St^^'^.,^:^--^-:^ ^Vi^ >:..,- m .vi'*: Jrc*^, ^-m HARVARD UNIVERSITY. LIBRARY MUSEUM OF COMPARATIVE ZOOLOGY. ni> 'XjcjvCLTYUht SITZUNGSBERICHTE KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE. HUNDERTSECHSTER BAND. WIEN, 1897. AUS DER KAISERLICH -KÖNIGLICHEN HOF- UND STAATSDRUCKEREI. IN COMMISSION BEI CARL GEROLD'S SOHN, BUCHHÄNDLER DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. nFC, 7 189Ö SITZUNGSBERICHTE DER MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHEN CLASSE DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. CVI. BAND. ABTHEILUNGI. Jahrgang 1897. — Heft I bis X. (MIT 12 TAFELN, 2 KARTEN UND 3 KARTENSKIZZEN.) WIEN, 1897. AUS DER KAISERLICH -KÖNIGLICHEN HOF- UND STAATSDRUCKEREI. IN COMMISSION BEI CARL GEROLD'S SOHN, BUCHHÄNDLER DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. I N H A LT. Seite I. Sitzung vom 7. Jänner 1897: Übersicht 3 II. Sitzung vom 14. Jänner 1897: Übersicht 11 III. Sitzung vom 21. Jänner 1897: Übersicht 12 IV. Sitzung vom 4. Februar 1897: Übersicht 17 V. Sitzung vom 11. Februar 1897: Übersicht 19 VI. Sitzung vom 18. Februar 1897: Übersicht 99 VII. Sitzung vom 4. März 1897: Übersicht 101 VIII. Sitzung vom 11. März 1897: Übersicht 171 IX. Sitzung vom 18. März 1897: Übersicht 172 X. Sitzung vom 1. April 1897: Übersicht 181 XI. Sitzung vom 8. April 1897: Übersicht 182 XII. Sitzung vom 6. Mai 1897: Übersicht 185 XIII. Sitzung vom 13. Mai 1897: Übersicht 235 XIV. Sitzung vom 20. Mai 1897: Über.sicht 236 XV. Sitzung vom 3. Juni 1897: Übersicht 239 XVI. Sitzung vom 18. Juni 1897: Übersicht 240 XVII. Sitzung vom 1. Juli 1897: Übersicht 243 XVIII. Sitzung vom 8. Juli 1897: Übersicht 383 XIX. Sitzung vom 7. October 1897: Übersicht 427 XX. Sitzung vom 14. October 1897: Übersicht 439 XXI. Sitzung vom 21. October 1897: Übersicht 440 XXII. Sitzung vom 4. November 1897: Übersicht 443 XXIII. Sitzung vom 11. November 1897: Übersicht 445 XXIV. Sitzung vom 18. November 1897: Übersicht 446 XXV. Sitzung vom 2. December 1897: Übersicht 489 XXVI. Sitzung vom 9. December 1 897 : Übersicht 491 XXVII. Sitzung vom 16. December 189f: Übersicht 492 Becke F., Mittheilungen der Erdbeben-Commission der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien. II. Bericht über das Erdbeben von Brüx am 3. November 1896. (Mit 1 Karten- skizze.) [Preis: 25 kr. = 50 Pfg.] 46 — Mittheilungen der Erdbeben-Commission der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien. III. Bericht über das Erdbeben vom 5. Jänner 1897 im südlichen Böhmerwald. (.Mit 1 Kartenskizze.) [Preis: 20 kr. = 40 Pfg.] 103 VI Seite Brauer F., Beiträge zur Kenntniss der Mitscaria schizometopa und Beschreibung von zwei Hypoderma - A.vien. (Mit 1 Tafel.) [Preis: 60 kr. = 1 Mk. 20 Pfg.] 329 Czapek F., Über die Leitungswege der organischen Baustoffe im Pflanzenkörper. [Preis: 50 kr. = 1 Mk.] 117 Diener C, Über ein Vorkommen von Ammoniten und Orthoceren im südtirolischen Beilerophonkalk. (Mit 1 Tafel.) [Preis: 30 kr. = 60Pfg.l 61 — Die Äquivalente der Carbon- und Permformation im Himalaya. • [Preis : 20 kr. = 40 Pfg.] 447 Gräffe E., Vorläufiger Bericht über die mikroskopischen Orga- nismen des aus der Tiefe des Rothen Meeres gedredschten Schlammes der Expedition S. M. Schiffes »Pola« in den Jahren 1895 bis 1896. [Preis: 10 kr. = 20 Pfg.] 431 Kerner v. Marilaiin A., Beitrag zur Flora von Ostafrika. [Preis: 10 kr. = 20 Pfg.| 5 Lorenz v. Liburnau J. sen., Ritt., Eine fossile Halimeda aus dem Flysch vonMuntigl (monticulus) bei Salzburg. (Mit 2 Tafeln.) [Preis: 15 kr. = 30 Pfg.] 174 Mazelle E., Mittheilungen der Erdbeben-Commission der kaiser- lichen Akademie der Wissenschaften in Wien. IV. Bericht über die im Triester Gebiete beobachteten Erdbeben vom 15. Juli, 3. August und 21. September 1897. [Preis: 20 kr. = 40 Pfg.] • 467 Mojsisovics v., E., Mittheilungen der Erdbeben-Commission der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien. I. Be- richte über die Organisation der Erdbebenbeobachtung nebst Mittheilungen über während des Jahres 1896 erfolgte Erd- beben. [Preis: 30 kr. =60 Pfg. I 20 Nestler A., Die Ausscheidung von Wassertropfen an den Blättern der Malvaceen und anderer Pflanzen. (Mit 1 Tafel.) [Preis: 30 kr. = 60 Pfg.] 387 Siebenrock F., Das Kopfskelet der Schildkröten. (Mit 6 Tafeln.) [Preis: 1 fl. 45 kr. = 2 Mk. 90 Pfg.] 245 Steiner J., Flechten aus Britisch-Ostafrika. [Preis : 30 kr. = 60 Pfg.] 207 Steuer A., Vorläufiger Bericht tber die pelagische Thierwelt des Rothen Meeres. (Mit 1 Karte.) [Preis: 30 kr. = 60 Pfg.) . . 407 Uhlig V., Über die Beziehungen der südlichen Klippenzone zu den Ostkarpathen. (Mit 1 Karte und 1 Kartenskizze im Texte.) [Preis: 50 kr. = 1 Mk.] 188 Wiesner J., Pflanzenphysiologische Mittheilungen aus Buitenzorg. VI. Zur Physiologie von Taeniophyllum Zollingeri. (Mit 1 Tafel.)[Preis: 35 kr. = 70 Pfg.] 77 - - SITZUNGSBERICHTE 1%^ DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE. GVL BAND. I. BIS IIL HEFT. JAHRGANG 1897. — JÄNNER bis MÄRZ. ABTHEILUNG 1. ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE, KRYSTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE, PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE, ERDBEBEN UND REISEN (MIT 4 TAPELN UND 2 KARTENSKIZZEN.) WIEN, 1897. AUS DER KAISERLICH-KÖNIGLICHEN HOF- UND STAATSDRUCKEREI. IN COMMISSION BEI CARL GEROLD'S SOHN, BUCHHÄNDLER DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. * Ü b e r die L e i t u n g s w e g e d e r organischen Baustoffe im Pflanzenk örper«. Das w. M. Herr Prof. Sigm. Exner legt eine Abhandlung des Prof. Dr. S. Schenk: »Über die Aufnahme des Nahrungsdotters während des Embryonallebens« vor. Das w. jNI. Herr Hofrath Prof. Wiesner ijberreicht den sechsten Theil seiner »Pflanzen physiologischen Mit- theilungen aus Buitenzorg«, betitelt: »Zur Physiologie von Taeniophylliim Zollingeri«. Das w. M. Herr Oberbergrath Dr. Edm. v. Mojsisovics legt namens der Erdbeben-Commission die ersten Publicationen dieser Commission vor. Dieselben fi^ihren den Titel: »Mit- theilungen der Erdbeben-Commission der kaiserl. Akademie der Wissenschaften« und enthalten: I. Berichte über die Organisation der Erdbebenbeobach- tung, nebst Mittheilungen über während des Jahres 1896 erfolgte Erdbeben. II. Bericht über das Erdbeben von Brüx am 3. November 1896, von dem c. M. Prof. Friedrich Becke in Prag. Das w. M. Herr Prof. H. ^Weidel überreicht eine Mit- theilung von Dr. Rud. Wegscheider: »Über die quanti- tative Analyse des Werkkupfers«. 2* 20 Mittheilungen der Erdbeben-Commission der kaiserliehen Akademie der Wissenschaften in Wien. I. Berichte über die Organisation der Erdbebenbeobachtung nebst Mittheilungen über während des Jahres 1896 erfolgte Erdbeben zusammengestellt von Dr. Edmund v. Mojsisovics, w. M. k. Akad. Die mathematisch -naturwissenschaftliche Classe hat in ihrer Sitzung am 25. April 1895 zum Zwecke der Förderung eines intensiveren Studiums der seismischen Erscheinungen in den österreichischen Ländern eine eigene Commission ein- gesetzt. Die Aufgaben, welche sich diese Commission zunächst stellte, sind zweierlei Art: 1. Es wurde als wünschenswerth befunden, eine mög- lichst vollständige und zuverlässige Zusammenstellung aller historisch beglaubigten Erdbeben im Bereiche des österreichi- schen Staatsgebietes anfertigen zu lassen. Dabei erschien es aus sachlichen Gründen zweckmässig, eineTheilung des Stoffes nach den Erfordernissen der topischen Geologie vorzunehmen und wurde beschlossen, in erster Linie einen Erdbebenkata- log des Gebietes der Ostalpen in das Auge zu fassen und mit der Ausführung dieser Aufgabe, für deren Bewältigung ein Zeitraum von drei Jahren angenommen wurde, Herrn Prof. Dr. Rudolf Hoernes in Graz zu betrauen. Ein Erdbebenkatalog, welcher alle jene Daten umfassen soll, die zur Vergleichung der früheren mit den späteren E. V. Mojsisovics, Organisation des Erdbebendienstes. 21 Erschüttei'ungen von Interesse sind, muss als ein dringendes Bedürfniss der österreichischen Erdbebenforschung bezeichnet werden. Derzeit besitzen wir nur für einzelne Länder — so für Niederösterreich durch Eduard Suess, für Kärnten durch Hans Hoefer — Zusammenstellungen der früheren Erdbeben. Diese Zusammenstellungen haben gezeigt, wie wichtig die genaue Erhebung der auf die älteren Beben Bezug habenden Daten aus den alten Chroniken, Landesarchiven u. s. w. ist, da immer wieder dieselben Orte von Erschütterungen heimgesucht werden, immer wieder dieselben Stosslinien neuerdings in Action treten. Es muss daher der Wunsch ausgesprochen werden, dass die Nachrichten über die früheren Erdbeben auch in jenen Ländern, wo dies noch nicht oder nicht mit aus- reichender Vollständigkeit geschehen ist, gesammelt und in brauchbarer Form zusammengestellt werden. Für Krain ist beispielsweise eine ältere Zusammenstellung von H. Mittels vorhanden.^ Das dort gegebene Verzeichniss enthält aber eine Lücke von 1691 — 1799 und bedarf wohl auch sonst noch sehr der Ergänzung. Aus neuerer Zeit wären für Krain die werth- vollen, bis nun wenig benützten handschriftlichen Aufzeich- nungen von K. Deschmann bemerkensvverth, welche ins- besondere die Laibacher Beben aus den Jahren 1855 — 1885 betreffen. 2. Als ihre wichtigste Aufgabe betrachtete aber die Com^ mission die Organisation eines Erdbebendienstes in den öster- reichischen Ländern. Diese Organisation umfasst a) die Er- richtung einer Anzahl von seismographischen Stationen durch die Aufstellung selbstregistrirender Erdbeben- messer, b) die Bildung eines Netzes von permanenten Beob- achtern. Nachdem die vorbereitenden Studien über die zu wählenden Instrumente beendet sind, hofft die Commission im Laufe des Jahres 1897 an die Activirung einiger seismographischen Sta- tionen schreiten zu können. Es ist in Aussicht genommen, solche Stationen an den astronomischen Observatorien, respective physikalischen Instituten in Pola, Triest, Graz, Innsbruck, Kremsmünster, Wien, Prag und Lemberg zu errichten. Wir Jahresber. des Ver. des krain. Landesmuseuins, Bd. III. 22 Mittheilungen der Erdbeben-Commission. behalten uns vor, über die Einrichtung dieser Stationen bei einer späteren Gelegenheit zu berichten. Bei der Bildung des Beobachternetzes ging die Com- mission von der Anschauung aus, dass es am zweckmässigsten sein dürfte, in den einzelnen Provinzen Centralsammelstellen für die Einholung der Erdbebenberichte zu schaffen. Zu diesem Ende wurden für die einzelnen Ländergebiete Referenten ge- wonnen, welchen die Aufgabe zufiel, die localen Netze durch Heranziehung hiezu geeigneter Persönlichkeiten zu bilden. Die von der Commission hinausgegebenen Instructionen, Frage- bogen u. s. f. wurden ausser in deutscher, noch in den wichtig- sten anderen Landessprachen in grosser Anzahl durch die Herren Referenten zur Vertheilung gebracht. Ein directer Ver- kehr der Commission mit den Beobachtern findet daher nicht statt. Die Beobachter berichten an die Referenten, und diese leiten die gesammelten Berichte an die Commission. Seit dem Beginne der diesbezüglichen Verhandlungen hat der Status der Referenten bereits einige Veränderungen erfahren. Im Jänner 1897 setzt sich der Status derselben in folgender Weise zusammen: Kronland, respective Referatsbezirk Referent Wohnort Niederösterreich Prof. Dr. Franz Noe Wien (Meidling) Oberüsterreich Prof. Johann Commenda Linz Salzburg Prof. Eberhard Fugger Salzburg Steiermark Prof. Dr. Rudolf Ho ern es Graz Kärnten Ferdinand Seeland, k. k. Qber-Bergrath Klagenfurt Gürz und Krain Prof. Ferdinand Sei dl Görz Gebiet von Triest Eduard Mazelle, Adjunct des astron.-meteorol. Obser- vatoriums der k. k. Handels- und nautischen Akademie Triest Dalmatien und Istrien Eugen Gel eich, Director der Handels- und nauti- schen Akademie Triest Deutsch -Tirol und Vorarlberg Prof. Dr. Josef Seh orn Innsbruck Mojsisovics, Organisation des Erdbebendienstes. Kronland, respective i Referatsbezirk Referent Wohnort Wälsch -Tirol Prof. Josef Damian Trient Böhmen, Deutsche Gebiete Prof. Dr. Friedrich Becke Prat Böhmen, Cechische Gebiete Prof. Dr. Johann Woldfich Mähren und Schlesien Prof. Alexander Makowsky Galizien Prof. Dr. Ladislaus Szajnocha Bukowina Anton P a w t o w s k i , k. k. Ober-Baurath Prag Brunn Krakau Czernovvitz In den folgenden Zusammenstellungen wird zunächst ein Bericht über den Stand der Organisation der Erdbebenbeob- achtung am Schlüsse des Jahres 1896 gegeben. Die einge- langten, das Jahr 1896 betreffenden Erdbebenberichte wurden den Berichten über die Organisation des seismischen Dienstes in den einzelnen Provinzen oder Referatsbezirken angereiht. Die Commission anerkennt mit gebührendem Danke die mühevolle Arbeit, welcher sich die Herren Referenten unter- zogen haben, und gibt sich der Erwartung hin, dass die nun- mehr in ihren Grundzügen geschaffene Organisation sich als eine brauchbare, lebensfähige Einrichtung bewähren möchte,- welche weiter ausgestaltet und verbessert. werden kann. Für die Zukunft ist beabsichtigt, alljährlich einen Katalog der im Berichtsjahre eingetretenen kleineren Beben und nach Bedarf Specialberichte über einzelne grössere Erschütterungen zu publiciren. Die Originalmittheilungen (ausgefüllte Fragebogen, brief- liche Mittheilungen, Zeitungsausschnitte) sollen in einem eigenen, gut geordneten Erdbeben-Archiv gesammelt und auf- bewahrt werden. Sie bilden die Grundlage für die zu pubh- cirenden Erdbebenkataloge. I. Niederösterreich. Hier führte Herr Hofrath Prof. Dr. Franz Toula die Vorarbeiten durch. Leider sah sich jedoch Herr Hofrath Toula wegen Überhäufung mit ander- weitigen Geschäften genüthigt, das Referat niederzulegen. 24 Mittheilungen der Erdbeben-Commission. welches dann am 1 1. November 1896 Herr Prof. Dr. Franz Noe übernahm. Dem Berichte dieses letzteren Herrn entnehmen wir die folgenden Mittheilungen: »Die Schaffung eines möglichst dichten und gleichmässig vertheilten Beobachtungsnetzes in Niederösterreich musste zu- nächst theoretisch auf der Landkarte vorgenommen werden, wobei die von Prof. Toula entworfene Skizze allerdings einen schätzbaren Behelf abgab, aber nicht in allen Details befolgt werden konnte, da in vielen der dort bezeichneten Rayons Ort- schaften nicht vorhanden sind oder nur solche Besiedelungen, in denen keine geeignete Persönlichkeit aufzufinden war, nach- dem sich dortselbst weder eine Schule, noch Pfarre, noch ein Forsthaus befindet. Auch auf jene Gegenden Niederösterreichs, welche für das Erdbebenphänomen besonders wichtig sind, wie der Alpenrand von Gloggnitz bis Wien (die sogenannte Thermal- linie), die Umgebung von Wiener-Neustadt, die Umgebung von Alt-Lengbach und die sogenannte Kamplinie musste bei der Wahl der Stationen besonders Rücksicht genommen werden. Sodann wurde die Auswahl und Adressenzusammenstellung der geeignet erscheinenden Beobachter vorgenommen. Es wurden in erster Linie Lehrer, besonders Schulleiter, ausgewählt, in deren Ermangelung Ärzte, Apotheker, Pfarrer, Postmeister, Gutsvervvalter, Forstbeamte, kurz Personen, die vermöge ihres Berufes mit vielen Leuten verkehren müssen und daher leicht Erkundigungen einziehen können. In den Orten, wo Mittel- schulen existiren, wurde selbstverständlich an Professoren der- selben herangetreten. Bis L December 1896 wurden 376 Ein- ladungsschreiben abgeschickt. Leider ist die Betheiligung der aufgeforderten Personen nur eine massige, indem bis 12. De- cember nur 211 Personen, d. i. 56-l7o> ihi'^ Zustimmungs- erklärung als Beobachter eingesendet haben. Das gegenwärtige Beobachtungsnetz lässt noch Manches zu wünschen übrig. Es herrschen theilweise noch Lücken in demselben. So ist insbesondere der Bezirk Amstetten noch schwach vertreten. Dagegen sind die Bezirke Neunkirchen, Wiener-Neustadt, Baden, Waidhofen a. d. Thaya und Zwettl sehr gut besetzt. Die grösste Distanz zweier Stationen ist E. V. Mojsisovics, Organisation des Erdbebendienstes. 2o zwischen Haag — VVieselburg mit 43 -092 km, die kleinste Distanz zwischen Schottwien — Klamm mit 1-842 km, die mittlere Durchschnittsentfei-nung, auf das Mittel von 10 Orten berechnet, ergibt d-87o km. In Folge der Versendung von Mahnkarten haben sich seit dem 12. December noch 25 neue Beobachter angemeldet. Dadurch erhöht sich der Stand der gewonnenen Beobachter auf 236 Personen. Der Referent glaubt daher mit Zuversicht binnen kurzer Zeit eine genügende Dich- tigkeit des Beobachtungsnetzes mit mindestens 300 Beob- achtern erzielen zu können.« Erdbebenbeobachtungen, welche das Jahr 1896 betreffen, sind nicht eingelangt, was wohl hauptsächlich in dem \'er- späteten Termin der Organisirung des Beobachternetzes seinen Grund haben dürfte. II. Oberösterreich. Herr Prof. H. Commenda berichtet: »Die mir von der hohen Akademie zugekommenen 300 Stücke Circulare, Fragebogen und Meldekarten sind an 266 verschiedene Orte des Landes ausgesendet worden, von welchen bisher 203 Anmeldungen zu Beobachtungen einliefen. Gegen zwei Drittel der Beobachter gehören dem Lehrstande an, der Rest vertheilt sich auf Geistliche, Förster, Ärzte, Techniker etc. Etwa die Hälfte wirkt auch als Beobachter an den meteoro- logischen und ombrometrischen Stationen. Um möglichst ge- naue Zeitangaben zu erhalten, erliess über mein Ansuchen die k. k. Ober-Postdirection für Oberösterreich und Salzburg in Linz einen Amtsauftrag an alle postcombinirten Telegraphen- ämter des Bezirkes, die etwa zur Beobachtung gelangenden Erdbeben mit möglichster Sorgfalt zu verzeichnen und die gemachten Erhebungen amtlich zur Anzeige zu bringen.« Erdbeben wurden gemeldet: 11. Juni 1896, 2''44"'i von Spital a. Pyhrn. Der Beobachter, Herr Karl Wegrosta, berichtet, dass dieses Beben^in einer Erstreckung von 6 äw vom Pyhrn bis zu einem Bauernhause (circa 2 km unterhalb des Sensenwerkes des Herrn Schröckenfux) in der »Au« auf derselben Linie wie das Laibacher Erd- beben vom 14. — 15. April 1895, auf dem Ostgehänge des Schwarzenberges (eines Ausläufers des Warscheneck) wahrgenommen wurde, auf dem Gehänge ^ Die Tagesstunden werden in diesen Berichten von Mitternacht 0'' über Mittag 12'' bis Mitternacht 24'' gezählt. -b Mittheilungen der Erdbeben-Commission. des Pyhrgasstockes dagegen nicht beobachtet werden konnte. Dem ersten Stosse folgten weitere, schwächere um 2'' 58'", S*" 3'", 3''12"' und 4'' 50". Rütteln, von unterirdischem Rollen begleitet, Richtung NS. Die Bewohner einer Hütte in der Gleinkerau behaupten, dass ihre Hütte als Ganzes erzittert habe. 16. Juli 1896, 20'' 37'" in Urfahr bei Linz, Kappellengasse Nr. 6, Richtung SE — NW, geräuschloser Stoss, welcher eine Pendeluhr zum Stehen brachte und die Thüre derselben Wand, an welcher die Pendeluhr hing, erzittern machte. Gegen 22'' folgten angeblich noch mehrere Erschütterungen (ver- einzelte Beobachtung; Ed. Ebersberg, Ingenieur). 5. December 1896, 0''45'" Nachts in Sierning, kurzer Stoss, begleitet von raschem Rollen, Gartengeschirre wurden verrückt, Fenster klirrten, Hunde zeigten grosse Angst. Mehrere Leute hatten das Gefühl, als wenn ein sehr schwerer Gegenstand umgefallen wäre (Adolf Männer, Lehrer). III. Salzburg. Nach dem Berichte des Herrn Referenten Prof. Eberhard Fugger wurden bisher im Lande 61 Beob- achter gewonnen und werden die Bemühungen, das Beob- achtungsnetz zu verdichten, fortgesetzt werden. IV. Steiermark. Wie Herr Prof. Dr. Rud. Hoernes be- richtet, konnten bis nun 280 Beobachter gewonnen werden, welche sich derartig vertheilen, dass eine grössere Lücke im Beobachtungsnetze nicht mehr vorhanden ist. Allerdings liegen an einigen Stellen die Beobachtungsstationen etwas weiter aus- einander, es ist dies jedoch nur dort der Fall, wo, wie in den »Niederen Tauern« und im Bachergebirge, die Siedelungen weniger zahlreich sind, und es schon aus diesem Grunde unmöglich war, das Netz dichter zu gestalten. Übrigens war der Referent bestrebt, dafür zu sorgen, dass auch in solchen Gebieten Beobachter an jenen Orten, an welchen es überhaupt möglich war, hiefür geeignete Persönlichkeiten zu finden, gewonnen wurden. Über die Erdbeben des Jahres 1896 sendete der Herr Referent die nachfolgenden Berichte ein: 9. Februar 1890. Murau, Oberwölz, 21''5"' oder21''6"'; für Murau wird S — N, für Oberwölz 0 — VV als Stossrichtung angegeben. Intensität IV der Forel'schen Scala. Die »Tagespost« meldet im Abendblatt vomll. Februar: »Aus Murau wird uns unterm 10. d. M. geschrieben: Heute um 9 Uhr 6 Minuten Abends wurde hier ein ziemlich starkes Erdbeben beobachtet. Teller, Gläser etc. in Credenzen klirrten heftig. Das Erdbeben war von dumpfem Rollen begleitet, E. V. Mojsisovics, Organisation des Erdbebendienstes. 27 die Richtung des Stosses war Süd — Nord, doch dauerte derselbe nur etliche Secunden und war nicht so stark wie in früheren Jahren. Einige wollen auch Schwingungen an Hängelampen beobachtet haben. Merkwürdigerweise wurde dieser Erdstoss mehr in der oberen Stadt verspürt, während gegen den sogenannten Unteren Platz zu nichts beobachtet wurde«. Man könnte meinen. dass sich diese Notiz auf ein Beben vom 10. Februar beziehe; doch klärt der nächste Bericht der »Tagespost« im Morgenblatt vom 12. Februar darüber auf, er lautet: »Das Erdbeben, welches nach einem Berichte unseres gestrigen .Abendblattes Sonntag Abends in Murau wahrgenommen wurde, war nach dem »Volksblatt« auch in Oberwölz zu verspüren. Es wurden zwei heftige, rasch aufeinander folgende Erdstösse, und zwar wie es schien in der Richtung von Ost nach West wahrgenommen«. Eine weitere Notiz veröffentlichte die »Tagespost« im Abendblatte vom 13. Februar aus Murau: »Wie schon gemeldet, wurde am vergangenen Sonn- tag 9. d. M., beiläufig um 9 Uhr 5 Minuten Abends ein nicht gar starker Erd- stoss hier beobachtet; Richtung Süd — Nord. Gläser klirrten. Einzelne wollen auch Lampenschwingungen beobachtet haben. Die Erschütterung war von dem bekannten dumpfen Rollen begleitet. Im benachbarten Oberwölz soll dieser Stoss viel bedeutender verspürt worden sein. Wie es scheint, will dieser unheimliche Gast noch immer nicht ganz von uns weichen«. 1. .März 1896. Friedau, 1''57"'. Stossrichtung? Intensität IV. Die »Tagespost« bringt in ihrem Abendblatte vom 2. März folgende Notiz: »Erdbeben. Wie man uns aus Friedau schreibt, weckte gestern Nachts ein kurzer heftiger Erdstoss die Bewohner aus dem Schlafe. Die Uhr zeigte 1 Uhr 57 Minuten. Ein Rollen oder Tosen war nicht bemerkbar«. 20. November 1896.1 Nach Berichten aus Saldenhofen, Hohenmauthen, Mahrenberg, Fresen, St. Anton am Bachern, St. Lorenzen ob Marburg, Windischgraz, Eibiswald, Schwanberg, Deutschlandsberg, Arnfels und Pölfing wurde daselbst kurz vor 10 Uhr Abends (die genauesten Zeitangaben sind 2l''5ö"', 21''57'" und 22'' M. E. Z.) ein Beben von der Intensität III — IV 2 wahrgenommen. Abweichende Zeitangaben werden von Windischgraz gemeldet, doch sind dieselben unter sich nicht übereinstimmend (22*" 15'" und 22'' 57'"), so dass eher eine ungenaue Zeitangabe, als verschiedene Stösse anzunehmen sein dürften. Die Stoss- richtungen werden sehr verschieden angegeben: Saldenhofen NO— SW und S\V — NO, Hohenmauthen NNW— SSO, Mahrenberg SW— NO, Fresen 0— W, Windischgraz W—O und NO — SW, Eibiswald 0— W. Die Erschütterung war fast an allen Orten mit Geräusch verbunden, welches meist dem Beben voran- ging (Hohenmauthen, Mahrenberg, Fresen, Schwanberg), aber auch als gleich- zeitig oder fast gleichzeitig angegeben wird (Berichte aus Pölfing und Eibis- wald). 1 Man vergleiche auch den Bericht über Kärnten, S. 31. - Nach dem Berichte aus Eibiswald könnte man dort die Intensität fast V annehmen. 28 Mittheilungen der Erdbeben-Commission. Die Intensität scheint in den Orten des Drauthales und in Eibiswald am grössten gewesen zu sein, in Arnfels, Deutschlandsberg, Pölfing wurde die Erscheinung nur von einzelnen Personen wahrgenommen. Aus Trahütten und St. Ilgen bei Windischgraz sind negative Berichte eingelaufen. Die »Tagespost« brachte in ihrem Morgenblatt vom 22. November folgende Notiz: »Erdbeben. Aus Saldenhofen, 21. d. M., schreibt man uns: Gestern Abends 10 Uhr wurde hier ein ziemlich heftiges, etwa 6 — 7 Secunden andauerndes Erdbeben wahrgenommen, welches von einem donnerähnlichen, unterirdischen Rollen begleitet war. Das Beben schien sich in der Richtung von Nordost nach Südwest fortzupflanzen«. Im Abendblatte vom 23. November der »Tagespost« findet sich nach- stehende Mittheilung: »Erdbeben. Wie schon im gestrigen Morgenblatte berichtet worden ist, wurde am 20. d. M. Abends in Saldenhofen ein Erdbeben wahrgenommen. Nach einem zweiten Briefe, der uns aus Saldenhofen zugeht, wurde das Erd- beben um 9 Uhr 59 Minuten Abends verspürt; als Richtung wird uns Südwest nach Nordost, als Zeitdauer 3 Secunden angegeben. Das Erdbeben muss ziem- lich heftig gewesen sein, denn unser Gewährsmann schreibt uns: Ich sass beim Tisch, und der Stoss kam von rückwärts so stark, dass es mich einigemale von der Bank hob«. — Aus Fresen wird gemeldet, dass um 10 Uhr Abends eine leichte Erderschütterung verspürt wurde, welche von donnerähnlichem Rollen begleitet war, und eine Meldung aus Un terdrauburg lautet: »Am 20. d. .VI. um 10 Uhr 2 Minuten Nachts wurde hier ein Erdbeben verspürt, ein stoss- artiges Zittern, etwa 3 Secunden dauernd und von Südosten nach Nordwesten gehend«. Ausführliche Berichte mittelst Fragebogen liefen ein von Hohenmauthen, Mahrenberg, Fresen, Eibiswald, Schwanberg, Pölfing. Denselben ist Folgendes zu entnehmen: Hohenmauthen (Berichterstatter Herr Gewerke und Bürgermeister Otto Erber). Die Erschütterung wurde circa 21'' 52'" allgemein wahrgenommen. »Es war, wie wenn ein Fuhrwagen auf einem Wege, der mit sogenannten Katzen- köpfen gepflastert ist, sich vorwärts bewegen und dann auf einmal anstossen würde. Ein Schaukeln oder Zittern wurde nicht bemerkt. Nach Empfindung des Berichterstatters erfolgte die Bewegung in der Richtung NNW — SSO. Eine Bewegung von Bildern, Uhren u. dgl. wurde nicht wahrgenommen. Das donner- artige Geräusch ging der Erschütterung voran. Mahrenberg (Berichterstatter Herr k. k. Notar Martin Kocbeck). Die Erschütterung wurde um 21'" 55"" (corrigirte Eisenbahnzeit) allgemein wahr- genommen. Die Bewegung bestand aus mehreren aufeinander folgenden Seiten- rucken in der Dauer von 3 — 4 Secunden, ihre Richtung von Südwest nach Nordost wurde aus dem einseitigen Anschlagen des Pendels einer Uhr abge- leitet. Der Erschütterung ging ein donnerartiges Geräusch von 1 — 2 Secunden Dauer voran. E. V. Mojsisovics, Organisation des Erdbebendienstes. 29 Fresen (Berichterstatter Herr Lehrer Anton Voith). Die Erschütterung wurde um 22'' (Bahnzeit) in Fresen und Umgebung wahrgenommen. Die als Rollen und Zittern bezeichnete Bewegung ging nach Empfindung des Bericht- erstatters von Ost nach West und dauerte nur 1 — 2 Secunden, ihr ging unmittelbar ein donnerartiges Geräusch voran. Eibiswald (Berichterstatter Herr Lehrer Franz Sac kl). Das Erdbeben wurde um 21'' 55"* ziemlich allgemein im Orte und in der Umgebung wahr- genommen. Es bestand aus zwei Erschütterungen innerhalb einiger Minuten, die als gleichartiges Zittern bezeichnet werden. Sie kamen nach Empfindung des Berichterstatters von Osten und dauerten 2 Secunden. Das Geräusch, welches fast gleichzeitig beobachtet wurde, wird einem Sausen, wie wenn der Wind stark wehte, verglichen. Häufig wurde ein Klirren der Fenster beob- achtet, Thüren, welche nicht eingeklinkt waren (Scheunenthüren), wurden auf- gemacht; Bäume, die bei Häusern standen, sollen hörbar, wie bei einem Winde, auf die Dächer aufgeschlagen haben, Bücher und Gläser von Schränken gestürzt sein. Vögel sowohl im Käfig, wie im Freien wurden unruhig. Hähne fingen zu krähen an. Schwanberg (Berichterstatter Herr Dr. Adalbert Buchberg er, Primar- arzt). Die Erschütterung wurde um 21'' 57'" (Ortszeit, die jedoch wenig von der mitteleuropäischen differiren dürfte) von beinahe allen noch nicht schlafenden Einwohnern wahrgenommen. Es wurde zuerst ein etwa 3 Secunden andauerndes Rollen, welches den Eindruck des Geräusches eines rasch vorüberfahrenden Wagens machte, dann ein kurzer heftiger Stoss verspürt. Pol fing (Berichterstatter Herr Bergverwalter Michael Glaser). Die Erschütterung wurde um 21'' 50'" (uncorrigirte Zeit) nur von wenigen Personen in Jagernigg bei Wies und Brunn wahrgenommen; ihre Dauer betrug 6 — 8 Secunden, sie war gleichmässig, ähnlich derjenigen, vi^elche ein in der Nähe vorüberfahrender Eisenbahnzug hervorruft, wobei zugleich Fensterklirren und schwaches Krachen der Thüren beobachtet wurde. Die Richtung wurde durch unmittelbare Empfindung wahrgenommen und später mit einem Handcompass noch Stunde 18 constatirt. Mit der Erschütterung war ein gleichzeitiges und gleich lang anhaltendes Geräusch verbunden. Aus Windischgraz sind zwei in den Zeitangaben nicht überein- stimmende Berichte eingelangt. Herr Bürgerschuldirector Josef Bari e schreibt: »Am 20. November Abends, 22'' 47'", fand hier ein Erdbeben statt, welches nur von einigen Personen beobachtet wurde. Einige behaupten, dass der Stoss von Westen gegen Osten, andere, dass er von Nordost gegen Südwest ging. Es war zuerst ein Brausen, dann ein ziemliches Schaukeln«. Herr k. k. Notar Johann Tomschegg berichtet ddo. 21. November 1896: »Gestern Abends 22'' IS" ziemlich heftiges Erdbeben von Westen nach Osten, einige Secunden dauernd«. Aus St. Hgen-Missling bei Windischgraz berichtete Herr k. k. Be- zirks-Schulinspector Franz Vrecko, dass daselbst am 20. November Niemand etwas von einem Erdbeben wahrgenommen habe. St. Anton am Bachern. Der Berichterstatter LIerr Schulleiter Johann S tibi er theilt mit, dass das am 20. d. M. kurz vor 22'' in der Umgebung 30 Mittheilungen der Erdbeben-Commission. wahrgenommene Erdbeben auch in St. Anton am Bachern verspürt wurde: »Unser Schulhaus ist so dem Winde ausgesetzt, dass ich selbst nicht recht unterscheiden konnte, was eigentlich war. Unser Nachbar, Herr Mraulek, hat sich aber geäussert, dieses Erdbeben richtig wahrgenommen zu haben«. St. Lorenzen ob Marburg. Herr Oberlehrer Michael Möge schreibt: »Auf Grund der gepflogenen Erhebungen in St. Lorenzen und der Umgebung kann ich nach etlichen 20 übereinstimmenden Aussagen mittheilen, dass das am 20. November El"" 55"" stattgefundene Erdbeben nur in einem donnerartigen Getöse mit schwachem Zittern wahrgenommen wurde«. Arnfels. Herr Rudolf Vogl, Lehrer in Arnfels, berichtet, dass er selbst von dem Beben nichts bemerkt habe: »Nach mehrfacher Umfrage theilte mir heute ein Herr mit, dass er zur genannten Zeit ein sehr schwaches Erdbeben verspürt habe und die über dem Tische hängende Lampe in wenig pendelnde Bewegung gerathen sei. Von einem unterirdischen Rollen u. s. f. hat er nichts bemerkt«. Deutschlandsberg. Herr k. k. Notar Hermann Asperger theilt mit, dass das Beben am 20. weder von ihm, noch von anderen diesbezüglich befragten Personen wahrgenommen worden sei: »Nur ein Bahnwächter be- hauptet bestimmt, am 20. etwas vor 22'' in seinem abseits vom Markte gelegenen Hause zwei ganz kurze Stösse, welche die Uhr in unruhige Bewegung versetzten, verspürt zu haben«. Trahütten. Nach einem Berichte des Herrn Schulleiters Franz Faschi ng wurde das Erdbeben dort von Niemand wahrgenommen. Dafür wird eine Beobachtung von Osterwitz gemeldet: »Aus Osterwitz wurde mir mit- getheilt, dass dieses Beben dort am 20. d. M. kurz vor 22'' wahrgenommen wurde, und zwar einmaliges, etwa 1 — 2 Secunden dauerndes donnerähnliches Rollen, wellenartige Bewegung, bedeutendes Schütteln«. 21. November 1896. Hohenmauthen, Kirchberg a. d. Raab. 5^ Intensität III. Richtung (nur für Kirchberg angegeben) : 0 — W (oder umgekehrt). Hohenmauthen. Auf dem Fragebogen, mit welchem Herr Gewerke und Bürgermeister Otto Erb er das. Beben vom 20. meldet, findet sich die Notiz: »Ein Herr sagt mir, dass um 5 Uhr Morgens des 21. November, also um circa 7 Stunden später, wieder ein Stoss gewesen sein soll, doch hat diesen Stoss sonst Niemand beobachtet«. Kirchberg a. d. Raab. Herr Lehrer Alois Sackl berichtet, dass daselbst beiläufig um 5 Uhr Morgens zwei gesonderte Erschütterungen in circa 5 Minuten Pause von Herrn Postexpedienten Jos. Biber wahrgenommen wurden, die jedesmal das leichte Erzittern einer das Zimmer abtheilenden, nicht befestigten Glaswand verursachten. Als Stossrichtung wird Ost — West (oder umgekehrt) angegeben. 11. December 1896. Übelbach, Frohnleiten, 1 Uhr Nachts oder circa 5 Minuten vor 1 Uhr. An beiden Orten war die Erschütterung stark genug, Schlafende zu wecken, die sodann das der Erschütterung folgende Geräusch wahrnahmen. Weitere Wahrnehmungen liegen nicht vor. Für Frohn- leiten wird die Richtung WSW — ONO angegeben. E. V. Mojsisovics, Organisation des Erdbebendienstes. 31 Übelbach. Dem von Herrn Oberlehrer Alois Leyfert eingesendeten Fragebogen ist zu entnehmen, dass die Erschütterung daselbst um 1 Uhr (corrigirte Zeit) von einzelnen Personen wahrgenommen wurde, die vom Schlafe aufgeschreckt, ein etwa 1 — 2 Secunden dauerndes Geräusch ver- nahmen, »als ob ein schwerer Wagen blitzschnell beim Gebäude vorüber- gefahren oder etwas zusammengefallen wäre«. Die Erschütterung selbst wurde nicht beobachtet. Frohnleiten. Hier wurde die Erscheinung nur von dem Bericht- erstatter, Herrn Oberlehrer Alois Rieder, wahrgenommen, welcher als Zeit circa 5 Minuten vor 1 Uhr Nachts (uncorrigirt) angibt. Der Berichterstatter verspürte keine aulTallende Erschütterung, vermuthet aber, dass dieselbe unmittelbar vor seinem Erwachen erfolgt sei, so dass er nur mehr das Geräusch wahrnahm, welches dem Erdbeben folgte. Das Geräusch wird als heulend bezeichnet, seine Dauer mit 4 Secunden, seine Richtung als WSW — 0X0 angegeben. Von anderen Orten sind keine Nachrichten eingelangt, was bei der für die Wahrnehmung sehr ungünstigen Zeit leicht begreiflich ist. 26. December 1896. Windischgraz, 23'' 45'", Erderschütterung in südöstlicher Richtung mit unterirdischem Dröhnen, Dauer 4 Secunden. Über dieses Beben liegt uns eine kurze Meldung des Herrn k. k. Notars Johann Tomschegg vor, welche sich auf Mittheilung der oben wieder- gegebenen Daten beschränkt. V. Kärnten. Den Bemühungen des Herrn Referenten, Oberbergrath Ferd. Seeland, ist es bis nun gelungen, 27 Beob- achtungsstationen zu gewinnen. Das Netz zeigt noch, ins- besondere in den Tauern, weite Lücken, deren allmälige Aus- füllung wünschenswerth ist. Eingelaufene Berichte: 4. Juli 1896 um circa 7'' und um 22'' 30'" in Wolfsbach im Kanalthale je ein Stoss von 2 — 5 Secunden Dauer, schlagähnlich, nachfolgend schüttelnd. Die Stösse glichen dem plötzlichen Zuschlagen einer schweren Thüre. Dann erfolgte heftiges Zittern des kleinen, alten, gemauerten Hauses (Freiherr v. Jabornegg). 22. October 1896, circa 4'' in Klagenfurt (Priesterhausgasse 4, 1. Stock), ein sehr deutliches Erzittern, dem 5 Secunden später eine noch schwächere Erschütterung folgte. 0 — W. Bilder an der Wand nach W verschoben,, frei- hängende Ampel schwang. Die erste Er^schülterung dauerte 3, die zweite 2 Secunden. Wurde noch von mehreren Personen in Klagenfurt wahrgenommen. Am 23. October Abends, circa IS**, folgte nochmals eine schwache Erschütterung (Dr. Othmar Purtscher). 20. November 1896,' um 22''3"'in Gutenstein, N — S (von Geräusch begleitet; 21'' 50'" in Wolfsberg, N — S (3 — 4 Secunden); 22'' 2'" p. m. in Unter- Siehe auch Steiermark, S. 2^ 32 Mittheilungen der Erdbeben-Coinmission. drauburg (allgemein wahrgenommen), SO— NW. Geräusch vorangehend, dann 3 — 4 Secunden eine starke einmalige Erschütterung. 1. December 1896, um 3''2r", um 3'-51"' und um 9'' 10'" in Pontafel, wo es allgemein wahrgenommen wurde. Das Beben erstreckte sich auch auf die benachbarten Dörfer gegen S und gegen E. Malborghet wurde noch erschüttert, Tarvis dagegen nicht mehr. In dem von Italien kommenden Luxus- zuge wurde das Beben während der Fahrt bei Ponteba verspürt. Einzelne Gebäude im Orte erhielten stärkere und schwächere Sprünge. Die Stösse schienen aus SW zu kommen. Es wurden deren vier beobachtet (um 3''51'" zwei Stösse), von welchen der erste 3 Secunden, die beiden zweiten 2 Secunden und der dritte, schwache Stoss 1 — 2 Secunden dauerte. Geräusch (kurzes knallendes Donnern und Rasseln) ging den Stössen voraus und folgte ihnen nach. Beim zweiten Stösse beobachtete der Berichterstatter nach 5 Minuten im Freien ein Brausen in den nördlichen Gebirgen, gleich dem eines sehr starken Sturmes (Rudolf Reiter). VI. Krain und Görz. Der Referent für dieses Gebiet, Herr Prof. Ferd. Seidl, stellte sich, wie wir seinem Berichte entnehmen, die Aufgabe, zunächst je einen Beobachter auf 50 km^ des Landes zu gewinnen und erschien es ihm wünschens- werth, sich hiebei vor Allem die Betheiligung der Volksschul- lehrer zu sichern. Um eine thunlichst gleichmcässige Dichte des Beobach- tungsnetzes zu erzielen, nahm er die Bezirksschulinspectorate, welche mit den politischen Verwaltungsgebieten identisch sind, vor und leitete die Zahl der Beobachtungsstellen ab, welche unter obiger Forderung auf jede Bezirkshauptmannschaft ent- fallen. Nach Massgabe der so erhaltenen Zahlen versendete er im Juli die Einladungen zur Theilnahme an der Erdbebe n- beobachtung mit je einem Fragebogen und einer Antwortkarte. Eine beträchtliche Zahl der 250 Einladungen blieb unbeant- wortet. Ein Aufruf in Laibacher und Görzer Journalen erzielte einige nachträgliche Zustimmungserklärungen. Eine grössere Anzahl von Einladungen an die Geistlichkeit und an Private erzielte fast gar kein Resultat. Die Gesammtzahl der in Görz, Gradisca und Krain ge- wonnenen Beobachter beträgt 126 in 117 Orten. Von diesen entfallen 36 auf Görz-Gradisca und 90 auf Krain. Ausserdem hat aber auf Anregung des Herrn Referenten der Musealverein in Laibach sich bereits im Beginne des Berichtsjahres bemüht, die Mithilfe der intelligenten Kreise E. V. Mojsisovics, Organisation des Erdbebendienstes. 33 Krains zur Erdbebenbeobachtung zu gewinnen. Es wurde ein Aufruf und eine Instruction in beiden Landessprachen ver- sendet und förderte auch die Presse durch die VeröffentHchung von Erdbebenberichten unsere Bestrebungen. So sah sich der Herr Referent in der Lage, den nach- stehenden Bericht über die im Jahre 1896 in Krain und im Görzer Gebiete stattgehabten Erdbeben zusammenzustellen: 14. Jänner, 1''26"' in Laibach ein Stoss von »mittlerer Stärke«. 25. März, 6^ in Laibach ein Stoss. I.April, 21/4'' fühlte der städtische Sanitätsdiener in Laibach, wohnhaft auf dem Schlossberge, eine ganz schwache Erdschwankung ein paar Secunden hindurch. 5. April (Ostersonntag). 22'' 20™ (mitteleuropäische Zeit gemäss Angabe der Telegraphenämter in Görz und dem Isonzothale) ein Erdbeben im Isonzo- thale. Es wurde wahrgenommen in Flitsch, Karfreit, Livek, Tolmein, Sta. Lucia, Flava, in Görz und jenseits der Reichsgrenze in Podresca (bei Cividale); nega- tive Berichte gingen ein von Idria, Raibl, Villach, Medana (bei Cormons), Butrio (bei Cividale). Dieses Beben war das stärkste und umfangreichste des Jahres 1896 in Krain und dem Görzer Gebiet. Stossrichtung E — W. Aus Sta. Lucia wird berichtet, dass nach vorausgegangenem unterirdischen Getöse um 22'' 20'" zwei senkrechte Stösse wahrgenommen wurden, welche 1 — 2 Secunden dauerten. Die Fenster und das Glasgeschirr klirrten, die Wandbilder begannen zu schwingen; die Bevölkerung erwachte aus dem Schlafe und verliess die Häuser. Ein Knecht, der im Stall beschäftigt war, bemerkte das Wanken der Wände und der Decke der Stallung. In Tolmein klirrte das Glasgeschirr, die Leute erwachten, verblieben aber in den Wohnungen. In De skia äusserte sich schon um 20'' ein schwächerer Erdstoss. Der Hauptstoss um 22' 20"' löste Stücke des Anwurfes von den Wänden. In Podmelec warf der Stoss das Glasgeschirr von den Stellagen, weckte die Leute aus dem Schlafe und verscheuchte sie aus den Wohnungen. In Kar freit wurde die Bevölkerung gleichfalls geweckt, und Viele eilten in das Freie; um Mitternacht soll ein schwächerer Stoss gefolgt sein. In Görz haben ziemlich viele Personen, welche im ersten oder den oberen Stockwerken weilten, um 22'' 20"° eine leichte Schwingung wahr- genommen, wenn sie sich in wachem Zustande befanden. Nach 23'' folgte noch ein Stoss, der so stark war, dass die Fenster erklirrten. Nur wenige Wachende nahmen ihn wahr. In Podresca haben einige im wachen Zustande befindliche Personen um circa 22'' einen kurzen, w'ahrscheinlich wellenförmigen Stoss empfunden, welcher circa 3 Secunden währte. 6. April zwischen 0'' und 1'' folgte dem Hauptstoss des Vortages ein schwächerer in Deskla und weckte die Bevölkerung aus dem Schlafe. 6. April. Um 4'' 30"" desselben Tages nahm der Wirth Mikuz in Sta. Lucia einen leichten Stoss wahr; er befand sich im wachen Zustande. Dieser Stoss wird auch aus Podresca gemeldet, gleichfalls von 4'' 30'". Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl.; GVL Bd., Abth. I. 3 34 Mittheilungen der Erdbeben-Commission. Q.April. 1''38'" in Laib ach ein kurzer, ziemlich senkrechter Stoss nach vorausgegangenem Getöse. Die Fenster erklirrten schwach. Zwei Bericht- erstatter aus Laibach vermelden ihn. Auch in Jezica (bei Laibach) wurde er wahrgenommen. Eine Bestimmung der Dauer und Richtung war nicht möglich. 11. April. 20Vo'' leichte, nur von Wenigen beobachtete Schwingungen in Görz. 12. April. 3" in Görz eine leichte Erdschwankung, welche von Wenigen wahrgenommen wurde. Ein Beobachter gibt an, im Bette liegend die Schwin- gungsrichtung SE — NW erkannt zu haben. 13. April. Circa 3*' eine leichte Schwankung in Görz, von Mehreren wahrgenommen. 13. April. 23'/-)'' in Laibach ein kurzer, ziemlich kräftiger Stoss, ohne Getöse, wellenförmig. 14. April. 2'■^j^*' in Laibach ein kurzer, kräftiger, wellenförmiger Stoss ohne Getöse. 14. April. An demselben Tage um IQ'/.,'' in Laib ach ein gelindes Getöse und ein leichter Stoss (ein Beobachter). 14. April. Um 3''39"' äusserte sich in Rudolfswert ein starkes unter- irdisches Getöse, nach dem einen Berichte ohne Erschütterung, nach einem anderen mit kräftiger Erzitterung, so dass das Glasgeschirr klirrte. Als Richtung des Stosses wird NW — SE angegeben. Ein anderer Berichterstatter meldet, dass der Stoss ein verticaler war »und eben deshalb ohne nachfolgende Erschütterung«. Der Stoss dauerte nur kurze Zeit, war jedoch stärker als am Ostersonntage des Jahres 1895. Die Leute verliessen erschreckt die Häuser. Auch aus Precina bei Rudolfswert wird der Stoss vermeldet. 18. April. 2'' 25"' trat in Laibach eine leichte, mehrere Secunden dauernde Erschütterung ein; es war zunächst ein gelindes Erzittern, alsdann ein Getöse, schliesslich ein schwacher Stoss (zwei Berichterstatter). Das Gemäuer ächzte, die Thüren knarrten. 18. April. 22Vo*' desselben Tages nahm die Gemahlin des Leiters der Volksschule am Laibacher Moor ein leichtes Getöse wahr und einen darauf- folgenden leichten Stoss; das Öl in der Petroleumlampe erzitterte. Dieser Stoss wird auch durch einen Berichterstatter in Laibach bestätigt. 20. April. 19*' 3'° (mitteleuropäische Zeit des Telegraphenamtes) in Görz ein senkrechter Stoss von der Dauer einer Viertelsecunde, ohne Schwin- gungen. Der Berichterstatter sass in seiner Wohnung im zweiten Stockwerke. Das Haus erzitterte, als ob Jemand das Hausthor mit Gewalt zugeschlagen hätte. Der Stoss wurde in Görz auch von vielen im Freien befindlichen Personen wahrgenommen. In Merna und Rupa (nächst Görz) verliessen die Leute erschreckt die Häuser. In Lucinico soll das Küchengeschirr von den Stellagen gefallen sein und die landesüblich verflochtenen Maiskolben von den Stangen. .Auch in Rubia wurde der Stoss wahrgenommen. 20. April. .An demselben Tage trat in Görz um 2OI/.2'' noch ein Stoss ein (ein Beobachten und um 23'' ein dritter leichter Stoss (drei Beobachter). E. V. Mojsisovics, Organisation des Erdbebendienstes. 35 21. .-Xpril um IPS'" (nach einenn anderen Berichte 11 "'S'", nach einem dritten 11'') in Laibach eine unbedeutende Erschütterung. Die Fenster- scheiben klirrten. 23. April um 23 '/2'' und einige Minuten später neuerdings je ein leichter Stoss in Görz. 25. April, 8'' 51'" in Laibach ein 2Vo Secunden dauerndes Getöse und hierauf ein leichtes »Erknistern« der Zimmerdecke und Thüre (zwei Beob- achter). 2. Mai, 21'' 14'" in Laib ach ein leichter, kurzer, senkrechter Stoss; es knisterte der Kasten im Zimmer des Beobachters. 17. Mai, O^'ßVo'" (nach der Uhr der St. Peterskirche) ein Stoss in Laibach. Der grösste Theil der Bevölkerung vernahm ihn im Schlafe nicht, er wurde nur von Wachenden empfunden. Der Beobachter vernahm (bei offenem Fenster seines Schlafzimmers) ein leicht brausendes Geräusch in den oberen Luftregionen, dessen massig rasches Vorwärtsschreiten von Süden nach Norden deutlich erkennbar war. Hierauf trat der Stoss in 1 — 21/2 Secunden ein; er dauerte höchstens P/o Secunden. Er rief im Zimmer eine leichte, halb schwingende Erschütterung hervor. Dieser Stoss wurde auch in der Umgebung Laibachs wahrgenommen. In St. Martin unter dem Grossgallenberge hatte er die Richtung SW— NE, dauerte circa 2 Secunden und war so kräftig, dass er die Leute aus dem Schlafe erweckte. In mehreren Häusern wurde Licht gemacht. 13./14. Juni um Mitternacht in Laib ach ein kurzer, ziemlich kräftiger Stoss (zwei Beobachter). 17. /18. Juni Nachts in Laibach ein leichtes Schwingen. 26. Juni, 23'' 5'" in Laib ach schwaches, 2 — 3 Secunden dauerndes Vibriren (ein Beobachter). 29. Juni, 41/2'' in Laibach eine leichte Erschütterung nach voraus- gegangenem unterirdischen Getöse. In Bischoflak wurde gleichzeitig eine Erschütterung empfunden. 30. Juni, l''30'° in Laibach Erderschütterung mit Dröhnen (dem Berichterstatter mitgetheilte, fremde Beobachtung). 3. Juli, zwischen 16 und 17'' wurde in Dob (Aich, Laibacher Feld) von Landleuten auf freiem Felde Dröhnen und eine leise Erschütterung beob- achtet. 5. Juli, 16''46"' glaubte ein sorgfältiger Berichterstatter in Laibach einen schwachen senkrechten Erdstoss verspürt zu haben. 9. Juli, 16'' 21'" in Laibach kurzes Dröhnen, schwächster Stoss mit Knistern von SW her, unsichere Beobachtung eines Berichterstatters. 10. Juli, 2'' 39" vormittags? nachmittags? Dröhnen in Laib ach und 21'' 14'" schwächster Stoss, ebenso unsichere Beobachtung desselben Bericht- erstatters. 14. Juli, 7'' 5'" und 8'' 45'" in Nassen fuss zwei leichte Beben. 3* 36 Mittheilungen der Erdbeben-Commission. 22. Juli, 10'' öl^inDomzale ein ziemlich starker, 3 Secunden dauernder Stoss. Er wurde von den auf dem Felde beschäftigten Leuten wahrgenommen. 11'' dieses Tages empfanden die Leute in Skarucina (N von Laibach) im Freien eine lebhafte Bodenschwankung und vernahmen zugleich einiges Getöse. Alle Dörfer um den Grossgalle nberg verspürten dieselbe, und wurde dieses Ereigniss namentlich inVodice lebhaft besprochen. In Laibach verspürten nur die in den Wohnungen Befindlichen einen dumpfen Stoss. Nach einem anderen Berichte war es in Laibach um 10'' 46"" ein mittelstarker, l'/2 Secunden währender Stoss ohne besondere Begleitumstände. In Laibach fand auch um QI/q'' ein Stoss statt. 30. Juli, 9'' 17'", 9'' 27"" und 18" 40"' (die Uhr des Berichterstatters zeigte im Vergleich mit der Bahnuhr in Stein 10 Minuten zu spät; ob die genannten Zeitpunkte die corrigirte Zeit bedeuten, wird nicht gesagt) in Ober-Tuchein drei einzelne Stösse von der Seite, gleich leichten Charakters, von SW — NE (die Richtung wurde nach dem Gefühle erkannt). Jeder Stoss dauerte bei 5 Secunden. Ein dumpfes Getöse war während der Stösse zu hören und dauerte ein klein wenig länger als die Erschütterung. Manche haben die Stösse nicht wahrgenommen, insbesondere jene, welche einer Beschäftigung oblagen. Die Schnitterinnen auf dem Felde verspürten die Stösse, machten sich jedoch nicht viel daraus. 4. August, 6'' 45"' in Zirknitz drei Stösse, kurz, unmittelbar nach- einander, jeder je 1 Secunde dauernd. Sie wurden allgemein wahrgenommen. Die Fenster erklirrten. Die Stösse kamen vom Westen her, ein dumpfes Getöse begleitete sie. Die Bevölkerung blieb ruhig. 4. August, 68/4'' (»ziemlich verlässliche Zeit, da im Orte ein Tele- graphenamt besteht, nach dessen Uhr die Uhren des Ortes gerichtet werden«) verspürte man das Beben auch in Neudorf (Bloska vas) bei Rakek. Die Schwankung verspürten nur Einige. Es war nur eine Schwankung; bei dem Nachbarn des Beobachters begann die Hängelampe zu schwingen. Im Pfarr- hause erklirrten die Fenster des I. Stockwerkes schwach. Als Richtung wird W — E angegeben. Man vernahm zunächst ein Dröhnen wie von entferntem Donner, 4 — 5 Secunden hernach traf die leichte Schwingung ein, welche ein paar Secunden währte. 12. .\ugust, 3" 17'" in Laibach schwaches kurzes Erbeben mit schwachem Knistern des Kastens im Zimmer (ein Beobachter). 25. August, 0''57"' in Laibach zwei kurze, binnen 1 Secunde sich folgende Stösse. Die Wand im Schlafzimmer des Berichterstatters erzitterte. Ein Getöse war nicht zu vernehmen. Das Beben wird durch andere Beobachter bestätigt. Nach anderen Beobachtern erfolgte um 0'' 58"' nach schussähnlichem Getöse ein kurzer, ziemlich kräftiger Stoss. Aus Jezica bei Laibach wird gemeldet, dass daselbst der Stoss um 11/4'' stattfand. Es war ein mittelstarker Stoss, von NW — SE sich fortpflanzend, er dauerte 3 Secunden und ward von einem unterirdischen Getöse begleitet. 9. September, 11''55'" in Komenda (Bezirk Stein) ein Stoss. (Bald darauf sah der Berichterstatter auf die Bahnuhr. Seine Uhr zeigte 7 Minuten E. V. Mojsisovics, Organisation des Erdbebendienstes. 3/ zu spät. Ob die angegebene Zeit corrigirt ist, wird nicht erwähnt.) Es war ein langsames, von SE — NW sich fortpflanzendes Zittern. Die Richtung wurde nach dem Gefühl und nach dem Schwingen einer Hängelampe beurtheilt. Gleichzeitig mit dem Beben der Erde vernahm man ein Getöse, welches 5 Secunden währte. Die Fenster erklirrten. Es fand eben eine Lehrerversamm- lung statt. Man verstummte, Einige erblassten etwas. O.September. Von demselben Tage wird eine Erschütterung in Lai- bach vermeldet. Zeit 11'' 48"". In der Hölzersammlung des Landesmuseums fielen einige Stücke um. Nach anderer Angabe ll''5r" mittelstarkes Beben mit Dröhnen, 3 Secunden, senkrecht und auch Vibration S — N. 11 ''50'" fand in Jezica ein 6 Secunden währendes Beben statt; es wurde von einem ziemlich starken unterirdischen Getöse begleitet. Das letztere pflanzte sich von W — E fort. 23. September, 14'' 17'" in Laibach. 1 y* in Laibach. 23'' in Laiba eh. Diese drei Stösse werden von glaubwürdigen Beobachtern angegeben. 25. September, 1''56"' in Laibach 4 Secunden dauerndes stärkeres Dröhnen ohne Erschütterung. 3'' 7'" schwaches Erdbeben (unsichere Beobachtung). 26. S eptember, 1''21"' (corrigirt nach der Telegraphenuhr) ein Beben bei Vinica (bei Cernembl). Es wurde im Orte und dessen Umgebung allgemein verspürt, die Meisten wurden aus dem Schlafe geweckt. Die Bewohner am Fusse des Uskokengebirges spürten es nicht — soweit der Berichterstatter erheben konnte — wohl aber die Kroaten jenseits der Landesgrenze. Es war nur ein mittelstarker, wellenförmiger Stoss, welcher von Westen her kam, mit einem 3 Secunden währenden, sehr gelinden Erzittern. »Man vernahm ein Rollen von Steinen, d. h. als ob unterirdisch ein Einstürzen stattfände«, diese Erscheinung begann und hörte gleichzeitig mit der Erschütterung auf Dem Berichterstatter versicherte ein Bekannter, dass er schon tagsvorher ein gelindes Beben um 16'' verspürt hätte. 5. October, 4''5'" in Laibach ein schwacher senkrechter Stoss unter gleichzeitigem, ein paar Secunden dauerndem Dröhnen. Ausserdem im Verlaufe der Nacht noch öfters Vibrationen von Anderen verspürt (ein Berichterstatter). 7. October, S'^O"" in Laibach 3 Secunden dauerndes Dröhnen ohne Stoss, etwas unsichere Beobachtung eines Berichterstatters. 9. October, Nachts, 10. October, Nachts, 12. October, 4'', drei Erschütterungen in Kirchheim. Den letzt- genannten Stoss verspürten nur Einzelne. Er kam, wie man es nach dem Gefühle erkannte, vom SW und dauerte 3 — 4 Secunden. Die Fenster erklirrten, ein Getöse wurde nicht gehört. 15. October, 3'' 25'" in St. Veit bei Laibach ein nicht besonders starker Stoss, begleitet von unterirdischem Getöse. Richtung SW- — NE. 38 Mittheilungen der Erdbeben-Commission. 25. Oc tob er, 22'' 6" 45' (Bahnzeit) ein Stoss in Laib ach. Nur wachende, in Ruhe befindhche Personen vernahmen ihn, von anderen wachenden nur einige. Die Mehrzahl der Bevölkerung Laibachs verspürte ihn nicht. Die Bewegung war keine schwingende. Im Schlafzimmer des Beobachters erzitterten zwei Wände deutlich vernehmbar. Dauer IVo, höchstens 2 Secunden. Richtung SW — NE. Der Erschütterung ging ein 1 1/2 — 2 Secunden dauerndes brausendes »unterirdisches Rollen voran, genau so, wie bei fast allen circa 150 Erd- stössen, die wir in Laibach seit der Osternacht 1895 zu beobachten Gelegen- heit hatten«. 28. October, 2''7"' in Laibach ein leichter Stoss. 29. October, 5'' 46'" in Laibach ein leichter Stoss. 8. November, 4'' 35'" 10' (Telegraphenzeit) eine wellenförmige Er- schütterung in Laibach, anscheinend aus W, nach vorausgegangenem donnerartigen Geräusch. Beide Erscheinungen beanspruchten eine Zeit von im Ganzen 5 — 6 Secunden. In der Wohnung des Beobachters (Hochparterre im Landesmuseum) krachte das Gemäuer, die Fensterscheiben klirrten, die Schlafenden erwachten. Diese Erschütterung war Gegenstand lebhafter Erörte- rung in Laibach. Bis 61/2'' folgten noch zwei schwächere Schwankungen. Nach dem Berichte eines anderen Beobachters erfolgte der erste Stoss um 4'' 33'" nach vorhergehendem heftigen Dröhnen (einer der stärksten Stösse seit Jahresfrist) in mehr senkrechter Richtung (E — W) mit nachfolgendem Vibriren. Dauer 3 — 4 Secunden. Ähnlich, nur schwächer, um 6'" 22-5'". InTersain (NE von Laibach) wurde ebenfalls um 4'' 35'" ein ziemlich starker Stoss wahrgenommen, ein zweiter schwächerer um T"" (Bahnzeit). Der Stoss kam aus SE und wurde allgemein verspürt. Der erste dauerte 2, der zweite 1 Secunde, beide wurden durch ein Getöse angekündigt. Bei dem ersten Stoss krachte das Gemäuer, die Hängelampen geriethen ins Schwingen. In St. Veit (NW von Laibach) wird die Zeit des Stosses auf 4'' 34'" (Bahnzeit) fixirt. Der von »unten nach aufwärts gerichtete Schlag* wurde von den Leuten mit wenigen Ausnahmen allgemein verspürt, da sie aus dem Schlafe geweckt wurden. Dauer 1 Secunde. Vorangegangen war ein von S nach N fortschreitendes Getöse, welches annähernd 3 Secunden währte; in der dritten Secunde löste sich der kurze Stoss aus. Stein in Krain meldet ziemlich starken, von Getöse begleiteten Erdstoss, SW— NE, um 4'' 40-". In Set. Mar ein (Station Sanct Marein-Sap der Unterkrainer Bahn) wird 4'" 48'" (»richtige Zeit«) als Zeit des Stosses angegeben. Er dauerte 1 Secunde, kam von der Seite, ein gleichzeitiges unterirdisches Geräusch begleitete ihn. Er wurde nur von Einzelnen verspürt. In Jezica trat 5'' 35'" ein ziemlich starker, 3 Secunden dauernder Stoss ein. Von unterirdischem Geräusch begleitet, pflanzte er sich von NW gegen SE fort. Sogar im Erdgeschoss schwankten die Gegenstände etwas. Um 41/2'' wurde ein Stoss ohne Beben auch in Kropp (oberes Savethal, NW von Laibach) wahrgenommen. E. V. Mojsisovics, Organisation des Erdbebendienstes. 39 18. November. Circa 2*' trat in Kropp ein ziemlich starkes wellen- förmiges Beben ein, welches von S nach N fortschritt. Diese Richtung glaubt der Beobachter daraus zu erkennen, »dass der Anstrich in den Zimmern an mehreren Stellen in der Richtung E — W Sprünge erhielt, nirgends aber in der Richtung N — S. Auch das Getöse kam von S und verhallte in N. Das wurde dem Berichterstatter seitens mehrerer Beobachter bestätigt. 19. November, 41/2'' in Laibach nach vorhergehendem Dröhnen schwaches V'ibriren, Dauer etwa 2 Secunden. Richtung SW — NE (ein Bericht- erstatter). 20. November, P43'" in Laibach ein schwacher Stoss nach vorherigem Dröhnen, Dauer 2 — 3 Secunden (ein Berichterstatter). 15. December. 4'' 47"° in Laib ach ein massiges, annähernd 2 Secunden dauerndes schaukelndes Beben ohne Getöse. Es weckte den Beobachter aus dem Schlafe. 16. December, 2*' fand in Jezica eine ziemlich starke, von NW gegen SE fortschreitende Erschütterung statt, begleitet von einem unterirdischen Getöse, welches circa 4 Secunden währte. An demselben Tage vernahm man 18'' 35'" ein unterirdisches Getöse durch 3 Secunden. 17. oder 18.? December. Circa 22^!^ in Görz ein leichter Stoss, von Einzelnen wahrgenommen. 18. December, 1''45"' (nach der Uhr des Beobachters, ein Bahn- oder Telegraphenamt ist nicht in der Nähe) ein Stoss in Kirch heim (N von Idria). Er war wellenförmig, kam von W, dauerte 8 Secunden und wurde nur von Einigen wahrgenommen. Getöse fehlte. 28. December, 21'' 20"" in Plesivica, Gemeinde Hönigstein(Mirna pec) bei Rudolfswert in Unterkrain zwei seitliche Stösse mit Getöse, 4 Secunden, Richtung S — N. Der Berichterstatter bemerkt hiezu, dass im Jahre 1896 in der gleichen Gegend mehrere Beben wahrgenommen wurden, während in Laibach gleichzeitig keine Erschütterung stattfand. 29. December Circa 2IV2'' fand ein Beben in Ratschach bei Stein- brück statt. Es wurde nicht von allen Ortsbewohnern verspürt. Ein Augen- zeuge erzählt darüber Folgendes: Er schlummerte im Dachzimmer eines ein- stöckigen Hauses. Plötzlich wurde er durch ein Getöse geweckt. Darauf folgte ein Stoss. Dem Erzählenden schien es, »als ob der Boden wiederholt sich abheben oder abspringen würde«. Er erschrack und eilte aus dem Hause. Das Ereigniss dauerte so lange, dass er hätte bis 6 oder 8 zählen können. In einem anderen Hause von Ratschach sass man am Familientisch. Plötzlich vernahm man um 21i/,2'' ein starkes Sausen oder ein Getöse, »wie bei starker Bora«. In Gorelice (S von Ratschach) wurde das Beben auch verspürt. Ein Schüler erzählte darüber seinem Oberlehrer, unserem Berichterstatter, Folgendes: Er schlief im Stalle, welcher auf Felsboden steht. Um 2P/2'' hörte er einen Donner- schlag, das Bett gerieth ins Schwanken und der Dachstuhl knarrte. Das Vieh lagerte, erhob sich aber plötzlich. Im Nachbarhause wurde das Erdbeben von Allen empfunden. 40 Mittheilungen der Erdbeben-Commission. Dasselbe Beben trat auch in Nassenfuss ein. Man verspürte dort um 21 ''23'" einen so kräftigen Stoss, dass das Hausmobiliare in Schwingungen gerieth. Der Stoss wiederholte sich noch in derselben Nach't, war jedoch das zweitemal schwächer. VII. Gebiet von Triest. Über die Organisation des Erd- bebendienstes in diesem Territorium berichtet der Referent, Herr Ed. Mazelle. «Auf Grund der zur Versendung gelangten Aufrufe haben bisher 26 Beobachter sich zur Mitwirkung bereit erklärt, wovon 10 auf das Stadtgebiet fallen und 16 auf das Territorium. Mit der später zu erwähnenden Beitrittserklärung des Landes - Gensdarmerie - Commandos steigt die Zahl der Stationen auf 30. Von den Beobachtern der Stadt sollen haupt- sächlich hervorgehoben werden: der Vorstand des Telegraphen- Hauptamtes und der Leiter der Telegraphencentrale, welche Ämter in Folge ihres Tag- und Nachtdienstes hoffentlich gute Dienste leisten werden, und der See-Oberinspector und Hafen- capitän. Die übrigen Beobachter \-ertheilen sich auf die ver- schiedenen Stadttheile. Bei der geringen Ausdehnung des Gebietes hält der Referent die Anzahl der Beobachter für genügend, wird jedoch trachten, noch einen oder den anderen wichtigen Punkt durch einen verlässlichen Beobachter zu gewinnen. Das hiesige k. k. Landes-Gensdarmerie-Commando hat sich bereit erklärt, die unterstehenden 80 Postenconimanden mit Fragebögen zu betheilen. Nach eingeholter Zustimmung der Referenten für Görz und Istrien wurde, um dem Landes- Gensdarmerie-Commando in Triest die Arbeit zu erleichtern, die Vereinbarung getroffen, alle eventuell einlaufenden Beob- achtungen dem Referenten für Triest zu übersenden, welcher dieselben umgehend den einzelnen Referenten zukommen lassen wird«. Erdbebenmeldungen sind nicht erstattet worden. Mll. Istrien und Dalmatien. Die Gesammtzahl der bis Jahresschluss gewonnenen Beobachter beträgt 129. Die Ver- theilung ist nach den Angaben des Herrn Referenten, Director E. Gelcich, eine zweckentsprechende. Bloss im politischen Bezirke Volosca (Istrien) besteht noch eine grössere Lücke, deren Ausfüllung angestrebt wird. E. V. Mojsisovics, Organisation des Erdbebendienstes. 41 Erdbebenmeldungen ^ liegen vor vom 24. Mai, 6'' 45'" aus Ragusa, leichter Stoss, 2 Secunden. 10. Juni, ohne nähere Zeitangabe aus Cettinje, zwei starke wellen- förmige Stösse, von unterirdischem Getöse begleitet. 10. Juni, 22'' 50'" aus Cattaro, starkes wellenförmiges Beben, 8 Secunden, NW- SE (Postamt). Ein anderer Beobachter, Herr Hauptmann Tatra, berichtet mit überein- stimmender Zeitangabe von einem leichten, eine Secunde dauernden, wellen- förmigen Beben, N — S. Der Berichterstatter lag im Bette, verspürte und hörte die Bewegung deutlich. Thüren und Kästen knarrten. Vögel im Käfig wurden unruhig. Unmittelbar nach dem Erdstosse erhob sich ein Brausen in der Luft. Auf der See verspürte man im Schiffe nach Mittheilung des Herrn Comman- danten S. M, Schiffes »Narenta« in Teodo deutlich die Bewegung. 10. Juni, 23'' aus Ragusa, Erdstoss mit massigen Undulationen, 3 Secunden. 12. September, aus Makarska, Zivogosce und Vrhgorac in Dalmatien. In Makarska (der Stadt) wurden Erschütterungen um 0''41'"15' und um 4'' 35"' 40' verspürt. Aus Zivogosce (Makarska) wird 1 — 2'' angegeben. Vrhgorac meldet 0''45"'. Von den Stösten in Makarska dauerte der erste circa 2, der zweite circa 3 Secunden. In Zivogosce unterschied man zunächst eine schwächere, etwa 2 Secunden andauernde Bewegung, hierauf einen stärkeren Stoss von 1 Secunde und dann wieder 2 Secunden schwächeres Erzittern. Richtung SE — NW. (In Zgrane, nordwestlich von Zivogosce, wo der Stoss gleichfalls allgemein wahrgenommen wurde, soll die Richtung von W gegen E gewesen sein.) Gebäude krachten, Gegenstände bewegten sich unter Getöse. Das Geräusch wurde vor und nach dem Beben gehört. Die Bevölkerung wurde aus dem Schlafe geweckt (Beobachter Peter Anticic). In Vrhgorac dauerte der Stoss angeblich 7 — 8 Secunden. V^on N nach S (Ivan Ujevic). 17. September, um 19'' 32'", 19'' 35"' und 19'' 56'" in Gorizza, Gememde Zaravecchia, District Zara. Von diesen Stössen war der dritte der schwächste. Dauer je 2 Secunden. Den aus N kommenden Stössen gingen plötzliche Geräusche, ähnlich Kanonendonner, voraus (Pfarramt). 16. November, um 0'' 15"' in Volosca (Istrien) ein Stoss mit Vor- und Nacherschütterung, von unten unter langsamem Schaukeln, S — N, circa 3 Secunden. Der Erschütterung ging ein donnerähnliches Geräusch voraus und folgte derselben ein solches. Das Meer wurde unruhig und schlug Wellen (Commandant des Gensdarmeriepostens).^ 21. November, 23'' 30'" in den Bocche di Cattaro. Die Semaphorstation in Punta d'Ostro meldet: 23'' 30"' heftiges Erdbeben, Stoss von 4 Secunden. Aus Kuti bei Castelnuovo wird, wohl unrichtig, 23'' 40'" 1 Wir sind Herrn Hofrath Prof. Dr. Vrat. Jagic für die freundliche Über- setzung der in kroatischer Sprache ausgefüllten Fragebogen zu vielem Danke verpflichtet. 42 Mittheilungen der Erdbeben-Commission. gemeldet. Tivat gibt 23'' 24'" an, während aus Risano zwei Berichte vorliegen, von welchen der eine 23'' 30'", der andere 23'' 31'" angibt. Die letztere Angabe rührt von der k. k. Hafenexpositur her und wurde die Uhr mit der Telegraphen- uhr verglichen. Richtung E — W. Allgemein wurde nur ein kurzer Stoss von 1 Secunde gefühlt (auch in dem Risano benachbarten Orte Perasto). ■ In Tivat wurden drei Stösse beobachtet, von denen der erste der Haupt- stoss war, welchem sofort zwei schwächere Stösse folgten. Dauer 1 Secunde. Dem Beben ging durch 2 Secunden Geräusch voraus. In Kuti soll der Stoss, welcher angeblich 4 — 5 Secunden gedauert haben soll, von S gekommen sein. Es erbebten Tische, Betten, Bilder und Küchengeräthe, sowie die Gegenstände in den Kästen und auf den Tischen (A. Ozegovic). IX. Deutschtirol und Vorarlberg. In der Organisation des Beobachterdienstes entstand einige Verzögerung dadurch, dass Herr Prof. Blaas, welcher ursprünglich das Erdbeben- referat für Deutschtirol und Vorarlberg übernommen hatte, von dieser Berufung wieder zurücktrat. Herr Prof. Dr. Jos. Schorn, welchem sodann das Referat übertragen wurde, begann seine Thätigkeit erst Mitte September und gewann bis Jahresschluss 135 Beobachter in Deutschtirol und 23 Beobachter in Vorarl- berg. Eine besondere Berücksichtigung fanden die erdbeben- reichen Gegenden von Sterzing, Hall und Nassereit. Die Bemühungen des Herrn Referenten wurden in zuvor- kommender Weise unterstützt von Herrn Regierungsrath R. v. Drathschmidt, Betriebsdirector der k. k. Staatsbahnen, und Herrn kaiserl. Rath Gas per, Verkehrs-Ghef der Südbahnstrecke Kufstein — Ala. Das Jahr 1896 war ein relativ erdbebenarmes. Die Zahl der bekannt gewordenen Erschütterungen beträgt bloss 6, während im Jahre 1895 in Tirol 18 Erdbewegungen wahrgenommen wurden. Vorarlberg wurde in beiden Jahren von Erdbeben ver- schont. Bei der Zusammenstellung des nachfolgenden Ver- zeichnisses wurden ausser directen Mittheilungen auch noch Zeitungsberichte benützt. 1. Am 1. Jänner um 15'' 40"' in Sterzing ein von unterirdischem Getöse begleiteter Erdstoss. 2. Am 8. Jänner Nachts um 23'' 45"" in Meran ein nicht unbedeutendes Erdbeben, das ein paar Secunden anhielt und in den Zimmern Gegenstände an die Wand oder aneinanderschlug. E. V. Mojsisovics, Organisation des Erdbebendienstes. 43 Dasselbe Erdbeben verspürte man auch in Merans Umgebung, so in Tisens. Hier anfangs donnerähnliches Getöse und darauf lange Zeit ein unheimliches unterirdisches Getöse. 3. Am 28. Juli ungefähr V2 4'' früh in Zams, und zwar am rechten Inn- ufer auf felsigem Grunde zwei Erdstösse, wovon der erste etwa 15 Secunden währte und so heftig war, dass die Gegenstände in den Zimmern schwankten, die Fenster klirrten und Leute aus dem Schlafe geweckt wurden. Der zweite Stoss war schwächer und von kürzerer Dauer. Da man von auswärts nichts darüber hörte, scheint das Erdbeben nur local gewesen zu sein (P. Alois Bader in Zams). 4. Am 17. August um 4'' im Seilrainthal ein »»kleiner« Erdstoss. 5. Am 24. October um 13''23"' in Riva und Arco eine etwa 1 Secunde andauernde, als Stoss von unten sich äussernde Erdbewegung mit kurzem Nachzittern; 21 Minuten später eine schwächere Erdbewegung, die sich als eine von N nach S gerichtete Schaukelbewegung äusserte (Freiherr v. Giova- nelli, k. k. Bezirkshauptmann in Riva, und Arthur Wildgruber in Arco). 6. Am 29. December, 2 — 3'" vor 21'' in Fiecht bei Schwaz ein nicht unbedeutender Erdstoss mit etwa 2 Secunden nachhallendem Dröhnen, ähnlich dem einer abstürzenden Dachlawine oder dem Gerassel eines in den Hof ein- fahrenden schweren Wagens. Die Fenster klirrten (P. Bonifaz Sohm in Fiecht). Im benachbarten Dorfe Vomp und auf St. Georgenberg wurde zu jener Zeit bloss ein Getöse wahrgenommen, das man fälschlich einer Dachlawine zuschrieb. In der entfernteren Umgebung (Jenbach, Achenthai, Vorderziller- thal, Fritzens) verspürte man nichts. X. Wälschtirol. Hier hat erst gegen Ende des Berichts- jahres Herr Prof. Jos. Damian das Referat übernommen. Die Zahl der Beobachter betrug zu dieser Zeit bloss 12 und wird es das Bestreben des Referenten sein, ein ausreichendes Beob- achtungsnetz zu schaffen. Das Erdbeben vom 24. October, welches im Sarcathale in Riva und Arco beobachtet wurde, wurde in das vorstehende Verzeichniss der deutschtirolischen Beben aufgenommen. XI. Böhmen, deutsche Gebiete. Nach den Mittheilungen des Herrn Referenten Prof. Dr. F. Becke wurden 191 Beob- achter gewonnen, welche sich auf 171 Orte vertheilen. Es ist dies das Resultat der Versendung von circa 500 Aufforde- rungen. Während in dem dicht bevölkerten nördlichen Theile des Gebietes die Dichtigkeit des Netzes eine halbwegs befriedi- gende ist, kann dies für den Böhmerwald und Südböhmen nicht behauptet werden. Der Referent wird sich bemühen, hier das Netz nach Möglichkeit dichter zu gestalten. Allerdings 44 Mittheilungen der Erdbeben-Commission. erschweren die minder diclite Bevölkerung und die geringere Cultur die Gewinnung geeigneter Persönlichkeiten. Über das Erdbeben von Brüx am 3. November liefen eine Reihe von Berichten ein, welche durch zweckentsprechende Nachfrageschreiben des Herrn Referenten ergänzt werden konnten. Es wurde auf diese Weise hinreichendes Material für die weiter unten unter separatem Titel folgende seismologische Studie gewonnen. XII. Böhmen, böhmisches Gebiet. Durch die eifrigen Bemühungen des Herrn Referenten Prof. Dr. J. N. Woldfich wurde in den böhmischen Landestheilen ein ziemlich gleich- massiges Beobachtungsnetz von 262 Theilnehmern gebildet. Während des Bestandes der Organisation lief bis Ende December 1896 keine Meldung über stattgehabte Erschütterungen ein. XIII. Mähren und Schlesien. Nach dem Berichte des Herrn Referenten Prof. Alex. Makowsky meldeten sich in Schlesien bis Ende 1896 im Ganzen 11, in Mähren 25 Persön- lichkeiten zur Berichterstattung. Der Herr Referent wird seine Bemühungen zur Verdichtung des Beobachtungsnetzes im Jahre 1897 fortsetzen. Erdbebenmeldungen liefen nicht ein. XIV. Galizien. Die Organisation ist in dieser Provinz bis heute noch nicht durchgeführt. XV. Bukowina. Auch diese Provinz ist mit der Organi- sation des Beobachtungsnetzes im Rückstande, doch ist zu erwarten, dass es dem Referenten Herrn Oberbaurath A. Paw- towski gelingen wird, noch in der ersten Hälfte des laufenden Jahres eine grössere Anzahl von Stationen zu gründen. Übersicht über die Zahl der Beobachtungsstationen in den einzelnen Ländergebieten (Stand vom Ende December 1896). 1. Niederösterreich 236 2. Oberösterreich 203 3. Salzburg 61 4. Steiermark 280 5. Kärnten 27 6. Krain und Görz 126 E. V. Mojsisovics, Organisation des Erdbebendienstes. 4o 7. Triest 30 8. Istrien und Dalmatien 129 9. Deutschtirol und Vorarlberg ... 158 10. Wälschtirol 12 1 1 . Böhmen, deutsche Gebiete 191 12. Böhmen, böhmische Gebiete . . .262 13. Mähren und Schlesien 36 1 4. Galizien 0 15. Bukowina 0 46 Mittheilungen der Erdbeben-Commission der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien. IL Bericht über das Erdbeben von Brüx am 3. November 1896 Friedrich Backe, c. M. k. Akad. (Mit 1 Kartenskizze im Texte.) Früher als zu erwarten war, ist die von der Erdbeben- Commission der kaiserl. Akademie der Wissenschaften ins Leben gerufene Organisation der Erdbebenbeobachtung auf die Probe gestellt worden. Der folgende Bericht kann als ein Beweis der Leistungsfähigkeit des Beobachtersystems gelten, wenngleich dem Berichterstatter die Mängel nicht verborgen bleiben, welche namentlich in den mangelhaften Zeitangaben gelegen sind und welche durch präcisere zu ersetzen vor Allem das Streben bei zukünftigen Beobachtungen sein wird. Die erst im Laufe des Sommers geschaffene Organisation hat sich insoferne ganz gut bewährt, als kurze Zeit, nach- dem die öffentlichen Blätter die Nachricht von einem Erdbeben in der Umgebung von Brüx gebracht hatten, Berichte und ausgefüllte Fragebogen von mehreren Beobachtern einliefen, welche zwar noch nicht ausreichten, Umfang und Charakter des Ereignisses festzustellen, aber doch vollkommen hin- reichende Anhaltspunkte gaben, um durch Erkundigungen, Versendung von Fragebogen die vorhandenen Lücken aus- zufüllen. F. Becke, Erdbeben von Brüx. 47 Der Berichterstatter wurde hierin insbesondere von dem rührigen Beobachter in Brüx, suppl. Gymnasialprofessor Aurel Kiebel, und von Herrn Med. Dr. Dasch in Seestadtl kräftigst unterstützt. Ihnen, sowie allen anderen, welche den Referenten in Aufsammlung der Nachrichten gefördert haben, sowie auch allen jenen Personen, welche Nachrichten über das Erdbeben zur Verfügung stellten, sei an dieser Stelle der aufrichtigste Dank ausgesprochen. Alle auf das Erdbeben bezüglichen Fragebogen und son- stigen Nachrichten und Belege erliegen bei der Erdbeben- Commission der kaiserl. Akademie der Wissenschaften. Von einer auszugsweisen Publication der eingelaufenen Beantwortung der Fragebogen kann hier abgesehen werden. Im Folgenden gibt der Referent einen zusammenfassenden Bericht über das thatsächlich Beobachtete. Am 3. November 1896 wurde am Abhänge und Kamme des Erzgebirges nordwestlich von Brüx Abends kurz nach 9 Uhr ein Erdstoss verspürt, über welchen aus nachstehenden Orten Berichte eingingen: A. Auf dem Plateau des Erzgebirges: Katharinaberg (Beobachter Med. Dr. Wolf). Kleinhan (unbekannter Beobachter, vermittelt durch Buchdruckereibesitzer Skalitzky in Görkau). B. Am Fusse des Erzgebirges: Gör kau (Beobachter Dr. Tobias Oesterreicher). Oberleutensdorf (Beobachter Bürgerschuldirector Jos. Fritsch und k. k. Werkmeister der Fachschule). Johnsdorf (Beobachter Lehrer Gustav Viehweber). Obergeorgenthal (Beobachter Dr. Eduard Pisinger). Niedergeorgenthal (Beobachter Dr. Engel). Eisenberg (Beobachter Dr. Tutschek, fürstl. Lobkow. Forstdirector Ferdinand Ritter v. Fiscali). Alexander-Schacht bei Ossegg (Beobachter Anton Tlach befand sich zur Zeit der Beobachtung in der Grube in einer Tiefe von —74 77; unter dem Meeresspiegel). 48 Mittheilungen der Erdbeben-Commission. C. Im Braunkohlenbecken: Seestadtl (Beobachter Dr. Hugo Dasch). Brüx (Beobachter: Familie des Prof. Franz Fischer, In- genieur Hollanecky, vermittelt durch suppL Gymnasialprofessor Aurel Kiebel). Trupschitz (Beobachter Anton Low, Bergwerksbesitzer). D. In den Ausläufern des Mittelgebirges: Bilin (Beobachter Med. Dr. Franz Seifert). Hochpetsch (Beobachter Med. Dr. Stauber). In folgenden nahe gelegenen Stationen ist das Erdbeben nicht beobachtet worden: Weipert, Kaaden, Eidlitz, Postelberg, Wellemin, Aussig, Dux, Teplitz, Eichwald, Eulau, Kulm, Tetschen. Auch im westlichen Erzgebirge, im Duppauer Gebirge, sowie südlich im Egerthale ist das Erdbeben nicht verspürt worden.^ Auch am Nordwestabhang des Erzgebirges zu Olbernhau wurde nach der Mittheilung eines Gewährsmannes von dem Erdbeben nichts verspürt, während nach einer Mittheilung aus Sonnenburg (Berichterstatter Dr. Langer) in Reitzenhain der Erdstoss beobachtet worden sein soll. Aus diesen Daten ergibt sich, dass das erschütterte Areal ein ziemlich eng begrenztes war und sich auf ein beiläufig elliptisches Gebiet erstreckte, mit einer längeren Axe von circa 40 km von Reitzenhain bis Hochpetsch und einer kürzeren, mit dem Bruchrande des Erzgebirges zusammenfallenden, von Görkau bis Ossegg (circa 20 km). Die längere Axe des ellip- tischen Schüttergebietes liegt etwas schief zum Abbruch des Erzgebirges WNW— OSO, die kürzere SW— NO (vergl. die folgende Kartenskizze). Als Zeitpunkt des Eintrittes der Erschütterung wird von allen Beobachtern die Zeit um 9^ Abends angegeben; genauere Angaben sind kaum festzustellen. Selbst jene Beobachter, 1 Herrn Prof. Wo Id rieh verdanke ich die Nachricht, dass von den folgenden nächstgelegenen Stationen cechischer Beobachter das Beben nicht gemeldet wurde: Rocov, Jungfernteinitz, Laun, Libochowitz, Trebnitz, Raudnitz. F. Becke, Erdbeben von Brüx. 49 welche angeben, dass die Angabe sich auf Bahnzeit oder mitteleuropäische Zeit beziehe, differiren um fast eine Viertel- stunde: Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. ; CVI. Bd., Abth. I. 4 50 Mittheilungen der Erdbeben-Commission. Katharinaberg 9'' Abends «Nach der Bahnuhr«. Niedergeorgenthal. . . . 9'MO'" Die Uhr wurde mit der Bahnzeit verghchen, die Zeitangabe danach cor- rigirt. Brüx 9^ 7'" Die Uhr bHeb 9M5'" stehen; sie ging 8 Minuten vor der Bahnuhr, welche mitteleurop. Zeit zeigt. Hochpetsch 9''12'" »Bahnzeit« (mitteleurop.). Bei der kleinen Entfernung zwischen den einzelnen Sta- tionen können solche Differenzen nur durch unrichtigen Gang der Uhren erklärt werden. Auch die Zeitangaben der Beobachter, welche nicht in der Lage waren, ihre Uhren zu corrigiren, gehen in ähnlicher Weise auseinander, und für den Eintritt des Hauptstosses erfolgen Angaben von 8'' 55"' bis 9'' 25™. Die meisten Angaben concentriren sich aber auf einen Zeitpunkt wenige Minuten nach 9^ Abends. Von den meisten Beobachtern wird berichtet, dass die erste stärkere, von donnerähnlichem oder rollendem Geräusch begleitete Erschütterung nach wenigen Minuten von einer gleichartigen schwächeren gefolgt worden sei. Hierüber liegen folgende Daten vor: Dauer des Dauer des ersten Stosses Pause zweiten Stosses Görkau 3— 4 See. 2— 3 Min. 3— 4 See. Johnsdorf 3 — 4 See. kurz nach- 3 — 4 See. einander Obergeorgenthal . . 20 See. 2— 3 Min. 5 — 10 See. Niedergeorgenthal 5 See. 15 Min. IV2 See. Alexander-Schacht bei Ossegg .... 10 See. 10 Min. 6 See. Trupschitz einige See. circa 5 Min. einige See. Brüx ungef. 10 See. ungef. 1 Min. ungef. 10 See. Hochpetsch 20 See. 2— 3 Min. 8 — 10 See. F. Becke, Erdbeben von Brüx. 51 Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass das Ereigniss in allen diesen Orten gleichartig verlief; die stark differirenden Angaben über Dauer der einzelnen Bewegungen und der Pause zwischen beiden sind wohl durch Beobachtungsfehler zu erklären. Sie lassen erkennen, wie schwierig exacte Be- stimmungen dieser Art selbst für aufmerksame und intelligente Beobachter sind; genauere Daten über solche Phänomene wird man wohl nie auf dem Wege der Umfrage, sondern immer nur durch Aufstellung selbstregistrirender Apparate gewinnen können. Freilich wird man solche nicht in einem Erdstrich auf- stellen wollen, wo Erdbeben verhältnissmässig so selten sind wie glücklicherweise auf der böhmischen Masse. Nur eine einzige Erschütterung, welche jedenfalls zeitlich mit der ersten stärkeren der früher erwähnten identisch ist, wurde von folgenden Orten gemeldet: Dauer Katharinaberg kaum 1 Min. Kleinhan 2—3 See. Oberleutensdorf 2 See. Eisenberg 5 — 10 See. Seestadtl 2 See. Bilin circa 2 See. Art der Bewegung. Über diese liegen folgende An- gaben vor: Katharinaberg: Ein langsames Schaukeln und Zittern. Kleinhan: Ein Schlag von unten, mehr aber Erschütterung. Görkau: Zittern. Oberleutensdorf: Wie eine durch Donner hervorgebrachte Erschütterung. Johnsdorf: Zittern. Eisenberg: Stoss mit nachfolgendem unterirdischem Dröhnen. Alexander-Schacht bei Ossegg, — 74 w unter dem Meeres- spiegel: Schlag von unten (von der Sohle) mit einer zitter- artigen Bewegung. Seestadtl: Kurzer horizontaler Ruck. Trupschitz: Schaukeln. 