HARVARD UNIVERSITY LIBRARY OF THE MUSEUM OF COMPARATIVE ZOÖLOGY GIFT OF SITZUNGS-BERICHTE DER GESELLSCHAFT NATURFORSCHENDER FREUNDE ZU BERLIN AUS DEM JAHRE 1874. BERLIN, IM SELBSTVERLAGE DER GESELLSCHAFT Inh alts-Ver zeich ni SS aus dem Jahre 1874. Ascherson, Ueber eine seltene Art von Luftspiegelung, nach einer Zeichnung Schweinfurth's, p. 59. — Fragliches Vorkommen des Strausses in der Libyschen Wüste, p. 60. — Farbenabänderung der Blattrippe von Phoenix dactylifera. p. 84. — Die Laubmoose der Liby- schen Wüste, nach K. Müller's Bearbeitung, p. 108. Beyrich. Anzeige des Erwerbs der ßerendt'schen Bernstein-Sammlung für das Paläontologische Museum, p. 5. Beuche. Ueber das Schlafen von Pimelea linoides und Melaleuca ericae- folia, p. 11. — Vorlage frühblühender Pflanzen (Februar), p. 11. — Vorlage spinnbarer Fasern von Asclepias Cornuti, Ämsonia angustifolia und Anoda Wrightü, p. 62. — Aster chinensis mit verschieden gefärbten Blüthen, p. 89. — Ueber das Clandestiniren der Blüthen von Pavonia, Grewesia und Vinca, p. 90. Braun. Ueber abnorme Anordnung der Schuppen an den Zapfen von Pinus Halepensis und laricio, p. 7. — Vorlage von Sorauer's Abhand- lung über die Milbensucht des Birnbaums, p. 17. — Mohrrübe durch einen Uhrschlüssel hindurchgewachsen, p. 23. — Ueber morphologische Eigenthümlichkeiten der Gattung Ribes, p. 51 — 56. — Ein Schössling von Stackes palustris durch ein junges /Te/ir-Gehäuse hindurchgewachsen, p. 68. — Vorlage von Hülsen des afrikanischen Copalbaumes, p. 68. — Holzkröpfe von Populus tremula, durch einen Pyrenomycetes verursacht, p. 68. — Ueber Cytisus Adami, p. 69. — Ueber laterale accessorische Sprosse; Aufzählung und Erläuterung von 24 Fällen, p. 71 — 79. Ehrenberg. Anzeige von Agassiz's Tode, p. 1. — Besprechung von Cunningham's Abhandlung über die atmosphärischen Staubverhältnisse Ostindiens, p. 35. — Ueber eine verästete Dattelpalme, p. 67. — Ueber Tiefsee -Proben aus der Gegend Neufundland's , p. 111. — Ueber be- arbeitete Atchin-Nüsse, p. 112. Focke. Ueber die Terrainverhältnisse des Bremischen Gebietes, p. 1. Fritsch. Ueber ein durch Erbrechen aus dem menschlichen Magen ent- leertes organisches Gebilde (Fischmagen?), p. 61. Gerstaecker. Ueber die Gattung P%//oa:era und über die Fortpflanzung der unter dem Namen der „Reblaus" als Verwüsterin des Weinstocks bekannt gewordenen Phylloxera vastatrix, p. 117 — 129. IV Inhalts -Verzeichniss. Hartmann. Vorlage einer Aquarelle der Physalia pelagica (nach Ed. Hildebrandt), p. 103. — Ueber das Wassersprützen der Wale, p. 104. Kny. Ueber Keimung und Embryobildung von Ceratopteris thalictroides, p. 25 — 35. — Ueber eine auf den Blättern von Ceratophyllum demersum beobachtete grüne, parasitische Alge, p. 79. — Synchytrium aureum und glohosum aus der Umgegend Berlins, p. 80. — Ueber die Entwickelung des Thallus von Lichina pygmaea und deren Beziehung zu Rivularia nitida, p. 95—103. Magnus. U eher Synchytrium rubrocinctum, U.A. axii Saxifraga granulata, p. 2. — Uehersicht der Synchytrium-Arten der Umgegend Berlin's, p. 4. — Ribes alpinum im Januar blühend, p. 12 u. 56. — Zweimaliges Blühen von Aesculus, Primula, Cornus, Weigelia u. A. p. 12. — Pockenkrank- heit des Birnbaums, p. 17. — Nachträgliches über die Einwanderung der Puccinia Malvncearum, p. 21 u. 81. — Ueber die Verbreitung von Cronartium rihicola, p. 21. — Kartoffel durch einen Flaschenhals hin- durchgewachsen, p. 23. — Vorlage eines monströsen Radieschens, p. 83. — Verschieden gefärbte Blüthen von Callistephus rhinensis, p. 91. — Ueber Pfropfhybriden zweier verschieden gefärbter Kartoftelsorten, p. 104-108. v. Martens. Ueber Neuseeländische Conchylien, p. 5. — Uehersicht der von AI. Fedtschenko in Turkestan gesammelten Conchylien, p. 43 — 51. — Conchylien der Libyschen Wüste, p. 63. — Ueber nordafri- kanische Binnen-Conchylien, p. 112. Müller. Neues Mikroskop von C. Zeiss, p. 9. — Ueber den Bau der Bacillarien-Gattung Grammatopkora, p. 114. Neumayer. Ausrüstung der Expedition zur Beobachtung des Venas- Durchganges. p. 41. Paasch. Ueber Ahutilon- förmige Lindenblätter, p. 92. Peters. Aufzählung von Wirbelthiercn der Libyschen Wüste, p. 66. Reichert. Vorlage von Malm's „Om lifvet i hafvet " etc., p. 14. — Vorlage und Besprechung von K. E. v. Baer's Abhandlung über die Larvcn-Entwickelung der einfachen Ascidicn, p. 14. — Ueber den asym- metrischen Bau des Kopfes der Pleuronectiden, p. 85 — 88. — Aufent- halt in Triest und Vorlage eines mikroskopischen Präparates von Pluteus paradoxus Müll., p. 88. V. Richthofen. Erläuterungen zu Whitney's Map of California and Nevada, p, 19. Schweinfurth. Ueber eine sechsästige Dattelpalme, p. 67. Eingegangene Schriften: p. 9, 18, 24, 41, 57, 69, 92, 110 und 130. Sitzuno-s-Bericlit der Gesellschaft naturforscliender Freunde zu Berlin vom 20. Januar 1874. Director: Herr Splitg erber. Herr Ehrenberg theilte mit, dass durch Zeitungsnachrichten der Tod unseres Ehrenmitgliedes, des Professor Louis Agas- si z in Cambridge bekannt geworden sei. Jetzt erst sei als Eh- rengedächtniss in grossem Folio -Format eine gedruckte Anzeige des Vereins der nordamerikanischen Deutschen aus New-York ihm zugesendet worden, welche er vorlegte. Durch die eifrige Thätigkeit und die ganze Persönlichkeit des Verstorbenen sei in Nord -Amerika die Theilnahme der Privatpersonen für die Na- turwissenschaften in so hohem Grade geweckt worden, wie es in keinem anderen Staate und Volke bisher stattgefunden. Diese Theilnahme habe demselben Mittel zur Disposition gestellt, durch deren zweckmässige Verwendung dem zoologischen Museum zu Cambridge der Vorrang über alle früheren ähnlichen gesichert zu sein scheine. Herr W. O. Focke aus Bremen zeigte eine im Mafsstabe von 1 : 45000 ausgeführte Karte des Bremischen Gebietes (mit Ausschluss der Hafenstädte) vor. Diese Karte ist nach den Hö- henlagen colorirt und als Auszug aus den officiellen Nivelle- mentsaufnahmen zu betrachten. Bremen besitzt nur in dem Ha- fenstädtchen Vegesack wirklichen Diluvialbodeu; das Gebiet, über 1 2 Gesellschaft naturforschender Freunde. weiches sich die Karte erstreckt, gehört ausschliesslich den Allu- vialbildungen an und hat, abgesehen von einigen Dünen, nur sehr geringe und allmälige Abstufungen in der Höhenlage, die indess bei der Niedrigkeit des ganzen Terrains praktisch von ungemeiner Wichtigkeit sind. Der niedrigste Theil des Bremi- schen Gebiets liegt etwa in gleicher Höhe mit dem gewöhnlichen Fluthspiegel der Nordsee und beträchtlich unter der täglichen Fluthhöhe in den nächsten Flüssen. Die höchstgelegenen Län- dereien liegen, wenn man die wenig umfangreichen Dünen un- berücksichtigt läfst, nur etwa 5 Meter höher. Im Allgemeinen entspricht die Neigung des Bodens dem Gefälle der Weser; die höchstgelegenen Stellen liegen stromaufwärts oder sie bestehen in Dünen und Uferwällen. Ausserdem ist alles Aussendeichsland in Folge der fortdauernden Flussablagerungen höher geworden als das benachbarte Binnendeichsland. Bei Hochwasser in der Weser, deren Stand bei Bremen um 5 bis 6 Meter schwankt, würde das ganze Areal mit sehr geringen Ausnahmen über- schwemmt werden , wenn es nicht den Schutz der Deiche ge- nösse. An vielen Stellen des Bremischen Gebiets, insbesondere auch in dem tiefgelegenen Blocklande, finden sich in 1 — 2 Meter Tiefe wohl erhaltene Baumstämme in grosser Zahl und mit im Boden steckenden Wurzeln, Das Erdreich, in welchem jene Bäume wuchsen, liegt jetzt grossentheils beträchtlich unter dem Fluthspiegel der Nordsee, ein Verhältniss, welches an vielen Stellen der Küstengegenden beobachtet wird. In dem Bremi- schen Blocklande finden sich übrigens viele Anzeichen, welche darauf hindeuten, dafs die durch jene Baumstämme bewiesene Bodensenkung noch in geschichtlicher Zeit fortgedauert hat. Herr P. Magnus berichtete über eine neue Art der Gat- tung Synchytrium, die er auf Saxifraga granulata An- fang Mai 1873 bei Berlin aufgefunden hatte. Die von dem Synchytrinm befallenen Epidermiszellen der Wirthspflanze ma- chen sich schon dem unbewaffneten Auge als intensiv rothe Pünktchen bemerkbar. Die rothe Farbe rührt davon her, dass sich die befallenen Zellen mit intensiv rothem Zellsafte anfüllen, wie das auch bei anderen Synchytrien, z. B. dem Sytichy- trium Myosofi dis auf Pot entilla arfientea Statt hat. Da Sitzung vom 20. Januar. 3 man fast nur durch dieses Verhalten der Nährzellen das Syn- chytrium auf den Blättern der Saxifraga auffindet, so nennt es der Vortr. Synchytrium rubrocinctum. Der rothe Zell- saft der Nährzellen wird durch längeres Liegen in Glycerin voll- ständig entfärbt. Danach erkeunt man sehr deutlich die dicke, hellgraue, etwas rauh-unebene Membran der Dauerzelle des Syn- chytrium. Ihr Protoplasma ist weiss. Von ihrer Entwickelung konnte nur an dem spärlichen, aus wenigen befallenen Blät- tern bestehenden Materiale Anfang Januar 1874 (es ist beraer- kenswerth, dass das Material wegen einer längeren Reise im October und November 1873 mehr als einen Monat völlig trocken gelegen hatte) beobachtet werden, wie bei der Keimung das an- schvfellende Protoplasma aus der Sporenmembran heraustritt, und das herausgetretene Protoplasma in die Mutterzellen der Zoo- sporangien zerfällt, d. h. zu einem Sorus von Zoosporangien wird. Dies genügt um die verwandtschaftliche Stellung des Pilzes in- nerhalb der Gattung zu erkennen; er gehört in die Sectio Leu- cochytrium Schroeter. Vor allen Arten dieser Section ist er durch die Gallenbildung ausgezeichnet. Wie bei dem Synchy- trium Myosotidis beschränkt sich auch hier die Gallenbildung ausschliesslich auf die befallene Epidermiszelle. Aber dieselbe erhebt sich nicht im Geringsten über die Oberfläche, sondern durch das in Folge des Reizes hervorgerufene Wachsthum er- weitert sich die befallene Zelle nach innen, so dass sie mit nach innen divergirenden Seitenwänden über die benachbarten Epi- dermiszellen in das darunter befindliche Parenchym hineinragt. Die Gestalt der befallenen Epidermiszellen lässt sich daher recht wohl vergleichen mit der Gestalt kleinerer Cystolithenzellen, oder noch besser der der überragenden Epidermiszellen der Blätter von Cymodocea nodosa Kön. und Cymodocea rotundata Aschs. und Schweinf., die Vortr. beschrieben hat in den Sitzungsberich- ten 1870 p. 87. — Durch diese Gallenbildung ist das Synchy- trium, wie gesagt, vor allen anderen dem Vortr. bekannten Ar- ten ausgezeichnet. Man könnte zwar nach einer schematischen Zeichnung De Bary's in den Berichten der naturforschenden Gesellschaft in Freiburg 1863 Bd. III. Heft II. Taf. II. Fig. 9. denken, dass bei Sync hytrium Anemones eine ähnliche Gal- lenbildung vorkommt; doch giebt De Bary selbst an, dafs die 4 Gesellschaft naturforschender Freunde. Zeichnung nur schematisch sei, und hat Vortr. nie an dem häuüg untersuchten Sijnchylrium Anemones eine solche Gallenbildung gefunden; vielmehr fand er stets, dass die vom Synchtj triiim Anemones befallenen Epidermiszellen nach aussen hervorwach- sen, wobei die Seitenwände die benachbarten Epidermiszellen mit emporziehen; sind benachbarte Epidermiszellen von Sytichy- trium angegriffen, so wachsen sie mit ihren gemeinschaftlichen Seitenwänden gemeinschaftlich nach aufsen hervor. — Das Syn- chytrium auf Saxifraga granulata ist bereits früher bei Liegnitz gefunden worden, und wurde von Dr. Schneider herausgege- ben als Synchytrium aureum Schroeter f. Saxifragae in Raben- horst Fungi europaei No. 1459. Aus dem Gesagten folgt, dass es von Synchytrium aureum durch den weissen Protoplasma-In- halt der Dauersporangien, sowie durch die Gallbildung sehr gut unterschieden ist. An diese Besprechung der neuen Art schloss der Vortr. eine Aufzählung der bisher von ihm in der Berliner Umgegend be- obachteten Synckytrien. Synchytrium Anemones (D. C.) Wo- ron. tritt jedes Jahr im April in grosser Menge in den Parks von Nieder-Schönhausen und Französisch-Buchholz an Anemone nemorosa und Anemone ranunculoides auf. Das von Schroeter entdeckte Synchytrium anomalum zeigt sich jedes Jahr im April sehr reichlich am Rande des Parkes von Französisch-Buchholz. Synchytrium Mercurialis Fuck. tritt jedes Jahr sehr reichlich im Berliner üniversitätsgarten auf, häufig die einzelnen Stöcke so stark angreifend, dass sie nur zu kümmerlicher Entwickelung gelangen. Das Synchytrium Suc- cisae De Bary u. Wor. endlich, das De Bary schon 1852 auf einer "Wiese bei Berlin entdeckt hatte, traf Vortr. im Juni 1872 sehr reichlich auf einem feuchten Flecke der Wiese hinter dem Gasthause bei Finkenkrug. Ohne Zweifel kommen ausser die- sen beobachteten Arten noch manche Arten der Gattung bei Berlin vor, die der Vortr. bisher noch nicht so glücklich war aufzufinden. Doch möchte der Vortr. noch ein negatives Re- sultat besonders hervorheben; es ist das Fehlen des Synchytriuui Taraxaci. Obgleich der Vortr. gerado Taraxacmn officina/e auf allen seinen Excursionen sehr genau auf Pilze untersucht und auch manche Pilze darauf gefunden hat, gelang es ihm doch nie Sitzung vom 20. Januar. 5 dieses bei Freiburg im Breisgau so bäufige Synchytrium aufzu- finden. Scbliesslicb bemerkte der Vortr. noch, dass der von J. Kunze in B^ahenhoTSt Fungi europaei No. 1658. als Synchytrium Bu- pleuri (Kze.) herausgegebene Pilz nicht zu dieser Gattung ge- hört. Die schwarzen Pünktchen sind aus dicht aneinander zu einem Kügelchen zusammengewundenen Mycelfäden gebildet. Wohin aber der interessante Kunze'sche Pilz gehört, kann Vortr, nicht angeben. Herr Beyrich theilte mit, dass die durch ihren Reichthum an thierischen und pflanzlichen Einschlüssen berühmte Berendt- sche Bernstein -Sammlung durch eine aufserordentliche Bewilli- gung seitens des Königl. Unterrichts-Ministeriums nunmehr aus dem Besitz der Erben des verstorbenen Sanitätsrath Dr. G. C. Berendt zu Danzig in denjenigen des Königl. Paläontologischen Museums der hiesigen Universität übergegangen und dadurch den sich für die Bernstein-Fauna und -Flora specieller Interessiren- den in weiterem Umfange, als es bisher möglich gewesen, be- hufs wissenschaftlicher Verwerthung zugängig gemacht worden sei. Da der die Ordnung der Zweiflügler (Diptera) umfassende Theil der Sammlung sich schon seit Jahren in den Händen des Hrn. Dr. H. Loew zu Guben befinde und von diesem einer um- fassenden Bearbeitung unterzogen worden sei, liege auch für eine Fortsetzung resp. Vollendung des von G. C. Berendt begonne- nen grofsen Werkes: „Die im Bernstein befindlichen organi- schen Reste der Urwelt" (Berlin 1854—1856, Fol.) begründete Aussicht vor. Herr v. Martens machte einige Mittheilungen über die ge- genwärtige Kenntniss der Conchylien Neuseelands. Zu- nächst erwähnte derselbe, dass er auf Ersuchen des Direktors des Colonial-Museums in Wellington, Dr. James Hector, ein Verzeichniss der in der conchyliologischen Literatur erwähnten und in den europäischen Sammlungen vorhandenen neuseeländischen Arten entworfen und demselben zugesandt habe, dass aber auch zugleich Capt. Hutton in Wellington eine beschreibende Liste der dort vorhandenen Conchylien verfasst habe. Beide Verzeich- 6 Gesellschaft naturforschender Freunde. nisse sind nun auf Anordnung des Board of Governors des New Zealand Institute gedruckt worden; sie weichen wesentlich von einander ab, ergänzen sich aber gegenseitig, indem die von Capt. Hut ton nach eigener Beobachtung aufgeführten Arten alle zu- verlässig neuseeländisch sind, ihm aber aus Mangel an hinrei- chender Literatur manche schon beschriebene Art als neu er- scheinen musste, während umgekehrt dem Vortragenden zwar die Literatur über neuseeländische Conchylien, welche schon mit Cook's Reisen beginnt, und die Synonymie der einzelnen Arten mehr vertraut war, er aber bei manchen unentschieden lassen musste, ob sie in der That mit Recht aus Neuseeland angege- ben worden. Das genannte Colonial-Museum hat nun dem Vor- tragenden eine ziemlich vollständige Sammlung der von Capt. Hutton beschriebenen Arten zuzusenden die Güte gehabt, so dafs mit Hülfe derselben eine dritte vollständigere, das Gute bei- der früheren vereinigende Liste zurecbt gemacht werden kann, womit der Vortragende gegenwärtig beschäftigt ist. Ohne auf conchyliologische Einzelheiten einzugehen, wozu hier nicht der Ort, mögen nur im Allgemeinen die Beziehungen und Eigenthüm- lichkeiten der neuseeländischen Mollusken-Fauna angedeutet wer- den. Die Landschnecken sind grösstentheils der Inselgruppe ei- genthümliche Arten, meist von geringer Gröfse und gehören in systematischer Hinsicht vorherrschend den kosmopolitischen Gat- tungen Pafula und Hyalina an, in ersterer aber einige charakteristi- sche Gruppen bildend. Unter den Süsswasser-Mollusken finden wir Arten der Gattung Unio, die den europäischen ziemlich ähn- lich sind, und auffallender Weise auch die vorherrschend den Mittelmeerländern angehörige (Gattung Melanopsis. Von Meer- conchylien sind Struthiolaria und Amphihola {Ampullacera Q. G.) als zwei charakteristische Gattungen hervorzuheben, deren grösste und charakteristischste Arten für Neuseeland eigenthümlich sind, während kleinere auch an der Küste Neuhollands vorkommen. Ueberhaupt ist eine nicht unbedeutende Anzahl von Arten ma- riner Conchylien diesen beiden Ländern gemeinsam. Aber auch weiterhin in der südlichen gemässigten Zone, wie am Cap der guten Hoffnung und in der Magellanstrasse finden sich mit den neuseeländischen theils identische, theils nächstverwandte Arten, z. B. Mytilus Magellanicus. Ferner sind grosse Arten von Ha- Sitzung vom 20. Januar. 7 liotis und grosse Arten von Chiton für die südliche gemässigte Zone überhaupt charakteristisch, und es ist von besonderem In- teresse, dass hierin wie in einigen anderen Thiergattungen (wir erinnern an Otaria und Diomedea) auch der nördlichste Theil des stillen Oceans in schroffem Gegensatz zum atlantischen und in Uebereinstimmung mit der südlichen Zone steht. Herr Braun zeigte einige Coniferenzapfen vor, welche er von Herrn Hofgärtner Vogel zu Miramare aus dem dortigen kaiserlichen Garten erhalten hatte. Viele derselben, wie die von Pinus Halepensis, muricata und zahlreicher Cupressns- Arten bekunden das milde Klima jener Gegend. Obgleich die Zahl der Exemplare der einzelnen Arten nur eine geringe war, so fanden sich darunter doch einige merkwürdige Ansnahmsfälle in Beziehung auf Anordnung der Schuppen. So z. B, von Pi- nus Pinaster, welche Art, ebenso wie P. Halepensis, nor- mal ^ St. zeigt, ein Zapfen mit der St. ■^, einer Stellung, welche der Hauptkette des dritten Gebietes: i' i' I' T¥' A? ^ • • • angehört. Die Verhältnisse aus dieser Kette sind bei Coniferen äusserst selten, stets nur als Ausnahmsfälle auftretend. Unter 10,000 untersuchten Zapfen der Fichte (Picea excelsa), an deren Zapfen die normale Stellung ^ ist, fand ich nur in ei- nem einzigen Falle eine der obigen Kette angehörige Stellung, die in der Zahl des Nenners mit der Normalstellung am näch- sten übereinstimmende ^^ St., und zwar ebenso wie an dem Zapfen von Miramare rein und vollständig durchgeführt. In ei- nigen anderen bei der Fichte beobachteten Fällen fand sich zwar gleichfalls die ^ St., aber nur an der Basis des Zapfens höch- stens bis zu ^ seiner Länge, während am grösseren oberen Theil die normale Stellung eintrat. Einen nicht minder bemerkens- werthen Fall zeigte ein Zapfen von Pinus Laricio var. Ca- labrica, bei welcher das häufigste Stellungsverhältniss der Schuppen gleichfalls \^ ist. Diese Stellung war auch in der un- teren Hälfte des Zapfens vorhanden, während in der oberen Hälfte 3^ auftrat, eine Stellung aus d«r Hauptkette des zweiten Gebietes : ■y? ¥' T5 TT' T¥' TS' • • • 8 Gesellschaft naturforschender Freunde. Nach der sonst gewöhnlichen Regel, dass bei Stellvertretung oder Uebergang von Verhältnissen verschiedener Ketten die in der Zahl der senkrechten Zeilen (die im Nenner ausgedrückt sind) nächstübereinstimraenden Glieder gewählt werden, müsste die Stellung am oberen Theil des erwähnten Zapfens eigentlich -j\ sein; allein die ISzähligen Zeilen sind entschieden senkrecht, und ist somit nach der Spitze des Zapfens zu, abgesehen von der Umsetzung, ein Rückgang zu einem einfacheren Verhältniss vorhanden, was auch sonst eine nicht seltene Erscheinung ist. So finden sich z. B. zuweilen Zapfen der Fichte mit ^ St., welche nahe an der Spitze in -^ St. übergeht. Endlich ist noch zu bemerken, dass die Umsetzung an diesem Zapfen mit Um- wendung verbunden ist. Auch hierin folgt er einer durch zahl- reiche Beobachtungen bewährten Regel, nach welcher beim Uebergang zu einem anderen Stellungsverhältniss Umwendung dann eintritt, wenn sich dadurch die verschiedenen Zeilensy- steme mit geringerer Störung aneinander reihen. Stellen wir die Coordinationszahlen beider in Betracht kommender Verhält- nisse so zusammen, dass wir die gleichwendigen beider Reihen senkrecht untereinder setzen, und zwar erstlich ohne Umwendung: 1. 2. 3. 5. ■S. 13. 21. 34. 1. 3. 4. 7. 11. 18. 29. 47. und dann mit Umwendung: 1. 2. ,3. 5. 8. 13. 21. 34. 1. 3. 4. 7. 11. 18. 29. so ist leicht ersichtlich , dass im zweiten Falle < der übereinanderfallenden Zahlen geringer sind, ja bei 3 sogar völlige Uebereinstimmung stattfindet. An dem besprochenen Zapfen setzen sich daher die dreizähligen Parastichen von der einen zur andern Stellung ununterbrochen fort; von den özähli- gen und ebenso von den 8zähligen Parastichen vereinigen sich zwei um in die gleichwendigen 4zähligen und 7zähligen am obe- ren Theil des Zapfens überzugehen. Der Vortragende gab so- dann noch einen vorläufigen Bericht über seine in den letzten 2 Jahren gemachten Untersuchungen über die Häufigkeit des Vorkommens der Blattstellungs -Abweichungen bei der Fichte und versprach spätere ausführlichere Mittheilungen über diesen Gegenstand. Sitzung vom 20. Januar. 9 Herr Müller kündigte den Empfang eines von dem Opti- ker Herrn C. Zeifs in Jena bezogenen neuen Mikroskopes an und forderte die Gesellschaft auf, sich bei Tageslicht von den vorzüglichen Leistungen des Instrumentes überzeugen zu wollen. Als Geschenke wurden mit Dank entgegengenommen: Monatsberichte der Berliner Akademie der Wissenschaften, Sep- tember und Oktober 1873. Jahreshefte des naturwissenschaftlichen Vereins für das Fürsten- thum Lüneburg. Bd. 5. 1870—1871. Smithsonian Report. Washington 1871. Bulletin of the Essex Institute. Vol. IV. No. 1 — 1'2. Proceedings of the Boston Society of Natural History. Vol. II. Part IL Number IL III. Abhandlungen der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur. Abth. f. Naturwiss. u. Medicin, historisch-philoso- phische Abth. und Generalbericht für 1872. Berliner Entomologische Zeitschrift. Jahrg. XVI. Heft 2 — 4. A.W. Schades Buchdruckerei (L. Schade) in Berlin, Stallschreiberstr. 47 Sitzungs- Bericht der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin vom 17. Februar 1874. Director: Herr Splitg erber. Herr Bouche machte unter Vorzeigung von Zweigen der Pimelea linoides und Melaleuca ericaefolia Mittheilung über das Schlafen derselben während der Nacht, ähnlich wie man es bei vielen Leguminosen, Oxalis u. s. w. findet. Pimelea linoides und spectabilis legen regelmässig gegen Abend, sobald die Sonne sinkt, oder auch an trüben, regnigten Sommertagen ihre Blätter dicht an, und breiten diese erst wieder bei Tagesanbruch oder mit dem Eintritt heiteren Wetters aus. Etwas Aehnliches habe er an Melaleuca ericaefolia wahrgenommen. Diese Sensibilität scheine bisher in den Familien der Thymeläen und Myrtaceen noch nicht beobachtet zu sein. Ferner legte derselbe folgende, bereits im Freien blühende Pflanzen, als erste Frühlingsboten, vor: Eranthis hyemalis, Hel- leborus abascius, viridis und viridis var, cyclophyllus, Taxus bac- cata, Biota Orientalis, Corylus Avellana, Almts incana und sub- cordata (bereits seit acht Tagen verblüht). Da der Frühling und Sommer des verflossenen Jahres nicht besonders heiss und trocken waren, so zeigten sich hinsichtlich des Abfallens der Blätter an Bäumen und perennirenden Pflan- zen keine wesenthchen Verfrühungen bei dem Eintreten der Ruhezeit und dem Abschliessen der Vegetationsperioden , in 2 12 Gesellschaft naturforschender Freunde. Folge dessen auch im vorigen Herbste und trotz des sehr mil- den Winters das vorzeitige Blühen von Friihlingspflanzen nicht beobachtet wurde, und finde er darin wiederum eine Bestätigung seiner schon früher darüber ausgesprochenen Ansicht, dass der- artige Verfrühungen der Biüthezeit stets durch die abnormen Witterungsverhältnisse des Vorjahres herbeigeführt werden, was auch die Mittheilungen des Dr. Magnus über Rosskastanien be- stätigten. Herr Magnus theilte im Anschlüsse an den Vortrag des Herrn Bouche mit, dass ihm am 6. Januar 1874 Herr Alfred Reuter ein grosses Stück von Ribes alpimim zugesandt hatte, dessen sämmtliche Knospen ausgetrieben hatten, so dass die jun- gen Blüthentrauben mit zum Theil schon geöffneten untersten Blüthen freudig grün aus den Knospenschuppen hervorgetreten waren. Herr Alfred Reuter hatte dasselbe auf der Nikols- koier Höhe bei Potsdam am 4. Januar angetroffen, und ist es bemerkenswerth, dass, wie dem Vortragenden Herr Hofgärt- ner Reuter schon im Winter 1872 — 1873 mitgetheilt hatte, derselbe Strauch im December 1872 ebenfalls seine Blüthen- trauben bereits entfaltet hatte, während die Knospen anderer Sträucher des Ribes alpinum auf der nahe gelegenen Pfauen- insel, wie auch in diesem Jahre, ruhend geblieben waren. — Ferner erwähnte der Vortragende, dass ihm am 19. December 1873 Herr Obergärtner Stein einen aufblühenden Blüthenstand von Petasites niveus vom Staudenbeete des hiesigen botani- schen Gartens überreichte. Dass eine durch Hitze und Trockenheit (oder auch durch andere Umstände, z. B. Raupenfrass) veranlasste Unterbrechung der Vegetation das frühzeitigere Austreiben der für die nächste Vegetationsperiode bestimmten Knospen bei günstiger Witterung sehr wesentlich befördert, Hess sich im October 1873 in Wien an Aesculus Hippocastanum im grossartigsten Massstabe be- obachten. Wo Aesculus Hippocastanum auf relativ trocke- nem Boden stand, blüheten viele Bäume zum zweiten Mal und waren dieselben fast ganz entblättert. Wo die Bäume hingegen in feuchtem (irunde wurzelten, wie z. B. in einer im Ausstellungs- räume zur Rotunde führenden Allee, blieben die Blätter frisch Sitzung vom 17. Februar. 13 und grün an den Zweigen stehen, und trieben die später ausge- bildeten, zum Ueberwintern bestimmten Endknospen nicht aus. Bei den in relativ trockenem Boden wurzehiden Bäumen war durch die Sommerdürre eine frühzeitige Unterbrechung der Ve- getation eingetreten und in Folge dessen frühzeitiger Abfall der Blätter. Bei wieder eingetretenem Regen und gleichzeitiger Wärme sind die für das nächste Jahr bestimmten Winterknospen, namentlich die Endknospen, zu neuer Lebensthätigkeit geweckt worden, haben ausgetrieben und die eingeschlossenen Blüthen- stände zur vollen Blüthe entfaltet; dabei haben die Aeste einen schwachen zweiten Jahresring gebildet, wie das Ratzeburg ähn- lich an durch Insektenfrass frühzeitig entlaubten Eschenzweigen beobachtet hat, wo ebenfalls die erst für die nächste Vegeta- tionsperiode bestimmte Endknospe in Folge des durch frühzei- tige Entlaubung eingetretenen Stillstandes noch in demselben Sommer frisch ausgetrieben hatte (vergl. Verb, des botan. Ver- eins für die Provinz Brandenburg Xlllter Jahrg. 