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HARVARD UNIVERSITY.

LIBRARY

MUSEUM OF COMPARATIVE ZOOLOGY.

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SITZUNGSBERICHTE

KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.

HUNDERTSECHSTER BAND.

WIEN, 1897.

AUS DER KAISERLICH -KÖNIGLICHEN HOF- UND STAATSDRUCKEREI. IN COMMISSION BEI CARL GEROLD'S SOHN,

BUCHHÄNDLER DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

nFC, 7 189Ö

SITZUNGSBERICHTE

DER

MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHEN CLASSE

DER KAISERLICHEN

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

CVI. BAND. ABTHEILUNGI. Jahrgang 1897. Heft I bis X.

(MIT 12 TAFELN, 2 KARTEN UND 3 KARTENSKIZZEN.)

WIEN, 1897.

AUS DER KAISERLICH -KÖNIGLICHEN HOF- UND STAATSDRUCKEREI. IN COMMISSION BEI CARL GEROLD'S SOHN,

BUCHHÄNDLER DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

I N H A LT.

Seite

I. Sitzung vom 7. Jänner 1897: Übersicht 3

II. Sitzung vom 14. Jänner 1897: Übersicht 11

III. Sitzung vom 21. Jänner 1897: Übersicht 12

IV. Sitzung vom 4. Februar 1897: Übersicht 17

V. Sitzung vom 11. Februar 1897: Übersicht 19

VI. Sitzung vom 18. Februar 1897: Übersicht 99

VII. Sitzung vom 4. März 1897: Übersicht 101

VIII. Sitzung vom 11. März 1897: Übersicht 171

IX. Sitzung vom 18. März 1897: Übersicht 172

X. Sitzung vom 1. April 1897: Übersicht 181

XI. Sitzung vom 8. April 1897: Übersicht 182

XII. Sitzung vom 6. Mai 1897: Übersicht 185

XIII. Sitzung vom 13. Mai 1897: Übersicht 235

XIV. Sitzung vom 20. Mai 1897: Über.sicht 236

XV. Sitzung vom 3. Juni 1897: Übersicht 239

XVI. Sitzung vom 18. Juni 1897: Übersicht 240

XVII. Sitzung vom 1. Juli 1897: Übersicht 243

XVIII. Sitzung vom 8. Juli 1897: Übersicht 383

XIX. Sitzung vom 7. October 1897: Übersicht 427

XX. Sitzung vom 14. October 1897: Übersicht 439

XXI. Sitzung vom 21. October 1897: Übersicht 440

XXII. Sitzung vom 4. November 1897: Übersicht 443

XXIII. Sitzung vom 11. November 1897: Übersicht 445

XXIV. Sitzung vom 18. November 1897: Übersicht 446

XXV. Sitzung vom 2. December 1897: Übersicht 489

XXVI. Sitzung vom 9. December 1 897 : Übersicht 491

XXVII. Sitzung vom 16. December 189f: Übersicht 492

Becke F., Mittheilungen der Erdbeben-Commission der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien. II. Bericht über das Erdbeben von Brüx am 3. November 1896. (Mit 1 Karten- skizze.) [Preis: 25 kr. = 50 Pfg.] 46

Mittheilungen der Erdbeben-Commission der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien. III. Bericht über das Erdbeben vom 5. Jänner 1897 im südlichen Böhmerwald.

(.Mit 1 Kartenskizze.) [Preis: 20 kr. = 40 Pfg.] 103

VI

Seite

Brauer F., Beiträge zur Kenntniss der Mitscaria schizometopa und Beschreibung von zwei Hypoderma - A.vien. (Mit 1 Tafel.) [Preis: 60 kr. = 1 Mk. 20 Pfg.] 329

Czapek F., Über die Leitungswege der organischen Baustoffe im

Pflanzenkörper. [Preis: 50 kr. = 1 Mk.] 117

Diener C, Über ein Vorkommen von Ammoniten und Orthoceren im südtirolischen Beilerophonkalk. (Mit 1 Tafel.) [Preis:

30 kr. = 60Pfg.l 61

Die Äquivalente der Carbon- und Permformation im Himalaya. [Preis : 20 kr. = 40 Pfg.] 447

Gräffe E., Vorläufiger Bericht über die mikroskopischen Orga- nismen des aus der Tiefe des Rothen Meeres gedredschten Schlammes der Expedition S. M. Schiffes »Pola« in den Jahren 1895 bis 1896. [Preis: 10 kr. = 20 Pfg.] 431

Kerner v. Marilaiin A., Beitrag zur Flora von Ostafrika. [Preis:

10 kr. = 20 Pfg.| 5

Lorenz v. Liburnau J. sen., Ritt., Eine fossile Halimeda aus dem Flysch vonMuntigl (monticulus) bei Salzburg. (Mit 2 Tafeln.) [Preis: 15 kr. = 30 Pfg.] 174

Mazelle E., Mittheilungen der Erdbeben-Commission der kaiser- lichen Akademie der Wissenschaften in Wien. IV. Bericht über die im Triester Gebiete beobachteten Erdbeben vom 15. Juli, 3. August und 21. September 1897. [Preis: 20 kr. = 40 Pfg.] 467

Mojsisovics v., E., Mittheilungen der Erdbeben-Commission der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien. I. Be- richte über die Organisation der Erdbebenbeobachtung nebst Mittheilungen über während des Jahres 1896 erfolgte Erd- beben. [Preis: 30 kr. =60 Pfg. I 20

Nestler A., Die Ausscheidung von Wassertropfen an den Blättern der Malvaceen und anderer Pflanzen. (Mit 1 Tafel.) [Preis: 30 kr. = 60 Pfg.] 387

Siebenrock F., Das Kopfskelet der Schildkröten. (Mit 6 Tafeln.)

[Preis: 1 fl. 45 kr. = 2 Mk. 90 Pfg.] 245

Steiner J., Flechten aus Britisch-Ostafrika. [Preis : 30 kr. = 60 Pfg.] 207

Steuer A., Vorläufiger Bericht tber die pelagische Thierwelt des

Rothen Meeres. (Mit 1 Karte.) [Preis: 30 kr. = 60 Pfg.) . . 407

Uhlig V., Über die Beziehungen der südlichen Klippenzone zu den Ostkarpathen. (Mit 1 Karte und 1 Kartenskizze im Texte.) [Preis: 50 kr. = 1 Mk.] 188

Wiesner J., Pflanzenphysiologische Mittheilungen aus Buitenzorg. VI. Zur Physiologie von Taeniophyllum Zollingeri. (Mit 1 Tafel.)[Preis: 35 kr. = 70 Pfg.] 77

- - SITZUNGSBERICHTE

1%^ DER KAISERLICHEN

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.

GVL BAND. I. BIS IIL HEFT. JAHRGANG 1897. JÄNNER bis MÄRZ.

ABTHEILUNG 1.

ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE,

KRYSTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE,

PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE, ERDBEBEN UND REISEN

(MIT 4 TAPELN UND 2 KARTENSKIZZEN.)

WIEN, 1897. AUS DER KAISERLICH-KÖNIGLICHEN HOF- UND STAATSDRUCKEREI.

IN COMMISSION BEI CARL GEROLD'S SOHN,

BUCHHÄNDLER DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

*<v

INHALT

des I. bis III. Heftes Jänner bis März 1897 des CYI. Bandes, Abtheilung- 1 der Sitzungsberichte der mathem.-naturw. Classe.

Seite I. Sitzung vom 7. Jänner 1897: Übersicht 3

Kerner v. Marilaun A., Beitrag zur Flora von Ostafrika. [Preis:

10 kr. = 20 Pfg.] 5

IL Sitzung vom 14. Jänner 1897: Übersicht 11

III. Sitzung vom 21. Jänner 1897: Übersicht 12

IV. Sitzung vom 4. Februar 1897 : Übersicht 17

V. Sitzung vom 11. Februar 1897: Übersicht 19

Mojsisovics v., E., Mittheilungen der Erdbeben-Commission der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien. I. Be- richte über die Organisation der Erdbebenbeobachtung nebst Mittheilungen über während des Jahres 1896 erfolgte Erd- beben. [Preis: 30 kr. = 60 Pfg. I 20

Becke F., Mittheilungen der Erdbeben-Commission der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, in Wien. II. Bericht über das Erdbeben von Brüx am 3. November 1896. (Mit 1 Karten- skizze.) [Preis: 25 kr. = 50 Pfg.] 46

Diener C, Über ein Vorkommen von Ammoniten und Orthoceren im südtirolischen Beilerophonkalk. (Mit 1 Tafel.) [Preis: 30 kr. = 60 Pfg.l 61

Wiesner J., Pflanzenphysiologiscbe Mittheilungen aus Buitenzorg. VI. Zur Physiologie von Taeniophyllum Zollingeri. (Mit 1 Tafel.) Preis : 35 kr. = 70 Pfg.] 77

VI. Sitzung vom 18. Februar 1897: Übersicht 99

VII. Sitzung vom 4. März 1897: Übersicht 101

Becke F., Mittheilungen der Erdbeben-Commission der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien. III. Bericht über das Erdbeben vom 5. Jänner 1897 im sudlichen Böhmerwald. (Mit 1 Kartenskizze.) [Preis: 20 kr. ='40 Pfg.] 103

SITZUNGSBERICHTE

KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

MATHEMATISCH -NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.

CVI. BAND. I. HEFT.

ABTHEILUNG I.

ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE,

KRYSTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE,

PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE, ERDBEBEN UND REISEN.

DEC 7 1898

SITZUNG VOM 7. JÄNNER 1897.

Der Vorsitzende, Herr Vicepräsident der kaiserlichen Akademie, Prof. E. Suess, gibt Nachricht von dem am 26. De- cember v. J. erfolgten Ableben des ausländischen correspon- direnden Mitgliedes dieser Classe, Herrn Prof. Dr. Emile Henri du Bois-Reymondin Berlin.

Die anwesenden Mitglieder geben ihrem Beileide durch Erheben von den Sitzen Ausdruck.

Das vv. M. Herr Prof. L. Pfaundler in Graz übersendet eine Untersuchung von Wilhelm Hillmayr: »Über die Ge- frierpunkte verdünnter Schwefelsäure^.

Ferner übersendet Herr Prof. Pfaundler eine Abhandlung des k. und k. Obersten Herrn Wilhelm Schlemüller in Lem- berg, unter dem Titel: «Eine empirische Formel für den Zusammenhang zwischen dem Drucke und der Tem- peratur gesättigter Dämpfe«.

Herr Prof. Dr. Ed. L i p p m a n n übersendet eine im III. chemischen Laboratorium der k. k. Universität in Wien aus- geführte Arbeit von OscarNagel: »Über Orthooxychinolin- essigsäure (Chinolinglycolsäure)«.

Herr Julius A. Reich in Krasna (Mähren) übersendet ein versiegeltes Schreiben behufs Wahrung der Priorität, mit der Aufschrift: »Beschreibung einer neuen chemischen Re- action und deren Anwendung für die Technik«.

Das w. M. Herr Prof. Sigm. Exner legt eine Abhandlung von den Doctoren R. Heller, W. Mager und H. v. Schrötter vor, die den Titel führt: »Beobachtungen über die physio- logischen Veränderungen der Stimme und des Gehöres bei Änderungen des Luftdruckes«.

1*

Das w. M. Herr Hofrath Prof. L. Boltzmann überreicht folgende zwei Abliandlungen:

1. Ȇber einen mechanischen Satz Poincare's<'.

2. »Über die Frage nach der objectiven Existenz der Vorgänge in der unbelebten Natur«.

Ferner überreicht Herr Hofrath Boltzmann eine Abhand- lung von Herrn C. H.Wind, Lector an der Universität Groningen: »Über den dem Liouville'schen Satze entsprechenden Satz der Gastlieorie*.

Das w. M. Herr Hofrath Director A. Kerner v. Marilaun bespricht die im Frühling 1896 von Prinzen Heinrich Liechten- stein ausgerüstete und durchgeführte Expedition nach Britisch- und Deutsch -Ostafrika und übergibt ein Verzeichniss der grösstentheils von Dr. Alfred Pospischil, zum Theile auch von Prinzen Heinrich Liechtenstein gesammelten und dem botanischen Museum der Wiener Universität einverleibten Pflanzen.

Das \v. M. Herr Hofrath Prof. Ad. Lieben überreicht eine in seinem Laboratorium ausgeführte Arbeit von Dr. C. Pomeranz: »Synthese des Isochinolins und seiner Derivate« (II. Mittheilung).

Beitrag zur Flora von Ostafrika

A. Kerner von Marilaun,

w. M. k. Akad.

Auf Grund von Mittheilungen, welche ich Herrn Dr. Alois Pospischil verdanke, beehre ich mich, über die botanischen Ergebnisse einer Expedition nach Ostafrika zu berichten, welche im Frühlinge des verflossenen Jahres (1896) von dem Prinzen Heinrich Liechtenstein ausgerüstet und durchgeführt wurde.

Die Expedition bestand aus dem Prinzen Heinrich Liechtenstein, dem Arzte Dr. Alois Pospischil, einem. Jäger und ungefähr 200 Schwarzen, welche Prinz Liechten- stein in Mombasa angeworben hatte. Sie ging am 7. Jänner 1896 von Mombasa aus. Das Ziel derselben war zunächst der Ober- lauf des Athi, eines Flusses, welcher in dem Gebirgszuge zwischen Kenia und Kilima-Ndscharo entspringt, sich anfäng- lich nach Nordost wendet, aber dann südlich vom Kenia nach Südost umbeugt und bei Malindi in den indischen Ocean mündet. Der Athi ist ein Steppenfluss, der sich in dem tief ein- geschnittenen Strombett langsam dahinwindet. Zur Zeit der Expedition war er sehr wasserarm. An \ ielen Stellen befand sich im Strombette kein fliessendes Wasser, sondern nur lang- gestreckte Wassertümpel. Das Ufergelände des Oberlaufes, welches auf den englischen Karten als Athi Plains bezeichnet ist, zeigt eine ausgesprochene Steppenflora. Eine grosse Zahl rasiger Gräser, von welchen manche die Höhe eines Mannes erreichen, sind dort mit niedrigem Akaziengestrüpp combinirt. Diese Athi Plains waren früher von nomadisirenden Massais mit ihren Viehherden besucht. Nach einer \-erheerenden Vieh- seuche, die vor mehreren Jahren ausgebrochen war, trat dort

b A. K e r n e r v. M a r i 1 a u n ,

eine Hungersnoth ein, welcher die meisten Massais zum Opfer fielen. Weite Strecken sieht man jetzt mit den gebleichten Skeleten der Verhungerten bedeckt. Von Seite der Bewohner der angrenzenden Gebiete werden die hohen Gräser der Steppe abgebrannt und wiederholt näherten sich die verheerenden Steppenbrände den Lagerplätzen der Expedition. Das Steppen- gebiet beherbergt keine Wälder, nur in den Gebirgen, welche die Athi Plains umgeben und von welchen eines, nämlich das Ulu Kenia-Gebirge, von der Expedition besucht wurde, sieht man stellenweise Baumgruppen, welche sich über die niedere Vegetation erheben. Dort finden sich auch Ansiedelungen von sesshaften Schwarzen, welche den Stämmen Ukamba und Kikuju angehören und welche Bananen, Sorghum, Weizen und Mais cultiviren.

Von den Athi Plains wendete sich die Expedition südwärts nach Tawetta am südöstlichen Fusse des Kilima-Ndscharo, wo schöne Wälder angetroffen wurden und weiterhin entlang dem Mkomasi, einem Seitenflusse des Rufu, durch das Usambara- Gebirge an die Küste nach Tanga.

Die mitgebrachten Pflanzen wurden von Dr. Pospischil, zum Theile auch vom Prinzen Liechtenstein gesammelt und den Sammlungen des botanischen Museums der Universität einverleibt. Die Flechten wurden von Prof Steiner in Wien,^ die Phanerogamen \-on den Bearbeitern der Flora des deutsch- ostafrikanischen Gebietes in Berlin, namentlich \'on Engler, Gilg, Harms, Ho ff mann, Lindau und Schumann bestimmt. Unter den Flechten befand sich eine sehr merkwürdige Usnea, welche nach dem Prinzen Liechtenstein Usnea Liechten- steinii benannt wurde, unter den Phanerogamen drei Arten, eine Paederia, ein Jasniinnui und eine Albizzia, welche als neu erkannt wurden und nun den Namen Pospischilii tragen.

Gramineae.

Panicmn crns galli L. Athi Plains. Paiiicimi eqiiitans Höchst. Athi Plains. Spovobolus indiais R. Br. Athi Plains. Polypogon monspeliensis L. (Des f.). Athi Plains.

Die Resultate dieser Bearbeitung werden später veröffentlicht.

Beitrag zur Flora von Ostafrika. 7

Chloris Abyssinica Höchst. Athi Plains.

Chloris myriostachya Höchst. Muani, Mtoto Andei, Ndi.

Eragrostis superba Peyr. et Wavvra. Athi Plains, Kiboko R.

Themoda tviandra Forsk. Athi Plains.

Andropogon Peyritschii C. Schumann. Muani.

Sorghum kalepense Brot. Athi Plains.

Schima ischaemoides Forsk. Mtoto Andei.

Cyperaceae.

Cyperus alopecnroides Rottb. Athi Plains. Cyperns kemisphaericiis Bchh. Madji. Cyperus obhisifolins V. Machakos. Cyperus spec. ? Athi Plains.

Liliaceae.

Gloriosa virescens Li ndl. var. grandißora Bak. Nördlich von

Tawetta. Chlorophytum tuberosum (Roxb.) Bak. Nördlich von Tawetta. Aloe spec. ? Makuyuni. Asparagus asiaticns L. Ndi.

Amaryllidaceae.

Crimim pedicellatum Pax. Athi Plains.

Crhinm ammocharoides Bak. (vel spec. affhiis?). Athi Plains'

Orchidaceae.

Cyrtopera StupangaeRchh. fi\. (vel valde affinis?). Korogwe. Lissochilus arenaritis Li ndl. Mrasi. Lissochüus fall ax Rchb. fil. Makuyuni. Lissochilus spec. ? Mrasi.

Zingiberaceae,

Kämpferia Kirkii (Hook fil.) K. Seh um. Korogwe, Makuyuni. Costus spectabilis (Fenzl) K. Seh um. Korogwe.

Amarantaceae.

Sericocomopsis Hildeubrandtii Schinz. Ndi, Travo. Centema bißora Schinz. Athi Plains.

8 A. K e r n e r V. M a ]■ i 1 a u n ,

Aertia javanica (L.) Juss. Ndi. Digera alternifolia (L.) Aschers. Ndi.

Polygonaceae.

Rnniex abyssinicns Jacq. Itiani.

Compositae.

Etlmlia coiiyzoides L. Athi Plains.

Vernonia brachycalyx O. Hoffm. Muani.

Vernonia cinerascens Schultz, Bip. Ndi.

Vernonia lasiopus 0. Hoffm. Athi Plains.

AgeraUim conyzoides L. Athi Plains.

Nidorella spec. ? (spec. nova?) Athi Plains.

Sphaeranthns mossambiqueiisis Steetz. Athi Plains.

Coi'tyza stvicta W. Machakos.

Coreopsis kilimandscharica O. Hoffm. Itiani.

Achyrocline ghimacea (D. C.) Oliv, et Hiern. Athi Plains.

Achyrocline Hoclistetteri Schultz, Bip. Machakos, Athi Plains.

Gyittira vitellina Bnth. Athi Plains.

Senecio discifolius Oliv. Mtoto-Andei, Athi Plains.

Tripteris Vaillantii Den e. Athi Plains.

Notonia Schweinfurtliii Oliv, et Hiern. (an non?). Itiani.

Notonia spec. ? Machakos.

Rubiaceae.

Pentaiiisia iiranogyne S. Moore. Ndi, Mtoto-Andei.

Paederia (Siphomeris) Pospischilii K. Schum. nova spec.

Nördlich von Tawetta. Dirichletia asperula K. Schum. Nördlich von Tawetta. Peiitas parvifolia W'xQvn. Muani.

Oleaceae.

Jasmnmm megalosiphon Gilg. Machakos, Itiani. Jasminiim Pospischilii Gilg nova spec. Athi Plains.

Apocynaceae.

Ardtiina ediilis (V.) Spr. Machakos.

Beitrat zur Flora von Ostafrika

Asclepiadaceae.

Gomphocarpns fmticosiis R. Br. var. tomentosa (ßurch.). Athi Plains.

Scrophulariaceae.

Cyatiuni ajugaefolhnn Engl. Athi Plains.

Cyciiiiim serratimi (Kl.) Engl. var. submtegniin Engl. Ma- kuyuni.

Acanthaceae.

Thtmbergia affinis S. Moore. Kin Hiles. Thnnbergia Gürkeana Lindau. Mtoto-Andei. Crossandra iimcronata Lindau. Ndi.

Bignoniaceae.

Markhamia tomentosa (Bth.) Dcne. Korogvve. Kigelia aethiopica Dcne. Athi Plains.

Loranthaceae.

Loranthtis Fischeri Engl. Athi Plains. Loranthtis paiiganettsis Engl. Machakos. Loranthtis Sadeheckn Engl. Machakos.

Crassulaceae.

Cotyledon Barbeyi Schweinf. Athi Plains.

Capparideae.

Polanisia hirta (Kl.) Pax. Mtoto-Andei. Boscia coriacea Pax. Travo, Ngomeni.

Nymphaeaceae.

Nymphaea stellata Willd. Athi Plains.

Cucurbitaceae. Melothria spec. ? Athi Plains.

Sterculiaceae.

Hermann ia athiensis K. Schum. Athi Plains. Melhania ferrugiiiea A. Rieh. Ndi.

10 A. K e r n e r V. M a r i 1 a u n , Beitrag zur Flora von Ostafrika.

Meliaceae.

Tricliilia emetica Vahl (var.?). Nördlich von Tavvetta.

Sapindaceae.

Allophyllus africamis P. B. (var.?). Athi Plains.

Euphorbiaceae.

Ricmiis communis L. Athi Plains. Croton pulchellus Baill. Athi Plains.

Combretaceae.

Terminalia Holstii Engl. Ngomeni. Terminalia orbicnlaris Engl. Travo.

Onagrariaceae.

Jussieua acuminata Sw^. Athi Plains. EpUobiitm liirstitum L. Athi Plains.

Papilionaceae.

Crotalaria labiirnifoUa L. (var.?). Muani.

Indigofera Batikeana Datke. Machakos.

Tephrosia linearis Pers. (vel affinis). Ndi.

Aescliynomene cristata Datke. Athi Plains.

Erythrina indica Lam. Ndi.

Erythrina tomentosa R. Er. Alrasi, Korogwe.

Vigna Tanhertii Vtk. Machakos.

Dolichos Oliveri Schuf, (affinis?). Athi Plains.

Caesalpiniaceae.

Poincinia elata L. Woi-Fluss, Travo. Cassia didymobotrya Pres. Itiani.

Mimosaceae.

Acacia pennata'WiWd. Athi Plains.

Acacia stenocarpa Höchst. Machakos.

Acacia subtüata Vtk. Madji.

Albizzia Pospischilii Harms nova spec. Machakos.

11

II. SITZUNG VOM 14. JÄNNER 1897.

Das Curatorium der Schwestern Fröhlich-Stiftung in Wien übermittelt die diesjährige Kundmachung über die Verleihung von Stipendien und Pensionen aus dieser Stiftung zur Unterstützung bedürftiger und hervorragender schaffender Talente auf dem Gebiete der Kunst, Literatur und Wissen- schaft.

Das w. M. Herr Hofrath Prof. V. v. Lang theilt eine Methode mit, die Capacität von Condensatoren mit Hilfe der Wage zu bestimmen.

12

III. SITZUNG VOM 21. JÄNNER 1897.

Das c. M. Herr Prof. J. M. Pernter in Innsbruck über- sendet eine Abhandlung, betitelt: »Die Farben des Regen- bogens und der weisse Regenbogen«.

Der Secretär legt ein versiegeltes Sciireiben behufs Wahrung der Priorität von Herrn Heinrich v. Omorovicza, Ingenieur in Wien, vor, welches die Aufschrift führt: »Über Kräfte im Räume«.

Das w. M. Herr Prof. Franz Exner überreicht zwei von ihm in Gemeinschaft mit Herrn E. Hasch ek ausgeführte Arbeiten: »Über die ultravioletten Funkenspectra der Elemente« (VI. und VII. Mittheilung).

Ferner überreicht Herr Prof. Exner eine in seinem Institute ausgeführte Arbeit des Herrn F. Hasenöhrl: »Über den TemperaturcoefficientenderDielektricitätsconstante in festen Isolatoren«.

Das w. \l. Herr Prof. Sigmund Exner überreicht eine im physiologischen Institute der Wiener Universität ausgeführte Arbeit von Herrn Alfred Exner, betitelt: »Anwendung der E n g e 1 m an n'schen Bakterienmethode auf die Unter- suchung t h i e r i s c h e r Gewebe«.

Das w. M. Herr Hofrath G. Tschermak legt Namens der Commission für die petrographische Erforschung der Central- kette der Ostalpen den von dem c. M. Prof. F. Becke in Prag eingesandten Bericht über den Fortgang der Arbeiten im letzten Jahre vor, der sich an die .Mittheilungen anschliesst, welche in

13

den Sitzungen vom 14. Februar 1895 und 23. Jänner 1896 über denselben Gegenstand erstattet wurden.

Das w. M. Herr Regierungsrath Prof. E. Mach übergibt eine vorläufige Mittheilung des M. Dr. W. Pascheies, Assi- stenten am Rudolfs-Hospital, welcher theils auf der Abtheilung des Primarius R. v. Limb eck, theils im chemischen, von Dr. E. Freund geleiteten Institute dieser Anstalt, Versuche über Quellung ausgeführt hat.

SITZUNGSBERICHTE

KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

MATHEMATISCH -NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.

CVI. BAND. II. HEFT.

ABTHEILUNG I.

ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE,

KRYSTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE,

PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE, ERDBEBEN UND REISEN.

17

IV. SITZUNG VOM 4. FEBRUAR 1897.

Erschienen: Sitzungsberichte, Bd. 105, Abth. III, Heft VI-VII (Juni— Juli 1896).

Der Vorsitzende gibt Nachriclit von dem am 1. Februar d. J. erfolgten Ableben des inländischen correspondirenden Mitgliedes dieser Classe, Herrn k. k. Regierungsrath und Uni- versitätsprofessor Dr. Constantin Freiherrn v. Ettingshausen in Graz.

Die anwesenden Mitglieder geben ihrem Beileide über diesen Verlust durch Erheben von den Sitzen Ausdruck.

Das k. u. k. Ministerium des Äussern theilt mit, dass der k. u. k. diplomatische Agent in Cairo telegraphisch beauf- tragt worden ist, Vorsorge zu treffen, dass ein Mitglied des inter- nationalen Sanitäts-Conseils in Alexandrien die von der kaiserl. Akademie der Wissenschaften zum Studium der Pest nach Bombay entsendete Expedition auf der Fahrt durch den Suez- Canal begleite.

Ferner theilt das k. u. k. Ministerium des Äussern mit, dass der Staats-Secretär für Indien das Gouvernement von Bombay angewiesen hat, die von der kaiserl. Akademie der Wissenschaften dahin entsendeten ärztlichen F'orscher auf das Entgegenkommendste zu empfangen und denselben alle Er- leichterungen zu Theil werden zu lassen.

Der Secretär bringt zur Kenntniss, dass sowohl die General-Direction der Südbahn -Gesellschaft, als auch die Direction des Österreichischen Lloyd die kostenfreie Beförderung der ärztlichen Mission nach Indien zur Hin- und Rückreise auf der Eisenbahnlinie Wien— Triest, beziehungs-

Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl.; GVL Bd., Abth. I. 2

18

weise auf den Lloyd-Dampfern der Eillinie Triest Bombay auch in diesem Falle wieder in munificentester Weise ge- währt hat.

Herr Prof. Rudolf Andreasch an der k. k. Staatsoberreal- schule in Währing übersendet eine mit Unterstützung der kaiserl. Akademie ausgeführte Arbeit: «Zur Kenntniss der Thiohydantoine« (IV).

Der Secretär legt folgende eingesendete Abhandlungen vor:

1 . »Beiträge zur Kenntniss der D o p p e 1 c h r o m a t e " , von Prof. Josef Zehenter an der k. k. Oberrealschule in hmsbruck.

2. »Die Undulationen ebener Curven Cg«, von Prof. Wilh. Binder an der n. ö. Landes-Oberreal- und höheren Gewerbeschule in Wiener-Neustadt.

Das w. M. Herr Oberbergrath Dr. E. v. Mojsisovics über- reicht eine Abhandlung von Dr. C. Diener: »Über ein Vor- kommen von Orthoceren und Ammoniten im süd- t i r o 1 i s c h e n B e 1 1 e r o p h o n k a 1 k « .

Das w. M. Herr Prof. Sigm. Exner legt eine Abhandlung des Privatdocenten Dr. L. Rethi vor, betitelt: »Untersuchun- gen über die Schwingungsform der Stimmbänder bei den verschiedenen Gesangsregistern«.

Das \v. M. Herr Regierungsrath Prof. F. Mertens über- reicht eine Abhandlung von Dr. R. Daublebsky v. Sterneck in Wien: »Über einen Satz der additiven Zahlen- theorie«.

19

V. SITZUNG VOM 11. FEBRUAR 1897.

Erschienen: Sitzungsberichte, Bd. 105, Abth. II. b, Heft VIII— X (Octobcr bis December 1896).

Herr Prof. Dr. Friedrich Czapek an der k. k. deutschen technischen Hochschule in Prag übersendet eine Arbeit: '> Ü b e r die L e i t u n g s w e g e d e r organischen Baustoffe im Pflanzenk örper«.

Das w. M. Herr Prof. Sigm. Exner legt eine Abhandlung des Prof. Dr. S. Schenk: »Über die Aufnahme des Nahrungsdotters während des Embryonallebens« vor.

Das w. jNI. Herr Hofrath Prof. Wiesner ijberreicht den sechsten Theil seiner »Pflanzen physiologischen Mit- theilungen aus Buitenzorg«, betitelt: »Zur Physiologie von Taeniophylliim Zollingeri«.

Das w. M. Herr Oberbergrath Dr. Edm. v. Mojsisovics legt namens der Erdbeben-Commission die ersten Publicationen dieser Commission vor. Dieselben fi^ihren den Titel: »Mit- theilungen der Erdbeben-Commission der kaiserl. Akademie der Wissenschaften« und enthalten:

I. Berichte über die Organisation der Erdbebenbeobach- tung, nebst Mittheilungen über während des Jahres 1896 erfolgte Erdbeben.

II. Bericht über das Erdbeben von Brüx am 3. November 1896, von dem c. M. Prof. Friedrich Becke in Prag.

Das w. M. Herr Prof. H. ^Weidel überreicht eine Mit- theilung von Dr. Rud. Wegscheider: »Über die quanti- tative Analyse des Werkkupfers«.

2*

20

Mittheilungen der Erdbeben-Commission der

kaiserliehen Akademie der Wissenschaften

in Wien.

I.

Berichte über die Organisation der Erdbebenbeobachtung

nebst Mittheilungen über während des Jahres 1896 erfolgte

Erdbeben

zusammengestellt von Dr. Edmund v. Mojsisovics,

w. M. k. Akad.

Die mathematisch -naturwissenschaftliche Classe hat in ihrer Sitzung am 25. April 1895 zum Zwecke der Förderung eines intensiveren Studiums der seismischen Erscheinungen in den österreichischen Ländern eine eigene Commission ein- gesetzt.

Die Aufgaben, welche sich diese Commission zunächst stellte, sind zweierlei Art:

1. Es wurde als wünschenswerth befunden, eine mög- lichst vollständige und zuverlässige Zusammenstellung aller historisch beglaubigten Erdbeben im Bereiche des österreichi- schen Staatsgebietes anfertigen zu lassen. Dabei erschien es aus sachlichen Gründen zweckmässig, eineTheilung des Stoffes nach den Erfordernissen der topischen Geologie vorzunehmen und wurde beschlossen, in erster Linie einen Erdbebenkata- log des Gebietes der Ostalpen in das Auge zu fassen und mit der Ausführung dieser Aufgabe, für deren Bewältigung ein Zeitraum von drei Jahren angenommen wurde, Herrn Prof. Dr. Rudolf Hoernes in Graz zu betrauen.

Ein Erdbebenkatalog, welcher alle jene Daten umfassen soll, die zur Vergleichung der früheren mit den späteren

E. V. Mojsisovics, Organisation des Erdbebendienstes. 21

Erschüttei'ungen von Interesse sind, muss als ein dringendes Bedürfniss der österreichischen Erdbebenforschung bezeichnet werden. Derzeit besitzen wir nur für einzelne Länder so für Niederösterreich durch Eduard Suess, für Kärnten durch Hans Hoefer Zusammenstellungen der früheren Erdbeben. Diese Zusammenstellungen haben gezeigt, wie wichtig die genaue Erhebung der auf die älteren Beben Bezug habenden Daten aus den alten Chroniken, Landesarchiven u. s. w. ist, da immer wieder dieselben Orte von Erschütterungen heimgesucht werden, immer wieder dieselben Stosslinien neuerdings in Action treten. Es muss daher der Wunsch ausgesprochen werden, dass die Nachrichten über die früheren Erdbeben auch in jenen Ländern, wo dies noch nicht oder nicht mit aus- reichender Vollständigkeit geschehen ist, gesammelt und in brauchbarer Form zusammengestellt werden. Für Krain ist beispielsweise eine ältere Zusammenstellung von H. Mittels vorhanden.^ Das dort gegebene Verzeichniss enthält aber eine Lücke von 1691 1799 und bedarf wohl auch sonst noch sehr der Ergänzung. Aus neuerer Zeit wären für Krain die werth- vollen, bis nun wenig benützten handschriftlichen Aufzeich- nungen von K. Deschmann bemerkensvverth, welche ins- besondere die Laibacher Beben aus den Jahren 1855 1885 betreffen.

2. Als ihre wichtigste Aufgabe betrachtete aber die Com^ mission die Organisation eines Erdbebendienstes in den öster- reichischen Ländern. Diese Organisation umfasst a) die Er- richtung einer Anzahl von seismographischen Stationen durch die Aufstellung selbstregistrirender Erdbeben- messer, b) die Bildung eines Netzes von permanenten Beob- achtern.

Nachdem die vorbereitenden Studien über die zu wählenden Instrumente beendet sind, hofft die Commission im Laufe des Jahres 1897 an die Activirung einiger seismographischen Sta- tionen schreiten zu können. Es ist in Aussicht genommen, solche Stationen an den astronomischen Observatorien, respective physikalischen Instituten in Pola, Triest, Graz, Innsbruck, Kremsmünster, Wien, Prag und Lemberg zu errichten. Wir

Jahresber. des Ver. des krain. Landesmuseuins, Bd. III.

22 Mittheilungen der Erdbeben-Commission.

behalten uns vor, über die Einrichtung dieser Stationen bei einer späteren Gelegenheit zu berichten.

Bei der Bildung des Beobachternetzes ging die Com- mission von der Anschauung aus, dass es am zweckmässigsten sein dürfte, in den einzelnen Provinzen Centralsammelstellen für die Einholung der Erdbebenberichte zu schaffen. Zu diesem Ende wurden für die einzelnen Ländergebiete Referenten ge- wonnen, welchen die Aufgabe zufiel, die localen Netze durch Heranziehung hiezu geeigneter Persönlichkeiten zu bilden. Die von der Commission hinausgegebenen Instructionen, Frage- bogen u. s. f. wurden ausser in deutscher, noch in den wichtig- sten anderen Landessprachen in grosser Anzahl durch die Herren Referenten zur Vertheilung gebracht. Ein directer Ver- kehr der Commission mit den Beobachtern findet daher nicht statt. Die Beobachter berichten an die Referenten, und diese leiten die gesammelten Berichte an die Commission.

Seit dem Beginne der diesbezüglichen Verhandlungen hat der Status der Referenten bereits einige Veränderungen erfahren. Im Jänner 1897 setzt sich der Status derselben in folgender Weise zusammen:

Kronland, respective Referatsbezirk

Referent

Wohnort

Niederösterreich

Prof. Dr. Franz Noe

Wien (Meidling)

Oberüsterreich

Prof. Johann Commenda

Linz

Salzburg

Prof. Eberhard Fugger

Salzburg

Steiermark

Prof. Dr. Rudolf Ho ern es

Graz

Kärnten

Ferdinand Seeland, k. k. Qber-Bergrath

Klagenfurt

Gürz und Krain

Prof. Ferdinand Sei dl

Görz

Gebiet von Triest

Eduard Mazelle, Adjunct des astron.-meteorol. Obser- vatoriums der k. k. Handels- und nautischen Akademie

Triest

Dalmatien und Istrien

Eugen Gel eich, Director der Handels- und nauti- schen Akademie

Triest

Deutsch -Tirol und Vorarlberg

Prof. Dr. Josef Seh orn

Innsbruck

Mojsisovics, Organisation des Erdbebendienstes.

Kronland, respective i Referatsbezirk

Referent

Wohnort

Wälsch -Tirol

Prof. Josef Damian

Trient

Böhmen, Deutsche Gebiete

Prof. Dr. Friedrich Becke

Prat

Böhmen, Cechische Gebiete

Prof. Dr. Johann Woldfich

Mähren und Schlesien

Prof. Alexander Makowsky

Galizien

Prof. Dr. Ladislaus Szajnocha

Bukowina

Anton P a w t o w s k i , k. k. Ober-Baurath

Prag

Brunn

Krakau Czernovvitz

In den folgenden Zusammenstellungen wird zunächst ein Bericht über den Stand der Organisation der Erdbebenbeob- achtung am Schlüsse des Jahres 1896 gegeben. Die einge- langten, das Jahr 1896 betreffenden Erdbebenberichte wurden den Berichten über die Organisation des seismischen Dienstes in den einzelnen Provinzen oder Referatsbezirken angereiht.

Die Commission anerkennt mit gebührendem Danke die mühevolle Arbeit, welcher sich die Herren Referenten unter- zogen haben, und gibt sich der Erwartung hin, dass die nun- mehr in ihren Grundzügen geschaffene Organisation sich als eine brauchbare, lebensfähige Einrichtung bewähren möchte,- welche weiter ausgestaltet und verbessert. werden kann.

Für die Zukunft ist beabsichtigt, alljährlich einen Katalog der im Berichtsjahre eingetretenen kleineren Beben und nach Bedarf Specialberichte über einzelne grössere Erschütterungen zu publiciren.

Die Originalmittheilungen (ausgefüllte Fragebogen, brief- liche Mittheilungen, Zeitungsausschnitte) sollen in einem eigenen, gut geordneten Erdbeben-Archiv gesammelt und auf- bewahrt werden. Sie bilden die Grundlage für die zu pubh- cirenden Erdbebenkataloge.

I. Niederösterreich. Hier führte Herr Hofrath Prof. Dr. Franz Toula die Vorarbeiten durch. Leider sah sich jedoch Herr Hofrath Toula wegen Überhäufung mit ander- weitigen Geschäften genüthigt, das Referat niederzulegen.

24 Mittheilungen der Erdbeben-Commission.

welches dann am 1 1. November 1896 Herr Prof. Dr. Franz Noe übernahm.

Dem Berichte dieses letzteren Herrn entnehmen wir die folgenden Mittheilungen:

»Die Schaffung eines möglichst dichten und gleichmässig vertheilten Beobachtungsnetzes in Niederösterreich musste zu- nächst theoretisch auf der Landkarte vorgenommen werden, wobei die von Prof. Toula entworfene Skizze allerdings einen schätzbaren Behelf abgab, aber nicht in allen Details befolgt werden konnte, da in vielen der dort bezeichneten Rayons Ort- schaften nicht vorhanden sind oder nur solche Besiedelungen, in denen keine geeignete Persönlichkeit aufzufinden war, nach- dem sich dortselbst weder eine Schule, noch Pfarre, noch ein Forsthaus befindet. Auch auf jene Gegenden Niederösterreichs, welche für das Erdbebenphänomen besonders wichtig sind, wie der Alpenrand von Gloggnitz bis Wien (die sogenannte Thermal- linie), die Umgebung von Wiener-Neustadt, die Umgebung von Alt-Lengbach und die sogenannte Kamplinie musste bei der Wahl der Stationen besonders Rücksicht genommen werden. Sodann wurde die Auswahl und Adressenzusammenstellung der geeignet erscheinenden Beobachter vorgenommen. Es wurden in erster Linie Lehrer, besonders Schulleiter, ausgewählt, in deren Ermangelung Ärzte, Apotheker, Pfarrer, Postmeister, Gutsvervvalter, Forstbeamte, kurz Personen, die vermöge ihres Berufes mit vielen Leuten verkehren müssen und daher leicht Erkundigungen einziehen können. In den Orten, wo Mittel- schulen existiren, wurde selbstverständlich an Professoren der- selben herangetreten. Bis L December 1896 wurden 376 Ein- ladungsschreiben abgeschickt. Leider ist die Betheiligung der aufgeforderten Personen nur eine massige, indem bis 12. De- cember nur 211 Personen, d. i. 56-l7o> ihi'^ Zustimmungs- erklärung als Beobachter eingesendet haben.

Das gegenwärtige Beobachtungsnetz lässt noch Manches zu wünschen übrig. Es herrschen theilweise noch Lücken in demselben. So ist insbesondere der Bezirk Amstetten noch schwach vertreten. Dagegen sind die Bezirke Neunkirchen, Wiener-Neustadt, Baden, Waidhofen a. d. Thaya und Zwettl sehr gut besetzt. Die grösste Distanz zweier Stationen ist

E. V. Mojsisovics, Organisation des Erdbebendienstes. 2o

zwischen Haag VVieselburg mit 43 -092 km, die kleinste Distanz zwischen Schottwien Klamm mit 1-842 km, die mittlere Durchschnittsentfei-nung, auf das Mittel von 10 Orten berechnet, ergibt d-87o km. In Folge der Versendung von Mahnkarten haben sich seit dem 12. December noch 25 neue Beobachter angemeldet. Dadurch erhöht sich der Stand der gewonnenen Beobachter auf 236 Personen. Der Referent glaubt daher mit Zuversicht binnen kurzer Zeit eine genügende Dich- tigkeit des Beobachtungsnetzes mit mindestens 300 Beob- achtern erzielen zu können.«

Erdbebenbeobachtungen, welche das Jahr 1896 betreffen, sind nicht eingelangt, was wohl hauptsächlich in dem \'er- späteten Termin der Organisirung des Beobachternetzes seinen Grund haben dürfte.

II. Oberösterreich. Herr Prof. H. Commenda berichtet:

»Die mir von der hohen Akademie zugekommenen 300 Stücke Circulare, Fragebogen und Meldekarten sind an 266 verschiedene Orte des Landes ausgesendet worden, von welchen bisher 203 Anmeldungen zu Beobachtungen einliefen. Gegen zwei Drittel der Beobachter gehören dem Lehrstande an, der Rest vertheilt sich auf Geistliche, Förster, Ärzte, Techniker etc. Etwa die Hälfte wirkt auch als Beobachter an den meteoro- logischen und ombrometrischen Stationen. Um möglichst ge- naue Zeitangaben zu erhalten, erliess über mein Ansuchen die k. k. Ober-Postdirection für Oberösterreich und Salzburg in Linz einen Amtsauftrag an alle postcombinirten Telegraphen- ämter des Bezirkes, die etwa zur Beobachtung gelangenden Erdbeben mit möglichster Sorgfalt zu verzeichnen und die gemachten Erhebungen amtlich zur Anzeige zu bringen.«

Erdbeben wurden gemeldet:

11. Juni 1896, 2''44"'i von Spital a. Pyhrn. Der Beobachter, Herr Karl Wegrosta, berichtet, dass dieses Beben^in einer Erstreckung von 6 äw vom Pyhrn bis zu einem Bauernhause (circa 2 km unterhalb des Sensenwerkes des Herrn Schröckenfux) in der »Au« auf derselben Linie wie das Laibacher Erd- beben vom 14. 15. April 1895, auf dem Ostgehänge des Schwarzenberges (eines Ausläufers des Warscheneck) wahrgenommen wurde, auf dem Gehänge

^ Die Tagesstunden werden in diesen Berichten von Mitternacht 0'' über Mittag 12'' bis Mitternacht 24'' gezählt.

-b Mittheilungen der Erdbeben-Commission.

des Pyhrgasstockes dagegen nicht beobachtet werden konnte. Dem ersten Stosse folgten weitere, schwächere um 2'' 58'", S*" 3'", 3''12"' und 4'' 50".

Rütteln, von unterirdischem Rollen begleitet, Richtung NS. Die Bewohner einer Hütte in der Gleinkerau behaupten, dass ihre Hütte als Ganzes erzittert habe.

16. Juli 1896, 20'' 37'" in Urfahr bei Linz, Kappellengasse Nr. 6, Richtung SE NW, geräuschloser Stoss, welcher eine Pendeluhr zum Stehen brachte und die Thüre derselben Wand, an welcher die Pendeluhr hing, erzittern machte. Gegen 22'' folgten angeblich noch mehrere Erschütterungen (ver- einzelte Beobachtung; Ed. Ebersberg, Ingenieur).

5. December 1896, 0''45'" Nachts in Sierning, kurzer Stoss, begleitet von raschem Rollen, Gartengeschirre wurden verrückt, Fenster klirrten, Hunde zeigten grosse Angst. Mehrere Leute hatten das Gefühl, als wenn ein sehr schwerer Gegenstand umgefallen wäre (Adolf Männer, Lehrer).

III. Salzburg. Nach dem Berichte des Herrn Referenten Prof. Eberhard Fugger wurden bisher im Lande 61 Beob- achter gewonnen und werden die Bemühungen, das Beob- achtungsnetz zu verdichten, fortgesetzt werden.

IV. Steiermark. Wie Herr Prof. Dr. Rud. Hoernes be- richtet, konnten bis nun 280 Beobachter gewonnen werden, welche sich derartig vertheilen, dass eine grössere Lücke im Beobachtungsnetze nicht mehr vorhanden ist. Allerdings liegen an einigen Stellen die Beobachtungsstationen etwas weiter aus- einander, es ist dies jedoch nur dort der Fall, wo, wie in den »Niederen Tauern« und im Bachergebirge, die Siedelungen weniger zahlreich sind, und es schon aus diesem Grunde unmöglich war, das Netz dichter zu gestalten. Übrigens war der Referent bestrebt, dafür zu sorgen, dass auch in solchen Gebieten Beobachter an jenen Orten, an welchen es überhaupt möglich war, hiefür geeignete Persönlichkeiten zu finden, gewonnen wurden.

Über die Erdbeben des Jahres 1896 sendete der Herr Referent die nachfolgenden Berichte ein:

9. Februar 1890. Murau, Oberwölz, 21''5"' oder21''6"'; für Murau wird S N, für Oberwölz 0 VV als Stossrichtung angegeben. Intensität IV der Forel'schen Scala.

Die »Tagespost« meldet im Abendblatt vomll. Februar: »Aus Murau wird uns unterm 10. d. M. geschrieben: Heute um 9 Uhr 6 Minuten Abends wurde hier ein ziemlich starkes Erdbeben beobachtet. Teller, Gläser etc. in Credenzen klirrten heftig. Das Erdbeben war von dumpfem Rollen begleitet,

E. V. Mojsisovics, Organisation des Erdbebendienstes. 27

die Richtung des Stosses war Süd Nord, doch dauerte derselbe nur etliche Secunden und war nicht so stark wie in früheren Jahren. Einige wollen auch Schwingungen an Hängelampen beobachtet haben. Merkwürdigerweise wurde dieser Erdstoss mehr in der oberen Stadt verspürt, während gegen den sogenannten Unteren Platz zu nichts beobachtet wurde«. Man könnte meinen. dass sich diese Notiz auf ein Beben vom 10. Februar beziehe; doch klärt der nächste Bericht der »Tagespost« im Morgenblatt vom 12. Februar darüber auf, er lautet: »Das Erdbeben, welches nach einem Berichte unseres gestrigen .Abendblattes Sonntag Abends in Murau wahrgenommen wurde, war nach dem »Volksblatt« auch in Oberwölz zu verspüren. Es wurden zwei heftige, rasch aufeinander folgende Erdstösse, und zwar wie es schien in der Richtung von Ost nach West wahrgenommen«.

Eine weitere Notiz veröffentlichte die »Tagespost« im Abendblatte vom 13. Februar aus Murau: »Wie schon gemeldet, wurde am vergangenen Sonn- tag 9. d. M., beiläufig um 9 Uhr 5 Minuten Abends ein nicht gar starker Erd- stoss hier beobachtet; Richtung Süd Nord. Gläser klirrten. Einzelne wollen auch Lampenschwingungen beobachtet haben. Die Erschütterung war von dem bekannten dumpfen Rollen begleitet. Im benachbarten Oberwölz soll dieser Stoss viel bedeutender verspürt worden sein. Wie es scheint, will dieser unheimliche Gast noch immer nicht ganz von uns weichen«.

1. .März 1896. Friedau, 1''57"'. Stossrichtung? Intensität IV.

Die »Tagespost« bringt in ihrem Abendblatte vom 2. März folgende Notiz: »Erdbeben. Wie man uns aus Friedau schreibt, weckte gestern Nachts ein kurzer heftiger Erdstoss die Bewohner aus dem Schlafe. Die Uhr zeigte 1 Uhr 57 Minuten. Ein Rollen oder Tosen war nicht bemerkbar«.

20. November 1896.1

Nach Berichten aus Saldenhofen, Hohenmauthen, Mahrenberg, Fresen, St. Anton am Bachern, St. Lorenzen ob Marburg, Windischgraz, Eibiswald, Schwanberg, Deutschlandsberg, Arnfels und Pölfing wurde daselbst kurz vor 10 Uhr Abends (die genauesten Zeitangaben sind 2l''5ö"', 21''57'" und 22'' M. E. Z.) ein Beben von der Intensität III IV 2 wahrgenommen. Abweichende Zeitangaben werden von Windischgraz gemeldet, doch sind dieselben unter sich nicht übereinstimmend (22*" 15'" und 22'' 57'"), so dass eher eine ungenaue Zeitangabe, als verschiedene Stösse anzunehmen sein dürften. Die Stoss- richtungen werden sehr verschieden angegeben: Saldenhofen NO— SW und S\V NO, Hohenmauthen NNW— SSO, Mahrenberg SW— NO, Fresen 0— W, Windischgraz W—O und NO SW, Eibiswald 0— W. Die Erschütterung war fast an allen Orten mit Geräusch verbunden, welches meist dem Beben voran- ging (Hohenmauthen, Mahrenberg, Fresen, Schwanberg), aber auch als gleich- zeitig oder fast gleichzeitig angegeben wird (Berichte aus Pölfing und Eibis- wald).

1 Man vergleiche auch den Bericht über Kärnten, S. 31. - Nach dem Berichte aus Eibiswald könnte man dort die Intensität fast V annehmen.

28 Mittheilungen der Erdbeben-Commission.

Die Intensität scheint in den Orten des Drauthales und in Eibiswald am grössten gewesen zu sein, in Arnfels, Deutschlandsberg, Pölfing wurde die Erscheinung nur von einzelnen Personen wahrgenommen. Aus Trahütten und St. Ilgen bei Windischgraz sind negative Berichte eingelaufen.

Die »Tagespost« brachte in ihrem Morgenblatt vom 22. November folgende Notiz:

»Erdbeben. Aus Saldenhofen, 21. d. M., schreibt man uns: Gestern Abends 10 Uhr wurde hier ein ziemlich heftiges, etwa 6 7 Secunden andauerndes Erdbeben wahrgenommen, welches von einem donnerähnlichen, unterirdischen Rollen begleitet war. Das Beben schien sich in der Richtung von Nordost nach Südwest fortzupflanzen«.

Im Abendblatte vom 23. November der »Tagespost« findet sich nach- stehende Mittheilung:

»Erdbeben. Wie schon im gestrigen Morgenblatte berichtet worden ist, wurde am 20. d. M. Abends in Saldenhofen ein Erdbeben wahrgenommen. Nach einem zweiten Briefe, der uns aus Saldenhofen zugeht, wurde das Erd- beben um 9 Uhr 59 Minuten Abends verspürt; als Richtung wird uns Südwest nach Nordost, als Zeitdauer 3 Secunden angegeben. Das Erdbeben muss ziem- lich heftig gewesen sein, denn unser Gewährsmann schreibt uns: Ich sass beim Tisch, und der Stoss kam von rückwärts so stark, dass es mich einigemale von der Bank hob«. Aus Fresen wird gemeldet, dass um 10 Uhr Abends eine leichte Erderschütterung verspürt wurde, welche von donnerähnlichem Rollen begleitet war, und eine Meldung aus Un terdrauburg lautet: »Am 20. d. .VI. um 10 Uhr 2 Minuten Nachts wurde hier ein Erdbeben verspürt, ein stoss- artiges Zittern, etwa 3 Secunden dauernd und von Südosten nach Nordwesten gehend«.

Ausführliche Berichte mittelst Fragebogen liefen ein von Hohenmauthen, Mahrenberg, Fresen, Eibiswald, Schwanberg, Pölfing. Denselben ist Folgendes zu entnehmen:

Hohenmauthen (Berichterstatter Herr Gewerke und Bürgermeister Otto Erber). Die Erschütterung wurde circa 21'' 52'" allgemein wahrgenommen. »Es war, wie wenn ein Fuhrwagen auf einem Wege, der mit sogenannten Katzen- köpfen gepflastert ist, sich vorwärts bewegen und dann auf einmal anstossen würde. Ein Schaukeln oder Zittern wurde nicht bemerkt. Nach Empfindung des Berichterstatters erfolgte die Bewegung in der Richtung NNW SSO. Eine Bewegung von Bildern, Uhren u. dgl. wurde nicht wahrgenommen. Das donner- artige Geräusch ging der Erschütterung voran.

Mahrenberg (Berichterstatter Herr k. k. Notar Martin Kocbeck). Die Erschütterung wurde um 21'" 55"" (corrigirte Eisenbahnzeit) allgemein wahr- genommen. Die Bewegung bestand aus mehreren aufeinander folgenden Seiten- rucken in der Dauer von 3 4 Secunden, ihre Richtung von Südwest nach Nordost wurde aus dem einseitigen Anschlagen des Pendels einer Uhr abge- leitet. Der Erschütterung ging ein donnerartiges Geräusch von 1 2 Secunden Dauer voran.

E. V. Mojsisovics, Organisation des Erdbebendienstes. 29

Fresen (Berichterstatter Herr Lehrer Anton Voith). Die Erschütterung wurde um 22'' (Bahnzeit) in Fresen und Umgebung wahrgenommen. Die als Rollen und Zittern bezeichnete Bewegung ging nach Empfindung des Bericht- erstatters von Ost nach West und dauerte nur 1 2 Secunden, ihr ging unmittelbar ein donnerartiges Geräusch voran.

Eibiswald (Berichterstatter Herr Lehrer Franz Sac kl). Das Erdbeben wurde um 21'' 55"* ziemlich allgemein im Orte und in der Umgebung wahr- genommen. Es bestand aus zwei Erschütterungen innerhalb einiger Minuten, die als gleichartiges Zittern bezeichnet werden. Sie kamen nach Empfindung des Berichterstatters von Osten und dauerten 2 Secunden. Das Geräusch, welches fast gleichzeitig beobachtet wurde, wird einem Sausen, wie wenn der Wind stark wehte, verglichen. Häufig wurde ein Klirren der Fenster beob- achtet, Thüren, welche nicht eingeklinkt waren (Scheunenthüren), wurden auf- gemacht; Bäume, die bei Häusern standen, sollen hörbar, wie bei einem Winde, auf die Dächer aufgeschlagen haben, Bücher und Gläser von Schränken gestürzt sein. Vögel sowohl im Käfig, wie im Freien wurden unruhig. Hähne fingen zu krähen an.

Schwanberg (Berichterstatter Herr Dr. Adalbert Buchberg er, Primar- arzt). Die Erschütterung wurde um 21'' 57'" (Ortszeit, die jedoch wenig von der mitteleuropäischen differiren dürfte) von beinahe allen noch nicht schlafenden Einwohnern wahrgenommen. Es wurde zuerst ein etwa 3 Secunden andauerndes Rollen, welches den Eindruck des Geräusches eines rasch vorüberfahrenden Wagens machte, dann ein kurzer heftiger Stoss verspürt.

Pol fing (Berichterstatter Herr Bergverwalter Michael Glaser). Die Erschütterung wurde um 21'' 50'" (uncorrigirte Zeit) nur von wenigen Personen in Jagernigg bei Wies und Brunn wahrgenommen; ihre Dauer betrug 6 8 Secunden, sie war gleichmässig, ähnlich derjenigen, vi^elche ein in der Nähe vorüberfahrender Eisenbahnzug hervorruft, wobei zugleich Fensterklirren und schwaches Krachen der Thüren beobachtet wurde. Die Richtung wurde durch unmittelbare Empfindung wahrgenommen und später mit einem Handcompass noch Stunde 18 constatirt. Mit der Erschütterung war ein gleichzeitiges und gleich lang anhaltendes Geräusch verbunden.

Aus Windischgraz sind zwei in den Zeitangaben nicht überein- stimmende Berichte eingelangt. Herr Bürgerschuldirector Josef Bari e schreibt: »Am 20. November Abends, 22'' 47'", fand hier ein Erdbeben statt, welches nur von einigen Personen beobachtet wurde. Einige behaupten, dass der Stoss von Westen gegen Osten, andere, dass er von Nordost gegen Südwest ging. Es war zuerst ein Brausen, dann ein ziemliches Schaukeln«. Herr k. k. Notar Johann Tomschegg berichtet ddo. 21. November 1896: »Gestern Abends 22'' IS" ziemlich heftiges Erdbeben von Westen nach Osten, einige Secunden dauernd«.

Aus St. Hgen-Missling bei Windischgraz berichtete Herr k. k. Be- zirks-Schulinspector Franz Vrecko, dass daselbst am 20. November Niemand etwas von einem Erdbeben wahrgenommen habe.

St. Anton am Bachern. Der Berichterstatter LIerr Schulleiter Johann S tibi er theilt mit, dass das am 20. d. M. kurz vor 22'' in der Umgebung

30 Mittheilungen der Erdbeben-Commission.

wahrgenommene Erdbeben auch in St. Anton am Bachern verspürt wurde: »Unser Schulhaus ist so dem Winde ausgesetzt, dass ich selbst nicht recht unterscheiden konnte, was eigentlich war. Unser Nachbar, Herr Mraulek, hat sich aber geäussert, dieses Erdbeben richtig wahrgenommen zu haben«.

St. Lorenzen ob Marburg. Herr Oberlehrer Michael Möge schreibt: »Auf Grund der gepflogenen Erhebungen in St. Lorenzen und der Umgebung kann ich nach etlichen 20 übereinstimmenden Aussagen mittheilen, dass das am 20. November El"" 55"" stattgefundene Erdbeben nur in einem donnerartigen Getöse mit schwachem Zittern wahrgenommen wurde«.

Arnfels. Herr Rudolf Vogl, Lehrer in Arnfels, berichtet, dass er selbst von dem Beben nichts bemerkt habe: »Nach mehrfacher Umfrage theilte mir heute ein Herr mit, dass er zur genannten Zeit ein sehr schwaches Erdbeben verspürt habe und die über dem Tische hängende Lampe in wenig pendelnde Bewegung gerathen sei. Von einem unterirdischen Rollen u. s. f. hat er nichts bemerkt«.

Deutschlandsberg. Herr k. k. Notar Hermann Asperger theilt mit, dass das Beben am 20. weder von ihm, noch von anderen diesbezüglich befragten Personen wahrgenommen worden sei: »Nur ein Bahnwächter be- hauptet bestimmt, am 20. etwas vor 22'' in seinem abseits vom Markte gelegenen Hause zwei ganz kurze Stösse, welche die Uhr in unruhige Bewegung versetzten, verspürt zu haben«.

Trahütten. Nach einem Berichte des Herrn Schulleiters Franz Faschi ng wurde das Erdbeben dort von Niemand wahrgenommen. Dafür wird eine Beobachtung von Osterwitz gemeldet: »Aus Osterwitz wurde mir mit- getheilt, dass dieses Beben dort am 20. d. M. kurz vor 22'' wahrgenommen wurde, und zwar einmaliges, etwa 1 2 Secunden dauerndes donnerähnliches Rollen, wellenartige Bewegung, bedeutendes Schütteln«.

21. November 1896. Hohenmauthen, Kirchberg a. d. Raab. 5^ Intensität III. Richtung (nur für Kirchberg angegeben) : 0 W (oder umgekehrt).

Hohenmauthen. Auf dem Fragebogen, mit welchem Herr Gewerke und Bürgermeister Otto Erb er das. Beben vom 20. meldet, findet sich die Notiz: »Ein Herr sagt mir, dass um 5 Uhr Morgens des 21. November, also um circa 7 Stunden später, wieder ein Stoss gewesen sein soll, doch hat diesen Stoss sonst Niemand beobachtet«.

Kirchberg a. d. Raab. Herr Lehrer Alois Sackl berichtet, dass daselbst beiläufig um 5 Uhr Morgens zwei gesonderte Erschütterungen in circa 5 Minuten Pause von Herrn Postexpedienten Jos. Biber wahrgenommen wurden, die jedesmal das leichte Erzittern einer das Zimmer abtheilenden, nicht befestigten Glaswand verursachten. Als Stossrichtung wird Ost West (oder umgekehrt) angegeben.

11. December 1896. Übelbach, Frohnleiten, 1 Uhr Nachts oder circa 5 Minuten vor 1 Uhr. An beiden Orten war die Erschütterung stark genug, Schlafende zu wecken, die sodann das der Erschütterung folgende Geräusch wahrnahmen. Weitere Wahrnehmungen liegen nicht vor. Für Frohn- leiten wird die Richtung WSW ONO angegeben.

E. V. Mojsisovics, Organisation des Erdbebendienstes. 31

Übelbach. Dem von Herrn Oberlehrer Alois Leyfert eingesendeten Fragebogen ist zu entnehmen, dass die Erschütterung daselbst um 1 Uhr (corrigirte Zeit) von einzelnen Personen wahrgenommen wurde, die vom Schlafe aufgeschreckt, ein etwa 1 2 Secunden dauerndes Geräusch ver- nahmen, »als ob ein schwerer Wagen blitzschnell beim Gebäude vorüber- gefahren oder etwas zusammengefallen wäre«. Die Erschütterung selbst wurde nicht beobachtet.

Frohnleiten. Hier wurde die Erscheinung nur von dem Bericht- erstatter, Herrn Oberlehrer Alois Rieder, wahrgenommen, welcher als Zeit circa 5 Minuten vor 1 Uhr Nachts (uncorrigirt) angibt. Der Berichterstatter verspürte keine aulTallende Erschütterung, vermuthet aber, dass dieselbe unmittelbar vor seinem Erwachen erfolgt sei, so dass er nur mehr das Geräusch wahrnahm, welches dem Erdbeben folgte. Das Geräusch wird als heulend bezeichnet, seine Dauer mit 4 Secunden, seine Richtung als WSW 0X0 angegeben.

Von anderen Orten sind keine Nachrichten eingelangt, was bei der für die Wahrnehmung sehr ungünstigen Zeit leicht begreiflich ist.

26. December 1896. Windischgraz, 23'' 45'", Erderschütterung in südöstlicher Richtung mit unterirdischem Dröhnen, Dauer 4 Secunden.

Über dieses Beben liegt uns eine kurze Meldung des Herrn k. k. Notars Johann Tomschegg vor, welche sich auf Mittheilung der oben wieder- gegebenen Daten beschränkt.

V. Kärnten. Den Bemühungen des Herrn Referenten, Oberbergrath Ferd. Seeland, ist es bis nun gelungen, 27 Beob- achtungsstationen zu gewinnen. Das Netz zeigt noch, ins- besondere in den Tauern, weite Lücken, deren allmälige Aus- füllung wünschenswerth ist.

Eingelaufene Berichte:

4. Juli 1896 um circa 7'' und um 22'' 30'" in Wolfsbach im Kanalthale je ein Stoss von 2 5 Secunden Dauer, schlagähnlich, nachfolgend schüttelnd. Die Stösse glichen dem plötzlichen Zuschlagen einer schweren Thüre. Dann erfolgte heftiges Zittern des kleinen, alten, gemauerten Hauses (Freiherr v. Jabornegg).

22. October 1896, circa 4'' in Klagenfurt (Priesterhausgasse 4, 1. Stock), ein sehr deutliches Erzittern, dem 5 Secunden später eine noch schwächere Erschütterung folgte. 0 W. Bilder an der Wand nach W verschoben,, frei- hängende Ampel schwang. Die erste Er^schülterung dauerte 3, die zweite 2 Secunden. Wurde noch von mehreren Personen in Klagenfurt wahrgenommen.

Am 23. October Abends, circa IS**, folgte nochmals eine schwache Erschütterung (Dr. Othmar Purtscher).

20. November 1896,' um 22''3"'in Gutenstein, N S (von Geräusch begleitet; 21'' 50'" in Wolfsberg, N S (3 4 Secunden); 22'' 2'" p. m. in Unter-

Siehe auch Steiermark, S. 2^

32

Mittheilungen der Erdbeben-Coinmission.

drauburg (allgemein wahrgenommen), SO— NW. Geräusch vorangehend, dann 3 4 Secunden eine starke einmalige Erschütterung.

1. December 1896, um 3''2r", um 3'-51"' und um 9'' 10'" in Pontafel, wo es allgemein wahrgenommen wurde. Das Beben erstreckte sich auch auf die benachbarten Dörfer gegen S und gegen E. Malborghet wurde noch erschüttert, Tarvis dagegen nicht mehr. In dem von Italien kommenden Luxus- zuge wurde das Beben während der Fahrt bei Ponteba verspürt. Einzelne Gebäude im Orte erhielten stärkere und schwächere Sprünge. Die Stösse schienen aus SW zu kommen. Es wurden deren vier beobachtet (um 3''51'" zwei Stösse), von welchen der erste 3 Secunden, die beiden zweiten 2 Secunden und der dritte, schwache Stoss 1 2 Secunden dauerte. Geräusch (kurzes knallendes Donnern und Rasseln) ging den Stössen voraus und folgte ihnen nach. Beim zweiten Stösse beobachtete der Berichterstatter nach 5 Minuten im Freien ein Brausen in den nördlichen Gebirgen, gleich dem eines sehr starken Sturmes (Rudolf Reiter).

VI. Krain und Görz. Der Referent für dieses Gebiet, Herr Prof. Ferd. Seidl, stellte sich, wie wir seinem Berichte entnehmen, die Aufgabe, zunächst je einen Beobachter auf 50 km^ des Landes zu gewinnen und erschien es ihm wünschens- werth, sich hiebei vor Allem die Betheiligung der Volksschul- lehrer zu sichern.

Um eine thunlichst gleichmcässige Dichte des Beobach- tungsnetzes zu erzielen, nahm er die Bezirksschulinspectorate, welche mit den politischen Verwaltungsgebieten identisch sind, vor und leitete die Zahl der Beobachtungsstellen ab, welche unter obiger Forderung auf jede Bezirkshauptmannschaft ent- fallen. Nach Massgabe der so erhaltenen Zahlen versendete er im Juli die Einladungen zur Theilnahme an der Erdbebe n- beobachtung mit je einem Fragebogen und einer Antwortkarte. Eine beträchtliche Zahl der 250 Einladungen blieb unbeant- wortet. Ein Aufruf in Laibacher und Görzer Journalen erzielte einige nachträgliche Zustimmungserklärungen. Eine grössere Anzahl von Einladungen an die Geistlichkeit und an Private erzielte fast gar kein Resultat.

Die Gesammtzahl der in Görz, Gradisca und Krain ge- wonnenen Beobachter beträgt 126 in 117 Orten. Von diesen entfallen 36 auf Görz-Gradisca und 90 auf Krain.

Ausserdem hat aber auf Anregung des Herrn Referenten der Musealverein in Laibach sich bereits im Beginne des Berichtsjahres bemüht, die Mithilfe der intelligenten Kreise

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Krains zur Erdbebenbeobachtung zu gewinnen. Es wurde ein Aufruf und eine Instruction in beiden Landessprachen ver- sendet und förderte auch die Presse durch die VeröffentHchung von Erdbebenberichten unsere Bestrebungen.

So sah sich der Herr Referent in der Lage, den nach- stehenden Bericht über die im Jahre 1896 in Krain und im Görzer Gebiete stattgehabten Erdbeben zusammenzustellen:

14. Jänner, 1''26"' in Laibach ein Stoss von »mittlerer Stärke«.

25. März, 6^ in Laibach ein Stoss.

I.April, 21/4'' fühlte der städtische Sanitätsdiener in Laibach, wohnhaft auf dem Schlossberge, eine ganz schwache Erdschwankung ein paar Secunden hindurch.

5. April (Ostersonntag). 22'' 20™ (mitteleuropäische Zeit gemäss Angabe der Telegraphenämter in Görz und dem Isonzothale) ein Erdbeben im Isonzo- thale. Es wurde wahrgenommen in Flitsch, Karfreit, Livek, Tolmein, Sta. Lucia, Flava, in Görz und jenseits der Reichsgrenze in Podresca (bei Cividale); nega- tive Berichte gingen ein von Idria, Raibl, Villach, Medana (bei Cormons), Butrio (bei Cividale).

Dieses Beben war das stärkste und umfangreichste des Jahres 1896 in Krain und dem Görzer Gebiet. Stossrichtung E W. Aus Sta. Lucia wird berichtet, dass nach vorausgegangenem unterirdischen Getöse um 22'' 20'" zwei senkrechte Stösse wahrgenommen wurden, welche 1 2 Secunden dauerten. Die Fenster und das Glasgeschirr klirrten, die Wandbilder begannen zu schwingen; die Bevölkerung erwachte aus dem Schlafe und verliess die Häuser. Ein Knecht, der im Stall beschäftigt war, bemerkte das Wanken der Wände und der Decke der Stallung. In Tolmein klirrte das Glasgeschirr, die Leute erwachten, verblieben aber in den Wohnungen. In De skia äusserte sich schon um 20'' ein schwächerer Erdstoss. Der Hauptstoss um 22' 20"' löste Stücke des Anwurfes von den Wänden. In Podmelec warf der Stoss das Glasgeschirr von den Stellagen, weckte die Leute aus dem Schlafe und verscheuchte sie aus den Wohnungen. In Kar freit wurde die Bevölkerung gleichfalls geweckt, und Viele eilten in das Freie; um Mitternacht soll ein schwächerer Stoss gefolgt sein. In Görz haben ziemlich viele Personen, welche im ersten oder den oberen Stockwerken weilten, um 22'' 20"° eine leichte Schwingung wahr- genommen, wenn sie sich in wachem Zustande befanden. Nach 23'' folgte noch ein Stoss, der so stark war, dass die Fenster erklirrten. Nur wenige Wachende nahmen ihn wahr. In Podresca haben einige im wachen Zustande befindliche Personen um circa 22'' einen kurzen, w'ahrscheinlich wellenförmigen Stoss empfunden, welcher circa 3 Secunden währte.

6. April zwischen 0'' und 1'' folgte dem Hauptstoss des Vortages ein schwächerer in Deskla und weckte die Bevölkerung aus dem Schlafe.

6. April. Um 4'' 30"" desselben Tages nahm der Wirth Mikuz in Sta. Lucia einen leichten Stoss wahr; er befand sich im wachen Zustande. Dieser Stoss wird auch aus Podresca gemeldet, gleichfalls von 4'' 30'". Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl.; GVL Bd., Abth. I. 3

34 Mittheilungen der Erdbeben-Commission.

Q.April. 1''38'" in Laib ach ein kurzer, ziemlich senkrechter Stoss nach vorausgegangenem Getöse. Die Fenster erklirrten schwach. Zwei Bericht- erstatter aus Laibach vermelden ihn. Auch in Jezica (bei Laibach) wurde er wahrgenommen. Eine Bestimmung der Dauer und Richtung war nicht möglich.

11. April. 20Vo'' leichte, nur von Wenigen beobachtete Schwingungen in Görz.

12. April. 3" in Görz eine leichte Erdschwankung, welche von Wenigen wahrgenommen wurde. Ein Beobachter gibt an, im Bette liegend die Schwin- gungsrichtung SE NW erkannt zu haben.

13. April. Circa 3*' eine leichte Schwankung in Görz, von Mehreren wahrgenommen.

13. April. 23'/-)'' in Laibach ein kurzer, ziemlich kräftiger Stoss, ohne Getöse, wellenförmig.

14. April. 2'■^j^*' in Laibach ein kurzer, kräftiger, wellenförmiger Stoss ohne Getöse.

14. April. An demselben Tage um IQ'/.,'' in Laib ach ein gelindes Getöse und ein leichter Stoss (ein Beobachter).

14. April. Um 3''39"' äusserte sich in Rudolfswert ein starkes unter- irdisches Getöse, nach dem einen Berichte ohne Erschütterung, nach einem anderen mit kräftiger Erzitterung, so dass das Glasgeschirr klirrte. Als Richtung des Stosses wird NW SE angegeben. Ein anderer Berichterstatter meldet, dass der Stoss ein verticaler war »und eben deshalb ohne nachfolgende Erschütterung«. Der Stoss dauerte nur kurze Zeit, war jedoch stärker als am Ostersonntage des Jahres 1895. Die Leute verliessen erschreckt die Häuser. Auch aus Precina bei Rudolfswert wird der Stoss vermeldet.

18. April. 2'' 25"' trat in Laibach eine leichte, mehrere Secunden dauernde Erschütterung ein; es war zunächst ein gelindes Erzittern, alsdann ein Getöse, schliesslich ein schwacher Stoss (zwei Berichterstatter). Das Gemäuer ächzte, die Thüren knarrten.

18. April. 22Vo*' desselben Tages nahm die Gemahlin des Leiters der Volksschule am Laibacher Moor ein leichtes Getöse wahr und einen darauf- folgenden leichten Stoss; das Öl in der Petroleumlampe erzitterte. Dieser Stoss wird auch durch einen Berichterstatter in Laibach bestätigt.

20. April. 19*' 3'° (mitteleuropäische Zeit des Telegraphenamtes) in Görz ein senkrechter Stoss von der Dauer einer Viertelsecunde, ohne Schwin- gungen. Der Berichterstatter sass in seiner Wohnung im zweiten Stockwerke. Das Haus erzitterte, als ob Jemand das Hausthor mit Gewalt zugeschlagen hätte. Der Stoss wurde in Görz auch von vielen im Freien befindlichen Personen wahrgenommen. In Merna und Rupa (nächst Görz) verliessen die Leute erschreckt die Häuser. In Lucinico soll das Küchengeschirr von den Stellagen gefallen sein und die landesüblich verflochtenen Maiskolben von den Stangen. .Auch in Rubia wurde der Stoss wahrgenommen.

20. April. .An demselben Tage trat in Görz um 2OI/.2'' noch ein Stoss ein (ein Beobachten und um 23'' ein dritter leichter Stoss (drei Beobachter).

E. V. Mojsisovics, Organisation des Erdbebendienstes. 35

21. .-Xpril um IPS'" (nach einenn anderen Berichte 11 "'S'", nach einem dritten 11'') in Laibach eine unbedeutende Erschütterung. Die Fenster- scheiben klirrten.

23. April um 23 '/2'' und einige Minuten später neuerdings je ein leichter Stoss in Görz.

25. April, 8'' 51'" in Laibach ein 2Vo Secunden dauerndes Getöse und hierauf ein leichtes »Erknistern« der Zimmerdecke und Thüre (zwei Beob- achter).

2. Mai, 21'' 14'" in Laib ach ein leichter, kurzer, senkrechter Stoss; es knisterte der Kasten im Zimmer des Beobachters.

17. Mai, O^'ßVo'" (nach der Uhr der St. Peterskirche) ein Stoss in Laibach. Der grösste Theil der Bevölkerung vernahm ihn im Schlafe nicht, er wurde nur von Wachenden empfunden. Der Beobachter vernahm (bei offenem Fenster seines Schlafzimmers) ein leicht brausendes Geräusch in den oberen Luftregionen, dessen massig rasches Vorwärtsschreiten von Süden nach Norden deutlich erkennbar war. Hierauf trat der Stoss in 1 21/2 Secunden ein; er dauerte höchstens P/o Secunden. Er rief im Zimmer eine leichte, halb schwingende Erschütterung hervor. Dieser Stoss wurde auch in der Umgebung Laibachs wahrgenommen. In St. Martin unter dem Grossgallenberge hatte er die Richtung SW— NE, dauerte circa 2 Secunden und war so kräftig, dass er die Leute aus dem Schlafe erweckte. In mehreren Häusern wurde Licht gemacht.

13./14. Juni um Mitternacht in Laib ach ein kurzer, ziemlich kräftiger Stoss (zwei Beobachter).

17. /18. Juni Nachts in Laibach ein leichtes Schwingen.

26. Juni, 23'' 5'" in Laib ach schwaches, 2 3 Secunden dauerndes Vibriren (ein Beobachter).

29. Juni, 41/2'' in Laibach eine leichte Erschütterung nach voraus- gegangenem unterirdischen Getöse. In Bischoflak wurde gleichzeitig eine Erschütterung empfunden.

30. Juni, l''30'° in Laibach Erderschütterung mit Dröhnen (dem Berichterstatter mitgetheilte, fremde Beobachtung).

3. Juli, zwischen 16 und 17'' wurde in Dob (Aich, Laibacher Feld) von Landleuten auf freiem Felde Dröhnen und eine leise Erschütterung beob- achtet.

5. Juli, 16''46"' glaubte ein sorgfältiger Berichterstatter in Laibach einen schwachen senkrechten Erdstoss verspürt zu haben.

9. Juli, 16'' 21'" in Laibach kurzes Dröhnen, schwächster Stoss mit Knistern von SW her, unsichere Beobachtung eines Berichterstatters.

10. Juli, 2'' 39" vormittags? nachmittags? Dröhnen in Laib ach und 21'' 14'" schwächster Stoss, ebenso unsichere Beobachtung desselben Bericht- erstatters.

14. Juli, 7'' 5'" und 8'' 45'" in Nassen fuss zwei leichte Beben.

3*

36 Mittheilungen der Erdbeben-Commission.

22. Juli, 10'' öl^inDomzale ein ziemlich starker, 3 Secunden dauernder Stoss. Er wurde von den auf dem Felde beschäftigten Leuten wahrgenommen. 11'' dieses Tages empfanden die Leute in Skarucina (N von Laibach) im Freien eine lebhafte Bodenschwankung und vernahmen zugleich einiges Getöse. Alle Dörfer um den Grossgalle nberg verspürten dieselbe, und wurde dieses Ereigniss namentlich inVodice lebhaft besprochen. In Laibach verspürten nur die in den Wohnungen Befindlichen einen dumpfen Stoss. Nach einem anderen Berichte war es in Laibach um 10'' 46"" ein mittelstarker, l'/2 Secunden währender Stoss ohne besondere Begleitumstände. In Laibach fand auch um QI/q'' ein Stoss statt.

30. Juli, 9'' 17'", 9'' 27"" und 18" 40"' (die Uhr des Berichterstatters zeigte im Vergleich mit der Bahnuhr in Stein 10 Minuten zu spät; ob die genannten Zeitpunkte die corrigirte Zeit bedeuten, wird nicht gesagt) in Ober-Tuchein drei einzelne Stösse von der Seite, gleich leichten Charakters, von SW NE (die Richtung wurde nach dem Gefühle erkannt). Jeder Stoss dauerte bei 5 Secunden. Ein dumpfes Getöse war während der Stösse zu hören und dauerte ein klein wenig länger als die Erschütterung. Manche haben die Stösse nicht wahrgenommen, insbesondere jene, welche einer Beschäftigung oblagen. Die Schnitterinnen auf dem Felde verspürten die Stösse, machten sich jedoch nicht viel daraus.

4. August, 6'' 45"' in Zirknitz drei Stösse, kurz, unmittelbar nach- einander, jeder je 1 Secunde dauernd. Sie wurden allgemein wahrgenommen. Die Fenster erklirrten. Die Stösse kamen vom Westen her, ein dumpfes Getöse begleitete sie. Die Bevölkerung blieb ruhig.

4. August, 68/4'' (»ziemlich verlässliche Zeit, da im Orte ein Tele- graphenamt besteht, nach dessen Uhr die Uhren des Ortes gerichtet werden«) verspürte man das Beben auch in Neudorf (Bloska vas) bei Rakek. Die Schwankung verspürten nur Einige. Es war nur eine Schwankung; bei dem Nachbarn des Beobachters begann die Hängelampe zu schwingen. Im Pfarr- hause erklirrten die Fenster des I. Stockwerkes schwach. Als Richtung wird W E angegeben. Man vernahm zunächst ein Dröhnen wie von entferntem Donner, 4 5 Secunden hernach traf die leichte Schwingung ein, welche ein paar Secunden währte.

12. .\ugust, 3" 17'" in Laibach schwaches kurzes Erbeben mit schwachem Knistern des Kastens im Zimmer (ein Beobachter).

25. August, 0''57"' in Laibach zwei kurze, binnen 1 Secunde sich folgende Stösse. Die Wand im Schlafzimmer des Berichterstatters erzitterte. Ein Getöse war nicht zu vernehmen. Das Beben wird durch andere Beobachter bestätigt. Nach anderen Beobachtern erfolgte um 0'' 58"' nach schussähnlichem Getöse ein kurzer, ziemlich kräftiger Stoss.

Aus Jezica bei Laibach wird gemeldet, dass daselbst der Stoss um 11/4'' stattfand. Es war ein mittelstarker Stoss, von NW SE sich fortpflanzend, er dauerte 3 Secunden und ward von einem unterirdischen Getöse begleitet.

9. September, 11''55'" in Komenda (Bezirk Stein) ein Stoss. (Bald darauf sah der Berichterstatter auf die Bahnuhr. Seine Uhr zeigte 7 Minuten

E. V. Mojsisovics, Organisation des Erdbebendienstes. 3/

zu spät. Ob die angegebene Zeit corrigirt ist, wird nicht erwähnt.) Es war ein langsames, von SE NW sich fortpflanzendes Zittern. Die Richtung wurde nach dem Gefühl und nach dem Schwingen einer Hängelampe beurtheilt. Gleichzeitig mit dem Beben der Erde vernahm man ein Getöse, welches 5 Secunden währte. Die Fenster erklirrten. Es fand eben eine Lehrerversamm- lung statt. Man verstummte, Einige erblassten etwas.

O.September. Von demselben Tage wird eine Erschütterung in Lai- bach vermeldet. Zeit 11'' 48"". In der Hölzersammlung des Landesmuseums fielen einige Stücke um. Nach anderer Angabe ll''5r" mittelstarkes Beben mit Dröhnen, 3 Secunden, senkrecht und auch Vibration S N.

11 ''50'" fand in Jezica ein 6 Secunden währendes Beben statt; es wurde von einem ziemlich starken unterirdischen Getöse begleitet. Das letztere pflanzte sich von W E fort.

23. September, 14'' 17'" in Laibach. 1 y* in Laibach. 23'' in Laiba eh.

Diese drei Stösse werden von glaubwürdigen Beobachtern angegeben.

25. September, 1''56"' in Laibach 4 Secunden dauerndes stärkeres Dröhnen ohne Erschütterung.

3'' 7'" schwaches Erdbeben (unsichere Beobachtung).

26. S eptember, 1''21"' (corrigirt nach der Telegraphenuhr) ein Beben bei Vinica (bei Cernembl). Es wurde im Orte und dessen Umgebung allgemein verspürt, die Meisten wurden aus dem Schlafe geweckt. Die Bewohner am Fusse des Uskokengebirges spürten es nicht soweit der Berichterstatter erheben konnte wohl aber die Kroaten jenseits der Landesgrenze. Es war nur ein mittelstarker, wellenförmiger Stoss, welcher von Westen her kam, mit einem 3 Secunden währenden, sehr gelinden Erzittern. »Man vernahm ein Rollen von Steinen, d. h. als ob unterirdisch ein Einstürzen stattfände«, diese Erscheinung begann und hörte gleichzeitig mit der Erschütterung auf

Dem Berichterstatter versicherte ein Bekannter, dass er schon tagsvorher ein gelindes Beben um 16'' verspürt hätte.

5. October, 4''5'" in Laibach ein schwacher senkrechter Stoss unter gleichzeitigem, ein paar Secunden dauerndem Dröhnen. Ausserdem im Verlaufe der Nacht noch öfters Vibrationen von Anderen verspürt (ein Berichterstatter).

7. October, S'^O"" in Laibach 3 Secunden dauerndes Dröhnen ohne Stoss, etwas unsichere Beobachtung eines Berichterstatters.

9. October, Nachts,

10. October, Nachts,

12. October, 4'', drei Erschütterungen in Kirchheim. Den letzt- genannten Stoss verspürten nur Einzelne. Er kam, wie man es nach dem Gefühle erkannte, vom SW und dauerte 3 4 Secunden. Die Fenster erklirrten, ein Getöse wurde nicht gehört.

15. October, 3'' 25'" in St. Veit bei Laibach ein nicht besonders starker Stoss, begleitet von unterirdischem Getöse. Richtung SW- NE.

38 Mittheilungen der Erdbeben-Commission.

25. Oc tob er, 22'' 6" 45' (Bahnzeit) ein Stoss in Laib ach. Nur wachende, in Ruhe befindhche Personen vernahmen ihn, von anderen wachenden nur einige. Die Mehrzahl der Bevölkerung Laibachs verspürte ihn nicht. Die Bewegung war keine schwingende. Im Schlafzimmer des Beobachters erzitterten zwei Wände deutlich vernehmbar. Dauer IVo, höchstens 2 Secunden. Richtung SW NE. Der Erschütterung ging ein 1 1/2 2 Secunden dauerndes brausendes »unterirdisches Rollen voran, genau so, wie bei fast allen circa 150 Erd- stössen, die wir in Laibach seit der Osternacht 1895 zu beobachten Gelegen- heit hatten«.

28. October, 2''7"' in Laibach ein leichter Stoss.

29. October, 5'' 46'" in Laibach ein leichter Stoss.

8. November, 4'' 35'" 10' (Telegraphenzeit) eine wellenförmige Er- schütterung in Laibach, anscheinend aus W, nach vorausgegangenem donnerartigen Geräusch. Beide Erscheinungen beanspruchten eine Zeit von im Ganzen 5 6 Secunden. In der Wohnung des Beobachters (Hochparterre im Landesmuseum) krachte das Gemäuer, die Fensterscheiben klirrten, die Schlafenden erwachten. Diese Erschütterung war Gegenstand lebhafter Erörte- rung in Laibach. Bis 61/2'' folgten noch zwei schwächere Schwankungen.

Nach dem Berichte eines anderen Beobachters erfolgte der erste Stoss um 4'' 33'" nach vorhergehendem heftigen Dröhnen (einer der stärksten Stösse seit Jahresfrist) in mehr senkrechter Richtung (E W) mit nachfolgendem Vibriren. Dauer 3 4 Secunden. Ähnlich, nur schwächer, um 6'" 22-5'".

InTersain (NE von Laibach) wurde ebenfalls um 4'' 35'" ein ziemlich starker Stoss wahrgenommen, ein zweiter schwächerer um T"" (Bahnzeit). Der Stoss kam aus SE und wurde allgemein verspürt. Der erste dauerte 2, der zweite 1 Secunde, beide wurden durch ein Getöse angekündigt. Bei dem ersten Stoss krachte das Gemäuer, die Hängelampen geriethen ins Schwingen.

In St. Veit (NW von Laibach) wird die Zeit des Stosses auf 4'' 34'" (Bahnzeit) fixirt. Der von »unten nach aufwärts gerichtete Schlag* wurde von den Leuten mit wenigen Ausnahmen allgemein verspürt, da sie aus dem Schlafe geweckt wurden. Dauer 1 Secunde. Vorangegangen war ein von S nach N fortschreitendes Getöse, welches annähernd 3 Secunden währte; in der dritten Secunde löste sich der kurze Stoss aus.

Stein in Krain meldet ziemlich starken, von Getöse begleiteten Erdstoss, SW— NE, um 4'' 40-".

In Set. Mar ein (Station Sanct Marein-Sap der Unterkrainer Bahn) wird 4'" 48'" (»richtige Zeit«) als Zeit des Stosses angegeben. Er dauerte 1 Secunde, kam von der Seite, ein gleichzeitiges unterirdisches Geräusch begleitete ihn. Er wurde nur von Einzelnen verspürt.

In Jezica trat 5'' 35'" ein ziemlich starker, 3 Secunden dauernder Stoss ein. Von unterirdischem Geräusch begleitet, pflanzte er sich von NW gegen SE fort. Sogar im Erdgeschoss schwankten die Gegenstände etwas.

Um 41/2'' wurde ein Stoss ohne Beben auch in Kropp (oberes Savethal, NW von Laibach) wahrgenommen.

E. V. Mojsisovics, Organisation des Erdbebendienstes. 39

18. November. Circa 2*' trat in Kropp ein ziemlich starkes wellen- förmiges Beben ein, welches von S nach N fortschritt. Diese Richtung glaubt der Beobachter daraus zu erkennen, »dass der Anstrich in den Zimmern an mehreren Stellen in der Richtung E W Sprünge erhielt, nirgends aber in der Richtung N S. Auch das Getöse kam von S und verhallte in N. Das wurde dem Berichterstatter seitens mehrerer Beobachter bestätigt.

19. November, 41/2'' in Laibach nach vorhergehendem Dröhnen schwaches V'ibriren, Dauer etwa 2 Secunden. Richtung SW NE (ein Bericht- erstatter).

20. November, P43'" in Laibach ein schwacher Stoss nach vorherigem Dröhnen, Dauer 2 3 Secunden (ein Berichterstatter).

15. December. 4'' 47"° in Laib ach ein massiges, annähernd 2 Secunden dauerndes schaukelndes Beben ohne Getöse. Es weckte den Beobachter aus dem Schlafe.

16. December, 2*' fand in Jezica eine ziemlich starke, von NW gegen SE fortschreitende Erschütterung statt, begleitet von einem unterirdischen Getöse, welches circa 4 Secunden währte.

An demselben Tage vernahm man 18'' 35'" ein unterirdisches Getöse durch 3 Secunden.

17. oder 18.? December. Circa 22^!^ in Görz ein leichter Stoss, von Einzelnen wahrgenommen.

18. December, 1''45"' (nach der Uhr des Beobachters, ein Bahn- oder Telegraphenamt ist nicht in der Nähe) ein Stoss in Kirch heim (N von Idria). Er war wellenförmig, kam von W, dauerte 8 Secunden und wurde nur von Einigen wahrgenommen. Getöse fehlte.

28. December, 21'' 20"" in Plesivica, Gemeinde Hönigstein(Mirna pec) bei Rudolfswert in Unterkrain zwei seitliche Stösse mit Getöse, 4 Secunden, Richtung S N. Der Berichterstatter bemerkt hiezu, dass im Jahre 1896 in der gleichen Gegend mehrere Beben wahrgenommen wurden, während in Laibach gleichzeitig keine Erschütterung stattfand.

29. December Circa 2IV2'' fand ein Beben in Ratschach bei Stein- brück statt. Es wurde nicht von allen Ortsbewohnern verspürt. Ein Augen- zeuge erzählt darüber Folgendes: Er schlummerte im Dachzimmer eines ein- stöckigen Hauses. Plötzlich wurde er durch ein Getöse geweckt. Darauf folgte ein Stoss. Dem Erzählenden schien es, »als ob der Boden wiederholt sich abheben oder abspringen würde«. Er erschrack und eilte aus dem Hause. Das Ereigniss dauerte so lange, dass er hätte bis 6 oder 8 zählen können. In einem anderen Hause von Ratschach sass man am Familientisch. Plötzlich vernahm man um 21i/,2'' ein starkes Sausen oder ein Getöse, »wie bei starker Bora«. In Gorelice (S von Ratschach) wurde das Beben auch verspürt. Ein Schüler erzählte darüber seinem Oberlehrer, unserem Berichterstatter, Folgendes: Er schlief im Stalle, welcher auf Felsboden steht. Um 2P/2'' hörte er einen Donner- schlag, das Bett gerieth ins Schwanken und der Dachstuhl knarrte. Das Vieh lagerte, erhob sich aber plötzlich. Im Nachbarhause wurde das Erdbeben von Allen empfunden.

40 Mittheilungen der Erdbeben-Commission.

Dasselbe Beben trat auch in Nassenfuss ein. Man verspürte dort um 21 ''23'" einen so kräftigen Stoss, dass das Hausmobiliare in Schwingungen gerieth. Der Stoss wiederholte sich noch in derselben Nach't, war jedoch das zweitemal schwächer.

VII. Gebiet von Triest. Über die Organisation des Erd- bebendienstes in diesem Territorium berichtet der Referent, Herr Ed. Mazelle. «Auf Grund der zur Versendung gelangten Aufrufe haben bisher 26 Beobachter sich zur Mitwirkung bereit erklärt, wovon 10 auf das Stadtgebiet fallen und 16 auf das Territorium. Mit der später zu erwähnenden Beitrittserklärung des Landes - Gensdarmerie - Commandos steigt die Zahl der Stationen auf 30. Von den Beobachtern der Stadt sollen haupt- sächlich hervorgehoben werden: der Vorstand des Telegraphen- Hauptamtes und der Leiter der Telegraphencentrale, welche Ämter in Folge ihres Tag- und Nachtdienstes hoffentlich gute Dienste leisten werden, und der See-Oberinspector und Hafen- capitän. Die übrigen Beobachter \-ertheilen sich auf die ver- schiedenen Stadttheile.

Bei der geringen Ausdehnung des Gebietes hält der Referent die Anzahl der Beobachter für genügend, wird jedoch trachten, noch einen oder den anderen wichtigen Punkt durch einen verlässlichen Beobachter zu gewinnen.

Das hiesige k. k. Landes-Gensdarmerie-Commando hat sich bereit erklärt, die unterstehenden 80 Postenconimanden mit Fragebögen zu betheilen. Nach eingeholter Zustimmung der Referenten für Görz und Istrien wurde, um dem Landes- Gensdarmerie-Commando in Triest die Arbeit zu erleichtern, die Vereinbarung getroffen, alle eventuell einlaufenden Beob- achtungen dem Referenten für Triest zu übersenden, welcher dieselben umgehend den einzelnen Referenten zukommen lassen wird«.

Erdbebenmeldungen sind nicht erstattet worden.

Mll. Istrien und Dalmatien. Die Gesammtzahl der bis Jahresschluss gewonnenen Beobachter beträgt 129. Die Ver- theilung ist nach den Angaben des Herrn Referenten, Director E. Gelcich, eine zweckentsprechende. Bloss im politischen Bezirke Volosca (Istrien) besteht noch eine grössere Lücke, deren Ausfüllung angestrebt wird.

E. V. Mojsisovics, Organisation des Erdbebendienstes. 41

Erdbebenmeldungen ^ liegen vor vom

24. Mai, 6'' 45'" aus Ragusa, leichter Stoss, 2 Secunden.

10. Juni, ohne nähere Zeitangabe aus Cettinje, zwei starke wellen- förmige Stösse, von unterirdischem Getöse begleitet.

10. Juni, 22'' 50'" aus Cattaro, starkes wellenförmiges Beben, 8 Secunden, NW- SE (Postamt).

Ein anderer Beobachter, Herr Hauptmann Tatra, berichtet mit überein- stimmender Zeitangabe von einem leichten, eine Secunde dauernden, wellen- förmigen Beben, N S. Der Berichterstatter lag im Bette, verspürte und hörte die Bewegung deutlich. Thüren und Kästen knarrten. Vögel im Käfig wurden unruhig. Unmittelbar nach dem Erdstosse erhob sich ein Brausen in der Luft. Auf der See verspürte man im Schiffe nach Mittheilung des Herrn Comman- danten S. M, Schiffes »Narenta« in Teodo deutlich die Bewegung.

10. Juni, 23'' aus Ragusa, Erdstoss mit massigen Undulationen, 3 Secunden.

12. September, aus Makarska, Zivogosce und Vrhgorac in Dalmatien.

In Makarska (der Stadt) wurden Erschütterungen um 0''41'"15' und um 4'' 35"' 40' verspürt. Aus Zivogosce (Makarska) wird 1 2'' angegeben. Vrhgorac meldet 0''45"'. Von den Stösten in Makarska dauerte der erste circa 2, der zweite circa 3 Secunden. In Zivogosce unterschied man zunächst eine schwächere, etwa 2 Secunden andauernde Bewegung, hierauf einen stärkeren Stoss von 1 Secunde und dann wieder 2 Secunden schwächeres Erzittern. Richtung SE NW. (In Zgrane, nordwestlich von Zivogosce, wo der Stoss gleichfalls allgemein wahrgenommen wurde, soll die Richtung von W gegen E gewesen sein.) Gebäude krachten, Gegenstände bewegten sich unter Getöse. Das Geräusch wurde vor und nach dem Beben gehört. Die Bevölkerung wurde aus dem Schlafe geweckt (Beobachter Peter Anticic).

In Vrhgorac dauerte der Stoss angeblich 7 8 Secunden. V^on N nach S (Ivan Ujevic).

17. September, um 19'' 32'", 19'' 35"' und 19'' 56'" in Gorizza, Gememde Zaravecchia, District Zara. Von diesen Stössen war der dritte der schwächste. Dauer je 2 Secunden. Den aus N kommenden Stössen gingen plötzliche Geräusche, ähnlich Kanonendonner, voraus (Pfarramt).

16. November, um 0'' 15"' in Volosca (Istrien) ein Stoss mit Vor- und Nacherschütterung, von unten unter langsamem Schaukeln, S N, circa 3 Secunden. Der Erschütterung ging ein donnerähnliches Geräusch voraus und folgte derselben ein solches. Das Meer wurde unruhig und schlug Wellen (Commandant des Gensdarmeriepostens).^

21. November, 23'' 30'" in den Bocche di Cattaro.

Die Semaphorstation in Punta d'Ostro meldet: 23'' 30"' heftiges Erdbeben, Stoss von 4 Secunden. Aus Kuti bei Castelnuovo wird, wohl unrichtig, 23'' 40'"

1 Wir sind Herrn Hofrath Prof. Dr. Vrat. Jagic für die freundliche Über- setzung der in kroatischer Sprache ausgefüllten Fragebogen zu vielem Danke verpflichtet.

42 Mittheilungen der Erdbeben-Commission.

gemeldet. Tivat gibt 23'' 24'" an, während aus Risano zwei Berichte vorliegen, von welchen der eine 23'' 30'", der andere 23'' 31'" angibt. Die letztere Angabe rührt von der k. k. Hafenexpositur her und wurde die Uhr mit der Telegraphen- uhr verglichen. Richtung E W. Allgemein wurde nur ein kurzer Stoss von 1 Secunde gefühlt (auch in dem Risano benachbarten Orte Perasto).

In Tivat wurden drei Stösse beobachtet, von denen der erste der Haupt- stoss war, welchem sofort zwei schwächere Stösse folgten. Dauer 1 Secunde. Dem Beben ging durch 2 Secunden Geräusch voraus.

In Kuti soll der Stoss, welcher angeblich 4 5 Secunden gedauert haben soll, von S gekommen sein. Es erbebten Tische, Betten, Bilder und Küchengeräthe, sowie die Gegenstände in den Kästen und auf den Tischen (A. Ozegovic).

IX. Deutschtirol und Vorarlberg. In der Organisation des Beobachterdienstes entstand einige Verzögerung dadurch, dass Herr Prof. Blaas, welcher ursprünglich das Erdbeben- referat für Deutschtirol und Vorarlberg übernommen hatte, von dieser Berufung wieder zurücktrat. Herr Prof. Dr. Jos. Schorn, welchem sodann das Referat übertragen wurde, begann seine Thätigkeit erst Mitte September und gewann bis Jahresschluss 135 Beobachter in Deutschtirol und 23 Beobachter in Vorarl- berg. Eine besondere Berücksichtigung fanden die erdbeben- reichen Gegenden von Sterzing, Hall und Nassereit.

Die Bemühungen des Herrn Referenten wurden in zuvor- kommender Weise unterstützt von Herrn Regierungsrath R. v. Drathschmidt, Betriebsdirector der k. k. Staatsbahnen, und Herrn kaiserl. Rath Gas per, Verkehrs-Ghef der Südbahnstrecke Kufstein Ala.

Das Jahr 1896 war ein relativ erdbebenarmes. Die Zahl der bekannt gewordenen Erschütterungen beträgt bloss 6, während im Jahre 1895 in Tirol 18 Erdbewegungen wahrgenommen wurden. Vorarlberg wurde in beiden Jahren von Erdbeben ver- schont. Bei der Zusammenstellung des nachfolgenden Ver- zeichnisses wurden ausser directen Mittheilungen auch noch Zeitungsberichte benützt.

1. Am 1. Jänner um 15'' 40"' in Sterzing ein von unterirdischem Getöse begleiteter Erdstoss.

2. Am 8. Jänner Nachts um 23'' 45"" in Meran ein nicht unbedeutendes Erdbeben, das ein paar Secunden anhielt und in den Zimmern Gegenstände an

die Wand oder aneinanderschlug.

E. V. Mojsisovics, Organisation des Erdbebendienstes. 43

Dasselbe Erdbeben verspürte man auch in Merans Umgebung, so in Tisens. Hier anfangs donnerähnliches Getöse und darauf lange Zeit ein unheimliches unterirdisches Getöse.

3. Am 28. Juli ungefähr V2 4'' früh in Zams, und zwar am rechten Inn- ufer auf felsigem Grunde zwei Erdstösse, wovon der erste etwa 15 Secunden währte und so heftig war, dass die Gegenstände in den Zimmern schwankten, die Fenster klirrten und Leute aus dem Schlafe geweckt wurden. Der zweite Stoss war schwächer und von kürzerer Dauer. Da man von auswärts nichts darüber hörte, scheint das Erdbeben nur local gewesen zu sein (P. Alois Bader in Zams).

4. Am 17. August um 4'' im Seilrainthal ein »»kleiner« Erdstoss.

5. Am 24. October um 13''23"' in Riva und Arco eine etwa 1 Secunde andauernde, als Stoss von unten sich äussernde Erdbewegung mit kurzem Nachzittern; 21 Minuten später eine schwächere Erdbewegung, die sich als eine von N nach S gerichtete Schaukelbewegung äusserte (Freiherr v. Giova- nelli, k. k. Bezirkshauptmann in Riva, und Arthur Wildgruber in Arco).

6. Am 29. December, 2 3'" vor 21'' in Fiecht bei Schwaz ein nicht unbedeutender Erdstoss mit etwa 2 Secunden nachhallendem Dröhnen, ähnlich dem einer abstürzenden Dachlawine oder dem Gerassel eines in den Hof ein- fahrenden schweren Wagens. Die Fenster klirrten (P. Bonifaz Sohm in Fiecht).

Im benachbarten Dorfe Vomp und auf St. Georgenberg wurde zu jener Zeit bloss ein Getöse wahrgenommen, das man fälschlich einer Dachlawine zuschrieb. In der entfernteren Umgebung (Jenbach, Achenthai, Vorderziller- thal, Fritzens) verspürte man nichts.

X. Wälschtirol. Hier hat erst gegen Ende des Berichts- jahres Herr Prof. Jos. Damian das Referat übernommen. Die Zahl der Beobachter betrug zu dieser Zeit bloss 12 und wird es das Bestreben des Referenten sein, ein ausreichendes Beob- achtungsnetz zu schaffen.

Das Erdbeben vom 24. October, welches im Sarcathale in Riva und Arco beobachtet wurde, wurde in das vorstehende Verzeichniss der deutschtirolischen Beben aufgenommen.

XI. Böhmen, deutsche Gebiete. Nach den Mittheilungen des Herrn Referenten Prof. Dr. F. Becke wurden 191 Beob- achter gewonnen, welche sich auf 171 Orte vertheilen. Es ist dies das Resultat der Versendung von circa 500 Aufforde- rungen. Während in dem dicht bevölkerten nördlichen Theile des Gebietes die Dichtigkeit des Netzes eine halbwegs befriedi- gende ist, kann dies für den Böhmerwald und Südböhmen nicht behauptet werden. Der Referent wird sich bemühen, hier das Netz nach Möglichkeit dichter zu gestalten. Allerdings

44 Mittheilungen der Erdbeben-Commission.

erschweren die minder diclite Bevölkerung und die geringere Cultur die Gewinnung geeigneter Persönlichkeiten.

Über das Erdbeben von Brüx am 3. November liefen eine Reihe von Berichten ein, welche durch zweckentsprechende Nachfrageschreiben des Herrn Referenten ergänzt werden konnten. Es wurde auf diese Weise hinreichendes Material für die weiter unten unter separatem Titel folgende seismologische Studie gewonnen.

XII. Böhmen, böhmisches Gebiet. Durch die eifrigen Bemühungen des Herrn Referenten Prof. Dr. J. N. Woldfich wurde in den böhmischen Landestheilen ein ziemlich gleich- massiges Beobachtungsnetz von 262 Theilnehmern gebildet. Während des Bestandes der Organisation lief bis Ende December 1896 keine Meldung über stattgehabte Erschütterungen ein.

XIII. Mähren und Schlesien. Nach dem Berichte des Herrn Referenten Prof. Alex. Makowsky meldeten sich in Schlesien bis Ende 1896 im Ganzen 11, in Mähren 25 Persön- lichkeiten zur Berichterstattung. Der Herr Referent wird seine Bemühungen zur Verdichtung des Beobachtungsnetzes im Jahre 1897 fortsetzen.

Erdbebenmeldungen liefen nicht ein.

XIV. Galizien. Die Organisation ist in dieser Provinz bis heute noch nicht durchgeführt.

XV. Bukowina. Auch diese Provinz ist mit der Organi- sation des Beobachtungsnetzes im Rückstande, doch ist zu erwarten, dass es dem Referenten Herrn Oberbaurath A. Paw- towski gelingen wird, noch in der ersten Hälfte des laufenden Jahres eine grössere Anzahl von Stationen zu gründen.

Übersicht über die Zahl der Beobachtungsstationen in den einzelnen Ländergebieten (Stand vom Ende December 1896).

1. Niederösterreich 236

2. Oberösterreich 203

3. Salzburg 61

4. Steiermark 280

5. Kärnten 27

6. Krain und Görz 126

E. V. Mojsisovics, Organisation des Erdbebendienstes. 4o

7. Triest 30

8. Istrien und Dalmatien 129

9. Deutschtirol und Vorarlberg ... 158

10. Wälschtirol 12

1 1 . Böhmen, deutsche Gebiete 191

12. Böhmen, böhmische Gebiete . . .262

13. Mähren und Schlesien 36

1 4. Galizien 0

15. Bukowina 0

46

Mittheilungen der Erdbeben-Commission der

kaiserlichen Akademie der Wissenschaften

in Wien.

IL Bericht über das Erdbeben von Brüx am 3. November 1896

Friedrich Backe,

c. M. k. Akad.

(Mit 1 Kartenskizze im Texte.)

Früher als zu erwarten war, ist die von der Erdbeben- Commission der kaiserl. Akademie der Wissenschaften ins Leben gerufene Organisation der Erdbebenbeobachtung auf die Probe gestellt worden. Der folgende Bericht kann als ein Beweis der Leistungsfähigkeit des Beobachtersystems gelten, wenngleich dem Berichterstatter die Mängel nicht verborgen bleiben, welche namentlich in den mangelhaften Zeitangaben gelegen sind und welche durch präcisere zu ersetzen vor Allem das Streben bei zukünftigen Beobachtungen sein wird.

Die erst im Laufe des Sommers geschaffene Organisation hat sich insoferne ganz gut bewährt, als kurze Zeit, nach- dem die öffentlichen Blätter die Nachricht von einem Erdbeben in der Umgebung von Brüx gebracht hatten, Berichte und ausgefüllte Fragebogen von mehreren Beobachtern einliefen, welche zwar noch nicht ausreichten, Umfang und Charakter des Ereignisses festzustellen, aber doch vollkommen hin- reichende Anhaltspunkte gaben, um durch Erkundigungen, Versendung von Fragebogen die vorhandenen Lücken aus- zufüllen.

F. Becke, Erdbeben von Brüx. 47

Der Berichterstatter wurde hierin insbesondere von dem rührigen Beobachter in Brüx, suppl. Gymnasialprofessor Aurel Kiebel, und von Herrn Med. Dr. Dasch in Seestadtl kräftigst unterstützt. Ihnen, sowie allen anderen, welche den Referenten in Aufsammlung der Nachrichten gefördert haben, sowie auch allen jenen Personen, welche Nachrichten über das Erdbeben zur Verfügung stellten, sei an dieser Stelle der aufrichtigste Dank ausgesprochen.

Alle auf das Erdbeben bezüglichen Fragebogen und son- stigen Nachrichten und Belege erliegen bei der Erdbeben- Commission der kaiserl. Akademie der Wissenschaften.

Von einer auszugsweisen Publication der eingelaufenen Beantwortung der Fragebogen kann hier abgesehen werden.

Im Folgenden gibt der Referent einen zusammenfassenden Bericht über das thatsächlich Beobachtete.

Am 3. November 1896 wurde am Abhänge und Kamme des Erzgebirges nordwestlich von Brüx Abends kurz nach 9 Uhr ein Erdstoss verspürt, über welchen aus nachstehenden Orten Berichte eingingen:

A. Auf dem Plateau des Erzgebirges: Katharinaberg (Beobachter Med. Dr. Wolf). Kleinhan (unbekannter Beobachter, vermittelt durch

Buchdruckereibesitzer Skalitzky in Görkau).

B. Am Fusse des Erzgebirges:

Gör kau (Beobachter Dr. Tobias Oesterreicher).

Oberleutensdorf (Beobachter Bürgerschuldirector Jos. Fritsch und k. k. Werkmeister der Fachschule).

Johnsdorf (Beobachter Lehrer Gustav Viehweber).

Obergeorgenthal (Beobachter Dr. Eduard Pisinger).

Niedergeorgenthal (Beobachter Dr. Engel).

Eisenberg (Beobachter Dr. Tutschek, fürstl. Lobkow. Forstdirector Ferdinand Ritter v. Fiscali).

Alexander-Schacht bei Ossegg (Beobachter Anton Tlach befand sich zur Zeit der Beobachtung in der Grube in einer Tiefe von —74 77; unter dem Meeresspiegel).

48 Mittheilungen der Erdbeben-Commission.

C. Im Braunkohlenbecken: Seestadtl (Beobachter Dr. Hugo Dasch).

Brüx (Beobachter: Familie des Prof. Franz Fischer, In- genieur Hollanecky, vermittelt durch suppL Gymnasialprofessor Aurel Kiebel).

Trupschitz (Beobachter Anton Low, Bergwerksbesitzer).

D. In den Ausläufern des Mittelgebirges: Bilin (Beobachter Med. Dr. Franz Seifert). Hochpetsch (Beobachter Med. Dr. Stauber).

In folgenden nahe gelegenen Stationen ist das Erdbeben nicht beobachtet worden:

Weipert, Kaaden, Eidlitz, Postelberg, Wellemin, Aussig, Dux, Teplitz, Eichwald, Eulau, Kulm, Tetschen.

Auch im westlichen Erzgebirge, im Duppauer Gebirge, sowie südlich im Egerthale ist das Erdbeben nicht verspürt worden.^

Auch am Nordwestabhang des Erzgebirges zu Olbernhau wurde nach der Mittheilung eines Gewährsmannes von dem Erdbeben nichts verspürt, während nach einer Mittheilung aus Sonnenburg (Berichterstatter Dr. Langer) in Reitzenhain der Erdstoss beobachtet worden sein soll.

Aus diesen Daten ergibt sich, dass das erschütterte Areal ein ziemlich eng begrenztes war und sich auf ein beiläufig elliptisches Gebiet erstreckte, mit einer längeren Axe von circa 40 km von Reitzenhain bis Hochpetsch und einer kürzeren, mit dem Bruchrande des Erzgebirges zusammenfallenden, von Görkau bis Ossegg (circa 20 km). Die längere Axe des ellip- tischen Schüttergebietes liegt etwas schief zum Abbruch des Erzgebirges WNW— OSO, die kürzere SW— NO (vergl. die folgende Kartenskizze).

Als Zeitpunkt des Eintrittes der Erschütterung wird von allen Beobachtern die Zeit um 9^ Abends angegeben; genauere Angaben sind kaum festzustellen. Selbst jene Beobachter,

1 Herrn Prof. Wo Id rieh verdanke ich die Nachricht, dass von den folgenden nächstgelegenen Stationen cechischer Beobachter das Beben nicht gemeldet wurde: Rocov, Jungfernteinitz, Laun, Libochowitz, Trebnitz, Raudnitz.

F. Becke, Erdbeben von Brüx.

49

welche angeben, dass die Angabe sich auf Bahnzeit oder mitteleuropäische Zeit beziehe, differiren um fast eine Viertel- stunde:

Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. ; CVI. Bd., Abth. I. 4

50 Mittheilungen der Erdbeben-Commission.

Katharinaberg 9'' Abends «Nach der Bahnuhr«.

Niedergeorgenthal. . . . 9'MO'" Die Uhr wurde mit der

Bahnzeit verghchen, die

Zeitangabe danach cor-

rigirt.

Brüx 9^ 7'" Die Uhr bHeb 9M5'"

stehen; sie ging 8 Minuten

vor der Bahnuhr, welche

mitteleurop. Zeit zeigt.

Hochpetsch 9''12'" »Bahnzeit« (mitteleurop.).

Bei der kleinen Entfernung zwischen den einzelnen Sta- tionen können solche Differenzen nur durch unrichtigen Gang der Uhren erklärt werden.

Auch die Zeitangaben der Beobachter, welche nicht in der Lage waren, ihre Uhren zu corrigiren, gehen in ähnlicher Weise auseinander, und für den Eintritt des Hauptstosses erfolgen Angaben von 8'' 55"' bis 9'' 25™. Die meisten Angaben concentriren sich aber auf einen Zeitpunkt wenige Minuten nach 9^ Abends.

Von den meisten Beobachtern wird berichtet, dass die erste stärkere, von donnerähnlichem oder rollendem Geräusch begleitete Erschütterung nach wenigen Minuten von einer gleichartigen schwächeren gefolgt worden sei. Hierüber liegen folgende Daten vor:

Dauer des Dauer des

ersten Stosses Pause zweiten Stosses

Görkau 3— 4 See. 2— 3 Min. 3— 4 See.

Johnsdorf 3 4 See. kurz nach- 3 4 See.

einander

Obergeorgenthal . . 20 See. 2— 3 Min. 5 10 See.

Niedergeorgenthal 5 See. 15 Min. IV2 See. Alexander-Schacht

bei Ossegg .... 10 See. 10 Min. 6 See.

Trupschitz einige See. circa 5 Min. einige See.

Brüx ungef. 10 See. ungef. 1 Min. ungef. 10 See.

Hochpetsch 20 See. 2— 3 Min. 8 10 See.

F. Becke, Erdbeben von Brüx. 51

Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass das Ereigniss in allen diesen Orten gleichartig verlief; die stark differirenden Angaben über Dauer der einzelnen Bewegungen und der Pause zwischen beiden sind wohl durch Beobachtungsfehler zu erklären. Sie lassen erkennen, wie schwierig exacte Be- stimmungen dieser Art selbst für aufmerksame und intelligente Beobachter sind; genauere Daten über solche Phänomene wird man wohl nie auf dem Wege der Umfrage, sondern immer nur durch Aufstellung selbstregistrirender Apparate gewinnen können. Freilich wird man solche nicht in einem Erdstrich auf- stellen wollen, wo Erdbeben verhältnissmässig so selten sind wie glücklicherweise auf der böhmischen Masse.

Nur eine einzige Erschütterung, welche jedenfalls zeitlich mit der ersten stärkeren der früher erwähnten identisch ist, wurde von folgenden Orten gemeldet:

Dauer

Katharinaberg kaum 1 Min.

Kleinhan 2—3 See.

Oberleutensdorf 2 See.

Eisenberg 5 10 See.

Seestadtl 2 See.

Bilin circa 2 See.

Art der Bewegung. Über diese liegen folgende An- gaben vor:

Katharinaberg: Ein langsames Schaukeln und Zittern.

Kleinhan: Ein Schlag von unten, mehr aber Erschütterung.

Görkau: Zittern.

Oberleutensdorf: Wie eine durch Donner hervorgebrachte Erschütterung.

Johnsdorf: Zittern.

Eisenberg: Stoss mit nachfolgendem unterirdischem Dröhnen.

Alexander-Schacht bei Ossegg, 74 w unter dem Meeres- spiegel: Schlag von unten (von der Sohle) mit einer zitter- artigen Bewegung.

Seestadtl: Kurzer horizontaler Ruck.

Trupschitz: Schaukeln.

4*

52 Mittheilungen der Erdbeben-Commission.

Brüx: Zittern; nach anderer Beobachtung Schlag (als wenn Jemand mit der Faust auf den Tisch schlägt), kurzer Ruck von unten.

Hochpetsch: Rollen wie von einem Wagen; einzelne Per- sonen haben einen Ruck verspürt.

Bilin: Es wurde nur ein unterirdisches Geräusch und ein Klirren der Fenster beobachtet.

Abweichend von den übrigen Beobachtern, welche die Bewegung als gleichartig während der zwei wahrgenommenen Bewegungen oder während des Verlaufes der einen Erschütte- rung beschreiben, sind die Angaben des Beobachters in Nieder- georgenthal. Hier wurde bereits 6^30'° Abends eine schiebende Bewegung von SW nach NO und umgekehrt in der Dauer von 2 Secunden wahrgenommen. Die zweite Erschütterung um 8''55'" verpflanzte sich von Nord nach Süd mit anfänglich donnerartigem Rollen und nachfolgendem unterirdischen Ge- töse; darauf folgte in südlicher Richtung ein heftiger Stoss, der Gegenstände (Gläser u. dgl.) in Bewegung brachte. Diese Bewegung fällt offenbar zeitlich mit dem Hauptstoss der anderen Stationen zusammen. Die dritte Bewegung Q'^IO"^ glich einer zitternden Bewegung mit ganz geringem Stoss.

Die Richtung der Bewegung wird von der Mehrzahl der Beobachter N S oder S N angegeben; häufig kommen auch Angaben SO NW vor; seltener und wie es scheint auf die Nähe des Erzgebirgsrandes beschränkt sind Angaben über Stossrichtungen 0 W oder SW NO und umgekehrt.

Die folgende Tabelle registrirt die eingelaufenen Angaben, welche, wo nichts Anderes bemerkt wird, bloss durch die unmittelbare Empfindung der Beobachter festgestellt sind.

N S und umgekehrt und naheliegende Richtungen:

Katharinaberg (N S). Kleinhan (meist von Norden nach Süden). Görkau (von Süden).

Niedergeorgenthal (der Hauptstoss von Nord nach Süd). Alexander-Schacht bei Ossegg: Der Stoss schien von der Südseite vom Mittelgebirge zu kommen. Seestadtl: Von Süden gegen Norden.

F. Becke, Erdbeben von Brüx. 53

Tmpschitz: Von Norden durch Schaukeln der Hänge- lampe bestimmt.

Bilin: Richtung Süd— Nord.

Hochpetsch: »Von Süd- nach Nordwest konnte ich das Geräusch verfolgen«.

NW— SO und umgekehrt: Johnsdorf von NW nach SO. Brüx von SO nach NW.

0 W und umgekehrt: Obergeorgenthal: Mehr von Osten (von Eisenberg her).^ Eisenberg: Von Westen.

SW— NO:

Brüx: Die Richtung der Bewegung war von SW nach NO, durch eine stehen gebliebene Uhr festgestellt.

Niedergeorgenthal: Die erste Erschütterung 6''30™ Abends war eine schiebende Bewegung von SW nach NO und um- gekehrt in der Dauer von 2 Secunden.

Schallerscheinung. Das Beben war allgemein von einer Schallerscheinung begleitet, welche von der Mehrzahl der Beob- achter mit unterirdischem Rollen, mit dem Rollen eines schweren Wagens, mit Donner verglichen wird. Von vielen Beobachtern wird angegeben, dass dasselbe gleichzeitig mit der Erschütte-, rung eintrat. Einige Beobachter haben dasselbe vor der Er- schütterung beobachtet, andere haben es nach der Erschütte- rung wahrgenommen. Hierüber gibt folgende Tabelle Auskunft:

Das Geräusch ist in Bezug auf die Erschütterung

gleichzeitig geht voraus folgt nach

Kleinhan Katharinaberg Eisenberg

Oberleutensdorf Görkau Alexander-Schacht-

Johnsdorf (fast Niedergeorgenthal

gleichzeitig) Obergeorgenthal Brüx

Seestadtl Trupschitz Brüx Hochpetsch

1 So die Angabe; Obergeorgenthal liegt östlich von Eisenberc

54 Mittheilungen der Erdbeben-Commission.

Die Orte, an denen der Eintritt des Geräusches vor oder nach der Erschütterung angegeben wird, lassen keinerlei regel- mässige Vertheilung erkennen.

Intensität der Erschütterung. Die Erschütterung wurde in Katharinaberg, Kleinhan, Johnsdorf, Eisenberg, See- stadtl, Trupschitz, Hochpetsch allgemein oder doch von der Mehrzahl der Bewohner wahrgenommen.

Nur von einzelnen Personen wurde die Erschütterung verspürt in Görkau, Oberleutensdorf, Obergeorgenthal, Brüx, Bilin.

Die Erschütterung war überall schwach, so dass Beschädi- gungen an Gebäuden nicht vorkamen. Doch wird von mehreren Orten gemeldet, dass bewegliche Gegenstände ins Wanken kamen, Gläser klirrten, Hängelampen ins Schaukeln geriethen. Derartiges wird berichtet aus Katharinaberg, Oberleutensdorf, Eisenberg, Niedergeorgenthal, Seestadtl (Wandtafeln fielen von der Wand des Schulzimmers). Von Brüx wird das Stehen- bleiben einer Uhr berichtet; an dem Rohr, welches Ofen und Kamin verbindet, wurde ein Sprung bemerkt; ein blossgelegtes Wasserleitungsrohr wurde verbogen. Das Stehenbleiben von Uhren und Verschiebung von Bildern an den Wänden wurde auch in einzelnen Theilen von Görkau beobachtet.

In den Gruben von Trupschitz kamen Verschiebungen der Zimmerung vor, und es fiel von der Decke der Strecken Kohle herab. Überhaupt ist hervorzuheben, dass in den Braunkohlen- gruben des Schüttergebietes die Bewegung merklich verspürt wurde. Bemerkenswerth ist namentlich die Beobachtung im Alexander-Schacht bei Ossegg. Ingenieur Tlach beobachtete das Erdbeben bei der Grubenbefahrung in einer Tiefe von 74 m unter dem Meeresspiegel. Auch im Guido-Schacht bei Kommern, im Mathilden-Schacht bei Tschausch wurde das Beben bemerkt. Aus mehreren Orten liegen Berichte vor, dass die Belegschaft durch die Erschütterung erschreckt und, den Einsturz der Grube fürchtend, ausfuhr. So am Robert-Schacht bei Seestadtl und in Gruben bei Kopitz. Aus dem Vergleich aller vorliegenden Angaben gewinnt man den Eindruck, dass die Erschütterung in den auf dem Erzgebirgkamme liegenden Orten, dann am Fusse des Erzgebirges und in dem Gebiete

F. Becke, Erdbeben von Biüx. OD

des ehemaligen Kommerner Sees, also um Seestadtl herum, am intensivsten gewesen sei. In den Orten am Fusse des Erzgebirges wurden Bewohner durch die Erschütterung in Schrecken versetzt, so dass sie die Wohnung verliessen, um nachzusehen, was geschehen sei (Marienthal, NW von Ober- georgenthal), oder die Nacht über aufblieben aus Furcht vor neuen Stössen (Eisenberg).

Ausdrücklich geben mehrere Beobachter an, dass die Erschütterung im Gebirge stärker zu verspüren gewesen sei als im Braunkohlenbecken. Nicht zu verkennen ist die Ab- schwächung gegen die Peripherie des Gebietes. So wurden von Bilin und Görkau neben positiven auch negative Meldungen erhalten. In Hochpetsch wird die Erschütterung ausdrücklich als schwach bezeichnet. Die Angaben von Bilin und Hoch- petsch lassen auch vermuthen, dass hier das Schallphänomen auffallender war als die Erschütterung.

Lassen sich die vorliegenden Intensitätsbeobachtungen so deuten, dass die Bewegung in dem Grundgebirge ihren Ursprung nahm, das Braunkohlenbecken nur secundär in Mitleidenschaft gezogen wurde, so gewinnt diese Annahme weiteres Gewicht durch die Thatsache, dass die aus zwei rasch nacheinander folgenden Stössen bestehende Haupterschütte- rung bereits 2 3 Tage durch Vorläufer angekündigt wurde, welche vornehmlich im Erzgebirge und in den Orten unmittel- bar am Fusse desselben wahrgenommen wurden und sich nicht weiter im Braunkohlenbecken erstreckt haben. Einige dieser Vorläufer wurden an mehreren Orten gleichzeitig ver- spürt, so dass die Realität dieser Erschütterungen ziemlich gesichert erscheint. Die meisten (23) Erschütterungen hat der Beobachter in Eisenberg verzeichnet, was er durch die Lage seiner Wohnung abseits vom Verkehr im Walde erklärt. Im Allgemeinen scheinen diese Erschütterungen schwach gewesen zu sein. Die meisten dieser Vorläufer hielten sich innerhalb des Schüttergebietes des Hauptstosses. Einige (2. Nov. p. m.) griffen NE darüber hinaus (Fleyh und Umgebung).

Nach der Zeitfolge geordnet, werden Vorläufer von folgen- den Tagen berichtet:

56 Mittheilungen der Erdbeben-Commission.

31. October.i

8*^ O'*' p. m. Eisenberg. 9 45 » Eisenberg. 10 30 » Kleinhan.

1. November.^

2''0™ a. m. Katharinaberg, 1''45™ in Eisenberg, 2'' Kleinhan, gegen 2'' Morgens Görkau. 3'^ 30'" a. m. Eisenberg.

5 45 » Eisenberg.

6 30 » Eisenberg.

7 0 p. m. Katharinaberg.

2. November.

3^15'" a.m. Eisenberg.

3^30™ p. m. Katharinaberg, 3'M5™ Kleinhau, 3M5"^ Eisen - berg, nach 3'' p. m. donnerähnliches Rollen, Flej^h.

4'' p. m. Fleyh, schwaches Zittern und donnerähnliches Rollen.

4^30"' p. m. Katharinaberg.

8^30™ p. m. Eisenberg.

Gegen 12'^ Nachts Brüx?

3. November.

12'^ 30'"

a. m. Eisenberg.

8 30

» Katharinaberg.

1 15

p. m. Eisenberg.

2 55

» Eisenberg.

4 15

» Eisenberg.

6 30

» Niedergeorgenthal

8 30

» Katharinaberg.

1 Der Berichterstatter von Niedergeorgenthal meldet: Bewegungen ge- ringerer Art wurden schon am 31. October Vormittags und 1. November Vor- mittags, wie auch Nachmittags in den Orten Tschernitz, Ulbersdorf, Eisenberg im Bezirk Görkau verspürt, und war speciell der Stoss am 1. November ein heftiger, so dass Passanten auf der Strasse erschreckt stehen blieben; die Erschütterungen währten: die erste 3 Secunden, die letztere 6 Secunden.

F. Becke, Erdbeben von Brüx. o7

9'' p. m. Hauptstoss, gefolgt nach wenigen Minuten von einem Nachläufer (Zeitangaben variiren von 8''55™ bis 9''12'").

Von Brüx werden auch mehrere spätere Nachläufer ge- meldet, doch scheinen diese Angaben unsicher zu sein.

Mehrere Beobachter machten darauf aufmerksam, dass zur Zeit des Erdbebens ein ungewöhnlich heftiger Sturm herrschte, der von starkem Schneefall gefolgt war. Um nach keiner Richtung in der Feststellung der Thatsachen etwas zu ver- säumen, ersuchte ich Herrn Director Weinek um Mittheilung der barometrischen Beobachtungen der Prager Sternwarte für die Tage vor und nach dem Erdbeben, welchem Ersuchen in liebenswürdigster Weise entsprochen wurde. Ich theile hier die Tabelle mit, welche die zweistündigen Beobachtungen für die Zeit vom 1. bis 6. November umfasst. Aus denselben ergibt sich, dass thatsächlich die Vorläufer des Brüxer Erd- bebens mit einer Periode ungewöhnlich tiefen Barometer- standes zusammenfielen, dass ferner der Hauptstoss einige Stunden nach dem Minimum bei bereits steigendem Luftdruck eintrat. Natürlich lässt dieses Zusammentreffen im Einzelfall keine Discussion über einen etwaigen causalen Zusammen- hang zu. Es soll auch bloss das Factum registrirt werden.

Eine Discussion des Bebens in Bezug auf den etwaigen Zusammenhang mit dem geologischen Bau des erschütterten Landstriches überlasse ich Anderen, die mit diesen Dingen vertrauter sind. Es liegt allerdings nahe, das Beben mit der böhmischen Thermenlinie und mit dem südöstlichen Bruch- rand des Erzgebirges in Zusammenhang zu bringen. Eine gewisse äusserliche Ähnlichkeit besteht wohl auch mit jenen Beben am Nordrande der Alpen und Karpathen, welche Suess^ mit einer Verschiebung von Gebirgstheilen an steilen, quer zur Erstreckung des Gebirges verlaufenden Dislocationen in Zusammenhang bringt, welche »Blattflächen« sich in grossem und kleinem Massstabe im Gebirge auch vielfach nachweisen lassen.

Gelegentlich eines Vortrages des Referenten im deutschen naturwissenschaftlich -medicinischen Verein »Lotos« in Prag

Antlitz der Erde, I, S. 109.

58

Mittheilungen der Erdbeben-Commission.

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F. Becke, Erdbeben von Brüx. 59

machte Prof. Laube darauf aufmerksam, dass das Beben an jener Stelle eingetreten sei, wo eine Antiklinale von Haupt- gneiss, welche weiter im Westen den Südrand des Erzgebirges bilde, durch den nördlich vorgreifenden Abbruch abgeschnitten sei. Östlich fehle dieser Fächer von Gneiss oder sei nur in einzelnen Schollen vorhanden.^

Vergl. Geologie des Erzgebirges, II, S. I7^i

61

Ober ein Vorkommen von Ammoniten und Orthoeeren im südtirolisehen Beilerophonkalk

von Dr. Carl Diener.

(Mit 1 Tafel.)

Aus der Fauna der Beilerophonkalke von Südosttirol und Kärnten sind bisher nur Nautilen als Vertreter der Classe der Cephalopoden bekannt gewesen. Im abgelaufenen Sommer gelang mir gelegentlich neuer Aufsammlungen in den Bellero- phonkalken des Sextenthaies, die ich über Wunsch des Herrn Prof. Eduard Suess für das geologische Institut der k. k. Uni- versität in Wien vornahm, die Entdeckung einiger Reste von Orthoceren und Ammoniten. Mit Rücksicht auf die Seltenheit derartiger Fossilreste erscheint mir eine Beschreibung der- selben trotz ihrer UnvoUständigkeit keineswegs ohne Interesse.

Der Fundort der hier zu beschreibenden Versteinerungen befindet sich westlich von der Ortschaft St. Veit (Sexten) an den Gehängen unterhalb der Gsellwiese zu beiden Seiten des von dieser herabkommenden Wildbaches. In der Sohle des letzteren sind, wie bereits Hörnes^ mittheilt, die Gypse und Rauchwacken im Liegenden der schwarzen, versteinerungs- führenden Stinkkalke aufgeschlossen. Die Mächtigkeit der eigentlichen Beilerophonkalke ist eine ziemlich bedeutende, doch ist eine einigermaassen verfössliche Schätzung durch die dichte Vegetationsdecke und die Anhäufung von Schutt an der Grenze gegen die überlagernden Werfner Schichten erschwert.

1 E. V. Mojsisovics, Die Dolomitriffe von Südtirol und Venetien. Wien ■9, S. 298.

62 C. Diener,

Schon Stäche^ erwähnt einer nahe gelegenen LocaHtät am Ausgange des Innerfeldthales als eines Fundortes von Ver- steinerungen, doch waren ihm von derselben nur Bruchstücke von Bellerophonten und »anderen grossen und kleinen Schal- thieren« bekannt. Die besten Aufschlüsse, die ich nahezu voll- ständig ausbeuten Hess, fanden sich auf einer kleinen Schutt- halde südlich von dem Einschnitt des Gsellbaches. Das Gestein setzt durch seine Zähigkeit der Gewinnung und Präparation der Fossilien erhebliche Schwierigkeiten entgegen.

Diese Localität hat ausser den drei hier beschriebenen Arten von Orthoceras (Cycloceras) und Paralecanites die nachfolgenden Formen geliefert:

Natitilns (Temnocheihis) crnx Stäche.

Bellerophon (St ach eil a) cf. pseiidohelix Stäche.

Bellerophon comelicantis Stäche.

Mnrchisonia cf. tramontana Stäche.

Natica cf. conielicana Stäche.

Entolinm tirolense Stäche.

Avicnla cingtilata Stäche.

Bakewellia cf. ceratophaga Schloth.

Aticella cf. Hausmanni Gold f.

Allorisma cf. elegans King.

Allorisma sp. ind.

Edinondia cf. rndis M'Coy.

Nncnla sp. ind.

Spirifer megalotis Stäche.

Spirigera (?) cL Janiceps Stäche.

Es ist dies eine typische Fauna des Bellerophonkalkes. die an Reichhaltigkeit nur von jener an der bekannten Fund- stelle des Kreuzbergpasses übertroffen wird. Bemerkenswerth ist insbesondere die relative Häufigkeit von Nautilen, während Brachiopoden zu den grössten Seltenheiten gehören. Das ein- zige Exemplar von Spirifer megalotis, das von dieser Localität stammt, wurde in den hängendsten Partien des Bellerophon- kalkes, ziemlich hoch über den Bänken, gefunden, welche

1 G. Stäche, Beiträge zur Fauna der Beilerophonkalke Südtirols. Jahrb. k. k. Geol. Reichs-Anst. 27. Bd., 1877, S. 282.

Ammoniten und Orthoceren im südtirolischen Bellerophonkalk. 63

die Ammoniten und Orthoceren geliefert haben. Obwohl die Bellerophonten an Individuenzahl über alle anderen Formen beträchtlich überwiegen, gestatteten nur sehr wenige unter den gesammelten Exemplaren eine specifische Bestimmung. Unter den Bivalven verdient unter den übrigen, bereits von Stäche beschriebenen Arten eine Species von Allorisma Erwähnung, die mit Allorisma elegans King grosse Ähnlichkeit besitzt. Die an meinem Exemplar allein erhaltene linke Schale gleicht in auffallender Weise dem von Geinitz (Die Dyas, Taf XII, Fig. 14 a) abgebildeten Exemplar aus dem mitteldeutschen Zechstein und zeigt auch die für die Species charakteristische, von King und Geinitz beschriebene Granulirung der Ober- fläche.

Ich gehe nunmehr zur Beschreibung der von mir ge- sammelten Orthoceren- und Ammonitenreste über.