4* 52 Mittheilungen der Erdbeben-Commission. Brüx: Zittern; nach anderer Beobachtung Schlag (als wenn Jemand mit der Faust auf den Tisch schlägt), kurzer Ruck von unten. Hochpetsch: Rollen wie von einem Wagen; einzelne Per- sonen haben einen Ruck verspürt. Bilin: Es wurde nur ein unterirdisches Geräusch und ein Klirren der Fenster beobachtet. Abweichend von den übrigen Beobachtern, welche die Bewegung als gleichartig während der zwei wahrgenommenen Bewegungen oder während des Verlaufes der einen Erschütte- rung beschreiben, sind die Angaben des Beobachters in Nieder- georgenthal. Hier wurde bereits 6^30'° Abends eine schiebende Bewegung von SW nach NO und umgekehrt in der Dauer von 2 Secunden wahrgenommen. Die zweite Erschütterung um 8''55'" verpflanzte sich von Nord nach Süd mit anfänglich donnerartigem Rollen und nachfolgendem unterirdischen Ge- töse; darauf folgte in südlicher Richtung ein heftiger Stoss, der Gegenstände (Gläser u. dgl.) in Bewegung brachte. Diese Bewegung fällt offenbar zeitlich mit dem Hauptstoss der anderen Stationen zusammen. Die dritte Bewegung Q'^IO"^ glich einer zitternden Bewegung mit ganz geringem Stoss. Die Richtung der Bewegung wird von der Mehrzahl der Beobachter N — S oder S — N angegeben; häufig kommen auch Angaben SO — NW vor; seltener und wie es scheint auf die Nähe des Erzgebirgsrandes beschränkt sind Angaben über Stossrichtungen 0 — W oder SW — NO und umgekehrt. Die folgende Tabelle registrirt die eingelaufenen Angaben, welche, wo nichts Anderes bemerkt wird, bloss durch die unmittelbare Empfindung der Beobachter festgestellt sind. N — S und umgekehrt und naheliegende Richtungen: Katharinaberg (N — S). Kleinhan (meist von Norden nach Süden). Görkau (von Süden). Niedergeorgenthal (der Hauptstoss von Nord nach Süd). Alexander-Schacht bei Ossegg: Der Stoss schien von der Südseite vom Mittelgebirge zu kommen. Seestadtl: Von Süden gegen Norden. F. Becke, Erdbeben von Brüx. 53 Tmpschitz: Von Norden durch Schaukeln der Hänge- lampe bestimmt. Bilin: Richtung Süd— Nord. Hochpetsch: »Von Süd- nach Nordwest konnte ich das Geräusch verfolgen«. NW— SO und umgekehrt: Johnsdorf von NW nach SO. Brüx von SO nach NW. 0 — W und umgekehrt: Obergeorgenthal: Mehr von Osten (von Eisenberg her).^ Eisenberg: Von Westen. SW— NO: Brüx: Die Richtung der Bewegung war von SW nach NO, durch eine stehen gebliebene Uhr festgestellt. Niedergeorgenthal: Die erste Erschütterung 6''30™ Abends war eine schiebende Bewegung von SW nach NO und um- gekehrt in der Dauer von 2 Secunden. Schallerscheinung. Das Beben war allgemein von einer Schallerscheinung begleitet, welche von der Mehrzahl der Beob- achter mit unterirdischem Rollen, mit dem Rollen eines schweren Wagens, mit Donner verglichen wird. Von vielen Beobachtern wird angegeben, dass dasselbe gleichzeitig mit der Erschütte-, rung eintrat. Einige Beobachter haben dasselbe vor der Er- schütterung beobachtet, andere haben es nach der Erschütte- rung wahrgenommen. Hierüber gibt folgende Tabelle Auskunft: Das Geräusch ist in Bezug auf die Erschütterung gleichzeitig geht voraus folgt nach Kleinhan Katharinaberg Eisenberg Oberleutensdorf Görkau Alexander-Schacht- Johnsdorf (fast Niedergeorgenthal gleichzeitig) Obergeorgenthal Brüx Seestadtl Trupschitz Brüx Hochpetsch 1 So die Angabe; Obergeorgenthal liegt östlich von Eisenberc 54 Mittheilungen der Erdbeben-Commission. Die Orte, an denen der Eintritt des Geräusches vor oder nach der Erschütterung angegeben wird, lassen keinerlei regel- mässige Vertheilung erkennen. Intensität der Erschütterung. Die Erschütterung wurde in Katharinaberg, Kleinhan, Johnsdorf, Eisenberg, See- stadtl, Trupschitz, Hochpetsch allgemein oder doch von der Mehrzahl der Bewohner wahrgenommen. Nur von einzelnen Personen wurde die Erschütterung verspürt in Görkau, Oberleutensdorf, Obergeorgenthal, Brüx, Bilin. Die Erschütterung war überall schwach, so dass Beschädi- gungen an Gebäuden nicht vorkamen. Doch wird von mehreren Orten gemeldet, dass bewegliche Gegenstände ins Wanken kamen, Gläser klirrten, Hängelampen ins Schaukeln geriethen. Derartiges wird berichtet aus Katharinaberg, Oberleutensdorf, Eisenberg, Niedergeorgenthal, Seestadtl (Wandtafeln fielen von der Wand des Schulzimmers). Von Brüx wird das Stehen- bleiben einer Uhr berichtet; an dem Rohr, welches Ofen und Kamin verbindet, wurde ein Sprung bemerkt; ein blossgelegtes Wasserleitungsrohr wurde verbogen. Das Stehenbleiben von Uhren und Verschiebung von Bildern an den Wänden wurde auch in einzelnen Theilen von Görkau beobachtet. In den Gruben von Trupschitz kamen Verschiebungen der Zimmerung vor, und es fiel von der Decke der Strecken Kohle herab. Überhaupt ist hervorzuheben, dass in den Braunkohlen- gruben des Schüttergebietes die Bewegung merklich verspürt wurde. Bemerkenswerth ist namentlich die Beobachtung im Alexander-Schacht bei Ossegg. Ingenieur Tlach beobachtete das Erdbeben bei der Grubenbefahrung in einer Tiefe von — 74 m unter dem Meeresspiegel. Auch im Guido-Schacht bei Kommern, im Mathilden-Schacht bei Tschausch wurde das Beben bemerkt. Aus mehreren Orten liegen Berichte vor, dass die Belegschaft durch die Erschütterung erschreckt und, den Einsturz der Grube fürchtend, ausfuhr. So am Robert-Schacht bei Seestadtl und in Gruben bei Kopitz. Aus dem Vergleich aller vorliegenden Angaben gewinnt man den Eindruck, dass die Erschütterung in den auf dem Erzgebirgkamme liegenden Orten, dann am Fusse des Erzgebirges und in dem Gebiete F. Becke, Erdbeben von Biüx. OD des ehemaligen Kommerner Sees, also um Seestadtl herum, am intensivsten gewesen sei. In den Orten am Fusse des Erzgebirges wurden Bewohner durch die Erschütterung in Schrecken versetzt, so dass sie die Wohnung verliessen, um nachzusehen, was geschehen sei (Marienthal, NW von Ober- georgenthal), oder die Nacht über aufblieben aus Furcht vor neuen Stössen (Eisenberg). Ausdrücklich geben mehrere Beobachter an, dass die Erschütterung im Gebirge stärker zu verspüren gewesen sei als im Braunkohlenbecken. Nicht zu verkennen ist die Ab- schwächung gegen die Peripherie des Gebietes. So wurden von Bilin und Görkau neben positiven auch negative Meldungen erhalten. In Hochpetsch wird die Erschütterung ausdrücklich als schwach bezeichnet. Die Angaben von Bilin und Hoch- petsch lassen auch vermuthen, dass hier das Schallphänomen auffallender war als die Erschütterung. Lassen sich die vorliegenden Intensitätsbeobachtungen so deuten, dass die Bewegung in dem Grundgebirge ihren Ursprung nahm, das Braunkohlenbecken nur secundär in Mitleidenschaft gezogen wurde, so gewinnt diese Annahme weiteres Gewicht durch die Thatsache, dass die aus zwei rasch nacheinander folgenden Stössen bestehende Haupterschütte- rung bereits 2 — 3 Tage durch Vorläufer angekündigt wurde, welche vornehmlich im Erzgebirge und in den Orten unmittel- bar am Fusse desselben wahrgenommen wurden und sich nicht weiter im Braunkohlenbecken erstreckt haben. Einige dieser Vorläufer wurden an mehreren Orten gleichzeitig ver- spürt, so dass die Realität dieser Erschütterungen ziemlich gesichert erscheint. Die meisten (23) Erschütterungen hat der Beobachter in Eisenberg verzeichnet, was er durch die Lage seiner Wohnung abseits vom Verkehr im Walde erklärt. Im Allgemeinen scheinen diese Erschütterungen schwach gewesen zu sein. Die meisten dieser Vorläufer hielten sich innerhalb des Schüttergebietes des Hauptstosses. Einige (2. Nov. p. m.) griffen NE darüber hinaus (Fleyh und Umgebung). Nach der Zeitfolge geordnet, werden Vorläufer von folgen- den Tagen berichtet: 56 Mittheilungen der Erdbeben-Commission. 31. October.i 8*^ O'*' p. m. Eisenberg. 9 45 » Eisenberg. 10 30 » Kleinhan. 1. November.^ 2''0™ a. m. Katharinaberg, 1''45™ in Eisenberg, 2'' Kleinhan, gegen 2'' Morgens Görkau. 3'^ 30'" a. m. Eisenberg. 5 45 » Eisenberg. 6 30 » Eisenberg. 7 0 p. m. Katharinaberg. 2. November. 3^15'" a.m. Eisenberg. 3^30™ p. m. Katharinaberg, 3'M5™ Kleinhau, 3M5"^ Eisen - berg, nach 3'' p. m. donnerähnliches Rollen, Flej^h. 4'' p. m. Fleyh, schwaches Zittern und donnerähnliches Rollen. 4^30"' p. m. Katharinaberg. 8^30™ p. m. Eisenberg. Gegen 12'^ Nachts Brüx? 3. November. 12'^ 30'" a. m. Eisenberg. 8 30 » Katharinaberg. 1 15 p. m. Eisenberg. 2 55 » Eisenberg. 4 15 » Eisenberg. 6 30 » Niedergeorgenthal 8 30 » Katharinaberg. 1 Der Berichterstatter von Niedergeorgenthal meldet: Bewegungen ge- ringerer Art wurden schon am 31. October Vormittags und 1. November Vor- mittags, wie auch Nachmittags in den Orten Tschernitz, Ulbersdorf, Eisenberg im Bezirk Görkau verspürt, und war speciell der Stoss am 1. November ein heftiger, so dass Passanten auf der Strasse erschreckt stehen blieben; die Erschütterungen währten: die erste 3 Secunden, die letztere 6 Secunden. F. Becke, Erdbeben von Brüx. o7 9'' p. m. Hauptstoss, gefolgt nach wenigen Minuten von einem Nachläufer (Zeitangaben variiren von 8''55™ bis 9''12'"). Von Brüx werden auch mehrere spätere Nachläufer ge- meldet, doch scheinen diese Angaben unsicher zu sein. Mehrere Beobachter machten darauf aufmerksam, dass zur Zeit des Erdbebens ein ungewöhnlich heftiger Sturm herrschte, der von starkem Schneefall gefolgt war. Um nach keiner Richtung in der Feststellung der Thatsachen etwas zu ver- säumen, ersuchte ich Herrn Director Weinek um Mittheilung der barometrischen Beobachtungen der Prager Sternwarte für die Tage vor und nach dem Erdbeben, welchem Ersuchen in liebenswürdigster Weise entsprochen wurde. Ich theile hier die Tabelle mit, welche die zweistündigen Beobachtungen für die Zeit vom 1. bis 6. November umfasst. Aus denselben ergibt sich, dass thatsächlich die Vorläufer des Brüxer Erd- bebens mit einer Periode ungewöhnlich tiefen Barometer- standes zusammenfielen, dass ferner der Hauptstoss einige Stunden nach dem Minimum bei bereits steigendem Luftdruck eintrat. Natürlich lässt dieses Zusammentreffen im Einzelfall keine Discussion über einen etwaigen causalen Zusammen- hang zu. Es soll auch bloss das Factum registrirt werden. Eine Discussion des Bebens in Bezug auf den etwaigen Zusammenhang mit dem geologischen Bau des erschütterten Landstriches überlasse ich Anderen, die mit diesen Dingen vertrauter sind. Es liegt allerdings nahe, das Beben mit der böhmischen Thermenlinie und mit dem südöstlichen Bruch- rand des Erzgebirges in Zusammenhang zu bringen. Eine gewisse äusserliche Ähnlichkeit besteht wohl auch mit jenen Beben am Nordrande der Alpen und Karpathen, welche Suess^ mit einer Verschiebung von Gebirgstheilen an steilen, quer zur Erstreckung des Gebirges verlaufenden Dislocationen in Zusammenhang bringt, welche »Blattflächen« sich in grossem und kleinem Massstabe im Gebirge auch vielfach nachweisen lassen. Gelegentlich eines Vortrages des Referenten im deutschen naturwissenschaftlich -medicinischen Verein »Lotos« in Prag Antlitz der Erde, I, S. 109. 58 Mittheilungen der Erdbeben-Commission. 2: g 5 3 0 < D 3 3 O- Cl. fD CD CD G2 C^ :0 i_J H c~~~ j:» p =• t/q (rq _^ CD (D CD ^ "Z r 0 < 0 <- ^ n> (n ^ :i 3 Cu o- cr ^ ft> ro TT c C r/3 3 3 ft> 1 — i rn ^ ^j Cfq - M^ o > 11 II to Z. ^ ö rö cj> 0-1 -1 00 4^ to CO 0 ? CO C5 y CO CO CO 4^ 4^ 0 CO 0 -) M Ül äi OT OT 00 Ol CD ^ CO s^ CO CD 00 tc CO _ ^ CT) Ol 4^ ^ 4^ 0 s? j^ §? 0 CD CO 0 CO 0 CO CD CJl 4^ CO fe 0 CO 0-1 CD Ci ^ to 0 0 Q Q c: to s^ tc^ ^ CO 3 i3 CJi ^J CO CO CO cn CO 4^ CO 0 CO 00 4^ -J F. Becke, Erdbeben von Brüx. 59 machte Prof. Laube darauf aufmerksam, dass das Beben an jener Stelle eingetreten sei, wo eine Antiklinale von Haupt- gneiss, welche weiter im Westen den Südrand des Erzgebirges bilde, durch den nördlich vorgreifenden Abbruch abgeschnitten sei. Östlich fehle dieser Fächer von Gneiss oder sei nur in einzelnen Schollen vorhanden.^ Vergl. Geologie des Erzgebirges, II, S. I7^i 61 Ober ein Vorkommen von Ammoniten und Orthoeeren im südtirolisehen Beilerophonkalk von Dr. Carl Diener. (Mit 1 Tafel.) Aus der Fauna der Beilerophonkalke von Südosttirol und Kärnten sind bisher nur Nautilen als Vertreter der Classe der Cephalopoden bekannt gewesen. Im abgelaufenen Sommer gelang mir gelegentlich neuer Aufsammlungen in den Bellero- phonkalken des Sextenthaies, die ich über Wunsch des Herrn Prof. Eduard Suess für das geologische Institut der k. k. Uni- versität in Wien vornahm, die Entdeckung einiger Reste von Orthoceren und Ammoniten. Mit Rücksicht auf die Seltenheit derartiger Fossilreste erscheint mir eine Beschreibung der- selben trotz ihrer UnvoUständigkeit keineswegs ohne Interesse. Der Fundort der hier zu beschreibenden Versteinerungen befindet sich westlich von der Ortschaft St. Veit (Sexten) an den Gehängen unterhalb der Gsellwiese zu beiden Seiten des von dieser herabkommenden Wildbaches. In der Sohle des letzteren sind, wie bereits Hörnes^ mittheilt, die Gypse und Rauchwacken im Liegenden der schwarzen, versteinerungs- führenden Stinkkalke aufgeschlossen. Die Mächtigkeit der eigentlichen Beilerophonkalke ist eine ziemlich bedeutende, doch ist eine einigermaassen verfössliche Schätzung durch die dichte Vegetationsdecke und die Anhäufung von Schutt an der Grenze gegen die überlagernden Werfner Schichten erschwert. 1 E. V. Mojsisovics, Die Dolomitriffe von Südtirol und Venetien. Wien ■9, S. 298. 62 C. Diener, Schon Stäche^ erwähnt einer nahe gelegenen LocaHtät am Ausgange des Innerfeldthales als eines Fundortes von Ver- steinerungen, doch waren ihm von derselben nur Bruchstücke von Bellerophonten und »anderen grossen und kleinen Schal- thieren« bekannt. Die besten Aufschlüsse, die ich nahezu voll- ständig ausbeuten Hess, fanden sich auf einer kleinen Schutt- halde südlich von dem Einschnitt des Gsellbaches. Das Gestein setzt durch seine Zähigkeit der Gewinnung und Präparation der Fossilien erhebliche Schwierigkeiten entgegen. Diese Localität hat — ausser den drei hier beschriebenen Arten von Orthoceras (Cycloceras) und Paralecanites — die nachfolgenden Formen geliefert: Natitilns (Temnocheihis) crnx Stäche. Bellerophon (St ach eil a) cf. pseiidohelix Stäche. Bellerophon comelicantis Stäche. Mnrchisonia cf. tramontana Stäche. Natica cf. conielicana Stäche. Entolinm tirolense Stäche. Avicnla cingtilata Stäche. Bakewellia cf. ceratophaga Schloth. Aticella cf. Hausmanni Gold f. Allorisma cf. elegans King. Allorisma sp. ind. Edinondia cf. rndis M'Coy. Nncnla sp. ind. Spirifer megalotis Stäche. Spirigera (?) cL Janiceps Stäche. Es ist dies eine typische Fauna des Bellerophonkalkes. die an Reichhaltigkeit nur von jener an der bekannten Fund- stelle des Kreuzbergpasses übertroffen wird. Bemerkenswerth ist insbesondere die relative Häufigkeit von Nautilen, während Brachiopoden zu den grössten Seltenheiten gehören. Das ein- zige Exemplar von Spirifer megalotis, das von dieser Localität stammt, wurde in den hängendsten Partien des Bellerophon- kalkes, ziemlich hoch über den Bänken, gefunden, welche 1 G. Stäche, Beiträge zur Fauna der Beilerophonkalke Südtirols. Jahrb. k. k. Geol. Reichs-Anst. 27. Bd., 1877, S. 282. Ammoniten und Orthoceren im südtirolischen Bellerophonkalk. 63 die Ammoniten und Orthoceren geliefert haben. Obwohl die Bellerophonten an Individuenzahl über alle anderen Formen beträchtlich überwiegen, gestatteten nur sehr wenige unter den gesammelten Exemplaren eine specifische Bestimmung. Unter den Bivalven verdient unter den übrigen, bereits von Stäche beschriebenen Arten eine Species von Allorisma Erwähnung, die mit Allorisma elegans King grosse Ähnlichkeit besitzt. Die an meinem Exemplar allein erhaltene linke Schale gleicht in auffallender Weise dem von Geinitz (Die Dyas, Taf XII, Fig. 14 a) abgebildeten Exemplar aus dem mitteldeutschen Zechstein und zeigt auch die für die Species charakteristische, von King und Geinitz beschriebene Granulirung der Ober- fläche. Ich gehe nunmehr zur Beschreibung der von mir ge- sammelten Orthoceren- und Ammonitenreste über. A. Orthoeeratidae. Genus Orthoceras Breynius. Orthocevas sp. ind. äff. obliqne-aniiulato Waagen. Taf. I, Fig. 1, 2. Die vorliegende Art gehört der durch das Auftreten von kräftigen, transversalen Ringen ausgezeichneten Formengruppe an, für welche Mc Coy^ die subgenerische Bezeichnung Cyclo- ceras vorgeschlagen hat. Es entspricht diese Formengruppe der neunten unter den siebzehn Abtheilungen, die J. Bar ran de in seiner Classification von Orthoceras unterscheidet, beziehungs- weise der Abtheilung der Orthocerata annnlata bei Waagen.^ In meinen Aufsammlungen ist die vorliegende Art durch drei Bruchstücke vertreten. Zwei dieser Bruchstücke lassen die Sculptur deutlich hervortreten, während das dritte,^ das 1 Mc Coy, Synopsis of the characters of the carboniferous limestone- fossils ofireland. London, 1862, S. 6. 2 W. Waagen, Salt Range Fossils. Palaeontologia India, ser. XIII, vol. I. Productus Limest. Foss., p. 66. 3 Dieses Exemplar wurde von Herrn Geheimrath K. v. Zittel gelegent- lich einer gemeinsam unternommenen Begehung der hier geschilderten Localität gefunden. 64 C. Diener, einen erheblich kleineren Durchmesser besitzt, die Beschaffen- heit der Kammerscheidewände, die Gestalt des Querschnittes und die Lage des Sipho zu erkennen gestattet. Obwohl die Stücke einer neuen, noch unbeschriebenen Art anzugehören scheinen, ziehe ich es doch mit Rücksicht auf ihre fragmen- tarische Erhaltung vor, von der Einführung eines besonderen Namens für die letztere abzusehen und begnüge mich mit einem Hinweise auf die, wie ich glaube, am nächsten stehende Form aus dem Oberen Productus-Kalk der Salt Range. Der Querschnitt ist elliptisch. Die Regelmässigkeit seines Umrisses bei dem auf Fig. 2 abgebildeten Exemplar schliesst die Annahme aus, dass seine elliptische Form auf Verdrückung zurückzuführen sei. Bei diesem Exemplar besitzt der grössere Durchmesser des Querschnittes eine Länge von IL 5, der kürzere eine solche von 9*5 mw. Der Abstand der flach con- vexen Kammerscheidewände ist gering. Dem obigen Quer- schnitt entspricht eine Distanz der nächstfolgenden Kammer- scheidewand von 2 mm. Der Wachsthumswinkel beträgt 8 — 9°. Die Sculptur besteht aus kräftigen, concentrischen Ringen, die dachförmig in eine scharfe Kante zulaufen und nicht imbricirt sind. Bei dem in Fig. 1 abgebildeten Fragment kommen fünf Ringe auf eine Entfernung zu stehen, die dem grösseren Durchmesser des Querschnittes {\7 min) gleich ist. Die Breite der Zwischenräume zwischen den einzelnen Ringen ist unge- fähr doppelt so gross, als die Breite der Ringe selbst. Die Ringe verlaufen gerade, ohne wellige Biegungen, jedoch nicht horizontal, sondern auffallend schief, unter einem Winkel von 11 — 12° gegen die Horizontale. Eine mit den Ringen cor- respondirende Transversalstreifung der Oberfläche ist nicht zu beobachten. Unter den im Palaeozoicum zahlreich vertretenen Arten der Orfhocerata anmilata, für welche trotz der Einwendungen Barrande's der subgenerische Name Cydoceras mit Vortheil verwendet werden könnte, scheint mir Ortlioceras ohliqne- ammlatum Waagen (1. c. p. 69, pl. VI, fig. 9, 10) der hier beschriebenen Form am nächsten zu stehen. Auch Waagen's Species aus dem Oberen Productus-Kalk der Salt Range ist durch einen elliptischen Querschnitt und durch schief gestellte Ammoniten und Orthoccren im südtirolischen Bellcrophonkalk. üO Ringe ausgezeichnet, die in ähnlichen Abständen wie bei meinen Exemplaren aus dem Bellerophonkalk von Sexten angeordnet sind. Unterschiede zwischen beiden Arten liegen in der centralen Stellung des Sipho und in der etwas geringeren Grösse des Wachsthums winkeis bei 0. oblique -anmilatinn, ferner in dem Umstände, dass die Ringe bei Exemplaren der indischen Species von gleicher Grösse, wie das hier abgebildete Fragment (Fig. 1) bereits mit einer abgerundeten Kante ver- sehen sind. Eine andere Art, die in ihrer Sculptur mit der vorliegenden grosse Ähnlichkeit aufweist, ist eine von Wal cot t^ aus dem carbonischen Kalkstein des Eureka-Districtes in Nevada be- schriebene Form, die Walcott mit Orthoceras Rmidolphense Worthen vergleicht. Diese amerikanische Form zeigt eben- falls sehr schief gestellte, scharfkantige Ringe, unterscheidet sich aber durch das Auftreten einer mit den Ringen überein- stimmenden Transversalstreifung. Das eigentliche Orthoceras Randolphense^ aus dem Chester Limestone von Illinois besitzt einen ähnlichen Wachsthumswinkel, wie das hier abgebildete Exemplar aus dem südosttirolischen Bellerophonkalk, trägt jedoch weiter abstehende, fast horizontal verlaufende oder nur sehr wenig geneigte Ringe und zahlreiche, feine Transversal- streifen auf der Schalenoberfläche. Von anderen carbonischen Formen dieser Gruppe, wie Orthoceras anniiJoso-stviatmn de Kon., 0. laevigatum Mc Coy, 0. scalare Goldf., ist die hier beschriebene durch die scharf- kantigen Ringe und den bedeutenden Wachsthumswinkel er- heblicher als von den bisher genannten Arten unterschieden. Das letztere Merkmal unterscheidet unsere Species auch deut- lich von O. cyclophoriim Waagen und O. anntUatum Sow., das, wie es scheint, fast unverändert aus dem Silur bis in die jüngsten Schichtbildungen palaeozoischen Alters hinaufreicht.^ 1 C. D. Walcott, Palaeontology of the Eureka-District. Monographs U. S. Geol. Survey, vol. VIII, 1884, p. 265, pl. XVIII, fig. 17. '- Orthoceras annttlalo-costatmn Meek and Worthen, Geol. Survey of Illinois, vol. II. Palaeontology, 1866, p. 304, pl. XXIV, fig. 3. 3 Vergl. Abich, Geologische Forschungen in den kaukasischen Ländern, I. Th. Eine Bergkalkfauna aus der Araxes-Enge bei Djoulfa, S. 25, Tat. IV, Sitzb. d. mathem.-naturw. GL; CVI. Bd., Abth. I. 5 66 C. Diener, Doch besteht eine nicht unbeträchthche äussere Ähnlichkeit zwischen meinen hier beschriebenen BruchstiLicken und den Steinkernen einzehier der von Barrande abgebildeten Exem- plare von 0. ammlaUim aus dem böhmischen Obersilur.^ B. Ammonoidea. Genus Lecanites E. v. Mojsisovics. (Subgenus Paralecanites nov. subgen.) Unter den im Beilerophonkalk des Sextenthaies von mir entdeckten Resten von Ammoniten gehören diejenigen, deren generische Bestimmung sich überhaupt mit Sicherheit durch- führen lässt, der Gattung Lecanites an. E. V. Mojsisovics- hat im Jahre 1882 die Gattung Leca- iiiies für eine tirolische Form aus VVengen und St. Cassian {L. glauctts) aufgestellt und bereits darauf hingewiesen, dass auch Ceratites gangeticits de Kon. aus der unteren Trias der Salt Range diesem Genus angehören dürfte. Die nahen Be- ziehungen von Lecanites zu Prolecanites sind ebenfalls zuerst durch E. v. Mojsisovics klargestellt und seither insbesondere von Holzapfel^ eingehend discutirt worden. Waagen hat durch seine Untersuchung der Trias-Ammoniten der Salt Range nicht nur die von E. v. Mojsisovics vermuthete Zugehörigkeit des Ceratites gangeticits zu Lecanites bestätigt, sondern auch eine grosse Zahl von neuen Arten dieser Gattung beschrieben.'* Zwei weitere Arten von Lecanites wurden seither von mir aus Fig. 9. Die Identificirung des Fragmentes aus den Otoceras-heds von Djulfa mit 0. annulattim ist von V. v. Mo eil er (Neues Jahrb. f. Mineral., 1879, S. 231) als zutreffend anerkannt worden. 1 Vergl. J. ßarrande, Systeme silurien du centre de la Boheme, vol. II, pl. 290, flg. 10. 2 E.V. Mojsisovics, Die Cephalopoden der Mediterranen Triasprovinz. Abhandlungen der k. k. Geol. Reichs-Anst. X. Bd., S. 199. 3 A. Holzapfel, Die cephalopodenführenden Kalke des Unteren Car- bon von Erdbach -Breitscheid. Palaeont. Abhandlungen von Dam es und Kays er, V. Bd., S. 39. -1 W.Waagen, Fossils from the Ceratite-Formation. Pal. Indica, ser. XIII, vol. II, p. 275. Ammoniten und Orthoceren im SLidtirolischen Bellerophonkalk. 67 den tieftriadischen (skythischen) Subrobustus-Schichten des Himalaya namhaft gemacht. In meinem Material aus den Bellerophonkalken des Sexten- thaies vermag ich drei Arten dieser Gattung zu unterscheiden, unter denen jedoch nur eine einzige durch hinreichend voll- ständige Exemplare vertreten erscheint, um eine specifische Benennung zu rechtfertigen. Diese, sowie eine zweite Art, stehen ihrer äusseren Erscheinung nach der Gruppe des Leca- uitcs ophioneiis Waagen sehr nahe, während eine dritte Art sich in dieser Hinsicht an L. psilogyrus W a.agen zunächst anschliesst. In Bezug auf den Charakter ihrer Suturlinie gehören jedoch alle drei Arten aus dem Bellerophonkalk einer beson- deren Formengruppe an, die durch unterzählige Loben aus- gezeichnet ist, während alle übrigen bisher beschriebenen Formen von Lecanites die normale Lobenstellung zeigen. Da bei den hier beschriebenen Formen die Projectionsspirale des vorletzten Umganges den ersten Lateralsattel nahe seinem inneren Rande schneidet, so ist der anschliessende Lobus, dem noch der Ansatz zu einem rudimentären Sattel folgt, bereits als Auxiliarlobus anzusehen. Es ist also ■ — wie dies wenigstens bei Lecanites Sexfeiisis und bei der zweiten in Fig. 8 abge- bildeten Art mit Sicherheit constatirt werden konnte — nur ein Laterallobus vorhanden. Dieses Merkmal scheint mir die Einführung einer beson- deren subgenerischen Bezeichnung für die hier zur Beschrei- bung gelangende Formengruppe zu rechtfertigen. Ich schlage daher für diese Formengruppe den Namen Paralecanites vor. Paralecanites erinnert durch die unterzähligen Loben an die beiden in Bezug auf die Entwicklung ihrer Suturlinie am tiefsten stehenden Gattungen der Ceratitoidea, an Dinarites und Th'olites, die ihre Hauptverbreitung in Ablagerungen der skythischen^ Serie besitzen. Obschon ich der Anschauung von E. V. Mojsisovics^ beipflichten möchte, dass leiostrake 1 E. V. Mojsisovics, W. Waagen und C. Diener, Entwurf einer Gliederung der pelagischen Sedimente des Trias-Systems. Diese Sitzungsber., Bd. CIV, S. 1277. 2 E. V. Mojsisovics, Die Cephalopoden der Hallstätter Kalke, II. Theil. Abhandlungen der k. k. Geol. Reichs-Anst., Bd. VI, 1893, S. 7. Vergl. iibrigens 5* 68 C. Diener, Ammoneen aus der Verwandtschaft der Meekoceratidae als die muthmasslichen Vorfahren der Ceratitoidea anzusehen sein dürften, so glaube ich doch nicht, dass im Sinne dieser Ansicht auf phylogenetische Beziehungen zwischen der mediterranen Formengruppe der Dinariies midi, die durch ihre glattschaHgen Gehäuse der Abtheilung der Ammonea leiostraca am nächsten stehen und zwischen Paralecaiiiies zu schliessen sei. Eine der- artige Annahme erscheint mir im Hinblick auf den abweichenden, durch das Auftreten flacher, sehr weit gespannter Sättel gekenn- zeichneten Charakter der Suturlinie bei den Dinarites midi und den Tirolites seminudi nicht zulässig. Eher könnte an der- artige Beziehungen zwischen Paralecatiites und dem sibiri- schen Dinarites laevis v. Mojs.^ gedacht werden, der eine nur aus sehr schwachen, leicht gekrümmten Falten bestehende Oberflächensculptur besitzt, aber bereits im Grunde gezähnte Loben aufweist. 1. Paralecanites Sextensis nov. sp. Taf. I, Fig. 3, 4, 5, 6. Diese Art ist in meinen Aufsammlungen durch fünf Stücke vertreten, unter denen sich neben Jugendexemplaren auch ein grösseres (Fig. 3) mit theilweise erhaltener Wohnkammer befindet. Die zahlreichen, langsam anwachsenden Windungen lassen einen weiten Nabel offen. Die Umgänge umfassen einander nur wenig, bei den Jugendexemplaren bis zu einem Viertel, bei dem grossen Exemplare bis zu einem Drittel der vorhergehenden Windung. Der Querschnitt ist elliptisch und beträchtlich höher als breit. Die Seiten sind nur sehr wenig gewölbt und in der Nähe des Nabelrandes manchmal ein wenig abgeflacht. Die dagegen E. Haug, Les Ammonites du Permien et du Trias. Bull. Soc. geol., 3. ser., t. XXII, 1894, S. 400 ff. Die nahen Beziehungen von Lecanites zu den Meekoceratidae (in dem von mir in Mem. Comite geol. de la Russie, vol. XIV, No. 3, p. 46 angenommenen Umfange) scheinen mir durch die Untersuchungen Waagen's ausser Zweifel gestellt zu sein. 1 E. V. Mojsisovics, Arktische Triasfaunen. Mem. de l'academie imp. des sciences de St. Petersbourg, 7e ser., t. XXXIII, No. 6, 1886, pl. IX, fig. 19, p. 18. Ammoniten und Orthoceren im sücitirolischen Belleruphonk G9 Externseite ist hoch gerundet. Seihst bei ganz jungen hidivi- duen ist Iceine Andeutung von Marginalkanten zu bemeii'die aus der palaeozoischen Zeit in die meso- zoische hinüberführt und eine bisher unbekannte Fauna der ältesten Buntsandsteinzeit darzustellen scheint«.- E. v. Moj- sisovics^ rechnete den Bellerophonkalk mit Rücksicht auf den überwiegend palaeozoischen Charakter der Fauna zum Perm, machte jedoch darauf aufmerksam, dass derselbe viel- leicht nicht mit dem deutschen Zechstein, sondern eher mit dem dann gleichfalls als permisch anzusehenden Hauptbunt- sandstein, von welchem ja eine marine Fauna nicht bekannt sei, zeitlich zusammenfallen dürfte, eine Ansicht, der sich auch Salomon'^ anschliesst. Neumayr^ hingegen betonte, dass von der marinen Entwicklung der untersten Trias nur sehr wenig bekannt, daher die Annahme gerechtfertigt sei, dass man es in der Fauna der Beilerophonkalke »mit einer noch unbekannten Marinfauna jener Zeit, wohl mit der ältesten unter ihnen- zu thun habe. 1 Verhandl. k. k. Geol. Reichs-Anst., 1888, S. 320. 2 C.W. Gümbel, Die geognostische Durchforschung Ba\'erns. Redein der öffentl. Sitzung der k. Akademie der Wissensch. München, 1877, .S. 58 bis 63; ferner: Kurze Anleitung zu geologischen Beobachtungen in den .\lpcn, S. 106, und Geologie von Bayern, I. Th., S. 633. •5 E. V. Mojsisovics, Die Dolomitriffe etc. S. 37, 38. ^ W. Salomon, Geologische und palaeontologische Studien über die Marmolata. Palaeontographica, 1895, S. 12. Vergl. auch Boll. Soc. geol. Italiana, XIV., fasc. 2, 1895, p. 281. 5 M. Neumayr, Erdgeschichte, I. Aullage, 2. Th.. S. 209. Ainmoniten und Orthoceren im südtirolischen Bellerophonkalk. 73- In neuester Zeit haben Vacek^ und Tommasi sich mit der Altersfrage der Bellerophonkalke beschäftigt. Der erstere stellt die von Gümbel als Äquivalente des Bellerophonkalkes angesprochenen, aber lithologisch und faunistisch abweichenden Bildungen der Etschbucht zusammen mit den unterlagernden Groedner Sandsteinen in die Trias, und zwar auf Grund der uncorformen Lagerung dieses mit den Werfner Schichten eng verbundenen stratigraphischen Complexes über dem permischen Porphyr von Bozen. Tommasi,- der die Fauna einiger Locali- täten in Friaul beschreibt, weist zwar abermals auf den von der Fauna der Werfner Schichten durchaus abweichenden Charakter der organischen Einschlüsse hin, verhält sich jedoch im Übrigen in Bezug auf die bathrologische Stellung des Bellerophonkalkes sehr reservirt. Da in den Carnischen Alpen nördlich vom Canalthal — einem der classischen Verbreitungsgebiete des Bellerophon- kalkes'^ — nach Stäche und Geyer zwischen allen Schicht- bildungen von den lichten Fusulinenkalken des Obercarbon bis hinauf zu den Werfner Schichten — diese mit eingeschlossen — volle Concordanz der Lagerung obwaltet, so kann, wie bereits Gümbel betont hat, der Schwerpunkt für die Entscheidung der Frage nur in den organischen Resten des Bellerophon- kalkes gesucht werden. Seit Neumayr (im Jahre 1887) auf die Dürftigkeit unserer Kenntniss untertriadischer Marinfaunen hinwies, hat sich das Gebiet unseres Wissens in dieser Richtung nicht unbeträchtlich erweitert. Wir kennen gegenwärtig eine ganze Reihe von Faunen aus der skj^thischen Triasserie und die Beziehungen derselben zu jener des Bellerophonkalkes 1 M. Vacek, Über die geologischen Verhältnisse des Nonsberges. Verh. k. k. Geol. Reichs-Anst., 1894, S. 434, 435 und: Über die geologischen Ver- hältnisse der Umgebung von Trient, ibidem, 1895, S. 469—473 und 483. - .A.. Tommasi, Sul recente rinvenimento di fossili nel calcare ä Bcllcro- phon nella Carnia. Rendiconti R. Acad. dei Lincei, ser. 5, fasc. 6, vol. V, p. 221. 3 Der Bellerophonkalk ist bekanntlich eine local beschränkte Bildung. Er ist in seiner typischen Entwicklung nur in Südosttirol bis Gröden im W und bis zum Pusterthale im N, in dem angrenzenden Venetien und Friaul bis Recoaro und der Val Sugana im S und im kärntnerischen Canalthal bis in die Gegend von Tarvis im 0 bekannt. '4 C. Diener, wird daher in der Frage nach der Stellung des letzteren im geologischen System besonders ins Gewicht fallen müssen. Es ist in hohem Grade bemerkenswerth, dass die erheb- lichen Unterschiede, welche zwischen der Fauna der Bellero- phonkalke und jener der Werfner Schichten bestehen, auch bei einem Vergleiche der ersteren mit den in neuerer Zeit näher bekannt gewordenen tieftriadischen Faunen der Cera- titen-Schichten der Salt Range, der Otoceras beds des Hima- laya und der Proptychites-Schichten der ostsibirischen Küsten- provinz hervortreten. Es gilt dies namentlich für die Cephalo- poden und Lamellibranchiaten.^ Unter den Cephalopoden findet sich nur in den Ceratiten-Schichten der Salt Range eine einzige, noch unbeschriebene Art, die, wie ich mich auf Grund einer von Herrn Prof. Waagen in liebenswürdigster Weise gestatteten Besichtigung seines Materials überzeugen konnte, eine entfernte Ähnlichkeit mit einigen Temnocheilus-Fovmen des Bellerophon- kalkes zeigt. Die reiche Lamellibranchiatenfauna der ostsibiri- schen Trias weist, wie mir Herr Dr. Bittner, der die Bearbeitung derselben übernommen hat, mitzutheilen so freundlich war, nahe Beziehungen zu jener der Werfner Schichten, aber keinerlei solche zur Fauna des Bellerophonkalkes auf. Ebensowenig hat Dr. Bittner in der Fauna der Otoceras beds des Himalaya eine mit Bellerophonkalk-Arten näher verwandte Form constatirt. Die einzigen Anklänge an die Fauna der Bellerophonkalke liegen in dem Hinaufreichen der Verbreitung von Bellerophon in jene tieftriadischen Ablagerungen. In allen den oben citirten Bildungen skythischen Alters ist das Vorkommen von Bellero- phonten constatirt worden. Ja, in einer Abtheilung des Ceratiten- Sandsteins der Salt Range tritt die Untergattung Stachella noch so häufig auf, dass Waagen dieser Schichtgruppe geradezu den Namen Stachella beds beigelegt hat. Doch sind alle diese Belierophonten aus den asiatischen Triasbildungen, ebenso wie der von Vacek im Gebiete des Nonsberges gesammelte kleine Bellerophon von den Arten des Bellerophonkalkes specifisch verschieden.^ 1 Eine Brachiopodenfauna ist aus jenen tiel'triadisclien Ablagerungen leider nicht bekannt. 2 Mittheilung der Herren Prof. W. Waagen und Dr. A. Bittner. Ammoniten und Orthoceren im südtirolischen Bellcrophonkalk. 75 Von den hier beschriebenen neuen Cephalopodenformen ist nur das Orthoceras aus der Gruppe der O. annulata zu einer Altersbestimmung vervverthbar, da die Paralecaniten einer durch ihre Lobenstellung von allen bisher beschriebenen Leca- niten abweichenden Formengruppe angehören. Repräsentanten der Orthocerata ammlata {Cycloceras Mc Coy) sind bisher noch niemals in triadischen Ablagerungen gefunden worden. Sie erscheinen nach dem heutigen Stande unserer Kenntniss auf Bildungen palaeozoischen Alters beschränkt, wobei allerdings bemerkt werden muss, dass sie noch in oberpermischen Ab- lagerungen (Oberer Productus-Kalk der Salt Range, Djulfa) t3^pische Vertreter besitzen und dass man aus skythischen Ablagerungen überhaupt nur sehr wenige — durchwegs glatt- schalige — Orthoceren kennt. Es gesellt sich also diese Form zu den zahlreichen, bereits von Stäche namhaft gemachten hinzu, welche der Fauna der Bellerophonkalke ein überwiegend palaeozoisches Gepräge aufdrücken. Dass mit diesen palaeozoischen Faunenelementen andere vergesellschaftet auftreten, die, wie die Ostracoden und Fora- miniferen einen vorwiegend mesozoischen Habitus an sich tragen, kann bei einer an der Wende zweier Epochen gelegenen Bildung, wie der Beilerophonkalk eine solche darstellt, nicht überraschen. Bei der Einreihung einer derartigen Bildung in das Conventionelle System der geologischen Formationen, das trotz seiner oft betonten Künstlichkeit vorläufig durch kein besseres ersetzt werden kann, werden in erster Linie jene Faunenelemente in Berücksichtigung zu ziehen sein, die bei der Frage der geologischen Altersbestimmung überhaupt als die bedeutsamsten zu betrachten sind. Von diesem Gesichts- punkte aus dürfte die Zutheilung des Beilerophonkalkes zum Perm besser als eine solche zur Trias dem momentanen Stand unserer Erfahrungen Rechnung tragen, auch für den — keines- wegs unwahrscheinlichen — FalT, dass der Beilerophonkalk zeitlich mit der tiefsten Abtheilung des deutschen Buntsand- steins, und nicht mit dem Zechstein zusammenfallen sollte. Immerhin ist diese Einreihung in das Formationsschema nur als eine provisorische anzusehen, und darf die Möglichkeit einer Änderung derselben in Folge reicherer neuer Cephalopoden- 76 C. Diener, Ammoniten und Orthoceren etc. funde gerade mit Rücksicht auf die hier beschriebenen nicht ausser /Vcht gelassen werden. Tafelerkläruner. Fig. 1. Orthoceras (Cycloceras) sp. ind. Seitenansicht des grössten mir vor- liegenden Fragmentes. » 2. Orthoceras (Cycloceras) sp. ind. Querschnitt eines Ivleineren Exemplars. » 3. Paralecanites Sextensis nov. sp. Exemplar mit theilweise erhaltener Wohnkammer. 3a Seitenansicht; 3 Z; Querschnitt der Schlusswindung; 2ic Lobenlinie der letzten Kammerscheidewand, in anderthalbfacher Vergrösserung. > 4. Paralecanites Sextensis nov. sp. Gekammertes Exemplar. Aa Seiten- ansicht; 4& Querschnitt der Schlusswindung. » 5. Paralecanites Sextensis nov. sp. Seitenansicht eines Jugendexemplars. > 6. Paralecanites Sextensis nov. sp. Externlobus eines Jugendexemplars in anderthalbfacher Vergrösserung. » 7. Paralecanites sp. ind. la Seitenansicht; Ih V^orderansicht eines Wohn- kammer-Exemplars. » 8. Paralecanites s^. ind. 8a Seitenansicht; SZ? Querschnitt eines Windungs- bruchstückes; Sc Lobenlinie in zweifacher Vergrösserung. Sämmtliche Stücke stammen aus dem Bellerophonkalk von Sexten und befinden sich in der Sammlung des Geologischen Museums der Wiener Uni- versität. C. D ie ner : AmmoniteTumd Orthoceren des Bell eropKonkalkes . 0 vAi^r 4^ >. N^ 0 y'^^^^^"^^ ■■j\S^ \y ja. \ .3 -i. Swobodaii.d.Naf.gez.u.lith. LithAnst vTh BaTinwarth.Wien Sitzungsberichte d.kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw.Classe, Bd.CVI.Abth. I. 1897. 77 Pflanzenphysiologisehe Mittheilimg'en aus Buitenzorg-. (VI.i) Zur Physiologie von Taeiiiophylluin ZolUngeri J. Wiesner, w. M. k. Akad. (Mit 1 Tafel.) Bei meinen Studien über den Lichtgenuss der Pflanzen, ^ welche mich während meines Aufenthaltes in Buitenzorg vor- wiegend beschäftigten, habe ich dem Taeniophyllum Zollüigeri Rchb. fil., einer epiphytischen Orchidee von flechtenartigem Habitus, meine besondere Aufmerksamkeit zugewendet. Zahlreiche an dieser Pflanze angestellte Beobachtungen drängten mich. Versuche über die Wachsthumsintensität ihrer Wurzeln anzustellen und einige anatomische und physiologische Besonderheiten dieses Epiphyten näher zu verfolgen. Ich gelangte so zu mehreren, namentlich in physio- logischer Beziehung nicht uninteressanten Resultaten, welche, wie ich später aus der Literatur ersah, noch nicht bekannt sind, wesshalb ich mich entschloss, meine auf diese Pflanze bezug- nehmenden Untersuchungsergebnisse, trotz ihres mehrfach nur fragmentarischen Charakters, hier zusammenzustellen, um 1 Siehe diese Sitzungsber., Bd. 103, Abth. I, S. 401, Anmerkung. 2 Untersuchungen über den Lichtgenuss der Pflanzen mit Rücksicht auf die Vegetation von Wien, Buitenzorg (Java) und Cairo. Diese Sitzungsberichte, Bd. 104 (Abth. I), Juli 1895. 78 J. Wiesner, ZU weiteren Forschungen über Leben und Lebensweise dieser merkwürdigen Orchidee Anregung zu geben. ^ Grosse Wachsthumsgeschwindigkeit scheint zu den charak- teristischen EigenthümHchkeiten der Pflanzen des heiss-feuchten Tropengebietes zu gehören. Thatsache ist, dass diese Pflanzen als Ganzes und deren Organe häufig ein ausserordentlich rasches Wachsthum zu erkennen geben. Aber nicht bloss durch den Augenschein, sondern durch vielfältige Messung der Wachsthumsgeschwindigkeit der Organe tropischer Gewächse ist an ihnen ein oft geradezu exorbitanter Zuwachs für die Zeiteinheit nachgewiesen worden. Zuletzt hat Prof. G. Kraus,- welcher gleichzeitig mit mir sich durch längere Zeit in Buitenzorg aufhielt, dort sehr sorg- fältige Messungen über die Wachsthumsgeschwindigkeit von Bambussen angestellt, welche aber zudem den Zweck verfolgten, den Gang der Wachsthumsintensität bei Tag und Nacht, und die von Pfeffer^ als »autonome oder spontane Wachsthums- oscillationen« bezeichneten, von äusseren Einflüssen unab- hängigen Änderungen der Zuwachsgrösse kennen zu lernen. Nach Beobachtungen, welche Kraus an einer Bambusart (Dendrocalamiis sp. aus Ceylon) anstellte, beträgt der stündliche Zuwachs des Stammes dieser Pflanze bei grösstem Tages- zuwachs 23 • 7 nun. Diesem eclatanten Beispiele einer extremen Wachsthums- geschwindigkeit will ich ein entgegengesetztes Beispiel gegen- ^ Wie icli aus der Literatur ersah, so sind die anatomischen Verhältnisse der Luftwurzel von Taeniophylltmi Zollingeri von mehreren Seiten untersucht worden, so dass ich nach dieser Richtung nur wenig Neues und zugleich Brauchbares bringen könnte, wesshalb ich in obiger Darstellung mich bloss auf meine die Physiologie des genannten Epiphyten betreffenden Beobachtungen beschränken werde. Über die anatomischen Verhältnisse der Luftwurzeln von Taeniophyllum Zoll, siehe Goebel, Pflanzenbiologische Schilderungen. Mar- burg, 1889, 1,S. 193 ff.; G. H aberland t, Physiolog. Ptlanzenanatomie, 2. Aufl. Leipzig, 1896, S. 410. Goebel hat bereits, was für die physiologische Betrachtung der Wurzeln von Taenioph. Zoll, von Wichtigkeit ist, auf deren dorsiventralen Charakter aufmerksam gemacht (1. c. I, S. 197 und II, Marburg, 1891, S. 351). 2 Das Längenwachsthum der Bambusrohre. Ann. du Jardin Botanique de Buitenzorg. Vol. XII (1895), p. 196 ff. y Physiologie, II, S. 81. Pflanzenphysiologische Mittheilungen aus Buitenzorg. 79 Überstellen: das ungemein langsame Wachsthum der grünen Luftwurzeln \'on Taetiiophylhim Zolliiigcvi. Ein interessantes Gegenstück, welches uns lehrt, dass die ungemein günstigen \'egetationsbedingungen des heiss-feuchten Tropengebietes nicht stets dahin führen müssen, die Wachsthumsintensität zu forciren. Es scheint mir vielniehr, dass die vollendete Erfüllung der Vegetationsbedingungen, die uns in derTropenwelt entgegen- tritt, die grösste Mannigfaltigkeit der Erscheinungs- formen der Pflanzenwelt ermöglicht, welche allerdings häufig in gigantischen Typen in Erscheinung tritt, sich aber auch in extrem pygmäischen F'ormen zu erkennen geben kann. Wie so es kommen kann, dass in den Tropen auch ganz p\'gmäische, aber doch vollkommen angepasste, zähe aus- dauernde Formen zur Ausbildung gelangen, scheint in dem Umstände gelegen, dass die häufig auf's Äusserste gesteigerte Entwicklungsfähigkeit der dortigen Pflanzen ein solches Über- wuchern und Durchwuchern der Gewächse herbeiführt, dass viele Formen, auf eng zugemessenen Raum angewiesen oder anderweitig durch äussere Factoren in ihrer Entwicklung be- grenzt, sich in der Ausbildung ihrer Organe stark einschränken müssen, aber unter den sonstigen überaus günstigen V^ege- tationsbedingungen (Temperatur, Luftfeuchtigkeit, rasche Auf- schliessung der Nährstoffe etc.) dennoch bestand- und entwick- lungsfähig bleiben. Ein charakteristisches Beispiel für eine durch die Gunst der tropischen Vegetationsbedingungen ermöglichte zwerghafte aber doch, wie die enorme Verbreitung lehrt, zäh-ausdauernde Pflanzenform ist Taeiiiophylhim Zollingeri: eine Orchidee von, wie schon bemerkt, flechtenartigem Habitus, ohne Laubblätter, in ihrem vegetativen Körper fast nur aus Wurzeln bestehend, welche alle vegetativen Verrichtungen zu besorgen haben, die Befestigung auf dem Substrate, die Nahrungsaufnahme, die Assimilation der anorganischen NährstoiTe etc., ein kleines, un- ansehnliches Pflänzchen, welches mit den Vegetationsbedin- gungen der Flechten vorlieb nimmt, mit diesen gemeinschaftlich auf der Rinde der Bäume lebt und keine andere Concurrenz als die mit rindenbewohnenden Flechten und ähnlichen kleinen Epiphyten zu bestehen hat. 80 J. Wiesner, Die Orchideen sind Gewächse, welche im Vergleiche zu anderen monocotylen Pflanzen durch auffallende Langsamkeit der Entwicklung ihrer Vegetationsorgane ausgezeichnet sind.^ Dieses langsame Tempo der Entwicklung ihrer Vegetations- organe ermöglicht nach meinem Dafürhalten die grosse Re- ductionsfähigkeit dieser Organe, welche unter den Phanero- gamen ihres Gleichen sucht. Der normale Habitus der Orchideen ist allerdings durch wohlausgebildete Blätter und Blüthenstandsaxen charakterisirt, aber die vegetativen Axen und die Wurzeln sind häufig stark reducirt. Die Lebensweise der Orchideen ermöglicht nun im tropischen Gebiete — man darf wohl annehmen in Folge an- dauernd günstiger Hauptbedingungen der Vegetation, aber sonstiger Einschränkungen — ein graduelles Abweichen von dem normalen Habitus zu den verschiedenartigsten Extremen. Bei einigen tropischen Vanüla-Avten (z. B. V. aphylla Bl. und V. Phalaettopsis Rchb. etc.) und anderen tropischen Orchideen (z.B. Angraectim aphyUum Ldl.) treten die Blätter nur in Form grüner Schuppen auf und der chlorophyllreiche Stamm scheint das alleinige Organ der Kohlensäureassimilation dieser Epi- phyten zu sein.^ Auf ein anderes Extrem in der Ausbildung der V^egeta- tionsorgane einer Orchidee hat Pfitzer in seiner classischen Morphologie der Orchideen (S. 20) die Aufmerksamkeit gelenkt, nämlich auf Aeranthes {Angraectim, neuestens Polyrrhiza^) funalis Rchb. Dieser Epiphyt bringt auf sehr verkürzter Axe ein reich entwickeltes Büschel von Luftwurzeln hervor, welche die Function der grünen Laubblätter übernehmen, näm- lich als die einzigen Organe der Kohlensäureassimilation an dieser Pflanze thätig sind. 1 Belege für das langsame Wachsthum der Vegetationsorgane mono- podialer Orchideen enthält Pf itzer: Morphologie der Orchideen. Heidelberg, 1882, S. 20. '■i Siehe hierüber: Göbel, Pllanzenbiologische Schilderungen, Marburg, 1889, I, S. 196. ^ »Natürliche Pflanzenfamilien« von Engler und Prantl, II. Th., 4. Abth. Leipzig, 1888. »Orchidaceen«, bearbeitet von Pfitzer, S. 216. Pllanzcnphysiologische Mittheiluni;en aus Buitenzorg. 81 Schimper^ hat die letztgenannte, in biologischer I^^e- ziehung so interessante Pflanze noch eingehender als sein Vor- gänger charakterisirt. Ihr Stamm ist winzig, mit kleinen, braunen, trockenen Schuppen bedeckt; das Wurzelbüschel erreicht eine Länge von mehreren Fuss; die Wurzeln hängen meistens frei herab. In der Trockenperiode erhebt sich die nur wenige Centi- meter lange, grünliche, nadeiförmige Blüthenstandsaxe, welche auch nur Blattrudimente trägt, so dass also auch zur Zeit der Blüthe und Fruchtbildung nur die Wurzeln als Organe der Kohlensäureassimilation fungiren. Mit dieser merkwürdigen Pflanze hat unser Taeniopliylhiin schon eine grosse Ähnlichkeit, nur dass die letztere noch kleiner und gedrungener ist, nur Haft wurzeln erzeugt, welche sich auf dem Substrate radienförmig ausbreiten, während Polyrrhiza fnnalis ein Büschel von Wurzeln bildet, welche, wie bemerkt, vorwiegend frei herabhängen, also nur zum geringen Theile dem Substrate anhaften. Wie Göbel (1. c.) bereits mittheilt, bildet auch Taenio- phyUnni Zolliiigeri nur eine kurze, zarte Blüthenstandaxe aus, welche nur winzige, schuppenförmige Blätter trägt, so dass auch diese Pflanze zur Zeit des Blühens und Fruchtens bezüg- lich der Production organischer Substanz nur auf die Wurzeln angewiesen ist. Ich schalte hier ein, dass ich diese Pflanze mitten in der Regenperiode blühend und fruchtend angetroffen habe. Die von mir mitgebrachten, mit Blüthen oder Früchten besetzten Exem- plare (siehe die Tafel, Fig. A und B) wurden zwischen Ende December und Anfang Februar gesammelt. 1. Vorkommen der Pflanze. Dieser Epiphyt wurde auf Java entdeckt, und so viel mir bekannt, ist derselbe sonst nirgends aufgefunden worden.^ Es wird gewöhnlich angegeben, dass diese Pflanze nur oder vor- wiegend auf den Stämmen der Palmen vorkommt. Ich habe 1 Epiphyten Westindiens. Botan. Centralblatt, 1884, I, S. 255. 2 Teijsmann und Binnendijk. Catal. plant, que in horto bot. Bogo- riensi coluntor. Batavia, 1866, p. 49. Sitzb. d. mathem.-naturw. GL; GVL Bd., Abth. I. 6 82 J. Wiesner. dieselbe aber auch an anderen Monocotjlen und zahllosen Di- cotylen gefunden und meine, dass sie auf der Stammrinde jedes Baumes gedeihen kann, wenn nur die erforderlichen Lichlvxr- hältnisse gegeben sind und nicht allzu starke Rissbildung der Rinde die zu ebener Ausbreitung neigende Wachsthumsrichtung der Wurzeln stört. Nach meinen ^Aufzeichnungen nenne ich folgende Gewächse, auf deren Stammrinde ich TacniopliyUnni Z. beobachtete. Mono- cotylen: Zahlreiche Palmen, ferner Pliilodeudron crinipes. Di- cotyle Bäume: Fic^ls elastica und andere Ficns-Axien, Salacia sp., Garchiia sp., Weinmannia sp. und Canariuni commune} Ich habe TaeniopJiylliim Zollingeri nur an Hauptstämmen und stark aufstrebenden Seitenästen gefunden. Hier ist sie der Einwirkung des Vorderlichtes ausgesetzt. Ob es auf der Oberseite stärker geneigter Seitenäste vorkommt, ist nicht immer leicht zu constatiren. An solchem Standorte habe ich die Pflanze niemals gesehen. An der Unterseite stark geneigter Aste kommt sie aber wohl kaum vor. Trotz aufmerksamer Beobachtung habe ich sie an solchen Stellen nicht gesehen. Hier wäre sie auf das ünterlicht angewiesen, welches innerhalb des Baumschattens \-iel zu gering ist, um ihr Fortkommen zu ermöglichen. Das Lichtbedürfniss des Taeniophyllitm ist nämlich nicht so gering, als man von vornherein vielleicht anzunehmen geneigt wäre. Es dürften nur wenige epiphytische Orchideen existiren, welche ein (relativ) so hohes Lichtbedürfniss aufweisen, wie unsere Pflanze. Ich habe im ganzen Orchideenquartier des Buitenzorger Gartens kein einziges Exemplar von Taeuio- phyllnm gesehen, trotzdem sie sonst im Garten sehr häufig \'or- kommt. Am üppigsten fand ich die Pflanze entwickelt, wenn sie an ihrem Standorte V?— V> 0 • 0806 Da sämmtliche Versuchspflanzen, abgesehen von der ver- schiedenartigen Beleuchtung, sich sonst unter gleichen Verhält- nissen befanden, so lässt sich aus den Beobachtungen ableiten, dass von einer bestimmten Licht intensität an mit steigender Lichtstärke bis zu einer bestimmten Grenze d'as Wachsthum der Luftwurzeln von Taenio- phyllum Zolling. zunimmt, mit weiter steigender Licht- stärke wieder abnimmt und endlich gänzlich erlischt. Vergleicht man den grössten täglichen Zuwachs des Bambusrohres (Dendrocalamus sp., nach den Beobachtungen von G. Kraus^) mit dem grössten (aus obigen Beobachtungen unter Annahme gleichmässigen V/achsthums abgeleiteten) täg- lichen Zuwachs der Luftwurzeln von Taeniophylhmi Zoll., so gelangt man zu dem Verhältniss 570 : 0-283 ww = 2013: 1. Das von G. Kraus untersuchte Bambusrohr wächst also rund 2000 mal rascher als die Luftwurzeln von Taeniophylluin ZoUingeri. Es wäre interessant zu wissen, wie. die Wachsthums- intensitäten in der Wurzel unseres Epiphyten vertheilt sind, da diese Luftwurzeln, wie weiter unten gezeigt werden wird, nicht die Fähigkeit zu haben scheinen, sich unterirdisch zu ent- wickeln, wie etwa die Luftwurzeln der Hartwegia cotnosa, welche bekanntlich sich auch zu Bodenwurzeln umbilden können. Es lässt sich desshalb von vornherein als nicht unwahr- scheinlich annehmen, dass die Luftwurzeln von Taeniopli. Zoll. bezüglich der räumlichen Vertheilung der Wachsthumsintensität von gewöhnlichen Wurzeln abweichen dürften. Es ist aber unser Epiphyt wegen seines ausserordentlich langsamen Wachs- thums zu den betreffenden Messungen nach unseren gegen- 1 L. c. s. 202. 86 J. Wiesner, wärtigen Methoden sehr wenig geeignet, und meine diesbezüg- hch unternommenen Versuche haben kein klares Resultat er- geben, da sich die Tuschmarken nicht so lange, als es erforder- lich gewesenwäre, erhalten haben. Ich habe nichtZeit gehabt,eine brauchbare Methode zur Durchführung der betreffenden Mes- sungen ausfindig zu machen; es bleibt die Erledigung dieses Ge- genstandes also späteren Besuchern von Buitenzorg vorbehalten. B. Im Dunkeln befindliche Wurzeln. Nach dem im Lichte verschiedener Intensität vorgenom- menen, oben mitgetheilten Versuchen ist von vornherein anzu- nehmen, dass die Wachsthumsstärke der Luftwurzeln von Taeniophyllum Zollmgeri bei Lichtausschluss entweder nur ausserordentlich gering sein wird, oder aber dass diese Organe im Finstern gar nicht wachsen. Meine hierüber angestellten Versuche wurden theils mit am Baume befindlichen Pflanzen, theils an Individuen vorgenommen, welche, sammt der Rinde vom Stamme abgelöst, unter einem lichtabhaltenden Recipienten cultivirt wurden. Mehrere Exemplare unseres Epiph3^ten, welche am Stamme von Canarium comfnwie wuchsen, wurden mit einem Carton- blatt überdeckt, welches durch Nadeln am Stamme befestigt wurde. Es wurde Sorge getragen, dass das Cartonblatt nicht unmittelbar auf den Luftwurzeln auflag. Der Verschluss war also weder licht- noch luftdicht und es darf angenommen werden, dass die V^ersuchspflanzen sich nicht in ungünstigen Vegetationsverhältnissen befanden. Meine Versuche wurden durch Regen zumeist zerstört, aber in einem F'alle blieben die gänzlich bedeckten Wurzeln durch 21 Tage am Stamme über- deckt und waren da einer so geringen Lichtintensität ausgesetzt, welche sich gar nicht mehr (nach dem Bunsen-Roscoe'schen Verfahren) messen Hess; die Wurzeln befanden sich also so gut wie im vollkommenen Dunkel. In diesem Falle wurde an den Wurzeln gar kein Wachsthum wahrgenommen. An einer der erhalten gebliebenen Versuchspflanzen war ein Theil der Wurzeln eines Individuums dem Lichte ausgesetzt, ein anderer Theil befand sich 18 Tage (durch Überdeckung mit einem Cartonblatt) im Dunkeln. Die verdunkelten Luft- Pflanzenphysiologische .Mittheilungen aus iiuitenzwrg. 87 wurzeln zeigten kein, die b e 1 e u c li t e t e n ein s e h r d e ii t- 1 ich es VVachsthum. An einem mit der Rinde vom Baume abgelösten Exemplare, welches unter einem dunkeln Recipienten gezogen wurde, konnte, obgleich sich die Pflanze während des ganzen, etwa einen Monat dauernden Versuches anscheinend ganz gesund befand, gleichfalls kein Wachsthum nachgewiesen werden. Dieser Versuch, der leider nicht mehr wiederholt werden konnte, gehörte einer grösseren, später noch zu erwähnenden Versuchs- reihe an, in welcher vergleichsweise im weissen, gemischten gelben, gemischten blauen Lichte und im Dunkeln experimentirt wm-de. Die im Dunkeln verlaufenen Versuche haben leider nur zu spärlichen Messungen Veranlassung gegeben, so dass ich auf Grund der gewonnenen, allerdings durchwegs negativen Re- sultate, aber auch unter Berücksichtigung des selbst unter den günstigsten Verhältnissen nur ungemein langsamen Wachs- thums, nicht wage, es mit Bestimmtheit auszusprechen, dass die Luftwurzeln \'on Tacniophyllum Zollingeri im Finstern ihr Wachsthum vollkommen einstellen. Es ist dies aber nach den von mir angestellten Beobachtungen im hohen Grade wahr- scheinlich. Es scheinen mithin die Luftwurzeln von TacniopliyUinn Zollingeri sich ähnlich so wie das VVürzelchen (Hypocotyl)- von Viscuni albnin zu verhalten, welches bei Ausschluss von Licht, wie gewöhnlich angegeben wird, nicht wächst. Eine völlige Gleichheit zwischen diesen beiden Organen besteht aber, falls meine Beobachtungen über das Vv'achsthum der Wurzeln der erstgenannten Pflanze sich bestätigen sollten, doch nicht. Denn ich habe nachgewiesen, dass das Hypocotyl von Viscum albtini allerdings in den ersten Keimungsstadien ohne Licht nicht zur V/eiterentwicklung zu bringen ist, hingegen später, wenn es negativ geotropisch zu werden beginnt, auch im Dunkeln weiterwächst.^ Der Unterschied im Verhalten der 1 Wiesner, Pflanzenphysiologische Alittheilungen aus Buitenzorg. IV. »Vergl. physiologische Studien über die Keimung des Samens europäischer und tropischer Arten von Viscum. i. Diese Sitzungsber., Bd. 103 (1894) S. 401 ff. Da- selbst auch der Nachweis, dass die Würzelchen der untersuchten tropisclicn 88 J. Wiesner, Luftwurzel von Taeni( phyllnm ZoIUugeri und dem Hypo- cotyl von Viscuin albinn bestände also darin, dass erstere überhaupt nur im Lichte, letzteres bloss in den ersten Stadien der Keimung der Samen nur im L i c h t e \v ä c h s t. C. Im farbigen Lichte befindliche Wurzeln. Es wurden zahlreiche Exemplare von Taeniophylhiin Zoll, welche auf der Rinde von Ficiis elastica sich entwickelt hatten, sammt der Rinde abgelöst und vier miteinander im Aussehen am meisten übereinstimmende Individuen {a — d) zu der nach- folgend mitgetheilten Versuchsreihe ausgewählt. a kam unter einen dunkeln Recipienten, b unter einen farblosen Glassturz, c unter eine Senebier'sche Glocke (doppel- wandige Glasglocke), welche mit einer Lösung von doppelt chromsaurem Kali gefüllt war, endlich d unter eine Senebier'sche mit Kupferoxj^dammoniak beschickte Glocke. Die Rindenstücke, also auch die Wurzeln, befanden sich in dieser Versuchsreihe in horizontaler Lage. Abgesehen von der Beleuchtung standen alle Versuchs- pflanzen unter gleichen Vegetationsbedingungen. Die mittlere Lichtstärke des äusseren auf die Glasglocken fallenden Lichtes betrug etwa 74-3 des gesammten Tageslichtes. Von Zeit zu Zeit wurden die Luftwurzeln je nach Bedarf etwas befeuchtet. Der Versuch begann am 28. December 1893 und dauerte bis 25. Jänner 1894. Bis dahin befanden sich alle Wurzeln dem Anscheine nach vollkommen normal, später fingen die Wurzeln aller Exemplare, offenbar in Folge einer im Substrate statt- gefundenen Veränderung, mehr minder zu kränkeln an, wess- halb der Versuch unterbrochen wurde. Viscttm- und Lorant hus-Avten von Anfang an im Finstern keimen. Ich benütze diese Gelegenheit, um zu bemerken, dass es mir in den beiden Wintern 1894 bis 1895 und 1895 — 1896 gelungen ist, auch Loranthus eiiropaens im Finstern und zwar bis zu 70 Procent, zur Keimung zu bringen. Die hier in Wien auf meine Veranlassung im Winter 1893 — 1894 während meines Aufenthaltes in Java angestellten diesbezüglichen Versuche ergaben, wie ich (1. c.) anführte, ein negatives Resultat, welches in der Versuchsmethode, die nunmehr wesent- lich verbessert ist, seinen Grund hatte. Pflanzenphysiologische Mittheilungen aus Buitenzorg. ö9 Das Verhalten der im Dunkeln befindlichen Pflanze (a) wurde oben schon geschildert: es konnte an den Wurzeln gar kein Wachsthum nachgewiesen werden. Die unter der farblosen Glocke befindlichen Wurzeln (der Pflanze b) wiesen einen mittleren Zuwachs \'on b-2iuin auf. Die im schwach brechbaren Lichte (unter der gelben Glocke) befindlichen Wurzeln (der Pflanze c) verlängerten sich durchschnittlich um 4-ßmin. Dabei trat folgende merkwürdige Erscheinung auf. Die ganze neu zugewachsene Wurzel- partie (oberes Wurzelende) hatte sich vom Substrate abgehoben und emporgekrümmt. Die verticale Lage wurde aber dabei nicht erreicht; die im wenig gekrümmten Bogen über die Horizontale erfolgende Erhebung betrug etwas weniger als 45°. Die im stark brechbaren Lichte (unter der blauen Glocke) befindliche Pflanze d zeigte ein anderes Verhalten. Die Wurzeln schmiegten sich in ganz normaler Weise dem Substrate an, der durchschnittliche Zuwachs betrug aber nur 4* 1 mm. Leider konnte ich wegen bevorstehender Abreise diese Versuchsreihe nicht mehr wiederholen und überhaupt das Ver- halten der Luftwurzeln dieser Pflanze nicht weiter verfolgen. 3. Die Wachsthumsbewegungen der Luftwurzeln von Taenio- phyllum. So fragmentarisch äusserer \'erhältnisse halber die eben mitgetheilten \"ersuche auch bleiben mussten, so wird es doch erlaubt sein, an die jedenfalls sehr merkwürdigen Beobachtungen folgende Betrachtungen über die Wachsthumsbewegungen unseres Epiphyten zu knüpfen. Da die Wurzeln unserer Pflanze — nach den angestellten Beobachtungen zu urtheilen ■ — im Finstern nicht wachsen, hin- gegen im (gemischten) Gelb, welches aber, nach anderweitigen Erfahrungen zu schliessen,^ das Wachsthum nur in geringem Grade beeinflusst, wohl aber, wie allgemein bekannt, die Kohlen- säureassimilation in hohem Masse befördert, so wird man wohl der Ansicht hinneigen dürfen, dass die Luftwurzeln von 1 Wiesner, Heliotropische Erscheinungen, Denkschr., 1880, II. Theil, S. 11. 90 J. Wiesner, Taeniophylhun die zu ihrem Wachsthum ert orderliche Substanz dir-ect durch Kohlensäureassimilation er- zeugen müssen. Sie wachsen im Finstern nicht, weil sie ohne Licht nicht Kohlensäure assimiliren können. Sie wachsen hingegen im Gelb, aber nicht etwa in Folge eines empfangenen Wachsthumsreizes, sondern weil sie in diesem Lichte die zum Wachsthum erforderliche organische Substanz gewinnen. Da an einer Pflanze, an welcher ein Theil der Wurzehi verdunkelt, der andere aber ausreichendem Lichte ausgesetzt ist, nur die letzteren, nicht aber die ersteren wachsen, so wird man auch hieraus ableiten können, dass zum Wachsthum der Luftwurzeln unseres Epiphj^ten Kohlensäureassimilation er- forderlich ist. Wie kommt nun die im gelben Lichte bei horizontaler Lage der Luftwurzeln erfolgende Aufwärtskrümmung der jüngsten Wurzelenden zu Stande? Es sind in dieser Beziehung von vornherein folgende drei Möglichkeiten in Betracht zu ziehen: positiver Heliotropismus, negativer Geotropismus, endlich eine bestimmte Form spontaner Nutation, nämlich verstärktes Wachsthum an der Unterseite des Organs aus inneren Wachsthumsursachen (Hyponastie). Dass die Aufwärtsbewegung der im gemischten gelben Lichte wachsenden Wurzelenden möglicherweise auf positivem Heliotropismus beruhen könne, ist desshalb in Erwägung zu ziehen, weil nach der oben beschriebenen Versuchsanstellung das stärkste Licht von oben einfiel, positiver Heliotropismus aber dann zu einer Aufwärtskrümmung führen müsste, was im Versuche thatsächlich der Fall war. Allein gegen diese Auf- fassung ist zunächst zu bemerken, dass im gemischten blauen Lichte, welches ja die heliotropischen Wachsthumsbewegungen in weitaus höherem Masse als das gemischte gelbe Licht be- fördert, diese Bewegung nicht erfolgte; sodann, dass die unter normalen Verhältnisse auf verticaler Fläche sich ausbreitenden Luftwurzeln sich nach dem stärksten ihnen zufliessendem Lichte, d. i. das Vorderlicht, bewegen müssten, was aber niemals wahrgenommen werden konnte. Das im gelben Lichte erfolgende Emporkrümmen der wachsenden Wurzelenden kann somit nicht auf positivem Heliotropismus beruhen. Ptlanzenphysiologische Mittheilungen aus Buitenzorg. 91 Es fragt sich nun weiter, ob die im (gemiscliten) Gelb er- folgende Aufvvärtskrümmimg des VVurzelendes auf negativem Geotropismus beruhen könne. ^ Zur Beantwortung dieser Frage ist vor allem Andern auf die oben (S. 83) angeführte Thatsache zu erinnern, dass die sich immer radiär auf dem Substrate an- geordneten Luftwurzeln des Taeitiophyllnm Zoll, die Tendenz haben, sich in einer Verticalebene auszubreiten. Unser Epiph^^t kommt ja fast nur auf der Rinde aufrechter Stämme und stark aufgerichteter Seitenäste vor, nur selten, man darf wohl sagen nur ausnahmsweise, siedelt er sich auf horizontalen Flächen an. Die Luftwurzeln haben in Folge dieser merkwürdigen natürlichen Lage wohl kaum die Fähigkeit behalten oder gar erworben, in medianer Richtung negativ geotropisch zu sein, da sie ja in der Regel eine Gleichgewichtslage besitzen, welche schon das Ziel einer geotropischen Bewegung ausdrückt, mit- hin nicht erst durch Geotropismus zu erreichen ist.^ Es wäre nun nicht undenkbar, dass die Luftwurzeln trotz der Ausbreitung in einer (nahezu) verticalen Fläche die Fähigkeit besitzen, in lateraler Richtung, d. i. senkrecht zur Medianen, negativ geo- tropisch zu sein. An Blättern von Syringa habe ich bei verticaler Zwangslage ebenso einen lateralen negativen Geotropismus, wie an den Keimblättern von Ahies pectinata einen lateralen Heliotropismus beobachtet.-^ Wäre aber ein solcher lateraler (negativer) Geotropismus vorhanden, so müssten die seitlich 1 Dass an Luftwurzeln verschiedener Orchideen negativer Geotropismus voiivommt, habe ich bei Gongora galeala Rchb. fil., Stanhopea ecornuta Ch. Lern., Dendrocolla Cotes Lindl. u. e. a. nachgewiesen (Wiesner, Heliotro- pische Erscheinungen, IL Theil, Denkschriften der kaiserl. Akad. der Wiss. Bd. 43 [1880, S. 76-78 des Sep.-Abdr.]). Daselbst auch Daten über negativen Geotropismus der Luftwurzeln einiger Aroideen. 2 Erst wenn die Lage dieser Verticalebene verändert wird, könnte nach medianer Richtung negativer Geotropismus eintreten. Es ist leicht einzu- sehen, dass auch auf einer Cylinderfläcl;e, bei verticaler Orientirung des Cylinders, nach medianer Richtung kein Geotropismus zu Stande kommen kann. Wenn also die Luftwurzeln von Tacniophylliim auf der Oberfläche eines aufrechten dünnen Stammes sich ausbreiten, so erscheint nach medianer Richtung an derselben der Geotropismus gleichfalls ausgeschlossen. 3 Wiesner, 1. c, IL Theil, S. 48. Daselbst noch andere einschlägige Beispiele und eine Abbildung des lateralen Heliotropismus der Keimblätter der Tanne. 92 J. Wiesnei-, nach unten wachsenden Nebenvvurzeln von Taeniophyllnm Zoll, ihre Wachsthumsrichtung auch umkehren können, was von mir niemals beobachtet wurde. Obgleich ich, aus Zeit- mangel verhindert, keine Rotationsversuche mit unserem Epi- phyten vorgenommen habe, so dürfte es nach den mitgetheilten und nach den noch folgenden Daten und Erwägungen wohl keinem Zweifel unterliegen, dass die Luftwurzeln von Taenio- phyllnm Zoll, keinen negativen Geotropismus besitzen. Eür unsere Frage kommt übrigens nur der mediane (negative) Geo- tropismus in Betracht, der ja im normalen Falle bei Ausbreitung der Wurzeln auf (angenähert) verticaler Fläche sich nicht be- thätigen kann, und in dem Ausnahmsfalle, wenn nämlich die Wurzeln auf horizontaler Fläche sich ausbreiten, gleichfalls nicht beobachtet wurde. Da der im (gemischten) Gelb vorgenommene Versuch nur auf die Möglichkeit eines negativen Geotropismus der Luft- wurzeln von Taeniophyllnm Zoll, hindeutet, so wurde die Frage nicht auf andere Formen des Geotropismus dieser Organe aus- gedehnt. Es ist übrigens ganz klar, dass alle Gründe, welche gegen das Auftreten des negativen Geotropismus dieser Luft- wurzeln sprechen, auch den positiven ausschliessen. Denn Organe, welche in einer verticalen Ebene sich ausbreiten, können, so weit es sich um eine Bewegung im Sinne der Mediane handelt, gar keinerlei geotropische Krümmung an- nehmen. Die radiäre Ausbreitung der Luftwurzeln auf den Rinden aufrechter Stämme schliesst aber selbstverständlich auch die positiv geotropische Bewegung der Wurzeln unseres Epi- phyten nach lateraler Richtung aus; denn würde ein solcher lateraler positiver Geotropismus zur Wirksamkeit kommen, so müssten die auf verticaler Fläche ausgebreiteten, nach aufwärts strebenden, aber schief zum Horizonte orientirten Luftwurzeln ihre Wachsthumsrichtung umzukehren befähigt sein, was aber gleichfalls niemals beobachtet wurde. Die Luftwurzeln von Taeniophyllnm Zoll, verhalten sich bezüglich ihrer Wachsthumsrichtungen der Schwerkraft gegen- über vollkommen indifferent, soferne man die an der normal sich entwickelnden Pflanze stattfindenden Verhältnisse berück- sichtigt. Ob diesen Organen geotropische Eignungen voll- Pnanzeiiph3''siologische .Mittheilungen aus Buitenzorg. uo kommen abgehen, ist allerdings sehr wahrscheinlich, kann aber aus meinen bisherigen Beobachtungen noch nicht mit voller Bestimmtheit abgeleitet werden. Um mit Sicherheit einen etwaigen Geotropismus unserer Luftwurzeln nachzuweisen, müssten alle anderen concurrirenden VVachsthumsbewegungen ausgeschlossen, beziehungsweise im Versuche berücksichtigt werden, natürlich unter Aufrechterhal- tung der Vegetationsbedingungen. Diese Versuche würden aber grosse Schwierigkeiten bereiten, da die Pflanze im Dunkel nicht wächst, mithin der Ausschluss der heliotropischen Wachs- thumsbewegungen nicht auf die gewöhnliche Weise, nämlich durch blosse Verdunklung der Versuchspflanze zu erzielen wäre. Leider hat es mir an Zeit gefehlt, um diesen gewiss inter- essanten Gegenstand weiter verfolgen zu können. Für unsere Fragestellung kann aber aus den Beobach- tungen gefolgert werden, dass die in Gelb erfolgende Aufwärts- krümmung der wachsenden Wurzelenden weder auf positivem Heliotropismus, noch auf negativem Geotropismus zurückzu- führen ist; da nun bei der Versuchsanstellung (unter der Sene- bier'schen Glocke) an Hydrotropismus nicht zu denken ist, so bleibt zur Erklärung dieser Aufwärtskrümmung nur Hyponastie übrig. Eine Controle für die Richtigkeit dieser Ansicht hätte folgender höchst einfacher Versuch geliefert. Wenn im ge- mischten gelben Lichte bei verticaler Orientirung der Versuchs- pflanzen die wachsenden Wurzelenden in der Richtung der Alediane sich vom Substrate abgehoben hätten, so würde dieses Verhalten gegen das Vorhandensein sowohl von Heliotropismus als von Geotropismus sprechen und wäre nur unter der An- nahme von Hyponastie zu erklären. Trotz der Einfachheit dieses Versuches konnte ich denselben nicht ausführen. Denn als mich meine Erwägungen zu diesem Experimente hinlenkten, stand meine Abreise von Buitenzog unmittelbar bevor. Wie oben (S. 89) bereits mitgetheilt wurde, so wachsen die Wurzeln von Taetiiophyllum ZoUnigeri im blauen Lichte; es schmiegen sich hiebei die Wurzeln, wie im gemeinen Lichte, dem Substrate dicht an. Die im Gelb erfolgende Wachsthums- bewegung der Luftwurzeln unseres Epiphyten ist im Wesent- 94 J. Wiesner, liehen nur indirect vom Lichte abhängig, soferne in diesem Lichte Kohlensäure-Assimilation erfolgt, hingegen auf das Wachsthum kein oder nur ein sehr geringer Einfluss ausgeübt wird. Hingegen muss dem blauen Lichte ein richtender Einfluss auf das Wachsthum dieser Wurzeln eingeräumt werden. Da im (gemischten) blauen Lichte das wachsende Organ sich vom Lichte (Vorderlicht) wegbewegt, nämlich an das Substrat ange- drückt wird, so muss diese Erscheinung als negativ helio- trop i s c h e Wa c h s t h u m s b e w e g u n g gedeutet werden. Das Wachsthum der Luftwurzeln von Taeniophylhnn Zoll. wird somit von zwei antagonistischen Hauptbewegungen be- herrscht: von negativen Heliotropismus, welcher die Wurzel vom Lichte weg zum Substrate bewegt und durch Hyponastie, welche die entgegengesetzte Wirkung hervorbringt. Durch das Zusammenwirken dieser beiden antagonistischen Wachsthums- weisen werden alle Bewegungen dieser Wurzeln regulirt. Wenn eine auf der Rinde des Baumes vorhandene Erhabenheit das Wachsthum der Wurzeln zu hemmen droht, so wird durch relatives Überwiegen der Hyponastie das Hinderniss über- wunden. Die auf der Rinde vorhandenen Vertiefungen werden wieder durch relatives Überwiegen des negativen Heliotropis- mus überschritten. Gewöhnlich, nämlich auf glatter Rinde, werden negativer Heliotropismus und Hyponastie sich das Gleichgewicht halten und die Luftwurzeln werden parallel zum Substrate sich während ihres Wachsthums weiterbevvegen. Dass die beiden genannten antagonistischen Wachsthums- bewegungen hinreichen, um die Luftwurzeln von Taeniophyllum Zo Hill geri auch auf horizontal ausgebreitetem Substrate, diesem parallel, weiterzuführen, bedarf noch einer kurzen Erläuterung. Dass ausnahmsweise die Luftwurzeln dieses Epiphyten auf horizontaler Fläche wachsen, wurde schon oben (S. 83) erwähnt. Auch hier breiten sich dieselben radial aus und sind dem Sub- strate angedrückt. Während gewöhnlich der negative Helio- tropismus dieser Luftwurzeln vom Vorderlichte ausgeht, sind dieselben bei Ausbreitung auf horizontaler Fläche auf das Oberlicht angewiesen. Bei einer unserer Pflanze zusagenden Lichtstärke wird das Oberlicht ebenso wie sonst das Vorder- licht, negativen Heliotropismus einzuleiten befähigt sein, Pflanzenphysiologische .Mittheilungen aus ßuitenzorg. 95 welcher im Zusammenwirken mit H3^ponastie gleichfalls zur Ausbreitung der Luftwurzeln auf horizontaler Fläche führen muss. Es ist leicht einzusehen, dass die gewöhnlich \-orkom- mende, durch Heliotropismus und Geotropismus hervorgerufene W'achsthumsbewegung die Luftwurzeln \-on TaeniophyUnin Zoll. nicht befähigen könnte, sowohl auf horizontaler, als auf verti- caler Fläche sich radiär auszubreiten. Dass die Befestigung der auf irgend welcher Fläche sich ausbreitenden Luftwurzeln durch Wurzelhaare erfolgt, soll hier noch kurz erwähnt werden (siehe Tafel, Fig. C). Ausser diesen das Wachsthum der Luftwurzeln hauptsäch- lich beherrschenden Hauptbewegungen scheinen noch secun- däre Wachsthumsbewegungen vorzukommen. Man sieht näm- lich, dass die Luftwurzeln häufig kleine, seitliche, hin- und her- gehende Bewegungen ausführen, wodurch dieselben schwach wellenförmig hin- und hergekrümmt erscheinen. Bezüglich der wahrscheinlichen Natur dieser Undulationen sei es mir erlaubt, hier einige kleine Bemerkungen einzu- schalten. Diese Wachsthumsundulationen beruhen zweifellos auf ungleichseitigem lateralen Wachsthum, über welche Art von Wachsthumsbewegungen wir fast noch gar nichts That- sächliches wissen, obgleich derartige Nutationen, d. i. Formen des ungleichseitigen Wachsthums von im primären Entwicke- lungsstadium sich befindlichen Organen, im Pflanzenreiche nicht selten vorkommen. Die. lateralen Wachsthumsbewegungen treten an bi- lateral-dorsiventralen Organen auf und sind an Blattorganen oft sehr deutlich ausgebildet; trotzdem hat man ihrer bisher fast gar nicht geachtet. An Blättern unterscheidet man gewöhnlich rücksichtlich der Wachsthumsbewegungen bloss das Längen- und das ungleichseitige mediane Wachsthum, nämlich die Hyponastie und Epinastie. Einer eindringlicheren Betrachtung kann es aber nicht entgehen, dass auch die Seiten des Organs nutiren, d. i. ein ungleiches Wachsthum darbieten können. Dieses ungleiche Seitenwachsthum (»laterale Nutationen«, wie ich sie nennen möchte) ist entweder spontaner oder para- tonischer Natur, d. h. sie sind entweder auf innere oder auf 96 J. Wiesner, äussere Wachsthumsursachen (Wachsthumsreize) zurückzu- führen. Als Beispiel der ersteren führe ich die (assymmetrischen) Seitenblätter von Phaseohis imiltißonis an. Die paratonisch zu- standekommenden lateralen Nutationen haben verschiedene Ursachen. Beispiele lateraler Nutationen, welche auf Heliotropis- mus, beziehungsweise Geotropismus beruhen, sind oben (S. 91) bereits namhaft gemacht worden. Sehr häufig kommen solche laterale Nutationen traumatisch zustande, nämlich durch einseitige Blattverletzung, wodurch die verletzte Seite bei weiterem Wachsthum concav, die entgegengesetzte convex wird, aber die Flächengestalt des Blattes erhalten bleibt. Welcher Art die an den Luftwurzeln von Taeniophyllum Zollingeri beobachteten lateralen Wachsthumsbewegungen sind, konnte nicht mehr festgestellt werden, wie denn überhaupt meine doch nur mehr gelegentlichen an diesem Epiphyten an- gestellten Beobachtungen, wie bereits erwähnt, nur einen frag- mentarischen Charakter an sich tragen und nur desshalb für die Veröffentlichung bestimmt wurden, um auf einige merk- würdige Eigenthümlichkeiten dieser Pflanze hinzuweisen und zu weiteren Untersuchungen anzuregen. Zusammenfassung einiger Hauptresultate. 1. Die Luftwurzeln von TaeiiiopliyUiim Zollingeri haben ein ausserordentlich langsames Wachsthum. Unter günstigsten Verhältnissen beträgt der tägliche Längenzuwachs bloss 0"283 wwz. Ihr stärkstes Wachsthum verhält sich zum stärksten Wachsthum des Bambusrohres beiläufig wie 1 : 2000. Das Wachsthum der Organe tropischer Gewächse ist allerdings gewöhnlich ein sehr intensives, es kann aber auch ungemein gering sein. In der Abhandlung wurde der Versuch gemacht, sowohl das intensive, als das über das gewöhnliche Niveau hinaus stark verminderte Wachsthum mit den tropischen Vege- tationsbedingungen in Einklang zu bringen. 2. Diese Luftwurzeln breiten sich in der Regel auf den Hauptstämmen der Bäume radiär aus, also angenähert in einer verticalen Fläche. Damit im Zusammenhange steht ihr Unver- Pnanzenphysiologische Mittheilungen aus Buitenzorg. 97 mögen, geotropische Wachsthumsbevvegungen auszuführen. Thatsächlich konnte keine Form des Geotropismus an diesen Wurzeln beobachtet werden. 3. Nach den bisher angestellten Beobachtungen werden — abgesehen von kleinen, ab und zu sehr deutlichen lateralen Krümmungen, welche stellenweise zu einer wellenförmigen Hin- und Herkrümmung dieser Organe führen — alle Wachs- thumsbewegungen dieser Wurzeln von zwei antagonistischen Nutationen: negativem Heliotropismus und Hyponastie be- herrscht. 4. Nach den bisher angestellten Beobachtungen wachsen die Wurzeln dieses Epiphyten nur im Lichte; sie unterscheiden sich dadurch sogar vom hypocotylen Stengelgliede der Mistel (Viscum album), welches anfangs nur im Lichte, in späteren Entwicklungsstadien auch unabhängig vom Lichte wächst. 5. Mit von Null ansteigender Lichtstärke hebt sich von einem bestimmten Minimum an die Wachsthumsintensität dieser Luftwurzeln, um nach Erreichung eines Optimums bei weiterer Steigerung der Lichtintensität schliesslich bis auf Null zu sinken. Sitzb. d. mathem.-naturw. Gl.; CVI. Bd., Abth. I. J. Wiesner, Pnanzenphysiol. Mittheilungen aus Buitenzorg. Erkläruno- der Fio-urentafel. A und B Taeniophylhini ZoUingeri ^ auf der Rinde von Pterocarpus sp. A blühendes, B fruchtendes Exemplar. Nach der Natur (Wein- geistmateriale) in natürlicher Grösse gezeichnet. C Querschnitte durch die Luftwurzeln von Taeniophyllum ZoUingeri in fünf- maliger linearer Vergrösserung. o Oberseite, ii Unterseite der querdurch- schnittenen Wurzeln. Die bei n anhaftende Masse besteht aus humificirten Rindentheilchen, welche den Wurzelhaaren anhaften. 1 Da die bis jetzt veröffentlichten Abbildungen dieses merkwürdigen Epi- phyten sehr unvollkommen ausfielen, so Hess ich die beiden charakteristischen Habitusbilder (.4, B) von der Künstlerhand des Herrn W. Liepold ausführen und fügte sie der vorliegenden Abhandlung bei. JAViesner '.Pflanzenphysiolo^.Miltlieilim^en aus BidteTizor^ VI . : „-,., Villi' imili«»)^.^ f-, '■iii*|iriii?>' - liepold del Litli Arst vThBaTmwartK.Wien Sitzungsberichte d.kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw.Classe, Bd.CVl. Abth. I. 1897 99 VI. SITZUNG VOM 18. FEBRUAR 1897. Se. Excellenz der Herr Minister-Präsident spricht der kaiserl. Akademie der Wissenschaften mit Note vom 21. Februar 1. J. Namens der k. k. Regierung den Dank aus für die Absendung einer wissenschaftlichen Expedition nach Bombay zur Erforschung der Beulenpest. Das w. M. Herr Prof. Dr. Zd. H. Skraup übersendet eine im chemischen Institute der k. k. Universität in Graz von Herrn Dr. F. Henrich ausgeführte Arbeit: »Über zwei Modifica- tionen des Mononitrosoorcins«. Das c. M. Herr Prof. Guido Goldschmiedt übersendet eine im chemischen Laboratorium der k. k. deutschen Universität in Prag ausgeführte Abhandlung von Prof. Dr. Karl Brunn er: »Über Indolinone« (II. Abhandlung). Herr F. J. Popp in Ostrau (Böhmen) übermittelt im An- hange zu seiner unter dem 12. October 1893 behufs Wahrung der Priorität vorgelegten Mittheilung, betitelt: »Mathematische Principien«, eine zweite Mittheilung unter dem Titel: »Mathe- matische Untersuchungen«. Herr Max Lewy, Ingenieur in Berlin, übermittelt ein ver- siegeltes Schreiben behufs Wahrung der Priorität mit der Inhalts- angabe: »Röntgen-Röhren«. Das w. M. Herr Hofrath Prof. V. v. Ebner überreicht eine Abhandlung: »Über die Spitzen der Geschmacks- knospen«. Herr Dr. Fritz Blau in Wien überreicht eine Abhandlung, betitelt: »Zur Kenntniss des Salicy laldehyds«. Dr. Ernst Murmann macht eine vorläufige Mittheilung: »Über eine Atomgewichtsbestimmung des Kupfers«. SITZUNGSBERICHTE KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. MATHEMATISCH -NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE. CVI. BAND. IIL HEFT. ABTHEILUNG I. ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE, KRYSTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE, PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE, ERDBEBEN UND REISEN. 101 VII. SITZUNG VOM 4. MÄRZ 1897. Erschienen: Monatshefte für Chemie, Bd. 17, Heft X (December 1896) mit Register des Bandes. Der Vorsitzende, Herr V^icepräsident Prof. E. S u e s s, gedenkt des Verlustes, welchen die kaiserliche Akademie und speciell diese Classe durch das am 19. Februar erfolgte Ab- leben ihres ausländischen Ehrenmitgliedes Herrn Prof. Dr. Karl Weierstrass zu Berlin erlitten hat. Die anwesenden Mitglieder geben ihrem Beileide an diesem Verluste durch Erheben von den Sitzen Ausdruck. Herr C. L. Griesbach, Director der Geological Survey of India, d. Z. in Capstadt, spricht den Dank aus für seine Wahl zum ausländischen correspondirenden Mitgliede. Herr Dr. Rudolf Popper in Wien dankt fi^u- die ihm zur Anschaffung eines Apparates für seine Untersuchungen über den Einfluss des geänderten Luftdruckes auf die Blutbeschaffen- heit etc. gewährte Subvention. Herr Prof. Ferdinand Ulzer übersendet eine von ihm in Gemeinschaft mit Herrn Heinrich Seidel ausgeführte Arbeit aus dem Laboratorium des k. k. technologischen Gewerbe- museums in Wien: »Über Milchsäure«. Der Secretär legt folgende eingesendete Abhandlungen vor: 1 . » Ü b e r d e n H i r n d r u c k' , d i e B e w e g u n g d e r C e r e b r o- spinaflüssigkeit im Schädel und den Druck im Gehirn«, von Prof. Dr. Albert Adamkiewicz in Wien. 2. »Über Flächen mit Liouville'schem Bogenelement«, von Prof. Emil Waelsch in Brunn. 102 3. »Grundbegriffe der Mediationsrechnung«, von Herrn Franz Maly in Wien. Das w. M. Herr Oberbergrath Dr. Edm. v. Mojsisovics legt Namens der Erdbeben-Commission einen Bericht über das Erdbeben vom 5. Jänner 1897 im südlichen Böhmer- walde von dem c. M. Herrn Prof. Dr. F. Beck e in Prag vor, welcher das dritte Stück der »Mittheilungen der Erdbeben- Commission der kaiserl. Akademie der Wissenschaften« bildet. Das w. M. Herr Hofrath Prof. L. Boltzmann überreicht eine Abhandlung von Prof. Ign. Klemencic in Innsbruck: »Über magnetische Nachwirkung«. Das w. M. Herr Hofrath Prof. Ad. Lieben überreicht eine in seinem Laboratorium ausgeführte Arbeit von Dr. Leopold Kohn: »Über Condensationsproducte des Isovaler- aldehyds« (IL Mittheilung). 103 Mittheilungen der Erdbeben-Commission der kaiserliehen Akademie der Wissenschaften in Wien. Bericht über das Erdbeben vom 5. Jänner 1897 im südlichen Böhmerwald von Prof. F. Backe, c. M. k. Akad. (Mit 1 Kartenskizze.) Am Morgen des 5. Januar 1897 wurde ein grosser Theil des südlichen Böhmerwaldes von einem Erdstoss heimgesucht, der indessen nirgends heftig auftrat. Über dieses Beben hat der gefertigte Referent folgende Nachrichten gesammelt,^ welche nach den eingesendeten Fragebogen im Auszug hier wieder- gegeben sind. Die Beobachtungsorte folgen beiläufig von Nord nach Süd. 1. Hurken thal (Bez. Schüttenhofen). Beobachter Ober- lehrer Schröder. 5. Jänner 1897, 7'' 45'" Früh kaum wahrnehm- 1 Bei der Aufsammlung der Nachrichten wurde der Referent insbesondere von den Herren Beobachtern Prof. A. Lisch ka in Prachatitz, Oberlehrer Jos. Schramek in Freiung, Oberlehrer Wenzel Thurner in Bergreichenstein, Laurenz Neugebauer in Wallern, Med. Dr. F. B u d d e und Dr. Fr. M e s s 1 e r in Winterberg und Dr. J. Stingl in Bergreichenstein unterstützt. Eine Anzahl Nachrichten verdankt er der gefälligen Mitwirkung der Betriebsdirecti on der k. k. Staatsbahnen in Pilsen. Allen sei hier bestens gedankt, sowie auch jenen hier nicht genannten Herren, welche durch Einsendung beantwor- teter Fragebogen die Arbeit förderten. 104 Mittheilungen der Erdbeben-Commission. bares schwaches Zittern in der Dauer von 2 Secunden, begleitet von einem Geräusch gleich fernem Donner oder einem schwer- beladenen fahrenden Wagen, welches der Erschütterung in der Dauer von circa 3 Secunden vorausging. Richtung konnte nicht sichergestellt werden; keine Wirkung auf bewegliche Gegen- stände; das Beben wurde nur von einzelnen Personen bemerkt, vom Beobachter im ebenerdigen Gebäude beim Sitzen und Stehen wahrgenommen. 2. Bergreichen stein. Beobachter Med. Dr. J. Stingl. 4. Jänner 1897 (sie), 7'' 40'" Stadtuhr, gleichmässiges Zittern in der Dauer von 5 Secunden, mit rollendem Geräusch verbunden, als ob ein schwerer Wagen auf harter Strasse rasch vorüber- fahre. Das Geräusch war 1 Secunde vor der Erschütterung zu hören, war dann gleichzeitig und dauerte noch 1 Secunde nach derselben an. Richtung nach unmittelbarer Empfindung annähernd von SO nach NW; keine Wirkung auf bewegliche Gegenstände. Das Beben wurde nur von einzelnen Personen, vom Beobachter im Zimmer im Hochparterre, im Bette liegend, wahrgenommen. Ein zweiter Beobachter, Oberlehrer Wenzel Thurner hat selbst nichts bemerkt. 3. Rehberg (Bez. Schüttenhofen). Beobachter Oberlehrer Jakob Prinz. 5. Jänner 1897, 7'' 45'" schwaches Zittern bis zu 3 Minuten, begleitet von einem Geräusch gleich fernem Donner, das dem Zittern etwas voranging und dann gleich- zeitig andauerte. In der Umgebung des Schulhauses bei der Kirche war die Erscheinimg schwach, auf bewegliche Gegen- stände keine Wirkung. In dem Vs ^'" SW entfernten Dorfe war das Zittern stärker, in dem 2 kui W entfernten Grünberg so stark, dass die Töpfe auf den Bänken durcheinander kollerten. Das Beben wurde vom. Beobachter im ebenerdigen Schulhause beim Frühstücken wahrgenommen. 4. Forsthaus Weitfäll er bei Mader. Beobachter Revier- förster Schi mann (vermittelt durch Prof. A. Lischka in Prachatitz). 5. Jänner 1897, 7'' 25"' Früh gleichmässiges Zittern in der Dauer von 7 Secunden, von starkem Donnern begleitet, welches gleichzeitig mit der Erschütterung begann und länger währte. Richtung von S nach N durch unmittelbare Empfindung. Das Beben wurde allgemein wahrgenommen, am Dachboden F. ßecke, Erdbeben im südlichen Böhmerwiiid. 105 des Hauses stärker als im ebenerdigen Geschoss und im ersten Stock. 5. Filippshütte (Bez. Schiittenhofen). Beobachter Lehrer K. Hoidn. 5. Jänner 1897, 7'' 45"' ungefähr. Gleichmässiges Zittern in der Dauer von ungefähr 3 Secunden, begleitet von rollendem Geräusch, wie von einem vorbeifahrenden Wagen; das Geräusch ging dem Zittern um 1 Secunde voran. Das Küchengeschirr an der Wand bewegte sich. Wurde allgemein, vom Beobachter beim Schreiben in sitzender Stellung wahr- genommen. 6. Innergefild (Bez. Schiittenhofen). Beobachter Lehrer Stuckart. 5. Jänner 1897, circa 22™ nach 7''. Anschwellendes Zittern, das mit zwei dumpfen Schlägen endete und zuletzt die Fenster zum Klirren brachte; Dauer 10 — 12 Secunden. Richtung aus SW nach der Empfindung. Die Erschütterung war von einem Geräusch begleitet, als ob in der Ferne ein sehr starkes Gewitter niederginge, in Gebäuden vernahm man nebst dem Krachen derselben ein besonderes Geräusch, als wenn ein Kaminbrand ausgebrochen wäre. Das Geräusch dauerte noch einen kurzen Augenblick nach der Erschütterung. Das Beben wurde allgemein wahrgenommen. Die Bevölkerung erschrak, hat aber die Erscheinung meist nicht als Erdbeben erkannt. 7. Aussergefild (Bez. Prachatitz). Beobachter Oberlehrer F. Buchhöcker. 5. Jänner 1897, 8*^30'" Morgens. Ein Ruck in der Dauer von 2 — 3 Secunden aus südlicher Richtung, be- gleitet von donnerähnlichem Geräusch, das der Erschütterung voranging; wurde allgemein beobachtet, sowohl im Freien, als in Gebäuden. 8. Buchwald (Bez. Prachatitz). Beobachter Oberlehrer E. Schmid. 5. Jänner 1897, 7'^ 45'" Früh. Zittern, im Anfang etwas stärker von SO nach NW, begleitet von donnerähnlichem Geräusch. Lampen und Einrichtungsstücke kamen ins Schwan- ken, Fenster klirrten. Die Erscheinung wurde allgemein beob- achtet. 9. Kaltenbach (Bez. Prachatitz). Beobachter Oberlehrer A. Preissler. 5. Jänner 1897, 7'' 45'" Früh. Die Erschütterung wurde als donnerähnlicher Schlag, erst stärker, dann schwächer beobachtet. Dauer 4 Secunden, Richtunsr von NW durch Hören 106 Mittheilungen der Erdbeben-Commission. und Beobachtung bewegter Gegenstände. Die Erschütterung wurde von Donnern begleitet, das gleichzeitig mit derselben beobachtet wurde. Fensterscheiben klirrten. Kühe abgebeutelt. Die Erscheinung wurde allgemein beobachtet, im Freien und in Gebäuden. In der Umgebung war die Erschütterung heftiger. 10. Ferchenhaid (Bez.Prachatitz). Beobachter unbekannt, vermittelt durch Dr. Budde, Winterberg. 5. Jänner 1897, un- gefähr 7'' 50'" Früh. Ein einziger, etwa 2 Secunden dauernder Ruck von SW nach unmittelbarer Empfindung. Donnern, als ob ein überaus schweres Fuhrwerk vorbeigefahren wäre, ging etwa IV2 Secunden voran. Fenster klirrten und Gläser im Kasten stiessen aneinander. Die Erscheinung wurde vom Beob- achter beim Ankleiden wahrgenommen, von der Bevölkerung, die den Einsturz eines Gebäudes oder eine Explosion ver- muthete, allgemein bemerkt. 11. Ckyn (Bez. Prachatitz). Unbekannter Beobachter, vermittelt durch das k. k. Bahnstationsamt Ckyn, gefertigt Valasek. 5. Jänner 1897, 7'^ 40"' Früh. Gleichartiges Zittern, von donnerähnlichem Geräusch gleichzeitig begleitet, wurde in Hradcan und Budilav wahrgenommen. Richtung von NW gegen SO. Im Orte Ckyn, welcher auf Schuttboden steht, wurde nichts verspürt. 12. Winterberg (Stadt), a) Beobachter Med. Dr. Franz Messler. Dienstag 5. Jänner 1897, 7'^ 45™ Früh. Gleichmässiges Zittern von circa 4 Secunden Dauer. Richtung von NNW durch unmittelbare Empfindung. Beobachter hat das Beben im zweiten Stockwerk eines Hauses stehend beim Ankleiden verspürt und hat nur das Krachen des Gebäudes vernommen. Beweg- liche Gegenstände waren keine im Zimmer. Die Erscheinung wurde von der Mehrzahl der Ortsbewohner wahrgenommen. Im Freien befindliche Personen haben ein Donnern vernommen. b) Beobachter Lehrer J. Pinner (durch Vermittlung von Prof. A. Lischka in Prachatitz erhalten). Dienstag, 5. Jänner 1897, 7'' 45™ Vormittags. Beobachter verspürte das Beben beim Sitzen während des Bemalens von Glas. Gleichartiges Zittern. Richtung dürfte SW gegen NO gewesen sein, konnte nur durch unmittelbare Empfindung und die Hörrichtung des begleitenden Donnergerolls festgestellt werden. Dieses glich dem Vorbeirollen F. Becke, Erdbeben im südlichen Böhmerwald. 107 eines schweren Wagens und hielt länger an als die Erschütte- rung. Dauer 5 — 6 Secunden. Das Beben wurde von zahlreichen Personen wahrgenommen. Wirkung auf bewegliche Gegen- stände geringfügig. Besonders stark soll man die Erscheinung in St. Mafa, Obermoldau und Landstrassen verspürt haben. Gegen N scheint hinter Stitkau und Bohumilitz nichts beob- achtet zu sein. Manche Personen wollen eine ähnliche Er- schütterung um 4'' 25™ Früh verspürt haben. c) Schloss Winterberg. Beobachter Leopold Zeithammer, vermittelt durch das k. k. Bahnstationsamt Winterberg, Vorstand Holub. 5. Jänner 1897, 7^50™ (nach der Bahnuhr corrigirt) seitlicher Stoss von unten aus SO, in der Dauer von 5 — 6 Se- cunden, begleitet von gleichzeitigem donnerähnlichen Getöse, ähnlich dem eines fahrenden, schwer beladenen Wagens. In höheren Lagen klirrten die Fenster. Vom Beobachter wurde das Beben beim Liegen im Bette, respective stehend beob- achtet; im Orte von vielen Personen wahrgenommen. An Katzen wurde grosse Unruhe wahrgenommen. Aus der Umgebung meldet der Beobachter das Herabfallen eines Kamines in Land- strassen; im Forsthaus Buchwald senkte sich ein Thürstock, so dass die Thüre nicht geschlossen werden konnte. Das Bahn- stationsamt meldet, dass im Stationsgebäude das Klirren der Fenster, Gläser und Tassen heftig, das Geräusch ein stark wahrnehmbares war. d) Schloss Winterberg, Beobachter Gutsverwalter Zeit- hammer, vermittelt durch die k.k. Betriebsdirection der Staats- bahnen in Pilsen, ist fast gleichlautend mit c), enthält aber die Angabe, dass der Stationsvorstand von Wolin berichtet, dass daselbst sowie in der nächsten Umgebung von Erdstössen nicht das Geringste verspürt wurde. 13. Freiung (Bez. Prachatitz). Beobachter Oberlehrer Jos. Schramek. 5. Jänner 1897, 7^; 45™ Bahnzeit. Zittern des Fussbodens, gefolgt von donnerähnlichem Geräusch, »als ob ein Holzstoss zusammengefallen wäre, zuletzt als ob ein schweres Fuhrwerk käme«. Von Holzhauern wurde das Beben am Segelberg bei Freiung beobachtet. 1 4. K 1 ö s t e r 1 e (Bez. Prachatitz). Beobachter Lehrer G r a n d 1 (vermittelt durch J. Schramek). Beobachter stand mit südwärts 108 Mittheilungen der Erdbeben-Commission. gewendetem Gesichte vor dem Spiegel und schwankte nach links, nach O. Zwei Thüren, eine in einer NS, eine in einer OW gerichteten Mauer wurden nach dem Beben versperrt gefunden. 15. Zeislitz (Bez. Prachatitz). Beobachter Oberlehrer Werner (vermittelt durch J. Schramek) nahm während des Weges zur Schule während 120 Secunden das Beben wahr, dasselbe nahm während dieser Zeit zweimal an Intensität merklich zu. 1(3. Obermoldau (Bez. Prachatitz). Beobachter Ober- lehrer H. Czastka. Dienstag, 5. Jänner 1897, 7"^ 55'" Früh nach mitteleuropäischer Zeit. Die Uhr ist genau nach der Sonne regulirt. In manchen Häusern und in der Kirche, wo gerade Gottesdienst war, wurde ein Zittern verspiirt, in anderen, so auch in der Schule, nur das begleitende Geräusch gleich dem Rollen eines rasch fahrenden Wagens. Die Richtung beiläufig von S gegen N. Dauer 4 — 5 Secunden. In der auf einem Hügel stehenden Kirche war die Erscheinung deutlicher als in dem auf Schuttboden stehenden Schulhaus. Das Beben wurde all- gemein verspürt, aber von der Bevölkerung wenig beachtet. 1 7. S ch atta wa (Bez. Prachatitz). Beobachter Joh. Wi e n e r, Oberlehrer, hat selbst nichts beobachtet. Nach Mittheilung Anderer berichtet er, dass das Beben am 4. Jänner 1897 gleich nach 8'' Früh im Freien, besonders auf den Bergen, weniger in den Gebäuden verspürt wurde und in schwachem Zittern mit nachfolgendem Geräusch bestand. 18. Eleonorenhain (Bez. Prachatitz). Beobachter Laurenz Neugebauer, Oberlehrer. 5. Jänner 1897, 7'' 45™ Früh nach der Uhr des Post- und Telegraphenamtes. Das Beben bestand in einer gleichartigen rollenden Erschütterung. Dauer 5 — 6 Se- cunden, in der Richtung von S gegen N, war von gleichzeitigem donnerartigen Getöse begleitet. Fenster und Gläser klirrten. Die Erscheinung wurde im Freien und in Gebäuden von vielen Personen wahrgenommen. In der Umgebung wurde das Beben in Wolfsgrub, Hüblern, Pumperle, Kuschwarda, Schattawa und Winterberg verspürt. Am 7. Jänner, 7'' 30'" Abends wurde \'on mehreren Personen abermals eine kurze, etwa 2 Secunden dauernde Erschütterung wahrgenommen. F. Becke, Erdbeben im südlichen Böhmerwald. 109 19. Kuschwarda (Bez. Prachatitz). Beobachter Oberlehrer Ho seh na. 4. Jänner 1897, etwa 7'' 40'". Erzittern, darauf rollender Schall aus südöstlicher Richtung gegen W in der Dauer von 1 2 Secunden. Beobachter sah den Ofen schwanken, das Feuer brannte lichterloh auf. Die Erscheinung wurde all- gemein beobachtet, doch aber von einzelnen Personen nicht. Der Dachstuhl mancher Häuser krachte, ein Knabe, der sich auf dem Stiegengange des Schulhauses befand, stürzte in Folge des Bebens nach vorwärts. Holzstösse an den Häusern und im Walde stürzten ein. Beobachter hat gehört, dass in Landstrassen ein Kamin einstürzte. 20. Land Strassen (Bez. Prachatitz). Beobachter Schul leiter Ant. Pros che. 4. December 1897 (sie). 7'' 45'". Gleich- artiges Rollen von NW in der Dauer von 5 — 6 Secunden. Geräusch und Erschütterung gleichzeitig. Die Fenster klirrten; die Erscheinung Vv^urde von vielen Personen wahrgenommen. 21. Böhmisch -Röhren (Bez. Prachatitz). Beobachter G Zimmer. 5. Jänner 1897, circa 10"' vor 8''. Dumpfes Rollen, gleichzeitig mit Erzittern gleich dem Rollen eines schweren Fuhrwerkes, in der Richtung von SO nach NW 3 — 4 Secunden anhaltend. Gläser im Kasten klirrten; manche hörten die Dach- sparren krachen. Manche geben an, dass die Richtung von S nach N gewesen sei. Die Erscheinung wurde allgemein beobachtet. 22. Tusset (Bez. Krumau). Beobachter Joh. Schefcik, Schulleiter. 5. Jänner 1897, 7'' 45'" Vormittags. Zittern in der Dauern von 30 Secunden, eher darüber als darunter, nach unmittelbarer Empfindung von SW nach NO. Heftiges donner- ähnliches Geräusch ging voran, später wurde es ruhiger. In einzelnen Häusern bewegte sich Zimmergeräth. In einem Hause wurden die Kühe unruhig, brüllten und sprangen in die Krippe hinauf. Beobachter hat in der Schule bei der herrschenden Unruhe bei Schulbeginn nichts gemerkt; die Angaben rühren vom Ortsvorsteher. 23. Wallern (Bez. Krumau). Beobachter Ludwig Schil- hansl. Im Orte nur von einzelnen Personen wahrgenommen; Beobachter hat in der Unruhe vor Schulbeginn nichts bemerkt und berichtet nach Aussagen anderer. 5. Jänner 1897, kurz vor 110 Mittheilungen der Erdbeben-Commission. 8*^ Morgens im Freien dumpfes, starkes, ununterbrochenes, immer schwächer werdendes Rollen; in den Häusern Fenster- klirren. Dauer 8 — 10 Secunden. Die Erscheinung wurde in Guthausen 4 km WSW und in der Stögerhütte 2 hn W von Wallern stärker verspürt; es kUrrten Gläser im Kasten und klapperten die Deckel der Kochtöpfe. Gleiches wird von den öst- lich und höher gelegenen Orten Oberschneedorf und Brennten- berg berichtet. Ein anderer Beobachter Dr. J. Hoschek hat selbst ebenfalls nichts wahrgenommen. 24. Bischofsreuth (Bayern). Beobachter Karl Stadler, durch Vermittlung von Prof. A. Lischka in Prachatitz erhalten, 5. Jänner 1897, 7^ 45™ nach der Telegraphenuhr. Das Beben wurde allgemein wahrgenommen. Im Freien beobachtete man donnerähnliches Geräusch im Erdinneren circa 2 Secunden, sodann zwei schnell aufeinander folgende Schläge von unten, der erste 1 Secunde, der zweite Y2 Secunde, hierauf langsam verlaufendes, immer schwächer werdendes Rollen durch 5 oder 6 Secunden. In Gebäuden beobachtete man auch die zwei Schläge von unten und das nachfolgende Rollen; das voraus- gehende Rollen wurde nicht beobachtet. Das Rollen glich dem eines schwer beladenen Wagens auf hartem Boden und schien von SW zu kommen und gegen NW zu ziehen. Bewegung freibeweglicher Gegenstände kam nicht vor; jedoch hörte man beisammenstehende Gläser klingen und die Balken des Dach- stuhles heftig krachen. Die Leute liefen erschreckt aus den Häusern, insbesonders aus der Kirche, in der gerade Gottes- dienst war. Aus der Umgebung wird i.iber ähnliche Erschütterungen gemeldet: Perlesreut, Waldkirchen, Altreichenau, Freyung, Untergroinet, Leopoldsreut, Herzogsreut, Kleinphilippsreut; auch von Waldarbeitern am Dreisesselberg und vom Wärter im Unterstandshause dieses Berges wurde die gleiche Beob- achtung gemacht. 25. Von dem Beobachter in Bergreichenstein, Herrn Oberlehrer Wenzel Thurner, erhielt Referent folgende Nach- richt: Montag den 4. Jänner (dieser Tag wird von allen Beob- achtern, welche von einer Zeitung keine Nachricht über das Beben am 5. hatten, ganz bestimmt angegeben, so dass ich F. Becke, Erdbeben im südlichen Böhmerwald. 1 I 1 eine Täuschung für ausgeschlossen halte), zwischen 7'' 45™ und 8'' Früh, wurde ein Beben beobachtet in Innergefild, Haidl, Vogelsang, Flusshaus, Ziegenruck, Zwoischen und Liedlhöfen, und zwar in den ersteren Orten viel stärker als in den letzteren. Das Beben wurde in den genannten Orten allgemein wahr- genommen, die Erschütterung bestand in schwachem Zittern, kam von S her, dauerte etwa 10 Secunden und war von gleich- zeitigem Rasseln, gleich dem eines schnell fahrenden Wagens, begleitet. In Flusshaus gerieth Küchengeschirr an der Wand in Bewegung, in Liedlhöfen nicht. Die Beschreibung dieses Bebens, welche der Beobachter nach den Aussagen Anderer entwirft, schliesst sich so organisch in das Netz der übrigen Beobachtungen ein, dass man sich nur schwer entschliessen kann, anzunehmen, dieses Beben sei nicht dasselbe gewesen, welches am 5. in Winterberg, Wallern, Bischofsreut u. s. f. beobachtet wurde. Wenn nicht doch ein h^rthum im Datum vorliegt, würde man einen Vorläufer von bemerkenswerther Ähnlichkeit der äusseren Erscheinung zu constatiren haben. Das Datum 4. Jänner kehrt übrigens auch in den Frage- bogen von Bergreichenstein (Beobachter Dr. Stingl), Schattawa und Kuschwarda wieder; der Beobachter von Landstrassen meldet gar 4. December 1897. Referent war geneigt, diese ab- weichenden Daten für Irrthümer oder Schreibfehler zu halten, bis jene Nachrichten von Herrn W. Thurner- einliefen; er ist jedoch nicht in der Lage, die Sache vollkommen aufzuklären. Die Orte, welche vom 4. Jänner datiren, liegen ziemlich zer- streut zwischen denen, die übereinstimmend den 5. Jänner angeben. Anhangsweise möge noch die der »Bohemia« entnommene Nachricht angeführt werden, dass das Erdbeben am 5. Jänner Früh bei Grafenau in Bayern und fast im ganzen bayerischen Walde verspürt wurde. Die Erschütterung war stellenweise eine sehr heftige; in mehreren Orten flüchteten die Bewohner aus den Häusern. Auch in Kommerschlag (Oberösterreich) wurde am 5. ein Erdstoss wahrgenommen, der die Fenster der Ku'che erzittern machte, 10 — 15 Secunden dauerte und die Richtung von W nach 0 nahm. Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. ; GVL Bd., Abth. I. 8 1 12 Mittheilungen der Erdbeben-Commission. Das Beben wurde nicht verspürt von den Beobachtern in Stubenbach, Prachatitz, Oberhaid, Oberplan. Aus Eisenstein, Hartmannitz, Schüttenhofen, Krumau, wo sich gleichfalls Beob- achter befinden, wurde nichts gemeldet. Man erhält das in Böhmen erschütterte Areal, wenn man über den zwischen Rachel und Blöckenstein liegenden Theil der böhmisch-bayerischen Grenze einen Halbkreis errichtet. Bemerkenswerth ist, dass die Erschütterung vielfach in den auf Fels gebauten, hochgelegenen Orten stärker verspürt wurde als in den Thalorten, welche auf jüngerem Schwemmland liegen. Durch diese je nach der Bodenbeschaffenheit ungleich starke Fortleitung der Erschütterung ist es auch zu erklären, dass in Hurkenthal noch ein schwaches Zittern bemerkt wurde, in Stubenbach nichts. Auffallend sind insbesondere die Angaben über Wallern. Im Städtchen selbst, das in einer Niederung seit- wärts vom Moldauthal liegt, war die Erschütterung jedenfalls schwach, wurde auch von vielen Personen gar nicht bemerkt; in den höher gelegenen Orten westlich und östHch (Guthausen, Schneedorf, Brenntenberg) klapperten die Deckel der Kochtöpfe. Im Allgemeinen ist eine Zunahme der Intensität von der Peripherie gegen das Centrum des Halbkreises deutlich zu bemerken, wird auch \'on mehreren Beobachtern ausdrücklich hervorgehoben. Dies zeigt sich namentlich, wenn man die Orte zusammen- stellt, von denen Bewegungen hängender Gegenstände und sonstige mechanische Wirkungen berichtet werden: Buch wald (Lampen schwankten, der Thürstock im Forst- haus verschob sich). Kuschv\'arda (ein gusseiserner Ofen schwankte, Holz- stösse fielen um). Landstrassen (ein Kamin fiel um; jedoch wurde dieser Fall nicht vom Beobachter in Landstrassen, sondern von einem Beobachter in Winterberg berichtet). Auch die Wirkung auf die Bewohner und auf die Thier- welt scheint nach den vorliegenden Berichten in dem inneren Rayon des Halbkreises heftiger hervorgetreten zu sein. Beun- ruhigung der Kühe wird von Kusch war da, Kaltenbach und Tu SS et berichtet. F. Becke, Erdbeben im südlichen Bühmerwald. 113 Übrigens sind einigermassen kräftige Wirkungen nicht auf den inneren Rayon beschränkt. Nach einer gefälHgen Mit- theikmg von Prof. Woldiich wurde noch in Sv. Mafa bei Winterberg das Schwanken einer Hängelampe beobachtet. Die Abnahme der Erscheinung gegen die Peripherie geht deutlich aus einer Zusammenstellung jener Orte hervor, aus denen positive und negative Berichte einliefen, oder in denen das Beben ausdrücklich als sehr schwach bezeichnet wird. Es sind dies: Hurkenthal, Bergreichenstein, Ckyn, Wallern. Die Angaben über die Zeit sind ziemlich übereinstimmend für 7'' 45'" Früh. In sehr vielen Stationen (Gebirgsdörfern) ist eine genaue Zeitangabe von vorneherein nicht zu erwarten. Die sichersten Angaben dürften sein: Bischofsreuth, Telegraphenuhr 7'' 4;')'" Eleonorenhain, Uhr der Telegraphenstation 7 45 Winterberg, Angabe durch das Bahnstationsamt er- halten 7 50. Die Zeitdifferenzen sind wohl durch Ungenauigkeit der Uhren zu erklären, jedenfalls ist aus den Angaben keine glaub- hafte Zeitdifferenz zu entnehmen, aus der man die Geschwin- digkeit der P^ortpflanzung entnehmen könnte. Die Art der Bewegung wird von den meisten Beob- achternais schwaches Zittern beschrieben,welches von rollendem unterirdischen Geräusch^, gleich fernem Donner oder gleich dem eines über harten Boden fahrenden, schwer beladenen Wagens begleitet war; viele vergleichen das Geräusch auch mit dem Dröhnen eines Kaminbrandes. Das Geräusch war überall mit der Erschütterung gleichzeitig zu hören; es dauerte aber länger und die Angaben der Beobachter unterscheiden sich nur darin, dass manche angeben, das Geräusch schon vor Eintritt der Erschütterung gehört zu haben, während andere es gleichzeitig mit derselben beginnen und noch nach der Erschütterung in allmälig abnehmender Stärke andauern lassen. Das Vorangehen des Geräusches wird angegeben von Hurkenthal, Rehberg, Filippshütten, Aussergefild, Ferchenhaid, Tusset. 8* 1 14 iMittheilungen der Erdbeben-Commission. Gleichzeitiger Beginn und längeres Nachdröhnen wird gemeldet von Th. Weitfäller, Innergefiid, Winterberg, Freiung,^ Schattavva, Kuschvvarda.^ Sowohl Vor- als Nachdröhnen wurde beobachtet in Berg- reichenstein und Bischofsreuth, hier aber nur im Freien. Im Gebäude wurde nur das Nachdröhnen bemerkt. Üie übrigen Stationen geben entweder vollkommene Gleich- zeitigkeit an (Winterberg, Obermoldau, Eleonorenhain, Land- strassen, Böhmisch-Röhren, Wallern) oder geben keine Auskunft (Buchwald). Abweichend von den übrigen Stationen, welche ein gleich- förmiges Zittern beobachteten, wird von Innergefiid ein an- schwellendes Zittern mit zwei dumpfen Schlägen am Schluss berichtet. Zwei kurz hintereinander folgende Stösse werden auch von dem Beobachter in Bischofsreuth gemeldet. Ein Be- obachter in Winterberg hat einen seitlichen Stoss von unten gefühlt. Ein zweimaliges Anschwellen der Erscheinung, für welche die ungewöhnlich lange Dauer von 2 Minuten angegeben wird, berichtet der Beobachter von Freiung nach einem Gewährs- mann in Z eisler. Die lange Dauer ist vielleicht durch Echo in den Bergen zu erklären, da aus der Angabe nicht zu entnehmen ist, ob das Zittern oder die Schallerscheinung gemeint sei. Die Dauer des Zitterns wird von den meisten Beobachtern nur zu wenigen Secunden geschätzt. Das Mittel aller Angaben nach Hinweglassung der eben erwähnten, sowie der gleichfalls unwahrscheinlichen von Rehberg (3 Minuten) und Tusset (30 Secunden) ist 4-5 Secunden. Über die Richtung, in der die Bewegung verlief, gehen die Beobachtungen sehr weit auseinander. In das Azimut S — N verlegen folgende Stationen die Be- wegung: Weitfäller, Aussergefild, Obermoldau, Eleonorenhain, Böhmisch-Röhren. Die Richtung SO — NW geben an: Bergreichenstein, Buch- wald, Kuschwarda, Böhmisch Röhren, Kaltenbach, Landstrassen. Die Richtung SW — NO wird gemeldet aus Innergefiid, Ferchenhaid, Winterberg, Tusset, Wallern. 1 Von Freiung und Kuschwarda wird gemeldet, dass das Dröhnen erst nach dem Erzittern begonnen habe. F. Becke, Erdbeben im südlichen ßöhmenvald. 1 lo Aus einer Beobachtung in Klösterle würde ein Azimut O— W folgen. Ein Beobachter in Winterberg beobachtete die Richtung aus NNW. Bemerkenswerth ist aber, dass die Mehrzahl der Beobachter die Bewegung von einem der südlichen Quadranten heran- kommend und gegen einen der nördlichen Quadranten fort- schreitend empfunden hat. Das spricht dafür, dass das Beob- achtungsgebiet dem peripherischen Theil eines centralen Bebens angehört, und dass das Epicentrum im Süden oder Südwesten in Bayern zu suchen wäre. Diese Folgerung stimmt überein mit der constatirten Intensitätszunahme südwestwärts. Aus Winterberg wird ein Vorläufer vom 5. Jänner 1897 um 4'' 25'" Früh, von Eleonorenhain ein Nachzügler vom 7. Jänner 6'' 30'" Abends gemeldet. Als Vorläufer müsste auch das Beben vom 4. Jänner 7'' 40'" Früh aufgefasst werden, wenn derBeobachter in Bergreichenstein nicht durch unrichtige Berichte irregeführt wurde. Schaden wurde durch das Erdbeben nirgends angerichtet; das Beben erregte aber bei der Bewohnerschaft ziemliches Auf- sehen, da die Gegend seit Menschengedenken von keinem Erd- beben heimgesucht worden war. Die wichtigsten Beobachtungen sind in die beiliegende Karte eingetragen. Dieselbe gibt an: 1. Die Orte, in denen das Beben nicht mehr verspürt wurde. 2. Die Orte, in denen das Erdbeben sehr schwach verspürt wurde. Dies sind Orte, aus denen theils positive, theils negative Resultate erhalten wurden, oder von denen das Beben aus- drücklich sehr schwach genannt wird, oder nur von einzelnen Personen wahrgenommen wurde. 3. Die Orte, in denen das Beben stärker verspürt wurde. Die Ausscheidung dieser Orte beruhte auf den Angaben über Bewegung beweglicher Gegenstände, stärkere mechanische Wirkungen (Umwerfen von Holzstössen, starkes Krachen des Dachstuhles) und über stärkere psychische Wirkung auf die Bewohnerschaft. 4. Alle übrigen Orte, in denen über stärkere mechanische Wirkungen, als Klirren der Fenster und das Anschlagen von 116 F. Beck e, Erdbeben im südlichen Böhmenvald. Gläsern im Kasten etc. nicht beobachtet wurden, sind zusammen- gefasst als Orte schwacher Erschütterung. Die Richtung der Bewegung ist in der üblichen Weise durch Pfeile dargestellt und schliesst sich möglichst an die Angabe des Beobachters an. So ist z. B. unterschieden: Be- wegung von Süden her (ein Pfeil, dessen Spitze bei dem Orts- zeichen endet) und Bewegung von Süd nach Nord (Pfeil durch- gezogen. Ferner sind durch das Zeichen -f- die Orte kenntlich gemacht, in denen der Schall vor dem Zittern wahrgenommen wurde, mit — die Orte, in denen der Schall nach dem Erzittern andauerte, mit -\ die Orte, von denen Vor- und Nachdröhnen gemeldet wurde, endlich mit d= die Orte, in denen Schall und Zittern gleichzeitig angegeben wird. In der beiliegenden Kartenskizze sind die wesentlichsten Beobachtungen des Referenten für die tschechischen Theile Böhmens mit verwendet.^ Dieselben betreffen unter Anderem den Sector zwischen Bergreichenstein und Winterberg. 1 Wesentlich nach der von Prof. Woldrich in den Sitzungsberichten der tschechischen Akademie der Wissenschaften, Jahrg. VI, Classe II, Nr. 2, publicirten Kartenskizze. ■-d "i 1 1 c pp •^ pi ■B QJ o'^ ^ Sol^ Die physiologische Bedeutung der sogenannten Stärkescheide«, Landvvirthsch. Versuchsstationen, Bd. 35 (1888), S. 161. 2 A. Schimper, Über Bildung und Wanderung der Kohlenhj'drate in den Laubblättern. Bot. Zeitung, 1885, S. 737. Leitungswege der organischen Baustoffe. 1 -39 bündel von einer mächtigen Collenchymscheide umgeben sind, welche leicht von dem sie umgebenden Parenchym losreisst. Man kann thatsächlich ein Blatt durch Anbringung kleiner Verletzungen so operiren und es seiner sämmtlichen parallelen Hauptnerven berauben. Schimper sah nun, dass solche Blätter sich ebenso im Dunkeln ihrer Stärke entledigten, wie normale, und schloss daraus, dass die Leptomtheile zur Ableitung der Stärke unnöthig seien und dass allein die Parenchymscheiden der Nerven (»Leitscheiden«) dieses Geschäft besorgen. Dagegen ist zu bemerken, dass ein Verschwinden der Stärke aus dem Mesophyll uns noch immer nicht sagt, dass die Kohlenhj^drate aus dem Blatte völlig entfernt worden sind, zumal wir keine Controle in anderen Versuchen hiezu besitzen. Beweisend wäre allein die Beobachtung des Fortganges der Entleerung. Ferner ibt Schimper's Schluss, .dass das Leptom der Leitbündel gänz- lich an der Fortschaffung der Assimilate unbetheiligt sei, nicht berechtigt, weil durch den erwähnten Versuch an Plantago eben nur gezeigt wird, dass die Gesammtmenge der Assimilate sich in die Leitscheiden entleeren kann. Ob sie auch von da fortgeschafft wurde, ist eine andere Frage. Anderseits muss aber zugegeben werden, dass den Leitscheiden gewiss eine Function bezüglich der Ableitung der Assimilate zuzusprechen ist und dass sie entschieden als Leitparenchym zu betrachten sind, welches bis zu einem gewissen Grade die Siebtheile der Nerven, die ja doch relativ schwach entwickelt sind, in ihrer Leistung unterstützt. Ebenso gewiss ist aber nach dem Ergeb- niss unserer Resectionsversuche an Blattstielen, dass vom Grunde der Lamina an der Transport der Assimilate völlig durch die Leistung der Leptomtheile der Leitbündel im Blatt- stiel besorgt wird. Es ist bei allen Darlegungen über »leitende Gewebe- systeme« nicht zu vergessen, dass es sich niemals um specifisch nur jenen Zellen eigenthümliche Fähigkeiten handeln kann, sondern nur um Elemente, welche mehr weniger weit angepasst sind in ihren Fähigkeiten und Einrichtungen an die Function der Fortleitung der Assimilate. Hiezu befähigt ist schliesslich jede Parenchymzelle, und Frank ^ ist im Rechte, wenn er das 1 k. B. Frank, Lehrbuch der Botanik. Leipzig, 1892. Bd. I, S. SU. 140 F. Czapek, Fortleitungsvermögen für Kohlenhydrate für die Grundparen- chymzellen vindicirt; seine Auffassung ist jedoch insofern ein- seitig, als er im Grundparenchym eine präformirte Transport- strasse für diese Assimilate sieht. Ausserdem waren wir in der Lage, den Gegenbeweis gegen diese Ansicht führen zu können und festzustellen, dass die Siebtheile der Leitbündel die ein- zigen Transportstrassen auf lange Strecken für sämmtliche Assimilate sind. Während bei den Zellen des Grundparenchyms die Fähigkeit zur Weiterleitung von aufgenommenen Lihalts- stoffen darin besteht, dass gleichmässig nach allen Richtungen die Zelle im Stande ist, Concentrationsdifferenzen auszugleichen und ein stetes Nachfliessen von gelöster Substanz nach Mass- gabe einer einseitigen Abnahme an Concentration durch Ver- brauch zu vermitteln, sind bei den leitenden Elementen %ar' s;oyYjV bereits Einrichtungen getroffen, welche die Bewegung der transportirten Substanzen nach einer bestimmten Richtung einschränken und zugleich eine rasche Vorwärtsbewegung der Inhaltsstoffe zum Zwecke haben. IL Abschnitt. Zur Mechanik der Fortbewegung der in den Leptom- elementen geleiteten Substanzen. Nachdem wir nun in bestimmten Elementen des Leptoms dasjenige Gewebesystem erkannt haben, welches die Leitung sämmtlicher Assimilate des Organismus zur ausschliesslichen Function hat, ähnlich wie es die Rolle der Blutbahnen im thierischen Organismus ist, ist es weiter unsere Aufgabe, zu eruiren, durch welche Einrichtungen in diesen Elementen die Vorwärtsbewegung der Assimilate in bestimmter Richtung erzielt wird, auf welche Art eine möglichst rasche Bewegung zu Stande kommt und welche Quellen die Energie hat, welche seitens der Pflanze zu diesen Translocationsvorgängen auf- gewendet werden muss. Die vorliegenden Untersuchungen befassen sich nur mit angiospermen Pflanzen, also Organismen mit hochentwickeltem Siebröhrensystem, und es folgt aus der ausschlaggebenden Bedeutung der Siebröhren als leitende Bahnen, dass es vor Leitungswege der organischen BaustofTe. 141 allem Anderen die Mechanik der leitenden Thätigkeit der Sieb- röhren ist, welche einer Aufhellung harrt. Bekanntlich aber fehlt heutigen Tages noch jeder Anhaltspunkt, welcher Art die Kräfte sind, welche hiebei thätig sind.^ Da nun einerseits experimentelles Material in Bezug auf die in Angriff zu nehmenden Fragen kaum vorhanden ist, anderseits aber die einzelnen Fragepunkte gesondert nicht gut anzugehen sind und vielfach in Beziehung zu einander treten, so ziehe ich es vor, meine experimentellen Erfahrungen sofort in Besprechung zu ziehen und an diese Ergebnisse erst die kritischen und theoretischen Erörterungen anzuschliessen. Das handlichste Material boten unstreitig die Blattstiele, und zwar an lebhaft assimilirenden grossen Laubblättern. Man ist hier in der Lage, mit Hilfe der bekannten Proben jederzeit qualitativ und quantitativ Anhäufung und Abfuhr der Assimilate zu bestimmen und kann ohne Schwierigkeit einen Theil der ableitenden Blattstielstrecke den verschiedensten Einflüssen unterwerfen und in dieser Weise die Leitfähigkeit der Leptom- elemente innerhalb dieser Partie unter verschiedenen Bedin- gungen Studiren. A. Abgetödtete Elemente leiten nicht mehr. So ausgezeichnet die wasserleitenden Bahnen auch in vollkommen zum Absterben gebrachten Strecken der Pflanze fungiren, wie es die Versuche von Böhm,^ Janse^ und besonders Strasburger's ■^ zeigten, so vollkommen ist die Unterbrechung in der Fortleitung der Assimilate, wenn man eine Strecke des leitenden Organs abgetödtet hat. Man kann leicht zeigen, dass eine gebrühte Blattstiel- strecke ein Hinderniss abgibt für die Ableitung der Assimilate aus derBlattspreite. Zu solchen\'ersuchen wendete ich folgenden kleinen Apparat an, welcher mit entsprechenden Abänderungen 1 W. Pfeffer, Studien zur Energetik der Pflanze. Leipzig 1892, S. 123. 2 J. Böhm, Ursache des Saftsteigens. Berichte der deutschen botan. Gesellschaft, Bd. VII (1889), S. [55]. •■'■ Janse, Botan. Zeitung, 1885, S. 302. -1 E. St ras bürg er, Bau und Verrichtungen der Leitungsbahnen. Jena 1891, S. 645 ff. 142 F. Czapek, ZU vielen anderen Experimenten in Verwendung kam. Ich nahm zwei etwa 5 cnt lange abgesprengte Stücke eines 3 cm weiten Glasrohres und feilte an jedem einerseits mittelst einer runden Feile zwei diametral gegenüberliegende, halbkreisförmige Aus- schnitte aus, deren Grösse dem Umfang der Blattstiele der Ver- suchspflanze angemessen war. Wurden beide Stücke Glasrohr nun entsprechend aufeinander gesetzt, so waren in dem ver- einigten Rohr zwei kreisrunde, diametral gegenüberliegende Öffnungen ausgespart, welche der Dicke des Blattstieles ent- sprachen. Die Berührungsflächen wurden möglichst glatt passend abgeschliffen, und ich kittete nun den Blattstiel in die Glasröhre mit Porzellankitt sorgfältig luftdicht ein. Die beiden offenen Enden des Rohres wurden mit Stopfen verschlossen, welche in einer Bohrung ein winkelig gebogenes Glasrohr enthielten. Das weite Glasrohr, in dem der Blattstiel eingekittet war, stand vertical, in ein Stativ eingespannt; das untere Zuleitungsrohr wurde mit einem Kölbchen verbunden, in dem Wasser zum Sieden gebracht wurde; das obere Rohr diente zur Ableitung des Wasserdampfes. Lässt man strömenden Wasserdampf durch den Apparat streichen, so ist das eingeschlossene Stück des Blattstieles nach wenigen Augenblicken schlaff, missfärbig und todt. Die Einwirkung des Dampfes geht nur wenige Millimeter über die eingeschlossene Blattstielstrecke beiderseits hinaus. Damit nun nicht etwa das Blatt durch sein Gewicht nach Schlaffwerden des Stieles herabfalle, muss man vor Beginn des Versuches beiderseits ausserhalb des Glasrohres um den Blattstiel feste Schienen aus Cartonpapier legen, welche auf Stativen befestigt sind und das Blatt auch nach Schlaffwerden des Stieles in der normalen Lage festhalten. Nach Abtödtung des Stieles nahm ich den Apparat ab und umhüllte die schlaffe Strecke locker mit nasser Baumwolle, um ein Austrocknen zu vermeiden. Als Beispiel diene folgender Versuch. Versuchsobject ein fast ausgewachsenes Blatt einer kräf- tigen Cucurbita -VV^Sinze (Topfexemplar). Der Apparat wurde in der angegebenen Weise adjustirt. Beim Versuche befand sich die eingekittete Stielstrecke von 2-5 cm Länge 10 Minuten lang im strömenden Wasserdampf; sie war sofort schlaff und Leitungswege der organischen Baustoffe. 1 43 todt. Sodann wurde das operirte Stück in nasse Watte gewickelt (10'' 15"' a. m.). Am folgenden Tage 5'' p. m. wurde die Pflanze mittelst Pappecylinder vefdunkelt, nachdem ich mich überzeugt hatte, dass di^e sämmtlichen Blätter der Pflanze reichlich Stärke gebildet hatten. Die Witterung in der folgenden Nacht war warm und günstig. Am anderen Morgen 9'' ergab die Jodprobe, dass die nicht operirten Blätter vollkommen stärkeleer waren. Das operirte Blatt war von normalem Turgor und frisch. Alle, auch die feinsten Nerven wurden bei der Jodprobe tief schwarz, ebenso das Parenchym dunkelschwärzlich; lichtere Zonen nur hie und da zwischen schwarzen Parenchyminseln und Nerven. Wenn wir in dieser Weise feststellen können, dass ab- gebrühte Blattstiele nicht mehr die Ableitung der Assimilate aus der Spreite gestatten, so ist durch diesen Modus der Abtödtung noch nicht jeder Einwand dagegen, dass lebende Elemente allein ableitend thätig sein können, ausgeschlossen. Besonders kann man einwenden, dass der geronnene Sieb- röhreninhalt ein mechanisches Hinderniss für die Passage der zu leitenden gelösten Substanzen abgebe. Das ist jedoch nicht möglich, wenn man eine Blattstielstrecke mittelst Chloroform tödtet; auch hier erzielt man den gleichen Effect einer Hemmung der Leitung der Assimilate. B. Versuche mit Chloroformnarkose. Der hiebei benützte Apparat war im Wesentlichen derselbe wie bei den vorhergehenden Versuchen und bestand ebenfalls aus zwei aufeinanderpassenden Stücken eines weiten Glas- rohres, an welchen einerseits zwei diametral gegenüberliegende halbkreisförmige Ausschnitte eingefeilt worden waren, welche aufeinander gepasst zwei runde Löcher ergaben, mittelst deren der Stiel eines Blattes durch den Apparat hindurchgesteckt werden konnte. Der obere Theil wurde fest verkorkt, der untere ebenfalls, jedoch mit einem Stopfen, welcher eine Bohrung besass, durch welche ein U-förmig gebogenes Glasrohr hin- durchgesteckt wurde. Der untere Theil des Apparates wurde so an einem Stativ befestigt, dass der Blattstiel, ohne seine normale Stellung an der Pflanze zu verlieren, in die halbkreisförmigen Ausschnitte Sitzb. d. mathem.-naturw. GL; CVl. Bd., Abth. I. 10 144 F. Czapek, hineinpasste. Hierauf wurde der obere Theil aufgesetzt und der Blattstiel sorgfältig mit Klebwachs eingekittet, sowie beide Glasröhren dicht aneinander gelvittet. Nun wurde in das U-Rohr etwas Chloroform eingegossen und der in die freie Luft mün- dende Schenkel verschlossen. Die eingeschlossene Blattstielstrecke befand sich nun unter der Einwirkung von Chloroformdämpfen, ohne mit der F'lüssigkeit in Berührung zu kommen und starb bald ab. Um ein Herabsinken der Lamina zu verhüten, wurde ausserhalb des Apparates der Blattstiel durch Schienen gestützt. Versuche an Phaseohis muJtißorus und Cucurbita Pcpo zeigten, dass auch durch Chloroform getödtete Partien des Blatt- stieles leitungsunfähig geworden sind, und man kann daher schliessen, dass nur lebende Elemente die gelösten Assimilate weiterbefördern können. Die Experimente an narkotisirten Blattstielstrecken hatten aber weiters die Aufgabe, zu untersuchen, wie sich bloss narkoti- sirte, nicht aber bleibend durch das Chloroform geschädigte Stiele verhalten, ob solche im Gegensatz zu den getödteten etwa im Stande sind, Assimilate fortzuleiten. Bei dergleichen Versuchen arbeitet man am besten mit wässeriger Chloroform- lösung, 1 Theil concentrirtes Chloroformwasser auf 10 Theile, höchstens 5 Theile Wasser. Der kleine Apparat wird zu Versuchen mit flüssigen Medien dahin abgeändert, dass er am unteren Boden mit un- durchbohrtem Kork versehen wird, und in dem oberen Kork wird ein Glasrohr angebracht, welches zum Einfüllen der Lösung dient und nach dem Einfüllen mit einem Stopfen verschlossen wird. Um den Apparat wasserdicht zu machen, empfiehlt es sich, ausser dem Verstreichen der Fugen mit weichem Klebwachs mit einem Gemisch von 1 Theil Wachs und 2 Theilen Cacaobutter, welches durch leichtes Erwärmen flüssig wird und zu einer harten Masse in der Kälte erstarrt, zu dichten. Der Blattstiel verbleibt während des ganzen Versuches, also mindestens 24 Stunden lang, in dem Chloroformwasser. Er darf nach Verlauf dieser Zeit nicht sein straffes, normal grünes Ansehen verloren haben. Um das Eindringen der Lösung Leitungswege der organischen Baustoffe. 145 ZU beschleunigen, kann man leichte längsveiiaufende Ein- schnitte in der zu narkotisirenden Stielstrecke anbringen. VV'ie Controlversuche ergaben, alterirt dieser Eingriff die Ableitung der Assimilate nicht im mindesten. Die Versuche hatten folgenden Verlauf. Am Morgen wurden die Pflanzen mit den Apparaten armirt und die Narkose ein- geleitet. Sie standen im Gewächshaus, vor Wind geschi.itzt, in nicht zu grellem Sonnenlichte. Von Anfang an wurde darauf gesehen, dass gleichalterige Controlblätter zur V^erfügung standen, welche möglichst gleiche Beleuchtung erfuhren wie die operirten, und die dieselbe Stellung zum einfallenden Lichte hatten, wie die letzteren. Am Abend wurden Stücke aus der Lamina der operirten Blätter, sowie der Controlblätter der Jod- probe unterworfen. Beide erwiesen sich in gleichem Maasse stärkereich. Nun verdunkelte ich die Pflanzen, um am nächsten Morgen, da ich nicht bei Tagesanbruch im Juni an Ort und Stelle sein konnte, erst in den späteren Morgenstunden (7 bis 8 Uhr) die stattgefundene Entleerung der Spreiten prüfen zu können. Die Jodprobe ergab stets völlige Abwesenheit von Stärke in den Controlblättern und sehr unvollkommene Ent- leerung der Lamina der operirten Blätter. Nun nahm ich den Apparat von den narkotisirten Stielen ab und unterzog die Blattstielstrecke einer genauen Untersuchung bezüglich makro- skopisch normalen Aussehens; ein oder das andere Exemplar wurde mikroskopisch untersucht, um die Abwesenheit patho- logischer Veränderungen sicherzustellen. Die anderen Blätter wurden intact gelassen und weiter beobachtet. Die Jodprobe am zweitnächsten Morgen ergab ebenfalls noch keine normale Entleerung der Lamina. Erst nach drei Tagen hatte sich der normale Zustand wie vor der Narkose wieder hergestellt. Die Pflanzen, mit denen ich in dieser Weise experimentirte, waren kräftige Topfexemplare von Cucurbita Pepo und Pha- seolns nmltißorns. Übrigens überzeugte ich mich davon, dass der Versuch auch im Freiland bei günstiger Witterung an Vitis viuifera ebenso gut und mit demselben Erfolge ausführbar ist. Es ist dadurch nachgewiesen, dass bei der Fortleitung der Assimilate, wie sie aus den Blättern in den Stamm statt- findet, Vorgänge in Betracht kommen, welche durch Chloro- 10* 146 F. Czapek, formwirkung aufgehoben werden. Wenn die Elemente der trans- portirenden Gewehestränge narkotisirt sind, so sind sie nicht im Stande, ihre Function auszuführen. Es steht diese Lebens- erscheinung ganz ähnlich still, wie es in demselben Fall mit der Piasmaströmung in Zellen geschieht, welche bekanntlich in chloroformhältiger Atmosphäre still steht und nach Entfernung des Chloroformdampfes ihre frühere Thätigkeit wieder auf- nimmt. C. Plasmolytische Versuche. Es fragt sich weiter, ob etwa plasmolysirte Elemente im Stande sind, so wie normal bei der Translocation der Assimilate thätig zu sein. Meine diesbezüglichen Experimente setzen mich in die Lage, zu behaupten, dass plasmolysirte Zellen ebenso gut diese Function auszuüben vermögen, wie Zellen von normalem Turgor. Der benützte Apparat war derselbe, den ich bei den Versuchen mit Chloroformwasser angewendet hatte. Als plas- molysirende Lösung diente 57o Kalisalpeter. Die Untersuchung von Querschnitten und Längsschnitten aus Blattstielen der untersuchten Pflanzen (Cuctirbita, Vitis und Phaseohts) zeigte mir, dass in allen Elementen nach Einlegen der Schnitte in ö^o Kalisalpeter binnen Y2 Stunde Plasmolyse eintrat. Wurde die Salpeterlösung durch Wasser ersetzt, so stellte sich binnen einer Stunde allenthalben der normale Turgor wieder her. Auch Blattstielstücke der erwähnten Versuchs- pflanzen, in 57o Salpeter eingelegt, zeigten in einer Stunde ein schlaffes welkes Aussehen, und alle Zellen erwiesen sich bei der mikroskopischen Untersuchung als plasmolysirt. In Wasser gewannen die Blattstiele rasch ihren früheren Turgor wieder. Wichtig ist, dass auch 24 stündiges Liegen der Blattstiele in der Salpeterlösung es nicht verhinderte, dass dieselben durch 12 stündiges Einlegen in Wasser wieder ganz straff und prall wurden und alle Zellen vollkommen gesundes Aussehen hatten. Die Versuche hatten ganz ähnlichen Gang wie die Narkose- versuche. Sie wurden ebenso wie die letzteren an Topfculturen von Phaseolus und Cucurbita, sowie an Freilandpflanzen (Vitis) angestellt. Topfgewächse, die im Gewächshaus stehen, müssen behufs möglichst starker Bewurzelung und zur Erreichung Leilungswege der organischen Baustoffe. 14/ recht bedeutender Blattgrösse mit dem Topf in Erde vergraben werden. Am Morgen wurde der Versuch aufgestellt. Sorgfältige Auswahl von Controlblättern ist unerlässlich. Die Blattstiele der zu operirenden Blätter wurden in das Glasrohr eingespannt und eingedichtet. Unten war das Glasrohr verschlossen, der obere Kork war durchbohrt und mit einer zum Einfüllen der Salpeterlösung bestimmten di^uineren Glasröhre versehen. Nun wurde die 5 7o Kalisalpeterlösung eingefüllt. Incisionen in das eingeschlossene Blattstielstück zu machen, empfiehlt sich nicht, weil die Salpeterlösung in die Gefässe eindringt und ein Welken der Spreite hervorrufen möchte. WelkeBlätter aber speichern sehr mangelhaft oder gar nicht Stärke. Am Abend und am nächsten Morgen wurde die Jodprobe mit den operirten und den Control- blättern vorgenommen. Abends waren sämmtliche Blätter mit Stärke gefüllt. Obwohl nun die eingeschlossenen Strecken der Stiele der operirten Blätter in allen Theilen gänzhch plasmo- lysirt und schlaff waren, erwiesen sich dennoch am nächsten Morgen alle operirten Blätter stärkeleer, so wie normale Laub- blätter. Die Plasmolyse der leitenden Gewebe stört demnach nicht im mindesten die Erfüllung ihrer Function; sie sind thätig, wie sonst. Wendet man lö^o statt 5 7o Salpeterlösung an, so ist der Erfolg nicht derselbe. Die operirten Blätter entleeren sich nicht mehr. Die Untersuchung der eingeschlossenen plasmolysirten Blattstielstrecke zeigt ohne weiteres, dass die Zellen daselbst abgetödtet sind, zum grössten Theile, und in Folge dessen ist diese Stielstrecke leitungsunfähig geworden. Plasmolytische Versuche mit Traubenzuckerlösungen von entsprechend starken Concentrationen führten zu dem gleichen Ergebniss. Auch hier functionirten plasmolysirte, jedoch nicht in ihrem Leben geschädigte Blattstielstrecken geradeso wie normale. D. Einwirkung von Kohlensäureatmosphäre. Mit Hilfe des geschilderten Apparates untersuchte ich weiter, ob das Umgebensein mit einer Kohlensäureatmosphäre die leitenden Gewebe bezüglich ihrer Function beeinflusst Soweit sie nicht in ihrem Leben dauernd geschädigt werden, 1 -tö F. Czapek, ist keinerlei Einwirkung der Kohlensäure auf die Fortdauer der Ableitung der Assimilate zu constatiren gewesen. Die operirten Blätter entleerten sich ganz normal. E. Wirkung des Zusammenhanges mit denTheilen der Pflanze auf die Entleerung der Laubblätter. Der Zweck meiner diesbezüglichen Versuche war der, nachzusehen, inwiefern eine Abhängigkeit der nächtlichen Ent- leerung der Laubblätter an abgeschnittenen Stammstücken und Pflanzentheilen von der Länge des Stengelstückes, von der Anzahl der darauf befindlichen wachsenden Sprosstheilen und Blättern und von der Gegenwart eines Vegetationsgipfels und Wurzelsystems besteht. Dass es gleichgiltig ist, ob das unter- suchte Laubblatt mit dem Wurzelsystem in Zusammenhang steht oder nicht, ferner ob es mit dem wachsenden Axenende in Verbindung ist oder nicht, lässt sich leicht feststellen. Ich schnitt verschiedene grossblätterige krautige Pflanzen derart zu, dass immer nur ein kräftig assimilirendes, vollkommen aus- gebildetes Laubblatt, in der einen Reihe der Versuche an dem bewurzelten, sonst entblätterten Stamm stumpf, in der anderen Versuchsreihe mit dem abgeschnittenen, nach oben zu folgenden Theile der Hauptaxe, deren sonstige Blätter entfernt worden waren, in Verbindung stand. Solche Blätter entleeren sich ganz normal, als wenn sie an der unversehrten Pflanze stünden. Damit ist gezeigt, dass die Entleerung der Laubblätter weder ausschliesslich von der Möglichkeit, die Assimilate in die unter- irdischen Theile der Pflanze zu befördern abhängt, noch von der Gegenwart lebhaft wachsender oberirdischer Axentheile. Man kann durch Experimente an verschieden langen ab- geschnittenen Stammstücken von Vitis oder Begonia darthun, dass einerseits das Vorhandensein von Vegetationspunkten an dem Zweig nicht zur nächtlichen Entleerung der Laubblätter nothwendig ist, anderseits dass die Möglichkeit einer Abfuhr der Assimilate aus der Lamina der Laubblätter an eine be- stimmte minimale Länge des betreffenden Stammstückes ge- bunden ist. Für Vitis vinifera fand ich, dass beblätterte einjährige Sprosse erst dann eben merkliche nächtliche Entleerung der Leitungswege der organischen [Baustoffe. 149 Blattspreiten zeigen, wenn ihre Länge 12 cm beträgt. An kürzeren A'^tstücken bleiben die Blätter unentleert, x-ollgepfropft mit Stärke, längere Aststücke als 12 ein entleeren bereits ihre Laub- blätter regelmässig, so dass sich 40 — 50 cm lange Sprossstücke bereits wie Äste der unversehrten Pflanze verhalten. Den angeführten Versuchen ist zu entnehmen, dass die Translocationsbewegung der Assimilate aus den Laubblättern jedenfalls nicht von der Gegenwart von Vegetationspunkten, den Stellen lebhaftesten Stoffumsatzes und intensivster Ver- brennung des organischen Materiales im Athmungsprocesse abhängt. Auch Stammstücke, die vollkommen ihr Längenwachs- thum abgeschlossen haben, nehmen die Assimilate aus den Laubblättern regelmässig auf, sobald nur ihre Länge hinreichend gross ist. Ich möchte daraus schliessen, dass der hauptsächlich massgebende Factor bei der Ableitung der Assimilate aus den Laubblättern nicht die Gegenwart von Orten lebhaften Ver- brauches der producirten Substanzen, sondern das Vorhanden- sein einer ausreichend langen Strecke des Transportsweges ist. Natürlich tangirt dieses Ergebniss durchaus nicht die Richtig- keit der Anschauung, dass die Stätten lebhaften Verbrauches gleichsam als Attractionscentra für diese Substanzen thätig sind. Mit dem Begriff »Attractionscentrum« hat die Mechanik des Transportvorganges nichts zu thun. Es ist vielmehr die Art und Weise, wie die Substanzen fortgeleitet werden, gänzlich unabhängig von der Intensität des Verbrauches derselben am Ende des Leitungsweges. E. Einfluss der Schwerkraft auf die Ableitung der Assimilate aus den Laubblättern. Die bisher anscheinend noch nicht untersuchte Frage, ob der Schwerkraft irgend eine Wirkung auf die Ableitung der Assimilate aus den Blättern zukommt, lässt sich dahin erledigen, dass ein solcher Einfluss nicht vorhanden zu sein scheint. Eine grosse Anzahl von Versuchen mit umgekehrten Pflanzen, bei denen also die Blattstiele mehr weniger steil nach abwärts sahen (geotropische Aufkrümmung wurde verhindert), ergab keinen Unterschied gegenüber normal aufrechten Individuen. Auch auf 150 F. Cziipek. dem Klinostaten befindliche Pflanzen zeigten keinerlei Diffe- renzen gegenüber der normalen Lage. Die Thatsache, dass bei zahlreichen Blättern die Stiele oft sehr steil geotropisch aufgerichtet sind, steht also wohl mit den Vorgängen der Ableitung ihrer Assimilate kaum in biologischem Zusammenhange, sondern es dürfte ausschliesslich eine Mit- wirkung der geotropischen Reactionsfähigkeit zur Erreichung einer möglichst günstigen Lichtstellung hiebei in Betracht zu ziehen sein. G. Discussion der Versuche. Die zuerst mitgetheilten experimentellen Erfahrungen lehi'ten, dass mit dem Tode der leitenden Zellelemente ihre Eähigkeit, die Continuität der Weiterbeförderung der Assimilate zu erhalten, erlischt und dass todte Zellen in der Reihe der leitenden Elemente eine Hemmung für die Leitung der Assimi- late abgeben. Die Sache liegt also hier wesentlich anders als bei der Wasserbewegung im Pflanzenkörper, welche durch lange Strecken abgetödteter Leitungsbahnen in völlig normaler Weise vor sich geht. Damit ist der Beweis erbracht, dass nicht etwa blosse Diffusion der transportirten Stoffe, ohne Mitwirkung des Apparates der lebenden Zelle, die Thätigkeit des lebenden Zellelementes ersetzen kann. Man hätte sich denken können, dass die jenseits der todten Strecke stromabwärts liegenden Zellen durch den fortdauernden Verbrauch der in den todten Zellen noch vorhandenen transportirten Assimilate den Strom der letzteren unterhalten, so dass aus den stromaufwärtsliegen- den Elementen ein fortwährendes Nachströmen der geleiteten Stoffe erfolgt. Dies kann nun nicht der Fall sein, oder, wenn ähnliche Vorgänge auch stattfinden sollten, so können sie allein die Fortdauer einer normalen Ableitung der Assimilate nicht bewerkstelligen. Die Tödtungsversuche mittelst Chloroform lehrten uns, dass nicht etwa im todten Zellkörper durch die Art des Absterbens entstandene Niederschläge, Niederschlags- membranen, die Ursache sind, wesshalb die getödteten Partien eine Hemmung in der Ableitung der Assimilate setzen. Übrigens erhellt aus bekannten Versuchen, dass bei Zellen, welche ver- Leitungswege der organischen Baustoffe. lol Permeabilität des Plasmaschlauches zu finden ist, als bei lebenden Zellen, so dass Stoffe, welche, wie Traubenzucker, Anthokyan, aus lebenden Zellen nie diffundiren, aus todten Zellen sofort austreten. Von hoher Bedeutung ist das Ergebniss, dass narkotisirte, jedoch in ihrem Leben weiter nicht geschädigte Elemente leitungsunfähig gemacht sind. Es ist dadurch bewiesen, dass ganz andere als die bisher für die Fortbewegung der Assimilate in Betracht gezogenen Energiequellen beim Transporte der assimilirten Stoffe in Frage kommen. Meistens scheint man an- zunehmen, dass der osmotische Druck, unter dem der Sieb- röhreninhalt nachweislich steht, ein ausschlaggebender Factor bei der Mechanik des Transportes ist (Lecomte,' Haber- land t"), ferner, dass der Druck, welchen die Nachbarelemente auf die leitenden Elemente durch ihren Turgor ausüben, wirk- sam sei, endlich dass Bewegungen der Pflanzentheile durch die damit verbundenen Biegungen und Zerrungen der Organe hilf- reich beim Transport der Assimilate durch die Siebröhren ein- greifen können. Trotzdem nun die Turgordruckverhältnisse in narkotisirten Blattstielpartien nicht alterirt sind, so ist doch ein solcher Abschnitt nicht mehr im Stande, beim Transport der assimilirten Stoffe mit thätig zu sein und es wird eine Unter- brechung in der Fortleitung hiedurch erzeugt. Plasmolytische Untersuchung der Siebröhren von Cucurbita Pepo erwies den Turgordruck normal und an narkotisirten Zellen ganz gleich mit 3 -470 Kalisalpeter. Auch das Hervorquellen grosser Tropfen von Siebröhrensaft vermag man an den beiden Enden heraus- geschnittener narcotisirter Blattstielstrecken ebensogut fest- zustellen, wie an frischen, normalen Organen. Die Turgorverhältnisse sind also nachweisbar nicht anders geworden und die Ursache der Leitungsunfähigkeit muss auf einem anderen Gebiete als in einer Turgorverringerung der leitenden Elemente und ihrer Naclibargewebe gesucht werden. Damit stimmt auch der oben erwähnte Erfolg meiner Versuche 1 H. Lecomte, Contribution ä l'etude du Liber des Angiospermes. .Ann. d. sc. nat. Ser. VII, Tom. X (1889), p. 303. 2 G. Haberlandt, Phj'siolog. Ptlanzenanatomie, 2. Aufl., Leipzig 1896, S. 290. 152 F. Czapek, mit Plasmolysirung einer Blattstielstreclvc. Eine plasmolysirte Partie des Blattstieles erwies sich als ebenso leitungsfähig, vx'ie ein normal turgescenter Stiel. Unter Ausschaltung des Turgor- druckes findet also ein Weitertransport der Assimilate ebenso- gut in den leitenden Elementen statt, wie normal. Damit ist neuerdings erwiesen, dass die Vorgänge bei der Stoffleitung in den mit dieser Function betrauten Elementen von dem Turgor der Zellen unabhängig sind und dass keinesfalls ein Weiter- gepresstwerden des Inhaltes der leitenden Elemente durch den Turgordruck benachbarter Zellen als hauptsächliche Bewe- gungsursache hiebei in Betracht kommt. Da demnach weder die nach bekannten physikalischen Gesetzen an nicht organisirten Körpern verlaufenden diosmo- tischen Vorgänge zwischen den Inhaltsflüssigkeiten der leitenden Zellelemente, noch eine passive Weiterförderung der trans- portirten Substanzen durch Druckwirkung benachbarter Ele- mente die Stoffleitung bewerkstelligen können, und anderseits getödtete Leitzellen functionsuntüchtig geworden sind, so liegt es nahe, die Haupttriebkraft in einer activen Thätigkeit des lebenden Protoplasmas der leitenden Zellelemente zu suchen und es erübrigt uns, die Modalitäten einer derartigen Thätigkeit zu erörtern. Hier ist zum ersten zu entscheiden, ob mechanischen Be- wegungsvorgängen im Protoplasma eine Rolle beim Transport der Assimilate zukommt. Gestützt auf eine grosse Reihe früherer und eigener ergänzender Beobachtungen über das allgemeine Vorkommen von Plasmaströmungen hatte De Vries^ die Meinung vertreten, dass das Strömen des Protoplasma im Ver- eine mit der continuirlichen Verbindung der Zellen durch feine Plasmazüge, welche die Zellwand durchsetzen, die hauptsäch- liche bewegende Kraft für die StoftXvanderung liefere, und von späteren Autoren, welche sich deVries anschlössen, ist be- sonders Kienitz - Gerloff^ zu nennen. Unsere Versuche, 1 H. de Vries, Über die Bedeutung der Circulation und der Rotation des Protoplasmas für den Stofftransport in der Pflanze. Bot. Zeitung, Bd. 43 (1885), S. 1. 2 F. Kienitz- Gerloff, Die Protoplasmaverbindungen zwischen benach- barten Gewebselementen in den Pflanzen. Bot. Zeitung, Bd. 49 (1891), S. 1. Leitungswege der organischen Baustoffe. 1 Oo welche ein Aufhören der Stoffwanderung nach Zwischenlegung einer Strecke aus narcotisirten Zellen erwiesen, würden a priori der Möglichkeit dieser Energiequelle nicht widersprechen. Die De Vries'sche Theorie der Stoffwanderung hat aber einerseits zur Voraussetzung, dass die Plasmaströmung thatsächlich überall in den leitenden Zellen vorkommt und eine normale, allgemeine Erscheinung ist, anderseits ist Voraussetzung (falls wirklich der Plasmaströmung die Hauptrolle als bewegende Kraft zukommt), dass die Plasmaströmung stets durch plasma- tische Verbindungsbrücken sich von einer Zelle zur nächsten fortsetzt. Die erste Voraussetzung hat sich bereits durch die Untersuchungen von Pfeffer ^ und Hauptfleisch- als un- richtig herausgestellt. Besonders in den Siebröhren fehlt die Plasmaströmung gerade während der Periode der vollen Thätig- keit ganz. Sie ist zwar, wie verschiedene Beobachter (Stras- burger,^ LecomtC^) fanden, in jugendlichen Siebröhren stets vorhanden, sistirt aber in den erwachsenen Siebröhren voll- ständig. Lecomte gibt zwar an, dass in einzelnen Fällen auch da Plasmabewegung zu beobachten sei. Strasburger konnte jedoch diesen Befund nicht bestätigen,^ und auch nach meinen Beobachtungen hört bei allen Pflanzen die Strömung im Sieb- röhrenprotoplasma auf, sobald der Kern verschwindet und im Wandbelag die glänzenden Schleimvacuolen entstehen. Pfeffer's Einwände gegen die De Vries'sche Lehre be- stehen daher auch für die Siebröhren voll zu Recht und es fehlt dieser Theorie die thatsächliche Grundlage eines allgemeinen Vorkommens von Plasmaströmung in leitend thätigen Zellen. Aber auch die zweite nothwendige Voraussetzung einer con- tinuirlichen Verbindung der leitenden Elemente durch Plasma- stränge, welche die Strömung weiterleiten könnten, vermochte ich nicht als stichhältig zu erkennen. Einmal ist die erwähnte 1 W. Pfeffer, Studien zur Energetilv der Pflanze. Leipzig 1892, S. 270. 2 P. Hauptfleiscli, Untersuchungen über die Strömung des Proto- pLasmas in behäuteten Zellen. Pringsheim's Jahrbücher für wiss. Bot. Bd. 24 (1892), S. 175-234. 3 E. Strasburger, Leitungsbahnen (1891), S. 285. 4 H. Lecomte, 1. c. p. 285. 5 L. c. S. 290. 154 F.Czapek, Voraussetzung unhaltbar, weil nicht alle Pflanzen Siebröhren- glieder besitzen, welche durch offene Tüpfel in Communication stehen. Die Untersuchungen von Janczewski,^ Russow- und Strasburger^ haben gezeigt, dass bei Pteridophyten und Gymnospermen die Schliesshäute der Siebporen zeitlebens er- halten bleiben und als äusserst dünne gequollene Membranen, welche als Knötchen in der Siebplatte erscheinen, die Sieb- röhrenglieder von einander trennen. Daraus erhellt, dass eine offene Communication der Plasmakörper der Siebröhrenglieder durch Verbindungsstränge keine nothwendige Bedingung zur ungestörten Function dieser Organe ist, obwohl sie eine ent- schieden raschere transportfördernde Einrichtung ist. Ich meine ferner, die Plasmaverbindungen seien als hauptsächlichster Factor bei der Stoffwanderung deswegen nicht in Anspruch zu nehmen, weil ihre Gegenwart bei den anatomisch deutlich ge- kennzeichneten Abflussbahnen aus den Siebröhren, den Geleit- zellen und deren Vertreterinnen bei den Gymnospermen nicht sichergestellt werden kann. Dass zwischen Siebröhren und Geleitzellen Plasmaverbindungen bestehen, ist von mehreren Forschern (Terletzki,-^ Kieni tz-Gerloff,^ A. Fischer"^) be- hauptet worden. Russow^ konnte sich von deren Existenz nicht überzeugen, meint jedoch, dass gewiss die Tüpfel der Mem- bran zwischen Siebröhre und Geleitzellen perforirte Schliess- häute besitzen. A. Fischer bemerkt übrigens, dass Fälle von sicheren Plasmaverbindungen zwischen Siebröhre und Geleit- 1 E. V. Janczewski, Etudes comparees sur les tubes cribreux. Cher- bouig 1881. (Aus: Mein, de la Soc. d. sc. nat. de Cherbourg. Vol. XXIII). - Russow, Über den Bau und die Entwicklung der Siebröhren, Separat- abdr. aus den Sitzungsber. der Dorpater Naturf.-Ges. 1882. 3 E. Strasburger, 1. c. S. 71. •1 P. Terletzki, Anatomie der Vegetationsorgane von Strythioptcris germanica und Ptcris aquilina. Frings h ei m's Jahrbücher für wissensch. Bot. Bd. 15 (1884) S. 452-501. Auch Ber. der deutschen botan. Ges. 1884, Bd. II, S. 169. ö F. Kieni tz-Gerloff, Die Protoplasmaverbindungen zwischen benach- barten Gewebselementen in den Pflanzen. Bot. Zeitung, Bd. 49 (1891), S. 1. G A. Fischer, Neue Beiträge zur Kenntniss der Siebröhren. Sitzber. der kgl. Sachs. Ges. der Wiss. zu Leipzig. Math. -nat. GL, 1886, S. 327. "' E. Russow, Sitzungsber. der Dorpater Naturf.-Ges. September 1883. Leitungswege der organischen Baustoffe. 155 Zelle in einer grossen Menge V(3n Präparaten nur wenige Male ihm zur Beobachtung kamen. Diese thatsächlichen Befunde sind richtig. Ich benützte zum Aufsuchen der Plasmaverbin- dungen im Wesentlichen die von Russow angegebene Methode. Die Schnitte, aus frischem Material mittelst Mikrotom her- gestellt, kamen zurFixirungdes Zellinhaltes auf wenige Minuten in verdiLinnte Jodjodkaliumlösung, dann in Schwefelsäure (1 Theil concentrirte Säure auf 1 Theil Wasser), darin wurden sie 1 bis 1 Y^ Minuten belassen, ferner mit Wasser gut ausgewaschen und 10 Minuten lang auf dem Objectträger ausgebreitet in con- centrirter Anilinblaulösung gefärbt. Sie kamen nach Auswaschen des Farbstoffes mit Wasser und Alkohol, Entwässerung und Aufhellung mit Nelkenöl in Canadabalsam eingebettet zur Be- obachtung. Die Zellwände sind dann massig stark gequollen, die Plasmakörper tief dunkelblau und die feinsten Stränge sind tief gefärbt. Ich beobachte selbstverständlich mit Öl-Immersion. Die Cambiform- und Leptomparenchymzellen zeigen allent- halben die schönsten Plasmaverbindungen, ihre Plasmakörper erscheinen unregelmässig zackig contourirt und die Fortsätze stehen überall mit einander in Verbindung. Die Geleitzellen sind sehr ausgezeichnet durch die stabförmige, glattcontourirte Gestalt ihres Plasmakörpers, zeigen in der Regel nirgends Zäpfchen- oder Vorsprungsbildungen daran. Deutlich ausgebildeten zackigen Contour des Plasma- körpers der Geleitzellen, und zwar sowohl auf der Siebröhren- seite, als auf der gegenüberliegenden Seite fand ich bei Rosa canina und stellenweise bei Vitis vinifera. Jedoch konnte ich nie eine Communication zwischen Plasmakörper der Geleit- zellen und dem der Siebröhren constatiren. Man kann nur sagen, dass sich in diesen zwei Fällen Ausbuchtungen des Plasma- körpers in die Tüpfel der Trennungswand hinein erstrecken. Die plasmatischen Inhaltsmassen der Siebröhren sind häufig bedeckt mit Zäpfchen, so dass der Contour ziemlich regelmässig gezähnt ist. Bei jugendlichen Siebröhren und Geleitzellen ist ein wesentlich anderes Bild zu constatiren. In der Nähe des Cambiums sieht man stets Siebröhreninhalt und Geleitzellen- inhalt zackig contourirt, die Vorsprünge in Verbindung mit 156 F. Czapek, solchen derNachbarzellen. Es dürfte sich hier vielleicht um wirk- liche Plasmaverbindungen handeln, wenn in meinen Präparaten keine Täuschung dadurch unterlief, dass die jugendlich zarten Membranen der jungen Siebelemente durch die Schwefelsäure doch so stark gequollen waren, dass die Füllungen der zarten Tüpfel mit wirklichen Plasmaverbindungen verwechselt werden konnten.^ Dieselben Befunde zeigten die jungen Siebröhren von Coniferen (Fichte und Taxus baccata). Hier ist ausserdem der interessante Befund zu verzeichnen, dass die protoplasmareichen Markstrahlzellen, welche von Strasburger'^ als Vertreterinnen der Geleitzellen bei den Angiospermen angesprochen worden sind, keine Plasmaverbindungen aufweisen und ganz analog den Geleitzellen einen ganz glatten Contour der Inhaltsmasse zeigen. Bei Taxus glaube ich an einzelnen Stellen jedoch Ver- bindungen zwischen Siebröhrenplasma und dem Protoplasma der Vertreterinnen der Geleitzellen gesehen zu haben. Aus den angeführten Befunden (es kamen an 60 Pflanzen- arten zur Untersuchung) geht hervor, dass man in der Regel keine Plasmaverbindungen zwischen Siebröhren und Geleit- zellen, sowie zwischen Geleitzellen und Cambiform und Leptom- parenchym inclusive Markstrahlzellen findet. Dies ist deswegen bedeutungsvoll, weil alle anatomischen Anzeichen darauf hin- deuten, dass es gerade die Geleitzellen sind, welche den Stoff- austausch zwischen den zuführenden, respective ableitenden Siebröhren und dem Speichergewebe des Leptoms (Mark- strahlen, verticale Parenchymstränge) vermitteln. In den meisten Fällen lässt sich sicherstellen, dass die Zellwand zwischen Siebröhre und Geleitzelle bedeutend dünner ist als die anderen Zellmembranen und dass regelmässig flache, grosse Tüpfel darin vorhanden sind, ein \^erhalten, welches zuerst Wilhelm^ 1 Vergl. hiezu: A. Meyer, Ber. der deutschen bot, Gesellsch. Bd. 14 (1896), S. 154. 2 E. Strasburg er, Die Vertreterinnen der Geleitzellen im Siebtheil der Gymnospermen. Separatabdr. aus mathem. und naturwiss. Mitth. aus den Sitzb. der kgl. preuss. Akad. der Wiss. in Berlin. März 1890, S. 133 — 142. 3 K. Wilhelm, Beiträge zur Kenntniss des Siebröhrenapparates dicotyler Pflanzen. Leipzig 1880, S. 29, Leitungswege der organischen Baustoffe. 15^ aufgefallen ist. Eine weitere Einrichtung ist die, dass die Berührungsfläche zwischen den Siebröhren und Geleitzellen als eine möglich grosse gewählt worden ist. Man kann endlich fest- stellen, dass die Geleitzellen stets an einer Stelle mit dem Speicherparenchym (Markstrahl oder verticaler Parenchym- strang) in Verbindung stehen, wie Lecomte^ und Stras- burger- zuerst bemerkten. Untereinander stehen die Geleit- zellen, wenigstens auf längere Strecken hin, niemals in längs- reihiger Verbindung. Wenn nun gerade im Verlaufe dieses anatomisch charakterisirten Weges der Stoffleitung die Plasma- verbindungen in den allermeisten Fällen gänzlich fehlen, so spricht dies nicht dafür, dass es ausschliesslich die Plasmaver- bindungen sind, welche den Stofftransport von Zelle zu Zelle vermitteln. Auf Grund der geschilderten Befunde möchte ich denn auch die von Kienitz-Gerloff besonders geäusserte Meinung, dahingehend, dass sich der Stoffaustausch durch die Plasma- verbindungen bewegt, abweisen, und damit auch die An- schauung, dass die Protoplasmaströmung das Movens bei der Stoffleitung abgibt. Es soll jedoch durchaus nicht bestritten werden, dass die Plasmaverbindungen, besonders dort, wo sie mächtig entwickelt sind, einen hervorragenden Einfluss in der Mechanik der Stoff bewegung besitzen. Nachdem eine active Bewegungsthätigkeit des Protoplasma verbunden mit Ortsveränderungen von Plasmamassen für die Stoftleitung als hauptsächlich wirksamer Factor nicht in Frage kommen kann, muss die Rolle, welche dem lebenden Proto- plasma nachweisbar allein beim Stoffaustausch zukommt, wesentlich anderer Art sein. Wenn ich auch nicht glaube, dass auf Grund unseres derzeitigen Wissens ein eindringendes Ver- ständniss der Details dieser Vorgänge erreicht werden kann, so scheinen mir die allgemeinen Grundzüge durch eine Reihe physiologischer Erfahrungen bereits sichergestellt zu sein. Ob wir es mit Siebröhren, oder ob wir es mit Parenchym- zellen zu thun haben, im Wesentlichen handelt es sich beim 1 H. Lecomte, 1. c. S. 232. '■^ E. Strasburger, 1. c. S. 223. 158 F. Czapek, Übertritt von StofTen aus einer Zelle in die andere um dieselben Vorgänge. Unsere Versuche mit getödteten Blattstielpartien haben gezeigt, dass es sich gewiss nicht bei der StofTleitung um eine, wie an leblosen Apparaten statthndende Diffusion von Substanzen aus einer Zelle in die andere handelt. Die lange bekannte Thatsache, dass Traubenzucker aus lebenden Zellen nicht herausdiffundirt, zeigt uns ja dasselbe. Für eine Substanz, welche wie der Traubenzucker im Stoff- austausch zwischen Gewebselementen eine so hervorragende Rolle spielt, ist das Protoplasma im lebenden intacten Zustand nicht permeabel. Das deutet schon daraufhin, dass es sich beim Fortleiten einer Substanz von Zelle zu Zelle nicht um blosse Diffusion durch Plasmaschlauch und Zellwand handeln kann, sondern dass hiebei das Protoplasma activ eingreift, die Sub- stanz einerseits aufnimmt und chemisch bindet, anderseits wieder ausscheidet. Das Ausscheidungsproduct, durch die Zell- wand hindurchdiffundirt, wird nun von der nächsten Zelle wieder aufgenommen und der Process wiederholt sich von Neuem. Ich möchte also daran festhalten, dass bei jedem Stoff- leitungsprocess einerseits Bindung, anderseits Ausscheidung seitens des lebenden Protoplasmas der leitenden Elemente er- folgt. Daraus ergibt sich, dass der Vacuole der leitenden Ele- mente keine directe Bedeutung bezüglich der Stoffwanderung zukommt. VC^'ohl aber dürfte dieselbe als Nahrungsvacuole, als Speicherorgan für das Protoplasma dienen. Wie wir sahen, wird der Vorgang der Stoffwanderung durch Chloroformnarkose der Zellen sistirt. Dies spricht nicht dafür, dass die Wirkung eines fermentativ wirksamen Körpers bei dem Process der Stoffauf- nahme und Abgabe der leitenden Elemente als hauptsächlicher Factor betheiligt ist, weil auf derartige Reactionen Chloroform hemmend nicht einzuwirken pflegt. Wie hervorgehoben, sind die Vorgänge der Stoffleitung für alle Pflanzenzellen wesentlich dieselben. Die leitenden Ele- mente, die als solche differenzirt sind, besitzen jedoch mehr- fache fördernde Einrichtungen. Vor Allem ist dies die auffallende Längsstreckung der Elemente. Der grösste Nutzen dieser Ein- richtung ist der, dass auf längere Strecken als sonst in der Richtung der Stoffleitung ein einziger Plasmakörper mit Vacuole Leitungswege der organischen Baustoffe. ] 59 vorhanden ist, in Dimensionen, welche sonst mehrere Zellen zusammen einnehmen. Es werden dadurch wiederholte Auf- nahms- und Abgabeprocesse durch einen einzigen ersetzt und dadurch die bedeutend raschere P\")rtbewegung der zu leitenden Substanzen ermöglicht. Dass die Zahl der zwischengelagerten Querwände ver- mindert wurde, ist wegen des äusserst geringen Widerstandes, den die Membranen dieser Zellen der Diffusionsbewegung ent- gegensetzen, nebensächlich. Ein weiterer untersti^Uzender Factor in der Einrichtung der leitenden Elemente ist die Vergrösserung der Contactfläche aufeinanderfolgender Elemente durch steile Schräglage der Querwände. Dadurch wird selbstverständlich die Oberfläche, von der die abgegebenen Stoffe der einen Zelle der anderen Zelle zuströmen, und ebenso die Aufnahmsfläche so weit als möglich vergrössert. Bei den Siebröhren ist eine der- artige Schrägstellung der Querwände zwischen den Siebröhren- gliedern ein äusserst verbreitetes Vorkommniss. Hieher gehört ferner auch der eingekeilte V^erband der langspindeligen Cam- biformzellen. Auch diese \'erbindungsweise spindelförmiger Zellen hat die Erreichung einer möglichst grossen Contactfläche zum Zwecke. Die höchste Stufe der Vollendung erreichen die leitenden Elemente in der Ausbildung der Siebröhren bei den Angio- spermen, woselbst durch die Durchbrechung der scheidenden Querwände und die Verbindung der Plasmakörper der einzelnen Glieder durch starke Plasmaröhrchen sämmtliche Plasmakörper einer Kette von Siebröhrengliedern vereinigt werden. Es sei auch noch der ansprechenden Vermuthung A. Meyer's^ gedacht, dass die Tüpfelausfüllungen aus Protoplasma, wie sie sich bei den Holzmarkstrahlzellen finden, ebenfalls sehr zweckdienliche Einrichtungen zum Stoffaustausch mit den Nachbarzellen sind^ indem sie die dünne Schliesshaut mit protoplasmatischen Saug- fäden umspannen und ähnlich thätig sind, wie die Wurzelhaare an Erdbodenpartikeln. Die Siebröhren besitzen, wie bekannt, noch eine andere Einrichtung, welche anderen leitenden Elementen fehlt, bei den 1 A. Meyer, Bot. Zeitung. Bd. 54 (1896), I. .Abth., S. 205. Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. ; GVL Bd., Abth. I. 1 1 160 F. Czapek, Siebrühren aber auch bei jenen der Gymnospermen und Pterido- phyten vorhanden ist, nämhch die Fähigkeit, die einzelnen Glieder beim Einstellen der Thätigkeit im Spätherbst oder beim Übergang in den bleibend inactiven Zustand durch Callus- massen von einander abzuschliessen. Wie von Strasburger dargelegt wurde, geht die Callus- bildung von den protoplasmatischen Verbindungsbrücken der Siebröhrenglieder aus. Es darf wohl als sicherstehend gelten, dass der Callus keinen anderen Zweck hat, als die Siebröhren unwegsam zu machen, indem die Verbindungsbrücken hiedurch äusserst eingeengt werden. Dass mittelbar die Geleitzellen bei der Stoffbewegung in den Siebröhren mitwirken müssen, ist leicht verständlich, in- dem dieselben als Absorptionsorgane fungirend durch fort- währende Aufnahme der zugeleiteten Substanzen aus den Sieb- röhren ein rascheres Zuströmen ermöglichen. Vt^enn auch im Allgemeinen der Satz, dass lebhafter Verbrauch von Nährstoffen ein lebhaftes Zuströmen dieser Substanzen nach dem Ver- brauchsorte unterhält, richtig ist, so dürfen wir doch nicht vergessen, dass es keineswegs das Aufnehmen der zu ver- brauchenden Substanzen seitens der verarbeitenden Zellen direct sein muss, welches das Nachströmen neuer Substanz- mengen bewirkt. Es kommen gewiss auch indirect bewirkte, ausgelöste Vorgänge hiebei in Frage, wie z. B. Wirkungen auf die Eigenschaften und Thätigkeit der Plasmahaut der benach- barten Zellen. Diese Verhältnisse harren noch einer näheren Untersuchung. IIL Abschnitt. Stoffleitung, Organbildung und Individualisirung. Die Erscheinungen an geringelten Stecklingen haben wir im ersten Capitel dazu benützt, um an denselben ein Reagens für die Möglichkeit des Stattfindens von Stoffaustausch zwischen beiden Ringelstücken zu gewinnen. Es handelt sich uns nun weiter darum, den Connex zwischen Stoffaustausch und Organ- bildung an Stecklingen und anderen Pflanzentheilen näher zu Leitungswege der organischen Baustoffe. 