenken (die Ver- sammlung erhebt sich von den Plätzen) in üblicher W eise. Diese ungewöhnlich hohen Verluste — es sind im ganzen 19 Namen gewesen — , die durch Fortzug nicht weniger Mitglieder von Danzig und Westpreußen noch vermehrt sind, konnten durch den Eintritt neuer Mit- glieder nicht völlig ausgeglichen werden, so daß die Anzahl der Beitrag- leistenden Mitglieder - gegen 1917 um 10 abgenommen, wenngleich gegen 1916 um 3 zugenommen hat. Wir zählen am Schluß des Jahres 1918: 7 Ehrenmitglieder gegen 7 zu Ende 1917 und 4 zu Ende 1916 43 Korresp. Mitgl. 46 y> n 40 „ V) 387 Einheim. „ „ 403 ,, ,, V) Vi 396 ,, „ n 141 Auswärt. „ 1 r) ö ,, „ y> 129 „ „ Y>- Die Gesamtzahl der Mitglieder beträgt hiernach gegenwärtig: 578 gegen 590 zu Ende 1917 und 569 zu Ende 1916, die der Beitrag zahlenden Mitglieder: 528 gegen 538 zu Ende 1917 und 525 zu Ende 1916. Allen den geeinten Mitgliedern, die im Laufe des verflossenen JaKres unserer Gesellschaft neue Freunde und Förderer zugeführt haben, sei heute nochmalig bester Dank ausgesprochen; zugleich aber auch die Bitte unter- breitet, weiter zu werben, denn die Mitgliederbeiträge bilden in unserem •Haushaltungsplan einen Faktor, der die erfolgreiche Behandlung aller uns gestellten Aufgaben außerordentlich beeinflußt. Die Bibliothek, die Tor- träge und die Veröffentlichungen erfordern zur würdigen Ausgestaltung dauernd steigende Mittel. — Mit wie ausdauernder Treue übrigens bewährte Mitgliedschaft unsere Bestrebungen unterstützt, beweist u. a. wieder der Fall, daß im verflossenen Jahr ein Mitglied auf seine 50 jährige Zugehörigkeit zu unserer Gesellschaft zurückblicken konnte. Den verehrten Jubilar, Herrn Generallandschaftssekretär S c h m e c h e 1 - hier, zu diesem Ereignis persön- lich in seiner Wohnung und am 16. Oktober in der Mitgliederversammlung zu begrüßen, hatte Berichterstatter den besonderen Vorzug. Möge Herr Schm ec hei der Gesellschaft noch lange erhalten bleiben. Glückwünsche seitens der Gesellschaft wurden dem langjährigen ver- ehrten Mitglied Herrn Polizeipräsident Wessel aus- Anlaß* seiner goldenen Hochzeit und seines 75. Geburtstages dargebracht. Der Naturforschenden Gesellschaft in Leipzig gingen zu der Jahr- hundertfeier ihres Bestehens am 27. November 1918 diesseits aufrichtige Glückwünsche zu. Von persönlichen Angelegenheiten sei noch erwähnt, daß Berichterstatter als Vertreter der Gesellschaft an dem Kriegsernährungskursus auf Einladung teilnahm, der vom Stellvertretenden Generalkommando des XVII. Armee- korps im November 1918 veranstaltet wurde, und daß er aus Anlaß des 175jälirigen Jubiläums unserer Gesellschaft von der Kaiserl. Leopoldinisch- Karolinischen Akademie der Naturforscher in Halle a. S., der ältesten natur- wissenschaftlichen Körperschaft Deutschlands, zum ständigen Mitglied ernannt wurde, eine Ehrung, die für den Empfänger an Bedeutung gewinnt durch den Umstand, daß sie zugleich 'eine Ehrung für unsere Gesellschaft ist. Die wissenschaftliche Tätigkeit der Gesellschaft fand im Berichtsjahr ihren Ausdruck zunächst durch die Herausgabe des 12 Druck- bogen starken 4. Heftes des XI V. Bandes unserer alljährlich erscheinenden „Schriften“. Es ist bereits im Besitz der Mitglieder und enthält wie üblich den Jahresbericht für 1917 des Direktors, die Berichte der Sektionsvorstände, die Sitzungsberichte und geschäftlichen Mitteilungen, außerdem wissen- schaftliche Abhandlungen aus den Gebieten der Biologie, Geographie, Geo- logie und Mathematik seitens der Herren Professoren Schmoege r, L u c k s. Brau n, Sonntag und Sommer. Das Material für ein neues Heft unserer Schriften wird inzwischen von den Herren Prof. Wallenberg und Prot. Dahms in bewährter Weise gesammelt. Bei dieser Gelegenheit sei an die arbeitenden Mitglieder die Bitte gerichtet, auch aus den Gebieten der Anthro- pologie, Astronomie, Chemie, Physik, Medizin Abhandlungen für unsere „Schriften“ in Zukunft zur Verfügung' zu stellen. * Geplant ist schon lange eine Revision der Herausgabe unserer Ver- öffentlichungen. Sie war bis zur Beendigung des Krieges zurückgestellt worden, wird demnach hoffentlich bald durch besondere Beratungen in die Wege geleitet werden können. Bei der beabsichtigten Neugestaltung unserer ..Schriften“ wird gewiß wie bisher der wissenschaftliche Inhalt der Ver- öffentlichungen die Hauptrolle zu spielen haben, was ja ohne weiteres klar ist. Ob wir nun wie bisher alljährlich oder etwa halbjährlich oder gar monat- lich unsere Veröffentlichungen hinaussenden, ob wir mit diesen Veröffent- lichungen die Anlehnung an bestehende, weitverbreitete Zeitschriften suchen, oder ob wir doch weiterhin selbständig bleiben, alle diese Fragen bedürfen einer gründlichen Prüfung. Sie seien hier eben kurz gestreift, um die Auf- merksamkeit aller Interessenten hierauf rechtzeitig hinzulenken. Bezügliche Anregungen sind dem Vorstande in dieser Angelegenheit sehr erwünscht. Die Vortragstätigkeit im engeren wie im erweiterten Kreise der Gesellschaft war trotz der Schwierigkeit der Zeitverhältnis* auch im Berichtsjahre rege. In 11 wissenschaftlichen Sitzungen wurden von ein- heimischen und auswärtigen Mitgliedern wie von fremden Gelehrten im ganzen II Vorträge über Ergebnisse zumeist eigener Forschungen aus den verschiedenen Gebieten der Naturwissenschaft gehalten. Die erste Sitzung im Berichtsjahr, am 2. Januar 1918, war feierlich ausgestaltet, da an jenem Tage unsere Gesellschaft auf eine ununterbrochene Tätigkeit von 175 Jahren seit ihrer Begründung im Jahre 1748 zurückblicken durfte. Über den Ver- lauf dieser akademischen Feier ist ein ausführlicher Bericht erschienen und in dem bereits in Ihrem Besitz befindlichen 4. Heft des XIV. Bandes ver- öffentlicht worden. Außerdem fanden noch vier Vortragsveranstaltungen populärwissen- schaftlichen Charakters statt für die Mitglieder und ihre Angehörigen über geographische und völkerpsychologische Themen. Neben diesen Veranstaltungen ging noch eine Folge von Vorträgen einher zur planmäßigen Vertiefung in ein begrenztes Wissensgebiet. Im Jahre 1917 war hierfür das zeitgemäße Thema „Kraftmaschinen“ gewählt worden, im abgelaufenen Berichtsjahr 1918 das Thema „Einführung in die Elektrotechnik“. Der gegebenen Anregung Folge gebend, hat unser Mitglied, Herr Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Rößler, dankenswerterweise sich der Auf- gabe unterzogen, mit Benutzung der reichen Anschauungsmittel seines Elektro- technischen Instituts Mitgliedern und Gästen unserer Gesellschaft die Grund- begriffe und Verwendungsmöglichkeiten des elektrischen Stromes an Hand von zahlreichen Versuchen vorzuführen. Der Erfolg ist, daß allsonnabendlich gegen 200 Herren und Damen den anschaulichen Vorführungen mit gespannter Auf- merksamkeit folgen. 4* 5* Der Vorstand wird bemüht sein, auch in der Zukunft neuzeitliche natur- wissenschaftliche Themen zur vertiefenden Behandlung vorzuschlagen. Be- zügliche Wünsche werden gern entgegengenommen und berücksichtigt. Diese Neueinrichtung ist aus einer Anregung unseres Vorstandsmitgliedes Herrn Dr. Damme zu den vorjährigen Vorträgen über ..Kraftmaschinen1 hervorgegangen und erfreut sich einer guten Aufnahme. Mit der Beendigung des Krieges ist nunmehr zu erwarten, daß auch die wissenschaftlichen Sektionen unserer Gesellschaft ihre Tätigkeit wieder in vollem Umfange aufnehmen werden. Sie können dadurch ihrerseits mit- helfen, das wissenschaftliche Leben in unserer Vereinigung frisch zu erhalten. In bezug auf die Vortragstätigkeit sei übrigens auf die nachfolgenden Berichte der Herren Vorsitzenden der einzelnen Sektionen wie auf den vom Schriftführer für innere Angelegenheiten Herrn Prof. Wallenberg gelieferten Bericht über die Ordentlichen Sitzungen im Jahre 1918 besonders hinge wiesen. » ln der Bibliothek sind die Abteilungen für die biologischen Diszi- plinen Botanik und Zoologie neu katalogisiert. Die Bücherei zur Erdkunde wird gegenwärtig neu geordnet. Geplant ist eine erneute Durchsicht der gesamten Bücherbestände und, soweit erforderlich, deren Neuordnung und Katalogisierung. Die erforderlichen Geldmittel hierfür sind bereits in den Haushaltungsplan für 1919 eingestellt und von der Mitgliederversammlung am 18. Dezember 1918 bewilligt worden. Ihren Zuwachs erfährt die Bibliothek nach wie vor in erster Linie durch den Schriftenaustausch mit zahlreichen Akademien, Vereinen, wissenschaftlichen Instituten in Deutschland und dem nichtfeindlichen Ausland. Neu eingetreten ist in diesen Tauschverkehr während des Berichtsjahres das Deutsche Museum von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik in München. Geschenkt wurden vom Preu- ßischen Landwirtschaftsministerium nach wie vor die stattlichen Landwirt- schaftlichen Jahrbücher und wertvolle Druckschriften. Als Geschenkgeber sind zu nennen: Frau Amtsgerichtsrat Frau k. Frau Oberstabsarzt Scho n d o r f f und die Herren Studienrat Prof. Braun, Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Con- w e n t z, Dr. Geister, Geh. Hofrat Prof. Dr. Hä ekel, Exzellenz, Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Hellmann. Geh. Sanitätsrat Dr. Hilbert, Vize- admiral H o 1 1 w e g, Geh. Bergrat Prof. Dr. Jentzsch, Konsul Keh- d i n g 1 ) . Studienrat Prof. Dr. L a k o w i t z, Geh. Sanitätsrat Dr. L i e v i n, Botan. Assistent L u c k s, Prof. Dr. L i n d n e r, Prof. Dr. S c h a n d e r, Kreis- arzt Dr. Speiser, Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Süring, Oberlehrer Dr. Wan ge rin. Allen Gesell enkgebern gebührt der besondere Dank unserer Gesellschaft. l) Herr Konsul K eh ding hat zugleich eine reiche Sammlung-tropischer Früchte, Photo- graphien und Lichtbilder von seinem ehemaligen Aufenthalt auf den Sundainseln eingesandt. Die »Sammlung der Früchte und Reisproben ist dem Provinzialmuseum überwiesen worden. 5* Einen weiteren Bestandteil unserer Büchersammlung bilden zahlreiche wichtige, wissenschaftliche Zeitschriften, die im Lesezimmer regelmäßig zur Einsicht ausgelegt werden. Dazu kommen noch auf Wunsch unserer wissen- schaftlich arbeitenden Mitglieder angekaufte Einzelwerke. Hierbei werden W erke biologischen Inhalts früheren Beschlüssen zufolge bevorzugt, um nach dieser Richtung durch unsere Büchersammlung eine Ergänzung der hiesigen Stadtbibliothek und der Bibliothek der Technischen Hochschule zu schaffen, die beide wiederum andere Wissenszweige bei ihren Neuanschaffungen mehr berücksichtigen . Die für Neuanschaffungen und zur Instandhaltung unserer Büchersamm- lung zur Verfügung stehende Summe von 2000 M jährlich ist recht knapp bemessen und kann aus eigenen Mitteln der Gesellschaft eine Erhöhung in absehbarer Zeit nicht erfahren. Mit g'roßem Dank würden daher Zuwen- dungen zur Vervollständigung unseres Bücherschatzes entgegengenommen wurden, auch Zuwendungen, um «zugleich unser Lesezimmer besser und neu- zeitlich einrichten zu können. Darauf hingewiesen sei noch, daß ein Zeitschriftenlesezirkel besteht, der nach besonderer Anmeldung allen Mitgliedern unentgeltlich zugänglich ist und jetzt mit Beginn des neuen Jahres einen neuen Umlauf nimmt. Die mit der Bibliothek, dem Lesezimmer und dem Lesezirkel verknüpften Arbeiten unterstehen der Aufsicht unseres Bibliothekars, Herrn Studienrat Prof. Dr. Dahms, dem hierfür die Gesellschaft Dank schuldet. Die bisherige Sternwarte auf dem Turm unseres Gebäudes wird seit dem Beginn des Berichtsjahres von der Feuerleitung der Flakgruppe Danzig für ihre Zwecke nicht mehr beansprucht. Die zu Ende 1916 dort oben ab- montierten astronomischen Apparate sind vom Mechaniker der Warte, Herrn Krause, inzwischen neu aufgearbeitet und zusammengestellt worden. Sie harren ihrer weiteren Verwendung, die bald erfolgen kann, da unser Astronom inzwischen aus dem Felde glücklich zurückgekehrt ist. Herrn Dr. von B r u n n beglückwünschen wir zu dieser seiner Heimkehr, zugleich zu dem ihm verliehenen Professortitel. Die seitens der Heeresverwaltung für die Benutzung der oberen Räume bereits gezahlten und noch zu zahlenden Geld- mittel finden ihre Verwendung für die bauliche Instandhaltung unseres Ge- bäudes. Der Neubau der Sternwarte auf dem hohen Gelände zwischen dem Königstaler Weg und der Feldstraße ist immer noch nicht endgültig gesichert, dagegen die Auflassung der bezüglichen Bodenfläche bereits zu Anfang des Berichtsjahres erfolgt. Herrn Fabrikbesitzer Hartmann spricht die Gesell- schaft für die entgegenkommende Abtretung der 4428 qm großen Boden- däche, Herrn Stadtrat Zimmermann, dem Hausverwalter unserer Gesell- schaft, für die Mühewaltung bei der Führung der nunmehr abgeschlossenen Verhandlungen den besten Dank aus. Die Verhandlungen mit der Staats- regierung haben, wie erwähnt, ihren Abschluß leider immer noch nicht gefunden. Der Bauplan der zu errichtenden Warte hat auf Wunsch des Herrn Ministers im Frühsemmer 1918 eine Erweiterung erfahren müssen, insofern als ein ausschließlich den Zwecken der Hochschule dienendes be- sonderes Zimmer neu verlangt wurde. Die dadurch und im Hinblick auf die sonstigen Teuerungsverhältnisse erforderlichen Mehrkosten erbot sich der Herr Dezernent für die preußischen Hochschulen im Staatsministerium, Exzellenz Dr. Naumann, ganz oder zum Teil aus ihm zur Verfügung stehenden Fonds zu übernehmen. Der neue, von Herrn Geh. Baurat Prof. Garsten entworfene Bauplan nebst Kostenanschlag sowie der Vertrags- entwurf sind nach Beratungen der Sternwarte-Kommission im Hochsommer eingereicht worden. Die Antwort hierauf steht noch aus; auch auf eine neuer- liche, denselben Gegenstand betreffende Anfrage aus dem Oberpräsidium vom Anfang Dezember ist hier eine Antwort bislang nicht eingelaufen. Die beiden in der Verwaltung unserer Gesellschaft befindlichen Stif- tungen zur Förderung naturwissenschaftlicher Arbeiten, vornehmlich zur Heimatkunde Westpreußens, die Humboldt-Stift u n g und die Prof. Dr. Bail-Stiftung (letztere wird außerhalb des Haushaltungsplanes der Gesellschaft verwaltet), haben ihre Jahreszinsen satzu ngsgemä ß im Berichts- jahr verteilt. Aus der Humboldt-Stiftung erhielten die Herren stud. math. L i n ge n b erg- Danzig, cand. ehern. T i e d e - Braunschweig und cand. med. 'S e h n e i d e r -Danzig je ein Stipendium von 150 M und die gleiche Summe Herr Prof. Dr. S o lintag zur Fortsetzung seiner geologischen Studien in West- preußen, aus der Prof. Dr. B a i 1 - Stiftung Herr stud. ph.il. Bernhard Bisch off 150 M zu biologischen Studien im Geserichsee. Die Zinsen der V erch sehen Stiftung, gegenwärtig in Höhe von 525 M, werden im Sinne des Stifters nach wie vor zu Anschaffungen für die Bibliothek verwendet. Hinzugetreten ist seit der Stiftungsfeier vom 2. Januar 1918 die aus Beiträgen der Mitglieder, ferner der Provinz Westpreußen, der Stadt Danzig und der Landwirtschaftskammer für Westpreußen hervorgegangene J ubiläums-Stiftung 1918. Die Anregung hierzu gab unser Ehren- mitglied Herr Geh. Studienrat Prof. Dr. Bail. Das Kapital beträgt ein- schließlich einer noch nachträglich von Herrn Prof. Dr. Ruff- Breslau über- wiesenen Einzahlung nunmehr im ganzen 7700 M. Die jährlichen Zinsen, gegenwärtig in Höhe von 375 M. bilden nach dem Vorschläge des Vorstandes und gemäß der Zustimmung der Mitgliederversammlung vom 18. Dezember 1916 im Haushaltungsplan fortan einen besonderen Titel „für wissenschaft- liche Zwecke“, zur Verfügung des V orstandes. Die geschäftlichen Angelegenheiten der Gesellschaft wurden in vier ■außerordentlichen Sitzungen der Mitglieder und drei Sitzungen des Vor- standes durchberaten und erledigt. Tn der Sitzung am 23. Januar 1918 trug der Direktor der Gesellschaft den Jahresbericht für 1917 vor und die Herren Vorsitzenden der Sektionen erstatteten ihre Berichte über die Tätigkeit der Sektionen. In der Sitzung am 3. April 1918 berichteten die Herren Rechnungs- prüfer über die Rechnung und Kasse der Gesellschaft für den Schluß des 7* Jahres 1917. Mit der Entlastung der Kassenverwaltung, die in den Händen, des Herrn Dr. D a m m e liegt, durch die Mitgliederversammlung wurde der Dank an den Schatzmeister und an die Rechnungsprüfer, die Herren Kauf- mann Domansky und Bankier Stein, verbunden. In der Sitzung am 1. Mai erfolgte die schon erwähnte Verleihung der Stipendien aus der Humboldt-Stiftung, in der außerordentlichen Sitzung endlich am 18. Dezem- ber 1918 die Festlegung des Haushaltungsplanes für 1919 nach den Vor- schlägen des Vorstandes, in Höhe von 18 427 M (einschließlich der v. Wolff- schen Stiftung für astronomische Zwecke, der Verchs-chen Stiftung für Bibliothekszwecke und der Jubiläums-Stiftung von .1918 für wissenschaft- liche Zwecke). Darauf ergab die in derselben Sitzung satzungsgemäß vor- genommene Vorstandswahl die folgende unveränderte Zusammensetzung des Vorstandes für 1919: Herr Studienrat Prof. Dr. Lakowitz, Direktor ., Hochschulprofessor Dr. Krüger, Vizedirektor ., Bankdirektor Dr. D a m m e, Schatzmeister ., Prof. Dr. Wallenberg, Schriftführer für die inneren An- gelegenheiten „ Prof. Dr. K u m m, Schriftführer für die äußeren Angelegenheiten ,, Studienrat Prof. Dr. Dali ms, Bibliothekar ., Stadtrat Z i m m e r m a n n. Hausverwalter ,,- Prof. E v e r s t ., Prof. Dr. Petrus chky J Beisitzer ,, Hochschulprofessor Dr. S o m mer | Als Rechnungsführer wurden die Herren Kaufmann Domansky und Bankdirektor Stein wiedergewählt. Zum Schluß dieses Berichtes ist noch die angenehme Pflicht zu erfüllen, der Staatsregierung für die regelmäßige Beisteuer von 500 M zur Unter- haltung der Astronomischen Station, der Provinzialverwaltung für die jähr- liche Zuwendung von 2000 M zu den allgemeinen Aufgaben und im be- sonderen zu der Herausgabe der Druckschriften, endlich der Verwaltung der Stadt Danzig für den jährlichen Beitrag von 300 M ehrerbietigsten Dank namens unserer Gesellschaft abzustatten. Diese Unterstützungen ermöglichen es unserer Gesellschaft, das anzustreben, was wir sein wollen und sein sollen, nämlich ein wirksamer Kulturfaktor in unserem deutschen Osten, mögen daher diese Zuwendungen uns dauernd erhalten bleiben. An dem guten Willen und den redlichen Bemühungen, den in uns gesetzten Erwartungen zu entsprechen, soll es gewiß niemals fehlen. M. H. Eine neue Zeit ist über Nacht hereingebrochen. Urplötzlich stehen wir alle heute in Verhältnissen, die wir gestern noch für unmöglich gehalten haben. Ist es zuviel behauptet, wenn gesagt wird, unsere Existenz ist bedroht durch Einflüsse aus dem Innern wie von außerhalb des Staates, in dem wir leben. Fieberschauer durchbeben den Staatskörper. Wird er aus eigener Kraft * 8' wieder gesunden oder bedarf er äußerer Hilfe dazu? Was die Zukunft, selbst die nahe Zukunft bringen wird, läßt sich auch zum geringsten nicht Voraus- sagen. Was tun in solcher Not, Ungewißheit, Unsicherheit? Das Falscheste wäre es, zu klagen, zu beschuldigen, uferloser Trostlosigkeit Raum zu geben. Nicht den Mut verlieren, heißt jetzt die Losung, den Kopf hochhalten, jeg- licher Gefahr klaren Blickes entgegenschauen. 'Vor allem muß ein jeder unentwegt auf dem Platze ausharren, wohin Beruf und Pflicht ihn gestellt haben und dort seine Anstrengungen gegen früher verdoppeln. Das gilt vom Einzelnen, das gleiche gilt aber auch von einer Vereinigung von Männern wie der unserigen. Unsere Gesellschaft hat in ihrem langen Leben von nun- mehr 176 Jahren bereits böse, sehr böse Zeiten politischen und wirtschaft- lichen Niederganges durchgemacht. Jedesmal hat sie die Probe bestanden, hoffen wir für uns selbst, für die uns lieb gewordene Naturforschende Gesell- schaft, daß auch die bevorstehende harte Probe glücklich überstanden werde. Das walte Gott! 10* Bericht über die Ordentlichen Sitzungen der Gesellschaft im Jahre 1918. 1. Sitzung am 2 . Januar 1918. Festsitzung aus Anlaß des 175jährigen Bestehens der am 2. Januar 174B gegründeten G esellschaf t * ) . Der Direktor, Herr Professor Dr. Lako w i t z, eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, insbesondere aucli die zahlreichen Gäste, spricht sein Bedauern aus, daß Herr Geh. Studienrat Professor Dr. Bail leider am Erscheinen verhindert ist, und schlägt vor, ihm ein Begrüßungstelegramm zu senden. Er gibt darauf einen kurzen Überblick über die Geschichte der Gesellschaft. Darauf hält Herr Prof. Dr. Sommer einen Vortrag: „Der Anteil der verschiedenen Kulturvölker an der Entwickelung der Mathematik“. (Als selbständiger Aufsatz veröffentlicht in Band XIV Heft 4 [ S. 48 — 66] der „Schriften“ 1918.) Der Direktor dankt Herrn Prof. Sommer für seine geistvollen Aus- rührungen im Namen der Gesellschaft. Es folgt dann die Darbringung von Glückwünschen: Der Ob.er Präsident von Westpreußen, Exzellenz v o n J a g o w , als erster Beamter der Provinz W e s t p r e u ß e n und als Vorsitzender des Westpreußischen Provinzialschul- kollegiums, beglückwünscht die Gesellschaft und spricht die Hoffnung auf Verwirklichung der Wünsche bezüglich der Sternwarte aus. Herr L a ndes hauptmann S e n f f t von Pils a c h bringt seine Glückwünsche im Namen der Westpreußischen Provinzial- verwaltung dar und teilt gleichzeitig mit, daß der Provinzialausschuß der Gesellschaft 1000 M überwiesen hat. *) Vergleiche den ausführlichen Bericht des Direktors der Gesellschaft, Herrn Prof JLakowitz, im XIV. Band 4. Heft N. F. der Schriften der Gesellschaft. l* 11* Herr Oberbürgermeister S c h o 1 1 z spricht im Namen der S t a d t I) a n z i g und macht die Mitteilung, daß die städtischen Körperschaften 1000 M der Gesellschaft überwiesen haben. Der Oberwerftdi r ekto r Herr K onte r a d m i r a 1 Holl w e g übermittelt die Glückwünsche der Marine. Seine M a g n i f i z e n z der Rektor de r T echnisc h e n H o c h- schule i n Danzig, Ge h eimrat P rof essor D r. Schillid g, spricht im Namen der Technischen Hochschule. Generalsekretär der Westpreußischen Landwirtschaftskammer Herr Dr. S t e i m m i g , im Namen der West p reußis c h e n L a n d Wirtschaft s- k a m m e r sprechend, teilt mit, daß auch die Westpreußische Landwirt- schaftskammer der Gesellschaft 1000 M zur Feier des 175jährigen Stiftungs- festes überwiesen hat. Herr Bürgermeister D r. Bail dankt für die freundlichen Worte, die der Direktor der Gesellschaft seinem Vater gewidmet hat und teilt mit, daß die von seinem Vater, Herrn Geh. Studienrat Prof. Dr. Bail zur Feier des Stiftungsfestes angeregte Stiftung bereits die Summe von 4200 M erreicht hat. Herr Dozent Oberlehrer Dr. Wangerin spricht im Namen der Kaiserlich L e o p o 1 d i n i s c h - K a r o 1 i n i s c h e n Akademie in Halle und teilt mit, daß die Akademie den Direktor der Gesell- schaft, P r o f e s s o r D r. Lakowitz, zu ihrem Mitgliede ernannt hat. Geheimer Regierungsrat Prof. D r. von Mangold überbringt die Glii ck wünsche der Mathematischen Gesellschaft zuHamb u r g, Prof. D r. S e 1 i g o spricht im Aufträge des Präsidenten der K ö n i g 1 i c. h Geologischen Landesanstalt in B e r 1 i n, Geheimer B a u r a t Wilhelms im Namen des Deutschen See- fis c h e r e i - V ereins, Professor Dr. Seligo für den Deutschen Fischerei-Verein und den West preußischen Fischerei - V e r e i n. Es folgten noch die Glückwünsche des Westpreußischen Bezirksvereins Deutscher Ingenieure durch Herrn Professor Sch ultze-Pillot, der Altertumsgesellschaft Graudenz durch Herrn Professor Dr. G li n t h e r, des Danziger Allgemeinen Gewerbevereins durch Herrn Stadtschulrat Dr. Damus, des WTestpreußischen Botanisch-Zoologischen Vereins durch Herrn Prof. Dr. B o c k w o 1 d t. Der Direktor spricht jedem einzelnen der Herren den herzlichen Dank der Gesellschaft aus und legt ein Schreiben des Herrn Geheimrat Bail vor mit aufrichtigen Glückwünschen zum Stiftungsfest. Anschließend teilt der Sekretär für äußere Angelegenheiten der Gesellschaft, Herr Prof. Dr. Kumm, mit, daß über 150 telegraphische und briefliche Glückwünsche eingelaufen sind und \ 2* 12* verliest ein Telegramm des Kultusministers E x z. von Schmidt und des Minister i a 1 d i r e k t o r s E x z. von N a u m a n n. Auch vom Auslande her sind fast aus allen in Betracht kommenden Staaten Glückwünsche eingelaufen. Herr Prof. Kumm legt ein Diplom vor, das die S enckenb er gische N aturf orschende Gesellschaft in F r ankfurt a. Main der Gesellschaft gewidmet hat und teilt zugleich mit, daß Herr Direktor D r. L a. k o w i t z z u m K o r*r espondiere n d e n M itgliede ernannt worden ist. Der Direktor dankt für diese ehrenvolle Ernennung. Es werden noch einige durch Herrn Kaufmann St oh he der Gesellschaft dedi zierte Bilder vorgelegl. Es folgt die Verkündigung von E r n e n n u n g e n zu E hrenmitgli e~ dern und Korrespondierenden Mitgliedern anläßlich des Stif- tungsfestes. Zu E h r e n m i t g 1 i e d e r n werden ernannt : 1. Der Oherpräsident von W e st p reußen Ex z. v o n J a g o w-Danzig. 2. der Staats m i n i s t e r E x z. v o n D e 1 h r ii c k - Jena, 3. d e r G e n e r a 1 f e 1 d m a r s c li all von M a e k ense n. Zu K o r r e 's p o n d ierenden Mitglieder n werden ernannt: 1. Herr Professor Dr. J. B ö h m - Berlin, Museum für Naturkunde, 2. Herr Professor Dr. Z e n n e c k - München, Technische Hochschule, 3. Herr Geheim rat Prof. Dr. A hd er h al d en - Halle, Physiologisches^ Institut, 4 Herr Professor Dr. R u f f - Breslau, Technische Hochschule. Der Direktor überreicht Exzellenz von J a go w das Ehrendiploni. Exzellenz von Jagow spricht seinen Dank aus. Der Direktor schließt die* Sitzung. Es folgt eine Nachsitzung im Ratskeller. 2. Sitzung am 23. Januar 1918. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden und legt den Jahresbericht für das Jahr 1917 sowie die Einzelberichte der Sektionen vor. Der Direktor weist auf ein von Sr. Exzellenz Haeckel der Gesell- schaft gewidmetes Werk ,, Kristallseelen4' hin, ferner legt er ein Werk des Herrn Dozenten Dr. Wangerin ,. Beiträge zur Kenntnis der Vegetations- Verhältnisse der Moore Westpreußens, II. .Teil“ vor, das Herr Dr. Wangerin der Gesellschaft zum Geschenk gemacht hat. Darauf hält Herr Dozent Dr. Wangerin einen Vortrag über „Der Generationswechsel im Tier- und Pflanzenreich^. 3* Ausgehend von dem Gegensätze zwischen geschlechtlicher und ungeschlechtlicher Fortpflanzung bei Tieren und von einer kurzen Schilderung der mannigfachen Art und Weise, wie beide Fortpflanzungsmodi in niederen Abteilungen des Tierreiches nebeneinander Vorkommen, gab Vortragender zunächst einen Überblick über jene Erscheinungen, die auf zoologischem Gebiete seit den Entdeckungen von C li a m i s s o und Steenstrup unter der Bezeichnung: Generationswechsel zusammengefaßt werden, der Metagenesis oder des progressiven Generationswechsels (regelmäßiger Wechsel zwischen einer geschlechtlich und einer ungeschlechtlich sich vermehrenden Generation, Beispiel: Polypen und Quallen, Salpen) einerseits und der Heterogonie oder des regressiven Generationswechsels (Wechsel zwischen parthenogenetisch sich vermehrenden und durch befruchtungsbedürftige Eier sich fortpflanzenden Genera- tionen, Beispiel: Blattläuse, Daphniden) andererseits. Im Anschluß daran wurden an ausgewählten Beispielen (Moose, homospore und heterospore Farnpflanzen, Gymno- spermen und Angiospermen) die Verhältnisse des Pflanzenreichs erörtert, die seit den bahnbrechenden und grundlegenden Untersuchungen FI o f m e i s t er s als Gene- rationswechsel bezeichnet werden und bei denen ebenfalls das regelmäßige Alter- nieren einer geschlechtlich (Gametophyt) und einer ungeschlechtlich durch Sporen (Sporophyt) sich vermehrenden Generation das wesentliche Moment bildet, so daß eine deutliche Parallele zu der Erscheinung der Metagenesis im Tierreich hervortritt und ein Unterschied zunächst nur darin gegeben ist, daß der pflanzliche Organismus dabei zweimal den einzelligen Zustand, den Zustand der Keimzelle, durchläuft, während bei der ungeschlechtlichen Vermehrung der Tiere ein ganzer Komplex von Körperzellen bei der Bildung des neuen Individuums beteiligt ist. Durch die zvto- logische Forschung der letzten Jahrzehnte hat sich nun aber eine Vertiefung unseres Einblickes in das Wesen des pflanzlichen Generationswechsels und infolgedessen auch eine teilweise Verschiebung der Begriffsbildung vollzogen, indem sich, wie Vor- tragender näher ausführte, gezeigt hat, daß bei den beiden Übergängen von einer Generation zur anderen auch die Struktur der Zelle (Reduktionsteilung bei der Bildung der Sporen, daher der Gametophyt mit hoploiden, der Sporophyt mit diploiden Kernen ausgestattet) in tiefgreifender Weise verändert wird. Es erscheint aber nicht angängig, wie es seitens rein zytologisch orientierter Forscher geschehen ist, das Wesen des Hofmeister sehen Generationswechsels als nur in dem Wechsel des Kernzustandes gelegen zu betrachten und daraufhin alle pflanzlichen Organismen, die überhaupt eine geschlechtliche Fortpflanzung besitzen, durch die der Kernphasenwechsel not- wendig bedingt ist, einem Generationswechsel zuzuschreiben. Gewichtige Gründe gegen eine solche Überschätzung des Kernphasenwechsels ergeben sich sowohl bei dem von mancher Seite gemachten Versuch, den in dieser Weise gefaßten Gene- rationswechselbegriff auf das Tierreich zu übertragen, als auch insbesondere aus den Ergebnissen der neueren Untersuchungen über die Fortpflanzungsverhältnisse bei verschiedenen Gruppen der Algen und Pilze. Aus den diesbezüglichen Beispielen, die Vortragender näher erläuterte, ergibt sich vielmehr die Folgerung, daß wir mit B u d e r am zweckmäßigsten drei begrifflich streng geschiedene Rhythmen unter- scheiden, nämlich Generationswechsel (gesetzmäßige Folge verschiedener Generationen mit verschiedener Fortpflanzungsweise), Kernphasenwechsel (bedingt durch Befruch- tung und Reduktionsteilung) und Gestaltwechsel (Zerlegung des Entwicklungsganges in mehrere, morphologisch wesentlich verschiedene Abschnitte). Die für die Arche- goniaten charakteristische Eigentümlichkeit besteht dann in der gleichsinnigen, engen Verknüpfung dieser drei Rhythmen, die aber bei anderen Gruppen auch teils allein, teils in mannigfacher anderer Kombination entgegentreten. Der Direktor dankt dem Vortragenden für seine interessanten und an- regenden Ausführungen und schließt die Sitzung. 4 14* 3. Sitzung: am 6. Februar 1918. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, insbesondere die neu eingetretenen Mitglieder und den Vortragenden des Abends, Herrn Militärzahnarzt Ne u ma n n - Berlin, Leiter der Zahn- und Kieferstation des Festungslazaretts Danzig. Dieser hält einen Vortrag über „Die Entwickelung der zahnärztlichen Wissenschaft und ihre Bedeutung für die Gegenwart“ mit Vorführung von Lichtbildern, Zeichnungen und Modellen. Die Entwickelung der Zahnheilkunde reicht bis ins Altertum zurück. Die Ägypter kannten bereits Zahnkrankheiten und deren Behandlung. In der Gesetz- gebung Moses finden wir Aufzeichnungen, aus denen hervorgeht, daß die Hebräer den Wert eines vollständigen Gebisses sehr hoch einschätzten. Die Zahnheilkunde gewann in Griechenland im 5. Jahrhundert v. Chr. durch Hippokrates große Bedeutung. Zur Zeit der Römer haben sich besonders C e 1 s u s und Galen große Verdienste um die Zahnheilkunde erworben. Im Mittelalter haben die Araber die weitere Entwickelung der Zahnheilkunde sehr gefördert, besonders A b u 1 k a s e m. Zu dieser Zeit (etwa Mitte des 10. Jahrhunderts) stand die Zahnheilkunde auf einer verhältnismäßig hohen Stufe. Die Fortschritte im Mittelalter bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts anzuführen, würde im Rahmen dieses Vortrages zu weit führen. Es sei nur erwähnt, daß im Anfänge des 18. Jahrhunderts die Zahnheilkunde in Frank- reich, England und besonders Amerika sich immer mehr zur selbständigen Wissen- schaft ausgebildet hat. Am Ende des 18. Jahrhunderts ist die zahnärztliche Wissen- schaft besonders in Deutschland zu hoher Blüte gelangt. Die Bedeutung der Zahnheilkunde in der Gegenwart ist leider im Volk in allen, auch in gebildeten Kreisen, sehr wenig bekannt, sowohl die wissenschaftliche Bedeu- tung der Zahnheilkunde als auch ihre Bedeutung für die Volksgesundheit. Nicht mehr roher Empirismus darf heute die Zahnheilkunde beherrschen, heute ist die Zahnheilkunde eine Wissenschaft, die fest verankert ist in Naturwissenschaft und Medizin. „Zahnarzt sein“ heißt nicht mehr — wie im Volke allgemein geglaubt wird — einen Zahn ziehen, einen Zahn füllen („Plombieren“!) und ein künstliches Ersatzstück anfertigen, sondern der wissenschaftlich gebildete Zahn- arzt muß genau so wie der Arzt Ursache und Wesen der Erkran- kungen kennen, um dann entsprechende Therapie e i n 1 e i t e n zu können, wozu das Studium der Anatomie, Pathologie, Physio- logie, Arzneimittellehre, Bakteriologie, Chemie ihn befähigt. Ganz besonders muß betont werden, daß die laienhafte Ansicht, zahnärztliche Technik sei eine rein mechanische Arbeit, auf großem Irrtum beruht. Zahnärztliche Technik, wozu im engeren Sinne die Orthodontie, die Kronen- und Brückenarbeiten, Obtura- toren, insbesondere die chirurgische Prothese gehören, verlangt genaueste Kenntnis der Anatomie, Physiologie, Biologie, Chemie, Physik und Metallurgie. Neben der wissenschaftlichen Bedeutung der Zahnheiikunde muß die Bedeutung der Zahnheilkunde für die Volksgesundheit ganz besonders betont werden. Eine der Hauptaufgaben der zahnärztlichen Wissenschaft ist die Bekämpfung der Caries und Behandlung der Erkrankungen der Mundschleimhaut und der Kiefer. Von frühester Jugend muß zahnärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden, d. h. vom zweiten Jahre an, sobald das Milchzahngebiß vorhanden ist. Durch geordnete Zahn- und Mundpflege muß all den Erkrankungen vorgebeugt werden, die durch ein mangel- haftes Gebiß mitbedingt sein können, z. B. alle Magen- und Darmkrankheiten. Es muß der Übertragung von verschiedenen Infektionskrankheiten (Tuberkulose) durch 15* den Zahnarzt vorgebeugt werden durch sachgemäße Behandlung kariöser Zähne* und des Mundes überhaupt. Der Zahnarzt sollte überall zur Bekämpfung der Zahn- krankheiten amtlich herangezogen werden, in erster Linie zur Behandlung der Zahnkrankheiten während der Schulzeit, beim Heere und in den Krankenhäusern. Durch Errichtung einer Schulzahnklinik könnte sich auch Danzig ebenso wie viele' andere Städte ein großes Verdienst um die Volksgesundheit erwerben. Die größte Bedeutung aber hat in diesem Krieg die zahnärztliche Hilfe bei Kieferverletziungen gewonnen. Die deutsche Wissenschaft darf sich rühmen, gerade dieses Gebiet zu einer ganz bedeutenden Höhe geführt zu haben. Die mannigfachen Verletzungen der Kiefer und der sie umgebenden Weichteile und angrenzenden Knochenteile stellten die Zahnheilkunde vor die schwierigsten Aufgaben. In ästheti- scher und vor allem funktioneller Hinsicht werden durch zahnärztliche Behandlung allein und durch zahnärztliche Behandlung in Verbindung mit der des Chirurgen Resultate erzielt, die man vor dem Kriege für unmöglich gehalten hätte. Der Direktor dankt dem Vortragenden für seine lehrreichen Mitteilungen und schließt die Sitzung. 4. Sitzung am 6. März 1918. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, insbesondere den Vortragenden des Abends, Herrn Professor B r a u n - Deutsch Eylau, legt ferner ein Dankschreiben des Geheimrats Professor H a e c k e 1 - Jena für den Glückwunsch der Gesellschaft zu seinem 84. Geburtstage vor. Es wird be- schlossen, das Schreiben in den Schriften der Gesellschaft zu veröffentlichen. Es werden dann vom Direktor die eingegangenen Dankschreiben auf die in der ersten Sitzung erfolgten Ernennungen vorgelesen, außerdem eine Anzahl von Schriften vorgelegt, die Herr Professor Brau n der Gesellschaft über- mittelt hat, und Photographien vom letzten Eisgang bei Graudenz. Herr Landesrat F 1 e b b e macht aufmerksam auf „Astronomische Stereoskopen-Bilder“ von Professor W o 1 f f - Heidelberg, die vielleicht von der Gesellschaft anzu- schaffen wären. Darauf hält Herr Professor B r a u n - Deutsch Eylau einen Vortrag über „Die geographischen Grundlagen der westpreussischen Landschaftsbilder“. Als selbständiger Aufsatz veröffentlicht in Band XIV, Heft 4 (S. 102 bis 123) der Schriften 1918. An den Vortrag schließt sich eine lebhafte Aussprache. Der Direktor dankt dem Vortragenden für seine interessanten Ausführungen und macht auf die nächsten Vorträge aufmerksam (20. März „Land und Leute in Polen“ Dr. F r i e d*r i c h s e n, 3. April in der nächsten ordentlichen Sitzung „West- preußens Kultur vor 4000 Jahren“ Prof. Dr. Kumm) und schließt die Sitzung. 5. Sitzung am 3. April 1918. Herr Stadtrat Zimmer mann eröffnet in Vertretung des erkrankten Direktors die Sitzung, begrüßt die Anwesenden und teilt eine Einladung der fc* 16* Prüfungsstelle für Ersatzglieder Abteilung Danzig zu einem Yortrage des Herrn Professor Dr. Sauerbruch über ,, Die willkürlich bewegbare künst- liche Hand“ mit, der am 5. April stattfindet. Darauf hält Professor AV alienberg einen V ortrag über „Ludwig Edinger und sein Werk“ mit Demonstration von Zeichnungen und Lichtbildern. Der Vortragende zeichnete in knappen Zügen das Lebensbild des am 26. Januar d. Js. gestorbenen großen Frankfurter Neurologen, der erst kürzlich zum Korrespon- dierenden Mitglied der Gesellschaft ernannt worden war, schilderte seine großen Ver- dienste um die Nervenheilkunde (besonders durch Aufstellung seiner „Ersatz“- oder ,,Aufbrauch“-Theorie), um die normale und vergleichende Anatomie des Zentral- nervensystems und um die vergleichende Psychologie der Wirbeltiere, ging dann näher ein auf sein Lehrbuch und das von ihm gegründete Neurologische Institut, in dem ein großer Teil der deutschen Arbeiten über die vergleichende Hirnanatomie entstanden ist, und widmete ihm herzliche AVorte dankbarer Erinnerung als Lehrer, -als Mensch und als Freund. Daun hält Herr Professor Dr. Selig o einen Vortrag: ,.Der Seehundsfang in der Danziger Bucht und über einige niedere Organismen in der Danziger Bucht“ mit Demonstration von Lichtbildern und Präparaten. Zu den schwersten Schädigungen der Meeresfischerei gehören die Räubereien der Robben, besonders auch in der Danziger Bucht, wohin der zeitweise starke Fisch- fang offenbar Hunderte dieser Tiere lockt, welche die Fische aus den Fanggeräten fressen. Seit 1912 bezahlt der Westpreußische Fischereiverein für jede erlegte Robbe eine Prämie, und danach kann man ein Bild von der Verteilung der Robben erhalten. Früher wurden zahlreiche Robben an der Weichselmündung erlegt, meist im flachen Wasser oder auf dem Lande erschlagen. Jetzt wird der größte Teil der prämiierten Robben in der Tiefe der See mit dem sogen. Seehundsnetz erbeutet, indem die Robben in eine Art weit- und starkmaschigen Sackes gelockt werden, wo sie ersticken. In •der Bucht kommt überwiegend die große, bis 5 z schwere Kegelrobbe oder der Grau- hund vor, viel seltener der gewöhnliche Seehund, der nur 1—114 z schwer wird. In den Nasenschleimhäuten der Kegelrobbe kommt, wie anderwärts, auch bei uns eine Milbe vor, wahrscheinlich Halarachne halichoeri Allen. Die Tierwelt der Danziger Bucht hat überwiegend marinen Charakter, Süßwasserformen kommen in ihr verhältnismäßig nur wenige vor. Das Ozeanwasser ist fünfmal so salzreich als das Ostseewasser, aber dieses enthält immerhin noch etwa siebenmal mehr Salz als das Süßwasser. Unter Tieren der Bucht finden sich sowohl solche Arten, die weit- gehender Anpassung an verschiedenen Salzgehalt fähig sind — euryhale Tiere — . wie Arten, welche nur bei einem bestimmten Salzgehalt leben können — - stenohale Formen. Unter den Euryhalen nehmen einige bei verändertem Salzgehalt an Größe ab, namentlich Mollusken, z. B. die Miesmuschel, die Herzmuschel, auch die kleine Lunnaea ovata des Süßwassers gehört dahin, da sie im Salzwasser viel kleiner bleibt als im Süß wasser, dabei kommt sie in der Bucht sowohl wie im Hafen ungemein häufig vor. Die meisten Euryhalen werden aber in ihrem Größenwahstum nicht wesentlich benachteiligt, so die Krabben und andere Krebsarten. Besonders bemerkenswerte Tiere unserer Bucht sind die Seepockenkrebse. Ein röhrenbewohnen- der Borstenwurm von nur 2 — 3 mm Größe, Amphicora Fa.br icii, ist im nördlichen Teil der Bucht sehr häufig: sie ist bis jetzt vornehmlich an den englischen und 7* 17* * skandinavischen Küsten und bei Sizilien beobachtet. Unter den Krebsen ist die gemeinste Art ein Gammarus , der aber nicht, wie man annahm, G. locusta ist,- sondern •einer neuaufgestellten Art, G. zaddachi, zuzurechnen ist. Von Interesse ist ferner, daß das im Schlamm lebende Corophium grossipes im Brakwasser auch bei uns einen Verwandten hat, der in selbstgebildeten Röhren an freischwebendem Kraut lebt; eine dritte Art, Cor. devium, ist in dem Weichselstrom häufig; sie stammt vermutlich .aus dem Schwarzen Meer. An den Vortrag schließt sich eine interessante Aussprache. Herr Stadtrat Zimmermann dankt den Vortragenden und schließt die Sitzung. 6. Sitzung am 17. April 1918. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, insbesondere 4ie neu eingetretenen Mitglieder und die Gäste, legt ein neues Heft der Schriften der Gesellschaft vor, macht Mitteilung über einen Vortrag des Professor Fr an cd, der von der „Mikrologischen Gesellschaft“ veranstaltet wird. Darauf hält Herr Professor Dr. Kumm einen Vortrag über „Westpreussens Kultur vor viertausend Jahren“ mit Lichtbildern. Aus der frühesten Zeit der Menschheit, der Steinzeit, sind in Westpreußen reichliche Funde gemacht worden, die uns ein Bild geben von der Kultur, die um diese Zeit, die etwa vor das Jahr 2000 v. Ch. zu setzen ist, geherrscht haben mag. Redner ließ die reichlichen Fundobjekte in Lichtbildern zu den Anwesenden sprechen. Man konnte bei den Werkzeugen und Waffen des damaligen Menschen sehen, wie •die Entwickelung weiter fortgeschritten ist. Die Bilder zeigten die primitivsten, aus •Stein gefertigten Beile, Hämmer und Äxte, die nur ganz roh zugehauen waren, bis zu den sorgfältig zugehauenen, geschliffenen und polierten Steinwerkzeugen in durch- aus gefälligen Formen. Daß der Mensch dieser Zeit auch ein gewisses Schönheits- gefühl besessen haben muß, geht aus der großen Menge von gefundenen Töpfergegen- ständen hervor. Hier gibt es fast kein Stück, das nicht irgendwie Verzierung auf- weist, die meistenteils aus einem Strich-, Punkt- oder Bindfadenornament bestehen. -Ja selbst direkt aus Bernstein kunstvoll gearbeitete Schmuckstücke hat man auf- . gefunden. Redner schloß mit dem Hinweise, daß aus diesen Fundobjekten her- vorgeht, daß man wohl berechtigt ist, von einer Kultur in der damaligen Zeit zu sprechen. — - Die zahlreichen Anwesenden folgten den Ausführungen des Vortragen- den mit großem Interesse. Der Direktor dankt dem Vortragenden für seine interessanten Aus- führungen und schließt die Sitzung. 7. Sitzung am 1. Mai 1918. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, insbesondere die neu eingetretenen Mitglieder und den Vortragenden des Abends, legt außer dem neuesten Heft der Schriften der Gesellschaft andere eben er- schienene Arbeiten des Herrn Prof. Braun- Dt. Eylau, Dr. La Baume- Danzig, Konteradmiral von H o 1 1 w e g - Danzig vor und berichtet über eine Einladung zu einem Vortrage von Herrn Prof. Dietrich Schäfer (4. Mai). Darauf hält Herr Geheimer Baurat Prof. Ehlers einen Vortrag über ,,Die Schiifahrtsstrassen durch die westpreussischen Seen“. Sehr. d. N. G. zu Danzig. Bd XV, Heft 1. 8* 2 Geheimrat E h 1 e rs wies eingangs darauf hin, wie seenreiche Länder glücklich zu schätzen sind gegenüber solchen, die zur Nutzbarmachung ihrer Wasserkräfte große Kosten auf sich nehmen und großen Gefahren wirksam begegnen müssen, die in Talsperren sich solche Seen erst künstlich schaffen müssen. Ost- und Westpreußen ist in dieser Beziehung besonders begünstigt, weil seine Seen nahe der Niederung mit einem leicht ausnutzbaren Gefälle von über 100 m ihresgleichen in Deutschland kaum haben. Diese Seen sind nicht nur eine von der Natur umsonst dargebotene Aufspeiche- rung von Wasser, sondern sind direkt als Teilstück von Kanälen nutzbar zu machen. Sie ermöglichen leichte Anlagen von Umladeplätzen, geben Gelände für Fabriken und entlasten damit die großen Städte; die Fabriken können ihre Arbeiter dort in wirt- schaftlicher, sozialer und moralischer Beziehung wesentlich günstiger unterbringen und sie der landwirtschaftlichen Betätigung näherbringen. Nach einem kurzen Rückblick auf das, was Friedrich der Große im masurischen Seengebiet mit Kanälen begann und anstrebte, und auf die sonst schon bestehenden Kanäle, so den des oberländischen Seengebietes mit seinen bekannten, geneigten Ebenen, ging er des näheren auf das Ostkanal-Projekt ein, den der „Weichselschiff- fahrtsverein“ anstrebt. Er soll, von Thorn ab in einem zunächst ungefähr der Drewenz parallel laufenden, neuzugrabenden Bette (die Drewenz selbst zu benutzen ist nicht ratsam, weil sie mindestens ebensoviel Erdbewegung, außerdem aber zwanzig Schleusen gegen vier der neuen Strecke erfordert) in die Gegend von Dt. Eylau führen, dann unter Benutzung der Seenkette nach Liebemühl- — Osterode zur Alle, wo eine 17 m hohe Stauung einen See bis dicht an Allenstein und auch landschaftliche Werte schafft,, dann südlich Orteisburg zum Niedersee und von dort über den Spirdingsee bis Augu- stow, von wo ein Kanal schon zur Memel führt. Der Kanal soll für mindestens 600-t-Schiffe ausgeführt und für 1000-t-Schiffe erweiterungsfähig sein. Der Redner- verbreitete sich insbesondere über die Wasserverwertung, die in Kraftwerken und Be- wässerungsanlagen nutzbar zu machen ist, und zeigte, welche wirtschaftlichen Per- spektiven sich durch Schaffung von Seitenlinien, die benachbarte Seen erschließen/ eröffnen lassen. Entsprechend dem neuen Kanal, für den der Osten alle Veranlassung habe, an den maßgebenden Stellen einzutreten, müßten natürlich die schon bestehen- den Kanäle, so der oberländische, der für Elbing und Danzig das Anschlußstück bildet,, für gleichtiefgehende Schiffe ausgebaut werden. Neben diesen wirtschaftlichen Fragen zeigte der Redner in Wort und Bild, welche landschaftlichen, bisher der Bereisung nur schwer zugänglichen Reize damit er- schlossen werden, ohne daß zu befürchten ist, daß das Landschaftsbild durch das Ein dringen der Menschen irgendwie beeinträchtigt wird. An den Vortrag schließt sich eine interessante Aussprache. Der Direktor spricht dem Vortragenden den Dank der Gesellschaft aus. Darauf hält der Direktor Prof. Dr. Lakowitz einen Vortrag über „Das Studium westpreussischer Binnenseen* mit Lichtbildern. Der Vortrag ist vollständig abgedruckt in Band XV, Lieft 1, S. 86 — 92. Der Direktor schließt die Sitzung. 8. Sitzung am 16. Oktober 1918. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden und hofft, daß die winterliche Tätigkeit die Erwartung befriedigen wird. Er weist darauf hin, daß der Oberbürgermeister von Danzig, Heinrich Schölt z, ge- storben ist, der ein eifriges Mitglied war und seitens der Stadt einen jähr- 9* 19* liehen Beitrag der Gesellschaft zugewendet, auch für die Sternwarte eine eifrige Tätigkeit entfaltet hat. Sein Hinscheiden bedeutet einen großen Ver- lust für die Gesellschaft. Die Anwesenden erheben sich zu seinem Andenken. Der Direktor teilt mit, daß Herr Generallandschaftssekretär S c h m e c h e i sein fünfzigjähriges Jubiläum als Mitglied der Gesellschaft feiert und daß dem Polizeipräsidenten Herrn Wessel anläßlich seiner goldenen Hochzeit die Glückwünsche der Gesellschaft übermittelt sind. Der Direktor weist ferner auf die Prof. Rößler sehen Vorträge hin und auf eine Ausstellung javanischer Pflanzen mit Lichtbildern, hergesandt von Herrn Konsul Keh- d i n g - Dresden, der lange Jahre in Java tätig war. Es wird vom Direktor das 4. Heft des 14. Bandes der Schriften der Gesellschaft vorgelegt, das recht kostspielig geworden ist. Der Direktor begrüßt den Vortragenden des Abends, Herrn Geheimrat S ü rin g- Berlin. Dieser hält einen Vortrag: „Der Einfluss der höchsten Luftschichten auf das Wetter “ der durch Lichtbilder erläutert wird. Die Aeronautik mit unbemannten Registrierballonen hat eine neue Wissenschaft, die Aerologie, gezeitigt und Kenntnisse über die Wettereinflüsse der höchsten Luft- schichten angebahnt. Es hat sich gezeigt, daß in einer Höhe, die zwischen 11 und 16 km über dem Erdboden schwankt, eine scharfe Schichtung der Luftverhältnisse erkennbar ist, derart, daß in der darüberliegenden Schicht, der Stratosphäre, ein Strahlungsgleichgewicht und ziemlich feststehende Temperatur besteht, während in der Erdschicht bis zu der Höhe, der Troposphäre, die Temperatur mit jedem Kilometer Höhe um 6 bis 7° C. abnimmt. Da in den Tropen die Troposphäre wesentlich höher reicht, als in unserer gemäßigten Zone, ist die obere Grenze dort um rund 20° kälter als bei uns, weshalb hochgehende Luftströme von Süden her Kälte bringen. Der Redner knüpfte an die allgemeinen Betrachtungen wissenschaftliche Darlegungen, die ins- besondere die Kälteeinbrüche von obenher in Betracht zogen, und verwertete für praktische Witterungsbeobachtungen insbesondere die photogrammetrische Beobach- tung von Wolkenbildungen nach ähnlichen Methoden, die unser Danziger Dr. Ivayser bereits verwandte. Sie lassen bei günstigen Verhältnissen die Kälte- einbrüche von obenher unmittelbar erkennen. Herr Prof. Sommer stellt einige Anfragen an Jen Vortragenden, des- gleichen Herr Prof. Lakowitz. Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. 9. Sitzung am 6. November 1918. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, besonders die neu eingetretenen Mitglieder und den Vortragenden des Abends, Herrn Bibliotheksdirektor Dr. Acke r k n e c h t - Stettin, legt neu eingegangene Literatur vor (Prof. Petrusch ky „Weitere Erfahrungen über spezifische Percutanbehandlung“, Dr. Geiser „Die Großstadtsiedlung Danzig“), teilt mit, daß er Sr. Exzellenz Herrn Oberpräsidenten von Jagow einen Glück- wunsch der Gesellschaft zu seinem 65. Geburtstag gesandt habe und legt das eingegangene Dankschreiben vor. Der Direktor weist ferner auf die Vorträge der nächsten Wochen hin. io* 2* 20* Darauf hält Herr Bibliotheksdirektor Dr. Acker kneclit - Stettin einen Tortrag über „Das Lichtspiel im Dienste der Naturkunde“ mit Vorführung von Musterfilms. Um den Wert des Lichtspiels für die Naturkunde übersehen zu können, muß als leitender Gesichtspunkt die Tatsache ins Auge gefaßt werden, daß das Lichtspiel vor allen anderen Mitteln photographischer Wiedergabe die Darstellung der Bewegung voraus hat. Außerdem aber bietet der Lichtspielapparat einzigartige Möglichkeiten, das Tempo wirklicher Bewegungsvorgänge (durch Zusammenziehung oder Zerdeh nung) umzugestaiten und so Bewegungen unserem Auge zugänglich zu machen, die wir sonst, da sie zu langsam sind, nicht sehen oder — da sie zu schnell sind, nicht mehr sehen; wozu schließlich noch die graphische Darbietung von Bewegungsvorgängen, also sozusagen die künstliche Erzeugung von Bewegungsbildern hinzukommt. So ist der naturwissenschaftlichen Forschung und Belehrung schon im Gebiete der anorga- nischen Welt in Gestalt laufbildlicher Wiedergabe chemisch-physikalischer Prozesse, noch mehr aber im Gebiete der organischen in Gestalt von „Lebensurkunden“ pflanzen-, tier- und menschenkundlicher Art ein reicher Zuwachs von Anschauungsmaterial sicher, vorausgesetzt, daß es den Bemühungen lichtspielreformerischer Organisationen, insbesondere dem von Stettin ausgegangenen „Bilderbühnenbunde deutscher Städte“ gelingt, die deutschen Filmerzeuger durch Weckung und Zusammenfassung der Nach- frage nach solcher Qualitätsware zu ihrer Herstellung anzuregen. An einer Reihe von Beispielen (Wachsen von Kristallen und Pflanzen, dreißig- fach zerdehnte Sprungbewegungen von Tieren und Menschen, lebende Landkarten, mikroskopische Laufbilder, Raupenstudien, Polartiere, Delphinfang) wurde dann die Methodik der Darbietung (Zusammenwirken von Lauf- und Stehbild und gesprochenem Wort) und die Gefühlswirkung lauf bildlicher Vorführungen (Interesse für die Natur mit entsprechenden Folgen für die Schärfung der Beobachtung, Mitgefühl mit aller Kreatur) noch besonders erläutert. An den Vortrag schließt sich eine interessante Anssprache. Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. 10. Sitzung am 4. Dezember 1918. (Im Hörsaal des Physikalischen Instituts der Technischen Hochschule.) Herr Geheimrat Prof. Lorenz eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesen- den, insbesondere auch die neu eingetretenen Mitglieder, als Gäste der Tech- nischen Hochschule. Der Direktor, Herr Prof. Lakowitz, spricht Herrn Geheimrat Lorenz den Dank der Gesellschaft für die Überlassung des Saales aus und erteilt darauf das Wort Herrn Professor Dr. Krüger zu einem Vor- trage über : „Die Elektronenemissionen glühender Metalle und ihre praktische Verwertung“ mit zahlreichen Versuchen und Lichtbildern. Herr Geheimrat Lorenz dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. 11. Sitzung am 18. Dezember 1918. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, besonders die neu eingetretenen Mitglieder. n*- Darauf hält Herr Professor Dr. S e 1 i g o einen Vortrag über „Das Leben in der Stromweichsel b Der Weichselstrom mit seiner großen Wasserfülle und seiner starken Strömung- ernährt eine große Menge Fische, die einer zahlreichen Fischereibevölkerung Erwerb und Brot geben. Den Quellen der Nahrung dieser Fische nachzugehen, ist von Interesse, einmal, um die Bedingungen kennen zu lernen, unter denen der Fisch- bestand und damit der Fischfang erhalten bleiben kann, dann aber auch, weil die Lebewelt der Weichsel die zahlreichen, dem Strome zufließenden Abgänge der An- siedelungen, der Hauswirtschaften, der Industrie zu verzehren und dem Lebenskreis- lauf wieder zuzuführen, und damit zugleich unschädlich zu machen, ja sogar in neue Werte umzusefczen hat. Im Stromwasser selbst findet man mit den Trümmern und den zerriebenen Resten von Pflanzen und Tieren regelmäßig eine große Anzahl von kleinsten Lebewesen, welche sich bei genauerer Kenntnisnahme als vom Ufer ab- geschwemmt oder aus den Altwässern gespült erweisen. Die Gesamtmasse dieser abgetriebenen Lebereste und Lebewesen, die ein typischer Bestandteil des Strom- wassers sind, kann man als Apoplankton zusammenfassen. Die unmittelbar vom Strome bespülten, meist durch Bauwerke (Buhnenköpfe, Deckwerke) befestigten Ufer weisen in ihren tiefer gelegenen, nicht jährlich dem lebenvernichtenden Einfluß des Eises ausgesetzten Teilen vielfach eine eigenartige Lebewelt auf, in der von Pflanzen namentlich Rivularia haematites, Cladophora glomerata , Chantransia chalybea häufig sind, meist bedeckt mit einem ungemein reichen Aufwuchs von Diatomeen, dazwischen leben von Tieren mehrere Mückenlarven, z. B. die von Tany- tarsus raptorius, und Trichopterenlarven, namentlich eine kleine Hy dropsy che -Larve , welche in kleinen Netzen mit sehr regelmäßigem, quadratischen Maschenwerk das vor- beistreifende Apoplankton als Nahrung auf fängt, — dann ebenfalls äußerst häufig Corophium devium, wahrscheinlich eine durch das Dnjeprsystem eingewanderte Abart des im Schwarzen Meere verbreiteten Corophium curvispinum. Diese Krebse sowie die zwischen den Aufwuchsalgen und den Geweben und Schleimhüllen der Insekten- larven und Krebse umhergleitenden Naiden finden ihre Nahrung teilweise im Auf- wuchs, während die auf den zerfaserten Pflanzenteilen und anderem Halt zahlreich auftretenden Akinelen und Cothurnien von den feinsten Teilen des Apoplankton zu leben scheinen. Viel reicher ist bei ruhigem Wasser das Leben in den Buhnenbuchten, Altwässern und Laken des Weichseltales entwickelt; die Lebe weit an diesen Stellen hat^ Ähnlichkeit mit der der Tümpel und Teiche, sie wird aber von jedem Hochwasser wenigstens teilweise in den Strom geworfen und fällt hier den Fischen zur Beute, oder sie gerät in stromabwärts gelegene, stille Wässer, wo sie bis zum nächsten Hoch- wasser ihr Gedeihen finden kann, oder endlich, sie wird mit dem Apoplankton in die See gespült. Das Apoplankton ist, soweit es in die Buhnenbucht eintritt, wohl die Nahrung der hier so häufigen großen Muscheln, teilweise sinkt es als Schlamm zu Boden und wird hier von den zahlreichen Würmern und Mückenlarven ausgenutzt; so ist dieser regelmäßige Tribut des Hferlebens an den Strom eine wesentliche Nahrungsquelle der Stromtiere. An den Vortrag schließt sich eine angeregte Anssprache. Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. Anderweitige V ortragsveraiistaltungeu. Außer den 11 ordentlichen und den sich anschließenden, bzw. vorausgehen- den außerordentlichen Sitzungen, welche der Mitgliederwahl und der Erledigung geschäftlicher Angelegenheiten dienten, fanden noch vor den Mitgliedern, ihren Damen und Gästen folgende Vorträge statt; 22* 1. Herr Dr. Johnas aus Libau hielt einen Lichtbildervortrag über „Die Natur des Baltenlandes“ am 20. Februar 1918 im Sitzungssaale der Gesellschaft. Die etwa 100 000 qkm großen, ehemaligen russischen Gouvernements Kurland, Livland und Estland zeichnen sich in erster Linie durch einen großen Wasserreichtum aus, der in den vielen Flüssen und zahlreichen Seen zum Ausdruck kommt. Leider sind die Ströme gegenwärtig noch nicht reguliert und ausgebaut, doch besteht bei einem planmäßigen Ausbau die Möglichkeit, daß sich dieselben in späterer Zeit zu einem nicht zu unterschätzenden Verkehrsmittel nach dem Inneren der Provinzen gestalten werden. Augenblicklich bringen die Flüsse nur zur Zeit des Hochwassers die gewaltigen Holzmassen dieser waldreichen Gegenden hinab in die Seestädte, von wo aus sie in die holzarmen Länder Europas verschickt werden. Die zahlreichen Seen der baltischen Provinzen können sich bei ihrem großen Fischreichtume zu einem wesentlichen Faktor der Volksernährung gestalten. Redner ging dann näher auf die geologische Beschaffenheit des Landes ein. Im großen und ganzen findet man hier eine charakteristische Moränenlandschaft, was sich aus den zahlreichen erratischen Blöcken und den Moränenwällen ergibt. Doch ist auch in verschiedenen Teilen der Kalkstein und Sandstein des Silurs und Devons vorhanden. Was die Flora und Fauna anbetrifft, so ähnelt sie derjenigen unserer Heimat, doch sind auch ausgesprochene nordische Vertreter der Tier- und Pflanzenwelt zu finden. So hat sich hier noch der Elch er- halten, der letzte Rest einer einstigen imposanten Tierart. Bewohnt werden die Baltenländer von den Esten, Letten und Deutschen. Während der Este einen gut- mütigen, arbeitsamen Charakter aufweist, ist der Lette etwas hinterlistig. Doch haben beide Rassen schon so viel von der deutschen Art in sich aufgenommen, daß eine spätere Germanisierung durchaus einen vollen Erfolg verspricht. Von den Urein- wohnern der Länder, den alten Kuren, Semgallen usw., hat man nur Kenntnis er- halten aus den Funden der im Lande verstreuten Gräber. 2. Herr Dr. Johnas aus Libau hielt einen Lichtbildervortrag über „Das Baltenland in Vergangenheit wie Gegenwart und seine Bedeutung für Deutsch- lands Zukunft“, am 21. Februar 1918 im Sitzungssaale der Gesellschaft. Redner entwarf eingangs in kurzen Zügen ein Bild von der Geschichte des Landes. Beginnend mit den sagenhaften Fahrten der Griechen und Römer in diese nordischen Länder ließ er die wechselvollen, glücklichen und schweren Zeiten dieser Provinzen unter der Ordensherrschaft, sowie unter den verschiedenen Regierungen der Polen, der Dänen und zuletzt der Russen an den Augen der Anwesenden vorüber- ziehen. In beredten Worten wußte er den harten Schicksalsschlägen dieser deutschen Provinzen namentlich in der neuesten Zeit Ausdruck zu verleihen, und zwar zur Zeit der Revolution im Jahre 1905 bis zum Ausbruch des großen Krieges, der die deutschen Balten an die Seite der Russen zum Kampfe gegen die deutschen Brüder zwang, bis endlich der deutsche Einmarsch in Kurland das Deutschtum von dem russischen Joche befreite. Und hoffnungsvoll könne man jetzt in die Zukunft schauen, daß nach dem neuesten, deutschen Vorgehen endlich auch der noch unter der Schreckensherrschaft der maximalistischen Regierung stehende Teil der baltischen Provinzen endgültig mit dem deutschen Mutterlande vereint werde. Es sei dies keine Annexion, da diese Länder doch im gewissen Sinne ehemals Bestandteile des Deutschen Reiches waren und sich auch wohl einstimmig auf Grund des Selbstbestimmungsrechtes der Völker zum deutschen V aterlande zum Teil schon geschlagen haben und sich auch in Zu- kunft dafür entscheiden werden. Für das Deutsche Reich würde das aber in wirt- schaftlicher, wie auch in militärischer Hinsicht nur zum Segen gereichen. Einesteils würden die natürlichen Grenzen dieser Länder einen starken Schutz gegen neue Ein- 13«= fälle von Osten her bieten, und andererseits würden diese dünnbevölkerten Gebiete eine großartige Siedlungsmöglichkeit für deutsche Bauern bieten, und die frucht- baren Landstriche würden uns bedeutend unabhängiger vom Auslande machen. Redner schloß mit dem Wunsche, daß das Ende des Krieges d'ie Vereinigung der baltischen Provinzen mit dem deutschen Mutterlande bringen möge. Den Schluß der mit großem Beifall auf genommenen Ausführungen des Vor- tragenden bildete eine Reihe von zahlreichen farbenprächtigen Lichtbildern, die den Anwesenden die bezaubernden Naturschönheiten des Landes vor Augen führten. 3. Herr Professor Dr. Friedrichsen, Universität Königsberg, hielt einen Vortrag über „Land und Leute in Polen, aus eigener Anschauung“ am 20. März 1918 im Sitzungssaale der Gesellschaft. Redner gab an der Hand eines reichhaltigen anschaulichen Kartenmaterials ein- gangs einen kurzen, territorialgeschichtlichen Überblick Polens mit seiner Wechsel - vollen Entwickelung bis zum heutigen im Jahre 1813 errichteten Kongreßpolen. Dann wandte er sich der geographischen Beschaffenheit Polens zu, das infolge seiner zentralen Lage in jeder Hinsicht, wie geologisch, ethnographisch, politisch usw. einen Übergangsstaat darstellt. Und das sei es gerade, was die Lösung der polnischen Frage so schwierig gestalte. Polen ist bewohnt von 72,2 % Polen, 4 % Ruthenen, 15 % Juden und einer kleinen Zahl von Litauern im Norden. Infolge der einstigen Größe des Landes finden sich jedoch auch die Polen weit über die Grenzen des heutigen Kongreß- polens hinaus in großer Anzahl verstreut, und darin liege ebenfalls ein erschwerendes Moment in der Behandlung der polnischen Frage. Was die wirtschaftlichen Verhält- nisse des Landes betrifft, so werde von den Polen in der Hauptsache Ackerbau be- trieben, allerdings mehr extensiv als intensiv, während der Handel und das Handwerk in den Händen der jüdischen Bewohner liegen, die den Hauptteil der städtischen Bevölkerung bilden und dort vielfach in den ärmsten Verhältnissen leben und einen großen Teil des Proletariats ausmachen. Der Lösung der Ostjudenfrage müsse nach dem Kriege ein besonderes Augenmerk zugewandt werden. Redner gewährte im weiteren Verlauf an zahlreichen Lichtbildern einen Einblick in die landschaftliche Beschaffenheit des Landes und die größeren Städte und Industriegebiete Polens mit seinen charakteristischen Merkmalen. Er schloß mit dem Wunsche, daß die intensive Arbeit, die die deutsche Verwaltung in diesem Gebiete geleistet habe, nicht nutzlos gewesen sein möge. 4. Herr Hauptmann der Reserve Regierungsrat Dr. von Weickhmann hielt einen Vortrag „Vom Tigris zur Marne, Betrachtungen über das Werden und Vergehen der Völker“. I. Teil: Erlebnisse und Gedanken auf der Reise durch Mesopotamien und Kurdistan und in der Gefangen- schaft im Kaukasus. II. Teil : Beobachtungen auf denKriegsschauplätzenEuropas. Der Weltkrieg, was er war und was er wurde, am 30. September 1918 im Festsaale des „Danziger Hofes“. Der erste Teil des Abends galt den Kriegserlebnissen des Vortragenden bis zu seiner Freilassung aus russischer Gefangenschaft. Der drohende Krieg überraschte ihn in Arabien. Im Februar 1914 hatte der Redner Europa verlassen. Völkische Probleme führten ihn im Drange des Forschers nach Bagdad. Von den Türken als Spion betrachtet und an den Fortsetzungen seiner Reisen ins Innere Arabiens ver- hindert (dessen Kalifen seit Jahren von England heimlich mit Geld unterstützt und politisch hörig geworden sind), faßte er den Entschluß, durch Kurdestan über Rußland heimzukehren. Inzwischen aber brach der Krieg herein. In Tiflis ereilte ihn die* Kunde zugleich mit seiner Verhaftung. Und nun begann eine lange Folge des Leidens.. Was vorher freiwillig erduldete Strapaze und Entbehrung, Last und Gefahr war,, wurde nun in der Gebundenheit der Abhängigkeit bewußte Quälerei. Von Gefängnis zu Gefängnis geschleppt, mit Verhören gequält, mit Erhängen bedroht, freigelassen, wieder festgenommen, ist diese Zeit eine Periode, die übermenschliche Anforderungen an Nerven und Geist, an Körper und Lebenskraft des Redners stellte. Endlich frei- gelassen im Austausch gegen einen russischen General, wird er in Odessa auf der Heimfahrt erneut verhaftet, und erneut beginnt dieses Spiel, um sich fortzusetzen bis. nach Rumänien hinein, ja bis auf die Fahrt nach Wien, bis der Vortragende endlich wieder — Ende März 1915 — deutschen Boden begrüßen konnte. Es gehört die ganze- seelische Widerstandsfähigkeit eines bis in den innersten Kern von echt deutschem Wesen erfüllten Mannes dazu, solche Lebensabschnitte ungefährdet zu überstehen. Im zweiten Teile des Abends sprach Redner über seine Eindrücke zwischen Front und Heimat. Die Zaghaftigkeit der Heimat hat den in zahlreichen Kämpfen Ge- stählten erschüttert. Er ging den Quellen dieser Mutlosigkeit nach und fand sie in zweierlei Dingen: in der geschickten Gerüchte-Fabrikation der Entente, die ihre Ent- mutigungslügen durch Hunderte von Agenten in die Bevölkerung flüstern läßt (und er wußte sehr drastische Beispiele hiervon zu berichten), und in den Erzählungen,. Schilderungen und Briefen der Frontkrieger an die Heimat. Wie wenig aber kenne* man die Psyche des einfachen Soldaten: er ist ein Kind, der gutgläubig allerlei Gehörtes, Mißverstandenes und Vermutetes weitergibt und es vergrößert. Redner gab* an der Hand eines eigenen Erlebnisses einer solchen Hiobsmär, deren Opfer er selbst geworden war, einen sprechenden Beweis, wie unkontrollierbare Gerüchte Dimen- sionen annehmen, schließlich aber in sich zusammenfallen, wenn man sie beherzt zur Wirklichkeit zurückführt. Man lasse sich nicht beirren: die Stimmung an der Front ist so sicher und gewiß, wie sie es stets war. Niemals werden die Feinde durch - kommen. Redner ging dann den völkerpsychologischen Zusammenhängen, den Ur- sachen und Auswirkungen dieses Krieges nach. In sehr interessanten Darlegungen- mündeten seine Ausführungen immer wieder in dem Punkte: der politische Kampf im Innern ist dem Frontsoldaten unverständlich und gerade im jetzigen ernsten Augen- blick widerwärtig; er versteht nicht das Wimmern der Heimkrieger, eines Volkes, das vier Jahre hindurch siegreich das Schwert führt. Stehen wir in Feindesland oder ist es umgekehrt? Man blicke auf Frankreich: aus tausend Wunden blutend, glaubt es dennoch an den Sieg. Glauben an sich und Mut in sich, das seien die stützenden Pfosten. Die müßten auch wir uns bewahren. Nur wenn wir erkennen, um was es; geht, werden wir groß genug sein, es zu zwingen. Jetzt sei die Stunde des Schwertes.. Das müsse auch die Heimat erkennen und nicht der Front in den Rücken fallen.’ Bismarcks Geist sei noch lebendig, und noch gelte auch das Wort des deutschen- Dichters: Und setzet Ihr nicht das Leben ein, nicht wird Euch das Leben ge- wonnen sein. 5. Herr Geheimer Regierungsrat Professor Dr. Rößler hielt vom 9. November 1918 ab Experimentalvorträge ,, Einführung in die Elektro- technik“ mit Lichtbildern und Kinofilms neben den experimentellen Vorträgen wöchentlich einmal im großen Hörsaal des Elektrotechni- schen Instituts der Hochschule ab. Diese Vorträge waren für Nicht- Fachleute bestimmt. Es fanden bis Weihnachten 6 statt, der 7. soll am 18. Januar gehalten werden. 25* Übersicht über die in den Ordentlichen Sitzungen 1918 behandelten Gegenstände. A. Allgemeines. , 1. Der Direktor, Herr Prof. Dr. Lakowitz, gibt anläßlich des 1 7 ö jäh- rigen Stiftungsfestes einen kurzen Überblick Uber die Geschichte der Danziger Naturforschenden Gesellschaft, am 2. Januar. 2. Der Direktor, Herr Prof. Dr. Lakowitz, erstattet den Jahresbericht für das Jahr 1917 und legt die Berichte der Vorsitzenden der einzelnen Sektionen vor, am 23. Januar. 3. Der Bibliotheksdirektor Herr Dr. A ckerknecht-Stettin hält einen Vortrag über „Das Lichtspiel im Dienste der Naturkunde“, am 6. November. B. Mathematik. Herr Professor Dr. Sommer hält einen Vorträg über „den Anteil der verschiedenen Kulturvölker an der Entwickelung der Mathematik“, am 2. Januar. C. Physik, Chemie und Technologie. Herr Professor Dr. Krüger hält einen Vortrag über „Die Elektronen- emissionen glühender Metalle und ihre praktische Verwertung“, am 4. Dezember- D. Geographie, Geologie und Meteorologie. 1. Herr Professor Braun -Dt. Eylau hält einen Vortrag über „Die geogra- phischen Grundlagen der westpreussischen Landschaftsbilder“, am 6. März. 2. Herr Geheimer Baurat Prof. Ehlers hält einen Vortrag über „Die Schiffahrtsstrassen durch die westpreussischen Seen“, am 1. Mai. 3. Herr Professor Lakowitz hält einen Vortrag über „Das Studium west- preussischer Binnenseen“, am 1. Mai. 4. Herr Geheimrat Sür in g -Berlin hält einen Vortrag über „den Einfluss höchster Luftschichten auf das Wetter“, am 16. Oktober. 5. Der Direktor legt eine Arbeit des Herrn Dr. Geister über „Die Grosssiadtsiedlung Danzig“ vor, am 6. November. 16* 26* E. Botanik und Zoologie. 1. Der Direktor legt ein Werk des Herrn Dozenten Dr. Wangerin vor über „ Beiträge zur Kenntnis der Vegetationsverhäitnisse der Moore West- preussens“, am 23. Januar. 2. Herr Dozent Dr. Wangerin hält einen Vortrag über „den Generations- wechsel im Tier- und Pflanzenreiche“, am 23. Januar. 3. Herr Professor Dr. Seligo hält einen Vortrag über „den Seehunds- fang in der Danziger Bucht und über einige niedere Organismen in der Oanziger Bucht“, am 3. April. 4. Herr Professor Dr. Seligo hält einen Vortrag über „Das Leben in der Stromweichsel“, am 18. Dezember. F. Anthropologie. Herr Professor Dr. Kumm hält einen Vortrag über „Westpreussens Kultur vor viertausend Jahren“, am 17. April. G. Anatomie und Physiologie. Herr Professor Dr. Wallenberg hält eine nVortrag über „Ludwig Edinger und sein Werk“, am 3. April. H. Medizin. 1. Herr Militärzahnarzt N e um an n* Berlin hält einen Vortrag über „Die Entwickelung der zahnärztlichen Wissenschaft und ihre Bedeutung für die Gegenwart“, am 6. Februar. 2. Der Direktor legt eine Arbeit des Herrn Professor Dr. Petrus cliky „Weitere Erfahrungen über spezifische Percutanbehandlung“ vor, am 6. November. 17* Jahresbericht des Ärztlichen Vereins zu Danzig (eingetragener Verein Nr. 35 am 2. Februar 1904 und 26. August 1913) über das Vereinsjahr 1917/18. Erstattet von dem stellvertr. Vorsitzenden Sanitätsrat Dr. S c h u s t e h r u s. M it Rücksicht auf die Kriegslage beschloß die Hauptversammlung, auch diesmal eine Neuwahl des Vorstandes und der Kommissionen nicht vorzunehmen, -sondern bis zum Ende des Krieges zu vertagen. Der Vorstand und die Kommissionen bestehen somit aus denselben Mit- gliedern wie im vergangenen Vereins jahr. Es wurde Herr Dr. H. Semrau als Vorsitzender der Kassenärztlichen Kommission in den Vorstand kooptiert. Wissenschaftliche Vereinssitzungen wurden im Laufe des Jahres nicht abgehalten, da die Militärärztliche Vereinigung in Danzig derartige Sitzungen abhielt und die meisten Mitglieder des Vereins militärisch beschäftigt waren und dort wissenschaftliche Vorträge hielten, zu denen der Verein regelmäßig Einladung erhielt und denen jedesmal eine große Anzahl Mitglieder Folge leistete. Wirtschaftliche Vereinssitzungen wurden drei abgehalten. In diesen wurden im wesentlichen die laufenden Geschäfte erledigt. Um eine Erhöhung der kassenärztlichen Honorare den jetzigen wirtschaftlichen Verhältnissen einigermaßen entsprechend zu erreichen, wurden die Verträge mit fast sämt- lichen Krankenkassen gekündigt und die Bereitwilligkeit zum Abschluß neuer Verträge den Kassen gegenüber ausgesprochen. Ferner wurde beschlossen, auch weiter denjenigen Kassenärzten, die durch den Krieg von jeder Einnahme ausgeschaltet waren, weiter eine entsprechende Entschädigung zu gewähren. Neu aufgenommen wurden im Laufe des Jahres: Herr Dr. Hans Burkhard, ,, Dr. H e n n i g, ,, Dr. Klamroth, ,, Dr. Peter S c h m i d t. f ; i 18* 28* Ausgeschieden sind durch den Tod: Herr Dr. A 1 1 h a u s, ,, Dr. Barczewski, ,, Dr. Farne, ,, Reichel. Ausgeschieden sind durch Fortzug: Herr Dr. Sc h w e r, „ Dr. Schomburg, ,, Dr. Zuralski. 29* Bericht * über die Sitzungen der Anthropologischen Sektion im Jahre 1918. Erstattet von dem Vorsitzenden der Sektion Prof. Dr. Kumm. Im Berichtsjahre fand am 17. April eine gemeinsame Sitzung für die Mit- glieder der Anthropologischen Sektion und der Naturforschenden G-esellsehaft statt, in welcher der Vorsitzende der Sektion einen Vortrag über „Westpreußens Kultur vor 4000 Jahren“ hielt. An der Hand sehr zahlreicher farbiger Licht- bilder gab er, soweit möglich, einen Überblick über das Leben und Treiben der Bewohner unserer Provinz gegen das Ende der Steinzeit und führte die ver- schiedenen Formen der aus Stein, Hirschhorn, Knochen u. a. m. gefertigten Waffen und Werkzeuge, die außerordentlich mannigfaltig verzierten Erzeug- nisse der Töpferei, die Schmucksachen aus Bernstein und Knochen, die Be- stattungsformen u. a. m. der damaligen Landesbewohner im Bilde vor. Durch eine Übersichtskarte der Fundorte wurde auch die Verbreitung dieser Kultur in den verschiedenen Teilen unserer Provinz veranschaulicht. 20* 30* Jahresbericht des Westpreussischen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege für das Geschäftsjahr 1. Januar bis 31. Dezember 1918. Erstattet von seinem Vorsitzenden Landesrat C 1 a a s z e n. Die Tätigkeit des Vereins bewegte sich im Berichtsjahre auf demselben Gebiet wie in den Vorjahren, nämlich einmal auf dem Gebiet der Lupus- bekämpfung und ferner auf dem Gebiet der Gründung und Unterhaltung von Laubenkolonien. Mit finanzieller Unterstützung des Deutschen Zentral-Komitees zur Be- kämpfung der Tuberkulose wurden unbemittelte Lupuskranke der Behandlung zugeführt. Zum Teil wurden sie in der Lupusheilanstalt des Vaterländischen Frauenvereins untergebracht, zum Teil wurden sie von Herrn Sanitätsrat Dr. Eff ler in Danzig nach dem Verfahren Deyke-Much behandelt. Ein abschließendes Urteil über die letztere Behandlungsart kann zwar noch nicht gefällt werden, doch hat sich mit Sicherheit ergeben, daß dieses Verfahren einen ganz außerordentlich wertvollen Beitrag zur Heilung der Lupuskrankheit bietet. Wenn es auch nicht in allen Fällen schnell zur Heilung führt, so ist doch zum mindesten eine sehr wesentliche Besserung der tuberkulösen Erkrankung überall festzustellen, so daß die bisherigen Erfolge die Fortsetzung der Heilbehandlung durchweg rechtfertigen . Die früher von uns vielfach benutzte Heilanstalt von Herrn Dr. Brauer in Danzig war leider während des Berichtsjahres geschlossen, ist aber neuerdings wieder geöffnet worden und wird von uns wieder mit Patienten beschickt werden. Die Zahl der Laubenkolonien in Danzig beträgt jetzt 10. Im ganzen sind 554 Parzellen vorhanden, von denen jede 225 — 250 qm groß ist. Sie bedecken eine Gesamtfläche von 181 325 qm. Die Nachfrage nach neuen Parzellen war im Berichtsjahre sehr groß, konnte aber nicht voll befriedigt werden, weil das zur Anlegung von Laubenkolonien erforderliche Land nicht zur Verfügung stand,. 21* 31* Bericht über die wissenschaftliche Tätigkeit des westpreussischen Fischereivereins im Jahre 1918. Erstattet von seinem Vorsitzenden Regierungsrat Dr. Dolle. Im verflossenen Jahre bezogen sich die Beobachtungen über das Leben in den Gewässern vornehmlich auf die Danziger Bucht und die Weichsel. Im Dia- tomeenaufwuchs der Danziger Bucht und der Toten Weichsel treten neben den überall auch im Süßwasser verbreiteten Arten Gomphonema olivaceum, Ithoico- sphenia curvata, Encyonema prostratum, Diaioma vulgare , Cocconeis pediculus, Synedra ulna, Epithemia turgida u. a. an Brackwasserf o r m e n nament- lich: Brebissonia Boechii, Licmophora flabellata und L. ovata, Bacillaria para- doxa und besonders verbreitet und zahlreich Melosira lineata auf. In der Toten Weichsel überwiegt an Zahl und biologischer Bedeutung wohl die kleine Lim- naea baltica alle anderen Tiere. Gammarus wird in der Toten Weichsel vielfach durch Leptocheirus pilosus vertreten; neben dem Corophium grossipes der Ost- see kommt in den Krautbüschen der Toten Weichsel zahlreich das Corophium lacustre vor, das den Tag über in kleinen, algenbewachsenen Schleimhüllen ruht, in der Dunkelheit auf die Weide der Aufwuchsdiatomeen geht. In der See selbst treten Leptocheirus und alle anderen Amphipodenarten an Zahl voll- kommen zurück gegen Gammarus Zaddachi, eine Amphipodenform, deren kon- stante Abweichung von dem nahestehenden, weit verbreiteten Gammarus locusta schon Z ad d ach erkannt hat, die aber erst neuerdings von E. W. Sexton als Art unterschieden worden ist. Unzweifelhafte Gammarus locusta sind in der Danziger Bucht von mir noch nicht gefunden. Bei Heia und Putzig kommt ferner ein bisher in der östlichen Ostsee noch nicht viel beachteter, kleiner Röhrenwurm in großer Menge vor, die Amphicora Fabricii; sie wird ausgestreckt nicht länger als etwa 4 mm und lebt in Sekretröhren, die außen von anhaftenden Fremd- körpern, namentlich Sandkörnern, bekleidet sind. Sie besitzt, wie die oft besprochenen, größeren Röhrenwürmer des Ozeanwassers, am Kopf einen Kranz von verzweigten Fangfäden, mittels deren sie wohl vornehmlich treibenden Detritus erbeutet. 22* Der Weichselstrom ernährt eine Menge Fische, die einer zahlreichen Fisch er- hevölkerung Erwerb und Brot geben, deshalb sind Ursprung und Lebens- bedingungen der Wesen, die den Fischen als Nahrung dienen, von Interesse. Im Stromwasser selbst findet man unter den an Masse überwiegenden Trümmern von Gestein, Pflanzen, Tieren und Kulturprodukten regelmäßig eine Anzahl kleinster Lebewesen, welche sich bei genauerer Kenntnisnahme als von den Ufern gespült oder aus den Altwässern geschwemmt erweist. Die Gesamtheit dieser Lebereste und Lebewesen, die einen typischen Bestandteil des Strom- wassers bilden, kann man als Apoplankton bezeichnen; das Apoplankton spielt eine wesentliche Bolle als Nahrungsquelle zahlreicher Tiere der Ufer und üferbuchten. Die unmittelbar vom Strome bespülten Buhnenköpfe weisen in ihren tiefer gelegenen, nicht der alljährlichen vernichtenden Einwirkung des Eisganges ausgesetzten Teilen eine artenarme, aber individuenreiche Lebewelt auf, zu der namentlich Dipteren- und Trichopterenlarven gehören, besonders eine Hydropsyche-Jj&Yve , die das Apoplankton in sehr regelmäßig gebauten Fangnetzen auffängt, ferner das Corophium devium, das wohl direkt von dem Corophium curvispinum abstarnmt, einer im Kaspischen und im Schwarzen Meer verbreiteten Krebsart, und wohl durch die Weichsel nach Mitteldeutschland gekommen sein dürfte. Die meisten Nährtiere der Weichsel aber stammen aus den Buhnenbuchten und Altwässern, die auch die Hauptmenge des Apoplankton «erzeugen. r==4=^ Druck von A. W. Kafemann G. m. b. H. in Danzig. Zur Beachtung. ; Die folgenden von der Naturforschenden Gesellschaft herausgegebenen Einzelwerke können von den Mitgliedern zum Selbstkostenpreise bezogen ; werden, soweit der Vorrat reicht: I. Die Flora des Bernsteins und ihre Beziehungen zur Flora der Tertiärformation und der Gegenwart von H.B.Göppert und A. Menge. 1. Band. Gröppert, Von den Bernstein-Coniferen. Mit dem Porträt M eiiges und 16 lithogr. Tafeln. Danzig 1883; gr. Quart. — VIII und 63 S. Ladenpreis: M 20. Für die Mitglieder: M 10. 2. Band, Conwentz, Die Angiospermen des Bernsteins. Mit 13 lithogr. Tafeln. Danzig 1886; gr. Quart. — IX und 140 S. Ladenpreis: M 30. Für die Mitglieder: M 15. II. Die prähistorischen Denkmäler der Provinz Westpreussen und der angrenzenden Gebiete ton Dr. A. Lissauer. Mit 5 Tafeln und der prähistorischen Karte der Provinz Westpreußen in 4 Blättern. Danzig 1887; gr. Quart. XI und 210 S. Ladenpreis: M 20. Für die Mitglieder: M 10. III. Monographie der baltischenBernsteinbänme von H.Conwentz. Mit 18 lithographischen Tafeln in Farbendruck. Danzig 1890; gr. Quart. — IV und 151 S. Ladenpreis: M 50. Für die Mitglieder: M 25. Von dem s. Zt. in den Schriften der Gesellschaft, Neue Folge Bd. I bis IV 1866 — 1879, erschienenen Werk: Menge, Preussische Spinnen. Mit 91 Tafeln sind noch einige vollständige, gut erhaltene Exemplare vorhanden. Ladenpreis: M 50. Für die Mitglieder: M 25. Der Betrag nebst Porto für die gewünschte Zusendung ist an den Schatzmeister der Gesellschaft, Herrn Bankier Dr. Damme in Danzig, Karren wall 7, einzuschicken. Von den älteren Schriften der Naturforschenden Gesellschaft sind hauptsächlich das 2. Heft des II. Bandes (1868) und das 1. Heft des III. Bandes (1871) vergriffen. Es würden die Herren Mitglieder, die diese Hefte etwa abgeben können, uns dadurch zu besonderem Dank verpflichten. Der Vorstand. Q 49 N285 NH :'L D ■ /' I . _T m * DER NATURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT IN DANZIG. NEUE FOLGE. FÜNFZEHNTEN BANDES ERSTES UND ZWEITES HEFT. II. TEIL: JAHRESBERICHT FÜR 1919. MIT UNTERSTÜTZUNG DES WESTPR. PROVINZIAL-LANDTAGES 5C>6,4 3 * DANZIG 1920. KOMMISSIONS-VERLAG VON R. FRIEDLÄNDER & SOHN IN BERLIN NW 6, KARLSTR. 11. Bitte die 4. Seite dieses Umschläge^ zu beachten. \ z' X SCHRIFTEN DER N ATURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT IN DANZIG. NEUE FOLGE. FÜNFZEHNTEN BANDES ERSTES UND ZWEITES HEFT. II. TEIL; JAHRESBERICHT FÜR 1919. MIT UNTERSTÜTZUNG DES WESTPR. PROVINZIAL-LANDTAGES HERAUSGEGEBEN. DANZIG 1930. KOMMISSIONS-VERLAG VON R. FRIEDLÄNDER & SOHN IN BERLIN NW 6. KARLSTR. 11. Inhalt. Seite 1. Jahresbericht der Naturforschenden Gesellschaft für 1919 .... 1 2. Bericht über die Ordentlichen Sitzungen und anderweitigen Veran- staltungen der Gesellschaft im Jahre 1919 . 13 Lorenz: Die wissenschaftlichen Grundlagen der mechanischen Technik 13; W angerin: Bemerkenswerte Erscheinungen aus der Pflanzengeographie des nordostdeutschen Plachkmdes 14; Stahr: Neue Methoden der Krebs- forschung 14; Petruschky: Ist die biologische Entwicklung der Lebe- wesen mit der Gestaltung des Menschen abgeschlossen? 18; Pfeiler: Die Entstehung der Immunstoffe bei ansteckenden Krankheiten 21; Sommer: Johannes Kepler 21; La Baume: Bekämpfung der Wander- heuschrecken in Kleinasien. Eigene Beobachtungen in den Jahren 1917 und 1918 22; St rem me: Der Einfluß des Klimas auf den Boden 24; Stahr: Über die Verschiedenheit des Menschengeschlechts 25; Haber- mann: Die Oberflächengestaltung der Ostseeländer durch die Eiszeit 28; von W artenberg: Der Einfluß der Bearbeitung auf die Struktur der Metalle 30; Kalaehne: Der Zerfall und der Aufbau der Atome 31; Semi Meyer? Organische und geistige Entwicklung 31; Birn- bach er: Die Pockengefahr und ihre Bekämpfung 35; von Brunn: Das System der Fixsterne 35; Sonntag: Einführung in die Geologie von Westpreußen 35. 3. Übersicht über die in den Ordentlichen Sitzungen 1919 behandelten Gegenstände 36 4. Jahresbericht über die Tätigkeit der Sektion für den mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterricht im Jahre 1919 38 5. Bericht über die wissenschaftliche Tätigkeit des westpreußischen Fischereivereins im Jahre 1919 39 6. Bericht über die Sitzungen der Anthropologischen Sektion im Jahre 1919 .............. 40 7. Jahresbericht über die Sitzungen der medizinischen Sektion im Jahre 1919 41 Jahresbericht der Naturforschenden Gesellschaft zu Danzig für 1919. Vorgetragen von ihrem Direktor Professor Dr. Lakowitz, Studienrat, in der Sitzung am Mittwoch, den 7. Januar 1920. Soeben (2. 1. 1920) ist das 176. Lebensjahr unserer Gesellschaft zur Neige gegangen. Der Rückblick auf diese Zeitspanne zeigt ruhige, wissenschaftliche Tätigkeit und bietet wenig Überraschendes. Er zeigt, daß mancherlei Hem- mungen, die der langjährige Krieg naturgemäß brachte, nunmehr wohl über- wunden und frischere, geistige Regsamkeit zurückgekehrt sind, daß aber anderseits die wirtschaftlichen Nöte der Umwelt auch unserer Gesellschaft Schwierigkeiten materieller Art gebracht haben. Sie zu überwinden muß unsere Aufgabe sein, an der wirksam mitzuhelfen alle unsere werten Mit- glieder berufen sind. Leider sind im abgelaufenen Jahre nicht wenige Mitglieder durch den Tod abberufen worden. Einen besonders schmerzlichen Verlast hat unsere Gesellschaft durch das unerwartete Hinscheiden (29. 3. 19) des Vorstandsmit- gliedes Stadtrat August Zimmermann erlitten. 36 Jahre hindurch hat er unserer Gesellschaft angehört und an deren wissenschaftlichen Aufgaben regen, selbsttätigen Anteil genommen. Seit 1899 gehörte er dem Vorstand an und hatte das Amt des Hausverwalters inne. Bietet dieses Ehrenamt genug der Arbeit, so lag es auch gar nicht in der Lebensauffassung des Verstorbenen, eine einmal übernommene Verpflichtung leicht zu nehmen. Mit nachdrück- lichem Eifer versah er sein Amt, und als der Neubau hier, Frauengasse 25, zur Ausführung gelangte, da zeigte sich so recht die große Arbeitskraft des Verblichenen. Dieselbe Regsamkeit und dasselbe werktätige Interesse bewies er bei der Auswahl und Erwerbung des Geländes für die geplante neue Stern- warte am Königstaler Weg, wobei er auch nach der finanziellen Seite die Interessen unserer Gesellschaft ausgezeichnet zu vertreten verstand. Der Ver- storbene war an Jahren der Älteste im Vorstand. Angenehm war es, mit Sehr. d. N. G. zu Danzig. Jahresber. 1919. 1 X I 2 ihm in einschlägigen Fragen zu verhandeln. Entgegenkommend, doch be- stimmt in seiner Auffassung und Willensdurchführung, stellte er sein reiches Können und stets bereites Wollen uneigennützig in den Dienst unserer Gesell- schaft. Nun ist er für immer dahin. Wir aber wollen seiner gedenken in Dankbarkeit und Verehrung. Von Korrespondierenden Mitgliedern starben im Januar 1919, hoch betagt, der Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Nagel, vormaliger Direktor des Realgymnasiums in Elbing, ein reichbegabter Sohn unserer Stadt und ein eifriges Mitglied unserer Gesellschaft; ferner im August 1919 Geh. Hofrat Prof. E. Haeckel, Exz., in Jena, der sein reges Interesse für uns durch regelmäßige Zuweisung seiner Schriften an unsere Bibliothek noch bis in die letzten Monate seines Lebens bekundete; zu Ende August der schaffensfreudige erste Direktor der seit Jahrzehnten mit uns in Schriftenaustausch stehenden Senkenbergischen Natur- forschenden Gesellschaft in Frankfurt a. M., Geh. Med.-Rat Prof.Dr. Knoblauch, der erst 1918 bei Gelegenheit des 175jährigen Stiftungsfestes unserer Gesell- schaft zum Korrespondierenden Mitglied ernannt worden war. Weitere Verluste erlitt die Gesellschaft durch den Heimgang folgender Mitglieder: Kaufmann Dalitz, Ober-Realschuldirektor Geh. Stud.-Rat Grott- Graudenz, Fabrikbesitzer Hartmann, Generalarzt Dr. Höpffner, Kaufmann Kawalki, Kaufmann Loewenstein, ApothekenbesitzerKornstädt, Apotheker Rosentreter, Geh. Med. -Rat Dr. Seemann, Landeshauptmann Freiherr Senfft vonPilsach, Prov.-Schulrat Geh. Reg.-Rat Suhr, Ober-Reg.-Rat Dr. Willers, Rechtsanwalt Wund er mach er. Von ihnen hat Geheimrat Suhr zur Gründung der Sektion für den naturwissenschaftlichen und den mathematischen Unterricht die Anregung gegeben und sich auch sonst für die Ausgestaltung des inneren Lebens unserer Gesellschaft lebhaft betätigt; Freiherr Senfft von Pilsach ist durch die jährliche Zuweisung eines beträchtlichen Zuschusses der Provinzialverwaltung wie durch eine besondere Schenkung aus Anlaß des 175jährigen Stiftungsfestes i. J. 1918 ein Förderer unserer Bestrebungen in hervorragender Weise ge- wesen, und Fabrikbesitzer Hart mann hat durch die Abtretung einer großen Bodenfläche am Königstaler Weg als Gelände für die neue Sternwarte der Gesellschaft einen großen Dienst erwiesen. In dieser Stunde nochmals aller der dahingegangenen, treuen Mitglieder und Förderer unserer Gesellschaft zu gedenken und sie in üblicher Weise zu ehren (die Versammlung erhebt sich von den Plätzen), ist auch der gegenwärtigen Versammlung ein Herzenbedürfnis, was ich hiermit festzustellen die Ehre habe. Der Mitgliederbestand gestaltet sich nach diesen Verlusten, durch das Ausscheiden etlicher Mitglieder infolge Fortzuges von Danzig und aus der Provinz, sowie anderseits durch Neueintritt am Schlüsse des Jahres 1919 folgendermaßen i 7 Ehrenmitglieder gegen 7 zu Ende 1918 und 7 zu Ende 1917 40 Korresp. Mitgl. ,, 43 ,, 445 Einheim. Mitgl. ,, 387 ,, 141 Auswärt. Mitgl. ,, 141 ,, 2 3 Die Gesamtzahl der Mitglieder beträgt hiernach gegenwärtig 633 gegen 578 zu Ende 1918 und 590 zu Ende 1917, die der Beitrag zahlenden Mitglieder: 586 gegen 528 zu Ende 1918 und 538 zu Ende 1917. Ein Mitgliederbestand ist im abgelaufenen Jahr erreicht worden, wie ihn die Gesellschaft vorher überhaupt noch nie gehabt hat. Es ist dies gewiß eine erfreuliche Folge der Beendigung des Krieges und der glücklichen Heimkehr interessierter Beobachter und Freunde der Natur, zugleich ein hoffnungsreiches Zeichen von Vertrauen weitester Bildungskreise in Stadt und Land zu der Güte der mancherlei wissenschaftlichen Darbietungen unserer Gesellschaft, und schließlich ein ermunterndes Zeichen für die Gesellschaft, mit der Art ihrer Tätigkeit auf dem rechten Wege sich zu befinden. Dieses Alles legt der Leitung die Verpflichtung auf, den angedeuteten Bedürfnissen einer zu wissenschaftlicher, Mitarbeit bereiten, jüngeren Generation und ferner den Forderungen einer wissen- schaftliche Anregung suchenden weiteren Bevölkerung die größte Aufmerksam- keit zuzuwenden und unsere Gesellschaft wie bisher mit streng wissenschaftlicher aber zugleich auch mit im besten Sinne des Wortes populärwissenschaftlicher Tätigkeit lebendig zu erhalten. Weiter dürfen wir nicht müde werden, in allen Kreisen der lernbegierigen Bevölkerung für unsere Gesellschaft dauernd zu werben, da nur mit erhöhten Mitteln auch erhöhte Leistungen zu erreichen sind. Allen Herren, die bisher an dieser im abgelaufenen Jahre besonders erfolgreichen Werbetätigkeit mitgeholfen haben, auch an dieser Stelle ergebensten Dank auszusprechen, ist dem Berichterstatter eine angenehme Pflicht. Der oben betonte günstige Stand der Mitgliederzahl ist gewiß erfreulich; er kann als ein entscheidender Maßstab für die Beurteilung des vollen Wertes einer Gesellschaft wie der unserigen, deren wissenschaftlicher Charakter in ihrem Namen genugsam gekennzeichnet ist, aber nicht angesehen werden. Nach dieser Richtung muß der rein wissenschaftlichen Tätigkeit der arbeitenden Mitglieder und dem sichtbaren Niederschlag dieser Tätigkeit in den regelmäßig erscheinenden Druckschriften der Gesellschaft erhöhte Bedeutung beigemessen werden. CJnd da ist folgendes zu sagen: Eine rührige, wissenschaftliche Tätigkeit Berufener unserer Gemeinschaft ist unzweifelhaft vorhanden, wichtige, umfangreiche Manuskripte liegen bereit, bzw. sind in Kürze zu erwarten; ihre Drucklegung aber stößt auf Schwierigkeiten. Die ungünstige, wirtschaftliche Lage ringsum, die beängstigende Entwertung des Geldes haben einen hemmenden Einfluß auch auf unser Tun nach der bezeichneten Richtung leider ausgeübt. Die hohen Kosten, die gegenwärtig den Buchdruck und die Herstellung von bildlichen Darstellungen beherrschen, wie sie gerade bei naturwissenschaftlichen Schriften unvermeidlich sind, haben den Vorstand gezwungen, den Rahmen der Veröffentlichungen enger zu ziehen als bisher. Im Berichtsjahre sind infolgedessen wissenschaftliche Abhandlungen überhaupt nicht veröffentlicht worden, vielmehr soll das fällige Heft, als Doppelheft 1 u. 2 des XV. Bandes der „Schriften“, erst mit Schluß 1920 erscheinen. Inzwischen ist den geehrten 3 -j * 4 Mitgliedern der Jahresbericht mit den geschäftlichen Mitteilungen über das Jahr 1918 als erster Teil des genannten Doppelheftes bereits im Sommer zugestellt worden, und der entsprechende, jetzt vorliegende Jahresbericht über 1919 wird Ihnen möglichst zeitig in den kommenden Monaten 1920 zugehen. . Um mehr Fühlung mit allen Mitgliedern zu gewinnen, besonders mit den auswärtigen, wird versuchsweise, bis auf weiteres, das nach bisherigem Brauche jedesmal jährlich fällige Heft der „Schriften“, wie soeben angedeutet, in zwei getrennten Teilen versandt werden. Der zu Anfang jedes Jahres erscheinende erste Teil enthält, wie das bereits in Ihren Händen befindliche Teilheft zeigt, den allgemeinen Jahresbericht und die Berichte der Fach- sektionen sowie die Sitzungsberichte mit kurzen Zusammenfassungen über die Vorträge während des jedesmal abgelaufenen Jahres; der erst später in jedem Jahre erscheinende zweite Teil soll dann die selbständigen, wissenschaftlichen Abhandlungen bringen. Aus Sparsamkeitsrücksichten mußte für das abgelaufene Jahr 1919 dieser wissenschaftliche Teil, wie erwähnt, zurückgestellt, dafür aber mit demjenigen für 1920 zu einem Doppelheft vereinigt werden, das dann mit Schluß des Jahres 1920 fällig wird. Zugleich soll durch geeignete Maß- nahmen dafür gesorgt werden, daß unsere „Schriften“ auf dem Büchermarkt und dadurch in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit gute Verbreitung finden. Daß jene durch die Kostenfraoe bedingte Einschränkung unserer Publikations- tätigkeit auf die Dauer ein unzuträglicher Zustand ist, dürfte klar sein. Aus dieser Verlegenheit recht bald herauszukommen, wäre sehr wünschenswert. Zuführung neuer Geldmittel nur kann hier Hilfe bringen. Hoffen wir, daß diese Hilfe von irgendeiner Stelle aus recht nahe sei. Guter Rat und edle Tat aus dem Kreise der geehrten Mitglieder würden mit Genugtuung und großem Dank begrüßt werden. Als dieser Bericht schon fertig war, ist über- raschender Weise von einem geschätzten auswärtigen Mitgliede, das nicht genannt sein will, eine hübsche Summe für wissenschaftliche Zwecke der Kasse überwiesen worden; hoffen wir, daß andere bald folgen mögen. Sieben Bogen des mehrfach erwähnten Doppelheftes 1 u. 2 des XV. Bandes der „Schriften“ sind bereits gedruckt und enthalten je eine mineralogische, botanische, landeskundliche, ballistische, zoologische und biographische Arbeit der Herren Dahms, Wangerin, Lakowitz, von Brunn, Sommer, La Baume. Andere Arbeiten aus den übrigen naturwissenschaftlichen Disziplinen werden erwartet. Herrn Direktor Dr. Dahms ist für die mühsame Tätigkeit der Überwachung dieser Drucklegungen lebhafter Dank auszusprechen. Ansehnliche und inhaltreiche, gute Druckschriften ist unsere Gesellschaft der Wissenschaft schuldig, sie braucht solche aber auch als vollwertiges Tausch- objekt im Verkehr mit den zahlreichen, zum Teil reich begüterten anderen naturwissenschaftlichen Vereinen, Gesellschaften, Instituten und Akademien, die jetzt nach Beendigung des Krieges reichlicher als in den vorangegangenen vier Jahren ihre Veröffentlichungen einsenden. Aus Deutschland, Österreich, den neutralen Ländern, seit mehreren Monaten auch aus den Vereinigten 5 Staaten Nordamerikas, ans Italien und aus England kommen die Tauschschriften in zunehmendem Maße- heran. Neu eingetreten sind in unseren Schriften- austausch das Geographische Institut an der Universität Königsberg und das Aeronautische Observatorium in Lindenberg i. d. Mark. Drei unserer auswärtigen Tauschgesellschaften konnten im Berichtsjahr auf längere Zeitabschnitte ihres Bestehens zurückblicken, so der Naturwissen- schaftliche Verein in Magdeburg auf sein 50 jähriges, die Altertumsgesellschaft Prussia in Königsberg Ostpr. auf ihr 75jähriges und die Naturforschende Gesellschaft des Osterlandes in Altenburg i. S. auf ihr lOOjähriges Bestehen. Diesseitige Glückwunschschreiben bzw. -telegramme gaben den Gefühlen der Sympathie beredten Ausdruck und halfen das Band der Zusammengehörigkeit zwischen den genannten Gesellschaften und unserer Gesellschaft fester knüpfen. Von anderweitigen hier interessierenden Jubiläen sei an dieser Stelle des 70. Geburtstages unseres Ehrenmitgliedes Generalfeldmarschall von Mackensen gedacht. Große Freude herrschte in deutschen Landen allerorten, den bewunderten Feldherrn und aufopferungsfreudigen Führer seiner Soldaten zu seinem Festtage in der Heimat wieder begrüßen zu können. Und die Natur- forschende Gesellschaft beeilte sich, dem Heimkehrenden ihre Glückwünsche zu dem doppelten Feste darzubringen. Ein liebenswürdiges Dankschreiben ist darauf vor wenigen Tagen hier eingetroffen. Mit einheimischen Vereinen und Gesellschaften hat sich im Berichtsjahr ein reger Verkehr angebahnt, und einzelne, wie die Danziger Volkshochschule, die Kunstforschende Gesellschaft, der Westpreußische Geschichtsverein und der Danziger Gartenbauverein, haben neben dem seit Jahren in unseren Räumen tagenden Ärztlichen Verein und dem Westpreußischen Botanisch-Zoologischen Verein nunmehr regelmäßig einen Teil oder alle ihre Vortragsveranstaltungen in unserem großen bzw. kleinen Sitzungszimmer abgehalten. Der Gartenbau- verein hat zugleich seinen gefüllten Bibliotheksschrank zur Aufstellung und Verwaltung zunächst auf die Zeit von fünf Jahren vertragsmäßig unserer Gesellschaft an vertraut. — - Die Wohlfahrtsstelle Westpreußen veranstaltete im März des Berichtsjahres unter Leitung des Herrn Sanitätsrat Dr. Effler einen sozialärztlichen Fortbildungskursus, den der Berichterstatter in den Räumen der Gesellschaft zu begrüßen die Ehre hatte. Nicht unterdrücken darf Berichterstatter in eigener Angelegenheit an dieser Stelle den Dank, den er dem Vorstande und der ganzen Naturforschenden Gesellschaft schuldet für ihre liebenswürdige Aufmerksamkeit zu seinem 60. Geburtstag im Sommer des Berichtsjahres. Die schöne Glückwunschadresse, die ihm von drei Herren des Vorstandes überreicht wurde, bewahrt er neben den vom Magistrat von Danzig, von anderen Vereinen und persönlichen Freunden überreichlich dargebrachten Angebinden als teueres Erinnerungs- zeichen für gemeinsame, gern geübte Tätigkeit auf. Mit der sichtlich sich hebenden wissenschaftlichen Tätigkeit unserer ein- heimischen wie auswärtigen arbeitenden Mitglieder in engem Zusammenhänge 5 I 6 steht die mit Kriegsschluß reger gewordene Benutzung der Bibliothek der Gesellschaft. Die Arbeiten übersichtlicher Neuordnung in den Abteilungen für Geographie und Physik und die Katalogisierung nahmen unter Aufsicht des Bibliothekars, Herrn R.-G.-Direktor Dr. Dahms, ihren gleichmäßigen Fortgang. Sie würden ein schnelleres Tempo erfahren, wenn für die seit Jahren eingestellte Bibliothekshilfskraft reichere Geldmittel aufgewendet werden könnten. Leider fehlen diese Mittel; infolgedessen scheiterte auch der Versuch zu Anfang des Berichtsjahres, einen freigewordenen Bibliothekar aus Straßburg i. E. zur Mithilfe für uns zu gewinnen. Doch auch hier be- steht die Hoffnung, daß der eine oder andere Bücherfreund unter unseren Mitgliedern zur reicheren Ausstattung des Bibliotheksfonds der Gesellschaft vielleicht einen Beitrag stiften wird, wie dermaleinst Dr. Verch, aus dessen Stiftungskapital gegenwärtig 525 M an Zinsen für Bibliothekszwecke jährlich zur Verwendung kommen, außer 1700 M aus der allgemeinen Gesell- schaftskasse. Unsere Bibliothek verdient solche tatkräftige Unterstützung, da sie die größte, im Privatbesitz befindliche, naturwissenschaftliche, vor- züglich biologische Fachbibliothek innerhalb des deutschen Ostens ist. Der Hauptsache nach setzt sie sich aus langen Reihen der Veröffentlichungen von Instituten, Akademien, Hochschulen und Vereinen zusammen; dazu kommen zahlreiche wissenschaftliche Zeitschriften und Einzelwerke. Von Einzelschriften ist durch Schenkung im verflossenen Berichtsjahr eine größere Anzahl naturwissenschaftlicher Werke neu hinzugekommen. Als Geschenk- geber, denen der Dank der Bibliotheksverwaltung auch an dieser Stelle aus- gesprochen sei, sind zu nennen: das Preußische Landwirtschaftsministerium, die Technische Hochschule Danzig, die Landwirtschaftskammer für West- preußen, Frau Amtsgerichtsrat Franck und die Herren Bail, Braun, Conwentz, Dahms, Damme, Geisler, Habermann, Hellmann, Jentzsch, Kehding, Lakowitz, Lindner, Lorenz, Lucks, S. Meyer, Petruschky, Speiser, Süring, Wangerin. Zu besonderem Dank ist die Gesellschaft Herrn Konsul a. D. Kehding in Dresden verpflichtet, der im Berichtsjahre das außerordentlich wertvolle Werk: Reichenbach, Jcones Florae germanicae et helveticae in 23 Quart- bänden mit zahlreichen farbigen Tafeln der Bibliothek geschenkt hat. In regelmäßiger Folge werden alle Neuerscheinungen, soweit sie in den Besitz der Gesellschaft gelangen, im Lesezimmer ausgelegt, wo sie in den Wochentagen ausnahmslos allen Mitgliedern leicht zugänglich gemacht werden. Außerdem werden die Zeitschriften allgemeinnaturwissenschaftlichen Charakters einem wöchentlich wechselnden Zeitschriftenlesezirkel zur freien Benutzung hierfür interessierter Mitglieder eingereiht. Dieses Lesezimmer, zugleich unser kleines Sitzungszimmer, immer behaglicher einzurichten, ist das Bestreben des Berichterstatters seit Jahren, und mit Freuden kann er jetzt berichten, daß wieder ein werktätiges Mitglied, dasselbe, das bereits eine größere Summe für die wissenschaftlichen Bestrebungen der Gesellschaft zur freien Verfügung 6 7 stellte, nunmehr auch mehrere Hundert Mark zur Ausschmückung unseres Lesezimmers dankenswerterweise überwiesen hat. Zur Vervollständigung unseres Bücherschatzes, ferner des Bestandes an geeigneten Regalen und Schränken neue Mittel in die Hand zu bekommen, auch um die Kosten für Buchbinderarbeiten bestreiten zu können, wäre dringend wünschenswert. Die andere Seite der wissenschaftlichen Tätigkeit unserer Gesellschaft, d. i. nach § 1 der Satzung „die Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse unter den Bewohnern“, fand ihre sorgsame Pflege, und die Vortragstätigkeit, über die der Schriftführer, Herr Prof. Dr. Wallen b erg, im einzelnen noch berichtet, hat im abgelaufenen Jahr einen erfreulichen Aufschwung genommen. Abgesehen von 14 wissenschaftlichen Vorträgen aus den Gebieten der Physik^ Geologie, Zoologie, Astronomie, Medizin, Erdkunde, Botanik und der allgemeinen Biologie in den allgemeinen Sitzungen, fanden noch ein fesselnder, populär- wissenschaftlicher Lichtbildervortrag des Herrn Medizinalrat Dr. B irnbacher über die Pockengefahr und ihre Bekämpfung und zwei Vortragsreihen lebhaften Anklang, die eine über ,,Das System der Fixsterne“ von Prof. Dr. v. Brunn, die andere ,,Eine Einführung in die Geologie von Westpreußen“ von Prof. Dr. Sonntag. Beide Kurse, durch Lichtbilder und Vorführungen belebt, hatten sich einer starken Beteiligung seitens der Mitglieder zu erfreuen, ebenso wie die aus dem vorigen Jahr in das Berichtsjahr hinüberreichende, beliebte Vortragsreihe des Herrn Geh. Reg.-Rat Dr. Rößler: ,, Einführung in die Elektrotechnik“ (mit Vorführungen). Solche Vortragsreihen sind auch für die Zukunft in regelmäßiger Folge geplant. Sie befriedigen ein, wie es scheint, starkes Bedürfnis der Mitglieder und sind auch geeignet, unserer Gesellschaft neue Freunde zuzuführen. Von auswärtigen Gelehrten besuchte uns auf Einladung zu einem Vor- trag Herr Professor Dr. Pfeiler von der Kaiser Wilhelm-Akademie in Bromberg. Die Schwierigkeit der Verkehrsverhältnisse verbot die Inan- spruchnahme weiter entfernt wohnender Herren, deren Zusage für bessere Zeiten aber gesichert ist. Außerdem wurde die Gesellschaft vom Bezirks- verein deutscher Ingenieure wie vom Botanisch -Zoologischen Verein zu Vor- trägen bzw. naturwissenschaftlichen Kinovorführungen eingeladen, wovon die Mitglieder gerne und reichlichen Gebrauch machten. Auch in den Fach- sektionen der Gesellschaft zeigte sich ein regeres Leben als während der Kriegsjahre, worüber die Herren Vorsitzenden der Sektionen nachfolgend noch berichten werden. Alles in allem genommen ist festzustellen, daß seit dem Kriegsende ein frischerer Zug in das innere Leben der Gesellschaft gekommen ist. Mit alter Zähigkeit hat die Gesellschaft während der ganzen Kriegszeit ihre Tätig- keit ununterbrochen fortgesetzt und erfreut sich jetzt einer Regsamkeit, die weiter zu erhalten und zu fördern der Aufmerksamkeit und Tätigkeit aller Beteiligten wert ist und ihrer bedarf. 