'^^UÄ^ ■^' '2fÄ* A, AÄ'W','C?iMMMMn A A / m,i!f^dwmwf^m, K-'A * ' ^ «' " 'k^AWl^^ilS^S? '^AA;.74SySW^ 'Aii»i"A Ä /^AAa#^ 'äAAa'äa'A^ as,.. A,^:;xi'-i^^ '^ZTHL ^ibraro oi tb gtuseum OF COMPARATIVE ZOÖLOGY, AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS. The gift of < JbWuA 2/), lS?^^ÄQAALä0^S99^ SITZlNilS-BERK^HTE DER 0ESELL8CHAFT NATUIIFORSCHENDKR FREUNDE zu BERLIN JAHRGANG 1888. BERLIN. In Commis.sion bei R. Friedländer ind Sohn. NW. Carl-Strasse 11. - T888. SITZUNGS-BERICHTE DER GESELLSCHAFT NATUEFORSCHEXDER FREUNDE zu BERLIN. JAHRGANG 1888. BERLIN. In Commission bei R. Friedländer und Sohn. NW. Carl- Strasse IL 1888. I n h a ] t s - V e r z e i c h n i s s aus dem Jahre 1888. AscHERSON, P. Vorlegung einer Drogue, die aus den Antheren der Mesua ferrea L. besteht, p. 34. BARTEI.S, Max. Ueher Desquamation [Lacerta agilis und Echidmi arieta)is\, \). G7. - Ein lebendes gabclschwänzigcs Exemplar einer Eidechse [Lacerta ayilis), p. 69. Dames, W. Ämhltjpristis' Cheoj),^ nov. gen., nov. sp. aus dem Eocän Aegyptens, p. lOtj. Ernst, A. lieber fischvergiftende Ptlanzen (Caracas), p. 111. HiLGENDORF, F. lieber die Morphologie der Augenhöhle von Gecar- cinus und über eine neue verwandte Gattung Mystacocarcinus, p. 26. — Fische aus dem Victoria Nyanza, gesammelt von Dr. G. A." Fischer [7 spec. nov.], p. Tö. — Eine neue Salarias- Art, von Slairoth bei den Acoren entdeckt, p. 79. — Einige Bemer- kungen über die Histologie der Prisfis-ZRlme, p. 109. Huber. Eine Krystallgruppe von Flussspath [aus einer Höhle am Sentis], p. 74. Kny. Ueberreichung von J. Wiesner's Werk: „Die mikroskopische Untersuchung des Papiers, Wien 1887", p. HO. Koken, E. lieber die miocänen Säugethier- Reste von Kieferstädtl in Oberschlesien und über Hijaeuarctos minutus Schlosser [sp. nova]. p. 44. KoLBE, H. J. Ueber den kranzförmigen Laich einer Phrijganea, p. 22. Krause, Arthur. Ueber das Vorkommen von Foraminiferen in einem Jurageschiebe, p. 38. — Ueber einen monströsen Primus coriarins [überzählige Beine], p. 145. Magnus, P. Ueber die Selbstbestäubung von Spergularia salina Presl, p. 29. — August Schulz's Beobachtungen darüber, p. 51. — Erinnerung an Carl Siegismund Kunth, p. 89. — Ueber das epidemische Auftreten einer UropMi/ctis-Art, U. Kriegeriana [sp. n.] auf Canim Carri, p. 100. — Biographie des Prof. R. Caspary, p. 121. — Einfluss der Lage des Substrats auf die Ausbildung des Fruchtkörpers einiger gestielter Poh/jwrus- Arten, p. 167. — Wur- zeln von Pa-^fiiflora mit kleinen seitlichen Verdickungen, verursacht von Heterodera, p. 170. — Ueber epidemische Erkrankung der Gartennelken, p. 181. VON Maltzan. Gorgmia fkihellnni mit ()ad(( als Beispiel von Anpas- sung an die Farbe der Umgebung, p. 58. — Helix Possmässlei^i und Clausilia riipestris an Nadelholz, p. 68. IV InJudts - VerzeicJmis-s. VON Marxens, G. Vorzeigung einiger Conchylien: Helix ciliata und Clausüia dubia an Nadelholz; Conus Frometlieus und Strombus fasciatus von Banji; ZAvei neue Schneckenarten, Bidiy.ws prochvis, Anodonhi lecjumen, p. 63. — Ueber das Wiedererscheinen des Step- penhuhns, Syrrhaptes paradoxus, in Deutschland, p. S5. — Dahin- scheiden des Kaiser Friedrich, p. 89. — Literarische Angaben über das Vorkommen der Lacerta ciridis in der Mark Brandenburg, p. 318. — Ueber neugriechische Fischnamen nach Apustolides' Druckschrift, p. 128. — Eine für die Fauna Berlins neue G.innna- ride {Goplana ambulans), p. 128. — Conchylien aus Kamerun von Zeuner gesammelt, lÄmicolaria praete.cta sp. n., p. 148. — Vor- lage einiger Stücke aus der alten Sammlung der Gesellschaft [Echinasier sphio-sus, BucciHuni glacialc] , p. 149. — Das Vorkom- men von Hdix pomatia im nördlicheren Euroj^a, p. 149. MÖBIL'S, K. Ueber rothe Organismen des Rothen Meeres [Trichodes- mium erythraeuin in NoctUucaJ, j). 3. — Nachträgliche Bemerkun- gen dazu, p. 17. — Ueber die Schwellung des Fusses der Muschel Solen pellucidus Penn,, p. 34. — Vorlage einer lebenden ausge- wachsenen Sumpfschildkröte [Cistudo lutaria Gesn.) vom Herrensee bei Straussberg, p, 177. — Vorlage von Säugethier - Lichtbildern, aufgenommen von ANtscHrrz, p. 181. Xehring. Ueber den Schädel eines Canis jubatus aus dem Chaco austral, p. 4. — Ueber ein im Berliner Aquarium befindliches Exemplar von Halichoerus orypu-Sj p. 7. — Ueber die J'orm der unteren Eckzähne bei den AVildschweinen, sowie über das sog. Toifschwein {Sus palustris RüT.), p. 9. — Ueber die Diluvialfaunen von AVesteregeln und Thiede, p. 39. — Ueber das Skelet eines w^eiblichen Bos pi'imi(je>iius aus einem Torfmoore der Prov. Bran- denburg, p. 54. — Ueber das Vorkommen von Arricohi oecouornus Pall. sp. im Diluvium von Thiede und Westeregeln, p. 80. — Ueber den Schädel eines Franqueiro - Ochsen aus Brasilien, p. 91. — Ueber den Einfluss der Domestication auf die Grösse der Thiere, namentlich über Grössenunterschiede zwischen wilden und zahmen Grunzochsen {I'oephayus (jruuniens), p. 133. — Vorkommen resp. NichtVorkommen der Helix pomatia im Diluvium Norddeutsch- lands, p. 150. — Vorläufige Entgegnung auf Wollemanns Ab- handlung über die Dilunalsteppe, p. 153. Reinhardt. Helix (Campilaea) cimjulata Stud. vom Staffelberge in Oberiianken, p. 75. Sarasin, f. Ueber Asthcnosoma urois, einem Echinothuriden von Tiincomali, p. 33. Schaff. Ueber den diesjähiigen Zug der Steppenhühner, p. 104. — Vorlage eines Wasserläufers {Totanus calidris), welcher an einem Bein von einer grossen Anodonta festgehalten wird, p. 121. Scharrer. Ueber Volksarzneimittel in Transkaukasien, p. 177. Schmidt, E. (Schwedt). Ueber die von ihm bti Berlin gefundene neue Gammaride [Goplana. arnbulans], p. 179. Inhalts - Verzeichni'^s. V ScHKODT, J. lieber eine Vergiftung durch Colchicum (lutumnale, p. 141. Schulz, Aug. Siehe Magnus, p. öl. Schulze, F. E. [Chorda dorsalis von Acipen^er, welche ihni| als eine „fossile Schlange" eingesandt war, p. 1. — Bericht über die neue- ren Arbeiten von ISIetschnikoff und Kowalewski, welche die Rolle der Phagocyten bei der Verwandlung der Insekten betreffen, p. 18. — Demonstration einer von Westien hergestellten Brillen- loupe, p. 85. — Vorlage einiger lebenden Tausendfüsse aus der Gattung Spirostrcphus aus Sansibar, p. 110. — Vorlage einiger Knorpelskelette ganzer Batrachier-Larven, welche von anderen Ba- trachier-Larven abgenagt waren, p. 122. — lieber einen neuen Be- leuchtungsai)})arat von Kochs und AVolz in Bonn, p. 186. AVeltnek, W. Ueber das Fortleben von Spongillen nach der Aus- bildung von Schwärmlarven, p. 18. — -^lieber die Planarien bei Berlin, insbesondere über Dendrocodum punctatuin (Fall.), p. 72. — ""lieber das Vorkommen von Bythotreplies longimaniis und Deii- drocoelum punctatum Fall, in dem Werbellinsee bei Berlin, p. 171. WiiTMACK, L. Mittheilung des Herrn Ernst, s. diesen, p. 111. — lieber ein vollständiges in Salzwasser übersandtes Exemplar einer Smhsemera hngiflora Sims, aus Kamerun, p. 123. — Vorlage des Blüthenstandes einer für den Gartenbau neuen Bromeliacee, Til- landsia phyllostachya (?), p. 125. — Siehe auch Scharrek, p. 177. Druckfehler-Verzcichniss. S. 148, Zeile 7 von oben lies: „Zeuner" und „Zintgraff" statt: Zeutner und Zinkgraff. S. 167, Zeile 5 von unten lies: „gestielte" statt: gestellte. Nr. 1. 1888. Sitzuiigs - B e rieht der Gesellschaft iiaturforschender Freunde zu Berlin vom 17. Januar 1888. Diiector: Herr R. Hautmann. Herr F. E. SCHULZE berichtete über ein Gebilde, welches als eine „fossile Schlange" zur Untersuchung hier einge- sandt war. In No. 4 des Jahrganges 1888 der Zeitung für Nieder- Barnim vom 10. Januar findet sich folgende Mittheilung aus Oranienburg: „Ein hochinteressanter vorgeschichtlicher Fund, der jeden- falls auch in weiteren Kreisen hohes Interesse erregen wird, ist uns am letzten Sonnabend von einem hiesigen Bürger zu- gestellt worden: — eine in einem grossen Stück böhmischer Braunkohle eingeschlossen gewesene Versteinerung. Allem An- schein nach ist es ein Reptil, dessen Gattung jetzt vielleicht auf der Erde vollständig ausgestorben ist, welches vor vielen Jahrtausenden bei irgend einer gewaltigen Erdrevolution mit in die Tiefe gerissen wurde und nunmehr in fossilem Zustande wieder an das Licht des Tages gekommen ist. Dasselbe hängt mit dem einen Ende an einem Stück Braunkohle fest und zeigt sich dem Auge in unregelmässigen Windungen, die mit einer ziemlich auffallenden Verstärkung des Körpers (dem Kopfe) abschliessen. An der letzteren ist seitlich eine normal gebil- dete Vertiefung sichtbar, die man unschwer als Augenhöhle erkennen kann ; die vorderste Partie ist leider durch verschie- 1 2 Gesellschaft natur forschender Freunde. dene Anhängsel, welche wir, um eine spätere wissenschaftliche Untersuchung nicht zu stören, nicht entfernen wollen, etwas entstellt, jedoch ist auch dieser Theil, wenn man von der wahrscheinlichsten x^nsicht ausgeht, dass man den Körper einer vorsündflutlichen Schlange vor sich hat, sofort als der weitgeöifnete Rachen zu erkennen. Längs der oberen Mitte zieht sich, noch von einigen nur gegen das Licht erkennbaren Haaren bewachsen, ein deutlich wahrnehmbarer Einschnitt hin, welcher als die Rückgratsfurche zu erklären wäre. In der Mitte des Körpers stützt sich derselbe auf eine durchsichtige, bräunlich erscheinende Scheibe, die eventuell als Flosse ge- deutet werden könnte, wahrscheinlich mit dem übrigen Körper aber in gar keinem ursprünglichen Zusammenhange steht. Das Ganze ist in seiner Form sehr gut erhalten, und beabsichtigen wir, dasselbe zur weiteren Untersuchung, über die wir dann eingehend berichten werden, am Donnerstag einem Gelehrten zu übersenden." Bei der ersten Besichtigung des mir zur näheren Unter- suchung und Bestimmung anvertrauten Objektes zeigte sich ein etwa 60 cm langer rundlicher Strang von Daumendicke, welcher in mehreren unregelmässigen und zum Theil freien Windungen sich von einigen fest anhaftenden Braunkohlen- stücken erhob. Derselbe hatte eine hie und da zottig-faserige, an andern Stellen unregelmässig höckerige, grau-weissliche Oberfläche, fühlte sich ziemlich derb an, Hess sich jedoch leicht biegen, und war sehr elastisch. An dem einen , sich etwas verbreiternden Ende befand sich eine unregelmässig ausgebuchtete, im Allgemeinen konische Masse mit fetzenförmigen Anhängen, während sich das andere Ende, allmälig verschmälernd, in eine stumpfe Spitze auszog und seitlich eine dünne hautähnliche Platte mittels Fasern anhaftend zeigte. Einige dünne Querschnitte des Stranges und dessen mitt- lerer Region, welche theils mit einer feinen Säge, theils mit einem starken Skelpell leicht anzufertigen waren, lehrten, dass ein compakter radiärfaserig erscheinender Axenstrang vorhan- den ist, welcher selbst von einer derberen Ringfaserzone all- seitig umschlossen, aber an zwei gegenüberliegenden Seiten Si'tcuiH/ vom 11. Janiinr 1888: 3 mit je einem Rohr von derber Ringfaserwandung fest ver- einigt ist. Das Lumen des einen, mehr platten, querovalen Rohres hat eine grösste I^reite von 8 mm, das Lumen des gegenüber- liegenden abgerundet- dreieckigen Canales ist nur etwa 4 mm weit. In der faserigen Wandung dieses letzteren engeren Canales finden sich hie und da etwas festere, gleichmässig durchscheinende Partien, während die Wand des anderen querovalen Canales mit röthlichem Blutfarbstoff' stark durch- tränkt ist. An dem verbreiterten vorderen Endtheile und dessen un- regelmässig gestalteten breiteren Masse lassen sich einige ein- getrocknetem Knorpel gleichende Partien von buchtiger Ober- fläche erkennen. Nach diesem Befunde ist es klar, dass hier kein Fossil, sondern die Rückensaite, chorda dorsalis, nebst ventral ihr fest ansitzender Aorta und dorsal angefügtem Rückenmarksrohre eines Störes vorliegt. Diese Deutung ist übrigens noch durch die mikroskopische Analyse der verschiedenen einzelnen Gewebspartien, besonders der radiär- streifigen chorda dorsalis, ihrer faserigen Scheide, des Aortenrohres sowie des aus Bindegewebsfasermassen und Knorpelstücken bestehenden Rückenmarksrohres vollkommen sicher gestellt. Herr K. MÖBIUS sprach über rotlie Organismen des Rotlien Meeres, veranlasst durch Krükekberg's Abhand- lung: Das Leuchten des Rothen Meeres (in dessen Vergl. Phy- siol. Stud., 2. Reihe, 4. Abth., 1887, S. 117). Prof. Krdkenberg schöpfte vor Massaua aus blutrothem Wasser, in dem milchweisse Unterbrechungen auftraten, leuch- tende Gallertmassen, konservirte sie in 70 pCt. Alkohol und legte die heimgebrachten Gallertkügelchen verschiedenen Zoo- logen vor, die sie als Noctiluca miliaris bestimmten. Nach einer Probe, die er mir zu übersenden die Güte hatte, muss ich sie ebenfalls für dieses Thier halten. Prof. Krükenbehg hält Noctiluca miliaris für den Organismus, welcher das Wasser des Rothen Meeres roth färbt. Beweise, dass die einzelnen 1* 4 Gesellschaft naturforschender Freunde. Individuen roth waren, führt er nicht an, sondern bemerkt nur, dass die rothe Färbung der Gallertmasse (das Farbge- misch „Hämatochrom") im Alkohol rasch verschwand. Da die Noktiluken in der Nordsee und in dem westlichen Ostsee- gebiet stets farblos sind oder nur farbige Nahrung enthalten, so könnten sich die Noktiluken, welche Krukenberg bei Mas- saua sammelte, vielleicht durch gefressenes Trichodesmium ery- thraeum geröthet haben, oder diese Oscillariee, die im rothen Meere schon öfter ^) als Ursache der Röthung des Wassers beob- achtet wurde, war vielleicht zwischen den leuchtenden Noktiluken in den Gallertmassen, welche von Prof. Krukenberg in Alkohol versetzt wurden. Jedenfalls verdient das Verhalten der Noctiluken zu der rothen Farbe des Rothen Meeres von Zoologen an Ort und Stelle weiter untersucht zu v/erden. Nach dem Vortrage zeigte Herr Möbius Trichodesmium enjthraeum^ welches er am 10. August 1874 im Rothen Meere als rothfärbenden Organismus beobach- tete und in Spiritus konservirte, unter dem Mikroskope vor. Herr Nehring sprach über den Schädel eines Canis juhatus aus dem Chaco austral. Nachdem ich bereits mehrfach vor dieser Gesellschaft über Cards juhatus gesprochen und namentlich in der Sitzung vom 19. April 1887 einen frischangekommenen Schädel dieser interessanten Species vorgelegt habe -), bin ich heute wiederum in der angenehmen Lage, ein neues Exemplar vorlegen zu können. Ich verdanke dasselbe (ebenso wie das vorerwähnte) der Güte meines Vetters Christi AiN Sommer, welcher es vor wenigen Tagen aus Argentinien mitgebracht hat. Der betr. Mähnenwolf ist vor Kurzem im Chaco austral erlegt worden. Sein Schädel beweist, dass es ein altes, völlig ausge- wachsenes Exemplar war^); ob cT oder 2, muss ich ^) Vergl. Cam. Dabeste, Mem. s. les animaux et autres corps Organ., qui denn, ä la mer une couleur rouge. Ann. sc. nat. Zool. 111.^ 1855, pag- 179 uud K. Möbius, Beitr. zur Meeresfauna d. Ins. Mauritius, 1880, pag. 7. 2) Vergl. diese Sitzungsberichte, 1884, pag. 107 — 114; 1885, pag. 109—122; 1887, pag. 47 f. 3) Die Schädelnähte sind zum Theil nur noch undeutlich erkenn- bar; das Gebiss zeigt deutliche Spuren von andauernder Abnutzung. Sitzung 7'oin 17. Januar 1888. 5 dahin gestellt lassen. Nach der bedeutenden Grösse des Schä- dels und der kräftigen Entwicklung der Crista sagittalis möchte ich annehmen, dass es sich um ein cT handelt; jedenfalls geht der Schädel in seinen Dimensionen noch über denjenigen eines erwachsenen Männchens hinaus, dessen Skelet Herr Prof. Dr. GöLDi im vorigen Jahre aus der brasilianischen Provinz Minas Geraes für das National-Museum in Rio de Janeiro erhielt ^). Nach RicFiARD RoHDR, welcher 1886 drei Exemplare von Canis jubatus aus dem Gran Chaco für die hiesige Universität mitgebracht hat, soll freilich das Weibchen des Ccmis jubatus ebenso gross oder sogar noch grösser werden, als das Männ- chen; jedenfalls hat Herr Rofide das grösste der mitgebrachten Exemplare, dessen Schädel eine Totallänge vom 265 mm be- sitzt, als weiblich bezeichnet und mit Bestimmtheit erklärt, dass diese Angabe auf eigener Beobachtung beruhe ■) und eine von mir vermuthete Verwechselung der Etiketten nicht statt- gefunden habe. Im Allgemeinen ist man freilich gewöhnt, bei den carni- voren Säugethieren die Männchen grösser und stärker zu sehen, als die Weibchen. Soviel steht aber unbedingt fest, dass Herr RoHDE sowohl ö", als auch 2 mitgebracht hat, sei es nun 2 9 und 1 cT, oder 2 cf und 1 9; ausserdem steht fest, dass das GöLDi'sche Exemplar ein erwachsenes cf ist. Da nun aber kein einziges unter allen bisher untersuchten Exemplaren, weder cf, noch 9> die Schädel- und Gebiss-Charaktere zeigt, welche Bürmeister für seinen angeblichen Canis jubatus von Lujan in Anspruch nimmt, so glaube ich jetzt mit voller ^) Flerr Göldi war so freundlich, mir zahlreiche Messungen, sowie einige sehr gelungene Photographien des zugehörigen Schädels zu übersenden, wofür ich ihm bestens danke. 