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Naturwissenschaftlichen Gesellschaft

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Herausgegeben

von dem Redaktions-Komitee.

Jahrgang 1903.

Juli bis Dezember.

5 0fc,43 WzS'S’3

Dresden.

In Kommission der K. Sachs. Hofbuchhandlung H. Burdach.

Redaktions- Komitee für 1903.

Vorsitzender: Geh. Hofrat Prof. Dr. 0. Drude.

Mitglieder: Hofrat Prof. Dr. J. Deichmüller, Prof. Dr. E. Kalkowsky, Prof. Dr. A. Schlossmann, Oberlehrer Dr. J. Thallwitz, Prof. Dr. Ph. Weinmeister

und Prof. K. Wobst.

Verantwortlicher Redakteur: Hofrat Prof. Dr. J. Deichmüller.

Sitzungskalender für 1904.

Januar. 7. Prähistorische Forschungen. 14. Zoologie. 21. Botanik. 28. Hauptver¬ sammlung.

Februar. 4. Mineralogie und Geologie. 11. Mathematik. 18. Physik, Chemie und Physio¬ logie. . 25. Hauptversammlung.

März. 3. Prähistorische Forschungen. 10. Botanik und Zoologie. 17. Botanik (Floristen¬ abend). 24. Hauptversammlung.

April. 7. Mineralogie und Geologie. 14. Mathematik. 21. Physik, Chemie und Physio¬ logie. 28. Hauptversammlung.

Mai. 5. Prähistorische Forschungen. 12. Exkursion oder 19. Hauptversammlung.

Juni. 2. Zoologie und Botanik. 6. (Montag) Botanik (K. Botanischer Garten 5 Uhr).

9. Mathematik 16. Mineralogie und Geologie. 23. Physik, Chemie und Physio¬ logie. 30. Hauptversammlung.

September. 29. Hauptversammlung.

Oktober. 6. Prähistorische Forschungen. 13. Mathematik. 20. Botanik und Zoologie. 27. Hauptversammlung.

November . 3. Botanik. 10. Mineralogie und Geologie. 17. Physik, Chemie und Physio¬ logie. 24. Hauptversammlung.

Dezember. 1. Zoologie. 8. Prähistorische Forschungen. Mathematik. 15. Botanik. 22. Hauptversammlung.

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der

Naturwissenschaftlichen Gesellschaft

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in Dresden.

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Herausgegeben

von dem Redaktions-Komitee.

Jahrgang 1903.

Mit 2 Tafeln und 1 Abbildung im Text.

Dresden.

In Kommission der K. Sachs. Hofbuchhandlung H. Burdach.

1904.

Inhalt des Jahrganges 1903,

Verzeichnis der Mitglieder S. V.

Oskar Schneider f S. XV.

A. Sitzungsberichte.

I. Sektion für Zoologie S. 3 und 19. Hanzsck, B.: Ornitkologische Reisebilder aus Island S. 19. Heller, K.: Flügelgeäder von Schmetterlingen, Nest der kalifornischen Minierspinne, Kassein der Klapperschlange, Verhalten von Pimelia grandis und Asemus alb om arg in atu s , neue Literatur S. 3. Jentzsch, K.: Blätter der Silberpappel S. 4. Schiller, K.: Jugendstadien von Phallus impudicus S. 4. Schorler, B.: Hamburger Elbuntersuchungen S. 3. Thallwitz, J.: Über Sepia officinalis, Problem der geschlechtsbestimmenden Ursachen, neue Literatur S. 3. Viehmeyer, H.: Myrmekophile Käfer Sachsens S. 3.

II. Sektion für Botanik S. 4 und 19. 0. Schneider f S. 19. Drude, 0.: Zusammensetzung schweizerischer und skandinavischer Torfmoore, Perennierungs- formen heimischer Waldstauden, Formationsherbarien aus der Flora Sachsens und Nebraskas, Abbildungen zur Flora Nordamerikas S. 5; Naturforscherversammlung in Kassel S. 19; Charakterpflanzen der ostpreufsischen Formationen S. 20; neue Literatur S. 19. Engelhardt, H.: Die Steinnufs S. 5. Fritzsche, F.: Pflanzenvorlagen S. 4. Haupt, H.: Biologie des Pollens S. 19. Naumann, A.: Adenophora liliifolia S. 4. Oster maier, J. : Photographische Aufnahmen von Pflanzen usw., mit Bern, von 0. Drude S. 20. Schiller, K. : Subterrane Pilze S. 5. Schorler, B. : Der Moschuspilz S. 5; Literatur Vorlage S 20. Wobst, K., und Wolf, Th.: Pflanzen¬ vorlagen S. 4.

III. Sektion für Mineralogie und Geologie S. 5 und 21. Bergt, W.: Sudetisches Erdbeben vom 10. Januar 1901 S. 6; seltene Minerale, gegenwärtiger Stand des Problems der kristallinischen Schiefer, internationaler Geologenkongrefs in Wien, Reise durch Bosnien S. 21. Deninger, K. : Die Karnischen Alpen S. 21. Engelhardt, H. : Fossile Pflanzen des Obermiocäns von Kleinasien, Briefwechsel zwischen Goethe und K. von Sternberg S. 6. Kalkowsky, E.: Geologische Kar

tierung, neue Literatur S. 6; Theorie der bruchlosen Faltung S. 21; . und

Deninger, K.: Fossile Hölzer von Hilbersdorf S. 6. Schiller, K.: Neue Literatur S. 21. Stübel, A. : Genetische Erklärung der vulkanischen Vorgänge auf Martinique und St. Vincent S. 6. Wagner, P.: Geschichte der geologischen Erforschung Sachsens S. 5, Vorlage von sächsischer Wundererde S. 6.

IV. Sektion für prähistorische Forschungen S. 6 und 21. Al vensleben, L. von: Vorlagen S. 8. Deichmüller, J.: Bernsteinfunde aus Sachsen S. 7, steinzeitliche Niederlassuugen bei Mügeln, Birmenitz und Mettelwitz S. 8; Inventarisierung der vor¬ geschichtlichen Altertümer Sachsens im Jahre 1903 , neue Erwerbungen der K. Prä¬ historischen Sammlung, neue Urnenfelder aus Sachsen S. 21; neue Literatur S. 8 und 21. Döring, H.: Modell des Burgwalles Niederwartha S. 6, der Heidenschanze bei Altkoschütz S. 7; Benndorfs Tafeln vorgeschichtlicher Gegenstände aus Mittel¬ deutschland S. 8; Feuersteinfunde von Salzuflen, Museum in Detmold, Ausflüge in Lippe - Detmold und Westfalen S. 22. Dutschmann, G.: Slavischer Topf aus Löbtau S. 9. Ebert, 0.: Vorgeschichtlicher Bernsteiuhandel S. 7; Herdstellen¬ funde bei Stetzsch S. 9; Heimat und Wanderungen der Indogermanen S. 6, mit Bern, von P. Menzel S. 8. Hottenroth, I.: Funde aus der Umgebung der Zöthainer Schanze S. 7; steinzeitliche Niederlassungen bei Lommatzsch S. 22. Klähr, M. : Neue vorgeschichtliche Funde S, 7, 8 und 22. Ludwig, H.: Neue vorgeschicht¬ liche Funde S. 7 und 22; Herdstellenfunde bei Sörnewitz S. 9. Putscher, W. : Vorlage S. 8. Vogel, Kl.: Klopfstein von Mockritz S. 7.

V. Sektion für Physik, Chemie und Physiologie S. 9 und 23. Beythien, A.: Neuere Fleischkonservierungsmittel S. 9; Nahrungsmittelkontrolle der Stadt Dresden S. 23. Bohrisch, P.: Haltbarmachung von Nahrungsmitteln S. 9. Klopfer, V.:

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Neues Verfahren zur Herstellung von Nahrungsmitteln S. 23. Meyer, E. von: Bereitung von Spiritus aus Fäkalien S. 9. Schumacher, W. : Entwicklung der organischen Analyse S. 9. Töpler, M.: Über Becquerelstrahlen S. 9.

VI. Sektion für reine und angewandte Mathematik S. 10 und 23. Grübler, M.: Kriterien der Zwangläufigkeit kinematischer Ketten S. 10. Heger, R. : Be¬ rührungskugeln der Seiten eines unebenen Vierseits S. 11; Kegel und Kugeln in homogenen Koordinaten S. 23. Krause, M. : Cauchyscher Integralsatz iS. 23. Rohn, K.: Regulär verteilte Punkte im Raum S. 10; Stellung geometrischer Auf¬ gaben S. 23 ; homogene lineare Relation , welcher die Koordinaten von vier Punkten der Ebene Genüge leisten S. 24. Weinmeister, Ph. : Synthetische Lösung einer geometrischen Aufgabe S. 23; Ort des Punktes gleicher Tangenten an zwei ebene Kurven, mit Bern, von K. Rohn S. 24. Witting, A.: Fall im widerstehenden Mittel, kleinere Mitteilungen S. 11.

VII. Hauptversammlungen S. 11 und 24. Beamte im Jahre 1904 S. 27. Kassen- abschlufs für 1902 8. 11, 12 und 16. Voranschlag für 1903 S. 11. Freiwillige Beiträge zur Kasse S. 26. Veränderungen im Mitgliederbestände S. 13 und 25. Bericht des Bibliothekars S. 29. Nitsches Vermächtnis für die Bibliothek S. 11. Besichtigung der Bibliothek S. 24. K. Vetters f, G Radde f S. 12. Dietz, R. : Reise nach den Kanarischen Inseln im Jahre 1901 S. 25. Drude, 0.: Älteste Papierfabrikation S. 12; Physiologie der Reizerscheinungen im Pflanzenreiche S. 13; botanische Reise zwischen Weichsel und Memel, neue Literatur S. 25; Entwicklung der Isis S. 12: Mitgliederbestand der Isis im Jahre 1903 S. 25. Engelhardt, H. : Vorlagen, neue Literatur S. 25 Kalkowsky, E.: Reise nach Portugal S. 12. - Meyer, E. von: Justus Liebig S. 12. Ostermaier, J.: Photographien aus der Hohen Tatra S. 12. Pattenhausen, B.: Neuere Ergebnisse der europäischen Grad¬ messung S. 11 Schiller, K.: Entwicklung, Wachstum und Benutzung der Biblio¬ thek S. 24. Schlossmann, A. : Tod und Scheintod S. 25. Exkursion nach der Sächsischen Gufsstahlfabrik in Döhlen, nach Gottleuba S. 12.

B. Abhandlungen.

Bergt, W.: Über einige sächsische Minerale. Mit 1 Abbildung im Text. S. 20. Bergt, W.: Aschenstruktur in vogtländischen Diabastuffen. Mit Tafel 1. S. 26. Bergt, W.: Stauchungen im Liegenden des Diluviums in Dresden. Mit Tafel II. S. 30. Beythien, A.: Die Nahrungsmittelkontrolle der Stadt Dresden. S. 35.

Drude, 0.: Mitteilungen über botanische Reisen 1899 und 1903 in Ostpreufsen. S. 77.

Engelhardt, H.: Bemerkungen zu tertiären Pflanzenresten von Königsgnad. S. 72. Hottenroth, I.: Über neolitische Ansiedelungen in der Umgebung von Lommatzsch. S. 67...

Menzel, P. : Über die Flora der plastischen Tone von Preschen und Langaujezd bei Bilin. S. 13.

Schorler, B. : Beiträge zur Verbreitung des Moschuspilzes {Nectria moschata Glück). .8. 3.

Thallwitz, J.: Cladoceren, Ostracoden und Copepoden aus der Umgebung von Dresden. S. 9.

Die Verfasser sind allein verantwortlich für den Inhalt ihrer

Abhandlungen.

Die Verfasser erhalten von den Abhandlungen 50, von den Sitzungsberichten auf besonderen Wunsch 25 Sonderabzüge unentgeltlich, eine gröfsere Anzahl gegen Er¬ stattung der Herstellungskosten.

Oskar Schneider.

Durch den am 8. September zu Blase witz erfolgten Tod des Geographen Prof. Dr. Oskar Schneider hat die naturwissenschaftliche Gesellschaft Isis einen schmerzlichen Verlust erlitten. Ein Mann voller Hingabe an die Liebe zur Natur und die Pflege naturwissenschaftlicher Forschung ist mit ihm dahingeschieden. Vier Jahrzehnte hindurch seit 1863 hat Schneider der Isis angehört, und unsere Gesellschaft verdankt ihm eine grofse Anzahl lehrreicher Vorträge und gehaltvoller Abhandlungen. Wenngleich seine Hauptarbeit der Geographie und Kulturgeschichte gewidmet war, so bewog doch die naturwissenschaftliche Auffassung der Geographie den vielseitigen Mann, sich auch in Mineralogie und Geologie, in Botanik und Zoologie forschend zu betätigen.

Merkwürdig war der Entwicklungsgang Oskar Schneiders. Von Haus aus Theologe gab er sich später fast ausschliefslich naturwissenschaftlichen und geographischen Studien hin. Geboren wurde er 1841 zu Löbau als Sohn eines Geistlichen, und auf Wunsch seines Vaters, der Archidiakonus zu Löbau war, hat er in Leipzig Theologie studiert. Aber die Neigung zur Naturbeobachtung und sein Sammeleifer führten schon den Gymnasiasten und Studenten auf das Arbeitsgebiet, das seine spätere wissenschaftliche Tätigkeit ganz in Anspruch nahm. Gleich von Anfang au zeigte sich als charakteristischer Zug seines Wesens die Ausdauer, mit der er sich einem ihm der Erforschung wert erscheinenden Stoffe durch Jahre hindurch immer und immer wieder zuwendete. Aus Sammlungen und Beobachtungen, mit denen er sich Jahr für Jahr während des gröfsten Teiles seiner Gymnasial- und Universitätsferien beschäftigt hatte, entsprang 1865 seine Dissertation, die „Geognostische Beschreibung des Löbauer Berges“, die er als 24jäliriger cand. theol. in den Abhandlungen der naturforschenden Gesellschaft zu Görlitz veröffentlichte, und mit der er den philosophischen Doktorgrad der Universität Leipzig erwarb. Mit dieser Arbeit trat Schneider in persön¬ liche Beziehungen zu den berufensten Vertretern der Mineralogie und Geologie jener Zeit, und auch bei seinen späteren Arbeiten versäumte er nicht, Verbindungen mit Naturforschern seines Arbeitsgebietes anzuknüpfen und Beziehungen zu ihnen zu pflegen. 1867 liefs ihn ein längerer Auf¬ enthalt in Ägypten ein reiches Material ansammeln, dessen Ordnung und Bearbeitung er den gröfsten Teil der Zeit widmete, die ihm seine Lehr¬ tätigkeit am Freimaurerinstitut und später an der Annenschule zu Dresden übrig liefs. Die Jahrgänge 1871 und 72 unserer Isis -Berichte bringen eine grofse Zahl von Mitteilungen und Vorträgen Schneiders über Ergebnisse

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dieses Aufenthalts, aufserdem Abhandlungen über „Die Käferfauna von Ramleh“, über „Palästinensische Käfer“, „Die Schmetterlingsfauna von Ramleh“, „Die Conchylienfauna der ägyptischen Küste“, sowie „Über die Flora der Wüste von Ramleh“. Alle diese Arbeiten kennzeichnen Schneider als geschickten Sammler und verständnisvollen Beobachter. Die Spezialisten, denen er gern von seinem Material übergab, konnten sicher sein, Formen dabei zu finden, die seinen Vorgängern entgangen waren. Durch ihn sind zahlreiche neue Arten in die Wissenschaft eingeführt worden, und die Kenntnis von Verbreitung und Lebensweise sehr vieler Arten wurde durch ihn gefördert.

Die Nachempfindung weihevoller Stunden, die ihm 1868 eine Reise durch Palästina gebracht hatte, regte ihn nach seiner Rückkehr in die Heimat zu Quellenstudien über die Literatur des toten Meeres an und ward Anlafs zu einer Abhandlung „Über die Entstehung des toten Meeres“.

Das Jahr 1875 führte Oskar Schneider auf sechs Monate nach den Kaukasusländern, die er hauptsächlich zu geographischen Studien benutzt hat. Aber die Naturwissenschaft blieb nicht unberücksichtigt. Soweit es die Reisedispositionen zuliefsen, ging er eifrig ans Einsammeln kaukasischer Koleopteren und brachte 18000 Stück in 1600 verschiedenen Arten zu¬ sammen. Gemeinsam mit der Sammelausbeute eines anderen Kaukasus¬ reisenden wurden diese Käfer von namhaften Entomologen bestimmt und die Resultate niedergelegt in den umfangreichen „Beiträgen zur Kenntnis der kaukasischen Käferfauna“ von Dr. Oskar Schneider und Hans Leder, Brünn 1878, die in der faunistischen Liste mehr als 200 Neubeschreibungen enthalten. Ein Ergänzungsheft der Zeitschrift unserer Isis brachte im gleichen Jahre 0. Schneiders „Naturwissenschaftliche Beiträge zur Kenntnis der Kaukasusländer“.

Die Anregungen, welche Schneider ehedem in Ägypten empfangen, beschäftigten seinen Geist auch weiterhin noch und lieferten ihm Arbeits¬ stoff. Jahrgang 1887 der Isis enthält „Der ägyptische Granit und seine Beziehungen zur altägyptischen Geschichte“, und die Festschrift zur Jubel¬ feier des 25jährigen Bestehens des Vereins für Erdkunde zu Dresden bringt 1888 aus Oskar Schneiders Feder „Der Chamsin und sein Einflufs auf die niedere Tierwelt“. Dasselbe Jahr veröffentlichte Schneider in der Zeitschrift unserer Gesellschaft eine Arbeit „Über japanischen und prä¬ historischen sicilischen Bernstein“, welche unter Bezugnahme auf weiter zurückliegende, anderweit von ihm publizierte Beiträge zur Bernsteinfrage deutlich zeigt, wie zäh er ein Thema festhielt und durch weiteres Material zu ergänzen suchte, zu dessen Herbeischaffung er keine Mühe scheute.

Mit gleicher Unermüdlichkeit der Sache nachgehend und unterstützt von staunenswerter Literaturkenntnis stellte er das Vorkommen des echten Smaragds in Ägypten fest und gab Belege für seine Verwertung im Alter¬ tum und im Mittelalter. Er berichtete hierüber 1891 in der Isis in einem von zahlreichen Vorlagen begleiteten Vortrag „Über den ägyptischen Sma¬ ragd“ und das Jahr darauf in einer Abhandlung über dasselbe Thema in der Zeitschrift für Ethnologie.

In den folgenden Jahren publizierte er mehrere zoologische Arbeiten. Von kleineren Veröffentlichungen abgesehen, sind zu nennen: „San Remo und seine Tierwelt im Winter“, Abhandlungen der Isis 1893, sowie „Die Tierwelt der Nordseeinsel Borkum“ in den Abhandlungen des naturwissen¬ schaftlichen Vereins zu Bremen von 1898. Die erstgenannte Schrift ist

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eines der naturwissenschaftlichen Ergebnisse seines wiederholten Auf¬ enthaltes in Italien andere Schriften hierüber, wie „Vallombrosa“ (Globus, Bd. LIV), „Naturwissenschaftliche Beiträge zur Geographie und Kulturgeschichte“, 1883, usw. galten mehr geographischen Interessen. Die Abhandlung über San Remo ist zugleich eine Verteidigungsschrift zu Gunsten des Winterklimas der Riviera, zu dessen Beurteilung Schneider neben der Berücksichtigung der übrigen Verhältnisse auch Pflanzen- und Tierwelt heranzieht, über die er sich als rastloser Sammler gründlich unterrichtet hatte.

Eine mühevolle Arbeit liegt der Abhandlung über die Tierwelt von Borkum zu Grunde, die für die kleine Nordseeinsel nicht weniger als 2842 Arten und Abarten nachweist, so dafs damit die für die ostfriesischen Inseln bekannte Fauna auf 3390 Spezies stieg. Die Durchforschung Borkums, die er bei wiederholtem Aufenthalte immer wieder in Angriff nahm, lieferte ihm zu eigener Überraschung nicht weniger als 28 bisher unbekannte Spezies und 6 neue Varietäten in die Hände. Grofs war die Zahl solcher auf Borkum von ihm erbeuteter Arten, die innerhalb des deutschen Reiches noch nie beobachtet worden, und ebenso die Zahl derer, die für den Norden Deutschlands neu waren.

So hat Oskar Schneider an jedem Orte, an dem er aus irgend einem Grunde länger weilte, die ihm zu Gebote stehende Zeit zu einer möglichst eingehenden Erforschung des Tierbestandes der betreffenden Gegend aus¬ genutzt. Er hielt mit Recht die Feststellung von Lokalfaunen für un- erläfslich zur Gewinnung einer breiten und festen Grundlage nicht nur für die Lehre von der geographischen Verbreitung der Tiere, sondern auch für manche Zweige der biologischen Forschung. Selbst Dinge, die ihm nebenher der blofse Zufall in die Hand spielte, liefs Schneider nicht leicht unbeachtet, das zeigt unter anderem die Geschichte von der Auffindung einer neuen Milbenart auf dem Pelze eines verendeten Elbebibers, um die sich nachher man vergleiche die Abhandlungen der Isis von 1897 und 1898 ein ergötzlicher Prioritätsstreit erhob.

Die letzten gröfseren Vorträge, welche Schneider in unserer natur¬ wissenschaftlichen Gesellschaft hielt, hatten zu Themen „Die pillenwälzenden Käfer und ihre Bedeutung für die ägyptische Mythologie“, 1900, und „Über Melanismus korsischer Käfer“, von denen der letztere die reichhaltige und wertvolle Reihe Schneiderscher Isis - Abhandlungen im Jahrgang 1902 beschliefst.

Ins Gebiet der Ethnologie hinüber spielen Forschungen über Muschel¬ geld, mit denen er sich in seinen letzten Lebensjahren eifrig beschäftigt haben soll, und vielleicht wird uns sein Nachlafs noch mit der einen oder andern Arbeit bekannt machen.

Erhebt schon die obige Aufzählung naturwissenschaftlicher Arbeiten Schneiders keinen Anspruch auf Vollständigkeit, so mufs eine Würdigung seiner Tätigkeit als Geograph ganz und gar anderer Stelle Vorbehalten bleiben.

Wie er, begabt mit echtem Naturforschersinn , das Selbstsehen und Selbstbeobachten über blofse Buchgelehrsamkeit stellte, so hat er auch als Schulmann dahin gewirkt, dafs die Geographie nach Möglichkeit an¬ schaulich unterrichtet und dieser Unterricht durch geeignete Sammlungen unterstützt werde. Für Anlegung geographischer Schulsammlungen ist er in Wort und Schrift eingetreten, und er hat selbst an der Annenschule eine solche Lehrsammlung zusammengebracht. Die Wiederauffrischung des

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Geschauten seinen Schülern zu ermöglichen uncl ihnen Gelegenheit zur Heranziehung von Vergleichsbildern zu geben veranlafste ihn, einen Typen¬ atlas zu schaffen, der von 1880 92 in vier Auflagen erschienen ist. Lebendig und farbenreich wufste Schneider als Lehrer zu schildern, und hunderte von Schülern haben seinen eindrucksvollen Unterricht dankbar genossen. Leider zwang ihn schon vor Jahren ein Herzleiden, aus dem Lehramt zu scheiden.

Die Anregungen, die Oskar Schneider durch seine fieifsige und erfolg¬ reiche Tätigkeit in verschiedenen Zweigen von Geographie und Naturwissen¬ schaft gegeben hat, werden sicher den Gang der Forschung auf den von ihm bearbeiteten Gebieten auch fernerhin beeinflussen.

Ehre seinem Andenken!

J. Thallwitz.

Sitzungsberichte

der

Naturwissenschaftlichen Gesellschaft

ISIS

in Dresden.

1903,

I. Sektion für Zoologie.

Vierte Sitzung am 5. November 1903. Vorsitzender: Prof. Dr. K. Heller. Anwesend 37 Mitglieder und Gäste.

Lehrer B. Hanzsch schildert auf Grund eigner Anschauung in einem Vortrage: Ornithologische Reisebilder aus Island, die landschaft¬ lichen Eigenheiten und besonders die Vogelwelt dieser Insel unter gleich¬ zeitiger Vorlage von selbstgesammelten Bälgen und Eiern charakteristischer Vogelarten.

Die fast ein Vierteljahr in Anspruch nehmenden Exkursionen, die, abweichend von der dort üblichen Art des Reisens, meist allein zu Pferd ausgeführt wurden, führten den Reisenden die ganze Nordküste der Insel entlang, von wo aus ein Abstecher nach der Insel Grimsey gemacht wurde, und dann quer durch den nordwestlichen Teil zurück nach Reykjavik und in das Geysir - Gebiet. Die nach Originalaufnahmen projizierten Bilder ermöglichten es, von Land und Leuten sowie von den berühmten Vogelbergen eine lebendige Vorstellung zu gewinnen.

II. Sektion für Botanik.

Vierte Sitzung am 1. Oktober 1903 (in Gemeinschaft mit der Sektion für Zoologie). Vorsitzender: Dr. B. Schorle r. Anwesend 32 Mitglieder.

Oberlehrer Dr. J. Thallwitz gedenkt mit warmen Worten des jüngst verstorbenen Mitgliedes Prof. Dr. Oskar Schneider und spricht unter Vorlage einer grofsen Zahl seiner Abhandlungen über dessen wissenschaft¬ liche Tätigkeit. (Nekrolog s. S. XV.)

Geh. Hofrat Prof. Dr. 0. Drude gibt Mitteilungen über die Natur¬ forscherversammlung in Kassel unter Vorlage folgender Literatur:

Festschrift zur 75. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte. Kassel 1903;

Die Residenzstadt Kassel am Anfänge des 20. J ahrhunderts. Kassel 1903 ;

Abhandlungen des Vereins für Naturkunde zu Kassel 1902/03. Der natur¬ wissenschaftlichen Hauptgruppe der 75. Versammlung Deutscher Natur¬ forscher und Ärzte in Kassel gewidmet. Kassel 1903;

Die mechanischen Werkstätten der Stadt Göttingen. Denkschrift der vereinigten Mechaniker Göttingens. Melle 1901;

Führer im Bad Wildungen. Der Natur forscher Versammlung gewidmet. Leipzig 1903.

Dr. H. Haupt hält einen Vortrag über die Biologie des Pollens.

Nach kurzen Angaben über die ältere und neuere einschlägige Literatur schildert Vortragender die Entwicklungsgeschichte und Anatomie des Pollenkorns und geht sodann zu dem eigentlichen Thema, der Streitfrage über die Schädlichkeit oder Unschädlichkeit der Benetzung durch atmosphärische Niederschläge für den Pollen über.

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Jussieu und Needham, in neuerer Zeit vor anderen Kerner von Marilaun vertreten die Ansicht, dafs Wasser den reifen Pollen unter allen Umständen schädige. Die vielen, hei fast allen entomophilen Arten vorhandenen Schutzeinrichtungen für den Blutenstaub führt Kerner hauptsächlich auf Anpassung, um den gedachten Zweck zu erreichen, zurück. Bengt Lidfors in Lund hat in mehreren Arbeiten nachgewiesen, dafs diese Schlufsfolgerungen zu weitgehende sind; er stellt den Satz auf, dafs einmal auch inner¬ halb der Wendekreise vielfach Pflanzen mit ungeschützten Antheren, die gegen Regen widerstandsfähig sind, Vorkommen, und dafs heim Pollen eine direkte Beziehung zwischen Geschütztsein und Empfindlichsein, zwischen Ungeschütztsein und Widerstandskraft besteht. Vortragender geht auf die Methodik der Lidforsschen Versuche ein und bringt dann Material zum Beweise obigen Satzes bei. Es wird ferner der Einflufs, den schlechte Beleuchtung, Verdunkelung, niedrige Temperatur, schlechter Boden usw. auf den Pollen und seine Widerstandskraft ausüben, besprochen. Näher gekennzeichnet wird der Einflufs der Feuchtigkeit besonders an dem Beispiel von G-agea lutea. Feuchte Luft erhöht die Widerstandsfähigkeit des in ihr gereiften Pollens gegen Benetzung, trockne Luft setzt sie herab. So sind z. B. xerophile Arten, auch wenn ihr Pollen ungeschützt ist, oft gegen Nässe empfindlich. Als Beispiele dienen xerophile Allium- Arten und im Gegen¬ satz Allium ursinum. Nach Ansicht des Vortragenden spielen bei der Keimung der Pollen osmatische Verhältnisse eine sehr bedeutsame Rolle, Literatur hierüber ist spär¬ lich. Bei den Arten mit ungeschützten Pollen findet, da schlechter empfindlicher Pollen durch Nässe vernichtet wird, eine Auswahl der widerstandsfähigen Körner statt. Die Regenfestigkeit ist also eine durch Selektion gesteigerte Eigenschaft der Pollen; neben dieser gewissermafsen fixierten Eigenschaft besteht auch eine starke Beeinflussung durch äufsere Faktoren, z. B. Feuchtigkeit, wie oben gezeigt wurde.

Ein weiterer Teil des Vortrags befafst sich mit den Inhaltsstoffen des Pollens bei Windblütlern und Insektenblütlern, an der Hand der Untersuchungen von Molisch und Lidfors. Stärke als stickstofffreier Reservestoff findet sich in vielen unreifen Pollen, in ausgereiften jedoch nur bei den Anemophilen, während die weit geringere Pollen» menge, die die Entomophilen erzeugen, unter Energieverbrauch in ölhaltigen Pollen umgewandelt wird, analog wie das in vielen Samen geschieht. Die Anemophilen arbeiten also ökonomischer, wozu sie durch die Massenhaftigkeit des zu erzeugenden Blütenstaubes gewissermafsen gezwungen sind. Der Pollen der entomophilen Arten ist an Stickstoff und Phosphorsäure weit reicher als der der Windblütler. Nachdem noch auf die verschiedenen Anpassungen an die Verbreitungs weise bei anemophilen und ento¬ mophilen Pollen hingewiesen worden ist, schliefst der Vortrag mit einem Hinweis auf die erörterten teleologischen Verhältnisse.

Fünfte Sitzung am 19. November 1903. Vorsitzender: Dr. B. Schorle r. Anwesend 33 Mitglieder und Gäste.

Herr J. Ostermaier legt vor und erläutert eine Anzahl seiner neuesten photographischen Aufnahmen von Pflanzen, Pflanzengruppen und Formationen, sowie von botanisch interessanten Land¬ schaften.

Geh. Hofrat Prof. Dr. 0. Drude knüpft an die Darbietung einige kritische Bemerkungen und gibt dabei dem Wunsche Ausdruck, dafs die trefflichen Ostermaierschen Aufnahmen nicht nur für Postkarten, sondern auch zur Zusammenstellung eines die Florenwerke ergänzenden pflanzen¬ geographischen Illustrationswerkes der heimischen Vegetation Verwendung finden möchten.

Dr. B. Schorler legt die von C. Gesner im Jahre 1561 besorgte Herausgabe der ,,Anatationes etc.“ von Valerius Cordus vor, in denen die ältesten Angaben und Standorte von sächsischen Pflanzen enthalten sind.

Geh. Hofrat Prof. Dr. 0. Drude hält einen Vortrag über die Charakter¬ pflanzen der ostpreufsischen Formationen unter Vorlage zahlreichen Herbarmaterials. (Vergl. Abhandlung X.)

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III. Sektion für Mineralogie und Geologie.

Yierte Sitzung am 15. Oktober 1903. Vorsitzender: Prof. Dr. E. Kal- kowsky. Anwesend 36 Mitglieder.

Bibliothekar K. Schiller legt einige neu eingegangene Werke über Alaska und die Kraterseen des Nationalparks vor.

Dr. K. Deninger spricht über die Karnischen Alpen unter Vor¬ legung zahlreicher paläozoischen Versteinerungen und Vorführung von Projektionsbildern.

Prof. Dr. W. Bergt bespricht einige seltene Minerale, vor allem den Whewellit,- und

berichtet im Anschlufs an die alpinen Verhältnisse über den gegen¬ wärtigen Stand des Problems der kristallinischen Schiefer.

Prof. Dr. E. Kalkowsky lenkt schliefslich die Aufmerksamkeit auf die Theorie der bruchlosen Faltung.

Fünfte Sitzung am 3. Dezember 1903. Vorsitzender: Prof. Dr. W. Bergt. Anwesend 35 Mitglieder und Gäste

Prof. Dr. W. Bergt hält einen Projektionsvortrag über den internatio¬ nalen Geologenkongrefs in Wien und eine daran sich anschliefsende Heise durch Bosnien.

IV. Sektion für prähistorische Forschungen.

Vierte Sitzung am 12. November 1903. Vorsitzender: Hofrat Prof. Dr. J. Deichmüller. Anwesend 23 Mitglieder.

Der Vorsitzende legt von neueren Werken vor:

Forrer, R: Bauernfarmen der Steinzeit von Achenheim und Stützheim im Elsafs. Strafsburg 1903;

Nüesch, J. : Der Dachsenbüel, eine Höhle aus früh - neolithischer Zeit, hei Herblingen, Kanton Schaff hausen. Zürich 1903;

Quilling, F. : Die Nauheimer Funde der Hallstatt- und Latene- Periode in den Museen zu Frankfurt a. M. und Darmstadt. Frankfurt a. M. 1903;

aus den neueren Erwerbungen der K. Prähistorischen Sammlung Beile verschiedener Form aus Amphibolschiefer von Knautnaundorf, Priesteblich, Zschauitz bei Geringswalde und vom Elbufer bei Blase - witz, ein Feuersteinbeil von Dornreichenbach und einen Flachheit und einen Halsring aus dem Bronze-Depotfund in der Ziegelei von Kabitzsch in Carsdorf bei Pegau.

Derselbe schliefst hieran einen eingehenden Bericht über die In¬ ventarisierung der vorgeschichtlichen Altertümer Sachsens im Jahre 1903, welche sich im wesentlichen über das nordwestliche und westliche Sachsen bis zur Pleifseniederung erstreckte, und

spricht noch über neuentdeckte Urnenfelder bei Grofsbothen, Klotzsche, Bärwalde bei Moritzburg und Kleinpestitz bei Dresden unter Vorlage einzelner Fundstücke.

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Lehrer I. Hottenroth- Gersclorf sendet einen Bericht über die von ihm in der Umgebung von Lommatzsch aufgefundenen steinzeit¬ lichen Niederlassungen ein. (Vergl. Abhandlung VIII.)

Lehrer H. Ludwig bespricht neue Funde von Mügeln bei Dresden, Birkwitz und zwischen Tolkewitz und Grofsdobritz und legt ein kleines Gefäfs von Maderno am Gardasee vor.

Oberlehrer M. Klähr legt von ihm bei Oberwartha, Ober¬ muschütz, auf dem Zehrener Burgwall und der Burgkuppe bei Diesbar, bei Forberge bei Riesa und auf der Zöthainer Schanze gesammelte Altertümer vor.

Oberlehrer H. Döring berichtet über Feuerstein fun de von Salzuflen im Fürstentum Lippe -Detmold.

Der Berichterstatter benutzte einen Kuraufenthalt im Solbad Salzuflen, die dortige Gegend auf das Vorhandensein von Bodenaltertümern zu untersuchen Dabei fand er eine Anzahl prähistorischer Geräte aus Feuerstein, deren Bearbeitungsspuren grob, aber deutlich genug die Bestimmung der Artefakte andeuteten.

Als Fundstellen kennzeichnet der Vortragende:

1. die Feldflur östlich von der Waldhalle Schötmar am Gehölz;

2. Weganschnitt rechts an der Strafse nach Wüsten (Grube auf Gesteinsgrus) innerhalb der Stadt kurz vor Hotel Schmelzer;

3. am neuerbauten Kurhause, Westseite (die zum Planieren herbeigeschafften Erdmassen stammen wahrscheinlich von Fundstelle 2).

4. Wegränder zwischen der neuen Realschule und dem Bahnhof Salzuflen.

Das Rohmaterial zu den vorliegenden Steingeräten lieferte der den diluvialen Glazialschottern der Umgegend reichlich beigemengte nordische Feuerstein, dessen Ver¬ breitungsgebiet sich bis südwärts von Salzuflen erstreckt.

Die Formen der Feuersteingeräte sind durchaus primitiv; es sind vertreten Pfeil- und Lanzenspitzen, Schleudersteine und Schaber. Die Artefakte sind nicht völlig durch¬ gearbeitet, also keine Prunkstücken, aber man sieht an den Bearbeitungsspuren, dafs sie in der Hand der Urbewohner als Werkzeuge benutzt wurden. Vortragender weist darauf hin, dafs auch auf den Rügenschen Feuersteinwerkstätten das für den allgemeinen Gebrauch bestimmte Gerät nicht allenthalben ausgestaltet sei und die bekannten Schmuck¬ formen nicht erreiche. Der prähistorische Erzeuger habe eben praktische Verwendbar¬ keit, nicht Formenschönheit als Ziel seines Schaffens im Auge gehabt. Für den Urgeschichtsforscher sei darum nicht die erste Aufgabe, die Funde nach der Voll¬ kommenheit der Formen einzuschätzen und zu ordnen, sondern die Beziehung der Gegenstände zur Kultur der urgeschichtlichen Menschen darzustellen.

Da nach allgemeiner Annahme Norddeutschland während der paläolithischen Periode noch von Gletschereis bedeckt war, so kann für die vorliegenden Feuerstein¬ funde nur die neolithische Zeit in Betracht kommen. Die Besiedelung fies Lippeschen Landes durch Neolithen wird weiter bewiesen durch sorgfältig bearbeitete Feuerstein¬ geräte aus der Staplager Schlucht sowie durch die ebenfalls der jüngeren Steinzeit angehörigen amphorenartigen Gefäfse (beides im Museum zu Detmold befindlich).

Der Vortragende berichtet weiterhin über den Besuch des Museums in Detmold, über Ausflüge nach der Grotenburg und dem grofsen und kleinen Hünenring im Teutoburger Walde, nach dem Walle auf dem Wittekindsberge an der Weser und nach einer nahe bei Herford in Westfalen gelegenen Sumpf bürg.

Dabei nimmt er Gelegenheit, die in der Ferne gemachten Wahrnehmungen mit den im Vaterlande gewonnenen Ergebnissen in Parallele zu stellen. Die vergleichende Forschungsmethode, welche allein sichere Besultate verspricht, nötigt dazu, öfter über die Grenzen der Heimat hinauszublicken und die Ergebnisse der Urgeschichtsforschung in anderen Ländern fortdauernd im Auge zu behalten.

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V. Sektion für Physik, Chemie nnd Physiologie.

Fünfte Sitzung am 22. Oktober 1903. Vorsitzender: Prof. Dr. A. Schlossmann. Anwesend 82 Mitglieder und Gäste.

Direktor Dr. A. Beythien hält einen Vortrag über die Nahrungs¬ mittelkontrolle der Stadt Dresden. (Vergl. Abhandlung VII.)

Sechste Sitzung am 10. Dezember 1903. Vorsitzender: Direktor Dr. A. Beythien. Anwesend 50 Mitglieder und Gäste.

Fabrikbesitzer Dr. V. Klopfer spricht unter Vorlage zahlreicher Roh¬ stoffe und Präparate über ein neues Verfahren zur Herstellung von Nahrungsmitteln, durch welches denselben ohne Erhöhung des Preises ein höherer Eiweifsgehalt zugeführt wird.

VI. Sektion für reine und angewandte Mathematik.

Vierte Sitzung am 9. Juli 1903. Vorsitzender: Prof. Dr. Ph. Wein¬ meister. Anwesend 10 Mitglieder und Gäste.

Geh. Hofrat Prof. Dr. M. Krause spricht über den Cauchy sehen Integralsatz.

Der Vortragende geht auf die neueren Arbeiten über den Cauchy sehen Integralsatz von Goursat, Pringsheim und Moore ein und behandelt insbesondere Goursats Methode zur Ableitung des genannten Satzes ; dabei erfährt der von Goursat benutzte funktionen¬ theoretische Hilfssatz eine kleine Modifikation.

An den Vortrag schliefst sich eine Diskussion.

Prof. Dr. Ph. Weinmeister löst synthetisch die Aufgabe, den Ort der Mittelpunkte aller gleichseitigen Hyperbeln zu finden, welche durch die Hauptscheitel einer gegebenen Ellipse gehen und gleichzeitig die letztere berühren.

Geh. Hofrat Prof. Dr. K. Rohn stellt zwei geometrische Aufgaben.