7 8 Eine besondere Abteilung im wissenschaftlichen Betriebe unserer Gesell- schaft bildet die astronomische Station. Sie steht unter der Leitung des o Herrn Prof. Dr. von Brunn. * In früheren Jahresberichten hat Berichterstatter die mißliche Lage der alten Warte in dem hohen Turm dieses Gebäudes ge- schildert und über den Plan einer neuen Sternwarte außerhalb der inneren Stadt bereits wiederholt Mitteilungen gemacht. Jetzt sei folgendes berichtet: Die Lage der alten Sternwarte hat sich inzwischen weiter verschlechtert. Nachdem ihre Räumlichkeiten von der Feuerleitung der Flakgruppe Danzig zu Anfang 1918 endgültig freigegeben waren, stellte sich heraus, daß gar vieles im Innern, vor allem an der Kuppel, beschädigt war. An eine Aufstellung der Instrumente im Kuppelraume konnte erst gedacht werden, nachdem vom Militärfiskus eine entsprechende Entschädigung gezahlt war. Diese ist im Berichtsjahr endlich erfolgt, aber bei den gegenwärtigen Teuerungsverhältnissen reicht die Entschädigungssumme bei weitem nicht zur Wiederherstellung des Zerstörten aus; insbesondere kann der große Refraktor unter der durchaus wetterundichten Kuppel nicht aufgestellt werden. Der Neubau der Sternwarte auf dem bereits erworbenen Gelände am Königstaler We'g hat begreiflicherweise auch noch nicht in Angriff genommen werden können. Die gänzlich veränderten politischen Verhältnisse und die Lostrennung des Freistaates Danzig von Preußen erklären das zur Genüge, wie auch das Verhalten der preußischen Staats- regierung, dem mit der Technischen Hochschule in Beziehung zu bringenden neuen Unternehmen unserer Gesellschaft das Interesse nicht mehr zu schenken wie früher. Trotz wiederholter, schriftlich niedergelegter, prinzipieller Zu- stimmung der Staatsregierung, materiell zur Aufrichtung und Unterhaltung der neuen Warte beizutragen, war die endgültige Zusicherung einer diesseits be- antragten einmaligen und eines laufenden Beitrages bisher nicht zu erreichen. Alle schriftlichen Gesuche, wie auch eine neuerliche persönliche, mündliche Anfrage im Ministerium in Berlin durch unseren Vizedirektor, Herrn I^rof. Dr. Krüger, haben bis jetzt etwas Positives in der unsererseits und mit ent- gegenkommender Unterstützung des bisherigen Oberpräsidiums hier eifrig be- triebenen Angelegenheit nicht zutage gefördert. Selbstverständlich wird weiter alles versucht, die Angelegenheit zu einem günstigen Abschluß zu bringen. Nach Obigem schien aber für absehbare Zeit jede praktisch-astronomische Arbeitsmöglichkeit in unserer astronomischen Station vereitelt. Da tauchte im letzten Sommer eine neue Aussicht auf, den Fortbestand der Sternwarte der Gesellschaft in anderer Weise zu ermöglichen. Infolge der Loslösung vom Reiche wird der Freistaat Danzig genötigt sein, eine Reihe von Dienstzweigen nautischen, meteorologischen, astronomischen Charakters, die für den Hafenbetrieb unerläßlich und bisher von Reichs- und Staatsdienst- stellen durchgeführt worden waren, fortan in eigene Regie zu nehmen. Wenn es gelingt, diese Dienstzweige, wie es naturgemäß und an anderen Stellen ähnlich durchgeführt ist, in einem freistaatlichen Institut zu vereinigen, so wäre es das Gegebene, auch unsere Sternwarte mit ihren ietzt schon zur Ver- 8 9 fügung stehenden Mitteln mit diesem Institut zu vereinigen. Nach einem Vorträge des Berichterstatters über die Angelegenheit bei dem Herrn Ober- bürgermeister Sahm und nach Vorbesprechungen im Vorstande sind Verhand- lungen hierüber mit den maßgebenden Stellen bereits eingeleitet worden. Sobald der neue Plan festere Form gewinnt, wird er im einzelnen auch der Mitgliederversammlung vorgelegt werden. Inzwischen ist auf Anregung des Berichterstatters das Instrumentarium der im August 1919 aufgehobenen meteo- rologischen Normalbeobachtungsstation Neufahrwasser der Deutschen Seewarte, sowie dasjenige der während des Krieges hier von der Marineverwaltung be- gründeten, Ende September 19 1 9 aber wieder aufgelösten Seewetterwarte nun unserer 'Gesellschaft zu treuen Händen übergeben worden, in der Hoffnung, daß von der Gesellschaft die meteorologischen Beobachtungen fortgesetzt werden. Mündliche Besprechungen des Astronomen der Gesellschaft mit dem Direktor der Deutschen Seewarte in Hamburg haben dem neuen Plane der Begründung eines astronomisch-meteorologischen Institutes hier in Danzig neue Grundlagen geschaffen, wohl geeignet, seine Durchführung zu begünstigen. Die Termin- beobachtungen für die Deutsche Seewarte sollen, falls irgend möglich, in den obersten Räumlichkeiten dieses Gebäudes unter Leitung des Herrn v. Brunn baldigst aufgenommen werden. Die Deutsche Seewarte hat ihren regelmäßigen Beitrag zugesagt, und die landwirtschaftliche Großhandelsgesellschaft zunächst für die ersten drei Jahre einen Zuschuß zugesichert. Andere Stellen werden hoffentlich bald folgen, zur Bestreitung der persönlichen Kosten dieser neuen Wetterdienststelle das ihrige beizusteuern. Die Instrumente sind nach Über- windung mancher Schwierigkeiten bereits zur Beobachtung fertig eingebaut worden. Augenblicklich hält es noch schwer, den regelmäßigen, täglichen Beobachtungsdienst betriebssicher zu organisieren. Hoffentlich gelingt es schnell, diese Schwierigkeit zu überwinden, so daß fortan Danzig durch die Naturforschende Gesellschaft ihren eigenen Wetterdienst mit seinen praktischen Nutzanwendungen für Schiffahrt und Landwirtschaft erhält. Die eigentliche Tätigkeit der Sternwarte blieb unter den dargelegten Umständen auf die persönlichen, wissenschaftlichen Arbeiten des Astronomen beschränkt. Herr v. Brunn hat vom zweiten Wintersemester 1919 ab seine Lehrtätigkeit an der Hochschule hier wieder aufgenommen, ferner, wie oben bei der Mitteilung über die Vortragstätigkeit der Gesellschaft schon erwähnt, in der ersten Hälfte des Wintersemesters 1919/20 einen auf neun Abende verteilten gemeinverständlichen Vortragszyklus ,,Das System der Fixsterne“ abgehalten. Seine sonstige Zeit war mit theoretischen Studien über ballistische Fragen, Refraktion, Himmelsmechanik ausgefüllt. Von seinen in Druck ge- gebenen Arbeiten sind bisher erschienen in den „Schriften“ der Naturf. Ges.: „Über strenge und genäherte Berechnung von Geschoßflugbahnen“; in den Sitzungsberichten der Akademie der Wissenschaften in Berlin: „Zu Herrn Einsteins Bemerkung über die unregelmäßigen Schwankungen der Mondlänge von der genäherten Periode des Umlaufs der Mondknoten“; in den astrono- 9 10 mischen Nachrichten: „Zur Berücksichtigung des Dampfdruckes bei der Berech- nung der Refraktion“. Den Sonderbericht über die astronomische Station kann Berichterstatter nicht schließen, ohne jiervorzuheben, daß der Mechaniker an der Station, Herr Krause, im Juli 1919 auf eine ununterbrochen 25jährige Tätigkeit zurückblicken konnte. Die Glückwünsche und der Dauk der Gesell- schaft, zugleich mit einem passenden Angebinde, wurden dem arbeitstreuen Jubilar aus diesem Anlaß überreicht. Von den unserer Gesellschaft gehörenden Stiftungen wurden die Zinsen zunächst der v. Wolffschen Stiftung satzungsgemäß zur Unterhaltung der Sternwarte verausgabt, die noch einen beträchtlichen Zuschuß aus der allge- meinen Kasse und bisher einen kleinen Beitrag vom Kultusministerium erhält. Der Zinsertrag in Höhe von gegenwärtig 525 M aus der V er chschen Stiftung für Bibliothekszwecke fand wie bisher zur Erhaltung und Vermehrung der Bücherei seine regelrechte Verwendung. Die Zinsen der zur Förderung natur- wissenschaftlicher Arbeiten, vornehmlich zur Heimatkunde, s. Zt. begründeten Humboldt- Stiftung wurden nur zum Teil verbraucht, und zwar zu einem Doppelstipendium von 300 M an Herrn Dr. La Baume zum Studium west- preußischer Insekten. Das Ergebnis dieser Studien liegt in einem soeben ein- gereichten Manuskript vor. Die Jubiläumsstiftung von 1918 mit einem jähr- lichen Zinsertrag von 393 M für wissenschaftliche Zwecke zur Verfügung des Vor- standes muß durch Kapitalisieren der Zinsen anwachsen, ehe sie zu bemerkens- werter Mithilfe bei wissenschaftlichen Unternehmungen der Gesellschaft herange- zogen werden kann. Die außerhalb ihres Haushaltungsplanes von der Gesellschaft verwaltete und von ihr zusammen mit dem Westpr. Botanisch-Zoologischen Verein begründete Professor B a i 1 - Stiftung zur Unterstützung biologischer, vornehmlich heimatkundlicher Arbeiten konnte im Berichtsjahr ein Stipendium nicht auswerfen, da ein geeigneter Bewerber sich nicht fand. Die geschäftlichen Angelegenheiten der Gesellschaft wurden in fünf Sitzungen des Vorstandes und anschließend in fünf außerordentlichen Sitzungen der Mit- glieder erledigt. Der Vortrag des Jahresberichts des Direktors, die Berichte der Vorsitzenden der Fachsektionen über deren Tätigkeit im abgelaufenen Jahre, der Bericht der Rechnungsprüfer über den Stand der Kasse, die Entlastung der Kassenverwaltung unter Leitung des Herrn Dr. Damme, die Verleihung des Humboldt- Stipendiums und die Festlegung des Haushaltungsplanes, wie endlich die Wahl des Vorstandes für das bevorstehende neue Jahr waren die auch sonst üblichen Beratungsgegenstände. Dazu kamen als neu die Beratung über eine infolge der gegenwärtigen Geldentwertung und dadurch entstandenen schwierigen finanziellen Lage notwendig gewordene Erhöhung des Jahres- beitrages mit dem Ergebnis, daß durch die Mitgliederversammlung vom 23. April 1919 für die einheimischen Mitglieder der Jahresbeitrag von 12 M auf 20 M, sowie die Einziehung der zweiten Halbjahresrate für 1 919 in Höhe von 10 M, und der Jahresbeitrag für die auswärtigen Mitglieder von 6 M auf 10 M vom 1. Januar 1920 ab beschlossen wurde. In der außerordent- 10 11 liehen Sitzung am 19. November kam ein von Herrn Geh. San. -Rat Dr. Liövin angeregter Vorschlag des Vorstandes, betreffend die Zulassung von Angehörigen der Mitglieder zu den wissenschaftlichen Sitzungen, zur Beratung und führte zu dem Beschluß, daß die Mitglieder fortan berechtigt seien, für ihre Gattin und ihre über 18 Jahre alten, noch nicht selbständigen Kinder sogen. „Gast- karten“ zum regelmäßigen Besuch der wissenschaftlichen Vorträge der Gesell- schaft zu entnehmen, gegen eine Jahresgebühr von 8 M. Eine im Vorstand angeregte Revision der Satzung wird verschoben, bis sich die innerpolitischen Verhältnisse des Freistaates, besonders bezüglich der Hochschule, völlig ge- klärt haben werden. Die Wahl des Vorstandes für das Jahr 1920 ergab in der Mitglieder- versammlung am 17. Dezember folgendes Resultat: Herr Studienrat Prof. Dr. Lakowitz, Direktor. „ Hochschulprofessor Dr. Krüger, Vizedirektor. „ Bankier Dr. Damme, Schatzmeister. „ Prof. Dr. Wal len b erg, Schriftführer für die inneren Ange- legenheiten. „ Prof. Dr. Kumm, Schriftführer für die äußeren Angelegenheiten. „ Oberlehrer Dr. Wangerin , Dozent an der Technischen Hoch- schule, Bibliothekar. „ Architekt Reichenberg, Hausverwalter. „ Prof. Evers „ Prof. Dr. Petrus chky Beisitzer. „ Hochschulprofessor Dr. Sommer Als Rechnungsprüfer wurden die Herren Kaufmann Domansky und Bankier Stein wiedergewählt. Neu in den Vorstand sind hiernach die Herren Reichen- berg und Wangerin eingetreten, ersterer an Stelle des im Berichtsjahre ver- storbenen Stadtrat Zimmermann, letzterer an Stelle des Herrn Realgymnasial- direktor Dr. Dahms, dem es von seinem Wohnort Zoppot auf die Dauer zu umständlich geworden ist, selbst mit Amtsgeschäften nicht wenig belastet, nun noch dieses immerhin Zeit beanspruchende Ehrenamt des Bibliothekars zu ver- walten. Fünf Jahre lang hat Herr Dahms dieses Amt mit Sorgfalt verwaltet, den Dank der Gesellschaft hierfür auch an dieser Stelle auszusprechen, ist dem Berichterstatter ein Herzensbedürfnis. In derselben Sitzung, am 17. Dezember, erfolgte die Festlegung des Haus- haltungsplanes für 1920 nach den Vorschlägen des Vorstandes in Höhe von 19 846 M ausschließlich und von 26 228 M einschließlich der Wolffschen Stiftung für astronomische Zwecke, der Verch sehen Stiftung für Bibliotheks- zwecke, der Humboldt-Stiftung für Stipendien und der Jubiläumsstiftung von 1918 für wissenschaftliche Zwecke. Nur mit den größten Schwierigkeiten war es möglich, die Ausgaben gegen die Einnahmen auszugleichen, trotz der Mehr- einnahme infolge der Erhöhung der Mitgliederbeiträge. Die Gehälter für die Angestellten der Gesellschaft konnten leider keine befriedigende Aufbesserung ii 12 erfahren. Nur eine wesentliche weitere Steigerung der Mitgliederzahl und die Zuwendung reicher Beihilfen in Form von besonderen laufenden Beiträgen oder als Stiftungen seitens wohlhabender Gönner der Gesellschaft können da eine Besserung bringen. Zum Schluß dieses Berichtes ist noch aufrichtiger Dank auszusprechen zunächst der Preußischen Staatsregierung für die alljährliche Beisteuer von 500 M zu den Kosten der Astronomischen Station, der Westpreußischen Provinzialverwaltung für die alljährliche Zuwendung von 2000 M zu den all- gemeinen Aufgaben und im besonderen zu der Herausgabe der „Schriften“, endlich der Verwaltung der Stadt Danzig für den jährlichen Beitrag von 300 M. Diese Unterstützungen trotz der so traurig veränderten, politischen Umwäl- zungen unverkürzt weiter zu beziehen, wäre eine letzte Möglichkeit, die Finanz- lage der Gesellschaft zu retten. Hoffen wir auf eine gedeihliche Zukunft. M. H. ! Ein neues Jahr steigt herauf, ein neuer Zeitabschnitt in der Geschichte des Landes, in dem mit unserer Naturforschenden Gesellschaft wir alle wurzeln, beginnt. Was die neue Zeit mit ihrem undurchdringlichen Dunkel bringen wird, ist auch dem schärfsten Seherauge verschlossen. Wirtschaftliche Lasten und Sorgen werden sicher nicht fehlen, aber unverkennbar stehen uns auch Kämpfe um ideale Güter des Lebens bevor. Die Wissenschaft, die wir pflegen, ist ein internationales Gut, wohl geeignet, die Völker zu einen, eher als es durch so manche phantastische Pläne der Gegenwart geschehen dürfte. Diese Wissenschaft mit allen Mitteln, geistigen wie reichlich materiellen, zu fördern, wird und muß stets unser erstrebenswertes Ziel sein, und jeder, der hierbei redlich mithelfen will, welchem Volksstamm er auch angehören mag, soll uns willkommen sein. Aber wir dürfen und werden dabei nie vergessen, daß deutsche Männer unsere Gesellschaft begründeten, deren Erbteil wir zu bewahren haben. Ich hoffe im Sinne aller geschätzten Mitglieder zu sprechen, wenn ich sage, unsere Gesellschaft wird trotz der Lostrennuug Danzigs, die Fühlung mit dem Deutschen Reich aufrecht zu erhalten, sich stets bemühen. 12 13 Bericht über die Ordentlichen Sitzungen der Gesellschaft im Jahre 1919. , 1. Sitzung am 2. Januar 1919. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, insbesondere die neu eingetretenen und aus der Front zurückgekehrten Mitglieder, erstattet den Jahresbericht und legt die Einzelberichte der Sektionen vor. Darauf hält Herr Geheimer Regierungsrat Professor Dr. Lorenz einen Yortrag über „Die wissenschaftlichen Grundlagen der mechanischen Technik.“ Nach einer kurzen Kennzeichnung der Mechanik als Grundlage aller Zweige der Technik werden zunächst die einfachsten Anwendungen der Statik starrer Körper und die Gewicht- lehre betrachtet und daran die Festigkeits- und Elastizitätseigenschaften der Körper ange- schlossen, die für die Haltbarkeit von Fachwerksgliedern, von Gefäßwänden unter Druck sowie von Getriebsgliedern maßgebend sind. Dabei findet sich Gelegenheit zur Würdigung der gleitenden Reibung, die nicht nur als Bewegungshindernis schädlich auftritt, sondern auch für die Standfestigkeit von Bauwerken sowie für die Gründung mittelst Pfählen in hohem Grade notwendig und nützlich erscheint. In der Dynamik der Maschinen wird vor allem der sogenannte stationäre oder Be- harrungszustand am Beispiel eines gleichförmig bewegten Eisenbahnzuges mit Hinweis auf die damit verbundene Drehung der Räder beleuchtet und dann auf die von Beschleunigung her- rührenden Massenwirkungen hingewiesen und darum die Notwendigkeit eines Ausgleichs der- selben in vielen praktischen Fällen hergeleitet. Solche Massenwirkungen treten besonders dauernd als Begleiterscheinungen von Schwingungsvorgängen auf, die darum in der neuzeitlichen Technik ein eingehendes Studium mit Rücksicht auf die Gefahren der Resonanz erfordern, die z. B. die Wirksamkeit der Regulatoren völlig aufheben kann. Auch die Kreiselwirkungen in der Ballistik, auf Kollergänge und für Richtungsweiser (Kreiselkompaß), sowie der Schiffs- kreisel und die Einschienenbahn sind stets von Schwingungen begleitet, die darum eine gründ- liche Beachtung seitens der Ingenieure erfordern. Schon hei der Reibung geschmierter Lager von Maschinen spielt die Flüssigkeits- bewegung eine große Rolle, die hier als nahe verwandt mit der Grundwasserstauung im Erd- boden erscheint und darum für die Wasserversorgung der Städte von großer Bedeutung ist. Nach einer Übersicht über die Einrichtung und Wirkungsweise der hierfür gebräuchlichen Pumpen werden als deren Urheber die Wassermotoren, z. B. die Turbinen und Wasserräder geschildert und danach auf die Propeller für Schiffe und Flugzeuge eingegangen. Der Schiffs- und Geschoßwiderstand bietet wieder Gelegenheit, auf die damit zusammenhängenden Schwingungen l 14 und Wirbelbildungen einzugehen, die schließlich noch als maßgebend für die Wirkung der Ruder an Schiffen und Tragflächen der Flugzeuge gekennzeichnet werden. Der Vortragende schließt mit einem Hinweis auf den großen Wert exakter theoretischer Forschungen, die nur im Verein mit einer ausgiebigen Versuchstätigkeit nicht nur die hohe Vollendung der mecha- nischen Technik ermöglicht haben, sondern auch zahlreiche physikalische Erscheinungen, z. B. das Tönen der Drähte im Winde, das Wogen der Getreidefelder und das Schwanken der Baumzweige und Blätter als Folge periodischer Wirbelablösungen erklären. Der Direktor dankt dem Vortragenden für seine interessanten Ausführungen und schließt die Sitzung. 2. Sitzung am 22. Januar 1919. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, macht auf den Schlußvortrag des Herrn Geheimrat Professor Roß ler am 27. Januar auf- merksam und legt ein Preisausschreiben der Gesellschaft „Hortus“ in München vor, das Studium der wichtigsten Bestandteile des Hirtentäschchens ( Capselia bursa pastoris) betreffend. Darauf hält Herr Dozent Oberlehrer Dr. Wan ge rin einen Vortrag über „Bemerkenswerte Erscheinungen aus der PfSanzengeographie des nordostdeutschen Flachlandes4*. (Der Vortrag ist in dem 15. Bande (1. Heft) der Schriften der Gesell- schaft S. 43 — 85 unter dem Titel „Die montanen Elemente in der Flora des nordostdeutschen Flachlandes“ abgedruckt.) Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. 3. Sitzung am 5. Februar 1919. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, insbesondere die neu eingetretenen Mitglieder, macht Mitteilungen über demnächst statt- findende Vorträge und erteilt das Wort Herrn Prosektor Dr. Stahr zu einem Vortrage über „Neue Methoden der Krebsforschung“ mit Vorführung von Lichtbildern. Ohne gerade epochale Entdeckungen aufzuweisen, ist die Krebsforschung doch in den letzten fünfzehn Jahren, vor dem Kriege, um ein Bedeutendes vorwärts gekommen. Nicht vom Zentralkomitee für die Erforschung und Bekämpfung der Krebskrankheit, welches besonders durch Aufklärung und Empfehlung der Früh- operation segensreich wirkt, können neue Wege, andere Gesichtspunkte und be- merkenswerte Funde in die Welt gesetzt werden, sondern solche Ereignisse gehen immer von einzelnen, von besonders veranlagten Köpfen aus. Es werden sodann einige Systeme der Geschwülste und die wichtigsten Namen- gebungen besprochen. — V i r c h o w verzichtete noch 1863 auf eine Definition. — Epitheliom und Adenom sind Neubildungen, welche, bösartig geworden, Carcinom genannt werden, ein Name, der aus dem Altertum stammt und ganz oberflächlich den Brustkrebs mit dem Seekrebs, einem brachyuren Dekapoden, vergleicht. Fibrom, Chondrom und andere Bindesubstanzgeschwülste wiederum führen zu Sarkom. Außer- dem gibt es noch eine Menge von bösartigen Neubildungen, die heutzutage alle mit „Krebs“ bezeichnet werden. Im Prinzip kann jede Geschwulst bösartig werden, es kommt das bei den einzelnen nur verschieden häufig vor. Zur Diagnose ist Sitz der 2 15 Neubildung durchaus anzugeben, da ein und derselbe mikroskopische Bau an der einen Stelle bösartige, an der anderen Stelle des Körpers gutartige Erkrankung be- deutet. So kann nur große Erfahrung zu einem gesicherten Urteil führen, und es kommen jedem Pathologen dennoch Fälle vor, wo er nicht sagen kann, ob Krebs vor- liegt oder nicht. Es ist ein vom praktischen Bedürfnis geforderter konventioneller Begriff. Krebs tritt sehr oft gar nicht als Geschwulst auf, sondern durchsetzt die Körperteile; viel seltener als bei gutartigen Bildungen kommt es zu wirklich pro- minierenden größeren Gebilden. Bei dem schnelleren Wachstum sind bösartige Blastome weniger gut organisiert und führen leichter zu Zerfall. Oberflächenzerfall führt zu krebsigem Geschwür. Cohnheims Lehre von den Gewebsmißbildungen, von Keim- chen, die lange latent bleiben und dann unter Umständen, die wir nicht genauer angeben können, nach bestimmter Zeit, bei Altern des Individuums usw., zu starkem Wachstum erwachen, kann gerade für die Genese des Krebses nicht oft herangezoge'n werden. — ■ Gewächse sind Gewebswucherungen von scheinbarer Selbständigkeit, jedenfalls ohne Wert für den Träger, es sind formlose Überschußbildungen selbständigeren Charakters, die wie Parasiten auf dem Wirtstiere schmarotzen. Die bösartigen unter ihnen besitzen haltloses, d. h. unbegrenztes Wachstum, welches erst mit dem Tode des Trägers erlischt. Kemissionen im Wachstum führten oft zu Täuschungen. Derartige Erklärungen führen uns jedoch nicht zu einem tieferen Verständnisse des Geschwulstproblems. Auch Cohnheim gab einen Weg an für die formale, nicht für die kausale Genese. Mit dem Mikroskop, in der ganzen morphologischen Richtung, die wissenschaftlich sehr hoch steht und der wir sehr viel Aufklärung verdanken, obgleich das Wort: „In minimis tota latet natura“ nicht wörtlich zu nehmen ist, — wurde die Natur des Krebses eingehend erforscht. Es wurde die Atypie und der unregelmäßige Aufbau der Zellen festgestellt, eine Häufung atypischer Kernteilungsfiguren gefunden. Aber der Krebs besteht keineswegs immer aus sichtbar entdifferenzierten Zellen, sondern bösartigste Krebse produzieren vollauf ausgereifte Gewebe, z. B. die verhornenden Carcinome. Immer wächst der Krebs, wenn er einmal da ist, aus sich heraus, er greift nicht etwa auf die Nachbargewebe über; er drängt die Zellen vielmehr zusammen, vernichtet sie und tritt an ihre Stelle. So findet man denn Heterotopie, d. h. Grenzüberschreitung, die allerdings nicht überall maßgebend oder leicht festzustellen ist. Krebs neigt immer zu Metastasenbildung, d. h. Ab- siedelung in entfernten Gegenden, ohne daß ein Zusammenhang mit dem primären Sitz aufzufinden wäre. Die Verbreitung findet vorzugsweise durch die Lymphgefäße statt. Aber solche Absiedelungen müssen nicht etwa da sein. Die wahrhaft kausale Genese wäre gefunden, wenn es gelänge, einen Erreger, einen Mikroorganismus vorzuweisen, welcher etwa durch Symbiose mit der Zelle des Wirtstieres diese zu so ungeheuerem Wachstum entfachen könnte. Aber alles, was auf diesem Gebiete vorgebracht wurde, vielfach rechte Dilettantenarbeit im schlechten Sinne, hat Anerkennung nicht behaupten können. Es beruht auch auf Unkenntnis, wenn die Analogien in der äußeren Erscheinung des Krebses mit Tuberkulose und Syphilis dafür herangezogen werden, daß eine Infektionskrankheit vorliegen müsse, deren Erreger doch früher oder später gefunden werden würde. Denn die Metastasen entstehen ebenso wie beim Transport von Blutgerinnseln intra vitam, von Fett bei Knochenbruch und bei der Weiterverbreitung von Pigmenten. Auch Knochen- markzellen finden sich unter Umständen z. B. in der Leber. Bei Infektionskrankheiten findet man in den Stätten sekundärer Erkrankung natürlich die Erreger, beim Ratten- Magenkrebs (F i b i g e r) ist das aber nicht der Fall. Dieser entsteht durch einen Wurm, Spiroptera, welcher nach Fütterung der Ratten mit Schaben (Zwischenwirt) aufgenommen wird und in der Schleimhaut des Magens schmarotzt. Es sind eben nur 3 16 die wuchernden, sehr lebensfähigen Zellen, welche, anderswo hingelangt, sich hier festsetzen und zu sekundären Gewächsen führen. Es liegt aber auch sonst gar kein Anlaß vor, an eine Infektionskrankheit zu denken, weil Pflegepersonal nie angesteckt wurde, weil die Übertragung auf irgendwelche Tiere nicht gelingt und weil gehäuftes Vorkommen in der Familie, eben bei Verwandten darauf beruht, daß eine heredo- familiäre Anlage besteht. Dafür sprechen sehr interessante Beobachtungen. IT e d i n g e r sezierte zwei Schwestern, die an dem sehr seltenen Leberkrebs gestorben waren. In einer kinderreichen Familie erkrankten, wie bei der Bluterkrankheit, allein die sieben Knaben an Krebs. Immer mehr gewinnt die ßeiztheorie des Krebses an Anhängern. Mannig- faltige Beizungen und Schädigungen führen zu Vorstadien, und auf deren Boden kommt es zu Krebs. Die neuen Methoden sind experimentelle. Der Menschenkrebs ist auf Tiere ebensowenig zu übertragen, wie es eine erfolgreiche ITeteroplastik gibt. Die besprochenen Metastasen sind gewissermaßen autoplastische, von der Natur be- sorgte, Übertragungen. (Es werden die einzelnen Tierkrebse erläutert, besonders bei Hunden und den kleineren Laboratoriumstieren, und kurz auf die Geschichte der homoioplastischen Transplantationen eingegangen.) Unterschiede zwischen dem Mäusekrebs und dem der Menschen bestehen wohl, aber sie sind unwesentlich. Zehn- tausende von Mäusen, vorzugsweise weiße, sind benutzt worden; nicht alle Primär- tumoren lassen sich übertragen, und dann gibt es immer noch neben 1. positiven, 2. Nuller und 3. solche mit Testierenden Knötchen, wo das Krebsgewebe zugrunde ging und ein Organisationsprodukt einen Erfolg vortäuscht. Dadurch sind viele Irrtümer vorgekommen. Dieses Arbeiten mit Krebs hat zu bedeutender Erweiterung unserer Kenntnisse vom Krebs und von der Biologie der Zellen überhaupt geführt. Es wurde u. a. festgestellt: 1. Das wirklich unbegrenzte Wachstum über den Tod des Trägers hinaus. 2. Impfausbeute und Wachstumsgeschwindigkeit sind verschieden. 3. Steigerung und sonstige Beeinflussung des Impfmaterials durch Wärme, Kälte, chemische Mittel usw. 4. Steigerung der Virulenz durch Selektion; so daß man schließlich Geschwülste erhält, die in 100 % der Fälle angehen. 5. Betardiertes Wachstum bei alten Mäusen. 6. Angehen der verschiedenen Primärtumoren. Verschiedene Disposition der Mäuse. Basse, Milieu, Fütterung in ihrem Einfluß. 7. Kernteilungsfiguren sind der Zeit nach verschieden häufig. Aber auch dem Orte nach: Wachstumscentren. 8. Genauere Erforschung der auch beim Menschenkrebs festgestellten sog. histologischen Umwandlungen. 9. Die Erfolge betreffs Wachstum an Ort und Stelle der Impfung und Häufig- keit der Metastasen sind verschieden. Impfung in den Schwanz, in Organe, unter die Haut. 10. Ehrlichs atreptische Immunität.' 11. Eine heteroplastische Transplantation ist unmöglich. 12. Aktive Immunisierung. Vorimpfung durch weniger virulente Geschwülste oder Milz, Leber usw. Pan-Immunität? 13. Erzeugung bestimmter Tumor-Formen. 14. Endemien beruhen auf Täuschung. Eine z 'weite experimentelle Bichtung sucht den Krebs neu zu erzeugen und auf diese Art, durch Veränderung der einzelnen Bedingungen das Bätsel der Genese zu enthüllen. Lipoidlösende Stoffe, Indol, Skatol, Scharlachöl usw. sind injiziert worden und haben bedeutende Epithelwucherungen erzeugt, ohne 4 I 17 ■daß es doch zu Krebs gekommen wäre, d. h. zu haltlosem Wachstum oder zu Metastasen. Grenzten schon Befunde, wie wir sie bei den Schmucknarben primitiver Völker und beim Kangri-Krebs der Hochländer von Habesch vor uns haben, an Experimente, so konnte nun gar Fibiger, geleitet durch einen zufälligen Fund, bei seinen Batten Magenkrebs erzeugen. Aber nicht alle Batten erkrankten in derselben Weise; d. h., weshalb es bei vielen nicht bis zu Krebs kommt, über Zustände der Entzündung und sog. Papillomatosen der Schleimhaut hinaus, das weiß man nicht und muß an* der individuellen Disposition der Tiere liegen. Füttert man Batten lange Zeit und fast ausschließlich mit Hafer, so bohren sich die feinen Haferkorn-Haare in den Graben der umwallten, hufeisenförmigen Papille des Zungen- grundes ein und erzeugen dort ein Epitheliom (S t a h r s Haferepitheliom). Eine Beaktion in Gestalt einer Wucherung findet bei allen Tieren statt, aber die Zeiten, in denen der Tumor zu bestimmter Größe heranwächst, .sind ganz verschieden. Von größtem Interesse sind alle die Zustände, die dem Krebs vorangehen und notorisch zu Krebs führen. Eine der wichtigsten angeborenen Zustände ist das Xeroderma pigmentosum, bei dem die Haut eine ungeheure Empfindlichkeit gegen Lichtstrahlen besitzt. Hier tritt offenbar der Beiz nur als auslösender Faktor auf. Heben der Frühoperation des Krebses seitens des Chirurgen, der sich stützt auf die Diagnose des Fachpathologen von Erfahrung, gibt es neuerdings anerkennenswerte Bestrebungen der Therapie ohne das Messer. Am meisten Beach- tung verdienen die Immunisierung und die Böntgenstrahlen, weniger aussichtsvoll scheinen mir die radioaktiven Substanzen oder gar die chemotherapeutischen Mittel zu sein, (was näher begründet wird). Für die Genese des Krebses müssen die nicht spezifischen Beize und die Disposition in ihrer Wechselwirkung ins Auge gefaßt werden. Zweifellos gibt es eine individuelle, eine familiäre, Bassen- und Spezies-Disposition, aber der Krebs wächst doch nie aus heiler Haut heraus, sondern aus bestimmten Anlässen an bestimmten Stellen (Böntgenkrebs, Narbenkeloide, multiple Tumoren). Vergleicht man die Häufigkeit der Krebse, a) des Magendarmtraktus, b) der Geschlechtsorgane inkl. Milchdrüse, c) Gallenblase, d) Lippe, Mund bei Männern und Frauen, so tritt zur Evidenz hervor, daß die durch überstarke Inanspruchnahme bedingten Beiz- zustände als sog. Ursache (nicht substituierbare Bedingung) anzusprechen sind. (Folgen Ausführungen über die Natur des Beizes.) Statt hyperplaseogen wäre traumatisch-superregenerativ zu empfehlen, wenn man versuchen will, das eigentümliche Geschehen bei Krebs an anderes, bekanntes Geschehen anzu- schließen. Kumulierte Superregeneration würde dann Krebs bedeuten. Eine Krebsangst 'ist unberechtigt, da die vielfach behauptete Zunahme des K.-Leidens auf einer falschen Statistik beruht. Würde die Sektion obligatorisch eingeführt, so hätten wir noch viel mehr Krebsfälle, da schon jetzt über 20 % erst bei der Sektion gefunden werden. (Weitere Zahlen.) Höher als die Krebsheilung steht die Verhütung. Wir könnten wünschen, daß zweifelhafte Zustände ärztlich überwacht würden, daß also der Krebs schon vor dem Entstehen behandelt wird. Periodische Untersuchungen, wie sie der Zahnarzt jetzt schon bei Gebildeten vorndmmt, sind keine Utopie. Wie weit es gelingen wird, die Erblichkeit auszuschalten, das ist eine andere Frage, eine gewisse Belastung besteht aber jedenfalls. Auch hier kann man sagen: das beste ist, glücklich geboren zu sein. (Diapositive vom Mäusekrebs und Haferepitheliom der Battenzunge.) Auf Anfrage: Übertragung vom Krebs eines Menschen auf andere Menschen müßte zweifellos gelingen, wenn man lebensfähige Teile der Gewächse aus deren Tiefe dazu verwenden würde. Solche Versuche sind aus naheliegenden Gründen nicht Sehr. d. N. G. zu Danzig. .Jahresber. 1 9 J 9. 5 2 18 gemacht. Cancre ä deux, Erkankung der beiden Ehegatten kommt natürlich vor* aber nicht als Übertragung von einem Teil auf den anderen. An den Vortrag schließt sich weiter eine interessante Diskussion. Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. 4. Sitzung am 5. März 1919. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, widmet warme Worte der Erinnerung dem verstorbenen Mitgliede der Gesellschaft Herrn Landeshauptmann Senfft von Pilsach; die Anwesenden erheben sich zu Ehren des Verstorbenen von ihren Sitzen. Der Direktor legt ferner eine Arbeit des Herrn Dr. Semi Meyer über „Die Zukunft der Menschheit“ vor, die der Verfasser der Gesellschaft gewidmet hat. Dann hält Herr Professor Dr. Petruschky einen Vortrag: . „Ist die biologische Entwicklung der Lebewesen mit der Gestaltung des Menschen abgeschlossen?“ Er betonte zunächst, daß es zwei verschiedene Methoden sind, durch welche die Naturwissenschaft der Erkenntnis der Entwickelungsvorgänge näherzukommen sucht: 1. durch Sammlung eines möglichst großen Materials von Beobachtungstatsachen, 2. durch geistige Verknüpfung der gefundenen Tatsachen, durch „experimentelles Denken“, wie der Physiologe Verworn (Bonn) es benannt hat. — Die Beobachtungstatsachen, welche die Entwickelungslehre stützen, liefert einerseits die Paläontologie, die Erforschung der Erdschichten und die geologische Bestimmung ihres Alters und ihrer Aufeinanderfolge, zweitens die Embryologie, welche uns zeigt, daß gewisse frühere Entwickelungsstadien bei allen Tieren mit- einander übereinstimmen und erst an gewissen Übergangsstadien in eine spezielle Entwickelungsrichtung einschwenken. H a e c k e 1 hat daraus das „biogenetische Grundgesetz“ abgeleitet, daß die Entwickelungsgeschichte des Einzelwesens eine rasche Wiederholung der ganzen Stammesgeschichte seiner Ahnen ist. Als Triebfedern für die Entwickelung hat Darwin die natürliche Auslese im Kampf ums Dasein und die natürliche Zuchtwahl genannt. Die Mendel sehen Beobachtungen bei künstlicher Kreuzung von Pflanzen haben allerdings Vererbungsgesetze gezeigt, bei denen aus Mischformen immer wieder die alten Typen herauskommen, keine Mutation, die einen Fortschritt nach irgendeiner Dichtung bekunden. Demgegenüber macht der Vortragende geltend, daß die von Mendel beobachtete Keihe von Generationen relativ gering ist und auch die Zahl der zum Versuch benutzten Individuen keine sehr große war. Pflanzen, die ein ganzes Jahr zur Erzeugung einer neuen Generation brauchen, sind auch für die Experimente nicht günstig. Viel günstiger liegen die Bedingungen bei Spaltpilzen* welche bei Bruttemperatur im Laufe eines Tages viele Hunderte von Generationen erzeugen können. Auch kann die Zahl der zum Versuch benutzten Individuen sehr viel größer sein und in die Millionen gehen. Deswegen ist es leichter, die Vererbung erworbener Eigenschaften und den Verlust früherer bei Spaltpilzen zu studieren. So beobachtete der Vortragende bei seinen Versuchen mit Streptokokken, daß die krankheiterregenden Eigenschaften für bestimmte Tierarten sehr stark verändert werden können. Ein für Menschen hoch virulenter Stamm (von tödlicher Blutvergiftung stammend) konnte durch Kaninchenpassage für diese Tiere hoch virulent gemacht werden, wobei die für Menschen krankheitserregende Eigen- schaft vollständig verloren ging. Dies wurde gemeinsam mit K. Koch bei Heilungs- versuchen an Krebskranken, welche nach Fehleisen behandelt wurden, beobachtet. 6 19 Andererseits können Streptokokken-Stämme ihre Virulenz für Tiere und Menschen ganz verlieren, wenn sie lange nur auf Milch gezüchtet werden. Sie gewinnen dann die Eigenschaft der Milchsäurebildung aus Milchzucker und können in der Molkerei zur Bereitung von saurem Rahm für die Verbutterung praktisch verwendet werden (Domestikation). Diese Umwandlungsprozesse sind jederzeit experimentell wieder- holbar. Bei der Anpassung an die neue Daseinsform geht immer der größte Teil der ursprünglichen Generation zugrunde, es bleibt nur ein kleiner Teil übrig, den der Vortragende „Entwickelungsträger“ nennt. Dieser Teil liefert die Ahnenreihe für die neuen, in ihrem Chemismus umgewandelten Generationen. Die Umwandlung gelingt aber nicht mit jedem beliebigen Stamm. Es gibt Stämme, welche keine Entwickelungsträger enthalten, sondern in anderen Daseinsbedingungen restlos zugrunde gehen. Dabei spielt hier keine geschlechtliche Fortpflanzung eine Rolle, sondern lediglich die Vermehrung durch Zellteilung. Auch bei Pflanzen sehen die Züchter zuweilen ganz ohne besondere Einwirkung neue Mutationen vorhandener Arten entstehen. Man kann aber nicht Vorhersagen, an welchen Individuen sie ein- treten werden. Es müssen also auch da besonders veranlagte Entwickelungsträger als vorhanden angenommen werden. Übertragen wir diese Beobachtungen auf dem Wege „experimentellen Denkens“ auf die Entwicklung der Lebewesen in der Vorzeit, so können wir zwanglos annehmen, daß auch da die Fortentwickelung immer nur an besonders veranlagten „Ent- wickelungsträgern“ vor sich gegangen ist, die sich gegenüber der Gesamt- heit sehr in der Minderzahl befunden haben und daher sehr schwer auffindbar sind, selbst wenn unverwesliche Reste von ihnen irgendwo erhalten sein sollten. Daraus würde sich ebenso das Fehlen der Übergangsformen erkennen lassen wie das Übrig- bleiben einer großen Mehrzahl von Lebewesen, welche- auf der alten Daseinsstufe stehen geblieben sind. Unter ihnen sind eben Entwickelungsträger nicht vorhanden gewesen oder durch die Majorität unterdrückt bzw. ausgerottet worden. Der Vortragende ging dann zur Frage der Entwickelung des Menschen über und berichtete, daß nach den neueren Annahmen der tierische Ahnherr des Menschen nicht unter den sogenannten „Menschenaffen“, sondern unter den Halbaffen zu suchen ist. Von diesen gehen zwei Entwickelungszweige aus, der eine führt zu den Vierhändern, die sich nicht nur durch erhöhte Intelligenz, sondern auch durch besondere körperliche Gewandtheit auszeichnen und eine starke Verlängerung der Arme gegenüber den Vorfahren auf weisen. Der andere Entwickelungszweig führt zu den Zweihändern, die nur durch erhöhte Intelligenz, im übrigen aber durch größere Schwerfälligkeit in der Fortbewegung gekennzeichnet sind. Diese Rasse mag anfangs die im Daseinskampf zurückstehende, von den guten Futterplätzen der Fruchtwälder vertriebene Rasse gewesen sein, die sich in Flußniederungen ansiedelte, dort aber den großen Fortschritt der Erfindung der Steinwerkzeuge machte durch Benutzung und spätere Bearbeitung des in der Natur Vorgefundenen Feuersteins. — Seit dieser Zeit hat die Weiterentwickelung einen anderen Weg genommen. Die Körperformen haben sich nur wenig geändert, die Ent- wickelung der Werkzeuge ist aber vom behauenen Feuerstein über das Bronzeschwert zum Maschinengewehr und Flugzeug einen gewaltigen Entwickelungsweg gegangen, indem nicht die natürlichen Organe, sondern die künstlichen, auswechselbaren Organ-Vorlagen (Prothesen) Gegenstand der Weiterentwickelung wurden. Der Vortragende zitiert das Buch von Wiener „Physik und Kulturentwickelung“, welches diese Vorgänge ausführlich behandelt. Aber noch einen anderen Weg ist die Entwickelung gegangen: den der sozialen Entwickelung. Im Kampfe ums Dasein ist die Menschenhorde dem Einzelmenschen naturgemäß überlegen geblieben. Darum hat der Kampf der 2* 7 20 „Gemeinwesen“ die Kämpfe der „Einzelwese n“ untereinander abgelöst. Ein Anlaß zur Entwickelung eines einzelnen Übermenschen, wie ihn N i e t.z s c h e träumte, fällt dadurch aus. Aus der kommunistisch organisierten Horde ist dann durch verschiedene Entwickelungsstufen, welche der Vortragende näher erläuterte, allmählich der patriarchalisch von Einzel-Herrschern regierte Staat hervorgegangen. Die kommunistische Organisation ist demnach eine sehr frühe Stufe der mensch- lichen Organisation, die gegenwärtig nur noch bei wenigen Naturvölkern zu finden ist, die keine Entwickelungsträger mehr besitzen und daher ihre Bedeutung für die Entwickelung der Menschheit verloren haben. Die führenden Kulturvölker haben alle eine Organisation durchgemacht, welche von der durch den Vater geleiteten Familie über die patriarchalische Stammes-Ver- fassung zur Bildung gesetzlich geregelter Staatswesen mit Privateigentum und weit- gehender Arbeitsteilung geführt hat. Durch die Arbeitsteilung, durch welche ein Staatswesen erst leistungsfähig wird, entstehen die Berufsgemeinschaften als verschiedenartige und verschiedenwertige Glieder des Staates, welche funktionell den Gliedern des Einzelwesens entsprechen. Die alte Fabel des Men enius Agrippa hat daher eine weit größere Bedeutung als jener selbst vielleicht ahnen konnte. Sie bedeutet eine - weittragende Erkenntnis der Ent- wickelungsgesetze der „G em einwese n“, die denen der Entwickelung der Einzelwesen fast genau entsprechen: das Ergebnis ist weitgehende Differen- zierung, d. h. Verschieden-Gestaltung der Glieder eines hoch- organisierten Wesens. Nur die ganz nieder organisierten Wesen, die ein- zelligen Infusorien und Bakterien sind alle einander gleich, wenigstens äußerlich. Daß auch sie nicht einmal durchweg gleichartig sind, sondern besonders veranlagte „Entwickelungsträger“ unter sich haben, ist schon eingangs erwähnt. Der Vortragende gelangt zu einer neuen Definition des Staates, welche er die „biologische“ oder organische Staats-Definition nennt. Sie lautet: „Der Staat ist ein nach den Entwickelungsgesetzen der Lebewesen entstandenes, unter Arbeitsteilung seiner Glieder organi- siertes Gemeinwesen, welches die Gesamtheit seiner ver- schiedenartigen und verschieden wertigen Glieder umfaß t.“ Die Staatsregierung ist das Zentralorgan dieses Staates. Der Unterschied vom Einzelwesen besteht namentlich darin, daß jedes der lebendigen Glieder des Gemeinwesens, auch das Zentralorgan, auswechselbar ist, wie die Prothesen des Einzelwesens. Dadurch ist die Lebensdauer eines Gemeinwesens ins Unendliche verlängert. Sein Leben währt so lange, bis das Gemeinwesen durch Feinde vernichtet wird oder durch Unterdrückung seiner natürlichen Entwickelungsträger sich selbst zugrunde richtet (beides ist in der Ge- schichte vorgekommen). Die alte Vertragstheorie des Staates, welche von Rousseau herrührt und die Grundlage der sozialistischen Theorien geworden ist, hält der biologischen Kritik nicht Stand. Auch Wilson verwirft sie in seinem Buche über den Staat. Auch die Lehre von der Gleichheit aller Menschen ist biologisch unzutreffend und daher falsch. Alle daraus gefolgerten Schlüsse sind irreführend! Aufgabe eines organisierten Gemeinwesens ist es, seine natürlichen Entwicke- lungsträger herauszufinden und nach Kräften zu fördern, nicht sie dem Wahne der Gleichmachung aller zu opfern! Aufgabe der Lehrenden in jeder Generation ist es, die jugendlichen Entwickelungsträger rechtzeitig zu erkennen und zu fördern, aus welchem Stande sie auch hervorgegangen sein mögen. Es werden in der Regel nicht diejenigen sein, die sich selbst vordrängen, sondern diejenigen, die. unentwegt lernen 8 21 und das Gelernte geistig weiter verarbeiten und selbstdenkend fortentwickeln, die Entwickelungsziele erkennen und unentwegt im Auge behalten. Als Endziel dürfte die Entwickelung eines großen, einheitlichen , Menschheits- Organismus außer Frage stehen. Ob die Entwickelung für diesen großen Schritt schon reif ist, muß die Zukunft lehren. Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. 5. Sitzung am 26. März 1919. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, insbesondere die neu eingetretenen Mitglieder und den Vortragenden des Abends, Herrn Professor Dr. Pfeil er- Bromberg. Dieser hält einen Vortrag über „Die Entstehung der Immunstoffe bei ansteckenden Krankheiten“ (mit Vorführungen von mikroskopischen und makroskopischen Präparaten und Kulturen). Der Redner zeigte, daß die alte, von der hippokratischen Schule begründete humoral-pathologische Auffassung vom Wesen der Antikörperbildung noch in der heutigen Zeit fortlebt und auch durch die weltbewegenden zellularpathalogischen Untersuchungen Virchows nicht erschüttert werden konnte. Die Anhänger beider Richtungen haben sich heute die Hand gereicht. Goethes Faustwort: „Blut ist ein ganz besonderer Saft“ hat heute nur für den Forscher eine andere Bedeutung als früher, indem man weiß, daß im Blut nicht die Entstehung der Schutz- und Heilstoffe vor sich geht, sondern Virchows Anschauungen entsprechend in den Körperzellen selbst. Blut, Serum und Lymphe sind nur die Träger der schützenden und heilenden Prinzipien. Um diese Anschauungen theoretisch verständlich zu machen, wurde eine Reihe von Serum-Reaktionen vorgeführt, um Wirkungsweise und Mechanismus der Anti- körperentstehung — und Bildung vorzuführen. Der Redner gab dabei neben Altem auch Neues aus seinen eigenen Arbeiten und Untersuchungen und wies insbesondere darauf hin, daß die auf dem Gebiete der Menschen- und Tierheilkunde nur bei wenigen Krankheiten, z. B. Diphtherie und Schweinefotlauf zum Erfolg führende Serum- Therapie in der Zukunft von der Vaccine-Therapie verdrängt werden würde; ihr gehört die ganze immuno-therapeutische Zukunft, wenn die bislang schon festgelegten, aber nur zu wenig erkannten Prinzipien weiter ausgebaut würden. In dieser Be- ziehung wird die Nutzanwendung von Forschungen, die sich aus dem Gebiete der Tier- seuchenbekämpfung ergeben, der menschen-medizinischen Forschung neue Richtlinien und hochbedeutsame Befruchtung geben. An den Vortrag schließt sich eine interessante Aussprache. Der Direktor dankt dem Vortragenden für seine außerordentlich interessanten und lehr- reichen Ausführungen und schließt die Sitzung. 6. Sitzung am 2. April 1919. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden und widmet herzliche Worte der Erinnerung dem verstorbenen Mitgliede des Vorstandes der Gesellschaft, < Herrn Stadtrat Zimmermann. Die Anwesenden erheben sich zu Ehren deä Verstorbenen von ihren Sitzen. Darauf hält Herr Professor Dr. Sommer einen Vortrag über „Johannes Kepler“. 9 22 (Der Vortrag Ist in dem Band XV, H. 1, S. 126 — 143 der Schriften der Gesellschaft abgedruckt.) Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. 7. Sitzung am 23. April 1919. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, insbesondere den glücklich aus dem Felde heimgekehrten Vortragenden des Abends, Herrn Dr. La Baume. Dieser hält darauf einen Vortrag über „Bekämpfung der Wanderheuschrecken in Kleinasien. Eigene Beobachtungen in den Jahren 1917 und 1918“ mit Vorführung von Lichtbildern. Das Osmanische Reich, das in Friedenszeiten seinen Bedarf an Nahrungsmitteln zum Teil aus dem Auslande decken mußte, wurde während des Krieges durch den Abschluß von der Außenwelt gezwungen, sich auf eigene Füße zu stellen und die Produktion an Nahrungsmitteln so zu steigern, daß sie den Bedarf der Bevölkerung decken konnte. Diesen Bestrebungen stand ein innerer Feind entgegen: die Heu- schreckenplage, die seit 1909 in Kleinasien und Syrien ständig an Ausdehnung ge- wonnen hatte und im Jahre 1915 einen großen, in manchen Gebietsteilen sogar den größeren Teil der landwirtschaftlichen Produktion vernichtete. Des Ernstes dieser Lage bewußt, beauftragte Anfang 1916 der türkische Land- wirtschaftsminister den Regierungsrat im Reichskolonialamt Dr. Bücher, den Kampf gegen die Heuschreckenplage zu organisieren. Dieser berief zu seiner Unter- stützung einige weitere Mitarbeiter nach der Türkei, darunter auch den Vortragenden, dem im besonderen die Aufgabe zuteil wurde, die Biologie der die Plage verursachen- den Heuschreckenart, der sog. marokkanischen Wanderheuschrecke (Stavronotvs rnaroccanvs ) eingehend zu studieren, um auf diese Weise die wissenschaftlichen Grundlagen für eine wirksame Bekämpfung zu gewinnen. Diese Untersuchungen nahmen den Vorträgenden während des Jahres 1917 in Anspruch. Im folgenden Jahre war er dann noch mit der Beaufsichtigung und Leitung der Bekämpfungsarbeiten auf dem Hochlande Kleinasiens tätig, bis der Zusammenbruch der Mittelmächte Ende Oktober 1918 der Tätigkeit der deutschen Heusohrecken-Kommission ein Ziel setzte. Uber die Ergebnisse der biologischen Untersuchungen und die Bekämpfungs- arbeiten sowie deren Resultate kann hier nur in aller Kürze berichtet werden. Wer Näheres darüber zu erfahren wünscht, sei auf den ausführlichen Bericht über die in den Jahren 1916 und 1917 gesammelten Erfahrungen verwiesen.1) Im Frühjahr kriechen die jungen Heuschreckenlarven aus den in die Erde ab- gelegten Eierpaketen aus. Die Larvenentwickelung dauert etwa sechs Wochen; während dieser Zeit machen sie fünf Häutungen und demgemäß fünf Larvenstadien durch; hierauf folgt das geflügelte Endstadium, das noch etwa sechs bis acht Wochen dauert. Dann erfolgt im Früh- oder Hochsommer die Eierablage, nach welcher die Tiere bald absterben. Die Eier liegen, in Form von Paketen zu 30 bis 35 Stück, Herbst und Winter hindurch in die Erde; es wird also in jedem Jahre nur eine Generation erzeugt. 0 Die Heuschreckenplage und ihre Bekämpfung in Anatolien und Syrien 1916 und 1917, unter Mitwirkung von Dr. V. Bauer, Dr. G. Bredemann, Dr. E. Fickende y, Dr. W. La Baume und J. Loa g, herausgegeben von Dr. H. Bücher. — Monographien zur angewandten Entomologie, Nr. 3, Berlin (Parey) 1918. io 23 Der Umstand, daß die Eiablage geschlossen im Schwarm erfolgt, mithin die Eier an bestimmten Plätzen in der Erde gefunden werden können, ermöglicht es, hierauf eine Methode der Bekämpfung zu begründen: durch Einsammeln der Eierpakete, die dicht unter der Erdoberfläche liegen und leicht auszugraben sind, besser durch Pflügen oder Hacken der Eiablageplätze, kann bereits ein beträchtlicher Teil von Heuschrecken vernichtet werden. Das Hauptbekämpfungsverfahren richtet sich gegen die Larven. Diese, von Beginn ihres Daseins an in großer Zahl zusammenlebend (eine Folge der schwarm- weisen Eiablage), verlassen bald die Eiablageplätze, auf denen sie ausgekrochen sind, und beginnen zu wandern. Laufend und springend (sie haben ja noch keine Flügel) wandern sie in großen Zügen, die man am besten mit einer marschierenden Armee vergleichen kann, auf ihrem Wege alle Vegetation vernichtend. Die eingeborene Bevölkerung nutzt diesen Wandertrieb der Heuschreckenlarven in einem primitiven Bekämpfungsverfahren aus, indem sie Teile eines Schwarmes einkrsdst und in Gruben oder Gräben zusammentreibt, ein Verfahren, bei dem zahlreiche Larven entkommen und welches überdies großen Heuschreckenzügen gegenüber machtlos ist, daher nur als Hilfsmethode angewandt werden kann. Ein weit besseres Mittel zur Bekämpfung ist die sog. Zinkmethode. Senkrecht zur Wanderrichtung wird einige Meter vor der „Front“ des Zuges eine Wand aus Zinkplatten errichtet, die in beliebiger Länge und Form auf gestellt werden kann; jede Platte ist 2 mdang, 33 cm hoch und hat die Stärke von kräftigem Zinkblech. Auf der Seite der Zinkwand, von welcher die Heuschrecken anmarschieren, werden dicht am Zinkblech Erdgruben ausgeworfen, deren Ränder mit Zinkplatten so abgedeckt werden, daß den Heuschrecken, die in die Grube gefallen sind und an den Wänden wieder herauszukriechen versuchen, ein Entkommen unmöglich gemacht ist. Der Heuschreckenzug stößt nun auf seinem Marsche auf die Zinkwand; die Hüpfer suchen diese zu umgehen, marschieren an der Wand entlang und geraten dabei in die Fanggruben. Der Zinkapparat wirkt also als selbsttätige Falle; richtig auf gestellt und gehandhabt, ermöglicht er die restlose Vernichtung selbst sehr großer Heuschreckenzüge, was man von keinem anderen Verfahren sagen kann. Als vierte Methode wäre noch das Giftverfahren zu nennen. „Schweinfurter Grün“ oder das verbesserte Präparat „Urania“, in Arseniksalz, wird in wässeriger Emulsion mittels Weinbergspritzen auf die Vegetation gespritzt, welche vor der Front eines Heuschreckenzuges liegt, oder in Form von Köder (Kleie oder frischem Gras) an Stellen, die wenig Pflanzenwuchs zeigen, unter die Larven gestreut. Auch diese Giftmethode hat ausgezeichnete Ergebnisse geliefert. Von größter Wichtigkeit für eine durchgreifende Heuschreckenbekämpfung ist die Organisation der Bekämpfung. Eine solche mußte erst von dem Leiter der Bekämpfungsarbeiten, Dr. Bücher, unter den schwierigsten Verhältnissen aus dem Nichts heraus geschaffen werden, aber seiner unermüdlichen Tatkraft gelang das, und unter Aufsicht mehrerer deutscher Generalinspektoren, die ständig das Land be- reisten, funktionierten Nachrichtendienst und Bekämpfungsarbeiten schließlich zu- friedenstellend. Dieser hervorragenden Organisation ist es in der Hauptsache zuzuschreiben, daß die Ergebnisse der Bekämpfung sehr gut zu nennen sind. Schon 1916 gelang es, den Heuschreckenschaden auf ein erträgliches Maß zu beschränken; 1917 wurde nicht nur die gesamte Ernte gerettet, sondern einige Bekämpfungsbezirke wurden vollkommen von Heuschrecken gereinigt; 1918 gelang es außerdem, die Heuschrecken in den Hoch- landsbezirken, wo sie die „Kornkammer“ Kleinasiens bedrohten, gänzlich zu ver- nichten, und es wäre -ohne Zweifel im vierten Jahre möglich gewesen, der Plage völlig ii 24 » Herr zu werden, wenn die Deutschen nicht gezwungen worden wären, die Türkei zu verlassen. An den Vortrag schließt sich eine interessante Aussprache. Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. 8. Sitzung am 7. Mai 1919. Der Direktor eröffnet die Sitzung und begrüßt die Anwesenden, besonders die neu eingetretenen Mitglieder. Darauf hält Herr Professor Dr. Stremine einen Vortrag über „Der Einfluß des Klimas auf den Boden“ mit Vorführung von Lichtbildern und Karten. Die Einwirkung des Klimas auf den Boden ist im Laufe der letzten Jahre auch in Deutschland mehr studiert worden, nachdem lange , Zeit hindurch die russischen, finnischen, rumänischen Bodenforscher vor den unserigen einen erheblichen Vorsprung- darin hatten. Der Gegensatz zwischen Böden von guter und denen von geringer Durchfeuchtung ist auch in Deutschland zu erkennen. Gute Durchfeuchtung zeigen u. a. die Ortsteinböden, bei welchen aus der Oberkrume außer den leichtlöslichen Salzen auch der kohlensaure Kalk und selbst die schwerlöslichen Sesquioxyde der Tonerde, des Eisens und Mangans, ferner die Phosphorsäure ausgewaschen sind. Die Sesquioxyde und die Phosphorsäure finden sich zum Teil, oft auch mit Humus zu- sammen in dem Ortssteinbande bzw. den diesem entsprechenden Rostflecken, Rost- streifen, Rostkonkretionen usw. wieder. Dieser Bodentypus herrscht in Deutschland allgemein, wo mehr als 500 mm Jahresniederschlag (bei der Mitteltemperatur von 7 — 8 °) fallen. Bei geringerem Niederschlag sind in der Regel die Sesquioxyde nicht oder kaum merklich ausgelaugt, wodurch das Bodenprofil ein ganz anderes Aussehen erhält. Die bei den besser durchfeuchteten Böden stets so auffälligen Rostfarben des tieferen Bodenhorizonts fehlen. An deren Stelle ist der bei den besser durchfeuchteten Böden unter der Rostzone sitzende kohlensaure Kalk (weiße Flecken, Konkretionen) getreten. Die Bodenprofile sind von geringerer Mächtigkeit. Der Humus ist oft schwarz oder schokoladenbraun. Es ist die „Schwarzerde“ der Steppe. Sie findet sich z. B. in der elsässischen Ebene zwischen Kolmar und Straßburg, im Mainzer Becken, in der Magdeburger Börde bis nach Thüringen hinein, in Niederschlesien, in der Gegend von Mewe und an anderen Stellen. Zumeist herrscht in Deutschland der besser durchfeuchtete Boden, der aber je nach der Niederschlagsmenge ein recht verschiedenes Aussehen hat. Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. 9. Sitzung am 15. Oktober 1919. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die anwesenden Mitglieder und die zahlreich erschienenen Gäste, legt neu eingpgangene Drucksachen der Ge- sellschaft vor,, darunter ein Werk von Dr. Paul Damme „Danzig und sein Vaterland46, ferner Schriften von Herrn Professor Dr. Petruschky. Er teilt ferner mit, daß Herr Konsul Kedin g-Dresden der Gesellschaft mehrere sehr wertvolle Werke seiner Bibliothek, insbesondere „die Flora Deutschlands und der Schweiz44 zum Geschenk gemacht hat. Der Direktor beantragt, Herrn Keding den Dank der Gesellschaft auszusprechen und macht auf das neu er- schienene Heft der Schriften der Gesellschaft aufmerksam. Ferner teilt er 12 25 die Themata und Termine der nächsten Vorträge und Vortragsreihen mit, und weist besonders auf die Vortragsreihe des Herrn Professor Dr. Rahn über „Bakterien im Haushalt“ hin. Darauf hält Herr Professor Dr. Stahr einen Vortrag „Über die Verschiedenheit des Menschengeschlechts“ mit Lichtbildern. Wie in der Völkerkunde (Ethnologie) immer die Frage wiederkehrt, ob es sich bei dem materiellen oder geistigen Gut eines Volkes oder Stammes um Entlehnung (Ratzel) oder eigenen Erwerb handelt, und hier dann wieder, ob Erzeugnisse des Elementargedankens oder des Völkergedankens vorliegen; so tritt in der physischen Anthropologie bei der Abgrenzung der Rassen stets die Frage auf: Handelt es sich um Rassenmischung oder Variation. Wenn beispielsweise das Haar der Australier so verschieden ist, wenn wir an einer Stelle leicht gewelltes und anderswo in Australien ganz krauses Haupthaar vorfinden, so fragt es sich, sind das Resultate der Ein- mischung fremden Blutes oder extremer Variation. Oft wird diese Frage, wie andere, offen gelassen werden müssen. — * Es ist sehr schwierig, Rassen, d. h. untereinander gleiche oder doch sehr ähnliche Menschen in Gruppen gegen die andere Menschheit abzugrenzen, und ganz willkürlich, wie viele solcher Rassen man annimmt, so daß wir gut tun, zum mindesten nur wenige wohl charakterisierte, große Gruppen als Rassen zu unterscheiden. Die wichtigsten Anhaltspunkte sind Körpergröße, Proportionen von Kopf, Rumpf und Gliedmaßen, dann Hautfarbe und Beschaffenheit des Haares, vor allem Kopfform, Maße und Varietäten der Schädelknochen, ebenso wie Weichteil- gebilde, z. B. Augenlider und Lippen. Jedenfalls müssen alle diese Verschiedenheiten zusammengenommen ins Auge gefaßt werden, und es ist anzustreben, bei einem solchen natürlichen System der Menschenrassen (Spielarten der einen Spezies Mensch) auch die Genealogie zu berücksichtigen. — Was man ein „Volk“ nennt, darüber muß man sich im einzelnen Falle verständigen» Sprache, Sitten, Religion, Trachten, Kulturstufe, alles ist dabei zu berücksichtigen; auf die politische Abgrenzung kommt es' natürlich gar nicht an; aber auch die Sprache allein ist nicht etwa maßgebend, denn alles, was z. B. englisch oder arabisch oder spanisch spricht, gehört, wie jeder übersehen kann, nicht zu den entsprechenden Völkern. Für die Anthropologie haben wir zweifellos in der Schädelform ein gutes Rassen- merkmal; die Mongolen sind vorwiegend Rundköpfe (Brachycephale), die Heger (besser Afrikaner) Langköpfe (Dolichocephale), und die „Weißen“ stehen dazwischen (Meso- cephale). Die alten Ägypter unterschieden schon vier Rassen: 1. sich selbst als die Romet, 2. die Westasiaten oder Semiten als Amu, 3. die tatauierten Libyer als Libu oder Tamahu, und 4. die südlichen Anwohner, die Schwarzen, als Nahasi. Blumen- bach, der wegen seiner hervorragenden Arbeiten über Rassenschädel der „Vater der Anthropologie“ genannt worden ist, unterschied zu den anderen vier Rassen noch die Malaien, deren Abgrenzung sehr schwer fällt, wie wir noch sehen werden. — - Keineswegs kommt etwa das bekannte Inkabein nur den Inkas zu, das os malaro bipartitum oder ainoicum oder japonicum den Ainus oder Japanern (B ä 1 z), oder die Maori-Form des Unterkiefers (Stahr) nur den Maori von Neuseeland und Moriori der Chatam-Inseln, sondern es sind Variationen, die sich in überwiegender Häufigkeit eben bei den betreffenden Rassen finden, nach denen sie dann genannt sind. Diese und andere Varietäten der Schädelknochen findet ein aufmerksamer Untersucher fast in jedem Beinhaus; als Rassenmerkmal verwertet kann eine der- artige Bildung nur werden, wenn sie bei einer Gruppe sehr häufig vorkommt. So fand ich bei Ägypter-Schädeln des Mittleren Reiches (aus Theben) einige Male die vordere und hintere Ritze des Wangenbeins, eine unvollständige Zweiteilung des 13 2H os malare, und konnte auch von einem „Maori-Unterkiefer bei Ägyptern“ sprechen, da ich vorher festgestellt hatte, daß der säbelförmige Unterkiefer in- überwiegender Häufigkeit bei Maori und Moriori zu finden ist. — Sehr wichtig sind am Schädel vorkommende sog. Anzeichen einer tieferen Bildung geworden für eine Einordnung des Schädels unter die Rassen; es seien hier genannt die Überaugenhöhlenwülste, die niedere Stirn, das fliehende Kinn, Anomalien und Enge des Pterrion (Schläfe), der Torus occipitalis (Querwulst am Hinterhaupt), ein großer III. und das Vorkommen eines IV. Molars, verwachsene, und kleine Nasenbeine und die Praenasalgruben. Daß die Rassenbildung vorzüglich durch die Umwelt (Milieu) erfolgt, beweisen schon Tatsachen der Zoologie (Bildung der neuen Pferde-Rasse der Mustangs) und die Umbildung, welche Europäer erleiden, die in fremde Erdteile gehen; so werden die Engländer lang und hager in Neuseeland wie in Amerika; dieselben Menschen neigen in Afrika zum Fettansatz. Wie weit dabei Lebensweise und insbesondere die Ernährung eine Rolle spielen, die aber andererseits doch auch zum Milieu gehören, das können wir nicht entscheiden. Rassen sind auch im Heimatlande veränderlich; so nimmt man an, daß die Nordholländer allmählich größer werden. Man darf aber nicht zu weit gehen und dem Boden, Klima usw. zuschreiben, was offenbar andere Gründe hat. So sind in Frankreich die dunkleren, alpinen Kurzköpfe durch die Blonden aus dem fruchtbaren Flachlande in die gebirgigen Landesteile verdrängt worden, und es wäre falsch, hier etwa Komplexion (Farbe von Haut, Haar und Regenbogenhaut, Iris) und Schädelform aus dem Milieu abzuleiten. Die Menschheitswiege hat nur an einer Stelle gestanden, und zwar wahrschein- lich im südlichen Teile des großen asiatischen Kontinents; ein „Lemurien“ im Indischen Ozean steht im Widerspruch mit den Ergebnissen der geologischen Forschung. Von diesem Zentrum hat sich die Menschheit in Wanderungen mit Zuhilfenahme früher bestehender Landbrücken (Australien, Amerika) ausgebreitet, und haben sich in vollkommener und relativer Isolierung die unterschiedlichen Rassen ausgebildet. Aber es kamen auch neben dem Landwege weite Ozeanreisen mit Hilfe von Passatwinden und Monsum in Betracht, wodurch z. B. die Hova vor etwa 1000 Jahren aus Insulinde nach Madagaskar gelangten, welche dort später seitens Bantu-Neger-Stämmen in die gebirgigen Teile der Insel verdrängt wurden. Eine zeitgemäße Einteilung der Menschheit in Rassen muß vor allem berück- sichtigen, daß es werdende und sterbende Rassen gibt, und kann die jetzigen herrschenden Kulturrassen der Hautfarbe nach als Weiße, Gelbe und Schwarze unter- scheiden, so daß wir zu fünf Rassen kämen, die aber nicht mit den sonst ange- nommenen übereinstimmen: 1. Neanderthaler (Spy, Krapina usw.), Australier, Weddah, Drawida, Toala, Ainu, Pygmäen (Buschmänner u. a.), Papua? Aeta? Minkopies (Andamanen), Dajak, Battak, Hova, Malaka-Inlandstämme (aussterbend, sog. Natur- völker). — 2. Die tiefststehende Kulturrasse der Schwarzen (Afrikaner). Repräsen- tanten: Bantu-Neger (Melanoderme). — 3. Mongolen: Chinesen, Japaner (Xantho- derme). — 4. Europäisch-Westasiatische, sog. Weiße, Mittelmeervölker (Leukoderme). — 5. Mischrassen (Gelb-Weiße und Schwarz-Weiße). Von ihnen werden Nr. 1 als proto- morphe, 2 — 4 als archimorphe (herrschende) und 5 als metamorphe bezeichnet. Ein- seitige Entwickelung zeigen die Neger durch Stärke des Kauapparates; sie, wie auch die Mongolen, sind am Körper glatt, unbehaart, während sich die einseitige Ent- wickelung der Europäer-Westasiaten, die behaart wie 1 sind, z. B. in der Verschmäle- rung und Vergrößerung der Nase ausspricht. Nr. 1 sind Rassen oder Unterrassen, die ausgestorben oder im Aussterben sind (Vergangenheit), Nr. 2 — 4 stellen die Gegenwart dar, sie kämpfen um die Herrschaft der Welt bzw. teilen sich darin. Unter Nr. 5 sind die Rassen der Zukunft, die Werdenden, die auch solche ältere Mischrassen enthalten, deren Unterbringung schwer fällt. Bei vielen Rassen wissen 14 27 wir eben nicht einmal, ob wir protomorphe oder metamorphe vor uns haben. Die Papua von Neuguinea und andere Melanesier haben sicherlich sehr wenig mit den „Negern“ Afrikas zu tun, wenn sie auch dunkel sind. Sie schließen sich zum Teil viel enger an die Australier und an die 1876 ganz ausgestorbenen kraushaarigen Tasmanier an. Die Aetas der Philippinen sind vielleicht mit Gelben gemischt, wie die Papua mit Australiern gemischte Melanesier sind (?). Die amerikanische Urbevölkerung ist schwerlich in engere Beziehung zu den Mongolen zu bringen; sie, wie die Ozeanier und Malaien könnten besser als Vor- stufen der Weißen und Gelben auf gef aßt werden. Dabei muß man von Amerikanern immer die Indianer von Südamerika (Feuerländer, Karaiben) als die weniger gemischten ins Auge fassen. Die Malaien werden aber auch als Mongoloide bezeichnet. Unsicher ist ebenso die Stellung der Lappen, Andamanesen, Eskimos u. a. Gibt es unter den Kassen Riesen und Zwerge? und welche Größe erreichen sie? Die einzelnen Riesen und die zu Gesellschaften vereinigten Zwerge (Liliputaner) sind pathologische Wuchsformen, sie stammen von Menschen gewöhnlicher Größe ab, und wenn sie überhaupt fruchtbar sind und sich fortpflanzen, so haben ihre Nachkommen wiederum nichts Riesen- oder Zwergenhaftes an sich. Nach beiden Richtungen hin erreichen die Rassen nicht derartige Zahlen. Zwergrassen, die man auch als Pyg- mäen bezeichnet, gehen bis auf 1,35 m hinab, und Hochgewachsene werden etwa 1,80 m groß. Große Menschenrassen leben keineswegs nur in kälteren Klimaten, sondern neben den Schweden, Engländern und Iren mit 170 — 172 cm und besonders den Nord-Schotten mit 177 — 178 cm, den Patagoniern mit 180 cm stehen die Sikhs im Pentschab, einige Polynesier, Fulbe und ostafrikanische Stämme. Bei letzteren ist es besonders evident, daß diese Größe durch Selektion ‘erreicht wurde, denn sie kennen diese Maßnahmen von ihren Rinderherden her, deren Zucht und Vervollkommnung sie sich mit großer Liebe widmen. Was den Wert und die Lebenskraft der drei herrschenden Rassen anbetrifft, so neigen wir selbst allzusehr dazu, andere zu unterschätzen. Die gelbe Rasse besitzt eine sehr alte und sehr hohe Kultur und sie hat gezeigt, daß sie Erwerbungen unserer Kultur sehr leicht auf nehmen kann (Japan), sie ist auch in Ausbreitung begriffen. Das Dahinschmelzen der Amerikaner vor den Weißen wird mit angeführt als ein Beweis gegen die Zugehörigkeit der Amerikaner zu der Mongolischen Rasse. Auch die Zahl der Gelben wird unterschätzt, ich finde angegeben für Chinesen 345 Mil- lionen, Japaner 48, Koreaner 10 Millionen. Ebenso stellen sich manche vor, daß der „Neger“ zu gar nichts zu gebrauchen, daß er nicht kulturfähig sei, wie man sagt, und der Kontinent Afrika früher oder später den Weißen überlassen werden würde. Allein in Amerika aber leben über 10 Millionen Neger, welche sich sehr gut der andersartigen Kultur angepaßt haben. Von Negerstämmen übernahmen wahrscheinlich die alten Ägypter ihre Eisentechnik (v. Luscha n), während allerdings die Bronzetechnik (Benin) vom Mittelmeer herstammt. Die Mischrassen waren bisher vielen ein Greuel und sind jedenfalls anthro- pologisch weniger bearbeitet worden. Über ihren Wert, ihre körperliche und geistige Tüchtigkeit, und vor allem über ihre Bedeutung für die Zukunft herrschen recht falsche Vorstellungen. Ihre Zahl ist ungeheuer groß: In Vorderindien z. B. sollen zwei Fünftel der Bevölkerung amtlich als Mischlinge bezeichnet werden; in Kapstadt soll es mehr Mischlinge geben als Weiße und Farbige zusammengenommen. Die Creolen in Südamerika, Nachkommen von Weißen und Mestizen, zählen nach Millionen und bilden die Intelligenz des Landes. Eugen Fischer in Freiburg untersuchte, auch in geistiger Beziehung, die Rehobother Bastards in Südwestafrika an Ort und 15 28 Stelle mit dem Resultate, daß es sehr intelligente und leistungsfähige Menschen seien; sie stammen von sogenannten Buren und Hottentottenfrauen. Die Beziehungen der Rassen zu Krankheiten lassen uns gerade auch Rassen- mischungen, z. B. für die Bevölkerung tropischer Gegenden, als günstig erscheinen, wie ja bekannt ist, daß die Kinder und Frauen von Europäern in Kamerun das Klima nicht vertragen und die Engländer ihre Kinder in Indien nicht großziehen können. Bei der Frage, welche Rassen künftig herrschen oder sich in die Herrschaft der Welt teilen werden, müssen wir in erster Linie an Rassenmischungen denken, wobei zu beachten ist, daß eine ausgiebigere Mischung zwischen Mongoloiden und Europäer- Westasiaten noch gar nicht stattfand. Für den großen Rassenkampf, der erst kommen wird, ziehen wir aber neben den Gelben und Weißen auch den Afrikaner heran. Niemand kann heute wissen, ob er nicht noch einmal, wenn auch, was ich annehme, in Rassenmischungen, Herr des Schwarzen Kontinents werden wird. Dem Vortrage folgten einige Aufnahmen von Schädelvarietäten im Lichtbild, welche von früheren Arbeiten des Vortragenden über Rassenschädel stammen, sowie eine große Anzahl von Rassentypen, z. T. Originale der Forschungsreisenden Professor Reche- Hamburg (Melanesien), Pastor M e i n h o f (Ost- Afrika), Herzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg (Zentral-Afrika), Koch- Grünberg (Amerika), W e u 1 e, Eugen Fischer u. a. An den Vortrag schließt sich eine interessante Aussprache. Der Direktor dankt dem Vortragenden für seine lichtvollen Ausführungen und schließt die Sitzung. 10. Sitzung am 5. November 1919. Der Direktor erölfnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, besonders die neu eingetretenen Mitglieder. Darauf hält Herr Studienassessor Habermann einen Vortrag über ,,Die Oberflächengestaltung der Ostseeländer durch die Eiszeit“ mit Vorführung von ihm gezeichneter Wand- und Handkarten, Skizzen, von Lichtbildern und Präparaten. Die Begrenzung des stoffreichen Themas und das Fehlen einer Gesamtdarstellung läßt den Hinweis auf einige, Teilgebiete zusammenfassende Arbeiten von C. Gagel, Geinitz, Hausen, Högbom, Sed erhol m, Ussing, Wahnschaffe und Wunderlich angebracht erscheinen. Eine . Diagrammskizze im Sinne der Braun-Davis sehen Physiogeographie veranschaulicht die Entstehung des eiszeitlichen Formenschatzes. Unter der nordischen Inlandeisdecke entstanden die Abtragungsformen der Gletscher- schrammen, der „moutonnierten“ Rundlöcher-Landschaft, der glazialen Rinnen, andererseits durch Aufschüttung die discordante Grundmoränendecke. Längere Still* standslagen des zurückschmelzenden Eisrandes werden durch Endmoränen (Block- Packung oder Aufstauchung des Untergrundes) und Blockfelder gekennzeichnet. Innerhalb des Endmoränenkranzes und der ihn oft begleitenden hügeligen Grund- moränenlandschaft liegen radial, gemäß der Eisbewegung, die Erosionsformen der Schildrücken (Drumlins) und die fluvioglazialen Wallberge (Oser). Im Vörlande der Eisrandmoränen wachsen flache fluvioglaziale ,Sander‘-Kegel zu den heutigen Heide- sandlandschaften zusammen. Alluvial verkümmerte Formen eiszeitlicher Entwässe- rung: abgesehen von Rinnenseen und Schmelzwasserrinnen, besonders Stauseebecken, Moränenseen und Urstromtäler heben sich in der heutigen Landschaft durch weite Talsandflächen ab. — An der Hand seiner geo-morphologischen Wand- 29 karte von Pommern (1: 200 000, Westermann, Braunschweig 1913, Begleitworte mit Handkarte 1:1000 000 ebendas.) beschreibt der Vortragende die Nachbar- provinz als den an charakteristischen Formen überaus reichen Typus einer Glaziallandschaft des norddeutschen Flachlandes. Ein recht anschauliches Bild der regionalen Verbreitung der .End- moränen, Sander, Urstromtäler usw. Norddeutschlands und der russischen Ostsee- provinzen, sowie der Endmoränen, Oser, Gletscherschrammen Südschwedens und des zentralfinnischen Seenplateaus (mit etwa- 40 000 Seen) bietet die Handzeichnung einer geo-morphologischen Ostsee-Wandkarte, die in erweiterter Form für ganz Skan- dinavien, Finnland, russische Ostseeprovinzen, Polen, Norddeutschland, Dänemark und Niederlande als Handkarte (1:3 000 000 mit Text) und Wandkarte der Oberflächenformen der Ostseeländer (1:1 000 000, Blattgröße 1,80x2,40 Meter, mit Begleitwort im selben Verlage) demnächst erscheinen wird. Unter Berück- sichtigung des voreiszeitlich anstehenden Untergrundes fordert der Einfluß der eiszeitlichen Großformen im heutigen Land- schaftsbilde — z. B. in Norddeutschland: tertiär angelegter „baltischer Land- rücken“ = Endmoränen mit hügeliger Grundmoränenlandschaft; vorlagernde Johannis- burger, Tuchler, Mecklenburger und Lüneburger Heiden = Sander; Zickzacklauf der norddeutschen Ströme Weichsel, Oder, Elbe, Weser bedingt durch O-W-Urstrom- talzüge; in Schweden und Finnland dienen Oszüge als Verkehrsstraßen und Eisen- bahndämme — ■ einen Ausblick auf das angrenzende Meeresbodenrelief. Die Föhrden Schleswig-Holsteins, Fjärde Schwedens und Fjorde Dänemarks und Norwegens sind durch die Litorina- bzw. Tapes - Senkung ertrunkene eiszeitlich ge- staltete Binnen; viele Ostsee-Bodden, -Binnen und -Bänke sind versunkene Teile der benachbarten Grundmoränenlandschaft (z. B. Greifswalder Bodden; Sunde und Belte = Urstromtäler; Oderrinne bei Jasmund — Bügen = alte Odermündung in den Ancylus- See; N- und S-Mittelbank und Hoborgbank = kamesartige Endmoränengebiete, vgl. M u n t h e s „Marginalplateaus“). Die zusammenfassende Übersicht über die Einwirkung der Eiszeit auf die Oberflächengestaltung des von der heutigen Ostseewasserscheide be- grenzten Baltischen Tales läßt im Hinblick auf das voreiszeitliche Landschafts- relief eine deutliche Grenze (nach Hausen: N-Jütland, Kattegat, SW-Schonen, Bornholm, N-Mittel- und Hoborgbank, Domesnäsmeerenge, Bigabusen, Silur-Devon- grenze zwischen Esth- und Liv- sowie in Ingertnanland, S-Ladoga, Swir, S-Onegasee, Weiße-Meer- oder Orlov-Straße) zwischen der Aufräumungs arbeit des Inland- eises in seinem zentralen Ausgangsgebiet, Fennoskandia mit Bandzone, und der ge- waltigen Aufschüttung in der distalen mittel- und osteuropäischen Tiefebene erkennen. Die petrographische Zusammensetzung dieser peripherischen Aufschüttungs- geschiebe lehrt jedoch (nach Ussing, Wahn schaffe und Hausen), daß ihre Ablagerungen in der Hauptsache nicht von dem Aufräumungsgebiet stammende „D e't r i t us“ - m as s e n sind, sondern die Vermutung nahe legen, daß sie in beträchtlichem Maße durch örtliches Aufarbeiten des entgegenstehenden voreiszeitlichen Untergrundes (auch des versunkene^. Ostseetalbodens) zustande- gekommen sind, wie z. B. der „Bichk“, die örtliche „Grundmoräne“ im Silurgebiet Estlands. — Bei der weiteren Betrachtung der eiszeitlichen Folgeformen geht der V ortragende auf die wichtigsten Ergebnisse der neueren Eiszeit- forschung ein: De Geers Zeitberechnungsmethoden, Eisrückzug und -Band- lagen, Anzahl und Südgrenzen der Vereisungen. Nach einem Ausblick auf die nacheiszeitliche Entwickelung der Ostsee als Yuldia - Eismeer, Ancylus - Süßwasserbinnensee und Litorina - Salzmeer, deren Formen infolge wellenförmiger Niveauschwankungen ineinander übergehen 17 30 und daher eigentlich keine bildmäßige, für das Ostseetal gleichzeitige, naturgetreue Begrenzung zulassen, veranschaulicht eine Lichtbildfolge größtenteils aus der Sammlung des Herrn Prof. Dr. Sonntag den Einfluß der Eiszeit im heutigen Landschaftsbilde, insbesondere der Heimatprovinz. Der Vortragende schließt mit dem Dank an Herrn Professor Dr. Lakowitz für die Unterstützung seiner Arbeiten durch die Benutzung der trefflich geordneten Bibliothek der Gesellschaft, sowie an Herrn Professor Dr. Kumm für die Ostseeleitfossilien aus seiner Sammlung. In der anschließenden Aussprache betont Herr Professor Dr. Sonntag, daß das Lebatal als Westabfluß des Weichselstausees vor dem späteren Norddurchbruch der Weichsel bei Fordon anzusehen ist; Herr Professor Dr. Stremme weist auf den hvitäglazialen Erosionscharakter des Flatower Bismarck-Oszuges hin. Der Direktor dankt dem Vortragenden für die interessanten Ausführungen mit dem Hinweis auf die im Gesamteindruck glückliche Lösung der karto- graphischen Darstellung der Ostseeländer und schließt die Sitzung. 11. Sitzung am 19. November 1919. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, macht Mit- teilung von den nächsten Vorträgen, besonders von einem populären Experi- mental vortrag des Herrn Oberlehrer Dr. Taege am 7. Dezember ,,Uber die physikalischen Grundlagen der Funkentelegraphie“ in der Aula der Petrischule. Darauf hält Herr Professor Dr. von Wartenberg einen Vortrag über „Der Einfluß der Bearbeitung auf die Struktur der Metalle“ mit Voniihrung von Lichtbildern. Die Metalle bestehen aus kleinen, unregelmäßig begrenzten Kristallen, welche auch unterhalb ihres Schmelzpunktes zu wachsen vermögen durch Aufzehrung der kleineren von ihnen. Diese Wachstumsgeschwindigkeit wächst stark mit der Tem- peratur. Ein durch Bearbeitung in kleinere Kristalle zerquetschtes Material ver- gröbert demgemäß sein Korn beim „Anlassen“. Die Änderungen der Festigkeit sind nach T a m m a n n darauf zurückzuführen, daß die Kristalle sich unter dem Einfluß von deformierenden Kräften in sich längs ihrer kristallographisch festgelegten Gleit- flächen zu verschieben vermögen, und zwar auch mit rasch mit der Temperatur zu- nehmender Geschwindigkeit. Ein kristallinischer Körper vermag sich also im Gegen- satz zu einem amorphen ohne eigentliche Zertrümmerung deformierenden Kräften anzupassen unter Verschiebung seiner Kristalle in einen Zustand, der dichter gepackt ist und ein gleichförmigeres Druckfeld ermöglicht. Daher sind die unter Korn- verkleinerung kalt bearbeiteten Metalle fester. Das Weichmachen durch Erwärmung beruht dann auf dem eingangs erwähnten Wiederwachsen größerer Kristalle, womit die Festigkeit sinkt. Die bei der Deformation geleistete Arbeit bleibt latent im Material in der durch die Bearbeitung vergrößerten Kristalloberfläche multipliziert mit der auch festen Stoffen eigentümlichen Oberflächenspannung. An den Vortrag schließt sich eine interessante Aussprache. Der Direktor dankt dem Vortragenden für seine anregenden Ausführungen und schließt die Sitzung. 12. Sitzung am 3. Dezember 1919. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, insbesondere die neu eingetretenen Mitglieder und deren Angehörige, macht Mitteilung 18 31 über die nächsten Vorträge, erbittet und erhält die Erlaubnis, einen Glück- wunsch der Gesellschaft zum Geburtstage des Herrn Generalfeldmarschall von Mackensen abzusenden. Darauf hält Herr Professor Dr. Kalaehne einen Vortrag über das Thema: „Der Zerfall und der Aufbau der Atome“. Als Atome bezeichnet die chemische Wissenschaft bekanntlich die kleinsten, chemisch nicht weiter zerlegbaren Teilchen, aus denen man sich die Materie auf- gebaut denken muß. Die Erfahrung lehrt, daß es verschiedene Arten derselben gibt, die den verschiedenen Grundstoffen oder Elementen entsprechen. Nach der ursprüng- lichen Definition sollten die Atome (vom griech. atomon, das Unteilbare) die letzten, überhaupt nicht mehr zerlegbaren Bausteine der Körper sein. Die Vorstellung der Unzerlegbarkeit wurde schon frühzeitig ins Wanken gebracht durch die Hypothese von P r o u t, nach welcher die Atome aller Elemente aus den Atomen des leichtesten derselben, des Wasserstoffes, auf gebaut sein sollten. Hauptstütze dieser Theorie war die experimentell festgestellte Tatsache, daß die Gewichte der Atome fast aller Elemente nahezu ganze Vielfache des Atomgewichtes von Wasserstoff sind. Die moderne Entwickelung der Wissenschaft hat die alte P r o u t sehe Theorie zwar überholt, in gewissem Sinne abe£ bestätigt, indem sie ebenfalls Zusammensetzung aller Atome aus einfacheren Bausteinen annimmt. Diese sind aber nicht das Wasser- stoffatom, oder wenigstens nicht allein dieses, sondern die elektrisch geladenen, außerordentlich kleinen Teilchen, die bei elektrischen Entladungen in Gasen auf- treten, wo sie die Kathodenstrahlen (negative Teilchen) und Kanalstrahlen (positive Teilchen) bilden, und die wir bei den Alphastrahlen und Betastrahlen der radioaktiven Körper wiederfinden. Die Entdeckung der Radioaktivität und ihre Erklärung durch freiwilligen Zerfall der Atome gewisser radioaktiver Elemente, wobei als Zerfalls- produkte eben die positiven Alphateilchen und die negativen Betateilchen abgegeben werden, hat uns nun umgekehrt die Möglichkeit geliefert, uns ein Bild von dem Aufbau der Atome aus diesen Urelementen zu machen. Um einen elektrisch positiven Kern, dessen Ladung von Element zu Element um je eine Einheit wächst, kreisen in planetähnlichen Bahnen so viel Elektronen mit negativer Ladung, wie der Kern positive Ladungseinheiten besitzt, bei schweren Atomen bis zu 100 und mehr. Durch diesen Aufbau der Atome können wir jetzt schon einen großen Teil der Erscheinungen erklären, die auf Eigenschaften der Atome zurückgeführt werden müssen, wie radio- aktiven Zerfall und Umwandlung der Elemente, Aussendung charakteristischer, in bestimmten Serien angeordneter Spektrallinien sowohl im sichtbaren Gebiet, wie im Gebiet der Röntgenstrahlen, chemische Valenz der Elemente u. a. m. Wir dürfen daher annehmen, daß die so gewonnenen Vorstellungen über den Atombau einen hohen Grad der Wahrscheinlichkeit für sich haben und daß es mit ihnen gelingen wird, noch viele andere Erscheinungen zu erklären. Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. 13. Sitzung am 17. Dezember 1919. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, insbesondere die neu eingetretenen Mitglieder. Darauf hält Herr Dr. Semi Meyer einen Vortrag über „Organische und geistige Entwicklung“. Alles Leben ist entwickelt und vielleicht immer in Entwicklung begriffen, in jederlei Leben hat Entwicklung ihren Platz. Über das Leben sehen wir nicht hinaus, es schließt uns wie mit unserm Sein so mit unserm Denken in seinen Kreis 19 32 ein, und treibt es uns darüber hinaus, so bewegen wir uns wissentlich oder gegen die Absicht in Begriffen, die wir Lebensvorgängen entnehmen. In Entwicklung denken sich viele heut das ganze Weltall, sie halten sich für berechtigt, den Begriff auszu- dehnen auf alles Werden und Vergehen, das uns freilich mit einschließt, das aber als eine Art Leben hinzustellen grade heut niemand leicht wagen wird. Unter der Herrschaft des Entwicklungsgedankens sind Übertragungen auf fremde Geschehens- weisen an der Tagesordnung, und es gibt bald nichts, was sich nicht entwickeln könnte, ja sich zu entwickeln eigentlich die verdammte Verpflichtung hat. Es ist die reine Bosheit mancher Zustände, daß sie sich durchaus nicht entwickeln wollen und in allem Fluß des Geschehens eine Starrheit an den Tag legen, die jeden modernen Menschen ärgern muß. Es hat überhaupt eigentlich nach mancher Leute Ansicht nichts ein Anrecht auf ein Dasein für sich, alles ist nur Keim für das kommende Bessere, und danach hat es sich einzurichten, daß es das Neue — und das ist ohne weiteres das Höhere — aus sich möglichst bald und möglichst schmerzlos hervor- gehen lasse. Dort aber, wo die Entwicklung ihre Heimstätte hat, im Reiche des pflanzlichen und tierischen Lebens, dort sehen wir gar nichts von solcher Entwicklungshast, von solcher Arbeit für eine Zukunft ohne eigne rastende Sättigung und Zufriedenheit mit dem erreichten Stande. Wir sehen die Geschlechter ihre Straße ziehen, sie kommen und vergehen, aber wir sehen nicht, daß sie immer nur Neues zu bilden 4 streben, wir sehen im Gegenteil eine Beharrung der Gestalten und Tätigkeitsformen,' die allen äußeren Einwirkungen einen zähen Widerstand entgegensetzt. Jedes Lebe- wesen zeigt das unverkennbare Bestreben und ein oft erstaunliches Vermögen, seine Gestalt und Funktionsform immer wiederherzustellen. Jede verstümmelte Pflanze bildet neue Organe, und in niederen Stufen des Tierreichs werden Verluste in weiten Grenzen ersetzt. Alle Regulierungen der Funktion sind gradezu eigensinnig darauf gerichtet, einen Gleichgewichtszustand herzustellen, der einen festen Lebensplan immer wieder zu verwirklichen scheint. Die organische Entwicklung ist in allen ihren Erzeugnissen stets fertig. Hier gibt es keine vorläufigen Einrichtungen, die Entwicklung vermag keinem Notstand abzuhelfen, sie kann das Lebensunfähige nicht durch nachträgliche Korrektur retten. Daß die Entwicklung trotzdem nie zu Ende ist, das grade ist das große Rätsel, das möglicherweise nur die Fortführung des Lebens unter sich verändernden Verhält- nissen angeht, vielleicht aber alles Leben beherrscht. Jedenfalls ist Entwicklung gar nicht denkbar, wenn sie nicht handgreifliche Formen als Entwicklungsergebnis hinstellt, die nichts weniger als fließende zufällige Zusammenballungen in einem ewigen Wandel und einer niemals rastenden Umbildung darstellen, die vielmehr höchstens immer neue Angriffsflächen für die weiter wirkenden Entwicklungskräfte, aber doch dabei deutlich Widerstand leistende Bildungen und mit einer Beharrungs- tendenz ausgestattete Gestaltungen des Lebens bleiben. Das Rätsel des Lebens ist für den augenblicklichen Stand der Wissenschaft vom Leben die Vererbung. Das Wesen des Lebens muß hier seinen Ankergrund haben, denn alle lebendige Art und Form ist ererbt. Geerbt aber wird ein Bestand und Vermögen, und das Erbe wird festgehalten und verteidigt, und so ist es auch nicht an dem, daß eine Entwicklung überall wäre, wo wir ein Werden oder gar eine bloße Änderung eines beliebigen Zustandes sehen. Die Entwicklung baut auf. Wohl vergehen ihre Bauwerke wieder, aber sie kommen nicht und gehen und kommen wieder, sondern was die Entwicklung schafft an Gestalten, in denen sich das Leben hewegt, das hat seinen Bestand. Es hat ihn nur in der Vererbung. Reißt der Faden des Lebens an einer Stelle ab, so ist der Tod auch für die Art ein endgültiger. Keine Gestalt vermag eine Entwicklung wieder zu schaffen, alle ihre Erzeugnisse sind 20 33 einzigartig, in der Fortpflanzungsmöglichkeit allein liegt ihr Dasein, damit aber auch ihre Beharrung. In dem Verhalten von Vererbung und Umbildung liegt das Rätsel der Ent- wicklung. Neues muß eine Entwicklung hervorbringen können, aber sie darf nur immer auf der Grundlage des Vorhandenen das Neue ,auf bauen. Jedes Entwicklungs- erzeugnis an Gestalt wie an Form der Lebensführung ist deswegen ein fertiges Gebilde. Die Entwicklung baut auf, sie muß Neues, sie muß das Unerhörte schaffen können, sonst sähen wir nicht ihre Erfolge in der Mannigfaltigkeit der Lebewelt. Aber doch hält sie das Erschaffene fest, Beharrung und Umbildungsmöglichkeit müssen sich im Begriffe der Entwicklung zusammenfinden. Deswegen aber ist jedes Stückchen Leben unbedingt mehr als ein bloßer Keim, als ein Behälter von Zukunfts- möglichkeiten. Alles Leben, was je gewesen ist und was heute ist, das ist für sich da, es lebt für sich, die Zukunft ist nicht des Lebendigen Zukunft und ihre Gestaltung hängt zudem davon ab, was die Zeit selbst an Verwicklungen bringen mag. Es gibt keine Vorläufigkeit in den Einrichtungen des Lebens. Jede Entwicklungsstufe ist in sich .vollendet, sie existiert sich selbst zu Nutz und — ■ wo nötig — jedem andern zu Trutz. Die frühere Stufe erklärt keineswegs die komjnende. Wir sehen ja nur die Keime, die zur Entfaltung kommen, der Gang der Entwicklung aber geht über niedergetretene Keime, und er geht keinen graden Weg auf ein Ziel, sondern nur aus Spaltungen gehen die neuen Entwicklungs- möglichkeiten hervor. Was geschaffen wird und sich durchsetzt, das ist eine Erfüllung von Möglichkeiten, deren unendliche Anzahl eine Freiheit des Schaffens erzeugt, die der Entwicklungsarbeit gegeben sein muß. Hier bilden sich aus jeder Erfüllung neue Wege und damit neue Ziele, wenn man von solchen überhaupt sprechen will. Denn die Entwicklung schafft sich ihre Ziele immer neu, indem jeder Schritt einen weiteren nach sich ziehen kann. Über das Leben hinaus kann ein vergleichbares Wirken, das den Namen einer Entwicklung verdiente, kaum statthaben. Nur innerhalb des Lebens kann sich ein Entwicklungsgewinn in Gestalten und Funktionsformen niederschlagen. Nicht alles, was geworden ist, ist auch entwickelt. Wenn unser Sonnensystem aus einem Urnebel hervorgegangen ist, dann ist sein augenblicklicher Zustand kein Entwicklungs- ergebnis, das sich immer wieder herstellt, sondern diö Kräfte, die an der Umgestaltung gearbeitet haben, sind dauernd tätig, und die Umbildung ist eine stetige, wenn auch noch so langsame Fortführung eines Prozesses, der keine Ruhepunkte hat, der nichts erschafft und keine Kräfte der Erhaltung und Fortgebung eines etwaigen Gewinns zur Verfügung hat. Wo nichts erarbeitet wird, da ist keine Entwicklung, sondern bloßes Werden und ewige Veränderung. So weit Leben reicht, sind Kräfte tätig, deren Geschäft es nicht ist, bloß in einer Richtung zu stoßen, um beim Zusammenstoß vernichtet zu werden oder neue, ebenso unstete Systeme zu bilden. Deswegen ist es die fehlerhafteste Bestimmung einer Ent- wicklung, daß sie einsinnig und bestimmt gerichtet sein müsse. So erscheint es uns leicht, weil wir rückwärts blickend die Linien zurückverfolgen, die sich durchgesetzt haben. Entwicklung setzt sich ihre Ziele immer neu, auf das Erarbeitete baut sich immer das neue, jeder Gewinn kann Ausgang vieler Richtungen werden. Deswegen darf man auch nicht von einem Ziele der Menschheit sprechen, dem sie zusteuern würde, um es eines Tages zu vollenden. Auch das Geistesleben muß als ein Stück eben des Lebens selbst Entwickelungsgesetzen unterliegen und die Grundmerkmale des Entwicklungsbegriffes müssen auch hier in Geltung gefunden werden. Das Geistesleben entbindet die glänzendsten schöpferischen Entwicklungskräfte. Es wird niemand einfallen zu leugnen, daß hier die Lebensarbeit nur eine besondere Gestalt annimmt, daß also die Lebenskräfte hier weiter tätig sein müssen. Aber Sehr. d. N. G. zu Danzig". Jahresber. 1919. 21 3 34 damit endet auch andrerseits die Vergleichsmöglichkeit. Man ist weiter gegangen, viel weiter, man hat jedes System innerhalb des geistigen Lebens als einen Orga- nismus ansehen wollen, man spricht von Überorganismen. Es hat zu nichts geführt, als daß man sich mit allerhand spielerischen Vergleichen begnügt hat, statt die Auf- gabe anzugreifen, die besondere Gesetzlichkeit zu erforschen. Eine Eigengesetzlichkeit ist zu erwarten, wo Kräfte eigner Art die Entwicklung in Bewegung halten. So tief verwurzelt im organischen Unterbau auch das Geistes- leben bleiben muß, so innig die Abhängigkeit von äußeren Einwirkungen sich ge- stalten muß, das alles sind nur die Bedingungen; die eigentlichen Triebkräfte sind geistige Beziehungen und Willensmächte, die in Kampf und Bündnis, in Haß und Liebe ein neues Reich eignen Lebens heraufführen, das seinesgleichen in unserm Gesichtskreis nicht hat und in allen seinen Erzeugnissen die Einzigartigkeit jedes Entwicklungsergebnisses ebenso schlagend an den Tag legt wie jede organische Lebens- form. Eine vielreihige Entwicklung ergibt sich auch auf geistigem Gebiete, die menschliche Geistesform ist nicht Ziel und Vorbild, sie ist eine Eorm unter vielen. Der menschliche Geist wird aber über die von den organischen Kräften geleistete Formentwicklung hinaus selbst zur Entwicklungskraft. Über der Schöpfung des Geistes erhebt sich das geistige Leben, und auch dessen Entwicklung kann einen Gewinn nur ergeben in Gestaltungen von einer gewissen Beharrungskraft, die gleich- zeitig den umschaffenden und aufbauenden Kräften Angriffspunkte bieten. Als geistige Personen sind wir so gut Erben wie als leibliche Organismen, aber es ist zu er- warten, daß die erhaltende Kraft auf geistigem Gebiete, die Überlieferung, vermöge der Besonderheit ihrer Wirkungsart auch Abänderungen der Entwicklungsweise be- dingen wird. Hier bietet sich so leicht Gelegenheit zu Abänderungen, daß eher die Erhaltung als die Neuschöpfung einer Erklärung bedürftig scheinen könnte. Aber der erste Blick täuscht gründlich. In Wahrheit sind die geistigen Daseinsformen nicht gar so beweglich. Wohl schaltet mancher mit dem überkommenen Gute, als wäre es ihm nur Fessel, aber jeder unterschätzt, was er den Vorfahren verdankt. Ist ein Leben noch so reich gewesen und ist seine Arbeit überragend gewesen, was es hinter- läßt, ist nichts als ein kleiner Anstoß in allem geistigen Ringen der Menschheit. Auch im Gebiete des Geistes muß es fertige Gebilde geben, auf die sich das Leben stützen kann. Nicht alles kann im Flusse sein, jede Stufe muß auch hier ihr Lebensrecht in sich selbst auf weisen. Wohl arbeiten wir auf vielen Gebieten für eine Zukunft, aber wir könnten es nicht, wenn die gegenwärtigen Einrichtungen das Leben nicht duldeten und gerade in einer Kräfteverteilung, die über das unmittelbare Lebensbedürfnis hinausführt, ihre Lebensfähigkeit an den Tag legten. Nur eine gewisse Summe beharrender Daseinsformen vermag das Leben zu stützen und zu tragen. Man denke als Beispiel an die Spräche, die wir als Geistesgut übernehmen, um sie nur wenig bereichert und umgebaut unsern Nachkommen weiter zu geben. Der Umbildung stehen erhaltende und auch unbedingt hemmende Kräfte gegenüber, und so ist es mit allen Erzeugnissen der Geistesentwicklung. Die Einzigartigkeit in allem Wandel und aller Bildung ist auch in dieser Ent- wicklungsreihe sichtbar. Aber wenn auf allen früheren Stufen jedes Einzelwesen nichts ist als ein Glied seiner Gattung, so erhebt sich im menschlichen Daseinskreis eine neue Einzigartigkeit in der Person. Die Geistesentwicklung führt zu einer Per- sönlichkeitsbildung, und sollte wirklich die ganze Welt nichts sein als eine unendliche Wiederholung eines Geschehensrythmus, sollte alles Sein mit irgendwelchem Rechte sich auffassen lassen als eine kleine Achsenverschiebung irgendwelcher Massen- bewegungen, in all dem Wirbel gewönne doch der Mensch ein einzigartiges und unwiederholbares Sein, indem er sich zu einer wahren Persönlichkeit entwickelt. An den Vortrag schließt sich eine anregende Aussprache. 22 35 Der Direktor dankt dem Vortragenden für seine geistreichen Aus- führungen, macht Mitteilung über die Festsitzung am Stiftungstage der Ge- sellschaft (am 7. Januar) und schließt die Sitzung. Außer jenen 13 ordentlichen und den vorausgehenden außerordentlichen Sitzungen, welche der Mitgliederwahl und der Erledigung geschäftlicher An- gelegenheiten dienten, fanden noch vor den Mitgliedern, ihren Damen und Gästen, folgende Vorträge statt: 1. Vortrag des Herrn Medizinalrat Dr. Birnbacher über „Die Pocken- gefahr und ihre Bekämpfung“ am 26. Februar im großen Sitzungssaal der Gesellschaft, mit Vorführung zahlreicher Lichtbilder. 2. Vortragsreihe des Herrn Professor Dr. von Brunn über „Das System der Fixsterne“ mit Lichtbildern und gelegentlicher Beobachtung des Sternenhimmels, am 17. Oktober beginnend (8 Vorträge). 3. Vortragsreihe des Herrn Professor Dr. Sonntag über „Einführung in die Geologie von Westpreußen“ mit Vorführungen, Lichtbildern und gelegentlichen Exkursionen, am 17. Oktober beginnend (8 Vorträge). Außerdem veranstaltete der Westpreußische Botanisch-Zoologische Verein Vorführungen von Kinofilms: „Bemerkenswerte Einblicke in die lebendeNatur“ am 20. Februar, 24. Oktober, 27. November. Zu den Vorträgen des Herrn Professor Dr. Kumm „Vorführung bemerkens- werter Neueingänge der Vorgeschichtlichen Sammlung des Westpreußischen Pro- vinzial-IVIuseums“ und des Herrn Dr. La Baume: „Neuere Literatur zur Vorge- schichte Norddeutschlands“ in der Sitzung der Anthropologischen Sektion am 24. November, ferner zu dem Vortrage des Herrn Oberlehrer Dr. Ta ege über „Moderne Luftpumpen“ (mit Vorführungen der Gandeschen Diffusions- pumpe) in der Sitzung der Sektion für den naturwissenschaftlichen und mathematischen Unterricht am 20. November erhielten die Mitglieder der Gesellschaft Einladungen. / 36 i Übersicht über die in den Ordentlichen Sitzungen 1919 behandelten Gegenstände. A. Allgemeines. Der Direktor, Herr Prof. Dr. Lakowitz, erstattet den Jahresbericht für das Jahr 1918 und legt die Berichte der Vorsitzenden der einzelnen Sektionen vor, am 2. Januar. B. Physik, Chemie und Technologie. 1. Herr Geheimer Regierungsrat Professor Dr. Lorenz hält einen Vortrag über „Die wissenschaftlichen Grundlagen der mechanischen Technik“, am 2. Januar. 2. Herr Professor von Wartenberg hält einen Vortrag über „Den Ein- fluss der Bearbeitung auf die Struktur der Metalle“, am 19. November 3. Herr Professor Dr. Kalaehne hält einen Vortrag über das Thema: „Der Aufbau und der Zerfall der Atome“, am 3. Dezember. f C. Astronomie. Herr Professor Dr. Sommer hält einen Vortrag über „Johannes Kepler“, am 2. April. D. Geologie. 1. Herr Professor Dr. Stremme hält einen Vortrag: „Der Einfluss des Klimas auf den Boden“, am 7. Mai. 2. Herr Studienassessor Habermann hält einen Vortrag über „Die Ober- flächengestaltung der Ostseeländer durch die Eiszeit“, am 5. November. E. Biologie. 1. Herr Professor Dr. Petruschky hält einen Vortrag: „Ist die biologische Entwicklung der Lebewesen mit der Gestaltung des Menschen abge- schlossen?“, am 5. März. 2. Herr Dr. Semi Meyer hält einen Vortrag über „Organische und geistige Entwicklung“, am 17. Dezember. 24 37 F. Botanik und Zoologie. 1. Herr Dozent Oberlehrer Dr. Wangerin hält einen Vortrag über „Bemerkenswerte Erscheinungen aus der Pflanzengeographie des nordost- deutschen Flachlandes“, am 22. Juni. 2. Herr Dr. La Baume hält einen Vortrag über „Bekämpfung der Wander- heuschrecken in Kleinasien. Eigene Beobachtungen in den Jahren 1917 und 1918“, am 23. April. G, Anthropologie. Herr Professor Dr. Stahr hält einen Vortrag: „Über die Verschiedenheit des Menschengeschlechts“, am 15. Oktober. H. Medizin. 1. Herr Prosektor Dr. Stahr hält einen Vortrag über „Neue Methoden der Krebsforschung“, am 5. Februar. 2. Herr Professor Dr. Pfeiler- Bromberg hält einen Vortrag über: „Die Entstehung der Immunstoffe bei ansteckenden Krankheiten“, am 26. März. r 25 38 Jahresbericht über die Tätigkeit der Sektion für mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterricht • n im Jahre 1919. Erstattet vom Vorsitzenden Studienrat Dr. Reinecke. Am 10. Mai trat die Sektion zum erstenmal nach dem Kriege zusammen. In den Vorstand wurden gewählt: Studienrat Dr. Rein ecke, Oberlehrer Dr. Ta ege und Oberlehrer Kuhse. Herr Dr. Reinecke sprach darauf über ,, Mathematische Aufgaben zur staats- bürgerlichen Bildung“. Am 20. November hielt Herr Dr. Ta ege einen Vortrag: „Über Luft- pumpen, insbesondere die Diffusionspumpe von Gaede“. % / 26 39 Bericht über die wissenschaftliche Tätigkeit des westpreußischen Fischereivereins im Jahre 1919. Erstattet von seinem Geschäftsführer Professor Dr. Seligo. In Fortsetzung der Untersuchungen über die Lebensbedingungen der Fische und ihrer Nährtiere in den Westpreußischen Gewässern und insbesondere in der näheren Umgebung von Danzig wurde besondere Aufmerksamkeit der durch den Gehalt an gelösten festen Stoffen bedingten Verschiedenheit des Wassers in den Fischgewässern zugewendet, deren meist durch den Kalkgehalt bedingte ,,, Härte“ von Einfluß auf die Lebensvorgänge im Wasser ist. Es ist unter anderem bemerkenswert, daß die Seen auf der Hochfläche westlich der Weichsel großenteils einen geringen, die östlich der Weichsel einen hohen Kalkgehalt zeigen. Auch in dem Gehalt an Phosphorsäure, welcher nach der Regel des beherrschenden Einflusses des Minimums wohl von ausschlaggebender Bedeutung für die verschiedene Fruchtbarkeit der einzelnen Gewässer ist, wurden Unter- schiede gefunden, die aber nicht so beständige Beziehungen zur Lage zeigen und weiter zu verfolgen sind. Die Beobachtungen der Wasserwärme der Weichsel ergaben in den letzten 10 Jahren (1909 — 1918) folgende Monatsdurchschnitts werte: Januar . . . 0,36 0 Juli . .• . . 20,05 Februar . . . 0,29° August . . 19,17 März . . . 2,44 0 September . . 15,10 April . . . . 8.03 ° Oktober . . 9,io Mai . . ■. . 14,25° November . . 3,54 Juni . . . . 18,76° Dezember . 0,96 Die mittlere Jahrestemperatur betrug in dieser Beobachtungszeit 9,39°; in den einzelnen Jahren schwankte dieser Wert zwischen 8,71° (1909) und 9,81° (1914). Die Beobachtungen werden fortgesetzt werden. Mit den Lehrmitteln der Versuchsanstalt des Vereins wurden für die Volks- hochschule in Danzig Vorlesungen, im Frühjahr über allgemeine Biologie, im Herbst über Hydrobiologie, gehalten. 27 40 Bericht über die Sitzungen der Anthropologischen Sektion im Jahre 1919. Erstattet von dem Vorsitzenden der Sektion Professor Dr. Kumm. Die Sektion hielt am 24. November eine Sitzung im Gebäude der Natur- forschenden Gesellschaft ab. Der Vorsitzende führte zunächst eine größere Anzahl bemerkenswerter Neueingänge der vorgeschichtlichen Sammlung des Westpreußischen Provinzial - Museums für Natur- und Vorgeschichte vor, darunter steinzeitliche Waffen und Geräte, zahlreiche Gesichtsurnen und die Nachbildung einer solchen, mit der eingeritzten Zeichnung eines vierräderigen, mit zwei Pferden bespannten Wagens, ferner Gefäße aus der vorrömischen Zeit und bronzene und eiserne Schmucksachen aus germanischen Gräberfeldern der römischen Kaiserzeit. Darauf gab Herr Kustos Dr. La Baume eine aus- führliche Besprechung neuerer Literatur zur Vorgeschichte Nordostdeutschlands, wobei er den wesentlichen Inhalt folgender Arbeiten darlegte: Kossinna, G. Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermanen und ihre Ausbreitung nach dem Osten. Mannus,. Bd. I und II. 1909/1910. — Wahle, Ernst. Ost- deutschland in jungneolitischer Zeit. Mannus - Bibliothek Nr. 15, 1918. — Kostrzewski, J. Die ostgermanische Kultur der Spätlatenezeit. Mannus- Bibliothek Nr. 18 und 19, 1919. — Jahn, M. Die Bewaffnung der Germanen in der älteren Eisenzeit. Mannus - Bibliothek Nr. 16, 1916. — Blume, E. Die germanischen Stämme und die Kulturen zwischen Oder und Passarge zur römischen Kaiserzeit. Mannus-Bibliothek Nr. 8, 1912. \ } 28 41 Jahresbericht über die Sitzungen der medizinischen Sektion im Jahre 1919 (Ärztlicher Verein zu Danzig E. G.) Erstattet von ihrem 1. Schriftführer Dr. Lohsse. Der Vorstand besteht aus den Herren: Dr. Francke, Vorsitzender. Dr. Fuchs, stellvertretender Vorsitzender. Dr. Scharffenorth, Sanitätsrat, Kassenführer. Dr. Lohsse, 1. Schriftführer. Dr. Sem rau II, stellvertretender Schriftführer. Im Laufe des Jahres wurden 10 wissenschaftliche Sitzungen abgehalten. In diesen wurden folgende Gegenstände behandelt: Am 13. Februar 1919, Herr Fuchs: Zur Röntgentiefenbestrahlung in der Frauenheilkunde. Am 27. Februar 1919, Herr Lohsse: Über leichte Fälle vonTrichinelleninfektion. Am 20. März 1919, 1. Herr Fuchs demonstriert ein Riesenkind von 5000 g Gewicht. 2. Herr Storp: Vorstellung eines Mannes mit Nebenhodenlues, die eine Tuberkulose vortäuschte. 3. Herr Storp: Vorstellung eines Kranken mit tertiärer Lues an den Unterarmknochen, den Tibien und am Unterkiefer, die früher auch mikroskopisch für ein Sarkom angesehen worden war. 4. Herr Storp: Zur operativen Behandlung der Brustfelleiterung. Am 27. März 1919, Herr Barth: Die Entstehung der freien Gelenkkörper. Am 24. April 1919, Herr Pusch: Spezifische oder nicht spezifische Serum- behandlung. Am 8. Mai 1919, 1. Herr Barth stellt einen Kranken mit Rhinoplastik nach Tagliacozzi vor. 2. Herr Metge zeigt ein Blutpräparat von Malaria tertiana. 3. Herr Liek: Über die Gefäßversorgung der Niere und ihre Bedeutung für die Chirurgie. / 29 42 • Am 30» Oktober 1919, HerrPetruschky: NeueWege der spezifischen Seuchen- Schutzbehandlung. Am 13. November 1919, Herr Storp: Über Chirurgie der Gallenwege. Am 27. November 1919, Herr Barth: Der Nierenkarbunkel. Am 11. Dezember 1919, Herr Effler: Frühdiagnose der Lungentuberkulose. Die Verhandlungen des Vereins werden mit diesem Jahre wieder in der Deutschen medizinischen Wochenschrift veröffentlicht. Zur Fortbildung kriegsapprobierter Ärzte hielten folgende Herren z. T. mit Unterstützung ihrer Assistenten in den Monaten Februar bis April 1919 Kurse ab: Direktor Dr. Köstlin: Geburtshilfe und Gynäkologie. Dr. Neumann: Erkrankungen der Säuglinge und Kleinkinder. Kreisarzt Dr. Pusch: Praktische Bakteriologie und Seuchenbekämpfung. Professor Prosektor Dr. Stahr: Pathol. Anatomie. Geh. Bat Professor Barth: Chirurgie. Dr. Helmbold: Augenheilkunde. , Dr. Storp: Chirurgie. Professor Dr. Wallenberg und sein Sekundärarzt: Innere Medizin. % Dr. Semrau: Ohren-, Nasen-, Bachen-, Kehlkopf-Erkrankungen. Dr. Effler: Soziale Medizin. Dr. Adolf Schulz: Ohren-, Nasen-, Bachen-, Kehlkopf-Erkrankungen. Dr. Schourp: Haut- und Geschlechtskrankheiten. Neben den wissenschaftlichen wurden eine Anzahl wirtschaftlicher Sitzungen abgehalten, in denen verschiedene für den Verein und seine Mitglieder äußerst wichtige Fragen behandelt wurden. Nachdem im Herbst 1918 der unglücklich verlaufene Krieg durch einen schmählichen Waffenstillstand ein Ende gefunden hatte, kehrten im Laufe des letzten Vierteljahres 1918 die imFelde befindlichen und sonst auswärts militärisch beschäftigten Kollegen nach Danzig zurück. In der am 27. Januar 1919 stattfindenden außerordentlichen Versammlung konnte der stellvertretende Vorsitzende eine stattliche Anzahl von ihnen be- grüßen. Mit dieser Sitzung nahm die regelmäßige Vereinstätigkeit wieder ihren Anfang. Die erste Sorge des Vereins galt den aus dem Felde zurückgekehrten ■ ® Kollegen. Die Namen der Zurückgekehrten wurden in einer großen Sammel- anzeige in sämtlichen Zeitungen bekannt gemacht. Es wurde ferner ein Plakat mit ihren Namen hergestellt und an die Krankenkassen zum Aushang in ihren Geschäftsräumen verteilt. • • Die Kommission für die Entschädigung der kriegsgeschädigten Arzte ver- teilte im Februar 1919 die letzten Entschädigungen. Sie löste sich dann auf. In den wirtschaftlichen Fragen nahmen die kassenärztlichen die Haupt- arbeit des Vereins in Anspruch. 30 .43 Im öffentlichen Interesse betätigte sich der Verein durch die dazu erwählte Kommission an der Nachprüfung der durch die Ärzte ausgestellten Lebens- mittelzeugnisse. Die schwierigen politischen Verhältnisse haben auch auf das Vereinsleben erheblichen Einfluß gehabt. Die in den ersten Monaten des Jahres 1919 drohenden Unruhen und Streiks nötigten den Verein, auch seiner- seits aus seiner bisherigen Reserve herauszutreten und sich dem Danziger Bürgerausschuß, der sich die Abwehr umstürzlerischer Bestrebungen und der zu befürchtenden Unruhen zur Aufgabe gemacht hat, anzuschließen. Der Verein ist im Bürgerausschuß durch seinen Vorsitzenden, Herrn Francke, vertreten, der auch dem engeren Aktionsausschuß angehört. Einem vom Bürgerausschuß als Abwehr gegen einen eventuellen Generalstreik geplanten Abwehrstreik der Bürger wollte sich der Verein anschließen. Es ist zur Anwendung dieses äußersten, durch selbstverständliche Bürgerpflicht gebotenen Abwehrmittels glücklicherweise nicht gekommen. Noch eingreifender in die Arbeit des Vereins waren die Bestimmungen, die der Versailler Frieden, der den Krieg beschloß, für Westpreußen und Danzig mit sich brachte. Da ein großer Teil Westpreußens, insbesondere auch des Reg.-Bez. Danzigs, danach an Polen fällt, löste sich der bisher bestehende Reg.-Bez. -Verband auf. Das Vermögen wurde nach der Kopfzahl der Mitglieder an die einzelnen Vereine verteilt, wobei dem Danziger Verein 1363,31 M. zufielen. Auch die Bücher und Akten erhielt der Verein zur Aufbewahrung. Der Umstand, daß Danzig mit einem ländlichen Gebiet, das hauptsächlich die Kreise Danziger Höhe und Niederung, sowie Marienburg und einen kleinen Teil des Kreises Neustadt umfaßt, ein selbständiger Freistaat wird, zwang ferner den Verein dazu, um bei der Neuordnung der Dinge nicht ins Hinter- treffen zu geraten und von vornherein Einfluß auf die Neugestaltung der Ver- hältnisse im Freistaat zu gewinnen, selbst die Initiative zu ergreifen und folgende Maßnahmen zu treffen: Es wurde zur Bearbeitung sämtlicher ^ärztlicher, sozialpolitischer und sonstiger einschlägiger Fragen eine Kommission gewählt, die die Interessen der Ärzte bei den Behörden vertreten soll. Sie besteht aus den Herren: Barth, Effler, Ginsberg, Lohsse, Semrau, Wendt und zwei Herren aus Zoppot, sowie einem Herrn aus Tiegenhof. Sie hat bereits einen umfassenden Entwurf über die Neugestaltung des ärztlichen und Sanitätswesens im Freistaat Danzig an den Magistrat Danzig eingereicht und in der Presse veröffentlicht. Sie ist ferner bemüht, sich auf geeignetem Wege im Verfassungsausschuß geltend zu machen. Sie hat bisher bei den in Betracht kommenden Behörden ein in wohltuendem Gegensatz zu der früher beliebten Nichtachtung ärztlicher For- derungen stehendes, weitgehendes Entgegenkommen gefunden, und es ist zu hoffen, daß ihr Zusammenarbeiten mit diesen Behörden gute Früchte für die Ärzteschaft zeitigen wird. 31 44 Eine weitere Kommission, bestehend aus den Herren: Abraham, Behrendt, Francke. Fuchs, Lohsse, Möller, Scharffenorth, Semrau, Wegeli wurde damit betraut, die durch die Entstehung des Freistaates • • nötig werdende Änderung der Vereinssatzung vorzuberaten. Sie kam bereits nach kurzen Verhandlungen zu dem Ergebnis, daß nur eine umfassende Neugestaltung der Dinge in Frage komme und eine einfache Satzungsänderung nicht genüge. Da die Westpr. Ärztekammer auf hört zu bestehen, so wird es im Frei- staat künftig keine Standesvertretung geben, die alle Ärzte umfaßt. Eine solche ist aber zur Durchführung der ärztlichen Wünsche und Forderungen unbedingt nötig. Der Verein beschloß daher auf Vorschlag der Kommission, an die Gründung einer ,,Berufsständischen Vereinigung der Ärzte im Freistaat Danzig“ heranzutreten, und beauftragte die beiden genannten Kommissionen, zu denen auch die Herren Kreisärzte Birnbacher und Rose n bäum hinzugewählt wurden, mit den Vorarbeiten für die Gründung • • dieser neuen Korporation der Ärzteschaft, die den ausgesprochenen Zweck verfolgt, die staatliche Anerkennung als Vertreterin der Ärzteschaft im Frei- staat zu erlangen. Der bisherige Ärztliche Verein soll als wissenschaftlich kollegiale Ver- einigung bestehen bleiben. Seine Zugehörigkeit zum Deutschen Ärztevereins- bund hofft der Verein behalten und für die neue berufsständische Vereinigung diese neu gewinnen zu können. In diesem Sinne wird er auch zum 41. Deutschen Ärztetag, der vom 27. — 29. September 1919 in Eisenach tagt, einen Vertreter schicken. Als solcher wurde Herr Lohsse gewählt. Es sind gewaltige Umwälzungen, die uns die Zukunft bringen wird. Der Verein geht in das neue Vereinsjahr mit der Hoffnung, daß die Neugestaltung der Dinge, die er am Ende des verflossenen beschlossen hat, ihm und der Ärzteschaft des Freistaates zum Heile gereichen werden. Neu aufgenommen wurden im Laufe des Jahres: a) als Mitglieder: Dr. van de Kamp, Dr. Roick, Frl. Dr. Reißner, Bütow, General- Oberarzt Dr. Schubert, Oliva, Schwarz, Dr. Wiebe, Schidlitz, Dr. Hennig, Dr. Kedzierski, Stabsarzt Dr. von Ho- meyer, Dr. Haeser, Oliva, Stabsarzt Dr. Spengler, Faltin, Heubude, Dr. Geschke, Dr. Bing, Dr. Koch, Dr. Spie gelberg, Kreisarzt Dr. Rosenbaum, Oberstabsarzt Dr. Kownatzki, Dr. Bergengrün, Ehmke, Dr. Hanel, Oberstabsarzt; b) als Hospitanten: Dr. Krause, Dr. Rohner, Dr. Cyranka, Dr. Roesch, Dr. Metge, Stabsarzt Dr. Hevelke, Frl. Dr. Co rin dt, Dr. Schmidt, Dr. Ernst, Dr. Lauer, Dr. Jauer, R. Peters, Dr. Balzereck. 