1871 p. 71). Schon im September 1873 hat Vortragender bei Frankfurt a. M. und bei Pirna Prinmla ofßcinalis in zweiter Blüthe ge- troffen ; ebenso Daucus Carota auf den Praterwiesen bei Wien, sowie Anemone vernalis auf der Brühl bei Mödling im October in zweiter Blüthe. Camus sanguinea traf er bei Graz und bei Triest, Weigelia rosea in den Anlagen von Graz, Coronilla Eme- rits auf dem Karst bei Prosecco Ende October und Anfang No- vember 1873 in zweiter Blüthe. Leider konnte er bei dem flüch- tigen Besuche dieser Localitäten die physikalischen Eigenschaf- ten der Standorte der zum zweiten Male blühenden Stauden und Sträucher mit denen der nicht zur Blüthe gelangenden nicht ein- gehend genug vergleichen. Nicht zu verwechseln mit diesen zum zweiten Male blühen- den Stauden und Sträuchern sind die in zweiter Samengenera- tion zur Blüthe gelangenden Pflanzen, wie der Vortragende von Centaurea Cyanus und Gal'mm Aparine mit sammt der auf ihm schmarotzenden Peronospora calothera beobachtet hat. Bei diesen letzteren möchte die Witterung des Herbstes das allein Entscheidende sein , ob sie zur zweiten Blüthe gelangen , wäh- rend bei vielen Stauden und Sträucheru die in Folge der Ein- wirkung von Hitze und Trockenheit auf ihrem Staudort eiutre- 2* 14 Gesellschaft naturforschender Freunde. tende frühzeitige Unterbrechung der Vegetation mit eine wesent- liche Bedingung der Herbstblüthe bilden möchte. (Vergl. C. Bouche und Ascherson in den Sitzungsberichten Mai 1873 p. 45-50.) Herr Reichert übergab den ihm von Herrn Malm in Go- thenburg für die Gesellschaft zugeschickten Vortrag „Ueber das Leben im Meere" {Om lifvet i haftet och särski/t i Kattegat vtan- för den Bohuslänska husten), den derselbe in der Naturforscher- Versammlung in Kopenhagen im Jahre 1873 gehalten hat. So- dann überreichte er der Gesellschaft als Geschenk seine eigene Abhandlung „Beschreibung einer frühzeitigen menschlichen Frucht im bläschenförmigen Bildungszustande, nebst vergleichenden Un- tersuchungen der Früchte der Säugefhiere und des Menschen" (aus den Abhandl. d. Königl. Akad. d. "Wissenschaften zu Berlin 1873), besprach den betreffenden Fruchtzustand als eine zwischen die Furchungs- und embryonale Periode eingeschobene Bildungs- phase in der Entwickelung der Wirbelthiere und erläuterte die Berechnung des Alters menschlicher Früchte mit Rücksicht auf die Vorgänge während der Menstruation. — Schliesslich legte derselbe die neuerdings veröffentlichte (Me- moires de l'Academie imperiale des sciences de St. Petersbourg, Vn. Ser., Tom. XIX., No. 8.) und vom Verfasser freundlichst ihm zugesandte Abhandlung des Hrn. von Bär „Entwickelt sich die Larve der einfachen Ascidien in der ersten Zeit nach dem Ty- pus der Wirbelthiere?" vor. Voll von Vertrauen zu den Beob- achtungen der Embryologen (Kowalevsky, Metschnikow, Kupffer), die eine wesentliche Uebereinstimmung in der Bil- dung der frei schwimmenden Ascidienlarve und der Wirbelthiere, vornehmlich auch in Betreff der Chorda dorsnaUs und der Rücken- platten, vorfanden, erhebt der Veteran unter den Naturforschern seine Einsprache gegen die Deutung dessen, was die Beobachter gesehen haben. Auf der vorletzten Seite der Abhandlung sagt der Verfasser: „So wenig ich im Stande bin, in dem am Bauche liegenden Ganglion der Tunicaten ein Homologon von Hirn und Rückenmark der Wirbelthiere zu erkennen, so wenig bin ich fähig, im Axenstrange der Embryonen von Ascidien die Chorda dorsalis der Wirbelthiere zu finden." Eine wichtige Irrthums- Sitzung vom 17. Februar. 15 quelle der Deutung sieht von Bär darin, dass die bezeichneten Embryologen entweder gar nicht oder doch nicht richtig die Bauch- und Rüclienseite an den Embryonen der Ascidienlarven unterschieden haben, und dass die angeblichen Rückenplatten nicht am Rücken, wie bei den Wirbelthieren, sondern an der Bauchseite ihre Lage haben, ebenso der als Chorda dorsualis ge- deutete Axenstrang. Gestützt auf die Angabe Ko wale vsky's, dass das Bauchmark der Arthropoden und Würmer durch eine Ein- faltung der äusseren Schicht des Embryo nach innen sich bilde, scheint der Verfasser zu der Annahme geneigt, dass die Central- theile des Nervensystems vielleicht überall, also auch bei den Tunicaten, durch eine solche Einfaltung entstehen, und dass hierin wohl eine Uebereinstimmung mit der Bildung der Central- nervenröhre der Wirbelthiere und das Auftreten von Faltenbil- dungen an der Bauchseite der Embryonen wirbelloser Thiere zu suchen sei. Dem Vortragenden scheint es völlig unbegreiflich, wie die Centraltheile des Nervensystems der wirbellosen Thiere, denen jede Röhrenbildung fehle, sich auf dieselbe Weise bil- den sollen, wie die bilateral-symmetrisch gebaute cerebrospinale Centralnervenröhre der Wirbelthiere, die thatsächlich durch Er- hebung und Vereinigung der beiden Rückenplatten gleichzeitig mit der Rückenröhre des Wirbel- und Hautsystems entstehen. In der geschichtlichen Einleitung hat der Verfasser auch des Vortrages gedacht, den das gegenwärtig in Jeddo weilende Mit- glied der Gesellschaft W. Dönitz am 19. Juli 1870 „Ueber die vermeintliche Stammverwandtschaft zwischen Ascidien und Wir- belthieren" gehalten hat, und der später im Archiv für Anat. und Phys. (1870) abgedruckt wurde. Dönitz, der die ersten Bil- dungsvorgänge bei der Entwickelung der Wirbelthiere sehr ge- nau untersucht hat, sieht sich auf Grundlage der von ihm an der Clavelina lepadiformis gemachten Beobachtungen zu dem Aus- spruche veranlasst, dass keine der von Kowalevsky aufge- stellten Behauptungen stichhaltig sei und dass die ersten Bil- dungsvoigänge bei der Clavelina nach Ablauf des Furchungspro- zesses gerade in ausgezeichneter Weise gegen die Verwandt- schaft der wirbellosen und Wirbelthiere sprechen. Seine Mit- theilungen sind nur kurz abgefasst; auch fehlen die Abbildungen, durch welche der mündliche Vortrag erläutert wurde. C. E. v. Bär 16 Gesellschaft naturforschender Freunde. ist durch diesen Vortrag nicht befriedigt: er findet die auf Grund- lage eigener Untersuchungen kurz, aber nicht persönlich abge- fassten Mittheilungen zu hochmüthig gegenüber Kowalevsky und Kupffer, obgleich seine Abhandlung auf die wesentlichen Unterschiede in dem typischen Verhalten der Tunicaten und Wir- belthiere aufmerksam macht, und in der Vorrede des hochbe- rühmten Embryologen zu seinem Werke „Ueber Entwickelungs- geschichte der Thiere" (Bd. I. S. XXII.) die denkwürdigen Worte zu lesen sind: „Zufrieden würde ich sein, wenn man es als mei- nen Antheil betrachtet, nachgewiesen zu haben, dass der Ty- pus der Organisation die En twickelungsweise be- dingt." Da nun die Verschiedenheiten im Typus der Organi- sation durch Zahl, Lagerungsweise und morphologische Beschaf- fenheit der Hauptorgane des Körpers ausgedrückt ist, und die- ses auch in den ersten Anlagen der letzteren sich aussprechen muss, so hätte man vorauszusetzen, dass in den typischen An- lagen bei Embryonen der Ascidien und Wirbelthiere keine Ueber- einstimmung vorhanden sein könne, wie es Dönitz beobachtet hat. Einen ganz besonderen Anstoss nimmt v. Bär an der An- gabe Dönitz's, dass die ersten Anlagen bei Clavelina in con- centrischen Schichten auftreten, in deren Axenraum die vermeint- liche Chorda dorsualis liege, während sie bei den Wirbelthieren mit bilateral-symmetrischer Sonderung schichtenweise übereinan- der liegen. Es können hier offenbar nur Missverständnisse ob- walten, die darin ihren Grund haben, dass v. Bär den Wirbel- thier-Typus auf eine Axe construirt, die später die Chorda dor- sualis einnimmt, während Dönitz das Wirbelthier aus bilateral- symmetrischen Anlagen hervorgehen lässt, die in der Median- Ebene durch Commissurgebilde, wozu auch die Chorda dorsualis gehört, sich vereinigen. Die Darstellung Dönitz's ist selbst- verständlich nur nach seiner Auflassung des typischen Baues und der ersten Anlagen der Wirbelthiere zu beurtheilen, und da kann es Niemand entgehen, dass zwischen den concentrisch geschich- teten Anlagen am Schwanz der Ascidien und der doppelröh- rigen Construction des Körpers und des Schwanzes der Wir- belthiere trotz der darin vorkommenden Schiohlbildungen den- noch ein sehr wesentlicher Unterschied gegeben sei. Sitzung vom 17. Februar 17 Herr Braun legte eine Abhandlung des Dr. Sorauer in Proskau über die Milbensucht der Birnbäume vor. Die beige- gebene Tafel giebt ein anschauliches Bild sowohl der auf den Blättern des Birnbaums befindlichen Gallen als auch der sie be- wohnenden und erzeugenden Milben (Phytoptus Piri Pagen- stecher). Die Gallen dieser Milbenart sind von den zahlreichen sonst bekannten Milbengallen wesentlich verschieden und können nach Sorauer als Pocken bezeichnet werden; es sind längliche Auftreibungen der Blattfläche mit einer durch Auflockerung und Auseinanderweichen des Parenchyms gebildeten, nach unten ge- öffneten Höhle, in welcher die Milben ihre Behausung haben. Die Lebensweise, Ueberwinterung und Fortpflanzung dieser klei- nen Thierchen wird von Sorauer genau beschrieben. Aehn- liche, vielleicht durch dieselbe Milbenart erzeugte Pocken beob- achtete der Vortragende auf den Blättern von Sorbus Aria, tor- minalis und Aucuparia, welcher Vorkommnisse auch Dr. Tho- mas in einer Anmerkung am Schlüsse seiner Mittheilung über die Entstehung der Milbengallen (Bot. Zeitung 1872, No. 17) ge- denkt, und über die eine gegenwärtig im Druck befindliche neue Abhandlung desselben über Milbengallen wohl Ausführlicheres bringen wird. Auf Apfelblättern fand der Vortragende solche Pocken ebensowenig als Dr. Sorauer, dagegen in verschiede- nen Gegenden eine gleichfalls durch Milben erzeugte Haargalle, von De Candolle als Erineum malinum beschrieben, min- der passend von Persoon Erineum pirinum genannt, da es auf Birnblättern nicht vorzukommen scheint. Auf Sorbus Au- cuparia kommen dagegen beide genannten Bildungen vor, die Pockenbildung und die Haargallen, letztere von Kunze als Eri- neum Sorbi bezeichnet. Herr Magnus theilte im Anschlüsse an Prof. Braun mit, dass er auf den Expeditionen der Pommerania die Pockenkrank- heit des Birnbaumes bei Sirtehamn auf Gotland antraf. Auf der Eberesche (Sorbus Aucuparia) war sie auf den Skaereninseln vor Stockholm, bei Bergen in Norwegen, wie bei Danzig. Die Pockenkrankheit zeigt sich daher über den grössten Theil von Mittel- und Nord-Europa verbreitet. 1 8 Geschenke. Als Geschenke wurden mit Dank entgegengenonamen : Annales del Museo publica de Buenos Aires. Entrega 10,, 11. Protokolle der Verhandlungen der permanenten Commission der Europäischen Gradmessung. Wien 1873. Monatsberichte der Berliner Akademie der Wissenschaften. No- vember 1873. Btdletin de la societe imper. des naturalistes de Moscou 1873. No. 2. Mittheilungen aus dem Jahrbuch der Königl. Ungarischen geo- logischen Anstalt. Bd. I., Heft 2. Pest 1873. Naturhistorische Andeutungen des Lettischen Bibeltextes. Von Pastor Kawall zu Pussen, Lievland. K. Moebius, Kleinere Aufsätze (aus den Schriften des natur- wissenschaftl. Vereins für Schleswig-Holstein, Bd. L). Reichert, Beschreibung einer frühzeitigen menschlichen Frucht im bläschenförmigen Zustande (aus den Abhandl. der Berl. Akad. d. Wissensch. 1873). A.W ScUades Buchdruckerci (L. Schade) in Berliii, Stallscliroil.crstr. Sitzunos-ßericht der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin vom 17. März 1874. Director: Herr Splitg erber. Herr v. Richtbofen gab, von Herrn Ebrenberg aufge- fordert, einige kurze Erläuterungen zu der von Professor J. D. Whitney in San Francisco als Gescbenk eingegangenen ^Map of California and Nevada^ (zwei Blatt im Maassstabe von 18 engl. Meilen = 1 engl. Zoll, oder 1 : 1,140,480). Von den Herren v. Leicht und A. Craven gezeichnet, umfasst die Karte die gesammten unter der Leitung von Whitney als Staatsgeo- logen von Californien seit 1861 ausgeführten topographischen Arbeiten. Ihre thätigsten Mitarbeiter waren: Herr Carl Hoff- mann, welcher, von Herrn v. Löhr und Craven unterstützt, insbesondere die höchsten Theile der Sierra Nevada und die Küstenketten nördlich und südlich von San Francisco, zum Theil mit grosser Genauigkeit, aufnahm, Herr v. Wackenrender, wel- cher im Wesentlichen Uebersichts -Aufnahmen im mittleren und nördlichen Theil der Sierra Nevada ausführte, und Herr d'Heu- reuse, dem der südöstliche Theil des Staates Californien zu- fiel. Die Aufnahme des Staates Nevada, soweit sie nicht in den Arbeiten der von Herrn Clarence King geleiteten ^Survey of fhe 40'* parallel'^ enthalten war, wurde mit gemeinsamen Kräften durchgeführt. Die Resultate dieser langjährigen, mit ebenso viel Energie als Geschick ausgeführten Aufnahms-Ar- 20 Gesellschaft naturforschender Freunde. beiten sind in mehreren, in verschiedenen Maasstäben gezeichne- ten Karten niedergelegt, welche kleinere und grössere Theile des Staates Californien umfassen. Eine Verwerthung des ge- sammten Materials hat nun auf den vorliegenden zwei Blättern stattgefunden, welche zum ersten Male ein richtiges Bild der Urographie der beiden Staaten bringen, welche sie behandeln, und als eine Zierde der amerikanischen Kartographie betrachtet werden können. Der zur Darstellung gewählte Farbendruck lässt die drei grossen, in ihrer Gestaltung wesentlich verschie- denen Glieder: die Küstengebirge, die Sierra Nevada und das „Great Basin", welchem der Staat Nevada angehört, mit Schärfe hervortreten, und ebenso bestimmt zeichnen sich die, besonders durch das Auftreten von Vulcanen verursachten untergeordneten Gliederungen. Die langgedehnte Westabdachung der Sierra Ne- vada gegen die weite, nur wenig über das Meeresniveau anstei- gende Thalebene des Sacramento und San Joaguin, ihr gewal- tiger Ostabfail gegen das Hochplateau des Great Basin, und zu- nächst auf eine Reihe von Kesseln, welche demselben eingesenkt sind, das Auftreten ähnlicher Kessel auf der Höhe der Sierra selbst, in ihrer nördlichen Hälfte, die rostförmige Anordnung der meridionalen Ketten im Staate Nevada und deren häufige Querverbindungen, welche eine grosse Zahl flacher, abflussloser Becken abschliessen — alle diese Eigenthümlichkeiten prägen sich auf den ersten Blick ein. Das Verdienst, welches sich der Staatsgeologe von Californien wider seinen Assistenten erwor- ben hat, ist um so höher anzuschlagen, als topographische Auf- nahmen nicht im Bereich der ihm gestellten Aufgaben lagen und nur gewissermassen als eine Zugabe zu seinen vortrefflichen geologischen Aufnahmen des Landes veranstaltet worden sind. Sie fährten unter Anderem zur Entdeckung des höchsten Theiles der Sierra Nevada, dessen Culminationspunkt den Namen Mount Whitney erhielt, und der sich als die bedeutendste Massenerhe- bung in Nordamerika herausgestellt hat. Es wurde sofort eine Karte desselben verfertigt, welche die beste in Amerika ver- öffentlichte Detailkarte eines Hochgebirgslandes ist. Der Vor- tragende knüpft an seine Mittheilung den Wunsch, dass es Herrn Whitney vergönnt sein möge, seine grosse Aufgabe zu Ende zu führen und die Schwierigkeiten zu überwinden, weicht- Sitzung vom 17. März. 21 sich ihrem Abschluss durch die Vorenthaltung der dazu erfor- derlichen Geldmittel entgegenstellen. Herr Magnus theilte als Nachtrag zu seinem Vortrage über die Einwanderung der Puccinia Mahacearum mit, dass in der kürzlich erschienenen 18ten Centurie von Ravenhorst, Fungi Europaei sub No. 1774. Puccinia Maltacearum Mont. auf Malva sp. herausgegeben ist, die Herr Loscos in Spanien bei Castelseras 1869 gesammelt hat. Der Pilz scheint daher in Spanien erheblich früher, als in England und Frankreich aufge- treten zu sein, wo er erst 1873 bemerkt wurde, und liegt nun die Annahme nahe , dass er von Spanien aus in diese Länder eingewandert sein möchte. Bei den vielfachen Handelsbeziehun- gen Spaniens mit Süd- A merika kann er leicht von dort nach Spanien verschleppt worden sein. — Ferner ist erwähnenswerth, dass Cooke in Grevillea No. 21. (März 1874) p. 137 als Va- terland der Puccinia Malvacearum ausser Chili noch Au- stralien nennt, ohne indessen eine Quelle dafür anzugeben. Was das Cronartium ribicola anbetrifft, so ist unter- dessen von De Bary in der Bot. Zeitg. 1874 No. 5. Sp. 79—80 bekannt gemacht worden, dass Herr E. Rostrup diesen Pilz in Dänemark, wenigstens in Seeland, Läaland und Fünen, nicht selten auf der Blattunterseite von Ribes nigrum beob- achtet hat, und ihn derselbe 1871 im Catalogue des plantes, que la Societe botanique de Copenhague peut offrir ä ses membres au printemps 1871 als Cronartitim ribicola bekannt gemacht hat, welcher Name daher mit dem Dietrich'schen Namen zu- sammenfällt ( vergl. diese Sitzungs - Berichte, December 1873). De Bary glaubt in Folge dessen die auch von ihm früher aus- gesprochene Vermuthung, dass dieser Pilz in neuester Zeit bei uns eingewandert sei, aufgeben zu müssen. Dem kann sich Vortragender durchaus nicht anschliessen, und scheinen ihm im Gegentheile alle seine Beobachtungen auf die Einwanderung aufs Deutlichste hinzuweisen. Es wäre jedenfalls sehr auffallend, dass in einem so vielfach von eifrigen Mycologen durchforschten Ge- biete, wie Norddeutschland, dieser in seiner äusseren Erschei- nung so sehr auffallende Pilz nie sollte bemerkt worden sein, während er 1871 — 1873 von verschiedenen Beobachtern (Ro- 3* 22 Gesellschaft naturforschender Freunde. strup, Magnus, Fischer, Sydow) unabhängig von einander an vier weit von einander gelegenen Orten (Dänemark, Kiel, Stralsund, Berlin) aufgefunden w^urde. Wo ihn der Vor- tragende beobachtet oder kennen gelernt hat, trat er ioDmer nur in Gärten oder Anlagen auf, wie auch schon Dietrich bemerkt, dass er in den Ostseeprovinzen nur in Gärten auftrete. Ueberall trat er ausschliesslich oder hauptsächlich auf dem aus Nord- amerika eingeführten Ribes aureum auf, und ging erst von letzteren auf Ribes nigrum über, so im botanischen Garten. Alle diese Umstände weisen aufs Deutlichste darauf hin, dass der Pilz ein eingewanderter ist, wie Vortragender das schon in Hedwigia 1873, No. 4. ausgesprochen hatte. Etwas Anderes ist die Frage nach dem Vaterlande des Pil- zes. Vortragendem schien es früher am natürlichsten, die Hei- math des Ribes atireum, der bevorzugten Wirthspflanze, als Vaterland anzunehmen; doch macht DeBary 1. c. mit Recht darauf aufmerksam, dass Tulasne in Ann. Sc. nat. 4. Ser. II. p. 189 ein Cronartium auf einem ostindischen Ribes nach von Jacquemont gesammelten Exemplaren im Pariser Museum er- wähnt. Die definitive Feststellung des Vaterlandes ist daher heute noch nicht zu geben und muss von den Funden späterer dortiger Sammler erwartet werden. Nachschrift. In dem so eben zugegangenen Bulletin de la Societe bolanique de France Tome XX. 1873, Comptes rendus des seances Heft 2 u. 3 wird auf p. 160, 181, 187, 238, 281 u. 305 weitere Nachricht über das Auftreten der Puccinia Malta- cearum in Frankreich gegeben. Herr Goren, Herr Decais ne, Herr Roze haben sie wiederholt bei Montpellier und bei Paris beobachtet. Herr C. Roumeguere, der sie unter dem Namen Puccinia Alceae Roum. an seine Correspondenten vertheilte, hat sie beobachtet bei Toulouse, bei Saint-Gaudens (Haute-Garonne), bei Bagneres-de-Bigorre und Lourdes (Hautes - Pyrenees), bei Peyrehorade (Landes), und an allen diesen Localitäten stets auf Alcea rosea L., die fast spontan in Süd-Frankreich auftritt. Herr Gaston Genevier fand die Puccinia in der Umgegend von Nantes sehr reichlich auf Althaea rosea, Lavatera arborea und Malva sihestris. Von ganz besonderem Interesse ist endlich. Sitzung vom 17. März. 23 dass, wie Herr Roze mittheilt, Herr Dr. Richon sie schon im Jahre 1872 bei St. Armand (Marne) beobachtet hat. Diese grofse Verbreitung im Süden Frankreichs, wie sie namentlich Herr Roumeguere beobachtet hat, legt es uns noch näher, dass die Puccinia von Spanien aus, wo sie schon 1869 beobachtet worden ist, in Frankreich eingewandert sein möchte. Herr Braun legte eine von Herrn Dr. Hartlaub zu Blan- kenburg bei Rudolstadt mitgetheilte Zeichnung zweier Mohrrüben vor, welche durch einen ungefähr zolltief horizontal in der Erde gelegenen Uhrschlüssel hindurchgewachsen waren. Dieser war nämlich am Griff mit zwei Ringen versehen, einem grösseren von etwas über 10, einem kleineren von nicht ganz 5 Mm. Durch- messer im Lumen. Die beiden dicht aneinandergedrängten Rü- ben waren im Laufe ihrer Ausbildung in gewöhnlicher Weise angeschwollen, am oberen Ende bis zu 23 Mm. Dicke, von da nach unten langsam abnehmend, an der Stelle der beiden Ringe aber plötzlich, wie durch einen Schnitt, unterbrochen und ent- sprechend dem Lumen des jeweiligen Ringes eingeschnürt. Die Rübe des grösseren Ringes zeigt über und unter der Einschnü- rung 15 Mm. Dicke, die des kleineren Ringes oberhalb 18, un- terhalb 17 Mm., während die eingeschnürte Stelle der letzteren kaum über 4 Mm. misst. Es zeigt sich somit hier nicht, wie bei eingeschnürten Stämmen der Fall ist, eine stärkere Ver- dickung oberhalb der Einschnürung; vielmehr findet die Verdik- kung gleichmässig statt, als ob keine Hemmung vorhanden wäre. Herr P. Magnus theilte im Anschlüsse an Herrn Professor Braun mit, dass er voriges Jahr auf der Pfingst- Versammlung des botanischen Vereins für die Provinz Brandenburg eine Kar- toffel vorgezeigt habe, die durch einen in der Erde liegenden ab- gebrochenen Flaschenhals hindurchgewachsen war. Herr Alfred Reuter hatte sie auf der Pfaueninsel bei Potsdam gefunden und Vortragendem freundlichst zugesandt. Auch hieran zeigte sich recht anschaulich die Kraft des Dickenwachsthums , in Folge dessen sich die Knolle der sie berührenden Innenfläche des Fla- schenhalses überall fest angepresst hatte, während sie oberhalb und unterhalb desselben in der normalen Weise angeschwollen 24 Gesellschaft naturforschender Freunde. war. Sie sass daher unbeweglich fest im Flaschenhalse. Die Kartoffel hatte der Vortragende der Sammlung des Königl. land- wirthschaftlichen Museums hierselbst überwiesen, wo sie aufbe- wahrt wird. Als Geschenke wurden mit Dank entgegengenommen : Monatsbericht der Berliner Akademie der "Wissenschaften. De- cember 1873. Inhalts -Verzeichniss der Abhandlungen der Berliner Akademie der Wissenschaften, 1822—1872. 8. Publikationen des geodätischen Instituts: Beobachtungen mit dem Be SS el' sehen Pendel - Apparate von Peters. Hamburg 1874. 4. Arbeiten des Naturforschenden Vereins zu Riga. Neue Folge, Heft 5. Guiscardi, Di una grotta con ossami nella Provincia di Bari. Napoli 1873. 4. Guiscardi, Sopra un Teschio fossile di Foca. Napoli 1871. 4. Malm, Om lifvet i hafvet och särskiU i Kattegat utanför den Bohuslänska kuslen. Copenhagen 1874. 8. Ä.W.Schad^'s Buelulrurkcrei ( I,. .S ( lin.l p) in Borlin, Stallsi- Sitzunos-Bericht der Gesellschaft naturforscheiider Freunde zu Berlin vom 21. April 1874. Director: Herr Peters. Herr Kny sprach, unter Vorlegung von Zeichnungen, üher die Keimung und Embry o-En twiciielung von Cerato- pteris t halictroides. Brongn. Genannte Pflanze, der Farrn -Familie der Parkeriaceen angehörig, wird alljährlich in einem Warmhause des hiesigen botanischen Gartens in zahlreichen Exemplaren erzogen. Durch die Liberalität der Herren Professor Braun und Inspektor Bouche stand Vortragendem für seine Untersuchungen ein rei- ches Material hiervon zur Verfügung. Die gewonnenen Resul- tate weichen in mehreren wichtigen Punkten von der Darstellung ab, welche Hofmeister von den entsprechenden Entwickelungs- vorgängen bei den von ihm untersuchten Polypodiaceen giebt; sie sprechen dafür, dass die von Brongniart (Hisfoire des ve- getaux fossiles 1828) vorgenommene, von der Mehrzahl der spä- teren Autoren aber nicht anerkannte Abtrennung der Parkeriaceen von den Polypodiaceen und ihre Aufstellung als selbstständige Familie der Filices eine durchaus naturgemässe ist. Mit Rücksicht auf die Entwickelung des Vorkeimes aus der Spore bezog sich Vortragender auf die Mittheilungen, welche er hierüber in der Sitzung dieser Gesellschaft vom 17. November 1868 gemacht hat (vergl. auch Botan. Zeitung 1869 p. 47). 4 l 26 Gesellschaft naturforschender Freunde. Für die Verfolgung der ersten Zelltheilungen im Embryo verdienen unter Wasser entwickelte Prothallien vor solchen, welche auf feuchtem Boden erwachsen sind , den Vorzug. Aus der äusseren Sporenhaut, mit der man sie fast immer noch in Zusammenhang findet, mit schmälerem unterem Theil entsprin- gend, verbreitern sie sich nach oben allmählich oder plötzlich zu einer flächenartigen Spreite. Der Gesammtumriss ist entweder verlängert spateiförmig oder gelappt. Alle hierauf untersuchten Vorkeime zeigten sich in ihrem ausserhalb des Exosporiums be- findlichen freien Theile aus nur einer Zellschicht aufgebaut. Nur an Stellen, wo ein Archegonium sich bildet, treten Theilungen parallel zur Oberfläche ein. Der untere, schmälere Theil besteht aus langgestreckten, sehr chlorophyllarmen Zellen, die zu !2 bis 4 in Querreihen nebeneinanderliegen ; nach oben werden die Zellen allmählich kürzer, gegen den Vorderrand hin nahezu iso- diametrisch. Sie erhalten hier zahlreichere Chlorophyllkörner, wenn dieselben auch im Vergleich zu vielen anderen Farrn-Pro- thallien immer noch sparsam auftreten. Wurzelhaare entspringen sowohl vom Rande, als von der Fläche des Prothalliums. Gewöhnlich producirt jede Zelle im unteren Theile des Vorkeimes je ein Wurzelhaar. Seine Bil- dung wird dadurch eingeleitet, dass die betreffende Zelle in ihrem untersten (der Sporenhaut zugekehrten) Theile ein kleineres Stück durch eine Scheidewand als besondere Zelle abtrennt, die unmittelbar zum Wurzelhaar auswächst. Die Antheridien gehen an Vorkeimen, welche unter Was- ser erwachsen sind, wie es scheint, ausschliesslich aus Rand- zellen hervor; bei solchen, die auf Torf zur Entwickelung ge- langten, treten einzelne auch an der Fläche auf. Zuweilen sind sie so zahlreich, dass fast der ganze Rand am vorderen Theile des Prothalliums mit ihnen besetzt ist; gewöhnlich sind sie aber sparsamer, lieber Bau und Entwickelung derselben hat Vor- tragender dem früher von ihm Mitgetheilten (Monatsber. der K. Akad. d. Wissensch. in Berlin, Mai 1S60 p. II des Separ.-Abdr.) nichts Wesentliches hinzuzufügen. Die Archegonien treten einzeln aus einer der beiden Aussenflächen des Prothalliums hervor und zwar, wie es scheint, stets aus derjenigen Fläche, an welcher im unteren Theile die Sitzung vom 21. April. 