A. Orthoeeratidae. Genus Orthoceras Breynius.

Orthocevas sp. ind. äff. obliqne-aniiulato Waagen. Taf. I, Fig. 1, 2.

Die vorliegende Art gehört der durch das Auftreten von kräftigen, transversalen Ringen ausgezeichneten Formengruppe an, für welche Mc Coy^ die subgenerische Bezeichnung Cyclo- ceras vorgeschlagen hat. Es entspricht diese Formengruppe der neunten unter den siebzehn Abtheilungen, die J. Bar ran de in seiner Classification von Orthoceras unterscheidet, beziehungs- weise der Abtheilung der Orthocerata annnlata bei Waagen.^

In meinen Aufsammlungen ist die vorliegende Art durch drei Bruchstücke vertreten. Zwei dieser Bruchstücke lassen die Sculptur deutlich hervortreten, während das dritte,^ das

1 Mc Coy, Synopsis of the characters of the carboniferous limestone- fossils ofireland. London, 1862, S. 6.

2 W. Waagen, Salt Range Fossils. Palaeontologia India, ser. XIII, vol. I. Productus Limest. Foss., p. 66.

3 Dieses Exemplar wurde von Herrn Geheimrath K. v. Zittel gelegent- lich einer gemeinsam unternommenen Begehung der hier geschilderten Localität gefunden.

64 C. Diener,

einen erheblich kleineren Durchmesser besitzt, die Beschaffen- heit der Kammerscheidewände, die Gestalt des Querschnittes und die Lage des Sipho zu erkennen gestattet. Obwohl die Stücke einer neuen, noch unbeschriebenen Art anzugehören scheinen, ziehe ich es doch mit Rücksicht auf ihre fragmen- tarische Erhaltung vor, von der Einführung eines besonderen Namens für die letztere abzusehen und begnüge mich mit einem Hinweise auf die, wie ich glaube, am nächsten stehende Form aus dem Oberen Productus-Kalk der Salt Range.

Der Querschnitt ist elliptisch. Die Regelmässigkeit seines Umrisses bei dem auf Fig. 2 abgebildeten Exemplar schliesst die Annahme aus, dass seine elliptische Form auf Verdrückung zurückzuführen sei. Bei diesem Exemplar besitzt der grössere Durchmesser des Querschnittes eine Länge von IL 5, der kürzere eine solche von 9*5 mw. Der Abstand der flach con- vexen Kammerscheidewände ist gering. Dem obigen Quer- schnitt entspricht eine Distanz der nächstfolgenden Kammer- scheidewand von 2 mm. Der Wachsthumswinkel beträgt 8 9°. Die Sculptur besteht aus kräftigen, concentrischen Ringen, die dachförmig in eine scharfe Kante zulaufen und nicht imbricirt sind. Bei dem in Fig. 1 abgebildeten Fragment kommen fünf Ringe auf eine Entfernung zu stehen, die dem grösseren Durchmesser des Querschnittes {\7 min) gleich ist. Die Breite der Zwischenräume zwischen den einzelnen Ringen ist unge- fähr doppelt so gross, als die Breite der Ringe selbst. Die Ringe verlaufen gerade, ohne wellige Biegungen, jedoch nicht horizontal, sondern auffallend schief, unter einem Winkel von 11 12° gegen die Horizontale. Eine mit den Ringen cor- respondirende Transversalstreifung der Oberfläche ist nicht zu beobachten.

Unter den im Palaeozoicum zahlreich vertretenen Arten der Orfhocerata anmilata, für welche trotz der Einwendungen Barrande's der subgenerische Name Cydoceras mit Vortheil verwendet werden könnte, scheint mir Ortlioceras ohliqne- ammlatum Waagen (1. c. p. 69, pl. VI, fig. 9, 10) der hier beschriebenen Form am nächsten zu stehen. Auch Waagen's Species aus dem Oberen Productus-Kalk der Salt Range ist durch einen elliptischen Querschnitt und durch schief gestellte

Ammoniten und Orthoccren im südtirolischen Bellcrophonkalk. üO

Ringe ausgezeichnet, die in ähnlichen Abständen wie bei meinen Exemplaren aus dem Bellerophonkalk von Sexten angeordnet sind. Unterschiede zwischen beiden Arten liegen in der centralen Stellung des Sipho und in der etwas geringeren Grösse des Wachsthums winkeis bei 0. oblique -anmilatinn, ferner in dem Umstände, dass die Ringe bei Exemplaren der indischen Species von gleicher Grösse, wie das hier abgebildete Fragment (Fig. 1) bereits mit einer abgerundeten Kante ver- sehen sind.

Eine andere Art, die in ihrer Sculptur mit der vorliegenden grosse Ähnlichkeit aufweist, ist eine von Wal cot t^ aus dem carbonischen Kalkstein des Eureka-Districtes in Nevada be- schriebene Form, die Walcott mit Orthoceras Rmidolphense Worthen vergleicht. Diese amerikanische Form zeigt eben- falls sehr schief gestellte, scharfkantige Ringe, unterscheidet sich aber durch das Auftreten einer mit den Ringen überein- stimmenden Transversalstreifung. Das eigentliche Orthoceras Randolphense^ aus dem Chester Limestone von Illinois besitzt einen ähnlichen Wachsthumswinkel, wie das hier abgebildete Exemplar aus dem südosttirolischen Bellerophonkalk, trägt jedoch weiter abstehende, fast horizontal verlaufende oder nur sehr wenig geneigte Ringe und zahlreiche, feine Transversal- streifen auf der Schalenoberfläche.

Von anderen carbonischen Formen dieser Gruppe, wie Orthoceras anniiJoso-stviatmn de Kon., 0. laevigatum Mc Coy, 0. scalare Goldf., ist die hier beschriebene durch die scharf- kantigen Ringe und den bedeutenden Wachsthumswinkel er- heblicher als von den bisher genannten Arten unterschieden. Das letztere Merkmal unterscheidet unsere Species auch deut- lich von O. cyclophoriim Waagen und O. anntUatum Sow., das, wie es scheint, fast unverändert aus dem Silur bis in die jüngsten Schichtbildungen palaeozoischen Alters hinaufreicht.^

1 C. D. Walcott, Palaeontology of the Eureka-District. Monographs U. S. Geol. Survey, vol. VIII, 1884, p. 265, pl. XVIII, fig. 17.

'- Orthoceras annttlalo-costatmn Meek and Worthen, Geol. Survey of Illinois, vol. II. Palaeontology, 1866, p. 304, pl. XXIV, fig. 3.

3 Vergl. Abich, Geologische Forschungen in den kaukasischen Ländern, I. Th. Eine Bergkalkfauna aus der Araxes-Enge bei Djoulfa, S. 25, Tat. IV, Sitzb. d. mathem.-naturw. GL; CVI. Bd., Abth. I. 5

66 C. Diener,

Doch besteht eine nicht unbeträchthche äussere Ähnlichkeit zwischen meinen hier beschriebenen BruchstiLicken und den Steinkernen einzehier der von Barrande abgebildeten Exem- plare von 0. ammlaUim aus dem böhmischen Obersilur.^

B. Ammonoidea.

Genus Lecanites E. v. Mojsisovics.

(Subgenus Paralecanites nov. subgen.)

Unter den im Beilerophonkalk des Sextenthaies von mir entdeckten Resten von Ammoniten gehören diejenigen, deren generische Bestimmung sich überhaupt mit Sicherheit durch- führen lässt, der Gattung Lecanites an.

E. V. Mojsisovics- hat im Jahre 1882 die Gattung Leca- iiiies für eine tirolische Form aus VVengen und St. Cassian {L. glauctts) aufgestellt und bereits darauf hingewiesen, dass auch Ceratites gangeticits de Kon. aus der unteren Trias der Salt Range diesem Genus angehören dürfte. Die nahen Be- ziehungen von Lecanites zu Prolecanites sind ebenfalls zuerst durch E. v. Mojsisovics klargestellt und seither insbesondere von Holzapfel^ eingehend discutirt worden. Waagen hat durch seine Untersuchung der Trias-Ammoniten der Salt Range nicht nur die von E. v. Mojsisovics vermuthete Zugehörigkeit des Ceratites gangeticits zu Lecanites bestätigt, sondern auch eine grosse Zahl von neuen Arten dieser Gattung beschrieben.'* Zwei weitere Arten von Lecanites wurden seither von mir aus

Fig. 9. Die Identificirung des Fragmentes aus den Otoceras-heds von Djulfa mit 0. annulattim ist von V. v. Mo eil er (Neues Jahrb. f. Mineral., 1879, S. 231) als zutreffend anerkannt worden.

1 Vergl. J. ßarrande, Systeme silurien du centre de la Boheme, vol. II, pl. 290, flg. 10.

2 E.V. Mojsisovics, Die Cephalopoden der Mediterranen Triasprovinz. Abhandlungen der k. k. Geol. Reichs-Anst. X. Bd., S. 199.

3 A. Holzapfel, Die cephalopodenführenden Kalke des Unteren Car- bon von Erdbach -Breitscheid. Palaeont. Abhandlungen von Dam es und Kays er, V. Bd., S. 39.

-1 W.Waagen, Fossils from the Ceratite-Formation. Pal. Indica, ser. XIII, vol. II, p. 275.

Ammoniten und Orthoceren im SLidtirolischen Bellerophonkalk.

67

den tieftriadischen (skythischen) Subrobustus-Schichten des Himalaya namhaft gemacht.

In meinem Material aus den Bellerophonkalken des Sexten- thaies vermag ich drei Arten dieser Gattung zu unterscheiden, unter denen jedoch nur eine einzige durch hinreichend voll- ständige Exemplare vertreten erscheint, um eine specifische Benennung zu rechtfertigen. Diese, sowie eine zweite Art, stehen ihrer äusseren Erscheinung nach der Gruppe des Leca- uitcs ophioneiis Waagen sehr nahe, während eine dritte Art sich in dieser Hinsicht an L. psilogyrus W a.agen zunächst anschliesst. In Bezug auf den Charakter ihrer Suturlinie gehören jedoch alle drei Arten aus dem Bellerophonkalk einer beson- deren Formengruppe an, die durch unterzählige Loben aus- gezeichnet ist, während alle übrigen bisher beschriebenen Formen von Lecanites die normale Lobenstellung zeigen. Da bei den hier beschriebenen Formen die Projectionsspirale des vorletzten Umganges den ersten Lateralsattel nahe seinem inneren Rande schneidet, so ist der anschliessende Lobus, dem noch der Ansatz zu einem rudimentären Sattel folgt, bereits als Auxiliarlobus anzusehen. Es ist also wie dies wenigstens bei Lecanites Sexfeiisis und bei der zweiten in Fig. 8 abge- bildeten Art mit Sicherheit constatirt werden konnte nur ein Laterallobus vorhanden.

Dieses Merkmal scheint mir die Einführung einer beson- deren subgenerischen Bezeichnung für die hier zur Beschrei- bung gelangende Formengruppe zu rechtfertigen. Ich schlage daher für diese Formengruppe den Namen Paralecanites vor.

Paralecanites erinnert durch die unterzähligen Loben an die beiden in Bezug auf die Entwicklung ihrer Suturlinie am tiefsten stehenden Gattungen der Ceratitoidea, an Dinarites und Th'olites, die ihre Hauptverbreitung in Ablagerungen der skythischen^ Serie besitzen. Obschon ich der Anschauung von E. V. Mojsisovics^ beipflichten möchte, dass leiostrake

1 E. V. Mojsisovics, W. Waagen und C. Diener, Entwurf einer Gliederung der pelagischen Sedimente des Trias-Systems. Diese Sitzungsber., Bd. CIV, S. 1277.

2 E. V. Mojsisovics, Die Cephalopoden der Hallstätter Kalke, II. Theil. Abhandlungen der k. k. Geol. Reichs-Anst., Bd. VI, 1893, S. 7. Vergl. iibrigens

5*

68 C. Diener,

Ammoneen aus der Verwandtschaft der Meekoceratidae als die muthmasslichen Vorfahren der Ceratitoidea anzusehen sein dürften, so glaube ich doch nicht, dass im Sinne dieser Ansicht auf phylogenetische Beziehungen zwischen der mediterranen Formengruppe der Dinariies midi, die durch ihre glattschaHgen Gehäuse der Abtheilung der Ammonea leiostraca am nächsten stehen und zwischen Paralecaiiiies zu schliessen sei. Eine der- artige Annahme erscheint mir im Hinblick auf den abweichenden, durch das Auftreten flacher, sehr weit gespannter Sättel gekenn- zeichneten Charakter der Suturlinie bei den Dinarites midi und den Tirolites seminudi nicht zulässig. Eher könnte an der- artige Beziehungen zwischen Paralecatiites und dem sibiri- schen Dinarites laevis v. Mojs.^ gedacht werden, der eine nur aus sehr schwachen, leicht gekrümmten Falten bestehende Oberflächensculptur besitzt, aber bereits im Grunde gezähnte Loben aufweist.

1. Paralecanites Sextensis nov. sp.

Taf. I, Fig. 3, 4, 5, 6.

Diese Art ist in meinen Aufsammlungen durch fünf Stücke vertreten, unter denen sich neben Jugendexemplaren auch ein grösseres (Fig. 3) mit theilweise erhaltener Wohnkammer befindet.

Die zahlreichen, langsam anwachsenden Windungen lassen einen weiten Nabel offen. Die Umgänge umfassen einander nur wenig, bei den Jugendexemplaren bis zu einem Viertel, bei dem grossen Exemplare bis zu einem Drittel der vorhergehenden Windung. Der Querschnitt ist elliptisch und beträchtlich höher als breit. Die Seiten sind nur sehr wenig gewölbt und in der Nähe des Nabelrandes manchmal ein wenig abgeflacht. Die

dagegen E. Haug, Les Ammonites du Permien et du Trias. Bull. Soc. geol., 3. ser., t. XXII, 1894, S. 400 ff. Die nahen Beziehungen von Lecanites zu den Meekoceratidae (in dem von mir in Mem. Comite geol. de la Russie, vol. XIV, No. 3, p. 46 angenommenen Umfange) scheinen mir durch die Untersuchungen Waagen's ausser Zweifel gestellt zu sein.

1 E. V. Mojsisovics, Arktische Triasfaunen. Mem. de l'academie imp. des sciences de St. Petersbourg, 7e ser., t. XXXIII, No. 6, 1886, pl. IX, fig. 19, p. 18.

Ammoniten und Orthoceren im sücitirolischen Belleruphonk

G9

Externseite ist hoch gerundet. Seihst bei ganz jungen hidivi- duen ist Iceine Andeutung von Marginalkanten zu bemeii<en. Der Nabeh-and ist nur auf den inneren Umgängen durch einen steileren Abfall der Seiten zur Naht undeutlich markirt. Auf der äusseren Windung des grösseren Exemplars fallen die Flanken mit allmälig zunehmender Wölbung zur Naht, ohne Intervention eines scliärfer abgegrenzten Nabelrandes ab.

Eine Sculptur macht sich nur auf der äusseren Hälfte des letzten Umganges bemerkbar. Sie besteht aus zahlreichen, zarten, radial verlaufenden Falten, deren stärkste Anschwellung in der Seitenmitte liegt, während die Nabel- und Marginal- region glatt bleiben.

Loben. Die Projectionsspirale der vorletzten Windung trifft die Innenwand des Lateralsattels. Der Externlobus ist aut einem der kleineren, durchaus gekammerten Exemplare sehr deutlich erkennbar. Er wird durch einen niedrigen, wie es scheint, an der Spitze durchbrochenen Medianhöcker in zwei Hälften getheilt. Der beträchtlich tiefere Seitenlobus ist lang- gestreckt, schmal, ganzrandig und an der Basis breit gerundet. Die beiden Hauptsättel sind von parallelen Wandungen begrenzt und gegen innen geneigt. Auf den Lateralsattel folgt ein spitz gerundeter Auxiliarlobus und auf diesen der Ansatz zu einem flachen Auxiliarsattel. Auch bei starker Vergrösserung sind Spuren einer beginnenden Zähnelung im Grunde des Seiten- lobus nicht zu erkennen.

Dimensionen (des Fig. 3 abgebildeten Exemplars):

Durchmesser 27 mm

Höhe der letzten Windung 10-5

Dicke der letzten Windung 6-5

Nabelweite 10

Bemerkungen über verwan dte Arten. In Bezug auf Windungsverhältnisse und Sculptur steht die vorliegende Art dem Lecaiiites ophioneiis Waagen (Fossils from the Ceratite- Formation, 1. c. p. 282, pl. XXXVIII, fig. 12) sehr nahe. Wären nicht in der Lobenstellung bedeutende Unterschiede zwischen beiden Formen vorhanden, so dürften für eine specifische Trennung der letzteren kaum Anhaltspunkte zu finden sein.

70 C.Diener,

Schon Waagen hat die nahen Beziehungen der Gfiippe des Lecanites ophionciis zu der von ihm als Gyroiiites bezeich- neten Formengruppe der Meekocevatidae betont und auch auf die bemerkenswerthe äussere AhnUchkeit mit einigen Arten der arktischen Ceratites (Dantibites) obsoleti v. Mojs. aufmerk- sam gemacht. Unter den letzteren erinnert die hier beschriebene Art am meisten an Ceratites miiltiplicatus v. Mojs. (Arktische Triasfaunen, 1. c. S. 25, Taf. IX, Fig. 15). Auch bei dieser Form sind die innersten Windungen glatt und die allerdings erheblich stärkere Lateralsculptur wird erst in vorgeschrittenen Wachs - thumsstadien erworben.

2. Paralecmiites sp. iiid. Taf. I, Fig. 7.

Die vorliegende Art ist von Paralecanites Sextensis durch den elliptischen Umriss und die grössere Dicke der Windungen unterschieden. Der mangelhafte Erhaltungszustand der Ober- fläche des einzigen mir zur Verfügung stehenden Stückes gestattet es nicht, die Anwesenheit einer Lateralsculptur mit Sicherheit festzustellen. Den schief elliptischen Umriss betrachte ich, in Übereinstimmung mit E. v. Mojsisovics^ nicht als ein zufälliges, sondern als ein specifisches, durch Wachsthums- anomalien bedingtes Merkmal, das nunmehr schon bei einer grossen Zahl von Repräsentanten der ProJccanitidae (z. B. bei Prolecanites, Meekoceras, Ophiceras, Gymnites, Proptychitcs, aber auch bei Daiinhites und Japonites) constatirt wurde.

Loben. Der Erhaltungszustand des Stückes gestattete nicht, die Details der Lobenlinie zu erkennen. Es gelang mir nur die Umrisse der Sattelköpfe sichtbar zu machen. Die Position des Lateralsattels spricht für die Zugehörigkeit dieser Form zu Paralecanites.

Dimensionen:

Grösster Durchmesser der Schlussvvindung 33 mm

Kleinster Durchmesser der Schlusswindung 24

1 E. V. Mojsisovics, Die Cephalopoden der Mediterranen Triasprovinz, 1. c. S. 236.

Ammoniten und Orthoceren im südtirülischen Bellcrophonkalk. 71

Nabehveite, entsprechend dem grössten Durchmesser

der Schlusswindung 15 mm

Nabelweite, entsprechend dem kleinsten Durchmesser

der Schlusswindung 10-5

Höhe der letzten Windung 11

Dicke der letzten Windung 9

3. Paralecanites sp. ind.

Taf. I, Fig. 8.

Das einzige mir vorliegende, durchaus gekammerte Win- dungsbruchstück besitzt einen stark comprimirten Querschnitt, mit flachem, von scharfen Marginalkanten begrenztem Extern- theil. Eine Oberflächensculptur ist nicht erkennbar.

Loben. Sehr ähnlich jenen von Paralecanites Sextensis, doch ist der Externlobus breiter. Auch der Laterallobus ist weniger langgestreckt und an der Basis breiter gerundet.

Bemerkungen über verwandte Arten. Diese Form erinnert in ihrer äusseren Erscheinung an Lecanites psilogyrus Waagen (1. c. p. 280, pl. XXXIX, fig. 5). Sie ist gleich dieser indischen Art durch das Auftreten von scharfen Marginal- kanten ausgezeichnet, dürfte sich jedoch von derselben nicht nur durch die Lobenstellung, sondern, soweit ich nach dem mir vorliegenden Bruchstück zu urtheilen vermag, auch durch erheblich zahlreichere Umgänge und durch einen weiteren Nabel unterscheiden.

Über die bathrologische Stellung der Bellerophonkalke im geologischen System sind die Meinungen bekanntlich getheilt. Stäche, der ursprünglich geneigt war, in denselben ein Über- gangsglied zwischen permischen und triadischen Bildungen zu erblicken, gelangte auf Grund des Studiums der Fauna ^ zu

1 G. Stäche, Beiträge zur Kenntniss der Fauna der Belierophonkall<e Südtirols. Jahrb. k. k. Geol. Reichs-Anst., 27. Bd., 1877, S. 271—318 und 28. Bd., 1878, S. 93 168. Die vor die Entdeckung der Fauna des Bellerophon- kalkes durch E. v. Alojsisovics und Hoernes fallenden Ansichten älterer Autoren übergehe ich an dieser Stelle.

(1 C. Diener,

dem Schlüsse, dass die Beilerophonkalke als ein Äqui\'alent der oberen Permformation zu betrachten seien. Er gab dieser Meinung in einer späteren Arbeit^ einen noch präciseren Aus- druck mit dem Hinweise, »dass es eine der Zechsteinfacies petrographisch nahe verwandte Vertretung des Oberperm in den Alpen gebe, deren schärfst markirten Abschnitt regional der Bellerophonkalk mit seiner eigenartigen Fauna bildet«. Gümbel dagegen, der zuerst Groedner Sandstein und Bellero- phonkalk auf Grund der Pflanzenfunde von Neumarkt in dem ersteren für triadisch erklärt hatte, kam später auf Stache's erste Ansicht zurück und vindicirte den organischen Ein- schlüssen des Bellerophonkalkes den Charakter einer Über- gangsfauna, >'die aus der palaeozoischen Zeit in die meso- zoische hinüberführt und eine bisher unbekannte Fauna der ältesten Buntsandsteinzeit darzustellen scheint«.- E. v. Moj- sisovics^ rechnete den Bellerophonkalk mit Rücksicht auf den überwiegend palaeozoischen Charakter der Fauna zum Perm, machte jedoch darauf aufmerksam, dass derselbe viel- leicht nicht mit dem deutschen Zechstein, sondern eher mit dem dann gleichfalls als permisch anzusehenden Hauptbunt- sandstein, von welchem ja eine marine Fauna nicht bekannt sei, zeitlich zusammenfallen dürfte, eine Ansicht, der sich auch Salomon'^ anschliesst. Neumayr^ hingegen betonte, dass von der marinen Entwicklung der untersten Trias nur sehr wenig bekannt, daher die Annahme gerechtfertigt sei, dass man es in der Fauna der Beilerophonkalke »mit einer noch unbekannten Marinfauna jener Zeit, wohl mit der ältesten unter ihnen- zu thun habe.

1 Verhandl. k. k. Geol. Reichs-Anst., 1888, S. 320.

2 C.W. Gümbel, Die geognostische Durchforschung Ba\'erns. Redein der öffentl. Sitzung der k. Akademie der Wissensch. München, 1877, .S. 58 bis 63; ferner: Kurze Anleitung zu geologischen Beobachtungen in den .\lpcn, S. 106, und Geologie von Bayern, I. Th., S. 633.

•5 E. V. Mojsisovics, Die Dolomitriffe etc. S. 37, 38.

^ W. Salomon, Geologische und palaeontologische Studien über die Marmolata. Palaeontographica, 1895, S. 12. Vergl. auch Boll. Soc. geol. Italiana, XIV., fasc. 2, 1895, p. 281.

5 M. Neumayr, Erdgeschichte, I. Aullage, 2. Th.. S. 209.

Ainmoniten und Orthoceren im südtirolischen Bellerophonkalk. 73-

In neuester Zeit haben Vacek^ und Tommasi sich mit der Altersfrage der Bellerophonkalke beschäftigt. Der erstere stellt die von Gümbel als Äquivalente des Bellerophonkalkes angesprochenen, aber lithologisch und faunistisch abweichenden Bildungen der Etschbucht zusammen mit den unterlagernden Groedner Sandsteinen in die Trias, und zwar auf Grund der uncorformen Lagerung dieses mit den Werfner Schichten eng verbundenen stratigraphischen Complexes über dem permischen Porphyr von Bozen. Tommasi,- der die Fauna einiger Locali- täten in Friaul beschreibt, weist zwar abermals auf den von der Fauna der Werfner Schichten durchaus abweichenden Charakter der organischen Einschlüsse hin, verhält sich jedoch im Übrigen in Bezug auf die bathrologische Stellung des Bellerophonkalkes sehr reservirt.

Da in den Carnischen Alpen nördlich vom Canalthal einem der classischen Verbreitungsgebiete des Bellerophon- kalkes'^ — nach Stäche und Geyer zwischen allen Schicht- bildungen von den lichten Fusulinenkalken des Obercarbon bis hinauf zu den Werfner Schichten diese mit eingeschlossen volle Concordanz der Lagerung obwaltet, so kann, wie bereits Gümbel betont hat, der Schwerpunkt für die Entscheidung der Frage nur in den organischen Resten des Bellerophon- kalkes gesucht werden. Seit Neumayr (im Jahre 1887) auf die Dürftigkeit unserer Kenntniss untertriadischer Marinfaunen hinwies, hat sich das Gebiet unseres Wissens in dieser Richtung nicht unbeträchtlich erweitert. Wir kennen gegenwärtig eine ganze Reihe von Faunen aus der skj^thischen Triasserie und die Beziehungen derselben zu jener des Bellerophonkalkes

1 M. Vacek, Über die geologischen Verhältnisse des Nonsberges. Verh. k. k. Geol. Reichs-Anst., 1894, S. 434, 435 und: Über die geologischen Ver- hältnisse der Umgebung von Trient, ibidem, 1895, S. 469—473 und 483.

- .A.. Tommasi, Sul recente rinvenimento di fossili nel calcare ä Bcllcro- phon nella Carnia. Rendiconti R. Acad. dei Lincei, ser. 5, fasc. 6, vol. V, p. 221.

3 Der Bellerophonkalk ist bekanntlich eine local beschränkte Bildung. Er ist in seiner typischen Entwicklung nur in Südosttirol bis Gröden im W und bis zum Pusterthale im N, in dem angrenzenden Venetien und Friaul bis Recoaro und der Val Sugana im S und im kärntnerischen Canalthal bis in die Gegend von Tarvis im 0 bekannt.

'4 C. Diener,

wird daher in der Frage nach der Stellung des letzteren im geologischen System besonders ins Gewicht fallen müssen.

Es ist in hohem Grade bemerkenswerth, dass die erheb- lichen Unterschiede, welche zwischen der Fauna der Bellero- phonkalke und jener der Werfner Schichten bestehen, auch bei einem Vergleiche der ersteren mit den in neuerer Zeit näher bekannt gewordenen tieftriadischen Faunen der Cera- titen-Schichten der Salt Range, der Otoceras beds des Hima- laya und der Proptychites-Schichten der ostsibirischen Küsten- provinz hervortreten. Es gilt dies namentlich für die Cephalo- poden und Lamellibranchiaten.^ Unter den Cephalopoden findet sich nur in den Ceratiten-Schichten der Salt Range eine einzige, noch unbeschriebene Art, die, wie ich mich auf Grund einer von Herrn Prof. Waagen in liebenswürdigster Weise gestatteten Besichtigung seines Materials überzeugen konnte, eine entfernte Ähnlichkeit mit einigen Temnocheilus-Fovmen des Bellerophon- kalkes zeigt. Die reiche Lamellibranchiatenfauna der ostsibiri- schen Trias weist, wie mir Herr Dr. Bittner, der die Bearbeitung derselben übernommen hat, mitzutheilen so freundlich war, nahe Beziehungen zu jener der Werfner Schichten, aber keinerlei solche zur Fauna des Bellerophonkalkes auf. Ebensowenig hat Dr. Bittner in der Fauna der Otoceras beds des Himalaya eine mit Bellerophonkalk-Arten näher verwandte Form constatirt.

Die einzigen Anklänge an die Fauna der Bellerophonkalke liegen in dem Hinaufreichen der Verbreitung von Bellerophon in jene tieftriadischen Ablagerungen. In allen den oben citirten Bildungen skythischen Alters ist das Vorkommen von Bellero- phonten constatirt worden. Ja, in einer Abtheilung des Ceratiten- Sandsteins der Salt Range tritt die Untergattung Stachella noch so häufig auf, dass Waagen dieser Schichtgruppe geradezu den Namen Stachella beds beigelegt hat. Doch sind alle diese Belierophonten aus den asiatischen Triasbildungen, ebenso wie der von Vacek im Gebiete des Nonsberges gesammelte kleine Bellerophon von den Arten des Bellerophonkalkes specifisch verschieden.^

1 Eine Brachiopodenfauna ist aus jenen tiel'triadisclien Ablagerungen leider nicht bekannt.

2 Mittheilung der Herren Prof. W. Waagen und Dr. A. Bittner.

Ammoniten und Orthoceren im südtirolischen Bellcrophonkalk. 75

Von den hier beschriebenen neuen Cephalopodenformen ist nur das Orthoceras aus der Gruppe der O. annulata zu einer Altersbestimmung vervverthbar, da die Paralecaniten einer durch ihre Lobenstellung von allen bisher beschriebenen Leca- niten abweichenden Formengruppe angehören. Repräsentanten der Orthocerata ammlata {Cycloceras Mc Coy) sind bisher noch niemals in triadischen Ablagerungen gefunden worden. Sie erscheinen nach dem heutigen Stande unserer Kenntniss auf Bildungen palaeozoischen Alters beschränkt, wobei allerdings bemerkt werden muss, dass sie noch in oberpermischen Ab- lagerungen (Oberer Productus-Kalk der Salt Range, Djulfa) t3^pische Vertreter besitzen und dass man aus skythischen Ablagerungen überhaupt nur sehr wenige durchwegs glatt- schalige Orthoceren kennt. Es gesellt sich also diese Form zu den zahlreichen, bereits von Stäche namhaft gemachten hinzu, welche der Fauna der Bellerophonkalke ein überwiegend palaeozoisches Gepräge aufdrücken.

Dass mit diesen palaeozoischen Faunenelementen andere vergesellschaftet auftreten, die, wie die Ostracoden und Fora- miniferen einen vorwiegend mesozoischen Habitus an sich tragen, kann bei einer an der Wende zweier Epochen gelegenen Bildung, wie der Beilerophonkalk eine solche darstellt, nicht überraschen. Bei der Einreihung einer derartigen Bildung in das Conventionelle System der geologischen Formationen, das trotz seiner oft betonten Künstlichkeit vorläufig durch kein besseres ersetzt werden kann, werden in erster Linie jene Faunenelemente in Berücksichtigung zu ziehen sein, die bei der Frage der geologischen Altersbestimmung überhaupt als die bedeutsamsten zu betrachten sind. Von diesem Gesichts- punkte aus dürfte die Zutheilung des Beilerophonkalkes zum Perm besser als eine solche zur Trias dem momentanen Stand unserer Erfahrungen Rechnung tragen, auch für den keines- wegs unwahrscheinlichen FalT, dass der Beilerophonkalk zeitlich mit der tiefsten Abtheilung des deutschen Buntsand- steins, und nicht mit dem Zechstein zusammenfallen sollte. Immerhin ist diese Einreihung in das Formationsschema nur als eine provisorische anzusehen, und darf die Möglichkeit einer Änderung derselben in Folge reicherer neuer Cephalopoden-

76 C. Diener, Ammoniten und Orthoceren etc.

funde gerade mit Rücksicht auf die hier beschriebenen nicht ausser /Vcht gelassen werden.

Tafelerkläruner.

Fig. 1. Orthoceras (Cycloceras) sp. ind. Seitenansicht des grössten mir vor- liegenden Fragmentes.

» 2. Orthoceras (Cycloceras) sp. ind. Querschnitt eines Ivleineren Exemplars.

» 3. Paralecanites Sextensis nov. sp. Exemplar mit theilweise erhaltener Wohnkammer. 3a Seitenansicht; 3 Z; Querschnitt der Schlusswindung; 2ic Lobenlinie der letzten Kammerscheidewand, in anderthalbfacher Vergrösserung.

> 4. Paralecanites Sextensis nov. sp. Gekammertes Exemplar. Aa Seiten-

ansicht; 4& Querschnitt der Schlusswindung. » 5. Paralecanites Sextensis nov. sp. Seitenansicht eines Jugendexemplars.

> 6. Paralecanites Sextensis nov. sp. Externlobus eines Jugendexemplars in

anderthalbfacher Vergrösserung.

» 7. Paralecanites sp. ind. la Seitenansicht; Ih V^orderansicht eines Wohn- kammer-Exemplars.

» 8. Paralecanites s^. ind. 8a Seitenansicht; SZ? Querschnitt eines Windungs- bruchstückes; Sc Lobenlinie in zweifacher Vergrösserung.

Sämmtliche Stücke stammen aus dem Bellerophonkalk von Sexten und befinden sich in der Sammlung des Geologischen Museums der Wiener Uni- versität.

C. D ie ner : AmmoniteTumd Orthoceren des Bell eropKonkalkes .

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-i. Swobodaii.d.Naf.gez.u.lith. LithAnst vTh BaTinwarth.Wien

Sitzungsberichte d.kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw.Classe, Bd.CVI.Abth. I. 1897.

77

Pflanzenphysiologisehe Mittheilimg'en aus Buitenzorg-.

(VI.i) Zur Physiologie von Taeiiiophylluin ZolUngeri

J. Wiesner,

w. M. k. Akad.

(Mit 1 Tafel.)

Bei meinen Studien über den Lichtgenuss der Pflanzen, ^ welche mich während meines Aufenthaltes in Buitenzorg vor- wiegend beschäftigten, habe ich dem Taeniophyllum Zollüigeri Rchb. fil., einer epiphytischen Orchidee von flechtenartigem Habitus, meine besondere Aufmerksamkeit zugewendet.

Zahlreiche an dieser Pflanze angestellte Beobachtungen drängten mich. Versuche über die Wachsthumsintensität ihrer Wurzeln anzustellen und einige anatomische und physiologische Besonderheiten dieses Epiphyten näher zu verfolgen.

Ich gelangte so zu mehreren, namentlich in physio- logischer Beziehung nicht uninteressanten Resultaten, welche, wie ich später aus der Literatur ersah, noch nicht bekannt sind, wesshalb ich mich entschloss, meine auf diese Pflanze bezug- nehmenden Untersuchungsergebnisse, trotz ihres mehrfach nur fragmentarischen Charakters, hier zusammenzustellen, um

1 Siehe diese Sitzungsber., Bd. 103, Abth. I, S. 401, Anmerkung.

2 Untersuchungen über den Lichtgenuss der Pflanzen mit Rücksicht auf die Vegetation von Wien, Buitenzorg (Java) und Cairo. Diese Sitzungsberichte, Bd. 104 (Abth. I), Juli 1895.

78 J. Wiesner,

ZU weiteren Forschungen über Leben und Lebensweise dieser merkwürdigen Orchidee Anregung zu geben. ^

Grosse Wachsthumsgeschwindigkeit scheint zu den charak- teristischen EigenthümHchkeiten der Pflanzen des heiss-feuchten Tropengebietes zu gehören. Thatsache ist, dass diese Pflanzen als Ganzes und deren Organe häufig ein ausserordentlich rasches Wachsthum zu erkennen geben.

Aber nicht bloss durch den Augenschein, sondern durch vielfältige Messung der Wachsthumsgeschwindigkeit der Organe tropischer Gewächse ist an ihnen ein oft geradezu exorbitanter Zuwachs für die Zeiteinheit nachgewiesen worden.

Zuletzt hat Prof. G. Kraus,- welcher gleichzeitig mit mir sich durch längere Zeit in Buitenzorg aufhielt, dort sehr sorg- fältige Messungen über die Wachsthumsgeschwindigkeit von Bambussen angestellt, welche aber zudem den Zweck verfolgten, den Gang der Wachsthumsintensität bei Tag und Nacht, und die von Pfeffer^ als »autonome oder spontane Wachsthums- oscillationen« bezeichneten, von äusseren Einflüssen unab- hängigen Änderungen der Zuwachsgrösse kennen zu lernen.

Nach Beobachtungen, welche Kraus an einer Bambusart (Dendrocalamiis sp. aus Ceylon) anstellte, beträgt der stündliche Zuwachs des Stammes dieser Pflanze bei grösstem Tages- zuwachs 23 7 nun.

Diesem eclatanten Beispiele einer extremen Wachsthums- geschwindigkeit will ich ein entgegengesetztes Beispiel gegen-

^ Wie icli aus der Literatur ersah, so sind die anatomischen Verhältnisse der Luftwurzel von Taeniophylltmi Zollingeri von mehreren Seiten untersucht worden, so dass ich nach dieser Richtung nur wenig Neues und zugleich Brauchbares bringen könnte, wesshalb ich in obiger Darstellung mich bloss auf meine die Physiologie des genannten Epiphyten betreffenden Beobachtungen beschränken werde. Über die anatomischen Verhältnisse der Luftwurzeln von Taeniophyllum Zoll, siehe Goebel, Pflanzenbiologische Schilderungen. Mar- burg, 1889, 1,S. 193 ff.; G. H aberland t, Physiolog. Ptlanzenanatomie, 2. Aufl. Leipzig, 1896, S. 410.

Goebel hat bereits, was für die physiologische Betrachtung der Wurzeln von Taenioph. Zoll, von Wichtigkeit ist, auf deren dorsiventralen Charakter aufmerksam gemacht (1. c. I, S. 197 und II, Marburg, 1891, S. 351).

2 Das Längenwachsthum der Bambusrohre. Ann. du Jardin Botanique de Buitenzorg. Vol. XII (1895), p. 196 ff.

y Physiologie, II, S. 81.

Pflanzenphysiologische Mittheilungen aus Buitenzorg. 79

Überstellen: das ungemein langsame Wachsthum der grünen Luftwurzeln \'on Taetiiophylhim Zolliiigcvi. Ein interessantes Gegenstück, welches uns lehrt, dass die ungemein günstigen \'egetationsbedingungen des heiss-feuchten Tropengebietes nicht stets dahin führen müssen, die Wachsthumsintensität zu forciren. Es scheint mir vielniehr, dass die vollendete Erfüllung der Vegetationsbedingungen, die uns in derTropenwelt entgegen- tritt, die grösste Mannigfaltigkeit der Erscheinungs- formen der Pflanzenwelt ermöglicht, welche allerdings häufig in gigantischen Typen in Erscheinung tritt, sich aber auch in extrem pygmäischen F'ormen zu erkennen geben kann.

Wie so es kommen kann, dass in den Tropen auch ganz p\'gmäische, aber doch vollkommen angepasste, zähe aus- dauernde Formen zur Ausbildung gelangen, scheint in dem Umstände gelegen, dass die häufig auf's Äusserste gesteigerte Entwicklungsfähigkeit der dortigen Pflanzen ein solches Über- wuchern und Durchwuchern der Gewächse herbeiführt, dass viele Formen, auf eng zugemessenen Raum angewiesen oder anderweitig durch äussere Factoren in ihrer Entwicklung be- grenzt, sich in der Ausbildung ihrer Organe stark einschränken müssen, aber unter den sonstigen überaus günstigen V^ege- tationsbedingungen (Temperatur, Luftfeuchtigkeit, rasche Auf- schliessung der Nährstoffe etc.) dennoch bestand- und entwick- lungsfähig bleiben.

Ein charakteristisches Beispiel für eine durch die Gunst der tropischen Vegetationsbedingungen ermöglichte zwerghafte aber doch, wie die enorme Verbreitung lehrt, zäh-ausdauernde Pflanzenform ist Taeiiiophylhim Zollingeri: eine Orchidee von, wie schon bemerkt, flechtenartigem Habitus, ohne Laubblätter, in ihrem vegetativen Körper fast nur aus Wurzeln bestehend, welche alle vegetativen Verrichtungen zu besorgen haben, die Befestigung auf dem Substrate, die Nahrungsaufnahme, die Assimilation der anorganischen NährstoiTe etc., ein kleines, un- ansehnliches Pflänzchen, welches mit den Vegetationsbedin- gungen der Flechten vorlieb nimmt, mit diesen gemeinschaftlich auf der Rinde der Bäume lebt und keine andere Concurrenz als die mit rindenbewohnenden Flechten und ähnlichen kleinen Epiphyten zu bestehen hat.

80 J. Wiesner,

Die Orchideen sind Gewächse, welche im Vergleiche zu anderen monocotylen Pflanzen durch auffallende Langsamkeit der Entwicklung ihrer Vegetationsorgane ausgezeichnet sind.^ Dieses langsame Tempo der Entwicklung ihrer Vegetations- organe ermöglicht nach meinem Dafürhalten die grosse Re- ductionsfähigkeit dieser Organe, welche unter den Phanero- gamen ihres Gleichen sucht.

Der normale Habitus der Orchideen ist allerdings durch wohlausgebildete Blätter und Blüthenstandsaxen charakterisirt, aber die vegetativen Axen und die Wurzeln sind häufig stark reducirt.

Die Lebensweise der Orchideen ermöglicht nun im tropischen Gebiete man darf wohl annehmen in Folge an- dauernd günstiger Hauptbedingungen der Vegetation, aber sonstiger Einschränkungen ein graduelles Abweichen von dem normalen Habitus zu den verschiedenartigsten Extremen. Bei einigen tropischen Vanüla-Avten (z. B. V. aphylla Bl. und V. Phalaettopsis Rchb. etc.) und anderen tropischen Orchideen (z.B. Angraectim aphyUum Ldl.) treten die Blätter nur in Form grüner Schuppen auf und der chlorophyllreiche Stamm scheint das alleinige Organ der Kohlensäureassimilation dieser Epi- phyten zu sein.^

Auf ein anderes Extrem in der Ausbildung der V^egeta- tionsorgane einer Orchidee hat Pfitzer in seiner classischen Morphologie der Orchideen (S. 20) die Aufmerksamkeit gelenkt, nämlich auf Aeranthes {Angraectim, neuestens Polyrrhiza^) funalis Rchb. Dieser Epiphyt bringt auf sehr verkürzter Axe ein reich entwickeltes Büschel von Luftwurzeln hervor, welche die Function der grünen Laubblätter übernehmen, näm- lich als die einzigen Organe der Kohlensäureassimilation an dieser Pflanze thätig sind.

1 Belege für das langsame Wachsthum der Vegetationsorgane mono- podialer Orchideen enthält Pf itzer: Morphologie der Orchideen. Heidelberg, 1882, S. 20.

'■i Siehe hierüber: Göbel, Pllanzenbiologische Schilderungen, Marburg, 1889, I, S. 196.

^ »Natürliche Pflanzenfamilien« von Engler und Prantl, II. Th., 4. Abth. Leipzig, 1888. »Orchidaceen«, bearbeitet von Pfitzer, S. 216.

Pllanzcnphysiologische Mittheiluni;en aus Buitenzorg. 81

Schimper^ hat die letztgenannte, in biologischer I^^e- ziehung so interessante Pflanze noch eingehender als sein Vor- gänger charakterisirt. Ihr Stamm ist winzig, mit kleinen, braunen, trockenen Schuppen bedeckt; das Wurzelbüschel erreicht eine Länge von mehreren Fuss; die Wurzeln hängen meistens frei herab. In der Trockenperiode erhebt sich die nur wenige Centi- meter lange, grünliche, nadeiförmige Blüthenstandsaxe, welche auch nur Blattrudimente trägt, so dass also auch zur Zeit der Blüthe und Fruchtbildung nur die Wurzeln als Organe der Kohlensäureassimilation fungiren.

Mit dieser merkwürdigen Pflanze hat unser Taeniopliylhiin schon eine grosse Ähnlichkeit, nur dass die letztere noch kleiner und gedrungener ist, nur Haft wurzeln erzeugt, welche sich auf dem Substrate radienförmig ausbreiten, während Polyrrhiza fnnalis ein Büschel von Wurzeln bildet, welche, wie bemerkt, vorwiegend frei herabhängen, also nur zum geringen Theile dem Substrate anhaften.

Wie Göbel (1. c.) bereits mittheilt, bildet auch Taenio- phyUnni Zolliiigeri nur eine kurze, zarte Blüthenstandaxe aus, welche nur winzige, schuppenförmige Blätter trägt, so dass auch diese Pflanze zur Zeit des Blühens und Fruchtens bezüg- lich der Production organischer Substanz nur auf die Wurzeln angewiesen ist.

Ich schalte hier ein, dass ich diese Pflanze mitten in der Regenperiode blühend und fruchtend angetroffen habe. Die von mir mitgebrachten, mit Blüthen oder Früchten besetzten Exem- plare (siehe die Tafel, Fig. A und B) wurden zwischen Ende December und Anfang Februar gesammelt.

1. Vorkommen der Pflanze.

Dieser Epiphyt wurde auf Java entdeckt, und so viel mir bekannt, ist derselbe sonst nirgends aufgefunden worden.^ Es wird gewöhnlich angegeben, dass diese Pflanze nur oder vor- wiegend auf den Stämmen der Palmen vorkommt. Ich habe

1 Epiphyten Westindiens. Botan. Centralblatt, 1884, I, S. 255.

2 Teijsmann und Binnendijk. Catal. plant, que in horto bot. Bogo- riensi coluntor. Batavia, 1866, p. 49.

Sitzb. d. mathem.-naturw. GL; GVL Bd., Abth. I. 6

82 J. Wiesner.

dieselbe aber auch an anderen Monocotjlen und zahllosen Di- cotylen gefunden und meine, dass sie auf der Stammrinde jedes Baumes gedeihen kann, wenn nur die erforderlichen Lichlvxr- hältnisse gegeben sind und nicht allzu starke Rissbildung der Rinde die zu ebener Ausbreitung neigende Wachsthumsrichtung der Wurzeln stört.

Nach meinen ^Aufzeichnungen nenne ich folgende Gewächse, auf deren Stammrinde ich TacniopliyUnni Z. beobachtete. Mono- cotylen: Zahlreiche Palmen, ferner Pliilodeudron crinipes. Di- cotyle Bäume: Fic^ls elastica und andere Ficns-Axien, Salacia sp., Garchiia sp., Weinmannia sp. und Canariuni commune}

Ich habe TaeniopJiylliim Zollingeri nur an Hauptstämmen und stark aufstrebenden Seitenästen gefunden. Hier ist sie der Einwirkung des Vorderlichtes ausgesetzt. Ob es auf der Oberseite stärker geneigter Seitenäste vorkommt, ist nicht immer leicht zu constatiren. An solchem Standorte habe ich die Pflanze niemals gesehen. An der Unterseite stark geneigter Aste kommt sie aber wohl kaum vor. Trotz aufmerksamer Beobachtung habe ich sie an solchen Stellen nicht gesehen. Hier wäre sie auf das ünterlicht angewiesen, welches innerhalb des Baumschattens \-iel zu gering ist, um ihr Fortkommen zu ermöglichen. Das Lichtbedürfniss des Taeniophyllitm ist nämlich nicht so gering, als man von vornherein vielleicht anzunehmen geneigt wäre. Es dürften nur wenige epiphytische Orchideen existiren, welche ein (relativ) so hohes Lichtbedürfniss aufweisen, wie unsere Pflanze. Ich habe im ganzen Orchideenquartier des Buitenzorger Gartens kein einziges Exemplar von Taeuio- phyllnm gesehen, trotzdem sie sonst im Garten sehr häufig \'or- kommt. Am üppigsten fand ich die Pflanze entwickelt, wenn sie an ihrem Standorte V?— V<t »^^es gesammten Tageslichtes empfing. Bei y., Vs des Gesammtlichtes ging sie in Folge zu starken, unter Vs-? ""^ Folge zu geringen Lichtes zu Grunde. -

1 Die Mangelhaftigkeit obiger Liste hat ihren Grund darin, dass ich be* meinen Beobachtungen über Taeniophyllitm wegen des Vorkommens auf den verschiedensten Baumarten auf das Substrat nicht besonders achtete und nur in dem Falle, wenn es sich um Messung der Zuwächse handelte, die Art oder Gattung des Baumes, auf welchem der Epiph_vt vorkam, notirte.

-' Wiesner, 1. c. S. 649.

Pflanzenphysiologische Alittheilungen aus Buitenzorg. 83

Auf horizontalen Flächen, also dem Obeiiichte aus- gesetzt, habe ich sie niemals beobachtet. Herr Dr. Figdor theilte mir aber mit, dass er sie ausnahmsweise auch auf der Horizontalfläche eines (beschatteten) Baumstumpfes beob- achtet habe.

Das Vorkommen der Pflanze an Hauptstämmen, welches wohl die Regel bildet, hat seinen Grund in dem Umstände, dass das Vorderlicht ihr die fiir sie gi^instigsten Intensitäten dar- bietet. So entwickelt sie ihre Vegetationsorgane (Luftwurzeln) gewohnheitsgemäss in nahezu verticaler Ebene, aber in dieser Richtung nach allen Seiten ausstrahlend, und wird desshalb wohl keine Form des Geotropismus zur Ausbildung bringen können. Auf diesen Gegenstand komme ich später noch zurück.

2. Wachsthumsgeschwindigkeit der Luftwurzeln.

A. Im Ta g e s 1 i c h t befindliche Wu r z e 1 n.

Die Beobachtungen wurden an Individuen angestellt, welche sich am Hauptstamme der Bäume in nati.u-licher Anheftung befanden. Für jede zur Beobachtung gewählte Pflanze wurde der mittlere Lichtgen uss bestimmt, indem die Lichtstärke des Standortes mit der Stärke des gesammten Tageslichtes in Ver- gleich gesetzt wurde.^ Da die Zuwächse sehr klein sind, so wurde nur die nach Ablauf circa eines Monats stattgefundene Längenzunahme ermittelt.

1. Die Pflanze befand sich auf einer Garcinia. Mittlere'- Lichtgenuss = ^/.,j. Es wurden drei Wurzeln {a,b,c) gemessen.

Beginn des Versuches: 5. Jänner 1894.

Schluss: 3. Februar 1894.

Gesammtzuwachs der Wurzel a 1 -Qmm

b 2-8

c 2-4

Mittlerer Gesammtzuwachs in 29 Tagen 2-37 mm.

1 über die Methode, den Lichtgenuss zu bestimmen, siehe Wiesner, 1. c, S. 619 ff.

6*

84 J. Wiesner,

2. Alles wie im Versuche 1, nur Lichtgenuss = Vi8-

Gesammtzuvvachs der Wurzel a 3-8 mm

b 3-2

c 3-4

Mittlerer Gesammtzuvvachs in 29 Tagen 'S- 47 mm.

3. Die Pflanze breitete sich am Stamme von Phüodendrou crinipes aus. Mittlerer Lichtgenuss m Ys- Beginn des Versuches: 4. Jänner 1894. Schluss: 3. Februar 1894.

Gesammtzuwachs der Wurzel a 8' 3 mm

b 8-8

Mittlerer Gesammtzuwachs in 30 Tagen S-bomm.

4. Gleichfalls auf dem Stamme von Philodendron crinipes. Mittlerer Lichtgenuss =r Y^.

Dauer des Versuches wie im vorhergehenden Falle.

Gesammtzuwachs der Wurzel a 6 8 mm

b 6-8

Mittlerer Gesammtzuwachs in 30 Tagen 6-8 mm.

5. Die Wurzel eines auf dem Stamme einer Oreodoxa wachsenden Individuums ergab nach 31 Tagen (vom 30. De- cember 1893 bis 30. Jänner 1894) bei einer mittleren Licht- intensität =r Y^ einen Gesammtzuwachs von 2-bmm.

Es wurde nur eine Wurzel gemessen.

An einigen Exemplaren, welche einer mittleren Licht- intensität = Y28 (^^^f einer Gavciniä) und von Y3 (auf einer Weinmannia) ausgesetzt waren, fielen die Zuwächse nach Monatsfrist im ersten Falle in Folge zu geringer, im letzten Fall in Folge zu grosser Lichtintensität so gering aus, dass sich keine verlässliche Messung anstellen Hess.

Im (weissen) Tageslichte wurden also folgende Zuwächse beobachtet:

Pllanzenphysiologische Mittheilungen aus Buitenzorg. •J'O

Lichtgenuss

Yäi in -9 Tagen 2-37 nun, in 24 Stunden 0-0817 mm

Vis

» 29

» 3-47

» 24

»

o-n72

1

8

» 30

» 8-55

» 24

»

0-2830

75

» 30

» 6-80

» 24

»

0-2266

V4

» 31

» 2-50

» 24

>>

0 0806

Da sämmtliche Versuchspflanzen, abgesehen von der ver- schiedenartigen Beleuchtung, sich sonst unter gleichen Verhält- nissen befanden, so lässt sich aus den Beobachtungen ableiten, dass von einer bestimmten Licht intensität an mit steigender Lichtstärke bis zu einer bestimmten Grenze d'as Wachsthum der Luftwurzeln von Taenio- phyllum Zolling. zunimmt, mit weiter steigender Licht- stärke wieder abnimmt und endlich gänzlich erlischt.

Vergleicht man den grössten täglichen Zuwachs des Bambusrohres (Dendrocalamus sp., nach den Beobachtungen von G. Kraus^) mit dem grössten (aus obigen Beobachtungen unter Annahme gleichmässigen V/achsthums abgeleiteten) täg- lichen Zuwachs der Luftwurzeln von Taeniophylhmi Zoll., so gelangt man zu dem Verhältniss 570 : 0-283 ww = 2013: 1. Das von G. Kraus untersuchte Bambusrohr wächst also rund 2000 mal rascher als die Luftwurzeln von Taeniophylluin ZoUingeri.

Es wäre interessant zu wissen, wie. die Wachsthums- intensitäten in der Wurzel unseres Epiphyten vertheilt sind, da diese Luftwurzeln, wie weiter unten gezeigt werden wird, nicht die Fähigkeit zu haben scheinen, sich unterirdisch zu ent- wickeln, wie etwa die Luftwurzeln der Hartwegia cotnosa, welche bekanntlich sich auch zu Bodenwurzeln umbilden können. Es lässt sich desshalb von vornherein als nicht unwahr- scheinlich annehmen, dass die Luftwurzeln von Taeniopli. Zoll. bezüglich der räumlichen Vertheilung der Wachsthumsintensität von gewöhnlichen Wurzeln abweichen dürften. Es ist aber unser Epiphyt wegen seines ausserordentlich langsamen Wachs- thums zu den betreffenden Messungen nach unseren gegen-

1 L. c. s. 202.

86 J. Wiesner,

wärtigen Methoden sehr wenig geeignet, und meine diesbezüg- hch unternommenen Versuche haben kein klares Resultat er- geben, da sich die Tuschmarken nicht so lange, als es erforder- lich gewesenwäre, erhalten haben. Ich habe nichtZeit gehabt,eine brauchbare Methode zur Durchführung der betreffenden Mes- sungen ausfindig zu machen; es bleibt die Erledigung dieses Ge- genstandes also späteren Besuchern von Buitenzorg vorbehalten.

B. Im Dunkeln befindliche Wurzeln.

Nach dem im Lichte verschiedener Intensität vorgenom- menen, oben mitgetheilten Versuchen ist von vornherein anzu- nehmen, dass die Wachsthumsstärke der Luftwurzeln von Taeniophyllum Zollmgeri bei Lichtausschluss entweder nur ausserordentlich gering sein wird, oder aber dass diese Organe im Finstern gar nicht wachsen.

Meine hierüber angestellten Versuche wurden theils mit am Baume befindlichen Pflanzen, theils an Individuen vorgenommen, welche, sammt der Rinde vom Stamme abgelöst, unter einem lichtabhaltenden Recipienten cultivirt wurden.

Mehrere Exemplare unseres Epiph3^ten, welche am Stamme von Canarium comfnwie wuchsen, wurden mit einem Carton- blatt überdeckt, welches durch Nadeln am Stamme befestigt wurde. Es wurde Sorge getragen, dass das Cartonblatt nicht unmittelbar auf den Luftwurzeln auflag. Der Verschluss war also weder licht- noch luftdicht und es darf angenommen werden, dass die V^ersuchspflanzen sich nicht in ungünstigen Vegetationsverhältnissen befanden. Meine Versuche wurden durch Regen zumeist zerstört, aber in einem F'alle blieben die gänzlich bedeckten Wurzeln durch 21 Tage am Stamme über- deckt und waren da einer so geringen Lichtintensität ausgesetzt, welche sich gar nicht mehr (nach dem Bunsen-Roscoe'schen Verfahren) messen Hess; die Wurzeln befanden sich also so gut wie im vollkommenen Dunkel. In diesem Falle wurde an den Wurzeln gar kein Wachsthum wahrgenommen.

An einer der erhalten gebliebenen Versuchspflanzen war ein Theil der Wurzeln eines Individuums dem Lichte ausgesetzt, ein anderer Theil befand sich 18 Tage (durch Überdeckung mit einem Cartonblatt) im Dunkeln. Die verdunkelten Luft-

Pflanzenphysiologische .Mittheilungen aus iiuitenzwrg. 87

wurzeln zeigten kein, die b e 1 e u c li t e t e n ein s e h r d e ii t- 1 ich es VVachsthum.

An einem mit der Rinde vom Baume abgelösten Exemplare, welches unter einem dunkeln Recipienten gezogen wurde, konnte, obgleich sich die Pflanze während des ganzen, etwa einen Monat dauernden Versuches anscheinend ganz gesund befand, gleichfalls kein Wachsthum nachgewiesen werden. Dieser Versuch, der leider nicht mehr wiederholt werden konnte, gehörte einer grösseren, später noch zu erwähnenden Versuchs- reihe an, in welcher vergleichsweise im weissen, gemischten gelben, gemischten blauen Lichte und im Dunkeln experimentirt wm-de.

Die im Dunkeln verlaufenen Versuche haben leider nur zu spärlichen Messungen Veranlassung gegeben, so dass ich auf Grund der gewonnenen, allerdings durchwegs negativen Re- sultate, aber auch unter Berücksichtigung des selbst unter den günstigsten Verhältnissen nur ungemein langsamen Wachs- thums, nicht wage, es mit Bestimmtheit auszusprechen, dass die Luftwurzeln \'on Tacniophyllum Zollingeri im Finstern ihr Wachsthum vollkommen einstellen. Es ist dies aber nach den von mir angestellten Beobachtungen im hohen Grade wahr- scheinlich.

Es scheinen mithin die Luftwurzeln von TacniopliyUinn Zollingeri sich ähnlich so wie das VVürzelchen (Hypocotyl)- von Viscuni albnin zu verhalten, welches bei Ausschluss von Licht, wie gewöhnlich angegeben wird, nicht wächst. Eine völlige Gleichheit zwischen diesen beiden Organen besteht aber, falls meine Beobachtungen über das Vv'achsthum der Wurzeln der erstgenannten Pflanze sich bestätigen sollten, doch nicht. Denn ich habe nachgewiesen, dass das Hypocotyl von Viscum albtini allerdings in den ersten Keimungsstadien ohne Licht nicht zur V/eiterentwicklung zu bringen ist, hingegen später, wenn es negativ geotropisch zu werden beginnt, auch im Dunkeln weiterwächst.^ Der Unterschied im Verhalten der

1 Wiesner, Pflanzenphysiologische Alittheilungen aus Buitenzorg. IV. »Vergl. physiologische Studien über die Keimung des Samens europäischer und tropischer Arten von Viscum. i. Diese Sitzungsber., Bd. 103 (1894) S. 401 ff. Da- selbst auch der Nachweis, dass die Würzelchen der untersuchten tropisclicn

88 J. Wiesner,

Luftwurzel von Taeni( phyllnm ZoIUugeri und dem Hypo- cotyl von Viscuin albinn bestände also darin, dass erstere überhaupt nur im Lichte, letzteres bloss in den ersten Stadien der Keimung der Samen nur im L i c h t e \v ä c h s t.

C. Im farbigen Lichte befindliche Wurzeln.

Es wurden zahlreiche Exemplare von Taeniophylhiin Zoll, welche auf der Rinde von Ficiis elastica sich entwickelt hatten, sammt der Rinde abgelöst und vier miteinander im Aussehen am meisten übereinstimmende Individuen {a d) zu der nach- folgend mitgetheilten Versuchsreihe ausgewählt.

a kam unter einen dunkeln Recipienten, b unter einen farblosen Glassturz, c unter eine Senebier'sche Glocke (doppel- wandige Glasglocke), welche mit einer Lösung von doppelt chromsaurem Kali gefüllt war, endlich d unter eine Senebier'sche mit Kupferoxj^dammoniak beschickte Glocke.

Die Rindenstücke, also auch die Wurzeln, befanden sich in dieser Versuchsreihe in horizontaler Lage.

Abgesehen von der Beleuchtung standen alle Versuchs- pflanzen unter gleichen Vegetationsbedingungen. Die mittlere Lichtstärke des äusseren auf die Glasglocken fallenden Lichtes betrug etwa 74-3 des gesammten Tageslichtes. Von Zeit zu Zeit wurden die Luftwurzeln je nach Bedarf etwas befeuchtet. Der Versuch begann am 28. December 1893 und dauerte bis 25. Jänner 1894. Bis dahin befanden sich alle Wurzeln dem Anscheine nach vollkommen normal, später fingen die Wurzeln aller Exemplare, offenbar in Folge einer im Substrate statt- gefundenen Veränderung, mehr minder zu kränkeln an, wess- halb der Versuch unterbrochen wurde.

Viscttm- und Lorant hus-Avten von Anfang an im Finstern keimen. Ich benütze diese Gelegenheit, um zu bemerken, dass es mir in den beiden Wintern 1894 bis 1895 und 1895 1896 gelungen ist, auch Loranthus eiiropaens im Finstern und zwar bis zu 70 Procent, zur Keimung zu bringen. Die hier in Wien auf meine Veranlassung im Winter 1893 1894 während meines Aufenthaltes in Java angestellten diesbezüglichen Versuche ergaben, wie ich (1. c.) anführte, ein negatives Resultat, welches in der Versuchsmethode, die nunmehr wesent- lich verbessert ist, seinen Grund hatte.

Pflanzenphysiologische Mittheilungen aus Buitenzorg. ö9

Das Verhalten der im Dunkeln befindlichen Pflanze (a) wurde oben schon geschildert: es konnte an den Wurzeln gar kein Wachsthum nachgewiesen werden.

Die unter der farblosen Glocke befindlichen Wurzeln (der Pflanze b) wiesen einen mittleren Zuwachs \'on b-2iuin auf.

Die im schwach brechbaren Lichte (unter der gelben Glocke) befindlichen Wurzeln (der Pflanze c) verlängerten sich durchschnittlich um 4-ßmin. Dabei trat folgende merkwürdige Erscheinung auf. Die ganze neu zugewachsene Wurzel- partie (oberes Wurzelende) hatte sich vom Substrate abgehoben und emporgekrümmt. Die verticale Lage wurde aber dabei nicht erreicht; die im wenig gekrümmten Bogen über die Horizontale erfolgende Erhebung betrug etwas weniger als 45°.

Die im stark brechbaren Lichte (unter der blauen Glocke) befindliche Pflanze d zeigte ein anderes Verhalten. Die Wurzeln schmiegten sich in ganz normaler Weise dem Substrate an, der durchschnittliche Zuwachs betrug aber nur 4* 1 mm.

Leider konnte ich wegen bevorstehender Abreise diese Versuchsreihe nicht mehr wiederholen und überhaupt das Ver- halten der Luftwurzeln dieser Pflanze nicht weiter verfolgen.

3. Die Wachsthumsbewegungen der Luftwurzeln von Taenio- phyllum.

So fragmentarisch äusserer \'erhältnisse halber die eben mitgetheilten \"ersuche auch bleiben mussten, so wird es doch erlaubt sein, an die jedenfalls sehr merkwürdigen Beobachtungen folgende Betrachtungen über die Wachsthumsbewegungen unseres Epiphyten zu knüpfen.

Da die Wurzeln unserer Pflanze nach den angestellten Beobachtungen zu urtheilen im Finstern nicht wachsen, hin- gegen im (gemischten) Gelb, welches aber, nach anderweitigen Erfahrungen zu schliessen,^ das Wachsthum nur in geringem Grade beeinflusst, wohl aber, wie allgemein bekannt, die Kohlen- säureassimilation in hohem Masse befördert, so wird man wohl der Ansicht hinneigen dürfen, dass die Luftwurzeln von

1 Wiesner, Heliotropische Erscheinungen, Denkschr., 1880, II. Theil, S. 11.

90 J. Wiesner,

Taeniophylhun die zu ihrem Wachsthum ert orderliche Substanz dir-ect durch Kohlensäureassimilation er- zeugen müssen. Sie wachsen im Finstern nicht, weil sie ohne Licht nicht Kohlensäure assimiliren können. Sie wachsen hingegen im Gelb, aber nicht etwa in Folge eines empfangenen Wachsthumsreizes, sondern weil sie in diesem Lichte die zum Wachsthum erforderliche organische Substanz gewinnen.

Da an einer Pflanze, an welcher ein Theil der Wurzehi verdunkelt, der andere aber ausreichendem Lichte ausgesetzt ist, nur die letzteren, nicht aber die ersteren wachsen, so wird man auch hieraus ableiten können, dass zum Wachsthum der Luftwurzeln unseres Epiphj^ten Kohlensäureassimilation er- forderlich ist.

Wie kommt nun die im gelben Lichte bei horizontaler Lage der Luftwurzeln erfolgende Aufwärtskrümmung der jüngsten Wurzelenden zu Stande?

Es sind in dieser Beziehung von vornherein folgende drei Möglichkeiten in Betracht zu ziehen: positiver Heliotropismus, negativer Geotropismus, endlich eine bestimmte Form spontaner Nutation, nämlich verstärktes Wachsthum an der Unterseite des Organs aus inneren Wachsthumsursachen (Hyponastie).

Dass die Aufwärtsbewegung der im gemischten gelben Lichte wachsenden Wurzelenden möglicherweise auf positivem Heliotropismus beruhen könne, ist desshalb in Erwägung zu ziehen, weil nach der oben beschriebenen Versuchsanstellung das stärkste Licht von oben einfiel, positiver Heliotropismus aber dann zu einer Aufwärtskrümmung führen müsste, was im Versuche thatsächlich der Fall war. Allein gegen diese Auf- fassung ist zunächst zu bemerken, dass im gemischten blauen Lichte, welches ja die heliotropischen Wachsthumsbewegungen in weitaus höherem Masse als das gemischte gelbe Licht be- fördert, diese Bewegung nicht erfolgte; sodann, dass die unter normalen Verhältnisse auf verticaler Fläche sich ausbreitenden Luftwurzeln sich nach dem stärksten ihnen zufliessendem Lichte, d. i. das Vorderlicht, bewegen müssten, was aber niemals wahrgenommen werden konnte. Das im gelben Lichte erfolgende Emporkrümmen der wachsenden Wurzelenden kann somit nicht auf positivem Heliotropismus beruhen.

Ptlanzenphysiologische Mittheilungen aus Buitenzorg. 91

Es fragt sich nun weiter, ob die im (gemiscliten) Gelb er- folgende Aufvvärtskrümmimg des VVurzelendes auf negativem Geotropismus beruhen könne. ^ Zur Beantwortung dieser Frage ist vor allem Andern auf die oben (S. 83) angeführte Thatsache zu erinnern, dass die sich immer radiär auf dem Substrate an- geordneten Luftwurzeln des Taeitiophyllnm Zoll, die Tendenz haben, sich in einer Verticalebene auszubreiten. Unser Epiph^^t kommt ja fast nur auf der Rinde aufrechter Stämme und stark aufgerichteter Seitenäste vor, nur selten, man darf wohl sagen nur ausnahmsweise, siedelt er sich auf horizontalen Flächen an. Die Luftwurzeln haben in Folge dieser merkwürdigen natürlichen Lage wohl kaum die Fähigkeit behalten oder gar erworben, in medianer Richtung negativ geotropisch zu sein, da sie ja in der Regel eine Gleichgewichtslage besitzen, welche schon das Ziel einer geotropischen Bewegung ausdrückt, mit- hin nicht erst durch Geotropismus zu erreichen ist.^ Es wäre nun nicht undenkbar, dass die Luftwurzeln trotz der Ausbreitung in einer (nahezu) verticalen Fläche die Fähigkeit besitzen, in lateraler Richtung, d. i. senkrecht zur Medianen, negativ geo- tropisch zu sein. An Blättern von Syringa habe ich bei verticaler Zwangslage ebenso einen lateralen negativen Geotropismus, wie an den Keimblättern von Ahies pectinata einen lateralen Heliotropismus beobachtet.-^ Wäre aber ein solcher lateraler (negativer) Geotropismus vorhanden, so müssten die seitlich

1 Dass an Luftwurzeln verschiedener Orchideen negativer Geotropismus voiivommt, habe ich bei Gongora galeala Rchb. fil., Stanhopea ecornuta Ch. Lern., Dendrocolla Cotes Lindl. u. e. a. nachgewiesen (Wiesner, Heliotro- pische Erscheinungen, IL Theil, Denkschriften der kaiserl. Akad. der Wiss. Bd. 43 [1880, S. 76-78 des Sep.-Abdr.]). Daselbst auch Daten über negativen Geotropismus der Luftwurzeln einiger Aroideen.

2 Erst wenn die Lage dieser Verticalebene verändert wird, könnte nach medianer Richtung negativer Geotropismus eintreten. Es ist leicht einzu- sehen, dass auch auf einer Cylinderfläcl;e, bei verticaler Orientirung des Cylinders, nach medianer Richtung kein Geotropismus zu Stande kommen kann. Wenn also die Luftwurzeln von Tacniophylliim auf der Oberfläche eines aufrechten dünnen Stammes sich ausbreiten, so erscheint nach medianer Richtung an derselben der Geotropismus gleichfalls ausgeschlossen.

3 Wiesner, 1. c, IL Theil, S. 48. Daselbst noch andere einschlägige Beispiele und eine Abbildung des lateralen Heliotropismus der Keimblätter der Tanne.

92 J. Wiesnei-,

nach unten wachsenden Nebenvvurzeln von Taeniophyllnm Zoll, ihre Wachsthumsrichtung auch umkehren können, was von mir niemals beobachtet wurde. Obgleich ich, aus Zeit- mangel verhindert, keine Rotationsversuche mit unserem Epi- phyten vorgenommen habe, so dürfte es nach den mitgetheilten und nach den noch folgenden Daten und Erwägungen wohl keinem Zweifel unterliegen, dass die Luftwurzeln von Taenio- phyllnm Zoll, keinen negativen Geotropismus besitzen. Eür unsere Frage kommt übrigens nur der mediane (negative) Geo- tropismus in Betracht, der ja im normalen Falle bei Ausbreitung der Wurzeln auf (angenähert) verticaler Fläche sich nicht be- thätigen kann, und in dem Ausnahmsfalle, wenn nämlich die Wurzeln auf horizontaler Fläche sich ausbreiten, gleichfalls nicht beobachtet wurde.

Da der im (gemischten) Gelb vorgenommene Versuch nur auf die Möglichkeit eines negativen Geotropismus der Luft- wurzeln von Taeniophyllnm Zoll, hindeutet, so wurde die Frage nicht auf andere Formen des Geotropismus dieser Organe aus- gedehnt. Es ist übrigens ganz klar, dass alle Gründe, welche gegen das Auftreten des negativen Geotropismus dieser Luft- wurzeln sprechen, auch den positiven ausschliessen. Denn Organe, welche in einer verticalen Ebene sich ausbreiten, können, so weit es sich um eine Bewegung im Sinne der Mediane handelt, gar keinerlei geotropische Krümmung an- nehmen. Die radiäre Ausbreitung der Luftwurzeln auf den Rinden aufrechter Stämme schliesst aber selbstverständlich auch die positiv geotropische Bewegung der Wurzeln unseres Epi- phyten nach lateraler Richtung aus; denn würde ein solcher lateraler positiver Geotropismus zur Wirksamkeit kommen, so müssten die auf verticaler Fläche ausgebreiteten, nach aufwärts strebenden, aber schief zum Horizonte orientirten Luftwurzeln ihre Wachsthumsrichtung umzukehren befähigt sein, was aber gleichfalls niemals beobachtet wurde.

Die Luftwurzeln von Taeniophyllnm Zoll, verhalten sich bezüglich ihrer Wachsthumsrichtungen der Schwerkraft gegen- über vollkommen indifferent, soferne man die an der normal sich entwickelnden Pflanze stattfindenden Verhältnisse berück- sichtigt. Ob diesen Organen geotropische Eignungen voll-

Pnanzeiiph3''siologische .Mittheilungen aus Buitenzorg. uo

kommen abgehen, ist allerdings sehr wahrscheinlich, kann aber aus meinen bisherigen Beobachtungen noch nicht mit voller Bestimmtheit abgeleitet werden.

Um mit Sicherheit einen etwaigen Geotropismus unserer Luftwurzeln nachzuweisen, müssten alle anderen concurrirenden VVachsthumsbewegungen ausgeschlossen, beziehungsweise im Versuche berücksichtigt werden, natürlich unter Aufrechterhal- tung der Vegetationsbedingungen. Diese Versuche würden aber grosse Schwierigkeiten bereiten, da die Pflanze im Dunkel nicht wächst, mithin der Ausschluss der heliotropischen Wachs- thumsbewegungen nicht auf die gewöhnliche Weise, nämlich durch blosse Verdunklung der Versuchspflanze zu erzielen wäre.

Leider hat es mir an Zeit gefehlt, um diesen gewiss inter- essanten Gegenstand weiter verfolgen zu können.

Für unsere Fragestellung kann aber aus den Beobach- tungen gefolgert werden, dass die in Gelb erfolgende Aufwärts- krümmung der wachsenden Wurzelenden weder auf positivem Heliotropismus, noch auf negativem Geotropismus zurückzu- führen ist; da nun bei der Versuchsanstellung (unter der Sene- bier'schen Glocke) an Hydrotropismus nicht zu denken ist, so bleibt zur Erklärung dieser Aufwärtskrümmung nur Hyponastie übrig. Eine Controle für die Richtigkeit dieser Ansicht hätte folgender höchst einfacher Versuch geliefert. Wenn im ge- mischten gelben Lichte bei verticaler Orientirung der Versuchs- pflanzen die wachsenden Wurzelenden in der Richtung der Alediane sich vom Substrate abgehoben hätten, so würde dieses Verhalten gegen das Vorhandensein sowohl von Heliotropismus als von Geotropismus sprechen und wäre nur unter der An- nahme von Hyponastie zu erklären. Trotz der Einfachheit dieses Versuches konnte ich denselben nicht ausführen. Denn als mich meine Erwägungen zu diesem Experimente hinlenkten, stand meine Abreise von Buitenzog unmittelbar bevor.

Wie oben (S. 89) bereits mitgetheilt wurde, so wachsen die Wurzeln von Taetiiophyllum ZoUnigeri im blauen Lichte; es schmiegen sich hiebei die Wurzeln, wie im gemeinen Lichte, dem Substrate dicht an. Die im Gelb erfolgende Wachsthums- bewegung der Luftwurzeln unseres Epiphyten ist im Wesent-

94 J. Wiesner,

liehen nur indirect vom Lichte abhängig, soferne in diesem Lichte Kohlensäure-Assimilation erfolgt, hingegen auf das Wachsthum kein oder nur ein sehr geringer Einfluss ausgeübt wird. Hingegen muss dem blauen Lichte ein richtender Einfluss auf das Wachsthum dieser Wurzeln eingeräumt werden. Da im (gemischten) blauen Lichte das wachsende Organ sich vom Lichte (Vorderlicht) wegbewegt, nämlich an das Substrat ange- drückt wird, so muss diese Erscheinung als negativ helio- trop i s c h e Wa c h s t h u m s b e w e g u n g gedeutet werden.

Das Wachsthum der Luftwurzeln von Taeniophylhnn Zoll. wird somit von zwei antagonistischen Hauptbewegungen be- herrscht: von negativen Heliotropismus, welcher die Wurzel vom Lichte weg zum Substrate bewegt und durch Hyponastie, welche die entgegengesetzte Wirkung hervorbringt. Durch das Zusammenwirken dieser beiden antagonistischen Wachsthums- weisen werden alle Bewegungen dieser Wurzeln regulirt. Wenn eine auf der Rinde des Baumes vorhandene Erhabenheit das Wachsthum der Wurzeln zu hemmen droht, so wird durch relatives Überwiegen der Hyponastie das Hinderniss über- wunden. Die auf der Rinde vorhandenen Vertiefungen werden wieder durch relatives Überwiegen des negativen Heliotropis- mus überschritten. Gewöhnlich, nämlich auf glatter Rinde, werden negativer Heliotropismus und Hyponastie sich das Gleichgewicht halten und die Luftwurzeln werden parallel zum Substrate sich während ihres Wachsthums weiterbevvegen.

Dass die beiden genannten antagonistischen Wachsthums- bewegungen hinreichen, um die Luftwurzeln von Taeniophyllum Zo Hill geri auch auf horizontal ausgebreitetem Substrate, diesem parallel, weiterzuführen, bedarf noch einer kurzen Erläuterung. Dass ausnahmsweise die Luftwurzeln dieses Epiphyten auf horizontaler Fläche wachsen, wurde schon oben (S. 83) erwähnt. Auch hier breiten sich dieselben radial aus und sind dem Sub- strate angedrückt. Während gewöhnlich der negative Helio- tropismus dieser Luftwurzeln vom Vorderlichte ausgeht, sind dieselben bei Ausbreitung auf horizontaler Fläche auf das Oberlicht angewiesen. Bei einer unserer Pflanze zusagenden Lichtstärke wird das Oberlicht ebenso wie sonst das Vorder- licht, negativen Heliotropismus einzuleiten befähigt sein,

Pflanzenphysiologische .Mittheilungen aus ßuitenzorg. 95

welcher im Zusammenwirken mit H3^ponastie gleichfalls zur Ausbreitung der Luftwurzeln auf horizontaler Fläche führen muss.

Es ist leicht einzusehen, dass die gewöhnlich \-orkom- mende, durch Heliotropismus und Geotropismus hervorgerufene W'achsthumsbewegung die Luftwurzeln \-on TaeniophyUnin Zoll. nicht befähigen könnte, sowohl auf horizontaler, als auf verti- caler Fläche sich radiär auszubreiten.

Dass die Befestigung der auf irgend welcher Fläche sich ausbreitenden Luftwurzeln durch Wurzelhaare erfolgt, soll hier noch kurz erwähnt werden (siehe Tafel, Fig. C).

Ausser diesen das Wachsthum der Luftwurzeln hauptsäch- lich beherrschenden Hauptbewegungen scheinen noch secun- däre Wachsthumsbewegungen vorzukommen. Man sieht näm- lich, dass die Luftwurzeln häufig kleine, seitliche, hin- und her- gehende Bewegungen ausführen, wodurch dieselben schwach wellenförmig hin- und hergekrümmt erscheinen.

Bezüglich der wahrscheinlichen Natur dieser Undulationen sei es mir erlaubt, hier einige kleine Bemerkungen einzu- schalten. Diese Wachsthumsundulationen beruhen zweifellos auf ungleichseitigem lateralen Wachsthum, über welche Art von Wachsthumsbewegungen wir fast noch gar nichts That- sächliches wissen, obgleich derartige Nutationen, d. i. Formen des ungleichseitigen Wachsthums von im primären Entwicke- lungsstadium sich befindlichen Organen, im Pflanzenreiche nicht selten vorkommen.

Die. lateralen Wachsthumsbewegungen treten an bi- lateral-dorsiventralen Organen auf und sind an Blattorganen oft sehr deutlich ausgebildet; trotzdem hat man ihrer bisher fast gar nicht geachtet. An Blättern unterscheidet man gewöhnlich rücksichtlich der Wachsthumsbewegungen bloss das Längen- und das ungleichseitige mediane Wachsthum, nämlich die Hyponastie und Epinastie. Einer eindringlicheren Betrachtung kann es aber nicht entgehen, dass auch die Seiten des Organs nutiren, d. i. ein ungleiches Wachsthum darbieten können. Dieses ungleiche Seitenwachsthum (»laterale Nutationen«, wie ich sie nennen möchte) ist entweder spontaner oder para- tonischer Natur, d. h. sie sind entweder auf innere oder auf

96 J. Wiesner,

äussere Wachsthumsursachen (Wachsthumsreize) zurückzu- führen. Als Beispiel der ersteren führe ich die (assymmetrischen) Seitenblätter von Phaseohis imiltißonis an. Die paratonisch zu- standekommenden lateralen Nutationen haben verschiedene Ursachen. Beispiele lateraler Nutationen, welche auf Heliotropis- mus, beziehungsweise Geotropismus beruhen, sind oben (S. 91) bereits namhaft gemacht worden. Sehr häufig kommen solche laterale Nutationen traumatisch zustande, nämlich durch einseitige Blattverletzung, wodurch die verletzte Seite bei weiterem Wachsthum concav, die entgegengesetzte convex wird, aber die Flächengestalt des Blattes erhalten bleibt.

Welcher Art die an den Luftwurzeln von Taeniophyllum Zollingeri beobachteten lateralen Wachsthumsbewegungen sind, konnte nicht mehr festgestellt werden, wie denn überhaupt meine doch nur mehr gelegentlichen an diesem Epiphyten an- gestellten Beobachtungen, wie bereits erwähnt, nur einen frag- mentarischen Charakter an sich tragen und nur desshalb für die Veröffentlichung bestimmt wurden, um auf einige merk- würdige Eigenthümlichkeiten dieser Pflanze hinzuweisen und zu weiteren Untersuchungen anzuregen.

Zusammenfassung einiger Hauptresultate.

1. Die Luftwurzeln von TaeiiiopliyUiim Zollingeri haben ein ausserordentlich langsames Wachsthum. Unter günstigsten Verhältnissen beträgt der tägliche Längenzuwachs bloss 0"283 wwz. Ihr stärkstes Wachsthum verhält sich zum stärksten Wachsthum des Bambusrohres beiläufig wie 1 : 2000. Das Wachsthum der Organe tropischer Gewächse ist allerdings gewöhnlich ein sehr intensives, es kann aber auch ungemein gering sein. In der Abhandlung wurde der Versuch gemacht, sowohl das intensive, als das über das gewöhnliche Niveau hinaus stark verminderte Wachsthum mit den tropischen Vege- tationsbedingungen in Einklang zu bringen.

2. Diese Luftwurzeln breiten sich in der Regel auf den Hauptstämmen der Bäume radiär aus, also angenähert in einer verticalen Fläche. Damit im Zusammenhange steht ihr Unver-

Pnanzenphysiologische Mittheilungen aus Buitenzorg. 97

mögen, geotropische Wachsthumsbevvegungen auszuführen. Thatsächlich konnte keine Form des Geotropismus an diesen Wurzeln beobachtet werden.

3. Nach den bisher angestellten Beobachtungen werden abgesehen von kleinen, ab und zu sehr deutlichen lateralen Krümmungen, welche stellenweise zu einer wellenförmigen Hin- und Herkrümmung dieser Organe führen alle Wachs- thumsbewegungen dieser Wurzeln von zwei antagonistischen Nutationen: negativem Heliotropismus und Hyponastie be- herrscht.

4. Nach den bisher angestellten Beobachtungen wachsen die Wurzeln dieses Epiphyten nur im Lichte; sie unterscheiden sich dadurch sogar vom hypocotylen Stengelgliede der Mistel (Viscum album), welches anfangs nur im Lichte, in späteren Entwicklungsstadien auch unabhängig vom Lichte wächst.

5. Mit von Null ansteigender Lichtstärke hebt sich von einem bestimmten Minimum an die Wachsthumsintensität dieser Luftwurzeln, um nach Erreichung eines Optimums bei weiterer Steigerung der Lichtintensität schliesslich bis auf Null zu sinken.

Sitzb. d. mathem.-naturw. Gl.; CVI. Bd., Abth. I.

J. Wiesner, Pnanzenphysiol. Mittheilungen aus Buitenzorg.

Erkläruno- der Fio-urentafel.

A und B Taeniophylhini ZoUingeri ^ auf der Rinde von Pterocarpus sp. A blühendes, B fruchtendes Exemplar. Nach der Natur (Wein- geistmateriale) in natürlicher Grösse gezeichnet. C Querschnitte durch die Luftwurzeln von Taeniophyllum ZoUingeri in fünf- maliger linearer Vergrösserung. o Oberseite, ii Unterseite der querdurch- schnittenen Wurzeln. Die bei n anhaftende Masse besteht aus humificirten Rindentheilchen, welche den Wurzelhaaren anhaften.

1 Da die bis jetzt veröffentlichten Abbildungen dieses merkwürdigen Epi- phyten sehr unvollkommen ausfielen, so Hess ich die beiden charakteristischen Habitusbilder (.4, B) von der Künstlerhand des Herrn W. Liepold ausführen und fügte sie der vorliegenden Abhandlung bei.

JAViesner '.Pflanzenphysiolo^.Miltlieilim^en aus BidteTizor^ VI .

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liepold del Litli Arst vThBaTmwartK.Wien

Sitzungsberichte d.kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw.Classe, Bd.CVl. Abth. I. 1897

99

VI. SITZUNG VOM 18. FEBRUAR 1897.

Se. Excellenz der Herr Minister-Präsident spricht der kaiserl. Akademie der Wissenschaften mit Note vom 21. Februar 1. J. Namens der k. k. Regierung den Dank aus für die Absendung einer wissenschaftlichen Expedition nach Bombay zur Erforschung der Beulenpest.

Das w. M. Herr Prof. Dr. Zd. H. Skraup übersendet eine im chemischen Institute der k. k. Universität in Graz von Herrn Dr. F. Henrich ausgeführte Arbeit: »Über zwei Modifica- tionen des Mononitrosoorcins«.

Das c. M. Herr Prof. Guido Goldschmiedt übersendet eine im chemischen Laboratorium der k. k. deutschen Universität in Prag ausgeführte Abhandlung von Prof. Dr. Karl Brunn er: »Über Indolinone« (II. Abhandlung).

Herr F. J. Popp in Ostrau (Böhmen) übermittelt im An- hange zu seiner unter dem 12. October 1893 behufs Wahrung der Priorität vorgelegten Mittheilung, betitelt: »Mathematische Principien«, eine zweite Mittheilung unter dem Titel: »Mathe- matische Untersuchungen«.

Herr Max Lewy, Ingenieur in Berlin, übermittelt ein ver- siegeltes Schreiben behufs Wahrung der Priorität mit der Inhalts- angabe: »Röntgen-Röhren«.

Das w. M. Herr Hofrath Prof. V. v. Ebner überreicht eine Abhandlung: »Über die Spitzen der Geschmacks- knospen«.

Herr Dr. Fritz Blau in Wien überreicht eine Abhandlung, betitelt: »Zur Kenntniss des Salicy laldehyds«.

Dr. Ernst Murmann macht eine vorläufige Mittheilung: »Über eine Atomgewichtsbestimmung des Kupfers«.

SITZUNGSBERICHTE

KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

MATHEMATISCH -NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.

CVI. BAND. IIL HEFT.

ABTHEILUNG I.

ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE,

KRYSTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE,

PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE, ERDBEBEN UND REISEN.

101

VII. SITZUNG VOM 4. MÄRZ 1897.

Erschienen: Monatshefte für Chemie, Bd. 17, Heft X (December 1896) mit Register des Bandes.

Der Vorsitzende, Herr V^icepräsident Prof. E. S u e s s, gedenkt des Verlustes, welchen die kaiserliche Akademie und speciell diese Classe durch das am 19. Februar erfolgte Ab- leben ihres ausländischen Ehrenmitgliedes Herrn Prof. Dr. Karl Weierstrass zu Berlin erlitten hat.

Die anwesenden Mitglieder geben ihrem Beileide an diesem Verluste durch Erheben von den Sitzen Ausdruck.

Herr C. L. Griesbach, Director der Geological Survey of India, d. Z. in Capstadt, spricht den Dank aus für seine Wahl zum ausländischen correspondirenden Mitgliede.

Herr Dr. Rudolf Popper in Wien dankt fi^u- die ihm zur Anschaffung eines Apparates für seine Untersuchungen über den Einfluss des geänderten Luftdruckes auf die Blutbeschaffen- heit etc. gewährte Subvention.

Herr Prof. Ferdinand Ulzer übersendet eine von ihm in Gemeinschaft mit Herrn Heinrich Seidel ausgeführte Arbeit aus dem Laboratorium des k. k. technologischen Gewerbe- museums in Wien: »Über Milchsäure«.

Der Secretär legt folgende eingesendete Abhandlungen vor:

1 . » Ü b e r d e n H i r n d r u c k' , d i e B e w e g u n g d e r C e r e b r o- spinaflüssigkeit im Schädel und den Druck im Gehirn«, von Prof. Dr. Albert Adamkiewicz in Wien.

2. »Über Flächen mit Liouville'schem Bogenelement«, von Prof. Emil Waelsch in Brunn.

102

3. »Grundbegriffe der Mediationsrechnung«, von Herrn Franz Maly in Wien.

Das w. M. Herr Oberbergrath Dr. Edm. v. Mojsisovics legt Namens der Erdbeben-Commission einen Bericht über das Erdbeben vom 5. Jänner 1897 im südlichen Böhmer- walde von dem c. M. Herrn Prof. Dr. F. Beck e in Prag vor, welcher das dritte Stück der »Mittheilungen der Erdbeben- Commission der kaiserl. Akademie der Wissenschaften« bildet.

Das w. M. Herr Hofrath Prof. L. Boltzmann überreicht eine Abhandlung von Prof. Ign. Klemencic in Innsbruck: »Über magnetische Nachwirkung«.

Das w. M. Herr Hofrath Prof. Ad. Lieben überreicht eine in seinem Laboratorium ausgeführte Arbeit von Dr. Leopold Kohn: »Über Condensationsproducte des Isovaler- aldehyds« (IL Mittheilung).

103

Mittheilungen der Erdbeben-Commission der

kaiserliehen Akademie der Wissenschaften

in Wien.

Bericht über das Erdbeben vom 5. Jänner 1897 im südlichen Böhmerwald

von

Prof. F. Backe, c. M. k. Akad.

(Mit 1 Kartenskizze.)

Am Morgen des 5. Januar 1897 wurde ein grosser Theil des südlichen Böhmerwaldes von einem Erdstoss heimgesucht, der indessen nirgends heftig auftrat. Über dieses Beben hat der gefertigte Referent folgende Nachrichten gesammelt,^ welche nach den eingesendeten Fragebogen im Auszug hier wieder- gegeben sind. Die Beobachtungsorte folgen beiläufig von Nord nach Süd.

1. Hurken thal (Bez. Schüttenhofen). Beobachter Ober- lehrer Schröder. 5. Jänner 1897, 7'' 45'" Früh kaum wahrnehm-

1 Bei der Aufsammlung der Nachrichten wurde der Referent insbesondere von den Herren Beobachtern Prof. A. Lisch ka in Prachatitz, Oberlehrer Jos. Schramek in Freiung, Oberlehrer Wenzel Thurner in Bergreichenstein, Laurenz Neugebauer in Wallern, Med. Dr. F. B u d d e und Dr. Fr. M e s s 1 e r in Winterberg und Dr. J. Stingl in Bergreichenstein unterstützt. Eine Anzahl Nachrichten verdankt er der gefälligen Mitwirkung der Betriebsdirecti on der k. k. Staatsbahnen in Pilsen. Allen sei hier bestens gedankt, sowie auch jenen hier nicht genannten Herren, welche durch Einsendung beantwor- teter Fragebogen die Arbeit förderten.

104 Mittheilungen der Erdbeben-Commission.

bares schwaches Zittern in der Dauer von 2 Secunden, begleitet von einem Geräusch gleich fernem Donner oder einem schwer- beladenen fahrenden Wagen, welches der Erschütterung in der Dauer von circa 3 Secunden vorausging. Richtung konnte nicht sichergestellt werden; keine Wirkung auf bewegliche Gegen- stände; das Beben wurde nur von einzelnen Personen bemerkt, vom Beobachter im ebenerdigen Gebäude beim Sitzen und Stehen wahrgenommen.

2. Bergreichen stein. Beobachter Med. Dr. J. Stingl. 4. Jänner 1897 (sie), 7'' 40'" Stadtuhr, gleichmässiges Zittern in der Dauer von 5 Secunden, mit rollendem Geräusch verbunden, als ob ein schwerer Wagen auf harter Strasse rasch vorüber- fahre. Das Geräusch war 1 Secunde vor der Erschütterung zu hören, war dann gleichzeitig und dauerte noch 1 Secunde nach derselben an. Richtung nach unmittelbarer Empfindung annähernd von SO nach NW; keine Wirkung auf bewegliche Gegenstände. Das Beben wurde nur von einzelnen Personen, vom Beobachter im Zimmer im Hochparterre, im Bette liegend, wahrgenommen. Ein zweiter Beobachter, Oberlehrer Wenzel Thurner hat selbst nichts bemerkt.

3. Rehberg (Bez. Schüttenhofen). Beobachter Oberlehrer Jakob Prinz. 5. Jänner 1897, 7'' 45'" schwaches Zittern bis zu 3 Minuten, begleitet von einem Geräusch gleich fernem Donner, das dem Zittern etwas voranging und dann gleich- zeitig andauerte. In der Umgebung des Schulhauses bei der Kirche war die Erscheinimg schwach, auf bewegliche Gegen- stände keine Wirkung. In dem Vs ^'" SW entfernten Dorfe war das Zittern stärker, in dem 2 kui W entfernten Grünberg so stark, dass die Töpfe auf den Bänken durcheinander kollerten. Das Beben wurde vom. Beobachter im ebenerdigen Schulhause beim Frühstücken wahrgenommen.

4. Forsthaus Weitfäll er bei Mader. Beobachter Revier- förster Schi mann (vermittelt durch Prof. A. Lischka in Prachatitz). 5. Jänner 1897, 7'' 25"' Früh gleichmässiges Zittern in der Dauer von 7 Secunden, von starkem Donnern begleitet, welches gleichzeitig mit der Erschütterung begann und länger währte. Richtung von S nach N durch unmittelbare Empfindung. Das Beben wurde allgemein wahrgenommen, am Dachboden

F. ßecke, Erdbeben im südlichen Böhmerwiiid. 105

des Hauses stärker als im ebenerdigen Geschoss und im ersten Stock.

5. Filippshütte (Bez. Schiittenhofen). Beobachter Lehrer K. Hoidn. 5. Jänner 1897, 7'' 45"' ungefähr. Gleichmässiges Zittern in der Dauer von ungefähr 3 Secunden, begleitet von rollendem Geräusch, wie von einem vorbeifahrenden Wagen; das Geräusch ging dem Zittern um 1 Secunde voran. Das Küchengeschirr an der Wand bewegte sich. Wurde allgemein, vom Beobachter beim Schreiben in sitzender Stellung wahr- genommen.

6. Innergefild (Bez. Schiittenhofen). Beobachter Lehrer Stuckart. 5. Jänner 1897, circa 22™ nach 7''. Anschwellendes Zittern, das mit zwei dumpfen Schlägen endete und zuletzt die Fenster zum Klirren brachte; Dauer 10 12 Secunden. Richtung aus SW nach der Empfindung. Die Erschütterung war von einem Geräusch begleitet, als ob in der Ferne ein sehr starkes Gewitter niederginge, in Gebäuden vernahm man nebst dem Krachen derselben ein besonderes Geräusch, als wenn ein Kaminbrand ausgebrochen wäre. Das Geräusch dauerte noch einen kurzen Augenblick nach der Erschütterung. Das Beben wurde allgemein wahrgenommen. Die Bevölkerung erschrak, hat aber die Erscheinung meist nicht als Erdbeben erkannt.

7. Aussergefild (Bez. Prachatitz). Beobachter Oberlehrer F. Buchhöcker. 5. Jänner 1897, 8*^30'" Morgens. Ein Ruck in der Dauer von 2 3 Secunden aus südlicher Richtung, be- gleitet von donnerähnlichem Geräusch, das der Erschütterung voranging; wurde allgemein beobachtet, sowohl im Freien, als in Gebäuden.

8. Buchwald (Bez. Prachatitz). Beobachter Oberlehrer E. Schmid. 5. Jänner 1897, 7'^ 45'" Früh. Zittern, im Anfang etwas stärker von SO nach NW, begleitet von donnerähnlichem Geräusch. Lampen und Einrichtungsstücke kamen ins Schwan- ken, Fenster klirrten. Die Erscheinung wurde allgemein beob- achtet.

9. Kaltenbach (Bez. Prachatitz). Beobachter Oberlehrer A. Preissler. 5. Jänner 1897, 7'' 45'" Früh. Die Erschütterung wurde als donnerähnlicher Schlag, erst stärker, dann schwächer beobachtet. Dauer 4 Secunden, Richtunsr von NW durch Hören

106 Mittheilungen der Erdbeben-Commission.

und Beobachtung bewegter Gegenstände. Die Erschütterung wurde von Donnern begleitet, das gleichzeitig mit derselben beobachtet wurde. Fensterscheiben klirrten. Kühe abgebeutelt. Die Erscheinung wurde allgemein beobachtet, im Freien und in Gebäuden. In der Umgebung war die Erschütterung heftiger.

10. Ferchenhaid (Bez.Prachatitz). Beobachter unbekannt, vermittelt durch Dr. Budde, Winterberg. 5. Jänner 1897, un- gefähr 7'' 50'" Früh. Ein einziger, etwa 2 Secunden dauernder Ruck von SW nach unmittelbarer Empfindung. Donnern, als ob ein überaus schweres Fuhrwerk vorbeigefahren wäre, ging etwa IV2 Secunden voran. Fenster klirrten und Gläser im Kasten stiessen aneinander. Die Erscheinung wurde vom Beob- achter beim Ankleiden wahrgenommen, von der Bevölkerung, die den Einsturz eines Gebäudes oder eine Explosion ver- muthete, allgemein bemerkt.

11. Ckyn (Bez. Prachatitz). Unbekannter Beobachter, vermittelt durch das k. k. Bahnstationsamt Ckyn, gefertigt Valasek. 5. Jänner 1897, 7'^ 40"' Früh. Gleichartiges Zittern, von donnerähnlichem Geräusch gleichzeitig begleitet, wurde in Hradcan und Budilav wahrgenommen. Richtung von NW gegen SO. Im Orte Ckyn, welcher auf Schuttboden steht, wurde nichts verspürt.

12. Winterberg (Stadt), a) Beobachter Med. Dr. Franz Messler. Dienstag 5. Jänner 1897, 7'^ 45™ Früh. Gleichmässiges Zittern von circa 4 Secunden Dauer. Richtung von NNW durch unmittelbare Empfindung. Beobachter hat das Beben im zweiten Stockwerk eines Hauses stehend beim Ankleiden verspürt und hat nur das Krachen des Gebäudes vernommen. Beweg- liche Gegenstände waren keine im Zimmer. Die Erscheinung wurde von der Mehrzahl der Ortsbewohner wahrgenommen. Im Freien befindliche Personen haben ein Donnern vernommen.

b) Beobachter Lehrer J. Pinner (durch Vermittlung von Prof. A. Lischka in Prachatitz erhalten). Dienstag, 5. Jänner 1897, 7'' 45™ Vormittags. Beobachter verspürte das Beben beim Sitzen während des Bemalens von Glas. Gleichartiges Zittern. Richtung dürfte SW gegen NO gewesen sein, konnte nur durch unmittelbare Empfindung und die Hörrichtung des begleitenden Donnergerolls festgestellt werden. Dieses glich dem Vorbeirollen

F. Becke, Erdbeben im südlichen Böhmerwald. 107

eines schweren Wagens und hielt länger an als die Erschütte- rung. Dauer 5 6 Secunden. Das Beben wurde von zahlreichen Personen wahrgenommen. Wirkung auf bewegliche Gegen- stände geringfügig. Besonders stark soll man die Erscheinung in St. Mafa, Obermoldau und Landstrassen verspürt haben. Gegen N scheint hinter Stitkau und Bohumilitz nichts beob- achtet zu sein. Manche Personen wollen eine ähnliche Er- schütterung um 4'' 25™ Früh verspürt haben.

c) Schloss Winterberg. Beobachter Leopold Zeithammer, vermittelt durch das k. k. Bahnstationsamt Winterberg, Vorstand Holub. 5. Jänner 1897, 7^50™ (nach der Bahnuhr corrigirt) seitlicher Stoss von unten aus SO, in der Dauer von 5 6 Se- cunden, begleitet von gleichzeitigem donnerähnlichen Getöse, ähnlich dem eines fahrenden, schwer beladenen Wagens. In höheren Lagen klirrten die Fenster. Vom Beobachter wurde das Beben beim Liegen im Bette, respective stehend beob- achtet; im Orte von vielen Personen wahrgenommen. An Katzen wurde grosse Unruhe wahrgenommen. Aus der Umgebung meldet der Beobachter das Herabfallen eines Kamines in Land- strassen; im Forsthaus Buchwald senkte sich ein Thürstock, so dass die Thüre nicht geschlossen werden konnte. Das Bahn- stationsamt meldet, dass im Stationsgebäude das Klirren der Fenster, Gläser und Tassen heftig, das Geräusch ein stark wahrnehmbares war.

d) Schloss Winterberg, Beobachter Gutsverwalter Zeit- hammer, vermittelt durch die k.k. Betriebsdirection der Staats- bahnen in Pilsen, ist fast gleichlautend mit c), enthält aber die Angabe, dass der Stationsvorstand von Wolin berichtet, dass daselbst sowie in der nächsten Umgebung von Erdstössen nicht das Geringste verspürt wurde.

13. Freiung (Bez. Prachatitz). Beobachter Oberlehrer Jos. Schramek. 5. Jänner 1897, 7^; 45™ Bahnzeit. Zittern des Fussbodens, gefolgt von donnerähnlichem Geräusch, »als ob ein Holzstoss zusammengefallen wäre, zuletzt als ob ein schweres Fuhrwerk käme«. Von Holzhauern wurde das Beben am Segelberg bei Freiung beobachtet.

1 4. K 1 ö s t e r 1 e (Bez. Prachatitz). Beobachter Lehrer G r a n d 1 (vermittelt durch J. Schramek). Beobachter stand mit südwärts

108 Mittheilungen der Erdbeben-Commission.

gewendetem Gesichte vor dem Spiegel und schwankte nach links, nach O. Zwei Thüren, eine in einer NS, eine in einer OW gerichteten Mauer wurden nach dem Beben versperrt gefunden.

15. Zeislitz (Bez. Prachatitz). Beobachter Oberlehrer Werner (vermittelt durch J. Schramek) nahm während des Weges zur Schule während 120 Secunden das Beben wahr, dasselbe nahm während dieser Zeit zweimal an Intensität merklich zu.

1(3. Obermoldau (Bez. Prachatitz). Beobachter Ober- lehrer H. Czastka. Dienstag, 5. Jänner 1897, 7"^ 55'" Früh nach mitteleuropäischer Zeit. Die Uhr ist genau nach der Sonne regulirt. In manchen Häusern und in der Kirche, wo gerade Gottesdienst war, wurde ein Zittern verspiirt, in anderen, so auch in der Schule, nur das begleitende Geräusch gleich dem Rollen eines rasch fahrenden Wagens. Die Richtung beiläufig von S gegen N. Dauer 4 5 Secunden. In der auf einem Hügel stehenden Kirche war die Erscheinung deutlicher als in dem auf Schuttboden stehenden Schulhaus. Das Beben wurde all- gemein verspürt, aber von der Bevölkerung wenig beachtet.

1 7. S ch atta wa (Bez. Prachatitz). Beobachter Joh. Wi e n e r, Oberlehrer, hat selbst nichts beobachtet. Nach Mittheilung Anderer berichtet er, dass das Beben am 4. Jänner 1897 gleich nach 8'' Früh im Freien, besonders auf den Bergen, weniger in den Gebäuden verspürt wurde und in schwachem Zittern mit nachfolgendem Geräusch bestand.

18. Eleonorenhain (Bez. Prachatitz). Beobachter Laurenz Neugebauer, Oberlehrer. 5. Jänner 1897, 7'' 45™ Früh nach der Uhr des Post- und Telegraphenamtes. Das Beben bestand in einer gleichartigen rollenden Erschütterung. Dauer 5 6 Se- cunden, in der Richtung von S gegen N, war von gleichzeitigem donnerartigen Getöse begleitet. Fenster und Gläser klirrten. Die Erscheinung wurde im Freien und in Gebäuden von vielen Personen wahrgenommen. In der Umgebung wurde das Beben in Wolfsgrub, Hüblern, Pumperle, Kuschwarda, Schattawa und Winterberg verspürt. Am 7. Jänner, 7'' 30'" Abends wurde \'on mehreren Personen abermals eine kurze, etwa 2 Secunden dauernde Erschütterung wahrgenommen.

F. Becke, Erdbeben im südlichen Böhmerwald. 109

19. Kuschwarda (Bez. Prachatitz). Beobachter Oberlehrer Ho seh na. 4. Jänner 1897, etwa 7'' 40'". Erzittern, darauf rollender Schall aus südöstlicher Richtung gegen W in der Dauer von 1 2 Secunden. Beobachter sah den Ofen schwanken, das Feuer brannte lichterloh auf. Die Erscheinung wurde all- gemein beobachtet, doch aber von einzelnen Personen nicht. Der Dachstuhl mancher Häuser krachte, ein Knabe, der sich auf dem Stiegengange des Schulhauses befand, stürzte in Folge des Bebens nach vorwärts. Holzstösse an den Häusern und im Walde stürzten ein. Beobachter hat gehört, dass in Landstrassen ein Kamin einstürzte.

20. Land Strassen (Bez. Prachatitz). Beobachter Schul leiter Ant. Pros che. 4. December 1897 (sie). 7'' 45'". Gleich- artiges Rollen von NW in der Dauer von 5 6 Secunden. Geräusch und Erschütterung gleichzeitig. Die Fenster klirrten; die Erscheinung Vv^urde von vielen Personen wahrgenommen.

21. Böhmisch -Röhren (Bez. Prachatitz). Beobachter G Zimmer. 5. Jänner 1897, circa 10"' vor 8''. Dumpfes Rollen, gleichzeitig mit Erzittern gleich dem Rollen eines schweren Fuhrwerkes, in der Richtung von SO nach NW 3 4 Secunden anhaltend. Gläser im Kasten klirrten; manche hörten die Dach- sparren krachen. Manche geben an, dass die Richtung von S nach N gewesen sei. Die Erscheinung wurde allgemein beobachtet.

22. Tusset (Bez. Krumau). Beobachter Joh. Schefcik, Schulleiter. 5. Jänner 1897, 7'' 45'" Vormittags. Zittern in der Dauern von 30 Secunden, eher darüber als darunter, nach unmittelbarer Empfindung von SW nach NO. Heftiges donner- ähnliches Geräusch ging voran, später wurde es ruhiger. In einzelnen Häusern bewegte sich Zimmergeräth. In einem Hause wurden die Kühe unruhig, brüllten und sprangen in die Krippe hinauf. Beobachter hat in der Schule bei der herrschenden Unruhe bei Schulbeginn nichts gemerkt; die Angaben rühren vom Ortsvorsteher.

23. Wallern (Bez. Krumau). Beobachter Ludwig Schil- hansl. Im Orte nur von einzelnen Personen wahrgenommen; Beobachter hat in der Unruhe vor Schulbeginn nichts bemerkt und berichtet nach Aussagen anderer. 5. Jänner 1897, kurz vor

110 Mittheilungen der Erdbeben-Commission.

8*^ Morgens im Freien dumpfes, starkes, ununterbrochenes, immer schwächer werdendes Rollen; in den Häusern Fenster- klirren. Dauer 8 10 Secunden. Die Erscheinung wurde in Guthausen 4 km WSW und in der Stögerhütte 2 hn W von Wallern stärker verspürt; es kUrrten Gläser im Kasten und klapperten die Deckel der Kochtöpfe. Gleiches wird von den öst- lich und höher gelegenen Orten Oberschneedorf und Brennten- berg berichtet. Ein anderer Beobachter Dr. J. Hoschek hat selbst ebenfalls nichts wahrgenommen.

24. Bischofsreuth (Bayern). Beobachter Karl Stadler, durch Vermittlung von Prof. A. Lischka in Prachatitz erhalten, 5. Jänner 1897, 7^ 45™ nach der Telegraphenuhr. Das Beben wurde allgemein wahrgenommen. Im Freien beobachtete man donnerähnliches Geräusch im Erdinneren circa 2 Secunden, sodann zwei schnell aufeinander folgende Schläge von unten, der erste 1 Secunde, der zweite Y2 Secunde, hierauf langsam verlaufendes, immer schwächer werdendes Rollen durch 5 oder 6 Secunden. In Gebäuden beobachtete man auch die zwei Schläge von unten und das nachfolgende Rollen; das voraus- gehende Rollen wurde nicht beobachtet. Das Rollen glich dem eines schwer beladenen Wagens auf hartem Boden und schien von SW zu kommen und gegen NW zu ziehen. Bewegung freibeweglicher Gegenstände kam nicht vor; jedoch hörte man beisammenstehende Gläser klingen und die Balken des Dach- stuhles heftig krachen. Die Leute liefen erschreckt aus den Häusern, insbesonders aus der Kirche, in der gerade Gottes- dienst war.

Aus der Umgebung wird i.iber ähnliche Erschütterungen gemeldet: Perlesreut, Waldkirchen, Altreichenau, Freyung, Untergroinet, Leopoldsreut, Herzogsreut, Kleinphilippsreut; auch von Waldarbeitern am Dreisesselberg und vom Wärter im Unterstandshause dieses Berges wurde die gleiche Beob- achtung gemacht.

25. Von dem Beobachter in Bergreichenstein, Herrn Oberlehrer Wenzel Thurner, erhielt Referent folgende Nach- richt: Montag den 4. Jänner (dieser Tag wird von allen Beob- achtern, welche von einer Zeitung keine Nachricht über das Beben am 5. hatten, ganz bestimmt angegeben, so dass ich

F. Becke, Erdbeben im südlichen Böhmerwald. 1 I 1

eine Täuschung für ausgeschlossen halte), zwischen 7'' 45™ und 8'' Früh, wurde ein Beben beobachtet in Innergefild, Haidl, Vogelsang, Flusshaus, Ziegenruck, Zwoischen und Liedlhöfen, und zwar in den ersteren Orten viel stärker als in den letzteren. Das Beben wurde in den genannten Orten allgemein wahr- genommen, die Erschütterung bestand in schwachem Zittern, kam von S her, dauerte etwa 10 Secunden und war von gleich- zeitigem Rasseln, gleich dem eines schnell fahrenden Wagens, begleitet. In Flusshaus gerieth Küchengeschirr an der Wand in Bewegung, in Liedlhöfen nicht.

Die Beschreibung dieses Bebens, welche der Beobachter nach den Aussagen Anderer entwirft, schliesst sich so organisch in das Netz der übrigen Beobachtungen ein, dass man sich nur schwer entschliessen kann, anzunehmen, dieses Beben sei nicht dasselbe gewesen, welches am 5. in Winterberg, Wallern, Bischofsreut u. s. f. beobachtet wurde.

Wenn nicht doch ein h^rthum im Datum vorliegt, würde man einen Vorläufer von bemerkenswerther Ähnlichkeit der äusseren Erscheinung zu constatiren haben.

Das Datum 4. Jänner kehrt übrigens auch in den Frage- bogen von Bergreichenstein (Beobachter Dr. Stingl), Schattawa und Kuschwarda wieder; der Beobachter von Landstrassen meldet gar 4. December 1897. Referent war geneigt, diese ab- weichenden Daten für Irrthümer oder Schreibfehler zu halten, bis jene Nachrichten von Herrn W. Thurner- einliefen; er ist jedoch nicht in der Lage, die Sache vollkommen aufzuklären. Die Orte, welche vom 4. Jänner datiren, liegen ziemlich zer- streut zwischen denen, die übereinstimmend den 5. Jänner angeben.

Anhangsweise möge noch die der »Bohemia« entnommene Nachricht angeführt werden, dass das Erdbeben am 5. Jänner Früh bei Grafenau in Bayern und fast im ganzen bayerischen Walde verspürt wurde. Die Erschütterung war stellenweise eine sehr heftige; in mehreren Orten flüchteten die Bewohner aus den Häusern. Auch in Kommerschlag (Oberösterreich) wurde am 5. ein Erdstoss wahrgenommen, der die Fenster der Ku'che erzittern machte, 10 15 Secunden dauerte und die Richtung von W nach 0 nahm.

Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. ; GVL Bd., Abth. I. 8

1 12 Mittheilungen der Erdbeben-Commission.

Das Beben wurde nicht verspürt von den Beobachtern in Stubenbach, Prachatitz, Oberhaid, Oberplan. Aus Eisenstein, Hartmannitz, Schüttenhofen, Krumau, wo sich gleichfalls Beob- achter befinden, wurde nichts gemeldet.

Man erhält das in Böhmen erschütterte Areal, wenn man über den zwischen Rachel und Blöckenstein liegenden Theil der böhmisch-bayerischen Grenze einen Halbkreis errichtet.

Bemerkenswerth ist, dass die Erschütterung vielfach in den auf Fels gebauten, hochgelegenen Orten stärker verspürt wurde als in den Thalorten, welche auf jüngerem Schwemmland liegen. Durch diese je nach der Bodenbeschaffenheit ungleich starke Fortleitung der Erschütterung ist es auch zu erklären, dass in Hurkenthal noch ein schwaches Zittern bemerkt wurde, in Stubenbach nichts. Auffallend sind insbesondere die Angaben über Wallern. Im Städtchen selbst, das in einer Niederung seit- wärts vom Moldauthal liegt, war die Erschütterung jedenfalls schwach, wurde auch von vielen Personen gar nicht bemerkt; in den höher gelegenen Orten westlich und östHch (Guthausen, Schneedorf, Brenntenberg) klapperten die Deckel der Kochtöpfe.

Im Allgemeinen ist eine Zunahme der Intensität von der Peripherie gegen das Centrum des Halbkreises deutlich zu bemerken, wird auch \'on mehreren Beobachtern ausdrücklich hervorgehoben.

Dies zeigt sich namentlich, wenn man die Orte zusammen- stellt, von denen Bewegungen hängender Gegenstände und sonstige mechanische Wirkungen berichtet werden:

Buch wald (Lampen schwankten, der Thürstock im Forst- haus verschob sich).

Kuschv\'arda (ein gusseiserner Ofen schwankte, Holz- stösse fielen um).

Landstrassen (ein Kamin fiel um; jedoch wurde dieser Fall nicht vom Beobachter in Landstrassen, sondern von einem Beobachter in Winterberg berichtet).

Auch die Wirkung auf die Bewohner und auf die Thier- welt scheint nach den vorliegenden Berichten in dem inneren Rayon des Halbkreises heftiger hervorgetreten zu sein. Beun- ruhigung der Kühe wird von Kusch war da, Kaltenbach und Tu SS et berichtet.

F. Becke, Erdbeben im südlichen Bühmerwald. 113

Übrigens sind einigermassen kräftige Wirkungen nicht auf den inneren Rayon beschränkt. Nach einer gefälHgen Mit- theikmg von Prof. Woldiich wurde noch in Sv. Mafa bei Winterberg das Schwanken einer Hängelampe beobachtet.

Die Abnahme der Erscheinung gegen die Peripherie geht deutlich aus einer Zusammenstellung jener Orte hervor, aus denen positive und negative Berichte einliefen, oder in denen das Beben ausdrücklich als sehr schwach bezeichnet wird. Es sind dies: Hurkenthal, Bergreichenstein, Ckyn, Wallern.

Die Angaben über die Zeit sind ziemlich übereinstimmend für 7'' 45'" Früh. In sehr vielen Stationen (Gebirgsdörfern) ist eine genaue Zeitangabe von vorneherein nicht zu erwarten. Die sichersten Angaben dürften sein:

Bischofsreuth, Telegraphenuhr 7'' 4;')'"

Eleonorenhain, Uhr der Telegraphenstation 7 45

Winterberg, Angabe durch das Bahnstationsamt er- halten 7 50.

Die Zeitdifferenzen sind wohl durch Ungenauigkeit der Uhren zu erklären, jedenfalls ist aus den Angaben keine glaub- hafte Zeitdifferenz zu entnehmen, aus der man die Geschwin- digkeit der P^ortpflanzung entnehmen könnte.

Die Art der Bewegung wird von den meisten Beob- achternais schwaches Zittern beschrieben,welches von rollendem unterirdischen Geräusch^, gleich fernem Donner oder gleich dem eines über harten Boden fahrenden, schwer beladenen Wagens begleitet war; viele vergleichen das Geräusch auch mit dem Dröhnen eines Kaminbrandes. Das Geräusch war überall mit der Erschütterung gleichzeitig zu hören; es dauerte aber länger und die Angaben der Beobachter unterscheiden sich nur darin, dass manche angeben, das Geräusch schon vor Eintritt der Erschütterung gehört zu haben, während andere es gleichzeitig mit derselben beginnen und noch nach der Erschütterung in allmälig abnehmender Stärke andauern lassen.

Das Vorangehen des Geräusches wird angegeben von Hurkenthal, Rehberg, Filippshütten, Aussergefild, Ferchenhaid, Tusset.

8*

1 14 iMittheilungen der Erdbeben-Commission.

Gleichzeitiger Beginn und längeres Nachdröhnen wird gemeldet von Th. Weitfäller, Innergefiid, Winterberg, Freiung,^ Schattavva, Kuschvvarda.^

Sowohl Vor- als Nachdröhnen wurde beobachtet in Berg- reichenstein und Bischofsreuth, hier aber nur im Freien. Im Gebäude wurde nur das Nachdröhnen bemerkt.

Üie übrigen Stationen geben entweder vollkommene Gleich- zeitigkeit an (Winterberg, Obermoldau, Eleonorenhain, Land- strassen, Böhmisch-Röhren, Wallern) oder geben keine Auskunft (Buchwald).

Abweichend von den übrigen Stationen, welche ein gleich- förmiges Zittern beobachteten, wird von Innergefiid ein an- schwellendes Zittern mit zwei dumpfen Schlägen am Schluss berichtet. Zwei kurz hintereinander folgende Stösse werden auch von dem Beobachter in Bischofsreuth gemeldet. Ein Be- obachter in Winterberg hat einen seitlichen Stoss von unten gefühlt. Ein zweimaliges Anschwellen der Erscheinung, für welche die ungewöhnlich lange Dauer von 2 Minuten angegeben wird, berichtet der Beobachter von Freiung nach einem Gewährs- mann in Z eisler. Die lange Dauer ist vielleicht durch Echo in den Bergen zu erklären, da aus der Angabe nicht zu entnehmen ist, ob das Zittern oder die Schallerscheinung gemeint sei.

Die Dauer des Zitterns wird von den meisten Beobachtern nur zu wenigen Secunden geschätzt. Das Mittel aller Angaben nach Hinweglassung der eben erwähnten, sowie der gleichfalls unwahrscheinlichen von Rehberg (3 Minuten) und Tusset (30 Secunden) ist 4-5 Secunden.

Über die Richtung, in der die Bewegung verlief, gehen die Beobachtungen sehr weit auseinander.

In das Azimut S N verlegen folgende Stationen die Be- wegung: Weitfäller, Aussergefild, Obermoldau, Eleonorenhain, Böhmisch-Röhren.

Die Richtung SO NW geben an: Bergreichenstein, Buch- wald, Kuschwarda, Böhmisch Röhren, Kaltenbach, Landstrassen.

Die Richtung SW NO wird gemeldet aus Innergefiid, Ferchenhaid, Winterberg, Tusset, Wallern.

1 Von Freiung und Kuschwarda wird gemeldet, dass das Dröhnen erst nach dem Erzittern begonnen habe.

F. Becke, Erdbeben im südlichen ßöhmenvald. 1 lo

Aus einer Beobachtung in Klösterle würde ein Azimut O— W folgen. Ein Beobachter in Winterberg beobachtete die Richtung aus NNW.

Bemerkenswerth ist aber, dass die Mehrzahl der Beobachter die Bewegung von einem der südlichen Quadranten heran- kommend und gegen einen der nördlichen Quadranten fort- schreitend empfunden hat. Das spricht dafür, dass das Beob- achtungsgebiet dem peripherischen Theil eines centralen Bebens angehört, und dass das Epicentrum im Süden oder Südwesten in Bayern zu suchen wäre. Diese Folgerung stimmt überein mit der constatirten Intensitätszunahme südwestwärts.

Aus Winterberg wird ein Vorläufer vom 5. Jänner 1897 um 4'' 25'" Früh, von Eleonorenhain ein Nachzügler vom 7. Jänner 6'' 30'" Abends gemeldet.

Als Vorläufer müsste auch das Beben vom 4. Jänner 7'' 40'" Früh aufgefasst werden, wenn derBeobachter in Bergreichenstein nicht durch unrichtige Berichte irregeführt wurde.

Schaden wurde durch das Erdbeben nirgends angerichtet; das Beben erregte aber bei der Bewohnerschaft ziemliches Auf- sehen, da die Gegend seit Menschengedenken von keinem Erd- beben heimgesucht worden war.

Die wichtigsten Beobachtungen sind in die beiliegende Karte eingetragen.

Dieselbe gibt an: 1. Die Orte, in denen das Beben nicht mehr verspürt wurde.

2. Die Orte, in denen das Erdbeben sehr schwach verspürt wurde. Dies sind Orte, aus denen theils positive, theils negative Resultate erhalten wurden, oder von denen das Beben aus- drücklich sehr schwach genannt wird, oder nur von einzelnen Personen wahrgenommen wurde.

3. Die Orte, in denen das Beben stärker verspürt wurde. Die Ausscheidung dieser Orte beruhte auf den Angaben über Bewegung beweglicher Gegenstände, stärkere mechanische Wirkungen (Umwerfen von Holzstössen, starkes Krachen des Dachstuhles) und über stärkere psychische Wirkung auf die Bewohnerschaft.

4. Alle übrigen Orte, in denen über stärkere mechanische Wirkungen, als Klirren der Fenster und das Anschlagen von

116 F. Beck e, Erdbeben im südlichen Böhmenvald.

Gläsern im Kasten etc. nicht beobachtet wurden, sind zusammen- gefasst als Orte schwacher Erschütterung.

Die Richtung der Bewegung ist in der üblichen Weise durch Pfeile dargestellt und schliesst sich möglichst an die Angabe des Beobachters an. So ist z. B. unterschieden: Be- wegung von Süden her (ein Pfeil, dessen Spitze bei dem Orts- zeichen endet) und Bewegung von Süd nach Nord (Pfeil durch- gezogen.

Ferner sind durch das Zeichen -f- die Orte kenntlich gemacht, in denen der Schall vor dem Zittern wahrgenommen wurde, mit die Orte, in denen der Schall nach dem Erzittern

andauerte, mit -\ die Orte, von denen Vor- und Nachdröhnen

gemeldet wurde, endlich mit d= die Orte, in denen Schall und Zittern gleichzeitig angegeben wird.

In der beiliegenden Kartenskizze sind die wesentlichsten Beobachtungen des Referenten für die tschechischen Theile Böhmens mit verwendet.^ Dieselben betreffen unter Anderem den Sector zwischen Bergreichenstein und Winterberg.

1 Wesentlich nach der von Prof. Woldrich in den Sitzungsberichten der tschechischen Akademie der Wissenschaften, Jahrg. VI, Classe II, Nr. 2, publicirten Kartenskizze.

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Ober die Leitimgsweg'e der organischen Bau- stoffe im Pflanzenkörper

von Friedrich Czapek,

(Vorgelegt in der Sitzung am 11. Februar 1897.)

Mit dem Fortschreiten morphologischer Ghederung und der Differenzirung von verschiedenen Organen, welche be- stimmte Functionen zu erfüllen haben, wird naturgemäss die Thätigkeit im Stoffwechsel bei den Zellen des Organismus immer verschiedenartiger, und es entwickeln sich mannigfaltige Wechselbeziehungen im Stoffaustausch zwischen Zellen und Zellsystemen, welche dem aus lauter gleichartigen Elementen zusammengesetzten Organismus fremd waren. Durch die An- passung der zelligen Elemente an bestimmte Verrichtungen für den Gesammtorganismus werden diese Elemente in Abhängig- keit von Organ zu Organ gebracht und können nur dann ungestört functioniren, wenn alle Theile des Getriebes prompt ineinandergreifen und jedem Organ seitens der anderen das noth wendige Material an Baustoffen geliefert wird.

Frühzeitig auf einer relativ niederen Entwicklungsstufe im Pfianzenreich kommt eine Differenzirung von nicht kohlensäure- assimilirenden, wasseraufnehmenden Organen (Wurzeln im physiologischen Sinne) und kohlensäureassimilirenden grünen Theilen zu Stande. Die Folge ist jener stetige Strom von synthetisch gebildeten Kohlehydraten, welcher sich bei allen chlorophyllführenden Pflanzen von den assimilatorisch thätigen Organen nach den Stamm- und Wurzeltheilen hinbewegt, um diese mit jenen Substanzen zu versorgen. Ein stetiges Hinströmen von Nährstoffen findet auch nach den Orten lebhaften Zuwachses, nach den Vegetationspunkten hin statt und unterhält die Thätig- keit der Stätten der Zellvermehrunsr. Mit diesen Erscheinunuen

118 F. Czapek,

hängt es zusammen, dass sich von den höheren Algen und Moosen aufwärts ein eigenes Gewebesystem ausbildete, welches die Leitung der in jenem Stoffaustausch begehrten Substanzen als Function übernahm. Durch besondere Einrichtungen, welche den höchsten Grad der Vollendung in den Leptomsträngen der Angiospermen erreichen, sind diese leitenden Elemente den Bedürfnissen einer raschen und ausgiebigen Beförderung \-on Baumaterial ausreichend adaptirt.

Es ist selbstverständlich, dass in den Vorgängen bei dieser Stoffleitung im Princip nichts Neues geboten wird gegenüber den Wechselbeziehungen im Stoffaustausch zwischen Nachbar- zellen des Organismus überhaupt. Das Charakteristische liegt bloss in der Erleichterung der regelmässigen und etwa ausser- ordentlich erforderlichen Massentransporte, welche mit mög- lichster Schnelligkeit zu bewerkstelligen sind. Wir haben uns also mit den Modalitäten derartiger Massentransporte zu be- fassen, wenn wir uns mit der Klarstellung der Transportwege und der Mechanik des Transportes in den leitenden Gewebe- systemen beschäftigen.

Dabei beziehen wir uns vor Allem auf das Leptom der Angiospermen, dessen hochentwickelte Differenzirung die Lösung unserer Aufgaben unterstützt.

Wenn nun auch die Stoffleitungsvorgänge im Leptom ihrer Wesenheit nach dieselben sind, wie sie zwischen Zellen nicht differenzirter, gleichartiger Gewebe stattfinden, so dienen doch ausschliesslich die Bahnen der Leptomstränge dem Stoff- transport aus den Blättern in Stamm und Wurzel, aus den Reservestoffbehältern in die wachsenden Vegetationsspitzen. Sie können niemals durch Leitungsvorgänge im parenchyma- tischen Gewebe substituirt werden. Wie der erste Abschnitt dieser Arbeit zu zeigen haben wird, betrifft diese ausschliess- liche Leitung im Leptom alle Assimiiatei des Pflanzenkörpers, die stickstofffreien sowohl, als die stickstoffhaltigen. Es werden also auch die Kohlehydrate in den Leptomsträngen befördert, wenn sich die in den Blättern assimilirten Substanzen stamm-

5 Ich fasse unter »Assimilaten« entgegen dem herkömmlichen botanischen Gebrauch, welcher nur eine Assimilation von Kohlehydraten kennt, alle im Pfianzenkörper S3'nthetisch gebildeten organischen Stoffe zusammen.

Leitungswege der organischen Baustoffe.

119

wärts bewegen. Dass aber diese Regel des ausschliesslichen Transportes der Assimilate im Leptom unter Umständen auch eine gewaltige Ausnahme erleidet, zeigt am schönsten das Aufsteigen gelöster Kohlehydrate im Trachealinhalt des Holzes, wobei selbst die Wasserbahnen zur Zuleitung von Nahrungs- stoft'en fin* die fortwachsenden Zweigspitzen in Anspruch ge- nommen werden.^

I. Abschnitt.

Die g'emeinsame Leitung" der Kohlehydrate und stick- stoffhaltigen Assimilate durch bestimmte Leptom- elemente.

A. Die Ableitung der Kohlehydrate aus den Blättern; Resec- tionsversuche an Blattstielen.

Zur Untersuchung der Frage, welche Elemente bei der Fortleitung der Kohlehydrate in Frage kommen, bieten natur- gemäss die Blattstiele kräftig assimilirender Pflanzen das beste Material. Es bewegen sich durch dieselben andauernd grosse Mengen assimilirter Kohlehydrate hindurch in einer und der- selben Richtung, und experimentelle Eingriffe lassen sich hier in grosser Zahl ohne Schwierigkeit anstellen. Ich trachtete nun in folgender Weise zu erfahren, ob sich die Kohlehydrate im Blattstiel im Leptom der Leitbündel oder im parenchymatischen Grundgewebe (immer oder facultativ) bewegen. Wenn das erste der P'all ist, dann muss die Fortleitungsrichtung eine unbedingt geradlinige sein, weil die Leptombahnen gerade verlaufen, und eine an einer Stelle des Stieles in den Leptom- bahnen einer Hälfte gesetzte Unterbrechung muss eine Sistirung der Abfuhr aus der entsprechenden Laminahälfte zur Folge haben. Bewegen sich hingegen die Kohlehydrate im Parenchym, oder kann eine derartige Fortleitung als Ersatz der Leptom- bahnen stattfinden, so wird nach einem solchen operativen Eingriff keine Leitungsunterbrechung in der betreffenden Blatt- hälfte stattfinden, weil im Parenchym ebenso gut Längs- wie

1 A. Fischer, Bot. Ztg., 1888, S. 405 und Pringsii eim's Jahrb. f. \vi Bot., Bd. 22 (1891), S. 73.

120 F. Czapek,

Queiieitung möglich ist, und das Blatt wird sich in allen Theilen normal seiner Assimilate entleeren. Dabei ist jedoch ein solcher Verlauf der Leptomstränge aus der Lamina und im Blattstiel vorausgesetzt, dass keine Quercommissuren, noch sonstige Anastomosen vorhanden sind. Es werden derartige Objecte von vorneherein von der Herbeiziehung zu diesen Ver- suchen ausgeschlossen sein.

Die Operation erfolgte in folgender Weise: Genau in der Mediane des Blattstieles wurde in verticaler Richtung ein kurzes zweischneidiges 'Messerchen mit sehr dünner Klinge (es dient hiezu ein sogenannter Schnäpper, wie er zum Aderlass ver- wendet wird) eingestochen, so dass der Blattstiel durchbohrt war. Nun wurden mit scharfem Skalpell auf einer Seite senk- recht auf die Fläche des Schnäppers zwei circa 1 2 min ent- fernte Einschnitte gemacht, wodurch die zwischenliegende Lamelle aus der betreffenden Blattstielhälfte herausgetrennt wurde und sich entfernen Hess. Wenn man die Versuche bei windstillem Wetter im Freien anstellt, so tritt niemals eine Knickung des Stieles an der operirten Stelle ein und es besitzt die übrig gelassene Stielhälfte Festigkeit genug, um nicht allzu argen mechanischen Insulten zu widerstehen, besonders da die entfernte Querscheibe nur ganz dünn ist. Wichtig für den Erfolg des Versuches ist, dass das Einstechen des breiten Messerchens genau median und vertical geschieht, damit man wirklich die einer Laminahälfte entsprechenden Leitbündel unterbricht. V/ürde man nicht genau vertical einstechen, so hätte man diesen Zweck nicht erreicht. Vertrocknen an der Operationsstelle wa.Y nie zu beobachten; die übrig gelassene Stielhälfte blieb stets saftig. Resectionsstelle war die obere Hälfte des Blattstiels.

Versuch L Vi'tis vinifera. Drei kräftige Blätter eines Stockes operirt 6'' 30'" p. m. (8. Juli). Nach einer windstillen warmen Nacht wurden sie am folgenden Morgen 5'' geerntet und der Sachs'schen Jodprobe unterworfen. An Blatt 1 war an der operirten Seite in der Lamina ein schwarzblaues Netz längs der feinsten Nerven sichtbar; die andere Spreitenhälfte war voll- kommen farblos. Blatt 2 war auf der operirten Seite schwärz- lich, die Laminarlappen der anderen Seite viel blässer. An

Leitungswege der organischen Baustoffe. 1 2 1

Blatt 3 war mehr als die Hälfte des Blattstieles durch einen nicht medianen^ doch verticalen Einstich resecirt worden. Die operirte Laminaseite war deutlich dunkler als die ebenfalls schwärzliche andere Hälfte.

Die Versuche gelingen mit F/7/s- Blättern sehr prompt, und es ist diese Pflanze als geeignetes Demonstrationsobject zu empfehlen. Gut sind auch die grossblätterigen Begonia- Arten.

Die Operation ist jedoch möglichst exact auszuführen und dabei ist Folgendes zu beachten. Die Trennungsfläche der zu resecirenden Blattstielhälfte von der anderen muss genau in die Symmetrieebene, also in die mediane Längsaxe des Stieles fallen, muss demnach, eine normale Stellung des Organs voraus- gesetzt, vertical stehen. Ein Fehler wäre es, wenn der Einschnitt schräg zur medianen Längsaxe des Stiels gemacht würde. Man würde dann, wie leicht einzusehen, keineswegs die Bündel einer Blatthälfte unterbrechen, sondern würde mehr weniger das Stromgebiet des Mediannerven für sich abschneiden, und der Versuch würde unmöglich einen Unterschied beider Laminar- hälften ergeben können. Dass der Einschnitt nicht in die verti- cale Medianebene des Stieles, sondern durch Versehen in eine ausserhalb dieser, jedoch zu ihr parallele Ebene fällt, kann ebenfalls unter Umständen den Erfolg des Versuches beein- trächtigen, weil dann nur die kleinere Hälfte der Lamina in ihren ableitenden Siebtheilen im Stiele vom Stamme abge- schnitten ist und der grössere Theil der Spreite sich ungestört entleeren kann.

Versuch II. Cucurbita Pepo. An einem Blatte wurde die linke, an einem anderen die rechte Stielhälfte auf eine Strecke von 2 mm resecirt. Die operirten Stiele wurden mittelst Pappe- schienen gestützt. Operation 9. Juni,9''a.m. Nach einem warmen, sonnigen Tage wurde die Pflanze um 7^ p. m. verdunkelt. Die Nacht war warm. Am folgenden Morgen 9'' wurde der Dunkel- sturz abgenommen, beide Blätter abgetrennt und mit ihnen die Jodprobe vorgenommen. Beide waren gänzlich stärkefrei. Eine am Vorabend vorgenommene Controlprobe mit einem Stückchen Lamina hatte bei beiden Blättern Schwarzfärbung bei der Jod- probe ergeben.