32 45 Ausgeschieden sind a) durch Tod: % Marine-Generalarzt a. D. Dr. Höpffner, Geh. Medizinalrat Dr. Seemann; b) durch Fortzug: Kreisarzt Dr. Jaenisch, Dr. Sie gismund, Obergeneralarzt Dr. Thel, Dr. Gehrmann. Verzeichnis der Mitglieder des Ärztlichen Vereins zu Danzig am Schlüsse des Vereinsjahres 1918/19. Ehrenmitglied: Herr Dr. Scheele, Geh. Sanitätsrat, Wiesbaden, ernännt 1896. Dr. Abraham, Sanitätsrat „ Backe, Heubude ,, Barth, Medizinalrat, Professor ,, Becker ,, Behrendt, San. -Bat ,, Berent, Sanitätsrat ,, Birnbacher, Kreis- arzt, Medizinalrat Bing ,, Bergengrün „ Bodenstein, Sani- tätsrat ,, Boecker, Oliva ,, Boenheim, San.-Rat „ Borowski ,, Brauer „ Burkhard Bütow, Zoppot Dr. Byczko wski ,, Catoir-Lindner , Frau ,, Cohn ,, Diegner, Sanitätsrat „ Dr eyling, Sanitätsrat ,, D ultz „ Dütschke ,, Effler, Sanitätsrat a) Mitglieder: Ehmke Faltin, Heubude Dr. Fleck, Sanitätsrat ,, Francke, Sanitätsrat ,, Frick ,, Fuchs ,, Gaertner ,, Gehrke ,, Geschke ,, Gin zb erg, San.-Rat ,, Glaeser, Sanitätsrat ,, Gloy, Kahlbude ,, Götz I, Geh. San.-Rat ,, Götz II ,, Gumz, Zoppot „ H aeser, Oliva ,, Hahne ,, Hahlweg ,, II an ff, Sanitätsrat „ Hanel, Oberstabsarzt „ Hartmann, Sanitäts- rat „ Haus bürg, Sanitäts- rat, Zoppot „ Helmbold ,, Hennig ,, Hepner „ Hevelke, Stabsarzt Dr. von Homeyer, Stabsarzt „ Hopp ,, Jacob ,, Jacoby, Sanitätsrat ,, Jelski, Sanitätsrat ,, Karpinski, San.-Rat ,, Katke, Sanitätsrat, Oliva. ,, van de Kamp ,, Klinge, Oliva Klamroth, E. Dr. Kedzierski ,, Köstlin, Direktor ,, Koch, Oliva ,, Körte ., Kownatzki, Ober- stabsarzt ,, Kraft ,, Kubacz ,, Labitzky, Stutthof ,, Landau ,, Liek ,, Lid vin , Geh. San.-Rat „ Litewski ,, Lohsse ,, Magnussen, Geh. Sanitätsrat 33 / Dr . M a s u r k e . San itätsrat ,, Meyer I, H., San. Rat „ Meyer II, Semi ,, Michelsen „ Moll er ,, Neumann, San. -Rat v „ 0 r t m a n n , Sanitätsrat ,, Panecki ,, Penner ,, Petruschky, Prof. ,, Philipp, Sanitätsrat ,, Pietsch, Sanitätsrat, Praust „ Pirwaß, Praust ,, Pusch, Kreisarzt „ Redmer, Sanitätsrat ,, Reinke, Sanitätsrat ,, Roick „ Rosenbaum, Kreis- arzt ,, Rosenthal-Reißner, Frau ,, Rudolph ,, Säger, Gr. Zünder ,, Scharffenorth, Sanitätsrat Dr. Balzereck ,, Büttner ,, Cyranka „Ernst ,, Jauer 46 Dr.Schlomann ,, Schourp ,, Schmidt I, Leo „ Schmidt II, Peter ,, Schubert, General- Oberarzt, Oliva ,, Schulz I, A nt., Sani- tätsrat, Oberarzt „ Schulz II, Otto, Zoppot „ Schulz III, Adolf ,, Schustehrus, Sani- tätsrat Schwarz, Ewald Dr. Sebba ,, Semrau I, Geh. Sani- tätsrat „ Semrau II „ Singer ,, So Imsen, Sanitätsrat ,, Spiegelberg ,, Stahr, Professor, Prosektor ,, Stanowski ,, Storp, Oberarzt b) Hospitanten: Dr. Kielinger ,, Krause ,, Lange, Anna, Frl. ,, Lauer „ Metge Dr. Swierzewski, Sani- tätsrat ,, Szpitter ,, Thun ,, Valentini, Geh. Medi- zinalrat, Professor ,, Y orderbrügge ,, Wagner I, Sanitäts- rat, Zoppot ,, Wagner II „ Wallenberg I, Prof., Oberarzt ,, Wallenberg II., Sanitätsrat „ Wegeli, Sanitätsrat ,, Wendt ,, Wiebe ,, Wisselinck, Sanitäts- rat „ Wobbe ,, Wolff, Sanitätsrat ,, von Wybicki, Sanitätsrat „ Zabel ,, Ziegenhagen ,, Zu sch, Sanitätsrat Dr. Peters Schmidt, A d. ,, Semrau, Franz ,, Wilhelm ) Druck von A. W. Kafemaim g. m. b. h. in Danzig. / / Zur Beachtung, Die folgenden von der Naturforschenden Gesellschaft herausgegebenen Einzelwerke können von den Mitgliedern zum Selbstkostenpreise bezogen werden, soweit der Vorrat reicht: I. Die Flora des Bernsteins und ihre Beziehungen zur Flora der Tertiärformation und der Gegenwart von H.B.Göppert und A. Menge. 1. Band. Göppert, Von den Bernstein-Coniferen. Mit dem.Porträt M enges und 16 lithogr. Tafeln.. Danzig 1883; gr. Quart. — VIII und 63 S. Ladenpreis: M 20. Für die Mitglieder: M 10. 2. Band. Conwentz, Die Angiospermen des Bernsteins. Mit 13 lithogr. Tafeln. Danzig 1886; gr. Quart. - — IX und 140 S. Ladenpreis: M 30. Für die Mitglieder: M 15. II. Die prähistorischen Denkmäler der Provinz Westpreussen und der angrenzenden Gebiete von Dr. A. Lissauer. Mit 5 Tafeln und der prähistorischen Karte der Provinz Westpreußen in 4 Blättern. Danzig 1887; gr. Quart. — XI und 210 S. ' : * Ladenpreis : M 20. Für die Mitglieder: M 10. III. Monographie der haltischenBernsteinhäumevonH.Conwentz. Mit 18 lithographischen Tafeln in Farbendruck. Danzig 1890; gr. Quart. — IV und 151 S. Ladenpreis: M 50. Für die Mitglieder: M 25. Von dem s. Zt. in den Schriften der Gesellschaft, Neue Folge Bd. .1 bis IV 1866 — 1879, erschienenen Werk : Menge, Preusslsche Spinnen. Mit 91 Tafeln sind noch einige vollständige, gut erhaltene Exemplare vorhanden. . Ladenpreis: M 50. Für die Mitglieder: M 25. Der Betrag nebst Porto für die gewünschte Zusendung ist an den Schatzmeister der Gesellschaft, Herrn Bankier Dr.Mhimme in Danzig, -Karren wall 7, einzuschicken. • Von den älteren Schriften der Naturforschendan Gesellschaft ist das 1. Heft des III. Bandes (1871) vergriffen. Es würden die Herren Mitglieder, die dieses Heft etwa abgeben können, uns dadurch zu besonderem Dank verpflichten. Der Vorstand. I - . ■ . •' J Druck von A. W. Kafemann G. m. b. H. in Danzig. ' NEUE FOLGE. FÜNFZEHNTEN BANDES DRITTES UND VIERTES HEFT. * - > I. TEIL: JAHRESBERICHT FÜR 1920, ' v ♦ MIT UNTERSTÜTZUNG DES SENATES DER FREIEN STADT DANZIG HERAUSGEGEBEN. • , jy a Ä r\ ^3 • / \l O' . DANZIG 1921. KOMMISSION S -VERLAG VON R. FRIED LAND ER & SOHN IN BERLIN NW 6, IvARLSTR. 11. V Bitte die 4. Seite dieses Umschlages zu beachten. ■ 1 V '» S J •\ f5 ' ' - ... • . SCHRIFTEN DER NATURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT IN DANZIG. NE CE FOLGE. FÜNFZEHNTEN BANDES DRITTES UND VIERTES HEFT. I. TEIL: JAHRESBERICHT FÜR 1920. MIT UNTERSTÜTZUNG DES SENATES DER FREIEN STADT DANZIG HERAUSGEGEBEN. DANZIG 1921. K©MHISS*ONS-VERLAG VON R. FRIED LAND ER & SOHN IN i? ERLIN NW 6. KARLSTR. 11. Druck: A. W. kaifomaun b. m. b. H., Danzig. Inhalt. Seite 1. Jahresbericht der Naturforschenden Gesellschaft für 1920 .... 1 .2. Bericht über die Ordentlichen Sitzungen und anderweitigen Ver- anstaltungen der Gesellschaft im Jahre 1920 12 Tue ge: Die Fortschritte der drahtlosen Telegraphie während der letzten fünf Jahre 12; Wohl: Leben und Wirken des Berliner Chemikers Emil Fischer 12; von Wr artenberg: Die Bindung des atmosphärischen Stickstoffes 13; Lentz: Physiologie und Bildung 13; Rahn: Biochemische Erklärung der Optimal- und Maximaltemperatur bei Lebensvorgängen 14; Pfeiler: Die neuen Lehren Abderhaldens von den Abwehrfermenten und ihre praktische Bedeutung 15; Müller: Natürliche Tonleitersysteme 16; La Baume: Waren die Träger der sogenannten Lausitzer Kultur (Bronze- und frühe Eisenzeit) Ostdeutschlands Germanen oder nicht? 17; Stahl*: Die Bedeutung der Rasse für die Schicksale der Völker 18; Habermann: Entwicklungsgeschichte einer Eiszeitlandschaft bis zur Gegenwart 19; Plank: Über den Einfluß der Gefriergeschwindigkeit auf die histologischen Veränderungen tierischer Gewebe, im Zusammenhang mit der Konservierungsdauer 20; M old enhauer: Entwurf technisch-geologischer Karten 21; Müller: Die Wegenersche Theorie von der Entstehung der Kontinente 21; Petruschkv: Wesen und Bekämpfung der „Erkältungs- krankheiten“ 22; Rößler: Die Elektrizität als Spenderin von Licht und Wirme 22; La Baume: Aus germanischer Vorzeit, eine Übersicht über die vorgeschichtliche Archäologie des germanischen Kulturkreises 22; von FT ölst: Zur Volks- und Massenpsychologie 22. :3. Übersicht über die in den Ordentlichen Sitzungen 1920 behandelten Gegenstände 23 4. Jahresbericht über die Sitzungen der medizinischen Sektion im Jahre 1920 25 5. Bericht über die Sitzungen der Anthropologischen Sektion im Jahre 1920 30 <6. Bericht über die wissenschaftliche Tätigkeit der Sektion für den mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterricht 1920 ... 31 7. Bericht über die wissenschaftliche Tätigkeit des Westpreußischen Fischereivereins im Jahre 1920 31 T Jahresbericht der Naturforschenden Gesellschaft zu Danzig für 1920. Vorgetragen von ihrem Direktor, Studienrat Professor Dr. Lakowitz, in der Sitzung am Mittwoch, dem 5. Januar 192 L Geehrte Versammlung! Das soeben beendete Berichts-, zugleich 1-78. Lebens- jahr unserer Gesellschaft, stand im Zeichen reger, wissenschaftlicher Tätigkeit und brachte gegen den Schluß eine erfreuliche Verbesserung der wirtschaft- lichen Lage der Gesellschaft. Den hierbei werktätig beteiligten Mitgliedern gleich zu Beginn dieses neuen Berichtes den lebhaften Dank der Gesellschaft darzubringen, ist dem Berichterstatter ein Herzensbedürfnis. Unsere alte, ehrwürdige Gesellschaft hat wieder einmal gezeigt, wie lebenskräftig und jugendfrisch sie ist, und sie kann sich glücklich schätzen, soviel regsame, arbeitsfreudige und hilfsbereite Mitglieder ihr eigen nennen zu dürfen. Um so schmerzlicher ist es, feststellen zu müssen, daß im Jahre 1920 eine übergroße Zahl von Mitgliedern durch den Tod abberufen wurden. Wir haben den Verlust von nicht weniger als 23 Mitgliedern zu beklagen. Von Korrespondierenden Mitgliedern sind im Berichtsjahr gestorben: der Geheime Bergrat Prof. Dr. Berendt- Berlin, der langjährige Vorsitzende der Elbinger Altertumsgesellschaft Prof. Dr. Dorr, dessen Jahresberichte in unseren „Schriften“ veröffentlicht sind, der Universitätsprofessor Dr. Freund-Frank- furt a. M., der praktische Arzt S.-R. Dr. Rüst- Hannover und der Gymnasial- direktor a. D. Staatsrat Schweder in Riga. Von einheimischen Mitgliedern: Sanitätsrat Dr. Berent, Sanitätsrat Dr. Bodenstein, Apothekenbesitzer Deppe, Apothekenbesitzer Fleischer, Kreistierarzt Fortenbacher, Prak- tischer Arzt Dr. Hart mann, Oberlehrer Dr. Jantzen, St.-Rat Professor Nass, Oberlehrer Rein, Apotheker Schmieder, Ökon.-Rat Prof. Dr. Schmoeger, Kaufmann Spitzer, Oberingenieur T ott, von auswärtigen Mitgliedern: Ritter- gutsbesitzer von Ankum-Mitteldorf bei Saälfeld Opr., Buchdruckereibesitzer Ehlers-Karthaus, Gutsbesitzer Höcherl-Ollva, Studienassessor Dr. Linssen« Graudenz und Geh. Sanitätsrat Dr. Schimanski-Stuhm. Durchweg lang- Sehr. d. N. G. zu Danzig. Jahresber. 1920. 1 jährige, treue Mitglieder waren es, auf deren Mitarbeit wir nun leider ver- zichten müssen. Bin Bedürfnis jst es uns, ihrer hier in Dankbarkeit zu gedenken und ihr Andenken in üblicher Weise zu dieser Stunde und an diesen Stelle zu ehren! (Die Versammlung erhebt sich von den Plätzen.) Durch Bortzug aus Danzig und aus den abgetrennten Teilen der ehe- maligen Provinz Westpreußen schieden etliche Mitglieder aus, durchweg mit Worten des Dankes für die in unserer Gesellschaft empfangenen Anregungen. Neue Mitglieder zumeist aus Danzig haben sich uns angeschlossen. Hiernach gestaltet sich der Mitgliederbestand am Schluß des Jahres 1920 nunmehr folgendermaßen. Es sind 7 Ehrenmitglieder gegen 7 zu Ende 1919 und 7 zu Ende 1918 35 Korresp. Mitgl. w c O R £ CO R n 481 Einheim. Mitgl. w 445 » „ w „ 387 „ „ w 140 Auswärt. Mitgl. n 141 „ „ 55 141 55 A1X „ „ 55 Die Gesamtzahl der Mit glieder beträgt somit gegenwärtig 663 gegen 633 zu Ende 1919 und 578 zu Ende 1918, die der Beitrag zahlenden Mitglieder: 621 gegen 586 zu Ende 1919 und 528 zu Ende 1918. Die letztjährige Zunahme der Beitrag zahlenden Mitglieder um 35, wie die entsprechende Zunahme während des jetzt abgelaufenen Jahrzehntes um 203 (von 418 auf 621 zahlende Mitglieder) sind erfreuliche Zeichen für die werbende Kraft unserer Gesellschaft und dafür, daß wir mit den satzungs- mäßig festgelegten Bestrebungen, die Naturwissenschaften mit besonderer Be- rücksichtigung der heimatlichen Verhältnisse zu fördern und zur Erweiterung naturwissenschaftlicher Kenntnisse unter den Bewohnern des Heimatgebietes beizutragen, auf dem richtigen Wege sind, und daß in unserer Vereinigung unter den Wissenschaft Gebenden wie den wissenschaftliche Anregung Suchen- den treue Mitarbeiter und dankbare Anhänger in stetig steigender Anzahl sich zusammenfinden. Möge es immer so bleiben! Allen den geehrten Mit- gliedern aber, die uns neue Freunde und Anhänger zugeführt und dadurch die unbedingt nötige, materielle Stärkung der Gesellschaft gefördert haben,, sei an dieser Stelle erneut wärmster Dank ausgesprochen, zugleich mit der Bitte um fernere erfolgreiche Werbetätigkeit. Die eingangs betonte, größere Regsamkeit in der wissenschaftlichen Be- tätigung unserer Gesellschaft zeigt sich zunächst in der Veröffentlichung des dritten Teiles vom Doppelheft 1/2 des 15. Bandes unserer „Schriften“, das, unter der Aufsicht des Herrn Studiendirektor Dr. Dali ms im Sommer 1920 fertig hergestellt, inzwischen an alle Mitglieder und an die Schriftenaustausch- Gesellschaften des In- und Auslandes versandt worden ist. Die darin ent- haltenen Abhandlungen der Herren v. Brunn, Dahms, Ehrlich, La Baume, Lakowitz, Sommer und Wan g er in entstammen den verschiedensten Zweigen der Naturwissenschaft und legen Zeugnis ab von der Mannigfaltigkeit der wissenschaftlichen Betätigung unserer arbeitenden Mitglieder. Andere wichtige 3 Abhandlungen liegen zur Drucklegung bereit. Wer unterstützt uns aber mit den hierzu erforderlichen Geldmitteln? Schon die Kosten der Drucklegung des soeben erwähnten Doppelheftes waren so beträchtlich, daß sie die Leistungsfähigkeit der Kasse der Gesellschaft bei weitem überstiegen. Ein Aufruf an die Mitglieder brachte Hilfe und größere und kleinere Beiträge wurden eingeliefert von den Herren Abderhalden, Abromeit, Arndt, von Auwers, Axt, Baedeker, Barth, Becker, Behrent, Boese, J. Boehm, Braemer, Bomke, von Branca, Bulcke, Burkhard, Burtschik, v. Conradische Stiftungskasse, Conwentz, Carlson, Davi dsohn, Deecke , Delbrück, Domansky, von Drygalski, Eltze, Eschert, W. Fast, B. Fey, Feyerabendt, Freytag, P. Fischer, Fox, Frank, Francke, Gescbke, Goguel,Grapow, Frl. Gruhn, Grün, Heil, Hencke, Herr mann, von Holst, Jacoby, Janzon, Jewelowski, Johannes, Kappenberg, Kehding, Kettlitz, Keyser, Kraft, Kurowski, Lakowitz, Liebermann, Liek, Linck, Lin du er, von Mackensen, Mann, Mann har dt, C. Meyer, G. Meyer, E. Mix, 0. Momber, Möller, Nesselmann, Nicht er! ein, Petruschky, Plagemann, Pölchen, Polytechnische Gesellschaft in Stettin, Prodoehl, Pusch, Re dm er, Rehfus, Reinicke, G. Rein icke, Rodenacker, Ross, Rother, Rosenbaum, Ruff, von Rümker, Sebba, Sichtau, Schmidtke, Soschinski, Spie gelberg, Steimmig, Stein, von Stangen, Süring, Taege, Talleur, Tenzer, Treitel, Treptow, W. Unruh, Wanfried, Wegener, Wieler , Wien, Wittmack, Wolff, Wülfing, Zeneck, Zwerg, NN. — Im ganzen sind für den bezeichneten Zweck 7425 M in kurzer Zeit bis zum Schluß des Jahres 1920 und bis Ende Februar 1921 zusammengekommen. Allen gütigen Geschenkgebern sei an dieser Stelle wärmster Dank ausgesprochen. Weitere Beiträge zu den Kosten der Drucklegung der „Schriften“ werden vom Schatzmeister und dem Bericht- erstatter immer noch gern eetgegengenommen, und es soll später darüber im einzelnen berichtet werden. Außer diesem zwölf Bogen starken Heft der regelmäßig erscheinenden „Schriften“ konnte erfreulicherweise noch eine Sonderpublikation von der Gesellschaft herausgegeben werden. Es ist dies die „Vorgeschichte von Westpreußen“, in ihren Grundzügen allgemeinverständlich dargestellt von Dr. Wolfgang La Baume, mit 18 Tafeln und 84 Abbildungen im Text. Dieses 6l/2 Bogen starke, den Mitgliedern zum Selbstkostenpreis leicht zu- gängliche Werk stellt in gewissem Sinne eine Neubearbeitung des von unserer Gesellschaft bereits 1887 herausgegebenen, grundlegenden Werkes Dr. Li s sauers „Die prähistorischen Denkmäler der Provinz Westpreußen“ dar. Diese Neu- bearbeitung war sehr wünschenswert, da während der seit Lissauers Werk verflossenen 33 Jahren in der vorgeschichtlichen Forschung im allgemeinen und in der vorgeschichtlichen Bodenerforschung im Gebiet der alten Provinz Westpreußen eine große Fülle wichtiger Ergebnisse sich angesammelt hatte, die der wissenschaftlichen Bearbeitung harrte. Die Drucklegung dieses Werkes 3 4 wurde der Gesellschaft nur möglich infolge einer kräftigen, finanziellen Unter- stützung durch den Deutschen Volksrat, dessen Vorsitzender, Herr Archivrat Dr. Kaufmann, für diesen Zweck ausreichende Geldmittel gesammelt hatte. Zwei andere größere Arbeiten harren noch der Drucklegung: ,, West- preußische Jurageschiebe“, bearbeitet von Prof. Dr. Pompetzki und eine erst vor kurzem zur Verfügung gestellte ,, Technisch-geologische Bodenkarte von Danzig und Umgegend“, bearbeitet von Dr. ing. Moldenhauer. Die Mittel zur Herausgabe dieser beiden für die Heimatkunde Westpreußens wichtigen Arbeiten fehlen uns zur Zeit; hoffentlich finden sich zur kräftigen Hilfeleistung wieder recht bald freundliche Förderer unserer wissenschaft- lichen Bestrebungen. Der durch den Krieg ins Stocken geratene Austausch der Druckschriften mit den auswärtigen und ausländischen wissenschaftlichen Vereinen, Gesell- schaften, Instituten und Akademieen kommt mehr und mehr wieder in Gang. Wenn doch wie hier auf dem Gebiet der Wissenschaft recht bald auch auf dem der Politik die alten, guten Beziehungen wieder hergestellt werden möchten. Neu eingetreten in den Schriftentauschverkehr sind im Berichtsjahr: 1. Die Bayerische Botanische Gesellschaft in München, 2. I/Observatoire astronomique in Helsingfors. Ein wichtiges Glied in der Reihe der Hilfsmittel zur Belebung der wissen- schaftlichen Tätigkeit unserer arbeitenden Mitglieder ist die Bibliothek der Gesellschaft. Die Verwaltung dieser umfangreichen Büchersammlung liegt seit dem Beginn des Berichtsjahres in den Händen des Herrn Studienrat Dr. Wangerin, da Herr Studiendirektor Dr. Dahms-Zoppot infolge von Überbürdung im Amte die Aufsicht über die Arbeiten in unserer Bibliothek nicht länger führen kann. Herrn Dahms schuldet die Gesellschaft für die gewissenhafte Verwaltung der Büchersammlung großen Dank. Herr Wangerin hat die Arbeiten übersichtlicher Neuordnung in den Abteilungen für Geographie und Physik mit Unterstützung durch Fräulein Lakowitz beendet und nun die Katalogisierung zunächst der Abteilung für Botanik energisch in Angriff genommen. Geldmittel, die durch den Verkauf einer bei uns auffallend wenig benutzten, in der Technischen Hochschule bis auf die älteste Reihe vorhandenen und dort auch unseren Mitgliedern leicht zugänglichen, für uns infolge ihres hohen Jahrespreises unerschwinglich gewordenen Zeitschrift (Poggen dorffs Annalen der Physik) zur Verfügung stehen, werden zu einer Ausfüllung empfindlicher Lücken in anderen viel benutzten, wertvollen, in der Hochschule nicht vorhandenen Zeitschriftenreihen, ferner zu dringend notwendig gewordenen Buchbinder- und anderen Instandsetzungsarbeiten langersehnte Hilfe bringen und dadurch die Büchersammlung als wertvolles Mittel zu weiterer Hebung und Belebung wissenschaftlicher Arbeiten unserer Mitglieder stetig brauchbarer machen. Die Benutzung der Bibliothek sowie des angeschlossenen Lesezimmers wie des Zeitschriftenlesezirkels bewegt sich in aufsteigender Linie ent- ✓ 4 o sprechend der Zunahme der Zahl der Mitglieder der Gesellschaft. Wertvolle Druckschriften wurden der Bibliothek zugeführt von den Herren Braun, Dahms, Geinitz, Gordan, Grix, Günther, Jentzsch, Keyser, Lakowitz, Lidvin, Lucks, Pusch, Rahn, Ruff, Speiser. Allen diesen Herren sei hier nochmals der Dank'*) der Gesellschaft für diese Zuwendungen ausgesprochen, besonders Herrn Geh. -Rat Lidvin für eine lange Reihe teuerer, zumeist geographischer Werke verschiedener Autoren. Von den auswärtigen wissenschaftlichen Gesellschaften, die ihre Druck- schriften unserer Bibliothek seit Jahrzehnten regelmäßig zuführen, feierten der Naturwissenschaftlich- medizinische Verein in Innsbruck und die Anthro- pologische Gesellschaft in Wien ihr fünfzigjähriges Bestehen, von unseren Mitgliedern die Herren Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Bran ca- München und Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Braun -Königsberg ihren 70. Geburtstag, Herr Sanitätsrat Dr. Han ff sein fünfzigjähriges Doktorjubiläum, aus welchen Anlässen die Glückwünsche unserer Gesellschaft den Jubilaren brieflich bzw. telegraphisch übermittelt wurden. Die Vortragstätigkeit der Gesellschaft war im abgelaufenen Jahr außerordentlich rege. In 13 wissenschaftlichen Sitzungen konnten ebensoviel Vorträge aus den verschiedensten Gebieten der Naturwissenschaft dargeboten werden. Regelmäßig schlossen sich anregende Aussprachen an. Zu diesen rein wissenschaftlichen Vorträgen gesellten sich für einen erweiterten Zu- hörerkreis bestimmte Vortragsreihen und Einzelvorträge 1. über ,,Das System der Fixsterne“ (Fortsetzung und Schluß aus 1919) von Prof. Dr. von Brunn, 2. über sogen. ,, Erkältungskrankheiten“ von Prof. Dr. Petruschky, 3. sechs Vorträge über ,,Die Elektrizität als Spenderin von Wärme und Licht“ (mit Experimenten) von Geh. Reg.-Rat Dr. Rößler, 4. sechs Vorträge über das Thema ,,Aus germanischer Vorzeit“ von Dr. La Baume, 5. ein Vortrag über das Thema: „Zur Volks- und Massenpsychologie“ von Dr. von Holst, 6. zwei Vorträge über ,,Die Relativitätstheorie“ von Privatdozent Dr. Günther- Berlin, die regelmäßig starken, die letzte Darbietung sehr starken Zuspruch fanden und der Gesellschaft nicht wenige neue Mitglieder zugeführt haben. Den Bericht über die Vortragstätigkeit im einzelnen während des Jahres 1920 gibt nachfolgend der Sekretär für die inneren Angelegenheiten, Herr Professor Dr. Wallenberg. Hinzu kommen die Berichte der Vorsitzenden der Fach- sektionen über deren Tätigkeit. Die wissenschaftliche Tätigkeit in den Sek- tionen war 1920 reger als in den vorangegangenen Jahren, besonders in der medizinischen Sektion; sie noch mehr zu beleben, vielleicht durch die Be- gründung neuer Fachsektionen, z. B. für Astronomie und kosmische Physik, ferner für Biologie, für Geologie und für Geographie dürfte zu empfehlen 0 Gleichen Dank möchte ich Herrn Deichinspektor Regierungsbaumeister Bertram, der unserer Gesellschaft bisher nicht angehörte, für die Überweisung seines großen Werkes: „Die Entwickelung des Deich- und Entwässerungswesens im Gebiete des heutigen Danziger Deich verbandes von der Ordenszeit bis zur Gegenwart. Danzig 1907“ an die Bibliothek abstatten. 5 6 sein. Diese Angelegenheit zum Gegenstand ernster Beratungen zu machen, soll eine Aufgabe für die allernächste Zukunft werden. Die astronomische Station ist ein wichtiges wissenschaftliches Werkzeug unserer Gesellschaft. Seitdem der Plan einer Verlegung unserer Sternwarte in einen zu errichtenden Neubau außerhalb der Stadt und zwar auf dem zu diesem Zweck erworbenen Gelände am Königstaler Weg auf- tauchte, d. li. seit dem Jahre 1908, ist die Station ein Sorgenkind der Ge- sellschaft. Nach dem vorjährigen Bericht war am Horizont der Erwartungen ia Sachen der Sternwarte ein neuer Hoffnungsschimmer zu bemerken. Dieser Hoffnungsschimmer nähert sich nun dem Zenith seines Aufstieges, und hoffentlich hält die Zukunft, was die Gegenwart in dieser Angelegenheit verspricht. Die allgemeine Lage der Warte hat sich nach einem Sonderbericht des Herrn Prof. v. Brunn im Laufe des Berichtsjahres nicht wesentlich geändert. Von einer Wiederaufstellung des Refraktors in der Kuppel mußte abgesehen werden, einmal weil die dafür erforderlichen Mittel nicht vorhanden waren und dann auch — hier folgt der angedeutete Hoffnungsschimmer — weil eine Sanierung der Sternwarte unter freistaatlicher Mithilfe in greifbare Nähe gerückt zu sein scheint. Hierüber wird sogleich noch zu berichten sein. Von einer astronomischen Beobachtungstätigkeit konnte im abgelaufenen Jahre nicht die Rede sein. Die wissenschaftliche Tätigkeit des Astronomen konzentrierte sich auf die übliche Lehrtätigkeit an der Hochschule und auf theoretische Arbeiten auf dem Gebiete der Astronomie und Meteorologie. Im Sommersemester 1920 wurde über Sphärische Astronomie, im Wintersemester 1920/21 über Himmelsmechanik gelesen. An wissenschaftlichen Arbeiten des Herrn v. Brunn sind erschienen: Das Phänomen der doppelten Kimme und seine Theorie (Meteorolog. Zeitschr.); Zur Berechnung der terrestrischen Re- fraktion (Zeitschr. f. Vermessungswesen); Bemerkung zu meinem Aufsatz über die Berücksichtigung des Dampfdruckes bei der Berechnung der Refraktion (Astronomische Nachrichten); Bemerkungen zum 3-Körperproblem (Schriften 9 CO 9 Z"1 ~ - — X2 der Nat. Ges. Danzig); Zur Berechnung der Funktion ip( z) — e je dx z (Sehr, d.- Nat. Ges. Danzig). Außerdem sind früher in Heidelberg angesteilte Beobachtungen des Herrn v. Brunn durch die Bearbeitung Geh. Rat Valentiners der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Die Übernahme der meteorologischen Instrumente der früheren Haupt- - agentur Neufahrwasser der deutschen Seewarte durch unsere Gesellschaft ,,zu getreuen Händen“ erbrachte die Fortführung der meteorologischen Beob- achtungsreihe von Neufahrwasser nunmehr im Gebäude der Gesellschaft. Leider gelang dies erst vom 1. März 1920 ab durch Gewinnung der Mitarbeit zweier Studenten der Technischen Hochschule^ der Herren Brauer und Kohl, die die regelmäßigen Terminbeobachtungen, ihre Bearbeitung und Übermittelung an die Seewarte in Hamburg seither mit Gewissenhaftigkeit durchgeführt haben. Nun kommen wir zur Frage nach dem ferneren Schicksal der Stern- warte. Die Verhandlungen, die schon im vorigen Jahresbericht erwähnt worden sind, haben einen erfreulichen Fortschritt aufzuweisen. Ihr Ziel war, die Sternwarte der Naturforschenden Gesellschaft mit einem von der Freien Stadt Danzig zu errichtenden, den Bedürfnissen der Seefahrt im theoretischen wie praktischen Sinne dienenden Institute zu vereinigen, da die Gesellschaft allein infolge der völlig veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage ist, ihre Warte auf die Dauer lebensfähig zu erhalten. Dieses Ziel er- scheint jetzt erreichbar. Durch Verfügung vom August 1920 hat der Staats- rat die Mittel zur Errichtung eines Meteorologisch-Astronomisch-Nautischen Instituts für das laufende Geschäftsjahr bewilligt und vom 1. Oktober 1920 an Herrn Prof. v. Brunn mit der Einrichtung und provisorischen Leitung des neuen Instituts, das fortan die Bezeichnung ,, Observatorium der Freien Stadt Danzig“ führen soll, beauftragt. Allerdings handelt es sich hier wegen des noch immer nicht völlig geklärten Verhältnisses zwischen Freier Stadt und Hafen um ein Provisorium. Es wird die Gesellschaft daher demnächst zu beschließen haben, ob und in welchem Umfange das Instrumentarium, eigenes wie zu getreuen Händen anvertrautes, an den provisorischen Unter- kunftsort zur Benutzung übergeführt werden soll. Zu hoffen ist, daß, sobald die Stellung des neuen Freistaatlichen Observatoriums völlig gefestigt ist, durch besonderen Vertrag mit der Freien Stadt dann eine völlige Ver- schmelzung unserer Sternwarte mit dem Observatorium vollzogen werden kann. Besondere Beschlußfassung auch hierüber steht der Gesellschaft noch bevor. Es wird besonders darauf zu achten sein, daß die wissenschaftlichen Ver- pflichtungen, die der Gesellschaft als Vollstreckerin des von Wolffschen Testamentes obliegen, durch jenen Vertrag auch sichergestellt werden. Die Gesellschaft wäre dann einer Verantwortung überhoben, die sie zwar bisher gern getragen hat, die weiter zu tragen jedoch ihre wirtschaftliche Kraft in Zukunft übersteigen würde. Wir dürfen hoffen, daß das Ziel, das seit Über- nahme des Dr. Kays ersehen Legates durch die Gesellschaft unablässig er- strebt worden ist, endlich erreicht werden wird: Der Astronomie in Danzig eine wirklich produktionsfähige Pflanzstätte zu schaffen und dies auch ganz im Sinne des ersten Begründers einer Sternwarte in Danzig, des Dr. N. M. von Wolff. Von den unserer Gesellschaft gehörenden Stiftungen hat die von Wolffsche Stiftung ihre Zinsen zur Bestreitung der Kosten für die astro- nomische Station, die Humboldt- Stiftung nach den Vorschlägen des Sekretärs für die auswärtigen Angelegenheiten, Herrn Prof. Dr. Kumm, drei Studien- stipendien an die Herren Studiosen Bär und Zummach, wie an Herrn Dr. Wangerin, die Prof. Bail-Stiftung, gemeinsam mit dem Wpr. Botanisch- Zoologischen Verein begründet, ein Stipendium an Herrn Dr. Wangerin, die V er ch sehe Stiftung zu Neuanschaffungen für die Bibliothek die nötigen Geldmittel bestimmungsgemäß vergeben. Neu hinzugekommen sind im Be- richtsjahr die Klinsmann-Stiftung in Höhe von 2000 M zu Studienstipendien, 7 \ j I ■ 8 . ' V ' ■u aus dem Nachlaß von Fräulein Klinsmann, einer Tochter des früheren Mit- gliedes Sanitätsrat Dr. Klinsmann-hier und als Ergebnis einer diesseitigen Anregung die Momber-Stiftung der Familie Mo mb er »hier zum Andenken an den 1909 verstorbenen früheren Direktor unserer Gesellschaft, Professor Albert Momber, für wissenschaftliche Zwecke zur Verfügung des Vor- standes — beide neue Stiftungen sind rühmliche Zeichen für die unserer Ge- sellschaft bewiesene treue Anhänglichkeit einzelner Mitglieder bzw. ihrer . Familien noch über das Grab hinaus. Wärmsten Dank schuldet ihnen unsere Gesellschaft! Noch eine Stiftung ist im Berichtsjahr dank der Opferwilligkeit der Mitglieder an unsere Geselllschaft gekommen. Hierzu seien einige Worte bemerkt. Die Finanzlage unserer Gesellschaft war niemals glänzend, sie wurde aber bedenklich schon während, geradezu beängstigend nach Schluß des Krieges. Der Versuch, aus Anlaß der 175jährigen Stiftungsfeier Januar 1918 mit Unterstützung des Ehrenmitgliedes Professor Bail durch einen Aufruf eine große Stiftung zustande zu bringen, hatte nicht den erhofften Erfolg. Daher wurde ein zweiter Versuch zu Anfang 1920 unternommen; er gelang. Ein Gesuch des Berichterstatters an die wohlhabenden Mitglieder, in dem die Not der Gesellschaft infolge der allgemeinen Geldentwertung, des Fortfalls wichtiger Unterstützungen der Provinzialverwaltung und der Preußischen Staatsregierung und damit die Gefahr des wirtschaftlichen Zusammenbruches unserer Gesellschaft geschildert’ wurde, fand vielseitig Anerkennung und brachte Hilfe. Vor allem hälfen die Herren Sanitätsrat Dr. Ginzberg, Bittergutsbesitzer Linck-Stenzlau, Dr. jun H. Meyer, Oberamtmann Oberfeld,. Kaufmann Petersen, Kommerzienrat Sieg werbend mit, so daß Bericht- erstatter diesen Herren, besonders Herrn Petersen, zu großem Danke verpflichtet ist bei dem Zustandebringen des wichtigen Sanierungs Werkes, ebenso Herrn Basner-Zoppot, der den vollen Einnahmeertrag aus einem Besuch seiner Kunstsammlung zur Verfügung stellte. Beihilfen zahlten von Mitgliedern, die- Herren Anker, von Auwers, Bail, Barth, Basner, Behnke, Berger, Brämer, Carlson, Caskel, Domansky, Dohm, Eschert, Gebr. Fischer, Fröhlich, G. u. O. Frost, G. Fuchs, H. Fuchs, Gaebler, Ginzberg, Goetz, Gr und mann, Guttzeit, Hahn, Half ft er, Heise, Heyking, Jantzen, Jewelowski, Ilgner, Kehding, Kittier, Klawitter, v. Kolkow, Kreyenberg, Lakowitz, Lietzau, Lievin, Linck, v. Mackensen, Mac Lean, Mendel, E. Mix, Moser, Aj Muscate, F. Muscate, A. Meyer, H. Meyer, Neubäcker, Oberfeld, Patschke, Pertus, Petersen, Petruschky, Petschow, Plagemann, Babe, Reinke, Rößler, Rosen- baum, Schmidt, Siebenfreund, Scheller, Sieg, Spitzer, Unruh, A. Wallenberg, Th. Wallenberg, W'alter, Weiß, Wieler und von I Nichtmitgliedern die Herren Andree, Gebr. Boss, Dörksen, Dzaak, Fuchs, Gallenkampf, Holzmann, Kosmieder, Kriebel, Langguth, A. Neumann, L. Neu mann, Radtke, Rhode, J. Rothstein,Wiemer, fernen 9 das Oberpräsidium, Kreisausschuß Stuhm, Kreiskasse Danziger Niederung, Danziger Frivat-Actien-ßank, Danziger Aktienbrauerei, Firma Ertmann & Perle witz, Firma Meyer & Gelhorn, Magistrat der Stadt Elbing, Landwirtschaftliche Großhandelsgesellschaft, Danziger Waggonfabrik. Im ganzen sind bis zum Schluß des Berichtsjahres 43 720 M als „Sammlung 1920“ zusammen- gekommen — , zugleich ein wertvoller Beweis für das große, werktätige Interesse, das unsere ehrwürdige Gesellschaft auch in weitesten Kreisen des Heimat- gebietes allzeit, besonders in Zeiten der Not, findet. Vielen Dank allen bis- herigen freundlichen Gebern! Die „Sammlung 1920“ wird fortgesetzt, da der Zinsertrag aus obiger Summe immer noch nicht ausreicht, die auch nur not- wendigsten Mehrausgaben vollständig zu decken. Der Schatzmeister Herr Dr. Damme und der Berichterstatter nehmen gern und mit Dank Gaben zur „Sammlung 1920“ auch fernerhin noch an. Eine Danziger Kohlengroßhandlung schenkte einen größeren Posten Stein- ♦ ' kohlen, wofür gleichfalls ergebener Dank auch an dieser Stelle ausgesprochen sei. Die Verwaltung des Gebäudes der Gesellschaft und des Geländes für die Sternwarte liegt in den Händen des Herrn Architekt Reichenberg, der sich mit Erfolg bemüht, den gesteigerten Ausgaben erhöhte Einnahmen gegen- überzustellen. Die geschäftlichen Angelegenheiten unserer Gesellschaft sind in sechs Sitzungen des Vorstandes vorberaten und in einer Anzahl außerordent- licher Mitgliederversammlungen erledigt worden. Gemäß der Satzung ge- langte in der Januarsitzung (7. Jan. 20) der Jahresbericht über 1919, einschl. der Berichte der Fachsektionen, und in der Dezembersitzung (15. Dez. 20) der Entwurf des neuen Haushaltungsplanes für 1921 an die Mitglieder- versammlung. Ersterer wurde genehmigt und letzterer in der vorgeschlagenen Höhe von 34245 M einschl. Stiftungen (darin 25173 M der Allgemeinen Kasse) angenommen. In der Sitzung am 5. Mai 1920 erfolgte nach dem Bericht der Rechnungsprüfer, der Herren Bankier Stein und Kaufmann Domansk}^, über das Ergebnis ihrer Prüfung der Kassenverwaltung für 1919 die Entlastung und der Dank der Mitgliederversammlung für den Schatzmeister, Herrn Dr. Damme. In der außerordentlichen Mitgliederversammlung am 29. Dezember 1920 wurden in den Vorstand gewählt für 1921: Herr Studienrat Prof. Dr. Lakowitz als Direktor, „ Hochschulprofessor Dr. Strem me als Vizedirektor, „ Bankdirektor Dr. Damme als Schatzmeister, „ Oberarzt Prof. Dr. Wallenberg als Sekretär für die inneren Angelegenheiten, „ Museumsdirektor Prof. Dr. Kumm als Sekretär für die äußeren Angelegenheiten. , „ Studienrat Dozent Dr. Wangerin als Bibliothekar, „ Architekt Reichenberg als Hausverwalter, 9 10 Herr Professor Evers „ Professor Dr. Petruschky a]s Beisitzer. r Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Rößler Als Rechnungsprüfer wurden die Herren Kaufmann Domansky und Bankdirektor Stein wiedergewählt. Ausgeschieden aus dem Vorstände sind auf ihren eigenen Wunsch die Herren Prof. Dr. Krüger und Prof. Dr. Sommer. Ihnen den Dank der Gesellschaft für ihr großes Interesse an der Fort- entwicklung und für ihre langjährige Mitarbeit an den Aufgaben der Ge- sellschaft an dieser Stelle auszusprechen; ist dem Berichterstatter eine an- genehme Pflicht. Zugleich begrüße ich die neu eingetretenen Vorstands- mitglieder, die Herren Geh. Reg.-Rat Dr. Rößler und Prof. Dr. Stremme, und spreche die Hoffnung aus,, daß die mit größerer Verantwortung als bisher nunmehr übernommene Mitarbeit an den Aufgaben der Gesellschaft ihnen stets Freude bereiten möge. Dieselbe Mitgliederversammlung vom 29. Dezember nahm den Bericht einer am 15. Dezember gewählten Kommission entgegen, die über einen von 12 Mitgliedern am 15. Dezember eingebrachten Antrag, die fällige Vorstands- wahl zu verschieben, bis die Technische Hochschule vom Freistaat Danzig endgültig übernommen sein würde, inzwischen beraten hatte. Der Bericht- erstatter, Herr Geh. Reg.-Rat Dr. Rößler, empfahl nach ausführlicher Dar- legung der ganzen Sachlage, den Vorschlag der Kommission zum Beschluß der Versammlung zu machen, was auch geschah. Der Beschluß lautete, so- fort die Vorstandswahl vorzunehmen und eine Revision der Satzung in die Wege zu leiten. Der zu diesem Zweck aus neun Mitgliedern bestehenden, einstimmig gewählten Kommission wurde aufgegeben, diese Revision so zu fördern, daß bis zum 1. Juli 1921 die neue Satzung in Kraft treten kann. Dann soll die Wahl des Vorstandes nach den Bestimmungen des neuen Statuts neu vollzogen werden. Der am 29. Dezember nach dem alten Statut gewählte Vorstand erklärt einmütig, nach endgültiger Annahme des neuen Statuts durch die Mitgliederversammlung und nach dessen amtlicher Be- stätigung, seine Ämter in die Hand der Mitgliederversammlung zurückzulegen und auf diese Weise die Bahn für die Neuwahlen freizugeben. Wie oben ausgeführt wurde, sind für 1920 und für die Zukunft die bis- her regelmäßigen Beisteuern von 2000 M seitens der Provinzialverwaltung Westpreußens und von jährlich 500 M seitens der Preußischen Staats- regierung fortgefallen. Ein Gesuch an den Magistrat der Stadt Danzig brachte eine dauernde Erhöhung des bisher gezahlten Jahresbeitrages von 300 M auf 800 M, schon zahlbar für 1920, und ein anderes Gesuch an den Stäatsrat für die Freie Stadt Danzig einen einmaligen Zuschuß von 1000 M für 1920 und 'die Empfehlung, ein entsprechendes Gesuch zu Anfang 1921 einzureichen, zur Erlangung einer dauernden Beihilfe für wissenschaftliche Zwecke. Den Behörden sei für die wirksame Unterstützung und das bekundete Wohlwollen tiefgefühlter Dank auch an dieser Stelle ausgesprochen. io 11 Hochgeehrte Versammlung! Ich bin am Schluß meines Jahresberichtes angelangt. Dieser Rückblick in die jüngste Vergangenheit unserer hoch- betagten Gesellschaft hat ein Bild rüstiger Kraftentfaltung und arbeitsfroher Lebensfrische entrollt, das zu den besten Hoffnungen für die Zukunft be- rechtigt. Die günstige Entwicklung des Mitgliederbestandes, die große Reg- samkeit in der Vortragstätigkeit, der frische Zug strenger Wissenschaftlichkeit in den Veröffentlichungen sind klare Beweise dafür, daß unsere Gesellschaft nicht mehr weltfremd und innerlich verfallend wie einstmals in politisch kritischer Zeit dasteht, sondern klaren Blicks den Ernst der Zeit und die Anforderungen der Umwelt erkennend, mitten im Leben stehend, als gern gesehene Führerin in allen Zweigen der reinen Naturwissenschaft geschätzt und gesucht wird und sich demgemäß eines hoffnungsvollen Aufstieges erfreut. Wird es gelingen, in die „Schriften“ und sonstigen Veröffentlichungen wie in die Fachsektionen strenge Wissenschaft in gesteigertem Maße hineinzubringen, so kann die Naturforschende Gesellschaft zu Danzig ihr Haupt stolz erheben und jeder Kritik über ihr Tun und Können getrost entgegensehen. Aber freilich, eins ist unbedingt nötig, um die innere Stärke unserer Vereinigung zu bewahren, das ist die Erhaltung unserer bisherigen Einigkeit, die uns stark gemacht hat. Danzig, als soeben erst bestätigter, junger Freistaat, lebt in einer bitterernsten Gegenwart und geht einer unsicheren Zukunft entgegen. Es sind, wie die Geschichte unserer Gesellschaft zur Genüge lehrt, ihre Ge- schicke im Wandel der Zeiten stets durch die politischen und wirtschaft- lichen Verhältnisse der Heimatstadt beeinflußt worden. Diese sind unsicher, daher ist das Schicksal unserer Gesellschaft gerade jetzt bedroht: jede innere Schwächung muß unter allen Umständen ferngehalten und die Kontinuität der gegenwärtigen, soliden Verhältnisse als Endziel aller Reformvorschläge fest- gehalten werden. Nach dieser Richtung lassen Sie uns alle besten guten Willen itnd unsere Kraft einsetzen zum dauernden Wohlergehen unserer all- verehrten Naturforschenden Gesellschaft. 11 12 Bericht / über die Ordentlichen Sitzungen der Gesellschaft im Jahre 1920. 1. Sitzung am 7. Januar 1920. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden und erstattet den Jahresbericht für 1919. Darauf hält Herr Studienrat Dr. Taege einen Vortrag über: „Die Fortschritte der drahtlosen Telegraphie während der letzten fünf Jahre“ mit Vorführungen von Experimenten und Lichtbildern. Der Vortragende besprach zunächst, die Bedeutung der Funkentelegraphie als Nach- richtenmittel im Kriege und ging dann auf die Fortschritte ein, die sie hauptsächlich während des Krieges gemacht hat. Von der größten Bedeutung ist die Erfindung der Kathodenröhre geworden, deren Verwendung auf drei Gebieten liegt: 1. als Elektronenrelais oder Laut- verstärker vermag sie schwache Ströme auf das mein* als tausendfache zu verstärken, so daß die Reichweite der Funkenstationen bedeutend erhöht wird, 2. als Audion ersetzt sie den Kristall-Delektor, den sie erheblich an Empfindlichkeit übertrifft, 3. als Senderöhre stellt sie das ideale Erzeugungsmittel von ungedämpften elektrischen Schwingungen dar, das die bis- herigen Methoden zum größten Teil verdrängen wird. Ein weiterer Fortschritt liegt in der Benutzung von neuen Antennenformen, die die elektrischen Wellen in einer bestimmten Richtung besonders stark ausstrahlen oder aufnehmen. — Die Ausführungen wurden durch Vorführungen von Lautverstärkern und Röhrensendern kleinsten Typs und Versuche mit draht- loser Telephonie illustriert. An den Vortrag schließt sich eine anregende Aussprache. Der Direktor dankt dem Vortragenden für seine interessanten Ausführungen und schließt die Sitzung. 2. Sitzung am 28. Januar 1920. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, besonders die neu eingetretenen Mitglieder, und macht auf die nächsten Vorträge auf- merksam. Darauf hält Herr Geheimer Regierungsrat Professor Dr. Wohl einen Vortrag über „Leben und Wirken des Berliner Chemikers Emil Fischer u. Der Vortrag ist vollständig abgedruckt in der Zeitschrift „Die Chemische Industrie46, 25. Oktober 1919. Der Direktor spricht dem Vortragenden den Dank der Gesellschaft aus und schließt die Sitzung. c5 l 13 3. Sitzung am 4. Februar 1920. In Vertretung des erkrankten Direktors eröffnet Prof. Dr. Wallenberg die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, besonders die neu eingetretenen Mitglieder und erteilt das Wort Herrn Prof, von Wartenberg zu einem Vortrag über „Die Bindung des atmosphärischen Stickstoffes^. 1913 wurden in Deutschland für die Landwirtschaft verbraucht Stickstoff in Tonnen berechnet: 180000 aus Stalldung, 130000 aus importiertem Chilesalpeter, 100000 aus der Kokerei. Der Heeresbedarf hat inzwischen Verfahren zur Entwicklung gebracht, die jetzt zu liefern gestatten: 150000 aus der Kokerei, 310000 aus den neuen Verfahren. Damit ist die Einfuhr von Chilesalpeter überflüssig geworden. Die gebräuchlichen synthetischen Verfahren benutzen die Bindung des Stickstoffes an Sauerstoff, Wasserstoff und Kohlenstoff Beim ältesten, der Stickstoffverbrennung, wird Luft durch einen elektromagnetisch oder mechanisch durch den Luftstrom selbst zu einer Scheibe oder Band ausgezogenen Wechsel- stromlichtbogen geblasen, wobei sie sich auf mehrere 1000 Grad erhitzt und den Ofen mit 3 — 2 % Stickoxyd verläßt, welches dann mit Wasser zu Salpetersäure umgesetzt wird. Das Verfahren ist bisher nur in Norwegen bei sehr billiger Wasserkraft wirtschaftlich und in Deutschland mit fünfmal teureren Kräften unmöglich. Die Bindung an Kohlenstoff erfolgt durch Überleiten von Luftstickstoff über glühendes Kalziumkarbid in einer freiwillig unter Aufglühen erfolgenden Reaktion, die aber rasch nur unter Druck (Caro) oder unter Zusatz eines Katalysators wie Kalziumchlorid (Polzenius) erfolgt. Das Produkt, Kalziumcyanamid, kann entweder direkt auf den Acker gebracht werden, wobei es unter Wasseraufnahme sich in Ammoniak umwandelt, oder man nimmt besser diesen Prozeß in der Fabrik vor und ab- % sorbiert das Ammoniak in Schwefelsäure. Das Verfahren ist umständlich und tritt mehr in den Hintergrund gegen die Bindung des Luftstickstoffes an Wasserstoff, welche freiwillig aber langsam verläuft. Beschleunigung durch möglichst hohe Temperatur, bei der aber noch' möglichst viel Ammoniak beständig bleiben muß, und Druck und Katalysatoren (Haber-Bosch). Es entsteht unmittelbar flüssiges Ammoniak, das mit Schwefelsäure gebunden wird. Vorteilhafter ist es, einen Teil desselben mit Luft zu Salpetersäure zu verbrennen und diese an das Ammoniak zu binden. In Amerika ist noch ein anderes Verfahren der Bindung an Kohlenstoff im Versuchsstadium, nämlich durch Überleiten von Luftstickstoff über Koks, Soda und Eisen als Katalysator, wobei leicht Natriumcyanid entsteht, welches mit Wasser in Ammoniak umgesetzt werden kann. Das Verfahren ist sehr billig, aber technisch wegen der Materialfragen noch praktisch nicht lösbar. Prof. Wallenberg dankt dem Vortragenden für seine lichtvollen Aus- führungen und schließt die Sitzung. 4. Sitzung am 18. Februar 1920. Der Direktor eröffnet . die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, besonders die neu eingetretenen Mitglieder, legt neu eingegangene Werke vor, macht besonders aufmerksam auf das Werk des Herrn Professor Dr. Sonntag über „Geologie von Westpreußen“, das für die Mitglieder der Gesellschaft zum Vorzugspreise abgegeben wird. Darauf hält Herr Professor Lentz einen Vortrag über „Physiologie und Bildung“ mit Vorführung von Lichtbildern. 2 14 Er knüpfte an seinen Vortrag an, den er vor sechs, Jahren über physiologische Schwankungen im Jngendalter und ihren Einfluß auf die geistige Leistungsfähigkeit ge- halten hat. Er bot als Ergänzung die Ergebnisse seiner .Untersuchungen über die Ge- sundheitsbewegung der Danziger männlichen Jugend auf Grund der Schulversäumnislisten von 10 Jahrgängen in den Jahren 1912 bis 1916, und zwar am Kronprinz-WilhelimReal- gymnasium und der Mittelschule in Langfuhr und von der Volksschule ,,An der großen Mühle“. Danach steigt die Versäumniskurve vom Anfang des Schuljahres im April bis zum Dezember und senkt sich vom Januar. Das Frühjahr, das Erwachsenen gefährlich ist, bringt der Jugend neue Kraft. Da dieses Ergebnis mit den Feststellungen physiologischer Schwankungen, namentlich der Muskelkraft, im allgemeinen übereinstimmt, so kann es als allgemein gültig angesehen werden. Tm weiteren bot der Vortrag aus der Physiologie des Jugendalters und der des Gehirns an der Hand von Projektionsbildern reichen Stoff zur Be- urteilung der z. Z. brennenden Bildungsfragen. Im besonderen bemühte der Vortragende sich um den Nachweis, daß der Gewinn von Erfahrungsschätzen der Sinneszentren in der Hirnrinde (seit der Entdeckung des Sprachzentrums durch den französischen Arzt Broea im Jahre 1861 ausgesondert) und ihre Einkleidung in die Muttersprache die Grundlage aller wahren Bildung seien. Eine bloße Wortpflege führe dagegen zur Afterbildung des Scho- lastizismus, die die volle Entfaltung der sittlichen und intellektuellen Kräfte in unserem Volk gehindert habe. Der Wiederaufbau des Vaterlandes verlange auch eine neue Bildung, in der der Muttersprache und den Naturwissenschaften zusammen mit den andern Erfahrungs- wissenschaften eine bevorzugte Stellung eingeräumt werden müsse, während die Fremd- sprachen nur vom Standpunkt ihres Nutzens für den Verkehr und die Forschung zu be- werten seien. Der Vortrag behandelte eine Reihe wichtiger geistiger Probleme. An den Vortrag schließt sich eine angeregte Aussprache. Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. 5. Sitzung am 3. März 1920« Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, insbesondere die neu eingetretenen Mitglieder, weist auf die nächsten Vorträge und die neu eingegangenen Schriften hin, insbesondere auf ein von Herrn Dr. Lux der Gesellschaft gewidmetes Werk: ,,Über die Zusammensetzung, ins- besondere über den Stärkegehalt einiger Reisigarten“. Darauf hält Herr Dr. Rahn einen Vortrag über: „Biochemische Erklärung der Optimal- und Maximalfemperatur hei Lehensvorgängen“. Die Lebens Vorgänge sind meßbar langsam verlaufende, chemische Vorgänge. Sie werden hervorgerufen durch empfindliche, leicht zerstörbare Stoffe, deren bekannteste und einfachste Vertreter die Enzyme sind. Durch Erhöhung der Temperatur wird die Tätigkeit dieser Stoffe beschleunigt, zugleich wird aber auch der Zerfall der Stoffe beschleunigt, - und zwar bedeutend stärker als ihre Tätigkeit. Die Folge davon ist, daß bei hohen Temperaturen die Geschwindigkeit der Lebensvorgänge zwar im ersten Augenblick sehr groß ist, aber sofort kleiner wird und in wenigen Minuten ganz aufhört, weil der Stoff, der den Vorgang be- wirkte, vollkommen zerstört ist. Die normal ernährte, lebende Zelle ist imstande, den Zerfall der lebenswichtigen Stoffe durch stete Neubildung immer wieder zu ersetzen, so daß deren Menge konstant bleibt. Nur bei Temperaturen über der Optimaltemperatur ist der Zerfall so schnell, daß die Neubildung nicht Schritt halten kann. Daher verlangsamt sich hier das Wachstum beständig und steht schließlich ganz still. Zum Schluß werden Ausblicke auf eine chemische Erklärung der Vererbung gegeben. An den Vortrag schließt sich eine interessante Aussprache. Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. 3 15 6. Sitzung am 24. März 1920. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, insbesondere die neu eingetretenen Mitglieder, die Gäste und den Vortragenden des Abends Herrn Professor Pfeiler. Er berichtet ferner über einen im Namen der Gesellschaft Herrn Sanitätsrat Dr. Han ff zum 50 jährigen Doktorjubiläum ab- ojesandten Glückwunsch und liest das Dankschreiben des Herrn Dr. Han ff vor. Er macht ferner Mitteilung über Zweck und Charakter von Kino- auffübrungen, die im Saale und mit dem Apparate der Gesellschaft statt- gefunden haben. Darauf hält Herr Professor Stadtrat Dr. Pfeiler-Bromherg, der Leiter des Tierhygienischen Instituts, einen Vortrag über: „Die neuen Lehren Abderhaldens von den Abwehrfermenten und ihre praktische Bedeutung“ mit Vorführung von Versuchen. Der Vortragende erörterte zunächst den Begriff der Fermente und ihrer Wirkungen an Hand von Beispielen aus dem praktischen Leben und der wissenschaftlichen Forschung, um darauf die speziellen Lehren Abderhaldens gemeinverständlich, aber kritisch zu besprechen. Abderhaldens Lehren laufen darauf hinaus, daß im Organismus alles Zellfremde, was wir aufneffmen, auch auf dem Wege der Nahrungszufuhr, in kleinste Bausteine zerlegt, abgebaut wird, um es umzuformen in Bestandteile, die dem Organismus, dem die körperfremden Sto ffe zugeführt werden, angepaßt sind. Aus körperfremdem Eiweiß des Kalbes (Kalbfleisch) werden so z. B. Abbauprodukte her- gestellt, die arteigen sind. Der Körper und seine Zellen in den einzelnen Organen sind nur imstande Dinge aufzunehmen, die ihnen nicht körper- bzw. zell- oder blutfremd sind. Letzten Endes basieren nach der Auffassung Pfeilers diese An- schauungen Abderhaldens nur auf einer theoretischen Umgestaltung der Assimilations- lehre der alten Physiologen. Was die Abvyehrfermente anlangt, so hat Abderhalden auch nur die Ehrlichsche neue Seitenkettentheorie „abgebaut und umgeformt in seine Theorie von den Bausteinen“. Im gesunden oder physiologisch nicht veränderten Körper treten in das Blut nur bluteigene Stoffe über, beim kranken oder z. B. schwangeren Individuum ändert sich das. Diese Stoffe geben nun dem Körper in einem Ab wehrvorgan g Veranlassung zu einem Abbau. Es entsteht das Abwehr Ferment, etwas, was dem früheren Begriff des Antikörpers, der Immunsubstanz entspricht. Diese ehemals von Abderhalden — mit Unrecht — Schutzfermente genannten Stoffe sollten, wie die Antikörper, spezifische Funktionen haben. Ganz ähnliche Theorien hat schon vor Abderhalden Goß in St. Petersburg in seiner Fermenttheorie der Immunität vertreten. Im speziellen hat nun Abderhalden seine Methoden ausgebaut für den Nachweis der Schwangerschaft. Dazu hat er sich zweier Methoden bedient, der optischen und der Dialy siermethode. Letztere, die in der Praxis ausschließlich Anwendung gefunden hat, sollte es den Ärzten oder Tierzüchtern erlauben, mit einer beinahe ab- soluten Sicherheit auf Grund einer als höchst einfach angegebenen Technik die Frage zu beantworten, ob eine Frau oder ein Tier schwanger oder trächtig wäre. Die von Abderhalden zur Erklärung dieser Vorgänge gegebenen Theorien sind von ihm selbst mehrfach geändert worden. Die Lehren, die anfangs ungeheures Aufsehen erregten und allgemeine Nachprüfung fanden, sind auf Grund der praktischen Versuchsergebnisse als nicht genügend basiert erkannt worden. 4 16 Die Technik der Reaktion ist eine ungeheuer feine; Methoden, zu deren Aus- führung ein derartiger Apparat von Kontrollen gehört, sind in der Hand des Praktikers nicht verwertbar. Aber auch bei exaktester Versuchsanstellung erkennt man, daß die Grund- lagen der Theorie nicht den Tatsachen entsprechen. Nach den Untersuchungen Pfeilers kommt man höchstens zu 50 V richtigen Ergebnissen, d. h. die Versuchsdiagnosen nähern sich den Wahrsclieinli chkeitsdiagnosen, die mit annähernd derselben Sicherheit durch Raten festgestellt werden können. Denn eine Frau kann nur schwanger sein oder nicht. Dies ist heute das Urteil der breiteren Allgemeinheit über die A bderhalden sehe Schwangerschaftsdiagnose, bei der, dies sei als Kuriosum erwähnt, nicht wenige Männer als schwanger erscheinen. So kann dieser Teil der Abderhalden sehen Lehren, wenn nicht neue fundamentale Gesichtspunkte aufgestellt werden, als überwunden angesehen werden. Die Lehren sind aber auch auf das Gebiet der Diagnostik von Organerkrankungen übertragen worden. Die spezielle Organdiagnose (z. B. Tuberkulose in der Niere) sollte mit Sicherheit auf Grund der Abderhalden sehen Reaktionen gestellt werden können. Auch auf diesem Gebiete haben sich die gleichen Enttäuschungen herausgestellt. Möglich, daß es gelingen wird, auf einzelnen Forschungsgebieten, wie z. B. bei der Dementia praecox zu Ergebnissen zu kommen, die befriedigender sind. An den Vortrag schließt sich eine angeregte Aussprache. Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung, nachdem er auf die dem- nächst stattfindenden Vorträge aufmerksam gemacht hatte. / 7. Sitzung am 7. April 1920. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, besonders die neu eingetretenen Mitglieder und fordert zur Entnahme des neuesten Heftes der Schriften der Gesellschaft auf (2. Teil des Doppelheftes 1/2 vom 15. Band). Darauf hält Herr Studienrat Dr. E. Müller einen Vortrag über „Natürliche Tonleitersysteme“ mit Vorführung von Versuchen. Dem fesselnden Vortrag entnehmen wir folgende Sätze: In letzter Zeit wird wiederlu*.* der Versuch unternommen, neue Tonsysteme statt des bisherigen mit 12 Halbtönen in der Oktave zu schaffen, z. B. von Busoni mit Dritteltönen, Möllendorf mit Vierteltönen. Alle derartige. Versuche scheiterten, sie ohne wissenschaftliche Grundlage unternommen wurden. Klarheit hat erst Lothar Wich mann "gebracht. Jede natürliche Tonleiter muß in den Hauptintervallen möglichst rein sein, da sie die natürliche, ewig unzerstörbare Grund- lage aller Musikharmonie bilden, und sie muß die praktische Forderung der Temperierung erfüllen. Durch physikalische Untersuchungsmethoden wurde gezeigt, daß Tonsysteme mit 12, 19, 34, 53 usw. Tönen pro Oktave möglich seien. Von ihnen wird die Tonleiter mit 53 Tönen den gestellten Forderungen am meisten gerecht, sodann die mit 12 Tönen. Aus praktischen Gründen wird das System mit 53 Tönen keine Verwirklichung finden. Daher ist die Tonleiter mit 12 Tönen pro Oktave das beste aller in Frage kommenden Tonsysteme. Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. 8. Sitzung am 5. Mai 1920. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, insbesondere die neuen Mitglieder, macht Mitteilung von den Resultaten einer zur Sanierung der Kassenverhältnisse eingeleiteten Sammlung, sowie von einer Stiftung des verstorbenen Frl. K linsmann (2000 Mark) zu Stioendienzwecken für Mediziner 17 und Naturwissenschaftler. Er legt die neu eingegangenen Drucksachen vor, macht ferner Mitteilung von dem Austritt der Herren Professor Dr. Sommer und Professor Dr. Krüger aus dem Vorstände der Gesellschaft und spricht die Hoffnung aus, daß die Herren sich entschließen werden, an den Arbeiten des Vorstandes wieder teilzunehmen. Der Direktor berichtet ferner über einen Glückwunsch, den er anläßlich des 86. Geburtstages des Herrn Geh. Studienrat Professor Dr. Bail im Namen der Gesellschaft abgesandt hat. Darauf hält der Kustos des Provinzialmuseums Herr Dr. La Baume einen Vortrag: „Waren die Träger der sogenannten Lausitzer Kultur (Bronze- und frühe Eisenzeit) Ostdeutschlands Germanen oder nicht?“ Von der Mitte der Bronzezeit (etwa 1500 v. Ohr.) an bis zu Beginn der Latenezeit (etwa 500 v. Chr.) herrscht in Ostdeutschland, mit dem Mittelpunkt in der Lausitz, eine scharf gekennzeichnete Kultur, deren hauptsächliches Merkmal eine äußerst formenreiche, prächtige Keramik ist. Hierdurch vor allem unterscheidet sich diese Kultur von der bronze- zeitlichen Kultur des Nordischen Kreises (Norddeutschland und Südskandinavien), die nach unbestrittener Annahme der Vorgescliichtsforscher germanisch war. Anfangs hielt man die Urnenfriedhöfe mit Lausitzer Keramik für wendische, bis Rudolf Virchow nachwies, daß die viel jüngere slawische Keramik, die sich vor allem in Burgwällen (Schwedenschanzen, Schloßbergen) zahlreich findet, ganz anders beschaffen ist als die Keramik vom Lausitzer Stil, von der sie leicht und sicher unterschieden werden kann. Danach galt die Lausitzer Kultur trotz ihrer Verschiedenheit von der nordisch-germanischen als germanisch, ohne daß indessen ein Beweis hierfür erbracht wurde. Ausgehend von der Tatsache, daß bei den Ausgrabungen im alten Troja Gefäße mit Buckelverzierungen gefunden wurden, die zahl- reich auch in Ostdeutschland Vorkommen, trat im Jahre 1900 Götze mit der Behauptung auf, die Lausitzer Kultur sei einem thrakischen Volksstamme zuzuweisen. Zu demselben Er- gebnis kam Kos sin na, der die Verwandtschaft der Lausitzer Keramik mit der ungarischen (pannonischen) und das häufige Vorkommen von Bronzewaffen und -Geräten ungarischer Herkunft in Ostdeutschland betonte; er nannte die Träger der Lausitzer Kultur, nach einem thrakischen Stamme, Karpodaken. Später setzte er dafür die Illyrier ein, nachdem er sich durch neue Studien davon überzeugt hatte, daß die bronzezeitliche Kultur Österreichs und Westungarns, wo damals wahrscheinlich Illyrier ansässig waren, am nächsten mit der ost- deutschen verwandt sei. Für die alte Ansicht, die bronzezeitliche Kultur Ostdeutschlands sei germanisch gewesen, hat neuerdings Schuchardt Beweise zu erbringen versucht, wobei er sich teils auf archäologische Tatsachen, teils auf Angaben von Tacitus über die Sweben und Semnonen beruft. Von all diesen Ansichten hat indessen keine sich volle und allseitige Anerkennung erringen können. Einigkeit in den Anschauungen besteht nur darüber, daß die Lausitzer Kultur Ostdeutschlands nicht slawisch gewesen sein kann; welchem Volke oder Volksstamme sie zuzuschreiben ist, steht jedoch noch nicht fest. Weitere Forschungen, die sich vor allem auf Siedelnngsfunde, nicht nur auf Material aus Gräbern stützen, werden hoffentlich bald endgültig Aufklärung dieser wichtigen Frage bringen. — Der Vortragende kennzeichnete an Hand von Lichtbildern die Besonderheit der Lausitzer Kultur und legte im einzelnen den Gang der Untersuchungen dar, die bis jetzt zur Frage der volklichen Zu- gehörigkeit ihrer Träger vorliegen. Eine slawische Bevölkerung kommt da nicht in Betracht. Eine angeregte Aussprache schloß sich an den fesselnden Vortrag an. Im geschäftlichen Teil der Sitzung wurde der Bericht des Bankiers Stein über die Jahresrechnung 1919, die mit 24000 Mark in Ausgaben schließt, entgegengenommen und die Verteilung des Humboldt-Stipendiums an drei Be* werber vollzogen. Sehr. d. N. G. zu Danzig. Jahrcsber. 1920. 6 2 18 9. Sitzung am 20. Oktober 1920. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die neuen Mitglieder und verliest die neu Angemeldeten. Er teilt mit, daß ein neues Heft der Schriften der Gesellschaft erschienen ist (Neue Folge 15. Bandes 1. und 2. Heft, UI. Teil) und legt es vor. Er macht ferner auf die ebenfalls ausliegenden Werke von Professor Dr. Sonntag (Geologie von Westpreußen) und Dr. La Baume (Vorgeschichte von West- preußen) aufmerksam, außerdem auf das Bücherverzeichnis der Gesellschaft für Familien forschung, Wappen- und Siegelkunde, Sitz Danzig. Er liest ferner die Antwort auf ein Glückwunschschreiben vor, das er im Namen der Ge- sellschaft Herrn Professor Dr. Braun -Königsberg zum 70. Geburtstage gewidmet hat, und macht auf eine Einladung zur Besichtigung der Kunstsammlung B a s n e r aut merksam. Darauf hält Herr Professor Dr. Stahr einen Vortrag über „Die Bedeutung der Rasse für die Schicksale der Völker“. Rasse und Volk müssen streng* unterschieden werden, sie fallen keineswegs zusammen.. Ein Volk wird durch seinen einheitlichen Kulturbesitz abgegrenzt, zu dem vor allem die Sprache gehört; aber bekanntlich ist auch diese nicht immer mußgebend; ebenso wenig seine Religion. Noch viel schwerer sind die Rassen gegeneinander abzugrenzen im Sinne der physischen Anthropologie, als Varietäten oder Subspecies der Zoologen. Aber ein anderer Begriff der Rasse, im Sinne der Rassenhygiene, kann leichter gefaßt werden; es ist die Vielheit der Lebensträger eines Volkes, welche einen einheitlichen Zeugungskreis bildet.. Diese „Rasse“ ist der Träger der betreffenden Kultur und sie überdauert das Individuum und die ganze Folge der Geschlechter. Der „Rassenprozeß“ umfaßt die Erhaltung und Ent- wicklung des Menschen. Dieser moderne Begriff stammt aus England (Darwin, Galton) und wurde vor allem von Alfred Ploetz fixiert. Für das Schicksal eines Volkes ist die Erhaltung seiner Rasse und deren Veredelung Lebensfrage. Wenn man in den Rassenprozeß eingreifen will zum Heile des Volkes, so kommen außerindividuelle Normen in betracht, die sich in der persönlichen oder öffentlichen Hygiene nicht finden, ja ihr widersprechen können. Der Schutz der Schwachen, das ärzt- liche Handeln, unsere jetzige Art der Gattenwahl arbeiten vielfach den Idealen der Rassen- hygiene entgegen. Bevölkerungspolitik ist wichtiger als Imperialismus. Vor Geburten- überschuß, vor „zu viel Menschen“, dürfen wir uns auch nach dem unglücklichen Ausgang des Krieges nicht fürchten, im Gegenteil, ist Bevölkerungsauftrieb und ein Überfließen nach den anderen Ländern für uns der beste Grenzschutz, besonders hier im Osten. Ein An- schwellen der Geburtenzahl, verbunden mit einem Rückgang der Säuglingssterblichkeit ist. für einzelne Bezirke Deutschlands festgestellt (Schloßmann), aber dieser Zuwachs an Volkskraft, wie er nach dem großen Kriege zu erwarten war, erreicht doch nicht annähernd die Stärke wie nach 1870/71 (A. Grotjahn). Geburtenregelung ist durch steuerpolitische Bevorzugung kinderreicher Familien zu er- reichen, nicht durch polizeiliche Maßnahmen, die in erster Linie die Präventivmittel be- kämpfen wollen. Alle diese Fragen, wie auch die vermeintliche Zunahme der Verbrecher, der Geistes- kranken und das Aussterben der städtischen Familien, der Intelligenten, werden genauer er- örtert. Zunahme der Geisteskrankheiten ist nicht bewiesen; an der Zunahme der Verbrechen ist ein schlechtes Strafrecht schuld, welches die Gesellschaft zu wenig vor den rückfälligen Gewohnheitsverbrechern schützt. Ausnahmen für die Regel des Aussterbens der Städter, bei dem Geschlechtskrankheiten * und Alkoholismus neben Präventivverkehr zu beschuldigen. 7 19 sind, kommen vor und sind als sehr wichtig ins Auge zu fassen. Amerika stellt in der Statistik des Geburtenrückgangs bereits zwischen Frankreich und Deutschland. Nur gute Sitten, keine Gesetze oder Polizeimal3regeln können helfen; aber der Gesetz- geber kann die guten Sitten unterstützen. Keineswegs kommt es aber nur auf die Kinder- zahl an, sondern auf die Qualität und die Möglichkeit einer richtigen Aufzucht. In ge- wissem Sinne ist der Präventiv verkehr zu billigen und nicht blind zu bekämpfen, Mau muß immer bedenken, daß die Frau zu schwer belastet wird, wenn die Pausen zwischen den Geburten zu kurze sind, und daß im allgemeinen mit der Abnahme der Geburtenziffer auch ein Rückgang der Kindersterblichkeit zusammentrifft. Nicht allein auf die Zahl (jedenfalls mehr als zwei Kinder!), sondern auf Gesundheit und Tüchtigkeit kommt es an, sonst fallen die Kinder nur der öffentlichen Fürsorge zur Last. Frauenberuf im Sinne der Emanzipation ist bevölkerungspolitisch ungünstig, unsozial, denn es werden so die begabteren Frauen dem eigentlichen Berufe der Frau entzogen, welcher Fehler sich am Nachwuchs geltend macht. In der Kraft des Willens zum Kinde bei beiden Geschlechtern liegt die Zukunft der Völker, und diese Probe wird jetzt, wie in der Vergangenheit, jedes Kulturvolk zu be- stehen haben. An den Vortrag schließt sich eine interessante Aussprache. Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. 10. Sitzung am 3. November 1920. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, besonders die neu eingetretenen Mitglieder, legt neu eingegangene Werke vor, ins- besondere ein der Gesellschaft gewidmetes Werk von Herrn Regierungsbau- meister Bertram über ,,Die Entwickelung des Deich- und Entwässerungs- systems im Gebiete des heutigen Danziger Deichverbandes“. Er macht ferner Mitteilungen über demnächst stattfindende Vorträge. Darauf hält Herr Studienrat Habermann einen Vortrag über „Entwicklungsgeschichte einer Eiszeitlandschaft bis zur Gegenwart“ mit Vorführung selbst entworfener Karten, Zeichnungen und Lichtbildern. Der Redner zeigte an dem Beispiel unserer Nachbarprovinz Pommern, in welcher Weise die Entstehung und Entwickelung einer Eiszeitlandschaft zu denken ist: wie durch Stillstand des mächtigen diluvialen Inlandeisgletschers, der von Norden her vorgedrungen war, der sogenannte baltische Endmoränenzug entstand, der seine höchste Erhebung im Turmberg hat, wie sich im Vorlande der Endmoränen durch die Wirkung der Schmelzwässer weit aus- gedehnte Sandflächen (sog. Sander), unsere heutigen Heidelandschaften, ausbildeten, wie im Hinterland die Grundmoränenlandschaft mit Wallbergen (Osern) und Schildrücken (Drumlins) entstand usw. Im Anschluß daran wurde auch die alluviale, nacheiszeitliche Entwickelung der Erd- oberfläche, besonders des Küstengebietes, behandelt. Studienrat Habermann stützte sich bei seinen Ausführungen vor allem auf eine sehr anschauliche und lehrreiche geologisch- morphologische Wandkarte .von Pommern, die er auf Grund der Ergebnisse geologischer Forschungen von Keilhack und anderen, sowie eigener Untersuchungen selbst entworfen und aüsgefuhrt hat. Die Karte, die auch in kleinerer Ausgabe bei Westermann in Braun- schweig erschienen ist, stellt ein vortreffliches Anschauungsmittel für den geographischen Unterricht dar. An den Vortrag schließt sich eine interessante Aussprache. Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. fr 2* 8 20 11. Sitzung am 12. November 1920. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden; besonders die neuen Mitglieder und weist auf die demnächst beginnenden Vorträge des Herrn Professor Dr. Kumm hin. Er legt ferner einen Brief von Herrn Otto Mo mb er vor, in dem dieser mitteilt, daß die Familie Momber „zum Ge- dächtnis an den verstorbenen Direktor der Gesellschaft Professor Momber ein Kapital von 6000 Mark als „Momber-Stiftung“ der Gesellschaft zur freien Verfügung für naturwissenschaftliche Forschungen stellt“. Der Direktor spricht auch an dieser Stelle im Namen der Gesellschaft der Familie Momber seinen herzlichsten Dank aus. Darauf hält Herr Professor Dr. Plank einen Vortrag „Ueber den Einfluss der Gefriergeschwindigkeit auf die histologischen Veränderungen tierischer Gewebe, im Zusammenhang mit der Konservierungsdauer“ mit Vorführung von Lichtbildern. Neben den chemischen Konservierungsmethoden ist auch die ph}'sikalische Methode der Konservierung von Nahrungsmitteln durch künstliche Kälte allgemein verbreitet. Gekühltes Fleisch laßt sich bei Temperaturen von -f- 2 bis 4° etwa 4 Wochen lang genußfähig er- halten. Für eine längere Konservierungsdauer kommt das Gefrierverfahren in Frage. Durch den Gefrierprozeß werden die Muskelfasern des Fleisches und der Fische umso stärker in Mitleidenschaft gezogen, je langsamer das Gefrieren vor sich geht. Bei sehr langsamem Ge- frieren, z. B. in kalter Luft von etwa — -10° tritt innerhalb der Muskelfasern eine nahezu vollständige Trennung des Wassers von der kolloidalen Substanz des Muskelplasmas ein. Das ausgeschiedene Wasser gefriert außerhalb der Muskelfasern in den Bindegewebsräumen. Beim Auftauen zeigt sich dann ein starker Saftabfluß und eine porös-schwammige Be- schaffenheit. Diese Schädigungen können umso wirksamer vermieden werden, je schneller der Gefrierprozeß vor sich geht, weil das Wasser dann keine Zeit findet, sich vom Kolloid zu trennen und nun innerhalb der Muskelfasern als feinkörnige bis nahezu amorphe Masse gefriert. Die technische Durchbildung einer Schnellgefriermethode ist durch A. Ottesen in Kopenhagen erfolgt. Die Ware wird dabei in tiefgekühlte Kochsalzlösung eingetaucht, wo- bei durch entsprechende Abstimmung der Konzentration und der Temperatur ein Eindringen von Salz in die Ware vermieden wird1). Größere Anlagen dieser Art sind in Schweden und Dänemark errichtet. Der Vorschlag, flüssige Luft zum schnellen Gefrieren von Fleisch zu verwenden, ist ans wirtschaftlichen Gründen unausführbar. An den Vortrag schließt sich eine interessante Aussprache. Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. 12. Sitzung am 1. Dezember 1920. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, insbesondere die neu eingetretenen Mitglieder und den Vortragenden des Abends, Herrn Diplom-Ingenieur Moldenhauer. Er legt Eingänge und Anzeigen vor, darunter eine Aufforderung zur Beteiligung an der „Kinderhilfe“. Ferner weist er auf eine Vortragsreihe des botanisch-zoologischen Vereins mit Kinoaufführungen hin. J) Vgl. den ausführlichen Bericht von Plank, Ehrenbaum und Reuter über die Konservierung von Fischen durch das Gefrierverfahren in Heft 5 der „Abhandlungen zur Volksernährung“, heransgegeben von der Zeniral-Einkaufs-Gesellschaft, Berlin, 1916. 9 21 Darauf hält Herr Diplom-Ingenieur Mo Iden hau er einen Vortrag über „Entwurf technisch-geologischer Karten“ mit Vorführung von Karten. Nach Erklärung der von der preußischen geologischen Landesanstalt herausgegebenen geologisch-agronomischen Karten des norddeutschen Flachlandes wurden Zweck und Art landwirtschaftlicher Bodenkarten erörtert. Eine neue Art von landwirtschaftlichen Meliorations- karten ist von Professor Dr. IT. Strem me angeregt und von Herrn K. v. See durch- geführt worden. In der Technik reichen zur wirtschaftlichen Durchführung des sich dauernd weiter- steigernden Aufgabenkreises die bisherigen „historisch-geologischen“ Karten nicht mehr aus. Der Krieg führte daher zur Entwicklung „technisch-geologischer“ Karten für Wasser- versorgung, Stellungsbau, Rohstoffgewinnung usw., was an der Hand einer Reihe kriegs- geologischer Karten gezeigt wurde. Zum Schluß führte der Vortragende eine von ihm auf geologischer Grundlage ent- worfene Baugrundkarte von Danzig vor. Aus dieser können Architekt und Ingenieur für den Vorentwurf mit genügender Genauigkeit Gründungstiefe und Gründungsart entnehmen. Auf den Höhen und der vorgelagerten Terrasse ist tragfähiger Baugrund bereits an der Oberfläche vorhanden, ebenso im Niederungsgebiet nordwestlich der Weichsel und in einem Teile der Westerplatte bis auf die nahe der Ostsee und der Weichsel liegenden Streifen nebst dem Gebiet um den Sasper See, wo die tragfähige Schicht erst bei 14 m unter Flur angetroffen wird. Für Danzig selbst zeigte die Karte mehrere Zonen mit zunehmender Tiefe der tragfähigen Bodenschichten nach dem linken Mottlauufer zu, in dessen Nähe bereits „künstliche“ Gründungen anzuwenden sind, wie auch auf der Speicherinsel, dem Holm und der Niederstadt. Nicht unerwähnt sollen die großen Gebiete mit zwei Baugrundstockwerken übereinander bleiben, oberer für leichte, unterer für schwere und Ingenieurbauten. (Weichsel- münde, Troyl, Niederung). An den Vortrag schließt sich eine angeregte Aussprache. Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. 13. Sitzung am 15. Dezember 1920. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, besonders die neu eingetretenen Mitglieder. Er berichtet ferner über Eingänge von Büchern für die Gesellschaft. Wegen vorgerückter Stunde infolge der langen Aus- dehnung einer vorher stattlindenden außerordentlichen Sitzung wird der wissenschaftliche Teil der Sitzung vertagt. 14. Sitzung am 29. Dezember 1920. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, insbesondere die neu eingetretenen Mitglieder. Herr Studienrat Dr. E. Müller hält einen Vortrag über „Die Wegenersche Theorie von der Entstehung der Kontinente“. Ausgehend von den früher herrschenden Theorien, unter denen besonders die S üß sehe Bedeutung bekommen hat, werden die Grundlagen der Wegenerschen Theorie geschildert. Der Schwereausgleich bedingt unter den Meeren einen Boden von größerem spezifischen Gewicht als es die Kontinente besitzen. Nach Wegen er schwimmen die Kontinente im Sima und werden durch dieses und seine Bewegungen geformt. Eine Reihe von Beispielen io 22 Wie: Entstellung der Faltengebirge und Graben brüclie, Atlantik, Fermische Eiszeit, Pol- Verlagerungen, Bruchzonen u. a. werden als Belege für die Richtigkeit der Wegenerschen Theorie genauer erörtert. An den Tortrag schloß sich eine interessante Aussprache. Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. Außer jenen 14 ordentlichen und den sich anschließenden, beziehungs- weise vorangehenden außerordentlichen Sitzungen, welche der Mitgliederwahl und der Erledigung geschäftlicher Angelegenheiten dienten, fanden noch vor den Mitgliedern, ihren Damen und Gästen folgende Vorträge statt: 1. Herr Professor Dr. Petruschky hielt einen Lichtbildervortrag über Wesen und Bekämpfung der „Erkältungskrankheiten“, am 24. Januar im Sitzungssaale der Gesellschaft. 2. Geh. Reg. -Rat Prof. Dr. Rößler hielt mehrere Experimentalvorträge (mit Lichtbildern und Kinofilmen) über „die Elektrizität als Spenderin von Wärme und Licht“ im Elektrotechnischen Institut der Hochschule. Beginn am 30. Januar. 3. Herr Dr. La Baume hielt mehrere Lichtbildervorträge (mit Vor- führungen) „Aus germanischer Vorzeit, eine Übersicht Uber die vorgeschicht- liche Archäologie des germanischen Kulturkreises“ im Sitzungssaale der Gesellschaft. Beginn am 2. Februar. 4. Herr Nervenarzt Dr. von Holst hielt einen allgemeinverständlichen Vortrag „Zur Volks- und Massenpsychologie“ im großen Vortragssaale der Gesellschaft am 21. April. Übersicht über die in den Ordentlichen Sitzungen 1920 behandelten Gegenstände. A. Allgemeines. 1. Der Direktor , Herr Professor Dr, Lakowitz, erstattet den Jahres- bericht für 1919 nnti legt die Berichte der Vorsitzenden der einzelnen Sektionen vor, am 7. Januar. 2. Der Direktor berichtet über einen Glückwunsch im Namen -der Ge- sellschaft zum 50 jährigen Doktorjubiläum des Herrn Sanitätsrat Dr. Hanff und über das Dankschreiben des Herrn Sanitätsrat Hauff, am 24. März» 3. Der Direktor macht Mitteilung über Zweck und Charakter von Kino- Aufführungen im Saale und mit dem Apparate der Gesellschaft, am 24. März. 4. Der Direktor fordert zur Entnahme des neuesten Heftes der Schriften der Gesellschaft auf, am 7. April. 5. Der Direktor berichtet über die Resultate jeiner zur Sanierung der Kassenverhältnisse eingeleiteten Sammlung, am 5. Mai. 6. Der Direktor berichtet über eine Stiftung des verstorbenen Fräulein Klinsmann zu Stipendienzwecken für Mediziner und Naturwissen- schaftler, am 5. Mai. 7. Der Direktor teilt den Austritt der Herren Professor Sommer und Professor Krüger aus dem Vorstande der Gesellschaft mit, am 5. Mai. 8. Der Direktor berichtet über einen im Namen der Gesellschaft an Herrn Geheimen Studienrat Professor Dr. Bail zu dessen 86. Ge- burtstag abgesandten Glückwunsch, am 5. Mai. 9. Der Direktor berichtet über ein Glückwunschschreiben an Herrn Professor Dr. Braun- Königsberg zu dessen 70. Geburtstag und liest die Antwort vor, am 20. Oktober. 10. Der Direktor weist auf das Bücherverzeichnis der „Gesellschaft für Familienforschung, Wappen- und Siegelkunde, Sitz Danzig“ hin, am 20. Oktober. 12 24 11. Der Direktor legt einen Brief des Herrn Otto Momber vor, in dem dieser mitteilt, daß die Familie Momber zum Gedächtnis an den ver- storbenen Direktor der Gesellschaft Professor Momber ein Kapital von 6000 Mark als „Mo mb er- Stiftung“ der Gesellschaft zur freien Verfügung für naturwissenschaftliche Zwecke stellt, am 12. November. B. Physik, Chemie und Technologie. 1. Herr Studienrat Dr. Taege hält einen Vortrag über „Die Fortschritte der drahtlosen Telegraphie während der letzten fünf Jahre“, am 7. Januar. 2. Herr Geheimer Regierungsrat Professor Dr. Wohl hält einen Vortrag über „Leben und Wirken des Berliner Chemikers Emil Fischer“, am 28. Januar. 3. Herr Professor von Wartenberg hält einen Vortrag über „Die Bindung des atmosphärischen Stickstoffes“, am 4. Februar. 4. Herr Studienrat Dr. E. Müller hält einen Vortrag über „Natürliche Tonleitersysteme“, am 7. April. C. Botanik und Zoologie. 1. Herr Professor Dr. Plank hält einen Vortrag „Uber den Einfluß der Gefrlergeschwindigkeit auf die histologischen Veränderungen tierischer Ge- webe, im Zusammenhang mit der Konservierungsdauer“, am 12. November. 2. Der Direktor weist auf ein eben erschienenes Werk von Herrn Dr. Lux „über die Zusammensetzung, insbesondere über den Stärkegehalt einiger Reisigarten“, am 3. März. D. Geologie. 1. Der Direktor macht auf das eben erschienene Werk des Herrn Pro- fessor Sionntag „Geologie von Westpreußen“ aufmerksam, am 18. Februar. 2. Herr Studienrat Habermann hält einen Vortrag über „Entwicklungs- geschichte einer Eiszeitlandschaft bis zur Gegenwart“, am 3. November. 3. Der Direktor weist auf das soeben erschienene Werk des Herrn Re- gierungsbaumeister Bertram „Die Entwickelung des Deich- und Entwässerungssystems im Gebiete des heutigen Dan ziger Deichverbandes“ hin, am 3. November. 4. Herr Diplom-Ingenieur Moldenhauer hält einen Vortrag über „Ent- wurf technisch-geologischer Karten“, am 1. Dezember. 5. Herr Studienrat Dr. E. Müller hält einen Vortrag über „Die Wegenersche Theorie von der Entstehung der Kontinente“, am 29. Dezember. < E. Anthropologie. 1. Herr Dr. La Baume hält einen Vortrag „Waren die Träger der so- genannten Lausitzer Kultur (Bronze- und frühe Eisenzeit) Ostdeutschlands Germanen oder nicht?“, am 5. Mai. 13 « 25 2. Herr Professor Dr. Stahl* hält eiuen Vortrag über „Die Bedeutung der Rasse für die Schicksale der Völker“, am 20. Oktober. 3. Der Direktor macht auf das eben erschienene Werk des Herrn Dr. La Baume „Vorgeschichte von Westpreußen“ aufmerksam, am 20. Oktober. F. Anatomie und Physiologie. 1. Herr Professor Lentz hält einen Vortrag über „Physiologie und Bildung“, am 18. Februar. 2. Herr Dr. Rahn hält einen Vortrag über „Biochemische Erklärung der Optimal’ und Maximaltemperatur bei Lebensvorgängen“, am 3. März. G. Medizin. 1. Herr Stadtrat Professor Dr. Pfeiler-Bromberg hält einen Vortrag über „Die neuen Lehren Abderhaldens von den Abwehrfermenten und ihre praktische Bedeutung“, am 24. März. Jahresbericht über die Sitzungen der medizinischen Sektion im Jahre 1920 (Ärztlicher Verein zu Danzig E. V.) Erstattet vom Schriftführer Dr. Adolf Schulz. Der Vorstand besteht aus den Herren: Geheimer Medizinalrat Professor Dr. Barth, Vorsitzender, Dr. Fuchs, stellvertretender Vorsitzender, Sanitätsrat Dr. Schar ffenorth, Kassenführer, Dr. Adolf Schulz, Schriftführer, Dr. Liek, stellvertretender Schriftführer. Im Laufe des Jahres wurden 10 wissenschaftliche Sitzungen abgehalten. In diesen wurde folgendes behandelt: Am S. Januar 1920. Herr Francke: Vorstellung eines Kranken mit Stahlsplitter im Auge, der mit Riesenmagnet entfernt wurde. 14 26 Herr Jauer: Vorstellung eines Kranken mit doppelseitiger, traumatischer Facialislähmung. Herr Fuchs: Über die Beurteilung der Vollständigkeit der Placenta. Über die Entfernung der Eihäute. Über tubare Sterilisation. Am 12. Februar 1920. Herr Hennig: Bericht über die Geburt einer Doppelmißbildung (Thora- kopagus) mit Demonstration. Herr Liek: Über die Basedowsche Erkrankung. Am 26. Februar 1920. Herr Liek: Zeigt eine Geschwulst, die er aus dem Netz eines 24 Jahre alten Mannes entfernte (Aktinomykose). • • Herr Stahr: Uber Lymphome. Am 11. März 1920. Herr Adolf Schulz: Vorstellung einer Ohrmuschelplastik unter Ver- wendung von Knorpel aus der Nasescheidewand. Herr Fuchs: Demonstration eines Präparates von Corpuscarcinom. Herr Fuchs: Demonstration eines Steriletts. Herr Stahr: Demonstration einer Grippe-Lunge mit Tracheobronchial- Drüsen. Herr V Order brügge: Über chirurgische Behandlung doppelseitiger Nierenerkrankungen. Am 8. April 1920» Herr Hepner: Vorstellung eines Falles von Schulterlähmung, bei dem die Schulter durch Versteifung des Gelenkes gebrauchsfähig gemacht war. Herr Adolf Schulz: Über Sinusthrombose, besonders über Thrombose des bulbus venae jugularis. Am 21. Oktober 1920. Herr Dultz stellt einen Mann mit syphilitischem Primäraffekt der Lippe vor. Herr Barth einen 16jährigen Schusterlehrling mit einem Canroid am Endgliede des linken Daumens. Herr von Holst hält den angekündigten Vortrag: Über die häufigsten Berührungspunkte zwischen Nerven- und Frauenheilkunde. Am 4. November 1920. Demonstrationsabend im städtischen Krankenhause. Herr Stahr demonstriert Lappung^ Furchung und regenerativen Umbau der Leber (syphilitische und angeborene Lappung und Faltung). Herr Wallenberg I stellt 15 seltnere Fälle aus dem Gebiet der inneren Medizin, besonders dem Nervengebiete vor. 15 27 Am 18. November 1920. Herr Fuchs; 1. Zur Heilung der weiblichen Blaseninkontinenz. 2. Collum-Carcinum nach supravaginaler Uterus-Amputation. 3. Intrauteriner Kindsschrei. Herr Barth: Über Prostatectomie. Am 2. Dezember 1920 (im städtischen Krankenhause). Herr Ad. Schmidt: Ileus im Röntgenbilde. Herr Kirchesch: Fernresultate von Magengeschwüroperationen. Am 10. Dezember 1920. Herr Ad. Schmidt: Fortsetzung des Vortrages vom 2.12.: Über Ileus. Diskussion über den Vortrag des Herrn Kirchesch vom 2. 12.: Fern- resultate von Magengeschwüroperationen. Ferner fanden durch Mitglieder des Vereins, angeregt von dem Aus- schuß für ärztliche Fortbildung der Berufsvereinigung, Fortbildungskurse über Tuberkulose vom 27. Oktober bis 27. November 1920 im städtischen Kranken- hause statt mit folgender Vortragsfolge: 30. 10. 5—6 nachm. 6- 7 7- 8 6. 11. 5-6 6- 7 7- 8 13. 11. 5—6 6— 7 7- 8 20. 11. 5—6 6- 7 7- 8 27.11.5-6 6— 7 7— 8 Herr Stadtarzt Dr. Stade: „Bekämpfung der Tuber- kulose in der Freistadt Danzig“. Herr Professor Dr. Stahr: „Aus der pathologischen Anatomie der Tuberkulose“. Herr Kreisarzt Dr. Pusch: „Bakteriologie der Tuber- kulose“. Herr Dr. Liek: „Röntgendiagnostik der Tuberkulose“. Herr Dr. Thiede: „Kindertuberkulose“. Herr Sanitätsrat Dr. Effler: „Neueres aus der Diagnostik der Lungentuberkulose“. Herr Dr. Bergengrün: „Behandlung der Tuberkulose in Kurorten“. Herr Generaloberarzt Dr. Schubert: „Fürsorge- und Heilstätten-Behandlung der Tuberkulose“. Herr Professor Dr. Petruschky: „Tuberkulin-Diagnostik und Therapie“. Herr Dr. Brauer: „Hauttuberkulose“. Herr Sanitätsrat Dr. Behrendt: „Kehlkopftuberkulose“. Herr Geheimrat Professor Dr. Barth: „Chirurgische Tuberkulose“. Herr Dr. Schwarz: „Pneumothoraxbehandlung der Lungentuberkulose“. Herr Dr. Helmbold: „Augen tuberkulöse“. Herr Dr. Gördeler: „Neuere spezifische und chemische Therapie der Tuberkulose“. 16 28 Im übrigen hat sich die im vorjährigen Jahresbericht angedeutete, durch die politischen Verhältnisse gebotene Neugestaltung der ärztlichen Ver- tretungen vollzogen. Es hat sich eine Berufsvereinigung der Ärzte der Freien Stadt Danzig gebildet, welche alle Ärzte des Freistaates umfassen soll. Sie verfolgt im wesentlichen die notwendigen, wirtschaftlichen Interessen, ohne ganz, wie erwähnt, das Wissenschaftliche außer acht zu lassen. Der ärztliche Verein zu Danzig wird sich vornehmlich wissenschaftlichen Zwecken widmen, Standesfragen nur gelegentlich erörtern. Das Mitgliederverhältnis gestaltet sich folgendermaßen: Neu aufgenommen wurden im Laufe des Jahres a) als Mitglieder: Dr. Eltze, Di\ Go er de ler, Dr. Günther, Marine-Ober-Stabsarzt, Haack, San.-Rat, Dr. Hahn, Gratz, San. -Rat, Dr. v. Holst, Dr. Karczynski, Dr. Löchel, Dr. Machwitz, Dr. Meyer, Kahlbude, Dr. Anna Otto, Dr. Rosenthal, Stabsarzt Dr. Spengler, Stadtarzt Dr. Stade, Dr. Sturmhöfel, Dr. Thiede, Dr. Eva Witzig. b) als Hospitanten: Dr. Fechner, Dr. Hoffmann, Frl. Dr. Kalliwoda, Dr. Kirchesch,. Dr. Krüger, Dr. Kulcke, Dr. Matz, Dr. Rietz. Ausgeschieden sind: a) durch Tod: Dr. Bereut, Dr. Bodenstein, Dr. Gloy, Kahlbude, Dr. Hart- mann, Dr. Meyer III, Kahlbude. b) durch Fortzug: Marine-Ober-Stabsarzt Dr. Günther, Stabsarzt Dr. v. Homeyer, Dr. Karczynski, Stabsarzt Dr. Spengler, Dr. Büttner, Dr. Krause. * rv» c) durch Austrittserklärung: Geh. Sanitätsrat Dr. Liövin, Dr. Häser. 17 29 Verzeichnis der Mitglieder des ärztlichen Vereins zu Danzig. E hrenmitglied: Herr Dr. Scheele, Geh. Sanitätsrat, Wiesbaden, ernannt 1896. Dr. Abraham, Sanitätsrat „ Backe, Heubude „ Barth, Geh. Med.-Rat, Professor „ Barthel, Fräulein „ Becker „ Behrendt, San.-Rat „ Birnbacher, Kreis- arzt, Medizinalrat „ Bing „ Bergengrün „ Boecker, Oliva „ Boenheim, San.-Rat „ Borowski ,, Brauer „ Burkhard „ Burow Bütow, Zoppot Dr. Byczkowski „ Catoir"Lindner,Frau „ Cohn „ Diegner, Sanitätsrat „ Dreyling, Sanitätsrat „ D u 1 1 z „ Dütschke „ Effler, Sanitätsrat „ E h m k e „ Eltze Faltin, Heubude Dr. Fleck, Sanitätsrat „ Francke, Sanitätsrat „ Frick „ Fuchs „ Gaertner „ Gehrke „ Geschke „ Ginzberg, San.-Rat a) Mitglieder: Dr. G 1 a e s e r , Sanitätsrat „ Goerdeler „ Goetz I, Geh. San.-Rat „ G ö t z II Gr atz, Sanitätsrat Dr. Grunderaann, Frau „ Günther, Marine- Ober-Stabsarzt „ Gumz, Zoppot Haack, Sanitätsrat Dr. Hahl weg „ Hahn „ Hahne „ Hanel, Generalober- arzt „ Hanff, Sanitätsrat „ Hausburg, Sanitäts- rat, Zoppot „ Helmbold „ .H e n n i g „ Hepner „ Hevelke, Stabs- arzt a. D. „ v. H o 1 s t » Hopp „ Jacob „ J a c o b v , Sanitätsrat „ Jelski, Sanitätsrat „ Karpinski, San.-Rat „ Katke, Sanitätsrat, Oliva „ van de Kamp „ Klinge, Oliva Klamroth, E. Dr. Kedzierski „ Köstlin, Direktor „ Koch, Oliva Dr. Körte „ Kownatzki, Ober- stabsarzt a. D., komm. Kreisarzt ' „ Kraft „ Kubacz „ Labitzky, Stutthof „ Landau „ Lenz „ L i e k „ L i t e w s k i „ L ö c h e 1 „ L o h s s e „ Machwitz „ Magnussen, Geh. Sanitätsrat „ Masurke, Sanitätsrat „ Meyer I, H., San.-Rat „ Meyer II, Semi „ Mi chelsen „ Möller „ Neumann „ Ortmann „ Otto, Anna, Frl. „ P a n e c k i „ Penner „ Petruschky, Prof. „ Philipp, Sanitätsrat „ Pietsch, Sanitätsrat Praust „ Pirwaß, Praust „ Pusch, Kreisarzt „ Red m er, Sanitätsrat „ Reinke, Sanitätsrat „ Rock „ Rosenbaum,Kreisarzt „ Rosenthal 18 30 Br. Rosenthal-Reißner Frau „ Rudolph „ Säger, Gr. Zünder „ Scharffenorth, Sanitätsrat „ Schl o mann „ Schourp „ Schmidt I, Leo „ Schmidt II, Peter „ Schubert, General» Oberarzt, Oliva „ Schulz I, Ant., Sani- tätsrat, Oberarzt „ Schulz II, Otto, Zoppot „ Schulz III, Adolf „ Schustehrus, Sani- tätsrat Schwarz, Ewald Dr. Balzereck „ Cyranka „ Dorff er „ Ernst „ F e c h n e r „ Ho ff mann v, Jane r Dr Dr . S e b b a Sem rau I, Geh. Sani- tätsrat Sem rau II Siegmund Singer S o 1 m s e n Spiegelberg Stade, Stadtarzt Stahr, Prof., Prosekt. S tanowski Storp, Oberarzt Sturmhöfel Swierzewski, Sani- tätsrat Spitter Thiede Thun, Sanitätsrat Yalentini, Geh. Medi- zinalrat, Professor b) Hospitanten: Kalliwoda, Frl. Kirchesch Koose Krüger Kulcke Lange, Anna, Frl. Lauer Dr. Vorder brüske a -5 „ Wagner I, Sanitäts- rat, Zoppot „ Wagner II „ Wallenberg I, Prof., Oberarzt „ Wallenberg II, Sanitätsrat „ Wegeli, Sanitätsrat „ Wen dt „ Wiebe „ Wisselinck, Sani- tätsrat „ Witzig, Eva, Frl. „ Wobbe „ Wolff, Sanitätsrat „ Zabel „ Ziegenhagen „ Zu sch, Sanitätsrat Dr. Matz » Metge „ Peters Schmidt, Ad. Vleugels Wilhelm Bericht über die Sitzungen der Anthropologischen Sektion im Jahre 1920. Erstattet von dem Vorsitzenden der Sektion Professor Dr. Kumm. Am 22. Dezember fand eine Sitzung der Sektion statt, in welcher der Kustos am Westpreußischen Provinzial-Museum für Natui*- und Vorgeschichte Herr Dr. La Baume einen durch Tafeln und Altertumsfunde erläuterten Vor“ trag über „Die Germania des Tacitus“ hielt. 19 31 Bericht über die wissenschaftliche Tätigkeit der Sektion für den mathe- matischen und naturwissenschaftlichen Unterricht 1920. Erstattet von ihrem Vorsitzenden Studienrat Dr. Re in ecke. Am Mittwoch, den 13. Oktober 1920, sprach Herr Dr. Rein ecke „Über die Verwendung von Federkraftmessern im physikalischen Unterricht“. Ferner fand eine Besprechung über den Austausch von Zeitschriften und Apparaten, sowie über Sammelbeschaffung von Apparaten statt. Am Donnerstag, den 16. Dezember 1920, sprach Herr Bertling über „Mathematische Unterhaltungen“. Bericht über die wissenschaftliche Tätigkeit des Westpreußischen Fischereivereins im Jahre 1920. Erstattet von seinem Vorsitzenden Oberfischereimeister Professor Dr. Seligo. • Die früher begonnenen Untersuchungen über die Fischgewässer und ihre Bewohner wurden nach Möglichkeit fortgesetzt, insbesondere auch durch Sammlung und Bearbeitung fangstatistischen Materials. Örtliche Unter- suchungen mußten sich nach Lage der Verhältnisse und bei der Beschränkung der Bewegungsfreiheit auf das Gebiet der Freien Stadt Danzig, auf die Ge- wässer dieses Gebietes beschränken und bezogen sich namentlich auf die Produktionsverhältnisse in den brakischen Gewässern der unmittelbaren Umgebung Danzigs, welche, wie früher nachgewiesen wurde, eine eigenartige, aus euryhalen und oligostenohalen Lebewesen zusammengesetzte Tier- und Pflanzen- welt zeigen, die als Nahrung für die nach Art und Menge ebenfalls be“ 20 32 schränkte Fischfauna in Betracht kommt. Bedingt wird die schwache Ent- wicklung der niederen Tierwelt wohl durch den geringen, aber ständig wechselnden Gehalt an Salzen im Wasser. In der Toten Weichsel ergaben die seit 1902 in unregelmäßigen Zeit- abständen, aber in allen Jahreszeiten verfolgten Beobachtungen des Chlorid - gehaltes überall ein beträchtliches Schwanken, besonders unter dem Ein- fluß einerseits der Aufstauung des Ostsee wassers durch ständige Westwinde, andererseits der Süßwasserzuflüsse aus der Mottlau und der Stromweichsel besonders im Frühjahr. In der Mottlau innerhalb der Stadt beträgt der Chloridgehalt in 1000 Teilen Wasser in der Regel 0,8 — 2 Teile, selten bis zu 3, in der Toten Weichsel in dem breiten Raume zwischen Holm, Stroh- deich und Milchpeter im Frühjahr zwischen 0,5 und 2, später meist 2,5 — 3;5, im Weichselmünder Arm und Kaiserkanal 3 — 5, im Neufahrwasser Hafenkanal meist 5—7, in der Heubuder Strecke 3 — 5, vor dem Neufährer Mündungs- arm 4 — 6, in der Bohnsack — Heringskruger Strecke 3 — 6, bei Einlage 0,8—3, in dem Bollenbuder Endteil um 3. Charakteristisch für die Ausbreitung des Meerwassers in den Niederungs-' graben ist das Vorkommen der Diatomee Bäccelaria paradoxa, die an den lebhaften Schiebebewegungen der Frustein sich im mikroskopischen Bilde sehr bemerkbar macht und als Leitorganismus dienen kann. Der Gehalt des Hafen wassers an gelösten organischen Stoffen ist übrigens keineswegs so groß, daß man von einer Verschmutzung durch solche Stoffe sprechen könnte; der Verbrauch an Kaliumpermanganat für die Oxydation dieser Stoffe beläuft sich in der Regel auf 30 — 60 mg für das Liter Wasser, nicht höher als bei dem Ostseewasser oder dem Wasser der Stromweichsel. i Druck: A. W. Kai'cmami G. m. b. H., Danzig. f; V / * ) . \ i im* Zur Beachtung. Die folgenden von der Naturforschenden Gesellschaft liera-nsgegebenen Einzelwerke können von den Mitgliedern zum Vorzugspreise bezogen werden : I. Die Flora des Bernsteins und ihre Beziehungen zur Flora der Tertiärformation und der Gegenwart von H.ILGöppert und A. Menge. 1. Band. Göppert, Von den Bernstein-Coniferen. ' Mit dem Porträt M enges und 16 lithogr. Tafeln. Danzig 1883; gr. Quart. — VIII und 63 S. Ladenpreis: M 30. Für die Mitglieder: M 15. 2. Band. Conweiltz, Die Angiospermen des Bernsteins. Mit 13 lithogr. Tafeln. Danzig 1886; gr. Quart. — ~ IX und 140 S. Ladenpreis: M 40. Für die Mitglieder: M 20. II. Die prähistorischen Denkmäler der Provinz Westpr eussen und der angrenzenden Gebiete von Br. A. Lissauer. Mit 5 Tafeln und der prähistorischen Karte der Provinz West- preußen in 4 Blättern. Danzig 1887 ; gr. Quart. • — XI und 210 S. Ladenpreis: M 30. Für die Mitglieder:, M 15. III. Monographie der baltischen Bernsteinbäume von H. Conwentz. Mit 18 lithographischen Tafeln in Farbendruck. Danzig 1890- gr. Quart. — IV und 151 S. Ladenpreis: M 70. Für die Mitglieder: M 35. i IV. Vorgeschichte von Westpreussen von I)r. W. La Baume. Mit 18Tafeln und 84 Abbildungen im Text. Danzig 1920. Oktav-. 102 S. Ladenpreis: M 10,80. Für die Mitglieder: M 6,50. * Von dem s'. Zt. in den Schriften der Gesellschaft, Neue Folge Bd. 1 bis IV 1866 — 1879, erschienenen Werk : Menge^ Preussische Spinnen. Mit 91 Tafeln sind noch einige vollständige, gut erhaltene Exemplare vorhanden. Ladenpreis: M 60. Für die Mitglieder: M 30. Der Betrag nebst Porto für die gewünschte Zusendung ist an den Schatzmeister der Gesellschaft, Herrn Bankier Pr. Damme in Danzig, Karren wall 7, einzuschicken. Von den älteren Schriften der Naturforschenden Gesellschaft ist das 1. Heft des III. Bandes (1871) vergriffen. Es würden die Herren Mitglieder, die dieses Heft etwa abgeben können, uns dadurch zu besonderem Dank verpflichten. Der Vorstand. y Druck: A. W. Kafetnano G. m. b. H.. Danzig. 7CV V • ' .. ' - ■ ,'r ■. ' . V • NEUE FOLGE. FÜNFZEHNTEN BANDES DRITTES UND VIERTES HEFT. i i r /( - i) S II. TEIL: JAHRESBERICHT FÜR 1921, TEILWEISE MIT UNTERSTÜTZUNG DES WESTPR. PROVINZ1AL-LANDTAGES UND DES SENATS DER FREIEN STADT DANZIG HERAUSGEGEBEN.' & w A/; h r\ L ■ MAY 9 1927 1 jV b Ob mO - V 1 ■ s DANZIG 193a. . KOMMISSIONS -VERLAG VON R. FRIEDLÄNDER & SOHN IN BERLIN NW 6, KARLSTR. 11. Bitte die 1. Seite dieses Umschlages zu beachten. . '/7t, SCHRIFTEN HER NATURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT IN DANZIG. NEUE FOLGE. FÜNFZEHNTEN BANDES DRITTES UND VIERTES HEFT. II. TEIL: JAHRESBERICHT FÜR 1921. TEILWEISE MIT UNTERSTÜTZUNG DES WESTPR. PROVINZIAL-LANDTAGES UND DES SENATS DER FREIEN STADT DANZIG HERAUSGEGEBEN. DANZIG 1922. KOMMISSIONS-VERLAG VON R. FRIEDLÄNDER & SOHN IN BERLIN NW 6, KARLSTR. 11. Druck: A. W. Käfern arm G. m. b. H., Danzig. Inhalt. Seite 1. Jahresbericht der Naturforschenden Gesellschaft für 1921 .... 1 2. Bericht über die Ordentlichen Sitzungen der Gesellschaft im Jahre 1921 11 Liek: Altern und Verjüngung' 11; Ebers: Die germanische Religion im Lichte der vorgeschichtlichen Bodenforschung 12; Ehrlich: Zur Kultur der alten Pruzzen; Ergebnisse neuer Ausgrabungen und Forschungen bei Elbing 12; Stremme: Die Bodenschätze des Freistaats 14; Geisler: Der Gang der Besiedelung und der Siedelungsformen des Weichsellandes 15; Wallenberg: Anatomische Beiträge zu Problemen der Empfindung, Wahrnehmung und Beobachtung 17; Kaiser: Die wissenschaftlichen Grundlagen der Wetter- vorhersage 17; Stute: Tierkrankheiten, die gelegentlich den Menschen ge- fährden 18; v. Holst: Streifzug durch die Geschichte der Psychologie 19; Ramsauer: Gegenwärtiger Stand der Röntgenstrahlenphysik 20; Liek: Röntgenstrahlen und Heilkunde. Ein Rückblick auf 25 Jahre 20; Rücker: Ostwalds neuer Farbenatlas 21; Habermann: Finnland, ein landeskundlicher Überblick 22; Meyer: Die Entwicklung der Sinnesorgane und der Empfin- dungen 23; Kumm: Naturgefährdung, Naturschutz und Naturdenkmalpflege 24; Günther: Die moderne Atomtheorie 24; Kaiser: Aus den Gebieten der Astronomie und Meteorologie 24. 3. Übersicht über die in den Ordentlichen Sitzungen 1921 behandelten Gegenständen 24 4. Jahresbericht über die Sitzungen der medizinischen Sektion im Jahre 1921 26 5. Bericht über die Tätigkeit der Anthropologischen Sektion im Jahre 1921 32 6. Bericht über die Sitzungen der Sektion für den mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterricht 1921 32 7. Bericht über die wissenschaftliche Tätigkeit des Westpreußischen Botanisch-Zoologischen Vereins 1921 33 8. Sektion für Astronomie und kosmische Physik 35 9. Bericht über die wissenschaftliche Tätigkeit des Westpreußischen Fischereivereins im Jahre 1921 36 10. Verzeichnis der in den Jahren 1918 — 1921 erworbenen Bücher . . 37 11. Jahresrechnung der Naturforschenden Gesellschaft für das Jahr 1921 50 Jahresbericht der Naturforschenden Gesellschaft zu Danzig für 1921. V orgetragen von ihrem Direktor, Studienrat Professor Dr. Lakowitz, in der Sitzung am Mittwoch, dem 4. Januar 1922. G leich dem vorjährigen Jahresbericht zeigt auch der hier vorliegende über das Jahr 1921 im ganzen ein erfreuliches Bild. Innere geistige Regsam- keit, bekundet durch die große Zahl wissenschaftlicher Vorträge in den Sitzungen und in besonderen nebenher laufenden Vortragsreihen, vermehrte Benutzung der Bibliothek und des Lesezimmers, gesteigerte Ausnutzung der im Besitz und zu treuen Händen der Gesellschaft befindlichen, wertvollen Apparate und Instrumente in dem unter Mitwirkung unserer Gesellschaft neu begründeten freistaatlichen Observatorium, ein erhöhtes werktätiges Interesse unserer Mitglieder an der Ausgestaltung der Verwaltungsordnung und auch der wirtschaftlichen Lage unserer Körperschaft, endlich die sichtlich hervor- tretende Neubelebung unserer Beziehungen zu den wissenschaftlichen Schriftentauschgesellschaften, selbst in den früher feindlichen Ländern, zeigen, daß unsere Gesellschaft trotz ihrer nunmehr vollendeten 179 Lebens- jahre ein Organismus von gutem, festen Bau und frischer Lebenskraft ist. Freilich fehlt es nicht an materiellen Sorgen, doch welcher ehrliche Mensch hätte solche heute nicht, und zu ihrer Behebung sind bereits die Kräfte an- gespannt. Innerlich wird dieser Organismus durch die Mitglieder getragen, und ihnen zunächst muß in diesem Jahresbericht naturgemäß unser Interesse sich zuwenden. Schmerzlich berührt da der Verlust von 8 Mitgliedern, die im Berichtsjahr durch den Tod abberufen wurden. Es verstarb am 18. Dezember unser Ehrenmitglied, der frühere Staatsminister Clemens vonDelbrück. Sein Wirken als Oberbürgermeister von Danzig, später als Oberpräsident. der Provinz Westpreußen und sein reges Interesse für das Gedeihen unserer Gesellschaft seit seinem Eintritt als Mitglied 1896 und als langjähriger Vor- sitzender einer Fachabteilung — des Westpreußischen Fischereivereins — Sehr. d. N. G. zu Danzig. Jahresber. 1921. 