2T' Wurzelhaare entspringen. Dieselbe wäre demnach als ünter- oder Bauchseite zu bezeichnen Zunächst entsteht je ein Arche- gonium in geringer Entfernung vom Vorderrande, entweder nahe der Mediane oder mehr seitlich. Wird dasselbe befruchtet, so hat es damit fast immer sein Bewenden. Unterbleibt die Be- fruchtung, so wächst der Vorkeim etwas weiter in die Länge und es wird in geringer Entfernung vom ersten Archegoniuni ein zweites gebildet; und so kann sich, falls auch das zweite fehlschlägt, die Neubildung noch ein oder mehrere Male wieder- holen. Immer aber entstand bei den Wasser -Prothallien das neue Archegonium isolirt auf der einschichtigen Zellfläche und die Centralzelle war auf der Rückenseite von nur einer Zelle bedeckt. Die in grösserer Zahl auftretenden, mit Archegonien besetzten Kissen von Zellgewebe, von denen Hofmeister (On the germination, developmenl and fntctißcation of tlie higher Cryptogamia 1862 p. 193) spricht, kamen hier niemals vor. An allen Archegonien ist schon vor der Empfängnissreife der Halstheil grundwärts gerichtet. Ihre Entwickelung und der Akt der Befruchtung sind neuerdings von Strasburger (Jahr- buch für w. Bot. Band VII p. 397 fF.) erschöpfend untersucht worden. Schon in den ersten Theilungen innerhalb der be- fruchteten Eizelle von Ceratopteris thalictroides zeigen sich erhebliche Abweichungen von den Vorgängen, wie sie von Hof- meister für die Polypod iaceen und von späteren Autoren für andere Abtheilungen der Leitbündelkryptogramen dargestellt werden. Insoweit ist Uebereinstimmung vorhanden, als die Ei- zelle durch 2 aufeinanderfolgende Theilungsschritte in 4 kreuz- weise angeordnete Zellen von der Form von Kugel-Quadranten zerfällt; doch liegen dieselben bei Ceratopteris thalictroides nicht in einer zur Ebene des Prothalliums senkrechten, sondern ihr parallel gerichteten Ebene. Zwei von ihnen sind dem vorderen, zwei dem Basaltheile des Vorkeimes zugekehrt. Hiermit ist be- reits eine wichtige morphologische Sonderung vollzogen. Die vorderen beiden Quadrantenzellen produciren den ersten Wedel und später seitlich an ihm die Anlage zur Stammknospe; aus einer der beiden hinteren Quadrantenzellen geht nach einigen Theilungen die Scheitelzelle der ersten Wurzelzelle hervor; und aus der 4* 28 Gesellschaft naturforschender Freunde. anderen der hinteren Quadrantenzellen baut sich der bei un- serer Pflanze im Ganzen sehr schwach entwickelte „Fuss" auf. Der erste Wedel wächst von seiner ersten Anlegung an durch ausgesprochenes Marginal -Wathsthum. Die Theilungen finden abwechselnd durch zum Vorderrande senkrechte und ihm pa- rallele, auf der Fläche vertikal gestellte Wände statt. Der Aus- sonderung einer Sclieitelzelle ist dadurch vorgebeugt, dass die trennende Scheidewand der beiden vorderen Quadrantenzelien, welche die Anlage des ersten Wedels konstituiren , genau in dessen Mediaue liegt. Auch im späteren Verlauf der Entwicke- lung desselben nehmen meist je zwei sich durchaus gleich ver- haltende Zellen den Scheitel des jungen Wedels ein und die zwischen ihnen hiudurchlaufeiide Wand lässt sich kontinuirlich nach der Basis des Wedels verfolgen, bis die späteren Faltungen der Epidermiszellen die ursprüngliche Anordnung undeutlich machen. In entwickeltem Zustande ist der erste Wedel spateiförmig, am Vorderende abgestumpft und in den Stiel allmählich ver- schmälert. Vom Stiel aus wird er der Länge nach bis nahe zum Ende von einem kleinen median verlaufenden Leitbündel durchzogen. Der übrige Theil der Spreite ist dreischichtig. Zwischen den beiden Aussenschichten, deren Zellen die für die Epidermis charakteristischen buchtigen Faltungen zeigen und deren oberer ausserdem einige Spaltöft'iiungen eingestreut liegen, l)efindet sich eine als lockeres, weitmaschiges Diachym ausgebil- dete Zellschicht eingeschaltet. Zur Zeit, wo die Theilungen im ersten Wedel ihrem Ab- schluss nahen und dieser sich anschickt, aus der Höhlung des Archegoniums hervorzubrechen, vergrössert sich eine Aussen- zelle, welche die untere und innere Ecke eines der beiden vor- deren Quadranten, aus welchen der erste Wedel sich aufbaut, einnimmt, stärker als ihre Nachbarzellen und nimmt eine ge- rundet dreiseitige Form an. Sie wird zur primären Scheitel- zelle der Stammknospe. Ihre Stellung ist insofern eine fest bestimmte, als sie ausnahmslos auf der dem Vorkeim zuge- kehrten Seite des jungen Wedels (also auf dessen Oberseite) liegt; dagegen kann sie entweder der rechten oder linken der beiden oberen Quadrantenzelien aiigehörcMi. Der dreiseitigen Sitzung vom 21. April. 29 F'orm der Scheitelzelle entsprechend, erfolgen die Theilungen in ihr durch Wände, welche in spiraliger Folge nach 3 Rich- tungen orientirt und dabei steil von aussen und oben nach innen und unten geneigt sind. Die Divergenz beträgt etwas mehr als 120'', so dass das vierte Segment gleich Anfangs in anadromer Richtung gegen das erste verschoben ist. Die Richtung, in welcher die von der Scheitelzelle abge- trennten Segmente aufeinanderfolgen, bestimmt die Anordnung der Blätter am Stamm, da aus jedem Segment ein Blatt hervor- geht. Blatt- und Segmentspirale verlaufen nicht bei allen Exemplaren in gleichem Sinne; sie steigen bald links, bald rechts auf. Letzteres scheint das häufigere zu sein. Unter 54 darauf untersuchten Keimpflanzen wurde die ßlattspirale in 32 Fällen rechts, in ß2 Fällen links aufsteigend gefunden. Es ist Vortragendem in hohem Grade wahrscheinlich geworden, dass diese Verschiedenheit in der Richtung mit der verschiedenen Stellung der primären Stammscheitelzelle zur Mediane des ersten Wedels zusammenhängt. Da, wo die Stammscheitelzelle links von der Mediane liegt, sah ich in einigen Fällen das erste Seg- ment nach links unten abgetrennt; bei entgegengesetzter Stel- lung wurde in einem Präparate das erste Segment rechts unten angetroffen. Es deutet dies daraufhin, dass im ersten Falle die Spirale von links nach rechts, im zweiten Falle von rechts nach links aufsteigt. An Keimpflanzen, deren Stammscheitel die Richtung des Segmentumlaufes schon deutlich erkennen lässt, ist leider am ersten Wedel der Verlauf der ersten Theilungs- linien durch nachträgliche unregelmässige Dehnungen der Zell- membran schon zu sehr verwischt, um hierüber etwas Sicheres ermittein zu können. Zu beiden Seiten der primären Stammscheitelzelle entstehen zwei zarte Gebilde, die wir in gleicher Stellung auch an den späteren Wedeln wiederkehren sehen. Sie nehmen aus einer Zelle ihren Ursprung und bestehen aus einer Zellreihe, deren untere Glieder sich aber meist noch senkrecht zu einer gemeinsamen Ebene längstheilen. Am Scheitel sind sie durch eine keulen- förmige Zelle abgeschlossen. Es läge nahe, sie als Stipulae zu deuten; doch muss dies so lange Bedenken erregen, als solche Organe bei anderen Gruppen der Filices nicht wenigstens 30 Gesellschaft naturforschender Freunde. in rudimentärer Form nachgewiesen sind. Die von den Filices neuerdings abgetrennten Marattiaceen besitzen zwar Stipulae; doch zeigen dieselben einen ungleich complicirteren Bau, als bei Ceratopteris thalictroides. Unmittelbar nach ihrer Aussonderung am Grunde des ersten Wedels ist die Stammscheitelzelle noch flach; bald aber wölbt sie sich zu einem schlanken Kegel hervor. Die Segmente las- sen sich an demselben mehrere Umläufe nach abwärts verfolgen. Es zeigt sich dabei deutlich, dass das jüngste Segment gleich bei seiner Anlegung in anadromer Richtung seitlich über das drittletzte übergreift. Nachträgliche Verschiebungen Hessen sich bis zu der Region, in welcher die Blatt-Anlagen sich kräftiger zu entwickeln beginnen, nicht constatiren. In jedem Segment tritt zunächst eine Läng^wand auf, welche sich einerseits der Aussenwand in nahezu rechtem Winkel, an- dererseits der anodischen Seitenwand in einiger Entfernung von deren achsiler (innerer) Grenze in spitzem Winkel aufsetzt. Sie schneidet eine schmälere und tiefere (im Querschnitt vierseitige) von einer breiteren und weniger tiefen (im Querschnitt dreisei- tigen) Zelle ab. Nur die schmälere Zelle auf der katadromen Seite reicht bis zur Längsachse des Stammscheitels. Sie zerfällt durch eine tangential gerichtete Längswand in eine innere und eine äussere Zelle und letztere wird, wie sich von aussen leicht constatiren lässt, durch eine Querwand in eine obere schmälere und eine untere breitere Zelle zerlegt. Die breitere, auf der anadromen Seite gelegenen Tochterzelle des Segmentes dagegen theilt sich zunächst durch eine der akroskopen Hauptwand pa- rallele, also auch steil nach innen und abwärts geneigte Wand in eine obere kleinere und eine untere grössere Zelle. Letztere, die sich alsbald über die benachbarten Zellen am Umfange des Stammkegols etwas hervorwölbt, wird entweder unmittelbar oder erst nach Abtrennung einer unteren kleineren Zelle durch eine der letztentstandenen parallele Wand zur Mutterzelle des Blat- tes. Dieselbe besitzt gleich Anfangs die Form einer nach innen keilförmig zugeschärften zweiseitigen Scheitelzelle. Die Thei- lungen in ihr erfolgen dem entsprechend auch durch Wände, welche den beiden Seitenwänden abwechselnd parallel und sich gegenseitig iij einem etwas kleineren als rechten Winkel auf- Sitzung vom 21. April. 31 gesetzt sind. Es werden hierdurch nach rechts und links zwei Reihen von Segmenten abgeschieden. Jedes derselben theilt sich zunächst durch eine auf der Ebene der Wedelspreite senk- rechte, dem Aussenrande parallele Wand in eine Flächenzelle und eine neue Randzelle. In dieser erfolgt entweder eine Thei- lung gleicher Art, oder sie wird durch eine auf dem Aussen- rande senkrechte Wand in zwei gleiche nebeneinander liegende Randzellen zerlegt. Auch im Verlaufe des weiteren Wachs- thums wechseln beide Arten der Theilung in den Randzellen mehr oder weniger regelmässig mit einander ab. Der beschriebene Theilungsmodus der Scheitelzelle ist ein begrenzter. Nach Abtrennung einer je nach der Rangordnung des Wedels verschiedenen Zahl von Segmenten zerfällt sie durch eine zur Mediarre des Wedels senkrechte, ihrem Vorderrande parallele Wand in eine Flächenzelle und eine Randzelle. Von jetzt ab wachsen alle Wedel mit einer „Scheitelkante" und ver- halten sich darin dem ersten Wedel gleich. Eine durch Grösse, Art der Theilung oder in anderer Weise vor den benachbarten Zellen des Vorderrandes constant ausgezeichnete „Marginal- Scheitelzelle" , wie dieselbe von Leitgeb und Sadebeck in ähnlichen Fällen angenommen wird , Hess sich auch bei den späteren Wedeln nicht erkennen. Die ersten Wedel sind klein, schmächtig und von einfachem Umriss; die späteren nehmen an Umfang allmählich bedeutend zu und erfahren eine immer reichere und complicirtere Aus- gestaltung. Dem entspricht es, dass am zweiten Wedel die Scheitelzelle schon nach Abtrennung weniger Segmente ihren Theilungsmodus abschliesst , bei den späteren Wedeln dieses Umspringen des Scheitelwacbsthums aber immer weiter hinaus- gerückt wird. An den späteren, über den Wasserspiegel hervor- tretenden Wedeln, welche der Bildung der Fruchtwedel unmittel- bar vorhergehen, war die Scheitelzelle noch in voller Thätigkeit, nachdem bereits nach rechts und links eine Anzahl Fieder an- gelegt waren. Die Anlegung der letzteren wird dicht unterhalb der fort- wachsenden Wedelspitze dadurch bewirkt, dass Gruppen von Randzellen mit lebhafterer Theilung durch solche von geringerer Vermehrung getrennt sind. Indem die Intensität der Theilungen 32 Gesellschaft naturforschender Freunde. gegen die Mitfe der geförderten Gruppen von Randzellen sich steigert, bildet sich eine Scheitelregion lür jeden Frieder aus, unterhalb deren sich sekundäre Fiedern ausbilden können u. s. f. Die Fiedern desselben Grades alterniren an ihrem Mutter-Fieder regelmässig mit einander und der erste Tochter-Fieder tritt stets an der äusseren (katadroraen) Seite des Mutter- Fieders hervor. Dem Vortragenden lag die Vermuthung nahe, dass jeder der unteren primären Fieder eines Wedels in seiner seitlichen Begrenzung genau je einem von seiner Scheitelzelle abgetrenn- ten Segmente entspricht, um so mehr als Sadebeck dies für den Wedel von Asplenium adidterinum ausdrücklich angiebt. Doch Hess eine sorgfältige Durchmusterung von jungen Wedelspitzen keinen Zweifel darüber, dass eine solche Coincidenz bei Cernfo- pteris Ihalictroides nicht stattfindet, dass vielmehr der Regel nach sich mehr als ein Segment an dem Aufbau eines primären Fie- ders betheiligt und die Grenze zweier Segmente nicht selten auf die Mediane eines Fieders trifft. Nach den hierüber vorliegenden Beobachtungen scheint es, dass die Polypodiaceen (Aspidium nach Hofmeister, ^45- plenium nach Sadebeck) und Marsilia (nach Hanstein) mit Ceratopteris thaliclroides in der Entwickelung des Blattes darin übereinstimmen, dass auch hier ein Umspringen des Scheitel- wachsthums im Laufe des Längenwachsthums stattfindet. Doch zeigt sich ein wesentlicher Unterschied zwischen unserer Pflanze als Repräsentanten der Parkeriaceen und den beiden namhaft gemachten, sowie mehreren anderen P'amilien der Leitbündel- Cryptoganien in der Art, wie die Randzellen sich theilen. Bei der Mehrzahl der Leitbündel -Cryptogamen geschieht dies durch Wände, welche zur Ebene des Wedels abwechselnd in entgegengesetztem Sinne geneigt und einander alternirend auf- gesetzt sind, wie in der Laubachse von Anthoceros, Ricia und der Marchaiitiaceen; — Ceratopteris thalivlroides dagegen folgt ebenso, wie die von Vortragendem bislier untersuchten Hymeno- phi/lleen, dem Typus von Halyseris und Pellia, d. h. die in ihren Raiidzellen auftretenden Querwände sind zur Ebene des Wedels senkrecht. Es werden also nicht, wie bei den Polypodiaceen (von denen Vortragetider Cystopleris sitdetica, Adiautum pedatiim, Onoclea sensibitis, Struthiopleris gennonica, Poli/podiiiui vulgare. Sitzung vom 21. April. 33 Asplenimn angustifolium und Blechnum Spicant. darauf unter- suchte) und bei Osmunda von den Randzellen zwei übereinander liegende Schichten von Aussenzellen, sondern nur eine Schicht von Flächenzellen abgesondert. Die Theilung dieser Flächenzellen erfolgt zunächst ( — es gilt dies ebenso für den ersten wie für die folgenden Wedel — ) durch zwei der Ober- und Unterseite parallele, excentrische Wände in eine etwas grössere innere und zwei sie einschliessende, um ein Geringes kleinere äussere Zellen. Diejenige Wand, welche der Unterseite des Wedels genähert ist, ging dabei, soweit beobachtet werden konnte, der anderen stets voran. Es hängt dies damit zusammen, dass bei unserer Pflanze alle We- del, ebenso wie bei den anderen Filices, an ihrem fortwachsen- den Ende nach innen eingerollt sind, die ersten in geringerem, die späteren in stärkerem Maasse. Die Unterseite wird dadurch convex und ist der concaven Oberseite gegenüber im Wachsthum gefördert. Bei den ersten Wedeln, soweit dieselben sich unter und auf dem Wasser zu entwickeln bestimmt sind, hat damit der grössere Theil der Spreite sein Dickenwachsthum abgeschlossen. Nur in jenen Flächenzellen, welche bestimmt sind, sich am Aufbau der Nerven zu betheiligen, erfolgen noch weitere Thei- lungen parallel der Aussenfläche, welche mit solchen senkrecht zu ihr abwechseln. Bei den späteren Wedeln , deren Spreite reich gefiedert ist und auf kräftigem Stiel sich in die Luft er- hebt, erstrecken sich die Theilungen in Richtnng der Dicke auch auf das Füllgewebe zwischen den Nerven. Am ausgiebigsten ist das Dickenwachsthum im Stiel, der bei den späteren Luft- Wedeln im entwickelten Zustande einen complicirten Bau zeigt. Die Zunahme der späteren Wedel in Grösse und äusserer Gliederung der Spreite ist von einer immer steigenden Compli- cirtheit in der Auszweigung der Leitbündel begleitet. Während der erste Wedel einen einfachen Nerv besitzt, welcher die Spreite bis nahe zum Scheitel der Länge nach durchzieht, tritt beim zweiten Wedel in der unteren Hälfte eine Gabelung ein, und in den folgenden wiederholt sich die Verzweigung immer öfter. Die Zweige treten dabei direkt oder durch seitliche Anastomosen mit einander in Verbindung und bilden so ein reiches Netz- 34 Gesellschaft naturforschender Freunde. werk, dessen letzte und engste Maschen bis nahe zum Rande heranreichen. Bei den späteren, gefiederten Wedeln bildet sich in der Mitte jedes Fieders ein stärkerer Strang zum Hauptner- ven aus. Während die ersten Wedel, abgesehen von den beiden Sti- pularschuppen, keinerlei Trichome produciren, treten an spä- teren, etwa vom lOten an, immer zahlreichere Spreu schu ppen auf. Ihre Entwickelung ist denen der Stipularschuppen durch- aus ähnlich; doch erreichen sie sehr ungleiche Dimensionen. An den Luftwedeln stellt die Mehrzahl nur eine kurze Zellreihe, aus einer keulenförmigen Scheitelzelle und ein bis wenigen Gliederzellen bestehend, dar; der geringere Theil bildet sich zu einer am Rande mehrfach gewimperten Zellfläche aus, in der nahe der Basis selbst Theilungen parallel zur Aussenfläche auf- treten können. Auch bei den Stipularschuppen der späteren Wedel tritt solches Dickenwachsthum auf. Normale Verzweigung unterhalb des Stammscheitels hat Vortragender bei Ceratopteris thalictroides bisher nicht be- obachtet. Dagegen gehören Adventivknospen auf Nerven- Anastomosen der Schwimmblätter nicht zu den Seltenheiten. Die Wurzeln nehmen aus einer Mutterzelle ihren Ursprung, welche dicht unterhalb der äussersten Zellschicht (Epidermis) liegt. Die Verbindung ihres Leitbündels mit dem nächstliegen- den des Stammes oder Wedels erfolgt erst nachträglich. An jungen Keimpflanzen sieht man deutlich, wie jedem Wedel eine primäre Wurzel entspricht, welche nahezu ein Internodium unter- halb seiner Einfügungsstelle aus den Stämmchen entspringt. Sie liegt den nächst älteren Wedel fast gegenüber, ist demselben in katadromer Richtung aber etwas genähert. Während es bei den ersten Wedeln, die durch ziemlich lange Internodien getrennt sind, zu keiner weiteren Wurzelbildung kommt, tritt dieselbe an späteren Wedeln mit immer steigender Ausgiebigkeit auf. Die secundären Wurzeln treten zunächst über der primären aus dem Grunde des Wedelstieles selbst, weiterhin auch seitlich aus demselben hervor; ja bei den späteren Luftwedeln schreitet die Bildung von Adventivwurzeln bis fast zur Innenseite des Wedel- grundos fort. Die äusseren, am frühesten entstandenen sind unter allen die kräftigsten. Sitzung vom 21. April. 35 Eine ausführlichere Darstellung der im Vorigen kurz ge- schilderten Entwickelungsvorgänge nebst genauen Angaben über Bau und Wachsthum der Wurzeln, sowie über die Entwickelung der Sporangien wird Vortragender in einer von Tafeln begleite- ten Abhandlung demnächst veröffentlichen. Zum Schluss wies er noch auf die interessanten Analogien hin, welche zwischen der Embryoentwickelung von Ceratopteris und derjenigen mancher Monocotyledonen (z. B. Alisma nach Hanstein) bestehen. Hier wie dort wird der gesammte vor- dere Theil der Embryo-Anlage für die Bildung des ersten Blat- tes (Cotyledo) verbraucht und in beiden Fällen wird der Stamm- scheitel an dem Grunde des ersten Blattes erst nachträglich ausgesondert. Beziehungen ähnlicher Art lassen auch die Poly- podiaceen, sowie Marsiäa und Sahinia zu den Monocotylen er- kennen, während die Lycopodiaceen, insbesondere Selaginella, deutlich auf eine enge Verwandtschaft mit den Coniferen und durch diese mit den Fhanerogamen hinweisen (cf. Strasburg er, die Coniferen und Gnetaceen 1872 p. 254). Es legt dies die Vermuthung nahe, dass Monocotylen und Dicotylen zwei grosse divergirende Entwickelungsreihen darstellen, deren gemeinsame Wurzel im natürlichen System zum mindesten bis in das Gebiet der Leitbündelkryptogamen, wenn nicht tiefer hinabreicht. Herr Ehrenberg legte eine von Dr. Douglas Cun- ningham in Calcutta verfasste und ihm zugesandte ausführliche Mittheilung über die atmosphärischen Staubverhältnisse Ostindiens vor, welche sich bei der Untersuchung der atmosphärischen Luft während der Cholera -Epidemie des Jahres 1872 herausgestellt haben. Diese als Anhang zu dem Sanitanj Commissioner, Go- vernment of India gedruckte, 14 Bogen Text umfassende, mit 14 Tafeln Abbildungen in klein Folio versehene Darstellung giebt einen reichhaltigen, bisher nicht vorhandenen Ueberblick über den atmosphärischen Staub Ostindiens und enthält zugleich eine sehr reichhaltige historische Zusammenstellung der in Frank- reich, England, Deutschland, Italien und Amerika bekannt ge- machten neueren mikroskopischen Untersuchungen der Atmo- sphäre bei epidemischen Krankheiten. Die Zusammenstellungen umfassen 49 Beobachter und begreifen in sich die Beobachtungen 36 Gesellschaft natirfor sehender Freunde. der Malaria in Italien , der verschiedenen Fieberdifitrikte und der Choleraheerde sowohl in Lazarethen, als in tVeitm Stationen, wobei ot'l auf massenhafte Verbreitung von Pilz- und Algen- Samen in der Atmosphäre hingevv'ii.'sen worden ist Auf die letzten von mir selbst gegebenen Erläuterungen im Jahre 1871 (Abhandlungen d. Akad. d. W. p. 105 u. 108) hat noch keine Rücksicht genommen werden können. Dr. Cunningham hat vom 26. Februar bis zum 18. September 1872 59 Beobachtungen des atmosphärischen Staubes in und um Calcutta mit einem von Dr. Maddox bereits beschriebenen und wenig veränderten Ap- parat (Aeroskop) angestellt, bei welchem durch die Luftströmung selbst auf mit Glycerin bestrichenen Glasplatten der Lichtstaub abgelagert wurde. Die Untersuchung des auf den Gläsern ab- gelagerten Staubes geschah bei 400 bis 800 und lOOOfacher Vergrösserung im Durchmesser. Die Darstellungen desselben, sämmtlich bei 400 maliger Vergrösserung, sind in dem Surveyor GeneraVs Office zur weiteren Ausführung gekommen. Als Resultat der eigenen Untersuchungen giebt Dr. Cun- ningham hauptsächlich folgende Ergebnisse an: „Die wichtigsten aus den vorhergehenden Experimenten hinsichtlich des in der Atmosphäre der Umgegend von Calcutta enthaltenen Staubes erlangten Resultate scheinen folgende zu sein: 1. Das Aeroskop giebt eine sehr geeignete Methode an die Hand, um die wirklich den ächten atmosphärischen Staub bil- denden Körperchen zu erhalten. 2. Staubproben , welche von frei liegenden Oberflächen ab- genommen werden, können deswegen nicht als richtiges Kenn- zeichen der Bestandtheile des atmosphärischen Staubes angesehen werden, weil sie auch Körperchen enthalten, welche auf andere Weise, als durch die Luft auf die Oberflächen gekommen sein können, gleich solchen, die das Ergebniss lokaler Bildung sind. 3. Körperchen, welche durch ihre Eigenschwere herab- gesunken und dann gesammelt worden, sind gleichfalls nicht geeignet, die Natur und die Menge der organischen Zellen fest- zustellen, welche in der Atmosphäre schweben, gleich wie die schwereren amorphen und unorganischen, in unverhältnissmässiger Menge abgelagerten Bestandtheile des Staubes der Methode des Sammeins zuzuschreiben sind, Sitzung vom 21. April. 37 4. Der Thau ist gleichfalls zur Erforschung dieses Gegen- standes nicht geeignet, da es unmöglich ist, festzustellen, dass alle die wirklich in einer gewissen Thaumenge enthaltenen Kör- perchen in einem angemessenen kleinen Räume gesammelt wer- den könnten, und noch mehr, da der Thau zufälliger Verunrei- nigung ausgesetzt ist und zugleich ein Medium abgiebt, in welchem schnelles Wachsthum und Fortentwickelung leicht stattfindet. 5. Deutliche Infusionsthierchen, ihre Keime oder Eier fehlen fast gänzlich dem atmosphärischen Staube sowohl, wie auch vielen Staubproben, welche von frei liegenden Oberflächen ge- sammelt werden. 6. Die in einzelnen Proben von reinem Regenwasser vor- kommenden Cercomonaden und Amöben scheinen aus den aus gewöhnlichen atmosphärischen Sporen aufsteigenden Pilzfäden entwickelte Zoosporen zu sein. 7. Deutliche Bakterien sind kaum je unter den Bestand- theilen des atmosphärischen Staubes entdeckt worden, während feine Moleküle ungewisser Natur beinahe immer in grosser Menge sich finden; sie sind häufig in Proben von Regenwasser, das mit aller Vorsicht, um es rein zu erhalten, gesammelt wor- den, und scheinen in vielen Fällen von dem aus atmosphärischen Sporen entwickelten Mycelium aufzusteigen. 8. Deutliche Bakterien werden häufig zwischen den Par- tikelchen gefunden, welche sich in der feuchten Luft der Wasser- leitungsröhren niedersetzen, obwohl sie fast gänzlich als Bestand- theile des gewöhnlichen atmosphärischen Staubes fehlen. 9. Die Hinzufügung trockner Staubarten, welche tropischer Hitze ausgesetzt gewesen, zu Fäulniss begünstigender Flüssig- keit bringt eine schnelle Entfaltung von Pilzsamen und Bakterien hervor, obschon erkennbare Specimina der letzteren Art sehr selten in dem trockenen Staube gefunden werden. 10. Sporen und andere vegetabilische Zellen finden sich be- ständig im atmosphärischen Staube und gewöhnlich in ansehn- licher Zahl. Die Mehrzahl derselben ist lebend und zu Wachs- thum und Entwickelung fähig, Ihre Anhäufung in der Luft scheint unabhängig zu sein von der Heftigkeit und der Richtung des Windes und ihre Zahl ist bei Feuchtigkeit nicht ver- mindert. 38 Gesellschaft naturforschender Freunde. 11. Weder zwischen der Anzahl von Bakterien, Sporen u. s. w., welche in der Luft vorkommen und dem Auftreten von Diarrhöe, Dysenterie, Cholera und kaltem Fieber hat eine Be- ziehung festgestellt werden können, noch zwischen dem Vor- bandensein und der Fülle einiger Specialformen oder Formen von Zellen und der Intensität einiger dieser Krankheiten. 12. Die Anhäufung von unorganischen und amorphen Par- tikelchen und anderen Trümmern, welche in der Atmosphäre schweben, ist direkt abhängig von der Bildung der Feuchtigkeit und der Heftigkeit des Windes." Dr. Cunningham schliesst die Resultate seiner Unter- suchungen mit einigen allgemeinen, ganz besonders hervorzu- hebenden Betrachtungen über die bis jetzt gewonnenen Resultate der atmosphärischen Untersuchungen für epidemische Krank- heitsstoffe, welche ich hier wörtlich zu wiederholen unterlasse, deren Ideen ich aber theils weiterer Fortbildung empfehlen, theils auch mit meinen eigenen, seit 1831 (Ein Wort zur Zeit. Zur Nutzanwendung bei der Cholera 1831) ausgesprochenen Be- obachtungen und Vorstellungen abgleichen möchte. Der indische Beobachter schliesst sich zum ist an die von Robin übersicht- lich zusammengefassten Beobachtungen einer in der Atmosphäre befindlichen, sehr grossen Zahl organischer kleinster Sporen und Keime an, wogegen er den von Pouch et bezeichneten Mangel an lebensfähigen kleinsten Stoffen der Atmosphäre seine An- erkennung versagt und die von mir zahlreich bis gegen |^ der Substanz nachgewiesenen, aber niemals als vorherrschend be- zeichneten , deutlich organischen Elemente als mehr zufällige, weniger wichtige Atmosphärilien, die sich langsam allmälig auf verschiedene Oberflächen zugleich mit unorganischen Stoffen ab- lagern, anerkennt. Das wichtige Resultat der Cunningham'- schen und ihnen ähnlicher Untersuchungen würde sein, dass in der ruhigen unteren Atmosphäre neben den gröberen unorgani- schen und organischen mikroskopischen Stoffen noch feinere und feinste weiche Zellen und Keime der verschiedensten Art, zu- weilen in ungeheuren Massenveihältnissen, vorhanden wären, und dass zwar noch Niemand deren Zusammenhang mit den epidemischen Krankheiten nachgewiesen habe, dass aber gerade in diesen, angeblich mehrfach direkt von einzelnen Beobachtern Sitzung vom 21. April. 39 nachgewiesenen die wirklich wichtigen Ursachen der Krank- heiten ihren Sitz haben mögen. Diese mithin nicht der direkten Beobachtung, sondern der hypothetischen Annahme zugehörige Vorstellung würde eine Berechtigung haben, wenn in irgend einem Falle der Cholera oder der Fieber-Arten eine übermässige Anwesenheit solcher und zwar schädlicher Luftelemente bestimm- ter Art darstellbar geworden wäre, während alle bisherigen Mittheilungen über dergleichen kleinste organische UeberfüUungen der Atmosphäre an den Beobachtungsstellen dergleichen Krank- heiten zu erwecken nicht geeignet gewesen. (Vergl. Abhandl. d Akad. 1871 p. 105.) Auch die grosse, durch die Respiration aller Menschen und vieler Thiere unvermeidliche Aufnahme und Ablagerung der festen Luftelemente in dem Schleime der Bronchien und der Nase zeigt so viel Unempfindlichkeit und Widerstand gegen den mannigfachen gewöhnlichen Luftstaub, dass nur sehr bestimmte Verhältnisse desselben als Krankheitsursachen annehmbar er- scheinen, deren Ermittelungen freilich ein wichtiges Problem bilden. Diese Ermittelung ist in früheren Zeiten durch chemi- sche Analysen ohne Erfolg zu erlangen versucht worden, seit 1831 ist aber die mikroskopische Analyse, mit Berücksichtigung jedes einzelnen organischen Elementes, besonders in den trock- nen Dünsten und Nebeln der Atmosphäre, bisher aber ebenfalls noch ohne wesentlichen Erfolg eingetreten. Die im Jahre 1848 (Monatb. d. Berl. Akad. p. 440) von mir angezeigte Methode, die Luft durch destillirtes Wasser zu treiben , schien vielen complicirten Einrichtungen solcher Unter- suchungen vorzuziehen und möchte es noch sein. Die indischen Beobachtungen sind von den durch mich seit 1831 gewonnenen dadurch wesentlich verschieden, dass sie mit weit stärkeren Vergrösserungen von 400 bis 1000 Mal im Durch- messer angestellt sind, während ich nur die Prüfung der Atmo- sphärilien bei 300 maliger Vergrösserung gleichartig angestrebt und eine stärkere Vergrösserung sehr absichtlich vermieden habe. Ferner ergiebt sich aus den indischen Mittheilungen der wichtige Unterschied mit meinen Beobachtungen, dass der Ver- fasser zu der Vorstellung gelangt ist, als wären die feinsten Keime des betreffenden organischen Lebens der Atmosphäre zu- 40 Gesellschaft naturforschender Freunde. letzt einander so ähnlich, dass nur in ihrer allmäligen, meist gehemmten Entwickehnig sich ein Unterschied könne feststellen lassen, wozu bisher jeder Anfang fehle. Dass die sämmtlichen Zeichnungen keine recht scharfen oder keine recht gleichförmigen Umrisse zeigen, wodurch sich etwa ein Pilz-Sporangium von einer Eitnotia oder eine Schimmel- spore von einer Cnjptomonas oder Trachelomonus unterscheidet, darf ich nicht unbemerkt lassen. Ja ich vermisse in all' den neueren Beobachtungen eine Be- mühung zu scharfer Auffassung, nicht blos der inneren Struktur der sogenannten Samen und Keime, sondern auch ihrer Sub- stanz-Verhältnisse der Art, ob dieselben blos häutig oder gal- lertig, oder kieselschalig oder kalkschalig waren, was bei der Methode des Auffangens der Staubtheilchen in Glycerin nicht zu erlangen sein wird. So erscheinen mir denn diese neuesten Bemühungen einer- seits in das Bereich jener feinsten, mit mehr als 300 maliger Linear-Vergrösserung zu erläuternden Lebensverhältnisse zu ge- hören, welche ich 1831 als die Milchstrasse des kleinsten orga- nischen Lebens von meinen Untersuchungen noch fern gehalten hatte, wozu ganz besonders die Bakterien gehören, deren grössere Formen mir einen Schwingfaden, also Organisation gezeigt hat- ten und die man neuerlich in eine unklare Auffassung gebracht bat. Andererseits vermisse ich eine Unterscheidung der oberen und unteren Atmosphäre, da die neuesten Untersuchungen sich sämratlich nur auf die unterste Schicht der Atmosphäre beziehen. Am meisten aber vermisse ich das Gelingen einer Charakteristik der schädlichen von den unschädlichen Elementen und vermag nicht die vielen Beziehungen , welche schon jetzt für Medicin und Chirurgie in Vorschlag und Anwendung gekommen sind, in einen anderen Zusammenhang mit diesen Erscheinungen, als den der Reinlichkeit in der Krankenpflege zu bringen. Die jetzt vielseitig hervortretende Theilnahme für mikrosko- pische Analysen wird freilich noch manche unruhige Vorstel- lung verbreiten, sich aber doch allmälig in ein ruhigeres Geleise einstellen und besonders die Vielartigkeit der Vergrösserung, welche jede Vergleichung hindert, beschränken und die stetigen feuchten unteren Luftverhältnisse immer schärfer von den trock- Sitzung vom 21. April. 