Fünfte Sitzung am 8. Oktober 1903. Vorsitzender: Prof. Dr. Ph. Wein meist er. Anwesend 10 Mitglieder.

Prof. Dr. R. Heger spricht über Kegel und Kugeln in homogenen Koordinaten.

Der Vortrag ist der analytischen Darstellung gewisser Kegel und Kugeln ge¬ widmet, welche zu dem Fundamentaltetraeder eines homogenen Koordinatensystems in besonderen Beziehungen stehen, und zwar entwickelt Redner die Gleichungen der be¬ treffenden Flächen zum Teil in Punktkoordinaten, zum Teil auch in Ebenenkoordinaten.

Im ersten Teile seiner Ausführungen behandelt der Vortragende mehrere Rotations¬ kegel, deren gemeinschaftliche Spitze durch den Scheitel einer Ecke des Fundamental¬ tetraeders gebildet wird; dieser Ecke sind die betrachteten Kegel entweder umbeschrieben oder einbeschrieben, bez. anbeschrieben, oder harmonisch zugeordnet. Auch wird auf einen Kegel II. Ordnung hingewiesen, welcher in der Geometrie der dreiseitigen Ecke eine ähnliche Rolle spielt wie der Feuerbachsche Kreis in der Geometrie des ebenen Dreiecks.

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Im zweiten Teile des Vortrags werden Kugeln betrachtet, welche dem Fundamen¬ taltetraeder entweder umbeschrieben oder einbeschrieben, bez. anbeschrieben, oder har¬ monisch zugeordnet sind; hierbei wird festgestellt, dafs nicht jedem Tetraeder eine Kugel harmonisch zugeordnet ist, dafs dies vielmehr nur dann statthndet, wenn die 4 Höhen des fraglichen Tetraeders durch einen Punkt gehen, wenn also die 6 Tetraeder¬ kanten sich paarweise rechtwinklig kreuzen.

Sechste Sitzung’ am 12. November 1003. Vorsitzender: Prof. Dr. Pli. Weinmeister. Anwesend 13 Mitglieder.

Prof. Dr. Ph. Weinmeister spricht über den Ort des Punktes gleicher Tangenten an zwei ebene Kurven.

Nach einigen einleitenden Bemerkungen über das allgemeine Problem, den geome¬ trischen Ort derjenigen Punkte zu ermitteln, von denen aus an zwei gegebene algebraische Kurven <7 und r gleichlange Tangenten gelegt werden können, gibt der Vortragende ein¬ gehendere Mitteilungen über eine Beihe von speziellen Fällen dieses Problems. Zunächst kommen Fälle zur Sprache, in denen die beiden Kurven C und r Ellipsen sind; hierbei ergeben sich wesentliche Vereinfachungen der Rechnung dadurch, dafs analog den Potenzen eines Punktes P in bezug auf gegebene Kreise gewisse Funktionen den recht¬ winkligen Koordinaten des Punktes P als Hilfsgröfsen eingeführt werden. Ferner bespricht der Vortragende den Fall, wo die eine der beiden gegebenen Kurven Cundr ein Kreis ist; es ergeben sich hierbei Resultate von bemerkenswerter Einfachheit ins¬ besondere dann, wenn die andere Kurve ein Kegelschnitt ist, welcher von jenem Kreise zweimal berührt wird.

In der auf den Vortrag folgenden Besprechung macht Geh. Hofrat Prof. Dr. K. Rohn einige Bemerkungen über das Verhalten der Ortskurve in den Schnittpunkten der beiden Kurven C und r.

Geh. Hofrat Prof. Dr. K. Rohn spricht über eine homogene lineare Relation, welcher die Koordinaten von vier Punkten der Ebene Genüge leisten.

Wenn (1cx k2 Zs3), (lx 1.2 l3), (m, m2 m3), (nl n2 n3) die Koordinaten von vier be¬ liebigen Punkten K , X, M, N sind, so existiert eine in bezug auf &, 7, m, w homogene lineare Relation

je . Je —j— . I |— [x . tu (— v . Ti == 0,

welcher sowohl klx l1: m1? nt als auch &2, 72, m2, n2 als auch k3l l3, ms, n3 genügen; die Verhältnisse der Koeffizienten x, A, v dieser Relation können, wie man sofort übersieht, mit Benutzung gewisser Determinanten rational durch die Koordinaten der vier gegebenen Punkte ausgedrückt werden. Der Vortragende zeigt nun, dafs neben dieser naheliegenden rationalen Darstellung der fraglichen Koeffizientenverhältnisse auch eine irrationale Darstellung von äufserst eleganter Form gegeben werden kann, und zwar läfst sich dieselbe ableiten mit Hilfe eines durch die vier gegebenen Punkte gehenden Kegelschnitts.

VII. Hauptversammlungen.

Siebente Sitzung am 24. September 1903. Vorsitzender: Prof. H. Engelhardt. Anwesend 24 Mitglieder.

Vor der Sitzung findet eine Besichtigung der in einem neuen Raume, dem östlichen Lichthofe des Hauptgebäudes der K. Technischen Hochschule, aufgestellten Bibliothek der Isis statt.

In der sicli anschliefsenden Hauptversammlung gibt Bibliothekar K. Schiller einen eingehenden Überblick über Entwicklung, Wachs¬ tum und Benutzung der Bibliothek.

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Prof. H. Engelhardt legt ein in der Dresdner Heide westlich vom sogenannten Vogelherd gefundenes unvollendetes Beil aus Basalt sowie Blätter der Rofskastanie vor, deren Blattsubstanz zwischen den Rippen durch Frost zerstört worden ist.

Derselbe bespricht noch eine Schrift von Möbius: „Rousseaus Briefe über die Anfangsgründe der Botanik“. Leipzig 1903.

Achte Sitzung am 29. Oktober 1903. Vorsitzender: Geh. Hofrat Prof. Dr. 0. Drude. Anwesend 42 Mitglieder und Gäste.

Geh. Hofrat Prof. Dr. 0. Drude hält einen Vortrag über eine bota¬ nische Reise zwischen Weichsel und Memel. (Vergl. Abhandlung X.)

Neunte Sitzung am 26. November 1903. Vorsitzender: Geh. Hofrat Prof. Dr. 0. Drude. Anwesend 45 Mitglieder und 8 Gäste.

Der Vorsitzende legt vor:

Heller, K. M. : Oskar Schneider f. Deutsche entomolog. Zeitschrift „Iris“ Dresden, 1903. Mit Bildnis;

Ladenburg, A. : Ueber den Einflufs der Naturwissenschaften auf die Welt¬ anschauung. Vortrag gehalten auf der 75. Versammlung Deutscher Natur¬ forscher und Aerzte zu Cassel am 21. September 1903. Leipzig 1903.

Es waren mehrere Exemplare des Vortrages für die Mitglieder der Ge¬ sellschaft eingesendet worden, welche ihrem Zwecke übergehen wurden.

Hierauf wird die Wahl der Beamten der Gesellschaft für das Jahr 1904 vorgenommen (s. S. 27).

Prof. Dr. A. Schlossmann hält einen Vortrag über Tod und Schein¬ tod, an welchen sich eine längere Diskussion schliefst.

Zehnte Sitzung am 17. Dezember 1903. Vorsitzender: Geh. Hofrat Prof. Dr. 0. Drude. Anwesend 84 Mitglieder und Gäste.

Dr. R. Dietz hält einen durch zahlreiche Lichtbilder erläuterten V ortrag über seine Reise nach den Kanarischen Inseln im Jahre 1901.

Zum Schlufs gibt der Vor sitzende einen vergleichenden Überblick über den Mitgliederbestand der „Isis“ im Jahre 1903.

Hiernach hatte die Gesellschaft im Laufe des Jahres 1903 einen Zuwachs von 4 wirklichen Mitgliedern (z. Z. 243) und 1 korrespondierenden (119), während die Zahl der Ehrenmitglieder (23) dieselbe gehliehen ist.

Veränderungen im Mitgliederbestände.

Gestorbene Mitglieder:

Am 26. Juli 1902 ist in Gera Marinestabsarzt a. D. Dr. med. Ferdi¬ nand Naumann, korrespondierendes Mitglied seit 1889, gestorben.

Am 17. Juli 1903 starb Fabrikbesitzer Dr. phil. G. P. Drossbach in Freiberg, wirkliches Mitglied seit 1897.

Am 8. September 1903 verschied in Blasewitz nach langen, schweren Leiden Prof. Dr. phil. Oskar Schneider, korrespondierendes Mitglied seit 1863.

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Am 5. November 1903 verschied Ludwig Oskar von Alvensleben, Landschaftsmaler in Dresden, wirkliches Mitglied seit 1895.

Am 19. November 1903 starb Dr. med. Johannes Grün dl er in Dresden, wirkliches Mitglied seit 1897.

Am 11. Dezember 1903 starb Bergdirektor a. D. Theodor Hertwig in Dresden, wirkliches Mitglied seit 1888.

Am 11. Dezember 1903 verschied in Radebeul Oberst z. D. Hermann Ludwig von Schlieben, korrespondierendes Mitglied seit 1862.

Neu aufgenommene wirkliche Mitglieder:

Bauer, Adolf, Kaufmann in Dresden, am 17. Dezember 1903; Lampert, A., Zeichner in Dresden,

Mangoldt, Friedr. von, Dr. med., Hofrat, Oberarzt am Carolahaus in Dresden,

Rübencamp, Rob., Dr. phih, Fabrikdirektor in Blasewitz, Tedesco, Adolf, Fabrikdirektor a. D. in Blasewitz. Weissbach, Hans, Dr. phih, Chemiker in Dresden Winzer, Hugo, Dr. phih, Privatus in Dresden,

am 26. No¬ vember 1903;

J am 29. Oktober 1903.

Neu ernanntes Ehrenmitglied:

Abbe, Ernst, Dr. phih, med. et jur., Professor an der Universität in Jena, am 29. Oktober 1903.

In die korrespondierenden Mitglieder ist übergetreten: Osborne, Wilh., Privatus in München.

Freiwillige Beiträge zur Gesellschaftskasse

zahlten: Dr. Amthor, Hannover, 3Mk.; Prof. Dr. Bach mann, Plauen i.V., 3 Mk.; Oberlehrer Dr. Barth, Pirna, 3 Mk. ; naturwissensch. Modelleur Blaschka, Hosterwitz, 3Mk.; Apotheker Capelle, Springe, 3 Mk ; Pri¬ vatus Eisei, Gera, 3 Mk.; Bergmeister Hartung, Lobenstein, 5 Mk. ; Prof. Dr. Hi b sch, Liebwerd, 3 M. ; Bürgerschullehrer Hofmann, Grofsen- hain, 6 Mk. ; Lehrer Hottenroth, Gersdorf, 6 Mk. 10 Pf.; Oberlehrer Dr. Mehnert, Pirna, 3 Mk.; Oberlehrer Dr. Müller, Pirna, 3 Mk.; Lehrer Peschei, Nünchritz, 3Mk.; Sektionsgeolog Dr. Petrascheck, Wien, 3Mk.; Dr. Reiche, Santjago-Chile, 3Mk.; Prof. Dr. Schneider, Blasewitz, 3Mk.; Oberlehrer Seidel I., Zschopau, 3 Mk. 10 Pf.; Privatus Sieber, Nieder¬ löfsnitz, 3 Mk. ; Fabrikbesitzer Dr. Siemens, Dresden, 100 Mk.; Prof. Dr. Sterzei, Chemnitz, 3 Mk.; Oberlehrer Wolff, Pirna, 4 Mk. In Summa 169 Mk. 20 Pf.

G. Lehmann, Kassierer der „Isis“.

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Beamte der Isis im Jahre 1904.

Yor stand.

Erster Vorsitzender: Geh. Hofrat Prof. Dr. 0. Drude. Zweiter Vorsitzender: Prof. H. Engelhardt.

Kassierer: Hofbuchhändler G. Lehmann.

Direktorium.

Erster Vorsitzender: Geh. Hofrat Prof. Dr. 0. Drude. Zweiter Vorsitzender: Prof. H. Engelhardt.

Als Sektionsvor stände:

Oberlehrer Dr. J. Thallwitz,

Realschullehrer Dr. B. Schorler,

Prof. Dr. E. Kalkowsky,

Hofrat Prof. Dr. J. Deichmüller,

Prof. Dr. W. Hall wachs,

Prof. Dr. R. Heger.

Erster Sekretär: Hofrat Prof. Dr. J. Deichmüller. Zweiter Sekretär: Institutsdirektor A. Thümer.

Yerwaltungsrat.

Vorsitzender: Prof. H. Engelhardt.

Mitglieder: 1. Prof. H. Fischer,

2. Fabrikbesitzer Dr. Fr. Siemens,

3. Kommerzienrat L. Gut h mann,

4. Privatus W. Putscher,

5. Geh. Hofrat Prof. Dr. G. Helm,

6. Fabrikbesitzer E. Kühnscherf.

Kassierer: Hofbuchhändler G. Lehmann.

Bibliothekar: Privatus K. Schiller.

Sekretär: Institutsdirektor A. Thümer.

Sektionsbeamte.

I. Sektion für Zoologie.

Vorstand: Oberlehrer Dr. J. Thallwitz.

Stellvertreter: Prof. Dr. K. Heller.

Protokollant: Institutsdirektor A. Thümer.

Stellvertreter: Lehrer H. Viehmeyer.

II. Sektion für Botanik.

Vorstand: Realschullehrer Dr. B. Schorler. Stellvertreter: Oberlehrer Dr. G. Worgitzky. Protokollant: Garteninspektor F. Le dien. Stellvertreter: Dr. A. Naumann.

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III. Sektion für Mineralogie und Geologie.

Vorstand: Prof. Dr. E. Kalkowsky.

Stellvertreter: Oberlehrer Dr. P. Wagner.

Protokollant: Dr. K. Deninger.

Stellvertreter: Dr. 0. Mann.

IV. Sektion für prähistorische Forschungen.

Vorstand: Hofrat Prof. Dr. J. Deichmüller.

Stellvertreter: Oberlehrer H. Döring.

Protokollant: Taubstummenlehrer 0. Ebert.

Stellvertreter: Oberlehrer M. Klahr.

V. Sektion für Physik, Chemie und Physiologie.

Vorstand: Prof. Dr. W. Hall wachs.

Stellvertreter: Direktor Dr. A. Beythien.

Protokollant: Dr. H. Thiele.

Stellvertreter: Dr. R. Engelhardt.

VI. Sektion für reine und angewandte Mathematik.

Vorstand: Prof. Dr. R. Heger.

Stellvertreter: Oberlehrer Dr. A. Witting.

Protokollant: Prof. Dr. E. Nätsch.

Stellvertreter: Oberlehrer Dr. J. von Vieth.

Redaktions -Komitee.

Besteht aus den Mitgliedern des Direktoriums mit Ausnahme des zweiten Vorsitzenden und des zweiten Sekretärs.

Bericht des Bibliothekars.

Im Jahre 1903 wurde die Bibliothek der „Isis“ durch folgende Zeit¬ schriften und Bücher vermehrt:

A. Durch Tausch.

I. Europa.

1. Deutschland.

Altenburg : Naturforschende Gesellschaft des Osterlandes.

Annab erg -Buchholz: Verein für Naturkunde.

Augsburg: Naturwissenschaftlicher Verein für Schwaben und Neuburg. Bamberg: Naturforschende Gesellschaft.

Bautzen: Naturwissenschaftliche Gesellschaft „Isis“.

Berlin: Botanischer Verein der Provinz Brandenburg. Verhandl., Jahrg.44. [Ca 6.]

Berlin: Deutsche geologische Gesellschaft. Zeitschr., Bd. 54, Heft 3 4; Bd. 55, Heft 1-2. [Da 17.]

Berlin: Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. Verhandl., Oktober bis Dezember 1902; Zeitschrift für Ethnologie, 35. Jahrg. 1903, Heft 1- 5. [G 55.]

Bonn: Naturhistorischer Verein der preussischen Kheinlande, Westfalens und des Reg.-Bez. Osnabrück. Verhandl., 59. Jahrg., Heft 2. [Aa 93.] Bonn: Niederrheinische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde. Sitzungs- ber., 1902, 2. Hälfte. [Aa 322.]

Braunsclnveig : Verein für Naturwissenschaft.

Bremen: Naturwissenschaftlicher Verein. Abhandl., Bd. XVII, Heft 2. [Aa 2.]

Breslau: Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur. 80. Jahresber. [Aa 46.]

Chemnitz: Naturwissenschaftliche Gesellschaft.

Chemnitz: K. Sächsisches meteorologisches Institut. Jahrbuch, XVII. Jahr¬ gang, 2. Abth. [Ec 57.] Abhandl., Heft 1. [Ec 57b.] Das Klima des Königr. Sachsen, Heft 7. [Ec 57.]

Danzig: Naturfor sehende Gesellschaft. Schriften, Bd. X, Heft 4. [Aa 80.] Darmstadt: Verein für Erdkunde und Grossherzogi. geologische Landes¬ anstalt. Notizbl., 4. Folge, 23. Heft. [Fa 8.]

Donaueschingen: Verein für Geschichte und Naturgeschichte der Baar und der angrenzenden Landesteile.

Dresden: Gesellschaft für Natur- und Heilkunde.

Dresden: Gesellschaft für Botanik und Gartenbau „Flora“. Sitzungsber. u. Abhandl., 6. Jahrg. [Ca 26.]

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Dresden : K. Mineralogisch-geologisches Museum. Mitteil. (s. unter „Ge¬ schenken“ : Abhandl. von W. Bergt und W. Petrascheck).

Dresden: K. Zoologisches und Anthrop.-ethnogr. Museum.

Dresden : K. Oeffentliche Bibliothek.

Dresden : Verein für Erdkunde.

Dresden : K. Sächsischer Altertumsverein. Neues Archiv für Sachs. Geschichte und Altertumskunde, Bd. XXIV, und Jahresber. 1902 bis 1903. [G 75.]

Dresden: Oekonomische Gesellschaft im Königreich Sachsen. Mittheil. 1902—1903. [Ha 9.]

Dresden : K. Tierärztliche Hochschule. Bericht über das Veterinär wesen in Sachsen, 47. Jahrg. [Ha 26.]

Dresden : K. Sächsische Technische Hochschule. Verzeichnis der Vor¬ lesungen und Uebungen sammt Stunden- und Studienplänen, S.-S. 1903, W.-S. 1903-1904. [Je 63.] Personalverz. Nr. XX VII— XX VIII. [Je 63 b.]

Dürkheim: Naturwissenschaftlicher Verein der Bheinpfalz „Pollichia“. Düsseldorf: Naturwissenschaftlicher Verein.

Elberfeld : Naturwissenschaftlicher Verein. Jahresber., 10. Heft. [Aa235.] Emden: Naturforschende Gesellschaft. 87. Jahresber. [Aa 48b.] Emden: Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer. Erfurt: K. Akademie gemeinnütziger Wissenschaften. Jahrb., Heft XXIX. [Aa 263.]

Erlangen: Physikalisch -mediciniselie Societät. Sitzungsber., 34. Heft. [Aa 212.]

Frankfurt a. M.: Senckenbergische naturforschende Gesellschaft. Bericht für 1903. [Aa 9 a.]

Frankfurt a. M.: Physikalischer Verein. Jahresbericht für 1901 1902. [Eb 35.]

Frankfurt a. O.: Naturwissenschaftlicher Verein des Regierungsbezirks Frankfurt. „Helios“, 20. Bd. [Aa 282.]

Freiberg: K. Sächs. Bergakademie.

Freiburg i. B.: Naturforschende Gesellschaft.

Fulda: Verein für Naturkunde.

Gera: Gesellschaft vonFreunden derNaturwissenschaften. 43 45. Jahres¬ bericht. [Aa 49.]

Giessen: Oberhessische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde.

Görlitz: Naturforschende Gesellschaft.

Görlitz: Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften. Neues Lau- sitzisches Magazin, Bd. 78; Codex diplomat. Lusatiae superioris II, Bd. II, Heft 3. [Aa 64.]

Görlitz: Gesellschaft für Anthropologie und Urgeschichte der Oberlausitz. Greifswald: Naturwissenschaftlicher Verein für Neu -Vorpommern und Rügen. Mittheil., 34. Jahrg. [Aa 68.]

Greifswald: Geographische Gesellschaft.

Greiz: Verein der Naturfreunde.

Guben: Niederlausitzer Gesellschaft für Anthropologie und Urgeschichte. Mittheil., VII. Bd., Heft 5 8. [G 102.]

Güstroiv: Verein der Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg. Archiv, Jahrg. 55 u. 56; 57, I. [Aa 14.]

Halle a. S,: Naturforschende Gesellschaft.

31

Halle a. S.: Kais. Leopoldino-Carolinische deutsche Akademie. Leopoldina, Heft XXXIX. [Aa 62.]

Halle a. S.: Verein für Erdkunde. Mitteil., Jahrg. 1903. [Fa 16.] Hamburg : Naturhistorisches Museum. Jahrbücher, XIX. Jahrg. mit Bei¬ heft 1—5. [Aa 276.]

Hamburg : Naturwissenschaftlicher Verein. Verhandl., III. Folge, 10. Heft.

[Aa 293h.] Abhandl., Bd. XVII u. XVIII. [Aa 293.]

Hamburg: Verein für naturwissenschaftliche Unterhaltung.

Hanau : Wetterauische Gesellschaft für die gesammte Naturkunde. 1. Nachtrag z. Katalog d. Biblioth. 1902. [Aa 30.]

Hannover : Naturhistorische Gesellschaft.

Hannover : Geographische Gesellschaft.

Heidelberg : Naturhistorisch -medicinischer Verein.

Hof: NordoberfränkischerVerein für Natur-, Geschichts- und Landeskunde. Karlsruhe: Naturwissenschaftlicher Verein. Verhandl., Bd.XVI. [Aa 88.] Karlsruhe: Badischer zoologischer Verein. Mitteil., Nr. 16. [Ba 27.] Kassel: Verein für Naturkunde.

Kassel: Verein für hessische Geschichte und Landeskunde. Zeitschrift, Bd. 26; Mittheil., Jahrg. 1901. [Fa 21.]

Kiel: Naturwissenschaftlicher Verein für Schleswig -Holstein. Schriften, Bd. XII, Heft 2. [Aa 198.]

Köln: Redaktion der G-aea. Natur und Leben, Jahrg. 39. [Aa 4L] Königsberg i. Pr.: Physikalisch -ökonomische Gesellschaft. Schriften, 43. Jahrg. [Aa 81.]

Königsberg i. Pr.: Altertums -Gesellschaft Prussia.

Krefeld: Verein für Naturkunde.

Landshut: Botanischer Verein.

Leipzig: Naturforschende Gesellschaft.

Leipzig: K. Sächsische Gesellschaft der Wissenschaften. Berichte über die Verhandl., mathem.-phys. Classe, LIV. Bd., Heft 6 7; LV. Bd., Heft 1—5. [Aa 296.]

Leipzig: K. Sächsische geologische Landesuntersuchung. Erläuterungen zu Sekt. Geringswalde- Ringethal (Bl. 62), 2. Aufl. [De 146.]

Lübeck: Geographische Gesellschaft und naturhistorisches Museum. Mitteil., 2. Reihe, Heft 17. [Aa 279 b.]

Lüneburg: Naturwissenschaftlicher Verein für das Fürstentum Lüneburg. Magdeburg: Naturwissenschaftlicher Verein.

Mainz: Römisch -germanisches Centralmuseum.

Mannheim: Verein für Naturkunde.

Marburg: Gesellschaft zur Beförderung der gesamten Naturwissenschaften.

Sitzungsber., Jahrg. 1902. [Aa 266.]

Meissen: Naturwissenschaftliche Gesellschaft „Isis“. Beobacht, d. Isis- Wetterwarte zu Meissen i. J. 1895. [Ec 40.] Mittheilungen aus den Sitzungen des Vereinsjahres 1902—1903. [Aa 319.]

Münster: Westfälischer Provinzialverein für Wissenschaft und Kunst. Neisse: Wissenschaftliche Gesellschaft „Philomathie“. 31. Bericht. [Aa 28.] Nürnberg: Naturhistorische Gesellschaft. Jahresber. für 1902, Ab¬ handl., Bd. XV, Heft 1. [Aa 5.]

Offenbach: Verein für Naturkunde.

Osnabrück: Naturwissenschaftlicher Verein. XV. Jahresbericht. [Aa 177.] Passau: Naturhistorischer Verein.

32

Posen : Deutsche Gesellschaft für Kunst u. Wissenschaft. Zeitschr. der naturwissenschaftl. Abteilung, 9. Jahrg., Heft 4 u. 5; 10. Jahrg., Heft 1. [Aa 316.]

Regensburg : Naturwissenschaftlicher Verein. Berichte, Heft IX. [Aa295.] Regensburg : K. botanische Gesellschaft.

Reichenbach i. V.\ Vogtländischer Verein für Naturkunde.

Reutlingen : Naturwissenschaftlicher Verein.

Schneeberg: Wissenschaftlicher Verein.

Stettin : Ornithologischer Verein. Zeitschr. für Ornithologie und prakt.

Geflügelzucht, Jahrg. XXVII. [Bf 57.]

Stuttgart : Verein für vaterländische Naturkunde in Württemberg. Jahres¬ hefte, Jahrg. 59. Mit Beilage. [Aa 60.]

Stuttgart : Württembergischer Altertums verein. Württemberg. Viertel¬ jahrshefte für Landesgeschichte, n. F., 12. Jahrg. [G 70.]

Tharandt : Bedaktion der landwirtschaftlichen Versuchsstationen. Land- wirtsch. Versuchsstationen, Bd. LVIII u. LIX, Heft 1—4. (In der Bibliothek der Versuchsstation im botan. Garten.)

Thorn: Coppernicus -Verein für Wissenschaft und Kunst. Katalog d.

Bibi, des Coppernicus -Vereins. [Aa 145.]

Trier : Gesellschaft für nützliche Forschungen.

Tübingen : Universität.

Ulm : Verein für Mathematik und Naturwissenschaften.

Ulm : Verein für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben. Württemb. Vierteljahrshefte, Mitteil., Heft 10. [G 58.]

Weimar: Thüringischer botanischer Verein. Mittheil., n.F., 17. Heft. [Ca 23.] Wernigerode: Naturwissenschaftlicher Verein des Harzes.

Wiesbaden: Nassauischer Verein für Naturkunde. Jahrbücher, Jahrg. 55 56. [Aa 43.]

Würzburg: Physikalisch-medicinische Gesellschaft. Sitzungsber., Jahrg. 1902. [Aa 85.]

Zerbst: Naturwissenschaftlicher Verein.

Zivickau: Verein für Naturkunde. Jahresber., 1901. [4a 179.]

2. Österreich-Ungarn.

Aussig: Naturwissenschaftlicher Verein.

Bistritz: Gewerbelehrlingsschule. XX XXII. und XXVIII. Jahresber. [Je 105.]

Brünn: NaturforschenderVerein. Verhandl., Bd. XL, u. 20. Bericht der meteorolog. Commission. [Aa 87.]

Brünn: Lehrerverein, Club für Naturkunde. Bericht V. [Aa 330.] Budapest: Ungarische geologische Gesellschaft. Földtani Közlöny, XXXII. köt. , 10 12. füz.; XXXIII. köt., 1 9. füz.; General -Register für Bd. XIII— XXX. [Da 25.]

Budapest: K. Ungarische naturwissenschaftliche Gesellschaft, und: Ungarische Akademie der Wissenschaften.

Graz: Naturwissenschaftlicher Verein für Steiermark. Mittheil., Jahrg. 1902. [Aa 72.]

Hermannstadt: Siebenbür gischer Verein für Naturwissenschaften.

Iglo: Ungarischer Karpathen -Verein. * Jahrb. , Jahrg. XXX. [Aa 198.] Innsbruck: Naturwissenschaftlich -medicinischer Verein.

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Klagenfurt : Naturhistorisches Land es-Museum von Kärnthen. Diagramme d. magn. u. meteorolog. Beobacht., 1891, 95, 97, 99. [Aa 42.] Carinthia 11, Mittheil., Jahrg. 93, Heft 1 5. [Aa 42b.]

Krakau: Akademie der Wissenschaften. Bulletin international 1902, Nr. 8-10; 1903, Nr. 1—3. [Aa 302.]

Laibach : Musealverein für Krain.

Lins: Verein für Naturkunde in Oesterreich ob der Enns. 32. Jahresber. [Aa 213.]

Lins: Museum Francisco- Carolinum. 61. Bericht nebst der 55. Liefe¬ rung der Beiträge zur Landeskunde von Oesterreich ob der Enns. [Fa 9.]

Pt'ag: Deutscher naturwissenschaftlich - medicinischer Verein für Böhmen „Lotos“. Sitzungsber., Bd. XXII. [Aa 63.]

Prag: K. Böhmische Gesellschaft der Wissenschaften. Sitzungsber., mathem.-naturwissensch. Kl., 1902. [Aa 269.] Jahresber. für 1902. [Aa 270.]

Prag: Gesellschaft des Museums des Königreichs Böhmen. Bericht 1902. [Aa 272.] Pamätky archaeologicke, dil. XX, ses. 2 6. [G 71.] Starozitnosti zeme ceske, dil. II, svazek 2. [G 71.]

Prag: Lese- und Bedehalle der deutschen Studenten. Jahresber. für 1902. [Ja 70.]

Prag : Ceska Akademie Cisare Frantiska Josefa. Rozpravy, trida II, rocnik 11. [Aa 313.]

Presburg: Verein für Heil- und Naturkunde. Verhandl., n.F., Heftl4. [Aa92.] Peichenberg: Verein der Naturfreunde. Mittheilungen, Jahrg. 33 u. 34. [Aa 70.]

Salsburg: Gesellschaft für Salzburger Landeskunde. Mittheil., Bd. XLII u. XLIII. [Aa 71.]

Temesvär: Südungarische Gesellschaft für Naturwissenschaften. Termes- zettudomänyi Füzetek, XXVI. evol., füz. 4; XXVII. ’evol., füz. 1 3. [Aa 216.]

Trencsin: Naturwissenschaftlicher Verein des Trencsiner Komitates.

Triest: Museo civico di storia naturale. Atti, vol. X. [Aa 154b.] Triest: Societä Adriatica di scienze naturali.

Wien: Kais. Akademie der Wissenschaften. Anzeiger, 1902, Nr. 22—27; 1903, Nr. 1—24. [Aa 11.] Mittheil, der praehistor. Commission, I. Bd., Nr. 6. [G 111.]

Wien: Verein zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse. Schriften, Bd. XLII XLIII. [Aa 82.]

Wien: K. K. naturhistorisches Hofmuseum. Annalen, Bd. XVII, Nr. 3—4;

Bd. XVIII, Nr. 1—3. [Aa 280.]

Wien: Anthropologische Gesellschaft.

Wien: K. K. geologische Reichsanstalt. Abhandl., Bd. XX, Heft 1. [Da 1.] Verhandl., 1902, Nr. 11 18; 1903, Nr. 1 15. [Da 16.] Geolog. Karte der Oesterr.-Ungar. Monarchie, Lief. 4 u. 5. [Da 33.]

Wien: K. K. zoologisch -botanische Gesellschaft Verhandl., Bd. L1I. _ [Aa 95.]

Wien: Naturwissenschaftlicher Verein an der Universität. Mitteil. 1903, Nr. 1—4. [Aa 274.]

Wien: Central - Anstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus. Jahr¬ bücher, Jahrg. 1901. [Ec 82.]

34

3. Rumänien.

Bukarest : Institut meteorologique cle Roumanie. Index des publica- tions 1885—1903. [Ec 75.]

4. Schweiz.

Aarau : Aargauische naturforschende Gesellschaft.

Basel'. Naturforschende Gesellschaft. VerhandL, Bd. XII, Heft 2; Bd. XV, Heft 1 ; Bd. XVI. [Aa 86.]

Bern : Naturforschende Gesellschaft. Mittheil , Nr. 1519— 1550. [Aa 254.] Bern : Schweizerische botanische Gesellschaft.

Bern : Schweizerische naturforschende Gesellschaft. VerhandL der 84.

u. 85. Jahresversamml. [Aa 255.]

Chur : Natur forschende Gesellschaft Graubündens.

Frauenfeld : Thurgauische naturforschende Gesellschaft, Mitteil., Heft XV. [Aa 261.] ^

Freiburg: Societe Fribourgeoise des Sciences naturelles. Bulletin, voh X. [Aa 264.] Memoires: Botanik, Bd. I, no. 4 6; Geologie und Geo¬ graphie, Bd. II, no. 3—4. [Aa 264b.]

St. Gallen: Naturforschende Gesellschaft. Bericht für 1900 1901. [Aa 23.]

Lausanne: Societe Vaudoise des Sciences naturelles. . Bulletin, 4. ser., vol. XXXVIII, no. 145; vol. XXXIX, no. 146—147. [Aa 248.] Neuchatel: Societe des Sciences naturelles.

Schaff hausen : Schweizerische entomologische Gesellschaft. Mitteil., Vol. X, Heft 10; Vol. XI, Heft 1. [Bk 222.]

Sion : La Murithienne, societe Valaisanne des Sciences naturelles. Bulletin, fase. XXII— XXV. [Ca 13.]

Winterthur: Naturwissenschaftliche Gesellschaft. Mittheil., Heft 4. [Aa 331.]

Zürich: Naturforschende Gesellschaft. Vierteljahrsschr., Jahrg. 47, Heft 3 4; Jahrg. 48, Heft 1 2. [Aa 96.] Neujahrsblatt 1899. 1900 u. 1902. [Aa 96 b.]

5. Frankreich.

Amiens: Societe Linneenne du liord de la France.

Bordeaux: Societe des Sciences physiques et naturelles. Memoires, ser. 6, tome II, cah. 1 et appendice. [Aa 253.] Proces verbaux, annee 1901 1902. [Aa 253 b.]

Cherbourg: Societe nationale des Sciences naturelles et mathematiques. Memoires, tome XXXIII, fase. 1. [Aa 137.]

Dijon: Academie des Sciences, arts et helles lettres. Memoires, ser. 4, tome VIII. [Aa 138.]

Le Mans: Societe d’agriculture, Sciences et arts de la Sarthe. Bulletin, tome XXX, fase. 4; tome XXXI, fase. 1. [Aa 221.]

Lyon: Societe Linneenne.

Lyon: Societe d’agriculture, Sciences et industrie.

Lyon: Academie des Sciences et lettres.

Paris: Societe zoologique de France. Bulletin, tome XXVII. [Ba 24.] Toulouse: Societe Frangaise de botanique.

35

6. Belgien.

Brüssel : Societe royale malacologique de Belgique. Annales, tome XXXVI— XXXVH. [Bi 1 ]

Brüssel : Societe entomologique de Belgique. Annales, tome 32, 36, 42, 46.

[Bk 13.] Memoires, tome IX. [Bk 13b.]

Brüssel : Societe Beige de geologie, de paleontologie et d’hydrologie. Proces-verbaux, tome XIII, fase. 4; tome XVI, fase. 4—5; tome XVII, fase. 1—4. [Da 34.]

Brüssel : Societe royale de botanique de Belgique.

Gembloux : Station agronomique de l’etat. Bulletin, no. 73. [Hb 75.] Lüttich : Societe geologique de Belgique. Annales, tome XXV bis, livr. 2; tome XXIX, livr. 4; tome XXX, livr. 1. [Da 22.]

7. Holland.

Gent : Kruidkundig Genootschap „Dodonaea“.

Groningen'. Natuurkundig Genootschap. Centralbureau voor de Kennis van de Provincie Groningen en omgebgen streken: Bejdragen, deel II, stuk 2. [Aa 333.]

Hartem: Musee Teyler. Archives, ser. II, vol. VIII, p. 2 3. [Aa 217.] Hartem: Societe Hollandaise des Sciences. Archives Neerlandaises des Sciences exactes et naturelles, ser. II, tome VIII, livr. 1—4. [Aa 257.]

8. Luxemburg.

Luxemburg: Societe botanique du Grandduche de Luxembourg. Me¬ moires et travaux, Nr. XV. [Call.]

Luxemburg: Institut grand-ducal.

Luxemburg : Verein Luxemburger Naturfreunde ,, Fauna“. Mittheil., 12. Jahrg. [Ba 26.]

9. Italien.

Brescia: Ateneo. Commentari per l’anno 1902. II primo secolo delF Ateneo di Brescia 1802 1902 (m. Medaillon). [Aa 199.] Catania: Accademia Gioenia di scienze naturale. Bollettino, fase.

LXXIV— LXXVIII. [Aa 149b.] Atti, ser. IV, vol. XV. [Aa 149.] Florenz: R. Instituto. Sektion für Naturgescb. u. Physik, 1. Publikation;

Sektion für Medizin u. Chirurgie, Publik. 21 22. [Aa 229.]

Florenz: Societä entomologica Italiana. Bullettino, anno XXXIV, tr. 3 4. [Bk 193.]

Mailand: Societä Italiana di scienze naturali. Memoire, vol. VI, fase. 2. Mailand: R. Istituto Lombardo di scienze e lettere. Rendiconti, ser. 2, vol. XXXV— XXXVI. [Aa 161.] Memorie, vol. XIX, fase. 9; vol. XX, fase. 1. [Aa 167.]

Modena: Societä dei naturalisti.

Padua: Accademia scientifica Veneto-Trentino-Istriana. Atti, vol. IV, fase. 2. [Aa 193.]

Palermo: Societä di scienze naturali ed economiche.

Parma: Redazione del Bullettino di paletnologia Italiana. Bullettino XXVII— XXVIU. [G 54].

36

Pisa : Societä Toscana di scienze naturali. Processi verbali, vol.XIII (4. V.

1902 5. VII. 1903.); Memoire, vol. XIX. [Aa 209.]

Rom : Accademia dei Lincei. Atti, Rendiconti, ser. 5, vol. XI, 2. sem., fase. 11 12; vol. XII, 1. sem.; 2. sem., fase. 1 11; Rendic. sol. d. 1. giugno 1903. [Aa 226.]

Rom : R. Comitato geologico d’Italia.

Turin : Societä meteorologica Italiana.

Venedig: R. Instituto Veneto di scienze, lettere e arti.

Verona: Accademia di Verona. Atti e Memoire, ser. IV, vol. III; Indice dei volumi 1 75. [Ha 14.]

10. Grofsbritannien und Irland.

Dublin: Royal geological society of Irland.

Edinburg: Geological Society. Transactions, vol. VIII, p. 2 and special- part. [Da 14.]

Edinburg: Scottish meteorological society.

Glasgow: Natural history society. Transactions, vol. V, p. 3; vol. VI, p. 1—2. [Aa 244.]

Glasgow: Geological society.

Manchester: Geological and mining society. Transactions, vol. XXVIII, p. 1—9. [Da 20.]

Newcastle-upon-Tyne: Tyneside naturalists field club, und: Natural history society of Northumberland, Durham and Newcastle - upon - Tyne. Transactions, vol. XII, p. 2; vol. XIV. [Aa 126.]

11. Schweden und Norwegen.

Bergen: Museum. Aarsberetning 1902; Aarbog 1902, 3. Heft; 1903, 1.-2. Heft. [Aa 294.]

Christiania : Universität.

Christiania: Foreningen til Norske fortidsmindesmerksers bevaring. Aarsberetn. f. 1901—1902. [G 2.]

Stockholm: Entomologiska Föreningen. Entomologisk Tidskrift, Arg. 23. [Bk 12.]

Stockholm: K. Vitterhets Historie och Antiqvitets Akademien. Anti¬ quarisk Tidskrift, Delen XVII, 1 2. [G 135.]

Tromsoe: Museum. Museums Aarshefter, XXI; XXII, 2. Afdeling; XXIV. [Aa 243.]

TJpsala: Geological Institution of the university. Bulletin, vol. V, p. 2. [Da 30].

12. Rufsland.

Ekatharinenburg : Societe Ouralienne d’amateurs des Sciences naturelles.

Bulletin, tome XXIII, supplem. au tome XXII. [Aa 259.] Helsingfors: Societas pro fauna et Hora fennica.

Kharkow: Societe des naturalistes ä l’universite imperiale. Travaux, tome XXVIII; suppl. fase. 8 11. [Aa 224.]

Kiew: Societe des naturalistes. Memoires, tome XVII, livr. 2. [Aa 298.] Moskau : Societe imperiale des naturalistes. Bulletin, 1902, no. 3 4; 1903, no. 1. [Aa 134.]