2) Herr Rohde hat das betr. grosse Weibchen selbst geschossen; er überraschte dasselbe, als es in dem flachen Wasser eines Teiches oder Sumpfes stand und im Begriff war, einen grossen „Goldkarpfen" zu verschlingen. Nach Rohde soll C. jubatus häufig ins seichte Wasser gehen, um Fische zu fangen, wozu seine langen Beine sehr geeignet erscheinen ; auch die Formen des Gebisses harmoniren recht gut mit dieser Neigung für Fischnahrung. Dass daneben auch kleinere Säuge- thiere verzehrt werden, steht durch frühere Beobachtungen fest. 6 Gesellschaft n aturfgr sehender Freunde. Bestimmtheit behaupten zu können, dass jener fossile Schädel von Lujan, welchen Bürmeister mehrfach besprochen^) und namentlich auch in einem an unsere Gesellschaft gerichteten Briefe (Sitzung vom 21. April 1885) beschrieben hat, gar- nichts mit G. juhatus zu thun hat; man darf vermuthen, dass er einer ausgestorbenen Caniden-Art (wahrscheinlich einer Art der Gattung Palaeocyon Ldnd) zugehört"). Einen G. juhatus mit einem oberen Reisszahn (Sectorius) von 25 oder gar 27 mm Länge hat noch Niemand beobachtet, ebenso wenig einen solchen, bei welchem der untere Reisszahn eine Länge von 29 — 30 mm gehabt hätte. Da der vorliegende Schädel aus dem Chaco austral fast genau die Länge des fossilen Schädels von Lujan hat, so eig- net er sich sehr gut zu vergleichenden Messungen ; ich habe deshalb beide in der nachfolgenden Messungstabelle zusammen- gestellt und ausserdem die entsprechenden Dimensionen des GöLDi'schen G, jubatus, sowie die eines starken G, lupus aus Galizien hinzugefügt. (Siehe die Tabelle pag. 7.) Wer diese Tabelle genauer studirt, wird leicht erkennen, dass die beiden Schädel von G. jubatus sowohl unter sich, als auch mit früher beschriebenen Exemplaren in allen wesent- lichen Punkten übereinstimmen, dass dagegen der Schädel von Lujan sehr wesentliche Abweichungen zeigt. Alle von mir verglichenen Schädel des G. jubatus, d. h. 6 Exemplare, oder wenn ich die aus der Litteratur bekannten mitrechne, ca. 12 Exemplare zeigen genau die Charaktere, welche ich früher vor dieser Gesellschaft bei Besprechung des Hallenser Exem- plars dargelegt habe. Dagegen gleicht der fossile Gaiiis von Lujan mehr einem G. lupus als einem G. jubatus. 1) Vergl. Burmeister, Reise iu den Laplata-Staaten , IL, pag. 407. Description phys. de la Repubi. Argentine, IL, pag. 140 ff., pag. 217; III., pag. 142. Siehe auch Gervais und Ameghino, Foss. Mammif. de l'Amerique du Sud, Paris, 1880, pag. 39. 2) Ich setze voraus, dass der Schädel wirklich fossil und tliatsäch- lich bei Lujan ausgegraben ist. Sitzuiuj vom 17. Januar 1888. Die Messungen sind in Millimetern angegeben Fossiler Schädel vou Lujan nach Buk- meister. Canis ^ .?) ad. Chaco austral Behring. jiihaüia c< ad. Minas Geraes GÖLDI. Canis lupus cf ad. Galizien ^) 1. Totallänge des Schädels 255 256 241 272 2. Basilarlänge des Schädels nach IlENSEL'scher Me- thode 220 222 209 236 3. ünterkieferlänge . . . 185 184 163 201 4. Jochbogenbreite .... 150 131 124,5 151 5. Abstand der äuss. Ecken der Condyli des Unter- kiefers von einander . . 120 101 100 118 6. Breite der 6 ob. Incisivi 30 23,3 22 32 7. Breite der 6 unt. Incisivi 25 20 18 28 8. Breite d. Schnauze an d. Alveolen der ob. Canini 50 40 '} 47,5 9. Abstand der unt. Ecken der üccipi talfläche von einander 85 73 70 92 10. Höhe (Querdurchmesser) der Augenhöhle. . . . 40 30 30 34 11. Sagittale Länge des ob. Sectorius (an d. Aussen- seite) 27 17,5 18 27 12. Sagittale Länge des unt. Sectorius 30 21,8 20,5 29 Herr NehrinG sprach ferner über ein im Berliner Aquarium befindliches Exemplar von Halichoerus grypus. Während in der Litteratur über die Pinnipedier allgemein die Angabe verbreitet ist, dass Halichoerus unzähmbar sei und die Gefangenschaft überhaupt nicht ertrage^), möchte ich dar- auf hinweisen, dass dieses thatsächlich nicht richtig ist. Schon 1) Vergl. diese Sitzungsberichte, 1884, pag. 155 f. -) Vergl. Bell, British Quadrupeds, 1837, pag. 281; Blasius, Säu- geth. Deutschlands, pag. 257; R. Collett, Proc. Zool. Soc, 1881 pag. 387. 8 Gesellschaft natur forschender Freunde. im Jahre 1821 hat man zwei junge Kegelrobben 4, resp. 7 Monate in der Gefangenschaft (und zwar in engem Gewahr- sam) am Leben erhalten ^). Ferner hat 1883 der hiesige zoo- logische Garten ein Exemplar 4 Monate lang besessen, welches leider an einem mit einem P^ische verschluckten Angelhaken zu Grunde ging 2). Ueber die beiden Kegelrobben, welche der hiesige zoologische Garten Ostern 1886 erhielt, habe ich aus- führlich in der Zeitschrift „Zoolog. Garten" (Jahrgang 1887) berichtet^). Eine derselben ist noch jetzt am Leben und sehr munter; die andere ist leider vor einigen Wochen durch einen verschluckten Angelhaken (grade wie das Exemplar von 1883) zu Grunde gegangen. Heute möchte ich besonders darauf hinweisen, dass seit November v. J. sich im hiesigen Aquarium ein erwachsenes Männchen von Halichoerus grijpus befindet. Dasselbe ist im April 1887 bei Pillau (unweit Königsberg) in der Ostsee ge- fangen und befindet sich, obgleich es länger als ein halbes Jahr in einer engen Kiste zubringen musste und in zahlreichen Städten Deutschlands zur Schau gestellt wurde, ganz wohl; auch hat dasselbe ohne Schwierigkeit eine gewisse Zähmung angenommen. Die Länge dieses Exemplars beträgt etwa 7 Fuss; sein Gewicht wurde im April v. J. auf ca. 3^4 Ctr. festgestellt. Da in der Seehundsgrotte des Aquariums neben ihm auch ein erwachsenes Männchen von Phoca vitulina unter- gebracht ist, so kann man die Unterschiede beider Arten auf das deutlichste durch unmittelbare Vergleichungen erkennen; besonders auffallend sind die Differenzen in der Form des Kopfes. 1) Lichtenstein, Ueber die weissen Robben, Abb. Berl. Acad. 1822, pag. 3 ff. 2) Vergl. diese Sitzungsberichte, 1883, pag 110; „Zoolog. Garten% 1887, pag. 3. 3) Vergl. auch diese SitzuDgsberichte, 1886, pag. 85. Druck vou J. F. Starcke in Berlin. Nr. 2. 1888. Si tzuiigs - B e rieht der Gesellschaft naturforscheuder Freunde zu Berlin vom 21. Februar 1888. Director: Herr R. Hartmann. Herr Nehrino sprach über die Form der unteren Eckzähne bei den Wildschweinen, sowie über das sog. Torfscbwein (Sus palustris Rütimeyer). Im Laufe des vergangenen Jahres habe ich eine ziemlich umfassende Untersuchung über die Gebissentwicklung der Haus- und Wildschvreine ausgeführt und die Hauptresultate in einer kürzlich erschienenen Abhandlung mitgetheilt. ^) Indem ich mich beehre, der Gesellschaft ein Exemplar dieser Abhandlung zu übergeben, bemerke ich, dass dieselbe im Wesentlichen auf die Praxis der Thierzüchter und Jäger Rücksicht nimmt und die rein wissenschaftlichen Fragen , welche sich an das betr. Thema anknüpfen, wie z. B. die nach der Abstammung der Hausschweine, nur hier und da streift oder kurz behandelt. So ist auch die Form der unteren Eckzähne (Hauer, Gewehre) nur kurz berührt, und ich erlaube mir, hier zunächst eine kleine Ergänzung zu diesem Punkte zu liefern. 1) ^Laudwirthschaftliche Jahrbücher", herausg. von H.Thiel, 1888, pag. 31-82. Auch als Separat-Abdruck erschienen unter dem Titel: „lieber die Gebissentwicklung der Schweine, insbesondere über Ver- frühungen und Verspätungen derselben, nebst Bemerkungen über die Schädelform frühreifer und spätreifer Schweine." Mit 15 Holzschnitten. Berlin, 1888. Verlag von P. Parey. 2 10 Gesellschaft naturforschender Freunde. Hermann v. Nathüsius und Rütimeyer haben bereits früher auf die verschiedene Form der Eckzähne bei Sus scrofa ferus, S. vittatus und S. verrucosus aufmerksam gemacht. ^) Forsyth Major theilte 1883 über die Eckzähne von S. barbatus eine kurze Bemerkung mit^); ich selbst habe vor dieser Gesell- schaft die Eckzähne von S. verrucosus, S. celebensis, S. phili2)- 2?ensis , S. barbatus und S. longirostris besprochen , indem ich dieselben als bei diesen Species gleichartig gebaut und von Sus scrofa und S. vittatus stark abweichend bezeichnete.^) Ich gebe heute zur Erläuterung und Ergänzung meiner früheren Mittheilungen eine Anzahl von Querschnitten unterer Eckzähne von verschiedenen Wildschwein -Arten, indem ich mir vorbehalte, diese Sache im Zusammenhange mit einer an- deren Arbeit eingehender zu behandeln. (Siehe die Abbildungen nebenstehend.) Sus papuensis zeigt denselben Querschnitt der unteren Hauer, -wie S. vittatus, und zwar bei vielen Exemplaren in bedeutend stärkeren Dimensionen wie bei Nr. 3. Die stärksten p]ckzähne habe ich bei S. barbatus und S. longirostris gefunden^); im Uebrigen variirt die Stärke der Eckzähne bei den einzelnen Species sowohl individuell, als auch namentlich dem Lebensalter nach. ^) Bei alten Keilern findet man dieselben stärker, als bei jüngeren. Selbst in der Form des Querschnittes treten je nach dem Alter der betr. Keiler einige kleine Modificationen hervor; doch sind dieselben nicht derartig, dass der Typus des Querschnitts sich wesent- lich änderte. ^) Nathüsius, Vorstudien, p. 181 uud Rütimeyer, Verb, der natiirf. Ges. in Basel, 1865, p. 184; 1877, Sep.-Abdr., p. 15 ff. u. Fig. 7. 2) Zoolog. Anzeiger, 1883, No. 140. 3) Vergl. diese Sitzungsberichte, 1886, p. 83, wo auch die nahe Verwandtschaft des S. philippensis mit S. celebensis betont ist. •*) Porcus babirussa und Phacochoerus sind von mir in obiger Zu- sammenstellung nicht berücksichtigt. 5) Die Domesticirang übt meist einen schwächenden Eiufluss auf die Eckzähne aus, zumal wenn sie mit Inzucht verbunden ist. Sitzung vom 21. Februar 1888. 11 12 10 Querschnitte unterer Eckzähne (Canini) der unten genannten Wild- schwein-Arten; dieselben beziehen sich auf den Eckzahn der rechten ünterkieferhälfte männlicher Individuen, abgesehen von Nr. 10, welcher wahrscheinlich einem Weibchen angehört. Die obere Ecke der ümrisszeichnungen ist in natura die vordere Kante des Caninus. Alle Querschnitte sind ungefähr in der Höhe des Alveolenrandes senkrecht resp. radial zur Krümmung des Zahnes gedacht. Von Herrn Dr. Schaff in natürl. Grösse auf Holz gezeichnet. 1. Sus scrofa ferus, mittl. Alters , Deutschland, 2. S. leucomystax, mittl Alters, Japan. 3. S. vittatus^ mittl. Alters, Sumatra. 4. S\ bar- batus, mittl. Alters, Borneo. 5. S. longirosiris, alt, Borneo. 6. S. ver- rucosus, alt, Java. 7. S. celebensis, mittl. Alters, Celebes. 8. S. philijj- pensis, alt, Luzon. 9. Potamochoerus larvatics, alt, Ostafrica. 10. Pot. penicillatus (9), mittl. Alters, Westafrica. ^j 11. Dicotyles labiatus. mittl. Alters, Brasilien. 12. Dicot torquatus, mittl. Alters, Brasilien. ^) Ich bemerke, dass im Allgemeinen die ausgewählten Eckzähne nach Stärke und Form des Querschnitts als typisch gelten können ; doch müsste Nr. 2 sich mehr der Form von Nr. 3 nähern. Nr. 8 stammt von einem sehr starken Keiler des Philippinen- Wildschweins aus dem Dresdner zoolog. Museum. Alle übrigen Zeichnungen beziehen sich auf Originale der mir unterstellten Sammlung. 2) Bei männlichen Exemplaren dieser Art scheint der Querschnitt ähnlich wie bei Nr. 9 zu sein. 2* 12 Gesellschaft nuturfor sehend er Freunde. Bei weiblichen Schweinen sind die Eckzähne bekanntlich viel schwächer, als bei männlichen; auch ist ihr Querschnitt weniger charakteristisch für die einzelnen Arten. Die von mir untersuchten Eckzähne von Hausschwei- nen zeigten sämmtlich den Querschnitt einer der ersten drei Arten, also von Sus scrofa fer., S. leucomystax oder S. vittatus. In Bezug auf das sog. Torfs chwein (S. palustris Rüt.) füge ich hier nur wenige Bemerkungen bei, indem ich mir eine ausführlichere Begründung derselben für eine andere Pu- blication vorbehalte. Ich habe schon in der Sitzung unserer Gesellschaft vom 15. Januar 1884, pag. 11 ff', gesagt, dass die Reste der kleinen Schweine , welche bei uns in Norddeutsch- land an praehistorischen Fundorten häufig zum Vorschein kom- men ^) und gewöhnlich mit dem Namen S. palustris bezeichnet werden, nach meiner Ansicht sehr nahe Beziehungen zu Sus scrofa ferus erkennen lassen. Bei meinen fortgesetzten Untersuchungen über die Wild- und Hausschweine, bei welchen ich vielfach auch Schädel von verkümmerten, resp. halbdomesticirten Wildschweinen und von primitiven, knapp genährten Landschweinen untersucht habe, bin ich allmählich zu der Ansicht gedrängt worden , dass die Charaktere, durch welche sich S. palustris Rüt. von S. scrofa ferus unterscheiden soll, keine speciüschen sind, sondern als die Folgen einer primitiven Domestication in Verbindung mit knapper Nahrung und rauher Lebensweise erscheinen. Mir liegen recente Schädel verkümmerter, schlecht genährter, durch Inzucht zurückgekommener Exemplare von S. scrofa fer. vor, welche ich weder in der Grösse, noch in der Form des Schä- dels und der Zähne von dem sogen. Torfschweine unterschei- den kann. Die Aehnlichkeiten , welche das Torfschwein in gewissen Punkten seiner Schädelbildung mit Sus indicus dorn. resp. S. vittatus zeigt, sind zum grossen Theile solche, welche auch bei domesticirten Nachkommen von S. scrofa fer. sich finden. Im 1) Aus dem Torfmoor von Tribsees in Vorpommern habe ich kürz- lich wiederum ein Schädelstück (Hirnkapsel) derselben kleinen Schweine- Rasse erbalten, welche ich in der Sitzung vom 15. Januar 1884 als S. scrofa nanus beschrieben habe. Sitzuiuj vom 21. Februar 1888. 13 Uebrigen nehme ich an, dass in vielen Gegenden Südeuropa's, der Schweiz , Ungarns etc. während der praehistorischen und historisciien Zeit hnportirungen von asiatischen, mit S. indicus dorn, zusammenhängenden Hausschweinen und mannigfache Kreuzungen derselben mit dem durch primitive Domestication des europäischen Wildschweines erzielten Hausschweine (S. scrofa dorn.) stattgefunden haben. Bei uns in Norddeutschland findet man nicht selten an praehistorischen und frühhistorischen Fundstätten die Reste der unvermischten Nachkommen der letzteren Art. Um ein richtiges ürtheil über sie zu gewinnen, muss man sie aber nicht nur mit grossen, unverkümmerten, in voller Freiheit aufge- wachsenen Exemplaren von S. scrofa fer., sondern mit kleinen, verkümmerten „Parksauen" oder mit solchen, welche in zoo- logischen Gärten gezüchtet sind, vergleichen. Letztere zeigen uns, was aus dem Wildschwein werden kann, wenn es in seiner Freiheit beschränkt, knapp genährt und den Folgen der Inzucht ausgesetzt wird, kurz, wenn es unter Verhältnissen aufwächst, wie sie offenbar bei der primitiven Domestication junger Wildschweine in der Vorzeit eine wichtige Rolle gespielt haben. ^) Ich möchte allen denjenigen, welche sich für das sogen. Torfschwein interessireu, dringend empfehlen, die Reste des- selben mit entsprechenden Skelettheilen von kleineu, verküm- merten, halbdomesticirten Wildschweinen (S. scrofa ferus) zu vergleichen. Die xlehnlichkeit ist unverkennbar! Auch das sardinische Wildschwein , welches Forsyth Major als Sus scrofa meridionalis bezeichnet und in nahe Be- ziehung zu S. vittatus gebracht hat, kann ich nach den drei mir vorliegenden Schädeln vorläufig nur als eine verkümmerte Inselrasse von S. scrofa ferus ansehen. Bei einzelnen Exem- plaren derselben mögen die Wirkungen gelegentlicher unbeab- sichtigter Kreuzungen mit Hausschweinen romanischer Rasse sich zeigen und somit der Eindruck einer Verwandtschaft mit 1) lieber die Wirkungen der primitiven Domestication vergleiche man meine Bemerkungen in diesen Sitzungsberichten, 1883, pag. 60 ff., 1884, pag. 12. ]4 Gesellschaft naturforschender Freunde. S. vittatus hervorgerufen werden. Bei den mir vorliegenden Schädeln kann ich dieses jedoch nicht beobachten; sie sehen aus, wie die Schädel verkümmerter, knapp genährter, aber in voller Freiheit aufgewachsener deutscher Wildschweine. Zur vorläufigen Begründung meiner oben angedeuteten Ansicht über das Torfschwein theile ich einige Messungen über zwei mir vorliegende Schädel von verkümmerten deutschen Wildschweinen mit. ^) Der eine gehört einem etwa 3jährigen Keiler an; denn m 3 ist fertig ausgebildet, aber nur massig angekaut. Der zweite Schädel stammt von einer sehr alten Bache; ihr Gebiss ist ebenso stark abgenutzt, wie bei dem von Rütimeyer in der Fauna der Pfahlbauten, Tab. 1, Fig. 3 abgebildeten Unterkiefer. (Siehe die Messungs- Tabelle nebenstehend.) Wenn man den Unterkiefer von Nr, 519 auf den von Rütimeyer a. a. 0., Tab. I abgebildeten Unterkiefer Nr. 2 und den Unterkiefer von Nr. 3906 auf den a. a. 0., Fig. 3 dar- geteilten Unterkiefer legt, so ist die Uebereinstimmung in Grösse und Form eine geradezu überraschende! Die recenten Kiefer und die fossilen erscheinen fast congruent! In der beabsichtigten grösseren Arbeit werde ich eingehen- dere Vergleichungen anstellen. ^) Vorläufig möge nebenste- hende Tabelle genügen, um die Uebereinstimmung des sog. Torfschweins mit verkümmerten, resp. halb- domesticirten , knapp genährten Wildschweinen (S. scrofa ferus) zu beweisen. Ich will nur noch zum Schluss betonen, dass es unrichtig ist, die Schädel - Dimensionen des 1) Zool. Samml. der Kgl. landwirthsch. Hochschule in Berlin, Tit. II, A, Nr. 519 und Nr. 3906. Der erstere Schädel stammt aus Schlesien, resp. aus der Sammlung des Grafen Matuschka und ist wegen seiner Kleinheit fälschlich als „Frischlings-Schädel" bezeichnet; der letztere stammt von einer Bache, welche im hiesigen zoologischen Garten auf- gewachsen ist. 2) Die mir unterstellte Sammlung enthält jetzt ungefähr fünfzig Schädel des deutschen Wildschweines, männliche und weibliche, alte und junge, starke und schwache, aus voller Freiheit, aus Sauparks und aus dem hiesigen zoolog. Garten, so dass ich ein reiches und mannig- faltiges Vergleichs-Material unter Händen habe. SitziDK) vom 21, Fehrunr 188S. 15 M essungs-Tabel le. Die Messungen sind in Millimetern angegeben. Sus scrofa fer. verkümmert. c/etwa 3 jähr. Nr. 519 9 sehr alt! 3906 Torfschwein nach RÜTIMEYER ad. 9 ad. 1. Basilarlänge des Schädels vom Vor- derrande des For. magn. bis Sj3itze d. Zwischenkiefer 2. Länge von der Mitte des Occipital- kammes bis Spitze d. Zwischen- kiefer 3. Länge des Unterkiefers v. d. Spitze des Symphysentheils bis Hinterrand des Angulus in der Höhe der Al- veolen gemessen 4 Jochbogenbreite 5. Stirnbreite zwischen den Spitzen d. Postorbital-Fortsätze 6. Breite des Schnauzentheils bei p 3 (Hensel) 7. Länge der oberen Backenzahnreihe (incl. p 4 Hensel) 8. Länge d. unteren Backenzahnreihe (excl. p 4 Hensel) 9. Durchmesser d. Alveole des oberen Caninus 10. Grösster Darchmesser der Alveole des unteren Caninus 11. Länge der Unterkiefer -Symphyse . 