122 F.Czapek.

Die Qiairbita-Bläüer hatten sich demnach trotz der Unter- brechung der Leptomstränge entleert. Der Widerspruch mit den Versuchen an Vitis und Begonia erklärt sich aber sehr einfach durch das Vorhandensein von querverlaufenden Commissuren zwischen den Siebsträngen. ^ Diese Commissuren vermitteln die Fortleitung der Assimilate aus der Lamina auch von der operirten Seite her. Ähnlich erfolglos waren die Versuche mit Farnwedehi (Athyriiim JUix femina), weil eben hier die Gefässbündel mit- einander in bekannter Weise regelmässig anastomosiren. Ana- stomosen zwischen den Leitbündeln im Blattstiel sind überhaupt nichts Seltenes."^

Im Anhang an diese Versuche untersuchte ich, ob sich nicht auch für die stickstoffhaltigen organischen Substanzen eine Anhäufung in der Blattlamina nach partieller Resection einer Blattstielquerscheibe constatiren lasse.

Versuch III. Am 30. August 1896, 3'' Nachmittags, wurden 21 kräftige Blätter von fünf nebeneinanderstehenden Stücken von VUis viinfera operirt. Temperatur 25° C; sonnig, feucht. Das Wetter blieb günstig und warm bis zum Tage der Ernte. Am 2. September, 4'* p. m., wurden 18 Blätter geerntet, die operirten Laminahälften abgetrennt, für sich getrocknet; der Medianus und das anhängende Blattstielstück wurde entfernt, die anderen Blatthälften als Vergleichsobject ebenfalls rasch an der Luft getrocknet. Hierauf wurden beiderlei Blatthälften gepulvert und bei 95° C. bis zur Gewichtsconstanz getrocknet. Mit jedem Antheile wurden Gesammtstickstoffbestimmungen nach Kjeldahl vorgenommen. Es ergab sich Folgendes:

1. Nichtoperirte Laminahälften: 3-2056^ Trockensubstanz enthielten 0-09394^ N, somit 2-93%.

2. Operirte Hälften: 3-3247^ Trockensubstanz enthielten 0 09782 ^N, somit 2 -9470.

Eine Anhäufung stickstoffhaltiger Substanzen in den operirten Laminahälften hat somit nicht stattgefunden.

1 A.Fischer, Untersuchungen über das Siebröhrensystem der Cucur- bitaceen. Berlin, 1884, S. 63 und die Fig. 8 auf Taf. VI.

- De Bary, Vergleich. Anatomie. Leipzig, 1877, S. 310.

Leitungsvvege der organischen Baustoffe. 1 23

Dieses Resultat ist deswegen von Interesse, als es dagegen spricht, dass die Synthese der Proteinsubstanzen in der Pflanze in den Blättern unter dem Einflüsse des Lichtes stattfindet, wie es von C. 0. Müller,^ W. Chrapowitzky^ und Saposchni- koff'^ behauptet wurde, eine Ansicht, zu der sich auch Frank^ hinzuneigen scheint,- indem er die Asparaginbildung in die gilinen Theile der Pflanzen verlegt. Dass der Transport der Prote'i'nsubstanzen aber auch wie bei den Kohlenhydraten nur in geradlinigen Bahnen stattfinden kann, beweisen die weiter unten zu beschreibenden Ringelungsversuche.

Aus den angestellten Resectionsversuchen, deren eine grosse Zahl ausgeführt wurde an Freiland- und Gewächshaus- pflanzen im Sommer und Herbst, ergibt sich, dass eine Unter- brechung der Siebtheile einer Blatthälfte im Stiel eine Anhäufung der Kohlenhydrate in der betreffenden Hälfte der Lamina zur Folge hat. Der Versuch ist nur dann mit entscheidendem Er- folge ausführbar, wenn keine Commissuren zwischen den ein- zelnen Siebtheilen verlaufen, wie sie z. B. bei Cucurbita nach- weisbar sind. Man kann desshalb behaupten, dass eine Quer- leitung oder Schrägleitung der Assimilate im Blattstiel nicht vorkommt, sondern dass sich die Bahn der Fortleitung parallel der Längsaxe des Stieles in gerader Richtung bewegt. Ebendeswegen ist zu schliessen, dass nicht etwa das paren- chymatische Grundgewebe die Leitungsbahn für die Kohlen- hydrate ist, sondern dass die Bahn in den Leitbündeln liegt, die aus der Lamina in den Stamm ziehen, respective in deren Sieb- theilen. Dabei bleibt es jedoch noch unentschieden, ob die Kohlenhydrate und die stickstoffhaltigen Substanzen in ge- trennten Bahnen innerhalb des Leptoms wandern, oder ob sie

1 C. 0. Müller, Ein Beitrag zur Kenntniss der Eiweissbildung der Pnanzen. Landwirthsch. Versuchsstat. Bd. 33 (1886), S. 311.

■-' W. Chrapowitzky, Beobachtungen über die Bildung von Eiweiss- körpern in chlorophyllhältigen Pflanzen. Ref. in Just's botan. Jahresber. 1887, I, S. 164, und botan. Centralbl. 1889, III. Quartal, S. 352.

3 W. Saposchnikoff, Eiweisstoffe und Kohlenhydrate der grünen Blätter als Assimilationsproducte. Tomsk, 1894, Ref. Bot. Centralbl. Bd. 63 (1895), S. 246.

4 A.B.Frank, Botan. Zeitung, Bd. 51 (1893), I. Abth., S. 154; Berichte der deutsch, botan. Gesellsch., VIII (1890), S. 331.

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gemeinsam innerhalb derselben Leptomelemente fortgeleitet werden.

In historischer Hinsicht will ich noch bemerken, dass über Resectionsversuche an Blattstielen in einer kui-zen Alittheilung von Donders^ berichtet wird. Dieser Autor machte an den Stielen heranwachsender Blätter von RJitis typhina Einschnitte bis zur Mitte des Blattstieles und beobachtete, dass sich die Fiederblättchen an der operirten Seite nie zur normalen Grösse entwickelten, sondern stets kleiner blieben. Wurde der Ein- schnitt zwischen den Fiederblättchen angelegt, so dass einige Blättchen unterhalb, einige aber oberhalb der Incision lagen, so entwickelten sich die ersteren stärker als normal, die letzteren aber kümmerlicher als normal. Daraus geht hervor, dass die Entwicklung der Blätter von der Zufuhr von Baustoffen aus dem Stamm abhängt, und zwar müssen, wie in meinen Ver- suchen, die leitenden Bahnen geradlinig sein.

Es lässt sich nun auf einem anderen Wege zeigen, dass die Fortleitung im Phloem selbst wiederum eine geradlinige ist und nur in beschränktem Masse in schräger Richtung statt- finden kann.

B. Ringelungsversuche an Stecklingen.

Die Heranziehung von Ringelungsversuchen zur Entschei- dung in Fragen bezüglich Translocation von organischen Bau- stoffen ist allerdings eine etwas mehr precäre Sache als das Experimentiren mit Blattstielen, weil man hier als Reagens die Ausbildung neuer Organe nimmt, woraus man auf Zufuhr plastischer Stoffe schliesst. Wir werden auf dieses Thema im dritten Abschnitte dieser Arbeit einzugehen haben. Man ist aber vollkommen im Rechte, wenn man, wie es allgemein geschieht, den Ringelungsversuchen die erwähnte Bedeutung beilegt.

Ich bediente mich der Ringelungsmethode zur Unter- suchung der Frage, bis zu welchem Grade Schrägleitung der organischen Baustoffe in den Bahnen des Leptoms stattfinden

^ F. C. Donders, Mouvement ascendant des matieres plastiques dans les petioles des feuilles. Archiv. Neeiiandais. Tom. II (1867), p. 342 376.

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kann. Daraus lässt sich ein Schluss auf die Natur der leitenden Elemente ziehen.

Die Ringelungen wurden derart ausgeführt, dass eine Ver- bindungsbrücke aus Leptom zwischen beiden Stücken des Stecklings verblieb, welcher ich verschiedene Gestalt gab. In einer Reihe von Versuchen hatte sie die Gestalt eines horizontal liegenden \"; sie ging in schräger Richtung etwa in einem Winkel von 40° vom oberen Rande der Ringelwunde aus, kehrte nach einer Strecke isolirten Verlaufes in spitzem Winkel wieder um und schloss sich wiederum, unter einem spitzen Winkel in den unteren Wundrand einlaufend, an die Rinde des unteren Stückes des Stecklings an. Andere Versuche wurden mit doppelt rechtwinkelig geknickter Verbindungsbrücke aus Rinde aus- geführt. Die Rindenbrücke lief etwa 1 cm lang senkrecht vom oberen Wundrand herab, bog sodann rechtwinkelig in einen horizontalen Schenkel von verschiedener Länge um, um sodann wieder, unter einem rechten Winkel abbiegend, in einem zweiten verticalen Schenkel in den unteren Wundrand einzumünden. Die Rindenbrücken müssen von genügender Breite (4 5 mm) sein. Die Stecklinge waren 30 cm lange Aststücke von 1 -5 cm bis 2 cm Durchmesser. Am geeignetsten war Salix fragilis und Populns canadeusis. Nach vollzogener Operation wurden die Zweige in einem dampfgesättigten Räume aufgehängt und ent- wickelten bei günstiger Temperatur rasch in der näher zu be- sprechenden Weise Callus, Wurzeln und Sprosse. Lichtzutritt wurde nicht abgeschlossen, sondern die Versuchsobjecte be- fanden sich in schwachem, diffusen Lichte.

Die zweitgenannte Methode erwies sich bald als die bessere und sie lehrt bezüglich der Möglichkeit einer schrägen Fort- leitung der Assimilate mehr als die erste, welche in der Anlegung einer Brücke von der Gestalt eines liegenden V besteht. Eine seitliche F'ortleitung ist nämlich, wie es sich herausstellte, bis zu einem gewissen Grade thatsächlich möglich, so dass bis zur Erreichung der Grenze die beiden Schenkel der <: förmigen Brücke eine namhafte Länge haben müssten. Der Zweck des Versuches ist bequemer mit der Methode der ^förmigen Brücke zu erreichen und die Ergebnisse stellen sich auf diese Art viel klarer dar.

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Ich führe einige Versuche der letzten Form an Salix fragil is an. Alle drei Objecte wurden am 5. März 1896 abgeschnitten und operirt. Am 30. Aiärz zeigte sich Folgendes.

Zweig I: 38 cm lang, 10 mm im Durchmesser. Unterer Rand der Ringelwunde vom unteren Stecklingende 30 mm ent- fernt. Ringelwunde 17 mm breit. Oberer verticaler Brücken- schenkel \Omm, der horizontale 20 mm, der untere verticale \0 mm lang, alle A mm breit. Callus war schlecht entwick'elt. Am Rande des oberen Brückenschenkels bis zur Knickungs- stelle waren Wurzeln ausgebildet (3).

Zweig II: 34 cm lang, \2 mm dick. Brückenbreite 7 mm, Querstrecke \2 mm lang. Das durch den Ringelschnitt abge- trennte untere berindete Stück des Zweiges 30 mm lang. Callus kräftig ausgebildet. Am unteren Rande des queren Brücken- schenkels nur unterhalb des verticalen oberen Schenkels der Callus üppig entwickelt, mit einem reichen Büschel von Wurzeln. Der übrige Theil des horizontalen und der untere verticale Brückenschenkel hat nichts producirt.

Zweig III: Ringelwunde 17 mm breit, darunterliegendes Zweigstück 20mm. Brückenbreite 5mm, Querschenkel \5mm lang. Callus ungemein charakteristisch entwickelt: kräftig am oberen Wundrand, steigt am oberen verticalen Brückenschenkel sich vermindernd herab; ein circumscripter Calluswulst am unteren Rande der knieförmigen Umbiegung unterhalb des oberen verticalen Schenkels, allmälig am horizontalen Schenkel verlaufend. Im Ganzen geht der Callus 7 8 mm über den Rand des oberen verticalen Schenkels am Horizontalast hinaus, ist aber schon recht schwach.

In der älteren und neueren Literatur wird vielfach über Versuche berichtet, welche den Zweck hatten, die Möglichkeit einer seitlichen Fortleitung der Assimilate im Siebtheile des Stammes zu untersuchen. Man legte einander gegenüberliegende Einschnitte an (Ray^), zwei oder vier (Hai es 2), gab der Ringel-

1 J. Ray, Hist. plant. I, 9; cit. nach Treviranus, Physiologie (1835), Bd. I, S. 294.

- St. Haies, Statik der Gewächse. Deutsch von Wolff, Halle, 1748, S. 76.

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wunde die Form eines Schraubenganges (Du Hamel,' Cotta,"' Th. Hartig'^). Der letztgenannte Autor zeigte auch, dass der Druck eines schraubenförmig um einen Ast gelegten Drahtes oder der Druck des Stammes einer um den Ast windenden Pflanze (Lonicera Periclymennin) in ganz ähnlicher Weise die Fortleitung der Assimilate im Siebtheile des Astes nicht auf- hebt.^

Die Versuche ergaben übereinstimmend, dass eine Quer- leitung der Assimilate im Phloem jedenfalls stattfinden könne; sie stellten jedoch nicht fest, bis zu welchem Grade. Und gerade diese letztere Bestimmung ist von Wichtigkeit zur Entscheidung der Frage, welchen Elementen des Siebtheiles (Siebröhren, Cambiform, Parenchym) der Hauptantheil bei der Fortleitung der Assimilate zukommt. Hätte die Fähigkeit, auch quer zu leiten, beim Siebtheile sehr weite Grenzen, so dass mehrere Centimeter weit von einer bestimmten Stelle des Phloems Fort- leitung in horizontaler Richtung nach anderen Punkten der Peripherie stattfinden kann, so müsste man sagen, dass min- destens nicht allein die längsgestreckten, röhrenförmigen Ele- mente leitend thätig sind, sondern dass auch den parenchyma- tischen Bestandtheilen des Siebtheiles ein namhafter Antheil an der Weiterleitung zuzusprechen ist. Anders ist es hingegen, wenn die Querleitung nur in sehr beschränktem Masse möglich ist. Man muss dann unbedingt den gestreckten, geradlinig der Stammaxe parallel laufenden Elementen die Hauptrolle zu- weisen. In der That haben unsere Versuche gezeigt, dass der letztere Fall der in Wirklichkeit vorhandene ist. Callus bildete sich seitlich von der zuführenden Brücke nur schwach und hörte in einer Entfernung von wenigen Millimetern ganz auf. Die Versuche mit schraubenförmiger Ringelung, seit Alters her ausgeführt, sind in dieser Hinsicht nicht besonders lehr-

1 Du Hamel, Naturgeschichte der Bäume. Nürnberg, 1765, IL Theil, S. 87.

2 H. Cotta, Naturbeobachtungen über die Bewegung und Function des Saftes. Weimar 1806, S. 21 (Doppelringelung mit halbseitigen Einschnitten), S. 22 (Spiralringelung).

3 Th. H artig, Bot. Zeitung, 18.58, S. 340. i Bot. Zeitung, 1862, S. 73.

Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl.; CVI. Bd., Abth. I. 9

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reich. Sie zeigen mir, dass Ouerleitung auf kurze Distanzen liin bestimmt stattfindet; bei dem Fortschreiten an dem Schrauben- bande der Ringehvunde findet jedoch, je weiter die Leitung stattfindet, naturgemäss zugleich eine Längsleitung nach ab- wärts statt. Dies ist auch der Grund, warum »Spiralringelung« nicht die Folgen einer Leitungsunterbrechung erzeugt. Dabei lässt der Versuch aber immer noch die Möglichkeit offen, dass eine weitgehende Ouerleitung stattfinden kann, eine Möglich- keit, die durch unsere Winkelbrückenversuche definitiv aus- geschlossen wurde.

Nach dem Gesagten sind jedenfalls die längsgestreckten, geradlinig verlaufenden Elemente des Siebtheiles mit der Function der Leitung der Assimilate betraut. Die Erklärung, dass trotzdem bis zu einem gewissen Grade schräge und quere Leitung möglich ist, lässt sich unschwer darin suchen, dass einestheils die Siebröhren durch seitliche Siebplatten in Com- munication stehen und anderentheils die Cambiformzellen als Elemente prosenchymatischen Charakters sich ihrer Spindel- form halber stets seitlich aneinander anschliessen müssen. Es sind nun zwei weitere Fragen von principieller Bedeutung zu untersuchen. Zum ersten: Sind die Siebröhren allein die leiten- den Elemente, oder kommt dem Cambiform dieselbe Function zu? Zweitens ist zu entscheiden, ob die Leitungsbahnen für Kohlenhydrate und stickstoffhaltige Assimilate, wie heute nach dem Vorgange Sachs' ^ allgemein angenommen wird, räumlich getrennte, oder werden alle Assimilate innerhalb derselben Ele- mente gemeinsam geleitet?

Bezüglich der ersten Frage ergeben die Ringelungsversuche nichts Entscheidendes. Wie eben hervorgehoben, lässt die Thatsache, dass bis zu einem gewissen Grade Schrägleitung möglich ist. sich sowohl aus bestimmten Structurverhältnissen der Siebröhren, als auch der Cambiformzellen verstehen. Eine experimentelle Entscheidung vermochte ich direct bisher nicht zu erreichen, doch vermuthe ich aus manchen Gründen, dass

1 J. Sachs, Flora, 1863. S. 33. und Experimentalphj'siologie, Leipzig, 1865, S. 380. Man vergleiche jedoch hiezu die von Pfeffer (Landwirlhschaft- liche Jahrbücher, V. Jahrg. (1876), S. 105) ausgesprochene Ansicht, dass diese Arbeitstheilung jedoch sicher keine absolute, sondern nur eine relatix'e ist.

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den Siebrühren mindestens für den Transport der Assimilate durch lange Strecken der wesenthchste Antheil zukommt. Be- kanntlich haben alle Pteridophyten und Phanerogamen Sieb- röhren und es sind die höher difterenzirten Leitbündel gewisser Laubmoosformen wohl die einzigen im Pflanzenreich, die nach unseren derzeitigen Kenntnissen nur aus cambiformartigen Elementen ohne Siebröhren bestehen.

Dass zwischen Siebröhren und Cambiformzellen bezüglich ihrer Function eine Ähnlichkeit besteht, vergleichbar dem Ver- hältnisse zwischen Gefäss und Tracheide, wird schon durch den Umstand unwahrscheinlich gemacht, dass es wohl gefäss- lose höhere Pflanzen gibt, nicht aber höhere Pflanzen ohne Siebröhren. Die Tracheiden übernehmen wohl voll die Function echter Gefässe, die Cambiformzellen können jedoch anscheinend nicht die Siebröhren ersetzen. Etwas müssen demnach die Sieb- röhren gegenüber den Cambiformzellen voraushaben und dies scheint die Befähigung zu besonders raschem Transport auf weite Strecken hin zu sein, wie sie zur Leitung der assimilirten Substanzen aus den Productionsorten nach den wachsenden Wurzelspitzen hin nöthig ist, oder etwa zur Beförderung des in unterirdischen Reservestoffbehältern angehäuften Materiales nach den Orten des lebhaftesten Wachsthums hin. Eine be- stimmte Rolle als transportirende Elemente kommt jedoch gewiss auch den Cambiformzellen zu, die sich auch dann, wenn im Siebtheile z. B. die herbstliche Nährstoffspeicherung in den Markstrahlen und im Parenchym stattfindet, als stärke- und reserveproteinfrei erweisen und ganz sicher nicht als Reservoire für Assimilate fungiren.

Der Ausfall der Resectionsversuche an Blattstielen, welche mit Bestimmtheit ergaben, dass sich auch die Kohlenhydrate im Leitbündel (Siebtheil) stammwärts bewegen, ein Ergebniss, welches mit der herrschenden Anschauung, die Kohlenhydrate besässen räumlich von den eiweissleitenden Elementen ge- trennte Translocationsbahnen, nicht gut in Einklang zu bringen ist, veranlasste mich dazu, möglichst viele Pflanzen dahin zu untersuchen, ob in den Siebröhren lösliches oder ungelöstes Kohlenhydrat zugegen sei. Das Ergebniss war ein positives, obgleich ich noch lange nicht erschöpfend die Sache untersucht

ü*

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habe und mich vorläufig auf die Mittheilung der Befunde von reducirendem Zucker (Glucose, eventuell Maltose) und einiger Fälle des Vorkommens von Rohrzucker beschränke.

Die Untersuchung geschah an Tangentialschnitten durch die betreffenden Stammtheile oder Zweige; die Schnitte wurden stets mit dem Mikrotom hergestellt, um möglichst viel gleich- artige Schnitte für die mikrochemischen Reactionen zu er- halten. Die Probe auf Glucose wurde mit den von A. Meyer^ empfohlenen concentrirten Lösungen von Kupfersulfat und Seignettesalzkalilauge unternommen, und zwar wurden die Schnitte erst auf 2 Minuten in die Kupferlösung gelegt, dann mit der Pincette festgehalten, einige Male rasch in destillirtem Wasser hin- und hergeschwenkt, endlich auf einem Object- träger ausgebreitet, das Wasser mit Filtrirpapier entfernt, ein Tropfen Seignettesalzkalilauge darauf gebracht, das Deckglas aufgelegt und nun so lange erhitzt, bis sich Blasen entwickelten. Die Reaction ist dann bei Gegenwart reducirenden Zuckers eingetreten. So vermeidet man das oft eintretende störende Ein- schrumpfen der Schnitte in der Lauge. Die Schnitte bleiben stets schön glatt und ausgebreitet.

Die Untersuchung auf Saccharose wurde mit Zuhilfenahme von hivertirung durch Hefeinvertin ausgeführt. Säuren lassen sich ja in Geweben nicht gut als invertirende Substanzen an- wenden, weil sie zu weitgehende Veränderungen im hihalte der Zellen erzeugen. Eine sehr wirksame Invertinlösung erhält man in einfacher Weise, wenn man gepulverte getrocknete Hefe bei 40°, mit Wasser zu einem dicken Brei angerührt, 12 Stunden stehen lässt. Das Filtrat reducirt Fehling'sche Lösung nicht und wirkt auf Rohrzuckerlösung sehr kräftig ein. Um Schnitte be- züglich der Gegenwart invertirbaren Zuckers in den Gewebs- elementen zu untersuchen, brachte ich dieselben in eine massig verdünnte Invertinlösung auf 3 4 Stunden, sodann wurden sie mit Wasser nicht zu lange abgespült und nun der Zuckerprobe, wie oben beschrieben, unterworfen.

Von 57 untersuchten Pflanzenarten aus den verschiedensten Familien enthielten 18 Species in den Siebröhren Stärkekörner,

1 A. Meyer, Ber. der deutsch, bot. Gesellsch., Bd. 3 (1885), S. 332.

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27mal war im Siebröhreninhalte Glucose, 3 mal Saccharose nachweisbar (bei Acer Negnndo, Popnlns canadcnsis und Cu- curbita Pepö). Das weitverbreitete Vorkommen von Amylum in den Siebröhren ist bekanntlich zuerst von Briosi^ constatirt worden, dessen Angaben mehrseitig bestätigt worden sind. Nicht angegeben finde ich aber in der Literatur, dass mindestens ebenso häufig Glucose im Siebröhreninhalte vorkommt. Ein Fall von sicher constatirtem Vorkommen von Saccharose im Sieb- röhrensafte war dagegen an Cucurbita Pepo durch G. Kraus ^ und Zacharias^ bereits längere Zeit bekannt, wenn auch nur der erstgenannte Autor die fi-agliche Substanz als Saccharose richtig erkannt hatte.

Natürlich steht zu erwarten, dass nicht immer die stick- stofffreien Assimilate in Form der genannten Kohlenhydrate im Siebröhrensafte vorkommen. Es werden sich allem Erwarten nach F'älle ergeben, in denen fette Öle im Siebröhreninhalte nachweisbar sein werden. Es lassen dies Befunde vermuthen, welche ich an Sambucus nigra, Lonicera tatarica, Buxus scniperuirens zu verzeichnen hatte. Dies sind Fragen, die noch ihrer Lösung harren. Mir kam es jedoch nur darauf an, zu zeigen, dass im Siebröhreninhalt ebensogut wie Proteinstoffe, ganz allgemein stickstofffreie Assimilate sich vorfinden und man nicht etwa an eine Abwesenheit der letzteren glauben darf. Damit ist es aber gesagt, dass man aus den Inhaltsbefunden an den Siebröhren nicht etwa auf eine ausschliessliche Trans- portirung von stickstoffhaltigen Assimilaten schliessen darf, wie es vielfach in der Literatur geschehen ist. Grossen Werth beanspruchen übrigens die Resultate der Untersuchung der Stoffe des Siebröhreninhaltes, in Bezug auf die hier zu behan- delnde Frage der Fortleitung nicht. Denn wir finden ja in den Siebröhren eben dieselben Stoffe, wie in allen anderen Pflanzen- zellen, die ja stets stickstoftTreies Assimilat und Eiweissstoffe

1 G. Briosi, Bot. Zeitung, 1873, S. 305.

2 G. Kraus, Sitzungsber. der Naturf.-Geseilsch. zu Halle; Sitzung am 23. Februar 1884, Sep.-Abdr. S. 1— G. Ferner in: Botanische Mittheilungen, Halle 1885, S. 16 (Sonderabdr. a. d. Abhandl. der Naturf.-Geseilsch. zu Halle, Bd. XVI).

a Zacharias, Bot. Zeitung. 1884, S. 65.

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enthalten, und daraufhin allein könnte man selbstverständlich keinen Schritt weiter thun in der Sicherstellung, welche Trans- portwege diese Substanzen führen. Da sind nur die Versuche der Leitungsunterbrechung entscheidend, und diese machen es sehr wahrscheinlich, dass sämmtliche Assimilate in gemein- samen Bahnen bei ihrer Translocation sich bewegen.

Dass lösliche Kohlenhydrate aus den assimilirenden Blättern im Siebtheile stammwärts befördert werden, zeigt auch noch folgender Versuch. Eine kräftige Kürbispflanze wurde (Ende Juli) durch 5 6 Tage verdunkelt, bis ihre wachsende Spross- spitze eben zu etioliren begann. Die Blätter waren zu diesem Zeitpunkte stärkefrei. Nun brachte ich die Pflanze in einen schwarzen, lichtdichten Kasten aus Pappe, welcher an einer Seite einen schmalen Schlitz hatte, welcher durch eine Schieber- vorrichtung verschliessbar war. Durch den Schlitz wurde ein Blatt herausgeschoben, während die ganze übrige Pflanze, so- wie auch der Stiel des hervorstehenden Blattes sich im Dunkeln befand. Der Schlitz wurde bis auf die kleine Öffnung, durch die das Blatt hindurchgesteckt war, lichtdicht mittelst des Schiebers und schwarzer Watte verschlossen. Das Blatt wurde nun 8 Stunden lang im hellen Tageslichte bei warmem Sonnen- schein exponirt und dann abgenommen. Es hatte bereits, wie die Jodprobe erwies, zu dieser Zeit namhafte Stärkemengen gebildet. Aus dem Blattstiele wurden nun Querschnitte ange- fertigt und diese auf Glucose geprüft. Die Querschnitte der Siebtheile erschienen nach dieser Behandlung bereits makro- skopisch als ziegelrothe Fleckchen auf dem grünlichgelb ge- färbten Schnitte. Sie enthielten gegenüber dem übrigen Gewebe relativ grosse Mengen Glucose. Man konnte sich leicht über- zeugen, dass dies bei den Stielen der verdunkelt gebliebenen Blättern nicht so war. Hier unterschieden sich die Siebtheile gar nicht bezüglich ihres Glucosegehaltes vom Parenchym.

Aus diesem Versuche ist zugleich zu ersehen, dass in den Blattstielsiebröhren von Cucurbita nicht bloss Saccharose, sondern auch reducirender Zucker (Invertzucker?) vorkommt. Lecomte^ hat in jüngerer Zeit gegenüber der Annahme,

1 H. Lecomte, Contribution a l'etude du Liber des Angiospermes Ann. d. sc. nat, ser. VIII, tome X (1889), p. 302.

Leitungswege der organischen Baustoffe. 1 oo

ciass in den Siebröhren Kohlenhydrate geleitet werden, den Einwand erhoben, dass in diesem Falle nach Unterbrechung der Leitungsbahn durch eine Kingelwunde eine Anhäufung von Stärke in den Siebröhren und in den Leptomelementen um die Siebröhren herum stattfinden müsste, eine Erscheinung, welche in Wirklichkeit aber nicht zur Beobachtung komme. Dem lässt sich erwidern, dass in der nächsten Nachbarschaft der Sieb- röhren überhaupt keine Zellen vorkommen, welche Stärke auf- speichern können, mit Ausnahme der Anschlussstellen der Markstrahlen und der Parenchymzellen an die Geleitzellen. Und diese Markstrahl- und Parenchymzellen fi^illen sich aber nacli einer Ringelung oberhalb der Ringelwunde thatsächlich mit Stärke an.

Ich studirte diese Erscheinung auf dem Wege der oben geschilderten Ringelung nach der Winkelbrückenmethode, selbst- \-erständlich an Asten, welche im Zusammenhange mit der lebenden Pflanze standen.

Am l./IX. 1896 wurde je ein Ast von Syringa vulgaris und PhUadelphiis coronarins geringelt mit Zurücklassung einer '—förmigen Verbindungsbrücke. Beide Äste waren 1 cm im Durchmesser, reich verzweigt und belaubt. Beim Syi'inga-\ev- such war die Ringelwunde 25 uini breit, die Brückenbreite war 4 5 unn. Der obere verticale Schenkel, der horizontale und der untere verticale Ast der Brücke massen 10 mm in der Länge. Bei dem geringelten Philadelphns-Ast war die Ringelwunde '24: mm breit, die Brückenbreite betrug 5 6 mm, der obere verticale Brückenast mass 12 mm, der horizontale Schenkel 1 1 mm, der untere verticale 1 1 mm. Während der einmonat- liclien Versuchsdauer gediehen die Aste vollkommen wohl; die Witterung war sehr warm und günstig. Am 2./X. wurde der N'ersuch abgebrochen und die Aste abgesägt. Der Philadclphus- Ast zeigte bezüglich ßelaubung und Knospen nichts Auffälliges. Der Zweig von Syringa vulgaris besass zu dieser Zeit bedeutend stärker entwickelte Endknospen, als die übrigen Aste des Strauches. Die Blättchen der Knospen hatten sich abnorm früh- zeitig entwickelt. Auch- war eine grössere Anzahl von Adventiv- knospen an dem Zweige bemerkbar, wodurch sich dieser Zweig von den anderen auffällig unterschied.

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Was die Ringelwunde anbetrifft, so hatte sich an den Rändern der Brücke ein wohlausgebildeter Callus, 2 min breit, am oberen verticalen Schenkel entwickelt, welcher sich allmälig längs des horizontalen Schenkels bis auf 1 mm verschmälerte. Auch an der Innenseite des unteren verticalen Astes der Ver- bindungsbrücke hatte sich ein schmaler Callusfaden ausgebildet. An der Ringelwunde des Philadelphtts- Astes war ebenfalls ein recht kräftiger Callusbelag vorhanden. Am oberen Rande der Ringelwunde, sowie am oberen verticalen Schenkel der Ver- bindungsbrücke war der Callus als 2 mm breiter Randwulst entwickelt, er wurde schmäler längs des horizontalen Brücken- schenkels und besass längs des unteren Verticalastes und am unteren Ringelwundrand nur 1 mm Breite. Zur Untersuchung auf Stärkegehalt des Leptoms wurde ein Stück von etwa 15 cut Länge, die Ringelwunde enthaltend, aus jedem Ast heraus- gesägt, und sodann mit einem scharfen Skalpell mittelst Flächen- schnitten das Leptom ober der Wunde, in der Verbindungs- brücke und unterhalb der Wunde blossgelegt. Die Äste stellte ich nun mehrere Stunden lang in Jodjodkaliumlösung. Alan konnte so feststellen, dass oberhalb der Ringvvunde und im oberen Verticalschenkel der Verbindungsbrücke eine deutlich dunklere Blaufärbung aufgetreten war, als weiter unten. Mikro- sko.pisch war allerdings der Unterschied (auf tangentialen Flächenschnitten untersucht) nicht prägnant zu constatiren. Jedenfalls geht aus dem Versuche soviel hervor, dass die winke- lig gebogene Verbindungsbrücke nicht genügt hatte, um eine normale Herableitung der Assimilate zu gestatten und eine ganze Reihe von Erscheinungen (abnorm frühzeitige Knospen- entvvicklung, schwächere Callusbildung, Stärkeanhäufung ober der Ringwunde) deutet darauf hin, dass eine geradlinige Ver- bindungsbrücke allein befähigt gewesen wäre, den Effect der Ringelung gänzlich aufzuheben. Und thatsächlich ist es ja seit Hanstein^ an Stecklingen sichergestellt und durch geeignete Versuche zur Controle an Zweig-en im Zusammenhange mit der

1 J. Han stein, Versuche über die Leitung des Saftes durch die Rinde und Folgerungen daraus. Jahrbücher für wissenschaftl. Botanik, Bd. II (1860), S. 408.

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lebenden Pflanze nachzuweisen, dass eine geradlinige \'er- bindiingsbrücke von genügender Breite für die betreffende Flanke den unterbrechenden Effect einer Ringelung aufhebt. Diese Controlversuche mit gerader X'erbindungsbrücke beweisen auch, dass nicht etwa die Schmalheit der Verbindungsstrasse die Ursache sein kann, wenn eine Winkelbrücke die Trans- location der Assimilate nicht frei gestattet; die ebenso breite gerade Brücke erlaubt ja freie Passage.

Nach dem Gesagten ist es ein thatsächliches Vorkommniss, dass nach Verlegung der durch die Siebröhren gegebenen Strasse eine Stärkeanhäufung im Leptomparenchym als dem Speichersystem des Siebtheils eintritt. Lecomte ist daher nicht im Rechte, wenn er meint, dass eine Stärkeanhäufung unter solchen Verhältnissen nicht vorkommt. In den Siebröhren selbst konnte ich allerdings oberhalb Ringelwunden keine \'er- mehrung der Amylumkörner beobachten. Dies beweist jedoch gar nichts gegen den Transport von Kohlenhydraten in den Siebröhren, indem doch die Anhäufung nicht weiter transportir- baren Materiales sich mir in jenen Elementen zeigen kann, welche ihrer Function nach Speicherorgane sind, also in den mit diesen Fähigkeiten ausgerüsteten Leptommarkstrahlen und Parenchymlängsstreifen. Versuche mit gerader Verbindungs- brücke, also partieller Ringelung, wurden vorgenommen an Vitis, Ampelopsis, Rnhus, Syrniga und Aescnlus. Die Stärkevertheilung über und unter der Ringelwunde war gleichmässig. Eine Be- ziehung bezüglich Stärkevertheilung zwischen Geleitzellen und Parenchym war nicht zu constatiren. Leptom- und Hadrom- markstrahlen waren sehr stärkereich. Stärke in Siebröhren war bei Aesctilits und Vitis sehr reichlich vorhanden.

Unsere Erfahrungen haben somit gelehrt, dass zum min- desten aus den Befunden am Inhalt der Siebröhren und Cambi- formzellen nicht geschlossen werden darf, dass dieselben aus- schliesslich stickstoft'hältige Assimilate führen. Stets sind auch stickstofffreie Assimilate (Kohlenhydrate oder Fett) zugegen. Im Vereine mit den früher geschilderten Ergebnissen der Resections- und Ringelungsversuche machen es die Zeilinhaltsbefunde wahrscheinlich, dass für stickstofffreie und stickstoffhaltige Assimilate keine streng gesonderten Transportwege bestehen,

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sondern dass wohl beiderlei Substanzen durch dieselben leiten- den Elemente (Siebröhren und Cambiformzellen) translocirt werden.

Somit besteht die alte Hanstein'sche, auf die Resultate der bekannten Ringelungsversuche dieses Forschers fundirte An- schauung zu Recht, und es sind thatsächlich nur die »Leit- zellen« nach Hanstein, welche der Stoff leitung in gleichem Ausmasse dienen. Bald nachdem H an stein diese Ansicht ver- öffentlicht hatte, wurden jene Deutungen einer eingehenden geistvollen Kritik von Sachs ^ unterworfen. Sachs hob mit Recht hervor, dass H an stein zwar bewiesen hatte, dass die .'Leitzellen« bei der Fortführung der plastischen Stoffe unent- behrlich seien, dass aber aus den Versuchen, des genannten .Autors keineswegs direct folge, dass sie die einzigen oder auch nur die wichtigsten Leitungsorgane seien. Sachs machte bei dieser Gelegenheit geltend, dass die Hanstein'schen Leitzellen, wenn sie alle Stoffe führen würden, auch Stärke enthalten müssten, was jedoch nur ausnahmsweise der Fall sei. Es wurde jedoch von Sachs ausdrücklich bemerkt, dass die Leitzellen unter Umständen zur »Stärkeleitung« mitbenutzt werden können. Sachs suchte ferner den Einwand zu widerlegen, dass in den Leitzellen zwar alle Stoffe enthalten seien, jedoch nicht in nach- weisbarer Form. Es finde sich oft Stärke mehrere Zellschichten entfernt vom Leitbündel. Stammt nun die Stärke aus letzterem, so müsste sie quer durch das Parenchym gehen, was aber der zu widerlegenden Anschauung widerspreche. Ferner meint Sachs, mit Hanstein's Ansicht sei es unvereinbar, wieso die Stärke immer im Parenchym liegt und niemals in den Ableitungswegen der Leitbündel aus den Blättern selbst.

Demgegenüber wäre aber zu bemerken, dass Sachs be- züglich des ersten Punktes die unbewiesene Voraussetzung macht, dass alle Parenchymstärke »Wanderstärke« ist. Und wohlvereinbar ist es mit Hanstein's Ansicht, dass die Leitungs- wege der Assimilate keine oder nur spärlich Stärke enthalten, mdem die Stärke in Massen doch nur in Speicherge weben auf-

i J. Sachs, Über die Leitung der plastischen Stoffe durch verschiedene Gewebeformen. Flora, 1863, S. 33. Die betreffende Stelle findet sich S. 39.

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tritt, oder in den Productionsorten, demnach allenthalben, wo es sich um die Festlegung eines Überschusses an Assimilat in fester Form handelt. So lagern Blätter, auf Zuckerlösung schwimmend, den Überschuss aufgenommenen Materials in Form \-on Amylumkörnern innerhalb der Chloroplasten ab und so häuft sich die Stärke im Laufe der Vegetationsperiode in den Speichergeweben des Siebtheils, den Alarkstrahlzellen und in den Parenchymzügen an.

Es sei bei Erwähnung des Speichergewebes des Siebtheils noch bemerkt, dass bisher die Speicherung von stickstoffhaltigen Assimilaten, von Proteinstoffen, in den Alarkstrahl- und Paren- chymzellen des Leptoms keine rechte Beachtung gefunden hat, obwohl sie nicht selten eine ebenso auffallende Erscheinung darstellt, wie die Stärkeanhäufung im Leptomspeichergewebe. Bald sind es vor Allem die Markstrahlzellen, in denen die Stärke- speicherung gegenüber der Anhäufung von Reserveprotein zurücktritt: Comus sangumea, Coryhis Avellana, Ribesruhnint; bald enthalten die Parenchymlängszüge vorzüglich Reserve- protein (Almis ghitinosa, Popnlus tremnla, Lycinm barharnm, Hnnitihis Lupiilus). In diesen Reserveproteinzellen entsteht mit Jodjodkalium ein dichter, feinkörniger, brauner Niederschlag, und nach Behandlung mit Fehling'scher Lösung erscheinen in diesen Elementen schollige, violettgefärbte Massen. Ein sehr empfehlenswerthes Demonstrationsobject hiezu bildet das Lep- tom von Ribes rtibrnnt im September bisÖctober untersucht. Bei Ahius ghitinosa sah ich die Inhaltsmassen der Reserveprotein- zellen bei der Biuretprobe einen röthlichen Ton annehmen, wie man es sonst bei Pepton zu beobachten pflegt.

Von mehreren Seiten wurde für die Rolle der Weiterleitung von Kohlenhydraten die als Stärkescheide bekannten, in der Regel viel stärkeführenden Parenchymzellen in der unmittel- baren Umgebung der Leitbündel herangezogen.

Sachs ^ äusserte zuerst die Meinung, dass dieser innersten Schicht des Rindenparenchyms die Rolle zufalle, die Stärke aus dem Mesophyll der Blätter abzuleiten. Es wurden jedoch bloss anatomische Befunde als Gründe hiefür beigebracht, so

' J. Sachs, Mikrochemische Untersuchungen. Flora, 1862, S. 333.

138 F. Czapek,

besonders, dass in jüngeren Zweigen, welche noch keine ent- wickelten Blätter tragen, auch die Stärkeschicht noch nicht ent- wickelt sei, d. h. die entsprechenden Rindenparenchymzellen noch keine Stärke enthalten. Dass dieser Coincidenz keine Be- deutung in diesem Sinne zukommt, ergibt sich aber schon daraus, dass an Zweigen, deren Blätter durch mehrtägigen Aufenthalt im Dunkeln stärkefrei geworden sind, die Stärke- schicht ebenso aussieht, wie sonst, und demnach ihre Reserve- stoffe keineswegs an weiter stammwärts gelegene Theile der Pflanze abgegeben haben kann. Dass die Stärkeschicht that- sächlich nur ein Speichergewebe darstellt, haben auch die Ver- suche H eine's^ ergeben, welche zugleich zeigten, dass durch verschiedene Eingriffe (Ringelung, Decapitirung) eine -wahr- nehmbare Veränderung im Inhalte der Stärkeschichtzellen nicht zu erzielen ist.

Wenn Heine der Stärkescheide eine Rolle zutheilt tur die Ernährung der sich heranbildenden benachbarten mechanischen Elemente, welche das Leptom umgeben, so kann ja diese An- schauung als berechtigt angesehen werden mit dem Bemerken, dass dies aber wohl nicht als ausschliessliche Function der Stärkescheide zu betrachten sei. Einerseits vermögen sich die gleichen Bastfasern ohne Gegenwart einer Stärkeschicht aus- zubilden und anderseits müssen nothwendig alle der Stärke- scheide nahen Elemente derselben Reservestoffe entziehen, wenn in diesen Elementen ein lebhafter Verbrauch dieser Substanzen stattfindet.

Noch ist zurückzukommen auf die von Schimper^ experi- mentell angegangene Frage, inwieweit die Parenchymscheiden der Leitbündel der Laubblätter an der Fortschaffung der Assimi- late betheiligt sind. Schimper hatte die Blätter von Plantago media hiezu benützt. Aus den Blättern unserer Plantago- Arten lassen sich bekanntlich die Gefässbündel in continuirlichen Fäden leicht aus der Lamina herausziehen, indem die Leit-

1 H. Heine, Ben der deutschen bot. Gesellschaft, III (1885), S. 189, und >Die physiologische Bedeutung der sogenannten Stärkescheide«, Landvvirthsch. Versuchsstationen, Bd. 35 (1888), S. 161.

2 A. Schimper, Über Bildung und Wanderung der Kohlenhj'drate in den Laubblättern. Bot. Zeitung, 1885, S. 737.

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bündel von einer mächtigen Collenchymscheide umgeben sind, welche leicht von dem sie umgebenden Parenchym losreisst. Man kann thatsächlich ein Blatt durch Anbringung kleiner Verletzungen so operiren und es seiner sämmtlichen parallelen Hauptnerven berauben. Schimper sah nun, dass solche Blätter sich ebenso im Dunkeln ihrer Stärke entledigten, wie normale, und schloss daraus, dass die Leptomtheile zur Ableitung der Stärke unnöthig seien und dass allein die Parenchymscheiden der Nerven (»Leitscheiden«) dieses Geschäft besorgen. Dagegen ist zu bemerken, dass ein Verschwinden der Stärke aus dem Mesophyll uns noch immer nicht sagt, dass die Kohlenhj^drate aus dem Blatte völlig entfernt worden sind, zumal wir keine Controle in anderen Versuchen hiezu besitzen. Beweisend wäre allein die Beobachtung des Fortganges der Entleerung. Ferner ibt Schimper's Schluss, .dass das Leptom der Leitbündel gänz- lich an der Fortschaffung der Assimilate unbetheiligt sei, nicht berechtigt, weil durch den erwähnten Versuch an Plantago eben nur gezeigt wird, dass die Gesammtmenge der Assimilate sich in die Leitscheiden entleeren kann. Ob sie auch von da fortgeschafft wurde, ist eine andere Frage. Anderseits muss aber zugegeben werden, dass den Leitscheiden gewiss eine Function bezüglich der Ableitung der Assimilate zuzusprechen ist und dass sie entschieden als Leitparenchym zu betrachten sind, welches bis zu einem gewissen Grade die Siebtheile der Nerven, die ja doch relativ schwach entwickelt sind, in ihrer Leistung unterstützt. Ebenso gewiss ist aber nach dem Ergeb- niss unserer Resectionsversuche an Blattstielen, dass vom Grunde der Lamina an der Transport der Assimilate völlig durch die Leistung der Leptomtheile der Leitbündel im Blatt- stiel besorgt wird.

Es ist bei allen Darlegungen über »leitende Gewebe- systeme« nicht zu vergessen, dass es sich niemals um specifisch nur jenen Zellen eigenthümliche Fähigkeiten handeln kann, sondern nur um Elemente, welche mehr weniger weit angepasst sind in ihren Fähigkeiten und Einrichtungen an die Function der Fortleitung der Assimilate. Hiezu befähigt ist schliesslich jede Parenchymzelle, und Frank ^ ist im Rechte, wenn er das

1 k. B. Frank, Lehrbuch der Botanik. Leipzig, 1892. Bd. I, S. SU.

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Fortleitungsvermögen für Kohlenhydrate für die Grundparen- chymzellen vindicirt; seine Auffassung ist jedoch insofern ein- seitig, als er im Grundparenchym eine präformirte Transport- strasse für diese Assimilate sieht. Ausserdem waren wir in der Lage, den Gegenbeweis gegen diese Ansicht führen zu können und festzustellen, dass die Siebtheile der Leitbündel die ein- zigen Transportstrassen auf lange Strecken für sämmtliche Assimilate sind. Während bei den Zellen des Grundparenchyms die Fähigkeit zur Weiterleitung von aufgenommenen Lihalts- stoffen darin besteht, dass gleichmässig nach allen Richtungen die Zelle im Stande ist, Concentrationsdifferenzen auszugleichen und ein stetes Nachfliessen von gelöster Substanz nach Mass- gabe einer einseitigen Abnahme an Concentration durch Ver- brauch zu vermitteln, sind bei den leitenden Elementen %ar' s;oyYjV bereits Einrichtungen getroffen, welche die Bewegung der transportirten Substanzen nach einer bestimmten Richtung einschränken und zugleich eine rasche Vorwärtsbewegung der Inhaltsstoffe zum Zwecke haben.

IL Abschnitt.

Zur Mechanik der Fortbewegung der in den Leptom- elementen geleiteten Substanzen.

Nachdem wir nun in bestimmten Elementen des Leptoms dasjenige Gewebesystem erkannt haben, welches die Leitung sämmtlicher Assimilate des Organismus zur ausschliesslichen Function hat, ähnlich wie es die Rolle der Blutbahnen im thierischen Organismus ist, ist es weiter unsere Aufgabe, zu eruiren, durch welche Einrichtungen in diesen Elementen die Vorwärtsbewegung der Assimilate in bestimmter Richtung erzielt wird, auf welche Art eine möglichst rasche Bewegung zu Stande kommt und welche Quellen die Energie hat, welche seitens der Pflanze zu diesen Translocationsvorgängen auf- gewendet werden muss.

Die vorliegenden Untersuchungen befassen sich nur mit angiospermen Pflanzen, also Organismen mit hochentwickeltem Siebröhrensystem, und es folgt aus der ausschlaggebenden Bedeutung der Siebröhren als leitende Bahnen, dass es vor

Leitungswege der organischen BaustofTe. 141

allem Anderen die Mechanik der leitenden Thätigkeit der Sieb- röhren ist, welche einer Aufhellung harrt. Bekanntlich aber fehlt heutigen Tages noch jeder Anhaltspunkt, welcher Art die Kräfte sind, welche hiebei thätig sind.^

Da nun einerseits experimentelles Material in Bezug auf die in Angriff zu nehmenden Fragen kaum vorhanden ist, anderseits aber die einzelnen Fragepunkte gesondert nicht gut anzugehen sind und vielfach in Beziehung zu einander treten, so ziehe ich es vor, meine experimentellen Erfahrungen sofort in Besprechung zu ziehen und an diese Ergebnisse erst die kritischen und theoretischen Erörterungen anzuschliessen.

Das handlichste Material boten unstreitig die Blattstiele, und zwar an lebhaft assimilirenden grossen Laubblättern. Man ist hier in der Lage, mit Hilfe der bekannten Proben jederzeit qualitativ und quantitativ Anhäufung und Abfuhr der Assimilate zu bestimmen und kann ohne Schwierigkeit einen Theil der ableitenden Blattstielstrecke den verschiedensten Einflüssen unterwerfen und in dieser Weise die Leitfähigkeit der Leptom- elemente innerhalb dieser Partie unter verschiedenen Bedin- gungen Studiren.

A. Abgetödtete Elemente leiten nicht mehr.

So ausgezeichnet die wasserleitenden Bahnen auch in vollkommen zum Absterben gebrachten Strecken der Pflanze fungiren, wie es die Versuche von Böhm,^ Janse^ und besonders Strasburger's ■^ zeigten, so vollkommen ist die Unterbrechung in der Fortleitung der Assimilate, wenn man eine Strecke des leitenden Organs abgetödtet hat.

Man kann leicht zeigen, dass eine gebrühte Blattstiel- strecke ein Hinderniss abgibt für die Ableitung der Assimilate aus derBlattspreite. Zu solchen\'ersuchen wendete ich folgenden kleinen Apparat an, welcher mit entsprechenden Abänderungen

1 W. Pfeffer, Studien zur Energetik der Pflanze. Leipzig 1892, S. 123.

2 J. Böhm, Ursache des Saftsteigens. Berichte der deutschen botan. Gesellschaft, Bd. VII (1889), S. [55].

•■'■ Janse, Botan. Zeitung, 1885, S. 302.

-1 E. St ras bürg er, Bau und Verrichtungen der Leitungsbahnen. Jena 1891, S. 645 ff.

142 F. Czapek,

ZU vielen anderen Experimenten in Verwendung kam. Ich nahm zwei etwa 5 cnt lange abgesprengte Stücke eines 3 cm weiten Glasrohres und feilte an jedem einerseits mittelst einer runden Feile zwei diametral gegenüberliegende, halbkreisförmige Aus- schnitte aus, deren Grösse dem Umfang der Blattstiele der Ver- suchspflanze angemessen war. Wurden beide Stücke Glasrohr nun entsprechend aufeinander gesetzt, so waren in dem ver- einigten Rohr zwei kreisrunde, diametral gegenüberliegende Öffnungen ausgespart, welche der Dicke des Blattstieles ent- sprachen. Die Berührungsflächen wurden möglichst glatt passend abgeschliffen, und ich kittete nun den Blattstiel in die Glasröhre mit Porzellankitt sorgfältig luftdicht ein. Die beiden offenen Enden des Rohres wurden mit Stopfen verschlossen, welche in einer Bohrung ein winkelig gebogenes Glasrohr enthielten. Das weite Glasrohr, in dem der Blattstiel eingekittet war, stand vertical, in ein Stativ eingespannt; das untere Zuleitungsrohr wurde mit einem Kölbchen verbunden, in dem Wasser zum Sieden gebracht wurde; das obere Rohr diente zur Ableitung des Wasserdampfes.

Lässt man strömenden Wasserdampf durch den Apparat streichen, so ist das eingeschlossene Stück des Blattstieles nach wenigen Augenblicken schlaff, missfärbig und todt. Die Einwirkung des Dampfes geht nur wenige Millimeter über die eingeschlossene Blattstielstrecke beiderseits hinaus. Damit nun nicht etwa das Blatt durch sein Gewicht nach Schlaffwerden des Stieles herabfalle, muss man vor Beginn des Versuches beiderseits ausserhalb des Glasrohres um den Blattstiel feste Schienen aus Cartonpapier legen, welche auf Stativen befestigt sind und das Blatt auch nach Schlaffwerden des Stieles in der normalen Lage festhalten. Nach Abtödtung des Stieles nahm ich den Apparat ab und umhüllte die schlaffe Strecke locker mit nasser Baumwolle, um ein Austrocknen zu vermeiden. Als Beispiel diene folgender Versuch.

Versuchsobject ein fast ausgewachsenes Blatt einer kräf- tigen Cucurbita -VV^Sinze (Topfexemplar). Der Apparat wurde in der angegebenen Weise adjustirt. Beim Versuche befand sich die eingekittete Stielstrecke von 2-5 cm Länge 10 Minuten lang im strömenden Wasserdampf; sie war sofort schlaff und

Leitungswege der organischen Baustoffe. 1 43

todt. Sodann wurde das operirte Stück in nasse Watte gewickelt (10'' 15"' a. m.). Am folgenden Tage 5'' p. m. wurde die Pflanze mittelst Pappecylinder vefdunkelt, nachdem ich mich überzeugt hatte, dass di^e sämmtlichen Blätter der Pflanze reichlich Stärke gebildet hatten. Die Witterung in der folgenden Nacht war warm und günstig. Am anderen Morgen 9'' ergab die Jodprobe, dass die nicht operirten Blätter vollkommen stärkeleer waren. Das operirte Blatt war von normalem Turgor und frisch. Alle, auch die feinsten Nerven wurden bei der Jodprobe tief schwarz, ebenso das Parenchym dunkelschwärzlich; lichtere Zonen nur hie und da zwischen schwarzen Parenchyminseln und Nerven. Wenn wir in dieser Weise feststellen können, dass ab- gebrühte Blattstiele nicht mehr die Ableitung der Assimilate aus der Spreite gestatten, so ist durch diesen Modus der Abtödtung noch nicht jeder Einwand dagegen, dass lebende Elemente allein ableitend thätig sein können, ausgeschlossen. Besonders kann man einwenden, dass der geronnene Sieb- röhreninhalt ein mechanisches Hinderniss für die Passage der zu leitenden gelösten Substanzen abgebe. Das ist jedoch nicht möglich, wenn man eine Blattstielstrecke mittelst Chloroform tödtet; auch hier erzielt man den gleichen Effect einer Hemmung der Leitung der Assimilate.

B. Versuche mit Chloroformnarkose.

Der hiebei benützte Apparat war im Wesentlichen derselbe wie bei den vorhergehenden Versuchen und bestand ebenfalls aus zwei aufeinanderpassenden Stücken eines weiten Glas- rohres, an welchen einerseits zwei diametral gegenüberliegende halbkreisförmige Ausschnitte eingefeilt worden waren, welche aufeinander gepasst zwei runde Löcher ergaben, mittelst deren der Stiel eines Blattes durch den Apparat hindurchgesteckt werden konnte. Der obere Theil wurde fest verkorkt, der untere ebenfalls, jedoch mit einem Stopfen, welcher eine Bohrung besass, durch welche ein U-förmig gebogenes Glasrohr hin- durchgesteckt wurde.

Der untere Theil des Apparates wurde so an einem Stativ befestigt, dass der Blattstiel, ohne seine normale Stellung an der Pflanze zu verlieren, in die halbkreisförmigen Ausschnitte

Sitzb. d. mathem.-naturw. GL; CVl. Bd., Abth. I. 10

144 F. Czapek,

hineinpasste. Hierauf wurde der obere Theil aufgesetzt und der Blattstiel sorgfältig mit Klebwachs eingekittet, sowie beide Glasröhren dicht aneinander gelvittet. Nun wurde in das U-Rohr etwas Chloroform eingegossen und der in die freie Luft mün- dende Schenkel verschlossen.

Die eingeschlossene Blattstielstrecke befand sich nun unter der Einwirkung von Chloroformdämpfen, ohne mit der F'lüssigkeit in Berührung zu kommen und starb bald ab. Um ein Herabsinken der Lamina zu verhüten, wurde ausserhalb des Apparates der Blattstiel durch Schienen gestützt.

Versuche an Phaseohis muJtißorus und Cucurbita Pcpo zeigten, dass auch durch Chloroform getödtete Partien des Blatt- stieles leitungsunfähig geworden sind, und man kann daher schliessen, dass nur lebende Elemente die gelösten Assimilate weiterbefördern können.

Die Experimente an narkotisirten Blattstielstrecken hatten aber weiters die Aufgabe, zu untersuchen, wie sich bloss narkoti- sirte, nicht aber bleibend durch das Chloroform geschädigte Stiele verhalten, ob solche im Gegensatz zu den getödteten etwa im Stande sind, Assimilate fortzuleiten. Bei dergleichen Versuchen arbeitet man am besten mit wässeriger Chloroform- lösung, 1 Theil concentrirtes Chloroformwasser auf 10 Theile, höchstens 5 Theile Wasser.

Der kleine Apparat wird zu Versuchen mit flüssigen Medien dahin abgeändert, dass er am unteren Boden mit un- durchbohrtem Kork versehen wird, und in dem oberen Kork wird ein Glasrohr angebracht, welches zum Einfüllen der Lösung dient und nach dem Einfüllen mit einem Stopfen verschlossen wird. Um den Apparat wasserdicht zu machen, empfiehlt es sich, ausser dem Verstreichen der Fugen mit weichem Klebwachs mit einem Gemisch von 1 Theil Wachs und 2 Theilen Cacaobutter, welches durch leichtes Erwärmen flüssig wird und zu einer harten Masse in der Kälte erstarrt, zu dichten.

Der Blattstiel verbleibt während des ganzen Versuches, also mindestens 24 Stunden lang, in dem Chloroformwasser. Er darf nach Verlauf dieser Zeit nicht sein straffes, normal grünes Ansehen verloren haben. Um das Eindringen der Lösung

Leitungswege der organischen Baustoffe. 145

ZU beschleunigen, kann man leichte längsveiiaufende Ein- schnitte in der zu narkotisirenden Stielstrecke anbringen. VV'ie Controlversuche ergaben, alterirt dieser Eingriff die Ableitung der Assimilate nicht im mindesten.

Die Versuche hatten folgenden Verlauf. Am Morgen wurden die Pflanzen mit den Apparaten armirt und die Narkose ein- geleitet. Sie standen im Gewächshaus, vor Wind geschi.itzt, in nicht zu grellem Sonnenlichte. Von Anfang an wurde darauf gesehen, dass gleichalterige Controlblätter zur V^erfügung standen, welche möglichst gleiche Beleuchtung erfuhren wie die operirten, und die dieselbe Stellung zum einfallenden Lichte hatten, wie die letzteren. Am Abend wurden Stücke aus der Lamina der operirten Blätter, sowie der Controlblätter der Jod- probe unterworfen. Beide erwiesen sich in gleichem Maasse stärkereich. Nun verdunkelte ich die Pflanzen, um am nächsten Morgen, da ich nicht bei Tagesanbruch im Juni an Ort und Stelle sein konnte, erst in den späteren Morgenstunden (7 bis 8 Uhr) die stattgefundene Entleerung der Spreiten prüfen zu können. Die Jodprobe ergab stets völlige Abwesenheit von Stärke in den Controlblättern und sehr unvollkommene Ent- leerung der Lamina der operirten Blätter. Nun nahm ich den Apparat von den narkotisirten Stielen ab und unterzog die Blattstielstrecke einer genauen Untersuchung bezüglich makro- skopisch normalen Aussehens; ein oder das andere Exemplar wurde mikroskopisch untersucht, um die Abwesenheit patho- logischer Veränderungen sicherzustellen. Die anderen Blätter wurden intact gelassen und weiter beobachtet. Die Jodprobe am zweitnächsten Morgen ergab ebenfalls noch keine normale Entleerung der Lamina. Erst nach drei Tagen hatte sich der normale Zustand wie vor der Narkose wieder hergestellt.

Die Pflanzen, mit denen ich in dieser Weise experimentirte, waren kräftige Topfexemplare von Cucurbita Pepo und Pha- seolns nmltißorns. Übrigens überzeugte ich mich davon, dass der Versuch auch im Freiland bei günstiger Witterung an Vitis viuifera ebenso gut und mit demselben Erfolge ausführbar ist.

Es ist dadurch nachgewiesen, dass bei der Fortleitung der Assimilate, wie sie aus den Blättern in den Stamm statt- findet, Vorgänge in Betracht kommen, welche durch Chloro-

10*

146 F. Czapek,

formwirkung aufgehoben werden. Wenn die Elemente der trans- portirenden Gewehestränge narkotisirt sind, so sind sie nicht im Stande, ihre Function auszuführen. Es steht diese Lebens- erscheinung ganz ähnlich still, wie es in demselben Fall mit der Piasmaströmung in Zellen geschieht, welche bekanntlich in chloroformhältiger Atmosphäre still steht und nach Entfernung des Chloroformdampfes ihre frühere Thätigkeit wieder auf- nimmt.

C. Plasmolytische Versuche.

Es fragt sich weiter, ob etwa plasmolysirte Elemente im Stande sind, so wie normal bei der Translocation der Assimilate thätig zu sein. Meine diesbezüglichen Experimente setzen mich in die Lage, zu behaupten, dass plasmolysirte Zellen ebenso gut diese Function auszuüben vermögen, wie Zellen von normalem Turgor. Der benützte Apparat war derselbe, den ich bei den Versuchen mit Chloroformwasser angewendet hatte. Als plas- molysirende Lösung diente 57o Kalisalpeter.

Die Untersuchung von Querschnitten und Längsschnitten aus Blattstielen der untersuchten Pflanzen (Cuctirbita, Vitis und Phaseohts) zeigte mir, dass in allen Elementen nach Einlegen der Schnitte in ö^o Kalisalpeter binnen Y2 Stunde Plasmolyse eintrat. Wurde die Salpeterlösung durch Wasser ersetzt, so stellte sich binnen einer Stunde allenthalben der normale Turgor wieder her. Auch Blattstielstücke der erwähnten Versuchs- pflanzen, in 57o Salpeter eingelegt, zeigten in einer Stunde ein schlaffes welkes Aussehen, und alle Zellen erwiesen sich bei der mikroskopischen Untersuchung als plasmolysirt. In Wasser gewannen die Blattstiele rasch ihren früheren Turgor wieder. Wichtig ist, dass auch 24 stündiges Liegen der Blattstiele in der Salpeterlösung es nicht verhinderte, dass dieselben durch 12 stündiges Einlegen in Wasser wieder ganz straff und prall wurden und alle Zellen vollkommen gesundes Aussehen hatten.

Die Versuche hatten ganz ähnlichen Gang wie die Narkose- versuche. Sie wurden ebenso wie die letzteren an Topfculturen von Phaseolus und Cucurbita, sowie an Freilandpflanzen (Vitis) angestellt. Topfgewächse, die im Gewächshaus stehen, müssen behufs möglichst starker Bewurzelung und zur Erreichung

Leilungswege der organischen Baustoffe. 14/

recht bedeutender Blattgrösse mit dem Topf in Erde vergraben werden. Am Morgen wurde der Versuch aufgestellt. Sorgfältige Auswahl von Controlblättern ist unerlässlich. Die Blattstiele der zu operirenden Blätter wurden in das Glasrohr eingespannt und eingedichtet. Unten war das Glasrohr verschlossen, der obere Kork war durchbohrt und mit einer zum Einfüllen der Salpeterlösung bestimmten di^uineren Glasröhre versehen. Nun wurde die 5 7o Kalisalpeterlösung eingefüllt. Incisionen in das eingeschlossene Blattstielstück zu machen, empfiehlt sich nicht, weil die Salpeterlösung in die Gefässe eindringt und ein Welken der Spreite hervorrufen möchte. WelkeBlätter aber speichern sehr mangelhaft oder gar nicht Stärke. Am Abend und am nächsten Morgen wurde die Jodprobe mit den operirten und den Control- blättern vorgenommen. Abends waren sämmtliche Blätter mit Stärke gefüllt. Obwohl nun die eingeschlossenen Strecken der Stiele der operirten Blätter in allen Theilen gänzhch plasmo- lysirt und schlaff waren, erwiesen sich dennoch am nächsten Morgen alle operirten Blätter stärkeleer, so wie normale Laub- blätter. Die Plasmolyse der leitenden Gewebe stört demnach nicht im mindesten die Erfüllung ihrer Function; sie sind thätig, wie sonst.

Wendet man lö^o statt 5 7o Salpeterlösung an, so ist der Erfolg nicht derselbe. Die operirten Blätter entleeren sich nicht mehr. Die Untersuchung der eingeschlossenen plasmolysirten Blattstielstrecke zeigt ohne weiteres, dass die Zellen daselbst abgetödtet sind, zum grössten Theile, und in Folge dessen ist diese Stielstrecke leitungsunfähig geworden.

Plasmolytische Versuche mit Traubenzuckerlösungen von entsprechend starken Concentrationen führten zu dem gleichen Ergebniss. Auch hier functionirten plasmolysirte, jedoch nicht in ihrem Leben geschädigte Blattstielstrecken geradeso wie normale.

D. Einwirkung von Kohlensäureatmosphäre.

Mit Hilfe des geschilderten Apparates untersuchte ich weiter, ob das Umgebensein mit einer Kohlensäureatmosphäre die leitenden Gewebe bezüglich ihrer Function beeinflusst Soweit sie nicht in ihrem Leben dauernd geschädigt werden,

1 -tö F. Czapek,

ist keinerlei Einwirkung der Kohlensäure auf die Fortdauer der Ableitung der Assimilate zu constatiren gewesen. Die operirten Blätter entleerten sich ganz normal.

E. Wirkung des Zusammenhanges mit denTheilen der Pflanze auf die Entleerung der Laubblätter.

Der Zweck meiner diesbezüglichen Versuche war der, nachzusehen, inwiefern eine Abhängigkeit der nächtlichen Ent- leerung der Laubblätter an abgeschnittenen Stammstücken und Pflanzentheilen von der Länge des Stengelstückes, von der Anzahl der darauf befindlichen wachsenden Sprosstheilen und Blättern und von der Gegenwart eines Vegetationsgipfels und Wurzelsystems besteht. Dass es gleichgiltig ist, ob das unter- suchte Laubblatt mit dem Wurzelsystem in Zusammenhang steht oder nicht, ferner ob es mit dem wachsenden Axenende in Verbindung ist oder nicht, lässt sich leicht feststellen. Ich schnitt verschiedene grossblätterige krautige Pflanzen derart zu, dass immer nur ein kräftig assimilirendes, vollkommen aus- gebildetes Laubblatt, in der einen Reihe der Versuche an dem bewurzelten, sonst entblätterten Stamm stumpf, in der anderen Versuchsreihe mit dem abgeschnittenen, nach oben zu folgenden Theile der Hauptaxe, deren sonstige Blätter entfernt worden waren, in Verbindung stand. Solche Blätter entleeren sich ganz normal, als wenn sie an der unversehrten Pflanze stünden. Damit ist gezeigt, dass die Entleerung der Laubblätter weder ausschliesslich von der Möglichkeit, die Assimilate in die unter- irdischen Theile der Pflanze zu befördern abhängt, noch von der Gegenwart lebhaft wachsender oberirdischer Axentheile.

Man kann durch Experimente an verschieden langen ab- geschnittenen Stammstücken von Vitis oder Begonia darthun, dass einerseits das Vorhandensein von Vegetationspunkten an dem Zweig nicht zur nächtlichen Entleerung der Laubblätter nothwendig ist, anderseits dass die Möglichkeit einer Abfuhr der Assimilate aus der Lamina der Laubblätter an eine be- stimmte minimale Länge des betreffenden Stammstückes ge- bunden ist.

Für Vitis vinifera fand ich, dass beblätterte einjährige Sprosse erst dann eben merkliche nächtliche Entleerung der

Leitungswege der organischen [Baustoffe. 149

Blattspreiten zeigen, wenn ihre Länge 12 cm beträgt. An kürzeren A'^tstücken bleiben die Blätter unentleert, x-ollgepfropft mit Stärke, längere Aststücke als 12 ein entleeren bereits ihre Laub- blätter regelmässig, so dass sich 40 50 cm lange Sprossstücke bereits wie Äste der unversehrten Pflanze verhalten.

Den angeführten Versuchen ist zu entnehmen, dass die Translocationsbewegung der Assimilate aus den Laubblättern jedenfalls nicht von der Gegenwart von Vegetationspunkten, den Stellen lebhaftesten Stoffumsatzes und intensivster Ver- brennung des organischen Materiales im Athmungsprocesse abhängt. Auch Stammstücke, die vollkommen ihr Längenwachs- thum abgeschlossen haben, nehmen die Assimilate aus den Laubblättern regelmässig auf, sobald nur ihre Länge hinreichend gross ist. Ich möchte daraus schliessen, dass der hauptsächlich massgebende Factor bei der Ableitung der Assimilate aus den Laubblättern nicht die Gegenwart von Orten lebhaften Ver- brauches der producirten Substanzen, sondern das Vorhanden- sein einer ausreichend langen Strecke des Transportsweges ist. Natürlich tangirt dieses Ergebniss durchaus nicht die Richtig- keit der Anschauung, dass die Stätten lebhaften Verbrauches gleichsam als Attractionscentra für diese Substanzen thätig sind.

Mit dem Begriff »Attractionscentrum« hat die Mechanik des Transportvorganges nichts zu thun. Es ist vielmehr die Art und Weise, wie die Substanzen fortgeleitet werden, gänzlich unabhängig von der Intensität des Verbrauches derselben am Ende des Leitungsweges.

E. Einfluss der Schwerkraft auf die Ableitung der Assimilate aus den Laubblättern.

Die bisher anscheinend noch nicht untersuchte Frage, ob der Schwerkraft irgend eine Wirkung auf die Ableitung der Assimilate aus den Blättern zukommt, lässt sich dahin erledigen, dass ein solcher Einfluss nicht vorhanden zu sein scheint. Eine grosse Anzahl von Versuchen mit umgekehrten Pflanzen, bei denen also die Blattstiele mehr weniger steil nach abwärts sahen (geotropische Aufkrümmung wurde verhindert), ergab keinen Unterschied gegenüber normal aufrechten Individuen. Auch auf

150 F. Cziipek.

dem Klinostaten befindliche Pflanzen zeigten keinerlei Diffe- renzen gegenüber der normalen Lage.

Die Thatsache, dass bei zahlreichen Blättern die Stiele oft sehr steil geotropisch aufgerichtet sind, steht also wohl mit den Vorgängen der Ableitung ihrer Assimilate kaum in biologischem Zusammenhange, sondern es dürfte ausschliesslich eine Mit- wirkung der geotropischen Reactionsfähigkeit zur Erreichung einer möglichst günstigen Lichtstellung hiebei in Betracht zu ziehen sein.

G. Discussion der Versuche.

Die zuerst mitgetheilten experimentellen Erfahrungen lehi'ten, dass mit dem Tode der leitenden Zellelemente ihre Eähigkeit, die Continuität der Weiterbeförderung der Assimilate zu erhalten, erlischt und dass todte Zellen in der Reihe der leitenden Elemente eine Hemmung für die Leitung der Assimi- late abgeben. Die Sache liegt also hier wesentlich anders als bei der Wasserbewegung im Pflanzenkörper, welche durch lange Strecken abgetödteter Leitungsbahnen in völlig normaler Weise vor sich geht. Damit ist der Beweis erbracht, dass nicht etwa blosse Diffusion der transportirten Stoffe, ohne Mitwirkung des Apparates der lebenden Zelle, die Thätigkeit des lebenden Zellelementes ersetzen kann. Man hätte sich denken können, dass die jenseits der todten Strecke stromabwärts liegenden Zellen durch den fortdauernden Verbrauch der in den todten Zellen noch vorhandenen transportirten Assimilate den Strom der letzteren unterhalten, so dass aus den stromaufwärtsliegen- den Elementen ein fortwährendes Nachströmen der geleiteten Stoffe erfolgt. Dies kann nun nicht der Fall sein, oder, wenn ähnliche Vorgänge auch stattfinden sollten, so können sie allein die Fortdauer einer normalen Ableitung der Assimilate nicht bewerkstelligen. Die Tödtungsversuche mittelst Chloroform lehrten uns, dass nicht etwa im todten Zellkörper durch die Art des Absterbens entstandene Niederschläge, Niederschlags- membranen, die Ursache sind, wesshalb die getödteten Partien eine Hemmung in der Ableitung der Assimilate setzen. Übrigens erhellt aus bekannten Versuchen, dass bei Zellen, welche ver-

Leitungswege der organischen Baustoffe. lol

Permeabilität des Plasmaschlauches zu finden ist, als bei lebenden Zellen, so dass Stoffe, welche, wie Traubenzucker, Anthokyan, aus lebenden Zellen nie diffundiren, aus todten Zellen sofort austreten.

Von hoher Bedeutung ist das Ergebniss, dass narkotisirte, jedoch in ihrem Leben weiter nicht geschädigte Elemente leitungsunfähig gemacht sind. Es ist dadurch bewiesen, dass ganz andere als die bisher für die Fortbewegung der Assimilate in Betracht gezogenen Energiequellen beim Transporte der assimilirten Stoffe in Frage kommen. Meistens scheint man an- zunehmen, dass der osmotische Druck, unter dem der Sieb- röhreninhalt nachweislich steht, ein ausschlaggebender Factor bei der Mechanik des Transportes ist (Lecomte,' Haber- land t"), ferner, dass der Druck, welchen die Nachbarelemente auf die leitenden Elemente durch ihren Turgor ausüben, wirk- sam sei, endlich dass Bewegungen der Pflanzentheile durch die damit verbundenen Biegungen und Zerrungen der Organe hilf- reich beim Transport der Assimilate durch die Siebröhren ein- greifen können. Trotzdem nun die Turgordruckverhältnisse in narkotisirten Blattstielpartien nicht alterirt sind, so ist doch ein solcher Abschnitt nicht mehr im Stande, beim Transport der assimilirten Stoffe mit thätig zu sein und es wird eine Unter- brechung in der Fortleitung hiedurch erzeugt. Plasmolytische Untersuchung der Siebröhren von Cucurbita Pepo erwies den Turgordruck normal und an narkotisirten Zellen ganz gleich mit 3 -470 Kalisalpeter. Auch das Hervorquellen grosser Tropfen von Siebröhrensaft vermag man an den beiden Enden heraus- geschnittener narcotisirter Blattstielstrecken ebensogut fest- zustellen, wie an frischen, normalen Organen.

Die Turgorverhältnisse sind also nachweisbar nicht anders geworden und die Ursache der Leitungsunfähigkeit muss auf einem anderen Gebiete als in einer Turgorverringerung der leitenden Elemente und ihrer Naclibargewebe gesucht werden. Damit stimmt auch der oben erwähnte Erfolg meiner Versuche

1 H. Lecomte, Contribution ä l'etude du Liber des Angiospermes. .Ann. d. sc. nat. Ser. VII, Tom. X (1889), p. 303.

2 G. Haberlandt, Phj'siolog. Ptlanzenanatomie, 2. Aufl., Leipzig 1896, S. 290.

152 F. Czapek,

mit Plasmolysirung einer Blattstielstreclvc. Eine plasmolysirte Partie des Blattstieles erwies sich als ebenso leitungsfähig, vx'ie ein normal turgescenter Stiel. Unter Ausschaltung des Turgor- druckes findet also ein Weitertransport der Assimilate ebenso- gut in den leitenden Elementen statt, wie normal. Damit ist neuerdings erwiesen, dass die Vorgänge bei der Stoffleitung in den mit dieser Function betrauten Elementen von dem Turgor der Zellen unabhängig sind und dass keinesfalls ein Weiter- gepresstwerden des Inhaltes der leitenden Elemente durch den Turgordruck benachbarter Zellen als hauptsächliche Bewe- gungsursache hiebei in Betracht kommt.

Da demnach weder die nach bekannten physikalischen Gesetzen an nicht organisirten Körpern verlaufenden diosmo- tischen Vorgänge zwischen den Inhaltsflüssigkeiten der leitenden Zellelemente, noch eine passive Weiterförderung der trans- portirten Substanzen durch Druckwirkung benachbarter Ele- mente die Stoffleitung bewerkstelligen können, und anderseits getödtete Leitzellen functionsuntüchtig geworden sind, so liegt es nahe, die Haupttriebkraft in einer activen Thätigkeit des lebenden Protoplasmas der leitenden Zellelemente zu suchen und es erübrigt uns, die Modalitäten einer derartigen Thätigkeit zu erörtern.

Hier ist zum ersten zu entscheiden, ob mechanischen Be- wegungsvorgängen im Protoplasma eine Rolle beim Transport der Assimilate zukommt. Gestützt auf eine grosse Reihe früherer und eigener ergänzender Beobachtungen über das allgemeine Vorkommen von Plasmaströmungen hatte De Vries^ die Meinung vertreten, dass das Strömen des Protoplasma im Ver- eine mit der continuirlichen Verbindung der Zellen durch feine Plasmazüge, welche die Zellwand durchsetzen, die hauptsäch- liche bewegende Kraft für die StoftXvanderung liefere, und von späteren Autoren, welche sich deVries anschlössen, ist be- sonders Kienitz - Gerloff^ zu nennen. Unsere Versuche,

1 H. de Vries, Über die Bedeutung der Circulation und der Rotation des Protoplasmas für den Stofftransport in der Pflanze. Bot. Zeitung, Bd. 43 (1885), S. 1.

2 F. Kienitz- Gerloff, Die Protoplasmaverbindungen zwischen benach- barten Gewebselementen in den Pflanzen. Bot. Zeitung, Bd. 49 (1891), S. 1.

Leitungswege der organischen Baustoffe. 1 Oo

welche ein Aufhören der Stoffwanderung nach Zwischenlegung einer Strecke aus narcotisirten Zellen erwiesen, würden a priori der Möglichkeit dieser Energiequelle nicht widersprechen. Die De Vries'sche Theorie der Stoffwanderung hat aber einerseits zur Voraussetzung, dass die Plasmaströmung thatsächlich überall in den leitenden Zellen vorkommt und eine normale, allgemeine Erscheinung ist, anderseits ist Voraussetzung (falls wirklich der Plasmaströmung die Hauptrolle als bewegende Kraft zukommt), dass die Plasmaströmung stets durch plasma- tische Verbindungsbrücken sich von einer Zelle zur nächsten fortsetzt. Die erste Voraussetzung hat sich bereits durch die Untersuchungen von Pfeffer ^ und Hauptfleisch- als un- richtig herausgestellt. Besonders in den Siebröhren fehlt die Plasmaströmung gerade während der Periode der vollen Thätig- keit ganz. Sie ist zwar, wie verschiedene Beobachter (Stras- burger,^ LecomtC^) fanden, in jugendlichen Siebröhren stets vorhanden, sistirt aber in den erwachsenen Siebröhren voll- ständig. Lecomte gibt zwar an, dass in einzelnen Fällen auch da Plasmabewegung zu beobachten sei. Strasburger konnte jedoch diesen Befund nicht bestätigen,^ und auch nach meinen Beobachtungen hört bei allen Pflanzen die Strömung im Sieb- röhrenprotoplasma auf, sobald der Kern verschwindet und im Wandbelag die glänzenden Schleimvacuolen entstehen.

Pfeffer's Einwände gegen die De Vries'sche Lehre be- stehen daher auch für die Siebröhren voll zu Recht und es fehlt dieser Theorie die thatsächliche Grundlage eines allgemeinen Vorkommens von Plasmaströmung in leitend thätigen Zellen. Aber auch die zweite nothwendige Voraussetzung einer con- tinuirlichen Verbindung der leitenden Elemente durch Plasma- stränge, welche die Strömung weiterleiten könnten, vermochte ich nicht als stichhältig zu erkennen. Einmal ist die erwähnte

1 W. Pfeffer, Studien zur Energetilv der Pflanze. Leipzig 1892, S. 270.

2 P. Hauptfleiscli, Untersuchungen über die Strömung des Proto- pLasmas in behäuteten Zellen. Pringsheim's Jahrbücher für wiss. Bot. Bd. 24 (1892), S. 175-234.

3 E. Strasburger, Leitungsbahnen (1891), S. 285.

4 H. Lecomte, 1. c. p. 285.

5 L. c. S. 290.

154 F.Czapek,

Voraussetzung unhaltbar, weil nicht alle Pflanzen Siebröhren- glieder besitzen, welche durch offene Tüpfel in Communication stehen. Die Untersuchungen von Janczewski,^ Russow- und Strasburger^ haben gezeigt, dass bei Pteridophyten und Gymnospermen die Schliesshäute der Siebporen zeitlebens er- halten bleiben und als äusserst dünne gequollene Membranen, welche als Knötchen in der Siebplatte erscheinen, die Sieb- röhrenglieder von einander trennen. Daraus erhellt, dass eine offene Communication der Plasmakörper der Siebröhrenglieder durch Verbindungsstränge keine nothwendige Bedingung zur ungestörten Function dieser Organe ist, obwohl sie eine ent- schieden raschere transportfördernde Einrichtung ist. Ich meine ferner, die Plasmaverbindungen seien als hauptsächlichster Factor bei der Stoffwanderung deswegen nicht in Anspruch zu nehmen, weil ihre Gegenwart bei den anatomisch deutlich ge- kennzeichneten Abflussbahnen aus den Siebröhren, den Geleit- zellen und deren Vertreterinnen bei den Gymnospermen nicht sichergestellt werden kann. Dass zwischen Siebröhren und Geleitzellen Plasmaverbindungen bestehen, ist von mehreren Forschern (Terletzki,-^ Kieni tz-Gerloff,^ A. Fischer"^) be- hauptet worden. Russow^ konnte sich von deren Existenz nicht überzeugen, meint jedoch, dass gewiss die Tüpfel der Mem- bran zwischen Siebröhre und Geleitzellen perforirte Schliess- häute besitzen. A. Fischer bemerkt übrigens, dass Fälle von sicheren Plasmaverbindungen zwischen Siebröhre und Geleit-

1 E. V. Janczewski, Etudes comparees sur les tubes cribreux. Cher- bouig 1881. (Aus: Mein, de la Soc. d. sc. nat. de Cherbourg. Vol. XXIII).

- Russow, Über den Bau und die Entwicklung der Siebröhren, Separat- abdr. aus den Sitzungsber. der Dorpater Naturf.-Ges. 1882.

3 E. Strasburger, 1. c. S. 71.

•1 P. Terletzki, Anatomie der Vegetationsorgane von Strythioptcris germanica und Ptcris aquilina. Frings h ei m's Jahrbücher für wissensch. Bot. Bd. 15 (1884) S. 452-501. Auch Ber. der deutschen botan. Ges. 1884, Bd. II, S. 169.

ö F. Kieni tz-Gerloff, Die Protoplasmaverbindungen zwischen benach- barten Gewebselementen in den Pflanzen. Bot. Zeitung, Bd. 49 (1891), S. 1.

G A. Fischer, Neue Beiträge zur Kenntniss der Siebröhren. Sitzber. der kgl. Sachs. Ges. der Wiss. zu Leipzig. Math. -nat. GL, 1886, S. 327.

"' E. Russow, Sitzungsber. der Dorpater Naturf.-Ges. September 1883.

Leitungswege der organischen Baustoffe. 155

Zelle in einer grossen Menge V(3n Präparaten nur wenige Male ihm zur Beobachtung kamen. Diese thatsächlichen Befunde sind richtig. Ich benützte zum Aufsuchen der Plasmaverbin- dungen im Wesentlichen die von Russow angegebene Methode. Die Schnitte, aus frischem Material mittelst Mikrotom her- gestellt, kamen zurFixirungdes Zellinhaltes auf wenige Minuten in verdiLinnte Jodjodkaliumlösung, dann in Schwefelsäure (1 Theil concentrirte Säure auf 1 Theil Wasser), darin wurden sie 1 bis 1 Y^ Minuten belassen, ferner mit Wasser gut ausgewaschen und 10 Minuten lang auf dem Objectträger ausgebreitet in con- centrirter Anilinblaulösung gefärbt. Sie kamen nach Auswaschen des Farbstoffes mit Wasser und Alkohol, Entwässerung und Aufhellung mit Nelkenöl in Canadabalsam eingebettet zur Be- obachtung. Die Zellwände sind dann massig stark gequollen, die Plasmakörper tief dunkelblau und die feinsten Stränge sind tief gefärbt. Ich beobachte selbstverständlich mit Öl-Immersion. Die Cambiform- und Leptomparenchymzellen zeigen allent- halben die schönsten Plasmaverbindungen, ihre Plasmakörper erscheinen unregelmässig zackig contourirt und die Fortsätze stehen überall mit einander in Verbindung. Die Geleitzellen sind sehr ausgezeichnet durch die stabförmige, glattcontourirte Gestalt ihres Plasmakörpers, zeigen in der Regel nirgends Zäpfchen- oder Vorsprungsbildungen daran.

Deutlich ausgebildeten zackigen Contour des Plasma- körpers der Geleitzellen, und zwar sowohl auf der Siebröhren- seite, als auf der gegenüberliegenden Seite fand ich bei Rosa canina und stellenweise bei Vitis vinifera. Jedoch konnte ich nie eine Communication zwischen Plasmakörper der Geleit- zellen und dem der Siebröhren constatiren. Man kann nur sagen, dass sich in diesen zwei Fällen Ausbuchtungen des Plasma- körpers in die Tüpfel der Trennungswand hinein erstrecken. Die plasmatischen Inhaltsmassen der Siebröhren sind häufig bedeckt mit Zäpfchen, so dass der Contour ziemlich regelmässig gezähnt ist.

Bei jugendlichen Siebröhren und Geleitzellen ist ein wesentlich anderes Bild zu constatiren. In der Nähe des Cambiums sieht man stets Siebröhreninhalt und Geleitzellen- inhalt zackig contourirt, die Vorsprünge in Verbindung mit

156 F. Czapek,

solchen derNachbarzellen. Es dürfte sich hier vielleicht um wirk- liche Plasmaverbindungen handeln, wenn in meinen Präparaten keine Täuschung dadurch unterlief, dass die jugendlich zarten Membranen der jungen Siebelemente durch die Schwefelsäure doch so stark gequollen waren, dass die Füllungen der zarten Tüpfel mit wirklichen Plasmaverbindungen verwechselt werden konnten.^

Dieselben Befunde zeigten die jungen Siebröhren von Coniferen (Fichte und Taxus baccata). Hier ist ausserdem der interessante Befund zu verzeichnen, dass die protoplasmareichen Markstrahlzellen, welche von Strasburger'^ als Vertreterinnen der Geleitzellen bei den Angiospermen angesprochen worden sind, keine Plasmaverbindungen aufweisen und ganz analog den Geleitzellen einen ganz glatten Contour der Inhaltsmasse zeigen. Bei Taxus glaube ich an einzelnen Stellen jedoch Ver- bindungen zwischen Siebröhrenplasma und dem Protoplasma der Vertreterinnen der Geleitzellen gesehen zu haben.

Aus den angeführten Befunden (es kamen an 60 Pflanzen- arten zur Untersuchung) geht hervor, dass man in der Regel keine Plasmaverbindungen zwischen Siebröhren und Geleit- zellen, sowie zwischen Geleitzellen und Cambiform und Leptom- parenchym inclusive Markstrahlzellen findet. Dies ist deswegen bedeutungsvoll, weil alle anatomischen Anzeichen darauf hin- deuten, dass es gerade die Geleitzellen sind, welche den Stoff- austausch zwischen den zuführenden, respective ableitenden Siebröhren und dem Speichergewebe des Leptoms (Mark- strahlen, verticale Parenchymstränge) vermitteln. In den meisten Fällen lässt sich sicherstellen, dass die Zellwand zwischen Siebröhre und Geleitzelle bedeutend dünner ist als die anderen Zellmembranen und dass regelmässig flache, grosse Tüpfel darin vorhanden sind, ein \^erhalten, welches zuerst Wilhelm^

1 Vergl. hiezu: A. Meyer, Ber. der deutschen bot, Gesellsch. Bd. 14 (1896), S. 154.

2 E. Strasburg er, Die Vertreterinnen der Geleitzellen im Siebtheil der Gymnospermen. Separatabdr. aus mathem. und naturwiss. Mitth. aus den Sitzb. der kgl. preuss. Akad. der Wiss. in Berlin. März 1890, S. 133 142.

3 K. Wilhelm, Beiträge zur Kenntniss des Siebröhrenapparates dicotyler Pflanzen. Leipzig 1880, S. 29,

Leitungswege der organischen Baustoffe. 15^

aufgefallen ist. Eine weitere Einrichtung ist die, dass die Berührungsfläche zwischen den Siebröhren und Geleitzellen als eine möglich grosse gewählt worden ist. Man kann endlich fest- stellen, dass die Geleitzellen stets an einer Stelle mit dem Speicherparenchym (Markstrahl oder verticaler Parenchym- strang) in Verbindung stehen, wie Lecomte^ und Stras- burger- zuerst bemerkten. Untereinander stehen die Geleit- zellen, wenigstens auf längere Strecken hin, niemals in längs- reihiger Verbindung. Wenn nun gerade im Verlaufe dieses anatomisch charakterisirten Weges der Stoffleitung die Plasma- verbindungen in den allermeisten Fällen gänzlich fehlen, so spricht dies nicht dafür, dass es ausschliesslich die Plasmaver- bindungen sind, welche den Stofftransport von Zelle zu Zelle vermitteln.

Auf Grund der geschilderten Befunde möchte ich denn auch die von Kienitz-Gerloff besonders geäusserte Meinung, dahingehend, dass sich der Stoffaustausch durch die Plasma- verbindungen bewegt, abweisen, und damit auch die An- schauung, dass die Protoplasmaströmung das Movens bei der Stoffleitung abgibt. Es soll jedoch durchaus nicht bestritten werden, dass die Plasmaverbindungen, besonders dort, wo sie mächtig entwickelt sind, einen hervorragenden Einfluss in der Mechanik der Stoff bewegung besitzen.

Nachdem eine active Bewegungsthätigkeit des Protoplasma verbunden mit Ortsveränderungen von Plasmamassen für die Stoftleitung als hauptsächlich wirksamer Factor nicht in Frage kommen kann, muss die Rolle, welche dem lebenden Proto- plasma nachweisbar allein beim Stoffaustausch zukommt, wesentlich anderer Art sein. Wenn ich auch nicht glaube, dass auf Grund unseres derzeitigen Wissens ein eindringendes Ver- ständniss der Details dieser Vorgänge erreicht werden kann, so scheinen mir die allgemeinen Grundzüge durch eine Reihe physiologischer Erfahrungen bereits sichergestellt zu sein.

Ob wir es mit Siebröhren, oder ob wir es mit Parenchym- zellen zu thun haben, im Wesentlichen handelt es sich beim

1 H. Lecomte, 1. c. S. 232. '■^ E. Strasburger, 1. c. S. 223.

158 F. Czapek,

Übertritt von StofTen aus einer Zelle in die andere um dieselben Vorgänge. Unsere Versuche mit getödteten Blattstielpartien haben gezeigt, dass es sich gewiss nicht bei der StofTleitung um eine, wie an leblosen Apparaten statthndende Diffusion von Substanzen aus einer Zelle in die andere handelt. Die lange bekannte Thatsache, dass Traubenzucker aus lebenden Zellen nicht herausdiffundirt, zeigt uns ja dasselbe.

Für eine Substanz, welche wie der Traubenzucker im Stoff- austausch zwischen Gewebselementen eine so hervorragende Rolle spielt, ist das Protoplasma im lebenden intacten Zustand nicht permeabel. Das deutet schon daraufhin, dass es sich beim Fortleiten einer Substanz von Zelle zu Zelle nicht um blosse Diffusion durch Plasmaschlauch und Zellwand handeln kann, sondern dass hiebei das Protoplasma activ eingreift, die Sub- stanz einerseits aufnimmt und chemisch bindet, anderseits wieder ausscheidet. Das Ausscheidungsproduct, durch die Zell- wand hindurchdiffundirt, wird nun von der nächsten Zelle wieder aufgenommen und der Process wiederholt sich von Neuem. Ich möchte also daran festhalten, dass bei jedem Stoff- leitungsprocess einerseits Bindung, anderseits Ausscheidung seitens des lebenden Protoplasmas der leitenden Elemente er- folgt. Daraus ergibt sich, dass der Vacuole der leitenden Ele- mente keine directe Bedeutung bezüglich der Stoffwanderung zukommt. VC^'ohl aber dürfte dieselbe als Nahrungsvacuole, als Speicherorgan für das Protoplasma dienen. Wie wir sahen, wird der Vorgang der Stoffwanderung durch Chloroformnarkose der Zellen sistirt. Dies spricht nicht dafür, dass die Wirkung eines fermentativ wirksamen Körpers bei dem Process der Stoffauf- nahme und Abgabe der leitenden Elemente als hauptsächlicher Factor betheiligt ist, weil auf derartige Reactionen Chloroform hemmend nicht einzuwirken pflegt.

Wie hervorgehoben, sind die Vorgänge der Stoffleitung für alle Pflanzenzellen wesentlich dieselben. Die leitenden Ele- mente, die als solche differenzirt sind, besitzen jedoch mehr- fache fördernde Einrichtungen. Vor Allem ist dies die auffallende Längsstreckung der Elemente. Der grösste Nutzen dieser Ein- richtung ist der, dass auf längere Strecken als sonst in der Richtung der Stoffleitung ein einziger Plasmakörper mit Vacuole

Leitungswege der organischen Baustoffe. ] 59

vorhanden ist, in Dimensionen, welche sonst mehrere Zellen zusammen einnehmen. Es werden dadurch wiederholte Auf- nahms- und Abgabeprocesse durch einen einzigen ersetzt und dadurch die bedeutend raschere P\")rtbewegung der zu leitenden Substanzen ermöglicht.

Dass die Zahl der zwischengelagerten Querwände ver- mindert wurde, ist wegen des äusserst geringen Widerstandes, den die Membranen dieser Zellen der Diffusionsbewegung ent- gegensetzen, nebensächlich. Ein weiterer untersti^Uzender Factor in der Einrichtung der leitenden Elemente ist die Vergrösserung der Contactfläche aufeinanderfolgender Elemente durch steile Schräglage der Querwände. Dadurch wird selbstverständlich die Oberfläche, von der die abgegebenen Stoffe der einen Zelle der anderen Zelle zuströmen, und ebenso die Aufnahmsfläche so weit als möglich vergrössert. Bei den Siebröhren ist eine der- artige Schrägstellung der Querwände zwischen den Siebröhren- gliedern ein äusserst verbreitetes Vorkommniss. Hieher gehört ferner auch der eingekeilte V^erband der langspindeligen Cam- biformzellen. Auch diese \'erbindungsweise spindelförmiger Zellen hat die Erreichung einer möglichst grossen Contactfläche zum Zwecke.

Die höchste Stufe der Vollendung erreichen die leitenden Elemente in der Ausbildung der Siebröhren bei den Angio- spermen, woselbst durch die Durchbrechung der scheidenden Querwände und die Verbindung der Plasmakörper der einzelnen Glieder durch starke Plasmaröhrchen sämmtliche Plasmakörper einer Kette von Siebröhrengliedern vereinigt werden. Es sei auch noch der ansprechenden Vermuthung A. Meyer's^ gedacht, dass die Tüpfelausfüllungen aus Protoplasma, wie sie sich bei den Holzmarkstrahlzellen finden, ebenfalls sehr zweckdienliche Einrichtungen zum Stoffaustausch mit den Nachbarzellen sind^ indem sie die dünne Schliesshaut mit protoplasmatischen Saug- fäden umspannen und ähnlich thätig sind, wie die Wurzelhaare an Erdbodenpartikeln.

Die Siebröhren besitzen, wie bekannt, noch eine andere Einrichtung, welche anderen leitenden Elementen fehlt, bei den

1 A. Meyer, Bot. Zeitung. Bd. 54 (1896), I. .Abth., S. 205. Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. ; GVL Bd., Abth. I. 1 1

160 F. Czapek,

Siebrühren aber auch bei jenen der Gymnospermen und Pterido- phyten vorhanden ist, nämhch die Fähigkeit, die einzelnen Glieder beim Einstellen der Thätigkeit im Spätherbst oder beim Übergang in den bleibend inactiven Zustand durch Callus- massen von einander abzuschliessen.

Wie von Strasburger dargelegt wurde, geht die Callus- bildung von den protoplasmatischen Verbindungsbrücken der Siebröhrenglieder aus. Es darf wohl als sicherstehend gelten, dass der Callus keinen anderen Zweck hat, als die Siebröhren unwegsam zu machen, indem die Verbindungsbrücken hiedurch äusserst eingeengt werden.

Dass mittelbar die Geleitzellen bei der Stoffbewegung in den Siebröhren mitwirken müssen, ist leicht verständlich, in- dem dieselben als Absorptionsorgane fungirend durch fort- währende Aufnahme der zugeleiteten Substanzen aus den Sieb- röhren ein rascheres Zuströmen ermöglichen. Vt^enn auch im Allgemeinen der Satz, dass lebhafter Verbrauch von Nährstoffen ein lebhaftes Zuströmen dieser Substanzen nach dem Ver- brauchsorte unterhält, richtig ist, so dürfen wir doch nicht vergessen, dass es keineswegs das Aufnehmen der zu ver- brauchenden Substanzen seitens der verarbeitenden Zellen direct sein muss, welches das Nachströmen neuer Substanz- mengen bewirkt. Es kommen gewiss auch indirect bewirkte, ausgelöste Vorgänge hiebei in Frage, wie z. B. Wirkungen auf die Eigenschaften und Thätigkeit der Plasmahaut der benach- barten Zellen. Diese Verhältnisse harren noch einer näheren Untersuchung.

IIL Abschnitt.

Stoffleitung, Organbildung und Individualisirung.

Die Erscheinungen an geringelten Stecklingen haben wir im ersten Capitel dazu benützt, um an denselben ein Reagens für die Möglichkeit des Stattfindens von Stoffaustausch zwischen beiden Ringelstücken zu gewinnen. Es handelt sich uns nun weiter darum, den Connex zwischen Stoffaustausch und Organ- bildung an Stecklingen und anderen Pflanzentheilen näher zu

Leitungswege der organischen Baustoffe. 161

zergliedern. Dabei schliessen wir uns an die bekannten Unter- suchungen Vöchting's^ an, welclier sich \'on allen Forschern wohl am eingehendsten mit der Organbildung an Stecklingen befasst hat.

Uns handelt es sich aber darum, zu untersuchen, inwieweit eine Organbildung überhaupt an einem Pflanzentheil vom Stoff- austausch mit anderen Theilen desselben Pflanzenindividuums abhängt, gleichgiltig, ob nun Wurzeln oder Sprosse gebildet werden sollen. Indem es sich hiebei naturgemäss um eine Ergänzung des betreffenden Pflanzentheiles zu einem voll- ständigen Individuum handeln muss, so kommen wir zu den Fragen, unter welchen Bedingungen eine Abtrennung von voll- ständigen Pflanzenindividuen von einem Pflanzenstock statt- findet, was an einem Pflanzenstock überhaupt »Individuum« genannt werden muss, und wie weit die correlative Abhängig- keit der einzelnen Organe und zelligen Elemente einer Pflanze sich experimentell in ein Verhältniss der Unabhängigkeit um- gestalten lässt.

Abgeschnittene Zweige von Holzpflanzen, »Stecklinge«, sind Pflanzentheile, welche vor dem Laubausbruch ihrer ganzen Länge nach physiologisch vollkommen homogenes Material darstellen. Sie sind deswegen für unsere Zwecke sehr werthvoU. Denn wenn sich Theile hievon zu selbständigen Individuen ausgestalten sollen, so müssen sich stets Wurzeln und Sprosse an denselben in gesetzmässiger Anordnung ausbilden. An Zweigen hingegen, welche noch im Verbände mit dem Stamme der Pflanze stehen, handelt es sich immer nur um Wurzel- bildung bei der Ergänzung zum selbständigen Individuum, und es würde hier schwer halten, die Bedingungen zur Bildung von Wurzeln und die Modalitäten der Ausgestaltung zum selbständigen Individuum auseinanderzuhalten und ein Urtheil über die Bedingungen derlndividualisirung dieses Theiles zu gewinnen.

Die an geringelten Stecklingen zu beobachtenden Erschei- nungen sind kurz zusammengefasst folgende:

1 H. Vöchting, Über Organbildung im Pflanzenreiche. I. Theil. Bonn 1878, S. 35 ff.

162 F. Czapek,

1. Die durch eine vollständige Ringelwunde (die Breite derselben ist gleichgiltig) getrennten Theilstücke entwickeln Wurzeln und Sprosse und werden zu vollständigen, von ein- ander unabhängigen Individuen. Die Länge der Theilstücke hat nur auf die Zahl und die Üppigkeit der ausgebildeten Organe Einfluss und ist für die Individualisirung der Abschnitte irrelevant.

2. Lässt man eine gerade Brücke aus Rinde von beliebiger Breite beide Ränder der Ringelwunde vereinigen, so entwickeln sich Wurzeln und Sprosse niemals in der geraden Fortsetzung der Ringelbrücke, während unterhalb und oberhalb der ge- trennten Wundrandstellen allenthalben in bekannter gesetz- mässiger Weise sich Wurzeln, respective Sprosse ausbilden. Die hidividualisirung der Theilstücke ist daher nicht auf der ganzen Peripherie derselben zur Entwicklung gekommen, sondern nimmt die Gegend der Rindenbrücke aus. Dieser alte Versuch ist sehr lehrreich. Er zeigt, dass die Ausbildung von Wurzeln am oberen Wundrand und Sprossen am unteren Theilstück direct ausgelöst ist durch die Unterbrechung des Stoffaustausches der Theilstücke. Es wird ferner dadurch dar- gethan, dass die Richtung des möglichen Stoffaustausches nur eine geradlinige sein kann, so dass die der Rindenbrücke benachbarten Stellen der Ringelwundränder nicht mehr durch die Brücke mit Stoffen aus dem anderen Theilstück des Steck- lings versorgt werden können. Endlich geht daraus hervor, dass die Individualisirung von Theilstücken eines Pflanzen- organs keine total längs der ganzen Peripherie des Organs stattfindende sein muss, sondern dass z. B. eine Längshälfte eines Zweiges alle Eigenschaften eines selbständigen Indivi- duums haben kann, während die andere Hälfte im Verbände des Pflanzenstockes steht.^ Somit sind an dem Zweige die Gewebe nur insoweit im Verbände eines Individuums, als die- selben mit einander in Nährstoffaustausch stehen. Der gerad- linigen Fortbewegung der Substanzen wegen, die in den Sieb- röhren geschieht, besteht eigentlich der Stamm oder ein Zweig einer Pflanze aus Längsstreifen, welche mit einander nur inso-

1 Vergl. Vöchting, 1. c. S. 39.

Leitungswege der organischen Baustoffe. 1 ()'T

weit im Indixidualverhande stehen, als zwischen ihnen auch seitlich gerichteter Stoffaiistausch stattfindet.

3. Theilsti.icke geringelter Stecklinge, welche durch eine zweimal rechtwinkelig gebogene, in der Mitte mit einem hoii- zontal verlaufenden Theil versehene Rindenbrücke \-erbunden sind, entwickeln am oberen Wundrand der Ringelung und an der Knickungsstelle des vertical herab \"erlaufenden Theiles der Rindenbrücke, dort wo derselbe in den horizontalen Theil übergeht, Wurzeln, und im unteren Theilstück allseitig Sprosse. Sie verhalten sich also im Allgemeinen so wie die Theilstücke vollständig geringelter Stecklinge. Es ist somit die Vi'inkelige Rindenbrücke in Bezug auf die Erhaltung der Individualität des ganzen Stecklings gänzlich unwirksam, und es ist ebenso, als ob die Ringelung eine vollständige wäre. Wir haben bereits gesehen, dass die Winkelbrücke die Stoffleitung aus dem oberen Theilstück in das untere und umgekehrt nicht gestattet. Es steht demnach auch hier die Individualisirung der Theil- stücke im causalen Abhängigkeitsverhältnisse zum Aufhören des Stoffaustausches zwischen denselben.

4. Operirt man Stecklinge (am besten Salix fragüis) so, dass man den Holzkörper durchtrennt, ohne die Rinde an der betreffenden Stelle zu zerstören, so entwickeln die Zweige an der Operationsstelle keine Wurzeln und Sprosse. Es entstehen Wurzeln nur am basalen Theile des Stecklings und Sprosse am apicalen, ohne dass die Individualität des Zweiges getheilt wn-d. Die Operation lässt sich leicht ausführen, indem man an der gewählten Stelle 2 3 verticale Einschitte durch die Rinde bis auf das Holz macht, die Rinde behutsam vom Holz ablöst und nun mit starker Scheere das Holz isolirt durchtrennt. Der Stoffaustausch zwischen den Theilstücken kann durch die erhaltene Rinde ungestört vor sich gehen, und damit steht in Zusammenhang die Erhaltung der Einheit der hidividualität des Zweiges. Selbstverständlich muss der Versuch im feuchten Räume gehalten werden, damit kein Vertrocknen der Rinden - brücke erfolgt.

Aus den angeführten Erfahrungen ergibt sich somit, dass eine ein Theilstück eines geringelten Stecklings zum selbst- ständigen hidividuum ergänzende Organbildung nur dann

164 F. Czapek,

erfolgt, wenn der Stoffaustausch zwischen den Theilstücken unterbrochen ist. Die Wurzelbildung am oberen Rande einer Ringelwunde ist somit ausgelöst durch die Unterbrechung des Stoffaustausches mit den unterhalb der Wunde gelegenen Theilen des Zweiges. Wenn der Reiz des Aufhörens des Stoff- austausches zwischen den Theilstücken eine Organbildung bedingt, welche zur Ausgestaltung der Theilstücke zu selbst- ständigen Individuen führt, so haben wir es wieder mit einem selbstregulatorischen \'organg zu thun, welcher zur Wieder- herstellung des früheren Zustandes Anlass gibt. Es ist zu betonen, dass es sich nicht etwa um einen Reizvorgang handelt, der ausschliesslich in einer reactiven Wurzelbildung besteht. Dies zeigt ja die Sprossbildung am unteren Theilstück, welche nur bei vollkommener Sistirung des Stoffaustausches zwischen beiden Theilstücken eintritt, also ebenso gut wie die Wurzel- bildung am oberen Ringelwundrand eine reactive Organbildung bedeutet. DieReizreaction besteht somit nicht in der Ausbildung einer bestimmten Gattung von Organen, sondern in der Er- gänzung der Theilstücke zu selbständigen Individuen durch das Auftreten der hiezu nothwendigen Organe.

An dieser Stelle ist auch zu behandeln die Physiologie jener Vorgänge, welche zur Bewurzelung von Zweigen, die noch in Zusammenhang mit dem Pflanzenstock sind, führen und in der gärtnerischen Praxis als Ablegerbildung seit altersher verwerthet werden. Führt man gut bewurzelte Stecklingstämme von Salix fragilis oder Stengel von Phaseohis multißorus durch die Bodenöffnung eines Gartengeschirres durch und befestigt das letztere so, dass die Mitte des Stammes der Ver- suchspflanze von dem Gartengeschirr umgeben wird und füllt das Geschirr mit feucht zu erhaltender Erde an, so entstehen binnen 2 3 Wochen unter günstigen Vegetationsbedingungen an der in Erde befindlichen Stelle zahlreiche Wurzeln. Ein aus- gezeichnet günstiges Object sind Stecklinge von Etipatorinni adenophorum, welche im Sommer binnen wenigen Tagen an jeder beliebigen Stammstelle, wenn man sie dort mit Erde umgibt, Wurzeln schlagen.

Die Versuche gelingen aber mit sehr zahlreichen Garten- pflanzen. Untersucht man die bewurzelte Stengelstrecke und

Leitungswege der organischen Baustoffe. 165

deren Nachbarschaft genau, so kann man in deren Geweben nicht die mindeste V^eränderung gegenüber der Norm con- statiren, abgesehen von einem durch das Zugrundegehen des Chloroph^/lls bedingten Verbleichen nach längerem Aufenthalt in Erde, hisbesonders sind im Leptom keine Veränderungen zu finden und auch keine Gefässveränderungen.

Von dieser Eigenschaft vieler Zweige, sich in der Conti- nuität zu bewurzeln^ macht man bekanntlich in der Gärtnerei öfters Gebrauch bei Pflanzen, deren Stecklinge sich schwer bewurzeln, z. B. bei Dracaenen. In den Tropen, z. B. in Ost- indien, wird dieses Verfahren (nach mündlichen Mittheilungen Herrn Hofrath VViesner's) viel ausgedehnter gehandhabt als bei uns. In der Natur ist die geschilderte Erscheinung hie und da zu beobachten. So spricht Magnus^ von Fichten, deren unterste Zweige, dem Boden dicht aufliegend, sich bewurzelt hatten. Nach Schübeler^ soll es besonders häufig bei Picea nigra sein.

Wenn krautige Pflanzen lange Stolonen treiben, welche am Ende Blattbüschel entwickeln und unter günstigen Bedin- gungen sich bewurzeln, so sind dabei verwandte Vorgänge im Spiel. Diese vegetative Propagation hat jedoch schon voraus, dass die Wurzelanlagen an den Blattbüscheln der Stolonen stets vorhanden sind und in Berührung mit dem Boden sich nur weiterentwickeln (Ranniicnlns rcpens, Fragaria, Potentiila rcptans).

Man kann sich leicht überzeugen, dass auch kräftig ein- gewurzelte, noch in Zusammenhang mit der Mutterpflanze befindliche Zweige ihren Wasserbedarf nicht nur aus ihren neuen Wurzeln, sondern auch aus dem Wurzelsystem des Stammes decken. Wenn man Topfpflanzen zum Versuche nimmt, so kann man den Feuchtigkeitsgrad sowohl in dem Boden des Wurzelsystems des Stammes, als auch in der Erde variiren, welche zum Einwurzeln des betreffenden Zweiges dient. Man kann da sehen, dass ein Trockenwerden der Erde,

P. Magnus, Botan. Zeitung (1874), Bd. 36, S. 669. Cit. bei Magnus.

166 F. Czapek,

in der die ganze Pflanze wurzelt, ein Welkwerden auch des bewurzelten Zweiges verursacht.

Man kann auch die Erde, in der die Pflanze wurzelt, mit einer verdünnten Eisenvitriollösung begiessen und dem bewurzelten Zweig verdünnte Kaliumferrocyanatlösung dar- reichen. Es entsteht dann in den Gefässen des Zweiges allent- halben ein Niederschlag von Berlinerblau, zum Zeichen, dass das Wasser aus dem Wurzelsystem des Stammes auch in den selbständig bewurzelten Zweig aufgestiegen ist. Ein ähnlicher derartiger V^ersuch ist bereits von Schnürlen^ unter MohTs Leitung mit demselben Erfolg an eingewurzelten Stolonen von Fragaria angestellt worden.

Daraus ist zu schli essen, dass die Wurzelentwicklung in den beobachteten Eällen bei ungestörter Wasserzuleiiung in den Zweig vor sich geht und von dem Wassertransport aus dem Stamme unabhängig ist. Es ist vielmehr die Wurzelbildung in diesen Fällen als ein Reizvorgang für sich, ohne ein Symptom von Individualisirung des Zweiges zu sein, aufzufassen. Die Pflanze antwortet auf die Verdunkelung und das Feuchthalten der in Erde eingehüllten Zweigstücke mit der Bildung von Wurzeln an diesen Stellen. Diese Wurzelbildung ist demnach eine ganz andere Erscheinung als wie das Auftreten von Wurzeln am oberen Wundrande der Ringelwunde eines Stecklings.

Die letztbesprochenen Erscheinungen liefern einen neuen Beweis zu dem oben ausgesprochenen Satz, dass Theile eines pflanzlichen Organismus sich nur dann zu selbständigen Indi- viduen ausbilden, sobald der Stoffaustausch zwischen dem übrigen Pflanzenkörper und ihnen sistirt hat. Wenn also auch eine aus dem Ende eines Ausläufers hervorgegangene Erdbeer- pflanze, sobald sie sich eben zu bewurzeln beginnt, noch nicht als selbständiges Individuum betrachtet werden kann, weil sie z. B. mit dem Welken und Tod der Mutterpflanze bei Aus- trocknung auch mit zu Grunde geht, so liegt gleichwohl in der

' G. Schnürlen, Untersuchungen über die Frage: In welchem Systeme des Holzes wird der rohe Nahrungssaft zu den Organen geleitet? Tübingen 1843 (Dissertation aus dem Mohl'schen Institute). S. 22 ff.

Leitungswege der organischen Baustoffe. 16/

erfolgenden Auswurzelung der Beginn des späteren Selbst- ständigwerdens. Die junge Pflanze deckt in dem Maasse, als ihre Laubblätter und Wurzeln in der Function erstarken, allmälig ihren eigenen Bedarf selbst, und es tritt diese eigene Production in wirksame Concurrenz mit den durch den Aus- läufer zugeführten Producten der Mutterpflanze. Der Effect hievon ist, dass die Leitungswege im Ausläufer, je weniger ihre Thätigkeit in Anspruch genommen wird, regressive V'eränderungen eingehen, die Gefässe bilden Verstopfungen aus, die Siebröhren Callusmassen, und schliesslich erlischt der Stoffaustausch in diesen Bahnen vollständig. Hier ist es auf diese Art die Concurrenz der Eigenproduction der Tochterpflanze mit der Zufuhr, in welcher erstere den Sieg davonträgt und zum Aufhören des Stoffaustausches mit der Mutterpflanze führt, womit die Bedingung der Erreichung selbständiger Existenz als selbständiges Individuum gegeben erscheint.

Wenn sich z. B. die Theilstücke eines geringelten Steck- lings zu zwei selbständigen hidividuen heranbilden, so ist dadurch bewiesen, dass in dem Zweig trotz der Arbeitstheilung in seinen lebenden Elementen potentiell in jedem Theil alle Fähigkeiten, welche der Pflanze als Ganzes zukommen, erhalten sind. Ich kann den Steckling durch Ringelung oder Scheidung von Längsstreifen so weit successive in selbständige Individuen theilen, bis der mit der Kleinheit der Theilstücke rasch zu- nehmende Mangel an verfügbarem Baumaterial zur Ausbildung der Organe und anderweitige traumatische Effecte dem Processe ein Ende machen.

Wenn man daher einen Steckling mit einem Magnet ver- glichen hat, welcher, in noch so kleine Theile getheilt, in jedem Theil dieselben Eigenschaften aufweist, wie sie der Magnet als Ganzes besessen hatte, so ist dieses Bild bis zu einem gewissen Grade nicht ohne Berechtigung gebraucht worden. Der Vergleich endet freilich damit, dass die theoretische Theil- barkeitsgrenze ein möglichst schmaler Sector einer möglichst dünnen Ouerscheibe des Zweiges ist, worin sämmtliche Gewebe des Stammes enthalten sind. Das kleinste Individuum, welches man aus dem Steckling herstellen kann, wird der Arbeits-

168 F. Czapek,

theilung der Gewebe wegen immer nur ein derartiger Sector sein und niemals eine Zelle, wie es bei einem Algenfaden, einem Moosblatt, der Fall ist.

IV. Abschnitt. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse.

1. Durch Resection von Gewebslamellen aus Blattstielen, wobei die Continuität in der halben Querschnittsfläche unter- brochen wird, vermag man die Ableitung der assimilirten Kohle- hj^drate aus der entsprechenden Laminahälfte zu verhindern, vorausgesetzt, dass die Leitbi^uidel aus der Spreite im Stiele getrennt, ohne Anastomosenstränge herablaufen. Es folgt daraus, dass die Leitungswege der Kohlehydrate hier nicht im Grund- parenchym liegen können, weil sonst auch Quer- und Schräg- leitung und damit Ausbleiben des thatsächlich eingetretenen Versuchserfolges hätte beobachtet werden müssen. Es müssen vielmehr die Leitungswege geradlinige Bahnen sein, und somit können nur die Leptomstränge des Blattstieles hiefür in Betracht gezogen werden.

2. Über das speciell leitend functionirende Gewebe für Kohlehydrate und stickstoffhaltige Assimilate innerhalb des Leptoms geben geeignete Ringelungsversuche Aufschluss. Bringt man an einem Steckling oder einem Ast im Zusammen- hang mit der Mutterpflanze eine unvollständige Ringelung so an, dass eine Rindenbrücke erhalten bleibt, die nicht gerad- linig läuft, sondern zweimal rechtwinkelig geknickt ist und in der Mitte einen horizontalen Schenkel enthält, so ergibt sich ein Resultat, als ob die Ringelung eine vollständige wäre. An dem horizontalen Brückenaste entwickeln sich weder Callus noch Wurzeln, während gerade am unteren Rande des oberen verticalen Schenkels reichlich Callus- und Wurzelbildung auftritt. Eine Querleitung der organischen Baustoffe konnte demnach im Phloem selbst wieder nicht oder nur in sehr be- schränktem Maasse stattfinden. Es müssen somit im Phloem selbst nur geradlinige Bahnen für diese Leitungsvorgänge prä- formirt sein, eine Rolle, welche ausschliesslich den Siebröhren

Leitungswege der organischen Baustoffe. 169

und Cambiformzellen für alle Stoffe zufallen muss. Die ersteren Elemente spielen wohl hiebei die Hauptrolle.

Ausser Stärke sind auch Zuckerarten im Siebröhreninhalt ein weitverbreitetes Vorkommniss.

Das Leptomparenchym ist das Speichergewebe des Lep- toms. Am häufigsten lagert sich in dessen Zellen Stärke in grossen Quantitäten ab. Nicht selten ist jedoch ausserdem ein reichliches Vorkommen von Reserveprotein zu beobachten.

3. Todte Leptomtheile sind zur Fortleitung der Assimilate nicht mehr befähigt. Ebenso kann man die Fortleitung durch Chloroformnarkose sistiren. Hingegen vermögen plasmolysirte Leptompartien ihre leitende Function ungestört auszuüben. Die normale Ableitung der Kohlehydrate aus Laubblättern ist weder von der Verbindung des Blattes mit den Sprossspitzen, noch von dem Zusammenhang mit dem Wurzelsystem abhängig. Bedingung ist nur das Vorhandensein einer ausreichend langen Strecke der Transportstrasse.

Diese Erfahrungen lehren, dass reine Diffusionsvorgänge ohne Thätigkeit des lebenden Plasmas, wie an organischen Systemen, die Stoffleitung auch auf ganz kurze Strecken nicht unterhalten können, ferner dass eine Turgorpressung der be- nachbarten Elemente als hauptsächliche Bewegungsursache für die Stoffleitung nicht in Frage kommen kann.

Diese Thätigkeit des lebenden Protoplasmas, welche die Stoffleitung bewerkstelligt, ist weder die Protoplasmaströmung, wie de Vries behauptet hatte, noch kommen hiebei die Plasma- verbindungen als wesentliches und unentbehrliches Moment in Betracht. Man kann sich die Stoffleitung nur an eine fort- dauernde Aufnahme und Ausgabe der betreffenden Substanzen durch das Protoplasma der leitenden Elemente gebunden vor- stellen, so dass das Protoplasma ein-er jeden Zelle die Stoffe aus der vorhergehenden Zelle aufnimmt, sie hernach wieder ausscheidet, worauf dieselben von dem Protoplasma der nächst- folgenden Zelle aufgenommen werden. Die continuirliche Com- munication des Protoplasmas der Siebröhrenglieder bei den Angiospermen muss diese Processe im höchsten Grade unter- stützen.

] 70 F. Czapek, Leitungswege der organischen Baustoffe.

4. Die Individualisimng einzelner Glieder eines Pflanzen- stockes ist eine Reaction, ausgelöst durch das Aufliören des Stoffaustausches zwischen dem abzutrennenden Glied und dem Mutterstock.

Wohl zu unterscheiden von Individualisirung ist die reac- tive Wurzelbildung, die durch eine Reihe äusserer Factoren vielfach an Zweigen einer Pflanze willkürlich hervorgerufen werden kann.

171

VIII. SITZUNG VOM 11. MÄRZ 1897.

Erschienen: Sitzungsberichte, Bd. 105, Abth. 1, Heft VIII— X (October bis December 1896).

Der Secretär legt das im Auftrage Sr. k. u. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Ludwig Salvator, Ehrenmitgliedes der kaiserlichen Akademie, durch die Buch- druckerei Heinrich Mercy in Prag übersendete Druckwerk: Die Liparischen Inseln. VII. »Stromboli« vor.

Der Secretär verliest ein Schreiben des k. u. k. General- consuls in Bombay, Herrn E. O. Remy-Berzencovich V. Szillas, vom 20. Februar 1. J., worin derselbe die Versiche- rung ausspricht, dass dieses Consulat bestrebt sein wird, den Intentionen der kaiserl. Akademie der Wissenschaften ent- sprechend die zum Studium der in Bombay herrschenden Beulenpest daselbst angelangten Mitglieder der Wiener medici- nischen Schule in den verschiedenen Fach- und sonstigen Kreisen bestmöglichst zu unterstützen und dahin zu wirken, dass den Forschern zum Zwecke bakteriologischer und patho- logischer Untersuchungen sowohl von Seite der Municipalität, als von den Sanitätsbehörden grössere Localitäten zur Ver- fügung gestellt werden.

Das w. M. Herr Hofrath Prof. Toldt überreicht eine in seinem Institute ausgeführte Arbeit von den Doctoren M. Stein- te ebner und C. Titte 1 unter dem Titel: »Der Musculus ventricularis des Menschen«.

172

IX. SITZUNG VOM 18. MÄRZ 1897.

Das k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht übermittelt den VI. Band des im Wege des k. u. k. Ministeriums des Äussern eingelangten italienischen Druckwerkes: »Le Opere di Galileo Galilei«.

Der S e c r e t ä r verliest ein Schreiben ddo. Bombay 27. Februar 1. J., in welchem die Mitglieder der ärztlichen Ex- pedition an die kaiserliche Akademie über ihre Ankunft in Bombay am 20. Februar und den ihnen von Seite des k. u. k. General-Consulates daselbst an Bord des »Imperator« bereiteten Empfang, sowie über die freundliche Aufnahme berichten, die ihnen von Seite des Gouverneurs, der Municipalität und der Sanitätsbehörden von Bombay zu Theil wurde, deren Zuvor- kommenheit sie auch die Zuweisung von drei ihren Zwecken entsprechenden Arbeitsräumen in einer dortigen High-School verdanken. Sämmtliche Mitglieder der Mission sind in dem- selben Hotel (Esplanade) untergebracht, ihr Befinden ist ein gutes.

Das w. M. Herr Prof. Friedrich Brauer überreicht eine Abhandlung des Herrn Dr. Anton Wagn er, Regimentsarzt an der k. u. k. Theresianischen Militär-Akademie in Wiener-Neustadt, unter dem Titel: »Monographie der Gattung Pomatias Studer«.

Das w. M. Herr Regierungsrath Prof. F. Mertens über- reicht folgende zwei Abhandlungen:

1. »Über Dirichlet's Beweis des Satzes, dass jede unbegrenzte ganzzahlige arithmetische Progression, deren Differenz zu ihren Gliedern th eilerfremd ist, unendlich viele Primzahlen enthält«.

2. »Über eine zahlentheoretische Aufgabe«.

173

Herr Dr. Alois Kreidl, Assistent am physiologischen Institute der k. k. Universität in Wien, überreicht eine Ab- handlung, betitelt : »Experimentelle Untersuchungen über das Wurzelgebiet des Nervus giosso-pharyngeus, Vagus und Accessorius beim Affen.«

Herr Dr. Jos. Ritter Lorenz v. Liburnau, k. k. Sections- Chefi. R., überreicht eine Abhandlung: »Über eine fossile Halhneda aus dem Flysch bei Salzburg«.

Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht zugekommene Periodica sind eingelangt:

Erzherzog Ludwig Salvator, Die Liparischen Inseln. VII. »StromboU«, Prag, 1896; Folio.

Le Prince Albert P'", Prince souverain de Monaco, Resultats des Campagnes Scientifiques accomplies sur Son Yacht. Publies sous la direction avec le concours de M. Jules Richard, Charge des Travaux zoologiques ä bord. Fascicule XI. Contribution ä Tetude des Stellerides de l'Atlantique Nord (Golfe de Gascogne, A9ores, Terre Neuve), par IM. E. Periere. (Avec 4 Planches.) Monaco, 1896; Folio.

Le Opere di Galileo Galilei. Edizione nazionale sotto gli Auspicii Sua Maestä il Re d'Italia. Volume VI. Firenze, 1896; 40.

Arth G., R ecueil de procedes de dosage pour l'analyse des combustibles des minerais de fer, des fontes des aciers et des fers. Paris, 1897; 8^'.

Astl-Leonhard H., Ein deutsches Testament. Die Natur als Organismus. Wien, 1897; 8*^.

Belohoubek A., M. Louis Pasteur (Biographie in cechi- scher Sprache). Prag, 1897; 8".

Demouli n A., Memoire sur l'application d'une methode vectorielle ä l'etude de divers- systemes de droites (Com- plexes, Congruences, Surfaces reglees). Bruxelles, 1894; 8".

Draghicenu M. M., Les Tremblements de Terre de la Roumanie et des pays environnants. Bukarest, 1896; 8*^.

Socolow S., Nouvelles Recherches Astronomiques. Moscou, 1896; 8°.

174

Eine fossile Halimeda aus dem Flysch von Muntigl (monticulus) bei Salzburg

von Dr. Josef Ritter Lorenz v. Liburnau sen.

(Mit 2 Tafeln.)

Der ersten fossilen Halimeda, welche Herr Director Theodor Fuchs 1894 beschrieben hat/ folgt nun eine zweite aus einem Formationsgliede^ welches, dem geologischen Horizonte nach, der Standörtlichkeit jener ersten Halimeda (eocänem Sandstein) nahe steht, nämlich aus dem präalpinen Flysch, dessen Stellung bisher nur noch zwischen Kreide und Eocän fraglich ist.

Die interessante Sammlung von Flyschabdrücken im städtischen »Museum Carolino-Augusteum« zu Salzburg ist vor einigen Jahren durch eine bis dahin noch nicht vorge- kommene, schöne und ansehnliche Algenform bereichert worden, die von Steinbrucharbeitern in einer der an Fucoiden reichen Bänke von Kalkmergel bei Aluntigl blossgelegt, durch die Für- sorge des Freiherrn Josef v. Doblhoff dem Museum gesichert wurde und bisher nur in zwei Exemplaren (Nr. 16.298 und 16.300 der Sammlung) vorliegt.^ Ich glaube nun eine Reihe

1 über eine fossile Halimeda aus dem eocänen Sandstein von Greifen- stein. Diese Sitzungsberichte, 1894.

2 Ein drittes noch grösseres und schöneres Exemplar habe ich im Sommer 1896 in der Hütte eines Steinbrucharbeiters gesehen, der es nach einer be- stehenden Vereinbarung zunächst dem Museum hätte anbieten sollen. Aus diesem Grunde unterliess ich es, das Stück zu acquiriren, und machte nur im Museum davon Mittheilung; der werthvolle Fund ist jedoch nicht dahin gelangt und wahrscheinlich vom Arbeiter entgegen seiner Verpflichtung anderweitig verkauft worden.

Eine fossile Haliiiicda. 17o

kurzer Abhandlungen über neue oder noch fraghche Flysch- abdrücke mit der Vorführung der erwähnten neuen Algenform beginnen zu sollen, über die Stellung derselben im Systeme kann wohl kein Zweifel stattfinden; sie ist offenbar eine Hali- meda und nahe verwandt mit Haltmeda macroloha Decais., wie die Vergleichung der beiden hier folgenden Abbildungen zeigt. Fig. 1 ist eine photographische Reproduction eines der beiden Muntigler-Exemplare (Nr. 16.300) in halber natürlicher Grösse; Fig. 2 ist nach einem mir freundlichst aus dem kaiserl. naturhistorischen Hof-Museum geliehenen Exemplare von Halimeda macroloha in beiläufig doppelter Grösse abgebildet.^ Was die Diagnose betrifft, so kann, da bei solchen Ab- drücken aus dem Flysch die innere anatomische Structur ebenso wenig wie die Substanz erhalten ist, nur die äussere Gestalt und die Vergleichung mit schon festgestellten Arten in Betracht kommen. In diesem Sinne ist unsere Halimeda hauptsächlich charakterisirt durch die einmalige Ausrandung des oberen Saumes aller Glieder, wodurch diese verkehrt-nierenförmig er- scheinen, dann durch die Zusammenziehung des unteren queren Saumes der Glieder in einen etwas schmäleren Fortsatz, wodurch die Glieder gleichsam breitgestielt und einander weniger ge- nähert werden, als bei allen bisher bekannten Halimeda- Arten der Fall ist, ohne dass hiedurch der Gattungscharakter verloren geht. Auch die einmalige halbmondförmige Ausrandung des oberen Saumes aller Glieder kommt bei keiner anderen Halimeda-Art vor; dieser Rand ist bei H. Tuna und H. macro- loha im Ganzen bogenförmig, hie und da mehrfach seicht gekerbt, bei H. Opnntia Lmx. stärker gekerbt, bei H. monile Lmx. sind die viel schmäleren und mehr in die Länge gezogenen Glieder theils gar nicht, theils seicht ein- oder zweimal ein- geschnitten; bei H. gracilis Harvey sind die Glieder oben dachförmig, dann nach scharfer Abbiegung nach untenhin keilförmig; bei H. Saportae einfach rund.

1 Beide Photographien verdanke ich der besonderen Gefälligkeit des Herrn Directors der Salzburger Museums, Herrn kaiserl. Rathes Dr. Alexander Fetter, welcher diese und zahlreiche andere Lichtbilder zu analogen Zwecken durch seinen geschickten Werkmeister für mich herstellen liess, wofür ich ihm auch hier bestens danke.

Sitzb. d. mathem.-naturw. Gl.; CVI. Bd., Abth. I. 12

1^6 J. L o r e n z V. L i b u 1- n a u ,

Die Grösse der Glieder nimmt x'on unten gegen die Spitze des Zweiges stufenweise bis beiläufig um das Doppelte zu, wie denn auch eine deutliche Zunahnie der Gliederdimensionen nach obenhin bei mehreren recenten Arten, wenngleich nicht constant, vorkommt.

Die bisher vorliegenden Exemplare sind unverästelt wie ein einfacher Zweig; es kann jedoch hierin kein entscheidendes Merkmal gefunden werden, da die Verästelung bei den Hali- meden i^iberhaupt nicht regelmässig wiederkehrt und unsere Exemplare möglicherweise selbst nur einzelne Aste sein könnten, indem ihr unteres Ende nicht deutlich abgeschlossen erscheint.

Auch die absoluten Dimensionen des ganzen Thallus und seiner Glieder, sowie die Anzahl der letzteren dürften kaum als feste Charaktermerkmale zu betrachten sein, und ich würde nicht Anstand nehmen, eventuell andere vorkommende Exem- plare, deren absolute Dimensionen die Hälfte oder das Doppelte der bisher beobachteten betragen, doch unter dieselbe Art zu subsumiren, wenn nur die Gestalt und die relativen Dimen- sionen übereinstimmen.

Die Gesammtlänge der beiden Museal-Exemplare beträgt, ohne Berücksichtigung der leichten Krümmung des ganzen Thallus, 20 und 21 cm: das verschwundene Exemplar dürfte nach meiner Erinnerung etwa 24 an lang gewesen sein.

Die Glieder haben eine Länge (Höhe) von 1-2 2 cm und eine Breite von 2-4 3-8 cm, wobei das Minimum zum untersten, das Maximum zum obersten Gliede gehört, während die zwischenliegenden, wie schon oben erwähnt, stufenweise grösser werden. '

Die Anzahl der Glieder beträgt bei unseren Exemplaren 7 und 8; es ist aber nicht erkennbar, ob und wie weit diese noch nach unten verlängert waren, während das obere End- glied unzweifelhaft erhalten ist. An Bruchflächen lässt sich erkennen, dass das Fossil, d. h. die sich vom helleren Gestein dunkler abhebende Substanz, papierdünn ist.

Zu bemerken wäre noch, dass die in Fig. 1 neben der fossilen Halimeda am Gestein erscheinenden linearen, ver- schieden gekrümmten Streifen nicht zur Halimeda, sondern

Eine fossile Halimeda. 1 t "t

ZU anderen Fucoiden (Chondriten) gehören, die überall die Kalkmergelbank durchziehen.

Ich benenne das Genus dieser Algenform geradezu als »Halimeda« nach dem Vorgange von Fuchs, und nicht als »Halimediies«, weil die Übereinstimmung mit dem recenten Genus ganz zweifellos ist. Für die Art wähle ich die Bezeich- nung »Ftiggeri« in Anerkennung der vielfachen Förderung, welche Professor Eberhard Fugger in Salzburg mir bei meiner in drei Jahren fortgesetzten Beschäftigung mit den Flysch- abdrücken hat angedeihen lassen, sowie überhaupt seiner notorischen Verdienste um die einschlägige geologische Local- forschung und um die instructive Aufstellung der betreffenden Fundstücke im Museum.

Die folgende kurze Diagnose gebe ich mit dem schon angedeuteten Vorbehalte, dass die beigesetzten absoluten Dimensionen nicht für die Bestimmung weiterer Funde mass- gebend sein können, und dass nur das gegenseitige Verhältniss derselben sowie die Gestalt der Glieder entscheidend bleiben.

Halimeda Fuggeri Lor. Thallus seu frons 20 «w circiter longus, articulatus, articulis a basi versus apicem frondis gradatim amplitudine increscentibus, 1-2 2cm longis, 2-4 usque 3-8 cw latis, complanatis, superne semel emarginatis (inde inverso-reniformibus) infra e margine paulum protractis, unde quasi late et breviter petiolati apparent.

12*

J. V. Lorenz-Liburnau : Eine fossile Halimeda.

Taf. I.

r

##^-

Halimeda Fuggeri Lorz.

^ Lichtdruck v. M. Juifä, Wien.

Sitzungsberichte d. kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw.Classe, Bd. CVI. Abtb. I. 18.97.

J. V. Lorenz-Liburnau: Eine fossile Halimedj

Taf. II.

Halimeda macroloba Decais.

Lichtdruck v. M. J;iffö. Wien.

Sitzungsbericlite d. kais. Akad. d. Wiss., math.-taaturw. Classe, Bd. CVI. Abth.I. 1897.

Seite Czapek F., Über die Leitungswege der organischen Baustoffe im

Pnanzenkörper. [Preis: 50 kr. = 1 Mk.J 117

VIII. Sitzung vom 11. März 1897: Übersicht 171

IX. Sitzung vom 18. März 1897: Übersicht 172

Lorenz v. Lüntmau J. sen., Ritt., Eine fossile Halimeda aus dem Flysch von Muntigl (monticulus) bei Salzburg. (Mit 2 Tafeln.) [Preis: 15 kr. = 30 Pfg.] 174

Preis des ganzen Heftes: 1 fl. 70 kr. = 3 Mk. 40 Pfg.

Die Sitzungsberichte der mathem.-naturw. Classe erscheinen vom Jahre 1888 (Band XCVII) an in folgenden vier gesonderten Abtheilungen, welche auch einzeln bezogen werden können:

Abtheilung I. Enthält die Abhandlungen aus dem Gebiete der Mineralogie, Krystallographie, Botanik, Physio- logie der Pflanzen, Zoologie, Paläontologie, Geo- logie, Physischen Geographie, Erdbeben und Reisen.

Abtheilung II. a. Die Abhandlungen aus dem Gebiete der Mathematik, Astronomie, Physik, Meteorologie und Mechanik.

Abtheilung II. b. Die Abhandlungen aus dem Gebiete der Chemie.

Abtheilung III. Die Abhandlungen aus dem Gebiete der Anatomie und Physiologie des Menschen und der Thiere, sowie aus jenem der theoretischen Medicin.

