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Scherben am Wege von Gustav Schröer

BEN = geltories Roman bn, Hlakrgang Band 25 * S che

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Engelhorns Roman- Bibliothe

Eine Auswahl der beften modernen Romane aller Ville,

Preis jedes Sandes broſchiert M. 1.20, Doppelband M. 2.40 | } as erneute ſprunghaſte Steigen der gefamten Herftellungefoften ndtigt uns leider, de

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Da uns die durch den Rohfloffmangel entſtandene ſchwierige Lage außer ſtand fi die gebundene Ausgabe weiterhin in der Qualität herzuſtellen, wie fie das publikum oo uns gewöhnt iſt und verlangen kann, werden die neuerſcheinenden Bände (vod 33. Jahrgang an) bis auf weiteres nur brofdiert ausgegeben. Früher erfchlene Bände werden, fo lange die verhältniſſe es geftatten, auch ſernerhin broſchiert und gebm

den geliefert, Der verlas 1

Einundoͤreißigſter Jahrgang } 1/2. die indiſche Tänzerin. 15. Das allzu gute Herz. ö Von Paul Oskar Höcker. Von Marie diers.

8. Sli und Segen. 16. Die 6 t & 4 Von Ada von Sersdorff. 0 ct wee zen vo einhauſ

4. der grüne Götze. Von K. A. Kummer. 1718 505 Allerheili 18. gſte. Von 8. . Aus dem Amerikaniſchen. ö Aus dem Amerikaniſchen.

6/6. peter Karn. Von Ernſt von Wolzogen. 7. Milchen, Malchen und die Slas ſer⸗ vante. Von Elfe Franken.

8. Der preſſeball. Von Georg Wasner. 9,10. Aus tiefem Schacht. Von Fedor von Zobeltit.

11. Peterfen und ihre Schweſtern. Von Ingeborg vollquarg. Aus dem TDäniſchen.

12. Mit Weinlaub im haar. Von Ridard voß.

1314. der Schatten. Von Kurt Aram.

19. Die Wolfsjägerin. Von Marianne Mewis. |

20. das junge Seſchlecht. Von helene Raff.

22. Die Könige und die Kärrner. Von Carry Sradvogel.

23. Das verborgene Land. Von Erik hanſen. 1

24. die Spionin. Von Adolf al 25/26. te 835 Von E. Salmer und W. M. Hath Aus dem A merikaniſch en.

Fortſesung fiebe 3. Seite des Uuuch

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Engelhorns Allgemeine i _ KRoman-Bibliofhef

Eine Auswahl der beſten modernen Romane aller Völker

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Band 23 | Vierunddreißigſter Jahrgang

Scherben am Wege

Von Guſtav Schröer

| 1 >: Stuttgart 1919 Be Verlag von J. Engelhorns Nachf.

Alle Rechte, namentlich das Überſetzungsrecht, vorbehalten Copyright 1919 by J. Engelhorns Nachf.

Druck der Union Deutſche Verlagsgeſellſchaft in Stuttgart

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1

Ne etwa vierzehn Tage, dann jährte jich der Hochzeitstag der nn auf Langenwieſen das erſte Mal. Frau Eliſabeth Hartmann ſaß in ihrem Zimmer und ſchrieb an Urſula Liebenau. Die Einladungen zu dem Sommerfeſte, mit dem man den Hochzeitstag zu feiern gedachte, waren hinaus. Blieb nur noch der Brief an Urſchel. Der konnte man nicht bloß eine Karte ſchicken. Es iſt ein ſchweres Geſchäft, einen Brief zu ſchreiben, wenn einem vor lauter Lebendigkeit das Blut bis in die Fingerſpitzen klopft, draußen die Ernteſonne Feuer über das Land gießt, und noch dazu eine Fliege ununterbrochen angreift. Bald iſt ſie im krauſen, wunderfeinen, duftigen Blondhaar, hat ſich verfangen, ſummt, boſtet und ſchlüpft, wenn man ſie zwiſchen den Fingern zu haben glaubt, doch wieder davon, bald ſetzt ſie ſich auf den ſchlanken, köſtlich ebenmäßigen Arm, auf das Blatt, über das die kinderfeine Hand gleitet, in den weißen Nacken, da wo er zur edlen Halslinie verläuft, zuletzt gar in den Aus⸗ ſchnitt der einfachen, aber um ſo koſtbareren, ſpinnwebfeinen Batiſtbluſe, aus der heraus ein Ahnen der jungen Bruſt leuchtet. ornig ſprühen die blauen Augen der Frau; zwiſchen die fein geſchwungenen, dunklen Brauen ſchiebt ſich eine aller⸗ liebſte, kleine Falte, über den blitzblanken, leuchtenden Zähnen kräuſeln ſich die vollen, kußlichen Lippen, und die Linke Frau Lis a und jagt den boshaften Störenfried. umm, ſumm, umſchwirrt es ſie rechts und links. Man braucht wahrhaftig nicht Li Hartmann zu ſein, um da nervös zu werden. Wenn man es aber iſt, um ſo ſchlimmer. „Urſchel,“ ſchreibt ſie, „wenn es ein wenig durcheinander geht, dann verzeihe mir. Es ſummt da eine Fliege um mich, als ob aus der Ferne her dumpfe Glocken kämen. Sie beläſtigt mich, und ich kann keinen vernünftigen Gedanken faſſen. Wenn doch nur Erich käme und mich erlöſte. Er verhandelt eben mit

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Ribbecke, will den Pluto verkaufen und ein andres Pferd, einen bildſchönen, leichten Goldfuchs, in Tauſch nehmen.“

Da hält ſie inne. Wie iſt das möglich, daß man jetzt ſchon zur Feier der erſten Wiederkehr des Hochzeitstages einladet! Wie iſt das möglich? Es muß ſozuſagen ſchon ein Jahr ſeit der Hochzeit vergangen ſein. Ein Jahr mit dreihundertfünfundſechzig Tagen, ungezählten Stunden und unzählbaren Minuten. Li Hartmann lacht träumeriſch vor ſich hin. Es klingt wie ſilberner Tropfen Fall. O du Lügnerin Zeit! Ein Jahr! Das wäre ein Jahr her, ſeit ſie Erichs Frau iſt? Einen Tag iſt es her, eine Stunde! Eine einzige, köſtliche, himmliſche Stunde. Da legte ſie ihre Hand in die feſte Männerhand und unterſchrieb hernach zum erſtenmal nicht: Eliſabeth Dillinger, ſondern Eliſabeth Hartmann, ſtand im ſchneeweißen, duftigen Kleide, vom Schleier umwallt, vor Paſtor de Cel und ſagte deutlich und in leichter Halt auf die Frage, ob fie Erich Hartmanns Frau werden und den Bund der Ehe mit ihm heilig und unverbrüchlich halten wolle, bis daß der Tod fie ſcheide: „Ja.“

Dann fuhren ſie nach Langenwieſen, und drei Tage ſpäter begann die at eitsreiſe, die eine lange Wanderfahrt wurde. Ecſt an die Wa ſerkante, mit einem Abſtecher nach Helgoland, dann Oſtende. Da kam, wie das nach dem Sprichwort geſchieht, der Appetit mit dem Eſſen. Es war ein Rauſch, ein ſinnberücken⸗ der. Paris, Weihnachten in Nizza, 1 in Rom, zwei ganze Monate in Unteritalien, dann ein langſames Heimkehren mit vielen, vielen Unterbrechungen und ein Landen auf Langen⸗ wieſen, als die Bäume blühten, und die Vögel zu Neſte trugen. Und alles an der Seite des Mannes, den ſie liebte. Gar nicht denken wollte und mochte ſie, wenn ſie bei ihm war. Nach nichts fragen, nicht nach geſtern oder morgen, nur ſich an ſeine breite Bruſt kuſcheln, auf em Knie figen, die Arme um ihn ſchlingen und nichts ſagen als: „Du Lieber, Lieber, Einziger!“

Die Tinte auf der Feder war eingetrocknet, die Fliege ſummte ſtärker, Li Hartmann nahm es nicht wahr. Sie träumte. Träumte von jungem, wolkenloſem Eheglück. Ihre Hand lag auf dem Briefe an Urſula Liebenau, die Augen gingen ins Leere, und um den jungen Mund blühte ein kleines Lächeln.

Erich Hartmann verhandelte auf dem Hofe mit Iſaak Ribbecke wegen des Pluto. Der Jude ſtand vor dem ſtarken, breitſchultri⸗ gen Gutsherrn.

„Zweitauſendvierhundert Mark, Herr Hartmann,“ ſagte er, „und der Goldfuchs dreitauſend Mark, ſo daß Sie zuzahlen ſechshundert Mark.“

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Das ijt zuviel, Ribbecke, “entgegnete Erich Hartmann. ‚ig m ich mit. Habe ich nicht (dom Gefhäfte gemad

„Kann ich ni e ich nicht ſchon Geſchäfte gemacht mit Ihrem Herrn Vater, als Sie noch waren ſo kl enn Und Ihr Herr Vater hat gewußt, was er hat an dem Iſaak Ribbecke aus Dolmen und hat ge gelost: „Ribbecke, was können Sie geben?‘ Und dann: „Iſt gut, Ribbecke. So haben wir gemacht bie Geſchäfte, und der Herr Hartmann hat gelebt und der Ribbecke.

„Der beſſer, warf der Gutsherr lachend ein.

„Nein,“ wehrte der Kaufmann ab, „es hat gegeben jeder das Seine wie er's konnte, und hat genommen jeder, wie es recht war. Ich will den Herrn Hartmann nicht bereden zum Tauſche, aber wenn er wird vollzogen, ſo ſoll keiner ſagen, daß es ihm leid fei; denn übler Handel ijt, wenn nicht zu ammen ſtimmen Ware und Preis, ſei es zu billig, ſei es zu teuer.“

„Ja doch, Ribbecke. Meiner Frau liegt nur viel an dem Gold⸗ fuchſe. Für mich itt er zu leicht. Wenn es denn nicht anders ſein kann, dann zu.“

„Sie werden nicht haben gu bereuen. Ich habe viel Pferde gehabt im Zügel und im Stalle, aber keines noch wie den Fuchs. Die gnädige Frau Gemahlin wird das Tier lieb gewinnen, und es wird ſie a ſicher, und fie wird's verziehen mit Zucker und feinem Gebäck. er 5 haben Sie voriges Jahr die Ernte nicht gekauft,

Der Jude kratzte ſich auf dem ergrauten Kopfe. „Der Herr Hartmann verzeihen. Ich mache Ge chäſte mit dem Herrn, aber 55 mache keine Geſchäfte mit dem Inſpektor.“ „Nanu, Ribbeck „Wären der Pc da EN geweſen und nicht mit der ſchönen Jaaa Gemahlin auf der Reiſe, zu feiern die Ho gett, dann wäre aak Ribbecke 1 und hätte gejagt: „Herr Hartmann, der Weizen koſtet die Tonne ſo viel, der Roggen fo biel und hätte ein Gebot gemacht, ein anſtändiges Gebot, wie man es tut bei ehrlichem Hand andel, und hätte das Geld hingelegt in blanken, roten Goldſtücken oder in Scheinen, aber mit dem Herrn In⸗ bang kann der Ribbecke nicht machen ein fold) großes Ge⸗ ä guipettor?" nicht, Ribbecke? Haben Sie etwas gegen den ekto „Wer iſt der Ribbecke, der kleine Mann aus Dolmen, 5 er etwas ſoll haben gegen den Herrn Inſpektor auf Langenwie en? Er hat nichts gegen ihn, aber er macht keine Geſchäfte mit ihm.

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Wenn es dem Herrn Hartmann recht ift, dann ſpann ich den Fuchs aus vor meinem Wagen und ſpanne den Pluto davor. Und der Herr Hartmann kann in zehn Minuten ſeine gnädige Frau Ge⸗ t der Ohne ihren Arm in dem feinen, und kann jagen: ‚Da iſt der Go .

„Gut, Ribbecke. Nehmen Sie den Tauſch vor. Und wegen der diesjährigen Ernte kommen Sie in vier Wochen einmal her. Ich werde ſelbſt da ſein. Wir wollen ſehen, ob es nicht bei dem bleiben kann, das ſchon mein Vater eingeführt hat. Wieviel Jahre haben Sie die Ernte hier gekauft?“

„Zwanzig Jahre hintereinander, Herr Hartmann.“

Der Jude bückte fich, ſchirrte den blipblanten, edlen Oſtpreußen aus, tätſchelte dem Pferde den Hals, ſtrich ihm über die glatten, zierlichen Feſſeln und führte das Tier nach dem Stalle. band den dunklen, ſchweren Pluto los, leitete den Fuchs an die Krippe, murmelte einen Kaleſch und ſpannte das Gutspferd vor ſeine leichte, klapprige Kaleſche.

„Eine Ernte, Herr Hartmann,“ begann er, und ſeine dunklen Augen glänzten, „ah, was eine Ernte! Ich bin gefahren von Dolmen herüber erſt 85 die Felder des Herrn von Träger auf Hohenborn, habe den Herrn Baron geſehen und habe geſagt: „Was eine Ernte, Herr Baron!‘ Und bin gefahren durch die von Abendorf, Pas den Schulzen getroffen und habe gejagt: Was ein Glück, ſolch eine Ernte, und bin gefahren durch die Felder von Langenwieſen und ſage: Wenn das der Herr Hartmann ſelig erlebt hätte!“ Zwanzig Jahre habe ich die Ernte gekauft von Langenwieſen, aber es iſt kaum zweimal geweſen, daß ge⸗ ſtanden hat ein ſolcher Segen auf den Feldern. wünſche dem Herrn Hartmann Glück zum Goldfuchſe, womit ich die Ehre habe, mich zu empfehlen.“ ch „Leben Sie wohl, Ribbecke. Ich denke, der Fuchs ſoll ein⸗

agen.“ ö

„Wird er, Herr Hartmann, wird er.“ Ribbecke zog die Zügel an, das Pferd legte ſich ins Geſchirr, fiel in leichten Trab, und ſchaukelnd verſchwand der Wagen zwiſchen den Ahrenfeldern.

Erich Hartmann ſtand und ſah dem Gefährt eine Weile nach. Der kleine, jüdiſche Händler ſaß vornübergeneigt, die Peitſche, die er in der Rechten hielt, wippte auf und nieder. Er war noch nicht weit, da ließ er das Pferd langſamer gehen; es war, als ſpüre es der Beobachtende, daß ſich Iſaak Ribbecke im Wagen zurück⸗ lehnte und die Augen wohlgefällig über die Felder ſchweifen ließ.

War ein ehrlicher Mann, der Iſaak. Das hatte Hartmanns Vater dem Sohne gegenüber oft betont. war ſparſam,

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anſpruchslos und geſchäftstüchtig, aber er war redlich im Verkehr und verſuchte nie, zu einem Geſchäft zu überreden. Auf den meiſten Gütern in der Runde war er der Aufkäufer der Ernten und der Vermittler im Viehhandel.

Der Gutsherr kehrte in den Stall zurück. Blitzſauber ſtand der Goldfuchs in der Box. Er hob neugierig den edlen, trockenen Kopf, ließ die großen, dunklen Augen fragend über den neuen Beſitzer gehen, und als der in den Stand trat und dem Tiere mit den Fingern die Mähne ſtrählte, da legte es den Kopf zu⸗ traulich auf ſeine Schulter. Erich Hartmann trat zurück und prüfte das Tier von den Seiten. Einen Künſtler hätte es zu einem Bilde anregen müſſen, ſo zierlich und doch kraftvoll ſtand es da. Ein guter Kauf, ſicher. Und der Pluto war mit zweitauſendvier⸗ hundert Mark rechtſchaffen bezahlt. Ein guter Kauf.

Li wird ihre Freude haben. Li! Jetzt 0 er nahezu eine Stunde nicht bei ihr gewefen. Sie wollte an Urſchel Liebenau ſchreiben, an die gute, liebe Urſchel. Der Brief kann längſt vollendet

ſein.

Mit raſchen Schritten überquert Erich Hartmann den Hof, eilt die Treppe hinan, nimmt ungeſtüm zwei Stufen auf einmal, tritt lebhaft in Lis Zimmer und lacht, als ſein junges Weib erſchrocken emporfährt.

„Habe ich dich erſchreckt, Li?“

„Ja, mein Bär.“

„Das iſt mir leid. Ich glaubte, du wärſt fertig.“

„Fertig? Damit werde ich nie fertig.“

„Womit, Li?“ oe

„Rate.“

„Du wollteſt einen Brief ſchreiben.“

f 14 das wollte ich. Ach ſo. N... ein, der iſt auch noch nicht

ertig.”

„Dachte ich's doch. Du biſt keine Briefſchreiberin.“

„Das ſage nicht. Habe ich dir nicht genug Briefe geſchrieben?“

890 weiß es nicht. Zu viele ſind es mir jedenfalls nie ge⸗ en.“

Sie ſtreckte ihm die Arme entgegen. „Komm, du Lieber.“ = ſetzte ſich an ihre Seite und legte ihr den Arm um die ultern. | „Je habe gedacht,“ ſpricht ſie kindlich wichtig. „Gedacht? Du Li?“ 11 das nicht ſo verwundert. Als ob ich nicht denken önnte.“ | „O nein, nur, ich bin das nicht an dir gewöhnt.“

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„Bär!“ das ift der Koſename „ich habe ged acht. Weißt du, es kann doch wohl nicht ſein, daß wir nun ſchon ein Jahr re ſind.“

„Freilich, Li, noch vierzehn Tage.“

„Es ijt mir wie geſtern.“

i iſt du glücklich, Liebes?“

i . So ſch Nur g ücklich? Man kann das überhaupt nicht ſagen. So ſchön iſt das Leben, und wir gehören einander und brauchen nie zu fürchten, daß es einmal anders wird. Nicht wahr, das wird's nie?“

„Aber Kind..“

„Nicht wahr. Und das Leben iſt ſo lang, jedes Jahr hat dreihundertfünfundſechzig Tage und jeder, Tag vierundzwanzig Stunden, und man hat ſich lieb. Eri

Sie luſchelt ſich in ſeine Arme, er It jie auf den Mund, die Augen, den Nacken. 9 7 15 über ſeines Weibes t hinweg fällt ſein Blick auf den Brief.

Ken 19 du eigentlich Urſchel geſchrieben?“

N 6: ie 1555 lacht. „Eine Fliege hat dich geſtört? Wo iſt ſie

Se lauſchen. Summ, ſumm. vert du ſie, Erich? Tu mir die a und erlöſe mich von dem Tiere.“ Hartmann nimmt eines der auf der Tiſchecke liegenden Zeitungsblätter, legt es zuſammen, klatſch, die Fliege iſt erledigt. 1 Chris ich habe mich eine Halbe Stunde mit dem Tiere ge- plagt. „Manchmal iſt's gut wenn man einen Mann hat, was, Li?“ „Ach ja, manchmal.“ Sie lachen und ſchauen ſich mit glück⸗ lichen Augen an. „Li, drunten in der Box ſteht ein Pferd, das 1 dich wartet.“ Sie ſpringt auf. „Der Goldfuchs? Bär, du Lieber, herrlicher, guter Bär!“ Weit aus breitet Erich Hartmann ſeine Arme. Li fliegt in entgegen, reckt ſich und bietet ihm die roten Lippen zum Kuſſe. „Reiten wir aus?“ „Ja. Mach dich fertig. Ich will den Brief an Urſchel be⸗

Er läßt ſich am Tiſche nieder. Li ſtützt die Ellbogen auf die . lehnt ihm gegenüber und ent ihm in die Augen.

8 Erich, wie alt iſt eigentlich Urſchel?“

„Laß mich einmal nachdent en. Ich bin dreißig, fie, ja, fie ift jetzt achtundzwanzig geweſen.“

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„So alt ſchon?“

„Es gibt Leute, die älter find."

„Tia, du biſt ein Mann, Aber ein Mädchen ... achtund⸗ zwanzig Jahre und noch.

„Keinen Mann.“ Erich 8 lachte. „Kann ſich doch nicht u f wie du, mit zwanzig Jahren verheiraten.“

„Hat fi ie rer keiner gewollt, Bär?“

Ich weiß es nicht, aber wenn es mir recht iſt, dann iſt der

Träger einmal darauf aus geweſen, Urſchel zu heiraten.“

oe Hohenborner?“

„And ſie hat nicht gewollt?“

„Doch wohl nicht; denn ſonſt hieße ſie heute nicht mehr Urſula Liebenau.“

„Wann kam ſie eigentlich in euer Haus?“

„Ich war fünf een alt, da ſtarben ihr Vater und ae

uf.

„Schreib, ich ließe Urſchel rech von Herzen b bitten, zu uns zu kommen. Sie reiſte damals bei unſerer Rückkehr ſo raſch ab, daß ich ihr kaum danken konnte, und ſie hat uns doch alles ſo mollig und traulich eingerichtet. Aber ſchreib ſchnell, mein Bär, ich bin bald wieder da; dann reiten wir.”

Sie huſchte durch eine Tür in ihr Ankleidezimmerchen, ein feiner Glockenton ſchrillte durch das Haus. Das war das Zeichen für Lis Kinderfrau, die ihr nach Langenwieſen, in das eigene Heim gefolgt war.

Erich Hartmann ſchrieb, und im Schreiben ſah er ſie vor ſich, die gute, ſelbſtloſe, ſtarke pe ihre hohe, volle Geſtalt, das 12 nee elte Haupt mit den dunklen, ruhigen, tiefen Augen,

ie wa volle Stimme, ſchrieb und ſchrieb aus übervollem, 11 em, warmem Herzen.

Der Brief wurde eine Lobeshymne auf Li, die blumenhafte,

ſprühende, kindlich frohe Li, die fo wenig vom Leben mußte.

11

Er lächelte vor fic) hin. Vor Minuten hatte fie fo kindlich und unbefangen gefragt, ob ſie eigentlich reich geweſen ſei, und er hatte aus ehrlichem Herzen hinter die Frage ein lautes Ja geſetzt. Hatte es dahinter geſetzt und war dabei doppelzüngig geweſen. f

Li war reich und machte reich, aber in Dingen, die nicht nach Goldwert zu bemeſſen waren. Der verwitwete Regierungsrat Dillinger hatte bei ſeinem Tode vor etwa drei Jahren nichts ee aſſen als feine Tochter Li, die nach Auflöſung des väter⸗

ichen Haushalts zu ihrem Oheim, dem Rechtsanwalt Deggen gezogen war. Der hatte ſeinerzeit dem Bewerber um Lis Hand offen erklärt, daß ſein Mündel nichts bringe als ſich ſelbſt. Erich Hartmann war froh darüber geweſen. Es hatte ihm ſtets wider⸗ ſtrebt, auf Heiratsgut zu rechnen.

Ja, nun waren ſie ein Jahr verheiratet, und es war ein Jahr des köſtlichſten Lebensgenuſſes geweſen. Du ſonnige, luſtige, kindliche Li! |

Aber über dem Briefe an Urſula Liebenau ſchien es Erich Hartmann, als richteten ſich die ernſten Augen Urſchels fragend auf ihn. Haſt du auch bedacht, ob das Gut ſolche Lebensführung auf die Dauer verträgt? Hat das vergangene Jahr eingebracht, was eure Reiſe gekoſtet?

Es war ein ſcheues, haſtiges Rückwärtstaſten. Eingebracht? Nein. Das Bankguthaben war . und wahrhaftig, es waren ungedeckte 1 da. Wieviel eigentlich? O, ſo etliche tauſend Mark kamen zuſammen. N

Wie war das möglich? Monte Carlo hatte etliche braune Lappen gekoſtet. Li hatte ein wenig geſpielt. Erſt war ſie er⸗ ſchrocken geweſen, als ſie verlor, als ihr aber der Gatte die kleinen Hände lachend wieder mit Scheinen gefüllt, da war ſie nach kurzer Friſt wieder mit leeren Fingern zurückgekehrt. Diesmal lachend. = uch ja nichts aus. Was war Geld? Li Hartmann wußte es nicht.

Und dann die Geſchenke. Li hatte einen wunderbaren, geradezu künſtleriſchen Blick für das Edel⸗Schöne, Koſtbare, und Erich Hartmann fragte nicht danach, ob auch Nadel oder Kollier ein Vermögen koſteten. Lis Freude, die kindlich naive Freude _ am Blitzen der Steine, war Lohn mehr als genug.

„Herrgott! Der Sinnende fuhr auf. Li, liebe, kleine Li, vergib mir! Das waren häßliche Gedanken. Soll ich anfangen zu rech⸗ nen, wenn du doch nur tuſt, was dir natürlich iſt, was entzückend i 10 a Rahmen gibt, der notwendig ijt für dein Bild?

ergib, Li!

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„Fräulein Urſula Liebenau, Dresden-A.... Straße.“ Da ſtand die Aufſchrift.

Der Brief hatte die Gedanken aufgewühlt. Urſchel, ja, du biſt anders als Li, ernſt, reif, aber Li iſt ſo köſtlich ſonnig, ſo un⸗ berge Hart lieb.

Li Hartmann hatte das Reitkleid angelegt. Knapp umſchloß es den jungen Leib. Als einzigen Schmuck trug ſie eine ſchmale Nadel. Ein winziges Nädelchen nur, aber drei Steine glänzten drin in funkelndem Lichte. Sie hatte in Oſtende beim Juwelier ausgelegen. Erich war der Preis gering erſchienen, Li hatte, als ſie ihn vernahm, davor zurückgeſchreckt. Aber dann am Morgen pa Nadel auf ihrem Nachttiſchchen. So hatte es Erich immer gehalten.

„Biſt du fertig, Dörthe?“ fragte Li.

„Gleich, mein Herz.“ Die alte Kinderfrau bückte ſich und ſtrich an dem Kleide.

Li wurde ungeduldig und begann zu trippeln.

„Dörthe, laß es gut ſein, ich bitte dich, mein Mann wartet.“

„Laß ihn warten, Herzchen; man darf die Männer nicht ver⸗ wöhnen.“

„Was weißt du davon?“ Die junge Herrin lachte. „Dörthe, ſag, warſt du eigentlich einmal verliebt?“ .

Dörthe Neumeier ſchoß eine Blutwelle in das runzelige Ge⸗ ſicht, in dem ein paar tiefliegende Augen von unbeſtimmter Farbe unruhig hin und her gingen.

„Ich war doch einmal jung, mein Herz. Nun ſind wir

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Li lachte luſtig auf. „Das iſt köſtlich. Du warſt auch einmal verliebt? Lebe wohl, Dörte Ein andermal erzählſt du mir.“

Sie eilte hinaus. Dörthe räumte die abgelegten Kleider fort, ordnete auf Tiſchchen und in Schränken. Das Zimmerchen war bon einer weichlichen Uppigkeit. Einſt hatte es anders aus⸗ geſehen. Urſula Liebenau hatte es vornehm und reich ausge⸗ ſtattet, aber eine gewiſſe 5 und Strenge hatte darüber gelegen. Jetzt waren die kraftvollen, künſtleriſch ſtarken Bilder von den Wänden genommen, die Möbel waren ausgewechſelt worden, laue, ein wenig ſchwüle Luft wehte.

Dörthe trat an eines der Fenſter, das nach dem Hofe zu ing, verſteckte ſich hinter der dunkelroten Seidengardine und eobachtete, wie Erich Hartmann ſein junges Weib in den Sattel hob.

Der lachte die Freude aus den Augen und lag wie Sonne auf

den vollen Lippen. |

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Grüßend trat der Reitknecht zurück. Der Goldfuchs . und ſchritt zierlich unter ſeiner leichten Laſt.

Hartmann legte die Schenkel an.

„Hopp, Li, wir wollen den Fuchs ausprobieren.“

In ſchlankem Trabe ritten ſie aus dem Hofe durch den Park.

Die Sonne ging zur Rüſte, Baumſchatten lagen ſchwer und dunkel auf den Parkwegen. In den Kronen der mächtigen Eichen und Linden rauſchte ein leichter Wind. Vom Weiher herauf wehte Friſche. Der Springbrunnen inmitten des ſchilfumrahmten .. ſtäubte das Waſſer im regenbogenfarbigen, leichten

Kaum klangen die Hufe auf den weichen Parkwegen. Zwiſchen den Feldern ließen ſie die Pferde raſcher traben. Li Hartmanns Wangen waren rot überhaucht.

PP geht wunderbar, Erich,“ ſagte ſie i im Reiten. Der Gatte

ch wußte. daß Ribbecke ehrlich iſt.“

Ge ließen die in acer Gang fallen. Li Relic

dem Fuchſe den ſchlanken Hal ich, mein Bär, 1 verwöhnſt du dein Weib. * u

Der Gutsh herr lachte. „Ich will dich glücklich ſehen, Li.“

Gutsarbeiter ne nach hartem Tagewerk in ſengender Sonne von den Feldern heim. Sie waren müde, ihre Lippen waren dürr, und kein Lied ſtieg in den Abend. Als ſie die Herr⸗ ſchaft bin Cate Pen ſahen, gruͤßten ſie demütig und freundlich.

de Weges hinter ihnen fuhren fünf hochbeladene Erntewagen, die eine Laſt goldgelben Weizen den Scheunen zu⸗ führten. Die letzten Fuder für heute.

Senn Döring ſchritt zur Seite.

Erich Hartmann hielt ſein Pferd neben ihm an und erwiderte den Gruß, den der Inſpektor geboten.

„Gute Ernte was, Herr pektor?“ ſagte er.

„Mittelmäßig, Herr 9 Hartmann.“

„Mittelmäßig? Aber man lobt fie doch allgemein, und ee fagte, Bi fet in zwanzig Jahren kaum zweimal fo ge- weſen

Der Inſpektor lachte. Alle Achtung vor Iſaak Ribbecke, aber davon verſteht er nichts.“

„Wie gefällt Ihnen der Fuchs, Inſpektor?“ „Er i gut, Herr Hartmann, und als Damenpferd wüßte ich kein beſſeres. Das verſteht der Jude.“

„In etwa vier Wochen wird er wegen der Ernte zufragen. Ich habe es ihm geſagt.“

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Fin, Ben s— 2 B]. ——Q——ZÄAi1˖1 T—-:— .. —2

„Jawohl.“ „Guten Abend.“ „Guten Abend, gnädige Frau, guten Abend, Herr Hartmann.“

Inſpektor Döring ſchritt, weit ausholend, hinter den Wagen drein. Er war ein hacker, blondbärtiger Mann. Nun er allein war, ſprang in feinen Augen ein ſcharfes Licht auf. Als ob er mit irgend etwas unzufrieden wäre und auf der Hut fein müſſe.

Als Erich Hartmann und ſein Weib heimkehrten, war Li des Lobes voll über den Goldfuchs, den ſie „Baldur“ nannte.

Sie hing ſich in des Gatten Arm, und als ſie an der Tür ihres * ſtand, bot ſie ihm raſch noch einmal den Mund zum Kuſſe. Sei bedankt, mein lieber, lieber Bär.“

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2

1 Liebenau hatte geſchrieben, daß ſie zu dem Feſte auf einige Tage nach Langenwieſen kommen werde. Auf einige Tage nur. Länger zu bleiben ſei unmöglich.

Li Hartmann aber wuchſen die Geſchäfte ſchier über den Kopf. Unraſt vom Morgen bis zum Abend. Was allein war für die Koſtümierung zu bedenken, die für den Abend geplant war. Koſtüme ſollten den Gäſten in reicher Auswahl zur Ver⸗ fügung ſtehen. Ob man da a jedem Geſchmack 9 würde? Der Ingenieur hatte etliche Arbeiter aus der Stadt geſchickt, die im Parke die elektriſchen Leitungsdrähte von Baum zu Baum zogen. Hunderte buntfarbiger Birnen hingen wie Tropfen ver⸗ ſtreut im Laubwerk, bildeten Triumphbogen, umrahmten Lauben. Zelte wurden unter Baumrieſen aufgeſchlagen, ein Tanzplan wurde geebnet und mit geglätteten Brettern belegt, das Podium für die Muſikkapelle lag verſteckt im Grünen, der Feuerwerker be⸗ reitete mit ſeinem Gehilfen den Platz für das Feuerwerk vor.

Die Gutsgeſchirre aki Kiſten um Kiſten von der Bahn. Der Duft feinen Backwerkes wehte durch das Herrenhaus bis la u den Arbeiterwohnungen und bewirkte, daß die kleinen

füßler in Kittelchen und Höschen ſchnuppernd und lüſtern ihre Näschen in die Luft reckten. | P Li Hartmann probierte die neuen Toiletten, von denen jede ein 5 war. An der Koſtümierung wollte ſie

icht teilnehmen, aber für Urſchel Liebenau hatte ſie ein wunder⸗ bares Gewand zurechtgelegt.

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Erich behauptete zwar, daß Urſula ſich gegen die Verkleidung wehren werde, aber Li fand, daß Urſula zur Eliſabeth wie ge⸗ ſchaffen fer.

Der Gutsherr war in beſter Laune. Er kam ſich zwar da und dort ein wenig übrig vor; denn wenn er irgendwo mit einem Vor⸗ ſchlage auftrat, ſo wurde ihm bedeutet, daß die gnädige Frau die Sache bereits geordnet habe. Li fand bei ihren tauſend Ver⸗

pflichtungen doch Zeit, ihrem Bär durch das Haar zu ſtreichen, einen Augenblick zu koſen, davon zu flattern und aufzutauchen wie ein leuchtender Meteor. Und die Freude ſprühte ihr aus den Augen und prickelte bis in die Fingerſpitzen. Ihre ſylphen⸗ al Geſtalt ſchwebte förmlich über Rajen und Wege dahin. ich Hartmann lachte dazu und ließ ſie gewähren.

Nun ſtand er wartend in Lis Zimmer. Dörthe Neumeier zahle ſie zur Fahrt nach der Bahn, Urſula Liebenau ab⸗ uholen. ee Li flatterte herein, ganz in Weiß, vibrierte und trieb nun zur

IR Hartmann aber nahm fie in die Arme, „Li, du biſt zum

Sie lachte und ſchmollte ein wenig. „Bär, du verdirbſt mir die Friſur. Und die Bluſe!“ Sie aupfte lachend daran zurecht. „Na, eben als hätte mich mein Bär in . 1 gehabt. Jetzt müſſen wir vernünftig ſein. Urſchel ko

Hartmann lenkte das Geſpann bah Die Apfelſchimmel 1 50 ltr die Riemen und ſauſten dahin. tſcher ſprang vom Sitze, hielt die Pferde an den Zü⸗ se und die Herrſchaften ſchritten nach dem Bahnhofe.

Als der Zug nahte, winkte Li mit dem Taſchentuche, und aus

einem der Abteilfenſter wehte Urſchels Tuch gleichfalls zur Be⸗

grüßung

ertgott, iſt die Urſchel ſtattlich, fuhr es Li durch den Kopf.

ſch umhalſte und küßte ſie, und Urſula drückte die junge Frau an ſi

„Tag, kleine Li.“

Tag, Urſchel, liebe Urſchel. Gottwillkommen!“

Aus der marmung ſtreckte Urſchel die freie Rechte Erich entgegen.

Erich.“

„Tag, Früher hatten ſie ſich geküßt, aber 5 . Urſchel ſo in An⸗ ſpruch, daß für En kein Kuß übrig Zwiſchen den Ehegatten vate, co Urfula den Bahnſteig. Li hing an en rme, und der Plaudermund ging

wie ein flinkes Uhrrädchen. Erich Hartmann händigte dem ad Urſchels Gepäckſchein aus.

Der kehrte mit einem Koffer von Bergen Umfange zurück, und Li ſah Urſchel erſtaunt an, als der Kutſcher keine Anſtalt machte, weitere Gepäckſtücke zu holen.

„Michel, " fagte fie verwundert, „kommen denn deine Sachen a

Die lachte. „Nein, kleine Li. Wozu mehr? In dem Koffer it, was ich ae Ich bleibe nur etliche Tage.“

„Darüber wollen wir noch reden,“ warf Eich in frohem Tone ein.

Sie beſtiegen den Wagen, Erich Hartmann zog die Zügel leicht an, und die Gäule fielen in Trab.

Li lehnte ſich an Urſchel, ſo daß ſie halb i in ihrem Arme ruhte.

awe geht es euch, 17˙ fragte die Schweſter.

Li ſeufzte. „Ach, Urſchel, das kann man gar nicht ſagen.“ „Gut alſo.“ |

Wieder ein tiefer Seufzer. „Himmliſch gut.“

Urſula lachte.

„Warum lachſt du, Urſchel?“ fragte Li.

„Weil es mir viel zu ſein ſcheint, daß ihr nach einem Jahre offenbar noch in der ne Flitterwochen lebt.“

„Flitterwochen, Urſchel r da einen Gegenſatz feſtgeſtellt hat zwiſchen neh und ſpäterer Zeit, der hat das nicht verſtanden.“ |

„Oder aber, die es ſagten, ſind andre Leute geweſen als Li und Erich Hartmann.“

„Ach ich, Urſchel, an mir iſt gar nicht Vee aber Erich! Bär, du hörſt doch nicht etwa, was ich ſage?

„Keine Idee,“ tönte es vom Bocke her. Erich Hartmann ſtrich ſich den Schnurrbart und blickte ſchelmiſch auf Urſchel.

Sie ſahen ſich verſtändnisvoll in die Augen und lächelten.

Langenwieſen war erreicht.

Erich Hartmann ſprang vom Wagen, half Li, die ſich leicht auf ihn ſtützte, herab, reichte Urſula die Hand, drückte ſie herzhaft und ſagte in warmem Tone: „Nun biſt du endlich wieder einmal daheim, Urſchel.“

Li führte Urſula in das Haus.

„Wir haben natürlich wieder dein Zimmer hergerichtet. Iſt's recht, Urſchel?“

„Aber ja. Lieb iſt es mir.“

225 t wahr, da du doch hierher gehörft! N

Urſula Liebenau lächelte.

XXXIV. 28 17 2

Bis an ihre Zimmertür geleiteten fie die Gatten, dann gingen ſie nach ihren Gemächern.

Urſula Liebenau war allein. Das Lächeln, das die ganze Zeit her ihren Mund umſpielt hatte, blieb. |

Sie ftand im Reiſekleide mitten im Zimmer, hatte die Hände leicht ineinandergelegt und ſchüttelte den Kopf. Sie iſt genau, wie ſie vor einem Jahre war, die kleine Li. Ich hatte ſie mir ernſter gedacht, aber der Frohſinn iſt ein ſchönes Geſchenk. Man ſieht es, wie glücklich ſie ſind.

Sie wurde ernſt. „Ich gönne es dir von Herzen, du lieber, treuer Erich.“ Langſam nahm ſie den Hut von den ſchweren, dunklen Flechten. Ihr ebenmäßiges 1 10 war ein wenig bleich, und ſeeliſche Bewegungen fluteten in ra Pbk Wellen Darüber. Ein leichtes Zucken, ein Schwingen der ſtarken, dunklen Brauen, ein tiefer Atemzug, bei dem die Naſenflügel bebten.

Urfula Liebenau hatte eine frauenhafte, kräftig entwickelte Geſtalt, die im Gewande einer Eliſabeth herrlich zur Geltung kommen mußte. Jede Bewegung der ſchlanken Hände verriet ein maßvolles dose. Zugleich aber lag darin eine un⸗ beirrbare Entſchloſſenheit. Es ſchien, Urſula tat nie etwas be⸗ dachtlos, und was ſie angriff, war in feſter Hand.

Sie atmete tief. Langenwieſener Luft, Heimatluft! Heimat! Nicht mehr. In eine huge Ehe gehört kein Drittes, beſonders aber dann nicht, wenn die Eheleute von der Art Erich Hartmanns und ſeiner Li ſind.

n den Wänden hingen die Bilder der Pflegeeltern Urſchels und darunter die der Eltern, gruppiert um das Bild des Herren⸗

-~

hauſes von Domnau. Es war Urſula nicht leid um das Gut.

Sie beſuchte es des öfteren, aber es lag in der Ebene, und ſie war zwiſchen Bergen erzogen und mit ihnen verwachſen.

Ein herber Zug trat in ihr Geſicht. Gewiſſermaßen hing ſie in der Luft, gehörte nicht mehr in die Heimat, die ihre früheſte Kindheit geſehen, nicht mehr nach Langenwieſen, das ihre eigent⸗ liche Heimat geworden, wohnte in der Stadt, ſie, die ſich nach Ahrenfeldern und Wieſen und Wäldern ſehnte. Aber wozu wäre die Arbeit da, und Arbeit gibt Befriedigung und hilft über das hinweg, das einem ſchmerzhaft ue

Mit einer entſchloſſenen Handbewegung ftreicht fie über den Scheitel. Sie tritt an das Fenſter und überblickt die Fluren von Langenwieſen. Links buckelt der Störkicht heraus, deſſen Reh⸗ beſtand von jeher der Neid der Abendorfer geweſen > Wald 1 die raſche, ſilberblanke Abe, in der die Forellen ſpielen. Ob wohl Erich in letzter Zeit wieder einmal geangelt

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hat? Zahlloſe frohe Stunden voll Waldespoeſie und Wellenge- plauder hat ſie an dem Bache verlebt und hat mit raſchem, eſchicktem ie sch viele der rotgepunkteten Edelfiſche zu ihren Füßen in die ſchmale Grasnarbe am Uferrande geworfen.

Eigentlich könnte ſie heute gegen den Abend einmal hinab⸗ a an den Bach. Vielleicht, daß die Angelruten noch im Hauſe

Geradeaus liegen etliche Arbeiterhäuschen; hinter ihnen dehnen ſich die weiten Stoppelfelder. Die Häuschen liegen da wie träumende, müde Leute. Das zurückliegende Land iſt wellig und wird weit drüben von den Staatsforſten begrenzt.

Von rechts her grüßen die breitäſtigen Parkbäume. Zittern⸗ des Licht überrieſelt ſie.

Hat man denn den Park umzäunt? Ja, wahrhaftig. Ein hoher, ſtarker Drahtzaun. Der muß erſt in jüngſter Zeit geſetzt worden ſein. Als ſie im Frühjahr fort ging, war er nicht da.

Die Sonne ſteht noch hoch am Himmel. Gegen Weſten hin aber ſteigt leichtes Gewölke auf. Es wird ein ſchwüler Abend werden. Die Forellen dürften beißen. Sie möchte doch wohl einmal an die Abe gehen.

Li hüpft in das Zimmer und hängt wieder an Urſulas Halſe.

„Urſchel, nun biſt du wieder bei uns. Wie ich mich freue!“

„Aber Li, ſeid ihr euch denn nicht ſelbſt genug? Ihr braucht doch keinen Dritten.“ | | „, Wie du das ſagſt,“ ſchmollte Li. „Natürlich nicht. Ich meine Fremde, aber dich, Urſchel, dich können wir immer brauchen. Bleib da, ja, Urſchel?“ |

Urſula ſtrich über Lis Blondhaar. „Das kann ich nicht. Sieh, ich muß Arbeit haben.“

„Arbeit? Urſchel, ich muß mich ſchämen. Ich habe auf Langenwieſen nie gearbeitet bis auf die letzten Tage. Da aller⸗ dings habe ich geſchafft für zehn.“

„Was gab es denn ſo Dringendes?“

„Ach, die Vorbereitungen zu dem Feſte. Urſchel, ich lag Dir, tauſend Dinge. Du glaubſt nicht, was zu bedenken iſt. und was für eine ungeheure Arbeit vor ſolch einem Abend liegt.“

„Warum habt ihr euch denn die Arbeit gemacht?“

„Aber Urſchel, was ae du komiſch. Wir haben den Nachbarn noch kein Feſt gegeben. Bei jedem fo eine Nippviſite, weißt du, und die Bemerkung, wir kommen mal alle auf einen fröhlichen Tag zuſammen und huſch zum nächſten. Sie ſind dann der Reihe nach wiedergekommen, aber die meiſten waren ſo furchtbar ernſt, daß ich nicht eben böſe war, wenn ſie wieder gingen.“

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‚fo.

Ja. Ich muß dann zu lange ſtill ſitzen und a zuhören, wenn fie von den Ernten reden und von der Fohlenzucht und die Damen von den Mamſells.“

„Woher beziehſt du deine Kleider, Li?“

„Urſchel, wie du fragſt. Natürlich aus Paris. Ich habe da etliche Ateliers beſucht. Wir können das den Franzoſen eben doch nicht nachmachen. 1

„Hm. „Dein Koſtüm ſitzt dir übrigens e Urſchel.“ „Iſt aber aa Arbeit.“ n u ſagſt „Ich trage nichts andres.“ „Iſt es denn ein a ae aus Frankreich zu beziehen?" „Durchaus nicht. Nur: Ich mag das nicht. Aber das ift Anſichtsſache. Sind die Herren in Paris nicht ziemlich 17 „Teuer? Urſchel, ich weiß das nicht. Das macht Erich ab, aber ich will ihn doch gelegentlich einmal danach fragen.“ Iſt nicht nötig, Li. Er wird es dir ſagen, wenn es ihm an viel koſtet.“ Li trat ein wenig zurück und muſterte die Schw oe „Was ſuchſt du denn an mir?“ fragte Urſula. 3 ſieht ja aus, als taxierteſt du mich.“ „Es wird dir paſſen, obwohl ich dich ſ o ſchlank doch nicht in der Erinnerung hatte.“ „Was wird mir paſſen?“ rief Urſchel raſch. Es f ihr durch den dur: Li hat für dich ein Kleid in Paris beſtellt „Das Koſtüm der Eliſabeth aus dem Tannhäuſer. . „Koſtüm der Eliſabeth? Ja, Li. a uch. Frau lachte, wie ein Kind über einen gelungenen trei „Du kommſt als Eliſabeth.“ „Ihr wollt mit dem Feſte eine Koſtümierung verbinden?“ „Natürlich.“ „Und. ich fol... „Als Glifabetf 9 Urſchel, du biſt j ja förmlich blaß geworden.“ „Ich bitte dich,“ bat Urſula ernſt, „laß mich aus dem Spiele. 865 mein Lebtag die Maskeraden nicht gemocht.“ rtmanns Geſicht zeigte tiefes Erſchrecken, und in die Augen Booten ihr Tränen. „Urſchel, ich wollte dir eine Freude bereiten und war ſtolz auf meinen Einfall, und nun willſt du nicht?“ „Weine nicht, Kleines. Es iſt mir ſo neu. Ich muß mich erſt

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|

an den Gedanken gewöhnen. Sei gut. Als was wirſt du denn erjcheinen?“

„Ich komme in dem Kleide, das vorgeſtern aus Paris eintraf. si = mir, als ſchicke es ſich für die Hausfrau nicht, koſtümiert zu er

bunt, Li. Du erſt recht mußt in irgend einer Tracht kommen. Erſt recht. Laß mich einmal nachdenken. Ach, das iſt nicht ſchwer. Elfenkönigin. Nicht anders.“

„Meinſt du?“ fragte Li, und die erwachende Freude blitzte ihr aus den Augen.

„Elfenkönigin. Du ſollſt ſehen, du ſtichſt die andern alle aus.“

„Ja, aber,“ fuhr Li zögernd fort, er r das Koſtüm nehmen?“

mich machen. Morgen iſt es da. Du follft ſehen, daß man auch i in Dresden nicht ganz außer der Welt iſt.“ Li flog Urſchel an den Hals. „Goldiges! E rlich geſagt, war Und Cage traurig, daß ich außerhalb ſtehen ſollte.

„Komm, Uriel. Li ergriff ſie an der Hand und zog ſie ee ſich drein. „Schnell, ſchnell. Wir müſſen das mit meinem Bär beſprechen.“

Dann blieb ſie jäh ſtehen, lachte zwitſchernd auf und jubelte: ts kann es doch nur eines geben. Natürlich kommt Erich als

ne Urſchel, herzliebe Urſchel, wird das auch in Dresden zu haben ſein? . 1990 denke,“ antwortete Urſula zögernd und biß ſich auf die

d abet klatſchte in die Hände. „Eliſabeth und Tannhäuſer! N Sn, Urſchel. Ich ſollte dich ja zum Kaffee Holen. Oris | warte

Sie hing ſich in ihren Arm und machte kurze Trippelſchrittchen neben der gemeſſen e Urſula.

= Hartmann ſaß am Kaffeetiſche.

Du haſt warten müſſen, Sri fragte Urſula.

Li aber zaufte ihm den Scheitel.

„Bär, lieber Bär, ich werde oe im Koſtüm erſcheinen. auser Nicht fragen: Ich und du, beide koſtümiert! Du als Tann⸗

häu

„Aber Li.“

„Erich, willſt du mir die Freude verderben? Eliſabeth und Tannhäuſer!“ Sie flog wie ein Schmetterling durch das Zimmer, Erich Hartmann ſuich ſich mit behaglichem Lachen den Bart.

„Na, wenn es denn nicht anders fein kann. Man kann ih: nichts abſchlagen, was meinſt du, Urſchel?

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„Es wird dir gut ſtehen, Erich,“ ſagte Urſula langſam.

Am Kaffeetiſche zwitſcherte Li wie ein Schwälbchen. „Elfen- königin! Und meine Steine! Urſchel, ich habe wunder⸗ baren Schmuck. Willſt du ihn i en?“

Sie wollte aufſpringen, Urſula hielt ſie an der Hand.

„Morgen, Li. Oder beſſer, überhaupt vorher nicht. Erſt wenn du im Koſtüm vor mir ſtehſt. Es wirkt dann um ſo ſtärker.“

„Sag mal, Urſchel, wie willſt du eigentlich die Koſtüme ſo raſch beſchaffen?“ fragte Erich.

„Einfach. Ich telephoniere ein Telegramm zur Poſt. Es wird allerdings ein wenig ausführlich ſein müſſen.“

Li verſtand. Sie lachte, wie über einen köſtlichen Scherz. „Erich, jetzt fragt Urſchel, ob uns ee ein Telegramm für zwei oder drei Mark zu teuer wäre. Bär!“ Es war ein langhin per⸗ lendes Lachen. Sie ſprang auf, küßte Erich, der eben die e taſſe zum Munde führen wollte, ſchüttelte ſich vor Lachen. „Bär, was hat eigentlich Urſchel für Vorſtellungen von uns.“

Auch Urſula lächelte, aber gehalten und nur eben, wie wenn ein leiſer Hauch die Oberfläche eines tiefen Sees kräuſelt.

„Es ſcheint alſo nichts auszumachen,“ ſagte ſie.

„Nein, gar nicht,“ erwiderte Erich und hielt ihr die Kaffee⸗ taſſe entgegen. Li lehnte in ſeinem rechten Arme und knapperte an einer Semmel.

„Morgen, denke ich, kann die Sendung da ſein.“

Li tanzte im Zimmer auf und ab, ſchwang graziös die Arme bog den elfenhaften Leib wie eine Tänzerin, trat an den Tisch heran und ſagte: „Ich glaube, ich werde gut ausſehen.“

Erich nickte, blickte Li ſchelmiſch an und bemerkte: „Du hätteſt ebenſo gut als Salome kommen können.“

Darüber erſchrak Li. Sie ſtarrte ihn entſetzt an, das Blut ging aus ihrem Geſicht, große Tränen traten ihr in die Augen.

„Erich,“ rief ſie klagend, „du tuſt mir weh.“

Der Gatte war erſchrocken. Er hatte ſich nichts gedacht bei ſeiner Bemerkung.

Urſula verſtand Li. Sie erhob ſich, nahm die junge Frau in die Arme, tätſchelte ihr die Wangen und tröſtete.

„Kleines, er hat dir nicht weh tun wollen.“

„Na, das 5 ja noch ſchöner,“ rief Erich Hartmann, „mein Gott, was 5 enn?“

„Erich,“ Urſula ſprach über Li hinweg, „ſieh mal, das mit der Salome iſt ſo eine oe Eigentlich war jie doch..“

Li nickte haſtig. „Natürlich.“

Nun verſtand der Gatte. „Na, ſo was! Daran habe ich

.)»)

natürlich nicht gedacht. Komm her, Li, Elfenkönigin. Du nennſt

mich nicht umſonſt deinen Bären.“

5 ter Tränen lachend, entwand ſich Li ſeinen verlangenden rmen.

„Sie ſtehen in meinem ery anke.“

zuſprechen.

Urſula gab die Beſtellung nach Dresden auf. Dann ſuchte ſie ſich eine leichte Fliegenrute heraus, nahm ein gutes Dutzend verſchiedene künſtliche Fliegen, ſteckte ſie in die Fächer eines Schuler. und hing ſich den zierlichen Fiſchkorb über die

ulter.

Erich Hartmann und Li begleiteten ſie. An den Arbeiter⸗ häuſern vorüber führte der Weg in das Gelände.

or den Häuſern ſpielten etliche Kinder. Sie kamen auf pa ſtreckten ihr die Patſchhändchen entgegen und be⸗ grüßten ſie.

Einen der kleinen Kerle nahm ſie auf den Arm.

„Er iſt mein Patenkind,“ ſagte ſie zu Li. Und zu den Kindern: „Morgen komme ich zu euch. Ich habe euch einiges mitgebracht.“

Die Kinder lachten, ſprangen um die nächſte Ecke und lugten kichernd hinter den Dahinſchreitenden drein.

Erich und Li verabſchiedeten ſich. „In einer Stunde oder ſo komme ich nach,“ erklärte Erich. :

Urfula wanderte langſam zwiſchen den gemähten Feldern

dahin. Ju Linken waren die Gutsleute am Einfahren des Hafers. e Geſtalten hoben ſich ſcharf gegen den Horizont ab.

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Man ſah die hochbeladenen Fuder daherſchwanken. Cine unter- ſetzte Geſtalt kam von drüben daher. Das mußte Inſpektor Döring ſein. | | ce

Den hatte Erich vor zwei Jahren angeſtellt. Urſula ſchien, der Mann ſei verſchloſſen, aber ſie hatte vermieden, mit Erich über ihn zu ſprechen. Der lobte ihn als durchaus zuverläſſig:

Sie ſchritt weiter, und ihre Gedanken beſchäftigten ſich mit dem kleinen Erlebnis am Kaffeetiſche.