41 nen Nebeln sondern , deren Niederfall öfter nicht ohne epide- mischen Einfluss auf die Gesundheit gewesen. Bäcker, Müller, Schornsteinfeger, Kohlenarbeiter und in dumpfen, schimmligen Arbeitsräumen sich aufhaltende Personen werden wie die Ta- backschnupfer im Schleime der Respirationsorgane der atmo- sphärischen Luft sehr fremde Elemente stets in Menge zeigen. Herr Neumayer machte Mittheilungen über die seitens des Reichs-Marineministeriams in Aussicht genommenen Vor- bereitungen und Ausrüstungen für die zur Beobachtung des Venus-Durchganges theils nach Mauritius, theils nach dem südlichen Theil des Stillen Oceans zu entsendenden Schiffe. Als Geschenke wurden mit Dank entgegengenommen: Monatsbericht der Berliner Akademie der Wissenschaften. Januar und Februar 1874. Sitzungsberichte der physikalisch -medicinischen Societät in Er- langen, Heft 4, 1873. Verhandlungen des naturforsch. Vereins in Brunn, Bd. II, 1872. Proceedings of the Zoological Society of London. 1873. Part. I. IL Erster Bericht des Museums für Völkerkunde in Leipzig. 1873. Abhandlungen des naturwissenschaftlichen Vereins zu Bremen, Bd. 1, 2, 3. Beilage zu den Abhandlungen des Vereins zu Bremen. No. 1, 2, 3. Zoologische Schriften aus Petersburg in russischer Sprache. 1874. A. Gerstaecker, Ueber das Vorkommen von Tracheenkiemen bei ausgebildeten Insekten. 1874. A.W Schade s Buchdruckorei (L. Schad) in Berlin, Stallsehreiberstr. 47. Sitzuiigs-Bericlit der Gesellschaft naturforscheiider Freunde zu Berlin vom 19. Mai 1874. Director: Herr Peters. Herr v. Martens übergab der Gesellschaft den von ihm bearbeiteten conchyliologischen Theil des Reisewerkes von A 1. Fedtschenko; da derselbe in russischer Sprache gedruckt ist, — nur die Diagnosen der neuen Arten und deren Fundort latei- nisch — so gab er einige nähere Erläuterungen über diese Ar- beit. Es sind in derselben alle Mollusken aufgeführt, welche überhaupt aus Turkestan, vom Aralsee bis Kokand bis jetzt be- kannt geworden sind und welche mit wenigen Ausnahmen dem wissenschaftlichen Eifer des leider zu früh verstorbenen Reisen- den und seiner Gemahlin, die ihn begleitete und beim Sammeln wesentlich unterstützte, zu verdanken sind, zusammen 56 Arten, worunter 29 Landschnecken, 21 Süsswasser-Schalthiere und 6 dem Aralsee angehörige Arten. Unter den Landschnecken finden sich einige allgemein europäische Arten, so Hyalina nitida und fulva, Helix costata, Cionella lubrica, Pupa muscorum, Ver- tigo antivertiyo, Succinea Pfeifferi und putris, abgesehen von den zwei letzteren kleine Erd- und Mulmschnecken, und zwar nicht nur im Kulturlande, sondern die Mehrzahl (die erste, dritte, vierte, fünfte und sechste) auch im Gebirge des Khanats Kokand, in Höhen von 4000 — 6000 Fuss, Pupa muscorum beim Sommerla- ger Karakusak bis 9500 Fuss. Zwei weitere Arten sind wenig- 5 44 Gesellschaft naturfurschender Freunde. stens in Vorderasien weiter verbreitet, bis an die Grenze Eu- ropas und finden im südlichen Europa nahe Verwandte, so eine Xerophile., die wohl nicht von //. Derbentina Aiidrj. zu unter- scheiden ist (in diesen Berichten 1870. S. 56 und in den Mal. Blatt. XVIII. 1871 als H. Krynickii bezeichnet und in letzteren auf Tafel 1. abgebildet, im Reisewerk Taf. 1. Fig. 10.) und um Samarkand und Jaschkent im Kulturlande bis zum Beginn der Steppenflora hin verbreitet, und ferner die sonderbare Gattung Parmacella, im Jugendzustand eine äussere Schale tragend, wel- che mit dem Fortschritt des Wachsthums zu einer inneren wird. Wir kennen bis jetzt weder an der mit dem Alter sich auch in der Form sehr verändernden Schale, noch in den Weichtheilen scharfe Artkenntzeichen innerhalb dieser Gattung, und so wurde vorgezogen die turkestanische Art mit dem älteren Namen P. Oli- vieri zu bezeichnen; sie scheint um Samarkand und Jaschkent nicht selten zu sein und gehört auch dem Kulturlande an. Ent- schieden eigenthümlich, von allen europäischen verschieden sind folgende Arten von Landschnecken: Limax Fedtschenkoi und Amalia maculata, beide von Heynemann in den Jahrbuchern der deutschen malakozoolo- gischen Gesellschaft beschrieben, der erstere an Limax agrestis erinnernd, von Schachimardan im Khanat Kokand in etwa 4500 Fuss, die zweite, mit verhältnissmässig grossen schwarzen Flecken, aus Samarkand, Taf. 1. Fig. 10, Zungenzähne und inneres Schäl- chen Taf. 1. Fig. 35, 36. Vitrina rugulosa C.Koch, der mitteleuropäischen V. pellu- cida sehr ähnlich, aber die Schale etwas flacher, die einfarbig hellgraue Fusssohle in drei Längsfelder getheilt, wovon die zwei seitlichen deutlich quergerunzelt sind, wie sonst bei keiner uns bekannten Art. Aus den Birkenwaldungen des Sommerlagers Karakusak, zwischen 4500 und 9500 Fufs, im Khanat Kokand. Vitrin/i conoidea n., Taf. 1. Fig. 5, durch die runzlige Streifung an die alpine V. annvlaris erinnernd, aber mit mehr erho- benem Gewinde, ähnlich V. Seutiaariensis Pfr. , von Samarkand und Schachimardan. Da die Weichtheile nicht bekannt sind, so bleibt es etwas zweifelhaft, ob sie wirklich der Gattung Vitrina angehöre. Helix ruf'ispira ii., Taf. 1. Fig. 7, an //. riifescens erin- SitzuTKj vom 19. Mai. 45 nertid, aber mit stärkerem Unterschied von Ober- und Unter- seite, oben runzelstreiüg, blass braiinroth, in der Mitte dunkler, unten sehr fein gestreift, weissgelb, etwas glänzend, Münduug mehr kreisrund und ohne zahnartige Anschwellung der Unter- lippe. Aus dem Sarafschan-Thal, sowie aus einer Thalschlucht bei Magian und auch vom See Kulikalan in einer Höhe von 9500 Fuss, hier am 25. Juli 1870 nur junge Exemplare gefun- den, Kiefer, Zähne und Pfeil von Herrn Schako beschrieben, Taf. 3. Fig. 38, letzterer an den von H. fruticum erinnernd. Helix rubens n., Taf. 1. Fig. 6, von der Grösse und dem Aussehen unserer H. fruticum, aber mit engerem Nabel und ge- radem Mundsaum, lebhaft braunroth mit weisser Mitteibinde. Aus dem Sarafschan-Thal. Helix phaeozona n., Taf. 1. Fig. 8, von ähnlicher Grösse, flach-kuglich, grob gestreift, weiss mit leicht verdicktem, schwach ausgebogenem Mundsaum, an H. scalpturita Bens, erinnernd, aus dem Khanat Kokand. Helix Fedtschenkoi n., Taf. 1. Fig. 9, eine flache Xerophile, ähnlich der H. instabilis, aber nicht so stark gestreift und nicht so weit genabelt. Aus dem Wachholdergestrüpp bei dem See Kulikalan 9500 Fuss, im Flussgebiet des Sarafschan. Helix plectotropis und Semenowi Mart., beide schon früher von Semenow im Tian'schan gesammelt und in den Mal. Blatt, für 1864 beschrieben, sind auf ausdrücklichen Wunsch Fedtschenko's auch hier aufgenommen. Pupa cristata n., Taf. 2. Fig. 9, vom Ansehen unserer P. nmscorum, mit einer stumpfen Kante um den Nabel und einem vorragenden, der Aussenwand parallelen Kamm hinter der Mün- dung; ein Zähnchen und eine Falte auf der Münduugswand, eine Falte an der Spindel, zwei Gaumenfalten. An verschie- denen Stellen des Sarafschan-Thales. Buliminus albiplicatus n., Taf. 2. Fig. 15, verwandt mit B. rufistrigatus aus dem Himalaja, aber mit zal.lreichen, etwas schiefen weissen Falten, bei Jaschkent, noch im Dezember zahl- reich unter abgefallenem Laub in einem Garten. Bill. Sogdianus n., Taf. 2. Fig. 14, ebenfalls verwandt mit den kleinereu Arten aus dem Himalaya, hellbraun und weiss- 5* 46 Gesellschaft naturforschender Freunde. bunt, die letzte Winching nach unten sackartig anschwellend und verhältnissmässig weit gt^nabelt, vom See Kulikalan, 9500 Fuss. Buliminus miser n., Tat". 2. Fig. 17, einfarbig hellbraun, mit geradem, dünnem Mundsaam und schwacher innerer Lippe, 10 Mill. lang, im Pass der Autschi-Berge, zwischen dem Saraf- schan-Thal und üra-tepe, auf einer feuchten Wiese unter Stei- nen, 7500 Fuss, leider nur in einem Exemplar gefunden. Bnl. (C hondrvla) intnmescens n., Taf. 2. Fig. 18, aus der Verwandschaft unseres B. tridens; der etwas verdickte Mund- saum nur an der Mündungswand zu einem flachen Höcker an- schwellend, 8^ Mill. lang, von Ischupanata im Sarafschan-Thal. Während die genannten Arten alle bis jetzt als eigenthüm- lich für Turkestan erscheinen, glaubte der Vortragende die bei- den folgenden mit den aus dem Himalaya beschriebenen iden- tifiziren zu dürfen: Bniiminus eremita Bens., Taf. 2. Fig. 13, weiss mit verwaschenen grauen Striemen, zuweilen auch einfarbig blass bräunlich, Inneres der Mündung gelblich, hierdurch wie in der wechselnden Grösse (15 — 21 Mill. lang) an unseren li. detritus erinnernd, aber der Mundsaum etwas ausgebogen; von Samar- kand und dem unteren Sarafschan-Thal, sowie in der Thalschlucht des grösseren Magianflusses in 5000 Fuss Höhe. Buliminus segregatus Bens., Taf. 2. Fig. IG, einfarbig blassbräunlich, mit genäherten Mundrändern und sackförmig an- schwellendem letztem Umgang, auch an B, tencr aus der Krim erinnernd, nur 9 Mill. lang, also kleiner wie der Typus der Art aus dem Himalaya, aus Schluchten bei Schachimardan, 4500 bis 7oOO Fuss, im Khanat Kokand. Während alle bis jetzt genannten Arten wenigstens noch europäischen Gattungen angehören, treten uns in zwei um Sa- »narkand anscheinend nicht seltenen Landschnecken die nord- westlichsten Repräsi'ntanten einer acht indischen Gattung, Na- crochlamys Bens., entgegen, in den über die Schalenmündung vorragenden Mantellappen und der Schleimpore an dem Hinter- ende des Fusses mit Nunina übereinstimmend, aber durch die bernsteingelbe glänzende Schale den Hyalinen gleichend; die grössere Art, M. Sogdiana Marl., Taf. 1. Fig. 2 (auch schon in den Malakozoologischeii Blättern für 1S71 abgebildet) zeichnet Sitzung vom 19. Mai. 47 sich durch rasch zunehmende Windungen und daher verhältniss- mässig weite Mundöffnung aus, so dass die Schale einer riesigen Vilrina ähnelt; bei der zweiten Art, M. Turanica n., Taf. 1. Fig. 3, ist das weniger der Fall. Die Weichtheile der ersteren wurden von Prof. C. Sem per in Würzburg untersucht und der Geschlechtsapparat mit demjenigen der indischen Arten über- einstimmend gefunden, Taf. 3. Fig. 37. Die Süsswassermollusken haben durchschnittlich eine weitere geographische Verbreitung als die Landschnecken, zum Theil freilich auch deshalb, weil sie überhaupt weniger leicht zu beschreibende ünterschiedscharaktere besitzen, und so findet sich auch unter denen Turkestan's ein grösserer Bruchtheil all- gemein europäischer Arien, nämlich ziemlich die Hälfte aller vorhandenen. In der Kirgisensteppe, in einer Lache des Step- penflüsschens Dschalowli, wurde Limnaea stagnalis gefunden, im Steppensee Durman-köl Limnaea ovafa, Planorbis subangulalvs, albus und nitidus und Anajli/s lacustris, bei Samarkand Limnaea anricularia, lagotis, truncatula und Planorbis glaber, im See Kok- kulak bei Tscbinas Anodonta piscinalis, bei Chodschaduk, 3200 Fuss und Urgut, 3700 Fuss, südlich von Sarmakand wieder Formen von L. auricularia, endlich im See Kuplan-köl bei Oulscha, etwa 5000 Fuss, eine kleine L. peregra, Taf, 2. Fig. 25, eine auch innerhalb Europa's im Gebirge hoch aufsteigende Art. Besonders erwähnenswerth sind eine weissfleckige Varietät der L. lagotis aus dem genannten Durman-köl, Taf. 2. Fig. 23, und eine rippenstreifige derselben von Taschkent, Fig. 24. Zu diesen gesellen sich als eigene Arten , die aber doch nicht wesentlich aus dem Kreise der europäischen Formen heraustreten, im Sarafschan- Tbal zwei kleine Hydrobien (Amnicolen), breticula n. bei Sa- markand, Taf, 2. Fig. 28, und pallida aus einer Thalschlucht bei Urgut, Fig 27, sowie vier von S. Clessin als neu unter- schiedene Arten von Pisidium, P. obliquatum, acuminatum, sphae- riiforme und Turatiicum, Taf. 3. Fig. 31 — 34, das letztgenannte aus dem Steppensee Durman-köl. Einen asiatischen Charakter erhält die Süsswasserfauna Turkestans nur durch die Gattung Corbicula, welche in den Kanälen von Samarkand durch zwei Arten vertreten ist: die kleine, hier neu beschriebene C. minima Clessin, Taf. 3. Fig. 30, und die in Vorderasien weiter ver- 48 Gesellschaft naturforschender Freunde. breiteto, grössere C. ßnminalis Mull., Tat". 2. Fie;. 29. Vom Aral- see kennt man bis jetzt eine noch nicht genau bestimmte Palv- dina aus der Gruppe der vivipara, ferner llydrobia stagnalis var. ptisilla, 3^ Mill. lang, Neritina liturata, Dreissena polymorpha, Cardium edule, Adacna vitrea, also durchaus Glieder kaspischer Fauna. In der Steppe wurden keine Landschnecken, nur Was- sermollusken, und zwar abgesehen von denen des Aralsees und Pisidium Tnranicnm, nur europäische Arten gefunden; im Kultur- lande 19 Land- und 11 Süsswasserschneckcn, im Gebirge ebenfalls 19 Landschnecken, aber nur 3 Süsswasserschnecken (Umnaea peregrn, obliquata und Hydrobia pallida). Die charakeristischen Macrochlamys- Arten im Kulturlande und im Gebirge. Parmacelta nur im ersteren, die eigenthümlichen Helix und Buliminiis theils in dem einen, theils im anderen. "Wir finden im Ganzen in Turkestan die allgemein euro- päischen und die eigenthümlichen Arten in gleicher Zahl, je 24, sich die Waage haltend, und die wenigen übrigen theils mit Vorderasien, theils mit dem Himalaya gemeinsam. Unter den eigenthümlichen gehört die grosse Mehrzahl auch in Europa vertretenen Gattungen und Artengruppen an, nur einige Bii/imi- nus und die beiden Macrochlamys weisen entschieden nach In- dien. Als spezielle Annäherung an das eigentliche Ostasien (China) lässt sich vielleicht H. plectolropis auffassen. Um einen vergleichenden Ueberblick zu gewinnen, wurde in der vorliegenden Schrift S. 46 — 53 zusammengestellt, was überhaupt von annähernd centralasiatischen Mollusken bis jetzt bekannt ist, und zwar: 1) aus dem Altai nach der Sammlung von Gebier (Bull. soc. imp. Mose. I. 1829 S. 51—59 und 185 und von Geh. Rafh Ehrenberg, über welche in diesen Blät- tern, Jahrgang 1870 S. 45 — 50, berichtet worden ist; 2) aus dem östlichen Sibirien, namentlich Irkutsk und Daurien, nach Se- dakow {Bull. acad. Pelersb. IL 184H S. 225), v. Middendorff, Gerstfeldt, Maack und v. Schrenk; 3) aus Turkestan; 4) aus Afghanistan nach Th. Hutton im Journal of the Asiatic Society XVIII. 1849 S. 049-659; 5) aus Klein-Thibet nach Dr. Thomson und Shiplay (Proc. Zool. Soc. 1856 S. 33 u. 185); 6) aus Kaschmir nach Dr. Thomson und V. Jacquemont; 7) aus den hciheren Gegenden des Himalaya, namentlich Simla, Sitzung vom 19. Mai. 49 nach Th. Hutton im Joitrn. As Soc. VII. 1838 S. 214— 218 und Mac Clelland's Calcntta Jonrnal of nat. hist. I. 1841 S. 479, mit Einschiuss einiger wahrscheinlich von den Seh lagin t- weit'schen Reisen stammenden (Mal. Blatt. 1868 S. 157 — 162); 8) aus Yunnan nach Dr. J. Anderson in Proc. Zool. Soc. 1869 S. 447—449; und 9) aus Mupin in Ost-Thibet nach A. David, Nouv. Arch. d. Mtiseum dhist. nat. de Paris 1871 S. 19 — 27. Hiernach ist nun schon von allen 4 Seiten die Kenntniss der Mollusken Central-Asiens in Angriff genommen; eine weite Lücke in diesem Kreise besteht nur noch im Osten zwischen den Quell- gebieten des Amur und Irawadi, eine kleinere, das alte Kultur- gebiet von Balk umfassend, im Westen zwischen Samarkand und Kandahar. Doch ist man mit diesem concentrischen An- griff noch nicht so weit vorgedrungen, um wesentliche Ueber- einstimmung in den Grenzgebieten zu treffen und danach die fehlende Mitte construiren zu können, wie dieses schon etwas mehr in Afrika der Fall ist, wo die Thierfauna des Ostens und Westens mehr übereinstimmt und wo erst wieder neulich von Dr. Schweinfurth im obersten Nilgebiet westafrikanische Arten, z. B. Lanistes Libyens, gefunden wurden. In Asien scheint die Mannigfaltigkeit grösser, wie denn Gebirgsländer stets durch engere Beschränkung der Thierarten sich auszeichnen, und die Uebereinstinimung beruht bis jetzt wesentlich nur erst in den Gattungen, sowie in den kleineren Landschnecken und variabeln Süsswasserschnecken (Limnaeen), welche in der nördlichen ge- mässigten Zone von West-Buropa bis Ost-Asien reichen und selbst Nord- Amerika nicht fremd sind; wir erinnern in dieser Beziehung, dass Hyalina nitida., Helix costata und Cionella lu- brica auch in Klein-Tübet, die beiden letzteren auch in Kaschmir und zugleich im südlichen Sibirien, die gewöhnlichen europäischen Limnaeenformen in allen diesen Gebieten nachgewiesen sind. Es ist das die gemeinsame circumpolare Fauna, neben der aber in jedem einzelnen Gebiete grössere eigenthümliche Formen auf- treten. Es scheint das darauf hinzudeuten, dass erst der Hima- laya in Asien, wie in Europa die Alpen, eine wichtigere Scheide- linie zwischen einer nördlichen, mehr gleichmässigen und einer südlichen, reicheren und mehr specialisirten Fauna bildet; Süd- Sibirien wäre etwa mit Schweden, Kaschmir mit Wallis oder 50 GesellscJia/t natur/orschender Freunde. dem ol)eroii Efsclithal zu vorglciclion, nnd Tiirkostan demejemäss mit Deiilschhand, wozu auch das Vorkommen einzelner Arten der Gruppe Xerophile und mehrerer Repräsentanten von Biiliminns passen würde, beide nördlich davon verschwindend, sudlicher weit artenreicher. Freilich passt dieser Vergleich nur auf die verhältnissmässige Beziehung nach Norden und Süden, nicht auf die absoluten klimatischen Verhältnisse , welche Turkestan in Parallele mit Süd-Europa bringen. Wie an der westlichen oceani- schen Seite Europa's die südliche Fauna durch eine grössere Anzahl vorgeschobener Glieder nach Frankreich und England übergreift (Helix adspersa., Pisana u. s. w.), so ist es ähnlich an der oceanischen Ostseite Asiens mit China und Japan der Fall. Und wie in den Alpen selbst einzelne mehr südeuropäische Gruppen (z. B. Campylaea) auch noch am Nordabhange ver- treten sind und selbst in nördlicheren Gebirgen noch vereinzelte Vorposten finden, z. B. Helix fauslina in den Sudeten, so dür- fen wir wohl in den beiden Macrochlamys Turkestan's ähnliche Vorläufer der indischen Fauna sehen. Die Gruppen grösserer Landschnecken und einzelne Süss- wassergattungen sind es, welche auch innerhalb Europa's für kleinere Faunengebiete bezeichnend werden, und hierin stimmt Tnrkestan beinahe mehr mit Afghanistan und dem höheren Hi- malayagebiete , als mit irgend einem europäischen Lande über- ein; die für Mittel- und Süd-Europa so bezeichnende Abtheilung der Helicogenen oder Pentataenien, wozu unsere Helix pomatia, nemoralis und die südeuropäische vermicitlata gehören und die noch in Transkaukasien und dem oberen Mesopotamien eigene, häufig vorkommende Arten besitzt, fehlt in Turkestan und in allen ferneren Theilen Asiens. Die Gruppe Frnficicofa, chara- kteristisch für die mitteleuropäische Zone, im europäischen Russ- land durch Helix fruticnm, die an Individuen reichste unter den grössten Arten , im Altai und in Ost-Sibirien noch europäische Arten aufweisend, ist in Turkestan nur noch durch ziemlich abweichende, H. ruhens und nifispira, vertreten. Dagegen ist die Gruppe der Xerophilen , welche zeitweilige Dürre nicht scheuend, wesentlich der südeuropäischen Fauna angehört, aber doch auch einige Arten in Mittel-Europa hat, noch im Kultur- lande Turkestans durch //. Derhenlina vertreten, und ebenso im Sitzung vom 19. Mai. 51 östlichen Iran bis Kandahar nachgewiesen , so dass sie die Wüsten überschritten oder umgangen hat, ohne aber weiter in Ostasien vertreten zu sein Umgekehrt scheinen die grösseren, weissen oder buntgeßirbten Buliminus ihren Hauptsitz in Vorder- asien zu haben, indem sie auch schon innerhalb Europa auf der Balkanhalbinsel und deren Dependenzen am artenreichsten sind, dagegen in Mittel-Europa und in Italien nur eine Art aufweisen; andererseits gehen sie bis in den Himalaja und so darf es uns nicht wundern, sie auch in Turkestan eine bedeutende Rolle spielen zu sehen; sie fehlen aber weiter nach Norden und Osten. Noch entschiedener knüpft die Gattung Parmacella Turkestan an die vorderasiatischen Länder von Kandahar bis zum Kau- kasus und auch an die Mittelmeerküsten an. Dass Macrochlamys nach Indien weist, wurde schon erwähnt; vielleicht dürfen wir auch in JJelix plectotropis und phaeozona ostasiatische Anklänge vermuthen, bestimmtere üebereinstimmungsfalle liegen aber nicht vor. Auffällig ist bis jetzt die Abwesenheit der Gattung Clatisilia, die doch in Südost-Europa, Transkaukasien und Syrien noch zahlreich vertreten, im Himalaja und in Ost-Asien (China, Japan) wieder auftritt, freilich bis jetzt auch noch nicht vom Altai, Mesopotamien und Persien bekannt ist; sollte sie nur der Kleinheit und dunklen Färbung wegen übersehen sein? Auch aus Ost-Sibirien ist keine in der Literatur genannt, doch wurde dem Vortragenden neulich von einem aus Sibirien kommenden Reisenden eine Clatisilia, als neu im Baikalgebiet entdeckt, ge- zeigt, welche übrigens nur durch geringere Grösse von der transkaukasischen Cl. foveicollis Parr. zu unterscheiden war. Auch Repräsentanten der Gattung Melanin dürften noch in Tur- kestan zu erwarten sein, da solche sowohl in Ost- Sibirien als in Afghanistan vorhanden sind und Melanin fuberculatn in einem grossen Theil Vorder -Asiens die Corbicula fluminalis begleitet. Wie dem auch sei, immerhin haben Fedtschenko's Samm- lungen unsere Kenntniss der central - asiatischen Mollusken um ein wesentliches Stück gefördert. Herr Braun sprach über einige morphologische Eigenthüm- lichkeiten der Gattung Ribes, anknüpfend an eine Abhandlung von Wydler in No. 3(S der Flora von 1857, in welcher nament- 52 Gesellschaft naturfor/ichender Freunde. lieh die diesor Gattung ziikonimondrn Verhältnisse der Spross- folge und des Blüthenstandes, des Zweigan fatigs und der Knos- penlage in einer Weise erörtert sind, die wenig zu wünschen übrig lässt. Wydler theilt die Arten nach den Sprossverhält- nissen in zweiachsige und dreiachsige. Bei den ersteren werden die Langtriebe früher oder später durch einen Blüthen- stand abgeschlossen, bei den letzteren bauen sie sich durch jährliche Wiederholung von Niederblatt- und Laubbildung in's Unbestimmte fort Zu den letzteren, bei welchen die Blüthenstände stets kürzeren Seitensprossen angehören, die zuweilen von der Niederblattbildung direct, häufiger nach Einschiebung einiger Laubblätter zur Hochblattbildung übergehen, rechnet Wydler Ä. rubrum und R. p etraeum; ich füge von mir bekannten Arten noch R. mulliflorum Kit. und R. pr ostratum l'Herit. bei. Bei R. nigrum, welches Wydler in die erste Abtheilung rechnet, finden sich viele Sträucher, welche am Ende der Lang- triebe niemals einen Blüthenstand zeigen (so namentlich bei der an sumpfigen Orten in hiesiger Gegend wildwachsenden Form), während andere (namentlich der stärker verzweigten cultivirten Form) nicht selten solche zeigen, so dass diese Art sich an der Grenze beider Abtheilungen hält. Aus der Achsel des letzten oder der beiden letzten Laubblätter oder, wenn diese fehlen, des oder der letzten Niederblätter (Knospenschuppen) unterhalb der Blüthentraube entspringen häufig Laubsprosse, welche sofort mit Laubblättern beginnen und sich gleichzeitig mit den Blüthen entwickeln. Ist nur ein solcher Laubspross vorhanden, so rich- tet er sich auf und drängt die Blüthentraube zur Seite, welche dann anscheinend seitlich am Laubspross steht. Am auffallend- sten ist diese Ablenkung bei Rihes alpinum, dessen inflore- scenz-tragende Gipfelverjüngungen und Seitensprosse ganz ohne Laubblätter sind, d. h. von der Niederblattbildung direct zur Hochblattbildung übergehen , während die Laubblätter einer Seitenlinie, einem Spross aus dem obersten Niederblatt ange- hören, vergleichbar dem bei Co n v all a via m aja ii s bekannten Ver- hältnisse, bei welcher Pflanze die scheinbar seitliche Blüthentraube unzweifelhaft terminal ist, die Laubblätter dagegen einem Zweige aus der Achsel des vorletzten (des letzten ganz umfassenden) Sitzung vom 19. Mai. b'6 Niederblattes angehören. Ganz wie Rihes alpinnm verhält sich unter den Spiraeaceen Nuttalia cer asiformis. Der Blüthenstand ist bei allen Ribes-Arien eine Traube ohne Gipfelblüthe und mit aufsteigender Entfaltung der Blüthen; er ist auch dann als Traube zu betrachten, wenn die Zahl der Blüthen auf wenige, ja zuletzt auf eine einzige zurücksinkt. Der Ausdruck .„Inflorescentia njmosa paucißora"^ für solche Fälle (Schitzlein, Iconogr.^ ist daher unrichtig, ebenso der Ausdruck „peduncufi 1 — 3 flori"-, wenn er im Gegensatz von „flores racemosi'''' ge- brauchtwird (Koch, Synops. etc.). Die grösste Zahl der Blüthen, 40 — 50, fand ich in den dichtblüthigen Trauben von R. multi- florttm; bei R. rubrum und petraeum nicht viel weniger; die geringste Zahl in der Section Ribesia bei R. ceretim Dougl. nämlich 4 — 6; unter den Arten aus der Section Grossularia fand ich bei R divaricatum, welches gewöhnlich 2 — 3 Blüthen besitzt, an dem gipfelständigen Blüthenstande zuweilen auch 4 oder 5. Ob die Anwesenheit zweier Vorblätter am Blüthenstiele von Ribes ein wesentlicher und constanter Character der Gattung ist oder nicht, war bisher ungewiss. De Candolle im dritten Bande des Prodromus schreibt der Gattung Ribes ohne Ein- schränkung Vorblätter zu i), ebenso Bentham und Hooker in den Genera plantarum^), sowie Decaisne und Le Maout. Von Endlicher werden die ,^bracteolae^'^ blos als „saepissime" vorkommend bezeichnet; Wydler ist zweifelhaft, ob sie trotz der häufigen Unsichtbarkeit doch der Anlage nach für alle Ar- ten anzunehmen, oder ob sie gewissen Arten (namentlich R. alpinum) gänzlich abzusprechen seien. Nach Maximowicz (Diagnoses XVI) sollen sie bei der Section Grossularia feh- len, während er ihr Vorkommen bei allen übrigen annimmt. Die Entscheidung dieser Frage wird durch die Betrachtung einer anderen Eigenschaft des Blüthenstiels von Ribes, der Gliede- rung desselben erleichtert werden, einer Eigenschaft, welche den ') ,,Bractea una ad hasin pedicelli duaeque multo minores infra ova- rium {dictae bracteolae).'^ ^) „Pedicellis media bibracteolatis." 