Dem Berichte über jede Sitzung geht eine Übersicht aller in derselben vorgelegten Manuscripte voran.

Von jenen in den Sitzungsberichten enthaltenen Abhand- lungen, zu deren Titel im Inhaltsverzeichniss ein Preis bei- gesetzt ist, kommen Separatabdrücke in den Buchhandel und können durch die akademische Buchhandlung Carl Gerold's Sohn (Wien, L, Barbaragasse 2) zu dem angegebenen Preise bezogen werden.

Die dem Gebiete der Chemie und verwandter Theile anderer Wissenschaften angehörigen Abhandlungen werden auch in be- sonderen Heften unter dem Titel: »Monatshefte für Chemie und verwandte Theile anderer Wissenschaften« heraus- gegeben. Der Pränumerationspreis für einen Jahrgang dieser Monatshefte beträgt 5 fl. oder 10 Mark.

Der akademische Anzeiger, welcher nur Original-Auszüge oder, wo diese fehlen,, die Titel der vorgelegten Abhandlungen enthält, wird, wie bisher, acht Tage nach jeder Sitzung aus- gegeben. Der Preis des Jahrganges ist 1 fl. 50 kr. oder 3 Mark.

SITZUNGSBERICHTE

/ 3 2- "^ DER KAISERLICHEN

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.

CVI. BAND. IV. BIS VII. HEFT. JAHRGANG 1897. APRIL BIS JULI.

ABTHEILUNG I.

ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE,

KRYSTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE,

'ALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE, ERDBEBEN UND REISEN.

MIT 8 TAFELN, -2 KARTEN UND 1 KARTENSKIZZE IM TEXTE.)

'^^^'

WIEN, 1897.

AUS DER KAISERLICH-KÖNIGLICHEN HOF- UND STAATSDRUCKEREL

IN COMMISSION BEI CARL GEROLD'S SOHN,

BUCHHÄNDLER DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

INHALT

des 4. bis 7. Heftes April bis Juli 1897 des CVI. Bandes, Abtheilung- 1 der Sitzungsberichte der mathem.-naturw. Classe.

Seite

X. Sitzung vom 1. April 1897: Übersicht 181

XI. Sitzung vom 8. April 1897: Übersicht 182

XII. Sitzung vom 0. Mai 1897: Übersicht 185

Uhlig V., Über die Beziehungen der südlichen Klippenzone zu den Ostkarpathen. (Mit 1 Karte und 1 Kartenskizze im Texte.) [Preis: 50 kr. = 1 Mk.] 188

Steiner /., Flechten aus Britisch-Ostafrika. [Preis: 30 kr. = 60 Pfg.] 207

XIII. Sitzung vom 13. Mai 1897: Übersicht 235

XIV. Sitzung vom 20. Mai 1897: Übersicht 236

XV. Sitzung vom 3. Juni 1897: Übersicht 239

XVI. Sitzung vom 18. Juni 1897: Übersicht 240

XVII. Sitzung vom 1. JuH 1897: Übersicht 243

.Siebenrock F., Das Kopfskelet der Schildkröten. (Mit 6 Tafeln.)

[Preis: 1 fl. 45 kr. = 2 Mk. 90 Pfg.] 245

Brauer F., Beiträge zur Kenntniss der Muscaria schizometopa und Beschreibung von zwei Hypoderma -Arten. (Mit 1 Tafel.) [Preis: 60 kr. = 1 Mk. 20 Pfg.] 329

XVIII. Sitzung vom 8. Juli 1897: Übersicht 383

Nesiler A., Die Ausscheidung von Wassertropfen an den Blättern der Malvaceen und anderer Pflanzen. (Mit 1 Tafel.) [Preis: 30 kr. = 60 Pfg.] 387

Steuer A., Vorläufiger Bericht über die pelagische Thierwelt des

Rothen Meeres. (Mit 1 Karte.) [Preis: 30 kr. = 60 Pfg.) . . 407

Preis des ganzen Heftes: 2 fl. 70 kr. = 5 Mk. 40 Pfg.

SITZUNGSBERICHTE

KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

MATHEMATISCH -NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.

GVL BAND. IV. HEFT.

ABTHEILUNG I.

ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE,

KRYSTALLÜGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE.

PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE, ERDBEBEN UND REISEN.

13

181

DEC 7 1898

X. SITZUNG VOM 1. APRIL 1897.

Erschienen: Sitzungsberichte, Bd. 105, Abth. II. a., Heft VIII— X (October bis December 1896); Monatshefte für Chemie, Bd. 18, Heft I (Jänner 1897).

Herr Dr. Bruno Bar dach übersendet eine Arbeit aus dem Laboratorium des pathologischen Institutes der königlichen Charite in Berlin über die Gerinnungsursache erhitzter Milch.

Der Secretär legt eine Arbeit von Dr. Lazar Car, Privat- docent an der königl. Franz Josef-Universität in Agram: »Über d e n M e c h a n i s m u s d e r L o c o m o t i o n d e r P u 1 m o n a t e n « vor.

Das w. AI. Herr Sigm. Exner legt eine im physiologischen Institute der k. k. Universität in Wien ausgeführte Unter- suchung von Dr. J. Zanietowski aus Krakau vor, betitelt: »Graphische Studien über die Erregbarkeitsverhält- nisse im Elektrotonus«.

Herr Prof. Dr. Josef Schaff er in Wien überreicht eine vorläufige Mittheilung: »Über die Drüsen der mensch- lichen Speiseröhre«.

13*

1:82

XL SITZUNG VOM 8. APRIL 1897,

Erschienen: Sitzungsberichte, Bd. 105, Abth. III, Heft VIII— X (October bis December 1896), womit nun der Druck dieses Bandes in allen Ab- theilungen abgeschlossen ist.

Der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Meteoro- logie, Herr k. k. Sections-Chef i. R. Dr. J. Ritter Lorenz v. Liburnau, dankt für die dieser Gesellschaft behufs noth- wendiger Ausgestaltung des Observatoriums auf dem Sonnblick- Gipfel von der kaiserlichen Akademie aus der Treitl-Widmung bewilligte Subvention.

Herr Dr. Sigmund Frank el in Wien dankt für die ihm zur Fortsetzung seiner Untersuchungen über die Eiweissspaltungs- producte bewilligte Subvention.

Herr Prof. Dr. L. Weinek, Director der k. k. Sternwarte in Prag, übermittelt 30 weitere photographische Mondvergrösse- rungen mit den hierauf bezüglichen Erläuterungen.

Herr Dr. Rudolf Spitaler, Privatdocent und Adjunct der Sternwarte an der k. k. deutschen Universität in Prag, über- sendet eine Abhandlung unter dem Titel: »Die Ursache der B r e i t e n s c h w a n k u n g e n « .

Dr. Hans Rabl, Assistent am histologischen Institut in Wien, macht eine vorläufige Mittheilung, betitelt: »Die ersten W a c h s t h u m s V o r g ä n g e in den Eiern von Säuge- t h i e r e n « .

Ferner überreicht derselbe eine Abhandlung unter dem Titel: »Zur Kenntniss der Richtungsspindeln in de- s: e n e r i r e n d e n S äug e th i e r e i e r n«.

SITZUNGSBERICHTE

KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

MATHEMATISCH -NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.

CVI. BAND. V. HEFT.

ABTHEILUNG I.

ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE,

KRYSTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE,

PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE, ERDBEBEN UND REISEN

185

XII. SITZUNG VOM 6. MAI 1897.

Erschienen: Monatshefte für Chemie, Bd. IS, Heft II— III (Februar— März 1897).

Herr Hofrath F. Ritter v. Hauer führt als Alterspräsident den Vorsitz.

Das c. M. Herr Prof. H. Mo lisch in Prag dankt für die ihm zu einer botanischen Forschungsreise nach Java (Buiten- zorg) von der kaiserlichen Akademie bevvilHgte Subvention.

Von den Mitgliedern der ärztlichen Mission nach Bom- bay wird ein Bericht ddo. Bombay, 16. April 1897 mitgetheilt.

Das k. u. k. Reichs-Kriegs-Ministerium (Marine- Section) übermittelt die für die akademischen Denkschriften bestimmten wissenschafthchen Arbeiten über die von den k. u. k. See-Officieren während der Reise in der nördlichen Hälfte des Rothen Meeres 1895 1896 ausgeführten Beobachtungen. Das Elaborat besteht aus folgenden Abtheilungen:

I. »Beschreibender Theil«, von Herrn k. u. k. Linien-

schiffs-Capitän und Commandanten des Expeditionsschiftes

Paul Edlen v. Pott. II. »Zeit- und Ortsbestimmungen«, von Herrn k. u. k.

Linienschiffs-Lieutenant Karl Koss.

III. »Relative Schwerebestimmungen«, von Herrn k. u. k. Linienschiffs-Lieutenant Anton Edlen v. Triulzi.

IV. »Magnetische Beobachtungen«, von Herrn k. u. k. Linienschiffs-Fähnrich Karl ssler.

Die Bearbeitung der noch folgenden Abtheilung ."»Meteoro- logische Beobachtungen« ist bereits dem Abschlüsse nahe.

Das w. M. Herr Prof. L. Pfaundler übersendet eine Arbeit von Herrn A. v. Pallisch, Assistent am physikalischen Institute

der k. k. Universität in Graz: >'Uber Verdunstung aus einem offenen kreisförmigen Becken«.

Das c. M. Herr k. u. k. Oberst Albert v. Obermayer i.iber- sendet eine Abhandlung, betitelt: »Schiessversuche gegen plastischen T h o n « .

Das c. M. Herr Prof. V. Uhlig in Prag übersendet den ersten Theil einer für die Denkschriften bestimmten Arbeit über die »Geologie des Tatragebirges«.

Herr Dr. Alfred Nalepa, Professor am k. k. Elisabeth- Gymnasium im V. Bezirke in Wien, übersendet eine vor- läufige Mittheilung über »Neue Gallmilben« (14. Fort- setzung).

Herr Prof. Wilhelm Binder an der Landes-Oberrealschule in Wiener-Neustadt übersendet eine Abhandlung, betitelt: »Die Undulationen ebener Curven Q (H. Mittheilung). Curven mit zwei imaginären Doppelpunkten.«

Herr Heinrich Mannaberg in Csalököz-Abony (Ungarn) übermittelt ein versiegeltes Schreiben behufs Wahrung der Priorität mit der Aufschrift: »Meine Erfahrungen über Entstehung und Verhütung der Perlsucht der Rinder«.

Das vv. M. Herr Hofrath Director A. Kerner Ritter v. Mari- laun überreicht eine Abhandlung von Prof. Dr. J. Steiner in Wien, unter dem Titel: »Flechten aus Britisch Ost- Afrika«.

Das w. M. Herr Prof. H. V^/^eidel überreicht zwei Arbeiten aus dem I. chemischen Universitätslaboratorium in Wien:

1. »Über die Darstellung der 5-Tribrombenzoesäure aus s-Tribromanilin«, von Dr. R. Wegscheider.

2. »Über die Esterificirung der aß-j'-Pyridintricarbon- säure«, von 0. Rint.

Das vv. M. Herr Prof. Sigm. Exner überreicht eine Ab- handlung von Herrn Dr. Carl Storch, Professor und Adjunct am k. u. k. Militär-Thierarznei-Institute in Wien, betitelt: «Bei- träge zur Kenntniss der Eiweisskörper der Kuh- milch«.

187

Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht zugekommene Periodica sind eingelangt:

Carte geologique internationale de l'Europe. Votee au Congres geologique international de Bologne 1 88 1 , executee conformement aux decisions d'une Commission inter- nationale, avec le concours des Gouvernements, sous la directiondesM.M.Beyricli et Hauchecorne. Livraison IL Contenant les feuilles AV, A VI, B V, B VI et C VI. 4G feuilles ä l'echelle de 1:1,500.000. Berlin, 1896; gr. Folio.

Obenrauch F., Geschichte der darstellenden und pro- jectiven Geometrie, mit besonderer Berücksichtigung ihrer Begründung in Frankreich und Deutschland und ihrer wissenschaftlichen Pflege in Österreich. Brunn, 1897; 8«.

Verbeck R. D. M. et Fennema R., Description geologique de Java et Madoura. Publie par ordre de Son Excellence du Gouverneur General des Indes Neerlandaises. Tome I et II, 8*^. Atlas contenant: Grande carte geologique 1:200.000 en 26 feuilles; Cartes geologique synoptique 1 : 500.000 en 2 feuilles; Annexes en 22 feuilles. Amsterdam, 1896; gr. Foho.

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Ober die Beziehungen der südliehen KHppen- Zone zu den Ostkarpathen

Prof. V. Uhlig, c. M. k. Akad.

(Mit 1 Karte und 1 Kartenskizze im Texte.) (Eingelangt am 4. Februar 1897.)

Als ich im Jahre 1889 im Auftrage der kais. Akademie der Wissenschaften das Gebiet der Goldenen Bistritza in den Ost- karpathen geologisch durchforschte, drängten sich mir manche Beobachtungen stratigraphischer und tektonischer Natur auf, die mit den bisherigen Anschauungen über dieses Gebiet nicht in Einklang standen. ^

Man betrachtete die Ostkarpathen als ein einseitiges, im Süden abgebrochenes Gebirge von einheitlicher Entstehung, das nach Norden aus immer jüngeren Bildungen besteht; auf das krystalline Grundgebirge im Süden sollte zunächst ein Band von Permsandstein folgen, dann die mesozoische soge- nannte »Kalkzone», dann der Flysch, mit der Unterkreide beginnend, endlich am Nordrande das salzreiche ältere Miocän.

Diese Vorstellung trifft aber nur in den allgemeinsten Zügen zu, denn die mesozoische Kalkzone bildet nicht eine einfache Schichtfolge, sondern verwickelte Faltungen und die Sandsteine der Flyschzone ruhen nicht ohne Unterbrechung auf der Kalkzone, sondern sind durch einen Bruch davon getrennt, an dem an einer viele Kilometer langen Strecke kry- stallinische Schiefer und Permsandstein als Nordrand des älteren Gebirges zum Vorschein kommen. Die Tektonik des älteren Gebirges ist unabhängig vom Baue der Sandsteinzone,

1 Sitzungsber. d. kais. Akad. 1889, Bd. XCVIII, S. 728.

Beziehungen d. südl. Klippenzone zu d. Ostktirpathen.

189

und es zerfallen die Ostkarpathen in zwei selbständige, in ver- schiedenen Perioden gefaltete Gebilde: die geologisch jüngere Sandsteinzone mit dem Miocän am Nordrande, und die geolo- gisch älteren Gebirgskerne, bestehend aus krystallinischem Grundgebirge und einer, vorwiegend nahe dem Aussenrande befindlichen, gefalteten permisch-mesozoischen Auflagerung. Die älteren Gebirgskerne der Ostkarpathen werden im Süden von Bildungen der Oberkreide, Conglomeraten und Sandsteinen, und des Eocäns umzogen, die schon seit mehreren Jahrzehenten bekannt sind. Diese Conglomerate und Sand- steine der Oberkreide greifen auch über das ältere Gebirge auf die Nordseite der Gebirgskerne über, sind aber hier bisher wenig beachtet. Die älteren Gebirgskerne der Ostkarpathen zeigen demnach den bezeichnenden Bau der Klippen des südlichen karpathischen Klippenzuges: sie bilden ältere Gebirgsmassen von selbständigem Bau, die von obercretacischen und eocänen Schichten rings umsäumt werden. So konnte ich denn in meiner Arbeit über die pienninische Klippenzone ' die Ansicht ausspre- chen, dass die ostkarpathischen Gebirgskerne keineswegs als die Fortsetzung der Hohen Tatra aufzufassen sind, wie man bis- her angenommen hatte, sondern als Fortsetzung der Klippen- zone, eine Anschauung, deren Richtigkeit sozusagen hand- greiflich durch den Umstand verbürgt ist, dass das Ostende der Klippenzone mit dem Westende der ostkarpathischen Gebirgskerne in der Marmarosch durch eine, zwar unterbro- chene, aber das ostkarpathische Streichen streng einhaltende Reihe von Klippen, wie das Inselgebirge von Homonna, die Klippen der Unghvärer und Munkäcser Gegend, die Klippen von Dolha und die noch wenig bekannten Klippen der Theiss- zuflüsse in der Marmarosch, verbunden ist (vergl. die beige- gebene Übersichtskarte). Ich konnte ferner auf die auffallende Beständigkeit der Zusammensetzung der Oberkreide auf dieser weiten Strecke hinweisen, denn wie im Westen über den Exogyrensandsteinen des Waagthaies rothe und weisslich- und grünlich-graue Inoceramenmergel, die Puchover-Schichten Stur's liegen, so stellen sich auch im Osten in der Marmarosch,

Jahrbuch der geolog. Reichsanstalt, XL. Bd. 1890, p. 813.

190 V. Uhlig,

in der Moldau und der Bukowina über petrograpliiscli voll- kommen gleichartigen Sandsteinen und Conglomeraten mit Exogyra colnmha ebenfalls roth, grünlich und grau gestreifte oder einfach grünlich-graue Inoceramenmergel ein, und noch weiter südöstlich schliessen sich die Inoceramenmergel von Ürmös im Persanyer Gebirge, die Inoceramenmergel und Con- glomerate des Kronstädter Gebirges, ja selbst die Inoceramen- mergel des Balkans an. Sie alle sind, soviel man weiss, durch den hercynischen Charakter ihrer Fauna gekennzeichnet.

War diese Anschauung über den Zusammenhang der Klippenzone mit den Ostkarpathen richtig, dann musste auch das Nagy Hagymas- Gebirge im nordöstlichen Siebenbürgen, das Persanyer und das Kronstädter Gebirge bis tief in die Wallachei hinein als Fortsetzung der Klippenzone betrachtet werden, und es war von Interesse, zu erfahren, welche Aus- prägung das Klippenphänomen im äuss ersten Südosten des Karpathenbogens erlangt hat. Dies näher zu prüfen und mein Arbeitsgebiet vom Jahre 1889 zu erweitern, reiste ich im Som- mer 1896 mit einer Subvention der kais. Akademie der Wissen- schaften abermals in die Ostkarpathen, und erlaube mir in den nachfolgenden Zeilen einige Ergebnisse dieser Reise in tektonischer Hinsicht zu besprechen. Die Alittheilung strati- graphischer Einzelheiten spare ich auf die ausführliche Arbeit über die Ostkarpathen und erwähne hievon nur drei Ergeb- nisse: die Auffindung von Werfener Schiefer mit Versteine- rungen im Tatarka-Thale (zu Fundul Moldowi gehörig) bei Breaza in der Bukowina, den Nachweis, dass die bisher als triadisch aufgefassten grauen Dolomite und Kalke über dem Verrucano noch diesem angehören und tiefer liegen als der Werfener Schiefer und endlich die Beobachtung allmählichen Überganges vom oberjurassischen Korallenkalk zum neocomen Caprotinenkalk.

Für die Deutung der ostkarpathischen Gebirgskerne als »Klippen« war vor Allem die Frage von Wichtigkeit, ob denn der Oberkreidesaum, der am Südrande dieser Gebirgskerne so ' ausgezeichnet entwickelt ist, wirklich auch am Nord- oder j Nordostrande auftritt, und welche Ausbildung und Lagerung i er hier annimmt. Die Literatur gibt hierüber keinen positiven

Beziehungen d. südl. Klippenzone zu d. Ostkarpathen. 191

Aufschluss, und auch meine Reise vom Jahre 1889 hat diese !• rage nicht genügend geklärt. Zu diesfälligen Untersuchungen '-ohien namentlich die Gegend nördlich von Kirlibaba geeignet, Jcnn hier streicht die Oberkreide nach den vorliegenden geo- i''-ischen Karten vom Südrande des alten Gebirgskernes quer über das Krystallinische bis zum Nordrand. Überdies ist bei dem V^orkommen von Kirlibaba die Frage des geologischen Alters auf das befriedigendste gelöst; gerade hier wurde zuerst in den Ostkarpathen Exogyra cohimba von LilP auf- gefunden und später wurden hier auch Ammoniten von A v. Alth^ entdeckt.

Die Angaben der Karten treffen wie ich mich heuer überzeugen konnte im Allgemeinen zu; von der mehrfach beschriebenen Stelle am Cibobache bei Kirlibaba, wo die Exo- gyrensandsteine und Conglomerate und darüber Nummuliten- conglomerate und Kalk unmittelbar auf krystallinischem Schiefer aufruhen, zieht ein Band dieser Bildungen nordwärts^ um in der Gegend von Bobejka, im Ursprungsgebiete des Kirli- baba-Baches, die »Kalkzone« und den Nordrand des älteren Gebirges zu erreichen und sich hier, diesem Rande folgend, nach Nordwesten und Südosten auszudehnen. Aus der Gegend von Bobejka zweigt überdies eine an IQkm lange, aber schmale Oberkreidedecke in südsüdöstlicher Richtung nach Lucz3ma ab, die sich bis in die Nähe des Bergwerkes Vale- stina erstreckt und in flacher Lagerung das krystalline Grund- gebirge überlagert. Sie besteht unten aus Exogyrenconglo- merat und massigem Sandstein, oben zumeist aus grauem oder grünlich-grauem, sandigem, plattigem Mergelschiefer, der hier wohl die Inoceramenschichten vertritt. In Bobejka und am Nordrande des alten Gebirges geht der Exogyrensandstein in krummschalige Sandsteine mit Lagen von Fucoidenmergel, nach Art der Inoceramenschichten, über, wie dies Zapal:o- wicz aus der Marmarosch beschrieben hat. Zapalowicz

1 Mem. Soc. geol. France, t. I, Mem. Nr. 13, p. 255. Paris 1833. '- Vergl. Szajnocha, Über eine cenomane Fauna aus den Karpathen der Bukowina. Verhandl. d. geol. Reichsanstalt 1890, S. 87.

192 V. Uhiig,

konnte in diesen Schichten auch Inoceramen auffinden/ lässt aber doch die Frage offen , ob nicht ein Theil davon der unteren Kreide angehöre. Eine positive Lösung dieser Frage ist bei der ausserordentlichen Fossilarmuth dieser Bildungen gewiss sehr schwierig, aber das ist auch vorläufig hier nicht von Belang; wir begnügen uns mit der Feststellung der That- sache, dass Oberkreidesandsteine und Conglomerate, die mit denen von Kirlibaba in Verbindung stehen, am Nordrande des alten Gebirges im Ursprungsgebiete des Kirlibaba-Baches auf- treten und von da ununterbrochen am Aussenrande bis in die Gegend nördlich von Kimpolung zu verfolgen sind.

Diese Randzone besteht zum Theil aus krummschaligen Sandsteinen und Schiefern, zum Theil aus massigen Sand- steinen und Conglomeraten, und es zeigen namentlich diese eine vollständige Übereinstimmung mit den Exogyrenconglo- meraten. Diese Conglomerate schwellen in der Gegend nörd- hch vom Luczynaberge zu mächtigen steilen Felsmassen an und setzen den 5 knt langen und über 1 hn breiten Bergzug Hroby zusammen ; weiter südlich treten sie wieder im Pareu Ardeloia bei Breaza in mächtigen klippenartigen Felsen her- vor, desgleichen noch weiter südöstlich auf der Höhe Flore und in der Gegend Matsijes bei Sadowa, unweit Kimpolung. Versteinerungen sind in diesem Randzuge allerdings leider nicht gefunden worden, aber bei der unverkennbaren Identität der Conglomeratmassen mit den so charakteristischen Exo- gyrenconglomeraten und namentlich dem unmittelbaren Zu- sammenhang mit der Oberkreide von Kirlibaba fällt dieser Umstand nicht schwer ins Gewicht. Sind doch auch am Süd- rande des alten Gebirges, wo diese Conglomerate viele Meilen weit fortschreiten, nur an etwa vier Punkten die bezeichnenden Versteinerungen thatsächlich nachgewiesen worden.

Auf der ganzen Strecke von den Hroby nördlich von Luczyna bis Matsijes legt sich die Oberkreide mit nach Nord- osten geneigten Schichten an die verschiedenen Gesteine des älteren Gebirges an, die hier an den Aussenrand herankommen,

1 Jahrb. d. geol. Reichsanst. 1886, S. 505. (Juoc. striatus in den »Hie- roglyphenschichten« von La fintina Stancului.)

Beziehungen d. südl. Klippenzone zu d. OstUarpathen. 193

und wird selbst wieder von den schwarzen Schiefern und kie- seligen Sandsteinen der Schipoter- Schichten, die nach C. M. Paul dem Alttertiär angehören, überlagert.

Aus dieser ungefähr 2 knt breiten, obercretacischen Rand- zone treten hier nur an wenig Punkten Klippen älteren Ge- steins hervor, wie z. B. im Hrobj^thal und in Matsijes. Zwi- schen Matsijes und dem Val Sadowa verschmälert sich diese obercretacische Zone, so dass im Val Sadowa und bei Kimpo- lung nur ein schmales, kaum 500 in breites Band von krumm- schaligen Sandsteinen und blaugrauen Schiefern, in der man Inoceramenschichten vermuthen kann, das ältere Gebirge von der Auflagerung der alttertiären schwarzen Schipoter-Schichten trennt.

Dagegen greift in dieser Gegend, bei Kimpolung, die Oberkreide in die »Kalkzone« ein, und umschliesst hier, über- reich an gerundeten Blöcken von verschiedenen älteren Gestei- nen, namentlich von Caprotinenkalk, eine Anzahl auffallender Klippen von Trias- und Neocomkalkstein, deren merkwürdige Verhältnisse in einer späteren Arbeit eingehender beschrieben werden sollen.

Im südlichsten Theile der Bukowina und desgleichen in der Moldau ist die mesozoische »Kalkzone« sehr stark redu- cirt oder selbst gänzlich entfernt; mit ihr verschwinden auch die obercretacischen Conglomerate. Im weiteren Verlaufe dagegen, im nordöstlichen Siebenbürgen, gewinnen die Ober- kreidebildungen von neuem und mit einmal eine geu'altige Mächtigkeit und lassen sich durch das ganze Nagy Hagymas-, das Persanyer- und Kronstädter Gebirge bis in die Wallachei verfolgen.

Diese Conglomerate sind hier überall über und über bela- den mit grossen, gerundeten Blöcken von krystallinischem Schiefer, Quarzit, Sandstein, Serpentin und namentlich aber von neocomem Caprotinenkalk; ein deutlicher Hinweis auf das postneocome Alter dieser Bildung. Nördlich vom Nagy Hagy- mas, in der Gegend des Tölgyes-Passes, ist die Mächtigkeit dieses Conglomerates so gewaltig, dass nur vereinzelte kleine Felsmassen \'on Caprotinenkalk aus der obercretacischen Geröllhülle hervortauchen, Felsmassen, deren Natur als echte

194 V. Uhlig,

Klippen von L. v. Löczy schon vor Jahren erkannt worden war, wie aus einer brieflichen Mittheilung dieses Forschers aus dem Jahre 1889 hervorgeht. ^ Im eigentlichen Nagy Hagy- mas-Gebirge tritt aus der Conglomerathülle ein 8 km langer, aber nur ca. 800 m breiter Felskamm von Caprotinenkalk her- vor und an diesen schliessen sich weiter südlich zahlreiche kleinere Kalkmassen und endlich in der Gegend Jawardi und Xaskolat im südlichen Nagy Hagymas-Gebirge ein ausgezeich- netes, ungefähr 8^m langes und 2>'Q>kni breites, aus zahllosen kleineren Klippen bestehendes Klippengebiet, das bisher ganz unbekannt geblieben ist.

Einzelne derartige Klippen sind bis an das Südende des ostkarpathischen Gebirgskernes zu verfolgen. Aber auch in der weiteren Fortsetzung, im Persanyer-Gebirge, das vom Nagy Hagymas-Zuge durch den Trachyt der Hargitta getrennt ist, sehen wir in gleicher Weise ältere Bildungen von der Ober- kreide, dem Inoceramenmergel von Ürmös, Conglomerat und massigen Sandstein umzogen und dasselbe ist in noch aus- gezeichneterer Weise im Kronstädter oder Burzenländer Gebirge zu erkennen.

Alle die mächtigen liasischen, jurassischen und neocomen Kalkmassen, die mit ihren kühnen Felsformen und hohen, steil abfallenden, unwegsamen Wänden dem Burzenländer Gebirge so hohen malerischen Reiz verleihen, sind sämmtlich discordant umhüllt von den Conglomeraten, Sandsteinen und Inoceramenmergeln der Oberkreide, sie sind sammt und sonders und sammt den stellenweise aus der Oberkreide hervortreten- den Inseln von krystallinischem Schiefer echte Klippen. Die geologischen Erscheinungen sind hier der Hauptsache nach dieselben wie in der Klippenzone des Waagthaies und der Pienninen: ganz so wie hier füllen auch die Conglomerate des Burzenlandes die Schlünde, Spalten oder Thäler zwischen den

] Es drängt mich, hervorzuheben, dass Herr Prof. v. Löczy meine Ar- beiten in den Ostkarpathen durch Empfehlungen und Mittheilung von Beob- achtungen in selbstlosester Weise unterstützt hat. Ich kann mir die Gelegen- heit nicht entgehen lassen, ihm hiefür auch an dieser Stelle meinen ^'ärmsten Dank auszusprechen.

Beziehungen d. südl. Klippenzone zu d. Ostkarpathen. 195

Kalkmassen aus. sie kleben an Felsvorsprüngen und stecken in Höhlungen und unregelmässigen Vertiefungen, während die Kalkmassen durch Bau, Beschaffenheit und Vertheilung ihre Zusammengehörigkeit bekunden. Wie im Waagthal und in den Pienninen das Neocom in Form von Hornsteinkalken und Fleckenmergeln eng mit dem Oberjura verbunden, von den Hüllgesteinen dagegen scharf getrennt ist, so nimmt auch in den Ostkarpathen das Neocom, und zwar zumeist als Capro- tinenkalk, seltener als Fleckenmergel entwickelt, an der Zusammensetzung der Klippen Antheil, es gehört als Schluss- glied zur permisch-mesozoischen Schichtreihe, zum älteren karpathischen Gebirge, und ist scharf geschieden von der obercretacischen Hülle.

Diese Erscheinungen, sowie das massenhafte Vorkommen von abgerundeten Gerollen aller älteren Gesteine, namentlich von Caprotinenkalk, in dem Hüllconglomerat zeigen auf das deutlichste, dass die jurassisch-neocomen Kalkmassen echte Klippen im Meere der Oberkreide gebildet haben, an deren Verkleinerung die Brandung mächtig gearbeitet haben muss. Diese Erscheinungen beweisen ferner, dass die erste Faltung in der Zeit nach dem Neocom und vor der Oberkreide erfolgt ist. Dass aber auch nachher Bewegungen eingetreten sind, die die Klippen und ihre Hülle gemeinsam betroffen haben, geht aus dem gelegentlichen Vorkommen von paralleler Lagerung zwischen Klippen und Hülle und aus dem concordanten Unter- teufen der Hüllgesteine unter Klippen hervor, das um so häufiger beobachtet wird, je kleiner die betreffende Klippe ist, und je leichter also unter sonst gleichen Umständen die ursprüngliche Discordanz der Lagerung durch die spätere Bewegung bis zur Gleichrichtung verwischt werden konnte.

In der Bukowina, Vväe im nordöstlichen Siebenbürgen, bildet die mesozoische »Kalkzone« sammt ihren Klippen, im Grossen betrachtet, eine Mulde, an^-deren nördlichem Aussen- rande die krystallinische Unterlage theils als zusammenhän- gendes Band, theils in kleineren Bruchstücken zum Vorschein kommt. Die Continuität dieses äusseren kr^^stallinischen Ban- des verliert sich im obersten Domukthale im östlichen Sieben- bürgen, aber noch deuten bis an das Südende des ostkarpathi-

Sitzb. d. mathem.-naturw. Gl. ; CVI. Bd., Abth. I. 14

196 V. Uhiig,

sehen Gebirgskernes in der Csik Inseln von Glimmerschiefer und Verrucano den Verlauf dieser krystallinen Aussenzone und den Muldenbau des mesozoischen Gebirges an, so besonders am Ausgange des Görbe- und des Sötelpatak. Die krystallinischen Schiefer treten auch im Persanyer Gebirge, und hier in Wirklich- keit viel ausgedehnter als man bisher annimmt, auf, und wenn endlich auch im Burzenländer Gebirge und der Wallachei östlich von den Kalkmassen Gneisinseln, wie die des Leota erscheinen, so darf man hierin einen Beweis für die Überein- stimmung der Hauptzüge des geologischen Baues erblicken.

Im Burzenländer Gebirge waren meine eigenen Beobach- tungen aus Mangel an Zeit sehr beschränkt; dafür bin ich hier in der angenehmen Lage, mich auf das Zeugniss hervorragen- der Autoritäten, F. v. Hauer, G. Stäche und A. Koch stützen zu können, deren Angaben umso werthvoller sind, als keiner von diesen Forschern an einen Zusammenhang des Burzenländer Gebirges mit der Klippenzone denken konnte.

F. V. Hauer und G. Stäche haben schon in ihrer Geologie von Siebenbürgen * das Vorhandensein einer allgemeinen und grellen Discordanz zwischen den Kalkmassen und den Con- giomeraten (sog. Bucsecs-Conglomerat) hervorgehoben, und der Unterschied ihrer Anschauung gegen die hier vertretene besteht nur darin, dass sie die Conglomerate und Mergel für eocän ansehen mussten, weil damals die obercretacischen Versteinerungen der Mergel noch nicht bekannt waren. Ebenso hat A. Koch ^ diese Discordanz bestätigt und überdies betont, dass hier der Ablagerung der Conglom.erate eine Faltung und Denudation vorangegangen sein muss. F. v. Hauer und

G. Stäche haben ferner des Vorkommens riesiger, »hunderte von Kubikklaftern grosser« Blöcke, »die man leicht für anste- hende Massen zu nehmen verleitet werden könnte- (1. c. p. 276), im Bucsecs-Conglomerat gedacht, und auch dies erinnert an Erscheinungen der Klippenzone, wo wohl die meisten kleineren Klippen nicht anstehendes Gebirge, sondern derartige Riesen- blöcke bilden.

1 Geologie Siebenbürgens. Wien 1863, S. 128 und 278.

2 A Brassöi Hegyseg földtani szerkezeteröl. Schriften der königl. ungar. Akademie der Wissenschaften, XVII. Budapest 1887, S. 8 und 9.

Beziehungen d. südl. Klippenzone zu d. Ostkarpatlien. 197

In z\\'eifacher Beziehung bieten aber die Ostkarpathen ^'e^hältnisse, die in der westkarpathischen Klippenzone wegen der Kleinheit ihrer Klippen nicht mit gleicher Deutlichkeit her- vortreten : erstens bilden im Burzen- und im Szeklerlande die Oberkreideschichten nicht nur Hüllen im Umkreis der Klip- pen, sondern auch weitgedehnte Decken über den Klippen, und zweitens stehen die Klippen hier im Osten mit dem Gebirgs- ganzen in unmittelbarem Zusammenhang. Beides Thatsachen von grosser Bedeutung. Ein Blick auf die beigegebene geologi- sche Kartenskizze des Jawardi-Gebietes zeigt, dass einzelne Klippen von dem grossen mesozoischen Hauptkamm direct ab- zweigen. Die Klippenhülle verhält sich wie ein etwas durchsich- tiger und halb durchlöcherter Schleier, der einen Gegenstand nur nothdürftig maskirt und das geistige Auge nicht hindert, die Hauptformen darunter zu erfassen. So erkennt man auch hier unter der obercretacischen Schutthülle die Form des Untergrun- des, dessen geologischen Bau und die Zusammengehörigkeit der Klippen zu einem Gebirgsganzen. Schon die blosse Betrach- tung des Kärtchens schliesst hier die Anwendbarkeit jener Hypothese aus, die in den Klippen nur eine tiefe, bis auf die Juraformation hinabreichende, eigenthümlich modificirte Anti- clinale im Karpathensandstein erblickt. Zwar lässt sich die Unrichtigkeit dieser Hypothese auch in den Pienninen, aber hier nicht so unmittelbar wie in den Ostkarpathen und im Waagthal * erkennen. Denn in den Pienninen hat die post- eocäne Faltung, wahrscheinlich wegen der geringen Masse der Klippen, auf die Lagerung derselben erheblich umgestaltend eingewirkt und ihnen und dem Fl^^sch nördlich der Klippen- zone nachträglich bis zu einem gewissen Grade ein gemein- sames Gepräge aufgedrückt. In Folge dessen konnte hier, wenn nebst anderem - übersehen wurde, dass der Flj^sch südlich von der Klippenzone überhaupt nicht gefaltet und von der nach- eocänen Faltung gar nicht betroffenist, diese Aufbruchshypo- these entstehen, die in den Ostkarpathen von vornherein aus- geschlossen ist.

1 Vergl

Jahrbuch geol. Reichsanst.

1890, S. 811.

2 Vergl

Jahrbuch geol. Reichsanst.

1890, S. 809.

14*

198

V. Uhlig,

Geologische Kartenskizze des Nagy Hagymas-Gebirges mit dem Klippen- gebiete Jawardi. Maasstab 1 : 105000.

Vertical schraffirt: Glimmerschiefer.— Vertical unterbrochen schraffirt: Gneis. Horizontal schraffirt: Verrucano-Dolomit. Mit Ringeln: Verrucano-Conglomerat (nur zwischen Szakadat und Xaskalat). Punktirt: Trias.— Diagonal dicht schraffirt: Jura. Diagonal gekreuzt: Neocom, Caprotinenkalk. Diagonal schütter schraffirt: Neo- comer Karpathensandstein. Weiss: Conglomerat und Sandstein der Oberkreide.

Beziehungen d. südl. Klippenzone zu d. Ostkarpatlien. 1 <-)9

Ebenso bestimmt tritt in den Ostkarpathen die zweite der oben erwähnten Thatsachen hervor: die Überlagerung der Klippengesteine durch die obercretacischen Conglomerate und Sandsteine, die nicht nur Hüllen im Umkreis der Klippen, sondern auch Decken bilden. Die Betrachtung der Profiltafel in der angezogenen Arbeit von A. Koch lässt sofort erkennen, wie ausgiebig und auf wie weite Strecken sich die Conglome- rate auf den jurassisch-neocomen Kalken ausbreiten, während sie anderseits auch die Vertiefungen zwischen den Kalk- massen ausfüllen, wie das ja vorausgesetzt werden muss, wenn die Jura-Neocomablagerungen zur Zeit der Oberkreide schon gehoben und vom Wogenschwall des Oberkreide- und Eocänmeeres umbrandet waren. In den Pienninen kommt diese Erscheinung wegen der geringen Grösse der Klippen und der steilen Stellung der Schichten nicht zur Geltung oder minde- stens sehr viel weniger als in den Ostkarpathen, wo die mäch- tig entwickelten Korallenkalke des Jura und Neocom nicht nur eine breite Unterlage für Aufschüttung von Conglomerat- blöcken und Sauden abgaben, sondern vermöge ihrer Massig- keit auch die spätere \^erwischung der ursprünglichen Lagerung erschwerten.

Ist diese Erscheinung geeignet, die zuerst von G. Stäche präcisirte Ansicht über die Entstehung der karpathischen Klip- pen zu stützen, so spricht sie nicht weniger bestimmt gegen die Anwendbarkeit einer in neuerer Zeit in den VVestalpen auf- gestellten Klippentheorie, wornach die Klippen als «Überschie- bungszeugen« zu betrachten wären. Da diese Möglichkeit der Klippenbildung in meiner Arbeit über die pienninische Klip- penzone nicht ins Auge gefasst, dagegen in anderen Arbeiten die Anwendbarkeit dieser Theorie auf die Karpathen zwar nicht bestimmt ausgesprochen, aber doch angedeutet wurde, erscheint es nicht überflüssig, auf diese Theorie im Zusammen- hang mit den karpathischen Erscheinungen etwas näher ein- zugehen.

Eine geologisch ältere, über jüngere Bildungen geschobene Schichtentafel kann durch Erosion in Theilstücke zerfallen, deren Zusammengehörigkeit aus der Übereinstimmung des geologischen Baues und der Zusammensetzung ebenso leicht

200 V. Uhiig,

erschliessbar sein wird, wie bei den Theilstücken einer normal gelagerten Tafel. Da man isolirte Theilstücke der letzteren Art unter Adoptirung einer arabischen Bezeichnung »Zeugen« nennt, so kann man mit A. Rothpletz* die isolirten Partien einer überschobenen Tafel ganz passend als »Überschiebungs- zeugen« bezeichnen. Besteht nun die überschobene Tafel aus hartem Gestein, etwa Kalkstein oder Dolomit, das darunter liegende Gestein aber aus weichem Schiefer oder Sandstein, •so werden durch Erosion der überschobenen Tafel Überschie- bungszeugen gebildet werden, deren Erscheinungsform der- jenigen echter Klippen äusserlich gleichkommt; es werden auf diese Weise Kalkfelsen entstehen, die von jüngeren schiefe- rigen und sandigen Bildungen rings umgeben erscheinen, wie das eben in den Karpathen der Fall ist. Die Natur könnte die Ähnlichkeit der Erscheinungen noch weiter treiben; in beiden Fällen können in der Umgebung dieser Kalkfelsen Breccien auftreten, die zwar in dem einen Falle als Reibungs-, im anderen als Schutt- oder Strandbreccien aufzufassen wären, aber trotzdem viel äussere Ähnlichkeit haben könnten. Wäh- rend aber echte Klippen in unserem Sinne in die Tiefe setzen, bilden Überschiebungszeugen und die »Überdeckungsschollen« (lambeaux de recouvrement M. Bertrand) sogenannte wurzel- lose Massen, die auf den jüngeren Bildungen nur oben auf- ruhen, nicht daraus hervortreten.

Namentlich Marcel Bertrand hat in neuerer Zeit gezeigt, dass derartige Überdeckungsschollen im südlichen Frankreich keine seltene Erscheinung sind. Es mag auch sein, dass die Klippen der Schweizer Voralpen Überdeckungsschollen oder Überschiebungszeugen sind, obwohl diese Frage noch nicht endgiltig entschieden zu sein scheint, da einzelne Vertreter dieser Anschauung eine Überschiebung von Norden, andere von Süden her annehmen. Die Möglichkeit der Entstehung isolirter Klippen auf diesem V/ege ist jedenfalls nicht zu bestreiten, und ich möchte umso weniger dagegen Einwand erheben, als ich für gewisse Kalkfelsen der Ostkarpathen eine ähnliche An-

Geotektonische Probleme. Stuttgart 1894, S. 72.

Beziehungen d. südl. Kiippcnzone zu d. Ostkarpathen. 201

nähme für möglich halte, ' nur eine Anwendung dieser Theorie auf die karpathische Klippenzone vom Waagthal bis in die Wallachei oder auch nur für einen Theil derselben muss ich entschieden ablehnen.

Hiefür sind eben die Beobachtungen in den Ostkarpathen besonders wichtig, denn hier kann von »wurzellosen Massen« nicht gesprochen werden, wo manche Klippen mit dem Haupt- gebirge in unmittelbarem Zusammenhang stehen und die jün- geren Kreide- und Eocänschichten die Klippen nicht nur um- geben, sondern auch auf kilometerlange Strecken bedecken und die Klippenkalke als breiter Unterbau des Gebirges in mäch- tigen Wänden unter der Kreidedecke hervortreten.

Aber selbst in den Pienninen lässt sich die Unanwendbar- keit dieser Hypothese leicht und bestimmt nachweisen.

Die Überschiebung der Klippenkalke hätte nach Ablage- rung der Oberkreide und des Eocäns erfolgen müssen, denn diese letzteren bilden ja die »Hülle«, beziehentlich nach der Überschiebungshypothese, die Unterlage des überschoben gedachten Klippenkalkes. Um diese Zeit, nach Schluss des Eocäns, war aber die Tatra und überhaupt das ältere Gebirge südlich der pienninischen Klippenzone schon vollständig starr und so zu sagen im Zustand von heute, wie sich aus der Lagerung des Eocäns am Nordrande der Tatra und im Gebiete zwischen dieser und den Klippen mit voller Bestimmtheit behaupten lässt. Flach deckenförmig liegt das Alttertiär zwi- schen der Tatra und der Klippenzone, es zeigt wohl kleine Brüche, aber keine Spur von Faltung oder Überschiebung. Eine Überschiebung von Süden nach Norden, aus der Gegend der Tatra nach den Klippen konnte also aus diesem Grunde nicht erfolgt sein, sie kann aber auch deshalb nicht angenom- men werden, weil in der Tatra selbst überall in klarer Weise Überschiebung nach Süden mit nördlichem Abfall der Schichten den Gebirgsbau kennzeichnet und' nicht von der Tatra nach Norden, sondern umgekehrt vom Norden nach der Tatra wurde hier das Baumaterial der Erdkruste gezerrt.

1 Allerdings habe ich da Kalkfelsen im Auge, die nicht über geolo- gisch jüngere,- sondern ältere Gesteine überschoben sein könnten.

202 V. Uhlig,

Aber auch die Herkunft der Klippenkalke aus dem Nor- den, d. i. aus der Flyschzone, ist gänzlich ausgeschlossen, denn, abgesehen davon, dass die Jura- und Neocomgesteine am Nordrand der Karpathen ganz anders entwickelt sind, als in der Klippenzone, zeigt der gesammte alttertiäre und ober- cretacische Flysch zwischen dem Nordsaum der Karpathen und der Klippenzone südlichen Schichtenfall und Überschie- bung nach Norden, so mijsste auch hier die Einfuhr der Klip- penkalke, wenn sie von Norden her erfolgt wäre, der allge- meinen Faltungsrichtung entgegen stattgefunden haben, und das ist eine unanehmbare Vorstellung. Der Vorgang der Über- schiebung der Klippenkalke von Norden her zur Miocänzeit endlich ist ebenfalls unmöglich, weil auch das Miocän am Nordrande der Karpathen dieselbe Überschiebung nach Nor- den zeigt, wie der Flysch, und weil, wie das Vorkommen flach liegender miocäner Denudationsreste im Inneren der Sandsteinzone beweist, in der Miocänzeit nur am Nord- rande, nicht im südlicheren Theile des Gebirges Faltung erfolgt ist.

Aber auch in der Klippenzone selbst ergeben sich Argu- mente gegen die Überschiebungshypothese, denn an den tiefst eingeschnittenen Stellen, z. B. im Dunajec-Durchbruch, ist nichts von einer Verjüngung oder gar Auskeilung der Klip- penkalke nach unten wahrnehmbar, sondern das Gegentheil davon. Wären sie trotzdem »wurzellose« Massen, dann müssten sie, da hoch über der Thalsohle an ihrer Nord-, West- und Südwestseite Hüllschiefer an den Klippenkalk gelehnt sind, mehrere Hundert Meter tief in ihre Grundlage eingesunken sein. Wurzellose Massen sind im Klippengebiet allerdings nicht selten, schon L. v. Hohen egg er und F. v. Hauer haben die Thatsache verbürgt, dass manche Klippen durch Steinbruchbetrieb vollständig ausgehoben wurden, aber dies sind einfach grosse Blöcke oder Bestandtheile eines Riesen- conglomerates, wie solche von F. v. Hauer und G. Stäche aus dem Burzenlande beschrieben haben. Das Vorkommen von Blöcken am Strande ehemaliger Inselberge ist an und für sich nicht auffallend; nur die Grösse mancher dieser Blöcke ist schwer zu erklären.

Beziehungen d. siidl. Klippenzone zu d. Ostkarpathen. 203

Verhindern fundamentale Beobachtungen die Anwendbar- keit der Überschiebungstheorie auf die KHppen der Ostkarpa- then, so führt eine genauere Betrachtung des Gebirgsbaues auch in den Pienninen zu demselben Ergebniss.

Es wurde oben hervorgehoben, dass die obercretacischen Conglomerate im westlichen Theile der ostkarpathi sehen Gebirgskerne nur an wenig Punkten Versteinerungen geliefert haben. Leider kann man von den entsprechenden Bildungen des Szekler- und Burzenlandes auch das nicht behaupten, denn hier wurden im Conglomerate und dem damit verbun- denen grobkörnigen Sandstein oder Sand überhaupt noch keine Versteinerungen gefunden. Dieser Mangel ist aber kaum von Belang, wenn man bedenkt, dass hier die weissen oder grün- lichen, häufig roth gestreiften Inoceramen- und Baculitenmergel (Puchower Mergel) häufig bezeichnende Versteinerungen ent- halten und auf das innigste mit dem darunter liegenden Con- glomeratsandstein verbunden, dagegen von dem Korallen- und Rudistenkalk des Neocom durch eine unzweifelhafte Discor- danz getrennt sind und überdies gerundete Blöcke von Neo- comkalk in Menge einschliessen. Wenn man ferner bedenkt, dass auf der ganzen Strecke vom Waagthal bis in das Burzen- land die transgredirende Oberkreide oben aus Inoceramen- mergel und Sandstein, darunter aus Exogyren-Conglomerat und grobkörnig-massigem Sandstein besteht, so wird man den Nachweis von Versteinerungen im Conglomerat des Szekler- und Burzenlandes nicht schwer vermissen. A. Koch und F. Herbich haben diese Conglomerate allerdings als Gault bezeichnet und auch die neueste geologische Übersichtskarte von Ungarn ^ schliesst sich dieser Auffassung an, aber diese Altersbestimmung ist nicht auf Versteinerungen, sondern nur auf die Stellung des Conglomerates zwischen Neocom und Baculitenmergel begründet. Da aber dieses Conglomerat die Neocombildung nicht etwa organisch fortsetzt, sondern sich dagegen, ebenso wie gegen alle älteren Bildungen, transgressiv und discordant verhält, so ist es richtiger, dem Conglomerat nicht einfach eine Zwischenstellung zwischen Neocom und

1 Geologische Karte von Ungarn. Herausgegeben von der ung. geolog. Gesellschaft. Budapest 1896.

204 V. Uhlig,

Turon, sondern die Stellung an der Basis der transgredirenden Oberkreideserie anzuweisen. In neuerer Zeit wurden die Con- glomerate und Sandsteine desBurzenlandes von J.T. Meschen- dörfer sehr eingehend beschrieben und ebenso, wie dies hier geschieht, zur Oberkreide gestellt.'

Der südlichste Theil der hier betrachteten Gebirgszone ist durch eine besondere Eigenthümlichkeit ausgezeichnet: Die Unterkreide ist hier am Aussenrande des älteren Gebirges mächtig entwickelt, und zwar in Form von kalkreichem Kar- pathensandstein. Sie grenzt an das alte Gebirge, auf weite Strecken unmittelbar an das Krystallinische an und ist eben- falls von Oberkreide umzogen. So deutet wenigstens F. H e rb i c h jene eigenthümlichen thonigen und sandigen Schichten und dieConglomerate, die imSzeklerlande den neocomen Karpathen- sandstein umgeben und auch mit meinen Erfahrungen stimmt diese Deutung überein, wenngleich es mir nicht gelungen ist, die angenommene Oberkreide vom Alttertiär in befriedigender Weise abzutrennen.

Dieser neocome Karpathensandstein streicht aus der Wallachei in das Szeklerland und von hier mit immer ab- nehmender Breite und immer an das krystallinische angrenzend, durch die Moldau in die Bukowina, wo er südlich von Kimpolung verschwändet. Möglicherweise taucht das Neocom weiter nord- westlich, in der Marmarosch am Rande des älteren Gebirges von neuem auf; die Angaben von Herrn Dr. Zapaiowicz scheinen darauf hinzudeuten. Nach ihrer faciellen Ausbildung zur ,Karpathensandsteinzone gehörig, theilen diese Neocom- bildungen insofern die geologische Geschichte der Klippenzone, als auch sie vor Ablagerung der Oberkreide gefaltet und von dieser transgressiv überzogen waren. Während aber die weiter nach Süden gelegenen, älteren Gebirgskerne sammt ihren Flyschdecken, wie überhaupt alles Gebirge südlich der grossen Leitlinie der Klippenzone ^ von der nacheocänen Faltung nur wenig beeinflusst wurden, wurden die neocomen Karpathen-

1 Der geologische Bau der Stadt Kronstadt und ihres Gebietes. Fest- schrift für die Mitglieder der 26. Wanderversammlung ungarischer Ärzte und Naturforscher, S. 23. Kronstadt 1892.

•■2 Vergl. Jahrbuch geol. Reichsanst., 1890, 40. Bd., pag. 809 und Taf. X.

Beziehungen d. südl. Klippenzone zu d. Ostkarpathen. 205

sandsteinzüge am Nordrande der älteren Gebirgskerne hiervon sehr stark und nicht weniger betroffen, als die grossen Kreide- inseln in Schlesien und den angrenzenden Theilen von Mähren und Galizien.

Einige Aufmerksamkeit verdient das eigenthümliche Ver- hältniss zwischen Oberkreide und Alttertiär. Dieses liegt zwar am Rande der älteren Gebirgskerne regelmässig auf jener auf, trotzdem scheint aber keine vollständige Continuität, kein allmäliger Übergang von der älteren zur jüngeren Bildung zu bestehen, sondern es di^irfte an der Grenze beider eine, wenngleich vielleicht auch nur ganz unbedeutende oder nicht in allen Theilen der Karpathen gleich starke physikalische Veränderung eingetreten sein. Schon die Natur der Ablagerun- gen deutet darauf hin; denn die Oberkreide beginnt mit einer mächtigen Conglomerat- und Sandsteinbildung, worauf dann die feinkörnigen Inoceramenmergel eine Vertiefung des den Einflüssen der Küste und der Brandung mehr entrückten Meeres andeuten. Darauf folgt im Eocän wieder eine echte Strandbildung, nummulitenreiche Conglomerate und Conglo- meratkalke, und zwar eine Strandbildung von anderem Charakter, wie im Cenoman, denn während das Exogyren- conglomerat grosse und äusserst mannigfaltige Geschiebe führt, enthält das Nummulitenconglomerat kleinere Bruchstücke und zwar fast nur solche von jenem Glimmerschiefer, der hier das krystallinische Grundgebirge zusammensetzt, wie das besonders am Cibobache bei Kirlibaba und am Ousor bei Dorna auffällt. Nach der Karte von Dr. Zapalowicz würden sich auch die Verbreitungsgebiete des Nummulitenconglomerates und der Oberkreide nicht genau decken, da manche Denu- dationsreste des ersteren nach der Einzeichnung unmittelbar auf dem krystallinischen, ohne obercretacische Unterlage, aufruhen.

Ahnlich ist das Verhältniss im Westen. Auch hier folgt Eocänconglomerat über dem feinkörnigen Puchowerhioceramen- mergel und die petrographische Beschaffenheit der Eocän- geschiebe deutet namentlich im Waagthalgebiete auf einen mehr localen Charakter der Bildung, während die obercretaci- schen Conglomerate sehr mannigfaltige Blöcke führen. In der

206 V. Uhlig, Beziehungen der südl. Klippenzone etc.

Tatra ist die Verbreitung des Alttertiärs unabhängig und ver- schieden von der der Oberkreide und es sind an der Basis des Nummulitenconglomerates von M. Raciborski Landpflanzen aufgefunden worden. Bei einer späteren Gelegenheit werde ich vielleicht noch etwas näher auf dieses merkwürdige Verhältniss eingehen, hier genüge die Feststellung, dass auch in dieser Hinsicht die östlichen mit den westlichen Karpathen überein- stimmen.

So enthüllt sich, um die Ergebnisse zusammenzufassen, in mehrfacher Beziehung eine Übereinstimmung der geo- logischen Entwicklungsgeschichte in den Ost- und West- karpathen, die namentlich in dem fundamentalen Unterschiede zwischen dem älteren permisch - mesozoischen Gebirge und den jungen Flyschfaltungen hervortritt. In den Ostkarpathen erfahren die Argumente für jene Anschauung, die in den karpatbischen Klippen echte Inseln erblickt, eine wesentliche Verstärkung, und es zeigt sich, dass jene merkwürdige Leit- linie, die im Waagthal beginnt und im pienninischen Klippen- zuge die mittleren Karpathen durchzieht, thatsächlich am Aussenrande der ostkarpathischen Gebirgskerne ihre Fort- setzung und in der Wallachei ihr Ende findet, und dass endlich diese Linie nicht auf Faltungsaufbruch im Flysch zurückzuführen, sondern im Wesentlichen als Bruchlinie auf- zufassen ist.

Y.Uhlig : Beziehungeil der südlichen Klippenzone zu den Ostkarpathen.

Schein atisflie Karle

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Entworfen von

Prof'e s s or V. 17 h l i g .

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ArlsttiOüiisc/tf Sdiicfcr imd Urwiil .rrgehür/e.

Fenninch -mesozoisdie SdüchllöUicdie Vitlerhride

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Junylerliär; riiu/iu: Tielebeiu:.

1. '/l-rlimy Emplivaesleine. Tnu'lufi iiMasait.

2. Deren TiilTe.

S Slramheiyi

K . Kiiiihabu

L ' Liiczifiui

C > Olodn (Moldau I

T Jolffi/es.

J = Klippaifiebiet des Jaivardi .

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//w IütrpaJhen-I^ordrand£ vut-de tias Mocännü^ hesanäers aiisig/!schieät7v. Jn ernxelnen €&/tmden wuriien- Carbon unÄ- VevoTvmäderperTmsch-mjesozmsdieit Schu-hJ/ol^e vereirngt.

itzungsberichte d. kais. Akad, d. Wiss., math.-naturw.Classe, Bd.CVI. Abth. I. 1897^

207

Flechten aus Britiseh-Ostafrika

Prof. Dr. J. Steiner.

Prinz Heinrich V.Liechtenstein und sein Begleiter Dr. Pospischill brachten von einem Jagdausfluge nach Britiseh- Ostafrika (1896) auch eine Sammlung von Flechten mit, die dem Museum des k. k. botanischen Universitätsgartens und von Herrn Hofrath Prof. Dr. A. Kerner Ritter v. Marilaun mir zur Bearbeitung übergeben wurde. Die Sammlung ist zwar nicht umfangreich, aber mehrfach von besonderem Interesse.

Sie stammt zum grösseren Theile aus dem Steppen- gebiete der Athi-Plains, zum kleineren aus der Umgebung von Matchakos am Ostrande dieser Steppe und vom Berge Ulu- Kenia, ziemlich in der Mitte zwischen Kenia und Kilima- ndscharo gelegen, also aus einem Gebiete, das bisher licheno- logisch nicht bekannt war.

Sie zeigt aber auch, wie viel Neues überhaupt oder Neues in Bezug auf die Verbreitung bekannter Formen, besonders in dem Steppengebiete, noch zu finden sein wird.

Unter den 47 unten aufgezählten Arten sind 18 Arten und 5 Varietäten neu beschrieben; von den übrigen war Rhiz. vivi- diatrnm aus Afrika nicht bekannt und Rin. laevigata, Cal. rnbeUiaiia, Acar. tevsa, Bnell. italica und var. Recitbariana, Dipl. adinostomus v. aenens, Graph. diapJioroides, Verrucl. glaucina wurden bisher nur in Algier {Acar. tersa auch in Benguella) oder in Abessynien, dem Caplande und in Trans- vaal, aber nicht in dem übrigen weiten ostafrikanischen Gebiete gefunden.

208 J.Steiner,

Der Rest umfasst Arten, welche zur bekannten ostafri- kanischen Flechtenflora gehören, theils, wie Maronen fiisciila, ihr eigenthümlich, theils in tropischen Gebieten oder überhaupt weit verbreitet sind.

Ausser den Sammlungen und der Bibliothek des k. k. bota- nischen Universitätsgartens standen mir auch die des k. k. botanischen Hofmuseums und die Bibliothek der Zoologisch- botanischen Gesellschaft zur Verfi^igung und wurden ein- gehendst beni^itzt. Herrn Custos-Adjuncten Dr. Zahlbruckner spreche ich für sein freundliches Entgegenkommen besonders meinen Dank aus.

1. Leptogiopsis Brebissonii Müll. Flora 1882, p. 291. Mont. A} p. 130 sub Leptogio.

Syn.: ? Collcnia rttginosnin Schär. En. p. 251, Hepp. L. Europ. exs. n. 423.

Cum planta Zambesica a el. JNIenyhardt lecta (Müller, B. p. 295) omnino congruens.

Pycnides numerosae singulis verrucis thalli et hie inde etiam involucri singulae immersae, sed tantum in statu made- facto colore lutescente v. luteo rufescente perspicuae. Sterig- mata ramosa, crebre articulata, cellulis minoribus. Pj'cnoconidia recta, truncata, parva 3 «j. lg., 0-5 1 [x lt. Corticola prope Matchakos.

Dass Collema riigiitosum Schär, in Hepp. exs. n. 421 trotz des verschiedenen Habitus des Thallus, der viel weniger zur Warzenbildung neigt, sehr nahe steht, ist zweifellos, voraus- gesetzt, dass die abgebildeten Sporen zu dem vorhandenen sterilen Thallus gehören. Weniger sicher scheint mir, ob riigi- nostim Schär, einfach als Syn. zu Brebissonii gezogen werden darf. Abgesehen von geringen Unterschieden in den Thallus- hyphen und Gonidienschnüren und von der vollständigen Farb- losigkeit der Rinde, zeigen die Pj'cniden von rnginosiiin einige Unterschiede. Ihr äusserer Habitus ist zwar derselbe, aber die Arthrosterigmen haben bedeutend breitere Zellen (8 -5 [i, lt.) und die Pycnoconiden sind zwar wenig, aber constant grösser, 4 |x lg., 1 1*3 [X lt. (comp. Cromb. A^., p. 75).

1 Versrleiche die Literaturi.ibersicht am Ende.

Flechten aus Britisch-Ostafrika. 209

2. Heppia subprasina Stnr.

Thallus minute squamulosus, cinereo \'. olivaceo prasinus, madefactus prasinus. Squamae 0"3 0-bmin lt., verrucas par- vas formantes v. varie subrotundae v. subangulosae v. irregu- läres planiusculae, numquam distincte crenatae, ad ambitum sero et parum liberae, glabrae, subtus pallidae, crustose con- gestae v^ dispersae. Interna structura squamarum omnino eadem ac generis. Gonidia mediocria ad 14 [x diam. Contentus goni- diorum saturate coeruleo-viridis, membranae corticem versus sensim distinctius lutescentes, in cortice ipsa saepius rufe- scentes et KHO optime violascentes, dum caeterae lutescunt tantum.

Apothecia parva ad O'Smni lt., rotunda, disco urceolato, immerso, rufo, margine thallino vix prominente. Paraphyses fili- formes, non distincte septatae, connatae epithecium lutescens formant. Hypothecium luteolum. Asci 60 75 jx lg., 18 23 [x lt., late lanceolati, supra incrassati, contentu spurie purpurascente. Sporae simplices, incolores, numerosae, sphaericae (sed late ellipticae immixtae) 3 6 [x diam. Epithecium et hymenium KHO non aliter colorantur.

Pycnides immersae, parvae, fuscae. Sterigmata simplicia, vix ramosa, pycnoconidia sphaerica raro subsphaerica 2 3 [x diam.

Basalticola in reg. Athi-Plains rarius.

Eine unscheinbare Art, welche eben durch die Kleinheit und reducirte Form, allerdings auch durch die Farbe der Areolen, ausserdem aber besonders durch die kleinen, hell gefärbten, concaven Apothecien ausgezeichnet und von der nahestehenden H. Rodrigiiesii Cromb. Journ. Linn. Soc. XV, p. 436 durch die rundlichen Sporen verschieden ist.

3. Usnea florida var. coniosa (Ach.) Wain. Et. p. 3, f. strlgosa (Ach.) Wain. 1. c. p. 4.

Stratum myelohyphicum KHO non reagens. Ramulicola prope Matchakos.

210

4, Usnea ceratina Ach. Univ. p. 619 var. picta Stnr.

Thallus erectus v. adsendens ad 6 cm altus, stipitibus tandem ad 3 mm crassis, cinereo- v. luteo-subvirens, ramosus V. dense ramosus, ramis acutis et teretibus. Cortex ut in typica ceratina verrucosa, ramillis mediocribus, paucis, concoloribus, V. ad apicem denigratis. Chorda areos Vs^Va diametri sectionis transversalis, solida, lateritio rubra v. infra obscure sanguinea. Stratum myelohyphicum sat dense contextum, KHO lutescens, Chorda hoc modo tractata decoloratur. J strat. myeloh. impure fulvescit. Apothecia crebra, distincte lateraHa v. subterminaHa, mediocria, disco glauco v. subrubro cinereo, ciliis paucis sat crassis, mediocriter longis et concoloribus, excipulo subtus ad marginem laevigato, ad ramum verrucoso. Interna structura apotheciorum et sporae ut in planta typica, epithecium luteum, granulöse inspersum. Discus KHO sanguineo rubet. Hymenium J coerulescit, mox fusce decoloi^atur.

Ramulicola (exemplaria omnia a substrato soluta) prope Matchakos.

Die Varietät steht der U. ceratina v. scabrosa Ach. Univ. p. 620 (comp. Crombie, A^. I, p. 206) nahe, ist aber durch die sehr dicken Stämme, die dunkel gefärbte Chorda und besonders die Reaction des Discus abweichend. Die blutrothe Färbung tritt am besten hervor, wenn das Reagens langsam zutritt, durch weiteren Zusatz von KHO verschwindet sie und geht in braun über.

In Bezug auf U. ceratina habe ich noch zu bemerken, dass Jatta exs. n. 76 (Herb, des bot. Univ.-Gartens) keine Usnea, sondern eine Chlorea ist.

5. Usnea perhispidella Stnr.

Thallus e stipitibus singulis formatus v. e nonnullis ex uno gompho enatis ad 2 min crassis, fruticulose erectus, viride v. stramineo lutescens, ad gomphum hie inde rufe obscuratus, habitu moUi ad 6-5 cm altus. Rami infra subrecti, supra sensim crebrius subdichotome ramosi, patentes, ramis ultimis divari- catis, varie curvatis, longe cuspidatis. Cortex laevis remote articulatus, crebre maculatim v. passim fere undique verrucis

Flechten aus Britisch-Ostafrika. 21 1

concoloribus minutissimis densissime tectus. Verrucae in spinu- las minimas v. parvas (O'l 0*5 mm lg.) horizontalibus v. omnino inordinatis excrescentes, ramillis majoribus raris im- mixtis. Chorda axeos pertenuis incolor. Stratum myeloh^^phi- cum sat crasse contextum, cortex mediocris, hyalina. Stratum myel. et praesertim chorda KHO lutescunt, CaCl^O^ non colo- rantur. J chorda sanguineo rubet, Stratum myel. dilute sordide fuscescit, cortex lutescit.

Apothecia submediocria (2 -7 mm lt.) disco leviter con- cavo, glauco cinereo, subpruinoso, ciliis semper multis saepe pluriscriatis brevioribus et longioribus intermixtis, saepe hispi- dulis. Excipulum subtus glaber, hie inde ramillosum. Apo- thecia caeterum eximie lateralia. Ramus apicalis distinctus (ad 1-5 2 c;» lg.) porrectus v. varie geniculatus v. incurvus, Simplex v. iam sub apothecio 1 2 divisus, Paraphyses fili- formes, connatae epithecium luteo-fuscescens formant. Hyme- nium ad 60 [X alt., hypothecium incolor. Asci clavati ad 47 53 [x lg., 18 22 [i. lt. Sporae octonae, incolores, simplices ellipticae V. late ellipticae 10 13 [x lg., 7 8-5[j. lt. Paraphyses J lute- scunt, asci primum coerulescunt, mox in fusco- purpureum decolorantur.

Exemplaria nonnuUa fi-uctifera a substrato soluta, sed etiam hie inde juvenitia, simpliciora, sterilia aliis Usneis corti- colis immixta prope Matchakos.

U. perliispidella gehört zum Stamme der U. florida, schliesst sich der Gruppe der U. mollis Stirt. C, p. 109 an und dürfte nach den kurzen Andeutungen Müller's in Engl. Jahrb. 1893, p. 245 der U. harbata v. hispidtila Müll. 1. c. am nächsten stehen. Ich sah diese Form nicht, sie wird aber 1. c. als hängend bezeichnet und wurde nur steril gefunden.

6. Usnea Liechtensteini Stnr.

Thalli plures caespitem ad 7 cm altum, cinereo-viridem, ad gomphum plus minus obscuratum, rigido elasticum, statu sicco sensu eodem arcuatum, statu madido erectum formant.

Stipites plures ex uno gompho, non raro 3 3-5 mm crassi, teretes tandem arcuati v. fere incurvi, ramis nonnuUis, inter se approximatis, erectis (v. statu sicco arcuatis). Rami

Sitzb. d. mathem.-naturw. GL; CVI. Bd., Abth. I. 15

212 J.Steiner,

juniores cuspidati, fertiles et adulliores steriles (v. apotheciis amissis) subbacculiformes infra ad 2 mm lati, usque ad apicem verrucis concoloribus v. supra dealbatis, cylindricis tecti ramillis nullis, V. rarius hie inde ramillis adscendentibus, concoloribus V. apicem versus denigratis vestiti.

Cortex crassa, laevis, minime articulata, sed undique usque ad apices optime rimoso-areolata. Areolae irregulariter rect- angulares 0-5 1 iuin lt. hie inde ad marginem plus minus albo-sorediosae.

Chorda axeos crassa, dilutius v. saturatius lateritio rubra, late Cava. Stratum myelohyphicum interius et exterius dense contextum, exterius tenue, KHO lutescunt (add. CaCl^O.^ inten- sius), Chorda decoloratur. J chorda obscure sanguineo rubet, Stratum myel. dilutius impure fulvescit.

Apothecia rara, subterminalia, mediocria 5 8mw lt., disco piano, luteo-cinereo, subpruinoso. Ciliae minores v. adsunt v. omnino desunt. Excipulum subtus glaber v. parce verrucoso- ramillosum.

Paraphyses filiformes arcte connatae, hymenium 60 65 [x altum, epithecium fuscescens, hypothecium incolor. Hymenium J coerulescit v. p. p. in fuscum decoloratur. Sporae octonae in ascis clavatis, simplices, incolores, ellipticae 8 11 [x lg., 4-5— 6-5 [j. lt.

Graniticola in monte Ulu-Kenia.

Über die Chorda ist noch beizufügen, dass sie in stärkeren Zweigen schon nahe an der Spitze durch das im Inneren sich entwickelnde Markgewebe zur Röhre wird, dass sie aussen durch vortretende Bündel rippig ist und sich schon in dickeren Stämmen, nicht erst im Gomphus, in eine grössere Zahl von Bündelchen zertheilt, welche über den ganzen inneren Mark- querschnitt zerstreut sind. Das gesammte Dickenwachsthum hängt hier offenbar fast ganz von der Zunahme des Stratum myelohyphicum interius ab.

Stirton hat in C, p. 100 auf das Merkmal der röhren- förmigen Chorda sein Genus Etimitria gegründet, welches dann Müller in Flora, 1882, p. 299 sowohl als Genus, wie als Section für unannehmbar erklärte. Auch ich schliesse mich dieser letzteren Ansicht an, wenn auch nicht aus dem Grunde,

Flechten aus Britisch-Ostafrika. 213

den Müller 1. c. anführt, sondern weil ich finde, dass sich die Usneen mit hohlem Achsenstrang an verschiedene Stämme der Gattung anschliessen und mit diesen näher verwandt sind als untereinander. So steht U. Liechtensteini nicht den von Stirton 1. c. angeführten Arten der Gattung Einnitria, noch der U. asper- riuia Müller 1. c. oder der Tasmanica Müller 1. c, sondern der Gruppe der U. densirostra Tayl., und zwar der U. Hiero- iiyuii Krplh. in Flora, 1878, p. 436 am nächsten, ist aber, durch den Habitus, die Chorda und besonders durch die Areolirung det Rinde zweifellos verschieden.

Wo die Chorda an den Spitzen der Zweige blossgelegt ist, ist sie schwarz gefärbt und sieht wie angebrannt aus.

Was die Areolirung der Rinde betrifft, so kommt entfernt Ähnliches an dickeren Stämmchen mit articulirter Rinde be- sonders da, wo die dickeren Äste abzweigen und die Articu- lirungsrisse sich drängen, öfter vor, speciell auch bei densi- rostra Tayl. und cormita Flot. {corniita Krb. weicht von corunta Flot. bedeutend ab), aber hier ist sie eine Folge dieser dichten Articulirung, während sie bei U. Liechtensteini ohne diese vom Grunde der Stämme bis zur Spitze der Zweige gleichmässig durchgeführt ist. An dem unteren Theile der Stämme, wo die Rinde warzenlos ist, tritt sie so hervor, dass sie unter der Loupe an einen Reptilienfuss oder Vogellauf erinnert.

7, Ramalina complanata Ach. Univ. p. 599.

Exemplar unicum, sterile, ramulicolum in reg. Athi-Plains omnino cum planta Zambesica (Müller, B, p. 295) congruens.

8. Ramalina Abessynica Nyl., D (Separ. p. 71).

Caespites ad 2-5 cm alti. Cortex bene evoluta et pertusa. Sporae pro maxima parte curvat'ae v. curvulae, 14 19 [x lg., 6 7 5 [X lt.

Corticola prope Matchakos, hie inde etiam U. strigosae immixta.

Jüngere Exemplare kommen im Habitus der R. inßata Tayl. in Hooc. Fl. Antarct. p. 194 nahe.

15*

214 J. Steiner,

9. Theloschistes flavicans Norm., H. p. 17 var. costatns Stnr.

Thallus caespitosus, rigide erectus ad 2-öcin alt., luteo- aurantiacus v. rarius cinereo-decoloratus. Lobi primarii ad 1 2 mm lati, sensim attenuati, subdichotome crebre divisi, ad basim ramorum ad 2 3 mm dilatati, piano compressi, nervoso striati, lateribus concoloribus v. subconcoloribus. Rami mox in ramillos parvos, 0*5 1 mm longos digitatim v. subflabellatim V. fruticulose divisi. Ramilli acuti concolores v. apicibus deni- gratis. Cortex caeterum laevis, sed saepe sat crebre vemtcis thallinis pycnidiferis, etiam in latere inferiore excipuli, exaspe- rata (Verrucae tandem hie inde sorediose dehiscentes).

Apothecia et eorum interna structura ut in flavicante, ciliis disci V. omnino nullis, v. brevissimis incurvis v. longioribus, concoloribus v. supra denigratis. Thallus et apothecia KHO purpurascunt, hymenium J primum coerulescens mox in fusco purpureum decoloratur. Pycnides tuberculiformes subconco- lores, verrucis thallinis elevatis singulae insidentes. Sterigmata articulata, pycnoconidia fere minima 2 3 [jl lg., 0-4 [jl lt. recta, medio constrictiuscula, spurie 1-septata.

Corticola prope Matchakos non rara.

Die Art der Verzweigung des gerippten Thallus und die damit in Verbindung stehende Verbreiterung an den Theilungs- stellen, zugleich mit der reichen Zertheilung der Nebenäste, die dem Ganzen ein von ßavicans abweichendes Gepräge verleihen, das mehr an chrysophtlialma erinnert, haben mich veranlasst, die Form, welche auch durch reiche Pycniden- bildung hervorsticht, vorläufig wenigstens als Var. .abzutrennen. Sie ist schon früher in Afrika gesammelt worden. Ich sah sie unter reichlich vorhandenem Material von flavicans im Herb, des k. k. Hofmuseums vom Gauritz-Revier in Südafrika und von Port Natal (ebenfalls mit Pycniden).

10. Parmelia pedicellata Stnr.

Forma et color thalli fere ut in P. perforata v. P. Abes- synica, quacum etiam congruit reactio thalli KHO intus et extus lutea (add. CaCl^O., intensius) et CaClgO^ nulla.

Flechten aus Britisch-Ostafrika. 21o

Pagina superior thalli cinereo glauca, opaca, primum laevis sed. tandem plus minus reticukitim rugulosa, v. dense fossulato rugosa, ubique tenuissime rimulosa. Lobi marginales adpressi, V. varie adscendentes v. erecti, ambitu parce nigro ciliati v. ciliis nullis, sorediosi v. esorediosi.

Pagina inferior centroversus nigra ad ambitum latius fusca V. decorticata alba, plus minus nitida, mox dense et acute reti- culato rugosa, rhizinis paucis v. nullis.

Apothecia urceolata varie compressa, majora 6 lOuiiu lt., margine-acuto erecto v. incurvo plus minus fisso, disco rufo- fusco, nitente jam in statu juvenili perforato, distincte pedi- cellata, podetia dense fossulato-rugosa, ut subtus etiam ex- cipulum.

Interna structura apotheciorum ut in P. Abessynica, sporae dupliciter limbatae, paullo latiores 13 19 (20) [x lg., 7 10 [jl lt. J asci coerulescunt mox fusce purpurascunt, paraphyses fere semper jam ab initio lutescunt. Pycnides atrae, sterigmata longa, ramosa, articulata, cellulis subfusiformibus longis. Pycnoconidia longa, recta v. raro leviter arcuata 15 28 [x lg., 0-6 [x lt.

Ramulicola prope Matchakos non rara.

In der Gruppe der perfor ata deutlich gekennzeichnet durch die Thallusreaction, die hohen, faltig grubigen Podetien und ganz besonders durch die langen Pycnoconiden.

11. Parmelia caperata Ach. Meth. p. 216. Linn. Sp. pl. p. 1147 sub Lichene. var. isidiopliora Stnr.

Thallus coriaceus late expansus, arcte adpressus, lobi marginales ad 3—4 min lg., 2 3 iuui lt. Color thalli pro parte magis viridis quam in caperata typica, sed medulla, pagina inferior et reactiones omnino congruunt.

Pagina superior thalli mox rugosa, centroversus crebre bullato-rugosa et praesertim in depressionibus thalli verrucis concoloribus in dactylos simplices v. divisos excrescentes dense vestita.

Planta omnino sterilis, etiam pycnides desunt.

Graniticola in reg. Athi-Plains.

Die Flechte steht kleinlappiger caperata offenbar sehr nahe; über die nähere systematische Stellung ist aber bei

216 J. Steiner,

dem vollständigen Fehlen der Apothecien und Pycniden etwas Sicheres nicht auszusagen.

12. Physcia (Sect. Dirinaria) aegialita Nyl. E. p. 43. Ach. Meth. p. 192 sub Parmelia.

Thallus esorediosus. Sporae 14 21 [x lg., 5 7 [a lt.

Pycnides non bene evolutae. Sterigmata saepius cellulis coUapsis, pycnoconidia rara 3—4 [i lg., 0-5 [x lt., recta. Ramuli- cola prope Matchakos.

Die Flechte bedeckt auch Thalluslappen der Par. pode- tiata, ohne sich in ihrem Habitus irgendwie zu ändern.

13. Pyxine Meissner! Tuck. Obs. Lieh. V, p. 400. Ramulicola, sterilis prope Matchakos.

14. Rinodina laevigata Flag. L. p. 38. Ach. Univ. p. 357. Nyl. Flora, 1878, p. 345.

Thallus tenuis depauperatus, ubi circa apothecia adest cohaerens membranaceus, hie inde levissime inaequalis, glau- cus V. sublutescens. Apothecia tenuiter thallo marginata, disco nigro, madefacto pauUo in fuscum vergente. Sporae subfusi- forme ellipticae rectae v. curvatae, minime constrictae 16 24 [j. lg., 8 11 [j. lt., mediocriter fuscae, membrana circumcirca crassa, ad centrum septi tantum tenuis. Sporoblastia parva elliptica v. subconica raro rotunda. Pycnides non adsunt.

Corticola, permodesta, hie inde dispersa, etiam in fissuris corticis prope Matchakos.

Ich sah kein Exemplar der laevigata, die vorliegende Flechte entspricht jedoch den kurzen Diagnosen. Ist sie wirk- lich die laevigata Ach., so ist diese Art nicht nur durch den Thallus, sondern mehr noch durch die oben angeführten Merk- male der Sporenhaut und die Sporenfarbe von sophodes Ach. verschieden.

15. Rinodina subcervina Stnr.

Thallus tenuis, subsquamuloso areolatus, areolis con- gestis, subrotundatis ad 0*3 0*5 mm lt., laevibus, opacis, piano convexulis, cervino v. olivaceo fuscis v. tandem pallidis.

Flechten aus Rritisch-Ostafrika. 2 1 7

statu madefacto olivaceo-virens, KHO lutescit, caeteris reagen- tiis solitis non mutatur. Apothecia parva 0-2 0-35 wm lata, orbicularia, primum immersa tandem pauUo emergentia, disco nigro, piano v. piano convexulo, optime madefacto obscure fusco, margine thallode valde tenui tandem obscurato.

Paraphyses filiformes, supra incrassatae et connatae epi- thecium obscure rufo-fuscum formant. Hypothecium tandem luteolum V. fuscescens. Hymenium circa 60 70 [i altum. Sporae octonae in ascis clavatis parvae 8 13 (jl lg., 6-5— 8-5 [x lt., late ellipticae v. ovales, obscure fuscae.

Basalticola in reg. Athi-Plains.

Im inneren Bau der Apothecien und in den Sporen ist R. subcervina nahezu identisch mit R. canella Arid. exs. 1161. Aber die Apothecien treten mehr hervor, sind in ihrer mittleren Entwicklungsphase deutlicher, wenn auch zart, gerandet, das Hypothecium wird in älteren Apothecien bräunlich, und der Thallus ist sehr verschieden. Er gleicht am ehesten dem von R. hnellioides Metzl. exs. Arid. 495, welche Art aber ganz andere Sporen besitzt. Auch sind die x'\reolen der sub- cervina mehr schuppenartig, gerundet, von weicherer Con- sistenz (Hyphengewebe des Markes locker), verfärben sich später in weisslichbraun und werden benetzt deutlich grün.

16. Rinodina basalticola Stnr.

Forma et magnitudo thalli fere ut in R. subcervina. lUe squamoso-areolatus hyphothallo obscuro parum visibili. Areo- lae confertae ad O'bnini latae, subrotundae, magis convexula quam in subcervina et aequaliter argillaceo cinereae. Thallus KHO leviter lutescit, reagentiis caeteris solitis non mutatur. Apothecia parva, primum immersa mox adpresso sedentia, rotunda 0-3 0-35 7«;« lt., singula in quavis areola, distincte a thallo marginata, margine integro discum aequante, cum thallo concolore. Discus planus, impure ater, madefactus mox dilute fuscescens. Paraphyses filiformes, tenues, connatae, minus distinctae, epithecium luteo fuscescens formant. Hypothecium incolor, gonidia sub hypothecio et in margine adsunt. Sporae octonae in ascis elliptice clavatis, ellipticae, medio tandem leviter constrictae, apicibus plus minus rotundatis, 1-septatae

218 J. Steiner,

fuscae 15 21 [x lg., 7 1 1 [x lt. Sporoblastis subrotundis v. sub- cordatis.

Hymenium J mox fuscescit, asci fusce purpurascunt. Pyc- nides punctiformes atrae, sterigmata ramosa, articulata, cellulis mediocribus. P3^cnoconidia elongata, recta 3 4 [j, lg., 1 1-2 [i lt.

Basalticola in reg. Athi-Plains.

Steht der R. trachytica Mass. Arid. exs. 493 nahe, ist aber durch den Thallus und die helleren Apothecien verschieden. R. teichophila Nyl. und teicliophiloides Nyl. haben viel grössere Apothecien und grössere Sporen.

17. Caloplaca (Sect. Amphiloma) rubelliana Flag. L. p. 33.

Ach. Univ. p. 376.

Omnino cum planta europaea congruens, thallus hie inde spurie macrior.

Basalticola in reg. Athi-Plains crebre adest.

18. Caloplaca (Sect. Eucaloplaca) cinnabarina Stnr. Ach.

Univ. p. 402.

Planta typica basalticola in reg. Athi-Plains minime rara.

19. Caloplaca (Sect. Blastenia) polioterodes Stnr.

Thallus crustaceus submediocris, diftracto-areolatus albus V. albissimus, madefactus glaucus, hyphothallo atro minus per- spicuo. Areolae ad ambitum thalli majores, planae (0*5 0-7 iniii lt.) centroversus ulterius diffractae minores, pycnidibus nigro- punctatae, v. rimis obscuris, initia novae diffractionis, nigro- sulcatae. Thallus KHO lutescit, caeterum reagentiis solitis non mutatur. Apothecia primum immersa mox sedentia, orbicularia, ad 0-4 11WI lt., disco piano, v. cinnamomeo-fusco v. obscurato, margine integro, semper nigro.

Paraphyses filiformes, tenuiores supra capitata et con- natae epithecium fuscum v. e fusco plus minus obscure viride formant, KHO impure purpurascens. Excipulum, in superiore parte gonidiis privatum, extus nigro-viride KHO non mutatur. Hypothecium incolor.

Asci lanceolati, supra incrassati ca. 46 [x lg., 21 [x lt. Sporae octonae parvulae, incolores ellipticae, placodimorphae, septo

Flechten aus Britisch-Ostafrika. 219

crasso, isthmo central! instructo, 11 13 (a lg., ß 6-5 tx lt. Hymenium J primum coerulescit mox fulvescit, asci, prae- sertim supra, fusce purpurascunt.

Pycnides parvae, atrae, plures in quavis areola, supra sub microsc. fumoso v. fusco virides. Sterigmata ramosa, articulata, pycnoconidia oblonga recta 3 4 [x lg., 0-7 ja lt. Basalticola in reg. Athi-Plains.

Die Art gehört in die Gruppe der Cal. poliotera Nyl. Flora, 1869, p. 71 und steht der albido-coerulescens Müll. F, p. 462, G, p. 366 am nächsten, ist aber durch den dickeren weissen Thallus, viel schwächeren Hyphothallus, die dunkleren Apo- thecien und das Epithecium verschieden. Von afrikanischen Flechten ist aus dieser Gruppe bisher nur Cal. poliotera vom Zambesi, leg. Menyhardt, Müll. B, p. 298 bekannt, die aber ebenso wie Cal. peragrata Krplh. weiter absteht. Lee. apo- statica ^y\. in Cromb. Prodr. Journ. Linn. Soc. XV, p. 437 hat grössere, durchaus schwarze Apothecien und grössere Sporen.

20. Acarospora tersa Stnr. Fries, Lieh. Kur. p. 118 sub Parm. chloropliana b. tersa. Nyl. Scand. p. 173 sub Lecanora Syn.: Lee. Schleicheri var. inicrocarpa Yly\. Prodr, p. 81.

Thallus tenuis ca. 0-25 mm crassus, diffracto areolatus, opacus, vitellino luteus, madefactus virens.

Areolae parvae, centroversus ad 0'3, ad ambitum v. dis- persae hie inde ad O-^mm lt., angulatae planae et laeves. Discus punctiformis v. tandem rarius ad 0-4 mm dilatatus, siccus obscurus, madefactus dilutius fuscus. Sporae 3*5 4-5 [x lg., vix 2 [x lt.

Pycnides minimae, punctiformes, obscurae, plures in qua- vis areola. Sterigmata simplicia v. subsimplicia, pycnoconidia late elliptica ca. 3 \x lg., 1-5 1-8 [x lt.

Basalticola in reg. Athi-Plains crebrius adest.

Herr Prof. Dr. Th. Fries hatte die Freundlichkeit, ein Exemplar mit den Originalen der Parm. chloropliana h. tersa Fr. zu vergleichen und fand, »dass sie ganz identisch sind, wenn man davon absieht, dass der Discus in den Originalexemplaren ein wenig heller ist«. Ich glaube nicht, dass die Form abzu-

220 J.Steiner,

trennen sei, denke aber an anderer Stelle Weiteres darüber aus- zuführen. (Comp. Klag. L., p. 53 adnot. ad Acar. chlorophanam). A. tersa zeigt nicht selten sehr deuÜich protrophisches Wachsthum, besonders auch auf Dipl. actmostomtis.

21. Maronea fuscula Stnr. Müll. Flora, 1890, p. 342 sub

Lecanora Sect. Pseudoinaronea.

Omnino cum diagnosi, 1. c. data, congruens, sed Strato sub hypothecio irregulariter rubescente nullo.

Sporae 6 8*5 [i lg., 2 3 [x lt. J paraphyses plerumque lutescunt, asci coerulescunt, at mox in fusco-purpureum mutan- tur. Thallus KHO non coloratur.

Pycnides verrucis thalli singulae insidentes, madefactae fuscescentes (ad 0"1 min lt.) apothecia juvenilia aemulantur. Sterigmata subsimplicia, ramosa, basidiis 10 13 [x lg., 2 [x lt. Pycnoconidia recta, utroque apice cuspidata 8 13 [x lg., 1 l-3|x lt.

Wenn die gefärbte Schichte, welche von Müller 1. c. hervorgehoben wird, der Flechte angehört und constant ist, dann müsste die vorliegende Form als Var. abgetrennt werden; ich sah kein Exemplar der ftisciila Müll, und habe darüber also kein Urtheil.

Die Gattung Maronea lässt sich allerdings nach den Sporen in zwei Sectionen spalten, aber der Angliederung der- selben einerseits an Lecanora, anderseits an Lecania (vide Müller, Flora, 1888, p. 203) könnte ich nicht beistimmen. Soll Maronea nicht als eigene Gattung betrachtet werden, so müssen ihre Sectionen mit Acarospora vereinigt werden, wie es schon Stitzenberger, /, p. 169 that.

22. Lecanora cinereo-carnea Wain. Et. I, p. 80. Eschw.

in Mart. Fl. Brasil, p. 187. Exs. Loyka Univ. n. 84.

Corticola prope Matchakos.

23. Lecanora rubiniza Stnr.

Thallus tenuis, cinereus, determinatus, zona nigra nulla, verrucoso-inaequalis, caeterum laevis. Apothecia e verrucis emergenüa mox sedentia, rotunda, diam. 0-6 mm attingentia

Flechten aus Britisch-Ostafrika. 22 1

V. minora, margine thallino submediocri persistente, primiim integro, sed mox verruculoso. Discus planus v. tandem plano- concavus, saturate fusco rubinus, serius centroversus leviter albo-pruinosulus. Hymenium ca. 60 [x altum, minime inspersum. Paraphyses filiformes, tenuiores, conglutinatae, supra modice incrassatae epithecium luteo v. rubro rufum formant. Sporae octonae in ascis clavatis, incolores simplices, late ovoideae 10 14 [X lg., 6"5 7'5|x lt. Discus et epithecium nee KHO nee CaClaOg aliter colorantur. Hymenium J primum coerulescit mox fusco-virose rubet. Thallus KHO lutescit, reagentiis cae- teris solitis non mutatur. Pycnides non adsunt.

Ramulicola in reg. Athi-Plains rara.

Die i\rt hat ausser dem deutlich in rubinroth geneigten Discus der ziemlich kleinen Apothecien und dessen eigen- thümlicher, schwacher Bereifung kein hervorragendes Merk- mal, es ist mehr das Zusammentreffen der angegebenen Eigen- thümlichkeiten, welches sie, soweit ich zu finden vermag, mit keiner anderen vereinigen lässt. Am nächsten steht sie wohl der Lcc. aiigiilosa Schreb.

24. Lecanora sabulosa Stnr.

Thallus tenuis stramineo v. sulphureo virens, minutissime sed distincte conferte granulosus, granulis rotundis ca. O'l mtn lt., hyphothallo colorato nuUo.

Apothecia mox adpresso sedentia tenuia, rotunda 0-5 usque 0'8 [x lt., disco persistenter piano, mudo, e pallide fusce- scente tandem rufulo fuscescente, margine mediocri, thallo con- colore, persistente, primum pulvereo integro, tandem optime verruculoso, discum parum superante.

Paraphyses filiformes, tenues, rarius ramosae, connatae, supra leviter incrassatae epithecium lutescens formant. Hyme- nium et hypothecium incoloria, minime inspersa. Sporae octo- nae in ascis clavatis, simplices, incolores late ovoideae rarius ellipticae 10 13 [jl lg., 6 9 [j. lt.

J paraphyses mox lutescunt, asci post coerulescentiam fugacem fusce purpurascunt. Epithecium KHO non mutatur. Thallus CaClgOo aurantiace rubescit.

Pycnides non adsunt.

222 J. Steiner,

Corticola prope Matchakos.

Die zierliche Flechte bildet kleine Inselchen zwischen anderen Lagern und gleicht im Habitus, besonders so lange sie noch im jugendlichen Zustande kleinere, helle Apothecien besitzt, der Lee. paUide-flava Fee K. p. 118 et tab. XXIX, fig. 2, unterscheidet sich von ihr aber schon durch die Sporenform und die Thallusreaction. Von Lee. flavido-pallens Nyl. Flora, 1876, p. 510 ist sie durch die Form des Thallus und das körnerlose Hymenium und Epithecium und von expaUens Ach. Univ. p. 347 durch den Thallus, die Apothecienform und die Sporen verschieden. Die älteren Apothecien gleichen im Habitus denen der Lee. snlwarians Nyl. in Norrl. exs. Fenn. n. 287.

25. Bacidia submillegrana Stnr.

Thallus tenissimus, vix perspicuus. Apothecia extus et intus omnino iis B. areeiitinae similes, hypothecium aeque luteolum et epithecium fuscum sed sporae diversae. Sporae octonae in asco incolores, aciculares, stricto rectae v. raro leviter arcuatae, 8 10 loculares 40 65 [x lg., 2*5 3 [x lt. pro maxima parte altero apice crassiores, altero longe acutae.

Hymenium J dilutius coerulescit mox fusco-vinose decolo- ratur.

Corticola prope Matchakos.

Wie oben hervorgehoben, gleicht die Flechte im Thallus, in der Form und Farbe der Apothecien und deren innerem Bau der B. areeiitina, die Sporen sind aber constant dicker, deut- licher getheilt und mehr gestreckt. Eben durch die Sporen kommt die Art der B. millegrana (Tayl. in Hook. Journ. Bot. 1847, p. 159) und der spirospora Kn. (letzterer auch durch die Farbe Epithecium und Hypothecium ganz ähnlich) näher, hat aber di^innere Sporen und verschiedenen Thallus.

26. Lecidea (Sect. Biatora) russula Ach. Meth. p. 61.

Ramulicola prope Matchakos rara.

Lee. eiiinahariua Sommerf. ist von riissuJa wohl nicht als Art zu trennen.

Flechten aus Britisch-OstatVika. 223

27. Lecidea Angolensis Müll. Linnaea, Bd. 43 (neue Folge, 9), p. 35, \'ar. oricntalis Stnr.

Omnia ut in typica L. Augoicusi, sed thallus di.stinctius rimoso areolatu.s et zona nigra numquam circumdatLi.s. Apo- thecia ad 0-3 raro 0-4: nun lata et sporae paullo majores et latiores 9 13 [x lg., 5 6-5 [i lt. (in Angoleiisi 8 11 (x lg., 4-5 [X lt.), Hymenium J primum intense coerulescit mox in fusco purpureum v. impure vinosum decoloratur. Epithecium KHO non mutatur, HNO3 roseo rubet.

Pycnides punctiforme.s atrae, plures in quavis areola, supra aeque ac epithecium coloratae (i. e. e fusco plus minus intense coeruleo virens). Sterigmata simplicia parva, supra vix cras- siores quam pycnoconidia. Haec bacillaria recta 8 10-5 [ji, lg., 0-5 [x lt.

Ausser in den angeRihrten Merkmalen vollständig mit einem Originalexemplar der Angolensis von Lydenburg leg. Wilms (Herb. k. k. Hofmuseum) übereinstimmend. Leider fand ich an diesem keine Pycniden, so dass die Frage nach deren Übereinstimmung offen bleibt. Fraglich ist auch, ob Lee. Ango- lensis nicht richtiger zur Sect. Aspicilia der Gattung Lecmiora gestellt würde.

28. Lecidea glauco-nigra Stnr.

Thallus crustaceus, submediocris, determinatus, hypho- thallo obscuriore nullo, rimoso v. tandem diffracte areolatus laevis, albo-glaucus, madefactus subvirens KHO viride lute- scens, J fulvescens, CaClgO^ non mutatus. Areolae ad 0*5 mm lt., irregulariter subconcavae, rotundato angulatae v. subsqua- mosae.

Apothecia semper atra subnitida, primum immersa, deinde paullo emergentia, plana, tenuia, süborbicularia ad 1 mm lt., solitaria v. nonnulla congesta, madefacta subconvexula ad ambitum extenuata, semper immarginata et intus obscura.

Paraphyses crassiores filiformes, connatae, supra paullo incrassatae et conglutinatae epithecium varie obscuratum, sem- per in viride vergens, formant. Hypothecium centroversus in

224 J. Steiner,

superiore parte, ad ambitum totiim plus minus umbrino fusce- scens, tandem etiam hymenium umbrino-sordidum. Asci sub- elliptici V. clavati, supra modice incrassati ad 55 [x lg., 17 [j. lt. Sporae octonae, incolores, simplices, late ellipticae v. sub- rotundae 8 11 [j. lg., 6 8-5[a lt. J hymenium e coeruleo mox fusco-vinose rubet. KHO epithecium non mutatur, hypo- thecium et hymenium, quoad colorata, distinctius sordide vio- lascunt. HNO3 epithecium impure roseo rubet.

Pycnides non vidi.

Basalticola in reg. Athi-Plains exemplar unicum.

Soviel aus dem kleinen Exemplar, das zwischen L. Aiigo- lensis und Dipl. actinostomus eingekeilt ist, entnommen werden kann, eine auffallende Art, welche durch die Form der Apo- thecien, das Hypothecium und die kleinen, breiten Sporen gekennzeichnet ist.

Die Apothecien gleichen in ihrem Habitus denen einiger Formen der Lee. atra mit kleinen eingesenkten Apothecien, z. B. der Lee. atra v. grumosa Pers. oder der afrikanischen Lee. atroviolaeea Flot., aber ihr innerer Bau ist ein anderer, und ich halte sie nicht für lecanorin, vermuthe vielmehr, dass ein Syntroph auf Dipl. aetinostomns v. aeneus Müll, (graue Form) vorliegt.

29. Lecidea trachytica iMüll. Engl. bot. Jahrb. 15. Bd. 1893, p. 519.

Non omnino cum diagnosi, 1. c. data, congruens. Thallus non disperse, sed congeste diffracto-areolatus, apothecia non crassiuscula, sed magis tenuia et hypothecium mox lutescens V. ochraceo-lutescens (KHO adh. intensius). Thallus KHO lute- scit V. intus etiam aurantiate lutescit. Pycnides non vidi.

Basalticola in reg. Athi-Plains exemplar unicum.

Die Flechte unterscheidet sich von Lee. latypea wohl nur durch die mehr verleimten Paraphysen und den Thallus, der recht auffallend an den von Calopl. polioterodes erinnert. Gerade hierin stimmt sie aber mit Lee. traehytiea Müll, überein. Aus- geschlossen ist nicht, dass sie als ein Syntroph auf Cal. polio- terodes anzusehen ist.

Flechten aus Britisch- OstatVika. 225

30. Lecidea viridans Flot. Flora, 1828, p. 697 var. nigrclla

Massal. .1/ (Separ. p. 39).

Omnia, etiam sporae et reactio jodina, ut in planta euro- paea, sed hyphothallus obscurus (statu madefacto distinctius) adest et thallus CaCl^O., non v. spurie tantum coloratur.

Basalticola in reg. Athi-Plains rara.

Das Epithecium wechselt von braun in rauchfarben grün, das Hypothecium ist farblos, wird aber später gelblich, die Sporen variiren überall von 8 12 (rar. 13) [x lg., 5 7 [i lt. (mit Alkalien behandelt, nahezu kugelig), die Paraphysen sind immer geknöpft und in der Jugend frei (die Abbildung in Mass. 1. c, tab. VI, fig. 24 entspricht in dieser Beziehung der Beschreibung wenig). Ich sah die Flechte vom Cap nicht, finde aber keinen hinreichenden Grund zur specifischen Trennung derselben von viridans.

31. Buellia disciformis Br. et Rostr. Lieh. Dan. p. 11 1. Fr. in Aloug. Et. Vog. n. 745 (sie. Th. Er. Scand. p. 590) sub Lecidea.

var. pachyspora Stnr.

Sporae 24— 34 [x lg., 12 16 [x lt., membrana ad septum praesertim incrassata saepe isthmo praedita. Apothecia ad 0-7 min lata, plana, nuda, primum crassius marginata. Thallus KHO lutescit.

Ramulicola prope Matchakos.

Durch die grossen, constant breiten Sporen ausgezeichnet, im Habitus vollständig einer Bnell. disciformis mit kleineren Apothecien (0-5 0-7 mm lt.) gleichend.

32. Buellia stellulata Br. et Rostr. Lieh. Dan. p. 111. Tayl.

in Mack. Fl. Hibern. IV, p. 1 18 sub Lecidea.

Sporae parvae, late ellipticae 8*5 13 [x lg., 5 7 [x lt. Hymenium J e coeruleo mox fusco^-vinose tingitur, ascis prae- sertim coloratis, paraphysibus magis fulvescentibus.

P^^cnides punctiformes atrae, supra aeque ac epithecium coloratae. Sterigmata simplicia v. pauce articulata, tenuiora, pycnoconidia bacilliformia recta 4—5 [x lg., 0-5 [x lt.

Basalticola in reg. Athi-Plains, non raro protrophica.

226 J. Steiner,

Vaw protothallina Kremplh. Flora, 1876, p. 267.

Hyphothallo nigro praedominante, thallus KHO ut in specie plus minus lutescens.

Graniticola in reg. Athi-Plains crebre adest, insulas parvas inter Calopl. ciiinahariuani formans.

33. Buellia italica Garov. Delect. II, p. 21.

Planta normalis, areolis bene diffractis, basalticola in reg. Alhi-Plains exemplar unicum.

Var. Recnbariana Mass. in Sched. crit. p. 163 et exs. n. 302.

Thallus minus distincte areolatus. Basalticola in reg. Athi-Plains.

34. Rhizocarpon viridiatrum Flk. sec. Kerb. Syst. p. 262.

Medulla J fulvescit. Sporae 16—21 [x lg., 9 11 [x lt., 1 3 Sept., cellulis hinc inde iterum divisis. Planta modesta, areolis dissipatis v. nonnullis congestis, hyphothallo obscuro nullo.

Basalticola inter alios lichenes rara in reg. Athi-Plains.

35. Microphyale rufula Stnr.

Thallus tenuissimus, farinosus, albus, insulas parvas in- determinatas forraans, gonidia chroolepea majora. Apothecia orbicularia ad 0-8 mm lata v. minora, subcrassa mox adpresso sedentia. Discus primum punctiformis tandem ad 0*45 mm dilatatus, planus v. subplanus, rufus, nudus. Excipulum pro- prium marginem crassum, dilutiorem v. disco concolorem for- mat, extus v. nudum v. diu thallo leviter albo-pruinosum.

Paraphyses filiformes, subconnatae epithecium luteo-rufu- lum formant. Asci elongati 64 [x lg., 8 11 [x lt., leptodermei.

Sporae octonae, oblonge subfusiformes, hyalinae, 1-sep- tatae 14 17 [x lg., 3-5— 4-5 jx lt.

Hymenium J primum coerulescit mox obscure vinose fuscescit. KHO nee epithecium nee excipulum aliter colorat.

Corticola prope Matchakos.

Nicht selten und hervorragend von den anderen Arten der Gattung verschieden, aber unscheinbar, da immer nur kleine

Flechten aus Britisch-Ostafrika. 227

Inselchen mit wenigen Apothecien, zwischen anderen Flechten zerstreut, vorhanden sind.

Die Gattung Biatorinopsis Müller in Flora, 1881, p. 102 ist viel jüngeren Datums, als die auf dieselbe Micr. lutea gegründete Section Microphyale Stitzenb. /, p. 159.

MicropJiyale ist von SccoUga nur durch die 1-septirten Sporen verschieden; die thallodische Bereifung des Excipulums wechselt in demselben Exemplar.

36. Diploschistes actinostomus Zahlbr. Hedwig, 1892, p. 34.

Var. acnens Müll. Rev. mycol. 1888, p. 64.

Thallus fuscescens madefactus in olivaceum vergens v. decineratus, caesio-plumbeus laevis. Apothecia saepius in fuscum vergentia. Pycnides hie inde numerosae. Sterigmata tenuia, simplicia v. uno alterove septo v. rubramosa. Pycno- conidia recta 4 6*5 [x lg., 0-5 1 \x lt. Medulla CaClgO^ roseo rubet, J fulvescit tantum.

Basalticola et graniticola in reg. Athi-Plains planta vul- garis et late expansa.

Sticht von den übrigen Basaltflechten, die durchaus kleine und kleinste Inselchen bilden, durch das zusammenhängende, ausgebreitete Lager ab.

Formen mit deutlich braunem und weisslichgrauem oder graulich bleifarbigem Thallus kommen, zusammen mit Über- gängen, gleich häufig vor, so dass ich eine Trennung nicht für gerechtfertigt halte. Von caesioplimtbea Nyl. unterscheiden sich auch die grauen Formen durch die J-Reaction.

37. Pertusaria leioplaca Schär. Spie. p. 66. Ach. Vet. Ak. Handl. 1809, p. 159. Var. octospova Nyl. Scand. p. 182.

Corticola prope Matchakos.

38. Pertusaria sulphureo-nitens Stnr.

Thallus normaliter sulphureus hie inde decineratus, cru- staceus determinatus, zona obscura nulla, primum continuus tenuis, laevis, mox rimulosus et incrassatus (ad 0'5 mm v. paullo ultra), crebre verruculosus, plus minus nitens, hie inde

Sitzb. d. mathem.-naturw. CL; GVL Bd., Abth. I. 16

228 J. Steiner,

cephalodiis hemiglobosis, plus minus confluentibus cerino- fusculis obtectus.

Verrucae fertiles p. m. minimae (0-25 0'3ö inin), nee altiores nee majores quam steriles, solitariae v. plures varie eongestae, minime eonfluentes. Theeium singulum in quavis verruea ineolor, ostiolo punetiformi, thallum aequante non impresso, tandem denigrato.

Asei subeylindrici. Sporae 6—8 in asco, elliptieae v. altero apice irregulariter angustatae, paehydermeae, membrana nee rugosa nee eostata, sed strata 2—3 monstrante, 44 82 [i lg., 20—25 [j. lt.

J solum asei primum eoeruleseunt, mox fusee purpu- rascunt. Thallus nee CaCl^O^ nee J coloratur, KHO adhibito luteseit, addito CaCl^Og plus minus distinete aurantiace rubet.

Pycnides non vidi.

Cortieola prope Matehakos non rara.

Im Habitus steht die Art, flüehtig angesehen, der xantho- tlielia Müll. Flora, 1890, p. 343 am nächsten, welche dieselbe Farbe besitzt und deren zahh'eiche Stromata etwa dieselbe Höhe erreichen, wie hier der Thallus. Aber xanthothelia hat deutlich abgegrenzte, wenn auch wenig regelmässige Stromata. Solche sind bei snlphiireo-nitens auch nicht andeutungsweise vorhanden. Jedes Theeium besitzt seine eigene, allerdings sehr kleine Thalluswarze. Diese Wärzchen stehen oft ganz ver- einzelt, oft rijcken sie in lockere Reihen oder Gruppen zu- sammen, aber bleiben immer von einander getrennt.

Caeterum Pertnsaria quaedam granitieola non raro adest, sed sterilis.

Thallus saxum late obdueens, tenuis v. submedioeris, dilute argillaceo lutescens, habitu molli, conferte granulosus v. cerebrino granulosus, soralibus albis primum subrotundis (non marginatis) mox irregulariter confluentibus non raro tectus. Pycnides crebrae, luteo-roseolae, compositae, sorediose tectae v. coronatae. Sterigmata subsimplieia, ramosa, breviora, sterilibus elongatis ramosissimis immixtis. Pyenoconidia reeta 4 5 [X lg., 0-5 [X lt. Thallus nee CaCl^Oo nee J coloratur, KHO intense luteseit v. in aurantiacum vertitur. Dieatur Perfiis. granitieola Stnr.

Flechten aus Britisch-Ostafrika. 229

39. Graphis (Sect. Eugraphis) diaphoroides Müll. Flora, 1886, p. 319. Exs. Loyka Univ. n. 91.

Hymenium oleoso guttatum. Sporae subfusiformes altero apice acutatae, altero minus acuto v. saepe rotundato, 8 9 septatae, 22 36 jx lg., 7-5 9-5 |x lt. Hymenium J lutescit v. aurantiate lutescit, sporae v. optime coerulescunt v. fulvescunt.

Supra corticem prope Matchakos rara.

In den angeführten Merkmalen stimmt die Flechte voll- ständig mit Loyka n. 91 überein, weniger mit der Diagnose Müller's 1. c, wo die Sporen als 20— 25 [i lg. und 8-locular bezeichnet werden. In dem von Loyka ausgegebenen Exem- plar erreichen sie ausnahmsweise auch die Länge von 40 [i.

40. Graphina (Sect. Eugraphina) heterospora Stnr.

Thallu!;, cinereo-albus, tenuis, cohaerens, subfarinosus. Gonidia chroolepea, cellulis subrotundis magnis. Lirellae 0*8 usque \- 25 111111 Ig., 0"2 Q)- 2b nun lt., subrectae v. curvatae saepius uno ramo tricuspidatae, apicibus acutis v. obtusis. Excipulum laterale nigrum, laeve, non sulcatum, subtus invo- lucro thallode, a thallo rima segregato, plus minus obductum V. tandem omnino nudum.

Discus anguste rimosus (madefactus dilatatus), levissime pruinosus v. nudus. Excipulum dimidiatuni, hypothecium in- color. Paraphyses filiformes, minus stipatae, hie inde pauce ramosae, supra leviter sensim incrassatae epithecium fusce- scens, aeque ac hymenium minime inspersum formant. Asci elongato-elliptici, stipitati. Sporae incolores v. singulae in asco magnae 90 110 »x lg., 21 32 [j, jt., c^dindrice elongatae, rectae v. leviter curvatae, septis 12, sed 4 6 medianis iterum septatis, fere aequaliter 3 divisis, ad septa leviter constrictae; vel binae minores, elongatae 60 68 p. lg., 16 18 |x lt., minus septatae, vel etiam altera magna, altera parva, omnia in eodem apo- thecio. J Hymenium fulvescit, membrana sporarum adultiorum partim tantum rubro-violascit.

Pycnides non adsunt.

Corticola prope Matchakos exemplar unicum.

16*

230 J. Steiner,

In der Tracht an Graph, sophistica Nyl., in der Sporn- form an mehrere Arten der Sect. AulacograpMua erinnernd, aber, soweit ich zu finden vermag, von allen verschieden.

41. Opegrapha viridulata Stnr.

Thallus tenuissimus cinereus circa apothecia hie inde per- spicLius, gonidia chroolepea. Lirellae plus minus insulatim con- gestae, parvae, nigrae, nudae, v. rotundato ellipticae v. oblon- gatae 0*2 Ob mm lg., O"! v. paullo ultra lt., adpresso sedentes, truncatulae. Discus impressus, primum irregulariter puncti- formis, deinde rimaeformis. Excipulum integrum. Paraph3^ses distinctae, omnino irreguläres, undulato retiformes, caeterum hyalinae epithecium fuscum formant. Hypothecium fusco- v. fumoso-viride, supra impure coeruleo viride. Asci elliptici ca. 66 [}. lg., 21 jj. lt., circumcirca subpachydermei. Sporae octonae, semper incolores, elongato-fusiformes, primum 1 sept., deinde 5 7 sept. cellulis aequaliter longis, medianis subquadratis, 26 30[JL lg., 6 6-5 [X lt. Hymenium J e fulvescente sanguineo rubet, KHO epithecium paullo in rubrum vertit, hypothecium non mutat. HNO3 hypothecium fulvescit.

Corticola prope Matchakos exem.plar ünicum.

Die unscheinbare Flechte gehört in die Gruppe der Op. varia und steht sehr kleinfrüchtigen Formen der v. pnlicaris in der äusseren Form und dem inneren Bau der Apothecien, besonders auch in der Spornform nahe, ist aber durch die Farbe des Hypothecium constant verschieden.

42. Arthonia (Sect. Conioloma) gregaria Krb. Syst. Lieh.

p. 291. Weig. Obs. bot. p. 43, tab. II, fig. 10 (sec. Almq.

Arth.- p. 20).

Syn.: Coniocarpoii cinnabarinuin D. C. Fl. Franc. II, p. 323.

Var. obsciwa Schär, exs. n. 649.

Ramulicola prope Matchakos.

Sporae 18 24 [t. lg., 8 9*5 [x lt., 4 5 loculares. Asc 45 60 \i. lg., 20 28 |j. lt. Sporen und Asci um etwas Weniges srrösser als in Schär, n. 649.

\

Flechten aus Britisch-OstatVika. 231

43. Arthonia (Sect. Naevia) ilieinodes Stnr.

Thalkis endophloeodes epidermidem solvens maculas alhi- das laevigatas format, effusas v. zona nigra circumdatas.

Apothecia anguloso-rotunda, v. plus minus rectangulariter irregularia v. paullo elongata, plana statu sicco vix thallum superantia, impure atra, i. e. leviter epidermide conspurcata, statu madefacto nigra et emergentia, ad 0-5 mm lt., vel O-'önini lg. et 0-2Ö tnin lt. Paraphyses hyalinae, irreguläres epithecium fusce olivaceum granulosum formant. Hypothecium minus distinctum, incolor. Asci subpyriformes 46 50 [x lg., 26 30 (j- lt. Sporae 6 (8) in asco, semper incolores, elongato et supra rotundato cuneiformes, altero apice acutatae, rectae v. arcuatae, 7 8 septatae, cellula extrema latiore et multo longiore, cellulis caeteris sublentiformibus, 22 30 [jl lg., 8 9-5 [x lt. Hymenium J partim coerulescit, partim fuscescit (minime vinose ruhet), asci vix spurie colorati. KHO epithecium non mutat.

Corticola prope Matchakos.

Die Art steht zwischen der Gruppe der complanata Fee und der ilicina Tayl, kommt im inneren Fruchthau und den Sporen letzterer näher, unterscheidet sich aber durch die Apo- thecien und schlankere, etwas mehr getheilte Sporen. Von ili- cinella Nyl. weicht sie ausserdem durch die J-Reaction des Hymeniums ab.

44. Celidium bacidiosporum Stnr.

Planta syntrophica. Apothecia mox adpresso sedentia, mediocriter conv^exa, immarginata, sicca et madefacta pure nigra, opaca ad 0-5 min lata. Thallus alienus sub centrali parte hypothecii distincte incrassatus (sed minus quam in C. stictai'itm) et luteo fuscescens.

Paraphyses distinctae solubiles, ramosae et irreguläres, supra connatae tegumentum nigro chalybaeum, plus minus in violaceum vergens, formant. Hypothecium nigrescens, supra sensim dilutius chalybaeo-violaceum. Hymenium vitreum, pel- lucidum. Asci clavati v. elliptice clavati, supra incrassati, sub- pedicellati ad 56 [x lg., 16 22 [x lt. facile secedentes. Sporae

232 J.Steiner,

(3 8 in asco, subaciculare elongatae vel apicibus acutatis V. altero rotundato, rectae v. leviter arcuatae, semper incolores 22 34 jx lg., 4 5 [X lt., aequaliter 3-septatae.

Hymenium J sanguineo, asci vinose rubent. KHO omnia intense virescunt (ut in C. stictaviun), HNO3 impure lateritio rubent.

Supra thallum et podetia Parm. pedicUatae.

Die Apothecien bevorzugen die Gruben zwischen den Falten des Thallus und der Podetien der Parmelia. Von den Celidien mit grösseren Apothecien schon durch das Hypo- thecium und Epithecium, besonders aber durch die Sporen verschieden. Diese liegen zu 3 4 in zwei, theilweise durch- einandergeschobenen Reihen, sind im Ascus gewöhnlich ge- streckt, ausserhalb desselben gerade oder leicht gebogen, wurden aber auch einigemale im Ascus zusammengedreht gefunden.

45. Cyrtidula stigmatophora Stnr.

Thallus endophloeodes maculas pallidas, immarginatas format. Gonidia palmellacea hyphis irretita adsunt, sed etiam festigia sclerogonidiorum decolorata et partim coUapsa.

Apothecia elliptica v. acute elliptica, convexula sicca et madefacta atra, immarginata 0-3 0-4 umi longa, aequaliter super thallum dispersa. Cyrtidium obscure fuscum, irreguläre, lacunis 5 7 jam sub lente optime perspicuis, subrotundis saepe subtriseriatis.

Paraphyses irreguläres, hyalinae v. tandem leviter fusci- dulae cum peridio cohaerentes.

Asci subpyriformes, elliptici v. plus minus lanceolati 40 50 [X lg., 18 23 |j. lt., supra parum incrassati. Sporae 8 in asco, semper incolores, elongatae apicibus rotundatis, altero apice saepius paullo crassiore, aequaliter 3 (raro 4) septatae, halonc circumdatae 15 22 [x lg., 6 ß'ö [x lt.

Hymenium J lutescit v. fulvescit, peridium KHO dilutius rufescit.

Corticola prope Matchakos.

Von den übrigen Arten der Gattung, welche vierzellige Sporen besitzen, durch die Apothecien, die vollständig färb-

Flechten aus Britisch-Ostafrika. 233

losen und daher sehr auffallenden Lacunen und die grossen Sporen verschieden.

46. Verrucula glaucina Stnr. Ach. Univ. p. 675 sub Verni- caria. f. griseo atra Krplh. Lieh. Bay. p. 234.

Caeterum cum planta t3^pica omnino congruens, sed sporae paullo latiores 14—20 jx lg., 7—9 \i lt.

Crebre adest basalticola et graniticola in reg. Athi-Plains.

Die Exemplare auf Granit zeigen die Umwandlung des Thallus von BiielL stellnlata Tayl. auf das deutlichste.

47. Lepra citrina Schär. Spie. p. 2.

Corticola, praesertim super thallum Cyrt. stigmatophorae prope Matchakos.

234 J. Steiner, Flechten aus Britisch-Ostafrika.

Benützte Abkürzungen.

A. Hist. nat. du Canaries par Bacher Webb. et Berthelot.

III. PL cellul. auct. C. Montagne. Paris, 1840.

B. Müller, Liehen. Zambesici in Verhandl. der zool. -bot. Gesell-

schaft. Wien, 1893, Bd. 43.

C. Stirton, On the genus Usnea etc. in Scott. Natural. 1881,

p. 99 und p. 292.

D. Nylander, Recognit. Monogr. Ramalinarum in Bull, de la

Soc. Linn. de Normandie. II. ser. t. 4.

E. Nylander, Exposit. Lieh. Nov. Caled. in Annal. Sc. nat.

Bot. 4. ser. t. 12, 1859.

F. Proced. Royal. Soc. of Edinb. XI (1882).

G. Botany of. Socot.: Müller, Eichenes in Transact. of the

Roy. Soc. of Edinb. Vol. XXXI, 1888, p. 343 e. f H. Normann, Conatus praemiss. in Magazin for Naturviden-

skaberne. VII. B. 3. R. /. Stitzenb erger, Beitr. zur Flechtensystematik in Bericht

der St. Gallischen naturvviss. Gesellschaft. Vereinsjahr

1861, St. Gallen, 1862. K. Fee, Essai sur 1. Crypt. des ecorces exot. offic. Paris, 1824.

Supplementum ä 1' Essai etc. 1837. L. Flagey, Catalogue des Lichens de l'Algerie. Algier, 1896. M. Massalongo, Lieh. Capens. in Memorie dell'Istit. Venet.

di scienze lett. ed arti, 1861. A^. Crombie, A Monograph of Lichens found in Brit. I.,

London, 1894.

235

XIII. SITZUNG VOM 13. MAI 1897.

Erschienen: Sitzungsberichte, Bd. 106, Abth. II. b, Heft I-III (Jänner bis März 1897).

Se. Excellenz der Herr Minister für Cultus und Unterricht setzt die Akademie mit Note vom 7. d. M. in Kennt- niss, dass zu Folge mitgetheilter Allerhöchster Entschliessung Seine kaiserliche und königliche Apostolische Majestät huldvollst geruhen werden, bei der am 30. Mai d. J. stattfindenden feierlichen Sitzung der kaiserl. Akademie der Wissenschaften Allerhöchst zu erscheinen.

Se. Excellenz der Herr Curator-Stellvertreter der kaiserlichen Akademie übermittelt ein Exemplar der Regierungs- vorlage des Staatsvoranschlages für das Jahr 1897, Capitel IX »Ministerium für Cultus und Unterricht« A, B, C, sowie des Finanzgesetzes für das Jahr 1897 vom 15. Jänner 1. J., mit dem Beifügen, dass die ordentlichen und die ausserordentlichen Ausgaben der kaiserl. Akademie der Wissenschaften unver- ändert nach der Regierungsvorlage des Staatsvoranschlages genehmigt worden sind.

Das w. M. Herr Prof. Franz Exner überreicht eine in seinem Institute ausgeführte Arbeit des Herrn L. Kann: »Über die innere Reibung des Brom und deren A n d e r u n g mit der T e m p e r a t u r. «

Ferner legt Herr Prof. Exner die VIII. Mittheilung der von ihm in Gemeinschaft mit Herrn- E. Haschek ausgeführten »Untersuchungen über die ultravioletten F'unken- spectra der Elemente« \'or.

236

i

XIV. SITZUNG VOM 20. MAI 1897

Der Vorsitzende gibt Nachricht von dem erfolgten Ableben des ausländischen correspondirenden Mitgliedes dieser Classe Herrn Alfred Des Cloizeaux, Mitgliedes des Institut de France in Paris.

Die anwesenden Mitglieder geben ihrem Beileide durch Erheben von den Sitzen Ausdruck.

Das c. M. Herr Hofrath Prof. A. Bauer übersendet eine Arbeit aus dem Laboratorium für allgemeine Chemie an der k. k. technischen Hochschule in Wien von Max Bamberger und Fritz Bock: »Über Nitroverbindungen des Anthra- gallols<'.

Herr Prof. Dr. 0. Tumlirz an der k. k. Universität in Czernovvitz übersendet eine Abhandlung, betitelt: »Die speci- fische Wärme des Wasserdampfes bei constantem Druck«.

Herr V. Grünberg in Wien übersendet ein versiegeltes Schreiben behufs Wahrung der Priorität, mit der Aufschrift: »Hypothese zur Thermodynamik«.

Das w. M. Herr Regierungsrath Prof. F. Mertens über- reicht folgende zwei Abhandlungen:

1. »Über einen asymptotischen Ausdruck«.

2. »Über einen algebraischen Satz«.

Ferner überreicht Herr Regierungsrath Mertens eine Ab- handlung von Dr. Konrad Z in dl er, Docent an der k. k. techni- schen Hochschule in Wien: »Über die Differentiation mehrfacher Integrale nach einem Parameter, von dem auch die Grenzen abhängen«.

237

Das w. M. Herr Hofrath Director A. Kern er Ritter V. Marilaun überreicht eine Abhandlung von Dr. Ärpäd V. Degen in Budapest und Ignaz Dörfler in Wien, betitelt: »Beitrag zur Flora Albaniens und Alacedoniens. Er- gebnisse einer von J. Dörfler im Jahre 1893 unternommenen Reise.»

Das \v. M. Herr Hofrath Director F. Stein da ebner i^iber- reicht eine für die Denkschriften bestimmte Abhandlung, betitelt: »Bericht über d i e v o n D r. E s c h e r i c h i n d e r U m g e b u n g von A n g o r a gesammelten Fische und Reptilien«.

Hierauf begrüsst der Vorsitzende, die anwesenden Mit- glieder der ärztlichen Expedition nach Bombay, Doctoren F. Müller, H. Albrecht, A. Ghon und R. Pöch zu ihrer glücklichen Rückkehr und spricht denselben den Dank aus für die erfolgreiche Thäügkeit bei dieser schwierigen Mission.

Herr Dr. Alb recht dankt im Namen der Mitglieder der Expedition für die von der kaiserlichen Akademie aufge- wendeten reichlichen Mittel, wodurch ihnen die Gelegenheit ermöglicht wurde, ihre Kräfte für eine so wichtige Arbeit ein- zusetzen, und erstattet einen vorläufigen Bericht über diese Expedition.

SITZUNGSBERICHTE

KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

MATHEMATISCH -NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.

GVL BAND. VI. HEFT.

ABTHEILUNG I.

ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE,

KRYSTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE,

PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE, ERDBEBEN UND REISEN.

239

XV. SITZUNG VOM 3. JUNI 1897.

Der Secretär verliest die aus Anlass der fünfzigjährigen Jubelfeier der Akademie eingelaufenen schriftlichen Glück- wünsche und Telegramme des Präsidiums der Böhmischen Kaiser Franz Josef-Akademie der Wissenschaften und Kunst, des Marine -Commandanten und Chefs der Marine -Section des k. u. k. Reichs -Kriegs -Ministeriums Admiral Freiherrn Daublebsky v. Sterneck, des Directors der k. k. Geo- logischen Reichsanstalt Hofrathes Dr. Stäche, des Präsidenten der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, ferner des Commandanten S. M. Schiffes »Pola« k. u. k. Linienschiffs- Capitäns v. Pott und des Mitgliedes des wissenschaftlichen Stabes für oceanographische Forschungen k. k. Regierungs- rathes Prof. Luksch in Fiume.

Das k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht setzt die kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Kenntniss, dass dieselbe laut einer diesem Ministerium im Wege des k. und k. Ministeriums des Äussern zugekommenen Mittheilung der kaiserl. russischen Botschaft zur Theilnahme an dem in der zweiten Hälfte August d. J. in St. Petersburg stattfindenden internationalen Geologen-Congress eingeladen wird.

Das w. M. Herr Prof. Sigm. Exner legt eine Abhandlung von Dr. L. Rethi vor, die im physiologischen Institute der Wiener Universität ausgeführt wurde und den Titel trägt: »Die Stimmbandspannung, experimentell geprüft«.

240

XVI. SITZUNG VOM 18. JUNI 1897.

Erschienen: Sitzungsberichte, Bd. 106, Abth. IL a., Heft I II (Jänner bis Februar 1897); Monatshefte für Chemie, Bd. 18, Heft IV (April 1897).

Das c. M. Herr Prof. O. Stolz in Innsbruck übersendet eine Abhandlung unter dem Titel: »Zwei Grenzwerthe, von welchen das obere Integral ein besonderer Fall ist«.

Der Secretär legt folgende eingesendete Abhandlungen vor:

1. »Über räumliche Pon celet'sche Polj^gone« und

2. »Bemerkungen über symmetrische Correspon- denzen ungeraden Grades«, beide Arbeiten von Prof. Dr. Gustav Kohn in Wien.

3. »Arbeiten zur Elektrodynamik. I. Zusammenhang der elektrischen Kräfte und Wellen«, von Dr. Ign. Schütz in Nürnberg.

Ferner legt der Secretär ein von Herrn Bela Vilmos, Techniker in Zürich, eingesendetes versiegeltes Schreiben behufs Wahrung der Priorität vor, welches die Aufschrift führt: »Neue M o t o r e n t h e o r i e und praktische Durch f ü h r u n g derselben«.

Das w. M. Herr Hofrath Prof. Ad. Lieben überreicht eine Abhandlung der Herren Prof. Dr. R. Pi-ibram und C. Glücks- m a n n in Czerno witz : » Ü b e r d e n Z u s a m m e n h a n g z w i s c h e n Volum an derung und dem speci fischen Drehungs ver- mögen activer Lösungen«.

Das w. M. Herr Prof. H. Weidel überreicht zwei Arbeiten aus dem I. chemischen Universitätslaboratorium in Wien:

241

1. »Über den Austausch von Brom gegen Chlor in aromatischen Verbindungen«, von Dr. Rud. Weg- sehe i d e r.

2. »Zur Kenntniss der Nitrosoproducte des Phloro- glucindiäthyläthers«, von H. Weidel und J. Pollak.

Das vv. AI. Herr Prof. Friedrich Brauer überreicht eine Abhandlung unter dem Titel: »Bemerkungen zu den in der Sammlung G. H. Verall befindlichen Original- exemplaren Bigot's und Macquart's aus der Abtheilung der Mnscaria schizometopa und Beschreibung von zwei Hypoderma-A r t e n « .

Das w. M. Herr Hofrath Prof. V. v. Lang überreicht eine Abhandlung von Dr. Josef Tum a, Privatdocent an der k. k. Uni- versität in Wien, betitelt: »Ein Phase nmessinstrument für Wechselströme«.

Sitzb. d. mathem.-naturw. CL; CVI. Bd., Abth. I.

SITZUNGSBERICHTE

KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

MATHEMATISCH -NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.

CVI. BAND. VII. HEFT.

ABTHEILUNG I.

ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE,

KRYSTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE,

PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE, ERDBEBEN UND REISEN.

17*

243

XVII. SITZUNG VOM 1. JULI 1897.

Erschienen: Sitzungsberichte: 106. Bd., Abth. I, Heft I III (Jänner bis März 1897) und Abth. III, Heft I— IV (Jänner— April 1896).

Herr Dr. A. Pelikan in Wien dankt für die ihm zum Abschlüsse seiner Studien über die Schalsteine bewilligte Sub- vention.

Herr Dr. K. Brunner v. WattenwjM, k. k. Ministerialrath i. P. in Wien, übermittelt die Pflichtexemplare seines mit Unter- stützung der kaiserl. Akademie der Wissenschaften (aus dem Legate Wedl) herausgegebenen Werkes, betitelt: »Betrach- tungen über die Farbenpracht der Insecten«.

Das c. M. Herr Hofrath Prof. A. Bauer übersendet eine Arbeit aus dem Laboratorium für allgemeine Chemie an der k. k. technischen Hochschule in Wien von Max Bamberger und Anton Landsie dl: »Zur Kenn tniss der Übervval lungs- harze« (III. Abhandlung).

Ferner übersendet Herr Hofrath Bauer eine Arbeit aus dem Laboratorium für analytische Chemie an dieser Hoch- schule von Dr. Hans Meyer, betitelt: »Über das Cantha- ridin«.

Herr Julius Kammer in Wien übermittelt ein versiegeltes Schreiben behufs Wahrung der Priorität mit der Aufschrift: »Beitrag zur mechanischen Wärmetheorie«.

Das vv. M. Herr k. u. k. Hofrath Director F. Steindachner überreicht eine Abhandlung des Herrn Friedrich Siebenrock, Custos-Adjuncten am k. k. naturhistorischen Hofmuseum in Wien, betitelt: »Das Kopfskelet der Schildkröten«.

244

Das w. M. Herr Prof. H. Weidel überreicht zwei Arbeiten aus dem I. chemischen Laboratorium der k. k. Universität in Wien.

1. «Weitere Bestimmungen des Alkyls am Stickstoff«, von J. Herzig und H. Meyer.

2. »Über Nitrosoproducte der Monoäther des Brenz- catechins«, von A. Pfob.

Das w. M. Herr Hofrath Prof. V. v. Lang überreicht eine Arbeit aus dem physikahsch-chemischen Institute der k. k. deutschen Universität in Prag von Prof. Dr. G. J au mann: »Über die Interferenz und die elektrostatische Ab- lenkung der K a t h o d e n s t r a h 1 e n « .

Ferner überreicht Herr Hofrath v. Lang eine Abhandlung von Dr. Josef Tuma, Privatdocent und Assistent an der k. k. Universität in Wien, betitelt; »Eine Quecksilberluft- pumpe«.

245

Das Kopfskelet der Schildkröten

von

Friedrich Siebenrock,

Custos-Adjiinct am k. k. natiirhistorischcn Hofntusciim in Wien. (Mit 6 Tafeln.)

Bei keiner Ordnung der Reptilien oder überhaupt der VVirbelthiere wurde in der Systematik so viel Rücksicht auf die anatomischen Merkmale genommen als bei den Schild- kröten. Darin liegt wohl auch der Grund für die vielen osteo- logischen Abbildungen, die man hauptsächlich vom Kopfe derselben in der Literatur findet, so bei Wagler (60), Gray (32, 33), Anderson (1) und Boulenger (20). Diese Figuren sind grösstentheils so gehalten, dass bloss ihre Gesammtform zur Geltung kommt, wie es eben die Systematik erfordert. Sie bieten daher keine genaueren Details dar, um für das ana- tomische Studium verwendet werden zu können.

Aber auch die Fachliteratur hat eine stattliche Zahl von grösseren und kleineren Abhandlungen über den Schädelbau der Schildkröten aufzuweisen, wie aus dem am Schlüsse dieser Arbeit beigegebenen Verzeichnisse hervorgeht. Namentlich B au r hat viele Alittheilungen über die Osteologie des Schildkröten- schädels veröffentlicht, die uns manchen wichtigen Befund über den Bau desselben zukommen lassen.

Allein in den meisten Fällen wurde fast immer nur auf das Exterieur des Schildkrötenschädels Rücksicht genommen, und bloss wenige Autoren beschäftigten sich auch mit den inneren Theilen desselben, die bei den Schildkröten eine grosse Fülle von morphologischen Eigenthümlichkeiten dem Anatomen darbieten.

246 F. Siebenrock,

Hasse (36) hat in seiner ausgezeichneten Bearbeitung des Gehöres der Schildkröten wohl den knöchernen Bau des Recessus cavi tympani unserer einheimischen Schildkröten be- schrieben, nicht aber das knöcherne Labyrinth, sondern er berief sich auf dessen anatomische Beschreibung von Scarpa (54).

Die vorliegende Abhandlung hat daher den Zweck, ausser der genauen vergleichenden Beschreibung des Schildkröten- schädels überhaupt, den Bau des knöchernen Gehöres und seiner Nachbartheile im Besonderen vorzuführen. Ausserdem werden die Gefäss- und Nervenbahnen, insoweit sie auf den Schädel Bezug nehmen, einer genauen Betrachtung unterzogen und durch beigegebene Figuren erläutert.

Speciell das knöcherne Gehör der Schildkröten zeigt wesentliche Unterschiede in seinem Baue, und die Unter- suchungen lehren, dass dasselbe bei den Chelydidae die grösste Ausbildung erreicht hat, indem alle Theile so wie bei den Eidechsen wohl differenzirt anwesend sind. Testndo stellt hingegen den niedrigsten Typus dar, denn das knöcherne Labyrinth bildet eine gemeinsame Höhle, an deren Wänden in Vertiefungen und Rinnen die Ampullen und Gehörbogen unter- gebracht sind.

Dies ist um so bemerkenswerther, weil man im phylo- genetischer Beziehung das Gegentheil erwarten sollte.

Die Untersuchungen erstreckten sich auf folgende Genera und Species, die mein hochverehrter Chef Herr Hofrath Stein- dach ner aus der herpetologischen Sammlung des Museums zur Verfügung stellte, wofür ich ihm meinen ergebensten Dank abstatte.

A. Cryptodira.

I. Chelydridae.

1. Chelydra serpentina Schvv.

2. Macroclemmys teuiuiiuckii Holbr.

II. Dermatemydidae.

3. Staurotyptis salvinii Gray.

III. Cinosternidae.

4. Cinosterntim odoratum Daud.

5. » peusilvanicnin Gm.

Das Kopfskelet der Schildkröten.

6. Cinostcnimn integrum Leconte.

7. » leucostonmm A. Dum.

IV. Testudinidae.

8. Chiyseniys picta Sehn.

9. » ornata Gray.

10. Liemys inornata Blgr.

1 1. Cleminys caspica Gm.