12. Höhe des Unterkiefer- Astes unter der Mitte von m 3 250 275 207 122 84 45 100 98 19 16 56 32 292 329 245 122 94 46,5 112 107 16 14 77 ca. 240 105 17-22 16-17 70 38 268 310 245-250 122—133 94-99 51 100 103 16-21 10-15 62-75 38—42 deutschen Wildschweins als constante Grössen zu betrachten und specifische Charaktere auf die durch den Vergleich mit wenigen Schädeln constatirten Unterschiede zu begründen. Die in unserer Sammlung vorhandenen Schädel von erwach- senen männlichen Exemplaren des S. scrofa ferus variiren in ihrer Grösse ganz bedeutend; so z. B. schwankt die Basilarlänge zwischen 250 und 393 mm, die 16 Gesellschaft naturforschender Freunde. Länge von der Spitze des Zwischenkiefers bis zur Mitte des Occipitalkammes variirt zwischen 275 und 466 mm, die Joch- bogenbreite zwischen 122 und 172 mm, die ünterkieferlänge zwi- schen 207 und 350 mm. Die Schädel-Dimensionen und Form- verhältnisse des Torfschweins liegen vollständig innerhalb der Variationsgrenzen von Sus scrofa ferus. Um dieses zu erkennen, muss man aber nicht nur die Schädel von recht grossen Exemplaren vergleichen (wie sie für die Museen, sowie auch für Privatsammlungen mit Vorliebe ausgesucht werden), sondern man muss auch die Schädel von recht kleinen, unter ungünstigen Verhältnissen aufgewachsenen, durch Beschränkung der Freiheit, durch knappe Nahrung, rauhes Wetter und Inzucht verkümmerten Wildschweinen zum Vergleiche heranziehen. Dann wird man in Bezug auf das Ver- hältniss des sogen. Torfschweins zu Sus scrofa ferus erst den richtigen Gesichtspunkt gewinnen und ersteres schwerlich noch als besondere Species neben letzterem ansehen. Soweit ich die Literatur über das Torfschwein kenne, hat keiner der Autoren solche kleine verkümmerte Wildschweine zum Vergleich herangezogen. *) Auch Nathüsiüs beschreibt in seineu „Vorstudien" keinen Schädel eines erwachsenen deut- schen Wildschweins, dessen Basilarlänge unter 322 mm hinab- ginge. Es giebt aber thatsächlich zahlreiche Exemplare, deren Schädel hinter den Dimensionen der NATHUSiüs'schen Tabellen, sowie hinter den von Rütimeyer, Schütz, Strobel, Forsyth Major u. A. für Sus scrofa ferus als specifisch angenom- menen Grössenverhältnissen wesentlich zurückbleiben. Und zwar kommen solche zwerghafte Kümmerer nicht nur in Sau- parks und zoologischen Gärten vor, sondern hie und da auch in der freien Wildbahn neben Exemplaren von normaler Grösse; im letzteren Falle sind es entweder kränkliche Exem- plare, oder solche, welche, im Herbst zur Welt gekommen, als ganz junge Frischlinge einen schlimmen Winter durchge- macht und dadurch in ihrer körperlichen Entwicklung eine starke Hemmung erlitten haben. ^) Vergl. übrigens das neu erschienene Werk von Woldrich über die diluviale europ.-nordasiatische Säugethier-Fauna (p. 100 ff.), welches mir erst nach Abfassung dieses Sitzungsberichts zuging. Sitzunf) vom 21. Februar 1S88. 17 IlerrMÖBius machte D acht r ägliche Bemerkunge n über Organismen, welche das Meerwasser roth fär- ben, veranlasst hierzu durch Briefe von den Herren Professoren Krukenbehg in Jena und Rabl-Rüokhahd in Berlin, welche seine Mittheilung über rothe Organismen des Rothen Meeres in der Januar-Sitzung der Ges. nat. Fr. (Sitzber. 1888, S. 3) gelesen hatten. Er verlas den betreffenden Inhalt beider Briefe. Prof. Krukenbkrg schreibt am 20. Februar 1888: „Meine Xoktiluken glichen denen von Salt: aussen die Gallerthülle, innen der rothe Kern. (Salt's Neue Reise nach Abessinien i. d. J. 1809 und 1810, deutsch von F. Rüess. Weimar 1815, S. 174 und 175.) Auch in nordischen Meeren sind derartige rothe Noktiluken beobachtet worden." Herr Prof. Rabl-Rückhardt schreibt am 20. Februar 1888: ,^Ich befand mich mit den Herren Prof. Dönitz und Dr. J. Sasder im August 1867 bei Helgoland auf dem Haifischfang. Die See war, bei hellem Sonnenschein, ruhig, nur durch die Dünung bewegt, und wir befanden uns schon ziemlich weit von der Insel, als wir einen sich durch seine lehmartige Färbung scharf von der übrigen Wassermasse absetzenden breiten Strom bemerkten. Ich sage: le hm artig, ohne einen Farbenaus- druck zu wählen, weil ich unvollständig rothblind bin und nicht sagen kann, war der Farbenton roth oder gelb. Mir schien er mit der Farbe zu stimmen, die ich als roth bezeichne. Wir schöpften einen Eimer der Masse heraus und fanden, dass es in derselben von Xoktiluken wimmelte. Andere Ursachen der auffallenden Färbung Hessen sich mit blossem Auge nicht ent- decken. Der bekannte Fischer Hilmar Lührs kannte die Er- scheinung nicht; auch im Jahre 1883, als ich wieder auf Helgoland weilte, und wir im Gespräch auf die frühere gemein- same Fahrt zurückkamen, sagte er mir, dass er derartiges nicht wieder gesehen habe.'' Wenn Herr Dr. W. Dönitz im xVrchiv f. Anat. u. Physiol. 1868, S. 138 schreibt: „Bei meinem Aufenthalte auf Helgo- land im Aug. und Sept. 1867 traf ich die Noktiluken in so reicher Menge an, dass sie manchmal auf weite Strecken hin das Meer in einer 3 bis 5 Zoll dicken , röthlich erscheinenden Schicht bedeckten, so meint er wohl dieselbe Erscheinung, 18 Gesellschaft nnturforschender Freunde. welche Herr Prof. Rabl-Rückhardt beschreibt. Von dem Sitze des röthlichen Farbstoffes in den einzelnen Noktiluken sagt er nichts. Alle Angaben über Röthung des Meeres durch Noktiluken leiden an dem Mangel, dass nicht durch genaue mikroskopische Untersuchung einzelner Individuen nachgewiesen ist, ob irgend welche Körpersubstanzen der lebenden Thiere röthlich waren, ob sie röthliche Nährstoffe aufgenommen hatten oder ob zwi- schen der Masse der Noktiluken andere kleinere Organismen massenhaft schwammen, welche das Meerwasser färbten. Wei- tere Untersuchungen sind daher sehr erwünscht. Herr F. E. SCHULZE gab einen Bericht über die neueren Arbeiten von Metschnikoff und Kowalewski, welche die Rolle der Phagocyten bei der Ver- wandlung der Insekten, specieli von Musca vo- mitoria^ betreffen. Herr WeLTNER theilte seine Beobachtungen über das Fortleben von Spongillen nacli der Ausbildung von Seh Wärmlarven mit. Die von Laurent (1844) aufgestellte Behauptung, dass unsere Süsswasserschwämme nach der Ausbildung der Schwärm- larven zu Grunde gehen, ist von Lieberküehn (1857) bestritten worden. Marshall (1884) nimmt von Spongüla lacustris einen Generationswechsel an. Aus den Gemmulä, welche überwin- terten, entstehen im Frühjahre männliche und weibliche Spon- gillen, welche sich befruchten. Die Männchen sterben nach der Ausbildung des Sperma ab, die Weibchen werden nach dem Ausschwärmen der Larven zu Neutra und gehen im Herbst unter Gemmulabildung ein. Die Nachkommen der männlichen und weiblichen Exemplare bleiben im ersten Jahre Neutra und zerfallen im Herbst gleichfalls in Gemmulä. Goette (1886) ist dagegen der Ansicht, dass ganz allgemein die Fortpflanzung den Tod nicht nur der Spongillen, sondern der Schwämme überhaupt bedinge. Es sterben die von der Fortpflanzung be- troftenen Theile zunächst ab, so dass ein successives Absterben beobachtet wurde. Daher komme es, dass man larven- oder Sitzung vom 21. Februar 1888. 19 gemniulälialtige Schwämme findet, deren Aeusseres ganz gesund erscheinen kann, während die inneren Partien bereits durch die Ausbildung der Keimstoffe im Zerfall begriffen oder schon zerstört worden sind. Ferner führt Goette diejenigen Fälle, in denen man im Frühjahr und Sommer neben Eiern oder Sperma auch vollständig ausgebildete Gemmulä trifft, darauf zurück, dass hier die im vorhergegangenen Herbst stattgehabte Keimbildung vorzeitig unterbrochen wurde, und der Schwamm mit den in seinem Weichtheile steckenden Gemmulä über- winterte. In einer früheren Sitzung (21. December 1886) habe ich die in der Spree und im Tegelsee lebenden Süsswasserschwämme vorgeführt und angegeben, dass die im Tegelsee lebende Ephij- datia ßuviatilis dort nie Gemmulä bildet, sondern perennirt. Dieser Schwamm ist daher ein günstiges Object, die Frage nach der Lebensdauer dieser Art zu entscheiden und die Richtigkeit der Laurent - GoETTE'schen Ansicht vom Tode der Spongillen durch geschlechtliche Fortpflanzung zu prüfen. Bereits in den letzten drei Wintern habe ich grössere und kleinere (d. h. bis cm grosse) Exemplare besagter Art vom October bis März, Mai und Juni in Aquarien gehalten, die theils in geheizten , theils in ungeheizten Zimmern standen. Es ist dabei stets ein Theil, besonders alle grösseren, im Laufe der Zeit abgestorben. Bei vielen kleineren jedoch verringerte sich wie bei den grösseren auch die ursprüngliche Grösse bedeutend; wie dort legte sich auch hier die äussere Haut dem Schwamm- körper eng auf oder verschwand vollständig; auch hier traten die Spitzen der Nadelbündel mehr oder weniger weit hervor, aber nur bei einem Theile verschwand das Ausströmungsrohr. Der andere Theil zeigte fast konstant ein Oskulum an jedem Schwämme; das Vorhandensein einer eng demselben aufliegen- dem äusseren Haut wurde unter dem Mikroskop konstatirt und es wurde der die Spongille durchfliessende Wasserstrom nach- gewiesen. Diese Schwämmchen lebten am längsten, aber auch sie starben im Mai und Juni ab. Das im Aquarium beobachtete Absterben der Spongillen scheint aber in der freien Natur bei weitem nicht so häufig einzutreten. Jeder, der Süsswasserschwämme in Aquarien ge- 20 Gesellschaft naturforschender Freunde. zogen hat, weiss, wie schwer es ist, selbst nur kleinere Exem- plare monatelang frisch zu erhalten. Dagegen gelingt dies (s. LiEBERKüEHN Und Goette), Wie ich es auch beobachtet habe, mit Leichtigkeit an jungen aus Larven gezogenen Spongillen. Erst nach manchen Versuchen bin ich dahin gekommen, we- nigstens annähernd die Bedingungen herzustellen, welche für das gedeihliche Fortkommen auch grösserer Exemplare nöthig sind. Die Misserfolge, die ich in den vergangenen Jahren da- mit gehabt habe, perennirende Süsswasserschwämme vom Herbst bis mitten in den Sommer hinein durchzubringen, führe ich der Hauptsache nach auf Nahrungsmangel zurück. Wir wissen über die Nahrung der Spongillen so gut wie garnichts. Am 16. October des vorigen Jahres habe ich wiederum sechs grössere Ephydatia fluviatilis aus dem Tegelsee geholt. Der kleinste dieser Schwämme mass öVo cm Länge, der grösste 10 cm, die Höhe dieser Krusten war 2V2 mm bei dem klein- sten, fast 5 mm bei dem grössten Exemplare. Alle sechs wurden an den verschiedensten Stellen ihres Körpers auf Eier, Furchungsstadien und Larven (Sperma findet sich zu dieser Zeit nicht mehr) untersucht. Vier waren Neutra und sollen nicht weiter berücksichtigt werden. Die zwei anderen waren weiblich und, wie ich ausdrücklich bemerke, vollständig von Furchungsstadien und Larven durchsetzt. Diese beiden Exemplare wurden in grosse, 3 — 4 Liter Wasser*) enthaltende Aquarien gebracht, in welche ich zuvor Sand und Elodea ge- than hatte. Die Gläser wurden möglichst wenig berührt und standen in einem ungeheizten Zimmer des zoologischen Mu- seums. Das Wasser wurde während der ganzen Zeit nur ein- mal und zwar gleich im Anfange gewechselt. Von diesen beiden Schwämmen schwärmten vom 16. October an ununter- brochen Larven aus; am 30. October wurde die letzte frei- schwimmende Larve beobachtet. Die eine dieser Spongillen zeigte stets drei grosse Ausströmungsröhren und begann im December allmählich ihr Volumen zu verringern, Haut und Oskula schwanden zuerst und die Nadelspitzen traten frei her- ^) Dasselbe war der hiesigen Wasserleitung entnommen, welche ihr Wasser aus dem Tegelsee erhält. Sitzung vom 21. Februar 1888. 21 vor. Am 2. Januar war die Temperatur des Wassers in die- sem Glase, welches dicht am Fenster stand, unter Null ge- sunken und als das Gefäss zur Beobachtung gedreht wurde, erstarrte das Wasser mit einem Male in grossen Blättern bis auf den in der Mitte befindlichen Schwamm. Es wurden nun die beiden Aquarien in einen Raum gebracht, der sich neben zwei geheizten Zimmern befand. Der so eben besprochene Schwamm hat sich aber nicht wieder erholt, er ist jetzt sehr reducirt, fast das ganze Skelett liegt bloss, an zwei Stellen steht die Haut in Gestalt grosser geschlossener Blasen ab und im oberen Theile der Spongie findet sich nur ein winziges Oskulum. Die andere der beiden larvenhaltigen Spongillen veränderte in dem ersten Monate ihres Aufenthaltes im Aquarium fort- während die Zahl und Stellung ihrer Oskularöhren, vom 16. November an, als vorübergehend Frost eintrat, zeigte sie nur wenige Oskula und vom 10. December an blieb die Zahl und die Lage der zwei Auswurfsröhren bis zum 1. Februar konstant. An diesem und dem folgenden Tage blieb das Fenster des Zimmers während der Nächte geöffnet, die Temperatur des Wassers war des Morgens fast auf Null gesunken, und die beiden Oskularöhren waren am Morgen des dritten Tages voll- ständig verschwunden. Aber schon nach einem Tage, nach- dem das Fenster wieder geschlossen war, traten die Oskula an derselben Stelle wieder auf und zeigten wieder dieselbe Grösse. Ausser diesen beiden hat der Schwamm jetzt noch eine dritte Auswurfsröhre. Auch diese Spongilla ist, seitdem sie von Tegel geholt wurde, kleiner geworden; sie mass ur- sprünglich 10 cm Länge und fast 5 mm Höhe der Kruste, ihre Grösse beträgt heute nur noch 9 cm Länge bei 2V2 mm Hölie. An einer Stelle liegt der seines Weichtheiles beraubte Nadelflaum auf dem Schwammparenchym; an der ganzen übrigen Oberfläche sieht man mit der Lupe zwar die Nadelspitzen her- vorragen, aber man erkennt fast überall die eng dem Schwämme aufliegende äussere Haut. Im übrigen bietet die Spongille ein vollkommen frisches Aussehen und lässt aus allen drei Oskula- röhren einen lebhaften Wasserstrom austreten, üeber die Ver- änderung des Weichkörpers der Ephydaiia ßuviatüis nach der 22 Gesellschaft naturforschender Freunde. Zeit der Fortpflanzung bis zum Wiedereintritt derselben in dem folgenden Jahre werde ich an einer anderen Stelle be- richten. Nur soviel sei bemerkt, dass entgegen don Angaben von LiEBERKüEHjj Und METScn>'iKOFF weder die Haut, noch die Ausströmungsröhren, noch die Geisseikammern und die Kanäle an dem perennirenden Schwämme des Tegelsees vollständig schwinden. Aus diesem Versuche, eine ausgesprochen weibliche Spon- gilla noch fast vier Monate nach dem Ausschwärmen der letzten Larve lebenskräftig zu erhalten, geht wohl hervor, dass die LAüREiNT-GoETTE'sche Ausicht vom Tode der Spongillen in Folge der geschlechtlichen Fortpflanzung nicht für alle Fälle richtig ist. Dagegen stimme ich Goette vollständig bei, dass bei Ephydatia ßuviatilis „weder von einer durchgreifenden Saison- verschiedenheit, noch von einem wirklichen Generationswechsel die Rede sein kann", wie es nach Marshall bei Spongilla lacustris der Fall ist. Es wurde von dem Vortragenden die zuletzt besprochene Spongille, sowie zwei andere grosse Exemplare, welche sich seit Mitte November in Aquarien befinden und gar keine Ein- busse an ihrer Grösse erlitten haben, lebend vorgezeigt. Ferner wurde an einem Dünnschnitte einer im Januar gesammelten Spongille die äussere Haut, die Kanäle und die Geisselkammeru demonstrirt. Herr H. J. KoLBE berichtet über den kranzför- migen Laich einer Phryganea. Herr Dr. Weltner fand mehrere Exemplare dieses aus gallertartiger Substanz bestehenden Gebildes am 5. Juni 1887 im Tegeler See bei Berlin, und zwar in einer Bucht, welche von dem ofi'enen See durch eine den Wasserspiegel eben er- reichende Sandbank abgeschieden und, da sie ausserdem mit den grossen Blättern des Nuphar luteum bedeckt ist, um so mehr einen geschützten Ort für die Entwickelung von Wasser- thieren abgiebt. Die einzelnen Exemplare des obigen Laichs hingen im Wasser an der Unterseite der VM/)/?ar-BIätter, lagen aber dem Blatte nicht an, sondern waren nur mit einem Theile der Peripherie aufgehängt. Vergl. die Abbildung. Sitzung vom 21. Februar 1888. 