54 Gesellschaft naturforschender Freunde. meiston Autoren unbekannt zu sein scheint. Namentlich ist es auffallend, dass Wydler, welcher sich so eingehend mit dieser Gattung beschäftigt hat, der Gliederung desBlüthenstiels mit keiner Silbe gedenkt. Ich finde sie angegeben bei Endlicher^), bei Decaisne und Le Maout,^) endlich bei Maximowicz, und zwar hier in einer Weise, durch welche der Zusammenhang derselben mit der Anwesenheit der Vorblätter angedeutet wird. M. sagt nämlich von der Section Rihesia ^^pedicelli cum calyce articulati ibidemque bihracteolafi''^, dagegen von der Section Grossularia „pedicelH cum calyce continui, bracteolae svb flore nullae." Dies^ ist, so wie es ausgedrückt ist, vollkom- men richtig und für die Unterscheidung der genannten Sectio- nen ein wichtiger Anhaltspunkt; aber man würde irren, wenn man nach dem Gesagten annehmen wollte, dass den Grossula- rien Gliederung und Vorblätter fehlten. Beide sind in der That vorhanden, aber an einer Stelle, wo man sie bisher nicht suchte, d. i. am Grunde des Blüthenstieles, bedeckt und versteckt durch das Tragblatt der Blüthe. Es ist dies, wie schon bemerkt, ein wichtiger Unterschied der Grossularien von allen anderen Ribes- Arten , aber doch kein ganz unvermittelter; denn auch in der Abtheilung Rihesia und Siphocalyx befindet sich die Gliederungs- stelle nicht immer am oberen Ende des Stiels, d. h. nicht immer dicht unter dem Kelch oder Fruchtknoten, sondern bei manchen Arten mehr oder weniger nach der Mitte oder selbst unter die Mitte herabgerückt. So namentlich bei R. alpinum und den Verwandten und zwar bei der männlichen Blüthe auffallender als bei der weiblichen. Unter der Mitte des Stieles findet sich die Gliederungsstelle bei dem Japanischen R. fnsciculalum. Bei R. tenniflo mm, bei welchem ebenso wie bei dem ähnlichen R. anreum die Gliederung gewöhnlich dicht unter dem Frucht- knoten vorhanden ist, fand ich öfters einzelne Blüthen mit kür- zeren Stielen, welche in der Mitte gegliedert waren. Die Glie- derung ist in manchen Fällen nicht auffallend, so dass sie sich leicht der Beobachtung entzieht; man wird aber auf die An- wesenheit und Lage derselben in allen Fällen bestimmt liinge- ') „PedicelH npice vel infra opicem articulati.'''' ^) ,,Pfidire/lis artiruh'x an (Ic.i.sons zusammengehörige Blüthen zeigt, eine mittlere, in ziemlicher Entfernung über dem Deckblatt ste- hende, und jederseits eine etwas tiefer stehende seitliche. Auch bei dem europäischen Arce ul hohium Oxycedri habe ich häu- fig in einer Blattachsel 3 weibliche Blüthen gesehen , jedoch in gleicher Höhe und dicht am Tragblatt, ähnlich wie es von Popp, u. Endl. t. 199 von Anlidaphne riscoidea abgebildet wird 2ii. Welwilschia mirahilis. Die Blütlienäste dieses wun- derbaren Gewächses entspringen in Querreihen auf coiicentrischen Sitzung vom 14. Juli. 79 ringförmigen Wülsten innerhalb der riesen massigen ausdauern- den Cotyledonen, die jüngsten Reihen den Cotyledonen am nächsten. Caspary (Schrift, d. phys. ök. Gesellsch. zu Königs- berg 1863, S. 17) macht auf die Analogie dieser Stellung der Blüthenäste mit der von Cyperus Papyrus beschriebenen auf- merksam. Der Fall von Welwitschia erscheint als eine perio- dische Wiederholung der Zweigbildung von C. Papyrus in der- selben Blattachsel in absteigender Folge. 24. Es liegt nahe, mit den vorausgehenden Fällen schliess- lich die Anordnung der Eiknospen am Grunde der Zapfen- schuppen der wahren Cupressineeii zu vergleichen, wie dies auch von Eich 1er (in v. Martius Fl. Bras. Fase. XXXIV) ge- schehen ist; es würde mich aber zu weit abführen, wenn ich auf dieses streitige Gebiet hier näher eingehen wollte. Herr Kny sprach unter Vorlegung von Zeichnungen über eine grüne, parasitische Alge, die er in diesem und dem vorigen Sommer im hiesigen botanischen Garten reichlich auf den Blättern von Ceratophy llum demersum L. angetroffen hat. In geringerer Zahl kommt sie auch auf den Stengeln die- ser Pflanze vor. Die Zellen des Schmarotzers liegen meist iso- lirt, seltener gruppenweise, dem grosszelligen Gewebe unterhalb der Epidermis eingebettet, von deren Zellen sie durch dickere Membran und plasmareicheren und tiefer grün gefärbten Inhalt abstechen. Auf die Nährpflanze üben sie anscheinend keine schädliche Wirkung, auch wenn sie dieselbe in grosser Zahl be- fallen. Ihre Form nähert sich der Kugelgestalt; doch zeigen sich, sowohl von der Aussenfläche des Blattes, als auf Quer- schnitten durch dasselbe gesehen, häufig geringe Abplattungen von einer oder mehreren Seiten, die jedenfalls durch den Druck der umgebenden Zellen hervorgerufen sind. Nach oben von der kleinzelligen Epidermis des Ceratophyllumblattes bedeckt, sen- den sie durch diese einen stumpf warzenförmigen Fortsatz nach aussen, der sich kaum über die Oberfläche des Blattes erhebt. Wahrscheinlich bezeichnet dieser Theil die Stelle , an welcher die Schwärmspore ihren Weg in das Innere der Nährpflanze gefunden hat. Von der Aussenfläche gesehen, wird der warzen- förmige Fortsatz meist von nur 2 Epidermiszellen seitlich um- 80 Gesellschaft naturforschender Freunde. fasst, ist aber nicht selten auch von drei bis vier derselben um- geben. Die Vermuthung des Vortragenden, dass in den besproche- nen grünen Zellen eine neue Form der von Cohn aufgestellten Gattung Chlorochytriiim vorliegen möchte, stützt sich zunächst nur darauf, dass neben Zellen mit grünem Inhalte zuweilen ent- leerte Membranen von gleicher Form und Grösse gefunden wur- den. Eine Zerklüftung des Inhaltes in Schwärmsporen oder ein Eindringen solcher in junge Blätter von Ceratophyllum demersum zu beobachten, ist trotz mehrfach hierauf gerichteter Bemühun- gen bisher nicht gelungen. Die Frage, ob die besprochenen parasitischen Algenzellen nicht vielleicht mit Chlorochytrium Lemnae Cohn identisch sind, das in einem anderen Teiche des hiesigen botanischen Gartens auf Lemna trisulca L. reichlich vorkommt, lässt» sich nach den sparsamen Daten über die Entwickelung der Zellen zur Zeit nicht entscheiden. Wahrscheinlich ist dies nicht; denn, obschon die Grösse der grünen Zellen auf Ceratophyllnm demersum von denen auf Lemna trisulca nicht beträchtlich abweicht, sind sie auf letztgenannter Pflanze doch gewöhnlich deutlich in einer Richtung verlängert und die äussere warzenförmige Erhebung tritt weiter über die Epidermis der Nährpflanze hervor. Doch wäre es nicht undenkbar, dass diese Formverschiedenheiten eine Folge des Einflusses der beiden Nährpflanzen auf den Parasiten sein könnten. Ein sicheres Urtheil über Identität oder Ver- schiedenheit der Art kann in vorliegendem, wie in anderen ähn- lichen Fällen nicht durch Constatirung geringer Unterschiede in der Form des Parasiten, sondern nur durch gegenseitige In- fektionsversuche begründet werden, die Vortragender demnächst anzustellen beabsichtigt. Herr Kny legte ferner im Anschluss an die von Herrn Dr. Magnus in der Sitzung dieser Gesellschaft vom 20. Januar d. J. gegebene Aufzählung der in und um Berlin gefundenen Arten der Gattung Synchytrium Exemplare von 5. awr <• m?« Schrö ter auf Lysimachia Nummiilaria L. und von 5. globosum Schrot, auf Blättern von Potentilla replans L. vor. Erstere Art wurde vom Vortragenden kürzlich am Finkenkrug bei Berlin, letztere ebendaselbst von Stud. ehem. Heinrich Kretschmer aufge- Sitzung vom 14. Juli. 81 funden. Die auf den Blättern von Potentilla reptans erzeugten Gallen stimmen nicht genau mit denen überein, welche Schrö- ter in seiner werthvoUen Arbeit über die Gattung Synchytrium (Cohn's Beiträge zur Biologie der Pflanzen Heft I. Taf. I. Fig. 1) auf Viola abbildet. Die befallenen Epidermiszellen des Blattes von Potentilla reptans sind, wie dies in ganz ähnlicher Weise bei Stjnchijtrium Myosotidis Kühn auf Potentilla argentea L. und bei 5. riibrocinclum Magnus auf Saxifraga gramdata L. der Fall ist, ausserhalb der Dauerzellen des Schmarotzers mit inten- siv rothgefärbtem Saft gefüllt und die sie umgebenden Epider- miszellen sind zum grösseren Theil nur senkrecht zur Ober- fläche ausgewachsen, ohne sich durch Querwände getheilt zu haben. Doch steht Vortragender an, auf diese Abweichungen im Bau der Gallen eine neue Art zu gründen, bis Infektions- versuche ein sicheres Urtheil gestatten. Nachträgliche Bemerkung. In Schneider's Herbarium schlesischer Pilze findet sich unter No. 229 das Synchytrium auf Potentilla reptans ebenfalls als S. globosum Schröter (forma Potentillae) bezeichnet. Hiermit stimmt auch die Ansicht von Dr. Schröter überein, welche dieser Vortragendem brieflich mitgetheilt hat. Herr Magnus zeigte Puccinia Maltacearum Mont. auf Al- thaea rosea vor, die Herr Senator Dr. Brehmer in einem Gar- ten in Lübeck entdeckt und ihm freundlichst zugesandt hatte. Es ist dies der erste in Norddeutschland constatirte Standort. Es ist recht bemerkenswerth , dass, obwohl Herr Senator Dr. Brehmer bei seinen Spaziergängen um Lübeck stets Malva sil- vestris und M. neglecta auf die Anwesenheit der Puccinia prüfte, er sie nicht auf diesen Arten antraf, während sie hingegen in einem Privatgarten 30 Stöcke der Althaea rosea in stärkstem Maasse angegriffen hatten, so dass dieselben verkümmerten. Es ist dieses recht hervorzuheben im Vergleiche zu ihrem Auftreten in Bordeaux und Rastatt, nach welchen Orten sie durch spon- tane Ausbreitung von gegebenen Punkten aus hingelangte und wo sie zuerst immer auf Malva silvestris, erst später auf Althaea rosea auftrat. Die grosse Entfernung Lübeck's vom nächsten bekannten deutschen Standorte Rastatt und das Fehlen der Puc- S3 Gesellschaft naturforschender Freunde. cinia an Zwischenstatiorien, wie z. B. Berlin, weisen darauf hin, dass sie nach Lübeck nicht durch spontane Verbreitung, sondern auf dem Handelswege, vielleicht von England oder Frankreich aus gelangt ist und hängt damit ihr erstes Auftreten auf Al- thaea rosea in Gärten zusammen. Nachschrift. Durch die grosse Freundlichkeit des Herrn Prof. Dr. Ahles erhielt ich Puccinia Malvacearum Mont. auf Malra si/restris aus Stuttgart, woselbst sie Herr Prof. Ahles in der Umgegend und vereinzelt im bot. Garten der polytechnischen Schule Ende Juli d. J. auffand. Ferner sandte sie Herr Prof. Ahles auf cultivirter Althaea rosea, der sie sehr geschadet hatte, aus dem Garten der Wilhelma in Canstatt bei Stuttgart, sowie aus Beuron im Donauthale. In die Umgegend von Stuttgart, wohin sie wahrscheinlich von Rastatt aus mit intermediären, durch den Verkehr bewirkten Sprüngen gelangt ist, scheint sie durch spontane Ausbreitung gelangt zu sein, worauf das Auf- treten auf der wilden Malva sihestris hindeutet. Zweite Nachschrift. Wie Herr Dr. Stahl Herrn Prof. Dr. Ascherson mittheilte, trat Puccinia Malvacearum schon im Herbst 1873 bei Strassburg i. Eis. auf Althaea rosea und ande- ren Malvaceen auf und hat sich ebenso diesen Sommer viel ge- zeigt. Es war dieses frühzeitige Auftreten bei Strassburg i. Eis. von vorn herein aus dem Auftreten bei Rastatt zu erwarten. — Ferner theilte mir Herr Dr. Rabenhorst mit, dass Prof. Oudemans die Puccinia Malracearnm 1874 reichlich bei Amster- dam beobachtet hat. — Endlich theilt Herr Prof. Reess in den Sitzungsberichten der physikalisch-medicinischen Societät zu Er- langen, Sitzung vom 13. Juli, mit, dass Herr Stud. Ch. Keller- mann dieselbe bei Erlangen und Nürnberg 1874 in grosser Menge auftreten sah , und ist es besonders hervorzuheben , dass er sie ausser auf Althaea rosea und iValra rotundifolia L. {M. vulgaris Fr.) auch bei Nürnberg auf Althaea officinalis auffand, derselben Art, auf der sie Montagne ursprünglich aus Chile von Bertero erhalten hatte. In derselben Mittheilung wird die interessante Beobachtung des Herrn Stud. Ch. Kellermann über das Eindringen der Sporidienkeimschläuche in die Nähr- pflanze mitgetheilt, wonach diese zunächst auf der Cuticula bis zur Grenze zweier Epidermisaellen hinwachsen, dort die Cuticula Sitzung vom 14. Juli. 83 durchbohren und zwischen den Membranen der benachbarten Epidernaiszellen eindringen, um intercellular weiter zu wachsen. An dieser Stelle erweisen mir die Verf. die Ehre, in einer An- merkung mit z. Th. gesperrter Schrift drucken zu lassen, dass, wenn ich in der Sitzung vom 16. December 1873 in meinem Vortrage über die Einwanderung der Puccinia Malvacearum von einem Eindringen der Sporidienkeime durch die Spaltöffnungen speche, ich das wohl nicht beobachtet, sondern aus der Analogie mit Puccinia Dianthi geschlossen habe. Ich glaube, dass sich das aus meinem Vortrage mit Nothwendigkeit von selbst er- giebt. Denn ich sage ausdrücklich 1. c : „Nach dem Baue und Auftreten der Puccinia -hager und dem Baue ihrer Sporen ge- hört sie zu der Section der Gattung Puccinia, deren Arten nur Teleutosporenlager bilden u. s. w.", woraus für jeden Unbefange- nen folgt, dass ich eben weiter Nichts, als diesen Bau der La- ger und Sporen beobachtet habe. Auch geht aus meinem Vor- trage zur Genüge hervor, dass mir zur Zeit desselben nur trocke- nes, mir von Hrn. Plowright aus England zugesandtes Material zur Verfügung stand, und sollte auch der Vortrag nur die Ein- wanderungs- und Verbreitungserscheinungen mehrerer Rostpilze besprechen. Diesen scheinen auch die Verfasser im Allgemei- nen so aufgefasst zu haben, da sie mich mit Recht vorne nicht unter den Beobachtern der Entwickelungsgeschichte und Bio- logie des Pilzes citiren. Um so mehr muss mir die Anmerkung auffallen, die eigentlich den schwersten Vorwurf für einen exa- cten Naturforscher enthält, nämlich den: „Nicht Beobachtetes" als „Thatsächliches" angegeben zu haben. Ferner zeigte Hr. Magnus ein monströses Radieschen (Rübe von Raphanus sativus var. radicula) vor, das ihm Herr Alfred Reuter von der Pfaueninsel bei Potsdam zugesandt hatte, wo es Herr Hofgärtner Reuter aus vom Acclimatisations- verein erhaltenen Samen gezogen hatte. Die Wurzel desselben ist 9 Centimeter unterhalb der normalen Rübe wiederum auf ihrer einen Seite zu einer zweiten 1.4 Centimeter langen und 0.65 Centimeter breiten Rübe angeschwollen, jenseits deren sie in eine noch 10 Centimeter lange dünne Wurzel auslief. Es ist dies um so interessanter, als neuerdings von Schenk wiederum 84 Oesellschaft naturforschender Freunde. behauptet wird, dass der grösste Theil des Radieschens aus der angeschwollenen hypocotylen Axe gebildet wird^ die auch jeden- falls daran betheiligt ist. Hier zeigt sich, dass auch die reine Wurzel zu einer vollkommen ähnlichen Rübe anschwellen kann. Auch die Radieschen sind geradezu selten von einer einseitigen Anschwellung der hypocotylen Axe und Hauptwurzel gebildet. Herr Asche rson legte eine von Dr. Gerhard Rohlfs aus der Oase Siuah mitgebrachte Blattrippe von Phoenix da- ctylifera vor, welche eine, soweit bekannt, bisher nur dort beobachtete Farbenabänderung zeigt. Die bei der gewöhnlichen Form einförmig grün, nur am untersten Theil des scheiden- artigen Basaltheils braun gefärbte Rippe zeigte sich hier bis fast zum Beginn der Blattfläche glänzend schwarzbraun, von da an dunkelbraun auf hellröthlich braunem Grunde raarmorirt, Dattelpalmen mit so gefärbten Blattrippen wurden in der Oase des Jupiter Ammon in grösserer Anzahl angetroffen und sind dieser Färbung halber zur Anfertigung von Palmstöcken beson- ders beliebt. A. W. Srhade's nuchdrnckerei (L. Scliadc^ in Berlin, St»llsohreiber8lr. 47 Sitzunos-ßericht o ■ der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin vom 20. October 1874. Director: Herr Ehrenberg. Herr Reichert übergab der Gesellschaft seine durch einige Zusätze und Abbildungen erläuterte Abhandlung „Ueber den asymmetrischen Bau des Kopfes der Pleuronectidcn" (Reichert's und du Bois-Reymond's Archiv für Auat. u. Phys. 1874 S. 197 f.), deren wesentlicher Inhalt bereits in dem Sitzungsberichte der Gesellschaft (1873, S. 83—94) abgedruckt sich vorfindet. Ausser den, wie es scheint, nur bei Plattfischen vorkommenden Pro- cessus infraorbitales des Praefroniale und Frontale medium der augenfreien Seite wird die Aufmerksamkeit des Morpho- logen vornehmlich durch diejenige Bildung des Schädels der Fleuronectiden in Anspruch genommen , welche mit Rücksicht auf die mechanische Leistung „die knöcherne Schutzwehr" genannt worden ist. Die knöcherne Schutzwehr ist auf den Schutz der Weichtheile des Kopfes bei der Seitenlage dieser Fische in der Ruhe und in der Bewegung berechnet. Keinem Seitenschwimmer fehlt diese an den Seiten des Schädels entlang ziehende Bildung. Bei grossäugigen Schollen macht sie sich im vorderen Schädel- Abschnitt weniger auffällig bemerkbar. Wo sie aber, wie bei Rhombus aculeatus, beiderseits in ganzer Länge kräftig mit rauhen Flächen entwickelt ist, da ist die äussere Form des Schädels der Plattfische sehr wesentlich von ihr ab- 8 86 Gesellschaft naturforschender Freunde. hängig. Aus diesem Grunde mögen noch einige Bemerkungen darüber hier hinzugefügt werden. Am normal und symmetrisch gebauten Schädel der Teleostier erweitern sich bekanntlich die Knochen der Schädel- decke und Stirnplatte iateralwärts zu leistenartigen Vorsprüngen (seitliche Randleisten des Schädels), welche die Gelenkgrube für das Temporale Cuv. und die Augen mit den umgebenden Weich- gebilden überdachen. Mit Rücksicht auf die so eben bezeich- neten beiden Leistungen, auf die entsprechenden Modificationen in der Ausbildung und auf die Vergleichung mit den Plattfischen sind an diesen seitlichen Randleisten zwei Abschnitte zu unter- scheiden: der hintere oder Schädelkapsel - Abschnitt und der vordere oder Orbital - Abschnitt; jener mag mit der Linea semicircidaris, dieser mit den supraorbitalen Rändern am Schädel höherer Wirbelthiere verglichen werden. Bei den Te- leostiern wird der Schädelkapsel-Abschnitt durch das Os masto- ideum und Os frontale posterius, der Orbital-Abschnitt durch das Os frontale medium und durch den Processus supraorbitalis des Os frontale ant. gebildet. Bei den Plattfischen ist der hintere Tbeil der Schädel- kapsel bis zum Os frontale medium hin im Wesentlichen so symmetrisch normal gebaut, wie bei den übrigen Teleostiern. Zur Ausbildung der knöchernen Schutzwehren sind hier in erster Linie Knochen des hinteren oder Schädelkapsel-Abschnittes der seitlichen Randleisten verwendet: also das Postfrontale und das Mastoideum. Ausserdem schliessen noch an: durch rauhe Flächen ausgezeichnete Vorsprünge des Os parietale und des Occipitale externum, so dass an diesem hinteren Abschnitte der knöchernen Schutzwehr im Ganzen vier Schädelknochen betheiligt sind. Am Orbital- A bschnitt des Schädels der Plattfische ist das anatomische Verhalten wesentlich anders, als bei den Te- leostiern. Eine Stirnplatte in der Scheitelgegend als continuir- liche Fortsetzung der Schädelkapseldecke giebt es hier nicht; die Ossa frontalia media sind asymmetrisch rechts oder links dislocirt. In dieser dislocirten Stellung entwickeln sie keine seitlichen Randleisten zur Ueberdachung der Orbitalgruben. Der Orbitalabschnitt der seitlichen Randleisten des Schädels der übri- gen Teleostier fällt aus. Nur das Praefrnntale der Augenseite Sitzung vom 20. October. 87 bildet durch seinen Processus supraorbitalis bei einigen Species, z. B. bei Rhombus podas, einen gut formirten Supraorbitalrand für das in der Regel kleinere, vordere Auge der entsprechenden Körperhälfte und für die dazu gehörige Augengrube. Diese supra- orbitale Randleiste tritt für sich ganz abgeschlossen an der zu- gehörigen Körperhälfte auf, sie setzt sich nicht in einen Supra- orbitalrand des entsprechenden Frontale medium fort; sie findet auch nicht eine homologe Bildung am Frontale medium und Prae- frontale der anderen Körperhälfte (augenfreien Seite). Die knöchernen Schutzwehren in der Orbitalregion des Schädels treten daher als von einander gesonderte selbstständige Bildungen an den beiden Knochenzügen auf, die bei Plattfischen von der Schädelkapsel zum Os ethmoideum verlaufen. Sie schliessen sich zugleich unmittelbar an die beiden hinteren Abschnitte der knö- chernen Schutzwehren an und zwar so, dass die Schutzwehr der Augenseite stets auf den Zug der dislocirten mittleren Stirn- beine, die der äugen freien Seite auf die infraorbitale Knochen- brücke sich fortsetzen. Beide orbitalen Schutzwehren vertreten aber nicht allein die asymmetrisch ausgebildeten Seiten dieser Kopfgegend, sondern auch die beiden darin enthaltenen Körper- hälften; denn die infraorbitale Knochenbrücke vertritt stets die eine, rechte oder linke (je nachdem die Augen u.s.w. verschoben sind) Körperhälfte, und am Stirnbeinzuge betheiligen sich nur diejenigen Stirnbeine {Frontale medium und Praefrontale) an der Bildung der Schutz wehr, die zur anderen Körperhälfte gehören — also genau entsprechend dem Anschluss an die symmetrisch gestellten bilateralen Schädelkapsel - Abschnitte der knöchernen Schutzwehren. Dieser Anschluss wird an der augenfreien Seite durch den, mit den Randleisten des Postfrontale sich verbindenden Processus infraorbitales des Frontale medium ., an der Augenseite dagegen durch einen dem Frontale medium dieser Körperhälfte eigenthümlichen Randfortsatz bewerkstelligt. Die orbitalen knöchernen Schutzwehren sind demgemäss an beiden Körperhälften und Kopfseiten vom Os frontale medium und Praefrontale in bilateral symmetrischer Construction gebildet, — aber auf sehr verschiedene Weise: auf der augenfreien Seite und Körperhälfte von den hier allein bei Plattfischen vorkom- menden Processus infraorbitales des Frontale medium und Prae- 8* 88 Gesellschaft naturforschender Freunde. frontale-^ auf der Augenseite von dem Frontale medium und von dem bei Plattfischen vornehmlich auf dieser Seite kräftig ent- wickelten Processus supraorbitales des Praefrontale der entspre- chenden Körperhälfte. Bei grossäugigen Schollen, wie z. B. bei Pleuronecfes Platessa JL. , bei Rhombus podas, bei Hippoglossus Citharus, wird die Schutzwehr der Augenseite für das zum Schei- tel verschobene grössere Auge durch kräftig entwickelte Pro- cessus frontales des Os ethmoideum erweitert und zugleich die betreffende Augengrube vorn im Bogen abgeschlossen. Zu die- ser Abrundung der Orbitalgrube trägt sehr wesentlich auch das Praefrontale der augenfreien Seite bei, indem es sich durch seinen, in solchen Fällen entsprechend ausgebildeten Processus supraorbitalis mit dem Processus frontalis des Os ethmoideum seiner Körperhälfte in Verbindung setzt. Die Form der orbitalen Schutzwehr variirt bei den ver- schiedenen Gattungen: die Grösse und die Scheitelstellung des verschobenen Auges, auf welches die Schutzwehr vornehmlich berechnet ist, erweisen sich dabei von besonderem Einfluss. Auf der Augenseite stellt sie sich in der Regel als ein ver- dickter glatter, oder in einzelnen Zähnchen und Stacheln vor- springender, gegen die Haut gewendeter Rand der Knochen dar, welche die Schutzwehr hier bilden. An der augenfreien Seite wenden die Processus infraorbitales nicht blos ihre Randpartieen, sondern auch, wie z.B. bei Rhombus podas, ihre Flächen der Haut zu. Sodann gab Herr Reichert einen kurzen Bericht über seinen Aufenthalt in Triest während der Monate August und September dieses Jahres. Wahrscheinlich in Folge der umfang- reichen Bauten und der Unruhe, welche durch die zahlreichen Dampfschiffe allerorts im Hafen gegenwärtig erzeugt wird, schei- nen manche niedere Thiere verscheucht zu sein. Der früher so häufig und in grossen Exemplaren vorkommende Zoobotryon pellucidus (Ehrbg.) war nicht mehr aufzufinden; pelagische Fische- reien, bis auf eine -^ Stunde vom Ufer ausgeführt, ergaben kaum nennenswerthe Ausbeute; Polycystinen fehlten gänzlich. Die beste Quelle für Untersuchungsniaterial liefert das Bad Maria, dessen Besitzer in der gefälligsten Weise die Naturforscher unterstützt, und ihnen dadurch reichlich die neuerdings mit grossen Kosten Sitzung vom 20. October. 89 hergerichteten Uutersuchungsstatioueu ersetzt. Zum Schluss de- monstrirte der Vortragende die von ihm mitgebrachte Ophiuren- Larve Pluteus paradoxus Müll., die bis jetzt — etwa zwei Monate nach dem Fange — ganz vortrefflich klar und übersichtlich in einer schwachen Lösung von Ueberosmiamsäure sich erhalten hat. Die Larve bot dem Vortragenden zugleich Gelegenheit, den Unterschied zwischen der zweiseitigen Bildung, welche auch am Körper des Pluteus paradoxus ausgesprochen sei, und der bilateral-symmetrischen Construction des Wirbelthier-Körpers hervorzuheben. Bei letzterer liegt der Schwerpunkt in den seit- lichen Hälften, und die sogenannten Axengebilde seien Com- missurgebilde dieser in der Median -Ebene vereinigten Hälften; bei ersteren habe man den Nachdruck auf die wahren Axen- Bestandtheile zu legen und, zunächst von ihnen ausgehend, die seitlichen Theile als ausgewachsene Flügel, Anhänge, Belege a. s. w. zu construiren. Herr Bouche legte eine Pflanze von Aster chinensis vor, deren gipfelständige Blume rosenroth und eine seitenständige weiss gefärbt war. Er knüpfte daran die Bemerkung, dass die- ser Fall ein eklatantes Beifpiel sei, um zu beweisen, dass der- artige Abweichungen der verschiedenen Blumenfärbung auf einer und derselben Pflanze nicht ihren Grund in der künstlichen Operation des Veredeins (Aechtmachens) haben, also eine Be- einflussung des Mutterstammes auf das Edelreis oder umgekehrt stattfinde, wie von verschiedenen Seiten behauptet werde, und man sehr häufig einzelne Abarten gefüllter Rosen, die weiss und roth gefärbte Blumen auf einem Stamme tragen, als Beispiel angeführt finde. Die Aster sei eine jährige Pflanze und kann hier von einer Veredelung nicht die Rede sein. Bei verschie- denen Rosensorten, z. B. der weissen Centifolie und der Rosa damascena York und Lancaster, erscheinen selbst auf solchen Individuen, die durch Wurzelausläufer erzielt wurden, nicht sel- ten rothe und weisse Blumen gleichzeitig auf einem Stamme, während schon im folgenden Jahre Rückschläge vorkommen. Etwas Aehnliches finde sich auch bei Chrysanthemum indicum^ indem eine braunblühende Abart an einzelnen Seitenzweigen rosenroth gefärbte Blüthen trage; ebenso kommen auch Um- 90 Gesellschaft naturforschender Freunde. Wandelungen von Rosa in Weiss oder von Braun in Weiss vor. Jedoch dürfen diese Fälle nicht identisch mit den Erscheinungen an Cytisus Adami betrachtet werden, weil man es hier mit einer Bastardpflanze, dort aber mit Abarten einer Art zu thun habe. Von Delphinium Ajacis besass man früher eine Abart, die blaue und rosenrothe oder blaue und weisse Blumen auf derselben Pflanze trug, und zwar in der Weise, dass die eine Seite des Blüthenstandes weisse und die andere blaue Blumen u. s. w, hervorbrachte. Uebrigens seien derartige Umwandelungen, wie bei Rosa und Chrysanthemum, nicht selten bei solchen Blumen, die verschieden gestreift sind, z. B. Diänthus caryophyllus, Azalea indica, Impatiens Balsamina, Tulipa Gesneriana u. s. w., indem die die Zeichnung bildende dunklere Farbe das Uebergewicht gewinnt oder auch ganz verschwindet, so dass eine blassrothe, braungestreifte Nelke oft blassrothe und dunkelbraune Blumen gleichzeitig trage. Ferner sprach derselbe unter Vorlegung von Exemplaren der Pavonia hastata Spr. aus Ostindien und praemorsa Willd. vom Cap der guten Hoffnung, sowie der Grewesia cleisocalyx und Vinca rosea L. über das Clandestiniren und Verkümmern der Blüthen. Das Verkleinern und Clandestiniren der Blumen hänge bei einigen Pflanzen von der ab- oder zunehmenden Wärme, bei anderen von der Ab- und Zunahme der Tageslänge ab. Viola odorata und mirabilis blühen bekanntlich nicht nur im Frühlinge, sondern den ganzen Sommer hindurch; bei küh- lem Wetter, also im Frühling und Herbst, mit schönen grossen, während der Sommerhitze aber mit nur kleinen, kaum zu ent- deckenden Blumenkronen, so dass Laien oft behaupten, das Veilchen trüge Samen, ohne zu blühen. Die Blüthen der Vinca rosea, die in den längsten Tagen des Sommers einen Durch- messer von 0,035 Meter besitzen, verkleinern sich mit der Ver- minderung der Tageslänge, selbst bei angemessen hoher Tem- peratur, nach und nach so, dass sie um die Zeit des kürzesten Tages nur 0,00() Meter messen. Anfang Januar nehmen sie all- raählig an Durchmesser wieder zu, bis sie endlich am längsten Tage ihren Culrainationspunkt wieder erreicht haben. Die Ver- kleinerung der Blumen dieser Pflanze wird durch niedrige Tem- peratur, also wenn sie bis zum Herbst im Freien stehen bleibt, Sitzung vom 20. October. 