12. » guttata Schw.

1 3. Emys orbicitlaris L.

14. Cistudo cinostei'uoides Gray.

15. » ornata Ag.

16. Nicoria punctularia Daud.

17. Cyclemys dhor Gray.

18. » amboinensis Daud.

19. Geoemyda spinosa Gxsiy.

20. Testndo tcntoria Bell.

21. » oculifera Kühl.

22. » radiata Shaw.

23. » microphyes Gthr.

24. » marginata Sehoepff.

25. » graeca L.

V. Chelonidae.

26. Chelone inydas L.

27. » iinbricata L.

28. Talassochelys caretta L.

B. Pleurodira.

VI. Pelomedusidae.

29. Peloniedusa galeata Sehoepff.

30. Podocnemis madagdscariensis Grand.

VII. Chelydidae.

31. Chelysfiuibriata Sehn.

32. Chelodiua longicoUis Shaw.

33. Hydraspis radiolata Mik.

247

248 F. Siebenrock,

C. Trionychoidae.

VIII. Trionychidae.

34. Triouyx snbplanns Geoff:

35. » phayrii The ob.

36. » cartilagineiis Bodd.

37. » sinensis Wieg.

38. » spinifer L e s n e u r.

39. Pelochelys cantoris Gray.

40. Chitra indica Gray.

4 1 . Emyda granosa Schoepff.

42. Cydanorbis senegalensis D. B.

Baur (12) hat den Schädel einer Schildkröte von un- bekannter Provenienz aus der Sammlung des zoologischen Museums in München beschrieben, der er den Namen »Adelo- chelys crassa« gab. Baur glaubte, aus dem Vergleiche mit den amerikanischen Familien Chelydridae, Dermatemydidae und Cinosternidae gefunden zu haben, dass dieser Schädel einer Schildkröte angehörte, die zu den genannten Familien in nahen Beziehungen stehe. Daraus schloss nun Baur, dass die frag- liche Schildkröte zu einer amerikanischen Form gehört, die in die Superfamiiie »Chelydroidea« gestellt werden muss.

Vor Kurzem hat Boulenger^ eine neue Schildkröte aus Borneo als Liemys iiiornata beschrieben, welche die Charaktere von Ocadia und Bellia in sich vereinigt. Die herpetologische Sammlung des hiesigen Museums besitzt davon zwei schöne Exemplare ebenfalls aus Borneo von der Collection »F. J. Gra- bowsky«. Von dem einen Exemplar wurde das Skelet an- gefertigt, das mir mein hochverehrter Chef Herr Hofrath Steindachner zu den osteologischen Untersuchungen an- vertraute.

Bei dem genaueren Studium des Schädels dieser Schild- kröte konnte die Identität mit dem von Baur beschriebenen Schädel der Adelochelys crassa festgestellt werden. Die osteo- logischen Verhältnisse der beiden Schädel stimmen in den

The An. and Mi:g. of Nat. Hist., Voi. 19, Ser. VI, Nr. 112, 189;

Das Koptskelet der Schildkröten.

249

kleinsten Details genau überein. Somit kann kein Zweifel be- stehen, dass Adelochelys crassa Baur gleich Liemys inornata Boiil enger sein dürfte.

Das Occipitalsegment besteht bei den Schildkröten nicht aus vier Stücken, wie bei den anderen Reptilien, sondern aus sechs, weil die beiden lateralen Knochen in zwei selbständige Elemente zerfallen. Somit haben wir unten das Basioccipitale, oben das Supraoccipitale, lateral beiderseits das Pleuroccipitale und vom letzteren als eigenen Knochen losgetrennt das Par- occipitale. Nur bei Hatteria findet man noch ein ähnliches Verhalten des Occipitalsegmentes, wie von Baur (5) und mir (55) nachgewiesen wurde. Hier bleibt aber das Paroccipitale nur in der Jugend vom Pleuroccipitale getrennt, während die genannten Knochen bei ausgewachsenen Thieren vollständig mitsammen verwachsen.

Das unpaare Basioccipitale (b. o.), Brühl, Bienz, occi- pitale basilare Köstlin, Stannius, Hoffmann, occipitale inferius seu basilare Klein, os basilare occipitis Mohring, Peters, corpus ossis occipitis Hallmann, occipitis pars basi- laris Bojanus, Körper des Hinterhauptbeines Rathke, basi- occipital Owen, Huxley, Parker, basilaire Cuvier, Gervais, occipital inferieur Blanchard, dient den beiden Pleuroccipitalia als Grundlage zur Umgrenzung des Foramen occipitale, das oben vom Supraoccipitale zum Abschluss gebracht wird. Das Basioccipitale bildet mit den Pleuroccipitalia den unpaaren Condylus occipitalis, der stark nach hinten vorspringt und durch einen deutlichen Hals vom Occiput abgeschnürt wird. Er ist bei den Trionychidae und Chelydidae halbkugelig gestaltet und mitten grübchenartig vertieft für den Ansatz des Liga- mentum Suspensorium zur Verbindung mit dem Os odontoi- deum des Epistropheus.

Bei allen cryptodiren Schildkröten flacht sich der Condylus occipitalis mit Ausnahme der Chelonidae und Pelomednsidae am oberen Umfange etwas ab und erhält bei den Sphar- gidae, sowie bei den Chelonidae die ursprüngliche dreilappige Form. An seiner Zusammensetzung nehmen alle drei ihn

250 F. Siebenrock,

bildenden Knochen ziemlich gleichen Antheil, allein bei Stauro- typtLS und Podocnemis erscheint die Pars condyloidea des Basi- occipitale bedeutend kleiner als die der Pleuroccipitalia. Diese Reduction geht bei Sternothaerns und Pelomedusa so weit, dass sich nach Baur(3) und Boul enger (20) bei den genannten das Basioccipitale überhaupt nicht mehr an der Zusammen- setzung des Condylus occipitalis betheiligt.

Nach Rathke (50) entwickelt sich der Gelenkkopf bei Clielonia sehr langsam, und von den drei Höckern, aus denen er zusammenwächst, bildet sich am langsamsten derjenige aus, welcher dem Körper des Hinterhauptbeins angehört. Daraus lässt sich der Bau des Condylus occipitalis von Sternothaerns und Pelomedusa erklären; es hat sich also bei den zwei Genera das embryonale Stadium erhalten.

Bei der Durchsicht einer grösseren Anzahl Schildkröten- köpfe macht man die Wahrnehmung, dass die Nähte am Con- dylus occipitalis oftmals gänzlich, verschwunden sind, d.h. die ihn zusammensetzenden Knochen haben sich durch Synostose verbunden; bei anderen dagegen bleiben die Nähte deutlich sichtbar. Dies hängt mit dem Alter der Thiere zusammen, denn bei allen Schildkröten verschwinden in einem gewissen Alters- stadium die Nähte des Occipitalsegmentes oder sogar am ganzen Cranium, wie beispielsweise bei Geoemyda spinosa (Taf. II, Fig. 9). Bei den Chelonidae scheinen sich die Nähte des Condylus occipitalis länger zu erhalten, aber an Köpfen alter Individuen ist auch keine Spur mehr davon sichtbar. Wenn daher Strecker (57) berichtet, dass sich der Condylus occi- pitalis und sein Hals bei Chelonura =: Macrodemmys und Chelonia aus drei Theilen zusammensetzt, bei Testudo aber nicht, so beweist dies nur, dass die Köpfe der beiden ersteren jungen Thieren angehörten und Testndo schon vollständig aus- gewachsen war.

Am Basioccipitale lässt sich immer die pentagonale Form wiedererkennen, ob es in die Länge gezogen ist, wie bei den Trionychidae, oder sehr kurz bleibt, w4e bei den meisten übrigen Schildkröten. An seiner ventralen Fläche ragt vor dem Condylus- hals beiderseits dasTuberculum basioccipitale, Processus poste- rior Bienz (15) hervor. Dieses ist bei den meisten Trionychidae

Das Kopfskelet der Schildkröten.

251

stark entwickelt, hingegen bei den Chelydidae nur als geringe Hervorragung kenntlich. Bei den Cryptodira und Dermochelys wird es ausser dem Basioccipitale auch noch vom Pleurocci- pitale und Pterygoideum zusammengesetzt, während sich bei Podocnemis an dessen Entstehung statt der genannten Knochen das Quadratum betheiligt. Das Basioccipitale bildet mit seiner dorsalen Fläche am vorderen Ende den Boden des Recessus cavi tympani Hasse (36), Antivestibulum Bojanus (17) und trägt bei den meisten Schildkröten mit den vorderen Ecken zur unteren Begrenzung der Cochlea bei. Auch an der Um- schliessung des vorderen Foramen nervi hypoglossi nimmt es unter den Cryptodira bei Staiirotypus, Chrysemys ornata, Clemmys und Nicoria, sowie bei den Trionychidae theil; sind aber drei Foramina nervi hypoglossi anwesend, wie bei den meisten Trionychidae, so liegt das vorderste Loch im Basi- occipitale allein (Taf. I, Fig. 1 und Taf. II, Fig. 5). Ausnahms- weise hilft es bei Liemys das Foramen jugulare posterius um- schliessen, welches sonst immer vom Pleuroccipitale und Paroccipitale gebildet wird.

Das Basioccipitale stellt bei Chelone imbricata unten eine breite Rinne dar, hingegen bei Ch. mydas und Talassochelys bloss eine querconcave Fläche. Dadurch lässt sich der Kopf von Chelone imbricata sofort von den letzteren Arten unterscheiden, so dass man das Basioccipitale als Arten-, respective Gattungs- merkmal benützen könnte.

Das Basioccipitale verbindet sich vorne mit dem Basisphen- oideum, oben beiderseits mit dem Pleuroccipitale und Parocci- pitale, unten beiderseits mit dem Pterygoideum. Bei den Chelo- nidae fehlt die Verbindung mit dem Paroccipitale und bei den Pleurodira bleibt es durch dasBasisphenoideum und Quadratum vom Pterygoideum getrennt.

Eine ganz ungewöhnliche Verbindungsweise geht das Basioccipitale bei Podocnemis mit dem Quadratum ein (Taf. IV, Fig. 21), welche Thatsache schon Baur (3) hervorgehoben hat.

Das paarige Pleuroccipitale (p. o.), Brühl, occipitale laterale Köstlin, Hallmann, Stannius, Klein, Hoffmann, exoccipitale Bienz, os laterale occipitis Mohring, Peters, pars lateralis seuarcus occipitis Bojanus, Seitentheil des Hinter-

252 F. Siebenrock,

hauptbeines Rathke, exoccipital Owen, Huxley, Parker, occipital lateral Cuvier, Blanchard, Gervais bildet mit seiner Pars condyloidea gemeinschaftlich mit dem Basioccipitale den Condylus occipitalis, steigt im Halbbogen aufwärts, um sich mit dem Supraoccipitale zu vereinigen. Auf diese Weise kommt das Foramen occipitale zu Stande, das ein vertical gestelltes Ovale vorstellt, die Basis nach unten, die Spitze aufwärts ge- wendet.

Die Pars cond3doidea des Basioccipitale wird bei allen Schildkröten, ausser bei Talassochelys caretta von den gleich- namigen Gebilden der Pleuroccipitalia so vollständig bedeckt, dass diese nahtvveise zusammenstossen und das Basioccipitale von der Begrenzung des Foramen occipitale ausschliessen. Bei Talassochelys und nach Boulenger (20) auch bei Dermochelys nimmt jedoch der zuletzt genannte Knochen an dessen Um- schliessung theil, denn die Pleuroccipitalia sind so auseinander gerückt, dass das Basioccipitale dazwischen noch als schmaler Streifen am oberen Umfange des Condylus occipitalis zum Vorschein gelangt. Ein gleiches Verhalten zeigte sich mir auch an einem Kopfe von Chelone mydas, während bei anderen fünf Köpfen derselben Art das Basioccipitale von den beiden Pleuroccipitalia vollkommen bedeckt war.

Das Pleuroccipitale bildet mit seinem vorderen Theile die hintere Vv^and des Recessus cavi tympani und besitzt am inneren, vorderen Rande einen ziemlich grossen Ausschnitt, der durch das angrenzende Paroccipitale^ zum Foramen jugulare anterius, Foraminis jugularis posterioris ostium internum Bojanus (17) ergänzt wird. Durch dieses gelangt die Vena jugularis interna, der Nervus vagus und accessorius nach aussen. Hasse's (36) Angaben, dass durch dieses Loch auch der Nervus glosso- pharyngeus heraustreten soll, ist unrichtig, denn derselbe führt, wie wir bei der Betrachtung des Paroccipitale sehen werden, bei allen Schildkröten durch ein eigenes Loch aus der Schädel- höhle. Das Foramen jugulare anterius stellt gewöhnlich ein horizontales Ovale dar, das aber bei einigen Schildkröten eine mehr verticale Lage annimmt, wie z. B. bei den Chelonidac und

Bei Ho ff mann (37) steht in Folge eines Lapsus »Prooticum«

Das Kopfskelet der Schildkröten. 253

Chelydridae, endlich bei den Cinosteniidae, bei Stanrofypns, Trionyx sphiifer, Eniyda und Cyclanorbis fast kreisrund wird. Hinter dem Foramen jugulare anterius liegen neben ein- ander die zwei Löcher für die Zweige des Nervus hypoglossus (XII), Foramina condyloidea Bojanus, welche in kurze Canäle führen und an der rückwärtigen Fläche des Pleuroccipitale nach aussen münden. Bei den Chelydidae und den meisten Trionychidae sind drei Foramina interna pro nervo hypoglosso vorhanden, wovon das vorderste Loch immer am kleinsten ist und sich aussen oftmals mit dem zweiten vereinigt (Taf. I, Fig. 1 und '2, Taf. II, Fig. 5). An der hinteren Fläche des Pleurocci- pitale liegt lateral von den vorher genannnten Nervenlöchern das Foramen jugulare posterius seu ostium externum canalis nervum vagum et accessorium ducentis Bojanus, das entweder vom Pleuroccipitale allein umschlossen wird, oder oftmals mit Hilfe des Paroccipitale oder Pterygodiums (Taf. IV, Fig. 20) oder Quadratums (Taf. IV, Fig. 21). An Stelle des Foramen jugulare posterius besitzen die Chelonidae, Derniochelys, Trionyx (aus- genommen T. snhplamis, Taf. IV, Fig. 23), Pelochelys und Chitra (Taf. IV, Fig. 22) nur einen halbmondförmigen Aus- schnitt, weil an der hinteren Schädelwand die Verbindung des Pleuroccipitale mit dem Paroccipitale fehlt und somit das Foramen jugulare posterius mit dem Foramen lacerum zu- sammenfliesst. Der Ausschnitt wird erst durch die Verschluss- membrane des Foramen lacerum zum Loch ergänzt.

Das Pleuroccipitale verbindet sich unten mit dem Basi- occipitale, bei den Triotiychidae., Chelonidae und Chelydridae auch mit dem Pterygoideum, oben mit dem Supraoccipitale und seitlich mit dem Paroccipitale. Bei Chelys kommt das Pleurocci- pitale an der ventralen Fläche des Schädels in ziemlicher Aus- dehnung zum Vorschein und verbindet sich vorne mit dem Basisphenoideum, was sonst bei gar keiner Schildkröte der Fall sein dürfte (Taf. IV, Fig. 24). Unrichtig ist Brühl's (22) Darstellung vom Pleuroccipitale bei Chelodina (Taf. 72, Fig. 4), wo der laterale Fortsatz so lang gezeichnet ist, dass er sich mit dem Squamosum verbindet, was niemals geschieht.

Das unpaare Supraoccipitale (s. o.) Brühl, Bienz, occipitale superius Köstlin, Hoff mann, occipitale superius

254 F. Siebenrock,

seu squama Klein, squama occipitalis Hallmann, Stannius, OS squamosum occipitis Peters, crista occipitis Bojanus, os cristale Mo bring, Schuppe des Hinterhauptbeines Rathke, superoccipital Owen, Huxley, Parker, occipital superieur Cuvier, Blancbard, Gervais, dient zweierlei Zwecken, es bringt sowohl das Foramen occipitale oben zum Abschluss, als auch das Gehörorgan. Für den ersteren Zweck ist es bogen- förmig gekrümmt, und für den letzteren sind seine Seitentheile blasenartig erweitert.

An seiner dorsalen Fläche entspringt die Crista supra- occipitalis (c. s.), Spina occipitis Hoffmann, und ragt stachel- artig nach rückwärts. Diese ist am stärksten bei den Chelydridae, Cheloiiidae und Trionychidae entwickelt und am schwächsten bei den Chelydidae (Taf. IV, Fig. 24 und 25), dazwischen findet man bei den einzelnen Gattungen alle möglichen Abstufungen. Sie fehlt nirgends, auch nicht bei Ckelys (Taf. IV, Fig. 24), ent- gegen der Behauptung Hoffmann's (37), die von Brühl (22) widerlegt wurde. Ihre Anwesenheit bei Chelys hat schon Cuvier (26) constatirt.

Nicht bei allen Schildkröten begrenzt das Supraoccipitale das Foramen occipitale, sondern bei den Chelydidae begegnen sich die oberen Enden der Pleuroccipitalia und drängen das Supraoccipitale mehr nach vorne, so dass es von der Um- schliessung des Foramen occipitale ausgeschlossen wird. Das Supraoccipitale schiebt sein vorderes Ende unter die beiden Parietalia gewöhnlich ziemlich weit nach vorne in die Schädel- höhle hinein und dient dem Chondrocranium zum Ansätze.

Das Supraoccipitale umschliesst mit dem Paroccipitale und Otosphenoideum die Gehörhöhle, welche bei vielen Schild- kröten im unteren Theile durch Heranziehung noch anderer Knochen ergänzt werden muss. Die Angaben von Stannius (56), dass die Einschliessung des Gehörlabyrinthes durch das OS occipitale laterale = Pleuroccipitale, das os mastoi- deum = Paroccipitale und die ala temporalis = Otosphenoi- deum geschieht, scheint wohl nur ein Lapsus zu sein, denn das Pleuroccipitale ist davon ganz ausgeschlossen, während das Supraoccipitale das obere kleinere Drittel der Gehörhöhle bildet. Es ist zu diesem Behufe beiderseits blasig erweitert, das

Das Kopfskelet der Schildkröten. 255

Dach des Vestibulum, Recessiis vestibuli superior Bojanus, darstellend, mit einer längsovalen Öffnung in der Mitte, der Commissur (Taf. III, Fig. 10 a, cms.). Sie wird geradeso wie bei den übrigen Reptilien durch das Zusammentreffen der Orificia des Canalis semicircularis frontalis und sagittalis her- gestellt. An der lateralen Kante des Vestibulartheiles münden die beiden Canäle aus, man findet daher vorne das Foramen canalis semicircularis sagittalis (fo. s.), hinten das Foramen canalis semicircularis frontalis (fo. f.). Der vordere Canal er- streckt sich in das Otosphenoideum, der rückwärtige in das Paroccipitale. An der medialen Kante ist ein kleiner halbkreis- förmiger Ausschnitt, der durch die innere Knorpelwand zum Foramen aquaeducti silvii seu vestibuli (a. v.) ergänzt wird. Bei vielen Schildkröten liegt dieses Loch mehr nach oben und wird daher ganz vom Knochen umschlossen (Taf. III, Fig. 14). Jedoch nur bei den Trionychidae, Pleurodira, bei Clnosternnm und Stanrotypns ist der Vestibulartheil des Supraoccipitale in der geschilderten Weise differenzirt, währenddem sich bei den übrigen Schildkröten verschiedene Entwicklungsstadien beob- achten lassen. Die primitivste Form finden wir bei Clemmys, Emys, Cistudo, Testudo und den CheJonidae (Taf. III, Fig. 14 und 15), denn der Vestibulartheil bildet eine einfache halb- mondförmige Vertiefung, die sich mitten und an den Enden etwas erweitert, ohne Differenzirung der Bogencanäle und ohne Andeutung der Commissur. Dagegen zeigt bei Macrodemmys (Taf. III, Fig. 12) und Chrysemys ornata die vordere Erweiterung, welche die Lage des Canalis semicircularis sagittalis andeutet, spangenartige Fortsätze, die sich aber noch nicht erreichen, während es bei Chelydra, Chrysemys picta, Lieniys, Nicoria (Taf. III, Fig. 13), Cyclemys und Geoemyda schon zur Bildung eines Foramen canalis semicircularis sagittalis gekommen ist. Niemals aber geschieht es, dass das Foramen canalis semicircu- laris frontalis ausgebildet wäre und^das sagittalis fehlen würde. Parker (45) hat bei Chelone mydas das Epioticum Huxley als einen selbständigen Knochen dargestellt und somit den Nachweis für die Berechtigung der Otica -Theorie von Huxley (38) liefern wollen. Baur (5) konnte aber weder bei Embryonen der CJtclouidae, noch bei solchen der Clielydridae, Triotiychidae

Sitzb. d. mathem.-naturw. CL; GVL Bd., Abth. I. 18

2o6 F. Siebenrock,

und Emydidae das fragliche Element als separaten Knochen finden. Baur (4) macht daher die ganz richtige Bemerkung, dass das Supraoccipitale durchaus kein besonderes Element zu enthalten braucht, weil es zur Begrenzung des Gehör- organes beiträgt. Nicht bloss bei Fischen, sondern sogar bei den Schildkröten betheiligt sich das Basioccipitale und, wie wir später sehen werden, auch das Basisphenoideum an der Begrenzung der Gehörhöhle.

Das Supraoccipitale verbindet sich oben vorne mit den Parietalia, unten vorne mit dem Otosphenoideum, unten mitten mit den Paroccipitalia, unten hinten mit den Pleuroccipitalia. Eine ganz ungewöhnliche Verbindung geht das Supraocci- pitale bei Cistndo ein: indem es vorne seitlich flügeiförmig ver- breitert ist, stosst es mit dem Quadratum und Squamosum zusammen.

Peters (47) berichtet, dass das Supraoccipitale bei Hydro- mcdtisa maximiliani mit den Squamosa durch eine schmale Brücke verbunden ist. Dies beruht offenbar auf einem h'rthum, denn bei allen Chelydidae mit einem oberen Schläfenbogen wird derselbe vom Squamosum und Parietale hergestellt. Wagler (60) hat dies auch von Hydroniednsa maximiliani auf Taf. 3, Fig. XXVII ganz richtig dargestellt.

Das paarige Paroccipitale (pa. o.), Baur, paroccipital Owen, exoccipitale Brühl, opisthoticum Hoffmann, Bienz, opisthotic Huxley, Parker, occipitale externum Köstlin, Klein, occipitale externum seu mastoideum Peters, Hall- mann, OS mastoideum Stannius, os petrosum Bojanus, Mo bring, occipital exterieur Cuvier, occipital externe Blan- chard, Gervais, erstreckt sich an der hinteren Schädelwand lateral vom Pleuroccipitale zum Quadratum und bildet zu diesem Zwecke einen verschiedenfach entwickelten Fortsatz, den Processus paroticus (p. p.). Hallmann (35) nennt ihn bei den Schildkröten Processus mastoideus, weil er das Parocci- pitale mit dem Mastoideum des Menschen homologisirt. Ich behalte den Huxley'schen Namen Processus paroticus auch für die Schildkröten bei, denn er entspricht morphologisch demselben Gebilde bei den Eidechsen, wo er mit dem Pleuro- occipitale verbunden ist, weil dieses mit dem Paroccipitale nur

Das Kopfskelet der Schildkröten. -O/

einen Knochen darstellt. Der Processus paroticus vereinigt sich nahtweise so wie bei den Eidechsen mit dem Quadratum und Squamosum und stellt daher die obere Verbindung der Schädel- kapsel mit den Seitenwandknochen her. Nur bei Dermochelys ist nach Gervais (31) derselbe mit dem Quadratum allein verbunden. Der Processus paroticus kommt an der hinteren Occipitalregion bei allen Schildkröten zur Geltung, also auch bei Chelodina, wo er nach Brühl (22) (Taf. 72, Fig. 4) vom Pleuroccipitale verdrängt sein würde. Seine Gestalt richtet sich ganz nach der Schädelform. Wir finden ihn daher mehr dick und abgerundet bei den Chelonidae und Testndo, flach und kantig bei den Triouychidac und den meisten Chelydidae.

Das Paroccipitale begrenzt oben das Foramen lacerum und bildet bei den Chelonidae, Trionyx, ausgenommen T. snh- planns, Pelochelys, Chitra (Taf. IV, Fig. 22) und nach Gervais (31) auch bei Dermochelys an seiner hinteren Fläche zusammen mit dem Pleuroccipitale die hicisura jugularis posterior, die erst durch die Verschlussmembrane des Foramen lacerum zum gleichnamigen Loche umgewandelt wird. Das Foramen jugulare posterius (f. j. p.) liegt bei Staurotypns (Taf. IV, Fig. 18), Cino- stermim, Chrysemys picta, Clemmys guttata, Emys, Nicoria (Taf. IV, Fig. 19), Geoemyda, ChcJys und Hydraspis (Taf. IV, F'ig. 24 und 25) im Pleuroccipitale allein, oder es wird bei Chelydra, Macroclemmys, Chrysemys ornata, Cistudo, Clemmys caspica, Cyclemys, Testndo, Podocnemis (Taf. IV, Fig. 21) und Chelodina vom Pleuroccipitale und Paroccipitale gemeinsam umschlossen. Bei Trionyx suhplanns (Taf. IV, Fig. 23) betheiligt sich ausser den zwei genannten Knochen auch noch das Ptery- goideum daran, während bei Emyda und Cyclanorlns (Taf. IV, Fig. 20) das Foramen jugulare posterius mit Ausschluss des Paroccipitale nur vom Pleuroccipitale und Pterygoideum gebildet wird. Endlich ist es bei Liemys inornata vom Pleuroccipitale und Basioccipitale begrenzt. Somit finden wir, dass bei den Schildkröten das Foramen jugulare posterius auf sechsfache Weise zu Stande kommen kann: 1. durch das Pleuroccipitale, Paroccipitale und die Verschlussmembrane des Foramen lace- rum; 2. durch das Pleuroccipitale allein; 3. durch das Pleur- occipitale und Paroccipitale; 4. durch das Pleuroccipitale,

18*

258 F. Siebenrock,

Paroccipitale und Pterygoideum; 5. durch das Pleuroccipitale und Pterygoideum; 6. durch das Pleuroccipitale und Basi- occipitale.

Alle Schildkröten, bei denen das Paroccipitale mit dem Pleuroccipitale eine hintere Wand bildet und daher das Foramen lacerum bedeutend verkleinert wird, besitzen im Paroccipitale zum Durchlass des Nervus glossopharyngeus ein eigenes Loch (IX) (Taf. IV, Fig. 18, 19, 24). Hingegen gelangt dieser Nerv bei den Chelotiidae, Trionychidae (Taf. IV, Fig. 22, 23), bei Podo- cnemis und Hydraspis (Taf. IV, Fig. 25) durch das Foramen lacerum nach aussen.

Das vordere Ende des Paroccipitale bildet den hinteren kleineren Theil der Gehörhöhle. Wir finden am Grunde eine ziemlich grosse, ovale Grube, die AmpuUa frontalis (a. f.), A. anterior Autor, zur Aufnahme des gleichbezeichneten häutigen Gebildes. Bojanus (17) nannte sie so wie Scarpa (54) Fovea vestibuli posterior, minor. Sie wird von einem ungleich breiten Knochensaum umschlossen, der die hintere Wand des Vesti- bulum (v.) bildet. In die AmpuUa frontalis mündet oben der frontale Bogen ein und vorne der horizontale, daher liegt oben das Orificium canalis semicircularis frontalis, vorne das 0. c. s. horizontalis. Die Knochenspangen, die durch die Einmündung der beiden Bogencanäle an der vorderen Peripherie der Ampulla frontalis entstehen, wurden von Bojanus (17) als Columellae bezeichnet, und zwar die obere Spange als Columella posterior, die vordere als Columella inferior, Steg nach Scarpa (54). Dieselben sind bei allen Schildkröten, ausser bei Testudo (Taf. III, Fig. 15) anwesend, weshalb bei der letzteren Gattung auch nur Ausschnitte an der Peripherie der Ampulla vorkommen, die erst durch Knorpelstreifen in die entsprechenden Löcher umgewandelt werden müssen.

Die untere Kante der hinteren Vestibularwand bildet einen grossen Ausschnitt, die Incisura vestibularis (i. v.), welche vorne durch einen Ausschnitt des Otosphenoideums und unten durch einen Knorpelsaum zum Foramen ovale seu vestibuli (f. V.) vervollständigt wird. An der medialen Kante liegt das Foramen rotundum seu Cochleae (f. co.), das aber nur bei Emys und den Trionychidae (Taf. III, Fig. 11 und 14) vom

Das Kopfskelet der Schildkröten. 259

Paroccipitale selbst umschlossen wird, denn die übrigen Schild- kröten haben anstatt dessen bloss eine Incisura (Taf. III, Fig. 10, 12, 13, 15) die so wie beim Foramen vestibuli durch einen Knorpelsaum zum entsprechenden Loche ergänzt werden muss. Scarpa(54), Pohl (49) undBojanus (17) kannten das Foramen Cochleae nicht, währenddem es von Comparetti (23) und Wind i seh mann (61) angeführt wurde.

An der unteren Peripherie der Ampulla frontalis liegt aussen oder innen ein kleines Loch, von dem aus ein kurzer Canal die hintere Vestibularwand schräg nach unten und aussen durchsetzt, um an der hinteren Fläche zwischen Foramen Cochleae und F. vestibuli zu münden. Hasse (36) nannte die beiden Löcher Apertura aquaeductus Cochleae interna et externa. iJieser Canal dient aber nicht zur Aufnahme des perilymphati- schen Ganges für die Schnecke, sondern zum Durchlass des Nervus glossopharyngeus, wie dies schon von Bojanus (17) angegeben wurde, und seine Mündungen sind daher als Fora- mina pro nervo glossopharyngeo (IX) zu bezeichnen. Bei den Oielouidae und bei Testudo hat die hintere Vestibularwand eine sehr geringe iVusdehnung nach vorne, weshalb zwischen ihr und dem Otosphenoideum ein grosser Zwischenraum bleibt, der durch Knorpel ausgefüllt wird. Durch diese Knorpelwand dringt nahe dem Paroccipitalrande der Nervus glossopharyngeus von der Schädelhöhle ein, zieht an der inneren Fläche der hinteren Vestibularwand zu dem erwähnten Loch (Taf. III, Fig. 15 h), durchsetzt den schrägen Canal und gelangt bei den Chelonidae durch das Foramen lacerum nach aussen, bei Testudo aber durch ein eigenes Loch im Paroccipitale, sowie bei Staurofypns (Taf. IV, Fig. 19 [IX]). Bei den übrigen Schild- kröten dehnt sich die hintere Vestibularwand viel mehr nach vorne gegen das Otosphenoideum hin aus, und der Nervus glossopharyngeus nimmt durch das Paroccipitale selbst von der Schädelhöhle her seinen Weg, um auf die gleiche Weise wie bei Testtido nach aussen zu gelangen. Die beiden Löcher an der Innenfläche der hinteren Vestibularwand des Paroccipitale sind bei manchen Schildkröten, wie z. B. bei Emys und Trionyx (Taf. III, Fig. 11 und 14) durch eine Rinne mitsammen ver- bunden, die bei MacrocJennnys teniniiuckii in einen Knochen-

260 F. Siebenrock,

canal a— ß umgewandelt wird. Dieser führt von der Scliädel- höhle direct in den Recessus cavi tympani, ohne mit der Gehör- höhle irgendwie zu communiciren. Ein ähnliches Verhalten finden wir noch bei PelocJielys, Chitra, Eniyda und Cyclanorhis, nur ist der Canal ganz an den hinteren Rand gerückt und daher sehr kurz. Wenn der in Rede stehende Canal mit der Gehör- höhle gar nicht in Verbindung steht, wie dies bei Macroclcnmiys, Pelochelys, Chitra,Emyda und Cyclanorhis der Fall ist, so kann er auch nicht dem Aquaeductus Cochleae zum Durchlass dienen, sondern er nimmt den Nervus glossopharyngeus auf, wie man sich durch die Beobachtung seines Verlaufes überzeugen kann. Aus dem Vergleiche des Canales bei den Chelonidae mit dem der eben genannten Gattungen ergibt sich die Homologie der beiden Canäle. Ebenso geht aus Retzius' (51) Beschreibung des Gehörorganes von Eniys hUaria Bp. = £. orbicidaris L. klar hervor, dass der Saccus perilymphaticus keinen anderen Abflussweg zu den peripherischen Lymphgefässen besitzt als den, wie Hasse (36) angegeben hat, der durch den Canalis jugularis mit dem serösen Raum des Gehirnes zusammenhängt.

Die hintere Vestibularwand des Paroccipitale umschliesst mit dem Pleuroccipitale das Foramen jugulare anterius (f. j. a.) und reicht mit dem zwischen Foramen vestibuli und F. Cochleae gelegenen Stück so weit abwärts, dass sein verdicktes Ende bei Cinosternnm, Cleminys, Emys, Nicoria (Taf. IV, Fig. 19), Cyclemys, Testudo, Chclodina und Hydraspis (Taf. IV, Fig. 25) an der Schädelbasis zum Vorschein kommt. Brühl (22) nennt es bei Testudo und Emys (Taf. 70, Fig. 2 und 3) Laquaeus oweni und erklärt dasselbe irrthümlicherweise für einen Theil des Pleuroccipitale. Bei manchen Schildkröten, wie z. B. bei Macroclemmys, Etiiys etc. kommt neben dem Foramen Cochleae etwas unterhalb noch ein kleiner Ausschnitt vor, durch den nach Bojanus (17) eine Vene vom Vestibulum zur Vena jugu- laris führt.

Das Paroccipitale verbindet sich vorne mit dem Oto- sphenoideum, hinten medial mit dem Pleuroccipitale, lateral mit dem Ouadratum und Squamosum, bei DermocJielys nach Gervais (31) nur mit dem Ouadratum, oben mit dem Supra- occipitale, unten mit dem Basioccipitale und Pterygoideum.

Das Kopfskelet der Schildkröten. 26 1

An das Occipitalsegment reiht sich die Sphenoidalgmppe an, welche sowohl zur Fortsetzung der Schädelbasis, als auch zur Ergänzung der Seitenwand des Craniums dient. Sie er- scheint bei den Schildkröten sehr reducirt, denn wir finden nur ein Basisphenoideum und das paarige Otosphenoideum ent- wickelt.

Das unpaarige Basisphenoideum (b. s.), Brühl, B i e n z, basisphenoid Hoffmann, Owen, Huxley, Parker, sphenoi- deum basilare Boj an us, Hallmann, Stannius, os sphenoi- deum Klein, os basilare sphenoideum Mohring, Peters, Körper des Keilbeines Rathke, Köstlin, sphenoide Cuvier, Blanchard, Gervais, stellt von oben gesehen immer eine viereckige Knochenplatte dar, die nach vorne einen ver- schiedenfach langen Fortsatz entsendet. Die hintere Kante dient zur nahtweisen Verbindung mit dem Basioccipitale und ist gewöhnlich gerade, bei Chiosternuni (Taf. V, Fig. 29) aber und den TrioiiycJiidae ziemlich stark convex. Die vordere halb- mondförmig ausgeschnittene Kante bildet das Dorsum ephippii (d. e.), das beiderseits von einer stachelartigen Hervorragung flankirt wird, die Bojanus (17) Processus clinoideus (p. cl.) nennt (Taf. IV, Fig. 29, 30, 31); derselbe kommt bei den Chcly- didae nicht zur Entwicklung. Vom Processus clinoideus zieht ein Knorpelstreifen aufwärts zum Chondrocranium und um- schliesst mit dem Vorderrande des Otosphenoideum ein Loch zum Durchlass des Nervus trigeminus, ramus 2 und 3. Hoff- mann (37) hat diesen Knorpelstreifen als Alisphenoid be- zeichnet, weil er in Beziehung zum genannten Nervenloch steht. Unter dem Dorsum ephippii verschmälert sich das Basi- sphenoideum fortsatzartig und erstreckt sich nach vorne, an dessen Rande beiderseits ein Knochencylinder meist in gleicher Länge mit dem Fortsatze gelegen ist. Diese Cylinder sind die Processus trabeculae inferiores (p. t. i.), die an ihrem Ursprünge, vom Dorsum ephippii etwas überwölbt, die Fossa hypophyseos (f. hy.), Fossa sellae turcicae Bojanus einschliessen.

Den vorderen Theil des Basisphenoideum nennt Bojanus (17) Apex partis basilaris sphenoidei und Hoffmann (37) deutet ihn als Praesphenoid. Rathke (50) hat auf Seite 51 nach- gewiesen, dass sich das Basisphenoideum bei den Schildkröten

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nur in einfacher Zahl bildet; denn selbst bei den reiferen Embryonen konnte Rathke nicht das geringste Zeichen auf- finden, dass es ursprünglich aus einem hinteren und vorderen Stücke bestanden hätte. Die unteren cylindrischen Fortsätze variiren ausserordentlich in ihrer Länge; sie sind kurz bei Testudo, Trionyx und Emyda, massig lang bei den übrigen Testudinidae, bei Statirotypus, Cinosternnm (Taf. V, Fig. 29) den Pelomedusidae, bei Hydraspis, Pelochelys, Chitra und Cyclanorhis, sehr lang aber bei Macrodemmys, Chelydra, Chelys und Chelodina (Taf. V, Fig. 28, 31). Je kürzer dieselben sind, desto weiter stehen sie von einander ab, während sie mit der Zunahme ihrer Länge einander immer näher rücken, bis sie bei den zuletzt genannten vier Gattungen mit einander ver- schmelzen. Von den cylindrischen Fortsätzen entspringen die unteren Schädelbalken, die sich zu einem Knorpelstrang ver- einigen und bis zum vorderen Schädelende ziehen. Auf diesem erhebt sich das knorpelig-häutige Septum interorbitale, dessen Regionen von Parker (45) als orbitosphenoid, presphenoid und perpendicular ethmoid bezeichnet wurden.

An der oberen Fläche des Basisphenoideums liegt hinter dem Dorsum ephippii beiderseits das Foramen für den Nervus abducens (VI), das in einen kurzen Canal führt, der vorne neben der Fossa hypophyseos ausmündet (Taf. V, Fig. 28 31, Sonde 1 1). Dieser Canal rückt zuweilen, wie bei Trionyx sinensis und Podocueuiis so nahe an den Vorder- oder Seiten- rand des Dorsum ephippii, dass nur mehr ein Ausschnitt statt einem Canal für den Nervus abducens gebildet wird (Taf. 11, Fig. 7) oder er fehlt, wie bei Cyclanorbis, gänzlich (Taf. II, Fig. 5), so dass der Nerv frei neben dem Dorsum ephippii zur vorderen häutigen Schädelwand ziehen muss. Am Grunde der Fossa hypophyseos mündet beiderseits der Canalis caroticus internus ein, der im vorderen Drittel der lateralen Kante des Basisphenoideums beginnt und die Fortsetzung des gleichen Canales im Pterygoideum ist (Taf. V, Fig. 28 31, Sonde 2 2). Das Foramen caroticum internum (f. c. i.) zeigt bei den Triony- chidae eine besondere Grösse (Taf. II, Fig. 5), wodurch es sich von dem der anderen Schildkröten unterscheidet. Der Nervus vidianus zieht nur bei Chelys und Cliclodina (Taf. V, Fig. 28,

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Sonde 3 3), sowie bei den Eidechsen durch das Basisphenoi- deum, bei den übrigen Schildkröten kommt er damit kaum in Berührung, denn er ist gewöhnhch, wie wir später sehen werden, ganz oder theihveise im Pterygoideum eingebettet. Daher wird das Basisphenoideum unter den Schildkröten bloss bei Chelys und Oielodina von drei Canälen durchzogen, oben vom Canalis nervi abducentis 1 1, medial vom Canalis caro- ticus internus 2 2, lateral vom Canalis nervi vidiani 3 3.

Eine ganz abweichende Form zeigt das Basisphenoideum bei den Cheloiiidae (Taf.V,Fig.30). An die obere viereckige, stark con- cave Platte ist unten eine solche von dreieckiger Form angefügt, die hinten in zwei spitze Ecken ausläuft und an der Schädelbasis sichtbar wird. Nach vorne verschmälert sich das Basisphenoi- deum stielartig zum Fortsatze für die unteren Schädelbalken. Ein eigentliches Dorsum ephippii fehlt; es sind nur die Processus clinoidei (p. cl.) anwesend. Die Fossa hypophyseos (f. hy.) ist, wie sich Köstlin (41) ganz treffend ausdrückt, auf wenig mehr als auf die inneren Mündungen der beiden Foramina carotica interna beschränkt. Zwischen der oberen und unteren Platte verläuft seitlich eine Rinne für den Canalis caroticus internus.

Bei den meisten Schildkröten betheiligt sich das Basi- sphenoideum auch an der Umschliessung der Gehörhöhle. Wir sehen zu diesem Zwecke besonders bei Cinosternum (Taf. V, Fig. 29), Liemys, Eniys, Cistndo und Cyclemys die laterale Kante hinten grübchenförmig ausgehöhlt. Mit dieser Fovea Cochleae (fo. c.) bildet es den Boden der Cochlea.

Das Basisphenoideum ist bei den meisten Schildkröten mehr weniger in die Schädelhöhle zurückgedrängt und daher äusserlich an der Schädelbasis oftmals nur wenig sichtbar. Dies hängt mit der medialen Verbindungsweise der Pterygoidea zusammen, die grösstentheils so intensiv geschieht, dass zwischen ihren hinteren Enden und dem Basioccipitale nur ein geringer Raum für das Zutagetreten des Basisphenoideums übrig bleibt. Es kommt bei Dermochelys nach Gervais (31), Pcloinediisa, Chelys, Chelodina, Hydraspis, Trioiiyx, Pclochclys, CJiitra und Emyda fast in seiner ganzen Ausdehnung zum Vorschein, w^ährend bei Macroclemmys, den Chelonidae und bei Podocnemis niadagascariensis davon nur sehr wenig zu

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sehen ist. Stannius (56) berichtet von Trionyx das Gegen- theil; Seite 59: »Die Ausdehnung des ganzen Os sphenoideum basilare und namentlich seines an der Schädelbasis frei zu Tage liegenden Theiles ist verschieden: unbedeutend bei den Trionyx und Oielonia, sehr beträchtlich bei Anderen, nament- lich bei Oielys, bei Pelomedusa.« Alle von mir untersuchten Trionyx -AviQn zeigen das Basisphenoideum an der Schädel- basis fast in seiner ganzen Ausdehnung. Gray (32) gibt auf Taf. 41 in Fig. 1 d die Untensicht des Schädels von Trionyx aegyptiactis ■= T. triungtns Forsk., an der allerdings dasselbe nur unbedeutend zur Ansicht käme. Allein die Gray 'sehe Abbildung scheint mir nicht ganz correct zu sein, denn nach Mohring (42), Cuvier (26) und Brühl (22) ist das Basi- sphenoideum von demselben Thiere genau so dargestellt, wie es von mir angegeben wurde.

Bei den Chelydidae (Taf. V, Fig. 28) ist das Basisphenoi- deum seitlich flügelartig verbreitert, wodurch es an der Schädel- basis die ungewöhnlich grosse Ausbreitung ermöglicht.

Das Basiophenoideum verbindet sich bei den Chelydridae, bei Staurotypiis, Cinosternmn, Chrysemys, Liemys Clemmys, Eniys, Cistudo, Nicoria, Cyclemys, Geoemyda, den Chelonidae, bei Pelomedusa und der Chelydidae vorne und seitlich mit dem Pterygoideum, bei Testudo mit dem Vomer und Pterygoideum, bei Podocneniis und den Trionychidae mit dem Palatinum und Pterygoideum, bei Peloclielys mit dem Vomer, Palatinum und Pterygoideum. Es verbindet sich hinten mit dem Basioccipitale. jedoch bei Podocneniis, Chelodina und Hydraspis auch mit dem Quadratum, wie schon von Baur (3) berichtet wurde, endlich bei Chelys mit dem Basioccipitale, Quadratum und Pleurocci- pitale. Es verbindet sich seitlich oben mit dem Otosphenoideum, das bei den Chelydidae an der Untenfläche der Schädelbasis an der hinteren Kante neben deni Quadratum zum Vorschein kommt.

Das paarige Otosphenoideum (o. s.), Brühl, prooticum Hoffmann, Bienz, petrosum Hallmann, Peters, ala tem- poralis Stannius, ala temporalis posterior Klein, hinterer Schläfenflügel Köstlin, Felsenbein Rathke, os tympanicum Mohring, ala ossis sphenoidei Bojanus, alisphenoid Owen,

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prootic H 11 X 1 e y, P a r k e r, rocher C u V i e r, B 1 a n c h a r d, G e r V a i s, bildet den vorderen grösseren Theil der Gehörhöhle, die laterale Schädehvand und iimschliesst allein oder mit seinem Nachbar- knochen mehrere Gefäss- und Nervenlöcher. Es ist entsprechend der allgemeinen Schädelform sehr verschieden gestaltet, aber nichtsdestoweniger tritt immer als Grundfigur der Würfel, wenn auch in allen möglichen Variationen, zu Tage. Die obere Fläche setzt mit dem Parietale, Quadratum, Supraoccipitale, Squamosum und Paroccipitale den Boden der Schläfengrube, Fossa tempo- ralis, zusammen. Cydemys amboinensis und Testiido graeca wird davon ausgeschlossen, weil das Parietale das Otosphenoi- deum bedeckt.

Das Otosphenoideum bildet vorne gemeinsam mit dem Quadratum einen quergestellten, freien Rand, Crista praetem- poralis. Sie ist gewöhnlich abgerundet und ihre Länge hängt von der Breite des Schädels ab. An ihrer Zusammensetzung nimmt das Otosphenoideum einen sehr ungleichen Antheil, denn sie wird bei den Triouychidae hauptsächlich vom Otosphenoi- deum und ganz wenig nur vom Quadratum gebildet. Bei den meisten Cryptodira tritt das Umgekehrte ein, während bei Cydemys amboinensis, Testudo graeca und tentoria das Oto- sphenoideum davon ganz ausgeschlossen ist, weil sich das Quadratum mit dem Parietale verbindet und beide Knochen dasselbe rückwärts drängen. Die Crista praetemporalis fehlt den Chelydidae, denn das Cranialdach ist so. flach, dass die sie bildenden Knochen ohne wesentlicher Hervorragung abwärts streben.

Auf der Crista praetemporalis erhebt sich bei Clemmys, Einys, Cisttido, Testudo und Cheloiie imbricata an der Ver- einigung des Otosphenoideums mit dem Quadratum ein rauhes Tuberculum, oder bei Testtido graeca und T. tentoria auf dem letzteren allein. Dasselbe wurde von Bojanus (17) bei Eniys orbicnlaris als Processus articularis bezeichnet, und Fritsch (28) theilt mit, dass sich bei Testtido elephantina auf demselben eine Knorpelscheibe zum Darübergleiten des Musculus tempo- ralis befestigt. Anstatt des Tuberculums ist bei den Triouychidae und Anderen fast die ganze Crista praetemporalis rauh, woraus zu schliessen wäre, dass sie zum Darübergleiten des sehr breiten

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Schläfenmuskels in ihrer ganzen Länge mit einer Knorpel- schichte überzogen ist.

Das Otosphenoideum umschliesst in der Fossa temporalis mit dem Quadratum das Ostium ductus carotici externi, ad fossam temporalem hiansBojanus, Foramen carotico-temporale Brühl, das jedoch bei keiner Schildkröte im Otosphenoideum allein gelegen ist, wie es bei Chclys von Cuvier (26) (pl. XI, Fig. 21) fälschlich dargestellt wurde. Der von Hoff mann (37) gemachte Fehler, dass bei den Seeschildkröten das oben ge- nannte Foramen ganz innerhalb der oberen Platte des Oto- sphenoideums gelegen sei, hat bereits Brühl (22) berichtigt. Übrigens ist der letztgenannte Autor selbst bei Chelys in einen groben Irrthum gerathen, indem er c. 1. (Taf. 73, Fig. 1) das Otosphenoideum als Parietale bezeichnet und in diesem das Foramen carotico-temporale (von Brühl aber für ein Nerven- loch gehalten) gelegen sein lässt. Ebenso hat Brühl (22) das- selbe bei Chelodiiia (Taf. 69, Fig. 7) ganz unrichtig dargestellt, indem es nach seiner Auffassung vom Otosphenoideum, Qua- dratum und Pter^'goideum eingeschlossen sein würde. Nur bei jenen Schildkröten, deren Otosphenoideum m der Schläfengrube vom Parietale bedeckt wird, legt sich das Parietale mittelst eines Ausschnittes an den Rand des Foramen carotico-tempo- rale und bei Cisttido ausser dem zuletzt genannten Knochen auch das Supraoccipitale.

Das Foramen carotico-temporale ist bei Stanrotyptis und Cinosterinun sehr klein, welche Eigenthümlichkeit schon Baur (3) hervorhebt. Später erklärt aber derselbe Autor (12), dass es bei Stajirotypus abwesend ist. Es fehlt aber bei keiner Art, ausser vielleicht einseitig als pathologische Anomalie, wie ich es an einem Schädel von Chelydra serpetttina wahrnehmen konnte. Ich glaube, dass der angebliche Mangel desselben bei Dermatemys nach B a.uY (3) undBienz (15) bloss auf Täuschung beruhen dürfte.

Von dem Foramen carotico-temporale lässt sich der Canalis caroticus externus an der lateralen, mit dem Quadratum ver- bundenen Fläche des Otosphenoideums bis zur Abzweigung vom Canalis cavernosus verfolgen, wo er mit dem Foramen caroticum externum (f. c.) (Taf. IV, Fig. 18) seinen Anfang

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nimmt. Er bildet daher auf den zusammenstossenden Flächen der beiden Knochen je einen Sulcus caroticus externus. Dieser ist bei Stanrotypns und Clnostermim, wenn auch sehr schmal, dennoch deutlich ausgebildet und scheint daher so wie bei den änderen Schildkröten für den Durchzug der Carotis externa zu gehören. Warum dieselbe gerade bei diesen zwei Gattungen so dünn ist, während sie bei anderen Schildkröten wieder zu be- trächtlicher Stärke anschwillt, bleibt bis jetzt ebenso unaufge- klärt, wie das von Rütimeyer in Betrachtung gezogene Factum von der extremen Weite des Canales der Carotis cerebralis bei Podocneniis.

Von der Carotis externa geht vor dem Aufsteigen zum Foramen carotico-temporale ein Ast ab, der im Canalis cavernosus nach vorne zur Augenhöhle hinzieht. Bei den meisten crypto- diren Schildkröten verläuft derselbe zwischen Otosphenoideum und Quadratum durch das Foramen jugulare internum (f. j. i.) in die Schädelhöhle, um diese durch das Foramen sphenoidale (f. s.) wieder zu verlassen. Bojanus (17) führt auf Taf. XI, Fig.28i? in der Erklärung an, dass durch das letztgenannte Loch ein Ast der Carotis cerebralis nach aussen gelangen würde, was kaum glaublich ist, weil bei Emys orbiailaris so wie bei den meisten cryptodiren Schildkröten die Carotis cerebralis gleich nach vorne geht, ohne in der Gegend des Foramen sphenoidale einen Ast abzugeben, während man sowohl an der Innenfläche des Ouadratums als auch an der Aussenfläche desOtosphenoideums ganz deutlich die Abzweigung der Carotis externa sehen kann.

Bei Cyclemys dhor und Testudo zieht der vordere Ast der Carotis externa sogar durch einen eigenen Canal (Taf. III, Fig. 17 t') (s. c. e.), der oberhalb des Canalis cavernosus (s. c.) liegt, nach vorne, wo er durch ein eigenes Loch, Foramen caroticum anterius (f. c.) nach aussen gelangt (Taf. II, Fig. 6). Es ist neben dem Foramen sphenoidale gelegen und vom Oto- sphenoideum gemeinschaftlich mit dem Pterygoideum begrenzt. Auch bei Chelone mydas verlässt der vordere Ast der Carotis externa durch ein eigenes Loch zwischen den genannten Knochen den Canalis cavernosus, er hat aber keinen separaten Canal. Bei Staiirotyptis, Cmostenmni, den Chelydidae und Trionychidae fehlt dieser Ast gänzlich; als Ersatz dafür werden

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wir bei der Besprechung des Pterygoideums einen Ast der Carotis interna l<ennen lernen, der nach vorne zur Augenhöhle hinstrebt und die Function des ersteren übernimmt.

Durch das Foramen sphenoidale (f. s.) dringt von aussen ein Zweig der Vena jugularis interna in die Schädelhöhle ein, begibt sich durch das Foramen jugulare internum (f. j. i.) in den Canalis cavernosus, der rückwärts in den Recessus cavi tym- pani mündet. Das Foramen sphenoidale wird hinten und oben vom Otosphenoideum begrenzt, vorne vom Parietale und bei manchen Schildkröten auch vom Epipterygoideum, unten vom Pterygoideum. Durch dasselbe verlässt der Nervus trigeminus Ramus 2 und 3 die Schädelhöhle, ebenso ein Zweig der Carotis externa nach der soeben gegebenen Beschreibung, und von aussen in die Schädelhöhle gelangt die Vena jugularis interna. Bei der Besprechung des Parietale werden wir sehen, dass einige Schildkröten für den Ramus 2 des Nervus trigeminus ein separates Loch besitzen. Das Foramen sphenoidale (f. s.) hat gewöhnlich eine ovale Form von verschiedener Grösse; wir finden es sehr gross bei den Chelydridae, Cinostet'unm, Chelonidae, Podocnemis und Trionydiidae (Taf. I, Fig. 1,3; Taf. II, Fig. 5, 7, 8), sehr klein bei Cyclemys, Geoemyda und den meisten Testtido -Arten (Taf. I, Fig. 4; Taf. II, Fig. 9).

Das Foramen jugulare internum (f. j. i.) wird medial und oben vom Otosphenoideum, lateral und unten vom Pterygoi- deum begrenzt. Es liegt in der Schädelhöhle neben dem Foramen sphenoidale und dient der Vena jugularis interna zum Durchlass in den Canalis cavernosus. Dieser erstreckt sich vom genannten Loch bis zur vorderen Wand des Recessus cavi tympani und ist oben vom Otosphenoideum, unten vom Ptery- goideum begrenzt. Daher sieht man am Otosphenoideum aussen (Taf. III, Fig. 16 e und 17 e) eine breite Rinne (s. c), die obere mediale Hälfte des in Rede stehenden Canales, davon zweigt aufwärts die Rinne für die Carotis externa (s. c. e.) ab. In der Mitte der Rinne liegt das Foramen für den Nervus facialis (VII), der im Canalis cavernosus nach hinten zum Recessus cavi tympani geht. Gleich bei seinem Eintreten in den Canal zweigt ein kurzer Sulcus (s. v.) vertical nach unten ab, der bis zum unterhalb liegenden Canalis caroticus internus führt, oder

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wenn das Otosphenoideum unten eine horizontale Platte bildet, wie bei Nicoria und Clemmys, so ist dieselbe durchbohrt, um die Communication mit dem genannten Canal herzustellen. Der Canalis caroticus internus wird bei Stanrotypus, Cinostcrnmn, Chelydra, Chrysemys picta, Liemys, Clemmys, Emys, Cistudo, Kicoria, Cyclemys und Testudo oben vom Otosphenoideum überdeckt, während den Boden desselben das Pterygoideum bildet. Bei den pleurodiren Schildkröten wird aber dieser Canal ganz vom Otosphenoideum eingeschlossen. Dieses tritt nämlich bei Pelomednsa, Chelys, Chelodina und Hydraspis an der unteren Schädelfläche frei zu Tage und enthält das hintere Foramen caroticum internum (f. c. i.) (Taf. IV, Fig. 24 und 25). Von hier führt der gleichnamige Canal, nachdem er das Otosphenoideum passirt hat, in das Basisphenoideum, welches mit den flügel- artigen Ausbreitungen von unten her den Canal ergänzt, und mündet in der Fossa hypophyseos als vorderes Foramen caro- ticum internum (f. c. i.) (Taf. I, Fig. 1 4; Taf II, Fig. 5 9). Der Nervus facialis (VII) dringt bei den Plenrodira nicht sogleich, wie bei den cryptodiren Schildkröten in den Canalis cavernosus ein, sondern zuerst in den carotischen Canal, und erst von hier aus sendet er den Facialiszweig durch einen eigenen Canal nach rückwärts in den Canalis cavernosus, während der sympathische Zweig des Nervus facialis im caro- tischen Canal nach vorne gelangt, um sich nach Bojanus (17) und Vogt (59) mit dem Nervus abducens und N. sympathicus zu verbinden. Podocnemis (Taf. IV, Fig. 21) schliesst sich in dieser Beziehung wieder mehr den cryptodiren Schildkröten an, denn der eigentliche Nervus facialis geht durch ein Loch rückwärts in den cavernösen Canal und der Sympathicuszweig durch ein zweites in den carotischen Canal. Der letztere, dessen genaue Beschreibung beim Pterygoideum folgen wird, ist bei Podocnemis nur oben vom Otosphenoideum begrenzt.

Das Otosphenoideum besitzt an der medialen Fläche vorne den Ausschnitt für das Foramen sphenoidale und etwas weiter rückwärts einige zu einer Gruppe formirten Löcher. Davon ist immer das unterste Loch vorne das Foramen nervi facialis (VII), die übrigen sind die F^oramina nervi acustici (VIII) und in verschiedenfacher Zahl anwesend, zwei bei den meisten

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Schildkröten (Taf. I, Fig. 2, 3; Taf. II, Fig. 8, 9), drei bei Macro- clemmys, Podocnemis und den Trioiiychidae (Taf. I, Fig. 1 ; Taf. II, Fig. 5, 7), während Cyclemys und die meisten Testudo- Arten (Taf. I, Fig. 4; Taf. II, Fig. 6) nur ein Foramen nervi acustici besitzen. Bei letzteren ist sogar oftmals an dessen Stelle bloss ein halbkreisförmiger Ausschnitt vorhanden, der erst durch die knorpelige Vestibularwand zum Loche ergänzt werden muss. In derselben finden sich überhaupt immer einige Durchgangsstellen für den Nervus acusticus vor, besonders bei jenen Schildkröten, welche im Otosphenoideum nur ein solches Loch besitzen. In den Figuren der beigegebenen Tafeln wurde der Complex der Foramina für den Nervus facialis und Nervus acusticus theilweise zur Vereinfachung, hauptsächlich aber auch, weil bei den meisten Schildkröten dieselben in einer Grube liegen, als Meatus auditorius (m. a.) bezeichnet. Hasse (36) sagt zwar, dass eine Einziehung, die erste Andeutung eines Meatus auditorius internus, wie wir sie bei den Vögeln auftreten sehen, fehlt. Dies trifft allerdings bei den Chelonidae und bei Testudo zu, bei den meisten anderen Gattungen jedoch liegt das Foramen nervi facialis mit zwei Foramina nervi acu- stici in einer gemeinsamen Vertiefung (Taf. I, Fig. 1, 2, 3; Taf. II, Fig. 5, 7). Wohl findet man noch weitere Durchtrittsstellen für den letztgenannten Nerv auch ausserhalb liegen, denn bei den Schildkröten kommen nicht so constant wie bei den Eidechsen bloss zwei Löcher für den Nervus acusticus vor, nämlich für den Ramus vestibularis und R. cochlearis. Retzius (51) hat gezeigt, wie vielfach sich der Nervus acusticus bei den Schild- kröten für die einzelnen inneren Gehörtheile spaltet, weshalb auch bei manchen Schildkröten, wie wir sahen, drei Löcher vorkommen und ausserdem noch einige Durchtrittsstellen in der knorpeligen Vestibularwand vorhanden sind. Hasse (36) berichtet auf Seite 255 über den Gehörnerv: »Wir können also bei den Schildkröten nur mit Unrecht von einem Ramus vesti- bularis und cochlearis sprechen, wozu wir bei den Menschen und Vögeln berechtigt waren, trotzdem bei letzteren Thieren ersterer sich schon frühzeitig in eine Menge selbständiger Äste auflöste. Bei den Schildkröten sehen wir, und das ist ver- gleichend-anatomisch wichtig, zum ersten Male den Nervus

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cochlearis auch andere Theile des Labyrinthes wie die Schnecl<e versorgen.« Ich halte die Bezeichnung als Meatus audi- torius internus bei den Schildkröten für gerechtfertigt, weil es Gattungen gibt, bei denen alle Nervenlöcher in einer Grube vereinigt sind (Taf. I, Fig. 2).

Das Otosphenoideum bildet mit seiner nach rückwärts gewendeten Aushöhlung die vordere, grössere Hälfte des Laby- rinthes, von Scarpa (54) Fovea major genannt. In dieser finden wir am Grunde eine tiefe ovale Grube, die zur Aufnahme der AmpuUa sagittalis und horizontalis (a. s.), sowie des Utriculus bestimmt ist. In dieselbe mündet oben das Orificium canalis semicircularis sagittalis ein, das bei allen Schildkröten medial von einer Knochenspange, Columella vestibuli anterior B oj a n u s, begrenzt wird (Taf. III, Fig. 10^15). Hingegen ist für den lateral einmündenden Canalis semicircularis horizontalis bei den meisten Schildkröten nur eine Incisura anwesend (Taf. III, Fig. 13 15), die bloss bei Macvoclemniys, den Plenrodiva und Triouyx sinensis (Taf. III, Fig. 10 12) von einer Knochen- spange zum Orificium ergänzt wird. Diese Knochenspange trägt bei den betreffenden Gattungen zur Herstellung des knöchernen Steges nach Scarpa (54), der Columella inferior seu media nach Bojanus (17) bei. An der medialen Wand des Otosphenoideums liegen die Foramina des Nervus acusticus und unterhalb bildet der halbkreisförmig ausgeschnittene Rand (i. V.) den vorderen Theil des Foramen vestibuli seu ovale (f. v.).

Fassen w^ir den Bau des knöchernen Lab3'rinthes, wie er sich uns bei den Schildkröten darbietet, kurz zusammen, so ergibt sich, dass dasselbe bei den pleurodiren Schildkröten die grösste Ausbildung erlangt hat. Bei ihnen kommen alle Theile so wie bei den Eidechsen zur Entwicklung, denn sowohl die hintere Ampulle, als auch die vorderen Ampullen gemeinsam und die Bogengänge sind wohl differenzirt. Am meisten reducirt finden wir diese Theile bei den Landschildkröten, also bei Testudo, wo das knöcherne Labyrinth nur einen Hohlraum mit verschiedenen Ausbuchtungen darstellt, von denen bloss die Ausbuchtung im Otosphenoideum für den sagittalen Bogen eine knöcherne Umwandung erlangt. Wollte man dieses Factum auf die Phylogenie der Schildkröten anwenden, so würde sich

Sitzb. d. mathem.-natunv. Cl.; GVL Bd., Abth. I. 19

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daraus ergeben, dass die Landschildkröten mit ihrem weniger differenzirten Gehörorgan fijr älter zu halten seien als die Pleurodira, bei denen dasselbe die grösste Vollkommenheit zeigt. Diese Annahme würde die Behauptung van Bemme lens (13) unterstützen, dass die Landschildkröten die ältesten seien, während Baur (11) u. A. das Gegentheil glauben.

Bei den Schildkröten stossen die drei das Labyrinth bildenden Knochen, Supraoccipitale, Paroccipitale und Oto- sphenoideum nicht so wie bei den anderen Reptilien (aus- genommen Hatteria) an der medialen Wand zusammen, eine Y- förmige Sutur darstellend, sondern sie bleiben durch eine Lücke von einander getrennt. Diese wird von einer knorpeligen Membran ausgefüllt und zeigt sich in verschiedenfacher Aus- dehnung; sie ist gross bei den meisten Oyptodiva, Pleurodira, den meisten Trionychidae und bei Testtido (Taf. I, Fig. 1 4; Taf. 11, Fig. 7), mittelmässig bei Ciiiostermuri und Cyclanorbis (Taf. II, Fig. 5, 8) und sehr klein bei Geoeniyda spinosa (Taf. II, Fig- 9).

Das Otosphenoideum verbindet sich vorne mit dem Parie- tale und Pterygoideum, hinten mit dem Supraoccipitale und Paroccipitale bei CJielys auch mit deni Pleuroccipitale (Taf. I\', Fig. 24) , unten mit dem Basisphenoideum, lateral mit dem Quadratum. Blanchard (16) hat bei Testndo mattritanica D. B. = T. ibcra Pall. das Otosphenoideum auf Taf. 2, Chelo- iiiens, Fig. 1, von oben gesehen, ganz unrichtig dargestellt. Das vom genannten Autor bezeichnete Knochenfeld ist nicht das Otosphenoideum, sondern ein Theil des Quadratum.

Zur Fortsetzung des Schädeldaches schliesst sich dem Supraoccipitale vorne das Parietale an, diesem folgt das Fron- tale und zuletzt das Praefrontale.

Das paarige Parietale (p.), Bojanus, Mohring, Peters, Hallmann, Köstlin, Stannius, Klein, Hoffmann, Brühl. Bienz, parietal Owen, Huxley, Parker, parietal Cuvier, Blanchard, Gervais, hat immer eine bedeutende Ausdehnung und verbindet sich mit seinem Partner durch eine Sagittalnaht. Das hintere Ende ist in einen sehr verschieden langen, spitz zulaufenden Fortsatz ausgezogen, der sich schuppenartig mit der Crista supraoccipitalis verbindet und sich zur Crista parietalis

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erhebt. Von dieser und der ganzen medialen Kante des Parietale entspringt bei Dermoclielys nach Gervais (31), Platysternnm nach Boul enger (19), bei den Chelonidae und bei Podocnemis (Taf. V, Fig. 26) eine horizontal nach aussen gerichtete, breite Knochenplatte, die sich mit den Nachbarknochen zu einem Schläfendach, Arcus orbito-temporalis Brühl verbindet. Auch bei den Cliclydridac ist diese Knochenplatte entwickelt, sie erreicht aber bei weitem nicht mehr die Ausdehnung als bei den eben genannten Gattungen. Die Chelydidae, ausgenommen Chelodiiui, haben noch eine Andeutung derselben in Form eines bi'eiten Knochenfortsatzes, der sich mit dem Squamosum ver- bindet und daher grosse Ähnlichkeit mit dem Processus parie- talis der Eidechsen zeigt.

Das Parietale sendet auch abwärts zum Pterygoideum eine senkrechte Knochenplatte, die bei den Chelonidae schmal, bei den übrigen Schildkröten aber gewöhnlich sehr breit ist und seitlich die Schädelwand ergänzt. Schon Köstlin (41) hat ihre grosse Ähnlichkeit mit der Columella bei den Eidechsen hervor- gehoben. Ebenso hielt sie Gegenbaur (30) mit derselben für homolog; hingegen bezeichnet Huxley (38) die senkrechte Parietalplatte als Alisphenoideum, Seite 176: »The alisphenoidal region remains unossified; but the large parietals send down a Prolongation on each side, which plays the part of an ali- sphenoid«. Klein (40) hat sie wieder mit der Columella ver- glichen, Seite 106: »Bei den Cheloniern gehen von ihrer unteren Fläche (nämlich der Parietalia) senkrechte Platten ab, welche sich an die Alae temporales und Pterygoidea anlegen. Damit ist der Übergang gegeben zu den Sauriern, bei welchen dieser absteigende Theil auf einen einfachen Stiel reducirt ist, welcher, losgerissen, einen eigenen Knochen, die Columella, darstellt«. Diese absteigende Parietalplatte fehlt nach Boul enger (20) bei Dermoclielys vollständig.

Das Parietale begrenzt vorne den Interorbitalraum, hinten das Foramen sphenoidale, bei Testudo, graeca, marginata, ociiUfera und tentoria auch das Foramen carotico-temporale. Es bildet bei Liemys, Clemmys und Geoemyda mit dem Ptery- goideum in der Schädelhöhle ein Loch für den vorderen Canal des Nervus vidianus (f. vi., Taf. II, Fig. 9), der bei den genannten

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Gattungen und ausserdem noch bei Chrysemys, Emys und Nicoria zwischen der vorderen Parietalkante und dem daran- stossenden Palatinum wieder mit einem Loch ausmündet. Ferner Hegt bei Geoemyda, Cyclemys (Taf. II, Fig. 6, 9) und den meisten Testudo 'Arten in der senkrechten Parietalwand vor dem Fora- men sphenoidale ein kleines Loch (V-), das dem zweiten Tri- geminus-Aste zum Durchlasse dient.

Das Parietale verbindet sich vorne oben mit dem Frontale, vorne unten mit dem Pterygoideum und Palatinum, bei den Chelydridae, bei Cisttido, den Chelonidae und Chelydidae jedoch nur mit dem ersteren Knochen allein, hinten mit dem Supra- occipitale, bei Dermochelys nach Gervais (31), den Chelo- nidae und Chelydidae, ausgenommen Chelodina, auch mit dem vSquamosum, seitlich mit dem Postfrontale, Pterygoideum und Otosphenoideum, bei Cleminys, Emys, Nicoria, Cyclemys und Geoemyda berührt es nach unten, bei Testudo graeca, oculifera, und teutoria oben das Quadratum. Es verbindet sich ausserdem seitlich bei Podocneniis madagascarieusis (Taf. V, Fig. 26) mit dem Paraquadratum, bei den Trionychidae mit dem Jugale und bei Podocnemis expaiisa nach Cuvier (26) mit beiden zuletzt genannten Knochen. Endlich steht das Parietale auch mit dem Epipterygoideum bei allen Schildkröten in Verbindung, wo es isolirt geblieben ist.

Hoffmann (37) und Brühl (22) hat das Parietale von Chelys ganz unrichtig dargestellt; von beiden Autoren wurde es durch eine in Wirklichkeit nicht existirende Quernaht in der Gegend der Schläfengruben in zwei Hälften getheilt und davon die vordere Hälfte mit Frontale bezeichnet. Es sind jedoch beide Hälften zusammen, also Parietale und Frontale nach Hoffmann und Brühl das wirkliche Parietale, wie es sowohl von Cuvier (26), als auch von Wagler (60) schon richtig abgebildet wurde.

Das paarige Frontale (f.), H a 1 1 m a n n, K ö s 1 1 i n, S t a n n i u s, Hoffmann, Brühl, Bienz, frontale medius Klein, Peters, OS frontale Mohring, os frontis Bojanus, Sfirnbein Rathke, frontal Owen, Huxley, Parker, frontal Cuvier, Gervais, frontal principal Blanchard, ist zwischen Parietale und Post- frontale eingeschoben. Es erscheint bei den meisten Schildkröten

Das Kopfskelet der Scliildkröten. ^i ^

auf Kosten des fast immer beträchtlich ent\vicl<elten Praefrontale stark reducirt. Es dient kaum mehr als zur Ausfüllung eines geringen Raumes an der Schädeldecke, denn es nimmt in vielen Fällen nicht einmal theil an der Begrenzung der Augenhöhle, und bloss bei den Chclydidae bedeckt es auch die Nasenhöhle.

Das Frontale verbindet sich medial mit dem der anderen Seite durch eine Sagittalnaht, welche die gleichnamige Naht der Parietalia fortsetzt. Bei Chelodina longicollis fehlt diese Naht spurlos, somit sind die beiden Frontalia zu einer unpaaren Knochenplatte vereinigt. Hoffmann (37) stellt das Frontale bei Clidodiiia paarig dar, während Brühl (22) den vorderen Theil der Naht mit einem Fragezeichen versieht und die Ver- längerung derselben nach hinten bloss durch eine punktirte Linie ausdrückt. Brühl erwähnt aber in der betreffenden F'igurenerklärung die Unpaarigkeit des Frontale mit keinem Worte, obwohl durch diese Thatsache Chelodina von allen bis jetzt bekannten recenten Schildkröten ausgezeichnet ist.

Die untere Fläche der beiden Frontalia bildet eine sagittale Rinne für den Nervus olfactorius, die bei Testndo durch die stark einwärts gebogenen Seitenränder beinahe zu einem kurzen Canal verwandelt wird.

Wie schon erwähnt wurde, betheiligt sich das Frontale nicht bei allen Schildkröten an der Umrahmung der Orbita, sondern bei Dcnuochelys nach Gervais (31), den Clielydn'dac, bei Staurotypns, Cmostentiun, Platystenmm nach Boul enger (19), Kachuga nach Gray (32) und Anderson (1), Batagnr und Morenia nach Anderson (1), Liemys, Emys, Talassochelys, Testndo niicrophyes, T. indica nach Cuvier (26) verbindet sich das Praefrontale mit dem Postfrontale und beide Knochen drängen das Frontale einwärts vom Orbitalrande. Dies scheint aber nicht constant der Fall zu sein, denn Boul enger (21) berichtet, dass er an einem Kopfe von Chelone mydas das Frontale durch das Verbundensein des Prae- mit dem Post- frontale von der Begrenzung der Orbita ausgeschlossen fand, während bei einem zweiten Kopfe derselben Art die genannten Knochen vom Frontale getrennt waren, und ein dritter Kopf zeigte sogar die erste Anordnung auf der rechten Seite, die zweite auf der linken. Dieselbe Wahrnehmung konnte der

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genannte Autor, obwohl nicht so häufig, auch bei TaJassochelys machen. Ich kann nicht nur Boulenger's Angaben von Cluioiie mydas bestätigen, sondern noch einen weiteren Fall von Emys orbicnlaris mittheilen. Unter den vielen von mir untersuchten Köpfen dieser Art ist an einem Exemplare das Frontale zwischen Prae- und Postfrontale in ansehnlicher Breite, ähnlich wie bei Clemmys caspica, bis an den Orbitalrand vorgerückt, obwohl es sonst immer von den beiden Knochen weit nach innen geschoben wird. Eine Verwechslung mit Clemmys caspica kann jedoch nicht möglich sein, weil sich die beiden Gattungen durch ein Merkmal leicht unterscheiden lassen. Clemmys caspica besitzt nämlich ein auffallend kleines Paraquadratum, das dagegen bei Einys orbicnlaris sehr gross ist.

Das Frontale verbindet sich vorne mit dem Praefontale, bei den Chelydidae mit Ausnahme von Chelys auch mit dem Nasale, hinten mit dem Parietale und Postfrontale. In ganz ungewöhnlicher Weise ist es bei Trionyx suhplanns (Taf. V, Fig. 27) mit dem Maxillare verbunden.

Brühl (22) lässt bei Chelodina das F'rontale auch mit dem iVIaxillare in Verbindung treten; soviel ich mich überzeugen konnte, liegt der letztere Knochen bloss dem Praefrontale und Nasale an, ohne das Frontale zu berühren. Sowohl Brühl (22), als auch Hoffmann (37) hat durch die absolut falsche Deutung der vorderen Dachknochen bei Chelys ganz merkwürdige Ver- hältnisse zu Stande gebracht, die wohl bei keiner Schildkröte vorkommen dürften, denn das F'rontale würde hinten die untere Schläfengrube begrenzen und unten mit dem Pterygoideum in Verbindung stehen.

Das paarige Praefrontale (pr. f.). Hoffmann, Brühl, Bienz, frontale anterius Peters, Hallmann, Stannius, Klein, frontale anticum Köstlin, os ethmoidale laterale seu nasale M oh ring, os ethmoideum laterale Bojanus, vorderes Stirnbein Rathke, prefontal Owen, Huxley, prefonto-nasal Parker, frontal anterieur Cuvier, Blanchard, Gervais, erreicht bei den meisten Schildkröten eine bedeutende Aus- dehnung, wie sie weder die Krokodile, noch die Eidechsen und Schlangen besitzen. Es begrenzt nicht nur die Orbita, sondern auch die Apertura narium externa und bildet mit wenigen

Das Kopfskelet der Schildkröten. 277

Ausnahmen die Scheidewand zwischen der Augen- und Nasen- höhle.

Vermöge dieser functionellen Vielseitigkeit hat auch das Praefrontale, wie aus der vorgesetzten Synonjmiie hervorgeht verschiedene Namen erhalten. Es nimmt, wie Stannius (56) sich ausdrückt, sowohl die Stelle des Lacrymale, als auch in der Regel die des Nasale ein. Nur bei den CheJydidae erscheint es, mit Ausnahme von Chelys, stark rückgebildet, denn es stellt einen unansehnlichen Bogen dar, der zwischen dem Frontale und Maxillare eingeschoben ist und durch den letzteren Knochen vom vorderen Nasenrand zurückgedrängt wird.

Die Praefrontalia verbinden sich medial durch eine Sagittal- naht, die Fortsetzung derselben zwischen den Frontalia und Parietalia, so dass die ganze Schädeldecke in zwei Hälften getheilt ist. Bei den Chelydidae werden jedoch die Praefrontalia von den dazwischen gelagerten Frontalia getrennt, und bei Clielodina beschränkt sich die Sagittalnaht bloss auf die Parie- talia, weil das Frontale einen unpaarigen Knochen darstellt.

V/ährend der mediale Theil der horizontalen Platte des Praefrontale das Nasale vertritt, wo es nicht ohnedies vorkommt, ersetzt das untere Ende der verticalen Platte das Lacrymale, und bloss sein orbitaler Bogen würde das eigentliche Praefron- tale vorstellen. Die verticalen Platten der Praefrontalia ver- binden sich bei allen cryptodiren Schildkröten mit dem Maxil- lare, Vomer und Palatinum; dadurch bilden sie eine voll- kommene Scheidewand zwischen der Nasen- und Augenhöhle, die nur durch eine senkrechte Spalte getrennt bleibt und sich oben halbkreisförmig erweitert zum Durchlass des Nervus olfactorius. Die verticalen Platten sind bei den Trionycliidae auf je zwei schmale Fortsätze reducirt, von denen sich die lateralen mit dem Maxillare, die medialen bloss mit dem Vomer verbinden und daher die beiden Sinneshöhlen unvollkommen trennen. Bei den Pleurodira, bei Chitra und nach Baur (3) auch bei Cydoderma fehlt jede Verbindung des Praefrontale mit dem Vomer und daher auch die knöcherne Scheidewand. Baur (3) führt unter den Trionydioidea, denen die absteigenden Fortsätze der Praefrontalia fehlen, auch Baikiea =: Cyclauorhis Gray auf; die Unrichtigkeit dieser Angabe wird jedoch durch

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die Fig. 5 auf Taf. II widerlegt. Die Praefrontalia von Trionyx subplaiitis machen bei oberflächlicher Betrachtung den Eindruck von Nasalia (Taf. V, Fig. 27), weil deren obere Platten durch die Vereinigung der Maxiilaria mit den Frontalia von den ab- steigenden Fortsätzen äusserlich getrennt werden; an einem zerlegten Kopfe stellt sich aber sogleich die Zusammengehörig- keit der beiden Theile heraus.

Das Praefrontale bildet mit seiner horizontalen Platte nur das Dach der Nasenhöhle und hilft niemals jenes der Schädel- höhle ergänzen, wenn es auch noch so weit zwischen den Orbitae zurückreicht, denn das Frontale stosst immer unterhalb schuppenartig bis zur Nasenhöhle vor. Das distale Ende der verticalen Platten umschliesst mit dem Maxillare undPalatinum das Foramen palatino-nasale Bojanus (f. p. n.), Foramen orbito- nasale Brühl, F. naso-palatinum Hoffmann; es ist klein bei Clenimys, Eiuys, Cistudo, Nicoria, Cycleiiiys, Gcociuyda und Testudo; massig gross bei den Chelydridae, Stanrotypns, Ciiio- sternnm, Chrysemys und Liemys; sehr gross bei den Chelonidae, Trionyx, Pelochelys, Einyda, Cyclanorhis. Bei den zuletzt ge- nannten vier Gattungen verschmilzt es hinten mit den Choanen und wird deshalb auch vom Vomer begrenzt. Durch den Mangel einer Verbindung des Praefrontale mit dem Vomer entfällt bei den Pleurodira, bei Cliitra und Cydoderma auch das Foramen palatino-nasale.

Das Praefrontale verbindet sich hinten oben mit dem Frontale, bei Derniochdys, den Chelydridae, Stanrotypns, Cino- sterntim, Platysternuui, Kacliiiga, Batagiir, Morenia, Lieiiiys, Emys, Talassochetys und Clietone niydas auch mit dem Post- frontale; es verbindet sich hinten unten mit dem Palatinum und Vomer, bei Chelone imbricata, Trionyx, Pelochelys, Ernyda und Cyclanorhis mit letzterem Knochen allein, jedoch bei den Pleuro- dira, bei Cliitra und Cyclodertna entfällt die hintere untere Verbindungsvveise ganz. Es verbindet sich lateral mit dem Maxillare bei allen Schildkröten und vorne mit dem Nasale, wenn es anwesend ist.

Das paarige Maxillare (m.). Hoff mann, maxilla Bienz, supramaxillare Brühl, os supramaxillare Bojanus, maxilla superior Peters, Hallmann, Klein, os maxillare superius

Das Kopfskelet der Schildkröten. 279

Mohring, Stannius, Oberkiefer Köstlin, maxillary Owen, Huxley, Parker, maxillaire superieur Blanchard, Gervais, maxillaire Cuvier, schliesst sich dem Praefrontale an und bildet die Grundlage der drei Sinneshöhlen für Nase, Auge und Mund, zu deren Ergänzung noch weitere Knochen herangezogen werden müssen. Das Maxillare besteht aus zwei fast senkrecht aufeinander gestellten Platten, von denen die verticale Platte Processus alveolaris, die horizontale Processus palatinus ge- nannt wird; ausserdem erhebt sich von der ersteren der Pro- cessus praefrontalis.

Der Processus alveolaris ragt besonders bei den Chdonidae als dünne, schneidige Kante weit abwärts und gelangt bei den Chdydidac zur geringsten Ausbildung, denn er zeigt sich bei Clielys nur als ganz niedrige Leiste längs des Kieferrandes. Er ist sehr kräftig bei den meisten Flussschildkröten und immer von einer Hornscheide,Maxillae superioris indumentum corneum Bojanus (17), Integumentum corneum maxillae superioris Mohring (42) überkleidet. Der Processus alveolaris ist vorne etwas einwärts gekrümmt und bildet mit dem der anderen Seite einen Ausschnitt für das Praemaxillare. Bei den Trioiiychidae verbinden sich die Processus alveolares über dem Praemaxillare \-orne und bilden zu seiner Aufnahme eine Nische (Taf. V, Fig. 27). BrühTs (22) Abbildung (Taf. 69, Fig. 6) von Trionyx aegyptiacns ist nicht correct, weil nach derselben die Maxillaria von dem Praemaxillare vorne und oben getrennt wären.

Der Processus palatinus bildet eine horizontale Platte, die hauptsächlich an der Zusammensetzung des Gaumens theil- nimmt, daher auch der Nasen- und i\ugenhöhle als Boden dient. Die Breite des Processus palatinus hängt von der Ausdehnung der Palatina und der Grösse des Vomer ab. Man findet ihn daher bei den Trionyclüdae sehr breit und in der Mittellinie vordem Vomer durch eineNahtmit dem gleichnamigen Fortsatz der anderen Seite verbunden. Am schwächsten dürfte er bei den Chelydidae aus- gebildet sein,wo das Maxillare überhaupt nur aus einem schlanken Bogen besteht, der bloss vorne durch denProcessus praefrontalis, zur stärkeren Entfaltung gelangt. Obwohl bei Pcloiuediisa und Podocneniis der Vomer gänzlich fehlt, verbinden sich die Processus palatini trotzdem nicht in der Mitte, weil sie von den

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sehr breiten Praemaxillaria getrennt werden. Auf dieselbe Weise geschieht ihre Trennung auch bei Testndo und iV/cor/a, während bei den Chelydridae, Staiirotypns, Cinostermun, Chrysemys, Lieinys, Clenmiys, Emys, CisUido, Cyclemys, Geoemyda und Chelys dazu auch noch der Vomer beitragen muss. Unter den Chelonidae erfolgt die Trennung der Processus palatini bei Chelone mydas und imbricata immer durch die Prae- maxillaria und den Vomer, bei Talassoclielys aber drängen sich dieselben zwischen den genannten Knochen durch, um sich zu verbinden. Jedoch auch hier wird die Berührungsstelle der beiden Processus palatini oftmals so minimal, dass sie, wie Boul enger (21) berichtet, eine ,r-förmige Naht bilden oder, wie ich an einem Schädel beobachten konnte, von den Praemaxillaria und Vomer so wie bei CJielone getrennt werden. Die Oberfläche des Processus palatinus besitzt an der Übergangsstelle zum Processus alveolaris ein Loch, Foramen alveolare superius (f. a. s.), das bei Chitra durch ein zweites vermehrt wird (Taf. I, Fig. 1). Die mediale Kante des Processus palatinus betheiligt sich an der Umschliessung des Foramen palatino-nasale und begrenzt bei allen Schildkröten ausser bei Staiirotypns und den Chelonidae die CJioanae. An der unteren Fläche des Pro- cessus palatinus erheben sich bei einigen Testndinidae ein bis zwei Kanten, die mit dem Alveolarrande parallel laufen; unter den Trionychidae ist eine solche Kante bei Chitra anwesend.

Der Processus praefrontalis bildet die äussere Wand der Nasenhöhle, vorne den lateralen Rand der Apertura narium externa und hinten den vorderen Orbitalrand.

Das Maxillare verbindet sich vorne mit dem Praemaxillare, hinten mit dem Pterygoideum und Jugale, medial mit dem Vomer und Palatinum, oben mit dem Praefrontale, bei den Chelydidae ausser bei Chelys auch mit dem Nasale und bei Trionyx snhplanns nebst dem Praefrontale auch mit dem Frontale. Bei den Chelonidae, Pelomednsa und Podocneniis erreicht das Pterygoideum nicht mehr das Maxillare, weil zwischen diesen Knochen das Palatinum mit dem Jugale zu- sammentrifft.

Das paarige Nasale (n.), os nasi Peters, dient zur Er- gänzung des Daches der Nasenhöhle. Es kommt unter den

Das Kopfskelet der Schildkröten. 28 1

Schildkröten nur bei den CJielydidae vor, und da fehlt es auch wieder bei QieJys. Obwohl schon Cuvier (26) und Wagler (60) in der Obensicht des C//t'/>'5-Kopfes die richtigen Verhältnisse der Gesichtsknochen ohne Nasalia gegeben und ausserdem noch Ri^itimeyer (52) den Mangel derselben ausdrücklich hervorgehoben hat, wurden sie dennoch von Brühl (22) und Hoffmann (37) abgebildet. Beide Autoren begingen eben den- selben Fehler, das vordere Stück des Parietale, w^elches sie in irrthümlicher Weise durch eine Naht vom rückwärtigen getrennt glaubten, für das Frontale gehalten zu haben. Daraus ergab sich für sie die weitere Consequenz, das Frontale als Prae- frontale und das wirkliche Praefrontale als Nasale zu bezeichnen. Auch Klein (40) war der Meinung, dass bei Chelys die Nasalia anwesend seien.

Die Nasalia wurden bei allen übrigen Chelydidae nach- gewiesen, und zwar bei Platemys platycephala von Wagl e r (60), bei Hydromedtisa von Peters (47), bei Chelodina von S t a n n i u s (56), bei Hydraspis raniceps Gray Rhinemys nasiita Schw. und bei Chelyuiys = Eniydura von Rütimeyer (52), bei Hydraspis hilaril und Elseya dcutata von Boul enger (20). Gervais (31) hat ihr Vorkommen auch bei Dermochelys beob- achtet.

Das Nasale ist ein kleines, dreieckiges Knochenplättchen, mit der Spitze zwischen Maxillare und Frontale eingekeilt. Die Basis bildet den oberen Rand der Apertura narium externa und umsäumt das vordere Frontalende so, dass es vom genannten Rande ausgeschlossen wird.

Das Praemaxillare (p. m.). Hoffmann, Brühl, prae- maxilla Bienz, intermaxillare Hallmann, Klein, Zwischen- kiefer Köstlin, Stannius, os intermaxillare Peters, os in- cisivum Bojanus, os intermaxillare scu incisivum M oh ring, premaxillary Owen, Huxley, Parker, intermaxillaire Cuvier, B 1 an chard, Gervais, stellt bei den meisten Schildkröten einen paarigen Knochen dar, unpaarig dagegen ist es nur bei den Trionychidae und bei Chelys. Wagler (60), Köstlin (41), Stannius (56) und sogar Hoff mann (37) gibt für die ersteren ein paariges Praemaxillare an, und Klein (40) behauptet, es sei bei allen Cheloniern, auch bei CJielys paarig.

282 F. Siebenrock,

Das Praemaxillare liegt stets zwischen den Maxillaria und bringt somit das Dach der Mund- und den Boden der Nasenhöhle vorne zum Abschluss. Seine Ausbreitung erfolgt nur immer hori- zontal und niemals vertical, weshalb die Schildkröten ein un- paariges Nasenloch besitzen. Das Praemaxillare vervollständigt vorne den Maxillarapparat und ist unten zur Alveolarkante zuge- schärft, mit der es den Kieferrand des Maxillare ergänzt. Bei den Trioiiychidae verbinden sich die vorderen Enden der Maxillaria, weshalb das Praemaxillare mehr unten zur Geltung kommt und oben bloss hinter denselben ganz wenig sichtbar wird. Am wenigsten entwickelt ist es bei Emyda, wo es als sehr kleiner Keil in einer Nische an der unteren Fläche der vorderen Maxillarenden steckt und oben gar nicht zum Vorschein kommt. Hinwiederum bricht es bei Cyclanorbis ganz vorne zv/ischen den Maxillen nach oben durch und wird hinten von denselben umschlossen. Das Praemaxillare wird vom Foramen incisivum (f. i.) durchbohrt, das gewöhnlich an der Verbindungsstelle mit dem Vomer liegt. Dieses fehlt bei Staiirotypus, den Chelonidae und Trioiiychidae. Bei letzteren ist anstatt dessen ein grösseres Loch zwischen den drei Kieferstücken anwesend, das sich bei Cliitra und Cyclanorbis durch seine Kleinheit auszeichnet. Dass Brühl (22) die vordere Kieferpartie bei Trioiiyx aeg)'ptiacus unrichtig dargestellt hat, wurde schon beim Maxillare erwähnt.

Das Praemaxillare verbindet sich lateral mit den Maxillaria, hinten mit dem Vomer, bei Talassochelys, den Pelomediisidae und Trioiiychidae mit den ersteren Knochen allein. Bei Talasso- chelys stossen hinter demselben die Maxillaria zusammen und bei den letzten zwei Familien bildet es hinten einen freien Rand, der in das grosse Loch zwischen den vorderen Kieferrändern hineinragt.

Das paarige Postfrontale (p. f.), Hoffmann, Brühl, Bienz, os frontale posterius Hallmann, Stann ius, Peters, Klein, os zygomaticum medium Bojanus, os zygomaticum genuinum Mohring, hinteres Stirnbein Köstlin, postfrontal Owen, Huxley, postorbital Parker, frontal posterieur Cuvier, Blanchard, Gervais, breitet sich seitlich zwischen dem Schädeldach und dem Jugale aus, es hilft somit den hinteren Orbitalbogen bilden imd bei einigen Schildkröten auch das

Das Kopfskelet der Schildkröten. 283

Schläfendach. Es betheiUgt sich niemals an der Begrenzung der Schädelhühle und unterscheidet sich dadurch wesentlich vom Praefrontale.

Das Postfrontale variirt wie kein anderer Kopfknochen in der Grösse. Vom unbedeutendsten Knochensplitter bei Trioiiyx snhplaniis (Taf. V, Fig. 27) entfaltet es sich bei den Chelonidae, Chelydridac und bei Dennochelys zu einem mächtigen Knochen- bogen, der in beträchtlicher Ausdehnung die Schläfe bedeckt. Während bei den meisten Cryptodira und Plenrodira seine Entwicklung mehr in die Breite gediehen ist, verschmälert es sich bei CisUido und Testtido zu einem schlanken Bogen, der bei Testndo ocnlifera am dünnsten wird. Schon Rütimeyer (53) hat darauf hingewiesen, dass bei den Chelydidae vom Postfrontale und dem sich anschliessenden Jugale eine quere Knochenwand zwischen der Augenhöhle und der Schläfen- grube gebildet wird, die sich von aussen her wie eine Coulisse gegen innen so weit vorschiebt, dass zwischen der Orbitalwand und der Wand der Hirnhöhle nur ein Loch zurückbleibt. Ein ähnliches Verhalten findet man bei den Trionychidae, wenn auch nicht in solcher Ausbildung; hier ist es aber nicht das Postfrontale, sondern das Parietale, welches gegen das Jugale hin einen bogigen Fortsatz aussendet und die quere Scheide- wand bildet. Eine Ausnahme davon macht Cliitra, denn es fehlt der oben erwähnte bogige Fortsatz des Parietale.

Die vordere Kante des Postfrontale betheiligt sich immer an der Umgrenzung der Augenhöhle, die rückwärtige ragt frei in die Schläfengrube hinein, ausser bei Trionyx stihplaniis, Peloclielys, Chitra, Emyda und Cyclanorbis, wo hinter derselben das Jugale bis zum Parietale hinaufreicht und daher beide Knochen das Postfrontale von der Begrenzung der Schläfen- grube ausschliessen. Unter den Schildkröten mit wohlaus- gebildetem Schläfendach vereinigt sich die hintere Kante des Postfrontale bei Dennochelys unli den Chelonidae mit dem Squamosum, bei Podocnemis madagascariensis mit dem Para- quadratum (Taf. V, Fig. 26), während bei P. expansa das Post- frontale wegen seiner geringen Grösse bloss vom Jugale und Parietale in ähnlicher Weise wie bei den Trionychidae um- schlossen wird. Bei Podocnemis madagascariensis durchbricht

284 F". Siebenrock,

es eben wegen der beträchtlicheren Grösse die genannten Knochen und dehnt sich bis zum Paraquadratum aus. Nimmt die Ausdehnung noch mehr zu, so wird auch das letztere bei Seite geschoben und das Postfrontale erreicht wie bei Deniio- chelys und den Chelonidae das Squamosum. Endlich wird bei Platysteriinm nach Boulenger (19) nebst dem Paraquadratum auch noch das Squamosum verdrängt, und das Postfrontale bildet wieder einen freien Rand, aber an der hinteren Schädel- grenze.

Das Postfrontale verbindet sich bei allen Schildkröten oben mit dem Frontale und Parietale, unten bei Cistudo, Geoe- inyda, Podocnemis expansa nach Cuvier (26) und den Triony- cliidae mit dem Jugale, bei Staiirotypiis, Cinosternuui, Oiryscuiys, Liemys, Nicoria, Cydcmys, Testndo, Pdomedusa und Podo- cnemis madagascarieiisis mit dem Jugale und Paraquadratum, bei Derniochelys nach Gerv^ais (31), den Clielydridae, bei Platysternttin nach Boulenger (19), Clemniys, Emys und den Chelonidae auch mit dem Squamosum. Eine ganz ungewöhn- liche Verbindungsweise des Postfrontale treffen wir bei den Chelydidae, wo es sich vermöge der starken Depression des vorderen Kopftheiles bis zum Pter3^goideum erstreckt. Dass es sich bei einigen Schildkröten auch mit dem Praefrontale ver- bindet und das Frontale vom Orbitalrande zurückdrängt, wurde beim Praefrontale schon in Würdigung gezogen.

Das paarige Jugale (j.), Stannius, Hoffmann, Brühl, Bienz, zygomaticum Hall mann, Klein, os jugale seu os zygomaticum Peters, os zygomaticum maxillare Alohring, OS zygomaticum anterius Bojanus, Jochbein Köstlin, malar Owen, jugal Huxley, Parker, jugal Cuvier, Blanchard, Gervais, breitet sich zwischen Postfrontale und Maxillare aus, wodurch es den hinteren Orbitalbogen zum Abschlüsse bringt. Das primitivste Jugale finden wir bei Cistudo und Gcoemyda, denn es bildet, weil das Paraquadratum fehlt, einen einfachen schmalen Bogen, der das Postfrontale mit dem Maxillare und bei der letzteren Gattung auch mit dem Pterj^goideum verbindet. Es bleibt daher sowohl die vordere, als auch die hintere Kante frei. Bei Testndo bestehen ähnliche Verhältnisse, nur tritt das obere Ende hinten mit dem meist schmalen Paraquadratum in

Das Kopfskelet der Schildkröten. 285

\'erbindung, so dass auch hier wieder die beiden Kanten frei sind. Eine viel grössere Ausdehnung gewinnt das Jugale bei den meisten übrigen Schildkröten. Es verbindet sich unten und innen bei den Chclydridae, bei Liemys, Emys, Clemmys, Cyclcuiys mit dem Maxillare und Pterygoideum, bei Stauro- fypiis, Cinosfcninm, Chryscmys, Nicovia, den Chelonidac, bei Pdoinediisa und den Trionychidae auch mit dem Palatinum.

Von der hinteren Kante des Jugale entspringt der Pro- cessus zygomaticus, der mit dem anstossenden Postfrontale und Paraquadratum den breiten Arcus zygomaticus bildet. Der Processus zygomaticus zeichnet sich bei den Trionychidae durch die besondere Länge aus, wozu die gestreckte Schädel- form wesentlich beiträgt. Dadurch wird das Postfrontale vom Paraquadratum weit entfernt und das Jugale erhält drei freie Kanten, eine vordere Kante zur Begrenzung der Augenhöhle, hinten eine obere und untere Kante. Ziemlich eingeschlossen ist das Jugale bei Staurotyptis und Cinosternum, denn es wird oben vom Postfrontale und Paraquadratum, unten vom Maxillare und wieder vom Paraquadratum begrenzt, so dass bloss der Orbitalrand frei bleibt. Die merkwürdigste Lage besitzt das Jugale offenbar bei Platystermim nach Boul enger (19), wo es durch das grosse Postfrontale sogar vom Orbitalrande verdrängt wird, so dass es inselartig zwischen Postfrontale, Maxillare und Paraquadratum eingeschlossen ist.

Das Jugale tritt bei den Pleurodira in den verschiedensten Formen auf, als einfacher Bogen bei Hydraspis, der sich bei Pelomediisa rückwärts zu einem Processus zygomaticus aus- dehnt und bei Podocnemis madagascariensis in eine breite Platte verwandelt wird. Es erstreckt sich bei der letzteren Art nach innen, bildet durch die Vereinigung mit dem Post- frontale und Palatinum die hintere Orbitalwand und verbindet sich ausserdem unten mit dem Pterygoideum. Bei Oielodina und noch mehr bei Oielys ist das ""Jugale eine Knochenplatte, die vorne den Orbitalrand begrenzt, hinten in der ganzen Länge sich mit dem Postfrontale verbindet und aussen mit einem freien Rande dem Maxillare, Palatinum und Pterj'goideum anlieet.

286 F. Siebenrock,

Wie die Fig. 26 auf Taf. V zeigt, ist die Angabe Baur's (3 und 6), dass bei Podocnemis madagascariensis r= Eryuiuo- chelys Baur das Jugale zum Unterschied von P. expausa in ausgedehnter Verbindung mit dem Ouadratum stehe, un- richtig.

Das paarige Qu ad rat um (q.), Klein, Hoffmann, Brühl, Bienz, os quadratum Mohrin g, os quadratum seu os t^'m- panicum Peters, quadratum seu tympanicum Hallmann, pars t^anpanica ossis temporum Bojanus, Quadratbein Rathke, Küstlin, tympanic Owen, quadrate Huxley, Parker, caisse Cuvier, tympanique Blanchard, Gervais, liegt an der Peri- pherie des hinteren Schädelsegmentes und dient hauptsächlich dreierlei Zwecken: 1. als Zuleitung der Schallwellen zum Gehör,

2. zur gelenkigen Verbindung des Unterkiefers mit dem Schädel,

3. als hinterer Strebepfeilei* für die Anlage des Arcus zygo- maticus.

Das Quadratum der Schildkröten hat Köstlin (41) ganz zutreffend mit einer sehr dicken Platte verglichen, die so gestaltet ist, dass ihre Convexität nach vorne und nach oben, ihre Con- cavität nach hinten und unten liegt. Die obere Fläche bildet mit den Nachbarknochen die Fossa temporalis und begrenzt mit dem Otosphenoideum, bei einigen Schildkröten noch mit Zuhilfenahme des Parietale oder Supraoccipitale das Foramen carotico - temporale. Vorne endigt dieselbe mit dem medial gelegenen Otosphenoideum als Crista praetemporalis, die mehr weniger gegen die Augenhöhle vorspringt. Die Art der Be- theiligung des Quadratums an der Zusammensetzung derselben mit dem Otosphenoideum wurde bei letzterem Knochen be- sprochen. Ebenso wurde hervorgehoben, dass entweder die ganze Crista praetemporalis oder nur ein sich auf ihr erhebendes Tuberculum als Unterlage für die Knorpelscbeibe des Schläfen- muskels dient. Dieses gehört bei Cleuimys caspica, Testudo graeca und tcutoria dem Quadratum allein an. Das Tuberculum oder die Crista praetemporalis wird bei MacrocJemwys, Staitro- typiis, Cinostcniniii, Licuiys und bei vielen Tesfiido -Arten durch eine tiefe Grube vom Arcus zygomaticus getrennt, die von Günther (34) bei den Riesenschildkröten als Artenunterschied aufgeführt wurde.

Das Kopfskelct der SchiklUrüten. 287

Die vordere Fläche des Quadratums ist quer concav, oben breiter wie unten; sie wird oben von der Crista praetemporalis und unten vom vorderen Rande des Condylus mandibularis begrenzt. Ihr äusserer Rand bildet die vordere Grenze des Cavum tympani, während der innere Rand sich mit dem Oto- sphenoideum und Pterygoideum verbindet. Die in der unteren Hälfte gelegene Incisura hilft das Foramen sphenoidale um- schliessen. Unter derselben entspringt ein kurzer dünner P'ort- satz, Processus epipterygoideus (p. e., Taf. III, Fig. 16 und 17), der schief aufwärts dem Pterygoideum anliegt und entweder durch eine Naht oder durch ein kurzes Knorpelstück mit dem Epipterygoideum in Verbindung tritt. Weniger ausgebildet linden wir ihn bei den Trionychidae und ganz fehlt er bei den Plenrodira.

Die laterale Fläche des Quadratums hat bei den meisten Schildkröten einige Ähnlichkeit mit der menschlichen Ohr- muschel, nur ist der convexe Rand vorne und nicht hinten gelegen. Sie ist gegen die Mitte trichterförmig \'ertieft und bildet das Cavum tympani (c. t.), das sich rückwärts in eine blasen- artige Erweiterung fortsetzt, nach Hasse (36) das Homologon des Antrum mastoideum vorstellend. Diese Hohlräume gelangen bei den Chelonidae am wenigsten zum Ausdrucke; sie bilden daher den Gegensatz zu den Plenrodira, bei denen speciell der letztere Hohlraum sich einer bedeutenden Entfaltung erfreut. Cuvier (26) hat das Quadratum von Clielys ganz richtig mit einer Trompete verglichen, deren hintere weite Öffnung nach aussen liegt. Das Cavuni tympani ist bei Chelys viel tiefer als bei den anderen Schildkröten und enthält an der hinteren Wand das grosse ovale Foramen columellae (f. cl.) oberhalb am Grunde das Foramen tympanicum (f. ty.) Brühl, welches in das röhren- förmige Antrum mastoideum führt. Dasselbe ist ein vollkommen abgeschlossener Raum, der nur durch das enge Foramen tympa- nicum mit dem Cavum tympani zusammenhängt, wie es in ähnlicher Weise auch bei Podocncuiis madagascariensis vor- kommt (Taf. V, Fig. 26), während es sonst immer eine blasen- artige Erweiterung des Cavum tympani darstellt, ohne dass eine besondere Trennung zwischen den beiden Hohlräumen stattfinden würde. Auch die Lage des Antrum mastoideum ist

Sitzb. d. mathem.-naturw. CL; CVI. Bd., Abth. 1. 20

288 F. Siebenrock,

bei Chelys eine andere, denn es zieht von aussen nach innen und steht senkrecht auf der Längsaxe des Kopfes, hingegen dreht es sich bei den übrigen Schildkröten nach hinten und läuft mit der Längsaxe parallel. Das Antrum mastoideum wird niemals vom Quadratum allein umschlossen, sondern immer unter Mithilfe des Sqamosum, die bei Testudo allerdings sehr gering, speciell aber bei T. tentoria auf die Bedeckung einer kleinen Lücke des Quadratums reducirt ist.

Die hintere Kante des Cavum tympani ist in der Mitte von einer engen Rinne, Incisura columellae (i. cl.), durchzogen, die durch das anliegende derbe Zellgewebe zu einem Canal um- gewandelt wird und der Columella zur Aufnahme dient. Diese Rinne finden wir bei den Clielouidae sehr weit, sehen sie bei Emys, CJirvscniys, Cyclciuys etc. sich stark verengern, endlich bei den Chdydridae, bei Testiido und den Trionycliidae in einen knöchernen Canal umgewandelt, der in den Recessus cavi tympani mündet. Dagegen bildet sich bei den Plenrodira nur das äussere Ende der Rinne in das Foramen columellae (f. cl.) Brühl um, während sie in ihrem \\'eiteren Verlauf offen bleibt. Unterhalb dieses Canal es liegt an der hinteren Fläche des Quadratums eine zweite, viel breitere Rinne für die Tuba eustachii, die ebenfalls wieder durch ein Band zu einem Loch ergänzt wird; jedoch bei den Plenrodira mündet die Tuba eustachii durch das schlitzförmige Foramen columellae in das Cavum tympani ein.

Das Trommelfell befestigt sich nur bei den Oielydidae an dem wulstigen Rande des Cavum tympani selbst, der gewöhnlich vom Paraquadratum und Squamosum mehr weniger bedeckt wird, so dass oftmals bloss ein kleiner Theil des Quadratums zur Anheftung desTrommelfelles dient oder, wie bei den Chelonidae, davon sogar ausgeschlossen wird. Der ringförmige Wulst des Cavum tympani ist nur bei den Plenrodira vollkommen ge- schlossen, bei den übrigen Schildkröten wird er von der Rinne der Tuba eustachii unterbrochen. Diese Stelle ist von einem Bande überbrückt, das zugleich zur Anheftung des Trommel- felles dient.

Die laterale Fläche des Quadratums verschmälert sich von oben nach unten bis zum Canal der Columella, wo sie sich

Das Kopfskelet der Schildkröten. 289

dann in den massigen Fortsatz verliert, der am Ende den Condylus mandibularis (c. m.) bildet. Den oberen Theil be- zeichnet Hasse (36) als Processus tj'mpanicus, den unteren als Processus muscularis; letzterer ist im Winkel etwas nach vorne geneigt und verschieden in der Länge. Wir finden ihn lang bei den Oiclydridae und Clielonidae, kurz bei den Plairo- dira und Tn'oiiychidae. Der Condylus mandibularis wird durch eine sagittale Furche in zwei Fasetten getheilt, von denen die laterale Fasette gewöhnlich grösser ist als die mediale.

Die mediale Fläche des Quadratums bildet die laterale Wand des Recessus cavi tympani und geht mit dem Otospheno- ideum, Paroccipitale und Pterygoideum eine unbewegliche V'erbindung ein. Zu diesem Zwecke ist sie mit Rauhigkeiten versehen, die durch eine horizontale Rinne, Sulcus cavernosus (s. c.) (Taf. III, Fig. Ißd, 17 d) fast mitten unterbrochen werden. Dieser entspricht einem ebensolchen an der lateralen Wand des Otosphenoideums und bildet mit ihm den Canalis cavernosus, der zur Aufnahme der Vena jugularis interna, der Carotis ex- terna und des Nervus facialis dient. Der Sulcus cavernosus zieht nach vorne und sendet, ehe er mit dem Otosphenoideum das Foramen jugulare internum bildet, einen Zweig, den Sulcus caroticus externus (s. c. e.) in etwas schiefer Richtung aufwärts. Dieser umschliesst mit dem Otosphenoideum den Canalis caro- ticus externus und nuhidet in der Fossa temporalis als Foramen carotico-temporale. Es wurde schon beim Otosphenoideum her- \-orgehoben, dass sich bei Cycleniys dlior und Testudo für den vorderen Zweig der Carotis externa ein eigener Canal bildet (Taf. III, Fig. n d), der mit dem Foramen caroticum anterius (f. c.) (Taf. II, Fig. (3) vorne endigt. Daher finden wir so wie beim Otosphenoideum an der Innenfläche des Quadratums den Sulcus caroticus externus (s. c. e.) über den Sulcus cavernosus (s. c.) parallel nach vorne ziehen. Die beiden Sulci verlaufen am Quadratum nur ein ganz kurzes "Stück übereinander, weil der Sulcus cavernosus sogleich auf das anstossende Pterygoideum überspringt, während dieselben am Otosphenoideum (Taf. III, P'ig. \7 c) viel länger beisammen verweilen.

Das Quadratum verbindet sich oben mit dem Squamosum, bei Testtido graeca, ociiUfera und tentoria auch mit dem

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290 F. Siebenrock,

Parietale, vorne mit dem Paraquadratum, ausser bei den Schild- kröten, die keines besitzen, und bei Clenimys, Entys, Nicoria, Cyclemys, Geoemyda auch mit dem Parietale. Es verbindet sich innen mit dem Otosphenoideum,Paroccipitale und Pter3^goideum, hei Podocneinis ntadagascariensis auch noch mit dem Basioccipi- tale und Basisphenoideum (Taf. IV, Fig. 21).

Das paarige S q u a m o s u m (s.)^ H o f f m a n n, B i e n z, G a u p p, squamosale Brühl, os squamosum A4ohring, os squamosum temporum Peters, squama temporalis Hallmann, Stannius, Klein, Schläfenschuppe Köstlin, pars mastoidea ossis tem- porum Bojanus, mastoid Ow^en, squamosal Huxley, Parker, mastoidien Cuvier, Blanchard, Gervais, der Schildkröten wurde von den älteren Anatomen mit dem Mastoideum des Menschen homologisirt. Hallmann (35) hat zuerst gezeigt, dass es nicht mit dem Mastoideum, sondern mit dem Squamosum der Säugethiere gleichbedeutend ist. Diese Anschauung wird jetzt von den meisten Autoren vertreten, und speciell Gaupp (29) war es, der die Homologie dieses Knochens für alle Wirbel- thiere festgestellt hat. Auch Baur (8) erkannte seine richtige Bedeutung, bloss Cope (25) bezeichnet denselben als »supra- temporal«, obwohl ihm derselbe Autor in einer früheren Ab- handlung (24) den richtigen Namen Squamosum beigelegt hat.

Das Squamosum stellt bei den meisten Schildkröten eine dünne Knochendüte dar, die dem hinteren Theil des Quadratums respective dem oberen des Antrum mastoideum aufliegt. Es erstreckt sich über den oberen Rand des Cavum tvmpani nach vorne und verbindet sich bei allen Schildkröten mit dem Paraquadratum, wenn letzteres nicht fehlt, ausserdem aber bei Derniochelys nach Gervais (31), den Chelydridae, bei Platysteriiiim nach Boul enger (19), Clemmys, Emy s wnd den Cheloitidae auch mit dem Postfrontale.

Bei den Schildkröten mit einem vollkommenen Schläfen- dach dehnt sich das Squamosum medial bis zum Parietale aus. Es wird jedoch bei Platysternnin nach Boulenger (19) durch das sehr grosse Postfrontale und bei Podocnemis, speciell bei P. niadagascariensis durch die ungewöhnliche Ausdehnung desParaquadratums von demselben getrennt und mehr rückwärts geschoben (Taf. V, Fig. 26). Die CJielydidae besitzen ausser

Das Kopfskelet der SchildUnUen. -y 1

('Iidodiua als Rudiment eines Schläfendaches nur mehr einen Knochenbogen, der vom Squamosum entspringt und mit dem Parietale in nahtweise Verbindung tritt. Beim Vergleiche des Squamosum der Chelydidae mit jenem von Hatteria ist dessen Homologie leicht erkennbar, denn seine Lage und Verbindungs- weise stimmt bis auf die mit dem Postfrontale 2 oder Post- orbitale vollkommen überein. Nach Cope (25) besteht das Squamosum bei Hatteria aus der Verschmelzung des supra- mastoid mit dem supratemporal, nach Baur (8) aus Squamosum und Prosquamosum. Bei den Chelydridae bedeckt das Squa- mosum den hinteren Rand, des Cavum tympani, bei Staiiro- typus den mittleren, bei den CheJonidae und TrionycJiidae den hinteren und oberen Rand desselben; weit davon zurückgedrängt ist es bei CJielys. Die grösste Ausdehnung erreicht es bei den Chelonidae, die geringste bei Testudo. Es verlängert sich rückwärts fast immer in einen Processus squamosus (p. s.), der bei den Triojiychidae (Taf. IV, Fig. 20, 22, 23) eine beträchtliche Länge annimmt, während er bei Testndo kaum merklich hervortritt. Auch bei ClieJys ist derselbe entgegen der Behauptung Hoff- mann's (37) vollkommen entwicl^elt und seitlich in eine scharfe Kante verbreitert, die zum Processus paroticus hinzieht (Taf. 1\', Fig. 24); diese wurde schon von Cuvier (26) angeführt. Sehr charakteristisch für das Squamosum der Chelonidae ist die tiefe Rinne, welche den hinteren Rand gleichsam spaltet, um Terrain für die hisertion des Musculus latissimus colli und trachelo- mastoideus zu gewinnen, als Ersatz des fehlenden Processus squamosus. Welchen- Antheil es an der Bildung des Antrum mastoideum nimmt, wurde beim Quadratum besprochen.

Das Squamosum verbindet sich vorne mit dem Para- quadratum, ausser bei Cisttido, Geoemyda und den Chelydidae ; bei Det'mochelys, den C/ielydridae, bei Platysternum, Clemmys, Entys und den Chelonidae auch mit dem Postfrontale. Es i'er- bindet sich unten und medial mit dem Quadratum und Parocci- pitale, bei den Chelonidae und Chelydidae mit Ausnahme von Chelodina auch mit dem Parietale. Dass bei Dermochelys das Squamosum vom Paroccipitale getrennt bleibt, wurde bei letzterem Knochen erwähnt. Ausserdem wäre am selben Kopfe noch die ungewöhnliche V'erbindungsweise desselben mit dem

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Jugale hervorzuheben, die durch die tiefe Abwärtsverlegung des Paraquadratums ermöglicht wird, so dass über demselben das Jugale bis zum Squamosum zurückweicht.

Das paarige Paraquadratum (p. q.), Gaupp, quadrato- jugale Stannius, Klein, Hoffmann, Brühl, Baur, Bienz, quadratojugule seu quadratomaxillare Hallmann, Jochfortsatz Köstlin, OS articulari-zygomaticum Peters, os zygomaticum maxillareMohring, os zygomaticum posteriusBojanus, zygo- matic Owen, Cope, quadratojugal Huxley, Parker, temporal ecaille Cuvier, temporal Blanchard, Gervais, bildet die Knochenbrücke zwischen dem hinteren Orbitalbogen und dem Quadratum. Der Name Paraquadratum wurde von Gaupp (29) zuerst bei den Amphibien für den Knochen an der Aussenfläche des Quadratums aufgestellt, dagegen die Knochenspange zwischen dem Quadratum und Maxillare bei den Anuren als Quadrato-maxillare bezeichnet. Gaupp wies dann nach, dass bei den Schildkröten nur der erstere Knochen, welcher vor dem Quadratum liegt, anwesend ist, während der letztere fehlt. Köstlin (41) hat das Paraquadratum als Jochfortsatz bezeichnet, weil er annahm, dass es sich so wie bei den Vögeln vom Jugale lostrennte. Gaupp hält jedoch den Knochen bei den Vögeln nicht für homolog mit dem Paraquadratum der Schildkröten, sondern mit dem Quadrato-maxillare der Anuren. Dem entgegen behauptet Baur (8), dass dieser Knochen bei den Vögeln ebenso ein Paraquadratum, respective Qu^idratojugale sei, wie bei den Schildkröten, Krokodilen und Eidechsen. DieMeinungGaupp's, dass der Knochen bei den Vögeln mit dem Paraquadratum dei Reptilien, ausgenommen Hafieria, nicht homolog sein kann, wird von Baur mit der Motivirung zurückgewiesen, dass unter den Schildkröten bei Platystermim, Cinosternum, Stmtrotypiis und MaJacodeuiys das Quadratojugale ebenfalls mit dem Maxillare in directer Verbindung steht. Somit würde bei den Schildkröten theils das Quadratojugale, theils das Quadrato- maxillare anwesend sein. Gerade deswegen halte ich den Gaupp 'sehen Namen »Paraquadratum« fest, weil er in beiden Fällen die Beziehung zum Quadratum, abgesehen von seiner weiteren Nachbarschaft, zum Ausdrucke bringt.

Das Kopfskelet der Schildkröten.

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Das Paraquadratum stellt eine grösstentheils flache Kno- chenplatte dar, die an der rückwärtigen Kante einen grossen halbkreisförmigen Ausschnitt zur Verbindung mit dem vorderen Rande des Quadratums besitzt. Die grösste Ausdehnung erreicht es bei den Cheloniäae, Platysternuni nach Boul enger (19) und ganz besonders bei Poäocnemis madagascariensis (Taf. V, Fig. 26), denn während es bei den ersteren mit dem Squa- mosum und Postfrontale in Berührung tritt, durchbricht es bei der letzteren Art diese beiden Knochen und verbindet sich mit dem Parietale in der ganzen Länge an seiner lateralen Kante. Dadurch wird bei Poäocnemis madagascariensis das Post- frontale weit vom Squamosum getrennt, welches bei den Chelonidae und bei Platystermim damit in ausgiebiger Ver- bindung steht. Bei Poäocnemis expausa ist das Paraquadratum nach Cuvier (26) viel kleiner als bei P. madagascavicusis und stosst nicht mehr mit dem Postfrontale zusammen, sondern bloss mit dem Jugale, das durch die Ausdehnung bis zum Parietale hin die Trennung der beiden Knochen bewirkt. Eine ungewöhnliche Lage hat das Paraquadratum bei Dermochylys nach Gervais (31) und bei Platystermim nach Boulenger (19); im ersteren Falle wird es durch die Vereinigung des Jugale mit dem Squamosum ganz aus seiner ursprünglichen Lage weit abwärts gedrückt, so dass es nicht zwischen Quadratum und Jugale liegt, sondern unter dem Jugale auf dem Quadratum. Bei Platystermim ist es wohl zwischen den beiden Knochen ausgedehnt, aber durch die merkwürdige Anordnung des Jugale erfolgt seine Entfaltung mehr nach unten, so dass es eine starke Knochenbrücke zwischen Quadratum und Maxillare bildet.

Das Paraquadratum ist bei den Schildkröten ohne Schläfen- dach viel weniger entwickelt, so dass es bloss ein kleines Knochenplättchen darstellt, meistens mehr breit als lang und den rückwärtigen Theil des Jochbogens bildend. Bei den Trio- nycliiäae überwiegt seine Länge- die Breite und bei Clemmys caspica wird es auf einen schmalen Streifen zwischen Quadratum und Postfrontale reducirt, der von dem fast bis zum Quadratum reichenden, sehr grossen Postfrontale schuppenförmig bedeckt wird, so dass das Paraquadratum entweder gar nicht oder nur als Linie an der Aussenfläche zu sehen ist. Merkwürdigerweise

•^"4 F. Siebenrock.

ist diese Reduction nicht dem ganzen Genus eigen, sondern nur der Species caspica, denn das Paraquadratum von Clemmys guttata hat die gevvöhnhche Grösse. Somit würde Clemmys caspica den Übergang zu jenen Schildlcröten bilden, denen das Paraquadratum gänzlich fehlt. Es sind dies die Genera Cistndo, Geoemyda und die Familie der Chelydidae. Wie aus den Mit- theilungen von Baur und Taylor hervorgeht, fehlt dasselbe nicht allen Cistndo-Kvien. Baur (3) hat schon 1888 gegen Brühl (22) erklärt, dass bei Terrapene = Cistndo Carolina das Paraquadratum anwesend sei und als kleines dreieckiges Knochenstück dem vorderen Rande des Quadratums anliegt. Derselbe Autor gibt dann später (7) eine osteologische Charak- teristik der Cistndo -Arten, nach der das Paraquadratum nur bei C. ornata fehlt, hingegen bei C. Carolina, mexicaiia und Mno- sternoides rudimentär und bei C. major wohlausgebildet vor- kommt. In gleichem Sinne spricht sich auch Tajdor (58) aus und erläutert dies durch beigegebene Abbildungen der be- treffenden Arten. Die von mir untersuchten Exemplare gehören der Cistndo ornata und kinosternoides an, beiden fehlt das Paraquadratum spurlos. Ich glaube kaum, dass es bei der letzteren Art gewaltsam entfernt worden sei, denn sonst müsste man davon wenigstens die Trennungsstelle sehen, und eine Verwechslung mit C ornata ist wohl ausgeschlossen. Der einzige Unterschied, den ich am Quadratum der beiden Arten fand, liegt in der Form des Vorderrandes am Cavum t^-mpani. Derselbe ist bei Cistndo ornata sehr dünn, während er sich bei C. kinosternoides stark verbreitert. Aus diesem Grunde glaube ich auch, dass Brühl (22) Taf. 72, Fig. 19 nicht C. Carolina, sondern C. ornata besessen hat.

Das Paraquadratum verbindet sich vorne mit dem Jugale bei Dennochelys nach Gervais (31), Podocneniis expansa nach Cuvier (26) und den Trionychidae (Taf. V, Fig. 27), mit dem Jugale und Maxillare bei Stanrotypns, Cinosternnm, Platy- sternnm nach Boul enger (19) und Malaclemys nach Baur (8), mit dem Jugale und Postfrontale bei den Chelydridae, bei Cliryseiiiys, Lieniys, Clemmys, Emys, Nicoria, Cyclemys, Testndo, den Chelonidae, bei Pelomedusa und Podocneniis madagasca- riensis (Taf. V, Fig. 26). Es verbindet sich hinten mit dem

Das Kopfskelet der Schildkröten. 295

Quadratum und Squamosum, oben mit dem PosttVontale hei den Chelvdriclae, bei Platystenmm, Clennuys, Euiys und den Chelonidae, mit dem Jugale bei Deniiochelys, mit dem Parietale bei Podocnemis.

MitdemParaquadratum haben wir den letzten jener Knochen kennen gelernt, welche zur Entstehung des Schläfendaches oder des Jochbogens beitragen. Van Bemmelen (13) unter- scheidet bei den Schildkröten: 1. Arten mit ganz geschlossenem Schläfendach, 2. Arten mit Hyaten (Einschnitten) in der Schläfen- decke, und zwar: A. durch Reduction von hinten her, so dass nur ein unterer Schläfenbogen übrig bleibt, B. durch Reduction von unten her, so dass nur ein hinterer Schläfenbogen an- wesend ist, C. durch Reduction gleichzeitig von unten und hinten, daher Mangel eines Schläfenbogens. Zur ersteren Gruppe, die Gaupp (29) den stegocrotaphen Typus nennt, gehören die Spliargidae, Platysteniidae, Chelonidae und Podocnemis, bei denen zwar immer dieselben Knochen an der Zusammensetzung des Schläfendaches theilnehmen, jedoch die Art ihrer Betheili- gung ist bei den einzelnen Familien eine ungleiche. Der Grund- knochen des Schläfendaches bleibt bei allen das Parietale, an dessen horizontale Seitenplatte sich bei den Chelonidae das Postfrontale und Squamosum anschliesst. Beide Knochen sind abwärts gekrümmt und bedecken unter Mithilfe des anstossen- den Jugale und Paraquadratums lateral die Schläfe. Schon bei Dermochelys erleidet die laterale Schläfenwand dadurch eine kleine Modification, dass sich das Postfrontale und Jugale nach rückwärts stark ausdehnt, wodurch das Paraquadratum sehr weit nach unten geschoben wird. In noch erheblicherem Masse ist dies vom ersteren Knochen bei Plalyslermim nach Boul enger (19) der Fall, so dass das Squamosum seitwärts gerückt und vom Parietale getrennt wird, weshalb das Post- frontale den hinteren Rand des Schläfendaches bilden hilft. Bei Podocnemis ist es das Paraquadratum, das durch seine Grösse fast den ganzen Parietalrand besetzt hält, dadurch das Squamosum vom Postfrontale und Parietale trennt und daher ebenfalls bis zum hinteren Rande des Schläfendaches vordringt. Baur (5) gibt an, dass bei dei\Slernolhaeridae und Podocne- uiidae eine Reduction von unten und hinten stattfinde. Ein

296 F. Siebenrock,

Blick auf die Fig. 26 der Taf. V genügt, um dies für das letztere Genus widerlegen zu können.

Die zweite Gruppe umfasst alle übrigen Schildkröten, bei denen durch Reduction der genannten Knochen das Schläfen- dach zum grössten Theile verschwindet und als Rest bloss ein seitlicher, respective hinterer oberer Schläfenbogen anwesend ist oder auch dieser verschwindet. Einen seitlichen Schläfen- bogen besitzen alle Cryptodira ausser Cisttido und Geoeniyda die Steniothaeridae und Trionychidae. Gaupp (29) nennt sie den zygocrotaphen Typus. Der seitliche Schläfen- oder Joch- bogen unterliegt in seiner Anlage einer grossen Verschiedenheit. Den Übergang von den stegocrotaphen Schildkröten zu den zygocrotaphen bilden die Chelydridae, bei denen noch Spuren von den seitlichen Parietalplatten vorkommen und das Post- frontale eine nicht unbedeutende Ausdehnung hat, daher der Arcus zygomaticus sehr breit ist. Viel schmäler wird derselbe bei Stmirotypiis, Cinosternnm, den Testudim'dae und bei Pelo- medtisa durch das gänzliche Verschwinden der seitlichen Parietalplatten, und sehr schmal ist er dann bei den Triony- chidae. Speciell Chrysemys, Clemmys und Einys sind durch ein breites Postfrontale ausgezeichnet, das sich über dem zusammen- stossenden Jugale und Paraquadratum noch mit dem Squamosum verbindet, wodurch der Arcus zygomaticus aus zwei über ein- ander gelagerten Knochenstreifen aufgebaut ist. Einen hinteren oberen Schläfenbogen, Arcus supratemporalis, besitzen die Chelydidae, ausgenommen Chelodina; er wird von einem Fort- satz des Squamosum gebildet, der sich mit dem zu einem Processus parietalis verlängerten Parietale vereinigt. Er ist der Überrest des bei den stegotocraphen Schildkröten so mächtigen Schläfendaches. Weder einen Arcus zygomaticus, noch einen A. supratemporalis haben die Genera Cisüido, Geoemyda und Chelodina ; sie werden mit den übrigen Chelydidae von Gaupp (29) dem gymnocrotaphen Typus beigezählt.

Das paarige Pterygoideum (pt.), Hallmann, Klein, Brühl, Bienz, os pterygoideum Stannius, Peters, Flügel- bein Köstlin, pars pterygoidea sphenoidei Bojanus, os sphe- noideum primum Mohring, pterygoid Owen, Huxle v,Parker, Hoffmann, pterygoidien Cuvier, Blanchard, Gervais, bildet

Das Kopfskelet der Schildkröten. 297

durch denAnschluss an dasBasioccipitale undßasisphenoideum den Boden, durch jenen an das Otosphenoideum und Parietale die Seitenwand der Schädelhöhle. Es setzt mit dem Pleuroccipi- tale und Quadratum, zwischen welchen Knochen sein rück- wärtiger Theil eingeschoben ist, den Boden des Recessus cavi tympani zusammen und stellt mit seiner unteren Fläche den hinteren Theil des Gaumendaches dar.

Das Pterygoideum besitzt bei allen Schildkröten eine fast viereckige, langgestreckte Form. Die untere Fläche ist beinahe immer querconcav. Der laterale Rand bildet bei Dermochelys, den Chelydridae, Stauroiypus, Cinosternum, Platystermmi und den Testudinidae einen starken halbkreisförmigen Ausschnitt und senkt sich, wie Köstlin (41) ganz richtig hervorgehoben hat, in der hinteren Hälfte gegen den Processus articularis des Quadratums hin. Am vorderen Ende des Ausschnittes entspringt ein auswärts gerichteter Fortsatz, der sich bei den Chelydridae stark rückwärts krümmt und bei den Cheloiiidae fehlt. Diesen Fortsatz vergleicht Boulenger (20) mit dem »ectopterygoid process of the Rhynchocephalia and Lacertilia«. Er wird daher auf Taf. VI in den Figuren 32 39 als Processus ectoptery- goideus (p. e. p.) aufgeführt. Bei den Pieurodira und Trioiiy- chidae ist der laterale Rand nach aussen gekrümmt, wodurch das Pterygoideum sehr verbreitert wird. Dass sich bei Podo- cnemis die Pterygoidea ganz besonders ausbreiten, wurde schon von Rütimeyer (53) angegeben, ebenso dass sie vorne nach oben etwas gerollt sind und dadurch eine sehr weite Rinne bilden. Die medialen Ränder stossen bei Stmirotypus, Platy- stermmi nach Boulenger (19) und den Chelonidae fast in ihrer ganzen Länge bis auf ein kleines Stück hinten zusammen, wo vom dazwischen geschobenen Basisphenoideum eine ganz kurze Trennung hervorgerufen wird. Bei Cinosternum, den Chelydridae, Testudinidae, ausser den Chelonidae ufid den Pieurodira dehnt sich dieselbe schon bis zur Hälfte der ge- nannten Knochen aus, und bei Dermochelys sind nach Gervais (31) nur mehr die vorderen Enden der Pterygoidea mit- sammen verbunden. Bei den Trionychidae nimmt die Aus- breitung des Basisphenoideums an der unteren Schädelfläche so stark überhand, dass die Pterygoidea vollkommen von

298 F. Siebenrock.

einander getrennt bleiben. Die einzige Ausnahme davon macht Cyclanorbis, wo die Pterygoidea zwischen den Palatina und dem Basispheonideum eine kurze Strecke verbunden sind.

Die obere Fläche des Pter3^goideums setzt mit dem Basi- sphenoideum vorne den Boden der Schädelhöhle zusammen und wird zur Unterbringung von Gefässen und Nerven von mehreren Canälen oder Rinnen durchfurcht. Am wenigsten kommen diese bei den Chelydidae zum Ausdrucke. Das Ptery- goideum \'on CJielodina (Taf. VI, Fig. 32) wird an der oberen F'läche durch eine rauhe Längskante, Crista pterygoidea (c. p.) in eine breitere laterale und in eine schmälere mediale Hälfte getheilt. Die erstere liegt ausserhalb der Schädelhöhle und ist die Fossa suprapterygoidea (f. s. p.) Brühl. Die mediale Hälfte schliesst sich dem Basisphenoideum an und stellt mit diesem den Boden der Schädelhöhle dar. Sie bildet zwischen der Crista pterygoidea und dem anstossenden Basisphenoideum eine Längsrinne, Sulcus cavernosus (s. c), der zur Aufnahme der arteriellen und venösen Gefässe dient. Ausserdem zieht am medialen Rande eine schmale Furche, Sulcus pro nervo vidiano, von hinten nach vorne, wendet sich dann nach aussen und gelangt am vorderen Ende der Crista pterygoidea durch ein Loch, Foramen nervi vidiani, zwischen dieser und dem absteigenden Parietale in die lateral gelegene Fossa suprapterygoidea.

Bei Chelydra (Taf. VI, Fig. 33) liegt innerhalb der Crista pterygoidea der ziemlich breite Sulcus cavernosus (s. c), davon medial und etwas tiefer der schmälere Sulcus caroticus internus (s. c. i.), welcher nur halb so lang ist als der erstere und im Bogen zum medialen Rande des Pterygoideums ver- läuft. Er dient nicht allein zur Aufnahme der Carotis interna, sondern auch für den Nervus vidianus. Während die erstere aber am medialen Rande in den gleichnamigen Canal des Basi- sphenoideums übergeht, zieht der letztere in einer eigenen Rinne, Sulcus pro nervo vidiano (s. v.), nach vorne, durchbohrt die häutige Schädelvvand, um in die Augenhöhle zu gelangen. Die beiden Sulci werden am hinteren Ende des Pterygoideums durch das daraufsitzende Otosphenoideum zu kurzen Canälen ergänzt, von denen der eine Canal im Recessus cavi tympani als Foramen jugulare internum (f. j. i.) und der andere an dessen

Das Kopfskelet der Schildkrüten. 299

unteren Grenze als Foramen caroticiim internum (f. c. i.) beginnt. Während also bei Chelodina für die genannten Gelasse nur eine Kinne anwesend war. besitzt Chelydra zwei solche Rinnen, denn die Carotis interna geht bei Chelodina, sowie bei allen Chelydidae durch einen eigenen Canal des Otosphenoideums (Taf. IV, Fig. 24 und 25) in das Basisphenoideum über, ohne das Pter^^goideum zu berühren. Aber ein anderer Ast der Carotis interna dringt bei den Chelydidae durch ein spaltförmiges Loch (f. c. i.^ Taf. IV, Fig. 24 und 25) zwischen Ouadratum, Oto- sphenoideum und Pterygoideum, und zwar bei Cheloditia und Hydraspis in den Sulcus cavernosus und bei Chelys in die Fossa suprapterygoidea ein, um nach vorne zur Augenhöhle zu ziehen. Dieser Ast dient ziun Ersätze für jenen der Carotis externa, der bei den meisten Cryptodira durch das Foramen sphenoidale oder wie bei Cyclemys (Taf. II, Fig. 6) und Testudo durch ein eigenes Loch nach aussen und vorne zur Augenhöhle verläuft. Ähnliche Verhältnisse wie bei Chelydra finden wir bei Clemniys caspica (Taf. VI, Fig. 34), nur lässt sjch der Sulcus pro nervo vidiano bis zum vorderen Ende der Crista pterygoidea verfolgen, wo er von der absteigenden Platte des Parietale zu einem kurzen Canal ergänzt wird, der in die Augenhöhle mündet. Auch bei Statirotypns (Taf. VI, Fig. 35) zeigen die beiden Sulci die gleiche Anordnung, nur gelangt der Nervus vidianus nicht mehr in einer Rinne, sondern in einem Canal, Canalis pro nervo vidiano (Sonde 3 3), des Pterygoideums nach vorne. Dieser setzt sich im Palatinum fort und mündet durch das Foramen palatinum posterius (f. p. p.) Bojanus in die Augenhöhle. Bei Cyclemys amboitiensis (Taf. VI, Fig. 36) wird der hintere Theil des Sulcus caroticus internus (s. c. i.) nicht vom Otosphenoideum zum Canal ergänzt sondern vom Pterygoideum allein gebildet (Sonde 2 2). Von diesem zweigt der Canalis pro nervo vidiano ab, geht dann in eine offene Rinne über, um sich abermals in einen Canal fortzusetzen. Dieser "^mündet jenseits der Crista pterygoidea aus, von wo der Nerv gegen die Augenhöhle hin- strebt (Sonde 3—3). Viel länger ist der Canalis caroticus internus bei den Chelonidac (Taf. VI, Fig. 37). Er beginnt am Hinterende des Pterygoideums mit einem Loch, Foramen caroticum internum, geht aber nicht unmittelbar als solcher in jenen des Basisphe-

300 F. Siebenrock,

noideums über, sondern er bildet zwischen den beiden Canal- stücken einen weiten Sulcus. Mit diesem vereinigt sich der Sulcus cavernosus (s. c.) zu einer gemeinsamen Rinne, in der auch der Nervus vidianus nach vorne gelangt, ohne jedoch in einem eigenen Sulcus eingebettet zu sein. Van Bemmelen (14) hat auf den Canalis caroticus internus bei Chelotie besonders aufmerksam gemacht, obwohl schon Hasse (36) davon eine ausgezeichnete Abbildung gegeben hat.