23 Zwei Exemplare dieses Laichs wurden gesammelt und zur weiteren Beobachtung im zoologischen Museum in einem Aqua- rium gehalten. Am 17. Juni entwickelten sich eine Anzahl Embryonen, die sich nach ihrem Ausschlüpfen in der Gallerte stark bewegten. Behufs Conservirung des Laichs in seiner vor dem Ausschlüpfen der Embryonen bestehenden Beschaffenheit wurde baldigst ein Exemplar in einer Mischung von Glycerin und Sublimat aufgehoben. Da indess bei den Versuchen, eine für das Object passende Conservirungsflüssigkeit zu erhalten, jenes verdarb, so muss dies für später vorbehalten bleiben. Herr Dr. Weltneu hatte die Freundlichkeit, das von ihm conservirte und präparirte Material, welches ausser dem con- servirten Laiche und den noch lebenden jungen Larven einige von ihm angefertigte mikroskopische Präparate von Larven in bezw. Canadabalsam und Glycerin, sowie eine gleich nach dem Auffinden entworfene Zeichnung eines Laichs nebst zugehörigen Notizen über denselben und die Embryoneu enthielt, dem Vortragenden zur weiteren Untersuchung zu übergeben. Bei der vorzunehmenden Feststellung der systematischen Zugehörigkeit des Laichs ergab sich die Uebereinstimmung der aus den Eiern desselben hervorgekommenen, ein bis zwei Tage alten und gegen 2 mm langen Larven mit der Form der Phryganidenlarven. Von keiner Art dieser Insektenabtheilung scheint aber eine solche oder eine ähnliche Laichform bekannt geworden zu sein. Nach Zaddach werden die Phryganideneier mit der sie einschliessenden gallertartigen Masse in drei ver- 24 Gesellschaft naturforschender Freunde. schiedenen Formen abgelegt, nämlich: 1. in rollen- oder strang- förmigen Körpern; 2. spiralförmig gelegt in runden Platten; 3. in Klumpen, in denen die Eier oft so vertheilt sind, dass sie den Gallertliaufen in querstehende Platten theilen. Auch aus neueren Publikationen ergiebt sich nichts Neues über die Form des Laichs der Phryganiden, weder bei Buaüer und LoEW (1857), noch bei Rathke (Hagen) (1862), Hages (1864), M'Lachlan (1865), Meyer (1867), Hagen (1873), M'Lachlan (1874), Patten (1884). Was die generische Zugehörigkeit der vorliegenden Larve anbetrifft, so spricht die Körperform nur für Phryganea, Neu- ronia und Agrypnia, welche die Subfamilie der Phryganeinae bilden. Die Bildung der Analhaken, die an den Seiten rund- lich vorspringenden Abdominalsegmente, der kegelförmige Fort- satz jederseits am ersten Abdominalsegment und die massig langen Beine finden sich ebenso bei Phryganea, deren Larven denen von Neuronia und Agrypnia sehr ähnlich sind. Die Grösse des vorliegenden Laichs, obgleich die gallertartige Sub- stanz desselben erst nach der Ablage im Wasser zu dieser Grösse aufquillt, weist auf ein grosses Insekt hin und dürfte zu Phryganea grandis oder striata gehören. Nach Zaddach aber (Untersuchungen über die Entwickelung und den Bau der Gliederthiere. L 1854 p. 64 Anm.) legt Phryganea grandis Anfangs Juli einen strangförmigen Körper von gallertartiger Substanz, die im Wasser stark aufquillt und in der eine sehr grosse Menge dunkelgrüner Eier eingebettet liegen. Der ganze Strang ist etwa 74 Zoll lang, in der Mitte aber zusammen- gelegt; und wahrscheinlich gehört jede Hälfte dem Eierstocke einer Seite an. Damit congruirt unser Laich durchaus nicht. Der Durchmesser desselben misst in der Breite 35, in der Länge 37 mm. Der äussere Umfang ist kreisförmig; die innere Oeffnung länglich oval, 12 mm lang und 9 mm breit; der Strang 13 mm dick, etwas dünner (11 — 12 mm) in dem der Basis entgegengesetzten Theile. Der Querschnitt des Stranges ist kreisförmig. Die Eier liegen sehr regelmässig, und zwar, wie ein Querschnitt zeigt, zu je 13 oder 14 in einem Kreise, der auf dem inneren Rande mehr oder weniger senkrecht und von der Peripherie des Stranges nur wenig absteht. Der Sitzung vom 21. Februar 1888. 25 äussere Rand des Kranzes ist wellig, weil jeder Eikreis nach aussen einen convexen Vorsprung abgiebt. Der innere Rand des Kranzes ist zwar nicht völlig glatt, aber auch nicht regel- mässig gefaltet. Die Zahl der Eikreise beträgt an dem unter- suchten Exemplar 30; etwas unregelmässig liegen die Eier an der Anheftungsstelle. Da sich nun 13 bis 14 Eier in einem Eikreise befinden, so enthält der Laich etwa 400 Eier. Die Eier haben einen grünen Nährdotter; der entwickelte eim- streif ist gelblich. Den jungen, gegen 2 mm langen Larven fehlen die Tra- cheenkiemen. Grössere Larven von Phnjyanea besitzen diese; ebenso die meisten übrigen Phryganidenlarven; doch fehlen sie einer Anzahl kleinerer Formen, nämlich den Hydroptilinen und einem Theile der Hydropsychinen und Rhyacophilinen. Dass die Tracheenkiemen, wie sich aus den zerstreuten Angaben bei den Autoren (Pictet, Hagen, M'Lachlan) ergiebt, bei den Leptocerinen und einem Theile der Hydropsychinen und Rhya- cophilinen büschelförmig angeordnet sind, d. h. aus einer ge- meinschaftlichen Basis entspringen; bei den Sericostominen, Limnophilinen und Phryganeinen aber mehr isolirt stehen, mag hier nur nebenbei erwähnt werden. Aus Zaddach's Beob- achtungen (l. c, p. 59, 62) geht aber hervor, dass auch die jüngsten Larven von Mystacides nigra, die zu den Leptocerinen gehört, keine Tracheenkiemen besitzen, obgleich den Larven, ohne Zweifel älteren Larven, dieser Art von M'Lachlan (A monographic revision and Synopsis of the Trichoptera of the European Fauna. London, 1874-1880, p. 314) diese zu- geschrieben werden. Da die jüngsten Larven der zu obigem Laiche gehörigen Art gleichfalls kiemenlos sind, obgleich sie nach unserer An- sicht zu den mit Traeiieenkiemen im Larvenzustande versehenen Phryganeinen gehören, so wäre dieser Fall dem bei Mystacides ebenerwähnten an die Seite zu stellen. Es wäre demnach für diese jüngsten Larven eine einfache Hautathmung anzunehmen. Die Haut derselben ist an den Seiten des Abdomens sehr zart. Der kegelförmige Fortsatz an den Seiten des ersten Ab- dominalsegments ist verhältnissmässig lang und zarthäutig. Ein verzweigter Ast des wellenförmig verlaufenden Tracheenhaupt- 2* 26 Gesellschaft naturforschender Freunde. Stammes ragt in diesen Fortsatz hinein; ein langes peitschen- förmiges Haar sitzt auf der Spitze desselben und ist so lang wie dieser; ein zweites, an der Wurzel des ersteren entsprin- gendes Haar ist um die Hälfte kürzer und dünner. Auf dem Umfange des Fortsatzes befinden sich zwölf regelmässige Quer- reihen sehr feiner und äusserst kurzer, nur bei starker mikro- skopischer Vergrösserung sichtbarer Härchen. Dieses Organ dient vielleicht zur Athmung. Bei Zadd.\ch findet man 1. c, p. 61 die Vermuthung ausgesprochen, dass dieser beiderseitige Fortsatz und der Höcker auf dem Rücken (der bei den vor- liegenden jungen Larven nicht vorhanden ist) zum Fortschieben des Körpers in der Röhre dienen. Herr F. HiLOENDORF macht einige Bemerkungen über die Morphologie der Augenhölile von Gecarcinus und über eine neue verwandte Gattung My s tacocarcinus. Die hauptsächlich im tropischen America heimischen Land- krabben der Gattung Gecarcinus (Fig. A) sind als die am weitesten vom gewöhnlichen Brachyurentypus abweichende Form in der P^amilie Gecarcinidae zu betrachten. Die vor- SitzuiKj vom 21. Fehruar 1888. 27 wiegend in der alten Welt lebende Gattung Cardisoma (Fig. B) stellt daireyien die weniger charakterische, an die Telphusen erinnernde Form dar. Die extreme Verbreiterung des 2. und 3. Gliedes der äusseren Kieferfüsse, wodurch der Aussenast nnd die Endglieder dieser Füsse verkümmert und dem Auge entzogen werden, ist bei Cardisoma noch nicht vorhanden Auch an der Augenhöhle zeigt Gecarchius^ aber wieder nicht Cardisoma, eine merkwürdige Umformung, die hier erläutert werden soll. Bei oberflächlicher Betrachtung scheint allerdings die Or- bita von Gec. kaum 15emerkenswerthes zu bieten. Die innere, obere, seitliche und untere Begrenzung derselben wird gebildet durch einen zusammenhängenden kantigen Rand; unten nach der Körpermitte zu, also neben der Basis der äussesrn An tennen , wird der Rand vervollständigt durch den sog. Infra- orbitalzahn^), zwischen Zahn und dem Medianende des Unter- randes findet sich ein tiefer, breiter Einschnitt. Die median- wärts gedrückte Spitze des Zahns wird wieder von der Stirn- ecke, dem Anfang der inneren Begrenzung, bedeckt. Auffällig ist hier eigentlich nur, dass der Unterrand, statt wie bei Car- disoma unterhalb des Zahns hinzuziehen, grade auf ihn zu- läuft und dabei median stark verkürzt ist. Eine andere Eigen- thümlichkeit ist bemerkbarer, betrifft aber scheinbar nicht die Augenhöhle selbst. Es läuft nämlich bei Gec. unterhalb der Augenhöhle eine Leiste, in der Mitte zwischen dem Seitenrand des Schildes und der vom vorderen Mundwinkel ausgehenden Nahtlinie (Cervicalfurche) N m Fig. A ; bei Cardisoma fehlt sie, ich will sie als Seh n urr bar 1 1 eiste {S in Fig. A) be- zeichnen. Sie beginnt neben der Antennenbasis als Verlänge- rung der queren vorderen Epistomleiste , d. h. genau an der Stelle, wo bei Card, der untere Augenrand anfängt, biegt aber mehr nach hinten und erstreckt sich über die Orbita hinaus seitwärts. Nach meiner Auffassung nun stellt sie morpholo- gisch den echten unteren Augenrand dar, während der als solcher physiologisch fungirende und auch von den Autoren als Unterrand bezeichnete Kamm eine Neubildung ist, wahr- 1^ Besser wäre die Bezeichnung Infraocularzahn, da er typisch noch innerhalb der Orbita liegt, nicht unterhalb derselben. 28 Gesellschaft naturforschender Freunde. scheinlich eine excessive Ausbildung der Körnerlinie die öfter innerhalb der unteren Augenränder, vom Zahn ausgehend, den wahren Unterrand begleitet (auch bei Card.). Ich nenne den Kamm den falschen Unterrand (FU). Die Betrachtung einiger Zwischenformen wird meine Deu- tung bestätigen. Zunächst weicht schon bei Cardisoma hirtipes Dana ^) (Fig. C) der untere Orbitalrand an seinem äusseren Ende sichtlich nach hinten und verlängert sich gleichzeitig, so dass die Augenhöhle aussen durch eine eigene erhabene Linie, die vom Ende der Leiste zur Orbitalecke zurückläuft, ge- schlossen werden muss. Noch stärker dislocirt und verlängert treffen wir den Unter- rand (S) aber bei einer neuen von der Gazelle - Expedition auf Neu-Irland entdeckten Gattung, Mystacocarcmus (Fig. D)« er nimmt hier fast genau die Stelle der Schnurrbartleiste von Gec. ein, und sein laterales Ende liegt der Nahtlinie (N) sogar noch etwas näher als dem Seitenrande des Schildes. Er kann schon mit Fug und Recht Schnurrbartleiste heissen. Der „falsche Unterrand" fehlt aber hier, und darum tritt die wahre Homologie sofort hervor. Die ohnehin flache Orbita geht nach aussen hin breit geöffnet unmerklich in die Unterfläche des Cephalothorax über; die innere Körnerlinie fehlt gänzlich. Die Entwicklung in der durch Fig. B, C, D, A gegebenen Stufenleiter: Cardisoma guanhumi, C. hirtipes, Mystacocarcinus., Gecarcinus ruricola, das heisst also: normale Orbita, schwaches Zurückweichen des Unterrandes am Aussenende, starkes Zurück- weichen, endlich starkes Zurückweichen mit Ausbildung eines secundären Unterrandes, mag zusammenhängen mit der Verklei- nerung des Augenstiels; der Seitenrand des Schildes mit der äusseren Augenhöhlen-Ecke scheint dem Augenstiel leichter medianwärts folgen zu können als die untere Partie der Höhle. Der falsche Unterrand, der den ausser Gebrauch tretenden Theil dör zu gross gewordenen Augenhöhle von dem in Dienst ^) Ich betrsichte hirtipes mit de Man als gute Art: ausser den von DE Man und Miers hervorgehobenen Kennzeichen ist auch die Sculptur des Schildes bei jüngeren Exemplaren von hirtipes geflossen grannlirt (bei carnifex glatt), und das vorletzte Abdominalsegmeut stets kürzer. Sitzuixj vom 21. Februar 1888. 29 bleibenden abscheidet, ist eine neue Schutzwelir für das Auge an der offenen Stelle. Vielleicht spielt aber hier das Wachs- thum der Kienienkaniiner, welches den betreftenden Theil der Schale ausdehnt, eine Rolle activer Art. Mystacocarcinus crenidens g- n., sp. n. Fig. D, steht den Ucainae {\YooD-MASoy, Ann. Mag. (4) XIV., S. 188, 1874) allerdings näher als den Gecarcininae, weil das 2. und 3. Glied der 3 Maxillipeden nicht verbreitert sind und den Exopodit, sowie das 4. 5. und 6. Glied freilassen, weil die Querleiste zwischen Gaumen und Epistoni scharf ausgebildet ist, weil die äussere Antenne frei in die Augenhöhle hineinragt (d. h. nicht durch Verbindung des Infraorbitalzahns mit der Stirnecke ab- geschnitten wird, und weil die Klauenglieder der Füsse vier Dornenreihen (statt 6) tragen. Dagegen stimmt Myst. mit den Gecarcininae durch einen dislocirten unteren Orbitalrand (daher der Name) und das Fehlen des Flagellum am Exopodit der 3. Mxp. überein; auch ist der Augenstiel klein, und die Kleinheit der Hornhaut bemerkenswerth. — Es ist mithin auch Mason's Abgrenzung keine scharfe. Für die Species ist die deutliche Entwicklung eines Epi- branchialzahns und Andeutung eines dritten Seitenrandzahns durch eine Einkerbung beachtenswerth, ferner das Vorkommen je eines kräftigen gekerbten Zahnes auf der Schneide des beweglichen wie unbeweglichen Scheerenfingers (hierauf deutet der Species-Name), auf letzterem ist er grösser und weiter apicalwärts gelegen. Die Schnurrbartleiste ist fein gerieft, die innere Handfläche vermag auf ihr vielleicht Stridulation zu erzeugen. Zwischen den Basen des 3. und 4, Fusses ist eine besonders reichliche seidenartige Behaarung. Schild 35 mm br., 29 1. (/. - Carteret Harbour, Neu- Irland. K. Zool. Mus. Berlin, Crustacea No. 5242. Herr Mag>TS sprach über die Selbstbestäubung von S pergularia salin a Presl, die er im August und September 1887 an der Saline bei Kissingen beobachtet hatte. Während seines dortigen Aufenthaltes vom 17. August bis zum 14. Sept. 1887 sah er nicht ein einziges Mal eine Blüthe mit ausgebreiteter Blumenkrone. Immer blieben die Blumen- 30 Gesellschaft natu r forschender Freunde. blätter kürzer als die Kelchblätter und im Kelche eingeschlossen; meist zeigten sie sich blass, nur selten waren wenige rosig gefärbt. Die Kelchblätter blieben über dem kurzen Frucht- knoten zusammengeneigt. Von den Staubblättern waren nur 2 — 4 des äusseren Kreises ausgebildet, gewöhnlich 3; sie Hessen stets in den geschlossen gebliebenen Blüthen den Pollen auf die drei sitzenden zurückgekrümmten Narbenschenkel aus- fallen. Es fand hier also regelmässig Selbstbestäubung inner- halb geschlossen gebliebener Blüthen statt. Diese Selbstbe- stäubung war stets von gutem Erfolge, wie die regelmässig gebildeten Kapseln mit gut entwickelten Samen zeigten. Wir haben hiermit einen sehr deutlichen Schritt zur Cleistogamie vor uns. Doch scheinen anderwärts nicht selten Blüthen mit aus- gebreiteten I^lumenkronen bei dieser Art aufzutreten. Dafür sprechen die Beschreibungen in den Floren aller hervorragen- den Floristen (vergl. z. B. Ascherso.n: Flora der Provinz Brandenburg?, T., pag[. 