91 noch mehr beschleunigt. Alsine media, Erophila «erna, Holosteum umbellatum entwickeln in den ersten Frühlingstagen so ansehn- liche Blüthen, dass man verleitet werden könnte, sie als Zier- pflanzen zu betrachten, mit der Zunahme der Tage und der Wärme aber werden die Kronenblättchen immer kleiner und sind bei Alsine media, die den ganzen Sommer hindurch vegetirt, bei langen Tagen und hoher Temperatur ganz unscheinbar. Die Blumenkronen der Pavonia hastata und praemorsa, welche schon Ende Mai ihre Blühezeit beginnen, clandestiniren von da ab bis gegen die herbstliche Tag- und Nachtgleiche, entwickeln aber alsdann nach und nach stets grösser werdende Blumen- kronen, die einen Durchmesser von 0,025 — 0,03 Meter erreichen. Bei Grewesia cleisocalyx, die durch Ferd. Müller aus Melbourne eingesandt wurde, habe er niemals eine äusserlich sichtbare Blumenkrone gesehen , sondern stets nur innerhalb des Kelches die verkümmerte Corolle, wie bei den beiden Pavonia- krien, gefunden. Mit dem Eintritt des Winters höre bei den Pavonien die Blühezeit auf, und konnte daher die fernere Entwickeiung der Blumenkrone nicht weiter beobachtet werden. Herr Magnus bemerkte im Anschlüsse an die Mittheilung des Herrn Bouche, dass er das Auftreten verschieden gefärbter Köpfchen an einem Stocke des Callistephus chinensis schon öfter beobachtet habe. Namentlich beobachtete er dieses im letzten Jahre zu Prag und Berlin in verschiedenen Gärten an einer sogenannten Kranzaster, Bei dieser sind die Blüthen einer brei- ten Randzone des Köpfchens lila gefärbt, während die Blüthen der Mitte des Köpfchens weiss sind. An den beobachteten Pflanzen zeigten sich nun die ersten Köpfchen, und namentlich das Gipfelköpfchen der Hauptaxe der Pflanze, stets charakteristisch in der eben geschilderten Weise gefärbt, während die Seiten- köpfchen bald nur weiss — so am häufigsten — bald nur lila gefärbte Blüthen, bald zum grössten Theile weisse Blüthen mit einzelnen eingesprengten lila gefärbten Blüthen und vice versa hatten. Wir haben es hier mit gänzlichem oder theilweisem Rückschlage von Seitensprossen zu einer einfacheren Varietät zu thun. Es erinnert diese Erscheinung lebhaft an die bekannten Rückschläge bei den Varietäten mit zweifarbigen Corollen von 92 Gesellschaft naturforschender Freunde. Azalea indica und Mirabilh Jalapa, wo ebenfalls häufig einzelne Sprosse Blüthen von nur einer der beiden Farben tragen. Bei Mirabilis Jalapa sind nach Lecoq die Varietäten mit zweifarbigen Corollen durch Kreuzung der einfarbigen entstanden, and schla- gen die Sprossen mit einfarbigen Blüthen zu einer der Eltern- formen zurück. Herr Paasch legte Lindenblätter vor, welche bei Rasten- burg an der Finne gesammelt waren und eine täuschende Aehn- lichkeit mit Weinblättern oder auch mit Blättern eines Abulilon darboten. An ihrem Fundorte besteht in einem ausgedehnten Eichwald das Unterholz vorzugsweise aus Linden-Stock- Ausschlag und an diesem fanden sich obige Blätter sehr häufig, oft an einem Reise in allen Abstufungen vom fünflappigen Blatt, drei- lappigen bis zum normalen Lindenblatt, indem vom dreilappigeu erst noch der Lappen an einer Seite verschwindet. Wenn man daran denkt, dass die Cotyledonenblätter der Linde fünflappig _ sind, so könnte man in jener Bildung wohl einen Rückschlag zum Cotyledon finden, besonders wenn man sieht, dass an den Reisern die unteren Blätter fünf lappig, weiter hinauf dreilappig und an der Spitze ganz sind. Als Geschenke wurden mit Dank entgegengenommen: Alti deW Academia delle scienze fisiche e matematiche di Napoh. Vol. V. 1873. Rendiconto deW Academia etc. di Napoli. Anno X, XL Monatsbericht d. Berl. Akad. d. Wissensch. April bis Juni 1874. Proceedings of the zoolog. soc. of London. 187H Pt. III, 1874 Pt. I. Bulletin de la societe imperiale des vaturalistes de Moscou. 1873 No. IV, 1874 No. I. Memoires de la soc- d. scienc. natur. de Cherbourij. Tom. XIII. Abhandlungen der Schlesisch. Gesellsch. für vaterländ. Cnltur. Philos.-histor. Abth. 1873/74 und 51. Jahresbericht. Generalbericht der Europäischen Gradmessung 1873. Astronomisch-geodätische Arbeiten des geodätischen Instituts in Preussen 1867—72. Sitzung vom 20. October. 93 Voi/at/e au Turkestan, pur Alex. Fedschenko. Troisieme Hi-raison, conte.nant les Poissoiis, decrifs par Kessler. Moscou. Second anniial Report of the zoolog. soc. of Philadelphia 1874. Lettre adressee ä Mr. le Dr. Renard par le pastevr KairalL Riga. G. vom Rath, Worte der Erinnerung an Dr. H. Hessenberg. Bonn 1874. Berliner Entoniolog. Zeitschr., Jahrg. XVIII, Heft r\ n. 4. Reichert, Ueber den asymmetrischen Bau des Kopfes der Pleu- ronectiden. 1874. O.Reinhardt. Ueber die Mollusken-Fauna der Sudeten. 1874. A- W. Seil ade 's Biuhdruckerei (L. Schade) in Berliu. Stallschreiberstr. 4( Sitzungs-ßericht der Gesellschaft nalurforschender Freunde zu Berlin vom 17. November 1874. Director (in Vertretung): Herr Neumayer. HerrKny sprach über die Entwickelung des Thallus von Lichina pygmaea Ag. und deren Beziehung zu Hivularia nitida Ag. Dass die Flechten keine selbstständige Abtheilung der Thal- lophyten bilden, sondern dass jede von ihnen durch Vereinigung eines Ascomyceten mit einer oder mehreren Arten von Algen zu Stande kommt, dtirf nach den in jüngster Zeit dieser Frage gewidmeten Untersuchungen als hinreichend erwiesen gelten. Schwenden er zeigte in seinen späteren Arbeiten, dass die Gonidien nicht, wie er früher selbst angenommen hatte, von den Hyphen erzeugt werden.^) Born et schenkte der Art, in welcher beiderlei Elemente innerhalb des Flechtenthallus in Ver- bindung treten, besondere Aufmerksamkeit und fand, dass die Hyphen sich nicht überall an die Gonidien nur äusserlich an- legen, sondern bei gewissen Arten in die sie umgebende Gallert- scheide (Spilonema, Pannaria etc.) oder in ihr Inneres eindringen ') Von Frank ist dem neuerdings widersprochen worden; doch be- ziehen sich seine Beobachtungen zunächst nur auf eine Art, nämlich Vario- laria covimunis , und bedürfen sie, als den Angaben Bornet's gegenüber stehend, wohl noch der Bestätigung und Erweiterung, (cf. Botan. Zeitung 1874 pag. 243). 9 96 Gesellschaft naturforschender Freunde. (Physma chalazanmn, Arnoldia miniitula). Nachdem Famintziii. Baranetzky und Itzigsohn früher schon die Gonidien dadurch zu selbstständiger Entwickelung gebracht halten, dass sie Stücke des Thallus unter Bedingungen cultivirten , welche der Alge günstig, dem sie umspinnenden Pilz hingegen verderblich sind, ist es neuerdings Rees und Treub gelungen, durch Aussaat von Flechtensporen auf geeignete Algenarten erkennbare An- fänge von Flechtenthallus zu erzeuge^. Nachdem auf solche Weise die von Seh wendener auf- gestellte Theorie durch anatomische Untersuchung und durch das Experiment begründet worden, bleibt nun noch übrig, im Einzelnen zu ermitteln, wie aus Algen und Pilzhyphen, trotz deren eigenartiger und selbsständiger Entwickelung, doch ein Ganzes von charakteristischer äusserer Form und innerem Bau hervorgehen und wie dieses, einem einheitlichen Organismus gleich, sich fortbilden kann. Bei jenen Flechten, in deren Thallus die Gonidien zwischen den Hyphen regellos zerstreut liegen, wie bei CoUema und Syna- lissa, oder bei denen, wo eine Alge mit ausgesprochenem Scheitel- wachsthum das Gerüst bildet, detn die Hyphen sich allseitig anschmiegen (Ephebe, Dichjonema sericetim, Coenogonium etc.). ist das Verständniss der Thallus-Entwickelung durch die bishe- rigen Untersuchungen genügend angebahnt. Anders da, wo sich die Hyplien in Mark und Rindenschicht sondern und zwischen beiden die Gonidien gruppenweise in besonderer Schicht ein- gestreut liegen. Hier bietet bei strauchartigem Thallus die aus der Schwendenerschen Theorie als nothwendige Consequenz fol- gende Annahme einige Schwierigkeit, dass am fortwachseuden Scheitel des Thallus die Gonidien den sich verlängernden Hyphen nachrücken, ohne fortdauernd von Neuem von ihnen erzeugt zu werden. Vortragender hat die Gelegenheit eines mehrwöchent- lichen Aufenthaltes in Jersey im Somn)er 187o benutzt, um eine besonders interessante Strauchflechte, die Lichina pygmaea Ag. in dieser Beziehung einer eingehenden Untersuchung zu unterwerfen, und er wünscht, dass die gewonnenen Resultate als geringer Beitrag zur Bestätigung der neuen Lehre nicht ganz werthlos befunden werden mögen. Die Granitfelsen, welche die Südseite der Insel Jersey ein- Sitzung vom 17. November. 97 fassen und zur Zeit der Ebbe auf weite Erstreckung vom Meere entblösst werden, sind etwa auf halber Höhe zwischen Ebbe- und Fluthlinie mit zahlreichen kleinen Polstern von theils schmutzig olivengrüner, theils glänzend spangrüner Farbe besetzt. Die ersten gehören der Lichina pygmaea Ag., die letzteren der Rivularia nitida Ag. an. Die relative Häufigkeit, in welcher beide Pflanzen auftreten, ist je nach den Standorten grossen Schwankungen unterworfen. An Stellen, welche dem Andränge der Wellen frei ausgesetzt sind, ist die Flechte meist entschieden vorherr- schend. Sie tritt hier entweder in reinem Rasen auf oder ist von kleineren oder grösseren Polstern der Rivularia bedeckt. Der Thallus von Lichina pygmaea Ag. ist von strauchartigem Habitus und in einer Richtung deutlich abgeflacht. Der Breiten- durchmesser beträgt meist ^ bis ^ Mm. ; sein Verhältniss zum Dickendurchmesser ist grossen Schwankungen unterworfen. Auf dem Querschnitt zeigt der Thallus einen ohngefähr elliptischen Umriss. Seine Verzweigung erfolgt in der durch die Richtung des grössten Querdurchmessers bezeichneten Ebene und ist, so- lange er steril ist, meist eine regelmässig dichotome. Die Ende August 1873 bei St. Helier (Jersey) gesammelten Exemplare waren im frischen Zustande bis 15 Mm. hoch. Auf Längs- und Querschnitten durch Zweigspitzen, die allem Anschein nach in Fortentwickelung begriffen sind, zeigt der Thallus eine deutliche Sonderung in ein achsiles Mark und eine dasselbe allseitig umschliessende Rinde. Die Gonidien gehören zum grösseren Theil den äusseren Partieen des Markes an, wo sie eine continuirliche Schicht bilden. Gegen die Rinde hin ist dieselbe deutlich und scharf abgegrenzt; nach innen dagegen setzt sich die Gonidienschicht in einzelne Reihen von Gonidien fort, die in steilem Bogen sich bis in den achsilen Theil des Markes hinein erstrecken. Das Mark sammt der seinen äusseren Partieen angehörigen Gonidienschicht nimmt den grössten Theil des Querschnittes ein. Der Hauptmasse nach besteht es aus wasserhellen, gegliederten Fäden von leicht zu übersehendem Verlauf. Die Gliederzellen sind um das Vier- bis Mehrfache so lang, als breit. Im achsilen Theile des Markes sind die Fäden längs gerichtet und liegen nahezu parallel nebeneinander. Gewöhnlich ist der Verlauf der 9* 98 Gesellschaft naturforschender Freunde. Zellreihen ein geradliniger, seltener ein flach -wellig gebogener. Etwas weiter seitlich biegen die Fäden in sehr flachem Bogen nach auswärts ab, so dass sie in spitzem Winkel auf die Goni- dienschicht treffen. Es hängt dies damit zusammen, dass in den äusseren Partieen des Markes die Zellreihen häufiger, als im achsilen Theil, aus ihren Gliederzellen Zweige entsenden, welche sich zwischen die v*orhandenen Reihen einschieben und deren Richtung ändern. Auf medianen Längsschnitten durch einen jungen Thalluszweig tritt diese fächerartige Anordnung sehr schön hervor: nur gegen die fortwachsende Spitze hin erleidet sie eine Abweichung, indem die Richtung der Markfäden hier gegen den Scheitel allmählich in eine schwach convergirende übergeht. Die Gonidien sind theils in längeren oder kürzeren Reihen durch das Mark zerstreut, theils zu einer continuirlichen Schicht an dessen Umfang vereinigt. Die im Mark liegenden Reihen sind oft von sehr bedeutender Länge. Aehnlich den Markhyphen, denen sie eingebettet liegen, divergiren sie in der Richtung von unten nach oben und verlaufen in steilem und flachem Bogen von der Achse gegen die Gonidienschicht. Mit letzterer stehen sie zum Theil in directer Verbindung. An ihrer Zusammensetzung betheiligen sich zweierlei Zellen. Die meisten derselben sind sehr zartwandig und mit lebhaft spangrünem Plasma erfüllt;^) zwischen ihnen, meist einzeln, seltener zu zweien eingestreut, liegen blass- gelbe Zellen mit derberer Membran und wässrigem Inhalt. In er- wachsenen Theilen des Thallus zeigt die Form beider Arten von Gonidienzellen mancherlei Schwankungen. Einzelne sind nahezu isodiametrisch und nähern sich der Kugelgestalt; die meisten aber sind an beiden Enden abgeplattet und dabei in Richtung der Reihe entweder verlängert oder verkürzt. Der Breitendurch- messer beträgt im erwachsenen Theile des Thallus im Mittel etwa C) bis 7 Mik., in den Extremen 4 bis 9 Mik. Die gelben Gonidien sind den spangrünen gegenüber zuweilen durch etwas grössere Breite ausgezeichnet; doch ist dies keineswegs durch- gehends der Fall und auch das entgegengesetzte Verhältniss wird nicht seifen angetroffen. Beträchtlicher noch, als in den ') In älteren TheiliMi des Thallus findet man diese Gonidienzellen zum Theil abuestorhen und entleert. Sitzung vom 17. November. 99 im Mark zerstreuten Reihen, sind Form- und Grössenverschieden- heit beider Arten von Gonidien in der das Mark nach aussen abschliessenden Gonidienschicht. Eine Anordnung in Reihen ist zwar auch hier nicht zu verkennen; doch sind dieselben kürzer, reicher verzweigt und dabei unregelmässig hin und her gebogen, so dass knäuelartige Anhäufungen entstehen. Zwischen diesen drängen sich überall einzelne farblose Hyphen des Markgewebes hindurch, mit ihren Auszweigungen die Gonidiengruppen um- spinnend und sich eng an sie anschmiegend. Die Gonidien selbst sind dabei oft sehr unregelmässig gestaltet. Es hat ganz den Anschein, als ob bei diesen Verzerrungen die Hyphen entweder direct oder durch den Druck, unter welchen sie die Gonidien gegenseitig versetzen, activ betheiligt seien. Die Gonidienschicht setzt sich bis zum Scheitel der jungen Zweigspitzen fort und bedeckt hier die, wie oben bemerkt, nach aufwärts schwach convergirenden Markhyphen als eine im Längs- schnitt etwa paraboloidische Kappe. In diesem obersten Theil ist sie viel weniger mächtig, als in den unteren Zweigstücken. Bei genauerer Betrachtung fällt sofort auf, dass die Gonidien am Scheitel junger Zweigspitzen von mehr regelmässiger, der Kugelgestalt sich nähernder Form sowie von geringerem Durch- messer sind, als weiter abwärts. Der Querdurchmesser betrug im Mittel 4 bis 5 Mik. Ein noch wichtigerer Unterschied besteht aber darin, dass alle Gonidien an den Zweigspitzen von span- grüner Färbung sind und die gelben Gonidien hier ganz fehlen. Erstere sind entweder isolirt, oder in geringer Zahl zu Längs- reihen vereinigt, die zur Längsachse des Flechten-Sprosses eine sehr verschiedene Lage haben. Aus den Zwischenstufen, die sich nicht selten vorfinden, darf man schliessen, dass die Goni- dien sich in den Thallusenden in lebhafter Theilung befinden. Die Gonidienschicht regenerirt sich hier also ebenso wie die farblosen Markhyphen, durchaus selbstständig. Ist die Längsachse der Gonidien -Zellen oder Zell -Reihen, wie dies sehr gewöhnlich der Fall ist, der Aussenfläche des Sprosses nahezu parallel, also tangential gerichtet, so dienen die aus wieder- holter Theilung hervorgegangenen Tochterzellen dazu, die durch Verlängerung des Markscheitels und die dadurch bewirkte Dehnung der ihn überdeckenden Gonidienschicht entstehenden Lücken 100 Gesellschaft naturforschender Freunde. theilweise auszufüllen und die Gonidienschicht bewahrt damit, so lange der Spross in die Länge wächst, ihre Continuität. Solche Gonidien hingegen, deren Längsachse ganz oder nahezu senkrecht zur Oberfläche steht und die sich in Richtung dersel- ben dauernd durch Zweitheilung vermehren, geben jenen Reihen den Ursprung, welche im erwachsenen Thallus im Mark zer- streut sind und fächerartig gegen die Gonidienschicht ausstrahlen. In wie weiter Entfernung vom Scheitel die Theilungsfähig- keit der Gonidien erlischt und ob dies überhaupt jemals ganz geschieht, Hess sich nicht ermitteln. Die Theilungen erfolgen ursprünglich, wie es scheint, stets in demselben Sinne, d. h. alle Wände sind unter sich parallel. Während am Scheitel des Thallus die Theilzellen sich entweder bald nach der Theilung isoliren oder nur zu kurzen Reihen vereinigt bleiben, bilden sie im älteren Theile des Thallus meist zusammenhängende Ketten. Besonders ausgedehnt und leicht übersichtlich sind die im inneren Mark zerstreuten Gonidienketten. In der eigentlichen Gonidien- schicht erleiden sie durch Stauung gegen die Rinde und unter sich, sowie durch die zwischen sie eindringenden Markhyphen raannichfache Verkrümmungen und Unterbrechungen; doch ist der Aufbau der Gonidien-Knäuel aus Ketten besonders bei An- wendung von Kalilauge auch hier deutlich zu constatiren. In den älteren Theilen des Laubes treten gelegentlich auch Längs- theilungen ein. Von den Theilzellen verhalten sich einzelne insofern ab- weichend, als sie in geringer Entfernung unterhalb der Thallus- spitze ihre Theilungsfähigkeit einbüssen , sich mit blassgelber, derber Membran umkleiden und ihr spangrünes Plasma gegen wässrigen Inhalt vertauschen. Sie nehmen damit das Aussehen der sogenannten Grenzzellen (Heterocysten) der Nostocaceen, Hivularieen und Scylonemeen an. Zuweilen findet an denselben eine falsche Verzweigung der Gonidionreihe statt, indem sich der eine Theil derselben an der Grenzzelle vorbeischiebt und sich durch Theilung weiter verlängert; doch ist dies nicht gerade häufig. Besonders im Mark erwachsener Zweige ist es leicht, lange, aus oü und mehr Zellen bestehende Gonidienreihen zu finden, in welchen mehrere Grenzzellen zerstreut sind, ohne dass eine Unterbrechung der Continuität dadurch veranlasst wäre. Sitzung vom 17. November. 101 Nach aussen wird die Gonidienscbicht von einer geschlos- senen Rinde überdeckt. Am Scheitel ist dieselbe (bei jungen Sprossen) am mächtigsten und nimmt unterhalb desselben etwas an Dicke ab. In ihrem äusseren Theile trägt sie überall einen pseudoparenchymatischen Charakter. Obwohl sie auch hier zwei- felsohne ein Geflecht von Hyphen darstellt, gelang es doch selbst bei Anwendung von kochendem Kali nicht, dieselben durch Druck auseinanderzulegen. In der innersten Lage, wo die Rinde der Gonidienscbicht angrenzt, ist ihr fädiger Charakter deutlicher erkennbar. Ihre Hyphen treten hier zwischen den Gruppen von Gonidienzellen hindurch mit denen des Markes in unmittelbare Verbindung. Nichtsdestoweniger ist die Rinde in ihrer Ent- wickelung von diesem unabhängig. Sie regenerirt sich oflFenbar vorzugsweise durch lebhafte Theilungen in jener innersten, der Gonidienscbicht unmittelbar angrenzenden Zone des Scheitels, die man als ihr eigentliches Meristem bezeichnen könnte. Hier sind die Zellen am kleinsten: in der Aussenschicht des Scheitels und weiter abwärts nehmen sie schon an Umfang zu, wenn auch hier sicher noch Theilungen stattfinden. An der Aussenfläche lösen sich vereinzelte Gruppen von Zellen ab; und hierdurch ist es jedenfalls zum Theil bedingt, wenn die Rinde weiter ab- wärts von geringerer Mächtigkeit ist, als am Scheitel. Aus Obigem ergiebt sich, dass jedes der drei anatomi- schen Elemente, die wir im Thallus von Lichina pyg- maea unterschieden, das Mark, die Rinde und die Gonidienscbicht, am Scheitel des fortwachsenden Thallus sich selbstständig erneuert, wenn sie auch sämmtlich in engster und dauernder Verbindung mit einander stehen. Ihr gegenseitiges Verhältniss erinnert entfernt an das von Dermatogen, Periblem und Plerom im Scheitel des typischen Dicotyledonen-Stammes. Die Aehnlichkeit, welche die spangrünen und gelben Goni- dien von Lichina pygmaea mit den Zellen der an den gleichen Standorten vorkommenden Rivularia nitida zeigen, i) legte dem 1) Born et führte in seiner ersten und grösseren Arbeit über die Flechten- gonidien (Ann. sc. nat. V ser. t. 17 p. 71) die Gonidien v^on Lichina confinis und L. pi/grnaea auf Calothrix scopulorum Ag. zurück. In einem späteren Nachtrage (Ann. sc. nat. V ser. t. 19. 1874 p. 316) erklärt er es für wahr- 102 Gesellschaft naturforschender Freunde. Vortragenden die Vermuthung nahe, dass trotz geringer Ab- weichungen in Form, Grösse und Farbennüancen beiderlei Ge- bilde ihrer Natur nach identisch sein möchten. Bestärkt wurde diese Vermuthung durch den Umstand, dass man genannte Alge nicht nur auf dem nackten Felsen in Nachbarschaft der Flechte, sondern auch auf dieser selbst sich in grösster Menge angesie- delt findet. Die jüngsten Zustände der Rivularia treten auf den Zweigen von Lichina in Form kleiner dunkelgrüner Kügelchen auf, die sich vergrössern, mit einander zusammenfliessen und die Flechtenrasen auf grössere Ausdehnung häufig vollkommen bedecken. Die Aufmerksamkeit des Vortragenden war vorzüglich dar- auf gerichtet, zu entscheiden, ob der Ursprung junger Rivularia- Colonien sich bis in die Gonidienschicht des Thallus hinein verfolgen lasse, ob also die Alge aus der Flechte direct hervor- gesprosst sei. Bei den meisten der untersuchten Exemplare war das Resultat ein entschieden negatives; eine Durchbrechung der die Gonidienschicht bedeckenden Rinde konnte an der Stelle, wo die Rivtilaria aufsass, nicht constatirt werden, und es blieb somit nur die Annahme übrig, dass die Alge sich nur äusserlich auf der Flechte angesiedelt hatte und letztere nichts weiter als deren Substrat darstelle. Dabei war es aber auffällig, dass an der Stelle, wo die Algen -Colonie dem Flechtenthallus aufsass, dessen Rinde eine abnorme Verdickung zeigte und sich verein- zelte Hyphen oder Bündel derselben bis in die Basis der Rivu- laria-Coloniecn hinein verfolgen Hessen. Es geht daraus jeden- falls hervor, dass Alge und Flechtenhyphen sich nicht indifferent gegen einander verhalten , sondern die Anwesenheit der Alge das Wachsthum der Hyphen direct fördert. Eine Reihe von Präparaten machte es dem Vortragenden aber höchst wahrscheinlich, dass der von ihm vermuthete gene- tische Zusammenhang zwischen der Lichina pygmaea und den auf ihr wachsenden ÄirM/ari« -Colonieen in der Natur wirklich scheinlicher, dass jede der beiden Lichiiiu-Arten durch eine besondere Riitt- lariee versorgt werde. Soweit haben meine Untersuchungen mich unabhängig zu gleichem Resultate geführt. Unter den von Bornet genannten Arten möchte ich auf Grund obiger Mittheilungen Riruhn-ia nitida Ag., wenn nicht aus- schliesslich, so doch vorzugsweise in Anspruch nehmen. Sitzung vom 17. November. lOo besteht. Auf mehreren Quer- und Längsschnitten, welche durch mit kleinen Algenpolstern besetzte Thallusenden geführt worden waren, zeigte sich die Rinde an der betreffenden Stelle zerstört und die Gonidienschicht unterbrochen. Die Lücke nahmen die unteren Enden der Rivulariafäden ein, noch von den äusseren Markhyphen umgeben, und von dieser Stelle sah man die Fäden der Colonie fächerartig ausstrahlen. Auch hier ist die Möglich- keit zwar nicht vollkommen ausgeschlossen, dass die Verletzung der Rinde das Primäre war und dass die Algen-Colonieen sich nur zufällig an solchen Stellen angesiedelt haben; doch erschien die Auffassung, wonach einzelne durch Zerstörung der Rinde biosgelegte Gonidienreihen zu den Colonieen ausgewachsen waren, nach Anordnung der einzelnen Theile im Präparat als die natur- gemässere. Herr Hartmann legte die von ihm in Wasserfarben aus- geführte Copie einer Originalzeichnung des verstorbenen ausge- zeichneten Malers der Tropengegenden, Ed. Hildebrandt, vor, darstellend eine auf der Höhe von Fernäo da Noronha gefan- gene Physalia pelagica. Der liebenswürdige und gefällige Künstler hatte dem ihm befreundeten Vortragenden schon vor Jahren ge- stattet, den genannten Schwimmpolypen, sowie die Aquarell- skizze eines Delphins und Haifisches abzeichnen zu dürfen. So schwach diese Copieen nun auch sind, so geben sie dennoch einige Idee von dem vielseitigen Streben des seiner Kunst nur zu frühzeitig entrissenen Meisters. Die Physalia ist im Ver- gleich zu den von Peron, Lesson und Garnot, sowie von Olfers abgebildeten Individuen sehr dunkel gefärbt, prachtvoll in Blaugrün, Blau, Violet und Carmoisinroth spielend. Man be- merkt die eigenthümliche zarte Riefung des Parenchyms der Schwimmblase, die selbst an Spiritusexemplaren noch häufig zu erkennen ist. Netzförmige, mattgelblich -weisse, an der Innen- wand der Schwimmblase hinziehende Gebilde scheinen dem Wassergefässsystems des Thierstockes anzugehören. An der Unterseite der Schwimmblase ragen 1) wurmförmige Ernährungs- thiere, 2) spiralige Tentakeln mit gefälteltem, membranösem Längsbesatz (ähnlich wie bei Chrysaora etc.) und .3) cylindrische Tentakeln, letztere mit Contractionsknoteu, hervor. 104 Gesellschaft naturforschender Freunde. Derselbe sprach ferner über das W assersprützen der Wale. Mag auch beim ruhigen Dahinschwimmen dieser Thiere die aus den Sprützlöchern hervordringende ausgeathraete Luft zugleich auch Wasserdunst mit emportreiben, welcher sich in nördlichen Breiten zu einer weithin sichtbaren Dampfsäule verdichtet: jedenfalls aber wird das beim Einschnappen der Nahrung unter Wasser zufällig mit in die Mundhöhle dringende Wasser durch die Sprützlöcher wieder ausgestossen und zwar bald in Form eines gröberen oder feineren Sprühregens , bald in mehr oder minder hohen und dicken, springbrunnenähnlichen Strahlen. Das letztere Phänomen beobachtete Vortragender am 11. December 1860 am Ausgange der Strasse von Messina an einem etwa 30 Fuss langen Capo d'Oglio (Physeter) und am 27. August 1874 im Kattegatt — diesmal in Gegenwart von mehreren den Kreisen der Naturforscher angehörenden Zeugen — an zwei kleineren Walthieren , wohl Zwergwalen (Pterobalaena minor "i). Die Strahlen wurden in Pausen von zwei bis drei Minuten hintereinander sechs bis acht Fuss hoch und etliche Zoll dick, ausgesprützt; sie stäubten von der Hauptsäule aus entweder nach hinten oder vorn, oder sie fielen garbenartig herab. Meist wurden drei bis vier Strahlen dicht hintereinander ausgestossen, dann erfolgten ein oder zwei einen immer noch deutlich sichtbaren Sprützregen darstellende Auswürfe, wohl die Reste des gerade im Rachen befindlichen Wasserquantums. Es wurde nun die farbige Zeichnung eines in' sagittaler Richtung durchschnittenen Kopfes von Phocaena communis vorgelegt, an welcher man den Verlauf des Sprützcanales und die ziemlich beträchtlichen, denselben im oberen Theile erweiternden, vom Schädel entspringenden Muskeln zu übersehen vermochte. Auch zeigte Vortragender Skizzen der in der Strasse von Messina und im Kattegatt stattgehabten Begegnungen mit Cetaceen. Der- selbe machte endlich einige Mittheilungen über das von ihm am blauen Nile öfters beobachtete Wassersprützen der Fluss- pferde, welche ebenfalls bald einen feinen Sprührogen, bald Strahlen aus ihren Naslöchern auswerfen. Herr Magnus zeigte einen Pfropf hybriden zwischen zwei sehr verschiedenen Kartoifelsorten vor, den Herr Hofgärtner Sitzung vom 17. November. 