161 zergliedern. Dabei schliessen wir uns an die bekannten Unter- suchungen Vöchting's^ an, welclier sich \'on allen Forschern wohl am eingehendsten mit der Organbildung an Stecklingen befasst hat. Uns handelt es sich aber darum, zu untersuchen, inwieweit eine Organbildung überhaupt an einem Pflanzentheil vom Stoff- austausch mit anderen Theilen desselben Pflanzenindividuums abhängt, gleichgiltig, ob nun Wurzeln oder Sprosse gebildet werden sollen. Indem es sich hiebei naturgemäss um eine Ergänzung des betreffenden Pflanzentheiles zu einem voll- ständigen Individuum handeln muss, so kommen wir zu den Fragen, unter welchen Bedingungen eine Abtrennung von voll- ständigen Pflanzenindividuen von einem Pflanzenstock statt- findet, was an einem Pflanzenstock überhaupt »Individuum« genannt werden muss, und wie weit die correlative Abhängig- keit der einzelnen Organe und zelligen Elemente einer Pflanze sich experimentell in ein Verhältniss der Unabhängigkeit um- gestalten lässt. Abgeschnittene Zweige von Holzpflanzen, »Stecklinge«, sind Pflanzentheile, welche vor dem Laubausbruch ihrer ganzen Länge nach physiologisch vollkommen homogenes Material darstellen. Sie sind deswegen für unsere Zwecke sehr werthvoU. Denn wenn sich Theile hievon zu selbständigen Individuen ausgestalten sollen, so müssen sich stets Wurzeln und Sprosse an denselben in gesetzmässiger Anordnung ausbilden. An Zweigen hingegen, welche noch im Verbände mit dem Stamme der Pflanze stehen, handelt es sich immer nur um Wurzel- bildung bei der Ergänzung zum selbständigen Individuum, und es würde hier schwer halten, die Bedingungen zur Bildung von Wurzeln und die Modalitäten der Ausgestaltung zum selbständigen Individuum auseinanderzuhalten und ein Urtheil über die Bedingungen derlndividualisirung dieses Theiles zu gewinnen. Die an geringelten Stecklingen zu beobachtenden Erschei- nungen sind kurz zusammengefasst folgende: 1 H. Vöchting, Über Organbildung im Pflanzenreiche. I. Theil. Bonn 1878, S. 35 ff. 162 F. Czapek, 1. Die durch eine vollständige Ringelwunde (die Breite derselben ist gleichgiltig) getrennten Theilstücke entwickeln Wurzeln und Sprosse und werden zu vollständigen, von ein- ander unabhängigen Individuen. Die Länge der Theilstücke hat nur auf die Zahl und die Üppigkeit der ausgebildeten Organe Einfluss und ist für die Individualisirung der Abschnitte irrelevant. 2. Lässt man eine gerade Brücke aus Rinde von beliebiger Breite beide Ränder der Ringelwunde vereinigen, so entwickeln sich Wurzeln und Sprosse niemals in der geraden Fortsetzung der Ringelbrücke, während unterhalb und oberhalb der ge- trennten Wundrandstellen allenthalben in bekannter gesetz- mässiger Weise sich Wurzeln, respective Sprosse ausbilden. Die hidividualisirung der Theilstücke ist daher nicht auf der ganzen Peripherie derselben zur Entwicklung gekommen, sondern nimmt die Gegend der Rindenbrücke aus. Dieser alte Versuch ist sehr lehrreich. Er zeigt, dass die Ausbildung von Wurzeln am oberen Wundrand und Sprossen am unteren Theilstück direct ausgelöst ist durch die Unterbrechung des Stoffaustausches der Theilstücke. Es wird ferner dadurch dar- gethan, dass die Richtung des möglichen Stoffaustausches nur eine geradlinige sein kann, so dass die der Rindenbrücke benachbarten Stellen der Ringelwundränder nicht mehr durch die Brücke mit Stoffen aus dem anderen Theilstück des Steck- lings versorgt werden können. Endlich geht daraus hervor, dass die Individualisirung von Theilstücken eines Pflanzen- organs keine total längs der ganzen Peripherie des Organs stattfindende sein muss, sondern dass z. B. eine Längshälfte eines Zweiges alle Eigenschaften eines selbständigen Indivi- duums haben kann, während die andere Hälfte im Verbände des Pflanzenstockes steht.^ Somit sind an dem Zweige die Gewebe nur insoweit im Verbände eines Individuums, als die- selben mit einander in Nährstoffaustausch stehen. Der gerad- linigen Fortbewegung der Substanzen wegen, die in den Sieb- röhren geschieht, besteht eigentlich der Stamm oder ein Zweig einer Pflanze aus Längsstreifen, welche mit einander nur inso- 1 Vergl. Vöchting, 1. c. S. 39. Leitungswege der organischen Baustoffe. 1 ()'T weit im Indixidualverhande stehen, als zwischen ihnen auch seitlich gerichteter Stoffaiistausch stattfindet. 3. Theilsti.icke geringelter Stecklinge, welche durch eine zweimal rechtwinkelig gebogene, in der Mitte mit einem hoii- zontal verlaufenden Theil versehene Rindenbrücke \-erbunden sind, entwickeln am oberen Wundrand der Ringelung und an der Knickungsstelle des vertical herab \"erlaufenden Theiles der Rindenbrücke, dort wo derselbe in den horizontalen Theil übergeht, Wurzeln, und im unteren Theilstück allseitig Sprosse. Sie verhalten sich also im Allgemeinen so wie die Theilstücke vollständig geringelter Stecklinge. Es ist somit die Vi'inkelige Rindenbrücke in Bezug auf die Erhaltung der Individualität des ganzen Stecklings gänzlich unwirksam, und es ist ebenso, als ob die Ringelung eine vollständige wäre. Wir haben bereits gesehen, dass die Winkelbrücke die Stoffleitung aus dem oberen Theilstück in das untere und umgekehrt nicht gestattet. Es steht demnach auch hier die Individualisirung der Theil- stücke im causalen Abhängigkeitsverhältnisse zum Aufhören des Stoffaustausches zwischen denselben. 4. Operirt man Stecklinge (am besten Salix fragüis) so, dass man den Holzkörper durchtrennt, ohne die Rinde an der betreffenden Stelle zu zerstören, so entwickeln die Zweige an der Operationsstelle keine Wurzeln und Sprosse. Es entstehen Wurzeln nur am basalen Theile des Stecklings und Sprosse am apicalen, ohne dass die Individualität des Zweiges getheilt wn-d. Die Operation lässt sich leicht ausführen, indem man an der gewählten Stelle 2 — 3 verticale Einschitte durch die Rinde bis auf das Holz macht, die Rinde behutsam vom Holz ablöst und nun mit starker Scheere das Holz isolirt durchtrennt. Der Stoffaustausch zwischen den Theilstücken kann durch die erhaltene Rinde ungestört vor sich gehen, und damit steht in Zusammenhang die Erhaltung der Einheit der hidividualität des Zweiges. Selbstverständlich muss der Versuch im feuchten Räume gehalten werden, damit kein Vertrocknen der Rinden - brücke erfolgt. Aus den angeführten Erfahrungen ergibt sich somit, dass eine ein Theilstück eines geringelten Stecklings zum selbst- ständigen hidividuum ergänzende Organbildung nur dann 164 F. Czapek, erfolgt, wenn der Stoffaustausch zwischen den Theilstücken unterbrochen ist. Die Wurzelbildung am oberen Rande einer Ringelwunde ist somit ausgelöst durch die Unterbrechung des Stoffaustausches mit den unterhalb der Wunde gelegenen Theilen des Zweiges. Wenn der Reiz des Aufhörens des Stoff- austausches zwischen den Theilstücken eine Organbildung bedingt, welche zur Ausgestaltung der Theilstücke zu selbst- ständigen Individuen führt, so haben wir es wieder mit einem selbstregulatorischen \'organg zu thun, welcher zur Wieder- herstellung des früheren Zustandes Anlass gibt. Es ist zu betonen, dass es sich nicht etwa um einen Reizvorgang handelt, der ausschliesslich in einer reactiven Wurzelbildung besteht. Dies zeigt ja die Sprossbildung am unteren Theilstück, welche nur bei vollkommener Sistirung des Stoffaustausches zwischen beiden Theilstücken eintritt, also ebenso gut wie die Wurzel- bildung am oberen Ringelwundrand eine reactive Organbildung bedeutet. DieReizreaction besteht somit nicht in der Ausbildung einer bestimmten Gattung von Organen, sondern in der Er- gänzung der Theilstücke zu selbständigen Individuen durch das Auftreten der hiezu nothwendigen Organe. An dieser Stelle ist auch zu behandeln die Physiologie jener Vorgänge, welche zur Bewurzelung von Zweigen, die noch in Zusammenhang mit dem Pflanzenstock sind, führen und in der gärtnerischen Praxis als Ablegerbildung seit altersher verwerthet werden. Führt man gut bewurzelte Stecklingstämme von Salix fragilis oder Stengel von Phaseohis multißorus durch die Bodenöffnung eines Gartengeschirres durch und befestigt das letztere so, dass die Mitte des Stammes der Ver- suchspflanze von dem Gartengeschirr umgeben wird und füllt das Geschirr mit feucht zu erhaltender Erde an, so entstehen binnen 2 — 3 Wochen unter günstigen Vegetationsbedingungen an der in Erde befindlichen Stelle zahlreiche Wurzeln. Ein aus- gezeichnet günstiges Object sind Stecklinge von Etipatorinni adenophorum, welche im Sommer binnen wenigen Tagen an jeder beliebigen Stammstelle, wenn man sie dort mit Erde umgibt, Wurzeln schlagen. Die Versuche gelingen aber mit sehr zahlreichen Garten- pflanzen. Untersucht man die bewurzelte Stengelstrecke und Leitungswege der organischen Baustoffe. 165 deren Nachbarschaft genau, so kann man in deren Geweben nicht die mindeste V^eränderung gegenüber der Norm con- statiren, abgesehen von einem durch das Zugrundegehen des Chloroph^/lls bedingten Verbleichen nach längerem Aufenthalt in Erde, hisbesonders sind im Leptom keine Veränderungen zu finden und auch keine Gefässveränderungen. Von dieser Eigenschaft vieler Zweige, sich in der Conti- nuität zu bewurzeln^ macht man bekanntlich in der Gärtnerei öfters Gebrauch bei Pflanzen, deren Stecklinge sich schwer bewurzeln, z. B. bei Dracaenen. In den Tropen, z. B. in Ost- indien, wird dieses Verfahren (nach mündlichen Mittheilungen Herrn Hofrath VViesner's) viel ausgedehnter gehandhabt als bei uns. In der Natur ist die geschilderte Erscheinung hie und da zu beobachten. So spricht Magnus^ von Fichten, deren unterste Zweige, dem Boden dicht aufliegend, sich bewurzelt hatten. Nach Schübeler^ soll es besonders häufig bei Picea nigra sein. Wenn krautige Pflanzen lange Stolonen treiben, welche am Ende Blattbüschel entwickeln und unter günstigen Bedin- gungen sich bewurzeln, so sind dabei verwandte Vorgänge im Spiel. Diese vegetative Propagation hat jedoch schon voraus, dass die Wurzelanlagen an den Blattbüscheln der Stolonen stets vorhanden sind und in Berührung mit dem Boden sich nur weiterentwickeln (Ranniicnlns rcpens, Fragaria, Potentiila rcptans). Man kann sich leicht überzeugen, dass auch kräftig ein- gewurzelte, noch in Zusammenhang mit der Mutterpflanze befindliche Zweige ihren Wasserbedarf nicht nur aus ihren neuen Wurzeln, sondern auch aus dem Wurzelsystem des Stammes decken. Wenn man Topfpflanzen zum Versuche nimmt, so kann man den Feuchtigkeitsgrad sowohl in dem Boden des Wurzelsystems des Stammes, als auch in der Erde variiren, welche zum Einwurzeln des betreffenden Zweiges dient. Man kann da sehen, dass ein Trockenwerden der Erde, P. Magnus, Botan. Zeitung (1874), Bd. 36, S. 669. Cit. bei Magnus. 166 F. Czapek, in der die ganze Pflanze wurzelt, ein Welkwerden auch des bewurzelten Zweiges verursacht. Man kann auch die Erde, in der die Pflanze wurzelt, mit einer verdünnten Eisenvitriollösung begiessen und dem bewurzelten Zweig verdünnte Kaliumferrocyanatlösung dar- reichen. Es entsteht dann in den Gefässen des Zweiges allent- halben ein Niederschlag von Berlinerblau, zum Zeichen, dass das Wasser aus dem Wurzelsystem des Stammes auch in den selbständig bewurzelten Zweig aufgestiegen ist. Ein ähnlicher derartiger V^ersuch ist bereits von Schnürlen^ unter MohTs Leitung mit demselben Erfolg an eingewurzelten Stolonen von Fragaria angestellt worden. Daraus ist zu schli essen, dass die Wurzelentwicklung in den beobachteten Eällen bei ungestörter Wasserzuleiiung in den Zweig vor sich geht und von dem Wassertransport aus dem Stamme unabhängig ist. Es ist vielmehr die Wurzelbildung in diesen Fällen als ein Reizvorgang für sich, ohne ein Symptom von Individualisirung des Zweiges zu sein, aufzufassen. Die Pflanze antwortet auf die Verdunkelung und das Feuchthalten der in Erde eingehüllten Zweigstücke mit der Bildung von Wurzeln an diesen Stellen. Diese Wurzelbildung ist demnach eine ganz andere Erscheinung als wie das Auftreten von Wurzeln am oberen Wundrande der Ringelwunde eines Stecklings. Die letztbesprochenen Erscheinungen liefern einen neuen Beweis zu dem oben ausgesprochenen Satz, dass Theile eines pflanzlichen Organismus sich nur dann zu selbständigen Indi- viduen ausbilden, sobald der Stoffaustausch zwischen dem übrigen Pflanzenkörper und ihnen sistirt hat. Wenn also auch eine aus dem Ende eines Ausläufers hervorgegangene Erdbeer- pflanze, sobald sie sich eben zu bewurzeln beginnt, noch nicht als selbständiges Individuum betrachtet werden kann, weil sie z. B. mit dem Welken und Tod der Mutterpflanze bei Aus- trocknung auch mit zu Grunde geht, so liegt gleichwohl in der ' G. Schnürlen, Untersuchungen über die Frage: In welchem Systeme des Holzes wird der rohe Nahrungssaft zu den Organen geleitet? Tübingen 1843 (Dissertation aus dem Mohl'schen Institute). S. 22 ff. Leitungswege der organischen Baustoffe. 16/ erfolgenden Auswurzelung der Beginn des späteren Selbst- ständigwerdens. Die junge Pflanze deckt in dem Maasse, als ihre Laubblätter und Wurzeln in der Function erstarken, allmälig ihren eigenen Bedarf selbst, und es tritt diese eigene Production in wirksame Concurrenz mit den durch den Aus- läufer zugeführten Producten der Mutterpflanze. Der Effect hievon ist, dass die Leitungswege im Ausläufer, je weniger ihre Thätigkeit in Anspruch genommen wird, regressive V'eränderungen eingehen, die Gefässe bilden Verstopfungen aus, die Siebröhren Callusmassen, und schliesslich erlischt der Stoffaustausch in diesen Bahnen vollständig. Hier ist es auf diese Art die Concurrenz der Eigenproduction der Tochterpflanze mit der Zufuhr, in welcher erstere den Sieg davonträgt und zum Aufhören des Stoffaustausches mit der Mutterpflanze führt, womit die Bedingung der Erreichung selbständiger Existenz als selbständiges Individuum gegeben erscheint. Wenn sich z. B. die Theilstücke eines geringelten Steck- lings zu zwei selbständigen hidividuen heranbilden, so ist dadurch bewiesen, dass in dem Zweig trotz der Arbeitstheilung in seinen lebenden Elementen potentiell in jedem Theil alle Fähigkeiten, welche der Pflanze als Ganzes zukommen, erhalten sind. Ich kann den Steckling durch Ringelung oder Scheidung von Längsstreifen so weit successive in selbständige Individuen theilen, bis der mit der Kleinheit der Theilstücke rasch zu- nehmende Mangel an verfügbarem Baumaterial zur Ausbildung der Organe und anderweitige traumatische Effecte dem Processe ein Ende machen. Wenn man daher einen Steckling mit einem Magnet ver- glichen hat, welcher, in noch so kleine Theile getheilt, in jedem Theil dieselben Eigenschaften aufweist, wie sie der Magnet als Ganzes besessen hatte, so ist dieses Bild bis zu einem gewissen Grade nicht ohne Berechtigung gebraucht worden. Der Vergleich endet freilich damit, dass die theoretische Theil- barkeitsgrenze ein möglichst schmaler Sector einer möglichst dünnen Ouerscheibe des Zweiges ist, worin sämmtliche Gewebe des Stammes enthalten sind. Das kleinste Individuum, welches man aus dem Steckling herstellen kann, wird der Arbeits- 168 F. Czapek, theilung der Gewebe wegen immer nur ein derartiger Sector sein und niemals eine Zelle, wie es bei einem Algenfaden, einem Moosblatt, der Fall ist. IV. Abschnitt. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse. 1. Durch Resection von Gewebslamellen aus Blattstielen, wobei die Continuität in der halben Querschnittsfläche unter- brochen wird, vermag man die Ableitung der assimilirten Kohle- hj^drate aus der entsprechenden Laminahälfte zu verhindern, vorausgesetzt, dass die Leitbi^uidel aus der Spreite im Stiele getrennt, ohne Anastomosenstränge herablaufen. Es folgt daraus, dass die Leitungswege der Kohlehydrate hier nicht im Grund- parenchym liegen können, weil sonst auch Quer- und Schräg- leitung und damit Ausbleiben des thatsächlich eingetretenen Versuchserfolges hätte beobachtet werden müssen. Es müssen vielmehr die Leitungswege geradlinige Bahnen sein, und somit können nur die Leptomstränge des Blattstieles hiefür in Betracht gezogen werden. 2. Über das speciell leitend functionirende Gewebe für Kohlehydrate und stickstoffhaltige Assimilate innerhalb des Leptoms geben geeignete Ringelungsversuche Aufschluss. Bringt man an einem Steckling oder einem Ast im Zusammen- hang mit der Mutterpflanze eine unvollständige Ringelung so an, dass eine Rindenbrücke erhalten bleibt, die nicht gerad- linig läuft, sondern zweimal rechtwinkelig geknickt ist und in der Mitte einen horizontalen Schenkel enthält, so ergibt sich ein Resultat, als ob die Ringelung eine vollständige wäre. An dem horizontalen Brückenaste entwickeln sich weder Callus noch Wurzeln, während gerade am unteren Rande des oberen verticalen Schenkels reichlich Callus- und Wurzelbildung auftritt. Eine Querleitung der organischen Baustoffe konnte demnach im Phloem selbst wieder nicht oder nur in sehr be- schränktem Maasse stattfinden. Es müssen somit im Phloem selbst nur geradlinige Bahnen für diese Leitungsvorgänge prä- formirt sein, eine Rolle, welche ausschliesslich den Siebröhren Leitungswege der organischen Baustoffe. 169 und Cambiformzellen für alle Stoffe zufallen muss. Die ersteren Elemente spielen wohl hiebei die Hauptrolle. Ausser Stärke sind auch Zuckerarten im Siebröhreninhalt ein weitverbreitetes Vorkommniss. Das Leptomparenchym ist das Speichergewebe des Lep- toms. Am häufigsten lagert sich in dessen Zellen Stärke in grossen Quantitäten ab. Nicht selten ist jedoch ausserdem ein reichliches Vorkommen von Reserveprotein zu beobachten. 3. Todte Leptomtheile sind zur Fortleitung der Assimilate nicht mehr befähigt. Ebenso kann man die Fortleitung durch Chloroformnarkose sistiren. Hingegen vermögen plasmolysirte Leptompartien ihre leitende Function ungestört auszuüben. Die normale Ableitung der Kohlehydrate aus Laubblättern ist weder von der Verbindung des Blattes mit den Sprossspitzen, noch von dem Zusammenhang mit dem Wurzelsystem abhängig. Bedingung ist nur das Vorhandensein einer ausreichend langen Strecke der Transportstrasse. Diese Erfahrungen lehren, dass reine Diffusionsvorgänge ohne Thätigkeit des lebenden Plasmas, wie an organischen Systemen, die Stoffleitung auch auf ganz kurze Strecken nicht unterhalten können, ferner dass eine Turgorpressung der be- nachbarten Elemente als hauptsächliche Bewegungsursache für die Stoffleitung nicht in Frage kommen kann. Diese Thätigkeit des lebenden Protoplasmas, welche die Stoffleitung bewerkstelligt, ist weder die Protoplasmaströmung, wie de Vries behauptet hatte, noch kommen hiebei die Plasma- verbindungen als wesentliches und unentbehrliches Moment in Betracht. Man kann sich die Stoffleitung nur an eine fort- dauernde Aufnahme und Ausgabe der betreffenden Substanzen durch das Protoplasma der leitenden Elemente gebunden vor- stellen, so dass das Protoplasma ein-er jeden Zelle die Stoffe aus der vorhergehenden Zelle aufnimmt, sie hernach wieder ausscheidet, worauf dieselben von dem Protoplasma der nächst- folgenden Zelle aufgenommen werden. Die continuirliche Com- munication des Protoplasmas der Siebröhrenglieder bei den Angiospermen muss diese Processe im höchsten Grade unter- stützen. ] 70 F. Czapek, Leitungswege der organischen Baustoffe. 4. Die Individualisimng einzelner Glieder eines Pflanzen- stockes ist eine Reaction, ausgelöst durch das Aufliören des Stoffaustausches zwischen dem abzutrennenden Glied und dem Mutterstock. Wohl zu unterscheiden von Individualisirung ist die reac- tive Wurzelbildung, die durch eine Reihe äusserer Factoren vielfach an Zweigen einer Pflanze willkürlich hervorgerufen werden kann. 171 VIII. SITZUNG VOM 11. MÄRZ 1897. Erschienen: Sitzungsberichte, Bd. 105, Abth. 1, Heft VIII— X (October bis December 1896). Der Secretär legt das im Auftrage Sr. k. u. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Ludwig Salvator, Ehrenmitgliedes der kaiserlichen Akademie, durch die Buch- druckerei Heinrich Mercy in Prag übersendete Druckwerk: Die Liparischen Inseln. VII. »Stromboli« vor. Der Secretär verliest ein Schreiben des k. u. k. General- consuls in Bombay, Herrn E. O. Remy-Berzencovich V. Szillas, vom 20. Februar 1. J., worin derselbe die Versiche- rung ausspricht, dass dieses Consulat bestrebt sein wird, den Intentionen der kaiserl. Akademie der Wissenschaften ent- sprechend die zum Studium der in Bombay herrschenden Beulenpest daselbst angelangten Mitglieder der Wiener medici- nischen Schule in den verschiedenen Fach- und sonstigen Kreisen bestmöglichst zu unterstützen und dahin zu wirken, dass den Forschern zum Zwecke bakteriologischer und patho- logischer Untersuchungen sowohl von Seite der Municipalität, als von den Sanitätsbehörden grössere Localitäten zur Ver- fügung gestellt werden. Das w. M. Herr Hofrath Prof. Toldt überreicht eine in seinem Institute ausgeführte Arbeit von den Doctoren M. Stein- te ebner und C. Titte 1 unter dem Titel: »Der Musculus ventricularis des Menschen«. 172 IX. SITZUNG VOM 18. MÄRZ 1897. Das k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht übermittelt den VI. Band des im Wege des k. u. k. Ministeriums des Äussern eingelangten italienischen Druckwerkes: »Le Opere di Galileo Galilei«. Der S e c r e t ä r verliest ein Schreiben ddo. Bombay 27. Februar 1. J., in welchem die Mitglieder der ärztlichen Ex- pedition an die kaiserliche Akademie über ihre Ankunft in Bombay am 20. Februar und den ihnen von Seite des k. u. k. General-Consulates daselbst an Bord des »Imperator« bereiteten Empfang, sowie über die freundliche Aufnahme berichten, die ihnen von Seite des Gouverneurs, der Municipalität und der Sanitätsbehörden von Bombay zu Theil wurde, deren Zuvor- kommenheit sie auch die Zuweisung von drei ihren Zwecken entsprechenden Arbeitsräumen in einer dortigen High-School verdanken. Sämmtliche Mitglieder der Mission sind in dem- selben Hotel (Esplanade) untergebracht, ihr Befinden ist ein gutes. Das w. M. Herr Prof. Friedrich Brauer überreicht eine Abhandlung des Herrn Dr. Anton Wagn er, Regimentsarzt an der k. u. k. Theresianischen Militär-Akademie in Wiener-Neustadt, unter dem Titel: »Monographie der Gattung Pomatias Studer«. Das w. M. Herr Regierungsrath Prof. F. Mertens über- reicht folgende zwei Abhandlungen: 1. »Über Dirichlet's Beweis des Satzes, dass jede unbegrenzte ganzzahlige arithmetische Progression, deren Differenz zu ihren Gliedern th eilerfremd ist, unendlich viele Primzahlen enthält«. 2. »Über eine zahlentheoretische Aufgabe«. 173 Herr Dr. Alois Kreidl, Assistent am physiologischen Institute der k. k. Universität in Wien, überreicht eine Ab- handlung, betitelt : »Experimentelle Untersuchungen über das Wurzelgebiet des Nervus giosso-pharyngeus, Vagus und Accessorius beim Affen.« Herr Dr. Jos. Ritter Lorenz v. Liburnau, k. k. Sections- Chefi. R., überreicht eine Abhandlung: »Über eine fossile Halhneda aus dem Flysch bei Salzburg«. Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht zugekommene Periodica sind eingelangt: Erzherzog Ludwig Salvator, Die Liparischen Inseln. VII. »StromboU«, Prag, 1896; Folio. Le Prince Albert P'", Prince souverain de Monaco, Resultats des Campagnes Scientifiques accomplies sur Son Yacht. Publies sous la direction avec le concours de M. Jules Richard, Charge des Travaux zoologiques ä bord. Fascicule XI. Contribution ä Tetude des Stellerides de l'Atlantique Nord (Golfe de Gascogne, A9ores, Terre Neuve), par IM. E. Periere. (Avec 4 Planches.) Monaco, 1896; Folio. Le Opere di Galileo Galilei. Edizione nazionale sotto gli Auspicii Sua Maestä il Re d'Italia. Volume VI. Firenze, 1896; 40. Arth G., R ecueil de procedes de dosage pour l'analyse des combustibles des minerais de fer, des fontes des aciers et des fers. Paris, 1897; 8^'. Astl-Leonhard H., Ein deutsches Testament. Die Natur als Organismus. Wien, 1897; 8*^. Belohoubek A., M. Louis Pasteur (Biographie in cechi- scher Sprache). Prag, 1897; 8". Demouli n A., Memoire sur l'application d'une methode vectorielle ä l'etude de divers- systemes de droites (Com- plexes, Congruences, Surfaces reglees). Bruxelles, 1894; 8". Draghicenu M. M., Les Tremblements de Terre de la Roumanie et des pays environnants. Bukarest, 1896; 8*^. Socolow S., Nouvelles Recherches Astronomiques. Moscou, 1896; 8°. 174 Eine fossile Halimeda aus dem Flysch von Muntigl (monticulus) bei Salzburg von Dr. Josef Ritter Lorenz v. Liburnau sen. (Mit 2 Tafeln.) Der ersten fossilen Halimeda, welche Herr Director Theodor Fuchs 1894 beschrieben hat/ folgt nun eine zweite aus einem Formationsgliede^ welches, dem geologischen Horizonte nach, der Standörtlichkeit jener ersten Halimeda (eocänem Sandstein) nahe steht, nämlich aus dem präalpinen Flysch, dessen Stellung bisher nur noch zwischen Kreide und Eocän fraglich ist. Die interessante Sammlung von Flyschabdrücken im städtischen »Museum Carolino-Augusteum« zu Salzburg ist vor einigen Jahren durch eine bis dahin noch nicht vorge- kommene, schöne und ansehnliche Algenform bereichert worden, die von Steinbrucharbeitern in einer der an Fucoiden reichen Bänke von Kalkmergel bei Aluntigl blossgelegt, durch die Für- sorge des Freiherrn Josef v. Doblhoff dem Museum gesichert wurde und bisher nur in zwei Exemplaren (Nr. 16.298 und 16.300 der Sammlung) vorliegt.^ Ich glaube nun eine Reihe 1 über eine fossile Halimeda aus dem eocänen Sandstein von Greifen- stein. Diese Sitzungsberichte, 1894. 2 Ein drittes noch grösseres und schöneres Exemplar habe ich im Sommer 1896 in der Hütte eines Steinbrucharbeiters gesehen, der es nach einer be- stehenden Vereinbarung zunächst dem Museum hätte anbieten sollen. Aus diesem Grunde unterliess ich es, das Stück zu acquiriren, und machte nur im Museum davon Mittheilung; der werthvolle Fund ist jedoch nicht dahin gelangt und wahrscheinlich vom Arbeiter entgegen seiner Verpflichtung anderweitig verkauft worden. Eine fossile Haliiiicda. 17o kurzer Abhandlungen über neue oder noch fraghche Flysch- abdrücke mit der Vorführung der erwähnten neuen Algenform beginnen zu sollen, über die Stellung derselben im Systeme kann wohl kein Zweifel stattfinden; sie ist offenbar eine Hali- meda und nahe verwandt mit Haltmeda macroloha Decais., wie die Vergleichung der beiden hier folgenden Abbildungen zeigt. Fig. 1 ist eine photographische Reproduction eines der beiden Muntigler-Exemplare (Nr. 16.300) in halber natürlicher Grösse; Fig. 2 ist nach einem mir freundlichst aus dem kaiserl. naturhistorischen Hof-Museum geliehenen Exemplare von Halimeda macroloha in beiläufig doppelter Grösse abgebildet.^ Was die Diagnose betrifft, so kann, da bei solchen Ab- drücken aus dem Flysch die innere anatomische Structur ebenso wenig wie die Substanz erhalten ist, nur die äussere Gestalt und die Vergleichung mit schon festgestellten Arten in Betracht kommen. In diesem Sinne ist unsere Halimeda hauptsächlich charakterisirt durch die einmalige Ausrandung des oberen Saumes aller Glieder, wodurch diese verkehrt-nierenförmig er- scheinen, dann durch die Zusammenziehung des unteren queren Saumes der Glieder in einen etwas schmäleren Fortsatz, wodurch die Glieder gleichsam breitgestielt und einander weniger ge- nähert werden, als bei allen bisher bekannten Halimeda- Arten der Fall ist, ohne dass hiedurch der Gattungscharakter verloren geht. Auch die einmalige halbmondförmige Ausrandung des oberen Saumes aller Glieder kommt bei keiner anderen Halimeda-Art vor; dieser Rand ist bei H. Tuna und H. macro- loha im Ganzen bogenförmig, hie und da mehrfach seicht gekerbt, bei H. Opnntia Lmx. stärker gekerbt, bei H. monile Lmx. sind die viel schmäleren und mehr in die Länge gezogenen Glieder theils gar nicht, theils seicht ein- oder zweimal ein- geschnitten; bei H. gracilis Harvey sind die Glieder oben dachförmig, dann nach scharfer Abbiegung nach untenhin keilförmig; bei H. Saportae einfach rund. 1 Beide Photographien verdanke ich der besonderen Gefälligkeit des Herrn Directors der Salzburger Museums, Herrn kaiserl. Rathes Dr. Alexander Fetter, welcher diese und zahlreiche andere Lichtbilder zu analogen Zwecken durch seinen geschickten Werkmeister für mich herstellen liess, wofür ich ihm auch hier bestens danke. Sitzb. d. mathem.-naturw. Gl.; CVI. Bd., Abth. I. 12 1^6 J. L o r e n z V. L i b u 1- n a u , Die Grösse der Glieder nimmt x'on unten gegen die Spitze des Zweiges stufenweise bis beiläufig um das Doppelte zu, wie denn auch eine deutliche Zunahnie der Gliederdimensionen nach obenhin bei mehreren recenten Arten, wenngleich nicht constant, vorkommt. Die bisher vorliegenden Exemplare sind unverästelt wie ein einfacher Zweig; es kann jedoch hierin kein entscheidendes Merkmal gefunden werden, da die Verästelung bei den Hali- meden i^iberhaupt nicht regelmässig wiederkehrt und unsere Exemplare möglicherweise selbst nur einzelne Aste sein könnten, indem ihr unteres Ende nicht deutlich abgeschlossen erscheint. Auch die absoluten Dimensionen des ganzen Thallus und seiner Glieder, sowie die Anzahl der letzteren dürften kaum als feste Charaktermerkmale zu betrachten sein, und ich würde nicht Anstand nehmen, eventuell andere vorkommende Exem- plare, deren absolute Dimensionen die Hälfte oder das Doppelte der bisher beobachteten betragen, doch unter dieselbe Art zu subsumiren, wenn nur die Gestalt und die relativen Dimen- sionen übereinstimmen. Die Gesammtlänge der beiden Museal-Exemplare beträgt, ohne Berücksichtigung der leichten Krümmung des ganzen Thallus, 20 und 21 cm: das verschwundene Exemplar dürfte nach meiner Erinnerung etwa 24 an lang gewesen sein. Die Glieder haben eine Länge (Höhe) von 1-2 — 2 cm und eine Breite von 2-4 — 3-8 cm, wobei das Minimum zum untersten, das Maximum zum obersten Gliede gehört, während die zwischenliegenden, wie schon oben erwähnt, stufenweise grösser werden. • ' • Die Anzahl der Glieder beträgt bei unseren Exemplaren 7 und 8; es ist aber nicht erkennbar, ob und wie weit diese noch nach unten verlängert waren, während das obere End- glied unzweifelhaft erhalten ist. An Bruchflächen lässt sich erkennen, dass das Fossil, d. h. die sich vom helleren Gestein dunkler abhebende Substanz, papierdünn ist. Zu bemerken wäre noch, dass die in Fig. 1 neben der fossilen Halimeda am Gestein erscheinenden linearen, ver- schieden gekrümmten Streifen nicht zur Halimeda, sondern Eine fossile Halimeda. 1 t "t ZU anderen Fucoiden (Chondriten) gehören, die überall die Kalkmergelbank durchziehen. Ich benenne das Genus dieser Algenform geradezu als »Halimeda« nach dem Vorgange von Fuchs, und nicht als »Halimediies«, weil die Übereinstimmung mit dem recenten Genus ganz zweifellos ist. Für die Art wähle ich die Bezeich- nung »Ftiggeri« in Anerkennung der vielfachen Förderung, welche Professor Eberhard Fugger in Salzburg mir bei meiner in drei Jahren fortgesetzten Beschäftigung mit den Flysch- abdrücken hat angedeihen lassen, sowie überhaupt seiner notorischen Verdienste um die einschlägige geologische Local- forschung und um die instructive Aufstellung der betreffenden Fundstücke im Museum. Die folgende kurze Diagnose gebe ich mit dem schon angedeuteten Vorbehalte, dass die beigesetzten absoluten Dimensionen nicht für die Bestimmung weiterer Funde mass- gebend sein können, und dass nur das gegenseitige Verhältniss derselben sowie die Gestalt der Glieder entscheidend bleiben. Halimeda Fuggeri Lor. Thallus seu frons 20 «w circiter longus, articulatus, articulis a basi versus apicem frondis gradatim amplitudine increscentibus, 1-2 — 2cm longis, 2-4 usque 3-8 cw latis, complanatis, superne semel emarginatis (inde inverso-reniformibus) infra e margine paulum protractis, unde quasi late et breviter petiolati apparent. 12* J. V. Lorenz-Liburnau : Eine fossile Halimeda. Taf. I. r ##^- Halimeda Fuggeri Lorz. ^ Lichtdruck v. M. Juifä, Wien. Sitzungsberichte d. kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw.Classe, Bd. CVI. Abtb. I. 18.97. J. V. Lorenz-Liburnau: Eine fossile Halimedj Taf. II. Halimeda macroloba Decais. Lichtdruck v. M. J;iffö. Wien. Sitzungsbericlite d. kais. Akad. d. Wiss., math.-taaturw. Classe, Bd. CVI. Abth.I. 1897. Seite Czapek F., Über die Leitungswege der organischen Baustoffe im Pnanzenkörper. [Preis: 50 kr. = 1 Mk.J 117 VIII. Sitzung vom 11. März 1897: Übersicht 171 IX. Sitzung vom 18. März 1897: Übersicht 172 Lorenz v. Lüntmau J. sen., Ritt., Eine fossile Halimeda aus dem Flysch von Muntigl (monticulus) bei Salzburg. (Mit 2 Tafeln.) [Preis: 15 kr. = 30 Pfg.] 174 Preis des ganzen Heftes: 1 fl. 70 kr. = 3 Mk. 40 Pfg. Die Sitzungsberichte der mathem.-naturw. Classe erscheinen vom Jahre 1888 (Band XCVII) an in folgenden vier gesonderten Abtheilungen, welche auch einzeln bezogen werden können: Abtheilung I. Enthält die Abhandlungen aus dem Gebiete der Mineralogie, Krystallographie, Botanik, Physio- logie der Pflanzen, Zoologie, Paläontologie, Geo- logie, Physischen Geographie, Erdbeben und Reisen. Abtheilung II. a. Die Abhandlungen aus dem Gebiete der Mathematik, Astronomie, Physik, Meteorologie und Mechanik. Abtheilung II. b. Die Abhandlungen aus dem Gebiete der Chemie. Abtheilung III. Die Abhandlungen aus dem Gebiete der Anatomie und Physiologie des Menschen und der Thiere, sowie aus jenem der theoretischen Medicin. Dem Berichte über jede Sitzung geht eine Übersicht aller in derselben vorgelegten Manuscripte voran. Von jenen in den Sitzungsberichten enthaltenen Abhand- lungen, zu deren Titel im Inhaltsverzeichniss ein Preis bei- gesetzt ist, kommen Separatabdrücke in den Buchhandel und können durch die akademische Buchhandlung Carl Gerold's Sohn (Wien, L, Barbaragasse 2) zu dem angegebenen Preise bezogen werden. Die dem Gebiete der Chemie und verwandter Theile anderer Wissenschaften angehörigen Abhandlungen werden auch in be- sonderen Heften unter dem Titel: »Monatshefte für Chemie und verwandte Theile anderer Wissenschaften« heraus- gegeben. Der Pränumerationspreis für einen Jahrgang dieser Monatshefte beträgt 5 fl. oder 10 Mark. Der akademische Anzeiger, welcher nur Original-Auszüge oder, wo diese fehlen,, die Titel der vorgelegten Abhandlungen enthält, wird, wie bisher, acht Tage nach jeder Sitzung aus- gegeben. Der Preis des Jahrganges ist 1 fl. 50 kr. oder 3 Mark. SITZUNGSBERICHTE / 3 2- "^ DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE. CVI. BAND. IV. BIS VII. HEFT. JAHRGANG 1897. — APRIL BIS JULI. ABTHEILUNG I. ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE, KRYSTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE, 'ALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE, ERDBEBEN UND REISEN. MIT 8 TAFELN, -2 KARTEN UND 1 KARTENSKIZZE IM TEXTE.) '^^^' WIEN, 1897. AUS DER KAISERLICH-KÖNIGLICHEN HOF- UND STAATSDRUCKEREL IN COMMISSION BEI CARL GEROLD'S SOHN, BUCHHÄNDLER DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. INHALT des 4. bis 7. Heftes April bis Juli 1897 des CVI. Bandes, Abtheilung- 1 der Sitzungsberichte der mathem.-naturw. Classe. Seite X. Sitzung vom 1. April 1897: Übersicht 181 XI. Sitzung vom 8. April 1897: Übersicht 182 XII. Sitzung vom 0. Mai 1897: Übersicht 185 Uhlig V., Über die Beziehungen der südlichen Klippenzone zu den Ostkarpathen. (Mit 1 Karte und 1 Kartenskizze im Texte.) [Preis: 50 kr. = 1 Mk.] 188 Steiner /., Flechten aus Britisch-Ostafrika. [Preis: 30 kr. = 60 Pfg.] 207 XIII. Sitzung vom 13. Mai 1897: Übersicht 235 XIV. Sitzung vom 20. Mai 1897: Übersicht 236 XV. Sitzung vom 3. Juni 1897: Übersicht 239 XVI. Sitzung vom 18. Juni 1897: Übersicht 240 XVII. Sitzung vom 1. JuH 1897: Übersicht 243 .Siebenrock F., Das Kopfskelet der Schildkröten. (Mit 6 Tafeln.) [Preis: 1 fl. 45 kr. = 2 Mk. 90 Pfg.] 245 Brauer F., Beiträge zur Kenntniss der Muscaria schizometopa und Beschreibung von zwei Hypoderma -Arten. (Mit 1 Tafel.) [Preis: 60 kr. = 1 Mk. 20 Pfg.] 329 XVIII. Sitzung vom 8. Juli 1897: Übersicht 383 Nesiler A., Die Ausscheidung von Wassertropfen an den Blättern der Malvaceen und anderer Pflanzen. (Mit 1 Tafel.) [Preis: 30 kr. = 60 Pfg.] 387 Steuer A., Vorläufiger Bericht über die pelagische Thierwelt des Rothen Meeres. (Mit 1 Karte.) [Preis: 30 kr. = 60 Pfg.) . . 407 Preis des ganzen Heftes: 2 fl. 70 kr. = 5 Mk. 40 Pfg. SITZUNGSBERICHTE KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. MATHEMATISCH -NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE. GVL BAND. IV. HEFT. ABTHEILUNG I. ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE, KRYSTALLÜGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE. PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE, ERDBEBEN UND REISEN. 13 181 DEC 7 1898 X. SITZUNG VOM 1. APRIL 1897. Erschienen: Sitzungsberichte, Bd. 105, Abth. II. a., Heft VIII— X (October bis December 1896); Monatshefte für Chemie, Bd. 18, Heft I (Jänner 1897). Herr Dr. Bruno Bar dach übersendet eine Arbeit aus dem Laboratorium des pathologischen Institutes der königlichen Charite in Berlin über die Gerinnungsursache erhitzter Milch. Der Secretär legt eine Arbeit von Dr. Lazar Car, Privat- docent an der königl. Franz Josef-Universität in Agram: »Über d e n M e c h a n i s m u s d e r L o c o m o t i o n d e r P u 1 m o n a t e n « vor. Das w. AI. Herr Sigm. Exner legt eine im physiologischen Institute der k. k. Universität in Wien ausgeführte Unter- suchung von Dr. J. Zanietowski aus Krakau vor, betitelt: »Graphische Studien über die Erregbarkeitsverhält- nisse im Elektrotonus«. Herr Prof. Dr. Josef Schaff er in Wien überreicht eine vorläufige Mittheilung: »Über die Drüsen der mensch- lichen Speiseröhre«. 13* 1:82 XL SITZUNG VOM 8. APRIL 1897, Erschienen: Sitzungsberichte, Bd. 105, Abth. III, Heft VIII— X (October bis December 1896), womit nun der Druck dieses Bandes in allen Ab- theilungen abgeschlossen ist. Der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Meteoro- logie, Herr k. k. Sections-Chef i. R. Dr. J. Ritter Lorenz v. Liburnau, dankt für die dieser Gesellschaft behufs noth- wendiger Ausgestaltung des Observatoriums auf dem Sonnblick- Gipfel von der kaiserlichen Akademie aus der Treitl-Widmung bewilligte Subvention. Herr Dr. Sigmund Frank el in Wien dankt für die ihm zur Fortsetzung seiner Untersuchungen über die Eiweissspaltungs- producte bewilligte Subvention. Herr Prof. Dr. L. Weinek, Director der k. k. Sternwarte in Prag, übermittelt 30 weitere photographische Mondvergrösse- rungen mit den hierauf bezüglichen Erläuterungen. Herr Dr. Rudolf Spitaler, Privatdocent und Adjunct der Sternwarte an der k. k. deutschen Universität in Prag, über- sendet eine Abhandlung unter dem Titel: »Die Ursache der B r e i t e n s c h w a n k u n g e n « . Dr. Hans Rabl, Assistent am histologischen Institut in Wien, macht eine vorläufige Mittheilung, betitelt: »Die ersten W a c h s t h u m s V o r g ä n g e in den Eiern von Säuge- t h i e r e n « . Ferner überreicht derselbe eine Abhandlung unter dem Titel: »Zur Kenntniss der Richtungsspindeln in de- s: e n e r i r e n d e n S äug e th i e r e i e r n«. SITZUNGSBERICHTE KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. MATHEMATISCH -NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE. CVI. BAND. V. HEFT. ABTHEILUNG I. ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE, KRYSTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE, PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE, ERDBEBEN UND REISEN 185 XII. SITZUNG VOM 6. MAI 1897. Erschienen: Monatshefte für Chemie, Bd. IS, Heft II— III (Februar— März 1897). Herr Hofrath F. Ritter v. Hauer führt als Alterspräsident den Vorsitz. Das c. M. Herr Prof. H. Mo lisch in Prag dankt für die ihm zu einer botanischen Forschungsreise nach Java (Buiten- zorg) von der kaiserlichen Akademie bevvilHgte Subvention. Von den Mitgliedern der ärztlichen Mission nach Bom- bay wird ein Bericht ddo. Bombay, 16. April 1897 mitgetheilt. Das k. u. k. Reichs-Kriegs-Ministerium (Marine- Section) übermittelt die für die akademischen Denkschriften bestimmten wissenschafthchen Arbeiten über die von den k. u. k. See-Officieren während der Reise in der nördlichen Hälfte des Rothen Meeres 1895 — 1896 ausgeführten Beobachtungen. Das Elaborat besteht aus folgenden Abtheilungen: I. »Beschreibender Theil«, von Herrn k. u. k. Linien- schiffs-Capitän und Commandanten des Expeditionsschiftes Paul Edlen v. Pott. II. »Zeit- und Ortsbestimmungen«, von Herrn k. u. k. Linienschiffs-Lieutenant Karl Koss. III. »Relative Schwerebestimmungen«, von Herrn k. u. k. Linienschiffs-Lieutenant Anton Edlen v. Triulzi. IV. »Magnetische Beobachtungen«, von Herrn k. u. k. Linienschiffs-Fähnrich Karl Rö ssler. Die Bearbeitung der noch folgenden Abtheilung ."»Meteoro- logische Beobachtungen« ist bereits dem Abschlüsse nahe. Das w. M. Herr Prof. L. Pfaundler übersendet eine Arbeit von Herrn A. v. Pallisch, Assistent am physikalischen Institute der k. k. Universität in Graz: >'Uber Verdunstung aus einem offenen kreisförmigen Becken«. Das c. M. Herr k. u. k. Oberst Albert v. Obermayer i.iber- sendet eine Abhandlung, betitelt: »Schiessversuche gegen plastischen T h o n « . Das c. M. Herr Prof. V. Uhlig in Prag übersendet den ersten Theil einer für die Denkschriften bestimmten Arbeit über die »Geologie des Tatragebirges«. Herr Dr. Alfred Nalepa, Professor am k. k. Elisabeth- Gymnasium im V. Bezirke in Wien, übersendet eine vor- läufige Mittheilung über »Neue Gallmilben« (14. Fort- setzung). Herr Prof. Wilhelm Binder an der Landes-Oberrealschule in Wiener-Neustadt übersendet eine Abhandlung, betitelt: »Die Undulationen ebener Curven Q (H. Mittheilung). Curven mit zwei imaginären Doppelpunkten.« Herr Heinrich Mannaberg in Csalököz-Abony (Ungarn) übermittelt ein versiegeltes Schreiben behufs Wahrung der Priorität mit der Aufschrift: »Meine Erfahrungen über Entstehung und Verhütung der Perlsucht der Rinder«. Das vv. M. Herr Hofrath Director A. Kerner Ritter v. Mari- laun überreicht eine Abhandlung von Prof. Dr. J. Steiner in Wien, unter dem Titel: »Flechten aus Britisch Ost- Afrika«. Das w. M. Herr Prof. H. V^/^eidel überreicht zwei Arbeiten aus dem I. chemischen Universitätslaboratorium in Wien: 1. »Über die Darstellung der 5-Tribrombenzoesäure aus s-Tribromanilin«, von Dr. R. Wegscheider. 2. »Über die Esterificirung der aß-j'-Pyridintricarbon- säure«, von 0. Rint. Das vv. M. Herr Prof. Sigm. Exner überreicht eine Ab- handlung von Herrn Dr. Carl Storch, Professor und Adjunct am k. u. k. Militär-Thierarznei-Institute in Wien, betitelt: «Bei- träge zur Kenntniss der Eiweisskörper der Kuh- milch«. 187 Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht zugekommene Periodica sind eingelangt: Carte geologique internationale de l'Europe. Votee au Congres geologique international de Bologne 1 88 1 , executee conformement aux decisions d'une Commission inter- nationale, avec le concours des Gouvernements, sous la directiondesM.M.Beyricli et Hauchecorne. Livraison IL Contenant les feuilles AV, A VI, B V, B VI et C VI. 4G feuilles ä l'echelle de 1:1,500.000. Berlin, 1896; gr. Folio. Obenrauch F., Geschichte der darstellenden und pro- jectiven Geometrie, mit besonderer Berücksichtigung ihrer Begründung in Frankreich und Deutschland und ihrer wissenschaftlichen Pflege in Österreich. Brunn, 1897; 8«. Verbeck R. D. M. et Fennema R., Description geologique de Java et Madoura. Publie par ordre de Son Excellence du Gouverneur General des Indes Neerlandaises. Tome I et II, 8*^. Atlas contenant: Grande carte geologique 1:200.000 en 26 feuilles; Cartes geologique synoptique 1 : 500.000 en 2 feuilles; Annexes en 22 feuilles. Amsterdam, 1896; gr. Foho. 188 Ober die Beziehungen der südliehen KHppen- Zone zu den Ostkarpathen Prof. V. Uhlig, c. M. k. Akad. (Mit 1 Karte und 1 Kartenskizze im Texte.) (Eingelangt am 4. Februar 1897.) Als ich im Jahre 1889 im Auftrage der kais. Akademie der Wissenschaften das Gebiet der Goldenen Bistritza in den Ost- karpathen geologisch durchforschte, drängten sich mir manche Beobachtungen stratigraphischer und tektonischer Natur auf, die mit den bisherigen Anschauungen über dieses Gebiet nicht in Einklang standen. ^ Man betrachtete die Ostkarpathen als ein einseitiges, im Süden abgebrochenes Gebirge von einheitlicher Entstehung, das nach Norden aus immer jüngeren Bildungen besteht; auf das krystalline Grundgebirge im Süden sollte zunächst ein Band von Permsandstein folgen, dann die mesozoische soge- nannte »Kalkzone», dann der Flysch, mit der Unterkreide beginnend, endlich am Nordrande das salzreiche ältere Miocän. Diese Vorstellung trifft aber nur in den allgemeinsten Zügen zu, denn die mesozoische Kalkzone bildet nicht eine einfache Schichtfolge, sondern verwickelte Faltungen und die Sandsteine der Flyschzone ruhen nicht ohne Unterbrechung auf der Kalkzone, sondern sind durch einen Bruch davon getrennt, an dem an einer viele Kilometer langen Strecke kry- stallinische Schiefer und Permsandstein als Nordrand des älteren Gebirges zum Vorschein kommen. Die Tektonik des älteren Gebirges ist unabhängig vom Baue der Sandsteinzone, 1 Sitzungsber. d. kais. Akad. 1889, Bd. XCVIII, S. 728. Beziehungen d. südl. Klippenzone zu d. Ostktirpathen. 189 und es zerfallen die Ostkarpathen in zwei selbständige, in ver- schiedenen Perioden gefaltete Gebilde: die geologisch jüngere Sandsteinzone mit dem Miocän am Nordrande, und die geolo- gisch älteren Gebirgskerne, bestehend aus krystallinischem Grundgebirge und einer, vorwiegend nahe dem Aussenrande befindlichen, gefalteten permisch-mesozoischen Auflagerung. Die älteren Gebirgskerne der Ostkarpathen werden im Süden von Bildungen der Oberkreide, Conglomeraten und Sandsteinen, und des Eocäns umzogen, die schon seit mehreren Jahrzehenten bekannt sind. Diese Conglomerate und Sand- steine der Oberkreide greifen auch über das ältere Gebirge auf die Nordseite der Gebirgskerne über, sind aber hier bisher wenig beachtet. Die älteren Gebirgskerne der Ostkarpathen zeigen demnach den bezeichnenden Bau der Klippen des südlichen karpathischen Klippenzuges: sie bilden ältere Gebirgsmassen von selbständigem Bau, die von obercretacischen und eocänen Schichten rings umsäumt werden. So konnte ich denn in meiner Arbeit über die pienninische Klippenzone ' die Ansicht ausspre- chen, dass die ostkarpathischen Gebirgskerne keineswegs als die Fortsetzung der Hohen Tatra aufzufassen sind, wie man bis- her angenommen hatte, sondern als Fortsetzung der Klippen- zone, eine Anschauung, deren Richtigkeit sozusagen hand- greiflich durch den Umstand verbürgt ist, dass das Ostende der Klippenzone mit dem Westende der ostkarpathischen Gebirgskerne in der Marmarosch durch eine, zwar unterbro- chene, aber das ostkarpathische Streichen streng einhaltende Reihe von Klippen, wie das Inselgebirge von Homonna, die Klippen der Unghvärer und Munkäcser Gegend, die Klippen von Dolha und die noch wenig bekannten Klippen der Theiss- zuflüsse in der Marmarosch, verbunden ist (vergl. die beige- gebene Übersichtskarte). Ich konnte ferner auf die auffallende Beständigkeit der Zusammensetzung der Oberkreide auf dieser weiten Strecke hinweisen, denn wie im Westen über den Exogyrensandsteinen des Waagthaies rothe und weisslich- und grünlich-graue Inoceramenmergel, die Puchover-Schichten Stur's liegen, so stellen sich auch im Osten in der Marmarosch, Jahrbuch der geolog. Reichsanstalt, XL. Bd. 1890, p. 813. 190 V. Uhlig, in der Moldau und der Bukowina über petrograpliiscli voll- kommen gleichartigen Sandsteinen und Conglomeraten mit Exogyra colnmha ebenfalls roth, grünlich und grau gestreifte oder einfach grünlich-graue Inoceramenmergel ein, und noch weiter südöstlich schliessen sich die Inoceramenmergel von Ürmös im Persanyer Gebirge, die Inoceramenmergel und Con- glomerate des Kronstädter Gebirges, ja selbst die Inoceramen- mergel des Balkans an. Sie alle sind, soviel man weiss, durch den hercynischen Charakter ihrer Fauna gekennzeichnet. War diese Anschauung über den Zusammenhang der Klippenzone mit den Ostkarpathen richtig, dann musste auch das Nagy Hagymas- Gebirge im nordöstlichen Siebenbürgen, das Persanyer und das Kronstädter Gebirge bis tief in die Wallachei hinein als Fortsetzung der Klippenzone betrachtet werden, und es war von Interesse, zu erfahren, welche Aus- prägung das Klippenphänomen im äuss ersten Südosten des Karpathenbogens erlangt hat. Dies näher zu prüfen und mein Arbeitsgebiet vom Jahre 1889 zu erweitern, reiste ich im Som- mer 1896 mit einer Subvention der kais. Akademie der Wissen- schaften abermals in die Ostkarpathen, und erlaube mir in den nachfolgenden Zeilen einige Ergebnisse dieser Reise in tektonischer Hinsicht zu besprechen. Die Alittheilung strati- graphischer Einzelheiten spare ich auf die ausführliche Arbeit über die Ostkarpathen und erwähne hievon nur drei Ergeb- nisse: die Auffindung von Werfener Schiefer mit Versteine- rungen im Tatarka-Thale (zu Fundul Moldowi gehörig) bei Breaza in der Bukowina, den Nachweis, dass die bisher als triadisch aufgefassten grauen Dolomite und Kalke über dem Verrucano noch diesem angehören und tiefer liegen als der Werfener Schiefer und endlich die Beobachtung allmählichen Überganges vom oberjurassischen Korallenkalk zum neocomen Caprotinenkalk. Für die Deutung der ostkarpathischen Gebirgskerne als »Klippen« war vor Allem die Frage von Wichtigkeit, ob denn der Oberkreidesaum, der am Südrande dieser Gebirgskerne so ' ausgezeichnet entwickelt ist, wirklich auch am Nord- oder j Nordostrande auftritt, und welche Ausbildung und Lagerung i er hier annimmt. Die Literatur gibt hierüber keinen positiven Beziehungen d. südl. Klippenzone zu d. Ostkarpathen. 191 Aufschluss, und auch meine Reise vom Jahre 1889 hat diese !• rage nicht genügend geklärt. Zu diesfälligen Untersuchungen '-ohien namentlich die Gegend nördlich von Kirlibaba geeignet, Jcnn hier streicht die Oberkreide nach den vorliegenden geo- i''-ischen Karten vom Südrande des alten Gebirgskernes quer über das Krystallinische bis zum Nordrand. Überdies ist bei dem V^orkommen von Kirlibaba die Frage des geologischen Alters auf das befriedigendste gelöst; gerade hier wurde zuerst in den Ostkarpathen Exogyra cohimba von LilP auf- gefunden und später wurden hier auch Ammoniten von A v. Alth^ entdeckt. Die Angaben der Karten treffen — wie ich mich heuer überzeugen konnte — im Allgemeinen zu; von der mehrfach beschriebenen Stelle am Cibobache bei Kirlibaba, wo die Exo- gyrensandsteine und Conglomerate und darüber Nummuliten- conglomerate und Kalk unmittelbar auf krystallinischem Schiefer aufruhen, zieht ein Band dieser Bildungen nordwärts^ um in der Gegend von Bobejka, im Ursprungsgebiete des Kirli- baba-Baches, die »Kalkzone« und den Nordrand des älteren Gebirges zu erreichen und sich hier, diesem Rande folgend, nach Nordwesten und Südosten auszudehnen. Aus der Gegend von Bobejka zweigt überdies eine an IQkm lange, aber schmale Oberkreidedecke in südsüdöstlicher Richtung nach Lucz3ma ab, die sich bis in die Nähe des Bergwerkes Vale- stina erstreckt und in flacher Lagerung das krystalline Grund- gebirge überlagert. Sie besteht unten aus Exogyrenconglo- merat und massigem Sandstein, oben zumeist aus grauem oder grünlich-grauem, sandigem, plattigem Mergelschiefer, der hier wohl die Inoceramenschichten vertritt. In Bobejka und am Nordrande des alten Gebirges geht der Exogyrensandstein in krummschalige Sandsteine mit Lagen von Fucoidenmergel, nach Art der Inoceramenschichten, über, wie dies Zapal:o- wicz aus der Marmarosch beschrieben hat. Zapalowicz 1 Mem. Soc. geol. France, t. I, Mem. Nr. 13, p. 255. Paris 1833. '- Vergl. Szajnocha, Über eine cenomane Fauna aus den Karpathen der Bukowina. Verhandl. d. geol. Reichsanstalt 1890, S. 87. 192 V. Uhiig, konnte in diesen Schichten auch Inoceramen auffinden/ lässt aber doch die Frage offen , ob nicht ein Theil davon der unteren Kreide angehöre. Eine positive Lösung dieser Frage ist bei der ausserordentlichen Fossilarmuth dieser Bildungen gewiss sehr schwierig, aber das ist auch vorläufig hier nicht von Belang; wir begnügen uns mit der Feststellung der That- sache, dass Oberkreidesandsteine und Conglomerate, die mit denen von Kirlibaba in Verbindung stehen, am Nordrande des alten Gebirges im Ursprungsgebiete des Kirlibaba-Baches auf- treten und von da ununterbrochen am Aussenrande bis in die Gegend nördlich von Kimpolung zu verfolgen sind. Diese Randzone besteht zum Theil aus krummschaligen Sandsteinen und Schiefern, zum Theil aus massigen Sand- steinen und Conglomeraten, und es zeigen namentlich diese eine vollständige Übereinstimmung mit den Exogyrenconglo- meraten. Diese Conglomerate schwellen in der Gegend nörd- hch vom Luczynaberge zu mächtigen steilen Felsmassen an und setzen den 5 knt langen und über 1 hn breiten Bergzug Hroby zusammen ; weiter südlich treten sie wieder im Pareu Ardeloia bei Breaza in mächtigen klippenartigen Felsen her- vor, desgleichen noch weiter südöstlich auf der Höhe Flore und in der Gegend Matsijes bei Sadowa, unweit Kimpolung. Versteinerungen sind in diesem Randzuge allerdings leider nicht gefunden worden, aber bei der unverkennbaren Identität der Conglomeratmassen mit den so charakteristischen Exo- gyrenconglomeraten und namentlich dem unmittelbaren Zu- sammenhang mit der Oberkreide von Kirlibaba fällt dieser Umstand nicht schwer ins Gewicht. Sind doch auch am Süd- rande des alten Gebirges, wo diese Conglomerate viele Meilen weit fortschreiten, nur an etwa vier Punkten die bezeichnenden Versteinerungen thatsächlich nachgewiesen worden. Auf der ganzen Strecke von den Hroby nördlich von Luczyna bis Matsijes legt sich die Oberkreide mit nach Nord- osten geneigten Schichten an die verschiedenen Gesteine des älteren Gebirges an, die hier an den Aussenrand herankommen, 1 Jahrb. d. geol. Reichsanst. 1886, S. 505. (Juoc. striatus in den »Hie- roglyphenschichten« von La fintina Stancului.) Beziehungen d. südl. Klippenzone zu d. OstUarpathen. 193 und wird selbst wieder von den schwarzen Schiefern und kie- seligen Sandsteinen der Schipoter- Schichten, die nach C. M. Paul dem Alttertiär angehören, überlagert. Aus dieser ungefähr 2 knt breiten, obercretacischen Rand- zone treten hier nur an wenig Punkten Klippen älteren Ge- steins hervor, wie z. B. im Hrobj^thal und in Matsijes. Zwi- schen Matsijes und dem Val Sadowa verschmälert sich diese obercretacische Zone, so dass im Val Sadowa und bei Kimpo- lung nur ein schmales, kaum 500 in breites Band von krumm- schaligen Sandsteinen und blaugrauen Schiefern, in der man Inoceramenschichten vermuthen kann, das ältere Gebirge von der Auflagerung der alttertiären schwarzen Schipoter-Schichten trennt. Dagegen greift in dieser Gegend, bei Kimpolung, die Oberkreide in die »Kalkzone« ein, und umschliesst hier, über- reich an gerundeten Blöcken von verschiedenen älteren Gestei- nen, namentlich von Caprotinenkalk, eine Anzahl auffallender Klippen von Trias- und Neocomkalkstein, deren merkwürdige Verhältnisse in einer späteren Arbeit eingehender beschrieben werden sollen. Im südlichsten Theile der Bukowina und desgleichen in der Moldau ist die mesozoische »Kalkzone« sehr stark redu- cirt oder selbst gänzlich entfernt; mit ihr verschwinden auch die obercretacischen Conglomerate. Im weiteren Verlaufe dagegen, im nordöstlichen Siebenbürgen, gewinnen die Ober- kreidebildungen von neuem und mit einmal eine geu'altige Mächtigkeit und lassen sich durch das ganze Nagy Hagymas-, das Persanyer- und Kronstädter Gebirge bis in die Wallachei verfolgen. Diese Conglomerate sind hier überall über und über bela- den mit grossen, gerundeten Blöcken von krystallinischem Schiefer, Quarzit, Sandstein, Serpentin und namentlich aber von neocomem Caprotinenkalk; ein deutlicher Hinweis auf das postneocome Alter dieser Bildung. Nördlich vom Nagy Hagy- mas, in der Gegend des Tölgyes-Passes, ist die Mächtigkeit dieses Conglomerates so gewaltig, dass nur vereinzelte kleine Felsmassen \'on Caprotinenkalk aus der obercretacischen Geröllhülle hervortauchen, Felsmassen, deren Natur als echte 194 V. Uhlig, Klippen von L. v. Löczy schon vor Jahren erkannt worden war, wie aus einer brieflichen Mittheilung dieses Forschers aus dem Jahre 1889 hervorgeht. ^ Im eigentlichen Nagy Hagy- mas-Gebirge tritt aus der Conglomerathülle ein 8 km langer, aber nur ca. 800 m breiter Felskamm von Caprotinenkalk her- vor und an diesen schliessen sich weiter südlich zahlreiche kleinere Kalkmassen und endlich in der Gegend Jawardi und Xaskolat im südlichen Nagy Hagymas-Gebirge ein ausgezeich- netes, ungefähr 8^m langes und 2>'Q>kni breites, aus zahllosen kleineren Klippen bestehendes Klippengebiet, das bisher ganz unbekannt geblieben ist. Einzelne derartige Klippen sind bis an das Südende des ostkarpathischen Gebirgskernes zu verfolgen. Aber auch in der weiteren Fortsetzung, im Persanyer-Gebirge, das vom Nagy Hagymas-Zuge durch den Trachyt der Hargitta getrennt ist, sehen wir in gleicher Weise ältere Bildungen von der Ober- kreide, dem Inoceramenmergel von Ürmös, Conglomerat und massigen Sandstein umzogen und dasselbe ist in noch aus- gezeichneterer Weise im Kronstädter oder Burzenländer Gebirge zu erkennen. Alle die mächtigen liasischen, jurassischen und neocomen Kalkmassen, die mit ihren kühnen Felsformen und hohen, steil abfallenden, unwegsamen Wänden dem Burzenländer Gebirge so hohen malerischen Reiz verleihen, sind sämmtlich discordant umhüllt von den Conglomeraten, Sandsteinen und Inoceramenmergeln der Oberkreide, sie sind sammt und sonders und sammt den stellenweise aus der Oberkreide hervortreten- den Inseln von krystallinischem Schiefer echte Klippen. Die geologischen Erscheinungen sind hier der Hauptsache nach dieselben wie in der Klippenzone des Waagthaies und der Pienninen: ganz so wie hier füllen auch die Conglomerate des Burzenlandes die Schlünde, Spalten oder Thäler zwischen den ] Es drängt mich, hervorzuheben, dass Herr Prof. v. Löczy meine Ar- beiten in den Ostkarpathen durch Empfehlungen und Mittheilung von Beob- achtungen in selbstlosester Weise unterstützt hat. Ich kann mir die Gelegen- heit nicht entgehen lassen, ihm hiefür auch an dieser Stelle meinen ^'ärmsten Dank auszusprechen. Beziehungen d. südl. Klippenzone zu d. Ostkarpathen. 195 Kalkmassen aus. sie kleben an Felsvorsprüngen und stecken in Höhlungen und unregelmässigen Vertiefungen, während die Kalkmassen durch Bau, Beschaffenheit und Vertheilung ihre Zusammengehörigkeit bekunden. Wie im Waagthal und in den Pienninen das Neocom in Form von Hornsteinkalken und Fleckenmergeln eng mit dem Oberjura verbunden, von den Hüllgesteinen dagegen scharf getrennt ist, so nimmt auch in den Ostkarpathen das Neocom, und zwar zumeist als Capro- tinenkalk, seltener als Fleckenmergel entwickelt, an der Zusammensetzung der Klippen Antheil, es gehört als Schluss- glied zur permisch-mesozoischen Schichtreihe, zum älteren karpathischen Gebirge, und ist scharf geschieden von der obercretacischen Hülle. Diese Erscheinungen, sowie das massenhafte Vorkommen von abgerundeten Gerollen aller älteren Gesteine, namentlich von Caprotinenkalk, in dem Hüllconglomerat zeigen auf das deutlichste, dass die jurassisch-neocomen Kalkmassen echte Klippen im Meere der Oberkreide gebildet haben, an deren Verkleinerung die Brandung mächtig gearbeitet haben muss. Diese Erscheinungen beweisen ferner, dass die erste Faltung in der Zeit nach dem Neocom und vor der Oberkreide erfolgt ist. Dass aber auch nachher Bewegungen eingetreten sind, die die Klippen und ihre Hülle gemeinsam betroffen haben, geht aus dem gelegentlichen Vorkommen von paralleler Lagerung zwischen Klippen und Hülle und aus dem concordanten Unter- teufen der Hüllgesteine unter Klippen hervor, das um so häufiger beobachtet wird, je kleiner die betreffende Klippe ist, und je leichter also unter sonst gleichen Umständen die ursprüngliche Discordanz der Lagerung durch die spätere Bewegung bis zur Gleichrichtung verwischt werden konnte. In der Bukowina, Vväe im nordöstlichen Siebenbürgen, bildet die mesozoische »Kalkzone« sammt ihren Klippen, im Grossen betrachtet, eine Mulde, an^-deren nördlichem Aussen- rande die krystallinische Unterlage theils als zusammenhän- gendes Band, theils in kleineren Bruchstücken zum Vorschein kommt. Die Continuität dieses äusseren kr^^stallinischen Ban- des verliert sich im obersten Domukthale im östlichen Sieben- bürgen, aber noch deuten bis an das Südende des ostkarpathi- Sitzb. d. mathem.-naturw. Gl. ; CVI. Bd., Abth. I. 14 196 V. Uhiig, sehen Gebirgskernes in der Csik Inseln von Glimmerschiefer und Verrucano den Verlauf dieser krystallinen Aussenzone und den Muldenbau des mesozoischen Gebirges an, so besonders am Ausgange des Görbe- und des Sötelpatak. Die krystallinischen Schiefer treten auch im Persanyer Gebirge, und hier in Wirklich- keit viel ausgedehnter als man bisher annimmt, auf, und wenn endlich auch im Burzenländer Gebirge und der Wallachei östlich von den Kalkmassen Gneisinseln, wie die des Leota erscheinen, so darf man hierin einen Beweis für die Überein- stimmung der Hauptzüge des geologischen Baues erblicken. Im Burzenländer Gebirge waren meine eigenen Beobach- tungen aus Mangel an Zeit sehr beschränkt; dafür bin ich hier in der angenehmen Lage, mich auf das Zeugniss hervorragen- der Autoritäten, F. v. Hauer, G. Stäche und A. Koch stützen zu können, deren Angaben umso werthvoller sind, als keiner von diesen Forschern an einen Zusammenhang des Burzenländer Gebirges mit der Klippenzone denken konnte. F. V. Hauer und G. Stäche haben schon in ihrer Geologie von Siebenbürgen * das Vorhandensein einer allgemeinen und grellen Discordanz zwischen den Kalkmassen und den Con- giomeraten (sog. Bucsecs-Conglomerat) hervorgehoben, und der Unterschied ihrer Anschauung gegen die hier vertretene besteht nur darin, dass sie die Conglomerate und Mergel für eocän ansehen mussten, weil damals die obercretacischen Versteinerungen der Mergel noch nicht bekannt waren. Ebenso hat A. Koch ^ diese Discordanz bestätigt und überdies betont, dass hier der Ablagerung der Conglom.erate eine Faltung und Denudation vorangegangen sein muss. F. v. Hauer und G. Stäche haben ferner des Vorkommens riesiger, »hunderte von Kubikklaftern grosser« Blöcke, »die man leicht für anste- hende Massen zu nehmen verleitet werden könnte- (1. c. p. 276), im Bucsecs-Conglomerat gedacht, und auch dies erinnert an Erscheinungen der Klippenzone, wo wohl die meisten kleineren Klippen nicht anstehendes Gebirge, sondern derartige Riesen- blöcke bilden. 1 Geologie Siebenbürgens. Wien 1863, S. 128 und 278. 2 A Brassöi Hegyseg földtani szerkezeteröl. Schriften der königl. ungar. Akademie der Wissenschaften, XVII. Budapest 1887, S. 8 und 9. Beziehungen d. südl. Klippenzone zu d. Ostkarpatlien. 197 In z\\'eifacher Beziehung bieten aber die Ostkarpathen ^'e^hältnisse, die in der westkarpathischen Klippenzone wegen der Kleinheit ihrer Klippen nicht mit gleicher Deutlichkeit her- vortreten : erstens bilden im Burzen- und im Szeklerlande die Oberkreideschichten nicht nur Hüllen im Umkreis der Klip- pen, sondern auch weitgedehnte Decken über den Klippen, und zweitens stehen die Klippen hier im Osten mit dem Gebirgs- ganzen in unmittelbarem Zusammenhang. Beides Thatsachen von grosser Bedeutung. Ein Blick auf die beigegebene geologi- sche Kartenskizze des Jawardi-Gebietes zeigt, dass einzelne Klippen von dem grossen mesozoischen Hauptkamm direct ab- zweigen. Die Klippenhülle verhält sich wie ein etwas durchsich- tiger und halb durchlöcherter Schleier, der einen Gegenstand nur nothdürftig maskirt und das geistige Auge nicht hindert, die Hauptformen darunter zu erfassen. So erkennt man auch hier unter der obercretacischen Schutthülle die Form des Untergrun- des, dessen geologischen Bau und die Zusammengehörigkeit der Klippen zu einem Gebirgsganzen. Schon die blosse Betrach- tung des Kärtchens schliesst hier die Anwendbarkeit jener Hypothese aus, die in den Klippen nur eine tiefe, bis auf die Juraformation hinabreichende, eigenthümlich modificirte Anti- clinale im Karpathensandstein erblickt. Zwar lässt sich die Unrichtigkeit dieser Hypothese auch in den Pienninen, aber hier nicht so unmittelbar wie in den Ostkarpathen und im Waagthal * erkennen. Denn in den Pienninen hat die post- eocäne Faltung, wahrscheinlich wegen der geringen Masse der Klippen, auf die Lagerung derselben erheblich umgestaltend eingewirkt und ihnen und dem Fl^^sch nördlich der Klippen- zone nachträglich bis zu einem gewissen Grade ein gemein- sames Gepräge aufgedrückt. In Folge dessen konnte hier, wenn nebst anderem - übersehen wurde, dass der Flj^sch südlich von der Klippenzone überhaupt nicht gefaltet und von der nach- eocänen Faltung gar nicht betroffenist, diese Aufbruchshypo- these entstehen, die in den Ostkarpathen von vornherein aus- geschlossen ist. 1 Vergl Jahrbuch geol. Reichsanst. 1890, S. 811. 2 Vergl Jahrbuch geol. Reichsanst. 1890, S. 809. 14* 198 V. Uhlig, Geologische Kartenskizze des Nagy Hagymas-Gebirges mit dem Klippen- gebiete Jawardi. Maasstab 1 : 105000. Vertical schraffirt: Glimmerschiefer.— Vertical unterbrochen schraffirt: Gneis. — Horizontal schraffirt: Verrucano-Dolomit. — Mit Ringeln: Verrucano-Conglomerat (nur zwischen Szakadat und Xaskalat). — Punktirt: Trias.— Diagonal dicht schraffirt: Jura. — Diagonal gekreuzt: Neocom, Caprotinenkalk. — Diagonal schütter schraffirt: Neo- comer Karpathensandstein. — Weiss: Conglomerat und Sandstein der Oberkreide. Beziehungen d. südl. Klippenzone zu d. Ostkarpatlien. 1 <-)9 Ebenso bestimmt tritt in den Ostkarpathen die zweite der oben erwähnten Thatsachen hervor: die Überlagerung der Klippengesteine durch die obercretacischen Conglomerate und Sandsteine, die nicht nur Hüllen im Umkreis der Klippen, sondern auch Decken bilden. Die Betrachtung der Profiltafel in der angezogenen Arbeit von A. Koch lässt sofort erkennen, wie ausgiebig und auf wie weite Strecken sich die Conglome- rate auf den jurassisch-neocomen Kalken ausbreiten, während sie anderseits auch die Vertiefungen zwischen den Kalk- massen ausfüllen, wie das ja vorausgesetzt werden muss, wenn die Jura-Neocomablagerungen zur Zeit der Oberkreide schon gehoben und vom Wogenschwall des Oberkreide- und Eocänmeeres umbrandet waren. In den Pienninen kommt diese Erscheinung wegen der geringen Grösse der Klippen und der steilen Stellung der Schichten nicht zur Geltung oder minde- stens sehr viel weniger als in den Ostkarpathen, wo die mäch- tig entwickelten Korallenkalke des Jura und Neocom nicht nur eine breite Unterlage für Aufschüttung von Conglomerat- blöcken und Sauden abgaben, sondern vermöge ihrer Massig- keit auch die spätere \^erwischung der ursprünglichen Lagerung erschwerten. Ist diese Erscheinung geeignet, die zuerst von G. Stäche präcisirte Ansicht über die Entstehung der karpathischen Klip- pen zu stützen, so spricht sie nicht weniger bestimmt gegen die Anwendbarkeit einer in neuerer Zeit in den VVestalpen auf- gestellten Klippentheorie, wornach die Klippen als «Überschie- bungszeugen« zu betrachten wären. Da diese Möglichkeit der Klippenbildung in meiner Arbeit über die pienninische Klip- penzone nicht ins Auge gefasst, dagegen in anderen Arbeiten die Anwendbarkeit dieser Theorie auf die Karpathen zwar nicht bestimmt ausgesprochen, aber doch angedeutet wurde, erscheint es nicht überflüssig, auf diese Theorie im Zusammen- hang mit den karpathischen Erscheinungen etwas näher ein- zugehen. Eine geologisch ältere, über jüngere Bildungen geschobene Schichtentafel kann durch Erosion in Theilstücke zerfallen, deren Zusammengehörigkeit aus der Übereinstimmung des geologischen Baues und der Zusammensetzung ebenso leicht 200 V. Uhiig, erschliessbar sein wird, wie bei den Theilstücken einer normal gelagerten Tafel. Da man isolirte Theilstücke der letzteren Art unter Adoptirung einer arabischen Bezeichnung »Zeugen« nennt, so kann man mit A. Rothpletz* die isolirten Partien einer überschobenen Tafel ganz passend als »Überschiebungs- zeugen« bezeichnen. Besteht nun die überschobene Tafel aus hartem Gestein, etwa Kalkstein oder Dolomit, das darunter liegende Gestein aber aus weichem Schiefer oder Sandstein, •so werden durch Erosion der überschobenen Tafel Überschie- bungszeugen gebildet werden, deren Erscheinungsform der- jenigen echter Klippen äusserlich gleichkommt; es werden auf diese Weise Kalkfelsen entstehen, die von jüngeren schiefe- rigen und sandigen Bildungen rings umgeben erscheinen, wie das eben in den Karpathen der Fall ist. Die Natur könnte die Ähnlichkeit der Erscheinungen noch weiter treiben; in beiden Fällen können in der Umgebung dieser Kalkfelsen Breccien auftreten, die zwar in dem einen Falle als Reibungs-, im anderen als Schutt- oder Strandbreccien aufzufassen wären, aber trotzdem viel äussere Ähnlichkeit haben könnten. Wäh- rend aber echte Klippen in unserem Sinne in die Tiefe setzen, bilden Überschiebungszeugen und die »Überdeckungsschollen« (lambeaux de recouvrement M. Bertrand) sogenannte wurzel- lose Massen, die auf den jüngeren Bildungen nur oben auf- ruhen, nicht daraus hervortreten. Namentlich Marcel Bertrand hat in neuerer Zeit gezeigt, dass derartige Überdeckungsschollen im südlichen Frankreich keine seltene Erscheinung sind. Es mag auch sein, dass die Klippen der Schweizer Voralpen Überdeckungsschollen oder Überschiebungszeugen sind, obwohl diese Frage noch nicht endgiltig entschieden zu sein scheint, da einzelne Vertreter dieser Anschauung eine Überschiebung von Norden, andere von Süden her annehmen. Die Möglichkeit der Entstehung isolirter Klippen auf diesem V/ege ist jedenfalls nicht zu bestreiten, und ich möchte umso weniger dagegen Einwand erheben, als ich für gewisse Kalkfelsen der Ostkarpathen eine ähnliche An- Geotektonische Probleme. Stuttgart 1894, S. 72. Beziehungen d. südl. Kiippcnzone zu d. Ostkarpathen. 201 nähme für möglich halte, ' nur eine Anwendung dieser Theorie auf die karpathische Klippenzone vom Waagthal bis in die Wallachei oder auch nur für einen Theil derselben muss ich entschieden ablehnen. Hiefür sind eben die Beobachtungen in den Ostkarpathen besonders wichtig, denn hier kann von »wurzellosen Massen« nicht gesprochen werden, wo manche Klippen mit dem Haupt- gebirge in unmittelbarem Zusammenhang stehen und die jün- geren Kreide- und Eocänschichten die Klippen nicht nur um- geben, sondern auch auf kilometerlange Strecken bedecken und die Klippenkalke als breiter Unterbau des Gebirges in mäch- tigen Wänden unter der Kreidedecke hervortreten. Aber selbst in den Pienninen lässt sich die Unanwendbar- keit dieser Hypothese leicht und bestimmt nachweisen. Die Überschiebung der Klippenkalke hätte nach Ablage- rung der Oberkreide und des Eocäns erfolgen müssen, denn diese letzteren bilden ja die »Hülle«, beziehentlich nach der Überschiebungshypothese, die Unterlage des überschoben gedachten Klippenkalkes. Um diese Zeit, nach Schluss des Eocäns, war aber die Tatra und überhaupt das ältere Gebirge südlich der pienninischen Klippenzone schon vollständig starr und so zu sagen im Zustand von heute, wie sich aus der Lagerung des Eocäns am Nordrande der Tatra und im Gebiete zwischen dieser und den Klippen mit voller Bestimmtheit behaupten lässt. Flach deckenförmig liegt das Alttertiär zwi- schen der Tatra und der Klippenzone, es zeigt wohl kleine Brüche, aber keine Spur von Faltung oder Überschiebung. Eine Überschiebung von Süden nach Norden, aus der Gegend der Tatra nach den Klippen konnte also aus diesem Grunde nicht erfolgt sein, sie kann aber auch deshalb nicht angenom- men werden, weil in der Tatra selbst überall in klarer Weise Überschiebung nach Süden mit nördlichem Abfall der Schichten den Gebirgsbau kennzeichnet und' nicht von der Tatra nach Norden, sondern umgekehrt vom Norden nach der Tatra wurde hier das Baumaterial der Erdkruste gezerrt. 1 Allerdings habe ich da Kalkfelsen im Auge, die nicht über geolo- gisch jüngere,- sondern ältere Gesteine überschoben sein könnten. 202 V. Uhlig, Aber auch die Herkunft der Klippenkalke aus dem Nor- den, d. i. aus der Flyschzone, ist gänzlich ausgeschlossen, denn, abgesehen davon, dass die Jura- und Neocomgesteine am Nordrand der Karpathen ganz anders entwickelt sind, als in der Klippenzone, zeigt der gesammte alttertiäre und ober- cretacische Flysch zwischen dem Nordsaum der Karpathen und der Klippenzone südlichen Schichtenfall und Überschie- bung nach Norden, so mijsste auch hier die Einfuhr der Klip- penkalke, wenn sie von Norden her erfolgt wäre, der allge- meinen Faltungsrichtung entgegen stattgefunden haben, und das ist eine unanehmbare Vorstellung. Der Vorgang der Über- schiebung der Klippenkalke von Norden her zur Miocänzeit endlich ist ebenfalls unmöglich, weil auch das Miocän am Nordrande der Karpathen dieselbe Überschiebung nach Nor- den zeigt, wie der Flysch, und weil, wie das Vorkommen flach liegender miocäner Denudationsreste im Inneren der Sandsteinzone beweist, in der Miocänzeit nur am Nord- rande, nicht im südlicheren Theile des Gebirges Faltung erfolgt ist. Aber auch in der Klippenzone selbst ergeben sich Argu- mente gegen die Überschiebungshypothese, denn an den tiefst eingeschnittenen Stellen, z. B. im Dunajec-Durchbruch, ist nichts von einer Verjüngung oder gar Auskeilung der Klip- penkalke nach unten wahrnehmbar, sondern das Gegentheil davon. Wären sie trotzdem »wurzellose« Massen, dann müssten sie, da hoch über der Thalsohle an ihrer Nord-, West- und Südwestseite Hüllschiefer an den Klippenkalk gelehnt sind, mehrere Hundert Meter tief in ihre Grundlage eingesunken sein. Wurzellose Massen sind im Klippengebiet allerdings nicht selten, schon L. v. Hohen egg er und F. v. Hauer haben die Thatsache verbürgt, dass manche Klippen durch Steinbruchbetrieb vollständig ausgehoben wurden, aber dies sind einfach grosse Blöcke oder Bestandtheile eines Riesen- conglomerates, wie solche von F. v. Hauer und G. Stäche aus dem Burzenlande beschrieben haben. Das Vorkommen von Blöcken am Strande ehemaliger Inselberge ist an und für sich nicht auffallend; nur die Grösse mancher dieser Blöcke ist schwer zu erklären. Beziehungen d. siidl. Klippenzone zu d. Ostkarpathen. 203 Verhindern fundamentale Beobachtungen die Anwendbar- keit der Überschiebungstheorie auf die KHppen der Ostkarpa- then, so führt eine genauere Betrachtung des Gebirgsbaues auch in den Pienninen zu demselben Ergebniss. Es wurde oben hervorgehoben, dass die obercretacischen Conglomerate im westlichen Theile der ostkarpathi sehen Gebirgskerne nur an wenig Punkten Versteinerungen geliefert haben. Leider kann man von den entsprechenden Bildungen des Szekler- und Burzenlandes auch das nicht behaupten, denn hier wurden im Conglomerate und dem damit verbun- denen grobkörnigen Sandstein oder Sand überhaupt noch keine Versteinerungen gefunden. Dieser Mangel ist aber kaum von Belang, wenn man bedenkt, dass hier die weissen oder grün- lichen, häufig roth gestreiften Inoceramen- und Baculitenmergel (Puchower Mergel) häufig bezeichnende Versteinerungen ent- halten und auf das innigste mit dem darunter liegenden Con- glomeratsandstein verbunden, dagegen von dem Korallen- und Rudistenkalk des Neocom durch eine unzweifelhafte Discor- danz getrennt sind und überdies gerundete Blöcke von Neo- comkalk in Menge einschliessen. Wenn man ferner bedenkt, dass auf der ganzen Strecke vom Waagthal bis in das Burzen- land die transgredirende Oberkreide oben aus Inoceramen- mergel und Sandstein, darunter aus Exogyren-Conglomerat und grobkörnig-massigem Sandstein besteht, so wird man den Nachweis von Versteinerungen im Conglomerat des Szekler- und Burzenlandes nicht schwer vermissen. A. Koch und F. Herbich haben diese Conglomerate allerdings als Gault bezeichnet und auch die neueste geologische Übersichtskarte von Ungarn ^ schliesst sich dieser Auffassung an, aber diese Altersbestimmung ist nicht auf Versteinerungen, sondern nur auf die Stellung des Conglomerates zwischen Neocom und Baculitenmergel begründet. Da aber dieses Conglomerat die Neocombildung nicht etwa organisch fortsetzt, sondern sich dagegen, ebenso wie gegen alle älteren Bildungen, transgressiv und discordant verhält, so ist es richtiger, dem Conglomerat nicht einfach eine Zwischenstellung zwischen Neocom und 1 Geologische Karte von Ungarn. Herausgegeben von der ung. geolog. Gesellschaft. Budapest 1896. 204 V. Uhlig, Turon, sondern die Stellung an der Basis der transgredirenden Oberkreideserie anzuweisen. In neuerer Zeit wurden die Con- glomerate und Sandsteine desBurzenlandes von J.T. Meschen- dörfer sehr eingehend beschrieben und ebenso, wie dies hier geschieht, zur Oberkreide gestellt.' Der südlichste Theil der hier betrachteten Gebirgszone ist durch eine besondere Eigenthümlichkeit ausgezeichnet: Die Unterkreide ist hier am Aussenrande des älteren Gebirges mächtig entwickelt, und zwar in Form von kalkreichem Kar- pathensandstein. Sie grenzt an das alte Gebirge, auf weite Strecken unmittelbar an das Krystallinische an und ist eben- falls von Oberkreide umzogen. So deutet wenigstens F. H e rb i c h jene eigenthümlichen thonigen und sandigen Schichten und dieConglomerate, die imSzeklerlande den neocomen Karpathen- sandstein umgeben und auch mit meinen Erfahrungen stimmt diese Deutung überein, wenngleich es mir nicht gelungen ist, die angenommene Oberkreide vom Alttertiär in befriedigender Weise abzutrennen. Dieser neocome Karpathensandstein streicht aus der Wallachei in das Szeklerland und von hier mit immer ab- nehmender Breite und immer an das krystallinische angrenzend, durch die Moldau in die Bukowina, wo er südlich von Kimpolung verschwändet. Möglicherweise taucht das Neocom weiter nord- westlich, in der Marmarosch am Rande des älteren Gebirges von neuem auf; die Angaben von Herrn Dr. Zapaiowicz scheinen darauf hinzudeuten. Nach ihrer faciellen Ausbildung zur ,Karpathensandsteinzone gehörig, theilen diese Neocom- bildungen insofern die geologische Geschichte der Klippenzone, als auch sie vor Ablagerung der Oberkreide gefaltet und von dieser transgressiv überzogen waren. Während aber die weiter nach Süden gelegenen, älteren Gebirgskerne sammt ihren Flyschdecken, wie überhaupt alles Gebirge südlich der grossen Leitlinie der Klippenzone ^ von der nacheocänen Faltung nur wenig beeinflusst wurden, wurden die neocomen Karpathen- 1 Der geologische Bau der Stadt Kronstadt und ihres Gebietes. Fest- schrift für die Mitglieder der 26. Wanderversammlung ungarischer Ärzte und Naturforscher, S. 23. Kronstadt 1892. •■2 Vergl. Jahrbuch geol. Reichsanst., 1890, 40. Bd., pag. 809 und Taf. X. Beziehungen d. südl. Klippenzone zu d. Ostkarpathen. 