95, Blb. rosa; Garckr: Flora von Deutschland, 15. Auflage, pag. 71, Blk. blassroth; Neilheicii, Flora von Wien, pag. 532 u. s. w.). Auch theilte dem Vortr. Herr Prof. Ascherson mit, dass er in Aegypten und den Oasen der Libyschen Wüste oft Spergularia salina Presl mit geöffneten Blüthen und rosa Blumenblättern angetroffen hat und gab Vortr. freundlichst ein Exemplar aus der Oase Dachl, an dem man an den obersten Blüthen noch die rosa Blü- thenblätter zwischen den Kelchblättern hervortreten sieht. Auch beschreibt sie Mac Leod, der speciell ihre Bestäubungs- einrichtung untersuchte und fand, dass spontane Selbstbe- fruchtung bei ihr gesichert ist, mit purpurfarbigen Blumen- kronen (Botan. Centralbl., Bd. XXIX, 1888, pag. 120). Hin- gegen fand August Schulz (Beiträge zur Kenntniss der I>e- stäubungseinrichtungen und der Geschlecht*vertheilung bei den Pflanzen, Cassel, 1888, pag. 16 u. 17) die Blumenblätter dieser Art am salzigen See bei Fisleben in Uebereinstimumng mit dem Vortr. kürzer als die Kelchblätter, meist 3 Staubblätter, die Blüthen meist geschlossen und fruchtbare Selbstbestäubung. Ob sich diese Art an verschiedenen Localitäten verschieden in Bezug auf die Grösse der Blumenkrone und das Oeffnen der Sitzung vom 21. Fehruar 1888. 31 Blüthe verhält, oder ob letzteres stets bei sonuigeni Standort und warmer sonniger Witd-rung eintritt und bei Kissingen nur wegen der külilen Läse des Standortes dicht an dem stets abtropfenden Gradirwerke der Sahne und wegen der trotz einiger sonnigen Tage doch im Allgemeinen kühleren Witte- rung im August und September 1887 unterblieb, muss Vortr. dahingestellt sein lassen. Letzteres ist ihm nach den Beob- achtungen von Aug. Schulz wahrscheinlich. Es tritt uns hier die öfter zu beobachtende Erscheinung entgegen, dass, wenn von zwei nahe verwandten, an denselben oder benachbarten Standorten auftretenden Formen die eine grössere Blüthen , die andere kleinere ßlüthen trägt , letz- tere wegen ausbleibenden Insectenbesuches autogam wird. So ist es der Fall bei der heterogamen Viola tricolor vulgaris mit grossen und lebhaft gefärbten Blüthen und der autogamen Viola tricolor arvensis mit kleinen, gelben, unscheinbaren Blü- then; so bei der heterogamen grösserblüthigen Euphrasia offi- ciitalls pratensis Fr. und der autogamen kleinblüthigen Euphr. o/ßc. nemorosa Peus.; so bei den heterogamen grossblüthigen Geranium- hxt^n (z. B. G. pratense L. und G. p/jrenaicum L.) nnd den autogamen kleinblüthigen Geranium- Arien (G. molle L. , G. pusillum L.); so bei dem stets heterogamen Erodium cicutarium h. pimpinellaefolium Willd. und der meist autoga- men kleinblüthige ngewöhnlichen Form des Erodium cicutarium (nach F. Ludwig) '); ^"^o bei der heterogamen grossblüthigen Malca silcestris L. und der kleinblüthigen M. rotundi/olia L., die sich durch Zurückkrümmung der verlängerten Narbenäste selbst bestäubt. So ist es endlich auch der Fall bei der pro- tandrischen und nach Mac Leod auch gynodiöcischen gross- blüthigen Spergularia margijiata P. M. E. und der autogamen kleinblüthigen Sperg. salino Presl. Während aber bei allen zuer>t genannten kleine offene Blüthen auftreten, bilden die Blüthen von Spergularia salina Presl einen deutlichen Ueber- gang zu den geschlossen bleibenden cleistogamen Blüthen. Dies tritt deutlich hervor in dem jedenfalls sehr häufigen Ge- schlossenbleiben der Blüthen, sowie in der reducirten Zahl der ^) Vergl. auch Aug. Schulz, 1. c. p. 2G— 31. 32 Geselbchnft naturforachender Freunde. Staubblätter, worin sie mit vielen cleistogamen Blüthen über- einstimmen (verg!. z. B. die cleistogamen Blüthen von Iwncus hu/onius mit 3 statt 6 Staubblättern, die einiger Malpighia- ceen-Gattungen mit 1 statt 5 oder 6 Staubblättern, die von VandelUa 7mmmularifoHa mit 2 statt 4 Staubblättern etc.). Hingegen fallen die Pollenkörner aus den Antheren auf die zurückgekrümmten Narbenschenkel, wie in den kleinen, offenen autogamen Blüthen der vorhin genannten und vieler anderer Arten, speciell aus der Familie der Alsineen. Die Blüthen von Spergularia salina Presl bei Kissingen und Eisleben zeigen uns daher einen interessanten Uebergang zur Cleistogamie. Dass sämmt liehe Blüthen des Stockes cleistogam werden, findet sich auch bei anderen cloistogamen Arten, z. B. bei Sah'ia rleistoyama. Als Geschenke wurden mit Dank entgegengenommen: Bericht des naturwissensch.-medicinischen Vereins in Innsbruck, XVI. 1886-87. Schriften des naturwissensch. Vereins des Harzes in Werni- gerode, H. 1887. Mittheilungen der zoolog. Station in Neapel, VII, 3. — 4. 1887. Verhandlungen der k. k. geolog. Reichsanstalt. Wien, 1887, No. 16. Lotos , Jahrbuch für Naturwissenschaft , Neue Folge , VIH. Wien, 1888. Bericht des naturhistorischen Museums zu Hamburg für das Jahr 1887. Bolletino delle pubblicazioni Italiene., No. 48. 1887. Bulletin de la Societe imper. des naturalistes ds Moscou, 1887, No. 4, nebst. Beilage: Meteorolog. Beobachtungen der landwirthsch. Academie bei Moskau, 1887, 1. Hälfte. Proceedings of the American Academy of Arts and Sciences. Boston, XXII., 2. December, 1886 — Mai, 1887. Memorias de la Sociedad cientifica, ., Antonio Alzate", T. , 5. Mexico, 1887. Festschrift zur Feier des 50jährigen Bestehens des natur- wissenschaftl. Vereins in Hamburg am 18. November 1887. Druck von J. F. Starcke in Berlin. Nr. 3. 1888. 8itzuiigs - B ericli t der Gesellschaft naturforscheiider Freunde zu Berlin vom 20. März 1888. Director: Herr R. Hartmann. Herr F. SARASIN machte einige Mittheilungen über Asthenosoma urens, einen Echinothuriden aus dem Hafen von Trincomali auf Ceylon. Zuerst werden die mit einem Giftapparat versehenen Stacheln beschrieben, dann die fünf Paare starker Längsmuskeln , welche die Beweglichkeit des Körpers vermitteln, ferner die sog. SxEWART'schen Organe und endlich die Niere dieser Seeigel. Als Niere wird das bräunliche Organ aufgefasst, welches den Steincanal in seinem Verlauf vom Wassergefässring zum Madreporiten begleitet und bis jetzt bald als Herz, bald als Drüse verschiedener Funktion mit oder ohne Ausführgang be- trachtet worden ist. Das Organ ist in seiner ganzen Länge von einem grossen Hohlraum durchsetzt; von diesem gehen mächtige Drüsenschläuche aus, welche blasige Zellen enthalten, sehr ähnlich den in der Molluskenniere vorkommenden Ele- menten. Die Drüsenlappen setzen sich fort in engere, mit regelmässigem Epithel ausgekleidete Canäle, die in mehr oder minder gewundenem Verlauf nach der Peripherie des Organs ziehen und endlich mit kleinen, im Leben jedenfalls stark wimpernden trichterförmigen Oeffnungen (Nephrostomen) in die Leibeshöhle münden. Der centrale Hohlraum der Niere wird gegen den Madre- 3 34 Ge.sellschnfi iiaturforschender Freunde. poriten zu immer enger und vereinigt sich mit dem Steincanal in einer gemeinschaftlichen Sammelblase, welche wiederum durch einen engeren Gang mit dem Infundibulum der Madre- porencanälchen in Verbindung steht. Der Nachweis dieses viel bestrittenen Ausführganges wird erschwert durch seinen seit- lichen Abgang aus dem Organ, welches selbst sich noch weiter gegen die dorsale Körperwand hin fortsetzt. — Herr K. MÖBlüS sprach über die Schwellung des Fusses der Muschel Solen peUucidus Penn. Solen peUucidus bewohnt die Mudregion der Kieler und anderer Buchten leuchten an der Ostküste Schleswig-Holsteins. In der Kieler Bucht war sie in den Jahren 1861 bis Anfang der siebziger Jahre nicht so selten wie später; vielleicht drängte sie eine beobachtete geringe Abnahme des Salzgehalts ebenso wie Nassa reticulata und Echinus miliaris zurück. Bringt man junge, etwa 1 — 2 cm lange Exemplare dieser Muschel in reinem Seewasser unter ein etwa 20—30 mal ver- grösserndes Mikroskop, so hat man Gelegenheit zu beobachten, wie sie plötzlich ihren Fuss zwischen den Vorderrändern der Schalenklappen wie eine spitze Zunge hervorstreckt und ihn darauf vorn schnell beilförmig ausbreitet. Während dieser Ausdehnungen des Fusses, der durchscheinend zart fleischfarbig ist, schiesst im Innern desselben eine Flüssigkeit aus dem basalen Theile gegen das freie Ende. Diese kann nichts an- deres sein, als Blut, welches nach Fleischmann's Darstellung von Versuchen mit Anodonten und Unionen (Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 42, pag. 367) aus den Mantelreservoireu in die Fusslakunen gedrängt wird. Herr P. ASCHERSON legte eine aus Ceylon stammende, nach Veilchen riechende Droge vor, die aus den Antheren der Mesua ferrea L. (Guttiferae) besteht. Vortragender erhielt die vorgezeigte Probe vor Kurzem von Prof. Sadebeck, Director des Botanischen Museums zu Hamburg. Sie stammte aus einer Sammlung von Pflanzen- produkten, welche die von Herrn Hagenbeck nach Europa ge- führte Singhalesen-Karawane mitgebracht hatte. Sitznmj vom 20. Mnrz 1888. 35 Der Haiiptsaclic nach besteht diese Droge nur aus An- iheren, nebst zahlreichen Trümmern der dazu gehörigen Fihi- mente, von denen aber niemals ein Stück mit der Anthere im Zu- sammenhang geblieben war. Die Antheren zeigten sich länglich bis lineal, bei gleicher Breite (0,0005 m) um mehr als das Doppelte in der Länge variirend (0,00125 — 0,003 m), an beiden Enden abgerundet-gestutzt, dithecisch mit Längsspalten aufspringend; ihre Farbe ist dottergelb; das sehr deutlich durch seine dunklere, rothbraune Farbe hervortretende Connec- tiv ist auf der den Spalten abgewandten Seite, auf der das Filament dicht über der Basis eingefügt war, reichlich so breit als jede der Thecae, auf der Seite, nach der die Spalten ge- wandt sind, viel schmäler. Die sehr dünnen Filamente erschei- nen im trocknen Zustande dunkel purpur-violett. Auf den ersten Blick erschien die Aussicht diese blossen Antheren zu bestimmen, ziemlich gering. Wie der als Kenner von Pflanzenprodukten so bewährte Herr P. Henmngs, Assi- stent am Botanischen Museum, mit Recht geltend machte, Hess der Umstand , dass die Antheren fast frei von fremden Bei- mengungen waren (es fand sich nur ein Fragment eines Blu- menblattes und die Staubfadenröhre einer Papilionacee, deren Filamente aber sofort die Nicht-Zusammengehörigkeit mit denen der Droge ergaben) darauf schliessen, dass sie aus einer grossen, polyandrischen Blume stammten. Doch auch so blieb die Anzahl der in Frage kommenden Familien noch sehr ansehnlich. Die Durchsicht von Ausstellungs- Katalogen und anderen Verzeichnissen indischer Pflanzenprodukte führte glücklicher Weise unter der Rubrik: Wohlgerüche, ätherische Oele etc. bald auf die der Familie der Guttiferae angehörige Mesua ferrea L., einen ansehnlichen, auf beiden indischen Halbinseln, im östlichen Bengalen, im Ost-Himalajah und auf den Andamanen einheimischen, in den (härten Indiens und des Archipels (z. B. Java's) wegen seiner schönen, grossen und wohlriechenden Blumen häufig ^) cultivirten Baum. 1) Nach Thwaites (Enum. of Ceylon Plants, pag. 52) findet er sich vorzugsweise in der Nähe von Tempeln angepflanzt. Die Herren Drr. 3* 36 Gesellschaft naturforschender Freunde. Schon die makroskopische Vergleichung der Antheren ergab die zweifellose Identität, welche sodann durch die von Dr. K. Schümann vorgenommene Untersuchung des Pollens durchaus bestätigt wurde. Die Pollenzellen sind ellipsoidisch, mit end- ständigen Poren, indess keineswegs so charakteristisch, dass sie schnell zur Erkennung der Familie geführt hätten. Es er- gab sich bei Betrachtung der vollständigen Blüthe, dass die Antheren intrors sind und die längeren den äusseren, die kürze- ren den inneren Staubblättern angehören. In der ihm zugäng- lichen Litteratur hat Vortr. keine Erwähnung dieser nur aus Antheren bestehenden Droge finden können. Allerdings führen die meisten Schriftsteller über angewandte Botanik Mesua ferrea L. auf, aber nur wegen ihres festen , schönen Holzes (daher holländisch Yzerhout genannt, wovon der von Linne gewählte Speciesname). Nur Einzelne, wie Rosenthal (Synops. plant, diaphor., S. 745), Dymock (vgl. Botan. Jahresbericht, 1878, S. 1120) sprechen auch von der Anwendung der Blü- then als Parfüm oder zu medicinischen Zwecken. Die erste Beschreibung und Abbildung des Baumes finden sich in Rheede TOT Drakensteen's bekanntem Hortus Malabaricus Pars III, (1682), pag. 63, tab. 53, obwohl beide nach Wight and Arnott (Prodromus Flor. Penins. Ind. Or. , pag, 102) wenig gelungen. Dieser Schriftsteller nennt unsere Pflanze Bellutta Tsjampakam sive Castafiea rosea indica, letzteres nach dem hol- ländischen „Castanie Roosen", wegen der rosenähnlichen, schnee- weissen, nach Rosen und Veilchen riechenden Blumen und kastanienähnlichen, essbaren Samen. Er nennt die Filamente albicantia ^) und erwähnt die medicinische Anwendung von Wurzel, Rinde, Blättern, Früchten, sowie des aus den Samen gepressten Oels. Eine ausdrückliche Erwähnung der Antheren fand Vortr. nur in der folgenden, ihm von Dr. F. Jagor, unserem besten F. und P. Sarasin sahen die Blüthen (und die von Michelia Champaca L.) häufig als Opfergaben dargebracht. ^) Die Staubbeutel werden von Anderson (Hooker fil., Flora of Brit. Ind., 1, 277) als „golden yellovv" bezeichnet, was wohl zutreffender sein wird als das Eigenschaftswort: „large". Sitzung vom 20. März 1888. 37 Kenner von Indien, seinen Bewohnern und Producten mitge- theilten Auszug aus Kanny Lull Dey, The indigeuous Drugs of India. Calcutta, 1867): Mes^ia ferrea L. (nagkeshore, nagas- sur). The tree .... chiefly found in gardens in Bengal, niuch cultivated in Java and Malabar. The flowers are ob- tained in the bazars in a dried State, being used in medecine as well as esteemed for their fragrance. The grandees of Ava •) are said to stuff their pillows with the anthers of the flowers in account of their fragrance. The flowers and leaves used in Bengal as antidotes to snake poison, the dried flowers in powder as an astringent in haemorrh. Discharges in doses of 1 scruple to 1 drachin with butter. The flowers distilled yield an attar [arab. Wort für „Spezerei", bedeutet hier äthe- risches Oel A.] known as the nagkassur ka attar. The kernel of the seeds yields a fixed oil very useful in the eure of itch. Die vorstehenden Angaben werden bestätigt und ergänzt durch folgende nachträglich von Dr. Dietrich Brandts in Bonn, der früher lange Jahre hindurch der Forstverwaltung von Bri- tisch Indien vorgestanden hat, erhaltene gütige Mittheilung: yjMesua ferrea L. Immergrüne Wälder der feuchten Zone von Vorderindien und Hinterindien bis etwa 5000' ansteigend. In Assam bis zum 270 N. B. An der Westküste Vorderindiens bis 18" N. B. Oft fast reine Bestände bildend. Viel angebaut. Namen: Nagakesaram Sanskr. Nagkesar^) Bengali und Hindi. Nag Champa Mahratti (Champa Michelia Chamjmca). In Ceylon (Triäien Systematic Catalogue 1885) Na bei den Singhalesen und Naka bei den Tamuls. In Drawidischen Sprachen: Naga shappu Tamul. Naga kesaram Telugu - Velutta chenpaken ^) Malajalim. Gango Birmanisch. ^) Ehemalige Hauptstadt des früheren Königreichs Birma. -) Nach Dymock (a. a. 0. S. 1119) wird dieser Name mitunter in „Makassar'' corrumpirt. Natürlich hat dieser aus dem Sanskrit stam- mende Name nichts gemein mit dem malaiischen der bekannten Hafen- stadt auf Selebes (eigentlich Mang-kassar) und dem nach dieser benann- ten Oel (von Schleicliera trijuga Willd.) Jagor. 3) Nach MooDEEN Sherff (Suppl. to Pharmac. of India Madras, 88 Gesellschaft naturfoi'schender Freunde. Gebrauch der Antheren: Rumpliius Hb. Amb. Auc- tuariuin, pag. 4. Flores etiam ac Sari (Localnaine d. Antheren) ipsorum sed separatim siccantur Petulantes Baleyae reges hoc Sari pulvinaria implent," Unter demselben Namen als die Blüthen der Mesua geht in Indien noch eine andere Droge, die von einer zu einer anderen Abtheilung derselben Familie gehörenden, allerdings ganz unähn- lichen Pflanze (deren Antheren in Form und Geruch aber denen der Mesua völlig gleichen) stammt, über welche Dr. Brandis Folgendes mittheilt: „Ochrocarpus longifolius Benth. et IIook. (}alysaccion longifolium Wight. Immergrüne tropische Wälder der feuchten Zone an der Westküste von Vorderindien. Namen: Suringi Mahratti. Gebrauch der Blüthen: Dalzell and Gibson, Bombay Flora, 1861, pag. 32: Flowers an article of commerce, exported to Calcutta and lately to Europe, used for dying silk. The globular flower buds were sent to London under the erroneous name of Nag Kesur." Ob die von Jagor mitgetheilte Notiz aus Powell (Punjab Prod. Roorkee, 1868) „Dried buds used in coughs especially when attended with much expectoration'" wirklich zu Mesua oder vielmehr zu Ochrocarpus gehört, bleibe dahingestellt. Herr ARTHUR KRAUSE sprach unter Vorzeigung von Präparaten und Zeichnungen über das Vorkommeii von Foraminiferen in einem Jurageschiebe. Der betreifende Block, dessen geologisches Alter sich durch das Vorkommen von Cardium (Prolocardium) concinnum, Pecten ßbrosus, Avicula (Pseudomonotis) echinata etc. etc. als Kelloway bestimmte, war von Herrn Wohlberedt bei Rixdorf gesammelt und die darin enthaltenen Versteinerungen dem Vortragenden zur Bestimmung übergeben worden. In den den einzelnen 1869) bedeutet dieser schon von Rheede angeführte Name „weisse Tscharn- paka''. Die ebenfalls grossen und wohlriechenden Blüthen der Michelia Champaca L. (vgl. oben pag. 36 Anm.) sind gelb. Jagor. Sitzung vom 20. März 1888. 