37

Odessa: Societe des natur allstes de la Nouvelle - Eussie. Memoires, tome XXIV, p. 2. [Aa 256.J

Petersburg: Kais, botanischer Garten. Acta horti Petropolitani, tome XXI, fase. 1—2. [Ca 10.]

Petersburg: Comite geologique. Bulletins, vol. XXI, no. 5 10. [Da 23.] Memoires, vol. XVI, no. 2; vol. XVII, no. 3; vol. XX, no. 1; nouv. ser., livr. 1, 2, 4. [Da 24.]

Petersburg: Physikalisches Centralobservatorium.

Petersburg: Academie imperiale des Sciences. Bulletin, nouv. serie V, tome XVI, no. 4 5; tome XVII, no. 1—4. [Aa 315.]

Petersburg: Kaiserl. mineralogische Gesellschaft. Verhandl. , 2. Ser., Bd. 40. [Da 29.] Travaux de la section geologique du cabinet de sa majeste, vol. V. [Da 29 c.] Materialien zur Geologie Russlands, Bd. XXI, Lief. 1. [Da 29b.]

Piga: Naturforscher -Verein. Korrespondenzblatt, XL VI. [Aa 34.]

II. Amerika.

1. Nord -Amerika.

Albany: New York state museum of natural history.

Baltimore: John Hopkins university. University circulars, vol. XVIII, no. 139 -140; vol. XXI, no.160— 162; vol. XXII, no. 163— 164. [Aa 278.] American journal of mathematics, vol. XXIV, no. 2—4; vol. XXV, no. 1. [Ea 38.] American Chemical journal, vol. XXVII, no. 4 6; vol. XXVIII; vol. XXIX, no. 1-2. [Ed 60.] Studies in histor. and politic. Science, ser. XX, no. 2—12. [Fb 125.] American journal of philology, vol. XXII, no. 4; vol. XXIII. [Ja 64.] Maryland geo- logical survey, vol. II III. [Da 35.] Anniversary 25. [Aa 278b.]

Berkeley: University of California. Departement of geology: Bulletin III, no. 1 12; publications : Issued quarterly, vol. III, no. 3; vol. IV, no. 1—3; vol. V. no. 1. [Da 31.] College of agriculture: Bulletin 140—148; annual report 1900; biennial report 1900—1902. [Db 31b.] Botany, vol I, pp. 1 418. [Da 31c.] Zoology, vol. I, pp. 1 104. [Da 31 d.J Physiology, vol. I, no. 1—2. [Da 31 e.]

Boston: Society of natural history. Proceedings, vol. XXX, no. 3 7; vol. XXXI, no. 1. [Aa 111.] Memoirs, vol. Y, no. 8 9. [Aa 106.]

Boston: American academy of arts and Sciences. Proceedings, new ser., vol. XXXVIII; vol. XXXIX, no. 1-3. [Aa 170.]

Buffalo: Society of natural Sciences.

Cambridge: Museum of comparative zoology. Bulletin, vol. XXXVIII, no. 8; vol. XXXIX, no. 5 8; vol. XL, no. 4 7; vol. XLII, no. 1 4. [Ba 14.]

Chicago: Academy of Sciences.

Chicago: Field Columbian Museum. Publications 66 74, 76. [Aa 324.]

Bavenport: Academy of natural Sciences.

Halifax: Nova Scotian institute of natural Science. Proceedings and transactions, 2. ser., vol. III, p. 3 4. [Aa 304.]

38

Lawrence: Kansas University. Quarterly, series A: Science and mathe- matics, vol. X, no. 4. Science bulletin, vol. I, no. 5— 12. [Aa 328.] Madison : Wisconsin Academy of Sciences, arts and letters.

Mexiko : Sociedad cientifica „Antonio Alzate“. Memorias y Revista, tomo XIII, cuad. 5 6; tomo XVII, cuad. 4 6; tomo XVIII, cuad. 1 2; tomo XIX, cuad. 1. [Aa 291.]

Mexiko : Instituto geologico de Mexico.

Milwaukee: Public Museum of the City of Milwaukee. Ann. rep., no. 15, 18-20. [Aa 233b.]

Milwaukee: Wisconsin natural history society. Bulletin, new ser., vol. II, no. 4. [Aa 233.]

Montreal: Natural history society.

New-Haven: Connecticut academy of arts and Sciences. Transactions, vol. XI. [Aa 124.]

Neiv-York: Academy of Sciences.

Neiv-York: American museum of natural history.

Philadelphia: Academy of natural Sciences. Proceedings, vol. XIV, p. 2, 3; vol. XV, p. I. [Aa 117.]

Philadelphia: American philosophical society. Proceedings, vol. XLT.

no. 170-171; vol. XLII, no. 172. [Aa 283.]

Philadelphia: Wagner free institute of Science.

Philadelphia: Zoological society. Annual report 31. [Ba 22.] Pochester: Academy of Science. Proceedings, vol. 4, pag. 65 136. [Aa 312.]

Pochester: Geological society of America. Bulletin, vol. XIII. [Da 28.] Salem: Essex Institute.

San Francisco: California academy of Sciences.

St. Louis: Academy of Science. Transactions, vol. XI, no. 6 11; vol. XII, no. 1—8. [Aa 125.]

St. Louis: Missouri botanical garden.

Topeka: Kansas academy of Science. Transactions, vol. XVIII. [Aa 303. Toronto: Canadian institute. Transactions, vol. VII, p. 2. [Aa 222b.[ Proceedings, vol. II, p. 5. [Aa 222.]

Tufts College.

Washington: Smithsonian Institution. Annual report 1901. [Aa 120.] Report of the U. S. national museum 1900. [Aa 120c.] Washington: United States geological survey. XXII. annual report, p. 1—4; XXIII. [De 120a.] Bulletin, no. 191; 195-207. [De 120b.] Mineral resources of the Unit. States, 1901. [Db 81.] Mono- graphs, vol. XLI— XLIII. [De 120c.] Professional paper, no. 1 8. [De 120e/j

Washington: Bureau of education.

2. Süd-Amerika.

Buenos- Aires: Museo nacional. Anales, tomo VII VIII. [Aa 147.] Buenos- Aires: Sociedad cientifica Argentina. Anales, tomo LIV, entr. 4 6;

tomo LV, entr. 1 5; tomo LVI, entr. 1 3. [Aa 230.]

Cordoba: Academia nacional de ciencias. Boletin, tomo XVII, entr. 2 3. [Aa 208 a.]

Montevideo: Museo nacional. Anales, tomo IV, p, 2; tomo V. [Aa 326.]

39

Rio de Janeiro : Museo nacional.

San Jose: Instituto fisico-geografico y clel museo nacional de Costa Rica. Sdo Paido: Cominissäo geographica e geologica de S. Paulo.

La Plata : Museum.

Santiago de Chile: Deutscher wissenschaftlicher Verein.

III- Asien.

Batavia: K. natuurkundige Vereeniging. Natuurk. Tijdschrift voor Nederlandsch Indie, Deel 62. [Aa 250.]

Calcutta: Geological survey of India. Memoirs, vol.XXXlI, p.3; vol. XXXIV, p. 2; vol. XXXV, p. 1. [Da 8.] General-Report 1901 1902. [Da 18.] Tokio: Deutsche Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens. Mitteil., Bd. VIII, T. 1; Bd. IX, T. 2-3. [Aa 187.]

IV- Australien.

Melbourne: Mining department of Victoria.

B. Durch Geschenke.

Abromeit, J.: Flora von Ost- und Westpreussen, 1. Hälfte; 2. Hälfte, 1. Teil. [Cd 119.]

Bellingshausen , F. von: Forschungsfahrten im südlichen Eismeer 1819 21. [Fb 135.]

Bergt , W-: Ueber einige sächsische Gesteine. Sep. 1902. | De 242b.]

Über einige sächsische Minerale; Aschenstruktur in vogtländischen Diabastuffen; Stauchungen im Liegenden des Diluviums in Dresden. Sep. 1903. [De 242c.] (Mitteil. a. d. K. Mineralog.-geolog. Museum i. Dresden.)

Berlins naturwissenschaftl. Anstalten 1901. [Ja 86.J Beythien, A.: Bericht über die Thätigkeit des chemischen Untersuchungs¬ amtes der Stadt Dresden. Sep. 1902. [Hb 129t.J Boulanger, E.: Germinations de Tascospore de la trüffe. [Cc 69.] Budapest: K. Ungarische Reichsanstalt für Meteorologie u. Erdmagnetis¬ mus. Jahrbücher, Bd. XXXI, 1. u. 3. Theil. [Ec 101.] Publi- cationen, III. Bericht. [Ec 101b.]

Cliavanne , J.: Die Temperatur- und Regenverhältnisse Argentiniens. Sep. 1903. [Ec 102.]

Credner, H.: Die Nahbeben von 1902. Sep. 1903. [De 137 n.]

Dathe, E.: Ueber die Verbreit, der Waldenburger u. Weisssteiner Schichten in der Waldenburger Bucht. Sep. 1903. [De 169q.]

Dathe , E.: Ueber das Vorkommen von WTalchia in den Ottweiler Schichten des niederschles.-böhm. Steinkohlenbeckens. Sep. 1903. [De 169 r.] Deichmüller , J.: Beiträge zu den Briquetage-Funden. Sep. 1902. [G 119 d.] Doppler, Chr.: Ueber das farbige Licht einiger Doppelsterne. Jubil.- Abdr. [Ea 49.]

40

Engelhardt , H: Tertiärpflanzen von Kleinasien. Sep. 1903. [Del 94 t.] Erzgebirgsverein : Festschr. zum 25 j ähr. Bestehen. 1903. [Fb 137.] Etzold, Er.: Seismogramme von Wiecherts astatischem Pendelseismometer. Sep. 1903. [Ec 100b.]

Forir, H.: Bibliographie des etages laekenien, ledien etc. de la haute et de la moyenne Belgique. [De 244.]

Gaudry, A.: Contribution ä l’histoire des hommes fossiles. Sep. 1903. [Bd 34b.]

Geinitz, E.\ Das Land Mecklenburg vor 3000 Jahren. (Rektorats -Progr.) [De 217m.]

Geinitz, E . : Mitteil, aus der Grofsherzogl. Mecklenburg. Geolog. Landes¬ anstalt, Nr. XV: Die Landverluste der Mecklenb. Küste. [De 217n.] Geinitz, E. u. Weber, C.\ Ueber ein Moostorflager der postglacialen Föhren¬ zeit am Seestrande der Rostocker Heide. Sep. 1904. [De 217 o.] Heller, K: Oskar Schneider. Sep. 1903. [Jb 91.J

Herrera, A.: Le rote preponderant des substances minerales dans les phenomenes biologiques. Sep. 1903. [Cc 68.]

KHz, M.\ Beiträge zur Kenntnis der Quartärzeit i. Mähren. Sep. 1902. [De 238 b.]

Ladenburg, A.: Ueber den Einfluss d. Naturwissensch. auf d. Weltanschau¬ ung. Vortrag. 1903. [Ja 88.]

Lichtneckert, J.\ Neue wissenschaftl. Lebenslehre des Welt-Alls. [Ja 89.] Petrascheck , W.: Die Ammoniten der sächsischen Kreideformation. Sep. 1902. [Dd 149a.] (Mitteil. a. d. K. Mineralog.-geolog. Museum i. Dresden.)

Petras check, W.: Zur Geologie des Heuscheuergebirges. Sep. 1903. [Dal49b.] Pigorini , L.\ Le piü antiche civitä dell’ Italia. Sep. 1903. [Ja 87.] Paleigh : Elisha Mitchell scientific society. Journal, vol. XVI, p. 2; vol. X VIII- XIX. [Aa 300.]

Sars, G.: An account of the Crustacea of Norway. Vol. IV, p. 11 14. [Bl. 29b.]

Schinkichi, Hara: Die Meister der japanischen Schwertzierraten. 1902. [Aa 276.]

Schopp, H.\ Beiträge z. Kenntn. der diluvialen Flufsschotter i. westl. Rhein¬ hessen. [De 243.]

Stossich, M.\ Una nuova specie di Helicometra. Sep. 1902. [Bm 54nn.] Stübel, A.\ Ueber die genetische Verschiedenheit vulkanischer Berge. Sep. 1903. [De 237 d.]

Stübel, A.\ Karte der Vulkanberge in Ecuador. Sep. 1903. [De 237e.] Washington : National academy of Sciences. Memoirs, vol. VIII, no. 4—7. [Aa 320.]

Wien: K. K. Central-Commission für Erforschung u. Erhaltung der Künst¬ ln historischen Denkmale. Mittheil., Folge III, Bd. 1. [G 142.]

C. Durch Kauf.

Abhandlungen der Senckenbergischen naturforschenden Gesellschaft, Bd.XX, Heft 4; Bd. XXV, Heft 4; Bd. XXVII, Heft 1. [Aa 9.]

Anzeiger für Schweizer Alterthümer, neue Folge, Bd. IV, Heft 3 4; Bd. V, Heft 1, mit Beil. [G 1.]

41

Anzeiger, zoologischer, Jahrg. XXVI. [Ba 21.]

Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs, Abth. 3 (Echinodermen), Lief. 62— 64; Bd. III (Mollusca), Suppl., Lief. 37— 43; Bd. IV, (Vermes), Suppl., Lief. 18— 22; Bd. V (Crustacea), Abth. 2, Lief. 66 68; Bd. VI, Abth. 1 (Pisces), Lief. 9 12. [Bb 54.]

Oebirgsverein für die Sächsische Schweiz : Ueber Berg und Thal, Jahrg. 1903. [Fa 19.]

Hedivigia , Bd. 42. [Ca 2.]

Jahrbuch des Schweizer Alpenclub, Jahrg. 38. [Fa 5.]

Monatsschrift, Deutsche botanische, Jahrg. 21. [Ca 22.]

Prähistorische Blätter , Jahrg. XV. [G 112.]

Prometheus, No. 690 741. [Ha 40.]

Wochenschrift, naturwissenschaftliche, Bd. XVIII. [Aa 311. J (Vom Isis-Lese¬ zirkel.)

Zeitschrift, allgemeine, für Entomologie, Bd. VIII. [Bk 245.]

Zeitschrift für die Naturwissenschaften, Bd. 75, Nr. 3 6. [Aa 98.] Zeitschrift für Meteorologie, Bd. 20. [Ec 66.]

Zeitschrift für wissenschaftliche Mikroskopie, Bd. XIX, Heft 3 4; Bd. XX, Heft 1 2. [Ee 16.]

Zeitschrift, Oesterreichische botanische, Jahrg. 53. [Ca 8.]

Zeitung, botanische, Jahrg. 61. [Ca 9.]

Abgeschlossen am 31. Dezember 1903.

C. Schiller, Bibliothekar der „Isis“.

Zu besserer Ausnutzung unserer Bibliothek ist für die Mitglieder der „Isis“ ein Lesezirkel eingerichtet worden. Gegen einen jährlichen Beitrag von 3 Mark können eine grofse Anzahl Schriften bei Selbstbeförderung der Lesemappen zu Hause gelesen werden. Anmeldungen nimmt der Biblio¬ thekar entgegen.

.

Abhandlungen

der

Naturwissenschaftlichen Gesellschaft

ISIS

in Dresden.

1903,

VII. Die Nähr un gs mittelkon trolle der Stadt Dresden.*)

Von Dr. A. Beythien,

Direktor des chemischen Untersuchungsamtes der Stadt Dresden.

Wenn es heutzutage üblich ist, dafs Redner ihre Vorträge mit der Behauptung einleiten, wir lebten im Zeitalter desjenigen Gegenstandes, über den sie gerade zu sprechen wünschen, also je nach Bedarf des Dampfes, der Elektrizität, des Militarismus oder der Getreidezölle, so glaube ich von meinem Standpunkte aus ebenso berechtigt zu sein, unsere Zeit als die der Hygiene zu bezeichnen. Dringt nicht, unterstützt von dem hellleuchtenden Glanze des Namens Pettenkofer, die neue Lehre siegreich in immer weitere Kreise der Bevölkerung ein, und mit ihr die Überzeugung, dafs im Kampfe ums Dasein der körperlich Widerstands¬ fähige günstiger gestellt ist als der Schwächere? Gewinnt nicht die Er¬ kenntnis immer mehr Boden, dafs zwar manche feindliche Einflüsse unsere Gesundheit, unser Leben bedrohen, dafs wir aber auch durch eine ver- nunftgemäfse Lebensweise vieles tun können, uns gegen diese feindlichen Gewalten zu schützen? Wir wissen jetzt, dafs jeder einzelne die Pflicht hat, nach besten Kräften für seine eigene Gesundheit wie auch die seiner Ange¬ hörigen zu sorgen, dafs er Sitten resp. Unsitten aufgeben mufs, welche dem Wohlergehen seiner Mitmenschen nachteilig sind, und mit Freude können wir bereits zahlreiche schöne Erfolge dieser privaten Hygiene verzeichnen.

Gar manche Gefahren drohen aber der Wohlfahrt des Menschen¬ geschlechtes, denen das Individuum ohnmächtig gegenübersteht. Die Be¬ kämpfung ansteckender Krankheiten, die Beseitigung der Abfallstoffe, Be¬ schaffung brauchbaren Trinkwassers, das sind Anforderungen, welche sich seinem Machtbereiche entziehen; hier ist die Pflege der Gesundheit Auf¬ gabe der Gesamtheit, also des Staates oder der Gemeinde. Der Staat nimmt nicht nur ein hohes Interesse an der Volksgesundheit, von welcher die Leistungsfähigkeit seiner Bürger abhängt, sondern ihm erwächst auch die unabweisbare Pflicht, die Gesundheit seiner Angehörigen zu schützen, welchen die Zugehörigkeit zum Staate zahlreiche Pflichten auferlegt, die, wie der Besuch öffentlicher Schulen, das Zusammenleben in Kasernen, ohne besondere Schutzmafsregeln sanitäre Gefahren in sich bergen. Ein weites Gebiet fällt also der öffentlichen Gesundheitspflege zu. Hier¬ hin gehört die Beschaffung reiner Luft durch Bekämpfung schädlicher Fabrikgase sowie der Rufsplage; ferner die Wasserversorgung, Beseitigung der Fäkalien, die Fürsorge für gesunde Wohnungen, öffentliche Bäder,

*) Vortrag gehalten in der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft Isis in Dresden am 22. Oktober 1903.

36

Verkehrseinrichtungen, die Überwachung von Schulen und Fabriken; hier¬ hin gehören vor allem auch die Bestrebungen, der Bevölkerung eine zweck¬ entsprechende Ernährung zu sichern, in richtiger Würdigung der Tatsache, dafs nur ein gut genährter Organismus die nötige Widerstandskraft gegen Krankheiten besitzt. Sache der öffentlichen Gesundheitspflege ist diese letzte Aufgabe, weil der einzelne nicht imstande ist, den Nahrungsmitteln ihren Wert oder Unwert anzusehen, und daher Verfälschungen wehrlos gegenüber steht.

Die Erkenntnis von der Notwendigkeit einer amtlichen Überwachung des Lebensmittelmarktes ist keineswegs eine Errungenschaft der Neuzeit. Schon unsere Altvorderen, welche die Annehmlichkeit schmackhafter Speisen und eines guten Trunkes wohl zu schätzen wufsten und die Ernährungs¬ frage überhaupt weit ernster und gewissenhafter auffafsten als wir moderne Menschen, achteten mit aller Strenge darauf, dafs Nahrungsmittelfälscher bestraft wurden. Zur Blütezeit des deutschen Bürgertums im Mittelalter bestanden in den meisten Hansestädten diesbezügliche Vorschriften, Dresden besafs bereits im 15. Jahrhundert Bestimmungen, welche die gute Be¬ schaffenheit des Bieres gewährleisteten, und die freie Reichsstadt Nürnberg hatte sogar, einer interessanten Broschüre Kaemmerers zufolge, eine systematische Nahrungsmittelkontrolle eingerichtet. Da gab es eine Schau für Mehl, Brot, Fleisch, Schmalz und Bier. Eine Milchordnung von 1450 untersagte die Verfälschung mit Mehl, während an Wasserzusatz und Ent¬ rahmung anscheinend noch nicht gedacht wurde. Beim Wein war schon damals, wie heute, Zusatz von Alaun und übermäfsiges Schwefeln ver¬ boten, und manches Fafs zu stark geschwefelten Weines wurde zum warnenden Beispiel in die Pegnitz gegossen. Besonders scharfe Erlasse regelten den Gewürzhandel, und wie wenig Spafs unsere Vorfahren in dieser Hinsicht verstanden, erhellt daraus, dafs allein im Jahre 1444 sechs Safranfälscher mit ihrer Ware auf offenem Markte verbrannt wurden, während man eine Frau wegen desselben Vergehens lebendig vergrub. Da¬ mit verglichen sind unsere heutigen Strafbestimmungen geradezu weich¬ herzig zu nennen.

Der Niedergang des heiligen Römischen Reiches, besonders die trost¬ lose Zeit nach dem 30jährigen Kriege, liefs mit der übrigen Kultur des Mittelalters auch diese sanitären Bestrebungen zu gründe gehen, und erst dem wieder erstandenen Deutschen Reiche war es beschieden, sie zu neuem Leben zu erwecken.

Gerade in den ersten Jahren nach dem siegreichen Kriege hatte, wie so mancher andere ungesunde Auswuchs des grofsen Geldzuflusses nach Deutschland, auch die Verfälschung der Nahrungsmittel einen unerträg¬ lichen Umfang angenommen. Mit dem Aufblühen der Industrie erfuhren die Lebensbedingungen weiter Bevölkerungskreise, besonders der ärmeren Klassen, durchgreifende Änderungen, und die zunehmende Beschäftigung der Frauen in den Fabriken veranlagte, dafs die Herstellung zahlreicher Nahrungs- und Genufsmittel, welche seit langen Zeiten von den Haus¬ frauen im Schofse der Familie bereitet worden waren, wie der konser¬ vierten Gemüse und Früchte, der Fruchtsäfte, Marmeladen und Eiernudeln aus den Haushaltungen verschwand, um an die Industrie überzugehen. Nicht immer zum Vorteile der Erzeugnisse! Der Llang nach mühelosem Gewinn, das Bestreben, die Konkurrenz zu unterbieten, führte dazu, dafs die altgewohnten Bahnen der reellen Herstellung vielfach verlassen wurden,

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dafs an die Stelle der bekannten Nahrungsmittel minder wertvolle Surrogate traten. Im Hinblick auf die der Volksgesundheit hieraus erwachsenden Gefahren wurden die Rufe nach Abhilfe immer dringender und fanden schliefslieh im Reichstage so kräftigen Widerhall, dafs sich die Regierung veranlafst sali, dem 1876 gegründeten Gesundheitsamte die Regelung der Nahrungmittelkontrolle als die erste seiner umfangreicheren Arbeiten zu übertragen, trotzdem dieses Amt eigentlich in erster Linie zur Bekämpfung der grofsen Yolksseuchen, besonders der zahllose Opfer fordernden Cholera, geschaffen worden war. Die bereits in Angriff genommene Frage der Flufs- verunreinigung wurde einstweilen zurückgestellt, nachdem Bismarck 1877 gelegentlich der Budgetberatung geäufsert hatte: ,,Mir schien es wichtiger, dasjenige, was dem menschlichen Körper zugeführt wird, lieber in erster Linie zu betrachten, als dasjenige, was den Flüssen zugeführt wird“. Unter den Auspizien des Kanzlers selbst begannen die Vorarbeiten für das Nahrungsmittelgesetz.

Bis dahin konnten zur Bekämpfung der Verfälschungen nur zwei Paragraphen -des Reichsstrafgesetzbuchs herangezogen werden. Zunächst § 263, der sog. Betrugsparagraph, nach welchem bestraft wird, wer „in der Absicht, sich selbst oder einem dritten einen rechtswidrigen Ver¬ mögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch be¬ schädigt, dafs er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält“. Hiermit konnte eine Nahrungsmittelkontrolle nicht viel anfangen, da bei den einfachen Verhältnissen des Ein- und Verkaufs von Lebensmitteln die einzelnen Tatbestandsmerkmale des Betrugsdelikts meist nicht nachweis¬ bar sind. Eine Vermögensschädigung liegt oft nicht vor, wenn nämlich die verfälschte Ware zu einem niedrigeren Preise als die echte verkauft wird, und auch die Vorspiegelung falscher Tatsachen kommt meist nicht in Frage, weil bei dem Ankauf von Nahrungsmitteln, beispielsweise eines Pfundes Butter, nicht erst lange Verhandlungen gepflogen werden.

Leichter erschien noch eine Verfolgung auf Grund von § 367 7, nach welchem es verboten ist, verfälschte oder verdorbene Efswaren zu ver¬ kaufen oder feilzuhalten; allein dieser Paragraph hat den Nachteil, dafs er sich nicht auf die Verfälschung selbst bezieht, und dafs die Höchst¬ strafe von 150 Mark wenig geeignet erscheint, auf Fälscher abschreckend zu wirken, welche mit ihren unsauberen Manipulationen Tausende und Hunderttausende verdienen.

In gleichem Sinne waren auch die vereinzelten landesgesetzlichen Be¬ stimmungen vor 1879 durchaus unzulänglich zur Bekämpfung einer geradezu gewerbsmäfsig betriebenen Nahrungsmittelverfälschung, welche sich alle Errungenschaften der Wissenschaft zu nutze machte und zur Verwertung derselben selbst Chemiker in ihre Dienste zog.

Demgegenüber begann das Gesundheitsamt seine Tätigkeit damit, dafs es zunächst die bei den wichtigsten Nahrungsmitteln beobachteten Ver¬ fälschungen sowie etwa gesundheitsschädliche Wirkungen derselben er¬ mittelte, und arbeitete dann auf Grund dieser Feststellungen Vorschläge darüber aus, welche Mafsnahmen zur Bekämpfung in Frage kommen könnten. Besonderes Gewicht wurde neben den erforderlichen Straf¬ bestimmungen auf den Erlafs geeigneter polizeilicher Vorbeugungsmafs- regeln gelegt, und in diesem Sinne die Gründung möglichst zahlreicher technischer Untersuchungsanstalten als erstes Erfordernis bezeichnet.

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Das auf Grund dieser Vorarbeiten am 14. Mai 1879 erlassene Gesetz betr. den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genufsmitteln und Gebrauchs¬ gegenständen bildet nun ganz und gar das Rückgrat der amtlichen Nah¬ rungsmittelkontrolle, und es sei mir daher vergönnt, auf seinen Inhalt etwas näher einzugehen. Das Gesetz verfolgt zwei Ziele, nämlich: 1. die Bekämpfung der Gefahren für Leib und Leben, welche der Genufs von Lebensmitteln im Gefolge haben kann, und 2. die Verhütung pekuniärer Schädigungen der Konsumenten, sowie Beseitigung der Unlauterkeit im Handel und Verkehr; und wie das Gesundheitsamt war auch der Gesetz¬ geber sich darüber klar, dafs dieses Ziel in erster Linie durch eine vor¬ beugende Kontrolle von seiten der Polizei zu erreichen sei. Er räumte dieser daher weitgehende Befugnisse ein, besonders das Recht, während der üblichen Geschäftsstunden in die Verkaufsräume einzutreten und von den hier feilgehaltenen Nahrungs- und Genufsmitteln sowie gewissen Gebrauchs¬ gegenständen Proben zum Zweck der chemischen Untersuchung zu ent¬ nehmen. Während nun die unter das Gesetz fallenden Gebrauchsgegen¬ stände besonders namhaft gemacht werden, es sind Spiel waren, Tapeten, Farben, Efs-, Trink- und Kochgeschirre sowie Petroleum, findet sich eine Definition der Begriffe Nahrungs- und Genufsmittel nicht vor. Dieselbe ist vielmehr der Entscheidung der Gerichte anheimgegeben und daher bis¬ weilen verschieden ausgefallen, wenngleich wenigstens in dem einen Punkte kein Zweifel mehr besteht, dafs nur Nahrungsmittel für Menschen zum Geltungsbereiche des Gesetzes gehören. Im übrigen dürfte zur Zeit wohl die vom Reichsgericht gegebene Begriffsbestimmung allgemein als mafs- gebend anerkannt werden: „Nahrungsmittel sind Stoffe, welche, sei es in fester oder flüssiger Form, der Ernährung des menschlichen Körpers dienen, auch wenn zu deren Geniefsbarkeit eine vorherige Zubereitung erforderlich ist“. Der Begriff der Genufsmittel ist weiter. Er umfafst alle Stoffe, welche, auch ohne der Ernährung zu dienen, genossen zu werden pflegen, allerdings unter der Voraussetzung, dafs sie durch die Organe dem menschlichen Körper zugeführt und mit dem Genüsse verbraucht werden. Dieser Erklärung entsprechend, sind zwar Zigarren als Genufsmittel an¬ zusehen, nicht aber Rosen, da deren Wohlgeruch zwar einen Genufs be¬ reitet, doch ohne dafs ein Verbrauch der Blume dadurch bedingt würde. Nicht erforderlich ist hingegen, dafs die Stoffe für sich allein verzehrt werden können, sondern auch solche, welche der Verbindung mit anderen bedürfen, gehören hierher.

Die für die Nahrungsmittel -Überwachung wichtigste Bestimmung ent¬ hält § 10:

„Mit Gefängnis bis zu sechs Monaten und mit Geldstrafe bis zu 1500 Mark oder mit einer dieser beiden Strafen wird bestraft:

1. wer zum Zwecke der Täuschung im Handel und Verkehr Nahrungs- oder Genufsmittel nachmacht oder verfälscht;

2. wer wissentlich Nahrungs- oder Genufsmittel, welche verdorben oder nach¬ gemacht oder verfälscht sind, unter Verschweigung dieses Umstandes verkauft oder unter einer zur Täuschung geeigneten Bezeichnung feilhält.“

§ 12 enthält das völlige Verbot des Verkaufs gesundheitsschädlicher Nahrungsmittel, während in §§11 und 13 auch die Fahrlässigkeit bei den vorstehend bezeichneten Handlungen unter Strafe gestellt wird.

Wesentliche Voraussetzung für die Strafbarkeit nach § 10 Ziffer 1 ist also die Absicht der Täuschung; nicht notwendig ist hingegen, dafs der

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unmittelbare Abnehmer getäuscht werden soll, wenn nur der Fabrikant auf die Täuschung weiterer Kreise rechnet. Dies trifft z. B. zu bei einem künstlichen Wein aus Wasser, Sprit, Weinsäure, Farbe und Essenz, wenn der Fälscher weifs, dafs die Wiederverkäufer vermöge ihrer Geschäfts¬ kenntnis aus Etikette und Preis ersehen werden, ob sie ein echtes oder ein Kunstprodukt erhalten, während er annehmen mufs, dafs den Konsu¬ menten diese Fähigkeit abgeht. Ebensowenig ist für die Strafbarkeit erforderlich, dafs wirklich jemand getäuscht wurde, ja nicht einmal, dafs die verfälschte Ware zum Verkauf gelangte. Der Begriff der Täuschung ist sonach umfassender als derjenige des Betruges, indem er weder die Absicht, einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu erlangen, noch die Ver¬ mögensschädigung eines anderen voraussetzt.

Wann sind nun Nahrungsmittel als verfälscht und nachgemacht an¬ zusehen? Nach der Entscheidung des Reichsgerichts ist unter Nach¬ machen die Herstellung eines Nahrungsmittels in der Weise und zu dem Zweck zu verstehen, dafs es ein anderes zu sein scheint, als es in Wirk¬ lichkeit ist, dafs es nur den Schein, nicht aber das Wesen und den Gehalt der echten Ware besitzt. Nachgemacht ist z. B. ein Himbeersyrup, der wenig oder gar keinen echten Fruchtsaft enthält, sondern vorwiegend einen rotgefärbten, parfümierten Zuckersyrup darstellt. Nachgemacht ist auch ein aus Wasser, Sprit und Essenz zusammengegossener Wein.

Im Gegensatz zur Nachmachung gehört zu dem Begriffe der Ver¬ fälschung, dafs mit einer ursprünglich echten Ware eine Veränderung vorgenommen wurde, welche eine Abweichung vom normalen Zustande zur Folge hatte. Eine solche Veränderung kann entweder dadurch herbei¬ geführt werden, dafs das Nahrungsmittel durch Entnahme oder Zusatz von Stoffen direkt verschlechtert wurde, wie die Milch durch Entrahmung oder Wässerung, die Wurst durch Mehlzusatz, oder dafs den Waren der täuschende Anschein einer besseren Beschaffenheit verliehen wurde, wie z. B. die künst¬ liche Rotfärbung von Hackfleisch durch schweflige Säure, von Würsten durch Fuchsin, oder der Zusatz gelber Farbe zu Nudeln, um einen höheren Gehalt an Eiern vorzutäuschen.

Zum Nachweise einer Nachmachung oder Verfälschung ist selbstredend stets eine genaue Kenntnis der echten oder normalen Beschaffenheit des Nahrungsmittels erforderlich, die sich bei den Naturprodukten wie Fleisch, Milch usw. von selbst aus der Art ihrer Gewinnung ergibt, bei den Er¬ zeugnissen der Industrie aber an der Hand der gesetzlichen und herkömm¬ lichen Regel zu ermitteln ist. Die letztere, welche wohl auch Gewerbe¬ oder Handelsusance genannt wird, hat jedoch nur dann auf Beachtung Anspruch zu erheben, wenn ihr nicht verwerfliche Geschäftsgebräuche zu Grunde liegen, die anstatt der Ernährung und den Bedürfnissen der Kon¬ sumenten lediglich eigennützigen Zwecken der Fabrikanten dienen. Als Beispiel einer derartigen unzulässigen Usance sei die bei manchen Bäckern beliebte Verwendung alter Semmelreste zur Brotbereitung erwähnt, welche nach dem Urteil des hiesigen Landgerichts als Verfälschung zu gelten hat.

Die als drittes Moment der Strafbarkeit in § 10 angeführte Ver¬ dorbenheit von Nahrungsmitteln unterscheidet sich von den vorerwähnten dadurch, dafs sie nicht eine absichtliche menschliche Handlung voraus¬ setzt, sondern durch äufsere Einflüsse, Einwirkung der Luft, des Lichtes, Bakterientätigkeit, Verschmutzung herbeigeführt wird, so dafs ihr charakte¬ ristisches Merkmal in der Veränderung des ursprünglichen normalen Zu-

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Standes zum schlechteren besteht. Verdorben nennt man also faules Fleisch, ranzige Butter, saures Bier; verdorben sind auch alle Nahrungs¬ mittel, welche infolge unsauberer Aufbewahrung oder eines Gehaltes an lebenden Parasiten Ekel erregen.

Aufs er der Herstellung selbst verbietet das Gesetz natürlich auch den Verkauf verfälschter Nahrungsmittel unter Verschweigung ihrer Ver¬ fälschung, und, was besonders wichtig ist, die Feilhaltung, d. h. jedes Bereitstellen zum Verkauf unter einer zur Täuschung geeigneten Bezeichnung. Gerade der letzte Punkt bildet eine Quelle fortwährenden erbitterten Kampfes zwischen der amtlichen Nahrungsmittelkontrolle und gewissen Fabrikanten. Künstlich gefärbtes Einfach Bier mit der stolzen Etikette „Echtes Malzbier“, mit Mehl verfälschte Schokolade, welche auf der Oberseite der Packung die Rieseninschrift „Vanille-Chokolade“ und in einem Winkel versteckt die mikroskopisch kleine Angabe „mit Mehlzusatz“ trägt, gehören hierher.

Nicht unterlassen will ich, zum Schlufs noch auf die wesentliche Er¬ gänzung des § 10 durch den § 11 hinzuweisen, in welchem bei den vor¬ genannten Delikten auch die Fahrlässigkeit unter Strafe gestellt wird. Nur hierdurch gelingt es in den zahllosen Fällen, in denen die Ermitte¬ lung des eigentlichen Fälschers mifslingt, verfälschte Waren aus dem Ver¬ kehre zu verdrängen. Der § 11 legt jedem Händler mit Lebensmitteln die Verpflichtung auf, sich über deren Beschaffenheit zu unterrichten und die ihm dargebotene Gelegenheit zur Befragung von Sachverständigen nicht unbenutzt zu lassen. Hat er das nach Lage der Sache in seinen Kräften stehende getan, so kann ihm kein Vorwurf gemacht werden, und die oft gehörte Behauptung, die Feststellung, dafs ein Händler verfälschte oder einer Polizeiverordnung nicht entsprechende Produkte verkauft habe, genüge bereits zu seiner Bestrafung, ist unrichtig.

Mit diesem Gesetze war der Behörde eine scharfe Waffe in die Hand gegeben, um der Verfälschung und Nachmachung wirksam entgegen zu treten, d. h. wenn sie erst nachgewiesen war, und es fragte sich nur noch, welcher Organe sie sich zu letzterem Zwecke bedienen sollte. Die vom Gesundheits¬ amte berufene Kommission hatte sich bereits dahin ausgesprochen, dafs zur Durchführung des Gesetzes zuerst an die Errichtung einer ausreichenden Zahl technischer Untersuchungsanstalten herangetreten werden müsse, und auch im Reichstage war dieser Forderung wiederholt Ausdruck verliehen worden.

Wer diese Anstalten begründen sollte, ob das Reich, die Landes¬ regierungen, Kreise oder Gemeinden, wurde nicht näher ausgeführt; jedenfalls aber waren sie als amtliche Einrichtungen gedacht, besetzt mit beamteten Sachverständigen, die ihre ganze Kraft der übertragenen Aufgabe zu widmen hatten, und lediglich aus diesem Grunde suchte der Gesetzgeber die Behörden, namentlich der grofsen Städte, dadurch zur Gründung von Untersuchungs¬ ämtern anzuregen, dafs er den letzteren als Beitrag zu den erwachsenden Kosten die auf Grund des Gesetzes verhängten gerichtlichen Geldstrafen zuwies.

Leider hatte diese Anregung zunächst nur geringe Erfolge zu ver¬ zeichnen. Staatliche Anstalten wurden nur in Bayern, welches in Sachen der Nahrungsmittelkontrolle die Führung übernahm, begründet, und die grofsen Städte, auf welche in erster Linie gerechnet worden war, gingen aufserordentlich zögernd vor. Waren zum Teil pekuniäre Rücksichten mafs- gebend, so erhob sich andererseits Widerstand aus den Kreisen des Handels, welcher jede Beschränkung seiner Freiheit übel empfindet; und als wich¬ tiger Hinderungsgrund stellte sich vielfach der Mangel an geeigneten

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Sachverständigen heraus, denn die Chemiker, aus denen diese im Hinblick auf den meist analytischen Charakter der Untersuchungen : Nachweis von Giften, Bestimmung des Nährwertes u. dergl. entnommen werden mufsten, entbehrten gar häufig einer ausreichenden Schulbildung sowie eines ab¬ geschlossenen Studiums. Diesem Mangel wurde erst durch die Einführung eines Staatsexamens für Nahrungsmittelchemiker abgeholfen, in welchem neben dem Nachweis des Maturums und gründlicher chemischer Aus¬ bildung spezielle Kenntnisse in der Botanik, Mikroskopie und Bakteriologie verlangt werden, da auch diese Hilfsdisziplinen bei den eigenartigen Ver¬ hältnissen der Nahrungsmitteluntersuchung unentbehrlich sind. Während vor Erlafs dieser Prüfungsbestimmungen nur vereinzelte Städte eigene Laboratorien errichtet hatten, zuerst Hannover, Breslau, Bremen und Hamburg, traten jetzt mehrere andere dieser Frage näher, und auch Dresden konnte sich einer Regelung nicht länger entziehen.

Hier war eine systematische umfassende Nahrungsmittelkontrolle bis dahin nicht ausgeübt, und die chemischen Untersuchungen, welche sich bei den einzelnen städtischen Geschäftsstellen erforderlich machten, hiesigen Privatlaboratorien oder in wichtigeren Fällen der Kgl. Zentralstelle über¬ tragen worden. Nur in Bezug auf die Milch war eine regelmäfsige amtliche Überwachung vorgesehen, welche auf Grund des vorzüglichen früheren Milch¬ regulativs befriedigende Erfolge zeitigte. Trotzdem stellte sich heraus, dafs mit diesem Verfahren eine durchgreifende Bekämpfung der immer mehr über¬ hand nehmenden Verfälschungen nicht zu erreichen sei, sondern dafs die Er¬ richtung eines städtischen Untersuchungsamtes im Interesse einer einheitlichen Erledigung der erforderlichen Arbeiten als unabweisbare Notwendigkeit zu gelten habe. Nach langjährigen Vorarbeiten wurde das Ch em is ch e Ü nt er- suchungsamt der Stadt Dresden endlich am 1. August 1896 eröffnet.