205 sandsteinzüge am Nordrande der älteren Gebirgskerne hiervon sehr stark und nicht weniger betroffen, als die grossen Kreide- inseln in Schlesien und den angrenzenden Theilen von Mähren und Galizien. Einige Aufmerksamkeit verdient das eigenthümliche Ver- hältniss zwischen Oberkreide und Alttertiär. Dieses liegt zwar am Rande der älteren Gebirgskerne regelmässig auf jener auf, trotzdem scheint aber keine vollständige Continuität, kein allmäliger Übergang von der älteren zur jüngeren Bildung zu bestehen, sondern es di^irfte an der Grenze beider eine, wenngleich vielleicht auch nur ganz unbedeutende oder nicht in allen Theilen der Karpathen gleich starke physikalische Veränderung eingetreten sein. Schon die Natur der Ablagerun- gen deutet darauf hin; denn die Oberkreide beginnt mit einer mächtigen Conglomerat- und Sandsteinbildung, worauf dann die feinkörnigen Inoceramenmergel eine Vertiefung des den Einflüssen der Küste und der Brandung mehr entrückten Meeres andeuten. Darauf folgt im Eocän wieder eine echte Strandbildung, nummulitenreiche Conglomerate und Conglo- meratkalke, und zwar eine Strandbildung von anderem Charakter, wie im Cenoman, denn während das Exogyren- conglomerat grosse und äusserst mannigfaltige Geschiebe führt, enthält das Nummulitenconglomerat kleinere Bruchstücke und zwar fast nur solche von jenem Glimmerschiefer, der hier das krystallinische Grundgebirge zusammensetzt, wie das besonders am Cibobache bei Kirlibaba und am Ousor bei Dorna auffällt. Nach der Karte von Dr. Zapalowicz würden sich auch die Verbreitungsgebiete des Nummulitenconglomerates und der Oberkreide nicht genau decken, da manche Denu- dationsreste des ersteren nach der Einzeichnung unmittelbar auf dem krystallinischen, ohne obercretacische Unterlage, aufruhen. Ahnlich ist das Verhältniss im Westen. Auch hier folgt Eocänconglomerat über dem feinkörnigen Puchowerhioceramen- mergel und die petrographische Beschaffenheit der Eocän- geschiebe deutet namentlich im Waagthalgebiete auf einen mehr localen Charakter der Bildung, während die obercretaci- schen Conglomerate sehr mannigfaltige Blöcke führen. In der 206 V. Uhlig, Beziehungen der südl. Klippenzone etc. Tatra ist die Verbreitung des Alttertiärs unabhängig und ver- schieden von der der Oberkreide und es sind an der Basis des Nummulitenconglomerates von M. Raciborski Landpflanzen aufgefunden worden. Bei einer späteren Gelegenheit werde ich vielleicht noch etwas näher auf dieses merkwürdige Verhältniss eingehen, hier genüge die Feststellung, dass auch in dieser Hinsicht die östlichen mit den westlichen Karpathen überein- stimmen. So enthüllt sich, um die Ergebnisse zusammenzufassen, in mehrfacher Beziehung eine Übereinstimmung der geo- logischen Entwicklungsgeschichte in den Ost- und West- karpathen, die namentlich in dem fundamentalen Unterschiede zwischen dem älteren permisch - mesozoischen Gebirge und den jungen Flyschfaltungen hervortritt. In den Ostkarpathen erfahren die Argumente für jene Anschauung, die in den karpatbischen Klippen echte Inseln erblickt, eine wesentliche Verstärkung, und es zeigt sich, dass jene merkwürdige Leit- linie, die im Waagthal beginnt und im pienninischen Klippen- zuge die mittleren Karpathen durchzieht, thatsächlich am Aussenrande der ostkarpathischen Gebirgskerne ihre Fort- setzung und in der Wallachei ihr Ende findet, und dass endlich diese Linie nicht auf Faltungsaufbruch im Flysch zurückzuführen, sondern im Wesentlichen als Bruchlinie auf- zufassen ist. Y.Uhlig : Beziehungeil der südlichen Klippenzone zu den Ostkarpathen. Schein atisflie Karle EaaPATHiM Entworfen von Prof'e s s or V. 17 h l i g . Mafsstab 1: 2,016,( :)'.,Ku.-Mi;.;^>.^i;, l'ai-bt-M -niiil Zridu-ncikläriiiii;. ArlsttiOüiisc/tf Sdiicfcr imd Urwiil .rrgehür/e. Fenninch -mesozoisdie SdüchllöUicdie Vitlerhride j Exot/yi-encoHglomeral, — 1 Jnöceramenmeiyel . Junylerliär; riiu/iu: Tielebeiu:. 1. '/l-rlimy Emplivaesleine. Tnu'lufi iiMasait. 2. Deren TiilTe. S Slramheiyi K . Kiiiihabu L ' Liiczifiui C > Olodn (Moldau I T Jolffi/es. J = Klippaifiebiet des Jaivardi . R ' Hauseltenbach //w IütrpaJhen-I^ordrand£ vut-de tias Mocännü^ hesanäers aiisig/!schieät7v. Jn ernxelnen €&/tmden wuriien- Carbon unÄ- VevoTvmäderperTmsch-mjesozmsdieit Schu-hJ/ol^e vereirngt. itzungsberichte d. kais. Akad, d. Wiss., math.-naturw.Classe, Bd.CVI. Abth. I. 1897^ 207 Flechten aus Britiseh-Ostafrika Prof. Dr. J. Steiner. Prinz Heinrich V.Liechtenstein und sein Begleiter Dr. Pospischill brachten von einem Jagdausfluge nach Britiseh- Ostafrika (1896) auch eine Sammlung von Flechten mit, die dem Museum des k. k. botanischen Universitätsgartens und von Herrn Hofrath Prof. Dr. A. Kerner Ritter v. Marilaun mir zur Bearbeitung übergeben wurde. Die Sammlung ist zwar nicht umfangreich, aber mehrfach von besonderem Interesse. Sie stammt zum grösseren Theile aus dem Steppen- gebiete der Athi-Plains, zum kleineren aus der Umgebung von Matchakos am Ostrande dieser Steppe und vom Berge Ulu- Kenia, ziemlich in der Mitte zwischen Kenia und Kilima- ndscharo gelegen, also aus einem Gebiete, das bisher licheno- logisch nicht bekannt war. Sie zeigt aber auch, wie viel Neues überhaupt oder Neues in Bezug auf die Verbreitung bekannter Formen, besonders in dem Steppengebiete, noch zu finden sein wird. Unter den 47 unten aufgezählten Arten sind 18 Arten und 5 Varietäten neu beschrieben; von den übrigen war Rhiz. vivi- diatrnm aus Afrika nicht bekannt und Rin. laevigata, Cal. rnbeUiaiia, Acar. tevsa, Bnell. italica und var. Recitbariana, Dipl. adinostomus v. aenens, Graph. diapJioroides, Verrucl. glaucina wurden bisher nur in Algier {Acar. tersa auch in Benguella) oder in Abessynien, dem Caplande und in Trans- vaal, aber nicht in dem übrigen weiten ostafrikanischen Gebiete gefunden. 208 J.Steiner, Der Rest umfasst Arten, welche zur bekannten ostafri- kanischen Flechtenflora gehören, theils, wie Maronen fiisciila, ihr eigenthümlich, theils in tropischen Gebieten oder überhaupt weit verbreitet sind. Ausser den Sammlungen und der Bibliothek des k. k. bota- nischen Universitätsgartens standen mir auch die des k. k. botanischen Hofmuseums und die Bibliothek der Zoologisch- botanischen Gesellschaft zur Verfi^igung und wurden ein- gehendst beni^itzt. Herrn Custos-Adjuncten Dr. Zahlbruckner spreche ich für sein freundliches Entgegenkommen besonders meinen Dank aus. 1. Leptogiopsis Brebissonii Müll. Flora 1882, p. 291. — Mont. A} p. 130 sub Leptogio. Syn.: ? Collcnia rttginosnin Schär. En. p. 251, Hepp. L. Europ. exs. n. 423. Cum planta Zambesica a el. JNIenyhardt lecta (Müller, B. p. 295) omnino congruens. Pycnides numerosae singulis verrucis thalli et hie inde etiam involucri singulae immersae, sed tantum in statu made- facto colore lutescente v. luteo rufescente perspicuae. Sterig- mata ramosa, crebre articulata, cellulis minoribus. Pj'cnoconidia recta, truncata, parva 3 «j. lg., 0-5 — 1 [x lt. Corticola prope Matchakos. Dass Collema riigiitosum Schär, in Hepp. exs. n. 421 trotz des verschiedenen Habitus des Thallus, der viel weniger zur Warzenbildung neigt, sehr nahe steht, ist zweifellos, voraus- gesetzt, dass die abgebildeten Sporen zu dem vorhandenen sterilen Thallus gehören. Weniger sicher scheint mir, ob riigi- nostim Schär, einfach als Syn. zu Brebissonii gezogen werden darf. Abgesehen von geringen Unterschieden in den Thallus- hyphen und Gonidienschnüren und von der vollständigen Farb- losigkeit der Rinde, zeigen die Pj'cniden von rnginosiiin einige Unterschiede. Ihr äusserer Habitus ist zwar derselbe, aber die Arthrosterigmen haben bedeutend breitere Zellen (8 -5 [i, lt.) und die Pycnoconiden sind zwar wenig, aber constant grösser, 4 |x lg., 1 — 1*3 [X lt. (comp. Cromb. A^., p. 75). 1 Versrleiche die Literaturi.ibersicht am Ende. Flechten aus Britisch-Ostafrika. 209 2. Heppia subprasina Stnr. Thallus minute squamulosus, cinereo \'. olivaceo prasinus, madefactus prasinus. Squamae 0"3 — 0-bmin lt., verrucas par- vas formantes v. varie subrotundae v. subangulosae v. irregu- läres planiusculae, numquam distincte crenatae, ad ambitum sero et parum liberae, glabrae, subtus pallidae, crustose con- gestae v^ dispersae. Interna structura squamarum omnino eadem ac generis. Gonidia mediocria ad 14 [x diam. Contentus goni- diorum saturate coeruleo-viridis, membranae corticem versus sensim distinctius lutescentes, in cortice ipsa saepius rufe- scentes et KHO optime violascentes, dum caeterae lutescunt tantum. Apothecia parva ad O'Smni lt., rotunda, disco urceolato, immerso, rufo, margine thallino vix prominente. Paraphyses fili- formes, non distincte septatae, connatae epithecium lutescens formant. Hypothecium luteolum. Asci 60 — 75 jx lg., 18 — 23 [x lt., late lanceolati, supra incrassati, contentu spurie purpurascente. Sporae simplices, incolores, numerosae, sphaericae (sed late ellipticae immixtae) 3 — 6 [x diam. Epithecium et hymenium KHO non aliter colorantur. Pycnides immersae, parvae, fuscae. Sterigmata simplicia, vix ramosa, pycnoconidia sphaerica raro subsphaerica 2 — 3 [x diam. Basalticola in reg. Athi-Plains rarius. Eine unscheinbare Art, welche eben durch die Kleinheit und reducirte Form, allerdings auch durch die Farbe der Areolen, ausserdem aber besonders durch die kleinen, hell gefärbten, concaven Apothecien ausgezeichnet und von der nahestehenden H. Rodrigiiesii Cromb. Journ. Linn. Soc. XV, p. 436 durch die rundlichen Sporen verschieden ist. 3. Usnea florida var. coniosa (Ach.) Wain. Et. p. 3, f. strlgosa (Ach.) Wain. 1. c. p. 4. Stratum myelohyphicum KHO non reagens. Ramulicola prope Matchakos. 210 4, Usnea ceratina Ach. Univ. p. 619 var. picta Stnr. Thallus erectus v. adsendens ad 6 cm altus, stipitibus tandem ad 3 mm crassis, cinereo- v. luteo-subvirens, ramosus V. dense ramosus, ramis acutis et teretibus. Cortex ut in typica ceratina verrucosa, ramillis mediocribus, paucis, concoloribus, V. ad apicem denigratis. Chorda areos Vs^Va diametri sectionis transversalis, solida, lateritio rubra v. infra obscure sanguinea. Stratum myelohyphicum sat dense contextum, KHO lutescens, Chorda hoc modo tractata decoloratur. J strat. myeloh. impure fulvescit. Apothecia crebra, distincte lateraHa v. subterminaHa, mediocria, disco glauco v. subrubro cinereo, ciliis paucis sat crassis, mediocriter longis et concoloribus, excipulo subtus ad marginem laevigato, ad ramum verrucoso. Interna structura apotheciorum et sporae ut in planta typica, epithecium luteum, granulöse inspersum. Discus KHO sanguineo rubet. Hymenium J coerulescit, mox fusce decoloi^atur. Ramulicola (exemplaria omnia a substrato soluta) prope Matchakos. Die Varietät steht der U. ceratina v. scabrosa Ach. Univ. p. 620 (comp. Crombie, A^. I, p. 206) nahe, ist aber durch die sehr dicken Stämme, die dunkel gefärbte Chorda und besonders die Reaction des Discus abweichend. Die blutrothe Färbung tritt am besten hervor, wenn das Reagens langsam zutritt, durch weiteren Zusatz von KHO verschwindet sie und geht in braun über. In Bezug auf U. ceratina habe ich noch zu bemerken, dass Jatta exs. n. 76 (Herb, des bot. Univ.-Gartens) keine Usnea, sondern eine Chlorea ist. 5. Usnea perhispidella Stnr. Thallus e stipitibus singulis formatus v. e nonnullis ex uno gompho enatis ad 2 min crassis, fruticulose erectus, viride v. stramineo lutescens, ad gomphum hie inde rufe obscuratus, habitu moUi ad 6-5 cm altus. Rami infra subrecti, supra sensim crebrius subdichotome ramosi, patentes, ramis ultimis divari- catis, varie curvatis, longe cuspidatis. Cortex laevis remote articulatus, crebre maculatim v. passim fere undique verrucis Flechten aus Britisch-Ostafrika. 21 1 concoloribus minutissimis densissime tectus. Verrucae in spinu- las minimas v. parvas (O'l — 0*5 mm lg.) horizontalibus v. omnino inordinatis excrescentes, ramillis majoribus raris im- mixtis. Chorda axeos pertenuis incolor. Stratum myeloh^^phi- cum sat crasse contextum, cortex mediocris, hyalina. Stratum myel. et praesertim chorda KHO lutescunt, CaCl^O^ non colo- rantur. J chorda sanguineo rubet, Stratum myel. dilute sordide fuscescit, cortex lutescit. Apothecia submediocria (2 — -7 mm lt.) disco leviter con- cavo, glauco cinereo, subpruinoso, ciliis semper multis saepe pluriscriatis brevioribus et longioribus intermixtis, saepe hispi- dulis. Excipulum subtus glaber, hie inde ramillosum. Apo- thecia caeterum eximie lateralia. Ramus apicalis distinctus (ad 1-5 — 2 c;» lg.) porrectus v. varie geniculatus v. incurvus, Simplex v. iam sub apothecio 1 — 2 divisus, Paraphyses fili- formes, connatae epithecium luteo-fuscescens formant. Hyme- nium ad 60 [X alt., hypothecium incolor. Asci clavati ad 47 — 53 [x lg., 18 — 22 [i. lt. Sporae octonae, incolores, simplices ellipticae V. late ellipticae 10 — 13 [x lg., 7 — 8-5[j. lt. Paraphyses J lute- scunt, asci primum coerulescunt, mox in fusco- purpureum decolorantur. Exemplaria nonnuUa fi-uctifera a substrato soluta, sed etiam hie inde juvenitia, simpliciora, sterilia aliis Usneis corti- colis immixta prope Matchakos. U. perliispidella gehört zum Stamme der U. florida, schliesst sich der Gruppe der U. mollis Stirt. C, p. 109 an und dürfte nach den kurzen Andeutungen Müller's in Engl. Jahrb. 1893, p. 245 der U. harbata v. hispidtila Müll. 1. c. am nächsten stehen. Ich sah diese Form nicht, sie wird aber 1. c. als hängend bezeichnet und wurde nur steril gefunden. 6. Usnea Liechtensteini Stnr. Thalli plures caespitem ad 7 cm altum, cinereo-viridem, ad gomphum plus minus obscuratum, rigido elasticum, statu sicco sensu eodem arcuatum, statu madido erectum formant. Stipites plures ex uno gompho, non raro 3 — 3-5 mm crassi, teretes tandem arcuati v. fere incurvi, ramis nonnuUis, inter se approximatis, erectis (v. statu sicco arcuatis). Rami Sitzb. d. mathem.-naturw. GL; CVI. Bd., Abth. I. 15 212 J.Steiner, juniores cuspidati, fertiles et adulliores steriles (v. apotheciis amissis) subbacculiformes infra ad 2 mm lati, usque ad apicem verrucis concoloribus v. supra dealbatis, cylindricis tecti ramillis nullis, V. rarius hie inde ramillis adscendentibus, concoloribus V. apicem versus denigratis vestiti. Cortex crassa, laevis, minime articulata, sed undique usque ad apices optime rimoso-areolata. Areolae irregulariter rect- angulares 0-5 — 1 iuin lt. hie inde ad marginem plus minus albo-sorediosae. Chorda axeos crassa, dilutius v. saturatius lateritio rubra, late Cava. Stratum myelohyphicum interius et exterius dense contextum, exterius tenue, KHO lutescunt (add. CaCl^O.^ inten- sius), Chorda decoloratur. J chorda obscure sanguineo rubet, Stratum myel. dilutius impure fulvescit. Apothecia rara, subterminalia, mediocria 5 — 8mw lt., disco piano, luteo-cinereo, subpruinoso. Ciliae minores v. adsunt v. omnino desunt. Excipulum subtus glaber v. parce verrucoso- ramillosum. Paraphyses filiformes arcte connatae, hymenium 60 — 65 [x altum, epithecium fuscescens, hypothecium incolor. Hymenium J coerulescit v. p. p. in fuscum decoloratur. Sporae octonae in ascis clavatis, simplices, incolores, ellipticae 8 — 11 [x lg., 4-5— 6-5 [j. lt. Graniticola in monte Ulu-Kenia. Über die Chorda ist noch beizufügen, dass sie in stärkeren Zweigen schon nahe an der Spitze durch das im Inneren sich entwickelnde Markgewebe zur Röhre wird, dass sie aussen durch vortretende Bündel rippig ist und sich schon in dickeren Stämmen, nicht erst im Gomphus, in eine grössere Zahl von Bündelchen zertheilt, welche über den ganzen inneren Mark- querschnitt zerstreut sind. Das gesammte Dickenwachsthum hängt hier offenbar fast ganz von der Zunahme des Stratum myelohyphicum interius ab. Stirton hat in C, p. 100 auf das Merkmal der röhren- förmigen Chorda sein Genus Etimitria gegründet, welches dann Müller in Flora, 1882, p. 299 sowohl als Genus, wie als Section für unannehmbar erklärte. Auch ich schliesse mich dieser letzteren Ansicht an, wenn auch nicht aus dem Grunde, Flechten aus Britisch-Ostafrika. 213 den Müller 1. c. anführt, sondern weil ich finde, dass sich die Usneen mit hohlem Achsenstrang an verschiedene Stämme der Gattung anschliessen und mit diesen näher verwandt sind als untereinander. So steht U. Liechtensteini nicht den von Stirton 1. c. angeführten Arten der Gattung Einnitria, noch der U. asper- riuia Müller 1. c. oder der Tasmanica Müller 1. c, sondern der Gruppe der U. densirostra Tayl., und zwar der U. Hiero- iiyuii Krplh. in Flora, 1878, p. 436 am nächsten, ist aber, durch den Habitus, die Chorda und besonders durch die Areolirung det Rinde zweifellos verschieden. Wo die Chorda an den Spitzen der Zweige blossgelegt ist, ist sie schwarz gefärbt und sieht wie angebrannt aus. Was die Areolirung der Rinde betrifft, so kommt entfernt Ähnliches an dickeren Stämmchen mit articulirter Rinde be- sonders da, wo die dickeren Äste abzweigen und die Articu- lirungsrisse sich drängen, öfter vor, speciell auch bei densi- rostra Tayl. und cormita Flot. {corniita Krb. weicht von corunta Flot. bedeutend ab), aber hier ist sie eine Folge dieser dichten Articulirung, während sie bei U. Liechtensteini ohne diese vom Grunde der Stämme bis zur Spitze der Zweige gleichmässig durchgeführt ist. An dem unteren Theile der Stämme, wo die Rinde warzenlos ist, tritt sie so hervor, dass sie unter der Loupe an einen Reptilienfuss oder Vogellauf erinnert. 7, Ramalina complanata Ach. Univ. p. 599. Exemplar unicum, sterile, ramulicolum in reg. Athi-Plains omnino cum planta Zambesica (Müller, B, p. 295) congruens. 8. Ramalina Abessynica Nyl., D (Separ. p. 71). Caespites ad 2-5 cm alti. Cortex bene evoluta et pertusa. Sporae pro maxima parte curvat'ae v. curvulae, 14 — 19 [x lg., 6 — 7 • 5 [X lt. Corticola prope Matchakos, hie inde etiam U. strigosae immixta. Jüngere Exemplare kommen im Habitus der R. inßata Tayl. in Hooc. Fl. Antarct. p. 194 nahe. 15* 214 J. Steiner, 9. Theloschistes flavicans Norm., H. p. 17 var. costatns Stnr. Thallus caespitosus, rigide erectus ad 2-öcin alt., luteo- aurantiacus v. rarius cinereo-decoloratus. Lobi primarii ad 1 — 2 mm lati, sensim attenuati, subdichotome crebre divisi, ad basim ramorum ad 2 — 3 mm dilatati, piano compressi, nervoso striati, lateribus concoloribus v. subconcoloribus. Rami mox in ramillos parvos, 0*5 — 1 mm longos digitatim v. subflabellatim V. fruticulose divisi. Ramilli acuti concolores v. apicibus deni- gratis. Cortex caeterum laevis, sed saepe sat crebre vemtcis thallinis pycnidiferis, etiam in latere inferiore excipuli, exaspe- rata (Verrucae tandem hie inde sorediose dehiscentes). Apothecia et eorum interna structura ut in flavicante, ciliis disci V. omnino nullis, v. brevissimis incurvis v. longioribus, concoloribus v. supra denigratis. Thallus et apothecia KHO purpurascunt, hymenium J primum coerulescens mox in fusco purpureum decoloratur. Pycnides tuberculiformes subconco- lores, verrucis thallinis elevatis singulae insidentes. Sterigmata articulata, pycnoconidia fere minima 2 — 3 [jl lg., 0-4 [jl lt. recta, medio constrictiuscula, spurie 1-septata. Corticola prope Matchakos non rara. Die Art der Verzweigung des gerippten Thallus und die damit in Verbindung stehende Verbreiterung an den Theilungs- stellen, zugleich mit der reichen Zertheilung der Nebenäste, die dem Ganzen ein von ßavicans abweichendes Gepräge verleihen, das mehr an chrysophtlialma erinnert, haben mich veranlasst, die Form, welche auch durch reiche Pycniden- bildung hervorsticht, vorläufig wenigstens als Var. .abzutrennen. Sie ist schon früher in Afrika gesammelt worden. Ich sah sie unter reichlich vorhandenem Material von flavicans im Herb, des k. k. Hofmuseums vom Gauritz-Revier in Südafrika und von Port Natal (ebenfalls mit Pycniden). 10. Parmelia pedicellata Stnr. Forma et color thalli fere ut in P. perforata v. P. Abes- synica, quacum etiam congruit reactio thalli KHO intus et extus lutea (add. CaCl^O., intensius) et CaClgO^ nulla. Flechten aus Britisch-Ostafrika. 21o Pagina superior thalli cinereo glauca, opaca, primum laevis sed. tandem plus minus reticukitim rugulosa, v. dense fossulato rugosa, ubique tenuissime rimulosa. Lobi marginales adpressi, V. varie adscendentes v. erecti, ambitu parce nigro ciliati v. ciliis nullis, sorediosi v. esorediosi. Pagina inferior centroversus nigra ad ambitum latius fusca V. decorticata alba, plus minus nitida, mox dense et acute reti- culato rugosa, rhizinis paucis v. nullis. Apothecia urceolata varie compressa, majora 6 — lOuiiu lt., margine-acuto erecto v. incurvo plus minus fisso, disco rufo- fusco, nitente jam in statu juvenili perforato, distincte pedi- cellata, podetia dense fossulato-rugosa, ut subtus etiam ex- cipulum. Interna structura apotheciorum ut in P. Abessynica, sporae dupliciter limbatae, paullo latiores 13 — 19 (20) [x lg., 7 — 10 [jl lt. J asci coerulescunt mox fusce purpurascunt, paraphyses fere semper jam ab initio lutescunt. Pycnides atrae, sterigmata longa, ramosa, articulata, cellulis subfusiformibus longis. Pycnoconidia longa, recta v. raro leviter arcuata 15 — 28 [x lg., 0-6 [x lt. Ramulicola prope Matchakos non rara. In der Gruppe der perfor ata deutlich gekennzeichnet durch die Thallusreaction, die hohen, faltig grubigen Podetien und ganz besonders durch die langen Pycnoconiden. 11. Parmelia caperata Ach. Meth. p. 216. — Linn. Sp. pl. p. 1147 sub Lichene. var. isidiopliora Stnr. Thallus coriaceus late expansus, arcte adpressus, lobi marginales ad 3—4 min lg., 2 — 3 iuui lt. Color thalli pro parte magis viridis quam in caperata typica, sed medulla, pagina inferior et reactiones omnino congruunt. Pagina superior thalli mox rugosa, centroversus crebre bullato-rugosa et praesertim in depressionibus thalli verrucis concoloribus in dactylos simplices v. divisos excrescentes dense vestita. Planta omnino sterilis, etiam pycnides desunt. Graniticola in reg. Athi-Plains. Die Flechte steht kleinlappiger caperata offenbar sehr nahe; über die nähere systematische Stellung ist aber bei 216 J. Steiner, dem vollständigen Fehlen der Apothecien und Pycniden etwas Sicheres nicht auszusagen. 12. Physcia (Sect. Dirinaria) aegialita Nyl. E. p. 43. — Ach. Meth. p. 192 sub Parmelia. Thallus esorediosus. Sporae 14 — 21 [x lg., 5 — 7 [a lt. Pycnides non bene evolutae. Sterigmata saepius cellulis coUapsis, pycnoconidia rara 3—4 [i lg., 0-5 [x lt., recta. Ramuli- cola prope Matchakos. Die Flechte bedeckt auch Thalluslappen der Par. pode- tiata, ohne sich in ihrem Habitus irgendwie zu ändern. 13. Pyxine Meissner! Tuck. Obs. Lieh. V, p. 400. Ramulicola, sterilis prope Matchakos. 14. Rinodina laevigata Flag. L. p. 38. — Ach. Univ. p. 357. — Nyl. Flora, 1878, p. 345. Thallus tenuis depauperatus, ubi circa apothecia adest cohaerens membranaceus, hie inde levissime inaequalis, glau- cus V. sublutescens. Apothecia tenuiter thallo marginata, disco nigro, madefacto pauUo in fuscum vergente. Sporae subfusi- forme ellipticae rectae v. curvatae, minime constrictae 16 — 24 [j. lg., 8 — 11 [j. lt., mediocriter fuscae, membrana circumcirca crassa, ad centrum septi tantum tenuis. Sporoblastia parva elliptica v. subconica raro rotunda. Pycnides non adsunt. Corticola, permodesta, hie inde dispersa, etiam in fissuris corticis prope Matchakos. Ich sah kein Exemplar der laevigata, die vorliegende Flechte entspricht jedoch den kurzen Diagnosen. Ist sie wirk- lich die laevigata Ach., so ist diese Art nicht nur durch den Thallus, sondern mehr noch durch die oben angeführten Merk- male der Sporenhaut und die Sporenfarbe von sophodes Ach. verschieden. 15. Rinodina subcervina Stnr. Thallus tenuis, subsquamuloso areolatus, areolis con- gestis, subrotundatis ad 0*3 — 0*5 mm lt., laevibus, opacis, piano convexulis, cervino v. olivaceo fuscis v. tandem pallidis. Flechten aus Rritisch-Ostafrika. 2 1 7 statu madefacto olivaceo-virens, KHO lutescit, caeteris reagen- tiis solitis non mutatur. Apothecia parva 0-2 — 0-35 wm lata, orbicularia, primum immersa tandem pauUo emergentia, disco nigro, piano v. piano convexulo, optime madefacto obscure fusco, margine thallode valde tenui tandem obscurato. Paraphyses filiformes, supra incrassatae et connatae epi- thecium obscure rufo-fuscum formant. Hypothecium tandem luteolum V. fuscescens. Hymenium circa 60 — 70 [i altum. Sporae octonae in ascis clavatis parvae 8 — 13 (jl lg., 6-5— 8-5 [x lt., late ellipticae v. ovales, obscure fuscae. Basalticola in reg. Athi-Plains. Im inneren Bau der Apothecien und in den Sporen ist R. subcervina nahezu identisch mit R. canella Arid. exs. 1161. Aber die Apothecien treten mehr hervor, sind in ihrer mittleren Entwicklungsphase deutlicher, wenn auch zart, gerandet, das Hypothecium wird in älteren Apothecien bräunlich, und der Thallus ist sehr verschieden. Er gleicht am ehesten dem von R. hnellioides Metzl. exs. Arid. 495, welche Art aber ganz andere Sporen besitzt. Auch sind die x'\reolen der sub- cervina mehr schuppenartig, gerundet, von weicherer Con- sistenz (Hyphengewebe des Markes locker), verfärben sich später in weisslichbraun und werden benetzt deutlich grün. 16. Rinodina basalticola Stnr. Forma et magnitudo thalli fere ut in R. subcervina. lUe squamoso-areolatus hyphothallo obscuro parum visibili. Areo- lae confertae ad O'bnini latae, subrotundae, magis convexula quam in subcervina et aequaliter argillaceo cinereae. Thallus KHO leviter lutescit, reagentiis caeteris solitis non mutatur. Apothecia parva, primum immersa mox adpresso sedentia, rotunda 0-3 — 0-35 7«;« lt., singula in quavis areola, distincte a thallo marginata, margine integro discum aequante, cum thallo concolore. Discus planus, impure ater, madefactus mox dilute fuscescens. Paraphyses filiformes, tenues, connatae, minus distinctae, epithecium luteo fuscescens formant. Hypothecium incolor, gonidia sub hypothecio et in margine adsunt. Sporae octonae in ascis elliptice clavatis, ellipticae, medio tandem leviter constrictae, apicibus plus minus rotundatis, 1-septatae 218 J. Steiner, fuscae 15 — 21 [x lg., 7 — 1 1 [x lt. Sporoblastis subrotundis v. sub- cordatis. Hymenium J mox fuscescit, asci fusce purpurascunt. Pyc- nides punctiformes atrae, sterigmata ramosa, articulata, cellulis mediocribus. P3^cnoconidia elongata, recta 3 — 4 [j, lg., 1 — 1-2 [i lt. Basalticola in reg. Athi-Plains. Steht der R. trachytica Mass. Arid. exs. 493 nahe, ist aber durch den Thallus und die helleren Apothecien verschieden. R. teichophila Nyl. und teicliophiloides Nyl. haben viel grössere Apothecien und grössere Sporen. 17. Caloplaca (Sect. Amphiloma) rubelliana Flag. L. p. 33. — Ach. Univ. p. 376. Omnino cum planta europaea congruens, thallus hie inde spurie macrior. Basalticola in reg. Athi-Plains crebre adest. 18. Caloplaca (Sect. Eucaloplaca) cinnabarina Stnr. — Ach. Univ. p. 402. Planta typica basalticola in reg. Athi-Plains minime rara. 19. Caloplaca (Sect. Blastenia) polioterodes Stnr. Thallus crustaceus submediocris, diftracto-areolatus albus V. albissimus, madefactus glaucus, hyphothallo atro minus per- spicuo. Areolae ad ambitum thalli majores, planae (0*5 — 0-7 iniii lt.) centroversus ulterius diffractae minores, pycnidibus nigro- punctatae, v. rimis obscuris, initia novae diffractionis, nigro- sulcatae. Thallus KHO lutescit, caeterum reagentiis solitis non mutatur. Apothecia primum immersa mox sedentia, orbicularia, ad 0-4 11WI lt., disco piano, v. cinnamomeo-fusco v. obscurato, margine integro, semper nigro. Paraphyses filiformes, tenuiores supra capitata et con- natae epithecium fuscum v. e fusco plus minus obscure viride formant, KHO impure purpurascens. Excipulum, in superiore parte gonidiis privatum, extus nigro-viride KHO non mutatur. Hypothecium incolor. Asci lanceolati, supra incrassati ca. 46 [x lg., 21 [x lt. Sporae octonae parvulae, incolores ellipticae, placodimorphae, septo Flechten aus Britisch-Ostafrika. 219 crasso, isthmo central! instructo, 11 — 13 (a lg., ß — 6-5 tx lt. Hymenium J primum coerulescit mox fulvescit, asci, prae- sertim supra, fusce purpurascunt. Pycnides parvae, atrae, plures in quavis areola, supra sub microsc. fumoso v. fusco virides. Sterigmata ramosa, articulata, pycnoconidia oblonga recta 3 — 4 [x lg., 0-7 ja lt. Basalticola in reg. Athi-Plains. Die Art gehört in die Gruppe der Cal. poliotera Nyl. Flora, 1869, p. 71 und steht der albido-coerulescens Müll. F, p. 462, G, p. 366 am nächsten, ist aber durch den dickeren weissen Thallus, viel schwächeren Hyphothallus, die dunkleren Apo- thecien und das Epithecium verschieden. Von afrikanischen Flechten ist aus dieser Gruppe bisher nur Cal. poliotera vom Zambesi, leg. Menyhardt, Müll. B, p. 298 bekannt, die aber ebenso wie Cal. peragrata Krplh. weiter absteht. Lee. apo- statica ^y\. in Cromb. Prodr. Journ. Linn. Soc. XV, p. 437 hat grössere, durchaus schwarze Apothecien und grössere Sporen. 20. Acarospora tersa Stnr. — Fries, Lieh. Kur. p. 118 sub Parm. chloropliana b. tersa. — Nyl. Scand. p. 173 sub Lecanora Syn.: Lee. Schleicheri var. inicrocarpa Yly\. Prodr, p. 81. Thallus tenuis ca. 0-25 mm crassus, diffracto areolatus, opacus, vitellino luteus, madefactus virens. Areolae parvae, centroversus ad 0'3, ad ambitum v. dis- persae hie inde ad O-^mm lt., angulatae planae et laeves. Discus punctiformis v. tandem rarius ad 0-4 mm dilatatus, siccus obscurus, madefactus dilutius fuscus. Sporae 3*5 — 4-5 [x lg., vix 2 [x lt. Pycnides minimae, punctiformes, obscurae, plures in qua- vis areola. Sterigmata simplicia v. subsimplicia, pycnoconidia late elliptica ca. 3 \x lg., 1-5 — 1-8 [x lt. Basalticola in reg. Athi-Plains crebrius adest. Herr Prof. Dr. Th. Fries hatte die Freundlichkeit, ein Exemplar mit den Originalen der Parm. chloropliana h. tersa Fr. zu vergleichen und fand, »dass sie ganz identisch sind, wenn man davon absieht, dass der Discus in den Originalexemplaren ein wenig heller ist«. Ich glaube nicht, dass die Form abzu- 220 J.Steiner, trennen sei, denke aber an anderer Stelle Weiteres darüber aus- zuführen. (Comp. Klag. L., p. 53 adnot. ad Acar. chlorophanam). A. tersa zeigt nicht selten sehr deuÜich protrophisches Wachsthum, besonders auch auf Dipl. actmostomtis. 21. Maronea fuscula Stnr. — Müll. Flora, 1890, p. 342 sub Lecanora Sect. Pseudoinaronea. Omnino cum diagnosi, 1. c. data, congruens, sed Strato sub hypothecio irregulariter rubescente nullo. Sporae 6 — 8*5 [i lg., 2 — 3 [x lt. J paraphyses plerumque lutescunt, asci coerulescunt, at mox in fusco-purpureum mutan- tur. Thallus KHO non coloratur. Pycnides verrucis thalli singulae insidentes, madefactae fuscescentes (ad 0"1 min lt.) apothecia juvenilia aemulantur. Sterigmata subsimplicia, ramosa, basidiis 10 — 13 [x lg., 2 [x lt. Pycnoconidia recta, utroque apice cuspidata 8 — 13 [x lg., 1 — l-3|x lt. Wenn die gefärbte Schichte, welche von Müller 1. c. hervorgehoben wird, der Flechte angehört und constant ist, dann müsste die vorliegende Form als Var. abgetrennt werden; ich sah kein Exemplar der ftisciila Müll, und habe darüber also kein Urtheil. Die Gattung Maronea lässt sich allerdings nach den Sporen in zwei Sectionen spalten, aber der Angliederung der- selben einerseits an Lecanora, anderseits an Lecania (vide Müller, Flora, 1888, p. 203) könnte ich nicht beistimmen. Soll Maronea nicht als eigene Gattung betrachtet werden, so müssen ihre Sectionen mit Acarospora vereinigt werden, wie es schon Stitzenberger, /, p. 169 that. 22. Lecanora cinereo-carnea Wain. Et. I, p. 80. — Eschw. in Mart. Fl. Brasil, p. 187. Exs. Loyka Univ. n. 84. Corticola prope Matchakos. 23. Lecanora rubiniza Stnr. Thallus tenuis, cinereus, determinatus, zona nigra nulla, verrucoso-inaequalis, caeterum laevis. Apothecia e verrucis emergenüa mox sedentia, rotunda, diam. 0-6 mm attingentia Flechten aus Britisch-Ostafrika. 22 1 V. minora, margine thallino submediocri persistente, primiim integro, sed mox verruculoso. Discus planus v. tandem plano- concavus, saturate fusco rubinus, serius centroversus leviter albo-pruinosulus. Hymenium ca. 60 [x altum, minime inspersum. Paraphyses filiformes, tenuiores, conglutinatae, supra modice incrassatae epithecium luteo v. rubro rufum formant. Sporae octonae in ascis clavatis, incolores simplices, late ovoideae 10 — 14 [X lg., 6"5 — 7'5|x lt. Discus et epithecium nee KHO nee CaClaOg aliter colorantur. Hymenium J primum coerulescit mox fusco-virose rubet. Thallus KHO lutescit, reagentiis cae- teris solitis non mutatur. Pycnides non adsunt. Ramulicola in reg. Athi-Plains rara. Die i\rt hat ausser dem deutlich in rubinroth geneigten Discus der ziemlich kleinen Apothecien und dessen eigen- thümlicher, schwacher Bereifung kein hervorragendes Merk- mal, es ist mehr das Zusammentreffen der angegebenen Eigen- thümlichkeiten, welches sie, soweit ich zu finden vermag, mit keiner anderen vereinigen lässt. Am nächsten steht sie wohl der Lcc. aiigiilosa Schreb. 24. Lecanora sabulosa Stnr. Thallus tenuis stramineo v. sulphureo virens, minutissime sed distincte conferte granulosus, granulis rotundis ca. O'l mtn lt., hyphothallo colorato nuUo. Apothecia mox adpresso sedentia tenuia, rotunda 0-5 usque 0'8 [x lt., disco persistenter piano, mudo, e pallide fusce- scente tandem rufulo fuscescente, margine mediocri, thallo con- colore, persistente, primum pulvereo integro, tandem optime verruculoso, discum parum superante. Paraphyses filiformes, tenues, rarius ramosae, connatae, supra leviter incrassatae epithecium lutescens formant. Hyme- nium et hypothecium incoloria, minime inspersa. Sporae octo- nae in ascis clavatis, simplices, incolores late ovoideae rarius ellipticae 10 — 13 [jl lg., 6 — 9 [j. lt. J paraphyses mox lutescunt, asci post coerulescentiam fugacem fusce purpurascunt. Epithecium KHO non mutatur. Thallus CaClgOo aurantiace rubescit. Pycnides non adsunt. 222 J. Steiner, Corticola prope Matchakos. Die zierliche Flechte bildet kleine Inselchen zwischen anderen Lagern und gleicht im Habitus, besonders so lange sie noch im jugendlichen Zustande kleinere, helle Apothecien besitzt, der Lee. paUide-flava Fee K. p. 118 et tab. XXIX, fig. 2, unterscheidet sich von ihr aber schon durch die Sporenform und die Thallusreaction. Von Lee. flavido-pallens Nyl. Flora, 1876, p. 510 ist sie durch die Form des Thallus und das körnerlose Hymenium und Epithecium und von expaUens Ach. Univ. p. 347 durch den Thallus, die Apothecienform und die Sporen verschieden. Die älteren Apothecien gleichen im Habitus denen der Lee. snlwarians Nyl. in Norrl. exs. Fenn. n. 287. 25. Bacidia submillegrana Stnr. Thallus tenissimus, vix perspicuus. Apothecia extus et intus omnino iis B. areeiitinae similes, hypothecium aeque luteolum et epithecium fuscum sed sporae diversae. Sporae octonae in asco incolores, aciculares, stricto rectae v. raro leviter arcuatae, 8 — 10 loculares 40 — 65 [x lg., 2*5 — 3 [x lt. pro maxima parte altero apice crassiores, altero longe acutae. Hymenium J dilutius coerulescit mox fusco-vinose decolo- ratur. Corticola prope Matchakos. Wie oben hervorgehoben, gleicht die Flechte im Thallus, in der Form und Farbe der Apothecien und deren innerem Bau der B. areeiitina, die Sporen sind aber constant dicker, deut- licher getheilt und mehr gestreckt. Eben durch die Sporen kommt die Art der B. millegrana (Tayl. in Hook. Journ. Bot. 1847, p. 159) und der spirospora Kn. (letzterer auch durch die Farbe Epithecium und Hypothecium ganz ähnlich) näher, hat aber di^innere Sporen und verschiedenen Thallus. 26. Lecidea (Sect. Biatora) russula Ach. Meth. p. 61. Ramulicola prope Matchakos rara. Lee. eiiinahariua Sommerf. ist von riissuJa wohl nicht als Art zu trennen. Flechten aus Britisch-OstatVika. 223 27. Lecidea Angolensis Müll. Linnaea, Bd. 43 (neue Folge, 9), p. 35, \'ar. oricntalis Stnr. Omnia ut in typica L. Augoicusi, sed thallus di.stinctius rimoso areolatu.s et zona nigra numquam circumdatLi.s. Apo- thecia ad 0-3 raro 0-4: nun lata et sporae paullo majores et latiores 9 — 13 [x lg., 5 — 6-5 [i lt. (in Angoleiisi 8 — 11 (x lg., 4-5 [X lt.), Hymenium J primum intense coerulescit mox in fusco purpureum v. impure vinosum decoloratur. Epithecium KHO non mutatur, HNO3 roseo rubet. Pycnides punctiforme.s atrae, plures in quavis areola, supra aeque ac epithecium coloratae (i. e. e fusco plus minus intense coeruleo virens). Sterigmata simplicia parva, supra vix cras- siores quam pycnoconidia. Haec bacillaria recta 8 — 10-5 [ji, lg., 0-5 [x lt. Ausser in den angeRihrten Merkmalen vollständig mit einem Originalexemplar der Angolensis von Lydenburg leg. Wilms (Herb. k. k. Hofmuseum) übereinstimmend. Leider fand ich an diesem keine Pycniden, so dass die Frage nach deren Übereinstimmung offen bleibt. Fraglich ist auch, ob Lee. Ango- lensis nicht richtiger zur Sect. Aspicilia der Gattung Lecmiora gestellt würde. 28. Lecidea glauco-nigra Stnr. Thallus crustaceus, submediocris, determinatus, hypho- thallo obscuriore nullo, rimoso v. tandem diffracte areolatus laevis, albo-glaucus, madefactus subvirens KHO viride lute- scens, J fulvescens, CaClgO^ non mutatus. Areolae ad 0*5 mm lt., irregulariter subconcavae, rotundato angulatae v. subsqua- mosae. Apothecia semper atra subnitida, primum immersa, deinde paullo emergentia, plana, tenuia, süborbicularia ad 1 mm lt., solitaria v. nonnulla congesta, madefacta subconvexula ad ambitum extenuata, semper immarginata et intus obscura. Paraphyses crassiores filiformes, connatae, supra paullo incrassatae et conglutinatae epithecium varie obscuratum, sem- per in viride vergens, formant. Hypothecium centroversus in 224 J. Steiner, superiore parte, ad ambitum totiim plus minus umbrino fusce- scens, tandem etiam hymenium umbrino-sordidum. Asci sub- elliptici V. clavati, supra modice incrassati ad 55 [x lg., 17 [j. lt. Sporae octonae, incolores, simplices, late ellipticae v. sub- rotundae 8 — 11 [j. lg., 6 — 8-5[a lt. J hymenium e coeruleo mox fusco-vinose rubet. KHO epithecium non mutatur, hypo- thecium et hymenium, quoad colorata, distinctius sordide vio- lascunt. HNO3 epithecium impure roseo rubet. Pycnides non vidi. Basalticola in reg. Athi-Plains exemplar unicum. Soviel aus dem kleinen Exemplar, das zwischen L. Aiigo- lensis und Dipl. actinostomus eingekeilt ist, entnommen werden kann, eine auffallende Art, welche durch die Form der Apo- thecien, das Hypothecium und die kleinen, breiten Sporen gekennzeichnet ist. Die Apothecien gleichen in ihrem Habitus denen einiger Formen der Lee. atra mit kleinen eingesenkten Apothecien, z. B. der Lee. atra v. grumosa Pers. oder der afrikanischen Lee. atroviolaeea Flot., aber ihr innerer Bau ist ein anderer, und ich halte sie nicht für lecanorin, vermuthe vielmehr, dass ein Syntroph auf Dipl. aetinostomns v. aeneus Müll, (graue Form) vorliegt. 29. Lecidea trachytica iMüll. Engl. bot. Jahrb. 15. Bd. 1893, p. 519. Non omnino cum diagnosi, 1. c. data, congruens. Thallus non disperse, sed congeste diffracto-areolatus, apothecia non crassiuscula, sed magis tenuia et hypothecium mox lutescens V. ochraceo-lutescens (KHO adh. intensius). Thallus KHO lute- scit V. intus etiam aurantiate lutescit. Pycnides non vidi. Basalticola in reg. Athi-Plains exemplar unicum. Die Flechte unterscheidet sich von Lee. latypea wohl nur durch die mehr verleimten Paraphysen und den Thallus, der recht auffallend an den von Calopl. polioterodes erinnert. Gerade hierin stimmt sie aber mit Lee. traehytiea Müll, überein. Aus- geschlossen ist nicht, dass sie als ein Syntroph auf Cal. polio- terodes anzusehen ist. Flechten aus Britisch- OstatVika. 225 30. Lecidea viridans Flot. Flora, 1828, p. 697 var. nigrclla Massal. .1/ (Separ. p. 39). Omnia, etiam sporae et reactio jodina, ut in planta euro- paea, sed hyphothallus obscurus (statu madefacto distinctius) adest et thallus CaCl^O., non v. spurie tantum coloratur. Basalticola in reg. Athi-Plains rara. Das Epithecium wechselt von braun in rauchfarben grün, das Hypothecium ist farblos, wird aber später gelblich, die Sporen variiren überall von 8 — 12 (rar. 13) [x lg., 5 — 7 [i lt. (mit Alkalien behandelt, nahezu kugelig), die Paraphysen sind immer geknöpft und in der Jugend frei (die Abbildung in Mass. 1. c, tab. VI, fig. 24 entspricht in dieser Beziehung der Beschreibung wenig). Ich sah die Flechte vom Cap nicht, finde aber keinen hinreichenden Grund zur specifischen Trennung derselben von viridans. 31. Buellia disciformis Br. et Rostr. Lieh. Dan. p. 11 1. — Fr. in Aloug. Et. Vog. n. 745 (sie. Th. Er. Scand. p. 590) sub Lecidea. var. pachyspora Stnr. Sporae 24— 34 [x lg., 12 — 16 [x lt., membrana ad septum praesertim incrassata saepe isthmo praedita. Apothecia ad 0-7 min lata, plana, nuda, primum crassius marginata. Thallus KHO lutescit. Ramulicola prope Matchakos. Durch die grossen, constant breiten Sporen ausgezeichnet, im Habitus vollständig einer Bnell. disciformis mit kleineren Apothecien (0-5 — 0-7 mm lt.) gleichend. 32. Buellia stellulata Br. et Rostr. Lieh. Dan. p. 111. — Tayl. in Mack. Fl. Hibern. IV, p. 1 18 sub Lecidea. Sporae parvae, late ellipticae 8*5 — 13 [x lg., 5 — 7 [x lt. Hymenium J e coeruleo mox fusco^-vinose tingitur, ascis prae- sertim coloratis, paraphysibus magis fulvescentibus. P^^cnides punctiformes atrae, supra aeque ac epithecium coloratae. Sterigmata simplicia v. pauce articulata, tenuiora, pycnoconidia bacilliformia recta 4—5 [x lg., 0-5 [x lt. Basalticola in reg. Athi-Plains, non raro protrophica. 226 J. Steiner, Vaw protothallina Kremplh. Flora, 1876, p. 267. Hyphothallo nigro praedominante, thallus KHO ut in specie plus minus lutescens. Graniticola in reg. Athi-Plains crebre adest, insulas parvas inter Calopl. ciiinahariuani formans. 33. Buellia italica Garov. Delect. II, p. 21. Planta normalis, areolis bene diffractis, basalticola in reg. Alhi-Plains exemplar unicum. Var. Recnbariana Mass. in Sched. crit. p. 163 et exs. n. 302. Thallus minus distincte areolatus. Basalticola in reg. Athi-Plains. 34. Rhizocarpon viridiatrum Flk. sec. Kerb. Syst. p. 262. Medulla J fulvescit. Sporae 16—21 [x lg., 9 — 11 [x lt., 1 — 3 Sept., cellulis hinc inde iterum divisis. Planta modesta, areolis dissipatis v. nonnullis congestis, hyphothallo obscuro nullo. Basalticola inter alios lichenes rara in reg. Athi-Plains. 35. Microphyale rufula Stnr. Thallus tenuissimus, farinosus, albus, insulas parvas in- determinatas forraans, gonidia chroolepea majora. Apothecia orbicularia ad 0-8 mm lata v. minora, subcrassa mox adpresso sedentia. Discus primum punctiformis tandem ad 0*45 mm dilatatus, planus v. subplanus, rufus, nudus. Excipulum pro- prium marginem crassum, dilutiorem v. disco concolorem for- mat, extus v. nudum v. diu thallo leviter albo-pruinosum. Paraphyses filiformes, subconnatae epithecium luteo-rufu- lum formant. Asci elongati 64 [x lg., 8 — 11 [x lt., leptodermei. Sporae octonae, oblonge subfusiformes, hyalinae, 1-sep- tatae 14 — 17 [x lg., 3-5— 4-5 jx lt. Hymenium J primum coerulescit mox obscure vinose fuscescit. KHO nee epithecium nee excipulum aliter colorat. Corticola prope Matchakos. Nicht selten und hervorragend von den anderen Arten der Gattung verschieden, aber unscheinbar, da immer nur kleine Flechten aus Britisch-Ostafrika. 227 Inselchen mit wenigen Apothecien, zwischen anderen Flechten zerstreut, vorhanden sind. Die Gattung Biatorinopsis Müller in Flora, 1881, p. 102 ist viel jüngeren Datums, als die auf dieselbe Micr. lutea gegründete Section Microphyale Stitzenb. /, p. 159. MicropJiyale ist von SccoUga nur durch die 1-septirten Sporen verschieden; die thallodische Bereifung des Excipulums wechselt in demselben Exemplar. 36. Diploschistes actinostomus Zahlbr. Hedwig, 1892, p. 34. Var. acnens Müll. Rev. mycol. 1888, p. 64. Thallus fuscescens madefactus in olivaceum vergens v. decineratus, caesio-plumbeus laevis. Apothecia saepius in fuscum vergentia. Pycnides hie inde numerosae. Sterigmata tenuia, simplicia v. uno alterove septo v. rubramosa. Pycno- conidia recta 4 — 6*5 [x lg., 0-5 — 1 \x lt. Medulla CaClgO^ roseo rubet, J fulvescit tantum. Basalticola et graniticola in reg. Athi-Plains planta vul- garis et late expansa. Sticht von den übrigen Basaltflechten, die durchaus kleine und kleinste Inselchen bilden, durch das zusammenhängende, ausgebreitete Lager ab. Formen mit deutlich braunem und weisslichgrauem oder graulich bleifarbigem Thallus kommen, zusammen mit Über- gängen, gleich häufig vor, so dass ich eine Trennung nicht für gerechtfertigt halte. Von caesioplimtbea Nyl. unterscheiden sich auch die grauen Formen durch die J-Reaction. 37. Pertusaria leioplaca Schär. Spie. p. 66. — Ach. Vet. Ak. Handl. 1809, p. 159. Var. octospova Nyl. Scand. p. 182. Corticola prope Matchakos. 38. Pertusaria sulphureo-nitens Stnr. Thallus normaliter sulphureus hie inde decineratus, cru- staceus determinatus, zona obscura nulla, primum continuus tenuis, laevis, mox rimulosus et incrassatus (ad 0'5 mm v. paullo ultra), crebre verruculosus, plus minus nitens, hie inde Sitzb. d. mathem.-naturw. CL; GVL Bd., Abth. I. 16 228 J. Steiner, cephalodiis hemiglobosis, plus minus confluentibus cerino- fusculis obtectus. Verrucae fertiles p. m. minimae (0-25 — 0'3ö inin), nee altiores nee majores quam steriles, solitariae v. plures varie eongestae, minime eonfluentes. Theeium singulum in quavis verruea ineolor, ostiolo punetiformi, thallum aequante non impresso, tandem denigrato. Asei subeylindrici. Sporae 6—8 in asco, elliptieae v. altero apice irregulariter angustatae, paehydermeae, membrana nee rugosa nee eostata, sed strata 2—3 monstrante, 44 — 82 [i lg., 20—25 [j. lt. J solum asei primum eoeruleseunt, mox fusee purpu- rascunt. Thallus nee CaCl^O^ nee J coloratur, KHO adhibito luteseit, addito CaCl^Og plus minus distinete aurantiace rubet. Pycnides non vidi. Cortieola prope Matehakos non rara. Im Habitus steht die Art, flüehtig angesehen, der xantho- tlielia Müll. Flora, 1890, p. 343 am nächsten, welche dieselbe Farbe besitzt und deren zahh'eiche Stromata etwa dieselbe Höhe erreichen, wie hier der Thallus. Aber xanthothelia hat deutlich abgegrenzte, wenn auch wenig regelmässige Stromata. Solche sind bei snlphiireo-nitens auch nicht andeutungsweise vorhanden. Jedes Theeium besitzt seine eigene, allerdings sehr kleine Thalluswarze. Diese Wärzchen stehen oft ganz ver- einzelt, oft rijcken sie in lockere Reihen oder Gruppen zu- sammen, aber bleiben immer von einander getrennt. Caeterum Pertnsaria quaedam granitieola non raro adest, sed sterilis. Thallus saxum late obdueens, tenuis v. submedioeris, dilute argillaceo lutescens, habitu molli, conferte granulosus v. cerebrino granulosus, soralibus albis primum subrotundis (non marginatis) mox irregulariter confluentibus non raro tectus. Pycnides crebrae, luteo-roseolae, compositae, sorediose tectae v. coronatae. Sterigmata subsimplieia, ramosa, breviora, sterilibus elongatis ramosissimis immixtis. Pyenoconidia reeta 4 — 5 [X lg., 0-5 [X lt. Thallus nee CaCl^Oo nee J coloratur, KHO intense luteseit v. in aurantiacum vertitur. Dieatur Perfiis. granitieola Stnr. Flechten aus Britisch-Ostafrika. 229 39. Graphis (Sect. Eugraphis) diaphoroides Müll. Flora, 1886, p. 319. — Exs. Loyka Univ. n. 91. Hymenium oleoso guttatum. Sporae subfusiformes altero apice acutatae, altero minus acuto v. saepe rotundato, 8 — 9 septatae, 22 — 36 jx lg., 7-5 — 9-5 |x lt. Hymenium J lutescit v. aurantiate lutescit, sporae v. optime coerulescunt v. fulvescunt. Supra corticem prope Matchakos rara. In den angeführten Merkmalen stimmt die Flechte voll- ständig mit Loyka n. 91 überein, weniger mit der Diagnose Müller's 1. c, wo die Sporen als 20— 25 [i lg. und 8-locular bezeichnet werden. In dem von Loyka ausgegebenen Exem- plar erreichen sie ausnahmsweise auch die Länge von 40 [i. 40. Graphina (Sect. Eugraphina) heterospora Stnr. Thallu!;, cinereo-albus, tenuis, cohaerens, subfarinosus. Gonidia chroolepea, cellulis subrotundis magnis. Lirellae 0*8 usque \- 25 111111 Ig., 0"2 — Q)- 2b nun lt., subrectae v. curvatae saepius uno ramo tricuspidatae, apicibus acutis v. obtusis. Excipulum laterale nigrum, laeve, non sulcatum, subtus invo- lucro thallode, a thallo rima segregato, plus minus obductum V. tandem omnino nudum. Discus anguste rimosus (madefactus dilatatus), levissime pruinosus v. nudus. Excipulum dimidiatuni, hypothecium in- color. Paraphyses filiformes, minus stipatae, hie inde pauce ramosae, supra leviter sensim incrassatae epithecium fusce- scens, aeque ac hymenium minime inspersum formant. Asci elongato-elliptici, stipitati. Sporae incolores v. singulae in asco magnae 90 — 110 »x lg., 21 — 32 [j, jt., c^dindrice elongatae, rectae v. leviter curvatae, septis 12, sed 4 — 6 medianis iterum septatis, fere aequaliter 3 divisis, ad septa leviter constrictae; vel binae minores, elongatae 60 — 68 p. lg., 16 — 18 |x lt., minus septatae, vel etiam altera magna, altera parva, omnia in eodem apo- thecio. J Hymenium fulvescit, membrana sporarum adultiorum partim tantum rubro-violascit. Pycnides non adsunt. Corticola prope Matchakos exemplar unicum. 16* 230 J. Steiner, In der Tracht an Graph, sophistica Nyl., in der Sporn- form an mehrere Arten der Sect. AulacograpMua erinnernd, aber, soweit ich zu finden vermag, von allen verschieden. 41. Opegrapha viridulata Stnr. Thallus tenuissimus cinereus circa apothecia hie inde per- spicLius, gonidia chroolepea. Lirellae plus minus insulatim con- gestae, parvae, nigrae, nudae, v. rotundato ellipticae v. oblon- gatae 0*2 — Ob mm lg., O"! v. paullo ultra lt., adpresso sedentes, truncatulae. Discus impressus, primum irregulariter puncti- formis, deinde rimaeformis. Excipulum integrum. Paraph3^ses distinctae, omnino irreguläres, undulato retiformes, caeterum hyalinae epithecium fuscum formant. Hypothecium fusco- v. fumoso-viride, supra impure coeruleo viride. Asci elliptici ca. 66 [}. lg., 21 jj. lt., circumcirca subpachydermei. Sporae octonae, semper incolores, elongato-fusiformes, primum 1 sept., deinde 5 — 7 sept. cellulis aequaliter longis, medianis subquadratis, 26 — 30[JL lg., 6 — 6-5 [X lt. Hymenium J e fulvescente sanguineo rubet, KHO epithecium paullo in rubrum vertit, hypothecium non mutat. HNO3 hypothecium fulvescit. Corticola prope Matchakos exem.plar ünicum. Die unscheinbare Flechte gehört in die Gruppe der Op. varia und steht sehr kleinfrüchtigen Formen der v. pnlicaris in der äusseren Form und dem inneren Bau der Apothecien, besonders auch in der Spornform nahe, ist aber durch die Farbe des Hypothecium constant verschieden. 42. Arthonia (Sect. Conioloma) gregaria Krb. Syst. Lieh. p. 291. — Weig. Obs. bot. p. 43, tab. II, fig. 10 (sec. Almq. Arth.- p. 20). Syn.: Coniocarpoii cinnabarinuin D. C. Fl. Franc. II, p. 323. Var. obsciwa Schär, exs. n. 649. Ramulicola prope Matchakos. Sporae 18 — 24 [t. lg., 8 — 9*5 [x lt., 4 — 5 loculares. Asc 45 — 60 \i. lg., 20 — 28 |j. lt. Sporen und Asci um etwas Weniges srrösser als in Schär, n. 649. \ Flechten aus Britisch-OstatVika. 231 43. Arthonia (Sect. Naevia) ilieinodes Stnr. Thalkis endophloeodes epidermidem solvens maculas alhi- das laevigatas format, effusas v. zona nigra circumdatas. Apothecia anguloso-rotunda, v. plus minus rectangulariter irregularia v. paullo elongata, plana statu sicco vix thallum superantia, impure atra, i. e. leviter epidermide conspurcata, statu madefacto nigra et emergentia, ad 0-5 mm lt., vel O-'önini lg. et 0-2Ö tnin lt. Paraphyses hyalinae, irreguläres epithecium fusce olivaceum granulosum formant. Hypothecium minus distinctum, incolor. Asci subpyriformes 46 — 50 [x lg., 26 — 30 (j- lt. Sporae 6 (8) in asco, semper incolores, elongato et supra rotundato cuneiformes, altero apice acutatae, rectae v. arcuatae, 7 — 8 septatae, cellula extrema latiore et multo longiore, cellulis caeteris sublentiformibus, 22 — 30 [jl lg., 8 — 9-5 [x lt. Hymenium J partim coerulescit, partim fuscescit (minime vinose ruhet), asci vix spurie colorati. KHO epithecium non mutat. Corticola prope Matchakos. Die Art steht zwischen der Gruppe der complanata Fee und der ilicina Tayl, kommt im inneren Fruchthau und den Sporen letzterer näher, unterscheidet sich aber durch die Apo- thecien und schlankere, etwas mehr getheilte Sporen. Von ili- cinella Nyl. weicht sie ausserdem durch die J-Reaction des Hymeniums ab. 44. Celidium bacidiosporum Stnr. Planta syntrophica. Apothecia mox adpresso sedentia, mediocriter conv^exa, immarginata, sicca et madefacta pure nigra, opaca ad 0-5 min lata. Thallus alienus sub centrali parte hypothecii distincte incrassatus (sed minus quam in C. stictai'itm) et luteo fuscescens. Paraphyses distinctae solubiles, ramosae et irreguläres, supra connatae tegumentum nigro chalybaeum, plus minus in violaceum vergens, formant. Hypothecium nigrescens, supra sensim dilutius chalybaeo-violaceum. Hymenium vitreum, pel- lucidum. Asci clavati v. elliptice clavati, supra incrassati, sub- pedicellati ad 56 [x lg., 16 — 22 [x lt. facile secedentes. Sporae 232 J.Steiner, (3 — 8 in asco, subaciculare elongatae vel apicibus acutatis V. altero rotundato, rectae v. leviter arcuatae, semper incolores 22 — 34 jx lg., 4 — 5 [X lt., aequaliter 3-septatae. Hymenium J sanguineo, asci vinose rubent. KHO omnia intense virescunt (ut in C. stictaviun), HNO3 impure lateritio rubent. Supra thallum et podetia Parm. pedicUatae. Die Apothecien bevorzugen die Gruben zwischen den Falten des Thallus und der Podetien der Parmelia. Von den Celidien mit grösseren Apothecien schon durch das Hypo- thecium und Epithecium, besonders aber durch die Sporen verschieden. Diese liegen zu 3 — 4 in zwei, theilweise durch- einandergeschobenen Reihen, sind im Ascus gewöhnlich ge- streckt, ausserhalb desselben gerade oder leicht gebogen, wurden aber auch einigemale im Ascus zusammengedreht gefunden. 45. Cyrtidula stigmatophora Stnr. Thallus endophloeodes maculas pallidas, immarginatas format. Gonidia palmellacea hyphis irretita adsunt, sed etiam festigia sclerogonidiorum decolorata et partim coUapsa. Apothecia elliptica v. acute elliptica, convexula sicca et madefacta atra, immarginata 0-3 — 0-4 umi longa, aequaliter super thallum dispersa. Cyrtidium obscure fuscum, irreguläre, lacunis 5 — 7 jam sub lente optime perspicuis, subrotundis saepe subtriseriatis. Paraphyses irreguläres, hyalinae v. tandem leviter fusci- dulae cum peridio cohaerentes. Asci subpyriformes, elliptici v. plus minus lanceolati 40 — 50 [X lg., 18 — 23 |j. lt., supra parum incrassati. Sporae 8 in asco, semper incolores, elongatae apicibus rotundatis, altero apice saepius paullo crassiore, aequaliter 3 (raro 4) septatae, halonc circumdatae 15 — 22 [x lg., 6 — ß'ö [x lt. Hymenium J lutescit v. fulvescit, peridium KHO dilutius rufescit. Corticola prope Matchakos. Von den übrigen Arten der Gattung, welche vierzellige Sporen besitzen, durch die Apothecien, die vollständig färb- Flechten aus Britisch-Ostafrika. 233 losen und daher sehr auffallenden Lacunen und die grossen Sporen verschieden. 46. Verrucula glaucina Stnr. — Ach. Univ. p. 675 sub Verni- caria. f. griseo atra Krplh. Lieh. Bay. p. 234. Caeterum cum planta t3^pica omnino congruens, sed sporae paullo latiores 14—20 jx lg., 7—9 \i lt. Crebre adest basalticola et graniticola in reg. Athi-Plains. Die Exemplare auf Granit zeigen die Umwandlung des Thallus von BiielL stellnlata Tayl. auf das deutlichste. 47. Lepra citrina Schär. Spie. p. 2. Corticola, praesertim super thallum Cyrt. stigmatophorae prope Matchakos. 234 J. Steiner, Flechten aus Britisch-Ostafrika. Benützte Abkürzungen. A. Hist. nat. du Canaries par Bacher Webb. et Berthelot. III. PL cellul. auct. C. Montagne. Paris, 1840. B. Müller, Liehen. Zambesici in Verhandl. der zool. -bot. Gesell- schaft. Wien, 1893, Bd. 43. C. Stirton, On the genus Usnea etc. in Scott. Natural. 1881, p. 99 und p. 292. D. Nylander, Recognit. Monogr. Ramalinarum in Bull, de la Soc. Linn. de Normandie. II. ser. t. 4. E. Nylander, Exposit. Lieh. Nov. Caled. in Annal. Sc. nat. Bot. 4. ser. t. 12, 1859. F. Proced. Royal. Soc. of Edinb. XI (1882). G. Botany of. Socot.: Müller, Eichenes in Transact. of the Roy. Soc. of Edinb. Vol. XXXI, 1888, p. 343 e. f H. Normann, Conatus praemiss. in Magazin for Naturviden- skaberne. VII. B. 3. R. /. Stitzenb erger, Beitr. zur Flechtensystematik in Bericht der St. Gallischen naturvviss. Gesellschaft. Vereinsjahr 1861, St. Gallen, 1862. K. Fee, Essai sur 1. Crypt. des ecorces exot. offic. Paris, 1824. Supplementum ä 1' Essai etc. 1837. L. Flagey, Catalogue des Lichens de l'Algerie. Algier, 1896. M. Massalongo, Lieh. Capens. in Memorie dell'Istit. Venet. di scienze lett. ed arti, 1861. A^. Crombie, A Monograph of Lichens found in Brit. I., London, 1894. 235 XIII. SITZUNG VOM 13. MAI 1897. Erschienen: Sitzungsberichte, Bd. 106, Abth. II. b, Heft I-III (Jänner bis März 1897). Se. Excellenz der Herr Minister für Cultus und Unterricht setzt die Akademie mit Note vom 7. d. M. in Kennt- niss, dass zu Folge mitgetheilter Allerhöchster Entschliessung Seine kaiserliche und königliche Apostolische Majestät huldvollst geruhen werden, bei der am 30. Mai d. J. stattfindenden feierlichen Sitzung der kaiserl. Akademie der Wissenschaften Allerhöchst zu erscheinen. Se. Excellenz der Herr Curator-Stellvertreter der kaiserlichen Akademie übermittelt ein Exemplar der Regierungs- vorlage des Staatsvoranschlages für das Jahr 1897, Capitel IX »Ministerium für Cultus und Unterricht« A, B, C, sowie des Finanzgesetzes für das Jahr 1897 vom 15. Jänner 1. J., mit dem Beifügen, dass die ordentlichen und die ausserordentlichen Ausgaben der kaiserl. Akademie der Wissenschaften unver- ändert nach der Regierungsvorlage des Staatsvoranschlages genehmigt worden sind. Das w. M. Herr Prof. Franz Exner überreicht eine in seinem Institute ausgeführte Arbeit des Herrn L. Kann: »Über die innere Reibung des Brom und deren A n d e r u n g mit der T e m p e r a t u r. « Ferner legt Herr Prof. Exner die VIII. Mittheilung der von ihm in Gemeinschaft mit Herrn- E. Haschek ausgeführten »Untersuchungen über die ultravioletten F'unken- spectra der Elemente« \'or. 236 i XIV. SITZUNG VOM 20. MAI 1897 Der Vorsitzende gibt Nachricht von dem erfolgten Ableben des ausländischen correspondirenden Mitgliedes dieser Classe Herrn Alfred Des Cloizeaux, Mitgliedes des Institut de France in Paris. Die anwesenden Mitglieder geben ihrem Beileide durch Erheben von den Sitzen Ausdruck. Das c. M. Herr Hofrath Prof. A. Bauer übersendet eine Arbeit aus dem Laboratorium für allgemeine Chemie an der k. k. technischen Hochschule in Wien von Max Bamberger und Fritz Bock: »Über Nitroverbindungen des Anthra- gallols<'. Herr Prof. Dr. 0. Tumlirz an der k. k. Universität in Czernovvitz übersendet eine Abhandlung, betitelt: »Die speci- fische Wärme des Wasserdampfes bei constantem Druck«. Herr V. Grünberg in Wien übersendet ein versiegeltes Schreiben behufs Wahrung der Priorität, mit der Aufschrift: »Hypothese zur Thermodynamik«. Das w. M. Herr Regierungsrath Prof. F. Mertens über- reicht folgende zwei Abhandlungen: 1. »Über einen asymptotischen Ausdruck«. 2. »Über einen algebraischen Satz«. Ferner überreicht Herr Regierungsrath Mertens eine Ab- handlung von Dr. Konrad Z in dl er, Docent an der k. k. techni- schen Hochschule in Wien: »Über die Differentiation mehrfacher Integrale nach einem Parameter, von dem auch die Grenzen abhängen«. 237 Das w. M. Herr Hofrath Director A. Kern er Ritter V. Marilaun überreicht eine Abhandlung von Dr. Ärpäd V. Degen in Budapest und Ignaz Dörfler in Wien, betitelt: »Beitrag zur Flora Albaniens und Alacedoniens. Er- gebnisse einer von J. Dörfler im Jahre 1893 unternommenen Reise.» Das \v. M. Herr Hofrath Director F. Stein da ebner i^iber- reicht eine für die Denkschriften bestimmte Abhandlung, betitelt: »Bericht über d i e v o n D r. E s c h e r i c h i n d e r U m g e b u n g von A n g o r a gesammelten Fische und Reptilien«. Hierauf begrüsst der Vorsitzende, die anwesenden Mit- glieder der ärztlichen Expedition nach Bombay, Doctoren F. Müller, H. Albrecht, A. Ghon und R. Pöch zu ihrer glücklichen Rückkehr und spricht denselben den Dank aus für die erfolgreiche Thäügkeit bei dieser schwierigen Mission. Herr Dr. Alb recht dankt im Namen der Mitglieder der Expedition für die von der kaiserlichen Akademie aufge- wendeten reichlichen Mittel, wodurch ihnen die Gelegenheit ermöglicht wurde, ihre Kräfte für eine so wichtige Arbeit ein- zusetzen, und erstattet einen vorläufigen Bericht über diese Expedition. SITZUNGSBERICHTE KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. MATHEMATISCH -NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE. GVL BAND. VI. HEFT. ABTHEILUNG I. ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE, KRYSTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE, PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE, ERDBEBEN UND REISEN. 239 XV. SITZUNG VOM 3. JUNI 1897. Der Secretär verliest die aus Anlass der fünfzigjährigen Jubelfeier der Akademie eingelaufenen schriftlichen Glück- wünsche und Telegramme des Präsidiums der Böhmischen Kaiser Franz Josef-Akademie der Wissenschaften und Kunst, des Marine -Commandanten und Chefs der Marine -Section des k. u. k. Reichs -Kriegs -Ministeriums Admiral Freiherrn Daublebsky v. Sterneck, des Directors der k. k. Geo- logischen Reichsanstalt Hofrathes Dr. Stäche, des Präsidenten der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, ferner des Commandanten S. M. Schiffes »Pola« k. u. k. Linienschiffs- Capitäns v. Pott und des Mitgliedes des wissenschaftlichen Stabes für oceanographische Forschungen k. k. Regierungs- rathes Prof. Luksch in Fiume. Das k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht setzt die kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Kenntniss, dass dieselbe laut einer diesem Ministerium im Wege des k. und k. Ministeriums des Äussern zugekommenen Mittheilung der kaiserl. russischen Botschaft zur Theilnahme an dem in der zweiten Hälfte August d. J. in St. Petersburg stattfindenden internationalen Geologen-Congress eingeladen wird. Das w. M. Herr Prof. Sigm. Exner legt eine Abhandlung von Dr. L. Rethi vor, die im physiologischen Institute der Wiener Universität ausgeführt wurde und den Titel trägt: »Die Stimmbandspannung, experimentell geprüft«. 240 XVI. SITZUNG VOM 18. JUNI 1897. Erschienen: Sitzungsberichte, Bd. 106, Abth. IL a., Heft I — II (Jänner bis Februar 1897); Monatshefte für Chemie, Bd. 18, Heft IV (April 1897). Das c. M. Herr Prof. O. Stolz in Innsbruck übersendet eine Abhandlung unter dem Titel: »Zwei Grenzwerthe, von welchen das obere Integral ein besonderer Fall ist«. Der Secretär legt folgende eingesendete Abhandlungen vor: 1. »Über räumliche Pon celet'sche Polj^gone« und 2. »Bemerkungen über symmetrische Correspon- denzen ungeraden Grades«, beide Arbeiten von Prof. Dr. Gustav Kohn in Wien. 3. »Arbeiten zur Elektrodynamik. I. Zusammenhang der elektrischen Kräfte und Wellen«, von Dr. Ign. Schütz in Nürnberg. Ferner legt der Secretär ein von Herrn Bela Vilmos, Techniker in Zürich, eingesendetes versiegeltes Schreiben behufs Wahrung der Priorität vor, welches die Aufschrift führt: »Neue M o t o r e n t h e o r i e und praktische Durch f ü h r u n g derselben«. Das w. M. Herr Hofrath Prof. Ad. Lieben überreicht eine Abhandlung der Herren Prof. Dr. R. Pi-ibram und C. Glücks- m a n n in Czerno witz : » Ü b e r d e n Z u s a m m e n h a n g z w i s c h e n Volum an derung und dem speci fischen Drehungs ver- mögen activer Lösungen«. Das w. M. Herr Prof. H. Weidel überreicht zwei Arbeiten aus dem I. chemischen Universitätslaboratorium in Wien: 241 1. »Über den Austausch von Brom gegen Chlor in aromatischen Verbindungen«, von Dr. Rud. Weg- sehe i d e r. 2. »Zur Kenntniss der Nitrosoproducte des Phloro- glucindiäthyläthers«, von H. Weidel und J. Pollak. Das vv. AI. Herr Prof. Friedrich Brauer überreicht eine Abhandlung unter dem Titel: »Bemerkungen zu den in der Sammlung G. H. Verall befindlichen Original- exemplaren Bigot's und Macquart's aus der Abtheilung der Mnscaria schizometopa und Beschreibung von zwei Hypoderma-A r t e n « . Das w. M. Herr Hofrath Prof. V. v. Lang überreicht eine Abhandlung von Dr. Josef Tum a, Privatdocent an der k. k. Uni- versität in Wien, betitelt: »Ein Phase nmessinstrument für Wechselströme«. Sitzb. d. mathem.-naturw. CL; CVI. Bd., Abth. I. SITZUNGSBERICHTE KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. MATHEMATISCH -NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE. CVI. BAND. VII. HEFT. ABTHEILUNG I. ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE, KRYSTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE, PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE, ERDBEBEN UND REISEN. 17* 243 XVII. SITZUNG VOM 1. JULI 1897. Erschienen: Sitzungsberichte: 106. Bd., Abth. I, Heft I — III (Jänner bis März 1897) und Abth. III, Heft I— IV (Jänner— April 1896). Herr Dr. A. Pelikan in Wien dankt für die ihm zum Abschlüsse seiner Studien über die Schalsteine bewilligte Sub- vention. Herr Dr. K. Brunner v. WattenwjM, k. k. Ministerialrath i. P. in Wien, übermittelt die Pflichtexemplare seines mit Unter- stützung der kaiserl. Akademie der Wissenschaften (aus dem Legate Wedl) herausgegebenen Werkes, betitelt: »Betrach- tungen über die Farbenpracht der Insecten«. Das c. M. Herr Hofrath Prof. A. Bauer übersendet eine Arbeit aus dem Laboratorium für allgemeine Chemie an der k. k. technischen Hochschule in Wien von Max Bamberger und Anton Landsie dl: »Zur Kenn tniss der Übervval lungs- harze« (III. Abhandlung). Ferner übersendet Herr Hofrath Bauer eine Arbeit aus dem Laboratorium für analytische Chemie an dieser Hoch- schule von Dr. Hans Meyer, betitelt: »Über das Cantha- ridin«. Herr Julius Kammer in Wien übermittelt ein versiegeltes Schreiben behufs Wahrung der Priorität mit der Aufschrift: »Beitrag zur mechanischen Wärmetheorie«. Das vv. M. Herr k. u. k. Hofrath Director F. Steindachner überreicht eine Abhandlung des Herrn Friedrich Siebenrock, Custos-Adjuncten am k. k. naturhistorischen Hofmuseum in Wien, betitelt: »Das Kopfskelet der Schildkröten«. 244 Das w. M. Herr Prof. H. Weidel überreicht zwei Arbeiten aus dem I. chemischen Laboratorium der k. k. Universität in Wien. 1. «Weitere Bestimmungen des Alkyls am Stickstoff«, von J. Herzig und H. Meyer. 2. »Über Nitrosoproducte der Monoäther des Brenz- catechins«, von A. Pfob. Das w. M. Herr Hofrath Prof. V. v. Lang überreicht eine Arbeit aus dem physikahsch-chemischen Institute der k. k. deutschen Universität in Prag von Prof. Dr. G. J au mann: »Über die Interferenz und die elektrostatische Ab- lenkung der K a t h o d e n s t r a h 1 e n « . Ferner überreicht Herr Hofrath v. Lang eine Abhandlung von Dr. Josef Tuma, Privatdocent und Assistent an der k. k. Universität in Wien, betitelt; »Eine Quecksilberluft- pumpe«. 245 Das Kopfskelet der Schildkröten von Friedrich Siebenrock, Custos-Adjiinct am k. k. natiirhistorischcn Hofntusciim in Wien. (Mit 6 Tafeln.) Bei keiner Ordnung der Reptilien oder überhaupt der VVirbelthiere wurde in der Systematik so viel Rücksicht auf die anatomischen Merkmale genommen als bei den Schild- kröten. Darin liegt wohl auch der Grund für die vielen osteo- logischen Abbildungen, die man hauptsächlich vom Kopfe derselben in der Literatur findet, so bei Wagler (60), Gray (32, 33), Anderson (1) und Boulenger (20). Diese Figuren sind grösstentheils so gehalten, dass bloss ihre Gesammtform zur Geltung kommt, wie es eben die Systematik erfordert. Sie bieten daher keine genaueren Details dar, um für das ana- tomische Studium verwendet werden zu können. Aber auch die Fachliteratur hat eine stattliche Zahl von grösseren und kleineren Abhandlungen über den Schädelbau der Schildkröten aufzuweisen, wie aus dem am Schlüsse dieser Arbeit beigegebenen Verzeichnisse hervorgeht. Namentlich B au r hat viele Alittheilungen über die Osteologie des Schildkröten- schädels veröffentlicht, die uns manchen wichtigen Befund über den Bau desselben zukommen lassen. Allein in den meisten Fällen wurde fast immer nur auf das Exterieur des Schildkrötenschädels Rücksicht genommen, und bloss wenige Autoren beschäftigten sich auch mit den inneren Theilen desselben, die bei den Schildkröten eine grosse Fülle von morphologischen Eigenthümlichkeiten dem Anatomen darbieten. 246 F. Siebenrock, Hasse (36) hat in seiner ausgezeichneten Bearbeitung des Gehöres der Schildkröten wohl den knöchernen Bau des Recessus cavi tympani unserer einheimischen Schildkröten be- schrieben, nicht aber das knöcherne Labyrinth, sondern er berief sich auf dessen anatomische Beschreibung von Scarpa (54). Die vorliegende Abhandlung hat daher den Zweck, ausser der genauen vergleichenden Beschreibung des Schildkröten- schädels überhaupt, den Bau des knöchernen Gehöres und seiner Nachbartheile im Besonderen vorzuführen. Ausserdem werden die Gefäss- und Nervenbahnen, insoweit sie auf den Schädel Bezug nehmen, einer genauen Betrachtung unterzogen und durch beigegebene Figuren erläutert. Speciell das knöcherne Gehör der Schildkröten zeigt wesentliche Unterschiede in seinem Baue, und die Unter- suchungen lehren, dass dasselbe bei den Chelydidae die grösste Ausbildung erreicht hat, indem alle Theile so wie bei den Eidechsen wohl differenzirt anwesend sind. Testndo stellt hingegen den niedrigsten Typus dar, denn das knöcherne Labyrinth bildet eine gemeinsame Höhle, an deren Wänden in Vertiefungen und Rinnen die Ampullen und Gehörbogen unter- gebracht sind. Dies ist um so bemerkenswerther, weil man im phylo- genetischer Beziehung das Gegentheil erwarten sollte. Die Untersuchungen erstreckten sich auf folgende Genera und Species, die mein hochverehrter Chef Herr Hofrath Stein- dach ner aus der herpetologischen Sammlung des Museums zur Verfügung stellte, wofür ich ihm meinen ergebensten Dank abstatte. A. Cryptodira. I. Chelydridae. 1. Chelydra serpentina Schvv. 2. Macroclemmys teuiuiiuckii Holbr. II. Dermatemydidae. 3. Staurotyptis salvinii Gray. III. Cinosternidae. 4. Cinosterntim odoratum Daud. 5. » peusilvanicnin Gm. Das Kopfskelet der Schildkröten. 6. Cinostcnimn integrum Leconte. 7. » leucostonmm A. Dum. IV. Testudinidae. 8. Chiyseniys picta Sehn. 9. » ornata Gray. 10. Liemys inornata Blgr. 1 1. Cleminys caspica Gm. 12. » guttata Schw. 1 3. Emys orbicitlaris L. 14. Cistudo cinostei'uoides Gray. 15. » ornata Ag. 16. Nicoria punctularia Daud. 17. Cyclemys dhor Gray. 18. » amboinensis Daud. 19. Geoemyda spinosa Gxsiy. 20. Testndo tcntoria Bell. 21. » oculifera Kühl. 22. » radiata Shaw. 23. » microphyes Gthr. 24. » marginata Sehoepff. 25. » graeca L. V. Chelonidae. 26. Chelone inydas L. 27. » iinbricata L. 28. Talassochelys caretta L. B. Pleurodira. VI. Pelomedusidae. 29. Peloniedusa galeata Sehoepff. 30. Podocnemis madagdscariensis Grand. VII. Chelydidae. 31. Chelysfiuibriata Sehn. 32. Chelodiua longicoUis Shaw. 33. Hydraspis radiolata Mik. 247 248 F. Siebenrock, C. Trionychoidae. VIII. Trionychidae. 34. Triouyx snbplanns Geoff: 35. » phayrii The ob. 36. » cartilagineiis Bodd. 37. » sinensis Wieg. 38. » spinifer L e s n e u r. 39. Pelochelys cantoris Gray. 40. Chitra indica Gray. 4 1 . Emyda granosa Schoepff. 42. Cydanorbis senegalensis D. B. Baur (12) hat den Schädel einer Schildkröte von un- bekannter Provenienz aus der Sammlung des zoologischen Museums in München beschrieben, der er den Namen »Adelo- chelys crassa« gab. Baur glaubte, aus dem Vergleiche mit den amerikanischen Familien Chelydridae, Dermatemydidae und Cinosternidae gefunden zu haben, dass dieser Schädel einer Schildkröte angehörte, die zu den genannten Familien in nahen Beziehungen stehe. Daraus schloss nun Baur, dass die frag- liche Schildkröte zu einer amerikanischen Form gehört, die in die Superfamiiie »Chelydroidea« gestellt werden muss. Vor Kurzem hat Boulenger^ eine neue Schildkröte aus Borneo als Liemys iiiornata beschrieben, welche die Charaktere von Ocadia und Bellia in sich vereinigt. Die herpetologische Sammlung des hiesigen Museums besitzt davon zwei schöne Exemplare ebenfalls aus Borneo von der Collection »F. J. Gra- bowsky«. Von dem einen Exemplar wurde das Skelet an- gefertigt, das mir mein hochverehrter Chef Herr Hofrath Steindachner zu den osteologischen Untersuchungen an- vertraute. Bei dem genaueren Studium des Schädels dieser Schild- kröte konnte die Identität mit dem von Baur beschriebenen Schädel der Adelochelys crassa festgestellt werden. Die osteo- logischen Verhältnisse der beiden Schädel stimmen in den The An. and Mi:g. of Nat. Hist., Voi. 19, Ser. VI, Nr. 112, 189; Das Koptskelet der Schildkröten. 249 kleinsten Details genau überein. Somit kann kein Zweifel be- stehen, dass Adelochelys crassa Baur gleich Liemys inornata Boiil enger sein dürfte. Das Occipitalsegment besteht bei den Schildkröten nicht aus vier Stücken, wie bei den anderen Reptilien, sondern aus sechs, weil die beiden lateralen Knochen in zwei selbständige Elemente zerfallen. Somit haben wir unten das Basioccipitale, oben das Supraoccipitale, lateral beiderseits das Pleuroccipitale und vom letzteren als eigenen Knochen losgetrennt das Par- occipitale. Nur bei Hatteria findet man noch ein ähnliches Verhalten des Occipitalsegmentes, wie von Baur (5) und mir (55) nachgewiesen wurde. Hier bleibt aber das Paroccipitale nur in der Jugend vom Pleuroccipitale getrennt, während die genannten Knochen bei ausgewachsenen Thieren vollständig mitsammen verwachsen. Das unpaare Basioccipitale (b. o.), Brühl, Bienz, occi- pitale basilare Köstlin, Stannius, Hoffmann, occipitale inferius seu basilare Klein, os basilare occipitis Mohring, Peters, corpus ossis occipitis Hallmann, occipitis pars basi- laris Bojanus, Körper des Hinterhauptbeines Rathke, basi- occipital Owen, Huxley, Parker, basilaire Cuvier, Gervais, occipital inferieur Blanchard, dient den beiden Pleuroccipitalia als Grundlage zur Umgrenzung des Foramen occipitale, das oben vom Supraoccipitale zum Abschluss gebracht wird. Das Basioccipitale bildet mit den Pleuroccipitalia den unpaaren Condylus occipitalis, der stark nach hinten vorspringt und durch einen deutlichen Hals vom Occiput abgeschnürt wird. Er ist bei den Trionychidae und Chelydidae halbkugelig gestaltet und mitten grübchenartig vertieft für den Ansatz des Liga- mentum Suspensorium zur Verbindung mit dem Os odontoi- deum des Epistropheus. Bei allen cryptodiren Schildkröten flacht sich der Condylus occipitalis mit Ausnahme der Chelonidae und Pelomednsidae am oberen Umfange etwas ab und erhält bei den Sphar- gidae, sowie bei den Chelonidae die ursprüngliche dreilappige Form. An seiner Zusammensetzung nehmen alle drei ihn 250 F. Siebenrock, bildenden Knochen ziemlich gleichen Antheil, allein bei Stauro- typtLS und Podocnemis erscheint die Pars condyloidea des Basi- occipitale bedeutend kleiner als die der Pleuroccipitalia. Diese Reduction geht bei Sternothaerns und Pelomedusa so weit, dass sich nach Baur(3) und Boul enger (20) bei den genannten das Basioccipitale überhaupt nicht mehr an der Zusammen- setzung des Condylus occipitalis betheiligt. Nach Rathke (50) entwickelt sich der Gelenkkopf bei Clielonia sehr langsam, und von den drei Höckern, aus denen er zusammenwächst, bildet sich am langsamsten derjenige aus, welcher dem Körper des Hinterhauptbeins angehört. Daraus lässt sich der Bau des Condylus occipitalis von Sternothaerns und Pelomedusa erklären; es hat sich also bei den zwei Genera das embryonale Stadium erhalten. Bei der Durchsicht einer grösseren Anzahl Schildkröten- köpfe macht man die Wahrnehmung, dass die Nähte am Con- dylus occipitalis oftmals gänzlich, verschwunden sind, d.h. die ihn zusammensetzenden Knochen haben sich durch Synostose verbunden; bei anderen dagegen bleiben die Nähte deutlich sichtbar. Dies hängt mit dem Alter der Thiere zusammen, denn bei allen Schildkröten verschwinden in einem gewissen Alters- stadium die Nähte des Occipitalsegmentes oder sogar am ganzen Cranium, wie beispielsweise bei Geoemyda spinosa (Taf. II, Fig. 9). Bei den Chelonidae scheinen sich die Nähte des Condylus occipitalis länger zu erhalten, aber an Köpfen alter Individuen ist auch keine Spur mehr davon sichtbar. Wenn daher Strecker (57) berichtet, dass sich der Condylus occi- pitalis und sein Hals bei Chelonura =: Macrodemmys und Chelonia aus drei Theilen zusammensetzt, bei Testudo aber nicht, so beweist dies nur, dass die Köpfe der beiden ersteren jungen Thieren angehörten und Testndo schon vollständig aus- gewachsen war. Am Basioccipitale lässt sich immer die pentagonale Form wiedererkennen, ob es in die Länge gezogen ist, wie bei den Trionychidae, oder sehr kurz bleibt, w4e bei den meisten übrigen Schildkröten. An seiner ventralen Fläche ragt vor dem Condylus- hals beiderseits dasTuberculum basioccipitale, Processus poste- rior Bienz (15) hervor. Dieses ist bei den meisten Trionychidae Das Kopfskelet der Schildkröten. 251 stark entwickelt, hingegen bei den Chelydidae nur als geringe Hervorragung kenntlich. Bei den Cryptodira und Dermochelys wird es ausser dem Basioccipitale auch noch vom Pleurocci- pitale und Pterygoideum zusammengesetzt, während sich bei Podocnemis an dessen Entstehung statt der genannten Knochen das Quadratum betheiligt. Das Basioccipitale bildet mit seiner dorsalen Fläche am vorderen Ende den Boden des Recessus cavi tympani Hasse (36), Antivestibulum Bojanus (17) und trägt bei den meisten Schildkröten mit den vorderen Ecken zur unteren Begrenzung der Cochlea bei. Auch an der Um- schliessung des vorderen Foramen nervi hypoglossi nimmt es unter den Cryptodira bei Staiirotypus, Chrysemys ornata, Clemmys und Nicoria, sowie bei den Trionychidae theil; sind aber drei Foramina nervi hypoglossi anwesend, wie bei den meisten Trionychidae, so liegt das vorderste Loch im Basi- occipitale allein (Taf. I, Fig. 1 und Taf. II, Fig. 5). Ausnahms- weise hilft es bei Liemys das Foramen jugulare posterius um- schliessen, welches sonst immer vom Pleuroccipitale und Paroccipitale gebildet wird. Das Basioccipitale stellt bei Chelone imbricata unten eine breite Rinne dar, hingegen bei Ch. mydas und Talassochelys bloss eine querconcave Fläche. Dadurch lässt sich der Kopf von Chelone imbricata sofort von den letzteren Arten unterscheiden, so dass man das Basioccipitale als Arten-, respective Gattungs- merkmal benützen könnte. Das Basioccipitale verbindet sich vorne mit dem Basisphen- oideum, oben beiderseits mit dem Pleuroccipitale und Parocci- pitale, unten beiderseits mit dem Pterygoideum. Bei den Chelo- nidae fehlt die Verbindung mit dem Paroccipitale und bei den Pleurodira bleibt es durch dasBasisphenoideum und Quadratum vom Pterygoideum getrennt. Eine ganz ungewöhnliche Verbindungsweise geht das Basioccipitale bei Podocnemis mit dem Quadratum ein (Taf. IV, Fig. 21), welche Thatsache schon Baur (3) hervorgehoben hat. Das paarige Pleuroccipitale (p. o.), Brühl, occipitale laterale Köstlin, Hallmann, Stannius, Klein, Hoffmann, exoccipitale Bienz, os laterale occipitis Mohring, Peters, pars lateralis seuarcus occipitis Bojanus, Seitentheil des Hinter- 252 F. Siebenrock, hauptbeines Rathke, exoccipital Owen, Huxley, Parker, occipital lateral Cuvier, Blanchard, Gervais bildet mit seiner Pars condyloidea gemeinschaftlich mit dem Basioccipitale den Condylus occipitalis, steigt im Halbbogen aufwärts, um sich mit dem Supraoccipitale zu vereinigen. Auf diese Weise kommt das Foramen occipitale zu Stande, das ein vertical gestelltes Ovale vorstellt, die Basis nach unten, die Spitze aufwärts ge- wendet. Die Pars cond3doidea des Basioccipitale wird bei allen Schildkröten, ausser bei Talassochelys caretta von den gleich- namigen Gebilden der Pleuroccipitalia so vollständig bedeckt, dass diese nahtvveise zusammenstossen und das Basioccipitale von der Begrenzung des Foramen occipitale ausschliessen. Bei Talassochelys und nach Boulenger (20) auch bei Dermochelys nimmt jedoch der zuletzt genannte Knochen an dessen Um- schliessung theil, denn die Pleuroccipitalia sind so auseinander gerückt, dass das Basioccipitale dazwischen noch als schmaler Streifen am oberen Umfange des Condylus occipitalis zum Vorschein gelangt. Ein gleiches Verhalten zeigte sich mir auch an einem Kopfe von Chelone mydas, während bei anderen fünf Köpfen derselben Art das Basioccipitale von den beiden Pleuroccipitalia vollkommen bedeckt war. Das Pleuroccipitale bildet mit seinem vorderen Theile die hintere Vv^and des Recessus cavi tympani und besitzt am inneren, vorderen Rande einen ziemlich grossen Ausschnitt, der durch das angrenzende Paroccipitale^ zum Foramen jugulare anterius, Foraminis jugularis posterioris ostium internum Bojanus (17) ergänzt wird. Durch dieses gelangt die Vena jugularis interna, der Nervus vagus und accessorius nach aussen. Hasse's (36) Angaben, dass durch dieses Loch auch der Nervus glosso- pharyngeus heraustreten soll, ist unrichtig, denn derselbe führt, wie wir bei der Betrachtung des Paroccipitale sehen werden, bei allen Schildkröten durch ein eigenes Loch aus der Schädel- höhle. Das Foramen jugulare anterius stellt gewöhnlich ein horizontales Ovale dar, das aber bei einigen Schildkröten eine mehr verticale Lage annimmt, wie z. B. bei den Chelonidac und Bei Ho ff mann (37) steht in Folge eines Lapsus »Prooticum« Das Kopfskelet der Schildkröten. 