Li war ein Frauenrätſel. Eine wunderbare Vereinigung von Oberflächlichkeit, herziger Gutmütigkeit und mimoſenhafter Empfindlichkeit. Man mußte ſie liebhaben. Gewiß. Und Erich ſchien ſich ihr fo vollkommen unterzuordnen, unter- ordnen, Urſchel biß ſich auf die Lippen, Unſinn, er wird, wenn es ſich um Ernſtes, Großes handelt, ſeinen Willen wohl durchſetzen. Aber, ſind das nicht alles Zeichen einer gefährlichen Oberflächlichkeit, daß ſie ihre Toiletten aus Paris bezieht, daß ſie gar nicht fragt, was ſie koſten, daß ſie ſich ihrer vielen Steine rühmt? Rühmt, Urſchel, du biſt ungerecht. Sie rühmt ſich ja gar nicht, ſie freut ſich daran. . =

Urſula Liebenau durchſchreitet das Silberwäldchen, und das birgt als köſtliches Juwel den „kalten See“. .

Der Weg geht zwar rechts an ihm vorüber, aber ſie muß ihm einen Gruß bringen. Nur wenige Schritte ſind erforderlich.

Sie ſteht an ſeinem Ufer. Tief, tief im geheimnisvollen, dunklen Waſſer hängen die Uferwälder. Etliche Enten flattern drüben aus dem Röhricht. Waſſerroſen ſchwimmen, ſchneeweiß mit gelben Sternchen im Innern, auf der Flut. Kein Hauch kräuſelt die Wellen. Wunderbare Waldesruhe.

Die Sage kündet, drunten im See ſitze der Böſe und hüte Schätze, und wer ſich in ſein Reich wage, den ziehe er hinab und gebe ihn nie wieder heraus.

Urſula Liebenau lächelt. Sie hat hundertmal im See ge⸗ badet und die jungen Glieder von dem kalten Waſſer umſpülen laſſen. Kalt iſt das Waſſer, außergewöhnlich kalt.

Einen Gruß winkt ſie dem ſtillen Waſſer zu und wendet

ich. Als ſie unter den Kiefern dahinſchreitet, hört ſie Männer⸗

ſtimmen und vernimmt Schritte. ER:

„Risner,“ fagt einer, „Ribbecke will die Ernte und hat mil dem Herrn geſprochen.“

Der andre lacht. „So, ſo.“

„Wir müſſen ... das verliert ſich im Murmeln.

Sie ſind vorüber. Urſula ſteht und blickt ihnen nach. Der

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eine tft der Inſpektor. Und der andre? Risner? Iſt das nicht

der, den der Jetige Pflegevater einen Schurken nannte?

5 Für eine kurze Weile iſt es, als ſei ein Froſtſchauer über die Heimfreude gegangen.

Es währt nicht lange. Die Sonne ſtreichelt wie Mutterhand. Da liegt der Hang. Junge Pflanzung ragt e herauf, Beerengeranke, ſtellenweiſe überſchüttet mit blauſchwarzen Brombeeren, wuchert üppig, am Boden hinkriechend. Und drunten ſchäumt die Abe. Noch vernimmt man ihr Rauſchen nicht, aber winkend grüßen die flinken Wellen. Grau und klot⸗ zig liegen die Grauwackeblöcke am gewohnten Ort. Sie haben einſt Urſulas Kinderfüße getragen, wenn ſie mit dem Vater an den Bach ging und * Stein zu Stein ſprang. Und dort iſt die Wanne. Eine Auswaſchung, einer breiten Rinne gleich. Darin hat ſie gelegen und den Kinderleib den jagenden Wellen entgegen geſtemmt. Erlen und Weiden ſtehen grün⸗ belaubt am Bachrande.

Urſulas Schritt wird raſcher, zuletzt iſt es ein förmliches Laufen. Heimat, du himmliſch ſchöne Heimat! u | |

Mit Nadeln, die fie zu ſich geftedt, ſchürzt Urſula den Rock. Sie ſteckt die drei Teile der Angelrute zuſammen, ſchnurrend rollt die Schnur vom Haſpel. Die Anglerin leitet ſie durch die Laufringe, ſchlingt das Vorfach an und befeſtigt daran die künſt⸗ liche Fliege. Im hohen Bogen fliegt ſie über das Waſſer und tanzt auf den Wellen. Ein kurzer Ruck. Zu Urſulas Füßen liegt zappelnd die erſte Forelle. Etliche Schläge, kurz und feſt auf den Kopf. Sie bettet das Tier auf das grüne Gras, mit dem ſie den Fiſchkorb gepolſtert hat.

Etliche Tiere ſpringen, beißen aber nicht. Urſula, die ernſte, lacht herzhaft. meg jo. Nicht überliſten Laffer.

Vom Hange her ſchallt ein luftiger Ruf. Die Anglerin ſchaut auf. Erich ſchwingt droben den Hut und eilt herab.

Er ſtrahlt über das ganze, friſche Männergeſicht.

„Gute iſt das ſchön! Wie iſt der Fang?“

ci u

„Ich halte eine kurze Weile mit. Li will mit dem Abendbrote auf uns warten.“

Urſula wirft ab und zu einen raſchen Blick auf Erich. Er iſt haſtig. Als ob er raſch und ungeſtüm eine lange entbehrte Freude

4

in vollen Zügen trinken wolle. Sie lächelt. Er kommt, wies

ſcheint, gar nicht mehr von daheim fort. | „Wir wollen aufhören, die Beit eilt, Urſchel. Li wartet,“ rät Erich und läßt die Augen verſonnen über das Tal fliegen.

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„Ja, Li wartet. Wir wollen heim.“ .

Langſam ſteigen fie bergwärts. Sie ſprechen wenig.

„Du biſt ſo ſtill, Urſchel,“ beginnt Erich nach einer Weile.

„Im Steigen ſpricht es fic) nicht gut. Der Atem wird kurz.“

„Ach du! Als ob dir das ſonſt was ausgemacht hätte.“

„Man wird alt, Erich.“

„Alte Urſchel!“ Sie lächeln.

„Li wartet, wir ſollten lebhafter ſchreiten,“ mahnt Urſula, als ſie die Höhe erreicht haben.

„Ja, ſie wartet.“

„Und das 0 ſie nicht gewöhnt.“

„Nein. Ich ſehe ſie lieber lachen als ſchmollen.“

„Sie lacht immer.“ f ee fie lacht immer. Gott fei Dank. Sie hat viel Freude in ſich.“

„Das iſt gut, Erich. Du warſt früher nahe daran, zu ernſt zu werden.“

„Urſchel, das bin ich heut noch, wenn ich allein bin.“

„So ſei nicht allein. Wozu ernſt ſein, wenn die Sonne lacht?“

„Manchmal muß man das ſchon ſein.“

„Haſt du Sorgen, Erich???

„Sorgen?“ Er lacht. „Nein, Urſchel, aber man muß ſich ſo dann und wann einmal auf ſich ſelber beſinnen.“

„Das kommt, wenn es Zeit dazu iſt, von ſelbſt.“

„Bei Li wird es nie kommen.“

„Sage das nicht. Es ſteckt ein ſo guter Kern in ihr.“

„Ich danke dir, Urſchel.“

„Wofür denn, Erich?“

„Daß du mein Weib ſo wahr beurteilſt.“

„Na, das hebt und hört man doch.”

„Nicht wahr?“

„Aber freilich, Erich. Man muß ſie liebhaben.“

„Ja, man muß. Sieh, dort kommt ſie uns entgegen.“

Sie waren aus dem Silberwäldchen e ana Li kam zwiſchen den Feldern daher. Schneeweiß, wie das flatternde Blatt einer edlen Kaiſerin⸗Auguſta⸗Roſe. Erich verlängerte ſeine Schritte, ſo daß Urſula Mühe hatte, neben ihm qu bleiben. Sie blickte von der Seite her nach ihm. Die Freude glutete über ſein Geſicht. Er ſchmetterte ein Horrido in die Abendluft. Li winkte mit dem Schirm und eilte ae

„Was feid ihr heiß geworden, ihr zwei,“ rief fie ſchon von weitem. „Erhitzte Geſichter habt ihr, und Urſchel trägt, wie es ſcheint, ſchwer an Beute.“

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Neugierig öffnete fie den Fiſchkorb. „So viele!“ rief fie bewundernd. Sie ſtrich mit ſp itzen Fingern über die toten Leiber. „Die Fiſche ſchmecken gut,“ 4 fie leife, „aber e3 tut mir leid, daß ſie nun tot zwiſchen dem Graſe liegen.“

„Aber Li,“ ſcherzte Urſula, „du willſt doch keine lebenden Fiche effen?”

Li huſchte zwiſchen die zwei, auß be Erichs ee Arm und

| Wine linken, und ſo ſchritten ſie auf das Gut z Mamſell ſoll die Fiſche heute abend och auf den Tiſch rügen entſchied ſie.

Erich ſchnalzte mit der Surge. „Li, das iſt ein guter Gedanke. Eigentlich iſt er einen Kuß wert

„Immer küſſen will er,“ 9 Li, zu Urſchel gewandt. Dann zu dem Gatten: „Unerfättlicher 7. Sie ſchmiegte ihre Wange auf einen Huſch an die ſeine. .

Urſula hatte ernſte, ein wenig verſonnene Augen.

Das Abendbrot verlief wie das Kaffeetrinken am Veſper⸗ tiſche. Li plauderte. Hundert unendlich wichtige, nichtige Dinge. Urſula wartete, daß die Rede einmal auf die Wirtſchaft käme, auf das Tagewerk, die Ernte, aber weder Li noch Erich ſpielten darauf an. Offenbar erörterten ſie derlei nicht zwiſchen ſich.

Schon während des Eſſens unterdrückte Li wiederholt ein leiſes Gähnen. Als man ſich geſegnete Mahlzeit gewünſcht, klagte die Gutsfrau, daß ſie müde ſei. Die viele Unraſt den ganzen Tag über habe ſie abgeſpannt. Sie ſehne ſich nach Ruhe.

Aurſchel riet ihr, ſich niederzulegen und wollte mit ihr zuſammen das Zimmer verlaſſen, aber Li wehrte ab.

„Ihr habt euch doch allerlei zu erzäßlen, jagte fie, „und Erich ſitzt gerne noch eine Weile und plaudert oder lieſt. Ich leiſte ihm auch zumeiſt Geſellſchaft, aber ür d müßt ihr mich. entſchuldigen, ich will Kraft aufſpeichern für das Feſt. Gute Nacht, liebe Urſchel, gute Nacht, mein Bär. Vielleicht, daß ich noch wach bin, wenn du kommſt; dann erzählſt du mir.“

Dörthe Neumeier wartete auf ihre Herrin. Sie nahm ihr das duftige Kleid ab, warf ihr ein leichtes, faltiges Hauskleid über, bite Die Haare und plauderte. Von der Beſucherin redete fie.

„Sie iſt deines Mannes Schweſter, Herzchen?“ fragte ſie.

„Ja,“ entgegnete Li, „das haßt, eigentlich iſt ſie es micht 5

„So ſind fie nahe verwandt?“

gone das nicht, Dörthe. Sie find gar nicht verwandt.“

= möchte wohl wi 5 38 19 1 5 Herze te fie ijt.’

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„Sie tit fo ernſt.“ . .

„Du ſollſt fröhlich ſein. So hat dich dein Mann lieb ge⸗ wonnen. oe ay „Denke, Dörthe, fie läßt ihre Kleider in Dresden anfertigen.“

ah es.“ |

„Das fage nicht, Döcthe. Sie ſah gut aus.“ .

„Ja, weil fie. ſchlank iſt. Aber das Koſtüm war doch keins, das ich an dir ſehen möchte. Zu derb, zu ſteif.“

„Es würde mich nicht kleiden.“

„Nein. Mein Liebling muß Flügel haben.“

„Ach, Döcthe, ich bin müde.“

„Es iſt zu viel für dich.“

„Ja, es iſt viel.“

„Laß es die andre machen.“ ;

„Was denkſt du. Sie ft doch unſer Gaſt.“

„Einmal war ſie hier zu Hauſe.“

„Wenn ſie es doch wieder ſein wollte.“

„Am. |

„Was Haft du, Dörthe?“ | „Nichts, Herzchen, aber fie ijt nicht feine Schweſter. So laß jie ihre Wege gehen.“ 199 du biſt dumm.“ Sie lachte zwitſchernd. „Ich bin müde.“

„Soll ich ſingen?“

„Nein. Ich will allein ſein und träumen.“

„Träume ſüß. Gute Nacht, Liebling.“

„Gute Nacht, Dörthe.“

Li kuſchelte fic) auf dem Liegeſofa zufammen. Ihre Lippen waren halb geöffnet, und wie ein ſchwacher Hauch ging der Atem darüber. Sie hatte die Arme unter dem Haupte ver⸗ ſchränkt. Die goldene Haarflut umwallte ſie, ihre glänzenden Augen gingen in die Ferne. Ein traumhaftes Lächeln flatterte auf. Elfenköͤnigin! Und zwiſchen all den bunten Geſtalten Eliſabeth und Tannhäuſer, zwei hohe, ſtolze, ſchöne Menſchen, die langſam und würdig einherwandeln. Oh, ſie wird auch lang⸗ ſam gehen, königlich wird ſie ſchreiten. Elſenkönigin! Einen Hofſtaat wird ſie haben, und Tannhäuſer und Eliſabeth werden nicht fehlen in dem Hofſtaate. Sie lacht wie ein ſeliges Kind.

Im Wohnzimmer ſitzen Erich Hartmann und Urſchel. Zurück⸗ gelehnt in die Polſterſtühle, blicken ſie in die langſam herein huſchende Dunkelheit und plaudern. 1

„Rauchſt du nicht, Erich?“ fragt Urſchel.

„Hm. O ja, ſonſt . .. Aber... Li mag das nicht gern daheim.“

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>

„So.“

„Aide es dich ſtören, wenn ich rauchte, Urſchel?“

Sie errötet. Früher hat ſie Erich das Käſtchen aus Oliven⸗ holz, in dem er ſeine Zigarren aufbewahrte, ſelbſt hingeſtellt. Das waren ſie gewöhnt, und es hätte ihr etwas gefehlt, wenn es anders geweſen wäre. Ob ſie es ſtört, wenn Erich die ihm ſo lieb gewordene Zigarre raucht? Ganz und gar nicht. Sie ver⸗ langt ja förmlich nach dem Dufte. Aber Li mag es nicht gern, und was Li tut und will iſt recht, und Urſula Lie enau darf nicht dazwiſchen treten. Auch im leinſten nicht.

„Ich bin es wohl auch nicht mehr gewöhnt,“ ſagt fie leiſe.

Erich. Hartmann nickt. „Ich kann jie entbehren, Urſchel.“

Das ruhige, verhaltene Geſpräch geht weiter, aber Urſchel ſieht, wie Erich unwillkürlich nach der Seite greift, als ſtünde der Aſchenbecher neben ihm. Da erhebt ſie ſich, geht an den kleinen Eckſchrank mit den Butzenſcheiben, holt das Käſtchen heraus und dell es nebſt Aſchenbecher und Streichhölzern neben Erich.

de ſtört dich wirklich nicht, Urſchel?“ fragt er freudig über⸗

Es p bet jo beſſer, behauptet Erich, als die blau⸗ weißen Rauchwölkchen zur Decke ſpielen. Urſula reckt ſich. Sie will nur wenige Tage bleiben, darf nicht länger bleiben, und wer weiß, ob noch einmal, ſo wie heute, Gelegenheit iſt, über Dinge zu ſprechen, die ihr am Herzen liegen. = fragt fie nach bem Stande der Wirtſchaft in Langen⸗ wieſen. Erich Hartmann ſpielt mit ſeiner Zigarre. Er iſt verlegen. „Ja, ſiehſt du, Urſchel,“ erklärt er, „ich verlaſſe mich da ganz 15 gar auf den Inſpektor. Er it zuverläſſig und macht mir von allem Wichtigen Mitteilung.“

Urſula Liebenau wollte fragen: Und was tuſt du? Aber ſie verbiß die Frage.

„Stehſt du ob mit Ribbede in Verbindung?” fragte fie.

„Ja. Erſt vor etlichen Tagen habe ich von ihm einen Gold⸗ fu für Li eingetauſcht.“

„Er iſt ehrlich. Der Vater hielt viel von ihm.“

1 ſchant aber, er geht doch nicht recht mit der Zeit.“

1

„Ich habe die vorjährige Ernte an Risner verkauft. Er bot eine halbe Mark mehr für den Zentner.“

„Aber Ribbecke hat doch ſtets den bodhften Marktpreis gezahlt Wie kann ihn dann Risner überbieten?“

ig 5 0 egnet ſie, und es klingt faſt hart.

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„Das weiß ich nicht Vielleicht hat er beſſere rd ats Ich hatte jedenfalls kein Recht, das Gebot auszuſchlagen. Es han⸗ delte ſich doch immerhin: um eine nicht unbeträchtliche Summe.“

„Übergeben hat der Inſpektor die Ernte?“ h du frag . Haſt du etwas gegen Döring?“ „Wie ſollte ich? Durchaus nicht. Es iſt mir nur verwunderlich, daß Risner ein ſolches Gebot abgeben konnte.“

„Serbrich dir darüber nicht den Kopf. Ich 8 abe übrigens mit 1 vereinbart, daß er in vier Wochen der Ernte wegen nachfragt.“

Urſula erzählte von dem Geſpräch der beiden Männer, die im 5 an ihr vorübergegangen waren.

Hartmann lachte. adurch biſt du mißtrauiſch ER Aber Ur} 920 es ift doch ſelbſtverſtändlich, da Männer über das nicht unbedeutende Geſchäft ſprechen mii en a

„Gewiß, aber Risner ift nicht gut beleumundet. Der Vater

mochte ihn nicht.” Danach kann ich nicht fragen. Das Geſchäft ift ganz glatt. Hier Ware, hier Geld." „Und wie find der Viehſtand und die Milchwirtſchaft?“ 5 letztere liegt in den Händen der Mamſell.“ un Heilmann ijt noch da?“ Ä

Se iſt ein nettes Mädchen. Ich glaubte, ſie würde den Friedhold Becher aus Abendorf heiraten. & ſchien einmal, als Bu ſich etwas zwiſchen den zweien an.“

Das habe ich nicht bemerkt. Mir ſollte es leid ſein, wenn das Mädchen ginge. Li hat ſo wenig Sinn für die Wirtſchaft. ee eas 10 lch ihrer annehmen, wenn ich fie darum bäte .

ri

"Aber es ijt nicht nötig. Geht ja fo denz, ausgezeichnet. .

„Ihr werdet den Winter über hier bleiben

„Den Winter über? Ich denke. Nach der Ernte will ich Li erſt einmal Berlin zeigen. Sie kennt es nicht und freut ſich wie ein Kind darauf, ihre Steine und ihre Toiletten zu eigen. teine ſind Each Har ein hölliſch teures Konfekt, Urſchel!

Bu lachte ein wenig gegtuungen, ae du, daß Sul den Ertrag der Ernte warte, Urſchel?“

5 rief Urſula lebhaft erſchrocken.

na,“ wehrte er ab, fea beaut, ift das natürlich nicht. Wu. 1 Mein bares Geld ging alles drauf. Paris, Rom, Meſſina und ſo weiter. Aber, wie geſagt, das iſt ja in vier ä alles wieder in Ordnung.“

30

d

„It eigentlich Langenwieſen belaſtet?“

„Gott, 0 eine Anſtandshypothek bei der Generallandſchaft, vom Vater her, das gehört ſich ſo. Iſt alte Bauernklugheit. Der Gegenwert iſt immer ae als Bankguthaben, nur augenblicklich... Na . .. darum laſſe ich mir kein graues Haar wachſen, Urſchel. Ich habe das übrigens nie mit Li beſprochen.“

5 glaube 95

„Du ſagſt das ſo merkwürdig, Urſchel.“

„Ich meine, wenn du es täteſt, dann würde fie ſofort ..“

„Urſchel,“ der Hausherr lachte laut und ſtoßweiſe. „Weißt du, wie es ſein würde? Sie würde mich mit großen, erſchrockenen Augen anſehen, dann würden die Tränen geſchoſſen kommen, und, Urſchel, das kann ich nicht ſehen ja, und dann würde ſie fe bat do ihre Steine verkaufen, verſchleudern natürlich; denn ie hat von ihrem Werte keine Ahnung, würde im Sack und in der Aſche wandeln Nee, nee, nur ſo was nicht. Iſt ja Un⸗ ſinn! Urſchel, du haſt mich rein rebelliſch gemacht.“

Urſula war an ſeine Seite getreten und ſtrich ihm langſam über die Haare, wie ſie es hundertmal getan. Er ergriff ihre Rechte, nahm ſie warm in ſeine beiden Hände, drückte ſie und ſagte leiſe: „Biſt doch noch die alte Urſchel.“ Ä

Da ließ Urſula die Hand von ſeinem Haupte, zog ihre Rechte zurück und ſchritt wieder zu ihrem Stuhle. Es war gut, daß die Dunkelheit ans: Regiment gekommen war. Urſula Liebenau hatte glühende Wangen.

Sie plauderten noch eine Weile. Von Urſchels Arbeit rede⸗ ten ſie, die in einem Dresdener Inſtitut, in dem junge Mädchen der beſſeren Stände den pate erlernten, tätig war, bon bem ote das bevorſtand und U:julas kurzem Beſuch auf Langen⸗ wieſen.

Erich Hartmann drang in ſie, doch wieder herzukommen in die Heimat, aber Urſula ſchützte eingegangene Verpflichtungen vor. f

Als ſie ſich trennten, ſagte Erich: „So ein Plauderſtündchen im Dunkeln hat doch auch ſein Schönes. Es tut auch ganz gut, wenn man mal wieder über die Wirtſchaft redet. ch bin wahr⸗ haftig jetzt ein Fremdling drin. Gute Nacht, Urſchel.“ |

„Gute Nacht, Erich.“

Frau Li war noch wach. Erich ſetzte ſich neben ſie auf das Sofa, ließ me blonden Flechten ſpielend durch jene Finger gleiten, wickelte ſie ſich um die Hände, daß er wie verſtrickt darin war, barg das Geſicht darin und erzählte dazwiſchen hinein etliches von dem, worüber er mit Urſchel geſprochen.

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Von der Ernte redete er und davon, daß Urſchel nicht verſtand, warum er Ribbecke ausgeſchaltet hatte, daß ſie heute etliche Worte aufgefangen, die Döring mit Risner gewechſelt.

Sie plauderten noch ein Weilchen über das Feſt. Dann mahnte Erich: „Wir wollen ſchlafen te Sein Weib erhob ſich, lehnte ſich an ihn und ließ ſich ren.

Urſchel Liebenau ſaß noch lange in ihrem Zimmer. Sie blickte von Wand zu Wand, von Bild zu Bild, trat an das Fenſter und ließ die ruhigen Augen über das Land gehen. Das Licht des zunehmenden Mondes lag auf den gemähten Breiten. Erd⸗ geruch ſtieg auf, obſchon nirgends friſch umgebrochene Schollen waren. Aus dem Parke herüber kam ein verhaltenes, dumpfes Brauſen, wie tiefes Atemholen. Von den Fenſtern der Arbeiter⸗ hütten her grüßte Lichtſchein, und Geſtalten traten im Hin⸗ und Hergehen des öfteren vor den Schein der Lampe. Dann verloſch das oi Müde Leute mit ruhigem, wunſcharmem Herzen gingen ſchlafen. |

Urſula ſaß und ſann. So viel Neues! Und fie hatte das Neue geahnt. Wie man ein Gewitter in den Gliedern fühlt, obſchon noch keine Wolke ſich am Himmel ballt. Sie hat ſich kraftvoll gegen die aufſteigende Sorge gewehrt. Ganz tief in dem mutigen Herzen wohnte ein Wünſchen und Begehren, das zum Ver⸗ ſchmachten verurteilt ſein mußte. Erſterben ſollte es in ſich. Und es war einſt ein ſo ſüßer, berauſchender Mädchentraum

eweſen. Die Wände, die ſie umgaben, hatten einſt Urſulas ſcheues Mädchenſtammeln vernommen, wenn ſie heraufſtieg aus dem Wohnzimmer, in dem ſie neben Erich geſeſſen und mit ihm das Tagewerk von heute rückblickend beſprochen und klug beden⸗ kend das von morgen. Es wohnte eine ſorgloſe Heiterkeit in dem Manne. Sie war nie ſchwatzhaft, eher ein wohliges Ausruhen auf ſicherem Grunde, frohbereit, zu wirken. Er ließ ſich gern führen. Eigene, weitreichende Entſchlüſſe waren nicht ſeine Art. Weiter bauen auf dem, was ſtand, und weiter wandern in er⸗ probten, ſicheren Wegen.

So, meinte er, ſei es heute noch. Nein, er meinte es nicht. Das Wort vom Selbſtbeſinnen, das er ſcherzhaft auf dem Heim⸗ wege vom Bache geſprochen, war ihm aus unruhevollem Herzen gekommen. Die Sorge eee ihre Flügel geredt und ihm das Bekenntnis entriſſen, daß das Bankguthaben der Hartmanns aufgebracht ſei. Und ob Erich ſich ſchon lachend glauben machen wollte, daß er fic) leicht darüber hinweg ſetze, es hatte zitternde Unruhe über ihm gelegen. Er ſchien es nicht zu empfinden, daß eine wehe Bitterkeit darin lag, als er von Li redete, die ihre Steine

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verkaufen, nein verſchleudern und Buße tun würde. Du Heine, gute Li, Verſchwenderin, ohne daß du es ahnſt, Kind, mitten im ernſten Leben. Das Lachen iſt dir Leben. Dein Mann will die Sorge fern von dir halten, weil er meint, daß ſie ihm das rauben würde, was ihm ſo ſüß und köſtlich ſcheint. Aber das Leben iſt “ae ran und Tändeln, und das iſt keine Liebe, die fic

ügt.

Li, liebe Li, Urſula hat dir ihres Lebens höchſtes Sehnen klaglos geopfert. Nun halte heilig, was dir in die kleinen Hände gegeben iſt. Du weißt nicht, wie reich du biſt. Sorge, daß ihr nicht verarmt, nicht an dem Gute und nicht an der Lebe. Laß das Spiel fort aus dem Liebhaben.

Urſula ſucht ihr Lager auf, aber der Schlaf kommt lange, lange nicht. Nun tritt zu dem heilig gehüteten Leide die Sorge.

3

er Feſttag iſt da. Ein! Feſttag, wie er ſein muß. Ganz D Langenwdeſen feiert ihn. Die Mbeiter haben einen Ruhetag. Er liegt recht; denn die Ernte iſt eingebracht. Die Sonnenfackel leuchtet und lodert, aber nicht mehr heiß und ſengend, ſondern milde und ein wenig wandermüde.

Erich Hartmann hat ſein Weib vor ein Gabentiſchchen ge⸗ führt. Liegt wenig darauf, und trägt doch einVermögen. Steine in kunſtvoller Faſſung, wie ſie Li gern mag. Sie weint vor Freude, fällt ihrem Mann um den Hals, küßt ihn und iſt glücklich wie eine junge Braut.

Sie nimmt das Diadem in die Hände, läßt das Sonnenlicht von allen Seiten darauf fallen, legt es zurück, hängt ſich wieder an den Gatten, ſieht zu ihm 1 und ſagt ſchlicht: „Erich, es iſt unſagbar ſchön, aber das Beſte biſt du ſelbſt.“

Die Worte gehen dem Manne ſo tief, daß er ſchlucken muß, als fei ihm etwas in die Kehle geſtiegen. „Das Beſte biſt du ſelbſt.“ Erich Hartmann hat die Ernte belaſtet, und Li wäre am Ende mit einem Kuſſe und einem lieben Worte zufrieden geweſen. Das A, fo ganz die kindgute, herzige Li.

er eben für die iſt kein ree wn zu koſtbar, keine Freude groß genug. Seine Liebe kann ſich nicht genug tun und meint, auf rechtem Wege zu ſein.

Ucſula Liebenau tritt ein. Sie breitet Li die Arme entgegen. „Gott ſegne dich, Li!“ Und die zwei halten ſich umſchlungen. Und dann breitet Erich Hartmann die Arme weit aus. Urſchel

IX. 23 33 3

kann nicht anders. Sie lehnt fic) an feine Bruſt und fühlt ſeine Lippen gut und warm auf den ihren. . Li iſt weich. „Urſchel,“ ſpricht ſie leiſe, „ich will gut ſein und will glücklich machen.“ an „Daß biſt du und das tuft du,” ſetzt Urſchel ehrlich und freudig

hinzu.

Dann führt Li ſie an das Tiſchchen. Faſt ſcheu läßt ſie den Deckel des kleinen Käſtchens aufſpringen. „Sieh her, Urſchel, das ſchenkt mir Erich.“ |

Urſchels Augen werden weit und ihre Wangen bleich.

Das Geſchenk iſt ſo groß, daß es weh tut. Die Freude wagt ſich kaum hervor, weil die ano dahinter lauert, daß der Mann zuviel getan hat. Und iſt doch kein Rechnen und Kargen.

Erich Hartmann ſteht daneben, ſieht die feuchten Augen ſeines Weibes und die erſchrockenen Urſchels. Er hat ſich ſelbſt über⸗ boten und alle Erwartungen übertroffen, und doch will die Freude nicht recht kommen.

Dann ſchlägt er einen leichten Ton an. „Der Frühſtückstiſch wartet. Was macht ihr für Aufhebens! Wenn es Li freut, ſo erfüllt es ſeinen Zweck.“ Er weiß, daß bei ſeinem Weibe die laute, jubelnde Freude noch durchbrechen wird, vielleicht heute ſchon, wenn das Diadem die Elfenkönigin ſchmückt.

Die Morgenſtunde iſt die einzige am Tage, in der Hartmann und ſein Weib mit Urſchel allein ſind.

Bis an den Mittag iſt es ein Kommen und Gehen. Zahlloſe Briefe flattern herein. Glückwünſche aus der Nachbarſchaft und weiter her. Die Muſikkapelle kommt. Das Mittagbrot wird in Haſt eingenommen, und der frühe Nachmittagszug bringt die erſten Gäſte, darunter eine Anzahl Offiziere vom Dragonerregi- ment der Nachbarſtadt, bei dem Erich Hartmann als Leutnant der Reſerve geführt wird.

Dann treffen nacheinander die Nachbarn ein, Herr von Träger auf Hohenborn, die Familie Schneemelcher mit drei heirats⸗ fähigen Töchtern, die Toſtenheins, Streckers und alle die andern. Der cs und feine junge Frau empfangen die Gäſte auf der feſtlich geſchmückten Diele. | Li Hartmann iſt aufgeregt. Urſchel legt ihr die kühle, weiche debe a den bloßen Unterarm. „Kleines, haft du Lampen⸗

ieber?“ Ich weiß nicht, Urſchel, aber wenn du mir eine Liebe tun willſt, ſo bleibſt du bei mir. Laß mich nicht allein.“

So ſah man denn die zierliche Hausfrau vorerſt nur an der Seite der ſchlanken Urſula.

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. —äää— ——

2 Feſt war bald im Gange. Scherzen und Lachen und Be⸗ wundern. i

Oberleutnant von Althaus, ein ſchlanker, ernſthafter Mann, ſtand unter einer mächtigen Platane. Das Gewimmel wuchs. Plaudernde auf allen Parkwegen, Ruhende in den Zelten und auf den vielen umherſtehenden Bänken. Althaus betrachtete das alles, wie er bei ſich ſagte, aus der Vogelſchau. Seine Naſen⸗ flügel bebten leiſe. Sonſt ſtand er in ſteinerner Ruhe. Alles, wie man es ſonſt ſieht, erwog er. Die drei Schneemelcher, luſtige, nette Dinger, aber unſereins muß zu ſehr auf den Mammon ſehen, alſo kühl bis an die Halsbinde. Die kleine Strecker. Hm. Ganz nett, aber doch nicht mein Fall. So muſterte er der Reihe nach und kam an Li und Urſula. Die Hausfrau, ganz junger Wein. Gärt noch zu ſtark, eae Kind, halb Weib. Muß ak ausreifen, und man kann nicht ſagen, wie das Ergebnis ſein wird. Aber die andre! Herrgott! Hat denn keiner bisher Augen für ſie gehabt, oder iſt ſie ſchon verheiratet?

Hans Althaus, das iſt dir noch nicht begegnet. Das noch nicht. Sie iſt das Weib.

Er ſchlängelt ſich an Rittmeiſter Damer heran. Der war ſeit langem mit Hartmann bekannt und konnte ſicher Auskunft geben.

„Herr Rittmeiſter,“ bat er, „wer iſt die Dame neben der Haus⸗ frau? Ich habe fie vorhin nicht geſehen“

Der a... lächelte. „Schau, ſchau,“ ſagte er ſcherzhaft, „fällt Ihnen auf, was? Das iſt Fräulein Liebenau. Waiſe, im

ſe der Hartmanns erzogen. Sie nennen ſich Bruder und

weſter, ſind aber nicht im mindeſten verwandt.“

Wo hat der Hartmann ſeine Augen gehabt, dachte der Ober⸗ leutnant. Oder 12 ſie ihn nicht gewollt?

„Waiſe iſt ſie?“ fragte er beiläufig. „Von den Hartmanns erzogen, alſo wohl derſelbe Fehler wie bei mir.“

Damer lächelte. „Ich glaube nicht. Ihre Eltern beſaßen ein großes Gut. Es iſt verkauft worden.“

Althaus ſpielte den Gleichgültigen, aber der Rittmeiſter ſah ihn lächelnd von der Seite her an.

„Es lohnt ſich immerhin.“ |

„Herr Rittmeister vermuten falſch. Iſt wirklich nur rein objektives Intereſſe.“ „Na, denn Glück auf, Sie Objektiviſt. Da iſt Frau von Hein⸗ richs. Ich muß ihr guten Tag ſagen.“

Althaus ſchlängelte ſich weiter. Richtige Schlangenwindungen waren nötig. Da winkte eines mit dem Setifelche, dort ftellte ihn einer und fragte allerlei und ſchwatzte.

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Er ſchlug fic) quer wu das Gebüſch, fand den Hausherrn inmitten eines Kreiſes von Gutsbeſitzern der Umgebung, drängte ſich in die Runde, hörte einen Augenblick zu, ſie ſprachen von der Fohlenzucht, legte ſein Geſicht in ernſte Falten und gab ſeine Weisheit aus.

So im Sprechen hatte er es verſtanden, neben Erich Hart⸗ mann zu kommen, und als die Auseinanderſetzung allgemeiner wurde, die Urteile ſich widerſprachen, zog er Hartmann mit ſanftem Drucke aus der Mauer.

Der blickte ihn verwundert an, aber Hans von Althaus legte zutunlich N Arm in den des Feſtgebers und ſchwatzte über⸗ ſchwenglich von dem herrlichen Feſte. |

„Na, is ja noch gar niſcht,“ ſagte der Gutsherr. N

„Für den Anfang, Herr Kamerad, 1 viel. Gleich ſo die richtige Stimmung, man fühlt ſich zu Hauſe. Wie geſagt, ja, einfach großartig und dazu die Erwartung. Was iſt eigentlich noch geplant?“

„Na, doch die Koſtümierung.“

„Gott ja. Famos. Haben Sie zufällig ein Tannhäuſer⸗ koſtüm dabei? Den habe ich nämlich ſchon einmal gemimt.“

„Der bin ich zufällig ſelbſt, und meine Schweſter . .. ja, aber Althaus, unter uns

„Selbſtverſtändlich.“

„Iſt die Eliſabeth.“

„Und wir?“

„Es ſtehen eine ganze Anzahl prächtiger Koſtüme zur Ver⸗ fügung. Nur 1 Sobald es dunkel wird, kann der Zau⸗ ber losgehen.“

Althaus hatte einen Plan. Er trat vor Erich Hartmann, äußerlich ruhig und beherrſcht, innerlich bebend.

„Hartmann,“ ſeine Stimme klang merklich heiſer. „Tun Sie mir einen einzigen, großen Gefallen, und Sie können über n ic verfügen auf Tod und Leben bis auf den Nervus rerum, den i ſelber nicht habe.“

Hartmann lachte.

„Alſo das hätte, wie es ſcheint, keine Gefahr,“ fuhr der Ober⸗ leutnant fort, „Sie haben des Mammons mehr als genug. Ja und meine Bitte: Treten Sie mir Ihr Koſtüm ab.“

Der Gutsherr war betroffen. „Nee, Althaus, das geht nicht. Meine Frau hat das ganz extra für mich ausgeſucht.“

„So ziehen wir die gnädige Frau ins Vertrauen.“

„Ja, aber warum denn? Es ſind ſo viele ſchöne Sachen da.“

„Ich habe das ausprobiert und ſage Ihnen, daß mein Korpus

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nur in dem Gewande des Tannhäuſer ſo zur Geltung kommt, wie ihm das gebührt.“

Er hing wieder an Grid Hartmanns Arm und zog ihn mit ſich Ba 5 wo Li und Urſchel bei den andern Damen ſaßen.

Li begann aufzutauen. Ein Schwarm junger Mädchen um⸗ mete fies und das Gekicher ſcholl über den Raſen. efchel lächelte. Das war, was Li brauchte. Junges, ſorg⸗ loſes Leben und Lachen. er Erich mit dem Offizier daherkam, blickte ihnen Li fragend entgegen.

Althaus verneigte fic) tief vor den Damen und feine Blicke blieben eines Augenblicke Länge eindringlich auf Urſula patter

Erich Hartmann ftellte ihn der Schweſter vor. Gewandt verſtand Althaus, Frau Li zur Seite zu ziehen und ſie für ſeinen Plan zu gewinnen.

Erich ſtand mit Urſchel ein 1 un abſeits.

1800 's dir, Urſchel?“ fragte

ön iſt es, Erich.“

i war erſt ein wenig verblüfft, lachte aber Dun Tuftig auf.

„Sie 8 inen einig zu ſein,“ re . en Hartm

en fie fragte U

„Ste ſetzen mich außer Kurs.“

Urſula war verwundert, aber es blieb ihr keine Zeit, zu fragen.

Li und der Offizier tater 9 Li nahm richs Arm und Bar mit i urück. haus bot asche en einen Seer an und ließ ſich neben ihr nied e

es Fräulein find in Langenwieſen erzogen?“ begann er. Dar erhob et ein Loblied auf das Gut und Urſchel ſtimmte freudig ein. Es fand ſich viel Gemeinſames. Sie liebten das Landleben, Althaus behauptete fogar, ae gar nicht ungeſchickter Angler zu fein, und Urſchel riet ihm, ab on nach Langenwieſen zu kommen und an den Bach zu 15 755 rſula taten die Ruhe und das angenehme Geplauder wohl.

Bei der Tafel, die im Garten gedeckt war, wußte es der Ober⸗ leutnant wieder ſo einzurichten, bab er Urſula i Die Stimmung wurde immer lu Frau Li fo die Tafel auf, und Erich Hartmann rief:, 1 frisch meine Herrſchaften, die Koſtüme liegen bereit, und helfende eee zu Gebote. a

Der Abend ſank raſch. Die Zeit flog för

Im Dunklen tauchte dem on bier ein landfremdes Menſchen⸗ kind auf und da eines, Kichern und en 8 und Erkennen. |

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Urſula zog ſich zurück, traf Li und ging mit ihr nach den Ge⸗ mächern

„Eile, Kleines,“ mahnte ſie, „jetzt iſt jede Minute koſtbar. Ich hole dich ab.“

Li brauchte nicht nach Dörthe zu ſchellen Die war zur Hand. Das ſilberdurchwirkte Gewand lag zurecht. Dörthe warf es ihrer Herrin über, ſchlug vor Entzücken die Hände zuſammen, lief geſchäftig hin und wider und ſchleppte Lis Schmuck herbei.

„So will ich meinen Liebling ſehen,“ ſchwatzte ſie. „Ein Märchen biſt du, ein Traum, ein Gedicht.“

Li war ſchweigſam. Das Blitzen der Steine beängſtigte ſie. Alle Flammen hatte Dörthe angedreht.

„Ich muß mich erſt daran gewöhnen,“ ſagte Li leiſe und wie in kindlicher Angſt ſchritt fie zur Tür, die nach des Gatten Zimmer führte. Sie war verſchloſſen. Li klopfte.

„Wer iſt da?“ fragte Erich.

„Ich bin's, Erich, bitte, bitte, laß mich ein.“

„Nein, Li. Wenn ſchon, denn ſchon. Nun ſollſt du mich ſuchen. Ich verrate nichts.“

„Ich bin ängſtlich, Erich. Wenn ich dich nicht finde.“

Sie kämpfte mit Tränen, und Erich Hartmann war im Be⸗ griff, die Tür zu öffnen. Da legte ihm Althaus, der in Erichs Zimmer den Tauſch der Koſtüme vorgenommen hatte, die Hand auf den Arm. BE,

„Pſt,“ fagte er leiſe. „Nicht den Spaß verderben.“ |

Er hatte ſich n dase an den Techniker herangemacht und ein Goldſtück ſpringen laſſen. „Die erſte halbe Stunde brennen nur einige Lampen. Verſtanden? Und wenn man Sie fragt, warum, dann ſchützen Sie Unordnung in der Leitung vor.“

„Sei gut, Kleines. Wir ſind fertig. nten treffen wir uns,“ tröſtete Erich Hartmann.

Da trat auch Urſchel in Lis Zimmer. Sie hatte die junge Frau bislang noch nicht in ihrem eigenſten asse aufgeſucht. Ein einziger Blick ließ ſie die Veränderung erfaſſen. Li hatte ausgeräumt. Das gab Urſchel einen feinen Stich. 1 flog ſie an. Die Luft ſo Ae und Die Kiffen jo weich. Wie wenn eines ein Faulenzerleben führt, über das ein leiſer Hauch von Sinnenluſt weht.

„Fertig, Li?“ fragte fie. Sie ſtand im Koſtüm der Eliſabeth da. Dörthe Neumeier war in die Fenſterecke zurückgewichen. Mit heißen Augen ſtarrte ſie auf Urſula. Li verſchwindet neben ihr, dachte ſie. Die Liebenau hat nicht einen einzigen Stein, aber Li kommt mit all dem Gefunkel nicht auf gegen ſie. Ob ihm

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8 ao aufgehen? Wie ein Kind neben einem Weibe nimmt ich Li aus. Auch Li und Urſchel maßen ſich mit verwunderten Augen.

„Was biſt du ſchön,“ rief Li lebhaft, ſtand etliche Schritte vor Urſula und bewunderte ſie mit unverhohlenem Erſtaunen.

„So viel Steine?“ fragte Urſula. „Sie ſind alle echt?“

„Aber Urſchel! Erich hat fie mir geſchenkt.“

„Komm, Li,“ Urſula nahm Lis Hand. „Du biſt die verkörperte, lebendig gewordene Elfenkönigin.“

Sie ſchritten in den Garten hinab.

Lachen von allen Seiten. Huſchen auf den Wegen und Flüſterworte hinter den Hecken.

„Licht!“ ſchrie einer. |

Auch Erich Hartmann war mit Althaus unter den Koftü-

mierten.

„Warum brennen die Lampen nicht?“ fragte er, aber er er⸗ wartete keine Antwort, lief zurück und ſuchte den Techniker auf.

Li hatte ſich von Urſula getrennt. Sie ſuchte Erich. Die Dunkelheit auf den Wegen, zu deren Seiten die Hecken wie plumpe Geſtalten ſtanden, ängſtigte ſie. Dazu Neckworte, auf die ſie ſonſt ſchlagfertig erwidert hätte, die ſie aber heute unſicher machten

Zu der Elfenkönigin geſellten ſich Nixen und Elfen. Ein Hofſtaat hatte ſich ganz von ſelbſt gebildet.

Li war das Weinen näher als das Lachen. Sie entſchlüpfte.

Da eine Landsknechtsgeſtalt. So groß iſt Erich. So ſchreitet er, im Gehen leiſe wiegend.

„Erich,“ jubelt fie und hängt an Je Sn Arme.

„Diesmal nicht,“ lacht eine tiefe Stimme, „aber vielleicht tut's Wilhelm auch.“ . Ein leiſer Aufſchrei. Li iſt verſchwunden. So kommt ſie noch dreimal an den Falſchen. |

Da ley Jie ſich auf einen Stuhl und weint. .

Nicht lange hat ſie ſo geſeſſen, da legt ſich ihr ein Arm um die Schultern. Ein Kreuzritter ſteht hinter ihr.

„Nun, kleine Li?“ .

„Erich,“ jauchzt fie auf, ſchmiegt ihr Geſicht an feines, und Erich Hartmann fühlt Tränen.

„Du haſt geweint? Aber Li!“ ae .

„Ich war 0 verlaſſen. Dreimal habe ich mich geirrt und bin an den Unrechten gekommen.“

Erich Hartmann lacht laut auf. „Wer war es denn?“

„Einer hieß Wilhelm.“

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„Wilhelm? Halt, das ift der dicke Wilhelm Beckhuſen, ein gemütlicher Kerl. Und dann?“ ae andern haben nur gelacht. Einer wollte mich feft- n. |

„Hahaha. So hat Althaus eine feine Idee gehabt. Ich bin neugierig, wie es U:fchel ergangen iſt.“

„Warum brennt denn das Licht nicht?“

„Augenblickliche Störung. at gleich in Ordnung. Komm, Kleines, wir trinken ein Glas Sekt. Das macht dir Mut.“

Urſula hat Li geſucht und hat ſie nicht gefunden.

Es iſt Urſchel nicht wohl in der Tracht. Sie hat nie an einer . rung teilgenommen. Es iſt ihr ein zu ſtarkes Herausſtellen der eigenen Perſon, noch dazu unter el cher Flagge.

Dazu zwei Entdeckungen, die ihr weh tun. Li hat ihr Zimmer anders geſtaltet. Die gediegenen, vornehmen Bilder find ent⸗ fernt. da hängt, iſt leichte Ware. Und dann die Steine! Mein Gott, iſt denn Erich aller Sinn für die Wirklichkeit verloren

egangen? Er verſchwendet wie ein Fürſt. Sie ſchreitet lang⸗ on hin und wieder.

Eine Geſtalt kommt ihr entgegen im Gewande des Tann⸗ häuſer. So viel vermag ſie im dürftigen Lichte eben noch zu erkennen. Das iſt Erich. Sie hängt ſich in ſeinen Arm.

„Wo iſt Li?“ fragt ſie.

„Pſt.“ Erich legt die Hand auf den Mund. Er führt fie hierhin und dorthin, immer auf dunklen, ſtillen Wegen, zaber er ſpricht kaum, nur haſtig und heiß flutet ſein Atem.

uchen.“

will Li n. Urſulas Herz ſchlägt hart. Erich iſt anders als ſonſt. Da flammt das Licht an allen Cen und Enden auf. Lautes Rufen, helles Lachen und ſcherzhaft zornige Worte. Urſchel fährt zurück, und eine Männerſtimme lacht fröhlich auf. „die Überraſchung iſt gelungen.“ „Sie, Herr Oberleutnant?“ fragt Urſula langſam. „Ja, gnädiges“ Fräulein. Ich bitte um Vergebung und klage 1

als den alleinigen Urheber der Niedertracht an.“

„Wo iſt mein Bruder?“

„Und wäre ich ein Gott, ich müßte ſagen: Das willen die Götter!“

„Li!“ fährt es Urſula durch den Kopf. |

„Wußte meine Schweſter, in welcher Tracht mein Bruder kommen würde??

„Nein, gnädiges Fräulein. Staatsgeheimnis.“

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Da lacht Ure, die ihren frifchen, gefunden Humor wieder⸗ gefunden hat, laut auf. „Eigentlich müßte ich zornig fein.”

„Bitte, nein. Ich ſei ein annehmbarer Tannhäuſer, hat man ſeinerzeit gejagt, als ich ihn das erſte Mal darſtellte.“

1 will Gnade für Recht ergehen laſſen, da es ich ſie fachen. im Grunde nicht beſſer geht, aber nun muß ich ſie ſuchen.“

Ein Suchen iſt nicht mehr nötig. Vor dem großen Schank⸗ gelte ſtaut fic) das luſtige Volk der Koſtümierten. Mütter eilen

in und wieder, um ihre Töchter beſorgt, wie die Henne um die

ein.

Die Küchlein aber ſind in guter Hut. Der Sekt perlt, die Augen glänzen. Man tritt zum Reigen an. Die i führt, und ein Schwarm blütenhafter Geſtalten der gemütvollen deutſchen Sagenwelt flutet hinter ihr drein. u

Althaus ſucht Urſula, aber fie ſchreitet am Arme eines Herrn im Frack vorüber. Das iſt Herr von Träger.

ch dem Reigen gruppiert ſich die Geſellſchaft jenſeits des Teiches. Das Feuerwerk praſſelt auf, und im Waller ſpiegeln ſich die buntfarbigen Lichter, die ſtrahlenden Sonnen, die rollen» den Feuerräder. Kanonenſchläge hallen über den Park hinüber nach den Arbeiterhäuschen, ja bis nach Abendorf.

Li Hartmann hat ihre Angſt Varig iberwunden. Das Feuer⸗ werk iſt vorüber, aus dem grauen Dickicht ſchallen lockende Klänge. Frau Li tanzt. Einer um den andern will die Elfenkönigin im Reigen ſchwingen. Zuletzt entſchlüpft ſie. An der Spitze ihres Hofſtaates achse ſie einen luſtigen Zug.

Heller Lichtſchein liegt über dem Parke. Das Licht ſtrahlt in tauſend Blitzen aus den Steinen der Elfenkönigin wider. |

Neben Rittmeiſter Damer Ia ein andrer Offizier, ſchaut der Hausfrau köſtlichen Schmuck und ſagt nicht eben leiſe: „Die Steine müſſen einen fabelhaften Wert haben.“

5 ' Das Wort fällt einer hart in die Seele, die hinter den zweien an einem Baume lehnte. Urſula Liebenau geht ſtill zur Seite. Einen fabelhaften Wert, und Erich ſprach jüngft von Schulden. Es fröſtelt ſie und die Tracht iſt ihr unangenehm. So kehrt ſie ins zurück und wirft einen Mantel über.

3 fie wieder erſcheint, läuft fie Li in den Weg.

„Uiſchel,“ ruft Li, „haſt du dein Koſtüm abgelegt?“

„Nein, Li, aber es fror mich.“

Aber Urſchel! In Italien find die Nächte nicht wärmer. Hallo, meine Geiſter, zum Tanze, zum Reigen!“

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Auf grünem Raſen wogen ſie durcheinander.

Erich Hartmann ſteht, behaglich lächelnd, zur Seite. Ein Traum iſt ſein junges Weib, ein köſtlicher, entzückender Schönheitstraum.

Hans von Althaus tritt an Urſchel heran und bittet um einen

nz.

Urſchel wirft ohne Ziererei den Mantel ab, der Offizier um⸗ ſchlingt ſie und tanzt langſam, als wolle er die Gegenwart bis zur Neige auskoſten.

Althaus beginnt zu . aber er fühlt es, daß der leichte Ton, den man auf ſolchen Feſten gern anſchlägt, bei Urſchel Liebenau nicht am Platze iſt.

Ein Wunder iſt ihm Urſchel. Daß es ſolche Frauen gibt!

Sie ſind in ein Geſpräch gekommen über die Stadt, in der Urſula lebt, über die Muſik und allerlei Träume, die man einmal hatte und die zerrannen.

Um ſie wogt das Feſt. Das Empfinden für die Zeit iſt ab⸗ handen gekommen. Die frohe Stimmung iſt auf dem Gipfel.

Li Hartmann iſt Königin, Gebieterin, der die Stunde alles erfüllt, was das törichte, junge Herz an Wünſchen hegte. Schmei⸗ chelworte, bewundernde Blicke, glückhaftes Leuchten im Auge des Gatten, Reichtum und Jugend. er

Die Gäſte beginnen ſich langſam zu sil 8 Die erſten hinterlaſſen keine fühlbare Lücke; dann tritt eine gewiſſe Leere ein. Da ſchließen ſich die Zurückgebliebenen unter Führung der Königin enger zuſammen. Sie ſchwatzt allerlei törichtes Zeug, oft kaum zuſammenhängend, tanzt mit wehendem Schleier auf dem Raſen einen berückenden Tanz, iſt mehr Salome als Elfen⸗ königin, und der gutmütige, bequeme Erich Hartmann lacht dazu und ſchüttelt den ai

Hans von Althaus iſt unter denen, die aushalten bis zuletzt. Erich Hartmann tritt heran.

„Althaus, wenn's Ihnen auf Langenwieſen gefällt, dann ſind Sie mir jederzeit willkommen.“

„Danke, Herr Kamerad. Ich mache gern von Ihrer Ein⸗ N Gebrauch.“ |

2 ir ſchießen jedes Jahr ein paar gute Böcke, was, Urſchel?“

a U

„Ubrigens, Urſchel, das mit deiner Abreiſe übermorgen ſchon, iſt natürlich Unſinn.“

Urſula ſieht ihn verwundert an.

„Nein, Erich. Ich kann gar nicht anders.“

„Ach, Urſchel, laß doch die dort in Dresden machen, was ſie wollen. Du haſt das doch nicht nötig.“ |

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„Ich habe Arbeit nötig, me vee faſt ſchro belt, Arbeit. Mein Gott, Arbeit! 1 Nes Aa Sie dazu,

Althaus?“ Erich Hartmann erwartet keine Antwort. Aus der Laube, in deren Geranke man die meiſten Birnen 8 hat, ſchallt Lis zwitſcherndes Lachen. Das lockt

Noch eben oe Li Hartmann übermütig und herausfordernd. Jäh brach ſie ab.

„Wo iſt Grid fragte fie wie ein erſchrockenes Kind.

Die Herren lachten. „Der Ungetreue. Er iſt abhanden gekommen.“

Se muß hinaus,“ rief Li, „ich muß zu meinem Manne.“

Sie flog ihm entg e gen. „Bär, mein Bär.“

Erich Hartmann ſchwarte leicht. Das ſah ſo entzückend aus, daß Frau Lis Übermut mit einem Schlage zurückkehrte.

„Ich meine, es i gelb „daß man aufhört,“ ſagte Urſula Lie⸗ benau zu ei 1

„Ja, gn i File, u entgegnete er ernſthaft. „Man muß ſich 5 hi Bodenſatze hüten. Der iſt ſchal und hat das MOEN daß fein Geſchmack lange zurückbleibt.“

g begann durch die Hecken zu huſchen.