So konnte denn an die Erledigung der vielseitigen Aufgaben, welche der jungen Anstalt harrten, herangetreten werden. Ihre Zahl war nicht gering, denn in der Verwaltung einer modernen Grofsstadt mit ihren zahlreichen technischen Betrieben tauchen alltäglich neue Fragen auf, welche zu ihrer Lösung des Chemikers bedürfen. Ich erinnere nur an die Analyse des Leitungswassers, an die Kontrolle der Abwasserreinigungs¬ anlagen, die Untersuchung von Baumaterialien, die Abgabe von Gutachten für das Steuer- und Gewerbeamt und vieles andere mehr. Die vornehmste Aufgabe jedes städtischen Untersuchungsamtes ist aber doch die Über¬ wachung des Nahrungsmittelverkehrs, und die hierfür getroffenen Mafs- n ahmen darzulegen, ist der Zweck der folgenden Ausführungen.

Ziel der amtlichen Nahrungsmittelkontrolle ist, der Bevölkerung Schutz zu gewähren vor verfälschten, verdorbenen und gesundheitsschädlichen Waren; sie mufs also zunächst Übertretungen der erlassenen Gesetze auf¬ decken, damit die Fälscher der Strafe zugeführt werden können, sie soll aber auch, und das ist ihre wichtigere Aufgabe, vorbeugend dafür sorgen, dafs verfälschte Nahrungsmittel überhaupt nicht mehr zum Konsum gelangen. Zur Erreichung des letzteren Zieles ist unerläfsliche Vorbedingung, dafs fort¬ laufende und regelmäfsige Probenahmen stattfinden, und zwar in solchem Umfange, dafs kein Fälscher sich auch nur einen Augenblick sicher fühlt.

Die Frage, wer die Proben entnehmen soll, ist verschieden beant¬ wortet worden. In Bayern reisen die Chemiker der Untersuchungsanstalten von einem Orte zum anderen, besichtigen die Geschäfte und nehmen von den ihnen verdächtig erscheinenden W aren Proben mit. Nach dem Muster

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dieser sogenannten ambulanten Kontrolle ist auch vom Kgl. Sächsischen Ministerium die Bestimmung getroffen, dafs die neuerdings mit der Nahrungs¬ mittelkontrolle in den Amtshauptmannschaften betrauten Inhaber chemischer Privatlaboratorien ebenfalls die Proben persönlich entnehmen sollen. Andere Behörden wieder ziehen es vor, zu den Probenahmen Aufsichtsmannschaften der Polizei oder andere speziell zu diesem Zweck angestellte Beamte ohne wissenschaftliche Ausbildung zu verwenden, und dieser letztere Weg er¬ scheint mir, ohne im übrigen die Vorzüge der persönlichen Entnahme irgendwie herabsetzen zu wollen, für unsere Dresdner Verhältnisse der empfehlenswertere. In erster Linie wegen des Kostenpunktes! Wenn wir bedenken, dafs ein Chemiker auf gewissenhafte Weise nur eine geringe Zahl von Geschäften revidieren kann, dafs ferner zu solchen Be¬ sichtigungen nicht die jungen unerfahrenen Hilfskräfte, sondern gerade die älteren, höher besoldeten herangezogen werden müssen, so leuchtet zunächst ein, dafs diese Art der Probenahme doch recht teuer wird. Trotzdem konnte sie sich vielleicht empfehlen, wenn nachgewiesen würde, dafs mit ihrer Hilfe eine gröfsere Zahl von Verfälschungen aufgedeckt wird. Das ist nun aber keineswegs der Fall, denn nach Ausweis der früheren Ver¬ sammlungsberichte haben die Bayrischen Versuchungsanstalten durchschnitt¬ lich etwa 15°/0 der eingelieferten Proben beanstandet, während die Zahl der Beanstandungen am Dresdner Amte in einem Jahre bis zu 33°/0 an- stieg. Ich halte daher eine Probenahme durch Aufsichtsbeamte nicht nur für billiger, sondern auch für ebenso wirksam, ja ich möchte sogar auf Grund der hiesigen Erfahrungen behaupten, dafs die Sinne der einfachen Leute, welche nicht so sehr von des Gedankens Blässe angekränkelt sind, schärfer äufsere Merkmale der Verfälschung wahrnehmen, vorausgesetzt allerdings, dafs sie in steter geistiger Fühlung mit dem Untersuchungsamte erfassen lernen, welche Punkte für die Beurteilung von Wichtigkeit sind. Da ein solches intimes Zusammenarbeiten im allgemeinen wohl nur da zu finden sein wird, wo Aufsichtsmannschaft und Untersuchungsamt derselben Behörde unterstellt sind, so erscheint es am einfachsten, dafs dort, wo die Nahrungs¬ mittelkontrolle in den Händen der Kgl. Polizei liegt, staatliche Untersuchungs¬ anstalten errichtet werden, während eine städtische Wohlfahrtspolizei, deren wir uns erfreuen, mit einem städtischen Amte besser operieren wird. In Dresden erfolgt demnach die Probenahme durch Beamte der Wohlfahrts¬ polizei, von denen die intelligenteren und gröfseres Interesse an der Nahrungs¬ mittelkontrolle bekundenden mit der Überwachung je einer bestimmten Waren¬ gattung betraut werden, die ihnen durch ihren früheren bürgerlichen Beruf als gelernten Fleischern, Müllern, Bäckern, Brauern besonders gut bekannt ist.

Eine weitere Frage ist die: Sollen die Beamten die angetroffenen Lebensmittel einer chemischen Vorprüfung unterziehen, welche einfach genug, um in kurzer Zeit an Ort und Stelle ausgeführt zu werden, doch ein vorläufiges Urteil ermöglicht? Zweifellos hat dieser Gedanke viel be¬ stechendes, denn je mehr Proben untersucht werden, um so intensiver die Überwachung, und je mehr unverdächtige Waren schon von den Auf¬ sichtsmannschaften eliminiert werden, um so gröfser der Erfolg der eigent¬ lichen wissenschaftlichen Tätigkeit. Auch bei uns hat dieser Gedanke daher in ziemlich weitem Umfange Verwirklichung gefunden. So ist der Wurstrevisor mit einem Fläschchen Jodlösung ausgerüstet, mit welchem er die Würste auf Mehlzusatz prüfen kann. Das gehackte Rindfleisch ver¬ setzt er mit verdünnter Schwefelsäure, um an dem stechenden Schwefel-

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geruch eine Beimengung von Präservesalz zu erkennen. Der Mehlrevisor unterzieht alle Mehle der Glastafelprobe zum Nachweise lebender Milben; die abgerahmte Milch wird mit der Senkwage auf Wasserzusatz geprüft. * Stets aber mufs als unumstöfslicher Grundsatz hingestellt werden, dafs jede Vorprüfung der Ergänzung durch die chemische Analyse bedarf, und dafs auf Grund solcher orientierender Proben allein niemals Beschlag¬ nahmung oder Bestrafung, wie früher das Weggiefsen von Milch in die Berliner Rinnsteine, erfolgen sollte.

In Bezug auf den Umfang der Kontrolle ist es zwar als wünschenswert zu bezeichnen, dafs im Laufe der Zeit alle Geschäfte mit Lebensmitteln an die Reihe kommen, aber trotzdem würde es ganz unzweckmäfsig sein, in rein mechanischerWeise zu bestimmen, dafs bei jedem Händler jährlich so und so viel Proben entnommen werden müfsten. Als reell bekannte Hand¬ lungen können unbesorgt längere Zeit unberücksichtigt bleiben, während gewerbsmäfsigen Fälschern dauernd auf die Finger gesehen werden mufs.

Von den Nahrungsmitteln verdienen in erster Linie diejenigen Berück¬ sichtigung, welche für die menschliche Ernährung besondere Bedeutung haben und in grofsen Massen zum Konsum gelangen. Es sind also Fleisch, Milch und Butter im allgemeinen mehr zu überwachen als Trüffeln und Austern, wenngleich es auch unter Umständen zweckmäfsig sein kann, Massenkonsumartikel, welche wie Brot, Käse, Bier erfahrungsgemäfs nur selten verfälscht werden, zu Gunsten weniger wichtiger Stoffe zurück¬ zustellen, welche wie Safran, Macis und dergl. durch ihre Kostbarkeit Verfälschungen besonders lohnend erscheinen lassen. Auch darauf wird Rücksicht zu nehmen sein, ob die Produkte im Kleinbetriebe oder durch die Grofsindustrie hergestellt und verkauft werden. Die ersteren, zu denen die hauptsächlichsten Verbrauchsstoffe wie Milch, Butter, Fleisch und Wurst gehören, sind fortwährend der Gefahr der Verfälschung ausgesetzt. So ist z. B. in den Verhältnissen des Milchhandels trotz 10 jähriger intensivster Kon¬ trolle nicht die mindeste Besserung zu verzeichnen. Selbst mehrfach erwischte Fälscher bezahlen anstandslos die auferlegten Geldstrafen, pantschen aber ruhig weiter. Diese Nahrungsmittel müssen daher regelmäfsig untersucht werden, und allwöchentlich gelangen demgemäfs 80 bis 90 Proben Milch, 10 Proben Butter, sowie 10 Proben Fleisch und Wurst zur Einlieferung.

Ganz anders steht es mit den Erzeugnissen der Grofsindustrie, den Fruchtsäften, Marmeladen, Konserven u. a. m. Sobald die kapitalkräftigen Fabrikanten dieser Art mit der Nahrungsmittelkontrolle in Konflikt kommen, wie beim Zusatz von Stärkesyrup, Teerfarben und Konservierungsmitteln, führen sie zunächst um ihre vermeintlichen Rechte einen erbitterten Kampf bis zu den höchsten gerichtlichen Instanzen. In demselben Augenblick aber, in dem die Sache zu ihren Ungunsten entschieden ist, geben sie den zuvor als unentbehrlich bezeichneten Gebrauch auf; die verfälschten Stoffe verschwinden gänzlich aus dem Verkehr, und die Kontrolle braucht sich mit ihnen nicht mehr zu befassen. Bei derartigen Warengattungen erscheint es daher zweckmäfsiger, einmalige umfassende Revisionen anzuordnen und an einem und demselben Tage in allen Stadtteilen gleichzeitig eine gröfsere Zahl von Proben zu entnehmen. Auf diesem Wege ist bis jetzt gegen die Verfälschung der selteneren Gewürze, der Schokolade und des Kakaos, des Bieres, Branntweins, Kaffees, Tees, des Olivenöls, der Hefe, der Frucht¬ säfte, Marmeladen, Eiernudeln, des Honigs, ferner gegen die bleihaltigen Gebrauchsgegenstände u. a. mit Erfolg eingeschritten worden.

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In der Praxis gestaltet sich die Sache nun folgendermafsen: An vom Wohlfahrtspolizeikommissariat bestimmten Tagen entnehmen uniformierte ^Beamte in den Nahrungsmittelgeschäften von den zum Verkauf bereit ge¬ stellten Waren Proben, für welche sie eine Entschädigung in der Höhe des üblichen Kaufpreises entrichten. Nur ausnahmsweise, z.B. in Fällen dringen¬ den Verdachts, erfolgt ein diskreter Ankauf durch Aufseher in Zivilkleidung oder durch Mittelspersonen. Über die Entnahme wird sogleich nach Empfang der Ware, womöglich an Ort und Stelle, ein Protokoll aufgenommen und in mit Vordruck versehene Anzeigeformulare Name und Wohnung des Geschäftsinhabers, Bezeichnung, Preis und Bezugsquelle der Ware ein¬ getragen, die letztere, um im Falle aufgedeckter Verfälschung gegen den Urheber einschreiten zu können. Die ordnungsgemäfs verpackten Proben werden, mit der gleichen Aufschrift wie die zugehörige Anzeige versehen, dem Untersuchungsamte zugestellt und zunächst in der Kanzlei desselben sorgfältigst registriert, damit auch die leiseste Möglichkeit einer Verwechs¬ lung ausgeschlossen und den Beschuldigten dieser immer wieder erhobene Einwand benommen wird. Jede Probe erhält den Eingangsstempel nebst laufender Nummer und wird dann in das Hauptgeschäftsbuch eingetragen, in welchem Spalten für Datum der Einlieferung, Nummer des probe¬ nehmenden Stadtbezirks, Name und Wohnung des Verkäufers, Bezeichnung des Untersuchungsobjekts, Kosten der Analyse und Datum der Abfertigung des Gutachtens vorgedruckt sind. Eine besondere Rubrik enthält schliefs- lich den Hinweis, in welchem Spezialaktenstück sich das ausführliche Gut¬ achten befindet. Dieses Hauptbuch verbleibt stets in der Kanzlei, die Proben aber werden dem Laboratorium zugestellt und hier einer chemischen Untersuchung unterzogen, welche, von allem Überflüssigen absehend, doch so eingehend ausgeführt wird, dafs keine Verfälschung der Entdeckung ent¬ geht. Die Tätigkeit der Bureaubeamten besteht nun inzwischen darin, die er¬ forderlichen Vermerke für die Spezialakten auszuziehen, in welche nach beendeter Untersuchung auch alle analytischen Daten und das auf denselben aufgebaute motivierte Gutachten eingetragen werden. Abschrift des letzteren auf der die Probe begleitenden Anzeige wird dem Wohlfahrtspolizeiamte zugestellt, in dessen Händen die weitere strafrechtliche Behandlung ruht.

Leichtere Versehen der Verkäufer werden im allgemeinen durch Ver¬ warnungen, unter Umständen durch Einforderung der Untersuchungs¬ gebühren verschärft, erledigt; Fälle gröberer Fahrlässigkeit durch polizei¬ liche Geldstrafen, geahndet, und wissentliche Vergehen gegen das Nahrungs¬ mittelgesetz an die Kgl. Staatsanwaltschaft abgegeben. Nach erfolgter Erledigung gelangen sämtliche Faszikel noch einmal in das Untersuchungs¬ amt zurück, in dessen Akten kurze Notizen über den Sachausgang, ins¬ besondere über prinzipiell wichtige Entscheidungen der Gerichte eingetragen werden. Von weiteren Einzelheiten der überaus bedeutungsvollen Kanzlei¬ führung absehend, erwähne ich zum Schlüsse nur noch ein Journal, in welches die Namen aller Lieferanten beanstandeter Waren alphabetisch geordnet ein¬ getragen werden, da hierdurch ein sofortiges Urteil darüber ermöglicht wird, ob man es mit einem festen Kunden des Amtes, also einem gewerbsmäfsigen Fälscher zu tun hat, oder ob nur eine einmalige Übertretung vorliegt.

Nach diesem Verfahren sind seit dem Bestehen des Amtes im ganzen 20248 Proben untersucht worden, von denen 3861 = 19,1 °/0 zu beanstanden waren. In welchem Mafse die einzelnen Nahrungsmittel an dieser Gesamt¬ zahl beteiligt sind, lehrt die nachfolgende Übersicht:

Übersicht

über die im chemischen Untersuchungsamte der Stadt Dresden während der Jahre 1896 1902 untersuchten Nahrungsmittel und die ausgesprochenen Beanstandungen.

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Gesamtzahl der Proben . entsprechend °j0 ... .

Milch .

Butter .

Margarine .

Käse .

Fleisch .

Wurst .

Speisefette, Öle ....

Mehl, Griefs .

Backwaren .

Teigwaren .

Fruchtsäfte, Marmeladen .

Konserven .

Honig .

Kakao, Schokolade . . .

Kaffee, Tee .

Gewürze .

Wein .

Bier .

Branntwein .

Hefe, Essig .

Trinkwasser .

46

Wie aus dieser Zusammenstellung ersichtlich ist ? fing die Kontrolle langsam an, dehnte sich aber stetig aus und zog, sobald eine Angelegen¬ heit prinzipielle Erledigung gefunden hatte, immer neue Gegenstände in ihren Kreis hinein. Von 1612 Untersuchungen im Jahre 1897 stieg die Zahl bis auf annähernd 6000 im Jahre 1902 und wird 1903 voraussichtlich 7500 überschreiten. Eine weitere Steigerung halte ich zur Zeit nicht für er¬ forderlich, da hiermit auf je 1000 Einwohner 15 Proben entfallen, d. h. mindestens ebensoviel als bei irgend einem anderen grofsen städtischen Untersuchungsamte. Allerdings hat das Kgl. Ministerium für die in den Amtshauptmannschaften ausgeübte Überwachung eine Mindestzahl von 30°/oo vorgeschrieben, und diese Zahl ist für ländliche Verhältnisse, bei denen der Nahrungsmittelverkehr sehr im argen liegt, gewifs nicht zu hoch gegriffen, aber in einer Grofsstadt, welche ein übersichtliches und einheit¬ liches Wirtschaftsgebiet darstellt, kann man sicher mit der Hälfte aus- kommen. Jede Beanstandung und gerichtliche Verurteilung spricht sich hier sofort herum und veranlafst auch alle anderen Händler, den betreffen¬ den Gegenstand aus ihrem Geschäfte zu entfernen.

Wenn ich mich jetzt noch kurz zu der finanziellen Seite der An¬ gelegenheit wende, d. h. zu den Unkosten, welche der Gemeinde aus der Errichtung eines chemischen Untersuchungsamtes erwachsen, so geschieht dies weniger, weil ich persönlich geneigt wäre, diesem Punkte besondere Bedeutung heizumessen. Ich bin vielmehr der Ansicht, dafs bei der hohen Bedeutung einer sorgfältigen Überwachung des Nahrungsmittelverkehrs für den Gesundheitszustand der Bevölkerung und im Hinblick auf die ungeheuren Summen, welche den Konsumenten durch die Fernhaltung verfälschter Lebensmittel gerettet werden, selbst eine erhebliche Belastung des Budgets nicht in Frage kommen dürfte. Umsomehr sind oft die städtischen Finanz¬ verwaltungen geneigt, die pekuniäre Seite ins Auge zu fassen, und ich halte es daher aus diesem Grunde für zweckmäfsig, zu betonen, dafs auch mit geringen Mitteln Erspriefsliches geleistet werden kann, und dafs der Be¬ sitz eines eigenen Untersuchungsamtes den Städten keine unerschwinglichen Lasten auferlegt.

Die erste Einrichtung des Dresdner Untersuchungsamtes mit Apparaten und Chemikalien einschliefslich der baulichen Vorrichtung des dazu be¬ stimmten städtischen Gebäudes hat einen Kostenaufwand von rund 17000 Mark verursacht. Die jährlichen Zuschüsse sind aus folgender Zu¬ sammenstellung ersichtlich, in welcher sich neben den Ausgaben für Ge¬ hälter, Chemikalien, Apparate, Bücher usw. auch diejenigen Einnahmen verzeichnet finden, welche der Stadtkasse durch die Tätigkeit des Amtes, sei es in Form von Gebühren oder Strafen, zugeführt werden.

Jahr

Gebühren

liquidiert

Gebühren

wirklich

bezahlt

Strafen

Wert der für die städtischen An¬ stalten ausge- fiihrten Analysen.

Gesamt¬

einnahme

Ausgabe

tM

cM

rJl

c4l

c4l

1899

20580

6520

7085

4105

17710

18586

1900

28323

8831

8671

4892

22393

20273

1901

25624

7080

5776

5786

18642

20883

1902

29981

7450

3496

8189

19135

21212

47

Als Differenz verbleibt nur eine jährliche Ausgabe von 2000 bis 3000 Mark, gewifs kein nennenswerter Betrag gegenüber den enormen Summen, welche der Bevölkerung durch Nahrungsmittelverfälschung ent¬ zogen werden.

Nach der vorausgeschickten Darlegung der gesetzlichen Grundlagen, auf welchen unsere Tätigkeit beruht, und der für das hiesige Amt ge¬ schaffenen Organisation im besonderen, bitte ich nunmehr auf die für die einzelnen Lebensmittel getroffenen Mafsnahmen und deren bisherige Erfolge etwas näher eingehen zu dürfen.

Nach ihrer Bedeutung für die Yolksernährung nimmt die Milch unter allen Nahrungsmitteln den ersten Bang ein, und dieser Bedeutung mufs naturgemäfs der Umfang der Kontrolle entsprechen. Die Milch schlecht¬ hin, d. h. die als Handelsware allein in Frage kommende Kuhmilch, ist ein Naturprodukt, und der Begriff der Echtheit, welcher der Beurteilung einer etwaigen Verfälschung nach dem Nahrungsmittelgesetz zu Grunde zu legen ist, damit ohne weiteres gegeben. So wie die Milch das Euter der Kuh verläfst, mufs sie an die Konsumenten abgegeben werden. Wenn diese Bedingung erfüllt wird, ist allen Anforderungen des Gesetzes Genüge geleistet. Nicht aber den Wünschen der Gesundheitspflege, welche im Interesse der Volkswohlfahrt nicht nur Unverfälschtheit der Nahrungs¬ mittel, sondern auch einen ihrem Verkaufspreise angemessenen Gehalt an Nährstoffen verlangen mufs! Nirgends ist diese Forderung so unabweis¬ bar als bei der Milch, weil diese als Ersatz der Muttermilch die aus- schliefsliche Nahrung des kindlichen Organismus bildet, welcher für Schwankungen der Zusammensetzung in hohem Grade empfindlich ist. Nun hat es der Produzent wohl in der Hand, eine den Anforderungen der Hygiene entsprechende Milch zu erzeugen, denn der Gehalt an wert¬ bestimmenden Nährstoffen, Fett, Eiweifs und Milchzucker, hängt ganz von der Rasse der eingestellten Kühe und der Beschaffenheit des dargereichten Futters ab. Leider will es das Unglück, dafs gerade die Viehrassen, deren Milch dünn ist, und die Futtermittel, welche billig sind, grofse Er¬ träge liefern, und was liegt da näher, als dafs die Produzenten unter Bei- seitelassung jeglicher Philantropie sich beeilen, solche milchergiebige Rassen und Futtermittel anzuschaffen. Wenn ihnen nicht ein energisches Veto entgegengerufen wird! Die Molkereien wissen sich ja zu helfen, indem sie nur nach dem Fettgehalte bezahlen, aber den direkten Konsumenten im Kleinhandel ist dieser Weg verschlossen, sie stehen jeglicher Ausbeutung wehrlos gegenüber. Mit welcher Ungeniertheit diese Situation ausgenutzt wird, ergibt sich am schönsten aus dem Werke eines der hervorragendsten Lehrer der Landwirtschaft, Prof. Julius Kühn, in dessen Preisschrift ,,Die zweckmäfsigste Ernährung des Rindviehs“ wörtlich zu lesen steht: „Das letztere Verfahren (nämlich der stete Zukauf frischmelker Kühe) ist nur in nächster Nähe gröfserer Städte bei direktem Milchverkauf gerechtfertigt, wo es sich lediglich um die Produktion einer grofsen Menge, wenn auch dünner Milch, handelt“. Selbstverständlich konnte die Nah¬ rungsmittelkontrolle den hieraus der Volksgesundheit erwachsenden Ge¬ fahren gegenüber nicht gleichgültig bleiben; sie suchte denselben vielmehr mittelst lokaler Verordnungen entgegen zu treten, in welchen für die zürn Verkaufe zugelassene Milch eine bestimmte Zusammensetzung, insbesondere ein bestimmter Fettgehalt vorgeschrieben wurde. Der letztere war so zu bemessen, dafs er von den Produzenten bei sachgemäfser Viehhaltung

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regelmäfsig erreicht werden konnte, und beispielsweise in dem alten Dresdner Milchregulativ von 1889 nach dem Gutachten der Vertreter der tierärzt¬ lichen Hochschule, besonders des als Autorität anerkannten, leider zu früh verstorbenen Siedamgrotzky, zu 3 °/0 festgesetzt.

Gestützt auf ein derartiges Regulativ gehört die chemische Seite der Kontrolle zu den leichteren Aufgaben des Chemikers, da sie sich auf wenige einfache analytische Bestimmungen, in erster Linie auf die Ermittelung des spezifischen Gewichtes und des Fettgehaltes beschränkt. Die Milch als eine wässerige Lösung von Milchzucker und Kasein ist trotz der darin suspendierten feinen F ettröpfchen etwas schwerer als Wasser, und ihr spezifisches Gewicht beträgt durchschnittlich 1,0815, d. h. 1 1 Milch wiegt 1031,5 g. Zusatz von Wasser mufs natürlich das spezifische Gewicht erniedrigen und kann demnach durch eine Bestimmung des letzteren nach¬ gewiesen werden. Das hierzu konstruierte Instrument, die bekannte Milch¬ wage, auch Laktodensimeter genannt, besteht aus einem zilindrischen hohlen Glaskörper, welcher in einen dünnen Stiel ausläuft, und in der Flüssig¬ keit schwimmend bis zu einer gewissen Tiefe eintaucht. Je tiefer er ein¬ taucht, um so niedriger ist das spezifische Gewicht, welches an einer Skala abgelesen werden kann. Für hiesige Verhältnisse sind 31,5 Grade als normal zu betrachten, während ein tieferer Stand als 29 Verdacht auf Wasserzusatz begründet erscheinen läfst. Diese Probe ist so einfach, dafs sie von jedem Laien ausgeführt werden kann, und die hiesigen Gerichte haben es daher stets als Fahrlässigkeit beurteilt, wenn ein Händler ge¬ wässerte Milch in den Verkehr brachte, ohne diese Vorprüfung anzustellen. Dem Chemiker stehen natürlich noch andere Mittel zur Erkennung eines Wasserzusatzes zu Gebote. Als interessantestes erwähne ich eine Reaktion, welche auf der Beobachtung beruht, dafs natürliche Milch niemals, selbst nicht nach Salpeterfütterung, Salpetersäure enthält. Da nun andererseits die meisten Brunnenwässer, besonders auf dem Lande, salpeterhaltig sind, so ist beim Eintritt der Salpetersäurereaktion mit Diphenylamin der Nach¬ weis eines Wasserzusatzes als erbracht anzusehen. Das Ausbleiben der Reaktion beweist allerdings für die Reinheit der Milch gar nichts, weil manche Wässer, so auch unser vorzügliches Leitungswasser, nahezu sal¬ petersäurefrei sind, ermöglicht dafür aber bisweilen zu entscheiden, ob die Verfälschung vom Bauern auf dem Lande oder vom Milchhändler in der Stadt ausgeführt wurde. Die Wässerung ist unstreitig die gefährlichste Art der Verfälschung. Sie macht die Milch nicht nur ungeeignet zur Säuglingsernährung, sie schädigt nicht nur in pekuniärer Hinsicht die Käufer am meisten, sondern sie vermag auch dem erwachsenen Konsu¬ menten Nachteile an seiner Gesundheit zu verursachen, weil das auf dem Lande zur Milchpantsch er ei verfügbare Wasser meist nicht gerade von bester Qualität zu sein pflegt, sondern Abort, Jauchegrube und Brunnen oft einträchtig bei einander stehen. Aus diesem Grunde ist es als ein besonders erfreuliches Resultat der hiesigen Milchkontrolle zu begrlifsen, dafs diese Art der Verfälschung so gut wie völlig beseitigt ist, und dafs, während noch vor knapp zehn Jahren ein zehnprozentiger Wasserzusatz zur Milch, entsprechend einer jährlichen Belastung der Konsumenten, mit 1 Mil¬ lion Mark zum guten Ton gehörte, unter den im Jahre 1902 untersuchten 3653 Milchproben nur 66, d. h. 1,8 °/0, gewässerte angetroffen wurden.

Als andere beliebteste Art der Milchfälschung kommt noch die Ab¬ rahmung in Frage, als welche wir jede einseitige Erniedrigung des Fett-

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gehaltes bezeichnen, gleichgültig, oh sie durch Abscliöpfen der nach oben steigenden Sahne oder durch Zugiefsen von abgerahmter Milch zu Voll¬ milch bewirkt wurde. Der Effekt ist ja derselbe, ob ich von 2 1 Milch mit 3 °/0 Fettgehalt 20 g Fett abschöpfe oder ob ich zu 1 1 dreiprozentiger Vollmich 1 1 abgerahmter Milch mit 1 °/0 Fett hinzugiefse. In beiden Fällen resultieren 2 1 Milch mit 2°/0 Fett. Auch für die Bestimmung des Fett¬ gehaltes sind einige Methoden ausgearbeitet, welche in der Hand des Laien zu annähernden Resultaten führen, so besonders das Gerbersche Ver¬ fahren; jedoch mufs ich mir ein näheres Eingehen auf dieselben im Hin¬ blick auf die beschränkte Zeit versagen.

So viel steht jedenfalls fest, dafs nicht nur der Chemiker, sondern auch der Produzent und Händler wohl in der Lage ist, sich ein Urteil darüber zu bilden, ob seine Milch den Anforderungen der Behörde ent¬ spricht, und dafs daher bei Übertretungen des früheren Milchregulativs im allgemeinen zum mindesten Fahrlässigkeit anzunehmen war.

Ein volles Dezennium hat die Vorschrift eines Mindestfettgehaltes von 3°/0 bestanden, zum Segen der Stadtbevölkerung, aber zum Arger der Produ¬ zenten, denen die Bestimmungen ja zweifellos gewisse Unbequemlichkeiten verursachten. Erst nach langen vergeblichen Kämpfen, die in erster Linie die Herabsetzung des Mindestfettgehaltes auf 2,8 °/o bezweckten, ist ihnen ein Erfolg zu teil geworden; dafür aber auch gleich ein Erfolg, der nicht nur über ihre früheren Forderungen hinausging, sondern selbst ihre kühnsten Hoffnungen übertroffen haben dürfte. Von seiten des Kgl. Mini¬ steriums wurde nämlich eine Nachprüfung sämtlicher Milchregulative an der Hand gewisser allgemeiner Grundsätze angeordnet und besonders die bisherige Gepflogenheit als unzulässig bezeichnet, den Handel mit Milch von einer bestimmten Zusammensetzung abhängig zu machen und sonst unverfälschte Milch wegen zu geringen Nährstoffgehaltes vom Verkehr auszuschliefsen. Damit war das Schicksal des alten Milchregulativs be¬ siegelt.

Das neue Ortsgesetz über den Verkehr mit Kuhmilch, welches nach mühevollen Vorarbeiten unter der dankenswerten Unterstützung des ärzt¬ lichen Bezirksvereins zustande gekommen ist, hat versucht, auf anderem Wege einen Schutz der Stadtbevölkerung gegen minderwertige Milch zu ermöglichen, indem es zwei Sorten schuf und bestimmte, dafs Milch mit mindestens 2,8 °/0 Fett als Vollmilch I. Sorte bezeichnet werden darf, alle andere unverfälschte Milch aber ausdrücklich als II. Sorte in den Verkehr gebracht werden mufs. Der Gedankengang war, dafs das Publikum die Vollmilch I bevorzugen und dadurch die Händler II. Sorte zwingen würde, ihre Preise herabzusetzen und wenigstens hierdurch ein Äquivalent für den geringeren Nährstoffgehalt darzubieten. Schon jetzt steht fest, dafs diese Hoffnung eine trügerische war, indem die Produzenten, wie auf Ver¬ abredung, die meiste Milch, selbst wenn sie 3 und 4°/0 Fett enthält, als Vollmilch II. Sorte auf den Markt bringen und so dem Käufer die Mög¬ lichkeit einer Auswahl abschneiden. Von den im Jahre 1901 untersuchten 3388 Proben Vollmilch waren nur 323, von den 3600 des Jahres 1902 sogar nur 305, also weniger als. der zehnte Teil als I. Sorte bezeichnet, trotzdem 80 °/0 aller Proben den gestellten Anforderungen entsprachen. Wenn sich nicht einige hiesige Molkereien in dankenswerter Weise ent¬ schlossen hätten, lediglich Vollmilch I zu führen, würde der Konsument kaum die Sicherheit haben, brauchbare Milch zu erlangen.

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Die Schwierigkeit einer strafrechtlichen Verfolgung derMilchpantscherei auf Grund des neuen Regulativs hat das Untersuchungsamt gezwungen, die Kontrolle auf eine immer gröfsere Zahl von Proben auszudehnen. Von 232 im Jahre 1897 ist sie auf 3653 im Jahre 1902 gestiegen. Dafs dem¬ gegenüber die Beanstandungsziffer in dem gleichen Zeitraum von 26,8 auf 10,9 °/0 zurückgegangen ist, liegt leider nicht an einer Abnahme der Ver¬ fälschungen, sondern lediglich an dem Umstande, dafs jetzt alle Milch¬ proben, welche nicht direkt verfälscht sind, selbst wenn sie nur 2 °/0 Fett besitzen, zum Verkaufe zugelassen werden müssen.

Die Unzulänglichkeit der jetzigen Bestimmungen beginnt denn auch bereits, sich in einem allmählichen Sinken des durchschnittlichen Fett¬ gehaltes aller eingeführten Milch zu äufsern, wie aus folgender Zusammen¬ stellung hervorgeht.

19i

Zahl der Proben

90

unter 100 Proben

19'

Zahl der Proben

01

unter 100 Proben

1902

Zahl der unter 100 Proben Proben

Untersucht wurden . .

Davon enthielten:

1557

2930

3161

Unter 2,3 °/0

Fett . . .

70

4,5

120

4,2

132

4,2

2,3 bis 2,4°/o

V . .

16

1,0

37

1,4

74

2,3

2,4 2,5°/o

55

36

2,4

90

3,2

117

3,7

2,5 2,6' %

55 ...

48

3,0

117

4,1

147

4,7

2,6 2,7°/o

55

72

4,6

179

6,2

195

6,2

2,7 2,8°/o

55 ...

117

7,5

204

7,1

247

7,8

2,8 2,9 % 2,9 3,0 °/0

55

75

4,8

266

8,4

259

8.2

55

62

4,0

284

9,7

325

10,3

3,0 4,0°/o

55

973

62,5

1484

50,6

1499

47,4

4,o 5,o% Uber 5,o%

55 ...

72

4,6

117

4,0

126

4,0

55 ...

16

1,0

32

l,i

40

1,3

Während also im Jahre 1900 31,8 °/0 der untersuchten Proben weniger als 3 °/0 Fett enthielten, stieg diese Zahl 1901 auf 44,8, 1902 sogar auf 47,4 und dürfte mit fortschreitender Zeit eine erschreckende Höhe erreichen. Dementsprechend sank auch von Jahr zu Jahr der mittlere Fettgehalt, nämlich von 3,3 °/0 im Jahre 1900 auf 3,21 °/o Jahre 1901 und auf 3,12 im Jahre 1902, während er in Leipzig 3,6 °/0 betragen haben soll. Nun erscheint ja diese Abnahme um 0,18% an sich betrachtet nicht grofs, aber um welche Werte die Bevölkerung durch diese systematische Ver¬ schlechterung geschädigt wird, erhellt doch unschwer aus folgender Über¬ legung: Der Milchverbrauch Dresdens beträgt pro Jahr ungefähr 53000000kg. Die Erniedrigung des durchschnittlichen Fettgehaltes um 0,18%, d.-h. um 1,8 g pro 1kg Milch, repräsentiert also eine Menge von 95400 kg Butter¬ fett, welche dem Konsumenten für dieselbe Bezahlung weniger geboten wird, als vor zwei Jahren. Unter Annahme eines Preises von 2,50 Mark für 1 kg Butterfett entspricht dies einer Vermögensschädigung von 238500 Mark.

Noch bedenklicher erscheint die Angelegenheit im Hinblick auf den Umstand, dafs Leipzig und Chemnitz die Forderung eines Mindestfett¬ gehaltes beibehalten haben, und dafs auch in Preufsen, welches diese

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Forderung neu einführt, Milch mit weniger als 2,7 °/0 Fett nicht verkauft werden darf. Hieraus erwächst uns die Gefahr, dafs in Zukunft nach Dresden alle minderwertige Milch, deren Verkauf anderorts verboten ist, abgestofsen wird. Wirksame Gegenmafsregeln im Rahmen des bestehen¬ den Regulativs zu treffen, erscheint kaum möglich.

Im Gegensatz zu der chemischen Seite des neuen Ortsgesetzes haben die hygienischen Fragen eine zum Teil mustergültige Lösung gefunden. Die Vorschriften über die Gewinnung und den Vertrieb, über den Höchstgehalt an Milchschmutz sind gewifs geeignet, die Milchversorgung in gesundlicher Hinsicht günstig zu beeinflussen; aber, ohne ihre Bedeutung irgendwie herabsetzen zu wollen, im Grunde mufs man sich schliefslich doch immer wieder fragen, was nutzt es, die Milch zu dem Ideal eines reinlichen Nahrungsmittels zu machen, wenn sie mehr und mehr aufhört, ein Nah¬ rungsmittel zu sein. Es sei daher nochmals darauf hingewiesen: Der einzige Schutz des Konsumenten besteht zur Zeit darin, dafs er ausdrücklich Vollmilch I. Sorte verlangt und alle andere zurückweist.

Wenn nach dem vorher Gesagten die Ergebnisse der Milchkontrolle trotz aller aufgewandten Mühe ziemlich trostlos erscheinen, so hat dafür die Überwachung der aus Milch hergestellten Erzeugnisse, der Molkerei¬ produkte, um so erfreulichere Erfolge aufzuweisen.

Freilich beim Käse gibt es nicht viel zu überwachen, da er Ver¬ fälschungen nur in geringem Mafse ausgesetzt ist. Abgesehen von dem bisweilen beobachteten Zusatz von Kartoffelmehl zu den aus abgerahmter Milch gewonnenen Magerkäsen, dem Quarkkäse u. a., der aber wegen des geringen Preises der letzteren dem Tatendrang der Fälscher wenig ver¬ lockend erscheint, kommen eigentlich nur Versuche in Frage, den bis zu 50°/o betragenden Butterfettgehalt der sog. Fettkäse, des Edamers, Emmen- thalers u. a. durch Margarine zu ersetzen. Aber auch diese Erzeugnisse, so lebhaftes Interesse ihr Erscheinen seiner Zeit erregte, haben nur vor¬ übergehend die Nahrungsmittelkontrolle beschäftigt. Schon wegen ihres anfangs ganz angenehmen, mit zunehmendem Alter jedoch ekelhaft bitter werdenden Geschmacks verschwanden sie alsbald wiederaus dem Verkehr; ohne Zutun der Chemiker, von denen nur wenige trotz eifrigen Fahndens einen wirklichen Margarinekäse in Händen gehabt haben dürften. Die vereinzelten (fünf) Beanstandungen von Käseproben beziehen sich sämtlich auf Anwesenheit von Maden oder sonstige Anzeichen von Verdorbenheit, und der Käseliebhaber kann also ziemlich ohne Furcht vor Verfälschungen seiner Neigung nachgehen. Es ist das um so erfreulicher, als der Käse, d. h. der Magerkäse, in hervorragendem Mafse geeignet erscheint, den notorischen Eiweifsmangel in der Nahrung des armen Mannes auszu¬ gleichen, welcher in ihm seinen Bedarf an Stickstoffsubstanzen zum fünften bis sechsten Teile des Preises wie im Fleisch zu decken vermag.

Ganz anders als beim Käse hat es bei der Butter langwierige Kämpfe gekostet, bevor hier einigermafsen befriedigende Zustände erzielt werden konnten. Die normale Beschaffenheit dieses feinsten aller Speisefette, welche seiner Beurteilung zu Grunde zu legen ist, ergibt sich aus der Herstellung, zu welcher Milch oder Sahne bekanntlich so lange durch Stofsen, Rühren oder Schlagen in lebhafte Bewegung versetzt wird, bis die feinen Fettröpfchen sich zu einer kompakten, formbaren Masse vereinigt haben. Sie ist also im wesentlichen als ein geringe nicht entfernbare Mengen von

*

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Milchbestandteilen, wie Wasser, Kasein und Milchzucker enthaltendes Butter fett anzusehen, welches in Norddeutschland gewöhnlich noch einen Zusatz von etwas Kochsalz enthält.