1 1 2 werden bei uns allzeit in dankbarer Erinnerung bleiben. Besonders sym- pathisch berühren uns Delbrücks tiefgehende, rein wissenschaftliche Neigun- gen. Nach seinem Rücktritt von dem Amt als Staatssekretär des Reichsamtes des Innern 1916 habilitierte er sich, selbst schon 60 Jahre alt, für Sozialpolitik und Staatsrecht in Jena, wo er am 18. Dezember 1921 gesorben ist. Ehre seinem Andenken! Von einheimischen Mitgliedern starben 1921 die Herren: Zahnarzt Dr. Czerwinski, Kaufmann Marschalk, Sanitätsrat Dr. Redmer, Justiz- rat R e i m a n n, Geh. Baurat Wilhelms, Bankdirektor Willstätter, von auswärtigen Mitgliedern Herr Apotheker Jamzen in Eisenach — durch- weg langjährige, treue Freunde unserer Gesellschaft. Es ist uns allen ein Bedürfnis, der Dahingeschiedenen hier in Treue zu gedenken und in dieser Stunde ihr Andenken zu ehren. (Die Versammlung erhebt sich von den Plätzen.) Weitere Verluste an Mitgliedern erfolgten ausschließlich durch Fortzug nach entfernten neuen Wohnorten. In allen diesen Fällen fanden die aus- scheidenden Mitglieder bei ihrer Abmeldung Worte des Dankes für die vielen Anregungen, die sie in unserem Kreise in reichem Maße erfahren hatten und schlossen mit dem Wunsche weiteren Gedeihens unserer Gesellschaft. Die infolge dieser Verluste entstandenen Lücken sind durch den Eintritt von 65 neuen Mitgliedern reichlich ausgefüllt worden. Außerdem wurde als Korrespondierendes Mitglied neu auf ge nommen die verdiente Vorsitzende des Bundes für Vogelschutz in Stuttgart, Frau Kom- merzienrat H ähnle, aus Anlaß ihres 70. Geburtstages und in Anerkennung ihres erfolgreichen, aufopfernden Wirkens auf einem naturwissenschaftlich wichtigen Gebiet. Der Mitgliederbestand gestaltet sich nunmehr am Schluß des Jahres 1921 folgendermaßen. Es sind 6 Ehrenmitglieder gegen 7 zu Ende 1920 und 7 zu Ende 1919 36 Korresp. Mitgl. „ 35 „ „ „ „ 40 „ 520 Einheim. Mitglied, ,, 481 ,, ,, ,, ,, 445 ,, ,, „ 132 Auswärt. Mitglied. ,, 140 ,, ,, „ „ 141 ,, „ „ Die Gesamtzahl der Mitglieder beträgt somit gegenwärtig: 694 gegen 663 zu Ende 1920 und 633 zu Ende 1919, die der Beitrag zahlenden Mitglieder: 652 gegen 621 zu Ende 1920 und 586 zu Ende 1919. Dieses stetige Anwachsen der Mitgliederzahl verdanken wir wieder der Werbetätigkeit etlicher Mitglieder, denen hierfür auch an dieser Stelle wärm- ster Dank ausgesprochen sei; es ist aber zugleich ein schönes Zeichen für die werbende Kraft der Gesellschaft. Möge die Gesellschaft diese Kraft nie ver- lieren, die in erster Linie in ihren V ortragsdarbietungen wurzelt. Und da ist es erfreulich zu berichten, daß gerade im abgelaufenen Jahr die Vortrags- tätigkeit in unserer Gesellschaft besonders lebhaft war und uns viele neue Freunde zugeführt hat. Wie der nachfolgende Bericht des Sekretärs für die inneren Angelegenheiten, des Herrn Professor Dr. W allen her g, im ein- zelnen darlegt, waren 14 wissenschaftliche Sitzungen für den reichen Vor- tragsstoff unserer wissenschaftlich arbeitenden Mitglieder erforderlich. Fast alle Zweige der Naturwissenschaft kamen zu Wort. Nebenher gingen noch besondere Vortragsreihen, z. B. über Naturschutz und Naturdenkmalspflege durch Herrn Prof. Dr. Kumm, sowie über Neues aus den Gebieten der Astronomie und Meteorologie durch Herrn Dr. Kaiser und zwei Vorträge zur Einführung in die moderne Atomlehre durch Herrn Privatdozent Dr. G ü n t h e r - Berlin. Endlich erfreute uns unser Korrespondierendes Mitglied, Herr Prof. Dr. Georg W e g n e r - Berlin, durch seinen Lichtbildervortrag: „Erinnerungen eine« Weil frei senden“, den er in seiner ansprechenden Art im vollbesetzten Schützenhaussaal hier im April darbot. Hinzu kamen noch zahlreiche Vorträge in den verschiedenen Fachabtei- lungen, unter denen sich besonders der Ärztliche Verein und die Abteilung für den naturwissenschaftlichen und mathematischen Unterricht hervortaten. Im einzelnen wird hierüber nachfolgend von den Herren Vorsitzenden der Fachabteilungen berichtet,. Wiederholt wurden die Mitglieder vom Westpeußischen Bezirksverein Deutscher Ingenieure zu seinen Vortragsveranstaltungen eingeladen, wofür auch an dieser Stelle der Dank der Gesellschaft hiermit ausgesprochen sei. Hier ist vielleicht die passende Stelle, um zu berichten, daß 1921 als neue Fachabteilung die Sektion für Astronomie und kosmische Physik auf An- regung des Berichterstatters begründet wurde. Außerdem ist der Anschluß des Westpreußischen Botanisch-Zoologischen Vereins vom Vorstand unserer Gesellschaft gutgeheißen worden, und es besteht die Absicht, eine Fachabtei- lung für Geologie neu zu bilden. Von Veröffentlichungen während des Berichtsjahres kam der Jahresbericht für 1920 zur Versendung. Er bildet den ersten Teil vom Doppel- heft 3/4 des 15. Bandes der „Schriften“. Den zweiten Teil bildet der vor- liegende Jahresbericht, der zusammen mit dem Bibliotheksbericht für die Jahre 1918 — 21 und dem Kassenbericht für 1921 in den ersten Monaten 1922 herausgegeben werden soll. Der 3. zugleich Schlußteil des 15. Bandes, der gleichfalls 1922 erscheinen wird, enthält die Abhandlungen aus den letzten zwei Jahren. Hiervon sind bereits folgende gedruckt: „Bemerkungen zum Dreikörperproblem“ und „zur Berechnung der Funktion oo z2 /- — x2 tfj(z) — e J e dx“ von Prof. v. Brunn, zwei Abhandlungen über z „Schwarzharz und Ostseebernstein“ und „Über perlschnurähnliche Einschlüsse im Bernstein“ von Prof. Dahms. dann über „Oribatiden vom Zwergbirken- moor bei Neulinum, Kr. Kulm, und vom Moor am Kleinen Heidsee bei Heu- 3 1* 4 bude unweit Danzig“ von Dr. Max Seil nick und ,,Über den Einfluß der höchsten Luftschichten auf das Wetter“ von Prof. S ü r i n g-Potsdam. Wertvolle Manuskripte umfangreicherer Arbeiten harren noch der Drucklegung. Es fehlen aber die erforderlichen Geldmittel. Wer spendet solche? — Für die sorgfältige Überwachung der Drucklegung der Schriften ist die Gesellschaft Herrn Oberstudiendirektor Prof. Dr. Dahjms nach wie vor zu großem Dank verpflichtet. Mit dem bevorstehenden Abschluß des 15. Bandes der „Schriften“ N. F. sind einschließlich der älteren Reihen der Schriften im ganzen 25 umfangreiche Bände seit der Begründung der Ge- sellschaft erschienen; dazu kommen die Sonderveröffentlichungen. Diese Schriftenreihen für die wissenschaftliche Ausnutzung aufzuschließen, ist wünschenswert. Daher hat der Vorstand die Herausgabe eines Gesamtsach- registers unserer Schriften auf Anregung des Berichterstatters beschlossen. Berichterstatter hat die Arbeit selbst übernommen und bereits begonnen; er hofft dadurch zugleich einen Beitrag zur Heimatkunde zu liefern. Um der streng wissenschaftlichen Betätigung unserer Gesellschaft, die ja zunächst in den Arbeiten der Fachabteilungen und in der Herausgabe der „Schriften“ sich zeigt, nach außen hin ein erweitertes Feld zu schaffen, hat der Berichterstatter die Aufstellung von naturwissenschaftlichen Preisauf- gaben für die die materiellen Mittel durch die in den letzten Jahren er- zielten Sammlungen und Stiftungen nunmehr vorhanden sein dürften, angeregt und bittet um Nennung geeigneter zeitgemäßer Themen. Der Austausch der Druckschriften mit auswärtigen V ereinen, Gesellschaften, Akademien und Instituten kommt wieder mehr und mehr in Gang. Auch aus dem europäischen Auslande und aus Übersee treffen Sendun- gen ein, besonders umfangreiche aus den Vereinigten Staaten von Nord- amerika. Nur Frankreich und Belgien halten noch zurück. Neu eingetreten in den Schriftenaustauschverkehr sind: der Thüringer Botanische Verein in Weimar, die Finnische geographische Gesellschaft und die Commission geologique, beide in Helsingfors. Durch diese Zuwendungen hat die Bibliothek wiederum eine be- achtenswerte Bereicherung ihrer Bestände erfahren. Zum Ankauf von Büchern freilich sind nur sehr beschränkte Geldmittel vorhanden. Um so dankbarer sind Schenkungen von eigenen und fremden Druckschriften zu be- grüßen, wie solche seitens der Herren Bertram, Fr. Braun, Dahms, Grix, Jentzsch, Lakowitz, S. Meyer, Moldenhauer, Pusch, Speiser, Stremme, Wangerin, Wohl dankenswerter W eise zur Verfügung gestellt wurden. Die Benutzung der Büchersammlung hat gegenüber dem vorigen Berichts- jahr eine weitere erfreuliche Steigerung erfahren, so daß 1921 im ganzen 900 Bände aus- und eingegangen sind. Auch das Lesezimmer und der unent- 4 5 geltliche Zeitschriftenlesezirkel erfreuten sich eines erhöhten Zuspruches in- folge der zunehmenden Zahl der Mitglieder. Bezüglich der Schriftenaustauschgesellschaften ist noch nachzutragen, daß der Niederrheinischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde zu Bonn zur Feier ihres 100 jährigen, der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft „Isis“ in Bautzen zur Feier ihres 75 jährigen und dem Verein für naturwissenschaft- liche Unterhaltung in Hamburg wie der Geologiska Föreningen in Stockholm aus Anlaß ihres 50jährigen Bestehens Glückwunschschreiben bzw. Telegramme übersandt wurden. Von Geschehnissen persönlichen Charakters sind fol- gende zu verzeichnen: Unser Korrespondierendes Mitglied Geh. Heg. -Kat Prof. Dr. Bezzenberger in Königsberg beging im April 1921 seinen 70. Ge- burtstag. Die Gesellschaft hat sich an der Herausgabe einer Festschrift zur Ehrung dieses um die vorgeschichtliche Forschung hochverdienten Gelehrten beteiligt. Unser Mitglied Herr Geh. Med. -Rat Prof. Dr. Barth konnte im August 1921 auf eine 25 Jahre lange Tätigkeit als Chefarzt des hiesigen städti- schen Krankenhauses zurückblicken. Aus diesem Anlaß wurden ihm die Glück- wünsche der Gesellschaft übermittelt, ebenso unserem Vorstandsmitgliede Herrn Geh. -Rat Dr. Rössler, dem vor kurzem der Doktor honoris caussa vom Senat der Technischen Hochschule in Darmstadt verliehen worden ist. Eine besondere Überraschung und Freude wurde unserer Gesellschaft durch den Besuch der Geographischen Gesellschaft Greifswald zuteil. Auf einer Studien- fahrt nach dem unteren Weichselgebiet verweilten 94 Mitglieder der Greif s- walder Vereinigung mit etlichen Gästen aus Schweden Ende Juli während mehrerer Tage in Danzig. Zu ihrer Ehrung veranstaltete unsere Gesellschaft am 29, Juli einen Begrüßungsabend, an dem Berichterstatter den Vorzug hatte, die werten Gäste in unseren Räumen willkommen zu heißen und einen kurzen Vortrag über die von den Gästen wiederholt durchquerten Danziger Bucht darzubieten. Freunde und Gönner unserer Gesellschaft hatten in dankenswerter Weise die Mittel zur Verfügung gestellt, um den Gästen im Kreise unserer Mitglieder eine gemütlich verlaufende Nachsitzung zu bereiten. Die Angelegenheit der bisherigen astronomischen Station der Gesellschaft ist im Berichtsjahr durch die Begründung des Freistaatlichen Observatoriums in der früheren Telegraphenkaserne am Labesweg bei Lang- fuhr wesentlich gefördert worden. Der Astronom unserer Gesellschaft, Herr Prof .v. Brunn, ist zum Leiter des neuen Institutes ernannt worden. Dient das Observatorium zunächst meteorologischen und nautischen Zwecken, und soll es durch seine Arbeiten für den öffentlichen Wetterdienst und für die Schiffahrt seine Lebensfähigkeit beweisen, so besteht die Aussicht, daß es dem astronomischen Beobachtungsdienst auch nach wissenschaftlicher Richtung mehr und mehr nutzbar gemacht werden wird, und nach dieser Richtung be- wegt sich das Hauptinteresse unserer Gesellschaft für das neue Institut. Der Leiter des Observatoriums bietet als Astronom die Gewähr, daß Astronomie und kosmische Physik dortselbst nicht zu kurz kommen sollen. Die Begrün- 0 6 düng des Observatoriums, auf die bereits im vorigen Jahresbericht hingewiesen wurde, ist erleichtert oder gar erst ermöglicht worden dadurch, daß unsere Gesellschaft die wissenschaftliche Ausnutzung etlicher eigener und sämtlicher ihr zu treuen Händen übergebenein Instrumente der ehemaligen Hauptagentur Heufahrwasser der deutschen See warte sowie der ehemaligen Seewetterwarte Danzig nunmehr in den Räumen des neuen Observatoriums durch den bei der Gesellschaft angestellten Astronomen gestattet auf Grund eines die Gesellschaft nach jeder Richtung sichernden Vertrages mit dem Senat der Freien Stadt Danzig. Die wissenschaftliche Ausnutzung der übrigen Instrumente der bis- herigen Sternwarte der Gesellschaft in den Räumen und auf dem Gebäude des Observatoriums soll erfolgen, sobald dort eine entsprechende Aufstellungs- möglichkeit gegeben ist. Der bewährte Feinmechaniker unserer Gesellschaft, Herr Krause, sorgt im Aufträge des Senats des Freistaates für die Instand- haltung der wertvollen Instrumente. Von den unserer Gesellschaft gehörenden Stiftungen werden die jährlichen Zinsen von gegenwärtig 1668 Mark aus der astronomischen Zwecken dienenden von Wolff sehen Stiftung zu den Kosten des Obser- vatoriums seit Ostern 1921 ausgegeben. Aus der H u m b o 1 d t - Stiftung zur Unterstützung Studierender konnten nach den Vorschlägen des Sekretärs für die äußeren Angelegenheiten, Herrn Prof. Dr. Kumm, in der Mitglieder- versammlung vom 11. Mai zwei Doppelstipendien von je 300 M an die Herren Gand. math. Z u m m a c h aus Riesenburg, zur Zeit Göttingen, und Cand. ehern. Z w i e g - Danzig verliehen werden. Aus der Professor Bail- Stiftung, die von unserer Gesellschaft zusammen mit dem Westpr. Botanisch-Zoolo- gischen Verein vor Jahren begründet und außerhalb des eigenen Haus- haltungsplanes von unserem Schatzmeister Herrn Dr. Damme mitverwaltet wird, erhielt Herr Dr. Lüttschwager, damals Elbing, jetzt Danzig, ein Stipendium zu ornithologisehen Studien auf dem Drausensee. Die Zinsen der 2000 M großen K 1 i n s m a n n - Stiftung (vom Jahre 1920) werden weiter kapitalisiert, bis ein nennenswerter Betrag für Stipendien an Studierende erreicht sein wird. Die gegenwärtig 525 M betragenden Zinsen der V erch- Stiftung finden ihre Verwendung für die Bibliothek der Gesellschaft. Die Zinsen der 1920 begründeten, 6000 M großen M o m b e r - Stiftung für wissen- schaftliche Zwecke harren noch ihrer Verwendung. Die Zinsen der Jubi- 1 ä u m s - Stiftung vom Jahre 1918 und diejenigen der „Sammlung von 1920“ stehen der allgemeinen Kasse zur Verfügung. Diese 1920 vom Berichterstatter angeregte „Sammlung 1920“ zur Be- kämpfung der schlechten Finanzlage der Gesellschaft, erfreute sich auch im soeben abgelaufenen Jahre des Wohlwollens der Mitglieder und Freunde unserer Gesellschaft. Neue Spenden liefen ein von den Herren G. Mix, Rhode, Rotten bürg, Wieler und zuletzt 10 000 M vom Danziger Spar- kassen-Aktien- Verein aus Anlaß seiner Hundertjahrfeier zu Ende November 6 7 1921. Die „Sammlung 1920“ ist hierdurch auf rund 60 000 M angewachsen. Vielen Dank den gütigen Spendern. Die Sammlung wird fortgesetzt. Die geschäftlichen Angelegenheiten der Gesellschaft wurden in acht Vor- standsitzungen vorberaten und in einer Reihe von außerordentlichen Mit- gliederversammlungen erledigt. Den breitesten Raum nahmen hierbei die Beratungen über die bereits Ende 1920 beschlossene Neuprüfung der aus dem Jahre 1898 stammenden bisherigen Satzung ein. Diese Prüfung und Neu- aufstellung der Satzung war Aufgabe einer aus neun Mitgliedern bestehenden, vom Berichterstatter geleiteten Kommission. In den Monaten Januar bis Anfang Mai hat dieser Ausschuß in sechs Sitzungen die Beratungen durch- geführt. Am 11. Mai trug Herr Professor Sonntag den neuen Entwurf der Mitgliederversammlung vor und am 1. Juni erfolgte die endgültige Beschluß- fassung über das neue Statut. In derselben Mitgliederversammlung, in der der Vorstand nach seiner am 29. Dezember 1920 abgegebenen Erklärung nunmehr seine Ämter in die Hand der Mitgliederversammlung zurückgegeben hatte, wurde der Vorstand gebeten, unverändert die Geschäfte der Gesell- schaft bis zu den Neuwahlen im Dezember 1921 weiterzuführen. Die Be- stätigung der neuen Satzung durch den Senat des Freistaates ist dann am 10. Juni erfolgt. In derselben Sitzung am 11. Mai erstatteten die Rech- nungsprüfer, die Herren Bankier Stein und Kaufmann Domansky, den Bericht über den Kassenabschluß für 1920, worauf die Entlastung und der Dank der Versammlung an den Schatzmeister, Herrn Dr. Damme, aus- gesprochen wurde. In der außerordentlichen Mitgliederversammlung am 21. Dezember fand satzungsgemäß die Neuwahl des Vorstandes für 1922 statt. Der bisherige Direktor der Gesellschaft hatte bereits in einer bezüglichen V orbesprechung gebeten, seinem schon 1919 und wiederholt 1920 geäußerten Wunsche, sein Amt, das er nunmehr zwölf Jahre inne gehabt, niederlegen zu dürfen, Folge zu geben, zugleich erklärte er, im Vorstande an weniger verantwortungsvoller Stelle gern weiter mitwirken zu wollen. Der Schatzmeister, Herr Dr. Damme, und von Beisitzern die Herren Professor E v e r s und Professor Petruschky baten, nach langjähriger Mitarbeit im Vorstände (während 8, bzw. 23, bzw. 19 Jahre) zurücktreten zu dürfen. Darauf wurden folgende Herren gewählt: Herr Prof. Dr. Stremme — bisher Vizedirektor — als Direktor, ,, Studienrat Prof. Dr. Lakowitz als Vizedirektor, ,, Bankier P. Stein als Schatzmeister, ,, Oberarzt Prof. Dr. Wallenberg als Sekretär für die inneren Angelegenheiten, „ Prof. Dr. Ramsauer als Sekretär für die äußeren An- gelegenheiten, ,, Dr. La Baume, Kustos am Westpr. Provinzial-Museum, als Bibliothekar, 7 8 Herr Architekt Reichenberg als Hausverwalter, „ Geh. Med. -Hat Prof. Dr. Barth | ,, Geh. Reg.-Hat Dr. Dr. ing. Rößler > als Beisitzer. ,, Studienrat Prof. Dr. Sonntag ) Als Rechnungsprüfer wurden die Herren Kaufmann Domansky und Kaufmann Br am er gewählt. Den aus dem Vorstand ausgeschiedenen Mit- gliedern, den Herren Dr. Damme, Prof. Evers, Prof. Dr. Kumm und Prof. Dr. Petruschky für ihre langjährige, uneigennützige Mithilfe in der Leitung der Gesellschaft, für ihre rege Mitarbeit an den Aufgaben der Gesellschaft und ihr allzeit werktätiges Interesse an dem Gedeihen der Gesell- schaft hier an dieser Stelle den Dank aller Vorstandsmitglieder sowie namens der ganzen Gesellschaft aufrichtig und nachdrücklich aussprechen zu dürfen, ist dem Berichterstatter eine angenehme Pflicht. Zugleich begrüße ich die neu in den Vorstand eintretenden Herren Barth, LaBaume, Ramsauer, Sonntag, Stein und wünsche und hoffe, daß ihre Mitarbeit an den Auf- gaben der Gesellschaft unter Wahrung von deren bewährten Tradition Erfolg und innere Befriedigung bringen möge. In der außerordentlichen Sitzung am 21. Dezember trug der Schatz- meister, Herr Dr. Damme, den Entwurf zum neuen Haushaltungsplan für 1922 vor, der mit 34 285 M der allgemeinen Kasse, mit 44 428 M, einschließlich der Stiftungen, in Einnahme und Ausgabe gutgeheißen wurde. Auf Antrag des Schatzmeisters beschloß ferner die Versammlung, für das Jahr 1922 den Mitgliederbeitrag von 20 M für die innerhalb des Vorortverkehrs wohnenden Mitglieder auf 40 M zu erhöhen. Die übrigen ordentlichen Mitglieder zahlen jährlich hiervon die Hälfte (§ 6 der Satzung). Diese Erhöhung der Mit- gliederbeiträge ist eine nur sehr ungern ergriffene Maßregel; sie ist infolge der allgemeinen Teuerung leider eine zwingende Kotwendigkeit auch für unsere Gesellschaft geworden, wenn diese ihren kulturellen Aufgaben weiter gerecht werden soll. Dazu brauchen wir die tatkräftige, materielle Mithilfe aller Mitglieder. Der Vorstand richtet daher an alle Mitglieder die Bitte, diese Mithilfe nicht zu versagen auch trotz der Erhöhung der Jahresbeiträge. Die früher regelmäßig gezahlte Beisteuer von 2000 M der Westpreußischen Provinzialverwaltung konnte für 1921 noch geleistet werden; in Zukunft muß sie leider infolge der politischen Umwälzung ausf allen. Mit Trauer sieht unsere Gesellschaft dieser V eränderung entgegen. Stets und mit größtem Dank für die Jahrzehnte hindurch genossene Förderung ihrer Ziele wird unsere Gesellschaft der ideal denkenden, stets unterstützungsbereiten Pro- vinzialverwaltung ein getreues Gedenken bewahren. Fortan gewährt der Senat der Freien Stadt Danzig eine jährliche Beisteuer von 2000 M und die Gemeindeverwaltung von Danzig 800 M. Für diese wirksamen Unter- stützungen und das hierdurch bekundete Wohlwollen sei tiefgefühlter Dank im Namen des Vorstandes auch an dieser Stelle ausgesprochen. 8 9 Hiermit endet mein Bericht über das soeben abgeschlossene Jahr. Er ist der letzte einer Folge von Berichten, die ich die Ehre hatte, seit dem Januar 1910 der geschätzten Mitgliederversammlung vorzutragen. Und blicken wir auf die Geschehnisse und den Entwickelungsgang unserer Gesell- schaft innerhalb dieser Reihe von zwölf Jahren zurück, so dürfen wir ruhig bekennen, daß alles das, was von den Vorgängern in der Leitung damals übernommen, getreulich bewahrt und gedeihlich vermehrt worden ist. Darin steckt ein Stück eigener Lebensarbeit. Ich bitte, mich nicht falsch zu ver- stehen. Keine Selbstüberhebung und kein Eigenlob sollen aus diesen Worten zu Ihnen sprechen. Es ist nur die aus der Eigenbeobachtung gewonnene Er- kenntnis, daß in unserer Gesellschaft genug innere Festigkeit, genug Arbeits- drang und erfolgreiches Streben, mit der neuen Zeit mitzugehen, besteht, um auch schlimme Zeiten sieghaft zu überwinden. Die Zeiten während und nach dem bösen Kriege sind für den Bestand von wissenschaftlichen Vereinigungen gewiß eine kritische Periode gewesen und gar manche Vereine, manche Gesell- schaften haben nur mit Unterbrechungen sich weiter betätigen können oder haben gar ihre Pforten schließen müssen. Mit Freuden und Genugtuung können wir da feststellen, daß unsere Gesellschaft während der ganzen schlimmen Zeit unentwegt, genau wie in normalen Zeitläuften ihren tradi- tionell gewordenen Arbeitsplan in jeder Beziehung bezüglich der regelmäßigen Vorträge und der periodischen Veröffentlichungen durchgeführt, dazu eine wichtige Sonderpublikation (zusammen mit dem Deutschen Volksrat hier) herausgegeben und weiter zur Begründung eines neuen Forschungsinstituts, des Danziger Observatoriums für Meteorologie und Astronomie, erfolgreich mitgeholfen hat. Neue Fachabteilungen mit ihren streng wissenschaftlichen Programmen sind innerhalb der Gesellschaft in derselben schweren Zeit ins Leben gerufen worden. Unsere beiden Sitzungssäle sind als Versammlungs- stätten von anderen wissenschaftlichen Vereinen und auch zur Veranstaltung von belehrenden Vorträgen für die Jugend in erhöhten Maßen benutzt worden, so daß jetzt unsere Naturforschende Gesellschaft mehr wie früher von jeder- mann in Danzig gekannt, geschätzt und auch gesucht wird und jedermann hier weiß, daß in ihr reiches Wissen, reiche Anregungen in behaglichen Räumen geboten werden. So steht unsere Gesellschaft jetzt gefestigt da, mitten in der Bevölkerung, aus der sie einst hervorgegang’en. Und noch eins sei betont. Popularisieren der Naturwissenschaften im edelsten Sinne soll dauernd ihre Aufgabe sein, zum Segen der Bevölkerung wie zum eigenen Heil. Dazu strenge Wissenschaftlichkeit in ihren Reihen wird sie nach wie vor bewahren; den Beweis hierfür hat sie in der Ver- gangenheit und Gegenwart erbracht. So soll es auch in der Zukunft bleiben. Um diese hohen Ziele zu erreichen, ist gemeinsame einmütige Arbeit erforderlich. Sie kann nur geleistet werden bei fernerem Zu- sammenhalten aller Glieder unserer großen Gesellschaft und mit Zusammen- fassen ihrer sämtlichen wissenschaftlichen Hilfsmittel für die Zwecke unserer 10 Arbeitsgemeinschaft. V or allem muß ihre innere einmütige Geschlossenheit und ihre absolute Selbständigkeit gewahrt bleiben. Die Blüte der Natur- wissenschaft in unserem Heimatgebiet kann nur bei festem Zusammenschluß aller ihrer Trägen sich entfalten, und der altbewährte Kern für solchen Zu- sammenschluß muß wie seit nunmehr 179 Jahren auch fernerhin unsere Gesellschaft sein. Durch die Vielseitigkeit ihrer wissenschaftlichen Betäti- gungen, durch ihre Herkunft aus einem starken Volkstum ist sie der ge- eignetste Mittelpunkt für solchen Zusammenschluß. Diese Grundsätze sich zu eigen zu machen und dauernd daran festzuhalten, bitte ich Sie alle, denen die Zukunft unserer Gesellschaft am Herzen liegt. Es muß und wird gelingen, die uns alle drückenden wirtschaftlich wie politisch schweren Zeiten zu überstehen. Vertrauensvoll wollen wir in die Zukunft blicken. Zum Schluß sei mir gestattet, bei meinem Scheiden von dieser leitenden Stelle allen geehrten Mitgliedern des Vorstandes und aus dem weiten Kreise der Gesellschaft allen werten Mitgliedern, die getreulich mitgeholfen haben, das Gedeihen unserer Gesellschaft nach jeder Richtung werktätig zu fördern, nochmals herzlichsten Dank zu sagen. Es lebe, blühe und wachse die Naturforschende Gesellschaft zu Danzig! 10 11 Bericht über die Ordentlichen Sitzungen der Gesellschaft im Jahre 1921. 1. Sitzung am 5. Januar 1921. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden zum neuen Jahr und teilt die Namen der neu eingetretenen Mitglieder der Gesellschaft mit. Darauf erstattet er den Jahresbericht über das Jahr 1920. Darauf hält Herr Dr. L i e c k einen Yortrag über „Altern und Verjüngung.“ Vortragender bespricht die verschiedenen Theorien über die Ursachen des Alterns. Eine befriedigende Erklärung ist erst möglich durch Vergleich mit den Verhältnissen bei den Einzellern. Zwei Umstände sichern letzteren eine potentielle Unsterblichkeit, einmal ein ungestörter ßtoffwechsel, sodann die fortgesetzte Teilung unter Ausstoßung unbr auchbar gewordener Kernanteile. Im Vielzellen Staat, also auch beim Menschen, liegen die Verhältnisse wesentlich ungünstiger. Es kommt hier zur fortschreitenden Anhäufung ven Stoffwechselschlacken im Zelleib mit Schrumpfung der Zelle (Pig- mentatrophie). Die Teilungsfähigkeit gerade der wichtigsten Zellen, der Nerven- und Herzmuskeln, hört mit der Geburt iauf. Dadurch werden Altern und Tod bedingt. Alle Vorschläge, den Altersprozeß aufzuhalten oder gar rückläufig zu machen (Ver- jüngung), sind mit größter Kritik aufzunehmen. Aberglauben, Mystik und Suggestion spielen eine große und schwer zu übersehende Kölle. Sehr erhebliche Bedenken sind auch gegen die jüngste dieser Methoden zu erheben, die von Steinach empfohlene experimentelle Verjüngung durch Wiederbelebung der alternden Pubertätsdrüse. Über die Grundlagen des Steinachschen Verfahrens, insbesondere über den heutigen Stand unseres Wissens betreffs der inneren Sekretion, wird ausführlich berichtet. Die kritiklose Anwendung des Steinachschen Verfahrens, die marktschreierische Emp- fehlung in den Zeitungen (denen Steinach selbst als durchaus ernst zu nehmender Forscher natürlich fern steht) werden abgelehnt und davor gewarnt, Hoffnungen mit Tatsachen zu verwechseln. Die beste Gewähr für ein gesundes und langes Leben bleibt die ererbte gute Anlage. An den Yortrag schließt sich eine lebhafte Aussprache an. Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. 2. Sitzung am 12. Januar 1921. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, besonders die neu eingetretenen Mitglieder, und legt die neu cingegangenen Schriften i 12 vor. Darauf hält Herr Privatdozent Dr. E b e r s - Königsberg einen Vortrag über: „Die germanische Religion im Lichte der vorgeschichtlichen Bodenforschung.“ (Mit Lichtbildern.) Der Vortragende versuchte an der Hand eines größeren Anschauungsmaterials, das im Lichtbild vorgeführt wurde, nachzuweisen, wieviel die Geschichte der germa- nischen Religion, ursprünglich seit ihrer wissenschaftlichen Begründung durch Jacob Grimm das ausschließliche Forschungsgebiet der germanischen Philologie, der archäologischen Spatenarbeit in den letzten Jahrzehnten verdankt. Die ersten Spuren religiösen Empfindens erscheinen bereits in der Megalithgräberzeit des Nordens. Eine rituell ausgeprägte Verehrung der Sonne, einer Regen- und Fruchtbar- keitsgottheit, und des blitzenden und donnernden Himmelsgottes, herrscht schon in der älteren und jüngeren Bronzezeit und findet erläuternde Parallelen in der Religion anderer (europäischer und orientalischer) Völker des Altertums. Die germanischen Götter jener Perioden sind nicht menschengestaltig, sondern werden in der Form von Fetischen oder Symbolen verehrt. An das Ende der an religiösen Denkmälern armen vorrömischen Eisenzeit (c. 800 v. Chr. bis Chr. Geb.) gehören die Kultwagen von Dejberg, die mit dem von T a c i t u s geschilderten Nerthuskult in Verbindung gebracht werden. Eingehend besprochen wurde der Silberkessel von Gundestrup (Jütland, 2. Jahrh. n. Chr.). Der Vortragende sieht darin ein Opfergefäß germanischer Stämme im südöstlichen Europa, die unter dem Einfluß keltischer und kleinasiatischer Kulte standen. Seit dem 3. Jahrhundert n. Chr. entwickelt sich, wohl innerhalb einer kriege- rischen Hierarchie, aus anfänglichem Speerkult die Odinsreligion im südrussischen Gotenreiche und wandert von dort nach dem Norden. Ihr Fortschreiten, ihr schließ- licher Sieg und ihr Verhältnis zum älteren Thorskult wird dargelegt und dabei der Walhallglauben gestreift. Ein Fröbildchen (in orientalischer Weise sitzende Statuette) zeigt den starken und zersetzenden Einfluß des Orients auf die germanischen Vor- stellungen während der Wikingerzeit. Zum Schluß werden als Beispiele nordischen Tempelbaus am Ausgange der heidnischen Zeit isländische Ruinen vorgeführt. An den Vortrag schließt sich eine interessante Aussprache. Der Direktor dankt "dem Vortragenden und schließt die Sitzung. 3. Sitzung am 2. Februar 1921. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, insbesondere die neu eingetretenen Mitglieder und den Vortragenden des Abends, Herrn Studienrat Prof. Dr. Ehrlich- Elbing. Der Direktor legt außerdem den ersten Bericht der Elbinger Altertums- gesellschaft vor, der früher in den Schriften der Gesellschaft erschienen ist und jetzt unter dem Namen „Elbinger Jahrbuch. Zeitschrift der Elbinger Altertumsgesellschaft und der städtischen Sammlungen“ herausgegeben wird. Darauf hält Herr Studienrat Prof. Dr. Ehrlich- Elbing einen V ortrag ,,Zur Kultur der alten Pruzzen; Ergebnisse neuer Ausgrabungen und Forschungen bei Elbing.“ Der Osten unseres deutschen Vaterlandes ist verhältnismäßig spät in das Licht der Geschichte getreten. Als die Ordensritter ins Land kamen, fanden sie östlich der Weichsel in West- und Ostpreußen die heidnische Bevölkerung der Esten oder Pruzzen vor. Über ihre Kultur geben uns verschiedene Quellen Auskunft. Die literarischen 2 13 fließen zum großen Teil recht spärlich oder recht trübe. Wertvoll sind besonders die Berichte des Tacitus über die Ästier, die Vorfahren der alten Pruzzen, dann aus späterer Zeit die des Wulfs tan und Adams von Bremen, aus ordenszeitlicher Überlieferung schließlich die Chronisten Peter von Dusberg und Nikolaus Jeroschin; die späteren Chronisten bringen vielfach Legenden und Märchen. Eine weitere Quelle ist die Sprache der alten Pruzzen selbst, die seit 2*4 Jahrhunder- ten ausgestorben, aber in einigen Katechismusübersetzungen und in dem umfang- reichen Elbinger Vokabular uns erhalten ist. Als dritte Quelle kommen dann die archäologischen Ergebnisse der Bodenforschung wesentlich in Betracht. Der Vortragende sprach zuerst über die Abstammung der Pruzzen. Die Pruzzen bildeten mit den Litauern und Letten eine besondere Gruppe des indogermanischen Sprachstammes. Sie sind keine Germanen, aber auch keine Slawen. In der letzten vorgeschichtlichen Periode, die für Westpreußen als slawisch-pruzzisch zu bezeichnen ist, sind die Pruzzen die Bewohner Altpreußens. Die Pruzzen sind die Nachkommen der Ästier, die nach Tacitus als östliche Nachbarn der Goten im Bernsteinlande wohnten. Nach Auswanderung der Goten zogen sie um 500 n. Chr. in das entvölkerte, herrenlos gewordene Land ein. Sie verschmolzen mit den Resten der gotischen Be- völkerung. Der germanische Einfluß trat in ihrer Kultur allmählich zurück. Der westlichste vorgeschobene Pasten der von den Pruzzen vertretenen Dekadenzkultur ist die Elbinger Gegend. Auch Wulf st an bezeichnet in seinem bekannten Reise- berichte (um 890 n. Chr.) die Weichsel als Grenze zwischen den Wenden und Esten. Unter Weichselmünde ist bei Wulfstan das alte Nehrungstief bei Vogelsang (Fr. Nehrung) zu verstehen. Die Forschungen der Elbinger Altertumsgesellschaft im Jahre 1919 haben als wahrscheinliche Lage des Tiefs eine Senke ermittelt, die sich zwischen Vogelsang und Bodenwinkel in nordwestlicher Richtung vom Haff zur See hinzieht. Dieses Tief war zur Ordenszeit schon versandet. Der Vortragende verliest zunächst, um ein allgemeines Kulturbild der Pruzzen vor ihren Kämpfen mit den Ordensrittern zu bieten, die Berichte W ulfstans und Adams von Bremen. Er spricht dlann, zu eigenen Forschungen übergehend, von den Siedlungen der Pruzzen. Die Pruzzen hatten keine Städte, sondern nur Dörfer oder einzelne Gehöfte. Bei Elbing wmhnten sie auf den Höhen nördlich und östlich von der Stadt, wo Spuren von Siedlungen auf getaucht sind. Größere Siedlungen sind bisher nicht beobachtet worden, da die Bodenforschung in dieser Beziehung bisher in unsern Gegenden so gut wie ganz versagt hat. Vielfach werden die alten Pruzzen- siedlungen an der Stelle der heutigen Dörfer gelegen haben, durch die ihre Spuren vernichtet sind. Wulfstans Truso ist gleichfalls im Gebiet der höher gelegenen Vorstädte von Elbing zu suchen. Im Weichbilde der inneren Stadt kann es nicht gelegen haben. Die Ordensschloßforschungen der Elbinger Altertumsgesellschaft im Jahre 1919 haben ergeben, daß die Ordensritter das Gebiet erst durch Deiche und Pfahlroste bebaubar gemacht haben. Zu den Siedlungsstätten sind auch die Burgwälle zu rechnen. Die Erforschung derselben ist bisher, von wenigen Fällen abgesehen, im Osten ziemlich oberflächlich gewesen. Zumal die hohen Konten verhindern eine gründ- liche Untersuchung. Die Burgwälle sind teils Kultstätten, teils Burgen zum Schutze der Bevölkerung und der benachbarten Siedlungen. Der Burgwall bei Lenzen, Kr. Elbing, der sogenannte Hünenberg, ist nach Ansicht des Vortragenden sowohl Kult- stätte, wie Fliehburg gewesen. Die alten Pruzzen hatten einen Naturdienst. Sie ver- ehrten Sonne, Mond, Sterne, den Donner, Vögel und Tiere. Sie hatten heilige Haine und Gewässer. Die später auftauchenden Götternamen sind meistens christliche Er- findung. Auf dem Burgwalle bei Lenzen sind Spuren eines Sonnenkults nachweisbar. Der Vortragende berichtet über neuere Beobachtungen der Befestigungskunst der alten Pruzzen und über vorläufige Untersuchungen neuentdeckter Burgwälle bei Koggen- 14 höfen und Neukirch Höhn, beide im Elbinger Kreise. Der Abschnittswall bei Behberg (Cadinen) ist ein Teil einer größeren Burganlage. Auf dem Gräberfelde von Benken- stein-Freiwalde (Kr. Elbing) ist 1912 ein Wohnhaus der alten Pruzzen aufgedeckt worden. Es ist eine Pfahlhütte die durch eine Zwischenwand in zwei Bäume geteilt war. In der Hütte ist ein Pferdeopfer und eine Menschenbestattung nachgewiesen. Die Hütte hatte viereckigen Grundriß, sie maß 4 m im Quadrat. Die Wände bestanden aus Flechtwerk. Nach den Fundgegenständen im Innern der Hütte ist sie etwa um 700 n. Chr. erbaut. Über dieses pruzzische Wohnhaus befindet sich ein genauer Bericht des Vortragenden in der „Danziger Zeitung 4 vorn 14. November 1912. Die Pruzzen haben ihre Toten im Gegensätze zu den Slawen nur verbrannt. Noch 1342 war diese Sitte nicht ausgestorben. Sie hatten eine sehr materielle Auffassung vom Leben nach dem Tode. Darauf sind ihre Begräbnisgebräuche zurückzu führen. Bei Elbing sind zwei größere Gräberfelder untersucht, das vom Silberberg bei Lenzen (500 — 700 n. Chr.) und von Benkenstein-Freiwalde (etwa 600 — 1200). Die neueren Unter- suchungen haben die Berichte Peters von Dusburg und Simon Grunaus bestätigt, daß es den verschiedenen Ständen bei den alten Pruzzen entsprechend auch verschiedene Begräbnisarten gab. Die vornehmsten Gräber sind die der Häuptlinge und Könige (reiks). Mit dem Toten wurden oft sein Pferd, auch sein getreues Weib, Diener usw. bestattet. Bei den Pferdeskeletten fanden sich mehrfach reiche Zaum- beschläge aus Bronze und Trensen. Funde von Bötel lassen auf die Sitte schließen, sich das Gesicht rot zu färben. Die älteren Gräber sind durch regelmäßige Stein- packungen ausgezeichnet. Die Annahme einer Anordnung der Gräber in Beihen läßt sich nicht aufrecht erhalten. Die Kultur der bei Elbing wohnenden Pruzzen ist dem masurischen Kulturkreise der Völkerwanderungszeit verwandt. Die Einwanderung ist daher wahrscheinlich aus Masuren erfolgt. Auch neuere Grabfunde vom Gräberfelde von Benkenstein über die der Vortragende zuletzt berichtet, sprechen für die Verwandtschaft der Elbinger Pruzzenkultur mit der masurischen. An den Vortrag schließt sich eine rege Aussprache. Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. 4. Sitzung am 16. Februar 1921. Der Direktor eröffnet die Sitzung und begrüßt die neu eingetretenen Mitglieder. Darauf hält Herr Prof. Dr. Strem me einen Vortrag über „Die Bodenschätze des Freistaats.“ Erz- und Salzlagerstätten, die möglicherweise im Untergrund unseres Gebietes vorhanden sind, lagern dort in praktisch nicht erreichbarer Tiefe; die Steinkohlen- formation ist bei uns wahrscheinlich überhaupt nicht vertreten. Durchschnittlich in 100 Meter Tiefe unter Erdoberfläche haben die zahlreichen Bohrungen in der Gegend von Danzig die Kreideformation angetroffen, deren Gesamtmächtigkeit etwa 600 Meter beträgt. Der Kreidekalk dieser Formation kann nicht nutzbar gemacht werden, weil er zu tief liegt; doch ist die Kreideformation für uns wichtig als wasserführende Schicht, die z. B. bei Saspe in etwa 150 Meter Tiefe reichlich Wasser ergeben hat. Interessant und wertvoll ist die Tertiärformation. Das Unter-Oligocän ist an verschiedenen Stellen an der Erdoberfläche nachweisbar, doch nicht als anstehendes Gestein, sondern als mächtige Schollen, die zur Diluvialzeit vom Inlandeis losgerissen, fortgeführt und dann wieder abgelagert wurden. In oligocänen, glaukonithaltigen Sanden kommt Bernstein vor; wo derartige Schichten zutage treten, ist früher vielfach nach Bernstein gegraben worden. Die gleiche Schicht führt Phosphorit-Knollen, die 4 15 ein wertvolles Düngemittel liefern können, da sie durchschnittlich 25 Prozent phos- phorsauren Kalk enthalten. Leider ist aber das Vorkommen der phosphoritführenden Schichten so zerstreut und meist von so geringer Mächtigkeit, daß ein Abbau im großen sich nicht lohnt. Wie das Oligocän, so findet sich auch das Miocän oder die Braunkohlenformation, bestehend aus Tonen, Sande n und kleinen Braunkohlenflözen, vielfach in Schollen an der Erdoberfläche. Braunkohle ist ferner an vielen Stellen erbohrt worden, z. B. bei Zigankenberg bei etwa 100 Meter, bei Heiligenbrunn in 35 Meter, bei Brösen in 26 bis 29 Meter Tiefe. Die Mächtigkeit der Braunkohlenschicht beträgt zwar bis zu sechs Meter, doch handelt es sich meist um stark durch Ton ver- unreinigtes Material. Diese Tatsache wie auch das sehr zerstreute Vorkommen in Miocänschollen lassen den Abbau wenig lohnend erscheinen. Immerhin sind die Auf- sohlußarbeiten hinsichtlich der Braunkohlenvorkommen im Freistaatgebiet noch nicht weit genug vorgeschritten, um diese Frage endgültig beurteilen zu können. Diluvium und Alluvium enthalten mancherlei technisch nutzbare Stoffe. Kalk findet sich als Kalktuff d. h. als poröser, durch Ablagerung kalkhaltiger Quellwässer in Wasserbecken entstandener Kalk, mehrfach in unserem Gebiet, namentlich im Ra- daunetal, und ist gut verwertbar für Kalkbrand zu Bauzwecken. Die vorhandenen Lager sind nicht unbeträchtlich (bei Lappin bis 10 Meter mächtig). Ein bedeutendes Vorkommen von Wiesenkalk, der als Ablagerung im ehemaligen Seebecken entstanden ist, findet sich in der Danziger Niederung vor der Mündung des Radaunetales in das Weichseldelta. Dieser Kalk ist zwar für Bauzwecke schlecht verwendbar, weil er gips- haltig ist, würde sich aber zur Herstellung von Zement eignen. Der dazu notwendige Ton könnte aus einem in der Niederung nicht weit davon liegenden Tonlager gewon- nen werden. Töpfereiton ist kaum im Freistaat vorhanden. Das einzige bis jetzt be- kannte Vorkommen von Töpferton in der Hartmamnschen Ziegelei bei Zigankenberg kann technisch nicht ausgenutzt werden. Material für Ziegeleizwecke haben wir in ausreichender Menge, wenn wir auch durch die neue Grenze von dem bedeutenden Ton- vorkommen in dem großen, diluvialen Becken bei Bissau, Kokoschken, Mattem, Espen- krug usw. abgeschnitten sind. Eine ähnliche Lagerstätte findet sich bei Zoppot, wo Bänderton abgebaut wird. Neben Ton wird vielfach auch Geschiebemergel zur Her- stellung von Ziegeln verwendet. An Lehm zu Lehmbauten, die jetzt wieder in Auf- nahme kommen, fehlt es auch nicht. Torf, allerdings von meist schlechter Beschaffen- heit, findet sich in vielen kleinen, beckenartigen Ablagerungen auf der Höhe; der Torf aus der Niederung ist vielfach besser, z. B. lagert hochwertiger Torf vor der Radaunetalausmündung in die Niederung. Wertvolle Kieslager sind bei Zoppot, Lappin und anderen Orten vorhanden. Im großen und ganzen ist der Reichtum an Bodenschätzen im Freistaat zwar nicht groß; wenn aber das wenige, was vorhanden ist, voll und richtig ausgenutzt wird, bildet es doch einen wertvollen Besitz für uns. An den Vortrag schloß sich eine angeregte Anssprache. Der Direktor dankt dem Vortragenden nnd schließt die Sitzung. 5. Sitzung am 2. März 1921. Der Direktor eröffnet die Sitzung und begrüßt die neuen Mitglieder. Darauf hält Herr Privatdozent Dr. Geister - Greifswald einen Vortrag über: „Der Gang der Besiedelung und die Siedelungsformen des Weiclisellandes.“ Im Mittelpunkte der Betrachtung stand der Gedanke, daß die Kulturlandschaft, wie wir sie heute vor uns sehen, das Werk deutscher Arbeit und deutschen Geistes ist, daß bei der Umwandelung der Naturlandschaft in die Kulturlandschaft in dem geolo- 16 gisch jungen Lande bedeutend größere und einschneidendere Veränderungen in der Morphologie des Landes vor sich gegangen sind als etwa in südlicheren Teilen Deutschlands. Die Germanen, die in vorgeschichtlicher Zeit das Weichselland bewohnten, konnten mit ihren einfachen Werkzeugen noch nicht viel bei der Umgestaltung mit- wirken. In jungneolitischer Zeit waren denn auch nur die Grasländer und die großen Lichtungen im Walde sowie die Ränder an der damals noch nicht ausgefüllten Weichselniederung bewohnt. Erst in der Bronze- und Eisenzeit siedelten sich die Be- wohner auf dem Diluvialplateau an. Die Niederungen im Weichseltale aber konnten auch in frühgeschichtlicher Zeit nicht besiedelt werden, und die im sechsten Jahr- hundert einwandernden Slawen waren nicht imstande, hier Fuß zu fassen. Es ist das der nicht hoch genug anzuschlagenden, kolonisatorischen Tätigkeit des deutschen Ordens Vorbehalten geblieben, hier den grundlegenden Schritt zur Gewinnung frucht- baren Acker- und Wiesenbodens getan zu haben. Von Marienburg aus wurde besonders nachhaltig die Kolonisation der Delta-Niederung betrieben. Es wurde eine ganze An- zahl von Neugründungen vorgenommen und dem starksumpfigen und den Überschwem- mungen ausgesetzten Gebiet soviel Kulturland abgerungen, wie es irgend möglich war. Wenn man so den Besiedelungsgang im Weiehseldelta verfolgt, erhält man wertvolle Beiträge zur Lösung des Problems der Zufüllung des Deltas durch die Sinkstoffe der Weichsel, die um so mehr zu begrüßen sind, als bei so schnellen Verlandungsvorgängen die geologischen Methoden mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Es ergibt sich aus dem Besiedelungsgang, welche Teile der Werder zuerst zugeschüttet und zu festem Lande geworden sind. Vor der Ordenszeit gab es schon zwei größere „Werder“ d. h. Inseln inmitten des Sumpf geländes, die eine zwischen Mottlau und geteilter Weichsel, die andere mit dem Mittelpunkt bei Neuteich. Die Nogat muß früher ein sehr bedeu- tender Mündungsarm gewesen und auf die Richtung des Drausensees geflossen sein. Plötzlich aber hat der Zustrom der Sinkstoffe auf gehört und es trat eine große Ver- langsamung der Verlandungsvorgänge im heutigen kleinen Marienburger Werder ein, während die Verlandung im Norden auf Richtung Neufähr starke Fortschritte machte. Eine breite Rinne hat aber noch lange an dem westlichen Höhenrande von Dirschau bis Danzig bestanden. Wenn man bisher als Südufer eines wichtigen Stadiums des Urhaffs die Linie von Danzig über Tiegenhof nach Elbing annahm, so kommt man auf Grund des Besiedelungsganges zu dem Ergebnis, daß die Uferlinie im östlichen Teile stark nach Süden zurückbog und die ganze heutige Drausenseeniederung noch mit dem Urhaff in Verbindung stand. Der Drausensee ist ein Relikt aus dieser Zeit. Eine von dem Vortragenden gezeichnete Karte veranschaulichte diese Verhältnisse. Auch über die Verlandungsvorgänge in der Marieniwerderer Niederung konnte mit gleichen Methoden Klarheit geschafft werden. Es zeigte sich die interessante Tat- sache, daß zur Lösung dieser Frage die Ergebnisse der prähistorischen und der histo- rischen Wissenschaft wertvolle Beiträge zu leisten imstande sind. Geologie und Ge- schichte erweisen sich auch hier als die unerläßlichen Hilfswissenschaften für die Geographie. Das Gleiche zeigt sich, wenn man die Siedelungsformen eines Landes beschreiben und erklären will. An den Vortrag schließt sich eine rege Aussprache. Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. 6. Sitzung am 23. März 1921. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, insbesondere die neu eingetretenen Mitglieder. Der Direktor macht Mitteilung von der Neueinrichtung einer Sektion für Astronomie und legt die neu eingegangenen 6 17 Schriften, besonders ein Werk des Herrn Dr. Lux vor. Darauf hält Herr Prof. Dr. W alienberg einen Vortag über „Anatomische Beiträge zu Problemen der Empfindung, Wahrnehmung und Beobachtung“, mit Demonstration von schematischen Zeichnungen und Lichtbildern. An drei Beispielen der Selbstbeobachtung sucht der Vortragende den Nachweis zu führen, daß zentrifugale Momente bei der Entstehung der Empfindungen und Wahrnehmungen eine nicht unbedeutende Bolle spielen. Mit Hilfe von schematischen Zeichnungen und Lichtbildern zeigte er, daß bei Vögeln eine zentrifugale Bahn aus einem Ganglienzellkern in der Nähe des Mittelhirndaches (der zentralen Endstätte des Sehnerven) zur Ganglienzellschicht der Netzhaut führt, daß dieser Kern anschei- nend auch durch andere sensible Beize erregbar ist, daß ferner bei Knochenfischen eine Verbindung der Biechnerven mit der Sehleitung besteht. Bei Vögeln konnte der Vortragende auch ein Faserbündel vom Gesichtsnerven- (Trigeminus-)Zentrum im ver- längerten Mark (wahrscheinlich dem Endpunkte der Geschmacksbahn und anderer sensibler Wege aus der Schleimhaut des Mundes, der Zunge und der Nase) bis zu den vordersten Teilen der Großgehirnbasis, in die nächste Nähe der Bieehnerven-Endstätte verfolgen. Ob diese Verbindung zweier Sinnesgebiete zu Empfindungen führt, die qualitativ von Geruch und Geschmack verschieden sind und als eigener „Oralsinn“ nach Edingers Vorschlag eine spezifische Bedeutung gewinnen, oder ob lediglich eine „Sensibilisierung“ (Erhöhung der Aufnahmefähigkeit) der Biechzentren durch gleichzeitige Geschmacks-usw.-Beize und umgekehrt zustande kommt, können erst spätere Untersuchungen entscheiden, da die fragliche Bahn bei Säugern, insbesondere beim Menschen, noch nicht einwandfrei nachgewiesen ist. Wie das Zentrum des einen Sinnesgebietes durch zentrifugale Verbindungen aus einem anderen sensibilisiert werden kann, so bietet eine längst bekannte zentrifugale Bahn aus der Großhirnrinde zu den tertiären Sinneszentren im Zwischenhirn, wo sensible und sensorische Beize aus allen Teilen des Körpers zusammenströmen, die Möglichkeit einer Sensibilisierung dieser Zentren vom Organ des Bewußtseins her und wird damit zu einer wuchtigen anatomischen Grundlage für den noch ganz ungeklärten Vorgang der Aufmerksam- keit. Diese Hypothese bedarf noch weitgehender Kontrolle durch anatomische, psycho- physiologische und pathologische Untersuchungen, ist aber geeignet, gewisse Ausfall- erscheinungen bei Blutungen und Erweichungen an der Grenze des Zwischenhirns zu erklären, insbesondere die halbseitige Störung der Aufmerksamkeit. An den Vortrag schließt sich eine angeregte Aussprache. Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. 7. Sitzung am 6. April 1921. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, besonders die neu eingetretenen Mitglieder. Er zeigt die Zwitterbildung eines Herings (von Herrn Kreisarzt Dr. Rosenbaum eingesandt). Darauf hält Herr Dr. Kais er einen Vortrag über „Die wissenschaftlichen Grundlagen der Wettervorhersage.“ Der Wunsch des Menschen, das Wetter im voraus zu kennen, ist so alt, wie die Geschichte der Menschheit selbst. Wesentliche Erfolge in der Wettervorhersage konnten aber erst erzielt wrerden durch die Möglichkeit rascher Übermittelung von Wetternachrichten auf große Entfernungen hin, wie sie im vorigen Jahrhundert 2 ■ Sehr. d. N. G. zu Danzig. Jahresber. 1921. 7 18 durch den Telegraphen gegeben wurde. Veranlaßt durch verschiedene Wetterunfälle während des Krimkrieges trat zuerst Frankreich mit einem Plane für die Organi- sation eines Wettervorhersagedienstes auf; der dann rasch verwirklicht wurde und dem auch die anderen Staaten Europas folgten. Als Grundlagen der wissenschaftlichen Wettervorhersage werden die synoptischen Wetterkarten benutzt, die, zuerst von Brandes angewandt, auf den Beobachtungen eines über ganz Europa verteilten Netzes von Stationen beruhen. Diese Stationen beobachten obligatorisch drei mal am Tage, um 8 Uhr vormittags, 2 Uhr nachmittags und 7 Uhr abends den Barometerstand, dessen Änderung der Größe und Art nach die Windrichtung und -Stärke, den Himmelszustand, die Temperatur und den Witterungs- verlauf. Die Beobachtungen werden in Zahlen verschlüsselt und sofort telegraphisch nach den meteorologischen Zentralstellen der einzelnen Länder (in Deutschland der Seewarte Hamburg) durchgegeben. Die Einzelergebnisse, zu Wetterkarten zu- sammengestellt, bilden nun die Grundlage der Wettervorhersage. Je nachdem, welche Witterungselemente besonders berücksichtigt werden, unterscheidet man Druck-, Temperatur-, Strömungskarten usw. Bei den Luftdruckkarten, die die gewöhnlichen Wetterkarten darstellen, sind die Orte gleichen Luftdruckes durch die sogenannten Isobaren verbunden, so daß man daraus eine Übersicht der Luftdruckverhältnisse ge- winnt und Gebiete hohen und niedrigen Luftdrucks unterscheiden kann. Aus der Verfolgung dieser Wetterkarten viele Jahre hindurch hat man nun Schlüsse auf das zukünftige Wetter zu ziehen geplant. Es sind sogenannte Wetter- regeln entstanden, zum Beispiel, daß man bei dem Herannahen eines Tiefdruck- gebietes schlechteres, windiges Wetter Voraussagen kann oder daß um ein Tiefdruck- gebiet herum der Wind im Antiuhrzeigersinn weht. Ferner kann man Angaben über die zu erwartenden Temperatur- und Feuchtigkeitsverhältnisse machen. Von einer exakten Behandlung des Problems der Wettervorhersage sind wir jedoch noch weit entfernt. Hierzu müßten uns für einen gegebenen Augenblick und für jeden Punkt des Luftmeers die Strömungs-, Temperatur-, Feuchtigkeits- und Druckverhältnisse bekannt sein. Auch müßten die Lösungen der daraus sich er- gebenden Differentialgleichungen gefunden werden. Diese Gleichungen sind aber vorläufig nicht auflösbar. Wir können jedoch mit dem bisherigen Ergebnis der Wettervorhersage uns begnügen, denn 80 bis 90 Prozent Treffer deuten auf die Fortschritte hin, die man im Laufe der Jahre zu machen gewußt hat. An den Vortrag“ schließt sich eine interessante Aussprache. Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. 8. Sitzung am 20. April 1921. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, besonders die neu eingetretenen Mitglieder und legt das neueste Heft der Schriften der Gesellschaft vor. Darauf hält Herr Dr. Stute, leitender Tierarzt des Serum-Laborato- riums des Verbandes der Westpreußischen Landwirtschaft (e. V.) in Danzig, einen V ortrag über „Tierkrankheiten, die gelegentlich den Menschen gefährden.“ Der Vortragende unterzog den Milzbrand, die Rotzkrankheit, die Tollwut, die Maul- und Klauenseuche und die Tuberkulose einer eingehenden Besprechung und demonstrierte einige konservierte Präparate. Solche Personen sind besonders durch Rotz und Milzbrand gefährdet, die mit der Wartung und Pflege kranker Tiere zu 8 19 tun haben oder die mit der Zerlegung der Kadaver der an diesen Krankheiten gefallenen Tiere beschäftigt und dabei unvorsichtig sind. Die Tollwut ist eine ansteckende Krankheit, welche bei Tieren und Menschen durch den Biß wutkranker Tiere verursacht wird. Gebissene Menschen müssen der Schutzimpfung unterzogen werden, welche gute Erfolge gezeitigt hat. Durch den Genuß von Milch von an Maul- und Klauenseuche erkrankten Tieren können Men- schen erkranken und besonders Säuglinge sterben. Die Tuberkulose ist. die verbreitetste Rinderkrankheit, gegen die es zur Zeit einen sicher wirkenden Impfstoff noch nicht gibt. Die Bekämpfung wird durch Aus- merzung der offen kranken Tiere angestrebt. Die neuesten Forschungen auf dem Gebiet der Schutzimpfung gegen Tuberkulose scheinen erfolgverheißend zu sein. Gegen die Verbreitung dieser Krankheiten und zum Schutz der Menschen sind strenge Vorschriften durch das Reichs Viehseuchen gesetz und durch das Fleisch- beschaugesetz getroffen. An den Vortrag* schließt sich eine sehr angeregte Anssprache. Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. 9. Sitzung am 4. Mai 1921. Der Direktor eröffnet die Sitzung, Begrüßt die Anwesenden, Besonders die neu eingetretenen Mitglieder. Der Direktor macht auf den 88. Geburtstag des Ehrenmitgliedes der Gesellschaft, Herrn Geheimen Studienrat Prof. Dr. Bail, aufmerksam und erbittet die Erlaubnis der Versammlung, ihm im Namen der Gesellschaft einen Glückwunsch zu senden. Der Direktor weist ferner auf die nächsten Vorträge und die nächste außerordentliche Sitzung hin, in der die neuen Satzungen der Gesellschaft beraten werden sollen. Darauf hält Herr Dr. von Holst einen Vortrag über: „Streifzug durch die Geschichte der Psychologie.“ Gewaltige Wissensgebiete müssen im Sturmschritt durchmessen werden, um einen noch so flüchtigen Überblick über eine jahrtausendelange Entwickelung zu ermöglichen. Nach langen Zeiten scholastischer Unfruchtbarkeit und spekulativer Willkür vollzieht sich in England um die Mitte des 18. Jahrhunderts ein Umschwung: Auf Aristoteles zurückgreifend, begründen Locke, Haue und Hartley die Associationspsychologie. Aber ein noch bedeutsamerer Fortschritt ist 100 Jahre später in Deutschland zu verzeichnen, als H e r b a r t die Mathematik und Fechner das Experiment in die Seelenkunde einzuführen wagen. Seitdem wird versucht, gemessen und berechnet, kurzum das Rüstzeug der exakten Naturwissenschaften zur Erfor- schung der bisher für so unzugänglich gehaltenen Seelengebiete auf geboten. Nach dem Psychophysiker Fechner folgt die denkwürdige Epoche der physiologischen Psycho- logie Wilhelm Wundts, der an der Leipziger1 Universität das erste vorbildliche Institut für experimentelle Seelenkunde gründet. Das besondere, menschliche, selb- ständige Eingreifen, das über dem mehr zufälligen Spiel der Vorstellungsassoziationen steht, faßt Wundt unter der Bezeichnung Apperzeption zusammen, in der Wille und Aufmerksamkeit wurzeln sollen. Von hirnanatomischer Seite war mittlerweile sicher- gestellt, welches Organ des menschlichen Körpers zum seelischen Geschehen in engster Beziehung steht — die Gehirnrinde. Durch diese Ermittelung war manche Frage- stellung für die neue Psychologie vereinfacht worden. Seit der letzten J ahrhundert- wende ist sie zur selbständigen Wissenschaft heran gereift, die mit eigenen Methoden 2* 9 20 an immer neuen — auch praktischen — Aufgaben herantritt, und eine Anzahl anderer Disziplinen, vor allem die Irrenheilkunde, das Strafrecht, die Erziehungslehre würden ihre Dienste heute ungern missen. Unter dem Namen Psychoteohnik hat schließlich Hugo Münsterberg, ein geborener Danziger, sinnreiche Nutzanwen- dungen der Experimentalpsychologie ersonnnen, um in jedem Beruf den geeignetsten Mann auf den richtigen Platz zu stellen, bevor Unheil oder wirtschaftlicher Schaden entstanden. Aber auch die unbekannten Naturkräfte sollten mehr und mehr von den, am besten dazu vorbereiteten, exakten Psychologen erforscht werden, die weder gläubig noch ungläubig, sondern vorurteilsfrei an Gebiete herantreten müssen, ajuf denen sich bisher, von wenigen namhaften Astronomen abgesehen, fast nur betrogene Betrüger getummelt haben. An den Vortrag schließt sich eine sehr eingehende Aussprache. Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. 10. Sitzung am 19. Oktober 1921. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, insbesondere die neu eingetretenen Mitglieder und den Vortragenden des Abends, Herrn Prof. Dr. Ramsau er. Der Direktor macht ferner Mitteilung über die demnächst stattfindenden Vorträge, über das neueste Heft der Schriften der Gesellschaft und weist auf die neu redigierten und gedruckten Satzungen der Gesellschaft hin. Darauf hält Herr Prof. Dr. Ramsauer einen Vortrag über den „Gegenwärtigen Stand der Röntgenstrahlenphysik“ (mit Vorführung von Modellen, Lichtbildern u. a.). An den Vortrag knüpft sich eine interessante Aussprache. Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. 11. Sitzung am 2. November 1921. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, besonders die neu eingetretenen Mitglieder. Darauf hält Herr Dr. Liek einen Vor- trag über: „Röntgenstrahlen und Heilkunde. Ein Rückblick auf 25 Jahre“ (mit Demonstration von Lichtbildern). Die Böntgenstrahlen sind für die Heilkunde nach zwei Richtungen hin von größter Bedeutung, einmal alis diagnostisches Hilfsmittel, zweitens als Heilmittel. Nach einem kurzen Überblick über den Ausbau der Röntgentechnik wird an der Hand von Lichtbildern der heutige Stand der Röntgendiagnose erörtert, einige neuere Verfahren, wie das Pneumoperitoneum näher beschrieben. Es gibt keinen Zweig der Heilkunde, der nicht aus der Entdeckung Röntgens den größten Nutzen gezogen hätte. In erster Linie natürlich die Chirurgie, daneben aber auch die innere Medizin und die anderen Sonderfächer der theoretischen und praktischen Heilkunde. Weniger ausgebaut, aber auch sehen recht umfangreich ist das Gebiet der Röntgentherapie. Ausgehend von den biologischen Wirkungen der Röntgenstrahlen (Wachstumsförderung durch kleine Dosen, Wachstumshemmung, ja Zerstörung durch große Dosen) hat man zunächst oberflächlich gelegene Krankheiten, insbesondere eine große Reihe von Hautkrankheiten mit Erfolg der Strahlenbehandlung unter- 10 21 zogen. Ber Bau stärkerer Apparate, vor allem die Konstruktion leistungsfähiger Röhren, ferner die Metallfilterung, durch die die weichen, der Haut schädlichen Strah- len abgefangen werden, haben aber auch die Behandlung tiefer gelegener Organe er- möglicht (Röntgen-Tiefentherapie). Ausgezeichnete Erfolge werden erzielt bei der Tu- berkulose der Lymphdrüsen, der Knochen und Gelenke, ferner bei der Behandlung ge- wisser Gebärmutterblutungen (Klimakterium, Myom). Noch nicht gelöst ist das Problem der Strahlenbehandlung des Krebses. Wenn auch hier bereits sehr beachtens- werte Erfolge erzielt sind, so ist doch von einer Heilung des Krebses durch die Strahlen noch nicht zu sprechen. An den Vortrag schließt sich eine interessante Anssprache. Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. 12. Sitzung am 16. November 1921. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, insbesondere die neu eingetretenen Mitglieder. Darauf hält Herr Dr. Hücker einen Vor- trag über „Ostwalds neuer Farbenatlas“ (mit Vorführungen). Es wurde zunächst ein historischer Überblick gegeben über die Entwickelung der Farbenlehre bis W. Ostwald. Von Isaak Newton, als dem Begründer der physi- kalischen Optik, ausgehend, ging die Entwickelung über die Systematiker Lambert und Ph. Otto Runge, über das Universalgenie G o e t h e zu den physikalisch-physio- logischen Entdeckungen Helmholt z’ und Maxwells, um schließlich durch den Physiologen Hering der Farbenlehre einen berechtigten Platz in der Psychologie zu bereiten. Auf den geschaffenen Unterlagen und durch seine Vorgänger befruchtet, baute nun W. Ostwald seine Lehre auf. Nachdem zunächst das Wort „Farbe“ der reinen Empfindung Vorbehalten und der Unterschied zwischen „bezogener“ und „unbe- zogener“ Farbe geklärt ist, erfolgt die Gliederung der gesamten Farbenwelt in die „bunte“ und „unbunte“ und die Ableitung der wichtigsten Gesetze für die Aufstellung von psychologisch gleichen Stufen an der „einfältigen“ Reihe der grauen Farben. Für die „dreifältige“ Mannigfaltigkeit der Farbengesamtheit geben dann Farbendreiecke in Verbindung mit Farbtonkreisen den Farbendoppelkegel, der nun in sich jede nur mög- liche Farbe begreift. Die zahlenmäßige Festlegung und Bezifferung einer beliebigen Farbe mit Hilfe genauer Meßmethoden wurde angegeben und die „Normung“ in Ge- stalt einer Beschränkung auf eine endliche Zahl durch „Farbzeichen“ für den prak- tischen Gebrauch handlich gemachter Farben mitgeteilt. Die von 0 s t w a 1 d auf diesen Grundlagen hergestellten Sammlungen von Farben, vom „Farbatlas“ beginnend, über „Farbkörper“, „Farborgel“ zu den „Farbtonleitern“ und „Farbkreisen” wurden kurz erläutert und vorhandene Verschiedenheiten erklärt. Zum Schluß wurde auf die Bedeutung der Lehre für Gewerbe und Kunst hingewiesen und einige Andeutungen über ihre Aufnahme in den betreffenden Kreisen gemacht. Einfache Vorführungen und Versuche dienten zur Erläuterung des Mitgeteilten. An den V ortrag schließt sich eine angeregte Anssprache. Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. 13. Sitzung am 7. Dezember 1921. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, insbesondere die neu eingetretenen Mitglieder und die zahlreichen Gäste. u 22 Der Direktor teilt mit, daß der Sparkassen-Aktienverein aus Anlaß seines hundertjährigen Bestehens 10 000 M der Gesellschaft für ihre Zwecke gestiftet hat und spricht im Namen der Gesellschaft den herzlichsten Dank aus. Er macht ferner Mitteilung von weiteren Spenden für die Gesellschaft (besonders von Herrn Kommerzienrat W i e 1 e r). Der Direktor legt ferner Schriften des Herrn Geheimrat J entzsch, Korrespondierendem Mitgliede der Gesellschaft, vor, die er der Gesellschaft mit herzlichen Grüßen gesandt hat. Er legt ferner eine Schrift vor, die der Danziger Sparkassen-Aktienverein anläßlich der Feier seines hundert- jährigen Bestehens herausgegeben hat. Der Direktor berichtet über ein Schreiben des Herrn Prof. Dr. Geißler - Greifswald, in dem er der Gesell- schaft mit herzlichen Grüßen seinen Dank ausspricht für die den Mitgliedern der Geographischen Gesellschaft in Greifswald im Sommer gewährte Gast- freundschaft. Darauf hält Herr Studienrat Hab ermann einen Vortrag über: „Finnland, ein landeskundlicher Überblick“ mit Vorführung von Karten und Atlanten. Dem B a u und Boden nach bildete das Land mit Skandinavien zusammen einst den Kern eines meerumschlossenen Festlandes Fennoskandia. Der aus Gneissen, Rapakivi-Graniten und Schiefern bestehende Berggrund wird von einer bisweilen fadenscheinigen, eiszeitlichen Moränendecke verhüllt. Die Oberflächenformen der mittelfinnischen Seenplatte, des Küstengürtels und Schärenkranzes erweisen den um- gestaltenden Einfluß des Inlandeises, insbesondere die roches montonnees, Oser und Salpaus-Selkä-Endmoränen. Die seit jüngster geologischer Zeit anhaltende Hebung der Ostseeküste (bei Sundevall 150, Wasa 77, Hangö 50 cm in 100 J.) zwingt die meisten Küsten städte dort zur Anlage besonderer Hafenstädte. — Trotz der nördlichen Lage und der Nähe der russisch-asiatischen Landmassen herrscht ein verhältnismäßig gün- stiges Seeklima mit Westwinden vor. In manchen Jahren muß das Hauptgewerbe des Landes, die Landwirtschaft, gegen tückische (Sommernachtfröste ankämpfen. — Das „Land der 40 000 Seen“ wird durch drei Flußzüge entwässert: Saima-Wnoksen, Päijänne-Kymene und Pyhäjärvi-Kumo. Die nie versagenden Kraftquellen der ständig gefüllten Wasserbecken und Stromschnellen harren noch der technischen Aus- nutzung, ebenso die weiteren Niederungsmoore. — Die reichen Waldungen des Eichen-, Ahorn-, Linden- und Nadelholzgürtels sind zur Hälfte als Staatsforsten weniger dem Holzhandel erschlossen als die Privatforsten. Das unscheinbare, aber ausdauernde finnische Pferd verdient berechtigte Aufmerksamkeit. — Das Volk stammt von der ugrofinnischen Völkerfamilie ab. Sein Land war der Schauplatz der Grenzkämpfe Schwedens mit Rußland um die Ostseeherrschaft. Die Eigenart des Volkes kommt in seinem Nationalepos „Kalevala“ zum vollendetsten Ausdruck. Die Natur des Landes bedingt die Einzelhofsiedelung der Bevölkerung, die nur in dichtbesetzten Gebieten o o sich zu Dörfern zusammendrängt. Die ältesten Städte Abo, Borga, Wiborg lassen noch die Burganlagen der schwedischen Kreuzfahrer erkennen, die ihren Weg über die Aland-Inselbrücke nahmen. Die meisten Stadtpläne tragen westeuropäisches Gepräge. In der blühenden Industrie steht die Nahrungsmittelerzeugung dem Bekleidungs-, Holz- und Ledergewerbe voran. Durch lebhaften Handel und Verkehr, mustergültige Volkserziehung und blühende Kunst und Wissenschaft ist Finnland als erster der jungen Randstaaten in die Reihe der westeuropäischen Kulturvölker eingetreten. 12 2; Finnlands Zukunftsbedeutung liegt in der Ausnutzung seiner günstigen Fischerei-, Schiff ahrts- und Verkehrsbedingungen und in der Auswertung größter Waldreich- t Ürner, zahlreicher Wasserkraftquellen und vermutlich reichhaltiger Erzlagerstätten. Die durch Karten und Skizzen gut veranschaulichten Ausführungen des Vortragenden fanden lebhaften Beifall bei den zahlreichen Zuhörern. Nach einer anregenden Aussprache schloß Professor Lakowitz die Sitzung mit dem Hinweis auf die neuerlichen Beziehungen der Naturforschenden Gesellschaft mit den wissenschaftlichen Körperschaften Finnlands. 14. Sitzung am 21. Dezember 1921. Der Direktor eröffnet die Sitzung und widmet dem Andenken des ver- storbenen Staatsministers a. D. Dr. Delbrück, des früheren Oberbürger- meisters von Danzig und Oberpräsidenten der Provinz Westpreußen, herzliche Worte. Die Versammlung erhebt sich zu Ehren des Dahingeschiedenen von den Sitzen. Der Direktor legt die neu eingegangenen Schriften, besonders ein großes Werk über Finnland mit Atlas, vor, ferner die Bulletins der Geographischen Gesellschaft in Finnland und die Bulletins der Chemischen Gesellschaft in Warschau. Darauf hält Herr Dr. Semi Meyer einen Vor- trag über „Die Entwicklung der Sinnesorgane und der Empfindungen“, mit Vorführung mikroskopischer Präparate. Die körperlichen Organe des Empfindens, die Sinnesorgane von Haut, Auge, Ohr usw. entwickeln sich in der Tierreihe aus einer einheitlichen Anlage durch zunehmende Verfeinerung des Baues und fortschreitende Spaltung und Anpassung an die besondere Aufgabe den verschiedenen Beizen gegenüber. Der Vortragende hat selbst an den Geschmacksknospen des Kaninchens experimentell nachweisen können, daß nach Wegfall des Nerven das Sinnesorgan verschwindet und seine Be- standteile sich in gewöhnliche Deckzellen zurückverwandeln. Während auf Seiten der körperlichen Entwickelung verhältnismäßig übersicht- liche und verständliche Zusammenhänge festzustellen sind, führt die Betrachtung der geistigen Entwickelung, also der Empfindungen, des Sehens, Hörens usw. auf die schwierigsten Fragen und schließlich in die letzten Probleme der Forschung überhaupt. Es läßt sich zeigen, daß die körperliche und die geistige Entwickelung einander nicht gleichen, daß. wo ein Sinnesorgan vorhanden ist, noch lange keine Empfindung angenommen werden darf, daß vielmehr die Bildung der feinsten Empfin- dungen das Vorhandensein eines weitgediehenen körperlichen Funktionszusammen- hanges schon voraussetzt. Es läßt sich ungefähr feststellen, wo einigermaßen die Voraussetzungen für ein Empfinden gegeben sind, daraus ist aber im einzelnen kein Schluß möglich, bei welchen Tieren bereits Empfindung anzunehmen ist und welche Empfindungen ein Tier besitzt. Es gibt zweifellos Sinne im Tierreich, die der Mensch nicht hat, und wie die daraus gelieferten Empfindungen gestaltet sein mögen, das bleibt dem Menschen ewig unerfahrbar. Denn die Empfindungen, wie Farben und Töne, kennt der Mensch nur aus eigenem Erleben. Die Grenzen und Schwierigkeiten der Geistesentwicklung sind an diesem Beispiel aufzuzeigen. Hier ist ein Neuland der Forschung erschlossen. An den Vortrag schließt sich eine angeregte Aussprache. Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. 13 24 Außer jenen 14 ordentlichen und den vorangehenden außerordentlichen Sitzungen, welche der Mitgliederwahl und der Erledigung geschäftlicher An- gelegenheiten dienten, fanden noch vor Mitgliedern, ihren Damen und Grasten folgende Vorträge statt: 1. Herr Prof. Dr. Kumm über „Naturgefährdung, Naturschutz und Naturdenkmalspflege (Lichtbilder) an 2 Abenden des Januar im großen Sitzungssaal der Gesellschaft (im Anschluß an 2 Vorträge im November und Dezember 1920). 2. Herr Privatdozent Dr. G ü n t h e r-Berlin über das Thema „Die moderne Atomtheorie“ (Lichtbilder) an 2 Abenden des Oktober im großen Sitzungssaal der Gesellschaft. 3. Herr Dr. Kaiser (Observatorium) über „Aus den Gebieten der Astro- nomie und Meteorologie“ (Lichtbilder) am 9. und 16. Dezember im Sitzungssaal der Gesellschaft: a) Die kleinen Planeten, b) Aerologische Forschungsmethoden und -Ergeb- nisse. c) Ergebnisse der neueren Astrophysik und zwar des Sonnensystems und des Fixsternsystems. Zu dem Lichtbildervortrag des Herrn Dr. Georg Wegener- Berlin „Aus den Erinnerungen eines Weltreisenden“ am 4. April im großen Saale des Schützenhauses erhielten die Mitglieder ermäßigte Eintrittskarten. Übersicht über die in den Ordentlichen Sitzungen 1921 behandelten Gegenstände. A. Allgemeines. 1. Der Direktor, Herr Professor Dr. Lakowitz, erstattet den Jahres- bericht für das Jahr 1920 und legt die Berichte der Vorsitzenden der einzelnen Sektionen vor, am 5. Januar. 2. Der Direktor überreicht den Jahresbericht der Elbinger Altertums- gesellschaft (Elbinger Jahrbuch. Zeitschrift der Elbinger Altertums- gesellschaft und der städtischen Sammlungen), am 2. Februar. 3. Der Direktor macht auf den 88. Geburtstag des Ehrenmitglieds der Gesellschaft, Herrn Geheimen Studienrat Dr. Bail, aufmerksam und erbittet die Erlaubnis, ihm im Namen der Gesellschaft einen Glück- wunsch zu senden, am 4. Mai. 14 25 4. Der Direktor macht Mitteilung von Spenden für die Gesellschaft seitens des Sparkassen- Aktienver eins aus Anlaß seines 100 jährigen Be- stehens, ferner seitens einzelner Mitglieder, bes. des Herrn Kommer- zienrat W i e 1 e r, am 7. Dezember. 5. Der Direktor widmet dem Andenken des verstorbenen Staatsministers a. D. Dr. Delbrück Worte der Erinnerung, am 21. Dezember. B. Physik, Chemie und Technologie. 1. Herr Professor Dr. Harns au er hält einen Vortrag über den „gegen- wärtigen Stand der Röntgenstrahlenphysik“, am 19. Oktober. 2. Herr Dr. Hücker hält einen Vortrag über „Oswald’s neuen Farben- atlas“, am 16. November. C. Geologie und Geographie. 1. Herr Prof. Dr. Stremme hält einen Vortrag über „Die Bodenschätze des Freistaates“, am 16. Februar. 2. Herr Studienrat Habermann hält einen V ortrag über „Finnland, ein landeskundlicher Überblick“, am 7. Dezember. D. Meteorologie. Herr Dr. Kaiser hält einen Vortrag über „Die wissenschaftlichen Grund- lagen der Wettervorhersage“, am 6. April. E. Biologie und Psychologie. 1. Herr Dr. Li ek hält einen Vortrag über „Altern und Verjüngung“, am 5. Januar. 2. Herr Prof. W allenberg hält einen Vortrag über „Anatomische Bei- träge zu Problemen der Empfindung, Wahrnehmung und Beobachtung“, am 23. März. 3. Herr Dr. von Holst hält einen Vortrag über „Streif zug durch die Geschichte der Psychologie“, am 4. Mai. 4. Herr Dr. SemiMeyer hält einen Vortrag über „Die Entwicklung der Sinnesorgane und der Empfindungen“, am 21. Dezember. F. Botanik und Zoologie. Herr Dr. Stute hält einen Vortrag über „Tierkrankheiten, die gelegentlich den Menschen gefährden“, am 20. April. G. Anthropologie. 1. Herr Privatdozent Dr. E b e r s - Königsberg hält einen Vortrag über „Die germanische Religion im Lichte der vorgeschichtlichen Boden- forschung“, am 12. Januar. 15 V 26 2. Herr Studienrat Prof. Dr. E h r 1 i c h - Elbing hält einen Vortrag „Zur Kultur der alten Pruzzen, Ergebnisse neuer Ausgrabungen und For- schungen bei Elbing“, am 2. Februar. 3. Herr Privatdozent Dr. G e i s 1 e r - Greifswald hält einen Vortrag über das Thema: „Der Gang der Besiedelung und die Siedelungsformen des Weichsellandes“, am 2. März. H. Medizin. Herr Dr. Lieh hält einen Vortrag über „Röntgenstrahlen und Heilkunde. Ein Rückblick auf 25 Jahre“, am 2. November. — i— < Jahresbericht über die Sitzungen der medizinischen Sektion im Jahre 1921 (Ärztlicher Verein zu Danzig E. V.) Erstattet vom Schriftführer Dr. Adolf Schulz. Der Vorstand besteht aus den Herren: Geheimer Medizinalrat Professor Dr. Barth, Vorsitzender, Dr. Fuchs, stellvertretender Vorsitzender, Sanitätsrat Dr. Scharffe north, Kassenführer, Dr. Adolf Schulz, Schriftführer, Dr. L o h s s e, stellvertretender Schriftführer. Im Laufe des Jahres wurden 12 wissenschaftliche Sitzungen abgehalten. 1. 13. Januar 1921 Herr V orderbrügge: Beiträge zur Lungenchirurgie. 2. 27. Januar 1921 1. Herr M achwitz: Die chronisch gastrogenen Diarrhöen. 2. Herr Stahr: Status thymolymphaticus. 3. 10. Februar 1921 1. Herr Stahr: a) Seltenere Darmstenosen, b) Carcinosarcom. 2. Herr Cyranka: Bacterium coli und Steinniere. 16 27 4. 24. Februar 1921. I. Vorstellung: 1. Herr von Holst: a) Operativ entferntes Gliom des Rückenmarkes. b) Eine Rückenmarksgesch wulst, die auf Bestrahlung zurück- gegangen ist. 2. Herr Hoffmann: Absprengung des Prozesse® styl, ulnae, operativ behandelt mit Fixation durch Fascienstreifen. II. Vortrag: Herr Rast: Der biologische Verlauf der frischen Syphilis. 5. 10. März 1921 1. Herr Storp: Über Choledochus-Plastik (mit Krankendemon- stration). 2. Herr Helmboldt: Sehverbesserungen bei Schwachsichtigkeit. 6. 17. März 1921. I. Vorstellung: Herr Storp: Groß es, frisch operiertes Hypernephrom. II. Vorträge: 1. Herr Barth: Über Gelenkregeneration (mit Krankenvorstellung). 2. Herr Fuchs: a) Über äußere Untersuchung Gebärender, b) Über Bauchfellplastik. 3. Herr Adolf Schulz: a) Primäre Kehlkopf diphtherie. b) Laryn- gitis subglottica. c) Speichelsteine. 7. 14. April 1921. I. Vorstellung: Herr Storp: Lungensteckschuß. II. V ortrag: Herr W alienberg: Neuere Anschauungen über die Be- ziehungen des Gehirns und Rückenmarkes zum autonomen System (Sympathicus und Parasympathicus). 8. 1. August 1921 im städtischen Krankenhaus: Vortrag des Herrn Bert A s t r o n, als Gast, über Gedankenübertra- gung, mit Vorstellung und Aussprache. 9. 3. November 1921. I. Vorstellung: Herr S c h m i d t (Leo) demonstriert den von ihm angegebenen Pumilar- stift (Bimssteinstift) zur Granulosebehandlung. Herr B arth stellt eine Kranke vor, bei welcher vor einem Jahre ein Sehnen-Scheiden-Panaritium operiert ist mit funktionell sehr günstigem Erfolge. II. Vortrag: Herr Liek: Über die Erweichung der Knorpelfugen im W achstumsalter. 10. 17. November 1921. I. Vorstellung: Herr Liek demonstriert eine Niere, die wegen Tuberkulose operativ entfernt wurde. II. Vorträge: 1. Herr v. Holst: Seltenere Sinnestäuschungen. 2. Herr Fuchs: a) Chorioepithelioma uteri malignum. b) Zur Nach- behandlung operierter Mammacarcinome. 17 28 11. 1. Dezember 1921. I. Vorstellung: Herr Storp stellt eine Fingerextension vor mittels Tuchklammer und Federwage. II. Vorträge: 1. Herr V orderbrügge: Über Diagnose und Behandlung von Fingereiterungen. 2. Herr Stahr: Über die Milz bei Lymphogranulomatose. 12. 16. Dezember 1921 1. Herr Dackau: Über einen Fall von Sarkom der Halswirbelsäule, als Metastase eines Mesenterialsarkoms. 2. Herr Wilhelm: Akute gelbe Leberatrophie. Ferner fanden durch Mitglieder des Vereins, angeregt von dem Ausschuß für ärztliche Fortbildung der Berufsvereinigung, Fortbildungskurse statt, und zwar: 1. Fortbildungskurse über Gonorrhoe. 2. Hälfte April 1921. Oberarzt Dr. N a s t: Die Gonorrhoe und ihre Komplikationen. Am 15. IV. und 22. IV., 6 — 8 nachm. Dr. Fuchs: Diagnose und Therapie der aszendierten Gonorrhoe des Weibes. Am 29. IV., 6 — 7 nachm. Sanitätsrat Dr. Francke: Augenblennorrhoe. Am 29. IV., 7 — 8 nachm. 2. Ärztliche Fortbildungskurse über Lues. Winter-Semester 1921/22. V or tragsfolge: 1. Vortrag am 22. Oktober: Herr Oberarzt Dr. Nas t: ,,Aetiologie und Unter- suchungsmethoden mit praktischen Übungen“, 6 — 8. 2. Vortrag am 29. Oktober: Herr Oberarzt Dr. Käst: „Stadien der Lues“, 6—7%. 3. Vortrag am 5. November: Herr Oberarzt Dr. N a s t: „Syphilis und Liquor“, 6—7%. 4. Vortrag am 12. November: Herr Oberarzt Dr. Na st: „Congenitale Lues und Kinder-Lues“, 6 — 8. 5. Vortrag am 19. November: Herr Dr. Brauer: „Behandlung der Syphilis“, 6— 7. Herr Prof. Dr. Stahr: „Pathologische Anatomie der Syphilis“, 7 — 8. 6. Vortrag am 26. November: Herr Prof. Dr. Stahr: „Pathologische Anatomie der Syphilis“, 6 — 7. Herr Dr. Sem rau: „Syphilis der Ohren, Nase und oberen Luftwege“, 7— 8. 18 29 7. Vortrag am 3. Dezember: Herr Sanitätsrat Dr. Francke: „Syphilis des Auges“, 6 — 8. 8. Vortrag am 10. Dezember: Herr Prof. Dr. Stahr: „Pathologische Anatomie der Syphilis“, 6 — 7. Herr Dr. Fuchs: „Syphilis und Schwangerschaft“, 7 — 8. 9. Vortrag am 14. Januar 1922: Herr Dr. Machwitz: „Lues der inneren Organe“, 6 — 8. 10. Vortrag am 21. Januar: Herr Prof. W allenberg: „Lues des Nerven- systems“, 6 — 8. 11. Vortrag am 28. Januar: Herr Dr. von Holst: „Luetische und meta- luetische Psychosen“, 6 — 8. 12. Vortrag am 4. Februar: Herr Stadtarzt Dr. Stade: „Geschlechtskrank- heiten als Volksseuche“, 6 — 8. Die Berichte über die Vereinssitzungen werden in der Münchener Medizi- nischen Wochenschrift veröffentlicht. Das Mitgliederverhältnis gestaltete sich folgendermaßen: Neu aufgenommen wurden im Laufe des Jahres a) als Mitglieder: Fräulein Dr. Marianne Barthel, Dr. Burow, Frau Dr. Charlotte Grund mann, Frau Dr. Hoffmann, Dr. H o f f- m a n n, Dr. K 1 u c k, Dr. Erich Lenz, Dr. N a s t, Dr. Oppen- heimer; b) als Gastteilnehmer: Dr. K o o s e, Dr. Doerffer, Dr. Vleugels, Dr. Büttner, Fräulein Dr. Hachfeld, Dr. H e r z f e 1 d, Dr. Spors, Dr. Postulat, Dr. G i e d e. Ausgeschieden sind: a) durch Tod: Geheimer Sanitätsrat Dr. S e m r a u, Sanitätsrat Dr. kedmer, Dr. Ewald Schwarz, Dr. Krüger, Sanitätsrat Dr. Wegeli, Generaloberarzt a. D. Dr. Kownatzki; b) durch Fortzug: Dr. M e t g e, Fräulein Dr. Witzig, Dr. Cy ranka, Kreisarzt Dr. Pusch, Sanitätsrat Dr. v. W y b i c k i, Dr. K o o s e, Dr. Kirchesch, Dr. Kulcke, Fräulein Anna Lange, Fräulein Kaliwoda, Dr. Lauer; c) durch Austritt: Dr. Gumz-Zoppot. 19 30 Verzeichnis der Mitglieder des ärztlichen Vereins zu Danzig am Schlüsse des Jahres 1921. Ehrenmitglied: Herr Dr. Scheele, Geh. Sanitätsrat, Wiesbaden, ernannt 1896. a) Mitglieder: Dr. Abraham, Sanitätsrat Dr. Fr ick Dr. van de Kamp „ Backe, Heubude „ Fuchs „ Kedzierski „ Barth, Geh. Med.- Rat, „ Gaertner „ Klamroth Professor „ G e h r k e „ Klinge, Oliva „ Barthel-Spieß, Frau „ Geschke „ K 1 u c k „ Becker „ Gin zb erg, San.-Rat „ Koch, Oliva „ Behrendt, San. -Rat „ Glaeser, Sanitätsrat „ Körte „ Bergengrün „ G o e r d e 1 e r „ Köstlin, Direktor „ Birnbacher, Kreis- „ Götz I, Geh. San.-Rat „ Kraft, Schidlitz arzt, Medizinalrat „ G ö t z II „ Kubacz » Bing „ Gratz, Sanitätsrat „ Labitzki, Stutthof „ Boecker, Oliva „ Grundraann, Frau „ Landau „ Boenheim, San.-Rat, „ Haack, Sanitätsrat „ Lenz Ohra „ H a h 1 w e g „ L i e k „ B o r o w s k i „ Hahn „ L i t e w s k i „ Brauer „ Hahne „ L ö c h e 1 » Burkhard „ Hanel, Gen. -Oberarzt „ L o h s s e » Burow, Ohra „ Han ff, Sanitätsrat „ Machwitz „ Bütow, Zoppot „ H e 1 m b o 1 d „ ^Magnussen, Geh. „ Byczkowski, Neu- „ H e n n i g Sanitätsrat fahrwasser „ Hepner „ Masurke, Sanitätsrat » Catoir-Lindner,Frau „ Hevelke, Stabs- „ Meyer I, Sanitätsrat » Cohn arzt a. D. „ Meyer II, Semi v Diegner, Sanitätsrat „ H offmann, Zoppot „ Miohelsen » Dreyling, Sanitätsrat „ H offmann, Frau, „ Möller » D u 1 1 z Zoppot „ N a s t „ Dütschke, Neufahr- „ v. H o 1 s t „ Neumann wasser » Hopp „ Oppenheimer, Neu- » Eff 1er, Sanitätsrat „Jacob *■ fahrwasser „ E h m k e „ Jacoby, Sanitätsrat „ Ortmann, Sanitätsrat „ Eltze „ Jelski, Sanitätsrat „ Otto, Anna, Frl. ,, Faltin, Heubude „ Karpinski, San.-Rat „ P a n e c k i „ Fleck, Sanitätsrat „ Katke, Sanitätsrat, „ Penner „ Francke, Sanitätsrat Oliva „ Petruschky, Prof. 20 31 Dr. Philipp, Sanitätsrat „ Pietsch, Sanitätsrat, Pranst „ Pirwaß, Praust „ Reinke, Sanitätsrat ,, Roick „ Rosenbaum, „ Rosenthal „ Rosenthal-Reißner, Frau „ Rudolph, Sanitätsrat „ Säger, Gr. Zünder „ Scharffenorth, Sanitätsrat „ Schlomann „ Schourp „ Schmidt I, Leo „ Schmidt II, Peter „ Schubert, General- Oberarzt, Oliva „ Schulz I, An t., Sani- tätsrat, Oberarzt Dr. Schulz II, Otto, Zoppot „ Schulz III, Adolf „ Sc hustehr us, Sani- tätsrat „ S e b b a „ Sem rau I, Hans, „ Sem rau II, Franz „ Siegmund „ Singer „ S o 1 m s e n „ Spiegelberg „ Stade, Stadtarzt „ Stahr, Prof., Pro- sektor „ Stanowski „ Storp, Oberarzt „ Sturmhöfel „ Swierzewski, Sani- tätsrat „ S p i 1 1 e r „ Thiede Dr. Thun „ Valentini, Geh. Medi- zinalrat, Professor „ Yorderbrügge „ Wagner I, Sanitäts- rat, Zoppot „ Wagner II „ Wallenberg I, Prof., Oberarzt „ Wallenberg II, Sanitätsrat „ W e n d t „ Wiebe, Schidlitz „ Wisselinck, Sani- tätsrat „ Wo b b e , N eufahr- wasser „ Wolff, Sanitätsrat „ Zabel „ Ziegen hagen „ Z u s c h b) Gastteilnehmer: Dr. Balzereck, städt. Krankenhaus „ Büttner, städt. Krankenhaus „ Doerffer, Diakonissenkrankenh. „ Ernst, städt. Krankenhaus „ Giede, städt. Krankenhaus „ Hachfeld, Frl., Klinik Dr. Fuchs „ Herzfeld, St. Marienkrankenhaus „ Hoffmann, Diakonissenkrankenh. Dr. Jauer, städt. Krankenhaus „ Matz, Klinik Dr. Liek „ Postulat, städt. Krankenhaus „ Schmidt, Ad., städt. Krankenhaus „ Spors, St. Marienkrankenhaus „ Y lengeis, städt. Krankenhaus „ Wilhelm, städt. Krankenhaus 21 32 Bericht über die Tätigkeit der Anthropologischen Sektion im Jahre 1921. Erstattet von dem Vorsitzenden der Sektion, Prof. Dr. Klimm. Im abgelaufenen Jahre fanden Sitzungen der Sektion nicht statt, da eine für den November in Aussicht genommene Sitzung infolge Erkrankung des Vortragenden ausf allen mußte. Dieselbe wird im Beginn des Jahres 1922 nachgeholt werden. — Die schon seit Jahren geplante Veröffentlichung der Sitzungsberichte der Sektion seit Anfang 1889, für welche das Manuskript bereits vorliegt, konnte bisher nicht erfolgen, da die außerordentliche Steige- rung der Druck- und Papierkosten die Publikation in der ursprünglich vor- gesehenen ausführlichen Form unmöglich macht. Eine Umarbeitung und wesentliche Kürzung des Manuskripts ist in Angriff genommen. Der Vorstand der Sektion besteht aus dem Berichterstatter als Vorsitzen- den, Herrn Landgerichtsrat Geheimen Justizrat Oehlschläger als stell- vertretenden Vorsitzenden und Herrn Sanitätsrat Dr. Ziegenhagen als Schriftführer. £ Bericht über die Sitzungen der Sektion für den mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterricht 1921. Erstattet vom Vorsitzenden, Studienrat Erich Müller. Der Vorstand besteht aus folgenden Herren: Studienrat Erich Müller, V orsitzender, Studienrat Z u p k e, stellvertretender Vorsitzender, Studienrat G o e r t z, Schriftführer. Am 1. Februar 1921. Studienrat Erich Müller: Vorführung einfacher selbstgefertigter Apparate für den physikalischen Unterricht. 22 Am 1. März 1921. Studienrat Zupke: Vorführungen mit dem Volkmannschen Apparat. Am 19. April 1921. Dipl. -Ing. W. Keil: Das Gießereiwesen. Am 21. April 1921. Besichtigung der Gießerei der ehemaligen Kaiserl. Werft unter Führung von Dipl. -Ing. W. Iveil und Betriebsingenieur Grub e. Am 21. Juni 1921. Studienrat Erich Müller: Schulversuche über Lichtbeugung. Am 2. August 1921. Studienrat Dr. Ta ege: Versuche aus der Wellenlehre. Am 28. September 1921. Prof. Dr. Simon: Die Bedeutung des germanischen Schiffbaues in alter und neuer Zeit. Am 25. November 1921. Prof. Dr. Sommer: Über unsere Raumanschauung. Am 21. und 28. November 1921 erfolgte eine Einladung der Sektion für die Sitzung des Physikalischen Collo- quiums in der Technischen Hochschule zum V ortrag des Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Schilling: Über Photogrammetrie, insbesondere über Äro- photogrammetrie. In der Sitzung am 21. Juni 1921 trat die Sektion dem Mathematischen Reichsverband bei. Bericht über die wissenschaftliche Tätigkeit des Westpreußischen Botanisch = Zoologischen »Vereins für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1921. Erstattet von Dr. D a h m s in Zoppot. Im abgelaufenen Kalenderjahr fanden vier wissenschaftliche Sitzungen statt. In ihnen wurden Vorträge gehalten und Naturgegenstände besprochen und vorgelegt. Sehr. d. N. G. zu Danzig. Jaliresber. 1921. 23 3 34 Am 9. Februar: Kustos am Provinzial-Museum Dr. La Baume über: „Die Fauna der Moore“, Mittelscliullehrer Schultz über: „Die Mikroflora der Moore“, Botan. Assistent Lucks über: „Die Kleintierwelt der Moore“. Am 30. April, Studienrat Prof. Braun über: „Biologisches aus Yogelstube und Yor- stadtstraße“, Mittelschullehrer Kalkreut h über: „Seltene Pflanzen“, Studienrat Prof. Dr. Lakowitz über: „Die Kohlenstoffdüngung der Kul t ur p fl an z e n “ , Oberfischmeister Prof. Dr. Seligo über: „Zwitterbildung am Hering“, Studienrat Prof. Dr. Sonntag: „Aus der Lehre von der Mutation der Pflanzen“. Am 26. Oktober. Kustos Dr. La Baume über: „Wanderheuschrecken in Westpreußen“, Sudienrat Prof. Dr. Ibarth: „Der Nachtigallschwirl Locustella luci- nioides Savi in Westpreußen“, Studienrat Prof. Dr. Lakowitz über: ,, Gentiana Baltica Murb. in Westpreußen“ (Dem.), Studienrat Prof. Dr. Lakowitz über: „Sternchen und andere anorga- nische Körper im Mageninhalt verschiedener Vögel“ (Dem.), Studienrat Dr. Lüttschwager über: „Die ornithologische Erfor- schung des Drausensees“. Am 14. Dezember. Kustos am Provinzialmuseum Dr. La Baume über: „Zwergschwäne aus dem Marienburger Werder“ (Dem.), Studienrat Prof. Braun über: „Die Vögel der deutschen Kulturland- schaft“, Mittelschullehrer K a 1 k r euth über: „Eigene floristische Beobachtungen im Freistaatgebiet“. Besucht wurden zwei Industriestätten, deren Erzeugnisse von Produkten aus dem Pflanzenreich herstammen, die Zuckerraffinerie in Danzig-Neufahr- wasser und die Sprit- und Likörfabrik der Firma B. Müller in Danzig mit ihren reichen Vorräten an Pflanzenteilen heimischer und fremdländischer Gewächse. Wie in den vorigen Jahren, fand im Herbst (10. September) eine Pilz- exkursion innerhalb des Olivaer Waldes statt; vor Beginn der Wanderung machte Herr Lehrer Pahnke im Waisenhaus von Oliva an der Hand einer 24 Sammlung von frischen Stücken uncl von vorzüglichen Pilztafeln mit den wichtigsten eßbaren und den schädlichen Pilzen bekannt. Zwei Wanderfahrten fanden statt. Die eine führte nach Wojanow über Kladau nach Russoschin bei Praust, die andere nach der Frischen Nehrung, ferner im Monat Juli eine Studienfahrt nach Thüringen; sie währte zehn Tage. Ferner fanden neun Vorträge des Vorsitzenden Prof. Dr. Lakowitz statt, in denen er Wandelbilder aus dem Tier- und Pflanzenleben, aus Technik, Jagd und Erdkunde mit erläuterndem Text begleitete. Jeder wurde mehrmals wiederholt, um dem Andrang zu genügen. Besonders die Jugend besuchte diese Darbietungen gern; von auswärts kamen wiederholt Schüler in Beglei- tung ihrer Lehrer nach Danzig, um sich an ihnen zu erfreuen und von ihnen belehren zu lassen. In den Monaten April bis Juni hielt Studienrat Prof. I b a r t h einen Lehrkursus zur Einführung in die spezielle Kenntnis unserer heimischen Vogelwelt ab. Reiches Material aus dem Museum und gelegentlich Wande- rungen in Feld und Wald lieferten die Anschauungsmittel. Sektion für Astronomie und kosmische Physik. Erstattet von Dr. Kaiser. In der auf Anregung aus der Gesellschaft heraus neu begründeten Sektion wurde als ihre Aufgabe festgestellt, daß einmal die Mitglieder durch Referate über die wissenschaftliche Literatur mit der wissenschaftlichen Forschung in dauerndem Zusammenhänge zu halten, ferner aber auch die Mitglieder zu eigenen wissenschaftlichen Arbeiten, die mit geringen Mitteln durchführbar sind (Helligkeitsschätzen Veränderlicher, Sternschnuppenbeobachtungen) an- zuregen seien. Als Vorstand wurde gewählt Prof. Dr. von Brunn, Dr. Kaiser, Studienrat L i e b e r m a n n. Es sind etwa 30 Mitglieder der Sektion beigetreten, für die an fünf Tagen des Monats Juli eine Besichtigung des Observatoriums mit erläuternden Erklärungen seitens des Leiters stattfand. 36 Bericht über die wissenschaftliche Tätigkeit des Westpreußischen Fischereivereins im Jahre 1921, Erstattet von Prof. Dr. S e 1 i g o. Trotz der Ungunst der Verhältnisse wurden die laufenden Beobachtungen und Untersuchungen über die Gewässer der Umgegend von Danzig fortgesetzt, insbesondere auch im Frischen Haff. Seit dem Abschluß der Nogat im Jahre 1915 ist das Haff bis in die innersten Buchten und in die Zuflußrinnen des Danziger Werders mit Brakwasser gefüllt. Der Salzgehalt betrug im Juli etwa 2 pro Mille, in der Elbinger Weichsel an der Abzweigungsstelle der Königsberger Weichsel noch 0,5 pro Mille. Der Einfluß dieser Versalzung auf die Lebewelt des Haffes ist noch nicht sehr deutlich und wird Gegenstand ein- gehenderer Untersuchungen sein. Unter den beobachteten Eischkrankheiten war von besonderem Interesse: eine etwa einpfündige Plötze, die neben der Afterflosse eine etwa hühnerei- große Geschwulst trug. Frau Prof. Dr. M. Plehn in München, welche die Geschwülste der Fische eingehend untersucht, erklärte fließe Geschwulst für ein ungewöhnlich stark entwickeltes Fibro-Lipom. Ein weiterer Fall betraf einen Stichling, dessen Bauchhöhle fast ganz von einer Nierengeschwulst er- füllt war, die zahlreiche Myxosporidien enthielt und welche durch diese verursacht war. 26 37 Verzeichnis der in den Jahren 1918—1921 durch Tausch, Schenkung und Kauf erworbenen Bücher. I. Durch Tausch gingen ein: Nord-Amerika. Baltimore: Maryland Geological Survey. Vol. X. Brooklyn : Museum of the Institute of Arts and Sciences. Science Bulletin. Vol. II, 3—6. Vol. III, 1. Buffalo: Bulletin of the Buffalo Society of National Sciences. Vol. XI. 3, XIII. 1—2. Chicago: The Chicago Academy of Sciences: The John Crerar Library Annual Report 1916 — 1920. Madison: Publications of the Washburn Observatory. Vol. XIII. 1. Milwaukee: Wisconsin Natural History Society. Bulletin. Vol. XIII. 4. Public Museum of the City of Milwaukee. Bulletin. Vol. II. N. 1, Vol. III. 1. Annual Report 28, 29. Minneapolis : The University of Minesota: Agricultural Experiment Station Bulletin. N. 90 — 93. New Haven: Connecticut Academy of Arts and Sciences. Transactions. Vol. 25. p. 93 — 209. New Y o rk : Academy of Sciences. Annals. Vol. XXV. 309—416, Vol. XXVII. p. 245—336, Vol. XXVIII. p. 1—200, Vol. XXIX. p. 1—139. Ottawa: Publications of the Dominion Observatory. Vol. II. 1 — 15, Vol. III. 1—12, Vol. IV. 1—22, Vol. V. 1—4. Philadelphia: Academy of Natural Sciences. Prooeedings. Vol. LXVI. 2—3, Vol. LXVII. 1—3, Vol. LXVIII. 1—3. Vol. LXIX. 1—3, Vol. LXXX — LXXXIII. p. 1. The Wagner Free Institute of Science. Transactions. Vol. 1 — 3, Vol. VII. 3, Vol. IX. p. 1. 2. Urb an a: Illinois Biological Monographs. Vol. II. 4. Washington: Smithsonian Institution. U. S. N. Museum. Miscellaneous Collections. Vol. 62. N. 3 — 5, Vol. 63. 1 — 10, Vol. 64. 1—5, Vol. 65. 1—14, Vol. 66. 1—18, Vol. 67. 1—6, Vol. 68. 1—12, Vol. 69. 1—12, Vol. 70. 1—4, Vol. 71. 1—6, Vol. 72. 1—9. i 38 Smithsonian Institution. U. S. N. Museum. 1. Bulletin. 90 — 112. 2. Proceedings. Vol. 47 — 56. 3. Report on the Progress Condition 1914 — 1920. 4. Contributions from the U. S. N. Herbarium. Yol. 16. p. 14, Vol 17 p. 6—8, Yol. 18. p. 3—8, Vol. 19—23. p. 1. Departement of the Interior. U. S. Geological Survey. 1. Bulletin 556, 681. 83—85. 87—88. 90—91. 93. 700—704. 10—11. 15. 21. 26. 2. Water Suppley Paper. 330 — 48. 50 — 93. 95 — 400. 3—35. 37. 38. 41. 45. 47. 49. 56. 62. 65. 66. 68. 81. 85. 500 a. 3. Professionnal Paper. N. 86—91. 93—99. 101—110. 112—114. 120. 121. 128. 129. 4. Mineral Resources 1912. I/II. Navy Departement. U. S. Naval Observatory ' 1917 — 1920. National Academy of Sciences. Proceedings. Yol. VI. N. 1 — 12, Vol. VII. N. 1 — 10. Süd-Amerika. Cordoba: Academia Nacional de Ciencias. Boletin. Tome XXI — XXW Santiago de Chile: Anuario del Observatorio Astronomico 1920. Montevideo: Museo Nacional. Anales. Serie II. 4. Rio de Janeiro: Archivos de Museu Nacional. Vol. XXII — XXIII. S. Paulo: Deutscher Verein für Wissenschaft und Kunst. Jahrg. 1. 1920. Museu Paulista Sociedade scientifica. Revista XXI — XXII. Tacubaya: Observatorio astronomico nacional. Anuario XXXVI — XLI. Mexico. Mexico: Sociedad cientiftca Antonio Alzate. Memorias. Vol. 37. N. 3/4. 6 — 12, ' Vol. 38. N. 9—12, Vol. 39. N. 1—8. Australien. Hobart : Papers and Proceedings of the Royal Society of Tasmania 1920. Dänemark. Kopenhagen : Kgl. Danske Videnskabernes Selskabs. 1. Forhandlingar. 1915 N. 3—6, 1916 1—6, 1917—19. 2. Skrifter. Serie VIII. Tome II. 1—6, Tome III, V. 1. 2. 3. Biologiska Meddelelser I. 1 — 14, II. 1. 4. Mathematisk-fysike Meddelelser I. 1 — 15, II. 4. 6 — 11. Nordisk Oldkyndighed og Historie. 1. Aarböger. Bd. 4 — 9. 2. Memoires 1914 — 19. Dansk Botanisk Forening. Botanisk Tidskrift. Bd. 35 — 37. Dansk Botanisk Arkiv. Bd. 1. 1 — 6, Bd. 2. 1 — 11, Bd. 3. la — e, Bd. 4. 1. Deutschland Aachen: Meteorologisches Observatorium. Jahrbuch 1914/15. Alten bürg: Naturforschende Gesellschaft. Mitteilungen. N, F. Bd. 16. Augsburg: Naturwissenschaftlicher Verein f. Schwaben u. s. w. 42. 1919. 9 39 Bamberg: Naturforschern!« Gesellschaft. Bel. 22 — 23 (1915). Bautzen: Naturwissenschaft!. Gesellschaft „Isis“. Bericht 1913 — 20. Bayreuth: Naturwissenschaft!. Gesellschaft. Bericht II. 1911/14. Berlin: Preußische Akademie der Wissenschaften. 1. Sitzungsberichte. 1918 — 1920, 1921. 1 — 54. 2. Abhandlungen. 1918—1920, 1921. H. 1. 2. Preuß. Meteorologisches Institut. 1. Veröffentlichungen. 290—311. 2. Abhandlungen. Bd. VI, VII 1. 2 Preuß. Lande, s-ökonomie-Kollegium. Landwirtschaftl. Jahrbücher. Bd. 49 (1916) — 50 (1917). Astronomisches Bechen-Institut. Veröffentlichungen. 43. Berliner Zweigverein der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft. 31/32. 1914/15. Preußische Geologische Landesanstalt. 1. Erläuterungen zur geologischen Karte. Liefr. 187. 192. 194. 200. 201. 204. 205. 209. 212. 2. Abhandlungen. 80. 82. 3. Jahrbuch. Bd. 36—39, Bd. 40. Teil I. II. 1/3; Teil II. H. 1. 2, Bd. 41, 1920. Teil. I. II. 1. 4. Beiträge zur geologischen Erforschung der deutschen Schutzgebiete. H. 13, 14. 5. Ergebnisse von Bohrungen. H. 7. Preuß. Ministerium für Landwirtschaft. Statistische Nachweisung a. d. Gebiete der Landwirtschaft. 1916 — 1919. Botanischer Verein der Provinz Brandenburg. Jahrg. 61, 1919; 62, 1920. Preußische Landes anstatt für Gewässerkunde. 1. Jahrbuch. Abflußjahr 1912. 1913. 2. Besondere Mitteilungen. Bd. 3. IT. 1. 2. Gesellschaft Naturforschender Freunde. 1. Sitzungsberichte 1919. 1 — 10, 1920. 1—10. 2. Archiv für Biontologie. Bd. II. LI. 2; Bd. IV. LI. 2. Biologische Anstalt für Land- und Forstwirtschaft. Mitteilungen. 18 — 20. Deutscher Forstverein. Bericht über die Hauptversammlung. 16. 1919,- 17. 1920. Vereinigung für angewandte Botanik. Jahresbericht. 1918. Jahrg. 16. H. 1 — 3. Deutsche Dendrologische Gesellschaft. Mitteilungen. 1918 — 1921. Institut für Meereskunde; 1. Veröffentlichungen. N. 7. 9. 2. Sammlung volkstüml. Vorträge. Jahrg. 13. 1919. Gesellschaft für Erdkunde. Zeitschrift. 1918 — 1921. Deutsches Entomologisches Museum. Mitteilungen. Bd. VII, 1918 — Bd. X, 1921. Wissenschaftliche Gesellschaft für Flugtechnik. 1. Jahrbuch. Bd. V, 1920. 2. Berichte und Abhandlungen. Jahrg. 1, H. 1 — 5. Babelsberg. Sternwarte. Veröffentlichungen. Bd. II, IT. 1 — 4, Bd. III, H. 1 — 2. Bonn: Naturhistorischer Verein der preußischen Bheinlande und Westfalen. 1. Verhandlungen. Jahrg. 73 — 76. 2. Sitzungsberichte. 1917 — 1919. Sternwarte. Veröffentlichungen. 14 — 16. 3 40 Bremen: Meteorologisches Observatorium. 1. Deutsches Meteorologisches Jahrbuch. 29 (1918) — 31 (1920). 2. Monatsberichte. Januar — Dezember 1920; Januar — April 1921. Naturwissenschaftlicher Verein. Abhandlungen. Bd. 24, H. 1, 2. Breslau: Verein für schlesische Insektenkunde. Jahreshefte 10 — 12, 1919; 13, 192L Oberbergamt. Produktionen der Bergwerke und Salinen Preußens. 1918. 1919. Schlesisches Museum für Kunstgewerbe und Altertümer. J ahrbuch Bd. VII, 1. u. 2. Hälfte. Veröffentlichungen der Sternwarte. 1. Cassel: Verein für Naturkunde. Abhandlungen und Berichte. 81 — 83; 1916 — 1919. Chemnitz: Naturwissenschaftliche Gesellschaft. Bericht 20. 1916 — 1919. Danzig: Landwirtschaftskammer für die Provinz Westpreußen. Bericht über die Tätigkeit der Landwirtschaf tl. Versuchs- und Kontrollstation 1916 — 1919. Westpreußischer Geschichtsverein. Zeitschrift H. 56 (1916) bis 61 (1921). Technische Hochschule. Programm für das Studienjahr 1919/20, 1920/21, 1921/22. Westpreußischer Botanisch-Zoologischer Verein. Jahresbericht 40 (1918) — - 43 (1921). Darmstadt: Verein für Erdkunde. Notizblatt 3, 1917; 4, 1918. Donaueschingen: Verein für Geschichte und Naturgeschichte. Schriften. H. XIV, 1920. Dresden: Naturwissenschaftliche Gesellschaft „Isis“. Sitzungsberichte 1917, 1918. Gesellschaft für Natur- und Heilkunde. Jahresbericht 1917—1920. Dürkheim: „Pollichia“, Naturwissenschaftlicher Verein der Rheinpfalz. Mit- teilungen. Jahrg. 73/74. 1918/19. Elbing: Jahrbuch der Elbinger Altertumsgesellschaft. 1, 1919/20. Emden: Naturforschende Gesellschaft. Jahresbericht 101/102. 1916/17. Erfurt: Akademie gemeinnützlicher Wissenschaften. 44/45. 1919. Erlangen: Physikalisch-medizinische Sozietät. Sitzungsberichte 50/51. 1918/19. Frankfurt a. M. : Physikalischer Verein. Jahresbericht 1917/18, 1918/19. Senkenbergische Naturforschende Gesellschaft. I. Berichte. 49, 1919; 50, 1920; 51, 1921, H. 1, 2. 2. Abhandlungen. Bd. 36, 37, H. 1/2. Freiburg (Br).: Naturforschende Gesellschaft. Bd. 22, 23, H. 1. Geestemünde: Verein für Naturkunde a. d. Unterweser. 1. Separate Schriften. VI. Gießen: Oberhessische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde. 1. Naturwissenschaftliche Abteilung. Bericht. Bd. 7, 1916/19. 2. Medizinische Abteilung. 12. Görlitz: Gesellschaft für Anthropologie und Urgeschichte der Oberlausitz. Jahres- hefte. Bd. III, H. 1. Göttin gen: Gesellschaft der Wissenschaften. 1. Nachrichten. Math.-phys. Klasse 1918 — 1920; 1921, IT. 1. 2. Geschäftliche Mitteilungen 1918 — 1920, H. 1. Greifswald: Geographische Gesellschaft. Jahresbericht NVII/XXXVIII. 1917/20, Universitätsbibliothek. 1. Verzeichnis der Vorlesungen 1918 — 20. 2. Amtliches Personalverzeichnis 1918 — 20. Naturwissensch. Verein für Neuvorpommern u. Rügen. Mitteilungen 46 — -47. Guben: Niederlausitzer Gesellschaft für Anthropologie und Altertumskunde, Bd. XIV, XV. 4 41 Güstrow: Verein der Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg. Archiv. Jahrg. 72 (1918) — 74 (1920). Halle: Kaiserl. Leopoldinisch-Carolinische Deutsche Akademie der Naturforscher. Abhandlungen 103. 1918. Naturforschende Gesellschaft. Abhandlungen 5 — 7. 1916/19. Sächsisch-Thüringer Verein für Erdkunde. Mitteilungen 39/43. 1915/19. H amburg: Sternwarte. 1. Jahresbericht 1918. 2. Astronomische Abhandlungen. Bd. II, H. 3/5. Zoologisches Museum. Mitteilungen 36, 37. 1918/19. Deutsche Seewarte. 1. Jahresbericht. 37/41, 1914/18; 42/43, 1919/20. 2. Meteorologisches Jahrbuch 1918 — 1920. 3. Bibliothekskatalog. Nachtrag IV. 1913/21. 4. Aus dem Archiv. Bd. 38, 1920; Bd. 39, II. 1. 5. Aerologische hydrographische Beobachtungen der Deutschen Marine- stationen während der Kriegszeit 1914/18. H. 1, 3. N atur wissenschaf tlicher V erein, 1. Verhandlungen. XXVI— XXVIII. 2. Abhandlungen a. d. Gebiete der Naturwissenschaft. Bd. XX, 3; XXI, II. 1, 2. Mathematische Gesellschaft. Mitteilungen. FI. 7, 8. Verein für naturwissenschaftliche Unterhaltung. Verhandlungen. Bd. XVI. 1914/19. Institut für allgemeine Botanik. Mitteilungen. Bd. 3. 1918. Hannover: Naturhistorische Gesellschaft. 1. Jahresbericht 62 — 68. 1911/1918. 2. Geologische Abteilung. 11, 1918; 12, 1919. 3. Botanische Abteilung. 11, 1913/18. 4. Zoologische Abteilung. 5 — 10. 1913/18. Heidelberg: Naturhistorisch-medizinischer Verein. Verhandlungen. Bd. 14, H. 1. Insterburg: Altertumsgesellschaft. Jahresbericht 1917/18; 1919. Zeitschrift. 17. 1920. Karlsruhe: Naturwissenschaftlicher Verein. Verhandlungen. Bd. 26. Kiel: Kommission zur wissenschaftlichen Untersuchung der deutschen Meere. Abt. Kiel. Bd. 18. 1916/20. Abt. Helgoland. Bd. 13, 14. Naturwissenschaftlicher Verein für Schleswig-Holstein. Schriften. Bd. XVI, H. 2; XVII, H. 1. Königsberg i. P r. : Altertumsgesellschaft Prussia. Sitzungsberichte. 4L 23. Teil I u. II. Geographisches Institut der Albertus-Universität. Veröffentlichungen. IJ. 1/3. Physikalisch-ökonomische Gesellschaft. Schriften. Bd. 59, 1918 — 61, 1920/21. Preuß. Botanischer Verein. Jahresbericht 1914 — 1917. Universitätssternwarte. Astronomische Beobachtungen. 43. III. IV. Krefeld: Verein für naturwissenschaftliche Erforschung/ des Niederrheins. Ab- handlungen. Bd. II. Landsberg: Verein für Geschichte der Neumark. Schriften 37 — 39. Leipzig: Verein für Erdkunde. I. Mitteilungen. Jahrg. 1917/19. 2. Wissenschaftliche Veröffentlichungen. Bd. 9. 42 Sächsische Gesellschaft der Wissenschaften, Math.-Phys. Klasse. Berichte. Bd. 72, 73. Naturforschende Gesellschaft. Sitzungsberichte. Jahrg. 43/44. Freie Vereinigung für Pflanzengeographie und systematische Botanik. 1917/18; 1919. Lindenberg: Die Arbeiten des Preuß. Aeronautischen Observatoriums. X — XIII. Lübeck: Geographische Gesellschaft u. Naturhistorisches Museum. Mitteilungen. 28. Lüneburg: Naturwissenschaftlicher Verein für das Fürstentum Lüneburg. Jahres- hefte XX. Magdeburg: Naturwissenschaft!. Verein. Abhandlungen u. Berichte. Bd. III, H. 3. Marburg: Gesellschaft zur Beförderung der gesamten Naturwissenschaften. Sitzungsberichte. J ahr.g. 1918 — 1920. München: Deutsches Museum. 1. Verwaltungsberichte. 15. 1917/18. 2. Vorträge und Berichte. 16, 17. Bayerische Akademie der Wissenschaften. 1. Sitzungsberichte. 1918, 1920. 2. Abhandlungen. Bd. 28, 29. Gesellschaft für Morphologie und Physiologie. XXXI — XXXII. Ornithologische Gesellschaft. Verhandlungen. Bd. XIV — XV. Sternwarte. Neue Annalen. Bd. V, FI. 1, 2. Bayerische Botanische Gesellschaft. 1. Berichte. Bd. 16. 2. Mitteilungen. Bd. III, N. L — 30; Bd. IV, N. 1, 2. Münster: Westfälischer Provinzialverein für Wissenschaft und Kunst. Jahres- bericht 46, 1917/18; 47/48, 1918/20. Nürnberg: Germanisches Nationalmuseum. 1. Anzeiger. 1918, 1 — 4; 1919, 1 — 4. 2. Mitteilungen 1917. N aturhistorische Gesellschaft. 1. Abhandlungen. Bd. XXI. 2. Jahresbericht 1918 — 1920. Osnabrück: Naturwissenschaftlicher Verein. Jahresbericht 1911 — 1920. Potsdam: Preußisches Geodätisches Institut. 1. Jahresbericht 1918—1920/21. 2. Veröffentlichungen. 80, 81, 83. Astrophysikalisch.es Observatorium. Publikationen. 73 — 76. Regensburg: Bayerische Botanische Gesellschaft. Denkschriften. VII, 1917; VIII, 1920. N aturwissenschaf t.licher V erein. 1. Berichte. H. XV. 2. Abhandlungen. H. 12. Reichenberg: Verein der Naturfreunde. Mitteilungen. Jahrg. 43. Rossitten: Vogelwarte. Jahresbericht XVIII, 1918. Rostock: Geographische Gesellschaft, Mitteilungen. Jahrg. 5/6. Schwerin: Verein für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde. Jahr- bücher und Jahresberichte 82 — 84. 1918/1919. Stettin: Entomologischer Verein. Entomologische Zeitung. Jahrg. 80, 81. Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Altertumskunde. 1. Baltische Studien. Bd. 21, 22, 2. Monatsblätter. 1918 — 1920. o 43 Stuttgart: Verein für vaterländische Naturkunde in Württemberg. Jahreshefte. Jahrg. 74—77. Bund für Vogelschutz. 1918, 1920. Thorn: Coppernious-Verein für Wissenschaft und Kunst. Mitteilungen. H. 27 — 29. W ei mar: Thüringischer Botanischer Verein. Mitteilungen. IST. F. H. 1 — 35. Wiesbaden : N assauischer Verein für Naturkunde. Jahrbücher 70, 1918 — 73, 1921. W ürzburg: Physikalisch-medizinische Gesellschaft. 1. Verhandlungen. Bd. 44, 45. 2. Sitzungsberichte 1918, 1 — 6. Finnland. Helsin gfors: Commission Geologique. Bulletin 39 — 55. Bulletin de la Societe Geographique de Finnlande. Fennia 42. Atlas von Finnland. Societas pro Fauna et Flora Fenn i ca, 1. Acta 43 — 46. 2. Meddelanden 44 — 47. Großbritannien. Belfast: Natural Ilistory and Philosophical Society. Report and Proceedings 1914/15. Cambridge: Philosophical Society. 1. Transactions V — XV. 2. Proceedings Vol. XVII— XX. Dublin: Royal Dublin Society. 1. The Economic Proceedings N. 8 — 15. 2. The Scientific Proceedings. Vol. XIV— XVI. 13. Edinburgh: Royal Society. 1. Proceedings Vol. XXXIV— XLI. 1. 2. Transactions Vol. L — LII. Glasgow: Natural History Society. „The Glasgow Naturalist“, Vol. VI. London: The Linnean Society. Journal Botany. 287 — 302. Holland. Amsterdam: Kgl. Akademie van Wetenschappen. 1. Jaarbock. 1916, 1917. 2. Verslagen. Afdeeling Naturkunde. Deel XXII — XXVI. 3. Verhandlingen. Serie I. Deel XIX — XX. Harl em: La Societe hollandaise des Sciences. 1. Archives neerlandaises des Sciences exactes et naturelles. Serie IILa, Liefr. IV, V; Serie Illb, Tome IV, VI. 2. Oeuvres completes de Chr. Huygens. I — XI, XIII, XIV. Musee Teyler. Archives. III, IV. Leiden: Annalen der Sternwarte. Bd. 2 — 7, 9 — 12. Ryks Herbarium. Meddeelingen 31 — 41. Nederlandsche Dierkundige Vereeniging. 1. Tidskrift. Deel XV, XVI, XVII. 2. Katologue vom 1. Juli 1914 bis 31. Dezember 1915, 1. Januar bis 31. Dezember 1916. 7 44 Rotterdam: Bataafch Genootschap: Nieuwe Verhandelingen. Deel VII. Gedenk- boek 1769—1919. 1920. Utrecht: Recherches Astronomiques de l’Observatoire. VI, VII. Italien. Modena: Societa dei Naturalisti et Mathematici. Vol. XLVIII. 1916/18. Padua: Accademia scientifica Veneto-Trentino Istriana. Vol. VIII — XI. 1920. Rom: Accademia dei Lincei. Vol. 30, 1 — 12. Observatorio Astronomico al Collegico Romano. Vol. VII, 1. Luxemburg. Luxemburg: Institut Grand Ducal. Archives. Tome VI, VII. Societe des Naturalistes luxembourgeois. Bulletins mensuels. 3, 10 — 14. 1920. Norwegen. Bergen: Borgens Museum. 1. Aarbog 1918/19. H. 1, 2. 2. Aarsberetning 1918—1920. 3. Skrifter. Bd. III, 1. 4. An Aecount of the Crustacea of Norway. Vol. VI, 13, 14, Vol. VII, VIII, 1/2. Stavanger: Museum. Aarshefter 1917. Tromsö: Museum. 1. Aarshefter 38 — 41. 2. Aarsberetning 1915 — 1919. T r o n d h j e m: K. Norske Videnskabs Selskab. 1. Skrifter 1916—1917. 2. Aarsberetning 1914 — 1917. Österreich-Ungarn. Brünn: Naturforscher-Verein. Verhandlungen. Bd. 56, 1918/19, 57, 1920. Budapest: Rovartani Lapok. Ivötet XXIII— XXAr, 1 — 5. Ungarische Geologische Reichsanstalt. 1. Mitteilungen a. d. Jahrbuch. Bd. XXIV, 1. 2. Jahresbericht 1916. Academie hongroise des Sciences. Math. es. Termeszettudomanyi Ertesitö. Bd. 36, 37. Museum nationale hungaricum. Annales. Vol. XV, 1918 — XVIII, 1920/21. Officium regium hungaricum ornithologicum. Aquila. XXV, 1918 — XXVII, 1920. Graz: Naturwissenschaftlicher Verein. Bd. 53. Verein für Höhlenkunde in Österreich. Mitteilungen 1914, H. 1, 2. He rmannstadt: Siebenbürgischer Verein für Naturwissenschaften. Verhand- lungen und Mitteilungen. Bd. 61 — 68/69. Iglo: Ungarischer Karpathenverein. Jahrbuch 43, 44. Innsbruck: Naturwissenschaftlich-medizinischer Verein. Berichte. Jahrg. 36, 1914/17; 37, 1917/20. Klagenfurth: Carinthia. Mitteilungen des Naturhistorischen Landesmuseums für Kärnthen. Jahrg. 106/107, 108. Jahrbuch. II. 29. s 45 Leipa: Nordböhmischer Verein für Heimatforschung und W, anderpflege. Mittei- lungen. Jahrg. 41 — 44, H. 1/2. Linz: Museum Francisco-Carolinum. Jahresbericht. 76* 1918 — 78, 1920. Prag: Böhmische Gesellschaft der Wissenschaften. 1. Sitzungsberichte 1918, 1919. 2. Jahresbericht 1918, 1919. Deutscher Natur wissenschaftl. -medizinischer Verein für Böhmen „Lotos“. Bd. 67/68. Wi en: Geologische Reichsanstalt. 1. Verhandlungen. Jahrg. 1918 — 1921, N. 1. 2. Jahrbuch. Bd. 69, 1918 — 70, 1921. Naturhistorisches Hofmuseum. Annalen. Bd. 31 — 34. Zentralanstalt für Meteorologie u. Geodynamik. Jahrbücher. Jahrg. LI — LII. Zoologisch-botanische Gesellschaft. 1. Abhandlungen. Bd. 10, H. 1, 2. 2. Verhandlungen. Bd. 68, 1918 — 70, 1920. Geographische Gesellschaft. Mitteilungen. Bd. 60, 1917. Entomologischer Verein. Jahresbericht XXIX, 1918. Akademie der Wissenschaften. 1. Sitzungsberichte: Abt. I, Bd. 126 — 129. „ Ha, „ 126—130, H. 1/2. „ Ilb, „ 126—130, „ 1/2. „ III, „ 126—129. 2. Mitteilungen der Erdbeben-Kommission. N. 49 — 57. Verein der Geographen an der Universität. Bericht XXXIX — XL. Arerein zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse. Schriften. Bd. 55—58. Zagreb: ILrovatsko Prirodoslovno Drustvo. Glasnik. Bd. 29. Schweden. Lund: Universität. Acta universitatis Lundensis. XIII, 1917 — XVI, 1920. Fest- schrift. 200. Jubiläum 1918. 1, 2. Astronomiska Observatorium. Meddelanden (Oktav) 28—30; Meddelanden (Quart) 18 — 26. Stockholm: Nordiska Museet. Fataburen. 1918 — 1919, 1921. Kgl. Svenska Vetenskaps Akademi. 1. Handlingar. Bd. 56 — 60. 2. Aarsbok 1917—1920. 3. Meteorologiska Iakttagelser i Sverige. Bd. 44 — 60. 4. Arkiv for Mathem., Astronom, och Physik. Bd. 12 — 15, FI. 1 — 2. 5. Arkiv for Botanik. Bd. 14 — 16. 6. Arkiv for Kemi, Mineralogie och Geologie. Bd. 6 — 8, FI. 1 — 2. 7. Arkiv for Zoologie. Bd. 10 — 13, II. 1 — 2. 8. Nobel-Institut. Meddelanden. Bd. III, FI. 4; Bd. IV, FI. 1; Bd. V. 9. Acta Horti Bergiani. VI. Delectus. 1919 — 1921. 10. Les Prix Nobel. Lefnadsteckningar. Bd. 5, H. 2. K. Vitterhets Historie och Antiquitets Akademie. Fornvännen 1918 — 1921. Svenska Botaniska Föreningen. Svensk Botanisk Tidskrift. Bd. 11 — 15. Entomologiska Föreningens Tidskrift. Jahrg. 39 — 41. Geologiska Föreningens Förhandlingar. Bd. 39 — 43. 46 Kgl. Forstliche Versuchsanstalt. Mitteilungen 13/14 — 20/23. Statens Skogsförsöksanstalts Flygblad N. 7 — 15. Meddelanden. H. 18. Upsala: Geological Institution of the University. Vol. XV, XVI. Kgl. Universitäts-Bibliothek. i 1. Carl von Finne. Bref och Skrifvelser. VII. 2. Norlandskt Handbibliothek. VI — IX. 3. Jac Berzelius Bref. Teil II, 1, 2. Schweiz. Aarau: Schweizerische Naturforschende Gesellschaft. Verhandlungen 1916 — 1919. Teil I. Basel: Naturforschende Gesellschaft. Verhandlungen XXVIII — XXXII. Universitätsbibliothek. Jahresverzeichnis der schweizerischen Universitäts- schriften 1918 — 1920. Bern: Schweizerische Entomologische Gesellschaft. Mitteilungen. Vol. XII, XIII, 1—4. Botanischer Garten. Jahresbericht 1917 — 1920. Chur: Naturforschende Gesellschaft Graubündens. Jahresbericht. Bd. 58, 1917/18 — 60, 1919/20. Frauenfeld: Thurgauische Naturforschende Gesellschaft. Mitteilungen. XXII. 1917; XXIII, 1920. Genf: Societe de Physique et d’Histoire naturelle. 1. Memoires. Vol. 39. 2. Comptes rendus des seances. XXXIV, 1917 — XXXVIII, 1921, 1, 3. Conservatoire et Jardin botanique. 20. 1916/19. Neuchatel: Societe neuchateloise des Sciences naturelles. Bulletin. XLI. 1913/16 — XLIV. 1918/19. St. Gallen: Naturwissenschaftliche Gesellschaft. Jahrbuch. Bd. 55 — 56. Winterthur: Naturwissenschaftliche Gesellschaft. Mitteilungen. H. 12, 1917/18; 13, 1919/20. Zürich: Naturforschende Gesellschaft. 1. Vierteljahresschrift. Jahrg. 62 — 66, H. 1/2. 2. Neujahrsblatt 120, 1918 — 124, 1922. Schweizerische Botanische Gesellschaft. 1. Berichte. H. 24/25. 2. Beiträge zur geobotanischen Landesaufnahme. 1 — 9. Spanien. Madrid: Instituto Geographico y Estadistico Observatorio. 1. Anuario 1916 — 1921. 2. Memoria 1912. Baltikum. Dorpat: Naturforschende Gesellschaft bei der Universität. 1. Sitzungsberichte. Bd. XXII — XXVII. 2. Schriften. XXI— XXIII. Archiv für die Naturkunde des Ostbaltikums. Serie II. XIV. Liefr. 1, 2. Riga: Naturforscher-Verein. Korrespondenzblatt LVII. 1915. tu 47 !l. Geschenke. a) Von Nichtautoren: Die zahnärztliche Hilfe im Felde. FI. 1. (Dr. Speiser.) Die Fauna des Culms von Königsberg b. Giessen. (Dr. Wangerin.) Lamark: Die Lehre vom Leben. Jena 1913. (Frau Amtsgerichtsrat Frank.) Nansen: Sibirien ein Zukunftsland. Leipzig 1914. (Frau Amtsgerichtsrat F r a n k.) Lucks: Neue Wege der Seidenraupenzucht und eigene Versuche und Erfahrungen in Westpreußen. (Landwirtschaftskammer.) Verhandlungen des 7. Internationalen Geographen-Kongresses. Berlin 1899. (Prof. Dr. L a k o w i t z.) Hoff meisten Die botanischen Ergebnisse Sr. Kgl. Hoheit des Prinzen Waldemar von Preußen im Jahre 1845/46. Berlin 1862. (Konsul K e h d i n g-Dresden.) ßeichenbach: Jcones Florae Germanicae. Bd. 1 — 22. Leipzig 1850. (Konsul K e h d i n g - Dresden.) Von Geh. Sanitätsrat Dr. L i e v i n - Zoppot: Th. Fischer: Mittelmeerbilder. 1906, 1908. Tscheng Ki Kong: China und die Chinesen. Huc u. Gäbet: Wanderungen durch die Mongolei und Tibet. Deecke: Italien. A. v. Kl öden: Handbuch der physischen Geographie. Deckert: Cuba. Haushofer: Tirol. Buge: Norwegen. G. Wegen er: Deutsche Ostseeküste. Keller: Die ostafrikanischen' Inseln. Philipps on: Das Mittelmeergebiet. 0. Peschei: Neue Probleme der vergleichenden Erdkunde. H. V amberg: Keise in Mittelasien. 0. Peschei: Völkerkunde. Ti essen: China. Teil 1. Ratzel: Völkerkunde. Bd. 1 — 3. Arrlienius: Das Werden der Welten. Ranke: Der Mensch. Bd. 1 — 2. Von Kaufmann Keyser - Danzig : Muzers Medizinisches Handbuch. 1789. Dur dach: Der Mensch. 1837. Gesenius: Tabellarisches Verzeichnis der einfachen Arzneimittel. 