Bemmelen meint, »dass derselbe bei i^^rwoc/u'/j-s fehle, oder wenn vom Canal noch etwas anwesend wäre, so könnte es nur sein vorderer Theil sein, und seine hintere Mündung müsste in der untiefen Grube gesucht werden, wo Basisphenoid, Basioccipitale und Pterygoid zusammenstossen«. Alle von mir untersuchten Schildkröten zeigen bezüglich des hinteren Foramen caroticum internum ein vierfaches Verhalten. Es liegt entweder am hinteren Ende des Pterygoideums allein, so bei Macrodemmys, Chrysemys ornata, Cyclemys, Geoemyda, den Chelonidae und Trionychidae (Taf. IV, Fig. 20, 22, 23 und Taf. VI, Fig. 36 39), oder an der unteren Fläche des Otosphenoideums, wie bei den Chelydidae (Taf. IV, Fig. 24 und 25), oder zwischen Pterygoideum und Otosphenoideum bei Chelydra, Stanrofyjvis (Taf. I\^ Fig. 18), Chiostermim, Chrysemys picta, Liemys, Clem- iiiys, Emys, Cishtdo, Nicoria (Taf. IV, Fig. 19) und Testudo, endlich wird es bei Podoctiemis (Taf. IV, Fig. 21) vom Ptery- goideum, Otosphenoideum, Basisphenoideum und Ouadratum begrenzt. Ein Schädel von DermochcJys stand mir nicht zu Gebote, um die Verhältnisse der Gefässcanäle zu studiren; ich glaube aber kaum, dass das hintere Foramen caroticum internum im Recessus cavi tympani gelegen sei, wo es Bemmelen zu finden vermeint. Derselbe Autor c. 1. gibt ferner an, das in Rede stehende Loch sei bei jungen Chelys- Arien ein ganz enger Schlitz im Pterygoideum und verschwinde bei ausgewachsenen Thieren gänzlich. Bemmelen scheint das P^oramen caroticum internum, das bei den Chelydidae im Otosphenoideum gelegen ist, mit dem lateral davon gelegenen Foramen (f. c. i.') verwechselt zu haben, das, wie vorher erwähnt wurde, einen Ast der Carotis interna bei Chelodina und Hydraspis in die Schädelhöhle und bei Chelys in die Fossa suprapterygoidea führt. Dieses Loch

Das Kopfskelet der Schildkröten. 301

liegt aber niemals im Pterygoideum allein, sondern zwischen Pterygoideum und Quadratum eingeschlossen (Taf. IV, Fig. 24 und 25). Die beiden angeRihrten Foramina sind stets anwesend und fehlen daher auch bei den ältesten Thieren nicht.

Bei Chrysemys ornata (Taf. VI, Fig. 38) und Macroclemmys (Fig. 39) wird der ganze Carotiscanal vom Pterygoideum allein umschlossen (Sonde 2 2), der dann unmittelbar in den gleich- namigen Canal des Basisphenoideums übergeht. Der gleichzeitig darin verlaufende Nervus vidianus zieht bei Chrysemys in einem vollkommen geschlossenen Canal des Pterygoideums vorwärts (Sonde 3 3) und mündet medial vom Foramen palatinum posterius am hinteren Ende des Palatinums; hei Macrocleinniys geht derselbe in einer oben bedeckten Rinne nach vorne (Sonde 3 3), um durch die häutige Schädelwand in die Augen- höhle zu gelangen. Bei beiden Arten und bei Staiirotypns (Fig. 39) liegt ungefähr in der Mitte des Sulcus cavernosus das Foramen pro ramo nervi vidiani (f vi.'), das den unteren Ast des Nervus facialis durch einen kurzen Canal des Pterygoideums in den Canalis caroticus internus führt, wo er sich mit dem Nervus vidianus vereinigt, um gemeinsam zur Augenhöhle zu ziehen.

Ganz ungewöhnlich erweitert ist der Canalis caroticus internus bei Podocnemis (Taf. IV, Fig. 21), den Rütimeyer (53) sehr treffend mit einem Knochentrichter verglichen hat. Rütimeyer c. 1. hebt hervor, dass er aus den blossen osteo- logischen Verhältnissen den Zweck dieser Einrichtung nicht zu erklären vermag und fährt dann weiter: »Doch dürfte sie sich wohl auf Blutzu- und Abfuhr vom Gehirn und Auge be- ziehen und der Blutbahn der Carotiden und Jugularen gewidmet sein«. Das Letztere ist ganz richtig, aber dazu hätte es keines so weiten Canales bedurft. Denn bei genauer Prüfung desselben gewahrt man in ihm vier Löcher, die auf Endigungen oder den Anfang eben so vieler Canäle schliessen lassen. An der medialen Wand liegt hinten im Otosphenoideum das Foramen für den unteren Ast des Nervus facialis, der sich mit dem im Canalis caroticus internus nach vorne ziehenden Nervus vidianus ver- bindet. Etwas weiter vorne finden wir im Basisphenoideum das Foramen, welches die Carotis interna zur Gehirnbasis führt und in der Fossa hypophyseos in die Schädelhöhle mündet. Am

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Dach des weiten Canales liegt das Foramen für den vorderen Zweig der Carotis externa, die vom Recessus cavi tympani durch dieses Loch in die Schädelhöhle und von da zum Auge geleitet wird. Endlich dringt am Boden im Pterygoideum durch das Foramen pro nervo vidiano der gleichnamige Nerv in einen Canal ein, der an der Oberfläche des Pterygoideums hinter der Augenhöhle und medial vom Foramen palatinum posterius wieder endigt. Im Recessus cavi tympani beginnt bloss der Canalis caroticus externus, der oben zwischen Otosphenoideum und Ouadratum mit dem Foramen carotico-temporale und mit einer Abzweigung in den weiten Canal mündet. Der sonst bei den Schildkröten hier endigende Canalis cavernosus fehlt ganz, weshalb zu vermuthen ist, dass die Vena jugularis interna bei Podocneinis sammt dem Nervus facialis den Weg durch den er- weiterten Canalis caroticus internus nach rück- und auswärts nimmt. Denn aus der Grösse der in demselben liegenden Löchern für die Carotiden wäre zu urtheilen, dass sie das Normale ihres Volumens nicht überschreiten, es müsste also nur das venöse Gefässsj'stem bedeutend mehr als gewöhnlich entwickelt sein. Dann fragt es sich, ist es ph^'siologisch begründet, dass gerade nur bei der Gattung Podocnemis das Venensystem das arterielle in solchem Masse übertrifft? Der weite Canal wird daher nicht nur für Gefässe, sondern auch für andere Zwecke bestimmt sein, die erst durch genaue anatomische Untersuchungen an frisch getödteten Thieren erforscht werden können.

Das Pterygoideum verbindet sich vorne 1. bei den Trio- uychidae, ausgenommen Pelochelys, mit dem Palatinum, Maxil- lare und Jugale; 2. bei CisUido und Testndo mit dem \^omer, Palatinum und Maxillare; 3. bei den Chelonidae mit dem Vomer, Palatinum und Jugale; 4. bei den Chelydridae, Staurotyptis, Cinostermim, Chrysemys, Liemys, Clemmys, Emys, Nicoria, Cyclemys, Geoemyda und Pelochelys mit dem Vomer, Palatinum, Maxillare und Jugale; 5. bei den Pelomednsidae mit dem Pala- tinum, Jugale und Postfrontale; 6. bei Chelodina mit dem Pala- tinum, ALaxillare, Jugale und Postfrontale; 7. bei den übrigen Chelydidae mit dem Vomer, Palatinum, Maxillare, Jugale und Postfrontale. Der vordere Rand hat bei Clemmys, Cisüido, Cyclemys einen kleinen Ausschnitt, womit er das Foramen

Das Kopfskelet der Schildkröten. 303

palatinum posterius begrenzen hilft. Das Pterygoideum verbindet sich hinten 1. bei Podocneuiis, den Chelydidae, ausgenommen Cliclys, mit dem Quadratum allein; 2. bei Chelys mit dem Qua- dratum und Otosphenoideum; 3. bei Chrysemys, Clemmys, Emys, Cistndo und Nicoria mit dem Quadratum und Basiocci- pitale; 4. bei den Chelydridae, Siatirofypns, Ciiwsternnni, Liemys, Cyclemys, Geoemyda, Testndo, den Chelouidae und Triouychidae mit dem Quadratum, Basioccipitale und Pleurocci- pitale; bei allen Schildkröten medial mit dem Basisphenoideum, oben mit dem Parietale, Epipterygoideum, Otosphenoideum und Paroccipitale. Die obere Kante, Crista pterygoidea (c. p.) enthält die Incisura sphenoidalis (i. s.), die vom Otosphenoideum und Parietale zum Foramen sphenoidale ergänzt wird.

Mit dem Pterygoideum haben wir den letzten Knochen kennen gelernt, der zur Umschliessung des Recessus cavi tym- pani und des Foramen lacerum beiträgt. Ersteren hat Hasse (36) von Emys, Testudo und Chelone in ausgezeichnetster Weise beschrieben und abgebildet. Darnach ist derselbe nach innen trichterförmig erweitert, medial vom knöchernen Gehörapparat begrenzt und nach aussen mündet er in den engen Canalis columellae, der in das weite Cavum tympani des Quadratums übergeht. Sein Dach bildet das Paroccipitale, die vordere Wand das Otosphenoideum, die hintere das Paroccipitale und Pleur- occipitale, die laterale das Quadratum und den Boden der letztere Knochen mit dem Pterygoideum.

Der Recessus ca\'i tympani wird in zwei Abtheilungen geschieden, von denen die eine Abtheilung (Recessus cavi tym- pani sensu strictiori) im Umfange des Foramen vestibuli als ein Theil der Paukenhöhle erscheint, während die andere das Homologon des Recessus scalae tympani im Bereiche des Foramen Cochleae liegt. Die erstere Abtheilung ist die grössere und befindet sich aussen und vorne, die andere kleinere liegt nach hinten und innen. Als Grenze' zwischen den beiden Räum- lichkeiten dient nach Hasse (36) wohl nur unvollständig die absteigende Wand des Paroccipitale zwischen dem Foramen vestibuli und F. Cochleae. Die hintere äussere Wand des Re- cessus cavi tympani dient den Gefässen und Nerven zum Durch- lass, wesshalb sie mit den dazu nöthigen Löchern versehen ist,

Sitzb. d. mathem.-naturw. GL; GVL Bd., Abth. I. 21

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oder sie weiset eine einzige grosse Öffnung auf, die theilvveise durch Knorpel ausgefüllt wird, soferne sie nicht zum Passiren der Gefässe und Nerven Löcher bilden muss. Diese Öffnung ist das Foramen lacerum (f. 1.), das bei den Schildkröten ein ver- schiedenfaches Verhalten aufweist, wie die Tafel IV darzu- stellen versucht. Ausserdem werden in derselben auch die übrigen Zu- und Ausgänge für die Gefässe und Nerven zur Anschauung gebracht.

Das kleinste Foramen lacerum finden wir bei Emyda und CycJanorbis (Fig. 20), denn es besteht bloss aus einem schräg von innen nach aussen gekehrten Schlitz, der an seinem oberen Rande drei halbkreisförmige Ausschnitte bildet. Durch dasselbe gelangt lateral die Vena jugularis interna und der Nervus facialis nach aussen, medial zieht die Carotis externa in den Recessus cavi tympani, um zum P'oramen caroticum (f. c.) zwischen Oto- sphenoideum und Ouadratum zu gelangen. Unter dem Foramen lacerum liegt das Foramen caroticum internum (f. c. i.) im Pterygoideum allein. Man sieht in diesem zwei Löcher, oben rechts das Foramen für einen Zweig der Carotis interna (f. c. i.'), der neben dem Basisphenoideum (Taf. II, Fig. 5) in die Schädel- höhle eindringt, um von da zur Augenhöhle zu gelangen; er führt auch den Nervus vidianus mit sich. Unten links ist das Foramen caroticum internum (f. c. i.), durch welches die Carotis cerebralis in die Fossa hypophyseos (Taf. II, Fig. 5) der Schädel- höhle mündet. Medial vom Foramen lacerum befindet sich das Foramen jugulare posterius (f. j. p.). In diesem sind zwei Löcher, getrennt durch die mediale Lamelle des Paroccipitale, sichtbar. Das medial gelegene Foramen jugulare anterius (f. j. a.) lässt die Vena jugularis, den Nervus vagus und accessorius nach aussen gelangen, das laterale Loch ist das Foramen Cochleae (f. CO.) und im Paroccipitale das Foramen pro nervo glosso- pharjaigeo (IX.). Unter dem Foramen jugulare posterius sind die drei Löcher für den Nervus hypoglossus (XII.) zu sehen.

Bei Triouvx subplauus (Fig. 23) und Staiirotyptis (Fig. 18) hat sich das Foramen lacerum schon viel mehr erweitert. Man sieht daher in demselben das Foramen jugulare internum (f.j.i.) in Fig. 18, das Foramen caroticum externum (f. c.) und das Foramen vestibuli (f.v.) in beiden Figuren; in Fig. 18 das Foramen

Das Kopfskelet der Schildkröten. 305

caroticum internum (f. c. i.) vom Pterygoideum und Otosphe- noideum begrenzt, während dasselbe in Fig. 23 weit unter dem Foramen lacerum im Pterygoideum allein gelegen ist. Im Foramen jugulare posterius (f. j. p.) liegt bei Stanrotyptis (Fig. 18) und Triouyx stibplanus (Fig. 23) links das Foramen jugulare anterius (f. j. a.), rechts das Foramen Cochleae (f. co.). In Fig. 23 tritt der Nervus glossopharyngeus (IX.) durch das Foramen lacerum heraus, in Fig. 18 durch ein eigenes Loch (IX.) an der hinteren Wand des Schädels, respective des Recessus cavi tympani.

Noch mehr an Grösse hat das Foramen lacerum bei Nicofia (Fig. 19) zugenommen, denn es steht beinahe der ganze Reces- sus cavi tympani offen, weil die hintere Wand desselben viel unvollständiger als bei Stanrotypns verknöchert ist, wesshalb das Foramen pro nervo glossopharyngeo (IX.) nur mehr als Ausschnitt erscheint.

Das Foramen lacerum stellt bei Pelochelys und Chitra (¥\g. 22) eine langgezogene quere Grube dar, die alle vor- kommen könnenden Foramina in sich schliesst. Nur das Fo- ramen caroticum internum (f. c. i.) ist an deren unteren Kante, daher ausserhalb gelegen. Bei Podoaiemis (Fig. 21) ist das Fehlen des Foramen jugulare internum im Foramen lacerum und die ungewöhnliche Grösse des Foramen caroticum internum (f. c. i.) hervorzuheben. Die Vena jugularis interna und die Carotis externa besitzt bei Chelys (Fig. 24) und bei Hydraspis (Fig. 25) im Foramen lacerum eine gemeinsame Öffnung (f. j. i. -4- f. c). Das Foramen caroticum internum (f. c. i.) liegt im Oto- sphenoideum allein (Fig. 24) oder zwischen diesem und dem Basisphenoideum (Fig. 25). Lateral von demselben finden wir, eine Eigenthümlichkeit der CheJydidae, das Foramen für einen Zweig der Carotis interna (f. c. i.'), das vom Ouadratum und Pterygoideum begrenzt wird. Es führt in einem kurzen Canal aufwärts, der bei Chelys in die Fossa suprapterygoidea, bei Hydraspis in die Schädelhöhle mündet.

Das paarige E p i p t e r y g o i d e u m (e. p.) wurde, wie B a u r (4) berichtet, zuerst von Spix bei Testudo caretta z=z T. marginata wahrgenommen und als AXa. minor bezeichnet. So wird das kleine Knochenplättchen zwischen Parietale und Pterygoideum

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wenigstens von Er dl (27) benannt, der die Tafeln von Spix copirt und höchst wahrscheinlich auch dessen Nomenclatur angenommen hat. Bojanus (17) nannte es bei Eniys »ossis pterygoidei exigua pars« und in Parergon (18) bei Talassoclielys »lamina exigua triangula«; ebenso verglich es Cuvier (26) bei demselben Thier mit dem »alle temporale«. Zunächst wurde dann das Epipterygoideum von Mohring (42) bei Trionyx aegyptiactis als Os sphenoideum ascendens, Os pterygoideum secundum beschrieben. Köstlin (41) verglich es wie Cuvier mit dem vorderen Schläfenflügel und gab dessen Lage sehr gepau an: »Als ähnliche, nur viel schwächere Rudimente eines vorderen Schläfenflügels sind wohl einige Knochenlamellen am Schädel der Schildkröten zu betrachten. So liegt bei Testndo, Chelonia und Trionyx unter und vor dem ovalen Loch ein kleines, dreieckiges, nach hinten und unten spitzig aus- gezogenes Knochenblättchen; es ist aussen in das Flügelbein eingesenkt und berührt mit seinem oberen Ende den senk- rechten Theil des Scheitelbeines, mit seiner unteren Spitze aber gerade noch das Quadratbein«. Huxley (38) gab dem Epipterygoideum keinen bestimmten Namen: »a small distinct lamella of bone«; hingegen bezeichnete es Owen (44) als Orbitosphenoid und Brühl (22) als Os accessorium. Erst Cope (24) hat die morphologische Bedeutung des genannten Knochens bei den Schildkröten klargestellt, indem er dessen Homologie speciell bei Chelydra serpeiitina mit der Columella der Saurier aussprach, und Parker (45) gab ihm den Namen »Epipterygoid«. Sein Vorkommen wurde hierauf von Monks (43) ausser bei Chelone inydas und Chelydra serpentina noch bei den amerikanischen Schildkröten Chiostermun odoraium, Malacoclemmys terrapen, Clemmys insculpta, Cistudo und Trionyx spinifer nachgewiesen. Auch Baur (4) hat das Epi- pterygoideum bei den meisten Testudinata Nordamerikas als isolirtes Element, so wie es von Monks c. 1. abgebildet wird, gefunden. Somit ist die Existenz desselben bei einer grossen Anzahl von Schildkröten-Genera festgestellt, und es handelt sich nun um die Frage: Besitzen alle Schildkröten ein Epi- pterygoideum oder nur gewisse Genera? Ich glaube das erstere annehmen zu dürfen, denn ich fand es ausser bei den bisher

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namhaft gemachten Genera auch noch bei Statirotypus, Chrys- eniys, Liemys, Clemmys, Nicoria, Cyclemys (Taf. II, Fig. 6), Geoemyda, Trionyx snbplamis, sinensis und cartilagineiis, Pelo- chelys, Chitra und Emyda vor. Unter diesen standen mir speciell von Statirotypus, Chrysemys, Clemmys, Emys, Nicoria, Testudo, Chelone und Trionyx sinensis mehrere Schädel in verschiedenen Altersstadien zu Gebote. Da fand ich, dass an den von jungen Individuen stammenden Schädeln das Epipterygoideum immer vollkommen isolirt war, mit zunehmendem Alter seine Umrisse undeutlich werden und endlich ganz verschwinden, weil es mit dem Pterygoideum verschmolzen ist. Es kann auch vor- kommen, dass dasselbe auf der einen Seite noch getrennt blieb, während es auf der anderen beinahe schon verschwunden war. Daraus erklären sich die Ansichten verschiedener Autoren, dass das Epipterygoideum bei den Schildkröten bloss indivi- duell auftrete. Nur bei den Pleurodira gelang es mir nicht, seine Selbständigkeit nachzuweisen, obwohl es Hoffmann (37) auch bei Chelys gesehen haben will. Ich bin jedoch der Meinung, dass man bei hinreichendem Untersuchungsmateriale das Epipterygoideum auch für die Pleurodira würde consta- tiren können. Bei Hydraspis und Chelodina (Taf. VI, Fig. 32) hat das Pterygoideum zwischen Parietale, Quadratum und Oto- sphenoideum eine ganz eigenthümliche verdickte Stelle (x), die den unteren Rand des Foramen sphenoidale bildet und die ich für das mit dem Pterygoideum verschmolzene Epiptery- goideum halte.

Die Lage desselben hat schon Köstlin (41) nach dem früher gegebenen Citate genau präcisirt, dasselbe thun die Abbildungen von Monks (43). Es fragt sich dann weiter, ob das Epipterygoideum ein integrirendes Bestandstück der Schädelhöhle sei oder nur ein Deckknochen. Die Unter- suchungen an den verschiedenen Schildkröten ergaben, dass beides der Fall sein kann, denn bei^ Chelydra, Dermatemys nach Bienz (15), Staurotypns, Clemmys, Testudo oculifera, tentoria und Chelone liegt es nur dem Pterygoideum auf, während es bei Cinosternum (Taf. II, Fig. 8), Chrysemys, Liemys, Emys, Cistndo, Nicoria, Cyclemys (Taf. II, Fig. 6) und den Trio- nychidae an der Innenfläche der Schädelwand als eigenes

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Knochenfeld (e.) zum Vorschein kommt. Ebenso ist seine Beziehung zum Foramen sphenoidale nicht immer die gleiche. Bei Chelydra, Cinostermtm (Taf. II, Fig. 8) stosst es an den vorderen Rand des Foramen sphenoidale, bei den Trionychidae an den unteren, und bei den übrigen Schildkröten liegt es unterhalb oder vor demselben, ohne damit in Berührung zu treten. Aus Parker's (45) Untersuchungen an Chelone mydas geht hervor, dass das Epipterygoideum in der knorpeligen Anlage zugleich mit dem Ouadratum entsteht. Später ver- knöchern dann die beiden Elemente selbständig, aber der knorpelige Zusammenhang zwischen ihnen erhält sich zeit- lebens. Ja es kommt sogar vor, dass das Epipterygoideum und das Quadratum zu einem Knochen verschmelzen, wie ich es bei Cistudo ornata beobachtet habe. Sowohl die Lage auf dem Pterygoideum, als auch seine spätere Vereinigung mit diesem Knochen rechtfertigen den von Parker c. 1. eingeführten Namen Epipterygoideum.

Das paarige Pal at in um (pa.), Hall mann, Stannius, Klein, Hoffmann, Brühl, Bienz, os palatinum Bojanus, Peters, Gaumenbein Köstlin, processus palatinus ossis maxillaris superioris Mohring, palatine Owen, Huxley, Parker, palatin Cuvier, Blanchard, Gervais, schliesst sich dem Pterygoideum an und bildet nach vorne die Fort- setzung des Gaumendaches, sowie den Boden der Augen- höhle, hingegen trägt es nur bei den Oielonidae ganz wenig zur unteren Umschliessung der Nasenhöhle bei. Das einfachste Palatinum finden wir bei den Chelydidae, wo es einen dünnen plattenförmigen Knochen darstellt, der oben concav und unten convex ist. Es erlangt bei CJielys die grösste Ausbreitung, wird bei Hydromedusa nach Peters (47) sehr klein und nimmt eine halbmondförmige Gestalt an. Der vordere Rand bildet mit einem halbkreisförmigen Ausschnitt die hintere, respective late- rale Kante der Apertura marium interna, zu welchem Zwecke das Palatinum bei Chelys an dieser Stelle etwas nach oben gekrümmt ist. Am hinteren Rande umgrenzt es mit dem Ptery- goideum das Foramen palatinum posterius (f. p. p.) Bojanus, allein bei Chelys wird dessen hinterer Theil nicht vom Ptery- goideum, sondern vom Postfrontale gebildet. Die medialen

Das Kopfskelet der Schildkröten. 309

Ränder der beiden Palatina sind bei Chclodiua durch eine Naht \'erbunden, bei Hydraspis durch den Vomer und bei Chelys durch die so weit vorwärts ragenden Pterygoidea von einander getrennt.

Den Chelydidae schliessen sich zunächst die Chelydridae an, bei denen das Palatinum ebenfalls nur eine einfache Knochen- platte vorstellt, die vorne und lateral einen Ausschnitt besitzt. Der vordere wird durch das Praefrontale zum Foramen palatino- nasale (f. p. n.), der laterale durch das Maxillare zum Foramen palatinum posterius (f. p. p.) ergänzt. Die medialen Ränder werden vom Vomer getrennt.

Das Palatinum von Pelomedusa ähnelt dem der Chelydidae ; bei Podocnemis betheiligt es sich an dem Aufbaue der hinteren Augenhöhlenwand und an der Zusammensetzung der Kaufläche, die vorne vom ziemlich grossen Praemaxillare, seitlich vom Maxillare und hinten medial vom Palatinum gebildet wird. Sein lateraler Rand springt an der unteren Fläche stark vor und ergänzt den medialen Rand des Processus palatinus vom Maxillare. Die medialen Ränder stossen nahtweise zu- sammen und der vordere Rand begrenzt die Choanae (eh.) Das Foramen palatinum posterius (f. p. n.) wird von dem in Rede stehenden Knochen allein umschlossen.

Bei den Cryptodira und Trionychidae überragt die Länge des Palatinums die Breite und die untere Fläche ist querconcav, so dass es wie eine kurze, breite Rinne aussieht. Der laterale Rand springt bei Stattrotypus, CinosterntLin, Chrysetnys und Lieinys so wie hei Podocnemis nach unten stark vor und ergänzt damit die Kaufläche des Maxillare. Er krümmt sich bei den Chelonidae sogar in Bogen wieder einwärts, so dass das Palatinum dann aus zwei Blättern besteht, deren mediale Ränder sich mit dem Vomer verbinden und dadurch eine weite Röhre bilden, die zur Nasenhöhle führt; sie ist also der innere Nasen- eingang.

Der vordere Rand des Palatinums bildet bei Staurotypns, Cinosterfimvi, Chrysemys, Lientys, Clemmys, Cyclemys und den Chelonidae mit dem Praefrontale und Maxillare das grosse Fo- ramen palatino-nasale (f. p.n.); dieses verkleinert sich bei Einys, Cistndo, Nicoria und Geoeniyda zu einem winzigen Loch, das

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nur mehr vom Palatinum und Maxillare umgrenzt wird. Bei den Trionychidae vereinigt sich das Foramen palatino-nasale mit dem inneren Naseneingang und bildet ein grosses ovales Loch. Das Foramen palatinum posterius (f. p. p.) liegt bei Staiiro- typiis, Cinostemum und den Trionychidae im Palatinum selbst, während es bei Chrysemys, Liemys und Nicoria vom Pala- tinum und Maxillare, bei Clemmys, Emys, Cistndo, Cyclemys und Gcoeuiyda vom Palatinum, Maxillare und Pterygoideum eingeschlossen wird. Bei den Chelonidae fehlt dasselbe voll- ständig. Bei Stanrotypiis, Cinosteriinm, Chrysemys und den Trionychidae erhebt sich an der oberen Fläche des Palatinums eine fast senkrechte Längsleiste, die sich mit dem absteigenden Parietale verbindet und den hinteren Rand des Interorbital- raumes bilden hilft. Diese Längsleiste wird von innen und hinten nach vorne und aussen vom Canalis nervi vidiani durchbohrt (Taf. I, Fig. 1 ; Taf. II, Fig. 5), der entweder wie bei Staurotypns und den Trionychidae in das Foramen palatinum posterius mündet, oder wie bei Cinostermtm neben diesem an der vorderen Kante der genannten Längsleiste.

Die medialen Ränder der Palatina werden bei allen Crypto- dira und Pelochelys durch den dazwischen gelagerten Vomer getrennt, während sie bei den übrigen Trionychidae entweder in ihrer ganzen Länge nahtweise verbunden bleiben, oder, wenn sich der Vomer wie bei Trionyx subplamis, spinifer, phayrii, sinensis, Emyda und Chitra vorne dazwischen schiebt, doch in ihrer hinteren Hälfte.

Das Palatinum verbindet sich vorne mit dem Maxillare und Praefrontale bei den Cryptodira, mit dem Maxillare und Vomer bei den Trionychidae, ausgenommen Pelochelys, mit dem Maxillare allein bei Chelone intbricata, den Pleurodira und Pelochelys; hinten mit dem Pterygoideum und Jugale bei Staurotypns, Cinosternnni, Chrysemys, Liemys, Nicoria, den Chelonidae, Pelomednsidae und Trionychidae, mit dem Ptery- goideum allein bei den Chelydridae, bei Clemmys, Emys, Cistndo, Cyclemys, Geoemyda, Testtido und den Chelonidae; medial mit dem Vomer bei den Cryptodira, bei Hydraspis und Pelochelys, mit dem Pterygoideum bei Chelys, mit dem anderen Palatinum bei den Pelomednsidae, bei Chelodina und den Trionychidae;

Das Kopfskelet der Schildkröten. 31 1

lateral mit dem Maxillare, oben mit dem Parietale bei den Cryptodira, ausgenommen die Chelydridae und Chelonidac, mit dem Parietale und Basisphenoideum bei den Peloinediisidae und Trionychidae, mit dem Postfrontale und Jugale bei Chelodina und Hydraspis, mit dem Postfrontale allein bei Chelys.

Der unpaare Vom er (vo.) aller Autoren betheiligt sich an der Zusammensetzung des Gaumendaches und bildet die Scheidewand zwischen den beiden Choanae. Den einfachsten Vomer besitzen die Chelydidae, denn er stellt ein kurzes schmales, Knochenplättchen dar, das bei Hydraspis bloss an den Enden etwas verbreitert, in der Mitte aber sehr dünn ist. Bei den Pelo- medusidae tritt an seine Stelle ein schmales Knorpelband, das sich zwischen den Praemaxillaria und Palatina ausspannt, um die Choanae zu trennen.

Bei den Cryptodira besteht der Vomer aus einem länglichen Knochenplättchen, das sich bei den Chelydridae, bei Nicoria, Cyclemys und Geoemyda am vorderen Ende etwas verbreitert, bei Statirotypns, Cinosternum, Chrysemys, Liemys, Clemmys, Emys, Cisindo und Testtido wird aber dasselbe im Winkel abwärts gebogen und bildet damit eine kleine Fläche. Diese schiebt sich zwischen den Maxiilaria bis zu den Praemaxillaria vor und ergänzt somit den vorderen Bogen der Kaufläche. Diese finden wir bei den Chelonidac am meisten ausgebildet, wo vom vorderen Vomerende ein dicker, kurzer Fortsatz senkrecht abwärts ragt, dessen Ende sich nach hinten ausdehnt. Dasselbe ist bei Chcloiic zwischen Praemaxillaria, Maxiilaria und Pala- tina eingekeilt, bei Talassochelys zwischen den beiden letzten Knochen allein.

Vom vorderen Ende des Vomer entspringen oben zwei Fortsätze, die entweder parallel gestellt sind oder nach oben divergiren; sie verbinden sich mit den Praefrontalia. Bei Testiido verläuft längs der unteren Fläche des Vomer mitten eine scharfe Kante, wodurch mit den beiderseits sich anschliessenden, stark concaven Palatina zwei ausgiebige Rinnen zustande kommen, die zu den Choanen hinführen.

Bei den Trionychidae gleicht der Vomer einer länglichen Platte, die den Maxillaria aufgelagert ist. Von seinem hinteren Umfange ragt ein horizontaler Stachel hervor, der grösstentheils

oll F. Sieben rock,

zwischen die Palatina bis zur Hälfte eindringt, oder wie bei Pelo- chelys bis zum Basisphenoideum zurückreicht, so dass die Pala- tina von einander getrennt werden. Somit ist Köstlin's (41) Angabe unrichtig, dass sich der Vomer bei den Schildkröten gar nicht am Keilbeine befestigt, weil der Keilbeinschnabel ganz fehlt. Übrigens steht der Vomer auch bei Testiido (Taf. I, Fig. 4) mit dem Basisphenoideum in Verbindung. Die oberen Fortsätze sind bei den Trionychidae ziemlich lang und nach oben diver- girend, jedoch fehlen sie bei Cliitra (Taf. I, Fig. 1) sowie den Pletirodira, aber nicht bei Cyclanorhis (Taf. II, Fig. 5), wie Baur (3) geglaubt hat,

Der Vomer verbindet sich vorne mit den Praemaxillaria und IMaxillariabei Chelys, Hydraspis, den Cryptodira mit Ausnahme von Talassocltelys, wo derselbe von den ersteren durch die Maxillaria getrennt wird. Auf die gleiche Weise erfolgt die Verbindung bei Clielodina und den Tp'ionycliidae mit dem Maxillaria allein. Hinten trifft der Vomer mit den Pterygoidea bei den Cryptodira mit Ausnahme von TesHido, bei Chelys und Hydraspis zusammen, mit den Palatina bei Chelodina und den Trionychidae, mit dem Basisphenoideum bei Pelochelys und Testiido. Seitlich legen sich bei den Cryptodira die Palatina an, während die lateralen Ränder bei den Cltetydidae und Triony- cliidae die Choanae begrenzen. Oben verbindet sich der Vomer mit den Praefrontalia, ausgenommen bei den Chelydidae und bei Chitra, wo diese Verbindungsweise wegen Mangel der oberen Fortsätze fehlt

Die Mandibula der Schildkröten besteht, wie die neuesten Untersuchungen von Baur (9 und 10) ergeben haben, nicht immer aus der gleichen Stückzahl. Die Cryptodira, Peto- medusidae und Trionychidae besitzen ein unpaariges Dentale, an dessen hinterem Ende sich beiderseits fünf Paare von Knochen anschliessen, und zwar lateral das Supraangulare, medial das Operculare, dazwischen das Articulare, oben das Coronoideum und unter das Angulare. Bei den Chelydidae und bei Pelo- mediisa zerfällt jedoch die Mandibula in zwei Hälften, weil die beiden Schenkel des Dentale zeitlebens getrennt bleiben, d. h. sie sind mittelst Symphyse so wie bei den Eidechsen und Krokodilen verbunden. Auf diese Thatsache hat bereits Cuvier

Das Kopfskelet der Schildkröten. 3 1 3

(26) bei OieJys aufmerksam gemacht, Seite 191: »L'espace occupe dans le crocodile par les deux dentaires et les deux operculaires ne Test dans les tortues de mer, d'eau douce et de terre, ainsi que dans les trionyx, que par un seul os, analogue aux deux dentaires. Je n'ai vu dans tous ces sous-genres, meme dans le jeune äge, aucune trace de Symphyse. L'os y est continu comme dans les oiseaux. La matamata ou chelyde, au contraire, conserve ä tout äge une division ä la partie anterieure.«

Ausserdem kommt aber bei den Chelydidae nach Baur's (9) Mittheilung noch ein siebentes Element hinzu, das zwischen Angulare, Dentale, Operculare und Coronoideum eingekeilt ist. Baur c. 1. hat es Praespleniale benannt, w^il er den hinter demselben gelegenen Knochen als Spleniale bezeichnet. Nach meiner Ansicht liegt gar kein Grund vor, bei den Schildkröten die Cuvier'schen Namen Operculare und Angulare in Angulare und Spleniale abzuändern. Baur c. 1. leitet diese Namen vom Eidechsen-Unterkiefer ab, wo das Articulare aus zwei genetisch verschiedenen Elementen besteht, dem chondrogenen Articulare und der dermogenen, medialen Knochenschiene, der Baur den Namen Angulare gibt, während das Angulare in Spleniale abgeändert wird. Bei den Eidechsen treten jedoch die beiden Elemente des Articulare niemals als selbständige Knochen auf, weshalb mir die zweite Bezeichnung »Angulare« überflüssig erscheint. Nehmen wir aber an, es bestände das Articulare bei den Eidechsen in früheren Stadien wirklich aus zwei separaten Knochen, so kann die Knochenschiene nach ihrer morpho- logischen Anordnung ganz gut als Operculare bezeichnet werden, wie es bei den, homologen Knochen des Schildkröten-Unter- kiefers der Fall ist, und das Operculare wäre als Praeoperculare aufzufassen. Somit hätten wir am Unterkiefer einer pleurodiren Schildkröte folgende Knochen: 1. Dentale, 2. Supraangulare, 3. Angulare, 4. Articulare. 5. Operculare. 6. Praeoperculare und 7. Coronoideum.

Das Dentale bildet, wenn es mit dem Dentale der anderen Unterkieferhälfte an der Symphyse zu einem Knochen ver- wachsen ist, einen kräftigen Bogen, der sich im mittleren Theile immer bedeutend verbreitert und daher eine grosse Kaufläche darstellt.

ul4 F. Siebenrock,

Der Kinnvvinkel ist bei vielen Schildkröten, wie bei den Chelydridae, Stauroiypns, Podociiemis etc. in einen Haken verwandelt, der den Trionychidae fehlt. An der Innenseite der beiden Bogenschenkel verläuft der Sulcus cartilaginis meckelii als breite Rinne, die sich von beiden Seiten in der Kinngegend zu einer tiefen Grube vereinigt. Derselbe ist bei Chelys abwesend. An der oberen Grenze des Sulcus cartilaginis meckelii liegt das hintere Foramen des Canalis alveolaris inferior. Das Dentale reicht bei Stanrotypiis, Citiostenmm, Chryseiiiys, Emys, Cisttido, Emyda und Cyclanorbis fast bis zum hinteren Ende der Man- dibula zurück und bedeckt einen grossen Theil des Supra- angulare.

Das Supraangulare, ectocomplementare Brühl, schliesst sich dem Dentale hinten an, grenzt oben an das Coronoideum, unten an das Angulare und medial an das Operculare. Es bildet die laterale Wand der Fossa meckelii, deren Eingang nach oben sieht, und bloss bei den Chelydidae, ähnlich wie bei den Eidechsen, nach innen verlegt ist, weil das Operculare nicht dieselbe Höhe erreicht, wie das Supraangulare.

M oh ring (42) hat zuerst aufmerksam gemacht, dass bei Trionyx die Fovea articularis des Unterkiefers nicht bloss vom Articulare gebildet wird, sondern gemeinschaftlich mit dem Supraangulare. Die gleichen Verhältnisse finden wir bei den Chelonidae. An der lateralen Fläche des Supraangulare liegt das Foramen für den Ramus recurrens cutaneus maxillae inferioris, einem Zweig des dritten Trigeminusastes, der durch einen schrägen Canal in die Fossa meckelii gelangt. Bei Stauro- iypns, Cinosternmn, Liemys, Clemmys, Emys und Cistndo wird das Supraangulare von einem senkrechten Canal durchbohrt, von dem der oben beschriebene in die Fossa meckelii abzweigt.

Das Angulare, marginale Brühl, spleniale Baur, ist gewöhnlich ein langer, schmaler Knochen, der am unteren Rande des Alandibula-Astes liegt, sich nach innen dreht und bei Cinosfernum, Clemmys, Emys, Cisttido, den Chelonidae, bei Pelo- mednsa und den Trionychidae unten den Sulcus cartilaginis meckelii begrenzt. Bei Chrysemys, Liemys, Nicoria, Cyclemys, Geoemyda, TesUido und den Chelonidae wird es von demselben durch das Operculare getrennt. Es erreicht bei den Chelonidae

Das Koptskelet der Schildkröten. 315

und Triouychidae eine besondere Länge, während es bei Staiiro- fypiis und Podocnemis mehr in die Breite geht.

Ungefähr in der Mitte des oberen Randes bildet das Angu- lare mit dem Operculare bei den Cryptodira, mit Ausnahme der Chelonidae, und bei den Pleiirodira ein Nervenloch, das bei den Chelonidae und Trionyckidae fehlt.

Das Angulare verbindet sich vorne mit dem Dentale, oben mit dem Supraangulare und Operculare, hinten mit dem Arti- culare und, wenn das Praeoperculare anwesend ist, auch mit diesem.

Das Articulare liegt zwischen Supraangulare und Oper- culare eingekeilt und bildet bei den meisten Schidkröten allein die Fovea articulares, bei den Chelonidae und Triouychidae jedoch zusammen mit dem Supraangulare. Es stellt einen poly- gonalen, unten convexen und oben concaven Knochen dar, der bei den Cryptodira^ den Pelomedtisidae und Chelydidae hinten die Fossa meckelii umschliesst, während es bei den Trioiiy- cliidae durch die Berührung des Supraangulare mit dem Oper- culare davon zurückgedrängt wird. Der Processus retroarti- cularis ist gewöhnlich sehr kurz, etwas länger bei den Triony- ehidae, beträchtlich lang bei Pelochelys und Chitra. Bei den Triouychidae wird er vom Articulare und Supraangulare zu- sammen gebildet.

Das Articulare verbindet sich lateral mit dem Supraangu- lare, medial mit dem Operculare und unten mit dem Angulare.

Das Operculare, endocomplementare Brühl, angulare Baur, ist eine meist breite, dreieckige Knochenplatte, welche die mediale Wand der Fossa meckelii bildet und oben den Sulcus cartinaligis meckelii begrenzt. Bei den Chelydidae, wo die Mandibula im Allgemeinen einen sehr schlanken Bau besitzt, präsentirt sich auch das Operculare als schmaler Knochen.

Es verbindet sich vorne mit deiii Coronoideum bei Staiiro- typns, den Chelonidae, Pleiirodira und Triouychidae, bei den übrigen Schildkröten mit dem Coronoideum und dem Dentale, hinten mit dem Articulare, unten mit dem Angulare. Bei den Chelydidae kommt es vorne auch mit dem Praeoperculare in Berührung.

316 F. Sieben rock,

Das Praeoperculare, praespleniale Baur, wurde zuerst von Peters (47) bei Hydromedusa dargestellt und os vaginale genannt. Peters c. 1. hat aber dafür das Angulare übersehen, weshalb er in jeder Mandibula-Hälfte bloss sechs Knochen statt sieben angeführt hat. Auch Brühl (22) hat in der Abbildung der Mandibula von Clielys einen Knochen mit »7« bezeichnet, im erklärenden Texte aber davon keine Erwähnung gemacht. Die Lage des Praeoperculare wurde schon früher beschrieben. Baur (10) macht die weitere Mittheilung, dass dieser Knochen auch unter den Cryptodira und zwar bei Chrysemys ornata und grayi vorkommt. Bei der ersteren Art habe ich ihn gefunden, bei der zweiten von mir untersuchten C1iryseinys-hrt, nämlich picta fehlt er. Bei Chrysemys ornata erreicht das Praeoperculare nicht annähernd die Grösse wie bei den Chelydidae. Es stellt einen kleinen Knochensplitter dar, der sich dem vorderen Ende des Angulare anschliesst, zwischen Operculare und Dentale liegt, ohne das Coronoideum zu berühren.

Das Coronoideum lässt fast bei allen Schildkröten die dreieckige Form erkennen. Es ist bei Staurotyptis, Cinosternnin und Geoemyda sehr klein und kommt äusserlich, sowie auch bei Testndo und den Chelydidae wenig oder gar nicht zum Vorschein. Bei Statirotypus und Cmosternnm erreicht es nicht einmal die Höhe des Dentale, so dass der Fortsatz für den Musculus temporalis fehlt, während derselbe bei den Tn'o- nychidae speciell bei Peloclielys und Chitra bedeutend em- porragt.

Das Coronoideum hilft bei Podocnemis und Cydanorbis die Kaufläche der Mandibula bilden, was in geringerem Masse bei allen Trionychidae der Fall ist. Es begrenzt vorne die Fossa meckelii und bei den meisten Schildkröten auch den Sulcus cartilaginis meckelii. Es verbindet sich vorne mit dem Dentale, unten lateral mit dem Supraangulare, unten medial mit dem Operculare und bei den Chelydidae auch mit dem Praeoper- culare.

Die Ergebnisse der vorliegenden Abhandlung lassen sich kurz in folgender Weise zusammenfassen:

Das knöcherne Gehör wird hinten vom Paroccipitale, vorne vom Otosphenoideum,oben vom Supraoccipitale gebildet, jedoch

Das KopfsUelet der Schildkröten. 317

zur Begrenzung der Cochlea trägt meistens auch das ßasi- occipitale und Basisphenoideum bei.

Der Bau des knöchernen Labyrinthes erfährt durch die verschiedenartig entwickelten Canäle für die halbkreisförmigen Gehörbogen bei den einzelnen Genera wesentliche Modifica- tionen. Den einfachsten Typus des knöchernen Labyrinthes finden wir bei Testiido, wo dasselbe nur aus einem Hohlräume besteht, dessen hmenwände rinnenförmige und halbkugelige Vertiefungen zur Aufnahme der häutigen Gehörbogen und Ampullen besitzen. Bloss im Otosphenoideum schliesst sich die Rinne für den sagittalen Gehörbogen zu einem kurzen Canal, während die Rinnen für die beiden anderen Gehörbogen offen bleiben.

Viel fortgeschrittener ist die Differenzirungdes Labyrinthes bei Emys, weil ausser dem Canal für den sagittalen Gehörbogen im Otosphenoideum auch schon ein solcher für den frontalen und horizontalen Gehörbogen im Paroccipitale anwesend ist. Ähnliche Verhältnisse bestehen bei Nicoria, nur ist hier auch der Canal für den sagittalen Gehörbogen im Supraoccipitale entwickelt.

Bei Macroclemmys sind sowohl im Otosphenoideum als auch im Paroccipitale alle drei Gehörbogen von Canälen ein- geschlossen, nur im Supraoccipitale hat die Differenzirung noch nicht stattgefunden.

Endlich bei Triouyx, besonders aber bei den Chelydidae gelangt das Labjninth zur vollkommensten Ausbildung, denn es sind nicht nur die Canäle für die Gehörbogen in den drei genannten Knochen entwickelt, sondern auch die Hohlräume für die Ampullen und die Commissur werden vom übrigen Vesti- bularraum abgegrenzt. Dadurch erhält das knöcherne Laby- rinth der Chelydidae eine sehr grosse Ähnlichkeit mit dem der Eidechsen.

Die Schildkröten besitzen keinen eigenen Aquaeductus Cochleae. Der Canal im Paroccipitale, der von Hasse dafür gehalten wurde, dient zum Durchlass des Nervus glosso- spharyngeus aus der Schädelhöhle.

Das Foramen jugulare posterius, welches an der hinteren Schädelwand eine hervorragende Rolle spielt, wird in der Art der

olo F. Sieben rock,

Umschliessungbei den einzelnen Familien nicht nach bestimmten Gesetzen gebildet. Es kommt auf sechsfache Weise zustande.

Die Carotis interna dringt in den Canalis cavernosus ein und theilt sich in zwei Zweige. Der eine Zweig gelangt durch das Foramen carotico-temporale in die Fossa temporalis, der andere, Ramus ophthalmicus, durch das Foramen jugulare inter- num in die Schädelhöhle und durch das Foramen sphenoidale nach aussen, um zur Augenhöhle zu ziehen.

Für den letzteren Zweig ist bei Cyclemys und Testudo ein eigener Canal anwesend, der vorne zwischen Otosphenoideum und Pterygoideum nach aussen mündet, ohne das Foramen jugulare internum zu tangiren.

Bei Staurotypiis, Cinostermint und den Tvioiiychidae fehlt der Canal für den Ramus ophthalmicus der Carotis externa, dafür zweigt der Canalis caroticus internus nach vorne ab und mündet mit einem separaten Loch medial vom Foramen jugulare inter num. Durch diesen Canal geht als Ersatz für den fehlenden Ramus ophthalmicus der Carotis externa ein Zweig der Carotis interna zur Augenhöhle.

Ganz ähnliche Gefässverhältnisse finden wir bei den Chely- didae, nur hat hier die Carotis interna einen separaten Canal, der an der Schädelbasis zwischen Basisphenoideum, Quadratum und Pterygoideum beginnt. Er führt bei Chelodina und Hydrasp is in die Schädelhöhle, bei Chelys in die Fossa temporalis und in beiden Fällen dann zur Augenhöhle.

Der Nervus vidianus kommt von aussen in den Canal der Carotis interna und dringt durch ein eigenes Loch in die Schädelhöhle ein. Von hier gelangt er entweder mit Gefässen durch die knorpelig-häutige Schädelwand zur Augenhöhle, oder es ist ihm ein besonderer Weg vorgebildet. Dieser besteht entweder in einer Rinne an der Oberfläche des Pterygoideums oder in einem Canal, der den Knochen sagittal durchzieht. Der Nervus vidianus verlässt dann die Schädelhöhle durch ein Loch, Foramen nervi vidiani, zwischen Pterygoideum und Parietale, oder dasselbe liegt im ersteren Knochen allein. Der Canalis nervi vidiani setzt sichf vom Pterygoideum in das Palatinum fort, wo er entweder in das Foramen palatinum posterius einmündet, oder mit einem separaten Loch daneben.

Das Kopfskelct der Schildkröten. 319

Ein unpaariges Frontale kommt unter den Schildkröten, so viel bis jetzt bekannt ist, nur bei Chelodina longicollis vor.

Das Postfrontale differirt von allen Schädelknochen am meisten in der Grössenentvvicklung. Es entfaltet sich voni unbedeutenden Knochensplitter bei Trionyx zur mächtigen Knochenplatte bei Platysternmn. Als ersterer dient es kaum zur Begrenzung der Augenhöhle, als letztere bildet das Post- frontale den grössten Theil des Schläfendaches, das den Schädel mehr als zur Hälfte panzerartig umgibt.

Auch das Paraquadratuni weist bedeutende Grössenunter- schiede auf. Es ist bei Clenimys caspica so klein, dass es äusserlich kaum sichtbar wird, während das Paraquadratum bei Podocnemis madagascarieusis eine ungewöhnliche Grösse erreicht und hauptsächlich zur Bildung des Schläfendaches beiträgt.

Das Epipterygoideum (Columella) besitzen nachweisbar alle Schildkröten ausser den Plenrodira. Es besteht bei jungen Individuen als ein selbständiger Knochen, der erst spät mit dem Pterygoideum verschmilzt. Bei mehreren Schildkröten bildet das Epipterygoideum einen integrirenden Theil der seitlichen Schädelwand.

Das von Baur nach einem Schädel von unbekannter Pro- venienz aufgestellte Genus »ÄdelocheIys<<, welches zur amerika- nischen Superfamilie Chelydroidea gehören soll, dürfte mit der von Boulenger jüngst beschriebenen Schildkröte Liemys inornata aus Borneo identisch sein.

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324 F. Sieben rock,

Erklärung der Abbildungen.

Tafel I.

Fig. 1. Innensicht der rechten Hälfte des sagittal durchschnittenen Schädels

von Chitra indica Gray. Fig. 2. Innensicht der rechten Hälfte des sagittal durchschnittenen Schädels

von Chelys fimbriata Sehn. Fig. 3. Innensicht der rechten Hälfte des sagittal durchschnittenen Schädels

von Chelydra serpentina L. Fig. 4. Innensicht der rechten Hälfte des sagittal durchschnittenen Schädels

von Testimo tentoria Bell.

Taf. 11.

Fig. 5. Innensicht der rechten Hälfte des sagittal durchschnittenen Schädels

von Cyclanorbis senegalensis D. B. Fig. 6. Innensicht der rechten Hälfte des sagittal durchschnittenen Schädels

von Cyclemys dhor Gray. Fig. 7. Innensicht der rechten Hälfte des sagittal durchschnittenen Schädels

von Podocnemis madagascariensis Grand. Fig. 8. Innensicht der rechten Hälfte des sagittal durchschnittenen Schädels,

hinterer Theil, von Cinosternum odoratum Daud. Fig. 9. Innensicht der rechten Hälfte des sagittal durchschnittenen Schädels,

hinterer Theil, von Geoemyda spinosa Gray.

Taf. III,

Fig. 10. Innensicht der das Gehör umschliessenden Knochen der linken Seite

von Chelodina longicollis Shaw. Fig. 11. Innensicht der das Gehör umschliessenden Knochen der linken Seite

von Trionyx sinensis Wie gm. Fig. 12. Innensicht der das Gehör umschliessenden Knochen der linken Seite

von Macroclemmys temminckii Holbr. Eig. 13. Innensicht der das Gehör umschliessenden Knochen der linken Seite

von Nicoria pnnctularia Daud. Fig. 14. Innensicht der das Gehör umschliessenden Knochen der linken Seite

von Einys orbicularis L. Fig. 15. Innensicht der das Gehör umschliessenden Knochen der linken Seite

von Testudo oculifera Kühl. Fig. 16. Das Quadratum von innen, das Otosphenoideum von aussen der linken

Seite von Chrysemys ornala Gray.

Das Kopfskelet der Schildkröten. 32o

Fig. 17. Das Quadratum von innen, das Otosphenoideum von aussen der rechten Seite von Testndo graeca L.

In Fig. 10 15: a Supraoccipitale, ^ Paroccipitale, c Otosphenoideum. In Fig. 16 und \1 : d Quadratum, e Otosphenoideum.

Taf. IV.

Fig. 18. Hintensicht der rechten Schläfenhälfte von Staurotyptis salvinii Gray.

> . » » » » Nicoria puncUtlaria Daud.

> » » » » Cyclanorbis sejtegalensisD.B. » » » » Podocnemis madagascariensis

Grand.

> » » » » Chitra indica Gray. » » » » Trionyx stibplaniis Geoi^T. > » » » Chelys fimbriata Sehn. y> * -> » Hydraspis radiolata Mi k.

Die Schädel sind so gestellt, dass alle Löcher zwischen Foramen occipitale und Cavum tympani zur Ansicht kommen.

Taf. V.

Fig

19.

Fig.

20.

Fig.

21.

Fig.

22.

Fig.

23.

Fig.

24.

Fig.

25.

26. Kopf von Podocnemis madagascariensis Grand, im Profil.

27. Kopf von Trionyx subplaniis Geoffr. im Profil.

28. Obensicht des Basisphenoideums von Chelodina longicollis Shaw.

29. » » » » Cinosternum odoraiiim Daud.

30. » » » » Chelone mydas L.

31. » » » » Macroclemmys temininckii

Holbr. Tafel VI.

Fig. 32. Obensicht des linken Pterygoideums von Chelodina longicollis Shaw. Fig. 33. » » » » » Chelydra serpentina L.

Fig. 34. » » » » » Clemmys caspica Gm.

Fig. 35. » » » » » Slatirotyptis salvinii Gray.

Fig. 36. » » 5, » » Qyclemys amboinensis Daud.

Fig. 37. » » » » » Chelone mydas L.

Fig. 38. » » » » » Chrysemys ornata Gray.

Fig. 39. » ^> » ». » Macroclemmys temminckii

Holbr.

Sämmtliche Figuren sind Originalzeichnungen.

326 F. Siebenrock,

Erklärunc; der Buchstaben.

a. f. Ampulla canalis semicircularis frontalis. a. s. » » » sagittalis.

a. V. Aquaeductus vestihuli.

b. c. Basis columellae. b. o. Basioccipitale.

b. s. Basisphenoideum. eh. Choanae.

c. m. Condylus mandibularis. cms. Commissur.

c. oc. Condylus occipitalis. c. p. Crista pterygoidea. c. s. Crista supraoccipitalis.

c. t. Cavum tympani.

d. e. Dorsum ephippii.

e. Epipterygoideum.

f. Frontale.

f. a. s. Foramen alveolare superius.

f. c. Foramen caroticum anterius, für den ramus externus.

f. c. i. Foramen caroticum internum.

f. c. i.' Foramen caroticum internum, Zweig zur Augenhöhle hinziehend.

f. cl. Foramen columellae.

f. CO. » Cochleae.

f. ct. » carotico-temporale.

f. hy. Fossa hypophyseos.

f. i. Foramen incisivum.

f. j. a. Foramen jugulare anterius.

f. j. i. » » internum.

f. j. i.-+-f. c. Foramen jugulare internum + Foramen caroticum anterius, für den

ramus externus. f. j. p. Foramen jugulare posterius, f. 1. Foramen lacerum. fo. c. Fovea cochlearis.

fo. f. Foramen canalis semicircularis frontalis, fo. h. » ^> » horizontalis.

fo. s. » » » sagittalis.

f. p. n. Foramen palatino-nasale. f. p. p. Foramen palatinum posterius, f. s. Foramen sphenoidale.

Das Kopfskelct der Schildkröten.

327

f. s. p. Fossa suprapterygoidea.

f. ty. Foramen t3'mpanicum.

f. V. » vestibuli.

1". vi. » nervi vidiani.

f. vi.' » » » , ramus facialis.

i. cl. Incisura columellae.

i. s. » foraminis sphenoidaüs.

i. V. » vestibuli.

j. Jugale.

m. Maxillare.

m. a. Meatus auditorius internus.

o. Orbita.

o. s. Otosphenoideum.

p. Parietale.

pa. Palatinum.

pa. o. Paroccipitale.

p. e. Processus epipterygoideus.

p. c. » ciinoideus.

p. e. p. Processus ectopter3^goideus.

p. f. Postfrontale.

p. m. Praemaxillare.

p. o. Pleuroccipitale.

p. p. Processus paroticus.

p. q. Paraquadratum.

pr. f. PraetVontale.

p. s. Processus squamosus.

pt. Pterygoideum.

p. t. i. Processus trabeculae inferioris.

q. Quadratum.

s. Squamosum.

s. c. Sulcus cavernosus.

s. c. e. Sulcus caroticus externus.

s. c. i. » » internus.

s. f. Sulcus nervi facialis.

s. o. Supraoccipitale.

s. v. Sulcus nervi vidiani, ramus facialis.

V. Yestibulum.

vo. Vomer.

X Verdickte Stelle des Pterygoideums in Fig. 32, Taf. VI, das Foramen sphe-

noidale unten begrenzend. y Sonde in Fig. 3, Taf. I, aus dem Canalis nervi vidiani in die Schädelhöhle

führend, a— ß Sonde durch den Canalis nervi glossopharyngei.

1 1 » » s- » » abducentis.

2 2 » » » » caroticus internus.

328 F. Siebenrock, Das Kopfskelett der Schildkröten.

3 3 Sonde durch den Canalis nervi vidiani. V' Foramen nervi trigemini, ramus secundus.

VI » » abducentis.

VII » » facialis.

VIII .

VIII rj. \

.„.. rj '■■ Foramen nervi acustici.

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IX Foramen nervi glossopharyngei. XII » » hypoglossi.

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Sitzungsberichte d.kais.Akad.d.Wiss.,math.-naturw.Classe,Bd.CVT.Abth. 1.1897.

329

Beiträge zur Kenntniss der Musearia sehizo-

metopa und Beschreibung- von zwei Hypo-

derma -Arten

Prof. Dr. Friedrich Brauer,

w.M.k.Akad.

(Mit 1 Tafel.) (Vorgelegt in der Sitzung am 18. Juni 1897.)

I. Bemerkungen zu den Originalexemplaren der von

Bigot und Maequart beschriebenen Musearia sehizo-

metopa aus der Sammlung" des Herrn G. H. Verrall.

Herr G. H. Verrall in England, in dessen Besitze sich gegenwärtig die grosse Dipteren-Sammlung J. Bigots befindet, war so überaus liebenswürdig, mir aus derselben die zahl- reichen Originalexemplare dieses Autors und Macquarts zur Durchsicht anzuvertrauen. Es ist ein wesentlicher Nutzen für die Kenntniss der Arten und für die geographische Verbreitung der Gattungen, wenn es mir gelingen sollte, die richtige syste- matische Stellung derselben zu deuten. Da die Mehrzahl vor längerer Zeit beschrieben wurde, in welcher die Gattungen noch in viel weiterem Sinne aufgefasst w^urden und genauere Merkmale unbekannt waren, so konnte man über die Verbrei- tung derselben auch keine sicheren Schlüsse machen. Herrn Verrall gebührt das Verdienst, die Kenntniss der Formen wesentlich gefördert zu haben, indem er sie der weiteren Unter-

330 F. Brauer,

suchung zugänglich macht und spreche ich demselben hiemit meinen wärmsten Dank aus.

Um eine Verzögerung nicht platzgreifen zu lassen, werde ich meine Ansichten nach Untersuchung jeder einzelnen Partie sofort veröffentlichen und bringe hiemit den Bericht über die erste Sendung.

Dieselbe enthält 143 benannte Arten; da aber unter demselben Namen zuweilen mehrere Arten vermischt waren, so habe ich eigentlich 146 Arten zu besprechen, die, wegen eines Fehlers in der fortlaufenden Numerirung (V^erdoppelung von einigen Nummern, die dann 14/1, 14/2 etc. bezeichnet werden mussten) mit der Nummer 140 enden.

Von diesen 143 Arten gehören 68 nicht in die angegebenen Gattungen, in welchen sie beschrieben wurden; 37 Arten müssen in neue Gattungen gestellt werden; 4 Arten waren so defect, dass eine Determinirung nicht mehr sicher möglich war und nur 34 Arten waren in jene Gattungen gebracht worden, in welche sie, w-enigstens mit Rücksicht auf die Zeit Schiner's, wirklich gehören. Würde man die später aufgestellten Gattungen in Betracht ziehen, so müssten 138 Arten andere Gattungs- namen erhalten und nur 7 derselben würden von den 146 Arten ihre Namen behalten.

Alte Gattungen finden sich 12 {Gastrophihis, Hypodcrma, Nemoraea, Exorista, Phorocera, Chaetolyga, Gonia, Anthra- comyia, Cordyligaster, Trichophora, Myobia, Avernia) mit 20 Arten, und bleibende neue Gattungen 4 {Sphyrimyia Big., Toxocncniis Mcq., Snnipigaster Mcq. und Bolbochaeta Big.) mit je 1 Art vertreten. Dagegen wurden für bekannte Gattungen und Arten, zuweilen von beiden Autoren, neue Namen ge- schaffen {SipJioniomyia Big., Ochropletirnm Mcq., ChoJomyia Big., Microtrichodes Mcq., Crossotocnema Big.) und die von Rondani und Macquart dafür aufgestellten Gattungen sind nicht erkannt worden. Anderseits wurden vollkommen neue, besondere Formen in alte Gattungen untergebracht und da- durch unkenntlich gemacht.

Ich bespreche die Arten in der Reihenfolge, wie sie in den Kasten bei Bigot aufeinanderfolgen. Leider sind die Exemplare meist mangelhaft erhalten und in vielen Fällen sind die zur

Beitrüge zur Keiintniss der Muscarien. 331

Bestimmung so wichtigen Macrochaeten abgebrochen. \'iele Formen sind nur in einzelnen Exemplaren vorhanden oder zweifelhaft zusammengehörig. Ich habe keine neuen Gattungs- namen aufgestellt, auch da, wo mir die Gattung sicher neu schien, sondern nur die Verwandtschaftsgruppe bezeichnet. Der Besitzer der Typen kann ja später immerhin neue Namen hinzufügen, besonders wenn er die Formen noch länger und eingehender untersuchen wird. Auch gewisse Schlüsse auf die geographische Verbreitung werden sich später besser machen lassen, wenn einmal noch weitere Sendungen aus dieser Samm- lung zur Deutung gekommen sind.

Vorläufig sei bemerkt, dass unter den 143 Nummern oder Formen 36 Arten sich auf 18 auch in Europa vorkommende Gattungen vertheilen und einige eine sehr weite Verbreitung zeigen {Chaetolygä) und ihren Gattungscharakter unverändert beibehalten, wie er von Rondani festgestellt wurde. Ebenso erkennt man die Gattung Ncmoraea s. str. sofort wieder in der Neinoraca tropidobotlira B. B. mit demselben Unterschied in der Färbung beider Geschlechter.

Von diesen Gattungen sind folgende hervorzuheben:

Chaetolygä mit 9 Arten (aus Centralamerika, Nordamerika, Südamerika [Brazil], vom Gap der guten Hoffnung, von Java und Vandiemensland); Argyrophylax mit 3 Arten (Java, Mexico, Montevideo), Setigena mit 3 Arten (Tasmanien, Australien), Sisyropa mit 4 Arten (Australien, Mexico), Tricholyga mit 2 Arten (Tasmanien), Parexorista mit 2 Arten (Nordamerika Rocky mountain und Mexico), Gonia mit 2 Arten (Gap b. sp. und Nordamerika); die anderen mit einer Art ausser Europa, und zwar Amniohia (Gap b. sp.), Myohia (Nordamerika), Nemo- vaea (Java), Hernimasicera (Guba, Nordamerika), Exorista s. str. (Tasmanien), Machaira (Java), Phorocera (Java), Entachiua (Java), Chaetotachina (Nordamerika Rocky mountains), Anthra- comyia (Nordamerika), Thelaira (Java).

Alle anderen Arten stehen in unrichtigen europäischen oder neuen Gattungen, wie das in der Aufzählung ersichtlich ist, oder sind richtig in Gattungen gestellt worden, welche in Europa nicht vertreten sind.

332 F. Brauer,

Besprechung der Arten und Gattungen.

1. (1.) Gastrophilus pallens 9 Bigot, Sudan Suakim. Stimmt mit G.flavipcs Oliv. Scheitel viel breiter als ein Auge und mehr als Y3 der Kopf breite einnehmend. Hinterleib mit kleinen dunkelbraunen Fleckchen gesprenkelt. Lege- röhre sehr gross, mit dreieckigem, compressen Endstück und vor demselben 2 dicke, glänzend schwarzbraune, cylindrische Ringe; fast V2 so lang als das ganze Abdomen. Klauen lang und dünn. Metatarsus des dritten Paares cylindrisch, nicht ver- dickt. Die Rückenlinie am Abdomen aufgelöst und die Seiten unten dunkler fleckig. Hintere Querader hinter dem Endpunkte der ersten Längsader gelegen und sehr undeutlich, geknickt und nur das hintere Ende etwas deutlich, weit ausserhalb der kleinen Querader gelegen. Sonst alles wie bei dem bisher allein bekannten Männchen, auch die Grösse. Die seinerzeit (Mono- graphie der Oestriden, S. 83) gemachten Bemerkungen bei G. lativentris Low sind daher ganz unbegründet und letztere dürfte eine besondere Art oder eine eigenthümliche Varietät des Weibchens von G. pecormu sein. (Bigot, Bull. S. E. Fr. 1884, No. 8, Avril, p. 80.)

2. (2.a) Hypoderma Bellieri Bigot cf (Corsica; false.) (Nicht die Type). Ist ganz verschieden von der Beschreibung und ein deutlich ausgesprochenes Weibchen von H. lineata Vi 11. An der Nadeletiquette Americ. borealis.

3. (2.Z7) Hypoderma Bellieri Bigot 9 Corsica; Type. Stimmt vollständig mit der Beschreibung Bigot's. Der ganze Rücken Schild und die Brustseiten, das Schildchen, sowie die Basis des Hinterleibes sind nur schwarz behaart. Nur das Enddrittel des Abdomens ist rothhaarig. Das Gesicht ist goldgelb behaart.

Die glänzenden Striemen des Rückenschildes stehen hinter der Quernaht einander nicht so nahe wie bei bovis, wo nur eine schmale Furche zwischen den mittleren und seitlichen bleibt. Das typische Exemplar ist jedoch abermals ein V/eibchen und nicht, wie Bigot glaubte, ein Männchen. Es scheint eine besondere Art zu sein, wie sich auch weiter aus Vergleich mit der in der Grösse und Form ihr nahestehenden H. bovis Dg.

J

Beiträge zur Kenntniss der Muscarien. 333

zeigt. Der Metatarsus der Hinterbauer ist sehr lang, reichlich viermal so lang als das zweite Glied (dreimal bei H. bovis), den folgenden Gliedern zusammengenommen gleich oder länger und auch am ersten und zweiten Paare noch fast so lang wie diese vier Glieder vereint. Die 3 Mittelglieder sind kurz und am Ende dunkel, das erste derselben (zweites Tarsenglied) kaum länger; das letzte Tarsenglied ist circa so lang als das dritte und vierte zusammen, die Klauen sind schlank. Die Augen stehen oben mehr parallel und sind nach unten nicht so stark divergent wie bei bovis. Dieselben sind beim 9 grösser als bei H. bovis und die Stirne ist von oben gesehen nicht doppelt so breit als ein Auge, also schmäler im Verhältniss zum Auge als bei H. bovis.

Die Ocellen sind um mehr als ihren Durchmesser von ein- ander getrennt (bei bovis einander näherstehend.) Die kleine Querader steht kaum ausserhalb des Endpunktes der Hilfsader (bei bovis zwischen diesem und dem der ersten Längsader) aber nicht constant. Der ganze Stirntheil oben ist dunkel, schwarz behaart (bei ^oy/5 blass graugelb). Von den letzteren Unterschieden ist jedoch keiner ganz constant.

Die Tarsenglieder sind bei H. bovis in ähnlichem Verhält- nisse, namentlich durch die Kürze des zweiten, dritten und vierten Gliedes, aber nicht des ersten und zweiten Gliedes. Bei H. lineata sind das dritte und vierte Glied länger, ebenso bei Diana und Actaeon. Die Nebenaugen sind unbedeutend ver- schieden in ihrer Entfernung von einander bei bovis und Bellieri. Mehr Unterschied zeigt sich in ihrer gegenseitigen Lage bei Silenns, Diana, einer der H. Diana sehr nahestehenden n. sp. albicoma und Actaeon. Bei Silemis sind sie gross und hinten sehr nahe aneinandergerückt, bei Diana weiter abstehend und auf etwas gewölbter Fläche, bei Actaeon steht jede Ocelle auf einer kugeligen Wölbung, bei der jy. albicoma n. sp. aus Südeuropa sind sie klein, weit voneinander getrennt und fast ganz flach liegend.

Als Varietät könnte H. Bellieri nur zu H. bovis, nicht aber zu lineata gezogen werden, v^on der sie durch plastische Merk- male (Länge der Tarsenglieder) und die Grösse abweicht. Da ich aber über 100 Stücke von H. bovis untersucht habe und keine Variationen entdeckte, obschon die Exemplare von sehr

334 F. Brauer,

verschiedenen Fundorten waren (Österreich, Deutschland, Schweden, Russland bis Sarepta und aus der Songarei), so möchte ich an eine besondere Art glauben, deren plastische Merkmale vielleicht verborgen sind. Überhaupt sind die Art- unterschiede innerhalb der Oestriden-Gattungen nicht sehr auf- fallend (siehe CepJienoniyia ; Oesirns ovis, variolosiis ; Hypo- dernia Actaeon, Diana, bovis, lineata). Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass ich eine weisse Varietät (?) von H. bovis aufgeführt habe (Monogr. 1863, S. 127), die vielleicht mit H. heteroptera Mcq. (I.e. 129) zusammenfällt und dass, wie mir Herr Assistent Ant. Handlirsch mittheilte, anderseits die Hummeln auf Corsica alle schwarz und so gefärbt werden wie B. lapidarins, also melanochroitische Formen haben. Diese Färbungen, ob, wie im ersteren Falle leucochroitisch oder melanochroitisch, sind für H. Bellieri, heteroptera, sowie albi- coma nicht ausser Acht zu lassen.

4.(3.) Cuterebra analis (Mcq.) 9 Brasil. Bigot Coli. Ist nicht diese Art, sondern (Cntiterebra) nigricincta Austen. Von der Beschreibung und Abbildung (Ann. Mag. Nat. Hist. ser. 6, Vol. XV, May. 1895, Taf. XIII, f. 4 und 4a) nur durch den goldenen Fleck am Vorderrand des Rückenschildes in Bezug seiner Form abweichend. Bei dem Exemplare der Coli. Verrall gehen von diesem Randfleck in der Mitte zwei breite, hellgold- gelbglänzende Längsstriemen aus, die über den Querfleck hinaus nach hinten bis zur Quernaht des Rückenschildes ver- längert sind. Hellere Haare sitzen auch nach innen vom Schulterhöcker. Die kleine Ouerader liegt innerhalb des Endes der Hilfsader, näher der Flügelbasis. Alles sonst stimmt mit Austen 's Beschreibung, auch die Maasse. Die Etiquette ist theilweise unleserlich: Cnterebra analis 9 Brasil Mcq. (neminf. D. Epct.?). Die Art Macquart's ist es entschieden nicht. Macquart sagt auch nicht, wie sonst, dass er die Art von Bigot erhalten hat. Über den Namen Cntiterebra vergl. Mik, Wien. Ent. Z. 1897, S. 35.

5. (4.) Myobia tenuisetosa Macq. (conf. Oiaetophthalnins brevigaster Mcq., N.-Holl.) Das Exemplar ist sehr schlecht erhalten. Hinterleib einfarbig grau. Augen behaart. Flügelspitze eingerollt nicht sichtbar. Klauen und Pulvillen des cT sehr

Beiträge zur Kenntniss der Muscarien. 335

verlängert. Wangen nackt. Rüssel dick, aber Taster sind nicht unterscheidbar. Das zweite Fühlerborstenglied ist kurz. Ocellen- borsten sind nicht sichtbar. Ist keine Myobia in unserem und Rondani's Sinne. Nimmt man an, dass die Taster fehlen, so wird man die Form durch die nackten Wangen und die langen Klauen des cf von Chaetophthalmtis zu trennen haben. Nimmt man an, dass Taster vorhanden sind, so kommt man in der PyrrÄos/a-Gruppe auf Trafoia B. B. und Dexiomlma. Die Macrochaeten sind am Körper verklebt und sagittal sehr lang, scheinen vom zweiten Ring an discal und marginal zu stehen. Weiter lässt sich nichts feststellen. Der Randdorn fehlt. Es scheint noch immer wahrscheinlicher, dass die Fliege mit der Gattung Chaetophthalmtis verwandt sei, weil sie ebenfalls aus Neuholland stammt. Dexiomima dagegen ist aus Java. Wollte Bigot mit dem Namen Myobia die Verwandt- schaft mit der Pyrrhosia-Gruppe bezeichnen, so ist das, wie es scheint, nicht gefehlt. Vide Mcq. Dipt. exot. II. Suppl. p. 73, diese und die folgende Art ist mit Tastern abgebildet, die aber an den Typen nicht zu sehen sind.

6. (5.) Myobia ruficeps Mcq. II. Suppl. p. 73. Hat ebenfalls haarige Augen und die Charaktere der vorigen, beide sind keine Myobien und passen am ehesten in die neuholländische Gattung Chaetophthalmus. Vide supra. Die Art ist aus Tasmanien.

7. (6.) (Viviana?) Bigot. Bull. S. E. F. 1888, XLII, p. 262. {? Myobia) V. rufopygata Bigot, Mexico. Macrochaeten nur am dritten Ringe, marginal, vorher fehlend. Hinterschienen weit- läufig-, fein-, kammartig beborstet. Beugung ohne Zinke, fast V-förmig abgerundet. Randdorn fehlend. Adern nackt. Augen nackt. Backen schmal, aufsteigend, unten breiter, wie bei Therenops (Thelothyria). Taster keulig, gelb. Drittes Fühlerglied 3 mal so lang als das zweite. Vibrissen am Mundrande, stark, aber kaum aufsteigend. Orbitalborsten des 9 stark. Klauen und Pulvillen des 9 sehr kurz. Verwandt mit Fischeria und Myobia.

8. (7.) Viviana citrina 9 Mexico J. Bigot 1. c. Arista pu- bescent. (Ohne Abdomen.) ? Pseiidodexiidae degeeriaeformes, ad G. Gyninostylia (conf. Leptoda, aber die Arista fast nackt). Conf- G. Chaetona, Psetidodexia und Pseiidovedtenbacheria. Durch

Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. ; CVI. Bd., Abth. I. 23

336 F. Brauer,

die in der Basalhälfte hellen, in der Endhälfte grauen Flügel mit Pseudoredtenbacheria brasilieusis S., Pseiidodexia eques Wd. und Chaetona loiigiseta Wd. übereinstimmend. Arista sehr lang, aber sehr kurzgefiedert (und mehr basalgefiedert). Ich halte die Art für Chaetona longisda Wd. Bull. S. E. Fr. 1888, XLII, p. 262.

9. (8.) Masicera viridiventris Mcq. (Egypt.) Mcq. D. E. Suppl. IV, p. 190. 9 Klauen kurz. Vibrissen ziemlich hoch über dem Mundrande. Orbitalborsten sind nicht zu sehen. Die Be- schreibung stimmt mit der Type (conf. Ämphibolia.) In Frage kommen die Meigenia- Gruppe oder die Willistonia-Gruppe. Letztere scheint nach der hohen Lage der Vibrissenecke, dem blasigen Kopf wie bei Goniophana, dann den fehlenden (?) Ocellarborsten wahrscheinlich, doch sind bei viridiventris die Hinterschienen ungleichborstig. Jedenfalls keine Art der Gattung Masicera, sondern wohl eine besondere Gattung. Leider schlecht erhalten. Die Ämphibolia -Gruppe scheint durch ihre Gattung Microtropeza und durch ihr Vorkommen und die kleineren Ocellenborsten mit den obgenannten Gattungen der Willistonia-Gruppe in Beziehung zu stehen, ebenso durch die Lage der Vibrissenecke zum Mundrande. (Ob nicht ein Irrthum mit dem Vaterland vorgekommen, da die nächste Nummer 9 [Suppl. II, p. 68] auch denselben Namen trägt.)

10. (9.) Masicera viridiventris cf Mcq. Vandiemensland. Es ist fast zweifellos, dass diese und die vorige Fliege in die Gruppe Ämphibolia gehören und dort eine von Microtropeza abzutrennende neue Gattung bilden.

Die Wangen sind nackt, nur ganz oben mit einzelnen Haaren. Der Kiel ist schmal und tiefliegend, vorne nicht gut sichtbar. Die Scheitelborsten sind abgebrochen, aber eine starke Narbe deutet sie an. Am Rande des Scutellum stehen 4 längere Borsten, die mittleren sind abgebrochen. Die Klauen des cf sind lang und dünn. Ocellarborsten sehe ich nicht.

Das frühere Exemplar scheint ein 9 (Nr. 8) zu sein und hat kurze Klauen. Orbitalborsten scheinen nicht vorhanden gewesen zu sein, aber mehrere Borstenreihen, nach den Narben. Der Scheitel ist beim 9 von Augenbreite; bei dem Männchen Nr. 9 schmäler als ein Auge, aber auch mit mehreren Borsten-

Beiträge zur Kenntniss der Muscarien. 337

reihen. Auch nach dem flachen, spitzen Abdomen ist Nr. 8 ein 9 , während Nr. 9 einen mehr ovalen Leib mit kleinem, im grubigen terminalen Ende liegenden Hypopygium zeigt, das nicht nach vorne gedreht ist wie bei Microtropeza. Auch die metallische Farbe spricht für die Gruppe Aniphibolia. Siehe Suppl. II, p. 68.

11. (10.) Masicera nigricalyptrata cf Mcq. Quito. Zweites Borstenglied verlängert. Vibrissen hoch, Mund sehr nasenartig vortretend. Unterrand des Kopfes sehr lang, Vibrissen nicht aufsteigend. Hinterschienen ungleichborstig. Beugung V-förmig. Macrochaeten vom dritten Ring an discal (1 Paar), sonst mar- ginal. (? 9 Narben von Orbitalborsten.) Klauen kurz. Vorder- tarsen etwas platt. Scheint zu Archytas J. zu gehören. Wangen nackt (oder die Haare abgerieben.) (Ob der Name dieser Art nicht verschrieben ist und arcuatipennis Mcq. Suppl. V, p. 101, sein soll?).

12.(11.) Masicera nigricalyptrata cT Mcq. Amazon., ge- hört in die Gruppe Blepharipoda, hat aufsteigende Vibrissen und ist Blepharipeza leiicophrys C. Winth. Wd. Tj^pe. Ist die Type zu D. E. Suppl. V, p. 100, Nr. 24.

13. (12.) Masicera simplex Mcq. D. E. Suppl. II, p. 71. Tas- mania. Klauen lang (cT). Macrochaeten discal und marginal am zweiten und dritten Ringe. Stirnborsten weit herabsteigend und Vibrissen bis zur Mitte der Untergesichter ziemlich hoch unter dem Wangenrande aufsteigend, stark. Backen breit. Augen fast nackt, kurz und zerstreuthaarig. Ocellenborsten fehlen und sind entweder sehr fein oder nicht vorhanden, da keine Narben sicht- bar sind; die Ocellen stehen nahe beisammen, besonders die zwei hinteren. Der Scheitel ist schmal, kaum V2 Augenbreite (cf). Stirne kurz behaart mit einfacher Reihe starker Striemenborsten, die bis zur Mitte des dritten Fühlergliedes herabsteigen und von einer feineren Reihe aussen begleitet sind. Drittes Fühlerglied gross, mehr als 2mal so lang als das zweite und die untere vordere Ecke stumpfspitzig, die hintere runü. Scheitelborsten vorhanden. Unten an den Wangen und nach vorne kurze, zerstreute Börstchen. Zweites Borstenglied deutlich, so lang als breit, kurz. Randdorn kurz. Dritte Ader nur basal gedornt. Spitzenquerader gerade. Gehört wahrscheinlich wegen der Wangenborsten zu M. obloiiga, Nr. 14.

23*

338 F.Brauer,

14. (13.) Masicera fulviventris Mcq. c^ D. ex. Suppl. IV, p. 192, Taf. 17, Fig. 11. Tasmanien. Eine Crossocosmia.

15. (14.) Masicera oblongaMcq. Vandiemensland. Suppl. II, p. 70. 4 äussere Dorsocentralborsten hinter der Naht. Ocellen- borsten lang, fein, vorwärts gebogen. Vi b rissen doppelreihig bis zur Mitte aufsteigend. Wangen mit kurzen Börstchen in der Mittellinie. Stirnborsten bis zur Mitte des Untergesichtes herabsteigend, stark. Scheitel ziemlich breit, Augen nackt. Zweites Fühlerborstenglied deutlich, kurz. Klauen des cT ver- längert. Eine zartere äussere Stirnborstenreihe, nebst noch kürzeren Borsten. Spitzenquerader gerade, Beugung ohne Zinke. Scheitelborsten stark. Macrochaeten am ersten Ringe mar- ginal, sonst auch discal. Randdorn klein, dritte Ader nur basal gedornt. Hinterschienen ungleichborstig. (Scheint mit Nr. 12 zusammenzufallen.) Taster keulig, gelb. Rüssel kurz, dick.

Bildet ein Nov. Gen., welches von Eiipogona durch die Discalmacrochaeten am zweiten und dritten Ring und die längeren Beine zu trennen ist. Am Rande des Schildchens finden sich zwei breit getrennte starke Narben der apicalen Borsten, die aber fehlen. Von der verwandten Gattung Gaedia unter- scheidet sie sich durch die offene erste Hinterrandzelle, die allerdings am Ende sehr eng ist. Man kommt nach meiner Ta- belle in der Gruppe Masicera auf Eupogoim, in der Gruppe Phorocera auf Gaedia und findet dort die angegebenen Unterschiede. (Die Abbildung Taf. 4, Fig. 6 bis ist sehr schlecht; 1. c.)

16. (10/2). Masicera tenuiseta Mcq. n. sp. (Patria?) Suppl. I, p. 164. Venezuela. Gehört in die Gruppe Thelaira als beson- dere Gattung. Arista nur kurz behaart (pubescent), aber die dritte Längsader bis zur kleinen Querader beborstet. Hiedurch von Zosteromyia und Calodexia B.B. III. p. 130, 131, verschieden (conf. Calodexia v. d. Wp. in der Biol. C. Am.). Von Thelairodes durch die kurzbehaarte Arista zu trennen.

17. (11/2.) Masicera lateralis Mcq. n. sp. Suppl. I, p. 163 (Taf. 15, Fig. 5). Neuholland, cf mit langen Klauen und Pulvillen und fast zusammenstossenden Augen. Augen und Wangen sind so mit rostrothem Schmutz bedeckt, dass nichts zu erkennen ist (sie scheinen behaart gewesen?). Die Macrochaeten am

Beiträge zur Kenntniss der Muscarien. 33 J

Abdomen sind nur als Narben am Rande und sonst macht die Behaarung den Eindruck wie bei Pollenia und Musciden. Das dritte FühlergHed ist sehr lang, die Arista fehlt aber. Die Vibrissen stehen hoch über dem Mundrande wie bei Meigenia. Nicht näher zu bestimmen.

18. (12./2) Masicera rufipes cf Mcq. Vandiemensland. D. ex. Suppl. II, p. 70. Klauen verlängert, Macrochaeten discal und marginal. Erste Hinterrandzelle am Rande geschlossen, Spitzen- querader gerade, Beugung ohne Zinke, stumpfwinkelig. Rand- dorn fehlend. Augen dicht behaart. Mundrand unter der Vibrisse nasenartig aufgeworfen. Apicale Schildchenborsten senkrecht, fein, nicht gekreuzt, die daranstossenden Rand- borsten sehr lang und stark. Keinesfalls eine Masicera. Wangen nackt (conf. Amphiholia). Ocellenborsten deutlich, vorwärts gebogen. Scheitelborsten vorhanden.. Zweites Borstenglied kurz. Wangen breit. Taster keulig, dünn. Rüssel kurz, normal. Backen breit, Hinterschienen ungleichborstig. (Klauen des cf ver- längert.) Da das 9 nicht bekannt ist, so bleibt es unentschieden, ob die Fliege zu Erigone gestellt werden kann. Sehr verwandt scheint durch das kleine Hypopygium und den kurzen ersten Hinterleibsring Brachelia R. D. Auch die geschlossene erste Hinterrandzelle spricht für letzteres.

19. (13./2) Masicera (Lydella) nitida Mcq. Gallia (cT); ist ein 9 nach der Type. Nackte Augen, etwas verlängertes zweites Borstenglied. Discal- und Marginal-Macrochaeten. Ocellenborstennarben vorhanden. Soviel aus dem Exemplar zu ersehen ist, so gehört es besonders durch die sehr breite Stirn zu Paraphorocera tincta B. B. =: Ceromasia senilis Rdi. (non tincta Mg.) vide R. D. I. p. 858. Dipt. d'envir. de Paris; vide B. B. Muse. Schiz. I. p. 90.

20. (14., 15.) Masicera (Lydella) nova L. Du f. Gallia 9 cT = Argyrophylax atropivora Rdi.

21. (16.) Masicera capensis cT C. b. sp. Mcq. zr: Ammobia ead. V. d. Wp. Mcq. D. Ex. Suppl. 5, p. 100.

22.(17.)^ Masicera rubrifrons 9 Mcq. Vandiemensland. D. ex. Suppl. II, p. 69. PI. 4, f. 5. Augen und die breiten Wangen

1 Conf. Nr. 9.

340 F. Brauer,

behaart. Macrochaeten nur marginal, schwach. Vibrissenecken etwas convergent. Zweites Borstenglied deutlich, kurz. Drittes Fühlerglied mit spitzer vorderer unterer Ecke, wie bei Acemyia, in deren Verwandtschaft die Fliege aber nicht gehört.— 9 2 Or- bitalborsten und Scheitelborsten. Ocellenhöcker behaart. Gehört in die Microtropeza-Gvw^^o, {Antphiholiä) und auch in die Ver- wandtschaft von Willistotiia, und zwar der neuholländischen Gattung Goniopliana (heterocera), von der sie durch die un- gleichborstigen Hinterschienen abweicht. Von Gaediophana trennt sie das kurze zweite Borstenglied.

23. (18.) M. niveiceps 9 Mcq. Java. Argyrophylax ead. Suppl. IV, p. 190.

24. (19.) M. rufifacies cT. Vandiemensland. Mcq. Suppl. II, p. 71. cT lange Klauen, keine Ocellenborsten, nur borstige Haare. Wangen haarig. Vibrissenecke hoch über dem vor- gehobenen Mundrand. Augen dicht behaart. Hinterschienen kammartig beborstet, mit längeren Borsten nach unten. Ver- wandt mit Goniopliana B. B. heterocera Mcq. und mit Nr. 17 (rubrifrons Mcq.). Hinterleib fast ohne Macrochaeten, nur dünne Borsten. Arista abgebrochen.

25. (20). M. eucerata 9 Californ. Bigot = Myobia B. B. ead. Am. S. E. Fr. 1888, p. 263.

26. (21.) M. fulvipalpis 9 J. Bigot. Am. d. N. Rocky Moun- tains = Achaetonenra B. B. (verwandt mit lata Wd. aus Montevideo). Am. S. E. Fr. 1888, p. 263.

27. (22.) M. flavifacies 9 Mexico. J. Bigot. Da nur ein 9 vorliegt, ist die Gattung nicht sicher zu bestimmen. Wahr- scheinlich eine Hemimasicera mit oben kammartig borstigen Hinterschienen. Sollte das cT Wimperschienen zeigen, so käme Argyn'opliylax in Betracht.

28. (23.) Nemoraea bicolor 9 Mcq. n. sp. (Patr.?) =r Nemoraea tropidobothra B. B. 9 Java = Nemoraea (TacJiina) grandis Wlk. Insecta saundersian. p. 27-8. Mcq. Suppl. IV, p. 182.

29. (24.) Exorista lateralis o" Bigot. Sicilia = Parexo- rista, verwandt oder identisch mit cheloniae Rdi.

30. (25.) Exorista lata cT Australia. Mcq. = Sisyropa ead. Ocellenborsten fehlen. Wimperschienen ohne längere Borsten-

Beiträge zur Kenntniss der Muscarien. 341

Wangen ausser den herabsteigenden Stirnborsten nackt (?), sonst die Färbung des Abdomens ähnlich Chadolyga. Mcq. D. Ex. Suppl. III, p. 47. (Beschmutzt.)

31. (26.) Exorista (Tach.) elegans 9 Bigot. Cuba. Chado- lyga ead.

32. (27.) Exorista rufata Bigot =: BoJouiyia violacea B. B. (V. d. VVp. C. Am. Mystacella ead.) (Mexico, Brasil. M. C.) Am. S. E. Fr. 1888, p. 257.

33. (28.) Exorista rufipalpis cT Bigot. Mexico. Augen dicht behaart, Wangen nackt. Ocellenborsten sehr lang und dick, auf- und nach rückwärts gebogen. Hinterschienen ungleichborstig. Macrochaeten vom zweiten Ring an discal und marginal paarig aufrecht. Vibrissenecken hoch über dem Mundrande. Beugung mit kleiner Falte, aber diese nur grubig, V-förmig. 9 mit grossen Orbital- und Scheitelborsten und starken, aber wenigen Randborsten des Schildchens. Taster hellgelb, stark keulig. Körper dunkelschwarzgrün metallisch und etwas graubestaubt scheckig.

Schildchen mit zwei prämarginalen aufrechten, nach hinten gebogenen starken Borsten. Augen dicht behaart. Macrochaeten am ersten Ring 0, am zweiten 2 discal und 2 marginal, am dritten 4 discal und 6 marginal. Dritte Ader nur basal gedornt. Randdorn 0. Mundrand etwas vortretend, nasenartig, aber nicht bedeutend. Mundborsten nicht aufsteigend. Zweites Borsten- glied kurz. Hintere Querader ziemlich steil, geschwungen. Backen schmal (YJ. Stellt man die Gattung in die Pyrrhosia- Gruppe, so wäre sie (P. III, B. B. p. 141) von Janthmomyia oder Brackelia zu unterscheiden oder von Trafoia, die alle keine nach hinten und aussen gebogene Ocellenborsten haben. Bildet ein Novum Genus und ist sehr ähnlich der Gattung Alsopsycha, die wir vorläufig in die Gruppe Meigenia gestellt haben, vide infra Nr. 35. Die Fühlerborste ist auch hier sehr lang und nur basal Yg verdickt und zeigt Spuren von kurzer Behaarung. Verwandt mit Minthoiden. Ann. S. E. Fr. 1888, p. 256.

34. (29.) Exorista varipes Mcq. (? var.) (Vandiemensland) = Chaetolyga B. B. ead. (Type M. C.).

342 F. Brauer,

35. (30.) Exorista cubaecola 9 Bigot =: Tachina ead. Jaenn. Cuba. Nach dem einzigen 9 eine Hemimasicera, wie auch von der Type Jaennike's bemerkt wurde. B. B. P. III, Note (114), p. 209. Erst der dritte Ring mit Randmacrochaeten. Stimmt mit den Typen Jaennike's.

36. (31.) Exorista tibialis Mcq. cf Europa. {Eiirigaster id. Mcq.) = Sisyropa excisa EU. (ohne Kopf).

37. (32.) Exorista diversicolor Mcq. Suppl. II, p. 67. Tas- mania. Augen behaart, Wangen nur ganz oben mit wenigen kurzen Borstenhaaren, Mundrand etwas aufgeworfen. Grube in der Tiefe leicht gekielt. Macrochaeten marginal (erster Ring 2, zweiter Ring 2, dritter Ring 4 6) und wie am vierten längere Borstenhaare auf der Eläche. Zweites Borstenglied kurz. Drittes Eühlerglied 4 mal das zweite. Ocellenborsten deut- lich. Scheitel etwas schmäler als das Auge. Klauen des cf verlängert. Hinterschienen oben kammartig, dann ungleich- borstig. Vibrissen ziemlich höher als der Mundrand. Beugung stumpfwinkelig, abgerundet, ohne Zinkenfalte. (Randdorn 0.) Die Stirnborsten reichen nur bis zur Basis des dritten Eühler- gliedes. Backen über Ys Augenhöhe (Vs)- Vibrissenleisten etwas convex. Gehört in die Verwandtschaft von Exo- rista vetula Mg. Bei dieser Art sind nur marginale Macro- chaeten.

38. (33.) Exorista flaviceps Mcq. n. sp. Suppl. II, p. 67. Tasmania. Der vorigen sehr ähnlich, aber die Beugung recht- winkelig, V-förmig mit Ealtenzinke. Augen dicht behaart, Klauen lang (cf), Schildchenborsten gekreuzt. Drittes Eühler- glied 270 mal das zweite. Kopf und Macrochaeten wie Nr. 32, ebenso die Vibrissen und der Mundrand. Von den Ocellen- borsten sind nur die Narben vor den hinteren Ocellen vor- handen. Die Stirnborsten gehen einreihig bis unter die Mitte der Wangen herab. Backen breit (V3 Augenhöhe). Gesicht etwas concav durch die oben nicht vortretenden Vibrissen- leisten. Randdorn keiner. Zweites Glied der Arista deutlich, kaum länger als breit. Gruppe Enfachina, Gattung Tricholyga, mit kurzem zweiten Borstenglied.

39. (34.) (Ceromasia) castanifrons 9 Bigot. Mexique. Neue Gattunar zu Vibrissina. Durch schmale Backen

Beiträge zur Kenntniss der Muscarien. 343

von dieser verschieden. Die erste Hinterrandzelle mündet am Rande geschlossen, etwas vor der Flügelspitze. Die Beugung ist fast bogig, flach abgerundet. Nach V. d. Wulp, B. C. A. eine Prospherysa oder Myiotliyria nach der Tabelle. (Die letztere hat aber keine aufsteigenden Vibrissen.) Die Gattung (Ceromasia) ist ganz falsch. Bull. S. E, Fr. 1888, XLII, p. 261.

40. (35.) Ceromasia chrysocephala 9 Mexico. J. Bigot. Aufsteigende Vibrissen, behaarte Augen, keine Beugungszinke. Discal- und Marginal-Macrochaeten. 9 Tarsen nicht platt. Borste sehr lang, basal verdickt, sehr kurz behaart. An der Spitze nackt. Mundrand gerade unter der Vibrissenecke, nicht vorgebogen, Fühler an der Augenmitte. Scheitel und Orbital- borsten (<J) sehr stark, Wangen nackt. Drittes Fühlerglied 3 mal so lang als das zweite (conf. Dexiophana, Ptilodegeeria und Myxexorista). Dexiophana hat nackte Augen; Ptilodegeeria hat nur Marginal-Macrochaeten und nackte Arista, die dritte Ader gedornt; Myxexot'iste hat eine nackte Arista. Backen bei chrysocephala breit (reichlich Y3 Augenhöhe). Sternopleural- borsten 2, l;eine Hypopleural reihe. In der Tabelle?. III, p. 107, Nr. 74 a von Reinwardtia durch die hypopleurale Borstenreihe zu trennen. Von Sarcophagiden durch die behaarten Augen sehr verschieden, ebenso von Chaetoniden, mit denen sie wie mit Minthoiden verwandt scheint durch die sehr lange, kurz- behaarte Arista. Im Wiener Museum habe ich eine zweite Art dieser neuen Gattung mit erhaltenen, rückgebogenen Ocellenborsten unmittelbar zu Minthoiden gestellt. Siehe oben Nr. 28 E. rufipalpis. Von Ceromasia (Bull. S. E. Fr. 1888, XLII, p. 261) kann keine Rede sein.

41. (36.) Ceromasia pictigaster 9 Mexico. J. Bigot. Bull. S. E. Fr. 1888, XLII, p. 261. Ist eine Gymnostylia B. B. (Mcq.). Fühlerborste sehr lang, nur in der Basalhälfte sehr kurz behaart, pubescent. Wangen nackt, nur 1—2 sehr kurze Börstchen unter den Stirnborsten. Gruppe Psetidodexiidae degeeriaefornies.

42. (37.) Ceromasia zonata 9 (nicht cf). Mexico. J. Bigot. Vibrissen aufsteigend, Augen nackt, Wangen oben fast nackt, aber mit sehr kurzen Börstchen von der Stirnborstenreihe bis unten besetzt, oben eine Reihe, unten am Augenrande eine

344 F. Brauer,

Gruppe bildend. Vibrissenecke etwas über dem Mundrande. Beugung abgerundet, ohne Zinke. Drittes Fühlerglied 3 mal so lang als das zweite, Backen vorne eckig. Zweites Aristaglied kurz.

Erste Hinterrandzelle nahe vor der Flügelspitze offen endend, Randzelle weit. Macrochaeten scheinen nur margi- nal vom ersten (incl.) bis dritten Ring gewesen zu sein, sonst auf der Fläche zerstreute zarte Borsten. Bull. S. E. Fr. 1888, XLII, p. 261. Nach der Type der Description auch ein 5. Peri- stoma massig breit. Scheitelborsten stark, Ocellenborsten vor- wärts gebogen. Orbitalborsten des 9 stark. Apicale Schildchen- borsten scheinen sehr fein gewesen zu sein, weil nur kleine Narben zu sehen, dagegen seitlich stärkere. Hinterschienen fehlen, daher nicht sicher zu bestimmen (vide P. 111, B. B. p. 106, IX), conf. Rileya, p. 121; vel ad G. Degeeria, vel ad Sect. Phorocera. Arista etwas länger als die Fühler, Basal- hälfte verdickt, Endhälfte sehr fein. Basalhälfte sehr kurz behaart, die Haare erst bei 20facher Vergrösserung sichtbar. Längsadern nackt (ausser der Basis der dritten).

Von der Sectio Degeeriaeformes hauptsächlich durch die Vibrissenecke über dem Mundrande abweichend (conf. Chaeto- nidae), aber jedenfalls keine Ceromasia. Ich betrachte sie mit Chaetona verwandt.

43. (38.) Ceromasia quadrivittata 9. (Ist aber ein cf mit langen Klauen.) J. Bigot. Mexico z=. Gynmostylia ead. B. B. (Nach V. d. Wp. sind die Arten alle zu Hypostena gehörend!) Bull. S. E. Fr. 1888, XLII, p. 261.

44. (39.) Ceromasia spinipes 9 Mexico. J. Bigot. Bull. 1. c. p. 262. Arista lang, wie bei 37, kurz pubescent. Erste Hinterrandzelle vor der Flügelspitze offen mündend. Wangen nackt. Backen schmal. Macrochaeten discal und marginal. Adern nackt. Vibrissen nicht aufsteigend, kurz, am Mundrande. Ad G. Gymnostylia B. B. Sectio Genis nudis.

45. (40.) Ceromasia abbreviata 9 Mexico. J. Bigot. Ad Gymnostylia. Sectio Genis nudis.

46. (41.) Phorocera cilipes 9 Mcq. Neuholl. Zweites Borstenglied kurz. Wangen ganz nackt. Die Fliege ist nur in die Gattung Ctenophorocera B. B. zu stellen und hat theils

Beiträge zur Kenntniss der Muscarien. 345

kammartig, theils ungleich beborstete Hinterschienen. Augen dicht behaart. Ocellenborsten sehr fein, vorwärts gebogen. Vibrissen bis oben lang und stark. Spp. II, p. 72. D. Exot. l\Icq.? (Macrochaeten marginal.)

47. (42.) Phorocera cilipes cf n. sp. Mcq. (? Neuholl., ohne Angabe). Zweites Borstenglied lang, Wangen in der oberen Hälfte kurz beborstet. Hinterschienen oben kamm- artig, unten ungleich beborstet. Vibrissen nur halb auf- steigend, nach oben kürzer und feiner. Der Ocellenhöcker scheint nur behaart (zwei kleine Borstennarben vor den hinteren Ocellen). (Macrochaeten marginal.) Klauen und Pulvillen sehr lang und die Enden der Tarsen gespreizt-borstig. Jedenfalls eine andere Species als Nr. 41. Vorläufig nur bei Ctenophoro- cera unterzubringen (conf. Anagoiiia und Bolomyia, erstere Vandiemensland).

Man bleibt in Zweifel bei Nr. 42, weil die Hinterschienen wohl eher ungleichborstig genannt werden können und die Mundborsten eigentlich wenig aufsteigen und wie bei Masi- ceraten oben kurz werden. Von Willistoniden könnte Gonio- phana in Betracht kommen, hat aber Wimperschienen, ebenso Anamastax (beide Neuholl.), letztere hat aber nackte Augen. Von Chaetolyga unterscheiden sie die nur oben kurzborstigen Wangen (nicht feinhaarigen) und die stärker aufsteigenden Vibrissen. Durch diese oben kürzeren Vibrissen, und die oben borstigen Wangen von Cteno phorocera verschieden. Bei Masiceraten unterscheiden sich die Formen mit behaarten Wangen durch die Discalmacrochaeten, und Enpogona hat fast nackte Augen. Chaetomyia, deren Wangen ähnlich sind, hat keine aufsteigenden Mundborsten (D. Exot. Suppl. 2, p. 72?).

48. (43.) Phorocera tessellata cf Mcq. Tasmania. Setigena ead. B. B. Mcq. Suppl. 1, p. 160. Das Hypopygium mehr ein- gezogen und kleiner als bei den europäischen Arten, glänzend schwarz, langhaarig.

49.(44.) Phorocera flavipalpis ^ Mcq. Sidney. Die Tabelle führt (T. III, p. 103) auf Perichaetidae durch den Nasenvor- sprung, aber nicht durch die Orbitalborsten. Ocellenborsten vorhanden, vorwärts gebogen. Augen dicht behaart. Hinter- schienen nur oben kammartig beborstet. Macrochaeten nur

346 F.Brauer,

marginal. Augen dicht behaart, Wangen nackt. Beugung ohne Zinke. Erste Hinterrandzelle offen, Adern nackt. Vibrissenecke hoch über dem nasenartigen Mundrande. Fühler fehlen. Dürfte zu Qenophorocera ß. B. gehören. Mcq. D. Ex. Suppl. V, p. 102.

50. (45.) Phorocera ciliata cf Mcq. Colombie. Coli. Big. =: Blepliaripeza riifipalpis Mcq. Type M. C. Augen zerstreut behaart und Wangen von oben herab mehr weniger behaart, besonders unter den Stirnborsten (das Abdomen fehlt). Mcq. Suppl. III, p. 49. Scheint wegen der deutlich behaarten Augen nicht als Bl. rufipalpis erkannt worden zu sein; bei Schiner's von Macquart eingesendetem Originalexemplar im M. C. sind die Augen ebenso deutlich behaart (cf).

51. (46.) Phorocera hyalipennis cf Mcq. (Java? Nach Bigot's Etiquette). Das Abdomen fehlt. Das cT scheint im V. Suppl, p. 102, aus Neuholland, Adelaide, beschrieben und soll keine Discalmacrochaeten haben, wäre also Qenophorocera. Es scheint, dass Macquart vollständig vergessen hat, eine gleichnamige andere Fliege im IV. Suppl. beschrieben zu haben. Ocellarborsten fehlen. Hinterschienen dicht kammartig be- borstet mit einer grösseren Borste. Diese Charaktere würden auf die nur aus Centralamerika bekannte Gattung Metadoria führen. Sind Ocellenborsten vorhanden, so hätten wir eine Phorocera s. str. (Type cilipeda). Sind die Discalmacrochaeten fehlend, so müsste die P'orm zu Ctenophorocera kommen. Der Mundrand tritt etwas nasenartig gewölbt vor. An der rechtwinkeligen Beugung eine etwas nach hinten geneigte Zinke. Durch den Mundrand von Phorocera abweichend.

52. (47.) Phorocera hyalipennis 9 Mcq. Java; ist gewiss nicht das 9 der vorigen Art, sondern eine Machaira mit Säge- bauch; auch ohne Ocellenborsten, aber mit nicht concaver, fast nach aussen gebogener gerader Spitzenquerader und stumpfer Beugung.

Die Beschreibung D. Ex. Suppl. IV, p. 197, gehört zu diesem Stücke, was sofort aus der Beschreibung der Flügel hervorgeht, die bei der vorigen Art ganz verschieden sind. Bei Machaira endet die erste Hinterrandzelle fast an der Flügelspitze, bei der vorigen weit vor derselben.

Beiträge zur Kenntniss der Muscarien. 347

53. (48.) Phorocera acutangulata cf Mcq. Australia; ist eine Setigena B. B. und auch verwandt mit Spongosia durch die buschigen Genitaüen des cT. Man vergl. Nr. 43. Mcq. D. Ex. Suppl. III, p. 48. In der Beschreibung heisst es: Keine Discal- borsten am zweiten und dritten Ring. Es finden sich aber stärlvere Borsten in zwei Längsreihen neben der schwarzen Längsstrieme in der Sagittallinie, während auf der Fläche sonst viel kürzere und zartere Borsten stehen. Am zweiten und dritten Ring erscheinen auch zwei grössere Narben in der Mitte der obigen Reihe. Es dürfte daher wohl die Bedornung wie bei Setigena und nicht wie bei Parasetigena gewesen sein.

54. (49.) Phorocera javana 9 Java. Mcq. Eine wahre Phorocera s. str. B. B. mit Wimperschienen wie Ph. cilipeda. D. Ex. Suppl. IV. p. 197. Die Beschreibung sehr gut.

55. (50.) Phorocera graciliseta cf Mcq. Tasmanien. Suppl. II, p. 72. Eine Setigena.

56. (51.) Phorocera biserialis cf Mcq. Vandiemensland. Suppl. II, p. 73. Zunächst verwandt mit Tricholyga; die Vibrissen bis zur Fühlerbasis aufsteigend, doppelreihig. Apicale Schildchenborsten sehr fein, gekreuzt, kurz.

57. (52.) Phorocera barbata 9 Bigot. Mexique. (Abdomen fehlt) =: Metadoria mexicana B. B. P. III, p. 1 17. Bull. S. E. Fr. XLII, 1888, p. 260.

58. (53.) Phorocera parva 9 Bigot. Nordamerika, Rocky mountains. Ebenda 260, Nr. 38. Eine Paradoria B. B. und fast identisch mit P. nigra B. B. aus Venezuela. M. C.

59. (54.) Phorocera melanoceps (cf) Bigot. Mexico. Ebenda p. 260(1888). Ist sicher ein 9, wie auch in der Be- schreibung steht. Macrochaeten am ersten Ringe marginal, am zweiten und dritten Ringe discal und marginal, ein vorderes Paar vor der Mitte, ein hinteres am Rande und lange Haare. Hinterschienen kammartig gewimpert. Ocellenborsten fehlend, Höcker nur dicht behaart. Scheitel-, ^Orbital- und 2 obere Stirn- borsten sehr stark. Augen dicht behaart. Vibrissen bis oben aufsteigend. Backen kaum Vs Augenhöhe. Dritte Ader nur am Grunde beborstet. Wangen nackt, sammtschwarz. Randdorn sehr klein, Beugung stumpfwinkelig ohne Zinke, Spitzenquer- ader gerade, erste Hinterrandzelle offen, vor der Flügelspitze

348 F. Brauer,

mündend. Zweites Fühlerborstenglied kurz. Ist nach allen Merkmalen unsere Metadoria mexicana, P. II, p. 117, und somit gleich Nr. 52 Bigot's Ph. haidmta v. supra.

60. (55.) Blepharipeza aurocaudata cT Bigot. Montevideo. Ist eine Atacta Seh in. B. B. Bull. S. E. Fr. 1883, XU (1888), p. 90. Im M. C. ist die Art bei Argyrophylax eingereiht wegen der schmalen Backen.

61. (56.) Blepharipeza andina c/ Bigot. Chili. Bull. S. E. Fr. 1888, XLI, p. 90. Type ohne Kopf. Die langen Klauen zeigen, dass es ein cT ist. Apicale Schildchenborsten sehr klein, ge- kreuzt, die anderen stark.

Da die Beschreibung nichts enthält, das zur Erkenntniss der Gattung leiten könnte, so bleibt es unsicher die Art zu deuten. Es scheint eine Blepharipoda sp. zu sein.

62. (57.) Blepharipeza cyaniventris Mcq. cT (nicht 9) Aiexico = Paragaedia Hedemanni S. B. B. Mcq. D. Ex. Suppl. I, p. 157. Die Beschreibung sagt auch 9, aber die Abbildung be- trifft den Kopf eines c^; P. XIII, Fig. 1 1. Nach der Beschrei- bung ist die Gattung nicht erkennbar. Gehört wegen Mangel von Ocellenborsten zu der WillistoniaGvu^^e. B. B. III. p. 123 und P. II, p. 349, 350.

63. (58.) Blepharipeza rufipalpis Mcq. var. ; ist eine solche, nur sind die Augen ziemlich dicht behaart, cf (conf. supra: ciliata Nr. 45, Mcq. Coli. Bigot Phorocerä). |

64. (59.) Blepharipeza fulvipes (cf) ist ein 9, Bigot. Am. 1 sept. Washington territory = Rilcya americana B. B. P. III,

p. 121 (? - Bl. adusta Loew) vide Bigot, 1888, XLI. Bull. S. E. Fr. p. 92; dort steht wieder d statt 9.

65. (60.) Blepharipeza albifacies (cf), 9 richtiggestellt, J. Bigot. Brazil 1. c. ist Rilcya americana B. B.

66. (61.) Blepharipeza albifacies 9 Bigot. Brazil. Kann = 60 sein, ist aber nur Fragment. Bigot, ebenda, 92, 1888.

67. (62.) Chaetolyga rubidapex cf Bigot; olim erythropyga Bigot. Mexico. Sche'mi Masipoda gefuitiata'&.'Q. zu sein, da aber an dem einzigen Weibchen die Vordertarsen fehlen, so ist es nicht zu entscheiden. M. geminata dürfte auch mit Chaetolyga (Tachina) pyrrhopyga Wd. C. Wth. identisch sein,

Beiträge zur Kenntniss der Muscarien. 349

von der aber auch nur cf bekannt sind. Bigot, Bull. S. E. Fr. 1888, XLII, p. 257.

68. (63.) Chaetolyga nigriventris cf Bigot. Mexico. Gehört in die Gattung Sisyropa. Wangen nackt, Augen behaart, Hinterschienen dicht gewimpert. Bigot. Bull. S. E. Fr. XLII, 1888, p. 257. Hat den Habitus einer Blepharipeza leucophrys, aber keine Stachelborsten. Auch die Basis und der Costalrand der Flügel sind geschwärzt.

69. (64.) Chaetolyga rufonotata Bigot; 1. c. XLII, p. 257, 1888. Rocky mountains, Nordamerika, cf. Chaetolyga ead.

70. (65.) Chaetolyga dubia cf Bigot. Mexico; 1. c. 257. Nackte Wangen. Ist ein Argyrophylax und verwandt mit Atacta, aber die Backen schmal. Das zweite Fühlerglied ist, wie bei Atacta, verlängert. Auch die Hinterleibsform und Zeichnung stimmt mehr mit Atacta (conf. BI. anrocatidata Bigot, Nr. 55).

71. (66.) Chaetolyga nigripalpis Bigot 9 (nicht cf) Mexico, 1. c. 258. Ist keine Chaetolyga, weil ohne Wimperschienen, ohne Wangenhaare und mit nackten Augen. Macrochaeten nur mar- ginal, am dritten Ringe allein sichtbar. Zweites Borstenglied kurz. Die Borste lang, bis vor die Mitte verdickt und sehr fein- und kurzpubescent, dann sehr fein und lang. Gruppe Degeeriae- formes ad G. Gymuostylia ohne Discalmacrochaeten.

72. (67.) Chaetolyga rufopicta cf Bigot. Nordamerika, Rocky mountains. Chaetolyga ead. 1. c. 259.

73. (68.) Brachycoma macropogon <J Bigot. Californien. Wangen breit, behaart, Vibrissen nicht aufsteigend; den Stirn- borsten parallel eine äussere Reihe auswärtsgedrehter Borsten. Ocellborsten vorgebogen. Augen nackt, Schnurren^ lang, nicht vor-, sondern abwärts gerichtet. Randdorn gross, dritte Ader bis zur kleinen Querader gedornt. Spitzenquerader sehr schief und die Beugung sehr stumpfwinkelig, fast verschwunden, aber durch eine Zinkenfalte als vorspringende Ecke deutlicher. Macrochaeten lang, nur marginal, am ersten, zweiten und dritten Ringe. Apicale Schildchenborsten fehlen, dagegen ein Paar aufrechte prämarginale. Orbitalborsten stark. Taster keulen- förmig, Rüssel ziemlich lang, mit kleinen Labellen. Tarsen nicht

1 Wie bei Polygaster v. d. Wp. B. C. Am. H. IV, Fig. 3.

350 F. Brauer,

erweitert, Klauen klein (9). Schienen ungleichborstig, zweites Borstenglied verlängert, Arista dick und mit feiner Endspitze, nackt (Bigot, 1888, XLII, p. 259). Ist keine Bracliycoma. Von Masistylum arcuatum durch die behaarten Wangen und die Discalmacrochaeten verschieden, sonst aber mit der Gattung übereinstimmend. Gruppe PyrrJiosia n. G. ad G. Masistylum (conf. G. Pachystylum). Erste Hinterrandzelle weit vor der Flügelspitze endend. Drittes Fühlerglied 272 ^3 mal das zweite.

74. (69.) Tachina javana cf Mcq. n. sp. Eine Entaclima mit auffallend kurzem zweiten Fühlerglied (Y3 des dritten). Macrochaeten nur marginal (nur 3 innere Dorsocentralborsten?). Mcq. D. Ex. Suppl. IV, p. 204.

75. (70.) Tachina rufistoma cf Bigot. Nordamerika, Rocky mountains. Bull. S. E. Fr. 1888, XLII, p. 260. T. rufostomata d. Offenbar dieselbe Art. Eine Chaetotachina, verwandt mit rustica.

76. (71.) Chaetolyga nigrifacies (früher), atriceps später, cf (nicht 9). Bigot. Nordamerika, Rocky mountains. (Ann. S. E. Fr. 1888, XLII, p. 258.) Stirnborsten bis unter die Mitte der Wangen herabsteigend. Ocellenborsten fehlend, Augen behaart. Zweites Fühlerglied sehr kurz, drittes sehr lang und dick, bis zum Mundrand reichend. Hinterschienen nicht gewimpert, un- gleichborstig. Macrochaeten nur marginal. Klauen verlängert. Zweites Borstenglied kurz. Backen schmal. Erste Hinterrand- zelle vor der Flügelspitze offen endend, Beugung stumpfwinkelig ohne Zinke. Ist keine Chaetolyga, weil keine Wimperschienen vorhanden sind und die Haare an den Wangen fehlen, auch das dritte Fühlerglied viel länger ist als in dieser Gattung. Da nur ein Männchen bekannt ist, so lässt sich nicht sicher sagen, ob die Art zu Pelmatomyia (9 mit breiten Vordertarsen) oder zu Parexorista gehört. F'ür Pelmatomyia spricht das grosse dritte Fühlerglied.

77. (72.) Chaetolyga aenea 9 Bigot. Mexico. 1888, XLII, p. 259. Bull. S. E. Fr. Ist keine Chaetolyga. Wangen nackt. Ocellenhöcker nur behaart. Vibrissen aufsteigend. Augen dicht behaart. Zweites Borstenglied kurz, Arista sehr lang, am Grunde dicker und dann allmälig verdünnt und sehr kur^^

Beitrii2;e zur Kenntniss der Muscarien. o.)!

pubescent. Sehr schlecht erhalten, scheint aber identisch zu sein mit Paradoria nigra B. B. P. III, p. 209, Note 113, Gruppe Phorocera. Unsere Type ist aus Venezuela.

78. (73.) Chaetolyga nitidiventris 9 J. Bigot. Mexico. 1888, 1. c. p. 258. Ist keine Chaetolyga, sondern eine Sisyvopa (mit nackten Wangen). Die Ocellenborsten sind vorhanden. Das zweite Borstenglied ist kurz. Eine besondere Art aus der Gruppe ritfiventris B. B.

79. (74.) Chaetolyga occidentalis Bigot. cf Mexico, 1. c. p. 258 r= Paraxorista ead. Durch die schwarzen Taster von den mir bekannten brasilianischen Arten (B. B. P. II, p. 323) zu trennen (z. B. P. iciilta, optica).

80. (75.) Chaetolyga flavolimbata Bigot. cf Mexico. Hat nackte Wangen, ist daher keine Chaetolyga, sondern eine Sisyropa. Hinterschienen über der äusseren Mittelborste dichter gewimpert, darunter mehr kammartig beborstet. Ich halte die Art für identisch mit Sisyropa {Tacliina) vorax Wied. Coli. Winth. Type M. C. 1. c. 258.

81.(76.) Chaetolyga albopicta 9 Bigot. Mexico. Gehört in die Gruppe Degeeriaeformes, in die Gattung Gymnostylia B.B. (Mcq. p. p.) P. III, p. 130. Nackte Wangen und Augen. Bei Gymnostylia in die Sectio ohne Discalmacrochaeten zu stellen. Bigot, 1. c. 258.

82. (77.) Salia rubricera R. D. (oder cyrrata R. D. p. 554, Dipt. d. Paris?? weil diese behaarte Augen haben soll); auch Salia higotina R. D. (Patria?). Gehört in die Gruppe Rliino- metopia und scheint eine Art der Gattung Auiniobia v. d. Wp. zu sein; ist ganz verschimmelt.

Ob die Fliege die Type zu Myodaires p. 109 sei, ist nicht zu ersehen. Dort steht cirrata und erythrocera. Da R. D. in den Museid. von Paris (1863) bei der Salia cirrata den Zweifel ausspricht, ob die Art nicht zu Baumhaiieria gehören dürfte, so scheinen die Augen nackt zu sein; denn das ist ja ein Charakter dieser Gattung.

83. (78.) Tachina flavifrons Q (id. rnstica Schin.) Mcq. Europa {Chaetotachina glossatornm Rdi.?? nach der Beschrei- bung; die Tj^pe Rondani's kenne ich nicht); letztere soll keine Discalmacrochaeten haben.

Sitzb. d. mathem.-naturw. Gl.; CVI. Bd., Abth. I. 24

352 F. Brauer,

84. (79.) Tachina nugax 9 {Zelleria id. R. D.) J. Bigot, Europa; ist Chaetotacliina rnstica Fll. B. B. Rdi. (4 Randborsten am zweiten Ring, bei Nr. 78 nur 2 und auch am zweiten Ring undeutliche Discalmacrochaeten.) {Zelleria R. D. ist = Chaeto- tacliina; Zelleria Egg. ist = Bvaiieria Schin.j.

85. (80.) Tricoliga caloptera ö" J. Bigot. Mexico. 1888. Bull. S. E. Fr. XLII, p.263. Ist^/^or/a ead. Gruppe Macqnartia. Kleiner und schmäler als A-mactilata Mcq. Die Tj^pe ist aber kein cf, sondern ein 9 mit 2 schwachen Orbitalborsten. Die Vordertarsen sind etwas compress und plump, wie bei Mintlio. Die Färbung und Zeichnung sind der genannten Art ähnlich.

86. (81.) Tricoliga (Tachina) fulvidapex cf Bigot. Mexico. Ann. S. E. Fr. 1888, p. 265, vel I. Ce leb es. Ist keine Tricliolyga, sondern eine Cliaetolyga und gehört in die Gruppe A, BB, D, Rondanis (P. III, p. 104), unterscheidet sich aber von cilicriira und qnadriptistulata durch den gänzlichen Mangel von Rand- macrochaeten (cf) an den ersten zwei Abdominalringen (erster und zweiter Ring).

87. (82.) Gonia maritima 9 Perris. Gallia; ist Gonia tri- faria Sc hin. (:= ornata Rdi. non S.). Perris, Mem. de l'Acad. de Lyon, IL 493 (teste Seh in.). (Die Type ist ein cf, nicht 9). Drittes Fühlerglied 4 mal so lang als das zweite. Zweites Borstenglied etwas länger als das dritte.

88. (83.) Gonia rubriventris Mcq. Type D. ex. Suppl. IV, p. 177, Gap b. sp. Bigot. Sehr verwandt der Gonia hiniactilata Wd., aber die Hinterschienen nicht gekämmt und der letzte Ring vorne breit roth. (Bei biniaciilata ist derselbe schwarz und vorne breit silberschimmernd.) Das zweite Borstenglied kürzer als die Hälfte des dritten. Gonia ead.

89. (84.) Gonia philadelphica 9 Mcq. Am. bor. Zweites Borstenglied so lang als das dritte (Dipt. exot. T. II, 3. P. p. 51). Gonia ead. verwandt mit G. cxul Willist, Goll. Riley, aber der Hinterleib nicht roth. Die Hinterschienen sind aussen ziem- lich dicht gewimpert, wie bei exitl (M. C).

90. (85). Gonia javana Mcq. Suppl. 3, p. 43. Java. (Erste Längsader über der kleinen Ouerader beborstet (PI. 5, fig. 1). Dieses Merkmal existirt nicht, wohl aber ist die Furca der

Beiträge zur Kenntniss der Muscarien. 353

zweiten und dritten Längsader stark verdickt und mit wenigen Borsten besetzt. Ist übrigens keine Gonia. Der Ocellenhöcker ist nur behaart, die Augen sind dicht behaart, die Mundborsten aufsteigend, die Klauen des (^ verlängert, das zweite Borsten- glied ist verlängert, aber viel kürzer als das dritte, nur Y^ so lang. Hinterschiene gewimpert, iMacrochaeten nur marginal, am zweiten und dritten Ringe, am ersten fehlend. Wangen kurz- borstig behaart, 9 mit Orbitalborsten, cf ohne diese. Drittes Fühlerglied 4 5 mal so lang als das kurze zweite. Gehört in die Gattung Goniophana der Willistonia-GTwp'pe. Verwandt mit lieteroca^a "^Icq. Die Apicalborsten des Schildchens sind zart und aufrecht, die nach aussen davon stark und lang. Beide Arten hat Macquart als Gonia-\v\.en beschrieben.

91. (86.) Gonia (Spallanzania id. R. D.) melanura Perris 9 Gallia. Ist keine Spallanzania, sondern Gonia ornata Meig. (frifaria S c h i n.).

92. (87.) Gonia cinerascens 9 Rond. Type Parma =: Pseu dogon ia e a d .

93. (88.) Gonia erythrocera 9 Bigot. Chili (ohne Hinter- l/ leib und ohne Hinterbeine). Ist keine Gonia und auch nicht in diese Gruppe gehörend, weil die Ocellenborsten vorwärts gebogen sind. 9 mit Ocellenborsten und verlängertem zweiten Fühlerborstenglied, das die halbe Länge des dritten erreicht. Vibrissen nicht aufsteigend. Wangen behaart. Backen reichlich

Yg der Augenhöhe betragend. Augen dicht behaart. Randdorn klein, dritte Ader nur am Grunde bedornt. Beugung ohne Zinke. Kopf blasig. Nach den zwei Narben vorne zwei Apical- borsten am Schildchen, sie fehlen aber.

Die Art ist beschrieben in den Am. S. E. Fr. 1888 (XLII. Theil der Bigot'schen Arbeiten), p. 86. Der Hinterleib soll glänzend schwarz, die Basis des dritten und vierten Ringes weiss gerandet sein. Ob die Hinterschienen gewimpert seien, wird nicht erwähnt. Nimmt man an, sie seien ungleichborstig oder, wenn gewimpert, so müsse der Kopf blasig sein (B. B. P. III, p. 5, No. 3 4), so kommt man auf Pscndopacliystylnm, das aber nackte Augen hat, oder aui Bracliymera, Parabrachv- inera oder Archytas, alle mit nackten Augen. Die Goniiden haben ebenso nackte Augen und nach rückwärts gebogene

24*

354 F. Brauer,

Ocellenborsten. Hält man an der Meinung fest, dass die Schienen gewimpert wären, so führt die Bestimmung zu den mit blasigem Kopf versehenen Gonien mit nackten Augen oder, wenn die behaarten Augen und der blasige Kopf berück- sichtigt werden, zu den Wi llistoniden, die aber gar keine Ocellenborsten haben. Nimmt man den Kopf als nicht blasig (er ist es aber), so gelangt man zur Blepharipoden- Gruppe und in dieser auf Anagonia, bei der aber wieder die Ocellenborsten fehlen. Behaarte Augen, vorwärts gebogene Ocellenborsten, nicht aufsteigende Vibrissen und behaarte Wangen, dabei einen etwas blasigen Kopf zeigt Macvonieigetiia chrysoprocta aus Südcarolina, aber die Fühler sind anders, und aus dem Fragment der Type der Gonia erythrocera kann kein weiterer Schluss gezogen werden, als dass die Form in eine mir unbekannte Gattung gehört. Da über der Mundborste nur wenige Borsten sitzen, so kann man auch die nahe in Betracht kommende Gaediopsis nicht annehmen, die auch etwas blasige behaarte Wangen, behaarte Augen und ein verlängertes zweites Borstenglied hat. Es bleibt daher nur eine neue Gattung anzunehmen übrig. Die erste Hinterrandzelle mündet offen und weit vor der Flügelspitze.

Es bleiben für die Stellung der Gattung nur die Gruppen Gonia und Pachystyliim übrig (B. B. P. I, p. 75) und von beiden trennt sie sich durch die behaarten Augen. (Unter Gruppe Pachystylnm ist heute die von Psendopachystyhim angnlatmn zu verstehen.) Der ganze Kopf ist wie bei Gonia und die Fühlerborste ist bis zur Spitze verdickt (conf. B. B. P. I, fig. 76 und 79).

94. (89.) Gonia recticornis Mcq. 9 Patria? D. E. Suppl. V, p. 98. Das Exemplar ist ein cf mit sehr langen Klauen und Pulvillen. Das zweite Borstengiied ist sehr kurz, der Ocellen- höcker ist nur behaart, die Wangen sind nur oben und sehr kurz behaart, die Vibrissenecke liegt hoch und die Mundborsten sind aufsteigend und kurz. Apicale Schildchenborsten fehlen, nur grosse, lange (6 8) Marginalborsten stehen nach hinten. Macrochaeten nur marginal am ersten, zweiten und dritten Ring (2, 2, 8). Augen nackt. Backen breit. Arista lang, allmälig verdünnt. Drittes Fühlerglied sehr lang, 3 mal so lang als das

Beiträge zur Kenntniss der Muscarien. 3o5

etwas verlängerte zweite. Schienen ungleichborstig. Beugung etwas V-förmig. Randdorn nicht sichtbar. Dritte Ader nur am Grunde oder gar nicht gedornt. Ist nach allen Charakteren eine WiJlistonia B. B. aus der Verwandtschaft von W. estiriens.F. und stammt wohl aus Südamerika. Das kaiserl. Museum besitzt eine, wie es scheint, damit identische Art aus Brasilien, welche aber nicht bestimmt ist. Durch die mehr glashellen und nicht stark braun gefärbten FKigel ist diese Art auch mit der kleineren WiU. Pfeiffer! Sch.\v\. in litt, verwandt, welche von Frauenfeld am Bord der Fregatte Novara aus einer Gastro- pacha-Raupe erzogen wurde (vide B. B. P. IV, p. 580).

95. (90.) Gonia rectistylum cf Mcq. Algeria. D. E. Suppl. II, p. 65, pl. 3, flg. 6. Ist von Spallanzaiiia liebes Rdi. (non Seh in.) B. B. P. III, p. 125 nicht zu unterscheiden. Wir besitzen ein gleichgrosses Exemplar aus Livorno.

96. (91.) Gonia heterocera Mcq. (3 Stücke.) I. Suppl. Tasmania; ist Goniophana heterocera B. B. P. III, p. 123.

97. (92.) Frontina rufostylata cf J. Bigot. Mexico. Ann. S. E. Fr. 1888, P. XLI, p. 83. Augen nackt, Vibrissen aufsteigend, Schnurren über dem nach unten hinausragenden, etwas nasen- artigen Alundrand. Alacrochaeten nur marginal am zweiten und dritten Ringe. Backen breit, Wangen ganz kurz- fein beborstet. Zweites Borstenglied stark verlängert. Ocellenborsten vorwärts gebogen. Hinterschienen, besonders über der Mittelborste, gewimpert. Fühler kaum unter die Mitte des Untergesichtes hinabragend, ziemlich kurz.

Die Bestimmung führt in der Gruppe Phorocera auf Chaeto- gaedia, doch sind bei dieser die Hinterschienen ungleichborstig. Durch die kleinen, aber deutlichen, vorwärts gebogenen Ocellen- borsten wird die Gruppe Willistonia ausgeschlossen und in der Gruppe Blepkaripoda trennt sich die Fliege durch das lange zweite Borstenglied von Rileya (B. B. P. III, p. 121), müsste also hier als novum Genus eingeschaltet werden. Von Psetido- viviania ist sie durch die Hinterschienen verschieden, aber jedenfalls kommt auch diese Gruppe zum Vergleich in Betracht. \'on Gaediopsis unterscheiden sie die nackten Augen. Da in der Gruppe Phorocera Formen mit kammartigen Hinterschienen ähnlich den Blepharipoden vorkommen, so könnte die Fliege

356 F. Brauer,

immerhin fraglich in die Gattung Chaetogaedia gezogen werden, deren Arten mir nicht mehr vorHegen. Diese sind in der Biol. Centr. Amer. unter Prosphaerysa v. d. Wp. beschrieben (B. B. P. II, p. 336). In seiner Tabelle kommt man auf Prospk. riifi- frotis, deren Abdomen aber rothgelb ist, während das unserer Art grau schillerfleckig mit gelber Spitze erscheint, wie bei Pr. aenmlaus v. d. Wp., welche aber Discalmacrochaeten besitzt.

98. (93.) Frontina chrysopygata ? Bigot. Mexico. Ann. S. E. Fr. 1888 (Part. XLI), p. 84. Zwei ganz verschiedene P'liegen. Die Type ist, nach der Beschreibung, jene ohne Nadel- etiquette und eine fragliche Achaetoneura-AYt. Das zweite Stück ist aus der Gruppe Gonia und stimmt mit Ciiephalia B. B. (Dieses Exemplar ist mit »Rock}^ mountain« bezeichnet und hat beborstete Wangen).

Die ? Achactonenra hat nackte Wangen und aufsteigende Mundborsten. Die Cnephalia hat keine aufsteigenden Mund- borsten und etwas gewimperte Hinterschienen. Bei der } Achae- toiietira fehlen die Hinterbeine. Von den Prosphaerysa- Arien V. d. Wulp's scheint ihr Pr. apicalis am nächsten verwandt zu sein, doch sind bei dieser die Fi.ihler am Grunde nicht gelblich. ^e\ Achaetonaira rufopygata fehlen die Ocellenborsten und sind keine Narben zu sehen. Vide Nr. 94, Willistonia.

99. (94.) Frontina aurulenta 9 J. Bigot. Brasil. Ann. S. E. Fr. 1888 (P. XLI), p. 84. Auch bei dieser Art fehlen die Ocellen- borsten, ohne dass Narben ihr früheres Vorhandensein andeuten würden. Das Exemplar scheint nach den Genitalien ein o zu sein, trotz der kurzen Klauen und Orbitalborsten und erinnert im Kopfbau an Tlielymorpha vertiginosa. Die Augen sind ent- schieden nackt. Apicale Schildchenborsten fehlen oder stehen dicht nebeneinander, alle sind lange, liegende Randborsten. Hinterschienen ungleichborstig. Das zweite Borstenglied ist kurz, die Borste dick, aber allmälig verdünnt, das dritte Fühlerglied 6 7mal so lang als das zweite. Beugung rechtwinkelig. V-förmig. Randdorn fehlend. Dritte Ader nackt. Macrochaeten nur marginal (0, 2, 10).

Diese Art, sowie die vorige Nr. 93 dürften zur Gattung Willistonia gehören und nähern sich der Nr. 89 erwähnten W. Pfeifferi Schin. litt. Schon der breite Kopf ohne Ocellen-

Beiträge zur Kenntniss der Muscarien. oö7

borsten schliesst AcJiaetoneiira aus. Alan vergleiche B. B. P. III, p. 103, Nr. 63.

100. (95.) Sphyrimyia Big. malleola ö^ Bigot. Californien. Ist zunächst mit Pdcterid R. D. verwandt. Descript.? Im M. C. befinden sich Exemplare einer ähnlichen Art mit ebenso grauscheckigem Hinterleib aus Mexico, N. Am. (Riley) und Brasilien, die aber unbestimmt ist. (Man vergleiche Echmo- niyia filipalpis Thomson, Eugen Resa, 517 aus Californien.) (Die Gattung muss nach 1879 errichtet sein und fehlt in Scudder's Nomenciator.)

101. (96.) Melanota (olim Honiodcxia id. Bigt.) longi- cornis Bigot. Mexico. Kann nur in der Sectio Thelaira bei Psendodexia untergebracht werden. Die Arista ist nicht lang, aber abstehend lang-gefiedert. Das Peristom ist sehr schmal. cf mit langen Klauen, ohne Scheitelborsten. Ocellenborsten fein. Das lange dicke dritte Fühlerglied reicht bis zum Mund- rande. Die Fühler stehen über der Augenmitte (conf. B. B. P. III, p. 205, Note 103, wo die anderen Arten von Honiodexia besprochen sind). Bei longicornis stehen die Vibrissen ganz am Mundrande. Es ist überhaupt nur ein Vergleich mit Psendo- dexia B. B. (Type cqnes VVd. Dcxia) möglich. Melanota hat bei o und 9 kurze Klauen und Orbitalborsten und eine vor- stehende Stirne, während diese sogenannte M. lotigicornis eine platte Stirne, ein fast halbrundes Profil und beim cf fast zusammenstossende Augen und sehr schmale Wangen zeigt. Ausser den angegebenen obigen Differenzen von Psendodexia zeigt diese Art alle Charaktere dieser Gattung. Die Adern sind nackt. Type descr. Ann. S. E. Fr. 1888 (P. XLII), p. 267 und 1. c. 1885. Aussehen einer zarten Lepioda, aber die Beugung ist nicht V-förmig, sondern flach bogig. Die Macrochaeten sind sehr sparsam gesetzt und nur marginal und wenige lateral.