Li hing müde wie ein Blümlein an dem Gatten. Er führte ſie in das Haus. Zärtlich ſchmiegte ſie ſi 0 an ihn. Das duftige Gewand war zerdrückt, die Krone der Elfenkönigin hing ſchief auf dem Scheitel.

Knack, der Techniker drehte die Lichter aus.

Das Feſt war vorüber.

4

Ei der Gäſte waren auf Langenwieſen über Nacht geblieben, darunter auch Hans von Althaus. Der ging am Morgen durch die Felder r Die friſche, reine Luft tat ihm wohl.

Er ſann ernſtha War das wohl das Große, das irgendwann einmal in jedes Menſchen Leben tritt, das Frauenwunder, das er geſtern im Arme gehalten? Sein Blick wandert über die abgeernteten Fluren. Wer ein Heim hätte und einen Beſitz wie Erich Hart mann und ein Weib wie Urſula Liebenau! Kein König wäre Fa Er hat nichts an Beſitz in die Wagſchale zu werfen. Was macht das aus? Urſula Liebenau wird niemals danach

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fragen. Hier gilt der Mann an ſich. Eine Falte gräbt ſich in | die flare . Nur die Perſon gilt. Er iſt nichts Be⸗ ſonderes, hat gar keine Anlage, irgendwie einmal bedeutend her⸗ aus zu treten. Seinen Dienſt verrichtet er, wie man es von ihm | erwarten und verlangen darf. Ein militäriſches Genie ift er ſicher nicht. Auch ſonſt kann er keine beſonderen Leiſtungen auf; weiſen. Zu einem hat er Talent. Das iſt gewiß. Er wird ein guter vater werden. Iſt ja Unſinn, das Flattern und Flirten. | Die Augen der jungen Mädchen leuchten, wenn er mit ihnen ſpricht. Man ſagt, er ſei ein eich Mann. Groß iſt er, ſtattlich | rd hat ein gutes Geſicht und einen blonden, lockigen | rrbart.

Wie wird ſich das Leben eigentlich abhaſpeln? Wenn kein ( Wunder geſchieht, dann wird er nach langem Wägen und Wählen irgend ein vermögendes, hübſches Mädchen heiraten, wird ſie 0 gern haben, wird Kinder um ſich wachſen lee, erſt Rittmeiſter, dann Major, vielleicht auch Oberſt werden und dann den Zylinder | buf das ergraute Haupt ſetzen. Noch ein paar Jahre in Ruhe und Frieden, und dann fällt der Vorhang.

Das alſo war das Leben.

Er reckt ſich. Das Glück hat mit wehendem Schleier N | Es gibt ein ganz, ganz großes. Braucht gar nicht in Sternen⸗ weiten zu führen, gar nicht hinaus über Millionen, auf Ga

Gipfel hinauf, kann ganz verſteckt blühen hinter ſchlichten Haus⸗ mauern, und kann ſo wunderbar ſein, daß es ein Leben aus⸗ füllt bis auf den kleinſten Reſt, kann alt werden und bleibt doch immer jung, wird niemals geſtrig, iſt immer herrliches, ſieghaft ſchönes Heute. Und wenn man dann, wenn Gevatter Hein an⸗ klopft, die Hände zuſammenlegt, dann kann es geſchehen mit

einem oe Seufzer. Schade, daß es ſchon vorüber ift, aber | es war köſtlich. 4

Urſula Liebenau, wenn eäjehn könnte! Wenn es ſein könnte! | So in Gedanken wandernd, kommt er an das Silberwäldchen. 1 find vor ihm aufgestiegen, aus Kiefernwipfeln weht ein feiner Nebelhauch, ringt ſich in die Luft und wird von den Sonmenſtrahlen aufgeſogen. |

Und aus Waldesgrün und Morgenlicht tritt ihm friſch und, leuchtenden Auges Urſula Liebenau entgegen. \

ie wundern ſich beide. 0 Nerd Morgen, gnädiges Fräulein. Sie ſind Frühauf⸗ | eherin? =

„Guten Morgen, Here Oberleutnant. Was hat Sie fo bald | herausgetrieben?“

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„Ich habe ein fo ſchönes Erinnern an das geſtrige Felt in mir, daß es mich nicht ſchlafen ließ.“ Er ſieht die Mr Urſula mit ernſten Augen an.

„Wir haben uns rechtzeitig vor dem Bodenſatze zu hüten ge⸗ wußt,“ ſpricht ſie ernſt.

„Es war ja ſo wunderbar ſchön, daß es mir heute albern ſcheint, von Bodenſatz geſprochen zu haben.“

„Sagen Sie das nicht, Herr von Althaus. Es liegt allerlei ſen ſche in dem Worte.“ Sie lacht luſtig auf. „Auf Langenwie⸗ ſen ſchläft noch alles. Gäſte und Herrſchaft und Geſinde. So⸗ gar der Hund an der Kette. Nur uns hat es herausgetrieben. Ich muß die Heimat genießen. Dann kommt die Arbeit wieder und die Fremde.“ | |

aa bleiben Sie nicht hier, wenn es doch Ihre Heimat

„Ich ſagte das nur ſo, das von der Heimat. Es iſt eigentlich nicht wahr, aber ich kann mir nicht abgewöhnen, ſo zu 1 Sie breitete die Arme weit aus. „Das iſt mir ſo lieb. Wie Sonn⸗ tag iſt es mir, wenn ich am Abend oder am Morgen durch die Felder wandere. Kommen Sie, ich will Ihnen Langenwieſens Juwel zeigen.“ |

Gie führte ihn an den kalten See. Wie ein träumendes Kind mit klarem, reinem Unſchuldsgeſicht liegt er vor ihnen.

Althaus iſt eine Weile ſtumm. „Gnädiges Fräulein,“ hebt er zögernd an, „nun erwarten Sie von mir einen Lobeshymnus.“

„Durchaus nicht,“ bekennt ſie ehrlich.

„Ich kann das auch nicht.“ Er ſtreicht über den Schnurrbart, gedankenverloren und ſieht ſie an. „Sehen Sie, ich bin ſo ein 8 Kerl, daß ich ſtill ſein muß, wenn ich reden möchte.

ch kann da einfach nichts ſagen. Iſt ja auch Unſinn, reden zu wollen. Das da redet ganz allein für ſich. Wie ein Menſch kommt mir der See vor, wie ein ernſthafter.“

„Und er iſt doch als falſch und bodenlos verſchrieen. Er gebe kein Opfer wieder heraus, ſagt man.“

Althaus nickt dazu. „Das ſtört meinen Vergleich nicht. Verſchrieen iſt er? Das ſind wir auch. Gnädiges Fräulein ver⸗

ihen. Ich rede von mir. Kann ja on. wie e3 in einem ſolch armen Teufel inwendig ausſieht. Er muß ja im Koſtüm ehen. Und dann das andre, daß der See kein Opfer wieder n Gnädiges Fräulein, ich würde es auch ſo machen. icht herausgeben, was mein 15 mein allein.“

Er atmete ſchwer. Urſula ſah dem Offizier gut und herzlich

in die Augen.

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„Herr von Althaus, nehmen Sie fich ein Beiſpiel an meiner | Schweſter. Sie will nichts weiter, als froh fein und gut und macht | damit unendlich glücklich.“ :

Hans von Althaus fühlte die verhaltene Mahnung. „Wenn uns Mutter Natur nur nicht zuweilen ein ſo fatales Geſchenk in die Wiege legte, das man Innenleben nennt. Ich fahre \ nachher zurück in die Garniſon. Werde ich das Vergnügen haben, u gmäbigen Fräulein wieder einmal auf Langenwieſen zu |

egegnen?

„Vielleicht, Herr von Althaus. Wahrſcheinlich ſogar, aber | über da3 Wann läßt ſich nichts vorausſagen. Das kommt wie der Dieb in der Nacht. . |

Sie kehrten zurück. Geſchirre begegneten ihnen, die auf die Felder fuhren. Die Landleute grüßten Urſula mit freundlichem: Guten Morgen. |

Etliche Male blieb fie ſtehen, gab den Leuten die Hand, er⸗ kundigte ſich nach daheim, fand ermunternde Worte, wenn die | Leute über Not zu klagen hatten. Hans von Althaus empfand wohlig die Fütſorge für die Armen. Immer vollkommener er⸗ ſchien ihm das Frauenwunder, aber ſchmerzhaft ſpürte er, daß ihm Urſula weder mit Blick noch mit Wort auch nur einen kleinen Schritt entgegenkam.

Li Hartmann war übermüdet. Nicht müde, lahm, zerſchlagen. Sie lag den Tag über bald in den üppigen Seſſeln, höch⸗ ſtens daß ſie ſich von einem zum andern ſchleppte, bald ruhte ſie auf dem Liegeſofa, ließ ſich von Dörthe die Haare ſtrählen und gähnte. Dann wieder ſchürzten ſich die Lippen wie in Sehn⸗ ſucht, die Augen verloren ſich ins Ungewiſſe, ſie ſah nicht das

eute, lebte im Geſtern, lachte leiſe auf, wie wenn ein Vogel im

chlafe zwitſchert. Tolles, liebes Zeug hörte ſie, Schmeichel⸗ 4 worte, die wie ein ſchwüler Lufthauch waren und den Körper überrieſelten, ehrliches Lob begeiſterter, hingeriſſener junger | Mädchen. Träumen und Lachen und Koſen mit dem Geſtern. Und bei alledem ift einer nicht dabei. Das ift Erich. |

Sie richtet ſich auf. „Dörthe, wo ift eigentlich mein Mann?“

„Du haſt ihn doch fortgeſchickt. Er iſt mit dem Fräulein aus⸗ geritten. (

„Ach ja.“ j

Li Hartmanns Finger ſpielen mit den Spitzen der Bluſe, | zupfen und bohren, bohren ein Loch und noch eins, und der Atem geht ſchnell und heiß, die Augen ſind ſcharf. |

Urſchel! Sie hatte ſich gewehrt gegen die Koſtümierung und nur nachgegeben, weil Li es wünſchte. Und dann war ſie 2 be⸗ |

i

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rückend ſchön, daß es einem die Sprache verſchlug, wenn man vor ihr ſtand. Ganz Majeſtät. Still und kühl, Nacken und Arme weiß wie Marmor. Sie wandelte wie eine Königin. Langſam, als wäge ſie jeden Schritt und jede Bewegung und berechne ſie auf ihre Wirkung.

Und die Männer waren ſtill geweſen vor ihr. Sie wußten nichts zu ſagen, nicht einen der tauſend Scherze, die wie Feuer⸗ werk auf Li zugeſprüht waren. Auf ſie. Ja, hat man ſie denn nicht ernſt genommen? Urſchel! Warum haſt du mir das ange⸗ tan? Li 5 drückt das Taſchentuch gegen die heißen, trockenen Augen. Beleidigt fühlt ſie ſich. Man hat ſie nicht fal genommen. Worte, die ſie vorhin noch auflachen ließen, fin ihr jetzt Schläge mit der Narrenpeitſche. Warum haſt du mir das angetan, Urſchel? Du haſt mich klein gemacht, um ſelbſt zu wachſen. Du haſt klug den Gegenſatz betont, um an dich zu reißen, was mir gebührte. Du haſt Triumphe gefeiert, nicht Li Hartmann. Der hat man den Schleier zerriſſen. Den Schleier zerriſſen!

Sie weint heiß und W

Dörthe Neumeier ty erſchrocken. .

„Haben ſie dir weh getan, mein Herz?“ fragt ſie lauernd.

„Ja, Dörthe, ja.“

Bier

„Auch dein Mann?“

„Nein. Aber die andern.“

„Das Fräulein?“ |

i Hy ſe. n, daß Dörthe ihre Gedanken errät, aber heute erſchrickt fie.

„Dörthe, wie kommſt du darauf?“

„Du darfſt nicht neben ihr gehen. Nein. Du ſollſt die Schönſte ſein im Lande.“

„Urſula iy ſchöner.“

„Sie darf es nicht ſein, Li. Laß ſie gehen, heute, morgen.“

„Ja, morgen geht ſie.“

„Mach, daß ſie nicht wiederkommt.“

a f was hat ſie dir getan?“

„Was ſoll ſie mir altem Weibe tun? Sie hat gemacht, daß du heute weinſt.“ |

Li trocknet haſtig die Tränen ab. „Torheit, Dörthe. Ich weinte, weil ich daran dachte, wie ſich mein Vater gefreut hätte, wenn er das erlebte.“ .

Dörthe Neumeier kicherte. „Ja, ganz recht. —. Und ſie iſt jetzt mit deinem Manne ausgeritten.“

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"

Li Hartmann ſprang auf. „Was ſoll das? Was habe ich dir getan? Ich mag dich nicht mehr ſehen, gehe!“ 8 85 Neumeier ſchleicht hinaus. Li wirft ſich auf das ofa. „Erich, mein Bär, mein Bär! Du haſt mich lieb, mich! Ver⸗ gib Ich habe nicht an dich gedacht die ganze Zeit über. Treulos in ich geworden. Erich, Erich, ich will es gut machen. Ich will dich 1 liebhaben. Komm zu mir, zu mir, deiner kleinen mm!

Eine Weile liegt fie. Dann ſchellt fie Dörthe Neumeier.

„Bringe mir das Kleid mit den blauen Schleifen.“

Erich ie ihr verſichert, daß fie darin am ſchönſten ausſehe. Er könne ſich dann nicht helfen, er müſſe fie küſſen.

Urſchel und Erich kehren heim. Urſula hat den Baldur ge⸗ ritten. |

Erich eilt in Lis Zimmer. Einen wehenden Schwall Herbſt⸗ luft trägt er herein, oa die Handſchuhe auf den Tiſch, ſchreitet im Zimmer auf und ab und iſt ganz berauſcht von dem Ritt.

„Uiſchel reitet prachtvoll,“ haſtet er. „Du hätteſt jie ſehen ſollen, wie ſie den Graben nahm. Über die Angerfelder haben wir ein kleines Wettrennen veranſtaltet. Ich ſage dir, der Fuchs fliegt. Und Urſchel ſaß, als wäre ſie angeſchmiedet.“

Lis Augen ſind weit geworden. Sie ſteht und ſtaunt. Und Erich plaudert weiter, an an Li vorüber, hat fein Auge für das duftige Kleid, keines für ſein liebehungriges Weib, lacht beriet lobt Urſchel und den Goldfuchs und Ribbecke, der ihn verkauft.

„Erich,“ ſagt Li langſam und mit vibrierender Stimme.

E. ich Hartmann ſtutzt. „Ja, Kleines?“

nichts

. 2

„Was Haft du?“

„Nichts.“ Schmollend ſchiebt ſie die Lippen vor und kehrt ihm den Rücken. Erich Hartmann iſt ſo benommen von dem frohen Ritte, daß er, was nie geſchah, ſeines Weibes El vergißt.

„Na alſo, Li, in einer Viertelſtunde bin ich zum Eſſen 1 gun Wiederſehen, Kleines.“ Er ſchreitet durch die Tür in ſein

immer.

Li wandert auf und ab. Es iſt ER ſterbensweh zumute. Sie hat das Kleid angelegt, das Erichs Entzücken war, ſie hat 1 i ihn geſchmückt, er hat kein Auge dafür ioe Da liegen feine

andſchuhe noch. Sie wirft ſich am Tiſche nieder, drückt die andſchuhe gegen die Augen und weint und ſchluchzt.

Eine wilde Angſt iſt in ihr und ein ſtarker Zorn auf Urſchel.

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Im inwendigen Kampfe ftehend, vernimmt fie Urſchels itt. „Ich will ihr weh tun, ſie darf nicht wiederkommen,“ bäumt es in ihr auf.

Urſchel tritt herein, ruhig, gemeſſen, freundlich.

„Tag Li.“ Sie fieht die Tränenſpuren. „Was haft du, Li?“

„Nichts,“ entgegnet Li hart und abweiſend.

„Du hätteſt nicht allein bleiben ſollen. Warum biſt du nicht mitgekommen?“

„O, ich wollte euch nicht ſtören.“

Urſula erſchrickt und wendet ſich verletzt zur Türe.

Da fliegt ihr Li um den Hals, hängt an ihr, lehnt das Haupt gegen ihre Bruſt und weint.

Urſula Liebenau hat einen harten, wehen Zug um den Mund. Sie ſchiebt Li langſam von ſich.

„Li, was habe ich dir getan?“

„Nichts, Urſchel, liebe, liebe Schweſter. Verzeihe mir, daß ich ungezogen war. Erich war hier. Ich habe das Kleid an- gezogen, das ihm beſſer gefällt als alle andern und, er hat es nicht geſehen.“

Forſchend blickt Urſula in Lis Augen. Iſt es das? Sagt ſie die Wahrheit?

Li errötet. Urſchel wendet den Blick. Sie kann ein verächt⸗ liches Lächeln nicht ganz unterdrücken. Lügnerin. Ciferfiichti: warſt du. Du warſt eiferſüchtig. Jetzt ſchon! Und weißt do arg 90 dem harten Ringen eines heißen Herzens, du ſpielen-

es Kind.

Li bettelt und ſchmeichelt, daß Urſchel ſich niederläßt.

Die gibt ihren Bitten nach. Der bittere Zug im Antlitz weicht. Urſula hat gelernt, ſich zu beherrſchen.

Li Hartmann plaudert. Tauſend Dinge von geſtern. Lauter Nichtigkeiten. Sie hat ſich ausgegeben, und als das Wiſſen auf die Neige geht, verſtummt ſie und haſtet dann auf andres.

Von den Bildern an den Wänden redet ſie und von dem Sande Davon, daß fie ſich freut auf Berlin und von ihrem

muck.

ch

Und Urſula nickt dazu und ſchweigt.

Das weigen bedrückt Li. Sie ſpringt auf, huſcht auf Urſchels Schoß, ſchmiegt ſich ihr in die Arme, hängt angſtvoll an ihrem Geſicht und bittet: „Urſchel, rede, rede. Du biſt ſo ſtarr. Vergib mir, daß ich dir weh tat.“

Urſula hebt die Hand. „Weh, Kleines? Deine Nerven ſind überreizt. Es war zuviel geſtern.“

Da neigt Li das Blondhaupt. „Ja, es war zuviel.“

XXXIV. 28 49 4

Urſchel ſtreicht ihr über den Scheitel, drückt fie an ſich, küßt ſie auf die ſonnenhaften Flechten und umfängt ſie warm und gut. Mach deinen Mann glücklich, Li. Du kannſt es.“ | Erich Hartmann tritt herein. e ein Lächeln um den Mund, das ſich vertieft, als er ſein kindhaftes Weib auf Urſchels Schoße ſieht. f

„Hoho, ihr zwei,“ ruft er fröhlich. „Fat es eine Liebeser⸗ klärung Te aaa a

Li hebt den feuchtſchimmernden Blick zu ae empor.

„Ja, mein Bär, ich habe fie Urſchel gemacht.“

„Iſt recht,“ ſcherzt er.

„Urſchel,“ bettelt Li, „bleibe bei uns. Bitte, bitte, bleibe da.“

Erich Hartmann lacht laut auf. d ;

„Nein, Kleines. Was ſich Urſchel vorgenommen hat, das tut ſie. 85 ähiſt morgen?“ 0

„Ja, Erich.“ | Du

„Na, ich wußte das. Kommt, wir wollen zum Abendbrote gehen. Ich habe Hunger."

Beim Uoendbrote geht ein weicher Hauch frauenfafter $

jeim Abendbrote geht ein weicher Hauch frauenhafter Hin⸗ abe über Li. Sie ubeiſchüttet den Gatten nicht ſpielend wie fe mit Zärtlichkeiten, aber fie iſt aufmerkſam gegen ihn und Urſchel, iſt Hausfrau. | Uiſula lächelt. Der Emft ſteht Li gut. Erich Hartmann brummt sg unten wie ein Bär, läßt es ſich wohl ſchmecken, 1 den ſtarken Schnurrbart und ſtellt feſt, daß es lange nicht o gemütlich war als heute abend.

Urſula Liebenau iſt abgereiſt.

Über Li hat tagelang eine verſonnene Weichheit gelegen. Sie ſtand innerlich im Widerſtreit. Das i hatte das Schim⸗ mernde, Berückende verloren. Übrig geblieben war ein ſchaler Bodenſatz. Übermütigen, aber ganz harmloſen Worten unter⸗ legte ſie beleidigenden Sinn. Untreu kam ſie I bor gegen den kindguten Gatten. Das Mißtrauen gegen Urſchel ſchmerzte fie. Ein feines Empfinden ſagte ihr, daß Urſula ſie verſtanden, und Lis Worte und ihr Tun waren eine ſtille Abbitte, die nur zum Teil dem Gatten galt. Zum andern galt ſie Urſchel, aber was oe Abweſenden nicht werden konnte, das häufte fie auf ihren

är. N 2 Der verſtand fein Weib nicht. Er hatte fie nie wehleidig, ets nur übermütig geſehen. Die Li von heute war nicht ſein chillernder Sonnenvogel. | |

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w

So polterte er gutmütig auf ſie drein. Sie möge wieder werden, wie ſie war. Wenn ſie ernſthaft mit ihm reden wollte,

nn lachte er. Sie trat vor ihn. „Erich, ich möchte wohl wiſſen, wieviel das Feſt gekoſtet hat.“ |

Erich Hartmann legte betroffen die Gabel, auf die er ein Stück Faſanenkeule gef teßt hatte, auf den Teller, runzelte die Stirn, lachte, jäh umprmgent, tätichelte feinem Weibe die kleine Hand und fagte: „Li, ift denn ein Nachtmar über dich ge- kommen. Du . den Koſten des Fes Du? Hahaha. Katzenjammer r es denn nicht ſchön?“

„O ja,“ ſprach Li zögernd, „ſchön war es, aber“

„Dann hat es ſeinen Zweck erfüllt. Mein Gott, wenn Urſchel

ſo fragte, dann könnte ich es verſtehen, aber du

zurück und zündete ſich eine Zigarre an. Auf was

Diesmal hatte die Erwähnung Uiſchels nichts Schmerzhaftes. Li war in Märtyrerſtimmung. Freilich, Urſchel! Ja, das war eben Urſchel! ö „Wir können das noch ertragen, Kleines,“ tröſtete Erich und iff wieder nach der Gabel. Das leichte ee ſih aber, das er Betbeifehnte, das Tändeln und Koſen wollte ſich nicht einftellen. Leicht verärgert zog ſich Erich Hartmann in Lag Bimmer r Gedanken ihn Li brachte. | Was hat das Feſt wohl gekoſtet? Lächerlich, überhaupt danach zu fragen. Entweder man kann das, tut es und fragt hernach nicht nach den 1 oder man kann es nicht und läßt die Finger davon. Eigentlich gibt es noch eine dritte Möglichkeit. Man kann es nicht und tut es doch. Zum Kuckuck, was ſind das für Gedanken! | Er wandert auf und ab mit harten, feſten Schritten. Die

Gedanken laſſen ihn nicht los. Ein ſchlechter Hauswirt, der den

Uberblick über fein Tun verloren hat. 3 Es muß doch intereſſant ſein, einmal abe ae was ſo ein Tag koſtet.

. Er läßt ſich am Schreibtiſche nieder. Die Feſtſtellung kann nicht ſchwer ſein. Liegen doch da überall die Rechnungen. Sie ſind da, ſind aber ſchwer zu finden. Da iſt ein ganzer Stoß Briefe und Drucksachen. Liegt alles durcheinander, hier eine

Rechnung und da eine f Fine ſind es eine ganze Reihe, und es

aft fraglich, ob fie alle ſchon eingegangen ſind. Erich Hartmann öffnet die Briefe und ſchreibt Poſten unter ad uletzt wird er nervös und reißt die at läge auf. ann beginnt er zu addieren. Die letzten zwei Stellen, die Pfennige, dann die erſte Stelle der Mark, die zweite, hernach

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nicht mehr. Er überfliegt die Zahlen, raucht ſtärker, ſtreicht ſich über die Stirn, auf der ar feuchte Tropfen ſtehen.

Das wird ganz anders als er es ſich gedacht hat. Am Ende hat er ſich geirrt. Finſter ſtarrt er auf die Zahlen. Er haßt ſie, aber ſie haben eine a tae Gewalt. Sie zwingen d ſie näher in die Augen zu Jal en. Wieder wie vorhin. Eri Hartmann ſchleudert das Blatt auf die Seite. Es flattert zur Erde. Grübelnd ſtützt er die Stirn in die Hand. Lis Schmuck i noch gar nicht vermerkt. Schwer ruht ſeine Rechte, zur Fau geballt, auf dem Schreibtiſche.

Aus dem Nebenzimmer dringt Lis Stimme, die mit Dörthe Neumeier ſpricht. |

Erich Hartmann erhebt ſich, dehnt die breite Bruſt, reckt die Arme und geht auf die Tür zu, Li zu bitten, daß fie mit ihm durch den Park Poserert ehe oder ausreite. 8 Da wird ihm Ribbecke gemeldet.

Ribbecke, ach ja, der wollte die Ernte kaufen. Iſt ein guter Kerl, der Jude. Wie famos hat er das mit dem Baldur gemacht. Ein Staatspferd, das, und Urſchel ſagt, dreitauſend Mark ſei er unter Bcüdern wert. Urſchel verſteht das.

ens Ribbecke,“ grüßt er und ftredt dem Händler die Hand entgegen. | |

Der verbeugt ſich, aber er hat nichts Kriechendes an ſich.

„Nehmen Sie Platz, Ribbecke. Alſo der Gaul iſt gut einge⸗ ſchlagen. Alles was wahr if." 8

„Herr Hartmann, der Iſaak Ribbecke ſagt nicht mehr, als kann verantworten.“ f | „Ja, wie geſagt, das Pferd iſt gut. Wie ſind Sie mit dem Pluto zufrieden?“ |

„Auch gut, Herr Hartmann.“ Einen Augenblick reden fie über das Feſt. |

„Es war ſchön, Ribbecke,“ fagt der Gutsherr. Er ſtreicht dabei den Schnurrbart und ſucht mit den Augen ſeinen Zettel. Der iſt nicht mehr da. Dann entdeckt er ihn auf der Diele, aber er hebt ihn nicht auf. Ribbecke iſt dem Blicke gefolgt, ſieht die Zah⸗ len, verſteht, rechnet blitzgeſchwind und erſchrickt, aber keine Muskel zuckt, kein Fingerglied rührt ſich. Er hat auch die letzten Zahlen im Geiſte geſchrieben, die, vor denen his Erich Hartmann ſcheute.

„Sie kommen der Ernte wegen, Ribbecke?“ f

„Ja, weil mich der Herr beſtellte auf über vier Wochen, die nun ae herum ungefähr.”

„Ganz recht. Ja, wie gefagt, ich gebe Ihnen die Ernte gern. Gern, hören Sie.“ |

ev

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„Iſaak Ribbede ſieht, daß der Herr Hartmann lieben ein ehr⸗

liches Geſchäft, bei dem nicht a trägt einer oder der andre.“

„Ja, wie geſagt, gerne, aber ... Sie müſſen natürlich bieten, was recht iſt.“

übe zieht eine Zeitung aus der Taſche

Verzeihen, Herr Hartmann. Sie werden ich ſelbſt überzeugt

aben aus den Zeitungen, was koſten der Roggen und der Weizen

und die Gerſte, die ich un will zum höchſten Marktpreiſe.“

„Natürlich, Ribbecke. Aber, „geben Gie doch mal eben her. Die Preiſe find mir entfallen.“

Ribbecke reicht ihm das Blatt. Der Gutsherr hat gelogen. Er hat noch nicht ged vd u geſehen. Ribbecke weiß es.

Erich Hartmann be

Na, ja, ift ganz anſt Ich kann das natürlich heute

nicht fertig der Inſpektor e mir, daß ſich

Risner um die Ernte beworben ei Wenn er nicht mehr

910 als was Sie auch bieten, dann ſchließe ich mit Ihnen ab. eſagt, Sie ſind mir da ſchon der Liebere.“

„Ich danke. Möcht dem Herrn nicht läſtig fallen und bitte um gütige Mitteilung auf einer Karte, wenn ich ſoll kommen, abzuläliehen das Geſchäft.“

„Ja, Ribbecke. Rauchen Sie?“ Er ſtreckte Ribbecke die d entgegen.

abe die Sreibeit, mir zu nehmen eine Zigarre.“ ändler erhebt ſich. Erich Hartmann ſtreckt ihm die on entigeg ett.

„Wird ſich ſchon machen, Ribbecke. Haben ja immer gute

Geſchäfte miteinander gemacht.“

„Gute Geſchäfte, Herr, zwanzig Jahre lang mit dem Herrn Vater. Womit ich die Ce . mich zu empfehlen.“

Leben Sie wohl, Ribbecke.

Der Guts herr hat die eee von vorhin völlig über⸗

wunden. Was man doch manchmal für ein Narr iſt! tend 1 0 5 Zimmer klingt Geſang. Sie ſingt eine leichte, reizende

Mit feſten Schritten überquert Erich das Zimmer, tritt drüben ein, breitet die Arme aus. „Komm her, kleiner Zwitſcherling.“ Li fliegt ihm entgegen.

Er liebkoſt ſie, wie man über eine koſtbare Vaſe ſtreicht.

„Wollen wir reiten, Li?“

„Ja, mein Bär.“ „, Wir haben dem Leo Träger lange nicht guten Tag geſagt. Wie wäre es?“

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Li iſt freudig bereit, mit nach en zu reiten. 185 nehmen den Weg über die Felder, auf denen die Pflüge gehen. Erich Hartmann möchte mit dem Inſpektor ſprechen. Der ſteht neben den Arbeitern. | Sein Herr winkt ihn zur Seite. „Inſpektor, der Ribbecke war da wegen der Ernte.“ Döring nickt. 1 | Ich habe noch nicht i cr ſpricht Erich Hartmann

Er

weiter. „Möchte zuvor noch mit Risner ſprechen. Beſtellen ,

Sie ihn doch für morgen nach dem Gute.“ „Jawohl. Was hat Ribbecke geboten?“ „Den derzeitigen Marktpreis.“

„Roggen neunzehn Mark fünfzig Pfennig?“ „Ich graube, jo war es.“

„Ob Risner höher geht, weiß ich nicht.“ „Sagen Sie, ſpekuliert Risner eigentlich?“ „Nicht daß ich wüßte. Warum?“

„Ja, eigentlich iſt das doch merkwürdig, daß er den Markt⸗

preis überbietet. Gerade bei Getreide.

„Vielleicht ſpekuliert er doch.“ ,

„Na, mic kann es egal fein. Wenn er den Ribbecke abbietet, vom . .. Wie gejagt, ich muß das erft ſehen. Guten Tag, In⸗

pektor.“

Erich Hartmann und ſein Weib ſind außer Sicht. Da reißt der Inſpektor ein Blatt aus ſeinem Taſchenbuche, wirft einige Beller darauf und jagt einen Jungen damit zu Risner nach

orſten. Er meldet ſich heute abend zu einer Rückſprache an und will ſicher ſein, Risner auch zu treffen.

Als die Reiter auf den Hof von Hohenborn kamen, fuhr Ribbecke eben zur andern Seite hinaus. |

Leo von Träger empfing feine Gäſte mit frohem Zuruf und herzlichem Willkommen. Ein kurzer Pfiff. Aus dem Stall kam ein junger Knecht, nahm den Reitern die Pferde ab und führte ſie vor die vollen Krippen, indes Leo von Träger ſeine Gäſte a dem Wohnzimmer geleitete.

Der Gutsherr von Hohenborn war Junggeſelle. Schlicht, wie ein wohlhabender Bauer, ging er einher in Joppe und feſten Schuhen. Seine Stimme war seine und laut. Wenn er lachte, fo hallte es von den Wänden wider, und im Sprechen ſchlug er ſich gern auf die feſten Schenkel.

Ein Mädchen, ſchmuck, mit weißem Häubchen auf dem Schei⸗ tel, brachte den Kaffee.

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y

„Gnädige Frau, bat der Hausherr, „ich bitte Sie, die immer noch nicht vorhandene Hausfrau zu vertreten.“ ö |

Li ſchenkte den Kaffee ein und war vergnügt,

Leo von Träger brachte Bigarren. ie Herren tauchten. re Relate nicht in den Sinn gekommen zu fragen, ob der Rauch

i beläſtige.

Ecich Hartmann lenkte das Geſpräch auf die Ernte. Von

draußen herein klang das Summen der Hohenborner Dreſch⸗ maſchine. Es ſchwoll an und ab wie das Summen einer großen, zornigen Brummfliege. |

„Wie iſt die Ernte?“ fragte Erich Hartmann.

„O, eine ſehr gute Mittelernte,“ entgegnete Baron Träger.

„Ribbecke war neulich bei mir und redete in Tönen höchſten Lobes von dem Ertrage der Felder.“

„Nia,“ der Hausherr lehnte ſich zurück. „Der Ertrag an Stroh wird den der letzten Jahre bei weitem übertreffen, aber die Ahren waren flach. Der Körnerertrag wird nicht ganz 0 Eich“ ſein, als man erwarten durfte. Haſt du ſchon verkau ri

„Nein, du?“ „Ja, vorhin an Ribbecke.“ . „ich ſah ihn vom Hofe fahren. Er war auch bei mir.“

n . .

„Ich habe mich noch nicht entſchließen können.“

„Erwarteſt du, daß die Preiſe anziehen? Ich glaube nicht daran. Wir haben auf dem ganzen Kontinent gute Ernten und auch die ae Ausſichten ſollen hervorragend fein. im ote. ein ehrlicher Kerl und: hier Ware, hier Geld. Er i icher.“

„Der Inſpektor bat mit Risner geſprochen.“

„Mit Risner? Sei vorſichtig, Erich.“ „H Bin ich natürlich auch, aber das ne ift furchtbar eine fach. Wenn er für den Zentner eine halbe Mark mehr bietet

„Kann er gar nicht, Erich.“

„Er hat es aber doch voriges Jahr getan und gezahlt.“

Leo von Träger kratzte ſich hinter den Ohren.

„Donnerwetter noch nein. Verzeihung, gnädige Frau.“

Qi lachte. „O, das klingt ganz gut, Herr von Träger.“

„Ja, wie geſagt. Ich weiß nicht, was ich ſagen ſoll. Der ſeſſn. hat doch nicht umſonſt wegen Betruges im Kittchen ge⸗

eſſen.“

Erich Hartmanns Geſicht lief rot an. „Freilich ift es keine

Ehre, mit ihm zu handeln. Ich weiß das, aber bei einer Summe,

55

6

wie die, um die es fic) handelt, macht der kleine Unterſchied ſchon allerhand aus. Vielleicht ſpekuliert er.“

Es iſt möglich. Na, wenn du dein Geld kriegſt, kann es dir egal ſein, was er mit der Ernte macht.“ .

„Das ſage ich auch.“ .

„Übrigens, wie iſt das Feſt bekommen, gnädige Frau?“

„Gut, Herr von Träger.“ 5

„Na,“ warf Erich launig ein, „ein bißchen Katzenjammer. Moraliſchen, weißt du, Leo.“

Leo von Träger lachte. Li ſchlug ihren Bär leicht auf den

rm. |

„Er ſchwindelt, Herr von Träger.“

„Nee, nee, Leo, wahrhaftig. Sie fragte, hahaha, nach den Koſten des Feſtes.“ |

5 lachte, daß er ſich die Tränen aus den Augenwinkeln wiſchen mußte. 8 Leo von Träger ſah ernſthaft, prüfend zu der jungen Frau hinüber. Das gefiel ihm, was er da eben hörte. Es war ein neuer, unerwarteter Strich in dem Bilde, das man ſich von Li Hartmann machte und das bislang ganz auf eine ee al Elfenkönigin und Salome geſtimmt war. Jetzt entdeckte er die Hausfrau in ihr.

ihn me ſagte er ernſthaft: „Ich finde das vollkommen richtig, Erich.

„Ach, Leo,“ Erich Hartmann tätſchelte die Hand ſeines Weibes, „Katzenjammer, wie geſagt. Nein, nein, Li hat zu lachen und 5 in dann und wann mich lieb zu haben. Alles andre iſt

r mich. „Wie gefiel Ihnen Urſchel?“ fragte Li den Hausherrn un⸗ bes fue ih wah buch den Ropf, Daß Die Frage tats | je ihr wohl durch den Kopf, daß die Frage t ein könne, Erich hatte angedeutet, daß Träger ehemals Urſchel zum Weibe begehrt habe, aber vielleicht war vorge nicht jo ernſthaft geweſen; denn warum in aller Welt hätte Urſula nicht zugreifen ſollen? N ich Hartmann war von Lis Frage unangenehm be lührt. Er blickte verlegen in des Freundes Antlitz. b

Das hatte ſich nicht verändert, kaum daß es einen Schein dunkler geworden war. f :

„Sie hatten das Koſtüm für Urſchel ausgeſucht?“ fragte der Hausherr ruhig und langſam. *

„Ja. 8 „Dann alle Hochachtung vor Ihrem künſtleriſchen Blicke.

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4

{

.

Sie ſprachen eine Weile über u Die Herren ganz im Ton der Jugendfreunde. Urſula, Erich und Träger waren, nahezu im gleichen Alter ſtehend, zuſammen aufgewachſen. Jugenderinnerungen ließen ſie lebendig werden, lachten und wurden lebhaft. Li lehnte ſich in das Sota zurück. Teilnehmend höcte ſie zu, lachte dann und wann luſtig mit auf, nickte, wenn die Reden darauf hinausliefen, daß Urſchel doch ein famoſer, A Kamerad geweſen fet und dachte: Wie gern man fie hat.

iſt ihnen eine Freude, von ihr zu ſprechen. Liegt über allem eine ſo freudige Achtung. Und ſie nehmen ſie ernſt. So, als ob ſie mit ihr über alles reden könnten.

Es war eine angenehme Plauderſtunde, die man auf Hohen⸗ born verlebte.

Als Erich Hartmann und ſein Weib heimwärts ritten, lag in Lis Antlitz ein nachdenklicher Zug. Ich will Erich dazu zwingen, daß er ie mit mir beſpricht, was er mit Urſchel bereden wül de, nahm i ich vor. | Nach dem Abendbrote verſuchte fie, ihr Vorhaben auszu⸗

ren. |

„Erich,“ bat fie, „ich möchte wohl einmal mit dir über die Wirtſchaft reden und über Ausgaben und Einnahmen.“

Der Gatte ſtaunte. „Li, ja mein Gott, wie willſt du denn das in aller Welt anfangen?“ |

„Es milfjen doch Bücher da fein.”

„Die hat der Inſpektor, und dann und wann legt er fie mir vor.“

„Dann laſſe ſie doch heute holen.“ ich Hartmann lachte ſchallend auf. Das verletzte Li.

lch © Nm Hausherr ernſt. „Wie denkſt du dir das eigent⸗ ich, Li? Hm?“ „du ſollſt mich einweihenn“

„Ich? Ich weiß ja oe nicht mehr Beſcheid.“

K erſchrak. „Das ift bod rchtbar leichtſinnig, Erich.“

„Natürlich. Das iſt es. Ich will ja leichtſinnig ſein. Noch ein, zwei Jahre, dann ſind wir ernſthaft, ſitzen am Abend zu⸗ ſammen, du mit der Mamſell, ich mit dem Inſpektor, rechnen und knauſern und ſparen. Jetzt find wir leichtſinnig. Es lebe der Leichtſinn! Komm her, Kleines. Daher auf meinen Schoß. So. Sag', freuſt du dich auf Berlin?“

„Wie ot ich mich freuen, wenn ich noch gar nicht weiß, was mich erwartet.“ |

„O, ſpann deine Erwartungen dreift hoch. Sie werden doch übertroffen werden. Ich habe da einige gute Freunde.

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Den Dieter vom Stein der tft Sunggeierle, und ich ſage Dir, nee, ich ſage niſcht. Selber ſehen. Und dann den Heinrich Hei⸗ ninger. Der hat eine Frau uicht mit etlichen Millionen. Na, Li, ſchwindelt dir noch nicht?? ö |

roe fürchte ich mich. Wie foll ich vor der Frau be⸗

ſtehen ee 0 u, Li? Das iſt zum Lachen. Du biſt Li, einfach Li. Das genügt vollkommen und iſt Garantie für Sieg auf der ganzen Linie. Luſtig wird es werden. Noch einmal luſtig, dann beginnt der Ernſt des Lebens.“ „Ja, Erich, dann werden wir ernſt. Und manchmal iſt mir, ich freute mich darauf, ja darauf am allermeiſten.“

3

Megs Risner erwartete den Inſpektor von Langenwieſen. r Händler war ein beleibter, unterſetzter Mann mit dünnem Haar und zwinkernden Augen. Er hatte etliche um⸗ fangreiche Bücher vor ſich liegen, ſpielte mit dem Klemmer, der an ſchwarzer Schnur hing, ſetzte ihn auf die ſchwammige Naſe und ſchleuderte ihn mit einem leichten Knips wieder herunter. Die Zeit wurde ihm lang. Er ſtand auf und ging hin und her. Seine ſchmutzigen, fleiſchigen Hände fuhren öfters haſtig durch das dürftige Haar. Er räuſperte ſich ſtark und ausgiebig, kehrte an den Tiſch zurück, blickte auf einige Zahlen und nahm ſeine Wanderung wieder auf. Der Erwartete trat ein. | Risner ging auf ihn zu und reichte ihm die Hand. Ohne Druck ruhten die Hände einen Augenblick ineinander. „Guten Abend, Inſpektorchen,“ krähte Risner mit knarrender Stimme. | | „Guten Abend, Herr Risner.“ : „Da iſt ein Plätzchen und da ein famoſer Kognak und eine noch famoſere Zigarre.“ | Er ſchenkte zwei Gläſer voll, ftredte den kleinen Finger aus, der einem cpl ähnelte, wie man es im Bratwurſtglöcklein in Nürnberg aß, berührte Dörings Zeigefinger und goß den Koln gluckſend xe = 89 5 bf. 3 eee „Famos, was? Gelegenheitskauf. im el gar nicht zu haben. Und nun der Tobak.“ a En Der Rauch ſtieg auf.

. *

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Was, Inſpektorchen? Die muß man durch die Rafe rauchen. Roch e ein Jäkchen? Na alſo.“ Wieder kam ſuchend der Heine

inger.

„Wir wollen erſt das Geſchäftliche erledigen, Herr Risner, = ent See ch. Wie geht es der gnäbigen Frau?

„Ja doch, ja do geht es der gnädigen Frau?“

denke, gut. Sie ſind heute zuſammen auf Hohenborn gewe en.“

„Hohenborn. Ach, ja, iſt nichts für uns. Nichts zu ma Da muß der Ribbecke hin. So was handelt nur mit iter Ah, ja, wann reiſt die Herrſchaft wieder fort? Ich hörte fo was munkeln, äh

„Sie wollen nach Berlin.“

„Berlin? Sieh, ſieh. Schönes Städtchen. Ein bißchen pati München iſt mir feder. Aber gibt ſich auch da ganz gut Geld aus. Der Schmuck der gnädigen Frau ſoll m pompös ſein.“

„Ich weiß nicht.“

„Na j er 55 an Wer ſteinreich wird, i leicht bettelarm werden. ge Witz, was? Ja. Sitzt doch gar nicht ſo bid un d in 8 Wolle, der Erich rtmann. Iſt da ein Sp Ds thekchen von feinem Vater aus. r nicht mal ſo klein. Der alte Herr hatte ſeine Marotten. Meinte, die Schulden gehörten zum guten Ton. War aber doch immer das Bankguthaben als Gegengewicht da. Das it, futſch.“

gener weer Bite Käfig. fe fu). $e Habe d

ner zwinkerte. „Zuverläſſig. e da einen

Bekannten an der Bank. Vetter dritten Grades. Hahaha. Wie

gesch oe kalkuliere. „Wie iſt die Ernte, 0

„Gut, ſehr gut.

mos. Noch ein Jüchen? Ja, wie geſagt, ah.

Er beugte e fich über den zum und Au: den Sufpetior p plötzlich sit charf elnden Augen. „Wird ſich dann machen laſſen, daß as Geſchäft etwas einträglicher wird als im vorigen e a

oe erſchral. „Noch mehr als im vorigen Jahre?“

wenn doch die Ernte um ſo viel beſſer 15 Haben S cn dn auch geſagt, die Ernte ſei gut, ſehr gut?“

onto” "Aber das merkt er ja doch. Muß er ja merken.“ . an Inſpektorchen! Ich fage Ihnen,

| Verſtand erſäuft in ein Paar Frauenaugen. Der a Verstand.

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„Ja, aber

„Ganz recht. Das eben wollte ich ſagen.“ Der Blick wurde ſcharf und ſtechend, mitleidlos hart. .

„Das werden Sie zugeben, daß Sie nicht wieder mit fünfzig Prozent partizipieren en.“

Döring ſchoß das Blut in die Wangen.

„Wie meinen Sie das, Herr Risner?“

„Nu, es iſt doch gerecht, daß ich, da ich das größere Riſiko habe, auch mehr daran verdiene.“

„Halbpart, nicht anders.“

„Hihihi. 'n Ji her, Inſpektorchen? Nicht? Wir wollen ce bleiben. agen wir drei zu fünf.“

ein.

Risner neigte ſich wieder vor, als wolle er den Inſpektor mit ſeinem Blicke feſſeln.

„Wenn ich nun das ganze Geſchäft fahren laſſe.“

„Gut. Dann hat Ribbecke die Ernte.“

„Ich meine, äh, Inſpektor, es iſt wegen des vorigen Jahres. N doch gewiſſermaßen ſchon drin.

25 i a wehrte ſich noch eine Weile, aber Risner ließ ihn

ni os.

„Und nächſtes Jahr?“ ſprach der Inſpektor zuletzt zaghaft.

„Aber Inſpektorchen, nächſtes Jahr!“

„Kurz und bündig. Die heutige Abmachung gilt für immer?“

„Ah, man ſoll nichts bereden, Inſpektor. Wir wollen ge⸗ mütli ee 5 5 ſprech

„Wenn Sie nicht auf Handſchlag verſprechen.

„Wie gejagt, man ſoll nichts bereden, aber .. Er ſtreckte 3 die Hand entgegen. Der Handel war abgemacht.

„Wie viel a Ribbecke geboten?“ fragte er ernſt.

„Den Marktpreis.“

„It viel, iſt viel. Ja und ich?“

1 will Sie morgen ſprechen.“

n L

„Ich denke, wie voriges Jahr.“

„Nein, Inſpektor, das macht verdächtig. Auf den Zentner

fünfzig Pfennige mehr? Das wäre unklug. Sagen wir dreißig. Er wird auch ſo einſchlagen.“ 3 „Verſuchen Sie es. „Lieferung im übrigen wie voriges Jahr?“

„Ja. Risner lehnte ſich zurück, rauchte, den Genießer und Fein⸗ ſchmecker ſpielend, durch die Naſe, räuſperte ſich und fchludte.

60

—— 9

„Wie lange denken Sie, daß es gehen wird, Inſpektor?“ fragte er kalt. | „Langenwieſen ift groß.“ aha. Ich ſage Ihnen, heiraten Sie nicht. Eine Frauen⸗ hand verſchwendet auf einmal mehr, als Sie auf zehn Fudern einfahren. 8 das? Selber ein Auge auf Langenwieſen?“ 5 m aran.“ | Warum nicht? Gar nicht übel, Langenwieſen. Die Pore thelen könnten ſtehen bleiben. Noch ein Jäkchen, Inſpektor?“ „Danke. Ich muß heim.“ Die Männer erhoben be „Wann beginnen Sie zu dreſchen?“ fragte Risner. rgen.

Morg 5 „Und wann fährt der Herr fort?“ „Ich weiß nicht. Vielleicht bald.“ „Guten Heimweg, Herr Inſpektor. Morgen nachmittag bin i auf Langenwieſen, und in acht Tagen kann die Abfuhr be- Noch ein Zigärrchen auf den Weg? Guten Heimweg.“ Am frühen Morgen begann andern Tages auf Sanden die Dreſchmaſchine zu ſummen. Anſchwellend und abſchwellend. Dann und wann ein heller Ton, wenn der Riemen gegen die Welle klatſchte. Die Maſchine fraß unerſättlich Garbe auf Garbe. Frauen, die Staubmaske vor dem Geſicht, rechten den Abfall auf. Am Binder ſtanden plaudernd etliche Mägde, zogen die Prete Gebinde, die ihnen die Maſchine zuwarf, heraus und eppten ſie nach den unen zurück, ſie dort aufſtapelnd. Knechte trugen die vollen Säcke auf den Schüttboden. Ununterbrochen, und die Maſchine fang dazu ihr Lied. Das Lied von Ernteſegen und Landmemnslleiß Li Hartmann war am Morgen, als die sas ihren gellen⸗ den Pfiff lange und durchdringend ertönen ließ, hochgefahren. Erich aber hatte ſich lachend auf die andre Seite geſchoben. „Sie fangen an zu dreſchen, ſchlaf, Kleines.“ 5 Aber Li Hartmann vermochte nicht mehr zu ſchlafen. Das Summen beläftigte fie und weckte zugleich ihre Neugierde. Da war es auch mit des Gatten Morgenſchlaf vorüber. Li fragte und drängte. zog ſie zur Dreſchmaſchine. Sie hatte ſie noch nie in Tätigkeit geſehen. En Brummend erhob ſich 5 „Dummheiten,“ ſagte er, „das geht nun etliche Wochen ſo. Deshalb brauchſt du mich nicht um den Schlaf zu bringen.“ Bu ungewohnt. früher Stunde traten Erich Hartmann und fein Weib unter die Leute. Der Inſpektor mußte der Herrin den Betrieb erklären, aber

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Li verſtand nur, daß der Keſſel die Maſchine trieb, bie felbft den Druſch gab und der Binder das loſe Stroh band. Ungefähr das, was ſie ſah.

Der Gutsherr war zu 1 5 getreten.

„Wie iſt der Ertrag?“ fragte er.

„Gut, aber nicht ſo, wie man erwartet hatte.“

„Das ſagt Herr von Träger auch.“ N

Über des Inſpektors Geſicht lief Fer fahr ein helles Licht. f „Die Ahren ſeien flach, meinte er,“ fuhr Erich Hartmann ort. | Ju

Döring nickte. „Das wußte ich vor Wochen ſchon. Ribbecke verſteht davon nichts. Risner wird heute vorſprechen.“

„So.“ Hartmann nickte. 2

Li ſah noch eine Weile der Arbeit zu, dann hing fie ſich in Erichs Arm und zog ihn nach dem Parke. SG

Das Summen der Dreſchmaſchine klang den ganzen Vor⸗

mittag lang, es begleitete das Mittagbrot und drang durch jede Ritze und Fuge. Li Hartmann lag nach Tiſch in ihrem Zimmer und lauſchte dem Brummen. Das klang ſo traulich, faſt als ob eine milde Stimme eine ſchöne Geſchichte erzähle, leicht an⸗ und abſchwellend. Sie ließ ſich von dem Liede der Arbeit ein⸗ lullen und ſchlief. .

Drüben verhandelte Erich Hartmann mit Risner.

Sie ſetzten ſich 10 u. Der Gutsherr wollte durchaus eine Erhöhung von fünfzig Pfennigen auf den Zentner u 5 0 Risner verſteifte ſich auf dreißig. Hartmann drohte mit Ribbecke. Der geriſſene Händler lächelte.

„Wenn Sie meinen, Herr Hartmann, dann ſoll Ribbecke das Gesche machen.“

Zuletzt gab Hartmann nach. Er hatte raſch überrechnet, daß auch jetzt der Mehrertrag nicht zu verachten war. |

Risner zog die Brieftaſche und breitete drei Tauſendmark⸗ ine aus

e aus. Ich möchte eine Anzahlung leiſten.“ " „Wie Sie wünſchen,“ entgegnete Hartmann, quittierte und ſchloß das Geld fort. | „Sie werden vielleicht die Abrechnung mit dem Inſpektor machen müſſen,“ erklärte er, „ich gehe in etlichen Tagen fort. Herr Döring wird mich auf dem Laufenden erhalten. Risner verabſchiedete ſich und ging hinüber zur Dreſch⸗

maſchine. | id) Hartmann ſaß ein Weilchen am Schreibtiſche, dann zog es ihn wieder zur Maſchine. Schreibtiſche

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—— —— ———é———— —ͤ ͤMKαꝗmẽ .— 4

———

Wo

Pr er = e 8 er, Ft * 9 es bem ktor e: „Habe hoch gehen müſſen, Herr Inſpe .

höher als ich wollte, aber das 1 Getreide iſt

Gehe abe" feine Verbindungen. Ich denke, daß es ſich = ehen

Das befriedigte Hartmann. Er hatte den Eindruck, daß er auch mit Risner ein ehrliches Geſchäft abgeſchloſſen habe.

ae Dreſchmaſchine ſummte Tag um Tag. Vom frühen

rgen bis in den ſinkenden Abend 5 7195 Anſchwellend, end, ſtoßweiſe, lang hinhallend im Ton

we lief Li Hartmann ae die Bimmer, sis die Fenſter, hielt die kleinen Hände an die Ohren, verkroch ſich in ihre Stube, drückte ein Kiſſen gegen das rechte Ohr, eines gegen das linke, aber das Summen hatte tauſend flinke Füße, hatte wehende Flügel, machte vor keiner Tür halt, vor keinem Kiſſen.

Erich Hartmann ſah ſeines ibes erwachende Unraſt, deutete ſie richtig, ſtrich den Schnurrbart und lächelte in ſich chen, mein Lichen, ſo geht das jetzt etliche Wochen. Mir ſcheint wirſt bald frage, wann wir die Koffer packen.

Li wollte ſich zum Aushalten zwingen. Wenn Erich eis wieder von der Reiſe ſprach, fie hatte Zeit. Dann aber brach es doch durch. Jäh, wie lange zurückgehaltene Spannung. Das Lied der Arbeit war zum nervenpeitſchenden Dröhnen gee worden, die luſtige, ſurrende Dreſchmaſchine zum fauchenden, . Un eheuer.