253 Chelydridae, endlich bei den Cinosteniidae, bei Stanrofypns, Trionyx sphiifer, Eniyda und Cyclanorbis fast kreisrund wird. Hinter dem Foramen jugulare anterius liegen neben ein- ander die zwei Löcher für die Zweige des Nervus hypoglossus (XII), Foramina condyloidea Bojanus, welche in kurze Canäle führen und an der rückwärtigen Fläche des Pleuroccipitale nach aussen münden. Bei den Chelydidae und den meisten Trionychidae sind drei Foramina interna pro nervo hypoglosso vorhanden, wovon das vorderste Loch immer am kleinsten ist und sich aussen oftmals mit dem zweiten vereinigt (Taf. I, Fig. 1 und '2, Taf. II, Fig. 5). An der hinteren Fläche des Pleurocci- pitale liegt lateral von den vorher genannnten Nervenlöchern das Foramen jugulare posterius seu ostium externum canalis nervum vagum et accessorium ducentis Bojanus, das entweder vom Pleuroccipitale allein umschlossen wird, oder oftmals mit Hilfe des Paroccipitale oder Pterygodiums (Taf. IV, Fig. 20) oder Quadratums (Taf. IV, Fig. 21). An Stelle des Foramen jugulare posterius besitzen die Chelonidae, Derniochelys, Trionyx (aus- genommen T. snhplamis, Taf. IV, Fig. 23), Pelochelys und Chitra (Taf. IV, Fig. 22) nur einen halbmondförmigen Aus- schnitt, weil an der hinteren Schädelwand die Verbindung des Pleuroccipitale mit dem Paroccipitale fehlt und somit das Foramen jugulare posterius mit dem Foramen lacerum zu- sammenfliesst. Der Ausschnitt wird erst durch die Verschluss- membrane des Foramen lacerum zum Loch ergänzt. Das Pleuroccipitale verbindet sich unten mit dem Basi- occipitale, bei den Triotiychidae., Chelonidae und Chelydridae auch mit dem Pterygoideum, oben mit dem Supraoccipitale und seitlich mit dem Paroccipitale. Bei Chelys kommt das Pleurocci- pitale an der ventralen Fläche des Schädels in ziemlicher Aus- dehnung zum Vorschein und verbindet sich vorne mit dem Basisphenoideum, was sonst bei gar keiner Schildkröte der Fall sein dürfte (Taf. IV, Fig. 24). Unrichtig ist Brühl's (22) Darstellung vom Pleuroccipitale bei Chelodina (Taf. 72, Fig. 4), wo der laterale Fortsatz so lang gezeichnet ist, dass er sich mit dem Squamosum verbindet, was niemals geschieht. Das unpaare Supraoccipitale (s. o.) Brühl, Bienz, occipitale superius Köstlin, Hoff mann, occipitale superius 254 F. Siebenrock, seu squama Klein, squama occipitalis Hallmann, Stannius, OS squamosum occipitis Peters, crista occipitis Bojanus, os cristale Mo bring, Schuppe des Hinterhauptbeines Rathke, superoccipital Owen, Huxley, Parker, occipital superieur Cuvier, Blancbard, Gervais, dient zweierlei Zwecken, es bringt sowohl das Foramen occipitale oben zum Abschluss, als auch das Gehörorgan. Für den ersteren Zweck ist es bogen- förmig gekrümmt, und für den letzteren sind seine Seitentheile blasenartig erweitert. An seiner dorsalen Fläche entspringt die Crista supra- occipitalis (c. s.), Spina occipitis Hoffmann, und ragt stachel- artig nach rückwärts. Diese ist am stärksten bei den Chelydridae, Cheloiiidae und Trionychidae entwickelt und am schwächsten bei den Chelydidae (Taf. IV, Fig. 24 und 25), dazwischen findet man bei den einzelnen Gattungen alle möglichen Abstufungen. Sie fehlt nirgends, auch nicht bei Ckelys (Taf. IV, Fig. 24), ent- gegen der Behauptung Hoffmann's (37), die von Brühl (22) widerlegt wurde. Ihre Anwesenheit bei Chelys hat schon Cuvier (26) constatirt. Nicht bei allen Schildkröten begrenzt das Supraoccipitale das Foramen occipitale, sondern bei den Chelydidae begegnen sich die oberen Enden der Pleuroccipitalia und drängen das Supraoccipitale mehr nach vorne, so dass es von der Um- schliessung des Foramen occipitale ausgeschlossen wird. Das Supraoccipitale schiebt sein vorderes Ende unter die beiden Parietalia gewöhnlich ziemlich weit nach vorne in die Schädel- höhle hinein und dient dem Chondrocranium zum Ansätze. Das Supraoccipitale umschliesst mit dem Paroccipitale und Otosphenoideum die Gehörhöhle, welche bei vielen Schild- kröten im unteren Theile durch Heranziehung noch anderer Knochen ergänzt werden muss. Die Angaben von Stannius (56), dass die Einschliessung des Gehörlabyrinthes durch das OS occipitale laterale = Pleuroccipitale, das os mastoi- deum = Paroccipitale und die ala temporalis = Otosphenoi- deum geschieht, scheint wohl nur ein Lapsus zu sein, denn das Pleuroccipitale ist davon ganz ausgeschlossen, während das Supraoccipitale das obere kleinere Drittel der Gehörhöhle bildet. Es ist zu diesem Behufe beiderseits blasig erweitert, das Das Kopfskelet der Schildkröten. 255 Dach des Vestibulum, Recessiis vestibuli superior Bojanus, darstellend, mit einer längsovalen Öffnung in der Mitte, der Commissur (Taf. III, Fig. 10 a, cms.). Sie wird geradeso wie bei den übrigen Reptilien durch das Zusammentreffen der Orificia des Canalis semicircularis frontalis und sagittalis her- gestellt. An der lateralen Kante des Vestibulartheiles münden die beiden Canäle aus, man findet daher vorne das Foramen canalis semicircularis sagittalis (fo. s.), hinten das Foramen canalis semicircularis frontalis (fo. f.). Der vordere Canal er- streckt sich in das Otosphenoideum, der rückwärtige in das Paroccipitale. An der medialen Kante ist ein kleiner halbkreis- förmiger Ausschnitt, der durch die innere Knorpelwand zum Foramen aquaeducti silvii seu vestibuli (a. v.) ergänzt wird. Bei vielen Schildkröten liegt dieses Loch mehr nach oben und wird daher ganz vom Knochen umschlossen (Taf. III, Fig. 14). Jedoch nur bei den Trionychidae, Pleurodira, bei Clnosternnm und Stanrotypns ist der Vestibulartheil des Supraoccipitale in der geschilderten Weise differenzirt, währenddem sich bei den übrigen Schildkröten verschiedene Entwicklungsstadien beob- achten lassen. Die primitivste Form finden wir bei Clemmys, Emys, Cistudo, Testudo und den CheJonidae (Taf. III, Fig. 14 und 15), denn der Vestibulartheil bildet eine einfache halb- mondförmige Vertiefung, die sich mitten und an den Enden etwas erweitert, ohne Differenzirung der Bogencanäle und ohne Andeutung der Commissur. Dagegen zeigt bei Macrodemmys (Taf. III, Fig. 12) und Chrysemys ornata die vordere Erweiterung, welche die Lage des Canalis semicircularis sagittalis andeutet, spangenartige Fortsätze, die sich aber noch nicht erreichen, während es bei Chelydra, Chrysemys picta, Lieniys, Nicoria (Taf. III, Fig. 13), Cyclemys und Geoemyda schon zur Bildung eines Foramen canalis semicircularis sagittalis gekommen ist. Niemals aber geschieht es, dass das Foramen canalis semicircu- laris frontalis ausgebildet wäre und^das sagittalis fehlen würde. Parker (45) hat bei Chelone mydas das Epioticum Huxley als einen selbständigen Knochen dargestellt und somit den Nachweis für die Berechtigung der Otica -Theorie von Huxley (38) liefern wollen. Baur (5) konnte aber weder bei Embryonen der CJtclouidae, noch bei solchen der Clielydridae, Triotiychidae Sitzb. d. mathem.-naturw. CL; GVL Bd., Abth. I. 18 2o6 F. Siebenrock, und Emydidae das fragliche Element als separaten Knochen finden. Baur (4) macht daher die ganz richtige Bemerkung, dass das Supraoccipitale durchaus kein besonderes Element zu enthalten braucht, weil es zur Begrenzung des Gehör- organes beiträgt. Nicht bloss bei Fischen, sondern sogar bei den Schildkröten betheiligt sich das Basioccipitale und, wie wir später sehen werden, auch das Basisphenoideum an der Begrenzung der Gehörhöhle. Das Supraoccipitale verbindet sich oben vorne mit den Parietalia, unten vorne mit dem Otosphenoideum, unten mitten mit den Paroccipitalia, unten hinten mit den Pleuroccipitalia. Eine ganz ungewöhnliche Verbindung geht das Supraocci- pitale bei Cistndo ein: indem es vorne seitlich flügeiförmig ver- breitert ist, stosst es mit dem Quadratum und Squamosum zusammen. Peters (47) berichtet, dass das Supraoccipitale bei Hydro- mcdtisa maximiliani mit den Squamosa durch eine schmale Brücke verbunden ist. Dies beruht offenbar auf einem h'rthum, denn bei allen Chelydidae mit einem oberen Schläfenbogen wird derselbe vom Squamosum und Parietale hergestellt. Wagler (60) hat dies auch von Hydroniednsa maximiliani auf Taf. 3, Fig. XXVII ganz richtig dargestellt. Das paarige Paroccipitale (pa. o.), Baur, paroccipital Owen, exoccipitale Brühl, opisthoticum Hoffmann, Bienz, opisthotic Huxley, Parker, occipitale externum Köstlin, Klein, occipitale externum seu mastoideum Peters, Hall- mann, OS mastoideum Stannius, os petrosum Bojanus, Mo bring, occipital exterieur Cuvier, occipital externe Blan- chard, Gervais, erstreckt sich an der hinteren Schädelwand lateral vom Pleuroccipitale zum Quadratum und bildet zu diesem Zwecke einen verschiedenfach entwickelten Fortsatz, den Processus paroticus (p. p.). Hallmann (35) nennt ihn bei den Schildkröten Processus mastoideus, weil er das Parocci- pitale mit dem Mastoideum des Menschen homologisirt. Ich behalte den Huxley'schen Namen Processus paroticus auch für die Schildkröten bei, denn er entspricht morphologisch demselben Gebilde bei den Eidechsen, wo er mit dem Pleuro- occipitale verbunden ist, weil dieses mit dem Paroccipitale nur Das Kopfskelet der Schildkröten. -O/ einen Knochen darstellt. Der Processus paroticus vereinigt sich nahtweise so wie bei den Eidechsen mit dem Quadratum und Squamosum und stellt daher die obere Verbindung der Schädel- kapsel mit den Seitenwandknochen her. Nur bei Dermochelys ist nach Gervais (31) derselbe mit dem Quadratum allein verbunden. Der Processus paroticus kommt an der hinteren Occipitalregion bei allen Schildkröten zur Geltung, also auch bei Chelodina, wo er nach Brühl (22) (Taf. 72, Fig. 4) vom Pleuroccipitale verdrängt sein würde. Seine Gestalt richtet sich ganz nach der Schädelform. Wir finden ihn daher mehr dick und abgerundet bei den Chelonidae und Testndo, flach und kantig bei den Triouychidac und den meisten Chelydidae. Das Paroccipitale begrenzt oben das Foramen lacerum und bildet bei den Chelonidae, Trionyx, ausgenommen T. snh- planns, Pelochelys, Chitra (Taf. IV, Fig. 22) und nach Gervais (31) auch bei Dermochelys an seiner hinteren Fläche zusammen mit dem Pleuroccipitale die hicisura jugularis posterior, die erst durch die Verschlussmembrane des Foramen lacerum zum gleichnamigen Loche umgewandelt wird. Das Foramen jugulare posterius (f. j. p.) liegt bei Staurotypns (Taf. IV, Fig. 18), Cino- stermim, Chrysemys picta, Clemmys guttata, Emys, Nicoria (Taf. IV, Fig. 19), Geoemyda, ChcJys und Hydraspis (Taf. IV, F'ig. 24 und 25) im Pleuroccipitale allein, oder es wird bei Chelydra, Macroclemmys, Chrysemys ornata, Cistudo, Clemmys caspica, Cyclemys, Testndo, Podocnemis (Taf. IV, Fig. 21) und Chelodina vom Pleuroccipitale und Paroccipitale gemeinsam umschlossen. Bei Trionyx suhplanns (Taf. IV, Fig. 23) betheiligt sich ausser den zwei genannten Knochen auch noch das Ptery- goideum daran, während bei Emyda und Cyclanorlns (Taf. IV, Fig. 20) das Foramen jugulare posterius mit Ausschluss des Paroccipitale nur vom Pleuroccipitale und Pterygoideum gebildet wird. Endlich ist es bei Liemys inornata vom Pleuroccipitale und Basioccipitale begrenzt. Somit finden wir, dass bei den Schildkröten das Foramen jugulare posterius auf sechsfache Weise zu Stande kommen kann: 1. durch das Pleuroccipitale, Paroccipitale und die Verschlussmembrane des Foramen lace- rum; 2. durch das Pleuroccipitale allein; 3. durch das Pleur- occipitale und Paroccipitale; 4. durch das Pleuroccipitale, 18* 258 F. Siebenrock, Paroccipitale und Pterygoideum; 5. durch das Pleuroccipitale und Pterygoideum; 6. durch das Pleuroccipitale und Basi- occipitale. Alle Schildkröten, bei denen das Paroccipitale mit dem Pleuroccipitale eine hintere Wand bildet und daher das Foramen lacerum bedeutend verkleinert wird, besitzen im Paroccipitale zum Durchlass des Nervus glossopharyngeus ein eigenes Loch (IX) (Taf. IV, Fig. 18, 19, 24). Hingegen gelangt dieser Nerv bei den Chelotiidae, Trionychidae (Taf. IV, Fig. 22, 23), bei Podo- cnemis und Hydraspis (Taf. IV, Fig. 25) durch das Foramen lacerum nach aussen. Das vordere Ende des Paroccipitale bildet den hinteren kleineren Theil der Gehörhöhle. Wir finden am Grunde eine ziemlich grosse, ovale Grube, die AmpuUa frontalis (a. f.), A. anterior Autor, zur Aufnahme des gleichbezeichneten häutigen Gebildes. Bojanus (17) nannte sie so wie Scarpa (54) Fovea vestibuli posterior, minor. Sie wird von einem ungleich breiten Knochensaum umschlossen, der die hintere Wand des Vesti- bulum (v.) bildet. In die AmpuUa frontalis mündet oben der frontale Bogen ein und vorne der horizontale, daher liegt oben das Orificium canalis semicircularis frontalis, vorne das 0. c. s. horizontalis. Die Knochenspangen, die durch die Einmündung der beiden Bogencanäle an der vorderen Peripherie der Ampulla frontalis entstehen, wurden von Bojanus (17) als Columellae bezeichnet, und zwar die obere Spange als Columella posterior, die vordere als Columella inferior, Steg nach Scarpa (54). Dieselben sind bei allen Schildkröten, ausser bei Testudo (Taf. III, Fig. 15) anwesend, weshalb bei der letzteren Gattung auch nur Ausschnitte an der Peripherie der Ampulla vorkommen, die erst durch Knorpelstreifen in die entsprechenden Löcher umgewandelt werden müssen. Die untere Kante der hinteren Vestibularwand bildet einen grossen Ausschnitt, die Incisura vestibularis (i. v.), welche vorne durch einen Ausschnitt des Otosphenoideums und unten durch einen Knorpelsaum zum Foramen ovale seu vestibuli (f. V.) vervollständigt wird. An der medialen Kante liegt das Foramen rotundum seu Cochleae (f. co.), das aber nur bei Emys und den Trionychidae (Taf. III, Fig. 11 und 14) vom Das Kopfskelet der Schildkröten. 259 Paroccipitale selbst umschlossen wird, denn die übrigen Schild- kröten haben anstatt dessen bloss eine Incisura (Taf. III, Fig. 10, 12, 13, 15) die so wie beim Foramen vestibuli durch einen Knorpelsaum zum entsprechenden Loche ergänzt werden muss. Scarpa(54), Pohl (49) undBojanus (17) kannten das Foramen Cochleae nicht, währenddem es von Comparetti (23) und Wind i seh mann (61) angeführt wurde. An der unteren Peripherie der Ampulla frontalis liegt aussen oder innen ein kleines Loch, von dem aus ein kurzer Canal die hintere Vestibularwand schräg nach unten und aussen durchsetzt, um an der hinteren Fläche zwischen Foramen Cochleae und F. vestibuli zu münden. Hasse (36) nannte die beiden Löcher Apertura aquaeductus Cochleae interna et externa. iJieser Canal dient aber nicht zur Aufnahme des perilymphati- schen Ganges für die Schnecke, sondern zum Durchlass des Nervus glossopharyngeus, wie dies schon von Bojanus (17) angegeben wurde, und seine Mündungen sind daher als Fora- mina pro nervo glossopharyngeo (IX) zu bezeichnen. Bei den Oielouidae und bei Testudo hat die hintere Vestibularwand eine sehr geringe iVusdehnung nach vorne, weshalb zwischen ihr und dem Otosphenoideum ein grosser Zwischenraum bleibt, der durch Knorpel ausgefüllt wird. Durch diese Knorpelwand dringt nahe dem Paroccipitalrande der Nervus glossopharyngeus von der Schädelhöhle ein, zieht an der inneren Fläche der hinteren Vestibularwand zu dem erwähnten Loch (Taf. III, Fig. 15 h), durchsetzt den schrägen Canal und gelangt bei den Chelonidae durch das Foramen lacerum nach aussen, bei Testudo aber durch ein eigenes Loch im Paroccipitale, sowie bei Staurofypns (Taf. IV, Fig. 19 [IX]). Bei den übrigen Schild- kröten dehnt sich die hintere Vestibularwand viel mehr nach vorne gegen das Otosphenoideum hin aus, und der Nervus glossopharyngeus nimmt durch das Paroccipitale selbst von der Schädelhöhle her seinen Weg, um auf die gleiche Weise wie bei Testtido nach aussen zu gelangen. Die beiden Löcher an der Innenfläche der hinteren Vestibularwand des Paroccipitale sind bei manchen Schildkröten, wie z. B. bei Emys und Trionyx (Taf. III, Fig. 11 und 14) durch eine Rinne mitsammen ver- bunden, die bei MacrocJennnys teniniiuckii in einen Knochen- 260 F. Siebenrock, canal a— ß umgewandelt wird. Dieser führt von der Scliädel- höhle direct in den Recessus cavi tympani, ohne mit der Gehör- höhle irgendwie zu communiciren. Ein ähnliches Verhalten finden wir noch bei PelocJielys, Chitra, Eniyda und Cyclanorhis, nur ist der Canal ganz an den hinteren Rand gerückt und daher sehr kurz. Wenn der in Rede stehende Canal mit der Gehör- höhle gar nicht in Verbindung steht, wie dies bei Macroclcnmiys, Pelochelys, Chitra,Emyda und Cyclanorhis der Fall ist, so kann er auch nicht dem Aquaeductus Cochleae zum Durchlass dienen, sondern er nimmt den Nervus glossopharyngeus auf, wie man sich durch die Beobachtung seines Verlaufes überzeugen kann. Aus dem Vergleiche des Canales bei den Chelonidae mit dem der eben genannten Gattungen ergibt sich die Homologie der beiden Canäle. Ebenso geht aus Retzius' (51) Beschreibung des Gehörorganes von Eniys hUaria Bp. = £. orbicidaris L. klar hervor, dass der Saccus perilymphaticus keinen anderen Abflussweg zu den peripherischen Lymphgefässen besitzt als den, wie Hasse (36) angegeben hat, der durch den Canalis jugularis mit dem serösen Raum des Gehirnes zusammenhängt. Die hintere Vestibularwand des Paroccipitale umschliesst mit dem Pleuroccipitale das Foramen jugulare anterius (f. j. a.) und reicht mit dem zwischen Foramen vestibuli und F. Cochleae gelegenen Stück so weit abwärts, dass sein verdicktes Ende bei Cinosternnm, Cleminys, Emys, Nicoria (Taf. IV, Fig. 19), Cyclemys, Testudo, Chclodina und Hydraspis (Taf. IV, Fig. 25) an der Schädelbasis zum Vorschein kommt. Brühl (22) nennt es bei Testudo und Emys (Taf. 70, Fig. 2 und 3) Laquaeus oweni und erklärt dasselbe irrthümlicherweise für einen Theil des Pleuroccipitale. Bei manchen Schildkröten, wie z. B. bei Macroclemmys, Etiiys etc. kommt neben dem Foramen Cochleae etwas unterhalb noch ein kleiner Ausschnitt vor, durch den nach Bojanus (17) eine Vene vom Vestibulum zur Vena jugu- laris führt. Das Paroccipitale verbindet sich vorne mit dem Oto- sphenoideum, hinten medial mit dem Pleuroccipitale, lateral mit dem Ouadratum und Squamosum, bei DermocJielys nach Gervais (31) nur mit dem Ouadratum, oben mit dem Supra- occipitale, unten mit dem Basioccipitale und Pterygoideum. Das Kopfskelet der Schildkröten. 26 1 An das Occipitalsegment reiht sich die Sphenoidalgmppe an, welche sowohl zur Fortsetzung der Schädelbasis, als auch zur Ergänzung der Seitenwand des Craniums dient. Sie er- scheint bei den Schildkröten sehr reducirt, denn wir finden nur ein Basisphenoideum und das paarige Otosphenoideum ent- wickelt. Das unpaarige Basisphenoideum (b. s.), Brühl, B i e n z, basisphenoid Hoffmann, Owen, Huxley, Parker, sphenoi- deum basilare Boj an us, Hallmann, Stannius, os sphenoi- deum Klein, os basilare sphenoideum Mohring, Peters, Körper des Keilbeines Rathke, Köstlin, sphenoide Cuvier, Blanchard, Gervais, stellt von oben gesehen immer eine viereckige Knochenplatte dar, die nach vorne einen ver- schiedenfach langen Fortsatz entsendet. Die hintere Kante dient zur nahtweisen Verbindung mit dem Basioccipitale und ist gewöhnlich gerade, bei Chiosternuni (Taf. V, Fig. 29) aber und den TrioiiycJiidae ziemlich stark convex. Die vordere halb- mondförmig ausgeschnittene Kante bildet das Dorsum ephippii (d. e.), das beiderseits von einer stachelartigen Hervorragung flankirt wird, die Bojanus (17) Processus clinoideus (p. cl.) nennt (Taf. IV, Fig. 29, 30, 31); derselbe kommt bei den Chcly- didae nicht zur Entwicklung. Vom Processus clinoideus zieht ein Knorpelstreifen aufwärts zum Chondrocranium und um- schliesst mit dem Vorderrande des Otosphenoideum ein Loch zum Durchlass des Nervus trigeminus, ramus 2 und 3. Hoff- mann (37) hat diesen Knorpelstreifen als Alisphenoid be- zeichnet, weil er in Beziehung zum genannten Nervenloch steht. Unter dem Dorsum ephippii verschmälert sich das Basi- sphenoideum fortsatzartig und erstreckt sich nach vorne, an dessen Rande beiderseits ein Knochencylinder meist in gleicher Länge mit dem Fortsatze gelegen ist. Diese Cylinder sind die Processus trabeculae inferiores (p. t. i.), die an ihrem Ursprünge, vom Dorsum ephippii etwas überwölbt, die Fossa hypophyseos (f. hy.), Fossa sellae turcicae Bojanus einschliessen. Den vorderen Theil des Basisphenoideum nennt Bojanus (17) Apex partis basilaris sphenoidei und Hoffmann (37) deutet ihn als Praesphenoid. Rathke (50) hat auf Seite 51 nach- gewiesen, dass sich das Basisphenoideum bei den Schildkröten 262 F. Sieben rock, nur in einfacher Zahl bildet; denn selbst bei den reiferen Embryonen konnte Rathke nicht das geringste Zeichen auf- finden, dass es ursprünglich aus einem hinteren und vorderen Stücke bestanden hätte. Die unteren cylindrischen Fortsätze variiren ausserordentlich in ihrer Länge; sie sind kurz bei Testudo, Trionyx und Emyda, massig lang bei den übrigen Testudinidae, bei Statirotypus, Cinosternnm (Taf. V, Fig. 29) den Pelomedusidae, bei Hydraspis, Pelochelys, Chitra und Cyclanorhis, sehr lang aber bei Macrodemmys, Chelydra, Chelys und Chelodina (Taf. V, Fig. 28, 31). Je kürzer dieselben sind, desto weiter stehen sie von einander ab, während sie mit der Zunahme ihrer Länge einander immer näher rücken, bis sie bei den zuletzt genannten vier Gattungen mit einander ver- schmelzen. Von den cylindrischen Fortsätzen entspringen die unteren Schädelbalken, die sich zu einem Knorpelstrang ver- einigen und bis zum vorderen Schädelende ziehen. Auf diesem erhebt sich das knorpelig-häutige Septum interorbitale, dessen Regionen von Parker (45) als orbitosphenoid, presphenoid und perpendicular ethmoid bezeichnet wurden. An der oberen Fläche des Basisphenoideums liegt hinter dem Dorsum ephippii beiderseits das Foramen für den Nervus abducens (VI), das in einen kurzen Canal führt, der vorne neben der Fossa hypophyseos ausmündet (Taf. V, Fig. 28 — 31, Sonde 1 — 1). Dieser Canal rückt zuweilen, wie bei Trionyx sinensis und Podocueuiis so nahe an den Vorder- oder Seiten- rand des Dorsum ephippii, dass nur mehr ein Ausschnitt statt einem Canal für den Nervus abducens gebildet wird (Taf. 11, Fig. 7) oder er fehlt, wie bei Cyclanorbis, gänzlich (Taf. II, Fig. 5), so dass der Nerv frei neben dem Dorsum ephippii zur vorderen häutigen Schädelwand ziehen muss. Am Grunde der Fossa hypophyseos mündet beiderseits der Canalis caroticus internus ein, der im vorderen Drittel der lateralen Kante des Basisphenoideums beginnt und die Fortsetzung des gleichen Canales im Pterygoideum ist (Taf. V, Fig. 28 — 31, Sonde 2 — 2). Das Foramen caroticum internum (f. c. i.) zeigt bei den Triony- chidae eine besondere Grösse (Taf. II, Fig. 5), wodurch es sich von dem der anderen Schildkröten unterscheidet. Der Nervus vidianus zieht nur bei Chelys und Cliclodina (Taf. V, Fig. 28, Das Kopfskelet der Schildkröten. 263 Sonde 3 — 3), sowie bei den Eidechsen durch das Basisphenoi- deum, bei den übrigen Schildkröten kommt er damit kaum in Berührung, denn er ist gewöhnhch, wie wir später sehen werden, ganz oder theihveise im Pterygoideum eingebettet. Daher wird das Basisphenoideum unter den Schildkröten bloss bei Chelys und Oielodina von drei Canälen durchzogen, oben vom Canalis nervi abducentis 1 — 1, medial vom Canalis caro- ticus internus 2 — 2, lateral vom Canalis nervi vidiani 3 — 3. Eine ganz abweichende Form zeigt das Basisphenoideum bei den Cheloiiidae (Taf.V,Fig.30). An die obere viereckige, stark con- cave Platte ist unten eine solche von dreieckiger Form angefügt, die hinten in zwei spitze Ecken ausläuft und an der Schädelbasis sichtbar wird. Nach vorne verschmälert sich das Basisphenoi- deum stielartig zum Fortsatze für die unteren Schädelbalken. Ein eigentliches Dorsum ephippii fehlt; es sind nur die Processus clinoidei (p. cl.) anwesend. Die Fossa hypophyseos (f. hy.) ist, wie sich Köstlin (41) ganz treffend ausdrückt, auf wenig mehr als auf die inneren Mündungen der beiden Foramina carotica interna beschränkt. Zwischen der oberen und unteren Platte verläuft seitlich eine Rinne für den Canalis caroticus internus. Bei den meisten Schildkröten betheiligt sich das Basi- sphenoideum auch an der Umschliessung der Gehörhöhle. Wir sehen zu diesem Zwecke besonders bei Cinosternum (Taf. V, Fig. 29), Liemys, Eniys, Cistndo und Cyclemys die laterale Kante hinten grübchenförmig ausgehöhlt. Mit dieser Fovea Cochleae (fo. c.) bildet es den Boden der Cochlea. Das Basisphenoideum ist bei den meisten Schildkröten mehr weniger in die Schädelhöhle zurückgedrängt und daher äusserlich an der Schädelbasis oftmals nur wenig sichtbar. Dies hängt mit der medialen Verbindungsweise der Pterygoidea zusammen, die grösstentheils so intensiv geschieht, dass zwischen ihren hinteren Enden und dem Basioccipitale nur ein geringer Raum für das Zutagetreten des Basisphenoideums übrig bleibt. Es kommt bei Dermochelys nach Gervais (31), Pcloinediisa, Chelys, Chelodina, Hydraspis, Trioiiyx, Pclochclys, CJiitra und Emyda fast in seiner ganzen Ausdehnung zum Vorschein, w^ährend bei Macroclemmys, den Chelonidae und bei Podocnemis niadagascariensis davon nur sehr wenig zu 264 F. Siebenrock, sehen ist. Stannius (56) berichtet von Trionyx das Gegen- theil; Seite 59: »Die Ausdehnung des ganzen Os sphenoideum basilare und namentlich seines an der Schädelbasis frei zu Tage liegenden Theiles ist verschieden: unbedeutend bei den Trionyx und Oielonia, sehr beträchtlich bei Anderen, nament- lich bei Oielys, bei Pelomedusa.« Alle von mir untersuchten Trionyx -AviQn zeigen das Basisphenoideum an der Schädel- basis fast in seiner ganzen Ausdehnung. Gray (32) gibt auf Taf. 41 in Fig. 1 d die Untensicht des Schädels von Trionyx aegyptiactis ■= T. triungtns Forsk., an der allerdings dasselbe nur unbedeutend zur Ansicht käme. Allein die Gray 'sehe Abbildung scheint mir nicht ganz correct zu sein, denn nach Mohring (42), Cuvier (26) und Brühl (22) ist das Basi- sphenoideum von demselben Thiere genau so dargestellt, wie es von mir angegeben wurde. Bei den Chelydidae (Taf. V, Fig. 28) ist das Basisphenoi- deum seitlich flügelartig verbreitert, wodurch es an der Schädel- basis die ungewöhnlich grosse Ausbreitung ermöglicht. Das Basiophenoideum verbindet sich bei den Chelydridae, bei Staurotypiis, Cinosternmn, Chrysemys, Liemys Clemmys, Eniys, Cistudo, Nicoria, Cyclemys, Geoemyda, den Chelonidae, bei Pelomedusa und der Chelydidae vorne und seitlich mit dem Pterygoideum, bei Testudo mit dem Vomer und Pterygoideum, bei Podocneniis und den Trionychidae mit dem Palatinum und Pterygoideum, bei Peloclielys mit dem Vomer, Palatinum und Pterygoideum. Es verbindet sich hinten mit dem Basioccipitale. jedoch bei Podocneniis, Chelodina und Hydraspis auch mit dem Quadratum, wie schon von Baur (3) berichtet wurde, endlich bei Chelys mit dem Basioccipitale, Quadratum und Pleurocci- pitale. Es verbindet sich seitlich oben mit dem Otosphenoideum, das bei den Chelydidae an der Untenfläche der Schädelbasis an der hinteren Kante neben deni Quadratum zum Vorschein kommt. Das paarige Otosphenoideum (o. s.), Brühl, prooticum Hoffmann, Bienz, petrosum Hallmann, Peters, ala tem- poralis Stannius, ala temporalis posterior Klein, hinterer Schläfenflügel Köstlin, Felsenbein Rathke, os tympanicum Mohring, ala ossis sphenoidei Bojanus, alisphenoid Owen, Das Kopfskelet der Schildkröten. 265 prootic H 11 X 1 e y, P a r k e r, rocher C u V i e r, B 1 a n c h a r d, G e r V a i s, bildet den vorderen grösseren Theil der Gehörhöhle, die laterale Schädehvand und iimschliesst allein oder mit seinem Nachbar- knochen mehrere Gefäss- und Nervenlöcher. Es ist entsprechend der allgemeinen Schädelform sehr verschieden gestaltet, aber nichtsdestoweniger tritt immer als Grundfigur der Würfel, wenn auch in allen möglichen Variationen, zu Tage. Die obere Fläche setzt mit dem Parietale, Quadratum, Supraoccipitale, Squamosum und Paroccipitale den Boden der Schläfengrube, Fossa tempo- ralis, zusammen. Cydemys amboinensis und Testiido graeca wird davon ausgeschlossen, weil das Parietale das Otosphenoi- deum bedeckt. Das Otosphenoideum bildet vorne gemeinsam mit dem Quadratum einen quergestellten, freien Rand, Crista praetem- poralis. Sie ist gewöhnlich abgerundet und ihre Länge hängt von der Breite des Schädels ab. An ihrer Zusammensetzung nimmt das Otosphenoideum einen sehr ungleichen Antheil, denn sie wird bei den Triouychidae hauptsächlich vom Otosphenoi- deum und ganz wenig nur vom Quadratum gebildet. Bei den meisten Cryptodira tritt das Umgekehrte ein, während bei Cydemys amboinensis, Testudo graeca und tentoria das Oto- sphenoideum davon ganz ausgeschlossen ist, weil sich das Quadratum mit dem Parietale verbindet und beide Knochen dasselbe rückwärts drängen. Die Crista praetemporalis fehlt den Chelydidae, denn das Cranialdach ist so. flach, dass die sie bildenden Knochen ohne wesentlicher Hervorragung abwärts streben. Auf der Crista praetemporalis erhebt sich bei Clemmys, Einys, Cisttido, Testudo und Cheloiie imbricata an der Ver- einigung des Otosphenoideums mit dem Quadratum ein rauhes Tuberculum, oder bei Testtido graeca und T. tentoria auf dem letzteren allein. Dasselbe wurde von Bojanus (17) bei Eniys orbicnlaris als Processus articularis bezeichnet, und Fritsch (28) theilt mit, dass sich bei Testtido elephantina auf demselben eine Knorpelscheibe zum Darübergleiten des Musculus tempo- ralis befestigt. Anstatt des Tuberculums ist bei den Triouychidae und Anderen fast die ganze Crista praetemporalis rauh, woraus zu schliessen wäre, dass sie zum Darübergleiten des sehr breiten 266 F. Siebenrock, Schläfenmuskels in ihrer ganzen Länge mit einer Knorpel- schichte überzogen ist. Das Otosphenoideum umschliesst in der Fossa temporalis mit dem Quadratum das Ostium ductus carotici externi, ad fossam temporalem hiansBojanus, Foramen carotico-temporale Brühl, das jedoch bei keiner Schildkröte im Otosphenoideum allein gelegen ist, wie es bei Chclys von Cuvier (26) (pl. XI, Fig. 21) fälschlich dargestellt wurde. Der von Hoff mann (37) gemachte Fehler, dass bei den Seeschildkröten das oben ge- nannte Foramen ganz innerhalb der oberen Platte des Oto- sphenoideums gelegen sei, hat bereits Brühl (22) berichtigt. Übrigens ist der letztgenannte Autor selbst bei Chelys in einen groben Irrthum gerathen, indem er c. 1. (Taf. 73, Fig. 1) das Otosphenoideum als Parietale bezeichnet und in diesem das Foramen carotico-temporale (von Brühl aber für ein Nerven- loch gehalten) gelegen sein lässt. Ebenso hat Brühl (22) das- selbe bei Chelodiiia (Taf. 69, Fig. 7) ganz unrichtig dargestellt, indem es nach seiner Auffassung vom Otosphenoideum, Qua- dratum und Pter^'goideum eingeschlossen sein würde. Nur bei jenen Schildkröten, deren Otosphenoideum m der Schläfengrube vom Parietale bedeckt wird, legt sich das Parietale mittelst eines Ausschnittes an den Rand des Foramen carotico-tempo- rale und bei Cisttido ausser dem zuletzt genannten Knochen auch das Supraoccipitale. Das Foramen carotico-temporale ist bei Stanrotyptis und Cinosterinun sehr klein, welche Eigenthümlichkeit schon Baur (3) hervorhebt. Später erklärt aber derselbe Autor (12), dass es bei Stajirotypus abwesend ist. Es fehlt aber bei keiner Art, ausser vielleicht einseitig als pathologische Anomalie, wie ich es an einem Schädel von Chelydra serpetttina wahrnehmen konnte. Ich glaube, dass der angebliche Mangel desselben bei Dermatemys nach B a.uY (3) undBienz (15) bloss auf Täuschung beruhen dürfte. Von dem Foramen carotico-temporale lässt sich der Canalis caroticus externus an der lateralen, mit dem Quadratum ver- bundenen Fläche des Otosphenoideums bis zur Abzweigung vom Canalis cavernosus verfolgen, wo er mit dem Foramen caroticum externum (f. c.) (Taf. IV, Fig. 18) seinen Anfang Das Kopfskelet der Schildkröten. 267 nimmt. Er bildet daher auf den zusammenstossenden Flächen der beiden Knochen je einen Sulcus caroticus externus. Dieser ist bei Stanrotypns und Clnostermim, wenn auch sehr schmal, dennoch deutlich ausgebildet und scheint daher so wie bei den änderen Schildkröten für den Durchzug der Carotis externa zu gehören. Warum dieselbe gerade bei diesen zwei Gattungen so dünn ist, während sie bei anderen Schildkröten wieder zu be- trächtlicher Stärke anschwillt, bleibt bis jetzt ebenso unaufge- klärt, wie das von Rütimeyer in Betrachtung gezogene Factum von der extremen Weite des Canales der Carotis cerebralis bei Podocneniis. Von der Carotis externa geht vor dem Aufsteigen zum Foramen carotico-temporale ein Ast ab, der im Canalis cavernosus nach vorne zur Augenhöhle hinzieht. Bei den meisten crypto- diren Schildkröten verläuft derselbe zwischen Otosphenoideum und Quadratum durch das Foramen jugulare internum (f. j. i.) in die Schädelhöhle, um diese durch das Foramen sphenoidale (f. s.) wieder zu verlassen. Bojanus (17) führt auf Taf. XI, Fig.28i? in der Erklärung an, dass durch das letztgenannte Loch ein Ast der Carotis cerebralis nach aussen gelangen würde, was kaum glaublich ist, weil bei Emys orbiailaris so wie bei den meisten cryptodiren Schildkröten die Carotis cerebralis gleich nach vorne geht, ohne in der Gegend des Foramen sphenoidale einen Ast abzugeben, während man sowohl an der Innenfläche des Ouadratums als auch an der Aussenfläche desOtosphenoideums ganz deutlich die Abzweigung der Carotis externa sehen kann. Bei Cyclemys dhor und Testudo zieht der vordere Ast der Carotis externa sogar durch einen eigenen Canal (Taf. III, Fig. 17 t') (s. c. e.), der oberhalb des Canalis cavernosus (s. c.) liegt, nach vorne, wo er durch ein eigenes Loch, Foramen caroticum anterius (f. c.) nach aussen gelangt (Taf. II, Fig. 6). Es ist neben dem Foramen sphenoidale gelegen und vom Oto- sphenoideum gemeinschaftlich mit dem Pterygoideum begrenzt. Auch bei Chelone mydas verlässt der vordere Ast der Carotis externa durch ein eigenes Loch zwischen den genannten Knochen den Canalis cavernosus, er hat aber keinen separaten Canal. Bei Staiirotyptis, Cmostenmni, den Chelydidae und Trionychidae fehlt dieser Ast gänzlich; als Ersatz dafür werden 268 F. Siebenrock, wir bei der Besprechung des Pterygoideums einen Ast der Carotis interna l'5-Kopfes die richtigen Verhältnisse der Gesichtsknochen ohne Nasalia gegeben und ausserdem noch Ri^itimeyer (52) den Mangel derselben ausdrücklich hervorgehoben hat, wurden sie dennoch von Brühl (22) und Hoffmann (37) abgebildet. Beide Autoren begingen eben den- selben Fehler, das vordere Stück des Parietale, w^elches sie in irrthümlicher Weise durch eine Naht vom rückwärtigen getrennt glaubten, für das Frontale gehalten zu haben. Daraus ergab sich für sie die weitere Consequenz, das Frontale als Prae- frontale und das wirkliche Praefrontale als Nasale zu bezeichnen. Auch Klein (40) war der Meinung, dass bei Chelys die Nasalia anwesend seien. Die Nasalia wurden bei allen übrigen Chelydidae nach- gewiesen, und zwar bei Platemys platycephala von Wagl e r (60), bei Hydromedtisa von Peters (47), bei Chelodina von S t a n n i u s (56), bei Hydraspis raniceps Gray — Rhinemys nasiita Schw. und bei Chelyuiys = Eniydura von Rütimeyer (52), bei Hydraspis hilaril und Elseya dcutata von Boul enger (20). Gervais (31) hat ihr Vorkommen auch bei Dermochelys beob- achtet. Das Nasale ist ein kleines, dreieckiges Knochenplättchen, mit der Spitze zwischen Maxillare und Frontale eingekeilt. Die Basis bildet den oberen Rand der Apertura narium externa und umsäumt das vordere Frontalende so, dass es vom genannten Rande ausgeschlossen wird. Das Praemaxillare (p. m.). Hoffmann, Brühl, prae- maxilla Bienz, intermaxillare Hallmann, Klein, Zwischen- kiefer Köstlin, Stannius, os intermaxillare Peters, os in- cisivum Bojanus, os intermaxillare scu incisivum M oh ring, premaxillary Owen, Huxley, Parker, intermaxillaire Cuvier, B 1 an chard, Gervais, stellt bei den meisten Schildkröten einen paarigen Knochen dar, unpaarig dagegen ist es nur bei den Trionychidae und bei Chelys. Wagler (60), Köstlin (41), Stannius (56) und sogar Hoff mann (37) gibt für die ersteren ein paariges Praemaxillare an, und Klein (40) behauptet, es sei bei allen Cheloniern, auch bei CJielys paarig. 282 F. Siebenrock, Das Praemaxillare liegt stets zwischen den Maxillaria und bringt somit das Dach der Mund- und den Boden der Nasenhöhle vorne zum Abschluss. Seine Ausbreitung erfolgt nur immer hori- zontal und niemals vertical, weshalb die Schildkröten ein un- paariges Nasenloch besitzen. Das Praemaxillare vervollständigt vorne den Maxillarapparat und ist unten zur Alveolarkante zuge- schärft, mit der es den Kieferrand des Maxillare ergänzt. Bei den Trioiiychidae verbinden sich die vorderen Enden der Maxillaria, weshalb das Praemaxillare mehr unten zur Geltung kommt und oben bloss hinter denselben ganz wenig sichtbar wird. Am wenigsten entwickelt ist es bei Emyda, wo es als sehr kleiner Keil in einer Nische an der unteren Fläche der vorderen Maxillarenden steckt und oben gar nicht zum Vorschein kommt. Hinwiederum bricht es bei Cyclanorbis ganz vorne zv/ischen den Maxillen nach oben durch und wird hinten von denselben umschlossen. Das Praemaxillare wird vom Foramen incisivum (f. i.) durchbohrt, das gewöhnlich an der Verbindungsstelle mit dem Vomer liegt. Dieses fehlt bei Staiirotypus, den Chelonidae und Trioiiychidae. Bei letzteren ist anstatt dessen ein grösseres Loch zwischen den drei Kieferstücken anwesend, das sich bei Cliitra und Cyclanorbis durch seine Kleinheit auszeichnet. Dass Brühl (22) die vordere Kieferpartie bei Trioiiyx aeg)'ptiacus unrichtig dargestellt hat, wurde schon beim Maxillare erwähnt. Das Praemaxillare verbindet sich lateral mit den Maxillaria, hinten mit dem Vomer, bei Talassochelys, den Pelomediisidae und Trioiiychidae mit den ersteren Knochen allein. Bei Talasso- chelys stossen hinter demselben die Maxillaria zusammen und bei den letzten zwei Familien bildet es hinten einen freien Rand, der in das grosse Loch zwischen den vorderen Kieferrändern hineinragt. Das paarige Postfrontale (p. f.), Hoffmann, Brühl, Bienz, os frontale posterius Hallmann, Stann ius, Peters, Klein, os zygomaticum medium Bojanus, os zygomaticum genuinum Mohring, hinteres Stirnbein Köstlin, postfrontal Owen, Huxley, postorbital Parker, frontal posterieur Cuvier, Blanchard, Gervais, breitet sich seitlich zwischen dem Schädeldach und dem Jugale aus, es hilft somit den hinteren Orbitalbogen bilden imd bei einigen Schildkröten auch das Das Kopfskelet der Schildkröten. 283 Schläfendach. Es betheiUgt sich niemals an der Begrenzung der Schädelhühle und unterscheidet sich dadurch wesentlich vom Praefrontale. Das Postfrontale variirt wie kein anderer Kopfknochen in der Grösse. Vom unbedeutendsten Knochensplitter bei Trioiiyx snhplaniis (Taf. V, Fig. 27) entfaltet es sich bei den Chelonidae, Chelydridac und bei Dennochelys zu einem mächtigen Knochen- bogen, der in beträchtlicher Ausdehnung die Schläfe bedeckt. Während bei den meisten Cryptodira und Plenrodira seine Entwicklung mehr in die Breite gediehen ist, verschmälert es sich bei CisUido und Testtido zu einem schlanken Bogen, der bei Testndo ocnlifera am dünnsten wird. Schon Rütimeyer (53) hat darauf hingewiesen, dass bei den Chelydidae vom Postfrontale und dem sich anschliessenden Jugale eine quere Knochenwand zwischen der Augenhöhle und der Schläfen- grube gebildet wird, die sich von aussen her wie eine Coulisse gegen innen so weit vorschiebt, dass zwischen der Orbitalwand und der Wand der Hirnhöhle nur ein Loch zurückbleibt. Ein ähnliches Verhalten findet man bei den Trionychidae, wenn auch nicht in solcher Ausbildung; hier ist es aber nicht das Postfrontale, sondern das Parietale, welches gegen das Jugale hin einen bogigen Fortsatz aussendet und die quere Scheide- wand bildet. Eine Ausnahme davon macht Cliitra, denn es fehlt der oben erwähnte bogige Fortsatz des Parietale. Die vordere Kante des Postfrontale betheiligt sich immer an der Umgrenzung der Augenhöhle, die rückwärtige ragt frei in die Schläfengrube hinein, ausser bei Trionyx stihplaniis, Peloclielys, Chitra, Emyda und Cyclanorbis, wo hinter derselben das Jugale bis zum Parietale hinaufreicht und daher beide Knochen das Postfrontale von der Begrenzung der Schläfen- grube ausschliessen. Unter den Schildkröten mit wohlaus- gebildetem Schläfendach vereinigt sich die hintere Kante des Postfrontale bei Dennochelys unli den Chelonidae mit dem Squamosum, bei Podocnemis madagascariensis mit dem Para- quadratum (Taf. V, Fig. 26), während bei P. expansa das Post- frontale wegen seiner geringen Grösse bloss vom Jugale und Parietale in ähnlicher Weise wie bei den Trionychidae um- schlossen wird. Bei Podocnemis madagascariensis durchbricht 284 F". Siebenrock, es eben wegen der beträchtlicheren Grösse die genannten Knochen und dehnt sich bis zum Paraquadratum aus. Nimmt die Ausdehnung noch mehr zu, so wird auch das letztere bei Seite geschoben und das Postfrontale erreicht wie bei Deniio- chelys und den Chelonidae das Squamosum. Endlich wird bei Platysteriinm nach Boulenger (19) nebst dem Paraquadratum auch noch das Squamosum verdrängt, und das Postfrontale bildet wieder einen freien Rand, aber an der hinteren Schädel- grenze. Das Postfrontale verbindet sich bei allen Schildkröten oben mit dem Frontale und Parietale, unten bei Cistudo, Geoe- inyda, Podocnemis expansa nach Cuvier (26) und den Triony- cliidae mit dem Jugale, bei Staiirotypiis, Cinosternuui, Oiryscuiys, Liemys, Nicoria, Cydcmys, Testndo, Pdomedusa und Podo- cnemis madagascarieiisis mit dem Jugale und Paraquadratum, bei Derniochelys nach Gerv^ais (31), den Clielydridae, bei Platysternttin nach Boulenger (19), Clemniys, Emys und den Chelonidae auch mit dem Squamosum. Eine ganz ungewöhn- liche Verbindungsweise des Postfrontale treffen wir bei den Chelydidae, wo es sich vermöge der starken Depression des vorderen Kopftheiles bis zum Pter3^goideum erstreckt. Dass es sich bei einigen Schildkröten auch mit dem Praefrontale ver- bindet und das Frontale vom Orbitalrande zurückdrängt, wurde beim Praefrontale schon in Würdigung gezogen. Das paarige Jugale (j.), Stannius, Hoffmann, Brühl, Bienz, zygomaticum Hall mann, Klein, os jugale seu os zygomaticum Peters, os zygomaticum maxillare Alohring, OS zygomaticum anterius Bojanus, Jochbein Köstlin, malar Owen, jugal Huxley, Parker, jugal Cuvier, Blanchard, Gervais, breitet sich zwischen Postfrontale und Maxillare aus, wodurch es den hinteren Orbitalbogen zum Abschlüsse bringt. Das primitivste Jugale finden wir bei Cistudo und Gcoemyda, denn es bildet, weil das Paraquadratum fehlt, einen einfachen schmalen Bogen, der das Postfrontale mit dem Maxillare und bei der letzteren Gattung auch mit dem Pterj^goideum verbindet. Es bleibt daher sowohl die vordere, als auch die hintere Kante frei. Bei Testndo bestehen ähnliche Verhältnisse, nur tritt das obere Ende hinten mit dem meist schmalen Paraquadratum in Das Kopfskelet der Schildkröten. 285 \'erbindung, so dass auch hier wieder die beiden Kanten frei sind. Eine viel grössere Ausdehnung gewinnt das Jugale bei den meisten übrigen Schildkröten. Es verbindet sich unten und innen bei den Chclydridae, bei Liemys, Emys, Clemmys, Cyclcuiys mit dem Maxillare und Pterygoideum, bei Stauro- fypiis, Cinosfcninm, Chryscmys, Nicovia, den Chelonidac, bei Pdoinediisa und den Trionychidae auch mit dem Palatinum. Von der hinteren Kante des Jugale entspringt der Pro- cessus zygomaticus, der mit dem anstossenden Postfrontale und Paraquadratum den breiten Arcus zygomaticus bildet. Der Processus zygomaticus zeichnet sich bei den Trionychidae durch die besondere Länge aus, wozu die gestreckte Schädel- form wesentlich beiträgt. Dadurch wird das Postfrontale vom Paraquadratum weit entfernt und das Jugale erhält drei freie Kanten, eine vordere Kante zur Begrenzung der Augenhöhle, hinten eine obere und untere Kante. Ziemlich eingeschlossen ist das Jugale bei Staurotyptis und Cinosternum, denn es wird oben vom Postfrontale und Paraquadratum, unten vom Maxillare und wieder vom Paraquadratum begrenzt, so dass bloss der Orbitalrand frei bleibt. Die merkwürdigste Lage besitzt das Jugale offenbar bei Platystermim nach Boul enger (19), wo es durch das grosse Postfrontale sogar vom Orbitalrande verdrängt wird, so dass es inselartig zwischen Postfrontale, Maxillare und Paraquadratum eingeschlossen ist. Das Jugale tritt bei den Pleurodira in den verschiedensten Formen auf, als einfacher Bogen bei Hydraspis, der sich bei Pelomediisa rückwärts zu einem Processus zygomaticus aus- dehnt und bei Podocnemis madagascariensis in eine breite Platte verwandelt wird. Es erstreckt sich bei der letzteren Art nach innen, bildet durch die Vereinigung mit dem Post- frontale und Palatinum die hintere Orbitalwand und verbindet sich ausserdem unten mit dem Pterygoideum. Bei Oielodina und noch mehr bei Oielys ist das ""Jugale eine Knochenplatte, die vorne den Orbitalrand begrenzt, hinten in der ganzen Länge sich mit dem Postfrontale verbindet und aussen mit einem freien Rande dem Maxillare, Palatinum und Pterj'goideum anlieet. 286 F. Siebenrock, Wie die Fig. 26 auf Taf. V zeigt, ist die Angabe Baur's (3 und 6), dass bei Podocnemis madagascariensis r= Eryuiuo- chelys Baur das Jugale zum Unterschied von P. expausa in ausgedehnter Verbindung mit dem Ouadratum stehe, un- richtig. Das paarige Qu ad rat um (q.), Klein, Hoffmann, Brühl, Bienz, os quadratum Mohrin g, os quadratum seu os t^'m- panicum Peters, quadratum seu tympanicum Hallmann, pars t^anpanica ossis temporum Bojanus, Quadratbein Rathke, Küstlin, tympanic Owen, quadrate Huxley, Parker, caisse Cuvier, tympanique Blanchard, Gervais, liegt an der Peri- pherie des hinteren Schädelsegmentes und dient hauptsächlich dreierlei Zwecken: 1. als Zuleitung der Schallwellen zum Gehör, 2. zur gelenkigen Verbindung des Unterkiefers mit dem Schädel, 3. als hinterer Strebepfeilei* für die Anlage des Arcus zygo- maticus. Das Quadratum der Schildkröten hat Köstlin (41) ganz zutreffend mit einer sehr dicken Platte verglichen, die so gestaltet ist, dass ihre Convexität nach vorne und nach oben, ihre Con- cavität nach hinten und unten liegt. Die obere Fläche bildet mit den Nachbarknochen die Fossa temporalis und begrenzt mit dem Otosphenoideum, bei einigen Schildkröten noch mit Zuhilfenahme des Parietale oder Supraoccipitale das Foramen carotico - temporale. Vorne endigt dieselbe mit dem medial gelegenen Otosphenoideum als Crista praetemporalis, die mehr weniger gegen die Augenhöhle vorspringt. Die Art der Be- theiligung des Quadratums an der Zusammensetzung derselben mit dem Otosphenoideum wurde bei letzterem Knochen be- sprochen. Ebenso wurde hervorgehoben, dass entweder die ganze Crista praetemporalis oder nur ein sich auf ihr erhebendes Tuberculum als Unterlage für die Knorpelscbeibe des Schläfen- muskels dient. Dieses gehört bei Cleuimys caspica, Testudo graeca und tcutoria dem Quadratum allein an. Das Tuberculum oder die Crista praetemporalis wird bei MacrocJemwys, Staitro- typiis, Cinostcniniii, Licuiys und bei vielen Tesfiido -Arten durch eine tiefe Grube vom Arcus zygomaticus getrennt, die von Günther (34) bei den Riesenschildkröten als Artenunterschied aufgeführt wurde. Das Kopfskelct der SchiklUrüten. 287 Die vordere Fläche des Quadratums ist quer concav, oben breiter wie unten; sie wird oben von der Crista praetemporalis und unten vom vorderen Rande des Condylus mandibularis begrenzt. Ihr äusserer Rand bildet die vordere Grenze des Cavum tympani, während der innere Rand sich mit dem Oto- sphenoideum und Pterygoideum verbindet. Die in der unteren Hälfte gelegene Incisura hilft das Foramen sphenoidale um- schliessen. Unter derselben entspringt ein kurzer dünner P'ort- satz, Processus epipterygoideus (p. e., Taf. III, Fig. 16 und 17), der schief aufwärts dem Pterygoideum anliegt und entweder durch eine Naht oder durch ein kurzes Knorpelstück mit dem Epipterygoideum in Verbindung tritt. Weniger ausgebildet linden wir ihn bei den Trionychidae und ganz fehlt er bei den Plenrodira. Die laterale Fläche des Quadratums hat bei den meisten Schildkröten einige Ähnlichkeit mit der menschlichen Ohr- muschel, nur ist der convexe Rand vorne und nicht hinten gelegen. Sie ist gegen die Mitte trichterförmig \'ertieft und bildet das Cavum tympani (c. t.), das sich rückwärts in eine blasen- artige Erweiterung fortsetzt, nach Hasse (36) das Homologon des Antrum mastoideum vorstellend. Diese Hohlräume gelangen bei den Chelonidae am wenigsten zum Ausdrucke; sie bilden daher den Gegensatz zu den Plenrodira, bei denen speciell der letztere Hohlraum sich einer bedeutenden Entfaltung erfreut. Cuvier (26) hat das Quadratum von Clielys ganz richtig mit einer Trompete verglichen, deren hintere weite Öffnung nach aussen liegt. Das Cavuni tympani ist bei Chelys viel tiefer als bei den anderen Schildkröten und enthält an der hinteren Wand das grosse ovale Foramen columellae (f. cl.) oberhalb am Grunde das Foramen tympanicum (f. ty.) Brühl, welches in das röhren- förmige Antrum mastoideum führt. Dasselbe ist ein vollkommen abgeschlossener Raum, der nur durch das enge Foramen tympa- nicum mit dem Cavum tympani zusammenhängt, wie es in ähnlicher Weise auch bei Podocncuiis madagascariensis vor- kommt (Taf. V, Fig. 26), während es sonst immer eine blasen- artige Erweiterung des Cavum tympani darstellt, ohne dass eine besondere Trennung zwischen den beiden Hohlräumen stattfinden würde. Auch die Lage des Antrum mastoideum ist Sitzb. d. mathem.-naturw. CL; CVI. Bd., Abth. 1. 20 288 F. Siebenrock, bei Chelys eine andere, denn es zieht von aussen nach innen und steht senkrecht auf der Längsaxe des Kopfes, hingegen dreht es sich bei den übrigen Schildkröten nach hinten und läuft mit der Längsaxe parallel. Das Antrum mastoideum wird niemals vom Quadratum allein umschlossen, sondern immer unter Mithilfe des Sqamosum, die bei Testudo allerdings sehr gering, speciell aber bei T. tentoria auf die Bedeckung einer kleinen Lücke des Quadratums reducirt ist. Die hintere Kante des Cavum tympani ist in der Mitte von einer engen Rinne, Incisura columellae (i. cl.), durchzogen, die durch das anliegende derbe Zellgewebe zu einem Canal um- gewandelt wird und der Columella zur Aufnahme dient. Diese Rinne finden wir bei den Clielouidae sehr weit, sehen sie bei Emys, CJirvscniys, Cyclciuys etc. sich stark verengern, endlich bei den Chdydridae, bei Testiido und den Trionycliidae in einen knöchernen Canal umgewandelt, der in den Recessus cavi tympani mündet. Dagegen bildet sich bei den Plenrodira nur das äussere Ende der Rinne in das Foramen columellae (f. cl.) Brühl um, während sie in ihrem \\'eiteren Verlauf offen bleibt. Unterhalb dieses Canal es liegt an der hinteren Fläche des Quadratums eine zweite, viel breitere Rinne für die Tuba eustachii, die ebenfalls wieder durch ein Band zu einem Loch ergänzt wird; jedoch bei den Plenrodira mündet die Tuba eustachii durch das schlitzförmige Foramen columellae in das Cavum tympani ein. Das Trommelfell befestigt sich nur bei den Oielydidae an dem wulstigen Rande des Cavum tympani selbst, der gewöhnlich vom Paraquadratum und Squamosum mehr weniger bedeckt wird, so dass oftmals bloss ein kleiner Theil des Quadratums zur Anheftung desTrommelfelles dient oder, wie bei den Chelonidae, davon sogar ausgeschlossen wird. Der ringförmige Wulst des Cavum tympani ist nur bei den Plenrodira vollkommen ge- schlossen, bei den übrigen Schildkröten wird er von der Rinne der Tuba eustachii unterbrochen. Diese Stelle ist von einem Bande überbrückt, das zugleich zur Anheftung des Trommel- felles dient. Die laterale Fläche des Quadratums verschmälert sich von oben nach unten bis zum Canal der Columella, wo sie sich Das Kopfskelet der Schildkröten. 289 dann in den massigen Fortsatz verliert, der am Ende den Condylus mandibularis (c. m.) bildet. Den oberen Theil be- zeichnet Hasse (36) als Processus tj'mpanicus, den unteren als Processus muscularis; letzterer ist im Winkel etwas nach vorne geneigt und verschieden in der Länge. Wir finden ihn lang bei den Oiclydridae und Clielonidae, kurz bei den Plairo- dira und Tn'oiiychidae. Der Condylus mandibularis wird durch eine sagittale Furche in zwei Fasetten getheilt, von denen die laterale Fasette gewöhnlich grösser ist als die mediale. Die mediale Fläche des Quadratums bildet die laterale Wand des Recessus cavi tympani und geht mit dem Otospheno- ideum, Paroccipitale und Pterygoideum eine unbewegliche V'erbindung ein. Zu diesem Zwecke ist sie mit Rauhigkeiten versehen, die durch eine horizontale Rinne, Sulcus cavernosus (s. c.) (Taf. III, Fig. Ißd, 17 d) fast mitten unterbrochen werden. Dieser entspricht einem ebensolchen an der lateralen Wand des Otosphenoideums und bildet mit ihm den Canalis cavernosus, der zur Aufnahme der Vena jugularis interna, der Carotis ex- terna und des Nervus facialis dient. Der Sulcus cavernosus zieht nach vorne und sendet, ehe er mit dem Otosphenoideum das Foramen jugulare internum bildet, einen Zweig, den Sulcus caroticus externus (s. c. e.) in etwas schiefer Richtung aufwärts. Dieser umschliesst mit dem Otosphenoideum den Canalis caro- ticus externus und nuhidet in der Fossa temporalis als Foramen carotico-temporale. Es wurde schon beim Otosphenoideum her- \-orgehoben, dass sich bei Cycleniys dlior und Testudo für den vorderen Zweig der Carotis externa ein eigener Canal bildet (Taf. III, Fig. n d), der mit dem Foramen caroticum anterius (f. c.) (Taf. II, Fig. (3) vorne endigt. Daher finden wir so wie beim Otosphenoideum an der Innenfläche des Quadratums den Sulcus caroticus externus (s. c. e.) über den Sulcus cavernosus (s. c.) parallel nach vorne ziehen. Die beiden Sulci verlaufen am Quadratum nur ein ganz kurzes "Stück übereinander, weil der Sulcus cavernosus sogleich auf das anstossende Pterygoideum überspringt, während dieselben am Otosphenoideum (Taf. III, P'ig. \7 c) viel länger beisammen verweilen. Das Quadratum verbindet sich oben mit dem Squamosum, bei Testtido graeca, ociiUfera und tentoria auch mit dem 20* 290 F. Siebenrock, Parietale, vorne mit dem Paraquadratum, ausser bei den Schild- kröten, die keines besitzen, und bei Clenimys, Entys, Nicoria, Cyclemys, Geoemyda auch mit dem Parietale. Es verbindet sich innen mit dem Otosphenoideum,Paroccipitale und Pter3^goideum, hei Podocneinis ntadagascariensis auch noch mit dem Basioccipi- tale und Basisphenoideum (Taf. IV, Fig. 21). Das paarige S q u a m o s u m (s.)^ H o f f m a n n, B i e n z, G a u p p, squamosale Brühl, os squamosum A4ohring, os squamosum temporum Peters, squama temporalis Hallmann, Stannius, Klein, Schläfenschuppe Köstlin, pars mastoidea ossis tem- porum Bojanus, mastoid Ow^en, squamosal Huxley, Parker, mastoidien Cuvier, Blanchard, Gervais, der Schildkröten wurde von den älteren Anatomen mit dem Mastoideum des Menschen homologisirt. Hallmann (35) hat zuerst gezeigt, dass es nicht mit dem Mastoideum, sondern mit dem Squamosum der Säugethiere gleichbedeutend ist. Diese Anschauung wird jetzt von den meisten Autoren vertreten, und speciell Gaupp (29) war es, der die Homologie dieses Knochens für alle Wirbel- thiere festgestellt hat. Auch Baur (8) erkannte seine richtige Bedeutung, bloss Cope (25) bezeichnet denselben als »supra- temporal«, obwohl ihm derselbe Autor in einer früheren Ab- handlung (24) den richtigen Namen Squamosum beigelegt hat. Das Squamosum stellt bei den meisten Schildkröten eine dünne Knochendüte dar, die dem hinteren Theil des Quadratums respective dem oberen des Antrum mastoideum aufliegt. Es erstreckt sich über den oberen Rand des Cavum tvmpani nach vorne und verbindet sich bei allen Schildkröten mit dem Paraquadratum, wenn letzteres nicht fehlt, ausserdem aber bei Derniochelys nach Gervais (31), den Chelydridae, bei Platysteriiiim nach Boul enger (19), Clemmys, Emy s wnd den Cheloitidae auch mit dem Postfrontale. Bei den Schildkröten mit einem vollkommenen Schläfen- dach dehnt sich das Squamosum medial bis zum Parietale aus. Es wird jedoch bei Platysternnin nach Boulenger (19) durch das sehr grosse Postfrontale und bei Podocnemis, speciell bei P. niadagascariensis durch die ungewöhnliche Ausdehnung desParaquadratums von demselben getrennt und mehr rückwärts geschoben (Taf. V, Fig. 26). Die CJielydidae besitzen ausser Das Kopfskelet der SchildUnUen. -y 1 ('Iidodiua als Rudiment eines Schläfendaches nur mehr einen Knochenbogen, der vom Squamosum entspringt und mit dem Parietale in nahtweise Verbindung tritt. Beim Vergleiche des Squamosum der Chelydidae mit jenem von Hatteria ist dessen Homologie leicht erkennbar, denn seine Lage und Verbindungs- weise stimmt bis auf die mit dem Postfrontale 2 oder Post- orbitale vollkommen überein. Nach Cope (25) besteht das Squamosum bei Hatteria aus der Verschmelzung des supra- mastoid mit dem supratemporal, nach Baur (8) aus Squamosum und Prosquamosum. Bei den Chelydridae bedeckt das Squa- mosum den hinteren Rand, des Cavum tympani, bei Staiiro- typus den mittleren, bei den CheJonidae und TrionycJiidae den hinteren und oberen Rand desselben; weit davon zurückgedrängt ist es bei CJielys. Die grösste Ausdehnung erreicht es bei den Chelonidae, die geringste bei Testudo. Es verlängert sich rückwärts fast immer in einen Processus squamosus (p. s.), der bei den Triojiychidae (Taf. IV, Fig. 20, 22, 23) eine beträchtliche Länge annimmt, während er bei Testndo kaum merklich hervortritt. Auch bei ClieJys ist derselbe entgegen der Behauptung Hoff- mann's (37) vollkommen entwicl^elt und seitlich in eine scharfe Kante verbreitert, die zum Processus paroticus hinzieht (Taf. 1\', Fig. 24); diese wurde schon von Cuvier (26) angeführt. Sehr charakteristisch für das Squamosum der Chelonidae ist die tiefe Rinne, welche den hinteren Rand gleichsam spaltet, um Terrain für die hisertion des Musculus latissimus colli und trachelo- mastoideus zu gewinnen, als Ersatz des fehlenden Processus squamosus. Welchen- Antheil es an der Bildung des Antrum mastoideum nimmt, wurde beim Quadratum besprochen. Das Squamosum verbindet sich vorne mit dem Para- quadratum, ausser bei Cisttido, Geoemyda und den Chelydidae ; bei Det'mochelys, den C/ielydridae, bei Platysternum, Clemmys, Entys und den Chelonidae auch mit dem Postfrontale. Es i'er- bindet sich unten und medial mit dem Quadratum und Parocci- pitale, bei den Chelonidae und Chelydidae mit Ausnahme von Chelodina auch mit dem Parietale. Dass bei Dermochelys das Squamosum vom Paroccipitale getrennt bleibt, wurde bei letzterem Knochen erwähnt. Ausserdem wäre am selben Kopfe noch die ungewöhnliche V'erbindungsweise desselben mit dem 292 F. Siebenrock, Jugale hervorzuheben, die durch die tiefe Abwärtsverlegung des Paraquadratums ermöglicht wird, so dass über demselben das Jugale bis zum Squamosum zurückweicht. Das paarige Paraquadratum (p. q.), Gaupp, quadrato- jugale Stannius, Klein, Hoffmann, Brühl, Baur, Bienz, quadratojugule seu quadratomaxillare Hallmann, Jochfortsatz Köstlin, OS articulari-zygomaticum Peters, os zygomaticum maxillareMohring, os zygomaticum posteriusBojanus, zygo- matic Owen, Cope, quadratojugal Huxley, Parker, temporal ecaille Cuvier, temporal Blanchard, Gervais, bildet die Knochenbrücke zwischen dem hinteren Orbitalbogen und dem Quadratum. Der Name Paraquadratum wurde von Gaupp (29) zuerst bei den Amphibien für den Knochen an der Aussenfläche des Quadratums aufgestellt, dagegen die Knochenspange zwischen dem Quadratum und Maxillare bei den Anuren als Quadrato-maxillare bezeichnet. Gaupp wies dann nach, dass bei den Schildkröten nur der erstere Knochen, welcher vor dem Quadratum liegt, anwesend ist, während der letztere fehlt. Köstlin (41) hat das Paraquadratum als Jochfortsatz bezeichnet, weil er annahm, dass es sich so wie bei den Vögeln vom Jugale lostrennte. Gaupp hält jedoch den Knochen bei den Vögeln nicht für homolog mit dem Paraquadratum der Schildkröten, sondern mit dem Quadrato-maxillare der Anuren. Dem entgegen behauptet Baur (8), dass dieser Knochen bei den Vögeln ebenso ein Paraquadratum, respective Qu^idratojugale sei, wie bei den Schildkröten, Krokodilen und Eidechsen. DieMeinungGaupp's, dass der Knochen bei den Vögeln mit dem Paraquadratum dei Reptilien, ausgenommen Hafieria, nicht homolog sein kann, wird von Baur mit der Motivirung zurückgewiesen, dass unter den Schildkröten bei Platystermim, Cinosternum, Stmtrotypiis und MaJacodeuiys das Quadratojugale ebenfalls mit dem Maxillare in directer Verbindung steht. Somit würde bei den Schildkröten theils das Quadratojugale, theils das Quadrato- maxillare anwesend sein. Gerade deswegen halte ich den Gaupp 'sehen Namen »Paraquadratum« fest, weil er in beiden Fällen die Beziehung zum Quadratum, abgesehen von seiner weiteren Nachbarschaft, zum Ausdrucke bringt. Das Kopfskelet der Schildkröten. 293 Das Paraquadratum stellt eine grösstentheils flache Kno- chenplatte dar, die an der rückwärtigen Kante einen grossen halbkreisförmigen Ausschnitt zur Verbindung mit dem vorderen Rande des Quadratums besitzt. Die grösste Ausdehnung erreicht es bei den Cheloniäae, Platysternuni nach Boul enger (19) und ganz besonders bei Poäocnemis madagascariensis (Taf. V, Fig. 26), denn während es bei den ersteren mit dem Squa- mosum und Postfrontale in Berührung tritt, durchbricht es bei der letzteren Art diese beiden Knochen und verbindet sich mit dem Parietale in der ganzen Länge an seiner lateralen Kante. Dadurch wird bei Poäocnemis madagascariensis das Post- frontale weit vom Squamosum getrennt, welches bei den Chelonidae und bei Platystermim damit in ausgiebiger Ver- bindung steht. Bei Poäocnemis expausa ist das Paraquadratum nach Cuvier (26) viel kleiner als bei P. madagascavicusis und stosst nicht mehr mit dem Postfrontale zusammen, sondern bloss mit dem Jugale, das durch die Ausdehnung bis zum Parietale hin die Trennung der beiden Knochen bewirkt. Eine ungewöhnliche Lage hat das Paraquadratum bei Dermochylys nach Gervais (31) und bei Platystermim nach Boulenger (19); im ersteren Falle wird es durch die Vereinigung des Jugale mit dem Squamosum ganz aus seiner ursprünglichen Lage weit abwärts gedrückt, so dass es nicht zwischen Quadratum und Jugale liegt, sondern unter dem Jugale auf dem Quadratum. Bei Platystermim ist es wohl zwischen den beiden Knochen ausgedehnt, aber durch die merkwürdige Anordnung des Jugale erfolgt seine Entfaltung mehr nach unten, so dass es eine starke Knochenbrücke zwischen Quadratum und Maxillare bildet. Das Paraquadratum ist bei den Schildkröten ohne Schläfen- dach viel weniger entwickelt, so dass es bloss ein kleines Knochenplättchen darstellt, meistens mehr breit als lang und den rückwärtigen Theil des Jochbogens bildend. Bei den Trio- nycliiäae überwiegt seine Länge- die Breite und bei Clemmys caspica wird es auf einen schmalen Streifen zwischen Quadratum und Postfrontale reducirt, der von dem fast bis zum Quadratum reichenden, sehr grossen Postfrontale schuppenförmig bedeckt wird, so dass das Paraquadratum entweder gar nicht oder nur als Linie an der Aussenfläche zu sehen ist. Merkwürdigerweise •^"4 F. Siebenrock. ist diese Reduction nicht dem ganzen Genus eigen, sondern nur der Species caspica, denn das Paraquadratum von Clemmys guttata hat die gevvöhnhche Grösse. Somit würde Clemmys caspica den Übergang zu jenen Schildlcröten bilden, denen das Paraquadratum gänzlich fehlt. Es sind dies die Genera Cistndo, Geoemyda und die Familie der Chelydidae. Wie aus den Mit- theilungen von Baur und Taylor hervorgeht, fehlt dasselbe nicht allen Cistndo-Kvien. Baur (3) hat schon 1888 gegen Brühl (22) erklärt, dass bei Terrapene = Cistndo Carolina das Paraquadratum anwesend sei und als kleines dreieckiges Knochenstück dem vorderen Rande des Quadratums anliegt. Derselbe Autor gibt dann später (7) eine osteologische Charak- teristik der Cistndo -Arten, nach der das Paraquadratum nur bei C. ornata fehlt, hingegen bei C. Carolina, mexicaiia und Mno- sternoides rudimentär und bei C. major wohlausgebildet vor- kommt. In gleichem Sinne spricht sich auch Tajdor (58) aus und erläutert dies durch beigegebene Abbildungen der be- treffenden Arten. Die von mir untersuchten Exemplare gehören der Cistndo ornata und kinosternoides an, beiden fehlt das Paraquadratum spurlos. Ich glaube kaum, dass es bei der letzteren Art gewaltsam entfernt worden sei, denn sonst müsste man davon wenigstens die Trennungsstelle sehen, und eine Verwechslung mit C ornata ist wohl ausgeschlossen. Der einzige Unterschied, den ich am Quadratum der beiden Arten fand, liegt in der Form des Vorderrandes am Cavum t^-mpani. Derselbe ist bei Cistndo ornata sehr dünn, während er sich bei C. kinosternoides stark verbreitert. Aus diesem Grunde glaube ich auch, dass Brühl (22) Taf. 72, Fig. 19 nicht C. Carolina, sondern C. ornata besessen hat. Das Paraquadratum verbindet sich vorne mit dem Jugale bei Dennochelys nach Gervais (31), Podocneniis expansa nach Cuvier (26) und den Trionychidae (Taf. V, Fig. 27), mit dem Jugale und Maxillare bei Stanrotypns, Cinosternnm, Platy- sternnm nach Boul enger (19) und Malaclemys nach Baur (8), mit dem Jugale und Postfrontale bei den Chelydridae, bei Cliryseiiiys, Lieniys, Clemmys, Emys, Nicoria, Cyclemys, Testndo, den Chelonidae, bei Pelomedusa und Podocneniis madagasca- riensis (Taf. V, Fig. 26). Es verbindet sich hinten mit dem Das Kopfskelet der Schildkröten. 295 Quadratum und Squamosum, oben mit dem PosttVontale hei den Chelvdriclae, bei Platystenmm, Clennuys, Euiys und den Chelonidae, mit dem Jugale bei Deniiochelys, mit dem Parietale bei Podocnemis. MitdemParaquadratum haben wir den letzten jener Knochen kennen gelernt, welche zur Entstehung des Schläfendaches oder des Jochbogens beitragen. Van Bemmelen (13) unter- scheidet bei den Schildkröten: 1. Arten mit ganz geschlossenem Schläfendach, 2. Arten mit Hyaten (Einschnitten) in der Schläfen- decke, und zwar: A. durch Reduction von hinten her, so dass nur ein unterer Schläfenbogen übrig bleibt, B. durch Reduction von unten her, so dass nur ein hinterer Schläfenbogen an- wesend ist, C. durch Reduction gleichzeitig von unten und hinten, daher Mangel eines Schläfenbogens. Zur ersteren Gruppe, die Gaupp (29) den stegocrotaphen Typus nennt, gehören die Spliargidae, Platysteniidae, Chelonidae und Podocnemis, bei denen zwar immer dieselben Knochen an der Zusammensetzung des Schläfendaches theilnehmen, jedoch die Art ihrer Betheili- gung ist bei den einzelnen Familien eine ungleiche. Der Grund- knochen des Schläfendaches bleibt bei allen das Parietale, an dessen horizontale Seitenplatte sich bei den Chelonidae das Postfrontale und Squamosum anschliesst. Beide Knochen sind abwärts gekrümmt und bedecken unter Mithilfe des anstossen- den Jugale und Paraquadratums lateral die Schläfe. Schon bei Dermochelys erleidet die laterale Schläfenwand dadurch eine kleine Modification, dass sich das Postfrontale und Jugale nach rückwärts stark ausdehnt, wodurch das Paraquadratum sehr weit nach unten geschoben wird. In noch erheblicherem Masse ist dies vom ersteren Knochen bei Plalyslermim nach Boul enger (19) der Fall, so dass das Squamosum seitwärts gerückt und vom Parietale getrennt wird, weshalb das Post- frontale den hinteren Rand des Schläfendaches bilden hilft. Bei Podocnemis ist es das Paraquadratum, das durch seine Grösse fast den ganzen Parietalrand besetzt hält, dadurch das Squamosum vom Postfrontale und Parietale trennt und daher ebenfalls bis zum hinteren Rande des Schläfendaches vordringt. Baur (5) gibt an, dass bei dei\Slernolhaeridae und Podocne- uiidae eine Reduction von unten und hinten stattfinde. Ein 296 F. Siebenrock, Blick auf die Fig. 26 der Taf. V genügt, um dies für das letztere Genus widerlegen zu können. Die zweite Gruppe umfasst alle übrigen Schildkröten, bei denen durch Reduction der genannten Knochen das Schläfen- dach zum grössten Theile verschwindet und als Rest bloss ein seitlicher, respective hinterer oberer Schläfenbogen anwesend ist oder auch dieser verschwindet. Einen seitlichen Schläfen- bogen besitzen alle Cryptodira ausser Cisttido und Geoeniyda die Steniothaeridae und Trionychidae. Gaupp (29) nennt sie den zygocrotaphen Typus. Der seitliche Schläfen- oder Joch- bogen unterliegt in seiner Anlage einer grossen Verschiedenheit. Den Übergang von den stegocrotaphen Schildkröten zu den zygocrotaphen bilden die Chelydridae, bei denen noch Spuren von den seitlichen Parietalplatten vorkommen und das Post- frontale eine nicht unbedeutende Ausdehnung hat, daher der Arcus zygomaticus sehr breit ist. Viel schmäler wird derselbe bei Stmirotypiis, Cinosternnm, den Testudim'dae und bei Pelo- medtisa durch das gänzliche Verschwinden der seitlichen Parietalplatten, und sehr schmal ist er dann bei den Triony- chidae. Speciell Chrysemys, Clemmys und Einys sind durch ein breites Postfrontale ausgezeichnet, das sich über dem zusammen- stossenden Jugale und Paraquadratum noch mit dem Squamosum verbindet, wodurch der Arcus zygomaticus aus zwei über ein- ander gelagerten Knochenstreifen aufgebaut ist. Einen hinteren oberen Schläfenbogen, Arcus supratemporalis, besitzen die Chelydidae, ausgenommen Chelodina; er wird von einem Fort- satz des Squamosum gebildet, der sich mit dem zu einem Processus parietalis verlängerten Parietale vereinigt. Er ist der Überrest des bei den stegotocraphen Schildkröten so mächtigen Schläfendaches. Weder einen Arcus zygomaticus, noch einen A. supratemporalis haben die Genera Cisüido, Geoemyda und Chelodina ; sie werden mit den übrigen Chelydidae von Gaupp (29) dem gymnocrotaphen Typus beigezählt. Das paarige Pterygoideum (pt.), Hallmann, Klein, Brühl, Bienz, os pterygoideum Stannius, Peters, Flügel- bein Köstlin, pars pterygoidea sphenoidei Bojanus, os sphe- noideum primum Mohring, pterygoid Owen, Huxle v,Parker, Hoffmann, pterygoidien Cuvier, Blanchard, Gervais, bildet Das Kopfskelet der Schildkröten. 297 durch denAnschluss an dasBasioccipitale undßasisphenoideum den Boden, durch jenen an das Otosphenoideum und Parietale die Seitenwand der Schädelhöhle. Es setzt mit dem Pleuroccipi- tale und Quadratum, zwischen welchen Knochen sein rück- wärtiger Theil eingeschoben ist, den Boden des Recessus cavi tympani zusammen und stellt mit seiner unteren Fläche den hinteren Theil des Gaumendaches dar. Das Pterygoideum besitzt bei allen Schildkröten eine fast viereckige, langgestreckte Form. Die untere Fläche ist beinahe immer querconcav. Der laterale Rand bildet bei Dermochelys, den Chelydridae, Stauroiypus, Cinosternum, Platystermmi und den Testudinidae einen starken halbkreisförmigen Ausschnitt und senkt sich, wie Köstlin (41) ganz richtig hervorgehoben hat, in der hinteren Hälfte gegen den Processus articularis des Quadratums hin. Am vorderen Ende des Ausschnittes entspringt ein auswärts gerichteter Fortsatz, der sich bei den Chelydridae stark rückwärts krümmt und bei den Cheloiiidae fehlt. Diesen Fortsatz vergleicht Boulenger (20) mit dem »ectopterygoid process of the Rhynchocephalia and Lacertilia«. Er wird daher auf Taf. VI in den Figuren 32 — 39 als Processus ectoptery- goideus (p. e. p.) aufgeführt. Bei den Pieurodira und Trioiiy- chidae ist der laterale Rand nach aussen gekrümmt, wodurch das Pterygoideum sehr verbreitert wird. Dass sich bei Podo- cnemis die Pterygoidea ganz besonders ausbreiten, wurde schon von Rütimeyer (53) angegeben, ebenso dass sie vorne nach oben etwas gerollt sind und dadurch eine sehr weite Rinne bilden. Die medialen Ränder stossen bei Stmirotypus, Platy- stermmi nach Boulenger (19) und den Chelonidae fast in ihrer ganzen Länge bis auf ein kleines Stück hinten zusammen, wo vom dazwischen geschobenen Basisphenoideum eine ganz kurze Trennung hervorgerufen wird. Bei Cinosternum, den Chelydridae, Testudinidae, ausser den Chelonidae ufid den Pieurodira dehnt sich dieselbe schon bis zur Hälfte der ge- nannten Knochen aus, und bei Dermochelys sind nach Gervais (31) nur mehr die vorderen Enden der Pterygoidea mit- sammen verbunden. Bei den Trionychidae nimmt die Aus- breitung des Basisphenoideums an der unteren Schädelfläche so stark überhand, dass die Pterygoidea vollkommen von 298 F. Siebenrock. einander getrennt bleiben. Die einzige Ausnahme davon macht Cyclanorbis, wo die Pterygoidea zwischen den Palatina und dem Basispheonideum eine kurze Strecke verbunden sind. Die obere Fläche des Pter3^goideums setzt mit dem Basi- sphenoideum vorne den Boden der Schädelhöhle zusammen und wird zur Unterbringung von Gefässen und Nerven von mehreren Canälen oder Rinnen durchfurcht. Am wenigsten kommen diese bei den Chelydidae zum Ausdrucke. Das Ptery- goideum \'on CJielodina (Taf. VI, Fig. 32) wird an der oberen F'läche durch eine rauhe Längskante, Crista pterygoidea (c. p.) in eine breitere laterale und in eine schmälere mediale Hälfte getheilt. Die erstere liegt ausserhalb der Schädelhöhle und ist die Fossa suprapterygoidea (f. s. p.) Brühl. Die mediale Hälfte schliesst sich dem Basisphenoideum an und stellt mit diesem den Boden der Schädelhöhle dar. Sie bildet zwischen der Crista pterygoidea und dem anstossenden Basisphenoideum eine Längsrinne, Sulcus cavernosus (s. c), der zur Aufnahme der arteriellen und venösen Gefässe dient. Ausserdem zieht am medialen Rande eine schmale Furche, Sulcus pro nervo vidiano, von hinten nach vorne, wendet sich dann nach aussen und gelangt am vorderen Ende der Crista pterygoidea durch ein Loch, Foramen nervi vidiani, zwischen dieser und dem absteigenden Parietale in die lateral gelegene Fossa suprapterygoidea. Bei Chelydra (Taf. VI, Fig. 33) liegt innerhalb der Crista pterygoidea der ziemlich breite Sulcus cavernosus (s. c), davon medial und etwas tiefer der schmälere Sulcus caroticus internus (s. c. i.), welcher nur halb so lang ist als der erstere und im Bogen zum medialen Rande des Pterygoideums ver- läuft. Er dient nicht allein zur Aufnahme der Carotis interna, sondern auch für den Nervus vidianus. Während die erstere aber am medialen Rande in den gleichnamigen Canal des Basi- sphenoideums übergeht, zieht der letztere in einer eigenen Rinne, Sulcus pro nervo vidiano (s. v.), nach vorne, durchbohrt die häutige Schädelvvand, um in die Augenhöhle zu gelangen. Die beiden Sulci werden am hinteren Ende des Pterygoideums durch das daraufsitzende Otosphenoideum zu kurzen Canälen ergänzt, von denen der eine Canal im Recessus cavi tympani als Foramen jugulare internum (f. j. i.) und der andere an dessen Das Kopfskelet der Schildkrüten. 299 unteren Grenze als Foramen caroticiim internum (f. c. i.) beginnt. Während also bei Chelodina für die genannten Gelasse nur eine Kinne anwesend war. besitzt Chelydra zwei solche Rinnen, denn die Carotis interna geht bei Chelodina, sowie bei allen Chelydidae durch einen eigenen Canal des Otosphenoideums (Taf. IV, Fig. 24 und 25) in das Basisphenoideum über, ohne das Pter^^goideum zu berühren. Aber ein anderer Ast der Carotis interna dringt bei den Chelydidae durch ein spaltförmiges Loch (f. c. i.