1796. b) Geschenke von Autoren: G. Jentzsch: Über die Fabrikation von Glas und Porzellan. (2 Denkschriften.) Gr ix: Polaraufnahmen einfacher und kombinierter Wechselstromschwingungen. Braun: Die östlichen Grenzländer. S e m i M eyer: Traum, Hypnose und Geheimwissenschaften. — — Die Zukunft der Menschheit. Hell mann: Über milde Winter. (Sitzungsber. Ak. d. Wissenschaften. XI. 1918.) Conwentz: Merkbuch für Naturdenkmalpflege und verwandte Bestrebungen. Berlin 1918. ii 48 Lindner: Wie erziehlt man möglichst keimfreie Luft in den Gärungsbetrieben? - — — Zur Kenntnis der Hausflora einiger Brauereibetriebe. Die Aleuronschicht des Getreidekorns, eine höchst ergiebige Fett- und Eiweißquelle. Lucks: Über zwei Mißbildungen an Fischskeletten. Petrusch k y: Weitere Erfahrungen über spezifische Perkutanbehandlung. (Sonder- abdruck.) W. Gei sie r: Die Großstadtsiedelung Danzig. Hab ermann: Begleitwort zur geologisch-morphologischen Wandkarte der Provinz Pommern. Bail: Neuer methodischer Leitfaden für den Unterricht in der Zoologie. D am me: Danzig, sein Hafen und sein Hinterland. Jentzsch: Über Phosphatvorkommen in Westpreußen. (Sonderabdruck aus dem Jahrbuch der Preuß. Geolog. Landesanstalt.) S t r e m m e u. Moldenhauer: Ingenieurgeologische Baugrundkarte der Stadt Danzig. (Sonderabdruck.) Gr ix: Geometrische Analyse periodischer Schwingungen. Pusch: Das Staatl. Medizinal-LTntersuchungsamt in Danzig von seiner Gründung bis zum Ausscheiden aus dem Dienste des preußischen Staates. Gor d an: Apfelsinenkonserven und Trockenapfelsinen. (Zentralblatt für Bakte- riologie.) Heß von Wichdorff: Geologie der Kurischen Nehrung. (Abhandlungen der Geologischen Landesanstalt. Berlin 77.) P. Günther: 4 physikalische Abhandlungen. Speiser: Ostpreußische Tierwelt. LaBaume: Vorgeschichte von Aüestprenßen. Dahms: Mehrere Sonderabdrucke über Bernstein. Bertram: Die Entwickelung des Deich- und Entwässerungswesens im Gebiete des heutigen Danziger Deichverbandes. 0. Rahn: A7ersuch einer natürlichen Gruppierung der Bakterien. Statistische Studien über die Systeme der Bakterien. Jentzsch: Die Aufschlüsse der Eisenbahn Czersk — Marienwerder — Riesenburg; ein Querschnitt des preußischen AVeichseltales. (Sonderabdruck.) — — Über die Keuper der Provinz Posen. (Sonderabdruck.) — — Beiträge zur Seenkunde. Teil V. — - — • Über rechts- und linksläufige Seen. — - — Geologischer Führer durch die Umgebung Thorns. Braun: Die Ostmark. Gr ix: Mathematische und experimentelle Darstellung der Leistung von Wechsel- strömen. Ruff: Die Chemie des Fluors. IIS. Angekauft wurden folgende Werke: Verhandlungen der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte. 86. Vers. 1921 (Nauheim). Rabenhorst: Kryptogamenflora. Pilze. Liefr. 126, 127. En gl er: Das Pflanzenreich. LI. 68, 69. Deutscher Ltniversitätskalender. Teil I u. II. 1918/19. AVinter-Semester 1919/20. Berliner Astronomisches Jahrbuch. 1920 — 1923. Astronomischer Jahresbericht. Bd. XIII, 1911; XVIII, 1916; XIX, 1917. 12 49 Grimm: Deutsches Wörterbuch. Bd. 13, Liefr. 15 — 16; Bd. 10, Liefr. 11; Bd. 12, Liefr. 2; Bd. 4, Liefr. 2; Bd. 11 Liefr. 8. Hesse-Dof lein: Tierbau und Tierleben. Berlin-Leipzig 1914. Bd. 2. P. Steinmann: Praktikum der Süßwasserbiologie. I. Teil. Die Organismen des fließenden Wassers. Berlin 1915. Apstein: Nordisches Plankton. Liefr. 19. Emmerling: Praktikum der Wasseruntersuchung. Sammlung naturwissenschaftl. Praktika. Bd. 4. J. H. Fahre: Bilder aus der Insektenwelt. Stuttgart 1914. Das Land Ober-Ost. Deutsche Arbeit in den Verwaltungsgebieten Kurland, Litauen und Bialystock, Grodno. Berlin 1917. W r o n k a: Kurland und Litauen. 1917. Rubow: Die Lachmöwe. 1912. Passarge: Aus baltischen Landen. Glogau 1878. Welfen: Wie die Pflanzen lieben. Kob eit: Die Verbreitung der Tierwelt in gemäßigter Zone. 1902. Ricken: Vademecum für Pilzfreunde. Leipzig 1918. A. Pascher: Die Süßwasserflora Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. H. 7. Engl er: Botanische Jahrbücher. Bd. 54, H. 4, 5; Bd. 55; Bd. 56, 1 — 4; Bd. 57, H. 1. E. Michael: Führer für Pilzfreunde. Ausgabe B. Bd. 3. 1917. Cohn: Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Bd. 13, FI. 3; Bd. 14, H. 1. J u.st: Botanischer Jahresbericht. Jahrg. 41. Abt. I, H. 3; Abt. II, H. 1, 4, 5. Jahrg. 42. Abt. I, H. 2, 3; Abt. II, H. 2. 0. Goerke: Der Kreis Flatow. 1918. M. Rubner: Wandelungen in der Volksernährung. 1913. — — Über moderne Ernährungsreformen. 1914. E. Loew: Einführung in die Blütenbiologie auf historischer Grundlage. Berlin 1895. E. Stahl: Zur Biologie des Chlorophylls. Laubfarbe und Himmelslicht. Vergilbung und Etoilement. Jena 1908. Holtermann: Schwendeners Vorlesungen über mechanische Probleme der Botanik. Leipzig 1909. Haberlandt: Die Lichtsinnesorgane der Laubblätter. 1905. Ostsee — Handbuch. Südlicher Teil. Mittlerer und nördlicher Teil. Di eis: Ersatzstoffe aus dem Pflanzenreich. Holle: Allgemeine Biologie. Tesdorpf-Haberfeld: Ein Beitrag zur deutschen Kulturkunde Danzigs. — *• <*■ * , Sehr. d. N. G. zu Danzig. Jahresher. 1921. 13 4 50 Jahresrechnung der Naturforschenden Einnahme. A. Allgemeine Barbestand aus 1920 72 76 I. Grundstück miete usw 4 647 60 II. Zinsen aus Wertpapieren und Hypotheken 2 789 76 III. Beiträge von Mitgliedern 12604 — IY. Zuschuß von Behörden 5 000 — Y. Yerkauf der Schriften 773 40 YI. — YIII. Yerschiedenes, haupts. Saalmiete 9 012 37 IX. Haus-Erneuerungsmasse 2 380 — 37 279 89 B. Wolf f sehe I. Zinsen aus Wertpapieren und Hypotheken 1 686 31 II. Zuschüsse . — — III. Zuschuß aus der Kasse A 2 404 69 4 091 — C. Verchsche I. Zinsen 518 80 D. Humboldt- I. Barbestand aus 1920 1 179 49 II. Zinsen 703 30 III. Zum Kapital 103 30 1 986 09 E. Physikalisches Barbestand am 31. 12. 21. lt. Sparkassenbuch Dzg. Spark. Act Yer. N. 531 880 . 168 59 F. Masse zur Unterstützung '. 212 24 I. Zinsen 51 Gesellschaft für das Jahr 1921. Ausgabe. Kasse. Ji I. Gellälter und Remunerationen 2 293 — II. Grundstück, Reparaturen, Abgaben 15 611 59 III. Sitzungen und Vorträge 1984 60 IV. Bibliothek 4 165 65 V. Druck der Gesellschaftsschriften 3 551 80 VI. Porti und Anzeigen 2 416 75 VII. Erhaltung des Inventars — — VIII. Physikalisches Kabinett .......... . — — IX. Insgemein inkl. Zuschuß zur Wölfischen Stiftung 4 738 55 X. Barbestand 1921 2 517 95 37 279 89 Stiftung. I. Gehalt des Astronomen . . . lj95V — II. Astronomische Station 2 140 — 4 091 — Stiftung, I. Zur Anschaffung von Drucksachen für die Bibliothek 518 80 Stiftung. I. Zu Stipendien 600 — IT. Zum Kapital 103 30 III. Barbestand 1 282 79 1 986- 09 Kabinett. wissenschaftlicher Arbeiten. I. Zufühl ung zur Allgemeinen Kasse A VIII 212 24 4* 52 Q. Jubiläums jc $. Sparkassenbuch der Stadt Danzig N. 44 523: I. Barbestand 1. 1. 1921 1 659 70 II. Zinsen des Barbestandes für 1921 59 55 III. Zinsen von Wertpapieren 323 — 2 042 25 H. KIinsmann= Kassenbestand p. 31. 12. 1921 lt. Sparkb. d. Stadt. Spark. Danzig N. 54 103: I. Barbestand am 1. 1. 1921 2 086 67 II. Zinsen von 1921 73 01 2 159 68 1. Momber= Kassenbestand p. 31. 12. 1921 lt. Sparkb. d. Stadt. Spark. Danzig N. 55 653 . 6 290 66 K. Sammlungs I. Diverse Eingänge 13 500 — II. Zinsen für gekaufte Schatzanweisungen u. Barbestand am 1. 1. 1921 . . . 11944 20 25*444 20 L. Darlehn an die I. Zinsen von M. 1000 . . 12 50 M. Bibliotheks I. Zinsen von gekauften Schatzanweisungen und Barbestand am 1. 1. 1921 . . 1 992 80 II. Verkaufte Schatzanweisungen ... 9900 — 11 892 80 53 Stiftungsfonds von 1918. Jt 4 Stiftung. Stiftung. fonds 1920. I. Für gekaufte Schatzanweisungen ... 15 000 — II. Barbestand > 8 378 15 III. Übertrag der Zinsen auf Allg. Kasse A VIII 5 2 066 05 25 44T20 T elegraphenverwaltung. I. Zuführung zur Alig. Kasse A VIII 5 12 50 erneuerungsfonds. I. Zuführung zur Ailg. Kasse A VIII 5 10 820 50 II. Barbestand 1 072 30 11 892 80 54 Vermögensbestand am 1. Januar 1922. A. Allgemeine Kasse. I. Grundbesitz: <$• a) Die Grundstücke Frauengasse 25/26 und Kl. Hosennäher- gasse 12/13 130 500 — abzüglich Hypothek 25 000 — 105 500 — b) Gelände der neuen Sternwarte 2 500 — II. Wertpapiere im Kurswert von 6 500 50 III. Hypotheken . .... 51 200 — IV. Barbestand .... . . 2517 95 168 218 45 B. Wolffsche Stiftung. I. Wertpapiere lt. Kurswert 6 683 70 II. Hypotheken . . 28 900 — 35 583 70 C. Verchsche Stiftung. I. Wertpapier lt. Kurswert 901 50 II. Hypothek 10 500 — 11 401 50 D. H umboldt=Stif tung. I. Wertpapiere lt. Kurswert 12 577 70 II. Barbestand 1 282 79 13 860 49 E. Physikalisches Kabinett. I. Barbestand 168 59 F. Masse zur Unterstützung wissenschaftlicher Arbeiten. I. Wertpapiere lt. Kurswert 1 150 — II. Hypothek 3 400 — 4 550~ G. Jubiläumsstiftungsfonds 1918. I. Wertpapiere lt. Kurswert 5 567 — II. Barbestand 2 042 25 7 609 25 H. Klinsmann-Stiftung. I. Barbestand 2 159 68 I. Barbestand I. Momber-Stiftung dl $). 6 290 66 K. Sammlungsfonds 1920. I. Deutsclie Reichsschatzanweisungen 50 000 — II. Barbestand 8 378 15 58 378 15 L. Darlehn an die Telegraphenverwaltung. Darlehn 1 000 — M. Bibliothekserneuerungsfonds. I. Deutsclie Reichsschatzanweisungen 15 000 — II. Barbestand 1 072 30 16 072 30 Druck: A. W. Kafemann G. m. b. H., Danzig. r Zur Beachtung. Die folgenden von der Naturforschenden Gesellschaft herausgegebenen Einzelwerke können von den Mitgliedern zum Vorzugspreise bezogen werden : 1. Die Flora des Bernsteins lind ihre Beziehungen zur Flora der Tertiärformation und der Gegenwart von H.li. Göppert und A. Menge. 1. Band. Göppert, Von den Bernstein-Coniferen. Mit dem Porträt M enges und 16 lithogr. Tafeln. Danzig 1883; gr. Quart. — VIII und 63 S. Ladenpreis: M 60. Für die Mitglieder: M 30. 2. Band. Conwentz, Die Angiospermen des Bernsteins. Mit 13 lithogr. Tafeln. Danzig 1886; gr. Quart. — IX und 140 S. Ladenpreis: M 80. Für die Mitglieder: M 40. II. Die prähistorischen Denkmäler der Provinz Westpreussen und der angrenzenden Gebiete von Dr. A. Lissauer. Mit 5 Tafeln und der prähistorischen Karte der Provinz West- preußen in 4 Blättern. Danzig 1887 ; gr. Quart. — XI und 210 S. , Ladenpreis: M 50. Für die Mitglieder : M 25. III. Monographie der haitischen Bernsteinbäume von H. Conwentz. Mit 18 lithographischen Tafeln in Farbendruck. Danzig 1890; gr. Quart. — IV und 151 S. 7 Ladenpreis: M 140. Für die Mitglieder: M 70. I V. Vorgeschichte von Westpreussen von Df. W. La Baume. Mit 18 Tafeln und 84 Abbildungen im Text. Danzig 1920. Oktav. 102 8. Ladenpreis: M 15. Für die Mitglieder: MIO. Von dem s. Zt. in den Schriften der Gesellschaft, Neue Folge Bd. I bis IV 1866 — 1879, erschienenen Werk: Menge, Preussische Spinnen. Mit 91 Tafeln sind noch einige vollständige, gut erhaltene Exemplare vorhanden. Ladenpreis: M 100. Für die Mitglieder: M 50. Der Betrag nebst Porto für die gewünschte Zusendung ist an den Schatzmeister der Gesellschaft, Herrn Bankier Stein in Danzig, Große Gerbergasse 5, einzuschicken. (Postscheck-Konto 6213.) Von den älteren Schriften der Naturforschenden Gesellschaft ist das 1. Heft des III. Bandes (1871) vergriffen. Es würden die Herren Mitglieder, die dieses Heft etwa abgeben können, uns dadurch zu besonderem Dank verpflichten. Der Vorstand. L - " , , . J Druck: A'. W. Kafemann G. m. b. H., Danzig. • . •• ; • * . Y > T SCHRIFTEN DER NATURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT IN DANZIG. NEUE FOLGE. FÜNFZEHNTEN BANDES ERSTES UND ZWEITES HEFT. III. TEIL: WISSENSCHAFTLICHE ABHANDLUNGEN. MIT UNTERSTÜTZUNG DES WESTPR. PROVINZIAL-LANDTAGES HERAUSGEGEBEN. DANZIG 19ä0. KOMMISSIONS-VERLAG VON R. FRIEDLANDER & SOHN IN BERLIN NW 6. KARLSTR. 11. % Druck: A. W. Kafemann Gr. m. b. H., Danzig Inhalt. 1. Bernsteintropfen. Mineralogische Untersuchungen über Bernstein, XII. Von Studiendirektor Prof. Dr. Paul Dahms in Zoppot . 2. Die montanen Elemente in der Flora des nordostdeutschen Flach- landes. Yon Studienrat Dr. Walther Wangerin, Dozent an der Staatlichen Technischen Hochschule in Danzig-Langfuhr . . . . 3. Das Studium der westpreußischen Seen. Vortrag, gehalten in der Sitzung der Naturforschenden Gesellschaft am 1. Mai 1918. Yon Studienrat Prof. Dr. Lakowitz in Danzig 4. Über strenge und genäherte Berechnung von Geschoßflugbahnen. Yon Prof. Dr. A. v. Brunn, Astronom der Naturforschenden Ge- sellschaft und Dozent an der Staatlichen Technischen Hochschule in Danzig-Langfuhr 5. Johannes Kepler. Vortrag, gehalten in der Sitzung der Natur- forschenden Gesellschaft am 2. April 1919. Yon Dr. J. Sommer, Professor an der Staatlichen Technischen Hochschule in Danzig- Langfuhr . . 6. Die Geradflüglerfauna Westpreußens. Dritter Beitrag zur Kenntnis der westpreußischen Ohrwürmer und Heuschrecken (. Dermaptera und Orthoptera). Mit 4 Abbildungen im Text. Yon Dr. Wolfgang La Baume, Kustos am Westpreußischen Provinzial - Museum in Danzig 7. Besprechung von Dr. Wolfgang La Baume, Vorgeschichte von Westpreußen in ihren Grundzügen allgemein verständlich dargestellt. Herausgegeben von der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig. Mit 18 Tafeln und 84 Abbildungen im Text. Danzig 1920. Kom- missionsverlag von R. Friedländer & Sohn, Berlin NW 6, Karl- straße 11. 102 S. 8°. Yon Studienrat Prof. Dr. Bruno Ehrlich in Elbing . Seite 1 43 86 93 126 144 186 Mineralogische Untersuchungen über Bernstein. Von Dr. Paul Dakms in Zoppot a. d. Ostsee. Mit 13 Figuren im Text. XSL Bernsteintropfen. Die Veranlassung zu dieser Studie gab eine Gruppe von Bernsteintropfen aus der Sammlung des Herrn Pfarrer Winkler in Zoppot. Die betreffenden Stücke sind vorsichtig poliert, so daß die Verwitterungsrinde beseitigt wurde, ohne daß die ursprüngliche Form und Masse irgendwie eine bemerkenswerte Einbuße erlitt. Dadurch war es möglich, einen Einblick in ihr Inneres zu tun und Beobachtungen zu machen, welche für die Entstehung und das weitere Schicksal der Tropfen von Bedeutung sind. Es verdient hervorgehoben zu werden, daß unter der Bezeichnung „Tropfen“ vorzugsweise nur solche Stücke verstanden werden sollen, die aus der Mutterpflanze durch kräftiges Hervor- quellen des Balsams entstanden; solche, die durch langsames Fließen und Träufeln hervorgerufen wurden, sollen nur soweit zur Besprechung heran- gezogen werden, als es zum Verständnis erforderlich ist. — Außer den Stücken mit sog. Einschlüssen haben besonders solche die Phantasie des Menschen erregt, welche die Form von Tränen in Erinnerung brachten. Deshalb konnte der berühmte tragische Dichter Sophokles1) ihre Entstehung darauf zurückführen, daß die Meleagriden den Tod des Meleager beweinten, in ähnlicher W eise leiten Äschylus, Philoxenus, Nican- der, Euripides, Satyrus2) und andere Dichter — von denen 0 v i d der bekannteste sein dürfte — ihren Ursprung darauf hin, daß die Heliaden den tödlichen Sturz ihres Bruders Phaethon bejammerten und die Tränen dieser Töchter des Sonnengottes sich in goldschimmernden Bernstein verwandelten. Hach J ohannHeinrich V oß „duldet“ ferner A p o 1 1 o n i u s 3) die keltische Sage, es lägen in diesen Stücken Tränen vor, die Apollo bei den Hyperboräern um seinen Asklepios weint. 3) 4, S. 11. — Die fett gedruckte« Zahlen beziehen sich auf die Nummern der Literatur- angabe. 2) 4, S. 13; ») 8, S. 34. Sehr. d. N. G. za Danzig. Bd. XV, Heft 1. 1 1 2 Die Bildung des hervortretenden Balsams fand im Holze der baltischen Bernsteinbäume, in der Wurzel, im Stamm und in den Ästen statt1). Der Harz- fluß, der unmittelbar nach der Verwundung auftrat und nur kurze Zeit anhielt, besaß nur geringe Ergiebigkeit; aus den normalen Sekretbehältern gelangte er ins Freie. Er war der primäre und von rein physiologischer Natur. Erst nach einiger Zeit setzte ein sekundärer, ergiebigerer ein. Er stammte nur aus den Kanälen des Neuholzes, die sich nach der Verwundung infolge des Wundreizes in großer Zahl als vertikale und horizontale, schizogene Behälter gebildet hatten und miteinander in Verbindung standen. Das Material zur Bereitung dieses Balsams muß teilweise aus dem De webe der Nachbarschaft hinzugeführt sein, „denn die geringen Mengen der Membranen, welche aufgelöst wurden, reichten nicht hin, um die großen Harzmassen zu bilden, welche in den Kanälen abgelagert sind2)“. Dieser später einsetzende Harzfluß ist pathologischer Natur; die hierbei auftretenden Kanäle erweiterten sich lysigen. — Außerdem findet bei dem erkrankten Bernsteinbaum nicht selten Verkienung statt; daneben werden die normalen Harzbehälter vermehrt und erweitert. Den gesteigerten Zustand der Balsambildung bezeichnet H. Conwent z als Succinose. Die Zellen, welche gewöhnlich als „sezernierende“ bezeichnet werden, sind selbst sekretfrei; sie erzeugen nur die resinogenen Substanzen, nicht aber das Sekret. Bei den Nadelhölzern kommt in dieser Hinsicht eine besondere Schicht in Betracht, die ihrer Lage nach als Membranschicht angesehen werden muß; in dieser wird aus den zugeführten Substanzen der Balsam gebildet. Diese Schicht ist stets aus Hemizellulosen der Gummi- und Schleimgruppe aufgebaut und erhielt von A. Tschirch die Bezeichnung „resinogene Schicht0)“. Kol- loidale pflanzliche Membrane, besonders solche, die zur Mittellamelle gehören oder aus ihr hervorgingen, besitzen das Vermögen, aus einfacheren Verbindungen solche von verwinkelterem Bau zu bilden, wobei es dahingestellt sein mag, ob Enzyme dabei mithelfen4). Das Harz tritt nie in ganz reiner Form aus den Wunden des Baumes hervor, der Geruch des Rohmaterials und dessen weiche Beschaffenheit rührt stets von sog. Beisubstanzen her. Das sind in erster Reihe die ätherischen Öle, welche als Lösungs- und Verdünnungsmittel der Harze von Bedeutung sind und ihm erst ermöglichen, in Balsamform ins Freie zu gelangen. Ein anderer Teil verharzt und bildet Resene, wie Tschirch sie nennt, Körper, die Ver- suchen gegenüber, sie chemisch zu fassen, sich recht ablehnend verhalten 5). Wie groß die Menge der Beisubstanzen ist, die den eigentlichen Harzkörper, das „Reinharz“, begleiten, ist von Nadelholz zu Nadelholz verschieden. Selbst bei der gleichen Pflanze kann sie recht erhebliche Schwankungen zeigen; so bestimmte sie R i c h a r d K 1 e b s bei der Schwarzkiefer Pinus austriaca H o e s s et Erat. = P. nigra Lück zu 5 bis 30 %6). Nach dem Austritt aus der Wunde verliert der Balsam oberflächlich schnell das Lösungsmittel zum großen i) 12, S. 82; 0 12, S. 83. 84; 3) 18, S. 10 bis 12; *) 26, S. 543. 544. 546. Ö 18, 8. 3. 33. 58. 59; 6) 11, S. 34. 2 Teil durch Verdunsten. Nachquellende Mengen, welche unter der Hülle des bereits veränderten Materials von der Luft abgesperrt werden, behalten ihre Beisubstanzen längere Zeit unverändert. Ein ähnliches Zusammentreten ver- schiedenartig erhaltener Balsammasse findet statt, wenn ältere von jüngeren Flüssen bedeckt werden1); dieser letztere Vorgang spielt sich bei den eigent- lichen Tropfen freilich nie ab. Das Bernstein-Harz selbst stellt keinen einheitlichen Körper dar, sondern Gemische von vielen Einzelsubstanzen2)- Autoxydation und Polymerisation, sowie intramolekulare Umlagerungen, welche mehrere isomere Harzkörper nebeneinander hervorgehen ließen, haben zur Entstehung recht verwickelter Komponenten Veranlassung gegeben3). Hinzu kommt ferner, daß die gleiche Mutterpflanze unter verschiedenen Einwirkungen verschiedenartig beschaffenen Balsam bei Verwundungen austreten läßt. Bereits Bock (1783) führt als Bedingungen für Abänderungen im Rohharze an: das verschiedene Alter der Bäume, die Beschaffenheit des Bodens, auf dem sie wachsen, die Ver- schiedenheit in der Witterung und Jahreszeit, in der das Sekret austritt, größere oder geringere ,, Hitze“ und die verschiedenen „ Arten“ der Mutterpflanzen 4). Später wurden noch hinzugezählt: der Ernährungszustand der Bäume, die Feuchtigkeit der Atmosphäre5), Beleuchtung, der Umstand, ob das Harz als Erzeugnis eines gesunden, nur örtlich verletzten oder eines kranken Baumes entstand, und der Pflanzenteil, dem der Balsam entquoll0); es scheint schließlich, daß sogar die Art der Wunde für die chemische Zusammensetzung von Belang ist7). Auch durch die besonderen Umstände beim Übergang des Balsams in Roh- harz und durch die V ermischung verschiedener Baumharze konnten Produkte von eigenartiger chemischer Zusammensetzung hervorgerufen werden. Von den eingeschlossenen Nadeln auf die Beschaffenheit des zugehörigen Baumharzes schließen zu wollen, würde zu Irrtümern führen, da kaum der Beweis geliefert werden kann, welche von ihnen dem Bernsteinbaum des vorliegenden Harzes angehörte und nicht dem anders gearteten Nachbarn 8)„ Eine engere Beziehung zwischen Harz und Einschluß zeigt sich dort, wo einzelne Xnsektengattimgen in bestimmten Handelssorten des Bernsteins etwas häufiger auftreten als in anderen; auffallend ist z. B. der Reichtum des Polanger Steins an Scolytiden (Borkenkäfern) y). — Das in den Harzbehältern des Baumes angesammelte Harz kann in zweierlei Art ins Freie gelangen, einmal durch Verletzung des lebenden Baumes, dann aber auch beim Zerfall des abgestorbenen. Xm letzteren F alle tritt der bereits erhärtete, klar durchsichtige Inhalt der Gänge und Xvanäle unter Einwirkung der Sonnen- wärme langsam in flüssiger Form hervor und bewegt sich nach tiefer gelegenen Stellen hin. Es entstehen hierbei meist nur flächenhafte Gebilde (Schlauben), wo sich uneingeschränkt die Möglichkeit der Bewegung nach abwärts bietet. Wo dagegen an der lebenden Pflanze der Balsam aus Wunden nach außen x) 21, S. 17; 2) 27; 28; 3) 18, S. 70 Ms 75; *) 3, S. 280; 5) 9, S. 13. 14; 6) 17. S. 29. 30; ?) 25, S. 20; 8) 9, S. 12; 9) 20, S. 234. 3 1* 4 befördert wurde, erfuhr er eine Beimengung mit dem Zellsaft der gleichzeitig verletzten Teile des Splintholzes und der Rinde und dadurch eine Verände- rung1). Die leichte Beweglichkeit ging verloren; hei der winzigen Größe der eingeschlossenen Bläschen, deren Größe bis 0,8 fi abwärts im Durchmesser beträgt, ging die flüssige Phase in eine zähe über. Es ist das um so verständlicher, wenn man bedenkt, daß das System bei den äußerst geringen Ausmessungen der be i gemengten Flüssigkeitsteilchen eine kolloidale Lösung darstellt, die sich stark der Grenze nähert, bei der das Gebiet der eigentlichen Dispersoide beginnt2). Die Festigkeit, die der Balsam auf diese Weise erhält, macht sich auch später beim Bernstein bemerkbar; ist es doch jedem, der dieses Material mit einer Feile bearbeitet hat, bekannt, daß knochiger Stein hierbei einen viel größeren Widerstand entgegensetzt als klarer. Unter der Einwirkung der Sonnen wärme konnte der Tropfen nun eine Klärung erfahren. Die kleinen Bläschen traten zu größeren zusammen, stiegen an die Oberfläche und verließen das Harz. Dadurch entstanden die verschiedenen Bernsteinvarietäten, zuerst die des Bastard, schließlich sogar die des Klar. Dieser Vorgang der Klärung spielte sich vorzugsweise in den oberflächlichen, äußeren Teilen der Tropfen ab3). Dadurch bekam die Masse des Tropfens zum Teil ihre Beweglichkeit wieder und versuchte, sich nach unten hin aus- zv. ziehen. Außer durch die verschiedenen chemischen Bestandteile des Roh- harzes und seine verschiedene Zusammensetzung in den einzelnen Stücken wird auch durch die eingeschlossenen Bläschen bei ihrer verschiedenen Größe bedingt, daß die physikalischen Eigenschaften des Bernsteins von Stück zu Stück ab- weichen, besonders da die Menge des beigemengten Zellsaftes wohl erhebliche Schwankungen aufweisen konnte. Um die großen Mengen des Bernsteinbalsams zu bilden, mußte das Material zu seiner Bereitung teilweise aus dem benachbarten Gewebe herangeführt werden4), dieKanäle wurden in reicherMenge mit dem vorläufigen Rohmaterial gefüllt; das „Zuströmen“ von ihm konnte ohne Steigerung von Druckwirkung auf die beschickten Gewebsteile wohl kaum erfolgen. Gegen diesen nach außen gerichteten Druck wirkt der Druck der Rinde; so konnte es kommen, daß der Balsam unter erheblichen Druckwirkungen stand. Unter ihrer Einwirkung nahmen die als „Platten und Fliesen“ bezeichneten Bernsteinstücke, die erst nach vollkommener Zersetzung des Holzes völlig fest zutage kamen, eine ungewöhnliche Dichte an; sie sind aus abnormem Holzparenchym hervor- gegangen, flach, eben oder etwas konkav-konvex. Entsprechend der Ausdehnung des Gewebes, aus dem sie sich bildeten, besitzen sie zeitweise erhebliche Aus- maße und zeigen oft auf der einen oder auch auf beiden Seitenflächen noch Reste oder Abdrücke des anliegenden Holzgewebes5). Bereits1 J o h. Chr. Aycke6) (1835) konnte darauf hinweisen, daß sie glatt und so fest seien, als wären sie zwischen harten Gegenständen eingezwängt gewesen. Der Druck i) 12, S. 98; 2) 29, S. 317; 3) H? S. 32 bis 34; 4) 12; y. 83. 84; 5) 12, S. 96; 6) 5, S. 94. 4 5 auf den Balsam ist aber erforderlich, um die zähflüssige Emulsion von Zellsaft in Tropfenform hervorzupressen. Bock1) (1783) schreibt dem hervortretenden Balsam eine zähe Beschaffenheit zu und läßt ihn durch ein „zersprengtes Saft- löchelchen der Binde“ unter Aufschwellen hervortreten. Auch van Boy2) (1840) spricht sich schon dahin aus, daß die Harzmasse sehr zähflüssig gewesen sein müsse; das bewiesen die ziemlich häufigen ohrbuckelförmigen Stücke der sogenannten Tropfen. Soweit seine Erfahrung reicht, beständen diese höchst selten aus durchsichtigem Stein; sie seien vielmehr in stärkerem oder geringerem Grade undurchsichtig und enthielten keine fremden Einschlüsse. Das kugelförmig herausgepreßte Material konnte als solches zu Bernstein werden und gab dann weiß gefärbtes Harz, das nach Form und Farbe mit Perlen verglichen werden konnte. Sendel3) beschreibt ein größeres Bern- steinstück, dem zwei derartige Kügelchen auf sitzen, und bildet es ab. — Der- artige kleine Ausscheidungen konnten sich im Sonnenlichte auch klären, doch gaben sie dann meist ihre rundlichen Formen auf und zogen sich bei der teil- weisen Verflüssigung ihres Materials mehr oder weniger in die Länge. Wo sie sich an schattigen Orten längere Zeit frisch erhielten, konnten sie durch weitere Balsammasse an Größe zunehmen. Diese trat von der Wundstelle des Baumes in ihre Ansatzstelle ein und blähte sie auf. Auf dieses zweite Austreten der getrübten Masse konnte dann noch ein weiteres oder gar mehrere folgen. Ein derartiges Stück, von dem weiterhin unter Ha und Ilb nähere Angaben gemacht sind, wurde nach dieser Bichtung hin untersucht. Beim ersten Blick könnte man meinen, daß es aus einem knochigen hervorgegangen sei, das beim Zusammentrocknen oder Abstürzen zerbarst und durch klares Material auf dem Boden des Bernsteinwaldes wieder zusammengekittet und überfangen wurde. Eine andere Vorstellung, daß fast klares Harz nachträglich aus der Wunde des Baumes geflossen sei, bietet erhebliche Schwierigkeiten. Man müßte in diesem Falle annehmen, daß ein Teil des Balsams erst dann hervortrat, als die Zellen in der Umgebung der Wunde abgestorben waren und deshalb auch keinen Zellsaft mehr liefern konnten, der sich dem Balsam beimengte. Dem wider- spricht der Umstand, daß die knochigen Teile noch verhältnismäßig weich sein mußten, der Pflanzenteil also noch kurze Zeit vor dem Abschluß der Bildung hätte am Leben sein müssen. Zur näheren Prüfung der Verhältnisse wurde senkrecht zur Längsachse, etwa um % der Länge von der Ansatzstelle, ein Schnitt gelegt und ein zweiter durch die Längsachse selbst derart, daß er senkrecht durch den klaren Bernstein verlief, welcher die knochigen Teile zu verkitten scheint. Die dabei gewonnenen Schliffe liefern das folgende Bild: Die fast klare Hülle ist an der dünnsten Stelle etwa 0,2 mm, an der breitesten 1,1 mm dick, der getrübte Bernstein nur im oberen Teile, nach der Ansatzstelle hin, in reicherem Maße erhalten, denn dort, wo der klare Mantel breiter wird, dringt die Klärung tief ins Innere 0 3, S. 281; 2) 6, S. 9. 10; 3) 1, pars 3, § XXXV und Tafel XII, Fig. 20. 5 * 6 ein. Die übrig gebliebenen knochigen Teile zeigen in den Enden ihrer Zipfel meist äußerste Feinheit und Zuspitzung oder verschwommene Konturen, die auf Umwandlung dieser Knochenpartien hinweisen (Fig. 1). In den letzteren finden sieh reichlich größere Bläschen von rund 34 ju bis 39 fx Durchmesser von schön kugelrunder Form. Besonders groß sind sie dort, wo Knochen und Klar sich scharf voneinander absetzen, der Vorgang der Aufhellung sich also besonders lebhaft abspielt. Die Hülle und die geklärten inneren Partien ent- halten runde Bläschen von 13 u bis 29 /-t, meist freilich von 18 [x bis 23 /x Durchmesser. Diese treten in der Kegel gegen weniger regelmäßig und unregel- mäßig begrenzte Formen zurück. Heben elliptischen, deren Durchmesser bis auf 18 ft X 23 jll ansteigen können, finden sich auch länglich tropfenförmige von 44 ju Länge und 10 jul größter Breite. In einem Falle setzen sich an ihr schmäleres Ende in der Verlängerung der Längs- achse noch 4 ovale bis runde Bläschen von durch- schnittlich 8 [x mittlerer Breite und 34 fx Gesamt- länge an; ein derartiger Ansatz kann freilich auch seitlich von den länglichen Hohlräumen stattfinden. Einige haben fast einen rechteckigen Umriß von 18 [x X 20 u Seitenlange, andere vollständig un- regelmäßige Gestalt. Bei vielen läßt sich noch er- kennen, daß und wie sie durch das Zusammentreten der kleinen Bläschen zustande gekommen sind. Viele von diesen, deren Durchmesser 1 fx und weniger beträgt, weisen noch auf das knochige Material hin, aus dem die geklärte Bernsteinmasse hervorging. In ihr, und zwar in den ländlichen Teilen, zeigen sich nur wenige und kleine Risse, die senkrecht oder fast senkrecht zur Ober- fläche des Tropfens verlaufen. Die Umwandlung des knochigen Bernsteins in klaren ist also in sanfter Weise vor sich gegangen. Darauf deuten auch die zahllosen kleinen Bläschen hin, die noch überall in der Bernsteinmasse zer- streut sind, und außerdem das Verhalten im polarisierten Licht; unter gekreuzten Nikols fand überall einheitliches Auslöschen statt. Die Bläschen im geklärten Bernstein haben ihre ursprüngliche Form fast überall aufgegeben. Wie die wenigen Risse zeigen, hat ein Zusammentrocknen stattgefunden. Die nach den Hohlräumen gewanderten, harzigen Bestandteile von niederem Schmelzpunkt haben aber bei weitem nicht ausgereicht, die Bläschen auszufüllen; auch von dem Einsetzen einer Ausheilung der Risse kann nur wenig bemerkt werden. Der beschriebene Tropfen ist aus dem hervorgepreßten Balsam dadurch entstanden, daß sein Material in mehreren Absätzen nacheinander aus der Wunde hervortrat. Jedesmal traf die junge Balsamsubstanz auf eine ältere, die bereits in chemischer, weniger in physikalischer Hinsicht Umwandlungen erfahren hatte. Von den Grenzen der einzelnen Hüllen aus setzte dann, ebenso wie von der Oberfläche aus, die Klärung ein. Auf diese Weise war das Zustande- kommen der jetzigen schädigen Ausbildung von abwechselnd klarem und kno- Fig. 1. Durch Verwitterung er- vortrctenderschaliger Aufbau eines kugeligen Tropfens aus Knochen. Vergr. 2 : 1. (Westpr. Prov -Mus. zu Danzig). 7 -eiligem Bernstein möglich. Der Unterschied in der Härte zwischen beiden machte sich auch bemerkbar, als der Tropfen zwecks Herstellung von Dünn- schliffen angeschnitten wurde; bei dieser Gelegenheit wurden Schalenstückchen, wie etwa bei schlaubiger Struktur, abgesprengt. Daraus, daß die Haupteinsatz- stelle für die Klärung am unteren Ende des Tropfens liegt, muß man wohl schließen, daß die Einwirkung des Lichtes von hier aus erfolgte. Wahrschein- lich drang der zähflüssige Balsam in Kugelform aus einer Wunde, die auf einer oberen oder seitlichen Stelle von Astgebilden lag. Bei dieser Annahme wäre der abgerundete Teil nach einer Stelle hin gerichtet gewesen, wo er der Einwirkung der Sonne besonders ausgesetzt war. Dadurch, daß Hüllen von knochigem Material sich als Überreste vom ursprünglichen Tropfen an diesem Stück trotz des Klä- rungsvorganges solange erhalten haben, bietet sich im Dünn- schliff ein Bild, das ungefähr an Liesegang sehe Hinge erinnert, wie sie beim Klarwerden des Bernsteins auch sonst öfter beobachtet werden. Besonders wo mehrere Reste der ursprünglich knochigen Schalen sich annähernd in konzentrischem Verlauf erhalten haben, ist die Ähnlichkeit überraschend. Übrigens verdient erwähnt zu werden, daß auch oberflächlich auf diesem Tropfen sich an einer Stelle ein System von Aufhellungsringen erkennen läßt. — Bei der Skizze in der Figur ist der klare Bernstein zart ge- strichelt, der knochige weiß gelassen; wo dieser mit einer Linie umfahren ist, setzt er sich von dem klaren scharf ab, in den anderen Fällen geht er langsam in ihn über. Ein Stück, bei dem die Klärung noch weiter vorgeschritten ist, zeigt Fig. 2. Es liegt ein größerer, unsymmetrischer, schwach gedrehter, polierter Tropfen vor, dessen eine Seite fast flach und dessen andere gewölbt ist; seine Maße sind: Länge 32,3 in, größte Breite 20 mm, Dicke 11,6 mm. Das Bild zeigt ihn von der konvexen Seite. Infolge des größeren Gewichts ist die ursprüngliche Kugelform .aufgegeben und die einer Träne angenommen. Die einzelnen Hüllen in ihren klaren und etwas getrübten Bartien heben sich noch deutlich von- einander ab. Es läßt sich klar erkennen, daß sie sämtlich ihren Ursprung an der Ansatzstelle des Tropfens genommen haben. Die später eintretenden Balsammassen haben an den älteren, teilweise bereits erstarrten einen Wider- stand erfahren, der Stauchungen veranlaßte. Einen Tropfen, bei dem sich die spätere Materialzufuhr im Innern erkennen läßt, bildet bereits Sendel1) ab. Freilich gibt dieser Autor keine Erklärung zu dem eigentümlich aussehenden Stück, die wohl auch deshalb schwer geworden wäre, weil bei der Form durch kräftige Krümmung nach der einen Seite hin die ursprünglich regelmäßigere Ausbildung recht erheblich beeinträchtigt wurde. Oberl. Baenge phot. Fig. 2. Tropfen, den Ma- lcrialzuwachs von innen her zeigend. Verkl. 9 : 10. (Samml. Winkler in Zoppot). 0 1. Taf. XII, Fig. 16. 8 Die Tropfen konnten sich dann in verschiedener Weise von der Mutter- pflanze trennen. Unter dem Einfluß von Licht und Wärme erweichten sie* zogen sich an ihrer Ansatzstelle mehr oder weniger aus, bis die Verbindung mit ihr zu schwach wurde, um weiter zu halten, und fielen dann zu Boden. Dabei wurde die veränderte Balsammasse an der verdünnten Stelle, soweit es die Beschaffenheit des Materials gestattete, ausgezogen, bis ein Losreißen erfolgte. Es gilt das nicht nur für jüngere, sondern auch für ältere Tropfen, die im Laufe der Zeit durch besonders günstige Umstände in den Genuß des Sonnenlichtes gelangten, mehr oder weniger — und zwar besonders an der dünneren Ansatzstelle — erweichten und sich dann freimachten. Im Gegen- satz dazu trennten sich ältere, erhärtete Tropfen durch mechanische Ein- wirkungen ab, ohne daß sie ihre Härte zeitweise verloren, etwa beim Umbrechen des Bernsteinbaumes unter Einwirkung kräftiger, elementarer Gewalten, z. B. bei kräftigen Stürmen, oder unter anderen Umständen. Ein Ausziehen der Harz- ballen läßt sich dann kaum mehr wahrnehmen, wohl aber in der Regel eine größere Abbruchstelle. — Es muß betont werden, daß eine solche auch entstehen kann, -wenn die abgeschmolzenen Tropfen später beim Umlagern des Waldbodens durch die Kräfte des Wassers hin- und herbewegt wurden. Dabei gingen die feineren ausgezogenen Teile, wie sie besonders das völlig klare Harz auf weisen mußte, vollkommen verloren. An den Bruchstellen läßt sich deshalb weniger ersehen, wie sich der Tropfen von seiner Ansatzstelle abtrennte, als an seiner allgemeinen Form; wo der Bernstein durch das Spiel der Brandung oder bei der technischen Zubereitung in der Tonnenwäsche reibend hin- und herbewegt wurde, konnten die Bruchstellen vollständig entfernt werden. Nur wo der Balsam in Form einer zähflüssigen Emulsion aus den Wunden des Bernsteinbaumes hervorbrach, vermochten Tropfen von bemerkens- werter Größe zu entstehen. Hier trat zu dem zuerst hervorgebrochenen ohne Pause immer aufs neue weiteres Material, so daß es sich immer mehr anhäufte, bevor das älteste einen flüssigen Zustand annehmen und sich von der Mutterpflanze loslösen konnte. Es konnte sich deshalb immer mehr ansammeln und schließlich bis zur Größe eines mittleren Apfels anschwellen. Wo Zellsaft sich nicht beimengt, weil der Ausfluß durch die Wärme der Sonne aus abge- storbenem Holze bewirkt wurde, häufte sich der Balsam nie in größeren Mengen zusammen; sobald er heraussickerte, strebte er dem Boden zu, entweder haftete er der nahen Rinde an und begann sie zu überziehen, so daß Schlauben ent- standen, oder er staute sich bei dieser Bewegung an hervorragenden Stellen an und bildete hier, sobald sich genügend harziges Material angesammelt hatte, kleine Tropfen. Diese hatten bei ihrer flüssigen Beschaffenheit immer nur das Vermögen, bis zu einer verhältnismäßig geringen Größe anzu wachsen, ehe sie sich auszogen und abfielen. Stücke von solchen verhältnismäßig geringen Aus- messungen konnten freilich auch aus den getrübten Balsammassen hervorgehen,, die nach ihrem Hervorbrechen keine weitere Zufuhr an Substanz erhielten und dann der Einwirkung der Sonne ausgesetzt waren. An ihnen ist nachträglich' 8 9 nicht zn erkennen, ob sie aus einem lebenden oder einem bereits abgestorbenen Teile des Bernsteinbaumes hervorgingen. Die Trennung der klaren Tropfen von der lebenden Pflanze war deshalb auch vollständig gleich, ob ursprünglich klarer oder erst später geklärter Balsam zur Erde träufelte, nur daß sie natürlich bei kleineren Gebilden weniger gewalt- sam vor sich ging als bei größeren. Immer läßt sich erkennen, wie die Substanz sich zur Form einer Träne auszog und sich am dünneren Ende mehr und mehr verjüngte, bevor der schließlich gebildete Faden riß. Dagegen spielt der Um- stand dabei eine Rolle, wie weit die Klärung abgeschlossen war. Wenn sie kaum begann, haben die entstandenen Stücke mehr kugelige Form; je mehr sie vorschritt, desto mehr ging der untere Teil von der Gestalt einer Kalotte nach dem oberen zu in eine Kegelform über. Je zäher die mehr oder weniger veränderte Balsammasse war, desto kürzer ist diese Form, je klarer und flüssiger, desto länger. Stücke, bei denen ein vollständiger Kegel den Tropfen in seinem oberen Teile begrenzt, finden sich häufiger. — Bei knochigen Stücken und solchen, deren Masse noch stärkere Trübungen durch Bläs- chen aufweist, geht die Loslösung in wesentlich anderer W eise vor sich. Ein Ausziehen der zähen Balsammasse will nicht gelingen; es versucht deshalb die Hauptmasse sich durch Einschnürung von dem kleineren Teil, der vorläufig Zurückbleiben muß, loszutrennen. Es entstehen dabei birn- bis etwa zitronenförmige Gestalten. Bei den ersteren ist der zurüokbleibende Teil noch verhältnismäßig groß, bei den letzteren verhältnismäßig klein. Allmählich bilden beide Teile sich nach ihrer Berührungsstelle hin konvex aus, und an dieser dünnsten Stelle reißen sie dann auseinander. Zerfallende Tropfen der ersten und zweiten Form bildet Sendel ab1); Bock2) führt sie an bei seiner Auf- zählung der Bernsteinstücke aus dem ,, Naturalienkabinett des Herrn Commer- cienrat Saturgus“. — Außer dieser Art der Loslösung geht, wo die äußeren Verhältnisse es möglich machen, noch eine weitere — als Mittelding zwischen den beiden anderen — vor sich. Dann plattet sich der obere Teil seitlich ab, und mehr oder weniger senkrecht zum Verlauf der Längsachse tritt dann eine Ein- schnürung ein, die sich zu einem äußerst kurzen, flachen Band auszieht und dann zerreißt. — Berendt hebt hervor, daß die meisten Tropfen kurz gestielt und fast immer schräg abgebrochen sind; er sieht darin einen Beweis, daß sie gewaltsam von ihrer Bildungsstätte, wahrscheinlich durch Windstoß, frei- gemacht wurden. Natürlich kann die zwangsweise Trennung des Hauptstückes von dem mehr stielförmigen Teil auch später beim Umlagern des Waldbodens stattgefunden haben3). Auch beim Aufprallen auf den Boden zeigen sich ausgesprochene Eigen- tümlichkeiten. Weiche, besonders jugendliche Tropfen werden an ihm abge- plattet, ältere, bei denen nur das obere dünnere Stück erweichen konnte, behalten ihre Form, die sie vor dem Niederfallen hatten, fast unverändert, bei. Die ]) 1, Taf. XIL Fi g. 8 und 11; 2) 2, S. 128; 3) 7, S. 32. 33. 10 knochigen Stücke haben dagegen mehr oder weniger Kugelform; sowohl ihre ausgezogenen Teile an der früheren Ansatzstelle wie die beim Aufprall ein- gedrückten gleichen sich nach kurzer Zeit wieder aus. Die Oberflächenspannung des zähen Systems Zellsaft-Harz oder Luft-Harz veranlaßt, daß die nieder- gefallenen Tropfen in kurzer Zeit Kugelform oder kugelähnliche Gestalt annehmen. Derartige perlförmige Tropfen, bei denen nicht nur die Gestalt, sondern auch die Färbung auf fällig ist, sind in der Literatur vielfach erwähnt. Besonders bei kleineren Stücken ist die Kugelform vorherrschend, größere — etwa von den Ausmessungen einer Muskatnuß — haben bereits eine etwas längliche, die an ein kurzes Rotationsellipsoid erinnert3). Die Klärung kleiner Harzballen an der verletzten Rinde oder auch an anderen Stellen von Had eibäumen kann häufig, besonders bei Kiefern, wahrgenommen werden. Bei einem Durchmesser von 2 cm und größerem Betrage kann sich dann eine vollkommen klare Schicht von kaum 0,5 m Dicke um einen Kern von starker Trübung gebildet haben"). Dieser enthält den Überrest der ursprünglich getrübten Masse, die den ganzen Tropfen bildete. Mehr oder weniger gleichmäßig schreitet die Aufhellung durch das ganze Stück nach innen hin fort. Zieht sich hierbei der Tropfen etwas aus, so erhält dadurch der obere Teil eine Kegelform und damit eine verhältnismäßig große Oberfläche. Von ihr aus kann die Beseitigung der eingeschlossenen Bläschen besonders lebhaft einsetzen, und deshalb zeigt sich bei solchen Stücken von Tränenform die Erscheinung, daß neben der peripheren Umwandlung der ursprünglichen Balsam- bzw. Harzmasse in klare außerdem noch eine besonders lebhafte von der Ansatzstelle her vor sich geht; von den polierten Tropfen aus der Sammlung des Herrn Pfarrer W inkler zeigten etwa 10 % diese Erschei- nung in einwandfreier Weise. Man muß sich freilich nicht verleiten lassen, diesen letzteren Vorgang zu überschätzen; besonders bei der Betrachtung im durchfallenden Lichte erwecken die verhältnismäßig dünneren Teile in der oberen Partie immer den Anschein, als seien sie viel klarer als die dickeren am unteren Ende. Mit dem Beginn dieser Aufhellung setzt außerdem eine W anderun g der leichter schmelzbaren, in Alkohol und in Äther leicht löslichen Harz- bestandteile des Bernsteins ein. Die Sonnenwärme, welche die terpentin- ähnlichen Beisubstanzen abdestilliert, erweicht jene Harzmassen und läßt sie an die Stelle von diesen treten. Unter der Einwirkung von Licht und Luft erfahren sie dabei eine Bräunung, die in ihrer Verteilung dem Edelharz seine goldgelbe Färbung zuteilt. Die Oberfläche hat daher scheinbar die Eigemtüm- lichkeit, den Farbstoff des Bernsteins an sich zu ziehen. Vorzugsweise der in der Erde gefundene zeigt diese Erscheinung. Das Bild von dem Wandern, des Farbstoffes3) ist um so verständlicher, als schließlich der Kern der Stücke 0 7, S. 32; 2) 12, S. 99; 8) 5, S. 69. io 11 fast wasserhell erscheint und auch bleibt. Nur wenn Risse der Luft den Weg ins Innere freigeben, beginnt auch dieses sich dunkel zu färben, wie es scheint, aber nicht in dem ausgiebigen Maße wie die äußeren Teile. Bei dieser Bewegung des „Farbstoffes“ zeigen sich häufig Unregelmäßigkeiten in seiner Verteilung, besonders mit Hilfe der Lupe findet man ihn der Masse des Tropfens oft unregelmäßig beigemengt; dann zieht er sich in Form von gelblichen Bändern und Windungen in dem fast farblosen Bernstein hin. — Daß es sich hier wirklich um einen färbenden Bestandteil handelt, geht daraus hervor, daß man ihn bei der künstlichen Klärung auf nassem Wege mittels warmen Öls herauslösen kann. Dabei geht einerseits je nach der Länge der Behandlung ein fast wasserklares Bernsteinharz hervor, das infolge seines Verlustes große Neigung zur Bildung von Rissen und Sprüngen — sog. „Sonnenflinten“ — hat, andererseits scheidet sich aus dem gebräunten Öl bei seiner Abkühlung eine Menge des gelösten Harzes wieder aus. Die Bildung klaren Bernsteins aus Tropfen erfolgt dem- nach in folgender Weise: Das Ab dunsten der eingeschlossenen Zellflüssigkeit erfuhr eine Beschleunigung, als die terpentinähnlichen Beisubstanzen mehr und mehr in Gasform schwanden. Dadurch wurde der Bernstein sozusagen etwas porös. Es zeigt sich diese Eigentümlichkeit auch dadurch, daß die in Schlauben eingeschlossenen Tier- und Pflanzenreste nicht mehr selbst, sondern nur noch in ihrer Gestalt erhalten sind. Die Luft fand durch den Bernstein hindurch den Weg zu ihnen, ihre Zersetzungsgase dagegen den Weg ins Freie. — Fortgesetzt versuchte das versteinernde Harz die terpentinähnlichen Bestandteile abzugeben, nach ihrem Verschwinden aus den äußeren Teilen kamen die der inneren an die Reihe. Dabei trat eine innere Bewegung in den Stücken auf. Die Bläschen zeigten das Bestreben, zusammenzutreten, an die Oberfläche zu steigen und die harzige Masse zu verlassen; dadurch wurde diese durchsichtig und der Einwirkung der Sonne mehr ausgesetzt. Die leicht schmelzbaren Harzbestandteile wanderten nun nach außen hin und erfüllten die noch übriggebliebenen Hohlräume mehr und mehr mit ihrer Masse; dadurch wurde die von diesen veranlaßte Totalreflexion beseitigt und die Klärung zu Ende geführt. Die leicht löslichen Harzbestandteile verliehen der Oberfläche auch den ersten Anhauch ihrer späteren goldigen Färbung. Kugelige Gebilde sind dann selten, denn mit fortschreitender Klärung setzt die Veränderung der ursprünglich kugeligen Form ein. Diese Veränderung schreitet so weit fort, daß ein Ausziehen der Tropfen mit dem Schwinden der Trübung sich immer weiter vollzieht und schließlich mit einer Loslösung unter Ausziehung in ein dickeres oder mehr fadenförmiges Gebilde als letztes Verbindungsstück abschließt. Bei den Klärungsvorgängen haben die unteren Teile der Tropfen in vielen Fällen im Schatten der oberen gelegen und die inneren sich verhältnismäßig lange im Schutz der äußeren befunden. Zum Beweis dafür kann eine kleine Gruppe von Stücken in der Abbildung vorgeführt werden, n 12 die poliert sind und der W inkl ersehen Sammlung angehören (Fig. 3). a hat bei 19 mm Länge eine größte und kleinste Breite von 14 mm und 10,3 mim Der obere Teil ist mittelzart getrübt, der untere knochig; beide setzen sich der Hauptsache nach scharf gegeneinander ab. Wo das auch an der Ober- fläche geschieht, haben sich infolge del* eintretenden Spannungen Risse ein- gestellt. Bei durchfallendem Lichte zeigt sich, daß im Innern des Tropfens wolkige Partien den Übergang zwischen den beiden Arten des Bernsteins ver- mitteln; auch hier lassen sich, freilich ohne bestimmte Anordnung, Risse erkennen, vornehmlich dort, wo schärfere Abgrenzungen stattgefunden haben. Schlieren und Schichten von Bläschen, deren Durchmesser zwischen 0,07 mm und 0,10 mm schwankt, weisen auf Strömungen im Innern des Stückes hin; in ihrem Verlaufe sind sie voneinander unab- hängig. Im untersten, knochigen Teil verläuft der Länge nach ober- flächlich eine dunkel ge- färbte Partie; es liegen hier kleine Bläschen vor, von denen einige an der Grenzfläche erhebliche Größe, bis zu 0,6 mm Durchmesser, besitzen.. Ihre Kontur (Innen- fläche) ist durch Oxyda- tionsprodukte so dunkel gefärbt, als enthielten sie teerige Massen. Bei flüchtigem Blick könnte man wohl auf die Vermutung kommen, daß hier organische Reste vorliegen. — Reste von Trübungen, wie sie soeben geschildert wurden, können im Laufe der Zeit infolge der Belichtung mehr und mehr schwinden. Auch das später unter Kr. 24 beschriebene Stück besitzt noch Überbleibsel von der ursprünglich knochigen Katur, doch sind diese bis auf einen fast nur oberflächlichen, scharf kreisrunden Fleck von 4 mm Durch- messer zusammengeschrumpft. Unter b ist ein fast klarer Tropfen abgebildet, bei dem die übriggebliebenen Bläschen sich von unten her in der Form eines Kegels erheben. Seine Länge beträgt 26 mm, seine Breitenmaße 18 mm und 16 mm. Seitlich unten, auf einer Grundfläche von zugespitzter Mandelform, deren Länge 12 mm und deren Breite 8 mm beträgt — die Ränder sind nicht ganz scharf — , erhebt sich das kegelförmige Gebilde von undeutlicher Umgrenzung bis etwa zu 7 mm Höhe. Es hat bei flüchtigem Blick den Anschein, als sei hier ein Knäuel zermürbter Holzsplitter oder Moosrasenstückchen eingeschlossen; unter der Lupe löst sich sGL Fig. 3. Reste ungeklärter Bernsteinmasse im unteren und innere) Teil der Tropfen. Natur! Gr (Samml. Winkler in Zoppot). 12 13 die Masse in ein Haufwerk grober Bläschen auf. Einige sind von der ange- schliffenen Fläche angeschnitten und zeigen einen Durchmesser von % bis *4 mm, seltener einen von % mm. Bei seitlicher Ansicht scheint die Oberfläche des Kegels mit kleinen, lockeren Bläschen überstreut, das Innere ist dunkler; hier sind die Bläschen dichter geschart, hier konnte auch die Verwitterung auf deren Oberfläche einsetzen. Diese ist mehr oder weniger tief gebräunt und erweckt den Anschein, als hätten sich auf ihr Eisenerze niedergeschlagen. - — Dadurch daß die Bläschen dichter zusammentreten, verstärken sie den Eindruck, daß Pflanzenreste vorliegen; durch die Mitwirkung von Totalreflexion erscheinen einige von ihnen mit grauer Farbe. Verhältnismäßig große Bläschen finden sich auch in der klaren Masse des Steines als letzter Best der Auf- hellungsvorgänge, die sich im oberen Teile bis zur abschließenden Vollendung vollzogen haben; wo sie sich zeigen, treten sie gern zu Schichten, Gruppen und Schnüren zusammen. Die letzten drei Tropfen der Figur zeigen, daß die inneren Teile ver- hältnismäßig spät zur Aufhellung gelangen. Bei c ist ebenfalls noch ein unge- trübter Best des ursprünglichen Knochens vorhanden; dieser bedeckt in dünner Schicht den untersten, etwas abgeflachten Teil. Die Länge der Achse beträgt 19 mm, die Breite — senkrecht dazu gemessen — 18,7 mm und 17,8 mm. In dem Stück verlaufen außerdem noch Schnüre von Bläschen von der Spitze aus gegen das untere Ende; sie halten sich dabei fast sämtlich dicht unter der Oberfläche. Hier lassen sich wieder größere und tiefer getönte Bläschen, besonders in der Trübung an der Unterseite, erkennen. Stück d zeigt Beste von Trübungen im unteren und mittleren Teile. Seine Länge beträgt 25 mm, die Maße für die Breiten sind 18,3 mm und 6,6 mm. Die abgebildete Seite ist nur schwach in der Quere konvex, fast flach, die Trübung in der Mitte fast flomig; im unteren Teile ist der Tropfen reichlich und ziemlich gleichmäßig getrübt, in ihm tritt die Bildung von Liesegang- schen Bingen auf. Um diese herum, gleichsam als Saum, und von ihr ausgehend, zeigen sich Schlieren, Schichten, Schnüre von braunen bis schwarzen Bläschen; ohne Beziehung zueinander ziehen sie sich nach der Ansatzstelle des Tropfens hin. Als größter Durchmesser wurde bei ihnen eine Länge von 0,8 mm gemessen. In Fig. 3 e wird schließlich ein Tropfen abgebildet, bei dem der Best der Trübungen sich nur noch in der Längserstreckung des Stückes zeigt. Die Länge beträgt 21,7 mm, die Breite 11,9 mm bzw. 8,9 mm. Die Form ist etwa keulenförmig. Um % bis % von der Spitze befindet sich in dem zart getrübten Bernstein seitlich ein etwa eiförmiger, brauner Fleck von rund 5 mm X 2,5 mm Durchmesser. Von ihm zieht sich sowohl der Quere wie der Länge nach ein dichter Schwarm von Bläschen hin; seine Konturen erscheinen wie ausgewischt. Die Trübung in der Längsrichtung verläuft in der Bähe, stellenweise dicht unter der Oberfläche. Die in der Peripherie der Schwärme gelegenen Bläschen sind bei den Klärungsvorgängen aus mehreren zusammengeflossen und durch die Vorgänge der Oxydation stark gebräunt, ein Gleiches gilt auch für die Züge, 13 14 die seitlich, in die Quere abschwenken. — Die Auffassung scheint nicht unberechtigt, daß die besonders getrübten Teile des Tropfens von der Sonne wenig oder kaum getroffen wurden. Bei der Eigenart ihrer Entstehung geben die Tropfen ein einheitliches, festes Material, das die Bernsteinwaren-Fabrikanten zu dem „massiven Stein“ rechnen. Sie werden deshalb auch vorzugsweise in dem Bernstein gefunden, der durch Graben aus der Erde gewonnen wird. Aycke1) erhielt im Gegen- satz zu ihnen „tropfsteinartigen, blättrigen und schelfrigen“ Stein nur selten aus der Erde, wenn diese nicht gerade feucht war oder aus Sumpfboden bestand, den Wasser bedeckte; dagegen warf ihn die See häufig aus. Er schließt, daß der Bau dieses schlaubigen Materials dabei von großem Einfluß sei, indem die geringere Festigkeit und der Aufbau aus Lamellen ihm eine geringere Widerstandsfähigkeit gegen mechanische Einwirkungen und che- mische Zersetzung verleiht. Die festeren, selbst die kleineren Tropfen bedecken sich dagegen im Boden mit einer Kruste und zeigen Spuren davon, daß sie hart angegriffen wurden; der gänzlichen Zerstörung widerstanden sie jedoch. Beim Heraustreten des Balsams aus der Wunde können Abweichungen von der gewöhnlichen Aus- bildung einer kugeligen Form entstehen. Es findet das z. B. statt, wenn die zuerst heraustretende Masse von der nachfolgenden zur Seite gedrückt und ganz oder teil- weise von ihr umschlossen wird. Der in Fig. 4 abgebildete Tropfen ist vollkommen klar; daher sind bei der Gleich- artigkeit des Harzes beide Teile kaum voneinander zu unterscheiden. Der kleinere Tropfen ist nicht ganz umhüllt worden; nach dem Umfließen ragte er noch mit einem kleinen Teil seitlich aus dem Leibe des großen hervor. Die Schicksale, die er seit seiner Entstehung im Bernsteinwalde bis zu seiner Wieder- erstehung aus seiner schließlichen Lagerstätte erfahren hat, haben für ein Abpolieren der geringen Hervorragung gesorgt. Kur die künstliche Entfernung der zarten Verwitterungskruste machte es möglich, die Zusammensetzung aus zwei Exemplaren bei ihm zu erkennen. Die Verhältnisse sind gut dort zu über- sehen, wo die Schliffläche des großen Tropfens auch den kleinen, ursprüng- lichen Tropfen etwas anschneidet. Zwischen beide hat die Luft Eingang gefunden und durch tiefer gelb getönte Verwitterungsprodukte den kleineren mit einem zarten, bräunlichen Anhauch überzogen. Auf ähnliche Weise mögen auch eigentümlich zusammengeflossene Tropfen2), die zum Teil ihrer Form nach an Maul- und Erdbeeren3) erinnern, entstanden sein. Wo nicht zum Schluß eine einheitliche Harzmasse die einzelnen kleinen vorhergehenden überdeckt, wird ein solcher Aufbau leicht zu erkennen sein. Ihre Entstehung läßt sich durch Versuche mit Seifenblasen erklären, i) 5, 8. 36; 2) 9 Nr. 2946; S) 2, S. 128. 14 Fig'. 4 Kleiner Tropfen, von größerem umhüllt. Nat. Gr. (Sam nl. Wink- ler in Zoppot). 15 bei denen die Röhre mit der zugeführten Luft in die Flüssigkeit taucht; es entstehen dann viele Bläschen nebeneinander, und fortgesetztes Blasen erzeugt immer mehr davon, ohne eine einzige von ihnen größer werden zu lassen. — • Für kleine Tröpfchen wird man die Entstehung solcher zusammengesetzten Formen an der Wundstelle des absterbenden Bernsteinbaumes zu suchen haben, während größere und fast ausnahmslos geklärte auch nach dem Abtropfen sich auf dem ehemaligen Waldboden zusammengefunden haben mögen; das Aus- sehen von diesen dürfte dann freilich nicht mehr an Maulbeer- oder ähnlich geformte Früchte, sondern eher an ein Straßenpflaster aus Kopfsteinen erinnern. Wie bereits vorher erwähnt wurde, zogen sich die Bernsteinharztropfen, wenn sie vollständig oder auch nur an ihrem oberen Teile so weit erweicht wären,' daß die Wirkung der Erdschwere die Adhäsion an die Mutterpflanze überwog, am oberen Teil in einen dünnen und schließlich fadenförmigen Teil aus. Manche aus ihren Lagerstätten wieder erstandenen fossilen, klaren Stücke zeigen einen Halsteil, der zur Seite gebogen ist. Er ist nach Aycke1) dadurch zu dieser Neigung gekommen, daß das längere oder kürzere Faden- stück sich nach dem Niederfallen des Tropfens bei noch nicht völliger Erhärtung zur Seite nach unten hin umbog und die mit ihm zusammenhängenden weicheren Teile der Tropfenspitze mit sich zog. Bereu dt2) erwähnt Tropfen, deren Stiel um gebogen wurde, „als er noch weich war“; wahrscheinlich schwebte ihm eine ähnliche Art ihrer Bildung vor, wie sie Ayck e schildert. Ob die zarten Fadenteile mit ihrem geringen Gewicht tatsächlich derartige Ände- rungen in der Form der großen Tropfen herbeiführen konnten, ist kaum in zustimmender Weise zu entscheiden. Bei den späteren Einwirkungen durch lange geologische Zeiträume wurden die dünnen Bernsteinfäden und die von diesen herumgebogenen dünneren Teile des Halses, durch Verwitterung und grobe mechanische Eingriffe, entfernt. Die große Menge von derartigen Tropfen in den Sammlungen läßt eine andere Erklärung für die Krümmung des oberen Tropfen teils zu, die ich bisher nirgends gefunden habe. Bei den ideal gestalteten Stücken von Tränenform muß man annehmen, daß die Wunde des Bernsteinbaums unten an einem hervorragenden Teile, etwa einem Aste, lag. Nur dann konnte aus dem hervorgepreßten Ballen im Laufe der Zeit der geometrisch regelmäßige Tropfen hervorgehen. Diese Bedingungen für ihre Entstehungs weise sind ungewöhnlich; meist lagen wohl die entstandenen Öffnungen an den seitlichen oder oberen Teilen der Rinde. Dann trat der Balsam zuerst ebenfalls in Knollenform heraus, sobald jedoch Klärungen eintraten und die Zähigkeit des Stoffes abnahm, begann mit der L erlängerung der Harzmasse die Neigung nach der Tiefe. Vorzugsweise bei seitlichen Wunden machte sich die Schwerkraft bemerkbar und gab dem sich bereits verlängernden Tropfen mehr oder weniger das Aussehen einer Retorte. Kam zu der seitlichen Lage der Wunde noch eine schräge Stellung des b 5, S. 89; 2) 7, s. 32 und Taf. YIT, Fig. 4. 15 16 Pflanzenteils, dann fanden außerdem Drehungen statt. Hierbei wie auch bei dem Umbiegen der Tropfen konnte der untere, noch ungeklärte Teil unter andere Beleuchtungsverhältnisse kommen, die dann wieder auf gewisse Partien form- verändernd einwirkten. Dadurch entstanden die verschiedenen Formen, wie sie durch Plattdrücken an einem Ast oder das Pressen von Tropfen an Tropfen erklärt werden. Diese Beweggründe für die Abplattung sind die weniger häu- figen und können nur dort angenommen werden, wo Abdrücke oder ein Zu- sammenhaften der einzelnen Tropfen einwandfrei für sie sprechen1). — Ein paar Proben von derartigen Stücken zeigt Fig. 5. Sie besitzen alle eine gewisse Eigentümlichkeit, nämlich die, in einer gewissen Entfernung unter der Abbruch- stelle einen mehr oder weniger scharf begrenzten, getrübten Fleck aufzuweisen. Die Bläschen sind im Bilde sämtlich dunkel gezeichnet, damit sie sich besser abheben; tatsächlich veranlassen sie meist helle oder lichtere Partien, und nur dort, wo größere Bläschen vorliegen, sind diese durch aufge- tretene Oxydationsvor- gänge dunkelgelb, über Braun bis fast schwarz gefärbt. Diese ge- trübte Stelle hat schein- bar ausnahmslos ihren Platz auf dem Best des retortenähnlichen Tropfens an der Seite, von der der Retortenhals abbog, das heißt, an der Seite, die dem Baume zugewendet war. Die getrübten Teile waren also im Schatten und konnten an der allgemeinen Aufhellung der übrigen Harzmasse nicht teilnehmen. — Daß diese verhältnis- mäßig großen Flecken, wie bei Fig. 5 a, unter dem Lichtschutz der feinen aus- gezogenen oberen Teile entstanden sein sollten, ist wohl nicht anzunehmen. Hin und wieder ist der Stiel bei klaren Tropfen kantig2). Aus dieser eigentümlichen Form hat man ersehen wollen, daß die Wunde des Baumes nicht rundlich, sondern vieleckig war. Diese Erklärung muß meines Erachtens zurückgewiesen werden. Der in Kugelform hervorquellende Balsam gestaltete sich unabhängig von der Begrenzung der Öffnung, und als aus ihr der Tropfen hervorging, hatte dieser in seinen obersten Teilen einen rundlichen Querschnitt. Dieser wird einmal durch die Oberflächenspannung der flüssigen Masse bedingt, dann aber auch 1) 11, S. 91, Nr. 10458 bis 10462, 10477 bis 10479, 10480 bis 10486. 2) 11, S. 91, Nr. 10444 bis 10448. Fig. 5. Tropfen mit getrübten Partien unterhalb der Abbruchstelle. Veril. 6:7. (Samml. Winkler in Zoppot). 16 17 dadurch, daß bereits eine Benetzung des Bindenteils mit dieser stattgefundon hat. Der Querschnitt des Stielteils ist denn auch weniger ein Vieleck, als eine Art Stern mit etwas hervorspringenden, fast zahnartig geformten, kurzen Strahlen. Die Erklärung für die Möglichkeit seiner Bildung wird man am besten in den Versuchen von Jam in, Askenasy, Hulett und anderen finden1). Diese versuchten das Volumen einer Flüssigkeit durch Verdunsten- lassen zu verändern und bedienten sich eines allseits geschlossenen Baumes mit einer Wand, die für Flüssigkeit undurchlässig, für den Dampf jedoch durch- lässig ist. Diesen gewannen sie durch ein Bohr, das oben mit einer Gipsplatte bedeckt war; es wurde vollständig mit Wasser gefüllt und dann mit seinem unteren und offenen Ende in Quecksilber getaucht. Als das Wasser verdunstete und sein Baum abnahm, stieg das Quecksilber weit über barometrische Höhe (bis 110 cm) empor. Bei diesen Versuchen treten Schwierigkeiten dadurch auf, daß Flüssigkeit und Wände möglichst keinen Kern eines Gases enthalten dürfen, weil an solchen Stellen dieFlüssig- keit zerreißt. — Bei Tropfen, die sich langsam klären und lange Zeit brauchen, bevor sie abfallen, liegen ähnliche Verhältnisse vor. Die ober- flächliche, bereits verän- derte Schicht ist für Gase durchlässig; das ergibt sich daraus, daß bei den sogenannten Inklusen nur noch die Formen erhalten sind, während ihre Substanz zerfiel und in Form einfacher Gase entwich. — Das Innere des Tropfens hatte noch einen Teil der Beisubstan- zen, die es während des langen Hängens jetzt durch die Außenhaut hindurch ab- geben konnte. Es entstand ein kleinerer Kern, der infolge der eintretenden Luft- verdünnung die äußere Hülle in faltige Teile an sich legte. Die Vermutung, daß tatsächlich ein luftverdünnter Baum im Innern des Tropfens auftrat, wird bestätigt, wenn ein solches Stück auf den Boden fiel. Dann entstanden Formen, die vollkommen in sich zusammensanken2). Ein schönes Beispiel dafür bietet ein Stück des Westpreußischen Provinzial-Museums (A3, 45), das infolge des reichen Verlustes an Beisubstanzen aus dem kleiner gewordenen Kernteüe eine locker aufsitzende Außenhaut besaß, als es von der Mutterpflanze zu Boden fiel. Die vorliegende Bildung ist überaus reich an Furchen und Bunzeln, der früher obere Teil mit seiner Ansatzstelle ist beim Aufprall auf den Boden in die Harzmasse hineingestaucht. Die größte und die kleinste Breite messen 32,1 mm und 30,7 mm, die größte Dicke 16,9 mm. Es handelt sich um einen Bastard mit zarter Verwitterungsrinde. Das Gesamtaussehen ist das einer -vS’S-äfl iaäsfi Oberl. ßaenge phot» Fig. 6. Zusammengesunkener Tropfen. ’.Verkl. 4:5. (Westpv. Prov„-Mus.)„ 1. oben. 2. unten. !) 18 a, S. 10. 11; 2) 11, s. 91, Nr. 10450. Sehr. 4. N. G. zu Danzig. Bd. XV, Heft 1. 17 2 18 gepreßten Feige, besonders auf der Oberseite, wo die frühere Ansatzstelle lebhaft an den Stiel der Frucht erinnert (Fig. 6). Die Unterseite zeigt verschiedene- Grate von etwa 2 mm Breite, zwischen denen tiefere Eindrücke bis zu 4 mm Höhendifferenz liegen. Während die Oberseite im ganzen flach gewölbt ist und 3 flache Vertiefungen hat, in deren zentral gelegener das Ansatzstielchen mit seiner fettglänzenden Bruchfläche sitzt, ist die Unterseite durch stärkere Ver- tiefungen zwischen gratförmigen Erhöhungen unregelmäßiger geformt. — Die .Runzeln sind auf der Oberseite mehr breit, gewölbt und von weiteren Zwischen- räumen getrennt, die der Unterseite schärfer ausgeprägt und liegen dicht bei- einander. Sie könnten an feine Abdrücke von Koniferennadeln erinnern, wenn sie nicht eine Anordnung zu bestimmten Systemen zeigten. Als der Tropfen sich loslöste und zu Boden stürzte, sank seine erweichte Masse zwischen dessen Uneben- heiten ein. Die Haut erfuhr dadurch Zer- rungen, deren Richtung sich in vielen zarten Fältchen ausprägte. Die bei diesen Spannungserscheinungen weniger in Frage kommende obere Seite des Tropfens hat ein viel weniger ausgeprägtesFaltensystem. An allen Stellen läßt sich aber gut er- kennen, daß dieses mit seinen verhältnis- mäßig großen Maschen sich in die feineren Skulpturen der Unterseite über den abge- rundeten Rand hinweg fortsetzt. Es machen sich also der Hauptsache nach die gleichen Spannungen überall auf der Oberhaut be- merkbar, für die Unterseite kommen noch besondere infolge der Unebenheiten des AValdbodens hinzu. Hier scharen sich um jeden Eindruck viele winzige Fältchen radial herum und veranlassen den Eindruck von Koniferennadeln, die auf dem Waldboden lagen und in die Harzmasse beim Aufschlagen hineingepreßt wurden. — Die Annahme, daß eine zähe gewordene Außenhaut noch einen plastischeren Kern enthalten kann, erhellt aus dem Umstand, daß Tropfen bekannt sind, welche infolge des Sturzes platzten und ihren noch weichen Inhalt austreten ließen3). Getrübte Tropfen zeigen derartige Einfaltungen des oberen Teiles nicht. Durch die im Verhältnis große Zähigkeit des Materials und die Gegenwart der vielen Bläschen wird das Zustandekommen von solchen Vor- gängen, wie sie eben geschildert wurden, stark gehemmt. Dagegen zeigen sie durch das Auftreten von Runzeln (runzelige Tropfen), daß auch hier wieder ein kleinerer Kern in einer weiteren Hülle steckt. Durch die Richtung der i) 9, Nr. 2956; 11, S. 26, und S. 91, Nr. 10449. 18 Fig. 7. Gerunzelte Tropfen. Natürl. Gr. (Westpr. Prov.-Mus.). f 19 Zugkräfte verlaufen sie der Hauptmenge nach längs, neben ihnen treten dann quer gerichtete auf (Fig. 7). Die Spannungen, die bei solchen Formverände- rungen auftreten, lassen sich mit Hilfe des polarisierten Lichtes wahrnehmen. Bei dem Entstehen einer Verwitterungskruste werden die hier auftretenden Runzeln bedingend für die spätere Felderung der Oberfläche sein. Wenn aus der mit der Zeit geklärten Masse cLs Bernsteintropfens sich ein fähiger Teil auszieht, der schließlich zerreißt, so wird der niederhängende Harzfaden infolge seiner kolloidalen Natur sich emporziehen und an seinem unteren Ende zu einem neuen kleinen Tropfen verdicken. Es ist freilich schwierig, sich die Erhaltungsmöglichkeit solcher zarten Gebilde vorzustellen. Ohne Schutzhülle wäre sie wohl ausgeschlossen; und anzunehmen, daß diese zarten Bildungen später abbrachen und in weiche Harzmassen auf den Waldesgrund gerieten, ist wohl nicht recht möglich. Solche Massen sind nur von geringer Ausdehnung gewesen, größere dagegen, wie sie erwartet werden müssen, besaßen bereits eine erhebliche Zähigkeit und waren derart durch Verunreinigungen versetzt, daß solche feinen Tropfen kaum in sie hineingeraten oder andererseits in solchen Stücken sichtbar sein konnten. Die von einigen Autoren ausgesprochene Auffassung, daß der Einschluß solcher ,, Bernsteinnadeln“ oder „versteinerter Stecknadeln“ erst auf dem Boden des Waldes stattgefunden habe, muß also abgelehnt werden. Wenn diese vielfach zu mehreren in Stücken von klarem Stein1), und zwar von erheblicheren Ausmessungen2) auftreten, so ist ihre Entstehungsart in anderer Weise zu suchen. Der Balsam, aus dem sie hervorgingen, muß weich und nachgiebig und außerdem im höchsten Grade elastisch gewesen sein. Das war nur möglich, wenn er seine Beisubstanzen noch in weitgehendstem Maße enthielt. Dazu war notwendig, daß er bei seinem Hervortreten aus dem Bernsteinbaum frei von Bläschen war, zu deren Entfernung erst die Sonnenwärme längere Zeit wirken mußte, wobei sie dann schneller als diese Bläschen die leicht flüchtigen Bei- substanzen abtrieb. Unter derartigen Verhältnissen würde die Elastizität der Harzmasse wieder stark zurücktreten. Man muß also annehmen, daß der Balsam aus bereits abgestorbenem Holze austrat, vollständig klar und noch im Besitze der terpentinartigen Stoffe war. Die hervorsickernde, leicht bewegliche Masse zeigte die Neigung, abwärts zu fließen; an kleinen Unebenheiten auf ihrem Wege begann sie Tropfen zu bilden. Diese zogen sich lang aus, hatten wenig Neigung, viel Masse aufzusammeln und am Baum hängen zu bleiben; oft ent- standen sie dicht nebeneinander. Spätere Ausflüsse überzogen sie und machten sie zu Einschlüssen, deren Zierlichkeit unsere Bewunderung erregt. Es handelt sich bei der Entstehung solcher Stücke also um Schlaubengebilde, die von der der eigentlichen Zapfen weit entfernt sind. Klebs erwähnt eine Schlaube von Handgröße, die sich an ihrem unteren Ende in lange, fingerförmige Zapfen auflöst") und außerdem eine andere, welche an dem einen Ende den Abdruck f) 7, s. 33; 2j 5: s. 90; 3) 11, S. 27. 2* 19 20 eines Astes zeigt. Derartige Bildungen weisen ebenfalls auf eine Beschaffenheit des Balsams hin, die zur Bildung der Tropfen von Stecknadelform befähigt. Tornquist1) gibt sogar an, daß an dem unteren Ende solcher Tropfen aus dünnflüssigem Material hin und wieder Insekten haften geblieben seien, während der nachfolgende Harzfluß dann das Glanze umhüllte; bei weiterer Wieder- holung könnten auf diese Weise dickere Zapfen entstehen. Wieweit diese Angaben den Tatsachen entsprechen, wage ich nicht zu entscheiden. Vielleicht schwebt dem Verfasser ein Stalagmit vor, wie er sich aus einzelnen flüssigen Tropfen aufbauen kann und dann in seinem Bau einer sog. Schlaube gleicht. Conwentz bildet ein solches Gebilde von Tropfenform ab2). Klarer Bernstein zeigt gelegentlich die Erscheinung, daß bei ihm wie auf einer Schnur sich Tropfen an Tropfen reiht. Zu der Bildung solcher Stücke darf man wohl annehmen, daß je einer von ihnen daran war, sich loszulösen, als ein neu hervortretender Harzerguß das fadenförmige Stielende seines Vor- gängers festhielt und ebenfalls einen Tropfen bildete. Ob die Sonnenwärme in einer Reihe von Tagen, die aufeinander folgten, je einen solchen Erguß aus dem Baume hervortrieb, ist wohl schwer zu entscheiden. Berend t 3) erwähnt einen langgestielten Tropfen, an dem man „wie an einer Wachskerze die im Herabfließen gebildeten Ruhepunkte“ erkennen konnte. Kleinere Tropfen ließen sich durch die Sonnenstrahlen leichter verflüssigen als große; sie lösten sich dann los, fielen herunter und platteten sich ab (Plätzchen). In der folgenden Übersicht ist eine Reihe von ihnen, nach dem Gewicht geordnet, mit ihren Ausmessungen zusammengestellt; die Stücke stammen aus der Sammlung des Herrn Pfarrer Winkler in Zoppot. Da ihre Form nicht immer gleichmäßig ausgebildet ist, vielmehr Risse, Furchen. Eindrücke, Bruchstellen und Verwitterungsrinde den Gesamteindruck stören, wurde das Gewicht nur auf eine Dezimalstelle in g angegeben, um Irrtümer beim Vergleich der Werte auszuschließen. Die direkten Ausmessungen sind in mm auf geführt. Außer einigen Quotienten aus ihnen ist auch die Größe des Radius von dem erzeugenden Tropfen in mm berechnet. Um das für diese Angaben erforderliche Volumen zu bestimmen, wurde das absolute durch das mittlere spezifische Gewicht (1,06) dividiert; Dezimalstellen sind nur soweit angegeben, als sie zum Auseinanderhalten der gewonnenen Daten erforderlich sind. — Die größte Höhe (Dicke) ist nicht von wesentlicher Bedeutung, da sie bei unregelmäßiger Form des Stückes — besonders auf der Unterseite — kaum genau festzustellen ist. Die 12 durch den Fall abgeplatteten Tropfen sind in 6 Fällen vollkommen klar, in 3 Fällen klar bis zart getrübt, in den letzten 3 Fällen getrübt. Doch auch bei diesen treten Aufhellungsversuche auf, so daß man im ganzen nur von mehr oder minder geklärtem Bernstein sprechen kann. — Knochiger Bern- stein findet sich wohl nie in dieser abgeflachten Form. 1) 19, S. 104; 2) 13, s. 163, Fig. 1 c; 3) 7, S. 33. 20 21 Die Ausbildung der Unterseite derart veränderter Tropfen richtet sich nach der Flächenform der Gegenstände, auf die das abträufelnde Harz nieder- fiel. Sie ist je nachdem vollkommen eben oder der Hauptsache nach eben und außerdem grubig gebuckelt oder unregelmäßig schwach eingedrückt. Größere Unregelmäßigkeiten werden durch hervortretende Erhebungen, Wulste und Ein- drücke — bis zu etwa 1,5 mm Höhenunterschied — hervorgerufen. War der Widerstand, auf den der fallende Tropfen traf, zylinderförmig oder rundlich, so schlugen die äußeren Teile von ihm um die höher gelegenen jenes Körpers herum. Stück 11 besitzt deshalb ungefähr die Form eines Sattels, Stück 8 zeigt unterseits eine konkave Ausbildung. Fiel der Tropfen auf mulmigen Waldesgrund, so konnte eine Knopfform entstehen. Der Boden gab beim Anprall nach und höhlte sich etwas aus, die Unterseite des Stückes blieb deshalb mehr oder weniger konvex (Stück 5 und 7); die Kante zwischen der Wölbung der oberen und der unteren Fläche wurde durch die Wirkung der Oberflächen- spannung abgerundet. Die Oberseite ist regelmäßig gewölbt bzw. mehr oder weniger abgeflacht, öfter mit rundlichen oder elliptisch umgrenzten, mehr oder weniger kräftig ausgebildeten Eindrücken versehen, die durch Einsinken beim Aufschlagen des Tropfens auf die Unterlage entstanden. Bei 3 von den aufgeführten 12 Stücken (1, 5, 8) weist die Oberseite außerdem radial verlaufende Risse auf; die Ober- haut ist nach dem Aufschlagen des Tropfens von ihrer Mitte aus in Zipfeln aufgesprengt worden und über den Kernteil etwas hinabgeglitten. Vielfach zeigt sich noch die Abreißstelle, soweit sie nicht durch Einwirkung später wirkender Kräfte abgerieben ist. Sie sitzt entweder in der Mitte der Oberfläche oder seitlich verschoben oder gar am Rande. Bei Stück 4 ragt sie in Form eines Knaufs von 0,2 mm Höhe hervor und liegt 4,6 mm vom Rande entfernt. — Mitunter lassen sich auch mehrere Abreißstellen erkennen, wenn die Stücke nämlich durch wiederholten Fall der Harztropfen einen stalagmitischen Aufbau erfuhren. Dann kann die Oberfläche die Form eines geraden oder schiefen Kegels (Stück 9) annehmen. Andererseits bilden sich dann Formen von scheinbar blätteriger Struktur aus, die an die linke gewölbte Klappe einer Ostraea erinnern. Außer der Flüssigkeit der Harzsubstanz, der Beschaffenheit des getroffenen Widerstandes, dem Aufbau aus einem oder mehreren abtropfenden Harzteilen, dem Alter des Balsams und damit der Menge der Beisubstanzen, der Art der Mutterpflanze und anderen Faktoren spielt bei der endlichen Form auch die Größe der Fallhöhe eine wesentliche Rolle. — Bei den Stücken von Knopf- form (Kr. 5 und 7) ist die Höhe verhältnismäßig groß im Vergleich mit der mittleren Breite, ebenso bei dem stalagmitisch gebildeten Stück (Kr. 9). Bei den anderen haben die getrübten nicht, wie vielleicht erwartet werden könnte, eine größere Höhe als die klaren. Die Gründe dafür sind schon angeführt. Gelegentlich läßt die Unterseite eine eigentümliche Anordnung der Trü- bungen erkennen (Kr. 10). Mach dem Anschleifen zeigt es sich, daß diese 21 parallel angeordnet sind. Das Zustandekommen läßt sich dadurch erklären, daß der unterste Tropfen auf eine schräg liegende Grundfläche fiel. Auf ihn folgten weitere, die seitlich an ihm herabzugleiten suchten. Die aufeinanderfolgenden Balsam- bzw. Harztropfen fanden jedesmal bereits etwas chemisch und physi- kalisch verändertes Material bei ihrem Aufschlagen vor. Von diesen Grenz- flächen aus setzte später die Verwitterung ein, so daß das Stück ein eigen- tümlich achatartiges Aussehen erhält. — Bei einem anderen Stück bilden den Ausgang zwei Tropfen (Nr. 11), die dicht nebeneinander fielen und sich teilweise überlagerten. Die folgenden Tropfen trafen diese beiden und Überflossen sie. Die ungeschliffene Unterseite zeigt zwei kreisartige Bilder mit mehreren Um- rahmungen, deren Form an Lemniskaten erinnert. Wo die einzelnen Schichten sich deutlich voneinander absetzen, kann man die Beobachtung machen, daß die unteren Harzschichten größer und dicker, die oberen kleiner und dünner sind. Es wird dadurch die Annahme wachgerufen, daß auch größere Tropfen partienweise verflüssigt wurden und dann abtropfen konnten. Bei einem Stücke lassen sich mit Deutlichkeit 7 übereinander liegende Harzdecken erkennen (Nr. 12). Bei einigen Stücken (Nr. 5 und 11) hat sich zwischen diesen und den Spalten, die durch Spannungen in den verschiedenartig geklärten Teilen entstanden, Markasit niedergeschlagen und spiegelt das Vorhandensein von organischen Inklusen vor. Nr. Gewiclit Größte Breite Kleinste Breite Größte Höhe Größte Br. Mittlere Breite 1 Mittl. Br. Radius des erzeugenden Tropfens bei Kugelform Kleinste Br. Höhe 1 0,8 15,i 14,5 6,8 1- 14,8 2,2 0,58 2 1- 15,7 15,6 6,2 1 - 15,6 2,5 0,62 3 16,9 15,9 6,7 l,i 16,4 2,4 0,64 4 1,3 17,8 16,5 7,1 l,i 17,2 2,4 0,68 5 1,4 17,5 16,7 8,4 1- 17,1 0,69 6 1,4 18,6 16,7 7,5 l,i 17,6 2,3 0,69 7 1,5 17,7 16,4 7,9 l,i 17,0 2,2 0,71 8 1.7 18,4 17,4 9“ l,i 17,9 2- 0,74 9 23,6 19,3 10,6 1,* 21,4 2- 0,78 10 2,2 23,2 21,6 6,9 l,i 22,4 3,2 0,81 11 2,2 24,i 22,- l,i 23,“ 2,9 0,81 12 4,8 28.3 22,8 13,4 1,2 25,6 1,9 1,03 Wie die Übersicht zeigt, schwanken die Werte für den Quotienten aus der größten und der kleinsten Breite nur in geringem Maße zwischen 1, — und 1,2, um den Mittelwert 1,1. Die fallende Harzmasse traf also senkrecht oder in verhältnismäßig geringer Neigung auf die Unterlage, wenn es zur Ausbildung dieser Formen kommen sollte. — Der Quotient aus der mittleren Breite und der Höhe (Dicke) bewegt sich zwischen 1,9 und 3,2; er hat im Mittel den Wert 2,33; die häufigsten Werte liegen zwischen 1.9 und 2,5 und 23 haben den Mittelwert 2,19. Wie bereits erwähnt wurde, ist die Bedeutung dieses Quotienten gering. Zum Vergleich mögen noch einige Stücke aus den Sammlungen des West- preußisehen Provinzial-Museum herangezogen werden; zuerst zwei von der Form flacher Kugelsegmente mit den Werten: Größte Kleinste Hölle in Gr. Breite Mittl. Breite Mittl. Breite Breite in mm mm Kl. Breite in mm Höhe 25,6 24,5 8,8 1,— 25,— 2,8 30,6 9Q 11,9 l,i 29.8 2,5 Die Stücke sind einheitlich und durchweg klar. Infolge ihrer größeren Masse war ihr Aufprall auf den Widerstand kräftiger als bei den vorher- gehenden. Ein Aufhäufen aus verschiedenen Schichten hat nicht stattgefunden. Deshalb ist auch die Höhe verhältnismäßig klein und das Verhältnis aus der mittleren Breite und ihr ungewöhnlich groß. Ein weiteres Stück des Westpreußischen Provinzial-Museums (Koll. Menge) von etwa 8 g Gewicht entstand aus 3 Tropfen, die sich in je etwa 6,9 mm Dicke und je 28 mm Durchmesser zu einer Gesamthöhe von 20,8 mm aufeinander häufen. Beim ersten Blick erscheinen sie durch Verwitterung^ Vorgänge vollkommen von feinen Kissen durchsetzt. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, daß diese nur an den Grenzflächen auftreten. Auch wo die einzelnen Schalen dicht aufeinander liegen, ist es zur Entstehung von etwa 1,2 mm dicken, scharf abgesetzten, schalenförmigen Bildungen aus rissiger Substanz gekommen. Hier hat die Luft ihren Weg ins Innere der Stücke gefunden und eine kräftige Veränderung des Harzes vorgenommen, die sich zuerst in einer Art Zusammen trocknen äußerte, auf welche dann zum Teil wieder ein Ausheilen der dabei entstandenen Risse folgte. Bei dem Aufprall erhielten die Ränder radial verlaufende Risse. — Das Stück ist nur etwa zur Hälfte gut erhalten. Bei dem Aufbau aus mehreren Decken ist das Verhältnis von mittlerer Breite und Höhe ungewöhnlich klein (0,7). Die Größe der Tropfen schwankt zwischen recht erheblichen Grenzen, etwa zwischen der von Hirsekörnchen und der von einem Enten- oder Hühnerei und einer Faust. Die alte Angabe, daß sie beim Durchsägen niemals klar und rein erscheinen, sondern immer an eine „trübe Molke“ erinnerten (B e r e n d t) 3), ist wohl darauf zurückzuführen, daß nur Tropfen mit ihrer ursprünglichen Zer- setzungsrinde untersucht wurden, v a n Roy2) gibt bereits an, daß neben diesem mehr oder weniger undurchsichtigen Material höchstselten auch durchsichtiges vorkomme. J oh. Chr. Aycke3), dem wdr soviel feine Beobachtungen über Bernstein verdanken, führt bereits (1835) au, daß der tropfenförmige Bernstein 0 7, S. 33; 2) 6, S. 10; ?>) 5, S. 89. 24 von durchsichtiger, durchscheinender und undurchsichtiger Beschaffenheit vor- komme, und zwar sowohl als See- wie als Erdstein. Freilich macht er die Angabe, daß sie durchweg von derselben Art Bernstein seien; verschiedene Durchsichtigkeit oder Farbe habe er in ein und denselben Tropfen nie an- getroffen. Diese Behauptung trifft, wie die wenigen bereits in Fig. 1, 2, 3, 5 gebotenen Figuren zeigen, aber nicht zu. Eine Erörterung, welches die Farbe bzw. Tönung der Bemsteintropfen sei, hat seit diesen drei Verfassern kaum stattgefunden. Es stand ihnen keine größere Menge polierter Tropfen zu Gebot, an denen sie ihre Studien hätten machen können, und bei den natürlich vorkommenden wurde das seitlich eintretende Licht derart abgedämpft, daß sich scharfe Beobachtungen nicht anstellen ließen. Von den jjolierten Tropfen aus der Sammlung des Herrn Pfarrer Winkler wurden 138 zu gruppieren versucht. Die Zahlen werte, welche unter A zu- sammengestellt, ergeben wohl kein einwandfreies Bild, weil beim Heraussuchen geeigneter Stücke wohl besondere Ziele und Rücksichten mitsprachen. Bei den Tropfen mit Verwitterungskruste, und sei diese noch so zart, war eine derartige Unterscheidung weniger gut möglich: trotzdem wurde sie an 290 Tropfen vor- genommen, und dabei durch Befeuchten der meist zarten Rinde versucht, ein möglichst einwandfreies Ergebnis zu erhalten. Die gewonnenen Werte sind unter B niedergelegt. Schließlich zeigen die Zahlen unter C, welche Verhältnis- werte gelten, wenn man A und B zusammenfaßt. \ |; C Klar und fast klar ... 56 (36 %) 105 (36 %) 161 (36 %) Getrübt (Übergang) ... 75 (47 %) 55 (19 %) 130 (29 %) Knochig .... . . . 27 {\1 %) 130 (45 %) 157 (35 ff) Summa 158 (100 %) 290 (100 %) 448 (100 %) Die Verhältniszahlen in Prozenten 36 : 29 : 35 weisen darauf hin, daß man für jede der 3 angenommenen Gruppen ungefähr gleich viel Stücke anzu- nehmen hat, daß die Möglichkeit für die Zugehörigkeit eines Tropfens zu einer jeden von ihnen gleich groß ist. — Wennschon derartige Aufrechnungen nach Prozenten hei einer verhältnismäßig nur kleinen Zahl von Tropfen auch einen nur verhältnismäßig geringen Wert besitzen, so zeigt sich hier doch, daß es von Vorteil ist, derartige Beurteilungen nur an bearbeiteten Stücken vorzu- nehmen. Die Verwitterungshaut verdeckt von den feineren Übergängen so viel, daß mit Sicherheit eine Entscheidung über den Grad der Trübung nicht ohne weiteres getroffen werden kann. Wie sehr die Meinung über das Material in den Tropfen auch voneinander abweichen mag, so sind doch die Angaben darin einig, daß man es mit derbem Material zu tun habe, das durchaus frei von beigemengten Verunreinigungen und Einschlüssen erdiger Art, von Luft oder Wasser enthaltenden Blasen, Tier- oder Pflanzenresten sei. Unter den eben erwähnten 158 polierten Tropfen befinden sich 16 (10 %)y welche Einschlüsse enthalten; von diesen schien je eins animaler und vegetabiler 24 25 Natur zu sein. Bei Stück 1> in Fig. 3 scheinen Reste von vertrocknetem Moos oder vergrautem Holze vorzuliegen, und tatsächlich ist es schwer, sich von dieser Vorstellung frei zu machen. Besonders dort, wo größere Bläschen auf ihrer Oberfläche stark patiniert sind, scheint unab weislich ein „organischer Einschluß“ vcrzuliegen. — Wenn die Luft ins Innere hineinwandert und dort auf Höhlungen, z. B. Kluftflächen, scheinbar unvermittelt braun und schwarz gefärbte Gebilde entstehen läßt, so wirkt bei oberflächlicher Betrachtung der Tropfen eine solche Bildung sehr verführerisch, besonders wenn die oberflächliche Verwitterungs- partie entfernt ist. Bei unbearbeiteten Tropfen, die einen Einblick ins Innere nicht gestatten, fallen solche Stellen oder patinierte Luftbläschen eben gar nicht auf, bei den polierten erscheinen sie deshalb recht ungewöhnlich. Span- nungsrisse erstehen besonders dort, wo verschiedene klare Bernsteinflüsse in gewissen Zwischenräumen übereinander hinziehen, wie es bei den Schlauben der Fall ist. Doch auch dort, wo getrübter Bernstein in mehreren Ergüssen bei der Bildung der Tropfen sich schalig zusammenfügte, treten sie auf. Die Hauptbedingung für ihre Entstehung ist darin zu suchen, daß die einzelnen Balsam- massen nicht ohne weiteres aufeinander folgen. Es mußte den einzelnen Schichten Gelegenheit geboten werden, sich oberflächlich zu verändern, damit sie mit den jüngeren nicht .sofort verschmolzen. Diese Verschiedenheit an den Grenz- flächen ist erforderlich, damit im Laufe der Zeit Spannungen auf treten können. Eine ähnliche Vorspiegelung vorhandener Inklusen gibt das in Fig. 8 abgebildete Stück; es ist fast kugelig geformt und besitzt bei 21,2 mm Länge eine Breite von 17,7 mm und 17 mm. Die noch am wenigsten aufgehellte Stelle liegt etwas unter der Mitte seitlich: doch zeigen sich auch dort bereits größere, fast konzentrische, länglich- runde Partien aus Ringen und Schlierenbildungen. Diese Aufhellungen hängen aller Wahrscheinlichkeit nach mit der Bildungsweise des Tropfens zusammen und sind ihrer Entstehung nach auf Wirbelbildungen zurück- zuführen, wie sie beim Hinzukommen der frischen hineingepreßten Balsam- masse erzeugt wurden. Wo das Kreuzchen ist, treffen bereits klarer und noch knochiger Stein fast unvermittelt aufeinander. Dort ist infolge der auftretenden Spannungen ein feines Riß werk entstanden. Einige von den Rissen sind von Verwitterungsprodukten des Bernsteins oder Eisenerzen er- füllt und bilden dunkle Massen von undeutlichen Umrissen, andere legen sich bei vollkommener Frische infolge der Totalreflexion wie lichte Flügel- partien von Insekten daran. So kann man bei flüchtigem Zusehen in die Versuchung kommen, in diesen Bildungen animale Reste zu entdecken. Der- artige Risse können auch größere Ausdehnung besitzen, so findet sich in einem weiteren Tropfen eine Kluftfläche von der Form einer Ellipse, die in der Richtung ihrer größten Achse, von etwa 6,2 mm Länge, von der Ober- Oberl. Baenge phot, Fig. 8. Tropfen mit scheinbarem Insekten- einschluß. Verkl. 9 : 10. (Samml. Winkle r in Zoppot). 25 26 fläche angeschnitten ist. Die Fläche steht ungefähr senkrecht zu dieser und ist mit dunklen Produkten der Verwitterung oder infiltrierten Substanzen bekleidet. Kleine derartige Sprünge sind auch bei anderen Tränen sehr häufig, freilich besitzen sie dann eine geringere Größe und stehen meist nioht senkrecht oder sonstwie orientiert zur Oberfläche, vielfach ohne jeden erkennbaren Zusammenhang mit ihr. An Stellen, die den Spannungserscheinungen zwischen verschieden geklärten Bernsteinpartien besonders stark ausgesetzt waren, tritt ein Gewirr kleiner Spalten auf, das unter besonderen Umständen an die Härchen von Quercites Meyerianus Goepp. et. Ber. erinnern. In einem Falle konnte bei den kleinen Klüften eine Länge bis zu 0,75 mm und gelegentlich etwas mehr beobachtet werden. Ein Gebilde, das besonders lebhaft an einen pflanzlichen Best erinnert, liegt in einem fast durchweg klaren Tropfen von 37,6 mm Länge und 25,5 mm bzw. 22 mm Breite. Dieser besitzt einen im Mittel 0,5 mm breiten Saum, der vollkommen klar ist, der innere Teil ist mit Wolken und Schlieren durch- setzt; das Stück erinnert an Material, das durch Kochen in Öl „klariert“ ist. Auf der einen Seite, etwa, 9 mm von der Spitze ab, liegt ein braunes Gebilde, von 4 mm X 1,9 mm größter Ausdehnung und etwa Halbmondform. Es ist gelb, Fig. 9. Scheinbarer ö . > . Pltanzenrest. Vergr. rotbraun und tiefbraun gefärbt, etwa schildpattartig, wobei 4:i. (sammi. die einzelnen Farbentöne parallel zueinander geordnet sind, Ws Ekler in Zoppot). # t . und erinnert ungefähr an eine Blütenhülle (Perigon). Diesem Umstande steht nur die eine Tatsache entgegen, daß der Einschluß flach wie ein Herbarpräparat ausgebreitet ist und keine Nerven besitzt (Fig. 9). Auch hier ist ein Sprung der Ausgang gewesen. Je nach der Dicke m seinen einzelnen Teilen und der damit in Verbidung stehenden reichen Mengen von Zersetzungsprodukten ist die Färbung lichter oder tiefer. Vorspringende Spitzchen, die in ihrem Verlauf sämtlich parallel zueinander gerichtet sind und in der Fortsetzung der tieferen Farbentöne verlaufen, unterstützen die Richtigkeit dieser Tatsache. Sie sind am oberen und unteren Saume unregel- mäßig verteilt und bilden sich als Endstücke der dunkleren Streifen in der Regel dort, wo der vorhandene Sprung besonders weit ist und, durch fort- clauende Spannungen veranlaßt, weiter zu wachsen strebt. Dazu ist am Ende der dunkleren Partien, deren Dicke — wie die Färbung andeutet — eine stärkere ist, die beste Gelegenheit1). Der Sprung verläuft etwa parallel zur Oberfläche. Einschlüsse aus dem Tier- oder Pflanzenreich habe ich in eigentlichen Tropfen bisher noch nicht angetroffen; es liegt wohl auch nicht die Möglichkeit vor, sie in diesen zu erwarten. Bei dem Vorgang der Klärung kann die äußerste Hülle wohl erweichen und klebrig werden; um aber die auf ihr festhaftenden Reste zu erhalten, fehlt es an der Bildungsmöglichkeit eines Flusses, der das Ganze überzieht. Wollte man an nehmen, daß die oberen J) 15, S. 43: 23, S. 180. 27 Teile des Tropfens sich verflüssigen, so würde gleichzeitig damit auch die Anheftungsstelle so sehr verdünnt werden, daß der ganze Tropfen seinen Halt verlöre und auf den Boden fiele. Wo trotzdem von Einschlüssen die Rede ist, handelt es sich wahrscheinlich um Stalagmiten, die durch abtropfende flüssige Bernsteinmasse gebildet wurden und sich nach Art der Schlauben aus einzelnen Hüllen ausbaut eja. Dann lägen die Bedingungen wie bei diesen. Die Form erinnert dann außerdem lebhaft an die der Tropfen, von denen sie sich freilich durch ihren schaligen Bau unterscheiden. Im Gegensatz zu den eigentlichen Inklusen, die uns Formen aus der Tier- und Pflanzenwelt urweltlicher Zeiten erhielten, zeigen die Tropfen oft eigenartige Zeichnungen. Diese treten bei der Aufklärung der getrübten Bernsteinmasse in und auf den Tropfen hervor und lassen sich nach zwei Gesichtspunkten anordnen, je nachdem sie bei dem gewaltsamen Hervor- treten des trüben Balsams aus der Wunde hervorgerufen wurden oder aus- schließlich durch Yerwitterungs Vorgänge auf der Lagerstätte oder auch erst später beim Aufbewahren in der Sammlung. In ersterem Falle sind sie bedingt durch bestimmte Gesetzmäßigkeiten der ausströmenden, getrübten Masse, die sich vorwiegend in einer Art von Wirbelbildungen äußerten; sie erstrecken sich auf die ganzen Tropfen oder wenigstens auf größere Teile von ihnen, die anderen mehr auf die oberflächlichen Partien. Doch auch damit die bei dem Balsamaustritt gelegentlich hervorgerufene schalige Struktur wahrnehmbar wird, ist meist das Einsetzen von Klärungserscheinungen, bedingt durch das Altern des Bernsteins, erforderlich. Stellen, in denen die eigenartige Entstehung der getrübten, gerundeten Tropfen durch später ins Innere eintretende jüngere Masse zum Ausdruck kommt, befinden sich fast ausnahmslos im unteren, noch ungeklärten Teile; hier lassen sich die durch den auf ge wandten Druck hervorgerufenen lebhaften Bewegungen, Strömungen und Wirbel gut erkennen. In mehr knochigem Material zeigen sie sich als Partien, die meist in ihrem Verlaufe will- kürlich wechseln und verschiedene Ausbildung besitzen; in fast geklärtem treten sie in Form von Schlieren, Bändern und Schnüren von Bläschen auf, die scheinbar ohne erkennbare Beziehung zueinander stehen und sogar recht gra- ziöse Formen auf weisen. Diese Bläschen entstanden als Reste aus der Trübung, die ja durch winzig kleine Hohlräume hervorgerufen wird; die Schlieren- bildungen geben, soweit sie nicht nachträglich durch innere Strömungen, wie sie nachgewiesenermaßen auftreten können, entstanden, einen Anhalt für die erste Struktur des scheinbar homogen gebauten, knochigen Tropfens. Sie sind die Reste vom Vorgang seiner inneren Ausbildung und gewähren einen Einblick in die Art seiner Entstehung. Einen Übergang zu den äußerlich verlaufenden Änderungen bieten solche Tropfen, bei denen der obere Teil bereits klar, der untere getrübte dagegen durch eine Fläche abgegrenzt ist und parallel zu dieser ebene oder mehr "27 28 gewellte Schichten enthält, die aus stark in Umwandelung begriffenem Bern- stein von getrübtem Material bestehen. Die Bildung von sogenannten Liesegan g sehen Bingen verläuft fast ausnahmsweise in dem unteren rundlichen Teile der Tropfen und nur an ihrer Oberfläche. An einigen Stücken zeigen sich die ersten Anfänge von diesen Aufhellungen, bei anderen setzen sie dort ein, wo Trübungen vorhanden sind, gleichgültig ob um diese herum bereits in der klaren Bernsteinmasse die Klärung stark vorgeschritten ist und die bereits erwähnten Gruppierungen von Bläschen zu Bändern und Schnüren enthält, oder ob zarte Schlieren von fast S-förmigem Verlauf sich um den noch ungetrübten Kern herumziehen. Bei einem Stücke, das Holzstruktur vortäuscht, scheinen die länglichen Bingbildungen sich tiefer in die Masse des Bernsteintropfens hineinzuerstrecken. Bei der Verwitterung bedeckt sich die Oberfläche mit einer immer dicker werdenden Kruste. Diese reißt ein und bildet Spalten, welche sich bis zu dem noch unzersetzten Material hinziehen. Die Zerklüftung geht bei mehr ebenen Flächen unter Bildung von polygonähnlichen Schuppen vor sich; jeder anderen Oberflächenform paßt sie sich in weit- gehendstem Maße an. Die nebenstehende Figur zeigt einen abgeplatteten Tropfen aus bastartigem Material* bei dem Bisse etwa radial von dem exzentrisch gelegenen Mittelpunkte der Oberfläche verliefen (Fig. 10). Das Stück hat Plätzchenform und bei 19 mm bzw. 17 mm Breite eine Höhe von 8,1 nun; die V er witterungskruste ist entfernt. An verschiedenen ge- bräunten Stellen ist noch zu erkennen, daß eine solche das Stück bekleidete. Starke Aufhellungen bis zum Klar verlaufen im ganzen radial, entsprechend den früher entstandenen Bissen in der Außenhaut. — - In anderen Fällen werden fehl- oder inselförmige Partien von der Zersetzungs- kruste her aus dem getrübten Bernstein abgegrenzt, um dann von den Vor- gängen der Aufhellung um so bequemer bewältigt zu werden. Das später beschriebene und abgebildete Stück Kr. 6 (Fig. 11) zeigt; zwei Systeme von Aufhellungsringen, die sicher auf diese Weise zustande gekommen sind. Durch die Entstehungsart aus zähflüssigem oder leichtflüssigem Balsam — vielleicht bestanden auch in dieser Hinsicht noch Übergänge — , durch den später einsetzenden Läuterungsprozeß, die Orientierung der Wundstellen und das Auftreten von Widerständen für die verflüssigte Harzmasse entstanden Formen von überraschender Mannigfaltigkeit. Von der ursprünglichen Ku gel - bzw. Tränenform gibt es eine ganze Beihe, welche die älteren Autoren in mehr oder weniger glücklicher Weise mit der von Früchten in Vergleich bringen. So erinnern sie Sende! an Zwiebeln, Äpfeln, Birnen, Feigen1)» K£X,JS | Oberl. Baenge phot. Fig. 10. Tropfen von Plätzchen- form mit radial verlaufenden Ver- witterungsstreifen. Yerkl. 0 : 10. (Sam ml. Winkler in Zoppot). i) 1, Teil 3, § XXXV. 29 Bock außerdem an Zitronen, Pomeranzen, Pflaumen, „Spillen“, Eicheln, Hasel- nüsse, Mandeln, Rosinen, Welsche Nüsse1), bald aber reichen diese Vergleichs- gegenstände nicht aus, um die verschiedenartigen Ausbildungen der Tropfen zu schildern, und solche aus dem täglichen Gebrauch müssen herangezogen werden. Doch auch diese versagen, wo mehr flache, wulstige, rundliche oder schließlich ganz unregelmäßige Gestaltungen sich darbieten. S e n d e 1 versucht sich deshalb der Schwierigkeit des Vergleichs dadurch zu entziehen, daß er besonders typische Formen abbildet und den Leser so eine Vorstellung von ihrer Mannigfaltigkeit gewinnen läßt. Die vielen schönen Stücke der Winkle r sehen Sammlung luden nun geradezu ein, Messungen anzustelien. Dabei war zunächst die Frage zu beantworten, ob sie solche gestatteten, waren sie doch durch die vorgenom- mene Politur oberflächlich verändert, wobei andererseits wieder zu bedenken war, daß die Oxydationsvorgänge sich nur auf Bruchteile eines Millimeters in die Tiefe ziehen und bei vorsichtiger Behandlung der Stücke kaum eine erheb- liche Veränderung in der Form und den Ausmaßen stattfinden konnte. Zwei Stücke, die ich der Liebenswürdigkeit der Direktion des Westpreußisohen Provinzial-Museums in Danzig verdanke, wurden deshalb in rohem und dann in poliertem Zustande gemessen und gewogen, um zu entscheiden, ob sich die Reihe der Tropfen aus dem Besitz des Herrn Pfarrer Winkler zu der- artigen Untersuchungen eignete. Diese beiden Probestücke sind klein und besitzen deshalb eine verhältnismäßig große Oberfläche. Letztere wurde mittels einer Feile und Sandpapier abgeraspelt und dann poliert. Tropfen I war, soweit sich von außen erkennen ließ, gleichartig getrübt (Ia); der polierte Tropfen (Ib) zeigte die gleiche Erscheinung. Tropfen II zeigte bereits äußerlich, daß der Bernstein nicht isomorph war und daß an der Grenze zwischen dem klaren und dem getrübten Material auf der Oberfläche Vertiefungen in Form zarter Rinnen auftraten (Ha); nach Vornahme der Politur (Ilb) war zu erkennen, daß knochiges Material von einer klaren Mittel- schicht durchsetzt wurde, tatsächlich also keine gleichartige Masse vorlag. Nr. Gewicht in g Spezif. Gewicht Höhe in mm Größte Breite Kleinste in mm Ja i 2,0143 1,0616 15,8 15,4 14,9 Ib 1,9575 1,0616 15,7 15,3 14,7 II a 2,5435 1,0673 20,8 16,6 13,6 Ilb 2,4910 1 ,0668 20,8 16,5 13,5 Diese an rohem und von poliertem Material gewonnenen Werte stimmen soweit gut überein, daß mit den Tropfen der Sammlung Winkler unbedenk- lich eine Reihe von Messungen vorgenommen werden konnte, sie sind hier auf- 9 2, s. 128. 29 30 gezählt und mit Nummern v ersehen, auf die im Laufe der Besprechung hin- gewiesen werden soll. Ihre Anordnung erfolgt nach dem Grade der Regel- mäßigkeit, wobei das Verhältnis zwischen der größten und der kleinsten Breite als Ausgang dient. Nr. 1. Im unteren, stumpfen Teil, um etwa % bis % der Tropfen] änge von der Ansatzstelle entfernt, ist das schwach getrübte Stück stärker getrübt; es zeigt Übergänge in klaren Stein. Nr. 2. Zart getrübter Stein, in klaren übergehend. Der untere Teil ist der trübere, die obere Hälfte ist bereits ganz klar. Zwischen ihr und der unteren verläuft schräg zur Längsachse eine Grenzfläche. Ihr fast parallel ziehen sich Schichten aus getrübten, etwas gewundenen, stark in Aufhellung begriffenen Partien hin, die untereinander ebenfalls parallel verlaufen. Nr. 3. Getrübte und klarere Teile wechseln mitein- ander ab. Bei der Aufklärung entstanden ringförmige Bildungen. Nr. 4. Eiförmig, gleichmäßig zart getrübt. Nr. 5. Fast bilateral symmetrisch. Zart getrübter Stein, in klaren übergehend. Das Innere ist trüber als das Äußere. Nr. 6. Gleichmäßig zart getrübt. Am unteren Ende mit zwei Aufhellungssystemen (vgl. Figur 11) von etwa 9X6 mm und 6X6 mm Durchmesser und je 1 bis 2 mm Breite. Sie haben etwa rundliche, unregelmäßige Form und lassen stellenweise ihren Aufbau aus L i e s e g a n g sehen Ringen gut erkennen. Oben befindet sich ein Grübchen, dessen schwach konkave Fläche gebräunter Bernstein, als Rest der entfernten Verwitterungskruste, bedeckt. Nr. 7, Eiförmig; ursprüngliche Ansatzstelle in der Brandung abgerollt. Gleichmäßig zart getrübt. Nr. 8. Das Stück erinnert in seiner allgemeinen Form an eine Tere - bratula (Fig. 5a). Nach der Spitze hin treten Ringsysteme auf, die beginnende Klärung anzeigen. Bei 4 mm Breite setzen sie sich aus etwa 3 bis 4 Ringen zusammen, deren Säume stark verschwommen sind. Etwa in der Mitte der bauchig hervortretenden, ursprünglich wohl dem Nadelbaum zugekehrten Seit# des Tropfens setzt abermals die Klärung unter Bildung von Ringsystemen ein. Fast gleichmäßig zart getrübt; die Spitze ist klarer. Die größte Breite ist gegen ihre zu erwartende Lage um etwa 25° gedreht. Nr. 9. Zart getrübt und in Aufhellung begriffen. Um einen im Längs- schnitt elliptischen Kern von stärkerer Trübung (etwa 3X5 mm) mit lich- terem Innern verlaufen parallele Aufhellungsstreifen, an ihrer schmälsten Stelle in der Zahl 4, von zusammen 3 mm Breite. Ihre Breite ist gleich, ebenso wie die der Partien, welche sie trennen. Entsprechend den spitzeren Enden des elliptischen Kerns zieht sich hier das System — soweit deutlich erkenn- 30 Oberl. Baenge pliot. Fig. 11. Tropfen mit 2 Sy- stemen von Aufhel lungs- ringen. Verkl. 9 : 10. (Samrnl. Winkler in Zoppot). 31 bar — bis auf 9 mm aus; liier sind die einzelnen Grenzen mehr verschwommen. Es wird das Bild eines Holzstücks wachgerufen, dessen Jahresringe sich bei schrägem Anschnitt um den Markteil des Astes gruppieren. Nr. 10. Etwa Kommaform. Zart getrabt, mit weißlichen Adern und wirbelförmigen Zeichnungen. Der rundliche, untere Teil setzt sich ohne ver- mittelnden Übergang von dem oberen, mehr kegelförmigen ab. An der hier auf tretenden Kehlstelle sind stärkere Trübungen vorhanden (Fig. 5b). Nr. 11. Gleichmäßig zart getrübt. Nr. 12. Stark gedrungene Form. Fast gleichmäßig zart getrübt. An einigen Stellen zeigen sich schwache Versuche zur Aufhellung in streifiger Ausbildung. Nr. 13. Zart getrübt, fast klar. In Aufhellung begriffen. Die Trübungen erinnern mehr oder weniger an Staub. Nr. 14. Stärker getrübt. Ganz unten im gerundeten Teil befinden sich knochige Partien, die randlich durch ihre absonderlichen Schleifen- und Baum- schlag-Zeichnungen erkennen lassen, daß hier Aufhellungen vor sich gehen und ein „Fließen“ im Innern eingesetzt hat, wie es durch Klärangsvorgänge veranlaßt werden kann. Etwa 1 bis 3 mm unterhalb der Abbruchstelle ver- läuft auf der Oberfläche schräg zur Längsachse ein Band von dunklerer Färbung, das an seiner breitesten Stelle etwa 5 mm Breite hat; an seinem Saume ist es verwaschen. Es umfängt den Hals des Tropfens etwa zu Vs und geht mit seinen seitlichen Zipfeln kaum merklich in die getrübte Masse des Tropfens über (Fig. 5c). Diese dunklere Färbung rührt von größeren Bläschen her, die oberflächlich stark verwittert sind. Nr. 15. Gleichmäßig zart getrübt. Die eine Seite ist etwas abgeflacht; an ihrem oberen Teil, etwa Vs von der Ansatzstelle entfernt, ist der Tropfen oberflächlich stärker getrübt (Fig. 5d). Nr. 16. Gleichmäßig zart getrübt. Die Ansatzstelle ist länglich-eiförmig mit den Ausmessungen 7 X 15 mm. Auch der Tropfen selbst ist der Haupt- masse nach im Querschnitt elliptisch bis eiförmig, seine Gestalt infolge der breiten Ansatzstelle und einer beginnenden Einschnürung darunter etwa kannen- förmig. Das Stück ist fast' bilateral symmetrisch. Nr. 17. Besonders zart getrübt, mit trüberen Partien im Kern; Spitze klarer. Die Abreißstelle ist punktförmig. Nr. 18. Zart getrübt, im oberen Teil klarer; im unteren hat die Klärung oberflächlich eingesetzt. Der Kern ist stärker getrübt und etwas seitlich verschoben. Nr. 19. Zart getrübt, von Bändern aus weißem Bernstein durchsetzt. Diese sind teilweise fein ausgezogen und erinnern an die sog. Äderung des Holzes; es liegen Aufklärangserscheinungen vor. Die größte Breite liegt schräg, etwa um 50 ° geneigt, gegen die Längsachse. Nr. 20. Stärker getrübter Bernstein, der überall in den zarter getrübten unmerklich übergeht. Der untere Teil ist stärker getrübt als der spitze obere. 31 32 Nr. 21. Seitlich abgeplatteter Tropfen ans zart getrübtem Bernstein, der aus stärker getrübtem hervorgeht. Schlieren und Schleifen weisen auf lebhaft verlaufende Aufklärung hin. Nr. 22. Der bilateral symmetrische Tropfen ist in seinem oberen Teile fast klar, im unteren — etwa von der Mitte an — knochig mit verworrenen Figuren und Zeichnungen aus weißem und klarem Stein. In dem geklärten Teile seitlich rechts (vergl. Fig. 12) liegt ein hakenförmiger, noch unaufgeh ellter Best und etwas tiefer eine zarte Trübung, die sich in Liese gang sehe Ringe auflöst. Nr. 23. Sehr unregelmäßig; der Verlauf der größten Breite weicht um etwa 45° von der Richtung der Längsachse ab. Mäßig getrübte und knochige Partien wechseln willkürlich miteinander. Die Aufklärung geht überall unter ringartigen Bildungen vor sich. Wo zwischen diesen bei- nahe klarer Stein entstanden ist, setzt bereits die Ver- witterung unter lebhafter Bräunung des Materials ein. Nr. 24. Zart getrübt mit einigen etwas lichteren Stellen, die keine deutlich wahrnehmbare Umgrenzung zeigen. Ganz unten befindet sich ein weißer, kreisrunder, scharf umgrenzter Fleck von etwa 4 mm Durchmesser. Nr. 25. Gleichmäßig getrübt. Bilateral symmetrisch. Auf den beiden Seiten nur schwach gewölbt. Oben stark ein- gedrückt, als wenn der Tropfen sich dort losreißen wollte. Nr. 26. Zart getrübt. Zusammengedrückt; eine Seite ist flacher, sie setzt sich von der gewölbteren scharf ab. Nr. 27. Zusammengedrückt. Die eine Seite ist flach; sie geht ohne Kanten- bildung in die gewölbtere über. Auf ihr ist die Aufhellung aus zart getrübtem Stein in fast klaren weit vorgeschritten. Besonders im unteren Teil treten hierbei Schlierenbildungen auf. Nr. 28. Zart getrübt. Ansatzstelle nicht wahrnehmbar. Abgeflacht; nur die eine Seite ist gewölbt, die andere fast eben. Zarte Schlieren von parallelem Verlauf und ringförmige Aufhellungen leiten den Übergang in Klar ein. Nr. 29. Zusammengedrückt. Auf der einen Seite fast flach, etwas gekrümmt. Fast gleichmäßig zart getrübt mit kaum hervortretenden Aufhellungspartien. Nr. 30. Abgeplattet, etwa kommaförmig; knochig. — Zu weiteren Vergleichen wurde eine Reihe von Tropfen aus der geologi- schen Sammlung des Westpreußischen Provinzial-Museums in Danzig heran- gezogen : G. S. 14 201 kl1). — Schlanker Tropfen. Der spitzere Teil (Ansatzstelle) ist in der natürlichen Brandung oder bei Behandlung in der Tonnenwäsche ab- 0 Unter Nr. 14201 sind 2 Stücke von verschiedener Größe aufgehoben. Der Einfach- heit wegen sollen sie durch den Zusatz gr. (größer) und kl. (kleiner) voneinander unterschieden werden. Oberl. Baenge phot. Fig. 12. Tropfen, oben klar, unten knochig. VerkL 9 • 10. (Samml. W inkler in Zoppot). 32 33 gerollt. Die dünne Kruste läßt zarte Riefen erkennen, welche Polygone um- grenzen; diese sind besonders im oberen Teile vorhanden. Die Umgrenzungen der Vielecke sind bräunlich gefärbt. Der Tropfen ist zart getrübt. Gr. S. 2040. Rundlich-eiförmig mit ausgeprägtem SpitzenteiL Zarte Zer- setzungskruste; sie erscheint vielleicht deshalb besonders fein, weil die Masse des Tropfens klar ist. Gr. S. 2039. Rundlich-eiförmig mit stumpfer Spitze. Zersetzungskruste etwas dunkler als gewöhnlich getönt, orangefarben ins Bräunliche. Stark getrübt. Ia. Vergl. S. 29. G. S. 5506. Ideal geformter Tropfen von der Form eines Vogeleis, das auf dem einen Ende kugelrund, auf dem anderen verhältnismäßig spitz ist. Bräun- lich-durchsichtig, stark getrübt. A 6. Tropfen von gestauchter Form und kaum, merkbarer Spitze mit por- zellanartiger Verwitterungskruste1). Besonders nach der Spitze hin ist diese Kruste durch Furchen gefeldert. Nach der Mitte zu werden die Felder größer, besonders in die Breite, und verschwinden dann nach dem stumpfen Ende hin ganz. Die Unterseite ist schwach genabelt; von ihrer Mitte aus verlaufen die Furchen radial und bilden nur vereinzelt Felder. G. S. 14 201 gr. Ei- bis Tropfenform, am spitzen Ende mit einer etwa 3 mm hohen Erhebung, die den Rest eines sich abtrennenden Harzstranges dar- Hellt und durch Abrundung Warzenform angenommen hat. Zart getrübt. Ila. Vergl. S. 29. Von den soeben kurz beschriebenen Stücken wurden die folgenden Maße genommen : Länge. Hierbei ist zu erwägen, daß die Länge nur von Wert ist, um ein allgemeines Bild von der Form des Tropfens zu gewinnen. Je nachdem der Tropfen mehr oder weniger bei seiner Aufhellung ausgezogen ist und nach -seiner natürlichen Anhaftungsstelle mehr oder weniger spitz zuläuft, kann diese Dimension nach der Lage der Abbruchstelle recht verschiedene Werte annehmen. Je nach den Bedingungen für die Loslösung des Tropfens von der Mutterpflanze und durch die Arbeit der Wellen in der Brandung werden die Tropfen an den schlankeren Teilen verkürzt und teilweise ganz abgeschliffen. * so daß dann nur eiförmige Reste übrigbleiben. Die widerstandsfähigeren, mehr rundlichen Tropfen aus knochigem Bernstein haben ihre ursprüngliche Form verhältnismäßig gut erhalten. Größte und kleinste Breite, gemessen mit der Schublehre. Höhe des Kugelsegments, das den unteren Teil des Tropfens bildet. Bei ihrer Messung wurde von der geraden Linie (Sehne), auf der die größte Breite mittels der Schublehre bestimmt war, ausgegangen. Von ihr aus. auf der Längsachse des Tropfens, wurde die gesuchte Höhe mittels eines genauen b 23, S. 218. 