Bär, erlöse mich!“ ſchrie Li auf, ſprang vom Mittags⸗ tic en emp, Fange auf das Fenſter zu, trommelte mit den Fäu⸗ nn ege Sei ſtill, du hellendez Ungetüm!“

ach chte, chte, daß A gegen die Dede ſchallte. Die junge Frau 5 edge um. Dh lacht noch, wenn du ſiehſt, daß ich am Verrücktwerden

3 r, Li.“ Er trat auf ſie zu, aber Li wich ihm aus. rs „Du ma it dich über mich luftig. Das iſt abſcheu ich von ir.“

not was biſt du niedlich i in deinem Zorn! Na, komm her, Kl einchen. So, ſo.“

Er ſtrich ihr mit Auge x großen Hand über die Wangen und ſah ig i in die Au

ae ae uf. ae wer 10 morgen anſpannen ließe?“

jauchzte au 228 aie laß Noche die Koffer packen. um drei Uhr ach.

sie geht der Zug, und um neun Uhr dreißig find wir in Berl

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Sh bin dafür, daß man ſich nicht mehr zumuten ſoll, als man 1 5 Willen ertragen kann K wurde kleinlaut wie ein Kind. igentlich tft das he Schande, wenn man vor der Dreſchma He ine ausreißt. Ihr Heulen müßte einem das liebſte Lied ſein. Gi habe doch N Landmann geheiratet und bin nun Gutsherrin ge⸗ wor

„Ach, du Kind,“ Erich lachte auf wie über einen guten Witz. „Das wirſt du nie, jo nach dem alten Stile, meine ich. Schmoll“ nicht, Kind. Gibt ſich viel mit den Jahren. Kannſt ja meinet⸗ halben ſpäter jedes Jahr um die Zeit einen kleinen Bummel machen. Für dies Jahr will ich noch einmal dabei ſein. Alſo morgen um drei Uhr achtzehn. Und wir melden uns nicht an. Drei Tage oder acht Tage, wie uns das ſo paßt, giehen wir laden los. Richtig wie Teichtfirmige Hühner. Ich will dich a ehen.“

ihr die Stirne. „Jetzt will ich noch etliches mit sean Inspektor beſprechen.“

Der Inſpektor mußte ſeinem Herrn die Bücher vorlegen. Erich Hartmann warf einen Blick hinein, ſah nur auf die End⸗ zahlen, verglich flüchtig Einnahme mit Ausgabe, knurrte, weil die Ausgaben ſo hoch waren, reichte dem mipettor die Bücher zurück und ſagte: „Na ja, Döring, ijt natürlich alles in Ordnung, aber die Ausgaben ſind doch verdammt hoch. Wir müſſen da ein bißchen ſparen.“

„Jawohl, Herr Hartmann,“ erwiderte der Inſpektor. Sein Geſicht war unbewegt.

Ich fahre nun auf einige Wochen nach Berlin, meine Adreſſe ſchreibe ich Ihnen noch. Die eingehenden Gelder werden an die Bank gezahlt. Wie geſagt, ein bißchen ſparen. Guten Tag, Herr Inſpektor, und gute Verrichtung.“

Am Nachmittage klingelte das Telephon. Oberleutnant Althaus meldete ſich zum Beſuch an.

„Willkommen,“ gab Erich Hartmann zurück. „Sie wollen Hii 5 schießen? Ja? Iſt recht. Kann Ihnen leider nicht Ge⸗ ſellſchaft leiſten, muß nach Berlin. Nicht kommen? Unſinn. Leo von Träger wird Sie abholen. Im übrigen wohnen Sie natürlich auf Langenwieſen. Geht nicht? Ich bitte Sie. Keine Ausreden. Bitte ganz wie zu Haufe, würde ſonſt böſe ro nic AI: Wiederſehen und nee, Glück wünſchen will ich

Hartmann gab die 1 an Leo von Träger weiter. Der verſprach, am ofe zu ſein.

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«q-

Andern Tags um drei Uhr achtzehn ſtiegen Erich Hartmann und ſein ee in den 0

„Gott fet Dank,“ rief Li, kuſchelte ſich in die Polſter und ſah e Augen zu ihrem Bär, der es ſich in der Ecke ge⸗ mütlich machte. ö

6

GE Hartmann und Li bummelten durch Berlin. So ganz als Freiherren. Sie nippten da und naſchten dort, waren wie große, verliebte Kinder, lachten viel und fanden, daß das Leben ein köſtliches Ding fei. |

In enwieſen ſtanden fünf Leiterwagen bereit, die vollen Getreideſäcke nach Risners Niederlage zu fahren.

Knechte füllten die Säcke auf dem Sch boden oder trugen

ſie die Treppe hinab und warfen ſie auf den Wagen. Inſpektor

Döring kn die davongetragenen Säcke, notierte ihre

und ſchrieb dann die Mitteilung an Risner, daß er hundert

entner Roggen empfange.

un en, der Wagen zu zwanzig Zentnern gerechnet

und lagen doch auf etlichen dreiundzwanzig, auf andern fünfund⸗ zwanzig.

Das war ſein Geſchäft mit Risner.

Einer der Knechte nahm die Mitteilung im geſchloſſenen Briese 3 brachte die Empfangsbeſtätigung im ge enen Briefe zurück.

Döring vermied es, das a ru dieſelben Leute zu ſchicken. Sollte keiner nachzählen en.

Der Hef au ſaß in ſeinem Zimmer. Sein dicker Kopf neigte ſich tief auf die Blätter.

Er hatte doppelte Buchführung. Eine für das Auge des Gutsherrn, ſauber geſchrieben, genau und untadelig, und eine für ſich. Hingeworfene Zahlen, kurze, abgeriſſene Bemerkungen, dem Fremden unverſtändlich. Dem Eingeweihten zauberten ſie ein Bild vor die Seele. Ein Gutshaus, nicht von der Größe des von N arbi st rundum, in ihrer Geſamtzahl kleiner, bedeutend kleiner als die von Langenwieſen, aber immerhin gee genug. Das war fein. Danach hatte er getrachtet, zehn

r Nun

e, fünfzehn und war doch immer ein Traumbild geblieben. 0 er, wie fic) aus Nebeln das Bild loslöſte, Stein bei Stein, er bei Fenſter, ſah einen gedrungenen Mann aus

XXXIV. 98 65 5

dem Haufe ſchreiten, hörte feine Stimme, die die Knechte zu rüſtiger Arbeit trieb, und der Mann war er. Das Bild begann Wirklichkeit zu werden durch Risner. N

Als er das erſte Mal zweizüngig mit ihm geſprochen, 1 8 Dörings Geſicht gelodert. Hernach, ja, man gewöhnt ſich an viel, wurde er heimiſch darin, ob es ihm auch anfangs gegen die Natur gegangen war.

Zwei Augen, zwei ehrliche, tiefe Augen fürchtete der In⸗ ſpektor. Urſula Liebenau. |

Inſpektor Döring blickte vor ſich hin, paffte aus der kurzen Pfeife, daß es brodelte, und kniff die Lippen zuſammen. Ob ſie wiederkam? Auf lange vielleicht und als Vertreterin des Herrn? Was konnte man ſagen? Man wußte ja nicht, wohin Frau Li ſteuerte. Und der Gatte ging mit ihr.

Der ſcharfe Blick wurde milder. Eine Frau mußte in dem Hauſe tätig ſein, das Dörings war, eine kluge, ſparſame Frau, rüchlig, Na und ſpät auf dem Poſten. Da war eine, der er täglich

egegnete.

Jettchen Heilmann. Ging ein langer, heller Strahl zu ihr He In ſeinem Lichte ſah Döring etwas, das er ſchärfer ins Auge aſſen mußte. Wenn ſie denn einmal zulammen arbeiten wollten, warum ſollte man nicht jetzt ſchon damit beginnen können?

Zwei ſchaffen mehr als eines, und es läßt ſich wohl auch in der Innenwirtſchaft doppelte Buchführung ermöglichen.

Aber da iſt einer im Wege, ein ranker, friſcher Burſche, Fried⸗ hold Becher aus Abendorf. u

Der hat viel in die Wagſchale zu on Eines nicht. Er iſt ein nachgeborener Sohn und nicht der Erbe. Muß ſich irgendwo ein Gütchen kaufen und wird nach dem ungeſchriebenen Geſetz der Bauernhöfe nicht eben viel erben.

Döring wirft die Feder von ſich, tritt vor den Spiegel, bürſtet über das Haar, über den Bart, brennt ſich eine neue Pfeife an und . auf gut Glück in den andern Flügel des Herren⸗

auſe

ier trifft er Jettchen Heilmann. Sie iſt ein mittelgroßes, lebhaftes Mädchen, 5 freundliche, r Augen, die aus einem rundlichen, roten Geſicht leuchten. Nicht eben ſchön iſt ſie, aber ſie a etwas Liebes an ſich. ch dem Inſpektor begegnet ſie freundlich, aber ſie iſt doch 892 als er ſich mit ihr in ein längeres Plaudern einläßt, ogar ſcherzt. . Döring geht planmäßig vor. Heute ſcherzt er, morgen redet er ernſthaft und vertraulich. Langſam leitet er gettchen Heil⸗

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mann. Ein Gut wird er ſich kaufen, vielleicht in zwei Jahren, vielleicht auch erſt in vieren. Er hat geſpart und hat etwas vor⸗ wärts gebracht. |

Da merkt das Mädchen, worauf er hinaus will. Sie wird ſcheu und weicht ihm aus. Aber Döring weiß ſie zu treffen, redet von Langenwieſens Wirtſchaft, läßt ſich berichten, hört Wünſche, geht darauf ein, fördert Jettchens Beſtrebungen und ſo, am glei⸗ chen Karren ziehend, kommen ſie ſich näher.

Nach Wochen iſt in dem Mädchen ein lockendes Bild lebendig

eworden. Ein ſchlichtes Gutshaus, hohe Bäume davor, ein bſtgarten, gackerndes Hühnervolk.

Friedhold Becher, der dann und wann auf ein Plauder⸗ ſtündchen aus Abendorf herüber kommt, fühlt, daß etwas zwiſchen ihn und Jettchen Heilmann getreten iſt. Das Mädchen läßt auf ſich warten, zweimal iſt er überhaupt vergeblich gekommen, ſich ihm. er von Liebe reden will, ſo weicht ſie aus und entzieht ich ihm.

So werden ſeine Beſuche ſeltener, und langſam löſt ſich das Band, das ſie im Begriff ſtanden, zum Knoten zu ſchürzen.

Eiferſüchtig ſpürt der Burſche nach, ob ihm einer in den Weg

gekommen iſt. Er liegt auf der Lauer, aber Jettchen geht nie aus, und es kommt keiner zu 15 Höchſtens, daß er ſie einmal mit dem Inſpektor zuſammen ſieht. Darin liegt nichts. Sie reden über wirtſchaftliche Dinge. Inſpektor Döring iſt klug. Er hat geglaubt, es fet ſchwer, den Friedhold Becher auszuſtechen. Dann hat er entdeckt, was ihm nützt. Das Mädchen hat ein ſtarkes Verlangen nach Heim und Herd. So luſtig ſie iſt, ihre Augen blinken doch verſonnen und warm, wenn er das Haus vor ihr . läßt, in dem der ſolide Wohlſtand aus Truhen und 9 en ſchaut. Nun kommt es darauf an, ob ſie bereit iſt, zur Erreichung dieſes Ziels jeden Weg zu gehen, jeden. Er ſpricht lange nicht davon. Vorerſt iſt er der Biedermann, knorrig, nicht allzu geſprächig, ernſthaft un

gut.

So ſtehen ſie zueinander, und Jettchen Heilmann müht ſich, den Mann, deſſen Werben ſie fühlt, lieb zu haben.

Döring iſt älter als ſie, viel älter. Es will die Freudigkeit lange nicht aufkommen, mit der ſie einſt Friedhold Becher ent⸗ gegen ah. Für den redet noch immer eine ſtarke Stimme. Das

ädchen iſt lange genug unter fremden Leuten geweſen, möchte gern am eigenen Tiſche ſitzen, ſorglos, nicht in Schulden, wie das dem Friedhold gehen wird. Dann wird ſie froh ſein, wird Kinder um ſich wachſen ſehen und ihnen ein warmes Neſt bereiten.

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Als das Weihnachtsfeſt nahe war, da hatte Jettchen Heil⸗ mann mit den Torheiten abgeſchloſſen.—

Das Dreſchen hatte auf Langenwieſen eine asche. Ee Unterbrechung erfahren. Ei Schaden an der Maſchine. klein und man hoffte, den Druſch noch vollenden zu können. Dann war das Unheil da.

Der ee mußte ſeinem Herrn davon Mitteilung machen. Monteure kamen und nahmen die Maſchine auseinander. Sie konnten den Schaden nicht an Ort und Stelle abſtellen. Ein Teil des Werkes mußte, in Kiſten verpackt, in die Fabrik wandern. Erich Hartmann war ungehalten über den Zwiſchenfall.

Es paßte nicht in feine Berechnungen. Überhaupt: Hatte er auch damit gerechnet, daß Berlin ein Städtchen ſei, in dem man Moloch . könne, ſo hatte er doch nicht geglaubt, daß es ein

ei.

Seit ſie bei Dieter vom Stein 1 waren und Heinrich

ininger, war vollends der Teufel los. Als ob das Geld gar einen Wert habe. Der Futte mi ja, der konnte das und Dieter, na, der tat es eben. e mit der liebenswürdigſten Miene ſogar Erich Hartmann einen braunen Lappen abgeknöpft, redete ſeither nicht mehr davon, und der Gutsherr von Langenwieſen konnte ſich nicht dazu rg ihn daran zu erinnern. Es ſah ſo ſchofel aus. Mein Gott, ob ihn denn der Dieter für einen Kröſus hielt?

Aber er hatte etwas los. Das mußte man ihm laſſen. „Ber⸗

ff We ſſudiert ſein,“ pflegte er zu ſagen, „und es iſt ein Studium r ſich.

Es bedurfte nur einer Andeutung Lis, dann wußte Dieter, wohin er zu ſteuern hatte. ein und Heiteres, Vornehmes und pine: Ja, auch Zweifelhaftes. Nicht hinein, o nein, nur kennen lernen, es mit angenehmem Gruſeln von weitem an⸗ ſchauen. Darin war Li wie ein Kind. Sie verlangte danach, wie etwa das Kind at f der Folterkammer im Panoptikum ver⸗ langt, dann aber trat ſie mit bleichem Geſicht zurück, kuſchelte ſich an ihren Bär, tat die ganze Nacht kein Auge zu und klagte: „Daß ſie das tun, ach Erich.“

Der Aufenthalt in Berlin war längſt nicht von der Dauer ge⸗ plant, zu der er ſich auswuchs, aber Li fand, es ſei wunderſchön, und wenn ſie an Langenwieſen dachte, das jetzt verſchneit und einſam war, wo man den Schrei der hungrigen Krähen hörte, und der Sturmwind um das Haus fuhr, da ſchauerte es fie. Sie zog frierend die Schultern ein und bettelte: „Jetzt nicht zu⸗ rück nach Langenwieſen, Erich, bitte, bitte. Ich friere da zu Tode.“

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Ei >

Erich Hartmann meinte, nun einmal ernftlich mit feinem Weibe reden zu müſſen, aber als er anfing, davon zu ſprechen, daß das alles ſchließlich über ſeine Kräfte gehe, da ſah ſie ihn verſtändnis⸗ los an und ſchmollte: „Ach, Bär, du willſt mich fürchten machen. Wir leben ja doch ſo ayers Ich meine, es könne daheim kaum billiger fein. Es iſt jo ſchön und du wollteſt ja noch einmal leichtſinnig fein.“

Dann mußte Hartmann doch auf drei Tage nach Langen⸗ wieſen. Das mit der Dreſchmaſchine war zu dumm. Es dauerte ſo lange, ehe er das Geld von Risner in die Hände bekam und dem ſagen, er möge weitere Vorſchüſſe leiſten, das ging ihm gegen den Strich.

Er meldete dem Inſpektor ſeine Ankunft mit einem kurzen Telegramm. |

Der Schlitten hielt am Bahnhof. Hei, wie die Pferde dahin⸗

auſten. Wie ein Sprühregen flogen die Schnee ee auf

len auf die Dede nieder, auf des Gutsherrn Pelz, eetzten ſich in den Bart und die Augenwimpern.

Weithin lag das Land verſchneit. Da und dort ſteckte eine vertrocknete Diſtel den Kopf durch den Schnee. Der Hauch flog von Menſch und Tier wie leichter Nebel. Drüben ſtanden die Wälder, der Staatsforſt, der Silberwald, der Breite Wald. Die Luft war klar. Scharf umriſſen lagen im Schnee die Häuſer von Abendorf, ſcheinbar ur und war doch ein ganzes Ende dahin. Über den Breiten Wald herüber lugte die Turmſpitze von Hohenborn.

Ob er wohl dem Leo Träger einen Beſuch abſtattete? Unan⸗ genehme Geſchichte, aber ſchließlich mur ein Freundſchaftsdienſt.

Im Gutshauſe war es einſam. Weiß Gott, jeder Tagelöhner hatte es jetzt beſſer als der Gutsherr von 5 Der Arbeiter ſaß hinter klaren Fenſterſcheiben. Im Gutshauſe waren die Scheiben gefroren. Nur im Herrenzimmer les ein leb⸗ en euer. Dafür tropften dort die Scheiben, auf den Fenſter⸗

cken ſammelte ſich das Waſſer und ſickerte auf die Diele.

Erich Hartmann ging in Lis Zimmer. Kalt war es und öde,

wie 5 Ob Li mu wohl mit Heinrich Heiningers Frau in Berlin durch die Straßen wanderte? Er kehrte zurück in ſein Zimmer. Blödſinn, das Gut ſo vereinſamen zu laſſen. Es war doch zu Vaters und Mutters Zeiten im Winter immer ſo heimelig da gewefen, und waren auch die Korridore nicht eben warm, ſo m doch aus den Stuben ſo viel überſchüſſige Wärme, daß das ganze Haus davon durchflutet war.

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Erich Hartmann lehnte fic) gegen den Ofen. Nun mußte er doch wohl mal den Inſpektor rufen laſſen und die Bücher durch⸗ ſehen. Was war denn da eigentlich los? Lächerlich, was das Gut abwarf. Sollte da irgend etwas nicht in Ordnung ſein? Er hatte dem Inſpektor in allem getraut. Warum auch nicht? Der Mann war warm empfohlen worden und verſtand ſeine Sache ganz entſchieden. So viel . Erich Hartmann doch auch. Ja, und wenn die Ernte eben nicht ſo iſt, wie man erwartet hat, ſo iſt das doch nicht Dörings Schuld. Übrigens: Morgen muß der Langenwieſener Gutsherr doch einmal nach Hohenborn. Iſt ein unangenehmer Gang. Ach was, unangenehm! Wozu ſind I denn Jugendfreunde. Das kann man mit ein paar ober- flächlichen Worten abtun. |

Erich Hartmann fchreitet über den Korridor. „Mamſell,“ ruft er durch die Tür der Küche. „Schicken Sie doch eben mal nach dem Inſpektor.“

Er kehrt in das Zimmer zurück. Es iſt inzwiſchen warm darin geworden. Nun iſt ihm ſein kleines, eigenes Reich vertrauter als vorhin, da er, mißmutig und grübelnd, wie ein Fremdling darin ſaß. Was doch ſo kleine Verdrießlichkeiten die Stimmung beeinträchtigen können. | Als der Inſpektor eintritt, findet er feinen Herrn, rauchend

und behaglich zurückgelehnt, vor ſeinem Schreibtiſche ſitzend.

„Tag, Inſpektor,“ grüßt Hartmann. „Wie iſt es gegangen auf Langenwieſen?“

„Im alten Gleiſe, Herr Hartmann. Wie ſonſt auch.“

„Sie meinen, ich werde nicht vermißt?“

Döring lachte. „Das habe ich nicht gemeint, aber mit ſo einem Gute i das wie mit einer Maſchine. Wenn fie unter Ol und Dampf ſteht, dann läuft ſie.“

„Und für Ol und Dampf ſorgen Sie?“

„Man tut, was man kann.“

Erich Hartmann nickte. „Sagen Sie mal, wie konnte das mit der Maſchine geſchehen?“

„Daß da ein kleiner Fehler war,“ erläuterte der Inſpektor, „das hatte ich ſchon bemerkt, aber das kommt ſo leicht vor, daß man es nicht immer gleich als ein Unheil anſehen kann. Dann brach mit einem e die Welle, es purzelte inwendig alles durcheinander, und weil doch der Dampf dahinter war, ging denn eben der Teufel los. Ich glaubte, der ganze Kaſten flöge aus⸗ einander. Glücklicherweiſe konnte ich den Riemen mit einem ordentlichen Ruck herunter reißen.“

„Sie riſſen den Riemen herab? Das war unvorſichtig.“

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„Was jollte ich machen? Ich kriegte eins hinter die Ohren, daß ich mich überſchlug.“ |

„Dann ging das noch gut ab. Ei, ei, Döring.“

„Tia. Ich konnte doch nicht dabei ſtehen, bis der Kaſten aus⸗ einander flog. Wird jo teuer genug werden.“

Haben die Monteure etwas darüber gejagt?"

„Ja, aber das kann ſtimmen, das kann auch nicht ſtimmen nach oben wie nach unten. Dreizehn⸗ bis vierzehnhundert Mark meinten ſie.“

Erich Hartmann ſchwieg eine Weile. Dann begann er taſtend, um dem Manne, der ihm einen großen Dienſt getan und davon ſprach als von etwas Selbſtverſtändlichem, nicht weh zu tun: „Sagen Sie mal, Inſpektor, haben wir eigentlich wirt⸗ ſchaftlich ein ſchlechtes Jahr?“ a

Döring blickte ihn verwundert an. „Durchaus nicht, Herr Hartmann.“ |

4 77 Hm, ja, mir iſt, als hätten wir ſonſt höhere Einnahmen ehabt.

Der Inſpektor erhob den „Ich will meine Bücher holen, dann können Sie vergleichen.“ |

re nickte. Die Tür jchloßtfich hinter dem Davon⸗ gehenden.

„Ein zuverläſſiger Mann,“ dachte der Gutsherr. „Ich brauchte ihm das mit den Büchern gar nicht erſt bag, nur ein ganz

einer Wink. Und das mit der Maſchine, das hat er fein gemacht. Als ob das alles ſein wäre. Ich muß ihm da auch den guten Wil⸗

habe mich getäufcht, Inſpektor,“ pri cmb itt

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noch kurze Zeit ausbleibe. Weihnachten find wir beſtimmt da.

Machen Sie fo weiter. Übrigens, damit Sie fehen, daß ich Ihre

pall ſchätze, ich lege Ihnen vom Erſten ab zwanzig Mark im nat zu.“ |

„Danke, Herr Hartmann.“ Der Inſpektor aber hat feinen Herrn verſtanden.

„Ich möchte noch etwas zur Sprache bringen, das mir ſchon lange am Dergert liegt

„Im Breiten Walde ſowohl wie im Silberwalde ſind eine

anze Reihe Stämme, die heraus können. Sie faulen auf dem tocke. es Ihnen recht iſt, dann meſſe ich da ei nach und ok 80 7 nue ve 5 a 68 be Inn a

„Hm, ja. will mir das überlegen. rei en ent- weder darüber oder ſehe mir die Sache felber an.“

Das iſt ein guter Wink und macht den Mißmutigen fröh⸗ lich. Er kann ſcherzen.

„Wie iſt es denn nun ſo allmählich mit einer jungen Frau, rg

Oring wehrt ab. „Hat Zeit, Herr Hartmann.“

„Na, na, man verpaßt da auch manchmal den Anſchluß. Guten Abend, Inſpektor. Wollen Sie der Mamſell im Borbei- gehen eben ſagen, daß ſie mir das Abendbrot bringt?“

„Jawohl. Guten Abend, Herr Hartmann.“

Das Abendbrot ſchmeckt ausgezeichnet. Keine Delilateſſen, nur was das Haus gibt, aber alles appetitlich, ſchmackhaft und kernig. Hausmannskoſt. Schmeckt ezeichnet, und man hat nicht den unangenehmen en en, daß man eigentlich nur naſcht und nachher gehörig bluten muß.

Der Rotwein glüht dunkelrot im Glaſe. Keine oe unter zehn Mark die Flaſche tut es der Dieter in Berlin nicht, Hin und at recht nicht, ijt ein ganz ziviler Tropfen, aber rein und gut. |

Als der Tiſch abgeräumt iſt und die Zigarre glimmt, da lehnt ſich Erich Hartmann faul zurück und gähnt. Weiß Gott, jetzt ift man ſchon müde. Er ſieht auf die Uhr. In Berlin beginnt um die Zeit das Leben erſt. Wie wird es Li ohne ihn treiben? Der Sinnende lächelt. Sie fiebert förmlich auf Neues.

Dann: Was mag wohl Urſchel leet machen? Urſchel! Schade, daß ſie ſich da in Dresden ah chtet hat. So ein Unſinn. Könnte doch auf Langenwieſen bleiben, wohin ſie gehört. Am Ende käme das mit dem Leo Träger doch noch in Ordnung. Da überfliegt ihn ein Unbehagen. Dann iſt ſie nicht mehr

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4 . —ͤ— nn —— r . —— .

ve Urſchel. Sonderbar, als ob er fie gar nicht hergeben e. In einer weichen Stimmung greift er nach den Briefbogen,

um an Urſula Liebenau zu ſchreiben. Aus der Einſamkeit eines Langenwieſener Winterabends, an dem der Wind draußen in tiefen Tönen orgelt, in den Arbeiterhäuſern Licht um Licht ver⸗ löſcht, und auch im Gutshauſe ein Fenſter nach dem andern dunkel wird, ſchreibt Erich Hartmann an Urſula. Eine Seite, fünf, zehn. Von Berlin erzählt er und von Li. Wie es ihm fel und macht, wenn ihre Augen glänzen, und wie ſie ein Kind ei und doch ünerſättlich, gar nicht tot zu kriegen im Tanzen, im Lachen, im Schlafen. Und der Dieter vom Stein iſt noch der alte. 8 0 85 kennt ihn ja. Dabei weiß man gar nicht, wovon er eigentlich lebt. Li habe ein paar Freundinnen gefunden. Darauf tue ſie ſich etwas zugute. Erſt einmal Frau Heininger, dann eine Geheimrätin, eine Frau Konſul. Sie ſei allerdings Kind gegen ſie, und es ſehe unglaublich niedlich aus, wenn ſie verſuche, ihnen die große Dame nachzumachen. Das gelinge immer daneben. Sie könne nun einmal nicht langſam gehen.

Immer Baden Als ob fie Räder unter den Füßen oder Flügel an den 8 tern habe. Nun ſei er auf drei Tage in Langen⸗

wieſen. Sei da ein Unglück mit der Dreſchmaſchine 5 5 Kein Menſchenleben verloren gegangen, aber eine große Zahl blauer Scheine. Und Berlin ſei unglaublich teuer. Stehe hinter Paris oder Rom gar nicht zurück. Weihnachten ſeien ſie ganz ſicher daheim, und Urſchel möge doch ja auf das Feſt herkommen. 195 erwarte ſie beſtimmt, und Ausflüchte ließe man nicht gel⸗ en.

Der Brief lag Urſchel ſchwer auf der Seele. Bei aller Ver⸗ liebtheit des guten Erich, die aus jeder Zeile ſpricht, klingt doch ein ſtarkes Unbehagen heraus. Man fühlt es förmlich, wie wohl er ſich auf Langenwieſen fühlt. Lieber, lieber Erich, wenn du doch ſehen wollteſt, daß das unnatürlich iſt, was du jetzt treibſt, daß du auf die Scholle gehortt, nicht auf das Parkett. Und du kannſt she nicht auf die er tanbdel wie ein Knabe. Du nicht und dein Weib nicht. Das ift doch nicht das Leben, und Langenwieſen erträgt das auf die Dauer nicht. Du haſt 5 erzählt, daß das Bankguthaben aufgebraucht ift. Was denn nun Du mußt ja Schulden machen, Schulden!

‚Drei Tage will Erich in Langenwieſen bleiben, und ſchon am erſten Tage ſchreibt er an ſeine alte Urſchel. Sie hält die Hand auf das ſtark klopfende Herz. Verhüte Gott, Erich, daß du einmal inwendig von deinem Weibe abrückſt und über die hinweg

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den Blick nach deiner i Kaa Dann wäre das Elend da. Du wäreſt unglücklich und ſollſt doch glücklich fein. Ob es nicht gut wäre, einen Riegel vorzuſchieben, einen ſtarken, unzerbrechlichen? Leo Träger geht ſchwer unter dem Nein, das ſie ihm einſt auf ſeine Werbung geben mußte. Und ein andrer iſt aufgetaucht. Ein ernſthafter, ſchlichter Menſch, der es ſich, als fie auf Langenwieſen die letzten Minuten allein waren, aus⸗ gebeten hat, an ſie ſchreiben zu dürfen. Nun ſchreibt er regel⸗ mäßig. Klare Briefe in einer feſten Männerhandſchrift. Er⸗ zählt vom Alltage, vom Dienſte, ſeinem Beſuche in Langenwieſen, wo er Erich und Li nicht mehr antraf, von Leo Träger. Dazwi⸗ ſchen hinein einmal eine Frage, die wie ein Blitz auftaucht. Er erzählt dann und wann von ſeiner Mutter, die durch ſchweres glich ſh von rauhen Jugendtagen, über denen die Sonne nur ärglich ſchien.

Es geht ein ſtarker Zug aus von dem Manne. Er wirbt Urſula fühlt es aber er wirbt nicht mit Worten. Das Sein läßt er für ſich reden, ſeine Art, ſein Inwendiges, gleichſam als wolle er ſagen: So bin ich, nun überlege, ob du es mit mir wagen willſt. Das tut Urſula wohl.

icht, daß eine heiße, freudige Liebe in ihr aufſpränge. Es iſt wie wohltuender Abendwind. Man geht gerne in ſeinem 1 und läßt ſich von ihm leiten in den Lichtkreis der traulichen

ampe.

Über Urſchels ernſtes Geſicht fliegt eine jagende Röte. Will du denn deiner Liebe untreu werden? “sa und ja, zu Erichs Heil. Das iſt des Entſagens notwendige Folge.

Nach einer ſchlafloſen Nacht, an die fh ausgiebiger Morgen- ſchlaf anſchloß, ſchreitet Erich Hartmann, die Flinte auf der Schulter, über die verſchneiten Felder. Herrgott, was iſt das für eine Luft! Hier weiß man doch a en wie man dran it. Da ift tiefer, herzhafter Winter. In Berlin ſchaffen fie ihn ſchleunigſt aus den Straßen.

Haſenfährten überqueren die Acker, eine Fuchsſpur geht dicht an Langenwieſen heran. Da ſtöbert Treff, der Stachelhaarige, einen Lampe aus dem Lager. Krach, bautz, er Fenn einen Purzelbaum, und der Hund jault ordentlich vor Vergnügen. Noch Hartmanns Wangen röten ſich. Er ſchreitet wacker aus. Noch einmal kommt er zum Schuß. Und ſo was verſagt man ſich nun und tauſcht dafür die Großſtadt ein. Hm. Die Großſtadt allein nicht. Auch eines lieben, allzu lieben Weibes lachende Augen und fröhlich Geplauder.

Bleibt aber doch ein Unbehagen zurück. „Der Landmann

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gebört auf die Scholle.“ Das ſpricht er laut aus, und im gleichen enblicke iſt ihm, als hätte das Urſchel geſagt. Daß er immer an ſie denken muß!

Da iſt er an der Grenze der Hohenborner Flur. Eigentlich könnte er das mit Leo Träger jetzt gleich erledigen.

Zögernd ſetzt er den Fuß über die Grenze. Iſt nur ein Freundſchaftsdienſt, den du verlangſt, und doch brennen dir die Wangen? Erich Hartmann, das Feit verdammt aus wie am |

Leo Träger empfängt ihn mit lautem Hallo, drückt Erich Hart⸗ manns Hand und ſchlägt ihn auf die oe „Biſt du ausge⸗ riſſen in Berlin? Kann das verſtehen, Erich. Möchte nicht dort ſein. Muß einem ja ganz wehleidig werden zwiſchen den oe Häuſern. Dann am Abend die Lichter! Nee, nee, da lobe ich mir das Land. Wenn der Wald daſteht wie ein großer, ſchwarzer Kaſten und drüber leuchten die Sterne, und der Schnee glitzert, und du ſtehſt auf dem Anſtande! Komm näher, Erich. Tuſt ja, als fürchteſt du, mul iche zu treten. Keine Angſt, ich Bea dich nicht in die kalte Pracht. Da in meine Bude gehen wir.

Das Zimmer iſt gut durchwärmt. Tabakgeruch liegt in der Luft. Leo von Träger langt eine Flaſche alten Kognak aus einem Schränkchen. „Trink, Erich; bin zwar gar kein Alkoholiker, aber 05 ein Seelenwärmer 5 doch nicht zu verachten. Wie geht's

einer Frau? Gut? Na, iſt ja klar. Menſch, du haſt das große Los gezogen. Ich glaube, mir blüht das im Leben nicht. Der eine jo, der andre fo. sf Deine ch mitgekommen? Nein? Nanu! Ach ſo, du kamſt der Dreſchmaſchine wegen. Ja, iſt immer mal der Teufel los. Ging mir vor drei Jahren auch ſo. Stand daneben, war aber nichts zu machen.”

So plaudert der herzfrohe Mann kt wie ein ſchwatzhaftes Mädchen. Erich Hartmann 5 ſchweigſam. Eine Zeitlang fällt das dem Hausherrn nicht auf. Dann blickt er ihn erſtaunt an.

„Erich, du läßt mich da in einem zu reden, und dabei müßt es doch umgekehrt ſein. Du haſt was erlebt, nicht ich. Sag mal, iſt denn was?“ N

„Ja Leo, da iſt was.“

„Dann raus mit der Katz' aus dem Sacke.“

„Wie ſoll man das ſagen?“ Leo von Träger iſt ernſt geworden. Einen fragenden Blick wirft er auf den Freund. Dann weiß er, um was es geht. Er erſchrickt. Nicht, daß er davor bangte, Erich Hartmann auszuhelfen. Das tut er fraglos bis zur Höhe des eigenen Vermögens, aber daß es dahin kommen konnte! In

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8 kurzer Zeit. Wie iſt das möglich? Iſt denn die Frau eine ſolche erſchwenderin? Freilich, ſie trug ja auf dem Feſte ein Ver⸗ mögen in den Haaren und auf dem Kleide, aber als fie vor et⸗ ſo Teich vor ihm ſaß, da ſchien ihm doch, ſie ſei gar nicht o leichtfertig. |

Erich Hartmann reißt ſich zuſammen. „Sag mal, Leo, haft du Geld?

„Selbſtverſtändlich.“ Leo von Träger lacht. f

„Ja, ſiehſt du,“ Erich Hartmann ſtottert, „die Dreſchmaſchine koſtet eine Menge Geld.“ .

Leo von Träger runzelt die Stirne. 1 lügſt du, mein guter Erich, fährt es ihm durch den Sinn. Auf ſo was muß man gefaßt ſein, und das ſchmeißt einen auch nicht um.

‚Und dann iſt die e doch nicht ſo, wie ich erwartete. Es iſt ja natürlich nur auf ein paar Wochen, höchſtens zwei, drei Monate.“

„Mein Gott,“ kommt ihm Leo von Träger entgegen, „was quälſt du dich denn? Is mir ja gang e al, wozu du den Mammon 1 und auf wie lange. Hab’ ich doch nich, Erich. Wieviel

enn?“

„Ich dachte zwei, drei tauſend Mark.“

Leo von Träger blickt ihn prüfend an. „Nee, mein e, das is niſcht. Damit fängſt du nichts Geſcheites an. Du fist doch la feſt.“

„Aber Leo, ich bitt' dich.“

„Leg' nu bloß die Worte nicht auf die nee dh 5 N ſchwer. Sagen wir zehntauſend Mark, oder brau

u mehr?“ |

Erich Hartmann wehrte erſchrocken ab, aber es war ihm doch mit einem Male ein Erkleckliches leichter ums Herz. Ein famoſer Kerl, der Leo Träger.

*

U

*

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„Alſo zehntauſend. Ich habe das Geld natürlich nicht im Hauſe, aber in drei Tagen kann es da ſein. Wohin ſoll ich's dir

ſchicken? „Dann nach Berlin.“ Er ſtreckt Leo Träger die Hand ent⸗

gegen.

Der wehrt ab. „Unſinn. Darüber brauchſt du kein Wort zu verlieren.“

„Weihnachten ſind wir N wieder daheim.“

„Wie gefällt es euch denn?“

Und nun plaudert Erich Hartmann, erzählt von Li und immer wieder von Li. Das Herz geht ihm ela durch. Leo von Träger lächelt. Ich gönn's ihm, dem guten Erich. Und wenn's

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a |

82 ————.—— ree

ein bißchen viel koſtet, was ift denn dabei? Der hat doch wenig⸗ ſtens was vom Leben. Ich ſitze da und rackere mich ab. Der Mammon häuft ſich. Brauche ihn ja gar nicht. Was ſoll mir der Kram? Gäbe den ganzen Krempel hin, wenn ich an dem ee feiner Stelle wäre. a er Beſucher muß zum fac a bleiben. Dann 1 ihn Leo von Träger ein Ende des Weges. Auch er hat die Büchſe auf die lter genommen. Unterwegs kommt die Rede auf Hans von ge

Ein famoſer Kerl,“ jagt Leo Träger. „Habe mich richtig mit ihm angefreundet. Schade. Er geht ein bißchen hart in der Kandare. Hat einen Geburtsfehler. War ein bißchen unvor⸗ ſichtig in der Wahl ſeiner Eltern, muß ſich knapp halten. Ich habe ihn für Weihnachten eingeladen. |

„Dann kann er auch zu uns kommen,“ fährt ihm en Hart⸗ mann dazwiſchen. „Ich habe Urſchel geſtern auch eingeladen.“

„So, dann laß mir wenigſtens den Althaus.“

Und als die Namen Urſchel und Althaus in Verbindung ge⸗ ‘aha i find, da durchfährt den Hohenborner 199 ein Ge⸗ danke. Das geht nicht um Langenwieſen oder Hohenborn, nicht um Hartmann oder dich, nicht um 1 oder Haſen, daß der Althaus kommt, das en Urſchel. ſind zwei Pracht⸗ menſchen, die zwei. Wie füreinander geſchaffen. Es tut wie o ja. Das dumme Herz kann ſich nicht daran gewöhnen, gewiſſe Wünſche endgültig zu begraben, aber Hans von Althaus und Halen. ja, da müßte der Herrgott ſelber ſeine Freude dran en.

Sie verabſchieden ſich, Leo von Träger beſtellt Grüße an Li, den leichtſinnigen Dieter vom Stein und Heiningers. Alles ark lg Erich Hartm heimkehrt, berichtet ihm die Mamſell

ri ann heimkehrt, berichtet ihm die Mamſell, daß die gnädige Frau telephoniſch angerufen habe. Auf die Mitteilung, daß der Herr in Hohenborn ſei, habe ſie geſagt, ſie klingle dann ſpäter noch einmal. | nd kaum Miete es hg der Hausherr bequem gemacht, die ſchweren Jagdſtiefel abgelegt, eine leichte Hausjoppe überge- worfen, da klingelte Li.

„Bär, mein lieber, lieber Bär,“ rief ſie, „wann kommſt du denn endlich wieder?“ Die Stimme, die immer klang wie ein feiner Geigenton, ging ihm wohltuend bis in das Innerſte. Aller moraliſche Katzenjammer verflog vor den ſchmeichelnden Lauten. on hätte er die Arme ausbreiten mögen. „Komm her, mein

eines.“ | |

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Er lachte in den e „Haft du Sehnſucht, Kleines?“

„Raſend, Erich. Ach Gott.“

5 Fel. aber, du biſt doch in Berlin. Da vertreibt man * doch ie

„Nein, uae Wenn du nicht bald kommſt, dann

„Was dann

„Ach Unſinn. Sag N wann du wegfährſt.“

„Morgen drei Uhr achtze 2 7 05 iſt 9 2 ſo entſehlich anne. Kannſt du keinen früheren

ug

„Können? Das Schon, aber es geht nicht.“ .

„Bär, mach bloß, daß du wieder kommſt.“

„Ja doch, Lichen. Grüße Heiningers und den Dieter. Iſt er denn brabꝰ?ꝰ

„Der? Ach, das kann der gar nicht.“

Sie lachen beide. „Wiederſehen.“ „Wiederſehen.“

Als Erich Hartmann am andern Abend in Berlin eintraf, holte ihn Li in Begleitung Heiningers und Dieters vom Stein sehn Geiinger ergäßtte iger, baß

ininger erzählte ſcherzhaft, daß Li wie ausge⸗ wechſelt geweſen ſei. Keine drei Worte habe ſie geſprochen, und Dieter beſtätigte das. Ja, keine drei Worte, habe ihn ſogar nicht empfangen, ihm, wie einem Baby, die Kinderfrau geſchickt. lachte dazu, lehnte Kr im genachichen Schreiten an den Gatten, ſtrich ihm über den Armel, blickte zärtlich zu ihm auf und ſagte leiſe: „Mein Bär, daß du nur, wieder da bift. Morgen wäre ich nach Langenwieſen gefahren.“

Erich war in beſter Laune. Das Umworbenwerden war ſo ſchön.

Dieter vom Stein ſollte ſage ase n, was 17 noch anzufangen ſei. Er zählte mit unglaublicher ſchwindigkeit her. in konnte man gehen und dorthin, je nachdem man in Stimmung war. a ‘oe. müſſe Erich entſchieden etwas effen. Ja, das war

as na

Li wählte für den Gatten aus. Ein kleines Souper, ein be⸗ ent lauter Näſchereien. Erich wagte kaum die Kiefer

bac e in Bewegung zu ſetzen. Ganz von ſelber kam der Ver⸗

den er gern vermieden hätte. Langenwieſener Schwarz- a und Schinken, kaltes Huhn, Eier, dazu ein Schluck Rotwein. Hei, wie da Zähne und Zunge ſchwelgen konnten.

Während er aß, wurde ihm als Beigabe von Frau Heininger ein fertiges Abkommen vorgeſetzt. Es war n worden, daß Hartmanns auch über das Feſt blieben. Das war das erſte. Erich ſah ſeine Frau fragend und betroffen an.

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„It das dein Ernſt, Li?“ fragte er. Sie wagte nicht zu antworten, aber an 1 05 verlangend

blickenden Augen ſah er, daß ſie nur zu gern dabliebe.

Das tat ihm weh. Er ſchüttelte den Kopf.

„Ich i bag wir wären nachgerade lange genug in Berlin,“ fuhr es ihm ſchärfer heraus, als er beabſichtigt en es zu ſagen.

Darüber erhob ſich erregter Widerſpruch. Dieter vom Stein legte ſich ins Zeug. ' Erich Hartmann ſah ihn lächelnd an. „Armer Kerl,“

e er.

Frida Heininger griff ihn von der andern Seite an. Das i er jeiner Dingen Frau ſchuldig, daß er bliebe. In der Ein- amkeit und Ode eines Landhauſes im Winter, müſſe ſie ja mit gebieteriſcher Notwendigkeit innerlich verarmen. .

Li innerlich verarmen, wenn wir zuſammen ſind, dachte Erich verwundert. Fragend ſah er zu ſeinem Weibe hinüber. Sie ſchlug die Augen nieder. Er j b dent Seller zurüd.

Sin du Schon ſatt, Erich?“ fragte Li zaghaft.

„Ja, ; habe unterwegs gegeſſen.“

Heinrich Heininger ſtrich ſich lächelnd die Weſte glatt und blinzelte von unten her mit zwinkernden Auglein nach Erich Hart⸗ mann. Warte nur, es kommt noch beſſer.

Und es kam beſſer. Frida Heininger deckte die Karten vollends auf. So kurz nach Neujahr wolle man eine kleine Spritztour nach dem Süden unternehmen. Es gäbe nichts Reizvolleres, als aus dem Schnee in den Frühling zu fahren. Nach Weih⸗ nachten ſei Berlin ein bißchen abgeſtanden. Zum Faſching ſei man nachher wieder zurück.

ich Hartmann war ſprachlos. Noch immer ſaß Li mit niedergeſchlagenen Augen da. | | Der e ſtrich ihr über die kleine Hand. „Was, Li, das da unten kennen wir doch?“ rida Heininger aber bewies ihm, daß nur ein Unwiſſender im Sommer nach dem Süden gehe. In den Flitterwochen mache man ja a Dummheiten, ſpäter nicht mehr. Und Li ſchwieg, chwieg auf Erichs Frage, ſchwieg zu den Ausführungen der reundin.

Da jah Erich Hartmann, daß er einer abgekarteten Sache gegen⸗ überſtand. Er wurde zornig und mußte ſich zuſammennehmen, um nicht auf den Tiſch zu ſchlagen. ;

Er lehnte fie mit den Ellenbogen breit auf den ra ſah die Freunde der Reihe nach mit ernſtem Geſicht an, ſein Blick flog über Lis geſenkten itel und blieb auf Dieters lachendem

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Spitzbubengeſicht er „Ja, denkt ihr denn, ich bin ein Kröſus?“ ſagte er laut. ininger lachte laut auf, und ſeine Frau ſandte ihm einen

ſtrafenden Blick zu.

Der Abend war dem Zurückgekehrten gründlich verdorben.

„Ich möchte heim, bin müde von der Reife,“ bemerkte er. Er zahlte und knurrte inwendig über den blödſinnigen Preis nn ſens, von dem er kaum gekoſtet hatte.

Sie chlenderten durch die Straßen. Beim Auseinandergeh flüſterte Frida Heininger Li, mit der fie ſich ame le zu: „Gib nicht nach. Es iſt um ein andres

Eri rtmann verſuchte, den erſten Mißbang, der ae. ihm und ſeinem Weibe aufgeſprungen war, wirkungslos zu ma⸗ n. Er lehnte am Tiſche. Li kramte zwecklos allerlei durchein⸗ ander. Das war ja alles nur Schein. Erich wartete. Seh mußte fie herkommen, mußte lachen und ſagen: „Bär, ic hab' dich ja bein ein wenig ärgern wollen. Selbſtverſtändli fahren As eim.“ Nad Li kam nicht heran. Erich Hartmann wartete. fagte er nach einer Weile traurig. gt wartete wieder. Li ftand am Fenster. „Ach Gott, Bär,“ rief fie, „das iſt doch nicht wert, daß du darum ein ſolch Aufheb en machſt. n kann doch die Ginlabung nicht abſchlagen.“ adung?“ knurrte Erich Hartm ann. „Ich wüßte nicht, daß wir Heiningers Gäſte wären.“ Li ſah ihn erſtaunt an. „Aber ſie haben uns doch eingeladen.“ „Auf unſre Koſten hier zu bleiben und auf unſre Koſten nach dem Süden zu fahren. „Wollte du dir denn das 1 1 Hen e Liungläubig. Erich Hartmann lachte zornig au gers ſind die na ten, die etwas verſchenken, trotz rs Reichtums atürlich ich mir nichts ſchenken laſſen, aber das 1 05 das ihr da über meinen Kopf hinweg ausgemacht habt, das, d Ach was, eht eben nicht. Wir wollen nicht. 30 habe doch urch el eingeladen.“ ant chreibe ihr ab. Was macht das aus?“ rief Li. mit leiſe e un Aisch ste jie hinzu: „Warum haft ya hinter meinem Rücken an U ; ‚ge Sieben?" Das traf Erich Hartmann wi ein wo | jollte nicht an Urſchel Schreiben?” dete er haſtig. aber en ſich wieder abgewandt und tändelte mit den erh der Bluf fremd kam Erich ſein Weib vor. Es war eine Ent⸗

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u.

deckung, die un als ein bloßes Unbehagen verurſachte. Sein liebes Langenw Er ſchien ihm verachtet. Wie wohl hatte ihm die herbe Winterluft getan, wie anheimelnd waren die altver⸗ trauten, eigenen Räume geweſen. Er war von daheim fort⸗

egangen, ein Lächeln auf den Lippen, hatte den Bäumen des Partes zugenickt: Na, in etlichen Wochen Rau wir wieder da, vielleicht, daß es noch vierzehn Tage, drei Wochen dauert. Nun verachtete ſein Weib die Heimat. Und was ſie von Urſchel ge⸗ agt hatte, io, mein Gott, das war ja, als ob fie nur eben einen

dernden Brand zurück hielte.

Und das hatten die paar Tage des Alleinſeins aus ihr gemacht? Ein dunkler, ſchwerer Schatten flog über kommende er Erich Hartmann hatte Schulden gemacht, wußte, daß die zehntauſend Mark von Leo Träger nur ein Tropfen waren, da zu viel der Be⸗ ing ae Das trat jetzt mit unerbittlicher Klarheit vor ihn hin hatte lächelnd die Opfer gebracht, zum Mac Teil aus eigener Neigung, o ja, man mußte gerecht ſein, aber doch in der Votzen dei um ſeinem jungen, frühlingshaften Weibe noch etliche Wochen des frohen Genuſſes zu bereiten, ſo wie man einem guten Kinde auch ein Übermaß an Freuden ſchafft. Und Li war kein un u, war ein eigenſinniges ... Herrgott, das ift ja un⸗

i

„Lil“ a er, und es Hang wie herzweher Jammerlaut. „Li!“ flog fie ihm in die Arme.

Als am andern Tage Frida Heininger Li Hartmann zu Be⸗

f orgungem abholte, fragte fie, kaum außer dem Haufe, leiſe:

n Wir bleiben hier und fahren dann mit,“ entgegnete Li raſch. Frau Heininger lachte kurz auf. „Na nn Mehr nicht, 15 über Li Hartmanns Geſicht flog eine brennende, dunkle

e.

Li wollte an Urſchel ſchreiben, daß ſie ihren Beſuch bis Suet aufſchiebe, aber Erich beſtand eigenſinnig darauf, ſelber zu ſchrei⸗ ben. Das ſetzte er durch. |

Er ſchrieb, herzlich ſchrieb er, klagte Li nicht an, bat, Urſchel möge doch ja zum lieben Feſt in das alte, auch dieſes Jahr wieder verwaiſte Heim kommen. Es ſei ganz gewiß das letzte Mal daß das Gut ofme die Herrſchaft fei. Er bat und bat, qualte ich eine Anzahl Seiten ab und hatte doch das Gefühl: les glaubt dir ja Urſchel nicht.

Urſula Liebenau legte den Briefbogen zur Seite. Der gute Erich. Für ſo ſchwach hatte ſie ihn doch nicht gehalten. Allein nach Langenwieſen gehen?

XXXIV, 8 81 6

Sie wartete lange mit der Antwort. Dann teilte fie Erich mit, daß ſie ſich entſchloſſen habe, auf etwa zehn Tage nach Langenwieſen zu reiſen. Sie werde etliche Tage vor dem Heiligen Abend eas U e und bis kurz nach Neujahr bleiben.

Li lachte auf, als ihr Erich den Brief zeigte. „Siehſt du, es

geht auch ohne uns.“ .

Drei Tage vor Weihnachten traf Urſchel in Langenwieſen ein. |

Die Mamſell war überraſcht. „Das gnädige Fräulein?“ rief ſie erſtaunt.

rſchel breitete tatenfroh die Arme aus. „Iſt das Backen

ſchon fertig, Mamſell?“ | |

„R—ein. Die Herrſchaft Hatte keine Anweiſung gegeben, und da wußte ich nicht.“ f

„Selbſtverſtändlich wie früher. Morgen früh geht es drüber = Die Leute müflen doch ihre Stollen haben und Apfel und iſſe und die Bäume.“

as ganze zus ate jie durcheinander. Ihre frohe Taten⸗

luſt ſteckte an. ädchen ii und kicherten. Nur Jettchen Heilmann war weit weniger freundlich als es Urſula von ihr ge⸗ wöhnt war.

„Die neckte fie mit dem jungen Friedhold Becher. Da wurde die Mamſell patzig. Vielleicht ſei das auch ein andrer, den ſie einmal nähme,

e ſie. Da deutete ſich Urſchel des Mädchens verändertes Weſen. Es hat wohl ein kleines Zerwürfnis zwiſchen ihr und dem jungen Bauern gegeben.

Der Weihnachtsabend verlief wie viele vorher. Am Abend waren ſie alle zur el gelber in Abendorf geweſen. Nach der Heimkehr hatte Urſchel ſelber die Lichter an dem Baume ange⸗

ſa

zündet, hatte die Leute vor ihre Gabenhäuflein geführt und mit

ihnen geplaudert.

Da war an jeden gedacht, vom Inſpektor herab bis zum ütejungen. Die Mamſell warf fragende Blicke zu Döri inüber, aber der vermied es, ſie anzuſehen. Bislang wußte einer von den Leuten, wie er mit der Mamſell ſtand, und ſo

ſollte es bleiben. Man ging damit vielem aus dem Wege, dum⸗

men Scherzen und auch unbequemem Verdacht.

‚Die Leute waren gegangen. Urſchel hatte auf dem Klavier etliche Weihnachtslieder geſpielt, ſie hatten alt geit mit rauhen Stimmen; etliche hatten nach der Herrſcha hatte ſie die Fragen aus den Augen geleſen. Da war ſie unter

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gefragt, andern

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einmal warm

ſie DEREN. hatte Grüße von Erich und Li beſtellt und hatte ge⸗ fühlt, wie ihr dabei das Blut heiß in die Wangen ſchoß.

Dann war ſie allein in dem großen Zimmer. Es war behag⸗ lich warm, glimmende ne e verbreiteten Harzduft, aber e ſchleppenden Mantel ging die Sorge durch das weihnachtliche

mach.

Urſchel löſchte keines der Lichter. Den Luxus hatte ſich ſchon der ſelige Vater a önnt. Die Lichter mußten ausbrennen. Sie ſaß hes in ber Sofaecke, hatte die Hände im Schoße zuſammen⸗ gelegt, ah verloren in das grüne Geäft und dachte an eine junge, ebenshungrige Frau und einen ſchwachen, kindguten Mann.

Zuletzt brannten nur noch die elektriſchen Lampen in der ſchmiedeeiſernen Krone. g j

Da ließ ſich Urſchel die Petroleumlampe bringen, brannte ie an, drehte das elektriſche Licht aus und feierte ein ſtilles, ein⸗ ames Weihnachtsfeſt. ;

Weit, weit 90 0 ſie den Gedanken und Erinnerungen a im Tor, ließ fie zu Haufen herein und hielt Zwieſprache mit ihnen.