105 Reuter auf der Pfaueninsel bei Potsdam im Sommer 1874 ge- zogen hat. Herr Reuter benutzte dazu die weisse lange Mexican und die dunkelgraue, rundliche Black Kidney, welche beide Sorten die Novara- Expedition aus Amerika mitgebracht hatte, und die er seit einer Reihe von Jahren cultivirt und sehr con- stant gefunden bat. Er setzte ein aus der Mexican-Knolle zwei- tlächig-keilförmig ausgeschnittenes, ein Auge führendes Stück in einen seiner Schnittfläche congruenten Spalt der Black Kidney ein und schnitt aus letzterer alle Augen fort. Von 8 so be- handelten Knollen erhielt er an 2 Stauden die der Gesellschaft vorliegenden Mittelbildungen in 8 Knollen, die sämmtlich auf der Ausstellung des Äcclimatisationsvereines ausgestellt waren. Diese Pfropfhybriden zeigen in der Form eine Mittelbildung zwischen den Elternsorten. Sie sind breiter und dicker als die lange dünne Mexican, länglicher als Black Kidney. Ihr Nabel liegt stark vertieft, wie bei Black -Kidney, und wenn eine der ßastardknollen durch länglichere Ausbildung den kürzeren Knol- len der Mexican in der Form ähnlich scheint, so unterscheidet sie sich noch immer sehr auffallend durch den vertieft liegendeu Nabel von der Mexican, bei welcher der Nabel immer ganz flach, kaum etwas eingesenkt liegt. In Verbindung damit ist das Nabelende bei Black Kidney und dem Pfropfhybrid stets stark abgerundet, während es bei Mexican schwach zugespitzt verläuft. Diese deutliche Zwischenform des Pfropfhybrids ist um so mehr hervorzuheben, als viele Botaniker noch immer keinen allgemein specifischen Einfluss des Edelreises und der Unterlage auf ein- ander zugeben wollen, sondern denselben nur für Mittheilung von Färbungen und Panachüre gelten lassen, welches letztere sie mit Mittheilung einer Krankheit vergleichen. Vortragender muss dazu bemerken, dass ihm kein Unterschied zwischen con- stitutioneller (nicht durch äussere Angriffe von Parasiten, Kälte u. s. w. veranlasster) Krankheit und modificirter Constitution (was der Bildung der Varietäten zu Grunde liegt) verständlich ist. — Was die Färbung des Pfropfhybrids betrifft, so ist er am Nabelende bis zu etwa ein Viertel der Knollenlänge schön rosenroth gefärbt. Die bleigraue Farbe der Black Kidney ist dadurch hervorgebracht, dass die äussersten Parenchymschichten unter der mächtigen Korklage mit intensiv rothem Zellsafte dicht lOG Gesellschaft natur/orschender Freunde. erfüllt sind. Dann kommt eine dunkelgelb gefärbte Zone, die bis etwa zu zwei Drittel der KnoUenlünge reicht, während das letzte Drittel der Knolle wieder roth gefärbt ist. Alle Pfropfhybriden der Kartoffel, die der Vortragende bis- her untersucht und über die er der Gesellschaft wiederholt berichtet hat (vergl. die Sitzungsberichte 1871 p. 82 und 1872 p. 86), zeigten stets in der Form die Mitte zwischen den beiden Elternsorten, wo deren Formverschiedenheit gross genug war, um eine mittlere Form zwischen ihnen scharf unterscheiden zu können.^) In der Vertheilung der Färbung der Elternsorten zeigen sie die interessanteste Mannigfaltigkeit. So ein Fall, wie der vorliegende, wo die Färbung der einen Elternsorte erst am Nabelende auftritt, dann in der Mitte die Färbung der anderen Elternsorte Statt hat, während sich am letzten Drittel wieder die Färbung der ersten Elternsorte zeigt, ist Vortragendem zum ersten Male vorgekommen. Diesem schliesst sich der häufigere Fall an, wo der Pfropf hybrid an der unteren Nabelhälfte die Färbung der einen, an der oberen Spitzenhälfle die der anderen Elternsorte zeigt. So ist es bei dem von Hildebrand in Bot. Ztg. 1868 Sp. 321 sqq. Taf. VI Fig. 2 beschriebenen Falle; so ist es exquisit der Fall bei dem von Reuter durch Pfropfung der länglichen späten blauen Kartoffel von Kladow mit der weissen abgeplatteten Victoria- Kartoff'el erhaltenen Pfropf hybri- den, und ferner bei einer von Dr. Neubert durch Pfropfen einer rothen Sorte auf eine weisse gezogenen Mischsorte. Hieran reiht sich der Fall, wo die Färbungen der Poltern auf die Längs- hälften des Pfropfhybrids vertheilt sind, wie das eine von Neu- bert durch Pfropfen einer weissen Sorte auf eine schwarze Unterlage erhaltene Knolle zeigt. Aehnliche Knollen hat Fitz- patrick erhalten durch Vereinigung der mit Sc!iösslingen ver sehenen Hälften schwarzer und weisser Knollen (S. Bot. Ztg. 1869 Sp. 358). Nur selten scheint der Mischling eine gleichmässige homo- gene Mittelfarbe zwischen den Farben der beiden Eltern zu er- halten; so zeigten es die von Neubort durch Pfropfen einer 1) Die von Herrn B. Hache f;vnau iimi künstlerisch ausgeführten Zeieh- niingen der Pfropfhybriden und deren EUern zeigen dies vortrefflich. Sitzung vom i7. November. 107 rothen Sorte auf eine schwarze, und einer weissen Sorte auf eine rothe erzogenen Pfropf hybriden. Hierher ist noch vielleicht zu ziehen der von Reuter durch das Pfropfen der Blauen von Richter, einer blauen, weissgestreiften Sorte, auf die weisse abgeplattete Victoria-Kartoffel erhaltene Pfropf hybrid, der gl eich- mässig roth gefärbt ist, so dass sich hier die weisse Farbe der Eltern nur an der Schwächung des dunkelen Blau zum Roth geltend macht. Die Knollen des von Reuter durch Pfropfen der länglichen rothen Pomme de terre de Berlin auf die runde weisse Dalmahoy erzielten Pfropfhybrids haben bei intermediärer Gestalt zur Grund- farbe die weisse Farbe der Dalmahoy uud sind um die Augen herum roth gefärbt, so dass sie weisse Knollen mit rothen Augen- feldern sind. Hier ist zu erwähnen, dass Fitzpatrick durch Aneinan- derlegen der Hälften mit Schösslingen versehener rother und weisser Knollen weisse roth-gefleckte und unregelmässig roth und weiss gestreifte und gefleckte Misch -Knollen erhielt (cfr. Botan. Ztg. 1869 Sp. 358 u. 359). Ferner erzog R. Trail blau und weiss gefleckte Kartoffeln dadurch, dass er blaue und weisse Kartoffeln durch ein Auge in zwei Hälften schnitt und sie nach Zerstörung der anderen Augen sorgfältig vereinigte. Doch Han- delt es sich in diesem letzteren Falle wahrscheinlich um Ver- bindung getheilter Knospen zu einer, wie das Darwin aus- einandersetzt (s. Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zu- stande der Domestication von Charles Darwin, übersetzt von J. V. Gar US. 1868. Bd. I p. 509), ein Vorgang, der einstweilen von dem vom Einflüsse des Edelreises und der Unterlage auf einander getrennt gehalten werden muss. Vortragender war früher geneigt, die Möglichkeit zuzugeben, dass sich beim Pfropfen der Kartoffeln auf einander an der gemeinschaftlichen äusseren Berührungslinie ein Callus bilde, aus dem Knospen entspringen könnten, die Mischknollen erzeugten. Er hat aber an vielen seitdem untersuchten Kartoffelknollen nie die Bildung eines irgendwie bedeutenden Callus und nie Knospenbildung aus demselben bemerkt, wiewohl er deshalb an vier verschiedenen Knollen die ausgetriebenen Augen der Unter- lage und des Edelreises entfernt hatte, um solche Knospenbildung 108 Gesellschaft naturforschender Freunde. hervorzurufen. Er ist demnach überzeugt, dass in allen von ihm untersuchten Fällen, in denen ein Edelauge auf die Unterlage eingesetzt worden ist, die gebildeten Pfropf hybriden stets nur ein Product des reinen Einflusses des Edelreises und der Unter- lage auf einander sind; bei der von Neubert zur Bildung seiner Pfropfhybriden angewandten Methode der Pfropfung des Krautes anderer Kartoffelsorten auf junge Stecklingspflanzen versteht sich das von selbst. Die verschiedene Vertheilung der Färbungen der Eltern auf die Pfropfhybriden zeigt uns recht deutlich, in wie mannigfaltiger Weise sich die Eigenschaften der Eltern in den Pfropfhybriden vereinigen, ganz ähnlich, wie das von den Producten der ge- schlechtlichen Kreuzung bekannt ist. Und in der That sind die materiellen Vorgänge beim Einflüsse des Edelreises und der Unterlage auf einander nur graduell, nicht absolut verschieden von den Vorgängen bei der Befruchtung des Keimbläschens durch den Pollenschlauch, und noch weniger verschieden von der Ein- wirkung des Pollenschlauchs auf die Ausbildung des befruchteten Ovulums und Carpells. Bei allen diesen Vorgängen findet die Einwirkung materieller, specifisch organisirter Moleküle der einen Elternsorte auf sich entwickelnde Organe der anderen Eltern- sorte statt. Herr Ascherson übergab und besprach die Abhandlung des Herrn Dr. K. Müller in Halle ('Flora 1874 No.81) über die von ihm auf der Rohlfs'schen Expedition zur Erforschung der libyschen Wüste gesammelten Laubmoose. Bei dem bekannt- lich sehr spärlichen Vorkommen von Moosen im ganzen nord- östlichen Afrika (nur. die hohen Gebirge Nubiens und Abyssiniens und die Gallerien der tropischen Urwälder zeichnen sich durch eine verhältnissmässig üppige Moos Vegetation aus) musste es immerhin erfreulich erscheinen, dass es dem Vortragenden ge- lang, drei Moos-Localitäten in dem von ihm besuchten Gebiete aufzufinden. An zweien derselben, bei Hochwasser vom Nil bespülte Grundmauern bei der Stadt Siut und Kloster Marrag, zeigte sich nur ein zarter grüner Anflug, welcher sich erst unter der Loupe als aus winzigen Laubmoosen bestehend ergab; Dr. Müller unterschied in demselben 4 Arten, von denen Pht/sco- Sitzung vom 17. November. 109 mitrium Sesostris Lorentz bereits von G. R. Ehren berg in Aegyp- ten gesammelt wurde. Die drei anderen sind neu: Entosthodon curtiapiculafns C. M. (von allen gesammelten Moosen allein mit Anfängen von Fructification versehen), Bryum Remelei CM. und Weisia Rohlfsiana C. M., letztere mit W. reflexa aus Algerien, W. (Trichostomnm Lorentz) Mosis C. M. vom Sinai und Persien, W. (Trichostomnm Lor.) Aaronis C. M. vom Sinai, alles sehr nahe verwandte Formen, eine Untergattung Sputhulidkim C. M. bildend. Der dritte Fundort war die äussere Böschung eines wall- artig erhöhten Bewässerungsgrabens bei Mut in der Oase Dachel, woselbst sich ein ziemlich ansehnlicher Moosrasen vorfand, nach Dr. Müller aus zwei neuen Bryum- Krien bestehend, von denen Bryum Aschersonii C. M. unserem europäischen B. caespiticium, B. Korbianum C. M. unserem B. natans nahe steht. In der Oase Chargeh fand Dr. Seh wein furth kein Moos. Mit Einschluss der fünf neuen Arten erhöht sich die Zahl der aus Aegypten und der grossen afrikanischen Wüste bekannten Laubmoose auf 15. Mit Ausnahme einiger Steinflechten, welche auf dem Gebel Mokattam bei Cairo vorkommen, hat die Expe- dition nirgends eine Lichenen-Art angetroffen. Auch Pilze und Algen waren nur spärlich, Characeen dagegen in der Oase Dachel einigermaassen und in Chargeh sogar reichlich vertreten. Öie zwei in Unter -Aegypten vorkommenden Gefäss-Kryptogamen, Ädiantum Capillus Veneris L. und Marsilia aegyptiaca W. wurden in den Oasen nicht beobachtet. 110 Gesellschaft naturforschender Freunde. Als Geschenke wurden mit Dank entgegengenommen: Monatsbericht der Berliner Akademie der Wissensch., August 1874. Ascherson, Vorläufiger Bericht über die botanischen Ergebnisse der Rohlfsschen Expedition zur Erforschung der Libyschen Wüste. (Botan. Ztg. 1874.) Recueil des memoires et des travaux publies par la societe de Botanique du Gratid-Duche de Luxembourg, No. 1 1874. Proceedinys of the academy of natural sciences of Philadelphia. 1873. Pt. I — III. Proceedings of the Boston society of natural history. Vol. XV. Pt. 3, 4. Vol. XVI. Pt. 1, 2. lUemoirs of the Boston society of natural history. Vol. II. Pt. II, No. 4. Pt. III, No. 1, 2. Verhandlungen des naturhistorischen Vereins der Preussischen Rheinlande und Westphalens. Jahrg. XXIX. 1872. A W Srhado's BiulKlruckcrpi (I,. Sclia.lp in Berlin. St.illsoliroiberstr. 17. SitzunsfS-Bericht der Gesellschaft naturforscliender Freunde zu Berlin vom 15. December 1874. Director: Herr Ehrenberg. Herr Ehrenberg sprach über vom Mitgliede der Gesell- schaft Herrn Dr. Werner Siemens an ihn zur Untersuchung eingesandte Tiefgrundproben des Atlantischen Oceans in der Gegend von Neu -Fundland. Es sind mit dem beschädigten Kabel aus 510 Faden (3060 Fuss) Tiefe heraufgezogene Schlamm- proben mit einigen ansehnlichen lebenden Organismen, Der Schlamm ist eine schwarzgraue, thonige Masse, mit vielen mikro- skopischen Kieselschalen und Spongien als Fragmenten gemischt, darunter aber auch einzelne wohlerhaltene kieselschalige Bacil- larieen und kalkschalige Polythalamien. Eine speciellere Analyse dieses Schlammes ist noch nicht ausgeführt. Der dem Kabel anhängende Schlamm scheint von einer ansehnlichen lockeren Schicht reich belebten Schlammes überdeckt gewesen zu sein, welcher beim Heraufwinden des Kabels abgespült worden ist. Von besondereoi, höherem Interesse sind jedoch 2 bis 3 Arten grösserer Organismen, deren eine Form, welche in vielen Exemplaren vorliegt, eine bis 7 Zoll lange, hohle, 1 Linie dicke, unverästete Wurmröhre darstellt, die im trockenen Zustande brüchig ist und äusserlich geringelt erscheint. Diese Ringe sind fein und unregelmässig. Unter Wasser schwellen sie zu einer weichen Haut an, welche die Röhre überzieht. Die innere Röhre wird durch Aufsaugen von Wasser weniger verändert, braust 10 112 Gesellschaft naturforschender Freunde. etwas in Berührung mit Salzsäure, wird aber durch sie nur wenig und nicht auffallend verändert. Die chemische Analyse hat ausser kohlensaurem Kalk auch phosphorsauren Kalk und etwas Kieselsäure ergeben. Diese Röhren machen den Eindruck von Wurmröhren einer Annulate. Die andere Form ist kleiner und zarter, nur etwa 3 Zoll lang, ebenfalls un verzweigt, hat aber nach oben viele feine Spitzen oder Zähne, welche an die Bryozoen- Familie erinnern (Acamarchis). Unter Säure entwickelt sich eine weisse mittlere Röhre, von der sich die äussere Haut immer mehr zurückzieht, die dann plötzlich umknickt oder zur Hälfte und in kleinere Theile abbricht. Dabei ist ein hörbares feines Zischen bei Ent- wicklung von Gasbläschen bemerkbar. Nach mehrtägigem Lie- gen in Salzsäure mit Wasser tritt keine völlige Zerstörung der Form ein. Ausser der Aehnlichkeit mit Bryozoen, vielleicht auch mit Fennatulinen der Anthozoen, tritt auch etwas Verwandtschaft mit den sägeförmigen, nicht festsitzenden Graptolithen der Stein- kohlenformation hervor. Unzweifelhaft sind beide Formen mit frischem thierischem Inhalt heraufgezogen. Eine dritte, mehrere Zoll lange, dickere wurmförmige Gestalt ist ebenfalls der Untersuchung zugänglich und indem ich diese Gegenstände hier vorlege, empfehle ich sie den frischen Kräften der Gesellschaft zur näheren eingehenderen Betrachtung. Derselbe legte Atchin- Nüsse aus Sumatra vor. Es sind die hartschaligen Einzelfrüchte des Cassuvium potniferum (Ana- cardium pomif. Linn.) Wie ehedem in China und Japan aus Land- und Meeresthieren zusammengenähte Wundergestalten den Seefahrern als natürliche Seltenheiten verkauft worden sind , so sind jetzt diese Nüsse mit geringem künstlichem Zusatz in Affen- köpfe umgewandelt worden, die sich als natürliche Früchte in den Familien und Schulen am Rhein massenhaft verbreiten. Herr v. Martens sprach über einige nordafrikanische Binnen- Conchylien; er übergab zunächst eine von dem Herrn Dol'Ho- tellerie in Aiexandrien für die Gesellschaft eingesandte litho- graphirte Liste der bei demselben käuflich zu habenden Laiid- und Süsswasser-Conchylien aus Aegypten, Tunis, Algerien, Syrien Sitzung vom 15. Decemher. 113 u. 9. w., und zeigte einige Landschnecken aus Tunis vor, welche das zoologische Museum von diesem Herrn erworben hat, näm- lich die rein weisse Helix Fleurati Bourg., an H. vermiculata und Constantina sich anschliessend, und die gerippte graue Clausilia Punica Bourg., auch «an südeuropäische Arten sich anschliessend. Ferner zeigte derselbe im Anschluss an seine Mittheilung vom 16. Juni d. J. frische Exemplare eines Cerithium vor, welches von Herrn Prof. Zittel lebend in grosser Menge in stark ge- salzenen Wassergräben bei dem Städtchen Siwa in der Ammons- Oase gefunden worden ist. Es ist Cerithium conicnm ßlainv. = mammillatum (Risso?) Philippi, eine Art, welche auch an den Mittelmeerküsten lebt und zwar nicht im offenen Meer, sondern hauptsächlich in Strandseen, deren Salzgehalt einerseits durch Zufluss süssen Wassers, andrerseits durch starke Verdun- stung bei geringer Tiefe starken Schwankungen unterworfen ist; Philippi fand diese Art „in lacunis et salinis Messinae et Augustae" (Agosta an der Ostküste von Sicilien), Herr Müller, welcher im Auftrage des botanischen Reisevereines 1827 Sardinien bereiste, bei Cagliari, wo sich auch eine grosse Lagune mit Süsswasserzuflüssen, der stagno di Cagliari, und daneben Sa- linen befinden; die Gebrüder Villa in Mailand, deren einer Sar- dinien selbst bereist hat, haben sardinische Exemplare dieser Art sogar unter dem von Jan gegebenen Namen Pirena nigra in ihre Sammlung von Land- und Süsswasser-Conchylien auf- genommen (dispositio syst, conch. 1841 p. 37), wie sie es auch mit den Lagunenmuscheln Scrobicularia plana Dacosta (Solen callosus Olivi) und Corbula mediterranea Costa (Lentidium macu- latum Jan) machten, wahrscheinlich indem dieselben noch an Stellen von geringem Salzgehalt gefunden wurden. Gerade auch auf diese Conchylien- Arten neben Hydrobia stagnalis und der Fischgattung Cyprinodon hat der Vortragende in einer früheren Arbeit (Troschel's Archiv f. Naturgesch. XXIV. 1858 p. 201) aufmerksam gemacht als Repräsentanten einer eigenthümlichen Brackwasserfauna, die sich durch grössere Widerstandsfähigkeit sowohl gegen ungewöhnlich hohe Grade der Temperatur als gegen stärkere Schwankungen des Salzgehaltes vor den Süss- wasser- und den Meerthieren auszeichnen, und für welche Prof. Möbius neuerdings die Ausdrücke eurytherm und euryhalin \ot- 10* 114 Gesellschaft naturforschender Freunde. geschlagen hat. Die Gattung Cyprinodon, von der schon durch Ehrenberg eine Art aus der Ammons-Oase, C. Haminonis, be- kannt geworden ist, lebt auch anderswo in Salzseen und warmen Quellen in grösserer Entfernung vom gegenwärtigen Meere, z. B. in Persien, Cerithivm war aber bis jetzt nur aus der un- mittelbaren Meeresnähe bekannt, und sein Vorkommen in der Oase ist daher ein Grund mehr, eine frühere, nicht in allzuferne Zeit zurückreichende Meeresbedeckung derselben anzunehmen. Bekanntlich wurden auch im westlichen Theil der Sahara, und zwar viel tiefer landeinwärts, schon recente Conchylien- Arten gefunden, namentlich Cardium edule, auch eine eurytherme und euryhaline Art, aber doch, soviel wir wissen, nur in todten Schalen nicht in lebenden Exemplaren. Der Deckel unseres C. conicum aus der Oase ist kreisrund mit zahlreichen schmalen Umgängen; ein solcher Bau des Deckels ist bekanntlich charakteristisch für die Brackwasser- Cerithien (Pofamides Defrance), und zwar sowohl die grossen indischen wie C. palustre^ telescopiiim^ decollatum, als das an den europäi- schen Küsten weit verbreitete kleinere C. reticulalum Dacosta (scabrum Olivi, lima Brug.), während bei den mehr typischen Cerithien, wie C. vertagus, vulgatum a. s. w. er oval und wenig gewunden ist. Herr Otto Müller sprach über den Bau der Zellwand in der Bacillarien-Gattung Grammatophora. Vortragender erwähnt zu- nächst seine bezüglichen früheren Untersuchungen in der Gattung Epilhemin. Es gelang demselben bei mehreren Arten (E. Zebra, E. zebrina, E. capitata, E. Argus, E. ocellata, E. alpestris) ein eigen- thümliches intracellulares Gebilde zwischen Schaale und Gürtel- bändern nachzuweisen, welches er „In termed i anplatte" nannte. Die Iiitermedianplatte ist ein Septum, welches die Zelle (pier durchzieht und den Zellraum innerhalb der Schaale von dem durch die Gürtelbänder umsclilossenen trennt. Die Communi- cation zwischen beiden Räumen wird durch mehrfache Lücken in der Substanz der Schaale vermittelt, welche nur schmale, auf der Oberseite mit Hohlkehlen versehene Leisten zwischen sich lassen. Der Zellraum innerhalb der Sciiaale wird durcli ein System kleiner und sehr zarter Septen, welche zur Intermedian- Sitzung vom 15. Decemher. 115 platte rechtwinklig orientirt sind, und deren freier Rand sich in die Hohlkehlen der erwähnten Leisten einsenkt, in eine An- zahl Fächer eingetheilt. (lieber das weitere Detail des Baues cf. diese Berichte, Jahrg. 1872, p. 69 ff.) Hierdurch gewinnt die Interrnedianplatte die Bedeutung eines Apparates, welcher auf die Gestaltung des inneren Zellraumes wesentlich ein- wirkt und die Formation der Endochromplatten und des plasmatischen Zellkörpers beeinflusst. Vortragender glaubte voraussetzen zu dürfen, dass sich ähn- liche Gebilde auch in anderen Diatomeen finden würden, und untersuchte darauf hin die Gattung Gi-mtimatophora, von welcher die Arten mariiia u. subtilissinia als Tests eine grosse Verbreitung unter den Mikroskopikern gefunden haben. Es ist eine längst bekannte Thatsache, dass im Innern der Grammatophoren Septen verlaufen; der eigenthümliche Bau und die Bedeutung derselben sind indess nur sehr ungenügend ermittelt. Vortragender con- statirt zunächst, dass die Intermedianplatten der Epithemien und die Septen der Grammatophoren analoge Gebilde sind und nennt daher auch dieses Septum Intermedianplatte. Indess bestehen mehrere wesentliche Unterschiede. Auch bei den Grammatophoren wird durch die Intermedian- platte der Schaalenraum jeder Zellhälfte von dem Gürtelband- raum getrennt; die Communication zwischen beiden Räumen wird hier aber nur durch eine centrale ovale Oeffnung herge- stellt, im Uebrigen ist die Platte un durchbrochen. Während nun die Intermedianplatte der Epithemien untrennbar mit dem Gürtelbande verwachsen ist, wird die Intermedianplatte der Grammatophoren von einem breiten membranösen Ringe um- schlossen (Intermedian-Ring), welcher sowohl von der Schaale wie von dem Gürtelbande leicht und vollständig isolirt werden kann. In mittlerer Höhe des Ringes ist die Platte an- geheftet, welche bei den verschiedenen Arten verschieden geformt ist, am eigenthümlichsten und bemerkenswerthesten indess bei Gr. serpentina. Bei dieser Art bildet die Platte eine Wellenoberfl äche und erscheint daher bei Betrachtung im Profil (von der Gürtel- bandseite der Zelle) schlangenförmig gewunden, die bekannten Grammata, nach denen die Gattung den Namen trägt, zeigend. 116 Gesellschaft naturforschender Freunde. Die Ränder der Platte sind nicht glatt, sondern verlaufen in einer geschwungenen Linie, der Art, dass jedem Wellen- berge und jedem Wellenthale der Platte eine Einbuchtung des Randes, dem dazwischen liegenden , in schiefer Ebene an- oder absteigenden Theile, eine Ausbuchtung zukommt. In einiger Entfernung vom Centrum steigt die Wellenfläche auf beiden Seiten nach abwärts, rollt sich leicht ein und endet mit einer freien Kante. Hierdurch entsteht die centrale OefFnung, welche durch sattelförmige Einbuchtung der Fläche an dieser Stelle eine ovale Begrenzung hat. Die umschliessende Membran des Ringes ist der Form der Plattenränder entsprechend gefaltet; diejenige Kante des Rin- ges, an welche das Gürtelband angeheftet ist, bildet daher eine Linie, wie etwa der Querschnitt einer ovalen cannelirten Säule; die entgegengesetzte indess, welche im Leben der Schaale an- liegt, ist schwach nach Innen gebogen und zeigt ein einfaches glattes Oval. Die zugehörigen Kanten der Schale einerseits und des Gürtelbandes andererseits, verlaufen natürlich den vorigen gleich, während die freie Kante des Gürtelbandes wiederum ein glattes Oval ist, aber von etwas grösserem Durchmesser als das Oval der Schaalenkante des Ringes. Hierdurch wird die Ansicht erklärt, welche man erhält, wenn man die unverletzte Zelle oder deren Hälfte von der Schaalenseite aus betrachtet. Man bemerkt alsdann zwei glatte concentrische Contouren von ovaler Form, zwischen denen eine geschwungene Linie verläuft. In unmittelbarer Nähe der Linie, welche durch die Anheftung der Intermedianplatte an die Membran des Ringes beschrieben wird, finden sich häufig scharf umschriebene verdünnte Stellen in der Zellwand des Ringes. Längs der Schaalenkante des Ringes ist ein zweites Septum angelegt, welches aber nur eine kurze Strecke in den Zellraum vordringt und mit einer halbmondförmigen freien Kante daher eine mächtige Oeffnung umschliesst. Die Schaale selbst ist ein länglich ovaler Deckel, ohne weitere bemerkenswerthe Diflerenzirungen, mit sehr schwach entwickelter Mittellinie. Die feinere Sculptur derselben, den Sechsecken der Pleurosujuien ähnlich angeordnet, ist nur bis zu den Stellen sichtbar, unterhalb welchen die halbmondtVirmige Sitzung vom 15. Decemher. 117 Contour des zweiten Septum erscheint. Ueber die Organisation dieser Sculptur ist Vortragender nicht im Stande gesicherte An- gaben zu machen, doch glaubt derselbe, dass sie sich von den anatomischen Grundlagen, auf welche er die Sculptur der Pleuro- sigmen basirt erachtet (cf. diese Berichte, Jahrg. 1871, p. 74 ff. sowie Reichert u. D u Bois-Reyraond's Archiv, Jahrg. 1871, p. 619 ff.) unterscheidet, da der optische Querschnitt bei Weitem nicht die Höhe der Pleurosigmen-Querschnitte erreicht. Bei den Arten marina und subtilissima ist die Intermedian- platte nur einmal wellig gebogen und verläuft von da in gerader Richtung; auch sind die Ränder der Platte nicht, oder nur sehr unbedeutend geschwungen. Das zweite Septum dringt bei diesen Arten bis zum Gipfel der Welle vor und scheint denselben mit dem freien Rande zu berühren, so dass zu beiden Seiten des Längsschnittes ein geschlossener kleiner Raum entsteht; in der Profilansicht scheinen daher die Grammata an ihren ürsprungs- stellen gabelförmig getheilt. Der umstand, dass bei den Epithemien die Intermedianplatte untrennbar mit dem Gürtelbande verbunden ist, weist darauf hin, dass dieselbe zum Gürtelbande gehört und eine Complication dieses Theiles der Zellwand bildet. Vortragender glaubt aus diesem Grunde annehmen zu dürfen, dass auch der entsprechende Apparat der Grammatop hören dem Gürtelband -Theile der Zell- wand beizuordnen ist. — Das Untersuchungs- Material (Gr. ser- pentina und angiilosa) verdankt Vortragender der Güte des Herrn Dr. Magnus; dasselbe stammt von Capri und von Yokohama. Herr Gerstaecker machte, unter Vorlegung mikroskopi- scher Präparate und mit besonderem Bezug auf die durch die „Reblaus" verursachten und immer weiter um sich greifenden Verwüstungen der Weindistrikte Frankreichs, Mittheilungen über die Gattung Phylloxera im Allgemeinen, so wie über die Lebens- weise und Fortpflanzung der beiden ihr angehörenden einheimi- schen Arten: Phyllox. qtiercus Boy er und vastatrix PI an eh. Ueber die Gattung Phylloxera Boyer (Vacuna v. Heyd., Acanthoc/iermes Koll., Rhizaphis PI an eh.) wurde zunächst be- merkt, dass sie keineswegs, wie es einige neuere französische Autoren geltend zu machen versucht haben, die Mitte zwischen 118 Gesellschaft naturforschender Freunde. Blatt- und Schildläusen (Aphidina et Coccino) halte, sondern dass sie nach allen morphologischen Merkmalen als der Familie Aphi- dina angehörig und als in nächster Verwandtschaft mit Chermes Lin. stehend zu betrachten sei — eine Ansicht, welche zuerst durch V. Heyden und Kollar begründet, von Kaltenbach, Passerini, Signoret u. A. mit Recht acceptirt worden sei. Die von den eigentlichen Blattläusen (Aphis, Lachnus) abweichende ausschliessliche Oviparität der Weibchen könne gegen diese Zu- gehörigkeit zu den Aphidinen um so weniger geltend gemacht werden, als sie einerseits mit derjenigen der Coccinen nichts Näheres gemein habe, andererseits aber mit der Fortpflanzung der Aphidinen darin übereinstimme, dass bei einer Coexistenz geflügelter und ungeflügelter Weibchen abwechselnd eine partheno- genetische und eine auf geschlechtlichem Wege erzielte Production von Eiern stattfände. Von den beiden einheimischen Arten der Gattung ist die auf der Blattfläche verschiedener Querats-Arten (Querciis pedun- culata, sessilißora u. coccifera) lebende Phylloxera quercus schon seit vierzig Jahren bekannt, indem sie von Boyer de Fon- scolombe (Annal. de la soc. entom. III. p.223, pl. l D, fig. 4u.6) zuerst im Jahre 1834, wenngleich in sehr mangelhafter Weise — nämlich als ein „neues Hymenopteron" — abgebildet worden ist. Bald darauf wurde sie durch v. Heyden (1837) unter dem Namen Vacuna coccinea, später (1848) noch einmal von Kollar als Acanihochermes quercus zur Kenntniss gebracht. In der Um- gegend Berlin's im Allgemeinen ebenso selten, wie es Kalten- bach (Monogr. d. Pflanzenläuse, S. 205) für die Aachener Gegend hervorhebt, wurde diese Art vom Vortragenden zum ersten Male im Jahre 1873 in unglaublicher Individuenzahl beobachtet. Eine einzelne und sehr exponirt stehende Eiche des hiesigen Zoolo- gischen Gartens, deren Stamm etwa 18 Zoll im Durchmesser hat, zog seine Aufmerksamkeit dadurch auf sich, dass ihre sämmt- lichen Blätter bis in den äussersten Gipfel hinauf mit unzähligen rostfarbenen Tupfen und Pünktchen bedeckt waren und so ge- wissermaassen das Ansehen darboten, als seien sie mit einer Säure bespritzt worden. Eine nähere Betrachtung dieser Blätter ergab, dass ihre Unterseite je mit vielen Hunderten von Individuen dieser winzigen Blattlaus, deren Stich jene missfarbigen Tupfen vor- Sitzung vom 15. December. 