^ Taf. IV, Fig. 24 und 25) zwischen Ouadratum, Oto- sphenoideum und Pterygoideum, und zwar bei Cheloditia und Hydraspis in den Sulcus cavernosus und bei Chelys in die Fossa suprapterygoidea ein, um nach vorne zur Augenhöhle zu ziehen. Dieser Ast dient ziun Ersätze für jenen der Carotis externa, der bei den meisten Cryptodira durch das Foramen sphenoidale oder wie bei Cyclemys (Taf. II, Fig. 6) und Testudo durch ein eigenes Loch nach aussen und vorne zur Augenhöhle verläuft. Ähnliche Verhältnisse wie bei Chelydra finden wir bei Clemniys caspica (Taf. VI, Fig. 34), nur lässt sjch der Sulcus pro nervo vidiano bis zum vorderen Ende der Crista pterygoidea verfolgen, wo er von der absteigenden Platte des Parietale zu einem kurzen Canal ergänzt wird, der in die Augenhöhle mündet. Auch bei Statirotypns (Taf. VI, Fig. 35) zeigen die beiden Sulci die gleiche Anordnung, nur gelangt der Nervus vidianus nicht mehr in einer Rinne, sondern in einem Canal, Canalis pro nervo vidiano (Sonde 3 — 3), des Pterygoideums nach vorne. Dieser setzt sich im Palatinum fort und mündet durch das Foramen palatinum posterius (f. p. p.) Bojanus in die Augenhöhle. Bei Cyclemys amboitiensis (Taf. VI, Fig. 36) wird der hintere Theil des Sulcus caroticus internus (s. c. i.) nicht vom Otosphenoideum zum Canal ergänzt sondern vom Pterygoideum allein gebildet (Sonde 2 — 2). Von diesem zweigt der Canalis pro nervo vidiano ab, geht dann in eine offene Rinne über, um sich abermals in einen Canal fortzusetzen. Dieser "^mündet jenseits der Crista pterygoidea aus, von wo der Nerv gegen die Augenhöhle hin- strebt (Sonde 3—3). Viel länger ist der Canalis caroticus internus bei den Chelonidac (Taf. VI, Fig. 37). Er beginnt am Hinterende des Pterygoideums mit einem Loch, Foramen caroticum internum, geht aber nicht unmittelbar als solcher in jenen des Basisphe- 300 F. Siebenrock, noideums über, sondern er bildet zwischen den beiden Canal- stücken einen weiten Sulcus. Mit diesem vereinigt sich der Sulcus cavernosus (s. c.) zu einer gemeinsamen Rinne, in der auch der Nervus vidianus nach vorne gelangt, ohne jedoch in einem eigenen Sulcus eingebettet zu sein. Van Bemmelen (14) hat auf den Canalis caroticus internus bei Chelotie besonders aufmerksam gemacht, obwohl schon Hasse (36) davon eine ausgezeichnete Abbildung gegeben hat. Bemmelen meint, »dass derselbe bei i^^rwoc/u'/j-s fehle, oder wenn vom Canal noch etwas anwesend wäre, so könnte es nur sein vorderer Theil sein, und seine hintere Mündung müsste in der untiefen Grube gesucht werden, wo Basisphenoid, Basioccipitale und Pterygoid zusammenstossen«. Alle von mir untersuchten Schildkröten zeigen bezüglich des hinteren Foramen caroticum internum ein vierfaches Verhalten. Es liegt entweder am hinteren Ende des Pterygoideums allein, so bei Macrodemmys, Chrysemys ornata, Cyclemys, Geoemyda, den Chelonidae und Trionychidae (Taf. IV, Fig. 20, 22, 23 und Taf. VI, Fig. 36 — 39), oder an der unteren Fläche des Otosphenoideums, wie bei den Chelydidae (Taf. IV, Fig. 24 und 25), oder zwischen Pterygoideum und Otosphenoideum bei Chelydra, Stanrofyjvis (Taf. I\^ Fig. 18), Chiostermim, Chrysemys picta, Liemys, Clem- iiiys, Emys, Cishtdo, Nicoria (Taf. IV, Fig. 19) und Testudo, endlich wird es bei Podoctiemis (Taf. IV, Fig. 21) vom Ptery- goideum, Otosphenoideum, Basisphenoideum und Ouadratum begrenzt. Ein Schädel von DermochcJys stand mir nicht zu Gebote, um die Verhältnisse der Gefässcanäle zu studiren; ich glaube aber kaum, dass das hintere Foramen caroticum internum im Recessus cavi tympani gelegen sei, wo es Bemmelen zu finden vermeint. Derselbe Autor c. 1. gibt ferner an, das in Rede stehende Loch sei bei jungen Chelys- Arien ein ganz enger Schlitz im Pterygoideum und verschwinde bei ausgewachsenen Thieren gänzlich. Bemmelen scheint das P^oramen caroticum internum, das bei den Chelydidae im Otosphenoideum gelegen ist, mit dem lateral davon gelegenen Foramen (f. c. i.') verwechselt zu haben, das, wie vorher erwähnt wurde, einen Ast der Carotis interna bei Chelodina und Hydraspis in die Schädelhöhle und bei Chelys in die Fossa suprapterygoidea führt. Dieses Loch Das Kopfskelet der Schildkröten. 301 liegt aber niemals im Pterygoideum allein, sondern zwischen Pterygoideum und Quadratum eingeschlossen (Taf. IV, Fig. 24 und 25). Die beiden angeRihrten Foramina sind stets anwesend und fehlen daher auch bei den ältesten Thieren nicht. Bei Chrysemys ornata (Taf. VI, Fig. 38) und Macroclemmys (Fig. 39) wird der ganze Carotiscanal vom Pterygoideum allein umschlossen (Sonde 2 — 2), der dann unmittelbar in den gleich- namigen Canal des Basisphenoideums übergeht. Der gleichzeitig darin verlaufende Nervus vidianus zieht bei Chrysemys in einem vollkommen geschlossenen Canal des Pterygoideums vorwärts (Sonde 3 — 3) und mündet medial vom Foramen palatinum posterius am hinteren Ende des Palatinums; hei Macrocleinniys geht derselbe in einer oben bedeckten Rinne nach vorne (Sonde 3 — 3), um durch die häutige Schädelwand in die Augen- höhle zu gelangen. Bei beiden Arten und bei Staiirotypns (Fig. 39) liegt ungefähr in der Mitte des Sulcus cavernosus das Foramen pro ramo nervi vidiani (f vi.'), das den unteren Ast des Nervus facialis durch einen kurzen Canal des Pterygoideums in den Canalis caroticus internus führt, wo er sich mit dem Nervus vidianus vereinigt, um gemeinsam zur Augenhöhle zu ziehen. Ganz ungewöhnlich erweitert ist der Canalis caroticus internus bei Podocnemis (Taf. IV, Fig. 21), den Rütimeyer (53) sehr treffend mit einem Knochentrichter verglichen hat. Rütimeyer c. 1. hebt hervor, dass er aus den blossen osteo- logischen Verhältnissen den Zweck dieser Einrichtung nicht zu erklären vermag und fährt dann weiter: »Doch dürfte sie sich wohl auf Blutzu- und Abfuhr vom Gehirn und Auge be- ziehen und der Blutbahn der Carotiden und Jugularen gewidmet sein«. Das Letztere ist ganz richtig, aber dazu hätte es keines so weiten Canales bedurft. Denn bei genauer Prüfung desselben gewahrt man in ihm vier Löcher, die auf Endigungen oder den Anfang eben so vieler Canäle schliessen lassen. An der medialen Wand liegt hinten im Otosphenoideum das Foramen für den unteren Ast des Nervus facialis, der sich mit dem im Canalis caroticus internus nach vorne ziehenden Nervus vidianus ver- bindet. Etwas weiter vorne finden wir im Basisphenoideum das Foramen, welches die Carotis interna zur Gehirnbasis führt und in der Fossa hypophyseos in die Schädelhöhle mündet. Am 302 F. Siehenrock, Dach des weiten Canales liegt das Foramen für den vorderen Zweig der Carotis externa, die vom Recessus cavi tympani durch dieses Loch in die Schädelhöhle und von da zum Auge geleitet wird. Endlich dringt am Boden im Pterygoideum durch das Foramen pro nervo vidiano der gleichnamige Nerv in einen Canal ein, der an der Oberfläche des Pterygoideums hinter der Augenhöhle und medial vom Foramen palatinum posterius wieder endigt. Im Recessus cavi tympani beginnt bloss der Canalis caroticus externus, der oben zwischen Otosphenoideum und Ouadratum mit dem Foramen carotico-temporale und mit einer Abzweigung in den weiten Canal mündet. Der sonst bei den Schildkröten hier endigende Canalis cavernosus fehlt ganz, weshalb zu vermuthen ist, dass die Vena jugularis interna bei Podocneinis sammt dem Nervus facialis den Weg durch den er- weiterten Canalis caroticus internus nach rück- und auswärts nimmt. Denn aus der Grösse der in demselben liegenden Löchern für die Carotiden wäre zu urtheilen, dass sie das Normale ihres Volumens nicht überschreiten, es müsste also nur das venöse Gefässsj'stem bedeutend mehr als gewöhnlich entwickelt sein. Dann fragt es sich, ist es ph^'siologisch begründet, dass gerade nur bei der Gattung Podocnemis das Venensystem das arterielle in solchem Masse übertrifft? Der weite Canal wird daher nicht nur für Gefässe, sondern auch für andere Zwecke bestimmt sein, die erst durch genaue anatomische Untersuchungen an frisch getödteten Thieren erforscht werden können. Das Pterygoideum verbindet sich vorne 1. bei den Trio- uychidae, ausgenommen Pelochelys, mit dem Palatinum, Maxil- lare und Jugale; 2. bei CisUido und Testndo mit dem \^omer, Palatinum und Maxillare; 3. bei den Chelonidae mit dem Vomer, Palatinum und Jugale; 4. bei den Chelydridae, Staurotyptis, Cinostermim, Chrysemys, Liemys, Clemmys, Emys, Nicoria, Cyclemys, Geoemyda und Pelochelys mit dem Vomer, Palatinum, Maxillare und Jugale; 5. bei den Pelomednsidae mit dem Pala- tinum, Jugale und Postfrontale; 6. bei Chelodina mit dem Pala- tinum, ALaxillare, Jugale und Postfrontale; 7. bei den übrigen Chelydidae mit dem Vomer, Palatinum, Maxillare, Jugale und Postfrontale. Der vordere Rand hat bei Clemmys, Cisüido, Cyclemys einen kleinen Ausschnitt, womit er das Foramen Das Kopfskelet der Schildkröten. 303 palatinum posterius begrenzen hilft. Das Pterygoideum verbindet sich hinten 1. bei Podocneuiis, den Chelydidae, ausgenommen Cliclys, mit dem Quadratum allein; 2. bei Chelys mit dem Qua- dratum und Otosphenoideum; 3. bei Chrysemys, Clemmys, Emys, Cistndo und Nicoria mit dem Quadratum und Basiocci- pitale; 4. bei den Chelydridae, Siatirofypns, Ciiwsternnni, Liemys, Cyclemys, Geoemyda, Testndo, den Chelouidae und Triouychidae mit dem Quadratum, Basioccipitale und Pleurocci- pitale; bei allen Schildkröten medial mit dem Basisphenoideum, oben mit dem Parietale, Epipterygoideum, Otosphenoideum und Paroccipitale. Die obere Kante, Crista pterygoidea (c. p.) enthält die Incisura sphenoidalis (i. s.), die vom Otosphenoideum und Parietale zum Foramen sphenoidale ergänzt wird. Mit dem Pterygoideum haben wir den letzten Knochen kennen gelernt, der zur Umschliessung des Recessus cavi tym- pani und des Foramen lacerum beiträgt. Ersteren hat Hasse (36) von Emys, Testudo und Chelone in ausgezeichnetster Weise beschrieben und abgebildet. Darnach ist derselbe nach innen trichterförmig erweitert, medial vom knöchernen Gehörapparat begrenzt und nach aussen mündet er in den engen Canalis columellae, der in das weite Cavum tympani des Quadratums übergeht. Sein Dach bildet das Paroccipitale, die vordere Wand das Otosphenoideum, die hintere das Paroccipitale und Pleur- occipitale, die laterale das Quadratum und den Boden der letztere Knochen mit dem Pterygoideum. Der Recessus ca\'i tympani wird in zwei Abtheilungen geschieden, von denen die eine Abtheilung (Recessus cavi tym- pani sensu strictiori) im Umfange des Foramen vestibuli als ein Theil der Paukenhöhle erscheint, während die andere das Homologon des Recessus scalae tympani im Bereiche des Foramen Cochleae liegt. Die erstere Abtheilung ist die grössere und befindet sich aussen und vorne, die andere kleinere liegt nach hinten und innen. Als Grenze' zwischen den beiden Räum- lichkeiten dient nach Hasse (36) wohl nur unvollständig die absteigende Wand des Paroccipitale zwischen dem Foramen vestibuli und F. Cochleae. Die hintere äussere Wand des Re- cessus cavi tympani dient den Gefässen und Nerven zum Durch- lass, wesshalb sie mit den dazu nöthigen Löchern versehen ist, Sitzb. d. mathem.-naturw. GL; GVL Bd., Abth. I. 21 304 F. Siebenrock, oder sie weiset eine einzige grosse Öffnung auf, die theilvveise durch Knorpel ausgefüllt wird, soferne sie nicht zum Passiren der Gefässe und Nerven Löcher bilden muss. Diese Öffnung ist das Foramen lacerum (f. 1.), das bei den Schildkröten ein ver- schiedenfaches Verhalten aufweist, wie die Tafel IV darzu- stellen versucht. Ausserdem werden in derselben auch die übrigen Zu- und Ausgänge für die Gefässe und Nerven zur Anschauung gebracht. Das kleinste Foramen lacerum finden wir bei Emyda und CycJanorbis (Fig. 20), denn es besteht bloss aus einem schräg von innen nach aussen gekehrten Schlitz, der an seinem oberen Rande drei halbkreisförmige Ausschnitte bildet. Durch dasselbe gelangt lateral die Vena jugularis interna und der Nervus facialis nach aussen, medial zieht die Carotis externa in den Recessus cavi tympani, um zum P'oramen caroticum (f. c.) zwischen Oto- sphenoideum und Ouadratum zu gelangen. Unter dem Foramen lacerum liegt das Foramen caroticum internum (f. c. i.) im Pterygoideum allein. Man sieht in diesem zwei Löcher, oben rechts das Foramen für einen Zweig der Carotis interna (f. c. i.'), der neben dem Basisphenoideum (Taf. II, Fig. 5) in die Schädel- höhle eindringt, um von da zur Augenhöhle zu gelangen; er führt auch den Nervus vidianus mit sich. Unten links ist das Foramen caroticum internum (f. c. i.), durch welches die Carotis cerebralis in die Fossa hypophyseos (Taf. II, Fig. 5) der Schädel- höhle mündet. Medial vom Foramen lacerum befindet sich das Foramen jugulare posterius (f. j. p.). In diesem sind zwei Löcher, getrennt durch die mediale Lamelle des Paroccipitale, sichtbar. Das medial gelegene Foramen jugulare anterius (f. j. a.) lässt die Vena jugularis, den Nervus vagus und accessorius nach aussen gelangen, das laterale Loch ist das Foramen Cochleae (f. CO.) und im Paroccipitale das Foramen pro nervo glosso- pharjaigeo (IX.). Unter dem Foramen jugulare posterius sind die drei Löcher für den Nervus hypoglossus (XII.) zu sehen. Bei Triouvx subplauus (Fig. 23) und Staiirotyptis (Fig. 18) hat sich das Foramen lacerum schon viel mehr erweitert. Man sieht daher in demselben das Foramen jugulare internum (f.j.i.) in Fig. 18, das Foramen caroticum externum (f. c.) und das Foramen vestibuli (f.v.) in beiden Figuren; in Fig. 18 das Foramen Das Kopfskelet der Schildkröten. 305 caroticum internum (f. c. i.) vom Pterygoideum und Otosphe- noideum begrenzt, während dasselbe in Fig. 23 weit unter dem Foramen lacerum im Pterygoideum allein gelegen ist. Im Foramen jugulare posterius (f. j. p.) liegt bei Stanrotyptis (Fig. 18) und Triouyx stibplanus (Fig. 23) links das Foramen jugulare anterius (f. j. a.), rechts das Foramen Cochleae (f. co.). In Fig. 23 tritt der Nervus glossopharyngeus (IX.) durch das Foramen lacerum heraus, in Fig. 18 durch ein eigenes Loch (IX.) an der hinteren Wand des Schädels, respective des Recessus cavi tympani. Noch mehr an Grösse hat das Foramen lacerum bei Nicofia (Fig. 19) zugenommen, denn es steht beinahe der ganze Reces- sus cavi tympani offen, weil die hintere Wand desselben viel unvollständiger als bei Stanrotypns verknöchert ist, wesshalb das Foramen pro nervo glossopharyngeo (IX.) nur mehr als Ausschnitt erscheint. Das Foramen lacerum stellt bei Pelochelys und Chitra (¥\g. 22) eine langgezogene quere Grube dar, die alle vor- kommen könnenden Foramina in sich schliesst. Nur das Fo- ramen caroticum internum (f. c. i.) ist an deren unteren Kante, daher ausserhalb gelegen. Bei Podoaiemis (Fig. 21) ist das Fehlen des Foramen jugulare internum im Foramen lacerum und die ungewöhnliche Grösse des Foramen caroticum internum (f. c. i.) hervorzuheben. Die Vena jugularis interna und die Carotis externa besitzt bei Chelys (Fig. 24) und bei Hydraspis (Fig. 25) im Foramen lacerum eine gemeinsame Öffnung (f. j. i. -4- f. c). Das Foramen caroticum internum (f. c. i.) liegt im Oto- sphenoideum allein (Fig. 24) oder zwischen diesem und dem Basisphenoideum (Fig. 25). Lateral von demselben finden wir, eine Eigenthümlichkeit der CheJydidae, das Foramen für einen Zweig der Carotis interna (f. c. i.'), das vom Ouadratum und Pterygoideum begrenzt wird. Es führt in einem kurzen Canal aufwärts, der bei Chelys in die Fossa suprapterygoidea, bei Hydraspis in die Schädelhöhle mündet. Das paarige E p i p t e r y g o i d e u m (e. p.) wurde, wie B a u r (4) berichtet, zuerst von Spix bei Testudo caretta z=z T. marginata wahrgenommen und als AXa. minor bezeichnet. So wird das kleine Knochenplättchen zwischen Parietale und Pterygoideum 306 F. Siebenrock, wenigstens von Er dl (27) benannt, der die Tafeln von Spix copirt und höchst wahrscheinlich auch dessen Nomenclatur angenommen hat. Bojanus (17) nannte es bei Eniys »ossis pterygoidei exigua pars« und in Parergon (18) bei Talassoclielys »lamina exigua triangula«; ebenso verglich es Cuvier (26) bei demselben Thier mit dem »alle temporale«. Zunächst wurde dann das Epipterygoideum von Mohring (42) bei Trionyx aegyptiactis als Os sphenoideum ascendens, Os pterygoideum secundum beschrieben. Köstlin (41) verglich es wie Cuvier mit dem vorderen Schläfenflügel und gab dessen Lage sehr gepau an: »Als ähnliche, nur viel schwächere Rudimente eines vorderen Schläfenflügels sind wohl einige Knochenlamellen am Schädel der Schildkröten zu betrachten. So liegt bei Testndo, Chelonia und Trionyx unter und vor dem ovalen Loch ein kleines, dreieckiges, nach hinten und unten spitzig aus- gezogenes Knochenblättchen; es ist aussen in das Flügelbein eingesenkt und berührt mit seinem oberen Ende den senk- rechten Theil des Scheitelbeines, mit seiner unteren Spitze aber gerade noch das Quadratbein«. Huxley (38) gab dem Epipterygoideum keinen bestimmten Namen: »a small distinct lamella of bone«; hingegen bezeichnete es Owen (44) als Orbitosphenoid und Brühl (22) als Os accessorium. Erst Cope (24) hat die morphologische Bedeutung des genannten Knochens bei den Schildkröten klargestellt, indem er dessen Homologie speciell bei Chelydra serpeiitina mit der Columella der Saurier aussprach, und Parker (45) gab ihm den Namen »Epipterygoid«. Sein Vorkommen wurde hierauf von Monks (43) ausser bei Chelone inydas und Chelydra serpentina noch bei den amerikanischen Schildkröten Chiostermun odoraium, Malacoclemmys terrapen, Clemmys insculpta, Cistudo und Trionyx spinifer nachgewiesen. Auch Baur (4) hat das Epi- pterygoideum bei den meisten Testudinata Nordamerikas als isolirtes Element, so wie es von Monks c. 1. abgebildet wird, gefunden. Somit ist die Existenz desselben bei einer grossen Anzahl von Schildkröten-Genera festgestellt, und es handelt sich nun um die Frage: Besitzen alle Schildkröten ein Epi- pterygoideum oder nur gewisse Genera? Ich glaube das erstere annehmen zu dürfen, denn ich fand es ausser bei den bisher Das Kopfskelet der Schildkröten. 307 namhaft gemachten Genera auch noch bei Statirotypus, Chrys- eniys, Liemys, Clemmys, Nicoria, Cyclemys (Taf. II, Fig. 6), Geoemyda, Trionyx snbplamis, sinensis und cartilagineiis, Pelo- chelys, Chitra und Emyda vor. Unter diesen standen mir speciell von Statirotypus, Chrysemys, Clemmys, Emys, Nicoria, Testudo, Chelone und Trionyx sinensis mehrere Schädel in verschiedenen Altersstadien zu Gebote. Da fand ich, dass an den von jungen Individuen stammenden Schädeln das Epipterygoideum immer vollkommen isolirt war, mit zunehmendem Alter seine Umrisse undeutlich werden und endlich ganz verschwinden, weil es mit dem Pterygoideum verschmolzen ist. Es kann auch vor- kommen, dass dasselbe auf der einen Seite noch getrennt blieb, während es auf der anderen beinahe schon verschwunden war. Daraus erklären sich die Ansichten verschiedener Autoren, dass das Epipterygoideum bei den Schildkröten bloss indivi- duell auftrete. Nur bei den Pleurodira gelang es mir nicht, seine Selbständigkeit nachzuweisen, obwohl es Hoffmann (37) auch bei Chelys gesehen haben will. Ich bin jedoch der Meinung, dass man bei hinreichendem Untersuchungsmateriale das Epipterygoideum auch für die Pleurodira würde consta- tiren können. Bei Hydraspis und Chelodina (Taf. VI, Fig. 32) hat das Pterygoideum zwischen Parietale, Quadratum und Oto- sphenoideum eine ganz eigenthümliche verdickte Stelle (x), die den unteren Rand des Foramen sphenoidale bildet und die ich für das mit dem Pterygoideum verschmolzene Epiptery- goideum halte. Die Lage desselben hat schon Köstlin (41) nach dem früher gegebenen Citate genau präcisirt, dasselbe thun die Abbildungen von Monks (43). Es fragt sich dann weiter, ob das Epipterygoideum ein integrirendes Bestandstück der Schädelhöhle sei oder nur ein Deckknochen. Die Unter- suchungen an den verschiedenen Schildkröten ergaben, dass beides der Fall sein kann, denn bei^ Chelydra, Dermatemys nach Bienz (15), Staurotypns, Clemmys, Testudo oculifera, tentoria und Chelone liegt es nur dem Pterygoideum auf, während es bei Cinosternum (Taf. II, Fig. 8), Chrysemys, Liemys, Emys, Cistndo, Nicoria, Cyclemys (Taf. II, Fig. 6) und den Trio- nychidae an der Innenfläche der Schädelwand als eigenes 308 F. Siebenrock, Knochenfeld (e.) zum Vorschein kommt. Ebenso ist seine Beziehung zum Foramen sphenoidale nicht immer die gleiche. Bei Chelydra, Cinostermtm (Taf. II, Fig. 8) stosst es an den vorderen Rand des Foramen sphenoidale, bei den Trionychidae an den unteren, und bei den übrigen Schildkröten liegt es unterhalb oder vor demselben, ohne damit in Berührung zu treten. Aus Parker's (45) Untersuchungen an Chelone mydas geht hervor, dass das Epipterygoideum in der knorpeligen Anlage zugleich mit dem Ouadratum entsteht. Später ver- knöchern dann die beiden Elemente selbständig, aber der knorpelige Zusammenhang zwischen ihnen erhält sich zeit- lebens. Ja es kommt sogar vor, dass das Epipterygoideum und das Quadratum zu einem Knochen verschmelzen, wie ich es bei Cistudo ornata beobachtet habe. Sowohl die Lage auf dem Pterygoideum, als auch seine spätere Vereinigung mit diesem Knochen rechtfertigen den von Parker c. 1. eingeführten Namen Epipterygoideum. Das paarige Pal at in um (pa.), Hall mann, Stannius, Klein, Hoffmann, Brühl, Bienz, os palatinum Bojanus, Peters, Gaumenbein Köstlin, processus palatinus ossis maxillaris superioris Mohring, palatine Owen, Huxley, Parker, palatin Cuvier, Blanchard, Gervais, schliesst sich dem Pterygoideum an und bildet nach vorne die Fort- setzung des Gaumendaches, sowie den Boden der Augen- höhle, hingegen trägt es nur bei den Oielonidae ganz wenig zur unteren Umschliessung der Nasenhöhle bei. Das einfachste Palatinum finden wir bei den Chelydidae, wo es einen dünnen plattenförmigen Knochen darstellt, der oben concav und unten convex ist. Es erlangt bei CJielys die grösste Ausbreitung, wird bei Hydromedusa nach Peters (47) sehr klein und nimmt eine halbmondförmige Gestalt an. Der vordere Rand bildet mit einem halbkreisförmigen Ausschnitt die hintere, respective late- rale Kante der Apertura marium interna, zu welchem Zwecke das Palatinum bei Chelys an dieser Stelle etwas nach oben gekrümmt ist. Am hinteren Rande umgrenzt es mit dem Ptery- goideum das Foramen palatinum posterius (f. p. p.) Bojanus, allein bei Chelys wird dessen hinterer Theil nicht vom Ptery- goideum, sondern vom Postfrontale gebildet. Die medialen Das Kopfskelet der Schildkröten. 309 Ränder der beiden Palatina sind bei Chclodiua durch eine Naht \'erbunden, bei Hydraspis durch den Vomer und bei Chelys durch die so weit vorwärts ragenden Pterygoidea von einander getrennt. Den Chelydidae schliessen sich zunächst die Chelydridae an, bei denen das Palatinum ebenfalls nur eine einfache Knochen- platte vorstellt, die vorne und lateral einen Ausschnitt besitzt. Der vordere wird durch das Praefrontale zum Foramen palatino- nasale (f. p. n.), der laterale durch das Maxillare zum Foramen palatinum posterius (f. p. p.) ergänzt. Die medialen Ränder werden vom Vomer getrennt. Das Palatinum von Pelomedusa ähnelt dem der Chelydidae ; bei Podocnemis betheiligt es sich an dem Aufbaue der hinteren Augenhöhlenwand und an der Zusammensetzung der Kaufläche, die vorne vom ziemlich grossen Praemaxillare, seitlich vom Maxillare und hinten medial vom Palatinum gebildet wird. Sein lateraler Rand springt an der unteren Fläche stark vor und ergänzt den medialen Rand des Processus palatinus vom Maxillare. Die medialen Ränder stossen nahtweise zu- sammen und der vordere Rand begrenzt die Choanae (eh.) Das Foramen palatinum posterius (f. p. n.) wird von dem in Rede stehenden Knochen allein umschlossen. Bei den Cryptodira und Trionychidae überragt die Länge des Palatinums die Breite und die untere Fläche ist querconcav, so dass es wie eine kurze, breite Rinne aussieht. Der laterale Rand springt bei Stattrotypus, CinosterntLin, Chrysetnys und Lieinys so wie hei Podocnemis nach unten stark vor und ergänzt damit die Kaufläche des Maxillare. Er krümmt sich bei den Chelonidae sogar in Bogen wieder einwärts, so dass das Palatinum dann aus zwei Blättern besteht, deren mediale Ränder sich mit dem Vomer verbinden und dadurch eine weite Röhre bilden, die zur Nasenhöhle führt; sie ist also der innere Nasen- eingang. Der vordere Rand des Palatinums bildet bei Staurotypns, Cinosterfimvi, Chrysemys, Lientys, Clemmys, Cyclemys und den Chelonidae mit dem Praefrontale und Maxillare das grosse Fo- ramen palatino-nasale (f. p.n.); dieses verkleinert sich bei Einys, Cistndo, Nicoria und Geoeniyda zu einem winzigen Loch, das 310 F. Sieben rock, nur mehr vom Palatinum und Maxillare umgrenzt wird. Bei den Trionychidae vereinigt sich das Foramen palatino-nasale mit dem inneren Naseneingang und bildet ein grosses ovales Loch. Das Foramen palatinum posterius (f. p. p.) liegt bei Staiiro- typiis, Cinostemum und den Trionychidae im Palatinum selbst, während es bei Chrysemys, Liemys und Nicoria vom Pala- tinum und Maxillare, bei Clemmys, Emys, Cistndo, Cyclemys und Gcoeuiyda vom Palatinum, Maxillare und Pterygoideum eingeschlossen wird. Bei den Chelonidae fehlt dasselbe voll- ständig. Bei Stanrotypiis, Cinosteriinm, Chrysemys und den Trionychidae erhebt sich an der oberen Fläche des Palatinums eine fast senkrechte Längsleiste, die sich mit dem absteigenden Parietale verbindet und den hinteren Rand des Interorbital- raumes bilden hilft. Diese Längsleiste wird von innen und hinten nach vorne und aussen vom Canalis nervi vidiani durchbohrt (Taf. I, Fig. 1 ; Taf. II, Fig. 5), der entweder wie bei Staurotypns und den Trionychidae in das Foramen palatinum posterius mündet, oder wie bei Cinostermtm neben diesem an der vorderen Kante der genannten Längsleiste. Die medialen Ränder der Palatina werden bei allen Crypto- dira und Pelochelys durch den dazwischen gelagerten Vomer getrennt, während sie bei den übrigen Trionychidae entweder in ihrer ganzen Länge nahtweise verbunden bleiben, oder, wenn sich der Vomer wie bei Trionyx subplamis, spinifer, phayrii, sinensis, Emyda und Chitra vorne dazwischen schiebt, doch in ihrer hinteren Hälfte. Das Palatinum verbindet sich vorne mit dem Maxillare und Praefrontale bei den Cryptodira, mit dem Maxillare und Vomer bei den Trionychidae, ausgenommen Pelochelys, mit dem Maxillare allein bei Chelone intbricata, den Pleurodira und Pelochelys; hinten mit dem Pterygoideum und Jugale bei Staurotypns, Cinosternnni, Chrysemys, Liemys, Nicoria, den Chelonidae, Pelomednsidae und Trionychidae, mit dem Ptery- goideum allein bei den Chelydridae, bei Clemmys, Emys, Cistndo, Cyclemys, Geoemyda, Testtido und den Chelonidae; medial mit dem Vomer bei den Cryptodira, bei Hydraspis und Pelochelys, mit dem Pterygoideum bei Chelys, mit dem anderen Palatinum bei den Pelomednsidae, bei Chelodina und den Trionychidae; Das Kopfskelet der Schildkröten. 31 1 lateral mit dem Maxillare, oben mit dem Parietale bei den Cryptodira, ausgenommen die Chelydridae und Chelonidac, mit dem Parietale und Basisphenoideum bei den Peloinediisidae und Trionychidae, mit dem Postfrontale und Jugale bei Chelodina und Hydraspis, mit dem Postfrontale allein bei Chelys. Der unpaare Vom er (vo.) aller Autoren betheiligt sich an der Zusammensetzung des Gaumendaches und bildet die Scheidewand zwischen den beiden Choanae. Den einfachsten Vomer besitzen die Chelydidae, denn er stellt ein kurzes schmales, Knochenplättchen dar, das bei Hydraspis bloss an den Enden etwas verbreitert, in der Mitte aber sehr dünn ist. Bei den Pelo- medusidae tritt an seine Stelle ein schmales Knorpelband, das sich zwischen den Praemaxillaria und Palatina ausspannt, um die Choanae zu trennen. Bei den Cryptodira besteht der Vomer aus einem länglichen Knochenplättchen, das sich bei den Chelydridae, bei Nicoria, Cyclemys und Geoemyda am vorderen Ende etwas verbreitert, bei Statirotypns, Cinosternum, Chrysemys, Liemys, Clemmys, Emys, Cisindo und Testtido wird aber dasselbe im Winkel abwärts gebogen und bildet damit eine kleine Fläche. Diese schiebt sich zwischen den Maxiilaria bis zu den Praemaxillaria vor und ergänzt somit den vorderen Bogen der Kaufläche. Diese finden wir bei den Chelonidac am meisten ausgebildet, wo vom vorderen Vomerende ein dicker, kurzer Fortsatz senkrecht abwärts ragt, dessen Ende sich nach hinten ausdehnt. Dasselbe ist bei Chcloiic zwischen Praemaxillaria, Maxiilaria und Pala- tina eingekeilt, bei Talassochelys zwischen den beiden letzten Knochen allein. Vom vorderen Ende des Vomer entspringen oben zwei Fortsätze, die entweder parallel gestellt sind oder nach oben divergiren; sie verbinden sich mit den Praefrontalia. Bei Testiido verläuft längs der unteren Fläche des Vomer mitten eine scharfe Kante, wodurch mit den beiderseits sich anschliessenden, stark concaven Palatina zwei ausgiebige Rinnen zustande kommen, die zu den Choanen hinführen. Bei den Trionychidae gleicht der Vomer einer länglichen Platte, die den Maxillaria aufgelagert ist. Von seinem hinteren Umfange ragt ein horizontaler Stachel hervor, der grösstentheils oll F. Sieben rock, zwischen die Palatina bis zur Hälfte eindringt, oder wie bei Pelo- chelys bis zum Basisphenoideum zurückreicht, so dass die Pala- tina von einander getrennt werden. Somit ist Köstlin's (41) Angabe unrichtig, dass sich der Vomer bei den Schildkröten gar nicht am Keilbeine befestigt, weil der Keilbeinschnabel ganz fehlt. Übrigens steht der Vomer auch bei Testiido (Taf. I, Fig. 4) mit dem Basisphenoideum in Verbindung. Die oberen Fortsätze sind bei den Trionychidae ziemlich lang und nach oben diver- girend, jedoch fehlen sie bei Cliitra (Taf. I, Fig. 1) sowie den Pletirodira, aber nicht bei Cyclanorhis (Taf. II, Fig. 5), wie Baur (3) geglaubt hat, Der Vomer verbindet sich vorne mit den Praemaxillaria und IMaxillariabei Chelys, Hydraspis, den Cryptodira mit Ausnahme von Talassocltelys, wo derselbe von den ersteren durch die Maxillaria getrennt wird. Auf die gleiche Weise erfolgt die Verbindung bei Clielodina und den Tp'ionycliidae mit dem Maxillaria allein. Hinten trifft der Vomer mit den Pterygoidea bei den Cryptodira mit Ausnahme von TesHido, bei Chelys und Hydraspis zusammen, mit den Palatina bei Chelodina und den Trionychidae, mit dem Basisphenoideum bei Pelochelys und Testiido. Seitlich legen sich bei den Cryptodira die Palatina an, während die lateralen Ränder bei den Cltetydidae und Triony- cliidae die Choanae begrenzen. Oben verbindet sich der Vomer mit den Praefrontalia, ausgenommen bei den Chelydidae und bei Chitra, wo diese Verbindungsweise wegen Mangel der oberen Fortsätze fehlt Die Mandibula der Schildkröten besteht, wie die neuesten Untersuchungen von Baur (9 und 10) ergeben haben, nicht immer aus der gleichen Stückzahl. Die Cryptodira, Peto- medusidae und Trionychidae besitzen ein unpaariges Dentale, an dessen hinterem Ende sich beiderseits fünf Paare von Knochen anschliessen, und zwar lateral das Supraangulare, medial das Operculare, dazwischen das Articulare, oben das Coronoideum und unter das Angulare. Bei den Chelydidae und bei Pelo- mediisa zerfällt jedoch die Mandibula in zwei Hälften, weil die beiden Schenkel des Dentale zeitlebens getrennt bleiben, d. h. sie sind mittelst Symphyse so wie bei den Eidechsen und Krokodilen verbunden. Auf diese Thatsache hat bereits Cuvier Das Kopfskelet der Schildkröten. 3 1 3 (26) bei OieJys aufmerksam gemacht, Seite 191: »L'espace occupe dans le crocodile par les deux dentaires et les deux operculaires ne Test dans les tortues de mer, d'eau douce et de terre, ainsi que dans les trionyx, que par un seul os, analogue aux deux dentaires. Je n'ai vu dans tous ces sous-genres, meme dans le jeune äge, aucune trace de Symphyse. L'os y est continu comme dans les oiseaux. La matamata ou chelyde, au contraire, conserve ä tout äge une division ä la partie anterieure.« Ausserdem kommt aber bei den Chelydidae nach Baur's (9) Mittheilung noch ein siebentes Element hinzu, das zwischen Angulare, Dentale, Operculare und Coronoideum eingekeilt ist. Baur c. 1. hat es Praespleniale benannt, w^il er den hinter demselben gelegenen Knochen als Spleniale bezeichnet. Nach meiner Ansicht liegt gar kein Grund vor, bei den Schildkröten die Cuvier'schen Namen Operculare und Angulare in Angulare und Spleniale abzuändern. Baur c. 1. leitet diese Namen vom Eidechsen-Unterkiefer ab, wo das Articulare aus zwei genetisch verschiedenen Elementen besteht, dem chondrogenen Articulare und der dermogenen, medialen Knochenschiene, der Baur den Namen Angulare gibt, während das Angulare in Spleniale abgeändert wird. Bei den Eidechsen treten jedoch die beiden Elemente des Articulare niemals als selbständige Knochen auf, weshalb mir die zweite Bezeichnung »Angulare« überflüssig erscheint. Nehmen wir aber an, es bestände das Articulare bei den Eidechsen in früheren Stadien wirklich aus zwei separaten Knochen, so kann die Knochenschiene nach ihrer morpho- logischen Anordnung ganz gut als Operculare bezeichnet werden, wie es bei den, homologen Knochen des Schildkröten-Unter- kiefers der Fall ist, und das Operculare wäre als Praeoperculare aufzufassen. Somit hätten wir am Unterkiefer einer pleurodiren Schildkröte folgende Knochen: 1. Dentale, 2. Supraangulare, 3. Angulare, 4. Articulare. 5. Operculare. 6. Praeoperculare und 7. Coronoideum. Das Dentale bildet, wenn es mit dem Dentale der anderen Unterkieferhälfte an der Symphyse zu einem Knochen ver- wachsen ist, einen kräftigen Bogen, der sich im mittleren Theile immer bedeutend verbreitert und daher eine grosse Kaufläche darstellt. ul4 F. Siebenrock, Der Kinnvvinkel ist bei vielen Schildkröten, wie bei den Chelydridae, Stauroiypns, Podociiemis etc. in einen Haken verwandelt, der den Trionychidae fehlt. An der Innenseite der beiden Bogenschenkel verläuft der Sulcus cartilaginis meckelii als breite Rinne, die sich von beiden Seiten in der Kinngegend zu einer tiefen Grube vereinigt. Derselbe ist bei Chelys abwesend. An der oberen Grenze des Sulcus cartilaginis meckelii liegt das hintere Foramen des Canalis alveolaris inferior. Das Dentale reicht bei Stanrotypiis, Citiostenmm, Chryseiiiys, Emys, Cisttido, Emyda und Cyclanorbis fast bis zum hinteren Ende der Man- dibula zurück und bedeckt einen grossen Theil des Supra- angulare. Das Supraangulare, ectocomplementare Brühl, schliesst sich dem Dentale hinten an, grenzt oben an das Coronoideum, unten an das Angulare und medial an das Operculare. Es bildet die laterale Wand der Fossa meckelii, deren Eingang nach oben sieht, und bloss bei den Chelydidae, ähnlich wie bei den Eidechsen, nach innen verlegt ist, weil das Operculare nicht dieselbe Höhe erreicht, wie das Supraangulare. M oh ring (42) hat zuerst aufmerksam gemacht, dass bei Trionyx die Fovea articularis des Unterkiefers nicht bloss vom Articulare gebildet wird, sondern gemeinschaftlich mit dem Supraangulare. Die gleichen Verhältnisse finden wir bei den Chelonidae. An der lateralen Fläche des Supraangulare liegt das Foramen für den Ramus recurrens cutaneus maxillae inferioris, einem Zweig des dritten Trigeminusastes, der durch einen schrägen Canal in die Fossa meckelii gelangt. Bei Stauro- iypns, Cinosternmn, Liemys, Clemmys, Emys und Cistndo wird das Supraangulare von einem senkrechten Canal durchbohrt, von dem der oben beschriebene in die Fossa meckelii abzweigt. Das Angulare, marginale Brühl, spleniale Baur, ist gewöhnlich ein langer, schmaler Knochen, der am unteren Rande des Alandibula-Astes liegt, sich nach innen dreht und bei Cinosfernum, Clemmys, Emys, Cisttido, den Chelonidae, bei Pelo- mednsa und den Trionychidae unten den Sulcus cartilaginis meckelii begrenzt. Bei Chrysemys, Liemys, Nicoria, Cyclemys, Geoemyda, TesUido und den Chelonidae wird es von demselben durch das Operculare getrennt. Es erreicht bei den Chelonidae Das Koptskelet der Schildkröten. 315 und Triouychidae eine besondere Länge, während es bei Staiiro- fypiis und Podocnemis mehr in die Breite geht. Ungefähr in der Mitte des oberen Randes bildet das Angu- lare mit dem Operculare bei den Cryptodira, mit Ausnahme der Chelonidae, und bei den Pleiirodira ein Nervenloch, das bei den Chelonidae und Trionyckidae fehlt. Das Angulare verbindet sich vorne mit dem Dentale, oben mit dem Supraangulare und Operculare, hinten mit dem Arti- culare und, wenn das Praeoperculare anwesend ist, auch mit diesem. Das Articulare liegt zwischen Supraangulare und Oper- culare eingekeilt und bildet bei den meisten Schidkröten allein die Fovea articulares, bei den Chelonidae und Triouychidae jedoch zusammen mit dem Supraangulare. Es stellt einen poly- gonalen, unten convexen und oben concaven Knochen dar, der bei den Cryptodira^ den Pelomedtisidae und Chelydidae hinten die Fossa meckelii umschliesst, während es bei den Trioiiy- cliidae durch die Berührung des Supraangulare mit dem Oper- culare davon zurückgedrängt wird. Der Processus retroarti- cularis ist gewöhnlich sehr kurz, etwas länger bei den Triony- ehidae, beträchtlich lang bei Pelochelys und Chitra. Bei den Triouychidae wird er vom Articulare und Supraangulare zu- sammen gebildet. Das Articulare verbindet sich lateral mit dem Supraangu- lare, medial mit dem Operculare und unten mit dem Angulare. Das Operculare, endocomplementare Brühl, angulare Baur, ist eine meist breite, dreieckige Knochenplatte, welche die mediale Wand der Fossa meckelii bildet und oben den Sulcus cartinaligis meckelii begrenzt. Bei den Chelydidae, wo die Mandibula im Allgemeinen einen sehr schlanken Bau besitzt, präsentirt sich auch das Operculare als schmaler Knochen. Es verbindet sich vorne mit deiii Coronoideum bei Staiiro- typns, den Chelonidae, Pleiirodira und Triouychidae, bei den übrigen Schildkröten mit dem Coronoideum und dem Dentale, hinten mit dem Articulare, unten mit dem Angulare. Bei den Chelydidae kommt es vorne auch mit dem Praeoperculare in Berührung. 316 F. Sieben rock, Das Praeoperculare, praespleniale Baur, wurde zuerst von Peters (47) bei Hydromedusa dargestellt und os vaginale genannt. Peters c. 1. hat aber dafür das Angulare übersehen, weshalb er in jeder Mandibula-Hälfte bloss sechs Knochen statt sieben angeführt hat. Auch Brühl (22) hat in der Abbildung der Mandibula von Clielys einen Knochen mit »7« bezeichnet, im erklärenden Texte aber davon keine Erwähnung gemacht. Die Lage des Praeoperculare wurde schon früher beschrieben. Baur (10) macht die weitere Mittheilung, dass dieser Knochen auch unter den Cryptodira und zwar bei Chrysemys ornata und grayi vorkommt. Bei der ersteren Art habe ich ihn gefunden, bei der zweiten von mir untersuchten C1iryseinys-hrt, nämlich picta fehlt er. Bei Chrysemys ornata erreicht das Praeoperculare nicht annähernd die Grösse wie bei den Chelydidae. Es stellt einen kleinen Knochensplitter dar, der sich dem vorderen Ende des Angulare anschliesst, zwischen Operculare und Dentale liegt, ohne das Coronoideum zu berühren. Das Coronoideum lässt fast bei allen Schildkröten die dreieckige Form erkennen. Es ist bei Staurotyptis, Cinosternnin und Geoemyda sehr klein und kommt äusserlich, sowie auch bei Testndo und den Chelydidae wenig oder gar nicht zum Vorschein. Bei Statirotypus und Cmosternnm erreicht es nicht einmal die Höhe des Dentale, so dass der Fortsatz für den Musculus temporalis fehlt, während derselbe bei den Tn'o- nychidae speciell bei Peloclielys und Chitra bedeutend em- porragt. Das Coronoideum hilft bei Podocnemis und Cydanorbis die Kaufläche der Mandibula bilden, was in geringerem Masse bei allen Trionychidae der Fall ist. Es begrenzt vorne die Fossa meckelii und bei den meisten Schildkröten auch den Sulcus cartilaginis meckelii. Es verbindet sich vorne mit dem Dentale, unten lateral mit dem Supraangulare, unten medial mit dem Operculare und bei den Chelydidae auch mit dem Praeoper- culare. Die Ergebnisse der vorliegenden Abhandlung lassen sich kurz in folgender Weise zusammenfassen: Das knöcherne Gehör wird hinten vom Paroccipitale, vorne vom Otosphenoideum,oben vom Supraoccipitale gebildet, jedoch Das KopfsUelet der Schildkröten. 317 zur Begrenzung der Cochlea trägt meistens auch das ßasi- occipitale und Basisphenoideum bei. Der Bau des knöchernen Labyrinthes erfährt durch die verschiedenartig entwickelten Canäle für die halbkreisförmigen Gehörbogen bei den einzelnen Genera wesentliche Modifica- tionen. Den einfachsten Typus des knöchernen Labyrinthes finden wir bei Testiido, wo dasselbe nur aus einem Hohlräume besteht, dessen hmenwände rinnenförmige und halbkugelige Vertiefungen zur Aufnahme der häutigen Gehörbogen und Ampullen besitzen. Bloss im Otosphenoideum schliesst sich die Rinne für den sagittalen Gehörbogen zu einem kurzen Canal, während die Rinnen für die beiden anderen Gehörbogen offen bleiben. Viel fortgeschrittener ist die Differenzirungdes Labyrinthes bei Emys, weil ausser dem Canal für den sagittalen Gehörbogen im Otosphenoideum auch schon ein solcher für den frontalen und horizontalen Gehörbogen im Paroccipitale anwesend ist. Ähnliche Verhältnisse bestehen bei Nicoria, nur ist hier auch der Canal für den sagittalen Gehörbogen im Supraoccipitale entwickelt. Bei Macroclemmys sind sowohl im Otosphenoideum als auch im Paroccipitale alle drei Gehörbogen von Canälen ein- geschlossen, nur im Supraoccipitale hat die Differenzirung noch nicht stattgefunden. Endlich bei Triouyx, besonders aber bei den Chelydidae gelangt das Labjninth zur vollkommensten Ausbildung, denn es sind nicht nur die Canäle für die Gehörbogen in den drei genannten Knochen entwickelt, sondern auch die Hohlräume für die Ampullen und die Commissur werden vom übrigen Vesti- bularraum abgegrenzt. Dadurch erhält das knöcherne Laby- rinth der Chelydidae eine sehr grosse Ähnlichkeit mit dem der Eidechsen. Die Schildkröten besitzen keinen eigenen Aquaeductus Cochleae. Der Canal im Paroccipitale, der von Hasse dafür gehalten wurde, dient zum Durchlass des Nervus glosso- spharyngeus aus der Schädelhöhle. Das Foramen jugulare posterius, welches an der hinteren Schädelwand eine hervorragende Rolle spielt, wird in der Art der olo F. Sieben rock, Umschliessungbei den einzelnen Familien nicht nach bestimmten Gesetzen gebildet. Es kommt auf sechsfache Weise zustande. Die Carotis interna dringt in den Canalis cavernosus ein und theilt sich in zwei Zweige. Der eine Zweig gelangt durch das Foramen carotico-temporale in die Fossa temporalis, der andere, Ramus ophthalmicus, durch das Foramen jugulare inter- num in die Schädelhöhle und durch das Foramen sphenoidale nach aussen, um zur Augenhöhle zu ziehen. Für den letzteren Zweig ist bei Cyclemys und Testudo ein eigener Canal anwesend, der vorne zwischen Otosphenoideum und Pterygoideum nach aussen mündet, ohne das Foramen jugulare internum zu tangiren. Bei Staurotypiis, Cinostermint und den Tvioiiychidae fehlt der Canal für den Ramus ophthalmicus der Carotis externa, dafür zweigt der Canalis caroticus internus nach vorne ab und mündet mit einem separaten Loch medial vom Foramen jugulare inter num. Durch diesen Canal geht als Ersatz für den fehlenden Ramus ophthalmicus der Carotis externa ein Zweig der Carotis interna zur Augenhöhle. Ganz ähnliche Gefässverhältnisse finden wir bei den Chely- didae, nur hat hier die Carotis interna einen separaten Canal, der an der Schädelbasis zwischen Basisphenoideum, Quadratum und Pterygoideum beginnt. Er führt bei Chelodina und Hydrasp is in die Schädelhöhle, bei Chelys in die Fossa temporalis und in beiden Fällen dann zur Augenhöhle. Der Nervus vidianus kommt von aussen in den Canal der Carotis interna und dringt durch ein eigenes Loch in die Schädelhöhle ein. Von hier gelangt er entweder mit Gefässen durch die knorpelig-häutige Schädelwand zur Augenhöhle, oder es ist ihm ein besonderer Weg vorgebildet. Dieser besteht entweder in einer Rinne an der Oberfläche des Pterygoideums oder in einem Canal, der den Knochen sagittal durchzieht. Der Nervus vidianus verlässt dann die Schädelhöhle durch ein Loch, Foramen nervi vidiani, zwischen Pterygoideum und Parietale, oder dasselbe liegt im ersteren Knochen allein. Der Canalis nervi vidiani setzt sichf vom Pterygoideum in das Palatinum fort, wo er entweder in das Foramen palatinum posterius einmündet, oder mit einem separaten Loch daneben. Das Kopfskelct der Schildkröten. 319 Ein unpaariges Frontale kommt unter den Schildkröten, so viel bis jetzt bekannt ist, nur bei Chelodina longicollis vor. Das Postfrontale differirt von allen Schädelknochen am meisten in der Grössenentvvicklung. Es entfaltet sich voni unbedeutenden Knochensplitter bei Trionyx zur mächtigen Knochenplatte bei Platysternmn. Als ersterer dient es kaum zur Begrenzung der Augenhöhle, als letztere bildet das Post- frontale den grössten Theil des Schläfendaches, das den Schädel mehr als zur Hälfte panzerartig umgibt. Auch das Paraquadratuni weist bedeutende Grössenunter- schiede auf. Es ist bei Clenimys caspica so klein, dass es äusserlich kaum sichtbar wird, während das Paraquadratum bei Podocnemis madagascarieusis eine ungewöhnliche Grösse erreicht und hauptsächlich zur Bildung des Schläfendaches beiträgt. Das Epipterygoideum (Columella) besitzen nachweisbar alle Schildkröten ausser den Plenrodira. Es besteht bei jungen Individuen als ein selbständiger Knochen, der erst spät mit dem Pterygoideum verschmilzt. Bei mehreren Schildkröten bildet das Epipterygoideum einen integrirenden Theil der seitlichen Schädelwand. Das von Baur nach einem Schädel von unbekannter Pro- venienz aufgestellte Genus »ÄdelocheIys<<, welches zur amerika- nischen Superfamilie Chelydroidea gehören soll, dürfte mit der von Boulenger jüngst beschriebenen Schildkröte Liemys inornata aus Borneo identisch sein. Literaturverzeichniss, 1. Anderson J., Comprising and Account of the zoological results of the two Expeditions to Western Yunnan 1868 and 1875. London 1878. 2. Baur G., Osteologische Notizen über Reptilien; Fort- setzung I; in: Zoolog. Anz. IX. Jahrg. 1886. 3. — Osteologische Notizen über Reptilien; Fortsetzung IV und V; ebendaselbst, XI. Jahrg. 1888. 4. — Osteologische Notizen über Reptilien; Fortsetzung IV; ebendaselbst, XII. Jahrg. 1889. Sitzb. d. mathem.-naturw. CL; CVI. Bd., Abth. I. 22 320 F. Siebenrock, 5. Baur G.^ On the Morphology of the Vertebrate-Skull; in: Journal of Morphology, Vol. III. Boston 1889. 6. — The Genera of the Podocnemidae; in: The American Naturalist, Vol. XXIV. 1890. 7. — Further Notes on American Box-Tortoises; ebenda- selbst, Vol. XXVII. 1893. 8. — Bemerkungen über die Osteologie der Schläfengegend der höheren Wirbelthiere; in: Anatom. Anz., X. Bd. 1894. 9. — Über die Morphologie des Unterkiefers der Reptilien; ebendaselbst, XL Bd. 1895. 10. — Nachtrag zu meiner Mittheilung über die Morpho- logie des Unterkiefers der Reptilien; ebendaselbst, XL Bd. 1895. 11. — Bemerkungen über die Phylogenie der Schildkröten; ebendaselbst, XII. Bd. 1896. 12. — Der Schädel einer neuen grossen Schildkröte (Ade- Jochelys) aus dem zoologischen Museum in München; ebendaselbst, XII. Bd. 1896. 13. Bemmelen M. J. T. van, Bemerkungen zur Phylogenie der Schildkröten; in: Compte-rendu des Seances du troi- sieme Congres International de Zoologie. Leyde 1896. 14. — Bemerkungen über den Schädelbau von Dermochelys coriacia; in: Festschrift zum 70. Geburtstage von Carl Gegenbaur am 21. August 1896, 2. Bd. Leipzig. 15. Bienz A., Dermatemys mavii Gray, eine osteologische Studie mit Beiträgen vom Baue der Schildkröten; in: Revue Suisse de Zoologie, IIL Bd. 1895. 16. Blanchard F., L'Organisation du Regne Animal. Reptiles, 1852. 17. Bojanus L. H., Anatome Testudinis europaeae. Vilnae 1819—1821. 18. — Parergon ad Anatomen Testudinis; cranii vertebratorum animalium. Vilnae 1821. 19. Boulenger G. A., Notes on the Osteology of the Genus Platysternum; in: The Annais and Magazine of Nat. Hist., Vol. XIX, V. Series, 1887. 20. — Catalogue of the Chelonians, Rhynchocephalians and Crocodiles in the British Museum. London 1889. Das Kopfskelet der Schildkröten. 321 21. Boulenger G. A., Three skulls of the Green Turtle {Chelone mydas); in: Proc. of the Zool. Soc. of London, 1890. 22. Brühl C. B., Zootomie aller Thierclassen, Lieferung I — XL. Wien 1874—1888. 23. Comparetti A., Observationes anatomicae de aure interna comparata. Patavii 1789. 24. Cope E. D., On the Homologies of some of the Cranial Bones of the Reptilia, and on the Systematic Arrangement in the Class; in: Americ. Assoc. Adv. Sc, Vol. XIX. 1871. 25. — On the Homologies of the Posterior Cranial Arches in the Reptilia; 'in : Trans, of the Americ. Philos. Soc, Vol. XVII. 1892. 26. Cuvier G., Recherches sur les ossemens fossiles; Tom. V, Part II. 1824. 27. Erdl M. P., Tafeln zur vergleichenden Anatomie des Schädels. München 1841. 28. Fritsch A., Zur Anatomie der Elephanten-Schildkröte (Testiido elcphautina); in: Abhandl. der k. böhm. Ges. der Wiss., VI. Folge, 4. Bd. 1870. 29. Gaupp E., Beiträge zur Morphologie des Schädels. III. Zur vergl. Anatomie der Schläfengegend am knöchernen Wirbel- thierschädel; in: Morph. Arbeiten von Dr. G. Schwalbe, IV. Bd. Jena 1894. 30. Gegenbaur C, Grundzüge der vergl. Anatomie. Leipzig 1859. 31. Gervais M. P., Osteologie du Sphargis Luth. {Sphargis coriacea); in: Nouvelles Arch. du Museum d'Hist. Nat. de Paris, Tom. 8. 1872. 32. Gray J. E., Catalogue of Shield Reptiles in the Collection of the British Museum, Part I, Testudinata. London 1855. 33. — Revision of the Species of Trionychidae found in Asia and Africa, with the Descriptions of some New Species; in: Proc. of the Zool. Soc. of London. 1864. 34. Günther A., Description of the living and extinct Races of gigantic Land-Tortoises; in: Phil. Trans, of the Royal Soc. of London, Part I. 1875. 35. Hall mann E., Die vergl. Osteologie des Schläfenbeines. Hannover 1837. 322 F. Siebenrock, 36. Hasse C, Das Gehörorgan der Schildkröten; in: Hasse's anatom. Studien. Leipzig 1873. 37. Hoffmann C. K., Bronn's Classen und Ordnungen des Thierreiches; VI. Bd., III. Abth. Chelonii. 1885. 38. Huxley Th., Lectures on the Elements of comparative Anatomy. On the Classification of Animals and on the Vertebrate Skull. London 1864. 39. — A Manual of the Anatomy of vertebrated Animals. London 1871. 40. Klein v., Vergl. Beschreibung des Schädels der Wirbel- thiere; in: Jahreshefte des Ver. für vaterl. Nat. in Württem- berg, 24. Jahrg. Stuttgart 1868. 41. Köstlin 0., Der Bau des knöchernen Kopfes in den vier Classen der Wirbelthiere. Stuttgart 1844. 42. M oh ring C. A., Dissertatio inauguralis zootomica sistens descriptionem Trionychos aegyptiaci osteologiam. Berolini 1824. 43. Monks P. Sarah, The Columella and Stapes in some North American Turtles; in: Proc. of the Amer. Phil. Soc, Vol. XVII. Philadelphia 1878. 44. Owen R., On the Anatomy of Vertebrates; Vol. I, Fishes and Reptiles. London 1866. 45. Parker W. K., Report on the Development of the Green Turtle (Chelone viridis Schneid.); in: Zool. Chall. Exp. Part V. 1880. 46. — und Bettany G. T., Die Morphologie des Schädels. Deutsche Übesetzung von B. Vetter. 1879. 47. Peters W., Zur Osteologie der Hydromedusa Maximiliani; in: MüUer's Arch. für Anat. und Phys. Jahrg. 1839. 48. — , Naturvviss. Reise nach Mossambique: III. Amphibien. Berlin 1882. 49. Pohl E., Expositio generalis anatomica organi auditus per classes animalium. Vindobonae 1818. 50. Rathke H., Über die Entwicklung der Schildkröten. Braun- schweig 1848. 51. Retzius G., Das 'Gehörorgan der Wirbelthiere; II. Das Gehörorgan der Reptilien, der Vögel und Säugethiere. Stockholm 1884. Das Kopfskelet der Schildkröten. 323 52. Rütimeyer L., Die fossilen Schildkröten von Solothurn -und der übrigen Juraformation; in: Neue Denkschr. der allgem. Schweiz. Ges. für die ges. Naturwiss. Bd. XXV. 1873. 53. — , Über den Bau von Schale und Schädel bei den lebenden und fossilen Schildkröten; in: Verh. der naturf. Ges. in Basel, VI, 1. 1873. 54. Scarpa A., Anatomische Untersuchungen des Gehöres und Geruches; aus dem Lateinischen. Nürnberg 1800. 55. Sieben rock F., Zur Osteologie des Hatteria-Kopfes; in diesen Sitzber., Bd. CII, Abth. I. 1893. 56. Stannius H., Handbuch der Zootomie. 2. Buch; Zootomie der Amphibien, 2. Aufl. Berlin 1856. 57. Streker C., Über die Condylen des Hinterhauptes; in: Archiv für Anat. u. Entw., Jahrg. 1887. Leipzig. 58. Taylor W.E., The Box-Tortoises of North-America; in: Proc. of the Unit. Stat. Nat. Mus., Vol. XVIL Washington 1895. 59. Vogt C., Beiträge zur Neurologie der Reptilien; in: Neue Denkschr. der allgem. Schweiz. Ges. für die ges. Naturwiss. Bd. IV. 1840. 60. Wagler J., Natürliches System der Amphibien. 1830. 61. Windisch mann C. J., De penitiori auris in amphibiis structura; Lipsiae 1831. 324 F. Sieben rock, Erklärung der Abbildungen. Tafel I. Fig. 1. Innensicht der rechten Hälfte des sagittal durchschnittenen Schädels von Chitra indica Gray. Fig. 2. Innensicht der rechten Hälfte des sagittal durchschnittenen Schädels von Chelys fimbriata Sehn. Fig. 3. Innensicht der rechten Hälfte des sagittal durchschnittenen Schädels von Chelydra serpentina L. Fig. 4. Innensicht der rechten Hälfte des sagittal durchschnittenen Schädels von Testimo tentoria Bell. Taf. 11. Fig. 5. Innensicht der rechten Hälfte des sagittal durchschnittenen Schädels von Cyclanorbis senegalensis D. B. Fig. 6. Innensicht der rechten Hälfte des sagittal durchschnittenen Schädels von Cyclemys dhor Gray. Fig. 7. Innensicht der rechten Hälfte des sagittal durchschnittenen Schädels von Podocnemis madagascariensis Grand. Fig. 8. Innensicht der rechten Hälfte des sagittal durchschnittenen Schädels, hinterer Theil, von Cinosternum odoratum Daud. Fig. 9. Innensicht der rechten Hälfte des sagittal durchschnittenen Schädels, hinterer Theil, von Geoemyda spinosa Gray. Taf. III, Fig. 10. Innensicht der das Gehör umschliessenden Knochen der linken Seite von Chelodina longicollis Shaw. Fig. 11. Innensicht der das Gehör umschliessenden Knochen der linken Seite von Trionyx sinensis Wie gm. Fig. 12. Innensicht der das Gehör umschliessenden Knochen der linken Seite von Macroclemmys temminckii Holbr. Eig. 13. Innensicht der das Gehör umschliessenden Knochen der linken Seite von Nicoria pnnctularia Daud. Fig. 14. Innensicht der das Gehör umschliessenden Knochen der linken Seite von Einys orbicularis L. Fig. 15. Innensicht der das Gehör umschliessenden Knochen der linken Seite von Testudo oculifera Kühl. Fig. 16. Das Quadratum von innen, das Otosphenoideum von aussen der linken Seite von Chrysemys ornala Gray. Das Kopfskelet der Schildkröten. 32o Fig. 17. Das Quadratum von innen, das Otosphenoideum von aussen der rechten Seite von Testndo graeca L. In Fig. 10 — 15: a Supraoccipitale, ^ Paroccipitale, c Otosphenoideum. In Fig. 16 und \1 : d Quadratum, e Otosphenoideum. Taf. IV. Fig. 18. Hintensicht der rechten Schläfenhälfte von Staurotyptis salvinii Gray. > . » » » » Nicoria puncUtlaria Daud. > » » » » Cyclanorbis sejtegalensisD.B. » » » » Podocnemis madagascariensis Grand. > » » » » Chitra indica Gray. » » » » Trionyx stibplaniis Geoi^T. > » » » Chelys fimbriata Sehn. y> * -> » Hydraspis radiolata Mi k. Die Schädel sind so gestellt, dass alle Löcher zwischen Foramen occipitale und Cavum tympani zur Ansicht kommen. Taf. V. Fig 19. Fig. 20. Fig. 21. Fig. 22. Fig. 23. Fig. 24. Fig. 25. 26. Kopf von Podocnemis madagascariensis Grand, im Profil. 27. Kopf von Trionyx subplaniis Geoffr. im Profil. 28. Obensicht des Basisphenoideums von Chelodina longicollis Shaw. 29. » » » » Cinosternum odoraiiim Daud. 30. » » » » Chelone mydas L. 31. » » » » Macroclemmys temininckii Holbr. Tafel VI. Fig. 32. Obensicht des linken Pterygoideums von Chelodina longicollis Shaw. Fig. 33. » » » » » Chelydra serpentina L. Fig. 34. » » » » » Clemmys caspica Gm. Fig. 35. » » » » » Slatirotyptis salvinii Gray. Fig. 36. » » 5, » » Qyclemys amboinensis Daud. Fig. 37. » » » » » Chelone mydas L. Fig. 38. » » » » » Chrysemys ornata Gray. Fig. 39. » ^> » ». » Macroclemmys temminckii Holbr. Sämmtliche Figuren sind Originalzeichnungen. 326 F. Siebenrock, Erklärunc; der Buchstaben. a. f. Ampulla canalis semicircularis frontalis. a. s. » » » sagittalis. a. V. Aquaeductus vestihuli. b. c. Basis columellae. b. o. Basioccipitale. b. s. Basisphenoideum. eh. Choanae. c. m. Condylus mandibularis. cms. Commissur. c. oc. Condylus occipitalis. c. p. Crista pterygoidea. c. s. Crista supraoccipitalis. c. t. Cavum tympani. d. e. Dorsum ephippii. e. Epipterygoideum. f. Frontale. f. a. s. Foramen alveolare superius. f. c. Foramen caroticum anterius, für den ramus externus. f. c. i. Foramen caroticum internum. f. c. i.' Foramen caroticum internum, Zweig zur Augenhöhle hinziehend. f. cl. Foramen columellae. f. CO. » Cochleae. f. ct. » carotico-temporale. f. hy. Fossa hypophyseos. f. i. Foramen incisivum. f. j. a. Foramen jugulare anterius. f. j. i. » » internum. f. j. i.-+-f. c. Foramen jugulare internum + Foramen caroticum anterius, für den ramus externus. f. j. p. Foramen jugulare posterius, f. 1. Foramen lacerum. fo. c. Fovea cochlearis. fo. f. Foramen canalis semicircularis frontalis, fo. h. » ^> » horizontalis. fo. s. » » » sagittalis. f. p. n. Foramen palatino-nasale. f. p. p. Foramen palatinum posterius, f. s. Foramen sphenoidale. Das Kopfskelct der Schildkröten. 327 f. s. p. Fossa suprapterygoidea. f. ty. Foramen t3'mpanicum. f. V. » vestibuli. 1". vi. » nervi vidiani. f. vi.' » » » , ramus facialis. i. cl. Incisura columellae. i. s. » foraminis sphenoidaüs. i. V. » vestibuli. j. Jugale. m. Maxillare. m. a. Meatus auditorius internus. o. Orbita. o. s. Otosphenoideum. p. Parietale. pa. Palatinum. pa. o. Paroccipitale. p. e. Processus epipterygoideus. p. c. » ciinoideus. p. e. p. Processus ectopter3^goideus. p. f. Postfrontale. p. m. Praemaxillare. p. o. Pleuroccipitale. p. p. Processus paroticus. p. q. Paraquadratum. pr. f. PraetVontale. p. s. Processus squamosus. pt. Pterygoideum. p. t. i. Processus trabeculae inferioris. q. Quadratum. s. Squamosum. s. c. Sulcus cavernosus. s. c. e. Sulcus caroticus externus. s. c. i. » » internus. s. f. Sulcus nervi facialis. s. o. Supraoccipitale. s. v. Sulcus nervi vidiani, ramus facialis. V. Yestibulum. vo. Vomer. X Verdickte Stelle des Pterygoideums in Fig. 32, Taf. VI, das Foramen sphe- noidale unten begrenzend. y Sonde in Fig. 3, Taf. I, aus dem Canalis nervi vidiani in die Schädelhöhle führend, a— ß Sonde durch den Canalis nervi glossopharyngei. 1 — 1 » » s- » » abducentis. 2 — 2 » » » » caroticus internus. 328 F. Siebenrock, Das Kopfskelett der Schildkröten. 3 — 3 Sonde durch den Canalis nervi vidiani. V' Foramen nervi trigemini, ramus secundus. VI » » abducentis. VII » » facialis. VIII . VIII rj. \ .„.. rj '■■ Foramen nervi acustici. VIII 7 ) IX Foramen nervi glossopharyngei. XII » » hypoglossi. r.Sie"benrock : Kopfskelet der Schildlo-öten. Taf. l'^ -^^^^ Gez/u lith.rL.Ettel L\a\A3isl v.ThSaTmwarilx.Wie Sitzungsberichte d.kais. Akad. d. Wiss., math.-natiirw. Classe, Bd.CVI. Abth. I. 189' F-SielDenrock : Kopfskelet der Schildll, Lilh Aiisi vTh Baiiiiwarlh.Wien Sitzungsberichte d.kais. Akad. d Wiss., math.-naturw.Classe, Bd.CVT. Abth. I. 1897. mM F-Sieljenrock : Kopl'skelet der SthildlvröltMi. Taf'. IIT. L ^^>?' W- . ro. I. c>^ -^^■;/ ■5%;^? fof \^ I fo. ^ 2'/3. ■S.C. J-C. "^^ 1: "■ .yy^ 'V^b»^ 3'/2. V Ouv fof foh rt 'i^ '^^ ^ t<^ Jr--' .tf T- ^^T ,... ^"^ '/;. ,.y Gcz n lith.v L Klh-1 , LithAnsl vTli Bannwarth.Wien Sitzungsberichte d.kais. Akad. d. Wiss., niath.-naturw. Classe, Bd.CVI. Abth. I. 1897. r.Sielsenrock : Kopfskelet der Schildlu-öten. J^ Tai: IV. h.o \l fj.f II n \ J? P.l f.v. J fc.i.. pt l\/ cm fco o.s. Gez. II litll.v.L.K.tt,.! I,,j, ;^,,^, ..^^ Ha,mwH,Ih.W,en Sitzungsberichte d.kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw.Classe, Bd.CVl. Abth. I. 1897. F.Sie"beTirock : Kopfslanz Wenzel. 4. »Über die directe Einführung von Hydroxyl in das ß-Oxypyridin«, von Rieh. Kudernatsch. 5. »Über das ß-A c e t ac e t y 1 p y r i dy 1«, von Andor Ferenczy. Der Secretär überreicht eine Abhandlung von Herrn Eduard Mazelle, Adjunct am astronomisch-meteorologischen Observatorium in Triest, betitelt: »Tägliche Periode des Niederschlages in Triest«. Herr Prof. J. Liznar in Wien überreicht den II. Theil seiner Arbeit, betitelt: »Die Vertheilung der erdmagne- tischen Kraft in Österreich-Ungarn zur Epoche 1890-0 nach den in den Jahren 1889 bis 1894 ausgeführten Messungen«. Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht zugekommene Periodica sind eingelangt: Cabreira A., Sur la Geometrie des courbes transcendantes. Lissabon, 1896. Traduit du Portugals par Jorge Frederico D'Avillez. 8^ Dosamantes J. C, Theorie sur les rayons invisibles (Catho- diques et X). Mexico, 1897. 8*^. Foveau de Courmelles, Traite de Radiographie medicale et scientifique. Paris, 1897. 8*^. Hanssen C. J. T., Reform chemischer und physikalischer Be- rechnungen. München, 4*^. Lilje CA., Die Gesetze der Rotationselemente der Himmels- körper. Stockholm, 1897, 8«. Socolow S., Des Planetes se trouvant vraisemblement au delä de Mercure et de Neptune. Moskau, 1897. 8'\ 431 Vorläufiger Berieht über die mikroskopischen Organismen des aus der Tiefe des Rothen Meeres gedredschten Sehlammes der Expe- dition S. M. SchifTes „Pola" in den Jahren 1895 bis 1896 von Dr. E. Gräffe. Durch die gütige Vermittlung des Herrn Hofrathes Dr. F. Steindachner, des Urhebers und vorzüglichsten Führers der zoologischen Forschungen der Tiefsee-Expeditionen S. M. Schiffes »Pola«, erhielt ich eine Anzahl Schlammes, von Son- dirungen herstammend und in Alkohol in kleineren Flaschen aufbewahrt. Ferner eine grosse Blechkanne Schlick von einem Dredschzuge in der Tiefe von 1175m (Nr. 92 des vorläufigen Be- richtes über die Pola-Expedition von Hofrath Steindachner), über 20 kg wiegend. In der letzteren grösseren Masse der Grundprobe des Kothen Meeres waren alle die Foraminiferen und Mollusken- reste vorhanden, welche in den kleineren Grundproben ent- halten waren, daher ich mich begnügen werde, nur die Zu- sammensetzung einiger dieser Proben zu erwähnen, welche besondere Verschiedenheiten zeigen. Soviel bis jetzt ersichtlich, scheint im Rothen Meere die Tiefe über 1000 w, ja noch von 500 m an ziemlich dieselben Formen im Schlamme zu ent- halten, wie die noch grösseren Tiefen. Alle die Proben bis auf eine kleinere Grundprobe zeigen sich in der Hauptmasse aus den Schalen von Globigerinen und Pteropodenresten zusammen- gesetzt, so dass der Schlamm als ein Mittelding zwischen Globi- gerinen- und Pteropodenschlamm zu bezeichnen ist. 432 F.. G raffe. Zur Untersuchung des meist hellen gelblichen Schlickes wurde derselbe in Wasser fein zertheilt, geschlämmt und dann durch verschieden feine Seidengazesiebe von den erdigen Bestandtheilen gereinigt. Die RiLickstände wurden getrocknet und unter der Präparirlupe die einzelnen Formen heraus- gesucht. Von dem feinsten pulverigen Rückstande wurden mikro- skopische Präparate verfertigt. So reich sich diese Schlamm- proben an Kalkschalen erwiesen, ebenso arm dagegen an Kieselpanzern, sowohl von Radiolarien, als anderen Protozoen. Selbst die Behandlung solchen Schlammes mit Salpetersäure war fruchtlos zur Auffindung von Kieselpanzern, denn es blieben nur Kiesel und Glimmersplitter zurück. Um Aufklärung über die Frage zu haben, ob viele der Globigerinen und andere Foraminiferen nur als todte Schalen am Grunde des Meeres liegen oder dort leben, versuchte ich an den in Alkohol aufbewahrten Grundproben die Sarcode derselben durch Auflösung der Schale in Holzessig und nach- heriger Färbung mit Hämatoxvlin nachzuweisen. Das Resultat bestand allerdings in einem gefärbten Rückstande, der die Schalenform trug, da aber weder ein Kern, noch andere Merk- male des Sarcodekörpers zu sehen waren, so bin ich der Ansicht, dass keine Sarcode mehr vorhanden war, sondern die Säure nur den chitinösen Theil der Schale freilegte. Vermuth- lich war der Alkohol nicht so weit in die Schlammmasse ein- gedrungen, um den zarten Zelleninhalt zu härten und zu con- serviren, und möchte es angerathen sein, für diese Zwecke eine kleine Portion des Schlammes durch Sieben von den erdigen Bestandtheilen zu trennen. Der Rückstand wäre dann in Sublimatlösung oder Osmiumsäurelösung zu härten und in starkem Alkohol zu conserviren. Die gute Erhaltung mancher Foraminiferenschalen (Durchsichtigkeit, Färbung) lässt mich vermuthen, dass viele Arten am Grunde des Meeres leben, doch kann die Frage erst dann erledigt werden, wenn der Sarcodeleib wirklich nachzuweisen ist. Bei der grossen Menge des Schlickes konnte bis anhin nur ein kleiner Theil gesiebt und untersucht werden, da jede weitere Durchmusterung der Siebreste den bekannten Formen wieder neue zufügt. Es ist daher die hier folgende Aufzählung, Mikroskopische Organismen des Rothen Meeres. 433 obgleicli die hauptsächlichsten Foraminiferenarten enthaltend, doch nicht als ein abgeschlossenes Verzeichniss zu betrachten, und werde dieselbe in Nachträgen vervollständigen. Verzeichniss der im Globigerinenschlick des Rothen Meeres gefundenen Foraminiferen- und Pteropodenschalen. O r d n u n g Rhizopoda. Unterordnung der Rhizopoden Testacea. Tribus Imperforata Carp enter. Familie Miliolidae Btschl. Cornnspira iiivolvciis Reuss. Amniodiscns diaroides Jones und Parker (selten). MUioUua vciinsta Karr er. >' t" ircii Iuris B o r n e m a n . oblonga Montfort. » hncailenta Brady. > tricarinata C z i z e k. cnveriana d'Orbigny. >- nov. spec? indeterm. Spirolocnlina tcunis C z i z e k. inipressa Terquem. >' acutimargo Brad}- (häufige Art). » fragiUssinia Brady. » robnsta Brady. >■ nov. spec? indeterm. BiJocnliua hnlloides d'Orbigny. Familie Peneroplidina Reuss. Haplophragniiinn latcdorsatuin Borne m a n. » caiiariensc d'Orbigny (selten aufgefunden). Plaiiispiriiia cclata Costa (häufig im Siebrest). Nithecularia fibia Jones und Parker. Familie Arenacea Btschl. Pelosiiia cyliiidvica Brady. Sagen ella frondcscens B r a d y . 434 E. G raffe, II. Unterordnung Perforata Carp. Familie Rhabdoina M. Seh. Lügeiia laeuis Montaga. (nebst der Eiitosoleiiia-Form häufig). » snlcata Walter und Jones (ditto). » lagenoides Willi amson (seltene Art). Nodosaria communis d'Orbigny. » calomorplia Reuss. Cristellaria calcar Brady (selten). » crepiduJa Fichtel und Moll. F'amilie Polymorphinina Btschl. Uuigerina aspevnla Czizek (sehr häufig in den Siebresten zu finden). Familie Globigerininae Carp. OrhnUiia nniuersalis d'Orbigny (häufigste Form). (jlohigerina btilloides d'Orbigny.^ » sacculiger Brady. » aequilateralis Brady. » rubra d'Orbigny. Hastiger Ina pelagica d'O r b i g n y. Cymhalopora poeyi d'O r b i g n y. » {Tretomphalus Brady) hulloides d'Orbigny. Scheint die Jugendform von C. poeyi zu sein. Unterfamilie Textularidae Carp. Textularia agglutinans d'Orbigny (häufig in den Siebresten). » » va.\\ porrecta'^x3id.y. » gramim d'Orbigny (häufig). » cariuata d'Orbigny. Gaudryina sipho^lella Reuss (selten). ■Bolivina amygdaliformis B rady (ornamentale, nicht seltene Art). » reticulata Hantgen (häufig, aber sehr klein). puudata d'Orbigny. » nitida Brady. » aculeata d'Orbigny. 1 DieGlobigerinenarten bilden neben Pteropodeni-esten denHauptbestand- theil der Siebreste des Schlicks. Mikroskopische Organisnicn des Rothcn Meeres. 43o Unterfamilie Rotalinae Carp. Discorbina orbicnlaris Terquem. » ventricosa Brady (nicht selten). Flanorbiilina acervalis Brady. Tnuicatnlina praecincta Karr er. wiillersdorß S c h w a g e r. » refulgens M o n t f o r t. » teniiinmrgo Brady. » liiunilis Brady. » lobatula Walker und Jacob. variabilis d'Orbigny. reticnlata Czizek (schöne, aber seltene Art). Anouialina ammonoides Reuss (sehr wohl erhaltene Schalen). » gj'ossortigosa Gümbel. ^> ariiniueiisis d'Orbigny. Pnlviiiula repanda Fichtel und Moll. Familie Nummulitinae Btschl. Unterfamilie Involutinae Btschl. Spiriliua viuipava Ehrenb. Unterfamilie Pulleninae. Btschl. Sphaeroidiiia bulloidcs d'Orbigny. Amphistcgina lessoiit d'Orbigny (nicht häufig). Unterfamilie Nummulitidae Btschl. Nouionina tnrgida Williamson. » scaplta F^ i c h t e 1 und AJ o 1 1. Opercnlina complanata Defrance. Unterabtheilung Radiolaria. Rhopalodictyiun abyssornui Ehrenb. Nepli rospyris pa ra dictyn in H a e c k e 1 . 436 E.G raffe, Verzeichniss der Pteropoden- und Heteropodenschalen. I. Pteropoda. Cavolin ia lougirosfris L e s u e ii w » trispinosa Lesueur. » qiiadridentata Lesueur. >' gibbosa Rang. Cito pyrami data Lin. » balaiüium Rang. virgnia Rang. Styliola subnla Ouoz et Gaimard. Cnvicrina coIumeUa Rang. Limacina iußata d'Orbigny. y bnllimoides d'Orbigny. >^ trocliiformis d'O r b i g n }'. Peraclis rcfiaüata d'Orbigny. II. Heteropoda. Atlania gaudichaudi Eid. et Soul. » gibba Eid. et Soul. 1. Nr. 89. Bucht von Akaba. Tiefe 534 w. Gelblicher feiner Schlamm. Diese Schlammprobe enthielt in grösster Anzahl Globigerinen, kann daher als Globigerinaschlamm bezeichnet werden. Ausser diesen Polythalamien sind noch wenigstens 25 — 30 andere Arten und Gattungen von Polythalamien in dem Schlamme enthalten. Ferner ist diese Schlammprobe bemer- kensvverth durch eine grosse Anzahl von Pteropodenschalen; darunter sind erkennbar die Gattungen Limacina, Clio, Cleo- dora, Cavolinia, auch von Heteropoden die Gattung Atlanta. Von Mollusken der Classe Gasfropoda sind viele kleine Schalen \'orhanden, die wohl zum grössten Theile Jugendformen sind. V'on Bi\'alven sind nur zwei kleine Arten erkenntlich. Auf- fallend ist der vollständige Mangel an Radiolarienschalen. Ferner enthält der cantirte Schlamm eine Anzahl kleiner Fisch- otolithen. Mikroskopische Organismen des Hothcn .Meeres. 437 2. Nr. 295. Tiefe 2160«/. Am 6. December, Schleppnetz- ergebniss: Gelblich-röthlicher Schlamm, untermischt mit zur Steinhärte zusammengebackenen Stücken Schlammes von schwärzlicher Farbe. Ist fast nur Schlamm, und löst sich der- selbe in Salzsäure fast vollständig auf, nur wenige quarzige, kleine Körnchen zurücklassend. Keine Diatomeen, keine Radio- lariengehäuse. In den Siebresiduen sehr kleine mikroskopische Globigerinen. 3. Nr. 189. Mosesquellen. Dies ist ein hellgelber sandiger Schlamm mit sehr vielen Ouarzkörnern. In diesem Schlamm befinden sich eine grosse Anzahl rundlicher Kalkkörper von circa 1 mm Durchmesser, die aber keine deutliche Spur von Organisation zeigen, keine Poren wie bei Polythalamien. Die- selben sind gänzlich undurchsichtig und zeigen aber zuweilen eine kleine Öffnung oder Grube in der Mitte. Ausser diesen Körpern enthält der geschlemmte und cantirte Schlamm ganz vereinzelte Globigerinen und Anomalinen, aber dieselben sind wie abgerieben, abgerundet durch Fluthung. Der Hauptbestand- theil sind die erwähnten rundlichen Kalkkörper und eckige Ouarzfragmente (glashelle). 4. Nr. 1 1 (a). Tiefe 690 ///. Lothung am 13. November 1895 (21° 27'N, 37°22'0).i Dieser Schlamm ist dem von Nr. 89 ähnlich, ebenfalls Globigerinenschlick. Beim Schlemmen und Cantiren des Schlammes bleiben meistens Globigerinenschalen. Zahlreiche Exemplare von Globigerina buUoides D'Orb. und Globigerina saccnJifera Brady., dagegen wenige Exemplare von Orbnlina universalis D'Orb., die im Schlamme Nr. 89 von Akaba häufig vorkommen. Ausserdem verzeichne ich vorläufig die Genera Texhilaria, Bulimina, Bilociilina etc. 5. A\a. 2100 77? Tiefe. Äusserst feiner, röthlich-brauner Schlick. Zeigt auf mikroskopischen Präparaten kleine junge Globigerinen und einzelne Polythalamien (meist junge Stadien). Bei Behandlung eines kleinen Theiles des Schlammes mit Salz- säure heftiges Aufbrausen (Kohlensäureentwicklung), aber kein Rückstand von Kieselpanzern, weder Diatomeen, noch Radio- ^ Wegen hohen Seeganges musste die beabsichtigte Dredschung auf- gegeben werden. 438 E. Gräffe, Mikroskopische Organismen des Rothen Meeres. laden. Pteropodenschalenreste spärlicher als in den anderen Grundproben. 6. Nr. 896. Noman-Insel. 8. F^ebruar 1896. Der durch- gesiebte Schlamm besteht grösstentheils aus groben Quarz- körnern und enthält nur wenige abgeriebene organische Reste von 2 — 3 Arten Polythalamieu, sämmtlich undurchsichtig, weiss oder gelblich. 439 XX. SITZUNG VOM 14. OCTOBER 189' Herr Prof. Dr. Carl Gegenbaur in Heidelberg dankt für seine Wahl zum ausländischen correspondirenden Mitgliede dieser Classe. Das vv. M. Herr Hofrath Prof. E. Mach überreicht eine von M. U. Dr. Ludwig Mach in Jena ausgeführte Arbeit: ^Optische Untersuchung der Luftstrahlen«. Das w. M. Herr Hofrath Prof. L. Boltzmann überreicht eine Abhandlung von Prof. Dr. Ign. Klemencic in Innsbruck: »Über die magnetische Nachwirkung bei verschie- denen Feldstärken«. Das w. M. Herr Prof. K. Grobben überreicht eine Arbeit von Dr. Adolf Steuer in Wien, betitelt: »Sapphirinen des Rothen Meeres, gesammelt während der Expedition S. M. Schiff »Pola«, October 1895 bis Mai 1896«. 440 XXL SITZUNG VOM 21. OCTOBER 189; Herr Eduard Maze 11 e, Adjunct am astronomisch-meteoro- logischen Observatorium in Triest, übersendet als Referent der Erdbeben-Commission einen »Bericht über die im Triester G e b i e t e b e o b a c h t e t e n E r d b e b e n \' o m 1 5. J u 1 i , 3. A u g u s t und 21. September 1897«. Herr Prof. Dr. Josef Schaff er in Wien überreicht den zweiten Theil seiner »Beiträge zur Histologie mensch- licher 0 1- g a n e « . SITZUNGSBERICHTE KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. MATHEMATISCH -NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE. CVI. BAND. IX. HEFT. ABTHEILUNG I. ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE, KRYSTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE, PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE, ERDBEBEN UND REISEN. 31 448 XXII. SITZUNG VOM 4. NOVEMBER 189^ Erschienen: Sitzungsberichte, \id. 106, Abth. I, Heft VI —VII (April bis Juli 1S97). Die officie-Ile Anzeige über das am 25. October 1. J. erfolgte Ableben des wirklichen Mitgliedes der kaiserlichen Akademie, Herrn Prof. Dr. Franz Hof mann in Wien, wurde bereits in der Gesammtsitzung am. 28. October zur Kenntniss genommen und dem Beileide über diesen Verlust von Seite der Mitglieder Aus- druck gegeben. Der prov. Secretär theilt mit, dass laut einer von der wissenschaftlichen Expedition im Rothen Meere an das k. u. k. Reichs-Kriegs-Ministerium (Marine-Section) eingelangten tele- graphischen Nachricht S. M. Schiff »Pola« am 30. October zu dreitägigem Aufenthalt in Camaran eingelaufen ist, hierauf die Mission nach Massaua fortsetzen wird, und dass sich an Bord. des Expeditionsschiffes Alles wohl befinde. Für die diesjährigen Wahlen sprechen ihren Dank aus, und zwar: Sir Joseph List er, Präsident der Royal Society in London für seine Wahl zum ausländischen Ehrenmitgliede, und Herr Geh. R«gierungsrath Prof. Dr. Wilhelm v. Bezold in Berlin für seine Wahl zum ausländischen correspondirenden Mitgliede dieser Classe. Herr Emil Reinhold in Wien übergibt ein versiegeltes Schreiben behufs Wahrung der Priorität, welches die Aufschrift führt: »B r e m s e - E rf i n d u n q;- . 444 Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht zugekommene Periodica sind eingelangt: Franklin Institute of the State of Pennsylvania, The Journal of the Franklin Institute devoted to Science and the Mechanic Arts. Vol. CXLIV, No 859. July, 1897. I. Philadelphia; 8'\ U. S. Department o f A g r i c u 1 1 u r e (Weather Bureau, Washington), Monthly Weather Review. April, 1897, Washington; 4". Instituto Geolögico de Mexico, Boletin de la Commission Geolögica de Mexico, Nums. 1, 2 (1895); 7—9 (1897), Mexico, D. F.; 4°. 445 XXIII. SITZUNG VOM 11. NOVEMBER 1897. Der prov. Secretärtheiltmit, dasslautTelegramm desCom- mandos S. M. Schiffes »Pola« aus Mass au a das Expeditions- schiff am 5. November Mittags im dortigen Hafen zum acht- bis zehntägigen Aufenthalt eingelaufen sei und dass sich an Bord Alles wohl befinde. Herr Dr. Alfred Nalepa, Professor am k. k. Elisabeth- Gymnasium im V. Bezirke in Wien, übersendet eine vorläufige Mittheilung über »Neue Gallmilben« (15. Fortsetzung). Das w. M. Herr Regierungsrath Prof F. Mertens über- reicht eine für die Sitzungsberichte bestimmte Abhandlung: > Ü b e r eine z a h 1 e n t h e o r e t i s c h e Function«. Ferner überreicht Herr Regierungsrath Mertens eine Ab- handlung des Herrn Dr. R. Daublebsky v. Stern eck in Wien betitelt: »Empirische Untersuchung über den Verlauf X = n der zahlentheoretischen Function . a(7/) = V <^y(x) im x = 1 Intervalle von 0 bis 150000«. Das \v. AI. Herr Prof. Franz Exner überreicht eine Abhand- lung des Herrn Dr. H. Benndorf: »Über das Verhalten rotirender Isolatoren im Magnetfelde und eine darauf bezügliche Arbeit A. Campetti's«. 446 XXIV. SITZUNG VOM 18. NOVEMBER 1897. Der prov. Secretär legt eine eingesendete Abhandlung von Dr. Julius Zellner in Ratibor: »Über die Gehaltsbestim- mung der Fluorwasserstoffsäure« vor. Das \v. M. Herr Hofrath Prof. Ad. Lieben überreicht eine in seinem Laboratorium ausgeführte Arbeit des Herrn Dr. Ernst Strassmann: »Über die Einwirkung von Cyanessig- säure auf Lsovaler- und auf Propionaldehyd< . Das w. M. Prof. Dr. H. Weidel überreicht zwei im I. chemischen Laboratorium der Universität Wien ausgeführte Arbeiten: 1. » Ü b e r d a s M o r i n und die Constitution der F 1 a v o n- und Flavonolderivate« von J. Herzig. 2. » S t u d i e n ü b e r d i e B e s t a n d s e i t e d e s G u a j a k h a r z e s « (I. Abhandlung) von J. Herzig und F. Schiff. Herr Prof. Dr. Carl Diener überreicht eine Abhandlung: » D i e Ä q u i V a 1 e n t e d e r C a r b o n - und P e r m f o r m a t i o n i m Himalaya«. Herr Dr. Carl GrafAttems in Wien überreicht eine Ab- handlung unter dem Titel: »System der Poly de smiden-. 447 Die Äquivalente der Carbon- und Perm- formation im Himalaya Prof. Dr. C. Diener. In meinem Berichte über die Ergebnisse der von mir im Jahre 1892 im Auftrage der kaiserl. Alcademie der Wissen- schaften und der kaiserl. indischen Regierung gemeinsam mit den Herren C. L. Griesbach und C. S. Middlemiss aus- geführten Expedition in den Central- Himalaya von Johar, Hundes und Painkhända^ finden sich auch einige Mittheilungen über die carbonischen und permischen Bildungen des von mir untersuchten Gebietes. Ich habe seither die Bearbeitung des von mir selbst gesammelten Versteinerungsmaterials, sowie der umfangreichen älteren Aufsammlungen von Godvvin-Austen,- Verchere und Lydekker in Kashmir, von Stoliczka, Gerard und Griesbach in Spiti zu Ende geführt. Die bei dieser Bearbeitung gewonnenen Erfahrungen setzen mich in die Lage, nunmehr ein wesentlich vollständigeres Bild der faunistischen Vertretung des Carbon und Perm im Himalaj^Ji zu geben, als mir dies in meinem ersten Berichte möglich war. Trotz vielfacher Lücken in unserer Kenntniss der betreffenden Ablagerungen erscheinen gegenwärtig doch bereits Ober- carbon, Permocarbon und Perm in fossilführender Ausbildung mit ziemlicher Sicherheit nachgewiesen. ^ Ergebnisse einer geologischen Expedition in den Central-Himalaj'a von loliar, Hundes und Painklitinda. Denkschr. der kaiserl. Akad., inathem.- naturw. Classe, Bd. LXII, 1895, insbes. .S. 588 — 596. 448 C.Diener, Im Nachstehenden soll die Verbreitung und Entwicklung der fossilführenden Bildungen der anthracolithischen ^ Epoche im Himalaya kurz gekennzeichnet werden. 1. Klippenkalke des Chitichun Nr. I. Ich beginne mit diesem isolirten Vorkommen ausserhalb der Hauptregion des Himalaya, das einen in der letzteren nicht bekannten Horizont repräsentirt, da es die reichste bisher aus dem Himalaya bekannt gewordene paläozoische Fauna enthält. Die fossilreichen Kalksteine ragen im Gipfel des Berges Chitichun Nr. I (17.740 engl. Fuss) in Tibet aus einer Mulde jurassischer Spiti Shales auf, die mit intrusiven Diabasporphy- riten verknüpft sind. Eine ausführliche Darstellung der sehr interessanten tektonischen Verhältnisse habe ich in meinem oben citirten Berichte in den Denkschriften der kaiserl. Aka- demie (S. 588 — 607) gegeben.- Als Ergänzung zu den an gleicher Stelle dargelegten Ausführungen über die strati- graphische Stellung der Klippenkalke von Chitichun mögen die nachfolgenden Mittheilungen dienen. Die Fauna der Klippenkalke des Chitichun Nr. I besteht aus den folgenden Formen: " Crustacea. 1. Phillipsia Middlemissi no\'. sp. 2. Cheiropyge nov. gen. lünialaycnsis nov. sp. Cephalopoda. 3. Popauocevas (Stachcoccras) Triuiurti nov. Sp. Lamellibranchiata. 4. Avicitlopcctcu sp. i'iul. aff.jabicusi Waagen. 1 Ich halte diesen, von Waagen (.Salt Range Fossils, Palaeontologia Indica, ser. XIII, Vol. IV, Geological Results, p. 241) als gemeinsame Bezeich- nung für die Bildungen der Carbon- und Permzeit vorgeschlagenen Ausdruck für zweckmässiger, als den von A. de Lapparent eingeführten, leicht zu Verwechslungen Anlass bietenden Terminus »Permo-Carbonifere-. 2 Vergl. auch C. L. Griesbach, Notes on the Central Himalayas. Rccords Geol. Survey of India, Vol. XXVI, Pt. I, 1893, p. 19. -Äquivalente Jer Carbon- und l'ernitbrmation im Himaiaya. 449 Brachiopoda. 5. Prociitctus liiieatiis Waagen. 