Und da traten ſie alle bei ihr ein, auch Leo von Träger und der ernſte, werbende Hans von Althaus. Sie ſtützte das Haupt in die Hände und ging mit ſich zu Rate. Schmal lagen ihre Lippen aufeinander. Wenn man doch vermöchte, den großen, endgültigen Strich zu ziehen. Aber da war ganz ferne ein Wogen und Quirlen. Einer reckte aus Not den Arm nach ihr. Grid, de Bruder. Ach, der Bruder!

von Träger hatte ſeinen e abgeholt. Herz⸗ haft ſchüttelte Ya Hans von Althaus die Hand und dankte noch i für die Einladung. Ä

Leo Träger wehrte ab. „Nee, mein lieber Althaus,“ fagte er, „mir iſt, es wäre uns beiden heute abend ein wenig katzen⸗ jämmerlich, wenn der eine im Kaſino, der andre in ſeiner Klauſe allein ſäße. Da is niſcht zu danken. Im Gegenteil. Wir müſſen nun ſehen, was wir zu zweit fertig bringen. Vielleicht, daß wic einigermaßen in Stimmung kommen. Wiſſen Sie, wir haben beide einen 8

Hans von Althaus lachte. „Ja, den einen haben wir beide. Ich außerdem noch einen andern.“

„Ach das,“ Leo Träger warf geringſchätzig die Hand. „Js ja ganz ſchön, wenn man ein bißchen was hat, aber das iſt doch wahrhaftig ein verdammt 5 5 ches Glück. Nee, nee, Althaus. Das Geld ſperrt zwar man ür auf, aber lange nicht alle, lange nicht.“

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Nun ſaßen fie am Weihnachtsabend in des Hausherrn ein⸗ facher, cle gemütlicher Stube. Auch auf Hohenborn ſtrahlte der Lichterbaum.

Schüchtern, halb verlegen, holte Leo von Träger unter einer kleinen Decke ein Kiſtchen Zigarren hervor. Es war eine aus⸗ erleſene Importe.

„Da, lagte er unbeholfen zu Althaus, „was follte ich Ihnen weiter ſchenken?“

Hans von Althaus beſah das Käſtchen, ſchüttelte dem Haus⸗ herrn die Hand und hatte einen feuchten Schimmer in den Augen. „Ich weiß gar nicht, ſeit wieviel Jahren mir kein Weihnachts- geſchenk wurde. Es tut gut, auch wenn das ſo ſchnurrig zugeht wie in dieſem Falle.“

Das verſtand Leo Träger nicht. Der Gaſt aber ging hinaus, kehrte nach einem Augenblick mit einem kleinen Päckchen zurück, ſtreckte es Leo dar, hatte übermütige, lachende Jungenaugen und ſagte nur: „Ich che auch an Sie gedacht.“

Und Leo Träger ſchälte aus der Umhüllung das Gene Ge⸗ ſchenk heraus, das er eben Hans ua überreicht. Erſt war er verwundert, dann lachten ſie beide laut auf.

gen age ſelengeſchentete ſagte der Hohenborner Gutsherr.

er es wurde ihm unter der Weſte ſo rebelliſch, daß er dem Gaſte den Arm um die Schultern legen mußte.

„Das is ja nu vorbei gelungen, aber ich meine, wir haben doch noch etwas, das wir uns ſchenken können. Ich kann das nicht ausdrücken, bin zu en dazu, aber, Althaus, wenn wir nun Freunde würden?“ |

Hans Althaus drückte ihm die Hand feſt und lange. „Ja, Leo, es iſt etwas Gleiches in uns.“

Sie ſaßen in den Ecken des niedrigen, quietſchenden Sofas, . ihre Gläſer, in denen ein edler Rheinwein perlte, um⸗ pannt, blickten eine Weile ſtumm vor ſich hin und hielten ſich dann die Gläſer entgegen.

„Unſrer Freundſchaft, Leo,“ ſagte sane Althaus.

Leo Träger aber ſah ihm tief in die Augen. „Ach nee, Hans. Zwiſchen uns, das hat ſchon ſeine Richtigkeit, und da geht nichts ſchief. Trinke jeder das erſte Glas auf die Erfüllung eines ſtillen, großen Wunſches.“

Hans von Althaus nickte, trank langſam und andächtig den Glas leer und dachte: Wenn es doch geſchähe, daß ich im dah en Jahre mit Urſula Liebenau als meinem Weibe unter dem Weih⸗ nachtsbaum ſtünde. |

nd Leo Träger ſah ihn an, trank und wünſchte: Gebe Gott, 84

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daß es zwiſchen den zweien Mar und gut wird. Zwiſchen den zwei lieben, prächtigen chen.

Still und in feſtem Willen trat er zurück. a

Nun plauderten ſie. Die Jugend wurde lebendig, die Jahre des Werdens wuchſen als Gegenwart heraus, das Heute mit ſeinem Schaffen und ſeinem Streben reckte ſich vor ihnen auf.

Und da waren ſie bei dem Sommerfeſte auf Langenwieſen.

Ja, Hartmanns waren in Berlin. Man konnte das gar nicht verſtehen, daß ein Menſch jetzt die Großſtadt gegen das weihnacht⸗ lich majeſtätiſche Wunderland der oe eintaufchen te. Die junge Frau war ein Rätſel. So viel Ungeklärtes. Einen Hang zum verſchwenderiſchen Leichtſinn hatte ſie und dabei etwas Kindgutes. Ungeformt war ſie noch, und der Mann mußte nun aus ihr machen, was er in ihr brauchte.

Erich Hartmann war ein lieber, braver, ſchlichter Menſch. Und daß er ſeinem Weibe ſo ſtark nachgab, mein Gott, er war verliebt und konnte ſich das wohl leiſten.

Hans von Althaus meinte, daß ihn die Pracht des Schmuckes Li Hartmanns denn doch we) t habe. Er habe da wohl ſchon allerlei geſehen, aber ... Übrigens ſtanden ihr die Steine ausgezeichnet. Eine andere, zum Beiſpiel Fräulein Liebenau, NZ man fie Gaus gar be ge ie af

„Tia, er Hausherr ehnte ſich zurück. „Ja, das is nu ma fo. Urſchel ..“

„Du meinſt Fräulein Liebenau?“

Ja, natürlich, Urſchel. Ach jo, das befremdet dich. Daran mußt du dich gewöhnen. Wir ſind zuſammen aufgewachſen, Urſchel, Erich und ich. Und ich ſage dir, ſie war ein famoſer Kamerad. Richtig wie ein Innge, aber da war doch immer ſo ein gewiſſes Etwas. War immer fidel, aber, ja, wie ſoll man das 8 en, läßt ſich gar nicht recht ausdrücken. Ich will's mal vornehm nennen. Und fo iſt ſie noch heute. Macht gerne einen Spaß mit, ob es ihr auch nicht gerade liegt, aber es iſt einfach unmöglich, etwas zu ſagen, das ſie nicht hören will. Sie verſteht das. Es iſt ihr aang

Hans von Althaus blickte den Rauchwolken feiner Zigarre

nach.

Er merkte nicht, daß Leo Träger Man oa. In Gedanken redete er weiter von Urſula Liebenau. Nicht ganz ſo klar und ab⸗ geſchloſſen im Urteil, aber wärmer noch, ein wenig zur Über- ſchwenglichkeit neigend. Der Freund beobachtete ihn aufmerkſam von der Seite m Es war richtig, was er vermutete. Der gute Hans Althaus konnte es nicht verbergen. Wenn er wüßte, daß,

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was ich ſage, mir ſelber einmal heilige, herrliche Offenbarung

geweſen tft! Und Urſchel hat nicht gekonnt. |

Lächelnd, den Freund am Arm ol fragte er: „Wollen

wir Urſchel morgen einmal ys beg : Hans Althaus ſah ihn ſprachlos an.

Nun lachte Leo Träger laut heraus. „Geiſtreich ſiehſt du

jetzt eben nicht aus, Hans.“

„Nee, das glaube ich, aber“ |

„Natürlich nicht in Dresden. Sie ift in Langenwieſen.“

„Ach ſo,“ ſagte Althaus langgedehnt, und da ſetzte das Herz wahrhaftig zu einem kleinen Galopp an.

Er machte Bedenken geltend. 12 5 weiß nicht, ob man das ſo ohne weiteres kann.“

„Wir könnten oder eh Urſchel nicht beſuchen? Ja, Hans! Na, du kennſt ſie eben noch nicht. Urſchel nicht beſuchen dürfen!“

Nun wurde Althaus lebendiger. Er hatte natürlich einmal auf Langenwieſen vorſprechen wollen. Die Mamſell hatte ſeiner⸗ zeit, im Herbſte, ſo freundlich für ihn geſorgt und ſich nachher ſtandhaft geweigert, ein Trinkgeld zu nehmen. Da hatte er ein kleines Geſchenk mitgebracht. Eine einfache, hübſche Broſche. Die hatte er abgeben wollen.

„Kannſt du morgen alles tun, ‚ganz. Und damit du Nehft, daß wir Urſchel gar nicht einmal überraſchen können das tft nämlich ausgeſchloſſen; du überraſchſt fie nie werde ich ihr one ae geben. Wir reiten einfach hinüber. Ich denke, o zum Kaffee.

Urſchel Liebenau! Die Freunde ſprachen noch lange, ſprachen viel, Leo Träger erzählte und ging alles um Urſchel Liebenau.

Mitternacht war vorüber, da hob Leo Träger dem Gaſte das letzte Glas entgegen, es klang an das ſeine, ſagte nichts, hielt das Glas empor, ſah Althaus warm in die Augen und trank an⸗ dächtig und langſam.

Als ſie ſich trennten, ſprach der Hausherr: „Mir ſcheint, wir haben uns leidlich über den Abend hingeholfen.“

„Ich danke dir, Leo,“ entgegnete Hans von Althaus ſchlicht und vieldeutig.

Andern Tages ritten die Freunde zu der Stunde. die ſie ſich vorgenommen, nach Langenwieſen.

Urſula Liebenau meinte ein übriges tun zu müſſen, den ver⸗ waiſten Gutsleuten die Herrſchaft zu erſetzen. Sie hatte den Ar⸗ beitern ſagen laſſen, ſie möchten die Kinder ſo gegen vier in das

0 yal arunes ſchicken, daß ſie ihnen eine kleine Weihnachts⸗ reude bereite.

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Als die Glocke die vierte Stunde kündete, marſchierten die Kinder den Korridor im Gutshauſe entlang. Schüchtern, leiſe lachend, weil keins den Anfang machen wollte. Und brannte doch jedes in freudiger Erwartung auf das, was ihnen das Fräulein bieten würde. |

Da tat ſich die Tür auf. Urfula Liebenau rah im ſchlichten Kleide aus dunklem Wollſtoff im Rahmen, umſtrahlt vom Lichte der Kerzen. Der Himmel war von Schneewolken verhängt, Flocken rieſelten nieder. Im Zimmer waren die Vorhänge zu⸗ das Pa und eine echte, rechte Weihnachtsſtimmung wehte durch

as Haus.

Urſchel begrüßte die Kinder. Sie nannte ſie alle mit Namen, führte Ih herein, plauderte und ſcherzte. Dann durften fie an den Tiſch und fanden lauter Dinge, die ihnen Freude machten. pene und Angenehmes, und Karl Weigand probierte dreiſt einmal die . die er gefunden, und Emil Wagner verſuchte, ob ſein Taſchenmeſſer auch ſcharf ſei. Eine Weile blieb Urſula noch unter den Kindern, dann ging ſie auf einen Augenblick 1 ie Kinder ſollten ſich der Geſchenke ohne Zwang

reuen dürfen. Flinke Füße trippelten durcheinander, blonde und braune Köpfe neigten ſich einander zu, die Plappermäulchen gingen, und die Freude machte allen helle Augen.

Lächelnd trat Urſchel wieder ein. „Nun aber wollen wir ä feiern. Wer kann das Weihnachtsevangelium?“

konnten fie nicht, aber die Weihnachts geſchichte, ja, die konnte jedes. Zwei Buben, zwei Mädchen mußten ſich drein teilen. Helle Kinderſtimmen kündeten die heilige Mär.

„Es begab ſich, daß ein Gebot vom Kaiſer Augu ann

„So, und nun einen Kreis um den Baum,“ rief Urſula. Sie ſaß am Klavier und ſpielte, und langſam ſchreitend ſangen die Kinder Lied um Lied.

Die Kinderſtimmen wieſen zweien den Weg, die Urſula zu beſuchen kamen. 8

Hans von Althaus wollte Leo Träger zurückhalten, aber der NaN 5 leiſe, drückte ſachte auf die Klinke und trat ein. Hinter ihm aus. |

Urſchel, die kräftig mitſang, wandte den Kopf, ſah die zwei, lachte, nickte ihnen zu und ſang weiter. |

„Nun noch: Es iſt ein Rof’ entſprungen,“ ſagte fie, als eines der Lieder verklungen war.

Die beiden Männer lehnten neben der Tür. Leo von Träger 31 leiſe an mitzuſingen. Hans Althaus vermochte es nicht.

u ſtark rumorte es unter der Weſte. Dann erhob ſich Urſchel,

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rief den Kindern lachend zu: „So, nun trollt euch,“ empfing von jedem eine aaa und als die Kinder gegangen waren, trat ſie unbefangen auf die Herren zu, reichte ihnen mit feſtem . die Hand und bat ſie nach herzlichem Willkommen, näher zu treten.

„Wir wollten dich überraſchen, Urſchel,“ ſagte Leo Träger.

„Das habt ihr ja auch,“ ſcherzte Urſula.

„Du ließeſt dich aber nicht ſtören,“ bemerkte Träger.

„Das hatteſt du auch gar nicht erwartet, Leo.“

Die Stimmung war von vornherein froh und ungezwungen.

Urſchel ang in Erichs Zimmer und kehrte mit einer Ki Zigarren zurück.

Leo Träger griff mit einem Scherzworte zu. Die Mamſell brachte Kaffee. Hans von Althaus übergab ihr das kleine Ge⸗ an und Jettchen Heilmann dankte errötend. Althaus erklärte

rfula, warum er den Weihnachtsmann geſpielt, und fie nickte ihm zu. Es gefiel ihr, daß er dem Mädchen ſeine Freundlichkeit zu vergelten ſuchte

Sie hatten eine Weile plaudernd zuſammen geſeſſen, da wurde der Paſtor von Abendorf gemeldet.

Er war ein kleiner, alter, freundlicher Herr. Ihm ſchien, er 10 da Pir in den kleinen Kreis eingedrungen, aber Urſula faßte ihn unter den Arm: „Aber Vater Ludewig, Vater Lude⸗ wig, was ſind das für Sachen! Sie kommen auf Langenwieſen immer zu paſſender Zeit.“

Damit zog ſie ihm einen der bequemen Lehnſeſſel heran, drückte den alten Herrn in die Polſter und ſchob ihm ein Polſter⸗ bänkchen unter die Füße. Vater Ludewig wehrte ab. „Urſchel,“ er erſchrak und blickte verlegen zu Hans von Althaus hinüber, „gnädiges Fräulein.“

Urſula lachte herzlich. „Vater Ludewig, keinen unnützen Jie nan Weil Sie ein fremdes Geſicht hier ener, meinen Gie,

ie müßten förmlich werden. Herzlich ift mir lieber. Bleiben wir doch bei dem, das wir gewöhnt ſind Ich bin noch heute die Urſchel Liebenau, die, ach wieviel Jahre waren es eigentlich? lernend bei 0 a gejelten und mit den zweien, dem Leo Träger und dem Erich, allerlei Streiche verübt hat.“

Da war meine Gretel auch dabei,“ ſagte der Paſtor freundlich, gleichſam als müſſe er einen Teil der Kinderſtreiche auch auf ſein eigen Fleiſch und Blut abladen.

Urſula Liebenau fragte nach Grete Ludewig, die einen jungen Geiſtlichen geheiratet hatte und nun ſchon Mutter zweier Buben war.

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Das Geſpräch kam dann auf das Landleben. Sie redeten von den Nachbarn, der Winterruhe, der letzten Ernte und alles in dem freundlichen, milden Tone, in dem gute Menſchen auch über den Alltag ſprechen.

Leo Träger erzählte von dem verunglückten Weihnachtsgeſchenk. Urſula lachte, aber gte ihm entgegen, daß ſie da noch dürftiger dee e ſei. Ihr ? e niemand ein Geſchenk dargebracht. r 5 ah ſie erſchrocken an. „Gar nichts, W ragte er.

ns von Althaus lag in hartem Widerſtreite mit ſich. Er hatte ja allerlei geplant gehabt, aber keinen ſeiner Gedanken ausgeführt, weil er nicht wußte, wie Urſula das aufnehmen würde. Nun tat ſie ihm unendlich leid. Als er ſie ſinnend an⸗ blickte, begegnete er Urſchels ernſten, gütigen Augen. So, als ob ſie ſich entgegenkämen.

Er wußte nicht, was er ſagen ſollte, aber Urſula überhob ihn der Pag i dabei?“ ſagte fie. „Ich hab elber ein We

; ift dabei?“ jagte fie. „Ich habe mir ſelber ein Weih- w 9e dargebracht. Heute nachmittag Ak Kinder. Das war i

Vater Ludewig lehnte ſich zurück, ſah lächelnd auf ſeine einſtige Schülerin und nickte vor ſich hin.

Sie kamen auf Bücher zu ſprechen. Da vermochte Hans von Althaus lebhaft mitzureden.

Leo von Träger war verwundert. Er las außer den Zeitungen herzlich wenig. Es tauchte zwiſchen Urſula und Hans Althaus eine ber Leih un einem . auf. Sie wurden lebhaft, einigten ſich aber leicht auf einem Mittelwege. Und Leo Träger dachte: So werden ſie das immer halten. Hat jedes ſeine Meinung, aber ſie finden ſich.

Vater Ludewig ſaß meiſt ſchweigſam da, aber der kluge Greis fühlte mit feinem Verſtehen, daß der junge Offizier in Urſula Liebenau Edelmetall entdeckt hatte. Das tat ihm wohl. Auf⸗ merkſam ſtudierte er ſein offenes, friſches Geſicht. Er wußte nicht, warum Urſula bisher allein geolieben war, meinte, der Rechte habe ſich noch nicht gefunden und le daß das liebe Menſchenkind nun dem nahe ſei, das er für ſie wünſchte.

Er erhob ſich. Urſchel entſchuldigte ſich bei den Herren und begleitete ihn hinaus.

Da nahm ſie ſeinen Arm wieder, führte ihn in Erichs Zimmer, das, wie das Wohnzimmer, erwärmt war, ſchob ihn in die Sofa⸗ ecke und ſagte: „Nun, Vater Ludewig, ſind wir unter uns. Was iſt Beſonderes?“

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Paſtor Ludewig rieb die Hände aneinander. „Nichts, Urſchel, gar nichts,“ aber Urſula drängte: „Vater Ludewig, wer wird denn auf ſeine alten Tage lügen! Ich kenne Sie doch. Wir ſind allein. Es würde mir leid ſein, wenn ich Ihnen nicht mehr die ; ee 1 Seren bas Herz Much. Er ſueichel

a ging dem alten Herrn das Herz durch. eichelte Urſulas Hand. „Kind, Kind. Wie du nur redeſt. Würde mi doch ſelber um ein Liebes bringen, wenn es anders wäre. bin dir ja dankbar, daß es ſo iſt, ſo dankbar.“

„Aber, Vater Ludewig.“

„Ja doch, Urſchelchen. Du biſt doch nun längſt eine Dame, und ich bin ein alter, kleiner Landpaſtor.“

„Soll ich denn durchaus böſe werden?“

Vater Ludewig lachte. „Kannſt du ja gar nicht, Urſchelchen. Ja, und recht geraten haſt du natürlich, aber, wenn ich mir das ſo überlege, dann meine ich, es iſt Unſinn, dir damit zu kommen.“

„Bitte, Vater Ludewig. Ich habe doch drüben Gäſte.“

„Ach ſo. Der Offizier iſt mir fremd, aber es war mir doch als wäre ich ihm ſchon mal irgendwo begegnet. It natürlich nicht der Fall. Kommt nur daher, daß man in jedem braven Menſchen etwas Verwandtes findet.“ f bert von Althaus ijt ernjter, als man es für gewöhnlich indet.“

„Er hat etwas an ſich, das Vertrauen erweckt.“ |

Da ſagte der alte Paſtor klipp und klar, was Urſula fühlte. Vertrauen erweckte er.

„Und die andere Sache, Vater Ludewig?“ |

„Da iſt der Heinrich Beyer. Das iſt ein begabter Junge. Lehrer Wiedemann ſagt, er hätte ſeit Jahren keinen von der Art gehabt, und 1 muß das beſtätigen. Es iſt etwas aus dem Jungen zu machen, aber er iſt arm. Habe ich gedacht, du gehſt einmal zu Urſchel heran. Die weiß da vielleicht Rat.“

„Hat der Junge eine ausgeſprochene Neigung für einen Beruf?“

„Das iſt's ja eben. Er will Lehrer werden. Wir haben mit den Eltern geſprochen. Die haben das lange bedacht und mir dann geſagt, wieviel ſie im Jahre an den sungen wenden können. Es iſt zuviel, was die Leute tun wollen. Sie können das nicht auf die Dauer, ohne ſelber zu darben, aber ich habe vorerſt nichts dazu geſagt. Natürlich will ich ihnen etwas abnehmen, auch Lehrer Wiedemann ein wenig, Bücher und fo, aber ..“

„Das andre ſoll die Urſula Liebenau dazu geben?“

„Ja, Urſchel, du mußt das nicht falſch verſtehen. Ich habe nur gedacht |

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„Wieviel würde das im Jahre fein?” „Ich dachte fo, wenn du dann und wann Mein, Vater Ludewig. Das muß man gründlich tun. Die Leute müſſen wiſſen, womit ſie zu e che aben.“ ' „Du ge herzhaft vor, Urſchel. rlich geſprochen, habe ich das mit Lehrer Wiedemann auch erörtert, und wir meinten, wenn der Junge ſparſam ijt, und wir und die Eltern da ein biß⸗ chen mit jugesiien, dann wäre mit zweihundert Mark im Jahre viel geholfen“ N

Urſula lächelte. „Gut, Vater Ludewig, das iſt eine Sache der man ins Geſicht ſehen kann. In acht Tagen kehre ich nach Dresden zurück. Von da aus gebe ich Ihnen dann Nachricht.“ 5 Gael? h aſtor reichte ihr die Hand. „Du biſt doch nicht böfe,

rſche

nahm ſie ſeine Rechte in ihre beiden geſunden, friſchen, feſten Hände. Hater Ludewig 10

Der alte Herr räuſperte ſich und ſchluckte. „Na ja, Urſchelchen, ich wußte das ja. Wie geht es denn dem Erich und feinem jungen Weibe?“

„Gut, aber es gefällt mir nicht, daß ſie nicht heim wollen.“

„Ich ſehe dir's an, daß du Sorgen haſt. Urſchel, wenn du einem alten Manne eine Freude machen willſt, dann gib ihm on Anteil zu haben, an dem, was auf dir liegt oder was du auf dich nehmen willſt. Er möchte nicht ganz übrig fein. Du haſt Sorgen, Kind?“ |

„Ja, Vater Ludewig,“ und Urſchels bie war bitterernſt. „Ich bin vier Tage ehe bin durch Ställe und Scheunen gegangen

und habe überall geſehen, daß der Herr fehlt, ach, ſehr fehlt. Und

auch im Hauſe iſt es nicht mehr, wie es war. Jettchen Heilmann hat etwas Fahriges, Unruhiges an ſich, und es iſt mir manchmal, als möchte fie etwas verſtecken.“

„Hm ja, hm ja,“ ſagte Vater Ludewig. „Urſchelchen wenn du nun für ganz herkämſt?“ .

Da wehrte Urſula on ab. Paſtor Ludewig nickte. „Hm ja, hm ja. Nun muß ich aber gehen. Urſchelchen, ich bitte dich, ich finde doch den Weg allein.“

Als Urſula in das Wohnzimmer zurückkehrte, ſprachen die Herren davon, daß ſie nun zurückreiten wollten. Da ſah ar 11 7 ſtrafend an. „So, Leo, und ich ſoll wieder allein ein? |

„Nee, das kann ich nich verantworten,“ ſagte Leo Träger darauf. „Hans, was meinſt du, laſſen wir es darauf ankommen, daß ſie uns hinauswirft?“ |

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Urſula freute fich, daß Leo Träger und Althaus Freunde geworden waren. Prüfend überflog ſie Leos Geſicht. Iſt er denn nun ganz über die Enttäuſchung hinaus? Eine Blutwelle jagte ihr über das Geſicht. Ja, er hat das überwunden, aber er fühlt, daß der andre mich ſucht. Und dem will er den Weg ebnen. Der gute, liebe Menſch, der. | Das Schneetreiben hatte aufgehört. Die Weihnachtsſterne glitzerten, der Wald ſtand geheimnisvoll, dunkel und zauberver⸗ heißend im Schneelande, da ritten die Freunde gegen Hohenborn u. Sie ließen die Pferde langſam gehen. Nur ab und zu ein rzes Wort. Schön war es 1 auf Langenwieſen. Gar nichts Beſonderes, halt ja, alles war beſonders geweſen. So war es 5 geweſen, als ſie we im herrlichen Kinderlande lebten. Ka alles verheißend, alles gewährend, und ein ganz großes Freuen lebte inwendig. o von Träger lud den on noch zu einem Plauder⸗ ee en in der Sofaecke ein, aber Hans dankte. Er wollte allein ein. Und da lag er lange, ſah hinauf zu den Sternen und dachte: „Wenn ich doch eat wie ich ſie gewänne! Wenn ich doch irgend etwas in die Wagſchale zu werfen hätte!“ e Erich Hartmann und Li verlebten den Weihnachtsabend bei iningers. Viel reiche, . Geſchenke, Jubel und Umarmen und Danken. Und Erich Hartmann fror. Was iſt das alles für Lärm,

dachte er. Sie ſchenken ſich ja gar nicht, ſie überſchütten be

Mein Gott, als wenn fie es ſich auf den Hals ſchmiſſen. So macht ja weder das Geben noch das Nehmen Freude.

i ſah ſeine traurigen Augen, nahm ſeinen Arm, führte ihn in das Nebenzimmer, ſetzte ſich ihm auf den Schoß, legte den am um feinen Hals und ſagte: „Du möchteſt jetzt daheim fein,

rich.“

„Ja,“ kam es ihm aus vollem Herzen.

„Ich auch,“ bekannte Li.

Da preßte fie Erich feft an ſich. „Li, herzliebe Li, wollen wir morgen heimfahren? Urſchel iſt da, und der hohe Tannenbaum ben im Wohnzimmer, und die Scheite praſſeln im Ofen, und

raußen ek der Schnee.

Li u eine umklammernden Arme. „Bär, das gebt doch nicht. Sie müßten uns ja geradezu für Kinder halten. Der Abend macht uns sig Morgen ijt bas vorüber. Komm, mein Bär.“ Sie gab ihm einen raſchen, flüchtigen Kuß.

Und der Bär folgte ihr, trottete hinter ihr drein und ballte die Fäuſte. Herrgott, da muß ich doch einmal dreinſchlagen, daß

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es . Die krampfhaft zuſammengepreßten 1 löſen fi iſchlagen? Dann trifft der Schlag auch N ten fi ety ie allein, und fie it a und zerbrech 0.

Er rieb ſich die Augen, bis es ſchmerzte, um das Bild, das lebendig vor ihm aufſteigen wollte, die Heimat i im Weihnachts⸗ zauber, zu zerſtören.

Sie redeten laut und lebhaft. Keines mehr von ſeinen Ge⸗ ſchenken, vom Theater, von einem Baſar, von van milien, die fie kannten, gingen gr Taf el, tranken allerlei edle ine, die Erich

Hartmann bitter joma en, aßen Leckerbiſſen, die ‘ihm fade ſchienen, und der ihnachtsabend war ein einziger, kurzer Be⸗ trug 1

Mühe kehrte Erich Hartmann mit feinem Weibe in das Hotel zurück. Li plauderte, aber der Gatte war ſchweigſam. Das hatte ihm bitter weh getan, daß Li der schen natürlichen Auf⸗ wallung, dem Heimverlangen, nicht nachgegeben.

Ich könnte ja noch einmal mit ihr reden, dachte er, aber es hat keinen Zweck. iſt nun alles erledigt, und der Weih⸗ nachtsabend, der, ja, der iſt vorüber.

Er liegt die ha halbe Nacht N ſchwerem Grübeln und ſchläft dann tief in den fe Feiertag hinein. Als er erwacht, ft et er, daß Li bereits aufgeſtanden iſt. Sie res ſich wohl von Dörthe Neu⸗ meier für das Feiertagsdiner ſchmücken.

Er lehnt den Ellbogen auf, ſtützt den Kopf in die Fur und denkt: Um die Zeit ſind wir ſonſt nach Abendorf zur Kirche ge⸗ fahren. Da kehrt das Grübeln wieder.

ornig erhebt er ſich und kleidet ſich an

tritt a rein, lachend, bietet ihm bie friſchen Lippen zum Kuſſe, ſcherzt über den Sangicläfe, plaudert und fieht nicht den trüben en in feinen Augen

Erich Hartmann ſchleppt ſich durch die Feiertage, die, des alt⸗ ay tert 155 lanzes entkleidet, ihn die furchtbare Leere

ber flächlichke it der Gegenwart grauſam fühlen laſſen. ae vom Stein, der wie eine Klette an ihnen hängt und bald von Heiningers, öfter aber von Erichs Gnaden lebt, zuweilen zus auch mit eigenem Gelde Himpert, fieht ihn mitleidig

rich ich wette, du wünſcheſt uns alle ins Pfefferland und dich nach Langenwieſen.“

Da wird Hartmann grob. „Meinetwegen dürft ihr ruhig in Berlin bleiben, wenn ich nur in Langenwieſen bin.“

Auch Li erfaßt ahnend ihres Gatten verändertes Weſen. Er hat Heimweh.

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Einen Heinen Erſatz gibt fie dem Gatten. Wenn fie heimkeh⸗ ren, ein Plauderſtündchen. Dann lehnt ſie ihm im Arme, zauſt en am Barte, fagt ihm liebe Worte und fühlt, wie ihm dabei das

rz weit wird.

Die Plauderſtündchen aber werden kürzer. Frida Heininger meint, in einer guten oe fei ein gewiſſes Gleichmaß das Vette. Nur keine Uberſchweng ichkeiten. Einmal müßten die Flitter⸗ wochen doch zu Ende gehen.

Erich Hartmann aber hat für das Gleichmaß kein Verſtändnis.

Und in dem quälenden Auf und Ab das Heimverlangen und S N Ich muß heim; denn wir wollen ja nach dem

Li weint, als er ihr erklärt, daß er heim muß.

„Du mußt heim? Du mußt.“

„Ja, Kind. Ich muß ot dem Gute nach dem Rechten ſehen.“ Ob er ihr ſagt, daß er Geld ſchaffen muß? Daß er einen ſchweren Gang vorhat? In Gottes Namen. Vielleicht, daß ſie dann in ihrer 1 83 Art ſagt: Wenn es ſo ſteht, dann brechen wir hier ab. |

Er will vorfichtig fein. „Li,“ ſcherzt er, „unfer Geld iſt alle.“

Da ſieht fie ihn an, gar nicht erſchrocken. Was kamm es Natür⸗ licheres geben, als daß das Geld einmal alle wird, das heißt, das, was man bei ſich trägt. Das andre ach, ſie haben ja ſo beſcheiden gelebt.

„Dann laſſe es dir doch hierher überweiſen,“ ſchlägt ſie vor.

Erich Hartmann lacht auf. Es iſt ein bitteres Lachen. Wozu weiter drüber reden? Wenn er jetzt mit der Wahrheit heraus⸗ rückt, dann wirkt das brutal.

„Nein, Li, W das ſelber regeln und außerdem, wie ge⸗ jagt, auf dem Gute zum Rechten ſehen.“

Darauf antwortet Li nicht. Er macht Ausreden. Auf dem Gute zum Rechten ſehen! Sie ſind voriges Jahr weit länger von Langenwieſen fort geweſen als dieſes Jahr, und er hat nicht ein “4 1963 Mal fo geſprochen. Jetzt muß er heim. iſt

t

el.

ie ſchmollt und bohrt fic) in häßliche Gedanken hinein.

Als ſie am Abend ausgehen, ſcherzt fe auffällig mit dem

leichtſinnigen Dieter vom Stein. Der hat flackernde Augen.

va „Erich, halt feſt, ſonſt flattert dir dein goldenes Vöglein avon

. Erich Hartmann iſt verletzt. So war Li nie. ae oe ſpringt fie jäh um. „Bär, mein Bär, lieber einziger r! : 94 \

Sie drückt ſich an ihn. „Biſt du böſe?“ „N ein. Ich wüßte nicht, weshalb. . Da ſind ihr die Tränen nahe. Es tut ihm nicht weh, wenn ſie

I

mit Dieter lacht und luſtig iſt? Daheim fragt ſie ihn mit lodernden Augen: „Erich, haſt du e lieb?” | ih Hartmann antwortet nicht. Er fieht fie an. In dem

Blicke legt feine ganze wunde Seele. Li fliegt ihm an den Hals. „Du Lieber, ich wußte es ja.“ Am Silveſtermorgen reiſt Erich 8 nach Langenwieſen. Li hat nicht mehr widerſtanden. Sie wird den Abend, wie den Weihnachtsabend, bei Heiningers verleben.

ſind Gäſte. Eine laute, angeregte Unterhaltung. Li Hartmann iſt ungleichmäßig, lacht hellauf und ſinkt wie in Trauer in hie zuſammen.

3 man ſich glückwünſchend die Hände reicht, da fet jie heiße Augen, und ihre Lippen zucken. Frida Heininger ſieht fie an, ein wenig ſpöttiſch und lächelt vielſagend. Da wird Li rot und wendet ſich zur Seite. Als ob Frida epee ihr Herz in der Hand hielte und ſein närriſches, ungleichmäßiges Zucken belächle.

oy ae erwartet Dörthe Neumeier ihre Herrin. Sie ent⸗ kleidet ſie, ſieht, daß die Tränen locker 15 nickt vor ſich hin und brummt. „Gerade ig mußte er dich allein Laffer.”

Da ſteht es vor Li, hochgereckt und klar, was jie quält. Sie der alten Kinderfrau in die Arme und weint.

Dörthe ſtreichelt ihren Scheitel und ſchilt auf den Mann der ſein junges Weib allein ließ in einer Stunde, da man ſich gern an ein Liebes lehnt.

„Es mußte fein,” verteidigt Li den Gatten. Dörthe eumeier lacht. Das Lachen iſt wie Peitſchenhiebe.

„Warum lachſt du?“ fährt Li auf.

„Seine Schweſter iſt doch in Langenwieſen, aber das iſt es nicht, nein, gar nicht. Du weißt das ja.“

„Du biſt abſcheulich, Dörthe. Haſt du denn in deinem Leben nur Lüge geſehen? Niederträchtig it das, und ich ſchicke dich fort, wenn du meinen Mann beſudelſt.

Zornig weint das junge Weib vor ſich hin und ſtößt Dörthe Neumeiers Hand, die ihr die Tränen abwiſchen will, von ſich.

Wilde Pläne zogen in der Nacht durch Li Hartmanns Haupt. Morgen frit wüb fie nach Langenwieſen fahren und Ja, was denn? Ach Gott, ſie iſt ſo elend. Erich war verändert in der letzten Zeit, und es tat ihm nicht einmal 5 ſie ſeine Eifer⸗ ſucht wecken wollte. Sie wird ſich rächen. rgen wird ſie mit

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wirft ſi

lieb. Vergib mir! Vergib auch du mir, gute, ehrliche Urſchel!“ 925 Hege hat geglaubt, das Vög⸗ lein im Netze zu haben. Es entſchlüpft ihm. Li Hartmann be⸗

Er freut ſich, je näher er der Heimat kommt, um ſo mehr darauf,

Urſchel zu überraſchen. So lang 0 der Weg nach dem Gute

nicht, daß er einem, den es mit tauſend Armen dahin zieht, be⸗

ſchwerlich fiele.

8 bah reitet rüſtig aus. Das geringe Handgepäck läßt er am ahnhof.

Drüben über die Felder nach Hohenborn zu geht einer, die

linte in der Hand und Leo Trägers Tyras neben ſich. Iſt das eo? Nein, der iſt kleiner. Wer dann? Sollte Althaus |

Hohenborn ſein? Auf Hohenborn und auf Langenwieſen

Der Jäger iſt im Walde verſchwunden.

Als Hartmann dem Hofe nahe iſt, vernimmt er Urſchels Stimme. Sie ſchilt. Es muß ihr etwas Verdruß bereitet haben. Das Schelten tut ihm wohl. Sie iſt ſcharf auf dem Poſten. Er weiß es. Bei ſeiner Heimkehr von der langen Hochzeitsreiſe per er das Gut in tadellojer Ordnung gefunden, und das war chließlich nicht nur Dörings Verdienſt.

Urſula ſteht auf dem Hofe. Die Winterſonne liegt blendend über dem Schnee. Eine Magd ſchreitet mit vollen Eimern nach den Ställen. Urſchel ſieht ihr nach, und der Zorn blitzt noch in ihren Augen.

Als ſie das Knirſchen des Schnees hört, blickt ſie nach dem

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du in die Ställe? Ich habe das ſchon erledigt un

Wege, legt die Hand über die Augen, zuckt zuſammen und geht dem Ankommenden keinen Schritt entgegen.

Und Erich Hartmanns Heimfreude wallt hoch auf.

„Tag, Urſchel,“ ruft er laut und freut ſich über den ſtarken rack: ſeiner Stimme, die von den Ställen und Scheunen wider⸗

allt.

U. ſula legt ihre Hand in die feine. „St denn etwas, Erich?“ fragt ſie langſam. „Du kommſt nach Langenwieſen, und allein? Erich, iſt denn etwas?“

„Gar nichts, Urſchel,“ entgegnet er lachend, „habe mich bloß heim geſehnt aus dem verdammten Babel, heim und nach dir.“

Das ſoll ein Scherz ſein, das: „nach dir“, und iſt doch mit zitternder Stimme geſprochen, ein Bekenntnis, das eine Ver⸗ Oi zwichen fie wirft und Urſchel eine Blutwelle über das

eſicht jagt.

Sie nit einen Schritt zurück und ſieht an Erich vorüber.

Ec möchte nun etwas ſagen, einen wirklichen Scherz machen, aber das Wort au ihm in der Keble.

„Kalt, Urſchel, heute, was?“ fpricht er und denkt: So was Du die Schweſter über. Nun lacht ſie gut und froh

iſt ihm die Schweſter über. n lacht ſie gut und froh.

ich ſcwüdel nicht. Tag alſo, und wie geht es Li?“

„O, gut. Ja, ſehr gut. Sag, ſchalteſt du nicht eben?“

„Herzhaft. Sie füttern die Schweine ſchlecht, und die Ställe ſehen Fomine aus.“

Erich Hartmann will ſtehenden Fußes hinüber, aber Urſchel hält a am Arm. Ä

„So, wie du eben aus der zweiten Klaſſe gefticgen biſt, willſt

ſehe wohl nach⸗ her ne einmal zum Rechten. ift nichts für dich. Komm, wir wollen Kaffee trinken.“

Wie anders iſt heute die Heimkehr als neulich im Herbſte. Des Hausherrn Zimmer iſt warm. Gerade, als habe man auf ihn gewartet. Da ſtehen auch etliche Hyazinthengläſer auf dem Fenſterſtock. Noch ſitzen die Tüten auf dem treibenden Grün. Erich Hartmann hebt jede einzelne, als ginge er auf Entdeckungen aus. Da iſt ſchon ein blauer Schimmer.

oe überraſcht ihn bei feinem Tun. „Ich habe gedacht, ihr ſollt etwas Blühendes finden, wenn ihr heimkehrt,“ erklärt ſie.

Ec wendet ſich. Urſula ſteht groß und ſchön im Lichte der aes Sonne. Er umfaßt fie mit langem, liebem Blicke.

„Urſchelchen, das haſt du fein gemacht.“ Beide Hände aus⸗ ſtreckend, kommt er auf ſie zu.

XXXIV. 20 27 7

Sie lächelt und zieht einen Stuhl heran. „Komm, ſetze dich, Erich. Du biſt doch der Alte geblieben. Machſt Aufhebens um le P bleibt hr ſteh d ſieht fie ernſt N

a bleibt er vor ihr ſtehen und ſieht ſie e an ein, Urſchel, ich, bin nicht mehr der Alte. Es iſt einiges in Scherben gegangen.“

Das ſagt er, als wären feine Worte Hammerſchläge. Urſche galt erſchrickt. Mein Gott, muß ich denn nun doch ral den © tun 3 zu dem ich mich ſo ſchwer entſchließen kann?

Stehend, als dränge, was zu ſagen iſt, fragt ſie haft: 2 ich muß wieder fragen, iſt denn etwas zwichen ir und Li?!

Erich Hartmann faßt die Stuhllehne mit beiden Händen.

„Nein, gar nichts, wirklich nicht. Wenigſtens nichts von Be⸗ lang. Sie hat ein wenig geweint, als ich davon redete, daß ich ein paar Tage nach Langenwieſen müßte, aber ſie ſah nachher ein, daß es ſein mußte.“

„Warum mußte es ſein?“

„Aber Urſchel, das fa doch Zeit. Herrgott, jetzt will ich's doch erſt mal gemütlich haben. Du glaubſt ja gar nicht, wie ich mich heim gefreut habe.“

er Li,“ en Urſula hartnäckig.

„Iſt ory bei Heiningers. Und von morgen ab freut ſie ſich darauf, daß ich wiederkomme. Nun ſetz' dich aber, Urſchel. Das iſt ja, als wären wir hier bei fremden Leuten.“

Er ſtampft mit dem Fuße auf. „Hier bin ic doch da heim.“

Sie haben ſich niedergelaſſen, Urſula Erich gegenüber.

91 efällt es dir daheim, Urſchel?“ fragt Erich Hartmann.

chweſter blickt ihn erſtaunt an. „Das iſt eine ſonder⸗

ry 5 age, Erich ito. du mein hier gefällt es dir immer? Ja natürlich, notte Nur, ich meine gerade jetzt, dieſe Weihnachten?“ „Der Heilige Abend war einſam. Am er fur Feiertage lud ich die Kinder ein, heiß, allerlei Kleinigkeiten für ſie mitgebracht > nachher, das heißt, ſchon als die Kinder noch da waren, kam Leo er und brachte Herrn von Althaus mit, und dann kam auch no och Vater Ludewig.“ „So, ſo, der Althaus iſt das Haſen ſchießen? Warſt du auch einmal im Revier? „Ja, Hosen. und vorgeſtern. Ich habe einen Fuchs geſchoſſen und zwei 5 pa da, Pies Fuchs? Biſt du dem Althaus nicht begegnet?“ Er ſchien, auf der andern Seite zu ſein. 80 hörte etliche Schuſe fallen.“ .

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| | | | | | |

„Auf der andern Seite? Ja, wie gefagt, es geht Li gut. Habe ich eigentlich ſchon ihre Grüße beſtellt? Nein? Da ſiehſt du, wie vergeßlich ich bin. Alſo, ich tue das hiermit. Es geht ihr gut. Der Dieter vom Stein iſt übrigens u derſelbe. Neulich wollte mich Li mit ihm .. . Ach fo, ja, wir bleiben nun noch einige Zeit aus. Aber Urſchel, dein Kaffee wird ja kalt.“

Urſula trank haſtig ihre Taſſe leer und erhob ſich. „Ich muß nun noch einmal hinab.“

„Das mußt du? Iſt doch meine Sache.“ .

„Du bift reiſemüde. Setze dich in deinen Schreibtiſchſtuhl und brenne dir eine Zigarre an. Nachher komme ich wieder.“

Sie eilte hinaus.

Ohne recht zu wiſſen, was er tat, erhob ſich Erich Hartmann, trat an den Schreibtiſch heran, ſetzte eine Zigarre in Brand und ließ ſich nieder. |

Er blies den Rauch davon, in breiter Wolke, in Ringen, durch den Mund, die Naſe, wie es fam. Es wirbelte um ihn. Er ver⸗ brannte ſich die Finger, griff in die Kiſte, ſteckte eine neue Zigarre

an und paffte ſtärker wie vorher. | Im wogenden Rauche wuchs fein Weib vor ihm auf, das allerliebſte Geſicht von den blonden Locken umrahmt, ſchlug die Augen groß zu ihm auf, und er hörte deutlich ihre klingende, zärtliche Stimme: „Bär, mein Bär.“

„Ja doch,“ ſagte er laut und gequält. Und er hielt Abrechnung mit ihr. Jetzt fand er den Mut dazu. „Da treiben wir uns in Berlin herum unter fremden Leuten, äffen ihnen nach, als ob das weiß Gott was für eine Heldentat wäre, ruinieren uns und

vernachläſſigen unſer ſchönes Gut. Sieh mich doch nicht ſo er⸗ ſtaunt an, Li. Ich weiß, daß ich ebenſo ſchuld bin wie du. Ja och, ich weiß das olen aber jo war das ja gar nicht gemeint von mir. Eine Zeitlang konnten wir das überſehen. Nun aber eht es zu weit. Ihr habt mich breit geſchlagen, habt die blöd⸗ er e Reife nach dem Süden über meinen Kopf hinweg be- Giffen, Und als ich nein fagte, da, da Haft bu... Li, uns Li! tut ja weh, bitter weh, du biſt doch mein Weib! Li! Na, nun habe ich den Leo Träger angepumpt, und in zwei Tagen oie ich nach der Bank, um entweder die erſte Hypothek zu er- Shem oder eine zweite aufzunehmen. Das verſtehſt du nicht? „mein Gott, was verſtehſt du denn dann eigentlich? Deutlicher ann ich dir doch gar nicht kommen! Siehſt du, nun weinſt du. Laß doch dies ungeſtüme, ſtoßweiſe Weinen. So ſchlimm iſt es ja nicht. Ich habe zu ſchwarz gemalt. Du darſſt das nicht alles wörtlich nehmen. Wir ſind natürlich noch lange nicht ruiniert,

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J, keine Spur. Ja, und Urſchel wird nun den Althaus heiraten. Darüber biſt du froh? Ich auch. Siehſt du denn das nicht? Ich lache ja, und fie ſoll ein feines Hochzeitsgeſchenk haben. Den Luxus will ich mir noch leiſten. Morgen gehe ich übrigens erſt mal die Hölzer durch. Will ſehen, ob da etwas Nennens⸗ wertes herauszuſchlagen iſt. Wenn nicht, dann laſſe ich die

inger davon. Soll kein Stamm heraus. Darin bin ich kein

auer. Das kriege ich nicht fertig, den Wald zu verwüſten. Dei ia auch gar keinen Zweck, wenn nicht gehörig etwas heraus⸗ pringt.“

Die Dämmerung war geſunken, die Dunkelheit herein ge⸗ huſcht. Erich Hartmann ſaß und quälte ſich. Li und Uifchel! Und es tat ſo jämmerlich weh, Urſchel herzugeben. Als ob er ſie geradezu eiſt entdeckt hätte.

Urfula trat herein und glaubte im erſten Augenblicke, das Zimmer ſei leer. Dann ſah ſie die glimmende Zigarre.

Sie teilte den Rauch mit den Händen. „Erich, du qualmſt ja wie ein Torpedoſchornſtein.“ ln lachte luſtig, riß ein Fenſter auf, und in ſtarken Wellen flutete der Rauch hinaus.

„Du ſitzeſt im Dunkeln?“ a

„Ja, Urſchel. Dreh das Licht noch nicht an. In Berlin ift das immer ſo blödſinnig en

„Laß dich auslachen, Erich. Wenn man das Licht nicht an⸗ ſteckt, iſt es auch in Berlin dunkel.“

„Nein, Urſchel, wirklich nicht. Dämmerſtunde kann man nur daheim halten.“

Urſula hatte ſich am Tiſche niedergelaſſen. . 5 m o,“ begann fie, „heute abend ſah das unten ſchon erheblich

eſſer aus.“

„Iſt denn der Inſpektor nicht auf dem Poſten?“ fragte Erich

t. „Das wohl, ja, ſicher.“ „Du ae es wäre gut, wenn ein ander Auge über ihm

ſtünde? Ich kann das aber nicht, wirklich nicht. Jetzt müſſen

wir erſt mal nach dem Süden.“ | Da entſchlüpfte Urſchel ein Ausruf des Erſchreckens. Erich Hartmann lachte. „Nicht lange, Urſchel, das heißt, wenn da nicht inzwiſchen wieder was andres kommt. Du mußt das recht verſtehen. Li kann das Summen der Dreſchmaſchine

nicht vertragen.“ ö „Die iſt ja längſt ſtill.“

„Ach ſo. Und Heiningers lagen, ein vernünftiger Menſch ginge nur im Winter nach dem Süden.“

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„Ach, Geiger, die haben kein Gut. 1

„Aber eine Million, Urſchel.“

„Das eben iſt der Fehler.“ ic „Ein ganz netter Fehler. Mit dem möchte ich auch behaftet ein.“ Du brauchſt das Geld ja gar nicht. Was wollteſt du damit?“ Darauf antwortete Erich nicht. Urſula hatte ſich i aut den Tiſch gelehnt. Der Hilfe- ſchrei, den ſie geahnt, quoll auf. Eri rich ſagte ſie hart. „Ja a?“ er wandte überrajcht den Kopf nach ihr.

„Sabre morgen wieder nach Berlin.“

„Nee, Urſchelchen, ich bin doch nicht zum Vergnügen hier.“ „Richt zum Vergnügen?“

„Nein, den Glauben muß ich dir zerſtören. Ich hab' mich natürlich he erzhaft auf ae gefreut, auf dich und auf das Gut, aber zum 1 1 in ich nicht hier.

„Ja, . denn dann?“ Peete ur ne angſtvoll.

„Das ka un ich dir morgen fagen. er, weshalb ſollte ich wieder nach Berlin?”

nou bift doch ein Mann.“

D ja, im allgemeinen.”

„Erich, Erich,“ ie 01 5 das Ka „du verſuchſt zu ſcherzen, ob 5 dir ſchon gar nicht dana

„Ja, weshalb denn nicht?

„Ach Gott, mir iſt, als am ich weinen.“

„Aber Urſchel, dazu iſt wirklich kein Grund. Nun aber: Was ſoll ich in Berlin? Wenn du etwas recht Geſcheites weißt, dann Uf e ich vielleicht.“

a ſprang auf. „Was du tun ſollſt? Du Kt vor Hei⸗ sien und den windigen Dieter vom Stein hintreten und er Leben, das ihr führt, ift nichts für mich.“

md dann ſollſt du Li in den Arm nehmen: Heute fahren sie Da lacht Erich e bitter auf. „Urſchelchen, Urſchel⸗ I a ene zornig. „Erich, dein Lachen iſt ja ein hilf⸗ Erich Hartmann lehnte ſich zurück. Urſchel, wenn du wüßteſt, was Li gelernt hat! Seine Wangen wurden glühend heiß vor u Schweſter ftand neben ihm und ſchüttelte ihn. „Erich,

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ich hätte mich ja vollkommen in dir getäufcht, wenn du das nicht vermöchteſt.“ |

„Sage es doch grade heraus,“ rief Erich gequält, „du bit daran, mich zu verachten.

Das drang Urſula bis ins Herz.

Jetzt waren auch ihr, der Starken, die Selbſtbeherrſchung bis zum äußerſten zu üben wußte, die Tränen nahe. Sie zitterten in ihrer Stimme.

„Erich, nein, nein, nicht verachten! Nein, nein.“

„Vielleicht lernſt du es noch. Wir ſind ja noch jung.“

Da konnte ſie ſich nicht helfen. Sie nahm ſeinen ag it beide Hände und wie aus eines Vulkans brodelnder Tiefe brach es aus ihr heraus. „Lieber, lieber Erich. Du darfſt mir nicht zugrunde gehen dabei.“

Und Erich Hartmann hielt ganz ſtill. So unendlich wohl taten ihm die kraftvollen, preſſenden Frauenhände. Ein ſtarker Strom guten, kraftvollen Lebenswillens ging von ihnen aus. Ein Wille, der nach der Arbeit salle

Einen Augenblick ruhte in Gel Funde den. eines am andern. Dann ließ Urſula erſchrocken die Hände ſinken. Ganz lahm war ſie, wie zerbrochen.

Erich Hartmann ergriff ihre Hände. Willenlos ließ ſie ſie ihm. Er zog ſich an ihnen in die Höhe und ſtand dicht an Urſchel, ſo daß ſche tem ſie überwehte.

Ur oo du Haft den Mann in mir angerufen. Das habe ich auch ſchon getan und werde es wieder tun, wenn die a dazu gekommen ijt. Heute bin ich an ein gegebens Verſprechen gebunden. Ich werde keines der Art wieder geben, auch keines wieder unter den Umſtänden.“ Nun preßte er Urſulas Hände mit ſchmerzendem a Al Seine Stimme war rauh, und feine Worte kamen haſtig un vielſagend heraus: „Urſchel, Gott gebe dir ein reiches, volles Glück!“

Er ließ ihre Hände ſinken. Urſula wußte, worauf das hinauslief.

Hart lagen ihre Lippen aufeinander. Ein reiches, volles Glück! Es nie mehr werden, als ein ſtilles Genügen, und 6 Hans Althaus 5 nicht zu ſchade?

ie ſtand hochgereckt. Ihre Augen gingen weit und ſtarr ins Dunkel.

Erich Hartmann lief etliche Male mit ſchweren Schritten im Zimmer hin und wieder. Dann trat er entſchloſſen an den Licht⸗ ſchalter, drehte und 2 die Birnen aufflammen.

„Er wandte fi) an Urſula. Seine Stimme hatte jetzt einen frohen, herzfriſchen Klang. |

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„Urſchel, nun wollen wir uns den Abend nicht verderben. 3 habe mich darauf gefreut wie das Kind auf den heiligen Chriſt.

das Abendbrot bringen und einen herzhaften Teepunſch aufleben fo, wie wir das vom Vater her gewöhnt ſind.“

Der Abend verlief ſtill und ſchön. Urſchel fühlte, daß Erich morgen oder übermorgen allerlei Ernſthaftes werde zu ſagen haben, freute ſich, daß er ihr noch immer mit rückhaltloſem Ver⸗ an begegnete und fürchtete doch, daß Schweres kommen werde.