Von den zahlreichen Gründen, welche zu einer Beanstandung der Butter fuhren können, nehme ich die Verdorbenheit vorweg, da diese der amtlichen Kontrolle besondere Schwierigkeiten verursacht. Wie alle Nahrungsmittel, seien sie tierischen oder pflanzlichen Ursprungs, ist auch die Butter nicht unbegrenzt haltbar, vielmehr fällt gerade sie unter dem Einflüsse von Luft, Wärme, Licht und Bakterien gar bald tiefgreifenden Zersetzungen anheim. Zersetzungen, welche sich in chemischer Hinsicht durch die Abspaltung freier Säuren aus den ursprünglich neutralen Fetten äufsern, aber auch schon der Nase und der Zunge durch das Auftreten eines ekelhaften, als ranzig bezeichneten Geruchs und Geschmacks bemerk¬ bar werden. Zu Beginn der Tätigkeit des Untersuchungsamtes waren Un¬ mengen derartiger Butter im hiesigen Verkehr anzutreffen, und in welchem Zustande dieselben sich befanden, erhellt ohne weiteres aus der Tatsache, dafs aus den gesegneten Gefilden Galiziens schon im heifsesten Hoch¬ sommer, Juli und August, gewaltige Vorräte von Fafsbutter nach Dresden kamen, um nach sechsmonatlicher Lagerung zur Zeit der Weihnachts¬ häckerei in die Hände der Konsumenten zu gelangen. Trotzdem ist der Kampf gegen diese Ware lange Jahre ein vergeblicher gewesen, weil den Gutachten des Untersuchungsamtes vielfach diejenigen anderer Chemiker entgegengestellt wurden, welche einen völlig abweichenden Standpunkt ein- nahmen. Während nämlich nach der hier vertretenen Auffassung der Zu¬ stand des Nahrungsmittels im Augenblicke des Verkaufs einer Beurteilung auf etwaige Verdorbenheit zu Grunde gelegt werden mufs, erklärten sie, auf den Geschmack und Geruch der Butter selbst komme es nicht an, sondern darauf, ob mit ihrer Hilfe noch ein geniefsbares Gebäck her- gestellt werden könne. Sie verlangten also zur Erfüllung des Begriffs der Verdorbenheit nicht nur, dafs die Butter selbst ungeniefsbar sei, sondern auch alle mit ihr zubereiteten Speisen ungeniefsbar mache, hingegen liefsen sie das ästhetische Moment des Ekels, welches den Hausfrauen verbietet, übelriechende Stoffe zur Herstellung von Nahrungsmitteln zu verwenden, auch wenn in den letzteren der üble Geruch durch eine geeignete Art der Zubereitung verdeckt werden kann, gänzlich aufser acht.

Erst im Jahre 1901 kam es zu einer endgültigen prinzipiellen Ent¬ scheidung des höchsten sächsischen Gerichtshofes, und das Urteil des Kgl. Oberlandesgerichts vom 27. VI. 1901 entschied ausdrücklich im Sinne der vom Amte stets vertretenen Ansicht,

„dafs zum Begriff der Verdorbenheit nicht völlige Ungeniefsbarkeit, sondern nur eine verminderte Tauglichkeit erfordert wird, und dafs zur Beurteilung der Zustand im Momente des Verkaufs, nicht der nach einer Zubereitung in Frage kommt“.

Damit ist das Schicksal der ranzigen Butterproben entschieden, und nachdem ihre Zahl schon vorher infolge der geübten Überwachung be¬ ständig zurückgegangen war, nämlich von 12 % im Jahre 1897 auf 4,5 °/o im Jahre 1899, 3,4 °/o 1900, 2,7% 1901 und auf 0,5 °/o im Jahre 1902, dürfte ihr völliges Verschwinden aus den hiesigen Geschäften bevorstehen. Im Gegensätze dazu zeigen die Proben, welche von Privatpersonen auf Grund verlockender Annoncen aus dem Auslande (Galizien) bezogen werden, noch immer die alte bekannte, an Schmierseife erinnernde Beschaffenheit,

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und es kann daher nur von neuem davor gewarnt werden, von unbekannten ausländischen Firmen Nahrungsmittel zu bestellen.

Yon den Yerfälschungen der Butter ist als die bedenklichste der Zu¬ satz übermäfsiger Wassermengen zu erwähnen, da hierdurch der Fett¬ gehalt und damit der Nährwert ungebührlich verringert wird. Dem Laien wird.es gar nicht so leicht gelingen, Wasser in die Butter hineinzukneten, aber dem sachverständigen Fälscher bereitet das nicht die geringsten Schwierigkeiten. Sind ihm doch zur Erreichung dieses Zweckes besondere Instrumente konstruiert worden! Nach einer Mitteilung der Milchzeitung sollen die Drais -Fahrradwerke sogar die epochemachende Erfindung einer Butterknetmaschine anpreisen, welcher sie als besonderen Vorzug nach¬ rühmen: „Die Maschine arbeitet das Wasser nicht aus der Butter heraus. Im Gegenteil, wo es erwünscht und zulässig ist, kann man in weniger als einer Minute Wasser in jeder Menge in die Butter hineinarbeiten, und zwar so, dafs ihr davon nichts anzusehen ist“. . Das Eldorado dieser Fälscher bildet Schlesien, wo Butter, die zur Hälfte aus Wasser besteht, früher keine Seltenheit war, aber Proben mit 20 bis 30 °/0 sind auch in Dresden bisweilen beobachtet worden. Die Erkennung übermäfsigen Wasserzusatzes ist übrigens auch dem Nichtchemiker sehr wohl möglich. Er braucht nur die Butter in einem kleinen, am besten graduierten Gläs¬ chen bei gelinder Wärme zu schmelzen und sieht dann, wie sich zwei scharf abgegrenzte Schichten bilden. Unter dem oben schwimmenden klaren, gelben Fett sammelt sich das Wasser an, dessen Menge ziemlich genau abgeschätzt werden kann. Glücklicherweise ist durch die Verordnung des Bundesrats, nach welcher seit dem 1. Juli 1902 gesalzene Butter mit mehr als 16 o/o Wasser weder hergestellt noch verkauft werden darf, dieser Ver¬ fälschung endgültig ein Biegel vorgeschoben worden.

Das Publikum stellt sich unter dem Begriff „Butterverfälschung“ meist etwas anderes vor, nämlich die Beimengung fremder Fette, besonders der Margarine, die in der Tat zu diesem Zwecke wie geschaffen ist. Bekanntlich verdankt die Margarine ihre Entstehung dem Wunsche Na¬ poleons III., für sein Heer und seine Marine einen haltbaren Ersatz der leicht verderbenden Butter zu gewinnen. Mege-Mouries löste das Problem in meisterhafter Weise, indem er Rindertalg von dem schwer schmelzbaren Stearin trennte und das zurückbleibende Oleomargarin mit etwas Milch verbutterte. Er schuf so ein Produkt, welches, wenn es, wie alle Butter auch, künstlich gelb gefärbt wird, von dieser nach äufserem Ansehen und Geschmack kaum zu unterscheiden ist und selbst in chemischer Hinsicht dem Butterfett so sehr ähnelt, dafs es in Gemischen nicht immer mit Sicherheit nachgewiesen werden kann. Einen gewissen Anhalt, ob ihm statt der verlangten Butter Margarine verabfolgt worden ist, gewährt zwar auch dem Laien die schon vorher erwähnte Schmelzprobe, denn während reine frische Butter zu einer goldklaren Flüssigkeit schmilzt, bleibt Mar¬ garine oder eine grob mit Margarine verfälschte Butter undurchsichtig und trübe; aber kleinere Beimengungen entziehen sich nicht nur der Er¬ kennung nach diesem Verfahren, sondern selbst dem chemischen Nach¬ weise. Zur Erleichterung des letzteren ist daher die gesetzliche Bestim¬ mung getroffen, dafs aller Margarine 10 °/0 eines Öles, des Sesamöles, hinzugesetzt werden müssen, welches noch in stärkster Verdünnung durch eine einfache Reaktion erkannt werden kann. Beim Schütteln mit Fufurol und Salzsäure oder auch mit Zinnchlorür nimmt es als einziges von allen

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Ölen eine intensiv rote Farbe an, ebenso jede damit vermischte Margarine und mit solcher Margarine verfälschte Butter, ln verhältnismäfsig kurzer Zeit ist es mit Hilfe dieser Reaktion gelungen, Gemische von Butter und Margarine aus dem hiesigen Verkehr so gut wie völlig zu verdrängen, und während 1896 unter 100 Proben noch 11 aus diesem Grunde zu be¬ anstanden waren, fiel dieser Prozentsatz stetig auf 4, 2, 1,4, l,o, 0,8 und im Jahre 1902 auf 0,4%.

In gleicher Richtung ist auch die Unterschiebung von reiner Margarine an Stelle von Butter in beständigem Rückgang begriffen, trotzdem sich hinsichtlich der strafrechtlichen Beurteilung dieses Deliktes einige Schwierig¬ keiten herausgebildet haben. Die Chemiker sehen die Margarine meist als ein nachgemachtes Nahrungsmittel an und halten demgemäfs ihren Verkauf unter dem Namen Butter für einen Verstofs gegen § 10 des Nahrungsmittelgesetzes; die Kgl. Staatsanwaltschaft ist jedoch dieser Auf¬ fassung nicht beigetreten, weil die Herstellung nicht zum Zwecke der Täuschung erfolgt, und erhebt daher stets Anklage wegen Betrugs. Aus dieser Stellungnahme ergibt sich dann das seltsame Resultat, dafs zwar der Verkauf eines Gemisches von Butter mit 10% Margarine nach dem Nahrungsmittelgesetze bestraft wird, nicht aber derjenige der doch weit geringwertigeren Margarine für sich allein.

Im allgemeinen kann die Nahrungsmittelkontrolle nach den vorher¬ gehenden Ausführungen mit den bezüglich der Butter erzielten Erfolgen zufrieden sein; aber nachlassen darf sie in ihren Anstrengungen nicht, denn schon haben die Fälscher einen Ausweg aus dem Dilemma gefunden. In Holland werden grofse Mengen von gelbgefärbtem Schweineschmalz der Butter beigemischt und in Österreich verwendet man zu dem gleichen Zwecke das auch unter dem Namen Palmin bekannte Fett der Kokospalme, zwei schwer nachweisbare Substanzen, deren Bekämpfung die wichtigste Aufgabe der nächsten Zeit darstellt.

Ich wende mich nun zum Fleische, noch immer der wichtigsten, wenngleich nicht billigsten Eiweifsquelle der menschlichen Ernährung, von welcher im Jahre 1901 in Dresden ca. 28000000 kg im Werte von etwa 45000000 Mark verbraucht wurden. Dasselbe ist in derben Stücken, wie sie zum Kochen und Braten dienen, Verfälschungen nur wenig ausgesetzt, und die von anderer Seite mitgeteilte Rotfärbung der Fischkiemen, zur Vortäuschung einer frischen Beschaffenheit, sowie das ekelhafte Einblasen von Luft ist hier noch nicht beobachtet worden, während die Unter¬ schiebung von Pferdefleisch für Rindfleisch nur einmal nachgewiesen wurde.

Um so schlimmer sah es vor wenigen Jahren mit dem gehackten Rindfleisch aus, welches bekanntlich seine schöne rote Farbe, das sicherste Kennzeichen der Frische, nicht lange beibehält, sondern mifsfarbig und unverkäuflich wird. Anstatt nun diesen Übelstand dadurch zu vermeiden, dafs sie nicht zu grofse Mengen gehackten Fleisches auf einmal herstellten, hatten sich leider viele Fleischer aus Bequemlichkeitsrücksichten zur Ver¬ wendung eines chemischen Präparates, des sog. Präservesalzes, ver¬ leiten lassen, welches das Fleisch noch prachtvoll rot erscheinen läfst, wenn es bereits verdorben ist. Da in dieser Verleihung des täuschenden Anscheins einer besseren Beschaffenheit eine Verfälschung erblickt werden mufste, und die medizinischen Sachverständigen das aus schwefligsaurem Natron bestehende Salz überdies als gesundheitsschädlich bezeichneten, wurde in den Jahren 1898 und 1899 gegen diesen Unfug energisch ein-

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geschritten und in 55 Fällen Beanstandung ausgesprochen. Die strengen Urteile des Landgerichtes haben den Erfolg gehabt, in kurzer Zeit diesen Brauch völlig zu beseitigen.

Schwieriger war das Vorgehen gegen ein anderes Präparat, die Bor¬ säure, welche besonders von den Amerikanern in grofsem Umfange zur Konservierung des nach Europa exportierten Fleisches, hauptsächlich von Pökelrindfleisch, Zungen und Schweinslebern, angewandt wurde und eben¬ falls die Verwendung minderwertigen Materials ermöglichte. Auch in diesem Kampfe hat die Nahrungsmittelkontrolle einen vollständigen Sieg errungen, indem durch die Bekanntmachung des Bundesrats die Konser¬ vierung von Fleisch mit gesundheitsschädlichen Stoffen, nämlich schwef¬ liger Säure, Borsäure, Salizylsäure u. a., ausdrücklich verboten worden ist. Damit ist die Sache endgültig entschieden und unserer Bevölkerung ein neuer Schutz gegen ungeeignete Lebensmittel geschaffen.

Als wichtigste Verfälschungen der Wurst kommen Zusatz von Semmel und bei Cervelatwurst künstliche Botfärbung in Frage. Beide sind dank der Unterstützung der Gerichte aus dem hiesigen Verkehr völlig ver¬ drängt worden, nachdem das Untersuchungsamt von den im Laufe der letzten 6 Jahre eingelieferten 462 Proben 187 aus diesen Gründen bean¬ standet hatte. Nur in ganz seltenen Fällen gelangten sehr schwere Fälle von Wurstverfälschungen zur Kenntnis der Behörde. So wurde vor kurzem ein Fleischer verurteilt, weil er faules, madiges Fleisch benutzte, ein anderer, weil er Kalbs- und Schweinsaugen, Magenausputz und andere unappetit¬ liche Bestandteile in die Wurst hineingehackt hatte. Gewifs sind der¬ artige Vorkommnisse geeignet, dem Wissenden den Appetit zu rauben; aber wir dürfen uns doch der Hoffnung hingeben, dafs sie nur Ausnahmen bilden, deren Beseitigung einer sorgsamen Überwachung ebenfalls gelingen wird.

Von einer Besprechung der tierischen Fette kann an dieser Stelle abgesehen werden, da der Bindertalg überhaupt kaum jemals verfälscht wird, und die mit Baumwollsamenöl vermischten Schweineschmalze, mit denen die Amerikaner uns früher in kolossalem Umfange beglückten, aus dem Handel verschwunden sind, resp. unter der legitimen Bezeichnung ,, Kunstspeisefett“ verkauft werden.

Um so unerfreulichere Verhältnisse hat die intensive Überwachung des Handels mit dem feinsten pflanzlichen Öle, dem Ol der Olive, auch Provenceröl genannt, aufgedeckt. Während früher als Tafelöl zur Be¬ reitung von Salaten, Mayonnaisen und ähnlicher Speisen nach Aussage älterer reeller Kaufleute nur Olivenöl in Frage kam, finden sich jetzt unter diesem Namen alle möglichen minderwertigen Öle anderer Pflanzen, wie Sesam-, Erdnufs- und selbst Baumwollsamenöl im Handel vor, und die Geschäftsleute beanspruchen allen Ernstes das Hecht, als Tafelöl jedes für den Tischgebrauch geeignete Öl verkaufen zu dürfen. Obwohl man sich nach dieser Auffassung selbst dann nicht beschweren dürfte, wenn man als Tafelöl Leinöl oder gar Rüböl erhielte, so hat sich doch die Rechtsprechung derselben mehrfach angeschlossen und dadurch auch die hiesige Nahrungsmittelkontrolle veranlafst, zunächst nur dann Beanstandung auszusprechen, wenn Gemische minderwertiger Öle als reines Tafelöl oder billiger Öle unter der täuschenden Bezeichnung „Olivenöl“ abgegeben worden waren. Dieses Vorgehen hat die Sanktionierung der Gerichte er¬ langt und, nachdem von 108 untersuchten Proben 17 beanstandet worden sind, die gröbsten Auswüchse beseitigt. Im Gegensätze zu den Versuchen

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gewisser Firmen, das gemeine Baumwollsamenöl als „Floridaöl“ oder „feinstes Tafelöl“ an den Mann zu bringen, verdient das Vorgehen des Deutschen Kolonialhauses in Berlin, das unseren Kolonien entstammende Erdnufsöl , ein feines, dem Olivenöl nahestehendes Produkt, unter der offenen ehrlichen Bezeichnung „Deutsches Erdnufstafelöl“ zu führen, alle Anerkennung. Immerhin sei nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen: Wer das bislang als Tafelöl bekannte Öl der Olive zu kaufen wünscht, mufs stets „Olivenöl“ oder „Provenceröl“, niemals „Tafelöl“ verlangen.

Von den übrigen Nahrungsmitteln pflanzlichen Ursprungs beanspruchen die aus Getreide hergestellten unser gröfstes Interesse, da sie die Er¬ nährungsgrundlage weiter Bevölkerungskreise bilden und in gewaltigen Massen in Dresden pro Jahr 45000000 kg zum Konsum gelangen. Erfreulicherweise kommen beim Mehle Verfälschungen kaum vor. Die vielfach beargwöhnte Beimischung minderwertiger Stoffe, wie Mais- und Steinnufsmehl, sowie mineralischer Beschwerungsmittel, Gips, Kreide und dergleichen, hat sich bei unseren Untersuchungen stets als Sage heraus¬ gestellt, denn dafs in ganz vereinzelten Fällen Mehle angetroffen wurden, welche Soda, Kreide, ja einmal sogar freie Salzsäure enthielten und in¬ folgedessen den Hausfrauen die Speisen total verdorben hatten, ist nicht auf absichtlichen Zusatz, sondern auf unglückliche Zufälle, meist unsaubere Aufbewahrung zurückzuführen. Solche Produkte sind daher nicht als ver¬ fälscht, sondern als verdorben anzusehen, welcher Auffassung die hiesigen Gerichte beigetreten sind. Wegen Verdorbenheit erfolgten auch alle übrigen zahlreichen Beanstandungen von 666 untersuchten Mehlen nicht weniger als 248 , welche trostlose Aufschlüsse über die im Nahrungsmittelgewerbe herrschende Reinlichkeit lieferten. Ein näheres Eingehen auf diesen Gegen¬ stand, welcher ein Thema für sich bilden würde, mufs ich mir leider ver¬ sagen. Genug, ganz allgemein wurde das Mehl in unsauberen Kästen oder in offenen feuchten Verschlägen auf bewahrt, in denen es sich natürlich bald mit zahllosen Milben und anderen Parasiten bevölkerte, einen muffig¬ dumpfigen Geruch annahm und ungeniefsbar wurde. Zur Erkennung der Milben gibt es ein einfaches von jedem Laien in seinem Haushalte anwend¬ bares Mittel, mit dessen Hilfe auch der revidierende Beamte alle Proben an Ort und Stelle untersucht. Er schüttet etwas Mehl auf ein Blatt Papier, breitet das Häufchen aus und glättet es durch Auflegen einer Glas¬ platte. Zieht man dann die letztere ab, so sieht man alsbald, wie sich auf der glatten Oberfläche Häufchen erheben, welche von den nach oben strebenden Tierchen in Form kleiner Maulwurfshügel aufgeworfen werden. Überschritt deren Zahl ein gewisses Mafs, so bringt der Beamte die Probe zum Unteruchungsamte, erteilt aber gleichzeitig den Geschäftsinhabern Ratschläge, wie sie dem Verderben Vorbeugen können, und so ist es im Laufe weniger Jahre gelungen, ohne Erlafs von Strafverfügungen, lediglich durch Verwarnungen diesen Übelstand zu beseitigen. Fast alle Händler haben sich daran gewöhnt, vor der Einfüllung neuen Mehles die alten Reste zu entfernen, die Kästen mit sauberem Papier auszuschlagen und gröfsere Vorräte in Säcken an trockenen Orten hinzustellen. Während noch 1899 nicht weniger als 118 Mehlproben zu beanstanden waren, betrug diese Zahl 1902 nur noch 5.

Wie beim Mehle gehören auch beim Brote Verfälschungen zu den Ausnahmen. Die früher beliebte Unsitte, dem frischen Teige übriggebliebene

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Brotreste und altbackene Semmel oft von ekelhafter Beschaffenheit zuzu¬ setzen, ist durch das Urteil der 4. Strafkammer vom 6. Juni 1902 endgültig als unzulässig bezeichnet worden, und seitdem können die Dresdner Brot¬ verhältnisse, abgesehen von dem hohen bis zu 50°/o betragenden Wasser¬ gehalte des Schwarzbrotes, als gut angesehen werden.

Das Gegenteil von gut sind dagegen die hinsichtlich der sog. Teig¬ waren, speziell der Eiernudeln obwaltenden Zustände. Was Eiernudeln sind, ist bekannt. Mancher Familienvater wird ihre Entstehung noch heute im eigenen Haushalte beobachten können, denn viele Hausfrauen stellen sie aus guten Gründen auch jetzt noch selbst her. Sie machen aus Weizen¬ mehl und der zur Bindung erforderlichen Menge Eiern einen Teig, rollen ihn dünn aus, schneiden in Streifen oder andere Formen und lassen trocknen. Genau so verfährt der Fabrikant, nur findet es dieser vielfach für vorteil¬ hafter, die teuren Eier fortzulassen und an ihrer Stelle Wasser zu nehmen. Er hat ja ein einfaches Mittel zur Verdeckung dieses Mankos; er greift zum Farbentopfe und verleiht seiner Wasserware durch Zusatz gelber Teer¬ farben den schönsten Anschein jeden beliebigen Eigehaltes. So kommt es, dafs in zahlreichen Geschäften sog. Eiernudeln feilgehalten werden, welche wundervoll aussehen, aber gar keine oder nur Spuren von Eiern enthalten.

Die exakte chemische Bestimmung des Eigehaltes, welche zu den schwierigeren Aufgaben des Chemikers gehört, beruht auf der Anwesenheit dreier charakteristischer Bestandteile des Hühnereies, des Cholesterins, des Fettes und des Lecithins. Durch Extraktion des letzteren mit heifsem Alkohol und Bestimmung der in Lösung gegangenen Phosphorsäure kann die Zahl der vorhandenen Eier ziemlich genau ermittelt werden. Eine einfache Vorprüfung wird durch den Umstand ermöglicht, dafs der spezi¬ fische Farbstoff der Eier, das Lutein, in Äther löslich ist, und dafs diese Lösung durch salpetrige Säure entfärbt wird (Weylsche Reaktion), während die meisten gelben Teerfarben in Äther unlöslich sind, aber in 70prozentigen Alkohol übergehen. Bleibt also beim Schütteln gelber Nudeln mit Äther das Lösungsmittel farblos, während Alkohol sich färbt, so ist ein künst¬ licher Farbstoff’ vorhanden. Bei der Beurteilung dieser Produkte hat die amtliche Nahrungsmittelkontrolle sich ausnahmslos auf den Standpunkt gestellt, dafs gelb gefärbte „Eiernudeln“, welche gar keine Eier oder weniger als zwei Stück auf ein Pfund Mehl enthalten, als nachgemacht anzusehen sind, weil sie nur den Schein, nicht aber den Gehalt der echten Ware besitzen, während eihaltige Erzeugnisse, welchen durch künstliche Färbung der täuschende Anschein eines höheren Eigehaltes verliehen worden ist, als verfälscht beanstandet werden müssen. Dieser klaren Stellungnahme gegenüber haben die Fabrikanten die seltsamsten Ausreden gebraucht und behauptet: „Das Publikum macht sich aus den Eiern gar nichts, es ver¬ langt einfach eine schöne gelbe Farbe; wir kommen einer Geschmacks¬ richtung des Publikums entgegen und färben lediglich aus ästhetischen Gründen“; ja ein Fabrikant verstieg sich sogar vor Gericht zu der klas¬ sischen Ausrede, er nenne seine Erzeugnisse nicht deshalb Eiergraupen, um einen Eigehalt vorzutäuschen, sondern weil sie die Form kleiner Eier besäfsen. Obwohl die Haltlosigkeit dieser Behauptungen auch den Laien ohne weiteres klar ist, haben die Gerichte doch vielfach geglaubt, dieselbe nicht widerlegen zu können und dadurch längere Zeit einen Schutz des Publikums gegen diese Übervorteilung unmöglich gemacht. Es war daher schon als ein Fortschritt zu begrüfsen, dafs die Fabrikanten sich selbst

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entschlossen, den Farbzusatz zu deklarieren und als „Eiernudeln“ nur solche Produkte zu bezeichnen, welche auf 100 Pfund Mehl wenigstens 75 Eier enthalten. Gewifs, an sich betrachtet, ein herzlich geringes Zu¬ geständnis, aber doch immerhin den bisherigen Verhältnissen gegenüber als Anzeichen einer Besserung zu vermerken! Wichtiger als dieses zögernde Entgegenkommen der Produzenten, welches übrigens inzwischen durch einen neuen Beschlufs des Verbandes deutscher Teigwaren -Fabrikanten schon wieder zurückgezogen worden sein soll, ist das Urteil der 4. Strafkammer vom 7. Juli 1903, nach welchem Eiernudeln mehrere 100 Eier auf einen Zentner Mehl enthalten sollen, und Erzeugnisse mit weniger als 75 Eiern unter allen Umständen als nachgemacht zu gelten haben. Damit ist zu¬ nächst für die Dresdner Nahrungsmittelkontrolle eine sichere gesetzliche Grundlage geschaffen, welche die Beseitigung der gröbsten Mifsstände als aussich tsvoll erscheinen läfst. Trotzdem ist zu berücksichtigen, dafs in den Detailgeschäften auch jetzt noch vielfach gelb gefärbte Wassernudeln als Hausmacher- oder Eiernudeln verkauft werden, indem die Kleinhändler die von den Fabriken unter richtiger Bezeichnung gelieferten Waren in willkürlicher Weise umtaufen, und die Konsumenten werden daher gut tun, selbst die Augen offen zu halten. Vor allem ist es zweckmäfsig, heim Ein¬ kauf den Laden zu durchmustern, ob nicht irgendwo ein Plakat angebracht ist mit der Inschrift: „Alle nicht ausdrücklich als ungefärbt bezeichneten Eierteigwaren sind mit einem unschädlichen Farbstoff leicht gefärbt“, d.h. auf gut deutsch: „Meine sog. Eiernudeln sind künstlich gefärbt“. Am besten wäre es freilich, wenn die Konsumenten, besonders diejenigen, die nicht gerade zum Ankauf der billigsten Sorten gezwungen sind, ausdrücklich ungefärbte Nudeln verlangen wollten und dadurch diejenigen Dresdner Fabrikanten unterstützten, welche sich in dankenswerter Weise entschlossen haben, nur ungefärbte Teigwaren herzustellen.

Wenn ich mich nun zu den süfsschmeckenden, zuckerreichen Nahrungs¬ und Genufsmitteln, dem Honig und den zahlreichen Fruchtkonserven, wie Fruchtsäften, Marmeladen, Gelees wende, so betrete ich hier ein Gebiet, auf welchem die Fälscher lange Jahre ihre gröfsten Triumphe gefeiert haben, besonders seitdem die Herstellung dieser Erzeugnisse aus den Klein¬ betrieben an die Grofsindustrie übergegangen ist.

Der Honig, das köstliche, von den Bienen aus Blütennektar an¬ gesammelte und nach entsprechender Verarbeitung und Fermentation in den Waben abgeschiedene Produkt, besteht, abgesehen von seinen Aroma¬ stoffen, im wesentlichen aus Zucker, und Zucker in seinen verschiedenen Formen bildet daher auch das Mittel zu seiner Verfälschung. Am gröfsten wird der Verdienst bei Verwendung des billigsten Zuckermaterials, des aus Kartoffeln hergestellten Stärkesirups, aber auch der Zusatz des gewöhn¬ lichen Rübenzuckers ist noch lukrativ genug, um gewissen Nahrungsmittel¬ verbesserern verlockend zu erscheinen. Tatsächlich behaupten sie nämlich, den Zuckerzusatz nicht im Interesse ihres Geldbeutels, sondern der Kon¬ sumenten vorzunehmen, weil der Geschmack des unvermischten Naturhonigs zu stark aromatisch, ja geradezu ekelhaft sei. Die Erkennung des Stärke¬ sirups geschieht unschwer durch die Ausfällung des Dextrins mit Alkohol, während der Rohrzucker sich durch die Umdrehung der Polarisation nach dem Invertieren zu erkennen gibt. Schwieriger oder besser unmöglich wird der Nachweis hingegen, wenn der intelligentere Fälscher seine Mischung auf chemischer Grundlage basiert und diejenige Zuckerart benutzt, aus

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welcher der Honig selbst besteht, nämlich den Invertzucker. Färbt er diesen gelb, setzt Aromastoffe, wie das im Waldmeister enthaltene Cumarin, ferner etwas Blütenstaub und vielleicht noch ein paar tote Bienchen hinzu, so hat er einen Honig, den kein Chemiker von echtem unterscheiden kann. Es hat nicht an Versuchen gefehlt, eine Methode zum Nachweis dieser Verfälschung aufzufinden. Man hat den geringen Schwefelsäuregehalt des Invertzuckers herangezogen, aber dieses Mittel versagt, seitdem zum In¬ vertieren des Zuckers Kohlensäure benutzt wird. Andere stützen die Unter¬ suchung auf den Eiweifsgehalt, wieder andere auf das Vorhandensein von Enzymen, welche aus dem Speichel der Bienen in den Honig gelangen, aber kein Verfahren ist bis jetzt als zuverlässig befunden worden, und der von den Imkern für die Lösung dieser Frage ausgesetzte Preis von 1000 Mark harrt noch immer der Verleihung.

Wir müssen uns also damit bescheiden, dafsdie einfachen Verfälschungen mit Stärkesirup und Rohrzucker aus dem hiesigen Verkehr verdrängt sind, wenngleich es keineswegs an Versuchen fehlt, dieselben unter irreführenden Bezeichnungen wieder einzuschmuggeln. Als Beispiel einiger derartiger raffinierter Etiketten erwähne ich zunächst den aus gleichen Teilen Honig und Capillärsirup bestehenden sog. „Blütenhonig“. Die denselben enthaltende blaue Blechbüchse mit dem Bilde eines Honig leckenden Bären trägt die Inschrift: „Nur echt mit dieser Marke“, welche in den meisten Käufern die Erwartung erregen wird, dafs sie Honig erhalten, und erst bei näherer Betrachtung belehrt das versteckt angebrachte, eingeklammerte Wörtchen (Ersatz) den Kenner, dafs ein Falsifikat vorliegt. Obwohl kaum ein Zweifel aufkommen kann, dafs diese Bezeichnung zur Täuschung geeignet ist, hat die Kgl. Staatsanwaltschaft in Magdeburg, der Heimat dieses Leckerbissens, keine Veranlassung zum Einschreiten gefunden, und erst durch Urteile der Dresdner Gerichte, welche die Feilhaltung für strafbar erklärten, ist es gelungen, das Produkt aus dem hiesigen Verkehr zu entfernen. In gleicher Weise ist auch die Etikettierung eines analog zusammengesetzten „Tafel¬ honig, praepariert“ mit der Angabe „nur echt mit dieser Marke“ und einem von Bienen umschwTärmten Rosenstrauche von den Gerichten, einschliefslich des Oberlandesgerichts, als unzulässig beurteilt worden, aber der Umstand, dafs auch diesmal die Staatsanwaltschaft in Leipzig das Einschreiten gegen den Fabrikanten ablehnte, läfst doch das in mehreren Petitionen an Reichs¬ kanzler und Reichstag gerichtete Ersuchen der Imkerkreise berechtigt er¬ scheinen, für alle Gemische die unzweideutige Bezeichnung „Kunsthonig“ vorzuschreiben. Ohne eine solche Bestimmung ist es unmöglich, gegen die täglich neu auftauchenden verkappten Deklarationen einzuschreiten, und alle Bezeichnungen wie „Zuckerhonig“, „Candishonig“, „Allerfeinster Raf¬ finadehonig“, „Honigsirup“ usw. deuten künstliche Gemische an. Wer echten Naturhonig haben will, soll daher nicht unterlassen, die Etikette einem sorgfältigen Studium zu unterziehen.

Im Hinblick auf die Schwierigkeit der Honigkontrolle wurden alljährlich zu Ostern und im Herbste, den Hauptterminen des Honighandels, umfang¬ reichere Revisionen veranstaltet, welche bis jetzt zu 278 Untersuchungen und 42 Beanstandungen führten.

Nicht besser steht es mit den Fruchtsirupen, besonders dem wich¬ tigsten derselben, dem Himbeersirup, welcher auf reellem Wege nur durch Einkochen des reinen Saftes der Beeren mit Rohrzucker hergestellt wird. Zusätze von Stärkesirup, Pflanzensäuren, Essenzen, Wasser und Teerfarben

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sind hier an der Tagesordnung, ja es sind Himbeersirupe angetroffen worden, welche keine Spur Fruchtsaft enthielten, sondern nichts als rot¬ gefärbten, parfümierten Zuckersirup darstellen. Die fortwährende Kontrolle der hiesigen Geschäfte, welche im Jahre 1902 zur Entdeckung von 30 ver¬ fälschten Proben führte, besonders aber die strengen Urteile des Kgl. Land¬ gerichts, haben den Fälschern einen heilsamen Schrecken eingejagt und der reellen Industrie wieder die Oberhand verschafft.

Wie die Fruchtsirupe bestehen auch manche sog. Marmeladen aus gewöhnlichem gefärbtem Stärkesirup, dem zum Unterschiede von ersterem vielleicht nur einige ausgeprefste Fruchttrester und Kerne hinzugesetzt worden sind, und auf deren fragwürdige Beschaffenheit lediglich kleine runde Etiketten mit möglichst verklausuliertem Aufdruck hindeuten. Die schönste und beliebteste dieser Inschriften hat folgenden Wortlaut: „Her¬ gestellt mit Raffinade, Wein- und Zitronensäure nach Mafsgabe des Ge¬ schmacks, Capillär sirup, soweit er für die Konsistenz notwendig ist, und Konditorrot, wo Farbe verlangt wird“. Also ein ganzer Roman, aus dem nur wenige Käufer den Kern herausschälen werden: „Verfälscht durch Stärkesirup und Teerfarbe“. Der gröfseren Vorsicht halber wird aber selbst diese Etikette noch so angebracht, dafs sie nicht so leicht in die Augen fällt, nämlich unter dem Boden der Flasche, und, wennschon diese Manipulation vom hiesigen Gericht als unzulässig bezeichnet worden ist, ersieht man doch daraus, dafs auch beim Bezüge dieser Waren eine gewisse Aufmerksamkeit, besonders hinsichtlich versteckter Deklarationen, wohl angezeigt erscheint.

Unter den übrigen Fruchtsäften spielt, der Zitronensaft die Haupt¬ rolle, besonders seitdem derselbe von den Ärzten vielfach zu sogenannten Zitronensaftkuren gegen Rheumatismus empfohlen wird. Die bisher im Untersuchungsamte gemachten Erfahrungen sprechen dafür, dafs die meisten im Handel befindlichen Erzeugnisse keine Naturprodukte, sondern wäfsrige Auflösungen von Zitronensäure darstellen, und dafs überdies vielfach Kon¬ servierungsmittel hinzugesetzt werden, welche für etwaige Heilzwecke ge- wifs unerwünscht sein dürften. Interessant ist in dieser Hinsicht ein durch Zeitungsannoncen ausgefochtener Konkurrenzkampf zweier Fabrikanten, von denen der eine für Abwesenheit von Salizylsäure garantiert, dafür aber 10°/o Alkohol zusetzt, während der andere mit der Alkoholfreiheit seiner Erzeugnisse renommiert, aber wohlweislich den Salizylsäurezusatz verschweigt. Es wird Aufgabe der Nahrungsmittelkontrolle sein, durch die für nächstes Jahr in Aussicht genommene Überwachung des Handels mit Zitronensaft in diesen Verhältnissen Wandel zu schaffen.

Dafs auch fast alle sog. Frucht -Brauselimonaden, mit denen jetzt das Land überschwemmt wird, Kunstprodukte sind, dürfte allgemein bekannt sein. Ich beschränke mich daher auf die Mitteilung, dafs meines Wissens nur die Mineralwasserfabrik von Dr. Struve wirklichen Himbeersaft zur Herstellung verwendet, während die meisten anderen Erzeugnisse nichts als parfümiertes gefärbtes Sodawasser darstellen, welches, wenn rot, Him- beerlimonade, wenn gelb Zitronenlimonade genannt wird. Die zurückhaltende Stellung des Amtes, welches von einer Beschäftigung mit diesem Gegen¬ stände bislang Abstand genommen hat, beruht auf einer ministeriellen Anweisung, bis zu einer bevorstehenden gesetzlichen Regelung von Bean¬ standungen dieser Produkte abzusehen.

Ähnlich unklar liegen die Verhältnisse auch bei den Gemüsekonserven, Erbsen, Bohnen, bei den eingelegten Gurken und mixed pickles, welche

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zur Vortäuschung eines frischen Aussehens fast alle mit Kupfersalzen künst¬ lich grün gefärbt werden. Nach dem Wortlaute des Farbengesetzes, welches die Verwendung aller gesundheitsschädlichen Farben, d.h. auch aller kupfer¬ haltigen, verbietet, ist diese Manipulation unzulässig, aber im Hinblick auf die veränderte Anschauung über die Giftigkeit des Kupfers und eine dies¬ bezügliche Ministerial -Verordnung ist davon abgesehen worden, der Be¬ urteilung der gegrünten Konserven dieses strenge Gesetz zu Grunde zu legen. Wir haben vielmehr in jedem Falle die Menge des vorhandenen Kupfers bestimmt und die Entscheidung einer etwaigen Gesundheitsschäd¬ lichkeit im Sinne von §12 des Nahrungsmittelgesetzes dem medizinischen Sachverständigen überlassen. Im Gegensätze dazu ist von auswärtigen Chemikern bisweilen auf Grund des einfachen qualitativen Kupfernach¬ weises Beanstandung ausgesprochen worden und in solchen Fällen von seiten der hiesigen Gerichte aller Instanzen Verurteilung erfolgt. Nach¬ dem auch das Kgl. Oberlandesgericht in seinem Urteil vom 23. Februar 1903 den § 1 des Farbengesetzes als zu Recht bestehend und jeden Zusatz kupferhaltigör Farben als unzulässig bezeichnet hat, müssen die Gurken¬ händler mit der Tatsache rechnen, dafs zwar vom Untersuchungsamte eine mäfsige Grünung stillschweigend geduldet wird, dafs sie aber auf Grund anderweitiger Anzeige angeklagt und bestraft werden können.

Als Anhang zu den vorgenannten Konserven sei noch das sog. Dörrobst erwähnt, welches als Kompott vielfach Verwendung findet. Allerdings meine ich nicht unser harmloses deutsches Backobst, mit welchem die Nahrungsmittelkontrolle sich nicht zu befassen braucht, sondern das in von Jahr zu Jahr steigenden Mengen aus dem Auslande eingeführte Produkt, die kalifornischen Aprikosen, Pfirsiche und Birnen, welche durch ihr schönes Aussehen die Konsumenten in den Glauben versetzen, hier einmal etwas ganz Exquisites zu erhalten. In der Tat unterscheiden sich ja diese in allen Schaufenstern ausgelegten Waren durch ihre prachtvolle Färbung sehr vorteilhaft von ihren unscheinbaren einheimischen Ge¬ schwistern, wer aber glauben sollte, dafs dieser äufsere Glanz lediglich auf sorgfältige Trocknung auserlesenster Früchte zurückzuführen sei, würde sich in argem Irrtum befinden. Die wahre Ursache ist vielmehr in einer rücksichtslosen Schwefelung zu erblicken, und alle diese Früchte enthalten demzufolge kolossale Mengen schwefliger Säure, also eines Stoffes, welcher nach dem Gutachten des Kgl. Landesmedizinalkollegiums als gesundheitsschädlich zu erachten ist. Trotzdem ist auf Vorschlag des Untersuchungsamtes, um eine einseitige Schädigung der hiesigen Gewerbe¬ treibenden zu vermeiden, von einem scharfen Vorgehen in Dresden zunächst Abstand genommen worden, und auch das Kgl. Ministerium des Innern hat nach Gehör verschiedener Handelskammern einen Höchstgehalt von 0,i25°/o schwefliger Säure bis auf weiteres nachgelassen. Da aber hiermit die prinzipiell ablehnende Stellung gegen diese Erzeugnisse keines¬ wegs aufgegeben worden ist, und auch die Leipziger Handelskammer den beteiligten Händlern dringend nahe gelegt hat, sich auf ein völliges Verbot einzurichten und die ausländischen Produzenten nachdrücklich zur Lieferung ungeschwefelter Früchte anzuhalten, so steht doch zu hoffen, dafs die Amerikaner diese Art von Fabrikation aufzugeben gezwungen werden*).