6. > Cora d'Orb. 7. - scuiii\iiciilatns Mart. 8. >■' bolivieusis, var. ChUicliuuensis Diener.' 9. >' cf. snbcostatits Waag. 10. >' gratiosjis Waag. 11. >• cancrinifonnis T s c h e rn. 12. - ^Z^/r// / Waag. 1 3. >' iiiougoJicus Diene r.- 14. Margiiiifcra typica Waag.-' 1 5. Aiilosfcges tihetiais no\-. sp. 16. Lyttoiiia nobilis.'^ 17. Spiriferina octoplicata Sow. 18. Spirifcr Mnsakheylensis Dav. {--=. fa seiger Keyserl.) 19. » TT3';/;/c7" Waag. '10. » tibctaniis nov. sp. 21. Marliiiia cf.ghibra Mart. 22. » elegmts nov. sp. 23. » semiplana Waag.'' 24. » nnciila Rothpletz. 1 Diese Art ist vermuthlicli identisch mit der von Rothpletz (Palaeonto- graphica, 39. 13d., p. 77, Tat". X, l<"ig. 17, 18) aus dem Perm von Timor beschriebenen unbenannten Form. - Identisch mit Prodncltis cf. Cora Kayscr (Obercarbonische Fauna von Loping, Richthofen's .> China-, IV. Bd., p. 184, Taf. XXVII, Fig. 5). •■'• Im Widerspruche mit Nikitin halte ich es für gerechtfertigt, der von Waagen aufgestellten Gattung Marginifcra mindestens eine subgenerische Stellung einzuräumen. -i In meinem Berichte in den -Denkschriften-; als Lytlonia cf. tciinis angeführt. ■' Meine an der Identität des Spirifcr Miisakheyhnsis D av. und Sp.fascigcr Keyserl. gehegten Zweifel, denen ich in meiner Publication über die Fauna der Productus Shales (Palaeontologia Indica, ser. XV, V'ol. I, Pt. 4) Ausdruck gegeben habe, sind durch das Studium der zahlreichen, in der Sammlung des Herrn Prof. Tsch erny schew in St. Petersburg befindlichen Exemplare, die mir der letztere zu zeigen die Liebenswürdigkeit hatte, behoben worden. '■ Diese Art wird gegenwärtig von Tschernysche w zu Mcntzelia tiestelit. 450 C. Diener, 25. Martinia acutoinarginalis nov. sp. 26. » contracta Meek and Worth. 27. Reticnlaria lineata Mart. 28. Athyris Royssil Lev. 29. » siibexpansa Waag. 30. » capillata Waag. 31. Sp/r/gerelJa Derbyi Waag. 32. » graiidis Waag. 33. » pertiunida nov. sp. 34. Enteles Tschernyscheßi nov. sp. 35. Unciimlns Timorensis Beyr.* 36. Caniaroplioria gigantea nov. sp. 37. » Purdoni Dav. 38. » sp. Ind. ajf. crnuieua Mart. 39. Heiniptychina sparsiplicata Waag. 40. '> inßata Waag. 41. » himalayensis Dav 42. NototJiyris cf. subvesicularis Dav 43. » triplicata nov. sp. 44. Dielasma biplex Waag.- Bryozoa. 45. Fenestella sp. ind. äff. virgosa Eichw. Spongiae. 46. Ainblys/phonelhi cf. vcsicnlosa de Kon. Coralla. 47. Lonsdaleia indica Waag. und Wentzel. 48. AmpJexus sp. ind. äff. A. AbichiWaag. und Wentz. Sieht man von den neuen Arten (11) ab, so zeigt sich, dass unter den bereits von anderwärts bekannten P'ormen 1 Uiiciini/iis Tlicoba/ili W aagen ist mit Hey rieh's Art aus dem Penn von Timor zu vereinigen. 2 Die Bestimmung anderer Formen dieser indifferenten Gattung (z. B. Dielasma acntangiilum Waag.) möchte ich nach eingehender Untersuchung des mir vorliegenden Versteinerungsmaterials nicht aufrecht erhalten. Äquivalente der Carbon- und Pennformation im Himalaya. 4o 1 (im Ganzen 34, wenn man die als 5;'. iiul. angeführten ausser Beti-acht lässt) die weitaus überwiegende xMehrzahl mit solchen aus dem Productus-Limestone der Salt Range identisch ist. Dies gilt insbesondere für die Brachiopoden, die fünf Sechstel der gesammten Fauna des Klippenkalkes von Chitichun aus- machen. Von den 23 mit den Productus-Kalken der Salt Range gemeinsamen Brachiopoden-Arten gehören 20 der Oberen Ab- theilung des Mittleren Productus-Kalkes (Virgal- und Kälabägh beds) an. Von diesen, gehen 4 Arten nicht mehr in den Oberen Productus-Kalk hinauf. Nur 10, beziehungsweise 9 Arten sind mit den Amb- und Katta beds gemeinsam. Die in meinem Berichte in den »Denkschriften« auf Grund einer vorläufigen Durchbestimmung des Versteinerungsmaterials ausgesprochene Ansicht, dass die Klippenkalke von Chitichun der Oberen Abtheilung des Mittleren Productus-Kalkes der Salt Range gleichzustellen seien, erscheint mithin in vollem Umfange bestätigt. Unter den asiatischen Ablagerungen der anthracolithischen Epoche scheinen die von Desgodins entdeckte Fauna von Var-ka-lo in Süd-China^ und jene von Tschu-sz'-kang- am unteren Vang-tse-kiang eine ähnliche stratigraphische Stellung einzunehmen. Auch zur permischen Fauna von Timor bestehen nahe Beziehungen (12 gemeinsame Brachiopoden-Arten), doch weist das Vorkommen einer so hoch entwickelten Ammoniten- form wie Cydolobus persnicatus auf eine nähere \'erwandt- schaft der Fauna von Timor mit jener des Oberen Productus- Kalkes der Salt Range hin. Von europäischen Ablagerungen hat die Artlnsk-Stufe Russlands die grösste Zahl mit dem Klippenkalk von Chitichun gemeinsamer Arten (12). Doch ist zu berücksichtigen, dass die Beziehungen der Fauna von Chitichun zu jener der sicilianischen Fusulinenkalke von Sosio erst nach dem Abschlüsse der Bearbeitung der sicilianischen Brachiopoden durch Gemmellafo einer Beurtheilung zugäng- lich sein werden. 1 L. V. Loczy, Die wissenschaftlichen Ergebnisse der Reise des Graten Bela Szechenyi in Ostasien, I. Th. Wien, 1893, S. 723. - F. Frech, Über paläozoische Faunen aus Asien und Xordafrika. Neues Jahrbuch für .Mineral. 1S95, S. 54. -r02 C. Diener, Die Fauna der Klippenkalke von Chitichun ist sonach wahrscheinlich von permocarbonisch em, vielleicht schon von unterpermischem Alter. Mit Bestimmtheit lässt sich diese Frage vorläufig nicht entscheiden. Ihre Beantwortung hängt im Wesentlichen davon ab, wo man innerhalb des Productus- Kalkes der Salt Range, der eine continuirliche Schichtreihe aus dem Obercarbon bis ins Perm darstellt, die rein künstliche Grenze zwischen dem Permocarbon und dem eigentlichen Perm ziehen will. Es verdient bemerkt zu werden, dass der einzige in den Klippenkalken des Chitichun Nr. I gesammelte Ammonit, eine dem Stacheoceras niediterraneiim Gemmellaro aus den Fusu- linenkalken von Sosio sehr nahestehende Art, die Frage nach dem Alter der Chitichun -Fauna bereits mit ebenso grosser Genauigkeit zu beantworten gestattet, als das gesammte, reich- haltige Material an Brachiopoden. Jener statistischen Methode gegenüber, welche die verschiedenen Thierclassen bei Niveau- bestimmungen als gleichwerthig ansieht, dürften derartige That- sachen wohl im Auge zu behalten sein.^ Das V^orkommen der Klippenkalke von Chitichun ist ein isolirtes, auf vereinzelte Aufbrüche in viel jüngeren Sedi- mentärgesteinen einer Muldenregion beschränktes. In der Hauptregion des Himala}^^, im normalen Schichtverbande mit anderen Gliedern der paläozoischen Serie, kennt man bis heute weder Bildungen von gleichem Alter, noch von einer ähnlichen Facies. - 2. Productus Shales von Johar und Painkhända. Die Aufeinanderfolge der anthracolithischen Schichtbildun- gen im Central-Himalaya von Johär und Painkhända ist \on 1 Vergl. E. V. Mojsisovics, Die Cephalopoden der Hallstätter Kalke. II. Theil. Abliandl. der k. k. Geol. Reichs-Anst. Bd. VI, 2. Hälfte, S. 817. - Es ist sehr wahrscheinlich, dass die von Hughes in der Nähe eines der tibetanischen Grenzpässe nördlich von Milam in weissen Crinoidenkalken gesammelten und von Waagen (Records. Geol. Survej- of India, Vol. XI, 1878, p. 182 — 187) untersuchten Fossilreste aus den Klippenkalken des Chitichun Nr. I oder aus einer der benachbarten Klippen stammen. Es ist nicht mehr möglich, den Fundort jener Fossilien genauer festzustellen. Äquivalente der Carbon- und Permfonnation im Himalaya. 453 Griesbach festgestellt worden. Für die Districte von Milam und Niti kann ich die Genauigkeit seiner Angaben auf Grund eigener Erfahrung bestätigen. Das durch Ablagerungen von sehr bedeutender Mächtig- keit vertretene Carbonsystem zerfällt in zwei Abtheilungen. Die tiefere besteht aus rothen Crinoidenkalken mit blaugrauen Zwischenlagen und erreicht eine Mächtigkeit von 120 bis 400 m (Byans). Die obere besteht aus einem weissen Ouarzit von 100 bis 250 «^ Mächtigkeit. Leider fehlen wohlerhaltene Versteinerungen aus beiden Abtheilungen nahezu vollständig. Aus den blaugrauen Kalksteinen der unteren Abtheilung vom Lipu Lekh-Pass (Quellgebiet des Kali River an der Grenze von Byans und Tibet) liegen in Griesbach's Sammlung einige Durchschnitte von specifisch nicht bestimmbaren Korallen (Zaphrentis, Canipophylhim?) vor. Aus dem höheren Ouarzit liegen mir einige specifisch ebenfalls nicht näher bestimm- bare Reste von Orthoceras (Marchauk-Pass und Pethathäli Valley) vor. Zwischen dem carbonischen Ouarzit und dem dritten, jüngsten Schichtglied der anthracolithischen Serie, den von Griesbach als »Productus Shales« bezeichneten schwarzen Schiefern an der Basis der grossen Triaskalkmassen ist an vielen Stellen eine Erosionsdiscordanz sichtbar. Auch greifen die Productus Shales local auf ältere Glieder über. Insbesondere im Niti-District ist ihrer Ablagerung eine theilweise Denudation der Quarzite vorausgegangen. Bei Patalpani fehlen sogar nach Griesbach's^ Mittheilungen die Quarzite vollständig, und die Productus Shales liegen unconform auf der tieferen Abtheiiung des Carbonsystems. In ihrem Hangenden sind die Productus Shales auf das Innigste verbunden mit den Otoceras beds, dem tiefsten Gliede der Himalaya-Trias. Der Übergang ist, wie ich bereits bei früheren Gelegenheiten wiederholt ausgeführt habe, ein so allmäliger, dass die Grenze zwischen beiden Schichtgruppen nur auf Grund der Fossilführung unterhalb der Kalkbank mit 1 C. L. Griesbach, Geology of tiie Central Himäiayas. Memoirs Geol .Survey of India, Vol. XXIII, 1891, p. 114 — 117. 4o4 C.Diener, dem Hauptlager des Otpceras Woodwardi Griesb. gezogen werden kann. Diese enge stratigraphische V'erknüpfung der Productus- Schiefer mit den Triasbildungen im Hängender! einerseits und ihre unconforme Auflagerung auf carbonischen Sedimenten anderseits hat bereits Griesbach zu der Meinung geführt, dass die Productus Shales als ein Äquivalent der permischen Bildungen Europas anzusehen seien. Diese Schluss- folgerung ist in der That die auf Grund der Lagerungs\-erhält- nisse einzig und allein mögliche. In den Sandstein- und Kalklinsen der 35 bis 70 m mächtigen Productus Shales bei Kiunglung Encamping Ground unterhalb des Niti- Passes und im obersten Lissar-Thale hat Gries- bach eine ziemlich artenarme, aber individuenreiche Fauna gesammelt.^ Diese Fauna setzt sich aus den nachstehenden Formen- zusammen: Lamellibranchiata. 1 . A viciilopccfcu lücuialis S a 1 1 e r. Brachiopoda. 2. Choiietes Vishnn Salt er. 'S. » Lissarcnsis nov. sp. 4. Productus Piirdoni Dav. 5. » gaugetiais nov. sp.'' 6. >' cf. serialis W'asig. 7. >' cf. Cancrini V'ern. 8. " cancriniforuiis T s c h e r n . 9. SjTir/fcr Ra van a nov. sp. 10. » Musaldicylcusis Uaw {z= fascigcr KQ\se\-\.). J Die von Strachey am Chorhoti-Paas gesammelten, von Salter (Palaeontology pf Niti etc., Calcutta, 1S65, p. 52) als carbonisch beschriebenen [•"ossiüen stammen ebenfalls aus diesem Niveau. : - Eine Monographie dieser Fauna (Palaeontologia Indica^ ser. XV, Vol. J, Pt. 1\') ist soeben erschienen. In die nachstehende Liste sind die nur generisch bestimmbaren Reste nicht aufgenommen "vvorden. 3 In meiner Arbeit in den -Denkschriften« (S. 595) als P. Abiclii Waag. angeführt. Erst die, Untersuchung des Schlossfortsatzes der. kleinen Klappe- lehrte die unterscheidenden Merkmale der neuen Species kemien. . . .; ,- . Äquivalente der Carbon- und Permformation im Hiinalaya. 455 1 1 . Spirifer sp. ind. aß', fascigcro. \2. >■ Joliarcnsis now sp. 1.3. » Nitieusis nov. sp. 14. Martinia glabra Mart. 15. Spirigerclla Derby i Waag. 16. Afhvris Royssii Lev. 17. >^ Gerardi now sp.^ In dieser Liste fällt vor Allem die grosse Zahl der neuen Arten auf. Nur acht Species sind mit bereits von anderwärts bekannten identisch. Die Fauna zeigt ebenso nahe Beziehungen zu dem Oberen Productus-Kallc der Salt Range, wie zum russischen Perm«_)carbon (Artinsk-Stufe). Bemerkenswerth ist jedoch gerade das Vorherrschen neuer Formen und das auf- fallende Zurücktreten der z. B. noch im KHppenkalk von Chiti- chun so häufigen Typen \'on Prodiictiis, die bereits im Carbon beginnen und aus diesem in das permische S\'stem hinauf- gehen. Carbonische Anklänge sind hier zweifellos in geringerem Maasse vorhanden als in der Chitichun-Fauna. Es spricht mit- hin auch der Charakter der Fauna der Productus Shales eher für als gegen eine Parallelisirung der letzteren mit permischen Ablagerungen, eine Parallelisirung, für die im Übrigen die Lagerungs\'erhältnisse in unzweideutiger Weise sprechen. Eines der bezeichnendsten Fossilien der Productus Shales, Fvodiiciiis caucriuiforuiis Tschern., findet sich genau mit den gleichen Merkmalen auch in der von- Bogdanowitsch am P4usse Gussass im westlichen Küen-Lün entdeckten, von Frech- beschriebenen Permocarbon- oder Permfauna. Die Gussass -Schichten liegen discordant über gefaltetem Ober- carbon (Moskauer Stufe) mit. Productus seuiircticnlatns. Es liegt nahe, in der Unconformität an der Basis der Productus 1 Es ist dies die in der oben citirten Monograpliie auf PI. V, Fig. 5 abgebildete, irrthümlich mit Alhyris Royssii vereinigte, aber von dieser durch bedeutendere Grösse, sehr flache Wölbung der grossen Klappe und sehr grossen Cardinahvinkel unterschiedene Form. '?. F. Frech in E. Suess, Pieiträge zur Stratigraphie Central-.'Vsiens. Denkschr. der kaiserl. Akad. der Wissensch., Bd. LXI, 1894, S. 454. Die übrigen an der Zusammensetzung dieser I'aunula betheiligten Formen sind sehr indifferente .Arten. 456 C.Diener, Shales die Anzeichen jener tibetanisclien Transgression zu vermuthen, deren Bedeutung für die geologische Geschichte Central-Asiens durch die Arbeiten von Bogdano witsch und Suess klargestellt wurde. Indessen sind deutliche Spuren einer variscischen Faltung, wie sie für den westlichen Küen-Lün aus den Beobachtungen von Bogdano witsch, für einige Gebirgs- züge des mittleren China (Tsinglin-shan) aus den Beobach- tungen von F. V. Richthof en sich ergeben, für den Himalaya noch nicht nachgewiesen. Die einzige schärfer ausgeprägte Discordanz, die Griesbach innerhalb der sedimentären Zone des Central-Himalaya von Johär und Painkhända festgestellt hat, jene an der Basis der Productus Shales, scheint nicht mit faltenden Bewegungen von grösserer Intensität in Beziehung zu stehen. Gebirgsstörungen \'on der Art, wie man sie in der Region der variscischen Faltungen in xMittel-Europa, in einzelnen Theilen von Südafrika, Central-Asien, China und Nord- Amerika kennt, gingen der Ablagerung der Productus- Schiefer im Himalaya nicht voraus. 3. Kuling" Shales von Spiti. Über die Gliederung der paläozoischen Schichtbildungen in Spiti hat zuerst Stoliczka^ Bericht erstattet. Von den drei Abtheilungen, die er in denselben unterschied und die er als Babeh-, Muth- und Kuling series bezeichnete, stellte er die letztere dem europäischen Carbon gleich. Seine Angaben sind später von R. D. Oldham- und C. L. Griesbach •' in mehr- facher Hinsicht berichtigt worden. Nach den Beobachtungen des letzteren Forschers kann man in den anthracolithischen Bildungen von Spiti die nachstehende Schichtfolge feststellen. Über dunklen, fossilleeren Kalksteinen von muthmaasslich devonischem Alter folgen erdige, graue und rothe Crinoiden- 1 F. Stoliczkii, Geological Scctions across tlie Himalaya .Mts. from Wangtu bridge on tlie River Sutlej to Sungdo on the Indus. .Mem. Geol. Survey of India, Vol. V, Pt. I, p. 25-29. 2 R. D. Oldham, Some notes on the geolog\'' of the NW. Himälayas. Records Geol. Surv. of India, Vol. XXI, 1888, p. 151 — 153. 3 G. L. Griesbach, Records Geol. Surv. of India, Vol. XXII, 1889, p. 158 — 167, und Geology of the Central Himälayas, p. 212 — 223. Äquivalente der Carbon- und Permtormalion im Himalaya. 457 kalke von löO bis 2b0 in Mächtigkeit. Über diesen liegt ein gegen 150 in mächtiger, feinkörniger, weisser Ouarzit, den Stoliczka iri-thümlich der Muth-series zuwies. So weit ist diso die Schichtfolge die nämliche, wie in Painkhända und Johär. Zwischen dem weissen Ouarzit und den schwarzen Schiefern vom Typus der Productus Shales stellt sich jedoch in Spiti noch ein Schichtglied ein, das weiter im Osten fehlt, nämlich > ein splittriger, grauer Kalkstein von 20 m Mächtig- keit, reich an Fossilien, vorwiegend Productus, Athyris Royssii und Korallen«. Leider sind weder aus diesem, noch aus den tieferen Horizonten Versteinerungen in Griesbach's Aufsammlungen vertreten. Es ist dies umso bedauerlicher, als einige Anhalts- punkte dafür sprechen, dass man in den grauen Kalksteinen über dem Quarzit eine Vertretung der fossilreichen obercarbo- nischen Barus beds von Kaschmir vermuthen darf. Dagegen liegen aus Stoliczka's Aufsammlungen zwei ausgezeichnete Exemplare von Syriugotliyris cuspidata AKart. aus einem grauen Crinoidenkalkstein bei Kuling voi\ die wahr- scheinlich dem tiefsten der von Griesbach unterschiedenen Xi\'eaux des anthracolithischen Systems angehören dürften. Die Anwesenheit dieser charakteristischen Art des europäi- schen und amerikanischen Bergkalkes spricht für ein unter- carbonisches Alter der betreffenden Ablagerungen. Die grauen Kalke im Hangenden des carbonischen Quar- zits werden von der Kuling-series Stoliczka's überlagert. In dieser Schichtgruppe erscheinen zwei Bildungen von ver- schiedenem Alter zusammengefasst. Die obere Abtheilung der Kuling-series enthält, wie Griesbach gezeigt hat, die be- zeichnenden Formen der Otoceras beds und fällt somit der skythischen Serie des Trias-Systems zu. Die tiefere Abtheilung besteht aus schwarzen, glimmerigen Schiefern mit Sandstein- einlagerungen und wird von Griesbach als ein Äquivalent der Productus Shales von Johär und Painkhända angesehen. Soweit man dies nach den Handstücken beurtheilen kann, ist in der That die Übereinstimmung in der lithologischen Sitzb. d. mathem.-naturw. Gl.; GVL Bd., Abth. f. 32 4o8 C. Diener, Beschaftenheit beider Bildungen eine bemerkenswerthe. Aus dieser Abtheilung stammen die von Gerard, Stoliczka und Griesbach bei Kuling, Muth. Kliar und Lilang gesammelten Brachiopodensuiten. Die ziemlich dürftige Fauna umfasst folgende Arten: 1. Margiiiifcra liiunihiyevsis no\'. sp. 2. Chonetcs cf. Lissarcusis Diener. 3. Atliyris Gerardi Diener. 4. Spirifer Mnsakhcyleusis Dav. (;=: fascigcr Keys.). 5. » Nitieiisis /D\Qy\Q\\ 6. » Rajah Salt er. 7. > sp. ind. äff. Rajah. An Indi\"iduenzahl überwiegen in dieser Fauna Margiiii- fera himalayensis'^ und Spirifer Raj all weitaus. Erstere P'orni steht der M. typica Waagen aus dem Mittleren und Oberen Productus-Kalk der Salt Range sehr nahe. Spirifer Rajali kommt ausser in Spiti nur noch in den obercarbonischen Barus beds von Kaschmir vor. Clionetes Lissareusis, Atliyris Gerardi und Spirifer Nitiensis sind bezeichnende Arten der Productus Shales von Johär und Painkhända. Die auf stratigraphischer Grundlage von Griesbach vorgenommene Parallelisirung der letzteren Schichtgruppe mit der tieferen Abtheilung der Kuling series in Spiti erscheint also auch mit Rücksicht auf den faunistischen Inhalt beider Ablagerungen gerechtfertigt. Ich bin der Meinung, dass den hier in Rede stehenden Schichten der von Stoliczka vorgeschlagene Name »Kuling Shales« belassen werden sollte, obgleich diese Bezeichnung \'on Stoliczka ursprünglich in einem weiteren Sinne gefasst war. Die Einschränkung des Namens auf die brachiopoden- fü-lirenden, permischen Schiefer, nach Ausscheidung der als untertrradisch erkannten Theile der »Kuling series«, steht indessen mit den Regeln der stratigraphischen Nomenclatur J Die grosse Klappe die>er ]"orm ist von Stoliczka irrthünilich . mit Prodiichis longispiuiis Sow., die kleine Klappe mit P. \ciiiii-t-liciiLilus .\Iart. identificirt worden. An mehreren Exemplaren konnten die für da^ Siihgenus Märginifem bezeichnenden, inneren Schaleiileisteh mit \'oller Deutlichkeit con- stätirt Werden. ' .' , : Äquivalente der Carhon- und Permformation im Himaiaya. 459 nicht im Widerspruch.^ Aus Gründen der Priorität sowohl, wie als Localname verdient die Bezeichnung »Kuling-Schiefer« für den in der Hauptregion des Himalaj'a weit verbreiteten permi- schen Horizont den Vorzug. 4. Zewän beds von Kaschmir. Das Vorkommen anthracolithischer Ablagerungen in Kasch- mir ist seit lange bekannt. Schon im Jahre 1838 vermuthete Hugh Falconer- das carbonische Alter eines Kalksteins im Thale von Kaschmir. Im Jahre 1850 beschrieb W. King"' Stropluilosia Gerard i\ die von Dr. Gerard auf dem Grenz- kamme zwischen Ladakh und Bisahir gesammelt worden war. Im Jahre 1866 x'eröffentlichte Davidson'^ eine Beschreibung der Fauna der fossilreichen Barus- oder Zewän beds von Barus, Wasterwan, Loodoo, Khoonmoo und anderen Localitäten an der Ostseite des Kaschmir-Thaies, während Godwin-Austen eine Darstellung der geologischen Verhältnisse gab. Durch diese Arbeit \N'urde das carbonische Alter der \-on Godwin- Austen als Zewän- oder Barus beds bezeichneten fossil- führenden .Schichten festgestellt. Die nächste, für die Feststellung der Geologie des Kasch- mir-Thaies bedeutsame Arbeit wurde \-on A. Verchere ■'' in ' Ein Analogen zu diesem Vorgange bildet die Beschränkung des Namens >l-'artnach-Schichten durch Skuphos auf die untere Abtheilung des ursprüng- lich von Gümtael mit diesem Namen bezeichneten Schichtcomple.xes. - Hugh Falconer, Official Report of an e.xpedition to Kashmir and LittleTibet in 1837—38. Palaeontological Alemoirs of Hugh Falconer, Vol.l, p. 567. "' W. King, A monograph of the permian fossils of England. London, 1S5Ü, p. 96. •1 Godwin-Austen, ün the carhoniferons rocks of the valley of Kash- mere, with notes on the brachiopoda, eollected by Capt. G. A. in Tibet and Kashmere, by T. Davidson. Quart. Journ. Geol. Soc, \'ol. XXll, 1866. p. "in — 4.3. liin vorläuHgcr Pjcrichl erschien im 20. Bande des Quart. Journ. (lS(i4). p. oSo — 387. Sämmtliche Pdssilion stammen aus Kashmir, niciit wie der Titel der Arbeit irrthümlich besagt, aus Tibet. •"' A. Verchere, Kashmir, the Western Himaiaya, and the Afghan .Moun- tains. Journ. Asiat. Soc. of Bengal. Calcutta, 35. Bd., 2. Th., pp. 89 — 134, 159— 203; 36. Bd., 2. Th., pp. 201-229. 32* 460 C. Diener, den Jahren 1866 und 1867 veröffentlicht. Die beigegebene Beschreibung der theils von Verchere selbst, theils \'on E. de Verneuil bestimmten Fossilien ist leider in einer Form publi- cirt worden, die ihre Benützbarkeit in hohem Maasse erschwert. Verchere constatirte die Unterlagerung der anthracolithischen Serie durch gewaltige Massen intrusiver Eruptivgesteine, be- gleitet von fossilleeren Schiefern. Die Kallvsteine und Schiefer im Hangenden dieser Eruptivbildungen zerfallen nach seinei- Darstellung in drei Gruppen, die Zeeawan beds, Weean beds und Kothair beds. Die beiden ersteren hält Verchere für carbonisch, die letztere für Trias. Doch bin ich durch die Prüfung der von ihm gesammelten Fossilreste zu der Über- zeugung gelangt, dass mindestens ein Theil seiner Weean beds ebenfalls schon zur Trias gerechnet werden muss, da der von ihm aus diesen Schichten angeführte Goniatites gangeticits von Banda mit Dauiibites nivalis Dien., einem Leitfossil der unter- triadischen Subrobustus-Schichten, identisch ist. L y d e k k e r 's 1 Aufnahmsbericht über die geologischen Verhältnisse von Kaschmir und Chamba bietet keine Anhalts- punkte für eine Gliederung der anthracolithischen Ablage- rungen. Wichtig ist indessen der Nachweis, dass die fossil- führenden Zewän oder Barus beds, deren Mächtigkeit von 10 bis 80 w wechselt, concordant auf einem weissen Ouarzit liegen, den Griesbach und Oldham als ein Äquivalent des carbonischen Quarzits von Painkhända und Spiti ansehen. An der Hand des mir vorliegenden Versteinerungsmate- rials und mit theilweiser Zugrundelegung der leider sehr unvollständigen stratigraphischen Daten von\'erchere und Lydekker vermag ich drei fossilführende Horizonte in den anthracolithischen Bildungen von Kaschmir zu unterscheiden. a) Grüne oder graue Schiefer, dunkle, glimmerige Kalke, graue Kalke, dunkelblaue Kalke mit zahlreichen Fenestellen von Barus, Eishmakam, Wasterwan, Vihi, Loodoo, Marbel-Pass und anderen Localitäten des Kaschmir-Thaies. Sie enthalten 1 R. Lydekker, The geology ol" the Kashmir and Chamba territories and the British District of Khägän. Memoirs Geol. Surv. ot" India, Vol. XXII, 1883, Chapters VI, VII. Äquivalente der Carbon- und Permrormalion im Himalaya. 461 die von Davidson beschriebene Fauna der Barus beds. Diese Fauna umfasst die folgenden Arten: ^ Crustacea. 1. Plüllipsia sp. iiul. ex äff. scuiiuifera Phill. Brachiopoda. 2. Proditctus Cora d'Orb. 3. y midatns Defr. 4. » semireticiilatns Mart. 5. » cf. longispinns Sow. 6. » cf. scabn'ciiIiisMavt 7. » cf. sp/inilosiis Sow. 8. >> pus/ iiltK^iis ?hi\\. 9. >' piincfatiis Mart. 10. >• acnleaUis Mart. 11. >' mougoliciis Diener. 12. Strophalosia cf. teiinispiiia Waag. 13. >^ sp. ind..aff. c'ostata Waag. 14. Chouctes laevis Dav. 15. » Hardrensis var. Kashnicrieiisis Lydekker. 16. >■ Allsten! an a Dav. 17. » Banisieiisis Dav. 18. Lyttonia sp. lud. 1 9. Derby ia cf senilis Phill. 20. Eunietria cf grandicosta Dav. 21. Spiriferina cf. Kentnckensis Shum. 22. Spirifer Mnsaldieylensis Dav. (^=: fasciger Key sev\). 23. » sp. ind. äff. Mnsaklieylensi. 24. >• RaJ ah S alter. 25. » cf. triangulär is Mar t 26. » Lydekkeri nov. sj). 27. » Kashmeriensis Dav. 28. Vihiaiiiis Dav. ' -Mir standen für meine Bearbeitung der Fauna dieser Schichtgruppe die gesammten Aufsammlungen von Major Collet und Lj-dekker, ferner ein grosser Theil der .'\ufsammlungen von (.1 od win- Aust en und\'ercherc zur Verfügung. 462 C Diener, 29. Martiniopsis sp. ind. ex äff. snbradiata Sow. 30. Athyris snhtilita H a 1 1 . • 31. » BiiddJiista Verch. 32. » cf. expansaVWxW. 33. Rliynchonelhi triplex M'Coy. 34. » Barusiensis Dav. 35. » Kashmei'iensis Dav. (?) 36. Camarophoria cf. Purdoni Dav.^ 37. Dielasuia hastatnrn Sow. 38. Discina Kashineriensis Dav. Bryozoa. 39. Feilest dla sp. ind. aff'.fossnla Lonsd. 40. » sp. äff. internaia Lonsd. 41. Protoretepora arnpla Lon.sd. 42. Acanthocladia sp. ind. Das obercarbonische Gepräge tritt in dieser Fauna mit voller Deutlichkeit hervor. Etwas weniger als die Hälfte der specifisch bestimmbaren Formen ist mit solchen aus euro- päischen Carbonablagerungen identisch. Namentlich die Ver- gesellschaftung der Prodnctus-Avten ist eine solche, wie man sie im Carbon von England, Belgien oder Russland zu treffen gewohnt ist. Beziehungen zu den Productus-Kalken der Salt Range treten weniger hervor, als man in Anbetracht der geringen Entfernung erwarten wiirde. Von den beiden Strophalosien und Mon Discina Kashmeriensis, die vielleicht mit Discinisca Warthi Waag. identisch ist, abgesehen, enthält die Fauna der Barus beds nur solche Arten des Productus-Kalkes, die auch ausser- halb der Salt Range, aus dem europäischen Obercarbon bekannt sind. Daneben finden sich auch Anklänge an die Faunen des australischen Carbon, auf die schon Waagen (1. c. p. 166) hin- gewiesen hat, jedoch nur in bescheidenem Maasse. Auf solche 1 Von Waagen (Salt Range Fossils, Pal. Ind. ser. XIII, Vol. IV, p. 165) irrthümlich mit Spingerella Derbyi Waag. identificiit. - Von dieser Art ist es zweifelhaft, ob sie thatsächlich aus den Barus beds oder vielleicht schon aus höheren Schichten der anthracolithischen Serie stammt. Äquivalente der Carbon- und Permlbrmation im Himalaj'a. 468 Anklänge deutet insbesondere die Bryozoenfauna der ßarus beds mit Prolorctepora ampla, ferner das Vorkommen einer grossen Martiiiiopsis aus der Gruppe der M. stibradiata und des Spirifer Lj'dekkeri, einer Form aus der Verwandtschaft des Sp. Clarkei de Kon. hin. Das obercarbonische Alter der Barus beds wird durch das Auftreten einer Reihe von Typen ausser Zweifel gestellt, die den älteren Carbonfaunen fremd sind. Zu solchen gehören bei- spielsweise: Productus inongoliais (= cf. Cora Kays er), die beiden Strophalosia- Arten, die Gattung Lyttonia, Spiriferina cf. Keutuckensis, die Gruppen des Spirifer fasciger und S/V. Rajah u. a. Doch ist eine schärfere Parallelisirung mit einem der Horizonte des russischen Obercarbon vorläufig noch nicht statthaft. Von asiatischen Carbonablagerungen scheinen jene von Loping in Süd -China den Barus beds faunistisch am nächsten zu stehen. h) Gelbgraue, quarzitische Sandsteine, lithologisch dem Spiriferen-Sandstein des rheinischen Devon nahestehend, von Lydekker an einer nicht näher bezeichneten Localität im Ladakh -Thal gesammelt. Sie enthalten zahlreiche, aber meist unbestimmbare Abdrücke von Spiriferen und Rhynchonellen oder Camarophorien. Spirifer Lydekkeri ist in mehreren sicher bestimmbaren Exemplaren vertreten. Neben denselben fand sich Connlaria tcnuistriata M'Coy, die sowohl aus dem austra- ■ lischen Carbon, wie aus dem Boulder bed der östlichen Salt Range bekannt ist. Das Material, aus dem die Geschiebe des Boulder bed mit den Conularien bestehen, ist jedoch petro- graphisch von dem Quarzsandstein des Ladakh -Thaies \'er- schieden. Mit Rücksicht auf das Vorkommen \'on Spirifer Lydelilieri und Connlaria tennistriata dürften die Ouarzsandsteine des Ladakh -Thaies ebenfalls ins Obercarbon zu stellen sein. Ihre stratigraphischen Beziehungen zu den Barus beds sind eine offene Frage. c) Graue, glimmerigeSchiefermitKalklinsen,vonLydekker auf der VVestspitze eines Rückens nordöstlich von Prongam Träl in Kaschmir gesammelt. Die den Kuling Shales von Spiti sehr ähnlichen Gesteine haben die folgenden Arten geliefert: 464 C.Diener. 1. Prochicfiis Abiclii Waagen.* 2. Margin ifera liinialaycusis Dien.- 3. Chonctes graiidicosta \W s.^g. 4. Strophomena analoga Phill. Von der letzteren, indifferenten, aus dem Untercarbon (vielleicht Devon) bis ins Perm aufsteigenden Art abgesehen, weist diese Faunula entschieden auf ein höheres Niveau als Obercarbon hin. Marginifera kimalayensis, die in der Fauna von Prongam Träl weitaus vorherrscht, ist das eigentliche Leit- fossil der Kuling Shales von Spiti. Chouetes grandicosta ist in der Salt Range auf die Jabi beds des Oberen Productus Kalkes beschränkt. Produchis Abiclii geht nirgends in ältere Schichten als das Permocarbon herab. Rechnet man die lithologische Übereinstimmung der Schiefer von Prongam Träl mit den Kuling Shales von Spiti hinzu, so dürften gegen eine Gleich- stellung dieser beiden Schichtbildungen kauni begründete Ein- wände erhoben werden können. Versucht man die Ergebnisse dieser Untersuchungen kurz zusammenzufassen, so zeigt sich, dass sowohl Obercarbon, als Perm in der Hauptregion des Himäla^'a faunistisch vertreten erscheinen. Das Obercarbon ist in fossilführender Ausbildung durch die Barus- oder Zewän beds \'on Kaschmir repräsentirt. Aus den mächtigen Carbonablagerungen im Central-Himalaj'a kennt man vorläufig noch keine bezeichnenden Fossilreste. Eine viel grössere Verbreitung als die Barus beds besitzen die fossilführenden Äquivalente der Permformation in der Facies der Kuling- oder Productus Shales. Sie sind gegenwärtig bereits in Johär, Painkhända, Spiti und Kaschmir nachgewiesen. Ihre stratigraphischen Beziehungen zu den Barus beds festzustellen, wäre eine lohnende Aufgabe. 1 Von L y d c k k e r (1. c. PI. II, fig. 3; als Prodiiciiis Htniihohili bescliriebea. '-' Von Lydekker (1. c. PI. II, Hg. 2) unter dem Namen Produclns sciiii- reliciilatus abgebildet. Äquivalente der Carbon- und Permformation im Himalaya. 4(3o Ein räumlich sehr beschränktes, aber durch die Art des Auftretens und durch die nahen Beziehungen zur Fauna des Mittleren Productus-Kalkes der Salt Range bemerkenswerthes Vorkommen ist jenes der tibetanischen Klippenkalke des Chiti- chun Nr. I. Dieselben sind wahrscheinlich permocarbonischen" vielleicht schon unterpermischen Alters und repräsentiren einen in der Hauptregion des Himalaya faunistisch bisher nicht nach- .^ewiesenen Horizont. 467 MiUheilungen der Erdbeben-Commission der kaiserliehen Akademie der Wissenschaften in Wien. IV. Bericht über die im Triester Gebiete beobachteten Erdbeben vom 15. Juli, 3. August und 21. September 1897 von Eduard Mazelle, Uijiiiiit der Ei-dbchcn-CoininissioiL der kais^crlichcn Akademie der Wisse n.'^cliaften. (Vorgelegt in der Sitzung am 21. October 1897.) Die Monate Juli, August und September 1897 stellten die neue Organisation des Erdbebendienstes der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften für das Triester- Gebiet nicht einmal allein, sondern gleich dreimal auf die Probe, und es kann gleich Eingangs erwähnt werden, dass, wenn dieselbe sich auch vollkom.men bewährt hat, doch immer noch der Wunsch nach der Aufstellung einiger Seismometer, zur besseren Controle- und zur genaueren Bestimmung einiger Elemente, namentlich der Richtung, übrig bleibt, da die bisher erhaltenen Richtungs- angaben sehr widersprechende Resultate ergeben. In der Zeitangabe^ ist die Unsicherheit nicht so gross, offen- bar in erster Linie dank des vom k. k. astronomisch -meteoro- logischen Observatorium täglich abgegebenen Mittagszeichen, welches aus einem optischen Signale (auf elektrischem Wege fallen gelassener Zeitball) und einem Kanonenschusse besteht, wodurch jeder Bewohner der Stadt in die Lage versetzt wird, seine Uhren danach richten zu können und beim regen Verkehre zwischen der Umgebung und der Stadt sich diese genaue Zeit auch auf die umliegenden Ortschaften überträgt. Gehen wir nun zur Besprechung der einzelnen Beben über. ' Säriimtliche Zeitansiaben in M. E. Z. 468 Mittheiluiigen der Erdbcben-Commission. I. Erdbeben vom 15. Juli. Es mögen zuerst die beim Referenten eingelangten und für das Triester-Gebiet Geltung habenden Berichte auszugsweise mitgetheilt werden. 1. Herr Dr. Ivanic, Director des bischöflichen Diöcesan- Convictes beobachtete um 6''57'"a. im Freien, in der Nähe des Domes und des Hafencastelles, nur eine einzige Erschütterung, mit wellenförmiger Bewegung, in der Dauer von 2 Secunden. Diese Erschütterung wurde von mehreren Personen desConvictes beobachtet und war mit einem Knistern des Gebäudes ver- bunden. 2. Heri- Franceschetti, Beamter des österr. Lloyci, wohnhaft in der Nähe des Lk\vd-Arsenals, beobachtete um 6''55'"a. eine einzige Erschütterung mit wellenförmiger Be- wegung, in der Dauer von 4 — 5 Secunden. Geräusch wurde keines wahrgenommen, mit Ausnahme des Klirrens des Kaffee- geschirres. 3. Herr Inspector Mahorcic, Stationschef der .Südbahn, beobachtete im Bette liegend um 6'' 56'" a. zwei Erschütterungen mit kurzem Intervalle und hebt besonders hervor, dass deutlich zwei getrennte Stösse, ohne Schaukeln, unterschieden werden konnten, mit der Dauer von 3 Secunden. Die Richtung wurde von Westen nach Osten, durch unmittelbare Empfindung, fest- gestellt. Geräusch \vurde keines wahrgenommen. Der Beobachter erwähnt, dass nach erhaltenen Telegrammen mehr oder weniger fühlbare Bewegungen sich bis Laibach erstreckten. 4. Herr Biringer, k. k. Postcontrolor, in der Stadt wohnend, beobachtete ebenfalls im Bette liegend um 6''56™a. nur eine Erschütterung in der Form eines langsamen gleichartigen Schaukeins. Die Bewegung war von ganz kurzer Dauer, in der Richtung von West nach Ost, ohne mit einem Geräusch ver- bunden zu sein. 5. Herr Seeoberinspector Kloss, k. k. Hafencapitän, beob- achtete in seiner Dienstwohnung im Gebäude der Seebehörde, auch im Bette liegend, um 6''55"'a. nur eine Erschütterung. Der Beobachter erwachte durch das Erdbeben; dieses wurde aber in seiner Wohnung von jenen Personen, welche das Bett bereits E. Muzelle, Erdbeben im Triester Gehiete. 469 verlassen hatten, nicht wahrgenommen. Der Stoss schien aus östlicher Richtung zu kommen, in der lJ)auer von höchstens 2 Secunden. Das Gebäude hat keinerlei Schaden gelitten. 6. Herr higenieur Faidiga, Assistent des k. k. Observa- toriums, berichtet, dass er das Erdbeben um 6''57'"a., im Bette liegend, wahrnahm, und zwar nur eine Erschütterung mit wellenförmiger und gleichmässiger Bewegung, in der Dauer von 2 Secunden. Der Stoss schien die Richtung Süd — Süd— West zu Nord — Nord^Ost zu haben. Getöse wurde keines wahr- genommen, nur ein Krachen des Gebäudes und ein Schütteln der geschlossenen Thüre. In Bezug auf die Wirkung der Erschütterung wurde nur auf ganz unbedeutende Sprünge an den Hohlkehlen hingewiesen. Bemerkenswerth sind die Sprünge an den Hohlkehlen der neugemalten Zimmer in der Laboranten- Wohnung des naturhistorischen Museums, welches Museum im selben Gebäude mit dem Observatorium liegt, Piazza Lipsia 1. Diese Sprünge liefen alle in der Richtung SW-NE, die Hohl- kehlen in der Richtung NW — SE blieben ohne Sprünge. 7. HerrBlaschutty, Vorstand des k. k. Bahnbetriebsamtes, Triest-St. Andrea, meldet, dass die Eintrittszeit dieses Bebens von ihm persönlich nicht festgestellt wurde, nach der Angabe des ihm unterstellten Personales soll es um 6'' 58'" a. statt- gefunden haben. Im Bahnhofe wurde dieses Beben jedoch nur von einzelnen Personen verspürt. Es wurde nur eine Erschütte- rung beobachtet, in der Dauer von 1-5 — 2 Secunden. Die Be- wegung war eine wellenförmige, und zwar ein langsames Schaukeln ohne Seitenruck. Die Bewegung war im Anfange stärkerund nahm in circa 2— 3 gleichmässigen ununterbrochenen Schwingungen langsam ab. Durch unmittelbares Empfinden wurde die Richtung von NE — SW bestimmt. Geräusch wurde keines vernommen. 8. P. Luigi de B elforte, Mitglied des Kapuziner-Klosters, welches auf einer Anhöhe am südlichen Rande der Stadt liegt, theilt mit, dass die Bewegung nur von einer Person beobachtet wurde, welche dieselbe als eine succussorische, in der Dauer von circa 2 Secunden, annahm. 9. Herr Drasch von der Mineralöl-Raffinerie theilt mit, dass er gehend eine succussorische Bewegung um 6''55'"a. spürte 470 Mittheilungen der Erdbeben-Commission. und zwar in der Dauer von circa 1 — 2 Secunden in der Richtung gegen NE. 10. HerrSchad, Societa metallurgica, meldet nur über ein Rütteln und Klirren des KatTeetisches. 1 1. Herr von Ritter, Besitzer der Eisfabrik in Barcola, theilt mit, dass er etwa 5 Minuten vor 7'' Erüh durch das Erdbeben aus leichtem Schlummer aufgeweckt wurde. Das Beben war so stark, dass genannter Herr rasch in eine Eensternische sprang. Ein Getöse wurde nicht wahrgenommen und die Dauer der Bewegung auf 5 Secunden geschätzt. Der Beobachter schreibt es ganz schwachen Erschütterungen zu, dass er als nervöser und sehr sensibler Mensch die Nacht vom 14. auf den 15. sehr unruhig verbrachte. Auch seine Hunde zeigten abnormales Benehmen. 12. Herr Mosettig, Schulleiter in Barcola, beobachtete das Erdbeben wach im Bette liegend, um 6''57'"a. Im Schulhause wurde dasselbe nur vom Beobachter verspürt, in der Ortschaft von wenigen Bewohnern. Es wurde nur eine Erschütterung wahrgenommen, und zwar eine leichte wellenförmige in der Dauer von 3 — 4 Secunden und schien die Bewegung von S — N gerichtet zu sein. Dieselbe war gleichzeitig mit einem unter- irdischen Getöse, einem entfernten Donner ähnlich, verbunden. In einem Hause in der Nähe des Schulgebäudes fiel etwas frischer Mörtel herab. 13. Herr Maar, k. u. k. Schlossinspector in Miramar, theilt mit, dass das Erdbeben nur \'on einzelnen Personen um6''57"'a. verspürt wurde, und zwar sowohl im 2. Stocke, als zu ebener Erde des Schlosses, theils beim Sitzen, theils beim Stehen. Die Bewegung bestand nur aus einer Erschütterungj in der Form eines gleichartigen Zitterns von 2 — 3 Secunden Dauer; die Richtung, durch unmittelbare Empfindung festgestellt, von E— W. Die Erschütterung brachte ein geringes Geräusch durch Klirren und Rasseln der Einrichtungs- Gegenstände hervor, jedoch keinerlei Wirkungen auf bewegliche Gegenstände und ebenso nicht den geringsten Schaden an den Gebäuden. 14. Herr Sovich, Schulleiter in Servola berichtet, dass das Erdbeben sowohl im Freien als in Gebäuden beobachtet, jedoch weder von ihm, noch \'on einem Mitgliede seiner Familie im F. Mazclle, Erdbeben im Tricster Cebictc. 471 ebenerdigen Tracte des Schulhuuses wahrgenommen wurde Nach den im Orte eingezogenen Erkundigungen wurde nur eine Erschütterung in der Dauer einiger Secunden bei gleich- massiger Undulation beobachtet, und nach der unmittelbaren Empfindung die Richtung ENE festgestellt. Einige Bewohner behaupteten, dass dem Beben ein kurzes unterirdisches Brausen voranging. 15. Don A. L. Tempesta, Vicar des katholischen Fried- hofes St. Anna, spürte vom Erdbeben gar nichts, trotzdem er um die fragliche Zeit in der Kapelle seine Andacht verrichtete. Nach den Beobachtungen, welche im Friedhofe, sowohl im Gebäude als im Freien gemacht werden konnten, wurde die Zeit mit 6''57"'a. festgestellt. Allgemein wurde jedoch das Beben in der nicht unweit davon, in St. Sabba befindlichen städtischen Schlachtbank gespürt. Nach den Mittheilungen wurde eine einzige Erschütterung angenommen, doch behaupten einige, drei rasch hintereinanderfolgende Bewegungen verspürt zu haben. Die Bewegung war undulatorisch in der Dauer von 3 Secunden. Ein Geräusch wurde nicht wahrgenommen. Die bei ihrer Arbeit beschäftigten Todtengräber glaubten förmlich hin und her zu schwanken und schrieben diese Empfindung einer Bewegung der soeben eingegrabenen Särge zu. Wirkungen an den Grabdenkmälern WLU'den keine bemerkt. 16. Herr Martelanz, Schulleiter in Cattinara, beobachtete vor 7'' Früh in seinem Schlafzimmer eine einzige Erschütterung, in der Art eines leisen Erzitterns. mit der Dauer von circa 3 Secunden. Bett und Xachtkasten zitterten. Die Bewegung schien von Norden zu kommen. Vor der Erschütterung wurde ein donnerähnliches Brausen wahrgenommen. 17. Herr Pertot, Schulleiter in Basovizza, meldet, dass er um 7"a., gerade beim Aufstehen, das Beben wahrnahm, und zwar in der Form einer einzigen Erschütterung mit leichter undulatorischer Bew^egung, in der Dauer \'on 4 — 5 Secunden. Es-schien aus der Richtung N oder NW zu kommen und brachte ein Zittern des Wohnhauses mit sich. 18. Herr Pozar, Schulleiter in Trebich, um 6''57"'a. beim Waschtisch stehend, beobachtete eine einzige Erschütterung mit zitternder Bewegung. Dieser Stoss wurde , von der ganzen 4/_ Mittheiluiigcn der Erdbeben-Commission. Familie wahrgenommen und auch von anderen Ortsbewohnern und auf 2 Secunden geschätzt. Kein besonderes Geräusch wurde gehört, als das dem Beben eine Secunde später folgende Knirschen der Möbel, Fenster und Thüren. Der Beobachter glaubt, dass das Beben aus Süden kam. 19. Herr Valentic, Schulleiter in Opcina, beobachtete um 7'' 58'", soll wohl heissen 6''58'"a., im Bette liegend zwei Er- schütterungen, jede in der Dauer einer Secunde. Die Bewegung stellte sich als ein leichtes vSchaukeln dar, in Verbindung mit einem leichten Seitenruck. Ein besonderes Getöse wurde nicht wahrgenommen, nur während des zweiten Stosses ein circa 2 .Secunden dauerndes Geräusch bei der geschlossenen Thür. 20. Hochw. G. M. Martelanz, Pfarrer in Prosecco, meldet brieflich, dass dieses Beben in Prosecco von niemandem beob- achtet wurde. Aus dieser längeren Zuschrift soll noch angeführt werden, dass genannter Beobachter während seiner 20Jährigen Amtsvvirksamkeit in Prosecco nur zweimal P!^rdbeben wahrnahm, das eine Mal zur Zeit des grossen Laibacher Bebens im Jahre 1895, das andere Mal zu einer ihm nicht mehr erinnerlichen Zeit, bei welcher Gelegenheit eine Gisterne ihr Wasser zu ver- lieren begann. Auch mit dem Osterbeben des Jahres 1895 begannen zwei Cisternen des Ortes ihr Wasser zu verlieren. Nach den bei den ältesten Ortsbewohnern eingezogenen Er- kundigungen resultirte, dass in den früheren Jahren nie ein Erdbeben verspürt wurde, weshalb selbst zu Ostern 1895 die Mehrzahl der Bewohner, welche dieses Beben wahrnahmen, an einen heftigen Borastoss dachten. 21. Herr Widmann, Professor an der k. k. Oberrealschule in Triest, theilt aus seiner Villa in Semedella bei Capodistria gelegen, mit, dass er zwei Minuten vor 7"a. ein wellenförmiges Erdbeben mit Brausen und der Dauer von circa 2 Secunden und nur geringer Erschütterung verspürte. Trotzdem diese Mit- theilung eigentlich in das Gebiet für Istrien gehört und auch dem betreffenden Referenten abgetreten wurde, so erscheint sie doch hier angeführt, da dies eine der wenigen Beobachtungen ist, welche über ein wahrgenommenes Brausen während des Bebens berichtet. E. MaxcUe, Erdbeben im Triester Gebiete. 473 Von der Meinung ausgehend, dass auch negative Antworten von Wichtigkeit sind, namentlich um einen Schluss auf die Intensität der Erdbewegung ziehen zu l^önnen, sollen die wich- tigsten hier auszugsweise wiedergegeben werden. Herr Raspottnigg, Vorstand der Telegraphen -Centrale, theilt mit, dass er bereits um 6V4'' Früh im Apparatensaale sich befand, doch weder er noch die übrigen anwesenden 10 Beamten und 8 Telegraphistinnen bemerkten etwas vom Erdbeben. Auch der Vorstand der k. k. Telephon-Centrale, HerrHocevar konnte keine Erschütterung wahrnehmen. Ebenso meldet Herr Oberstabsarzt Dr. S. Galambos, Commandant des k. u. k. Garnisonsspitales, dass weder er noch die anderen Alitinwohner eine Erderschütterung verspürten. Die Linoleum-Fabrik ausser dem Weichbilde der Stadt gegen Servola hin gelegen zeigt an, dass auf dem ganzen Fabriksterrain keine Erschütterung wahr- genommen wurde, ebenso die Fabrik vegetabilischer Öle bei Triest, die Direction der Maschinen Fabrik des Stabilimento tecnico triestino in S. Andrea. Der Gendarmerie-Posten-Com- mandant in Opcina meldet ebenfalls kein Erdbeben gespürt zu haben, ebenso der Stationschef der Südbahnstation von Gri- gnano, trotzdem dieser Herr zur fraglichen Zeit sich im Bureau befand. Angestellte Nachforschungen haben auch kein Resultat ergeben. Auch der Pfarrer von S. Croce theilt mit, dass in der ganzen Ortschaft keiner das Erdbeben verspürte. Gehen wir nun zu einer kurzen Schlussfassung der ein- gelaufenen Mittheilungen über, so lässt sich in erster Linie daraufhinweisen, dass als verlässliche Zeit für das stattgehabte Erdbeben 6''57™a. angenommen werden muss. Die mitgetheilten Zeiten schwanken um diese wahrscheinlich richtige Zeit von 6'\55™ bis 6''58"\ wenn jene Angaben nicht berücksichtigt werden, wo die Zeit nicht in Minuten angegeben erscheint. Vt'ürden wir einfach das Mittel sämmtlicher Angaben bilden, so würde 6''56-5'" resultiren; wenn hingegen den verlässlicheren Angaben, wo der Beobachter anführt, dass die Uhren nach dem Mittagszeichen verglichen wurden, ein doppeltes Gewicht gegeben wird, so resultirt 6'' 56' 7"\ Die grösste Anzahl der Zeit- angaben stimmt jedoch mit 6''57"\ Die nächst grösste Anzahl fällt auf 6''5ö'", was leicht erklärlich ist, wenn man bedenkt, dass Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl.; GVL Bd., Abth. 1. 33 474 Mittheilungen der Erdbeben-Commission. viele Personen es gewöhnlich vorziehen, die Zeit in einer ab- gerundeten Minuten-Zahl anzugeben, namentlich in Fällen, wo ein Zeitmoment nicht genau fixirt werden konnte. Eine räumliche Vertheilung der Eintrittszeiten lässt sich hier, namentlich auch in Berücksichtigung der kleinen Aus- dehnung des Referat-Bezirkes, nicht besprechen. \n der nachfolgenden Tabelle werden die erhaltenen Zeit- angaben, in Verbindung mit einigen anderen wichtigen Ele- menten in tabellarischer Form zusammengestellt. Zeit Anzahl der Erschütterungen Dauer in Secunden Richtung 61' 57'" a. 6h 55'" 6l> 56'" 611 56,1, 6i> 55'" 61' 57'" 6'' 58'" 61' 55'" 6^55"' ßh 57, u 61' 57'" vor i " a. (71') 61' 57'" 61' 58'" 6h 58'" 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 l (3) 1 1 1 2 4—5 3 (ganz kurz) 1-5 — 2 3—4 2—3 einige Secunden 3 3 4—5 W— E W— E E SSW— NNE NE— SW NE S— N E— W ENE K oder NW S Von den eingelaufenen Berichten sprechen sich fast alle nur für eine Erschütterung aus, nur zwei Beobachter melden von 2 deutlich unterschiedenen Stössen und einer von 3 rasch hintereinanderfolgenden Erschütterungen. Sämmtlichen Beob- achtern, mit Ausnahme von dreien schien die Bewegung eine E. Mazelle, Erdbeben im Triester Gebiete. 4/0 undulatorische zu sein, zweien erschien sie als eine succusso- rische Bewegung und der dritte spricht von einem Stosse ohne schaukehide Bewegung. Eine hübsche Übereinstimmung zeigt die beobachtete Dauer der Erschütterung. Von den 1 7 übermittelten genaueren Angaben der Dauer sprechen sich 8 für 2 Secunden aus, einer für 1 — 2 Secunden und ein anderer für 2 — 3 Secunden. Eine Dauer von 3 Secunden melden 3 Beobachter, von 3—4 und 4 — 5 Secunden auch 3 Beobachter und nur einer meldet eine solche von 5 Secunden. Äusserst verschiedene Angaben sind jedoch in Bezug auf die Richtung wahrzunehmen. Zeichnen wir in einer Windrose die zwölf mitgetheilten Richtungsangaben und setzen wir Angaben wie W — E oder E — W als derselben Richtung angehörend vor- aus, so fallen 4 in die Richtung VV — E 1 . » » V\^SW— ENE 2 X. . 1 >, » 3 . » 1 » » Dem Mittel nach müsste eine Richtung von beiläufig SW — NE angenommen werden. In dieser Frage könnte höchstens noch hervorgehoben werden, dass die drei Beobachter im äussersten östlichen Theile des Triester Gebietes, Cattinara, Basovizza und Trebich, eine Richtung S — N angeben, während die auf der Meerseite gele- genen Beobachter mit Ausnahme von Barcola, eine mehr sich gegen W — E hinneigende Richtung anführen. Ein mit der Erschütterung verbundenes Geräusch wurde nur von wenigen Beobachtern gemeldet, die Mehrzahl konnte nichts wahrnehmen und meldete nur entweder ein Klirren des Geschirres oder ein Knirschen des Gebäudes. Das von vier Beob- achtern angeführte kurze Brausen, welches nach der Mittheilung zweier Beobachter mit einem entfernten Donnern verglichen werden konnte, schien dem Beben voranzugehen. Ein nennenswerther Schaden oder besonders wichtige Nebenerscheinungen wurden nicht beobachtet. 33* SW- -NE SSVV- -NNE s- -N SSE- -NNW 4/ b Mittheilungen der Erdbeben-Comniission. Wollen wir die Ergebnisse mit einigen Worten zusammen- fassen, so lässt sich hervorheben, dass das Erdbeben vom 15. Juli 1897 im Triester Gebiete um 6'' 57'" Früh beobachtet werden konnte, dass dasselbe aus einer wellenförmigen Erschütterung in der Richtung SVV — NE und in der Dauer von 2 — 3 Secunden bestand. II. Erdbeben vom 3. August. Gehen wir nun zur Besprechung des zweiten Erdbebens über. Die eingelaufenen Berichte sind nachfolgende: 1. Herr Biringer, k.k. Postcontrolor, meldet, dass zwischen 274 und 3''p. von einzelnen Personen eine leichte Erschütterung verspürt wurde, er selbst konnte keine Wahrnehmung machen. 2. Herr Dougan, k. k. Postcontrolor, meldet ebenfalls, dass er das Beben nicht spürte, dass aber nach eingeholten Erkundi- gungen einige Personen dasselbe als eine einzige, sehr schwache Erschütterung in der ungefähren Dauer von 3 Secunden schilderten. 3. Herr Hafen-Vicecapitän N i c o 1 i c h beobachtete im Hafen- capitanate um 2"50'"p. eine einzige Erschütterung von äusserst kurzer Dauer, welche er nicht länger als 1 Secunde schätzte. Die Bewegung nennt der Beobachter eine succussorische, da er nur eine Erhebung des Bodens fühlte. Das Beben brachte nur das Erzittern eines Kastens mit sich. 4. Herr Dr. F. Anton, p. Leiter des k. k. astronomisch- meteorologischen Observatoriums in Triest, beobachtete in seiner Wohnung um 2''49'"p. eine einzelne Erschütterung. Die Bewegung in der Art eines Zitterns dauerte circa 2 Secunden. Nur ein schwaches Knistern der Wandtapete wurde mitbeob- achtet. 5. Herr Ingenieur A. Faidiga, Assistent desselben Obser- vatoriums, beobachtete in seiner Wohnung um 2''49'"p. nur eine Erschütterung. Dieselbe wird als ein Schlag von unten ge- schildert, mit einem langsamen Schaukeln von .SW — NE ver- bunden. Die Dauer wird mit 2 Secunden angegeben. Mit der Erschütterung war ein Krachen des Gebäudes und Schütteln der geschlossenen Thür mitverbunden. Der Beobachter meldet nur noch über ganz unbedeutende Sprünge an den Hohlkehlen. E. Mazelle, Erdbeben Im Tricster r.ebiete. 47/ Die im Beben vom 15. Juli angeführten Sprünge an den Hohl- kehlen der Laborantenwohnung des naturhistorischen Museums in der Richtung SW — NE wurden erweitert. 6. Hochw. Pater Alexander, Präsident des Kapuziner- Klosters (das Kloster liegt auf einei" Anhöhe circa 30 in über dem Meere) berichtet über eine um 2'' 45"' beobachtete Erschütterung in der Dauer von !2 Secunden, welche jedoch nicht von allen Inwohnern bemerkt wurde. Die Richtung wird mit W — E an- gegeben. Kleine nebeneinanderstehende zu Beleuchtungs- zwecken dienende Gläser klirrten. 7. Herr Stabsarzt Dr. Galambos, Commandant des k. u. k. Garnisons-Spitales, berichtet, dass um 2''47"'p. von einzelnen Personen das Beben wahrgenommen wurde. Der Beobachter schildert dasselbe als ein deutliches Schwingen des Fussbodens, das rasch an Intensität nachliess, dann noch einmal stärker wurde um rasch wieder abzuschwächen. Beide Erschütterun- gen dauerten etwa 20 Secunden. Die Frage, von welcher Seite der Stoss zu kommen schien, wird mit »von unten, durch unmittel- bare Empfindung festgestellt« beantwortet. Bei Beginn der Erschütterung wurde ein Krachen der westlichen Wand beob- achtet, während des Schwingens des Fussbodens ein schwaches Rollen. Das Geräusch von etwa 2 Secunden Dauer gieng der zweiten Erschütterung voran. 8. Der Director der städtischen Gasanstalt Herr Ing.- Sospisio meldet, dass um 2''50'"p. eine einzige Erschütterung mit leichter wellenförmiger Bewegung bemerkt wurde. 9. Herr Mosettig, Schulleiter in Barcola, beobachtete um 2''50'"p. eine einzige Erschütterung, spricht aber auch von einem Stosse in der Richtung \'on unten nach oben. Dauer der Bewegung 3-4 Secunden. Das Beben wurde im Orte allgemein bemerkt, richtete jedoch keinen Schaden an und war mit keinem Geräusch verbunden. 10. Gendarmerie-Posten-Commandant Herr Kranjec in Barcola meldet, dass er um 2'' 46'" 40* p. zwei ganz kurze Er- schütterungen von 2 Secunden Dauei' wahrnahm. Beide Bewe- gungen waren stossartig und schienen von unten zu kommen. Aus der schwachen Bewegung von hängenden Gegenständen wurde die Richtung N — S bestimmt. Beide Erschütterungen 478 Mittheilungen der Erdbeben-Commission. waren gleichzeitig von einem kaum wahrnehmbaren Dröhnen begleitet. 1 1. Don A. L. Tempesta, Vicar des Friedhofes in S. Anna, theilt mit, dass er das Beben nicht verspürte, dass aber nach Erkundigungen im Friedhofe zwei Erschütterungen angenommen werden können, beiläufig um 2'' 45'" p. in der Dauer einer Secunde. Der Inspector des Friedhofes, welcher zur fraglichen Zeitsich im Zimmer aufhielt, theilte ihm mit, dass es ihm vorkam, als ob er mitschwanken würde, und dass er das Klirren einiger Vasen, welche auf dem Kasten standen, entnehmen konnte. 12. Auf eine Anfrage, an das Hofgestüt in Lippizza gerichtet, wurde aus Prestranek (Krain, Bezirk Adelsberg) von Herrn Hanusch mitgetheilt, dass dortselbst um ungefähr 2''45'"p. zwei kurz aufeinanderfolgende Erderschütterungen gespü)t wurden. Die Bewegung glich einem Schlage von unten, dem ein Zittern folgte. Beide Stösse waren gleich stark und von gleicher Dauer, ungefähr 2 Secunden. Die Bewegungsrichtung schien von W — E zu sein und gieng derselben ein donnerähn- liches unterirdisches Rollen voraus. 13. HerrSovich, Schulleiter in Servola, befand sich zur fraglichen Zeit im Schulgebäude; weder er noch zwei Maurer, ^velche mit dem Mörtelbewurf einer Zimmerdecke beschäftigt waren, verspürten etwas vom Erdbeben. Bei den ehemaligen Salinen unter Servola wurde jedoch eine ziemliche Erschütterung beobachtet, welche in der dortigen Asphalt-Fabrik einige Mauer- sprünge zur Folge gehabt haben soll. Nähere Informationen darüber blieben erfolglos. 14. Von der Fabrik vegetabilischer Öle bei Triest wird mit- getheilt, dass dieses Erdbeben von vielen der Bediensteten verspürt wurde, die Bewegungen jedoch so schwach waren, dass nähere Angaben nicht möglich sind. In ähnlicher Weise äusserte sich auchder Schlossverwalter von Miramar,HerrMaar. Meldungen, dass das Beben nicht verspürt wurde, liefen ein: von den Herren Raspottnigg, Leiter der Telegraphen-Centrale, Hocevar, Leiter der Telephon -Centrale, Dr. Ivanic, Director des Diöcesan-Convictes, Kratky, Leiter des Bahnhof-Postamtes, Inspector Mahorcic, Stationschef der Südbahn, Blaschutty, Bahnamtsvorstand in Triest -S. Andrea, Ingenieur Ed. Mol Her, E. Mazclle, Erdbeben im Triester Gebiete. 47\ Director des Stabilimento tecnico triestino S. Andrea, von der Österr. Linoleum -Fabrik, vom Bahn -Stationsleiter in Grignano, vom Pfarrer und vom Schulleiter in S. Croce, von den Gendarmerie- Posten-Commanden zu Prosecco, Opcina und Basovizza, wie auch von den Schulleitern In Opcina, in Trebich und in Basovizza. Es muss hier noch erwähnt werden, dass ein Beobachter, und zwar Herr Dr. 0. Fischer, Beamter der Triester Handels- kammer, eine Mittheilung erstattet über eine am 6. August, circa um 9''30"a. wahrgenommene zitternde Erschütterung, in der Richtung W— E, und über eine zweite des gleichen Tages, circa um 6''4ö'"p., in der Richtung SW — NE; ausserdem noch über ein drittes Beben am 8. August um 5''a., welches zugleich mit einem unterirdischen Geräusch verbunden war. Leider konnte über diese kleinen Beben keine weitere verlässliche hiformation erhalten werden. Wollen wir nun zu einer Schlussfassung über die hier auszugsweise mitgetheilten Meldungen schreiten, so muss in erster Linie hervorgehoben werden, dass fast sämmtliche Beob- achter der Triester Umgebung keine Erschütterung trotz der ganz bequemen Stunde wahrnehmen konnten, daher diesem Beben jedenfalls eine geringere Intensität zugeschrieben werden darf, als dem vom 15. Juli d. J. hl nachfolgender Tabelle erscheinen einige der erhaltenen Daten übersichtlich zusammene:estellt. Zeit Anzahl der Dauer Erschütterungen in Secunden Richtung 21' 50'" p, 2h49„i 2h 49m oh 45111 2h 47m 2 h 50'» 2h 50in 2)1 47 m 2h 45m 2'' 4.j'" 3 1 — 2 SW-NE 2 W-E 20 - 3-4 2 N — S je 2 W— E 480 Mittheilungen der Erdbeben-Commission. Was nun die Zeit anbelangt, so schwankt dieselbe hier zwischen 2'' 50"' und 2^'45'"p. Würden wir das einfache Mittel aus diesen Angaben bilden, so würde 2''47-7'" resultiren, wenn hingegen den genaueren Zeitangaben ein grösseres Gewicht gegeben wii-d, 2''48'1"\ Von den 10 mitgetheilten Zeitangaben fallen je 3 auf die 45. Minute und auf die 50. Minute und je 2 auf die 47. und 49. Die Angaben mit der runden Minuten- Anzahl, wie 45 und 50, können nicht ohneweiters als genaue Zeiten angenommen werden, infolge der auch im früheren Be- richte erwähnten Tendenz die Zeitangaben abzurunden. Von den übrig bleibenden muss den zwei Angaben mit 2'' 49'" ent- schieden grössere Wichtigkeit beigelegt werden, da die beiden Beobachter (meine Collegen am Observatorium Dr. F. Anton und higenieur A. Faidiga) jedenfalls über eine genaue Zeit verfügten und ausserdem ihre Uhren mit der Normaluhr des Observatoriums auch nach dem Beben verglichen. Es muss daher als Eintrittszeit für das Erdbeben die von 2''49'"p. angenommen werden. Über die Anzahl der beobachteten Erschütterungen sprechen sich 7 Beobachter für nur eine Erschütterung, während 4 z\\-ei unterscheiden konnten. Die Dauer kann mit etwas über 2 Secunden angenommen werden. hl Bezug auf die Richtung lässt sich aus diesen Mit- theilungen schwer eine annähernd richtige Angabe ableiten. Zwei Beobachter sprechen sich für die Richtung W — E aus, je einer für SW— NE und N — S. In fünf Berichten findet sich die Mittheilung, dass die Bewegung als ein Schlag oder Stoss von unten nach oben gerichtet aufgefasst wurde. Ausser dem Knistern und Klirren konnten 3 Beobachter auch ein schwaches Dröhnen mitbeobachten. III. Beben vom 21. September 1897. Über dieses dritte Beben des Jahres 1897, welches am 21. September im Triester Gebiete beobachtet werden konnte, liefen nachfolgende Berichte ein: 1. Herr Raspottnigg, Leiter der k.k. Telegraphen-Centrale, berichtet, dass genau 2^ nachmittags im Apparatensaale ein continuirliches Schwanken in der Dauer von circa 20 Secunden E. Mazelle: Erdbeben im Triester Gebiete. 481 begann. Diese Erschütterung war anfangs schwach, so dass dieselbe vorüberfahrenden Wagen zugeschrieben werden konnte, nahm jedoch nach einigen Secunden an Stärke zu und konnte mit einem langsamen Schaukeln verglichen werden. Die Richtung war anscheinend ziemlich von N gegen S. Eine an der Wand in dieser Richtung hängende Uhr kam in schwankende Be- wegung durch circa 5 — 6 Secunden. Glaskugeln an Hänge- Gaslampen klirrten. Sonstiges Geräusch wurde keines gehört. Schaden an Gebäuden konnte nicht constatirt werden, ebenso erfolgte keine Störung des Telegraphen-Betriebes; es wird nur hervorgehoben, dass der weibliche Theil des Telegraphen- Personales in Aufregung gerieth. Beobachter meldet, dass gleich- zeitig ein Erdbeben in Laibach stattfand in der Dauer von angeblich 6 Secunden. ohne Beschädigungen an Gebäuden. 2. Herr Hocevar, Leiter der k. k. Telephon-Centrale, beob- achtete das Beben zwischen 2'' und 2^M'"p. Die Bewegung war undulatorisch, anfangs schwach, dann stärker, in der Dauer von 2 — 'S Secunden. Der Stoss kam beiläufig \'on Osten und wurde die Richtung durch unmittelbare Empfindung und Be- wegungen an dem Centralumschalter festgestellt. Geräusch wurde keines vernommen. 3. Herr Oberinspector Kloss, Hafencapitän, beobachtete eine anhaltende Erschütterung um 2''2'"p. Wirkungen auf be- weglichen Gegenständen wurden nicht wahrgenommen, ebenso' keine Beschädigung an Gebäuden. 5. Herr Anton Valle, Adjunct des städtischen naturhistori- schen Museums, beobachtete, dass um 2''2™p. eine leichte wellen- förmige Bewegung stattfand, in der Dauer von circa 3 Secunden. Aus der Bewegung der Hängelampen scheint die Erschütterung die Richtung E — W gehabt zu haben. Ausser dem Knarren der Thüren wurde kein Geräusch wahrgenommen. 5. Herr Postcontrolor Biringer,\'orstand des k. k. Post- und Telegraphen-Amtes im Triester Freihafengebiete, meldet, dass sowohl von seiner Familie als auch im Amte das Beben um 2''2'"p. bemerkt wurde. Es wurde nur eine Erschütterung beob- achtet in der Form eines langsamen gleichartigen Schaukeins von circa 3 Secunden Dauer. Dasselbe war mit einem Knistern, beziehungsweise Krachen der Mauern verbunden. Die Richtung 482 .Mittheilungen der Erclbeben-Commission. wird mit W — E angegeben und wird dabei mitgetheilt, dass im Postamte die Schalen der Briefwagen und die an der Wand aufgehängten Pläne sich bewegten. hi der Privatwohnung geriethen einzelne Gegenstände, besonders ein auf einem Tische befindlicher Standspiegel, in ziemlich starke schaukelnde Be- wegung. 6. Herr Postcontrolor Dougan beobachtete um 2''p. eine einzige und ziemlich heftige Erschlitterung, welche gleichförmig und schaukelartig war, mit ungefähr 4 Secunden Dauer. Die Richtung wird von N gegen S angenommen und wurde das Schaukeln eines freistehenden eisernen Kleiderrechens beob- achtet. Die Erschütterung war mit einem schwachen unterirdi- schen Getöse verbunden. 7. Herr Othmar Fischer, Beamter der Triester Handels- kammer, fühlte punkt 2''p. eine leichte Erschütterung von West nach Ost, bestehend aus zwei nach aufwärts gerichteten Stössen, denen eine Pause von 5— 6 Secunden folgte, hierauf eine mächtige Hebung von Norden, an die sich etwa 4 wellige langsame Schaukelbewegungen nach Süden anschlössen. Dieser folgte eine kleine etwa 2 Secunden währende Pause, worauf die Wellenbewegung abermals von Norden begann und nach Süden sich fortpflanzte. Nach einer abermaligen secundenlangen Unter- brechung wiederholte sich die Wellenbewegung in gleicher Weise und Dauer, nur etwas schwächer. Die erste Welle war überhaupt die stärkste, die Bewegung nahm bei den folgenden stetig ab. Die Richtung wurde aus der Bewegung der Hüte, Hängelampen und des Wassers bestimmt. Die ganze Erscheinung dauerte ungefähr 2 Minuten einschliesslich der Pausen. Die Schaukelbewegungen dürften je 12 Secunden gewährt haben, während die Rasten die Hälfte der Zeit dauerten. Geräusch wurde keines gemeldet, die starke Bora verhinderte jede Wahrnehmung. 8. Vom Kapuziner-Kloster wird mitgetheilt, dass um 2''p. zwei wellenförmige Bewegungen mit wenigen .Secunden Pause wahrgenommen wurden. Die Bewegung schien aus den ersten Quadranten zu kommen. Die Frage, welcher Art die haupt- sächlichsten Wirkungen der Erschütterung waren, wurde mit -Furcht und Ergebung in den göttlichen Willen« beantwortet. E. Mazelle, Erdbeben im Triester Gebiete. 48o 9. Don A. L. Tempesta, Vicar des katholischen Friedhofes, war zur Zeit des Erdbebens abwesend, sein Bericht gründet sich auf die Angaben der zur fraglichen Zeit in der Nekropolis anwesenden Personen. Als Eintrittszeit der Erschütterung wird 2'' p. angeführt. Die Bewegung war eine wellenförmige, mit ziemlicher Stärke, gleichförmiger Intensität, von unten nach oben gerichtet, in der Dauer von 5 — 6 Secunden. Die Bewegung schien von Norden zu kommen. Der Aufseher der Todtenkammer, welcher im Bette schlummerte, schreckte plötzlich auf, da sein linker Ellbogen in Folge derErschütterung an die Wand anstiess. Die Kinder des Aufsehers fingen aus Furcht zu weinen an. 10. Herr Mosettig, Schulleiter in Barcola, verspürte das Beben um 2''2'"p. Die Bewegung war eine leichte wellenförmige, dauerte beiläufig 4 Secunden, Richtung S — N. Kein Geräusch wurde wahrgenommen, ausser dem Klirren von Gläsern und Geschirr. 11. Das k. k. Bezirks-Gendarmerie-Commando in Barcola meldet, dass um l''59"M0* ein circa 6 Secunden anhaltendes, sehr leichtes, langsames und gleichartiges Schaukeln beobachtet wurde. Eine Bewegung von hängenden Gegenständen wurde kaum bemerkbar, die Richtung wird mit S — N angegeben. Ausser dem Klirren einiger Gegenstände konnte kein Geräusch vernommen werden. 12. Herr Brümen, Stationschef von Grignano, bemerkte um l''58'"p.zwei Erschütterungen in einem hitervalle von circa 20 Se- cunden, die erste mit beiläufig 5 Secunden, die zweite mit 3 Secun- den Dauer. Die Bewegung begann mit einem Zittern und gieng dann in ein mittelmässiges Schaukeln über, Richtung aus NW- IS. Hochw. Grub i SS a, Pfarrer von S. Croce, meldet eine leichte Erschütterung in der Dauer von 2 Secunden, die Be- wegung war eine wellenförmige aus W — E. Ein Krachen der Möbel wurde bemerkt. Kein Schaden in der Ortschaft. Der Schulleiter von S. Croce" konnte hingegen nichts wahr- nehmen und schreibt dies der starken Bora zu. 14. Vom Brauhause Dreher, Triest, wird mitgetheilt, dass das Erdbeben um l'^59'"p. ziemlich stark verspürt wurde, über die Richtungjedoch die Meinungen verschieden sind, die meisten stimmen für die Richtung von E — W. 484 Mittheilungen der Erdbeben-Commission. 15. Die Triester Krystalleis- Fabrik berichtet, dass eine Erschütterung um 2''p. in der Richtung von N— S wahrgenommen wurde. 16. Herr higenieur Ed. Mo liier, Director des Stabilimento tecnico, S. Andrea, theilt mit, dass die Erderschütterung fast genau 2'' p. verspürt wurde, und zwar in der Form eines kurzen, nicht sehr heftigen verticalen Stosses. 17. In der Linoleum -Fabrik wurde das Beben um 2'' p. verspürt; nähere Angaben konnten nicht mitgetheilt werden. 18. In der Fabrik vegetabilischer Öle wurden um 2'' mehrere Erschütterungen in kurzen Intervallen vernommen, ohne die Richtung feststellen zu können. 19. Die Mineralöl-Raffinerie in S. Sabba berichtet über zwei unmittelbar aufeinanderfolgende Stösse um 2'' p., Richtung circa NE, Dauer fast 6 Secunden. Im Wohngebäude schwankten die vertical angebrachten Gaslampen -Träger. 20. In der Fabrik der Triester Metalhverks-Gesellschaft wurden um 2''p. zwei nacheinanderfolgeiide Stösse aus östlicher Richtung wahrgenommen. Der zweite Stoss machte sich durch lebhafteres Rütteln der Slubenthür bemerkbar. 21. Im Tagesjournal »II Piccolo« vom 22. September findet sich eine Mittheilung des Herrn C. Panzera des Inhaltes dass um 2''2'"p. fünf leichte wellenförmige Bewegungen bemerkt wurden, welchen unmittelbar drei sehr bemerkbare Erschütte- rungen folgten, alle in der Richtung von EzN zu WzS, Dauer 6 Secunden. Nachrichten des Inhaltes, keine Bewegung verspürt zu haben liefen ein von den Herren: Stabsarzt Dr. Galambos, Commandant des Garnisonsspitales, Cimadori, Ingenieur der Wasserleitung Aurisina, vom Pfarrer Martelanz in Prosecco, \-on den Schulleitern Valentic in Opcina, Pozar in Trebich und Pertot in Basovizza. Auch der Berichterstatter, welcher zur fraglichen Zeit in seinem Amtszimmer am Observatorium gerade am Apparatentische beschäftigt sass, spürte nicht die geringste Bewegung, und wurde erst durch telegraphische Mit- theilungen seitens der Telegraphen-Centrale darauf aufmerksam gemacht. E. Maz eile, Erdbeben im Triester Gebiete. ■485 Wie in den vorangehenden 2 Berichten werden in analoger Weise in nachfolgender Tabelle einige Angaben übersichtlich zusammengestellt. „ .^ I Anzahl der Zeit ' r, , ..^. Erschütterungen Dauer in Secunden Richtung- 2'ip. oll 2'Ui>^ 2'>2'" 2110 ni 2'' 2"^ 2ii 2 ''2'" l'^58'» li'59" 20 2-3 circa 2 Minuten; jede Schaukelbewegung circa 12 Secunden. 5-6 4 N- -S E- -W W -E N -S (W- -E) N- -S 1 Q" adrant s- -N S- -N NW W -E E- -W N -S NE E EzN-WzS Von den 20 Mittheilungen sprechen sich 1 1 für die Zeit von 2''p. aus, je eine für 1''58'" und l''59"\ zwei für 2'M"" und 5 für 2''2'"p. Trotzdem die überwiegende Anzahl 2''p. angibt, so kann doch nicht diese Zeit als die wahrscheinlich richtige angenommen werden, da diese volle Stunde jedenfalls von der Mehrzahl der Beobachter nur als eine beiläufige, abgerundete Zahlenangabe betrachtet wurde. Aus jenen Mittheilungen, bei welchen neben der Zeitangabe auch die Bemerkung eines 486' E. Mazelle, Erdbeben im Triester Gebiete. vorgenommenen Vergleiches ihrer Uhr mit dem Mittagszeichen zu finden ist, lässt sich entnehmen, dass die Mehrzahl dieser genaueren Zeitangaben sich für 2^2'" p. ausspricht. Auf Grund der oben angeführten Beobachtungen kann noch hervorgehoben werden, dass die Bewegung aus einer grösseren Anzahl von Erschütterungen bestand, wellenförmiger Art war und mehrere Secunden andauerte. In Bezug auf nähere Details der Anzahl und der Dauer der Erschütterungen muss auf die sehr verschieden lautenden Einzelberichte verwiesen werden. Dieses Beben scheint mit keinem Getöse verbunden ge- wesen zu sein, ein einziger Beobachter glaubt ein schwaches unterirdisches gehört zu haben. Was nun die Richtung anbelangt, so fallen von den 17 An- gaben 7 in die Richtung von N — S und 7 auf E — W. Von den Richtungsangaben, welche sich nicht allein auf die unmittel- bare Empfindung, sondern auch auf die Beobachtung von in Schwingungen gerathenen Gegenständen stützen, lauten 4 für die Richtung E — W und 3 für die Richtung N — S. Es könnte hier noch hervorgehoben werden, dass einer der Beobachter die erste Erschütterung in der Richtung W — E wahrnahm die darauf folgenden jedoch ganz deutlich als aus Norden kommende erkennen konnte. SITZUNGSBERICHTE KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. MATHEMATISCH -NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE. CVI. BAND. X. HEFT. ABTHEILÜNG I. ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE. KRYSTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE, PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE, ERDBEBEN UND REISEN. 489 XXV. SITZUNG VOM 2. DECEMBER 1897. Erschienen: Sitzungsberichte, Bd. 106, Abth. II. b, Heft VII (Juli 1897j. Der Vorsitzende, Herr Vicepräsident Prof. E. Suess, gedenkt des Verlustes, welchen die kaiserliche Akademie und speciell diese Classe durch das am 29. November 1. J. erfolgte Ableben des wirklichen Mitgliedes Herrn k. k. Universitäts- professors Dr. Albrecht Seh rauf in Wien erlitten hat. Die anwesenden Mitglieder geben ihrem Beileide über diesen Verlust durch Erheben von den Sitzen Ausdruck. Laut telegraphischer Nachricht ist S. M. Schiff »Pola« am 30. November in As sab zu dreitägigem Aufenthalte ein- gelaufen. An Bord Alles wohl. Das w. M. Herr Prof. Franz Exnerin Wien dankt für die ihm von der kaiserlichen Akademie zur Ausführung einer Reihe abschliessender Untersuchungen auf dem Gebiete der atmo- sphärischen Elektricität aus den Erträgnissen der Erbschaft Treitl gewährte Subvention. Herr Prof. Dr. Ludwig v. Graff in Graz dankt für die ihm von der Akademie zur Vollendung seines Werkes: »Monographie der Turbellarien« aus dem Legate Wedl bewilligte Subvention. Das c. M. Herr Prof. Dr. R. v. Wettstein übersendet eine im botanischen Institute der k. k. deutschen Universität in Prag ausgeführte Arbeit des Herrn Prof. Dr. Victor Schiffner, betitelt; »Expositio plantarum in itinere suo Indico annis 1893/94 suscepto collectarum«. Series prima. Herr Dr. Carl Au er v. Welsbach in Wien übermittelt em versiegeltes Schreiben behufs Wahrung der Priorität mit der Aufschrift : » E x p e r i m e n t a 1 u n t e r s u c h u n g e n « . Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl.; CXI. Bd., Abth. I. 34 490 Das \v. AI. Herr Prof. H. Weide 1 überreicht eine Arbeit aus dem I. chemischen Laboratorium der k. k. Universität in Wien, betitelt: »Einiges über die Äther des Phloroglucins und eine Synthese des Hydrocotoins«, \'on Dr. J. Pollak. Der prov. Secretär theilt den auszugsweisen Inhalt eines von dem Leiter der wissenschaftlichen Arbeiten der Expedition S. M. Schiff »Pola« im Rothen Meere, w. M. Hofrath Dr. Stein- dachner, ddo. Massaua, 6. November 1897 eingelangten Be- richtes mit. Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht zugekommene Periodica sind eingelangt: Archives du iMusee Teyler. Serie II. \'ol. V. Troisieme partie. Haarlem, 1897; 4". Bashforth Francis, A mathematical treatise on the motion of projectiles, founded chietly on the results of experiments made with the author's Chronograph. London, 1873; 8^'. — Tables of remaining velocity, time of flight, and energy of various projectiles, calculated from the results of experi- ments made with the Bashforth Chronograph, 1865 — 1870. London, 1871; 8". — A Supplement to a revised account of the experiments made with the Bashforth Chronograph. Cambridge, 1895. Drozda J., Grundzüge einer rationellen Phthiseotherapie (Heilung der Tuberculose). Wien, 1897. Seynes J. de, Recherches pour servir ä l'histoire naturelle et la flore des Champignons du Congo francais. I. Paris, 1897; 40. Woldrich J. N.. Wirbelthierfauna des Pfahlbaues von Ripac bei Bihac. Wien, 1897, 4'>. 491 XXM. SITZUNG VOM 9. DECEMBER 189' Erschienen: Monatshefte für Chemie, Bd. 18, Heft IX (December 1897). Das k. u. k. Reichs-Kriegsministerium »Marine-Section« gibt Nachricht von dem am 5. December 1. J. plötzlich erfolgten Hinscheiden Sr. Excellenz des Herrn Marine-Commandanten und Chef der Marine-Section Admiral Maximilian Freiherrn D a u b 1 e b s k y von S t e r n e c k zu E h r e n s t e i n. - Der Vorsitzende gedenkt der glänzenden militärischen Eigenschaften des Hingeschiedenen, sowie der grossen Liebe desselben zur Wissenschaft, auf welchem Gebiete ihm die kaiserliche Akademie als mächtigem Förderer ihrer Bestrebungen, insbesondere für das Zustandekommen und die Erfolge ihrer seit einer Reihe von Jahren durchgeführten oceanographischen Forschungen zum bleibenden Danke verpflichtet ist. Zugleich bemerkt der Vorsitzende, dass seitens des Präsidiums der kaiserlichen Akademie das Beileid über diesen schmerzlichen Verlust dem Präsidium der k. u. k. Marine-Section im schrift- lichen Wege zum Ausdruck gebracht wurde. Laut telegraphischer Nachricht ist S. M. Schiff »Pola« am '1. December zu viertägigem x^ufenthalt in Perim eingelaufen. An Bord Alles wohl. Herr Dr. H. Luggin in Karlsruhe spricht den Dank aus für die ihm zur Durchführung seiner Untersuchungen auf dem Gebiete der Photoelektricität und der Photochemie von der kaiserlichen Akademie aus der Po nti -Widmung gewährte Subx'ention. Herr Ingenieur S. Wel lisch in Wien übersendet eine Abhandlung unter dem Titel:» Das Alter der Welt.« Das w M. Herr Hofrath Prof. L. Boltzmann überreicht eine Abhandlung von Prof. Dr. Gustav Jäger, betitelt; »Zur Frage des Widers tandes, welchen bewegte Körper in Flüssigkeiten und Gasen erfahren«. X 34* 492 XXVII. SITZUNG VOM 16. DECEMBER 189' Erschienen: Denkschriften, Bd. 64 (Jahrgang 1897). Laut telegraphischer Nachricht ist S. M. Schiff »Pola« am 14. December zu dreitägigem Aufenthalt in Mokka eingelaufen. An Bord Alles wohl. Das w. M. Herr Prof. H. VV'eidel überreicht eine im ersten chemischen Universitäts- Laboratorium ausgeführte Arbeit: »Über eine neue Synthese des Phloroglucins« von E. Fl es eh. Das w. M. Herr Prof. Franz Exner legt eine in seinem histitute von Herrn G. D immer ausgeführte Arbeit vor: »Über d i e A b s o r p t i o n s s p e c t r e n \" o n D i d y m s u 1 f a t u n d N e o d >• m a m m o n n i t r a t « . Derselbe legt ferner eine in Gemeinschaft mit Herrn Dr. E. Haschek ausgeführte Arbeit \'or: >Über die ultravioletten F u n k e n s p e c t r e n der Elemente (X. M i 1 1 h e i 1 u n g) « . Das w. M. Herr Hofrath Prof. L. Boltzmann überreicht eine Abhandlung von Prof. P.Volk mann an der Universität in Königsberg i. Pr. : »Über die Frage nach dem \' e i- h ä 1 1 n i s s e V o n D e n k e n u n d S e i n u n d i h r e B e a n t w o r t u n g durch die von der Naturwissenschaft nah egel egte Erkenntniss- theorie«. Der Vorsitzende theilt einen von dem Leiter der wissen- schaftlichen Expedition S.M. Schiff -Pola«, w.M. Herrn Hofrathe Dr. Steindachner, aus dem Rothen Meere eingelangten Bericht, ddo. Assab, 29. November und Nachtrag vom 30. November 1897 im Auszuge mit. Die Sitzungsberichte der mathem.-naturw. Classe erscheinen vom Jahre 1888 (Band XCVII) an in folgenden vier gesonderten Abtheilungen, welche auch einzeln bezogen werden können: Abtheilung I. Enthält die Abhandlungen aus dem Gebiete der Mineralogie, Krystallographie, Botanik, Physio- logie der Pflanzen, Zoologie, Paläontologie, Geo- logie, Physischen Geographie, Erdbeben und Reisen. Abtheilung II. a. Die Abhandlungen aus dem Gebiete der Mathematik, Astronomie, Physik, Meteorologie und Mechanik. Abtheilung II. b. Die Abhandlungen aus dem Gebiete der Chemie. Abtheilung III. Die Abhandlungen aus dem Gebiete der Anatomie und Physiologie des Menschen und der Thiere, sowie aus jenem der theoretischen Medicin. Dem Berichte über jede Sitzung geht eine Übersicht aller in derselben vorgelegten Manuscripte voran. Von jenen in den Sitzungsberichten enthaltenen Abhand- lungen, zu deren Titel im Inhaltsverzeichniss ein Preis beigesetzt ist, kom^men Separatabdrücke in den Buchhandel und können durch die akademische Buchhandlung Carl Gerold's Sohn (Wien, I., Barbaragasse 2) zu dem angegebenen Preise bezogen werden. Die dem Gebiete der Chemie und verwandter Theile anderer Wissenschaften angehörigen Abhandlungen werden auch in besonderen Heften unter dem Titel :»MonatsheftefürChemie und verwandte Theile anderer Wissenschaften« heraus- gegeben. Der Pränumerationspreis für einen Jahrgang dieser Monatshefte beträgt 5 fl. oder 10 Mark. Der akademische Anzeiger, welcher nur Original-Auszüge oder, wo diese fehlen, die Titel der vorgelegten Abhandlungen enthält, wird, wie bisher, acht Tage nach jeder Sitzung aus- gegeben. Der Preis des Jahrganges ist 1 tl. 50 kr. oder 3 Mark. .'AT Date Due ---2608150 Ml(\R 24 1958 APR 7 "sy MAY 5 '67 HÄ-'-Wi 1> .' : '^■ ^■.' ■^ vW'r '■" ^ >:^.-;-: '■4. -^ >, m v^.r. .kf^^'^. W-^-^^V'\- '■ ■■"■^ ■%%■ ^•^w ■<>'<«--**