Was Urſula am Weihnachtsabende allein in ſich bewegt, das ſprachen ſie jetzt untereinander aus. Als der Vater noch lebte und die Mutter und die alten Trägers! Was war da der letzte Abend des Jahres ſchön geweſen. Ernſt und Scherz, wie es wackere, kerntüchtige Menſchen an ſolchem Abend, der der Selbſt⸗ beſinnung geweiht ſein muß, lieben. Und zwiſchen den Erinnerun⸗ gen gute Worte von Li. Nun tat es Erich doch leid, daß er ſie an dem Abend allein gelaſſen. Sie war zwar nicht allein, aber es waren doch fremde Menſchen, unter denen ſie weilen mußte.

So ſtreiften ſie dicht an das heran, was Erich Hartmann dem Morgen oder Übermorgen aufbewahren wollte. Streiften dicht heran und berührten es doch nicht.

Als die Uhr Mitternacht verkündete, erhoben ſie ihre Gläſer. „Gott zum Geleite im neuen Jahre.“ Das war der alte Wahl- {peu und Neujahrsgruß auf Langenwieſen. Sie reichten fic Er ände, verſuchten zu lächeln, und es zuckte ihnen um die Lippen.

Andern Tages kamen Leo Träger und Hans Althaus.

Leo war verwundert, aber dann kam die Freude um ſo ſtärker zum Durchbruch.

„Hätteſt du deine Frau mitgebracht, dann wäre das ganze Neſt beieinander,“ rief er in ſeiner lauten, fröhlichen Art.

Gerade, als Y zuſammen ſaßen, klingelte Li von Berlin aus an. Lachend rief Erich Hartmann ſeinen Neujahrsgruß, quittierte dankend Lis Wünſche, fragte, wie fie allein durchkäme und tröftete als Li mit vibrierender Stimme klagte, daß es ihr eigentli jammervoll zumute ſei.

Dann traten ſie nacheinander heran, zuerſt Urſchel, darauf mitte und zuletzt Althaus. Da wurde Lis Stimme immer

tiger.

Jetzt ſchlemmt ihr auf Langenwieſen,“ ſagte fie, als Erich noch einmal den Hörer in die Hand nahm. „An die inſame in Berlin denkt ihr nicht. Was habt ihr's gut, und ich muß hier im Elend ſitzen.“ Alles unter Lachen. Und dann: „Bär, nun eile

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aber, daß du wieder her kommſt. Luſtig kann man in Berlin auch ſein. Heiningers rüſten ſchon für die Reiſe.“

a, dann rüſte auch, Li,“ rief der Gatte. „In zwei bis drei Tagen bin ich wieder bei dir.“

Er kam mit Leo Träger in ein Geſpräch über die Dreſch⸗ maſchine. Träger wollte im kommenden Jahre die Sache für elektriſchen Betrieb einrichten und riet dem Freunde auch dazu. Erich Hartmann ſchüttelte den ich Vielleicht ſpäter, jetzt noch nicht. Der Hohenborner legte ſich wacker ins Zeug, und die Unterhaltung wurde lang und lebhaft.

In der Zeit ſaß Hans von Althaus neben Urſula.

Von dem Geſtern ausgehend, kamen ſie auf Neujahrsbräuche und Neujahrsaberglauben.

Pr efiel die landläufige Art des Glückwünſchens nicht. Je perſönlicher, beſtimmter ein Glückwunſch ſei, deſto mehr ent⸗ ſpreche er ſeiner Bedeutung.

„Dazu gehört, daß man ſich genau kennt,“ bemerkte Urſula.

„Ja,“ erwiderte der Offizier. „Kennen wir uns auch nicht bis in das Letzte,“ fuhr er fort, „ſo ſind wir uns doch nicht mehr fremd. Was würden Sie mir wohl wünſchen? Mir?“

Urſchel ſah ihn mit klaren, 1 Augen an. „Herr von Althaus, ich kenne Sie aus Ihren Briefen ſo weit, daß ich weiß, ich ſage recht, wenn ich wünſche, das neue Jahr möge Ihnen ein rüſtiges Vorwärtsſchreiten auf den alten Wegen ermöglichen, Sie einen Schritt aufwärts führen dem Ziele zu, das ſie zu er⸗ reichen hoffen und Ihnen viel inwendiges Glück geben.“

Ein tiefes Bewegen ging über ſein Geſicht. Das war ein ehrlicher Wunſch aus klugem, fühlendem Herzen, ein gutes Wort für Arbeitstage und ein milder Schein für Feierſtunden.

Er neigte ſich vor. „Ich danke Ihnen,“ ſagte er leiſe. „Und das letzte war das ſchönſte. Inwendiges Glück. Gott gebe es auch Ihnen und durch Sie andern. Das iſt mein Wunſch. Hören Sie nur, wie ſich a beiden Landwirte ins Zeug legen. den müßten wir ebenſo laut anfangen, uns über Pferde zu treiten.“

Ucſula lächelte. „Ich rede lieber von anderm, obwohl ich |

Pferde recht gern habe. |

„Wann kehren Sie zurück nach Dresden?“ fragte Althaus.

„Vorausſichtlich übermorgen,“ antwortete Urſula. „Mir ſcheint aber, es iſt noch nicht ganz gewiß. Ich habe allerlei mit meinem Bruder zu beſprechen. Die Wirtſchaft hier fängt an locker zu werden, und das iſt ſchade für das Gut.“

„Und ich darf Ihnen auch im neuen Jahre ſchreiben?“

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an nee &; oe’ . ee

„Gern, Herr von Althaus, gern. Und Sie follen immer Ant⸗ wort haben.“

„Ich danke Ihnen. Auf die Briefe freue ich mich. Sie ſchreiben gute Briefe.“

„Das kann ich zurückgeben.“

„Nun aber wollen wir die zwei dort auseinander bringen. Ich meine, fie kommen doch nicht zum Ziele.“

Frau Li hatte recht gehabt mit ihrer Vermutung. Sie ſchlemmten auf Langenwieſen. Richtig übermütig wurde Erich Hartmann. Urfula ließ ihn froh gewähren, ſaß, freundlich hierhin und dorthin ſprechend, unter den Männern, koſtete den Rotwein, den Weißwein, ſogar den Sekt. Das Abendbrot war, wie man es an Feſttagen von Vaters Zeiten her 0 war. Auch an wet Tage Hausmannskoſt, aber trefflich und an El ich

eee derben, ſaftigen Fleiſchſcheiben mit der

nießers.

Als die Herren ſich verabſchiedet hatten, und Urſchel und Erich in das Zimmer zurückgekehrt waren, ließ ſich der Hausherr noch einmal bequem in das Sofa zurückfallen.

„Urſchelchen, es iſt zwar ſchon ein bißchen ſpät, aber wenn du mir eine Liebe tun willſt, dann bleibſt du noch ein halbes Stünd⸗ chen ſitzen. Es iſt zu ſchön daheim.“ Er lehnte ſich behaglich in die Ecke, blies Ringe in die Luft und plauderte.

Der Wein, das liebe Daheim und vor allem Urſchels Art machten ihn ſo herzfroh, daß er darüber alles vergaß, den ernſten

g, den er für morgen nach dem Walde vorhatte, auf dem er über Leben und Tod von Hunderten rauſchender Fichten und Tan⸗ nen entſcheiden wollte, den andern, auf dem er ſeinem lieben 1 eine Laſt aufbürden wollte und ſogar ſein junges

Lächelnd ſchlief er ein.

Urſchel war lange, lange vor ihm auf dem Poſten. Sie war die Wirtſchaft durchgegangen, alle Ställe, die Küche, die Milch⸗ kammer. Über allem hatten 8 Augen gelegen. Jettchen Heil⸗ mann war wortkarg, und der Inſpektor ging ihr aus dem Wege. Die Leute aber grüßten ſie mit hellem Zuruf.

Sie ſaß bereits am zweiten Frühſtück, als Erich erſchien. Er ſchämte ſich vor ihr und entſchuldigte ſich. Solch einen Faulenzer

abe Berlin aus ihm gemacht, ſagte er. Nach dem Frühſtück orderte er Urſchel auf, mit ihm in den Wald zu gehen. Sie meinte, er wolle verſuchen, einen Haſen zu ae 3 und hin die Flinte über. Da nahm auch Erich die Büchſe. Eigentli hatte er es nicht vorgehabt.

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iene eines

Sie gingen zuerſt nach dem Silberwalde. Erich Hartmann achtete nicht auf Haſenfährten. Ja, einmal ließ er einen Lampe, der ihm vor die Füße lief, ungeſchoren vorüberhoppeln. Na den Stämmen ſchaute er, taxierte ihren Kubikinhalt, äugte na den Kronen und ſchüttelte dann und wann den Kopf.

Urſula beobachtete ihn verwundert. Was will er? Es ſieht aus, als ob er rechne.

So wieder im Forſt nach der Hohenborner Seite.

Da fragte fie ihn: „Erich, warum ſiehſt du nach den Bäumen?“

„Das will ich dir ſagen, Ucſchel,“ antwortete Erich Hartmann. „Ich c vor, den Wald lichten zu laſſen.“

Urſchel erſchrak. „Du willſt Bäume herausſchlagen laſſen?“ rief ſie betroffen. |

„Vielleicht.“

Nun bat ſie für den Wald. Wenn ihr ein Stamm bedroht ſchien, ereiferte ſie ſich. Sie waren lange gegangen. Da ſagte Hartmann: „Es hat keinen Zweck, Urſchel. Das lohnt nicht.“

Jetzt wußte ſie, was das ſollte. Es lohnt nicht. Du armer Wald, du ſollteſt dein Leben frühzeitig enden, weil dein Herr Geld braucht.

„Erich,“ fragte fie erſchrocken, „brauchſt du Geld?“

Er wandte ich wieder nach den offenen Feldern. „Komm Urſchel. Ich ſagte dir doch, daß ich nicht zum Vergnügen hier bin. Wir reden heute we darüber.”

Urſula ſchritt tapfer neben ihm, aber ſie war traurig. Des⸗ halb biſt du hergekommen? Und nachdenkend: Es iſt ja klar, daß es ſo kommen mußte. Das Leben, das er jetzt mit Li führt, das koſtet unheimlich viel. | 5 N fragte fie: „Hat eigentlich Li viel in Berlin ge-

raucht?

„Es ging an,“ antwortete er. „Einiges freilich. Hübſche Sachen übrigens.

aheim zog Erich Hartmann die bequeme Hausjoppe an und ſah, inwendig fertig, freundlich zu, wie Urſula hantierte. Ec merkte es wohl, daß ihr Blick oft fragend nach ihm herüber⸗ treifte, aber auch während des Mittageſſens ging er nicht mit em 1 worauf Urſchel ängſtlich geſpannt wartete.

Als das Mädchen den Lich abdeckte, trug er ihr auf, den Inſpektor rufen zu laſſen.

„Urſchel,“ wandte er ſich dann an die Schweſter, you könnteſt mit auf mein Zimmer kommen. Es wäre mir lieb. Urfula nickte. Zu ſprechen vermochte fie nicht. Es würgte ſie in der Kehle.

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a Me? > Lia ——— a seo ee . | eee —. oe

„Erich erkundigte ſich bei dem Inſpektor eingehend nach den

Lieferungen an Risner, as die Poſten in den Büchern gue ſammen, fragte nach den Viehpreiſen und Verkäufen. Alles mit

ruhiger, freundlicher Stimme, aber beſtimmt und ſachlich. Der Hg wunderte ſich. Kaum jemals war fein Herr fo in die Aefe gegangen. Er warf fragende Blicke auf Urſula. War

die pcre an dem Neuen? Hatte fie den Gutsherrn mißtrauiſch ema

Urſchel ſaß aufmerkſam zur Seite. Erichs ernſte Ruhe lag ſchwer auf ihr. Als ob er dabei ſei, das Fazit zu ziehen, um nach⸗ 15 um ſo ſicherer einen ſchon beſchloſſenen Weg zu gehen. Jetzt prach er von Anſchaffungen. Künſtliche Düngemittel ſollten are werden. Für einen hohen Betrag. Saatgut wollte er beziehen. Der Roggen Ft flach geweſen, auch der Weizen, und die Rüben hätten ſich auf dem Gute überlebt.

Inſpektor Döring ſtrich über die Stirn. Schweißtropfen perlten darauf. Es wurde ihm unheimlich vor Erich Hartmanns kalter, weitausgreifender Entſchloſſenheit, die ſo ganz das Gegen⸗ teil des bisherigen Schlenderganges war.

Urſula wußte nicht, was ſie aus dem Bruder machen ſollte. Er kam her, lad den Wald nach, ob er aus ihm ein Kapital ſchlagen hach und ſteckte dabei Summen in das Gut, die außergewöhnlich

och waren.

Erich Hartmann reichte dem Inſpektor die Hand. „Ich danke Ihnen, Herr Inſpektor. Wie ich es haben will, wiſſen Sie nun.“ Er nannte Geſchäfte. „Das wird daher, das dorther bezogen. Die Beſtellungen müſſen morgen oder in den nächſten Tagen ab⸗ gehen; denn die Preiſe ziehen an. Ich bleibe noch kurze Zeit aus. Das macht ja nichts, zumal jetzt im Winter. Was zu tun iſt, kann er mich geſchehen. Gute Verrichtung, Herr Inſpektor. ten Tag.“ |

Döring zog ſich zurück und nahm die Bücher wieder mit.

Urſula ſaß dem Bruder ne und ſah ihm jetzt mit un⸗ verhohlener Frage in das Geſicht.

Da ‚ie er die Rechte breit auf den Tiſch und begann: „Ich 175 dir ſchon, daß ich nicht zum Vergnügen da bin. Das, was

u eben höcteſt, war ein Teil der Arbeit. Ich hoffe, nun für das Gut geſorgt zu haben, ſo weit es nötig iſt, und ich es kann. Sparen durfte ich nicht; denn wenn ich da anfangen würde zu ſparen, fo wäre das am falſchen Gee und würde ſich rächen. Das Gut

arf nicht leiden, ſoll im Gegenteil höher gebracht werden. Was ſonſt noch zu . iſt, hoffe ich morgen ausführen zu können. Wann reiſeſt du ab, Urſchel?!“ |

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„Morgen, Erich.“ ja

„Wir könnten zuſammen fahren, aber ich käme dann einen ganzen Tag ſpäter nach Berlin. Das möchte ich Li doch nicht antun. Sie wird nun wohl die Koffer gepackt haben. weiß nicht, auf welchen Tag die Abreiſe feſtgeſetzt ir So muß ich heute nachmittag nach der Stadt. Da kann ich die ae; An⸗ gelegenheit noch einleiten und morgen zum Abſchluß bringen. Nun erſchrick nicht, Urſchelchen und ſieh die Sache ſo an, wie ich. Ni und mit klarem Kopfe. Ich habe große Ausgaben gehabt. Will | ga nicht leugnen, daß ich lange mit blinden Augen umhergelaufen

in. Habe ja manchmal die Decke ein wenig gelüftet, aber nie wirklich wußte zugeſchaut. Ehrlich geſagt, ich habe mich ſelber belogen, wußte, daß ich's tat, aber es iſt auch mal g ſchön, 1 zu ſein. Nun ſtehen wir am nen ſo tag Ich mag ihn nicht vorzeitig herbeiführen. Es macht einen ſo ſchlechten Eindruck. Darum noch die Reiſe. Aber ich werde morgen in der Bank den Antrag ſtellen, entweder die Hypothek, die auf de laſtet, zu erhöhen oder mir eine zweite zu gewähren. a „Erich!“ rief Urſchel erſchrocken. Der Bruder A ihr die Hand. „Ruhe, Urſchelchen, Ruhe. Es iſt wirklich noch nicht fo ſchlimm, als du meinſt. Was iſt denn weiter dabei? Ich ſagte dir ja, ich ſche am Abſchluſſe. Daß es der Abſchluß wird, deſſen kannſt du ſicher ſein. Wir be⸗ zahlen ein leichtſertiges Jahr mit ein paar ſparſamen, und der Schaden iſt geheilt. Bleibt uns für immer die angenehme Er⸗ innerung. Die iſt auch etwas wert. Nun aber muß einmal ganze Arbeit gemacht werden.“ Er ſah träumeriſch vor ſich hin. Dann quoll es in Haſt aus ihm heraus. „Wir haben allerlei aus⸗ gegeben. Das ging eine Zeitlang, ohne daß es ſich unangenehm bemerkbar gemacht hätte. Das Bankguthaben war da und das Gut. Ich habe nicht verſtanden, rechtzeitig aufzuhören. Jetzt. kommen die Rechnungen wie Schneeflocken, und mancher fängt

an, im Tone ee zu werden. Das ift ekelhaft, und das e ſchaffen. Erne Arden von Poſtauf⸗

will ich mir vom Hal trägen, andre, na, wozu das alles? unſt es dir denken. Ekelhaft ift das, und ſich das bieten zu laſſen, Urſchel, das hat Erich Hartmann nicht nötig. Ich gehe den Weg, den ich dir ſagte. Sollte unſre Bank Schwierigkeiten ich 0 nun, I gibt es genug. Geldinſtitute, die das durchaus reinliche Geſchäft nicht von der. Hand weiſen werden.“

Urſula hatte ftill so obey Nur ganz lan en und ſchwer waren ihr zwei Tränen über die Wangen gerollt.

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„Erich,“ bat fie mit leiſer Stimme, „nimm das Geld von mir. Bitte, bitte, nimm es.“ |

Glühend rot wurde Hartmann bei den herzlichen Worten. Er ſchwieg lange und trommelte mit den Fingern auf den Tiſch.

„Ulſchel,“ ſprach er dann langſam, „ich hätte es dir doch nicht ſagen follen. Es iſt genau gekommen, wie ich es mir dachte. Du 2 das anders, als du müßteſt, meinſt, ich ſei am Bettel⸗

abe. Ich ſage dir, ſelbſt wenn ich dahin käme, das laß mir,

ich es allein trage. Verlange nie wieder, was du eben forder⸗ teſt, nein, rahe nein, nein. Laßt mir wenigſtens meinen Stolz, meinen Stolz!“

Das rief er laut und erregt. Urſula hatte ſich vorgeneigt und hing mit erſchrockenen Augen an ihm.

Da lenkte er ein. Er lachte, ein wenig gezwungen noch, aber ohne Bitterkeit. „Ich weiß, daß man das Gut nicht allzu hoch belaſten darf, aber was ich ihm aufbürden muß, das trägt es noch. Es iſt dann reine Bahn. Für immer. Der Ausflug nach dem a ift der Abſchluß. Fertig. Nun laß uns von anderm reden.

Er ſprach von der Wirtſchaft. Die Erträge waren entſchieden zurückgegangen. Ganz bedeutend ſogar gegen das, was der Vater 8 bat anch tire

Dazu Gar auch Urſula allerlei zu ſagen und vorzuſchlagen. Es ging ſcharf her in Rede und Gegenrede, in Planen und Ver⸗ werfen. Unvermittelt, als an Urſula die Rede geweſen wäre, brach das Geſpräch ab.

rſula Liebenau ſchlang die Hände ineinander, atmete rc lehnte ſich ſinnend zurück, neigte ſich wieder vor und rief: „Eri ich bleibe hier.“

Der Bruder glaubte, das Opfer nicht annehmen zu dürfen, aber Urſchel, die ſich erhoben hatte, war nun ganz Entſchloſſenheit und Tatkraft.

„Ich bleibe, bis ihr wiederkommt. In Dresden behelfen ſie ſich ohne mich. Hier das liegt mir näher.“

Nun wehrte ſich Erich Hartmann nicht länger. Er wußte: Langenwieſen konnte in keinen beſſeren Händen ſein als in denen

Urſchels. Er drückte Urſula feſt die Hand. „Urſchel,“ ſagte er drauf, „Urſchel, Worte kann ich nicht machen, er du bift ja ein ganzer Kerl.“ Urſula lachte dazu, herzhaft und fröhlich.

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7

nſpektor Döring war wütend. Jettchen Heilmann ſaß bei ihm im 1 und klagte, daß das Fräulein ſie kaum aus den Augen laſſe.

Und ſo ging's dem Inſpektor. Kein Viehverkauf, ohne daß das Fräulein dabei war. Keine Beſtellung, von der ſie nicht Kenntnis haben wollte. Die Lieferanten hatten ihm noch jedes⸗ mal ein paar Prozente gutgeſchrieben. Als ob das ein Unrecht wäre. Nun blieben die aus und auch die kleinen Zuſchüſſe aus dem Milchverkauf und aus dem Geflügelhofe.

1 Heilmann hatte gelernt. Erſt widerſtrebend und in Angſt, dann aber hatte ſie haſtig zugreifen gelernt. Wie ſollte man ſonſt an das Ziel gelangen |

Der Inſpektor hatte heute kein Auge für feine Braut. Er trommelte auf den Tiſch. Eines war gut. Die Ernte war an Risner abgeliefert. Was hätte werden ſollen, wenn ihm das Fräulein auch da dazwiſchen gefahren wäre. Und ſie hätte es ſicher getan, ganz ſicher, wäre ſie dageweſen.

Im Gedanken an das vollzogene Geſchäft mit Risner lächelte der Fafener, Dann langte er ſeitwärts, zog das Mädchen mit der Rechten an ſich heran, ase ihr mit der Linken die Wangen und redete munter und ſcherzhaft. Ä

Jettchen Heilmann lehnte jich an ihn und brachte bittend vor, was ſie ſchon wiederholt erbeten. Döring ſollte ſich vor allen Leuten zu ihr bekennen. Es läge doch gar kein Grund vor, ay zu tun. Aber die Bittende erhielt auch heute wieder die

ntwort, die fie früher erhalten. Mamſell und Inſpektor, auf dem gleichen Gute, verlobt, das gäbe Anlaß zu allerlei Ver⸗ mutungen, und die char. der Leute ſeien flink und ihre Ge⸗ danken merkwürdig ſcharf.—

Urſula Liebenau hatte die Gewohnheit, die Bücher öfters einzufordern. Sie ſtudierte ſie förmlich. Gegen das aber, was da ſtand, war nichts einzuwenden. Kolonne a Kolonne ſtimmte. Kein Rechenfehler. Ob ſonſt Fonte vorlagen, das ließ ſich nicht feſtſtellen. Es war wenig Vieh verkauft worden, und auch jetzt wehrte ſich Döring oft hartnäckig gegen Verkäufe. Merkwürdig nur, daß dabei der Viehbeſtand nicht ſtärker und beſſer war.

Eines intereſſierte ſie. Dem wollte 5 genau nachgehen.

Das Ergebnis der Ernteverkäufe an Risner lag genau vor.

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Nun ließ fie den Beſtand auf den Getreideböden nachmeſſen und hatte ſo ungefähr den geſamten Ernteertrag Langenwieſens.

Jetzt ſuchte ſie Leo von Träger auf. Lis Reitpferd mußte rows öfters bewegt werden.

Leo von a kam, als Urſula auf dem Hof eintraf, eben von der andern Seite geritten. Sie begrüßten ſich. Der Guts⸗ herr kam von den 1 wech ſah ihn fragend an, da errötete er wie ein Schulmäd

„Alen ſagte er, „du denkſt ganz richtig, Urſchel.“

ch dente Leo, e ſchetze die Balad „du weißt ja gar nicht, was 1

Da i = Sie an, zwinkerte mit den Augen und lachte kurz. „Urſchel, das zu wiſſen iſt nicht ſchwer. Bei Schneemelchers ſind drei heiratsfähige Töchter, und ich komme daher. Na, Urſchel,

und ſo weiter. Die Lotte iſt es. Ich will es dir gleich ſagen

Urſula reichte ihm die Hand und drückte fie en "es Gute, Leo. Lotte Schneemelcher iſt ein liebes Mad

„Ja, ich denke, es wird ſich machen. Wir ſind bebeg Haus⸗ hühner. Iſt was Beſonderes, Urſchel?“

a, Leo.

„Doch nicht von Erich aus?“

„Nein. Es ſcheint ihnen zu gefallen. Erich ſchreibt ausführ⸗ licher und Li kurz, aber man lieſt zwiſchen den Zeilen, daß ſie recht vergnügt iſt.“

a fie bald zurück?“

„Das weiß ich nicht. Erich ſagte mir übrigens, daß ſie dann daheim zu bleiben gedenken.“

55 Das wid dem Gute dienlich fein.” O, meinft du, ich könnte es nicht bewirtſchaften?“

„Nein, Urſchel, das meine ich nicht. Du kannſt das wohl, aber wirft du denn hier bleiben?“

„Das kann ich heute noch nicht jagen.”

„So. Tritt ein, Urſchel. Und nun ſchieß los.“

„Leo, es 19 viel, was ich verlange. Kann ich einmal deine ah 1 Ich bin natürlich nicht neugierig. Es iſt viel⸗

“hes Träger hatte ſchon von feinem Schreibtiſche die Bücher 25 Hand genommen, ſie vor Ursula auf den Tiſch gelegt und Pits nt dal „Bitte, Urſchel.“

bat, daß ihr der Gutsherr aus den Büchern kurz an⸗ abe, was er aus der Ernte genommen, wieviel er noch liegen fae wie die Viehverkäufe feier. Bereitwillig gab er Auskunft.

a holte Urſula aus ihrer Taſche ein Papier.

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„Sieh her,“ fagte fie, „das ift der vorjährige Ernteertrag von Langenwieſen.“ |

Leo Träger ging die Zahlen aufmerkſam durch, verglich fie mit den ſeinen, 1 ernſthaft an und ſagte hart: „Urſchel, das iſt Betrug. Gemeiner Betrug. Dachte ich es doch. Wer ſich mit Risner einläßt, muß anders auf dem Poſten ſein, als es Eich war. Ich habe ihn gewarnt. Was nutzt ihn nun der Mehrbetrag auf den Zentner? Gottsdonner, verzeih, Uiſchel, aber Langenwieſen iſt größer als meine Klitſche und hat ſo viel weniger C.trag und Einnahme? Gottsdonner! Iſt der Citrag wirklich ſo gering, dann hat der Inſpektor ſchlecht gewirtſchaftet und verdiente, gehängt zu werden. Iſt es aber ſo, wie ich anneh⸗ men muß, und haben ſie Eich darum betrogen, dann verdiente er, daß man ihn verkehrt aufhängt. Was willſt du nun tun?“

„Gar nichts, Leo. Es iſt ja nichts nachzuweiſen.“

Leo Träger lief erregt auf und ab. Der ehrliche Zorn über⸗ mannte ihn. „Da ph er nun in der Welt herum, der Erich, wirft das Geld mit vollen Händen hinaus und läßt ſich daheim zu alledem noch beſtehlen. Da iſt's kein Wunder, wennn Urſchel, was meinſt du, wie lange das noch geht? N ſage dir, das geht hernach raſend ſchnell. Ich habe das oft geſehen. War in der Schule keiner von den Hellen. Habe die Quarta zweimal durchgemacht und die Obertertia auch, aber das weiß ich doch, das von dem fallenden Körper. Daß deſſen Geſchwindigkeit geradezu wahnſinnig 1 0 Es iſt da irgend ein Geſetz. Ich

abe es vergeſſen. Und ſo iſt das, wenn ein Gut ins Rutſchen mmt. Herrgott, Urſchel, wird denn das noch aufzuhalten ſein?“

„Ja, Leo,“ antwortete Uifula Liebenau Hin

„Mein Gott, der alte Hartmann müßte ſich ja im Grabe um⸗ drehen, wenn ſie ſein Gut verludern ließen. Wie iſt denn der Viehſtand?“

Urſula berichtete. Leo von Träger hörte knurrend zu. Er begann erneut zu ſchimpfen. „Urſchel, wenn der Risner wieder⸗

mmt, dann nimm die Hetzpeitſche.“ 1 lächelte. „Nein, Leo, er ſoll haben, was er haben w 4

„Urſchel, das ift ja ... Verzeih, aber ich verſtehe das nicht.“ „Das iſt einfach, Leo,“ ſagte Urſula ruhig. „Er bietet, das Tier wird gewogen, Risner zahlt in meine oder des Inſpektors Hand. Beim Wiegen aber bin ich dabei.“ m ja, hm ja,“ Leo von Träger wurde fröhlich. „Fein, Urſchel, fein. Er ſoll die Pillen, die er dreht, ſelber ſchlücken. Fein. Ich glaube, fo wirft du ihn los.“

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ai laube ich auch,“ erwiderte Urſula lachend. . ſchenkſt du nun reinen Wein ein? Ich meine der

eve felt in Erichs chel,“ rief der rr zornig, alles gut und ſchön.

Du wi ſt ihn nicht qu Na ja. Iſt ja recht, aber hg beſtehlen ihn doch, und das kannſt du, nun du es weißt, nicht mehr zugeben.“

„Will i 20 auch gar nicht. Es wird ſich ein Weg finden. So oder ſo. Aber, Leo, wenn Risner nun in die Falle geht, wieder den Pei überbietet und hernach unter R Augen ehrlich Gewicht abnehmen muß? Ich meine, man kann dabei etwas von dem heraus chte Cte: was er ſich zu unrecht angeeignet hat. Das wäre gerechte

Leo von en trat heran. Er dachte langſam, aber er ver⸗

„Fein,“ rief er, „fein.“ Dann langſam. „Schade, Urſchel. re he rid t zu N ja, wie geſagt. Alſo ich heirate nun

eemelcher. haben das heute ausgemacht.“

Area ergriff ſeine bait „Gebe, Gott, daß ihr recht glücklich werdet. Du verdienſt das wirklich.“

Leo Träger war verlegen. „Ich danke dir, Urſchel. Na ja, nun im Veale du, wie das in einer drag Füge zugeht.

affe hab' ich dir angeboten. Mamſell!“ ſchrie er zur Tur hinaus. „'n . Kaffee. Los, trab!“

Sie ſaßen dann noch eine Weile zuſammen und plauderten. Des öfteren blickte Leo von Träger ſtill vor ſich a üttelte dann den Kopf, lachte und fagte unvermittelt: „Du, Urſchel, - gönn ich dem Risner. Wenn du's bloß ordentlich einfädeln

Die Rede kam auch auf Hans von Alt a mit dem auch Leo von Träger in Briefwechſel ſtand. Nicht allzu lebhaft. Er wußte viel Gutes von dem Freunde zu ce. Urſula lachte leiſe vor jig hin. Sie verſtand den guten Leo.

eimkehrte, hatte fie emen kleinen Verdruß. Nur ſo eine rare Pr 0 Es ſtimmte da irgend etwas in der

XXXIV. 98 113 8

ae ert worden. Eine Kleinigkeit nur, aber Jettchen Heilmann egehrte auf und aaa zu weinen. Ob ihr dem das gnädige Fräulein nicht traue?

Die beruhigte ſie. „Aber Jettchen, Jettchen, davon iſt ja gar keine Rede. ar, es iſt doch merkwürdig na den Tagen vorher.“

In dieſen Tagen traf der Inſpektor bei einem Gange nach Abendorf mit Risner zuſammen. Der war erſt freundlich und gönnerhaft, wie er das dem Inſ an 1 an ſich hatte. Dann richtete er feine Augen ſ A 1050 werde die Viehkäufe auf Langenwieſen einstellen müſſen, nſpektor,“ ſagte er. = hat keinen 30 2 mehr. Wozu ſoll i mich für Langenwief en ruinieren? Ich lege Geld darauf.“

Eine Weile ſchwieg Döring. Hernach begarm er zu ſchimpfen. So recht aus der Site heraus. Das Frauenzimmer fet wie der Satan. Immer um den Weg und miftrauijdh wie ein Fuchs. Der Teufel ſolle ſie holen. Er ſtehe da wie ein dummer Junge, und wenn das ſo bleibe, müſſe er entweder die Stellung kündigen oder 975 beim Herrn beſchweren.

„Ta, ta, ta,“ ſagte Risner. „Nach den jezigen Zeiten kommen auch wieder andre. Wird ſie hier bleiben?“

‚Hier bleiben?“ rief Döring erſchrocken. „Mein, der Herr muß eheſtens wiederkommen. Dann geht ſie.

„Geht ſie? Wiſſen Sie das genau?"

„Nein, aber eee ift die junge Frau vielleicht ein wenig ... eifer-

„Eiferſüchtig? Ich glaube nicht. Aber es war bisher i immer o, ob, wenn die eine kam, die andre ging.”

„So, fo. Sonſt müßte man da ein wenig nachhelfen.“

Döeing blieb ſtehen. .

„Ja, wenn man das könnte.“

Risner lachte. „Warum nicht? Wir reden noch darüber, wenn es nötig sell cb. ſo Ite. Das i zu machen. Natürlich. Mit Hilfe der Mamſell oder ſonſt.

„Die Neumeier iſt wieder da, a fuhr es dem Inſpektor heraus.

„Ver iſt die Neumeier?“

„Das i a t die alte Kinderfrau der Gnädigen. Die iſt ſonſt immer mit auf Reiſen geweſen. a hat fie der Herr heimgeſchickt. Sie ſagte es mir. Argerlich iſt ſie auf den Herrn und, mir ſcheint, auch auf das Fräulein

„So, ſo. enen Sie ein Glas mit, N Inſpektor? Da ſind wir an Robert Schmidts Wirtshaus

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ee no nicht, und Eier waren heute ſo gut wie keine ein⸗

U —ä Zʒ¹ʒa . WE

Risner verſtand es, den Inſpektor . eat ein Der kluge Geſchäftsmann erkannte, daß es nicht leicht ſein würde, an Urſula heranzukommen.

„So im Verkehr,“ ſagte der Inſpektor, „kann man nichts gegen ſie ſagen. Sie iſt freundlich. Alle Tage plaudert ſie mit mir. Bald dies, bald das.“

So war es. Urſula war klug und soda ie Sie unterhielt ſich oft mit dem Inſpektor. Über belangloſe Dinge redeten ſie. Heute ſo und morgen über die Wirtſchaft. Und auch da in freund⸗ lichem Tone, fragend, Rat heiſchend, um dann doch ihren Willen durchzuſetzen, ſicher und entſchloſſen. \

Das erfuhr Risner. Er urteilte nicht darüber, aber er ſah, ſie war klug.

„Tia, und was das Vieh anbelangt,“ ſagte er, „ſo mag der Ribbede ſich die Zähne an den Käufen ausbeißen.“

So kehrte eines Tages Ribbecke wieder auf Langenwieſen ein. Et lächelte leiſe. '

Und dann war bald Risner da, bald Ribbecke. Und beide kauften nun zum Tagespreiſe. Ehrlich in Gewicht und Preis. Risner wollte die Verbindung mit Langenwieſen doch nicht ein⸗ ſchlafen laſſen. Das gebot ihm die Klugheit.

So hatte er eines Tages Gelegenheit, Dörthe Neumeier zu treffen. Er unterhielt ſich mit ihr. Ä |

brach es aus 151 Neumeier herauf wie Flammen. Scher wie Schwerthieb flogen die Worte auf. Risner blieb unbewegt dabei und überhörte ſcheinbar, was die Alte ſagte. Das reizte Dörthe Neumeier. Sie begann deutlicher zu werden. Der Händler ſah, daß, wenn ſchon Li . nicht . war, es Dörthe Neumeier um ſo ſtärker war. Er lächelte. Döcthe ging brummend davon. dja,” ſagte Risner bei ſich, „es iſt am Ende leichter, als ich dachte. Wenn die Liebenau nicht gutwillig geht, ſo wird man nachhelfen können.“ rich Hartmann und ſeine Frau blieben natürlich länger aus, als zu vermuten geweſen war. | |

Inſpektor Döring grollte und wartete ſchmerzhaft auf den Tag, an dem Erich Hartmann zurückkehrte. Und mit ihm wartete Jettchen Heilmann.

Einmal hatte die Mamſell den Friedhold wieder getroffen. Sie hatte ihm nicht ausweichen können. Der hatte ſie geſtellt und gefragt, was denn zwiſchen ſie gekommen ſei. Nichts,

atte das Mädchen erwidert, es ſei ja doch überhaupt noch gar in rechter Ernſt zwiſchen ihnen geweſen.

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x

Da war der de ße auf e

gefahren. Kein Ernſt, wenn ſie ſich von ihm doch hatte küſſen laſſen, und von der Hochzeit hatten ſie geredet und davon, daß ſie klein würden anfangen müſſen? Das ſei kein rechter Ernſt geweſen? Aber er wiſſe nun ſchon, wer da die Schuld habe, und der Teufel ſolle dem Inſpektor in den Nacken fahren.

Das Mädchen war errötet, aber fie hatte in ihrer Betroffenheit darüber, daß Friedhold Becher wußte, was ſie doch vor allen Menſchen verborgen zu haben glaubte, nicht zu leugnen verſucht.

Er war an ſie e „Jettchen, es geht nicht gut aus. Du kannſt es mir glauben. Und daß du zu dem Manne in die Stube läufſt. Jettchen!“

Das hatte das Mädchen beſtritten, zornig und unter Tränen, aber Friedhold Becher hatte ihre Hand ergriffen. „Ich will das ja vergeſſen. Du kannſt es glauben, nun

Jettchen Heilmann aber hatte feine Hand zurüdgeftoßen. „Nun will ich erſt recht nichts mehr von dir wiſſen, wenn du mir das zutrauſt.“ Und ſie war gegangen. Scheinbar als Siegerin, aber dann hatte ſie ſich an einen Baum gelehnt und geweint.

Dem Inſpektor ſagte ſie nichts von dem Zuſammentreffen. Es war, als warne ſie eine Stimme davor. Vielleicht, daß Döring dann einen Vorwand fand, ſich zurückzuziehen. Und in heißer Not empfand ſie, daß die Liebe, die auf ein Rechenexempel auf⸗ gebaut war, nicht kommen wollte. N

So viel Angſt hatte ſie. Das Fräulein hatte ſie einſt gern gehabt. Nun war ſie vor ihren klaren Augen auf der Flucht. Was ſollte das Ende ſein? Die Eltern waren ſo rechtlich und ſo hart in ihrer Ehrenhaftigkeit!

Hartmanns und Heiningers ſind alſo nach dem Süden ge⸗ fahren. Die Bant hatte die che ohne weiteres übernommen. Nicht als zweite, ſondern unter Erhöhung der erſten. Dann hatte Erich Hartmann etliche Tage angeſtrengt gearbeitet. Der Schweiß war ihm oft auf die Stirn getreten. Herrgott, ſo viel Schulden sal er! Das Geld ſchmolz ja wie Schnee in der Frühlings⸗

onne.

Li war ile ark geweſen und hatte behauptet, Erich ver⸗ nachläſſige 15 a hatte er ſie traurig angeblickt. „Li, was ich unter den Fingern habe, das iſt ein 5 N „Erich,“ hatte Li aufgeſchrieen. „Was ſagſt du da! Wie u du fo leichtfertig vom Tode reden!“ :

„Das hilft nichts,“ hatte er entgegnet. „Ich begrabe da ein 0 Teil von Langenwieſen. Lichen, wir müſſen anders wirt⸗

chaften. Sparſamer müſſen wir werden.“

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| i

„Ach Gott, das ſagſt du nur wieder, um mich zu ſchrecken. Ich war doch reich.“ =

Erich Hartmann ſenkte das Haupt. Li aber trat an ihn 11 5 „Erich, um Gott, du biſt ſo ſtill. Ich war doch reich, ja, lieber, lieber Erich, ja?“

Ja,“ ſagte der Mann leiſe. „Du warſt reich.“

i atmete tief auf. „Gott ſei Dank.“ Darauf ſprang ihre

i jäh in Übermut um. „Du biſt ein Bauer, Bär. Bauern

ſind 5 ents Du Bauer! Frida ia drängt. Wann kannſt du fertig ſein mit den Arbeiten?“ Morgen.”

„Es geht doch um das Gut?“

„Ja, um das Gut.“

„Aber warum re du dir damit fo viel zu ſchaffen? Voriges Jahr hat das doch Urſchel ganz allein gemacht, und es ging.“

„O ja, es ging, aber dies Jahr iſt es anders.“

„Na, denn auf Wiederſehen, Bär.“

„Auf 5

E gab ſo allerlei Anſchaffungen, aber das, behauptete Li, ſeien nur Kleinigkeiten. Sie wurden darüber nicht uneins.

Als jedoch Erich darauf beſtand, daß Dörthe Neumeier nach Langenwieſen zurückgehe, gab es einen harten Streit mit viel Tränen und Vorwürfen, und erſt als er entſchloſſen erklärte, wenn Li nicht nachgäbe, falle die ganze Reife ins Waſſer, fand ſie ſich damit ab, wußte ſogar vor Frida Heininger zu erklären, daß ſie es für richtiger befunden hätte, Dörthe daheim zu laſſen. Dazu nickte die Freundin, und man wußte nicht, glaubte ſie, was Li ſagte, oder war fie wieder einmal ſcharſſichtig.

Der Weg führte über Wien. Sie legten größere Aufenthalte ein. c hate leicht, da man ſich ein beſtimmtes Programm nicht gemacht hatte.

So war es denn auch nicht verwunderlich, daß Frida Heininger mit dem Vorſchlage herauskam, man möge doch nach Athen, dann nach Konſtantinopel fahren. Dazu lachte Erich Hartmann. „Nee,“ rief er, „meine Frau will die Stätten wiederſehen, an denen auch voriges Jahr wie Kinder geſchwelgt haben, und ich will es au u ; 8

Dann ſah er ein gut Teil der Stätten wieder, an denen ſie gemeint hatten, der Himmel ſei auf die Erde niedergeſunken. Sah ſie und lächelte. Man gibt, weiß Gott, dem Lande felber die Seele. Der Himmel ſo blödſinnig blau, und die Städte ſo unglaublich geräuſchvoll und ungemütlich, die Armut ſo ſchmutzig. Er blickte forſchend nach ſeinem Weibe. Wie wirkte das alles

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auf fie? O ja, dann und wann ein leiſes: Weißt du noch? Aber es blieb an der Oberfläche.

Frida Heininger war blaſiert und Li ihre gelehrige Schülerin. Vorbei alles be e Entzücken, kein Ruf der ae te i jugend⸗ frohen Begeiſterung. Im vorigen Jahre hatte ſie ihren Bär früh aus den Federn gejagt, um mit ihm im Morgenlichte am 5 zu ſchwärmen. Jetzt ſchlief ſie in den halben Vormittag

inein.

Erich Hartmann ging allein. „Das will ich mir doch nicht nehmen laſſen,“ ſagte er. Mit trunkenen Augen a er die unſterbliche Schönheit des Südens. Er nahm viel in ſich auf, mehr als im vorigen Jahre.

Li hatte über allerlei zu klagen. Er ſei gar kein bißchen nett. Ganz anders ſei er als im vorigen Jahre. Freilich, damals ſei er noch verliebt geweſen.

Da ſah er ſie ernſt an. „Und heute, Li?“

N ing jie nicht ein. Einmal bat Erich, Li möge ihn doch nach der Oſteria bei

Florenz begleiten, in der ſie voriges Jahr einen ſo ſchönen Nach⸗ mittag verlebt. Aber Li verweigerte es. Die langweilige, kleine Hütte. Sie wolle heute nachmittag mit Frida Heininger 5 5 Atelier aufſuchen. Das müſſe jeder Fremde geſehen

aben.

„So,“ entgegnete Erich und ging allein nach der Oſteria. Da job er, fag und trank langſam den roten Landwein und ſann. Sollte das Zigeunerleben ſo weitergehen? Er ſtieß das Glas hart auf den Tiſch. Nein. Und biegt es nicht, dann bricht es.

Langſam ſchwenken die Reiſenden nach Norden ab. Monte Carlo natürlich. Das iſt das beſte Wirtshaus am Wege.

Erich nimmt Li ernſthaft vor. „Lichen, ich muß es dir ſagen, du mußt vorſichtig ſein im Spielen. Wir vertragen das nicht und können uns mit den en nicht meſſen.“

„Unkſt du ſchon wieder, Erich?“ erwidert Li haſtig. „Die halbe 1 . du mir verdorben. Nun verdirb mir auch noch den

eſt. 5

„Ich habe dir die Reiſe verdorben, Li?“

Ja.“ Li zerdrückt eine Träne im Auge. —— ,

Die Damen ſpielen. Erich Hartmann ſteht breitbeinig hinter ihnen. Sein Geſicht iſt unbewegt. Frida Heininger gewinnt, Li verliert. Sie kommt mit leeren Händen. Erich Hartmann füllt ſie ihr. Keine Muskel an ihm zuckt. Dann kommt ſie wieder. „Fur Heute iſts genug, Li.“

„Aber Erich.‘

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Es ift gem = Sie blitzt n zornig an. „Ich wi 11 fielen . | ‘i Da wendet er ſich und geht mit ruhigen, wiegenden Schritten inaus. An dem Abend ſpricht Li kein Wort mit ihm, aber Erich iſt aufgeräumt und munter. Am andern Morgen legt er eine Summe vor Li hin. „Was ſoll ich damit?“ fragt ſie. „Das kannſt du heute ver pielen. . 5 nn Ich nehm es nicht.“ | ie du willſt, Lichen. Wollen wir frühſtücken?“ Hernach iſt das Geld doch fort. Li ſpielt. Erſt gewinnt ſie und zeigt ihrem Manne triumphierend ihre Schätze. Der ſchaut mit leeren Augen darüber hin. "ae zwei Stunden bittet fie wieder um Geld. ae habe dir gege eben, was du verſpielen darfſt.“ artmann um Kalt den Arm des Gatten und zieht ihn in den Park hinaus. „Erich,“ ſtottert ſie, bleich und abgehetzt. „Du behandelſt mich wie ein Schulmädche en. „Willſt du vor den Leuten eine Szene machen? Wir wollen in das Hotel gehen.” Hier oe er ſich mit verſchränkten Armen an das Fenſter.

Sie kann vor Erregung kaum Worte Den Dann haltet und ſchäumt und ſprudelt es. Jammervol zuſammengebrochen ſei alles, 1 m. jie nie Tieb gehabt.

eld, das du vergeuden willſt, verweigere, das beweiſt it daß ich dich nicht lieb habe? Li, ich kann dir auf dem Wege nicht folgen.“

Li aber iſt den in 15 . Worten nicht zugängig. Dicht an Erich heran tritt * „Ich verlange, daß du aufhörſt, mich zu bevormunden. Daß du geizig bi Rech das hat. ich, ſo fordere ich von dem Meinen, an dem du kein

„Von dem deinen?“ Erich 5 i. ahn

„Ja, von dem Meinen, das du mir vorenthälſt

Weta du, wie hoch das iſt?“

kann ich das wiſſen, da du mich gefliſſentlich im Un⸗ 1 aſt nie danach gefragt, wenigſtens nicht ernſtha

„Das 11 nicht wahr. „Mehrfach habe ith gefragt, und du Halt mir gelagt ich fei reich.”

n

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„So gib mir davon.“ „Von deinem Reichtum?“ „Harra e willſt du dich über mich luſtig machen?“ „Luſtig? Ich wüßte nicht, daß es luſtig wäre, wenn ein Menſch Dad fn me wird.”

„Das find Redensarten. Ich will wiſſen, wie hoch mein Vermögen iſt.“

„Li, ean dich. Sei nicht töricht.“

daß uns von anderm ſpre „Nein. Ohne Ausflüchte. Ich bin kein Kind mehr. Du haft von Lode eichtum geſprochen. Den beſitzeſt du noch, twerigfens zum Teil.“ „Rede, Erich. Ich fordere es.“

„Gut, du törichtes Kind. Wenn es denn ſein muß. Ja, du bift veich, du warſt es einmal noch mehr. So wie du sa munter und lieb und kindlich und dankbar. Vermögen aber haſt du nie beſeſſen.“

1 7 ihren Gatten ſprachlos an. Sie umklammerte ſein

elenk.

a le ju du, mir die Wahrheit. Ich war arm?“

| Da wandte ſie “ie ab, ging taumelnd in das Nebenzimmer und 21 die Tür hinter ſich a ab.

| ch Hartmann ftand mit finſterem Antlitz unbewegt am

Fe 155 tunden und Stunden wartete er, klopfte nicht, aged 5 Hepa dann und wann ein unterdrücktes Schluchzen und war⸗ e

1 a am Abend trat Li aus dem Zimmer. Aſchgrau und

Erich Hartmann ſtreckte ihr die Hand entgegen. „Vergib mir, Li. oe ergriff feine Hand nn Du haſt mich belogen.“ 55 iets dich zu lieb gehabt.“ ſie ihn mit einem langen Blicke an. = 5 kommenden Tagen war Erich Hartmann von rüh⸗ feiner Zärtlichkeit gegen ſein Weib, aber Li achtete nicht arauf. Kurz vor dem Faj ing trafen fie in München ein. Oſtern ne ee und an allen Hecken begann es ſchon zu knoſpen und zu rießen. Li Hartmann war durch ihres Mannes Offenbarung völlig

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2 m sss, .

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aus dem Gleichgewicht eworfen. Sprunghaft war fie: Tief⸗ traurig und krankhaft lustig

„Li,“ ſa sen Frida Heininger, mir ſcheint, du ſtehſt auf lange ne den le en luſtigen Tagen. Du ſollteſt fie dir doppelt wait nehmen.”

Vor den letzten luſtigen Tagen. Das weiß Gott.

Eines Tages war Dieter vom Stein in München. Wußte niemand, wie das zuging. Wenn er Li in die Augen ſah, dann errötete ſie.

Der Faſtnachtstrubel begann. Li ſtürzte ſich hinein, als wolle ſie darin verſinken. Und Dieter war an ihrer Seite. Sie lachten und hatten rote Lippen und glänzende Au a

Erich Hartmann fühlte, daß ein Unheil in der Luft lag. Es war ae 1

Mit all ihrem Schmuck hat ſich Li beladen. Als Elfenkönigin berauſcht fie ji G5 auf dem Feſte. Sich und andre. Dieters Augen

immern. Sie tanzen, ſie lachen, Li lehnt ſich ſchwer an ihn, da küßt ſie Dieter auf den weißen Nacken.

Lodernd aber ſtanden Erich Hartmanns Augen über ihn 25 Grelle Glut wehte ihm über das Geſicht. Er trat an ſein bein hart ihre Handgelenk und raunte: Wi gehen heim

Willenlos ließ ſich Li führen und ſank, ohne daß ein Wort zwiſchen ihnen geſprochen wurde, in i af.

Erich Hartmann aber ſaß die lan 8 0 Nacht hindurch am Tiſche und hatte die Rechte zur Fauſt geball

Das war ja nun eigentlich ganz einfach Ein paar = vielleicht, daß er davon kam.

Mit Dieter vom Stein? Wollen ſehen. Er iſt ein Windhund, ony die Schuldigere iſt Li. Sie hat ihn geradezu verrückt ge⸗

Am Morgen ent Dieter vor ihm. Aufrecht und ernſt. Erich hat 5 zu ſich bitten laſſen. 1 es bedarf wohl keiner Worte?“

Du wirs mir die Wahrheit jagen?"

Da ſchwillt Erich Hartmann die Zornesader.

„Je rate dir. Wee kamſt du hierher?“

„Darauf antworte ich nicht.“ |

Erich Hartmann, der Miele, ballt die Fauſt. .

„Dieter, es i i) mir verflucht ernſt mit der Sache. Ich will nicht zu viel verlangen. Ja oder nein. Mein Weib vais Stier

121

» pales

„Das en Mal?“

„Das erſte Mal.“

„Ich glaube dir. Dieter, hier iſt das Reiſegeld. Heute nach⸗ mittag biſt du auf dem Wege nach Berlin.“

Dieter nagte an der Unterlippe.

„Erich, du machſt mir das verdammt ſchwer. Ich hatte es anders erwartet. Um mich wäre es nicht ſchade, aber wenn es dich träfe, dann wäre ein anſtändiger Kerl weniger auf der Welt. Das iſt's nicht wert. Vergib mir.“

Erich Hartmann wendet ſich ab und tritt in das Nebenzimmer.

Als er zurückkehrt, liegt das Geld noch an ſeinem Platze.

zn boch um den Dieter,“ ſagte er, „über kurz oder lang faßt es ihn doch.

Die kluge Frida Heininger ſieht ſcharf. Törichte, kleine Li! Sich ſo qu verplempern!

Der letzte Abend, an dem ſie zuſammen ſind, wird der oa noch gemütlich. Erich Hartmann hat nie geglaubt, daß er ſchau⸗ ſpielern könne. Er kann das ſogar ſo meiſterhaft, daß ſelbſt Frida Heininger unſicher wird. |

Er hat mit ſeinem Weibe nicht über das Geſtern oy Winch: Nur: Dieter vom Stein war eben hier auf meinen Wunſch natür⸗ ich und wird mit dem nächſten Zuge en zurückkehren.“

Sie hat nicht geantwortet. Dann im Laufe des Tages muß ſie inwendig Stellung zu dem Geſtern nehmen, und da kommt der große, tiefe Jammer. Es gab einmal ein unendlich reiches Glück, das einem Kinde zu eigen war, und das liegt in Scherben, weil das Kind es auf die Steine warf. Nun trauert das Herz und irgendwo muß noch ein ander Herz weinen. 1 N

Li 1 ſtudiert ihren Mann an dem letzten Abend im Kreiſe der Freunde. Sie drängt ihre Seele an die des Gatten. Ich muß dein Weinen a muß, muß! Was du jetzt lagtt und wie du dich gibſt, das ijt ja Unſinn, das iſt Blendwerk. Und fie vernimmt das Weinen. Ein Schweigen, eines Atemzuges Länge mitten im Lachen, ſchwer und dumpf, das redet, und das Zucken redet, das die Lider hochreißt wie in Erſchrecken oder ſie ſinken läßt wie in Trauer.

Li hat kaum ein Wort geſprochen all die Zeit, in der ſie zu⸗ ſammenſaßen. Kalt liegt ihre Hand hernach Abſchied nehmend in der Frida Heiningers. „Leb wohl, Frida. Ich weiß nicht, ob ich dir danken ſoll. Du haſt es Pa gut nn wenn auch manches verkehrt gegangen iſt. Leb wohl. Vielleicht ſehen wir uns einmal wieder.

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Und vor dem e den traurigen Augen Lis kriecht es Frida Heininger kalt über das Herz. Ja, ſie hat mir nichts zu danken. Aber, das hab' ich nicht gewollt.