219. Sehr, d, N. G. zu Danzig. Bd. XV. Heft 1. 55 34 Maßstabes ermittelt. Durch, wiederholtes sorgfältiges Messen und Anvisieren unter gleichen Bedingungen kamen die niedergelegten Werte zustande. Von den Werten für die Breite ist nur der größere von Bedeutung für die Ausmaße der ursprünglichen Tropfen. Der zusammengedrückte Tropfen ist gleichsam ausgewalzt und bei dieser Abflachung nahmen Breite und Länge fast in gleichem Verhältnis zu. Bei verschiedener Ausbildung der einzelnen Hauptflächen, welche nicht einmal Symmetrie zu zeigen brauchen, haben verschiedene Bedingungen für das Zustandekommen der Form Vorgelegen. Diese wirkten unter Umständen sogar so weit verschieden voneinander, daß von den beiden Seitenflächen die eine durch Zerrung eben und sogar soll wach konkav werden konnte. — Wenn die kleinere Breite trotzdem gemessen wurde, geschah es, um sie mit der größeren zu vergleichen. Der Quotient aus ihnen gibt an, wie weit das gemessene Stück ideal, d. h. drehrund, ausgebildet ist oder nicht; er wird unter den folgenden Werten ebenfalls niedergelegt; nach ihm werden die Stücke in der Tabelle angeordnet. Zur weiteren schnellen Übersicht über die Gestalt der Tropfen ist ferner der Quotient aus der größten Breite und der Höhe des Segments, sowie der aus diesen beiden Werten berechnete Krümmungsradius des Segmentteils und schließlich absolutes und spezifisches Gewicht in der Übersicht zusammengestellt. ln der Tabelle werden die Stücke in erster Leihe nach dem Verhältnis- aus größter und kleinster Breite, in zweiter Leihe nach dem Verhältnis aus größter Breite und der Höhe der Kugelkalotte des stumpfen, unteren Endes angeordnet. Polierte Tropfen (Maße in mm). Nr. Länge Größte (Kleinste 1 B reite ! Höhe der Kalotte P absolut. Gew in spezii*. icht O* gr. Breite! kl. Breite gr. Breite e 4 r i Höhe der Kalotte Krümmungs- radius der Kalotte q= — r 1 32,5 21.3 ' 20,3 13.- 7,5 1,072 I 1,0 l.G 10,9 0,69 2 22, s 15- 13,5 11- 1 2,4 1,058 l,i 1 .} 4,1 8.1 0,30 3 i 26,5 17,5 16,2 11,5 3,9 1 ,050 1,5 9,1 0,43 4 '25,2 17,5 15,8 10,5 0,7 1,064 1 ,7 8,9 0,41 ö Jo.o 16,6 14 9 9- | 3,3 1 ,050 s 1,8 S,3 0,40 6 29,6 1 7,9 16,6 10- 4- 1,054 | 1,8 9,- 0.44 -7 7 | 39,5 29,2 25, c 16 - I 16,8 1,072 i 1 1,8 1 4,7 1,14 8 45,4 31- 28,9 17 — 20,4 1,073 1 1,8 1 5,6 1 ,3 1 9 29,4 16,5 14,4 8,5 3,6 1,061 | „ 1,9 8 2 •O“1 0,43 10 31,3 19,3 17,2 10,- 5- 1,059 1 r> 1,9 9.7 0,52 « j 27,6 18,9 16,8 8,5 4.2 1 ,058 1 2.2 9.5 0.45 12 j 17?s 14,7 13- 6,5 f,7 1 ,063 i h 2,3 7,4 0,23 13 30,t 18,- 15,i io- 4,0 1,055 \ 1.2 | 1,8 9,— 0,44 14 25.~ 1 i ,7 15,— 9" 3,2 1,068 1 , 2.- 8,8 0,36 34 35 Nr. Länge Größte Br( Kleinste iite Höhe der Kalotte P 1 absolut. | spezif. Gewicht in g ot. Breite kl. Breite j gr. Breite Höhe der Kalotte r Krümmungs- radius der Kalotte q=-P r 15 31,“ 20,5 15,7 lZ,5 5,3 1,057 1,3 1,6 10,5 0,51 16 44- 30,5 23,2 16,5 17,3 1 .068 0 1,8 15,3 1,13 17 26,i 21,4 16, G 11- 4,6 1,062 V 1,9 10,7 0,43 18 29,4 23,2 17,8 12,“ 6,4 1,051 5 1,9 11,6 0,55 19 26,4 19,7 15,6 10,“ 3,9 1,051 7) 2~ 9,9 0,40 20 26,6 19,2 14,3 9,“ 4,1 1,078 7) 2,1 9,6 0,42 21 29,5 20,7 14“ 11,5 4,6 1,067 1 ,5 1,8 10,4 0,44 22 23- 20,i 13,2 10,“ 3,1 1 ,039 7) 2,“ 10,“ 0,31 23 32,9 30,7 19,7 14- 9,3 , 1,050 1 >6 2,2 15,4 0,60 24 31,9 26,2 16,1 11,5 7,5 1,053 55 2,3 13,2 0,57 25 | 27,“ 20,2 11,6 10,0 2,9 1,076 j 1 ,7 2- 10,1 0,29 26 ! 34, s 28,2 16,1 15,5 9,6 1,069 1 ,8 1,8 14,2 0,68 27 35,9 26,i 12,9 16,“ 6,5 j 1,067 2 ,0 1,6 13,3 0,49 28 [ 24,5 I9,i 8,7 9,5 2,5 1 ,051 | 2 ,2 9 — ^5 9,6 0,26 29 j 26,5 17,7 7,3 12,5 1,9 1,063 | 2,4 1,4 9,4 0,20 30 | 28,3 22,4 ! 8,7 11,5 2 7 t 1,044 j „ - „ . 2,6 1,9 11,2 0,24 Natürliche Tropfen (Maßangabe in mm). 1 Nr. | Länge Größte Kleinste Höhe der Kalotte 1 1 p spezif Gew. ' gr. Breite gr. Breite r q Breite kl. Breite Höhe der Kalotte 14201 kl. 27,9 18,4 18," 10,5 j 4,9 1,058 | 1,0 1,8 9,3 0,53 2040 | 24,5 21,9 20,7 n- 5,6 1,059 7) o _ 10,9 0,51 2039 28,3 24,9 24,2 12,“ [■ 9“ 1,061 y> 2,1 12,5 0,72 la (roh) 15,s 15,4 14,9 7,5 | O — ■ ^5 1 ,062 n 2,i 7,7 0,26 Ib (poliert) 15,7 Jl 14,7 7,5 ! 2,“ 1,062 V 2,“ 7,7 0,25 5506 | 41,5 31- 30,7 13,5 i 20,3 1,099 » 2,3 15,6 1,30 Ac ! 26,c 26,3 25,6 10,5 8,7 1,007 2,5 13,5 0,65 14201 gr. | 31,3 24,8 21,9 19 ! 8,8 1,057 j 1,1 1,9 12,4 0,70 11 a (roh) j 20,9 16,9 13,7 8,5 2,5 1,067 ; 1,2 2,“ 8,1 0,30 ii b ~ damine silvatica, Dentaria bulbifera, Ribes alpinum!, Geranium silvaticum! , Hypericum montanum, Daphne Mezereum! , Bupleurum longifolium, Bleu - rospermum austriacum, Chaerophyllum hirsutum!, Laserpitium latifolium, Myosotis silvatica, V eronica montana, Digitalis ambigua, Melampyrum silvaticum, Campanula latifolia. Ähnliche, wenn auch im einzelnen minder reiche Landschafts- und Florenbilder wiederholen sich auch sonst noch im Bereiche des Pommerellischen Höhenzuges; manche der in der vorigen Liste enthaltenen besonders bemerkenswerten Arten wie Aconitum varie- gatum, Chaerophyllum hirsutum, Melampyrum silvaticum kommen auch noch anderwärts vor; ferner sei noch an Arten wie Aspidium lobatum, Equisetum maximum, Melica uniflora, Hordeum silvaticum, Carex pilosa, Luzula nemorosa, Ceplialanthera longifolia, Epipogon aphyllus, Bolemonium coeru- leum, V eronica montana, Betasites albus erinnert. Luzula silvatica hat im Kreise Karthaus ihren einzigen westpreußischen Standort, Ajuga pyramidalis ist eine ausgesprochene Charakterpflanze des Pommerellischen Höhenzuges; endlich sind Aspidium montanum, Blechnum Spicant und Lysimachia nemo- rum ganz oder fast ausschließlich auf dieses Gebiet (mit Einschluß des angren- zenden Hinterpommerns) beschränkt. Im übrigen Westpreußen sind nament- lich an Abhängen und in Schluchten des Weich sei geländes noch manche der interessanteren montanen Elemente anzutreffen, wie z. B. Equisetum, maximum, Carex pilosa, Orchis ustulata, Ceplialanthera rubra, C. alba, Aconi- tum variegatum, Sorbus torminalis, Trifolium rubens, Vicia dumetorum, V. pisi- formis, Euphorbia dulcis, Bupleurum longifolium, Bleu ros perm u m austriacum , Gentiana cruciata, Campanula latifolia, Crepis praemorsa, im ganzen also über- wiegend Arten, die sich auch im mitteldeutschen Berglande mehr der unteren montanen Stufe und dem Hügellande anschließen; auch die nicht dem eigent- lichen Weichselgelände selbst angehörigen Kreise Strasburg, Löbau und Briesen nehmen noch an der Verbreitung mancher dieser Arten teil, für sie ist außer- dem an das Vorkommen von Melittis Melissophyllum und Arnica montana zu erinnern. Westlich der Weichsel ist dagegen ein entschiedenes, wenn auch allmähliches Abklingen in der Häufigkeit und Dichtigkeit des Auftretens der montanen Elemente zu konstatieren; zum Teil hat das gewiß darin seine 18 61 (Ji sache, daß hier der Kiefernheidewald auf weit ausgedehnte Flächen hin die Landschaft beherrscht und daher mit Ausnahme der Täler der Brahe und des Schwarzwassers, deren Abhänge physiognomisch und floristisch ein ganz anderes Gepräge tragen, sowie einiger weniger sonstiger Laubwaldoasen die Mehrzahl der in Betracht kommenden Arten keine ihnen zusagenden Stand- ortsbedingungen findet. Dem entspricht es, wenn wir im Südwesten der Provinz, in den Kreisen Flatow und Dt. Krone, noch einmal eine gewisse, übrigens selbständiger Züge nicht ganz entbehrende Verdichtung der montanen .Elemente treffen, wofür als Beleg Arten wie Equisetum maximum , Asple- nitim Trichomanes, Aspidium Robcrlianum , Festuca silvatica, Polygonatum verticillatum, Orchis ustulata, Cephalanthera alba, C. rubra , Cypripedium Cal- ceolus, Rosa pomifera, Sorbus torminalis, Trifolium rubens, Geranium silvati cum, Bupleurum longifolium, Ar cliang elica officinalis, Laser pitium latifolium, Pirol a media, Ajuga pyramidalis, Galium rotunclifolium, G. saxatile, Campanula lati- folia genannt seien. Indessen stehen diesem positiven Besitz doch so zahl- reiche Fälle von nach Westen hin abnehmenden oder gänzlich fehlenden Arten (7. B. Onoclea Struthiopteris, M elica uniflora, Festuca silvatica [ nur isoliert nn Kreise Flatow], Car ex pilosa, List er a cord ata, CoraUiorrhiza innata, Micro- stylis monopliyllos, Thalictrum aquilegifolmm, Trollius europaeus, Aconitum variegatum, Dentaria bulbifera, Astrantia major, Pleurospermum ausiriacum, Chaerophyllum aromaticum, Polemonium coeruleum, Gentiana cruciata, Myo- sotis silvatica, Veronica montana, Crepis succisifolia) gegenüber, daß eine befriedigende Erklärung fiir dieses Verhalten in den ökologischen Verhält- nissen allein nicht wohl gefunden werden kann. Die vorstehenden kurzen Skizzen, deren Ergebnis sich bei einem hier aus Gründen der Kaumersparnis nicht möglichen, näheren Eingehen auf die Einzelheiten wohl noch erweitern und vertiefen ließe, dürften immerhin genügen, um zu zeigen, daß in der Tat aus den Verbreitungsverhältnissen der montanen Elemente in unserem Gebiet wichtige Anhaltspunkte für die Charakterisierung der Flora verschiedener Teilgebiete gewonnen werden können. Besonders her- vorgehoben sei dabei noch, daß die fraglichen Arten im Vegetationsbilde oft eine wichtige Rolle spielen und keineswegs etwa nur als untergeordnete oder accessorische Bestandteile erscheinen1), sowie ferner die Tatsache, daß gerade die Gebiete, bei denen man wohl nach ihrer landschaftlichen Natur von einem gewissen Vorgebirgscharakter sprechen könnte, auch an montanen Elementen sich besonders reich erweisen, daß aber andererseits letztere, selbst in ihren eumontanen, bzw. diesen nahe stehenden Gliedern doch keineswegs ein aus- !) Auch Abromeit (Die Vegetationsverhältnisse von Ostpreußen unter Berück- sichtigung- der benachbarten Gebiete, in Englers Bot. Jahrb. XLVI, B.eibl. Nr. 106, 1912, p. 65 — 101) bemerkt, ohne den den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung bildenden Fragen speziell näher zu treten, auf p. 77, daß die Waldforniation Ost- preußens in vieler Hinsicht den ostherzynischen der unteren und mittleren Region gleiche. id 62 schließlicher Besitz solcher Gebiete sind. Audi der Hinweis erscheint in diesem Zusammenhang bedeutungsvoll, daß der Florencharakter des ostelbischen Flach- landes keineswegs ein so überwiegend gleichmäßiger ist, wie er oft geschildert wird, und durchaus nicht nur beherrscht wird von dem allmählichen Aus- klingen atlantischer Typen und dem Vordringen pontiseher Florenelemente, wozu für Ostpreußen sich noch die Teilnahme an den Grenzlinien östlicher, bzw. nordöstlicher Arten gesellt, sondern daß das Gesamtbild doch ein sehr viel wechselvolleres ist, wozu auch gerade die hier behandelten Arten nicht unwesentlich beitragen. Endlich ist noch kurz des formationsbiologischen Verhaltens der in Rede stehenden Arten innerhalb unseres Gebietes zu gedenken. Etwa 75 % derselben gehören der Waldflora und von diesen wiederum die überwiegende Mehrzahl der Flora der Laub- und Mischwälder an. Eine stark ausgeprägte Ausnahmestellung nimmt in dieser Hinsicht wie auch bezüglich ihrer Gesamt- verbreitung Pulsatilla vernalis ein, die bei uns ein charakteristisches Glied des Kiefernheidewaldes dar, stellt; auch Arnica montana tritt vorwiegend unter Kiefern auf, von den übrigen Arten gehen Carex montana, Kubus saxatilis, Hypericum montanum, Laserpitium latifolium, Pirola media, P. umflora, Trien - falls europaea und Digitalis ambigua, seltener auch Lycopodium annotinum, Lilium Martagon und Cephalanthera, rubra, auch in Kiefernbestände (aber über- wiegend nicht in solche vom Charakter des echten Kiefernheidewaldes) über. Unter den Laubwald, bzw. Mischwald mit vorherrschendem Laubholzcharakter bewohnenden Arten befindet sich eine größere Anzahl, die ausschließlich oder mit entschieden er Vorliebe schattige, mehr oder weniger feuchte Wald seh l uchten oder solchen äquivalente Bestände besiedeln, z. B. Aspidium Phegopteris , A. montanum, Cystopteris fragilis, Blechnum Spirant, Onoclea Struthiopteris! , Poa remota!, Bromus asper subsp. Benekeni, Carex pilosa, Poly gonalum verti » eillatum, Aconitum variegatum! , Lunaria rediviva!, Bupleurum longifolium Pleurospermum austriacum! , Chaerophyllum hirsutum!, Lysimachia nemorum , Veronica montana, Melampyrum silvaticum, Campanula latifolia, Petasites albus!. Auch im Schluchtwald, doch sonst überwiegend in schattigen Waldbeständen auf trockenerem Boden, finden sich u. a. Aspidium Dryopteris, Melica uniflora, Festuea silvaiica, Ilordeum silvaticum, Luzula silvatica, L. nemorosa, Cypri- pedium Calceolus, Cephalanthera alba, C. longifolia, C. rubra , Devtaria bulbi- fera, Vicia silvatica, V. dumelorum, Melittis Melissophyllum ; lichtere Bestände bevorzugen im allgemeinen Carex montana, Lilium Martagon, Aquilegia vul- garis, Eibes alpinum, Kubus saxatilis, Sorbus torminalis, Trifolium, rubens Astrantia major, Laserpitium, latifolium, Ajuga pyramidalis. Die Standorte von Scrophularia Scopolii gehören dem Auwald an; auch Ainus incana wächst im Stromgebiet der Weichsel vorzüglich in ,, Kämpen“. Einige Arten zeichnen sich durch ein einigermaßen vielseitiges und wechselvolles Verhalten aus; so findet sich Lycopodium Selago einerseits in Erlenbrüchen (vorzüglich an Baum- stubben) und auch in trockeneren Zwfischenmoor wäl dern , andererseits aber auch 20 Cv) a n schattigen, mit Buchen h och wal d Imdeckten Hängen ; sein G attungsgenosse L. mmotinum ist ein bezeichnendes Glied des Kiefemzwischenmoorwaldes,- fmdet sich aber auch in trockeneren Laub- und Mischwäldern und geht, wie schon erwähnt, gelegentlich auch in reine Kiefernbestände auf sandigem Boden über; Daphne Mezereum , für den Schluchtwald z. B. im Radaunetal recht bezeichnend, findet sich auch in den westpreußischen Buchenwäldern und in aus Fichten und Laubholz gemischten Beständen Ostpreußens, geht außerdem aber nicht selten auch in Erlenstandmoore über. CoralHorrhiza innata wächst am Ostritz-See im Kreise Karthaus auf humosem Boden im Buchenhochwald; im Kreise Schweiz beobachtete ich sie auf nacktem Torfboden in einem über- gangsbruchwald am Rande eines Sphagnetum- Schwingmoores und am Großen Moosbruch im Kreise Lablau mehrfach zwischen Sphagnumrasen in Moorwald- beständen am Rande rülliger Partien; im allgemeinen zeigt sie Im Gebiet 1) wohl am häufigsten zu moorigen Waldbrüchen Beziehung, wie dies auch von List er a cor data gilt, doch wird z. B. für den Kieluber Wald im Kreise Briesen angegeben, daß sie daselbst unter Wacholder wächst. Circaea alpina ist ein charakteristisches Glied der Erlenbrüche, kommt in Ostpreußen aber auch sonst in schattigen, etwas feuchten Mischwäldern vor und geht von diesen aus, z. B ... vm Gebiet des G roßen Moosbruebes, ziem lich weit in die Zwischenmoorwald - bestände hinein. Auch Microstylis monophyllos erscheint meist in Bruchwäldern und zwar überwiegend im Erlenstandmoorwald, im Münsterwalder Forst wächst sie aber im hügeligen Mischwalde auf Diluvialboden; ebenda erscheint übrigens auch Trollins europaeus , 1'% den diese Standortsverhältnisse gleichfalls als vom der Korm stark abweichende gelten müssen. Recht vielseitig ist übrigens auch Thalictrum aquilegifolium, das außer in nicht zu schattigen Schluchtwälderm auch an Waldrändern, auf Waldwiesen, an Fluß- und Bachufern unter Erlen- gebüsch, auf buschigen Torfwiesen und in Erlen standmoorwäldern auf tritt.. Schon manche der noch zu den Waldpflanzen zu rechnenden Arten, die* gern auch in lichten Hainen, an buschigen Abhängen und an Waldrändern auf treten, wie z. B. Trifolium ruhens und Crepis praemorsa , treten dadurch zu der Flora der sonnigen Hügel in nähere Beziehung; noch deutlicher schließen an dieselbe sich an Orchis ustulata , die Rosa- Arten, Dictamnus albus und Gentiana cruciata; auch Asplenium septentrionalc wird am besten an dieser Stelle genannt, während A. ruta muraria bei uns sich nirgends an ursprüng- lichen Standorten findet. Zu den Wiesenbewohnern leitet Coeloglossmn viride über, das auch zwischen Gebüsch, an Waldrändern und Bergabhängen wächst; im Kreis Orteisburg ist es besonders für buschige Hügel inmitten größerer Wiesenkomplexe bezeichnend, im nordwestlichen Teil des Kreises Sensburg D Das geschilderte Verhalten dieser Art findet seine Parallele in der Art ihres \ orkommens in den mitteldeutschen Gebirgen, denn in der Flora von Jena kenne ich sie aus tiefschattigen, humosen Buchenwäldern und aus dem Biesengebirge als Be- wohnerin feuchter, moosiger (auch Sphagnen) Fichtenbergwälder: auch Drude gibt sie für den Fichtenauwald der Bergregion an. 21 04 für mit erratischen Blöcken übersäete Wiesen. Als typische Wiesenbewohner sind zu bezeichnen Herminium monorchis, Trollius europaeus (auch in feuchten Wäldern und Gebüschen), Trifolium spadiceum (gern an und in Laubwäldern). Phyte-uma orbiculare und Cirsium rivulare (besonders auf quell igen Wald- wiesen); auf Moor- und Torfwiesen finden sich ferner Sesleria coerulea var. uliginosa, Junens filiform is, Tofieldia calyculata, Pr im u l a farinosa, Polemonium coerulenm (auch buschige Machmoore, Gebüsche, in Flußtälern) und Crepis succisif olia. Eine ausgesprochene Flachmoorpflanze ist ferner Sweertia peren- nis, dagegen wächst Gymnadenia odoratissima in waldigen Moosbrüchen und Car ex pauciflora auf Sphagnetum-Schwingmooren. Soweit die behandelten Arten der Waldflora angehören, erhebt sich noch die Frage, ob sich unter ihnen ausgesprochene Begleitpflanzen bestimmter Baumarten befinden. Im Hinblick auf die unser Gebiet durchschneidende Nord- ostgrenze der Rotbuche konzentriert sich diese Frage vornehmlich auf die- jenige nach den Buchenbegleitern, die wohl auch in der Literatur am öftesten behandelt worden ist. Hock1) spricht als solche in erster Linie an Melica uniflora *, Hordeum silvaticum* , Actaea spicata, Cardamine silvatica, Dentaria hulbifera* , Circaea intermedia *, Lysimachia nemo rum* und V eronica mon- tana *; auch glaubt er, daß weniger nahe Beziehungen zur Buche auch noch vorliegen bei Festuca silvatica , Luziila nemorosa, C ephalanthera alba* , C. longi- folia, C. rubra , Epipogon aphyllns , Sorbus torminalis , Acer Pseudoplatanus, Hypericum montanum* , Myosotis silvatica, Melittis Melissophy llum* , Digitalis ambigua und Campanula laiifolia. Die mit * bezeichneten Arten dieser Liste werden auch von Winkler2) als typische Buchenbegleiter bezeichnet; eine Reihe weiterer Arten, die die beiden Autoren noch als solche aufführen (z. B. Car ex pendula, Allin m ursinum, Anemone Hepatica, Ranunculus lanuginosus usw.) kommen als außerhalb des Kreises der montanen Elemente stehend hier nicht weiter in Betracht, nur Luznla silvatica ist noch aus der W i n k 1er sehen Liste hinzuzufügen. Nun ist in der Tat nicht zu verkennen, daß in dem von der Buche beherrschten Waldgebiet des nördlichen Westpreußen die meisten der oben angegebenen Arten als Begleiter dieses Baumes im formationsbiolo- gischen Sinne erscheinen; doch darf daneben nicht übersehen werden, daß die- selben zumeist in ihrer Verbreitung wesentlich über die Buchengrenze hinaus- gehen. Nur Luzula nemorosa und L. silvatica sowie Lysimachia nemorum halten sich innerhalb derselben, bzw. bleiben noch erheblich dahinter zurück, doch spricht gerade bei diesen Arten ihr Verhalten in den mitteldeutschen Gebirgen keineswegs für einen besonders nahen Anschluß an die Rotbuche im formationsbiologischen Sinne. Bei den übrigen Arten wird man für das Recht, sie als Buchenbegleiter anzusprechen, natürlich es nicht zur Voraussetzung L H ö c k. Studien über die Verbreitung der Waldpflanzen der Mark Branden- burg, in Verhandl. Bot. Ver, Prov. Brandenburg XXXVII (1895) bis XLIV (1902). 2) H. Winkle r, Pflanzengeographische Studien über die Formation des Buchenwaldes. Diss. Breslau 1901. 22 65 machen dürfen, daß sie sich streng* innerhalb des Verbreitungsgebietes der Buche halten müßten, sondern man wird auch gewisse Ausstrahlungen über dasselbe hinaus noch als- zulässig erachten können; in diesem Sinne würden dann allenfalls noch V eronica montana und Melica uniflora als Buchenbegleiter gelten können, obschon bei ersterer zu beachten ist, daß sie in Ostpreußen nicht nur eine Reihe von Standorten jenseits der Buchengrenze besitzt, sondern daß sie auch den Buchenbeständen im südlichen Ostpreußen (z. B. im Kreise Allen- stein) oft völlig fehlt. Bei Hordeum silvaticum und Dentaria bulbifera dagegen finden wir, daß sie in Ostpreußen jenseits der Buchengrenze stärker verbreitet sind als im westpreußischen Buchengebiet (die letztgenannte kommt übrigens auch im binnenländischen Westpreußen ohne Formationsanschluß an die Rot- huche vor) und auch noch weit nach Osten reichen ( Dentaria bulbifera kommt sogar auch noch im ostbaltischen Gebiet vor), so daß hier von ,, Buchen- begleitern“ nicht wohl die Rede sein kann; und in noch höherem Maße gilt dies von Arten wie Festuca silvatica, Actaea spicata, Hypericum montanum, Cireaea intermedia, Melittis Melis sophyllum (diese zeigt bei uns formations- biologisch überhaupt keine Beziehungen zur Rotbuche), Digitalis ambigua und C-ampanula latifolia. So kann man in diesem Punkte nur Drude1) beipflichten, der bereits betont, wie gerade in Ostpreußen sich der Beweis dafür ergibt, daß die Buche allein nicht bestimmte Formationen schafft, vielmehr die sogen. Buchenbegleiter Höcks nur eine bestimmte Formationsverwandtschaft an- zeigen, die im Walde auch über die Yegetationslinie der Buche hinaus sich erhalt. Die ganze H ö c k sehe Begleitpflanzentheorie scheint mir überhaupt an dem Übelstande zu leiden, daß dabei die Florenelemente im formationsbiolo- gischen, im verbreitungsstatistischen, im florenentwickelungsgeschichtlichen und endlich im genetischen Sinne nicht ihrem begrifflichen Wesen entsprechend mit genügender Schärfe auseinandergehalten sind. In einer späteren Arbeit 2) glaubt Höck, unter speziellem Hinweis auf Polygonatum verticillatum, solche Arten, die einerseits im Gebirge, andererseits im Bereiche der baltischen Ge- stade auftreten und dadurch der Buche in der Verbreitung ähneln, als „Buchen- genossen“ bezeichnen zu sollen, auch wenn sie keineswegs immer nur unter Buchen auftreten; indessen wird diese Bezeichnung als mindestens leicht irre- führend wohl besser nicht zur Anwendung gebracht. Noch weniger als bei der Buche kann bei den übrigen Baumarten von bestimmten Begleitpflanzen die Rede sein; z. B. nennt Höck als Kiefernbegleiter Pirola uniflora und Ajuga pyramidalis , von denen aber erstere keineswegs ausschließlich oder auch nur überwiegend in reinen Kiefernbeständen auf tritt und letztere im nordwestlichen Westpreußen vornehmlich in Mischwäldern erscheint, in denen die Buche min- destens eine ebenso wichtige Rolle wie die Kiefer spielt. Übrigens hat auch bei der formationsbiologischen Vielseitigkeit der von der Kiefer beherrschten Be- 1 ) Drude in Abhandl. Naturwiss. Gesellsch. „Isis“ in Dresden. 1903, p. 83 — 84. s) H ö c k, Verbreitung der reichsdeutschen Einkeimblättler, in Beih. Bot. Centrbl. XXXII, 2. Abt., 1914, p. 52. Sohr. d. N. G, zu Danzig. Bd. XV. Heft 1. 23 5 66 stände der Begriff , , Kiefer 11b egl edier ‘ c von vornherein einen allzu vagen Charak- ter. Ebensowenig kann, nach dem Verhalten in unserem Gebiet, bei Onoclea Slruthiopteris und Thalictrum aquilegifolium, von näheren Beziehungen zur Eichte gesprochen werden; denn beide, besonders aber das letztere, gehen erheb- lich-über die relative Verbreitungsgrenze der Fichte hinaus, und Onoclea wächst überdies auch innerhalb des Verbreitungsgebietes der Fichte oft unter Erlen.. II. .Die letzten Bemerkungen griffen zum Teil bereits über in den Bereich der Frage, deren Untersuchung die Aufgabe des zweiten Hauptteiles dieser Arbeit bilden soll, der Frage nämlich, welche Stellung das nordostdeutsche Teilareal der behandelten Arten1) im Rahmen ihrer Gesamtverbreitling einnimmt. Ließ schon die Verteilung dieser Arten innerhalb des engeren üntersuclmngsgebietes trotz des unzweifelhaften Vorhandenseins gemeinsamer und übereinstimmender' Züge doch im einzelnen recht verschiedengestaltige Verhältnisse erkennen, so ergibt sich hier ein noch viel wechselvolleres Bild. Fis soll daher auch hier der Erörterung eine Gliederung in teils ziemlich scharf voneinander abgegrenzte, teils auch durch Übergänge miteinander verbundene Gruppen2) zugrunde gelegt werden, doch wird deren Zahl, entsprechend der Vielseitigkeit der in den Ver- breitimgsverhältnissen zum Ausdruck kommenden Beziehungen, eine etwas größere sein müssen als sie sich für die im ersten Teil gegebene Übersicht über die Verbreitung innerhalb des nordostdeut sehen Flachlandes als erforder- erwies. I. Ilauptgruppe. Arten, die, meist zerstreut bis teilweise häufig*, über das • ganze norddeutsche Flachland oder doch wenigstens über den ostelbischen An- teil desselben verbreitet sind und deren Areal meist nach Vörden, Vordosten und Osten noch weit darüber hinausreicht. x) In den folgenden Betrachtungen werden jene Arien nicht berücksichtigt», deren Ursprünglichkeit in unserem Gebiet starkem Zweifel unterliegt, nämlich Sambucas racemosa , Pliyteuma orbiculate und Dictamnus albus; deutliche pflanzen- geographische Beziehungen, nämlich zu dem schon erwähnten polnischen Weichsel- gebiet, würde von diesen nur die letztgenannte auf weisen. Rosa pomifera und R. ein na- - momca, deren Indigenat auch nicht unbedingt sicher ist, habe ich dagegen nicht ausgeschieden, da erstere wohl wenigstens an einem Teil ihrer ost- und westpreußi- schen Fundorte ursprünglich sein dürfte und bei letzterer das Vorkommen in den. nördlichen Nachbargebieten Ähnliches vermuten läßt. 2) Bei der Bildung dieser Gruppen wurde, dem Zweck der Untersuchung ent- sprechend, nicht die Gesamtarealfigur der Arten, sondern vornehmlich ihre Ver- breitung in Mitteleuropa und den angrenzenden Gebieten zugrunde gelegt. Die Not- wendigkeit der Raumbeschränkung läßt eine Darstellung der Gesamtverbreitung nicht zu, ich habe mich daher in dieser Hinsicht jeweils auf solche Angaben beschränkt, die für den hier verfolgten Zweck wesentlich erschienen ; aus dem gleichen Grunde- mußte auch von einer Zitierung der für diese Angaben benutzten Florenwerke usw.. Abstand genommen werden. 67 Untergruppe a. Auch Nord Westdeutschland ist in das Areal mit ein- bezogen 1 ) . 1 . Aspidium Dryopteris. 2. A . Phegopteris. 3. A. montanum (zerstreut bis sehr zerstreut, im Baltikum2) und Litauen nur vereinzelt). 4. Cystopteris fragilis. 5. Asplenium trichomanes. 6. A. ruta muraria (überall sonst ähnlich, wie bei uns, im Baltikum auch auf primärem Standort). 7. 7 Pechmim Spicant (im Flachland nach Osten hin merklich, abnehmend, in Posen sehr selten, vereinzelt auch wieder im Baltikum und in Litauen). 8. Lycopodium annotinum. 9. L. Selago. 10. Bromus asper subsp. Benekeni (im Nordosten nur diese Unterart, ander- wärts neben ihr oder auch überwiegend die subsp. ramosus ; in Schlesien unsere Unterart die häufigere und vornehmlich im Gebirge, seltener in der Ebene). 11. Car ex pauciflora (im ganzen norddeutschen Flachlande nur sehr wenig verbreitet, häufiger auf Mooren der mittel- und süddeutschen Gebirge [von den Sudeten auch zur Lausitz ausstrahlend J , der oberdeutschen Hochebene und Alpen; im Baltikum zerstreut, Skandinavien). 12. Junens filiformis (auch im nordwestlichen Flachlande häufig, im mittleren und südlichen Gebiet besonders in Gebirgslagen; im Baltikum häufig, ferner im ganzen nördlichen Europa). 13. Cardamine silvatica (sehr zerstreut bis selten, vereinzelt auch in Kur- land und Litauen). 14. Bubus saxatilis. 1 5. Mercurialis perennis. 16. Hypericum montanum (Nordgrenze in der Linie Ostpreußen- — -Wilna, einige vorgeschobene Standorte im Baltikum, z. B. auf Ösel, auch im größten Teil Mittel- und Ostrußlands). 17. Cireaea alpina. 18. C. hiier media (gilt als besonders bezeichnend für die süd baltischen Buchenwälder, kommt aber auch noch im Baltikum und Litauen, wenngleich nicht häufig vor, in Schweden bis Vestergötlaiid; in Polen mit Sicherheit nur un Südwesten). 19. Archangelica officmalis (in Nordwestdeutschland an Elbe und Unter- weser, längs der Ostseeküste von Schleswig-Holstein an ziemlich verbreitet, im Binnenland dagegen nach Osten abnehmend; in der Hercynia nur im und am H arz, in Schlesien ursprünglich nur in quelligen Schluchten des Kiesen gebirges ; im Baltikum zerstreut, auch in Litauen, weit nach Norden gehend). 20. Pirola imiflora. 21. Trientalis europaea. Hieran lassen sich ferner noch die folgenden Arten anschließen, deren Verbreitung nach Nordosten nicht über unser Gebiet hinausreicht: 1 ) Manche Arten (z. B. Cystopteris fragilis, Asplenium trichomanes, Hypericum montanum, Pirola umflora ) kommen im nordwestdeutschen Flachland allerdings nur vereinzelt bis selten oder sehr selten vor. 2) Kurze zus am men f a ssen de Bezeichnung für die baltischen Provinzen Kurland, Livland, Estland. 25 68 22. Meliea imiflora (im ganzen Bezirk der südbaltischen Buchenwälder, in der Mark Brandenburg wesentlich im Bereich der Havel und Ucker; in Posen selten, fehlt anscheinend in Polen, ist dagegen in Nordwestdeutschland ver- breiteter als M. mit ans und auch sonst im westlichen Europa ziemlich verbreitet; in Norwegen nördlich nur bis 50 ° 10 ' n. Br., in Schweden von Schonen bis Westergötland und Upland). 23. Luzula silvatica (das Vorkommen im Kreise Karthaus bezeichnet die absolute Ostgrenze, auch in Pommern und Holstein selten, in Nordwestdeutsch“ land nur an wenigen Stellen der hohen Geest, nördlich bis Island und in Nor- wegen bis zu den Lofoten, dagegen in Schweden selten). 24. Lysimachia nemormn (in Nord Westdeutschland, Schleswig-Holstein, Mecklenburg und Pommern zerstreut, in das Binnenland nur wenig vordringend; in der Mark Brandenburg wieder in der Lausitz, wohl von den Gebirgen aus- strahlend; in Schlesien vorwiegend im Gebirge; in Schweden nur in Schonen, in Norwegen bis 62 ° 44 ' n. Br.). 25. V er onica montana (östlich der Elbe besonders auf dem Landrücken und in der Nähe der Ostseeküste, in Posen sehr selten; im nordwestlichen Flach- lande zerstreut, in Schlesien besonders im Gebirge, in der niederschlesischen Ebene sehr selten; in Schweden nur in Schonen). 26. Galium saxatile (in Nord Westdeutschland häufig und in verschiedenen Formationen des Heidegebietes, ebenso auch in Schleswig-Holstein bis Vor- pommern, dagegen nach Osten hin abnehmend ; analog auch im Binnenlande, in der Mark Brandenburg noch bei Frankfurt — Driesen, fehlt in Posen; in Schlesien in der Ebene nur im westlichen Niederschlesien, sonst vom Vorgebirge bis zu hohen Gebirgslagen, auch in der Herzynia besonders auf Bergtriften, Bergheiden u. dgl.; in Polen nur im Südwesten; 4 eh 1t in den Alpen, nördlich über Dänemark bis zum südlichen Skandinavien, in Westeuropa weiter ver- breitet, südlich bis Nordspanien). Von den vorstehend aufgeführten Arten sind Aspidium montanum , Blech - mim Spicant und Lysimachia nemormn im Hinblick auf ihre Verbreitung im norddeutschen Flachlande der subatlantischen Genossenschaft zuzurechnen, deren Glieder auch sonst für das nordwestliche Westpreußen bezeichnend sind, dagegen die Weichsel wenig oder gar nicht überschreiten, um aber teilweise im ' Baltikum wiederzukehren; das isolierte Vorkommen von Lysimachia nemormn und Blechnum Spicant in Ostpreußen findet ebenfalls in dem Verhalten anderer Angehöriger derselben Genossenschaft ein Analogon und gehört mit zu jenen Anzeichen, die für eine ehemals weitere Verbreitung atlantischer Florenelemente nach Osten hin sprechen. Gleiches gilt von Galium saxatile , das, ebenfalls ein atlantischer Typus, unser Gebiet nur in weit voneinander isolierten, dem Binnenland angehörigen Standorten besiedelt. Auch Luzula silvatica dürfte sich diesen Arten anschließen; den atlantischen Florenelementen kann dieselbe freilich nicht beigezählt werden, da bei ihr das mittel- und süddeutsche Gebirgs- areal die wenigen Vorkommnisse in der Ebene sowie in Dänemark weit über- wiegt. Auch Cardamine silvatica , V er onica montana und Meliea imiflora , in geringerem Grade auch Circaea intermedia weisen deutlich auf Beziehungen zum südbaltischen Küstengebiet hin; V eronica montana und Meliea imiflora gleichen einander auch in der Art ihres Ausklingens in zerstreuten Standorten 26 69 einerseits im westpreußischen Binnenlande, andererseits vom südwestlichen bis zum mittleren bzw. den südlichen Strichen des nördlichen Ostpreußen, wo sie sich ebenfalls von der Küstennahe merklich entfernen. Von den übrigen Arten steht Car ex paueißora den Gliedern der boreal- alpinen Genossenschaft nahe; auch Junens ßliformis ist ein Typus von über- wiegend nördlicher Verbreitung, desgleichen auch T mentalis europaea, welch letztere zwar in der Herzynia, auch m die Hügelregion herabsteigt und in Schlesien auch der Flora der Ebene angehört, vornehmlich aber doch für die oberen Gebirgslagen bezeichnend ist; sie ist innerhalb der norddeutschen Wald- flora der mit am weitesten verbreitete Repräsentant einer Verbreitungsgruppe, der u. a. auch noch Linnaea borealis angehört, die aber in den Gebirgen nur ganz vereinzelte, reliktartige Standorte besitzt und deshalb den montanen Ele- menten nicht zugerechnet werden kann. Im übrigen ist noch hervorzuheben, daß trotz der zum Teil weiten Ver- breitung, die manche Arten dieser Untergruppe im norddeutschen Flachlande besitzen, zwischen ihrem Vorkommen hier und demjenigen in den hereynisehen Gebirgen1) doch eine deutliche Lücke besteht, die dadurch zustande kommt, daß die Hauptmasse der Gebirgsstandorte der oberen Bergregion angehört, während die Formationen der unteren montanen Stufe und des vorgelagerten Hügellandes von ihnen gar nicht oder nur ausnahmsweise besiedelt werden, so daß also eine relative Selbständigkeit der beiden Teilareale besteht; dies gilt z. B. von A spi- el ium monlanum, Blechnum Spicani , Ly copodium cmnotmum, L. Selago , Luzula silvatica, Circaea alpina, und auch von V eronica montana hebt Drude hervor, daß sie den unteren herzynischen Hügel Waldungen fehlt. Untergruppe b. Areale, von denen das nord westdeutsche Flachland ausgeschlossen ist. Nach der Dichtigkeit der Verbreitung im ostelbischen Flachlande können wir bei dieser Untergruppe wiederum zwei Abteilungen sondern. a. Weiter verbreitete Arten. 1. Car ex montana (in den Küstengebieten seltener: auch im Baltikum und in Polen; nördlich bis zum mittleren Schweden). 2. Lilium Martagon (fehlt in Schleswig-Holstein, Mecklenburg, Neu Vor- pommern und Rügen und ist in der Nähe der Ostseeküste auch sonst selten; jenseits der ostpreußischen relativen Nordgrenze wieder im Baltikum). 3. ZJlmus montana (nördlich bis Finnland). 4. Trollius europaeus (westlich bis zur Altmark und Mecklenburg, . in Pommern zerstreut, im Baltikum und nördlichen Polen häufig; in Dänemark und Schleswig, fehlt aber in Holstein; in Norwegen bis zum Nordkap). 5. Aquilegia vulgaris (in Schleswig-Holstein und Mecklenburg wahr- scheinlich nicht urwüchsig; im Baltikum zerstreut, in Litauen verbreitet, in Polen im nördlichen Gebiet fehlend; in Schlesien besonders im niederen und mittleren Vorgebirge). 1 ) ln Schlesien scheint sich, von Unterschieden in der Häufigkeit des Vor- kommens abgesehen, ein derartiges Verhalten weniger geltend zu machen. 27 70 6. Actaea spicata (zerstreut, nach Osten hin 1 läufiger werdend; in Polen meist häufig, im Baltikum zerstreut). 7. Ribes alpinum (in Brandenburg und Posen selten, an der Ostseeküste wie in den Weichselgegenden häufiger; im Baltikum und nördlichen Polen häufig; in Fennoskandinavien bis etwa 66 ° n. Br.). 8. Rosa glanca (in Brandenburg und Mecklenburg selten, in Pommern und Posen im ganzen nicht selten, auch in Litauen und im Baltikum mehrfach bis zum finnischen Küstengebiete und Karelien). 9. Sorbus torminalis (nördlich bis Bornholm, Seeland, Möen, das skandi- navische Festland nicht erreichend; in Mecklenburg mehrfach, in Pommern zerstreut [östlich bis zum Kreise Stolp] ; in Posen zerstreut, in Polen besonders im südlicheren Gebiete). 10. Vicia silvatica (nach Osten hin häufiger werdend, so auch in Vor- pommern seltener, doch noch in Mecklenburg, im östlichen Schleswig-Holstein und in Dänemark; im Baltikum und in Polen verbreitet, ebenso im größten Teil von Fennoskandinavien). 11. Pirola media (in Pommern nur auf Bügen, bei Heringsdorf und Swinemünde; im westlichen Brandenburg und in Posen fehlend, im Baltikum und in Litauen zerstreut, in Polen in der Narewgegend: fast ganz Fenno- skandinavien bis Kordjütland). 12. Digitalis ambigua (sehr zerstreut, nach Osten zu häufiger werdend, fehlt in Schleswig-Holstein und Skandinavien, im Baltikum und in Litauen zerstreut). 13. Myosotis silvatica (im südbaltischen Küstengebiet von Schleswig- Holstein bis Pommern zerstreut, in Brandenburg seltener, in Polen anscheinend nur im mittleren und südlichen Gebiet, in Schlesien auch in der Ebene nicht zu selten; fehlt im Baltikum, reicht aber in Norwegen und Schweden weit nord- wärts und tritt auch im nördlichen Finnland wieder auf). ß. Nur sehr zerstreut auftretende Arten. 1. Aspidium Robertianum (überall nur ganz vereinzelt, im Baltikum etwas häufiger) . 2. A. lobatum (im übrigen Flachland wie bei uns sehr selten, ebenso im Baltikum und in Litauen; auch auf Öland, Gotland und in Schonen, in Nor- wegen bis zum Drontheimer Fjord, in Polen nur im Südwesten [ Ojcöw-Tnl j). 3. Asplenium septentrionale (im Flachland überall nur vereinzelt, fehlt im Baltikum, aber in Litauen und Finnland). 4. Equisetum maximwn (in Brandenburg westlich der Oder sehr selten, in Posen im Weichsel- und Warthegebiet, N-Grenze in Jütland und den Ostsee- küstenländern, sowie in Ostpreußen - — Suwalki, jenseits letzterer Linie nur noch ganz vereinzelt in Kurland). 5. Tofieldia calyculata (in Brandenburg und Posen, fehlt in Pommern; in Schlesien nur in der Ebene; in Polen sehr zerstreut, im Baltikum besonders in Liv- und Estland, auch in Litauen, ferner auf der Insel Gotland : in Mittel - und Süddeutschland außerhalb der Alpen nur vereinzelt, in der Herzvnia auch in die Niederung herabsteigend, im Alpengebiet dagegen recht verbreitet). 6. Cypripedium Calceolus (fehlt in Mecklenburg und Schleswig-Holstein, in Hinterpommern selten, in Brandenburg und Posen sehr zerstreut, ähnlich auch im Baltikum, Litauen und Polen; in Fennoskandinavien weit nordwärts, durch Bußland bis Sibirien). 7. Orchis ustulata (vereinzelte Standorte in Brandenburg [bis Neuhaldens- leben und Rogätz a. d. ElbeJ und Posen; in Polen noch bei Lomza: nördlich 28 71 ■bis Dänemark, Südschweden, Öland und Gotland, im Baltikum bis Ingrien, Litauen; in Süd- und Mitteldeutschland vorzüglich, im Hügel- und niederen Berglande, in den Alpen aber bis in die alpine Region ansteigend). 8. Herminitmi monorchis (in Pommern selten, ebenso in Mecklenburg, Brandenburg, Posen, Polen; im Baltikum zerstreut, nördlich bis Finnland; in Schlesien nur in der Ebene sehr selten; in Süd- und Mitteldeutschland besonders auf Wiesen [auch Bergwiesen j und grasigen Hängen, in den Voralpen bis gegen 1700 m ansteigend). 9. Cephalanthera alba (in Brandenburg zerstreut, nach Westen und Osten abnehmend, in Pommern und Posen selten; von Litauen und dem mittleren und südwestlichen Polen bis nach Mittelrußland; nördlich bis Dänemark, Schonen und Gotland) . 10. C. lonqifolia (im Flachland© durchweg selten; im Baltikum auf Ösel, o sonst nördlich bis zum südlichen Norwegen und Schweden sowie Aland; Litauen, ziemlich weit nach Rußland hineinreichend). 11. C. rubra (etwas weiter als vorige verbreitet; jenseits der relativen ostpreußischen Nordgrenze auch wieder im Baltikum, jedoch in Kurland selten, ferner in Litauen und Polen; nördlich bis zum mittleren Schweden und süd- lichen Finnland). 12. Epipogon aphyllus (nördlich bis Skandinavien und Finnland, durch Rußland bis Sibirien, überall nur vereinzelt). 13. Rosa elliptica (in Brandenburg bei Rüdersdorf und an der Oder, hier auch in Pommern, ferner in Posen; Nordgrenze im Gebiet). 14. R. pomifera (sonst noch angegeben für Posen, Schlesien, Litauen, Däne- mark und Skandinavien ) . 15. Trifolium ruhen s (im ostelbischen Flachland sehr zerstreut, NO-Grenze in der Linie Braunsehweig — Magdeburg — Nauen — Ostmecklenburg, fehlt in Pommern; Nordgrenze in der Linie Pregelgebiet — -Suwalki — Grodno, in Polen besonders im Weichselgebiet und im Südwesten). 16. Vicia pisiformis (Nordgrenze im Gebiet, von hier über Wilna und Grodno verlaufend, andererseits bis zum südlichen Skandinavien; im Flachland besonders in der Nähe der Hauptströme, nach NW bis Mecklenburg und Ucker- mark; in Polen besonders im Weichselgebiet). 17. V. dumetormn (nördlich bis Ostpreußen und Wilna — Grodno; im Flachlands im ganzen wenig verbreitet, am meisten noch im Odertal, fehlt in Pommern; nördlich auch noch in Dänemark und Südschweden). 18. Acer Pseudoplatanus (Schleswig-Holstein, Ucker- und Mittelmark, 'dagegen in Pommern und Posen nur angepflanzt, im nördlichen Polen sehr selten; in Schlesien besonders im Gebirge, doch auch in der Ebene). 19. Astrantia major (sehr zerstreute Standorte in Brandenburg und Posen, in Polen zerstreut, bis nach Mittelrußland sich erstreckend; in Schlesien von der Ebene bis ins mittlere Vorgebirge), 20. Laser pitium latifolium (in Brandenburg, Posen und Pommern selten; in Polen zerstreut, nach N seltener; im Baltikum und Litauen zerstreut, bis zum südlichen Finnland). 21. Gentiana cruciata (in Brandenburg nur im NO an Oder. Ucker und Havel, fehlt im westlichen Mecklenburg und fast ganz in Hinterpommern; in Polen sehr zerstreut, im Baltikum besonders in Estland häufig). 22. Siveertia perennis (erreicht in der Ebene in Holstein [LauenburgJ die Westgrenze, sonst in Ostmecklenburg, Pommern, in Brandenburg besonders im NO. in Posen selten; auch im Baltikum und Litauen, in Polen nur im N; in 29 72 Mittel- und Süddeutschland nur auf den Gebirgen und in der oberdeutschen Hochebene). 23. Galium rotundifolium (seltene Standorte in Brandenburg, Mecklenburg, Pommern und Posen; äußerstes Vorkommen nach N auf Öland und Gotland; in Polen nur im SW). 24. Crepis praemorsa (von der Oder ostwärts zerstreut, doch nicht in Hinter- pommern; selten in der Mittelmark und in Vorpommern, auf Bügen zerstreut; in Schlesien zerstreut von der Ebene [jedoch in Niederschlesien selten] bis ins mittlere Vorgebirge, in Polen verbreitet, wenn auch nicht häufig; in Litauen und im Baltikum, bis Südfinnland; Südnorwegen, Süd- und Mittel Schweden). Die Zahl der in dieser Gruppe enthaltenen eumontanen Arten (in erster Linie Aspidium lohatum, Astrantia major und Sweertia perennis , außerdem diesem Typus sich noch nähernd etwa Ulmus montana, Troll ius europae-us , Acer P seudoplatanus und Galium rotundifolium) ist nur eine relativ geringe; es überwiegen solche Arten, die vorzugsweise der unteren montanen Stufe und dem anstoßenden Hügellande angehören. Allerdings ist zu beachten, daß in den Alpen manche Arten (z. B. Tofieldia calyculata, Cypripedium Calceotus, Orchis ustulata, Herminium monorchis, Cepkalanthera longifolia) wesentlich höher ansteigen als im Mittelgebirge, während Epipogon aphyllus, Actaea spi- cata, Digitalis amhigua , Lilium Martagon , Vicia silvatica und Bihes alpin um auch in diesem vom Hügellande bis zur oberen Bergregion verbreitet erscheinen. Verbreitungslücken zwischen dem Gebirgsareal und dem Vorkommen im Flach- lande sind auch hier bei mehreren Arten vorhanden, am ausgeprägtesten bei Sweertia perennis , die, in Mitteldeutschland nur auf den Gebirgsmooren der höchsten Teile des Erzgebirges und Biesengebirges vorkommend, ohne Zweifel zu jener Genossenschaft gezählt werden muß, die gewöhnlich als arktisch-alpine bezeichnet zu werden pflegt. Auch bei Astrantia major besteht in der Dichtung nach dem Vorkommen in den herzynischen Gebirgen hin eine große Lücke, doch ist hier vielleicht eher an einen Zusammenhang mit dem schlesischen Areal zu denken; auch bei Galium rotundifolium , dessen Standorte im Flachlande wie* die der vorigen Art recht zerstreut erscheinen, ist dies wohl teilweise anzu- nehmen, teilweise bildet aber auch das V orkommen im Fläming eine Brücke. Gewisse Verbreitungslücken zeigen ferner auch noch z. B. Bihes alpinuni , Bosa elliptica, B. pomifera , Laserpitium latifolium, Gentiana cruciata und Crepis praemorsa; bei Pirola media und Tofieldia calyculata dagegen sowie auch Equisetum maximum, die in der Herzynia nur ganz sporadisch auftreten, fehlen die nötigen Anhaltspunkte für einen derartigen Vergleich. Die Farne dieser Gruppe zeigen ein stark disjunkte Verbreitung; ähnlich, wenn auch nicht in ganz so ausgeprägtem Maße verhalten sich auch die Orchideen, bei deren Ver- tretern ja diese Erscheinung auch sonst nicht selten entgegentritt. Die Be- ziehungen zu dem südbaltischen Küstengebiet, insbesondere dem Mecklenbur- gisch-Pommerschen Landrücken, die in der vorigen Untergruppe bei einer größeren Zahl von Arten sich deutlich abzeichneten, treten hier nur wenig aus- geprägt in Erscheinung; nur Bihes alpin am und Myosotis silvatica deuten; 30 7 3 solche an, während bei Equisetwm maxvmwm , das allerdings auch in den Ostsee- küstenländern bis nach Jütland vorkommt, eher an einen Zusammenhang- mit dem ostdeutschen Verbreitungsgebiete, das westlich etwa bis zur Bober-Oder- Linie reicht, zu denken ist. Auch diese Untergruppe enthält im übrigen einige Arten, die in unserem Gebiet eine absolute Grenze ihrer Verbreitung finden; neben Nordostgrenzen (Sorbus lorminalis , Acer Pse udopl a f a n us ) überwiegen Nord grenzen (Equisetwm maximuni , Trifolium ruhen s , Vicia pisiformis, V. du- metorum) , wobei * es allerdings bezüglich der letztgenannten beiden Arten zweifelhaft erscheint, ob es in Anbetracht des Vorkommens in mehreren, durch weite Lücken getrennten Teil arealen zweckmäßig ist, eine diese verbindende Linie als Verbreitungsgrenze zu bezeichnen; indessen würde eine Diskussion dieser Frage den Rahmen der hier gestellten Aufgabe überschreiten und möge einer für später geplanten Bearbeitung der Vegetationslinien unseres Gebietes Vorbehalten bleiben. Von sonstigen, pflanzengeographisch bemerkenswerten Zügen, die bei den Arten dieser Untergruppe entgegentreten, sei noch hervor- gehoben die deutliche Zunahme, welche manche Arten im norddeutschen Flach- lande nach Nordosten hin zeigen (z. B. Trollius europaeus, Aetaea spicata , Ribes alpinum, Vicia silvatica, Laser pitium latifolium, Digitalis ambigua), und das Vorkommen einer Verbreitungslücke zwischen einer relativen Nordgrenze in Ostpreußen und dem Wiederauftreten im Baltikum (Liliuni Martagon , Cephalanthera rubra, Gentiana cruciata , auch Cephalanthera longifolia) ; auch auf das eigentümliche Verhalten von Myosotis silvatica sei in diesem Zusammen- hang hingewiesen. II. Hauptgruppe. Arten mit mehr oder weniger zusammenhängendem Ver- breitungsareal in den Ostseeküstenländern und breiter Lücke von diesem bis zu den mitteldeutschen Gebirgen. 1. Poa remota (im nördlichen Küstenstrich auf dem Landrücken von Mecklenburg bis Westpreußen, ferner in Ostpreußen und dem Baltikum und Litauen; nach Lin dm an im Gegensatz zu P. Chaixi eine Art von ausgeprägt nördlicher und östlicher Verbreitung, doch neben dieser auch noch zum Teil in den mittel- und süddeutschen Gebirgen). 2. Festuca silvatica (im östlichen Schleswig-Holstein, auf dem Mecklen- burgisch -Pommersch- Westpreußischen Landrücken [ besonders Vorpommern und Rügen] sehr zerstreut, nach Osten abnehmend, in Posen und Brandenburg selten; im Baltikum, in Livland, Osel, Estland, ferner in Litauen; in einem großen Teil Skandinaviens; in Polen dagegen nur im SW). 3. Hordeum silvaticum (in den baltischen Küstenländern von Schleswig- Holstein über Mecklenburg, Rügen, Pommern nach Osten abnehmend, in der Mark Brandenburg sehr selten, nördlich bis Südschweden; in der Herzynia in der unteren und mittleren Stufe, in Schlesien besonders im Vorgebirge, in der Ebene selten; fehlt im Baltikum, in Polen nur im südlichen Gebiet). 4. Luzula nemorosa (Indigenat wie bei uns vielfach zweifelhaft, doch wohl für den Landrücken anzunehmen; in Schleswig-Holstein und im Baltikum nur eingebürgert, auch für Skandinavien und Finnland die Ursprünglichkeit des Vor- kommens nicht gesichert; in Schlesien sowohl in der Ebene wie besonders im :u 74 Gebirge bis in die Knieholzregjbn, in der Herzynia besonders für den oberen Bergwald bezeichnend, doch auch in tieferen Lagen). 5. Polygonatum verticillatiim (im nördlichen und mittleren Schleswig zer- streut, in Ost-Holstein selten; dann erst wieder auf dem Hinterpommersch- West- preußischen Landrücken, nach Süden bis ins nördliche Posen; durch Ostpreußen bis Kurland und Litauen, in Norwegen und Schweden weit nach Norden; in de< Herzynia nur selten in die Waldungen der unteren Gebirgsstufe herabsteigend, in Schlesien hauptsächlich von 350 m aufwärts bis zur Waldgrenze). 6. Listera cordata (Pommern, West- und besonders Ostpreußen, im Balti- kum zerstreut, auch in Litauen, für Polen nicht angegeben; Dänemark, Skan- dinavische Halbinsel; in Schlesien vorwiegend im Gebirge, in der Provinz Brandenburg nur in der Lausitz; in der Herzynia durchaus montan; auch in Nordwestdeutschland, hier mit der Kiefernkultur sich ausbreitend). 7. Dentaria bulbifera (in Schleswig-Holstein zerstreut, besonders im NO; in Mecklenburg und Pommern zerstreut bis sehr zerstreut, auch bis zur Mark Brandenburg und bis zum nördlichen Posen vordringend; im Baltikum und Litauen mehrfach, bis W estingrien reichend, in Polen im nördlichen Gebiet selten; in Skandinavien bis Mittelschweden, auch in Norwegen weiter nord- wärts als die Buche; in Schlesien besonders im niederen und mittleren Vor- gebirge, seltener in der Ebene, in der Herzynia die obere Grenze im Berglaub- wald mit Tanne und Fichte erreichend) . 8. Daphne Mezereum (fehlt in Schleswig-Holstein und Mecklenburg, sowie im größten Teile von Brandenburg; in Pommern zerstreut, im Baltikum häufig, in Polen zerstreut ; fehlt in Dänemark, in Schweden bis Norrland und Lappland; in Schlesien auch in der Ebene, doch im Gebirge häufiger, in der Herzynia vom Buchenhochwald der unteren Stufe bis zum Berglaubwald mit Tanne und Fichte). 9. Volemonium coeruleum (in Mecklenburg selten, in Pommern längs der Küste sehr zerstreut; im Baltikum und Litauen zerstreut, in Polen besonders im nördlichen Gebiet; ganz Fennoskandinavien; in der Alpenkette verbreitet, in den übrigen süd- und mitteldeutschen Gebirgen nur sporadisch, fehlt in Schlesien als ursprünglich, in der Herzynia nur im Harz). 10. Campamda latifoUa (im Osten von Schleswig-Holstein, in Mecklenburg und Pommern zerstreut, im Binnenlande selten, in Brandenburg nur im O und NO, auch in Posen und der niederschlesischen Ebene selten; in Polen selten, im Baltikum und Litauen zerstreut bis Ingrien und Karelien; in Norwegen bis 67° 53' n. Br., in Schweden bis Norrland; in Schlesien vorwiegend im Gebirge, in der Ebene nur in Mittelschlesien etwas häufiger, in der Herzynia nur zer- streut in montanen Laubwaldungen). Bei dieser Gruppe finden ferner am besten ihren Platz: 11. Coralliorrhiza innata (in Schleswig-Holstein früher bei Lübeck und in Angeln; auch sonst vielfach nur sehr zerstreut, in Pommern zerstreut; ebenso im Baltikum und Litauen, dagegen in Polen selten und anscheinend nicht im nördlichen Gebiet; Dänemark, Skandinavische Halbinsel; in der Herzynia be- sonders in der Bergfazies von Bruchwäldern und Waldmooren, doch auch im Buchenhochwald der unteren Stufe, in Schlesien in der Ebene selten, vom Vor- gebirge bis zu oberen montanen Lagen zerstreut). 12. Mitrosbylfs monophyllos (in Pommern auf Usedom, Wollin und Bügen; wenige Standorte in Posen, in Brandenburg bei Ebers wähle; im Baltikum und Litauen zerstreut bis sehr zerstreut, in Polen nur im nördlichen Gebiet, in Schweden bis Norrland; fehlt in der Herzynia, in Schlesien nur im südöstlichen 32 Teile vornehmlich, im Vorgebirge; in den mittleren und Östlichen Alpen ziemlich verbreitet, besonders in der Berg- und subalpinen Region, auch in der südlichen bayerischen Hochebene). 13. Geranium silvaticum (im nördlichsten Schleswig anschließend an Däne- mark. auf der Skandinavischen Halbinsel und in Finnland weit nach Norden verbreitet; in Mecklenburg selten, ebenso in Brandenburg [fast nur an den Grenzen], in Pommern zerstreut; im Baltikum häufig, in Polen überall zer- streut, doch im Norden häufiger; in der Hercynia nur ausnahmsweise in die Hügelwaldungeil herabsteigend, in Schlesien im niedersten Vorgebirge und in der Ebene selten, im mittleren Vorgebirge bis in die Knieholzregion verbreitet). Die Gruppe steht den vorigen zwar an Artenzahl erheblich, nicht aber an pflanzengeographischem Interesse nach. Den schon bei verschiedenen Arten der vorhergehenden G ruppen teils schwach angedeuteten, teils deutlicher ausgepräg- ten charakteristischen Zug der Absonderung des den mitteldeutschen Gebirgen usw. angehörigen Hauptareals von dem im Flachlande gelegenen Verbreitungs • ‘•bezirk durch eine breite, durch Zwischenstandorte nicht überbrückte Lücke bringt sie zur vollen Entfaltung, so daß hierin in erster Linie und weniger in der Bevorzugung des südbaltischen Küstenbezirkes das gemeinsame, die ange- führten Arten vereinigende Band zu erblicken ist; dabei ist noch zu betonen, daß es sich fast durchgängig um eumontane oder diesem Typus doch: wenigstens nahestehende Arten handelt. Soweit außerhalb des nordostdeutschen Flach- landes in der Mark Brandenburg oder in Posen vereinzelte binnen ländische Standorte vorhanden sind, erscheinen sie überwiegend (z. B. bei Poa remota, Hordeum silvaticum, Dentaria bulbifera , Campanula latifolia) als Ausstrahlun- gen von dem weiter nördlich bzw. nordöstlich gelegenen V er breitungsgebiet ; nur ■Coralliorrhiza innata erinnert etwas a.11 das, wie schon oben hervorgehoben wurde, bei Orchideen nicht seltene disjunkte Auftreten. Im übrigen sind die pflanzengeographischen Beziehungen, die in den Verbreitungsverhältnissen der 13 Arten dieser Gruppe zum Ausdruck gelangen, keine durchaus einheitlichen, selbst bei jenen nicht, die im gesamten Bereiche der Ostseeküste von Schleswig- Holstein bis Ostpreußen anzutreffen sind. Von ihnen schließen sich Hordeum silvaticum und Dentaria bulbifera : an die bereits oben behandelten Meli ca uni- flora und V eronica Montana an; von diesen unterscheiden sie sich aber nicht bloß durch ihr Fehlen im nord westdeutschen Flachlande, sondern auch dadurch, daß sie in Ostpreußen wesentlich weiter nach Osten reichen. Hordeum silvati- cum findet hier allerdings seine Grenze, Dentaria bulbifera hingegen geht noch ziemlich weit in das Baltikum hinein; beide fehlen dem südlichen Ostpreußen, insbesondere der Südabdachung des ostpreußischen Landrückens, die letztere kehrt aber im Bialoweseher Wald wieder. Übrigens ist es nicht nur bei diesen Arten, sondern z. B. auch bei Poa remota , Festuca silvatica, Polyyonatum verti- cillatum. Campanula latifolia auffallend, daß sie in West- und Ostpreußen teils in ziemlich zusammenhängender Verbreitung, teils in isolierten Standorten merklich weiter landeinwärts gehen, als es weiter westlich der Fall ist. Deutliche Beziehungen zu dem westlich an unser Gebiet anschließenden südbaltischen 76 Landrücken liegen ferner noch bei Luzula nemorosa vor, während bei Poa remoto, Fest-uca silvatica, Polygonatum verticillatum und Campanula latifolia ihr Vorkommen in dessen Bereich nur den südlichen Abschluß eines mehr oder weniger weit nach Norden sich erstreckenden Verbreitungsgebietes bildet; dabei ist bei Polygonaluni verticillatum die große Lücke zwischen seinem Vorkommen in Schleswig-Holstein und in Hinterpommern sowie ferner die Tatsache be- merkenswert, daß es im Baltikum nur bis Kurland, also viel weniger weit nördlich reicht als auf der Skandinavischen Halbinsel; sein Vorkommen im nord- ostdeutschen Flachlande, an das sich auch ein solches im nördlichen Polen an- schließt, gewinnt dadurch den Charakter eines relativ selbständigen Teilareals. Auch bei Listera cordata und Coralliorrhiza innata sind Beziehungen zu dem nördlichen fennoskandinavisehen Verbreitungsgebiet nicht zu verkennen, wobei der engere Anschluß nach Nordosten hin durch das Baltikum vermittelt wird; gleiches gilt von Geranium silvaticum und Daphne Mezereum , bei denen die diesem Zusammenhang entsprechende Zunahme der Häufigkeit in nordöstlicher Richtung, auf die oben auch schon für einige Arten der Gruppe Ib hingewiesen wurde, deutlich in Erscheinung tritt. Bei Polemonium coeruleum kann man zweifelhaft sein, ob auch ein solch engerer Anschluß nach Nordosten hin an- zunehmen ist oder ob diese Art nicht zweckmäßiger den boreal-alpinen Ele- menten zugerechnet wird; bei Microstylis monophyllos dagegen endlich, die sich in ihrem sonstigen Verhalten von den übrigen Gliedern dieser Gruppe stärker entfernt, liegt ein solcher Anschluß im ersteren Sinne wohl sicher vor. III. Hauptgruppe. Arten mit ausgeprägtem Anschluß an das ost- baltische Gebiet. 1. Onoclea Struthiopteris (im Baltikum an ähnlichen Standorten wie bei uns zerstreut; in Skandinavien weit nördlich, nach Süden über Dänemark bis Nordschleswig; durch Rußland weit ostwärts bis Sibirien; in Brandenburg nur im Fichtengebiet des Südostens; in Schlesien in der Ebene und dem Vorgebirge, in der Herzynia nur an w^eit entlegenen Standorten der unteren montanen Wal dbachtäler) . 2. Sesleria coerulea var. uliginosa (im Baltikum in allen Teilen bis zum nördlichen Litauen, auch sonst im Norden nur diese Rasse, die außerdem auf Mooren der süddeutschen Hochebene, sowrie in Oberbaden und Steiermark wiederkehrt) . 3. Lunaria rediviva (sehr zerstreut im Baltikum und in Litauen, in Schweden von Schonen bis Westergötland, ferner in Nordjütland und auf Born- holm; in Schlesien vom Vorgebirge bis in höhere Gebirgslagen, dagegen in der Ebene selten, in der Herzynia überwiegend montan und nur in Waldschluchten und Bachtälern in etwas tieferen Lagen, aber nicht im Hügelland). 4. Rosa cinnamomea (im Baltikum und Litauen häufig, in Fennoskandi- navien bis etwa 70 ° n. Br., in Schlesien nur verwildert, in der Herzynia als seltenes Relikt am Südharz; Alpengebiet, von hier bis zum Jura und zur Donau). 5. Trifolium spadiceum (im Baltikum häufig bis Finnland, mittlere und südliche Skandinavische Halbinsel; in Schlesien vom Vorgebirge bis in höhere Gebirgslagen, gegen die Ebene abnehmend, in der Herzynia vorwiegend montan von 100 bis 1000 m). 34 i < 6. Hypericum- hirsutum (im Baltikum und Litauen zerstreut, nördlich bis zum südlichen Finnland, Mittelschweden, in Norwegen bis 68° 13' n. Br.; im Gstelbischen Flachlande nur sparsam im Odergebiet und ganz vereinzelt in Mecklenburg, sowie sehr zerstreut in Schleswig-Holstein; in Nord Westdeutsch- land selten; in der Herzynia montan, doch auch in Wäldern der Hügelregion, in Schlesien von der Ebene bis ins mittlere Vorgebirge). 7. Primula farinosa (im Baltikum nicht selten bis ziemlich verbreitet, bis zum südlichen Finnland; in Skandinavien bis Tromsö und Südnorrland; im nord- deutschen Flachlande sonst noch in Nordost-Brandenburg, Mecklenburg, Pom- mern und Norderdithmarschen; von den Alpen bis zur oberdeutschen Hochebene und den süddeutschen Gebirgen ausstrahlend). Von diesen Arten, zu denen auch noch Ainus incana, soweit sie der Flora Ostpreußens angehört, hinzutritt, sind die meisten für das nördliche Ostpreußen bezeichnend, außerdem sind Sesleria coerulea var. pliginosa, Lunaria rediviva , Rosa cinnamomea und Trifolium spadiceum dadurch ausgezeichnet, daß sie innerhalb des norddeutschen Flachlandes nur in unserem Gebiete Vorkommen. Eine etwas weiter reichende Verbreitung besitzen von den obigen 7 Arten — von Rosa cinnamomea abgesehen, die nur von vereinzelten Standorten aus dem mittleren und südlichen Ostpreußen bekannt ist — nur Onoclea Struthiopteris und Lunaria rediviva ; während aber erstere ein immerhin geschlossenes, nach Süden und besonders nach Westen hin sich allmählich immer mehr in vereinzelte Standorte auflösendes Verbreitungsgebiet besitzt, kommt letztere nur an sehr zerstreuten und weit voneinander entfernten Standorten vor. Die Lücke zwischen dem mittel- bzw. süddeutschen Gebirgsareal und dem Verbreitungs- bezirk im Flachland ist bei diesen Arten noch größer als bei denen der vorigen Gruppe, ebenso wie auch die pflanzengeographischen Beziehungen zu dem nord- östlich angrenzenden Gebiet bei ihnen noch weit schärfer und auffallender in Erscheinung treten. Es verdient aber ausdrücklich hervorgehoben zu werden, daß diese Beziehungen, wie aus dem früher Gesagten hervorgeht, nicht auf die Arten der vorliegenden Gruppe beschränkt sind, daß letztere vielmehr nur den besonders engen Anschluß des nördlichen Ostpreußen an das ostbaltische Ge- biet dartun. Um die Gesamtheit der Beziehungen zwischen diesem und dem nordostdeutschen Flachland, soweit die montanen Elemente in Frage kommen, in das rechte Licht zu stellen, mögen noch folgende Zusammenstellungen hier Platz finden. a ) Im B a 1 1 i k u m f e h 1 e n d e Arten : Asplenium septentrionale, Melica uniflora . Hordeum silvaticum, Luzula silvatica. L. nemorosa , Cephalan- thera grandiflora . Aconitum variegatum , PuJsatilla vernalis, Sorbus torminalis, Rosa elliptica , R . pomifera , Trifolium rubens, Vicia pisiformis , V. clumelorum , Latliyrus heterophyllus, Dictamnus albus, Euphorbia du, leis, Acer Pseudo- platanus , Astranlia major, Bupleiirum longifolium, Pleurospermum austriacum. Lysimachia nemorum , Myosotis silvatica, Melittis Melissophyllum, Vcronica montana, Galt um saxatile, Senecio crispatus, Petasites albus. 35 78 b) I m B a 1 1 i k u m a uftretende m ontane El e m en t e, die i n West- und Ostpreußen f e Ir len: Aspidium Braunii , Woodsia ilvensis { Jolamagrostis villosa, Carex ornithopoda, Allium Schoenoprasum, Orchis sambucina , Thesium alpinum, Sedum F dbaria, Coloneaster integerrima , Siler ( rilobum , Laserpitium Siler , Lonicera caerulea, Cirsium heterophyllum . c) I m B a 1 1 i k u m stärke r a 1 s i n W e s t - und 0 s t p r e u ß e n ver- breitete Ar teil: Aspidium Robertianum, Asplenium trichomanes , A. rata muraria, Herminium monorchis, Ainus incana , Lunar ia rediviva , Rosa cinna- monica, Trifolium spadiceum, Polemonium coeruleum, Melampyrum silvaticum,. Primiäa farinosa, Sesleria coerulea var. uliginosa, Poa remota , Carex pauciflora. d) I m B a 1 1 i k u m w enig-er stark verb reitet® A r ten: Aspidium montan um, Carex montana, C. pilosa, Rolygonatum verticillatum, Cephalan- fhera longifolia, C. rubra, Thalictrum aquilegifolium, Cardamine silvatica, Hypericum montanuni, Laserpitium latifolium, Pirola niedia, A juga pyramidalis. e) I in Bali i k u m u n d i n W e s t p r e u Jl e n a u f t r e t e n d e Art e n, d i e in 0 s t p r e u ß e n f e li 1 e n : Aspidium montanum, Melampyrum silva- ticum. f ) I m B a 1 1 i k u in u n d i n Os t p r e u ß e n a u f t r e t e n d e, i n W e s t - preuße n fehl ende Arten: Sesleria caerulea, var. uliginosa, Herminium monorchis, Rosa cinnamomea, Trifolium spadiceum , Hypericum hirsulum . g) A r t e n, d i e i m B a 1 1 i k u in w i e i n 0 s t p r e u ß e n s t ä r k e r a 1 s i n W e s t p r euße n v e r b reitet s i n d : Onoclea Struthiopteris, Carex pauciflora, Cocloglossum viride, Listera cordata, Coralliorrhim innata, Micro - stylis monophyllos, Ainus incana , Lunar ia rediviva . Chaerophyllum aroma - tiernn, Sweertia perennis, Campanula latifolia. IV. Hauptgruppe. Selbständige Teilareale innerhalb des Gebietes und isolierte V orkonmmisse. Untergruppe a. Arten, die innerhalb des Gebietes ein in sieb mehr oder weniger geschlossenes, vom Hauptareal getrenntes Verbreitungsgebiet besitzen. 1. Carex pilosa (ohne Anschluß nach Westen hin, für das Baltikum zweifel- haft, vielleicht Anschluß über Litauen nach Mittelrußland hin; besitzt überhaupt ein sehr zerstückeltes Gesamtareal und kommt in der Herzvnia nur an einzelnen *j isolierten Stellen, in Schlesien nur im SO von der Ebene bis ins mittlere Vor- gebirge vor). 2. Cocloglossum viride (im Baltikum, Litauen und nördlichen Polen zer- streut, so daß das ostpreußische Vorkommen mit diesen Ländern ein einiger- maßen zusammenhängendes Verbreitungsgebiet darstellt, das aber wenigstens in Polen keinen Anschluß nach Süden hin findet; kommt sonst vereinzelt in Posen, sowie im westlichen Teile von Brandenburg und in der Lausitz vor; in Schlesien im G ebirge, dagegen - — von der Oberlausitz abgesehen — in der Ebene sehr selten, in der Herzynia. auf Berg wiesen ; steigt in den Alpen bis weit über die Baumgrenze empor). 3. Ainus incana (im nördlichen Ostpreußen an das ostbaltisch-fennoskandi- navische Areal anschließend, in Westpreußen an das polnische Weichselgebiet, in das die Art wohl von den Karpathen aus herabsteigt; in Schlesien vom nie- se 79 deren bis ins mittlere Vorgebirge und in der angrenzenden Ebene, in der Her- zynia ostherzynisch-montan; auf den süddeutschen Gebirgen und besonders aut den Alpen verbreitet, auch von hier vielfach den Flüssen folgend). 4. Aconitum variegatuni (im norddeutschen Flachlande nur in unserem Gebiet, ausstrahlend bis Posen und Hinterpommern; fehlt im Baltikum und nördlichen Polen, sowie auch in Nordeuropa; in Schlesien vom Vorgebirge bis in höhere Gebirgslagen, dagegen nur vereinzelt in die Ebene herabsteigend, in der Herzynia besonders in mittleren Gebirgslagen, mit einem vorgeschobenen Stand- ort im Hakel bei Magdeburg). 5. B-upleurum longifolium (im norddeutschen Flachlande nur in unserem Gebiet, hier eine Nord westgrenze findend; in Polen erst im S und SO; in der Herzynia nur in unteren Gebirgslagen bis ins Hügelland, in Schlesien dagegen nur seltene Standorte im „Hochgebirge“). 6. Pleiirospermum austriacum (wie vorige im Flachlande nur bei uns,, also ebenfalls Nordostgrenze, vielleicht mit Anschluß an das Weichsel- gebiet Polens, wo sie sonst besonders im südlichen und südöstlichen Gebiet ver- breitet ist; auch für Wilna angegeben; in Schlesien vornehmlich in Schluchten höherer Gebirgslagen, in der Herzynia nur an seltenen Standorten, die keinem der Hauptgebirge angehören; in Süd deutsch land vornehm lich in den Al pen und der Hochebene). 7. Chaerophyllum hirsutiim (den völlig in sich abgeschlossenen Teilarealen in West- und Ostpreußen treten zwei weitere ähnliche Verbreitungsbezirke in Polnisch Livland und in Litauen zur Seite; in Polen besonders im südlichen Gebiet, doch auch noch bei Warschau; in Brandenburg nur in der Lausitz, in der Herzynia und in Schlesien von ziemlich tief gelegenen Bach sch luchten bis zu hohen montanen Lagen, in Schlesien außerdem selten in die Ebene herab- steigend). 8. Ajuga pyramidalis (der samländische Verbreitungsbezirk steht ganz isoliert, während der im nordwestlichen Westpreußen gelegene nach Westen hin einen Anschluß an Pommern findet und derjenige im südöstlichen Ostpreußen mit Vorkommnissen im Gouvernement Suwalki und in Litauen von Kowno bis Grodno zusammenhängt; im norddeutschen Flachlande sonst noch in Mecklen- burg und Brandenburg, vornehmlich im Havelgebiete und dann wieder in Schleswig; in Polen sonst u. a. noch bei Warschau; weiter nördlich noch auf Osel, im südlichen Finnland und auf Bornholm, sowie auf der Skandinavischen Halbinsel bis Norrland; fehlt in Schlesien, in der Herzynia nicht an bezeich- nenden montanen Standorten, dagegen in den Alpen bis in die Krummholzregion). 9. Melittis MeUssophyllum (das ostpreußische Teilgebiet dürfte seinen An- schluß an das Vorkommen in Litauen finden, während das von ihm gesonderte westpreußische, im Drewen zgebiet gelegene wohl als ein von Polen her vor- geschobener Ausläufer zu betrachten ist, wo die Art allerdings erst im Süden stärker verbreitet ist; im norddeutschen Flachlande sonst noch im östlichen Brandenburg; in Schlesien in der Ebene und dem niederen Vorgebirge, auch in der Herzynia vornehmlich der Hügelregion angehörend, doch in Süddeutschland auch in Bergwäldern) . 10. Melampyrum silvaticmn (das west preußische Verbreitungsgebiet steht ganz isoliert ; im norddeutschen Flachlande sonst nur noch in Schleswig-Holstein vereinzelt und selten; im Baltikum zerstreut, in Polen selten, u. a. bei Warschau und Lomza; in Fennoskandinavien weit nördlich; in den schlesischen und her- zynischen Gebirgen als Begleitpflanze der Fichte besonders im oberen. Bergwald sehr verbreitet) . 80 11. Arnica montana ( Anschluß des Verbreitungsgebietes im südlichen West- und Ostpreußen an das angrenzende Polen und Litauen; im Baltikum ver- einzelt- in Livland, für Kurland zweifelhaft; tritt im norddeutschen Flachlande wieder weiter westlich von* Pommern bis Schleswig-Holstein und in Nordwest- deutschland auf, dort auf Heiden und Moorwiesen, also unter ganz anderen formationsbiologischen Verhältnissen wie bei uns; in den süd- und mittel- deutschen Gebirgen vornehmlich Charakterpflanze der Bergwiesen, selten in niedere Regionen herabsteigend). 12. Petasites albus (im Flachlande sonst noch auf Rügen und an der Ost- küste von Schleswig-Holstein, hieran anschließend in Ostjütland, auf den däni- schen Inseln und in Südskandinavien; für das Baltikum zweifelhaft, in Litauen bei Kowno und Grodno; in den mittel- und süddeutschen Gebirgen in Waldbach- tälern, Quellfluren u. dgl. bis zum unteren Rande der montanen Region). 13. Crepis succisifolia (im Baltikum in Kurland und Livland nicht häufig, ebenso in Litauen, weiter nördlich fehlend, in Polen wenig verbreitet und nicht im Korden; im norddeutschen Flachlande sonst fehlend, erst wieder bei Magde- burg im Flötzgebiet; in Schlesien fast nur im Gebirge, besonders in den höheren Teilen, in der Herzynia auf Bergwiesen der oberen montanen Region, selten in die Niederung herabsteigend; in den bayerischen Alpen bis 2000 m, auch in der Hochebene verbreitet). Die Arten dieser Gruppe sind insofern nicht ganz einheitlich, als bei einigen, wie aus den Einzelangaben ersichtlich ist, ein mehr oder weniger deut- licher Anschluß an die Nachbargebiete vorliegt, bei anderen der im nordost- deutschen Flachland gelegene Teil ihres Verbreitungsgebietes ganz isoliert er- scheint; aber auch für die ersteren handelt es sich um Areale, die mit den Hauptverbreitungsbezirken in keinem Zusammenhang stehen, so daß die hier vorgenommene Zusammenfassung wohl berechtigt erscheint. Die große tren- nende Lücke zwischen den Vorkommnissen im Flachland einerseits, in den mittel- und süddeutschen Gebirgen andererseits, die ein so wesentliches Charak- teristikum der Arten der Gruppe III bildete, ist also auch hier, von Ainus incana abgesehen, vorhanden und wiederum dadurch besonders betont, daß wir es auch hier zum überwiegenden Teil mit eumontanen Typen zu tun haben. An die Arten der Gruppe III erinnert noch am meisten das Verhalten des Petasites albus , dessen Flachlandsstandorte vornehmlich im südbaltischen Buchengebiet gelegen, aber doch zu sehr voneinander isoliert sind, um die Art der vorigen Gruppe unmittelbar anschließen zu können. Ajuga pyramidalis dürfte jener Verbreitungsgenossenschaft nicht fern stehen, auf die oben schon bei der Be- sprechung von Trientalis europaea hingewiesen wurde, ist aber wesentlich weniger verbreitet als diese und zeigt auch im deutschen Mittelgebirge, wie in den Alpen ein etwas anderes Verhalten. Sehr eigentümlich ist das Verhalten von Melampyruw silvaticum, das, in den Gebirgen eine bezeichnende Begleit- pflanze des Fichtenwaldes, in der ganzen ostpreußischen Fichtenregion im Gegensatz zum Baltikum fehlt, um im Buchengebiet des nordwestlichen West- preußen ein ganz isoliertes Teilareal zu besiedeln. Bupmirrum longifolium und 38 81 JPlearospermum austriacum werden von P reuß1) als Pflanzen pontischer Her- kunft bezeichnet, die sich in Mitteleuropa vielfach montanen Lagen angepaßt haben; ich vermag mich indessen dieser Auffassung nicht anzuschließen, denn bei dem ersteren müssen nach Wolff2) zwei Unterarten geschieden werden, von denen die für Mitteleuropa allein in Betracht kommende subsp. viricle hauptsächlich eine Bewohnerin der Gebirge von der montanen bis in die sub- alpine Region ist, dagegen die subsp. aureum, deren Verbreitungsgebiet ein gpnz anderes und deutlich gesondertes ist, sich vom pontischen Gebiet bis weit nach Asien hinein erstreckt, und für Pleurospermum austriacum dürfte es rich- tiger sein, Drude zu folgen, der diese Art den Florenelementen von boreal- uralisohem Hauptareal zurechnet. Wohl aber kann Melittis Melis sophyllum als eine Art von westpontischem Charakter bezeichnet werden, und auch bei Car ex pilosa haben wir es mit einem Typus von vorwiegend südlicher Ver- breitung zu tun. Daß solche Arten bei uns die Nordgrenze ihrer Verbreitung erreichen, kann nicht überraschend erscheinen; wesentlich auffälliger ist es, daß auch einige der eumontanen Arten dieser Untergruppe, nämlich Aconitum varie- c/atum, Chaerophyllum hirsutum und Crepis succisifolia hier am weitesten nach Norden vorgeschoben erscheinen und in ganz Fennoskandinavien fehlen. / . . Untergruppe b. Isolierte Einzelvorkommnisse. 1. Gymnadenia odoratissima (ähnlich isolierte Vorkommnisse auch in Est- land und Litauen, im mittleren Schweden und auf Gotland; in Mittel- und Süd- deutschland ebenfalls nur sehr zerstreut und nicht immer ausgeprägt montan, in den Alpen verbreiteter und bis über 2000 m emporsteigend). 2. Lathyrus heteropkyllus (fehlt in allen angrenzenden. Gebieten; weiter nördlich noch im südlichen und mittleren Schweden, auch in Dänemark; in Schlesien nur im Zobtengebirge, in der Herzynia besonders im Thüringer Becken, auch in Süddeutschland und den Alpen wenig verbreitet, Gesamtareal recht zerstückelt). 3. L. luteus subsp . laevigatus (die Unterart hat eine vorwiegend östliche und südöstliche Verbreitung, besonders auch in den Gebirgen von Ungarn, Sieben- bürgen und der nördlichen Balkanhalbinsel, die unserem Gebiet zunächst gelegenen Standorte befinden sich in der Gegend von Wilna und Minsk, sonst auch selten in Polen und Wolhynien; in den Alpen die allerdings nicht ganz scharf geschiedene Rasse occidentalis) . I. Eupkorbia dulcis (im norddeutschen Flachlande sonst noch im südwest- lichen Brandenburg; in Litauen bei Grodno, in Dänemark auf Nordseeland; in Polen nur für das südliche Gebiet angegeben, nach Osten vereinzelt bis Mittel- rußland; in Schlesien im Vorgebirge und in der höheren Ebene, sowie längs der Flußtäler, in der Herzynia besonders in mittleren Gebirgslagen, doch auch in die Niederung herabsteigend). 5. Scrophularia Scopolii (Hauptverbreitungsgebiet in den Karpathen von den Beskiden an, auch im südöstlichen Schlesien und von dort ins Odertal her- ') H. P r e u ß, Die pontischen Pflanzenbestände im Weichselgebiet, in Beitr. zur Naturdenkmalpflege, Bd. II, Heft 4 (1912). 2) H. W o 1 f f, Umbelliferae — Apioideae — Buplearum in „Das Pflanzenreich“, -herausgeg. von A. Engler, Heft 43, 1910, p. 50—53. sv Sehr. d. N. G. zu Danzig. Bd. XV,, Heft t. 6 82 absteigend; bei uns sicher durch die Weichsel eingeführt und daher wohl auch' nöch im polnischen Weichselgebiet zu erwarten). 6. Senecio crispatus (im Flachlande sonst nur noch im Kreise Sohildberg in Posen; eine von den Karpathen über die Sudeten bis zu den ostherzynischen Gebirgen verbreitete, dort auch häufig der subalpinen Kegion angehörige Art, , im Bayerischen Wald häufig, im Thüringer Wald schon sehr selten). Über die Arten dieser Untergruppe ist im allgemeinen wenig zu sagen,, da, wie die Einzelangaben erkennen lassen, pflanzengeographische Beziehungen nur bei einigen schwach angedeutet sind, bei den meisten ganz fehlen; am auffälligsten ist jedenfalls das Vorkommen von Senecio crispatus in unserem Gebiet, der übrigens auch den einzigen eumontanen Typus in dieser Unter- gruppe darstellt. V. Hauptgruppe. Arten, die eine schärfer ausgeprägte Sonderstellung- einnehmen. 1. Thalictrum aquilegifolmm (in Schlesien besonders vom Vorgebirge bis in die Schluchten des „Hochgebirges“, in der Ebene zerstreut bis sehr zerstreut;, in Posen zerstreut, in Polen desgleichen; im norddeutschen Flachlande sonst noch in Hinterpommern bis Wollin, in Brandenburg hauptsächlich in der Lau- sitz; in der Altmark und Mecklenburg selten; nördlich bis Südschweden und in Karelien bis 62° 45' n. Br., im Baltikum weniger verbreitet als in unserem Gebiet, auch noch in Litauen bei Wilna; in der Herzynia, durchaus montan).. 2. Pulsatilla vernalis (die Verbreitung dieser Art ist eine sehr eigenartige *),. indem sie einerseits auf Wiesen und Matten der Alpen etwTa von 1200 — 2300 m,. sowie auch in einigen anderen Gebirgen [z. B. auch in Schlesien an felsigen Lehnen der höchsten Sudeten] auf tritt, andererseits den größten Teil Skandi- naviens besiedelt und von hier durch Finnland und Nordrußland bis zum Ural reicht und entlang demselben nach Süden fast bis zum Kaspischen Meer vor- dringt; das Verbreitungsgebiet im norddeutschen Flachlande beiderseits der Oder erscheint gewissermaßen als Ausstrahlung von dem skandinavischen Hauptzentrum aus und ist von dem ostrussischen durch eine breite Lücke ge- schieden; sonst besitzt die Pflanze noch zerstreute Standorte in Thüringen, Sachsen, Hannover usw.). 3. Chaerophyllum aromaticum (in Brandenburg nur vereinzelt und die Nordwest-Grenze erreichend, in Schlesien von der Ebene [im westlichen und nördlichen Teil seltener] bis ins mittlere V orgebirge, in Posen zerstreut, im Bal- tikum, Litauen und Polen häufig, nördlich bis Karelien; in der Herzynia vor- zugsweise in den ostherzynischen Bergwaldungen an der unteren montanen Grenze, im Bayerischen Wald selten). 4. Cirsium rivulare (in Schlesien von der Ebene bis ins mittlere Vorgebirge,, in Brandenburg nur in der Lausitz und hier die Nordwest-Grenze erreichend, in der Herzynia nur im Neißetal von den Sudeten ausstrahlend; für Polen als überall ziemlich häufig angegeben, bis Litauen, fehlt im Baltikum; isoliert noch wieder in Schonen und Sörmland; in Süddeutschland besonders in den Alpen und der bayerischen Hochebene, westlich bis zum Jura und Baden). Nicht nur unter diesen vier Arten, sondern überhaupt innerhalb der- gesamten montanen Elemente nimmt Pulsatilla vernalis eine vollständige i) Vergl. die bei H e g i, Illustierte Flora von Mitteleuropa, Bd. III, p. 519 repro- duzierte Karte aus Marret, Ieones Florae alpinae plantarum. 40 83 Sonderstellung ein, so daß es ebenso berechtigt gewesen sein würde, sie zum Kepräsentanten einer eigenen Gruppe zu machen. Die drei anderen Arten dagegen stehen einander unzweifelhaft nahe. Daß wir es bei Chaerophyllum aromaticum und Cirsium rivulare mit Typen von vorwiegend östlicher Ver- breitung zu tun haben, ist ohne weiteres ersichtlich; aber auch bei Thalictrum aquilegifolium weisen die pflanzengeographischen Beziehungen deutlich nach Schlesien als dem eigentlichen Schwerpunkt ihrer Verbreitung hin, von wo die Art einerseits durch Posen bis in das nordostdeutsche Flachland reicht, andererseits bis zu den herzynischen Gebirgen, wo sie den Thüringer Wald, Böhmerwald und Erzgebirge besiedelt, dagegen dem Harz und Weserbergland fehlt; übrigens bemerkt auch Drude, daß Chaerophyllum aromaticum sich in der Herzynia an Thalictrum aquilegifolium anschließe. Überblicken wir nun zum Schluß die in Kürze dargestellten V erbreitungs- erscheinungen noch einmal in ihrer Gesamtheit, so ist vor allem nochmals die große Fülle der montanen Elemente in der Flora des nordostdeutschen Flach- landes hervorzuheben, eine sehr bemerkenswerte Erscheinung nicht nur in Anbetracht der weiten räumlichen Entfernung bis zu den Gebirgen, sondern vor allem auch deshalb, weil diese Vorkommnisse nur zum geringen Teil als letzte Ausstrahlungen erscheinen, die sich von den Gebirgen her durch das ganze Flachland bis zu uns erstrecken, in sehr erheblichem Maße dagegen es sich um Teilareale von völliger oder relativer Selbständigkeit handelt, die wenig- stens in der Gegenwart keinen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Vor- kommen in den Gebirgen zeigen; und gerade in der Häufung solcher Ver- breitungserscheinungen zeichnet sich unser Gebiet vor allen übrigen Teilen des norddeutschen Flachlandes aus. In auffälligem Gegensatz dazu steht die Armut der nord westdeutschen Tiefebene an montanen Elementen; nur wenig mehr als ein Viertel der hier berücksichtigten Arten finden sich dort und unter den vorhandenen sind nur wenige eumontane Typen zu verzeichnen. Weiter ist festzustellen, daß unsere montanen Elemente in ihrer Gesamtheit nicht eine einheitliche, geschlossene Verbreitungsgruppe bilden; diese Tatsache hat aber nichts Überraschendes, wenn man bedenkt, daß ja die Flora der deutschen Gebirge selbst keinen durchweg einheitlichen Charakter besitzt, daß ihre Arten verschiedenen Genossenschaften angehören, wie sie auch in verschiedenen Höhenstufen der Berglandschaften und unter verschiedenen formationsbiolo- gischen Verhältnissen erscheinen. Indessen hat sich wenigstens gezeigt, daß neben einer Anzahl mehr oder weniger indifferenter, zur Betonung pflanzen- geographischer Beziehungen wenig beitragender Arten sich aus der Gesamt- zahl der montanen Elemente bestimmte, schärfer umgTenzte Einzelgruppen von Arten herausheben, deren Verbreitungsverhältnisse deutlich übereinstim- mende Züge erkennen lassen. Die wichtigsten derselben waren, wenn wir kurze, freilich dem Wesen der Sache nicht immer völlig adäquate Bezeich- nungen zur Anwendung bringen, die subatlantische, die südbaltische, die nord- östliche und die östliche Gruppe; einige wenige Arten können am besten der c* 41 84 boreal-alpinen Genossenschaft zugezählt werden und teilen mit anderen Glie- dern derselben die Unregelmäßigkeit und Unstetigkeit des Verbreitungsareals, andere stehen dem pontisclien Florenelement (im weiteren Sinne genommen) nahe, während endlich eine Anzahl recht charakteristischer montaner Arten isoliert an vereinzelten Standorten oder in engen, auf das Gebiet beschränkten, bzw. (wie z. B. bei Arnica montana oder Crepis succisifolia) nur wenig dar- über hinausgreifenden Verbreitungsbezirken auftritt. Es liegt nun natürlich die Frage nahe, wie diese Verbreitungsverhältnisse zu erklären sind; ganz besonders drängt sich dieselbe bezüglich der auffallehden Erscheinung des Vorhandenseins großer V erbreitungslüeken zwischen den Gebirgen und dem V orkommen im norddeutschen Flachlande auf. Schon J aen nicke1) hat diese Frage aufgeworfen und sucht, unter offenbarem Einfluß Gr is eb ach scher Ideen, die Erklärung darin, daß ähnliche klimatische Änderungen, wie sie sich im Gebirge mit zunehmender Höhe vollziehen, in den nördlicher gelegenen Landstrichen sich auch in der Ebene wiederholen; er verweist dabei auf die Analogie der Waldgrenze im Gebirge mit der Baumgrenze im hohen Norden, sowie der alpinen Flora mit der des baumlosen, arktischen Gebietes und fügt hinzu, daß dieselbe Analogie sich auch auf geringere Entfernungen bemerkbar mache und so das Auftreten mitteldeutscher Gebirgspflanzen in der nördlichen Ebene erkläre. Als Beleg dafür, daß die Verkürzung der Vegetationszeit das gemeinsame Moment darstelle, bemerkt er noch, daß die betreffenden Pflanzen (namentlich genannt werden Lycopodium Selago, Scheuchseria palustris , Scirpus caespitosus, Betula nana, Empetrum nigrum, Galium saxatile) in der Ebene meist Torfmoore, also die relativ kältesten Örtlichkeiten Norddeutsch- lands, bewohnen. Gerade die letztere Bemerkung zeigt, daß in diesem Er- klärungsversuch recht heterogene Dinge zusammengeworfen werden; denn die genannten Pflanzen, überwiegend Glieder der arktisch-alpinen Genossen- schaft, können nicht wohl als besonders typische Repräsentanten der Ge- birgsflora hingestellt werden und bewohnen überdies auch in unseren Ge- birgen wie in der Ebene meist Moore, während die überwiegende Mehrzahl der echten montanen Elemente Waldpflanzen sind. Und daß auch der ange- führte Analogieschluß in den tatsächlich gegebenen klimatischen Verhältnissen keine ausreichende Stütze findet, bedarf wohl keiner näheren Ausführung. Damit soll natürlich nicht in Abrede gestellt werden, daß klimatische Mo- mente bei den in Frage stehenden Verbreitungsverhältnissen eine nicht un- wichtige Rolle spielen, wenn sich ihre Bedeutung auch im einzelnen kaum näher präzisieren läßt und überdies die Amplitude der klimatischen Ansprüche bei verschiedenen Arten eine sehr verschiedene sein dürfte; vielfach üben ge- wiß auch lokalklimatische Verhältnisse einen maßgebenden Einfluß aus, wie dies besonders deutlich bei den Waldschluchten als Wohnplätze bevorzugen- den Arten hervortritt. Auf der anderen Seite darf man aber nicht übersehen, 0 J aen nicke, 1. c. p. 112 — 118. 42 85 {.laß es auch zahlreiche Örtlichkeiten gibt, die standörtlich gleich günstige Ver- hältnisse bieten, ohne daß an ihnen Arten wie z. B. Chaerophyllum hirsutum oder Aconitum variegatum Vorkommen; auch das seltene Auftreten von Petasites albus gehört z. B. in die Kategorie dieser Erscheinungen. Auch sind die allgemeinen klimatischen Verhältnisse in unserem Gebiete, wie im ganzen norddeutschen Flachlande zu allmählich abgestuft, um aus ihnen allein eine Erklärung für die offensichtliche Unausgeglichenheit der Areale finden zu können. Will man also seine Zuflucht nicht zu der Annahme einer sprungweisen Verbreitung über weite Strecken hinweg nehmen — und diese Annahme hat bei der Zahl der in Frage kommenden Fälle doch etwas gar zu Unwahrscheinliches an sich — . so bleibt nur übrig, in florenentwickelungsgeschichtlichen Momenten die Lö- sung zu suchen. Soweit diese bezüglich der hier behandelten Arten auf eine starke Beeinflussung der Flora des nordostdeutschen Flachlandes von Kord- osten und teilweise auch von Korden und Osten her hinweisen, sind sie zwar geeignet, der nacheiszeitlichen Florenentwickelungsgeschichte unseres Ge- bietes im Vergleich zu den weiter westlich gelegenen Strichen Züge von be- sonderer Ausprägung und relativer Selbständigkeit zu verleihen, bieten aber nichts, was bei den in der Katur gegebenen Verhältnissen überraschen könnte; das gleiche gilt umgekehrt auch von den Beziehungen, die unser Gebiet mit dem südbaltischen Landrücken verknüpfen. Bei vielen Arten ist indessen die Annahme nicht zu umgehen, daß ähre heutigen Vorkommnisse in unserem Gebiete nur Reste einer ehemaligen weiter reichenden und mehr zusammen- hängenden Verbreitung darstellen, die sich in örtlicher Beschränktheit infolge günstiger Umstände zu erhalten vermochten, vielleicht von solchen Erhaltungs- stellen aus auch in späteren Perioden eine begrenzte Keuausbreitung erfahren haben; so macht insbesondere das Vorkommen von Petasites albus einen durchaus reliktartigen Eindruck, aber auch bei Lunaria rediviva, Chaero- phyllum hirsutum , Aconitum variegatum , Melampyrum silvaticum und manchen anderen ist Entsprechendes anzunehmen. Diese Dinge näher aus Zu- fuhren, erscheint nicht wohl angebracht, nicht bloß in Anbetracht des Wider- streites der Meinungen in der Frage postglazialer Klimaänderungen und Florenentwickelungsgeschichte, sondern auch deshalb, weil für florenent- wickelungsgeschichtliche Fragen in erster Linie die arktisch-alpinen, die pontisehen und die atlantischen Florenelemente herangezogen zu werden pflegen, dagegen die Waldflora, um deren Glieder es sich hier in erster Linie handelt, abgesehen von den bestandbildenden Baumarten, noch keine zusammen- hängende Bearbeitung gefunden hat. So bleibt hier eine Lücke bestehen, die im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht ausgefüllt werden kann, und es muß daher bei den vorstehenden kurzen Andeutungen sein Bewenden haben, ohne daß d er Versuch gemacht werden könnte, die mannigfach verschlungenen Fäden im einzelnen zu entwirren. 86 Das Studium der westpreußischen Seen. Vortrag in der Naturforschenden Gesellschaft am 1. Mai 1918. Von Dr. Lakowitz. Das Thema zu dem Vortrag heute des Herrn Geh. Baurat Prof. Ehlers „Die Schiffahrtsstraßen durch die westpreußischen Seen“ hat mir die Anregung gegeben, die Aufmerksamkeit auf das Studium der westpreußischen Seen im allgemeinen hinzulenken und in Kürze nahezulegen, warum die Seen West- preußens eines eingehenden Studiums wert sind, in welchen Richtungen sich dieses Studium zu bewegen hat, was in dieser Sache bisher schon geschehen ist und was in Zukunft noch geschehen muß. Die Seenkunde ist einer der jüngsten Sprosse am wissenschaftlichen Baume der physischen Erdkunde; der Wiener Geograph Friedrich Simon y und der Genfer Professor A. F o r e 1 sind ihre Begründer, ersterer durch seine 1843 begonnenen, grundlegenden Untersuchungen am Hallstätter See und an anderen Alpenseen, und F*o r e 1 durch seine mustergültige Monographie des Genfer Sees 1892 usf. Lockte in der Mitte des 19. Jahrhunderts die Erforschung der Meere die berufenen Gelehrten für Jahrzehnte hinaus auf den Ozean, so kehrte man aber naturgemäß wieder zum heimatlichen Boden zurück und übertrug das bisher auf jene großen Wassermassen gerichtete Interesse nunmehr auf die Binnengewässer, im besonderen auf die stehenden Gewässer, die Seen. Hierbei hatte man den Vorteil, die dort draußen gewonnenen, neuen Gesichtspunkte. Betrachtungsweisen, Erfahrungen, wissenschaftlichen Untersuchungsmethoden und Instrumentarien mit größerer Sicherheit und Leichtigkeit bei dem Studium der Binnenseen zur Verwendung zu bringen, unter Anpassung an die anders gearteten Verhältnisse. War bei der Erforschung der Weltmeere an ihrer Oberfläche bis hinab zu den größten Tiefen der Gesichtskreis der Geographen und Naturforscher gewaltig erweitert worden, so ergaben die darauf folgenden wissenschaftlichen Untersuchungen an und in Binnenseen überall wissenschaft- lich und praktisch bedeutsame Tatsachen, die in kundiger Hand wichtige Hilfsmittel zu einer tieferen Erkenntnis der schaffenden Natur wurden. i 87 Groß ist die Zahl der Seen in Norddeutschland. Ihr hervorragender Anteil an der Ausgestaltung der Physiognomie der Landschaft zwingt auch den Unkundigen, ihnen seine Aufmerksamkeit zu widmen, wobei ästhetische Nei- gungen den Menschen immer wieder in den Bannkreis der Seen ziehen. Und wenn wir in einer Zusammenstellung der Fischgewässer der Provinz West- preußen von Seligo aus dem Jahre 1902 lesen, daß in Westpreußen nicht weniger als 1855 Seen von mindestens 2 ha (— 4 Morgen) Größe vorhanden sind, die ein Gesamtareal von rund 597 qkm (= 2,3 % der ganzen Boden- fläche des Gebietes) einnehmen, so ist hieraus leicht zu ermessen, ein wie wichtiges Glied die Seen im Landschaftsbilde unserer Provinz ausmachen. Dieser Wert steigt noch, wenn die vielen hundert kleinen Seen, Weiher, Pfühle unter 2 ha Größe hinzutreten, und erhöht sich ganz besonders in manchen Kreisen der Provinz, z. B. in den Kreisen Karthaus und Berent, wo 194 bzw. 193 solcher mehr als 2 ha großen Seen mit 66 qkm bzw. 50 qkm Gesamt- areal in dem einen Falle 4,8 %, in dem anderen 4,1 % der Bodenfläche für sich beanspruchen. Wie dem an sich schon abwechselungsreichen Gelände eines Gebirges erst durch die Seen, oft Meeraugen genannt, besonderer Reiz ver- liehen wird — man vergleiche die seenreichen Alpen und Karpathen mit dem seenarmen, daher öden Kaukasus — , so sind erst recht in unserer eintönigen, norddeutschen Flachlandschaft die Seen der willkommene Schmuck, den wir gewiß nicht missen möchten. Man denke an den Ausblick von der Gullongs- höhe oder der Präsidentenhöhe auf die im Sonnenlichte blinkenden Spiegel der Radauneseen. Diesem ethischen Wert der Binnenseen reihen sich große materielle Werte am. Menschliche Ansiedelungen bevorzugen aus naheliegenden Gründen Wasser- ränder, und in Ermangelung eines Meeres, Flusses suchen sie die Binnenseen auf. In das flache Wasser der Uferzone von Seen baute einst der Pfahl- bauer der Steinzeit seine Hütte. Die vorgeschichtlichen Burgwälle einer anderen Zeit wurden mit Vorliebe an den Ufern von Seen — und auch von Flüssen — • angelegt. Sie kennen gewiß das im Kranz der Seen herrlich gelegene Kirchdorf ^Chmielno unterhalb der Präsidentenhöhe, das aus solch einer vorgeschicht- lichen Burgwallanlage hervorgegangen ist, oder das^ an seinem See malerisch gelegene Dt. Krone und Dt. Eylau. Außer Schutz bietet der Binnensee für Mensch und Tier seinen Reichtum an Wasser, das als belebendes Naß bei flachen Ufern die Fruchtbarkeit des umliegenden Geländes erhöht. Der See wird da mittelbar wie anderseits durch seinen Reichtum an Nutztieren (Fischen, Krebsen) unmittelbar zu einer ergiebigen Nahrungsquelle für den Menschen. An seinen Ufern findet sich im Laufe der Zeiten ein gesundes, wetterhartes, unternehmungsfrohes Menschengeschlecht von größerer geistiger Regsamkeit und größerer Aufgeschlossenheit des Charakters als in anderen Teilen des offenen Landes. Daß Seen, die von einem Fluß durchströmt werden, in Zeiten überreichlich -großer Niederschläge durch die Aufnahme der überraschend hereinbrechenden 2 88 Niederschlagsmengen die unterhalb liegenden Geländeabschnitte vor Über- schwemmung bewahren und so durch dieses ihr Retentionsvermögen für einen wohltuenden -Ausgleich des Wasserstandes sorgen, ist eine bekannte, wichtige Tatsache. Gleichfalls beachtenswert ist die klimatische Wirkung der Seen. Man kann größere, besonders tiefe Seen infolge ihres bedeutenden Wärmebindungs- vermögens als natürliche W armwasserheizanlagen ansprechen, die die zur Sommerzeit aufgenommene Sonnenwärme im Herbst und Winter bis zur Bildung der Eisdecke allmählich an die umgebende Luft abgeben, wenn nach angestellten Berechnungen auch nur etwa V 7 der durch Sonnenstrahlung einem See mitgeteilte Wärme dem Wasser verbleibt, während °/7 sogleich wieder der Atmosphäre übermittelt werden. Daß ferner in den W assermassen eines Sees eine gewaltige Kraft ruht, die bei passenden Geländeverhältnissen durch Eingreifen des Menschen mehr oder weniger leicht in bewegende Energie umgesetzt werden kann, ist bekannt. Leider wird diese an sich kostenlose Energie bei uns noch viel zu wenig ausgenutzt, höchstens zum Treiben einiger Mühlen. Wieviel mehr könnte da geleistet werden bei richtigem Studium des Wasserhaushaltes der Seen. Aus allen diesen kurzen Hinweisen erhellt die hohe Bedeutung der Binnen- seen für den Menschen, und es ergibt sich hieraus folgerichtig das Interesse, das der Mensch den Seen schuldet. Treten diese Seen nun in solcher Menge,, in solcher räumlichen Ausdehnung auf, wie gerade in unserer Provinz, so- ergibt sich geradezu die Verpflichtung für den Menschen, sein aus dem einen oder dem anderen Beweggründe hervorgegangenes Interesse an den Seen auch sachlich zu betätigen, es schließlich zur näheren Erforschung dieser bemer- kenswerten Naturobjekte zu verdichten, um die Ergebnisse für die Allgemein- heit nutzbar zu machen. Es wäre nun zu prüfen, nach welchen Richtungen solches Seenstudium sich zu bewegen hätte. Hierzu gibt Forel in seinem 1901 erschienenen Hand- buch der Seenkunde, der allgemeinen Limnologie, wichtige Richtlinien. Da die Limnologie ein Teil der Hydrographie, diese wieder ein Teil der Geographie ist, so muß das geographische Moment grundlegend sein, d. h., es ist das See- becken als ein Stück der Erdrinde zunächst eingehend morphologisch zu studieren, zumal seine Ausgestaltung für die Frage nach der im Seebecken enthaltenen Wassermenge, nach dem Ausbau des Seebodens und seiner Ablage- rungen von Bedeutung ist — Fragen, die für die richtige Ausübung der' Fischerei und anderseits für den geologischen Nachweis der Entstehungs- ursachen des Seebeckens von Belang sind. Das Wasser des Sees nimmt gleichfalls das wissenschaftliche Interesse in* Anspruch, Die Wasserzufuhr und -abfuhr, Bodenquellen, Hebungen und Sen- kungen des Wasserspiegels, wellenartige Schwankungen der ganzen Seeober- fläche (Seiches), horizontale Strömungen, oberflächliche wie in der Tiefe, auch vertikale, durch thermische Vorgänge hervorgerufene Strömungen bildern v o 89 ein weites Gebiet für wissenschaftliche Betätigung. Die Physik des Wassers zielt weiter auf Feststellungen der Temperatur in den verschiedenen Tiefen- lagen im Laufe der Jahresperiode und darüber hinaus, um den wiederk ehrenden Gang des Temperaturwechsels im Laufe längerer Zeit als gesetzmäßige Erschei- nung festzulegen. Dann gilt es, die Abhängigkeit der Wärmeverhältnisse eines tiefen Sees von seiner Lage, nach Höhe über dem Meeresspiegel und geographischer Breite, von den herrschenden Niederschlagsmengen und der Sonnenbestrahlung zu ergründen, wie umgekehrt, den Einfluß der Seen auf die klimatischen Verhältnisse der Seenuferlandschaft zu ermitteln. Dazu kommt die Prüfung der Durchsichtigkeit des Wassers, die Festlegung der Grenze absoluter Dunkelheit, der Eigenfarbe des «Wassers, Faktoren, die für die Ausbreitung der Lebewesen im See entscheidend sind. Wie die Physik, so beansprucht auch die Chemie ihre Berücksichtigung. ' Der Gehalt an Mineralsalzen und organi- schen Stoffen, an Gasen im Oberflächen- und Tiefen wasser in den verschiedenen Jahreszeiten will geprüft sein, besonders im Hinblick auf die Bedeutung dieser Stoffe wiederum für das organisierte Leben im See. Und nun folgt das weite Gebiet der Lebensformen des Wassers, zu deren Feststellung gewöhnlich nicht wenige Speziialforscher erforderlich sind, wrenn man bedenkt, daß außer den Fischen und anderen bekannten unmittel- baren Nutztieren das Heer der niederen und niedrigsten Tier- und Pflanzen- formen dazu gehört, Insekten mit ihren oft schwer definierbaren Entwicke- lungsformen, niedere Krebstiere, Würmer, Rotatorien, Protozoen, Grünalgen und Diatomeen, schließlich Bakterien, in der Uferzone, in der Tiefe, schwebend in allen Wasserschichten, hier das Plankton bildend, für sich und in ihrer gegen- seitigen Beziehung und Abhängigkeit; wobei sich herausstellt, daß jeder See eine Welt im kleinen für sich ist, in der der Kreislauf des Werdens und Ver- gehens der Lebensformen seinen bestimmten Gang nimmt. So ist jedes Seebecken als ein Stück der Erdoberfläche zugleich ein Glied im Entwickelungsgang der Erdrinde, als Wohnbehälter für eine Unsumme von Lebensformen ein wichtiges Glied im Entwickelungsprozeß des Lebens auf der Erde. Jeder See will in physikalisch-geographischer Hinsicht eine bedeutsame Einheit, in biologischer Hinsicht ein selbständiger Mikrokosmos sein. Es verlohnt sich hiernach gewiß der Mühen der Naturforscher und Geo- graphen, die Seen methodisch zu untersuchen und den in der Seenkunde ent- haltenen Problemen nachzugehen, die mehr oder minder eine Bereicherung der Wissenschaft und eine Befruchtung praktischer Betätigungen des Menschen in sich einschließen. Es ist selbstverständlich, daß ein so wichtiger Wissenszweig wie die Seenkunde auch in unserer Provinz Westpreußen Beachtung und von berufener Seite seine Pflege gefunden hat. Fanden bei der topographischen Landes- aufnahme die Flächenareale der Seen ihre Würdigung und wurden von Ober- förstereien, Meliorationsbanämtern, Katasterämtern und von Privaten manche Seen bereits auf ihre Tiefenverhältnisse schon in früherer Zeit geprüft, so 4 90 fand zunächst von wissenschaftlicher Seite das Studium der Tier- und Pflanzen- welt am meisten Beachtung, wobei der Westpreußische Botanisch-Zoologische Verein 1) und der Preußische Botanische Verein nach Kräften mitwirkten. Botaniker älteren Datums, wie Caspary, von Klinggraeff, L ü t z o in neuerer Zeit K a 1 k r e u t h und W anger in haben die höher organisierten Pflanzen, Zacharias, Seligo, Lucks, der Berichterstatter die Mikro- organismen aus dem Tierreich und dem Pflanzenreich in westpreußischen Seen gesammelt und bestimmt. Auslotungen von Seen sind durch Lehmann- Stettin, Seligo, den Berichterstatter erfolgt, desgleichen Temperatur- messungen, geologische Aufnahmen der Ufergelände zwecks Ergründung der Entstehung und Entwickelung westpreu ßiscl;er Seebecken durch Sonntag, chemische Untersuchungen des See wa^sers durch Seligo, Knooh, Schi- el ansk i. Die meisten der überhaupt in Angriff genommenen westpreußischen Seen sind nur gelegentlichen, kurzfristigen Untersuchungen unterworfen worden. Ein erhöhter Wert kommt indessen langfristigen, periodisch wieder- holten Untersuchungen zu, weil sie ergebnisreicher sind. Solche existieren von den Seen bei Stuhm von Seligo, von dem Klostersee bei Karthaus vom Berichterstatter und vom Zarnowitzer See von mehreren der Genannten aus jüngerer Zeit, Arbeiten, die leider durch den Krieg stark behindert worden sind, mit Friedensschluß aber wieder aufgenommen und veröffentlicht werden sollen. Wertvolles Material zur Seenkunde Westpreußens ist da inzwischen zusammengetragen und in den Schriften der Katurforsch enden Gesellschaft,, des Westpreußischen Botanisch-Zoologischen Vereins und des Westpreußischen Eis cherei Vereins wie in anderen Zeitschriften niedergelegt, worden, zur Morpho- logie. Geologie, Physik, Chemie und Biologie unserer Binnenseen. Ein Teil der erzielten Ergebnisse harrt noch der Veröffentlichung. Die Zukunft soll davon mehr bringen. In zunehmendem Maße hat sich hierbei im Einklang mit entsprechenden Untersuchungen anderer Forscher in deutschen und außerdeutschen Seen gezeigt, daß ein jeder See für sich seine individuellen Eigenschaften hat. Und will man die gewiß zu erwartenden allgemeinen Gesetzmäßigkeiten im Dasein, der Entwickelung, dem Leben der Seen eines größeren Gebietes erfassen, so darf man beileibe nicht von den Verhältnissen des einen Sees ohne weiteres auf ein gleiches Verhältnis in anderen Seen, auf einen gleichen Gang der anorga- nischen wie organischen Geschehnisse überall schließen. Hier heißt es, wie in der Naturwissenschaft auch sonst, erst aus einer großen Fülle A7on Einzel- untersuchungen unter richtiger Würdigung der Bedingungen und der Ergeb- nisse das allgemeine Gesetz in der Fülle der Erscheinungen herleiten. Und da bin ich bei dem Punkte angelangt, wo die Vergangenheit und Gegenwart der heimischen, fast den Charakter des Gelegentlichen zeigenden Seenforschungen an die Zukunft anzuknüpfen und wTeiter zu bauen hat. Wenn !) Tjsrl. auch Lakowitz, Die Durchforschung unserer Binnenseen (im 18. Bericht des Wpr. Bot.-Zool. Y"er. Seite 32 — 38 [192 — 198]). 91 man bedenkt, ein wie großer Reichtum an Seen unsere Provinz auszeichnet, und ferner bedenkt, daß diese Fülle an Seen in materieller wie ideeller Hinsicht, dort für das praktische Leben, hier für die Wissenschaft noch so manchen Schatz in sich birgt, und anderseits es Pflicht der Berufenen ist und stets bleiben muß, solche Schätze für die Allgemeinheit zu heben, so muß man sagen, daß ein großes Stück wissenschaftlicher Arbeit uns noch bevorsteht. In unseren Seen liegen, alles in allem genommen, eben Werte, die weit größere Beachtung verdienen als sie bisher gefunden haben, und auch der Vortrag des Herrn Ehlers zeigt uns, daß noch gründliche Erforschung westpreußischer Seen nottut. Gute Vorarbeiten liegen vor, auf diesen ist weiter zu bauen. Hierzu sind die Kräfte zu sammeln. Wissenschaftlich geschulte Männer, namentlich jüngeren Nachwuchses brauchen wir, Geographen, Geologen, Phy- siker, Chemiker, Zoologen und Botaniker, einen ganzen Stab von Gelehrten, für möglichst gleichzeitige, parallel laufende Untersuchungen besonders zur Physik (der Thermik) und zur Biologie des Wassers. Die Wärmewirtschaft der Seebeck?en, besonders da, wo diese in gedrängter Fülle die Landschaft heleben, an sich und weiten in ihrer Beziehung zum Klima der näheren und ferneren Umgebung ist ein sehr reiches Arbeitsfeld, wobei auch für die reine Wissenschaft neue Beiträge zu erhoffen sind. Alles dies und anderes sind dankenswerte Aufgaben, die nur aus dem Zusammenarbeiten zahlreicher Beob- achter gelöst werden können. Und die Biologie der Seen ist ein so umfang- reiches, noch lange nicht energisch genug beackertes Feld, auf dem für Wissen- schaft und Praxis bei richtiger Behandlung noch eine reiche Ernte zu erwarten ist. Vielleicht findet sich Gelegenheit, dies einmal im einzelnen genauer zu beleuchten. Von anderen Stellen ist die Bedeutung heimischer Seenforschung wieder- holt betont worden, besonders deutlich seitens des Deutschen Geographen- tages in Breslau 1903. Ein Antrag dort lautete: Der XIII. Deutsche Geo- graphentag hält eine systematisch eingeleitete, wissenschaftliche und wirt- schaftliche Erforschung der heimischen Seen, insbesondere des norddeutschen Flachlandes, für eine wichtige und Erfolg versprechende Aufgabe des Staates. Der Zentralausschuß des Deutschen Geographentages wird beauftragt, die betreffenden Staatsbehörden, zunächst in Preußen, in geeigneter Weise von dem Beschluß des Geographentages in Kenntnis zu setzen. Daraufhin ist m. W. tatsächlich nur seitens der Kgl. Preußischen Geologischen Landesanstalt Nennenswertes veranlaßt worden. Sie hat ihre Arbeiten infolge jener Anregung auf die Untersuchung der preußischen Landseen ausgedehnt und inzwischen ..Beiträge zur Seenkunde“ bisher in 3 Heften, das erste 1912, herausgegeben. Diese im Rahmen der geologischen Landesdurchforschung gehaltenen Unter- suchungen sind mehr morphologischer Natur, wobei die Entnahme von Boden- proben und gelegentliche Temperaturmessungen nebenher laufen. Liegt in dieser Beschränkung eine gewisse Einseitigkeit der Behandlung des ganzen ■Seenproblems, so ist hierbei noch zu betonen, daß die geologischen Arbeiten 6 92 jener Behörde, daher auch ihre Seenforschung, nach dem für absehbare Zeit festgelegten Arbeitsplan in anderen Gebieten des Preußischen Staates sich bewegen, leider aber nicht in der Provinz Westpreußen. Wir sind daher hier auf die eigenen Kräfte, angewiesen. Und da ist mit Freuden festzustellen, daß westpreußische Vereine, die oben schon genannt wurden, Mittel und Kräfte zur Verfügung gestellt haben, ferner, daß der Herr Landeshauptmann der Provinz Westpreußen und der Herr Landrat des Kreises Karthaus wiederholt auf diesseitigen Antrag Mittel für die bezeichneten Aufgaben flüssig gemacht haben. Weiteres muß aber noch geschehen. Und wenn ich nun heute gerade an dieser Stelle diese Mitteilungen mache, so geschieht es, weil auch unsere Natur forschende Gesellschaft bereits zu den geologischen Seenforschungen des Herrn Sonntag beigesteuert hat und weil ich mich der Hoffnung hingebe, daß sie auch in Zukunft aus ihren für wissenschaftliche Zwecke bestimmten Mitteln noch manches für Seenstudien hergeben möchte. Es wäre eine unserer Gesell- schaft würdige Aufgabe, einen Seenatlas anzubahnen zunächst für die seen- reichsten Teile der Provinz und ferner die physikalisch-chemischen wie bio- logischen Untersuchungen für bestimmte, passend herauszusuchende Einzelseen zu fördern und allein oder im Verein mit anderen Körperschaften zu veröffent- lichen. In anderen Provinzen, wie Pommern, Brandenburg, Ostpreußen, Posen, Schleswig-Höltsein, regt- man sich nach gleicher Richtung bereits sehr bemerk- bar. Wir dürfen nicht zurückstehen. Die wissenschaftliche und praktisch wich- tige Erweiterung und Vertiefung unserer Kenntnis von der Natur West- preußens wäre das gewiß freudig zu begrüßende Ergebnis solcher Bemühungen. Uber strenge und genäherte Berechnung von Geschoßflugbahnen. Von A. v. Brunn. I. Die Berechnung: von Flugbahnen rotierender Langgeschosse ist ein kombiniertes Problem der Mechanik des starren Körpers und des nichtvolum- beständigen Kontinuums und als solches außerordentlich verwickelt; im ein- zelnen stößt man dabei auf folgende Schwierigkeiten: 1. die Bestimmung des normalen Luftwiderstandsgesetzes, 2. den Einfluß der Geschoßrotation auf den Luftwiderstand, 3. die Berücksichtigung der meteorologischen Einflüsse längs der Geschoß- bahn; dabei ist zu unterscheiden zwischen a) den „normalen“, der Schußtafel zugrunde zu legenden Einflüssen und b) den „speziellen“ während des einzelnen individuellen Schusses geltenden, deren Abweichungen gegen die „normalen“ jeweils durch ein besonderes V erfahren berücksichtigt werden müssen (Tages- einflüsse), 4. die Integration der Bewegungsgleichungen des Geschoßschwerpunktes. Im allgemeinen ballistischen Problem treten natürlich alle genannten ‘Schwierigkeiten miteinander verquickt auf, ihre Verknüpfung ist aber in physi- kalischer wie mathematischer Hinsicht locker genug, um eine getrennte Unter- suchung zu ermöglichen. II. 1. Die erste der obengenannten Aufgaben erfordert infolge der in Frage kommenden sehr bedeutenden Geschwindigkeiten einen großen technischen Apparat und hohe Experimentierkunst, bietet aber keine grundsätzlichen Schwierigkeiten. Die bisherige Erfahrung hat in Übereinstimmung mit theore- tischen Überlegungen erwiesen, daß es eine einheitliche Luftwiderstands- funktion, die nur von der Geschwindigkeit abhängt und auf jedes spezielle Geschoß mit Hilfe eines für dasselbe charakteristischen „Formfaktors“ über- tragen werden kann, nicht gibt1). Die Bestimmung der Widerstandsfunktion 3) Damit soll natürlich nicht gesagt sein, daß es ein einheitliches Widerstandsgesetz überhaupt nicht gibt. Aber jedenfalls enthält es Querschnittsbelastung und Formcharakteristik in einer komplizierten Form, nicht einfach in Gestalt eines Proportionalitätsfaktors. Vgl. H. Lorenz, Physikalische Zeitschrift 1917, S. 209 u. 290. 