39 Versteinerungen anhaftenden Gesteinspartikeln und noch mehr in den zurückgebliebenen Brocken fanden sich ziemlich zahl- reich Foraminiferen und zwar aus den Geschlechtern Nodosa- ria, Dentalina, Lingulina, Frondicularia, Bhabdogonium, Margi- nulina, Cristellaria, l'ulvinulina, Sjnroloculina Polijmorphina und Cornuspira. Am zahlreichsten kommen die Pulvinulinen und Cri- stellarien vor, letztere in mindestens fünf sehr variablen Arten. Der Erhaltungszustand der Foraminiferen ist ein leidlich günstiger, so dass bei reicherem, hoffentlich im nächsten Sommer leicht zu beschaffendem Material eine genauere Bestimmung der Arten und damit eine Vergleichung mit schon bekannten Foramini- ferenfaunen des braunen Jura möglich sein dürfte. Von anderen mikroskopischen Resten zeigten sich in dem durchsuchten Gestein mehrere Arten Ostracoden, theilweise mit noch zusammenhängenden Schalen; ausserdem Echinoder- menreste, zumal zahlreiche, bis 1 mm grosse Stacheln von Echiniden, und kleine noch nicht V2 mm messende Schilder, die Aehnlichkeit mit den Mundschildern von Ophiogb/pha haben. Nicht so selten fanden sich auch die characteristischen Krallen eines Tintenfisches, cfr. Belemnotheutis. Herr Nehring sprach über die Diluvialfaunen von Westeregeln und Thiede. Die Herren Pohlig und WollemaSxN haben in den Sitzungen der Niederrheinischen Gesellschaft in Bonn vom 14. Nov. und 5. Dec. 1887 die Diluvialfaunen von Westeregeln und Thiede zum Gegenstande der Besprechung gemacht und dabei meine früheren Untersuchungen über jene Faunen in mehreren Punkten einer abfälligen Kritik unterworfen ; in Folge dessen fühle ich mich veranlasst, hier in dieser Gesellschaft einige entgegnende Bemerkungen vorzutragen, indem ich mir vorbehalte, in einem Briefe an die Niederrheinische Gesellschaft und demnächst in einer ausführlicheren Arbeit über Thiede specieller auf die betr. Aeusseruugen der genannten Herren, namentlich des Herrn Wollemann, einzugehen. Was zunächst die Bemerkungen des Herrn Pohlig anbe- triflft, welche sich S. 277 in dem Sitzungsber. d. Niederrhein. Gesellsch. vom 5. Dec. 1887 abgedruckt finden, so muss ich 40 Gesellschaft naturforschender Freunde. dieselben als sehr schwach begründet und als völlig hypothe- tisch bezeichnen, da sie sich auf 2 zur Species-Bestimmung wenig geeignete Fossilreste eines angeblichen Bhinoreros Merckii stützen, welche angeblich vor ca. 50 — 60 Jahren bei Westeregeln oder Egeln gefunden sein sollen^). Was hat dieser angebliche Fund von Egeln oder von Westeregeln aus alter Zeit mit meinen Westeregeln'schen Funden aus den Jahren 1874 — 1884 zu thun ? Und wie kann man aus dem „etwaigen Vorkommen eines Bhinoc. Merckii zu Egeln" Schlüsse ziehen in Bezug auf das geologische Alter und die petrographische Beschaffenheit der von mir sorgsamst durch eigenhändige Aus- grabungen untersuchten Ablagerungen, wie es Herr Pohlig thut? Selbst angenommen, die betr. Rhinoceros-Reste gehörten zu Rh. Merckii und seien einst wirklich bei Westeregeln (und nicht bei dem 1 Stunde entfernten Egeln) ausgegraben, was folgt daraus für meine Funde? Bei Westeregeln giebt es so und so viele Fundstätten, und an jeder wieder sehr verschiedene Niveaus. Der von mir in den Jahren 1874 — 1877 erforschte südliche Gypsbruch lieferte eine wesentlich andere Ausbeute, wie die benachbarten theils höher, theils mehr nördlich und östlich gelegenen Gypsbrüche. Und in jenem ersterwähnten Gypsbruche waren wieder sehr deutliche Unterschiede innerhalb der etwa 30 Fuss mächtigen Diluvialablagerungen in verticaler Hinsicht zu beobachten. Unten deutliche Schichtung und ein thonig-sandiges Material'''); dagegen in der Mitte und nach oben zu meistens fehlende oder nur stellenweise angedeutete Schichtung mit entschieden löss ähnlichem Charakter der Ablagerungen. Woher weiss Herr Pohlig, dass in den von mir unter- suchten knochenreichen Ablagerungen sich eine „durchgeführte ^) lieber die Lage von Egeln und Westeregeln bemerke ich, dass diese Orte nicht im Brauuschweigischen liegen, wie Herr Pohlig zu glauben scheint, sondern in der Provinz Sachsen zwischen Magdeburg und Halberstadt. Egeln ist etwa eine Stunde von dem Westeregeln- schen Gypsberge entfernt. '0 Man vergl. meine eingehenden Bemerkungen in d. Verh. d. k. k. geolog. Reichsanstalt zu Wien, 1878, No. 12. Sitzung vom 20. März 1888. 41 Schichtung" gezeigt habe ') und Süsswasserconchylien häufig gewesen seien? Herr Pohlig ist offenbar niemals an Ort und Stelle gewesen; trotzdem glaubt er aber die betr. Ablagerungen besser zu kennen, als ich, der ich dieselben Jahre lang unter- sucht habe! Dass diejenigen Partien (ich vermeide das Wort: Schichten) der Ablagerungen von Westeregeln, in welchen ich 1874 bis 1877 zahlreiche Reste von Steppennagern (Alactaga jaculus, Spermophilu^ ruf escens etc.) gefunden habe, trotz ihres relativ starken Sandgehalts als löss artig zu bezeichnen^) und dem jüngeren Diluvium zuzurechnen sind, darüber herrscht bei mir gar kein Zweifel. Meine sonstigen Funde, sowie diejenigen Liebe's, Woldrich's u. A., zeigen auch, dass jene Ablagerungen von Westeregeln mit dem typischen Löss und dem sog. Höhlen- lehme nahe Beziehungen haben. Wie das Verhältniss der Steppenfauna von Westeregeln zu der F'auna der Rixdorfer Sande ist, lasse ich vorläufig dahin gestellt sein. Jedenfalls bestreite ich es auf das Ent- schiedenste, dass die von mir bei Westeregeln festgestellte und näher beschriebene Fauna mit derjenigen der Rixdorfer Sande gleichalterig ist, wenn man letztere etwa mit Pohlig unter die Fauna der Mosbacher Sande stellen , also für älter als diese erklären wollte ^). Ich halte die a. a. 0. S. 279 von 1) In der von mir im Arch. f. Anthro[). 1877, S. 367 publicirten Skizze des Fundortes ist die Schichtung etwas zu stark angedeutet. Von einer „durchgeführten Sclnclitung" im gewöhnlichen Sinne war in dem Niveau, in welchem die Reste der Steppennager lagen, nichts zu bemerken; es Hess sich nur stellenweise eine gewisse Schich- tung oder horizontale Streifung wahrnehmen, wie sie durch locale Regentiuthen auch in Staub- und Sandanhäufuugeu hervorgerufen wer- den kann, ja, wie sie sogar in reinen Flugsandbildungen nicht selten beobachtet wird. -) Proben des betr. Ablagerungsmaterials, welche ich bei meinen Ausgrabungen gesammelt habe, kann Herr Pohlig in der hiesigen geolog. Landesanstalt sehen; er kann sich durch dieselben überzeugen, dass sie sowohl chemisch als auch petrographisch dem Löss verwandt sind, dagegen mit den Rixdorfer Sauden sehr wenig Aehnlichkeit haben. Man vergl. die Verh. d. geolog. Reichsanstalt in Wien, 1878, No. 12 und 1880 No. 12. ') Die Fauna der Mosbacher Sande, welche ich aus eigener An- 42 Gesellschaft naturforschender Freunde. Pohlig aufgestellte Stufenfolge derPlistocaen-Faunen für höchst problematisch und die Gleichstellung der von mir näher bezeichneten Ablagerungen von Westeregeln mit der a. a. 0. angenommenen untersten Stufe des „Mittel- plistocaen" für völlig verkehrt. Was die Bemerkungen des Herrn Wollemann „über Gliederung und Fauna der Diluvial ab läge rungen im Dorfe Thiede bei B r au nsch vveig" anbetrifft, so begrüsse ich die darin gelieferten Ergänzungen zu der von mir beobachteten Fauna mit Vergnügen. Im Uebrigen bieten die Bemerkungen des Herrn Wolle3iann (der, beiläufig bemerkt, mit keinem Worte andeutet, dass er Jahre lang mein Schüler gewesen ist und zahlreiche Excursioneu nach Thiede unter meiner Führung gemacht hat) so vielseitigen Anlass zur Kritik, dass man eine ansehnliche Broschüre damit füllen könnte. lieber die Entstehung der betr. Ablagerungen in dem Gypsbruche von Thiede und über die Art und Weise, wie man die Anhäufung der Knochen an gewissen Punkten jener Ab- lagerungen zu erklären hat, werde ich mich gelegentlich noch näher aussprechen ; so viel möchte ich aber doch hier betonen, dass die Spuren der Anwesenheit des Menschen im Thieder Diluvium ganz unzweifelhaft von mir con- statirt sind, ohne dass ich behaupten will, dass „die Knochen der grossen Wirbelthiere gross te nthei Is durch Menschen- hand angehäuft seien" ^). Im Uebrigen möchte ich Herrn Wollemann hier vorläufig nur in Bezug auf den Schlusssatz seiner Bemerkungen (S. 268) entgegentreten. Es ist ganz unwissenschaftlich, die Diluvial- fauna von Thiede isolirt zu betrachten und dabei diejenigen von Westeregeln, Gera, Poesneck, Prag, Zuzlawitz, Nussdorf, bayrisch Oberfranken etc. zu ignoriren. Wenn die Reste von Steppennagern nur bei Thiede, wo sie relativ selten sind, ge- schauung kenne, enthält manche Species, welche an ältere, pliocäne Formen erinnern: ich halte sie für wesentlich älter, als die von mir festgestellte Fauna von Westeregeln. ') Ich habe in d. Verh. d. geolog. Reichsanstalt v. 31. Juli 1880 nur gesagt, dass „der Mensch bei ZiisammenhäufLing der grösseren Thierreste im Thieder Gypsbruche eine gewisse Rolle gespielt habe." Sit:un(/ vom 20. März 1888. 43 funden wären, so würde ich nicht viel darauf gegeben und ihr Vorkommen als ein vereinzeltes, wenig beweiskräftiges ange- sehen haben ; da aber die Reste echter, charakteristischer Steppenthiere ') bei Westeregeln in einem gewissen Niveau zu Hunderten von mir gefunden sind und sie sogar die über- wiegende Mehrzahl aller Fossilreste aus jenem Niveau bildeten, da ferner dieselben Arten an zahlreichen anderen Fundorten in entsprechenden Diluvial-Ablagerungen Mitteleuropas von mir und Anderen constatirt sind, so liegt der Schluss, welchen ich früher daraus gezogen habe, sehr nahe; d. h. es ist im höchsten Grade wahrscheinlich, dass während eines gewissen Abschnittes der Diluvial -Periode ausgedehnte Districte von steppenartigem Charakter in Mitteleuropa existirt haben -). Es spricht vieles dafür, dass zu jener Zeit Europa eine grössere Ausdehnung nach Nordwesten besessen hat, Mitteleuropa also weiter vom Ocean entfernt lag und in Folge dessen ein con- tinentaleres Klima genoss, als heutzutage^). Wenn Herr Wollemann behauptet, dass „die meisten Wirbelthiere und Mollusken der Thieder Diluvialfauna auf ein vorherrschend oceanisches Klima hinweisen", so muss ich dieses ganz entschieden bestreiten, namentlich in Bezug auf dasjenige Niveau, in welchem die Reste von Alactaga und Spermophilus gefunden sind. Herr Wollemann sollte, ehe er solche Behauptungen aufstellt, sich vor allen Dingen zunächst etwas mehr mit Zoogeographie und speciell mit der Fauna von Osteuropa und Nordwestasien befassen. Er sollte namentlich ^) Wenn Herr Wollemann solche Thiere, wie Alactaya Jaculus. Spermophilus rufescens. Spermoph. fulvus., Arciomys hobac, etc. nicht als charakteristische Steppenthiere gelten lässt, so weiss ich nicht, was für Arten er als Charakter-Thiere der Steppe betrachten will. -) Dass diese Steppendistricte stellenweise auch waldige und buschige Partien, sowie Seen, Pfützen und sonstige Gewässer enthalten haben müssen, habe ich oft genug in meinen Publicationen betont. ^) Es war dieses vielleicht eine iuterglaciale Epoche, in welcher eben durch das continentalere Klima die Eismassen einer vor- hergehenden Eiszeit zum Schwinden gebracht wurden. Nach der von E. Brückner im ,.Humboldt" 1888, S. 130 gegebenen Aufstellung könnte man sie zwischen die 2. und 3. Eiszeit setzen, sofern man überhaupt für unsere Gegenden drei Eiszeiten annehmen will. 44 Gesellschaft naturforschender Freunde. die Werke, welche sich auf die dortigen Steppendistricte be- ziehen , eingehend studiren. Dann würde er sich vor über- eilten Urtheilen in Bezug auf die von mir und Anderen beob- achtete diluviale Steppenfauna hüten! Herr KOKEN sprach über die miocänen Säugethier- Reste von Kieferstädtl in Oberschlesien und über Hyaenar ctos ininutus Schlosser MS. Seit langer Zeit hat man Kunde von dem Vorkommen fossiler Säugethiere in gewissen miocänen Ablagerungen Ober- schlesiens. Die Reste scheinen nicht sehr selten zu sein, aber leider sind die Fundstellen eingegangen und eingeebnet, und niemand hat versucht, sie wieder zugänglich zu machen, ob- gleich es kaum bezweifelt werden kann, dass die Erfolge einer erneuten Nachgrabung die Kosten und die Mühe reichlich be- lohnen würden. In der Julisitzung des Jahres 1858 legt Herr von Ca rk all der Deutschen geologischen Gesellschaft Geweihfragmente und einen Zahn vor, welche auf einer in der Gegend von Ra- tibor belegenen Eisensteinförderung des Herzogs von Ratibor zwischen den tertiären Eisensteinen gefunden waren. Ein frü- her zu Tage gekommenes Stück hatte man als diluvial ange- sprochen. Es sind dieses die allgemein bekannten Reste, welche Hensel als solche eines fossilen Muntjak's unter dem Namen Prox furcatus beschrieben hat. l^in Jahr später ver- mochte Herr von Carnall der geologischen Gesellschaft neue Funde vorzulegen, welche gleichfalls von Kieferstädtl stammten. Es sind ünterkieferzähne von einem Rhinoceroten, über welche ich, bei der Schwierigkeit, welche solche Zähne der genauen Bestimmung entgegensetzen , mir kein endgültiges Urtheil er- laube. Doch können sie mit einiger Wahrscheinlichkeit auf Rhinoceros ( Aceratherium) Goldfussi Kauf bezogen werden. Geweihfragmente und unbestimmbare Knochen-Bruckstücke ge- langten ferner an F'erd. Roemer von einer naheliegenden P'und- stelle, aus tertiären Gypsletten der Eisensteingruben von Sta- nitz. Graue Letten im Liegenden der Eisensteine bilden nach diesem Gelehrten auch das Lager der Säugethiere von Kiefer- städtl. Peinige sehr interessante Reste ebenfalls von Kiefer- Sit2 II n() V om 20. März 1888. 45 A. städtl, welche ich liier beschreiben möchte, sind ferner vor Jahren von Herrn von Carnall der palaeontoluf^ischen Samm- lung des mineralogischen Museums geschenkt worden. Herr Dr. ScHLOSSEu in München, welche gegenwärtig eine umfas- sende Monographie der tertiären Carnivoren des europäischen Tertiär's herausgiebt, erkannte in ihnen eine neue Art der Gattung Hyaenarctos , welche er, wie ich nachträglich erfahre, als H. minuius bezeichnet hat. Die Vollendung seiner Ab- handlung ist aber schon soweit vorgeschritten, dass Herr Dr. Schlosser die neue Art nicht mehr in das Gebiet seiner Dar- stellungen ziehen konnte, und auf seinen Wunsch gebe ich in diesem Sitzungsberichte eine kurze Characterisirung der Reste. Dieselben bestehen aus den beiden unteren Caninen und aus einem Bruchstücke des linken Oberkiefers mit den beiden Höckerzähnen. Die Zähne sind vorzüglich erhalten und nur leicht angekaut. Die beiden Höckerzähne (Fig. 1) sind so gestellt, dass man sieht, wie die vollständige Zabnreihe einen nach aussen leicht convexen Bogen beschreiben musste, und es ist fer- ner sehr bemerkenswerth, dass Mg mit seinem Vorderrande vollständig hinter der vorderen Wurzel des Arcus zygomaticus zu stehen kam, ähnlich wie bei Frocyon. Der trituberculare Character der Zähne ist ziemlich verwischt. M,, von vierseitiger Gestalt und annähernd ebenso breit wie lang (11 : 12 mm), erhebt sich in 4 Höckern, von denen die beiden äusseren weit schärfer abgesetzt sind und durch eine scharfe Kante, welche geradlinig über sie hinweg läuft, miteinander verbunden werden. Sie erhalten da- durch etwas sectoriales. Ein deutlicher Basalwall, welcher die Aussenseite umgürtet, nimmt die Endpunkte dieser Kante in sich auf. Vorn und hinten ist der Basalwall sehr undeutlich. B. Fig. 1. Fragment des 11 n- keu Oberkiefers von Hyaen- nrcto-^ niiiiütus Schlosser mit den beiden Höckerzäh- nen, M, und Mo: A von der Kaufläche aus, B von aus- sen gesehen. Nat. Gr. 46 Gesellschaft naturforschender Freunde. dagegen auf der Innenseite so stark entwickelt, wie bei keinem anderen Hyaenarctos, hierin ganz Caniden- artig. Der innere Basalwall steigt von vorn nach hinten in schräger Linie auf und gipfelt an der Hinter- Innen- Ecke des Zahnes in einem langgestreckten Höcker. Die eigentlichen Innenhöcker sind niedrig, breiter wie die äusseren und von dem Basal walle durch ein Thal, in welches radiale Schmelzrippen, leicht un- dulirt, hinabziehen, deutlich geschieden. Die Verbindungslinie ihrer Spitzen ist der der Aussenhöcker etwa parallel. Der hintere Innenhöcker ist mit dem entsprechenden Aussenhöcker durch einen zwischen ihnen sich senkenden Grat verbunden, ein Beweis seiner secundären Entstehung. Die von diesem Grat nach hinten geneigte Fläche ist ebenfalls mit rauhen Fältelun- gen bedeckt, während die Kaufläche des Zahnes zwischen den vier Höckern glatt ist. Auf dem Aussenrand sind die Höcker durch eine tiefe Einsenkung geschieden; die Mitte jedes Lobus hebt sich etwas ab. Es sei noch bemerkt, dass die Vorderseite des Zahnes concav gebogen ist, indem die Vorder-Aussen-Ecke deutlich vorgezogen ist. Im übrigen sind die Ecken des Um- risses der Krone abgerundet. M2 ist etwas länger als Mj (13 mm) und schmaler (über die vorderen Hügel gemessen 10 mm breit, hinten nur 9 mm). Bei Hijaenarctos ist dieses Verhältniss auffallend. Der Zahn setzt sich zusammen aus einem vorderen, deut- lich tritubercularen Theile und einem grossen Talon, der sich über die ganze Hinterseite ausdehnt. In dem vorderen Theile gewahrt man 2 äussere Höcker, im allgemeinen gestaltet wie in Ml, nur dass der hintere bedeutend kleiner ist, und einen Innenhöcker, dessen Scheitellinie nach innen convex gekrümmt ist und sich als Kante in den hinteren fortsetzt. Das äussere Cingulum ist etwas schwächer als in M,, aber noch deutlich, das innere wieder sehr stark und durch ein noch weiteres Thal von dem Innenhöcker getrennt. Es steigt weniger nach hinten auf, als in Mj und verliert sich in dem an der Hinter-Innen- Ecke höckerförmig erhobenen Talon. Eine kurze Leiste ver- bindet diese Erhebung mit dem gebogenen Grat zwischen Innen- und hinterem Aussenhöcker. Der Raum zwischen Cinaulum und dem tritubercularen Vordertheile des Zahnes, Sitz im r/y>i/^ey^/?