*) Wesentlich beitragen dürfte hierzu das kürzlich ergangene Urteil des Kgl. Landgerichts Köln, in welchem jede Schwefelung als unzulässig bezeichnet worden ist.

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Inzwischen wird schon wieder über eine neue, noch gefährlichere Konservierungsmethode aus Australien berichtet. Dort sollen die frischen Früchte mit Erfolg dadurch vor Schimmel und Fäulnis bewahrt werden, dafs man sie in den Versandkisten mit Blausäuregas behandelt. Gewifs ein recht radikales Verfahren, welchem aber die Nahrungsmittelkontrolle kaum besondere Sympathien entgegenbringen wird.

Unter den narkotischen Genufsmitteln haben Kaffee und Tee trotz umfassender Revisionen zu Ausständen keine Veranlassung gegeben, eigentlich wider Erwarten, da sie früher Verfälschungen sehr häufig aus¬ gesetzt waren, und auch die Verfälschung von Kakao und Schokolade geht, dank der Unterstützung der reellen Fabrikantenkreise, mehr und mehr zurück. Zusätze von fremden Fetten, Schalen und Mehl, welche früher an der Tagesordnung waren, sind jetzt kaum noch zu beobachten. Nur ein Produkt der Schokoladenindustrie liefs ein energisches Ein¬ schreiten erforderlich erscheinen, nämlich die sog. Schokoladenmehle, dunkelbraune, süfsschmeckende Pulver, deren Farbe unbedingt in den Käufern die Erwartung hervorrufen mufste, gemahlene Schokolade zu er¬ halten. Die wirkliche Zusammensetzung stand zu dem verlockenden Namen in argem Widerspruch, denn es handelte sich um nichts als Ge¬ mische von 40 °/0 Weizenmehl und 50 °/0 Zucker mit homöopathischen Zusätzen von Kakao, die durch gemahlenes Sandelholz und einen braunen Teerfarbstoff künstlich gefärbt waren. Da diese künstliche Färbung offenbar bezweckte , den Gemischen den täuschenden Anschein echter Schokolade zu verleihen, so wurden dieselben als verfälscht beanstandet, eine Auffassung, welche die Billigung der hiesigen Gerichte gefunden hat. Die Fabrikanten sind daher trotz anfänglichen Sträubens in sich gegangen und haben ihren Erzeugnissen statt des irreführenden Namens die harm¬ losere Bezeichnung „Suppenmehl“ beigelegt.

Besondere Aufmerksamkeit hat das Untersuchungsamt auch den Gewürzen gewidmet, wie schon aus der absoluten Zahl von 1365 ein¬ gelieferten Proben hervorgeht, denn gerade diese Genufsmittel geben dem Chemiker tagtäglich neue Rätsel auf, sie sind redende Zeugen von der Erfindungskraft des menschlichen Geistes. Die unglaublichsten Dinge finden sich in ihnen vor. Abfallstoffe jeglicher Art, deren technische Ver¬ wertung den gröfsten Geistern unmöglich schien, können in den Gewürzen zu Gelde gemacht werden. Die Kakaoschalen, dieses Schmerzenskind der Schokoladenfabriken, in denen sie sich zu Bergen anhäufen, als Zimmt haben wir sie wiedergefunden; auch gemahlene Haselnufsschalen, Zigarren¬ kistenholz und Eichenlohe liefern mit etwas Eisenocker aufgefärbt noch einen „ganz hübschen Zimmt“. Als Zusätze zum Pfeffer fanden sich Prefsrückstände der Ölgewinnung: Palmkernmehl, Olivenkerne, ferner Rapskuchenmehl, Mohnsamen, Senfmehl u. a.

Das wichtigste Hilfsmittel zur Erkennung derartiger pflanzlicher Bei¬ mengungen zu Gewürzen ist das Mikroskop, welches einen schnellen Auf- schlufs darüber gibt, ob einer stärkefreien Droge stärkehaltige Ver¬ fälschungsmittel zugesetzt sind, ob ein Pfeffer Palmkernmehl enthält und dergl. mehr. Auf alle Fragen gibt es aber keine Antwort, so besonders, ob ein Gewürz durch Destillation oder Extraktion seines wertbestimmenden Bestandteils, des ätherischen Öles beraubt worden ist; in solchen Fällen mufs die chemische Reaktion und Analyse zu Hilfe kommen. Leider versagt das Mikroskop auch bei der häufigsten und gefährlichsten Ver-

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fälschung des Pfeffers durch Pfefferschalen, da nicht nur jeder schwarze Pfeffer Schalen enthält, sondern überdies die Menge derselben je nach Herkunft und Sorte grofsen Schwankungen unterliegt. Nur durch ein¬ gehende Untersuchung: Bestimmung der Holzfaser, der Stärke, der Blei¬ zahl und des Piperins gelingt es, zu einem sicheren Resultate zu ge¬ langen. Umfassende Revisionen waren daher erforderlich, bevor einiger- mafsen befriedigende Zustände erreicht werden konnten, aber zur Zeit lafst sich doch behaupten, dafs verfälschte Pfeffer und Zimmte im Dresdner Verkehr zu den gröfsten Seltenheiten gehören.

Von weiteren Gewürzen erwähne ich noch den Safran, der bei seiner Kostbarkeit 1 Kilogramm kostet bis zu 250 Mark Ver¬ fälschungen besonders lohnend erscheinen läfst. Der Safran besteht lediglich aus den Narben des Crocus sativus, eines unserer Frühlings¬ blume verwandten Zwiebelgewächses, welches in Griechenland und Klein¬ asien zu Hause ist; jede Blüte mufs einzeln gepflückt und ihrer dreiteiligen Narbe beraubt werden. Zur Verfälschung dienen ähnlich aussehende Teile anderer wertloser Blüten, besonders von Kompositen, wie Ringel¬ blume und Saflor, die überdies noch häufig durch Mineralstoffe, wie Borax, Schwerspat usw., beschwert werden. Ihr Nachweis bietet dem Chemiker keine Schwierigkeit dar , aber auch der Laie kann sich durch eine leicht ausführbare Vorprobe ein ungefähres Urteil verschaffen. Verstäubt er eine kleine Probe auf einem mit Wasser bedeckten Teller, so umgibt sich jedes echte Safranteilchen mit einem rein gelben Hof, während Verfälschungsmittel farblos bleiben oder eine andere Farbe an¬ nehmen. In gleicher Weise zeigen auf konzentrierter Schwefelsäure ver¬ stäubte Safranpartikel blaue Strömchen Von den im Untersuchungsamte entdeckten Falsifikaten bestand das interessanteste aus künstlich gefärbtem und parfümiertem Kochsalz, während eine andere Probe neben etwas wirklichem Safran vorwiegend Saflor und gemahlenes Sandelholz enthielt. Die Menge des letzteren kann durch Ermittelung des Rohfasergehaltes annähernd bestimmt werden.

Die Macis, d. i. der Samenmantel der echten Muskatnufs, welcher auch wohl Muskatblüte genannt wird, erhält vielfach Beimischungen von Maismehl und gemahlenem Zwieback, also offenbaren Verfälschungs¬ mitteln, welche jeder Richter als solche beurteilt. Schwieriger ist hin¬ gegen der Kampf gegen einen anderen Zusatz, welchen ich hauptsächlich als Beispiel für das Raffinement erwähne, mit welchem heutzutage Um¬ gehungen des Gesetzes versucht werden. Wie bei den meisten Kultur¬ pflanzen gibt es auch beim Muskatbaum wildwachsende Varietäten, welche neben ähnlichem Habitus auch ganz analog geformte Früchte und einen gleich aussehenden Samenmantel besitzen. Der Unterschied ist nur der, dafs dieser Samenmantel kein Aroma hat und als Würzstoff ganz wertlos ist; er verhält sich zum echten, wie etwa ein Holzapfel zum Apfel oder eine Schlehe zur Pflaume. Der Zusatz dieses Stoffes, für welchen man den schönen Namen „Bombay- Macis“ erfunden hat, bedeutet zweifellos eine Verschlechterung, d. h. eine Verfälschung der echten oder „Banda- Macis“; aber der Verkauf verfälschter Nahrungsmittel ist ja nur strafbar, wenn er unter Verschweigung dieses Umstandes erfolgt. Also wird der Zusatz deklariert und auf der Verpackung die Inschrift: „Reingemahlene Macisblumen aus Banda- und Bombay -Macis“ angebracht. Nun weifs zwar kein Konsument, dafs Bombay- Macis völlig wertlos ist; für den

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Fall aber, dafs doch einer mifstrauisch werden sollte, dient die weitere Angabe „Garantie für Reinheit“ zur Beruhigung. Trotzdem hier nach diesseitiger Ansicht das typische Beispiel einer zur Täuschung geeigneten Bezeichnung vorlag und das Schöffengericht sich dieser Auffassung anschlofs , hat das Kgl. Landgericht die Deklaration als ausreichend erachtet.

Zahlreiche andere Gewürze wie Piment, Nelken, Paprika wurden angetroffen, welche durch Extraktion ihres ätherischen Öles beraubt waren, und der Umstand, dafs mehr als 100 zum Teil ganz grob ver¬ fälschte Gewürze beanstandet werden mufsten, läfst erkennen, welche Zustände auf diesem Gebiete früher geherrscht haben mögen.

Es bleibt mir nun noch die Aufgabe, mit wenigen Worten auf die bei Untersuchung der alkoholischen Getränke gemachten Erfahrungen ein¬ zugehen. Beim Branntwein hat die Entnahme von 198 Proben den Er¬ folg gehabt, den Gebrauch der sog. Branntweinschärfen oder Ver¬ stärkungsessenzen zu beseitigen. Die billigeren Schnäpse, welche meist nichts als verdünnten Spiritus darstellen, und deren Wert lediglich von ihrem Alkoholgehalte abhängt, wurden vielfach mit scharf schmeckenden Pflanzenauszügen von Paprika, Pfeffer u. a. vermischt, um durch das ver¬ ursachte Kratzen im Halse den Trinker in den Glauben zu versetzen, dafs er einen recht kräftigen Branntwein erhalte. Hier lag natürlich die Vor¬ täuschung einer besseren Beschaffenheit vor, welche von den Gerichten als Verfälschung beurteilt worden ist.

Im Gegensatz zu diesem Erfolge haben sich die Verhältnisse im Ver¬ kehr mit Kognak, Rum und anderen Qualitätsbranntweinen im Laufe der Jahre immer weiter verschlechtert. Der normale Begriff des Kognaks insbesondere hat sich gänzlich verschoben, und von einem „reinen Wein¬ destillat“ ist diese Perle der Schnäpse zu einem „mit Hilfe von Wein¬ destillat hergestellten Trinkbranntweine“ herabgesunken, d.h. in vielen Fällen nichts als ein aromatisierter, gelb gefärbter Kartoffelspiritus. Da kann es denn nicht wunder nehmen, dafs die Fabrikation auf kaltem Wege, d. h. aus künstlichen Essenzen, zusehends Boden gewinnt. In vielen Schau¬ fenstern hiesiger Geschäfte finden sich Reklameplakate Berliner Firmen ausgehängt, nach welchen jedermann durch Zusatz von einer Flasche Essenz drei Liter Sprit in feinen französischen Kognak verwandeln kann, und dafs solche Produkte zur Herstellung von Kognak tatsächlich Verwendung finden, haben wir mehrfach feststellen können. Trotzdem wurde von einem amtlichen Einschreiten gegen derartige, nach unserer Überzeugung als nachgemacht zu beurteilende Erzeugnisse abgesehen, weil der Erfolg bei der Stellungnahme zahlreicher Sachverständiger und der durch sie beeinflufsten Rechtsprechung sehr problematisch erschien. Aufserdem liegt die Abstellung des beregten Übelstandes weit mehr im Interesse der Fabri¬ kanten selbst als der Gesundheitspflege, so dafs den ersteren unbedenklich die Initiative überlassen werden kann.

Bei dem Nationalgetränk der Deutschen hat das Untersuchungsamt, um zunächst einen Überblick über die Dresdner Bierverhältnisse zu ge¬ winnen, im Jahre 1899 sämtliche hier zum Ausschank gelangende Biere einer eingehenden Analyse unterzogen. Es waren das überraschenderweise nicht weniger als 157 verschiedene Sorten, nämlich 45 einfache Biere, 5 andere obergärige Biere, wie Berliner Weifse, Gose, Grätzer, Lichtenhainer, 18 Lager¬ biere, 9 Biere nach böhmischer und 19 nach bayrischer Art, 10 echte böh-

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mische, 29 echte bayrische Biere, 7 hiesige Bock- und Märzenbiere, 8 Porter¬ und Gesundheitsbiere. Während die einfachen Biere bei einem Alkohol¬ gehalt von 0,8 2°/o 4 6°/0 Stammwürze enthielten, waren die entsprechen¬ den Zahlen bei Lagerbier: 31/2°/0 Alkohol und 11 12 °/0 Stammwürze, bei böhmischen Bieren d1/^ Alkohol und 10 12°/0 Stammwürze und bei den echten Münchner Bieren 3l/2 41/2° j0 Alkohol und 13 15 °/0 Stamm¬ würze. Als schwerste Getränke folgen schliefslich die echten Kulmbacher und die Biere nach Kulmbacher Art, welche bei 14 17°/0 Stammwürze nicht weniger als 4 5°/0 Alkohol enthalten. Wenn ich endlich noch die obergärigen Biere erwähne: Berliner Weifse 1,96 °/0 Alkohol (5,89°/o Stamm¬ würze), Grätzer 2,21 (7.34), Lichtenhainer 2,37 (8,51), Döllnitzer Gose 2,44 (8,21), Zerbster Bitterbier 2,78 (12,37) und Köstritzer Schwarzbier 3,36°/o Alkohol, so geschieht dies nur, um zu zeigen, dafs wir auch in diesen als durchaus harmlos geltenden Getränken ganz hübsche Mengen Alkohol zu uns nehmen. Zu einer Beanstandung gab keine der untersuchten Proben Anlafs, da nicht nur die bayrischen Biere in vorschriftsmäfsiger Weise lediglich aus Hopfen und Malz hergestellt waren, sondern auch die in Dresden erzeugten sich als frei von Surrogaten erwiesen, trotzdem hier im Reichsbrausteuergebiete die Verwendung von Ersatzmitteln des Malzes, wie Stärke, Reis, Mais und Zucker, durchaus erlaubt ist. Bei dieser Sach¬ lage würde der Erlafs eines allgemeinen Surrogatverbotes, welchem die süddeutschen Biere ihren hohen Ruf im Auslande verdanken, auch bei uns auf keine nennenswerten Schwierigkeiten stofsen, und in der Tat haben die gröfseren sächsischen Brauereien sich mit einer solchen Mafsnahme durch¬ aus einverstanden erklärt.

Wenn bei den geschilderten Verhältnissen von einer Überwachung der Schankbiere vollständig abgesehen werden konnte, so machten einige Spe¬ zialitäten von Flaschenbieren der Nahrungsmittelkontrolle dafür um so gröfsere Arbeit. In erster Linie ist hier des Mifsbrauchs zu gedenken, dafs die kleineren Winkelbrauereien ganz gewöhnliche mit Zucker versüfste einfache Biere unter hochtrabenden Namen wie Malzextrakt-Gesund¬ heitsbier u. a., vielfach sogar in mit dem roten Sanitätskreuz geschmückten Flaschen verkauften, trotzdem derartige Bezeichnungen in dem Publikum natürlich ganz falsche Vorstellungen erregen mufsten. Erst seitdem das Kgl. Landgericht im Sinne der vom Untersuchungsamt vertretenen Auf¬ fassung entschieden hat, dafs unter Malzbieren nur besonders malzreiche, unter Ausschlufs von Surrogaten hergestellte Biere verstanden werden, ist dieser Unfug, durch welchen besonders die ärmeren Leute geschädigt wurden, aufgegeben worden.

Weniger günstig hat die Nahrungsmittelkontrolle mit ihrem Einschreiten gegen die im hiesigen Handel befindlichen saccharinhaltigen Biere abgeschnitten. Nach dem Gesetz vom 15. Juli 1898 war bekanntlich die Verwendung künstlicher Süfsstoffe bei der Herstellung von Bier verboten; ein besonders gewiegter Fabrikant fand aber einen Ausweg zur Umgehung des Gesetzes, indem er nicht einfachem Bier, sondern einem Gemisch von Kulmbacher Bier und Wasser eine saccharinhaltige Zuckerkuleur zusetzte. Im Gegensatz zu der Ansicht, dafs auch für solche Gebräue nach der Ab¬ sicht des Gesetzgebers Saccharin verboten sein sollte, schlofs das Gericht sich dem Gutachten anderer Sachverständigen an und erklärte diese Ge¬ tränke nicht für Bier, sondern für bierähnlich und den Saccharinzusatz somit für erlaubt. Die Folge war, dafs der Erfinder dieser „bierähnlichen

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Getränke“ kolossale Geschäfte machte und in einem Jahre zirka 60000 Fla¬ schen zum Preise von 150000 Mark verkaufte; aber ganz vergeblich ist der Kampf doch nicht gewesen, denn diese Erzeugnisse haben wesentlich zum Erlafs des neuen Süfsstoffgesetzes mit beigetragen, das sich hoffentlich als wirksamer erweisen wird.

Von weiteren wichtigen Entscheidungen der hiesigen Gerichte erwähne ich noch das vom Oberlandesgericht bestätigte Urteil der 4. Strafkammer, durch welches ein auswärtiger Hotelbesitzer zu 300 Mark Geldstrafe ver¬ urteilt wurde, weil er dem frischen Stoff Tropf- und Restbier zugesetzt hatte. So selbstverständlich jedem Biertrinker die Unzulässigkeit einer derartigen ekelhaften Manipulation erscheinen wird, bedurfte es doch einer eingehenden chemischen Begründung, um den Einwänden der Verteidigung gegenüber die Verfälschung darzutun. Alles in allem wurden seit der Gründung des Amtes 273 Biere untersucht und 62 beanstandet.

Die Untersuchung von Wein, welche zur Beanstandung von 29 unter 95 eingelieferten Proben führte, bat durchschlagende Erfolge nicht gezeitigt, weil es zur Zeit kaum möglich ist, ein geschickt dargestelltes Kunstprodukt auf chemischem Wege zu erkennen. Es mufs daher abgewartet werden, ob die durch das neue Weingesetz eingeführte Kellerkontrolle Besserung herbeizuführen vermag.

Wenn ich hiermit meine Ausführungen beschliefse, so bin ich mir der Lückenhaftigkeit derselben wohl bewufst, aber ich hoffe, doch wenigstens einen ungefähren Überblick über das Wesen und die Bestrebungen der Dresdner Nahrungsmittelkontrolle gegeben zu haben. Zweifellos bleibt noch gar manches zu tun übrig, denn nur die gröbsten Verfälschungen konnten bis jetzt beseitigt werden. Aber es ist doch andererseits auch zu berück¬ sichtigen, dafs das Untersuchungsamt erst sieben Jahre besteht und jede Überhastung und Nervosität vermeiden mufs. Einflufsreiche Gegner setzen jedem weiteren Vordringen der behördlichen Fürsorge für den Lebens¬ mittelverkehr zähen Widerstand entgegen, seien es nun Kreise der Land¬ wirtschaft, wenn es sich um die Regelung der Milchversorgung handelt, seien es Angehörige des Handels, wenn eine Beschränkung des Verkehrs mit gangbaren Handelsartikeln, oder Vertreter der Industrie, sobald die Bekämpfung eingerissener Fabrikationsmifsbräucbe in Frage kommt. Schritt für Schritt mufs daher neues Terrain erkämpft und das eroberte fest¬ gehalten werden, denn in der Sympathie des Publikums, in dessen Interesse die Nahrungsmittelkontrolle tätig ist, findet sie kaum irgend welchen Rück¬ halt. Vielmehr steht die grofse Masse der Konsumenten ihren Bestrebungen gleichgültig und verständnislos gegenüber. Sie mufs sich daher trösten mit dem Bewufstsein, dafs sie dieses Odium mit allen Zweigen und Be¬ strebungen der Gesundheitspflege, welche alt eingewurzelte Gewohnheiten zu beseitigen suchen, teilt. Sie mufs unbekümmert um Lob oder Tadel ihren Weg gehen, stets nach dem Grundsätze: Zum Wolile der All¬ gemeinheit!

VIII. Über neolithische Ansiedelungen in der Umgebung

yon Lommatzsch.

Von J. Hottenroth in Gersdorf.

Seit drei Jahren durchsuche ich die Umgegend von Lommatzsch nach neolithischen Altertümern. Es ist mir bei meinen Streifzügen bisher ge¬ lungen, vier Ansiedelungen der jüngeren Steinzeit mit Bestimmtheit fest¬ zustellen, wenigstens glaube ich bei zahlreichen Funden von Scherben mit Stichband- und Linearbandornamenten, Steinbeilen und Feuersteinartefakten von Bestimmtheit reden zu dürfen.

Es sind dies die Herdstellen bei Birmenitz, Jessen, Mettel witz und Mertitz. An vier anderen Orten sind von Feldbesitzern und mir ebenfalls verschiedene Funde gemacht worden, die vermuten lassen, dafs an den betreffenden Stellen auch Niederlassungen waren; nur habe ich dort noch nicht die oben erwähnten Beste der Bandkeramik auffinden können, die solche Stätten erst sicher als neolithische Herdstellen kenn¬ zeichnen. Die hier in Frage kommenden Fundstellen liegen auf den Fluren von Neckanitz, Poititz, Schwochau und Mettelwitz, letztere ca. 800 m südlich von den schon oben erwähnten Herdstellen I in Mettel¬ witz und ca. 200 m südöstlich von denen bei Mertitz.

Am ergiebigsten war bisher die Niederlassung hei Birmenitz. Die¬ selbe zieht sich westlich des Dorfes auf beiden Seiten des Fufsweges nach Lützschnitz auf einem mäfsig hohen Hügel hin. Yon Ost nach West be¬ trägt ihre Ausdehnung ca. 800 m, von Süden nach Norden ca. 500 m. Auf allen Seiten wird sie von sumpfigen Niederungen umgeben, die reich an Quellen sind. Die Nähe von Quellen scheint überhaupt dem neo¬ lithischen Menschen bei Wahl eines Wohnplatzes die erste Bedingung ge¬ wesen zu sein, denn auch alle die andern von mir aufgefundenen Nieder¬ lassungen liegen in unmittelbarer Nähe von solchen.

Im Süden und Westen unserer Herdstellen finden wir den wasser¬ reichen „Schieritz“, im Osten und Norden das Birmenitzer Wässerchen. Der einzige Zugang ist im Südosten gelegen, nach der uralten Strafse hin, die von Zwenkau, Grimma, Schrebitz über den Querwall auf dem Burgberg zu Zschaitz nach Lommatzsch führt. Vielleicht reichen die Uranfänge dieses Weges bis in die Steinzeit zurück.

Nach der sichtbaren Brandasche konnte Professor Dr. J. Deich - müller Ostern 1903 in Birmenitz 18 Herdgruben feststellen. Seitdem sind aber mindestens noch 15 bis 20 andere sichtbar geworden.

Bisher hat man auf den Feldern bei Birmenitz sieben vollständige Steingeräte mit Schaftloch aufgesammelt, von denen zwei gut erhaltene

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Exemplare in meinem Besitze sind. Aufserdem habe ich von hier noch sechs Hälften und eine Anzahl kleinerer Bruchstücke solcher Geräte, die die drei bekannten Typen zeigen: beilförmig, das Schaftloch nahe dem breiten Ende; hammerartig mit breiterer Schneide und Schaftloch in der Mitte; hammerförmig mit beiderseits abgerundeten Enden und Schaftloch in der Mitte.

Sehr häufig sind Beile ohne Bohrung. Ich besitze von Birmenitz 7 sehr gut erhaltene und 14 mehr oder weniger beschädigte Exemplare. Merkwürdig ist, dafs die kleinen, zungenförmigen Beilchen, die in anderen Niederlassungen so häufig gefunden werden, hier fast gar nicht Vorkommen. Die Birmenitzer Flachbeile sind fast alle über 10 cm lang und entsprechend breit. Ich besitze eins, welches sogar 24 cm lang und 9 cm breit ist. Man könnte auch hier drei Typen unterscheiden : Beile mit einer abgerundeten und einer ebenen Seitenfläche, die quer zum Schafte befestigt wurden (Hacken); Beile, die auf beiden Seitenflächen flach gewölbt sind; dicke, meifsel- förmige Beile.

Alle die bisher erwähnten Artefakte sind aus Amphibolschiefer ge¬ arbeitet, mit Ausnahme eines sehr grofsen Beiles mit Bohrung, welches aus feinkörniger Grauwacke besteht, eines Bruchteiles von einem sog. Schuh¬ leisten, der aus Basalt, und des eben erwähnten sehr grofsen Flach¬ beiles, das aus quarziger Grauwacke hergestellt worden ist.

Reich ist in Birmenitz auch die Ausbeute an Feuersteinartefakten, namentlich an Feuersteinspänen. Besonders erwähnt soll nur ein solcher sein, der völlig unversehrt aufgefunden wurde und der eine Länge von 12 cm besitzt. Beim Absuchen der Felder fand ich im Frühjahre 1903 auch eine sehr schön gearbeitete und sehr gut erhaltene Pfeilspitze von Feuerstein.

Behausteine, oft sehr sorgsam bearbeitet, sind nicht selten, ebenso Reibschalen. Michaelis 1903 habe ich eine solche geborgen, die aus einem erratischen Granitblock gefertigt ist. Trotzdem, dafs Teile davon abgebrochen sind, hat sie noch immer ein Gewicht von 40 kg.

An sonstigen Funden, die in Birmenitz gemacht worden sind, seien noch angeführt: ein Steinmeifsel, vortrefflich erhalten, zwei Spinnwirtel und ein Zahn eines Wildpferdes.

Reich ist natürlich hier auch die Ausbeute an Gefäfsresten, namentlich an solchen mit Stichband- und Linearbandornamenten. Eigentümlich ist, dafs map neben den Resten von Bandkeramik stets Scherben findet, die grofse Ähnlichkeit mit Bruchstücken von Urnen des Lausitzer Typus haben. Sie sind dick und aus einem groben, mit Quarzstücken ver¬ mischten Material hergestellt. Alle entstammen aufserordentlich grofsen Gefäfsen. Ich habe dieselbe Erscheinung auch in andern Herdstellen, namentlich in denen von Mettelwitz und Mertitz beobachtet. Meiner Ansicht nach wenn ich als Laie überhaupt über solche Dinge eine Ansicht aussprechen darf gehören auch diese Bruchstücke der Steinzeit an, und zwar halte ich sie für Reste von Vorratsgefäfsen, während die dünnwandigen, aus schwarzgefärbtem, feingeschlemmtem Ton hergestellten, mit Bandornamenten verzierten Scherben von Töpfen stammen, die zum täglichen Gebrauch bestimmt waren.

Interessant sind mir besonders die in Birmenitz häufigen Henkel¬ fragmente der neolithischen Gefäfse, welche die verschiedensten Formen zeigen.

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Die Jessener Herdstelien liegen westlich des Dorfes an der Strafse Jessen -Wauden. Sie reichen im Westen bis an ein kleines Quellflüfschen, das auf Pitschützer Flur in die Köppritz mündet. Im Osten wurden sie jedenfalls früher von dem Jessener Wässerchen begrenzt. Jetzt steht auf ihrem östlichen Flügel ein Teil des Dorfes Jessen.

Auch diese Niederlassung ist bisher sehr ergiebig gewesen. Von hier besitzt das Kgl. Prähistorische Museum in Dresden einige Funde von Steingeräten. Ich habe von Jessen vier Steinbeile mit Schaftloch; merk¬ würdiger Weise ist bei dreien die Bohrung nicht vollständig durch¬ geführt. Zahlreiche Flecken von Brandasche waren auch hier im Herbste 1903 sichtbar.

Die Niederlassung I bei Mettelwitz zieht sich auf einer kleinen An¬ höhe hin, ca. 100 m vom Ketzerbache (Lommatzsch) entfernt. Jetzt wird sie von der Strafse Rafslitz-Zöthain durchschnitten. Im Süden begrenzt sie die Strafse Mertitz-Mettelwitz. Vereinzelte Hütten müssen auch auf dem Felsen gestanden haben, auf dem später die Zöthainer Schanze errichtet wurde, denn dort oben wurden ein Steinbeil mit halbfertiger Bohrung, zwei guterhaltene Flachbeile und zahlreiche Feuersteinspäne gefunden. Flecken von Brandasche sind in der Mettelwitzer Niederlassung nicht mehr sichtbar. Ziemlich häufig sind aber Scherben mit Bandornamenten. Hier zeigt sich dieselbe Erscheinung wie in Birmenitz, dafs sich neben dünnwandigen Bruch¬ stücken dicke, grobe Scherben finden, die man für Teile von Lausitzer Urnen halten könnte. Yor allem habe ich auch hier sehr schöne Henkel¬ fragmente von den verschiedensten Formen gefunden. Bisher sind mir folgende Typen vorgekommen: Warze oder Doppelwarze, Zitze, Nase, Buckel und Doppelbuckel, abgestumpfter Kegel, Knopf, Schnuröse und Bogenhenkel; andere sind dadurch hergestellt, dafs in die noch feuchten Topfwände mit Zeigefinger und Daumen zwei Eindrücke gemacht wurden, zwischen denen ein kleiner Wall steht. Vielfach ist die Gefäfswand zum Durchziehen einer Schnur durchbohrt worden. Die Ausbeute an Stein waffen war etwas dürftig, was auch nicht zu verwundern ist, da der Lommatzscher Bauer eine Ehre darin sucht, seine Felder soviel als möglich steinfrei zu machen. Darum läfst er jedes Frühjahr eine grofse Razzia auf alles Feldgerölle abhalten. Mit diesem werden natürlich auch alle Stein¬ artefakte abgelesen und mit zur Ausbesserung der Feldwege benutzt, wo sie dann ein schmähliches Ende finden. Im günstigsten Falle wandert ein besonders auffallendes Stück auf das Scheunenfenster eines Bauern¬ hofes, wo es verstaubt und schliefslich verloren geht. Die vielen Funde in Birmenitz und Jessen verdanke ich nur dem sehr tiefen Umarbeiten der dortigen Fluren.

Auf der Mettelwitzer Niederlassung habe ich gefunden aufser den schon erwähnten Artefakten von der Zötheiner Schanze: zwei Hälften von Beilen mit Schaftloch, fünf vollständige, kleine Flachbeile, ein grofses, etwas defektes Flachbeil, verschiedene Bruchstücke von Beilen mit und ohne Schaftloch und einen Spinnwirtel.

Südlich schliefsen sich nun an die Mettelwitzer Herdstellen, nur durch den Hohlweg getrennt, in welchem die Strafse Mertitz -Mettelwitz hinführt, die von Mertitz an. Da dieser Hohlweg jedenfalls erst in späterer Zeit hergestellt worden ist, so könnte man vielleicht die Mertitzer Niederlassung als eine Fortsetzung der Mettelwitzer ansehen. Sie zieht sich auf dem Ostabhange der quellenreichen Mertitzer „Gebind“ hin.

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Im Südosten, vielleicht 200 m von ihr entfernt, liegt die Mettelwitzer Niederlassung II. Auch sie hat offenbar früher im Zusammenhänge mit der von Mertitz gestanden, obwohl sich dieser Zusammenhang jetzt nicht mehr nachweisen läfst. Sehen wir die Wohnplätze Mettelwitz I, Mertitz und Mettelwitz II als zusammengehörig an, so erhalten wir eine Nieder¬ lassung von ca. 1000 m im Durchmesser.

In Mertitz waren Michaelis 1903 eine grofse Anzahl von Brandflecken sichtbar. Beim Ausgraben einiger derselben habe ich etliche der charak¬ teristischen Herdstellenscherben, ebenso wieder die unvermeidlichen dick¬ wandigen Bruchstücke sehr grofser Urnen gefunden. Steinwaffen sind hier, aufs er Feuersteinspänen und einem kleinen Stücke eines Flachbeiles aus Hornblendeschiefer, noch nicht aufzufinden gewesen.

In der Niederlassung Mettelwitz II, die, wie schon oben erwähnt, 200 m weiter südöstlich liegt, fand man 1902 zwei guterhaltene Beile mit Schaftloch. Ich habe von dorther einen Spinnwirtel, der sich durch Gestalt und Material wesentlich von den slavischen Spinnwirteln der Zöthainer Schanze unterscheidet.

Bei Schwochau zeigen sich auch an verschiedenen Stellen Brand¬ flecken. Auch werden hier oft Steinwaffen gefunden; ich selbst besitze von dort zwei vollständige Beile mit Schaftloch. Ob die Brandflecken aber von Herdstellen herrühren, mufs erst noch festgestellt werden.

Die Poititzer neolithische Niederlassung liegt auf dem linken Tal¬ gehänge des Köppritzb achtes. Sie zieht sich von dem Poititzer Stein¬ bruche bis an das Dorf Pitschütz. Ich habe hier zwar noch nicht Spuren von Bandkeramik aufgefunden, aber doch zwei Henkelstücke, die Hofrat Professor Dr. Deichmüller als bestimmt steinzeitlich bezeichnete. Aufser- dem habe ich von hier ein sehr breites, gut erhaltenes Flachbeil und zwei Feuersteinkerne (Nuclei). Der Besitzer der Herdstelle erzählte mir, dafs hier beim Zustürzen einer alten Sandgrube Steinbeile mit Schaftloch sehr häufig gefunden worden seien; leider haben preufsische Ernteknechte die¬ selben als Wetzsteine mit in ihre Heimat genommen.

Auf dem Kirschberge bei Neckanitz werden jetzt neuerdings auch öfters Funde gemacht, die darauf schliefsen lassen, dafs sich dort Herd¬ gruben befinden. Ich habe am Abhange desselben eine gut gearbeitete Pfeilspitze und einen vollständigen Span aus Feuerstein aufgelesen. Der Besitzer des Kirschberges schenkte mir Michaelis 1903 ein sehr gut er¬ haltenes Beil mit Schaftloch, welches er kurz vorher dort gefunden hatte; die Hälfte eines anderen hatte er als wertlos zur Seite geworfen, sie war leider nicht mehr aufzufinden. Von einem angrenzenden Felde erhielt ich vor kurzem die Hälfte eines Beiles mit Schaftloch. Es fehlen nur noch die Herdstellenscherben, die aber, wie ich bestimmt glaube, sich auch noch finden werden.

Zum Schlüsse seien nur noch alle die neolithischen Artefakte aus der Umgegend von Lommatzsch angeführt, die ich seit Ostern 1900 entweder erhalten oder selbst aufgefunden habe. Es sind dies, aufser zahlreichen Gefäfsscherben: 13 vollständige oder nur sehr wenig beschädigte Beile mit Schaftloch (darunter 4 mit angefangener Bohrung), 8 Hälften von Beilen mit Schaftloch, 15 vollständige und 20 mehr oder weniger defekte Flach¬ beile, 1 sehr gut erhaltener Steinmeifsel, 2 gut erhaltene Pfeilspitzen von Feuerstein, 2 vollständige Feuersteinspäne und ca. 100 Bruchstücke von solchen, 5 Nuclei, 5 Behausteine, 2 Spinnwirtel.

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Aufserdem kenne ich noch die Besitzer von 11 Steinbeilen mit Schaft¬ loch. Sämtliche Steinbeile sind mit Ausnahme der wenigen oben angeführten aus Hornblendeschiefer.

Aus alledem geht wohl zur Genüge hervor, dafs die Lommatzscher Pflege zur jüngeren Steinzeit schon ziemlich dicht bevölkert gewesen sein mufs, und dafs ein wissenschaftliches Durchforschen derselben von be¬ rufeneren Kräften als ich uns sicher noch manchen wertvollen Aufschlufs über dies dunkle prähistorische Zeitalter verschaffen wird.

IX. Bemerkungen zu tertiären Pflauzenresten von Eönigsgnad.

Von H. Engelhardt.

Eine gröfsere Anzahl tertiärer in einem mürben, weil sehr sandigen, grauen mit einer Menge winziger Glimmerblättchen durchzogenen Mergel eingebettete Pflanzenreste, welche das Senckenbergische Museum zu Frank¬ furt a. M. in sich birgt, kamen mir durch die Freundlichkeit des Herrn Prof. Dr. Kinkelin zur Bestimmung zu. Sie stammen von dem Dorfe Königsgnad in Ungarn (Komitat Krasso) und sind der oberen Abteilung der Congerienschichten entlehnt, also dem unteren Pliocän (Pontische oder Pannonische Stufe) zugehörig. Da ich dieses Vorkommen in der phyto- paläontologischen Literatur nirgends erwähnt gefunden habe, bin ich ge¬ neigt, anzunehmen, dafs wir es hier mit einem neuen Fundort von fossilen Pflanzenresten zu tun haben, was mich bewegt, einige Worte über das Material niederzulegen.

Pilze.

Sphaeria fici Heer.

Heer: PL d. Schw. III, S. 146, Taf. 142. Pig. 25.

Die Perithecien sind schwarz, in der Mitte heller, klein, punktförmig, auf dem Blatte zerstreut.

Auf einem Blattstücke von Ficus tiliaefolia Al. Br. sp. fand sich dieser Pilz in gröfserer Anzahl vor und zwar so, wie es Heer auf dem Schweizer Fetzen beobachten konnte, sowohl auf Nerven als Parenchym. Unter der Lupe zeigten sich einzelne der Exemplare in der Mitte durchbohrt.

Familie der Gramineen B. Br.

Foacites laevis Al. Br.

Bit. s. Engelhardt: Himmelsberg, S. 258.

Der Halm ist 5 7 mm breit, die Stengelstücke sind lang, gestreift, die Blätter 4 6 mm breit, mit 7 12 ebenen Längsnerven versehen.

Es wurden von mir nur zwei kleinere Blattstücke vorgefunden.

Diese Art war bisher nur aus Oligocän und Miocän bekannt.

Familie der Taxodineen Schenk.

Glyptostrobus europaeus Brongn. sp.

Bit. s. Engelhardt: Dönje Tuzle, S. 483.

Die Blätter sind spitz, schuppenförmig, angedrückt, am Grunde herab¬ laufend, ungerippt, bisweilen linealisch abstehend.

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Das vorliegende Material ist ziemlich zahlreich, doch enthält es keine Spur von Zapfen oder Samen. Eine Reihe von Stücken ist vortrefflich erhalten, mehrere zeigen sich mehr oder weniger verwischt, was bei der Beschaffenheit des Gesteins nicht verwundern darf. U. a. seien hervor¬ gehoben ein langer dicker Ast mit gröfseren Blättern, ein Ast mit gröfserer Anzahl von Zweigen mit prächtig ausgeprägter Blattbildung, ein starker desgleichen mit wenigen, aber gut erhaltenen Zweigen, verästelte und nicht verästelte Zweigelchen.

Diese Art, welche wir fast durch das ganze Tertiär hindurchgehen sehen, hatte in diesem eine ungemein weite Verbreitung. Reste von ihr, die meist an den verschiedenen Lokalitäten zahlreich nachgewiesen werden konnten, besitzen wir aus Schichten der Nordpolargegenden, wo wohl ihr Ursprung zu suchen ist, wie aus solchen von verschiedenen Gegenden Deutschlands, Österreichs, Ungarns, Bosniens, der Schweiz, Frankreichs, Italiens, Griechenlands, ja auch von Nordasien und Nordamerika. Der heutzutage nur noch in sumpfigen Gebieten Chinas vorkommende Vertreter der Gattung Glyptostrobus , GL heterophyllus Endl., mufs nach der Ver¬ gleichung von Stengeln, Blättern, Früchten und Samen der fossilen und lebenden Art als identisch mit der tertiären betrachtet werden. Somit erlitt diese Gattung dasselbe Schicksal, das u. a. auch den Sequoien be- schieden war, infolge veränderter Daseinsbedingungen ihren ehemaligen weiten Verbreitungsbezirk bis auf ein Minimum in der Gegenwart zusammen¬ geschrumpft zu sehen.

Familie der Abietineen Rieh.

Pinus hepios Ung. sp.

Lit. s. Engelhardt: Dönje Tnzle, S. 480.

Die Nadeln stehen paarig, sind sehr lang, dünn, rinnig, die Scheide ist verlängert.

Nur ein Kurztrieb mit zwei dünnen Nadeln lag vor.