94 muß dem nach für jede Geschoßart gesondert erfolgen. Für das Folgende wird angenommen, daß für das gerade zu behandelnde Geschoß entweder durch eine Tabelle oder in analytischer Form die Widerstandsfunktion derart gegeben sei, daß für jede Geschwindigkeit der numerische Betrag der Funktion selbst und ihrer Ableitungen nach der Geschwindigkeit mit praktisch ausreichender Genauigkeit- ermittelt werden können. 2. Der Einfluß der Kreiseleigenschaft des Geschosses auf den Luftwider- stand und damit auf die translatorische Bewegung des Geschosses bietet der strengen mathematischen Behandlung vorläufig nicht zu überwindende Schwie- rigkeiten, wenngleich vielversprechende Ansätze auch in dieser Richtung vor- handen sind. Es genügt hier, die Erfahrungstatsache festzustellen, daß ein gut stabilisiertes Geschoß sich, abgesehen von der bekannten Rechts- oder Links- abweichung aus der Vertikalebene des Abschusses (je nachdem das Geschoß im Uhrzeigersinne oder entgegengesetzt rotiert), nahezu so bewegt, wie ein Pfeil- geschoß, d., h. derart, daß Geschoßaxe und Widerstandsresultante zusammen- fallen. Im übrigen sei auf die Literatur verwiesen1). III. 1. Die meteorologischen Einflüsse auf die Geschoßbahn haben im letzten Abschnitte des Krieges wegen ihrer großen Bedeutung für die taktische Ver- wendung der Artilleriewaffe eine wichtige Rolle gespielt. Im vorliegenden Auf- sätze soll nur insofern darauf eingegangen werden, als es sich um die Fixierung derjenigen Verhältnisse handelt, die man als „normal“ der Schußtafelberechnung' zugrunde legen will. Auf die* sog. „Tageseinflüsse“ soll in einem späteren Auf- sätze eingegangen werden. Bezüglich der horizontalen Luftbewegung wird natürlich die Windstille als im schußtafelmäßigen Sinne normal angesehen. Das Normalbodenluftgewicht soll nicht näher fixiert werden; es geht in die Konstante ein, die ohnehin in den Luftwiderstandsgliedern der Differential- gleichungen der Bewegung zur Charakterisierung der speziellen Aufgabe hin- zugefügt werden muß; wir nehmen das Normalbodenluftgewicht einfach gleich 1 an; jede andere Wahl wirft sich eben auf jene Konstante. Notwendig aber für die eindeutige Definition des meteorologischen Normalzustandes ist die Fixierung der Normalbodentemperatur und des Gesetzes der normalen ver- tikalen Temperatur- und damit Dichteschichtung. Denn diese bestimmen un- mittelbar die mathematische Form der Luftwiderstandsglieder in den Be- wegungsgleichungen und gewinnen dadurch auch maßgebenden Einfluß auf die zu wählenden Integrationsmethoden, Die deutschen Schußtafeln bis in die letzte Zeit hinein fixierten nur das Normalbodenluftgewicht. Erst ziemlich spät scheint erkannt worden zu sein, daß das zur Definition des ballistischen Normal- zustandes der Atmosphäre nicht genügt, und daß man vielmehr z. B. bei ein und demselben Bodenluftgewicht infolge verschiedener vertikaler Temperatur- verteilung bereits bei den Weitschüssen der Feldkanone in extremen Fällen, J) Vor allem auf Cranz, Lehrbuch der Ballistik. 2. Aufl. I. Bd. 10. Abschnitt. 2 Unterschiede von 150 m und mehr in der Schußweite haben kann. Das schließ- lich zur Einführung gelangte Verfahren zur Berücksichtigung der Tages- einflüsse beim artilleristischen Schießen, das im wesentlichen von Schwarz- schild herrührt, auf das ich im übrigen aus naheliegenden Gründen noch nicht eingehen kann, geht von einem atmosphärischen Zustande als normal aus, der charakterisiert ist durch einen bestimmten Bodenluftdruck und eine vertikale Temperaturverteilung, die für die Troposphäre dem statistischen Mittel aus einer sehr großen Zahl von Sondierungen durch Registrierballone und -drachen entspricht, für die Stratosphäre anderen Überlegungen entnommen zu sein scheint, deren Ergebnisse mit den — für diese Höhen allerdings nicht mehr sehr umfangreichen — Beobachtungserfahrungen mit Registrierballonen nicht im Einklang stehen. An sich ist es, besonders für ballistische Zwecke, rein konventionell, was man als Normalzustand der Atmosphäre definieren will, und die Annahme der Artillerieprüfungskommission hat, zum mindesten für die Troposphäre, viel für sich. Für alle rechnerischen Bearbeitungen des balli- stischen Problems ist es aber erwünscht, alle Abhängigkeit in analytischer Form vorliegen zu haben. Es hat dabei wenig praktischen Wert, über den vielleicht auftauchenden Einwand zu rechten, daß man auf diese Weise das Vorhandensein eines physikalischen Gesetzes vortäusche, während man das statistische Material nur graphisch oder allenfalls durch eine Interpolations- formel ausgleichen dürfe. Im Grunde genommen sind ja alle physikalischen Gesetze Interpolationsformeln. Und was speziell die Bearbeitung von lediglich statistisch gegebenen funktionalen Zusammenhängen angeht, so kommt es erkenntnistheoretisch ziemlich auf dasselbe hinaus, ob man auf jede „Theorie“ verzichtet und das gegebene Wertesystem durch einen Kurvenzug verbindet oder aus dem Wertesystem eine gewisse formale genäherte Gesetzmäßigkeit abliest und diese in ihren Konsequenzen mathematisch streng verfolgt. Das letztere Verfahren führt nicht weiter als das erstere, es hat aber den Vorzug größerer mathematischer Übersichtlichkeit und rechentechnischer Schmiegsamkeit. Aus diesem Grunde habe ich mich dafür entschieden und möchte es allgemein zur Diskussion stellen. 2. Die großen Züge im Bilde der vertikalen Temperaturverteilung in der Atmosphäre sind ja überaus sinnfällig und lassen sich in die beiden Sätze zusammenfassen: 1) In der Troposphäre nimmt die Temperatur konstant um 0.6 0 auf 100 m Höhendifferenz ab. 2) In der Stratosphäre herrscht Isothermie. Führt man 3) noch, rein konventionell, als Normalbodentemperatur = 8e C — 281° abs. ein (die durchschnittliche Mitteltemperatur für Deutschland) und nimmt 4), ebenfalls in gewissem Grade konventionell, die Höhe der Tropo- sphäre zu 10 000 m an, so hat man durch 1) bis 4) den Normalzustand der Atmo- sphäre im ballistischen Sinne in einer Weise definiert, die zu sehr einfachen Formeln für die vertikale Dichteverteilung führt, und gegen die andererseits vom meteorologischen Standpunkte aus kaum stichhaltige Einwendungen zu- gunsten der Annahme der Artillerieprüfungskommission erhoben werden können. 96 3. Mit den gemachten Annahmen erhält man das vertikale Dichtevertei- lungsgesetz auf folgende Weise. Es bedeute p den Druck, q die Dichte, y die Höhe über dem Erdboden, g die Schwerebeschleunigung, # die absolute Temperatur, dann lautet die Differentialgleichung der vertikalen Druckabnahme 1) dp = — og dy. Nach dem Boyle-Mariotte-Gay Lussac-Gesetze ist 2-* Q = W&' ' Hier ist R die Gaskoustante; R — 287 für Luft. Sei weiter a der vertikale Temperaturgradient in der Troposphäre (auf 1 in); also a = 0.°006. So gilt für die Troposphäre, also für 0 < y < 10000 in 3) dP _ er dy ') P R &o — “ y Sei py der Druck in der Höhe y, p0 der Druck am Boden, so ergibt die Integration von 3) o* Mi 4) ' Po * Da endlich mit ohne weiteres verständlichen Bezeichnungen: und 5) P y hy II ( Q 0 Po »y Po ^o — «y 5a) (>0 = 1 angenommen werden sollte, * \ j so findet man 6) Qy — ^ J ß “ Für die obere Grenze der Troposphäre, also y = 10000, ergibt sich damit: 7) P 10 01)0 Po -0 10 000 a H7 o* ^ R • « und «)t 7 ™ 10000 \ / 4. Für die Stratosphäre hat man, analog zu 3) dp g dy g dy^ p R & 3') 10 000 R 10000 a" Mithin für die Stratosphäre, also 9 Die Schwereabnahme mit der Höhe darf in der Ballistik, sofern es sich nicht um extreme Weitschüsse handelt, in den Bewegungsgleichungen vernachlässigt werden; dasselbe wird also folgerichtig auch bei der Aufstellung des Dichtigkeitsgesetzes geschehen dürfen. 97 y > 10 000 4') P, Qr g (v —10000) R- & 10000 «oder endlich iöooo o s 10000 6') Sr _ f, _ 6o \ m V »n J 1 — e g (y — 10000) R(ä0 — 60) Damit ist die Dichte (= Luftgewicht) als Funktion der Höhe y über dem Erdboden (Mündungshorizont) durch sehr einfache Formeln gegeben. Wir fuhren, lediglich zur Vereinfachung der Schreibweise, noch ein: 9) a 9« k; er R • a — i = r, & 10 000 Q y — 10 000 = y ; sund erhalten dann: a) für 0 < y < b) für 10 000 #0 — 60 10000 m 10) : y Sy = (i-ky) y y 11) O — O ^ y R . & q selbst ist, wie es sein muß, beim Durchgang durch die 10 OOO-m-Schicht- grenze stetig, dagegen sind die Differentialquotienten sämtlich unstetig. Das muß in Kauf genommen werden, da ja die Natur wirklich solche Unstetigkeiten darbietet1)- Für die späteren Entwickelungen bedeutet dies kein Hindernis, da man bei einer stüekweisen Bahnberechnung stets das Ende eines Bahn- stückes in die Schichtgrenze verlegen kann. Im übrigen ist es praktisch meist ganz belanglos, wenn man die Foripel 10) noch bis etwas über 10 000 m hinaus oder 11) von einer Höhe von etwas unter 10 000 m an gelten läßt, wenn im speziellen Einzelfall der Gang der numerischen Rechnung dies als vorteilhaft erscheinen lassen sollte. Für die späteren Rechnungen sei endlich angemerkt, daß dieselben tatsächlich nicht mit = 281 0 abs., sondern mit *>0 — 273 0 abs. berechnet worden sind, weil mit dieser vom rein physikalischen Stand- punkte aus nächstliegenden Annahme bereits ein sehr beträchtlicher Teil der umfangreichen numerischen Rechnungen fertiggestellt war, als vom artille- ristischen Standpunkte aus die Wahl des größeren Wertes von als emp- fehlenswert erkannt wurde. IV, 1. Das Hauptinteresse dieses Aufsatzes soll nun aber dem Punkte 1 des Abschnittes I gelten: Der Integration der Bewegungsgleichung des Ge- schosses zunächst in strenger Form, später nach verschiedenen Annäherungs- methoden, und dem Vergleich der durch die einzelnen Methoden zweiter Art J) Der Begriff , stetig* ist liier natürlich physikalisch zu verstehen, wobei von unstetig* schon gesprochen wird, wenn in einem sehr engen Intervall des Argumentes eine sehr schnelle Änderung der Funktion stattfindet. Sehr. d. N. G. zu Danzig. Rd. XV, Heft 1. 5 7 98 erzielten Annäherung an der Hand durchgeführter numerischer Beispiele. Wenn dabei den meisten numerischen Rechnungen ein einfaches Widerstands- gesetz, das quadratische, zugrunde gelegt wird, so geschieht das, weil bessere, allgemein brauchbare Gesetze bisher noch nicht aufgestellt sind, oder wenigstens, wie beim Lorenz sehen Gesetze, mir noch keine Durchführung der experimen- tellen Konstantenbestimmung bekanntgeworden ist. Die Schlüsse über den relativen Wert der Annäherungsmethoden werden durch diese Beschränkung nicht beeinflußt. Übrigens habe ich in einem Falle doch, um die von mir vor- geschlagene Methode in aller Allgemeinheit vorzuführen, die Rechnung mit dem empirischen Widerstandsgesetz für Kruppsche Normalgeschosse durchgeführt. 2. WTir wenden uns nun dem eigentlichen Problem der strengen Flugbahn- bestimmung zu. 'Dabei gehen wir von dem ballistischen Normalzustände der Atmosphäre aus. nehmen also Windstille und die durch III 10) und 11) definierte vertikale Dichteschichtung an. Es wird ferner vorausgesetzt, daß sich das Geschoß wie ein reines Pfeilgeschoß verhält, und daß der Widerstand, den das Geschoß erfährt, proportional der jeweiligen Luftdichte1) und einer zunächst ganz allgemein gehaltenen Funktion Uv) der Geschwindigkeit sei; f(v) soll alles dem Geschosse Individuelle: Querschnitt, Masse, Geschoßform, zum Aus- druck bringen. Wählt man noch als X-Achse die Horizontale, als Y-Achse die Vertikale in der Schußebene, so lauten die Differentialgleichungen der Be- wegung : fjp) dx v d t (v) dy dt* ♦ Diese Gleichungen lassen selbst für o = const. eine vollständige Lösung- in geschlossener Form nur für i(v) == c . v zu, wo c eine Konstante ist. Außer- dem gibt es im Falle q = const. noch unendlich viele Ausdrücke von f(?Q, bei denen wenigstens eine Integration in geschlossener Form möglich ist, so daß das Problem auf Quadraturen zurückgeführt, ist. Die wenigsten dieser Funk- tionen haben aber mit dem wirklichen Luftwiderstandsgesetz irgendetwas zu tun, abgesehen vom quadratischen, das wenigstens für kleine und große Ge- schwindigkeiten sehr an genähert gilt, jedoch in der Umgebung der Schall- geschwindigkeit ganz und gar versagt. Im allgemeinen Falle, wo Q (y) durch III 10) u. 11) dargestellt wird, ist eine Integration des Systems 1) in geschlosse- ner Form überhaupt unmöglich. Es bleibt also zu seiner strengen Lösung nur die Integration durch eine unendliche Potenzreihe nach der Zeit oder einem anderen passend eingeführten Parameter übrig. Natürlich ist durch Elimination des Parameters auch eine Entwickelung von y nach x möglich, doch empfiehlt sich das nicht wegen des sehr umständlichen dadurch entstehenden Formelsystems; i) Was vermutlich schon deshalb nicht ganz zutrifft, weil die Schallgeschwindigkeit von der Temperatur abhängt; es gibt aber zurzeit keine bessere Annahme. 6 99 die Parameterdarstellung nach der Zeit ist nun einmal für fast alle mecha- nischen Probleme das Gegebene. Dieses Verfahren ist für den früher fast aus- schließlich behandelten Fall q = const. schon mehrfach vorgeschlagen, und es scheint sich dadurch zu empfehlen, daß die Konvergenz einer solchen Reihen- entwickelung fü-r die W erte des Parameters, die in der Praxis Vorkommen, be- wiesen ist. Trotzdem hat das Verfahren wenig Anklang gefunden. Der Gstind dafür ist leicht einzusehen. Es genügt für das praktisch numerische Rechnen durchaus noch nicht ohne weiteres, daß eine Reihenentwickelung im funktionen- theoretischen Sinne konvergent ist. Sie muß vielmehr, um praktisch mit Nutzen verwendet werden zu können, so beschaffen sein, daß bereits eine geringe, wenn auch natürlich im einzelnen nach dem verlangten Genauigkeitsgrade sich richtende Zahl von Gliedern zum Ziele führt, zumal dann, wenn die Berechnung der Koeffizienten der höheren Potenzen des Parameters schwierig ist. Verlangt man nun aber, daß eine einzige Reihenentwickelung die ganze Flugbahn mit hoher Genauigkeit darstellen soll, so läßt sich dieser Anspruch mit den oben an- gegebenen Erfordernissen der Rechenökonomie nur bei flachen Bahnen mit geringer Anfangsgeschwindigkeit und großer Querschnittsbelastung verein- baren, also etwa bei den Flachbahnen schwerer Mörser (die ja aber selten gebraucht werden); in den meisten anderen Fällen, ganz besonders bei den Weitschüssen der Feldkanone (geringe Querschnittsbelastung, erhebliehe Flug- zeit) und den Fernbahnen des schwersten Flachfeuers (große Anfangsgeschwin- digkeit, große Flugzeit) würde selbst bei bescheidensten Anforderungen an die Genauigkeit eine so große und vorher gar nicht zu übersehende Anzahl von Reihengliedern erforderlich sein, daß eine Darstellung und Berechnung der einzelnen Koeffizienten eine glatte Unmöglichkeit wäre; das wird im einzelnen später noch klarer ersichtlich werden. Man ist deshalb darauf angewiesen, die Bahn stückweise zu berechnen. Das Verfahren ist ja in der Praxis des wissen- schaftlichen Rechnens überall gebräuchlich. Will man zum Beispiel den Wert einer ganzen transzendenten Funktion, die durch ihre, mathematisch gesprochen, ja für alle endlichen Werte des Argumentes konvergente Reihenentwickelung definiert ist, für einen großen Wert des Argumentes berechnen, so macht man das ja' auch nicht so, daß man den großen Argumentwert in die allgemeine Reihenentwickelung einsetzt; man würde dabei im allgemeinen einer sehr großen Gliederzahl bedürfen, um eine genügende Genauigkeit zu erhalten. Viel ökono- mischer ist es, in kleinen Schritten mit einer jeweils ganz geringen Gliederzahl die Funktion mit Hilfe des Taylor sehen Theorems fortzusetzen (Tafel- berechnung). Ganz entsprechend diesem Verfahren wird also auch bei der hier vorgeschlagenen Integrationsmethode der Differentialgleichungen 1) das Bahn- stück jeweils nur lo lang gewählt, daß man unter Verwendung einer kleinen Zahl von Gliedern — die nach den Grundsätzen der Rechenökonomie herauszufinden bis zu einem gewissen Grade dem „Taktgefühl“ des Rechners überlassen bleibt ■ — aus den gegebenen Anfangsdaten die Enddaten des Bahnstückes beispielsweise innerhalb der Genauigkeit deh fünfstelligen Jogarithmischen Rechnung be- 7 100 stimmen kann. Diese Methode sieht unelegant aus, ist es aber bei genauerem Hinsehen nicht, denn während die ,, eleganten“ Methoden vielfach über die natürlichen Schwierigkeiten hinwegtäuschen, die gerade die Berechnung des Anfangsstückes der Bahn infolge der Größe der Geschwindigkeit und ihrer sämtlichen Differentialquotienten bietet, paßt sich diese Methode ihnen ganz automatisch an, indem sie hier zu kleinen zeitlichen Schritten zwingt, während sie im späteren Verlaufe größere Schritte zuläßt. 3. Wir gehen nun zur näheren Darlegung der vorgeschlagenen Methode zur strengen Berechnung von Geschoßflugbahnen über. Über die Koordinaten- richtungen ist bereits verfügt. Der Anfangspunkt der Koordinaten ist die Geschützmündung, der Anfangspunkt der Zeitzählung der Augenblick, in dem das Geschoß die Mündung verläßt; das Geschoß soll nach Verlassen der Mün- dung keine Beschleunigung durch die Pulvergase mehr erhalten. Es bezeichnen ferner, wie üblich, die oberen Indizes ' " (rv) usw. die entsprechenden Ab- leitungen nach der Zeit: wir können dann zur Vereinfachung der Schreib- weise die Argumente einfach weglassen. Die unteren Indizes beziehen sich auf die Zeitmomente; unterer Index n gehört zur Zeit tn. Die Voraussetzung ist, daß für den Zeitmoment tn bekannt seien xn, yn, x'B) y'n. Die Aufgabe ist, daraus dieselben Größen für den Zeitmoment tn + (ft — tn+i mit Hilfe einer Potenzreihenentwickelung nach dt auf Grund der Differentialgleichungen 1) mit einer vorgegebenen Genauigkeit zu berechnen. Rein formal ergibt zunächst der Taylor-Satz: 2) X u -f- 1 — X n x n dt- -f- n dt" -j- -- ^--n d t 3 -{-••• y n + 1 V *> \ r 5) X a 4- i }T n-f 1. y'n -f- x'n dt + x" n dt2 ~4- x'" n 2 1 1 3 ! . tr -4- V^n s t 1 y n dt2 + y n 2 ! 3 ! + x' d 1 + x"; dt2 1 X (IV) u n 2 ! ( 3! + v" 1 ^ n d t ~f~ v'" j n 2 !

,„ fn- 9 101 Die 3. Differentialquotienten x'"u u. y'"n erhält man durch einmalige Diffe- rentiation der Gleichungen 1) nach der Zeit, Spezialisation für den Zeit- moment tn und Einsetzen von 4) in das Ergebnis: 8) x'"„ = — %!,„ x'„ ; y'"„ = — 8$,, y\ + s Wo mit 9) q'a (f„ + 0n = HD 10) 83,,, = v.. — 522,n wird. Zur Berechnung von pn haben wir noch abzuleiten: 11\ ' d t 1 iO\ / d *P > n) Q n = dy n 7 n l2) '„ tr ö y — • — • v . V n ^'n 11 Wir gehen weiter dazu über, die 4. Ableitungen der Koordinaten zu bilden, xjJD und yffV). Man hat dazu die 1) 2 mal nach der Zeit zu differen- zieren, für tn zu spezialisieren und alles, was nach 4) bis 10) bekannt ist, einzusetzen und erhält 14) x^ = _xV^. y‘,¥) = - y'„ &,» + ? (2p, - gä2,n). Hier ist 15) = £>"n (pn + on $p"n + 2 @'n (f'Q — 3pn 5^ n +- &3*2,n ßn und 9 d" ergeben sich durch Differentiation von 11) und 12) zu 13) : 17) () sind im Falle b) ganz willkürlich gewählt, im Falle a) der Schußtafel für die Feldkanone 16, 2. Ladung für Schußweite 8000 m entnommen. Der ballistische Koeffizient ist im Falle a)» ebenfalls aus der genannten Schußtafel •durch eine später noch zu erwähnende Überschlagsrechnung gefunden; im Falle b) beruht er auf ganz rohen Abschätzungen, wie sie mir bei Beginn dieser Rechnung mangels jeglicher Literatur allein möglich waren; er sollte eigentlich für ein 38 cm -Kaliber gelten, paßt aber, wie sich später herausstellte, etwa für ein 15 cm -Kaliber. Die Schwerebeschleunigung ist im Falle a), wie üblich, zu s9 - 8 1 m, im Falle b) zur rechnerischen Vereinfachung zu 10»0m angenommen worden. Es ist ferner noch zu erwähnen, daß die Rechnung b) gleichzeitig mit der gleichen Genauigkeit wie die Hauptrechnung für den Fall einer konstanten Dichte (gleich der Bodendichte) durchgeführt worden ist, um den •dadurch entstehenden Fehler, wie er wohl früher gelegentlich begangen ist, recht eindrucksvoll vor Augen zu führen. o. Nachdem die Rechnung zu a) ergeben hatte, daß eine befriedigende Übereinstimmung mit der Schußtafel unter Zugrundelegung des quadratischen Luftwiderstandsgesetzes nicht zu erzielen war, habe ich noch versucht, eine solche mit dem empirischen Widerstandsgesetze für Kruppsche Normalgeschosse herbeizuführen, wie es durch die Tabelle in Cranz7 Ballistik S. 58 gegeben ist. Um die dort gewählte Bezeichnung mit der unsrigen in Einklang zu bringen, wäre zu setzen (/> (v) = c 10 6 K (v) v =■ c b ( v ). Den Koeffizienten c habe ich aus der obenerwähnten Schußtafel bestimmt zu: log c — 5.72025 - — 10* D (v) berechnet sich aus der Cranzschen Tabelle ohne weiteres, die Differential- •quotieuten ^ erhält man in bekannter Weise aus dem Differenzenschema de d v“ der Funktion. Diese Differenzenreihen bedürfen, um einen möglichst stetigen Verlauf der Diffes*entialquotienten zu erhalten, einer sorgfältigen graphischen Ausgleichung. Aber man darf sich natürlich nicht darüber täuschen, daß auch die beste Ausgleichung schließlich nicht mehr geben kann, als die Ausgangs- db d2 b tabelle enthält, daß also, wenn b (v) etwa auf 5 Stellen genau ist, " und , „ höchstens auf 3 bzw. 2 Stellen genau sein können. Das ist eben der natürliche Nachteil aller nur tabellarisch gegebenen Funktionen, der im Charakter des Problems begründet liegt und durch unsere Berechnungsart der Geschoßbahn •unschädlich gemacht wird. Als Anhang habe ich eine Tabelle der Logarithmen von (v)7 d ü d2ö v du für v — 170 bis v ~ 1000 beigefügt. ii 104 6. Um den Gang unserer Geschoßbahnberechnung im allgemeinen und den Einfloß der Verschiedenheit der Widerstandsgesetze zu erläutern, möchte ich hier die Berechnung des Stückes der Bahn a) vom Ende der 16. bis zum Ende der 19. Sekunde für beide Luftwiderstandsgesetze einfügen. Um die Rechen- schemata recht übersichtlich zu gestalten, gebe ich die Zahlen, welche aus dem vorangegangenen Rechenschritt bestimmt für den vorliegenden als gegebene- Ausgangsdaten gelten, bzw. unmittelbar zu berechnen sind, kursiv, die Zwischen- rechnungen für diesen Schritt in gewöhnlichem Druck, die Berechnung der Endergebnisse des Schrittes in fettem, extrapolierte Größen in kleinem Druck*. Die Zahlen sind im allgemeinen die Logarithmen der davorstehenden Größen (additions- und subtraktionslogarithmische Zwischenrechnuugen werden nicht erläutert); Numeri oder ganze Gruppen numerischer Rechnungen werden durch eckige Umklammerung gekennzeichnet. Die Kennzeichnung und Hervorhebung gewisser Zahlen im System der Zwischenrechnungen dient der Übersichtlichkeit; ihr unmittelbarer Zweck ist meist ohne weiteres ersichtlich, im übrigen hängt ihre Verwendung lediglich vom Rechengeschmack ab. Ich begnüge mich hier mit der Angabe des Rechenbeispiels; die Gesamtergebnisse gebe ich später an der Stelle, wo ich weitere Betrachtungen daran knüpfen kann. Hier mag nur noch folgendes bemerkt werden. In der Praxis kann man sich stets mit einer um eine Stelle geringeren Ganauigkeit, wie hier gerechnet, begnügen. Man kommt dann mit 4stelligen Logarithmen aus und kann die zeitlichen Schritte größer wählen. Festzuhalten bleibt allerdings, daß man im Gebiet der großen Geschwindigkeiten und, bei Verwendung eines genauen Widerstandsgesetzes, auch im kritischen Gebiet von 270 — 440 m/sec wegen der Größe aller Differen- tialquotienten immer zu verhältnismäßig kleinen Schritten genötigt ist. Genießt man endlich noch den Vorteil, eine Rechenmaschine benutzen zu können, so braucht man für 1 Schritt kaum mehr als 1I2 Stunde, für eine Bahn wenige Stunden, für eine Schußtafel wenige Tage. Das ist wohl alles, was man von einer strengen Methode verlangen kann. 12 105 1. Quadratisches Widerstandsgesetz. *16 [5/30.0/] yie [/420.S5] *'l6 [226.27] /l6 C- 9.72 ] *’lG [226.-77] «>*,. 4.70981 k 5.34199 y ■ 3.15254 ky 8.49453 1,50547 1.49169 1 — ky 9.98622 (l-ky)Y 9.93537 (1 — ky)Y-J 9.94915 (l—ky)?-- - 9.96293 x" 3 6 [— 7.062] y",« [— 9.507] [— 6.647] x" 1 6 [+ 0.420] y'/r J 16 [+ 0.288] i' V 16 [+ 0.832] X(IV) 16 [— 0.058] yav) 7 16 [- 0-024] xOO [4- 0.006] y(V) [+ 0 004] XlVl) [— 0.001] y (XI) [— 0.001] c 6.20413 v 2.35490 8.55903 9.93537 & — x' -y' — v x" 8.49440 2.35451 n 098767 2.35490 n 0.84891 n f r-w — y (.V2 9.48207 — g 0.99167 n 1.50960 1.49596 y" 0.97803 n _ y) 8.63277 _ gy' V 9.62444 0.84930 n 1 .22486 1.19818 r 0.82262 n 9>' 7.02675 n — j ky 6.01316 n (1-kyF- 1 9.94915 dp dy y' 5.96231 n 0.98767 n o 6.94998 n V Q 6.96212 n 5.50901 1.45311 1.43754 v> 6.94655 n ■ 6.98880 n 9.95775 0.28042 g3 7.26922 n — x' 2.35451 n — y' 0.98767 — v 2.35490 n x'" 9.62373 i i '< JQ '< 8.25689 n 9.48607 1.22918 1.20278 9.45967 g-r foy' r 9 0.97803 V “ — g V 8.25721 n 2.72082 9.99917 0.97720 g 8.63677 V 5s 9.61397 9.62412 v' 9.98985 0.29599 9.92011 tr (f 6.12424 k3x (y — 1 ) 1.92218 (l-ky)5'“2 9 96293 1.88511 d y y'2 1 .97534 | d Q 3.86045 [ 5.96231 a y g+y' 0’2 0.97803 6.94034 6.92011 36 Q 6.94070 i:-i 6.41162 & x' Y X(IV) 2.35451 n 0.98767 8.76613 n - f & | 7.39929| 2 V ' 7.24758 n — $22 6.98880 n 9.74122 0. 1 9064 7.43822 n g 0.99167 g(2p— 3%2)|8.42989 n| 1 .03060 0 98811 y(IV) 8.38740 n ff t! . Q (f Q (f 6.94070 9.93537 8.55903 6.12424 5.49973 6.05961 2 e’ 16 [+ 0.141] tr 16 [+ 0.505] . x 16 [— 0.025] vdV) > 16 [— 0.007] X(V) x16 [+ 0.009] (V) \r\ ' > 16 [+ 0.004] c 5.72025 a. Ö” 2.51313 q 8.23338 Q 9.93865 Cr 8.17203 — x' 2.41 109 n -Y 0.98046 v 2.41 139 n x" 0.58312 n - Y Ts, 9.15249 ~ § 0.99167 n 1.83918 1.83285 y" 0.98534 Y V 8.56907 n _ gyj 9.56074 o ~~ V (3 2 0.58342 n 1 .02268 0.97937 V 0.5401 1 n dh* 0.31534 di» d(f: 6.03559 di' / 6.57570 n — ky 6.01316 n (l-ky)r- ; 9.95173 d o 5.96489 n dy Y 0.98046 n Q 6.94535 g?V2 y'" 7.70685 n 9.16370 1 .45685 1.44141 9.14826 g+foy' 0.98534 /\rf \ 2 8.12981 n 2.85553 0.99939 0.98473 CT & V 8.58028 9.56501 er ~~ V tiz 9.13778 9.57277 0.13796 ff V 9.70297 d q 6.03559 dv ! 5.73856 | d2tr 8.53329 d 2q 4.25354 Qv~ F V “ 1 .08022 5:33376 9.59520 .14418 q,; 5.88274 kT(r-i) 1.92218 (1 kyf 2 9.96481 d*^ 1 .88699 dy = Yi 1.96092 3.84791 dy 5.96489 dy g+&y' 0.98534 x(i6} [— 0 002] y(,v? [- o.ooi5] :) Die Zahlen sind der im Anhang gegebenen Tabelle entnommen. 15 108 e" | 6.95023 | 6.89768 34 6.95057 rt ff Q ’p Q y a cos #0 so ist eben a2 der Quotient dieser geometrischen Reihe, oder es ist 3a) cos #> + 1 ö2 cos 3 b) lg COS # „ +1 lg 2 + lg COS # y. Wie man sieht, wird cos #n — 1, wie es sein muß, da # im Scheitel = 0. Um die Gleichung 1) quadrierbar zu machen, verfährt Schwarzschild so, wie es auch in den meisten anderen neueren Methoden üblich ist, nur daß die betreffenden analytischen Vereinfachungen für jedes Bahnstück gesondert, nicht einheitlich für die ganze Bahn getroffen werden. Diese Vereinfachungen der strengen Gleichung 1) sind: a) Man ersetzt das variable c durch einen für das Bahnstück konstanten Mittelwert, b) man ersetzt in der Widerstands- cos # wo (cos #) ein passend gewählter Mittelwert von funktion v durch v cos # hat also den Mittelwert 1, c) man setzt (cos #)’ cos # für das Bahnstück ist; / (cos #) auch für das letzte cos # im Nenner der rechten Seite der Hauptgleichung einen Mittelwert ((cos #)). Schwarzschild wählt für c den in der mittleren Höhe des Bahnstückes, die einfach als arithmetisches Mittel aus Anfangs- und Endhöhe gegeben ist, geltenden Wert c v und wählt die Mittelwerte (cos #) und ((cos #)) beide gleich dem geometrischen Mittel aus Anfangs- und Endwert für das Bahnstück. Infolge der eleganten Einteilung der Bahn ist dann für jedes Bahnstück = <7 cos # 4) (cos = ((cos d))„ Die Hauptgleichung nimmt nunmehr die Gestalt an : , v cos # '2*f„J7W=-JM so wird aus 6) 8) tg 9„_1 — tg »„■ — ' ■1 , (j (iiy) — J (u'„ — A : eine in der Ballistik wohlbekannte Gleichung. Da f(u) als gegeben anzusehen ist; so läßt sich J(u), sei es in geschlossener Form, sei es durch irgend ein Verfahren ^numerischer oder graphischer Quadratur, berechnen und tabulieren1). Nimmt man an, daß die in Wahrheit nur genäherte Lösung 8) der Differen- tialgleichung streng sei, so ist die strenge Bestimmung der Größen Ax=f=;x„ — A7—y,-y,_i A t — t y t ^ — x ebenfalls auf Quadraturen zurückgeführt2). Diese ßehandluugsweise ist einiger- maßen mühsam. Schwarzschild zieht es daher vor, auch diese zweiten Inte- grationen nur genähert, dafür aber rechnerisch umso einfacher durchzuführen. Das ist ja auch nur folgerichtig, vorausgesetzt, daß dabei das durch 5) be- stimmte Maß der Annäherung nicht unterschritten wird. Bestimmen wir zu- nächst Ax. Das geschieht mit Hilfe der Differentialgleichung3): 2 j U2 Q'2 ' 9) dx = d# ~= dtf. g g COS" Ü Ersetzt man u und cos 0 durch die konstanten geometrischen Mittel aus Anfangs- und Endwert, so ergibt sich: 10) dx = — u' u„ d # oder integriert er 1 & ^ ^ AX U y J Uy ( 0'// V — i) ^ V 1 ^ V, ö wo die Bedeutung von By ohne weiteres ersichtlich ist. Die Bestimmung von* At erfolgt folgendermaßen: Bezeichnet man 3) Näheres vergl. Cranz, Ballistik, 8. 144 u. ff. 2) Siehe ebendort. 3) Cranz, Ballistik, S. 100. 19 0 112 ■so ist identisch 12) v cos # (io, dx 13) dt 0) oder 14) dt = dx (JO Nun ist 15) co— uq,,. Ersetzt man wiederum u durch sein wie üblich gebildetes geometrisches Mittel, d x so ergibt 14) 16) dt 17) m Qr |V,._ A x -i *V also integriert: tv Zur Berechnung von Ay dient die Gleichung1): 18) dy v‘ £>' ts: & . Ersetzt man wie oben v2 durch u'J/_1 u,, so ergibt sich mit dem bekannten Integral /tg # d # 19) Ay = o* ö ln cos i cos# v—1 ö ln 2.54278 — ln 0 7.22979 g Ay 2.27389 Ay [187 88] U'3 U4 5.04410 ■ß4 7.76272 Ax 2.80682 Ax [640.94] 1 0.01808 Qv 1 V»', “4 7.47795 At 0.30285 At [2.0084] u'4 2.49409 x4 [3034.92] m y* [1158.58] t4 [7!9479] Hier sind die kursiven Zahlen dem vorhergehenden Schritte entnommen, die kleinen bilden die Näherungsrechnung für /\y mit einem geschätzten Wert 23 8* 116 von S. Die Zahlen in gewöhnlichem Druck geben dann die eigentliche Schritt- rechnung; die fetten endlich das Endergebnis, die Endkoordinaten des .Bahn- stückes und die Flugzeit. Daß die Rechnung nach Schwarzschild die strenge an Kürze bedeutend übertrifft, ist ohne weiteres ersichtlich. Schlüsse über die Genauigkeit lassen sich aus dem Beispiel natürlich nicht ziehen. Alles, was damit zusammen- hängt, wird erst im Anschluß an die Zusammenstellung aller Rechenergebnisse im letzten Abschnitt dieses Aufsatzes besprochen werden können. VI. l. Ich will nun noch auf eine Näherungslösung des ballistischen Problems eingehen, die sehr alt ist und darum vielfach als trivial angesehen wird, der man aber doch noch einen neuen Gesichtspunkt und damit wenigstens eine bedingte Brauchbarkeit abgewinnen kann. Wir beschränken uns dabei auf ein einheitliches quadratisches Widerstandsgesetz, ohne damit über die Möglichkeit oder Zweckmäßigkeit der Anwendung auf andere Gesetze (z. B. allgemeines Potenzgesetz oder stückweise quadratisches Gesetz) ein Urteil vorwegzunehmen. Wir gehen dabei aus von den für das quadratische Wider- standsgesetz spezialisierten Differentialgleichungen 1) des Abschnitts IV. Diese lauten in dem Falle: i) jf = — c • e (y) • t> y // g — c • q (y) • v • Y V x' sec so nehmen diese die Form an: J2. Da nun 2) x" = — c • q (y) • sec # • x'2; y" = — g — c • q (y) • sec # • x' y'. Um das Folgende nicht auf den ersten Blick als gar zu willkürlich er- scheinen zu lassen, nehmen wir vorerst einmal an, es handle sich um eine ganz flache Bahn. Dann erscheint es unbedenklich, sowohl q (y) als scc# = 1 zu setzen; damit gehen die 2) über in 3) x" = — cx'2; y" = — g— cx'y'. Die erste dieser Differentialgleichungen gibt einmal integriert: 4) X 1 -F cx0' t 7 und die zweite Integration ergibt mit x0 = o: 5) x = A ln (1 + cx0't). c # Geht man mit 4) in die zweite Gleichung 3) ein, so entsteht daraus cx/ 6) y" 4- 1 + cx' t V «/ r> Diese lineare Differentialgleichung 2. Ordnung mit rechtem Glied wird nach der üblichen Methode integriert und man erhält: 7) v' -Yp t 4_ c x.° . 1 F cx0't lf cx0't \ 2 / Diese Gleichung kann man nochmals in geschlossener Form integrieren: 8) y = t fe + äA*) in (i + c ^ *•' t) - Ä* ( 1 + 24 V / 117 Wir dividieren nun noch 7) durch 4) und ersetzen t durch x nach 5) : 9) dy tg & (dx)"+ 2 c"x/2 (* “ ”<>J ) d X NUA/ ^ Vj A() Dieses integriert gibt endlich y als Funktion von x 10) y Hier ist bezeichnet: (,s f ' 2 “) ) 11) f(z) e 1 1. Das sind in der Ballistik allgemein bekannte Formeln. Ihre Brauchbar- keit ist zunächst auf das quadratische Widerstandsgesetz beschränkt, außerdem scheinen sie nur für ganz flache Bahnen eine nützliche Annäherung darzustellen. Indes muß schon hier hervorgehoben werden, daß, sofern es nur auf die Schuß- weite ankommt, sie auch für nicht ganz flache Bahnen noch leidliche Resultate ergeben, und zwar deshalb, weil der Mittelwert von sec & >* 1, der von q (y) (v), dtt(V) d2b(ti) , , , o für das empirische Wider- dv dt;2 ^ Standsgesetz für Kruppsche Normalgeschosse von = 1 70 bis v = 1000. (Siehe S. 103.) V log ö(v) io**;« d v , d2 » 0) l0g d„* V log Ö (v) i dt) 0) 108 d„ , d2 t>(v) log A 2 dir 170 2.30636 0 07961 6.5 322 2.82571 1.12608 9.60849 180 2.33155 0.08149 6.8 324 2.84339 1.15145 9 58573 190 2.35539 0.08554 7.20 326 2.86133 1.17443 9.55235 200 2.37840 0.09378 7.513 328 2.87911 1.19563 9.49895 330 2.89709 1.21527 9.42570 210- 2.40068 0.10860 7.736 220 2:42269 0.13117 7.936 332 2.91524 1.22581 9.29217 230 2.44523 0.16447 8.11295 334 2.93301 1.23456 8.94151 240 2.46835 0.20850 8.27002 336 2.95024 1.23890 8.54727 n 250 2.49241 0.26316 8.41027 338 2.96651 1.23814 9.04484 n 260 2.51877 0.32955 8.55678 340 2.98204 1.23071 9 27541 n 265 2.53317 0.36874 8.63245 342 2.99673 1.21973 9.36271 n 270 2.54830 0.41037 8.72065 344 3.01063 1.20652 9.41533 n 346 3.02352 1.19160 9.44718 n 272 2.55481 0.42797 8.74795 348 3.03504 1.17485 9.47121 n 274 2.56127 0.44636 8.78027 350 3.04568 1.15664 9.48386 n 276 2.56801 0.46519 8.80724 278 2.57502 0.48438 8.84016 352 3.05588 1.13770 9.48980 n 280 2.58166 0.50398 887471 354 3.06567 1.11758 9.48663 n 356 3.07481 1.09655 9.47603 n 282 2.58887 0.52468 ' 8.90292 358 3.08331 1.07505 9.45550 n 284 2.59633 0.54584 8.93716 360 3.09121 1.05363 9.432l0ii 286 2.60405 0.56738 8.97217 288 2.61198 0.58953 9.00894 362 3.09879 1.03191 9.40360 n 290 2 62046 0.61291 9.04933 364 3.10591 1.01024 9.37160 n 366 3.11261 ' 0.98845 9.34342 n 292 2.62914 0.63720 9.09635 368 3.11900 0.96767 9.30917 n 294 2.63802 0.66278 9.15161 370 3.12511 0.94648 9.26848 n 296 2.64738 0.69055 9.21535 298 2.65720 0.72057 9 27289 372 3.13081 0.92688 9.22891 n 300 2.66773 0.75289 9.33526 374 3.13623 0.90700 9.19158 n 376 3.14127 0.88995 9.15301 n 302 2.67867 0.78712 938939 378 3.14604 0.87342 9.10801 n 304 2.69050 0.82244 9.43850 380 3.15056 0.85854 9.06355 n 306 2.70268 0.85855 9.48180 308 2.71567 0.89504 9.52076 382 3.15470 0.84321 9.02092 n 310 2.72941 0.93149 9.55083 384 3.15882 0.83122 8.95824 n 386 3.16259 0.81804 8.91960 n 312 2.74433 0.96737 9.57839 388 3.16632 0.80628 8.86793 n 314 2.75986 1.00241 9.59896 390 3.16993 0.79473 8.81868 n 316 2.77569 1.03605 9.61423 318 2.79171 1.06729 9.62142 392 3.17364 0.78454 8.76415 n 320 2.80835 1.09824 9,60849 394 3.17677 0.77499 8.71398 n 396 3.18022 0.76609 8.66717 h 398 3.18376 0.75738 8.61432 n 400 3.18673 0.74531 8.56206 n 32 125 V log ö(v) logd»(0 & dv d20(f) l0g dt,2 V log ö(r) ! dö(v) i°g , dv , d2b(t>) log dt,2 410 3.20195 0.72457 8.39880 n 710 3.41117 0.39317 7.28 420 3 21609 0 70652 8.28295 n 720 3.41532 0.39622 7.23 430 3.22930 0.69642 8.22324 n 730 3.41941 0.39845 7.18 440 3.24169 0.68337 8.20132 n 740 3.42348 0.40096 7.14 450 3.25320 0.67219 8.17026 n 750 3.42748 0.40363 7.08 460 3.26395 0.65963 8.13355 n 760 3.43141 0.40522 7.00 470 3.27383 0.64588 8.10551 n 770 3.42549 0.40728 6.9 480 3.28330 0.63079 8.05461 n 780 3.43950 0.40821 6.8 490 3.29226 0.61413 8.01368 n 790 3.44343 0.40905 6.7 500 3.30081 0.59582 7.988 n 800 3.44741 0.40975 6.6 510 3.30876 0.57946 7.952 n 810 3.45108 0.41041 6.5 520 3.31610 0.55847 7.964 n 820 3.45539 0.41128 6.4 530 3.32307 0.53722 7.978 n 830 3.45928 0.41208 6.2 540 3.32965 0.51601 8.00259 n 840 3.46310 0.41270 6.1 550 3.33597 0.49742 8.00216 n 850 3.46699 0.41320 6.0 560 3.34203 0.48290 8.01870 n 860 3.47081 0.41345 60 570 3.34771 0.46720 8.03462n 870 3.47456 0.41356 6.0 580 3.35338 0.44979 8.05076 n 880 3.47825 0.41363 6.0 590 3.35867 0.43181 8.06558 n 890 3.48202 0.41370 6.1 600 3.36384 0.41264 8.03422 n 900 3.48572 0.41389 6.2 610 3.36853 0.39478 7.968 n 910 3.48937 0.41427 6.2 620 3.37297 0.37788 7.809 n 920 3.49296 0.41485 6.4 630 3.37729 0.36828 7.433 ii 930 3.49663 0.41553 6.5 640 3.38148 0.36806 6.8 940 3.50012 0.41634 6.6 650 3.38578 0.37087 7.20 950 3.50367 1 0.41723 6.7 660 3.38997 0.37402 7.26 960 3.50719 0.41800 6.7 670 3.39427 0.37781 7.324 970 3.51065 0.41890 6.8 680 3.39848 0.38314 7.360 980 3.51420 0.41975 6.8 690 3.40281 0 38665 7.340 990 3.51756 0.42060 6.9 700 3.40704 0.39042 7.30 1000 3.52114 0.42155 6.9 33 126 Johannes Kepler. Vortrag, gehalten in der Sitzung der Naturforschenden Gesellschaft am 2. April 1919. Von J. Sommer. Unter den großen Gelehrten der Vergangenheit gibt es wenige, deren Leben und Wirken unser Interesse so in Anspruch nehmen können, wie das von % Johannes Kepler. In einer aufgeregten unruhigen Zeit durchlebte er ein Leben voller Bewegung und Kämpfe, die ihn nicht abhielten von angestrengtester geistiger Arbeit, gekrönt mit Entdeckungen, welche zu den merkwürdigsten und folgereichsten gehören, die im Gebiet der Naturwissenschaft jemals gemacht worden sind1). Da es unmöglich wäre, hier eine Lebensbeschreibung zu geben, die Kepler auf allen seinen Leidenswegen und Irrfahrten folgt, so will ich vielmehr nur das hier Vorbringen, was zum Verständnis des Kepler sehen Lebenswerkes nötig erscheint. TJnd wirklich muß man einen Blick in seine Zeit werfen, um dem Menschen und dem Gelehrten einigermaßen gerecht werden zu können. Kepler stand auf der Scheide zweier Zeiten. Im J ahre 1571 am Weih- nachtstage geboren und in der Zeit von 1594 — 1630 wissenschaftlich tätig, lebte er noch in den Traditionen des Humanismus der alten Zeit und stand doch in der ersten Reihe im Kampf um die Erfahrungswissenschaften. — Die Reformation war ein Schritt zur Befreiung der Persönlichkeit und hatte das Ansehen der scholastischen Philosophie unterwühlt, aber nicht gebrochen. Das Luthertum wurde bald selbst wieder zur Scholastik und setzte die Bibel überall als höchste Autorität ein. Für Luther und wohl für das ganze 16. Jahrhundert bis Kepler waren die Worte der Bibel Richtschnur und Anlaß des Denkens, es galt ihren Sinn richtig zu deuten, indem man die menschliche Vernunft der göttlichen unterstellte. Auf gelehrtem Gebiet herrschte ein fast ebenso großer- Autoritätsglaube gegenüber den griechischen und römischen Philosophen und • 0 Das Studium von Keplers Werken ist erleichtert durch die siebenbändige Gesamt- ausgabe seiner Werke mit Kommentaren des Herausgebers: Johannis Kepleri opera omnia ed. Ch. Frisch. Frankfurt u. Erlangen 1858 — 1871. Einige der Kepler sehen Abhandlungen aus der Mathematik und seine Dioptrik sind übersetzt in Ostwalds Klassikern. Auszüge aus Keplers Werken in deutscher Übersetzung, die ich meist benutzte, findet man in: Johannes Kepler, Die Zusammenklänge der Welten. Herausg. und übers, von 0. J. Bryk. Jena 1918. l 127 Mathematikern, ohne daß man die Höhe der griechischen Philosophie oder ihre mathematische Strenge erreicht hätte. Ein wesentlicher Mangel un- entwickelter, naiver wissenschaftlicher Methoden besteht darin, daß man die verschiedenartigen Gebiete nicht genügend auseinanderhält, daß man aus scheinbaren Analogien Schlüsse zieht und Ideengänge, welche sich auf geisteswissenschaftlichem Gebiet bewährt haben, auf das naturwissenschaft- liche Gebiet überträgt. Das muß jeder bedenken, der heutzutage die Werke Keplers liest — außer Astronomen, Physikern und Mathematikern wird es wohl kaum jemand wagen — und der ist erstaunt, oder sogar abgeschreckt durch die Vermischung der Stile, die Abschweifungen auf religiöse und okkultistische Fragen, die nach unserem heutigen Gefühl auch gar nichts mit der Astronomie zu tun haben. Aber das war seinerzeit gewiß nicht so auffallend wie heute. Hat doch sogar Newton außer seinen naturwissenschaftlichen Werken uns auch noch Schriften über die Apokalypse hinterlassen,, und leider war es immer so: während man in Frankreich die naturwissenschaftlichen Werke der großen englischen Forscher las und übersetzte, bearbeitete man bei uns die theologischen Traktate. Es mag zumeist von dem chronischen Mangel an Mitteln bei unseren Altvordern hergerührt haben: jedenfalls war das Interesse an den exakten Wissenschaften bei uns auf auserwählte Kreise beschränkt. Kepler beklagt sich verschiedentliche Male, daß Werke rein astronomischen Inhaltes nicht gekauft, also schwer verlegt werden können. So erklären die Zeit und der bittere Kampf ums tägliche Brot vielleicht manche Absonderlichkeit der Keplerschen Druckwerke, und sie zwangen ihn zur Ausübung der Astrologie gewiß mehr als ihm lieb war. Während Kepler sich entschieden auf den Boden der induktiven Wissenschaften stellte, ist er durch die Umstände zugleich in seinen Neigungen zur Mystik und Idealisierung bestärkt und zu mancher Inkonsequenz des Denkens verleitet worden, welche heute auch viel kleineren Geistern kaum begegnen würde. Wir vermissen an Kepler die strenge,, auf ein Ziel gerichtete Begabung, die wir an Gauß, Besse 1, Helmholtz etwa bewundern, welche das Leben dieser Männer zu einer Kette fortlaufender, weittragender Erfolge auf der ein- mal beschrittenen Bahn gemacht hat; er war vielmehr eine komplexe und viel- seitige Natur, in welcher gemütliche Affekte und ein starkes Gefühl den reinen Verstandeskräften die Wage hielten und an der äußersten Verfolgung der Abstraktion häufig hinderten. Solche Naturen sind menschlich die interessan- teren, und man möchte gerne ihren verschlungenen Wegen folgen, um das Rätsel der Psyche zu entziffern, aber wir müssen uns damit begnügen, aus äußeren Umständen, wie Geburt, Erziehung und Landschaft, die Entwickelung eines geistigen Lebens mehr zu konstatieren als zu erklären. In dieser Absicht lassen Sie mich einige Daten aus Keplers J ugendleben vorausschicken. Kepler ist in Weilderstadt in Württemberg, dem damals zweitkleinsten Freistädtchen Deutschlands, geboren und in Leonberg aufgewachsen. Der Urgroßvater, aus adligem Geschlecht stammend, war von Nürnberg in Weilder- 2 128 stadt eingewandert, und der Großvater hatte es zum Bürgermeister der Freistadt gebracht. Der Vater Keplers selbst war offenbar ein unruhiger Geist gewesen, den es immer wieder hinauszog in Kampf und Streit der Welt. Er war zuerst in Belgien unter den' Fahnen Albas gegen Holland im Felde, führte nach seiner Rückkehr zeitweilig eine Gastwirtschaft, ging dann wieder nach Spanien, wo er als Hauptmann gegen Portugal kämpfte und starb noch jung in Augsburg auf der Rückreise von Spanien. Aber nicht nur der Vater, auch die Mutter scheint die bürgerliche Existenz nicht als die Höhe des Lebens angesehen zu haben. ,,Ich kenne eine Frau“ — sagt Kepler einmal in seinem W erk Harmoniees mundi — , ,,die fast unter der gleichen Gestirnung (wie ich) geboren ist. Sie ist von äußerst unruhigem Geiste, hat in den Wissenschaften nichts geleistet (was übrigens bei einer Frau nicht merkwürdig ist), bringt jedoch die ganze Stadtverwaltung in Verwirrung und ^verursacht sich selbst das kläglichste Elend . . .” Den zweijährigen Knaben überließ die Mutter der Obhut der Großeltern und zog zu ihrem Manne nach Belgien, einem wüsten Lagerleben nach. Da das väterliche Vermögen gering war, war der Knabe bei seinen wissenschaftlichen Bemühun- gen auf die Freigebigkeit der Obrigkeit angewiesen, und hier kamen ihm die Einrichtungen der Klosterschulen und Seminare zustatten, welche in Württem- berg längst, seit der Reformationszeit bis auf die heutigen Tage, unendlichen Nutzen gestiftet und manchem Talent den heute vielbeschrienen Aufstieg ermög- licht haben. Er kam von der Klosterschule zunächst auf das niedere theologische Seminar in Maulbronn und danach als Student in das theologische Stift nach Tübingen. Der Studenten witz erzählt, daß Chidher, der ewig Junge, alle 500 Jahre nach Tübingen kommt uncL im Stift, wenn er wieder alles beim alten findet, den Ausruf tut: „Hier sind tausend Jahre wie ein Tag. Woher das nur auch kommen mag?“ Also wer das Stift vor 30 Jahren gesehen hat, der kann sich gut vorstellen, wie es vor 300 Jahren da zugegangen sein mag. Das Stift ist eine konservative Einrichtung, aber es hat doch jederzeit dem Fortschritt gedient und eine große Reihe führender Männer, und zwar nicht allein Theo- logen, herangebildet. Hier empfing Kepler alle Segnungen einer sorgfältigen, wenn auch eng- herzigen, theologischen Ausbildung, und man schaudert fast bei dem Gedanken, daß es ihm hätte beschießen sein können, sein Leben auf einer bescheidenen Dorfpfarre zu beschließen, wie das so mancher hervorragend begabte Stiftler aus einfachen Kreisen es mußte. Mir drängt sich hier vor allem die ‘Parallele auf mit dem tiefsinnigen* M. H a h n, dem Gründer einer dauernden pietistischen Sekte, welcher durch seine Rechenmaschine, seine künstlichen Uhren, Wasser- künste und andere Triebwerke den Nachweis einer ganz genialen, exakten Begabung geführt hat. Diese Gefahr war um so mehr vorhanden, als Kepler erst spät seinen inneren Beruf zur Astronomie entdeckte. Aber man kann wirk- lich sagen, sein freier Geist sprengte selbst die Fesseln, die ihm gelegt waren. Die Tübinger Hochschule war eine Hochburg der Lutherischen Orthodoxie geworden, und im Bereich der Professoren erstreckte sich der Glaubenszwang . 129 sogar bis auf den Mathematiker, da kurz vor Keplers Aufzug zur Universität der freier gerichtete Vertreter durch den strenggläubigen Mästlin ersetzt worden war. Dieser hat dann aber trotz allem einen ausgezeichneten Einfluß auf Kepler ausgeübt. Selbst Astronom und Kopernikaner, bestimmte er seinen Schüler zu einer wissenschaftlichen Laufbahn. In dem unduldsamen Macht- bereich des orthodoxen Tübingen gab es nämlich für Kepler kein Fortkommen, da er zwar stets ausgesprochen evangelisch gesinnt, jedoch tolerant gegen Anders- denkende war, wie er später ja auch ohne Bedenken unter katholischen Kaisern gedient und seine Dioptrik dem Fürsten Ernst, Erzbischof von Köln, gewidmet hat. Die Tübinger Lehrer, die ihn hochschätzten und wohl erkannten, daß er im Lande nie eine Stellung als Pfarrer finden würde, empfahlen darum den 23 jährigen Magister als Landschaftsmathematikus des Kronlandes Steiermark und Professor der Mathematik und Moral an das ständisch protestantische Gym- nasium in Graz. Ein späterer Versuch, in Württemberg eine Stelle zu bekommen, war ohne Erfolg. Kepler verließ daher 1594 die Heimat dauernd. Mit dem Wanderblut seiner Abstammung und erfüllt von den unverlöschlichen Ein- drücken jugendlicher Entwickelung in einem von Natur gesegneten heiteren Lande, war er ausgestattet und begabt mit einem später oft sieghaft durch- brechenden Humor. Er besaß eine nach dem damaligen Stande leidliche mathe- matische Vorbildung und nahm vor allem ein kompaktes System religiöser An- schauungen ins Leben hinaus, das ein Mensch eben nur ganz und gar ablegen kann oder als Grundstock seiner Empfindungen und Gefühle bis an sein Ende mit sich herumtragen wird, wenn er wie Kepler eine religiöse Natur ist. In Graz sollte Kepler nun vor allem Mathematik unterrichten, er kriegte dazu noch Rhetorik und Virgil zugelegt, da er nicht in allen Klassen Tätigkeit fand, weil ,,Mathematicum Studiren* nicht Jedermanns Thun ist“, wie die Inspektoren berichteten. Ferner war eine seiner Hauptaufgaben die Herstellung und Herausgabe des Kalenders, worunter insbesondere zu verstehen ist die Voraus- sage der kommenden Ereignisse aus den Sternkonstellationen. Kepler hat fünf Kalender für 1595 — 99 herausgegeben und das Glück gehabt, daß seine Prophezeiungen von einem strengen Winter, einer bevorstehenden Türkengefahr und einem Bauernaufstand in Österreich wirklich eingetröffen sind. Es waren das zwar Prophezeiungen, die mit einigem gesunden Menschenverstand jeder machen konnte, und auch Kepler wird hieraus geschöpft haben, aber sie ver- schafften ihrem Urheber ein gewaltiges Ansehen, und da man auch sonst mit ihm zufrieden war, so gestaltete man ihm seine Lage auch materiell äußerst günstig. Heute können wir uns gar nicht mehr vorstellen, daß die Astrologie mit einer streng induktiven Astronomie im selben Geist zusammenwohnen kann, daß der Entdecker der wahren Bewegungsgesetze der Planeten zugleich mit innerer Überzeugung von einer höheren Wahrheit und nicht etwa nur aus Not Horoskope gestellt hat. Ich selbst habe mir immer vorgestellt, daß Kepler zum Geld- erwerb ohne inneren Anteil der Zeitmode gefolgt ist. Und doch belehrt uns das Studium seiner W erke eines anderen. Er hat sich an verschiedenen Stellen dcr- Schr. d. N. G. zu Danzig. Bd. XV, Heft 1 u. 2. 4 9 130 selben unzweideutig über die Astrologie ausgesprochen und die Gegner der- selben bekämpft, wenn er auch über den krassesten Aberglauben seiner Zeit erhaben war. Ihm war die Dualität von Leib und Seele feststehend, und die göttliche Seele schrieb er auch den Sternen zu, die ihm in ihrem Dasein und ihren Bewegungen den Ausdruck göttlicher Gedanken verkörperten. In den Mittelpunkt jedes Planeten — und insbesondere der Erde — setzte Kepler seine Seele. Er läßt die weitere Möglichkeit einer Weltseele offen, die dann im Mittelpunkt der Welt, das ist die Sonne, ruhen würde, aber er spricht von den verschiedenartigen Charakteren der beseelten Planeten als von Realitäten. Die Seelen der Planeten senden ihre Kräfte strahlenförmig in den Lichtstrahlen aus, und die Wirkungen auf die anderen Planetenseelen und auf die Seelen der Men- schen, speziell bei deren Geburt, werden verstärkt oder geschwächt, je nach den Stellungen der Planeten, wenn sie von der Erde aus unter bestimmten Winkeln von 60°, 90° usw. erscheinen. Den Zusammenhang des Eintretens ungewöhn- licher Ereignisse, wie Regengüsse, Dürre, allgemeines Elend, Erdbeben, mit Neuerscheinungen am Himmel hält Kepler durch die Erfahrung bestätigt. Einige Stellen aus Keplers Schriften werden seine Anschauungen und Ver- irrungen deutlich machen. So schreibt er: „Da die Erdseele den Urgedanken des Tierkreises, oder richtiger seines Mittelpunktes in sich birgt, so fühlt sie, was für ein Wandelstern zu bestimmter Zeit unter einem bestimmten Bogen des Tier- kreises dahinwandelt und mißt dann den Winkel der Strahlen, der sich an der Erde ergibt.“ Und: „Ich habe gesehen, daß die Ruhe des Luftkreises mit großer Regelmäßigkeit gestört wurde, so oft die Wandelsterne zu den von den Stern- deutern so gerühmten Hauptgestirnungen zusammentreten. Diese Bewegungs- stöße sind keine rein mechanischen Vorgänge, sondern gehören notwendiger- weise dem geistigen Wirken der Seele selbst zu.“ J edoch ist Kepler nicht der Ansicht, daß das Horoskop allein z. B. zur Bestimmung der Schicksale und des Charakters eines Menschen genüge. Seinem eigenen Horoskop fügt er in bezug hierauf folgende Worte bei: „Vergebens wird der Sterndeuter aus der Gestirn- vereinigung meiner Geburtszeit die Ursachen meiner naturwissenschaftlichen Entdeckungen suchen . . . Nur einen Nutzen ganz allein kann man der Stern- vereinigung meiner Geburtszeit zuerkennen: sie hat die schwach leuchtende Kerze meines Geistes und meiner Urteilskraft stets sauber geschneuzt und meine Seele zu unermüdeter Arbeit und Wißbegierde angespornt. Kurz: sie hat weder die Seele noch eines ihrer hier geschilderten Grundvermögen keimen lassen, sie hat sie nur in steter Erregung gehalten. Aus diesem Beispiel kann jedermann leicht erkennen, daß es der Sterndeutung fast ganz unmöglich ist, über die so häufig vorgelegten Schicksalsfragen auf Grund eines einzigen Gestirnplanes getreue Auskunft zu geben. Ich meine die Auskünfte über „ Eltern, Geschlecht, seelische Artung, Kinder, Anzahl der Gattinnen, Be- kenntnis, Obrigkeiten, Freunde, Feinde, Erbschaften, Sippen, Aufenthaltsorte und unzähliges dergleichen.“ — Das waren die Dinge, die der Vorwitz zu wissen begehrte. 131 Kepler sah stets die Wirklichkeit an nnd verleugnete nie seinen gesunden Verstand, wenn er Horoskope stellte, wie aus dem berühmten Horoskop von Wallenstein bekannt ist, aber solche Heden klingen uns ganz fremd, und wie Irrereden mutet es uns an, wenn an anderer Stelle der Vergleich der Erde mit einem Tier bis ins einzelne verfolgt wird und Ebbe und Flut als Atmung des Erdleibes angesprochen werden. Um nicht ungerecht gegen Kepler zu sein, muß man sich erinnern, daß die von den Arabern nach dem Westen eingeführte Sterndeutung seit tausend Jahren einen unbestrittenen Platz im System menschlichen Wissens einnahm. In alter Zeit nahm man an, „Gott throne über dem achten Himmel, dem Fixsternhimmel, und versetze diesen und damit die sieben anderen Sphären in Schwingungen. Von hier sollte sich die Bewegung weiter fortpflanzen hin- unter nach der Erde in der Mitte der Welt, nach der Welt der vier Elemente und hier alle die Bewegungen erregen, welche vom Wechsel der Jahreszeiten, von Ebbe und Flut an bis zu dem Steigen und Fallen der Lebenssäfte in Menschen, Tieren und Pflanzen das bedingten, was man Leben nennt.“ Auch haben wir in der siebentägigen Woche das sichtbare Zeichen für den Siegeszug der Sterndeutung vor uns, denn überall wo eine andere Woche, z. B. die zehn- tägige, üblich war, ist diese durch die chaldäische Planetenwoche verdrängt worden, in der jeder Tag einem der damals bekannten Planeten geweiht ist. In dem großen Chor astronomischer und theologischer Stimmen, welcher im 15. und 16. Jahrhundert fast aus ganz Europa sich vernehmen ließ, erhob sich kaum eine Stimme gegen die Astrologie. Der Ungläubige war der Italiener Pico de Mirandula. Die Sterndeuter prophezeiten ihm einen frühen Tod, und er war so unvorsichtig, seine Sache in Mißkredit zu bringen, indem er trotz seines Unglaubens die Prophezeiung im Alter von 32 Jahren wahr machte. Insbesondere glaubte man die Autorität der Bibel für die Berechtigung der Sterndeutung in Anspruch nehmen zu können, und ein Schriftkenner wie Mel anchthon hielt Vorlesungen über sie. Sogar ein so glänzender Beob- achter wie Tycho de Brahe war von der Berechtigung der Astrologie fest überzeugt. Er stellte viele Horoskope und betrachtete seine Tätigkeit als einen Dienst an der Astrologie. Wir sehen das Wesen des Genies in einer unbefangenen Auffassung jeglichen Vorganges, und wir fordern von ihm, daß es ohne überkommenes Urteil oder gar Vorurteil den Erscheinungen gegenübertritt. Aber schließlich nimmt jeder Mensch Anschauungen und geistige Bedingtheiten aus Erziehung und Jugendeindrücken mit ins Leben hinaus, die er ohne Kritik nicht abstreifen kann. Und niemand ist in der Lage, alle überkommenen Begriffe kritisch zu prüfen und abzustreifen, sondern wird sich einmal beruhigen, bei solchen Vor- stellungen und Gedanken, welche mit dem System der allgemein geläufigen und erprobten Anschauungen im Einklang sind. Hun war Keplers Art der Katurbeseelung entschieden schon ein Fortschritt, und ich brauche bloß an das geistvolle Buch Zend-Avesta von G. Th. Fechner zu erinnern, um dar- 9* 6 132 zutun, daß eine feinere Naturbeseelung unserer fortgeschrittenen Zeit auch nicht so ganz fern liegt. Dann ist aber auch ein Einfluß der Seelen aufeinander nicht undenkbar oder gar sinnlos, und wir können Kepler wenigstens verstehen. Ja, ich muß sagen, ich kann Keplers Schwärmerei eher verstehen, als den nüchternen Sinn jenes französischen Astronomen, der sagte: ,,Xch habe alle Räume des Himmels durchforscht, aber von Gott habe ich keine Spur darin gefunden.“ Man liest wohl gelegentlich, daß die Astrologie an Ansehen und Vertrauen verlor von der Zeit an, wo man die Bahnen der Sterne berechnen konnte und gar die Ursachen ihrer Bewegung erriet. Doch liegt hier ein Trugschluß vor. Beseelung der Planeten, Wirkung auf die Seele der Menschen hätte gar nichts mit den Bewegungsgesetzen zu tun. Wenn einmal die Frage dieser Wirkung aufgeworfen ist, kann sie nur durch die Erfahrung entschieden werden, so wie Kepler es auch wollte. Für uns ist heute die Sterndeutung ganz fernliegend, weil wir überhaupt mit der Maturbeseelung vorsichtiger geworden sind und weil wir eher geneigt sind, psychische Vorgänge auf mechanischem Wege durch Bewegungsvorgänge zu erklären, als umgekehrt. Durch die ungeheuer segens- reiche Spezialisierung der Wissenschaft und der wissenschaftlichen Forschung, welche jedem Vorgang mit dem ihm eigentümlichen Begriffskomplex nachgehen will, sind wir in den Anwendungen der Analogien und Vermischungen ver- schiedener Begriffe gewiß übervorsichtig geworden. Im Rahmen der gesamten damaligen Kultur ist Keplers Stellung zur Astrologie indes durchaus ver- ständlich und kaum im Widerspruch zu seinen großen Leistungen, man muß sogar gerechterweise sagen: Auch hier steht Kepler auf der Seite des Fort- schrittes, da er immer wieder und wdeder verlangt, daß die Prophezeiungen durch die Erfahrung geprüft werden müssen. Und freilich, die Statistik hat Keplers Bau unterhöhlt und leugnet jeden Einfluß der Planeten und des Mondes auf die Ereignisse an der Erdoberfläche. Eine erregbare Phantasie und ein fast kindliches Gemüt in der empfäng- lichen Aufnahme der Wunder unserer Sternenwelt hat Kepler auch zum Erben einer altgriechischen Vorstellung werden lassen, nach der das ganze Weltgebäude Harmonie ist. Fast durch sein ganzes Leben hindurch hatK e p 1 e r sich bemüht, Symmetrie und Harmonie im geometrischen Bau und in den Bewegungen des Sternsystems nachzuweisen. In seiner ersten größeren astronomischen Arbeit von dem Geheimnis des Weltenbaus, deren Titel bereits den Dichter offenbart, stellt sich Kepler entschieden auf den Standpunkt der Kopernikan Ischen Lehre und sucht nach einem Gesetz für die Anordnung der damals bekannten sechs Planeten. Ein Forscher der heutigen Zeit würde darauf ausgehen, etwa die Entfernungen der Planeten von der Sonne bzw. von dem Mittelpunkt ihrer Bahnen in analytischer F orm darzustellen oder eine Beziehung in Zahlen zwischen diesen Entfernungen suchen. Dem 16. Jahrhundert lag aber die geometrische Betrachtung einer solchen Frage bequemer, und daran muß man sich stets erinnern bei der uns 7 133 heute befremdlich klingenden Lösung. Nach angestrengten Versuchen,, die Entfernungen auf einfache Zahlenverhältnisse zu bringen, wobei Kepler übrigens auch schon zu der Hypothese geführt wird, einen Planeten zwischen Mars und Jupiter — dem Ort der nachmals entdeckten kleinen Planeten — ein- zuschieben, geht Kepler von den Zahlenexperimenten ab, besonders, weil hier keine bestimmte Endzahl der Gestirne zu erlangen ist, insofern man jede ein- fache Proportionenreihe fortsetzen kann. Aus dem gleichen Grunde wird dann auch eine Beziehung regelmäßiger Dreiecke, Vierecke usw. zu den Bahndurch- messern verworfen, bis endlich das Rätsel sich löst und durch die Gestalten der fünf regelmäßigen Körper der „gerechte Baugrund des Himmels“ sich bestimmen ließ. Das Resultat kann nicht schöner als mit Keplers eigenen Worten be- schrieben werden: „Der Erdkreis mißt alles, ihm umschreibe einen Zwölf- flächner. Der Kreis, der diesen umgibt, gehört dem Mars. Dem Mars um- schreibe einen Vierflächner; der Kreis, der ihn umfaßt, gehört dem Jupiter; dem Jupiter umschreib’ einen Würfel; der Kreis, der ihn umschließt, gehört dem Saturn; schreib’ jetzt der Erde einen Zwanzigflächner ein — der Kreis, der ihm eingezeichnet wird, gehört der Venus. Der Venus schreib’ noch den Acht- flächner ein — der Kreis, der diesem eingelegt wird, gehört dem Merkur.“ Die Planetendistanzen, wie Kopernikus sie berechnet hatte, stimmten leidlich mit dieser Konstruktion überein bis auf die Entfernung des Merkur von der Sonne (welche nach der geometrischen Konstruktion kleiner sein müßte, als die Rechnung ergab). Wenn man ferner noch eine minimale Schichtdicke für die Planetensphären zuließ, so konnte man sogar die Bahn des Mondes noch berücksichtigen, und die Konstruktion behielt noch eine gewisse Bedeutung, als die Kreisbahn der Planeten aufgegeben war. Keplers Streben ging später viel weiter, indem er Symmetrie und Ord- nung im geometrischen Bau des Weltalls oder eben die Raumverhältnisse als etwas Untergeordnetes betrachtet gegenüber den harmonischen Beziehungen in den Bewegungen. Er nahm gewiß mit Grund an, daß die Symmetrie der Bahnen zwar ursprünglich vorhanden war, aber durch die Bewegungen und der Har- monie der Bewegungen zuliebe verändert wurde, und es wurde zum leitenden Gedanken seiner astronomischen Arbeiten, die Harmonie der Bewegung im Weltall, wie es sich nach Kopernikus darstellte, nachzuweisen. Dieses Vor- haben hat er schließlich in einem seiner späteren und merkwürdigsten Werke, den „Harmonices mundi“, durchgeführt, nachdem er in seinen nachher zu besprechenden drei berühmten Grundgesetzen die Grundlage für die genaue Erforschung der Planetenbewegung gewonnen hatte. Der Begriff der Har- monie, die sich nach Kepler in den Naturvorgängen des Lichts und des Schalls erkennen läßt, war seit alter Zeit aus der Beobachtung der Wohlklänge \ entstanden. Schon die Pythagoräer hatten die Beobachtung gemacht, daß die Saitenlängen harmonischer Töne im Verhältnis einfacher Zahlen zueinander stehen: bei der Oktave im Verhältnis 1 : 2, bei der großen Terz im Verhältnis 8 134 4 : 5, bei der Quinte im Verhältnis 2 : 3 usw. Ohne im entferntesten an wirk- liche Töne im Himmel oder gar an die alte Musik der Sphären zu denken, suchte Kepler die Harmonie der Welt in diesen selben einfachen Zahlenverhält- nissen aus den Bewegungen nachzuweisen, die dann gewissermaßen ein Abbild der harmonischen Zusammenklänge am Himmel bedeuteten, was wiederum durch das Auge, dem Organ der Lichtempfindung, wahrgenommen werden sollte. Nachdem der Versuch mißlungen war, die Harmonie in den Umlaufszeiten der Planeten selbst zu finden, und nach manchen anderen Versuchen erreichte Kepler sein Ziel in den heliozentrischen Winkelgeschwindigkeiten in Sonnen- nähe und Sonnenferne der Planeten. Er sagt: ,, . . . Wir müssen unseren Blick auf die scheinbaren täglichen Bögen hinlenken, und zwar so, wie sie von einem bestimmten und ausgezeichneten Orte des Weltalls erscheinen, nämlich vom Leibe der Sonne aus, der Quelle aller himmlischen Bewegungen.“ Das ist sein Ausgangspunkt, und so vergleicht er die Winkel, welche die von der Sonne ausgehenden Kadien nach den Planeten in einem Tage zur Zeit der Sonnennähe und -ferne beschreiben. Die Oeschwindigkeiten eines Planeten in diesen Lagen, also natürlich aus ganz verschiedenen Zeiten, und auch die Geschwindigkeiten verschiedener Planeten zeigten die gesuchten einfachen Verhältnisse harmo- nischer Töne, so daß ein Planet während seiner Rotation um die Sonne einfache ' Skalen durchgeht, wenn man von den Zwischenlagen der stetig veränderten Geschwindigkeiten absieht. Die Geschwindigkeiten der verschiedenen Planeten in den ausgezeichneten Lagen der Apsiden können sogar so angeordnet werden, daß sie im Verhältnis zueinander stehen, wie die Saitenlängen der Töne der Dur-Tonleiter oder der Moll-Tonleiter, je nachdem man die kleinen bleibenden Unterschiede ausgleicht. Vielleicht „einmal im ganzen Weltbestand, und das könnte nur der Schöpfungstag sein, mag die Weltenorgel diesen vollen Akkord angestimmt haben“, während sonst die Töne zu verschiedenen Zeiten erklingen. Diesen Vorstellungen hat die Wissenschaft in ihrem weiteren Eortschreiten keine Berechtigung zuerkannt, und da wir das Genie überall auch darin sehen, daß es seiner Zeit voraneilt und hellseherisch diejenigen Wege beschreitet, welche zu den Höhen der Weisheit führen, während es die Sackgassen ver- meidet, so müssen wir uns wohl fragen, ob diesen uns heute so fremden Ideen ein Wert und eine Berechtigung überhaupt zukommt. Phantasie und religiösen Idealismus würden wir ihrem Urheber vielleicht stets zuerkennen, würden wir uns aber auch um sie kümmern, wenn ihr Urheber nicht Kepler wäre, der auf anderer Seite zweifellos Unsterbliches hervorgebracht hat? Darauf ist nun vor allem zu sagen, daß Kepler selbst in seinen Speku- lationen den tiefsten und letzten Grund für die Gültigkeit des Kopernikanischen W eltbildes sah, und darin stimmten ihm die Besten seinerzeit zu. Es ist doch wirklich bezeichnend für die Bedeutung, die man den musikalisch harmonischen Verhältniszahlen beilegte, daß noch Newton die Breite der Farbenstreifen im Sonnenspektrum auf diese harmonischen Zahlenverhältnisse glaubte zurück- 9 135 führen zu können. Man könnte schon darum das Verdienst Keplers um die Einführung des neuen Weltbildes nicht hoch genug schätzen. Aus dem Alter- tum war ja damals nur die Lehre vom Gleichgewicht bekannt, während erst Galilei die Bewegungslehre schuf und selbst der erste war, welcher einen physikalisch-astronomischen Beweis für die Kopernikanische Hypothese ver- suchte. Dazu lieferte ihm erst nach Konstruktion des Fernrohres die Ent- deckung der vier Jupitermonde, der Phasenänderung von Venus und Merkur neues Material. Heutzutage haben wir in dem Foucaultschen Pendelversuch einen wirklichen Beweis für die Umdrehung der Erde um ihre Achse. Die ungeheure Verfeinerung der Meßmethoden hat es ferner ermöglicht, eine ganze Anzahl von Fixsternparallaxen zu messen und daraus die absoluten Entfernungen der Fixsterne von der Erde zu berechnen sowie ihre Massen zu bestimmen, und wir sind nicht mehr so unbescheiden, zu verlangen, daß alle diese zum Teil ungeheuren Massen mit fast unmeßbaren Geschwindigkeiten alsdann sich aus- gerechnet gerade um uns drehen. Die Parallaxen der Fixsterne könnte ich mir ohne die Bewegung der Erde um die Sonne überhaupt nicht erklären. Zu Keplers Zeiten dagegen, als alle diese Messungen unbekannt waren, konnte es noch für eine Frage des bloßen wissenschaftlichen Taktes gelten, ob man sich für das Ptolemäische oder für das Kopernikanische Weltbild entschied, und da wollten Keplers Betrachtungen tiefer sein und besaßen wohl mehr als den Wert einer ästhetischen Befriedigung. So zählte man im Ptolemäischen Weltbild sieben um die Erde bewegte Planeten in der Reihenfolge: Sonne, Mond, Merkur, Venus, Mars, Jupiter, Saturn. Demgegenüber schien es wunder- bar zu stimmen, daß die Konstruktion mit den fünf existierenden regelmäßigen Körpern gerade die sechs Planeten lieferte, nicht mehr und nicht weniger, als damals bekannt waren. Seitdem zwei weitere große Planeten und an die tausend kleine Planeten zwischen Mars und Jupiter entdeckt sind, sind wir geneigt, Keplers Konstruktion als Hegel sehe Dialektik anzusehen, und in der Tat, von dem Begriff eines Beweises hatte seine Zeit keinen Schimmer, aber ein Gesetz für die Planetendistanzen ist darum doch denkbar, und es lohnte sich wohl, danach zu suchen. Die Vorstellung der Harmonie der Welt war im Grunde nur das Suchen nach Einfachheit, Klarheit und Übersichtlichkeit im Naturgeschehen und steht gewiß auf derselben Linie wie der Begriff der Zweckmäßigkeit in der Natur. Nachdem es gelungen ist, diese unklare, so menschliche Vorstellung mit dem Begriff des kürzesten Weges in Verbindung zu setzen, bis das Prinzip der kleinsten Wirkung als das tiefste, fast die ganze Physik und Chemie beherrschende Naturgesetz daraus entstand, war mit der Harmonie ganz wohl ein ähnliches denkbar. Es war auch wirklich ein fortschrittlicher, mathema- tischer Gedankengang, die Weltharmonie in der Existenz einfacher Zahlen- verhältnisse zu suchen. Nach den aus der musikalischen Harmonie stammenden Untersuchungen handelte es sich freilich nur um eine beschränkte Möglichkeit 10 136 von Verhältnissen, und das war Kepler wichtig, nm zu' einem endlichen, ab- geschlossenen System, in Übereinstimmung mit dem System der sechs Planeten, zu gelangen, aber von da aus war ja der Schritt unvermeidlich, das Auftreten einfacher rationaler Zahlenverhältnisse in Umläufen, Geschwindigkeiten, Distanzen usw. als Naturgesetz zu vermuten. Ein solches Gesetz beherrscht z. B. wirklich den Aufbau, die äußere Begrenzung der Kristalle, indem an einem Kristall nur solche Ebenen möglich sind, welche auf drei geeigneten Achsen Strecken abschneiden, die zueinander in einfachen rationalen Verhältnissen stehen. Auch in den Verhältnissen der Umlaufszeiten der Planeten war man auf das Auftreten rationaler Zahlen besonders aufmerksam und empfand ein solches Verhältnis als eine innere Schönheit. Sogar Gauß, ein Forscher, der nie von philosophischen Voreingenommenheiten und ästhetischen Rücksichten beirrt war, war stolz auf seine Entdeckung, daß die mittleren Bewegungen von Jupiter und Pallas in dem Verhältnis 7 : 18 stehen, das sich durch die Einwirkung Jupiters immer genau wieder herstellt (wie die Rotationszeit unseres Mondes). Kommensurabilität der mittleren Bewegungen besteht auch nahezu bei Jupiter und Saturn (5 : 2), aber die systematische Störungstheorie der kleinen Planeten zeigte deutlich den Ausnahmecharakter solcher Vorkommnisse in der Astro- nomie. Die Störungsrechnung muß sich nämlich in jedem Fall danach richten, ob die mittlere Bewegung des gestörten und des störenden Planeten, als welcher hauptsächlich Jupiter in Frage kommt, ein einfaches Verhältnis haben oder nicht. Im ersten Fall werden die Störungen, die der Planet erfährt, ungewöhn- lich groß, und hierin liegt ein Grund gegen das Auftreten rationaler Ver- hältnisse. Diese Tatsache rechtfertigt aber eben die Frage nach rationalen Beziehungen in den Bewegungskonstanten der Sterne und deutet auf ein wichtiges Naturgesetz, welches wahrscheinlich mit der Stabilität dieser Bewegungen zusammen hängt. An all dieses konnte Kepler indessen nicht denken, zumal er eine Wirkung der Planeten aufeinander für ausgeschlossen hielt. Alle Kraft ging nach seiner Meinung von der Sonne allein aus. Jedoch ist bemerkenswert, daß Kepler seine Forderung der Harmonie selbst als einen Wegweiser genommen hat, um sich davon in der Berechnung der heliozentrischen Geschwindigkeiten und der Sonnendistanzen leiten zu lassen, und er erreichte eine tatsächliche Verbesserung gegenüber den früheren Bestimmungen, was seinen genialen Takt beweist. Für unser jetziges Gefühl und für die moderne Schulung des Wissenschaft- lers ist ein wesentlicher Fehler der älteren Methoden gewesen, immerzu nach dem Warum eines Vorganges zu suchen, statt nach dem Wie. Jedoch liegt das in der Zeit. Für Kepler brachte schon seine erste Schrift über die Schöpfungs- geheimnisse Anerkennung seiner Zeitgenossen und Erfolg, also alles, was man verlangen kann. Denn als in Steiermark unter dein jungen Erzherzog Ferdinand (dem späteren Kaiser Ferdinand II.) eine Protestantenverfolgung einsetzte und Keplers Stellung unmöglich wurde, eröffnete ihm Tycho de Brahe zum erstenmal eine Stätte der astronomischen Arbeit, indem er ihn zu sich nach Prag li 137 bzw. Benatek bei Prag berief. Hatte Kepler bisher mit einem selbstgefertigten Holzdreieck beobachtet, so fand er bei Tycho mehr als er je zu hoffen gewagt, und die Vertreibung aus Graz erwies sich für ihn und für die Wissenschaft von größtem Segen. Zunächst beteiligte sich Kepler an den Marsbeobachtungen, und als T y c h o starb, in dem Augenblick, wo die Beziehungen der beiden bedeu- tenden Männer anfingen schwierig zu werden, da wurde Kepler zum Verwalter der unschätzbaren, wissenschaftlichen Beobachtungen berufen, und fürwahr ist selten ein kostbarer Schatz in würdigere Hände gelegt worden. Kur wenige J ahre war es Kepler vergönnt gewesen, im Besitze reichlicher Mittel zu experimentieren, und die Resultate aus dieser Zeit zeigen, wie stark er für die exakte Katurforschung begabt war. Jene Gewebe schwärmender Gedanken — um einen Keplerschen Ausdruck selbst zu gebrauchen — sind immer ent- standen, wenn Kepler, aller Mittel bar, auf rein spekulative Tätigkeit ge- setzt war. Aber in Prag entstand seine Optik, welche wenigstens eine quantita- tive, strenge Formulierung der Tatsachen einleitete. Wenn sie auch nicht zu der heute unerläßlichen mathematischen Eleganz durchgedrungen ist, so ist sie doch die Grundlage der . physiologischen Optik geworden und hat später die Lektüre des jungen Ke wton gebildet. Vor allem aber entstanden in Prag seine grundlegenden astronomischen Werke über den Mars, und die astronomia nova, erschienen 1609. Hierin, insbesondere in der klassischen Diskussion der Marsbeobachtungen, zeigt sich der «Verfasser als moderner Maturforscher, dem keine Zeit uneingeschränkte Anerkennung versagen kann. Lange ehe die Philo- sophen die Prinzipien der induktiven Katurforschung auf gestellt hatten, ehe Bacon den Gelehrten seine guten Ratschläge erteilte, hat hier Kepler diese Prinzipien als Meister gehandhabt. Er hat mit genialem Blick, mit dem Fleiß, welchen nur das Genie aufzubringen vermag, aus einem Wust von Zahlen das richtige Gesetz herausgelesen, und man kann diese Tat kaum zu hoch schätzen. Ist es schon eine Seltenheit in der Geschichte der Wissen- schaften, daß ein ungeheures Zahlenmaterial so mit einem Schlage seine Deu- tung gefunden hat, so ist das um so mehr bestaunenswert, wenn man bedenkt, wie schwierig die Frage der Bewegung der Himmelskörper war. Ohne die phantastische Vorstellung eines Atlas, der die Welt auf seinen Schultern trägt und der selbst nirgends steht, können wir uns keinen Stern ruhend denken. Wo aber alles in Bewegung ist, gibt es viele Möglichkeiten, um das zu beschreiben, was man von diesem Getriebe aus irgendeinem Ort, was wir also von der Erde aus sehen. Die alten Astronomen haben die Erde als fest angesehen, alle Bewegungen auf die Erde bezogen und bedurften eines kompli- zierten Räderwerkes zur Beschreibung der Planetenbahnen. Kopernikus nahm dann zwar die Sonne als fest an und ließ die Planeten um sie kreisen. Er klebte jedoch noch an dem Gedanken der gleichförmigen Bewegung und brauchte auch noch ein Räderwerk, die sogenannten Epizykeln, für jeden Planeten. Man muß sich eben stets vor Augen halten, daß es noch keine Dynamik gab, indem erst 1602/09 Galilei die Gesetze des freien Falles fand, 12 138 und man muß einmal das klassische Werk Galileis, den Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme lesen, um zu erkennen, welche Schwierig- keiten der Begriff einer stetig veränderlichen Geschwindigkeit der naiven Vor- stellung machte. Kepler besaß diese Vorstellung in durchaus klarer Weise, so konnte er den Schlußstein in den von Kopernikus angefangenen Bau einfügen, und dadurch erst wurde das Kopernikanische Weltbild für die Astro- nomen wirklich brauchbar. Die Ergebnisse, welche den Gegenstand unserer Bewunderung ausmachen, lassen sich in drei Sätzen, einfach wie alles Große, zusammenfassen. Weil diese Sätze glücklicherweise allgemein bekannt sind, so darf ich mich ganz kurz darin fassen* 1). Der erste Satz lautet: Die Planeten bewegen sich in Ellipsen, in deren einem Brennpunkt die Sonne sich befindet. Und ferner der zweite Satz: Der von der Sonne nach dem Planeten ge- zogene Radiusvektor überstreicht Flächenräume, die den Zeiten propor- tional sind. Erst neun Jahre nach dem Erscheinen der astronomia nova, am 8. März 1618, somit vor wenig mehr als 300 Jahren, nach zwanzigjährigen Bemühungen, hab Kepler dann den dritten Satz gefunden, der aussagt, daß die Quadrate der Umlaufszeiten zweier Planeten sich verhalten wie die Kuben der mittleren Sonnendistanzen. Dieser Satz ist zwar nicht genau und ist später durch die exakte Gleichung ersetzt worden: T2 (1 + m) : TJ (1 -f- mj — a3 : aj, aber dabei sind m und mx sehr kleine Größen, die man gegen die Masse der Sonne, die gleich 1 gesetzt ist, vernachlässigen kann. In diesen Gesetzen steckt die unsterbliche Hauptleistung Keplers, wenn er auch in der Optik, sogar in der ihn weniger fesselnden reinen Mathematik Bleibendes geschaffen hat, ganz abgesehen von der Berechnung viel gebrauchter astronomischer Tabellen. Es könnte darum befremdlich erscheinen, daß ich gerade diesen Dingen weniger Zeit widme, als seinen problematischen Produk- tionen, mit denen er noch in der alten Zeit steht. Ich glaube aber gerade in dieser Mischung den germanischen Grundzug Keplers sehen zu müssen, und es liegt mir vor allem daran, ein Bild dieses merkwürdigen Geistes zu geben, wie er in seiner Zeit stand und sie beeinflußte. Dazu fehlt uns nun nur noch eine Würdigung der Keplerschen Gesetze und ihr Verhältnis zu dem Newton- sehen Weltgesetze. Die Kepler sehen Gesetze sind sogenannte Makrogesetze, sie geben die Bahn und Bewegung der Himmelskörper als Ganzes, ohne Rücksicht auf die Ursachen der Bewegungen. Da Typhös Beobachtungen die genauesten waren, 0 Eine eingehende Darstellung von Keplers astronomischen Leistungen findet inan in der empfehlenswerten Schrift: K. Goebel, Über Keplers astronomische Anschauungen und Forschungen. Ein Beitrag zur Entdeckungsgeschichte seiner Gesetze. Halle 1871. Eine neuere begeisterte Würdigung Keplers in volkstümlicher Darstellung enthält: Ludwig Günther, Die Mechanik des Weltalls. Leipzig 1909. 13 i ' - ' ■ U 139 die man bis zu seiner Zeit kannte und noch um 1 — 2 Minuten von der Wirk- lichkeit abwichen, so entsprach die Beschreibung fast ideal den Beobachtungen, und sie entsprach für fast 100 Jahre vollständig den Anforderungen der Astronomie. Die rechnerische Verfolgung der Bewegungen stellte Kepler selbst auf die richtige Basis und gab die Anleitungen dazu, soweit die Hilfs- mittel der damaligen Mathematik reichten. Und diese reichten noch lange nicht aus, sondern erforderten manche algebraische und analytische Verfeinerung. Andererseits konnte man auch nicht mehr aus den Beobachtungsreihen heraus- lesen als die Kepler sehen Gesetze. Ihre Beschränktheit und Bedingtheit mußte sich erst ergeben bei der Übertragung auf den Mond und bei jahre- oder gar jahrzehntelang fortgesetzten Beobachtungen an den Planeten. Alsdann war aber ein Kortschritt auf dem von Kepler beschrittenen Wege kaum mehr möglich, dazu bedurfte es ganz neuer Gedanken und neuer abstrakter For- schungsmethoden. Zunächst einmal brauchte man eine neue Lehre der Be- wegungen, ganz neue Begriffe über Geschwindigkeit, Beschleunigung, Träg- heit, Kraft. Man brauchte ferner ein Mittel, um beliebige Kurven darzustellen und zu untersuchen. Männer von umfassenden Geistesgaben, wie Galilei, Descartes, Fermat, Chr. Huygens und viele andere mußten voraus- gehen, um das Fundamental werk der gesamten modernen Naturwissenschaft möglich zu machen, nämlich die philosophiae principia mathematica von N ewton. Was die Elemente Euklids für die Geometrie, das bedeuten die principia. für die Mechanik. Sie konnte nur ein Mann schreiben, der als Mathe- matiker und Physiker gleich hoch stand, der den Geist besaß, die vorhandenen Ansätze in der Analysis der unendlich kleinen Größen zu einem Kechnungs- apparat und einer einheitlichen Methode der Differential- und Integralrechnung zusammenzufassen. Die Galilei sehen Ideen werden dann von Newton vervollständigt und zum Abschluß gebracht dadurch, daß der Begriff der Masse eines Körpers eingeführt wird. Hierdurch gelingt es, den Begriff der Kraft, welche auf irgendeinen Massenpunkt innerhalb eines bewegten Systems zu einer Zeit ausgeübt wird, mathematisch zu definieren und diese Kraft in Beziehung zu setzen mit der Beschleunigung dieses Punktes zur betrachteten Zeit. Kennt man einen Ausdruck für diese Kraft, so kann man unter sehr allgemeinen Voraussetzungen aus jener Beziehung den Weg und alle Einzel- heiten der Bewegung des Massenpunktes berechnen. Die Mechanik geht von dem momentanen Zustand aus, sie denkt sich zu jeder Zeit nur die Beziehung zwischen Kraft und Beschleunigung in einem Punkt bekannt und leitet daraus die gesamte Bahn oder, wie man sagt, das Makrogesetz der Bewegung ab. Die Beziehung zwischen Kraft und Beschleunigung ist ein Mikrogesetz, das mathematisch in der Form einer Differentialgleichung erscheint. Man kann nun auch umgekehrt nach dem Mikrogesetz fragen, wenn das Makrogesetz bekannt ist, d. h. wenn Bahn und Masse eines Einzelpunktes oder eines ganzen Systems bekannt sind, so kann man fragen: Gibt es eine upd nur eine zu jeder Zeit bestimmte Kraft, so daß die Beziehung zwischen dieser Kraft und u 140 der Beschleunigung gerade die bekannte Bahn ergibt? Die Antwort auf eine solche Frage kann nur ein mathematischer Ausdruck für die Kraft sein und in keiner Weise das transzendentale Wesen dieser Kraft beschreiben wollen. Wir stellen nur die Wirkung doppelt dar, mit einer Umgehung des Pröblems nach Ursache und Wirkung. So lag nun der Fall mit den Planetenbewegungen. Nach den Kepl ersehen Gesetzen kannte man deren Bahn und den Charakter ihrer Bewegung. Daraus fand Newton die Kraft und leitete den Ausdruck ab, welchen man als das Gravitationsgesetz bezeichnet. Nehmen wir einen Planeten um die Sonne kreisend, so folgt seine elliptische Bahn, wenn wir annehmen, es wirke auf den Planeten in jedem Augenblick eine Kraft, deren Richtung in die Verbindungslinie zwischen Sonne und Erde fällt, auf die Sonne zu gerichtet und deren Größe durch den Ausdruck f y-y geliefert ist* wobei f eine Konstante, M und m die Masse der Sonne bzw. des Planeten und r den Abstand zwischen Sonne und Erde bezeichnet. Newton war sich über die Art seines Schrittes vollkommen klar. Er hat ' mehrfach aus- drücklich erklärt, daß er über die Natur der Gravitation nichts auszusagen vermöge, und weiter sind wir heute auch noch nicht. Das Gravitationsgesetz ist bloß eine Form der Beschreibung der Bewegung, wobei wir die Kraft, die zwei Körper aufeinander ausüben, aus den Elementarkräften zwischen den einzelnen Massenpunkten zusammensetzen. Nur in einigen Behauptungen, die durch die Erfahrung geprüft sind, ist Newton über die reine Hypothese hinausgegangen. Er behauptete erstens das Prinzip der Wirkung und Gegen- wirkung, nach dem zwei Körper mit entgegengesetzt gleichen Kräften auf- einander wirken. Zweitens sollte die Konstante f für den ganzen Weltraum t dieselbe sein, drittens sollte die Gravitation eine allgemeine Eigenschaft der Materie sein, eine Kraft, die sich stetig durch den Weltraum ausbreitet, so daß dieselbe Kraft, welche den Stein zur Erde zieht, auch die Bewegung des Mondes zur Folge hat. In dieser Auffassung liegt die Hauptleistung Newtons. So wird die Bewegung eines Planeten um die Sonne zu einer Fiktion, denn jeder Planet wird von allen im Weltraum- vorhandenen Massen angezogen, wenn auch die von der Sonne ausgehende Anziehung alle anderen weitaus überwiegt. Darum ist die Bahnkurve auch nicht mehr genau eine Ellipse, sondern eine kompliziertere Linie, welche durch die Störung aus der Ellipse hervorgeht. Damit ging die Newton sehe Lösung des Bewegungsproblems weit über die Kepler sehe hinaus, die überhaupt bloß einen ersten Ansatz zur wahren Bahnbestimmung liefert. Newton stellte der Analysis und der Beobachtung neue Probleme, indem erst wieder durch die Verfeinerung der Beobachtungsinstrumente die Abweichung von der Ellipsenbahn und die Ver- änderung dieser nachzuweisen und das Newton sehe Gesetz zu prüfen war. Wenn jetzt gefragt wird, ob Kepler das Gravitationsgesetz gekannt hat, so ist darauf folgendes zu antworten : Kepler erklärte die Bewegung aus der Rotation der Sonne, die er stets behauptete und dachte immer auch an 15 141 eine nur von der Sonne ausstrahlende Kraft, die umgekehrt proportional zur Entfernung (gelegentlich sagt er auch wohl zum Quadrat der Ent- fernung) abnimmt, aber den Gedanken an eine allgemeine Gravitation lehnte er geradezu ab. Es ist auch ganz nebensächlich, welche Form des Kraft- gesetzes Kepler etwa angenommen hat, denn das wichtigste war doch die Beziehung zwischen Masse, Beschleunigung und Kraft, d. h. die Grundgleichung der Mechanik. Zu Keplers Zeit waren aber weder die mathematischen noch die physikalischen Voraussetzungen für einen solchen Ansatz gegeben, diese lagen noch in der Zukunft. Endlich entsprach die Lösung in den drei Kepler- schen Gesetzen'vollkommen den Beobachtungszahlen der damaligen Astronomie und eine bessere Lösung brauchte man nicht. Der Astronom ist heute imstande, im Bedarfsfall noch Winkel von 1/10, ja 1/10o Sekunde zu bestimmen und die Uhrzeiten auf 0,3 Sekunden genau in 143 Tagen abzulesen, und wenn der Kampf um die Dezimalen noch weiter siegreich gefochten werden könnte bis zur theoretischen Grenze, so könnten wir vielleicht einmal Dinge berücksichtigen, die wir heute unberücksichtigt lassen müssen, wie die Krümmung der Sonnen- bahn. Jedoch, welcher vernünftige Mensch würde heute daran denken? Man müßte einen solchen Gedanken als eine Phantasie bezeichnen, geeignet, den Forscher von den dringenderen, jetzt lösbaren Problemen abzuziehen. An solcher vorausschauender Phantasie hat es Kepler gerade nicht gefehlt, und man begegnet in allen seinen Schriften Ahnungen und sogar Einsichten, über die man nur staunen kann, so wenn er Ebbe und Flut aus der magnetischen An- ziehung des Mondes erklärt, über das Vorhandensein weiterer Planeten spricht und schreibt: „Nach dem mir vorschwebenden Verhältnisse erwarte ich zwei Marsumwandler, sechs bis acht Saturnmonde und vielleicht kommt noch einer oder der andere Venus- und Merkurumwandler dazu.“ Man kennt heute zwei Marsmonde und zehn Saturnmonde. Jedoch darf man keinen Moment die Größe eines Naturforschers in solchen Prophetien suchen, besonders nicht, wenn da- neben noch mehr seiner Phantasien sich nicht bewährt haben, wie das bei Kepler der Fall ist, der nie ganz von den Banden religiöser und philo- sophischer Konstruktionen frei wurde. Es ist ein allgemeines, zu tief ein- gewurzeltes Urteil gewesen, das auch heute noch mancher guten Absicht der Volksaufklärung hemmend im Wege steht, daß man die Philosophie an den Anfang der Wissenschaft setzte, da sie möglicherweise doch nur einmal ihren Abschluß bilden kann. Die Methode der exakten Naturwissenschaft setzte immer voraus, daß man sich auf eine bloße Beschreibung der Naturvorgänge beschränkte, und es scheint mir der größte Fortschritt der Naturwissenschaften aus der Zeit herzustammen, wo man sich mit der Beschreibung der Vor- gänge beschied, zufrieden war mit Bildern, die der Anforderung genügten, daß die Folgen, die wir aus den Bildern ziehen, mit den Bildern der Folgen wiederum übereinstimmten. Zu dieser Freiheit der wissenschaftlichen Auf- fassung war Kepler nicht vorgedrungen, aber er hat sie mit seinen Planeten- gesetzen angebahnt. IG 142 Darin beruht vielleicht sein größtes Verdienst, und dies entschädigt für so manchen Fehlschlag in einzelnen Problemen. Kepler untersucht z. B. die Lichtbrechung, und wir finden es heute unfaßlich, daß er von der Propor- tionalität des Einfalls- und Brechungswinkels für kleine Winkel nicht zum richtigen Gesetz kam, man wundert sich über seine falschen Folgerungen über die Farben aus den Beobachtungen am lichtbrechenden Glasprisma, aber die Erkenntnis schreitet langsam fort, und welche Fehler und Einseitigkeiten sind nicht sogar einem Newton in seiner Optik untergelaufen! Unsere Bewunderung aber für Kepler steigt aufs höchste, wenn wir bedenken, daß er, durch schwere Krankheiten öfter geschwächt, in seiner Sehkraft gekürzt war, daß er in den Klosterschulen schlecht genährt wurde und unter dem Zwange einer einseitig philologisch-theologischen Lehrmethode aufwuchs, deren Einwirkung er sich nicht entziehen konnte. Dazu kommt ein Leben mit wenig anregendem Verkehr, voller Familiensorgen, Kinderwirtschaft und Drangsal. Ich will daraus zum Schluß nur das Allerwichtigste noch anführen. Traurig endete die glückliche Prager Zeit, in der Kepler doch einiger- maßen auf sein Gehalt als kaiserlicher Hofmathematikus rechnen konnte und in der er den Verkehr mit bedeutenden Männern der Universität und des Hofes: Bachacek, Marek, Jost Bürg i, genoß. Im J ahre 1611 starb der älteste Sohn, bald danach die erste Frau. Keplers Stellung wurde durch die Ab- setzung des Kaisers Kudolf unsicher. Zwar wurde er von Kaiser Mathias wieder angestellt, aber der Aufenthalt in Prag war ihm verleidet, und das Gehalt wurde unregelmäßig oder gar nicht ausbezahlt. In Linz, wo er dann seit 1612 lebte, mußte er darum wieder Unterricht erteilen, ,, nichtswürdige Kalender und Prognastika“ anfertigen, und seine Zeit in Nebendingen -opfern. Eine tiefe, seelische Erschütterung brachte ihm die Heise, die , er 1620 nach Heilbronn machen. mußte. Durch den Obervogt von Leonberg war seine alte Mutter als Hexe angeklagt, und nur seiner Beredsamkeit gelang es, sie von der Tortur zu befreien. Er trug sogar zur Abschaffung der schmählichen Hexenprozesse in Württemberg wesentlich bei, indem dieser Prozeß der letzte seiner Art in Schwaben war. Von Linz wandte sich Kepler wieder nach Ulm zur Überwachung des Druckes seiner Rudolfinischen Planetentafeln, der Summe seiner astronomischen Lebensarbeit, nachdem er die Familie nach Hegensburg gebracht hatte. Als seine Forderungen an die Hofkasse auf 12 000 Gulden angewachsen waren, verwies man ihn nach einer Abmachung mit Wallenste in an diesen, und er siedelte mit der ganzen Familie, seiner zweiten Frau und sechs Kindern, nach Sagan über. Jedoch umsonst, W allenstein hatte mehr Schätzung für S e n i als für einen Kepler und verweigerte die Zahlung. Dieser reiste darum nochmals unter Aufbietung aller letzten Kräfte auf den Reichstag nach Regens- burg. Einsam, elend und entkräftet ist er hier am 5. November 1630 gestorben. Ich kann mir nicht versagen, den Schluß der Strophen vorzulesen, in denen Mörike sein Schicksal besungen hat: 17 14:3 Wie ein Dichter den Helden sich wählt, wie Homer von Achilles' Göttlichem Adel gerührt, schön im Gesang ihn erhob, Also wandtest du ganz nach jenem Gestirne die Kräfte, Sein gewaltiger Gang war dir ein ewiges Lied. Doch so bewegt sich kein Gott von seinem goldenen Sitze, Holdem Gesänge geneigt, den zu erretten, herab, Dem die höhere Macht die dunkeln Tage bestimmt haL Und euch, Sterne, berührt nimmer ein Menschengeschick; Ihr geht über dem Haupte des Weisen oder des Thoren Euren seligen Weg ewig gelassen dahin! Schöner als es in diesen Worten geschehen ist, kann man Keplers Be- gabung nicht zeichnen. Er verleugnete nicht sein Schwabentum, in dem die exakten Talente selten sind, da er ebenso sehr Dichter war als Naturforscher. Wir dürfen stolz sein auf einen solchen Menschen und ihn als besonderen Ausdruck deutschen Geistes, deutscher Kraft und deutschen Gemütes ansehen. Aber wem leuchtet sein Bild zumal in heutiger Zeit nicht in doppeltem Glanz? In trüben und unruhigen Zeiten hat hier ein Seher seine Stimme erhoben und keine äußere Not hat den Drang nach Wahrheit in seiner Brust betäuben können, so daß das Kätsel des Himmels und der Bewegung ferner Welten zuerst seine Lösung fand, ein vollkommener Lohn menschlichen Strebens nach Erkenntnis der Natur. Wenn wir uns das Kesultat vorsagen, ist es eine trockene Formel, aber in Wirklichkeit haben die Kopernikus, Kepler und N ewton die Sphären zerbrochen, welche unsere Welt in ein dumpfes Gemach verwandelt hatten. Die Geister wurden befreit, und wer die Entwickelung unserer Kultur unter dem Segen dieser Befreiung verfolgt, der erkennt es, daß der Mensch nicht vom Brot allein lebt. 18 144 Mitteilungen aus dem Westpreussischen Provinzial • Museum*). I. Die Geradflüglerfauna Westpreußens. Dritter Beitrag zur Kenntnis der westpreußischen Ohrwürmer und Heuschrecken (Dermaptera und Orthoptera). Von Dr. Wolfgang La Baume. Mit 4 Abbildungen**): Bisherige Veröffentlichungen. Die ersten Nachrichten über die in Westpleußen vorkommenden Orthop- teren* 1) verdanken wir Th. v. Sieb old, welcher im Jahre 1842 eine Liste der bis dahin bekannt gewordenen „preußischen Orthoptera“ als achten Beitrag zur Fauna der wirbellosen Tiere Preußens (d. h. Ost- und Westpreußens) ver- öffentlicht hat 2 * * S.). v. Siebolds Angaben stützen sich, wie er in der Einleitung zu seiner Mitteilung bemerkt, auf die in seiner Sammlung befindlichen Beleg- stücke, die er größtenteils selbst gesammelt, zum kleineren Teil von Herrn *) Unter diesem Sammeltitel werden in Anknüpfung an frühere Vorgänge (vergl. : „Mit- teilungen aus der Anthropologischen Abteilung des Westpreußischen Provinzial -Museums. I. Das Weichsel-Nogat-Delta. Von Lissauer und Conwentz.“ Schriften der Natur forschenden Gesellschaft in Danzig. N. F. VI. Bd., 3. Heft. Danzig 1886. Seite 204 — 242. Tafel II — V) Arbeiten über einzelne Gegenstände oder Sammlungen des Provinzial -Museums erscheinen, die nicht umfangreich genug sind, um ein eigenes Heft der „Abhandlungen zur Landeskunde der Provinz Westpreußen“ zu bilden. **) Die Druckstöcke zu den Abbildungen hat der Verlag von Gebr. Bornträger in Berlin in dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt. 0 Der Einfachheit halber wird hier der Begriff Orthoptera im weiteren Sinne {— Der- maptera -j- Orthoptera ) gebraucht. 2) 0. Th. v. Sieb old. Preußische Orthoptera. — Preuß. Prov.-Blätter Bd. 27, 1842, S. 543 — 549 (im folgenden angeführt als „v. Sieb old 1842“). l 145 ' v. N o w i c k i aus der Gregend von Thorn erkalten hatte. Leider ist die Samm- lung Th. v. Siebolds anscheinend verloren gegangen; im Westpreußischen Provinzial-Museum befindet sie sich jedenfalls nicht, und auch in die Sammlung des Zoologischen Instituts der Universität Erlangen, wohin v. Sieb old von Danzig aus übersiedelte, ist sie nicht übergegangen, wie mir der Leiter dieses Institutes, Herr Professor Fleischmann, auf meine Anfrage freundlichst mitteilte. Eine Nachprüfung der Angaben v. S i e b o 1 d s ist daher nicht möglich gewesen. Die von ihm aufgestellte Liste umfaßt 40 Arten, von denen aber Sienobothrus variabilis Fieb. dreimal aufgeführt ist, nämlich als Gomphocerus bicolor C h a r p., G. mollis G h a r p. und G . higuttulus L.1 ) ; sie enthält also in Wirklichkeit nur 38 Arten. Dazu werden am Schluß als Nachtrag noch drei weitere Arten genannt, darunter Stenobothrus parallelus, der in der Liste bereits als Gomphocerus montanus Charp. erwähnt war; somit sind im ganzen 40 Arten durch v. Siebold aus Ost- und Westpreußen nachgewiesen worden. Diese Arten hier vollzählig aufzuführen erübrigt sich, da alle Angaben v. Sie- bolds in die unten folgende systematische Zusammenstellung aufgenommen worden sind. Es befinden sich darunter bereits einige wegen ihrer geographi- schen Verbreitung bemerkenswerte Arten, wie Bodisma pedestris , Caloptenus italicus, Bryodema tuberculata, Sphingonotus coerulans , Stethophyma flavi- costa, Ephippigera vitium, Labidura riparia u. a. Von den durch v. Siebold bekannt gemachten Arten sind bisher nur Stethophyma , Bryodema und Xiphi- dium fuscum nicht wieder aufgefunden worden. Nachdem sich aber seine übri- gen Angaben, darunter manche, die unwahrscheinlich erschien, vollauf bestätigt haben, ist nicht daran zu zweifeln, daß auch die drei genannten Arten in West- preußen Vorkommen, um so weniger, als diese, mit Ausnahme von Stetho- phyma flavicosta, in Mitteleuropa weit verbreitet sind. Daß auch die letzt- genannte, spezifisch pontische Art bei Thorn, also im Gebiet des Weichseltales vorkommt oder jedenfalls Mitte des vorigen Jahrhunderts dort noch vor- gekommen ist, ist durchaus nicht unwahrscheinlich, wie sich aus unseren späteren Erörterungen über die geographische Verbreitung der einzelnen Arten ergeben wird. Mehr als 40 Jahre vergingen seit dem Erscheinen der Liste v. Siebold, s, bis wieder Angaben über westpreußische Orthopteren in der Literatur auf- tauchten: nämlich in Brischkes Bericht über eine zoologische Exkursion nach Seeresen im Kreise Karthaus im Juni 18862). Gleich zu Anfang der systematischen Aufzählung der bei Seeresen beobachteten Tiere sind die Orthop- teren aufgeführt; jedoch handelt es sich bei den dort genannten Arten nicht um solche, die bei Seeresen erbeutet wurden, sondern, wie Brischke am Schluß der Einleitung bemerkt, um ein Verzeichnis der von ihm in der Um- gebung von Danzig im Laufe der Zeit gesammelten Arten. Brischke 0 Stenobothrus bicolor und St. biguttulus betrachte ich als Formen einer Art. 2) Brischke, G. Bericht über eine zoologische Exkursion nach Seeresen im Juni 1886. — Sehr. Nat. Ges. Danzig, N. F. Bd. VI, Heft 4 (angeführt als „Brischke 1886*). Sehr. d. N. G. zu Danzig. Bd. XV, Heft 1 u. 2. 2 10 146 wollte damit ein erstes Verzeichnis der westpreußischen Geradflügler auf- stellen, da ihm, wie er selbst sagt, ein solches nicht bekannt war; die Mitteilung v. Siebolds aus dem Jahre 1842 war ihm also offenbar entgangen. Einen wesentlichen F ortschritt bedeutet dieses Verzeichnis von Brise hke nicht, es umfaßt übrigens auch nur 23 Arten. Neu sind im Vergleich mit v. Siebolds Angaben: Ectobia („ Blatta “) ericetorum Wesm., eine Angabe, die auf unge- nauer Bestimmung beruht1); ferner Vachytilus migratorius L., womit nach Ausweis der aus Brise hkes Sammlung stammenden Belegstücke Vachytilus danicus gemeint ist; endlich „ Gomphocerus brevipennis‘ — eine für B risch - kes sorgfältiges Arbeiten ganz unverständliche Angabe (s. unten S. 156). In den späteren Berichten Brischkes über die Ergebnisse seiner zoolo- gischen Exkursionen finden sich nur sehr spärliche Angaben über Orthopteren2). Es liegt dies sowohl daran, daß er sich für die niederen Insekten weniger inter- essierte als für die höher organisierten (Hymenopteren u. a.), und daß seine Sammelreisen meist im Sommer stattfanden, also in einer Jahreszeit, in der die meisten Orthopterenarten sich noch im Larvenzustand befinden. Auch in der sonstigen entomologischen Literatur, soweit sie Westpreußen betrifft, sind nur ganz wenige Angaben enthalten, die sich auf das Vorkommen von Geradflüglern beziehen. Eine kleinere Anzahl hat nur Rübsaamen ver- öffentlicht3). Die unter anderen Arten hier auf geführte Leptophyes albovittata Kollar gehört, wie ich mich durch Augenschein überzeugt habe, nicht zu der genannten Art, sondern zu L. punctatissima Bose. Überdies ist dort Steno- bothrus biguttulus zweimal genannt worden; offenbar soll es einmal bicolor C h a r p. heißen. Alle diese Literaturan'gaben 4) sind in das unten folgende systematische Verzeichnis aufgenommen und, wo es notwendig war, näher erörtert worden. Sammlungs-Material des Westpreußischen Pro vinzial-Museu m s in Danzig. Sammlungsmaterial aus der Gruppe der Orthopteren besitzt meines Wissens keins der westpreußischen Museen außer dem Provinzial-Museum in Danzig. Die Sammlung dieses Museums setzt sich folgendermaßen zusammen: 1. aus den ehemals in den Sammlungen von Menge, Brischke, Trei- chel und Lange befindlichen Stücken (größtenteils ohne Eundortsangaben, !) I^rischke hat hell gefärbte 9? von Ectobia lapponica für E. ericetorum gehalten, wie ich an Hand der Belegstücke in seiner Sammlung feststelleu konnte. 2) Brischke, G. Bericht über eine Exkursion nach Heia während des Juli 1887. — Sehr. Nat. Ges. Danzig, N. F. VII, H. 1, Danzig 1888 („Brischke 1887“). Ders., Bericht über eine Exkursion nach Steegen auf der Frischen Nehrung im Juli 1888.. — Ebendort Bd. VII, H. 2, Danzig 1889 („Brischke 1888“). 3) Rübsaamen, Ew. H. Bericht über meine Reisen durch die Tncheler Heide in den Jahren 1896 und 1897 (Orthoptera bestimmt von Dr. Th. Kuh! g atz). — Sehr. Nat. Ges. Danzig, N. F. X, Heft 2/8, Danzig 1901 („Rübsaamen — Kuhlgatz“ 1901). 4) tu den genannten Veröffentlichungen kommen noch zwei weitere von La Baume hinzu; s. S. 147, Anm. 1 u. S. 148, Anm. 1. 3 147 aber fast durchweg aus 'Westpreußen stammend); die von Brischke gesam- melten Arten sind zum Teil von ihm veröffentlicht worden (s. oben); 2. aus den von Rübsaamen in den J ahren 1896 und 1897 in der Tucheier Heide gesammelten Orthopteren (determiniert von Dr. Kuhlgatz, veröffent- licht 1901, s. oben); 3. aus dem von Dr. Th. Kuhlgatz im Kreise Strasburg Wpr, (am Bachott-, Zbicznow-, Straszin-, Bachottek-See, böi Gremenzmühle, in der Drewenzniederung) und im Kreise Kulm. Wpr. (Nonnenkämpe, Neulinum, Damerau) gesammelten Material (determiniert von Kuhlgatz, bisher nicht veröffentlicht); 4. aus einigen kleineren Ausbeuten und Einzelfängen aus der Umgebung von Danzig (gesammelt von Frau Lützow, Dr. Kuhlgatz, Oberlehrer R e h - berg, Dr. Speiser, Präparator Kutsch kowski), ferner aus den Kreisen Putzig mit Einschluß von Heia (Rehberg, Kuhlgatz, Dr. En der lein) und Berent (Speiser), aus der Tucheier Heide (Dr. Wolterstorf f, Spei- ser) und aus der Umgebung von Marienwerder (R e h b e r g) ; 5. aus dem von mir in Westpreußen gesammelten Orthopteren-Material, welches zur Zeit den größeren Teil der im Westpreußischen Provinzial-Museum befindlichen Orthopteren-Sammlung ausmacht. Bei dem unter 3 und 4 aufgeführten Material fand ich bei Beginn meiner Tätigkeit in Danzig einige irrten vor, die bis dahin auä Westpreußen nicht bekannt waren oder deren Vorkommen angezweifelt wurde: so Stenobothrus nigromaculatus, von Wolter stör ff in der Tucheier Heide gesammelt, Stenobothrus apricarius, an mehreren Orten von Kübsaamen. Kuhlgatz und R e h b e r g festgestellt, und Ephippigera vitium, von welcher Art R e h - b e r*g ein Stück bei Marienwerder erbeutet hatte, wodurch ich zuerst auf jenes bemerkenswerte Vorkommen aufmerksam wurde. Diese Funde sind 1911 in einer kurzen Mitteilung von mir veröffentlicht worden1). Bei meiner eigenen Sammeltätigkeit in Westpreußen, die 1911 begann, habe ich den Orthopteren stets besondere Aufmerksamkeit gewidmet, einmal weil diese Insektengruppe mich lebhaft interessiert, zweitens auch, weil sie von Berufs- und Laien-Entomologen meist wenig beachtet wird. In der Umgebung von Danzig fand ich in jenem Jahre von bisher aus Westpreußen unbekannten Arten Stenobothrus vagans und Platycleis brachyptera ; auf weiteren Exkur- sionen in die Provinz wurden Chrysochraon dispar und Bärbitistes constrictus auf gefunden. Das Vorkommen anderer bemerkenswerter Arten, wie z. B. Po- disma pedestris und Ephippigera vitium in Westpreußen konnte auf diesen Exkursionen bestätigt werden. Auch diese Funde sind in der oben genannten ersten Mitteilung veröffentlicht worden1). *) La Baume, W. Orthopterologisches aus Westpreußen. — Entomolog. Rundschau, Jhrg. 28, Nr. 20, S. 158 — 159, Stuttgart 1911 (,,La Baume 1911“). 4 10* i 148 Die Sammeltätigkeit des Jahres 1912, in dem ich leider nur wenig Bcisep in die Provinz unternehmen konnte, brachte in systematisch-faunistischer Hin- sicht nur eine für unser Gebiet neue Art (Stenobothrus stigmaticus) hinzu. Jedoch setzten mich die Beobachtungen der Jahre 1911 und 1912 bereits instand, eine Anzahl charakteristischer Lebensgemeinschaften innerhalb der Gruppe der Orthopteren zu unterscheiden und zu schildern1) und damit auf Tatsachen hinzuweisen, die bisher in Deutschland nur wenig beachtet worden sind. Diese Mitteilungen haben größtenteils in dem Buche von Zacher2), in dem u. a. alle in der Literatur veröffentlichten Beobachtungen über die Ökologie der in Deutschland vorkommenden Orthopteren zusaiümengestellt sind, Auf- nahme gefunden. Im folgenden Jahre (1913) wurde es mir durch Unterstützung des West- preußischen Provinzial-Museums ermöglicht, das Gebiet von Thorn zu besuchen, wo nach Angaben v. S i e b o 1 d s, die auf Beobachtungen M owickis fußen, eine Leihe von sehr bemerkenswerten Orthopteren-Arten Vorkommen sollte. Meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Das Gelände des großen Artillerie- Schießplatzes im Süden von Thorn scheint geradezu ein Dorado für Orthopteren zu sein; nicht nur konnte ich das dortige Vorkommen von Sphingonotus coeru- laus, Calopterus italicus, Ephippigera vitium u. a. seltener Arten bestätigen, sondern eine Anzahl weiterer interessanter Arten (Stenobothrus nigromaculatus, Barbitistes constrictus, Pachytilus danicus) feststellen, woraus sich ergibt, daß dort eine besonders mannigfach zusammengesetzte Und für unsere nördliche Gegend auffallend reiche Orthopterenfauna vorhanden ist, eine Tatsache, die geeignet ist, das wissenschaftliche Interesse an jenem schon durch das Vor- kommen einer reichen pontischen Flora bekannten Gebiete wesentlich zu er- höhen (vergl. dazu S. 184). Im September desselben Jahres gelang es mir noch, ganz in der Mähe von Danzig, im Olivaer Walde, unweit der Försterei Taubenwasser, an einer Stelle, auf welche mich der mir befreundete Herr Oberförster Schönwald auf- merksam machte, gleich zwei für Westpreußen neue und zoogeographisch inter- essante Arten, Chrysochraon brachypterus und Stenobothrus pullus, aufzu- finden (vergl. S. 181). Der Weltkrieg 1914 — 1918 setzte meiner Sammel- und Beobachtungs- tätigkeit in der Heimat ein Ziel, gab mir aber andererseits willkommene Gelegen- heit, diese nach Kleinasien zu verlegen, woselbst ich in den Jahren 1917 und 1918 im Aufträge der türkischen Legierung mit dem Studium der dortigen Wanderheuschrecken und mit deren Bekämpfung beschäftigt war. Die dort gemachten Beobachtungen über Entwickelung und Lebensweise der sog. marok- !) La Baume, W. Zweiter Beitrag zur Kenntnis der westpreußischen Geradflügler- fauna (Orthoptera). Gliederung der Fauna nach Lebensgemeinschaften. — 35. Ber. d. Westpr. Bot.