119 ursacht hatte, besetzt war, und dass sich unter denselben sämmt- liche Entwickelungsstadien von dem eben abgelegten Eie bis zum fortpflanzungsfähigen, flügellosen Weibchen repräsentirt fanden. Letztere, mit dem Rüssel in das Blattparenchym eingebohrt, hatten theils ihre Eier in Form eines sie umgebenden Ringes bereits vollständig abgesetzt, theils waren sie noch in diesem Geschäft begriffen oder hatten dasselbe eben erst begonnen. Sie gingen dabei in der Weise vor, dass sie, ohne mit ihrem Rüssel von der Unterlage loszulassen, sich langsam um sich selbst dreh- ten und, um ein Ei hervortreten zu lassen, jedesmal die Spitze des Hinterleibes stark teleskopartig hervorstülpten. Die durch fünfzehn bis zwanzig eng aneinanderschliessende Eier gebildeten Kreise waren daher durchweg ganz regelmässig.*) An bereits geschlossenen Kreisen Hessen die meisten Eier die Embryonal- Eutwickelung in den mannigfachsten Abstufungen erkennen, manche das Ausschlüpfen der jungen Larve aus der Eihülle beobachten. Von den jungen Thieren konnten zahlreiche auf der Wanderung begriffen, andere weiter vorgeschrittene mit den Vorbereitungen, sich festzusaugen, um auch ihrerseits Eier zu produciren, beschäftigt angetroffen werden. Sämmtliche beob- achtete Individuen gehörten der von Kollar (Sitzungsber. der Wiener Akad. der Wissensch., mathem.-uaturw. Classe I, 1) auf Taf. I Fig. 7 abgebildeten , von ihm aus den Eiern wesentlich verschieden gestalteter und eigenthümliche Blattgallen bildender Weibchen (Fig. 4 u. 6) erzogenen Form an: ein Umstand, wel- cher sich einfach aus der verschiedenen Jahreszeit erklärt.**) ♦) Kalten bach (a.a.O. S. 205) sah abweichend hiervon die Weibclien ihre Eier „in mehreren concentrischen Kreisen" um sieh herum ablegen, was auch durch Ralbiani (Compt. rend. de l'Institut de France. Tom. 77 p. 831) wenigstens für die erste von ihm beobachtete Generation einer gleichfalls sehr umfangreichen Colonie bestätigt wird. Ueber die Nachkommenschaft derselben giebt er jedoch in Uebereinstimmung mit dem Obigen an: „Bientot toute la surface inferieure de la feuille se trouve couverte d'une quantite' innombrable de petits insectes apteres de toute dimension, qui, suivant leur taille, sont entoures au moins d'un cercle d'oeufs plus ou moins nonibreux." **) Die von Kollar beschriebenen und abgebildeten Weibchen mit brei- terem, flacherem und beiderseits gedörneltem Körper wurden von ihm im Monat Mai, übrigens gleichfalls zu Tausenden auf Eichenblättern angetroffen. Dieselben legten ihre Eier (bis fünfzig an Zahl) nicht in regelmässigen Kreisen um, sondern in Häufchen hinter sich. 120 Gesellschaft naturforschender Freunde. Da, wie erwähnt, Blatt für Blatt in gleicher Dichtigkeit von dieser Phylloxera besetzt war, so entzog sich die Zahl der auf dem ganzen Baume befindlichen Individuen jeder auch nur an- nähernden Schätzung. Das schon seiner Seltenheit wegen inter- essante Phänomen in seiner weiteren Entwickelung zu verfolgen, wurde der Vortragende leider durch eine bald darauf von ihm unternommene Reise verhindert. Er muss es daher dahingestellt sein lassen, ob auch in diesem Fall die flügellosen Weibchen durch geflügelte und diese durch eine aus männlichen und weiblichen Individuen bestehende Generation, wie erstere von Boy er und Kaltenbach, letztere von Balbi an i*) beobachtet worden sind, abgelöst wurden. Als er den Baum um die Mitte Septembers des- selben Jahres wiedersah, waren seine Blätter vollständig vergilbt, ohne noch eine Spur von Blattläusen erkennen zu lassen. Da sich auch im Jahre 1874 auf dem Baume (bei völlig grünem Laube) trotz eingehendster Nachforschung keine Phylloxera auffinden Hess, möchte vielleicht der Schluss gerechtfertigt sein, dass die übergrosse Zahl der Individuen im Vorjahre durch den schliess- lich eintretenden Nahrungsmangel das Eingehen der ganzen Colonie zur Folge gehabt habe. Einer ungleich späteren Zeit gehört die Entdeckung der zweiten, von der eben erwähnten schon durch ihre unterirdische Lebensweise abweichenden Art, der durch ihre Eingriffe in eines der edelsten unserer Culturgewächse berüchtigt gewordenen Phylloxera vasfatrix an. Sie fällt, nachdem sich bereits mehrere Jahre vorher zuerst sporadische, dann immer ausgedehntere Erkrankungen des Weinstockes im Rhone -Delta bemerkbar ge- macht hatten, erst in das Jahr 1868, in welchem diese „W^urzel- laus" durch Planchon in Montpellier als die Urheberin der Weinkrankheit hingestellt und mit dem Namen Rhizapkis rasta- trix belegt worden ist. Bei den wahrhaft ominösen Dimensionen, *) Compt. rend. Tom. 77, p. 884 ff. Die Au.sbilduiig geflügelter Weib- chen fand bei Paris von Mitte bis Ende Augusts statt; Anfangs September's setzten dieselben ihre Eier zu je fünf bis acht und von zwiefacher Grösse auf die Eichenblätter ab. Die aus diesen hervorgehenden Individuen sind ungeflUgelte Männehen und Weibchen, deren Begattung sehr schnell, in wenigen Minuten vor sich geht. Die Nachiionimenschaft eines solchen Paares be- schränkt sich auf ein einziges, vom Weibchen jiroducirtes YA (Wintere! nach ßalbiani). Sitzung vom 15. December. 121 welche die durch dieselbe verursachten Zerstörungen des Wein- stockes zuerst im südöstlichen (Rhone -Gebiet), dann aber auch im westlichen Frankreich (Flussgebiet der Garonne und Charente) angenommen haben, kann es nicht Wunder nehmen, dass die den Gegenstand theils in wissenschaftlicher, theils in praktischer Beziehung behandelnde Literatur nach gerade eine sehr umfang- reiche geworden ist, zumal ein im Jahre 1871 von der Fran- zösischen Regierung für den Nachweis eines wirksamen Ver- tilgungsmittels ausgesetzter Preis von 20,000 Francs gegenwärtig auf 300,000 Francs erhöht worden ist. Ausser den verschiedenen Agricultur-Journalen der befallenen Departements sind die letz- ten Jahrgänge der Comptes rendus, der Annales de la soc. ento- molog. de France, der 22. Band der Memoires des savants etrangers der Pariser Akademie u. A. von den mannigfachsten Artikeln über die Phylloxera vastatrix überfüllt, während ausserdem noch eine ganze Reihe separat erschienener Brochüren der Fortpflan- zung, der Verbreitung, der Vernichtung u. s. w. des schädlichen Thieres gewidmet ist. Um die in erster Reihe wichtige Fest- stellung der Naturgeschichte desselben haben $ich vor Allem Planchon, Lichten stein, Faucon, Cornu, Signoret, Balbiani und Girard verdient gemacht und Letzterer hat ganz vor Kurzem unter dem Titel: Le Phylloxera de la vigne, son Organisation, ses moeurs, choix des procedes de destruction (Paris 1874. 119 pag. in 12o.) eine mit instructiven Abbildungen ausgestattete, übersichtliche Darstellung der Lebensweise und Fortpflanzung des Thieres, so weit sie bis jetzt in Frankreich ermittelt worden ist, veröff"entlicht, aus welcher hervorgeht, dass trotz zahlreicher und sorgsamer Beobachtungen noch manche empfindliche Lücken in der Kenntniss desselben verblieben sind. Da der Vortragende eine dieser Lücken durch einen von ihm vor Kurzem an befallenen Rebwurzelu gemachten Befund aus- füllen zu können glaubt, so resumirt er zuvor die bis jetzt über die Fortpflanzung des Insektes ermittelten Thatsachen. Die Anwesenheit der Phylloxera vastatrix an den Wurzeln des Weinstockes kennzeichnet sich dadurch, dass die sich zu- vörderst noch in normaler Weise entwickelnden Blätter früh- zeitig gelb oder roth werden, dass ihre Ränder sich einrollen, und dass die Trauben in ihrem Wachsthum zurückbleiben. Star- 122 Gesellschaft naturforschender Freunde. ker befallene Stöcke setzen dann im zweiten Jahre nur noch wenige und kleine Blätter, Trauben aber überhaupt nicht mehr an. Von den unterirdischen Theilen des Stockes zeigen beson- ders die dünneren, fleischigen Wurzelausläufer dadurch ein sehr charakteristisches Ansehen, dass sie zu mehr oder weniger zahl- reichen knolligen Auftreibuiigen von spindel- oder eiförmigem Umriss und etwa 5 bis 8 mill. Länge deformirt sind. Durch das an den Endwurzeln saugende Insekt erzeugt, gehen diese An- scliwellungen später in Fäulniss über, welche ihrerseits wieder die Urheber veranlasst, auf die stärkeren, verholzten Wurzeln überzugehen. An diesen erzeugt das sich in die Risse der Rinde festsaugende Insekt ein Absterben der letzteren, welche sich dann vom Splint leicht abschälen lässt. Die Einwirkung zahlreicher P%//oj-era- Individuen auf den Weinstock ist mithin eine lethale. Die Entwickelung und Fortpflanzung der ^iReblaus" ist, wie bei den übrigen Aphiden, mit dem Auftreten mehrerer, sich ein- ander ablösender Formen verknüpft. Nach Ablauf des Winters finden sich an den Wurzeln des Weinstockes, wie zuerst Lich- tenstein (Bullet, soc. entomol. 1870, p. X) angegeben hat, nur junge, flügellose, im Larvenzustand befindliche Individuen, da- gegen weder fortpflanzungsfähige Weibchen noch Eier. Dass diese jungen Larven jedoch bereits im Spätherbst (October, No- vember) vorhanden sind und an den Wurzeln oft in enormer Individuenzahl überwintern, geht aus den auf umfassenden Unter- suchungen beruhenden Angaben Faucop's (Corapt. rend. T. 76, p. 76G), welcher um diese Zeit niemals lebende Weibchen und nur in einem Falle noch Eier antraf, hervor. Nach Faucon's Beobachtung (ebenda T. 76, p. 1070) beginnen die während des Winters sich in einem scheintodartigen Erstarrungszustande be- findenden Larven in den ersten Tagen des April wieder auf- zuleben, nehmen dann bald durch Nahrungsaufnahme zusehends an Grösse zu und sind Mitte Aprils bereits mit der Ablage von Eiern beschäftigt, ohne wesentliche Formveränderungen einge- gangen zu sein. Solche flügellose, sich ohne vorangegangene Begattung durch Eier fortpflanzende Weibchen finden sich nun an den Rebwurzeln bis zutii Beginn des Sommers, zuweilen so- gar bis Ende Juli's ausschliesslich, fohlen aber auch nach dieser Sitzung vom 15. December. 123 Zeit keinesweges. Ihre Entwickelung und Fortpflanzung geht sehr schnell vor sich, indem sie nach der directen Beobachtung Lichtenstein's (Compt. rend. T. 77 p. 522) aus dem Eie acht Tage nach seiner Ablage ausschlüpfen und schon sechs Tage nachher ihre volle Grösse und die Fähigkeit, Eier abzusetzen, erlangt haben. Nachdem sich mindestens zwei Monate hindurch mehrere solche Generationen abgespielt haben, tritt nach Lich- tenstein (a. a. O. T. 77, p. 342) zuweilen schon Mitte Juni's, meist aber erst (Balbiani in Compt. rend. T. 79, p. 502 flf.) in der ersten Hälfte des Juli insofern eine Veränderung ein, als sich ein Theil der flügellosen Larven, welche sich den anderen gegenüber durch gestreckteren Körper auszeichnen, zu einer mit Flügelstummeln versehenen Nymphe, deren Thoraxsegmente auch eine abweichende Gestaltung erkennen lassen, umwandeln (Gi- rard, a. a. O. p. 40). Aus diesen Nymphen, welche sich be- sonders an den knollenförmigsn Auftreibungen der Wurzelaus- läufer vorfinden, und vom 12. Juli bis zum 10. August (nach Balbiani in Compt. rend., 31. Aout 1874) immer häufiger wer- den, entwickeln sich geflügelte Imagines, welche durchgängig Weibchen sind und gleich den noch jetzt neben ihnen bestehenden ungeflügelt^n auf parthenogenetischem Wege Eier produciren. Letztere werden (nach Beobachtungen in Zuchtgläsern) niemals an Zweige oder die Rinde des Weinstocks, sondern immer an das Wollhaar junger Blätter oder Knospen abgesetzt und sind von zweierlei Grösse. Aus den grösseren von 0,4 mill. L. und 0*2 mill. Br. gehen Weibchen, aus den kleineren von 0,26 mill. L. und 0,13 mill. Br. Männchen hervor, beide ungeflügelt und eines ausgebildeten Saugrüssels entbehrend. Balbiani, welcher (Sur le Fhylloxera aile et sa progenitiire in : Comptes rendus T. 79, p. 562 fi".) diese sexuirten Individuen erst im vergangenen Som- mer beobachtet und zur Kenntniss gebracht bat, konnte sich auch bei den Weibchen dieser Art von der Ausbildung nur je eines Eies überzeugen, ist aber über den Ort, wo dasselbe ab- gesetzt wird, bisher in Unkenntniss geblieben , selbst nicht ein- mal von der Begattung Zeuge gewesen. Die Bedeutung, welche er diesem von dem begatteten Weibchen producirten „Winterei" beimisst, ergiebt sich aus folgenden Worten: „Pratiquement il y aurait un interet considerable ä connaitre le Heu oü cet oeuf 124 Gesellschaft naturforschender Freunde. est depose, afin de detruire dans leur germe les innombrables generations, dont il est la source. II serait aussi important de savoir, s'il eclot avant l'hiver, pour donner issue ä un jeune qui s'enfonce ensuite dans l'interieur du sol, ou si Teclosion n'a lieu qu'au printemps suivant." Diese Aeusserung Balbiani's impli- cirt offenbar die Ansicht, dass die Froduclion solcher Wintereier für das B^ortbestehen der Art während des nächsten Jahres be- dingend sei, d. h, dass sich die im Frühling an den Wurzeln vorfindenden Larven — deren bereits durch Faucon nachge- wiesene Existenz im October und November von Balbiani nicht berücksichtigt worden zu sein scheint — nur aus solchen von begatteten Weibchen abgesetzten Eiern entwickeln. Dass dieses nun aber, wenn überhaupt, jedenfalls nur in sehr be- schränktem Maasse der Fall ist, kann schon deshalb nicht dem geringsten Zweifel unterliegen, weil die im Winter und Frühling an den Wurzeln vorhandene enorme Zahl von Larven in gar keinem Verhältniss zu den offenbar relativ sehr spärlichen, von der geschlechtlichen Generation herrührenden Eiern steht. Ja man könnte sogar mit gutem Grunde behaupten, dass, wenn die Nachkommenschaft des nächsten Jahres allein von diesen — vielleicht nicht einmal constant auftretenden — sexuirten Indi- viduen resultirte, so ausgedehnte und anhaltende Verwüstungen, wie sie thatsächlich vorliegen, überhaupt gar nicht denkbar wären. Unter allen Umständen spielen diese Wintereier für die Fort- existenz der Art eine, wenigstens numerisch, nur sehr unter- geordnete Rolle, wie sich aus dem folgenden, vom Vortragenden gemachten Befunde leicht erkennen lässt. An Wurzelausläuf'ern erkrankter Weinstöcke, welche im No- vember d. J. zu Klosterneuburg aus der Erde genommen und von Herrn Dr. Rösler in Weingeist gesetzt, dem hiesigen land- wirthschattlichen Museum — auf Wunsch des Herrn Dr. Witt- mack — übersandt worden waren, fanden sich die von Girard (a.a.O. p. 12 u. 13) charakteristisch abgebildeten knollenartigen Auftreibungen in Mehrzahl vor, und auf diesen, wie schon die Betrachtung mit der Lupe ergab, eine ansehnliche Zahl von Wurzelläusen. Um eine nähere Einsicht in ihr Fntwickelungs- stadium und ihre numerischen und örtlichen Beziehungen zu den Wurzelanschwellungen zu gewinnen, wurde eine der grösseren Sitzung vom 15. Decemher. 125 unter diesen von etwa 7 mill. Länge, welche an ihrem einen Ende stark eingekrümmt war und mehrere tiefe Einkerbungen erkennen Hess, einer spezielleren Musterung unterworfen. Die- selbe ergab zunächst die Anwesenheit von fünf über die Ober- fläche der Anschwellung zerstreuten, d. h. in weiteren Entfer- nungen von einander befindlichen Weibchen, welche sich mit ihrem Rüssel meist an vertieften Stellen , in welchen sie selbst fest eingeklemmt sassen, festgesogen hatten. Zwei dieser Weib- chen erwiesen sich als der in Frankreich zuerst bekannt gewor- denen flügellosen Form angehörig und zwar war das eine von 0,7 mill. Länge, nach seiner verschrumpften und missfarbigen Körperhaut zu urtheilen, augenscheinlich zu der Zeit, wo die Wurzeln in Weingeist gesetzt wurden, bereits abgestorben, wäh- rend von dem anderen (0,84 mill. lang) nach seiner prallen Körperform und lichten Färbung mit Sicherheit angenommen werden konnte, dass es erst durch den Weingeist seinen Tod gefunden habe. Ausser diesen beiden Weibchen, deren nächste Umgebung durchaus frei von anderen f/i?///oj-era-Individuen war, ergab die Untersuchung die Anwesenheit noch dreier anderer weiblicher Individuen von 0,82, 0,86 u. 0,94 mill. Länge, welche von den erst erwähnten einerseits durch die Ausbildung von Flügelstummeln an ihren beiden hinteren Thoraxringen, anderer- seits dadurch abwichen, dass sich in unmittelbarem Anschluss an ihren Körper jedesmal eine grössere Zahl junger PliijUoxera- Individuen, in der Grösse zwischen 0,24 und 0,38 mill. schwan- kend, vorfand. Für das eine dieser mit Flügelstummeln ver- sehenen Weibchen konnte die Zahl der seinen Hinterkörper umringenden Larven anf 45 festgestellt werden, während sie bei den anderen ungleich geringer war, sich bei dem einen z. B. auf 22 beschränkte. Auch von diesen drei Weibchen und den sich ihnen anschliessenden Jungen konnte nach der Art, wie sie der Wurzeloberfläche aufsassen, und nach der Prallheit und Färbung ihrer Körperhaut nur angenommen werden, dass sie beim Ein- setzen der Wurzel in Weingeist noch lebend gewesen seien, so wie ferner, dass es sich bei den im Larvenstadium befindlichen Individuen jedesmal um die Nachkommenschaft der erwachsenen, aus deren hinter sich abgelegten Eiern sie hervorgegangen waren, handele. Abgesehen davon, dass jedes der Mutter- Individuen 126 Gesellschaft naturforschender Freunde. mit den Larven eine deutlich in sich abgegrenzte Gruppe dar- stellte, sprach für diese Annahme der Umstand, dass die Jungen, der allmähligen Ablage der Eier entsprechend, nicht durchgängig von gleicher Grösse waren, sondern eine, wenn auch nicht ganz regelmässige Stufenleiter in der Ausbildung repräsentirten. Was nun die Körperbildung der drei letzterwähnten weib- lichen Individuen betrifft, so hält dieselbe gewissermassen die Mitte zwischen derjenigen der sich parthenogenetisch fortpflan- zenden flügellosen Weibchen, wie sie vom Beginn des Frühlings bis zur Mitte des Sommers ausschliesslich vorhanden sind und derjenigen, welche die sich zu geflügelten Weibchen entwickeln- den Nymphen (Girard a. a. O. p. 40) erkennen lassen. Mit letzteren stimmen diese morphologisch gewissermassen gleichfalls im Nymphenstadium befindlichen Individuen einerseits durch die Ausbildung von Flügelstumraeln , andererseits durch das lang- streckige und parallele dritte Fühlerglied überein, weichen da- gegen nicht nur in der Bildung der Thoraxringe, sondern auch besonders durch den ungleich kürzeren und breiteren Körper- umriss ab. In letztei-er Beziehung lassen sie, ganz abweichend von den nach Girard's Abbildung schmalen und gestreckten Nymphen, eine fast völlige Uebereiustimmung mit den flügel- losen Weibchen erkennen, indem sich die Breite" ihres Körpers zur Länge wie 1 : 2 verhält. (Nach Mikrometer- Messungen ist ein flügelloses Weibchen bei 0,8 mill. Länge 0,4 mill. breit, von den mit Flügelstummeln versehenen das eine 0,82 mill. lang und 0,42 breit, das andere 0,94 mill. lang und 0,4G mill. breit), Ihre sonstigen Unterschiede von den eigentlichen Nymphen liegen erstens in der Form der Thoraxringe, welche derjenigen der ungeflügelten Form viel näher steht als der die Imago charakte- risirenden (und bei der Nymphe bereits deutlich hervortretenden), zweitens in der relativen Grösse des Kopfes und drittens in der Form und Kürze der Flügelansätze. Diejenigen des Mesothorax sind nämlich bei 0,115 mill. Breite nur 0,15 mill. lang (an ihrem Innenrande gemessen) und an ihrem Ende regelmässig breit und stumpf abgerundet, so dass sie in Form und relativer Grösse lebliuft an diejenigen einer weiblichen Periplaneta orieutalis er- innern. Sie selI)St sowohl wie auch besonders die Gestalt der ihnen entsprechenden Thoraxringe lassen deutlich erkennen, dass Sitzung vom 15. December. 127 es sich bei ihrer Anlage durchaus nicht um die Hervorbildung eines geflügelten Insektes handeln konnte, sondern dass ihre Träger gleich von vorn herein auf dem Nymphenstadiura stehen zu bleiben bestimmt waren. Die Existenz einer solchen zwischen dem ungeflügelten und geflügelten Phylloxera -W eihcheu die Mitte haltenden und gleich jenen beiden fortpflanzungsfähigen Form kann angesichts ver- schiedener unter den ametabolen Insekten bekannt gewordener analoger Fälle nicht besonders überraschen. Auffallend muss es dagegen erscheinen einerseits, dass dieselbe bis jetzt noch von keinem der zahlreichen französischen Untersucher aufgefunden und namhaft gemacht worden ist, andererseits, dass sie sich zu einer Jahreszeit vorfindet, in welcher nach den bisher vorliegen- den Ermittelungen weder geflügelte noch ungeflügelte geschlechts- reife Individuen vorhanden sein sollten. Aus dem vorliegenden, bis jetzt vereinzelt dastehenden Befunde den Schluss ziehen zu wollen, dass die überwinternden und mit beginnendem Frühling den Ausgangspunkt für die ungeflügelten Generationen abgebenden Larven ausschliesslich von solchen nymphenförmigen Weibchen herstammen, wäre offenbar übereilt und unberechtigt, um so mehr, als neben ihnen flügellose (wenngleich ohne nachweisbare Nachkommenschaft) in der That vorgefunden worden sind. Unter allen Umständen muss es jedoch ein sehr viel grösseres Maass von Wahrscheinlichkeit für sich haben, dass sie selbst, nicht aber jene von Balbiani beobachteten, sich nur mit einem einzelnen Ei fortpflanzenden ungeflügelten Weibchen vorwiegend bei der Pro- duktion der während des Winters vorhandenen Larven betheiligt sind. Nicht nur, dass selbst bei einer gleichen Individuenzahl geschlechtlicher und nymphenförmiger Weibchen letztere — nach der vorstehenden Beobachtung — eine bis 45 Mal stärkere Nach- kommenschaft für sich aufzuweisen hätten: es würde für ein günstiges Gedeihen dieser ausserdem noch sehr wesentlich der Umstand in das Gewicht fallen, dass sie von ihren Müttern unmittelbar an einen geschützten und ihnen reichliche Nahrung gewährenden Ort abgesetzt wird, während dies für die aus dem „Winterei" hervorgehende Larve weder nachgewiesen noch wahr- scheinlich ist. Aus letzteren allein würden die im Winter oft massenhaft vorhandenen Larven kaum, aus der Fruchtbarkeit U '126 Gesellschaft natur/orschender Freunde. dernymphenförmigen Weibchen dagegen, auch wenn sie hier aas- schliesslich in Betracht kommen sollten, eine mehr als genugende Erklärung finden. Dass übrigens die während des grössten Theils des Jahres — wie der vorliegende Fall zeigt, selbst noch im vSpätherbst — an den Wurzeln vorhandenen flügellosen Weibchen sich gleichfalls an der Produktion der Winter -Larven in aus- gedehntem Maasse betheiligen werden, ist dem Vortragenden durchaus wahrscheinlich und würde aus den Beobachtungen Fau- con's, falls dieser nicht die nymphenförmigen Mütter übersehen hat, sogar mit annähernder Sicherheit hervorgehen. Dass hier- durch die Bedeutung, welche von Balbiani der aus männlichen und weiblichen Individuen bestehenden Generation für die Erhal- tung der Art beigemessen wird, eine beträchtliche Einbusse er- leidet, liegt auf der Hand; indessen einerseits wird durch die nebenherlaufende parthenogenetische Fortpflanzung das gelegent- liche Auftreten einer auf die „Zufuhr frischen Blutes" gerichteten geschlechtlichen Generation nicht geradezu überflussig gemacht, andererseits sind nachgerade so zahlreiche Fälle von partheno- genetischer Fortpflanzung zur Kenntniss gekommen, in welchen die oft sogar nur sporadisch auftretenden zweigeschlechtlichen Generationen eine durchaus untergeordnete Rolle spielen , dass der vorliegende gewiss nicht besonders überraschen kann. Im Anschluss an diese die Fortpflanzung der Reblaus be- treffenden Mittheilungen erwähnt der Vortragende noch folgende ihr schnelles Umsichgreifen bekundenden Data. Die rapiden Fort- schritte, welche ihre Verwüstungen in dem zuerst befallenen Rhone-Gebiet gemacht haben, werden durch zwei von der Fran- zösischen Akademie publicirte und in der erwähnten Söhrift von Girard reproducirte Karten versinnlicht. Im Jahre 1869 war das rechte Rhone -Ufer nach Norden bis über Valreas hinaus, nach Osten bis Carpentras und Pertuis, das linke nur zwischen ßagnols. Orange, Avignon und Nimes befallen; im Jahre 1873 dagegen bereits ein Terrain von mehr als dreimal so grosser Ausdehnung. Letzteres stellt sich auf der Karte als ein unregel- mässiges, den Ausfluss der Rhone zu ungleichen Hälften um- fassendes Dreieck dar, dessen obere Spitze noch über die Ein- mündung der Isere hinausragt, dessen östliche Seite Nyoos, Be- doin, ManoRcjue und Moütagnac berührt, weiter nach Süden Sitzung vom 15. Decetnber. 129 Brignolles und Hyeres sogar überschreitet, während die in das intakte Terrain bauchig vorspringende linke Seite schon Alais, Andu/.e, les Mantelles und Montpellier in sich schliesst, um nahe an der Ausmündung des Herault zu endigen. Ausser diesem umfangreichen Terrain sind seit den letzten drei Jahreu auch die Flussgebiete der Charente und Garonne in immer weiterer Ausdehnung inficirt worden, Dass diese in fortwährender Zunahme begriffenen Verhee- rungen der Weindistrikte Frankreichs mit der Zeit auch die Auf- merksamkeit der weinbauenden Bevölkerung in den Nachbar- ländern auf sich ziehen mussten , liegt auf der Hand. Auf der im Jahre 1872 zu München tagenden Versammlung Deutscher Land- und Forstwirthe wurde Seitens der Sektion für Weinbau an das Kaiserliche Reichskanzler -Amt der Antrag gerichtet, im Einvernehmen mit sämmtlichen benachbarten Regierungen ein Verbot gegen die Einfuhr von Reben aus den inficirten Wein- djstrikten zu erlassen. Da einem solchen Verbot mannigfache praktische Bedenken und Schwierigkeiten entgegenstanden, wurde der Vortragende unter dem 4. December 1872 amtlich zu einer gutachtlichen Aensserung über die Nützlichkeit, resp. Nothwen- digkeit desselben mit besonderer Betonung der Frage aufgefor- dert, ob bei einer etwaigen Einschleppung der Reblaus durch Wurzelreben oder Stecklinge Aussicht für ihre Fortpflanzung in Deutschland vorhanden sei, oder ob die Wahrscheinlichkeit vor- liege, dass das Insekt dem „kälteren deutschen Klima" erliegen werde. Nachdem diese Frage in einer am 8. December desselben Jahres erstatteten Rückäusserung vom Vortragenden dahin be- antwortet worden war. dass auf Grund wissenschaftlicher Er- fahrungen nicht der geringste Zweifel an dem Gedeihen der Phylloxera innerhalb des Deutschen Bundesgebietes bestehen könne und das Verbot der Reben-Einfuhr daher nicht zu umgehen sei, wurde ein solches bekanntlich im Jahre 1873 von Seiten des Reichskanzler- Amtes erlassen. Die Noth wendigkeit desselben hat sich seitdem leider nur allzusehr bewährt; denn nicht nur in der Umgegend Genfs und bei Klosterneuburg in Oesterreich sind die Weinberge von der Phylloxera befallen worden, sondern es wird auch durch die neuesten Zeitungen ihre massenhafte Anwesenheit an den Wurzeln Nordamerikanischer Reben bei 130 Gesellschaft naturforschender Freunde. Bonn am Rhein bestätigt. Eine in den ersten Tagen des De- cember 1874 vom Vortragenden in Gemeinschaft mit Herrn Hof- garten-Direktor Jühlke in der Landesbaumschule zu Geltow bei Potsdam vorgenommene Untersuchung an den Wurzeln der daselbst cultivirten Nordamerikanischen Rebsorten, welche Fran- zösischen Nachrichten zufolge gleichfalls von der Reblaus inficirt sein sollten, hat nur negative Resultate ergeben. Als Geschenke wurden mit Dank entgegengenommen: Sitzungsbericht der physikal.-medicinischen Societät zu Erlangen. 1874. Heft 6. Abhandlungen und 3. Jahresbericht des naturwissenschaftlichen Vereins zu Magdeburg. Heft 4. 5. 1874. Proceedings of the Zoological Society of London. 1874. Part II. III. Zwölf kleinere Schriften, Geschenk der Universität zu Christiania. Plantae Lorentzianae von Griesebach. Göttingen 1874. A W. Schade 3 üucliilriiclitfrei (.1.. Schade, in Berlin, St«llschreib