/^'^) und den grössten ^) Die Dimensionen von Nr. 3 hat Herr Geh. Rath Settegast, die von Nr. 14 haben die Herren Geh. Rath Beyrich nnd Prof. Dameö mir freundlichst zugänglich gemacht. ^) Vergl. den von mir iniblicirten Katalog unserer Sammlung, Berhn, 1886, pag. 63 — 78. ^) Als männlich glaube ich das Exemplar des Herzogl. naturhist. Museums in Braunschweig, welches durch ein ganzes Skelet reprä- Sitzung rom 17. April 1888. Schäclel mit von Bos jirinüfjoiius, zusammengestellt grossen Schädeln von Bos Uinrus. (;r(»sste Länge. mm Basilar- länge. mm ]. Bos primitjeinus der i.aii(hvirthschattl. lloch- schulo in Berlin (vom Selnvieloch-See) 9 G5r> 555 2. 3. (nach nach des zoolog. Museums in Greifswald einem Gypsabgusse gemessen) . . . der Petersburger Akad. d. Wissensch, A. V. MiDÜKNDORFF (;70 ()75 558 549 4. — — nach CuviER (Oss. foss. 3. ed.) . . OOä 570 5. 6. bürg, Nr. 2- des naturhist. Museums in Olden- nacli WiKPKEN nach H. v. Meyer (Fossile Ochsen, ■) • ; • ()!S() 09 1 — 7. nach der geolog. Reichsanstalt in Wien, WiLCKENfc» ()9Ö (J40 565 8. nach LiLLJEBORG ( 9 ?) .... 9. 10. 11. desgl. (d*?) .... desgl. (9?) .... desgl. (zool. Mus. in Lund) . G50 663 720 — 12. — — desgl. desgl. 750 — ' 13. des naturh. Mus. in Braunschweig . ca. 710 590 14. des mineral. Mus. in Berlin . . . 726 590 15. des Brit. Mus. nach Lydekker . . 912 — 16. Bos taurus (^, Südafrica. Grösster Ochsen- schädel unserer Sammhing! 596 530 17. (/, Shorthorn-Bulle. Sehr stark! . 571 520 18. „ Baierscher Ochs. Sehr gross! . 560 510 19. „ Brasilianischer Franqueiro. . . 543 480 20. — — „ Sicilianischer Ochs 540 450 21. „ ungarischer Ochs 538 — 22. 9 Holländer Kuh. Grösster Kuh- schädel unserer Sammlung! 548 493 23. „ Shorthorn-Kuh 520 475 24. „ desgl. 497 453 25. „ Wüster Marsch -Kuh .... 513 473 inäualicheii Schädeln von B. taurus ist noch etwas be- deutender. sentirt wird, sowie den unter Nr. 14 aufgeführten Schädel des hiesigen mineralog. Universitäts- Museums mit Sicherheit bezeichnen zu dürfen. 58 Geselhclmft natini'or.scJtemler Freunde. Entsprechende Grössen-Unterschiede finden sich in dem ganzen Skelet. namentlich in den Extremitätenknochen. Die Widerristliöhe des B. ^^r/m^>/ew?*w5 vom Sch^ieloch-See be- trägt bei der jetzigen, annähernd correcten Montii'ung des Skelets 1680 mm^). diejenige unserer grössten Holländer Kuh (Galgenmaass am Skelet genommen) nm* 1490 mm. die Höhe am Ki'euz bei jenem 1510, bei dieser 1320 mm. Einige weitere Vergleichungen ergeben sich aus der nachstehenden Tabelle; es sind in derselben aus der gros- sen Zahl von Skelet - Messungen . welche ich ausgeführt habe, einige Hauptdimensionen zusammengestellt. Die in der 1. Columne mitgetheilten Angaben beziehen sich auf das montii'te Skelet des Herzogt, naturhist. Museums in Braunschweig; dasselbe ist 1875 iu dem Torfmoore von Alvesse südwestlich von der Stadt Braunschweig ausge- graben worden und bildet . da es fast ganz vollständig ist und einen vorzüglichen Erhaltungszustand zeigt, eine Hauptzierde des genannten Museums. ^) Mein Freund Wilh. Blasius. der Director des letzteren, hat mir gestattet, alle wünschen swerthen Messungen an dem Skelete auszuführen und im Zusammenhange mit einer Beschreibung unseres Exemplars zu publiciren; ich sage Herrn Prof. Dr. Blasius fiu' sein freundliches Entgegenkommen meinen l)esten Dank. Uebrigens betone ich. dass die Mehrzahl der betr. Dimen- sionen (wegen Mangels eines him*eichend grossen Taster- zirkels im Braimschweiger Museum) um* mit dem Band- maasse, wenngleich möglichst exact, gemessen \vm*de. ^) Das Jenenser Ur - Skelet soll nach Goethe 6 Fuss öVj Zoll (Leipz. Maass) Widerristhöhe zeigen ; ich halte aber diese Angabe für zu hoch, da die Beinknochen jenes Exemi)lars meist etwas kürzer sind, als die des unsrigen. Die von Bojanus i)ul)licirte Abbildimg des Jenenser Skelets lässt manche Mängel der Montirung erkennen; doch ergiebt dieselbe trotz der steilen Stellung von Scapula und Hu- merus keine Widerristhöhe von 6 P'uss 5\/2 Zoll. ^) Yergl. W. Blasius im Katalog der Aussellung prähistor. und anthropol. Funde Deutschlands, Berlin, 1880, pag. 124. Das Torfmoor von Alvesse setzt sich nach Norden in dasjenige von Bortfeld fort, in welchem der oben unter Nr. 14 genannte schöne Schädel der hiesigen Universität 1841 ausgegraben worden ist. Sitzumj vom 17. April 1S88. 59 Die in den übrifi;en Colnmnen angeführten Messuno;en sind auf die genaueste Weise mit Tastei'zirkeln von mir ausgeführt \voi'den. Columne 2 bezielit sich nicht auf das Original des Greifswalder Schädels, sondern auf einen in unsreni Museum vorliandenen. gut ausgeführten Gypsabguss desselben.^) Ich halte diesen Schädel, ebenso wie den unsres Skeletes . für weiblich ; doch tritt der weibliche Typus bei ihm nicht ganz so deutlich liervor, wie bei un- serem Exemplar. Das Braunschweiger Skelet. glaube ich mit Sicherheit einem Stiere zuschreiben zu dürfen, was oben schon bemerkt wurde. ^) Messungs - Tabelle. Bos pr im igen ius. B. tau ms Einige vergleichende Mes- sungen an Bos primujeHius und Bos tanrufi. Xaturhist. Museum Braun- schweig. (^ ad. Zoolog. Museum Greifswald 9 ad. Landw. Hoch- schule Berlin 9 ad. Sehr grosse Holländer Kuh. 9 ad. mm mm mm mm 1. Grösste Länge d. Schä- dels V. d. Mitte des Ge- nickkammes — Vorder- rand d. Intermaxillaria ca. 71U G70 655 548 2. Basilarlänge des Schä- dels vom Vorderrande d. Foramen magn. occip. bis Vorderrand der In- termaxillaria .... 590 558 555 493 3. Von der Mitte des Gau- meuausschnitts bis Vor- derrand der Interniax. . ca. 360 350 340 310 4. Grösste Breite des Hin- terhaupts (an den Hök- kern über den äusseren Gehöröffnungen) . . . 310 307 284 222 ^) Vergl. übrigens die Beschreibung und Abbildung dieses Schä- dels in MI'ller-Rohde's Rindviehzucht, 2. Aufl., 2. Bd., pag. IL ^) Vergl. LiLLJEBORG, Sveriges och Norges Ryggi-adsdjur, I, p.87ofi'., wo sich zahlreiche Messungen und wichtige Bemerkungen über B. pri- miyenius finden. 60 Gesellscluift naUi)for.scJiender Freunde. Bos primigenius. B. taurus Einige vergleichende Mes- Xaturhist. Museum Zoolog. Museum Greifswald Landw. Hoch- Sehr grosse sungen an Bofi primufenius Braun- schweig. schule Berlin Holländer Kuh. und Bos taums. d* ad. 9 ad. 9 ad. 9 ad. mm mm mm mm 5. Grösste Stirnbreite (am Hinterrande der Augen- höhlen) 315 290 280 234 6. Obere Backenzahnreihe 16G 160 160 136 7. Untere desgl. . . . 170 — 162 140 8. Länge des Unterkiefers vom Yorderrande d, Al- veole d. Inc. 1 bis Hin- terrand des Angulus . 480 — 465 435 9. Länge eines Hornkernes der äusseren Krümmung nach gemessen . . . 725 660 700 215 10. Grösste lichte Weite zwischen der inneren Krümmung der beiden Hornkerne 825 712 740 440 IL Entfernung der Spitzen der beiden Hornkerne von einander .... 700 650 670 440 12. Umfang eines Hornker- nes an der Basis . . 390 350 335 140 13. Grösste Länge der Sca- pula (am Yorderrande) 510 — 478 392 14. Desgl. des Humerus . 410 — 400 344 15. Desgl. der Ulna . . . 480 — 485 410 16. Desgl. des Radius . . 370 — 360 306 17. Länge des Metacarpus an d. Aussenseite . . 240 — 244 213 18. Länge des Metatarsus an d. Aussenseite . . 275 — 274 242 19. Länge des Os innomi- natum 630 — 592 557 20. Grösste Länge des Fe- mur (vom grossen Tro- chanter ab gemessen) . ca. 490 — 480 431 21. Länge der Tibia (a. d. Aussenseite gemessen) . 420 — 402 333 22. Länge d. Calcaneus (a. d. Aussenseite gemessen) . 180 — 170 166 Sitzung vom 17. Ajnil 18bS. (31 Aus ()l)i*::er Tal)elle ergiebt sich, dass zwischen dem Skelet uiisei'es weiblichen J^os prinilfjenlus und dem einer »grossen Kuh holländischer Rasse immerhin ein ansehn- licher Grössenunterschied vorlianden ist; ich kann ferner hinzufü.ojen . dass bei näherer Vergleichun«; der Skelet- formen sich auch manche scheinbar bedeutende Abweichun- gen dem Auge darbieten; aber diese Differenzen sind keine anderen, als die zwischen einem wilden Thiei'e und einem von ihm abstammenden, durch die Folgen der Domestica- tiou beeintlussten Hausthiere. Das Skelet vom Schwieloch- See gehört ohne Zweifel einem w^ i 1 d e n Bos an ; von Einflüssen irgend welcher Domestication ist an ihm keine Spur zu bemerken. Alle Skelettheile zeigen die gesunden, kräftigen und dabei doch eleganten Formen eines der vollen Freiheit entstammenden Wildrindes. Zugleich aber erkemit derjenige, welcher sein Auge durch jalu'elange Studien an geeignetem ^lateriale geübt hat. bei einem Vergleiche von Schädeln und Skeletten der sog. Niederungs-Rassen, sowie namentlich auch der Steppen- Rassen von B. üiurus eine deutliche Uebereinstinmiung in allen wesentlichen, von der Domesticirimg wenig oder gar- nicht beeinflussten Punlvteu. Es sind keine grösseren Un- terschiede vorhanden als zwischen Bos grunnicns ferus und B. gnmniens dmnesücuSj zwischen Caxyra aegagrus und Capra hircusy zwischen Sus scrofa ferus und S. scrofa domesticus. Den Einwendungen, welche küi'zlich melu'fach. na- mentlich von WiLCKENS^), gegen die Ableitung gewisser Rassen des Hausrindes von Bos primigenius erhoben w^or- den sind, kann ich durchaus nicht beistimmen; ich halte vielmehr mit Xilssox. Rütimeyer u.A. Bos pr im igen ms g^wz entschieden für die wilde Staimnart der sog. Primlgenius- Rassen, trotz der abw^eiclienden Grösse und mancher Form- verschiedenheiten. Wie ich schon melirfach in diesen Sitzungs - Berichten ^) Vergl. Binlog. Centralblatt, Bd. Y, Nr. 3 u. 4. Naturgesch. d. Hausthiere, Dresden, 1880, p. 153. 62 Gesellschaft naturforscliender Freunde. ausgeführt und betont habe^), und wie ich namentlich an den im hiesigen zoologischen Garten gezüchteten Grunzochsen. Sunda- Rindern. Hirschen. Wildschweinen etc. beobachten konnte, ruft die Domesticirung (besonders, wenn sie mit In- zucht verbunden ist) zunächst regelmässig eine wesentliche Verkleinerimg der Statur, some auch manche Formverände- rimgen des Schädels, des Gebisses und der sonstigen Skelet- theile bei den meisten Säugetliieren hervor. -) Wälirend der wilde Yak oder Grunzochse (Bos gnmniens) eine sehr stattliche Grösse besitzt mid ansehnliche Hörner aufweist, sind die im hiesigen zoologischen Garten gezücliteten Yaks von Generation zu Generation immer kleiner geworden, so dass die letztgezüchteten Individuen gradezu zwerg- haft erscheinen; ausserdem haben die meisten Exemplare unter ihnen sich hornlos entwickelt, obgleich der Stamm- bulle starlv gehörnt war. Die Veränderungen in Grösse und Form sind hier unerkennbar, und sie haben sich innerlialb weniger Generationen herausgestellt. Alle weiteren Betrachtungen über dieses Thema, sowie auch namentlich alle Vergleicluingen unseres Ur-Skelets mit denen in Jena. Braunschweig. Münster, Kopenhagen, Lund etc. behalte ich mir für eine in Aussicht genommene, eingehende Publication vor; es war mir hier hauptsächlich darum zu thun. nachzuweisen, dass unser J5o.9-Skelet vom Schwieloch - See einem echten Bos x)rmlgenms und zwar einem weiblichen IndiAidumn angehört. 1) Vergl. Jahrgang 1883, pag. 60 ff., 1884, pag. 12, 1888, pag. 13. Siehe auch „Landwirthsch. Jahrbücher", 1888, pag. 57. 2) Vergl. Krichler, Das Schwarzwild, Trier, 1887, p. 94 ff. u. Taf. 1, wo sehr interessante Angaben und Abbildungen in Bezug auf die Ver- kümmerung der AVildschweine in Sauparks veröffentlicht worden sind. — Bei Rindern und Hirschen pflegen die Hörner, resp. Geweihe ganz besonders unter den Folgen der Inzucht und anderer ungünstiger Entwicklungsverhältnisse zu leiden; sie nehmen oft binnen wenigen Generationen sehr bedeutend an Länge und Stärke ab. Sitzumj vom 17. April 18S8. 53 Herr VON Martens zeigte einige Conchylien vor, welche das K^I. z()ol()<:;is('he Museum neuerdings von ver- schiedenen Seiten erhalten hat; znnächst einige Exemplare von Ilelix ciliata imd ClausUia dubia, welche unser IMitglied Dr. livKTELs voi'igen Herl)st in Süd-Tirol bei Schluderbach unter der Rinde von Lärchen -Stümpfen gefunden hat; es ist das von Interesse, weil verhältnissmässig sehr selten Schnecken an Nadelholz gefunden werden, viel seltener als an I.aubholz, nnter welchem sich namentlich die Buche als Fundstelle für Schnecken auszuzeichnen pflegt, was R. Täte wohl mit Recht auf die an der Buche häufigen Rinden- flechten zurückführt, von welchen sich die Schnecken näh- ren (J. E. Harting , Rambles in search of Shells , London, 1875, pag. 64). Allerdings sind zwei Arten schon nach ihrem Vorkommen an Nadelholz benannt worden. ClausUia ahietina Düpuy aus den Pyrenäen, die jetzt als Local- Va- rietät der ebengenannten Gl. dubia gilt, und Turbo juniperi MoNTAGu (=: Pupa sccalc Drap.), an Wurzeln von Wach- holderbüschen in Wiltshire und auf den Kalkdünen Süd- Englands; diese Art ist auch in Deutschland verbreitet, aber überhaupt mehr an den Boden, als an Baimirinde sich haltend. Auch die ihr nahe verwandte Fuixi frmnentum Drap, sammelte der Vortragende einmal in grosser Zahl am Fuss von Kiefern, auf kahlem, nur von deren Nadeln bestreuten Boden bei Oderberg in der Mark. Es dürfte sich empfehlen, künftig mehr auf das Vorkommen von Landschnecken an Nadelholz zu achten imd einschlägige Beobachtimgen mitzutheilen. Herr Gr. VON Maltzan fügte hinzu, dass Helix Ross- mässleri (nächst verwandt mit der auch bei Glatz vorkom- menden faiistiim) neuerdings von Dr. K. Brancsik in Ungarn an Nadelholzbüschen gesammelt sei und dass er selbst bei Brussa in Kleinasien ClausUia nipestris Friv. an Büschen einer Jimiperus - Art gefunden hat. Herr VON Martens zeigte sodann schön erhaltene, noch mit frischer, braungelber Schalenhaut versehene Stücke von Conus Prometheus und Strombus fasciatus Gmel. (34 Geselhduift natiirfroclivis n. Testa subimperforata, ovato - oblonga , subinaequaliter striatula, sparsim et subtHiter malleolata. nitidula. flavo- brunnea, sutura albida. irregulariter imdulata; anfr. ß. pri- mus laevis. albidus, immersus, secundus et tertius percon- vexi. grossiuscule costulati, superne albidi, dein fusci, sequentes celeriter crescentes, penultimus magnus, parum convexus, ultimus in parte secunda peroblique descendens, basi rotundatus; apertura paulum obliqua, ovata, peristo- mate incrassato, breviter reflexo. roseo, margine columellari intus spii-atim torto, albido, extus dilatato, appresso, roseo, callo parietali distincto, roseo-albicante. Sitzwifj com 17. April ItfSS. ß5 Long. 89. (liain. JiiaJ. 42. min. :\n . apert. long. 45, diam. inclnso iH'ristoniatc ,-54. cxclnso 2ö nun. Mnndo nnovo, Prov. Kio-grande do Snl. Die von Dr. Hen.skl gesammelte, in den Malakozool. Blätt(M-n. 1868. pag. 177 mit Btd. lacimosus vei'glichene Sclinecke ist dieselbe Art in minder gut ej'lialteneni Zu- stand. Sie gehört nach der Scnlptnr der obersten Win- dungen in die nächste Verwandtschaft von Bul. ovatus und verhält sich zn diesem ähnlich Avie B. accelerans Mauts. (ebenda, 1867. pag. 187) zu B. ValenciennesL 2. Anodonta legumcn n. Testa elongata, sat compressa, concentrice striatula, nitida, olivaceo-fusca, margine dorsali ante et pone vertices rectilineo. parte antica brevi, rotimdata, snperne snbangulata, extremitate postica lingnaeformi . rostrata. snperne descen- dente, compressa. margine ventrali antice distincte, postice vix ascendente, medio rectilineo; intus violascenti-coerulea, iridescens. Long. 83, alt. 26, diam. ISVa mm. Vertices in V4 longitudinis siti. Banhados de S. Leopoldo, Prov. Rio Grande do 8ul. Verwandt mit A. ensiformis Spix, aber nach hinten nicht so zugespitzt und nicht herabgebogen. Als Geschenl^e wurden mit Dank entgegengenommen: Berliner Entomologische Zeitschrift, XXXI., 2. 