-Zool. Yer., Danzig 1912, S. 149 — 154 (zitiert als „La Baume 1912“). 2) Zacher, Fr. Die Geradflügler Deutschlands und ihre Verbreitung. Jena 1917. 5 149 kanischen Wanderheuschrecke sind auch im Vergleich zu unseren einheimischen Orthopteren-Arten von Interesse1). Nach meiner Rückkehr in die Heimat (März 1919) mußte die Sammeltätig- keit zunächst hinter wichtigeren Arbeiten zurückstehen. Doch konnte ich wenig- stens im September noch eine vierzehntägige Sammelreise in das Gebiet des Weichseltales zwischen Thorn und Marienwerder unternehmen, wozu mir von- seiten der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig durch Bewilligung eines Stipendiums der Humboldt-Stiftung die Mittel zur Verfügung gestellt wurden. Meine Erwartung, in jenem Gebiet vielleicht noch weitere, insbesondere poli- tische Arten auffinden zu können, erfüllte sich allerdings nicht, doch konnte ich neues Material zur Verbreitung der bereits bekannten Arten beibringen und auch die ökologischen Verhältnisse des Weichseltales, besonders an denjenigen Örtlichkeiten, die sich durch das Vorkommen interessanter Orthopteren-Arten auszeichnen, näher untersuchen (vergl. S. 180 ff). Diese Sammelreise bedeutet wahrscheinlich den Abschluß meiner fauni- stischen Untersuchungen in der Provinz Westpreußen, da die politischen Ver- änderungen, die der Friede von Versailles mit sich gebracht hat, weiteren deutschen Forschungen in einem großen Teile dieses Gebietes bis auf weiteres ein Ziel gesetzt haben. Es ist daher, wie ich glaube, jetzt der Zeitpunkt gegeben, alles, was bisher über die westpreußisohe Orthopterenfauna bekannt geworden ist, zusammenzufassen und im Anschluß daran zu untersuchen, nach welchen zoogeographischen Elementen diese Fauna zusammengesetzt ist. Systematik und Oekologie. Im folgenden ist ein systematisches Verzeichnis der bisher aus Westpr eußen nachgewiesenen Orthopteren-Arten zusammen- gestellt. Für jede Art werden die vorhandenen Literaturangaben an- geführt; außerdem wird das gesamte Sammlungsmaterial des West- preußischen Provinzial-Museums veröffentlicht. Die Bemerkungen über das V orkommen stützen sich auf die Fundnotizen der betreffenden Sammler und auf eigene Beobachtungen; wofern etwas Näheres über das Vorkommen in West- preußen nicht bekannt ist, habe ich Angaben aus der am Schlüsse der Arbeit auf geführten Orthopteren-Literatur hinzugefügt, um so das Wiederauf finden der betreffenden Arten zu erleichtern. Reihenfolge und Nomenklatur schließen sich an die neueste zusammenfassende Darstellung der deutschen Geradflügler von Zache r2) an. Im ganzen sind zur Zeit 54 Arten aus Westpreußen bekannt. Von diesen sind eine Blattide, Periplaneta americana, und eine Locustide, Tachy eines 0 La Baume, W. Biologie der marokkanischen Wanderheuschrecke ( Stauronotus maroeganus Thunb.). In: H. Bücher, Die Heuschreckenplage und ihre Bekämpfung in Anatolien und Syrien . . . Monogr. z. angew. Entomologie, Nr. 3. Berlin (Parey) 1918. 2) Zaeher, Pr. Die Geradflügler Deutschlands und ihre Verbreitung. Jena 1917. 6 150 asynamorus ( „Diestrammena“ ) , als eingeschlcppt, also als fremde Faunen- bestandteile anzuselien. Mithin wären aus Westpreußen bis jetzt 52 Arten als einheimisch nachgewiesen. Mach Zach er s neuester Aufstellung (a; a. 0. S. 11 — 14) beträgt die Zahl der in Deutschland einheimischen Arten 94; für weitere elf Arten ist das Vorkommen in Deutschland noch fraglich. Es kommen daher in Westpreußen nur etwas mehr als die Hälfte der aus Deutschland bekannten Orthopterenarten vor, was in Anbetracht der nördlichen Lage unserer Provinz und angesichts der Tatsache, daß die wärmeliebende Insekten- gruppe der Orthopteren in südlicheren Breiten ihre Hauptentwickelung gefun- den hat, nicht verwunderlich ist. Diese westpreußischen Arten verteilen sich folgendermaßen: Dermaptera (Ohrwürmer) . . 5 Blattodea (Schaben) .... 3 Acridiodea (Feldheuschrecken) 13 Locustodea (Laubheuschrecken) 9 Gryllodea (Orillen) .... 3 Gattungen mit i? i? n n 5 Arten. 3 n n n 27 13 4 17 71 77 Summa 33 Gattungen mit 52 Arten. Ordnung Dermaptera, Ohrwürmer. Familie Labiduridae. Labidura Leuch. (l) 1. Labidura riparia Pallas. Forficula gigantea F. Frische Nehrung (v. Siebold, Müllers Areh. f. Anat. u. Physiol. 1837, S. 407, Anm.). — F. gigantea F. War lange Zeit nur als Bew,ohner der Küste des Mittel- meeres bekannt, daher sein Vorkommen längs der Seeküste der Danziger Nehrung eine inter- essante Erscheinung ist; auch bei Thorn ist dieses Tier von Nowicki gefunden worden v. Siebold 1842). — F. gigantea F. Umgebung von Danzig, auf den Dünen (B risch ke 1886). — Heia, auf den linnen (Brischke 1887). In der Sammlung des Westpreußisohen Provinzial- M useums nur 1 cf5, 1 5 und 2 Larven aus Sammlung Brischke ohne Fundortsangabe; offenbar die Belegstücke zu seinen oben angeführten Angaben. Vorkommen: An der Ostseeküste auf kahlen Dünen im Sande. Thienemann1) hat bei ftombitten auf der Kurischen Nehrung beobachtet, daß dort die großen Ohrwürmer von Brachvögeln (Numenius arquatus und N. phaeopus) aus dem Sande herausgeholt und verzehrt werden; er sagt dar- über: „Betreten wir die Stellen, die von, den langschnäbeligen Vögeln eben abgesucht worden sind, so sehen wir zunächst nichts Lebendes, aber kleine Sand- hügelchen fallen uns auf. Wir graben mit dem Taschenmesser oder mit der Hand vorsichtig nach und finden unter jedem Hügelchen die Öffnung eines ]) Solger, Graebner. J. Thienemänn, Speiser, Schulze: Dünenbuch. Stuttgart 1910 (S. '337—339). 7 151 Ganges, an dessen Ende der Ohrwurm mit dem Kopfe nach innen sitzt. Nach meinen Beobachtungen verlaufen die Gänge nie senkrecht, sondern immer schräg in den Sand hinein. Ich habe solche bis zu 31 cm Länge, deren End- kessel, wo das Insekt saß, bis 14 cm tief unter der Sandoberfläche lag, gesehen, de ausgedehnter die Wohnung war, um so stärker der Ohrwurm, den ich drin fand. Es scheint zunächst ein Rätsel, wie die Brachvögel zu diesen tief im Sande geschützt sitzenden Insekten gelangen. Ein Nachgraben mit dem weichen, biegsamen Schnabel ist einfach ausgeschlossen; wir hatten ohnedies mit dem Fernglas deutlich gesehen, daß die Vögel bei der Nahrungssuche nie lange bohren, sondern einfach rasch zufassen. Um der Sache auf die Spur zu kommen, spielten wir selbst Brachvogel und pirschten ganz behutsam vorwärts. Da bemerken wir, daß sich bei unserem Näherkommen die Spitzen der kleinen Sand- hügelchen bewegen. Etwas Sand fällt nach. Nun wissen wir Bescheid. Die Ohrwürmer sitzen für gewöhnlich ganz flach unter den kleinen Hügeln im Sande und schlüpfen bei jeder drohenden Gefahr sofort in die Tiefe ihrer Gänge. Die Brachvögel müssen also immer vorsichtig Pirschjagd ausüben, wenn sie diese Art Insekten fangen wollen, und kennen die Lebensweise des Riesen- ohrwurms vielleicht besser als mancher angehende Entomologe.“ Familie Labiidae. Labia L e a c h. <2) 1. Labia minor L. Kleiner Ohrwurm. Forficu.lo minor L. Ziemlich selten (v. Sieb old 1842). — F. minor L. Seltener als F. auriculoria (Brischke 1886). Sammlung des Westpreußischen Provinzial-Museums: Hoch Redlau, Kreis Neustadt (Sammlung Menge). — Bohnsack, Kreis Dan- ziger Niederung (La Baume). — Einige Stücke aus Sammlung Brischke und Sammlung Helm ohne Fundortsbezeichnung. Sammlung Timm (Zoppot) : Kahlbude, Kreis Karthaus. Vorkommen: Am Boden zwischen Gras und niedrigen Pflanzen, im Gebüsch und im Walde unter Laub. Fliegt am Tage oder gegen Abend um Misthaufen, auf gedüngten Ackern (Lit.- Angaben). — Kam in Bohnsack abends zum Licht geflogen (La Baume). Familie Cheliduridae. Chelidurella V e r h o e f f (Chel-idura auct.). f3) 1. Chelidurella acanthopygia Gene. In der Literatur bisher nicht aus Westpreußen genannt. Sammlung des W e s t p r e u ß i s c h e n Provinzial-Museums: Turmberg, Kreis Karthaus (Sammler unbekannt). Oliva, Kreis Danziger Höhe, 1 cT mit der Notiz: von Pilzkrankheit befallen und an einem V accinium- Blatt festgeklebt (K u h 1 g a t z) . 8 152 > Vorkommen: In Wäldern am Boden unter abgefallenem Laub, auch auf niedrigen Nadelhölzern, Haselsträuchern, Eichen usw.; unter Steinen (Lit.- Angaben). Familie Forficulidae. Apterygida W estwood ( Sphingolabis Bor m.). (4) 1. Apterygida albipennis M e g e r 1 e ( media Hagenbach). In der Literatur aus Westpreußen nicht erwähnt. In der Sammlung des Westpreußischen Provinzial- Museums befinden sich drei Stücke aus Sammlung Brischke ohne Fund- ortsangaben, die wohl aus Westpreußen stammen. Sammlung Timm (Zoppot): Fidlin, Kreis Karthaus, am Radaune- ufer, 10. September 1916 (vier Stück). Vork o m m e n: Unter Steinen und Baumrinde, auf Stauden und Kräutern,, auf Gebüsch, an Blüten (Lit.- Angaben). — Auf Gebüsch (Timm). Forficula L. (5) 1. Forficula auricularia L. Gemeiner Ohrwurm. Überall (v. Siebold 1842). — Überall (Brischke 1886). — Heia (Brischke 1887). — Steegen, Kreis Danziger Niederung (Brischke 1888). In der Sammlung des Westpreußischen Provinzial- Museums von zahlreichen Fundorten vertreten. Vorkommen: In allen trockenen F ormationen. Ordnung Oothecaria. Unterordnung Blattodea, Schaben. Familie Ectobiidae. Ectobia W estwood, Waldschabe. (6) 1. Ectobia lapponica L. Blatta lapponica L. In Wäldern überall häufig, kriecht oft an Gesträuch in die Höhe (v. Sieb old 1842). — Blatta lapponica L. In Wäldern (Bri schke 1886). — Heia, im Walde ziemlich häufig (Brischke 1887). — Steegen, Kr. Danz. Niederung (Brischke 1888). — - Ectobia lapponica L., E. livida F. Tucheier Heide (Rübsaamen — Kuhlgatz 1901). — Heia (La Baume 1912). In der Sammlung des Westpreußischen Provinzial- Museums von zahlreichen Fundorten in Westpreußen vertreten. Hierher gehören auch einige hellgefärbte 5 ?, welche der Ectobia livida F. ähnlich sind/ aber doch von dem Typus dieser Art ab weichen und wohl zu E. lapponica zu stellen sind: Westpreußen (Sammlung Brischke, Sammlung Treichel). — Tucheier Heide, Piaczeczno-See (Rüb samen). — Zarosle, Kreis Strasburg (K uhlgatz). — Sobbin, Kreis Schweiz (Speiser). — - Neulium, Kreis Kulm, Zwergbirkenmoor (Kuhlgatz). — Oliva bei Danzig (La Baume). 9 153 M v. Adelung (Petersburg), der die Frage der Artzugehörigkeit solcher Formen eingehend behandelt hat1), bat sich diese Stücke zur näheren Unter- suchung aus und schrieb mir darüber: „Es handelt sich, wie ich das gleich vermutet hatte, um die langflügelige $ Varietät von Ectobia lapponica, welche von einigen älteren Autoren für das richtige j dieser Art gehalten wurde. Einige der Exemplare sind allerdings sehr hell gefärbt, zeigen aber doch die größeren, dunklen Flecke auf den Elytren und die dunkle Grundfarbe der Unter- seite des Abdomens; diese Merkmale scheinen das einzige Kriterium zu sein, welches beide Arten unterscheidet. Bei der typischen Ectobia lividia fehlen diese Flecke, und die Grundfarbe der Unterseite ist weißlich. Es gibt aber fast alle Übergänge zwischen beiden Arten, und ich muß dem leider so früh ver- storbenen hervorragenden Kenner der Blattodea, Shelford, fast rechtgeben, welcher vermutete, daß beide Arten miteinander zu verschmelzen seien.“ Eine endgültige Entscheidung dieser Frage ist, wie v. Adelung schon 1904 betont hat, nur von der Durcharbeitung eines umfangreichen Materials aus allen Gegenden des palaearktischen Gebietes zu erwarten. Vorkommen: In Gebüschen und Wäldern, namentlich auf niedrigen Pflanzen, in dürrem Laub und morschen Baumstümpfen; auch auf Hochmooren und Heiden. (— ) 2. E c t o b i a 1 i v i d a F a b r. ( perspicillaris Herbst). Typische Ectobia livida sind bisher in Westpreußen nicht ge- funden worden. Eine Anzahl von § ? Stücken in der Sammlung des West- preußischen Provinzial-Museums, die E. livida ähnlich sind, sind wahrscheinlich zu E. lapponica zu stellen (s. oben). Das gilt auch von dem von Rübsaamen in der Tucheier Heide gesammelten Exemplar, das in seiner Arbeit als E. livida aufgeführt wird. Wahrscheinlich sind hiernach auch die von mir bestimmten Stücke aus Ostpreußen, die ich in einer Mitteilung über die ostpreußischen Orthopterenfauna als E. livida aufgeführt habe2), als zu E. lapponica gehörig anzusehen. (— ) 3. Ectobia panzeri Stephens (ericetorum Wesmael). Von Brischke 1886 als Blatta ericetorum aufgeführt. Die Belegstücke aus Brischkes Sammlung sind hell gefärbte ? ? von Ectobia lapponica (s. oben). E. ericetorum, eine ausgesprochen westeuropäische Art, ist bisher in Westpreußen nicht beobachtet worden. J) N. v. Adelnng. Eine neue Ectobia sowie einige Bemerkungen über russische Varie- täten der Ectobia 'perspicillaris Herbst ( livida Fabr.). — Horae Soc. Ent. Ross. 37, 1904, S. 127-137. 2) La Baume, W. Beitrag zur Kenntnis der Dermaptera und Orthoptera Ostpreußens. - — Sehr. Phys.-Ök. Ges. Königsberg, Bd. 53, I, S. 75—85. \ io 154 7 Familie Phyllodromiidae. Phyllodromia Serv. 7) 1. Phyllodromia germanica L. Küchenschabe. Blatta , germanica. In Bäckereien und Küchen (v. Siebold 1842). — Bl. germanica Fabr. Plage in vielen Häusern (Brischke 1886). In der Sammlung des Westpreußischen Provinzial- Museums mehrere Stücke ohne Fundortsangaben aus den Sammlungen Brischke, Treichel und Lange. York o m m e n: In Häusern, besonders in Backstuben, Küchen und Speise- kammern („Schwaben, Russen, Franzosen“). Familie Blattidae. Blatta L. (8) 1. Blatta orientalis L. ( Periplaneta orientalis auct.). Periplaneta orientalis L. An warmen Orten unserer Wohnungen, wo sie sehr oft lästig sind (v. Siebold 1842). — Plage in vielen Wohnungen (Brischke 1886). Sammlung des West. preußischen Provinzial-Museums; Danzig (Kumm). Tucheier Heide (Rübsaamen). Vorkommen: In Häusern, besonders in Bäckereien. Periplaneta Burm. (9) 1. Periplaneta americana L. In der Sammlung des Westpreußischen Provinzial- Museums einige Stücke ohne Fundortsangaben (wohl aus Danzig) aus den Sammlungen von Brischke und Helm. Vorkommen: In Speichern, Magazinen und Gewächshäusern (ein- geschleppt). Ordnung Saltatoria, Heuschrecken. Unterordnung Acridiodea, Feldheuschrecken. Familie Tettigidae ( Acrydiidae ). Tettix Latreille ( Acrydium , Tetrix auct.). (10) 1. Tettix subulatus L. Tetrix svbulata L. Sehr verbreitet und vielfältig variierend (v. Sieb old 1842). — Um- gebung von Danzig, im Laube (Brischke 1886). — Heia (Brischke 1887). — Steegen, Kr. Danz. Niederung (Brischke 1888). — Tucheier Heide (Rübsaamen-Kuhlgatz 1901). — Miinsterwalder Forst, Kr. Marienwerder (La Baume 1912). In der Sammlung des Westpreußischen Provinzial- Museums von zahlreichen westpreußischen Fundorten vertreten. Vorkommen: In Wäldern, besonders auf Lichtungen, und in anderen trockenen Formationen (vergl. La Baume 1912). u 155 * i \ll) 2. Tettix kraussi S a u 1 c y. Die älteren Literaturangaben über T. bipunctatus sind z. T. auf diese Art zu beziehen. — Weichselmünde, Heia; Lappin, Kr. Karthaus; Miinsterwalder Forst, Kr. Marienwerder: Lindenbusch, Kr. Tuchei; Kisin, Kr. Kulm (La Baume 1912). In der Sammlung des Westpreußischen Provinzial- Museums von zahlreichen westpreußischen Fundorten vertreten. Vorkommen: In allen trockenen Formationen. (12) 3. Tettix bipunctatus L. Tetrix bipunctata L Sehr verbreitet und vielfältig variierend (v. Sieb old 1842). — Umgebung von Danzig, im Laube (Brischke 1886). — Tucheier Heide (Rübsaamen- Kuhlgatz 1901). Sammlung des Westpreußischen Provinzial-Museums: Konnenkämpe bei Kulm (K u h 1 g a t z). Keulinum, Kreis Kulm (La Baume). Tettix bipunctatus und T. kraussi werden seit 1888 als Arten unterschieden; ich habe jedoch den Eindruck, daß bei unsern norddeutschen Stücken eine Ent- scheidung, welcher Art man sie zurechnen soll, nicht immer möglich ist. Von dem im Westpreußischen Provinzial-Museum vorhandenen Material entsprechen nur zwei Stücke (von den oben genannten Fundorten) dem typischen T. bipunc- tatus; unter den anderen, die ich zu T. kraussi gestellt habe, sind aber etliche, die weder dem einen noch dem anderen Typus zuzurechnen sind, also entweder Übergänge oder Kreuzungen vorstellen. Diese Frage müßte einmal an um- fassendem Material nachgeprüft werden. Vorkommen: Auf trockenen Wiesen und grasbewachsenen Hängen. Chrysochraon Fischer. (13) 1. Chrysochraon dispar Ger mar. Chrysochraon dispar Germ. Abrauer Moor, Kr. Tuchei (La Baume 1911 und 1912). In der Sammlung des Westpreußischen Provinzial- Museums befinden sich außer den von mir auf dem Abrauer Moor gesam- melten Stücken 1 cf und 1 ohne Fundortsangabe aus Sammlung Brischke. Vorkommen: Auf moorigen Wiesen (vergl. La Baume 1912). (14) 2. Chrysochraon brachypterus 0 c s k a y. Westpreußen (La Baume teste Ramme, Berk Ent. Zeitschr. 58, 1913, S. 228). Diese Art fing ich am 10. August 1913 auf einer Waldlichtung unweit der Försterei Taubenwasser im Olivaer Walde. Dort waren die hellgrünen, gold- glänzenden Tiere meinem Freunde, Oberförster Schönwald, aufgefallen, in dessen Begleitung ich dann diesen Fundplatz aufsuchte. Heben anderen gewöhn- lichen Orthopterenarten fand ich dort auch Stenobothrus pullus. Bei einem neuerlichen Besuch dieser Stelle (September 1919) wurden beide Arten, doch in sehr geringer Zahl, wiedergefunden. (Vergl. auch S. 181). Die Belegstücke befinden sich in der Sammlung des Westpreußischen Pro- vinzial-Museums. 12 156 Gomphocerus Thunberg. (15) 1. Gomphocerus maculatus Th unberg. Gomphocerus biguttatus L. An sonnigen, sandigen Orten sehr häufig (v. Sieb old 1842). — G. biguttatus. Umgebung von Danzig (Brischke 1886). — G. biguttatus Charp. Heia, häufig (Brischke 1887). — Steegen, Kr. Danz. Niederung (Brischke 1888). — G. maculatus Thunb. Tucheier Heide (Rübsaamen-Kuhlgatz 1901). — Oliva, Weichselmünde, Heu- bude bei Danzig; Lappin, Kr. Karthaus; Lindenbusch, Kr. Tuchei (La Baume 1912). In der Sammlung des Westpreußischen Provinzial- Museums von vielen Fundorten vertreten. Y orkommen: Neben Stenobothrus variabilis auf trockenem Gelände die häufigste Art (vergl. La Baume 1912). f v_ v (— ) 2. Gomphocerus brevipennis Brisout. „Gomphocerus brevipennis “ erwähnt Brischke 1886 aus der Umgegend von Danzig mit dem Zusatz „auf Wiesen“. Ich glaubte anfangs, es könne hier ein älteres Synonym einer Gomphocerus- oder Stenobothrus- Art vorliegen; ein solches gibt es aber nicht. Überdies befinden sich in der Sammlung des West- preußischen Provinzial-Museums zwei Stücke aus Sammlung Brischke ohne Fundortangabe mit dem von Brischkes Hand geschriebenen Etikett : G. brevi- pennis. Diese Stücke gehören tatsächlich zu Gomphocerus brevipennis Bris., einer Art, die nach Brunner und Fischer nur in den Pyrenäen vorkommt. Brischke muß sie wohl von einem Bekannten erhalten haben, hat sie in seine Sammlung gesteckt, aber ohne Fundortnotiz, und glaubte wohl später, sie stamm- ten aus Westpreußen; anders kann ich mir jedenfalls nicht erklären, daß er sie in seiner Liste von 1886 mit dem Zusatz ,,auf Wiesen“ aufführt. Stenobothrus Fischer. (16) 1. Stenobothrus stigmaticus Rambur. Weichselmünde bei Danzig (La Baume 1912). Sammlung des Westpreußischen Provinzial-Museums: Weichselmünde bei Danzig; Barbarkener Heide bei Thorn (La Baume). York ommen: Am ‘Rande der Heubuder Forst nach Weichselmünde zu, auf kleinen, spärlich bewachsenen Sandhügeln (vergl. L a B a u m e 1912). In der Barbarkener Heide nördlich Thorn findet sich die Art auf dem hügeligen, spärlich bewachsenen, sandigen Gelände des Infanterie-Übungsplatzes. (17) 2. Stenobothrus nigromaculatus Herrieh-Schäffer. St. niqromaculatus H.-Scli. Tucheier Heide: Chirkowa, Lindenbusch (La Baume 1911 u. 1912). Sammlung des Westpreußischen Provinzial-Museums: Chirkowa (W olterstorff); Lindenbusch, Kreis Tuchei; Kudamühl bei Tuchei (La Baume). — T'horn-Schießplatz und Barbarkener Heide (La Baume). i 13 157 Vorkommen: In der Tucheier Heide findet sich Stenobothrus nigro - maculatus auf Lichtungen in der Kiefernheide. Ein derartiger Fundplatz (Lindenbusch) ist 1912 näher von mir beschrieben worden; ein zweiter (Ruda- rnühl bei Tuchei) wird unten geschildert (s. S. 181). Auf dem Artillerie-Schießplatz bei Thorn traf ich die Art sowohl auf dem steppenartigen Sandgelände südlich Bruschkrug wie an lichten Stellen in der Kiefernheide; bei Barbarken nördlich Thorn ebenfalls auf Lichtungen der Kiefernheide (s. S. 184). (18) 3. Stenobothrus lineatus Panzer. Gomphocerus lineatus Charp. Auf feuchten Wiesen sehr gemein (v. Siebold 1842).— Stenob. lineatus. Bei Zoppot (Brischke 1886). — Liibkau am Zarnowitzer See, Kr. Putzig; Münsterwalder Forst, Kr. Marienwerder; Lindenbusch, Kr. Tuchei (La Baume 1912). Sammlung des Westpreußischen Provinzial-Museums: Sehlen, Lindenbusch, Kreis Tuchei; Hohes Weichselufer bei Althausen und am Lorenzberg, Kreis Kulm; Münsterwalder Forst, Kreis Marienwerder; Oliva bei Danzig; Lübkau, Kreis Putzig (La Baume). — Semmler bei Marienwerder (Rehberg). Vorkommen: Th. v. Siebold s Bemerkung : ,,auf feuchten Wiesen sehr gemein“ ist mir unverständlich; vielleicht hat er die Art von dem sehr ähnlichen und meist auf feuchten Wiesen vorkommenden St. viridulus nicht i scharf unterschieden. Denn nach meinen Beobachtungen kommt St. lineatus in Korddeutschland nur auf trockenen Wiesen und an grasbewachsenen Hän- gen, ferner an Waldrändern und auf Waldlichtungen vor, überdies keineswegs häufig (vergl. La Baume 1912). In der Literatur finden sich durchweg ähn- liche Angaben über das Vorkommen auch für andere Grebiete, wenngleich die Art in anderen Gregenden häufiger ist. (19) 4. Stenobothrus (Omocestus) haemorrhoidalis Charp entier. Nicht selten (v. Siebold 1842). — Cisbusch, Kr. Schwetz (La Baume 1911). — Kisin, Kr. Kulm (La Baume 1912). Sammlung des Westpreußischen Provinzial-Museums: Tucheier Heide, Cisbusch (Rübsaamen), Schwied bei Tuchei (La Baume). — Kisin, Althausen, Kreis Kulm (La Baume). — Barbarkener Heide bei Thorn (La Baume). Vork ommen: Auf Waldlichtungen, an bewachsenen Hängen, auf san- digem Ödland. (20) 5. Stenobothrus (Omocestus) viridulus L. Sehr häufig (v. Sieb old 1842). — Tuchelei Heide (Rübsaamen- Kuhlgatz 1901). — Weichselmünde, Oliva, Heubude bei Danzig; Abrauer Moor, Kreis Tuchei (L a B a u m e 1912). In der Sammlung des Westpreußischen Provinzial- Museums von zahlreichen Fundorten vertreten: Umgebung von Danzig (La Baume); Heia (Alfken); Zarnowitzer See (Enderlein); Tucheier Heide 14 158 (Rübsaamen, La Baume); Kreis Strasburg Wpr., Nonnenkämpe bei Kulm (K u h 1 g a t z) . Vorkommen: Auf feuchten Wiesen (vergl. La Baume 1912). (21) 6. Stenobothms (Stauroderus) apricarius L. Gompkocerus apricarius Cbarp. An sonnigen, trockenen Orten ungemein häufig (v. Sieb old 1842). — Bei Danzig, in der Tucheier Heide, im Kreise Strasburg, bei Marienwerder (La Baume 1911). In der Sammlung des Westpreußischen Provinzial- Museums von zahlreichen Fundorten vertreten: Umgebung von Danzig (L a Baume); Kreis Putzig (E n d e r 1 e i n) ; Umgebung von Marien werder (R e h - b e r g, La Baume); Tucheier Heide (Rübsaamen, La Baume); Kreis Strasburg Wpr. (Kuhlgatz); Strugga, Kreis Bereut (Speiser). V orkommen: An trockenen, grasbewachsenen Stellen, auf Stoppel- feldern, Wegrainen, an Waldrändern usw. meist ebenso häufig wie Steno « hothrus variabilis. (22) 7. Stenobotkrus (Stauroderus) pullus Philipp i. Diese Art fand ich am 10. August 1913 auf einer Waldlichtung bei Tauben- wasser im Olivaer Walde bei Danzig, an derselben Stelle, wo auch Chrysochraon brackypterus vorkommt (s. oben). Bei einem neuerlichen Besuch dieser Stelle (1919) wurde das dortige Vorkommen bestätigt. Die Belegstücke befinden sich in der Sammlung des W estpreußi- sehen Provinzial-Museums. Stenobotkrus pullus ist eine der wenigen, in Deutschland nur sporadisch vorkommenden pontischen Orthopterenarten. (23) 8. Stenobothrus (Stauroderus) vagans Eversmann. St. vagans Eversm. Danziger Nehrung, Heia, Frische Nehrung (La Baume 1911 u. 1912). Sammlung des Westpreußischen Provinzial-Museums: Heia (R e h b e r g, La Baume); W eichseimünde, Heubude bei Danzig (L a Baume); Frische Mehrung (G. Bär). Vorkommen: An lichten Stellen der Kiefernheide an der Küste der Danziger Bucht, besonders auf Heidekraut (vergl. La Baume 1912). Herr Dr. Krauß in Tübingen, der mir die Richtigkeit der Artbestimmung, die mir anfangs zweifelhaft schien, bestätigte, und einige aus der Gegend von Danzig stammende Stücke mit solchen seiner Sammlung, die vom Harz, aus Wien und Südtirol stammen, verglichen hat, schrieb mir dazu: ,,Ich habe die Art bei Wien und Südtirol vielfach beobachtet und sie immer in lichtem Kiefernwald angetroffen, wo ja meist auch Calluna wächst. Im Kiefernwald bei Atzwang (Bozen) ist sie der einzige Vertreter des Genus Stenobotkrus und daher leicht zu sammeln, da Verwechslung mit St. bicolor gerade auf Exkursionen dadurch ausgeschlossen ist. . . . Ihr Fund ist sehr interessant, da er wohl das nördlichste Vorkommen der Art darstellt.“ 15 159 (24) 9. Stenobothrus variabilis Fieb. forma biguttulus L. und bicolor C h a r p. Gomphocerus biguttulus L. Sehr gemein. G. mollis Charp. Häufig. G. bicolor Charp. Selten (v. Siebold 1842). — Stenob. variabilis- Fieb. Heia, sehr häufig (Brischke 1887). — Steegen (Brischke 1888). — St. biguttulus (L.) Tucheier Heide (Rübsaamen-Kuhlgatz 1901). — St. variabilis Fieb. Weichselmünde, Heubude bei Danzig; Lappin, Kr. Karthaus; Miinsterwalder Forst, Kr. Marienwerder; Lindenbusch, Kr. Tuchei; Ki$in, Kr. Kulm (La Baume 1912). In der Sammlung des Westpreußischen Provinzial« Museums von zahlreichen Fundorten aus Westpreußen vertreten. Vorkommen: Häufigste Art auf trockenem Gelände: an Feldrainen, auf Äckern und Feldwegen, an allen trockenen, grasbewachsenen Örtlichkeiten, in lichten Wäldern, auf Sandgrasheide usw. Fehlt nur auf sumpfigen Wiesen. (25) 10. Stenobothrus (Chortippus) elegans Charpentier. Gomphocerus elegans Charp. Von Nowicki bei Thorn gefangen (von Sieb old 1842). — Stenob. elegans Charp.- Heia, sehr häufig (Brischke 1887). — Steegen (Brischke 1888). — Weichselmünde und Heubude bei Danzig (La Baume 1912). In der Sammlung des Westpreußischen Provinzial- Museums in zahlreichen westpreußischen Funden vertreten. V orkommen: Besonders auf feuchten Wiesen, Wiesenmooren, an Ufern von Gewässern nicht selten; bei Heubude und auf Heia fand ich die Art jedoch auch auf trockenem, sandigem Boden (vergl. La Baume 1912). (26) 11. Stenobothrus (Chortippus) clorsatus Zettersted t. Gomphocerus clorsatus Charp. Sehr häufig (v. Sieb old 1842). — Stenob. dorsatus Zett. Tuchler Heide (Rübsaamen-Kuhlgatz 1901). — Oliva bei Danzig (La Baume 1912). In der Sammlung des Westpreußischen Provinzial- Museums Belegstücke von zahlreichen westpreußischen Fundorten. Vorkommen: Auf feuchten Wiesen häufig. Heben grünen auch ganz braune Stücke (vergl. La Baume 1912). (27) 12. Stenobothrus (Chortippus) parallelus Zettersted t. Gomphocerus montanus Clou p , selten; G. parallelus Charp., von Nowicki bei Thorn gefunden (v. Siebold 1842). — Stenob. pratorum. In vielen Varietäten, überall (Brischke 1886). — St. parallelus Zett. ( pratorum Fieb.). Tucheier Heide (Rübsaamen-Kuhlgatz 1901). — Oliva und Heubude bei Danzig; Kisin, Kr. Kulm (La Baume 1912). In der Sammlung des Westpreußischen Provinzial- Museums von zahlreichen westpreußischen Fundorten vertreten. Vorkommen: Auf feuchten Wiesen die gemeinste Art; seltener in trockenen Formationen (vergl. La Baume 1912). * Arcyptera S e r v. ( Stethophyma F i s c h.). 28) 1. Arcyptera flavicosta Fischer. Gomphocerus cruciatus Charp., von Nowicki bei Thorn entdeckt (v. Siebold 1842). Da v. Sieb old (a. a. 0.) in der Einleitung bemerkt, daß er die Nomen- klatur von Burmeister anwenden wolle, so handelt es sich ohne Zweifel bei 10 160 dieser Angabe nm Gomphocerus cruciatus Burm. (Phil., Fischer von Waldh.) nec Charp., d. h. nm Stethophyma (Arcyptera) flavicosta Fisch. Frbg. Wenn es auch bisher nicht gelungen ist, diese pontische Art bei Thorn wieder aufzufinden, so ist ihr Vorkommen im Gebiet des Weichseltales durchaus nicht unwahrscheinlich, nachdem sich die früher für irrtümlich gehaltenen An- gaben v. Siebolds über das dortige Vorkommen von Ephippigera vitium bestätigt haben, zumal da in jenem Grebiet pontische Pflanzen- und Tierarten nicht selten sind (vergl. unten S. 184). V orkommen: Auf trockenen Wiesen und in Sandgegenden (nach Lite- raturangaben). Nowicki bzw. v. Sieb old haben nichts näheres über den Fundplatz bei Thorn mitgeteilt. Die Art dürfte dort in erster Linie auf dem steppenartigen Gelände des Artillerie- Schießplatzes zu suchen sein. Mecostethus Fieber. <29) ' 1. Mecostethus grossus L. Gomphocerus grossus L. Auf sumpfigen Wiesen sehr gemein (v. Sieb old 1842). — Mecostethus grossus L. Tucheier Heide (Riibsaamen-Kuhlgatz 1901). — Oliva b. Danzig; Abrauer Moor, Kr. Tuchei (La Baume 1912). / Sammlung des Westpreußischen Provinzial-Museums: Strauchmühle bei Oliva (La Baume); Tucheier Heide: Brunstplatz (Wol- ter s t o r f f), Cisbusch, Bialla, Blondsmin, Adlershorst, Legbond (R ü b - saamen); Abrauer Moor (La Baume); Kreis Strasburg Wpr., Gremenz- mühle, am Strascin-See; am Bachott-See (Kuhlgatz). V orkommen: Auf sumpfigen Wiesen und Grünlandmooren (vergl. La Baume 1912). i Psophus Fieber. <• ■* <30) 1. Psophus stridulus L. Oedipoda stridula L. Kommt bei Elbing vor (v. Sieb old 1842). — Im Schmelztale bei Sagorsch (Brischke 1886). — Psophus stridulus L. Tucheier Heide (Rübsaamen-Kuhl- gatz 1901). — Miinsterwalder Forst, Kr. Marienwerder (La Baume 1912). Sammlung des Westpreußischen Provinzial-Museums: Ohne Fundort (Sammlung Brischke). — Tucheier Heide: Chirkowa (W ol- terstorff), Salesche (Rübsaamen), Königliche F orst Lindenbusch (L a Baume). — Kreis Marienwerder: Münsterwalder Forst (La Baume); Semmler (Rehberg). — Strugga, Kreis Berent (Speiser). ■ — Borrowo bei Neustadt Wpr. (Postsekretär M i e s 1 e r). V orkommen: Diese durch ihre zinnoberroten Hinterflügel ausgezeichnete Art, deren Männchen beim Auffliegen ein lautes Schnarren ertönen lassen, ist ein charakteristischer Bewohner von Waldlichtungen, besonders in der Kiefern- heide (vergl. La Baume 1912). 17 161 Pachytilus Fieber. (31) 1. Pachytilus danicus L. ( cinerascens Fabr.). Oedipoda migratoria L. Wanderheuschrecke. Einzelne um Danzig (Brise hke 1886). — Pachytilus migratorius L. Im Kreise Deutsch Krone 1888 in verheerender Menge aufge- treten (Bericht über die Sammlungen des Westpreußischen Provinzial-Museums für das Jahr 1888, S. 12). — Pachytilus danicus L. Deutsch Krone 1888 (La Baume 1911). In der Sammlung des Westpreußischen Provinzial- Museums befinden sieb drei Stücke aus Sammlung Briscbke, auf welche sieb offenbar seine oben angeführte Angabe bezieht; diese gehören aber nicht zu P. migratorius L., sondern zu danicus L. Das gleiche gilt für die im Kreise Deutsch Krone 1888 beobachteten Wanderheuschrecken, wie die Untersuchung einiger in Alkohol aufbewahrter Stücke ergab, welche Dr. Hat wich damals zur Feststellung der Art an das Museum eingesandt hat. Ferner in derselben Sammlung: 1 ? aus Strugga, Kreis Berent (Speiser leg.), und mehrere Stücke aus Thorn (La Baume leg.). Vorkommen: Das von Speiser bei Strugga gesammelte Stück stammt von einem Kartoffelfelde. Bei Thorn fing ich einige Exemplare auf sandigem Ödland (Artillerie-Schießplatz, vergl. S. 184). Im Jahre 1875 sind Heuschreckenschwärme in Westpreußen aufgetreten; das ergibt sich aus den „Schriften der Naturforschenden Gesellschaft“ in Danzig, N. F. Bd. III, H. 4, S. 30, wo mitgeteilt wird, daß Ende 1875 bei Thorn Rosenstare „in ziemlich großen Scharen“ beobachtet worden sind, welche als Vorboten der später eingetretenen Heuschreckenplage anzusehen gewesen seien1). Da im selben Jahre in der Mark Brandenburg eine Heuschreckenplage herrschte, die nachweislich von Pachytilus danicus verur- sacht worden ist, kann man annehmen, daß auch in Westpreußen diese Art und nicht P. migratorius (die in Südrußland heimische Wanderheuschrecken- art) die Ursache der Plage war. Für die später, im Jahre 1888, im Kreise Deutsch Krone aufgetretene Heu- schreckenplage ist das durch die im Westpreußischen Provinzial-Museum be- findlichen Belegstücke mit Sicherheit zu erweisen. Über das Vorkommen der Heuschrecken bei Kuschendorf, Kreis Deutsch Krone, im Jahre 1888 heißt es in einem Schreiben des Lehrers Reußius: „Das Brachfeld war für die Ver- mehrung der Wanderheuschrecke insonderheit förderlich gewesen, weil es Jahre hindurch nicht beackert worden war. Die muldenartige Fläche ist mit reich- lichem Grase bewachsen und der Sonne ausgesetzt. Hier ist die Brutstätte zu suchen “ Ferner berichtet der Lehrer Bleske darüber: „Die Heu- schrecken kamen in hiesiger Feldmark in größeren Massen nur im sogenannten Kehmel, einer 3 — 400 Morgen großen, ringsum von Forst umgebenen bebauten 0 Der Rosenstar ( Pastor roseus L.) ist im Mittelmeergebiet heimisch. Sein Auftreten im Gefolge der Heuschreckenplage konnte kürzlich wieder in Kleinasien beobachtet werden, vgl. La Baume, Biologie der marokkanischen Wanderheuschrecke, Berlin 1918, S. 256 ff. (Titel s. oben S. 149, Anm. 1). Sehr. d. N. G. zu Danzig. Bd. XV, Heft 1 u. 2. 18 11 162 Landfläche vor. Bei ihrem ersten Auftreten im ersten Stadium der Entwicklung fanden sie sich in besonders starker Menge auf einem Grenzwege, welcher den Rehmel von der Marzdorf er Forst scheidet. Dieser Umstand erklärt sich dar- aus, daß die Heuschrecken gerade an derartigen, den Strahlen der Sonne stark ausgesetzten Waldrändern von denselben ausgebrütet werden. Späterhin ver- breiteten sie sich, namentlich stets der Richtung des Windes folgend, über die ganze Fläche des Rehmeis, indem sie sich hauptsächlich an tiefliegenden, vor dem Winde geschützten Stellen (Gründen) in dichten Schwärmen festsetzten. Auch auf der Grenze zwischen der Rauschendorfer und Mellentiner Feldmark traten späterhin die Heuschrecken in größeren Massen auf, weil auch hier auf dem wenig befahrenen Wege die im Herbste abgesetzte Brut ungestört sich entwickeln konnte. Der Boden ist durchweg leicht und sandig und mit feinem Gras bedeckt. Ein Teil des Landes war mit Roggen bestellt, welcher den Ver- heerungen der Tiere zum Opfer fiel. Auch die anderen Stellen, an denen die Heuschrecken auftraten, waren entweder Grasflächen — Brachland mit feinem Gras — oder Getreidefelder.“ Diese Schilderung ist vor allem auch deswegen von besonderem Interesse, weil aus ihr hervorgeht, daß die damalige Plage im Lande selbst ent- standen und n i ch t durch Heuschrecken, die von anderen Gegenden her- geflogen kamen, verursacht worden ist. Sie bestätigt die von Schrank, Jäckel und Gerstäcker geäußerte Ansicht, daß ein Teil der Heu- schreckenplagen, von denen Deutschland in früherer Zeit heimgesucht wurde, auf eine durch besonders günstige Bedingungen hervorgerufene Massen- vermehrung des hier einheimischen, aber normalerweise nur ver- einzelt vorkommenden Pachytilus danicus zurückzuführen ist. Ein anderer Teil mag, wie aus manchen Berichten darüber hervorzugehen scheint, durch zeitweilige, große Wanderungen des in Südrußland heimischen Pachytilus migratorius verursacht worden sein. 4 Oedipoda Serville. (32) 1. Oedipoda coerulescens L. Oedipoda coerulescens L. Überall an sandigen, sonnigen Stellen häufig (v. Sieb old 1842). — Umgebung von Danzig, auf sonnigen Feldern (Brischke 1886). — Heia (Brischke 1887)1)- — Tucheier Heide (Rübsaamen-Kuhlgatz 1901). — Weichselmünde, Henbude bei Danzig; Lappin, Kr. Karthaus; Münsterwalder Forst bei Marienwerder; Kisin, Kr. Kulm La Baume). i) Brischke bemerkt a. a. 0.: „Die Hinterfiiigel sind statt blau gelbweiß.“ Zwei mit der Bezeichnung „Heia“ versehene Stücke von Oed. coerulescens aus Sammlung Brischke zeigen in der Tat statt des Blaues der Hinterflügel ein schmutziges Gelbweiß; sie machen aber den Eindruck, als wenn sie eine Zeit lang in Alkohol gelegen hätten und dadurch die blaue Färbung verloren gegangen sei. Einige zur Kontrolle aus Alkohol genommene und trocken präparierte Stücke sehen jedenfalls ganz ähnlich aus wie die beiden Brischkeschen mit gelblichen Hinterflügeln. 19 163 In der Sammlung des Westpreußischen Provinzial- Museums von den genannten Fundorten und zahlreichen anderen vertreten. Vorkommen: An trockenen, sonnigen Stellen: auf Ödland; in der Kiefernheide, namentlich an Waldrändern, auf Lichtungen und Holzschlägen. Bryodema Fieber. (33) 1. Bryodema tuberculata Fabricius. Oedipuda tuberculata F. Kommt bei Thorn und Elbing vor (v. Sieb old 1842). Die Art ist in neuerer Zeit nicht wieder beobachtet worden; doch ist als sicher anzunehmen, daß sie sporadiseh in Westpreußen vorkommt. Vorkommen: Auf sandigen Stellen in lichten Nadelholzwäldern und auf dürrem Heideland (Literatur- Angaben) . Sphingonotus F i e b. (34) 1. Sphingonotus coerulans L. Oedipoda coerulans L. Wurde von Nowicki bei Thorn entdeckt (v. Siebold 1842). — Heia (La Baume 1911). Sammlung des Westpreußischen Provinzial-Museums: Heia (Brischke leg. 1 ? ; mehrere Stücke der typischen Form, La Baume leg. 1914). — Wimislaw bei Tuchei, 1 5 der forma intermedia Hamme1), LaBaume leg. 1915. — Thorn, Artillerie-Schießplatz, 1 Larve, La Baume leg. 1919. V orkommen: Wie ich schon 1911 (a. a. 0. S. 158, 159) mitgeteilt habe, entdeckte ich in der Sammlungdes Westpreußischen Provinzial- Museums ein ? von Sphingonotus coerulans unter mehreren Stücken von Oedipoda coerulescens, die Brischke auf der Halbinsel Heia gesammelt hatte. Im Sommer 1914 konnte ich dieses Vorkommen bestätigen; ich fing mehrere Stücke auf fast vegetationslosem Dünengelände in der Nähe des Außenstrandes anweit vom Dorfe Heia. Diese ausgesprochen mediterrane Art sitzt immer auf kahlem Sand- oder Steinboden, an den sie in Färbung und Zeichnung vor- trefflich angepaßt ist. — Bei Thorn fand ich sie auch auf nacktem Kies- und Sandboden; auf ähnlicher Formation (Sandheide) sammelte ich sie in der Gegend von Tuchei. Podisma Latreille ( Vezotettix Bur m.). (35) l. Podisma pedestris L. Podisma pedestre Serv. Wurde mir von Nowicki aus Thorn eingesandt (v. Siubold 1842). — Kgl. Forst Lindenbusch, Kr. Tuchei (La Baume 1911). In der Sammlung des Westpreußischen Provinzial- Museums befinden sich die von mir im August 1911 bei Lindenbusch (Tuche- !) Nach Ramme (Berl. ßntom. Ztschr. 1911) sind Sphingonotus coerulans L u. S. ryanop- terus Charp. extreme Formen derselben Art, die durch Übergangsformen (forma intermedia ) miteinander verbunden sind. Anscheinend finden sich in Südeuropa nur typische Spt>. coeru- lans (ohne schwarze Binde auf den Hinterflügeln), S. cyanopterus und S. intermedia (mit mehr oder minder ausgeprägter Binde) dagegen nur in Mittel- und Nordeuropa. 20 11* 164 ler Heide) gesammelten Exemplare. An dem Vorkommen der Art bei Thorn, das v. Sieb old erwähnt (s. oben), ist nicht zu zweifeln, nachdem sie auch in der Tucheier Heide aufgefunden worden ist; es ist mir aber nicht gelungen, sie bei Thorn wiederzufinden. Vorkommen: Auf sonnigen Lichtungen in der Kiefernheide (vergl. La Baume 1912). Caloptenus Burm. ( Calliptamus Serv.). (36) 1. Caloptenus italicus L. C. italicus L. Durch Nowicki aus Thorn erhalten (v. Sieb old 1842). Sammlung des Westpreußischen Provinzial-Museums: Thorn, Schießplatzgelände bei Bruschkrug; Barbarken bei Thorn; Tucheier Heide: bei Tuchei, Budamühl und Wimislaw, Kreis Tuchei (La Baume). Vorkommen: Auf dem steppenartigen Sandgelände des Schießplatzes bei Bruschkrug südlich Thorn häufig (vergl. S. 184). Ebendort auch wie bei Barbarken und in der Tucheier Heide auf Lichtungen in der Kiefernheide (vergl. S. 181). Unterordnung Locustodea, Laubheuschrecken. Familie Phaneropteridae. Barbitistes C h a r p e n t i e r. (37) 1. Barbitistes constrictus Brunner. Münsterwalder Forst bei Marienwerder (La Baume 1911 und 1912). Sammlung des Westpreußischen Provinzial-Museums: Münsterwalder Forst bei Marienwerder; Thorn, Artillerie-Schießplatz (La Baume). — Waldenburg bei Neustadt Wpr. |M i es ler). Sammlung Timm (Zoppot) : Zoppot; Bernhardowo, Kreis Neustadt (Timm). Vork ommen: Bei Thorn auf dem Oelände des Artillerie-Schießplatzes am Bande der Kiefernheide, im Münsterwalder Forst auf Lichtungen im Misch- wald, stets auf Sträuchern oder niedrigen Koniferen, zusammen 'mit Ephippi- gera vitium. Über das Vorkommen im Münsterwalder Forst vergl. La Baume 1912, S. 153; über das bei Thorn s. unten S. Herr Postsekretär Mieslerin Neustadt Wpr. fing diese Art im September 1915 bei der Försterei Musa, Oberförsterei Darslub im Kreise Neustadt, sowie im September 1917 beim Oute Waldenburg nördlich Neustadt, hier in einer 6 — 8 jährigen Tannenschonung, wo die Tiere auf den kleinen Tannen saßen (briefl. Mitteilung). Ferner erbeutete Herr Bechnungsrat Timm (Zoppot) einige Stücke dieser pontisehen Art an einem sonnigen Waldrande bei Bern- hardowo im Kreise Neustadt. 21 165 Leptophyes Fieber. (38) 1. Leptophyes punctatissima Bose. Barbitistes autumnalis Charp. Kommt bei Danzig und Thorn vor (v. Sieb old 1842). — Leptophyes albovittata Kollar. Tucheier Heide (Rübsaamen — Kuhlgatz 1901). In der Sammlung des West preußischen Provinzial- Museums befindet sich nur ein von Eübsaamen in der Tucheier Heide gesammeltes cf, welches nicht zu albovittata (s. oben), sondern zu punctatissima gehört (La Baume 1911). Vorkommen: Hach Literaturangaben findet sich diese zierliche Laub- heuschrecke auf Stauden und Gebüsch. * Familie Meconemidae. Meconema S e r v i 1 1 e. (39) 1. Meconema thalassina de Geer ( varia Fahr.). „M. varia P. habe ich bei Zoppot öfters von Eichbäumen geklopft“ (v. Sieb old 1842). — Im Herbste auf Bäumen im Jäschkentaler Wäldchen (Brischke 1888). — Tucheier Heide (ßübsaamen — Kuhlgatz 1901). Sammlung des Westpreußischen Provinzial-Museums: Ohne Fundortsangabe (Sammlung Brischke). — Tucheier Heide, Cisbusch (Eübsaamen). — Heu Palleschken, Kreis Bereut (Speiser). V orkommen: Auf Laubbäumen, namentlich Eichen. Familie Xiphidiidae. Xiphidium S e r v i 1 1 e. (40) 1. Xiphidium fuscum Fabrieiu s. „ Xiphidium fuscum F. wurde mir von No wi cki aus Thorn eingeschickt“ (v. Sieb old 1842). In der Sammlung des Westpreußischen Provinzial- Museums noch nicht von westpreußischen Fundorten vertreten. Zwei aus Sammlung Brischke stammende Stücke tragen den Fundortsvermerk „Mark“, sind also wohl in der Mark Brandenburg gesammelt worden. V orkommen: Auf sumpfigen Wiesen, im Schilf. (41) 2. Xiphidium dorsale Latreille. X. dorsale Charp. Bei Danzig (v. Siebold 1842). — X. dorsale Latr. Tucheier Heide (Rübsaamen — Kuhlgatz 1901). — Weichselmünde bei Danzig; Abrauer Moor, Kr. Tuchei (La Baume 1912). Sammlung des Westpreußischen Provinzial-Museums-: Weichselmünde bei Danzig (L a B a u m e). — Moorwiesen bei Putzig (E n d e r - 1 ein); Rauschendorf, Kreis Putzig (La Baume). — Tucheier Heide: Hieder- krug (Rübsaamen); Sehlen, Abrauer Moor, Tuchei (La Baume). — Semmler bei Marienwerder (Rehberg). — Am Flußufer zwischen Strascin-, Zbiczno- und Bach ott-See, Kreis Strasburg Wpr. (Kuhlgatz). Vorkommen: Auf sumpfigen Wiesen und am Rande von Gewässern auf Gräsern und Schilf. 22 166 Familie Locustidae (= Phasgonuridae, Tettigoniidae). Locusta Geoffroy. (42) 1. Locusta viridissima L. In Gesträuchern und auf Bäumen bei Danzig sehr häufig (v. Siebold 1842). — Um- gebung von Danzig (Brise hke 1886). — Heia (Brischke 1887). — Steegen (Brischke 1888). — Tucheier Heide (Riibsaamen — Kuhlgatz 1901). Sammlung des W e s t p r e u ß is ch e n P r o v in z i al - M u s e u m s: Oliva bei Danzig (M. Lützow). — Tucheier Heide: Adlershorst (Rüb- saamen). — Semmler bei Marienwerder (Rehberg). — Damerau, Kreis Kulm (La Baume). Vorkommen: Auf Wiesen; in Getreide- und Kartoffelfeldern; auf Sträuchern und Bäumen. (43) 2. Locusta cantans F ü e s s 1 y. Locusta cantans Charp. In Gesträuchern und auf Bäumen bei Danzig sehr häufig (v. Sieb old 1842). — L. cantans Charp. Springhahn. Umgebung von Danzig, überall (Brischke 1886). Sammlung des Westpreußischen Provinzial-Museums: Oliva bei Danzig (M. Lützow; La Baume). — Kreis Putzig: Karwen (Enderlein), Nadolle (La Baume). — Semmler bei .Marienwerder (R ehb erg). Vorkommen: Wie bei Locusta viridissima. Familie Decticidae. Thamnotrizon Fischer, Strauchschrecke. (44) 1. Thamnotrizon cinereus L. Decticus a.pterus Fabr. In den Wäldern von Pelonken und Zoppot auf Haselstrauch sehr häufig (v. Siebold 1842). — Münsterwalder Forst bei Marienwerder (La Baume 1912). Sammlung des Westpreußischen Provinzial-Museums: Taubenwasser bei Zoppot; Hoch Redlau, Kreis Neustadt Wpr. (La Baume). — - Kahlberg, Kreis Danziger Niederung (G. Bär). — Kulm, Ostrowkämpe bei Kulm (La Baume). Vorkommen: Am Boden zwischen Laub, auf Stauden und Unterholz im Gebüsch, in Anlagen und in Wäldern überall häufig. Platycleis Fieber. (45) 1. Platycleis grisea Fabr. Decticus griseus F. Bei Thorn vonNowicki gefunden (v. Sieb old 1842). — D. griseus Heia, auf Heidekraut. Um Danzig noch nicht gefunden (Brischke 1887). — Drymadusa grisea Brunner. Tucheier Heide (Riibsaamen — Kuhlgatz 1901). — Heia; Lappin, Kr. Karthaus (La Baume 1912). Sammlung des Westpreußischen Provinzial-Museums: Halbinsel Heia (Brischke, Kuhlgatz, La Baume). — Tucheier Heide : 23 167 Adlershorst, Barlogi (R ü b s a a m e n) ; Schwiedt bei Tuehel (La Baume). — Lappin, Kreis Karthaus; Münsterwalder Forst, Semmler bei Marien werder; Thorn, Schießplatz und Barbarkener Heide, (La Baume). Vorkommen: In der Kiefernheide an lichten Stellen, besonders zwischen Heidekraut. i 2. Platycleis brachyptera L. Decticus brachypterus F. Bei Danzig selten (v. Siebold 1842). — Heubude bei Danzig; Lindenbusch, Kr. Tuchei; Münsterwalder Forst, Kr. Marienwerder; Kisin, Kr. Kulm (La Baume 1911 und 1912). Sammlung des Westpreußischen Provinzial-Museums: Heubude, Weichselmünde bei Danzig; Taubenwasser bei Zoppot; Tucheier Heide: Rudamühl, Lindenbusch, Kreis Tuchei; Neulinum, Kisin, Kreis Kulm; Münsterwalder Forst bei Marienwerder (La Baume). V orkommen: Wie bei Platycleis grisea. i 3. Platycleis roeselii Hagenbach. Decticus brevipennis Charp. Im hohen Grase bei Danzig nicht selten (v. Siebold 1842). — Weichselmünde bei Danzig (La Baume 1912). Sammlung des Westpreußischen Provinzial-Museums: Danzig, vor dem Werder Tore; Weichselmünde bei Danzig (La Baume); Oliva (M. Lützow). — Nonnenkämpe bei Kulm (Kuhlgatz). — - Semmler bei Marien werder (R e h b e r g). V orkommen: Auf feuchten Wiesen. Decticus Serv. <48) 1. Decticus verrucivorus L„ „Warzenbeißer“. Auf Stoppelfeldern gemein (v. Siebold 1842). — Umgebung von Danzig (Brisehke 1886). — Oliva bei Danzig; Lübkau, Kr. Putzig; Kisin, Kr. Kulm (La Baume 1912). Sammlung des Westpreußischen Provinzial-Museums: Oliva bei Danzig (M. Lützow, La Baume). — Tucheier Heide: Brunst- platz, Hölle bei Schwiedt (W olterstorff); Abrau, Kreis Tuchei (L a Baume). — Kulm, hohes Weichselufer; Damerau, Kreis Kulm (L a B a u m e). — - Semmler bei Marien werder (Rehberg). V orkommen: Auf trockenen Wiesen und an bewachsenen Hängen. Familie Ephippigeridae. Ephippigera Serville ( Ephippiger Serv.). <49) 1. Ephippigera vitium Serv. (ephippiger F i e b i g). Ephippigera per for ata Burm. ( Barbitistes ephippiger Charp.). Wurde von Nowicki bei Thorn entdeckt (v. Sieb old 184:2). — Münsterwalder Forst bei Fiedlitz, Kr. Marien- werder (La Baume 1911 und 1912). 24 168 Sammlung des Westpreußischen ProvinzialrMuseums: Münsterwalder Forst bei Marienwerder (Rehberg, La Baume); Bings- berge bei Sackrau nördlich Graudenz; Thorn, Artillerie-Schießplatz (La Baume). Vorkommen: Über die Wiederauffindung dieser Art, die N o wie k i bei Thorn entdeckt hatte, im Weichselgebiet bei Marienwerder ist früher be- richtet worden (La Baume 1911); 1912 habe ich auch eine Charakteristik jener Fundstelle (Münsterwalder Forst) gegeben. Daß Ephippigera vitium auch bei Thorn vorkommt, war danach nicht mehr zweifelhaft. In der Tat fand ich sie dort im August 1913 wieder, und ebenso konnte ich im September 1919 zahl- reiche Stücke dort sammeln. Die Tiere leben ausschließlich auf Laubholz- gebüsch und jungen Nadelbäumen. Bei Thorn fand ich sie besonders auf einzeln stehenden Berberitzensträuchern, jungen Kiefern und Wacholdern, die den einzigen höheren Bewuchs auf der weiten, steppenartigen Sandheide des Artil- lerie-Schießplatzes südlich Bruschkrug bilden. Im Münsterwalder Forst kommen sie auf einigen Waldlichtungen — keineswegs auf allen — vor; z. B. waren sie im September 1919 zahlreich auf einer großen Lichtung am Beginn der Schlucht, die von der Höhe nach Wessel hinunterführt. Auf den Bingsbergen bei Sackrau nördlich Graudenz fand ich sie nur an einer Stelle, nämlich unter den wenigen Kiefern, die dicht beim Dorfe Sackrau am Weichseluferhange stehen, auf Wacholder und anderen Büschen. Sucht man Ephippigera mit dem Auge, so entgehen einem die Tiere fast immer, da sie meist stillsitzen und zudem wenig auffällig gefärbt sind. Sobald man aber dem Zirpen der Männchen, das sehr charakteristisch ist, nachgeht, . entdeckt man sie mit einiger Geduld leichter. Doch muß man bei der Annähe- rung jedes Geräusch und jede schnelle Bewegung vermeiden, da das cT sonst sofort das Zirpen einstellt. Färbung. Die von mir in Westpreußen gesammelten Ephippigera vitium zeigen lebend folgende Färbung: Stirn grauweiß, Hinterhaupt glänzend schwarz. Pronotum vorn graubraun, hinten gelbbraun oder hellbraun, vorn und seitlich fein gelb gerandet. Flügeldecken gelbbraun. Abdomen oben grau- braun, an den Seiten breit gelb gerandet. Unterseite gelblichweiß, zum Teil grünlich. Da man die helle Unterseite des Tieres meist nicht sieht, wirkt es im ganzen graubraun. Unter zahlreichen Stücken, die ich 1919 sammelte, waren nur drei Weibchen abweichend gefärbt: bei ihnen war das Abdomen olivengrün. In der Literatur finde ich dagegen über die Färbung angegeben: ,, viridis, rarius tota- violasceiis“ (Fischer, Orth. Europ. 1853, S. 213); ,, viridis — ferruginea vel violacea“ (Brunner, Prodr. S. 390); „grün, gelb- lich oder bläulich“ (Redtenbacher, Derm. u. Orth. 1900, S. 127); ,,gelb- oder graugrün, mitunter auch bläulich- violett“ (Redtenbacher, Gliede- rung d. Orth. -Fauna Niederösterr. 1905, S. 11). Die westpreußischen Stücke scheinen demnach vorwiegend eine graubraune, bisher nicht beobachtete Fär- bung aufzuweisen. 25 169 Familie Rliaphidophoridae (Stenopelmatidae) . Tachycines Adelung. (50) 1. Tachycines asynamoms Adelung. Diestrammena marmorata. Danzig; Praust, Kr. Danz. Höhe (Dickel, Ztschr. f. wiss. Insektenbiol. I, 1905, S. 449). Die Art ist bisher in der Literatur unter der Bezeichnung Diestrammena marmorata oder D. uniclor aufgeführt worden, bis Ebner 1916 (Ztrlbl. f. Bakt., Abt. 2, Bd. 45, S. 587) ihre Artzugehörigkeit richtigstellte. Sie kommt nur in Gewächshäusern vor (eingeschleppt); ihre Heimat ist unbekannt. Sammlung des Westpreußischen Provinzial-Museums: Praust (Gärtnereibesitzer Bauer). Unterordnung Gryllodea, Grillen. Familie Gryllidae ( Achetidae ). Gryllus L. ( Acheta F.). * (51) 1. Gryllus campestris L., Feld grille. Gr. campestris L. Sehr verbreitet (v. Sieb old 1842). — Umgebung von Danzig, auf dürren Äckern (Brisclike 1886). — Tucheier Heide (Rübsaamen — Kuhlgatz 1901). — Lübkau, Kr. Putzig; Miinsterwalder Forst, Kr. Marienwerder; Kisin, Kr. Kulm (La Baume 1912). Sammlung des Westpreußischen Provinzial-Museums: Heubude bei Danzig (La Baume); Zoppot (Speiser). — Tucheier Heide: Adlershorst, Barlogi, Cisbusch (Rübsaamen); Chirkowa ( W olterstorff). : — Semmler, Münsterwalder Forst bei Marienwerder (R e h b e r g, La Baume). Ottloschin, Kreis Thorn (Preuß). Y orkommen: An trockenen, sonnigen Stellen auf Heideland und in der Kiefernheide; auch auf Äckern und an Feldrainen. * (52) 2. Gryllus domesticus L., Heimchen. Gr. domesticus L. An stets warmen Orten der Wohnhäuser und in Bäckereien überall sehr verbreitet (v. Sieb old 1842). — Danzig und Umgebung, besonders in Backhäusern (Brischke 1886). Sammlung des Westpreußischen Provinzial-Museums: Ohne Fundort (Slg. Brischke). — Putzig, Küche, am Herd (En der lein). Y orkommen: Kur in Häusern. Familie Gryllotalpidae. Gryllotalpa Latreilie. (53) 1. Gryllotalpa vulgaris Latr., Maulwurfsgrille. Gr. vulgaris L. Überall bekannt und von den Gärtnern mit Recht gefürchtet (v. Sieb old 1842). — Umgebung von Danzig, oft den Pflanzenwurzeln schädlich (Brischke 1886). — Tucheier Heide (Rübsaamen — Kuhlgatz 1901). Sammlung des Westpreußischen Provinziäl-Museums: Tucheier Heide : Streuort, Brunstplatz (Rübsaamen). Y orkommen: Auf Wiesen, Feldern, in Gärten und Anlagen. 26 170 Familie Myrmecophilidae. Myrmecophila L a t r e i 1 1 e. 1. Myrmecophila acervorum Panzer. / Von dieser früher aus Westpreußen nicht bekannten kleinen Ameisen- grille erbeutete Herr Kechnungsrat Timm (Zoppot) 1 $ am 23. April 1916 bei Klein Katz, Kreis Neustadt Wpr. am Wege vom Bahnhof Klein Katz nach Krückwald, und zwar in einem Nest der Ameise Lasius niger , das sich in einem morschen, von Gras und Kräutern überwucherten Weidenstumpf befand. Das Stück befindet sich in der Sammlung des Genannten. Zusammensetzung der Orthopteren-Fauna Westpreußens nach zoogeographischen Bestandteilen. Von den bis jetzt in Westpreußen festgestellten 54 Arten sind zwei nach- weislich in neuerer Zeit nach Europa eingeschleppt worden: 1. Die große Schabe Periplaneta americana (Kosmopolit, Heimat Amerika?), 2. die flügellose Laubheuschrecke Tachycines asynamorus (= „Diestram- mena“), deren Heimat unbekannt ist. Eine kosmopolitische Verbreitung haben folgende Arten : 1. Labidura riparia, Riesenohrwurm, 2. Labia minor, kleiner Ohrwurm, 3. Forficula auricularia, gemeiner Ohrwurm, 4. Phyllodromia germanica, gemeine Küchenschabe, / 5. Blatta orientalis, orientalische Küchenschabe. Möglich, daß die Heimat dieser fünf Arten in Europa zu suchen ist, und daß sie erst von hier aus durch den modernen Verkehr in außereuropäische Länder verschleppt worden sind; das ist jetzt nicht mehr mit Sicherheit fest- zustellen und daher haben sie für die folgenden Erörterungen auszuscheiden. Es bleiben somit 47 ßicher einheimische Arten übrig, deren geographische Verbreitung wir nunmehr näher betrachten wollen. Zu diesem Zwecke -können wir ausgehen von einer Untersuchung, welche Redtenbaeher in seiner Schrift: Die Gliederung der Orthopterenfauna Nieder-Österreichs (Wien 1905) über die Zusammensetzung der Geradflügler- fauna des genannten Gebietes angestellt hat. Redtenbaeher unterscheidet in Anlehnung an die Ausführungen von A. Kerner von Marilaun über die Florengebiete Österreich- Ungarns1) folgende vier Formenkreise innerhalb der niederösterreichischen Orthopterenfauna: 1. Baltische Formen, 3. Mediterrane Formen, 2. Alpine Formen, 4. Pontische Formen. 0 A. Kerner v. Marilaun, Österreich- Ungarns Pflanzenwelt, in: Die Österreichisch- Ungarische Monarchie in Wort und Bild, Bd. I, 1887. 27 171 Der baltischen Fauna gehören mehr als die Hälfte der aus Nieder- österreich bekannten Arten an. Ihre Verbreitung erstreckt sich über ganz Mittel- europa von den Alpen bis zur Nord- und Ostsee, zum Teil sogar bis Skandi- navien und Lappland; im Westen wird die Verbreitungsgrenze durch den Atlan- tischen Ozean gebildet, im Osten ist sie für die einzelnen Arten verschieden: einige sind schon östlich von Siebenbürgen und Serbien nicht mehr zu finden, andere kommen bis zum Ural vor, und viele dieser baltischen Formen reichen bis Sibirien, ja bis zum Amur. Im Süden greifen die meisten Arten bald mehr, bald weniger weit in das Mittelmeergebiet über; bis an die Küsten von Klein- asien und Syrien reichen z. B. Tettix kraussi, Stenobothrus rufipes, St. varia- bilis, St. dorsatus und St. parallelus , sowie Decticus verrucivorus. Drei Arten finden sich auch noch in Nordafrika (Forficula auricularia, Labia minor und Stenobothrus haemorrhoidalis) und erinnern dadurch an mediterrane Arten; da sie aber im ganzen baltischen Gebiet häufig und allgemein verbreitet sind, so ist es zum mindesten wahrscheinlich, daß sie nur durch Einschleppung nach Nordafrika gelangt sind. Die alpine Fauna ist im Gebiete Niederösterreichs nur durch einen ein- zigen Geradflügler (Gomphocerus Sibiriens) vertreten; alle übrigen auf Alpen- matten vorkommenden Arten sind auch in den Voralpen, im Hügelland, ja oft sogar in der Ebene zu finden. Das Verbreitungszentrum der dritten Gruppe, der mediterranen For- men, bilden die Länder des Mittelmeergebietes, und zwar — das muß besonders betont werden — mit Einschluß des nördlichen Afrikas und der Kanarischen Inseln. Im Osten reicht die Verbreitung dieser Formen durchweg über die Balkanhalbinsel bis nach Ungarn und Südrußland, einige wenige werden auch noch jenseits vom Ural bzw. vom Aral-See gefunden; andere sind bis nach Kleinasien und Armenien, ja selbst noch über einen großen Teil von Südasien verbreitet. Im Süden bildet im allgemeinen die Sahara die Grenze der Ver- breitung, jedoch sind manche Arten (z. B. Mantis religiosa, Epacromia thalas- sina) auch im tropischen Afrika weit verbreitet. Im Norden reichen alle medi- terranen Formen, freilich in verschiedenem Grade, bis nach Mitteleuropa. Während aber die einen nördlich von den Alpen nur vereinzelt und sehr zer- streut auftreten, demnach den Kern der mediterranen Fauna bilden, findet sich eine zweite Gruppe von Arten in ganz Mitteleuropa, teilweise sogar in Nord- Europa, so häufig und weit verbreitet, daß sie auf den ersten Blick ohne weiteres für baltische Formen angesehen werden könnten, wenn nicht ihr Vorkommen in Nordafrika ihre mediterrane Herkunft andeuten würde. Die vierte Gruppe von Arten, welche die ponti sehen Formen umfaßt, „tritt wohl hier und da, namentlich zu beiden Seiten der Alpenkette, in großer Individuenzahl, aber stets an ziemlich isolierten Punkten, auf, und je weiter man nach Norden, Westen oder Süden geht, um so seltener begegnet man in der Kegel ihren Gliedern, deren Heimat eben im östlichen und südöstlichen Europa, also im pontischen Florengebiet gelegen ist“. Diese pontische Gruppe 28 172 setzt sich aus zwei natürlichen, wenngleich nicht scharf geschiedenen Abtei- lungen zusammen. Die eine umfaßt Arten, welche als charakteristische Be- wohner von steppenartigen Gebieten in Ungarn, Rumänien und Südrußland bekannt sind; ihre Verbreitung erstreckt sich nach Osten zu durchweg bis zum Ural und bis zur Wolga, bei zwei Arten sogar bis Sibirien; seltener finden sie sich dagegen in Südeuropa, und zwar namentlich auf der Balkanhalbinsel, zwei Arten auch in Kleinasien, zwei auch in Italien und eine sogar in Spanien; in Nordafrika ist keine dieser Arten vertreten. Diesen Steppentieren stehen am nächsten einige wenige Arten, die in Sümpfen sowie an Fluß- und Seeufern Vorkommen und zu denen u. a. die südrussische Wanderheuschrecke, Pachytilus migratorius L., gehört. — Eine wesentlich größere Zahl von Arten umfaßt die zweite Abteilung, welche vorherrschend in den Bergländern des südöstlichen Europas ihre Heimat hat. Im Osten verbreiten sich die Glieder derselben bis zum Ural und Turkestan, einige sogar bis Sibirien; gegen Westen erstreckt sich die Verbreitung der meisten über das istrianisch-kroatische Karstgebiet bis in die südlichen Alpentäler, zum Teil auch nach Oberitalien und Spanien; über Siebenbürgen und Ungarn reichen einige Arten bis in die nördlichen Alpen- täler, zum Teil sogar bis nach Deutschland. Nordafrika beherbergt auch aus dieser Abteilung keine einzige Spezies. Soweit Redtenbachers Ausführungen, von denen ich hier nur die hauptsächlichsten Punkte angeführt habe und bezüglich deren Begründung im einzelnen auf das Original verwiesen werden muß. Mit der geographischen Verbreitung und Herkunft der in Deutschland vorkommenden Orthopteren hat sich Zacher eingehender beschäftigt. Seine frühere, zum Teil irrige Auffassung über die Einteilung der einheimischen Orthopterenfauna1) hat der Genannte in neueren Veröffentlichungen2) selbst aufgegeben oder abgeändert, so daß wir uns nur mit den letztgenannten be- schäftigen brauchen. Zacher sieht zunächst von jeder Parallele mit der Pflanzengeographie ab und geht von den geologischen Tatsachen aus, welche für die Verbreitung der Orthopteren bestimmend gewesen sind. ,,Die geo- logische Vergangenheit unseres Vaterlandes macht es von vornherein unwahr- scheinlich, daß auch nur ein größerer Bruchteil der bei uns jetzt lebenden Geradflüglerarten an Ort und Stelle entstanden ist. Der tiefe Einschnitt, den die Eiszeit in die Entwickelung unserer einheimischen Tierwelt gemacht hat, dürfte 4 *) Zacher, Fr. Beitrag zur Kenntnis der Orthopteren Schlesiens. — - Ztschr. f. wiss* Insektenbiologie III, 1907, S. 179 — 185, 211 — 217. 2) Zacher, Fr. Die Verbreitung der deutschen Geradflügler, ihre Beziehungen zu den Pflanzengesellschaften und ihre Abänderungen in Form und Farben. — Entom. Ztschr., Jhrg. 29, Nr. 10, Frankfurt a. M. 1915 (Sep. S. 1 — 18). Ders., Die Geradflügler Deutschlands und ihre Verbreitung, Jena 1917. Die Tabelle, auf die sich Verf. Ent. Ztschr. 29, S. 16 bezieht, fehl t merkwürdigerweise, ohne daß das besonders vermerkt wäre. Sie ist auch leider in dem oben zitierten Buche, in das die Ausführungen aus Entom. Ztschr. 29, 1915 größtenteils wörtlich übernommen worden sind, nicht nachgeholt worden. 29 173 sich gerade bei den so wärmebedürftigen Heuschrecken in viel höherem Maße geltend gemacht haben als in anderen Insektenordnungen. Auch die Ver- breitungstatsachen stützen diese Annahme. Das Klima der Eiszeit mit seiner Temperaturerniedrigung und seinem vermutlichen Regenreichtum ist für die Orthopteren sicher das denkbar ungünstigste gewesen, da sie für ihre lange Entwickelungsdauer einer Reihe von Monaten mit entsprechend trocken heißer Witterung bedürfen. Mach den aus Lappland, dem nördlichsten Rußland und Sibirien vorliegenden Erfahrungen können wir vermuten, daß nur wenige Schaben und Feldheuschrecken sich auf den Tundren und Wiesen zwischen den Rändern der Vereisungsgebiete in Deutschland halten konnten. Sicher ist aber auch das nicht, da keinerlei palaeontologische Befunde vorliegen, und auf jeden Fall wird die Zahl der Arten und noch mehr der Individuen so gering gewesen sein, daß wir praktisch ein so gut wie von Geradflüglern freies Gebiet in ganz Mitteleuropa nach der Eiszeit annehmen können . . .“ (Zacher a. a. 0. 1917, S. 18 — 20.) In den Zwischeneiszeiten hat vielleicht schon eine Wieder- besiedelung stattgefunden, doch haben sich diese Einwanderer wahrscheinlich nicht bis zur Jetztzeit halten können. Die Besiedelung Mitteleuropas mit Orthopteren ist also im wesentlichen erst nach der Eiszeit erfolgt. „Um eine klare Vorstellung von dieser nacheiszeitlichen Wiederbesiedelung zu erhalten, muß man auf der Karte die Grenze der Inlandvereisung in Europa und Asien betrachten. Man sieht darauf, daß den mitteleuropäischen Orthopteren drei Rückzugsgebiete offenstanden: 1. Südwesteuropa, 2. die Länder am Schwarzen Meer, 3. Sibirien und Ostasien. Aus diesen drei Gebieten ist dann in der Haupt- sache die Keubesiedelung Europas erfolgt und wir können demgemäß drei Artengruppen nach ihrem Areal unterscheiden: 1. die südwestliche, mediterrane oder besser lusitanische Gruppe, 2. die südöstliche oder pontische Gruppe, 3. die nordöstliche oder sibirische Gruppe.“ (Zacher a. a. 0. 1917, S. 18 — 20.) Z a c h e r s Ergebnis stimmt mit dem von Redtenbacher gewonnenen hinsichtlich der mediterranen und pontisehen Gruppe überein. Dagegen weist Zacher darauf hin, daß die Bezeichnung ,, baltische Gruppe“ im Sinne von Kerner v. Marilaun unrichtig sei, da die zu dieser Gruppe gehörigen Orthopteren-Formen nicht den nordwestlichen Küstenländern Europas ent- stammten wie die sog. baltischen Pflanzen Kerners. Das beweise deutlich die heutige Verbreitung dieser sog. baltischen Orthopterenarten. Die einzige Art, die als baltisch in diesem Sinne bezeichnet werden könnte, sei die Blattide Ectobia panzeri, die in England, Frankreich und Belgien ihr Verbreitungs- zentrum hat und weiter östlich nur sporadisch vorkommt. Als Ursprungsland der übrigen „baltischen“ Formen sei vielmehr Sibirien anzusehen, und zwar die Gebirge, welche die zentralasiatischen Hochländer umgeben. „Am deut- lichsten zeigen das die Acridier als die am besten durchforschte Gruppe. Von 51 bei uns vorkommenden Arten sind nicht weniger als 36 in jenen Gebieten 30 174 vorhanden und leben dort zusammen mit zahlreichen, nicht bis nach Europa' vordringenden nahe verwandten Arten“. Wenn ferner in Sibirien, wie Ikon- nikow nachgewiesen habe, manche Arten, wie Stenobothrus viridulus und St. rufipes, St. variabilis und St. vag ans, die bei uns scharf getrennte Arten sind, dort durch Zwischenglieder lückenlos verbunden sind, so spreche das ebenfalls dafür, daß Sibirien das Ursprungsland dieser Arten sei. Diese Formen- gruppe müsse daher als nordöstliche oder sibirische bezeichnet werden. Nach meiner Auffassung geht Zacher in seiner Kritik des von Kerner v. Marilaun gebrauchten Begriffes „baltische“ Florengruppe etwas zu weit, wie auch aus den Ausführungen Kerners über Pflanzengenossenschaften und Floren in seinem Buche: „Pflanzenleben“, 2. Aufl., Bd. II, 1898, S. 647, her- vorgeht. Dort wird als Bereich der baltischen Flora angegeben: Skandinavien, Großbritannien, Norddeutsche Niederung und Westrußland, im Süden in die mediterrane und pontische Flora zungenförmig eingreifend oder inselartig ein- geschaltet; der Begriff „baltisch“ umfaßt also nach Kerner nicht nur, wie Zacher meint, die nordwestlichen Küstenländer Europas, sondern im wesent- lichen ganz Nord- und Mitteleuropa (vergl. auch die Florenkarte Kerners zwischen S. 652 u. 653). Wenn Zacher ferner anführt, daß als „baltisch“ im Sinne von Kerner unter den Orthopteren nur die Art Ectobia panzert S t e p h. anzusehen sei, so trifft das ebenfalls nicht zu. Diese Art hat vielmehr eine Verbreitung, die von den Botanikern als atlantisch bezeichnet wird; zu den atlantischen Pflanzen im engeren Sinne gehören nämlich solche, die im wesent- lichen auf die Küstengebiete Westeuropas beschränkt sind, im weiteren Sinne auch solche, die weiter ins Inland, manchmal sogar bis Osteuropa hineingehen, bei denen aber der Schwerpunkt der Verbreitung in West- europa liegt. Was Kerner und andere, besonders österreichische Floristen und Faunisten als „baltische“ Gruppe bezeichnen, ist im wesentlichen identisch mit dem Begriff der „europäischen Gruppe“ der deutschen Pflanzengeographen; denn diese Gruppe umfaßt solche Arten, die auf Europa beschränkt sind, d. h. im Osten jenseits des Ural nicht mehr Vorkommen, und die weder der süd- europäischen (mediterranen), noch der pontischen, atlantischen oder arktisch- alpinen Gruppe angehören, deren Hauptverbreitung also Mitteleuropa bildet. Auch eine Anzahl der in Deutschland heimischen Orthopteren-Arten weist eine derartige Verbreitung auf, so daß wir sie nicht in die sibirische Gruppe Zachers einreihen können. Redtenbacher (und nach ihm andere österreichische Orthopterologen) hätten aber — darin stimme ich mit Zacher überein — - den Begriff „baltische Formengruppe“ nicht auf Orthopterenarten anwenden dürfen, deren Ver- breitung sich östlich bis nach Sibirien und ins Amurgebiet erstreckt (vergl. oben die Ausführungen Redtenbacher s); denn solche F ormen hat Kerner nicht einbegriffen in seine baltische Gruppe. Für diese sowohl in Europa wie in Asien, d. h. in der gemäßigte^ Zone des europäisch-asiatischen Kontinentes vorkommenden Formen gebrauchen die Floristen seit langem den Ausdruck 31 175 „eurasiatische Gruppe“, ein kurzer, prägnanter Ausdruck, den wir mit Vorteil auch für diejenigen Orthopterenformen anwenden können, die Zacher europäisch-sibirische Gruppe genannt hat. Wir kommen somit, wenn wir eine Einteilung der Orthopterenfauna Europas nach zoogeographischen Elementen vornehmen wollen, mit den drei großen Gruppen, zu deren Aufstellung Zacher auf Grund geologischer Tat- sachen gelangt ist, nicht aus, vielmehr müssen wir außer diesen einige weitere Gruppen unterscheiden und gelangen demnach zu folgendem Ergebnis: 1. Arktische oder boreale Gruppe. Nur im hohen Norden. 2. Alpine Gruppe. In der alpinen Region der Gebirge. 3. Arktisch-alpine (oder boreal-alpine) Gruppe. Im hohen Norden und in der alpinen Region der Gebirge. 4. Eurasiatische Gruppe. Über den mittleren (zum Teil auch nördlichen) Teil des ganzen eur- asiatischen Kontinentes (von Frankreich bis zum Amurgebiet) ver- breitet (nordöstliche oder sibirische Gruppe nach Zacher). 5. Europäische Gruppe. Schwerpunkt der Verbreitung Mitteleuropa; Verbreitung im Osten nur bis zum Ural. S; 6. Atlantische Gruppe im engeren Sinne: Arten, die im wesentlichen auf die Küstenländer Westeuropas beschränkt sind; im^ weiteren Sinne: Arten, die weiter ins Innere, manchmal bis nach Osteuropa hinein gehen, deren Verbreitungszentrum aber im Westen liegt. 7. Südeuropäische oder mediterrane Gruppe. Verbreitungszentrum im Mittelmeergebiet mit Einschluß Nordafrikas. 8. Pontische Gruppe. Verbreitungszentrum Südosteuropa. 9. Kosmopoliten. Über mehrere Erdteile verbreitet. Daß die Angehörigen der einzelnen Gruppen vielfach nicht auf die Areale ihrer Hauptverbreitung beschränkt sind, braucht kaum besonders betont zu werden; so gehen z. B. zahlreiche eurasiatische Arten weit in das mediterrane Gebiet hinein, manche pontischen Arten kommen in Spanien und Frankreich noch vor usw., Tatsachen, auf die schon Redtenbacher (a. a. 0. 1905) hingewiesen hat (s. oben S. 171) und die es manchmal recht schwierig machen, die Gruppen-Zugehörigkeit gewisser Arten festzustellen. Ausschlaggebend ist dabei stets das Gebiet, in dem das Zentrum der Verbreitung (Gebiet der kompakten Verbreitung) liegt. 32 176 Vertreter der drei ersten Gruppen (der arktischen, alpinen und arktisch- alpinen) kommen in Westpreußen nicht vor. Die eur asiatische Gruppe stellt, wie in Europa überhaupt, auch einen beträchtlichen Anteil der westpreußischen Orthopterenfauna. Hierher gehören folgende 21 Arten: 1. Ectobia lapponica, 2. Tettix bipunctatus, 3. „ kraussi, 4. Chrysochraon dispar, 5. „ brachypterus , 6. Gomphocerus maculatus, 7. - Stenobothrus lineatus, 8. ,, haemorrhoidalis, 9. ,, viridulus , 10. „ apricarius, 11. ,, vagans, 12. Stenobothrus variabilis , 13. ,, elegans, 14. ,, dorsatus, 15. ,, parallelus, 16. Mecostethus grossus, 17. Psophus stridulus, 18. Bryodema tuberculata, 19. Podisma pedestris, 20. Locusta cantans, 21. Decticus verrucivorus. Die meisten dieser eurasiatischen Formen finden sich in ganz Mittel- und Kordeuropa; viele davon gehören zu den bei uns häufigsten Arten, wie die Waldschabe (Ectobia lapponica), die „Grashüpfer“ Stenobothrus apricarius, St. variabilis, St. elegans, St. dorsatus und St. parallelus sowie Gomphocerus maculatus, ferner die „Dornschrecke“ Tettix kraussi. der Warzenbeißer Dec- ticus verrucivorus, und das „grüne Heupferd“ Locusta cantans. Auch die Sumpfwiesenheuschrecke Mecostethus grossus sowie Stenobothrus viridulus dürften kaum irgendwo in Westpreußen auf feuchten Kultur wiesen oder Wiesenmooren gänzlich fehlen. Stenobothrus lineatus und St. haemorrhoidalis, die Schnarrschrecken (Psophus stridulus und Bryodema tuberculata) , den dem häufigen Tettix kraussi sehr ähnlichen T. bipunctatus trifft man dagegen nur hier und dort an geeigneten Örtlichkeiten an. Die flügellose Heuschrecke Podisma (Pazotettix) pedestris kennen wir bis- her nur von zwei westpreußischen Fundorten, die beiden Chrysochraon- Arten (dispar und brachypterus ) nur von je einem Fundplatz in der Provinz. Auch Stenobothrus vagans konnte bisher nur innerhalb eines verhältnismäßig eng begrenzten Fundgebietes (Küste der Danziger Bucht) nachgewiesen werden. Bereits bei dieser eurasiatischen Orthopteren-Gruppe begegnet uns eine Er- scheinung, die wir bei der pontischen und mediterranen noch in viel aus- gesprochenerem Maße antreffen: daß nämlich einzelne Arten in unserem Gebiet nur ganz sporadisch Vorkommen, d. h. an einzelnen Punkten, die ganz isoliert liegen und voneinander oft durch einen Zwischenraum von Hunderten von Kilo- metern getrennt sind. So sind z. B. die für Westpreußen nächsten Fundorte für Podisma pedestris: im Kordosten: Ostpreußen (noch fraglich, nur 1 Stück ohne nähere Angaben im Museum Königsberg) und Kurland; im Südosten: Kiesky in Oberschlesien; im Süd westen: Fichtelgebirge; im Westen: Mecklen- / 33 177 bürg (?) und Holstein. Die nächsten Fundorte für Stenob. vagans liegen in Oberschlesien, Thüringen, Hessen-Nassau und Schleswig-Holstein. Der europäischen Gruppe sind von den in W estpreußen ver- kommenden Orthopteren-Arten folgende zuzurechnen: 1. Chelidurella acanthopygia, 2. Apterygida albipennis, 3. Leptophyes punctatissima , 4. Meconema thalassima , 5. Xiphidium dorsale , 6. Thamnotrizon einer eus, 7. Platycleis brachyptera, 8. ,, roeselii. Von ihnen sind Xiphidium dorsale und Platycleis roeselii feuchtigkeits- liebende Arten, während die anderen ausschließlich in trockenen Formationen Vorkommen. Für Leptophyes punctatissima kennen wir bisher nur je einen Fundort aus Westpreußen, während die übrigen Arten von mehreren nach- gewiesen sind und zu den häufigeren Formen unserer Fauna gehören. Atlantische Faunenelemente sind unter den in Westpreußen nachgewiesenen Orthopteren nicht vertreten. Dagegen ist die Anzahl der mediterranen Formen innerhalb der westpreußischen Orthopterenfauna eine verhältnismäßig große. Das kommt zunächst daher, daß, wie schon oben bemerkt wmrde, einige in ganz Mitteleuropa vorkommende Arten gleichwohl als ursprünglich mediterrane Formen angesehen werden müssen, wie erstens ihr geographisches Verbreitungszentrum, zweitens auch ihre ökologischen Eigentümlichkeiten, nämlich die Bevorzugung ganz trockenen, sonnigen Ge- ländes, ihr hauptsächliches Vorkommen auf heißen Waldblößen, steinigen oder sandigem Ödland usw. deutlich beweisen. Als solche Arten sind aus West- preußen zu nennen: 1. Tettix subulatus, 2. Stenobothrus stigmaticus, 3. Pachytilus danicus („Wanderheuschrecke“)? 4. Oedipoda coerulescens (blauflügelige Heuschrecke), 5. Sphingonotus coerulans, 6. Caloptenus italicus, 7. Xiphidium fuscum, 8. Locusta viridissima, 9. Platycleis grisea, 10. Gryllus campestris, Feldgrille, 11. „ domesticus, Heimchen, 12. Gryllotalpa vulgaris, Maulwurfsgrille, 13. Myrmecophila acervorum, Ameisengrille. Einige dieser Arten sind auch dem Laien wohlbekannte Tiere, welche an geeigneten Orten der Zahl nach gar nicht selten sind, wie Tettix subulatus, Oedipoda coerulescens, Platycleis grisea , Locusta viridissima und die drei ge- nannten Grillenarten. Die Hausgrille, Gryllus domesticus, kommt übrigens in unseren nördlichen Breiten nur in Häusern vor, während sie im Mittelmeer- gebiet im Freien lebt. Die übrigen genannten Formen der mediterranen Gruppe Sehr. d. N. G. zu Danzig. Bd. XV, Heft 1. u. 2. 34 12 178 sind dagegen nur an wenigen isolierten Fundpunkten zu finden: so kennen wir Stenobothrus stigmaticus und Sphingonotus coerulans bisher nur von zwei Fundstellen in der Provinz Westpreußen (Danzig und Thorn), ebenso Calop- tenus Italiens (Tucheier Heide bei Tuchei, Umgegend von Thorn), Xiphidium fuscum und Myrmecophila acervorum nur von je einer (Thorn und Klein Katz bei Zoppot). Wenn man diese Arten vielleicht auch später noch an anderen Stellen auffinden wird — was um so wahrscheinlicher ist, als Westpreußen ja nur zum kleinen Teil hinsichtlich seiner Orthopteren-Fauna untersucht ist — so wird doch die Tatsache ihres sporadischen Vorkommens ohne Zweifel be- stehen bleiben. Es bleibt noch die letzte geographische Formengruppe zu betrachten, näm- lich die der pontischen Arten. Zu dieser gehören von den aus West- preußen nachgewiesenen Arten: 1. Stenobothrus nigromaculatus, 2. Stenobothrus pullus, 3. Areyptera flavicosta, 4. Barbitistes constrictus, 5. Ephippigera vitium. Von ihnen ist Areyptera flavicosta als Bewohner von steppenartigen Ge- bieten Südosteuropas bekannt; die übrigen Arten gehören der oben (S. . . .) charakterisierten zweiten Teilgruppe der pontischen Formen an, deren Ver- breitungszentrum die Bergländer Südosteuropas bilden. Redtenba chers Angabe (a. a. 0. 1905), daß Ephippigera vitium als pontische Art anzusehen sei, wird von Zacher (1915 und 1917) als falsch bezeichnet. „ Ephippigera vitium \ so heißt es bei Zacher (1915, S. 4, und 1917, S. 32), ,,ist in Westpreußen an das Vorhandensein pontischer Hügel gebunden und tritt in Westdeutschland auf Weinbergen auf, die ja nach Gräbner oft auf früherem Gebiet pontischer Vegetation stehen. Redten- bacher nennt die Art auch unter den pontischen Elementen der niederöster- reichischen Orthopteren. Trotzdem muß man nach der Verbreitung der Art, die östlich nicht über Siebenbürgen vordringt und die Hauptmasse ihrer Ver- wandten in Süd Westeuropa und Nordwestafrika besitzt, annehmen, daß sie nicht der pontischen, aus Südosten, sondern der mediterranen (lusitanischen), aus Südwesten vordringenden Artgenossenschaft zuzurechnen ist und erst (aus Spanien) nach Westen südlich der Alpen in die östlichen Mittelmeergebiete und von dort nach Ungarn vorgedrungen ist. So hat sie das deutsche Gebiet zweimal erreicht: einmal das Bheingebiet durch die burgundische Pforte, das andere Mal Oberschlesien und Westpreußen auf der Straße über die March, obere Oder und Weichsel.“ Ferner S. 15: „ Ephippigera vitium dringt zwar von Ungarn her bis Wien und in Ostdeutschland bis Thorn und Oberschlesien vor. Westlich davon findet sie sich anscheinend in ganz Nord- und Mittel- deutschland nirgends. Dann tritt sie aber am Rhein vom Elsaß bis zum Rhein- gau wieder auf. Da nun die meisten Ephippigeren im westlichen Mittelmeer- 35 179 gebiet ihre Heimat haben, und auch Ephippigera vitium S e r v. nach Osten nur Siebenbürgen und Bulgarien erreicht, dagegen in Istrien, Bosnien-Herze- gowina, auf der Balkanhalbinsel und in Rußland fehlt, so muß man diese Art wohl auch für einen von Westen her südlich der Alpen vorgedrungenen Ein- wanderer halten, der nun auf beiden Seiten der Alpen in Deutschland ein- dringt.“ Für die Entscheidung dieser Frage ist meines Erachtens zunächst nicht maßgeblich, welche Verbreitung die nächsten Verwandten einer Art jetzt haben oder früher gehabt haben, sondern lediglich die Verbreitung der Art selber; denn wie Zacher selbst an einem Beispiel erläutert (1915, S. 16), gehören zuweilen ganz nahe verwandte Formen verschie- denen geographischen Gruppen an, so daß man also aus der Zugehörigkeit .und Herkunft der einen nicht auf die der anderen schließen kann. Ferner werden Za chers oben zitierte Angaben über die geographische Verbreitung von Ephippigera vitium an anderer Stelle (a. a. 0. 1917, S. 240 — 241, und Tabelle, S. 268) ergänzt, woraus hervorgeht, daß diese Art sowohl auf der Balkanhalbinsel (Serbien, Bulgarien, Rumänien), wie in Russisch-Polen und Südrußland vorkommt. Aus der von Zacher gegebenen Zusammenstellung der bis jetzt bekannten Fundorte ergibt sich, daß Ephippigera vitium im eigent- lichen Mediterrangebiet (von Spanien bis Kleinasien und in Kordafrika) voll- kommen fehlt, daß dagegen ihr Verbreitungszentrum offenbar in Südosteuropa zu suchen ist (Ungarn, Serbien, Bulgarien, Rumänien, Polen, Galizien, Podolien, Beßarabien, Südrußland). Ein Blick auf seine Tabelle hätte Zacher zeigen müssen, daß eine Art mit derartiger Verbreitung nicht zu der mediterranen (lusitanischen) Gruppe gehören kann, daß vielmehr Redtenbacher im Recht war, als er sie zur pontischen Gruppe stellte. Daß Ephippigera vitium sich auch im oberen Rheingebiet und in Frankreich findet, beweist nichts gegen diese Annahme; kommt doch im Rheintal eine große Anzahl pontischer Pflanzen vor, und sind doch auch andere pontische Orthop- terenarten (z. B. Stenobothrus nigromaculatus , Arcyptera flavicosta) in ihren letzten Ausläufern westlich bis nach Frankreich und Spanien verbreitet. So wie das Vorkommen von Ephippigera vitium am oberen und mittleren Rhein und in Frankreich den am weitesten nach Westen vorgeschobenen Außenposten der Verbreitung darstellt, so ist ihr Vorkommen im Weichsel- gebiet zwischen Thorn und Marienwerder als der am weitesten nach R orden vorgedrungenen Verbreitungsvorstoß anzusehen, der offenbar im Weichseltal abwärts erfolgt ist; darauf deutet schon der von Pylnow1) 1913 mitgeteilte Fundort Rowo- Alexandria, Gouvernement Lublin in Russisch-Polen, hin, der ebenfalls an der Weichsel liegt. Daß das Weichseltal bei der Ausbreitung pontischer Pflanzenarten nach Korden zu eine besondere Rolle spielt, war den Botanikern schon seit längerer *) Pylnow, E. Materiaux pour l’ßtnde de la faune des orthoptheres de la Pologne Russe. — Rev. Russe d’Ent. XIII, 1913, S. 89. (Russisch.) 88 12* 180 Zeit bekannt. Hier wird nun meines Wissens zum erstenmal der Nachweis erbracht, daß dasselbe auch für gewisse Tierarten gilt1). Denn es ist gewiß kein Zufall, daß das Vorkommen von Ephippigera vitium in Westpreußen auf die Weichselufer beschränkt ist, und daß ferner von den fünf aus West- preußen bekannten pontischen Orthopterenarten vier im Weichselgebiet an dem- selben Fundort zusammen Vorkommen (Stenobothrus nigromaculatus, Arcyp- tera flavicosta, Barbitistes constrictus, Ephippigera vitium ). Möglicherweise steht auch das Vorkommen der fünften Art (Stenobothrus pullus) im Olivaer Walde bei Taubenwasser unweit Zoppot (nur wenige Kilometer von der Weichselmündung bei Danzig entfernt) im Zusammenhang mit der Wander- straße weichselabwärts. Finden sich doch im Olivaer Walde auch noch ein- zelne pontische Pflanzen als letzte Ausläufer. Daß die genannten Arten heu- tigen Tages nicht lückenlos im ganzen Weichseltale von Galizien bis zur Mündung Vorkommen, ist kein Beweis gegen unsere Annahme. Offenbar haben die im Weichseltale vordringenden Arten hier nicht überall Bedingungen vor- gefunden, die ihnen einen dauernden Fortbestand sicherten, sondern nur an einigen Stellen, die solchen Vorbedingungen entsprachen, wie z. B. das weite Sandheidegebiet (Artillerie-Schießplatz) bei Thorn oder die hohen Weichsel- ufer bei Graudenz (Bingsberge) und bei Marien werder-Fiedlitz (Münster- walder Forst). An solchen Örtlichkeiten, welche die Floristen als sonnige oder pontische Hügel zu bezeichnen pflegen, und an denen meist auch viele pontische Pflanzenarten wachsen, haben sie sich dann dauernd halten können, an anderen, wo die Lebensbedingungen zu ungünstig waren, setzten sie sich gar nicht erst fest oder verschwanden wieder nach kurzer Zeit, so daß dadurch nunmehr die rückwärtige Verbindung mit dem Gebiet der kompakten Verbreitung verloren ging. So erklärt sich das häufig ganz isolierte Vorkommen solcher Arten, nicht nur der genannten pontischen Formen, bei denen in Norddeutschland durch- weg das Vorkommen ein so inselartiges, sporadisches ist, sondern auch, wie schon oben bemerkt, vieler Orthopterenarten mediterraner Herkunft und auch einiger der anderen Gruppen (vergl. dazu auch den Abschnitt Lebensgemein- schaften) . Lebensgemeinschaften. Im 35. Ber. des Westpr. Bot.-Zool. Vereins, S. 149 ff. habe ich im Jahre 1912 eine Anzahl von charakteristischen Örtlichkeiten aus dem Gebiet der Provinz Westpreußen geschildert und die dort vorkommenden Orthopteren- Lebensgemeinschaften namhaft gemacht. Zur Ergänzung dieser Mitteilungen l) Alfken hat. bei Kulm und Althausen, Kr. Kulm, zwei Bienenarten beobachtet (. Andrena suerinensis Friese und Evcera hungarica, Friese), die echte Steppenbienen und Chiiraktertiere der ungarischen Ebene, also als pontische Formen zu bezeichnen sind (31. Ber. des Westpr. Bot.-Zool Ver. 1909, S. 102). Es ist allerdings noch fraglich, ob. diese Arten dort im Weichseltalgebiet bei Kulm heimisch sind, d. h. ob sie dort nisten, oder ob es sich um verflogene Stücke handelt. 37 181 soll die folgende Charakteristik einiger weiterer Fundstellen, an denen ich in neuerer Zeit sammelte, und die Aufzählung der ihnen eigentümlichen Orthop- terenarten dienen. 1. Taubenwasser bei Zoppot. Lichtung im Kiefernmischwalde unweit der Försterei Taubenwasser, mit dichtem Grasbewuchs. Tettix kraussi, Chrysochraon brachypterus, Gomphocerus maculatus , Stenobothrus viridulus, St. lineatus, St. p ul lu s, St. variabilis, Vlatycleis brachypt&ra, Tham- notrizon einer eus. s 2. Rudamühl bei Tuchei (Tucheier Heide). Große Lichtung in der Kiefernheide, vor kurzem mit Kiefern angeschont, die damals (1915) erst 10 Abb. 1. Politischer Hügel am Schießstand bei Liebenthal, Kr. Marienwerder. Aus Beitr, z. Naturdenkmalpflege Bd. II, Heft 4, 1912. bis 15 cm hoch waren. Trockener Sandboden, zum Teil mit Moosen, Gräsern und Kräutern bewachsen. — Gomphocerus maculatus, Stenobothrus lineatus , Psophus stridulus , Caloptenus Italiens , Vlatycleis brachyptera und VI. yrisea. 3. Liebenthal bei Marienwerder. Ivuppiges Gelände bei den Schießständen auf dem rechten Ufer der Cypelle, eines in die Liebe mündenden Baches (Abb. 1). ..Auf dem Spatsande, der hier kalkreichen Mergel verdeckt, hat sich Heidekraut (Galluna vulgaris) in geschlossenen Rasen ausgebreitet, unterbrochen von verkrüppelten Kiefern . . . An anderen Stellen entwickelt sich die Formation der sonnigen Hügel in üppiger Fülle. In dem mannigfachen Blütenkleide tritt uns Stupa pennata entgegen ... (Freu ß)1).“ Von Orthopteren Preuß, H. Die politischen Pflanzenbestände im Weichselgebiet. — Beitr. z. Natur» denkmalpfleg'e Bd. II, H. 4, S. 418 ff., Abb. 12. Dort sind auch die Leitpflanzen des Ge» bietes aufgezählt. 38 182 sammelte ich hier am 19. September 1919: Gomphocerus maculatus , Steno- bothrus variabilis, Oedipoda coerulescens, Platycleis brachyptera. 4. Lfebenthal bei Marien wer der. Kulturwiese im Cypelletal südlich der Schießstände. Stenobothrus dorsatus und St. par all eins, am trocke- neren Rande Stenobothrus variabilis und St. apricarius. 5. Bings berge bei Graudenz (Abb. 2) . Nördlich von Graudenz erheben sich unmittelbar am Weichselufer die sogenannten Bingsberge. „Weite 39 183 Strecken werden von Flugsand bedeckt, der bei dem Orte Sackrau dünenartig aufgetürmt ist; dann folgen lehmiger Sand und sandiger Lehm mit reicher Gre- schiebebeimischung, und an den Hängen tritt zuweilen Lehmmergel zutage.“ Die Vegetation zeigt einen eigenartigen Wechsel zwischen Heideflora und pon- tischer Flora: hier überwiegen Bärentraube (Arctostaphylos uva ursi ) und Heidekraut (Calluna), dort die Formation der sonnigen Hügel. Unter den Leit- pflanzen sind Silene chlorantha, Anemone silvestris, Oxytropis pilosa , Campa- nula sibirica , Aster amellus u. a, bemerkenswert (Preuß, a. a. 0., S. 415 ff., Abb. 3. Große Schlucht (Parowe) bei Althausen, Kr. Kulm« Aus Beitr. z. Naturdenkmalpflege Bd. II, H. 4, 1912. Abb. 11). — Die Orthopterenfauna ist verhältnismäßig ärmlich: Stenobothrus variabilis, Gomphocerus maculatus, Oedipoda coerulescens; auf Sträuchern und niedrigen Kiefern und Wacholdern findet sich am Hange dicht bei Sackrau Ephippigera vitium. 6. Hohes Weichselufer zwischen Pluto wo und Lorenz- berg, Kreis Kulm. Der Steilhang des alten Weichselufers bei Plutowo, Kielp, Althausen und am Lorenzberg sowie die Schluchten (Parowen) (Abb. 3), die mehrfach diesen Steilhang durchbrechen, tragen eine Vegetation, die durch das Vorkommen zahlreicher politischer Pflanzenarten bemerkenswert ist; hier finden sich Oxytropis jrilosa, Campanula sibirica, Adonis vernalis, Poa bulbosa, Scorzonera purpurea, Aster apiellus, Stupa pennata und St. capillata, Carex supina, Lavatera thuringiaca, Salvia verticillata u. a. südosteuropäische Formen 40 184 (P r eu ß. a. a. 0., S. 382 ff.). Soweit die Schluchten und Hänge nicht mit lichter Strauchvegetation bedeckt sind, tragen sie das Gepräge der Grassteppen. Obwohl nun dieses Gebiet wegen seiner geringen Niederschlagsmenge und intensiven Sonnenbestrahlung zahlreichen politischen Pflanzen günstige Lebensbedingungen bietet, findet sich unter den dort vorkommenden Orthopterenformen keine ein- zige bemerkenswerte Affc. Gomphocerus maculatus, Stenobothrus lineatus, St. viridulus, St. apricarius, St. variabilis und St. haemorrhoidalis bevölkern die bewachsenen Hänge; an Stellen, wo der Erdboden (Lehm, Mergel und Sand) zutage tritt, auch Oedipoda coerulescens ; . aus dem Gebüsch ertönt das Zirpen von Thamnotrizon cinereus. Alles dies sind unsere häufigsten Arten aus Abb. 4. Politische Formation südlich von Brusclikrug bei Thorn, jAus Beitr. z. Naturdenkmalpflege Bd. II, H. 4, 1912« der europäischen und eurasiatischen Gruppe. Von den für andere Stellen des Weichseltalgebietes so charakteristischen, pontischen Orthopterenformen konnte bisher dort keine einzige festgestellt werden. Selbst die mediterrane Formen- gruppe ist anscheinend nur durch die häufigste Art Oedipoda coerulescens vertreten. 7. Thorn, Artillerie-Schießplatz. „Eine der bemerkens- wertesten pontischen Formationen breitet sich südlich von Bruschkrug, rechts vom Wege, der zum Forsthaus Rudak führt (etwa 600 Schritt vom Hochwalde entfernt), auf grobkörnigem, kalkreichem Sande aus (Abb. 4). Hier überwiegen die südosteuropäischen Elemente; und nur kleinere Gebiete besitzen in der Hauptsache Heideflora mit Calluna vulgaris und Arctostaphylos uva ursi. In der nur eine sehr untergeordnete Rolle spielende Gebüschformation kehren Pinus silvestris (strauchartig), Berberis vulgaris, Rosa rubiginosa , R. canina und 41 185 seltener U. rnollis wieder. Die Leitpflanzen des Geländes sind: Stupa pennata, Oxytropis pilosa, Salvia pratensis, V eronica austriaca und Scorzonera pur - purea . . (Preuß, a. a. 0., S. 376 f Fig. 4). Dieses Gebiet, das als Exerzierplatz benutzt wird, weist eine für nord- deutsche Verhältnisse sehr reiche Orthopterenfauna auf. An bewachsenen Stellen finden sich neben den gewöhnlichen Arten Tettix hraussi, Gomphocerus maculatus und Stenobothrus variabilis der pontische Stenobothrus nigromacu- latus und der mediterrane C alopt enus italicus, an Stellen, wo Flugsand oder kiesiger Untergrund nur spärliche V egetation aufkommen lassen, die mediterranen Oedipoda coerulescens und Spingonotus c o er ul an s. An Stellen, wo Heidekraut überwiegt, findet sich Platycleis grisea . Vereinzelt im Gelände trifft man Pachytilus danicus, der bei warmein Wetter sehr scheu ist und sich bei Annäherung in die Luft erhebt, um sich erst viele Meter weiter wieder zu setzen. Auf den vereinzelt stehenden Berberitzen und niedrigen Kiefern finden wir zwei pontische Laubheusehreekenarten, Ephippig er a vitium und B arbitistes constrictus. Hier oder auf dem benachbarten, weit ausgedehnten Gelände des Schieß- platzes, das teils aus Grassteppe, teils , aus lichter Kiefernheide besteht, hat wohl auch Mowicki (teste v. Sieboldt 1842) die pontische Art Arcyptera flavicosta gesammelt, die in neuerer Zeit noch nicht wieder aufgefunden wer- den konnte.1) Ü Nach Piiilippi (1830) ist diese Art früher auch bei Berlin vor geh omnien, jetzt aber anscheinend dort aiisgestorben. \ 186 Besprechung von Dr. Wolfgang La Baume, Vorgeschichte von Westpreußen in ihren Grundzügen allgemein verständlich dargestellt. Herausgegeben von der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig. Mit 18 Tafeln und 84 Abbil- dungen im Text. Danzig 1920. Kommissionsverlag von R. Friedländer & Sohn, Berlin NW 6, Karlstraße 11. 102 S. 8°. Von Dr. Bruno Ehrlich in Elbing. 33 Jahre sind verflossen, seit A. Lissauer seine „Prähistorischen Denk- mäler der Provinz Westpreußen und der angrenzenden Gebiete“ herausgab. Wenngleich dieses hervorragende Werk auch heute noch ein unentbehrlicher Wegweiser für den Vorgeschichtsför scher ist, so ist es doch in mancher Hin- sicht veraltet und von den neueren Forschungen überholt, denen die Aus- grabungsergebnisse und sonstige Beobachtungen und Funde der letzten drei .lahrzehnte ganz neue Einblicke in die Vorgeschichte ermöglichten. So war eine neue Bearbeitung der Vorgeschichte von Westpreußen, für die wertvolle Vorarbeiten von westpreußischen Vorgeschichtsforschern, wie Con w e n t z. D o r r, K u m m, L a k o w i t z u. a„ und von solchen im Reich vorliegen, schon lange als eine Notwendigkeit empfunden worden. Daher ist es mit Freuden zu begrüßen, daß der Kustos am Weistpreußi sehen Provinzialmuseum in Danzig, Herr Dr. La B au me, es unternommen hat, diese Lücke in der westpreußischen G e sc h i c h ts 1 it er at u r aus zu tu 11 e n . War die Vorgeschichtsforschung zu Lis sauers Zeiten noch eine in ihren Anfängen stehende Wissenschaft, die, vielfach verspottet und an- gefeindet, schwer um ihre Anerkennung zu kämpfen hatte, so steht sie heute gleichberechtigt neben ihren Schwesterwissenschaften, nachdem es ihr gelungen ist, in zäher Arbeit das Dunkel der frühesten Menschheitsgeschichte in so ungeahnter Weise aufzuhellen, und ein Lehrstuhl für Vorgeschichte ist heute an deutschen Universitäten keine vereinzelte Erscheinung mehr. Nie wird man es vergessen dürfen, daß es gerade die Naturwissenschaft gewesen ist, die es der Vorgeschichtsforschung ermöglicht hat, zu so hervor- ragenden Erfolgen zu kommen, während die Geschichts- und die Sprach- forscher noch spöttelnd und nörgelnd beiseite standen. Auch die vorliegende Arbeit La Baumes ist, wie seinerzeit Lissauer s Werk von der Natur- i forschenden Gesellschaft in Danzig herausgegeben, wenngleich die Anregung dazu von dem Vorsitzenden des Westpreußischen Geschichtsvereins, Herrn Archivrat Dr. Kaufmann, im Anschluß an einen Vortrag La Baumes in diesem V erein ausgegangen ist. Der Verfasser will nach dem heutigen Stande der Wissenschaft eine kurze, zusammenfassende Übersicht über die Vorgeschichte Westpreußens geben. Das Büchlein soll ein Beitrag zur Heimatkunde sein, der möglichst weiten Kreisen die Einführung in das Verständnis der vorgeschichtlichen Altertümer unseres Heimatgebietes ermöglicht. Ein solches Buch tut uns bitter not. Herrscht doch selbst in den Kreisen der Lehrerschaft, denen die Pflege der Heimatkunde, der Volkskunde zur Aufgabe gestellt ist, zum großen Teil noch eine ziemliche Unkenntnis auf diesem Gebiete und eine Rat- losigkeit, woher sie sich die erforderlichen Unterlagen für den Unterricht holen soll. Diesem Notstände abzuhelfen, ist das neu erschienene Buch in hervorragender Weise geeignet. Denn es ist in leicht faßlicher, auch fesselnder Weise geschrieben und läßt anderseits den Kenner auf Schritt imd Tritt merken, daß der Verfasser mit dem ganzen Rüstzeug gelehrter Forschung ausgestattet ist. Im Rahmen seiner vorgeschichtlichen Perioden gibt La Baume eine Übersicht über das vorliegende Material und bespricht die für jede Zeit typischen Formen, die durch vorzügliche Abbildungen im Text und auf angehängten Tafeln veranschaulicht werden. Diese bieten wertvolle Ergän- zungen zu Conwentz’ „Vorgeschichtliche Wandtafeln für Westpreußen14, die nebst den Erläuterungen zu denselben von Paul Pasch ke und den Abhandlungen in dem Sammelwerke „Die Provinz Westpreußen' in Wort und Bild“ bisher fast allgemein das einzige dem Lehrer und weiteren Kreisen zugängliche Material enthielten. Sehr wünschenswert wäre es, wenn die Ab- bildungen, die uns jetzt in den vorgeschichtlichen Wandtafeln, in Con- wentz’ Sammelbericht „Das Westpreußische Provinzial-Museum 1880 bis 1905“ und in La Baumes Vorgeschichte von Westpreußen vorliegen, in zweckmäßiger Auswahl und Zusammenstellung in einem heimatkundlichen Atlas vereinigt würden, der zur Belebung des Unterrichts in der Heimatkunde \ unbedingt notwendig ist und in keiner Schule fehlen dürfte. La Baume entwickelt an der Hand der besprochenen Vorgeschichts- funde Kulturbilder der einzelnen Perioden. Er spricht von den Waffen und Geräten der jeweiligen Bevölkerung, von ihrem Schmuck, von ihrer Beschäf- tigung, von Ackerbau, Viehzucht, Jagd und Fischfang, von Handwerk und Kandel, von den Siedlungen und den Begräbnisbräuchen und der Religion. Die Kulturbilder sind überzeugend, anschaulich und fesselnd geschrieben. Wo westpreußische Funde nicht hinreichen, um ein genügendes Kulturbild zu entwerfen, da zieht Verfasser in geeigneter Weise das Ausgrabungs- material verwandter Kulturkreise heran, was zwar ein Notbehelf ist, aber dem Zweck des vorliegenden Buches durchaus entspricht. 188 Sehr eingehend behandelt La Baume die Völkerprobleme des Heimat- gebietes. Gerade diese Abschnitte werden heute nicht nur den Geschichts- forscher, sondern jeden Deutschen interessieren müssen, dem die Not des Vaterlandes ans Herz greift. Die Lügen, mit denen unsere Feinde ihre Ge- waltpolitik im Osten zu rechtfertigen gesucht haben, haben unsere bedeu- tendsten Vorgeschichtsforscher auf den Plan gerufen. Insbesondere ist es Gustaf Kossinna gewesen, der, man könnte sagen, mit seinem Herzblut noch in jüngster Zeit eine populäre Vorgeschichte unseres Ostens, seiner Heimat, geschrieben hat. In der bei A. W. Kafemann in Danzig gedruckten Schrift „Das Weichselland ein Urheimatgebiet der Germanen (Danzig 1919)“ faßt er in allgemein verständlicher Form kurz die Ergebnisse seiner lang- jährigen Forschungen zusammen und führt den Nachweis, daß unser West- preußen schon in der frühesten Periode seiner Besiedlung, d. h. in der jüngeren Steinzeit, von Germanen bewohnt worden ist und daß, abgesehen von den durch die Lausitzer. Kultur gekennzeichneten bronzezeitlichen Perioden, die germanische Besiedlung nur durch eine verhältnismäßig kurze Episode slawischer Einwanderung unterbrochen worden ist. La Baume schließt sich im großen ganzen den Forschungsergebnissen Kossinn a s und seiner Schüler an. Eine abweichende Stellung nimmt er vor allem hinsichtlich der Träger der Lausitzer Kultur, ein; hier kommt er zu einem non iiquet. Sehr dankens- wert ist es, daß er hier, wie auch für die Latenezeit und die römische Kaiser- zeit in klarer, übersichtlicher Weise die einander vielfach noch widerstrei- tenden Anschauungen zusammenstellt. Die den einzelnen Abschnitten beigefügten, sorgfältig ausgewählten Literaturübersichten geben jedem, der «ich über gewisse Fragen näher unter- richten will, hinreichenden Anhalt dazu. Während L i s s a u e r nur fünf Hauptepochen unterschied, die neolithische, die Hallstätter, die Latene-Epoche, die römische und die nordisch-arabische, finden wir bei La Baume, dem gegenwärtigen Stande der Vorgeschichts- forschung entsprechend, eine größere Zahl vorgeschichtlicher Perioden bzw. mehr Unterabteilungen und andere Bezeichnungen der Epochen Li s sauers. So geht der jüngeren Steinzeit (4000- — 2000 v. Chr.), dem Neolithikum, eine mittlere, ja auch eine noch dem Diluvium angehörige ältere Steinzeit voran; für die letztere freilich sind Funde in Westpreußen bisher nicht nachweisbar. Während Li s1 sauer die ganze Bronzezeit, wenngleich er das höhere Alter einzelner Funde wohl erkannte, in seiner Hallstätter Epoche zusammenfaßL reiht La Baume die bronzezeitlichen Funde unserer Heimatprovinz in die von Monte! ius unterschiedenen fünf Perioden ein, die er nach den von Kiekebusch vorgeschlagenen, abgerundeten Mittelwerten zeitlich be- grenzt, während er nach der jetzt üblichen Auffassung die jüngere Hallstatt- zeit (etwa 800 — 500 v. Chr.) als frühe Eisenzeit bezeichnet. Auch in der Latenezeit (etwa 500 — 1 v. Chr.) unterscheidet La Baume genauer als Lissauer die diesem durch Tischlers Studien allerdings auch schon 3 189 bekannten notwendigen Unterabteilungen. Für die ersten vier nachchrist- lichen Jahrhunderte behält La Baume die Bezeichnung „Römische Kaiser- zeit“ bei. Doch hebt er für diese, wie auch für die früheren germanischen Perioden hervor, daß die Fundgegenstände, abgesehen von geringen Aus- nahmen, als Erzeugnisse einer einheimischen, hochentwickelten Industrie ij anzusehen sind, während Lissauer, wie noch heute namhafte nordische Forscher, dieselben als auf dem Handelswege von den Kulturländern des Südens eingeführt ansieht. In diesen, unser Germanentum herabziehenden Anschauungen Wandel geschaffen zu haben, ist ein unschätzbares Y erdienst des Berliner Universitätsprofessors Geh. Rat Dr. Gustaf Kossinna. Mit der irreführenden Bezeichnung der letzten vorgeschichtlichen Periode als der „nordisch-arabischen“ räumt La Baume endgültig auf. Er unter- scheidet in der auf die römische Kaiserzeit folgenden Zeit die Völkerwande- rungszeit (5. und 6. Jahrh. n. Chr.) und die slawische Zeit [Wendenzeit] (7.— -12. Jahrh.). Während jene Bezeichnung zutreffend ist, wäre es in. E. doch zur Vermeidung jedes Irrtums richtiger gewesen, die letzte vorgeschicht- liche Periode als slawisch-pruzzisch zu bezeichnen. Zwar hebt La Baume deutlich hervor, daß die Bevölkerung östlich der Weichsel und nördlich der Ossa im Gegensätze zu der in den übrigen Teilen Westpreußens nicht slawisch, sondern pruzzisch ist. Doch ist es meiner Meinung nach durchaus nötig, diesen Gegensatz auch durch die Bezeichnung der Periode kenntlich zu machen, zumal die Gegensätze zwischen slawischer und pruzzischer Kultur doch größer sind, als La Baume annimmt. Nicht nur die Schläfenringe und Hacksilberfunde fehlen in den von Pruzzen bewohnten Landesteilen, sondern es herrscht bei ihnen auch durchweg die Sitte der Leichenverbrennung. Aber auch hinsichtlich, der Keramik liegt die Sache durchaus nicht so, daß die Esten die slawische Keramik völlig übernommen haben (S. 92). La Baume scheint die Abhand- lung Dorrs „Das vorgeschichtliche Gräberfeld von Benkenstein-Freiwalde, Kreis Elbing [700 — 1150 n. Chr.]“ (Mitt. des Coppernicus-Vereins für Wissen- schaft und Kunst zu Thorn, 22. Heft, Nr. 1, 1914), nicht zu kennen. Wenigstens erwähnt er dieses für die Kultur der Pruzzen hochbedeutsame Gräberfeld und Dorrs Abhandlung darüber weder im Text noch in der Literaturübersicht; auch beruft er sich nur auf Dorrs „Übersicht über die prähistorischen Funde im Stadt- und Landkreise Elbing“, die, 1893 und 1894 erschienen, in manchen Teilen doch schon veraltet ist. Dorr selbst hat aber a. a. 0. S. 15 ff. in einem ausführlichen Kapitel über die nachchristliche vorgeschichtliche Keramik der Elbinger Gegend bis zum Jahre 800 n. Chr. seine Anschauungen über die Zu- sammenhänge der pruzzischen und slawischen Keramik in einigen wesent- lichen Punkten erheblich geändert und auf starke < germanische Einflüsse in der Pruzzenkeramik hingewiesen. So halte ich es aus den angeführten Gründen doch für nötig, es durch die Bezeichnung der Periode klar zum Ausdruck zu bringen, daß in der letzten vorgeschichtlichen Periode WYstpreußens zwei völkisch streng geschiedene Gebiete zu unterscheiden sind. 4 190 Noch auf einige andere Punkte möchte ich hinweisen, in denen ich La B a u m e nicht beistimmen kann. So glaube ich nicht, daß man aus der Erschei- nung der gemischten Gräberfelder allein auf eine aus Goten und Ästiern gemischte Bevölkerung während der römischen Kaiserzeit schließen müsse (S. 76). Zeigen sich diese gemischten Gräberfelder doch auch im skandina- vischen, insbesondere im ostschwedischen Küstengebiet der Ostsee, wo die Bevölkerung rein germanisch war (La Baume, S. 82), und bezeichnet doch der Verfasser selbst auf S. 85 die kaiserlichen gemischten Gräberfelder als ein besonderes Kennzeichen der gotisch-gepiclischen Kultur. Was die Ab- grenzung der gepidischen und der ostpreußischen gotischen Kultur in der- selben Periode betrifft, so halte ich die Frage noch nicht für spruchreif. Ich möchte jedenfalls die Kultur der Elbinger Gegend selbst mit Blume noch als gepidisch ansehen. — Das Gräberfeld vom Silberberge bei Lenzen setzte Dorr in den Zeitraum von 400 — 700 n. Chr., später rückte er es aber, was La Baume (S. 90) entgangen ist, auf 500 — 700 herab (Dorr, Das Gräberfeld von Benkenstein-Frehvalde, 3- 0)- Übrigens möchte ich an Dorrs erster Datierung festhalten, da dieses Gräberfeld den Perioden D und E (Tischler-Bezzenberger) zugehört, für D aber das 4. und 5. Jahrhundert in Frage kommt, nicht mehr das sechste. — Ich bedaure es, daß La Baume die frühgeschichtliche Periode der Ordenszeit nicht wenig- stens ganz kurz in den Kähmen seiner Betrachtung auf genommen hat. Hier sind besonders das im Westpreußischen Provinzialmuseum bisher leider recht stiefmütterlich behandelte keramische Material und die umfangreiche ordens- zeitliche Sammlung im Elbinger städtischen Museum recht lehrreich für das Ausleben der vorgeschichtlichen Formen. (Vgl. hierzu B. E h r 1 i c h, Keramische und andere ordenszeitliche Funde in der Stadt Elbing und in der Elbinger Um- gegend. Mitteilungen des Coppernicus- Vereins für Wissenschaft und Kunst in Thorn. 25. Heft. Thorn 1917. Sonderabdruck im Kommissionsverlag von P. Acht Nfg. in Elbing.) Die Vorgeschichte von Westpreußen von La Baume bedeutet einen höchst erfreulichen Zuwachs unserer heimatkundlichen Literatur. Das auf gründlicher Sachkenntnis beruhende, leicht faßlich geschriebene Buch, das nebenbei gesagt auch verhältnismäßig preiswert auf den Büchermarkt gebracht ist, sollte in keiner Volks-, in keiner Schulbücherei fehlen. Es sei aber auch jedem, der sich in den gegenwärtigen niederdrückenden Zeiten durch einen Rückblick in die Vergangenheit, in Zeiten altgermanischer Kulturhöhe zumal, erheben will, aufs wärmste empfohlen. E 1 b i n g, August 1920. Druck: A. W. Kaf'emann G. rn. b. B., Dauzig. v 's 'Die folgenden von der Natürforscli enden Gesellschaft herausgegebenen . Einzelwerke können von den Mitgliedern zum Vorzugspreise bezogen werden : I. Die Flora des Bernsteins und ihre Beziehungen zur Flora der Tertiärformation und der Gegenwart ton H.R.Göppert und A. Menge. 1. Band. Göppert, Ton den Bernstein-Coniferen. Mit dem Porträt M enges und 16 lithogr. Tafeln. Danzig 1883; gr. Quart. — Y1II und 63 S. Ladenpreis: M 30. Für die Mitglieder: M 15. 2. Band. Conwentz, Die Angiospermen des Bernsteins, Mit 13 lithogr. Tafeln. Danzig 1886; gr. Quart, — IX und 140 S. Ladenpreis: M 40. Für die Mitglieder: M*20. II. Die prähistorischen Denkmäler der Provinz Westpreussen und der angrenzenden Gebiete von Dr. A. Lissauer, Mit 5 Tafeln und der prähistorischen Karte der Provinz West- preußen in 4 Blättern. Danzig 1887 ; gr. Quart. — XI und 210 S. Ladenpreis: M BO. Für die Mitglieder: M 15. III. Monographie der baltischen Berusteinbäume von H. Conwentz. Mit 18 lithographischen Tafeln in Farbendruck. Danzig 1890; gr. Quart. — - IY und 151 S. Ladenpreis: M 70. Für die Mitglieder: M 35. It Vorgeschichte von Westpreussen von Dr. W. Lä Baume. ‘Mit 18 Tafeln und 84 Abbildungen im Text. Danzig 1920. Oktav. 102 S. Ladenpreis: M 10;80. Für die Mitglieder: M 6,50. Von dem s. Zt. in den Schriften der Gesellschaft, Neue Folge Bd, I bis IV 1866 — 1879, erschienenen Werk: Menge, Preussisclie Spinnen. Mit 91 Tafeln sind noch einige vollständige, gut erhaltene Exemplare vorhanden. Ladenpreis: M 60. Für die Mitglieder: M 30. Der Betrag nebst Porto für die' gewünschte . Zusendung ist an den Schatzmeister der Gesellschaft,. Herrn Bankier Dr. Damme in Danzig, Karren wall 7, einzuschicken. Von den älteren Schriften der Naturforschenden Gesellschaft ist das 1. Heft des III. Bandes (1871) vergriffen. Es würden die Herren Mitglieder, die dieses Heft etwa abgeben können, uns dadurch zu besonderem Dank verpflichten. Der Vorstand. Druck; A. W. Kafemann G. m. b. H. Danzig-,