Menzel, dem ein reiches Vergleichungsmaterial zu Gebote stand, be¬ zeichnet unter diesem Namen nur die Kurztriebe mit zwei dünnen Nadeln, während er die mit dicken, welche bisher zu dieser Art gerechnet wurden, unter dem Namen Pinus laricioides zusammenfafst. (Vergl. Die Gymno¬ spermen d. nordböhm. Braunkohlenf. I, S. 66.)

Nach Menzel steht die jetztweltliche Pinus halepensis Milk, welche der Meditteranflora angehört, der fossilen Art, die vom Oligocän bis mit Pliocän nachgewiesen werden konnte, am nächsten.

Familie der Salicineen Rieh.

Populus latior Al. Br.

Lit. s. Engelhardt: Himmelsberg, S. 275.

Die Blätter sind lang gestielt, ziemlich kreisrund oder etwas rhombisch, am Grunde bald herzförmig, bald etwas gestutzt oder gerundet oder mehr oder weniger keilförmig, gezähnt, mit 3 5 Hauptnerven versehen.

Vorhanden waren in dem mir übersendeten Materiale ein mittelgrofses und ein halbes Blatt, dem ein weiteres unvollständiges angereiht werden konnte.

Über die Zugehörigkeit von Populus attenuata Al. Br. zu dieser Art habe ich mich in Himmelsberg S. 276 eingehend verbreitet.

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Verglichen wird die fossile Art, welche man aus Oligocän, Miocän und Pliocän kennt, mit der jetztweltlichen, dem gemäfsigten und warmen Nord¬ amerika angehörigen und zur Gruppe der Schwarzpappeln gehörigen Populus monilifera Ait. und P. canadensis Mich.

Populus balsamoides Göpp.

Göppert : Schofsnitz, S. 23, Taf. 15, Fig. 5, 6. Heer: FL d. Schw. II, S. 18, Tat. 59; Tat. 60, Fig. 1—3; Taf. 63, Fig. 5, 6; III, S. 173, Taf. 150, Fig. 11. Gaudin: Toscane, S. 29, Taf. 3, Fig. 1—5. Massalongo: Fl. Senigal , S. 246, Taf. 19, Fig. 4; Taf. 28, Fig. 1. Sismonda: Piemont, S. 419, Taf. 16, Fig. 3.

Syn. : Populus emorginata Göppert, Schofsnitz, S. 24, Taf. 15, Fig. 2 4. Populus eximia Göppert a. a 0., S. 23, Taf. 16, Fig. 3—5. Ainus Kefersteinii Ettingshausen, Heiligenkreuz, S. 5, Taf. 1, Fig. 6.

Die Blätter sind herzförmig- oder eiförmig-elliptisch, länger als breit; der Mittelnerv ist viel stärker als die seitlichen Hauptnerven.

Unser Material enthielt ein riesiges Blatt; ein ebensolches, aber am Rande verletztes; eins von mittlerer Gröfse mit langem Stiele; eins, dessen eine Hälfte umgeschlagen war, und ein kleines.

Die Blätter vergleicht Heer mit denen der jetztweltlichen in Nord¬ amerika und Asien heimischen, bei uns in Anlagen und Gärten angepflanzten Populus balsamifera L. Solche sind im Miocän und Pliocän Europas ge¬ funden worden, im nordamerikanischen Tertiär nur im Miocän.

Familie der Betulaceen Bartl.

Ainus Kefersteinii Göpp. sp.

Lit. s. Engelhardt: Tercij. fl. Bosne i Hercegovine, S. 447.

Die Blätter sind kurzgestielt, eirund oder länglich-eirund, die Spitze derselben ist stumpf oder zugespitzt, der Rand meist doppelt, doch auch einfach gesägt, der Grund zugerundet, bisweilen etwas herzförmig aus- gerandet; der Mittelnerv ist stark, die Seitennerven stehen weit auseinander, sind stark, entspringen unter spitzen Winkeln und sind randläufig.

Unser Material zeigte ein braungefärbtes Blatt mit ausgezeichnet erhaltener feinerer Nervatur, ein prächtig erhaltenes grofses, ein schmales am Grunde verletztes, ein weiteres, dem der Rand auf der einen Hälfte fehlt, eine wohlerhaltene Blatthälfte mit anschliefsendem Teile der anderen und eine Reihe bald mehr, bald weniger vollständig erhaltener Bruchstücke. Von den Blüten und Zäpfchen war keine Spur zu finden.

Die tertiäre Spezies ist mit der auf der nördlichen Halbkugel weit verbreiteten Ainus glutinosa Gärtn. zu vergleichen, ist in Nordamerika und an vielen Stellen Europas bis herab zum Mittelmeere gefunden worden und besitzt unzweifelhaft circumpolaren Ursprung. Ihr temporäres Aus¬ dehnungsgebiet umfafst die Zeit von Oligocän an bis in das Pliocän hinein.

Familie der Ulmaceen A.

Planem Ungeri Köv. sp.

Lit. s. Engelhardt: Himmelsberg, S. 272.

Die Blätter sind kurz gestielt, am Grunde meist ungleich, nur selten fast gleich, lanzettförmig, zugespitzt-oval, oder ei-lanzettförmig, der Rand ist gleichmäfsig gesägt, die Zähne sind grofs; die Seitennerven entspringen unter spitzen Winkeln und münden in die Zahnspitzen.

Es wurde nur ein Blatt gefunden, das, aus seiner Gröfse zu schliefsen, an einer Zweigspitze gesessen haben mag.

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Diese Pflanze besafs in der Tertiärzeit eine ungemein grofse Ver¬ breitung, konnte sie ja von den Polar- bis zu den Mittelmeerländern Europas an zahlreichen Lokalitäten nachgewiesen werden, dann auch in Nordamerika und Japan, was auf eine strahlenförmige Ausbreitung von Norden aus hindeutet. Jetzt ist die Planem Richardi Mich., welche ihr zunächst ver¬ wandt ist, auf Kaukasus, Nordpersien und das Südufer des Kaspisees beschränkt; es hat somit die Gattung dasselbe Schicksal erlebt, das manche ihrer Zeitgenossinnen mit ihr teilen müssen, ihr ehemaliges Terrain zur Zeit gewaltig verkleinert zu sehen. Die fossile Art fand sich schon zu Anfang des Oligocän vor und setzte sich im Miocän und Pliocän fort.

Familie der Moreen Endl.

Ficus tiliaefolia Al. Br. sp.

Lit. s. Engelhardt: Dönje Tuzle, S. 494.

Die Blätter sind gestielt, von grofsem Umfange, ganzrandig oder zer¬ streut wellig, herzförmig rund, ziemlich rund oder länglichrund, manch¬ mal zwei- oder dreilappig, gewöhnlich am Grunde ungleichseitig, an der Spitze gerundet oder kleinspitzig, bezüglich der 3 7 starken Hauptnerven handförmig; die Seitennerven sind stark, die Nervillen teils durchgehend, teils gebrochen.

Vorhanden waren aufser einem halben Blatte nur Bruchstücke, auf deren einem Sphaeria fici Heer zu sehen war.

Diese Art ist nicht in den Nordpolarländern gefunden worden, wohl aber an vielen Stellen Europas von der Ostsee bis zum Mittelmeere, auch, wenn gleich seltener, in Nordamerika. Ihre Blätter und auch eine in der Schweiz Vorgefundene und wahrscheinlich zu ihnen gehörige Frucht sind denen der Ficus nymphaefolia L., welche im tropischen Amerika zu Hause ist, so ähnlich, dafs Heer vermutet, die Beste der fossilen Art möchten einem ähnlichen Feigenbaum angehört haben. Nachgewiesen konnte sie werden im Oligocän, Miocän und Pliocän.

Familie der Rubiaceen Juss.

Gardenia Wetzleri Heer.

Heer: Fl. d Sch w. III, S. 139, Taf. 141, Fig. 81— 103. Derselbe: Bovey- Tracey, S. 51, Taf. 18, Fig. 1—8 Derselbe: Balt. Fl., S. 39, Taf. 9, Fig 12—32.

Syn.: Passiflora Braunii Ludwig, Palaeont. VIII, S. 124, Taf. 48, Fig. 1 16. Passiflora pomaria Poppe, Jahrbuch 1866, S 52, Taf. 1, Fig. 1 7. Gardenia pomaria Engelhardt, Braunk. v. Sachsen, S. 41, Taf. 12, Fig. 12, 13.

Die Frucht ist holzig, länglich-oval oder ei -lanzettförmig, schwach gerippt und vielstreifig, vielsamig, die Samen sind schwarzbraun, glänzend, mit spiraligen Streifen versehen.

Eine Frucht ist vorhanden, welche eine Menge dicht zusammengedrängter Samen enthält. Diese befinden sich nicht mehr im ursprünglichen, sondern im wirklich versteinerten Zustande, insofern sie in sandigen Mergel um¬ gewandelt sind, daher auch nicht dunkel, sondern hell erscheinen. In Hinsicht auf ihre Gröfse sei hervorgehoben, dafs sie denen von Bovey- Tracey gleichen.

Heer vergleicht die fossilen Früchte mit denen der Gardenia lutea Höchst, von Abessinien. Man hat sie meist in oligocänen Schichten ange¬ troffen, doch auch in den obermiocänen Mergeln von Günzburg, während unsere Frucht zum ersten Male zeigt, dafs sie auch einer noch späteren Zeit angehörte.

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Familie der Papilionaceen Endl.

Cassia hyperhorea Ung.

Lit. s. Engelhardt: Dönje Tüzle, S. 519.

Die Blättchen sind häutig, gestielt, ei-lanzettförmig, zugespitzt; der Mittelnerv ist stark, die Seitennerven sind sehr fein, gebogen.

Zwei Blättchen waren vorhanden.

Diese Blättchen, welche jedenfalls mit denen von Cassia Berenices Ung. zu vereinigen sind, werden mit solchen der C. laevigata Willd. aus dem heifsen Amerika verglichen. Sie finden sich vom Oligocän bis mit Pliocän vor.

Werfen wir nun noch einen Blick auf die Gesamtheit der Reste, so finden wir nicht eine einzige Leitpflanze vor. Alle ( Sphaeria fici Heer schliefsen wir bei dieser Betrachtung aus) zeigen sich bereits im Oligocän und dauern fort bis ins Pliocän hinein, teilweise darüber hinaus; nur Populus balsamoides Göpp. weist uns darauf hin, dafs wir bei Alters¬ bestimmung nicht an das Oligocän zu denken haben. Damit sind die Pflanzen, von denen die Reste stammen, zugleich als solche charakterisiert, welche eine gewisse Unempfindlichkeit gegen allmählich absteigende Ver¬ änderungen in Bezug auf Einwirkung der Wärme zeigten und daher neuen Verhältnissen sich anzubequemen imstande waren, sonst hätten sie nicht vermocht, von älterer Stufe aus zu darauf folgenden jüngeren fortzu¬ schreiten.

Von anderem Gesichtspunkte aus betrachtet, weist die Mehrzahl der Reste auf Pflanzen der gemäfsigten Zone hin, während andere Vertretern der Tropen und Subtropen zuzuweisen sind, was wohl darauf hindeuten dürfte, dafs die Sommer nicht zu heifs, die Winter mild sein mochten, ein Verhältnis, wie wir es jetzt da vorfinden, wo gröfsere Wassermassen mit dem Lande in Berührung treten. Und dafs zur Zeit der pontischen Stufe ein solches stattgefunden hat, haben uns die Geologen aufs deut¬ lichste klargelegt.

Die geringe Zahl der Pflanzenarten, welche bisher von unserer Lokalität nachzuweisen war, ist Ursache, dafs eine genauere Bestimmung der Zeit, in welcher sie existierten, von ihnen aus nicht zu geben ist; dafür aber haben dies die Lagerung der Einbettungsschicht samt ihren tierischen Einschlüssen zu erzielen vermocht.

X. Mitteilungen über botanische Reisen 1899 lind 1903

in Ostpreufsen*).

Von Dr. Oskar Drude.

Das weitgedehnte Land zwischen den mächtigen Strömen der Weichsel und der Memel verdient in mehr als einer Hinsicht die Aufmerksamkeit deutscher Naturforscher und verdient auch weit mehr als bisher von solchen bereist zu werden, die mit geographischem Sinn ein offenes Auge für den Reiz so ganz verschiedenartiger Landschaften von der baltischen und Nordsee¬ küste über die mitteldeutschen Berge hinaus bis zu den Gipfeln der deutschen Alpen verbinden.

Ich lernte Ostpreufsen zuerst Ende Mai 1899 kennen, als ich dort auf der Rückreise von St. Petersburg kurze Zeit verweilte und besonders einige ergiebige Exkursionen unter Führung von Dr. J. Abromeit in den Wäldern und Mooren um Insterburg machte. Das Bedürfnis, die flüchtige Bekannt¬ schaft jener Zeit zum Zwecke einschlägiger Fragen in der Bearbeitung des 2. Bandes von „Deutschlands Pflanzengeographie“ zu befestigen und zu erweitern, veranlafste mich zu einer ausgedehnteren Sommerreise in diesem Jahre von der Weichsel bei Thorn bis zu dem nordöstlichsten deutschen Grenzgebiet bei Memel und Deutsch-Krottingen, wo sich schon in der Land¬ schaft und Flora ein gutes Stück von livländischem Charakter ausdrückt. Während dreier Wochen im August botanisierte ich, zuerst im südlichsten Ostpreufsen, in Masuren um Soldau, Neidenburg und Orteisburg, dann in der Johannisburger Heide mit ihren prächtigen Seen, die ich mit dem einzigen dem Personenverkehr gewidmeten Dampfer „Löwentin“ bis zum nördlichsten der Kette, dem Mauersee bei Angerburg durchfuhr; von dort wandte ich mich ostwärts über Goldap zur Romintener Heide, wo mir die schönsten aus Fichten, Kiefern und Laubhölzern gemischten Waldungen auf meiner Reise entgegentraten, dann nordwärts über Stallupönen nach Tilsit. In Begleitung von Dr. Abromeit, der von Königsberg aus hierher gekommen war, lernte ich dann die Küstenmoore bei Heydekrug-Prökuls und die nördlichsten Wiesenmoore bei Memel ebenso wie die interessanten Dünenbildungen daselbst kennen, und besuchte, nach Tilsit zurückgekehrt, die ausgedehnte Memel-Niederung aufwärts bis zu den Jurabergen an ihrem nördlichen Ufer nahe der russischen Grenze. Westwärts zurück nach Königsberg fahrend, lernte ich dann, wiederum in Dr. Abromeits Gesell¬ schaft, das Grofse Moosbruch zwischen Labiau und dem hier an der Küste

*) Vorträge in der Hauptversammlung vom Oktober und in der botanischen Sektion vom November 1903,

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bei Agilla sich hinziehenden Friedrichskanal kennen, in welches hinein die Elche aus der nördlicher gelegenen Ibenhorster Forst schweifen. Von Königsberg auf der mir schon vom Jahre 1899 her bekannten nördlichen, hart am Frischen Haff sich hinziehenden Eisenbahnlinie zum Weichselgebiet zurückfahrend, trafen Dr. Abromeit und ich in Osterode mit dem durch mehrere Veröffentlichungen rühmlich bekannten westpreufsischen Floristen J. Scholz aus Marien werder zusammen und wir wurden alle drei im gast¬ lichen Hause des Majoratsherrn von Döhlau, A. Rose, aufgenommen, um die nahe der für Ostpreufsen höchsten Erhebung, der Kernsdorfer Höhe (318 m), auf den langgezogenen Höhenrücken sich ausbreitenden grofsen Buchenwaldungen zu durchstreifen, die hier schon nahe ihrer östlichen Grenze zugleich noch mit Bergahorn stellenweise durchsetzt sind und in einer an holsteinische Hügellandschaften erinnernden Fülle sich bis gegen Gilgenburg südwärts hinziehen. Hier, nahe meinem Ausgangspunkte im südlichen Masuren bei Soldau angekommen, beschlofs ich die botanischen Exkursionen mit der Rückfahrt nach Thorn.

In Ergänzung mit meiner Hin- und Rückfahrt durch Ostpreufsen zu Ende des Mai 1899 ist daher keine gröfsere Landschaft dieser mächtigen deutschen Gemarkung unberührt geblieben, und was ich an anziehenden Dingen sah, soll hier besonders von dem unsere sächsische Gesellschaft interessierenden Standpunkte kurz dargelegt werden und andeuten, welche Gegensätze sich uns, die wir mit der Natur auch diluvialer Landschaften durch das nördliche Sachsen gut vertraut sind, in Ostpreufsen zeigen. Ich verdanke vieles, was ich während der zwischen Weichsel und Memel ver¬ lebten Wochen gesehen und erfahren, nur der trefflichen Führung der schon genannten Herren, besonders dem schon durch Caspary in die preufsische Floristik eingeführten Privatdozenten an der Königsberger Universität, Dr. Johannes Abromeit, der seine nach den Königsberger Herbarien ge¬ machten floristischen Standortszusammenstellungen in bemerkenswerter Vollständigkeit soeben von den Ranunculaceen bis Labiaten abgeschlossen hat*). Grofs ist die Zahl der Einzelarbeiten über die Flora Preufsens, mit denen sich der auswärtige Florist vor dem Antritt seiner Reise ver¬ traut zu machen hat, und eine grofse Menge davon steckt schon in den all¬ jährlichen Berichten des in der Anmerkung genannten Vereins, welcher mit nicht unbedeutenden Geldmitteln seit vielen Jahren seine „Sendboten“ in alle Bezirke seines weiten Gebietes auf Wochen hinausschickt, um in drei¬ maligen Perioden des Jahres die dortige Flora auf das genaueste zu durch¬ forschen. Infolgedessen ist auch das preufsische Herbarium in Königsberg zu einer Gröfse und Vollständigkeit gediehen, wie es aufser Schlesien wahr¬ scheinlich in keinem deutschen Gau als Landesherbar aufgesammelt und kritischer Durcharbeitung unterworfen worden ist.

Vortrefflich geeignet für eine vorhergehende Instruktion zur Reise in Ostpreufsen, auch sehr geeignet für solche, die von der behaglichen Ruhe des Studierzimmers aus dies weite Gebiet im Geiste zu durchreisen vor¬ ziehen, sind die von Dr. Albert Zweck herausgegebenen Bände über dieses Land, besonders Bd. I Litauen und Bd. II Masuren (Stuttgart 1900). Zahl¬ reiche Abbildungen im Text und Kartenbeigaben, besonders eine Karte der Kurischen Nehrung, führen unmittelbar in das Verständnis der Land-

*) Flora von Ost- und Westpreussen , herausgegeben vom Preuss. Botanischen Verein zu Königsberg. H Hälfte 1898, 2. Hälfte, I. Teil 1903, 690 S. kl. 8°.

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schaft ein. Auf der Reise selbst hat man dann den gröfsten Nutzen von den eigens für dieses Werk geschaffenen Karten in 1:300000, welche durch verschiedene Farbenstufen von grün zu braun die Erhebungen des Landes von der Küste bis über 300 m Höhe kennzeichnen. Schon auf dieser Karte fällt die Bedeutung des Gold aper Hochlandes am äufsersten Ostrande Preufsens stark in die Augen, da hier sich breite Flächen über 200 bis 300 m hoch ausdehnen und den hart an der Grenze gelegenen grofsen Wysztyter See umschliefsen. Hier ist der Reiz der in wellenförmigen Linien und steileren Rücken mit Bergkegeln von diluvialer Natur aufgebauten Landschaft vollkommen ebenbürtig dem, wie er in Sachsen etwa in der Lausitz nördlich von Bischofswerda oder um Königsbrück auftritt, und bei der Menge und Gröfse erratischer Blöcke, ausgestreut an manchen Stellen in weiter Ausdehnung und imposanter Lagerung, vergifst man bei¬ nahe, dafs nicht fester Fels aus Urgestein den preufsischen Boden bildet, da das regellose Nebeneinander der ergrauten, aus den verschiedensten nordischen Gesteinen herstammenden Blöcke die geröllführenden Hänge unserer Lausitzer Granitberge Vortäuschen kann.

In einer mit landschaftlichen Darstellungen verzierten, zugleich den Bäumen und erratischen Blöcken in Preufsen gewidmeten verdienstvollen Abhandlung vom Landesgeologen Prof. Dr. Alfred Jentzsch*) sind diese erratischen Bildungen im Kreise Goldap besonders hervorgehoben (S. 123): ,,Der Kreis ist reich an Blöcken; ganz besonders gilt dies von dem hohen, stark zerschnittenen Gelände, welches sich vom Goldapflusse über den Goldaper Berg bei Braunsberg zur südlichen Kreisgrenze hinzieht, dicht südlich der letzteren im Seesker Berge mit 309 m einen Gipfelpunkt erreicht und von da nordwärts bis zu den Jagdgründen des Kaisers, der Rominter Forst, sich erstreckt. In diesem ganzen weiten Höhenlande sind zahlreiche kleine Hügel erfüllt oder bedeckt mit Blöcken, und es gewährt dem Auge einen eigenen Reiz, von einem der Gipfel die merkwürdige Moränenland¬ schaft zu überblicken, deren Anordnung und Aufbau im einzelnen noch näherer Untersuchung bedarf. Als besonders blockreich gilt der Goldaper Berg (272 m); aufser dem auf der Spitze befindlichen Markstein der Landes¬ vermessung mit Jahreszahl 1858 sind auf der Spitze noch fünf grofse erratische Blöcke sichtbar“.

Naturgemäfs wird ein weites Land wie Ostpreufsen, welches im Innern derartig felsbesäte Hochlandschaften enthält und in breitem Küstensaum flach gegen das Meer abfällt, dabei von tiefen Flufsniederungen durch¬ schnitten wird, sehr verschiedenartige Bilder hervorrufen und dement¬ sprechend floristisch verschiedene Abteilungen bilden. Da die Provinz Ostpreufsen 37000 qkm mifst, das Königreich Sachsen 15000, so kann man sich danach leicht eine Vorstellung von den zu durchstreifenden weiten Entfernungen machen.

Es würde dadurch ein Besuch Ostpreufsens weniger verlockend und weniger lohnend, wenn nicht in überall sich wechselseitig ablösender Weise das Wasser seinen besonderen Reiz entfaltete: an der Küste die Haff¬ bildungen von aufserordentlichem Interesse, welche dem Wanderer auf schmalem Rücken hochgetürmter oder sich verflachender Dünen (der Neh¬ rung) nach aufsen das schäumende Meer, nach innen die ruhigen, von

*) Beiträge zur Naturkunde Preussens, herausgegeben von der Physik. -Ökonom. Ge¬ sellschaft zu Königsberg, Nr. 8 (1900).

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Segelbooten und kleinen Dampfern bevölkerten Buchten fast gleichzeitig zu geniefsen erlauben; im südlichen Innern, vom Goldaper Hochlande west¬ wärts bis über die ostpreufsische Gemarkung bei Deutsch -Eylau hinaus, die zahllosen Landseen mit ihren unaufhörlich wechselnden Reizen; von ihnen ist der 10 bis 25 m tiefe Spirdingsee mit 106 qkm der gröfste deutsche Binnensee, und beim Vorüberfahren im Dampfboot von der Nikolaiker Seite her bietet er dem freischweifenden Blicke eine Zeitlang nur unbegrenzten Wasserhorizont dar. Bald liegen diese Seen, lang ausgestreckt oder breiter gedehnt mit verschlungenen Ausbuchtungen, in tiefer Waldeseinsamkeit, bald frei im sonnigen Gelände zwischen Feld und Wiese, und nicht wenige geben einer Reihe kleiner Städte die anmutigsten Umgebungen oder sind auch ganz von ihnen auf der einen, von anschliefsenden Dörfern auf der anderen Seite umbaut, wie z. B. die Seen bei Orteisburg, Nikolaiken, Sens- burg, während gröfsere Städte, wie Allenstein, Gilgenburg und Osterode, den Knotenpunkt mehrerer dicht beisammen liegender Seen beherrschen. Die meisten Seen haben wenig geneigte Ufer und sind an vielen Stellen von Sumpfwiesen, Mooren und Röhrichten umschlossen, während an den steileren Rändern der Wald aus Erlen, Eichen, oberwärts auf dem Sand¬ boden aus Kiefern sich kräftig aufbaut; andere aber füllen ein ganz aus Steilwänden aufgebautes Becken und erscheinen dann als das schönste Waldidyll. Die uns Dresdnern wohlbekannten Moritzburger Bilder kehren also in Ostpreufsen in gröfster Ausdehnung und Mannigfaltigkeit wieder, während die Flachseen, wie wir sie von Königswartha kennen, erst am Rande der Abdachung zur Küste unter 100 m sich finden.

Und zu diesen, in Masuren zwischen Angerburg und Johannisburg am reizvollsten gestalteten Seenbildern gesellen sich nun noch die Strom¬ szenerien der grofsen und kleinen Flüsse, voran des Königsberger Pregels und der Tilsiter Memel mit ihren Zuflüssen und breiten Schiffahrtskanälen.

Hier fafste auch die deutsche Eroberung zuerst festen Fufs. Beim Betreten der Weichselbrücke vor Thorn mahnt das Standbild Hermanns von Salza an die jetzt fast sieben Jahrhunderte zurückliegende Zeit, in der seit 1230 dies an Wasser und Sand, Wiese, Moor und Wald reiche Gebiet der deutschen Kultur zugeführt und als Ordensland besiedelt wurde; mit ziemlich raschem Erfolge, da schon im Jahre 1276 die Bewältigung der litauischen Heidenburg, des Rombinus an der Memel nicht weit von Tilsit, als Abschlufs der stattgefundenen Eroberung gelten konnte. Aber wie lange noch einfachere Verkehrsverhältnisse in den weiten Länderstrecken, über die sich das besiedelungskräftige Volkselement nur langsam aus¬ breiten konnte, herrschten, geht aus dem noch heute fühlbaren Mangel an guten Strafsen und an Überbrückungen der grofsen Ströme hervor. Über die Memel bei Tilsit, deren Wasserfluten uns die russischen Über¬ schüsse an Holz zuführen und daher Schiffe, besetzt vom merkwürdigsten Händlervolke, von Polacken und Juden, tragen, führte nur die einzige, 380 m lange Schiffbrücke bei Tilsit, bis der Bau einer Eisenbahn .nach Memel 1872 1875 die Überbrückung des ganzen, 4 km breit durch Über¬ schwemmungswiesen ausgedehnten Memeltales veranlafste. Vor dieser Zeit ging daher die Verbindung mit dem nördlichsten Teile Ostpreufsens während des Winters sicherer über die Kurische Nehrung, welche Memel gegenüber so schmal ist, dafs Schlitten über das Eis gerade wie die Boote zur eis¬ freien Zeit leicht und rasch fahren können, als über den schwer zu bän¬ digenden Memelstrom bei Tilsit. Diese Stadt erfüllt alle natürlichen Be-

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dingungen der ersten und vornehmsten Stadt im östlichen Teile des Landes, und es mufs die Verwunderung jedes Besuchers erregen, dafs noch heute die rein künstliche Stadt Gumbinnen die ihr zuteil gewordene Ehre der Führung des zweiten ostpreufsischen Regierungsbezirkes nicht hat an jene abgeben müssen. Tilsit mit gegen 30000, Memel mit gegen 20000 Ein¬ wohnern sind die äufsersten Bollwerke eines kräftigen und freien Entfaltens deutscher Sprache, deutscher Sitte und Kultur unter dem preufsischen Banner, und hier wird auch derjenige Reisende, dem es mehr auf behag¬ liches Geniefsen und Anschauen von Land und Leuten ankommt als auf das Durchstreifen der weiten Forsten, Flufsauen und Hochmoore, sich lange Zeit wohl und vom lebhaften Getriebe des Wasserverkehrs angezogen fühlen. Von anderen Städten nach dem blühenden Königsberg ist in diesem Vergleich nur noch Insterburg zu nennen, aber in weniger anziehender Lage (24000 Einwohner), und von Städten, die etwa dem sächsischen Pirna zu vergleichen wären nach Einwohnerzahl, aber einfacher im Häuserbau und bescheidener in der Haltung der Läden, zähle ich nur fünf: Allenstein, Osterode, Braunsberg, Lyck und die Bezirksstadt Gumbinnen.

Aber überall ist der Reisende gut aufgenommen und wird nach Mafs- gabe des Vorhandenen gut bewirtet, auch in den kleinen oben genannten Städten meiner Reiseroute, von denen mir keine so gut gefallen hat als Goldap mit seinem vortrefflichen Krechschen Gasthofe, von dem man zu den entzückenden Waldbildern der kaiserlichen Jagdgründe in der Romintener Heide ausfährt. Einige Kilometer vom Jagdschlösse entfernt ist auf Befehl des Kaisers auf einer Bergspitze des stark gewellten Geländes ein hoher hölzerner Turmbau aufgeführt worden, von dessen Plattform man in die Wipfel der abwechslungsreich sich mischenden Laub- und Nadelbäume, Birken und Linden, Ahorn und Espen, mächtiger Kiefern, uralter Fichten hineinschaut und über sie hinweg in blauer Ferne den Dunst des grofsen Wysczyter Sees zu erblicken vermeint: ein bei geeignetem Wetter grofsartig schönes Landschaftsbild!

Hier nimmt auch von selbst der Reiseverkehr gröfseren Umfang an. Wo sich ein eigener ostpreufsischer Touristenverkehr herausgebildet hat aufserhalb der kleinen und gröfseren Städte, kann man zwar meistens auch gut Unterkommen, findet jedoch die überall mit dem nur zeitweilig stärker strömenden Verkehr verbundenen Mängel. In Dörfern kann man mit Ansprüchen auf einigermafsen bequeme Nachtruhe nicht Unterkommen und oft auch nur recht bescheidene Mittagsrast halten, so dafs stets gröfsere Ausflüge vom zeitweilig wechselnden Hauptquartier in passend gelegenen Städten für Naturforscher zu empfehlen sind. Meistens ist für gute und preiswerte Fahrgelegenheit in leichten Wagen gesorgt, und auch die kleinen litauischen Pferde laufen unermüdlich und schnell auf den weichen Wald¬ wegen, in die die Räder auch im Sommer oft genug tief einsinken.

Ergänzt wird diese Quartierliste durch die grofse Gastlichkeit, sei es auf Rittergütern, sei es in Oberförstereien und selbst bei den Revierförstern, unter denen auch echte Waldleute von masurischer Herkunft das dem Wanderer gebotene Brot mit Milch als Gastgeschenk des Landes betrachtet sehen wollen. Es mag ja freilich bei solcher Aufnahme auf das Verständnis ankommen, welches der Fremde dem Leben im Walde entgegenzubringen vermag.

Immer aber wird er sich über die ausgezeichnete, klare Sprache und Ausdrucksweise zu freuen haben, die ihm, wenn er Nord- oder Mittel-

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deutscher ist, den Verkehr mit der einheimischen deutschen Bevölkerung und auch mit der bei dieser grofs gewordenen masurisch-lettischen Diener¬ schaft in Gestalt von Mägden oder Kutschern erheblich erleichtert. Die hier angesiedelte deutsche Bevölkerung hat sich auch körperlich sowohl und kräftig entwickelt, dafs man mit Vergnügen die hohen, breitschulterigen Gestalten der Männer und die schlanken Gestalten der erst recht hochgewachsenen Frauen und Jungfrauen in ihren die Sommertage auszeichnenden hellfarbenen Kleidern betrachtet.

Die Kultur des Landes aber ist so weit vorgeschritten, dafs man viel¬ fach die natürlichen Bestände der Flora ganz und gar durch Felder ver¬ drängt sieht*) und sich dann in der Niederung des Landes allein an dem Grün der Wiesen und Weiden ergötzen kann, die auch im August ihren physiognomischen Charakter wahren und von Herdenvieh, Rindern und Pferden, überall bevölkert sind.

Die Waldflora. Wer aus den Buchenwaldungen der Oberlausitz oder, noch näher bei Dresden, aus der mit reichem Waldwechsel ver¬ sehenen Dresdner Heide nach Nordosten durch die Niederlausitz um Cott¬ bus und weiterhin zur Oder bei Frankfurt und Küstrin eine Eisenbahn¬ fahrt macht, wird sich in dem nicht zum Vorteil geänderten Landschafts¬ bilde auch als Nichtbotaniker dessen bewufst werden, dafs die Kiefer alles beherrscht und die Mengwaldungen aus ihr nur mit Eiche, Birke und auf feuchterem Grunde der Erle bestehen, dafs die Buche dagegen an einem natürlichen Standorte überhaupt nicht vorzukommen scheint. Wohl aber hat dieser west- und mitteleuropäische Charakterbaum noch eine breite Zone im nördlichen Deutschland von der Ostküste Schleswig- Holsteins an durch Pommern und Westpreufsen bis zu der Küstenlandschaft am Frischen Haff und landeinwärts bis zu dem baltischen Höhenrücken, wobei wir die äufsersten und recht vereinzelten Standorte der Buche weiter ostwärts bis gegen Königsberg hin aufser Acht lassen wollen. Damit ist aber auch dem Vorkommen der Buche in Mitteleuropa bekanntlich ein Ziel gesetzt, und die ostpreufsische Waldflora enthält daher in der Ost¬ grenze des natürlichen Vorkommens von Fagus silvatica , der sich das horstweise Auftreten von Acer Fseudoplatanus anschliefst, einen sehr be¬ merkenswerten Zug. Das Gebiet der bei Braunsberg mündenden Passarge mag als ungefähre Angabe des östlichsten Vorkommens von wirklichen Buchenwäldern und Beständen, die schon von weitem gesehen Eindruck machen, gelten; die äufsere Ostgrenze vereinzelter Buchen verläuft von der Küste bei Ludwigsort (nahe Königsberg) etwa über Bischofsburg nach Orteisburg.

In demselben Flufsgebiete der Passarge, beziehentlich südlich des baltischen Höhenrückens etwa zwischen Neidenburg und Orteisburg, tritt

*) Klinggräff berichtet in seinen „Vegetationsverhältnissender Provinz Preussen“ 1866 darüber, das ehemals so waldreiche Land sei nun so entwaldet, dafs es zu den holzärmsten Provinzen des preufsischen Staates gehöre und nur noch etwa zu einem Sechstel seiner Fläche mit Wald bedeckt sei. Diese aber bildet zum grofsen Teile weite, zusammenhängende Komplexe mächtiger Staatsforsten. Die Wiesen und Triften nehmen ein fast ebenso grofses Areal ein als der Wald, und wiederum ebenso viel Wasser, Sumpf und Moor. So kommt ungefähr die Hälfte der Bodenfläche auf die eingeführten Kulturgewächse in Feld und Garten. Die Reihenfolge in der Bedeutung der Cerealien lautet: Roggen, Hafer, Weizen und Gerste.

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nun als Ersatz der Buche unsere im Berglande herrschende Fichte mit grofser Macht neben der Kiefer auf und drängt diese auf dem feucht¬ fruchtbaren Untergründe im Pregel- und Memelgebiete geradezu zurück, während sie ebenso an anderen Orten sich derartig mit der Kiefer in den Besitz des Bodens teilt, dafs beide innig gesellt einander an Kraft und Gröfse nichts nachgeben und dann, wenn auch zugleich Haselgebüsch ihr Unterholz darstellt und Linden, Ulmen, Espen oder Hainbuchen in den Nadelbestand hinein ihre glänzenden Laubkronen mischen, in der Regel auch eine reiche Staudenflora beherbergen.

Die Hainbuchen, welche östlich der Rotbuchengrenze ( Fagus sil- vatica) allein noch von den beiden Buchen Vorkommen, kennen wir ja auch zur Genüge aus sächsischen Wäldern, und ich sah in Ostpreufsen keine schöneren Stämme davon als hier; die Linden aber ( Tilia parvi- folia ) treten mit Rüstern und Spitzahorn in viel häufigerer Zahl und in ausgezeichneter Formschönheit auf, so dafs man schon in Ostpreufsen an die Fülle der Lindenwaldungen gemahnt wird, die in Rufsland aus ihrer bastreichen Rinde den Landleuten alljährlich die Dutzende von Schuhen für den Jahresverbrauch liefern. Espen und Eschen sind gleichfalls höher und zahlreicher als in unseren hercynischen Wäldern.

Die Staudenflora mischt sich entweder mit üppigen Laubmoosen ( Hyp - num Crista castrensis u. a. !), Heidel- und Preifselbeergesträuch , oder sie erhebt sich zwischen Waldgräsern wie Calamagrostis arundinacea , die den Boden erstaunlich dicht bedecken; oder endlich sie besteht auf feuchtem Mergelboden aus einem buchenwaldähnlichen Gemisch von Stauden wie Asarum europaeum, Lathyrus ( Orobits ) vernus, Ranunculus lanuginosus, Hepatica , und überall ist Dapline Mez er eum in solchen Waldungen zu finden.

Zweierlei Bemerkungen drängen sich uns dabei auf: einmal der grofse Unterschied, den diese ostpreufsischen Waldungen gegenüber denen des deutschen Nordwestens (Lüneburger Heide) zeigen, wo alle eben genannten Pflanzen entweder ganz fehlen ( Asarum , Latliyrus vernus , Daphne ), oder selten ( Hepatica ) und sehr selten auftreten ( Ranunculus lanuginosus , Cala¬ magrostis arundinacea). Sobald man sich dieses Unterschiedes bewufst wird, drängt sich die Bemerkung bei zunehmenden Beobachtungen immer stärker durch, dafs die ostpreufsischen Wälder auch jenseits der Buchengrenze sich vielmehr in ihrer Arten - Zusamm ensetzung an die osthercynischen der unteren und mittleren Region an- schliefsen, als diese wie jene an die Waldungen von Nordwest¬ deutschland.

Die andere Bemerkung gilt der Frage, welche einst F. Höck zum Gegenstände mehrerer pflanzengeographischer Untersuchungen machte, ob nämlich bestimmte Waldstauden als ständige Begleitpflanzen be¬ stimmter Bäume anzusehen seien, was ich selbst nicht für den Baum, sondern nur für gewisse im Baumbestände auswechselfähige Formationen anerkennen wollte. Hier haben wir den Beweis für die letztere Meinung: auch jenseit der Buchengrenze kommen viele der sogenannten „Buchen¬ begleiter“ Hocks als Charakterarten vor, aber sie zeigen dadurch auch eine bestimmte Formationsverwandtschaft an, die im Walde über die Vege¬ tationslinie der Buche hinaus sich aufrecht erhält.

Um ein Beispiel anzuführen, schildere ich den Staudenbestand in einem schönen Laubwalde aus Hainbuche, Rüster, Ahorn (A. platanoides), Linde, Eiche und Esche, wie er westlich vom Spirdingsee bei Collogienen

*

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auf 10 bis 20 m hoch über dem Cruttinnental gelegeneu, wellig erscheinenden Höhen mit einer vielleicht ein Hektar grofsen Fläche sich darbot im August: Corylus , Cornus sanguinea und Daphne bildeten Untergehölz, Asarum, Pal- monaria und Hepatica bildeten abwechselnd mit Oxalis dichte Boden¬ decken, zwischen ihnen Lathyrus ( Orolms ) vernus in Frucht; zwischen gewöhnlichen Hochstauden: Solidago , Campanula , Scrophularia , Lactuca muralis , Lampsana , Stellaria Holostea, Galeobdolon , bildeten die Liliaceen Convallaria , Polygonatum multiflorum und Lilium Martagon ausgezeichnete Gruppen. Dies Beispiel zeigt die reichhaltige Zusammensetzung der Laub¬ wälder auch östlich der Buchengrenze; hercynische Charakterarten des Buchenwaldes, wie Viola mirabilis, Campanula latifolia , Circaea alpina, Neottia u. a. habe ich überhaupt nur östlich der Buchengrenze gesammelt.

Daraus ergibt sich der Schlufs, dafs die Buche allein nicht beson¬ dere Formationen schafft, so bedeutungsvoll auch für die nach grofsem Mafsstabe aburteilende Pflanzengeographie ihre Vegetationslinie ist, die auf den Florenkarten eine bedeutsame Rolle spielt. Es mufs einer ge¬ naueren pflanzengeographischen Untersuchung, wie sie in hoffentlich nicht zu ferner Zeit von Johannes Abromeit geliefert werden wird, überlassen bleiben, nachzuspüren, welche charakteristischen anderen Waldpflanzen in Ostpreufsen die Grenzlinie der Buche etwa teilen. Den Bergahorn, A. Pseudoplatanus , und den südlich von Osterode vorkommenden Farn Aspidium lobatum kann ich als solche Beispiele anführen, beide in der Hercynia dem unteren Bergwalde angehörig, der gerade in den reicheren ostpreufsischen Wäldern noch in so vielen Arten wiederkehrt, welche alle dem deutschen Nordwesten fehlen.