102. (97.) Melanota dubia 9 'Mexico. Bigot. Arista sehr lang und sehr kurz- gefiedert. Macrochaeten nur marginal (2, 2, 6), am ersten bis dritten Ring. Apicale Schildchenborsten sehr fein und kurz, gekreuzt, Randborsten sehr stark. Orbital-, Scheitel- und Ocellenborsten deutlich. Wangen und Augen nackt. Backen schmal. Fühler über der Augenmitte, drittes

358 F. Brauer,

Glied lang. Augen nackt. Erste Hinterrandzelle an der Flügel- spitze offen endend, Beugung abgerundet, Spitzenquerader dann fast gerade. Adern im Verlaufe nicht gedornt. Randdorn nicht sichtbar. Tarsen schmal, Klauen klein. Unterrandzelle sehr breit. Stirne nicht vorstehend, Profil halbrund. Schwarz, Kopf silberweiss, Taster gelb, dick. Thorax mit Silberstriemen, besonders seitlich. Schildchen am Rande roth. Beine gelb- braun, am Ende dunkel. Hinterleib dunkel (fett), vorletzter Ring mit zwei Silberflecken. Grösse der Stubenfliege. Vibrissen am Mundrande, nicht aufsteigend. Gehört in die Gruppe Thelaira (B. B. P. III, p. 131) in die Verwandtschaft von Pseiidodexia B. B. Die Arista ist kürzer behaart. Nach v. d. Wulp's Tabelle gelangt man auf die verwandte G. Chaetona, die aber Discalmacrochaeten besitzt. Eine Melaiwta ist aber die Fliege nicht (siehe Nr. 96). Descript? (Hat Ähnlichkeit mit Homodexia flavipes. Big. 1. c. p. 268.)

107. (98.) Rhynchiodexia longipes Big. Nouvelle Cale- donia. Fraglich in die Nähe von Myioniima oder Diaphania gehörend. Die Taster sind nicht sichtbar. Beide Gattungen sind aber verschieden, und nn): Diaphania gehört der östlichen Halbkugel an. Die Labellen sind entwickelt. Jedenfalls in die Gruppe Paradexia gehörend. Eine mit Prosena nahe ver- wandte neue Gattung mit deutlichen Labellen. Von Schiner als Prosena longipes Mcq. in der kaiserl. Sammlung aus Neu- holland. — Mcq. Dexia longipes sibi Tasmanian. Dipt. exot. Suppl. I, p. 187. Bei den Exemplaren im Wiener Museum sind die ganz kurzen Taster (wie bei Prosena) sichtbar. Von Pro- sena unterscheidet sich diese Gattung {Rhynchiodexia Bigot) durch den kürzeren Rüssel mit zwar kleinen, aber deutlich abgesetzten Labellen, von Diaphania durch die schlanke Form (wie Prosena) und meist deutlichen Discal- und Marginal- macrochaeten und die dünnen, langen Beine. Die Prosf/z^z- ähn- lichen Arten aus der australischen Region scheinen alle hieher zu gehören, z. B. rnbricarinata Mcq. aus Neuseeland. Zu Dexia können sie nicht gehören (B. B. P. II, p. 417, 432 und 438). Die Art im kaiserl. Museum ist grösser und hat ganz glas- helle Flügel, dürfte also von der Bigot's aus Neucaledonien verschieden sein. Schiner nannte sie Macqnarti in litt. Die

Beiträge zur Kenntniss der Muscarien. 359

Bigot'sche Art hat lichtkaffeebraune Flügel, und der Hinterleib ist schwarz, an der Seite des ersten bis dritten Ringes ein heller weisslicher Fleck. Der letzte Ring ist hell vveisslich.

Nach der Abbildung und Beschreibung hat die Dexia loiigi- pcs Mcq. D. ex. Suppl. I, p. 187, Taf. 16, Fig. 7 grössere Ähnlich- keit mit der im Museum befindlichen Type von D. Macqiiai'ti S. und müsste daher die Art Bigot's umgetauft werden. Der von V. d.Wulp in Rhynchodexia emendirte Gattungsname kann nicht bleiben, weil die amerikanischen Formen in andere Gattungen gehören und entweder convergente Vibrissenecken haben und dann in die Gruppe Dexia gehören {Eiidexia etc. P. lil, p. 174) oder als Paradexiden lange, normal entwickelte Taster besitzen ( Chaetogyne, Myiomima).

104. (99.) Rhamphinina Bigt. (Bull. Ann. S. E. Fr. 1884) formidabilis cT . Mexico ^=i Eiidexia Goliath B.B. Der gelbe, durch- scheinende Hinterleib mit schmaler, unterbrochener, schwarzer Rückenstrieme, solchen Stacheln und Seitenflecken, wird durch eine Verwerfung des Satzes ganz unverständlich beschrieben. FJs heisst: »Abdomine nigro, hirtulo, apice dense, pallide fuh'o et parum infuscato, vitta dorsali interrupta, nigra«. So gefehlt interpunktirte Beschreibungen sind ohne Typen unverständlich. Nach V. d. Wulp heisst die Fliege Hystrichodexia formi- dabilis Bgt. Ich werde dieselbe aber weiter als Etidexia Goliath aufführen. (Conf. B. B. P. III, Note 4, p. 182.) Vide 1. c. B. B. p. 174. A. S. E. Fr. 1888, p. 264.

105. (100.) Rhamphinina picta cj' Bigot. Mexico? Cuba. Ann. S. E. Fr. 1888 (P. XLII), p. 265. Siehe auch Ann. Soc. E. Fr. Bull. 1884. Siehe Gruppe Leptoda und sehr verwandt mit L. potens Wd. Diese Formen gehören zu Stomatodexia nach dem Kopfe und nach der Beugung zu Leptoda.

106. (101.) Rhychiodexia Bigo-t (Ann. Soc. E. Fr. Bull. 1884) spinosa o" B i go t. Ann. S. E. Fr. 1 888 (P. XLII), p. 266. Haiti. Da die Fühler fehlen, so ist nicht zu sagen; ob die Fliege zu Hystricho- dexia Röd. oder zu Eudexia zu stellen sei. Jedenfalls gehört sie in die engere Gruppe Dexia. B. B. P. III, p. 174, Nr. 15.

107. (102.) Siphoniomyia melas cf Mexico. J. Bigot ^ Trichophora Mcq., wie schon v. d. Wulp bemerkt. Spec. analis Mcq.

360 F.Brauer,

108. (103.) Morinia \A^ashingtoniana J. Bigot. N. Am. Washgt.-Terr. := Antliraconiyia Rdi. ead. Gruppe Macqnartia. Ann. S. E. Fr. 1888, p. 269.

109. (104.) Anthracomyia pallidicornis cf Bigot. Mexico. Ist entschieden in dieselbe Gattung wie Nr. 96 und 97 Psetido- dexia gehörend. Das Peristom ist auch hier nicht hinten herab- gesenkt, sondern überhaupt sehr schmal. Gruppe Thelaira. Die Gattung ist ganz irrig bestimmt. Ann. S. E. Fr. 1888, p. 270. Die früheren sehr ähnlichen Fliegen sind als Honiodexia oder Melanota beschrieben.

110. (105.) Oplisa nigrifacies Bigot. Mexico. Hier sind vier sehr verschiedene Formen oder Arten vermischt, die ich unter Nr. 105, 1, 2, 3 und 4 besonders besprechen muss. Zu Hoplisa Rdi. B. B. emend. gehören sie alle nicht.

Nr. 105/1 und Nr. 105/2 halte ich für 9 und cT einer mit Degeeria verwandten Gattung. Das cf hat aber keine hoch- liegenden, sondern gar keine Orbitalborsten, das 9 hat, wenn man an Vibrissina denken würde, ein verschiedenes einfaches Abdomen. Die Augen sind beim 9 etwas pubescent, ebenso ist es die xArista bei cf und 9. Das cT hat Scheitel- und Ocellenborsten. Beide Geschlechter haben aufsteigende Vibrissen, und das c? hat namentlich an den Vorderbeinen lange Tarsen und ver- längerte Klauen. Die Macrochaeten sind discal und marginal. Die Beugung ist abgerundet stumpfwinkelig; die erste Hinter- randzelle mündet ganz nahe vor der Flügelspitze offen. Backen schmal, etwas herabgesenkt.

Nr. 105/3 gehört zu Metadoria niexicana B. B.

Nr. 105/4 gehört zu Chaetona und ist ? Ch. longiseta v. d.Wp. mit dunkler Flügelspitzenhälfte. Bigot, Ann.S.E. Fr. 1888,p. 268.

111. (106.) Oplisa albifacies Bigot ebenda. Mexico 9 1. c. 268. Lange, ziemlich deutlich, gegen die Spitze hin kürzer behaarte Arista. Macrochaeten nur marginal. Augen nackt, Ocellborsten vorwärts gebogen. Tarsen nicht erweitert. Backen schmal. Mundborsten nicht aufsteigend, nur wenige über der Schnurre. Dritte Ader nur basal bedornt, nackt. Auch diese Fliege gehört nicht zu Hoplisa B. B. Rdi. Letztere hat einen unten langen, fast vierseitigen Kopf und eine länger behaarte Arista, während hier der Kopf hoch und kurz wie bei

Beitrage zur Keniilniss der Muscarien. oG I

Degcevia ist und die Stirne sehr wenig vorspringt. Auch sind die Fühler länger, bis fast zum Mundrande gehend. Die einzige vordere Orbitalborste steht abwärts, die scheinbar hintere, auf- rechte ist eine Stirnborste. Die Schnurren sind ganz am Unter- rande des Kopfes. Die Arista ist ähnlich wie bei Chaetoua. Das Flügelgeäder gleicht allerdings dem von Hoplisa. Die Form des Kopfes und die Behaarung der Fühlerborste stimmen vollkommen mit der Gattung Psendodexia B. B. überein.

112. (107.) Degeeria albiceps Mcq. 9 Java. Mundborsten aufsteigend. Backen schmal, Arista nackt oder nur sehr kurz- haarig. Augen dünn behaart. Zwei gerade nach hinten stehende apicale Schildchenborsten. Erste Hinterrandzelle apical offen endend, Beugung stumpfwinkelig, ohne Zinke, Spitzenquer- ader gerade; hintere Ouerader etwas näher der kleinen als jener und mehr quer gestellt als die Spitzenquerader. Dritte Ader nicht gedornt. Randdorn fehlend. Unterrandzellen am Ende sehr weit. 9 mit zwei starken Orbitalborsten und etwas plumpen Vordertarsen. Hinterleib fehlt.

Mcq. Dipt. ex. 4. Suppl. p. 202. Da nur ein Weibchen vorliegt, so lässt sich die Gruppe nicht sicher bezeichnen. Für die Verwandtschaft mit Degeeria, besonders, derpubescenten Augen wegen, mit Vibrissina spricht Vieles. Vielleicht haben wir aber eine Gattung der Gruppe Thryptocera vor uns, die ja Vieles mit Degeeria gemeinsam hat.

113. (108.) Degeeria australis 9 Mcq. Vandiemensland. Dipt. exot. Suppl. II, p. 68. Vibrissen hoch aufsteigend, Wangen ziemlich breit, eine grosse Gesichtsgrube einschliessend, wie bei Bothria, aber nackt. Ocellenborsten vorwärtsgebogen und die 2 Orbitalborsten kräftig (9). Augen dicht behaart. (Keine Degeeria.) Wangen unter den Stirnborsten mit wenigen kurzen Börstchen. Am zweiten und dritten Ring entschieden 2 Discal- borsten zwischen kürzeren Borsten und lange marginale Macro- chaeten. Zweites Borstenglied kurz. Drittes FWhlerglied 3 mal so lang als das zweite. Tarsen plump, aber die vorderen nicht breit. Dritte Ader nur basal gedornt. Vibrissenecken hinauf- gerückt, aber, weil auch der Mundrand hoch liegt, nicht hoch über diesem. Hinterschienen ungleichborstig. Erste Hinterrand- zelle offen, vor der Flügelspitze endend. Beugung rechtwinkelig.

362 F. Brauer,

fast V-förmig. Spitzenquerader nach aussen concav. Keine Zinke an der Beugung. Randdorn fehlend.

Durch die Behaarung der Augen und durch die recht- winkeHge Beugung der Spitzenquerader wird Degeeria aus- geschlossen. Die Fliege gehört, soviel man aus der schlechten Conservirung erschliessen kann, in die Gruppe Phorocera, in die Verwandtschaft von Lecanipus und Setigena (B. B. P. III, p. 119 ATA-). Das cf ist jedoch unbekannt und das Schildchen ist zerquetscht durch die Nadel.

114. (109.) Degeeria? cora Bigot. 9 Mexico. Ann. S. E. Fr. 1888. P. XLII, p. 259. Erste Hinterrandzelle nahe vor der Flügelspitze endend, am Rande selbst geschlossen. Spitzen- querader gerade, Beugung stumpfwinkelig ohne Zinke. Dritte Ader nur basal gedornt, Randdorn fehlend. Augen nackt. Zweites Borstenglied kurz, Arista nur am Grunde verdickt. Vibrissen hoch aufsteigend. Drittes Fühlerglied 3 mal so lang als das zweite. Orbitalborsten dick. Mittlere Schildchenborsten (apicale) fehlend, die anderen wenigen lang. Hinterleib kurz, gedrungen; oben erst am dritten und vierten Ringe mit Randmacrochaeten, am ersten bis zum Rande des dritten kurz beborstet. Zweiter und dritter Ring unten compress mit sichelförmiger Lamelle, die als sägeartiger Rand im Profile vorragt (Rückenplatte) und dort mit zahnartigen kurzen Borsten und längeren Haaren be- setzt ist, ein sogenannter Sägebauch wie bei Machaira. Backen massig breit. Diese Gattung weicht von Degeeria und Vi- brissiiia durch das Fehlen der Discalmacrochaeten am zweiten und dritten Ring ab. Ein Sägebauch findet sich theilweise bei Vibrissina. (Sonst könnte nur die Gruppe Thryptocera in Be- tracht kommen, dann müsste aber das cT kurze Klauen haben, was man nicht weiss; in dieser Gruppe weicht sie aber von Urophylloides ebenso wie Vibrissina ab. Conf. B. B. P. III, p. 152); n. G. ad Vibrissinam.

Sehr verwandt mit D. cora scheint die D. compressa v.d.Wp. (B. C. Am. Taf. IV, 9) zu sein, die aber ebensowenig eine Degeeria ist und hauptsächlich von unserer iVrt abweicht, weil bei ihr die hintere Querader der kleinen Querader näher steht, als der Beugung und auch der zweite Ring schon Randmacro- chaeten hat; auch zeigt das 9 wohl einen compressen Leib,

Beitrüge zur Kenntniss der Muscaricn. obo

aber von den sägeartigen Lamellen ist nichts zu sehen. Da \'an der Wulp alle Tachinen mit nackten Augen, langem dritten Fühlerglied, aufsteigenden Mundborsten und an der Flügelspitze endender ersten Hinterrandzelle in seine Gattung Degeeria stellt, so gehören auch diese sonst so abweichenden P'ormen nach ihm hieher. Es wäre trotz der angegebenen Unterschiede wohl möglich, dass D. compressa V. d. Wp. und D. cora Bigot nur zu einer Art gehören.

115.(110.) Degeeria anthracina Bigot. 9 Mexico. Ann. S. E. Fr. 1888, p. 259. Dritte Ader bis zur kleinen Querader gedornt. Augen nackt, Vibrissen aufsteigend, cf (nicht 9) ohne Orbitalborsten und mit kurzen Klauen. Randdorn deutlich. Arista pubescent bis zur Mitte verdickt, lang, zweites Glied deutlich etwas länger als breit. Drittes Fi^'ihlerglied sehr lang, 7 mal so lang und mehr als das zweite. Vibrissen vom Munde bis oben lang und dicht. Erste Hinterrandzelle an der Flügel- spitze offen. Beugung abgerundet stumpfwinkelig. Hintere Quer- ader etwas näher der Beugung als der kleinen Querader (conf. B. B. P. III, p. 149, Nr. 11).

Sollten die 2 Weibchen hieher gehören, so würde das 9 ein kürzeres drittes Fühlerglied (höchstens 4 mal so lang als das zweite) und nur lange Marginalmacrochaeten haben. Bei der Type von anthracina Bigot ist das Abdomen abgebrochen und deren Beschreibung ist so kurz, dass daraus nichts weiter zu ersehen ist. Da das cf (nicht wie Bigot angibt 9) keine Orbitalborsten zeigt, so kann die Fliege nicht in die Gruppe Thvyptocera gehören. Vibrissina und Degeeria haben auch Discalmacrochaeten und deren cf lange Klauen. (Auch sind bei den oben erwähnten 2 Weibchen die Mundborsten weniger dicht gestellt und nicht so hoch aufsteigend.) Die Gattung wäre nach der männlichen Type Bigot "s als neu von Vibris- sina zu trennen (vide B. B. P. III, p. 129, Note bei Vibrissina). cf kurze Klauen (und ? nur mit marginalen Macrochaeten, letzteres unter Voraussetzung, dass die 9 hieher gehören). Das Schildchen des cT ist gross, dreieckig, mit 2 feinen diver- girenden apicalen und langen dicken Seitenborsten.

116. (111.) Toxocnemis vittata 9 Mcq. Neuholland. Dipt. exot. Suppl. V, p. 103, Taf. 5, Fig. 7. Gehört in die

364 F.Brauer,

nächste Verwandtschaft von Fischeria R. D. und Rhino- mvobia B. B. und ist ein cf, nicht wie auf der Etiquette steht 9, ohne Scheitel und Ocellenborsten, die auch bei Fischeria sehr zart sind und von den Haaren wenig abstechen; der zweite Ring zeigt zwar ein paar Macrochaeten, diese sind aber auch bei Fischeria durch 2 stärkere Borsten angedeutet, die nur darum nicht auffallen, weil sie viel zarter sind als die Randborsten des dritten Ringes. Von Rhiuoinyobia weicht Toxocneinis durch den Mangel des Randdornes ab. Von RJiinomyobia kenne ich nur ein 9, bei welchem Orbital-, Scheitel- und Ocellenborsten sehr stark sind. Nach der KopfbildungmitNasenvorsprung und sehr langem Unterrande scheinen alle Formen zusammenzugehören. Auch die langen Vordertarsen hat Fischeria mit Toxocneinis gemein (cf). Conf. B. B. P. 111, p. 139 und 140. Auf dem Bilde von Macquart ist der Kopf im Profile Fig. 7 a) ganz unrichtig ge- zeichnet, da der Unterrand viel zu kurz ist und sowohl weiter nach vorne, als auch nach rückwärts hinausreicht, so dass der Kopf unten viel länger als an der Fühlerbasis erscheint, wie dies unsere Fig. 260 von Fischeria zeigt, wo auch der Rüssel in ähnlicher Weise vorsteht.

117.(112.) Ochropleurum javanum cf Mcq. Java. Dipt. exot. Suppl. IV, p. 211, Taf. 19, Fig. 6. Erste und dritte Ader gedornt, Arista langgefiedert. Gehört zweifellos in die Gattung Thelaira R. D.

118. (113.) Sumpigaster fasciatus cT Mcq. Moreton Ba}', Australien. Dipt. ex. Suppl. V, p. 105, Taf. 5, Fig. 8. Macro- chaeten sparsam (2) discal und marginal. Adern nackt. Klauen am dritten Paare (allein erhalten) klein. Hinterleib im Profile von vorne nach hinten dicker werdend, im Ganzen schmal. Erste Hinterrandzelle an der Flügelspitze selbst am Rande ge- schlossen. Beugung nahe dem Hinterrande mit kleiner Zinke, rechtwinkelig. Spitzenquerader nach aussen concav.

Die Type ist ganz von Schimmelpilz überzogen und sehr schlecht erhalten. Von den Fühlern sieht man fast nichts. Ich möchte diese Fliege in die Verwandtschaft zu Dole- schalla und Cordyligaster bringen, deren Flügelgeäder sie zeigt. Auch Minthoiden wären in Betracht kommend. Mir ist keine ähnliche Form sonst bekannt. Die Gattung scheint eigen-

Beiträge zur Kenntniss der Muscaricn. 36o

thümlich durch die Form des Hinterleibes, der an gewisse Ocyptera-Formen erinnert. Das Profil ähnelt auch jenem von Trigonospila (P. I, Fig. 209, B. B.), aber die Stirnborsten oben sind stärker. Die Backen sind kaum breiter.

119. 114. Cholomyia inaequalipes cf Bigot. Mexico. Gehört in die Gattung Lcptoda V. d. Wp. und vielleicht zu lougipcs F. Wd.

120. (115.) Megistogaster analis Mcq. Dipt. ex. 1850, 212, Südamerika = Cordyligastcr ead. Mcq. B. B. (non V. d. Wp.).

121. (116.) Megistogaster fuscipennis Mcq. Dipt. ex. Suppl. IV, p. 213, Taf. 19, Fig. 7. Java. Bigot. Type. Das Vaterland ist aber Südamerika und die Art ist identisch mit Cordyligaster pctiolata Wd. Im Wiener M. C. aus Venezuela und Brasilien. Mcq. Dipt. ex. T. II, P. 3, p. 90, Schiner, Nov.- Reise, p. 322. Schiner hatte eine Type von Bigot mit der Vaterlandsangabe »Amazonia«. Die erste Längsader ist sägeartig gedornt.

122. (1 17.) Cordyligaster fuscifacies <J Bigot. Patria? Java. Ist wohl auch aus Südamerika und gehört in dieselbe Gat- tung wie Nr. 115 und 116.

123.(118.) Doleschalla consobrina cf Bigot. Molukken. Ann. S. E. Fr. (P. XLI), 1888, p. 98. Diese und die folgende Art scheinen mir am besten in der Gruppe Doleschalla unter- gebracht, sind aber ganz eigenthümlich und mir neue Formen. Der Hinterleib ist schlank und wird im Profile nach hinten dicker (höher), zeigt nur marginale Macrochaeten, die anliegen. Die Beine sind lang und dünn, beim cT sind die Klauen etwas verlängert (so lang als das letzte Tarsenglied). Die Vordertarsen sind sehr lang, viel länger als ihre Schienen. Die Stirne ist stark kegelig vortretend, der Scheitel hat kurze Scheitel- und Ocellen- borsten und deutliche Striemenborsten. Die Stirne ist schmal und auch beim 9 (folgende Art) sehe ich keine Orbitalborsten. Die Backen sind breit und hinten verdickt, aber nicht herabgesenkt. Die Fühler stehen an der Spitze der kegeligen Stirne unter der Mitte der Augen. Das erste und zweite Glied sind kurz, das dritte ist 4 mal so lang, leistenförmig, unten abgerundet und bis zum Mundrande reichend. Die Arista ist am Grunde verdickt,

aber nicht

366 F. Brauer,

sehr dichtgefiedert. DieTaster sind schmal und kurz, aber normal über dem Mundrande vortretend. Das Flügelgeäder stimmt mit dem der Gruppe Doleschalla. Erste Hinterrandzelle an der Flügelspitze offen. Beugung nahe dem Hinterrande mit kleiner Anhangszinke. Adern nackt, Randdorn fehlt. Hintere Querader näher der Beugung als der kleinen. Unterrandzelle sehr breit. Das Hypop3^gium des cf ist etwas verdickt. Von oben betrachtet erscheint das Abdomen streifenförmig wie bei gewissen Syr- phiden. Ein nov. Genus.

124. (119.) Doleschalla nigra Bigot. Molukken (angeb- lich cT). Ist nach meiner Ansicht das 9 der vorigen oder einer nahe verwandten Art. Das Abdomen zeigt hinten eine fernrohr- artige, etwas hervorstehende Legeröhre, die am Ende fast griffelartig erscheint. Die Stirn ist etwas breiter, aber die meisten Borsten fehlen; so sind Orbitalborsten nicht zu sehen. Die Klauen sind an allen Tarsen sehr kurz, ebenso die Pulvillen. Das Flügelgeäder stimmt mit der vorigen Art. Bigot, Ann. S. E. Fr. P. XLI, 1888, p. 98.

Kopfform und Fühler, Vordertarsen und Flügelgeäder sind bei dieser und der vorigen Art genau wie bei Doleschalla, nur der Hinterleib ist abweichend, es scheint daher, dass diese Gattung neu c h a r a k t e r i s i r t werden m u s s.

In der Gruppe Doleschalla entfernt sich Cordyligaster von allen übrigen 1. durch die flache, halbrunde Stirn im Profil, 2. durch den gestielten, birnförmigen Hinterleib, 3. durch die dichte feine Behaarung der ersten Längsader.

Doleschalla dagegen hat 1. eine stark kegelig vortretende Stirne, 2. einen nach hinten allmälig dickeren, streifenförmigen oder schmalen, beim cf zuweilen schwanzartig ausgezogenen Hinterleib, und 3. eine nackte erste Längsader.

Beide kommen im Geäder und Fussbau fast überein und sind die Klauen der Männchen bei beiden nicht stark verlängert, in betreff der Tarsen so lang als das letzte Glied, beim 9 sehr kurz. Die Vordertarsen sind sehr lang.

125. (120.) Doleschalla venosa 9 Bigot. Neuguinea. Ann. S. E. Fr. 1888, p. 100. Eine prachtvolle Art derselben Gattung wie 118 und 119, und zwar halte ich trotz dem Fehlen der Orbitalborsten die Fliege wieder für ein Weibchen.

Beiträge zur Kenntniss der Muscarien. 367

126.(121.) Doleschalla maculifera 9 Bigot. Neuguinea. Ein sehr schlecht conservirtes Exemplar derselben Gattung und eine besondere Art. A. S. E. Fr. 1888, p. 100.

127. (122.) Doleschalla? picta cf Bigot. Neuguinea, I. c. p. 99. Weicht von der vorigen ab durch die l<ürzer behaarte Arista, die weniger kegelige Stirn, die Lage der Fühler an oder selbst etwas über der Augenmitte, das Fehlen der Zinke an der abgerundeten Beugung und lange feine Schienensporne; ferner beim d" durch das buckelige, oben kegelige vierte Segment (terminal) mit den darunter eingezogenen Theilen des Hypo- pygiums, das unten mit 2 rundlichen Knötchen (1 jederseits), die breit getrennt sind, endet. Überdies ist der Rüssel viel länger als der Kopf, mit deutlichen Labellen und cylindrischen, normalen Tastern. Das Profil gleicht weit mehr jenem der Gat- tung Megistogaster, auch erscheinen am zweiten und dritten Ringe Discalmacrochaeten. z\bgesehen von der etwas ge- ringeren Grösse stimmt die Fliege vollständig mit der Type von Doleschall's Megistogaster WalJaeei überein, die aus Amboina stammt.

128.(123.) Trichophora nigra Mcq. 9 Brasil. Dipt. exot. Suppl. II, p. 63 = Paragymnomma liystrix B. B. Z. K. M. Mns- earia P. II, p. 384. Dritte Ader bis zur kleinen gedornt. Durch die nicht erweiterten Vordertarsen des 9 von Triclio- pliora verschieden. Auch bei Trichophora ist die dritte Ader gedornt, daher jene wohl nur eine Untergattung bildet.

129. (124.) (Trichophora?) albocalyptrata 9 Bigot. Quito. Ist bestimmt eine Tricliopliora. Wahrscheinlich nur Tr. aiialis Alcq. Ann. S. E. Fr. 1888, p. 82.

130. (125.) Microtrichodes analis Mcq. cf Brasil. Type. Stimmt in allen Charakteren mit der Gattung Chaetolyga. Was Macquart D. ex. Suppl. I, p. 161 von den kurzen Stirnborsten sagt (cf), passt auch auf Chaetolyga. Die Mundborsten sind aber nicht aufsteigend, sondern die Wangen sind be- haart. Die Hinterbeine fehlen dem Exemplare; ich glaube aber nicht zu irren, wenn ich die Fliege trotzdem zu Chaetolyga stelle.

131. (126.) Harrisia R. D. diihia Wlk. Tachina ead. Wlk. Gap b. sp. J. Bigot. Descript.? Gehört entschieden in die

Siztb. d. mathem.-naturw. GL; CVI. Bd., Abth. I. 25

368 F. Brauer,

Gattung Chaetolyga Rdi. B. B. Wahrscheinlich zu Oi. dasyops Wd., Coli. Winth. Harrisia Rob. Descript. ist nach Schiner = Gymnostylia; Harrisia Mg. ist := Souiolcja Rdi. Die Art kann in keine dieser Genera gestellt werden.

132. (127.) Bolbochaeta haustellata d" Bigot. Buenos- Ayres. Rüssel länger als der in Profil vierseitige Kopf, ohne abgesetzte Labellen. Augen breit getrennt, nackt. Fühler kurz, das dritte Glied kaum mehr als 2 mal so lang als das zweite. Arista ganz am Grunde verdickt, dann lang und sehr fein, nackt, mit kurzem zweiten Glied. Wangen nackt, Backen schmal, am Unterrande stark borstig bis zu der etwas hinaufgedrehten Vibrisse, die knapp am breiten Clypeusrande sitzt. Scheitel- und Stirnborsten stark. Ocellenborsten nicht sichtbar; 2 Ocellen- borstennarben hinter der vorderen Ocelle (abgebrochen ?). Klauen des (f und Pulvillen sehr lang. Schienen ungleichborstig. Macro- chaeten nur am Rande des zweiten bis vierten Ringes stark. Hypopygium in einer terminalen kreisförmigen Höhle des vierten Ringes vertieft liegend.

Die Kopfform gleicht Brachycoma. Taster viel kürzer als der Unterrand des Kopfes, dünn, fadenförmig. Erste Hinterrand- zelle weit vor der Flügelspitze offen endend. Dritte Ader nur basal gedornt. Randdorn sehr klein oder fehlend. Beugung stumpfwinkelig abgerundet, etwas dem Hinterrande genähert, ohne Zinke oder Falte. Vorderrand in der Endhälfte des Flügels deutlich gezähnt, sägeartig. Schildchen abgestutzt dreieckig (trapezförmig) mit 2 grossen seitlichen und 2 kleineren mittleren Narben an der abgestutzten Endfläche. Hintere Querader etwas steiler als die Spitzenquerader. Schüppchen sehr gross. Vibrissen nicht aufsteigend.

Unsere Deutung P. III, p. 227 als verwandte Gattung von Phylloteles ist ganz falsch. Nach der Beschreibung 1885, Ann. S. E. Fr. (6. ser.) und V, Bull. XL\^, sollten die Fühler ähnlich sein. Ich finde nur das dritte Glied ziemlich dick und im Querschnitt dreiseitig, aber nicht viel anders als bei anderen Aluscarien.

Ich möchte die eigenthümliche Fliege in die Nähe von Epigriniyia T. T. Trans. Am. Ent. Soc. XVIII, 376 und Drepano- glossa T. T., ebenda p. 377, stellen, kenne aber diese Gattungen

Beiträge zur Kenntniss der Muscarien. •^''^c*

nicht in natura und habe sie in die Verwandtschaft von Rhamphina (Gruppe Pyrrhosia) gebracht. Mir ist die Gattung neu gewesen.

133. (128.) Micropalpus ornatus Mcq. 2 Exemplare = Satuidcrsid ead. B. B. Gruppe Hystricia S.-Am.

134. (129.) Micropalpus brevigaster Mcq. = Chaetophthal- miis ead. B. B. Neuholland.

135. (130.) Micropalpus Leopoldiensis Mcq. (Ctiphocera Bgt.) (Brasil.?) Leopold d. Port. Rond. Sao Leopoldo bei Porto Alegre? Augen nackt, Wangen dicht feinhaarig, unten ohne lange Borsten. Ocellenborsten deutlich. Taster rudimentär, nicht sichtbar. Macrochaeten nur marginal am zweiten und dritten Ring. Hinterleib schmal oval. 3 Dorsocentralborsten hinter der Naht. Klauen und Pulvillen des cT verlängert, Beugung recht- winkelig mit Zinkenfalte, erste Hinterrandzelle offen, Randdorn fehlend: dritte Ader nur am Grunde gedornt. Drittes Fühlerglied etwas länger als das schlanke zweite. Arista abgebrochen. Schwarz, Basis der Fühler rothbraun, Kopf weiss, Hinterleib rothgelb mit schwarzer Rückenstrieme. Durch die vorhandenen Ocellar borsten von allen Gattungen der CiipJiocera-Gvuppe verschieden, denen sie fehlen; dagegen fehlen bei Leopoldiensis die langen unteren Wangenborsten. Das 9 ist unbekannt. Nimmt man an, dass die Taster vorhanden, aber nicht sichtbar sind, so würde man auf Pararchyias kommen, welche Gattung sich aber durch Discalmacrochaeten unterscheidet. Die Fliege passt somit in keine der bekannten Gattungen der Tachina-Micro- palpns-Gruppe. Conf. B. B. P. IV, p. 613; n. G.

136. (131.) Epalpus nitidus 9 {Micropalpus id) Mcq. Mexico. Ein 9, von Sanndersia durch die schmalen, nicht platten Tarsen verschieden. Taster ist keiner zu sehen und von Ocellenborsten sind bestimmte Narben vorhanden (daher kein Arcliytas). Dürfte das 9 einer Sanudersia-Avt sein (Gruppe Epalpus Rdi.).

137. (132.) Micropalpus longirostris cf Mcq. Ist Tachino- miina expeieiis Wd. B. B. {Dejeauia striata Jaenn.) Gap. b. sp. Coli. Winth. B. B. P. II, p. 383, P. III, 144 und Note 1 14, Nr. 29, p. 210. Ist eine besondere Gattung. Mcq. D. ex. Vol. II, p. 46. Taciiinoiniiua longirostris (Brauer) Mcq.

370 F. Brauer,

138. (133.) Cryptopalpus flaviceps cf Bigot. Nordamerika, Rocky mountains. Ann. S. E. Fr. 1888, p. 93. Ist kein Crypto- palptLS, hat nackte Wangen, keine Stachelborsten und eine nur am Grunde beborstete dritte Längsader. Die 2 Basalglieder der Fühler sind von gelber Farbe wie bei der Gruppe A Rondanis {sophia Desv. Mcq. (Micropalpus), gehört aber nicht in diese Gattung, weil die Mundborsten hoch aufsteigen. Die Augen sind dicht behaart und an die rechtwinkelige Beugung schliesst sich eine lange Zinkenfalte an, w^ie bei Eiitachina. Das dritte PTihlergiied ist 4 mal so lang als das zweite und das zweite Borstenglied ist kurz. Klauen und Pulvillen des cf sind lang. Hinterschienen ungleichborstig, Macrochaeten marginal am ersten bis dritten Ringe. Taster sind an dem weit herabstehenden Rüssel nicht zu sehen. Backen massig breit (kaum Ys Augen- höhe).

Nach B. B. F. III bestimmt, kommt man auf die Gruppe Eutachina oder, wegen des nasenartigen Mundrandes, auf Rhinometopia, und zwar hier in die Nähe von Stomatomyia, deren Species filipalpis fadenartige, fast rudimentäre Taster zeigt. " Die nordamerikanische Fliege ist viel grösser und wenn die Taster nicht hier zufällig spurlos abgefallen sind, so müsste Cr. flaviceps eine neue Gattung der Gruppe Rhinometopia bilden. Stomatomyia acnminata Rdi. hat auch nur Marginal- macrochaeten.

139. (134.) Cryptopalpus palliceps cf Bigot. Colombie. Ann. S. E. P^r. 1888, p. 94 = EpaJpiis (oder Saiindersia) ead. = Sanndersia puluernlenta Seh in. Novara- Reise, p. 335, 1868.

140. (135.) Pyrrhosia segregata cf (nicht 9) olim Solieria apicalis Rdi. Europa =1 Pyrrhosia s. g. Myobia {segregata Rdi.? oder iiianis Ell. Rdi.). Das Scutellum ist am Ende etwas röthlich.

141. (13(3.) Myobia fragilis R. D. Ist eine Myobia und wohl congregata Rdi. P^rankreich etc.? = inanis Mg. 9.

142. (137.) Pyrrhosia ochracea Bigot. Mexico. 1 d", 2 9 . Ist Phasiopteryx ead. und sehr verwandt mit depleta Wiedm. B. B., aber kleiner. Conf. B. B. P. 111, p. 183, Note 23. Ann. S. E. Fr. 1888, p. 268.

Beiträge zur Kenntniss der Muscaricn. 37 1

143. (138.) Crossotocnema javana 9 Bigot. Java = Chaetolyga ead. Zunächst verwandt mit Ch. cilicrnra Rdi. (nach Rondan i's Tabelle, Prodr. Dipt. It. P. III, p. 105, kommt man auf diese Art). Ocellenborsten vorhanden. Orbitalborsten des 9 hochliegend. Scheitel 2/3 Augenbreite, Backen sehr schmal, drittes Fühlerglied 4 mal so lang als das zweite.

144. (139.) Myobia sublutea R. D. Dipt. d. Paris, II, 302 Frankreich. Eine wahre Myobia s. Seh in. Hinterleib und ein Flügel abgebrochen. ? = inanis Aicq. S. a. Buff.

145. (140.) Avernia vicina Mcq. (9). Eine Zophomyia und wohl gleich temnla Scp. (Die Type ist ein cf). (Bei vicina soll die hintere Querader senkrecht, bei temiila schief sein).

Inhalt der Gattungen und Arten aus Bigot 's Sammlung.

Nummer Seite

Anthracomyia 103, 104 360

paUidiconüs .104 360

Avernia

vicina Mcq 140 371

Blepharipeza

albifacics Bgt 60, 61 348

i andina 56 348

aiirocaiidata 55 348

cyaniventris Mcq 57 348

fulvipcs Mcq 59 348

rtißpalpis 58 348

Bolbochaeta

lianstellata Bgt 127 368

Brachycoma

niacropogon Bgt 68 349

Ceromasia

abbreviata Bgt 40 344

castanifrons 34 342

372 F.

. u e r,

Nummer Seite

chrysocephala 35 343

pictigaster 36 343

quadrivittata 38 344

sphiipes 39 344

zonata . 37 343

Chaetolyga

aeiiea Bgt 72 350

albopida 76 351

dubia 65 349

ßavolinihata 75 351

nigrifacies 71 350

nigripalpis 66 349

itigrive7ttris 63 349

Tiitidiventris 73 351

occidentalis 74 ^ 351

vubidapex Bgt 62 348

rmfonotata 64 349

nifopicta 67 349

Cholomyia

iuacqualipes Bgt 114 365

Cordyligaster

fuscifacies Bgt 117 365

Crossotocnema

javaiia Bgt 138 371

Cryptopalpus

flaviceps Bgt 133 370

palliceps 134 370

Cuterebra

aualis Bgt 3 334

Degeeria

albiceps Bgt 107 361

antliracina 110 363

atistralis Mcq 108 361

cora Bgt 109 362

Beiträge zur Kenntniss der Muscarien. 3/ 3

Xummer Seite

Doleschalla

coiisobrinu Hgt 118 365

niacnlifera 121 367

nigra 119 366

pkta 122 367

vcnosa 120 366

Exorista

cnbaecola Bgt 30 342

diversicolor Mcq 32 342

elegans Bgt 26 341

flaviceps Mcq 33 342

lata Mcq 25 340

lateralis Bgt 24 340

rufata 27 341

rtifipalpis 28 341

tibialis Mcq 31 342

varipes 29 341

Frontina

annilenta Bgt 94 356

chrysopygata 93 356

vnfostylata 92 355

Gastrophilus

pallens^Q,^ 1 332

Gonia

cinerasceiis Rdi 87 353

\/ erythrocera Bgt 88 353

heterocera Mcq 91 355

javana Mcq 85 352

maritima Perris - 82 352

melanura 86 353

philadelphica Mcq 84 352

redicornis Mcq 89 354

rectistylum Mcq 90 355

rubriventris Mcq 83 352

374 F. Brauer,

Nummer Seite

Harrisia

cUihia VVl k 126 367

Homodexia 96, 97 357

Hypoderma

BeUieri Bgt 2a, 2h

Lydella

iiltida M cq 13/2 339

nova Leon Duf 14/2, 15 339

Masicera

capensis Mcq 16 339

eucerata Bgt 20 340

flavifacies 22 340

ßilvipalpis 21 340

ftilviventris Mcq 13 338

lateralis Mcq 11/2 338

iiigricalyptrata Mcq 10, 11 337

niveiceps Mcq 18 340

ohlonga Mcq 14 338

nibrifrons 17 339

rufifacies 19 340

rufipes 12/2 339

Simplex 12 337

temiiseta 10/2 338

viridiventris 8, 9 336

Megistogaster

analis Mcq 115 365

fuscipennis 116 365

Melanota

longicoi'uis Bgt 96 357

dulva Bgt 97 357

Micropalpus

hrevigaster Mcq 1 29 369

Leopoldiensis 1 30 369

Beiträge zur Kenntniss der Muscarien. 3/0

Xummer Seite

lougirostris 132 369

nitidus 131 369

ornatns 128 369

Microtrichodes

analis AI c q 125 367

Morinia

Wasliiugtouiaua Bgt 103 359

Myobia (Pyrrhosia)

fragilis R. D 136 370

ochracea Bgt 137 370

riißceps M c q 5 335

segregata Rdi 135 370

snblutea R. D 139 37 1

tettuisetosa l\Icq 4 334

Nemoraea

bicolor Mcq 23 340

Ochropleurum

javannm Mcq 112 364

Oplisa

albifacies Bgt 106 360

nigrifacies Bgt 105 360

Phorocera

acntangtüa Mcq 48 347

barbata Bgt 52 347

biserialis Mcq 51 347

ciliata : 45 346

cilipes 41, 42 344, 345

flavipalpis 44 345

graciliseta 50 347

hyalipennis 46, 47 346

javana 49 347

376 F. Brauer,

Nummer Seite

melanoceps Bgt 54 347

parva Bgt 53 347

tessellata M cq 43 345

Rhamphinina

fovmidahilis Bgt 99 359

picta Bgt 100 359

Rhynchiodexia

lougipes Bgt 98 358

spinosa 101 359

Salia

rnbricera R. D 77 351

cyrrata 77 35 1

Siphoniomyia

mehis Bgt 102 359

Sphyrimyia

malleola Bgt 95 357

Sumpigaster

fasciatns M cq 113 364

Tachina

flavifrons Mcq 78 351

tiiigax Bgt 79 352

javana Mcq 69 350

rnfistoma Bgt 70 350

Toxocnemis

uiüata Mcq 111 363

Trichophora

aJbocalyph-ata Bgt 124 367

uigraMcc^ 123 36

Beitrüge zur Kenntniss der Muscarien. 377

Tricoliga Xummer Seite

caloptera Bgt 80 352

fiilvidapex 81 352

Viviania

cvYn/.'rt Bgt 7 335

rnfopygata 6 335

IL Neue Hypoderma -Arten.

Hypoderma desertorum m.

Von der Grösse der H. IhieataWiW., aber in der Vertheilung der Haarbinden ganz ähnlich der Oedemagena tavandi. Der Körper ist schwarz, nur die Stirne vorne und die Fühler sind braun, erstere etwas weiss schimmernd, das Gesicht ist weiss- lich, die Enden der Schienen und die ganzen Tarsen sind gelblichbraun, letztere an den Gelenken dunkler. Die Behaarung ist dicht und lang; oben am Kopfe, besonders gegen den Vorderrand der Stirne dichter, am Gesichtsschild sehr lang und ebenso an den Backen und Hinterhaupt rein weiss oder etwas grau. Ri^ickenschild vor der Quernaht, dessen hintere Seitenhöcker, das Schildchen mit Ausnahme des glänzenden Hinterrandes, die Brustseiten, die Basis des Hinterleibes und die Hinterseite der Schenkel mit langen, weissen Haaren dicht besetzt. Rückenschild hinter der Quernaht dicht schwarz- haarig, nur die glänzenden Striemen nackt. Schenkel an der Vorder- und Beugeseite, ebenso die Schienen schwarzhaarig, die Haare besonders am dritten Paare an der Streckseite dicht und goldgelb schillernd. Tarsen spärlich- und mehr an der Streckseite fein schwarz behaart. Hinterleib vom zweiten Ringe an durchaus rothgelb haarig, die Haare im Bogen gestellt und durch deren hellen Glanz das Abdomen bei gewisser Beleuchtung etwas geringelt erscheinend mit dunkler Längs- linie, aber keine Spur einer schwarzen Querbinde in der Mitte, daher die Zeichnung wie bei Oe. tarandi. Schüppchen sehr gross, rein weiss. Flügel kurz, das eingekrümmte Ab- domen wenig überragend, klein, mit dem Adernverlauf der Hypodermen. Die hintere Querader wenig S-förmig gebogen

0/ 8 F. Brauer,

und in einer Richtung mit der fast geraden Spitzenquerader, fast parallel dem Rande verlaufend und von dieser durch einen sehr unbedeutenden einspringenden Winkel vor der Beugung getrennt. Adern alle sehr blass, die Längsadern gelblich, nur die Randader und die erste Längsader schwärzlich am Grunde. Alula massig gross, hyalin. Flügelmembran sehr faltig. Klauen stark, gelb, mit schwarzer Spitze. Haftlappen graubraun, gross. Von vorne gesehen, erscheint der Kopf am Scheitel stark eingesattelt mit hoch vortretendem Ocellenhöcker. Die Ocellen sind deutlich um ihren Durchmesser von einander getrennt. Der Scheitel ist wenig breiter als ein Auge (cf). Die Lunula ist gross und zwischen den Fühlern ziemlich breit in einen Kiel fortgesetzt, der unter den Fühlern bis Vs iii den Clypeus hinab- ragt. Dieser ist rundlich und etwas breiter als lang. Die Fühler sind von den bekannten Arten abweichend, insoferne das dritte Glied sehr klein, nur von unten her sichtbar und ganz in dem glockenförmigen zweiten Gliede eingezogen erscheint, so dass nur die kurze, am Grunde dicke, am Ende feine Borste am freien Rande des zweiten Gliedes vortritt und ein kurzes zweites Borstenglied erkennen lässt. Das erste Fühlergiied ist halbmondförmig, sehr kurz und am concaven Unterrand in der Mitte mit kleiner vorspringender Ecke. (Die Fühler nähern sich daher der Form jener der Microccphalns- Arten, besonders, nach einer Zeichnung, welche E. Portschi nsky mir freundlichst einsendete, denen von M. Prgewalskyi, doch unterscheidet sich d\e G^Xinng, Microcephahts Seh x\Q.h\ nach der mir bekannten typischen Art durch die durchgehende Gesichtsrinne und den Mangel eines solchen Gesichtsschildes, wie es den Hypo- dermen zukommt.)

Am Hinterrande des Schildchens verläuft eine quere nackte Schwiele, welche aber nur durch eine seichte Mittelfurche in zwei schwache, runde Höcker getheilt ist. Der Hinterrücken ist glänzend schwarz. Die Halteren sind durch die grossen Schüppchen nicht zu sehen. Das erste Tarsenglied der Hinter- beine ist circa 3 mal so lang als das zweite. Die glänzenden Striemen des Rückenschildes sind weit von einander getrennt, namentlich hinter der Quernaht die mittleren von den seitlichen. Erste Hinterrandzelle offen. Körperlänge 1 1 mm.

Beiträge zur Kenntniss der Muscarien.

379

Die männliche Fliege, welche Herr Schmiedeknecht dem kaiserl. Museum freundlichst zum Geschenk machte, wurde von demselben am 3. April in der egyptischen Wüste an einem Feldrand bei dem arabischen Dorfe Helouan, etwa 5 Minuten vom Nilufer entfernt gefangen.

Es ist durch die um die Mundgrube reichlich und dicht stehende Behaarung nicht zu sehen, ob ein Rüsselrudiment oder Taster erhalten sind^ und sich dadurch die Fliege mehr der Untergattung Oedemagena nähern würde, der sie in der Farbenvertheilung ähnlich ist, wenigstens der einzigen Art tarandi. Da in der Haut von Antilopen {Antilope dorcas PUs. Brauer Monogr.d.Oestr.) Hypodermen-Larven gefunden wurden, die sich ebenfalls den Larven der Gruppe Oedemagena nähern, so läge die Vermuthung nahe, dass unsere Art hier in Betracht käme. Die Adeleninsel, auf der sich Gazellen finden, liegt einige Kilometer flussabwärts. Nach Schmiede kn echt waren in der Nähe der Fundstelle oft Büffel auf der Weide, und auch Kameele sind oft vorbeigekommen. Aus Büffeln ist jedoch bis jetzt, ebenso wie aus Kameelen, kein Hautoestride bekannt geworden.

Hypoderma albicoma n. sp. v. var. m.

Die Art wurde bei Besprechung der H. Bellieri erwähnt und leider nur in einem männlichen Exemplare von Herrn Naturalienhändler Erber auf einer seiner Reisen in Südeuropa (Fundort?) gefunden. Sie steht der H. Diana sehr nahe, unter- scheidet sich aber beim Anblick sofort durch die bleiche, grau- braune Farbe und die weisse Behaarung, wodurch sie das Aussehen der H. Silenus erhält, welche aber keine glänzend schwarzen Rückenstriemen besitzt. Von H. Actaeon weicht die Art durch die Kürze und Breite ihres Gesichtsschildes ab und ferner durch die fast flach liegenden Ocellen (siehe Aetaeon bei H. Bellieri). Zur Unterscheidung von H. Diana kann ich Folgendes anführen;

H. albicoma n. sp.

Ocellenhöcker sehr nie- . flach, die Ocellen klein.

H. Diana

Ocellenhöcker etwas hü- gelartig erhaben, die Ocellen

380

um mehr als ihren Durch- messer von ehiander getrennt, dunkelbraun.

Das Hinterhaupt von oben gesehen fast gerade, quer ab- gestutzt, in der Mitte nicht sehr eingebuchtet. Die Stirn- strieme ist durch die bleiche Farbe sehr undeutlich, nach vorne sehr schmal und die Orbitalplatten der Stirne (von oben gesehen) zeigen nach vorne, hinter dem hellen Vor- derrand der Stirne, nur eine schwache Andeutung der schil- lernden dunklen Bogenlinie, welche wie ein Augenbrauen- bogen über den Fühlern \'er- läuft, an den HaarOuren der Stirnseiten.

Gesicht weisslich silber- schimmernd. Am Schilde und an den Backen weisshaarig.

Behaarung auch sonst überall weisslich, nur an den Hüften und am Hinterrande des dritten und vierten Hinter- leibsringes etwas gelblich.

Der zweite, dritte und vierte Ring vorne mit blau- grauer Querbinde, die ohne scharfe Grenze in den schwar- zen Hinterrand übergeht und am vierten Ring schmäler er- scheint.

gross und ihr Durchmesser meist grösser als der Abstand derselben von einander, d. h. der hinteren von den vorderen. Meist sind sie hellbraun.

Das Hinterhaupt ist von oben gesehen gegen die Mitte zu mehr eingebuchtet und er- scheint daher mehr concav, vielleicht aber durch die dunk- lere Farbe. Die Stirnstrieme ist braun, deutlich, nach vorne oft schmäler, oft aber auch breiter, aber durch die dunklen Orbitalplatten immer deutlich und an diesen entsteht jeder- seits hinter dem Vorderrande der Stirne ein dunkler Bogen durch die dichtere Behaarung und die schillernde Fläche, bei gewisser Beleuchtung.

Gesicht schmutzig atlas- weiss, silberschimmernd, so- wie die Backen gelbhaarig, bald dunkler, bald heller.

Behaarung überall gelb und die Zeichnung und Quer- binden genau beim cf so wie bei der neuen Art.

In der Monographie der Oestriden ist der Hinterleib des cf als silberfleckig be- schrieben. Ich habe damals nur wenig Männchen gekannt, kann aber jetzt bemerken, dass die Zeichnung ganz so ist, wie bei der neuen Art und niemals

Beiträge zur Kenntniss der Muscarien.

381

Färbung der Beine gelb, genau wie bei H. Diana, eben- so das zweite Tarsenglied fast halb so lang als das erste.

Grösse von H. Diana.

würfelfleckig, sondern sich deutliche Querbinden zeigen, wie das auch die Abbildung zeigt.

Wären nicht die erwähnten plastischen Unterschiede, so könnte man die neue Art für eine bleiche Abart von H. Diana erklären, da auch die grossen mittleren Schildchenhöcker mit jenen dieser Art übereinstimmen (man vergl. H. Bellieri Nr. 2 b) Schlusssatz).

Da in einigen Thiergärten fremde Hirscharten gehalten werden und aus dem europäischen Dammwild mit Sicherheit keine bestimmte Art gefunden wurde, so wäre diese Art bei solchen Funden zu berücksichtigen. Ich habe es nicht für über- flüssig gehalten, auf sie aufmerksam zu machen.

382 F.Brauer, Beiträ"e zur Kenntniss der Muscarien.

Tafelerklärun^

Fig. 1. Hypodenna dcscrtorinn ^ io'^_ Kopf von vorne gesehen.

» \ a) Kopf von oben gesehen.

» 1 h) Tarsus der Hinterbeine.

2. Hypoderma albicoma cf ^%- Kopf von vorne. 2 a) Kopf von oben den Ocellenhöcker zeigend.

2 h) Tarsus der Hinterbeine.

3. Hypoderma Diana rf ^'^;'i- Kopf von vorne. » 'i a) Kopftheil von oben mit den Ocellen.

» "i b) Tarsus der Hinterbeine.

» 4. Hypoderma Adaeon (f ^^^l^. Kopf von vorne.

» 4 a) Kopftheil von oben gesehen mit dem Ocellenhöcker.

F. Brauer :Muscaria, schizomotopa etx: .

.Aw^ii'

^3W^.

3a,

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AutoTdel LifliAnst vTh BaTtnwarth.Wien

Sitzungsberichte d.kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw.Classe, Bd.CVI. Abth. I. 1897

383

XVIII. SITZUNG VOM 8. JULI 1897.

Erschienen: Sitzungsberichte: 106. Bd., Abth. II. a, Heftlll-IV (März und April 1897).

Das w. M. Herr Prof. L. Pfaundler in Graz übersendet eine Abhandlung: »Über einen Erdbebenregistrator mit elektrisch-photographischer Aufzeichnung des Zeit- momentes des Stosses«.

Das vv. M. Prof. Zdenko Hans Skraup in Graz übersendet eine Experimentaluntersuchung: »Über Um läge run gen des Cinchonins«.

Das c. M. Herr Prof. Guido Goldschmiedt übersendet folgende sechs Arbeiten aus dem chemischen Laboratorium der k. k. deutschen Universität in Prag:

1. »Condensationen mit Phenylaceton«, von G. Gold- schmiedt und G. Knöpfe r.

2. »Über Indolinone« (IIL Abhandlung), von Prof. K. B r u n n e r.

3. »Über ß-Benzoylisonicotinsäure«, von Moriz Freund.

4. »Über ß-Toluylpicolinsäure und ß-Tolylpyridyl- keton«, von Dr. A. Just.

5. »Zur Kenntniss der Hemipinsäure und der iso- meren Estersäuren der Papaverinsäure«, von Dr. Alfred Kirpal.

6. »Zu r Kenntniss des Pinacolins«, von Dr. C. Pomeranz.

Das c. M. Herr Prof. H. Moli seh übersendet eine im pflanzenphysiologischen Institute der k. k. deutschen Univer- sität in Prag ausgeführte Arbeit des Privatdocenten Dr. A.

Sitzb. d. mathem.-naturw. CI. ; CVI. Bd., Abth. I. 26

384

Nestler, unter dem Titel: »Die Ausscheidung von Wasser- tropfen an den Blättern der Malvaceen und anderer Pflanzen«.

Herr Prof. Dr. Ed. Lippmann übersendet eine Arbeit aus dem in. chemischen Laboratorium der k. k. Universität in Wien von Herrn Ludwig Haber, betitelt: »Beitrag zur Kenntniss einiger seltener Erden«.

Herr Prof. J. Mauthner in Wien übersendet eine im chemischen Laboratorium der allgemeinen Poliklinik in Wien ausgeführte Arbeit von Herrn Dr. Richard Buriän, welche betitelt ist: »Über Sitosterin. (Ein Beitrag zur Kenntniss der Phytosterine.)«

Herr k. u. k. Linienschiffs-Fähnrich Theodor Seh e im pflüg übersendet eine Abhandlung: »Über ein optisches Ver- fahren zur photogrammetrischen Reconstruction von Karten und Plänen«.

Herr Dr. J. Ritter Lorenz v. Liburnau, k. k. Sections- chef i. R. in Wien, übersendet ein versiegeltes Schreiben behufs Wahrung der Priorität mit der Aufschrift: »Fly seh- Algen«.

Das w. M. Herr Hofrath F. S t ein dach n er überreicht eine Abhandlung von Dr. Adolf Steuer, beutelt: »Vorläufiger Bericht über die pelagische Thierwelt des Rothen Meeres«.

Das w. M. Herr Prof. Sigm. Exner legt eine Abhandlung des cand. med. Friedrich Schenk vor, betitelt: »Studien über die Entwicklung des knöchernen Unterkiefers der Vögel«.

Ferner überreicht das w. M. Herr Prof. Sigm. Exner eine Arbeit aus dem Embryologischen Institute der k. k. Universität in W^ien, betitelt: »Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Corti'schen Membran«, von Dr. Hugo Ignaz Czinner und Dr. Victor H a m m e r s c h 1 a g.

385

Das vv. M. Herr Prof. Franz Exner überreicht eine von ihm in Gemeinschaft mit Herrn Dr. E. Haschek ausgeführte Arbeit: »Über die ultravioletten Eunkenspectra der Elemente«. (IX. Mittheilung.)

Ferner überreicht Herr Prof. Franz Exner eine von Dr. E. Haschek in seinem Institute ausgeführte Arbeit: »Über die galvanische Polarisation in alkoholischen Lösungen«.

Schliesslich überreicht derselbe eine gleichfalls in seinem Institute ausgeführte Arbeit des Herrn H. Mache, betitelt: »Bestimmung der specifi sehen Wärme einiger schwer schmelzbarer Metalle«.

Das w. M. Herr Hofrath Prof. Ad. Lieben überreicht eine in seinem Laboratorium ausgeführte Arbeit des Herrn Dr. S.

Fränkel: »Über .Spaltungsproducte des Eivveisses bei der Verdauung. I. Über eine neue Methode der Dar- stellung der Deuteroalbum ose«.

Ferner überreicht Herr Hofrath Lieben eine von Czerno- witz eingesandte Abhandlung der Herren Prof. R. Pf ibram und C. Glücksman: »Über den Zusammenhang zwischen Volumänderung und dem specifischen Drehungs ver- mögen activer Lösungen«. (II. Mittheilung.)

Das w. M. Herr Hofrath Prof. L. Boltzmann überreicht folgende vier Abhandlungen:

1. und 2. »Bestimmung der Magnetisirungszahlen von Flüssigkeiten und deren Abhängigkeit von der Temperatur« (1. und 2. Mittheilung), von Prof. Dr. Gustav Jäger und Dr. Stefan Meyer.

3. »Beobachtungen an ge'schlossenen Clark'schen Normalelementen«, von Theodor Wulf, Assistent am phj^sikalischen Institute der k. k. Universität in Inns- bruck.

4. »Über Rotationen im homogenen elektrischen Felde«, von Dr. Egon Rit. v. Schweidler.

26*

386

Das vv. M. Herr Prof. H. Weidel überreicht eine Mit- theilung aus dem I. chemischen Universitätslaboratorium in Wien: »Über die Bildung von Estersäuren aus Säure- anhydriden«, von Dr. Rud. Wegscheider.

Das w. M. Herr Hofrath Prof. V. v. Lang überreicht eine Abhandlung aus dem physikalischen Cabinete der k. k. Uni- versität in Wien von Dr. Josef Tuma, betitelt: »Ein Phasen- messapparat für Wechselströme«. (Fortsetzung.)

387

Die Ausscheidung von Wassertropfen an den Blättern der Malvaceen und anderer Pflanzen

von Dr. A. Nestler.

Aus dem pflanzenphysiologischen Institute der k. k. deutschen Universität in Prag.

(Mit 1 Tafel.)

I. Wasserausseheidung bei den Malvaceen.

Nach Volkens^ gehören die Malvaceen zu jenen Pflanzen, welche keine Wasserausscheidung in flüssiger Form zeigen. Er beobachtete und untersuchte Malva alcea, Malva neglecta und AJthaea officinalis, und zwar mit negativem Erfolg, sowohl was die Wassersecretion, als auch das Vorkommen von Wasser- spalten und Gefässausbreitungen in den Blattspitzen, respective Zähnen anbetrifft.

Aleine Beobachtungen und Untersuchungen an einer An- zahl von Malvaceen lehren jedoch, dass hier unter günstigen Bedingungen sogar eine sehr starke Ausscheidung flüssigen Wassers stattfindet.

Es sollen zunächstdie näheren Umstände der Ausscheidung, wie sie an den Species verschiedener Gattungen der genannten Familie und zwar sowohl an ganzen Pflanzen wie an ab- geschnittenen Theilen derselben '(beblätterten Sprossen und einzelnen Blättern) vorkam, des Näheren angegeben werden; hierauf werden die anatomischen Verhältnisse derBlattepidermis

1 Über Wasserausscheidung in liquider Form an den Blättern höherei Pflanzen. Jahrb. des botan. Gartens, II, S. 192.

388 A. Nestler,

zergliedert und schliesslich die daraus sich ergebenden zu- lässigen Folgerungen gezogen, welche Organe möglicherweise die Secretion bewirken.

Althaea rosea (L.) Cav. Ganze Pflanze unter Glassturz im feuchten Räume bei diffusem Lichte; Ausscheidung flüssigen Wassers nach 12 Stunden sehr stark auf der Blattunterseite, und zwar in zahlreichen kleinen Tröpfchen, welche über die ganze Blattfläche zerstreut sind. Nach weiteren 12 Stunden ist die Ausscheidung auf dieser Blattseite sehr stark, das Wasser tropft von den Blättern ab; gleichzeitig ist auch eine schwache Secretion auf der Blattoberseite bemerkbar. Nach vier Tagen vom Beginne des Versuches an ist auch auf der Oberseite eine ziemlich starke Ausscheidung vorhanden, doch erreicht die Grösse derselben nicht die der Unterseite. Abgeschnittene, beblätterte Sprosse, ja selbst einzelne Blätter zeigen unter der Glocke im Brunnenwasser stehend eine ebenso starke Secretion und in derselben Zeit, wie die ganze Pflanze: zuerst nur auf der Unterseite, später auch auf der Oberseite; hier stets schwächer. Thaubeschlag ist vollständig ausgeschlossen, wie die wieder- holten Versuche, ferner Controlobjecte und insbesondere die stets alkalisch reagirende, ausgeschiedene Flüssigkeit lehren. Auffallend war auch die Erscheinung, dass an vielen ab- geschnittenen Sprossen und Blättern die Wassertropfen selbst bei längerer Dauer des Versuches sich nur auf der Blattunter- seite zeigten.

Druckversuche: 1. Eingepresste Flüssigkeit = 2-57oige Kupfervitriollösung; Höhe der Quecksilbersäule bei Beginn des Versuches = \0-ocm. Nach 12 Stunden Ausscheidung in Tröpfchen auf der Unterseite stark, auf der Oberseite schwach. Deutliche Reaction bei Anwendung von Ferrocyankaliumpapier sowohl auf der Oberseite wie auf der Unterseite des Blattes. 2. Eingepresste Flüssigkeit =: 5 7o ige Kupfervitriollösung; der Effect wie vorhin.

Althaea officinalis L. Dieselben Versuche, wie bei^. rosea, ergaben dieselben Resultate.

Althaea cannabina L. Versuche mit abgeschnittenen, in Wasser stehenden Sprossen; nach 15 Stunden sehr starke Ausscheidung auf der Blattunterseite in zahlreichen kleineren

Ausscheidung von Wassertropfen an Blättern. 389

und grösseren Tropfen, welche über die ganze Blattfläche zerstreut sind; auf der Oberseite in den Rinnen über den Gefäss- bündelbahnen bildet das Wasser zusammenhängende Streifen. Noch nach sechs Tagen findet nach Abtupfung der aus- getretenen Flüssigkeit erneuerte Ausscheidung statt. ^

Malva silvestris L. Abgeschnittene Blätter; schon nach 21 Stunden Ausscheidung auf der Unterseite in kleinen Tröpf- chen und grösseren zusammengeflossenen Wassermassen; auf der Blattoberseite erst nach 48 Stunden eine schwache Secretion in Form kleiner Tröpfchen.

Malva parviflora L. Intacte, junge Pflanze; Ausscheidung auf beiden Blattseiten in derselben Zeit und scheinbar gleich stark.

Sidalcea Candida A. Gray. Ganze Pflanze; starke Aus- scheidung zunächst auf der Unterseite, das Wasser tropft nach 24 Stunden von den Blättern ab; später auch auf der Oberseite hie und da ein Tropfen.

Plagianthus pulchellus (Bonpl.) A. Gray. Junge, intacte Pflanze; nach kurzer Zeit Ausscheidung an den Enden der Blattzähne, sowohl auf der Ober-, wie auf der Unterseite; später ist die ganze Oberseite der Spreite schwach benetzt; es sieht so aus, als wenn eine einzige Wasserschichte über dieselbe sich ausbreiten würde.

Malope trifida L. Ganze Pflanze; nach 20 Stunden starke Ausscheidung auf der Blattunterseite; später auch auf der Ober- seite, hier schwächer; denselben Effect bei abgeschnittenen Sprossen und einzelnen Blättern.

Kitaibelia vitifolia W. Wie bei Malope; nach 24 Stunden tropft das Wasser von den Blattspitzen.

Palava flexuosa Mast. Wie bei den beiden vorausgehenden Arten.

1 Bei dieser wie bei einigen anderen Arten wurden an abgeschnittenen, in Wasser stehenden Sprossen ganz eigenthümliche Bewegungen der Blätter beobachtet, nachdem dieselben ungefähr 48 Stunden im feuchten Räume waren: alle Blattstiele krümmten sich derart nach abwärts, dass die morphologische Blattoberseite vollständig nach unten zu liegen kam. Die Versuche wurden stets bei diffusem Licht ausgeführt.

390 A. Nestler,

Abutilon Thompsoni (hört.). Ganze Pflanze; Ausscheidung bereits nach 12 Stunden auf der morphologischen Blattunter- seite, und zwar theils in grösseren Tropfen auf den Nerven- bahnen, theils in kleineren Tröpfchen, welche über die Blatt- fläche zerstreut sind. Erst nach 4 Tagen zeigt sich eine schwache Secretion auch auf der Blattoberseite, vorhersehend über den Nervenbahnen, während die Pflanze stets unter den- selben Verhältnissen sich befand. Abgeschnittene beblätterte Sprosse und einzelne Blätter verhielten sich ebenso. Ab- geschnittene Sprosse von Ahntilon albiini zeigten bereits nach 12 Stunden auf der Blattunterseite eine deutliche Secretion.

Lavatera unguiculata Desf. Abgeschnittene Sprosse; Aus- scheidung nach 15 Stunden auf der Blattunterseite in sehr zahlreichen, kleinen Tropfen, welche über die ganze Blattfläche zerstreut sind; nach 48 Stunden zeigte sich eine schwache Secretion auch auf der Blattoberseite in Form kleiner Tröpfchen.

Hibiscus unidens Lindl. Intacte, junge Pflanze mit noch vorhandenen Cotyledonen; Ausscheidung einzelner Tropfen am Rande der Cotyledonen und je ein Tropfen am Ende der Blatt- zähne auf der morphologischen Oberseite derselben; später tritt die Secretion auch auf der Unterseite deutlich hervor.

Aus diesen Einzelbeobachtungen geht zunächst mit Sicher- heit hervor, dass eine liquide Secretion wahrscheinlich allen Malvaceen zukommt, und dass dieselbe unter sonst günstigen Bedingungen nicht nur an ganzen Pflanzen, sondern auch an a b g e s c h n i 1 1 e n e n S p r o s s e n, ja selbst an einzelnen Blättern beobachtet werden kann. Es kann als Regel betrachtet werden, dass diese Er- scheinung zuerst auf der Blattunterseite und später, bisweilen erst nach 48 Stunden und länger, auch auf der Blattoberseite, hier in geringerer Menge als dort, sichtbar wird.

Das auf der Blattunterseite ausgeschiedene Wasser zeigt sich zunächst in Form kleiner Tröpfchen, welche über die ganze Spreitenfläche gleichmässig vertheilt sind; auf der Blattoberseite macht sich bei Beginn der Secretion eine schwache Benetzung der Nervenbahnen bemerkbar, dann treten auch kleine über die Fläche zerstreute Tröpfchen auf. Sowohl bei intacten Pflanzen, als auch bei abgeschnittenen Pflanzentheilen ist das secernirte

Ausscheidung von Wassertropfen an Blättern. 391

Wasser oft schon nach 15 Stunden in solchen Mengen \'or- handen, dass es \-on den Blättern abtropft. Diese Thatsache steht somit im directen Gegensatze zu der bisher gebräuchlichen Ansicht, dass die Malvaceen zu jenen Pflanzen gehören, welche keine liquide Secretion zeigen.

Dass man bisher dieses Phänomen an Freiland- oder Treibhauspflanzen vollständig übersehen hat, geht vielleicht daraus hervor, dass das Wasser in der Regel zunächst auf der Blattunterseite und erst später bei andauernd günstigen Umständen auch auf der Oberseite austritt.

Was den Ort der Ausscheidung, d. i. die Hydathoden der Malvaceen anbelangt, so ist darüber Folgendes zu sagen: Dass in den Blattzähnen keine besonderen Einrichtungen für die Wasserausscheidung vorhanden sind, wie bereits Volkens an einigen wenigen Beispielen gezeigt hat, geht schon daraus hervor, dass die Wassertropfen auf der ganzen Blattfläche vor- kommen; Ausbreitungen der Gefässbündelenden, Epithem- gewebe und Wasserspalten fehlen vollständig. Es sind mir nur zwei Fälle vorgekommen, nämlich junge Pflanzen von Hihiscus jinidens Li ndl. und Plagianthtis piilchelhis A. Gr., wo die Secretion Anfangs nur an den Enden der Blattzähne stattfindet. Hier an der Stelle der Vereinigung einiger Gefässbündelstränge sind nur einige wenige, frei endende, kurze Tracheiden zu erkennen; ein Epithem fehlt vollständig, ebenso Trichome auf der Epidermis, denen eventuell die Secretion zugeschrieben werden könnte; nur einige wenige Spaltöffnungen waren be- merkbar, welche sich nicht oder nur sehr wenig von den Luft- spalten unterscheiden: sie haben bisweilen einen etwas weiter geöffneten Porus.

Die Beantwortung der Frage nach den Organen der Aus- scheidung bei den Malvaceen ist neben anderen Gründen auch deshalb erschwert, weil bei diesen Pflanzen die Zellen der Blatt- epidermis in Beziehung auf Form und Inhalt sehr verschieden sein können. Diese Polymorphie tritt besonders bei der Gattung Abiitiloii hervor; man kann hier unterscheiden:

1. normale Epidermiszellen;

2. Schleimzellen, welche in der Flächenansicht der Blatt- epidermis weder durch Form noch durch Inhalt auffallen; bei

392 A. Nestler,

Anwendung von Böhmers Hämotoxylin treten sie sehr schnell und ausserordentlich deutlich hervor;^

3. Spaltöffnungen;

4. kurze, mehrzellige blasig-kopfig gestaltete Haare;

5. lang gestielte, mehrzellige Drüsenhaare;

6. einzellige, conische Haare;

7. Büschelhaare.-

Die einzelligen conischen Haare und die sogenannten Büschel- oder Sternhaare, welche bei den Malvaceen sehr ver- breitet sind (Abniilon, Lavatera, Althaea, Palava, Plagianthiis, Kitaibelia u. A.) können wohl bezüglich der Wasserausscheidung ohne Weiteres ausser Betracht kommen. Die langen mehrzelligen Drüsenhaare, welche an dem sich verjüngenden Ende ein kleines, einzelliges, oft etwas in die Länge gestrecktes Köpfchen tragen, das sehr oft von einer dicken Secretmasse umgeben ist, fand ich bei der Gattung Abniilon in relativ geringer Anzahl, in etwas grösserer Menge auf der Blattunterseite von Kitaibelia vitifolia L.; bei den übrigen Arten habe ich sie nicht beobachtet. Auch diese spielen bei der Wassersecretion keine Rolle, was schon aus ihrem geringen Vorkommen hervorgeht. Indem ich vorläufig von den gewöhnlichen Epidermiszellen und den Schleimzellen absehe, soll zunächst die Frage erörtert werden, ob die liquide Secretion durch die kurzen, mehrzelligen, blasig gestalteten Trichome, oder durch die Spaltöffnungen, oder eventuell durch beide Organe erfolgt.

Die kleinen kopfigen Haare, welche allen von mir unter- suchten Malvaceen zukommen sie sollen ihrer Form wegen fernerhin kurz als Drüsenhaare bezeichnet werden, obwohl ihre Function bisher nicht mit Sicherheit erkannt worden ist stimmen im Baue mit jenen Trichomen überein, welche

1 Aussser anderen Färbemitteln fand ich für den Malvaceenschleim als das beste Böhmer's Hämatoxylin; mit demselben konnte ich nicht allein bei allen untersuchten Gattungen dieser Familie, sondern auch bei den nahe verwandten Tiliaceen die schleimführenden Zellen sehr schön nachweisen. Über die eigenthümliche Art der Schleimbildung in diesen Zellen werde ich demnächst an anderer Stelle berichten.

•2 Vergl. De Bary, Vergleichende Anatomie, S. 59. Nach G. A. Weiss sind es Büschel haare, nach Anderen Stern haare.

Ausscheidung von Wassertropfen an Blättern.

393

H a b e r 1 a n d t ^ als H3'dathoden (:= Wasserdrüsen) bei Pliaseolns uiultißonis bezeichnet hat; sie sind mehrzellig (Fig. 1 -4); ausser 3 4 Scheidewänden normal zur Axe des Trichoms kommen in den oberen Zellen auch noch Theilungen parallel zur Axe vor; ein Stiel ist gewöhnlich nur durch eine oder zwei kleine Zellen angedeutet. Die Zahl (auf 1 mnr berechnet) und Vertheilung derselben auf den beiden Blattseiten ist aus der folgenden Tabelle zu erkennen, in welcher auch bezüglich der Spaltöffnungen die nöthigen Daten enthalten sind:

Blattoberseite

Blattunterseite

Spalt- öffnungen

Drüsen- haare

Spalt- öffnungen

Drüsen- haare

Althaea rosea (L.) Cav

» cciniicibinii L

40 23 45 65 25 20

40 25 45 0 0 25

5 9 5 6 4 0

5 4 7 4 5 4

80 185 110 150

58 150

65

75 75 65 60 40

6

20 8

4

4

sehr ver- einzelt

5

5

5

^6 5

» officinalis L

Sidalcca Candida A. Gray

Plagianthiis pulchcllns A. G r a y.

Malope trifida L

Kitaihdia vüifolia W

Lavatem nugniciilata Desf. . . . Hibisciis nnidcns Lin dl

Die kleinen Drüsenhaare kommen, wie man sieht, mit einer einzigen Ausnahme Plagianthiis piilcJiellns A. Gray. auf beiden Blattseiten aller untersuchten Malvaceen vor, und zwar in derselben Anzahl oder auf der Unterseite etwas zahlreicher als auf der Oberseite. Die Spaltöffnungen zeigen eine ähnliche Vertheilung, nur mit dem Unterschiede, dass die Blattunterseite stets die grössere Anzahl derselben besitzt. Sehr bemerkens-

Das tropische Laubblatt. Diese Sitzungsber., CHI. Bd., S. 509.

394 A. Nestler,

vverth ist es, dass einerseits Ahutilon TJwinpsoni und Lavatera nnguiculata keine Stomata auf der Blattoberseite besitzen, anderseits Plagianthns pulchelhts keine Drijsenhaare auf dieser Blattseite und auf der Unterseite nur sehr wenige erkennen lässt. Daraus ergibt sich von vornherein die Schwierigkeit, aus der Verth eilung der Spaltöffnungen und Drüsenhaare im Vergleiche mit der oben geschilderten, stets unter denselben Bedingungen bemerkbaren Ausscheidung von tropfbarflüssigen Wasser auf jene Organe zu schliessen, welche hier die Secretion bewirken. Es hat wohl zunächst m.it Rücksicht auf Adntüon und Lavatera den Anschein, als ob in der Regel den Drüsenhaaren die Aufgabe der Wasserabsonderung zugeschrieben werden müsste; aber wenn man bedenkt, dass diese Haare auf der Blattoberseite in nahezu derselben Anzahl wie auf der Blattunterseite vor- kommen und überall intact gefunden wurden, so lässt sich nicht einsehen, warum die Secretion auf der Oberseite stets bedeutend später bisweilen sogar erst nach einigen Tagen als auf der Unterseite eintritt, obwohl die Pflanzen stets unter den gleichen, günstigen Bedingungen sich befanden. Es muss ferner auf Plagianthns piilchellus und Hibisais unidens hin- gewiesen werden: beide zeigen anfangs die liquide Secretion nur auf den Spitzen der Blattzähne, und zwar auf der morpho- logischen Oberseite derselben in Form eines Tropfens, welcher immer grösser und grösser wird und endlich abtropft; bei Plagi- anthns tritt später auch auf der ganzen Oberseite eine wenn auch schwache Wasserausscheidung ein.

Da beide Species keine Drüsenhaare auf der Oberseite der Blattzähne haben, Plagianthns überhaupt keine auf der Blatt- oberseite besitzt, so kann die Wasserausscheidung unmöglich durch die bezeichneten Trichome erfolgen; man findet hier ausser sehr vereinzelten conischen Haaren und gewöhnlichen Epidermiszellen noch Schleimzellen und Spaltöffnnugen, welche gar nicht oder nur durch einen etwas weiteren Porus von den gewöhnlichen Luftspalten abweichen.

Ganz abgesehen davon, dass bei Anwendung künstlichen Druckes eine dreipercentige Kupfervitriollösung in derselben Weise, wie das Wasser an den Blättern intacter Pflanzen austrat, was offenbar nicht durch die Drüsenhaare geschehen

Ausscheidung von Wassertropfen an Blättern. 395

konnte^ (drei Versuche wurden mit Althaea und Abutilon gemacht), ist noch zu erwähnen, dass bei Experimenten mit ganzen Pflanzen oder abgeschnittenen und in Wasser stehenden Theilen derselben die Intercellularen des Blattmesophylls nach 24 stündiger Dauer des Versuches wenigstens zum Theil mit Wasser erfüllt waren. Das weistnunwiederaufdieSpaltöffnungen als die Austrittsorte hin.

hidem ich von den gewöhnlichen Epidermiszellen absehe, muss ich noch die allgemein auf beiden Blattseiten aller Malva- ceen vorkommenden, sehr eigenthümlich gebauten Schleim- zellen vorläufig kurz besprechen.

Viele Epidermiszellen lassen in der Flächenansicht schein- bar ein rundes oder ovales oder verschieden anders gestaltetes Loch erkennen, welches hell rosa erscheint (Fig. 5, 6). Quer- schnitte (mit Benützung von Alkoholmaterial und in Alkohol untersucht) erklären sofort diese scheinbaren Perforationen (Fig. 7). Die an der Innenwand mancher Zellen auftretenden Schleimschichten sind um eine sackartig in die Zelle hinein- ragende, sehr dünne Membran gelagert; der Raum zwischen dieser und der Aussenmembran der betreffenden Zelle ist mit Plasma und einem Zellkern versehen, der fast stets an der Mündung der sackartigen Ausstülpung liegt (Fig. 7 9). Der innere Bau dieser Schleimzellen kann im Allgemeinen ein sehr verschiedener sein, doch stets ist jene dünne, die Schleim- schichten begrenzende Membran zu erkennen. Dass diese Grenz- linie wirklich eine Membran ist, beweisen die entsprechenden Untersuchungen, die ich an einem anderen Orte demnächst ausführlich besprechen werde. Es scheint mir nun die Möglich- keit vorhanden zu sein, dass durch Quellung der Schleim- schichten ein Druck auf den übrigen Zellinhalt nach aussen hin stattfinden und eine liquide Secretion bewirkt werden kann.

Aus allen diesen Erörterungen geht hervor, dass bezüglich der Organe der Wasserausscheidung bei den Malvaceen nichts Sicheres angegeben werden kann.

1 Vergl. Nestler, Untersuchungen über die Ausscheidung von Wasser- tropfen an den Blättern, 1. c. S. 545.

396 A. Nestler,

Es verdient noch hervorgehoben zu werden, dass bei allen Malvaceen (ganzen Pflanzen, wie abgeschnittenen Pflanzen- theilen, welche in neutral reagirendem Wasser standen) die ausgeschiedenen Wassertropfen alkalisch, meistens sogar sehr stark alkalisch reagirten;^ das Lackmuspapier nimmt bei Auf- saugung eines Tropfens sofort eine intensiv blaue Farbe an. Öfters konnte ich in den nach 24 stündiger Dauer des Versuches ausgeschiedenen Tropfen zahlreiche Bakterien nachweisen. Bei Malope trifida, Sidaicea Candida, Abntilon-Avten u. A. fand ich in der ausgeschiedenen Flüssigkeit unter dem Mikro- skope kleinere und grössere Partien einer schaumig aussehenden farblosen Substanz; bei Zusatz von Alkannatinktur oder Böhmer's Hämatoxylin färbten sich dieselben sofort schön blau, was auf alkalische Reaction derselben hinweisst. Auf- fallend ist es, dass bei Hibiscus unideiis Li ndl. und Plagi- aiithns pulchelhis (Bonpl.) A. Gr. die anfangs nur an den Blattzähnen erscheinenden Tropfen neutral, die später auf der Blattfläche auftretenden alkalisch reagiren.

IL Wasserausseheidung bei Phaseolus multiflorus Wi 1 1 d.

Ebenso wie für die Malvaceen, stelle ich auch für Pha- seolus multiflorus keineswegs die Möglichkeit in Abrede, dass die vielbesprochenen Drüsen- oder Keulenhaare ganz oder theilweise die Wasserausscheidung besorgen können; aber die bisher hiefür angegebenen Beweise erscheinen mir noch keines- wegs einwandsfrei, wie ich bereits in meiner früheren Arbeit^

1 Ebenso verhält sich das Secretwasser von Phaseolus multiflorus Willd. und (nach Ko Orders, Über die Blüthenknospen-Hydathoden einiger tropischen Pflanzen, Leyden 1897) das Kelchwasser von Spathodea campanulata Beauv. und Clerodendron Minahassae T. et B. ; dagegen zeigte sich das Kelchwasser von Nicandra physaloides Gärtn. und Juaiiulloa parasitica Ruiz. et Par. nur schwach alkalisch ; Farmcntiera cenfera Seem. schwach sauer. Ich fand eine neutrale Reaction bei: Hordeum vulgare L., Tropaeolum majus L., Cir.e- raria rugosa hört., Tradescantia zebrina hört., Calla sp., Popultts nigra L. Salix sp., Helianthus annuus L., Saxifraga laevis; eine schwach alkalische Reaction bei Saxifraga mutaia L. und Bryophyllum calydnum Salisb.

2 Untersuchungen über die Ausscheidung von Wassertropfen an den Blättern. Diese Sitzungsber., Bd. CV, S. 545 ff.

Ausscheidung von Wcissertropfen an Blättern. oJi

auseinandergesetzt habe. Ich habe da die Ansicht ausgesprochen, dass die Wasserausscheidung bei Phascolus moghcherweise durch die Spaltöffnungen erfolgen könne, von denen einige, ins- besondere an den Seiten der Blattrippen, wo stets die stärkste Secretion stattfindet, den typischen Wasserspalten sehr ähnlich sehen. Wenn diese Spaltöffnungen, wie Haberlandt^ angibt, auf Zusatz von verdünntem Glycerin sich ganz oder nahezu ganz schliessen, so beeinträchtigt das durchaus nicht die An- sicht, dass dieselben als Wasserspalten functioniren können; denn ich habe früher ^ unter Anführung vieler Beispiele darauf hingewiesen, dass die Starrheit der Schliesszellen keineswegs ein Criterium für echte Wasserspalten ist.

Als weiteren Beweis dafür, dass das Wasser hier nicht durch die Spaltöftnungen austreten könne, führt Haberlandt^ folgenden Versuch an: Er verdunkelte einen in einem U-förmigen Glasrohre befestigten Spross von Phaseolus durch 9 Stunden und wendete dann künstlichen Druck an, worauf die Secretion nach 12 Stunden erfolgte; die Spaltöffnungen erwiesen sich bei näherer Untersuchung als vollständig geschlossen. Demgegen- über muss ich anführen, dass ich bereits im vorigen Jahre ganze PJiaseoliis-?ÜQ.nzen und Sprosse derselben verdunkelte und hierauf die Spaltöffnungen prüfte. Ich habe diese Untersuchungen heuer wiederholt; abgeschnittene, in Wasser stehende Sprosse zeigten nach 12 stündiger Verdunkelung die Spaltöffnungen theilweise vollständig geschlossen, theilweise ganz oder halb geöffnet. Bei einer intacten, kräftigen Pflanze waren die Verhält- nisse so; nach 12 stündiger V^erdunkelung kein Verschluss der Spaltöffnungen, ebenso nach 24 Stunden; nach 48 Stunden waren nur einige geschlossen, andere geöffnet. Die der Stahl- schen Kobaltprobe unterzogenen Blätter ergaben ebenfalls ein positives Resultat; die Röthung trat nach ki^rzer Zeit ein.

Es ist somit sehr wahrscheinlich, dass bei dem von Haberlandt durchgeführten Versuche. wenigstens eine Anzahl von Spaltöffnungen mehr oder weniger geöffnet waren.

1 Zur Kenntniss der Hj^dathoden. Jahrb. für wiss. Bot., Bd. XXX, S. 523-

2 Kritische Untersuchungen über die sogenannten Wasserspalten. Nova acta, Bd. LXIV, S. 167.

3 Zur Kenntniss der H3'dathoden, 1. c. S. 523.

398 A. Nestler,

Ich habe ferner die Thatsache hervorgehoben, dass die mit SubHmatalkohol zum Zwecke der Tödtung der Trichom- hydathoden bepinselten Blätter bisweilen schon nach 48 Stunden abfallen. Wenn Haberlandt darauf entgegnet, dass es kaum nöthig sei, die Haltlosigkeit dieses Einwandes näher zu wider- legen, so muss ich darauf hinweisen, dass es mir nur darum zu thun war, ad oculos zu demonstriren, wie einschneidend in das ganze Leben des Blattes eine derartige, selbst mit grosser Vorsicht ausgeführte Bepinselung ist.

Sowohl bei Anwendung ganzer Pflanzen (Phaseolus und Malvaceen) als auch einzelner in Wasser stehenden Sprosse oder Blätter und bei Anwendung künstlichen Druckes, wobei die eingepresste Flüssigkeit Brunnenwasser oder destillirtes Wasser oder eine Kupfervitriollösung war, fand ich stets zum mindestens einen Theil der Intercellularen des Mesophylls mit der betreffenden Flüssigkeit erfüllt.

Wenn Haberlandt sagt, dass nach seinen Untersuchungen die Keulenhaare bei Phaseohis weder ein öliges, noch ein harziges oder gummiartiges Secret weder im Zellinhalt noch in den Aussenwänden besitzen, so lässt sich aus diesen negativen Prämissen kein endgiltiger Schluss auf die Function dieser Trichome ziehen.^

1 Dass hier die Entscheidung nicht leicht ist, beweisen auch die Ansichten anderer Forscher über dieselbe Frage: Treub, welcher zuerst aufTrichom- hj^dathoden, und zwar auf die Drüsenschuppen in den Wasserkelchen von Spathoäea campannlata Beauv. hinwies (.A.nn. du Jardin bot. de Buitenzorg, III. Bd., 1889), sagt, dass diese Organe hier möglicherweise die Secretion besorgen. Nach Goebel (Über die biologische Bedeutung der Blatthöhlen bei Tozzia und Lathraea, Flora 1897, Heft III, S. 450) ist es höchst wahr- scheinlich, dass die Schilddrüsen in den Blatthöhlen von Tozzia und Lalhmca wasserabsondernde Organe sind. Obwohl die zwischen den beiden mittleren Deckelzellen dieser Drüsen befindliche kleine Öffnung sehr dafür spricht, dass hier thatsächlich eine Wassersecretion stattfinden kann, ist Goebel selbst durch diesen Nachweis noch nicht vollkommen von der Bedeutung dieser Organe überzeugt; er sagt (1. c. S. 451): »Eine directe Fest- setzung, dass die Wasserabsonderung durch diese Drüsen erfolgt, ist bei der Kleinheit derselben kaum möglich; was die kleinen Köpfchendrüsen anbelangt, welche neben den Schilddrüsen vorkommen, so ist ihre Function unbekannt, was übrigens auch für die meisten kleinen Drüsenhaare anderer Pflanzen gilt. Dagegen hat nun Haberlandt in seiner letzten .\rbeit (Zur Kenntniss der

Ausscheidung von Wassertropfen an Blättern. 390

Es scheint mir gar nicht unmögHch zu sein, die Wasser- secretion bei Phaseolus mnltißorns direct unter dem Mikroskope zu beobachten und eine sichere Entscheidung zu fällen. Die von mir diesbezüglich bereits angestellten, aber noch nicht zum Abschluss gebrachten Versuche sind folgende:

Wenn man in eine Schale, deren Boden mit einer massigen Wasserschichte bedeckt ist, ein abgeschnittenes Fiederblatt von Phaseolus so legt, dass die morphologische Oberseite derselben das Wasser berührt, während der kurze, gewöhnlich normal zur Lamina stehende Blattstiel ausserhalb des Wassers liegt, und das Ganze unter eine Glasglocke stellt, welche unten mit Wasser abgesperrt ist, so findet die Wasserausscheidung auf der morphologischen Blattunterseite genau in derselben Zeit und mit derselben Stärke statt, wie bei einer intacten Pflanze. Da wegen der horizontalen Lage des Blattes das ausgeschiedene Wasser nicht abfliessen kann, so lässt sich auf diese Weise der Beginn und der Verlauf der Secretion in sehr schöner und bequemer Weise verfolgen. Ich habe nun ein kleines Glas- kästchen construirt 8 cm lang, 5 cm breit und 1 cm hoch das bequem auf den Tisch des Mikroskopes unter das Objectiv^ gestellt werden kann. Auf den Boden dieses Kästchens kam eine ganz dünne Wasserschichte und auf dieselbe ein ent- sprechend kleines Fiederblatt von Phaseolus so zu liegen, dass die morphologische Oberseite desselben die Wasserschichte berührte; die dem Objective zugekehrte Glasplatte des Kästchens wurde, um das Anlaufen zu verhindern, mit Glycerin bestrichen und dann die eine bisher offen gehaltene Seite vollständig geschlossen. Die Secretion des liquiden Wassers trat in diesem engen Räume genau so ein wie unter den normalen Verhält- nissen. Da die Beobachtung der Ausscheidung nur bei auf- fallendem Lichte möglich ist, so ist es nothvvendig eine ent- sprechende Linse zur Beleuchtung des Objectes aufzustellen. Leider nöthigte mich die Höhe des Kästchens, nur ein sehr schwaches Objectiv anzuwenden, weshalb die Drüsenhaare und die Spaltöffnungen nicht deutlich sichtbar waren. Auch

Hydathoden, 1. c. S. 515 ff.) eben diese Köpfchenhaare von Lathvaea als Wassersecretionsorgane bezeichnet.

Sitzb. d. mathem.-naturw. GL; CVI. Bd., Abth. I. 27

400 A. Nestler,

die Beleuchtungslinse war nicht hinreichend kräftig. So viel aber geht schon jetzt aus diesen Voruntersuchungen hervor, dass auf diese Weise der directe Nachweis möglich ist, ob die Wasser- ausscheidung bei Phaseoltis multißorus durch Trichome oder auf andere Weise vor sich geht. Auf eben dieselbe Weise wird es auch gelingen, für die Malvaceen die Hydathoden festzustellen.

III. Wasserausseheidung an abgeschnittenen Sprossen von Tropaeolum majus L.

Abgeschnittene, in Wasser stehende Sprosse von Pliaseolus multiflorus Willd. scheiden im feuchten Räume sehr stark auf der Unterseite der Laubblätter, schwächer auf der Oberseite derselben liquides Wasser aus.^ Es müssen ganz bedeutende osmotische Druckkräfte vorhanden sein, welche bewirken, dass das Wasser förmlich von den Blättern tropft.

Diese Secretion tritt nur dann, und zwar sehr reichlich ein, vvenn die betreffenden Sprosse oder auch einzelne Blätter von kräftigen, im Freien cultivirten Exemplaren genommen werden. Verwendet man aber Sprosse von im Zimmer cultivirten Pflanzen^ so wird der Versuch kein oder nur ein schwaches Resultat liefern: ein weiterer Beweis für die oft unberücksichtigt ge- lassene Thatsache, dass physiologische Versuche mit bei ge- wöhnlicher Zimmerluft gezogenen Pflanzen, welche sonst im Freien cultivirt werden, nicht immer richtige Schlüsse gestatten.

An einem ganz jungen Blatte eines unter Wasser ab- geschnittenen Zweiges von Tropaeolum inajiis L. das schwächlich gebaute Exemplar war im Kalthaus gezogen worden konnte ich, wie ich bereits früher mitgetheilt habe,^ eine ganz geringe Ausscheidung bemerken, und zwar bereits nach 12 Stunden, nachdem derselbe, im Brunnenwasser stehend, in den feuchten Raum gebracht worden war. Auch bei dieser Pflanze wird die unter den genannten Umständen erfolgende

1 Nestler, Untersuchung über die .A.usscheidung von Wassertropfen an den Blättern. Diese Sitzungsber., Bd. CV, S. 547.

2 L. c. S. 524.

Ausscheidung von Wassertropfen an Blättern. 401

Secretion ganz erheblich verstärkt, wenn die zu dem Versuche verwendeten Pflanzentheile von kräftigen, im Freien cultix'irten Individuen genommen werden.

In der Luft abgeschnittene, beblätterte Sprosse, welche im Brunnenwasser standen, schieden unter der Glasglocke nach drei Tagen Wasser in Tropfenform aus, und zwar zunächst an den jüngeren Blättern an den Enden der VVasserleitungsbahnen, also an den normalen Secretionsstellen, am vierten Tage auch an einigen älteren Blättern. Der Ort, wo die Wassertropfen sich zeigten, Hess deutlich erkennen, dass hier kein Thaubeschlag vorlag. Um den Einfluss einer eventuell bereits vorhandenen Wurzelbildung zu beseitigen, wurde an der Basis des Stengels ein Stück von 3 cw Länge unter Wasser abgeschnitten, nachdem die an den Blättern secernirten Tropfen abgetupft worden waren. Der beblätterte Rest schied bereits nach 12 Stunden an den jüngeren, später auch an den älteren Blättern Wassertropfen aus. Hierauf wurde noch ein Stengelstück abgeschnitten, worauf abermals die Secretion nach kurzer Zeit beobachtet werden konnte.

Im Dunkeln findet diese bei abgeschnittenen TropaeoJnm- Sprossen eintretende Wassserausscheidung viel früher durch- schnittlich bereits nach 24 Stunden statt, als im diffusen Lichte, wie die diesbezüglichen Versuche lehrten ; in der Stärke der Ausscheidung wurde aber kein Unterschied bemerkt, ob die Zweige unter sonst gleichen Bedingungen im Lichte oder im Dunkeln standen.

Im Thermostaten bei constanter Temperatur von 25° C. trat bereits nach 24 Stunden eine schwache, nach 48 Stunden eine starke Ausscheidung am Stengel ein.^

1 Das Phänomen der Wasserausscheidung findet bei einer Anzahl von Pflanzen bei jeder niederen und wahrscheinlich auch bei jeder hohen Tempe- ratur statt, bei welcher die betreffende Pflanze überhaupt noch am Leben ist, vorausgesetzt dass ein entsprechender Feuchtigkeitsgehalt der Luft vorhanden ist. Was die Ausscheidung bei niederer Temperatur anbelangt, so konnte ich durch einige Wochen hindurch beobachten, dass bei nahezu constantem -+-3-5° C. und bei einem Feuchtigkeitsgehalt der Luft von 97 98 morgens, mittags und abends ununterbrochen eine starke Secretion stattfand bei: Tfopacohiiii iiuy'iis L., Miiniilns inoscJiatus L., Cineraria nigosa (hortorum.

402 A. Nestler,

Im Hinblick auf die von einigen Forschern^ geäusserte Ansicht, dass Wassersecretion an abgeschnittenen Sprossen, und zwar an den normalen Wasserausscheidungsstellen, wo Epithem und VVasserspalten vorhanden sind, die active Theil- nahme des Epithemgewebes an der liquiden Secretion beweisen könne, muss ganz besonders hervorgehoben werden, dass auch an den Stengeln abgeschnittener Tropaeolum- Sprosse aber nicht an den Blattstielen nicht selten kleinere und grössere, bisweilen sogar eine relativ bedeutende Menge ausgeschie- dener Wassertropfen wahrgenommen wurden, also an solchen Stellen, wo von vornherein ein Epithemgewebe vollständig ausgeschlossen ist. Um den Bau dieser Ausscheidungsstellen an dem Stengel untersuchen zu können, wurde zunächst um je einen ausgeschiedenen Tropfen ein kleiner Kreis mit Tusch angebracht; auf diese Weise waren die Secretstellen genau markirt. Die anatomische Untersuchung derselben zeigte, dass hier das Wasser durch Spaltöffnungen ausgetreten war, welche in Lage und Form von den gewöhnlichen Stomata etwas abweichen: die beiden Schliesszellen (Fig. 10) bilden in der Flächenansicht der Epidermis eine kreisrunde Form; sie haben eine weite, runde Öffnung und liegen ein wenig unter dem Niveau der Epidermiszellen; ihre innere Athemhöhle ist von rundlichen Parenchymzellen begrenzt, wie sie ganz allgemein unter der Stengelepidermis liegen. Bei Zusatz von 107o Koch- salzlösung wird die Centralspalte etwas verengt, selten ganz geschlossen, eine Erscheinung, welche auch bei typischen Wasserspalten - (z. B. bei SteUaria media, Fiichsia u. a.) beob- achtet werden kann, wenn diese Spaltöffnungen nicht zu alt sind. Von einem Epithemgewebe ist keine Spur vorhanden, Trichome fehlen ebenfalls. Derartige eben beschriebene Spalt- öffnungen sind bei aufmerksamer Durchmusterung der Stengel- epidermis nicht schwer zu finden, fehlen aber, wie es scheint, vollkommen den Blattstielen.

Wasser- und Erdculturen), Calla sp., Colens sp., Eqnisetuni hieinalc L., Ver- schaff eltia Sp. LI. A.

1 Vergl. Haberlandt, Das tropische Laubblatt, 1. c. S. 85.

- Nestler, Kritische Untersuchungen über die sogenannten Wasser- spalten. Nova acta, Bd. LXIV, Nr. 3, S. 167.

Ausscheidung von Wassertropfen an Blättern. 403

Aus diesen Untersuchungen geht hervor, dass die unter günstigen Umständen an den Enden der Wasserbahnen aus- tretenden Wassertropfen nicht auf die active Thätigkeit des Epithemgevvebes zurückgeführt werden können, da dieselbe Erscheinung unter den gleichen Bedingungen auch an solchen Stellen eintritt, wo kein Epithemgewebe vorhanden ist. Es werden unter den bezeichneten Verhältnissen gewisse osmo- tische Kräfte wirksam, welche jenes Phänomen veranlassen.

IV. Bisher nicht beobachtete Ausscheidung bei einigen Pflanzen.

Im Folgenden gebe ich einige Details über Wasserausschei- dung von Pflanzen an, welche bisher nicht beachtet worden ist.

Polygonatum officinale All.

Nicht blühende, mit je drei Laubblättern versehene Triebe, im September gesammelt, wurden sammt dem Wurzelstocke, welcher in der Erde des natürlichen Standortes geblieben war, in einen feuchten Raum gebracht. Erst nach fünf Tagen zeigten die Blätter an der äusseren Spitze je einen Wassertropfen. An der Stelle der Secretion konnte ich weder einen Riss, noch eine Spaltöffnung erkennen; die Epidermiszellen zeigten den normalen Bau; die hier sich vereinigenden Gefässbündelstränge lassen einige wenige frei endende Tracheiden erkennen, welche durchschnittlich 0*2 mm von der äussersten Blattspitze entfernt sind; ein Epithemgewebe fehlt vollständig.

Juncus articulatus. L.

Junge Pflanzen zeigen unter günstigen Verhältnissen in kurzer Zeit das Phänomen der Wassersecretion, und zwar an der Blattspitze, aber noch auf der morphologischen Oberseite des Blattes, seltener am Rande des Blattes 2 4 cm von der Spitze entfernt. Hier geschieht der-Ausfluss des Wassers durch Wasserspalten, welche in der Flächenansicht denen der Gräser sehr ähnlich sind. Sie sind zum Unterschiede von den länglichen Luftspalten mehr weniger rund und mit einem kleinen runden Porus versehen (Fig 11, 12). Die ersten Wasserspalten liegen unmittelbar an der Blattspitze über den drei hier sich vereini-

404 A. Nestler,

genden Gefässbündelsträngen. Auf dieselben folgt knapp am Rande des Blattes je eine Reihe von Spaltöffnungen, von denen aber nur die der Spitze zunächst liegenden die Form von Wasserspalten erkennen lassen; bisweilen zeigen nur die ersten fi^nf Spaltöffnungen dieser Reihen eine von den Luftspalten verschiedene Form, während die folgenden mehr oder weniger den Luftspalten gleichen. Sie sind entweder genau über dem Randstrange oder ein wenig seitlich von demselben angeordnet. Dass sie der Wassersecretion dienen, zeigt die directe Beob- achtung; bei älteren Blättern, welche eine braune, vertrocknete Blattspitze haben, kann man stets die Tropfenausscheidung am Rande wahrnehmen. Ausser einigen ganz vereinzelt vor- kommenden Spaltöffnungen auf der übrigen Fläche sind die Randspalten die einzigen der morphologischen Blattoberseite. Die Verhältnisse der Wassersecretion sind demnach bei Jnncus articuhiiiis L. dieselben, wie bei Tradescaiitia viridis (hortorum)^ und bei der folgenden Species.

Dichorisandra discolor.

0" 16 iniit vom Rande des Blattes entfernt verläuft ein Rand- strang, dessen Holztheil aus drei bis vier grösseren und einigen kleineren Spiraltracheiden besteht; an diesen Holztheil schliessen sich einige wenige Bastelemente an. Über diesem Strange zeigt die Oberseite des Blattes eine kleine, rippenförmige Erhebung, welche dem Blattrande parallel verläuft und schräg gegen diesen abfällt. Auf dieser Emporwölbung liegt eine Reihe von Spalt- öffnungen, welche in Entfernungen von durchschnittlich O'l inin von einander stehen und ebenso gebaut sind, wie die Wasser- spalten von Tradescantia viridis: die deutliche, äussere Athem- höhle, welche den Luftspalten fehlt, und der weit geöffnete Porus zeigen ihre besondere Function an: jede im feuchten Räume stehende Dichorisandra lässt an dem bezeichneten Orte die Wasserausscheidung erkennen. Ausser diesen Wasser- spalten hat die morphologische Blattoberseite noch sehr ver- einzelte Luftspalten, zerstreut über die Blattfläche.

1 Nestler, Untersuchungen über die Ausscheidung von Wassertropfen an den Blättern; 1. c. S. 541.

Ausscheidung von Wassertropfen an Blättern. 405

Schizostylis coccinea.

Ausscheidung nur an der Spitze der schmalen grasähn- Hchen Blätter, und zwar entweder auf der Ober- oder auf der Unterseite; hier liegen unmittelbar hinter der Blattspitze mehr oder weniger zahlreiche typische Wasserspalten, welche schon durch ihre Form sich deutlich von den Luftspalten unter- scheiden.

V. Zusammenfassung".

In derselben Weise, wie ich bereits fih- Phaseolus multi- floriis Willd. nachgewiesen habe (Sitzungsb. der kais. Akad. der Wiss. in Wien, Bd. CV) findet auch bei vielen (wahrschein- lich bei allen) Malvaceen sehr reiche Ausscheidung flüssigen Wassers an den Blättern sowohl intacter Pflanzen, als auch abgeschnittener Sprosse, sogar an einzelnen Blättern statt, und zwar vorherrschend auf der morphologischen Unterseite, schwächer auf der Oberseite derselben. Durch diese Beobach- tung ist die bisher geltende Ansicht widerlegt, dass bei den Malvaceen überhaupt keine Wasserausscheidung in Tropfen- form vorkommt. Untersucht wurden: Althaea, Abolition, Malva, Lavatera, Palava, Hibisais, Plagimitkus und Kitaihelia. Es ist vorläufig unbestimmt, ob hier die Secretion durch Trichome, Spaltöffnungen oder sehr eigenthümlich gebaute Schleimzellen erfolgt.

Auch für Phaseolus mnltißorns Willd. ist bisher kein end- giltiger Beweis erbracht worden, dass hier die Ausscheidung, wie auf Grund der Untersuchungen von Haberlandt an- genommen wird, durch Drüsenhaare erfolgt.

Abgeschnittene, im Wasser stehende kräftige Sprosse von Tropaeohim majns L. scheiden im feuchten Räume nicht nur an den Gefässbündelenden am Rande der Blätter, sondern auch am Stengel liquides Wasser- aus, und zwar im letzten Falle durch Spaltöffnungen, welche typischen Wasserspalten ähnlich sind.

Weitere Beispiele dafür, dass die Wasserausscheidung in flüssiger Form auch an solchen Stellen stattfinden kann, wo weder Gefässbündelenden noch ein Epithemgewebe sich

406 A. Nestler, Ausscheidung von Wassertropfen an Blättern.

vorfindet, sind ausser Tradescantia viridis (hortorum) und Tropaeoltim ntajtis L. noch Jimcns artictilatns L. und Dichori- saiidra discolor.

Erklärung der Zeichnungen.

Fig. 1 —4. Trichome von Althaca cannalnna L. (1, 3, 4) und Althaea rosca L. (2).

V. 200. Fig. 5 9. Schleimzellen der Malvaceenblätter:

5. Epidermiszelle der Blattoberseite von Sidalcea Candida A. Gr. in der Flächenansicht; die Aussenmembran ist scheinbar durch ein Loch perforirt.

6. Epidermiszelle der Blattoberseite von KitaibcUa vitifoUa L. Über dem scheinbaren Loche liegt ein Zellkern, umgeben von schau- migem Plasma.

7—9. Querschnitte durch Schleimzellen der Blattoberseite von Sidalcea Candida A. Gr. (7 = Alkoholmaterial und in Alkohol unter- sucht; Sund 9 = Schnitte durch ein lebendes Blatt und in Wasser untersucht). 5 in Fig. 7 = Schleimschichten ; in 8 und 9 ist der Schleim (5) nicht mehr vorhanden; m zarte, in der Mitte sackartig erweiterte, bisweilen verschiedenartige Ausstülpungen (9) zeigende Membran; oberhalb derselben ein Zellkern und Plasma. V. 320.

Fig. 10. Wasserspalte am Stengel von Tropaeolnm majus L.

Fig. 11 12. Wasserspalten an der Blattspitze von Jitncus articnlatus L. V. 300.

A.NesUer: Ausschoidunu-von WasstM-li-opfen an den IJläitern.

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Sitzungsberichte d.kais.Akad, d.Wiss., math.-naturw.Classe, Bd.CVl. Abth. I. 1897.

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407

Vorläufiger Berieht über die pelagische Tiiier- welt des Rotlien Meeres

von Dr. Adolf Steuer.

(Mit 1 Karte.)

Vor einigen Monaten wurde ich durch gütige Verwendung des w. M. Herrn Hofrath Dr. F. Steindachner von der Tiefsee-Commission der kaiserl. xA.kadeiTiie der Wissenschaften mit der Aufgabe betraut, im Vereine mit den Herren Dr. C. Schneider und Dr. F. Werner das während der letzten Expedition S. M. Schiff »Pola« im nördlichen Theile des Rothen Meeres gesammelte Planktonmaterial zu sortiren. Eine all- gemeine Übersicht über die Masse des Erbeuteten, aus der sich vielleicht schon einige Schlüsse über die Verbreitung der einzelnen Thiergruppen ziehen lassen, schien mir nicht ganz aussichtslos, und einer Aufforderung des w. M. Herrn Hofrath Dr. F. Steindachner folgend, übergebe ich Nachstehendes der Öffentlichkeit als, wie ich glaube, vielleicht nicht uner- wünschte Vorarbeit für die später folgenden speciellen Be- arbeitungen der einzelnen Thiergruppen.

Den Herren w. M. Hofrath Dr. F. Steindachner, Dr. C. Schneider und Dr. F. Werner bin ich für verschiedene, mir ertheilte Auskünfte sehr verpflichtet. Ganz besonderen Dank schulde ich dem Herrn k. k. Regierungsrath Josef Luksch in Fiume, der die Liebenswürdigkeit hatte, mich über die physi- kalischen-oceanographischen Verhältnisse im Rothen Meere in ausführlicher Weise zu informiren.

Auf der beigegebenen Karte sind die einzelnen Plankton- fänge, für die eine eigene Numerirung angewendet wurde, verzeichnet, und durch entsprechende Verbindung derselben

408

A. Steuer,

mit geraden Linien ist eine Übersicht über die Reiseroute des Schiffes gegeben. Die eingezeichneten Ströme entnahm ich einer mir von Herrn Regierungsrath Luksch eingesandten Skizze. Auf der folgenden Tabelle bezeichnet Nr. a die allgemeinen Stationen, Nr. b die Planktonfänge.

Zeichenerklärung.

Q selten, 0 häufiger, -|- sehr häufig, ^ massenhaft.

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Die fettgedruckten Zahlen sollen die Tannernetzfänge andeuten.

Pelagische Thierwelt des Rothen Meeres.

409

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durchaus mit

Nr. 84 bezeichnet.

Pelagische Thierwelt des Rolhen Meeres.

411

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Mol- lusca

Crustaceen

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Cope- poden

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Proto- zoen

Anmerkung

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fanden sich in 52 Fängen, und zwar enthielten circa 33 Radio- larien und 51 Rhizopoden. Das Aussuchen dieser kleinen Organismen ist selbstredend ungemein mühsam, und es mögen namentlich unter den zarteren Radiolarien einige entgangen sein, weshalb ihre Zahl etwas zu klein angegeben sein dürfte; immer- hin scheinen thatsächlich die Radiolarien die Rhizopoden an Masse und Häufigkeit nicht zu übertreffen.

Über ihre Verbreitung im untersuchten Gebiete lässt sich Folgendes berichten : Im Golf von Suez waren sie durchaus nicht häufig, nur drei von den sechs Fängen enthielten Rhizopoden in nicht beträchtlicher Menge. Viel häufiger waren sie im süd- lichen Theile anzutreffen und namentlich in den Fängen 30, 28, 23, 20, 19, 22, 35 (in auf- und absteigender Reihe geordnet) in auffallender A4enge. Den Tannernetzfängen fehlten sie voll- kommen oder waren nur in geringer Zahl zu finden.

Als besonders charakteristisch fielen uns auf: eine grosse Glohigerma, ferner AmphiloncJie, Acmithometrideii.

Selbstverständlich waren auch überall Ceratien und ver- wandte Formen mehr minder häufig, die wegen ihrer Kleinheit nicht isolirt wurden.

Coelenteraten

enthielten 51 Fänge, wenn auch vielfach nur in recht wenig günstigem Erhaltungszustand, so dass wohl eine nähere Be- stimmung bei vielen nur schwer möglich sein wird.

412 A. Steuer.

Die reichsten Fänge stammen aus dem Golf von Suez, und unter ihnen wieder war Nr. 58 der ausgiebigste; sonst fanden sich Coelenteraten nur noch bei Senafir in grösseren Mengen. Im übrigen waren sie eine regelmässige Beute, doch nie in erheblicher Individuenzahl.

Der Güte des Herrn Dr. Camillo Schneider verdanke ich folgende Namenliste: Fang Nr. 6P Athorybia (in Fomol), Nr. 12 z\Me\Ahyla (in Alkohol), Nr. 36 eine Diphyes quadrivalvis-Glocke, Nr. 21 zwei Crystallodes, Nr. 8 einige Calycophoren (Alkohol), Nr. 74 Abyla. Alle Formen, mit Ausnahme von Crystallodes, sind aus dem Mittelmeere bereits bekannt. Ausserdem fanden wir noch neben unterschiedlichen Diphyidenglocken Siriope und Aglaiira etc.

Echinodermen,

und zwar P////^7/5-Formen und junge Seesterne, fanden sich nur in circa 12 Fängen.

Vermes

waren in dem untersuchten Material durchaus nicht selten, ohne jedoch durch sehr bedeutende Individuenzahl besonders aufzufallen. Nur die Sagitten, welche isolirt wurden, machten da eine Ausnahme und an Häufigkeit des Vorkommens sowohl wie an Individuenzahl sogar den ausgesprochensten Auftrieb- thieren, den Copepoden, Concurrenz, ohne ihnen jedoch zu- vorzukommen. Sagitten waren allein in 57 Fängen enthalten, während die übrigen Vermes nur 54 mal gefunden wurden. Auf- fallend selten war Sagitta in Fang Nr. 9 (2 Stück), das grösste Exemplar wurde auf Station 91 gefangen.^

Besondere Aufmerksamkeit wurde noch den Turbellarien geschenkt, die in den Fängen 7 (1 Stück), 11 (1 Stück), 12, 14, (häufig), 25 (1 Stück), 29, 30 (1 Stück), 31 (1 Stück), 33 (häufig), 35 (1 Stück), 36 (2 Stück), 44 (2 Stück), 46 (1 Stück), 49 (1 Stück), 51 (1 Stück), also in 15 Fängen erlangt wurden, und zwar, wie man sieht, zumeist in geringer Anzahl. Sie waren

1 Diese Zahlen beziehen sich auf die allgemeinen Stationsnummern. - Siehe Schlussbemerkuna; S. 12.

Pelagische Thierwelt des Ruthen Meeres. 413

im südlichen Theile des durchforschten Gebietes am häu- figsten, gleich den Mollusken nur noch bei Scherm en-No'män häufiger (4 Fänge) und fehlten dem Golf von Suez und dem mittleren Gi^irtel (von den Brothers-Inseln bis 24° 15') voll- kommen.

Als besonders charakteristisch wären noch zu erwähnen: Polynoe- und Spionidenlarven, verschiedene kleine Polychaeten, Touiopteris etc.

Crustaceen

\varen, wie zu erwarten, im Auftrieb am reichsten vertreten. Wir isolirten

Cladoceren aus 7 Fängen, von denen 4 auf den Golf von Suez entfallen (48, 57, 47, 56); wir finden sie darin bis Nr. 47 in aufsteigender Häufigkeit, in Nr. 56 waren sie in geringerer Anzahl. Die Fänge 1, 2, 5 liegen auf offener See; von ihnen enthält der mittlere (bei den Brothers-Inseln) die grösste Anzahl. Südlich von 24° 27 ' wurden sie nicht mehr gefunden.

Unter den Cladoceren fiel uns besonders Evadne auf, ein Thier, das bereits von den Kieler Forschern quantitativ unter- sucht wurde, was eine ähnliche Bearbeitung im Süden, des Ver- gleiches wegen, sehr wünschenswerth erscheinen lässt. Evadne dürfte sich zu solchen Studien besonders eignen.

Gstracoden fanden wir in 39 Fängen, und zwar in einigen Arten. Am häufigsten waren sie wie die Cladoceren im Golf von Suez, wo ich sie unter 5 Fängen viermal als »sehr häufig« verzeichnete; sonst fanden sie sich bis 21°27', bis wohin die »Pola« ungefähr nach Süden segelte, allenthalben häufig, oft, wie es scheint, in grösseren Ansammlungen, so vor Scherm en-No'män, während sie in der Gegend von Mersa Dhibä' nicht ins Netz kamen; die Gstracoden bevölkerten nicht nur die Ober- fläche, sie wurden auch mit dem Tannernetz in grösseren Tiefen gesammelt, so in Fang Nr. 55 (820 7w), 34 (1000 m), 21 (766 m), 24 (1200 m), 8 (380 w).

Copepoden sind zum Leidwesen des Sortirenden in jeder Planktonausbeute bei weitem in grösster Anzahl, in Bezug auf Individuen, Zahl und Anzahl der Fundorte die gemeinsten Thiere. Von den 59 Planktonfängen der Pola-Expedition fehlten

414 A. Steuer,

sie in i<;einem Falle vollständig, wenngleich sie einmal, in Fang Nr. 29 nur durch wenige Sapphirinen vertreten waren. In ähnlicher Weise wie die beiden vorhergehenden Gruppen waren auch die Copepoden im Golfvon Suez, also in den Fängen 48, 57, 47, 58, 56, 59 in ungeheueren Massen vorhanden, wie über- haupt im westlichen Theile vielleicht noch häufiger als im östlichen, d. i. an der arabischen Küste; nur die Gegend vonScherm en-No'män und theilweise der Süden gleicht diesbezüglich wieder der Westküste. In den mit Tannernetz ausgeführten Fängen, namentlich in Nr. 55, 34, 21, 24 traten die Copepoden an Masse sehr bedeutend zurück; sonst waren sie nur noch in Fang 3 seltener.

Als Stichprobe mag es uns gestattet sein, aus dieser um- fangreichen und für die Frage der Verbreitung pelagischer Seethiere so ungemein wichtigen Gruppe zwei Geschlechter herauszugreifen und ihre Verbreitung etwas eingehender zu verfolgen: Copilia und Sappkirina; erstere interessirt den Freund moderner Planktonforschung vornehmlich durch die vorzügliche Arbeit von F. Dahl, der auch der entschiedenste Gegner dieser Richtung die gebührende Anerkennung nicht versagen kann. Die Sapphirinen wurden wegen ihrer speciellen Bearbeitung vom Verfasser isolirt; sie sind auch nahezu das einzige Copepodengenus, über dessen Verbreitung im östlichen Theile des Mittelmeeres, der uns hier zunächst interessirt, wir nun einigermassen informirt sind.

Copilia wurde in 44 Fängen gefunden; die ergiebigste Ausbeute wurde wiederum in Scherm en-No'män gemacht (Nr. 51, 50, 49, 52, 46, 54); sonderbarer Weise ist Copilia im Golfe von Suez durchaus nicht sehr häufig: nur Fang 48 und 47 enthielten diese Thiere und noch dazu in nicht bedeutender Individuenanzahl. Am rarsten war Copilia in den Fängen Nr. 1 1 und 55; ersterer brachte 1, letzterer, n. b. wieder ein Tanner- netzfang, 2 Exemplare zu Tage. In 4 Tannernetzfängen fehlte Copilia vollkommen. (Fang 5 und 5 a ist leider bedeutungslos, wie die Anmerkung in der Tabelle besagt; es ist möglich, dass auch hier im Tannernetzfang Copilien fehlten.)

Sapphirinen waren in 35 Fläschchen vertreten und, wie man sieht, nicht nur in Bezug auf die Anzahl der Fänge, sondern

Pelagische Thierwelt des Rothen Meeres. 415

auch an Individuen bedeutend spärlicher als Copilia. Was ihre Verbreitung anlangt, so lehrt meine Karte, auf der ich mir die Fundorte der einzelnen Thiere und Thiergruppen der Über- sicht wegen in verschiedenen Farben eintrug, Folgendes: Dem Golfe von Suez fehlten sie vollkommen. Im Übrigen waren sie ziemlich gleichmässig ausgebreitet; in etwas grösserer Anzahl kamen sie nur in Fang Nr. 26 (vor Rabig) ins Netz. Schon dem wissenschaftlichen Leiter der Expedition, dem w. AI. Herrn Hofrath Dr. F. Steindach n er fiel es, nach einer mir gemach- ten mündlichen Mittheilung auf, dass die Sapphirinen diesmal sichtlich spärlicher waren als während der früheren Expeditio- nen im Mittelmeere, was man vielleicht nicht erwartet hätte, und es könnte diese Thatsache als Beweis gegen die Richtig- keit der Hensen'schen Theorie von der gleichmässigen Verthei- lung des Planktons dienen, wenn diese Theorie nicht in der Beschränkung ihrer Anwendbarkeit auf die offene See und der vielen, mehr minder offen bekannten Zugeständnisse (Strömun- gen, Winde, Temperatur etc.) ihr vielbenütztes Hinterthürchen hätte. Während im Mittelmeere manche Arten in grossen Mas- sen vorkamen (iiigromaculata, auronitens), finden wir hier, im Rothen Meere, in jedem diesbezüglichen Fange immer nur wenige Individuen, die mir in meiner künftigen Arbeit darüber genaue, zahlenmässige Angaben ermöglichen dürften, und doch sollte man, ganz abgesehen von der südlichen Lage (Sapphi- rinen kommen nur in der warmen Zone vor), meinen, dass sich das Rothe Meer doch noch weit besser dazu eigne, die vom offenen Meere hineingeschwemmten Thiere und Thierschwärme jeder Art in grossen Mengen in sich aufzunehmen.

Bezüglich der vorkommenden Species bin ich schon jetzt in der Lage, Folgendes zu berichten: Die einzige Species, die man bisher aus dem Rothen Meere kannte, war die im Mittel- meere und in der Adria sehr gemeine Sapphiriiia nigvomacu- lata, welche Krämer sammelte und Giesb recht bestimmte; ich selbst fand diese Form bis jetzt noch nicht, dagegen kann ich folgende weitere Arten anführen: bictispidata, opalina, anronitens, smiiicauda und schliesslich metallina, ein Thier, das uns wegen folgender Umstände interessirt: metallina wurde im Mittelmeere bisher nur selten gefunden; Giesbrecht fand

Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl.; GVL Bd., Abth. I. 28

416 A. Steuer,

nur ein Geschlecht. Ich selbst berichtete seinerzeit folgendes über sie: »Von den Mittelmeerexpeditionen brachte sie nur die letzte in 4 Fängen heim; diese stammten aus der Gegend bei Cazza, SO von Pelagosa, die übrigen 2 aus dem Jonischen Meer. Es ist gewiss sehr auffallend, dass diese Form nur mit dem Tannernetz aus Tiefen bis zu 500 m gefischt wurde.« Unter den Sapphirinen des Rothen Meeres fand ich sie vorläufig in der Gegend von Scherm en No'män, und zwar durchaus als Oberflächenthier; uietallina dürfte überhaupt bei dieser Expedi- tion zu den gemeinsten Sapphirinen gehören.

Von Cirripedien wurde in unserem Materiale fast nichts gefunden; nur eine sehr kleine Jugendform mit vielen Drüsen- gängen am Schalenrande fiel mir auf; ich isolirte sie aus den Fängen 25 (1 Stück), 2 (3 Stück), 57, 5. Ausserdem fanden sich noch in geringer Anzahl die bekannten Cirripedien- nauplien.

Unter den Arthrostracen nahmen an Individuenanzahl die Amphipoden weitaus die erste Stelle ein; sie wurden in jedem Fange erbeutet, nur in 2 Prangen nicht: in Nr. 34 und 21, beides Tannernetzfänge aus Tiefen von 1000 m und 766 in, die auch sonst nur wenig förderten. Die sonstigen Befunde lassen nur wenig Gesetzmässiges in ihrem Vorkommen erkennen. Im Allgemeinen kann man annehmen, dass sie im nördlichen Theile etwas zahlreicher waren als im südlichsten. In geradezu colos- salen Massen traten sie auf in Nr. 44 (Anchylomera sp.) und 17. In den mit Tannernetz ausgeführten Fängen fanden sie sich nicht, oder doch nur zumeist in geringerer x'\nzahl.

Als besonders charakteristisch fielen uns auf: Die schon genannte Anchylomera, Typhis, Vibilia, Ptatyscelns, Prinino, Synopia.

Cumaceen wurden nur zweimal, hier aber in bedeuten- der Anzahl, in den Fängen 58 und 59 im Golf von Suez erbeutet.

Etwas zahlreicher waren die

Stomatopoden, die hauptsächlich als Jugendformen (Alima und Ericlitlius) ins Netz kamen, immer jedoch in geringer Anzahl, und zwar in den Fängen Nr. 15 (St. Johns-Insel) 53, 59, 36, 40, 51 (1 Stück), 54 (1 Stück), 14 (1 Stück), 39

Pelagische Thierwclt des Rothen Meeres. 41 /

(1 Stück), 58 (1 Stück). (Ausserdem auf Station 38 [Dredschung Nr. 12] ein Stück,). Die Thiere kamen, wie man sieht, haupt- sächlich im nördlichen Theile vor.

Das Sortiren derDecapoden und Schizopoden machte wegen der Ähnlichkeit mancher Formen einige Schwierigkeit; ich zog es daher vor, beide Gruppen in der Tabelle zusammen- zuziehen. Sie fehlten nur in dem mehrervvähnten Tannernetz- tang 34 vollständig. In grösserer Menge wurden sie in Fang 54 und 5 erbeutet. Schizopoden und Decapoden dürften in ziemlich gleicher Menge vorhanden sein; nur in einigen Fängen (59, 57, 56, 50, 48, 47) herrschten wohl die Decapoden vor. Unter ihnen wurde Lncifev besonders isolirt; wir trafen ihn in 17 Fängen. Im Golfvon Suez fehlte er keinem Fange und war in Nr. 57 sogar in grosser Anzahl zu finden; aber auch im südlichen Theile, namentlich an der Ostküste, war er nicht selten und besonders in Fang 25 und 30 durch seine Individuenanzahl auffallend.

Durch Grösse und Häufigkeit fielen uns besonders auf Phyllosoma (in Station 7 und 80), ferner Elapliocaris (Tergestes- Larve), Megalopen, Porzellana, Euphausiazoeen etc.

Mollusken

wurden in 54 Fängen erbeutet, waren also durchaus nicht selten, wenngleich nie in sehr bedeutender Anzahl.. Sie fanden sich in dem durchforschten Gebiete ziemlich gleichmässig vertheilt, nur der mittlere Gürtel (zwischen 26° 30' und 24° 40') erwies sich als verhältnissmässig ärmer, zumal in Bezug auf Hetero- poden und Pteropoden. Auch die Tannernetzfänge zeigten sich wie gewöhnlich weniger reichhaltig als die mit dem Ober- flächennetz ausgeführten; nur der Fang Nr. 8 (mit Tannernetz) enthielt viele, ja fast ausschliesslich Pteropoden, was schon St ein dachner in seinem Bericht hervorhebt. Besonders arm waren Fang 37 und 7, wo nur je ein Heteropode, ferner Fang 39, wo nur ein Pteropod gefangen wurde. Heteropoden und Ptero- poden wurden beim Sortiren isolirt, den Rest bildeten meist kleine, embryonale Gastropodenschalen, die namentlich in Fang 7 recht zahlreich waren.

418 A. Steuer,

Als besonders häufig oder auffallend wären anzuführen: Creseis, Cleodora, Hyalea, Pnetimodermon, Atlanta, Synosigera, Pterotrachea, Marsenia.

Tunicaten

wurden in 54 Fängen erbeutet. Über ihre Verbreitung lässt sich nur sagen, dass sie allenthalben in dem untersuchten Gebiete gefunden wurden, wenngleich niemals in auffallender Menge. Nur die Appendicularien machten eine bemerkenswerthe Aus- nahme und sind in dieser Hinsicht mit den Sagitten unter den Vermes gleichzustellen. Der ärmste Fang war wohl Nr. 29, wo nur 2 Salpen gefangen wurden.

Grosse Exemplare, die dann nicht in Alkohol, sondern in Formol gelegt wurden und sich darin prächtig erhielten, fanden sich in Nr. 12(1 Stück), 39 (1 Stück), 54, ferner bei den Stationsnum.mern 91, namentlich aber 35a (in der Steindachner- schen Tabelle ist darüber nichts verzeichnet). Bezüglich der Erhaltung der Thiere gilt wohl auch hier das früher über die Coelenteraten Gesagte: wir konnten nur neben den zahlreichen Appendicularien Salpa und Doliolum erkennen.

Jungfische

verhielten sich in Bezug auf mehr minder gleichmässige Yer- theilung ähnlich wie die Salpen; sie traten nur selten in grösserer Anzahl, am häufigsten noch in der oft genannten Gegend von Senäfir und Scherm en-No'man auf. Steindachner er- wähnt überdies noch die Fänge von Station 27 (zwischen den pelagischen Fängen Nr. 18 und 19), 29 (= 20 pelagisch), 70 (= 47) als besonders fischreich.

Schlussbemerkung.

Erst nach Fertigstellung des A4anuscriptes bekam ich neuerdings einige Tuben zur Durchsicht, wodurch die Tabelle einige, wenn auch ganz unbedeutende Veränderungen erfahren würde. Grosse Sagitten wurden nicht nur in Fang Nr. 91 sondern auch 4 (2), 8 (5, 5a), 12 (8), 14 (10), 8(12), 25 (18), 28 (19), 30 (21), 33 (23), 34 (24), 36 (25), 37 (26), 40 (28), 43 (30), 49 (33), 80 (53) erbeutet; Salpen brachte noch Fang 13 (9), 42 (29), Coelente-

Pelagische Thierwelt des Rothen Meeres. 419

raten Fang 53 (36), schliesslich noch einige Heteropoden Fang 1 1 (7).

Im Folgenden will ich versuchen, das mitzutheilen, was sich aus Tabelle und Karte in Bezug auf die Verbreitung des Planktons ergab.

Zunächst mögen die einzelnen sortirten Thiere und Thier- gruppen in einer Anordnung aufgezählt werden, welche uns im Allgemeinen über ihre Häufigkeit orientirt. Die beigegebenen Zahlen deuten die Zahl der Fänge an, in denen sich die be- treffenden Thiere vorfanden.

Copepoden 59

Decapoden und Schizopoden 58

Amphipoden 57

Sagitten 57

Tunicaten 54

Mollusken 54

Verines (ausser Sagitta) 54

Protozoen 52

Coelenteraten 51

Rhizopoden 51

Fische 48

Pteropoden 47

Gastropoden 45

Copilia 44

Ostracoden 39

Sapphirinen 35

Radiolarien 33

Heteropoden 33

Litcifcr 17

Turbellarien 15

Echinodermen 12

Stomatopoden 10

Cladoceren 7

Cirripedien 4

Cumaceen 2

Es handelte sich mir nun zunächst darum, festzustellen, ob der Auftrieb im nördlichen oder si^idlichen Theile reichhaltiger

420 A. Steuer.

ist, und daher für die nächste Fahrt in das südHche Rothe Meer eine grössere oder geringere Ausbeute zu erwarten wäre. Ich musste mich belehren lassen, dass die Ergebnisse unserer Expedition diesbezüglich mehr für eine gleichmässige Ver- theilung sprechen. Man wäre geneigt, anzunehmen, mit dem Vorschreiten zum Äquator eine immer reichhaltigere Fauna anzutreffen. Für die Küstenfauna mag das zutreffen, für die frei flottirende Lebewelt der offenen See sind andere Factoren massgebend.

Um nun der Lösung meiner Frage näher zu treten, fertigte ich Kartenskizzen an und trug darauf die Fundstellen der ein- zelnen Thiere und Thiergruppen in verschiedenen Farben ein, um so ein möglichst anschauliches Bild ihrer Verbreitung zu erhalten. Ich kam dabei zu jenen Resultaten, die bereits in der vorausgehenden Besprechung der einzelnen Thierclassen erwähnt w^urden und hier kurz wiederholt werden mögen.

Als besonders ergiebig erwies sich der Golf von Suez, in dem namentlich Coelenteraten, Cladoceren, Ostracoden, Copepoden, Cumaceen, Lncifer reichlich vorhanden waren. Ein zweites sehr ergiebiges Gebiet ist die Gegend von Senäfir bis hinab vor Scherm en-No'män. Hier wurden in grösseren Massen oder an zahlreichen Stationen gefangen: Coelenteraten, Turbellarien, Ostracoden, Copepoden (Copilia) und Jungfische. Ein drittes thierreiches Gebiet ist endlich die flache Bucht von Jembo' bis hinab unter 22°; hier fanden sich in grosser Anzahl Rhizopoden, an vielen Punkten Turbellarien, ferner ungemein viele Copepoden und Lncifer. Wenn ich nun noch erwähne, dass die Gegend von Mersa Dhibä' reicher ist als jene von El-Wej, so wäre das durch günstige Planktonfänge ausgezeichnete Gebiet als ein grosser Bogen, der sich vom Südosten nach Nordwest in die Gegend von Mersa Dhibä' und von hier nach Senäfir zieht, genügend charakterisirt. Diese Thatsache drängt zu einer befriedigenden Erklärung.

Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Fauna des Rothen Meeres mit der des indischen Oceans mehr verwandt ist als mit der des Mittelmeeres. Was lag nun näher, als einen Strom anzunehmen, der, an der Westküste nach Norden streichend,

entsendet. Da aber

Pelagische Thierwelt des Rothen Meeres. 42 1

Temperaturverhältnisse und der Salzgehalt des Meerwassers gegen diese Ansicht sprechen, wandte ich mich an Herrn Regierungsrath J. Luksch in Fiume und ersuchte über die Stromverhältnisse im Rothen Meere um Auskunft, über die in dem »Vorläufigen Bericht über die physikalisch-oceanographi- schen Untersuchungen. . S. 23 bemerkt wird: »In der That zeigten dieselben ein schwer zu entwirrendes Bild. .. «. Herr Regierungsrath Luksch hatte die grosse Liebenswürdigkeit, mir seine Ansichten klarzulegen. Den gemachten Beobach- tungen zu Folge geht ein von Süden kommender Strom, durch die Drehung der Erde veranlasst, an der Ostküste nordwärts und entsendet, wie aus der beigegebenen Karte, in welche die Ströme nach der Luksch'schen Skizze eingetragen sind, erhellt, mehrere Zweige nach Westen. Dieser Strom ist warm und salzarm; er hat auf der Gegenküste einen entsprechend kälteren und salzreicheren, nach Süden führenden Strom zur Folge, der ebenfalls wieder Seitenäste nach Osten, und zwar in die flache Bucht vom Jembo' und in die Gegend von Senäfir bis Scherm en-No'män abgibt; ich grenzte nun auf meiner Karte die durch wenig ergiebige Fänge gekennzeichneten Stationen ab und trug dieses Gebiet in die Luksch'sche Strom- karte ein; da zeigte es sich nun, dass es genau in jene Partie fällt, die von allen drei Seiten von dem kälteren Weststrom umflossen wird. Ich erkläre mir nun auf Grund dieser Befunde die Reichhaltigkeit des Plankton in den als thierreich bezeich- neten Gebieten in folgender Weise:

Von Süden her dringt der warme vStrom an der Ostküste in das Seebecken ein, Organismen aller Art mit sich führend. Das Wasser wird in seinem Laufe nach Norden abgekühlt, zugleich tritt auch Verdunstung ein und dementsprechend Erhöhung des vSalzgehaltes. Der Nordstrom durch den Canal von Suez ist wohl minimal, und ich kann daher aus dem oben Angeführten annehmen, dass der Z\ifluss in das abgeschlossene Seebecken grösser und intensiver ist als der Abfluss. Es steht also, was den Wechsel des Wassers anlangt, ein Plus zwei ver- schiedenen Minus (Verdunstung und Abfluss) gegenüber. Alle diese Umstände veranlassen gewissermassen eine Stauung des Auftriebes.

422 ^ A. Steuer,

1. an dem nördlichsten Theile, wo wir wie in Triest und wahrscheinlich bei jedem anderen Golfe unter ähnlichen Um- ständen reichen Auftrieb erwarten dürfen;

2. an der ganzen Westküste entlang.