Erich Hartmann und Li kehren in das Hotel zurück. Sie fahren morgen früh, Heiningers ſchon in zwei Stunden.

Als ſie ſich in dem Zimmer, das ſo ganz ohne falschen © Note ift, gegenuͤberſtehen, da gibt ſich Erich ohne den falſchen Schein. Li aber friert darunter bis in das Innerſte. Sie hat den Mann ſtudiert und hat mit hochſchlagendem Herzen die Atemzüge der Liebe zu vernehmen geglaubt, und das ließ ſie gewiß ſein, daß es eine Brücke gab in ein Zukunftsland, und nun künden die ſtrengen Augen, daß Trauer und Mitleid wohl noch leben, aber die Liebe geſtorben iſt.

Erich Hartmann nimmt Lis beide Hände. „Li, es ging viel in Scherben. Ich glaube nicht, daß wir es flicken können. Nun wollen wir versuchen, als anſtändige Menſchen nebeneinander hergugeben. Nicht wahr, Li?“

Da kommen Li die heißen, ehrlichen Tränen der Scham und geh weinenden Liebe. Nun wollen wir nebeneinander here gehen.

Sie liegt in einem der tiefen Plüſchſeſſel, kriecht immer mehr in ſich zuſammen, macht ſich ganz, ganz klein, und ihr Leib ſchüttert und fliegt. Nebeneinander hergehen. Ich muß dich liebhaben dürfen. Ich muß, ich muß! Das iſt mein Leben.

Schwer, als hätten ſie ungeheure Leidenslaſten zu ſchleppen, gehen die Minuten, geht die Stunde. Und eine Stunde lang wandert Erich Hartmann im Nebenzimmer auf und ab. Arme, kleine Li, du Sonnenvogel mit den ſchillernden Flügeln! Wir glaubten recht zu tun, als wir den Feiertag auf Wochen und Monate ausdehnten. Nun ſind wir überſättigt davon. Wir hätten uns hüten ſollen. Jetzt oa wir wall ob wir mit gutem Willen nebeneinander hergehen können. Viel zu früh da, der Abend. Iſt ja noch gar nicht einmal richtig Tag geweſen. Das war ja nur ein heißer, berauſchender Morgen.

Und eine Stunde lag Li im Seſſel, weinte nicht mehr, ſtarrte vor ſich hin. Wir müſſen verſuchen, als anſtändige nebeneinander herzugehen. Nie mehr darf ſie Erich die Arme um den Hals werfen? Nie mehr d 5 Haſt du mich lieb? Das tauſendmal Gehörte zehntauſendmal höcen wollen

Sie ſpringt u Eine heiße, zuckende, Heine Hand ruht in Erich Hartmanns breiter Rechten. Erich, vergib mir.“ „Ich danke dir für das Wort, Li. So wird ſich's machen laſſen. Was hinter uns liegt, war kein Leben. Wir kehren nun

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5 Beherrſche dich. Es ſollte mir leid ſein, wenn Urſchel ähe, daß es zwiſchen uns nicht mehr iſt wie früher, und ſie ſieht ſcharf. Ich hätte gern, wenn ſie auf dem Gute bliebe. Sie hat die Zeit über geſtanden wie ein wackerer Steuermann es 1 ſtark ſchlingernden Schiffe. Wir haben ihr viel zu anken.“

Li Hartmann nickt dazu, demütig und ſtill, und keiner der früheren, törichten Gedanken, die ſie quälten, und die Dörthe Neu⸗ meier ſtärkte, kommt ihr. Unter Girlanden, die über den Türen hängen, unter dem rotleuchtenden Willkommen über der Pforte des Hauſes, empfangen von der aufrechten, herzhaften wiegen ziehen Erich Hartmann und ſein Weib wieder auf Langen⸗ wieſen ein. | |

8

Sy Frühling kommt und weckt das ſchlafende Leben.

Erich Hartmann reitet mit Urſula über die Felder. Da ſind

die Leute an der Arbeit. Die Pflüge wühlen ſich durch die braune,

fruchtbare Ackererde, die Lerchen klettern ſingend zur lichten e

Die Reitenden ſprechen über die Wirtſchaft. Urſchel erſtattet Bericht. Sie hat den Kopf voller Zahlen. Das für künſtliche Düngemittel, dies für Saatgut, das aus den e bef 155 Hartmann fragt: „Sag, Urſchel, haſt du das alles ſelber eſorgt?“

Sie errötet. „Du meinſt, das ſei des Inſpektors Sache ge⸗ weſen?“ |

„Hm, ja.“ ö

„Ich habe es ſelber beſorgt, weil ich meinte, nur was man ſelber tut, das ſei ſo, wie man es haben möchte. Der Vater hat das, wenn mir recht iſt, auch ſo .

„Das hat er getan, und ich will es nun auch ſo halten wie er und wie du.“ .

Schon am erſten Tage durchſchritt Erich Hartmann die Ställe.

Alles blitzſauber. Selbſt die Schweineſtälle ſo, daß einem das

Herz im Leibe lachte. Der Vater pflegte zu ſagen, grade der Schweineſtall müſſe fo fein, daß man darin dinieren könne. Erich hatte das für übertrieben gehalten. Nun es aber wirklich ſo ausſah, tat es ihm wohl.

Urſchel legte ihm die Bücher vor. Döring mußte ſie nun alle

124

. . F

t Tage abliefern. Ernſthaft ftubierte fie der Gutsherr. Statt⸗

ig 1 große Erträge. Da hatte Urſchel Erbſen verkauft.

Achtung. Sie verſtand zu wirtſchaften. Und ohne daß es

nasche hindern konnte, blätterte Erich zurück und verglich, was

im vorigen Jahre im gleichen Zeitraume eingenommen worden war.

Er ſchüttelte gedankenvoll den Kopf. Urſula verſtand ihn. „Du ing das nicht falſch deuten, Erich. Dies Jahr war beſonders gut. Es wird nicht immer ſo fein.”

Ribbecke kam, Vieh zu kaufen. Erich Hartmann lachte.

„Na, Ribbecke, den Groll begraben?“

„Herr Hartmann, ich brauchte nicht zu begraben; denn es hat nicht elebt, was Sie meinen.“

„Um ſo beffer. Sie haben inzwiſchen mehrfach gekauft?“

„Das gnädige Fräulein hat gejagt: Ribbecke, Sie ſollten wiederkommen, um zu kaufen wie in früheren Zeiten, und ich bin gekommen und habe gekauft wie in früheren Zeiten.“

„Was heißt das?“

5 noo, . „daß 1955 ſagt: Es war ein Handel, wie er ſein muß unter ehrlichen Leuten.“

Und Risner kam und erkundigte ſich nach der gnädigen Frau und der ſchönen er und kaufte ohne Feilſchen chrlich Gewicht gegen rechten Preis

rtmann ging unter den Leuten einher wie ein June Ernſt und gerecht und milde. Frühlingswetter über dem Lande und über den Leuten.

Li Hartmann war zurückgekehrt als eine andre. Urſula ſah es am erſten Abend, aber es war in Lis Art eine ſo een bet liche Abgeklärtheit, daß es die Schweſter auf das Erwachen der 5 see Frauenſeele ſchob. In den kommenden Tagen ſpürte fie

, daß eine tiefliegende Urſache den Wandel geſchaffen haben „aber ihre ehrliche Art ahnte keine Stürme und kein Ent⸗

Die Eheleute begegneten einander mit ruhiger Freundlichkeit. Ihre Geſprä re nn das Oberflächliche verloren, gingen dahin wie ruhige Nur daß Li zuweilen guri wenn fe offen im Begriff war, zärtlich zu ſein, das ließ Ur chel Hach er au

Da erkannte ſie, daß eine Klu zwischen ihnen lag. Erich, ſo unbefangen und natürlich er ſich zu geben ſchien, ſtand unter einem Zwange, und derſelbe Zwang lag auf Li. Als ſtrebe ſie dem Manne entgegen und reiße ſich zurück.

Erich 58 dachte nicht daran, ſeinem Weibe unver⸗

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ſöhnlich gu grollen. Als er davon geſprochen, daß fie nun wenig⸗ ſtens als zwei anſtändige Menſchen nebeneinander leben wollten, da hatte er vermeint, Li werde nun in gemeinſamer Arbeit und rüſtigem Streben ſein Weggenoß werden, aber Li arbeitete und ſtrebte nicht. Nicht mehr. Etliche kurze Tage, dann war es vorüber. Sie hatte rele inne gehalten und den Platz, den fie einnehmen zu wollen ſchien, Urſula überlaſſen.

| Und Urſchel, die wortlos zur Seite getreten und den Schlüſſel in Lis Hand gelegt hatte, konnte ſich den Forderungen des Tages nicht entziehen. Förmlich geſchoben wurde ſie. Gegen ihren Fortgang hatten Li und Eich einen ſo entſchiedenen Widerſpruch eingelegt, daß Urſchel die Abreiſe verſchob. Langenwieſen durfte auch im Hauſe nicht ohne ein ſcharfes Auge ſein. Erich war von der Außenwirtſchaft in pa Ad genommen, und die Innen⸗ wirtſchaft wäre in die alte Verwirrung zurückgeſunken.

Lis Reich waren ihre Stuben. Da lag ſie und las und lauſchte auf etwas, das mit feinen Stichen ſich meldete und mit dürren Fingern in die Zukunft wies. Wohlig war es ihr dabei, und es wurde ihr vertraut. |

Dörthe Neumeier war unglücklich unter dem Neuen. Sie taſtete unſicher hin und her. Li verſchwieg auch ihr, was geweſen war. Aber daß ihre Herrin elend war, das ſah ſie, und daß Erich Hartmann ſie unglücklich mache, das reizte ſie zu tollen Plänen und gehäſſigen Reden. |

Li lehnte ſich dabei auf ihr Ruheſofa zurück und lächelte. Tö⸗ richte Dörthe, was weißt du? Dann fuhr ſie auf Dörthe ein: reap na Hchmutz! Ich ſage dir, die zwei ſind viel größer, als

u meinſt.

In den Nächten, die ſie jetzt oft und oft wach lag, ſah ſie mit wunderbar ſcharfem Blick über das Heute hinaus. Ich weiß, wie es um mich ſteht, ihr zwei, ihr lieben, lieben zwei. Die Zeit kommt, da ich euch Platz mache. Es wird alles ganz ruhig und ganz natürlich zugehen. Wenn ich dir nur noch einmal ſagen und zeigen könnte, wie lieb ich dich hd du mein Bär.

Dörthe Neumeier quälte ſich Tage und Wochen. Dann ſchritt ſie zur Tat. Es gab auch andre 8 Wege haben wollten.

„Inſpektor Döring vermochte ſeinen Groll kaum niederzu⸗ zwingen. Urſula Liebenau war nicht gegangen, wie er es mit Sicherheit erwartet. Und ſie hatte auch des Herrn Augen ge⸗

eute, die Urſula aus dem

mann nicht. Die

126

oder fo. Er mußte ſich mit ihr verloben. So war er in böfer Laune und mußte ſich zwingen, ein gleichmütiges Geſicht zu zeigen. Da machte fic) Dörthe Neumeier an ihn, und er trug, was fie ihm ſagte, zu Risner. Der pfiff durch die Zähne.

r entließ den Inſpektor, ohne ihm irgend einen Plan ver⸗ raten zu haben, aber nach etlichen Tagen, als er ihm zufällig be⸗ gegnete, zog er einen Brief aus der Taſche und beauftragte ihn, den Dörthe Neumeier zu überantworten. Die werde wiſſen, was ſie damit 1 habe.

Döring las den Brief, und das Entſetzen kroch ihm bis unter das Haupthaar. Um Gottes willen! Das war ein richtig gehen⸗ der Liebesbrief in Urſula Liebenaus Handſchrift an Erich Hart⸗ mann. So, als ob er in der Zeit abgegangen ſei, in der Hartmann in Italien weilte. Dazu hätten ſich des ungelenken Inſpektors Gedanken nicht verſtiegen. Risner war der DE Satan. Döring ſchüttelte es. Wer den zum Feinde hatte

Faſt war es ihm zu ungeheuerlich, den Brief an Dörthe Neu⸗ meier zu geben. Aber dann tat er es doch.

Dörthes Augen glänzten. Sie erſchrak nicht. Schlimm, das Mittel, aber 1 Es ging um Li, die dahinſchwand. Nie⸗ mand ſah das, nur Dörthe.

Und eines Tages, als Erich Hartmann nach ſeiner Gewohn⸗ eit Li die Zeitungen in das Zimmer brachte, da fand die junge rau den Brief zwiſchen den Blättern. Erſt wollte ſie ihn un⸗ gen beijeite legen. Da fiel ihr die Schrift auf. Sie las. Ihre

Augen wurden weit. Zurückgelehnt ſchwieg ſie lange und ſtarrte zur Decke. Dann trafen ihre Augen Dörthe Neumeiers lauern⸗ den Blick. Da kam es wie ein frohes Erkennen über ſie. Dörthe wußte von dem Briefe. Ihr Blick hatte ſie verraten.

Nun lächelte Li. Ein wehes, kleines Kinderlächeln.

„Dörthe, du hätteſt das nicht tun ſollen.“

Dorthe verteidigte ſich und log. Ja, fie wiſſe um den Brief, a Ny abe ihn in des Herrn Zimmer gefunden. Li ſchüttelte en Kopf.

„Nein, Dörthe. Ich glaube das nicht und weiß gewiß, daß der Brief ein Bubenſtück iſt. Und ſollteſt du die Hand dabei im Spiele haben, fo ... Ach, Dörthe, das iſt ja fo niedrig! Wunder⸗ bar!“ ſie ſchüttelte den Kopf, „es kann ja möglich fen daß du die Wahrheit ſagſt. Der Brief kann in Erichs Zimmer geſchmug⸗ gelt worden ſein. Wer weiß, zu welchem Zwecke. Wenn er ihn gefunden hätte! So iſt doch ein Gutes dabei. Nein, Dörthe, die z. vei ach, was weißt du, wie hoch fie mir ſtehen, und wie lieb ich ſie habe.“ |

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Dazwiſchen hinein ein dünner, feiner Huſten. Rührend ſah Li Hartmann aus. Bae und licht ſtanden ihre Augen in dem mn. ewordenen, blaſſen Geſicht, das fich von dem dunklen

eidenkiſſen leuchtend abhob.

Dörthe hockte am Fußende des Sofas nieder, drückte das graue Haupt auf das Polſter und weinte ungeſtüm. .

„So nimmſt du das auf? Du Engel, du Engel! Und ſie ſehen nicht, wie du vergehſt und weniger wirſt von Tag zu Tag, pire dich. ſo laut und treten ſo hart auf. Ich haſſe ſie. Sie quälen dich.“ .

Li Hartmamn verſchloß den Brief. „Er foll kein Unheil an⸗ richten, ſagte ſie. „Ich müßte ihn verbrennen. Vielleicht tue ich es morgen.“

Sie tat es nicht morgen und nicht an einem andern Tage. Es war Urſchels Gero Das war unbeftrettbar. Und vor dem Briefe rang das junge Weib Heldenkämpfe. Groß und rein wuchs ihr Glaube an den Mann und die Schweſter, aber furchtbar war es, daß der Glaube unter den Geißelhieben des Zweifels rang.

Rührend war ſie in der Sorge um Erich und Urſchel. Urſula war es, der Lis krankhaftes Ausſe en zuerſt auffiel, aber Li Hart⸗ mann wehrte die Fürſorge lächelnd ab. Dankbar nahm ſie es hin, wenn Urſchel fie in ihrem Zimmer aufſuchte, ſich zu ihr ſetzte und vom Alltage erzählte, der, obſchon er mit Ka Bürden in einem gewiſſen Gleichmaß ſchritt, immer ein Beſonderes hatte.

Auch ich Hartmann ging mm Li mit forſchenden Augen nach. Weiß Gott, ſie tat ihm leid. Sie war entſchieden ſchmäler geworden, faſt noch elfenhafter, als fie es geweſen war. Trug lie jo ſchwer? Und fein Ton wurde zarter. Li fühlte es und war dankbar. Warum riß ſie die Wand nicht zwiſchen ihnen nieder? Ach, Erich Hartmann, dein Weib weiß mehr als du ſelbſt. Im wackeren Schaffen, das vorwärts drängt, erwägt er nicht, ob ihm Urſchel mehr iſt als eine Schweſter, fragt nicht, ob ſie ihm gegeben haben würde, was er in Li nicht gefunden, freut ſich, daß ſie ihm zur Seite iſt und geht Hand in Hand mit ihr.

Und Urſula iſt dabei, den großen Strich zu führen.

. tr von Althaus iſt Rittmeiſter geworden. Sie fat ihn be⸗ glückwünſcht; das hat Erich auch getan und ihn außerdem gleich zur Jagd auf Wildenten und Schnepfen eingeladen. Morgen wird Althaus kommen.

An dem Abend iſt es nicht mehr zu verbergen, daß Li krank iſt. Sie hat ſtarkes Fieber. Erich Hartmann ruft den Arzt. für ihn . überkommt, ſchlägt ſein Herz wieder raſcher für fein Weib.

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a 2

- —— —— .

Der Arzt ijt betroffen. Das ijt kein leichter Fall. Lungen⸗ ſpitzenkatarrh und nicht von ce und geftern. Auf den Knieen möchte es Erich Hartmann ſeinem Weibe abbitten, daß er ihr zürnte, weil ſie ſcheinbar träge war und kein Intereſſe für das Gut hatte. Sie konnte ja nicht. Er hielt ihre fieberheiße, kleine Hand in der ſeinen.

fa Li, wie konnte das kommen? Und du haſt mir nichts geſagt.

Da rinnt Li ein ſilbernes Tröpflein über die Wange.

„Erich!“ Mehr nicht, aber es liegt ſo viel in der Art, wie ſie ſeinen Namen ruft, ſo viel Leid und Bitte. Er küßt ſie auf die Stirn, und ſie ſchließt die Augen.

„Li, meine kleine, liebe Li.“

5 Gie aia jeine Sorge hinweg, aber im Scherze liegt zittern⸗ es Weh.

Rittmeiſter Althaus kommt. Seine friſche, kräftige Stimme ſchallt durch das Haus. Die Herren gehen auf die Jagd und haben Glück.

Althaus iſt der Einladung gern gefolgt. Wird er als Urſulas Verlobter in oie Garniſon zurückkehren

Urſula aber iſt durch des Arztes Ausſpruch völlig aus dem Gleiſe geworfen. Die ernſte, kluge Urſchel weiß, was nun kommen wird. Lungenſpitzenkatarrh. Das bedeutet eine neue Reiſe leich dem Süden, ein neues Ausharren auf dem Poſten, ja viel⸗ leicht viel, viel mehr. |

Sie geht an den hellen, weichen ee mit Alt⸗ == durch den Park, fie plaudern über allerlei in ihrer ernſten,

könnte. Das bedrückt Althaus. Es iſt ſo eig Nicht, daß ihn er tun. Warum

ee ſich bei feinem Ha sg herausgeſtellt. Jettchen

„Auf Wiedersehen n im Sommer zum Forellenfang.“ ehen.

XXXIV, 23 129 9

a hat, wenn Urſchel und ca bog im Parke ſpazierten,

neben Li geſeſſen. Sie haben über die beiden geſprochen. Es wäre gut, wenn das recht würde zwiſchen den zweien, meint

Erich. Zwei kerntüchtige, buchte gerade Menſchen. Li ſtreichelt

dabei ſeine Hand. Sie ſagt nichts dazu. Du lieber, lieber Mann. > bliebe dann für dein Leben übrig, wenn ich von dir gegangen in

So klettert der Sen auf die Höhe. Es iſt kaum beffer geworden mit Li. Schließlich rückt der Arzt mit ſeinem letzten Wiſſen heraus. Der Süden muß helfen, am beſten gleich gründ⸗ lich. Nach Agypten. Erich Hartmann kann das wohl überſehen.

Das wird eine ſchwere Nacht für den Herrn von Langen⸗ wieſen. Der Süden, der 1 Süden! Als ob er geradezu ein Verhängnis in ſeinem Leben wäre. Und gar Agypten! Erich Hartmann kann das wohl überſehen. Hahaha. Überſehen. Es iſt bei einer fa en Sparſamkeit ſchon ganz nett aufwärts gegangen. Er hat ſoweit richtig gerechnet. Ein verſchwen⸗ deriſches Jahr wird mit etlichen, nein mit vielen, ſparſamen be⸗ zahlt. Aber er 5 Lis Erkrankung nicht als Faktor eingeſtellt.

Nun aber, ſelbſtverſtändlich nag dem Süden, ohne Zögern, nach Agypten. Das Geld? Es gibt genug Geldverleiher.

Er geht wenig Wege. Der Gutsherr von Langenwieſen hat Kredit, aber es iſt doch eine neue, große, drückende Laſt. Und wie wird Li ſein, wenn ſie von daheim fort ſind? Wird ſie wieder das Geld mit vollen Händen hinauswerfen? Einem Kranken kann man nicht wehren. Schicksal, was hat dir Erich Hartmann getan, daß du ihn Pa

Li Hartmann ag ſich gegen die Reiſe. Sie will nicht nach dem Süden. Wer Erich Hartmann das vor einem reichlichen Vierteljahre geſagt, den hätte er ausgelacht. Jetzt muß er ent⸗ ee auftreten. Und dann tut es ihm leid. Gang erſchrocken iſt Li.

„Ja doch, E. ich,“ ſagt fie mit zitternder Stimme. „Zürne nicht. Wenn du es willſt, dann gehe ich natürlich.“ „Ich gehe doch mit, Li.“ „Du?“ Sie möchte laut aufjauchzen und bringt doch nichts als eine ängſtliche, paltige, Fra heraus. Da lacht der Mann. „Aber Li, Kind, haſt du denn geglaubt, ich ließe dich allein 1 | „Du biſt auf dem Gute jo nötig.“ „Keine Idee. Urſchel erſetzt mich vollkommen. Ich ſage dir, das geht wie am Schnürchen.“ Li lächelt dazu.

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ees! «on —— . x76 2,

Und dann hat der Gatte wieder ſeine Not.] All die bunten, Du legen Kleider will Li daheim laſſen, all die blitzenden Steine ſollen in den ſamtgefütterten Käſtchen bleiben. Ein Rätſel iſt ihm ſein Weib.

Den letzten Abend vor me Abreiſe ſitzt Erich mit Urſchel allein zuſammen. Er wird ſie nicht wieder finden, wie er ſie verläßt. Althaus wirbt lange genug, über kurz oder lang wird die Entſcheidung zu ſeinen Gunſten fallen.

: = mitten aus dem Gedanken heraus faßt Erich Urſulas beide

Hände. N

„Urſchel, mir ſcheint, es ſtreckt einer die Hand aus nach dir.“ Seine Stimme wird heiſer. „Ganz laſſen aber kann ich dich nicht. Ich kann nicht. Laß Langenwieſen deine Heimat bleiben, deine zweite, wenn du eine andre gefunden haſt.“

Urſula ſieht ihn mit klaren, ernſten Augen an. 5

„Ich danke dir, Erich.“ Sie lächelt. „Du ſcheinſt mehr zu wiſſen als ich.“

„Urſchel, wir ſind doch keine Kinder.“

Nein.“

„Dann will ich gehen. Behüt dich Gott, Urſchel.“ |

Urſula eilt noch einmal zu Li. Die umfängt fie mit ihren Kinderarmen. Se

„Hab Dank, du liebe Urſchel. Hab Dank, hab Dank.“

Am Morgen ſind Erich und ſein Weib auf dem Wege nach dem Süden. Erich wollte über München fahren. Es wäre das einfachſte, aber Li bettelt ſo herzlich, daß er den Weg doch über

ien nimmt.

Auf dem Gute iſt es ein rüſtiges, frohes Schaffen. Nie zwar war der Inſpektor wortkarger, aber dafür hat das Fräulein für die Leute nicht ſelten ein Lob bei der Hand. |

Eines Tages kommt Leo von Träger mit feiner Braut zu Beſuch nach Langenwieſen.

„Denken Sie, Fräulein,“ ſprudelt Lotte Schneemelcher heraus, „Leo hat mir gejagt, ich müſſe werden wie Sie.“

i eo Haft du etwas ſehr Törichtes gejagt, Leo,“ widerſpricht

rſchel. Leo Träger lacht. „Das iſt Anſichtsſache, Urſchel. Im übrigen muß man das richtig verſtehen. bleibſt natürlich du, und Lotte kann nicht werden wie du. Iſt ja einen reichlichen Kopf kleiner. Aber ich meine, ſie ſoll ſehen, wie du das auf dem Gute anfängſt. In der Wirtſchaft, mit den Leuten und ſo. a „Darin hat fie an dir den beiten Lehrmeiſter.“ „Nee, dazu bin ich zu faul und zu ungeſchickt.“

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„Das jagt er immer,” wirft Lotte ſcherzend ein.

„So erziehen Sie ihn, daß er es nicht wirklich wird. Ich rate Ihnen, nicht gar zu arg zuzugreifen. Wozu wären die Männer da?“

„Um Gottes willen,“ ruft Leo Träger in gemachtem Ent⸗ ſetzen, „du verdirbſt ſie mir ja.“

* sen dir ganz recht, warum bringſt du ſie zu einer alten Jungfer.

„Urſchel, ich habe nicht gewußt, daß du lügen kannſt.“

„Ich habe auch nicht gelogen. Und iegt kommt näher. Wir wollen doch nicht zwiſchen Tür und Ange ve bleiben.“

Auf dem Heimwege begleitet Urſula die Gäſte ein Ende Weges. Es war ein recht gemütlicher Nachmittag. Lotte Schnee⸗ melcher iſt ein ſchlichtes, natürliches Mädchen. Unterwegs lobt Leo von Träger die Langenwieſener Felder. Da 1 alles viel⸗ verſprechend aus. Nun komme es darauf an, ſich nicht wieder über das Ohr hauen zu laſſen.

„Sei in orge,“ jagt Urſchel darauf, und der Jugendfreund lächelt verſchmitzt.

In der Zeit kommt auch Hans von Althaus zuweilen. Es ſind vergnügte Angelfahrten, die ſie zuſammen unternehmen. Er wohnt auf eae und fie verabreden nur immer, wann und wo fie ſich treffen. Dann begleitet er Urjula heim, und dabei plaudert er faſt jedesmal auch mit 0 Heilmann. Es kommt auch wohl vor, daß er die Mamſell unterwegs trifft. Entweder wenn er von Hohenborn herüberkommt oder dahin zurückkehrt.

Die Mädchen lachen darüber und necken die Mamſell. Wenn man nicht wüßte, daß er um des Fräuleins willen käme, ſo könnte man faſt annehmen, er käme um Jettchen. Das macht das Mädchen traurig. Um ſie käme noch einer, um ſie? Daß Gott! Sie ſieht elend aus und wird ſchmal. Wo ſoll das hinaus? Nun, nun!

Erich Hartmann und Li ſind in Agypten. Die eae die fie ſchreiben, gehen lange. Diesmal ift es Li, die ausführli feel. Glückliche, ſonnige Briefe. Daß das Leid Segen werden könne, wer hätte das gedacht!

Sie ſei dem Himmel dankbar, daß er es ſchickte. Alle Tage danke ſie ihm auf den Knieen. Nun erſt ſei das Glück voll in ihr Leben getreten, und nun ſei ſie reif, es zu verſtehen und zu hüten. Es ſei nahe daran geweſen zu ſcheitern und wäre gewiß N gebrochen, wenn Erich nicht ſo engelgut ſei.

Das Leid hat ſeine Segensarme feſt um Erich e und ſein Weib geſchlungen. Alles Gute hat es in Li geweckt

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und an das Licht geriſſen. Erich Hartmann braucht keine Sorgen zu haben. Li verſchwendet nicht wieder. Er braucht herzlich wenig von der Summe, die er zu bedürfen glaubte. So viel ätte er aus dem Gute auch herausgenommen. Er ſcherzt in einen Briefen an Urſchel. Wann denn nun endlich die Ent⸗ cheidung komme?

Nun kann ſie kommen. Lieſt auch Urſula zwiſchen 19 Zeilen, daß fei Herz noch zuckt, jo vermeint fie doch aus L Briefen zu erkennen, daß es wirklich wieder warm geworden it zwiſchen den zweien.

Ehrlich und gut kommt ſie Hans von Althaus 1 Die Zeit des Wartens iſt vorüber. Es wird kein aufwühlendes Glück werden, aber ein wärmendes, reines il

Hans von Althaus ift wie im Rauſche. Es ijt da, worauf er gehofft und gewartet. Es iſt da! Freudig kehrt er eines Tages in die Garniſon zurück als Urſulas Bräutigam.

Ganz Langenwieſen hat Anteil genommen an dem Glück. Jettchen Yau ua hat Althaus die Hand gedrückt. Förmlich auf i auert haben mußte ſie. Als er am Abend nach Hohen⸗ born & it, da pute fie 1 einer Hecke hervor.

8 Gute, Herr von Althaus.“ Habe aber | if ie im mn jämmerlich elend aus. ie Gie 900 1 mußte Althaus fragen. Nein. Ich weiß es nicht.“ Und ſie eilte zurück. =" trat sit een abermals vor jie hin.

sie ung mme wieder. 39 muß. Iſt's denn ganz aus zwiſ n uns?“

Sie ließ ihm ihre Hand

„Ja,“ ſagte ſie müde. „Es iſt ganz aus. Suche dir ein Mädchen, Friedhold. Du wirſt fie finden; denn du verdienſt fie. Leb wohl.“

Und Abend ae fie vor Döring auf den Knieen.

Nun mußt du's bekannt machen. Meine Eltern ſind gut, aber dl find hart. Jetzt muß es fein.”

1 a,“ antwortete Döring, „es muß ſein, aber warte noch ein. Weilchen, nur noch ein Weilchen.“

Und alle Bitten ſind vergeblich, und das hilfloſe Weinen geht dem Manne nicht an das Herz. Unbequem iſt es ihm. Wenn er vor einem halben Jahre gewußt hätte, was er heute weiß. Nun hat er das Mädchen auf dem Halſe.

r nächſte Tag, ein Sonntag, führt ihn in ein Nachbardorf. Risner hat ihm den Weg gewieſen. Da iſt eine Witwe, jung noch und ohne Kinder. Sie hat eine gute Wirtſchaft. Alles ohne und es iſt etwas herauszuholen.

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Ein Handel ift es. Die Frau klug und kühl und der Mann rechnend. Dabei un ihm das Weib. Sie brauchen nicht lange zu verhandeln. Sollen und Haben wägen fie gegeneinander ab. Es if ein reinliches, gutes Geſchäft. Verloben? Wozu? Sie ſind doch keine Kinder mehr. Wenn die Ernte herein iſt, . ſie heiraten. is be | 5 nn

öring hat einen ſchweren Heimweg. Jetzt muß noch die Abrechnung mit Jettchen kommen. Er ſchiebt le auf. Es ift verdammt ſchwer. Gerade jetzt. Aber was geſchehen iſt, das gel e doch tauſendfach.—

ns von Althaus iſt nun noch weit öfter Leo von Trägers Gaſt als zuvor. Als er mit der Kunde nach Hohenborn kam, daß der Sieg errungen ſei, da legte ihm Leo beide Hände auf die Schul⸗ tern, bohrte ſeine Augen in die ſeinen, atmete tief und langſam.

„Tia, Hans,“ ſagte er, „nu is das ſo weit. Nu haſt du ſie, und ich fag’: Du halt, tja ... du mußt ſchon verzeihen, wenn ich poetiſch werde, obſchon mir das gar nicht liegt alſo, du haſt 'nen Edelſtein. Den hüte, Hans. Und min friſch vom Flecke. Ihr gebt ein gut Geſpann.“

Das hatte ſo etwas Rührendes in ſeiner Schlichtheit, daß es

van von Althaus warm wurde. Er gab Leo Trägers Blick feft zurück. | „Du haft fie auch gern, ſchon von N te an?“ „Tja, ſo als wackren Kerl, weißt du. Frau kommt nur 'ne Lotte Schneemelcher für mich in Betracht. Und nu Mamſell,“ ſchrie er auf den Korridor hinaus, „eine von den Dicken aus dem Keller, eine mit goldenem Hals und Kopf.“ Die Freunde ſaßen zuſammen, taten ſich gegenſeitig Be⸗ ſcheid, ſtießen an auf die, mit denen ſie gemeinſam wandern wollten und erhofften, von dem Leben ein frohes Schaffen und auch ein gut Teil Freude. f

Sie waren ruhige Brautleute, Althaus und Urſchel. Nur ihre Augen waren tief und licht. |

Bisweilen kam die Rede zwiſchen ihnen auch auf Jettchen Heilmann. Das Mädchen ſah zum Erbarmen aus, und oft hingen an ihren ee zen Aber fie war ver- 1 uch der forſchenden Urſula vertraute ſie ihr Leid nicht an.

Zumeiſt gingen Althaus und Urſula an die Abe, um zu angeln. Es war ein a Wettſtreit zwiſchen ihnen, und bald ſiegte Urſula, bald der Rittmeiſter.

Erich und Li hatten wieder aus Ac pen geschrieben. Li überſtrömend in himmelhohen Worten, Erich ſchlicht und natür⸗

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——— ⁵w |

lich. „Na, nun iſt es da, nun fei glücklich, Schweſterſeele.“ Seit langem zum erſten Male wieder „Schweſter“. Urſula nickte vor ſich hin. So iſt es gut, mein treuer Bruder.

Lis Geſundheit hatte ſich erheblich gebeſſert. Die Lebens⸗ freude, die ſie geſtorben wähnte, war wieder erwacht und be⸗ tätigte ſich in einer ſtarken, gleichmäßigen Liebe zu dem Gatten. Erich kam ſeinem Weibe entgegen. Er war freier, lebhafter, friſcher geworden, a i ein feſtes Vertrauen auf die Zukunft, und ſein Weib wuchs inwendig mit ihm. Nun war ſie reif zur Be Gutsherrin.

rſula hat gewählt. Gute, tapfere Uiſchel. Wenn Li Hart- mann heimkehrt, wird ſie zuerſt den Brief verbrennen, der im Kaſten verſchloſſen liegt, den ſie vergeſſen hatte, und an den ſie jetzt mit Scham denkt. Es iſt alles gut geworden. Eines noch, eines! Wenn ſie ſich im Höchſten betätigen dürfte, zu dem Gott das Weib beſtimmt. Nur das noch!

Dann würde Erich auch endlich mit den Selbſtquälereien aufhören. Hat er doch neulich, als ſie, nun vom ſicheren Lande aus, zurückſchaute und ſich anklagte, ernſthaft ihre Hände genom⸗ men und ſchier hart geredet. Das ſeien Torheiten, und ſie täuſche ihn damit nicht hinweg über feine eigene, viel größere Schuld. Das haben ſtille Stunden in dem Manne fertig gebracht. Nun ſtand er und ſah klar: Ich war es, der die Geiſter rief, die hernach ſelbſtändig auf flinken Füßen trippelten. Aus Li war alles zu machen. Durch mich war ſie nahe daran, ſich zu ver⸗ lieren. So wird die Gerechtigkeit zur ſtarken Helferin der Liebe.

Und über die Sonne wirft das Schicksal eine ſchwere Wolke.

pans von Althaus iſt an einem Spätſommertage auf Langen wieſen. Urſula aber muß auf die Felder. Erſt die Pflicht. Heute fahren ſie den letzten Hafer ein. Da will ſie zugegen ſein. So muß Hans von Althaus allein an die Abe gehen. Sie ver⸗ abſchieden ſich mit einem „Auf Wiederſehen gegen den Abend“. Ucſula wird ihm bis in den Silberwald entgegenkommen.

Jettchen Heilmann kann nun nicht länger verbergen, was ihr die Nächte zerfrißt und die Tage zerwühlt. Döring muß ſie heiraten. Gleich, ohne Zögern. Sie kann es nicht tragen, vor den Leuten ehrlos zu ſein.

Da tritt der Mann mit dem Bekenntnis vor ſie, daß er im Herbſte Herr eines Gütleins werden wird an der Seite eines Weibes, der er einen Heimgegangenen erſetzen will. Jettchen schrei i macht ihm keine wilden Vorwürfe, fie tobt Fuße

chreit nicht, ſchleudert ihm ihre Verachtung nicht vor die Füße.

„Das willſt du tun?“ fragt ſie heiſer und ſonderbar ruhig.

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„Ja.“ f

„Und ich? Du weißt, wie es um mich ſteht.“

„Freilich, aber ... finde dich damit ab. Ich werde für das Kind ſorgen. Du ſollſt keine Laſt damit haben. Bin ich erſt der Mann der andern, ſo wird ſie nicht dagegen ſein können.“

„So. Und daß ich zur Diebin geworden bin?“

affe Gott, wir haben doch geglaubt, für unſere Zukunft zu ſchaffen.

1 Weiß niemand davon, du brauchſt nichts zu ſagen. Nur ich weiß es und du, und von uns verrät keins das andre. Aber ich weiß eB, und das ift zuviel. Leb wohl und fei glücklich mit der andern.“

Döring tritt an das Fenſter und drückt die Stirn gegen die Scheiben. Wie das Mädchen die Trümmer aller Erwartungen vor den Füßen liegen ließ, das war erſchütternd. Einen Blick darauf und man muß es tragen. Eine Hoheit liegt darin, die zu Boden wirft. Hart auf hart, Schimpfwort und Keifen und Tränen, ſo kommt man darüber hinweg und hat das Gefühl, im Sturme als Wellenbrecher geſtanden zu haben. Aber jo...

Der Mann wendet ſich. Ging da nicht ein Wehklagen durch das Zimmer? Er iſt allein. Die Lampe ſchwelt, und in den Ecken kriechen dunkle Schatten um Stuhl und Schrank. Was denn? Das Mädchen kann doch nicht ſo damit br fein. Es muß u etwas kommen. Sie hat ihm doch gejagt, daß die Eltern lie ſeien und gut, aber hart wie Eichenholz in ſtolzer Rechtlichkeit.

Es treibt den Mann hinaus. Er ie te Mütze auf und wandert. Verrückt das. Die Bäume ſucht er ab, ob da irgend eines baumelt. Er ſteht am Weiher im Park und ſtiert hinein. Rund um das Waſſer läuft er. Weit ausholend kehrt er nach dem Gutshauſe zurück und umkreiſt es. Irgendwo muß ſie doch ſein. Hinter irgend einer Hecke her muß doch ihr Weinen kommen. So Stunde um Stunde in Salt

Über die Felder her kommt der Morgen. Döring kehrt heim. Er brennt ſich eine Pfeife an und qualmt.

Auf dem a erwacht das Leben. Der Inſpektor geht durch die Ställe und ſieht den Arbeitenden zu. Jetzt iſt er neben den Mägden und geht wieder davon. Dann iſt er abermals da. Und dann wieder. Die Mägde Jenner an zu knurren. Lange

at er ſich bezwungen. Jetzt kann er nicht mehr. Ob denn die amſell ſchon auf ſei. Die Mamſell? „Haſt du ſie geſehen?“ Ich, nein.“ „Sie iſt ſonſt um die Zeit beim Milchabnehmen.“ E ne andre Magd tritt herzu. „Die Mamſell? Ja. Die iſt da. Iſt ein wenig ſpäter gekommen. Es muß ihr wohl nicht gut fein.”

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Sie ift da. Aber was Hilft das? Es muß ja noch etwas kom⸗ men. Wenn er der andern aufſagte, der Witwe? Das iſt nicht leicht und will bedacht ſein. Man wirft ſolch ein Gut nicht kurzer⸗ hand auf die Straße.

Er bedenkt es bis gegen den Abend. Dann iſt es zu ſpät. Jettchen Heilmann iſt von dem Manne gegangen. Taumelnd

auf gewohnten Schleichwegen iſt ſie gegangen. Und die Nacht

über hat fie auf dem Bettrande geſeſſen und hat mit ſtarren Augen in die Dunkelheit geſehen. Nun iſt das aus. Was denn? Nur der Traum, einmal ein Gütlein zu haben und Kinder um ſich ſpielen zu ſehen? Nein, alles iſt aus, alles. Eigentlich müßte man raſch tun, was nun zu tun übrig bleibt. Aber die Stunde ijt ja gleich. Der Morgen kommt, und die Arbeit ruft. Morgen wird's eine andre tun. Jettchen Heilmann friert. Ob es eigent⸗ lich ſchwer fein wird? | Tag über tut fie ihre gewohnte Pflicht. Sie ſtreicht ſich des öftern fiber das Haar. Man braucht nicht unordentlich aus⸗ zuſehen. Bis zuletzt nicht. Am Nachmittage ſieht ſie von ihrem Stübchen aus den Rittmeiſter mit der Angelrute gegen den Silberwald hingehen. Und dann, als alles getan iſt, die Leute ihren Nachmittagskaffee haben, den Mädchen geſagt iſt, was für das Abendbrot hergerichtet werden muß, da geht ſie denſelben Weg, den Urſulas Bräutigam ging. Begegnet ihr niemand. Nur von weit drüben her ſchallt zuweilen ein du oder Hott. Und der Wald i ſonnig. Das Licht riefelt an den Stämmen her⸗ nieder und ſinkt zwiſchen Farnkraut und Ginſter hinein. Durch das Unterholz zieht der Wind in langen, ruhigen Wellen. Er kommt aus dem Vorhofe des Herbſtes, obſchon auf Sonnen⸗ 1 reitend. ttchen Heilmann faltet die Hände wie ein Kind und fee in Harren unter den Hafternden Wipfeln. Wie im Gotteshauje wandelt ſie, m und demütig. Leid und ier ſind hinter ihr verſunken. m man die Hand an die Pforte der Ewigkeit legt, dann wird, was einem angetan ward, weſenlos. „Nur 1 mir, daß ich geſtohlen habe.“ Das iſt ihr Gebet an den wigen.

Dann ſteht ſie am Waſſer. Und da heben der Kampf und der Krampf an. Die Jugend wacht auf und das Glückverlangen, und das rüſtige Schaffen ſieht ſie ernſthaft an, und Fried old Becher ſteht vor ihr. „Jettchen, ijt es denn ganz aus?“ Ja, es iſt ganz aus. Die Arme Singer ſchlaff herab. Ein Krampf ſchläͤgt ie Bande um Sinnen und Gelenke, daß Fuß und Hand und Haupt den Dienſt weigern wollen.

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|

Von dem Leben laſſen müſſen, das das junge Herz liebt, dem es gibt und von dem es fordert.

Laut aufſchreiend reißt ſich Jettchen Heilmann aus der Er⸗ ſtarrung. Ein gellender, aufraſender Schrei und noch einer und ein Wimmern. Das iſt der Abſchied vom Leben. Das andre iſt nicht ſchwer. Ein Schritt gegen die tiefe Klarheit und ein ſanftes Hinabgleiten. Es geht vom Ufer aus jäh in die Tiefe. Dann der natürliche un des fich wehrenden Leibes, indes die Seele ſchon auf der Wanderfahrt iſt.

Der Schrei aber iſt a entſetzten Füßen durch die Baume geeilt, hat ſich die Stirn blutig eee an den Stämmen und iſt davongeſtürzt, ſtolpernd und in Angſt vor ſich ſelber gegen den Hang hin. Er iſt Hans von Althaus, der von der Abe heraufſtieg, in das Genick geſprungen. Und hinter dem es Schrei her eilt ein andrer. Kürzer noch. Der peitſcht den Heranſteigenden in die Kniee, jagt ihn bergwärts, und das Wimmern, das auf | ae Sohlen einherſchleicht, nimmt ihn an der Hand und

pringt mit ihm zwiſchen den Stämmen hindurch, leitet ihn und both ue an den See, aus dem fich ein Arm ſchlagend und wehrend ochreckt.

Und Hans von Althaus ſpringt hinein, den Arm zu faſſen. Ein langer, weiter Sprung. Er weitet die Arme, ſchwimmend das Waſſer zu meiſtern. Die Flut aber iſt eiſeskalt. Der See trinkt zuviel Waldesſchatten von oben her und zuviel verborgen in der Tiefe rinnendes Waſſer von unten. Zwei, drei Stöße, dann legt es ſich dem Schwimmenden wie Ketten um die Bruſt. Herrgott! Urſchel, Leben, Liebe, Sonne! Und der Kampf iſt aa en ſinkt Hans von Althaus neben Jettchen Heilmann in die Tiefe.

Die Sonne ſchickt ſich an, Hafer dem Staatsforſte hinabzu⸗ ſinken, da iſt das letzte Fuder Hafer durch das Scheunentor ge⸗ fahren. Urſula Liebenau wirft noch einen Blick in die Kuche. In verdeckten N brodelt und kocht es.

Dann geht ſie dem Silberwalde zu, Hans zu treffen. Sie durchſchreitet den Wald, kommt an den Hang und blickt zur Abe hinab. Das Waſſer rinnt und ſchäumt. Schwalben ſchießen zwiſchen den Hängen einher, im Tale beginnen die Schatten zu weben, und die erſten Nebelfahnen flattern auf. Ob ſie Hans verfehlt hat? Sie kehrt zurück. Da liegt ein Teil der Angelrute. Was denn? | Ä

Und die Angſt kommt zwiſchen den Stämmen einhergeflogen und leitet Urſula an den See. Da liegen die beiden andern Stücke der Angel ihr zu Füßen und der Korb mit den Fiſchen. Kalt

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AY NN

kriecht ihr das Entſetzen über den Leib. Cir tritt an das Waſſer heran und forſcht in die Tiefe. Vom letzten Sonnen⸗

olde umflutet und eingehüllt liegen zwei, kaum einen Schritt voneinander, auf ſchmalem Felsrücken, der in den See hineinragt.

Urſula wirft a in das Farngewirr, ſchlägt die Hände in die feinäſtigen Wedel hinein und ſtöhnt. Das haſt du mir an⸗

etan, du, der du eben einen Sonnentag zur Ruhe geleiteſt?

s i 1 Das? 9952 ee rach it auf

ift jo wahnſinnig, daß ein Deutungsverſuch gar nicht auf⸗ zuwachen wagt. Nur das Entſetzen lebt und 115 Weh, das das Herz zuſammenkrampft.

AUrſchel erhebt ſich. Müde, mit ſchleppenden Schritten geht ſie gegen das Gut zurück. Mit bebenden Lippen ruft ſie zwei der jungen Knechte aus der Geſindeſtube.

„Wart ihr Soldaten?“

1 a.

5 önnt ihr ſchwimmen?“ n a.

„So ſchirrt einen Wagen an und kommt.“

Gewohnt, dem Fräulein zu gehorchen, aber verwundert, tun die Knechte, was ihnen aufgetragen iſt. .

„Nach dem Silberwalde,“ gebietet Urſula und ſchreitet neben dem Wagen her. Sie geht aufrecht, aber dann und wann greift ſie nach den Wagenbrettern.

Als ſie im Walde ſind, läßt ſie auf dem Fahrwege halten und erklärt: „Es iſt ein Unglück . Jettchen Heilmann liegt im See und mein Bräutigam. lt ihr fie holen?“

Die Knechte ſtarren fie ungläubig und fragend an.

Tote wehren ſich nicht. Zuerſt iſt der Rittmeiſter geborgen. Urſula umſchlingt den triefenden Leib des Mannes, haut ihm in das Geſicht und küßt ihn ſtill auf den Mund. Dann Jettchen Heilmanns Leib. Sie liegt in Gras und Farnkraut. Die Kleider ruhen glatt auf dem jungen Leibe, und da iſt des Mädchens Geheimnis offenbar. a

Die Knechte ſchauen ſich an. Iſt denn das Wahrheit? Jett⸗

ilmann und der Offizier? Und er war des Fräuleins räutigam!

Holpernd und ſchütternd fährt der Wagen nach dem Gute.

Urſula läßt das Mädchen in ihr Zimmer 5 den Bräuti⸗ gam in das, auf dem er wohnte, wenn er in Langenwieſen zu Gaſte war.

Mit wankenden Knieen trägt ſie Blumen und Blattpflanzen

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5 und bar fie um den Toten. Dann die Armleuchter.

ie Kerzen leuchten und kniſtern.

Mägde haben auch der Mamſell Ehre angetan. Scheues Salem und Raunen wogen durch das Haus.

ie Nacht kriecht im Se über die Erde. Urſula geht hin und wieder. Aus ihrem Zimmer zu dem Toten und wieder zurück.

Was die Knechte ſahen, das iſt auch ihr nicht verborgen ge⸗ blieben. Sie ſitzt am Tiſche, nagt an der Unterlippe und hat die

efalteten ale weit vor ſich auf den Tiſch gelegt. „Hans, Hans! Vergib mir.“

Es reißt ſie zurück, hin zu dem Toten. Hochaufgerichtet ſteht ie neben ihm und fragt in ſein bleiches Geſicht hinein. Und laut rn o mir „Da liegt einer, der rein iſt und groß.“ „Vergib mir!“ |

In ihrem Zimmer hebt der Kampf erneut an. „Ihr habt oft zuſammen geſcherzt und geplaudert.“ Urſula drückt beide Hände feſt auf das hämmernde Herz. Sie jagt über den Flur, wirft beide Arme um den Toten. „Hans, Fans!. „Ich bin darüber hinaus. Vergib mir, vergib!“

Ein langer Blick noch, dann iſt das ruhige Nachdenken da. Er hat ſie retten wollen. Man weiß nun, was ſie elend gemacht hat ſeit langem und was ſie in das Waſſer trieb.

„Ach Hans, nun haſt du mich zurückgeſchleudert in das Un⸗ gewiſſe. Ich hatte mich durchgekämpft. Nein, ich habe mich durchgekämpft. Der Kampf iſt aus. Die andern haben ihren Frieden, und ich werde den meinen finden.“

Sie ſchreibt an Erich und Li die Tatſachen, aber dazwiſchen hinein die bange Prag Warum das mir?

Am Morgen kommt Vater Ludewig aus Abendorf. Er nimmt Urſulas beide ag Der Greis ift haltloſer als Urſchel. Sie ee ihn zu den Toten.

1 ater Ludewig, Jettchen Heilmann hat es nicht tragen

en.

„Ja, mein Urſchelchen, ja, und dein Bräutigam kam wo dazu als ſie ein Ende machen wollte, und verſuchte, ſie zu ae Vielleicht, daß fie aufſchrie, als ie hineinſprang. Und er hat ben Schrei vernommen und iſt herbeigeſtürzt. Er war ſchon vorher eig, weil es ihn zu dir trieb. So ijt er ihr nachgeſprungen, und > Ber iſt 1 5 ee |

So ſchlicht klingt das, wie eine Erzählung mit Großmutter ſtimme. Urſula faßt Vater Ludewigs Hand. danke

Vater Ludewig. * er ns oe

140

Pye

„Arme Urſchel!“

„Er et keine Eltern, Vater Ludewig. Wir wollen ihn auf dem Erbbegräbniſſe der Hartmanns beſtatten. Ich habe die Nacht an Erich geſchrieben und weiß, daß er einverſtanden ſein wird. Wollt Ihr ihn a 3 St Urſchelchen. Beide. Die Verirrte und den Helfer.

eide.“

Drei Tage ſchleicht das wahnwitzige Gerücht im Dunkeln. Die Mägde vermuten es, und Marthe Leupold, die Totenfrau weiß es genau, wie es um Jettchen ſtand. Ja, und man hat do geſehen, daß der Offizier oft mit dem Mädchen ſcherzte und plauderte. Aber es iſt ſo ungeheuerlich, daß es nicht über die Lippen will.

Nur in die Augen ſieht man ſich, die erſchrocken ſind und vielſagend.

Ganz Abendorf iſt bei der Beerdigung auf den Beinen und ganz Langenwieſen. Die Feier hat etwas Prunkvolles. Die vielen Offiziere und Soldaten und die ſchimmernden Waffen und die Muſik, die ein Erſchauern über die Glieder jagt. Der Oberſt tritt nach Vater Ludewig an das Grab und ſpricht warme Worte vom Soldatentod, der den Wackern traf, als er ein Leben retten wollte. Zahllos ſind die koſtbaren Kränze. Geradeſo wie damals, als der alte Herr Hartmann ſchlafen ging. Leo von Träger ſteht neben Urſula. Er kann ſich nicht helfen. Es EN zwar hae männlich, aber ſeine Tränen rinnen wie ungeſtüme

ergwaſſer.

eule Na hochaufgerichtet. Leicht vornübergeneigt, ſtarrt ſie in die Gruft.

Die Offiziere treten an ſie heran, ſchlagen die Hacken zuſammen und drücken ihr die Hand. Dann ordnet ſich der Bug. Vom Friedhofe gehen fie ſtill hinaus, aber dann ſchallt es: Ich hatt’ einen Kameraden. |

Vater Ludewig ſchreitet vom Grabe des Rittmeiſters zu dem des Mädchens. So, als wolle er den Leuten gar nicht Zeit laſſen, davonzugehen. Er rückt am Talare, als ob er ihn ablegen wollte, aber dann reißt er die Finger zurück. Er ſpricht auch jetzt ſtarke, ute Worte. Gar nichts von Verdammen. Milde, oe es 19 tut, der ſelber von weitem ſchon des Todes Flügel rauſchen hört.

anz zuhinterſt unter denen, die gekommen ſind, den Toten die letzte Ehre zu geben, wechſeln zwei ein paar lurze Worte.

Friedhold Becher iſt an den Inſpektor herangetreten.

Ruhig, aber ſeine Augen brennen.

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„Du trittſt nicht heran. Du nicht! Sonſt ſage ich es laut, daß du die zwei hinabgejagt lch

Da geht einer ganz leiſe etliche Schritte davon und ſteht von weitem, und der andre tritt heran, zwängt ſich durch die Leute, bis er am Grabe ſteht, und hat das Haupt hoch erhoben. „Ihr ſollt wiſſen, daß wir einmal zuſammengehörten.“

Als die Erde die Leiber deckt, da iſt es, als ſtünden die m nenden Augen nicht mehr über den Raunenden. Das Gerli geht. um auf feſten Sohlen, und feine Stimme ſchlägt ſtärkere

ellen.

Einer jr nahezu am Ende des Ausharrens. Döring war immer ein ſcharfer a a aber er war nicht immer ein Schurke. Wüſte, unruhige Nächte und jämmerliche Tage kommen. 7 den oot der der Toten gibt, was er der Lebenden nicht geben mochte

Etliche a nachher tritt im Dämmergrau des Abends ein gebrochener Mann zu der Witwe, der er ſich verſprochen. Er redet knarrend und ruckweiſe. So war es und ſo, und nun iſt das aus zwiſchen uns. Ich kann nicht an der Toten vorbei.