Bei weitem die erste Rolle im ganzen ostpreufsischen Lande, soweit ich dessen Wälder durchstreifte, spielt aber natürlich die Kiefer, welche im Westen der Buche und im Osten der Fichte den Rang streitig macht. Wenn ich daher, um diese Bemerkungen über den Wald zu einem gewissen wissenschaftlichen Ergebnis zu bringen, eine Formationsgliederung des¬ selben hier anschliefse, so mufs die Kiefer als leitender Baum die erste Stelle einnehmen. Ich habe vielfach Vergleiche zwischen den hercyni- schen und ostpreufsischen (d. h. „südbaltischen“) Formationen gesucht und, da eine eigene innere Gliederung der letzteren viel mehr Nachdenken erfordert, als es in der Verarbeitung der Exkursionsresultate zweier Reisen enthalten sein kann, so beschränke ich mich auf die Resultate dieser Vergleichungen. Die in Klammern hinter den ostpreufsischen Wald¬ formationen angeführte Ziffer verweist auf die entsprechende hercynische Formation nach der in meiner Arbeit über den hercynischen Florenbezirk 1902 (V. d. E. Bd. VI, S. 135 137) gegebenen kurzen Zusammenstellung.

(Hercyn.

' Formation)

1. Kiefernwald auf nicht nassem oder moorigem Boden. (4)

Häufigster Begleiter: Juniperus communis , V.Myrtillus ,

V. Vitis idaea. Verschiedene Facies nach der Moosbedeckung.

2. Kiefernmengwald auf humos-fruchtbarem Boden.

Facies a) mit Fichte oder auch die Fichte vorherrschend (3)

b) mit Corylus , Tiliaparvifolia , Acer platanoides usw. (3)

,, c) offen und „lichte Haine“ bildend, in der Regel

mit reichem Unterholz und vielen Stauden . . (1)

85

(Hercyn.

Formation)

3. Laubwald auf fruchtbarem Boden, geschlossen.

Facies a) mit Buche oder aus Buche allein bestehend . (2)

b) ohne Buche aus Carpinus , Tilia, Ulmus, Acer,

Quercus.

4. Bruch- und Auenwald auf moorigem und nassem Boden.

Facies a) Erlenbruch mit Esche, Birke . (5)

b) Birkensumpf mit Deschampsia caespitosa usw.

c) Kiefernmoor mit Ledum palustre . (6)

5. Flufsufer -Wald in den breiten Talniederungen . . .

Facies von Populus nigra (vgl. Hercynische For¬ mation 28, a. a. 0. S. 263). Anschlufs an die Formationen des fliefsenden Wassers.

Fragen wir uns nach den Unterschieden dieser baltischen und her- cynischen, zu einander in Vergleich gebrachten Formationen, so sind die¬ selben sowohl im Wechsel der beigemischten Arten als auch in der oft auffallenden Veränderung der Standorte zu suchen. Diese letzteren Unterschiede sind schwieriger auszudrücken, sie führen in die neuerdings zu eigener Wissenschaft heranblühende ,, Ökologie“ oder Lebensgeschichte der Flora mit hinein.

Was macht ein solcher schöner Kiefernmengwald, etwa im südlichen Masuren bei Soldau und Neidenburg, für einen anderen Eindruck durch den Anschlufs so vieler Arten, die in der Hercynia überhaupt den Wald meiden! Nicht nur, dafs Peucedanum Oreoselinum mit Vicia cassubica und Geranium sanguineum, Rubus saxatilis , Potentilla alba und Cytisus biflorus nach Art der Flora sonniger Felshöhen, die auch in Sachsen und Nordböhmen Kiefern und Birken als schwache Schattenspender tragen, üppig gemischt durcheinander wachsen und sich in nächster Nähe von Trientalis , Convallaria und Smilacina bifolia zwischen Heidelbeeren be¬ finden: auch Brunella grandiflora in langstenglig- üppiger Form, Senecio Jacobaea und an auserwählteren Stellen Digitalis ambigua wie Lilium Martagon, Laserpitium pruthenicum und (sehr selten) L. latifolium wachsen in einem Walde von demselben Baumbestände; dieser bildet also nach seiner Staudenflora den Laub- wie Kiefernwald und die pflanzenreichen „lichten Haine der Hügelformationen“ in Mitteldeutschland auf mannigfach wech¬ selnden Abhängen mit felsigem Untergrund bis zum feuchten Talgrunde herab im kleinen nach. Es vereinigen sich also in den baltischen Wäldern vielerlei Arten zu gleicher Hauptformation, welche im hercynischen Hügel- und unteren Berglande nach verschiedenen Formationen getrennt sind. Und wiederum ist dann, wenn wir zum Vergleich auch den norddeutschen Westen, Lüneburg, Oldenburg und Fries¬ land heranziehen, hinzuzufügen, dafs alle jene soeben als auffallend in ihren Waldstandorten genannten ostpreufsi sehen Arten dort fehlen; selbst Senecio Jacobaea wird dort in der Hauptsache durch S. aquaticus ersetzt.

Aber die Formationsgliederung ist nicht jedem geläufig und leidet so wie so an der inneren Schwierigkeit, dafs die Pflanzenarten mit wechselnder Anpassungsfähigkeit an neue Standorte in verschiedenen Bezirken des-

**

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selben Florengebietes eine andere Verteilung*) annehmen. Leichter er¬ fassen sich die besonderen Merkmale der Formationen an neu auftretenden Arten überhaupt, an den „Seltenheiten“, welche die sammelnden Floristen in erster Linie zum Besuche ferner Gaue einladen und welche dort an Stelle vieler altgewohnter Arten treten.

Gibt es nun viele solcher Arten? Machen sie einen starken physiog- nomischen Eindruck, so dafs man beim Betreten eines gut zusammen¬ gesetzten Waldes alsbald merkt, man befinde sich in Preufsen östlich der Weichsel? Auf diese Fragen läfst sich antworten, dafs die Zahl der gemeinsam mitteleuropäischen Arten, besonders unter den tonangebenden, doch so sehr überwiegt, dafs der besondere Charakter des Florenbezirkes erst an zweiter, dritter Stelle hervortritt und oft im Wechsel der Arten mehr durch das Fehlende als durch das Neue zu bemerken ist. Wenn ich Ostpreufsen als eine Einheit auffasse und zunächst davon absehe, dafs viele Charakterarten nur einen Teil des Landes besetzen, so würden für die Waldformationen besonders einige Sträucher in Betracht kommen: Ribes nigrum neben R. rubrum und alpinum , und besonders der hübsche Evonymus verrucosus , der vielfach häufiger ist als E. europaeus. Die erstgenannte Ribes- Art, die Gichtbeere, hat hier durch das ganze Land besonders in Bruch-Laubgehölzen, an den Bächen und Moorgräben sogar neben Calla palustris , eine weitgehende Verbreitung, und von R. rubrum , der Johannisbeere, gibt es hier an weniger zahlreichen Standorten zwei wilde, von der Gartenform wohl unterschiedene Varietäten**).

Von den Stauden sind es wohl in erster Linie Ranunculus cassu- bicus , der im Mai blühend neben unserem R. auricomus von Memel bis Neidenburg vorkommt, dann die wie Luzida pilosa in dichteren Rasen wachsende Carex pilosa, auch Agrimonia pilosa , endlich in nassen Auenwäldern Stellaria Frieseana , Carex elongata und Glyceria remota , die sich mit viel Prunus Padus , Chaerophyllum aromaticum , Actaea , Viola mirabilis , Lycopodium annotinum zu einer gewissen preufsi- schen Leitgruppe verbinden.

In den heideerfüllten, trockneren Wäldern, besonders im südlichen Masuren, sind die Seltenheiten Dracocephalum Ruyschiana , Tri¬ folium Lupinaster , Adenophora liliifolia , Cimicifuga foetida mit Pulsatilla patens zu nennen, an ähnlichen Misch -Standorten, wie sie vorhin durch Brunelia grandiflora , Vicia cassubica , Digitalis ambigua , Pulmonaria angustifolia und ähnliche gekennzeichnet wurden; aber es sind seltene Pflanzen an vereinzelten Waldplätzen, die ein reicheres Vor¬ kommen in den Weichselwäldern Westpreufsens (Münsterwalder Forst nach Angabe von Scholz!) besitzen, und sie machen keine auffallenden Be¬ standesgemenge aus. Dasselbe gilt für Laubwälder von dem interessanten Isopyrum thalictroides , von dem ich nichts zu sehen bekommen habe.

Aber eigene dichte Bestände bildet im Umkreise von Neidenburg der niedrige Strauch Cytisus biflorus (ratisbonensis) , der, massiger als im östlichen Sachsen Cytisus nigricans , noch einmal einen wirklichen physiog- nomischen Zug in den Kiefernwaldungen bildet, wo man ihn neben dem auch sonst in Preufsen häufigen Arctostaphylus Uva ursi beobachten kann.

*) „Ecological distribution“ nach Mac Millan 1897 in seiner vortrefflichen Studie über den Lake of the Woods zwischen Minnesota und Ontario.

**) Vgl. Abrom eit: Flora von Ost- und Westpreufsen I, 300.

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In den montane Arten beherbergenden Fichten -Kiefernwäldern des Ostens zeichnet sich Polemonium coeruleum mit Campanula latifolia, Cardamine silvatica, Lunar ia rediviva und Dentaria bulbifera aus; eine bedeutende Seltenheit ist Lathyrns luteus ( laevigatus ) in der ßröd- laukener Forst bei Insterburg, eine Gebirgspflanze von den Pyrenäen bis Serbien mit nach Rufsland vorgeschobenem Ostareal.

Diese seltene Pflanze liegt als Geschenk in meinem Herbarium, denn schwerlich kann man auf einer botanischen Reise durch so weite Land¬ strecken und in schon weit vorgerückter Jahreszeit viel Mufse auf das Aufsuchen ganz vereinzelter Standorte verwenden. An solchen ist auch der ausgedehnte Wald der Rominter Heide besonders reich, von der Lettau sagt, man hätte stundenlang den Eindruck, als wären hier die Wogen eines Ozeans im Augenblicke der höchsten Erregung stehen geblieben und als könne man aus dem Gewirre von Kesseln, Mulden, Hügeln und Wällen nicht herauskommen. Hier fand der genannte, floristisch unausgesetzt in neuen Entdeckungen tätige Lehrer im Juli 1900 zum ersten Male für Ost- preufsen Gymnadenia odoratissima im Walde, auch Sweertia perennis, die aufserdem noch bei Königsberg, Labiau, Bischofstein und Johannisburg vorkommt, und in Erlenbrüchen neben der oben genannten Glyceria re- mota und Poa sudetica auch die seltenen nordischen Seggen Car ex loliacea und tenella. Die Charakteristik der ostpreufsischen Bruch¬ wälder würde noch zu mangelhaft bleiben, wenn ich nicht wenigstens noch als ihre Bestandteile Viola epipsila, Listera cor data und Linnaea borealis nennte. Die Linnaea hat keine geringe Verbreitung in Ost- preufsen, in der neuen „Flora“ füllen ihre dortigen Standorte eine ganze Seite; auch bedarf es nicht des eigentlichen Bruches zu ihren Existenz¬ bedingungen, sondern des gewöhnlichen preufsischen Kiefernwaldes, in dem sie zwischen Moos und Heidelbeeren kleine Teppiche wirkt; ihre Stand¬ orte liegen von Schwarzort bei Memel bis zu den südmasurischen, von Cytisus biflorus durchsetzten Waldungen im Neidenburger Kreise herunter.

Auf das Fehlende in den Beständen besinnt man sich häufig erst nach der Rückkehr zu den gewohnten Florenbildern und ich möchte dabei nicht weitläufig werden. Um nur rasch ein paar physiognomisch wichtige Züge zu nennen, sei des Mangels an Besenstrauch, Sarothamnus scoparius , in den Kiefernwaldungen Ostpreufsens wie der Armut an Brombeeren*) gedacht. Für den Besenstrauch tritt überall der Wachholder ein, den ich in solcher Menge, Kraft und oft auch mit der Fähigkeit, als Unter¬ holz langweilige Kiefernforsten ganz allein anmutig zu schmücken, nie zuvor gesehen habe; das Gegenteil fiel mir zur Pfingstzeit dieses Jahres an Rhein und Mosel auf, wo auf dem geeigneten Boden im Buschwald und an den Gehängen der Besenstrauch in mächtiger Gröfse mit der Fülle seiner goldgelben Schmetterlingsblumen einen Farbenreichtum auf dunklem Grün hervorzauberte, wie ich es auch in den hercynischen Gauen kaum je gesehen. Das sind für Vegetationslinien zur Charakteristik der For¬ mationen geeignete Pflanzen! Für das östliche Preufsen scheint auch der gemeine Weifsdorn, Crataegus Oxyacantha , eine solche zu bilden, da er sowohl nördlich des Memelflufses als auch im Südosten des Goldaper Hoch¬ landes, bei Lyck usw., im wilden Zustande fehlen soll.

*) Überall fast nur Rubus suberectus, R. plicatus schon im Nordosten ganz fehlend, R . Bellardii als Waldpflanze im nördlichen Landstrich, Passarge bis Labiau.

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So kommt denn doch eine Anzahl von Kennzeichen heraus, nach denen man sehr rasch den baltischen Wald von Preufsen als wohl ver¬ schieden von dem liercynischen und noch mehr verschieden von den in Norddeutschland weiter westlich gelegenen Strichen herausfindet. Trotz der überall zu verspürenden Forstkultur, die die unzugänglichen Stellen auf die Sumpf- und Moorwälder kleinen Umfanges beschränkt und den Wasserspiegel derselben durch Gräben stark, vielleicht für das Gedeihen mächtiger Birken, Kiefern und Erlen vielerorts zu stark, herabgesetzt hat, ist es noch heute eine hohe Lust, in diesen mit starken Bäumen des ver¬ schiedensten Alters, Laub- wie Nadelbäume sich ablösend, besetzten Wald¬ gründen zu schweifen. Noch jetzt bedeckt der Juraforst nördlich der Memel an der Landesgrenze 130 qkm Fläche, die von nur zwei Ober¬ förstereien verwaltet werden, und im Süden des Landes ist die Johannes¬ burger Heide ein noch heute in der Hauptsache zusammenhängendes Wald¬ gebiet von noch gröfserem Umfange. Natürliche Gewalten haben hier zu¬ weilen schwer gehaust und einfachere Verhältnisse zurückgeführt; so be¬ sonders der Orkan vom 17. Januar 1818, dem 131 Kirchen und 36000 Wohn- und Wirtschaftsgebäude zum Opfer fielen und der 17 Millionen Mark Forst¬ schaden verursachte. Infolgedessen nahm nach Niederlegung der Fichte damals die Espe überhand, und später (1850 1860) folgte neuer Schaden durch Nonnenfalter und Borkenkäfer. Man versteht, wie die Natur auch in stark bewaldeten Gebieten sowohl für selbst sich bildende Lichtungen als für Baumwechsel und die Buntheit des Waldbildes Sorge trägt.

Die Moorflora. Nächst der Mannigfaltigkeit des Waldes ladet keine ostpreufsische Formation so zu Vergleichen mit denen vom Harz bis zum Erzgebirge und in der Lausitz ein, als die Hoch- und Wiesenmoore. Besitzt schon der Wald in Pflanzenarten wie Linnaea , Polemonium und Sweertia teils arktische, teils mitteleuropäische Hochgebirgsrelikte der letzten Eis¬ zeit, so werden wir in den Mooren davon noch eine viel gröfsere Anzahl finden: hier sowohl Sträucher wie Salix myrtilloides , nigricans , livida und als seltenste S. Lapponum , dazu auch die Ericaceen: Ledum palustre und Lyonia calyculata , als auch Stauden wie j Rubus Chamae- morus , Saxifraga Hirculus , Pedicularis Sceptrum carolinum, Primula farinosa und seltene Carices, besonders C.chordorrhiza. Ich habe mit diesen Namen lauter Glazialrelikte voll von geographischem Interesse genannt, welche sämtlich, mit alleiniger Ausnahme von Ledum , dem liercynischen Florenbezirk fehlen, und die ich als seltenere oder häufige, die ostpreufsischen Hochmoore kennzeichnende Arten auf meinen beiden Reisen sammelte.

Die beiden Hauptformationen der Hoch-, Moos- oder Heidemoore mit Ericaceen einerseits, und der Wiesen- oder Grünmoore mit vor¬ wiegenden Binsen und Seggen im Übergänge zu Sumpfwiesen mit Tri - glochin palustre anderseits, erscheinen auch in Ostpreufsen in typischer Trennung, wenn auch mit Übergängen. Nur im Moosmoor lebt Pubus Chamaemorus und kriecht in denselben Sphagneten, zwischen denen an den nässesten Stellen Scheuch z er ia palustris mit Carex limosa entspriefst, die beide hier in Preufsen üppig an vielen Stellen vergesellschaftet sind. Dagegen wächst Primula farinosa und Pedicularis Sceptrum nur auf torfigem Wiesenboden zwischen Carex panicea , vulgaris , echinata , lepi- docarpa , denen sich die seltneren (7. Hornschuchiana , fulva , sparsiflora, auch C. dioica anschliefsen , und diese im Kreise Memel auch durch das gesellige Vorkommen der Sesleria coerulea var. uliginosa ausgezeichneten

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Wiesen gehen zumeist in Saliceten über, welche an Wiesengräben oder in zahlreichen, die Ränder von Teichen bildenden Sümpfen ihre üppigste Entfaltung haben, sich auch durch Erlen- und Birkensümpfe mit dem nassen Walde verbinden. Im Norden der Provinz ist dort auch überall Ainus incana in einem ganz natürlichen, üppigen Vorkommen geradezu ton¬ angebend, so dafs das Innere des Kreises Memel um Deutsch -Crottingen herum seine wesentlichste Physiognomie mit durch die zahlreichen, vor den Wäldern sich ausbreitenden Buschwaldungen von Grauerlen und Salix nigricans , livida , pentandra etc. erhält.

Selbstverständlich bilden die über weite Flächen ausgedehnten Moos¬ moore die noch heute am meisten unzugänglichen Stellen des Landes und haben trotz ihrer doch immerhin eintönigen Flora ein grofsartiges flori- stisches Interesse. Möchte ihre an vielen Stellen noch gut erhaltene Ur¬ wüchsigkeit der fortschreitenden Urbarmachung zum Trotz bestehen bleiben und mögen sich auserwählte Stellen eines starken Staatsschutzes erfreuen; Deutschland ist reich und grofs genug, um die geringen Erträgnisse von Holz oder Gras aus den wenigen Quadratkilometern Moosbruch, um deren ungestörte Erhaltung im Innern der rings umbauten Moorflächen es sich hier handelt, entbehren zu können.

Diese grofsen Moosbrüche, Flächenmoore aus Sphagneten und höchstens nur zeitweise Überschwemmungen ausgesetzt, liegen alle im Norden des Landes und unterhalb der 50 m- Höhenlinie im Gebiet des Pregels und der Inster, die gröfsten nahe der Küste, wo sich von Labiau bis Prökuls nördlich von Heydekrug am Kurischen Haff fast ein ununterbrochenes Gebiet von Hochmooren ausdehnt. Zu diesen gehört als eins der berühm¬ testen das Augstumal-Moor, über welches Dr. C. Weber, der Botaniker an der Moor-Versuchsstation in Bremen, im Jahre 1894 in den „Mitteilungen über Moorkultur“ berichtete, indem er nach den natürlichen Pflanzen¬ beständen die sich in das Innere hineinarbeitenden Kulturbestände schilderte. Es bedeckte ursprünglich eine Fläche von 30 qkm und soll bis 7 m an Mächtigkeit betragen.

Im Innern des Landes liegen die gröfsten Hochmoore zwischen Tilsit und Pillkallen nahe der Szeszuppe und Inster. Sie führen besondere let¬ tische Namen, die auf ihren Charakter und ihre Gefährlichkeit für den Menschen hinweisen, wie plinis = moorige Ebene oder pakladim Höllen¬ sumpf. Die „Kacksche Balis“ mit ähnlicher Bedeutung dehnt sich mit 20 qkm Fläche zwischen den beiden eben genannten Flüssen aus, wölbt sich 6 m hoch über ihre Ränder empor und hat 22 kleine Torfseen auf der Höhe; ihre Sumpfzone am Rande ist reich an seltenen Sphagnum- Formen und läfst sich nur unter Gefahr des Einsinkens vom Vieh beweiden. Weiter im Osten liegt die Schoreller Plinis mit 13 qkm Fläche, ein auf Lehmboden erwachsenes Hochmoor; nahe der russischen Grenze folgt die 10 qkm enthaltende Grofse Plinis mit einer der Entwässerung zu ver¬ dankenden Randzone von Birkengehölzen. Das Pakladimer Hochmoor nörd¬ lich von Trakehnen ist über 15 qkm grofs und liegt schon an der 50 m- Höhenstufe; noch höher hinauf liegen nur kleinere Moore, immer noch grofs genug für eigenartige Entwicklung einer guten Charakterflora und, wie es scheint, tiefer als die Küstenmoore am Haff, welche aus den durch Hebung des Bodens abgeschnittenen gewaltigen Wasserbecken des Memel- Deltas enstanden sind. Die gröfste Tiefe des Moores hat man nahe Fried¬ land und südlich von der Astrawischker Forst an der Grenze der 50 m-

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Höhenlinie beobachtet, wo bei 17 m noch kein Grund gefunden sein soll und Torfschlamm aus 24 1/2 m Tiefe herausgeholt wurde*).

Ich selbst habe aufser mehreren kleineren, am Ostrande der Provinz gelegenen Hochmooren, besonders denen im Goldaper Hochlande an den Seen bei Szittkehmen, das Popelker und Stagutscher Hochmoor bei Inster¬ burg, das Tyrus-Moor am Haff bei Prökuls und das Grofse Moosbruch zwischen Labiau und Agilla am Haff kennen gelernt.

Das Popelker Moor bei Paballen an der Bahnlinie Insterburg Tilsit, in welches mich Dr. Abromeit zusammen mit Herrn Lettau an dem finstern Regentage des 28. Mai 1899 führten, zeichnete sich durch den über¬ raschenden Fund der Salix Lapponam aus, welche Abromeit am Rande des eigentlichen Moosmoores, aus den Sümpfen und schwimmenden Grün¬ moorfilzen von Carex rostrata und teretiuscula mit PotentiUa palustris und Sphagnum squarrosum , im Wasser watend mit reifenden Frucktkätzchen hervorholte. Nur fünf verzweigte und über meterhohe Exemplare standen dort auf wiesenartiger Fläche im Wasser beisammen. Dieser einzige nord¬ deutsche Standort verbindet das arktische Areal von Salix Lapponum mit ihrem nächsten Areal in den Sudeten und weiterhin in den Karpathen und Alpen.

Das Moor kann als Charakterbeispiel dienen für den Aufbau der Be¬ stände: Von der Bahnstation aus durchschreitet man zunächst einen haupt¬ sächlich aus Birken bestehenden Wald, der über Sumpfwiesen mit Salix nigricans hinweg in ein nur teilweise in Abbau begriffenes Hochmoor über¬ geht; dahinter, hinter der öden und heideartig aufsteigenden Hochmoor¬ fläche, welche dann in sumpfigen Sphagneten mit tiefen Sümpfen und Wasserstreifen auswechselt, liegt wiederum Wald, jetzt aus Birken, Espen und Fichten gebildet; auf trocknerem Untergründe folgt dann ein ganz anders gearteter Wald, Laubwald aus Ulmen, Linden, Eschen, Eichen und vereinzelten Fichten, Kiefern und Birken, Unterholz aus JR,h. Frangula und Lonicera Xylosteum.

Die Kiefer tritt also hier zurück, bleibt aber in kurznadligen Kümmer¬ formen im Moosmoor erhalten; auch die Birke (meist B. pubescens , aber auch B. verrucosa ) durchsetzt die Hochmoore, die auf ihrer gegen das Innere in den Torfmassen ansteigenden Fläche den Kiefern-Erlen-Birken- wald- Anstrich bald verlieren, aber frei von Kiefer und Birke nur dort sind, wo tiefe Wassermassen im Torf durch Sphagneten mit JRliynclio- spora alba, Scheuchzeria palustris und Carexlimosa oder Tricho- phorum caespitosum erfüllt sind, auf denen in Schwärmen Drosera anglica neben dem gemeinen Sonnentau vorkommt. Diese tiefsten und für das Versinken gefährlichsten Stellen nennt Weber „die Blänke“ des Hochmoores.

Die letztgenannten Arten sind solche, die in den hercynischen Berg¬ mooren von 800 1100 m Höhe nur sehr selten, im deutschen Nordwesten häufiger Vorkommen; Drosera intermedia dagegen, die den atlantischen Westen noch mit der östlichen Hercynia (z. B. gesellig bei Moritzburg- Königsbrück!) verbindet, ist von den ostpreufsischen Mooren ebenso wie Erica Tetralix ausgeschlossen; diese beiden gehören den hercynischen Bergmooren ebensowenig an. Die Sumpfkiefer der Erzgebirgs-Hochmoore, Pinus montana* uliginosa , hat in Ostpreufsen nichts ähnliches aufzuweisen, da die Kümmerformen der gemeinen Kiefer in den Mooren nur nicht hin-

*) Zweck: Litauen I, 44 und flg.

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gehörige, ökologisch nicht angepafste Zwerge darstellen, meist ohne Blüte und Frucht. Das Vorkommen der gemeinen Erzgebirgs-Hochmoorpflanzen, der Calluna vulgaris , die auch in Ostpreufsen „die Wucherblume des Hoch¬ moores“ genannt wird, der Gesträuche von Vaccinium uliginosum , Vitis idaea und Oxycoccus mit Eriophorum vaginatum , der immerhin schon mehr bezeichnenden Andromeda polifolia , Empetrum nigrum in gelegent¬ lichen Massen, das alles ist in Preufsens Mooren ebenso, bedarf keiner besonderen Schilderung und kennzeichnet den gemeinsamen Grundstock dieser Formation von der baltischen Küste bis zu den nordalpinen Hoch¬ mooren bei 1000 m Höhe. Merkwürdig ist nur die sehr grofse Seltenheit von Carex pauciflora in Preufsen, obwohl diese Art ein boreal-uralisches Gebiet in Europa bewohnt und nicht in gewöhnlichem Sinne arktisch ist.

Der Sumpfporst, Ledum palustre, der auch Sachsens nördliche Moore bis Königsbrück als auffallende Zierde bewohnt, ist hier so aufser- ordentlich häufig, dafs er oft eigene, zur Blütezeit betäubenden Geruch ausströmende Bestände im Hochmoor bildet. Hinsichtlich des Areals sind von viel gröfserem Interesse die wenigen (zwei) Stellen, an denen sich die der Andromeda verwandte Lyonia (* Chamaedaphne) calyculata in den gleichen Hochmooren befindet, und von denen Abromeit und mir wiederum an einem mit Regengüssen einsetzenden Sonntage vergönnt war, den einen westlicheren im Labiauer Grofsen Moosbruch wieder sicher zu stellen, nachdem Caspary ihn vor etwa 25 Jahren aufgefunden hatte. Wir haben diese Chamaedaphne , deren Areal Nordeuropa, Sibirien und Canada verbindet vom Kotzebue-Sund durch das nördliche Columbia, Ontario und Quebek bis nach Labrador, im botanischen Garten in zwei Formen in Kultur, die sich auffallend durch ihre Gröfse unterscheiden: die Form der preufsischen Moore gleicht der kleineren Gartenform, wenig verzweigt, die kleinen Blätter auf der Unterseite von drüsigen Schuppen glänzend ; aber sie blüht im Garten früh im Frühjahr und im Grofsen Moosbruch erst im August.

Die Moltebeere, Rubus Chamaemorus , durchsetzt als höchst aus¬ zeichnende Staude mit kriechendem Rhizom die ostpreufsischen Moore von Memel bis Braunsberg und Friedland, Mohrungen, Insterburg und Goldap an der Grenze beim Wysztyter See, hat aber ihren früheren isolierten westpreufsischen Standort verloren. Diese Art bildet also eine ausgezeich¬ nete Vegetationslinie, die nach Süden hin nur die Riesengebirgs-Standorte als Anhang besitzt, ein vortreffliches arktisches Glazialrelikt. Bei Inster¬ burg sah ich ihre Blütensterne zahlreich im noch unberührten Hochmoor, fand sie aber auch an schon abgegrabenen und neu bewachsenen Stellen in neuer Besiedelung. Ihre Blüten zeigen fast nur weibliches Geschlecht und beim Mangel des männlichen sind ihre Beeren, die von den Kranichen gern verzehrt werden, daher nicht häufig.

Neben den Arten dieser tiefen Hochmoore gibt es solche, welche mehr die kleinen, von wenig Sphagnum und Aulacomnium palustre zwischen Grünmoorsümpfen gebildeten Moore am Rande gut gelegener Seen besiedeln, in denen der Wechsel der Arten oft viel stärker und plötzlicher ist, seltnere Seggenarten sich finden, auch Orchideen. Unter diesen Arten sind Betula humilis und Saxifraga Hirculus solche von besonderer Bedeutung; die schlanke, gelbblühende Steinbrech-Art, die neben Parnassia im Moos steckend ihrem Gattungnamen sehr wenig entspricht, wo man weit und breit nur Sumpf, Moos und moderndes Holz sieht, fehlt nun merkwürdigerweise

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im nördlichen Ostpreufsen, etwa in einer Linie von Königsberg nach dem häufig genannten Wysztyter Grenzsee, an dem noch alle möglichen selteneren Arten sich begegnen oder allein Vorkommen. Denn dort, wo Lettau im Anschlufs an die Waldformation auch Gymnadenia odoratissima fand und die Hügel in der Julisonne von dem tiefen Purpurviolett der Orchis Traun- steineri schimmern, wachsen auch im Grünmoor zwei andere seltene Or¬ chideen: Microstylis monophylla und Sturmia Loeselii.

Um auch eines Gegensatzes zu den hercynischen Mooren zu gedenken, der manchen Floristen in Erstaunen versetzen wird, sei erwähnt, dafs die bei uns auf solchen Torfwiesen am Rande kleiner Teiche und Bergbäche immer am meisten charakteristische Art: Pedicularis silvatica , in der Flora Ostpreufsens so gut wie ganz (aufser dem Südwesten) fehlt. Andere westliche Arten dringen dagegen an der Küste viel weiter ostwärts vor; so konnten Abromeit und ich mit besonderem Vergnügen feststellen, dafs der einzige ostpreufsische Standort von Myrica Gale im Tyrus-Moor bei Prökuls dort ungezählte kräftige Büsche beiderlei Geschlechts aufweist; der Gagelstrauch geht aber in das eigentliche Hochmoor nur wenig hinein und besiedelt in der Hauptsache die durch Gräben trockengelegten um¬ gebenden Torfwiesen mit Sanduntergrund und gedeiht üppig in den Weiden¬ gebüschen von Salix nigricans , livida , pentandra und cinerea.

Schlufs. Nur diese beiden grofsen Formationsgruppen sollten einer vergleichenden Betrachtung mit der heimischen Flora unterzogen werden. Es würde dann noch die Flora der ,,pontischen Hügel“ mit Dianthus Carthusianorum in Betracht kommen, deren ökologische Verhältnisse aber von den unsrigen zu sehr abweichen, als dafs ein Vergleich kurz durch¬ geführt werden könnte.

Die höchst interessanten Dünenformationen, wie sie insbesondere die Kurische Nehrung bietet, lassen gar keinen Vergleich zu. Über sie hat J. Abromeit in dem „Handbuch des deutschen Dünenbaues“*) in sehr an¬ ziehender Weise eine Abhandlung geschrieben, auf die hiermit um so mehr verwiesen sei, als sie auch die Biologie der Arten stark berücksichtigt.

Nur noch einige Schlufsworte mögen hinzugefügt werden über die noch nicht gelöste Aufgabe, die an pflanzengeographischem Wechsel in sich selbst reiche ostpreufsische Flora dementsprechend zu gliedern, also „Land¬ schaften“ (Territorien) mit besonderem Charakter herauszuschneiden.

Es ist unzweifelhaft, dafs zunächst das Weichselland, dessen Pflanzen¬ kleid J. Scholz im Thorner Coppernicus-Verein 1896 sehr beredt geschildert hat, eine eigene bedeutende, an Hügelpflanzen pontisch-sarmatischer Areale reiche Landschaft bildet. An diese schliefst sich wohl ebenso unzweifel¬ haft das westliche Masurenland im Gebiet der Drewenz und über Orteisburg hinaus an, wo ebenfalls noch Pflanzenarten der genannten Gruppe (wie Trifolium Lupinaster , Dracocephalum , Cimicifuga , Massen von Cytisus biflorus etc.) zumeist im Kiefernwalde Vorkommen, zugleich aber auch die Laubwälder noch mit reicher Flora vertreten sind und die öst¬ lichsten Bestände der Buche und des Bergahorns enthalten. Hier ist dem¬ entsprechend das Hauptverbreitungsgebiet von Potentilla alba mit der viel selteneren P. rupestris , Aster Amellus u. ähnl., und manche weiter in Ost-

*) Berlin 1900, S. 171—278.

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preufsen verbreitete Arten (z. B. Trifolium rubens) strahlen von hier in das Ermeland oder nach Natangen hinaus. Die nun folgende Landschaft, welche die Südostecke der Provinz Preufsen einnimmt, könnte man das Gold aper Hochland nennen; vielleicht läfst es sich von der masurischen Landschaft zweckmäfsig in der grofsen Seenkette zwischen Johannisburg und Anger¬ burg abgrenzen (Spirding-See, Löwentin- und Mauer-See), östlich welcher erst das Land zusammenhängend zum Seesker Höhenzuge und zu den Wald¬ bergen am Wysztyter See aufsteigt. Hier liegen die wertvolleren Funde teils im Fichten-Mengwalde und enthalten Arten von in Mitteldeutschland montanem Charakter (. Polemonium , Campamda latifolia , Poa sudetica, Sweertia u. a.), teils in kleineren an Seen gelegenen Mooren , welche hier z. B. die für Preufsen nördlichsten Standorte der Saxifraga Hircidus ent¬ halten, teils auch in Flufsauen mit etlichen schon sibirisch-russischen Arten, z. B mit der zwischen Erlen und Weiden an der Rominte hochkletternden Aspenda Aparine. Es würde nun das Pregel und Memel- Land zwischen etwa der 100 m-Höhenstufe und dem Samlande folgen, wo im Gebiet der kleineren Flüsse: Inster, Szeszuppe, Pissa und Alle die grofsen Hochmoore mit Rubns chamaemorus, auch den wenigen Standorten von Chamaedaphne calyculata u. a. A. sich ausbreiten und durch diese gegen Süden ausgezeichnet sind. Ob es richtig ist, die am Frischen Haff zusammenstofsenden niederen Striche vom Ermeland, Natangen und Samland zu einer besonderen Land¬ schaft zu vereinigen, müfste ein genauerer Vergleich der Wälder und Wiesen ergeben; jedenfalls kommen hier die Küstenformationen hinzu. Der östliche Anteil könnte dann vielleicht als „Südliches Litauer Flachland“ bezeichnet werden. Die Zerstreutheit der Standorte macht scharfe Ab¬ grenzungen schwierig; so beschränkt sich Cenolophium Fisclieri zwar auf das Memelgebiet und Pillkallen; aber schon Conioselinum tataricum ver¬ bindet Tilsit mit Gerdauen und Rastenburg im Übergangsgebiet von Masuren, Goldaper Hochland und der Abdachung gegen Natangen, und diesem Bei¬ spiele liefsen sich viele ähnliche hinzufügen. Den nördlichsten schmalen Teil der Provinz, vielleicht nördlich des Jura- Höhenzuges jenseits der Memel, wird man an Kurland floristisch anzuschliefsen haben; hier ist das Gebiet der Primida farinosa , Car ex sparsiflora , Sesleria coerulea* uli- ginosa , hier sind die dichten Gebüsche von Grauerle und Salix livida als Ersatz für manche andere Art (auch die ostpreufsische Evonymus verru¬ cosa ), deren Vegetationslinie südlicher liegt.

Diese Andeutungen sollen nur darauf hinzielen, dafs die zwischen Weichsel und Memel zusammenlebenden Florenelemente ebenso bestimmte Landschaften wie Formationen auszeichnen, wenn auch bei beiden zahl¬ reiche Zerstreutheiten und den Bodenverhältnissen zuzuerteilende Über¬ gänge die wissenschaftlichen, auf klare Zusammenfassungen hin gerichteten Versuche erschweren. Nachdem die preufsischen Floristen so viel an der tatsächlichen Feststellung der Standorte aller einzelnen Arten gearbeitet haben, werden sie auch in neuen pflanzengeographischen Untersuchungen solche gröfseren Resultate für die Wissenschaft bringen und zu einem be¬ friedigenden geographischen Charakter ihrer einzelnen Landschaften da¬ durch gelangen, dafs sie die besondere massenhafte Ausprägung einer floristischen Genossenschaft von deren äufsersten zerstreuten Vor¬ kommnissen getrennt halten.

Preise für die noch vorhandenen Jahrgänge der Sitzungs- e der „Isis“, welche durch die Burdach’sche Hofbuch¬ ung in Dresden bezogen werden können, sind in folgender

*eise festgestellt worden:

Denkschriften. Dresden 1860. 8. ........... 1 M. 50 Pf.

Festschrift. Dresden 1885. 8. . . . . . . . . , . . . 3 M. Pf.

Schneider, 0.: Naturwissensch. Beiträge zur Kenntnis der

Kaukasusländer. 1878. 8. 160 S. 5 Tafeln . . . 6 M. Pf.'

Sitzungsberichte. Jahrgang 1861 . . . . . . 1 M. 20 Pf.

Sitzungsberichte. Jahrgang 1863 . . 1 M. 80 Pf.

Sitzungsberichte, Jahrgang 1864 und 1865, pro Jahrgang . . 1 M. 50 Pf.

Sitzungsberichte. Jahrgang 1866. April-Dezember . . . . . 2 M. 50 Pf.

Sitzungsberichte. Jahrgang 1867 und 1868, pro Jahrgang* . . 3 1. Pf.

Sitzungsberichte. Jahrgang 1869. Januar -September . . . . 2 M. 50 Pf.

Sitzungsberichte. Jahrgang 1870. April-Dezember . . . . . 3 M. - Pf.

Sitzungsberichte Jahrgang 1871. April-Dezember .... . 3 M. Pf.

Sitzungsberichte. Jahrgang 1872. Januar-September . ... 2 M. 50 Pf.

Sitzungsberichte. Jahrgang 1873 bis 1878, pro Jahrgang . . 4 1: Pf.

Sitzungsberichte. Jahrgang 1879. Januar- Juni ...... 2 M. 50 Pf.

Sitzungsberichte. Jahrgang 1880. Juli-Dezember . . . . 3 M. Pf.

Sitzungsberichte und Abhandlungen. Jahrgang 1881 bis 1884,

1886 bis 1903, pro Jahrgang . . t . . . . . . 5 M. Pf.

Sitzungsberichte und Abhandlungen. Jahrgang 1885 . . . . 2 M. 50 Pf..

Mitgliedern der „Isis“ wird ein Rabatt von 25 Proz. gewährt.

Alle Zusendungen für die Gesellschaft „Isis“, sowie auch Wünsche bezüglich der Abgabe und Versendung der „Sitzungs¬ berichte der Isis“ werden von dem ersten Sekretär der Gesell¬ schaft, d. Z. Hofrat Prof. Dr. Deichmüller, Dresden-A., Zwinger¬ gebäude, K. Mineral.- geolog. Museum, entgegengenommen.

MT Die regelmäfsige Abgabe der Sitzungsberichte an aus¬ wärtige Mitglieder und Vereine erfolgt in der Regel entweder gegen einen jährlichen Beitrag von 3 Mark zur Vereins¬ kasse oder gegen Austausch mit anderen Schriften, worüber in den Sitzungsberichten quittiert wird.

Königl. Sachs. Hofhuchhandlung

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- H. Burdach - -

Schlofsstrafse 32 DRESDEN Fernsprecher 152 empfiehlt sich

zur Besorgung wissenschaftlicher Literatur.

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Druck von Wilhelm Baensch in Dresden.