Die verschiedenen Seitenäste der beiden Hauptströme sind, wie mir Herr Regierungsrath Luksch freundlichst mittheilte, bedingt durch »die Küstenconfiguration, sowie die in See vor- springende Korallenwelt«. Diese Seitenströme veranlassen, wie ich glaube, z. B. hauptsächlich den Planktonreichthum im süd- lichen Theile des untersuchten Gebietes.

Man könnte als Erklärungsprincip noch vielleicht die Temperaturdifferenz an den beiden Küsten herbeiziehen, allein sie scheint mir zu gering, als dass dadurch die Plankton- organismen merklich beeinflusst werden könnten. Eine genaue Fischmethode, und zwar nicht Stufenfänge, die mir immer etwas bedenklich vorkommen, sondern mehrere an derselben Stelle, in verschiedenen Tiefen ausgeführte Schliessnetzfänge könnten indessen vielleicht doch es wäre möglich zu dem Ergebniss führen, dass das Plankton an der Ostküste in tieferen, d. h. kühleren Schichten reicher ist als an der Oberfläche.

Bei der letzten Expedition konnten wegen Mangel an Zeit und ungünstigen Witterungsverhältnissen leider nur sehr wenige Tannernetzfänge gemacht werden, und an der Ostküste kein einziger.

Wie ich einer Luksch'schen Skizze entnehme, stimmt die Vertheilung des Plankton mit der des Salzgehaltes besser überein als mit der der Seetemperatur; aber es wäre gefehlt, würde man, was ja denkbar wäre, annehmen, dass die Auf- triebthiere etwa ein salzhaltiges Wasser dem salzärmeren vor- ziehen. Vielmehr halte ich die Vertheilung von Plankton, Salzgehalt und Temperatur, alles dies in gleicher Weise abhängig von den Stromverhältnissen des be- treffenden Gewässers, denen sich selbstverständlich als weitere, die Sachlage complicirter gestaltende Factoren, Winde, Gezeiten, Jahreszeitenwechsel etc. als mitunter nicht minder ausschlaggebend zugesellen.

Meine im Obigen erörterte Annahme ermöglicht mir auch Schlüsse für die noch nicht durchforschten Theile des Rothen

Pelaüjische Tliierwelt des Rothcn Meeres. 423

Meeres. Es müsste nämlich, wenn die Prämissen richtig sind, auch weiter südHch die Westküste planktonreicher sein als die arabische, wenngleich auch hier sich wieder, vielleicht in der Gegend von Djasan, planktonreiche Gebiete, dem von Jembo entspi^echend, finden dürften. Wir können weiters \'oraussagen, dass auch der Golf von el-'Akaba, in dem leider in Folge ungünstiger Witterung bei der letzten Expedition kein einziger Planktonfang ausgeführt werden konnte, an Reichhaltigkeit dem Golf von Suez nicht nachsteht.

Schon früher kam ich auf die vielumstrittene Theorie von der gleichmässigen Vertheilung der Organismen im Meere zu sprechen. Die Art und Weise des Fanges verbietet mir hier eine entschiedene Stellungnahme dazu; allein es liesse sich vielleicht Folgendes bedenken:

Wir haben hier im Rothen Meere, also im kleinen Mass- stabe durchaus keine vollkommen gleichmässige Vertheilung des Plankton bemerkt; im grossen offenen Meere nun dürften sich die Verhältnisse ähnlich verhalten, nur entsprechend in grösserem Massstabe; hier wie dort gibt es Strömungen, die für die Vertheilung der Organismen ausschlaggebend sind, hier wie dort auch Nebenströme, die mit Gegenströmungen Strom- schlüsse bilden.

Ich meine also, dass von ein er gl eichmässigen Ver- theilung der Organismen im Meere nur vergleichs- weise mit B e z u g a u f d i e L a n d f a u n a g e s p r o c h e n werden kann. In geringerem Masse als diese, aber immerhin kenntlich genug, ist auch die Fauna des Meeres un- gleich m ä s s i g V e r t h e i 1 1 , und als wichtigsten Factor dabei bezeichne ich die Meeresströmungen.^

Es dürfte aus dem vorliegenden Berichte auch hervorgehen, wie wichtig und durchaus nothwendig es ist, wenn der Zoologe mit dem Physiker arbeitet, und darum scheint mir auch die Planktonforschnug so bedeutungsvoll, weil sie ein Zusammen- wirken von Vertretern der verschiedensten Zweige der Natur- wissenschaft erfordert.

1 Vergl. \'anh offen, Schwannbildung im Meere. Zool. Anz., XIX. Bd., 1896, S. 523.

Sitzb. d. mathera.-naturw. GL; GVL Bd., Abth. 1. 29

424 A. Steuer, Pelagische Thierwelt des Rothen Meeres.

Bezüglich des Rothen Meeres erlaube ich mir noch zu bemerken, dass sich gerade kleinere Seebecken zur Lösung allgemeiner Fragen weit besser eignen als grössere, wo die einzelnen wirkenden Factoren schwerer zu übersehen sind und daher nothwendig zu oberflächlicher Arbeit verleiten, wie denn auch die Süsswasserplanktonforschung in kleineren Wasser- ansammlungen ein geeigneteres, weil enger begrenztes Arbeits- material finden dürfte.

Der vorliegende Bericht ist, soweit mir bekannt, der erste schüchterne Versuch, das Material der »Pola«-Expedition in der ausgeführten Weise zu verwerthen und darf mit anderen ähnlichen Untersuchungen um so weniger verglichen werden, als die Hauptaufgabe unserer Expedition nicht in der speciellen Erforschung des Plankton, sondern in der Erforschung der physikalisch-oceanographischen Verhältnisse, der Tiefseefauna, sowie in Schwerebestimmungen und magnetischen Beobach- tungen gelegen war.

A. Steuer . Vürläufiger Bericht über die pela^isclieThionrelt des rolUpTiMi-eref

•53° 34° 35° 3G» 57° Ö8°

Sitzungsberichte d. kais. Akad. d Wiss., math.-naturw.Classr, Bd.CVI. Abth I. 1897.

Die Sitzungsberichte der mathem.-naturw. Classe erscheinen vom Jahre 1888 (Band XCVII) an in folgenden "ier gesonderten Abtheilungen, welche auch einzeln bezogen werden können:

Abtheilung I. Enthält die Abhandlungen aus dem Gebiete der Mineralogie, Krystallographie, Botanik, Physio- logie der Pflanzen, Zoologie, Paläontologie, Geo- logie, Physischen Geographie, Erdbeben und Reisen.

Abtheilung IL a. Die Abhandlungen aus dem Gebiete der Mathematik, Astronomie, Physik, Meteorologie und Mechanik.

Abtheilung IL b. Die Abhandlungen aus dem Gebiete der Chemie.

Abtheilung III. Die Abhandlungen aus dem Gebiete der Anatomie und Physiologie des Menschen und der Thiere, sowie aus jenem der theoretischen Medicin.

Dem Berichte über jede Sitzung geht eine Übersicht aller in derselben vorgelegten Manuscripte voran.

Von jenen in den Sitzungsberichten enthaltenen Abhand- lungen, zu deren Titel im Inhaltsverzeichniss ein Preis bei- gesetzt ist, kommen Separatabdrücke in den Buchhandel und können durch die akademische Buchhandlung Carl Gerold's Sohn (Wien, L, Barbaragasse 2) zu dem angegebenen Preise bezogen werden.

Die dem Gebiete der Chemie und verwandter Theile anderer Wissenschaften angehörigen Abhandlungen werden auch in be- sonderen Heften unter dem Titel: »Monatshefte für Chemie und verwandte Theile anderer Wissenschaften« heraus- gegeben. Der Pränumerationsprei§ für einen Jahrgang dieser Monatshefte beträgt 5 fl. oder 10 Mark.

Der akademische Anzeiger, welcher nur Original-Auszüge oder, wo diese fehlen, die Titel der vorgelegten Abhandlungen enthält, wird, wie bisher, acht Tage nach jeder Sitzung aus gegeben. Der Preis des Jahrganges ist 1 fl. 50 kr. oder 3 Mark,

7 1833

SITZUNGSBERICHTE

Ib'L

DER KAISERLICHEN

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.

CVI. BAND. VIII. BIS X. HEFT. JAHRGANG 1897. OCTOBER bis DECEMBER.

ABTHEILUNG L

ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE,

KRYSTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE,

PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE, ERDBEBEN UND REISEN.

^'^

W^

'''WIEN, 1897.

AUS DER KAISERLICH-KÖNIGLICHEN HOK- UND STAATSDRUCKEREI.

IN COMMISSION BEI CARL GEROLD'S SOHN,

BUCHHÄNDLER DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

INHALT

des 8. bis 10. Heftes October bis Deeember 1897 des CVI. Bandes, Abtheilung- 1 der Sitzungsberichte der mathem.-naturw. Classe.

Seite XIX. Sitzung vom 7. October 1897: Übersicht 427

Gräffc E., Vorläufiger Bericht über die mikroskopischen Orga- nismen des aus der Tiefe des Rothen Meeres gedredschten Schlammes der Expedition S. AI. Schiffes »Pola« in den Jahren 1895 bis 1896. [Preis; 10 kr. = 20 Pfg.] 431

XX. Sitzung vom 14. October 1897: Übersicht 439

XXI. Sitzung vom 21. October 1897: Übersicht 440

XXII. Sitzung vom 4. November 1897: Übersicht 443

XXIII. Sitzung vom 11. November 1897: Übersicht 445

XXIV. Sitzung vom 18. November 1897: Übersicht 446

Diener C, Die Äquivalente der Carhon- und Permformation im

Himalaya. [Preis : 20 kr. = 40 Pfg. | 447

Mazelle E., Mittheilungen der Erdbeben-Commission der kaiser- lichen Akademie der Wissenschaften in Wien. IV. Bericht über die im Triester Gebiete beobachteten Erdbeben vom 15. Juli, 3. August und 21. September 1897. [Preis: 20 kr.

= 40 Pfg.] 467

XXV. Sitzung vom 2. Deeember 1897: Übersicht 489

XXVI. Sitzung vom 9. Deeember 1897: Übersicht 491

XXVII. Sitzung vom 16. Deeember 1897: Übersicht 492

Preis des ganzen Heftes: fl. 50 kr. = 1 Mk. Pfg.

SITZUNGSBERICHTE

KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

MATHEMATISCH -NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.

CVI. BAND. VIII. HEFT.

ABTHEILUNG I.

ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE.

KRYSTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE,

PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE, ERDBEBEN UND REISEN.

3.0

427

DEC 7 1898

XIX. SITZUNG VOM 7. OCTOBER 189'

Erschienen sind im Laufe der akademischen Ferien: Sitzungsberichte, Bd. 106, Abth. II. b, Heft IV— VI (April bis Juni 1897); Abth. III, Heft V (Mai). Monatshefte für Chemie, Bd. 18, Heft VI VII (Juni und Juli) und Heft VIII (.August). Der akademische Almanach für 1897 (47. Jahrgang).

Der Vorsitzende, Herr Vice präsident der kaiserlichen Akademie Prof. E. Suess, begrüsst die Mitglieder der Classe bei Wiederaufnahme der Sitzungen nach den akademischen Ferien.

t

Der Vorsitzende gibt der tiefen Trauer Aus- druck über das am 30. Juli d. J. erfolgte Hinscheiden des Präsidenten der k aiserlichen Akademie der Wissenschaften

Seiner Excellenz

des Herrn

k. u. k. wirklichen Geheimen Rathes

m ALFRED RITTER VON ARNETH,

Directors des k. k. geheimen Haus-, Hof- und Staatsarchives.

Die Mitglieder geben ihr Beileid über diesen schmerzHchen Verlust durch Erheben von den Sitzen kund.

30*

428

Der Secretär theilt mit, dass die wissenschaftliche Expe- dition S. M. Schiff »Pola« in die südhche Hälfte des Kothen Meeres am 4. September 1. J. den Centralhafen von Pola v^er- lassen hat und dass die Mitglieder derselben bei der Abfahrt von Seite der kaiserlichen Akademie auf telegraphischem Wege beglückwünscht worden sind.

Für die diesjährigen Wahlen sprechen ihren Dank aus, und zwar: Herr Prof. Dr. Karl Exner in hinsbruck für die Wahl zum inländischen correspondirenden Mitgliede und die Herren Geh. Regierungsrath Director Dr. H. C.Vogel in Potsdam und Director A. Karpinsky in St. Petersburg für die Wahl zu ausländischen correspondirenden Mitgliedern dieser Classe.

Herr Dr. Hermann F. Müller, Privatdocent an der k. k. Universität in Wien, dankt für die ihm als Mitglied der wissen- schaftlichen Expedition nach Bombay durch die kaiserliche Akademie ermöglichte Gelegenheit zu Studien über die indische Beulenpest.

Das w. M. Herr Hofrath Director F. Steindachner über- blendet eine Abhandlung von Dr. Eduard Graeffe, Inspector üer zoologisch-zootomischen Übungsstation in Triest, betitelt: »Vorläufiger Bericht über die mikroskopischen Orga- nismen des aus der Tiefe des Rothen Meeres ge- dredschten Schlammes der Expedition S. M. Schiff '»Pola« in den Jahren 1895—1896«.

Das w. M. Herr Director E. Weiss übersendet eine Ab- handlung des Herrn A. Thraen, Pfarrer in Dingelstaedt, be- titelt: »Bestimmung der Bahn des periodischen Kometen von Wolf (Komet 1884 III und 1891 II)<'.

Die k. u. k. Marine-Section übermittelt zu den bereits vorgelegten und für die akademischen Denkschriften bestimmten wissenschaftlichen Arbeiten über die von den k. u. k. See-Ofh- cieren während der Reise in die nördliche Hälfte des Rothen Meeres 1895 1896 ausgeführten Beobachtungen weitere zwei Arbeiten, und zwar: V. »Meteorologische Beobachtungen« und VI. »Geodätische Untersuchungen«,

429

beide ausgeführt von dem Linienschiffs - Lieutenant Cäsar Arbesser v. Rostburg.

Das Mitglied des wissenschaftHchen Stabes der Expedition S. i\L Schill" »Pola« in das Rothe Meer, Herr Regierungsrath Prof. J. Luksch in Fiume, übersendet sein Manuscript über die in den Jahren 1895 1896 in der nördlichen Hälfte dieses Meeres tiusgeführten »Physikalischen Untersuchungen«.

Der Secretär legt folgende eingesendete Abhandlungen vor:

1. »Über das innere Vir ial eines elastisch en Körpers^, von Prof. Dr. J. Finger an der k. k. technischen Hoch- schule in Wien.

2. »Über den Feuerbach'schen Kreis«, von Prof. Dr. Benedikt Sporer am königl. würtemb. Gymnasium in Echingen.

0. »Eine neue Theorie des Sonneninn ern«, von Herrn Knopslich-Rovvel, d. Z. in Berlin.

Herr Max v. Groller, k. u. k. Oberst i. R. in Wien, über- sendet einen vorläufigen Bericht über seine im Monat August 1. J. mit L^nterstützung der kaiserlichen Akademie ausgeführten \ ' o r a r b e i t e n z u r \' e r m e s s u n g d e s P a s t e r z e n - G 1 e t s c h e r s .

Herr Josef E. Pfiel, Chemiker in Wien, übermittelt ein \-ersiegeltes Schreiben behufs Wahrung der Priorität, mit der Aufschrift: »Zeichnung und Beschreibung eines neuartigen Motors für expandirende Gase oder Dämpfe«.

Das \v. M. Herr Hofrath Prof. Ad. Lieben überreicht zwei Arbeiten aus seinem Laboratorium:

1. »Über das aus Isobutyraldehyd und Benzaldeh^^d entstehende Glykol und sein Verhalten gegen Schwefelsäure«, von Dr. Rieh. Reik.

2. »Über Reduction der Kohlensäure bei gewöhn- licher Temperatur. II. Das V^erhalten des Magne- siums«, von Ad. Lieben.

Das w. M. Herr Prof. H. Weidel überreicht folgende fünf Arbeiten aus dem I. chemischen Universitätslaboratorium in Wien:

430

1. »Über die Dimorphie der a-Hemipinmethylester- säure«, von Dr. Rud. Wegscheider.

2. »Untersuchungen über die Esterbildung«, von Dr. Rud. Wegscheider.

3. »Über eine allgemein anwendbare Methode der Bestimmung von Acetylgruppen in organischen Verbindungen«, von Dr. F>anz Wenzel.

4. »Über die directe Einführung von Hydroxyl in das ß-Oxypyridin«, von Rieh. Kudernatsch.

5. »Über das ß-A c e t ac e t y 1 p y r i dy 1«, von Andor Ferenczy.

Der Secretär überreicht eine Abhandlung von Herrn Eduard Mazelle, Adjunct am astronomisch-meteorologischen Observatorium in Triest, betitelt: »Tägliche Periode des Niederschlages in Triest«.

Herr Prof. J. Liznar in Wien überreicht den II. Theil seiner Arbeit, betitelt: »Die Vertheilung der erdmagne- tischen Kraft in Österreich-Ungarn zur Epoche 1890-0 nach den in den Jahren 1889 bis 1894 ausgeführten Messungen«.

Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht zugekommene Periodica sind eingelangt:

Cabreira A., Sur la Geometrie des courbes transcendantes. Lissabon, 1896. Traduit du Portugals par Jorge Frederico D'Avillez. 8^

Dosamantes J. C, Theorie sur les rayons invisibles (Catho- diques et X). Mexico, 1897. 8*^.

Foveau de Courmelles, Traite de Radiographie medicale et scientifique. Paris, 1897. 8*^.

Hanssen C. J. T., Reform chemischer und physikalischer Be- rechnungen. München, 4*^.

Lilje CA., Die Gesetze der Rotationselemente der Himmels- körper. Stockholm, 1897, 8«.

Socolow S., Des Planetes se trouvant vraisemblement au delä de Mercure et de Neptune. Moskau, 1897. 8'\

431

Vorläufiger Berieht über die mikroskopischen Organismen des aus der Tiefe des Rothen Meeres gedredschten Sehlammes der Expe- dition S. M. SchifTes „Pola" in den Jahren 1895 bis 1896

von Dr. E. Gräffe.

Durch die gütige Vermittlung des Herrn Hofrathes Dr. F. Steindachner, des Urhebers und vorzüglichsten Führers der zoologischen Forschungen der Tiefsee-Expeditionen S. M. Schiffes »Pola«, erhielt ich eine Anzahl Schlammes, von Son- dirungen herstammend und in Alkohol in kleineren Flaschen aufbewahrt. Ferner eine grosse Blechkanne Schlick von einem Dredschzuge in der Tiefe von 1175m (Nr. 92 des vorläufigen Be- richtes über die Pola-Expedition von Hofrath Steindachner), über 20 kg wiegend.

In der letzteren grösseren Masse der Grundprobe des Kothen Meeres waren alle die Foraminiferen und Mollusken- reste vorhanden, welche in den kleineren Grundproben ent- halten waren, daher ich mich begnügen werde, nur die Zu- sammensetzung einiger dieser Proben zu erwähnen, welche besondere Verschiedenheiten zeigen. Soviel bis jetzt ersichtlich, scheint im Rothen Meere die Tiefe über 1000 w, ja noch von 500 m an ziemlich dieselben Formen im Schlamme zu ent- halten, wie die noch grösseren Tiefen. Alle die Proben bis auf eine kleinere Grundprobe zeigen sich in der Hauptmasse aus den Schalen von Globigerinen und Pteropodenresten zusammen- gesetzt, so dass der Schlamm als ein Mittelding zwischen Globi- gerinen- und Pteropodenschlamm zu bezeichnen ist.

432 F.. G raffe.

Zur Untersuchung des meist hellen gelblichen Schlickes wurde derselbe in Wasser fein zertheilt, geschlämmt und dann durch verschieden feine Seidengazesiebe von den erdigen Bestandtheilen gereinigt. Die RiLickstände wurden getrocknet und unter der Präparirlupe die einzelnen Formen heraus- gesucht. Von dem feinsten pulverigen Rückstande wurden mikro- skopische Präparate verfertigt. So reich sich diese Schlamm- proben an Kalkschalen erwiesen, ebenso arm dagegen an Kieselpanzern, sowohl von Radiolarien, als anderen Protozoen. Selbst die Behandlung solchen Schlammes mit Salpetersäure war fruchtlos zur Auffindung von Kieselpanzern, denn es blieben nur Kiesel und Glimmersplitter zurück.

Um Aufklärung über die Frage zu haben, ob viele der Globigerinen und andere Foraminiferen nur als todte Schalen am Grunde des Meeres liegen oder dort leben, versuchte ich an den in Alkohol aufbewahrten Grundproben die Sarcode derselben durch Auflösung der Schale in Holzessig und nach- heriger Färbung mit Hämatoxvlin nachzuweisen. Das Resultat bestand allerdings in einem gefärbten Rückstande, der die Schalenform trug, da aber weder ein Kern, noch andere Merk- male des Sarcodekörpers zu sehen waren, so bin ich der Ansicht, dass keine Sarcode mehr vorhanden war, sondern die Säure nur den chitinösen Theil der Schale freilegte. Vermuth- lich war der Alkohol nicht so weit in die Schlammmasse ein- gedrungen, um den zarten Zelleninhalt zu härten und zu con- serviren, und möchte es angerathen sein, für diese Zwecke eine kleine Portion des Schlammes durch Sieben von den erdigen Bestandtheilen zu trennen. Der Rückstand wäre dann in Sublimatlösung oder Osmiumsäurelösung zu härten und in starkem Alkohol zu conserviren. Die gute Erhaltung mancher Foraminiferenschalen (Durchsichtigkeit, Färbung) lässt mich vermuthen, dass viele Arten am Grunde des Meeres leben, doch kann die Frage erst dann erledigt werden, wenn der Sarcodeleib wirklich nachzuweisen ist.

Bei der grossen Menge des Schlickes konnte bis anhin nur ein kleiner Theil gesiebt und untersucht werden, da jede weitere Durchmusterung der Siebreste den bekannten Formen wieder neue zufügt. Es ist daher die hier folgende Aufzählung,

Mikroskopische Organismen des Rothen Meeres. 433

obgleicli die hauptsächlichsten Foraminiferenarten enthaltend, doch nicht als ein abgeschlossenes Verzeichniss zu betrachten, und werde dieselbe in Nachträgen vervollständigen.

Verzeichniss der im Globigerinenschlick des Rothen Meeres gefundenen Foraminiferen- und Pteropodenschalen.

O r d n u n g Rhizopoda.

Unterordnung der Rhizopoden Testacea.

Tribus Imperforata Carp enter.

Familie Miliolidae Btschl.

Cornnspira iiivolvciis Reuss.

Amniodiscns diaroides Jones und Parker (selten).

MUioUua vciinsta Karr er.

>' t" ircii Iuris B o r n e m a n .

oblonga Montfort. » hncailenta Brady. > tricarinata C z i z e k.

cnveriana d'Orbigny. >- nov. spec? indeterm. Spirolocnlina tcunis C z i z e k.

inipressa Terquem. >' acutimargo Brad}- (häufige Art).

» fragiUssinia Brady.

» robnsta Brady.

>■ nov. spec? indeterm.

BiJocnliua hnlloides d'Orbigny.

Familie Peneroplidina Reuss.

Haplophragniiinn latcdorsatuin Borne m a n.

» caiiariensc d'Orbigny (selten aufgefunden).

Plaiiispiriiia cclata Costa (häufig im Siebrest). Nithecularia fibia Jones und Parker.

Familie Arenacea Btschl.

Pelosiiia cyliiidvica Brady. Sagen ella frondcscens B r a d y .

434 E. G raffe,

II. Unterordnung Perforata Carp. Familie Rhabdoina M. Seh.

Lügeiia laeuis Montaga. (nebst der Eiitosoleiiia-Form häufig). » snlcata Walter und Jones (ditto). » lagenoides Willi amson (seltene Art). Nodosaria communis d'Orbigny.

» calomorplia Reuss.

Cristellaria calcar Brady (selten).

» crepiduJa Fichtel und Moll.

F'amilie Polymorphinina Btschl.

Uuigerina aspevnla Czizek (sehr häufig in den Siebresten zu finden).

Familie Globigerininae Carp.

OrhnUiia nniuersalis d'Orbigny (häufigste Form). (jlohigerina btilloides d'Orbigny.^

» sacculiger Brady.

» aequilateralis Brady.

» rubra d'Orbigny.

Hastiger Ina pelagica d'O r b i g n y. Cymhalopora poeyi d'O r b i g n y.

» {Tretomphalus Brady) hulloides d'Orbigny.

Scheint die Jugendform von C. poeyi zu sein.

Unterfamilie Textularidae Carp.

Textularia agglutinans d'Orbigny (häufig in den Siebresten). » » va.\\ porrecta'^x3id.y.

» gramim d'Orbigny (häufig).

» cariuata d'Orbigny.

Gaudryina sipho^lella Reuss (selten).

■Bolivina amygdaliformis B rady (ornamentale, nicht seltene Art). » reticulata Hantgen (häufig, aber sehr klein).

puudata d'Orbigny. » nitida Brady. » aculeata d'Orbigny.

1 DieGlobigerinenarten bilden neben Pteropodeni-esten denHauptbestand- theil der Siebreste des Schlicks.

Mikroskopische Organisnicn des Rothcn Meeres. 43o

Unterfamilie Rotalinae Carp.

Discorbina orbicnlaris Terquem.

» ventricosa Brady (nicht selten).

Flanorbiilina acervalis Brady. Tnuicatnlina praecincta Karr er.

wiillersdorß S c h w a g e r. » refulgens M o n t f o r t.

» teniiinmrgo Brady.

» liiunilis Brady.

» lobatula Walker und Jacob.

variabilis d'Orbigny.

reticnlata Czizek (schöne, aber seltene Art). Anouialina ammonoides Reuss (sehr wohl erhaltene Schalen). » gj'ossortigosa Gümbel.

^> ariiniueiisis d'Orbigny.

Pnlviiiula repanda Fichtel und Moll.

Familie Nummulitinae Btschl. Unterfamilie Involutinae Btschl. Spiriliua viuipava Ehrenb.

Unterfamilie Pulleninae. Btschl.

Sphaeroidiiia bulloidcs d'Orbigny. Amphistcgina lessoiit d'Orbigny (nicht häufig).

Unterfamilie Nummulitidae Btschl.

Nouionina tnrgida Williamson.

» scaplta F^ i c h t e 1 und AJ o 1 1.

Opercnlina complanata Defrance.

Unterabtheilung Radiolaria.

Rhopalodictyiun abyssornui Ehrenb. Nepli rospyris pa ra dictyn in H a e c k e 1 .

436 E.G raffe,

Verzeichniss der Pteropoden- und Heteropodenschalen. I. Pteropoda.

Cavolin ia lougirosfris L e s u e ii w

» trispinosa Lesueur.

» qiiadridentata Lesueur.

>' gibbosa Rang. Cito pyrami data Lin. » balaiüium Rang.

virgnia Rang. Styliola subnla Ouoz et Gaimard. Cnvicrina coIumeUa Rang. Limacina iußata d'Orbigny.

y bnllimoides d'Orbigny.

>^ trocliiformis d'O r b i g n }'.

Peraclis rcfiaüata d'Orbigny.

II. Heteropoda.

Atlania gaudichaudi Eid. et Soul. » gibba Eid. et Soul.

1. Nr. 89. Bucht von Akaba. Tiefe 534 w. Gelblicher feiner Schlamm. Diese Schlammprobe enthielt in grösster Anzahl Globigerinen, kann daher als Globigerinaschlamm bezeichnet werden. Ausser diesen Polythalamien sind noch wenigstens 25 30 andere Arten und Gattungen von Polythalamien in dem Schlamme enthalten. Ferner ist diese Schlammprobe bemer- kensvverth durch eine grosse Anzahl von Pteropodenschalen; darunter sind erkennbar die Gattungen Limacina, Clio, Cleo- dora, Cavolinia, auch von Heteropoden die Gattung Atlanta. Von Mollusken der Classe Gasfropoda sind viele kleine Schalen \'orhanden, die wohl zum grössten Theile Jugendformen sind. V'on Bi\'alven sind nur zwei kleine Arten erkenntlich. Auf- fallend ist der vollständige Mangel an Radiolarienschalen. Ferner enthält der cantirte Schlamm eine Anzahl kleiner Fisch- otolithen.

Mikroskopische Organismen des Hothcn .Meeres. 437

2. Nr. 295. Tiefe 2160«/. Am 6. December, Schleppnetz- ergebniss: Gelblich-röthlicher Schlamm, untermischt mit zur Steinhärte zusammengebackenen Stücken Schlammes von schwärzlicher Farbe. Ist fast nur Schlamm, und löst sich der- selbe in Salzsäure fast vollständig auf, nur wenige quarzige, kleine Körnchen zurücklassend. Keine Diatomeen, keine Radio- lariengehäuse. In den Siebresiduen sehr kleine mikroskopische Globigerinen.

3. Nr. 189. Mosesquellen. Dies ist ein hellgelber sandiger Schlamm mit sehr vielen Ouarzkörnern. In diesem Schlamm befinden sich eine grosse Anzahl rundlicher Kalkkörper von circa 1 mm Durchmesser, die aber keine deutliche Spur von Organisation zeigen, keine Poren wie bei Polythalamien. Die- selben sind gänzlich undurchsichtig und zeigen aber zuweilen eine kleine Öffnung oder Grube in der Mitte. Ausser diesen Körpern enthält der geschlemmte und cantirte Schlamm ganz vereinzelte Globigerinen und Anomalinen, aber dieselben sind wie abgerieben, abgerundet durch Fluthung. Der Hauptbestand- theil sind die erwähnten rundlichen Kalkkörper und eckige Ouarzfragmente (glashelle).

4. Nr. 1 1 (a). Tiefe 690 ///. Lothung am 13. November 1895 (21° 27'N, 37°22'0).i Dieser Schlamm ist dem von Nr. 89 ähnlich, ebenfalls Globigerinenschlick. Beim Schlemmen und Cantiren des Schlammes bleiben meistens Globigerinenschalen. Zahlreiche Exemplare von Globigerina buUoides D'Orb. und Globigerina saccnJifera Brady., dagegen wenige Exemplare von Orbnlina universalis D'Orb., die im Schlamme Nr. 89 von Akaba häufig vorkommen. Ausserdem verzeichne ich vorläufig die Genera Texhilaria, Bulimina, Bilociilina etc.

5. A\a. 2100 77? Tiefe. Äusserst feiner, röthlich-brauner Schlick. Zeigt auf mikroskopischen Präparaten kleine junge Globigerinen und einzelne Polythalamien (meist junge Stadien). Bei Behandlung eines kleinen Theiles des Schlammes mit Salz- säure heftiges Aufbrausen (Kohlensäureentwicklung), aber kein Rückstand von Kieselpanzern, weder Diatomeen, noch Radio-

^ Wegen hohen Seeganges musste die beabsichtigte Dredschung auf- gegeben werden.

438 E. Gräffe, Mikroskopische Organismen des Rothen Meeres.

laden. Pteropodenschalenreste spärlicher als in den anderen Grundproben.

6. Nr. 896. Noman-Insel. 8. F^ebruar 1896. Der durch- gesiebte Schlamm besteht grösstentheils aus groben Quarz- körnern und enthält nur wenige abgeriebene organische Reste von 2 3 Arten Polythalamieu, sämmtlich undurchsichtig, weiss oder gelblich.

439

XX. SITZUNG VOM 14. OCTOBER 189'

Herr Prof. Dr. Carl Gegenbaur in Heidelberg dankt für seine Wahl zum ausländischen correspondirenden Mitgliede dieser Classe.

Das vv. M. Herr Hofrath Prof. E. Mach überreicht eine von M. U. Dr. Ludwig Mach in Jena ausgeführte Arbeit: ^Optische Untersuchung der Luftstrahlen«.

Das w. M. Herr Hofrath Prof. L. Boltzmann überreicht eine Abhandlung von Prof. Dr. Ign. Klemencic in Innsbruck: »Über die magnetische Nachwirkung bei verschie- denen Feldstärken«.

Das w. M. Herr Prof. K. Grobben überreicht eine Arbeit von Dr. Adolf Steuer in Wien, betitelt: »Sapphirinen des Rothen Meeres, gesammelt während der Expedition S. M. Schiff »Pola«, October 1895 bis Mai 1896«.

440

XXL SITZUNG VOM 21. OCTOBER 189;

Herr Eduard Maze 11 e, Adjunct am astronomisch-meteoro- logischen Observatorium in Triest, übersendet als Referent der Erdbeben-Commission einen »Bericht über die im Triester G e b i e t e b e o b a c h t e t e n E r d b e b e n \' o m 1 5. J u 1 i , 3. A u g u s t und 21. September 1897«.

Herr Prof. Dr. Josef Schaff er in Wien überreicht den zweiten Theil seiner »Beiträge zur Histologie mensch- licher 0 1- g a n e « .

SITZUNGSBERICHTE

KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

MATHEMATISCH -NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.

CVI. BAND. IX. HEFT.

ABTHEILUNG I.

ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE,

KRYSTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE,

PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE, ERDBEBEN UND REISEN.

31

448

XXII. SITZUNG VOM 4. NOVEMBER 189^

Erschienen: Sitzungsberichte, \id. 106, Abth. I, Heft VI —VII (April bis Juli 1S97).

Die officie-Ile Anzeige über das am 25. October 1. J. erfolgte Ableben des wirklichen Mitgliedes der kaiserlichen Akademie, Herrn Prof. Dr. Franz Hof mann in Wien, wurde bereits in der Gesammtsitzung am. 28. October zur Kenntniss genommen und dem Beileide über diesen Verlust von Seite der Mitglieder Aus- druck gegeben.

Der prov. Secretär theilt mit, dass laut einer von der wissenschaftlichen Expedition im Rothen Meere an das k. u. k. Reichs-Kriegs-Ministerium (Marine-Section) eingelangten tele- graphischen Nachricht S. M. Schiff »Pola« am 30. October zu dreitägigem Aufenthalt in Camaran eingelaufen ist, hierauf die Mission nach Massaua fortsetzen wird, und dass sich an Bord. des Expeditionsschiffes Alles wohl befinde.

Für die diesjährigen Wahlen sprechen ihren Dank aus, und zwar: Sir Joseph List er, Präsident der Royal Society in London für seine Wahl zum ausländischen Ehrenmitgliede, und Herr Geh. R«gierungsrath Prof. Dr. Wilhelm v. Bezold in Berlin für seine Wahl zum ausländischen correspondirenden Mitgliede dieser Classe.

Herr Emil Reinhold in Wien übergibt ein versiegeltes Schreiben behufs Wahrung der Priorität, welches die Aufschrift führt: »B r e m s e - E rf i n d u n q;- .

444

Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht zugekommene Periodica sind eingelangt:

Franklin Institute of the State of Pennsylvania, The

Journal of the Franklin Institute devoted to Science and

the Mechanic Arts. Vol. CXLIV, No 859. July, 1897. I.

Philadelphia; 8'\ U. S. Department o f A g r i c u 1 1 u r e (Weather Bureau,

Washington), Monthly Weather Review. April, 1897,

Washington; 4". Instituto Geolögico de Mexico, Boletin de la Commission

Geolögica de Mexico, Nums. 1, 2 (1895); 7—9 (1897),

Mexico, D. F.; 4°.

445

XXIII. SITZUNG VOM 11. NOVEMBER 1897.

Der prov. Secretärtheiltmit, dasslautTelegramm desCom- mandos S. M. Schiffes »Pola« aus Mass au a das Expeditions- schiff am 5. November Mittags im dortigen Hafen zum acht- bis zehntägigen Aufenthalt eingelaufen sei und dass sich an Bord Alles wohl befinde.

Herr Dr. Alfred Nalepa, Professor am k. k. Elisabeth- Gymnasium im V. Bezirke in Wien, übersendet eine vorläufige Mittheilung über »Neue Gallmilben« (15. Fortsetzung).

Das w. M. Herr Regierungsrath Prof F. Mertens über- reicht eine für die Sitzungsberichte bestimmte Abhandlung: > Ü b e r eine z a h 1 e n t h e o r e t i s c h e Function«.

Ferner überreicht Herr Regierungsrath Mertens eine Ab- handlung des Herrn Dr. R. Daublebsky v. Stern eck in Wien betitelt: »Empirische Untersuchung über den Verlauf

X = n

der zahlentheoretischen Function . a(7/) = V <^y(x) im

x = 1

Intervalle von 0 bis 150000«.

Das \v. AI. Herr Prof. Franz Exner überreicht eine Abhand- lung des Herrn Dr. H. Benndorf: »Über das Verhalten rotirender Isolatoren im Magnetfelde und eine darauf bezügliche Arbeit A. Campetti's«.

446

XXIV. SITZUNG VOM 18. NOVEMBER 1897.

Der prov. Secretär legt eine eingesendete Abhandlung von Dr. Julius Zellner in Ratibor: »Über die Gehaltsbestim- mung der Fluorwasserstoffsäure« vor.

Das \v. M. Herr Hofrath Prof. Ad. Lieben überreicht eine in seinem Laboratorium ausgeführte Arbeit des Herrn Dr. Ernst Strassmann: »Über die Einwirkung von Cyanessig- säure auf Lsovaler- und auf Propionaldehyd< .

Das w. M. Prof. Dr. H. Weidel überreicht zwei im I. chemischen Laboratorium der Universität Wien ausgeführte Arbeiten:

1. » Ü b e r d a s M o r i n und die Constitution der F 1 a v o n- und Flavonolderivate« von J. Herzig.

2. » S t u d i e n ü b e r d i e B e s t a n d s e i t e d e s G u a j a k h a r z e s « (I. Abhandlung) von J. Herzig und F. Schiff.

Herr Prof. Dr. Carl Diener überreicht eine Abhandlung: » D i e Ä q u i V a 1 e n t e d e r C a r b o n - und P e r m f o r m a t i o n i m Himalaya«.

Herr Dr. Carl GrafAttems in Wien überreicht eine Ab- handlung unter dem Titel: »System der Poly de smiden-.

447

Die Äquivalente der Carbon- und Perm- formation im Himalaya

Prof. Dr. C. Diener.

In meinem Berichte über die Ergebnisse der von mir im Jahre 1892 im Auftrage der kaiserl. Alcademie der Wissen- schaften und der kaiserl. indischen Regierung gemeinsam mit den Herren C. L. Griesbach und C. S. Middlemiss aus- geführten Expedition in den Central- Himalaya von Johar, Hundes und Painkhända^ finden sich auch einige Mittheilungen über die carbonischen und permischen Bildungen des von mir untersuchten Gebietes. Ich habe seither die Bearbeitung des von mir selbst gesammelten Versteinerungsmaterials, sowie der umfangreichen älteren Aufsammlungen von Godvvin-Austen,- Verchere und Lydekker in Kashmir, von Stoliczka, Gerard und Griesbach in Spiti zu Ende geführt. Die bei dieser Bearbeitung gewonnenen Erfahrungen setzen mich in die Lage, nunmehr ein wesentlich vollständigeres Bild der faunistischen Vertretung des Carbon und Perm im Himalaj^Ji zu geben, als mir dies in meinem ersten Berichte möglich war. Trotz vielfacher Lücken in unserer Kenntniss der betreffenden Ablagerungen erscheinen gegenwärtig doch bereits Ober- carbon, Permocarbon und Perm in fossilführender Ausbildung mit ziemlicher Sicherheit nachgewiesen.

^ Ergebnisse einer geologischen Expedition in den Central-Himalaj'a von loliar, Hundes und Painklitinda. Denkschr. der kaiserl. Akad., inathem.- naturw. Classe, Bd. LXII, 1895, insbes. .S. 588 596.

448 C.Diener,

Im Nachstehenden soll die Verbreitung und Entwicklung der fossilführenden Bildungen der anthracolithischen ^ Epoche im Himalaya kurz gekennzeichnet werden.

1. Klippenkalke des Chitichun Nr. I.

Ich beginne mit diesem isolirten Vorkommen ausserhalb der Hauptregion des Himalaya, das einen in der letzteren nicht bekannten Horizont repräsentirt, da es die reichste bisher aus dem Himalaya bekannt gewordene paläozoische Fauna enthält. Die fossilreichen Kalksteine ragen im Gipfel des Berges Chitichun Nr. I (17.740 engl. Fuss) in Tibet aus einer Mulde jurassischer Spiti Shales auf, die mit intrusiven Diabasporphy- riten verknüpft sind. Eine ausführliche Darstellung der sehr interessanten tektonischen Verhältnisse habe ich in meinem oben citirten Berichte in den Denkschriften der kaiserl. Aka- demie (S. 588 607) gegeben.- Als Ergänzung zu den an gleicher Stelle dargelegten Ausführungen über die strati- graphische Stellung der Klippenkalke von Chitichun mögen die nachfolgenden Mittheilungen dienen.

Die Fauna der Klippenkalke des Chitichun Nr. I besteht aus den folgenden Formen: "

Crustacea.

1. Phillipsia Middlemissi no\'. sp.

2. Cheiropyge nov. gen. lünialaycnsis nov. sp.

Cephalopoda.

3. Popauocevas (Stachcoccras) Triuiurti nov. Sp.

Lamellibranchiata.

4. Avicitlopcctcu sp. i'iul. aff.jabicusi Waagen.

1 Ich halte diesen, von Waagen (.Salt Range Fossils, Palaeontologia Indica, ser. XIII, Vol. IV, Geological Results, p. 241) als gemeinsame Bezeich- nung für die Bildungen der Carbon- und Permzeit vorgeschlagenen Ausdruck für zweckmässiger, als den von A. de Lapparent eingeführten, leicht zu Verwechslungen Anlass bietenden Terminus »Permo-Carbonifere-.

2 Vergl. auch C. L. Griesbach, Notes on the Central Himalayas. Rccords Geol. Survey of India, Vol. XXVI, Pt. I, 1893, p. 19.

-Äquivalente Jer Carbon- und l'ernitbrmation im Himaiaya. 449

Brachiopoda.

5. Prociitctus liiieatiis Waagen.

6. > Cora d'Orb.

7. - scuiii\iiciilatns Mart.

8. >■' bolivieusis, var. ChUicliuuensis Diener.'

9. >' cf. snbcostatits Waag.

10. >' gratiosjis Waag.

11. >• cancrinifonnis T s c h e rn.

12. - ^Z^/r// / Waag.

1 3. >' iiiougoJicus Diene r.-

14. Margiiiifcra typica Waag.-'

1 5. Aiilosfcges tihetiais no\-. sp.

16. Lyttoiiia nobilis.'^

17. Spiriferina octoplicata Sow.

18. Spirifcr Mnsakheylensis Dav. {--=. fa seiger Keyserl.)

19. » TT3';/;/c7" Waag. '10. » tibctaniis nov. sp.

21. Marliiiia cf.ghibra Mart.

22. » elegmts nov. sp.

23. » semiplana Waag.''

24. » nnciila Rothpletz.

1 Diese Art ist vermuthlicli identisch mit der von Rothpletz (Palaeonto- graphica, 39. 13d., p. 77, Tat". X, l<"ig. 17, 18) aus dem Perm von Timor beschriebenen unbenannten Form.

- Identisch mit Prodncltis cf. Cora Kayscr (Obercarbonische Fauna von Loping, Richthofen's .> China-, IV. Bd., p. 184, Taf. XXVII, Fig. 5).

•■'• Im Widerspruche mit Nikitin halte ich es für gerechtfertigt, der von Waagen aufgestellten Gattung Marginifcra mindestens eine subgenerische Stellung einzuräumen.

-i In meinem Berichte in den -Denkschriften-; als Lytlonia cf. tciinis angeführt.

■' Meine an der Identität des Spirifcr Miisakheyhnsis D av. und Sp.fascigcr Keyserl. gehegten Zweifel, denen ich in meiner Publication über die Fauna der Productus Shales (Palaeontologia Indica, ser. XV, V'ol. I, Pt. 4) Ausdruck gegeben habe, sind durch das Studium der zahlreichen, in der Sammlung des Herrn Prof. Tsch erny schew in St. Petersburg befindlichen Exemplare, die mir der letztere zu zeigen die Liebenswürdigkeit hatte, behoben worden.

'■ Diese Art wird gegenwärtig von Tschernysche w zu Mcntzelia tiestelit.

450 C. Diener,

25. Martinia acutoinarginalis nov. sp.

26. » contracta Meek and Worth.

27. Reticnlaria lineata Mart.

28. Athyris Royssil Lev.

29. » siibexpansa Waag.

30. » capillata Waag.

31. Sp/r/gerelJa Derbyi Waag.

32. » graiidis Waag.

33. » pertiunida nov. sp.

34. Enteles Tschernyscheßi nov. sp.

35. Unciimlns Timorensis Beyr.*

36. Caniaroplioria gigantea nov. sp.

37. » Purdoni Dav.

38. » sp. Ind. ajf. crnuieua Mart.

39. Heiniptychina sparsiplicata Waag.

40. '> inßata Waag.

41. » himalayensis Dav

42. NototJiyris cf. subvesicularis Dav

43. » triplicata nov. sp.

44. Dielasma biplex Waag.-

Bryozoa.

45. Fenestella sp. ind. äff. virgosa Eichw.

Spongiae.

46. Ainblys/phonelhi cf. vcsicnlosa de Kon.

Coralla.

47. Lonsdaleia indica Waag. und Wentzel.

48. AmpJexus sp. ind. äff. A. AbichiWaag. und Wentz.

Sieht man von den neuen Arten (11) ab, so zeigt sich, dass unter den bereits von anderwärts bekannten P'ormen

1 Uiiciini/iis Tlicoba/ili W aagen ist mit Hey rieh's Art aus dem Penn von Timor zu vereinigen.

2 Die Bestimmung anderer Formen dieser indifferenten Gattung (z. B. Dielasma acntangiilum Waag.) möchte ich nach eingehender Untersuchung des mir vorliegenden Versteinerungsmaterials nicht aufrecht erhalten.

Äquivalente der Carbon- und Pennformation im Himalaya. 4o 1

(im Ganzen 34, wenn man die als 5;'. iiul. angeführten ausser Beti-acht lässt) die weitaus überwiegende xMehrzahl mit solchen aus dem Productus-Limestone der Salt Range identisch ist. Dies gilt insbesondere für die Brachiopoden, die fünf Sechstel der gesammten Fauna des Klippenkalkes von Chitichun aus- machen. Von den 23 mit den Productus-Kalken der Salt Range gemeinsamen Brachiopoden-Arten gehören 20 der Oberen Ab- theilung des Mittleren Productus-Kalkes (Virgal- und Kälabägh beds) an. Von diesen, gehen 4 Arten nicht mehr in den Oberen Productus-Kalk hinauf. Nur 10, beziehungsweise 9 Arten sind mit den Amb- und Katta beds gemeinsam. Die in meinem Berichte in den »Denkschriften« auf Grund einer vorläufigen Durchbestimmung des Versteinerungsmaterials ausgesprochene Ansicht, dass die Klippenkalke von Chitichun der Oberen Abtheilung des Mittleren Productus-Kalkes der Salt Range gleichzustellen seien, erscheint mithin in vollem Umfange bestätigt.

Unter den asiatischen Ablagerungen der anthracolithischen Epoche scheinen die von Desgodins entdeckte Fauna von Var-ka-lo in Süd-China^ und jene von Tschu-sz'-kang- am unteren Vang-tse-kiang eine ähnliche stratigraphische Stellung einzunehmen. Auch zur permischen Fauna von Timor bestehen nahe Beziehungen (12 gemeinsame Brachiopoden-Arten), doch weist das Vorkommen einer so hoch entwickelten Ammoniten- form wie Cydolobus persnicatus auf eine nähere \'erwandt- schaft der Fauna von Timor mit jener des Oberen Productus- Kalkes der Salt Range hin. Von europäischen Ablagerungen hat die Artlnsk-Stufe Russlands die grösste Zahl mit dem Klippenkalk von Chitichun gemeinsamer Arten (12). Doch ist zu berücksichtigen, dass die Beziehungen der Fauna von Chitichun zu jener der sicilianischen Fusulinenkalke von Sosio erst nach dem Abschlüsse der Bearbeitung der sicilianischen Brachiopoden durch Gemmellafo einer Beurtheilung zugäng- lich sein werden.

1 L. V. Loczy, Die wissenschaftlichen Ergebnisse der Reise des Graten Bela Szechenyi in Ostasien, I. Th. Wien, 1893, S. 723.

- F. Frech, Über paläozoische Faunen aus Asien und Xordafrika. Neues Jahrbuch für .Mineral. 1S95, S. 54.

-r02 C. Diener,

Die Fauna der Klippenkalke von Chitichun ist sonach wahrscheinlich von permocarbonisch em, vielleicht schon von unterpermischem Alter. Mit Bestimmtheit lässt sich diese Frage vorläufig nicht entscheiden. Ihre Beantwortung hängt im Wesentlichen davon ab, wo man innerhalb des Productus- Kalkes der Salt Range, der eine continuirliche Schichtreihe aus dem Obercarbon bis ins Perm darstellt, die rein künstliche Grenze zwischen dem Permocarbon und dem eigentlichen Perm ziehen will.

Es verdient bemerkt zu werden, dass der einzige in den Klippenkalken des Chitichun Nr. I gesammelte Ammonit, eine dem Stacheoceras niediterraneiim Gemmellaro aus den Fusu- linenkalken von Sosio sehr nahestehende Art, die Frage nach dem Alter der Chitichun -Fauna bereits mit ebenso grosser Genauigkeit zu beantworten gestattet, als das gesammte, reich- haltige Material an Brachiopoden. Jener statistischen Methode gegenüber, welche die verschiedenen Thierclassen bei Niveau- bestimmungen als gleichwerthig ansieht, dürften derartige That- sachen wohl im Auge zu behalten sein.^

Das V^orkommen der Klippenkalke von Chitichun ist ein isolirtes, auf vereinzelte Aufbrüche in viel jüngeren Sedi- mentärgesteinen einer Muldenregion beschränktes. In der Hauptregion des Himala}^^, im normalen Schichtverbande mit anderen Gliedern der paläozoischen Serie, kennt man bis heute weder Bildungen von gleichem Alter, noch von einer ähnlichen Facies. -

2. Productus Shales von Johar und Painkhända.

Die Aufeinanderfolge der anthracolithischen Schichtbildun- gen im Central-Himalaya von Johär und Painkhända ist \on

1 Vergl. E. V. Mojsisovics, Die Cephalopoden der Hallstätter Kalke. II. Theil. Abliandl. der k. k. Geol. Reichs-Anst. Bd. VI, 2. Hälfte, S. 817.

- Es ist sehr wahrscheinlich, dass die von Hughes in der Nähe eines der tibetanischen Grenzpässe nördlich von Milam in weissen Crinoidenkalken gesammelten und von Waagen (Records. Geol. Survej- of India, Vol. XI, 1878, p. 182 187) untersuchten Fossilreste aus den Klippenkalken des Chitichun Nr. I oder aus einer der benachbarten Klippen stammen. Es ist nicht mehr möglich, den Fundort jener Fossilien genauer festzustellen.

Äquivalente der Carbon- und Permfonnation im Himalaya. 453

Griesbach festgestellt worden. Für die Districte von Milam und Niti kann ich die Genauigkeit seiner Angaben auf Grund eigener Erfahrung bestätigen.

Das durch Ablagerungen von sehr bedeutender Mächtig- keit vertretene Carbonsystem zerfällt in zwei Abtheilungen. Die tiefere besteht aus rothen Crinoidenkalken mit blaugrauen Zwischenlagen und erreicht eine Mächtigkeit von 120 bis 400 m (Byans). Die obere besteht aus einem weissen Ouarzit von 100 bis 250 «^ Mächtigkeit. Leider fehlen wohlerhaltene Versteinerungen aus beiden Abtheilungen nahezu vollständig. Aus den blaugrauen Kalksteinen der unteren Abtheilung vom Lipu Lekh-Pass (Quellgebiet des Kali River an der Grenze von Byans und Tibet) liegen in Griesbach's Sammlung einige Durchschnitte von specifisch nicht bestimmbaren Korallen (Zaphrentis, Canipophylhim?) vor. Aus dem höheren Ouarzit liegen mir einige specifisch ebenfalls nicht näher bestimm- bare Reste von Orthoceras (Marchauk-Pass und Pethathäli Valley) vor.

Zwischen dem carbonischen Ouarzit und dem dritten, jüngsten Schichtglied der anthracolithischen Serie, den von Griesbach als »Productus Shales« bezeichneten schwarzen Schiefern an der Basis der grossen Triaskalkmassen ist an vielen Stellen eine Erosionsdiscordanz sichtbar. Auch greifen die Productus Shales local auf ältere Glieder über. Insbesondere im Niti-District ist ihrer Ablagerung eine theilweise Denudation der Quarzite vorausgegangen. Bei Patalpani fehlen sogar nach Griesbach's^ Mittheilungen die Quarzite vollständig, und die Productus Shales liegen unconform auf der tieferen Abtheiiung des Carbonsystems.

In ihrem Hangenden sind die Productus Shales auf das Innigste verbunden mit den Otoceras beds, dem tiefsten Gliede der Himalaya-Trias. Der Übergang ist, wie ich bereits bei früheren Gelegenheiten wiederholt ausgeführt habe, ein so allmäliger, dass die Grenze zwischen beiden Schichtgruppen nur auf Grund der Fossilführung unterhalb der Kalkbank mit

1 C. L. Griesbach, Geology of tiie Central Himäiayas. Memoirs Geol .Survey of India, Vol. XXIII, 1891, p. 114 117.

4o4 C.Diener,

dem Hauptlager des Otpceras Woodwardi Griesb. gezogen werden kann. Diese enge stratigraphische V'erknüpfung der Productus- Schiefer mit den Triasbildungen im Hängender! einerseits und ihre unconforme Auflagerung auf carbonischen Sedimenten anderseits hat bereits Griesbach zu der Meinung geführt, dass die Productus Shales als ein Äquivalent der permischen Bildungen Europas anzusehen seien. Diese Schluss- folgerung ist in der That die auf Grund der Lagerungs\-erhält- nisse einzig und allein mögliche.

In den Sandstein- und Kalklinsen der 35 bis 70 m mächtigen Productus Shales bei Kiunglung Encamping Ground unterhalb des Niti- Passes und im obersten Lissar-Thale hat Gries- bach eine ziemlich artenarme, aber individuenreiche Fauna gesammelt.^ Diese Fauna setzt sich aus den nachstehenden Formen- zusammen:

Lamellibranchiata.

1 . A viciilopccfcu lücuialis S a 1 1 e r.

Brachiopoda.

2. Choiietes Vishnn Salt er.

'S. » Lissarcnsis nov. sp.

4. Productus Piirdoni Dav.

5. » gaugetiais nov. sp.''

6. >' cf. serialis W'asig.

7. >' cf. Cancrini V'ern.

8. " cancriniforuiis T s c h e r n .

9. SjTir/fcr Ra van a nov. sp.

10. » Musaldicylcusis Uaw {z= fascigcr KQ\se\-\.).

J Die von Strachey am Chorhoti-Paas gesammelten, von Salter (Palaeontology pf Niti etc., Calcutta, 1S65, p. 52) als carbonisch beschriebenen [•"ossiüen stammen ebenfalls aus diesem Niveau. :

- Eine Monographie dieser Fauna (Palaeontologia Indica^ ser. XV, Vol. J, Pt. 1\') ist soeben erschienen. In die nachstehende Liste sind die nur generisch bestimmbaren Reste nicht aufgenommen "vvorden.

3 In meiner Arbeit in den -Denkschriften« (S. 595) als P. Abiclii Waag. angeführt. Erst die, Untersuchung des Schlossfortsatzes der. kleinen Klappe- lehrte die unterscheidenden Merkmale der neuen Species kemien. . . .; ,- .

Äquivalente der Carbon- und Permformation im Hiinalaya. 455

1 1 . Spirifer sp. ind. aß', fascigcro. \2. >■ Joliarcnsis now sp.

1.3. » Nitieusis nov. sp.

14. Martinia glabra Mart.

15. Spirigerclla Derby i Waag.

16. Afhvris Royssii Lev.

17. >^ Gerardi now sp.^

In dieser Liste fällt vor Allem die grosse Zahl der neuen Arten auf. Nur acht Species sind mit bereits von anderwärts bekannten identisch. Die Fauna zeigt ebenso nahe Beziehungen zu dem Oberen Productus-Kallc der Salt Range, wie zum russischen Perm«_)carbon (Artinsk-Stufe). Bemerkenswerth ist jedoch gerade das Vorherrschen neuer Formen und das auf- fallende Zurücktreten der z. B. noch im KHppenkalk von Chiti- chun so häufigen Typen \'on Prodiictiis, die bereits im Carbon beginnen und aus diesem in das permische S\'stem hinauf- gehen. Carbonische Anklänge sind hier zweifellos in geringerem Maasse vorhanden als in der Chitichun-Fauna. Es spricht mit- hin auch der Charakter der Fauna der Productus Shales eher für als gegen eine Parallelisirung der letzteren mit permischen Ablagerungen, eine Parallelisirung, für die im Übrigen die Lagerungs\'erhältnisse in unzweideutiger Weise sprechen.

Eines der bezeichnendsten Fossilien der Productus Shales, Fvodiiciiis caucriuiforuiis Tschern., findet sich genau mit den gleichen Merkmalen auch in der von- Bogdanowitsch am P4usse Gussass im westlichen Küen-Lün entdeckten, von Frech- beschriebenen Permocarbon- oder Permfauna. Die Gussass -Schichten liegen discordant über gefaltetem Ober- carbon (Moskauer Stufe) mit. Productus seuiircticnlatns. Es liegt nahe, in der Unconformität an der Basis der Productus

1 Es ist dies die in der oben citirten Monograpliie auf PI. V, Fig. 5 abgebildete, irrthümlich mit Alhyris Royssii vereinigte, aber von dieser durch bedeutendere Grösse, sehr flache Wölbung der grossen Klappe und sehr grossen Cardinahvinkel unterschiedene Form.

'?. F. Frech in E. Suess, Pieiträge zur Stratigraphie Central-.'Vsiens. Denkschr. der kaiserl. Akad. der Wissensch., Bd. LXI, 1894, S. 454. Die übrigen an der Zusammensetzung dieser I'aunula betheiligten Formen sind sehr indifferente .Arten.

456 C.Diener,

Shales die Anzeichen jener tibetanisclien Transgression zu vermuthen, deren Bedeutung für die geologische Geschichte Central-Asiens durch die Arbeiten von Bogdano witsch und Suess klargestellt wurde. Indessen sind deutliche Spuren einer variscischen Faltung, wie sie für den westlichen Küen-Lün aus den Beobachtungen von Bogdano witsch, für einige Gebirgs- züge des mittleren China (Tsinglin-shan) aus den Beobach- tungen von F. V. Richthof en sich ergeben, für den Himalaya noch nicht nachgewiesen. Die einzige schärfer ausgeprägte Discordanz, die Griesbach innerhalb der sedimentären Zone des Central-Himalaya von Johär und Painkhända festgestellt hat, jene an der Basis der Productus Shales, scheint nicht mit faltenden Bewegungen von grösserer Intensität in Beziehung zu stehen. Gebirgsstörungen \'on der Art, wie man sie in der Region der variscischen Faltungen in xMittel-Europa, in einzelnen Theilen von Südafrika, Central-Asien, China und Nord- Amerika kennt, gingen der Ablagerung der Productus- Schiefer im Himalaya nicht voraus.

3. Kuling" Shales von Spiti.

Über die Gliederung der paläozoischen Schichtbildungen in Spiti hat zuerst Stoliczka^ Bericht erstattet. Von den drei Abtheilungen, die er in denselben unterschied und die er als Babeh-, Muth- und Kuling series bezeichnete, stellte er die letztere dem europäischen Carbon gleich. Seine Angaben sind später von R. D. Oldham- und C. L. Griesbach •' in mehr- facher Hinsicht berichtigt worden. Nach den Beobachtungen des letzteren Forschers kann man in den anthracolithischen Bildungen von Spiti die nachstehende Schichtfolge feststellen.

Über dunklen, fossilleeren Kalksteinen von muthmaasslich devonischem Alter folgen erdige, graue und rothe Crinoiden-

1 F. Stoliczkii, Geological Scctions across tlie Himalaya .Mts. from Wangtu bridge on tlie River Sutlej to Sungdo on the Indus. .Mem. Geol. Survey of India, Vol. V, Pt. I, p. 25-29.

2 R. D. Oldham, Some notes on the geolog\'' of the NW. Himälayas. Records Geol. Surv. of India, Vol. XXI, 1888, p. 151 153.

3 G. L. Griesbach, Records Geol. Surv. of India, Vol. XXII, 1889, p. 158 167, und Geology of the Central Himälayas, p. 212 223.

Äquivalente der Carbon- und Permtormalion im Himalaya. 457

kalke von löO bis 2b0 in Mächtigkeit. Über diesen liegt ein gegen 150 in mächtiger, feinkörniger, weisser Ouarzit, den Stoliczka iri-thümlich der Muth-series zuwies. So weit ist diso die Schichtfolge die nämliche, wie in Painkhända und Johär. Zwischen dem weissen Ouarzit und den schwarzen Schiefern vom Typus der Productus Shales stellt sich jedoch in Spiti noch ein Schichtglied ein, das weiter im Osten fehlt, nämlich > ein splittriger, grauer Kalkstein von 20 m Mächtig- keit, reich an Fossilien, vorwiegend Productus, Athyris Royssii und Korallen«.

Leider sind weder aus diesem, noch aus den tieferen Horizonten Versteinerungen in Griesbach's Aufsammlungen vertreten. Es ist dies umso bedauerlicher, als einige Anhalts- punkte dafür sprechen, dass man in den grauen Kalksteinen über dem Quarzit eine Vertretung der fossilreichen obercarbo- nischen Barus beds von Kaschmir vermuthen darf. Dagegen liegen aus Stoliczka's Aufsammlungen zwei ausgezeichnete Exemplare von

Syriugotliyris cuspidata AKart.

aus einem grauen Crinoidenkalkstein bei Kuling voi\ die wahr- scheinlich dem tiefsten der von Griesbach unterschiedenen Xi\'eaux des anthracolithischen Systems angehören dürften. Die Anwesenheit dieser charakteristischen Art des europäi- schen und amerikanischen Bergkalkes spricht für ein unter- carbonisches Alter der betreffenden Ablagerungen.

Die grauen Kalke im Hangenden des carbonischen Quar- zits werden von der Kuling-series Stoliczka's überlagert. In dieser Schichtgruppe erscheinen zwei Bildungen von ver- schiedenem Alter zusammengefasst. Die obere Abtheilung der Kuling-series enthält, wie Griesbach gezeigt hat, die be- zeichnenden Formen der Otoceras beds und fällt somit der skythischen Serie des Trias-Systems zu. Die tiefere Abtheilung besteht aus schwarzen, glimmerigen Schiefern mit Sandstein- einlagerungen und wird von Griesbach als ein Äquivalent der Productus Shales von Johär und Painkhända angesehen. Soweit man dies nach den Handstücken beurtheilen kann, ist in der That die Übereinstimmung in der lithologischen

Sitzb. d. mathem.-naturw. Gl.; GVL Bd., Abth. f. 32

4o8 C. Diener,

Beschaftenheit beider Bildungen eine bemerkenswerthe. Aus dieser Abtheilung stammen die von Gerard, Stoliczka und Griesbach bei Kuling, Muth. Kliar und Lilang gesammelten Brachiopodensuiten. Die ziemlich dürftige Fauna umfasst

folgende Arten:

1. Margiiiifcra liiunihiyevsis no\'. sp.

2. Chonetcs cf. Lissarcusis Diener.

3. Atliyris Gerardi Diener.

4. Spirifer Mnsakhcyleusis Dav. (;=: fascigcr Keys.).

5. » Nitieiisis /D\Qy\Q\\

6. » Rajah Salt er.

7. > sp. ind. äff. Rajah.

An Indi\"iduenzahl überwiegen in dieser Fauna Margiiii- fera himalayensis'^ und Spirifer Raj all weitaus. Erstere P'orni steht der M. typica Waagen aus dem Mittleren und Oberen Productus-Kalk der Salt Range sehr nahe. Spirifer Rajali kommt ausser in Spiti nur noch in den obercarbonischen Barus beds von Kaschmir vor. Clionetes Lissareusis, Atliyris Gerardi und Spirifer Nitiensis sind bezeichnende Arten der Productus Shales von Johär und Painkhända. Die auf stratigraphischer Grundlage von Griesbach vorgenommene Parallelisirung der letzteren Schichtgruppe mit der tieferen Abtheilung der Kuling series in Spiti erscheint also auch mit Rücksicht auf den faunistischen Inhalt beider Ablagerungen gerechtfertigt.

Ich bin der Meinung, dass den hier in Rede stehenden Schichten der von Stoliczka vorgeschlagene Name »Kuling Shales« belassen werden sollte, obgleich diese Bezeichnung \'on Stoliczka ursprünglich in einem weiteren Sinne gefasst war. Die Einschränkung des Namens auf die brachiopoden- fü-lirenden, permischen Schiefer, nach Ausscheidung der als untertrradisch erkannten Theile der »Kuling series«, steht indessen mit den Regeln der stratigraphischen Nomenclatur

J Die grosse Klappe die>er ]"orm ist von Stoliczka irrthünilich . mit Prodiichis longispiuiis Sow., die kleine Klappe mit P. \ciiiii-t-liciiLilus .\Iart. identificirt worden. An mehreren Exemplaren konnten die für da^ Siihgenus Märginifem bezeichnenden, inneren Schaleiileisteh mit \'oller Deutlichkeit con- stätirt Werden. ' .' , :

Äquivalente der Carhon- und Permformation im Himaiaya. 459

nicht im Widerspruch.^ Aus Gründen der Priorität sowohl, wie als Localname verdient die Bezeichnung »Kuling-Schiefer« für den in der Hauptregion des Himalaj'a weit verbreiteten permi- schen Horizont den Vorzug.

4. Zewän beds von Kaschmir.

Das Vorkommen anthracolithischer Ablagerungen in Kasch- mir ist seit lange bekannt. Schon im Jahre 1838 vermuthete Hugh Falconer- das carbonische Alter eines Kalksteins im Thale von Kaschmir. Im Jahre 1850 beschrieb W. King"' Stropluilosia Gerard i\ die von Dr. Gerard auf dem Grenz- kamme zwischen Ladakh und Bisahir gesammelt worden war. Im Jahre 1866 x'eröffentlichte Davidson'^ eine Beschreibung der Fauna der fossilreichen Barus- oder Zewän beds von Barus, Wasterwan, Loodoo, Khoonmoo und anderen Localitäten an der Ostseite des Kaschmir-Thaies, während Godwin-Austen eine Darstellung der geologischen Verhältnisse gab. Durch diese Arbeit \N'urde das carbonische Alter der \-on Godwin- Austen als Zewän- oder Barus beds bezeichneten fossil- führenden .Schichten festgestellt.

Die nächste, für die Feststellung der Geologie des Kasch- mir-Thaies bedeutsame Arbeit wurde \-on A. Verchere ■'' in

' Ein Analogen zu diesem Vorgange bildet die Beschränkung des Namens >l-'artnach-Schichten durch Skuphos auf die untere Abtheilung des ursprüng- lich von Gümtael mit diesem Namen bezeichneten Schichtcomple.xes.

- Hugh Falconer, Official Report of an e.xpedition to Kashmir and LittleTibet in 1837—38. Palaeontological Alemoirs of Hugh Falconer, Vol.l, p. 567.

"' W. King, A monograph of the permian fossils of England. London, 1S5Ü, p. 96.

•1 Godwin-Austen, ün the carhoniferons rocks of the valley of Kash- mere, with notes on the brachiopoda, eollected by Capt. G. A. in Tibet and Kashmere, by T. Davidson. Quart. Journ. Geol. Soc, \'ol. XXll, 1866. p. "in 4.3. liin vorläuHgcr Pjcrichl erschien im 20. Bande des Quart. Journ. (lS(i4). p. oSo 387. Sämmtliche Pdssilion stammen aus Kashmir, niciit wie der Titel der Arbeit irrthümlich besagt, aus Tibet.

•"' A. Verchere, Kashmir, the Western Himaiaya, and the Afghan .Moun- tains. Journ. Asiat. Soc. of Bengal. Calcutta, 35. Bd., 2. Th., pp. 89 134, 159— 203; 36. Bd., 2. Th., pp. 201-229.

32*

460 C. Diener,

den Jahren 1866 und 1867 veröffentlicht. Die beigegebene Beschreibung der theils von Verchere selbst, theils \'on E. de Verneuil bestimmten Fossilien ist leider in einer Form publi- cirt worden, die ihre Benützbarkeit in hohem Maasse erschwert. Verchere constatirte die Unterlagerung der anthracolithischen Serie durch gewaltige Massen intrusiver Eruptivgesteine, be- gleitet von fossilleeren Schiefern. Die Kallvsteine und Schiefer im Hangenden dieser Eruptivbildungen zerfallen nach seinei- Darstellung in drei Gruppen, die Zeeawan beds, Weean beds und Kothair beds. Die beiden ersteren hält Verchere für carbonisch, die letztere für Trias. Doch bin ich durch die Prüfung der von ihm gesammelten Fossilreste zu der Über- zeugung gelangt, dass mindestens ein Theil seiner Weean beds ebenfalls schon zur Trias gerechnet werden muss, da der von ihm aus diesen Schichten angeführte Goniatites gangeticits von Banda mit Dauiibites nivalis Dien., einem Leitfossil der unter- triadischen Subrobustus-Schichten, identisch ist.

L y d e k k e r 's 1 Aufnahmsbericht über die geologischen Verhältnisse von Kaschmir und Chamba bietet keine Anhalts- punkte für eine Gliederung der anthracolithischen Ablage- rungen. Wichtig ist indessen der Nachweis, dass die fossil- führenden Zewän oder Barus beds, deren Mächtigkeit von 10 bis 80 w wechselt, concordant auf einem weissen Ouarzit liegen, den Griesbach und Oldham als ein Äquivalent des carbonischen Quarzits von Painkhända und Spiti ansehen.

An der Hand des mir vorliegenden Versteinerungsmate- rials und mit theilweiser Zugrundelegung der leider sehr unvollständigen stratigraphischen Daten von\'erchere und Lydekker vermag ich drei fossilführende Horizonte in den anthracolithischen Bildungen von Kaschmir zu unterscheiden. a) Grüne oder graue Schiefer, dunkle, glimmerige Kalke, graue Kalke, dunkelblaue Kalke mit zahlreichen Fenestellen von Barus, Eishmakam, Wasterwan, Vihi, Loodoo, Marbel-Pass und anderen Localitäten des Kaschmir-Thaies. Sie enthalten

1 R. Lydekker, The geology ol" the Kashmir and Chamba territories and the British District of Khägän. Memoirs Geol. Surv. ot" India, Vol. XXII, 1883, Chapters VI, VII.

Äquivalente der Carbon- und Permrormalion im Himalaya. 461

die von Davidson beschriebene Fauna der Barus beds. Diese Fauna umfasst die folgenden Arten: ^

Crustacea.

1. Plüllipsia sp. iiul. ex äff. scuiiuifera Phill.

Brachiopoda.

2. Proditctus Cora d'Orb.

3. y midatns Defr.

4. » semireticiilatns Mart.

5. » cf. longispinns Sow.

6. » cf. scabn'ciiIiisMavt

7. » cf. sp/inilosiis Sow.

8. >> pus/ iiltK^iis ?hi\\.

9. >' piincfatiis Mart.

10. >• acnleaUis Mart.

11. >' mougoliciis Diener.

12. Strophalosia cf. teiinispiiia Waag.

13. >^ sp. ind..aff. c'ostata Waag.

14. Chouctes laevis Dav.

15. » Hardrensis var. Kashnicrieiisis Lydekker.

16. >■ Allsten! an a Dav.

17. » Banisieiisis Dav.

18. Lyttonia sp. lud.

1 9. Derby ia cf senilis Phill.

20. Eunietria cf grandicosta Dav.

21. Spiriferina cf. Kentnckensis Shum.

22. Spirifer Mnsaldieylensis Dav. (^=: fasciger Key sev\).

23. » sp. ind. äff. Mnsaklieylensi.

24. >• RaJ ah S alter.

25. » cf. triangulär is Mar t

26. » Lydekkeri nov. sj).

27. » Kashmeriensis Dav.

28. Vihiaiiiis Dav.

' -Mir standen für meine Bearbeitung der Fauna dieser Schichtgruppe die gesammten Aufsammlungen von Major Collet und Lj-dekker, ferner ein grosser Theil der .'\ufsammlungen von (.1 od win- Aust en und\'ercherc zur Verfügung.

462 C Diener,

29. Martiniopsis sp. ind. ex äff. snbradiata Sow.

30. Athyris snhtilita H a 1 1 .

31. » BiiddJiista Verch.

32. » cf. expansaVWxW.

33. Rliynchonelhi triplex M'Coy.

34. » Barusiensis Dav.

35. » Kashmei'iensis Dav. (?) 36. Camarophoria cf. Purdoni Dav.^

37. Dielasuia hastatnrn Sow.

38. Discina Kashineriensis Dav.

Bryozoa.

39. Feilest dla sp. ind. aff'.fossnla Lonsd.

40. » sp. äff. internaia Lonsd.

41. Protoretepora arnpla Lon.sd.

42. Acanthocladia sp. ind.

Das obercarbonische Gepräge tritt in dieser Fauna mit voller Deutlichkeit hervor. Etwas weniger als die Hälfte der specifisch bestimmbaren Formen ist mit solchen aus euro- päischen Carbonablagerungen identisch. Namentlich die Ver- gesellschaftung der Prodnctus-Avten ist eine solche, wie man sie im Carbon von England, Belgien oder Russland zu treffen gewohnt ist. Beziehungen zu den Productus-Kalken der Salt Range treten weniger hervor, als man in Anbetracht der geringen Entfernung erwarten wiirde. Von den beiden Strophalosien und Mon Discina Kashmeriensis, die vielleicht mit Discinisca Warthi Waag. identisch ist, abgesehen, enthält die Fauna der Barus beds nur solche Arten des Productus-Kalkes, die auch ausser- halb der Salt Range, aus dem europäischen Obercarbon bekannt sind. Daneben finden sich auch Anklänge an die Faunen des australischen Carbon, auf die schon Waagen (1. c. p. 166) hin- gewiesen hat, jedoch nur in bescheidenem Maasse. Auf solche

1 Von Waagen (Salt Range Fossils, Pal. Ind. ser. XIII, Vol. IV, p. 165) irrthümlich mit Spingerella Derbyi Waag. identificiit.

- Von dieser Art ist es zweifelhaft, ob sie thatsächlich aus den Barus beds oder vielleicht schon aus höheren Schichten der anthracolithischen Serie stammt.

Äquivalente der Carbon- und Permlbrmation im Himalaj'a. 468

Anklänge deutet insbesondere die Bryozoenfauna der ßarus beds mit Prolorctepora ampla, ferner das Vorkommen einer grossen Martiiiiopsis aus der Gruppe der M. stibradiata und des Spirifer Lj'dekkeri, einer Form aus der Verwandtschaft des Sp. Clarkei de Kon. hin.

Das obercarbonische Alter der Barus beds wird durch das Auftreten einer Reihe von Typen ausser Zweifel gestellt, die den älteren Carbonfaunen fremd sind. Zu solchen gehören bei- spielsweise: Productus inongoliais (= cf. Cora Kays er), die beiden Strophalosia- Arten, die Gattung Lyttonia, Spiriferina cf. Keutuckensis, die Gruppen des Spirifer fasciger und S/V. Rajah u. a. Doch ist eine schärfere Parallelisirung mit einem der Horizonte des russischen Obercarbon vorläufig noch nicht statthaft. Von asiatischen Carbonablagerungen scheinen jene von Loping in Süd -China den Barus beds faunistisch am nächsten zu stehen.

h) Gelbgraue, quarzitische Sandsteine, lithologisch dem Spiriferen-Sandstein des rheinischen Devon nahestehend, von Lydekker an einer nicht näher bezeichneten Localität im Ladakh -Thal gesammelt. Sie enthalten zahlreiche, aber meist unbestimmbare Abdrücke von Spiriferen und Rhynchonellen oder Camarophorien. Spirifer Lydekkeri ist in mehreren sicher bestimmbaren Exemplaren vertreten. Neben denselben fand sich Connlaria tcnuistriata M'Coy, die sowohl aus dem austra- lischen Carbon, wie aus dem Boulder bed der östlichen Salt Range bekannt ist. Das Material, aus dem die Geschiebe des Boulder bed mit den Conularien bestehen, ist jedoch petro- graphisch von dem Quarzsandstein des Ladakh -Thaies \'er- schieden.

Mit Rücksicht auf das Vorkommen \'on Spirifer Lydelilieri und Connlaria tennistriata dürften die Ouarzsandsteine des Ladakh -Thaies ebenfalls ins Obercarbon zu stellen sein. Ihre stratigraphischen Beziehungen zu den Barus beds sind eine offene Frage.

c) Graue, glimmerigeSchiefermitKalklinsen,vonLydekker auf der VVestspitze eines Rückens nordöstlich von Prongam Träl in Kaschmir gesammelt. Die den Kuling Shales von Spiti sehr ähnlichen Gesteine haben die folgenden Arten geliefert:

464 C.Diener.

1. Prochicfiis Abiclii Waagen.*

2. Margin ifera liinialaycusis Dien.-

3. Chonctes graiidicosta \W s.^g.

4. Strophomena analoga Phill.

Von der letzteren, indifferenten, aus dem Untercarbon (vielleicht Devon) bis ins Perm aufsteigenden Art abgesehen, weist diese Faunula entschieden auf ein höheres Niveau als Obercarbon hin. Marginifera kimalayensis, die in der Fauna von Prongam Träl weitaus vorherrscht, ist das eigentliche Leit- fossil der Kuling Shales von Spiti. Chouetes grandicosta ist in der Salt Range auf die Jabi beds des Oberen Productus Kalkes beschränkt. Produchis Abiclii geht nirgends in ältere Schichten als das Permocarbon herab. Rechnet man die lithologische Übereinstimmung der Schiefer von Prongam Träl mit den Kuling Shales von Spiti hinzu, so dürften gegen eine Gleich- stellung dieser beiden Schichtbildungen kauni begründete Ein- wände erhoben werden können.

Versucht man die Ergebnisse dieser Untersuchungen kurz zusammenzufassen, so zeigt sich, dass sowohl Obercarbon, als Perm in der Hauptregion des Himäla^'a faunistisch vertreten erscheinen.

Das Obercarbon ist in fossilführender Ausbildung durch die Barus- oder Zewän beds \'on Kaschmir repräsentirt. Aus den mächtigen Carbonablagerungen im Central-Himalaj'a kennt man vorläufig noch keine bezeichnenden Fossilreste.

Eine viel grössere Verbreitung als die Barus beds besitzen die fossilführenden Äquivalente der Permformation in der Facies der Kuling- oder Productus Shales. Sie sind gegenwärtig bereits in Johär, Painkhända, Spiti und Kaschmir nachgewiesen. Ihre stratigraphischen Beziehungen zu den Barus beds festzustellen, wäre eine lohnende Aufgabe.

1 Von L y d c k k e r (1. c. PI. II, fig. 3; als Prodiiciiis Htniihohili bescliriebea. '-' Von Lydekker (1. c. PI. II, Hg. 2) unter dem Namen Produclns sciiii- reliciilatus abgebildet.

Äquivalente der Carbon- und Permformation im Himalaya. 4(3o

Ein räumlich sehr beschränktes, aber durch die Art des Auftretens und durch die nahen Beziehungen zur Fauna des Mittleren Productus-Kalkes der Salt Range bemerkenswerthes Vorkommen ist jenes der tibetanischen Klippenkalke des Chiti- chun Nr. I. Dieselben sind wahrscheinlich permocarbonischen" vielleicht schon unterpermischen Alters und repräsentiren einen in der Hauptregion des Himalaya faunistisch bisher nicht nach- .^ewiesenen Horizont.

467

MiUheilungen der Erdbeben-Commission der

kaiserliehen Akademie der Wissenschaften

in Wien.

IV.

Bericht über die im Triester Gebiete beobachteten Erdbeben

vom 15. Juli, 3. August und 21. September 1897

von

Eduard Mazelle,

Uijiiiiit der Ei-dbchcn-CoininissioiL der kais^crlichcn Akademie der Wisse n.'^cliaften. (Vorgelegt in der Sitzung am 21. October 1897.)

Die Monate Juli, August und September 1897 stellten die neue Organisation des Erdbebendienstes der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften für das Triester- Gebiet nicht einmal allein, sondern gleich dreimal auf die Probe, und es kann gleich Eingangs erwähnt werden, dass, wenn dieselbe sich auch vollkom.men bewährt hat, doch immer noch der Wunsch nach der Aufstellung einiger Seismometer, zur besseren Controle- und zur genaueren Bestimmung einiger Elemente, namentlich der Richtung, übrig bleibt, da die bisher erhaltenen Richtungs- angaben sehr widersprechende Resultate ergeben.

In der Zeitangabe^ ist die Unsicherheit nicht so gross, offen- bar in erster Linie dank des vom k. k. astronomisch -meteoro- logischen Observatorium täglich abgegebenen Mittagszeichen, welches aus einem optischen Signale (auf elektrischem Wege fallen gelassener Zeitball) und einem Kanonenschusse besteht, wodurch jeder Bewohner der Stadt in die Lage versetzt wird, seine Uhren danach richten zu können und beim regen Verkehre zwischen der Umgebung und der Stadt sich diese genaue Zeit auch auf die umliegenden Ortschaften überträgt.

Gehen wir nun zur Besprechung der einzelnen Beben über.

' Säriimtliche Zeitansiaben in M. E. Z.

468 Mittheiluiigen der Erdbcben-Commission.

I. Erdbeben vom 15. Juli.

Es mögen zuerst die beim Referenten eingelangten und für das Triester-Gebiet Geltung habenden Berichte auszugsweise mitgetheilt werden.

1. Herr Dr. Ivanic, Director des bischöflichen Diöcesan- Convictes beobachtete um 6''57'"a. im Freien, in der Nähe des Domes und des Hafencastelles, nur eine einzige Erschütterung, mit wellenförmiger Bewegung, in der Dauer von 2 Secunden. Diese Erschütterung wurde von mehreren Personen desConvictes beobachtet und war mit einem Knistern des Gebäudes ver- bunden.

2. Heri- Franceschetti, Beamter des österr. Lloyci, wohnhaft in der Nähe des Lk\vd-Arsenals, beobachtete um 6''55'"a. eine einzige Erschütterung mit wellenförmiger Be- wegung, in der Dauer von 4 5 Secunden. Geräusch wurde keines wahrgenommen, mit Ausnahme des Klirrens des Kaffee- geschirres.

3. Herr Inspector Mahorcic, Stationschef der .Südbahn, beobachtete im Bette liegend um 6'' 56'" a. zwei Erschütterungen mit kurzem Intervalle und hebt besonders hervor, dass deutlich zwei getrennte Stösse, ohne Schaukeln, unterschieden werden konnten, mit der Dauer von 3 Secunden. Die Richtung wurde von Westen nach Osten, durch unmittelbare Empfindung, fest- gestellt. Geräusch \vurde keines wahrgenommen. Der Beobachter erwähnt, dass nach erhaltenen Telegrammen mehr oder weniger fühlbare Bewegungen sich bis Laibach erstreckten.

4. Herr Biringer, k. k. Postcontrolor, in der Stadt wohnend, beobachtete ebenfalls im Bette liegend um 6''56™a. nur eine Erschütterung in der Form eines langsamen gleichartigen Schaukeins. Die Bewegung war von ganz kurzer Dauer, in der Richtung von West nach Ost, ohne mit einem Geräusch ver- bunden zu sein.

5. Herr Seeoberinspector Kloss, k. k. Hafencapitän, beob- achtete in seiner Dienstwohnung im Gebäude der Seebehörde, auch im Bette liegend, um 6''55"'a. nur eine Erschütterung. Der Beobachter erwachte durch das Erdbeben; dieses wurde aber in seiner Wohnung von jenen Personen, welche das Bett bereits

E. Muzelle, Erdbeben im Triester Gehiete. 469

verlassen hatten, nicht wahrgenommen. Der Stoss schien aus östlicher Richtung zu kommen, in der lJ)auer von höchstens 2 Secunden. Das Gebäude hat keinerlei Schaden gelitten.

6. Herr higenieur Faidiga, Assistent des k. k. Observa- toriums, berichtet, dass er das Erdbeben um 6''57'"a., im Bette liegend, wahrnahm, und zwar nur eine Erschütterung mit wellenförmiger und gleichmässiger Bewegung, in der Dauer von 2 Secunden. Der Stoss schien die Richtung Süd Süd— West zu Nord Nord^Ost zu haben. Getöse wurde keines wahr- genommen, nur ein Krachen des Gebäudes und ein Schütteln der geschlossenen Thüre. In Bezug auf die Wirkung der Erschütterung wurde nur auf ganz unbedeutende Sprünge an den Hohlkehlen hingewiesen. Bemerkenswerth sind die Sprünge an den Hohlkehlen der neugemalten Zimmer in der Laboranten- Wohnung des naturhistorischen Museums, welches Museum im selben Gebäude mit dem Observatorium liegt, Piazza Lipsia 1. Diese Sprünge liefen alle in der Richtung SW-NE, die Hohl- kehlen in der Richtung NW SE blieben ohne Sprünge.

7. HerrBlaschutty, Vorstand des k. k. Bahnbetriebsamtes, Triest-St. Andrea, meldet, dass die Eintrittszeit dieses Bebens von ihm persönlich nicht festgestellt wurde, nach der Angabe des ihm unterstellten Personales soll es um 6'' 58'" a. statt- gefunden haben. Im Bahnhofe wurde dieses Beben jedoch nur von einzelnen Personen verspürt. Es wurde nur eine Erschütte- rung beobachtet, in der Dauer von 1-5 2 Secunden. Die Be- wegung war eine wellenförmige, und zwar ein langsames Schaukeln ohne Seitenruck. Die Bewegung war im Anfange stärkerund nahm in circa 2— 3 gleichmässigen ununterbrochenen Schwingungen langsam ab. Durch unmittelbares Empfinden wurde die Richtung von NE SW bestimmt. Geräusch wurde keines vernommen.

8. P. Luigi de B elforte, Mitglied des Kapuziner-Klosters, welches auf einer Anhöhe am südlichen Rande der Stadt liegt, theilt mit, dass die Bewegung nur von einer Person beobachtet wurde, welche dieselbe als eine succussorische, in der Dauer von circa 2 Secunden, annahm.

9. Herr Drasch von der Mineralöl-Raffinerie theilt mit, dass er gehend eine succussorische Bewegung um 6''55'"a. spürte

470 Mittheilungen der Erdbeben-Commission.

und zwar in der Dauer von circa 1 2 Secunden in der Richtung gegen NE.

10. HerrSchad, Societa metallurgica, meldet nur über ein Rütteln und Klirren des KatTeetisches.

1 1. Herr von Ritter, Besitzer der Eisfabrik in Barcola, theilt mit, dass er etwa 5 Minuten vor 7'' Erüh durch das Erdbeben aus leichtem Schlummer aufgeweckt wurde. Das Beben war so stark, dass genannter Herr rasch in eine Eensternische sprang. Ein Getöse wurde nicht wahrgenommen und die Dauer der Bewegung auf 5 Secunden geschätzt. Der Beobachter schreibt es ganz schwachen Erschütterungen zu, dass er als nervöser und sehr sensibler Mensch die Nacht vom 14. auf den 15. sehr unruhig verbrachte. Auch seine Hunde zeigten abnormales Benehmen.

12. Herr Mosettig, Schulleiter in Barcola, beobachtete das Erdbeben wach im Bette liegend, um 6''57'"a. Im Schulhause wurde dasselbe nur vom Beobachter verspürt, in der Ortschaft von wenigen Bewohnern. Es wurde nur eine Erschütterung wahrgenommen, und zwar eine leichte wellenförmige in der Dauer von 3 4 Secunden und schien die Bewegung von S N gerichtet zu sein. Dieselbe war gleichzeitig mit einem unter- irdischen Getöse, einem entfernten Donner ähnlich, verbunden. In einem Hause in der Nähe des Schulgebäudes fiel etwas frischer Mörtel herab.

13. Herr Maar, k. u. k. Schlossinspector in Miramar, theilt mit, dass das Erdbeben nur \'on einzelnen Personen um6''57"'a. verspürt wurde, und zwar sowohl im 2. Stocke, als zu ebener Erde des Schlosses, theils beim Sitzen, theils beim Stehen. Die Bewegung bestand nur aus einer Erschütterungj in der Form eines gleichartigen Zitterns von 2 3 Secunden Dauer; die Richtung, durch unmittelbare Empfindung festgestellt, von E— W. Die Erschütterung brachte ein geringes Geräusch durch Klirren und Rasseln der Einrichtungs- Gegenstände hervor, jedoch keinerlei Wirkungen auf bewegliche Gegenstände und ebenso nicht den geringsten Schaden an den Gebäuden.

14. Herr Sovich, Schulleiter in Servola berichtet, dass das Erdbeben sowohl im Freien als in Gebäuden beobachtet, jedoch weder von ihm, noch \'on einem Mitgliede seiner Familie im

F. Mazclle, Erdbeben im Tricster Cebictc. 471

ebenerdigen Tracte des Schulhuuses wahrgenommen wurde Nach den im Orte eingezogenen Erkundigungen wurde nur eine Erschütterung in der Dauer einiger Secunden bei gleich- massiger Undulation beobachtet, und nach der unmittelbaren Empfindung die Richtung ENE festgestellt. Einige Bewohner behaupteten, dass dem Beben ein kurzes unterirdisches Brausen voranging.

15. Don A. L. Tempesta, Vicar des katholischen Fried- hofes St. Anna, spürte vom Erdbeben gar nichts, trotzdem er um die fragliche Zeit in der Kapelle seine Andacht verrichtete. Nach den Beobachtungen, welche im Friedhofe, sowohl im Gebäude als im Freien gemacht werden konnten, wurde die Zeit mit 6''57"'a. festgestellt. Allgemein wurde jedoch das Beben in der nicht unweit davon, in St. Sabba befindlichen städtischen Schlachtbank gespürt. Nach den Mittheilungen wurde eine einzige Erschütterung angenommen, doch behaupten einige, drei rasch hintereinanderfolgende Bewegungen verspürt zu haben. Die Bewegung war undulatorisch in der Dauer von 3 Secunden. Ein Geräusch wurde nicht wahrgenommen. Die bei ihrer Arbeit beschäftigten Todtengräber glaubten förmlich hin und her zu schwanken und schrieben diese Empfindung einer Bewegung der soeben eingegrabenen Särge zu. Wirkungen an den Grabdenkmälern WLU'den keine bemerkt.

16. Herr Martelanz, Schulleiter in Cattinara, beobachtete vor 7'' Früh in seinem Schlafzimmer eine einzige Erschütterung, in der Art eines leisen Erzitterns. mit der Dauer von circa 3 Secunden. Bett und Xachtkasten zitterten. Die Bewegung schien von Norden zu kommen. Vor der Erschütterung wurde ein donnerähnliches Brausen wahrgenommen.

17. Herr Pertot, Schulleiter in Basovizza, meldet, dass er um 7"a., gerade beim Aufstehen, das Beben wahrnahm, und zwar in der Form einer einzigen Erschütterung mit leichter undulatorischer Bew^egung, in der Dauer \'on 4 5 Secunden. Es-schien aus der Richtung N oder NW zu kommen und brachte ein Zittern des Wohnhauses mit sich.

18. Herr Pozar, Schulleiter in Trebich, um 6''57"'a. beim Waschtisch stehend, beobachtete eine einzige Erschütterung mit zitternder Bewegung. Dieser Stoss wurde , von der ganzen

4/_ Mittheiluiigcn der Erdbeben-Commission.

Familie wahrgenommen und auch von anderen Ortsbewohnern und auf 2 Secunden geschätzt. Kein besonderes Geräusch wurde gehört, als das dem Beben eine Secunde später folgende Knirschen der Möbel, Fenster und Thüren. Der Beobachter glaubt, dass das Beben aus Süden kam.

19. Herr Valentic, Schulleiter in Opcina, beobachtete um 7'' 58'", soll wohl heissen 6''58'"a., im Bette liegend zwei Er- schütterungen, jede in der Dauer einer Secunde. Die Bewegung stellte sich als ein leichtes vSchaukeln dar, in Verbindung mit einem leichten Seitenruck. Ein besonderes Getöse wurde nicht wahrgenommen, nur während des zweiten Stosses ein circa 2 .Secunden dauerndes Geräusch bei der geschlossenen Thür.

20. Hochw. G. M. Martelanz, Pfarrer in Prosecco, meldet brieflich, dass dieses Beben in Prosecco von niemandem beob- achtet wurde. Aus dieser längeren Zuschrift soll noch angeführt werden, dass genannter Beobachter während seiner 20Jährigen Amtsvvirksamkeit in Prosecco nur zweimal P!^rdbeben wahrnahm, das eine Mal zur Zeit des grossen Laibacher Bebens im Jahre 1895, das andere Mal zu einer ihm nicht mehr erinnerlichen Zeit, bei welcher Gelegenheit eine Gisterne ihr Wasser zu ver- lieren begann. Auch mit dem Osterbeben des Jahres 1895 begannen zwei Cisternen des Ortes ihr Wasser zu verlieren. Nach den bei den ältesten Ortsbewohnern eingezogenen Er- kundigungen resultirte, dass in den früheren Jahren nie ein Erdbeben verspürt wurde, weshalb selbst zu Ostern 1895 die Mehrzahl der Bewohner, welche dieses Beben wahrnahmen, an einen heftigen Borastoss dachten.

21. Herr Widmann, Professor an der k. k. Oberrealschule in Triest, theilt aus seiner Villa in Semedella bei Capodistria gelegen, mit, dass er zwei Minuten vor 7"a. ein wellenförmiges Erdbeben mit Brausen und der Dauer von circa 2 Secunden und nur geringer Erschütterung verspürte. Trotzdem diese Mit- theilung eigentlich in das Gebiet für Istrien gehört und auch dem betreffenden Referenten abgetreten wurde, so erscheint sie doch hier angeführt, da dies eine der wenigen Beobachtungen ist, welche über ein wahrgenommenes Brausen während des Bebens berichtet.

E. MaxcUe, Erdbeben im Triester Gebiete. 473

Von der Meinung ausgehend, dass auch negative Antworten von Wichtigkeit sind, namentlich um einen Schluss auf die Intensität der Erdbewegung ziehen zu l^önnen, sollen die wich- tigsten hier auszugsweise wiedergegeben werden.

Herr Raspottnigg, Vorstand der Telegraphen -Centrale, theilt mit, dass er bereits um 6V4'' Früh im Apparatensaale sich befand, doch weder er noch die übrigen anwesenden 10 Beamten und 8 Telegraphistinnen bemerkten etwas vom Erdbeben. Auch der Vorstand der k. k. Telephon-Centrale, HerrHocevar konnte keine Erschütterung wahrnehmen. Ebenso meldet Herr Oberstabsarzt Dr. S. Galambos, Commandant des k. u. k. Garnisonsspitales, dass weder er noch die anderen Alitinwohner eine Erderschütterung verspürten. Die Linoleum-Fabrik ausser dem Weichbilde der Stadt gegen Servola hin gelegen zeigt an, dass auf dem ganzen Fabriksterrain keine Erschütterung wahr- genommen wurde, ebenso die Fabrik vegetabilischer Öle bei Triest, die Direction der Maschinen Fabrik des Stabilimento tecnico triestino in S. Andrea. Der Gendarmerie-Posten-Com- mandant in Opcina meldet ebenfalls kein Erdbeben gespürt zu haben, ebenso der Stationschef der Südbahnstation von Gri- gnano, trotzdem dieser Herr zur fraglichen Zeit sich im Bureau befand. Angestellte Nachforschungen haben auch kein Resultat ergeben. Auch der Pfarrer von S. Croce theilt mit, dass in der ganzen Ortschaft keiner das Erdbeben verspürte.

Gehen wir nun zu einer kurzen Schlussfassung der ein- gelaufenen Mittheilungen über, so lässt sich in erster Linie daraufhinweisen, dass als verlässliche Zeit für das stattgehabte Erdbeben 6''57™a. angenommen werden muss. Die mitgetheilten Zeiten schwanken um diese wahrscheinlich richtige Zeit von 6'\55™ bis 6''58"\ wenn jene Angaben nicht berücksichtigt werden, wo die Zeit nicht in Minuten angegeben erscheint. Vt'ürden wir einfach das Mittel sämmtlicher Angaben bilden, so würde 6''56-5'" resultiren; wenn hingegen den verlässlicheren Angaben, wo der Beobachter anführt, dass die Uhren nach dem Mittagszeichen verglichen wurden, ein doppeltes Gewicht gegeben wird, so resultirt 6'' 56' 7"\ Die grösste Anzahl der Zeit- angaben stimmt jedoch mit 6''57"\ Die nächst grösste Anzahl fällt auf 6''5ö'", was leicht erklärlich ist, wenn man bedenkt, dass

Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl.; GVL Bd., Abth. 1. 33

474 Mittheilungen der Erdbeben-Commission.

viele Personen es gewöhnlich vorziehen, die Zeit in einer ab- gerundeten Minuten-Zahl anzugeben, namentlich in Fällen, wo ein Zeitmoment nicht genau fixirt werden konnte.

Eine räumliche Vertheilung der Eintrittszeiten lässt sich hier, namentlich auch in Berücksichtigung der kleinen Aus- dehnung des Referat-Bezirkes, nicht besprechen.

\n der nachfolgenden Tabelle werden die erhaltenen Zeit- angaben, in Verbindung mit einigen anderen wichtigen Ele- menten in tabellarischer Form zusammengestellt.

Zeit

Anzahl der Erschütterungen

Dauer in Secunden

Richtung

61' 57'" a. 6h 55'" 6l> 56'" 611 56,1, 6i> 55'" 61' 57'" 6'' 58'"

61' 55'" 6^55"' ßh 57, u

61' 57'"

vor i " a.

(71') 61' 57'" 61' 58'" 6h 58'"

1 1

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 l (3) 1 1 1

2

4—5

3

(ganz kurz)

1-5 2

3—4 2—3

einige Secunden

3

3

4—5

W— E

W— E

E

SSW— NNE

NE— SW

NE

S— N E— W ENE

K oder NW S

Von den eingelaufenen Berichten sprechen sich fast alle nur für eine Erschütterung aus, nur zwei Beobachter melden von 2 deutlich unterschiedenen Stössen und einer von 3 rasch hintereinanderfolgenden Erschütterungen. Sämmtlichen Beob- achtern, mit Ausnahme von dreien schien die Bewegung eine

E. Mazelle, Erdbeben im Triester Gebiete. 4/0

undulatorische zu sein, zweien erschien sie als eine succusso- rische Bewegung und der dritte spricht von einem Stosse ohne schaukehide Bewegung.

Eine hübsche Übereinstimmung zeigt die beobachtete Dauer der Erschütterung. Von den 1 7 übermittelten genaueren Angaben der Dauer sprechen sich 8 für 2 Secunden aus, einer für 1

2 Secunden und ein anderer für 2 3 Secunden. Eine Dauer von

3 Secunden melden 3 Beobachter, von 3—4 und 4 5 Secunden auch 3 Beobachter und nur einer meldet eine solche von 5 Secunden.

Äusserst verschiedene Angaben sind jedoch in Bezug auf die Richtung wahrzunehmen. Zeichnen wir in einer Windrose die zwölf mitgetheilten Richtungsangaben und setzen wir Angaben wie W E oder E W als derselben Richtung angehörend vor- aus, so fallen

4 in die Richtung VV E

1 . » » V\^SW— ENE

2 X. . 1 >, »

3 . » 1 » »

Dem Mittel nach müsste eine Richtung von beiläufig SW NE angenommen werden.

In dieser Frage könnte höchstens noch hervorgehoben werden, dass die drei Beobachter im äussersten östlichen Theile des Triester Gebietes, Cattinara, Basovizza und Trebich, eine Richtung S N angeben, während die auf der Meerseite gele- genen Beobachter mit Ausnahme von Barcola, eine mehr sich gegen W E hinneigende Richtung anführen.

Ein mit der Erschütterung verbundenes Geräusch wurde nur von wenigen Beobachtern gemeldet, die Mehrzahl konnte nichts wahrnehmen und meldete nur entweder ein Klirren des Geschirres oder ein Knirschen des Gebäudes. Das von vier Beob- achtern angeführte kurze Brausen, welches nach der Mittheilung zweier Beobachter mit einem entfernten Donnern verglichen werden konnte, schien dem Beben voranzugehen.

Ein nennenswerther Schaden oder besonders wichtige Nebenerscheinungen wurden nicht beobachtet.

33*

SW-

-NE

SSVV-

-NNE

s-

-N

SSE-

-NNW

4/ b Mittheilungen der Erdbeben-Comniission.

Wollen wir die Ergebnisse mit einigen Worten zusammen- fassen, so lässt sich hervorheben, dass das Erdbeben vom 15. Juli 1897 im Triester Gebiete um 6'' 57'" Früh beobachtet werden konnte, dass dasselbe aus einer wellenförmigen Erschütterung in der Richtung SVV NE und in der Dauer von 2 3 Secunden bestand.

II. Erdbeben vom 3. August.

Gehen wir nun zur Besprechung des zweiten Erdbebens über. Die eingelaufenen Berichte sind nachfolgende:

1. Herr Biringer, k.k. Postcontrolor, meldet, dass zwischen 274 und 3''p. von einzelnen Personen eine leichte Erschütterung verspürt wurde, er selbst konnte keine Wahrnehmung machen.

2. Herr Dougan, k. k. Postcontrolor, meldet ebenfalls, dass er das Beben nicht spürte, dass aber nach eingeholten Erkundi- gungen einige Personen dasselbe als eine einzige, sehr schwache Erschütterung in der ungefähren Dauer von 3 Secunden schilderten.

3. Herr Hafen-Vicecapitän N i c o 1 i c h beobachtete im Hafen- capitanate um 2"50'"p. eine einzige Erschütterung von äusserst kurzer Dauer, welche er nicht länger als 1 Secunde schätzte. Die Bewegung nennt der Beobachter eine succussorische, da er nur eine Erhebung des Bodens fühlte. Das Beben brachte nur das Erzittern eines Kastens mit sich.

4. Herr Dr. F. Anton, p. Leiter des k. k. astronomisch- meteorologischen Observatoriums in Triest, beobachtete in seiner Wohnung um 2''49'"p. eine einzelne Erschütterung. Die Bewegung in der Art eines Zitterns dauerte circa 2 Secunden. Nur ein schwaches Knistern der Wandtapete wurde mitbeob- achtet.

5. Herr Ingenieur A. Faidiga, Assistent desselben Obser- vatoriums, beobachtete in seiner Wohnung um 2''49'"p. nur eine Erschütterung. Dieselbe wird als ein Schlag von unten ge- schildert, mit einem langsamen Schaukeln von .SW NE ver- bunden. Die Dauer wird mit 2 Secunden angegeben. Mit der Erschütterung war ein Krachen des Gebäudes und Schütteln der geschlossenen Thür mitverbunden. Der Beobachter meldet nur noch über ganz unbedeutende Sprünge an den Hohlkehlen.

E. Mazelle, Erdbeben Im Tricster r.ebiete. 47/

Die im Beben vom 15. Juli angeführten Sprünge an den Hohl- kehlen der Laborantenwohnung des naturhistorischen Museums in der Richtung SW NE wurden erweitert.

6. Hochw. Pater Alexander, Präsident des Kapuziner- Klosters (das Kloster liegt auf einei" Anhöhe circa 30 in über dem Meere) berichtet über eine um 2'' 45"' beobachtete Erschütterung in der Dauer von !2 Secunden, welche jedoch nicht von allen Inwohnern bemerkt wurde. Die Richtung wird mit W E an- gegeben. Kleine nebeneinanderstehende zu Beleuchtungs- zwecken dienende Gläser klirrten.

7. Herr Stabsarzt Dr. Galambos, Commandant des k. u. k. Garnisons-Spitales, berichtet, dass um 2''47"'p. von einzelnen Personen das Beben wahrgenommen wurde. Der Beobachter schildert dasselbe als ein deutliches Schwingen des Fussbodens, das rasch an Intensität nachliess, dann noch einmal stärker wurde um rasch wieder abzuschwächen. Beide Erschütterun- gen dauerten etwa 20 Secunden. Die Frage, von welcher Seite der Stoss zu kommen schien, wird mit »von unten, durch unmittel- bare Empfindung festgestellt« beantwortet. Bei Beginn der Erschütterung wurde ein Krachen der westlichen Wand beob- achtet, während des Schwingens des Fussbodens ein schwaches Rollen. Das Geräusch von etwa 2 Secunden Dauer gieng der zweiten Erschütterung voran.

8. Der Director der städtischen Gasanstalt Herr Ing.- Sospisio meldet, dass um 2''50'"p. eine einzige Erschütterung mit leichter wellenförmiger Bewegung bemerkt wurde.

9. Herr Mosettig, Schulleiter in Barcola, beobachtete um 2''50'"p. eine einzige Erschütterung, spricht aber auch von einem Stosse in der Richtung \'on unten nach oben. Dauer der Bewegung 3-4 Secunden. Das Beben wurde im Orte allgemein bemerkt, richtete jedoch keinen Schaden an und war mit keinem Geräusch verbunden.

10. Gendarmerie-Posten-Commandant Herr Kranjec in Barcola meldet, dass er um 2'' 46'" 40* p. zwei ganz kurze Er- schütterungen von 2 Secunden Dauei' wahrnahm. Beide Bewe- gungen waren stossartig und schienen von unten zu kommen. Aus der schwachen Bewegung von hängenden Gegenständen wurde die Richtung N S bestimmt. Beide Erschütterungen

478 Mittheilungen der Erdbeben-Commission.

waren gleichzeitig von einem kaum wahrnehmbaren Dröhnen begleitet.

1 1. Don A. L. Tempesta, Vicar des Friedhofes in S. Anna, theilt mit, dass er das Beben nicht verspürte, dass aber nach Erkundigungen im Friedhofe zwei Erschütterungen angenommen werden können, beiläufig um 2'' 45'" p. in der Dauer einer Secunde. Der Inspector des Friedhofes, welcher zur fraglichen Zeitsich im Zimmer aufhielt, theilte ihm mit, dass es ihm vorkam, als ob er mitschwanken würde, und dass er das Klirren einiger Vasen, welche auf dem Kasten standen, entnehmen konnte.

12. Auf eine Anfrage, an das Hofgestüt in Lippizza gerichtet, wurde aus Prestranek (Krain, Bezirk Adelsberg) von Herrn Hanusch mitgetheilt, dass dortselbst um ungefähr 2''45'"p. zwei kurz aufeinanderfolgende Erderschütterungen gespü)t wurden. Die Bewegung glich einem Schlage von unten, dem ein Zittern folgte. Beide Stösse waren gleich stark und von gleicher Dauer, ungefähr 2 Secunden. Die Bewegungsrichtung schien von W E zu sein und gieng derselben ein donnerähn- liches unterirdisches Rollen voraus.

13. HerrSovich, Schulleiter in Servola, befand sich zur fraglichen Zeit im Schulgebäude; weder er noch zwei Maurer, ^velche mit dem Mörtelbewurf einer Zimmerdecke beschäftigt waren, verspürten etwas vom Erdbeben. Bei den ehemaligen Salinen unter Servola wurde jedoch eine ziemliche Erschütterung beobachtet, welche in der dortigen Asphalt-Fabrik einige Mauer- sprünge zur Folge gehabt haben soll. Nähere Informationen darüber blieben erfolglos.

14. Von der Fabrik vegetabilischer Öle bei Triest wird mit- getheilt, dass dieses Erdbeben von vielen der Bediensteten verspürt wurde, die Bewegungen jedoch so schwach waren, dass nähere Angaben nicht möglich sind. In ähnlicher Weise äusserte sich auchder Schlossverwalter von Miramar,HerrMaar.

Meldungen, dass das Beben nicht verspürt wurde, liefen ein: von den Herren Raspottnigg, Leiter der Telegraphen-Centrale, Hocevar, Leiter der Telephon -Centrale, Dr. Ivanic, Director des Diöcesan-Convictes, Kratky, Leiter des Bahnhof-Postamtes, Inspector Mahorcic, Stationschef der Südbahn, Blaschutty, Bahnamtsvorstand in Triest -S. Andrea, Ingenieur Ed. Mol Her,

E. Mazclle, Erdbeben im Triester Gebiete.

47\

Director des Stabilimento tecnico triestino S. Andrea, von der Österr. Linoleum -Fabrik, vom Bahn -Stationsleiter in Grignano, vom Pfarrer und vom Schulleiter in S. Croce, von den Gendarmerie- Posten-Commanden zu Prosecco, Opcina und Basovizza, wie auch von den Schulleitern In Opcina, in Trebich und in Basovizza.

Es muss hier noch erwähnt werden, dass ein Beobachter, und zwar Herr Dr. 0. Fischer, Beamter der Triester Handels- kammer, eine Mittheilung erstattet über eine am 6. August, circa um 9''30"a. wahrgenommene zitternde Erschütterung, in der Richtung W— E, und über eine zweite des gleichen Tages, circa um 6''4ö'"p., in der Richtung SW NE; ausserdem noch über ein drittes Beben am 8. August um 5''a., welches zugleich mit einem unterirdischen Geräusch verbunden war. Leider konnte über diese kleinen Beben keine weitere verlässliche hiformation erhalten werden.

Wollen wir nun zu einer Schlussfassung über die hier auszugsweise mitgetheilten Meldungen schreiten, so muss in erster Linie hervorgehoben werden, dass fast sämmtliche Beob- achter der Triester Umgebung keine Erschütterung trotz der ganz bequemen Stunde wahrnehmen konnten, daher diesem Beben jedenfalls eine geringere Intensität zugeschrieben werden darf, als dem vom 15. Juli d. J.

hl nachfolgender Tabelle erscheinen einige der erhaltenen Daten übersichtlich zusammene:estellt.

Zeit

Anzahl der Dauer

Erschütterungen in Secunden

Richtung

21' 50'" p, 2h49„i 2h 49m

oh 45111

2h 47m 2 h 50'»

2h 50in

2)1 47 m 2h 45m 2'' 4.j'"

3 1

2

SW-NE

2

W-E

20

-

3-4

2

N S

je 2

W— E

480 Mittheilungen der Erdbeben-Commission.

Was nun die Zeit anbelangt, so schwankt dieselbe hier zwischen 2'' 50"' und 2^'45'"p. Würden wir das einfache Mittel aus diesen Angaben bilden, so würde 2''47-7'" resultiren, wenn hingegen den genaueren Zeitangaben ein grösseres Gewicht gegeben wii-d, 2''48'1"\ Von den 10 mitgetheilten Zeitangaben fallen je 3 auf die 45. Minute und auf die 50. Minute und je 2 auf die 47. und 49. Die Angaben mit der runden Minuten- Anzahl, wie 45 und 50, können nicht ohneweiters als genaue Zeiten angenommen werden, infolge der auch im früheren Be- richte erwähnten Tendenz die Zeitangaben abzurunden. Von den übrig bleibenden muss den zwei Angaben mit 2'' 49'" ent- schieden grössere Wichtigkeit beigelegt werden, da die beiden Beobachter (meine Collegen am Observatorium Dr. F. Anton und higenieur A. Faidiga) jedenfalls über eine genaue Zeit verfügten und ausserdem ihre Uhren mit der Normaluhr des Observatoriums auch nach dem Beben verglichen.

Es muss daher als Eintrittszeit für das Erdbeben die von 2''49'"p. angenommen werden.

Über die Anzahl der beobachteten Erschütterungen sprechen sich 7 Beobachter für nur eine Erschütterung, während 4 z\\-ei unterscheiden konnten. Die Dauer kann mit etwas über 2 Secunden angenommen werden.

hl Bezug auf die Richtung lässt sich aus diesen Mit- theilungen schwer eine annähernd richtige Angabe ableiten. Zwei Beobachter sprechen sich für die Richtung W E aus, je einer für SW— NE und N S. In fünf Berichten findet sich die Mittheilung, dass die Bewegung als ein Schlag oder Stoss von unten nach oben gerichtet aufgefasst wurde.

Ausser dem Knistern und Klirren konnten 3 Beobachter auch ein schwaches Dröhnen mitbeobachten.

III. Beben vom 21. September 1897.

Über dieses dritte Beben des Jahres 1897, welches am 21. September im Triester Gebiete beobachtet werden konnte, liefen nachfolgende Berichte ein:

1. Herr Raspottnigg, Leiter der k.k. Telegraphen-Centrale, berichtet, dass genau 2^ nachmittags im Apparatensaale ein continuirliches Schwanken in der Dauer von circa 20 Secunden

E. Mazelle: Erdbeben im Triester Gebiete. 481

begann. Diese Erschütterung war anfangs schwach, so dass dieselbe vorüberfahrenden Wagen zugeschrieben werden konnte, nahm jedoch nach einigen Secunden an Stärke zu und konnte mit einem langsamen Schaukeln verglichen werden. Die Richtung war anscheinend ziemlich von N gegen S. Eine an der Wand in dieser Richtung hängende Uhr kam in schwankende Be- wegung durch circa 5 6 Secunden. Glaskugeln an Hänge- Gaslampen klirrten. Sonstiges Geräusch wurde keines gehört. Schaden an Gebäuden konnte nicht constatirt werden, ebenso erfolgte keine Störung des Telegraphen-Betriebes; es wird nur hervorgehoben, dass der weibliche Theil des Telegraphen- Personales in Aufregung gerieth. Beobachter meldet, dass gleich- zeitig ein Erdbeben in Laibach stattfand in der Dauer von angeblich 6 Secunden. ohne Beschädigungen an Gebäuden.

2. Herr Hocevar, Leiter der k. k. Telephon-Centrale, beob- achtete das Beben zwischen 2'' und 2^M'"p. Die Bewegung war undulatorisch, anfangs schwach, dann stärker, in der Dauer von 2 'S Secunden. Der Stoss kam beiläufig \'on Osten und wurde die Richtung durch unmittelbare Empfindung und Be- wegungen an dem Centralumschalter festgestellt. Geräusch wurde keines vernommen.

3. Herr Oberinspector Kloss, Hafencapitän, beobachtete eine anhaltende Erschütterung um 2''2'"p. Wirkungen auf be- weglichen Gegenständen wurden nicht wahrgenommen, ebenso' keine Beschädigung an Gebäuden.

5. Herr Anton Valle, Adjunct des städtischen naturhistori- schen Museums, beobachtete, dass um 2''2™p. eine leichte wellen- förmige Bewegung stattfand, in der Dauer von circa 3 Secunden. Aus der Bewegung der Hängelampen scheint die Erschütterung die Richtung E W gehabt zu haben. Ausser dem Knarren der Thüren wurde kein Geräusch wahrgenommen.

5. Herr Postcontrolor Biringer,\'orstand des k. k. Post- und Telegraphen-Amtes im Triester Freihafengebiete, meldet, dass sowohl von seiner Familie als auch im Amte das Beben um 2''2'"p. bemerkt wurde. Es wurde nur eine Erschütterung beob- achtet in der Form eines langsamen gleichartigen Schaukeins von circa 3 Secunden Dauer. Dasselbe war mit einem Knistern, beziehungsweise Krachen der Mauern verbunden. Die Richtung

482 .Mittheilungen der Erclbeben-Commission.

wird mit W E angegeben und wird dabei mitgetheilt, dass im Postamte die Schalen der Briefwagen und die an der Wand aufgehängten Pläne sich bewegten. hi der Privatwohnung geriethen einzelne Gegenstände, besonders ein auf einem Tische befindlicher Standspiegel, in ziemlich starke schaukelnde Be- wegung.

6. Herr Postcontrolor Dougan beobachtete um 2''p. eine einzige und ziemlich heftige Erschlitterung, welche gleichförmig und schaukelartig war, mit ungefähr 4 Secunden Dauer. Die Richtung wird von N gegen S angenommen und wurde das Schaukeln eines freistehenden eisernen Kleiderrechens beob- achtet. Die Erschütterung war mit einem schwachen unterirdi- schen Getöse verbunden.

7. Herr Othmar Fischer, Beamter der Triester Handels- kammer, fühlte punkt 2''p. eine leichte Erschütterung von West nach Ost, bestehend aus zwei nach aufwärts gerichteten Stössen, denen eine Pause von 5— 6 Secunden folgte, hierauf eine mächtige Hebung von Norden, an die sich etwa 4 wellige langsame Schaukelbewegungen nach Süden anschlössen. Dieser folgte eine kleine etwa 2 Secunden währende Pause, worauf die Wellenbewegung abermals von Norden begann und nach Süden sich fortpflanzte. Nach einer abermaligen secundenlangen Unter- brechung wiederholte sich die Wellenbewegung in gleicher Weise und Dauer, nur etwas schwächer. Die erste Welle war überhaupt die stärkste, die Bewegung nahm bei den folgenden stetig ab. Die Richtung wurde aus der Bewegung der Hüte, Hängelampen und des Wassers bestimmt. Die ganze Erscheinung dauerte ungefähr 2 Minuten einschliesslich der Pausen. Die Schaukelbewegungen dürften je 12 Secunden gewährt haben, während die Rasten die Hälfte der Zeit dauerten. Geräusch wurde keines gemeldet, die starke Bora verhinderte jede Wahrnehmung.

8. Vom Kapuziner-Kloster wird mitgetheilt, dass um 2''p. zwei wellenförmige Bewegungen mit wenigen .Secunden Pause wahrgenommen wurden. Die Bewegung schien aus den ersten Quadranten zu kommen. Die Frage, welcher Art die haupt- sächlichsten Wirkungen der Erschütterung waren, wurde mit -Furcht und Ergebung in den göttlichen Willen« beantwortet.

E. Mazelle, Erdbeben im Triester Gebiete. 48o

9. Don A. L. Tempesta, Vicar des katholischen Friedhofes, war zur Zeit des Erdbebens abwesend, sein Bericht gründet sich auf die Angaben der zur fraglichen Zeit in der Nekropolis anwesenden Personen. Als Eintrittszeit der Erschütterung wird 2'' p. angeführt. Die Bewegung war eine wellenförmige, mit ziemlicher Stärke, gleichförmiger Intensität, von unten nach oben gerichtet, in der Dauer von 5 6 Secunden. Die Bewegung schien von Norden zu kommen. Der Aufseher der Todtenkammer, welcher im Bette schlummerte, schreckte plötzlich auf, da sein linker Ellbogen in Folge derErschütterung an die Wand anstiess. Die Kinder des Aufsehers fingen aus Furcht zu weinen an.

10. Herr Mosettig, Schulleiter in Barcola, verspürte das Beben um 2''2'"p. Die Bewegung war eine leichte wellenförmige, dauerte beiläufig 4 Secunden, Richtung S N. Kein Geräusch wurde wahrgenommen, ausser dem Klirren von Gläsern und Geschirr.

11. Das k. k. Bezirks-Gendarmerie-Commando in Barcola meldet, dass um l''59"M0* ein circa 6 Secunden anhaltendes, sehr leichtes, langsames und gleichartiges Schaukeln beobachtet wurde. Eine Bewegung von hängenden Gegenständen wurde kaum bemerkbar, die Richtung wird mit S N angegeben. Ausser dem Klirren einiger Gegenstände konnte kein Geräusch vernommen werden.

12. Herr Brümen, Stationschef von Grignano, bemerkte um l''58'"p.zwei Erschütterungen in einem hitervalle von circa 20 Se- cunden, die erste mit beiläufig 5 Secunden, die zweite mit 3 Secun- den Dauer. Die Bewegung begann mit einem Zittern und gieng dann in ein mittelmässiges Schaukeln über, Richtung aus NW- IS. Hochw. Grub i SS a, Pfarrer von S. Croce, meldet eine

leichte Erschütterung in der Dauer von 2 Secunden, die Be- wegung war eine wellenförmige aus W E. Ein Krachen der Möbel wurde bemerkt. Kein Schaden in der Ortschaft.

Der Schulleiter von S. Croce" konnte hingegen nichts wahr- nehmen und schreibt dies der starken Bora zu.

14. Vom Brauhause Dreher, Triest, wird mitgetheilt, dass das Erdbeben um l'^59'"p. ziemlich stark verspürt wurde, über die Richtungjedoch die Meinungen verschieden sind, die meisten stimmen für die Richtung von E W.

484 Mittheilungen der Erdbeben-Commission.

15. Die Triester Krystalleis- Fabrik berichtet, dass eine Erschütterung um 2''p. in der Richtung von N— S wahrgenommen wurde.

16. Herr higenieur Ed. Mo liier, Director des Stabilimento tecnico, S. Andrea, theilt mit, dass die Erderschütterung fast genau 2'' p. verspürt wurde, und zwar in der Form eines kurzen, nicht sehr heftigen verticalen Stosses.

17. In der Linoleum -Fabrik wurde das Beben um 2'' p. verspürt; nähere Angaben konnten nicht mitgetheilt werden.

18. In der Fabrik vegetabilischer Öle wurden um 2'' mehrere Erschütterungen in kurzen Intervallen vernommen, ohne die Richtung feststellen zu können.

19. Die Mineralöl-Raffinerie in S. Sabba berichtet über zwei unmittelbar aufeinanderfolgende Stösse um 2'' p., Richtung circa NE, Dauer fast 6 Secunden. Im Wohngebäude schwankten die vertical angebrachten Gaslampen -Träger.

20. In der Fabrik der Triester Metalhverks-Gesellschaft wurden um 2''p. zwei nacheinanderfolgeiide Stösse aus östlicher Richtung wahrgenommen. Der zweite Stoss machte sich durch lebhafteres Rütteln der Slubenthür bemerkbar.

21. Im Tagesjournal »II Piccolo« vom 22. September findet sich eine Mittheilung des Herrn C. Panzera des Inhaltes dass um 2''2'"p. fünf leichte wellenförmige Bewegungen bemerkt wurden, welchen unmittelbar drei sehr bemerkbare Erschütte- rungen folgten, alle in der Richtung von EzN zu WzS, Dauer 6 Secunden.

Nachrichten des Inhaltes, keine Bewegung verspürt zu haben liefen ein von den Herren: Stabsarzt Dr. Galambos, Commandant des Garnisonsspitales, Cimadori, Ingenieur der Wasserleitung Aurisina, vom Pfarrer Martelanz in Prosecco, \-on den Schulleitern Valentic in Opcina, Pozar in Trebich und Pertot in Basovizza. Auch der Berichterstatter, welcher zur fraglichen Zeit in seinem Amtszimmer am Observatorium gerade am Apparatentische beschäftigt sass, spürte nicht die geringste Bewegung, und wurde erst durch telegraphische Mit- theilungen seitens der Telegraphen-Centrale darauf aufmerksam gemacht.

E. Maz eile, Erdbeben im Triester Gebiete.

■485

Wie in den vorangehenden 2 Berichten werden in analoger Weise in nachfolgender Tabelle einige Angaben übersichtlich zusammengestellt.

.^ I Anzahl der

Zeit ' r, , ..^.

Erschütterungen

Dauer in Secunden

Richtung-

2'ip.

oll 2'Ui>^

2'>2'"

2110 ni

2'' 2"^

2ii 2 ''2'"

l'^58'»

li'59"

20 2-3

circa 2 Minuten; jede Schaukelbewegung circa

12 Secunden.

5-6 4

N-

-S

E-

-W

W

-E

N

-S

(W-

-E)

N-

-S

1

Q"

adrant

s-

-N

S-

-N

NW

W

-E

E-

-W

N

-S

NE

E

EzN-WzS

Von den 20 Mittheilungen sprechen sich 1 1 für die Zeit von 2''p. aus, je eine für 1''58'" und l''59"\ zwei für 2'M"" und 5 für 2''2'"p. Trotzdem die überwiegende Anzahl 2''p. angibt, so kann doch nicht diese Zeit als die wahrscheinlich richtige angenommen werden, da diese volle Stunde jedenfalls von der Mehrzahl der Beobachter nur als eine beiläufige, abgerundete Zahlenangabe betrachtet wurde. Aus jenen Mittheilungen, bei welchen neben der Zeitangabe auch die Bemerkung eines

486' E. Mazelle, Erdbeben im Triester Gebiete.

vorgenommenen Vergleiches ihrer Uhr mit dem Mittagszeichen zu finden ist, lässt sich entnehmen, dass die Mehrzahl dieser genaueren Zeitangaben sich für 2^2'" p. ausspricht.

Auf Grund der oben angeführten Beobachtungen kann noch hervorgehoben werden, dass die Bewegung aus einer grösseren Anzahl von Erschütterungen bestand, wellenförmiger Art war und mehrere Secunden andauerte. In Bezug auf nähere Details der Anzahl und der Dauer der Erschütterungen muss auf die sehr verschieden lautenden Einzelberichte verwiesen werden.

Dieses Beben scheint mit keinem Getöse verbunden ge- wesen zu sein, ein einziger Beobachter glaubt ein schwaches unterirdisches gehört zu haben.

Was nun die Richtung anbelangt, so fallen von den 17 An- gaben 7 in die Richtung von N S und 7 auf E W. Von den Richtungsangaben, welche sich nicht allein auf die unmittel- bare Empfindung, sondern auch auf die Beobachtung von in Schwingungen gerathenen Gegenständen stützen, lauten 4 für die Richtung E W und 3 für die Richtung N S. Es könnte hier noch hervorgehoben werden, dass einer der Beobachter die erste Erschütterung in der Richtung W E wahrnahm die darauf folgenden jedoch ganz deutlich als aus Norden kommende erkennen konnte.

SITZUNGSBERICHTE

KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

MATHEMATISCH -NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.

CVI. BAND. X. HEFT.

ABTHEILÜNG I.

ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE.

KRYSTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE,

PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE, ERDBEBEN UND REISEN.

489

XXV. SITZUNG VOM 2. DECEMBER 1897.

Erschienen: Sitzungsberichte, Bd. 106, Abth. II. b, Heft VII (Juli 1897j.

Der Vorsitzende, Herr Vicepräsident Prof. E. Suess, gedenkt des Verlustes, welchen die kaiserliche Akademie und speciell diese Classe durch das am 29. November 1. J. erfolgte Ableben des wirklichen Mitgliedes Herrn k. k. Universitäts- professors Dr. Albrecht Seh rauf in Wien erlitten hat.

Die anwesenden Mitglieder geben ihrem Beileide über diesen Verlust durch Erheben von den Sitzen Ausdruck.

Laut telegraphischer Nachricht ist S. M. Schiff »Pola« am 30. November in As sab zu dreitägigem Aufenthalte ein- gelaufen. An Bord Alles wohl.

Das w. M. Herr Prof. Franz Exnerin Wien dankt für die ihm von der kaiserlichen Akademie zur Ausführung einer Reihe abschliessender Untersuchungen auf dem Gebiete der atmo- sphärischen Elektricität aus den Erträgnissen der Erbschaft Treitl gewährte Subvention.

Herr Prof. Dr. Ludwig v. Graff in Graz dankt für die ihm von der Akademie zur Vollendung seines Werkes: »Monographie der Turbellarien« aus dem Legate Wedl bewilligte Subvention.

Das c. M. Herr Prof. Dr. R. v. Wettstein übersendet eine im botanischen Institute der k. k. deutschen Universität in Prag ausgeführte Arbeit des Herrn Prof. Dr. Victor Schiffner, betitelt; »Expositio plantarum in itinere suo Indico annis 1893/94 suscepto collectarum«. Series prima.

Herr Dr. Carl Au er v. Welsbach in Wien übermittelt em versiegeltes Schreiben behufs Wahrung der Priorität mit der Aufschrift : » E x p e r i m e n t a 1 u n t e r s u c h u n g e n « .

Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl.; CXI. Bd., Abth. I. 34

490

Das \v. AI. Herr Prof. H. Weide 1 überreicht eine Arbeit aus dem I. chemischen Laboratorium der k. k. Universität in Wien, betitelt: »Einiges über die Äther des Phloroglucins und eine Synthese des Hydrocotoins«, \'on Dr. J. Pollak.

Der prov. Secretär theilt den auszugsweisen Inhalt eines von dem Leiter der wissenschaftlichen Arbeiten der Expedition S. M. Schiff »Pola« im Rothen Meere, w. M. Hofrath Dr. Stein- dachner, ddo. Massaua, 6. November 1897 eingelangten Be- richtes mit.

Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht zugekommene Periodica sind eingelangt:

Archives du iMusee Teyler. Serie II. \'ol. V. Troisieme partie. Haarlem, 1897; 4".

Bashforth Francis, A mathematical treatise on the motion of projectiles, founded chietly on the results of experiments made with the author's Chronograph. London, 1873; 8^'.

Tables of remaining velocity, time of flight, and energy of various projectiles, calculated from the results of experi- ments made with the Bashforth Chronograph, 1865 1870. London, 1871; 8".

A Supplement to a revised account of the experiments made with the Bashforth Chronograph. Cambridge, 1895.

Drozda J., Grundzüge einer rationellen Phthiseotherapie

(Heilung der Tuberculose). Wien, 1897. Seynes J. de, Recherches pour servir ä l'histoire naturelle et

la flore des Champignons du Congo francais. I. Paris,

1897; 40. Woldrich J. N.. Wirbelthierfauna des Pfahlbaues von Ripac

bei Bihac. Wien, 1897, 4'>.

491

XXM. SITZUNG VOM 9. DECEMBER 189'

Erschienen: Monatshefte für Chemie, Bd. 18, Heft IX (December 1897). Das k. u. k. Reichs-Kriegsministerium »Marine-Section« gibt Nachricht von dem am 5. December 1. J. plötzlich erfolgten Hinscheiden Sr. Excellenz des Herrn Marine-Commandanten und Chef der Marine-Section Admiral Maximilian Freiherrn D a u b 1 e b s k y von S t e r n e c k zu E h r e n s t e i n.

- Der Vorsitzende gedenkt der glänzenden militärischen Eigenschaften des Hingeschiedenen, sowie der grossen Liebe desselben zur Wissenschaft, auf welchem Gebiete ihm die kaiserliche Akademie als mächtigem Förderer ihrer Bestrebungen, insbesondere für das Zustandekommen und die Erfolge ihrer seit einer Reihe von Jahren durchgeführten oceanographischen Forschungen zum bleibenden Danke verpflichtet ist. Zugleich bemerkt der Vorsitzende, dass seitens des Präsidiums der kaiserlichen Akademie das Beileid über diesen schmerzlichen Verlust dem Präsidium der k. u. k. Marine-Section im schrift- lichen Wege zum Ausdruck gebracht wurde.

Laut telegraphischer Nachricht ist S. M. Schiff »Pola« am '1. December zu viertägigem x^ufenthalt in Perim eingelaufen. An Bord Alles wohl.

Herr Dr. H. Luggin in Karlsruhe spricht den Dank aus für die ihm zur Durchführung seiner Untersuchungen auf dem Gebiete der Photoelektricität und der Photochemie von der

kaiserlichen Akademie aus der Po nti -Widmung gewährte Subx'ention.

Herr Ingenieur S. Wel lisch in Wien übersendet eine Abhandlung unter dem Titel:» Das Alter der Welt.«

Das w M. Herr Hofrath Prof. L. Boltzmann überreicht eine Abhandlung von Prof. Dr. Gustav Jäger, betitelt; »Zur Frage des Widers tandes, welchen bewegte Körper in Flüssigkeiten und Gasen erfahren«.

X 34*

492

XXVII. SITZUNG VOM 16. DECEMBER 189'

Erschienen: Denkschriften, Bd. 64 (Jahrgang 1897).

Laut telegraphischer Nachricht ist S. M. Schiff »Pola« am 14. December zu dreitägigem Aufenthalt in Mokka eingelaufen. An Bord Alles wohl.

Das w. M. Herr Prof. H. VV'eidel überreicht eine im ersten chemischen Universitäts- Laboratorium ausgeführte Arbeit: »Über eine neue Synthese des Phloroglucins« von E. Fl es eh.

Das w. M. Herr Prof. Franz Exner legt eine in seinem histitute von Herrn G. D immer ausgeführte Arbeit vor: »Über d i e A b s o r p t i o n s s p e c t r e n \" o n D i d y m s u 1 f a t u n d N e o d >• m a m m o n n i t r a t « .

Derselbe legt ferner eine in Gemeinschaft mit Herrn Dr. E. Haschek ausgeführte Arbeit \'or: >Über die ultravioletten F u n k e n s p e c t r e n der Elemente (X. M i 1 1 h e i 1 u n g) « .

Das w. M. Herr Hofrath Prof. L. Boltzmann überreicht eine Abhandlung von Prof. P.Volk mann an der Universität in Königsberg i. Pr. : »Über die Frage nach dem \' e i- h ä 1 1 n i s s e V o n D e n k e n u n d S e i n u n d i h r e B e a n t w o r t u n g durch die von der Naturwissenschaft nah egel egte Erkenntniss- theorie«.

Der Vorsitzende theilt einen von dem Leiter der wissen- schaftlichen Expedition S.M. Schiff -Pola«, w.M. Herrn Hofrathe Dr. Steindachner, aus dem Rothen Meere eingelangten Bericht, ddo. Assab, 29. November und Nachtrag vom 30. November 1897 im Auszuge mit.

Die Sitzungsberichte der mathem.-naturw. Classe erscheinen vom Jahre 1888 (Band XCVII) an in folgenden vier gesonderten Abtheilungen, welche auch einzeln bezogen werden können:

Abtheilung I. Enthält die Abhandlungen aus dem Gebiete der Mineralogie, Krystallographie, Botanik, Physio- logie der Pflanzen, Zoologie, Paläontologie, Geo- logie, Physischen Geographie, Erdbeben und Reisen.

Abtheilung II. a. Die Abhandlungen aus dem Gebiete der Mathematik, Astronomie, Physik, Meteorologie und Mechanik.

Abtheilung II. b. Die Abhandlungen aus dem Gebiete der Chemie.

Abtheilung III. Die Abhandlungen aus dem Gebiete der Anatomie und Physiologie des Menschen und der Thiere, sowie aus jenem der theoretischen Medicin.

Dem Berichte über jede Sitzung geht eine Übersicht aller in derselben vorgelegten Manuscripte voran.

Von jenen in den Sitzungsberichten enthaltenen Abhand- lungen, zu deren Titel im Inhaltsverzeichniss ein Preis beigesetzt ist, kom^men Separatabdrücke in den Buchhandel und können durch die akademische Buchhandlung Carl Gerold's Sohn (Wien, I., Barbaragasse 2) zu dem angegebenen Preise bezogen werden.

Die dem Gebiete der Chemie und verwandter Theile anderer Wissenschaften angehörigen Abhandlungen werden auch in besonderen Heften unter dem Titel :»MonatsheftefürChemie und verwandte Theile anderer Wissenschaften« heraus- gegeben. Der Pränumerationspreis für einen Jahrgang dieser Monatshefte beträgt 5 fl. oder 10 Mark.

Der akademische Anzeiger, welcher nur Original-Auszüge oder, wo diese fehlen, die Titel der vorgelegten Abhandlungen enthält, wird, wie bisher, acht Tage nach jeder Sitzung aus- gegeben. Der Preis des Jahrganges ist 1 tl. 50 kr. oder 3 Mark.

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