Eine ſonderbare Wirkung haben ſeine Worte auf das Weib. Sie möchte ihn zurückſtoßen und möchte ihm doch die Hand ent⸗ 9 ge Wie du vor mir edt in deiner erbärmlichen En inn. es hat einer geſagt: „So du einen nackend ſiehſt, o kleide ihn. |

Sie nickt zu Dörings Worten, und der Inſpektor geht vom Flecke weg, heimzukommen.

Unterwegs läuft er Risner in den Weg.

„Woher, Inſpettorchen““

; 1900 habe ihr aufgeſagt.“ Er weiſt mit dem Finger rück⸗ wärts.

„Warum das? Sie ſind ein Narr.“

„Kann ſein. Nein, doch nicht. Ein Narr bin ich lange ge⸗ weſen, mehr, ein Lump. Jetzt möcht' ich ein klein wenig wieder Her ſehen können, nicht immer jchielend und ſcheu um

ie Ecke. | a jpielt mit der breitgliedrigen, goldfunkelnden Uhr⸗ ette.

Döring erzählt mit trockener Stimme, daß er eine aus dem Leben gejagt, eigentlich zwei. Das liege wie ein Berg auf ihm. Er müſſe jetzt in allem reine Bahn machen, ja, in allem, ob == were oder ae

n beginnt Risner zu reden. ig erſt, wie man einem kranken Kinde zuredet, dann 5 a zornig und be-

142

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ee auf cite ee es,

fehlend. Das ſchlägt wie Hagelſchauer auf den andern ein, hat keine unmittelbare, entſcheidende Wirkung, aber es geht mit ihm, hockt in der Nacht an ſeiner Lagerſtatt und hat tauſend Augen. So endet ſein Geradeauswollen in einem kläglichen Kompromiß. Ein Teil Ehrbarkeit und ein Teil Falſchheit, die brüchige Ehre vor dem Zerſplittern zu bewahren.

Das Gerücht ft immer herzhafter geworden. An Urſula Liebenau wagt es ſich nicht heran, aber nach Abendorf kommt es und nach Hohenborn und führt Leo von Träger, der ein Donner⸗ wetter über ſeine Leute gejagt hat, nach Langenwieſen zu Urſchel.

lass es w. das iſt verdammt ſchwer zu ſagen, und ich bitte dich, laſſe es mich nicht entgelten, aber ſagen muß ich es dir; denn es könnte ſonſt von irgendwoher dich überfallen.“ Und er redet in ehrlicher Entrüſtung. |

Urſula ijt nicht fo erſchrocken, als er es erwartet hat. Sie ſieht ihn mit traurigen Augen an.

„Ich danke dir, Leo. Was du ſagſt, iſt mir leid um des Toten willen, aber man kann das verſtehen.“

Das geht über Leo von Trägers beſcheidenes Denken. Drein⸗ ſchlagen, ja, das verſtünde er, Hieb auf Hieb, rechts und links fab ie Mäuler, und der Teufel müfje ihnen in den Naden ahren.

„Leo, es ift da ein ganz kleines Letztes. Wir wiſſen, wie es geſchah, aber wir wiſſen nicht, wer Jettchen Heilmann elend

machte. Daran fehlt es, und das iſt eine Lücke, durch die herein das Gerücht huſcht.“

Und am Abend desſelben Tages iſt die Lücke geſchloſſen. Der ehrliche Friedhold Becher kann das nicht länger mit anſehen. Den Inſpektor ſchonen? Vielleicht, daß es dem Manne überhaupt gleichgültig iſt. Wer kann an Wa heran, weil um ſeinetwillen ein törichtes Mädchen in das Waſſer ſprang? Aber um der andern willen muß man Eh die Dede fortreißen.

Er ſteht vor Urſula und berichtet ihr, wie feine Liebe in Scherben ging, daß er wußte, daß das Mädchen an dem Inſpektor 15 und ja, nun fei das eben fo gekommen. Urſulas Augen

ind warm. Die Lücke iſt zu. Sie kann geſchloſſen werden. 2 aber, daß Döring leugnet.

Da lodern des Burſchen Augen. „Fräulein, das ſoll er ver⸗ ſuchen. Ich habe ihn von dem Grabe gejagt, ich jage ihn über die Erde wie einen räudigen Hund. Nicht auslaſſen tue ich ihn.“

Döcing leugnet nicht. Knapp und klar bekennt er ſich zu ſeiner Tat. Da iſt das un in ſich erſtorben. Dem Toten aber winden ſie einen Ehrenkranz.

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Nun müſſe er wohl gehen, fragt Döring müde. Er hat Angſt vor dem u Urſula hat ein hartes Wort auf den Lippen aber ſie zerbeißt es. Es ſtehe in ſeiner Hand. So wolle er noch kurze Zeit bleiben. Dann werde er ſich eine andre Stelle ſuchen.

Er hat ſo das Gefühl, daß er das der Toten ſchuldig it, die Entrüſtung, die aus abgeriſſenen Worten und raſchen Blicken auf ihn dreinfährt, über ſich ergehen zu laſſen. En

Risner iſt zornig auf ſeinen Genoſſen. Zum Weibe fei er geworden, ein jämmerlich Häuflein Elend. Er hätte die Finger Sr allem laſſen ſollen, wenn er zu feige fei, den Folgen zu

ober. g

Der Verkauf der Ernte ſteht bevor. Urſula iſt nun doch ſchwan⸗ kend geworden. Soll ſie Risner die Ernte geben? Der Trotz kommt über ſie. Ich wage es. Er ſoll ſeine eigene Niedertracht ſchlucken. Ein Verbündeter iſt ihm genommen. Das iſt der Inſpektor. Des Mannes jetzige Art bürgt dafür.

Sie ſchließt den Verkauf mit Risner ab.

Zwiſchen dem und Döring hat es eine ſcharfe Auseinander⸗ ſetzung gegeben. Döring erklärt, daß er die Hand nicht wieder 17 dem Betruge bietet. Der Händler fährt auf ihn ein mit maß⸗

ſem Drohen. Das verfängt nicht. Der en ift Stumpf und gleichgültig. „Das ift mir egal, ob ich ins Gefängnis komme oder nicht.“ Jetzt verſucht es Risner mit Uberreden.

Und wieder kommt es zu einem kläglichen pees Döring wird ein Auge zudrücken, beide, wenn es fein mu aber er wird nicht ſelbſt Hand anlegen.

Die Dreſchmaſchine ſingt und faucht. Früher noch als im Jahre. Urſula möchte mit dem Druſch fertig fein, wenn Erich und Li heimkehren. Wieder ſtehen die aes bereit, die Laſten aber lische Sack kollert auf Sack. Der Inſpektor notiert, aber Urſchel ſelber zählt nach und vergleicht die Angaben.

Risner ſtutzt erſt, dann faucht er, zuletzt wird er raſend.

Narr, der er war, fic) in den Handel einzulaſſen. Das ver- fluchte Weibsbild ſoll der Teufel holen und den Inſpektor dazu. Als ob ji) die Liebenau über ihn luſtig mache. Zweimal ift er ſo zufällig auf dem Gute geweſen. Er muß den Inſpektor heran⸗ kriegen, gehe es wie es wolle. Beide Male hat er das Fräulein aad ae um ihm ſchien, es fpiele ein leiſes Lächeln um ihre

ndwinkel.

Endlich hat er den Inſpektor allein. So kann das nicht weiter⸗ 29 5 Dann lieber ein Gewaltſtreich, ſelbſt auf die Gefahr hin, daß er mißglückt.

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144

N

Alſo, in der kommenden Nacht wird ein Wagen an der Rück⸗ jee der Scheune ſtehen, aber das Tor muß offen fein. Dazu äßt ſich Döring herbei. Und der Wagen? Hm, ja, ein Wagen könne ja zufällig auch ſtehen bleiben. Nun fragt Risner, ob denn wohl einer der Knechte zu brauchen fei. Der Inſpektor ſchwankt. Da kann nur der Lorenz in Frage kommen, der mit dem roten Barte. Risner wird einig mit ihm.

Der en bleibt zufällig ſtehen, das Tor iſt offen.

Döring ſucht früh ſein Lager auf. Schlaf findet er nicht. Stiehlt er ſchon nicht ſelbſt, ſo iſt er doch auch nicht unſchuldig. Es kann gelingen. Die Nacht iſt lang und der Weg nicht allzu weit, aber man weiß nie, wie man bei dem Fräulein daran iſt.

In der beginnenden Dunkelheit ſchlendert Urſula noch einmal nach dem Parke. Es geht ſich gut, wenn die weiche Dunkelheit einem den leichten Mantel um die Schultern wirft. Da haben die Gedanken Feierſtunden und kommen wie endloſe Pilger⸗ ſcharen. Sie wandert aus dem Parke an den Arbeitshäuſern entlang, biegt um die Ecke nach den Scheunen zu. Da ſteht ein Wagen. Das verdrießt ſie. Die Wagen gehören nach getaner Arbeit unter den Schuppen. Aber es liegt nichts weiter darin. Und ſo im Vorbeigehen, ohne Mißtrauen, nur aus Ordnungs⸗ liebe, greift ſie nach dem Torſchloſſe. Schnapp, iſt es unter wen Fingern offen. Da fährt fie zurück. Das kann Zufall fein, aber es kann auch etwas dahinterſtecken. Was denn nun? Sie kann ſich doch nicht allein auf die Lauer legen.

Der Albin Degener iy ein mutiger, wackerer Burſche. Sie kehrt raſcher nach dem Hofe zurück. Aus der Geſindeſtube ſchallen Stimmen. Eine der Mägde kommt daher. Der trägt Urſula auf, nd den Degener herauszuſchicken. Sie nimmt ihn mit in das Wohnzimmer und blickt ihn ſcharf prüfend an.

rion bat? wiſſen Sie, wer den Wagen an der Scheune ſtehen gelaſſen hat?“

„Och, der Inſpektor ſagte, wir ſollten ihn für morgen früh bereitſtellen.“

Pr nd wer hat die Scheune abgeſchloſſen?“

„Sie haben vergeſſen, das linke Tor zu ſchließen.“

„Das ſtimmt nicht. Ich habe abgeſchloſſen.“

„Es iſt offen.“

Der Knecht blickt ſie betroffen an.

„Nein, Fräulein. 30 habe das beſtimmt abgeſchloſſen. Habe mich ſogar an das chloß gehängt.

„So. Jetzt iſt es offen.“

XXXIV, 28 145 10

„Dann“ | „Es tft gut, Degener. Sie könnten mir einen Gefallen tun. dach wollen die Nacht auf dem Poſten ſein. Es ſcheint mir ver⸗ a A | & will ich den Heidecker rufen.“ 5 „Nein. Den Heideder laſſen wir. Fürchten Sie ſich?“ zo ich w 19 5 „Aber das Fräulein will doch nicht ..“ „Ja, ich will.“ f „Das kann gefährlich werden, wenn wirklich einer kommen ollte.“

„Diebe ſind meiſt feige.“

Urſula Liebenau und der Knecht liegen auf der Lauer.

Langſam gehen die Viertelſtunden. Die Glocke von Abendorf klingt laut herüber. Und dann um Mitternacht kommen zwei heran. Einer bleibt am Wagen ſtehen, der andre betritt. die Scheune. Er geht auf leiſen Sohlen.

u Bald tritt er wieder heraus und wirft einen Sack auf den agen.

Jetzt kann Albin Degener nicht wa an ſich halten. Mit einem Fluche ſpringt er auf und ſchlägt ſeine Hand dem Stehler in das Genick. Wie ein Hammer aber ſauſt des andern Fauſt dem Knechte gegen den Schädel. Den er gefaßt hatte, der reißt ſich mit kurzem Ruck los. Dann nur noch ein paar lange Sprünge.

Albin Degener ſteht da und greift ſich an den Kopf.

„Dammich, ſagt er, „nu ſind ſie fort.“

„Wir können in das Haus gehen," jagt Urſula. „Werfen Sie den Sack in die Scheune. Und, Degener, kein Wort darüber. Wir haben nicht einmal einen Verdacht.“

Er ſtolpert neben Urſula drein.

„Fräulein, ich hab' das woll dumm gemacht?“

„Ja, Degener, wir hätten den zweiten faſſen und den andern in der Scheune einſchließen ſollen; aber vielleicht wäre das auch nicht gelungen. Gute Nacht, und ſtill davon.“

»Raſch geht fie nach des Inſpektors Wohnung. Sie klopft an dem niederen Fenſter.

Döring fragt, wer da ſei.

Urſula bittet ihn, die Scheunenſchlüſſel herauszubringen. Dem Inſpektor ſchlagen die Hände. Es iſt mißglückt. Nun kommt es darauf an, ob man Risner oder Lorenz ab mg ae daß es dunkel iſt, und das Fräulein fein Geſicht nicht

„Herr Inſpektor, man hat uns re wollen.“ „Beſtehlen? Was wollten ſie haben?“ |

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fie

„Getreide.“

„Die Scheune war aber doch zu.“

„Nein, das linke Tor ſtand offen.“

„Der Teufel ſoll dem Degener in den Nacken fahren.“

ee ae hat das Tor abgeſchloſſen.“

„Ja, aber..“

„Wer weiß, wie es zuging. Wir wollen es zuſchließen. Leider war Degener ungeſchickt. Die Diebe ſind entkommen.“

ae ſchreitet Döring raſcher als vorher.

Urſula fragt nicht, ob er Verdacht habe. Sie ſelber vermutete zwar, daß einer dabei war, dem das, was er ſich ſelber zurichtete, hart zwiſchen den Zähnen liegt, aber es iſt da, wie geſagt, nichts . Der Inſpektor war ſicher nicht beteiligt.

ch zweimal nimmt Risner Getreide ab, dann bittet er, die Lieferung vorläufig einzuſtellen, da ſeine Lagerräume über⸗ füllt jeien.

Li Hartmann 10 die ſie geworden. Eine wunder⸗ ſame Zartheit und Milde geht über ſie, regiert ihr Tun und Laſſen, ihr Denken. Sie hat den rechten Wertmeſſer für das Leben mit ſeinem Drum und Dran gefunden.

Zu vielen Malen ſitzen Erich Hartmann und Li ſtill nebenein⸗ ander und laſſen die Gedanken über Meere und Länder ſchweifen, jedes auf eigenem Wege gehend und ſich am Ziele vereinend. Das iſt ein Gut abſeits der Heerſtraße, und das iſt ein Menſchen⸗ kind, außergewöhnlich und doch ſich in den Alltag einpaſſend.

Sie haben für Urſula ſchon allerlei erwogen. Wo fe nun wohnen werden, Althaus und ſein Weib. Ob fie fich wohl ein Gut kaufen? Die Mittel hat Urſula dazu.

Li ſchmiegt jig an Erich. So wohlig ift das, dem ruhigen Gange der ſtarken Mannesbruſt nachgebend, das Haupt heben und ſenken zu laſſen. Ecich Hartmanns Blick ruht auf Lis Scheitel.

Das Leben hat ihm nun ein ſchlichtes Glück auf feſte Füße geſtellt. Es iſt nicht ganz ſo, als er es einſt zu haben meinte, aber es iſt gut und warm. Mehr zu verlangen, wäre undankbar. Zartlich ſtreicht ſeine Hand über Lis blondes Haupt. Sie blickt ihm hingebend in die Augen, reckt ſich auf und küßt ihn.

„Erich, du haſt mich lieb?“

„Ja, meine Li, ich habe dich lieb.“

In das ſtille Genügen ſpringen ein paar Sorgentage. Die furchtbare Nachricht von dem Unglück im kalten See hat Erich Hartmann erſchüttert und Li niedergeworfen. Sie weint maß⸗ los. Die grauſame Härte des brutalen Schickſals trifft ſie mit ſtarker Wucht. Dagegen hilft kein Wort des alten Kinder⸗

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en und kein Mahnwort des Verſtandes. Es ift fo ſinnlos grauſam.

Seit Tagen ſchon war Li Hartmann nicht ſo wohl als in den Wochen vorher. Infolge des innerlichen Zuſammenbruches iſt das Fieber wieder da. Sie hatten bereits an die Heimkehr ge⸗ dacht. Nun müſſen ſie bleiben. Lange kommt das junge Weib nicht über den Schlag hinaus.

Dann aber wächſt aus der Not ein goldenes Zukunftslicht erauf. Das Herrlichſte will Wirklichkeit werden. Das Herr⸗ ichſte! Auf den Knieen dankt ſie demſelben Gott, dem ſie vor Tagen wilde Fragen nach dem Warum des Elends auf Langen⸗ wieſen vor die Füße geworfen hat. Den ſie Tyrann nannte, den ruft ſie jetzt als Vater an und ſtammelt entzückten Dank.

Li Hartman iſt geweiht. Das Leben wird ihr das Höchſte geben, das es in ſeinen Händen hat, ein Leben.

Erich Hartmann küßt ſein Weib ſtill und andächtig.

Nun Li gewiß iſt über das, was lange ungewiß war, verlangt ſie heim. Heim, und das Daheim iſt Langenwieſen, dasſelbe, auf dem ſie es einſt nicht auszuhalten vermeinte.

Sie ſchreibt einen langen, jauchzenden Brief an Urſchel, bittet um Vergebung, daß ſie ihr Glück ſo laut werden laſſe, und kann ihm doch den frohen Mund nicht ſchließen. Und am Schluſſe der Jubelruf: „Wir kommen heim! In vierzehn Tagen oder drei Wochen ſind wir da.“

rſula e den Brief, und als fie ihn lieſt, da tropft es aus den Augen ſtill und leiſe nieder. Sie hüllt ſich in einen war⸗ men Mantel und geht über Feld nach Abendorf an das Grab Hans von Althaus’. Mit beiden Händen ſtreicht fie darüber. „Nun kommt bald der Schnee und deckt dein Kämmerlein zu. Schlaf gut. Ich denke dein, du Lieber.“

Vater Ludewig, der ſie geſehen, bittet ſie, ihn auf ein Stünd⸗ chen zu beſuchen. Sie ſitzen in ſeinem Studierſtübchen und plaudern mit a Stimmen. Urſchel erzählt von den Ge⸗ ſchwiſtern, und als ſie Lis Glück berichtet, da nimmt der alte Mann ihre Rechte. „Urſchelchen, wenn ich nicht wüßte, daß un⸗ bedingt alles, was in unſer Leben hereintritt, zuvörderſt den Zweck hat, uns zu erziehen, dann ſtünde ich vor deine m Schick⸗ ſal wie ein u Hier Glück, hier Leid. Aber: muß eben jedes Leben gleichſam wie ein Kriſtall i und ſich ormen. Dazu müſſen die Schlacken abfallen. Es liegen an jedes Menſchen Wege Scherben. Wohl dem, der erkemit, daß die Scherben fallen müſſen. Manch Menſchenleben iſt dazu zu kurz. Gebe Gott, daß deines lang genug iſt.“

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Wieder ranken ſich in Langenwieſen Girlanden um die Türen, wieder grüßt das Willkommen aus dem Grün heraus.

Morgen abend wird der Wagen den Herrn und ſein Weib heimbringen.—

Risner hat ſchlechte Tage. Der Diebſtahl iſt mißlungen. Der geſchäftliche Verluſt iſt bedeutend, doch er wäre zu über⸗ ſehen. Daß aber ein Weib ae überliftet hat, das fteigert feinen Verdruß in das Maßloſe. Er könnte zurücktreten von dem Handel, 185 I würde über ihn lachen; er kann durchhalten, und fie lacht

er ihn.

Wieder ift er auf dem Gute geweſen, als müſſe ihm an Ort und Stelle eine Erleuchtung kommen. Zornig iſt er gekommen, Zorniger gegangen. |

Er hat inzwiſchen wieder eine Lieyerung annehmen müſſen und noch eine, und es ſtehen noch große Poſten aus.

Geſtern traf er mit dem Hohenborner Gutsherrn zuſammen. Der hat ſeine Freude nicht verbergen können. Wie das Geſchäft dies Jahr gehe, hat er gefragt und hat breit und laut ſchallend gelacht. Und nie iſt Risner das Lügen ſo ſchwer geworden, als da er ſagen mußte, er ſei zufrieden.

„Na,“ hatte der Hohenborner geſagt, „mir kann's recht ſein,“ hatte ſich gewandt und war lachend davongegangen.

Das hat dem Händler den Reſt gegeben.

Eine lange Nacht iſt Risner auf en Beinen, einen ganzen Tag treibt es ihn hin und wieder. Er läßt fich nieder und trinkt, er ſpringt auf und flucht. „Sie lachen über mich. Ich bin ihnen in die Falle gegangen. Verdammt!“

Zwei leere Flaſchen ſtehen auf dem Tiſche. Er greift nach der dritten.

„Ich tue das! Heute zur Nacht! Ich tue es, und wenn fie mich pel bak a Dann bleibt mir der Strid, aber fie follen nicht über mich lachen.“

Auf Langenwieſen ſind ſie in Erwartung des Gutsherrn und ſeiner Gattin. Urſula ſieht alles zwei⸗ und dreimal nach. Sie ſollen heimiſch ſein mit dem Augenblicke, in dem ſie ihre Füße über die Schwelle ſetzen.

Der Wind bläſt von Abendorf herüber und fährt pfeifend um die Ecken. Schwere Dunkelheit liegt über dem Lande.

Da ſtürzt einer der Knechte ſchreiend in das Haus. „Feurio, Gh Sche bel ſchlagen die Fl d

em unengiebel ſchlagen die Flammen, und der Wind jagt ſie im Fluge den Firſt entlang. Hei, wie das kniſtert und ſprüht und frißt. Wie flinke, un⸗

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heimliche Reiter eilen die Flammen. Im Innern rennt die

lut auf raſchen Sohlen über die Dielen. Zu den Scheunen⸗ laden heraus ſtreckt ſie ihr rotes Antlitz. Hui! Mit einem Knall reißt einer der brennenden Getreidehaufen auseinander. Die Diele iſt durchgebrannt. Der Feuerregen rieſelt auf Tenne und Banſe. Die Scheunen ein einziges Feuermeer.

Urſula iſt auf den Hof geſprungen. Erſt hat ſie wie gelähmt geſtanden, dann iſt ſie geflogen. Ein Blick auf den Brand. An den Scheunen iſt nichts zu retten. Das Vieh heraus aus den Ställen! Der Inſpektor iſt bereits am Werke.

Scharf und gebietend klingt ſeine Stimme. Als er die Flam⸗ men lodern ſah, da wußte er, weſſen Werk das war.

„Mir nach! Wir müſſen die Maſchinen retten!“

Mit ungeſtümer Kraft ſtemmt er ſich dahinter. Das Eiſen klirrt, und die Räder poltern. Knechte greifen wacker zu. Döring ſieht es kaum. Als ob er allein ſchaffen müßte. Wie ein Zugtier legt er ſich davor, zieht und keucht. Er rennt zurück. Uber ihm praſſeln die Flammen. Auch die letzte Maſchine wird geborgen und draußen arbeiten Männer, die mit Pferden von Abendor herübereilten, an der ſchweren Dreſchmaſchine. Es gelingt, auch ſie auf den Weg zwiſchen den Feldern zu fahren.

. unter f. as Leitung das Vieh aus den Ställen gezogen. Brüllend ſetzen ſich die Tiere zur Wehr. Da iſt Döring mitten unter den Leuten.

Die Halskette eines Stieres ſchlingt er ſich um die Hand und zerrt das Tier hinter ſich drein. Das Eiſen ſchneidet ihm tief in die Hand, ſo daß ſie blutet. Er achtet es nicht. Dann iſt er am Spritzenſchlauche. Eberhard Harmut vermag das Strahlrohr nicht mehr zu halten. Die Glut iſt zu groß, ſie ſengt ihn. Döring tritt heran. Ziſchend fährt der Strahl in die Flammen. Es gilt, die Ställe zu retten. Deren Dächer beginnen bereits zu glimmen.

„Werft den Scheunengiebel ein,“ ſchreit der Inſpektor.

Die Männer ſchlagen die Feuerhaken, die auf langen Stangen ſitzen, ein. Friedhold Becher lehnt ſich gegen den ſeinen, daß ſich die Stange biegt. „Ho, hopp!“ Der Giebel ſchwankt. „Ho, hopp!“ Und wieder, zehnmal. Der Giebel ſteht. Die Männer müſſen zurück, die Glut iſt zu groß. Fällt der Giebel auf die Ställe, dann find ſie nicht qu halten.

Döring gibt das Strahlrohr einem der Männer und errafft einen Feuerhaken. „Heran! Ho, der Fünf, ſechs folgen ihm. Neben ihm i Friedhold Becher. v0, Dopp Krach, ſplittert des Burſchen Stange. Er ſchlägt vornüber, und neben ihm ſauſt ein brennender Balken nieder und überſchüttet ihn mit

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N U

einem feurigen Regen. Wieder ein Balken. Der Geſtürzte liegt zwiſchen ihnen. Der nächſte Balken kann ihn treffen oder den, der ihn etwa retten will. Da iſt Döring über ihm. Als ob er ein Kind höbe, ſo nimmt er ihn auf und ſpringt zurück mit ihm. Er ſieht, daß Bechers Kleider glimmen und ſchlägt mit den

1 drauf. Da ſteht Friedhold auch ſchon wieder auf eigenen

Es gilt, der Scheunengiebel ſchwankt. „Ran, Männer!“ Döring hat wieder einen Feuerhaken zur Hand. ee, hopp!“ Polternd ſchlägt der Giebel nach innen, und eine hohe Feuergarbe loht auf. Aber auch aus den Ställen züngeln Flammen. „Die Leiter her!“ Der Inſpektor hat das Strahlrohr an ſich geriſſen und ſtürmt die Leiter hinan. Das Dach entlang leitet er den Strahl und tötet das Feuer, wo es aufflackern will. Dicht neben dem Glutofen der Scheune arbeitet er. Die Haut in ſeinem Geſicht runzelt ſich. Er hält die Hand an den Waſſerſtrahl und ſtreicht ſich über das Geſicht. Seine Kleider dampfen und ſengen.

„Gießt mir Waſſer über,“ befiehlt er.

Friedhold Becher, der unverletzt geblieben war, ſchüttet ihm einen Eimer Waſſer über den Leib. Es dampft auf. Wie im poe arbeitet der Inſpektor und vollbringt Übermenſchliches.

ie Männer ſehen ſich an.

„Das hätten wir ihm nicht zugetraut.“

Die unen ſtürzen in ſich zuſammen, aber Herrenhaus und Ställe bleiben erhalten, die Maſchinen ſind faſt durchweg geborgen, und auch der Viehſtand blieb vor Schaden bewahrt.

as iſt dem Inſpektor zu danken. Er hat die Männer mit fort⸗

eriſſen, hat gearbeitet, als ginge es um Eigenes und hat doch ug gehandelt in allem.

Schon von weitem ſahen Erich Hartmann und ſein Weib die Glut am Nachthimmel. Die Heimkehrenden rieten in Sorge, wo der Brand lohen möge. Abendorf, ja, das lag in der Richtung. Die Bahn wandte ſich. Um Gott! Das iſt nicht Abendorf, das iſt Langenwieſen. Li klammerte ſich an den Gatten. „Erich, unſer Heim brennt!“

Der Mann ſtand am Fenſter. Die Lippen zitterten, und die Hände flogen ihm. Ja, das iſt unſer Heim. Und die Nacht und die Entfernung machen, daß man das Maß für die Größe des Brandes verliert. Er wirkt ungeheuerlich. Nicht anders: Das ganze Gut muß in Flammen ſtehen. Erich Hartmann ſinkt auf die Bank nieder und ſchlägt die Hände vor das Antlitz. Nun er ſein Heim zu verlieren meint, wird ihm die heilige Größe des Eigenen ganz bewußt. Und zu der Seelennot die andre. Ich

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habe dem Gute viel aufgebürdet. Das Schickſal aber wirft mir nun den Reſt vor die Füße. Darüber komme ich nicht hinaus.

Der Sen hält. Da iſt der Vorſteher. Erwartungsvoll blickt ihm der Heimkehrende entgegen. Und dann die Botſchaft: „Die

cheunen brennen.“

Die Scheunen! Schwer, aber es iſt nicht das Gut, nicht das heilige Haus, das ſeine Jugend geſehen und die ſeines Vaters und ſeiner than und das die des eigenen Kindes ſehen ſoll. Wie eine Erlöſung iſt es. Er wird ruhig, beſonnen. Da iſt zuerſt Li, die man hüten muß. Er reicht ihr die Hand und ſtützt fie, als ſie dem Wagen entſteigt.

„Es ſind nur die Scheunen, Li. Gott ſei Dank.“

Li antwortet nicht. Schwer hängt fie in ſeinem hme.

„Sei ruhig, Kind. Das wirft uns nicht nieder. Wir bauen ſie wieder.“ Er leitet ſie hinüber nach dem Gebäude. Einer der Beamten hat das Gepäck auf einen Karren geladen.

Ein Wagen preſcht heran. Leo von Träger ſpringt heraus und eilt auf die Heimkehrenden zu. „Es ſind nur die Scheunen, Erich!“ Sie drücken ſich feſt die Hand. So treten ſie an den Wagen heran.

„Und das Vieh?“ fragt Erich Hartmann.

„Alles gerettet. Es iſt dem Inſpektor zu danken. Er hat wacker gearbeitet. Für zehn hat er geſchafft und hat den Fried⸗ hold Becher aus dem Feuer geriſſen.“

„Weiß man, wie der Brand entſtand?“

„Nein. Vielleicht angezündet.“ |

Dabei 1 Erich Hartmann ſein Weib in den Wagen gehoben. Rührend iſt das, wie Urſchel für alles geſorgt hat. Decken find da, ſogar den Pelz hatte ſie mitgeſandt.

rt 4

Fahr zu. |

Im Feuerſcheine kehren ſie heim. Urſchel iſt ihnen bis vor das Tor entgegengegangen. |

„Daß ihr jo heimkommen müßt!“ ruft fie. Dem Bruder ein kurzer Händedruck. Li aber liegt an ihrer Bruſt und weint wie em Ache 5 Erich, „b Li hinauf bleibe b

„Urſchel,“ bittet Erich, „bringe Li hinauf und bleibe bei ihr. Nun ſehe ich ſelber zu.“ 0

Leo von Träger drückt Erich noch einmal die Hand. „Erich, wenn du anfängſt aufzubauen, dann denke dran, daß du auf Hohenborn einen Freund haſt.“ . Auf der Brandſtätte ift nicht viel mehr zu tun. Die Gefahr iſt vorüber. Langſam beginnen ſie wieder, das Vieh in die Stände zu bringen.

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em f. Hartmann trifft auf den Inſpektor. Den bras zwei, indem ſie ihn unter den Armen faſſen, über den Hof. „Was iſt mit Ihnen, Herr Inſpektor?“ fragt der Gutsherr.

Döring ſieht ihn mit geiſtloſen Augen an. Der Mam iſt zuſammengebrochen. Er lallt wie ein Kind und hängt den zweien haltlos in den Armen.

Friedhold Becher, einer derer, die ihn führen, antwortet auf Hartmanns Frage.

„Herr,“ ſagt er, „der hat das gemacht, daß nun nicht auch der Stall liegt und das Haus. Nun hat es ihn hingeſchlagen.“

Erich Hartmann faßt raſch nach Dörings hängender Rechten un an erſchrocken zurück. Die Hand ift ſchwammig und auf- gedunſen.

„Den Arzt her,“ befiehlt er. „Der Kutſcher ſoll nicht abſchirren. Raſch den Arzt!“

Ein dunſtiger, grauer Morgen ſteigt herauf; über der Brand⸗ ſtätte flimmert die glühende Luft, Flammen zucken da und dort noch auf. Die Feuerwachen leiten den Strahl hinein, dahin und dorthin, wo das Feuer erwachen will. |

Li Hartmann iſt in tiefen Schlaf geſunken. Es ift ein Schlaf der Erſchöpfung. Neben Erich Hartmann ſitzt Urſchel. Ihre Augen liegen tief und ſind unſäglich traurig. Sie haben lange geſprochen. Nun faßt Urſula das alles noch einmal zuſammen.

„Erich, es bedarf keines Beweiſes weiter. Vielleicht, daß er nicht zu erbringen iſt. Das aber ändert nichts daran. Und ich bin mitſchuldig. Wollte Gott, es wäre ein andrer der Täter. Iſt es aber Risner, dann habe ich mir zuviel zugetraut. Der Mann iſt ein Betrüger und hat auch dich im vorigen Jahre betrogen. Ich habe es durch Vergleiche mit Leo Trägers Büchern e Nun hätte ich ihm die Ernte nicht geben ſollen. Ich ? e es im Trotz getan, weil ich ihn mit ſeinem eigenen Tun ſtrafen wollte. Mit Lachen fab ich wie er ſich wehrte, aber ich war über ihm. Er hat einen Diebſtahl verſucht. Der iſt mißlungen. An die Abmachungen aber war er gebunden. n hat er ſich gerächt. So 1 es gekommen.“

„Und der Inſpektor, Urſchel?“

„Ob er früher gemeinſame Sache mit Risner gemacht hat, das weiß ich nicht. Dieſes Jahr gewiß nicht. Was er aber auch vordem getan, das, Erich, hat er heute wettgemacht.

„Er wird lange zubringen, ſagt der Arzt,“ ſprach Erich Hart⸗ mann dumpf. Er ſchwieg eine Weile, dann reichte er Urſula die Hand. „Urſchel, ich bitte dich, laß ab von den Selbſtquälereien. Was geſchah, konnteſt du nicht vorausſehen; du haſt es gut ge⸗

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meint. Und noch iſt nicht erwieſen, daß du recht Haft in deiner Vermutung.“

Urſulas Vermutung aber erwies ſich als richtig. Als man am Morgen e wollte, Risner zu ch eel da war er fort. Ob er den Weg über den großen Teich gefunden, ob in die Schweiz, niemand konnte es feſtſtellen.

Ec hat nie nach dem gefragt, das er zurückgelaſſen, obwohl es nicht unbeträchtlich war.

Inſpektor Döring lag zwei Tage im Fieber. Am dritten war er klar. Erich Hartmann ſuchte ihn auf, ihm zu danken. Der Mann hatte angſtvolle Augen und zitterte. Das Sprechen fiel ihm ſchwer. Hartmann legte ſeine Rechte auf des Inſpektors dick umwickelte Hände.

„Döring, ich danke Ihnen.“

Der Kranke wollte ſich aufrichten und verſuchte, in Haſt zu ſprechen und den Dank abzuwehren. Erich Hartmann drückte ihn ſanft zurück.

„Seien Sie ruhig, Herr Inſpektor. Sie haben als Mann da⸗ geſtanden, und wenn etwas auszuwiſchen war, ſo haben Sie es ausgewiſcht mit ſtarker Hand.“

Da ſchießt es feucht in Dörings Augen. Er wiſcht mit dem a r lei Ballen, den die Rechte bildet, darüber. „Danke,“ agt er leiſe.

In der Tür ſtieß Eich Hartmann auf ein junges, friſches Weib, das zu dem Kranken wollte. Er gab ihr Raum, aber er blickte ihr fragend in die Augen.

„Ich komme, ihn zu holen,“ ſagte fie. „Wir hatten uns ver⸗ ſprochen. Dann kam das mit dem Mädchen dazwiſchen, er ſagte mir auf. Ich hätte es wohl auch getan, aber daß er es tat, das gefiel mir, und ich farm über das nach, was min werden ſollte. Nun iſt geſtern der Friedhold Becher bei mir geweſen und hat mir von dem Brande erzählt. Jetzt weiß ich, was ich tun muß. Ich will ihn holen, Herr, und werde ihn geſund machen. Dann heiraten wir. Man muß beides gegeneinander halten, das Frühere und das Letzte. Es 5 ein guter Kern in ihm.“

Erich Hartmann reichte ihr die Hand. „Glück zu,“ ſagte er und ließ die zwei allein. Nach kurzer Zeit kam die Frau über den Hof. Urſula, der Erich von dem Zuſammentreffen erzählte, ging ihr entgegen.

„Er will mit mir gehen,“ ſagte die Frau. „Ich ſuche jemand, der mir hilft, ihn nach dem Wagen zu bringen.“

Zwiſchen Urſula Liebenau, die ihn rechts, und dem jungen Weibe, das ihn links führte, ſchwankte Döring nach dem harrenden

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Wagen. Im pole blieb er ſtehen und warf noch einen langen

Blick über die Brandſtätte. Dann ſtreckte er Urſula den Ballen

entgegen, der ſeine Hand umſchloß. „Fräulein,“ ſagte er lallend,

e daß es Ihnen gut geht. Ich habe Ihnen viel zu anken.“ |

Kaum war die Brandftätte erfaltet, da ging es an das Auf⸗ Jun und Ausſondern deſſen, was als Baumaterial noch brauch-

ar war.

Die Verſicherungsſumme war hoch. Urſchel hatte auch die Ernte rechtzeitig verſichert. :

Nach langem Widerſtreben fügte jich Erich) Hartmann und nahm, was er noch zu der Bauſumme brauchte, aus Urſulas Hand. Das müſſe er tun um ihres eigenen Gewiſſens willen. Damit hatte ſich Urſchel durchgeſetzt. |

9

Der Winter war milde. Bis dicht an Weihnachten heran konnten ſie auf der Brandſtätte ſchaffen. Dann kamen einige Wochen der Ruhe, die jedoch niemals eine vollkommene war. Im Februar ſetzte die Bautätigkeit wieder lebhafter ein.

Erich Hartmann ſtand vom Morgen bis zum Abend unter den Arbeitenden. Die Leute ſchafften freudig. Es arbeitete ſich gut auf Langenwieſen. Da waren die Frau und das Fräulein, die es verſtanden, ein übriges zu tun. So in Kleinigkeiten, die einen freuen. In der Geſindeſtube richteten ſie den Tiſch her, wenn es Veſperzeit war, und fragten nicht danach, ob das aus⸗ gemacht ſei und dies. Und der Herr wußte ein gutes Wort am rechten Flecke anzuwenden und langte des öftern aus ſeiner tiefen Joppentaſche 0 die m heraus.

rüh begann auch die Arbeit auf den Feldern. Die über⸗

wachte einer, der es ehrlich und gut mit Langenwieſen meinte. Hartmann hatte Friedhold Becher als ſeinen Verwalter in Dienſt genommen. Inſpektor wollte er ſelber ſein, hatte er geſagt, aber um einen guten Verwalter ſei er verlegen. et Becher hatte gern zugegriffen. In feinem Vaterhauſe wurde es nachgerade enge. Jüngere Geſchwiſter wuchſen heran.

Zwischen Erich, Li und Urſula herrſchte ein froher, freier Ton. Ganz verwundert war Erich Hartmann oft. Wie ſein Weib jetzt im Gute aufging.

Tätig war Li, früh auf dem Poſten und einfach in allem.

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Dörthe Neumeier knurrte wohl und wollte ſich hindernd in den Weg ſtellen. Aber Li Ay ihr in die Augen. „Dörthe, fühlſt du denn nicht, wie froh ich bin, und wie gut es mir tut?“ CErich e legte ſeinem Weibe den Arm um die Schul⸗

tern. „Ubernimm dich nicht, Kleines. Es liegt noch viel vor uns, und wir müſſen haushalten mit unſrer Kraft.“

Dazu ſah ſie einen Augenblick ernſt vor ſich hin.

Still hatte Urſula die Scherben, die ihr das Leben vor die Füße geworfen, beiſeite geſchoben. Aus der Traum, der ſchon über Jugendtagen gelegen, aus das Wollen, das ſie hatte eee heben follen aus Leid in ſtille Tage beſcheidenen, aber feſt ge⸗ gründeten Glückes. Sie wird bei den Geſchwiſtern bleiben. Nicht lange mehr, und ſie wird für eines mitſorgen, das frühlings⸗ haft aufſprießen will. |

Li Hartmanns Antlitz iſt ſchmäler geworden, kindhaft Hein ſind die Hände und erwartungsvoll die Augen. So ſtark iſt das herdhütende Glück, ſo heilig und wunderſam das innerſte Leben!

Und der Tag der Erfüllung iſt da. Die Sonne lacht leben⸗ bejahend über dem Lande. Li Hartmann wirft ihr zitterndes Ja in die große Gewißheit draußen. Heldenhaft ſteht ſie im Ringen. Ich muß und ich will. Ja und ja. Das Leben iſt groß

und iſt ernſt. Nie wird das Höchſte dem Menſchen kampflos in den Schoß geworfen.

Das Leben ſiegt, das junge, frühlingsſtarke, das andre aber, an dem lange ein heimlicher Wurm nagte, das zerbricht im Sturme.

ee hat einen Erben, einen, an dem Vateraugen mit dankbarem Staunen hängen. Was iſt es doch für ein Heiliges um ein eigen Kind. |

Der Schick m aber reißt das Flämmchen der Freude ee wieder. Um Gott, foll denn ein Leben das andre

ezahlen

Der Arzt macht ein ernſtes Geſicht. „Ich bleibe zur Hand. e Man kann nicht nen wie das ausgeht.“

i Hartmann liegt in den Kiſſen, und ihr ſchmales Antlitz hat etwas Engelhaftes. Sie lächelt müde. So müde und die 92199 ſo ſchwer. Die Hände kraftlos und die Füße wie ab⸗ geſtorben.

Angſt zittert in Erichs Augen und hockt in denen Urſulas. Urſula Liebenau hat die Hände verkrampft. „Herrgott, nicht neue Scherben. Das wäre zu grauſam.“ N

Und die Müdigkeit wird laſtender. Da verſteht Li Hartmann ee u as dem Unbekannten. Verſteht ihn und demütigt ich darunter.

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Sie lächelt. Und lächelnd umſpannt fie ihres Mannes Hand. „Erich, hab Dank. Ich war ſo glücklich.“

r Mamn bäumt ſich gegen das kalte Wehen, das aus der Ferne ſcch n dies mit rieſenhafter, wilder Kraft. Die Zähne ee ſich in die Lippen, und über das Geficht läuft ein Erſtarren.

was will aufwachen. Iſt es Fluch, iſt es Gebet? Und Li lächelt. Läßt ihre Linke in der des Gatten und langt mit der Rechten nach der Urſulas. Und ſie lächelt. Jäh aber fliegt ein Erſchrecken über das engelhafte Geſicht. „Erich!“ Wie ein Schrei iſt es. Die Zunge aber gehorcht nicht meht. Jammervolles Lallen in höchſter Not. Erich Hartmann deutet es für den beginnenden letzten Kampf. re 51 HG, den ringenden Leib. „Li, heiliger Gott, Li, mein ie u

Da kehrt die müde, kraftloſe Ruhe zurück. Das Lächeln wacht wieder auf, das kleine, ſchier unirdiſche.

Und die brechende iat reicht zu dem letzten Bekenntnis. „Ich gen das nicht geglaubt.“

ächelnd ſchläft fie ein wie ein Kind im Mutterarm.

Erich Hartmann hat keine Tränen. Tagelang nicht. Erſt hernach in einſamen Abendſtunden. Sie gehen aufrecht Schulter an Schulter, Urſula Liebenau und der Gutsherr von Langen⸗ wieſen. Laut und eindringlich ruft das Leben ſein Ja. Es ſchallt nie lauter als im dünnen Kinderſchrei.

te Erich Hartmann preßt ihre Hände. „Urfchel, ach Gott!“

Und Urſulas Antlitz Gin und ſchwere Tropfen rinnen. „Erich, nun war das Glück da, und es ging in Scherben.“ Erich blickt ſie ſinnend an. „Ja, Urſchel, es war ein ehrliches

Glück geworden und hätte ausgereicht für ein langes Leben.

Nun iſt es zerbrochen.“

Heilige Arbeit. Der Bau verlangt ernſthaftes Zufaſſen. Mit tauſend Forderungen tritt der Alltag an zwei, die nicht nur eigenes Schickſal zu geſtalten haben, denen ein Stück deutſches Land anvertraut iſt, a deren Hände eine Anzahl Menſchen ſchauen, weil ſie aus ihnen empfangen, was ihnen not tut, daß ſie am kleinen Herdfeuer in engen Häuslein wachſen. Aus denen flutet es dann wieder hinaus und gibt dem Lande wehr⸗ hafte Kraft und nährende Arbeit.

Nur die Stunden, in denen die Träume die Fäden ſchießen, aus denen 3 Gewebe ſpinnen für die langen Nächte, bringen ein ſtilles Beſinnen. Und ob ſchon das Leid neben den zweien auf Langenwieſen geht und ſich mit ihnen zu Tiſch ſetzt, klar

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ſchlägt es die Augen doch nur auf, wenn Erich oder Urſchel allein ſind.

Da blättert der Witwer Gewordene zurück, ſucht die Blättlein auf, die ſeines Weibes Hand beſchrieb, nimmt welke Roſen zur Hand, birgt das Haupt in den Kiſſen, auf denen das ihre geruht, ſchließt Schränke auf und Käſten.

So geſchieht es, daß ihm der Brief in die Hand fällt, über den Li der Glaube getragen hat.

Das iſt eine furchtbare Stunde. Erich Hartmann erkennt die Fälſchung ſofort. Siedend ſchießt ihm das Blut in die Wan⸗ gen. Er hebt die Fauſt. Daß er den Gemeinen niederſchlagen könnte, der Gift miſchte! Laſtend liegen die Fragen auf ihm. Warum geſchah es, und warum iſt Li nicht mit dem Briefe vor ihn getreten? Es umwogt ihn, wie den Wandrer, der im 5 den Kamm eines hohen Gebirges überquert. Und aus Wolkenwehen und Sturmesbrauſen ſteigt der Ringende nieder in das Sonnenlicht. Ä

Von dem Strahlenkranze einer Heiligen umkränzt, vermeint er ſein Weib vor ſich zu ſehen. Taſtend wühlt er ſich hinein in die unendlich reiche, tiefe Liebesflut, mit der fie ihn umkoſte. Du Heilige, du Heldin!

Und ein ſcharfes Licht fiigt über die letzten Augenblicke der Toten. Wie ſie ſeine und Urſulas Hand hielt und lächelte. Dann das Aufbäumen, als ihr die Erinnerung an das Unterlaſſene kam. Den Brief hatte ſie auslöſchen wollen, hatte es vergeſſen und war nun zu ſchwach, es nachzuholen. Und dann, alle Kraft zu⸗ ſammennehmend, weil fie wußte, daß fie damit eine Mauer niederriß, die ſonſt zwei auf immer trennte, das Bekenntnis: „Ich habe es nicht geglaubt.“

avor muß Erich Hartmann in die Kniee ſinken. Er vollendet der Toten Werk, einem Gebote gehorchend, das aus dem Un⸗ irdiſchen kommt. Schier wie Jauchzen klingt das feine Kniſtern der Flammen.

Als das Werk getan, geht er langſamen Schrittes in das Kinderzimmer. Hier ſitzt Urſchel, hat des Buben kleine Fauſt e neigt ſich über ihn und lacht ihn an mit Mund und

1 |

ge. Da wallt es heiß in dem Manne empor. Sinnend ſchaut er auf die zwei und kehrt feſten Ganges auf ent Zimmer zurück. Hochragend ſtehen die Scheunen. Fleißige Hände ſchichten darin den Schnitt der Wieſen. Dann kommt die Ernte, und die gähnenden, dunklen Tiefen der leeren Häuſer füllen ſich. Ribbecke fährt auf ſeinem Kutſchwägelchen in den Hof.

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„Herr Hartmann, ich bin gekommen zu fragen, ob Sie wollen machen ein ehrliches Geſchäft mit einem ehrlichen Manne.“

„Ja, Ribbecke, von jetzt ab ſollen. Sie die Ernte wieder haben. Und dann: Den Baldur könnten Sie mir wieder abnehmen. Meine ... Fräulein Urſula reitet nicht mehr, und für mich iſt das Pferd zu leicht.“

„Gut, Herr Hartmann. Wollen Sie dafür haben ein ſchwere⸗ res Pferd, das geht vor der Maſchine oder dem Pfluge, oder wollen Sie haben einen Preis, der um zweihundert Mark niedriger iſt als der, den Sie zahlten?“

„Das Geld, Ribbecke, Pferde habe ich genug.“

ret recht. Ich werde holen das Pferd binnen heute und drei Tagen.“

Der Segen ſtrömt wieder herein, der alte Segen deutſcher Erde. Erich Hartmann kann abzahlen. Es wird etliche 5 dauern, bis Langenwieſens Sparren frei ſind, ganz fe aber der Tag wird kommen, und die Laſt iſt nicht unerträglich.

Li Hartmanns Kind wächſt heran. Es ſteht auf feſten Bein⸗ chen, es lacht, es lallt, es formt Worte.

Und vom Spiele trägt es das Wort „Mutter“ in das Haus. Urſula erzittert darunter. „Mutter.“ :

Das iſt Vater Ludewigs letzte Amtshandlung, daß er Erich Hartmanns und Urſula Liebenaus Hände ineinander 15

Er redet von Scherben, die nach dem Willen eines kommen mußten, der kein Warum aus Menſchenmund duldet, und preiſt ihn dafür, daß er es den zweien vergönnt hat, das große Warum zu verſtehen. |

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In Engelhorns Romanbibliothek iſt ferner erſchienen von

Guſt av Schröer

Ich batt’ einen Kameraden. (XXXII. 5)

Zu beziehen durch jede Buchhandlung

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12. $l nt und Dic Von Wilhelm poeck. + 8 5.50 hatt' einen Kameraden, KR on Suſtav Schröer. 1. ter Ilge Joch. prams | Ima pylkkänen. u. | Aus dem Finniſchen. 4 beg herbe Gräfin. Von Hanns von Zobeltitz. 5 10 en unter Tränen. Von Edna Ferber. Aus dem Amerikaniſchen. 15 * die hölle. Von Nanny Lambrecht.

9/10. „mutter und Sohn. Von Wilma Linde. Aus dem Schwediſchen.

. Zugvögel. Von Clara Lötſchert.

12. zwi d ilen. * a re er Höder.

Die Hollaprinzeß. . Von . B. Mein Vetter Jofua. Er: Von Richard Skowronnek. 4. Meretes heirat. Von Maud Wilmut, “op. Die ay vier Maske. 5 Von paul Oskar Hider. . Im Zeichen des dop . Von hermine villinger. 8. Die blaue Lore. I : Von Hanns von Zobeltitz. *. Aber den Tälern. Von Adelheid weber. u. Die unſichtbare hand. Von M. me Donnell Sodfin.

12. Blaubart, 1

Von Marianne Mewis.

die pri . = Sen Be ae.

„Goldenen Beutel“ in Elmenrode erſcheint die Prinzeffin aus Java und verliert ihr Herzchen in der alten Ritterburg. Wilbelmintje iſt ein ſprudelndes, herz riſchendes Menſchenkind, reibt

ch aber an europ paige Verhältniſſen ſchlleßlich wund und findet erſt in Afrika wieder Geneſung. Hanns von Zobeltitz führt auch hier mit ſicherer Hand und plaudert mit nie verſagender Unter⸗ 8 Wir find gewiß, mit dieſem lie⸗ benswürdigen Werk des nun leider Verſtorbenen unſern Leſern eine beſondere Freude zu machen.

3, die geſtohlene Fregatte. W Bon ithe Peed.

19 Wie Exzellenz Fernando Cortez, der Kriegs- und Marineminiſter von Taranigra, nach Hamburg a kommt, um den Grundſtein einer Kriegsflotte 15 N E wie er ſich mit dem ebrlichen Makler Sa Gibwaffer auf die Fahrt begibt und eine biftor ener däniſche Fregatte entführt, die ihm ſchließlich

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1314. Die geborgte Sonne. we ie Bon Georg Hirfdfelo, 15. Der witwenhof. Von mes aM

16. Die marokkaner. Bon Severin Zieblein, BK 1718. das im Süden, Are Bon A Srachvogel.

19. Hofer Slick und andere Gef stäten au dem Lande der Schönhei und de Treuloſigkeit. Von niga voß.

20. Ein Adoptivkind. N Von Katharina zitelmann.

21/22. Jimmy, der Eindringling. Von p. G. Wodehoufe.

23. Friedenskämp fe. Von Helene Raff.

24, vorſchnell geſchieden. Von Ingeborg vollquartz.

25/26. Der abrikant. Von Robert Wehrlin

Dreiunddreißigfter Jahrgang

13/14. Im Kampf um die Heimat. Von Wilhelm poeck.

15. Schwertzauber. Von Carry Sradvoge!

16. die Katakomben von Ombos. Von Ernſt Schertel.

17,18. Fortunat. Von Helene Raff. 19. Das wunderfame Abenteuer des Herr Galahad Jones. Von A. 6. Adame 20. An der Wetterfeite. Von Marie Diers

2122. Meerkatz. Von Fedor v. Zobeltit.

23. Gunvor. Von Eliſabeth Kuylenftierna: Wenſter. 24. Miß Mand Millers Nomfahrt. on Richard voß.

25/26. Herbſtſpuk. Von Carry Brachvogel.

vierundoͤreißigſter Jahrgang

wieder abgenommen wird das iſt mit eg Poeckſcher Lebendigkeit erzählt, die keinen tote Punkt der Handlung kennt und die auftretende Perſonen von allen Seiten mit dem Scheinwerfe utmütigen Verſtehens, beißenden Spottes un rötlichen Witzes beleuchtet. 4. Der Zinsgroſchen. Von Wilma Lindhé.

Von Frauenliebe, die nicht auſbören und nich untergehen kann, die, wenn fie auch nur von Bro ſamen gefpeift wird, immer kräftig und lebendi, bleibt, berichtet diefer Chi Roman der vor trefflichen ſchwediſchen riftſtellerin.

6/6, Die überflüſſigen Töchter. Von Marie Diers.

In ihrer herben, klugen Art erzählt Marie Dier, das Werden von drei durch widrige Verbältniſf aus dem Vaterhaus geſtoßenen Motföpfchen, dene; kraus und bunt genug gebt, bis jedes ſich feinen

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Nute menen ber bate | 19. Die Phantafiesraut. Ä tt er r == 3 8 iefchfeld. 4 Tides @efelifcaft sinter den De nay ee ast, te SO

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