1887. 10. Bericht der natiu'w. Gesellschaft zu Chemnitz. 1884—86. 26.-28. Bericht des Oifenbacher Vereins für Naturkunde. 1884—87. Mittheilungen der naturforsch. Gesellsch. zu Bern, No. 1143 — 1168. 1886; No. 1169—1194, 1887. Memoires de TAcademie imper. de sciences de 8t. Peters- bourg. XXXV.. 2.-10. 1887, gß GesellscJiaft naturforschender Freunde. Bulletin de la Societe imper. des natiiralistes de Moscoii, 1888, 1; nebst Beilage: Meteorologische Beobachtungen. 1887, 2. Hälfte. Tydschrift d. nedeiiandsche dierkundige Vereeniging, IL Ser., IL. 1. 1888. Proceedings of the Royal Physical Society. Edinburgh, 1886—87. Journal of Conchology, V., 10. Leeds, 1888. Psyche, Journal of Entomology, V., No. 143. Cambridge, 1888. Proceedings of the Academy of Nat. Sciences of Philadel- phia. September — December 1887. Bulletin of the Museum of Compar. Zoology, XIIL, 7. 1888. Bolletino delle pubblicazioni Italiane. No. 54 u. 55. 1888. Memorias de la Sociedad cientiüca „Antonio Alzate", L, 8. Mexico, 1888. Knoblauch, H. , Die elliptische Polarisation der Wärme- strahlen, Festschrift der Kaiserl. Leopold. -CaroL deut- schen Akademie der Naturforscher, 1887. Druck von J. F. btarcke in Berlin. Nr. 5. 1888. Sitzungs-Bericht der Gesellscliaft naturforsclieiider Freunde 7A\ Berlin vom 15. Mai 1 Director: Herr E. v. Martens. Herr Max BARTELS sprach über Desquamation. Die Abstossimg der Oberhaut spielt im Leben des Menschen und der Thiere eine sehr wichtige, das Wachs- thimi und die Gesundheitsv erhältnisse beeinflussende Rolle. Diese Abstossung der Oberhaut, auch Desquamation oder Häutung genannt, kann eine dauernde, immerwährende, perpetuirliche sein (wie z. B. beim Menschen), oder eine intermitti]*ende. in regelmässigen oder unregelmässigen Zeit- räumen wiederkehrende. In Bezug auf die Formen, unter welchen die Desquamation auftritt, lassen sich drei Arten unterscheiden: 1. Die kleienförmige Abschuppung. Desquama- tio furfuracea. Bei ilir haften stets nur sehr wenige Oberhautzellen seitlich bei der Ablösung an einander, sodass das sicli abstossende Oberhautstück nicht viel grösser als eine Kleienschuppe ist. 2. Die blattförmige oder fetzenförmige Al)- schuppung. Desquamatio foliacea. Bei ihr haften sehr ^iele Oberhautzellen bei der Ablösung seitlich an einander, sodass sich die Oberhaut in sehr grossen, zusammenhän- genden Fetzen abstösst. 3. Die vollständige Abschuppiing. Desquamatio totalis. Bei ihr beginnt die Ablösimg der Oberhaut fast ßg GeselUchaft naturforschender Frcioule. immer am vorderen Körperende und zwar meistens in der Gegend der Mundpartien, und \o\\ da aus geht dann die Ablösung der Oberhaut weiter über den gesaminten Körper hin, wobei alle sich ablösenden Oberhautzellen mit einan- der in seitlicher Berührung bleiben. Das l)etreffende Thier kriecht dann vorn A' ollständig aus seiner Oberhaut heraus. Für jede Thiergattung ist eine bestimmte dieser drei Desquamations-Arten die normale. Bei dem Menschen, so- wie bei den meisten Säugethieren und Vögeln tritt die Häu- timg unter dem Bilde der Desquamatio furfuracea auf. Dieser Umstand erklärt sich dadurch, dass die Haare und Federn der Haut eingepflanzt sind und dass grössere sich ablösende Hautfetzen durch diese festgehalten werden wür- den. Daher häuten sich die zwischen diesen Gebilden, respective die dieselben mngebenden kleinen Hautstellen gesondert ab. Bei den Reptilien und Amphibien finden wir die Desquamatio foliacea, und nicht selten werden hierbei relativ sein* grosse Stücke der Oberhaut im Zu- sammenhange abgestossen. [Redner legte ein vollkommen zusammenhängendes Stück der Oberhaut von Lacertci agilis vor. welches ungefähr der gesammten Rücken- und Bauch- haut zwischen den 4 Extremitäten entspricht. Er verdankt dasselbe dem ihm befreundeten Garten -Eleven Herrn Hans Weknek in Schloss Friedrichskron bei Potsdam. Bei dem Riesensalamander des hiesigen Aquariums sah Redner vor wenig Tagen Oberhautfetzen von 30 bis 40 Centimeter Länge in der Ablösung begriffen.] Die Desquamatio totalis endlich muss als die im Reiche der wirbellosen Thiere gewöhnliche Form der Häutung betrachtet werden. Die bei einer Species gebräucliliche Art der Desqua- mation kann durch abnorme innere oder äussere Verhält- nisse in eine andere Form übergeführt Averden. So sieht man bei einer Anzahl von Erkrankungen bei dem Menschen die Hätimg in der Form der Desquamatio foliacea auftreten (z. B. beim Scharlach, aber nicht in allen Epidemien, ferner bei einigen anderen HautkranklieiteJi . an den Extremitäten nach langer Ruhelage in festen Verbänden, nach schweren Entzündungen des Unterhautzellgewebes u. s. w.). Die bei SitzKiuj roiii Jö. Mdi 1888. ß9 den R('.})tilirn g(nv(>liiiliclie Desquamatio foliacea ist leicht vei'ständlich durch die Lebensweise dieser Thiere; denn die sich ablösende Ol)erhaut müssen sie sich bei ihrem Hin- durchscliliipfen zwischen Zweigen und Steinen u. s. w. na- türlich in Fetzen zerreissen. Wenn die äusseren Verhält- nisse ihnen aber die nothwendige absolute Ruhe und Un- gestörtheit gewähren, so kann auch bei ihnen eine wahre desquamatio totalis zu Stande kommen. Ein charakteristi- sches Beispiel hierfür legte Redner vor. Es ist die in ilu'er Totalität röhrenförmig abgestreifte Oberhaut einer grossen Giftschlange aus Südost- Afrika, von den weissen Eingeborenen Oobra genannt, welche er der Freundlichkeit des Herrn Sanitätsrath Dr. Theodor Schlemm hier ver- dankt. Nach der Grösse des Thieres und der Form der Schuppen zu urtheilen. handelt es sich mit grösster Wahr- scheinlichkeit um eine Puffotter, Echidna arictans. Die Haut ist in der Gegend der Mündung des Olifant- River in Transvaal, also nahe dem Wendekreise des Steinbocks von Herrn Baumanx gefunden. Die immerhin schon zu- sammengetrockuete und nicht mehr bis auf ihre eigentliche Ausdelmung aussti-eckbare Oberhaut besitzt noch eine Länge von 175 Centim. Auch hier hat die Ablösung am Ko])fe begonnen, sodass sich der obere und untere Theil bis zur Halsgegend auseinanderklap])te. Durch die auf diese Weise entstandene Oetfnung ist das Thier AoUständig aus der Ol)erhaut lierausgekrochen, sodass die Röhreuform der Letz- teren bis zur Schwanzspitze erhalten geblieben ist. Herr Max Bartels stellte ein lebendes, gabelschwän- ziges Exemplar einer Eidechse (Lacerta agilis) vor. Dassell)e ist von dem sch(Ui vorher erwäbnten Garten- Eleven. Herrn ILvns Weiinku. am Drachenberge bei Schloss Friedrichskron bei Potsdam gefangen worden. Das Thier ist bis auf die IVIissbildung des Schwanzes gut und kräftig entwickelt und erscheint vollständig aus- gewachsen. Auch die centrale HäKte des Schwanzes lässt nichts von der Norm Abweichendes erkennen. Ziemlich irenau aber in der ]\litte des Schwanzes verdickt sich dieser 70 Gesellscliaft natur forschender Freunde. nach beiden Seiten hin auf eine Strecke von ungefähr 12 mm. sodass er hier annähernd dieselbe Dicke besitzt, wie die um anderthalb Centimeter weiter centralwärts ge- legene Schwanzabtheilung. Auch in der Richtimg von oben nach unten ist diese Stelle ein wenig verdickt, aber in geringerer Weise, als in seitlicher Riclitung. Peripher ent- wickeln sich aus dieser verdickten Stelle zwei zierliche, dünne Schwanzenden, von denen das rechte nur wenig länger, als das linke ist. Sie bilden mit einander einen so spitzen Winkel, dass sie sich mit ihren medialen Seiten berühren, sodass sie also als einander parallele Gebilde aus dem verdickten Theile des Schwanzes entspringen. Die seitliche Berührung dieser beiden Schw^anzzinken bleibt in der ganzen Ausdelmung der kürzeren von ihnen erhalten. Jedes dieser beiden Schwanzenden kann aber für sich be- wegt werden; es hat nicht etwa eine seitliche Verklebung stattgefimden. Die Längenmaasse des Thieres sind folgende : Von der Schnauzenspitze bis zur Schw^anzwurzel . 72 mm „ „ Schwanzwurzel bis zur Gabelimg ... 45 „ „ „ Gabelung bis zur linken Schwanzspitze . 25 „ „ „ „ bis zur rechten „ . 32 „ Man hat bekanntermaassen früher die Behauptimg auf- gestellt, dass die Entstehung von Missbildungen als eine Folge der Civüisation betrachtet werden müsse. Man stützte sich dabei auf die bekannte Erfahrimg. dass unter wilden Volksstämmen fast niemals missgebildete Individuen angetroffen werden. Die sehr einfache Erklärung für diese Beobachtung ist durch die genauere Bekanntschaft mit den NaturN'ölkern geliefert worden. Die mit Missbildungen ge- borenen Kinder werden von ihnen nämlich sofort nach der Gebiu't getödtet. Trotzdem harrt die Frage noch ihrer Lösung, ob nicht doch bei den Ciilturmenschen Avirklich Missbüdimgen häufiger vorkommen, als bei den sogenannten AVilden. Ebenso hat man von den Thieren gesagt, dass bei ihnen Missbildimgen nur im Zustande der Domestici- rimg vorkämen. Das ist nicht richtig; denn man hat auch in allen möglichen Thierklassen Missbildungen bei wild Sitziüuj vom 15. Mai 1888. 71 lebenden Thieren beobachtet, wozu die vorgezeigte Eidechse ja wieder einen neuen Beleg giebt. Aber ganz unleugbar findet man ^lissbildungen bei domesticirten Thieren viel häufiger, als bei wilden, und der Grund für diese That- sache ist auch sehr leicht einzusehen. Denn missgebildete Thiere sind natürlicherweise viel unbehülflicher. können sich scliwerer die Nahrung verschaffen und werden leichter ein Raub der sie verfolgenden Feinde. Es ist schon öfter an Eidechsen eine zweite, sich seit- lich aus dem Schwänze entAvickelnde Schwanzspitze, also eine Gabelung des Schwanzes, beobachtet worden. Man hat diese Fälle gewöhnlich so zu deuten versucht, dass man annahm, es habe an dem normalen Schwänze eine seitliche Verletzung stattgefimden und nun liabe die bei Eidechsen bekaimtermaassen so hohe Keproductionsfähigkeit aus dieser Wundfläche ein neues Schwänzende sich heraus- gebildet. Es handelt sicli dann also um eiue erst im spä- teren Leben erworbene Abnormität und nicht um eine an- geborene Missbildimg. Diese Erklärung ist sicherlich für manche Beobachtungen die zuti'effende. besonders dann, w^enn das zweite Schwanzende nur selu' kurz ist mid wenn es mit dem anderen Schwanzende einen relativ offenen Winkel bildet. Auch der Mangel von Skelettheilen spricht für eine secundäre Entwickelung des Schwanzes (ein Punkt, auf welchen Herr Nehking in der Debatte aufmerksam machte). Bei der vorgestellten Eidechse muss man jedocli ohne allen Zweifel eine angeborene Missbildung aimehmen. Es handelt sich um ein theilweises Doppeltwerden des Keimes am hinteren embryonalen Körperende, wie man dieses bei allen möglichen Wirbeltliierspecies in grösserer oder geringerer Ausdehnung beobachtet hat. Für diese Auffassimg spre- chen mehrere Umstände, nämlich erstens, dass die beiden Scliwanzenden beinahe die gleiche Länge besitzen, ferner, dass die Gabelung schon sehr weit centralwärts beginnt, sodass die Länge der beiden Schwanzenden eine relativ beträchtliche ist, imd drittens, dass sie in paralleler Rich- tung aus dem ungetheilten Stücke des Schwanzes ent- 72 GesdhcJiüft naturforschender Freunde. springen, gleichsam dessen Längsaxe fortsetzend. Oh die heiden Schwanzenden Skelettheile enthalten, wird sich ohne anatomische Untersuchimg kaum entscheiden lassen; jedoch ist dieses nach der ganzen Art und Weise ihrer Beweg- lichkeit im hohen Grade wahrscheinlich, und jedenfalls yer- halten sich die beiden Schwanzenden in ilirer ganzen äusseren Erscheinung so vollkommen gleichartig, dass wenn man dem einen die Skelettheile absprechen wollte, man sie auch dem anderen nicht zuzuerkennen vermag. Herr Weltner sprach über die Planarien bei Ber- lin, insbesondere über Bendrocodiim jyunctatum (Pall.). Die von dem Vortragenden bei und in Berlin bisher beobachteten x\rten dendrocoeler Sti'udelwürmer sind: Po- lycells nigra (Müll.). Planan'a torva (Max Schultze). Fla- naria higuhris 0. Schm.. Demlrocoelnm lacicum (Müll.) und Dendrocoeliim j)unctatum (Pall.). Von diesen sind PI. torva und higuhris am häutigsten; am seltensten ist das Bendr. punctatum. Ueber den letzteren Wurm ist ausführlich in den Sitzungsberichten der Akad. d. Wissensch. zu Berlin, 1887. Juli, berichtet worden.^) Es wurde damals nach- gewiesen, dass derselbe von Pallas (in Holland, nicht Belgien) entdeckt worden ist und im Laufe der Zeit fünf Namen erhalten hat. Inzwischen hat mir Herr Dr. Fii. Müller in Blumenau (Brasilien) mitgetheilt. dass die von mir erwähnte Planarie auch mit Fasciola tentaculata Müll. ^) identisch sei und der Aon Müller erwähnten Varietät mit braunem Rücken entspricht. In der von Pallas selbst übersetzten Ausgabe ^) der Spicilegica zoologica heisst es : ,, der gestippelte Wasseregel (Fasciola punctata). Herr J. R. " ^) In dieser MittheiUiiig ist in den Fig. ] u. 2 leider ein löth- licher Grundton angegeben, der durchaus nicht der Wirklichkeit ent- spricht. Die Grundfarbe des Wurmes ist ein helles Braun, wie das auch der Maler richtig dargestellt hatte. ^) O.Fr. Müller, Vermium terrestr. et fluviat. etc. historia, 1774, Yol. I i, pars altera, p. 63. ^) Peter Simon Pallas , Xaturgesch. merkwürdiger Thiere etc., durch den Verfasser verteutscht, X. Sanunl,, pag. 30, 1778. Sitziirnj vom 15. Mai 1888. 73 (mnss 0. Fr. heisseii.) „^[üller scheint diese Gattiinf^ unter dem Namen Fasciola tcnkiculaki (Hist. verm.. 1. c. pag. 63, n. 187) . VI nicht nur die Fasciola punctata von Pallas auf. die er mit dein neuen Namen Flamiria hicornis belegt (s. p. 3089). sondern er reiht als besondere Art auch Müllers Fasciola tentüculatrj in sein System ein (s. p. 3091). Es sind aber beide Arten zusammenzuziehen, sodass die vollständige Synonymie der von mir Benclro- coehim punctatum (Fall.) genannten Ai't folgende ist: Fasciola punctuta Fall. 177-t. ^ tentaculata Müll. 1774. Fhnaria hicornis Gm. 1792. ^ tcntacidata (Müll.) bei Gmelin 1792, ^ anyarcnsis Gerstfeldt 1858. ^ y, ^ bei Gri'be 1872. BdeUoccplMla hicornis (Gm.) bei de Man 1874. Bendrocochmi angarense (Gerstf.) bei Hallez 1879. Da nun die Schriften von Pallas u. ^Iüller beide aus dem Jahre 1774 stammen, und das Datum beider Publicationen niclit zu ersehen ist. so bleibt die Priorität fraglich. Ich habe aber den Namen punctattim (Fall.) bei- behalten, erstens, weil ich schon früher (1. c.) diese Be- zeichnung gebraucht habe, zweitens aber der Müller sehe Beiname tentaculata nicht nm* für die in Frage stehende Dendi'ocoele passt. sondern ül)erhaupt die Gatttmg Dcndro- coelum charakterisii*t. In Bezug auf die Verbreitung des Dcndr. punctatiun kann icli meine im vorigen Jahre gegebenen ]\Iittheilimgen dahin erweitern, dass, wie mii' Herr Dr. Fr. Müller gü- tigst inittlieilte. dieser ^^^lrm von ihm vor langen Jaliren eimnal zur ^^interszeit an Flössholz in der Spree bei Stralau gefunden worden ist. Ueber diesen Fund, w^elcher um 1844 gemacht zu sein scheint, hatte ^Müller jedoch nichts jiublicirt. Ferner erfuhr ich durch Herrn Prof. Braun, dass Dcndr. punctatum bei Dorpat nicht selten sei. Endlich ist es mir in diesem Frühjahr gelungen, das Thler 74 Gesellschaft naturforseheuder Freunde. auch in ausgewachsenem Zustande in der Spree innerhalb Berlins imter den Stadtbahnbögen des Jannowitzbahnhofes zu finden, wo es mit den anderen Arten zusanunen unter Steinen lebt. Die Verbreitung unseres Wurmes ist, soweit bekannt, folgende: bei Lille, bei Leiden, in Dänemark, bei und in Berlin, in der Angara bei L'kutzk und im Baikalsee. Zum Sammeln unserer Planarien eignet sich am besten das Frühjahr, wenn an den Ufern der Seen, Flüsse und Gräben noch nicht durch die üppige Entfaltung der Wasser- und Sumpfpflanzen das Auflinden der Steine, Holzstückchen und vermodernder Blätter erschwert ist. Man trifft dann im April und Mai an den eben genannten Gegenständen die Planarien, welche um diese Zeit ihre bedeutendste Grösse erreiclien, in der Ablage der Kokons begriffen; nach der Eiablage nimmt die Körpergrösse allmälilich ab, und es könnte fast scheinen, als ob diese Würmer in Folge der Fortpflanzung zu Grunde gingen. Herr HuBER zeigte eine KrystaHgruppe von Pluss- spath vor. Die Hauptmasse bestellt aus smaragdgrünen Fluss- spathwürfeln, Oktaeder fehlen; dagegen sind einige Würfel- kanten durch Dodekaederflächen abgestumpft. Auf dem grünen Flussspath sind zahlreiche, bis 3 cm grosse Kallv- spathscalenoeder aufgewachsen. Die neueste Bildung ist blassvioletter Flussspath. welcher theils den grünen Fluss- spath und den Kalkspath überrindet, theils in einzelnen aus- gebildeten Würfeln auf dem grünen Flussspath sitzt, theils die Ecken der grünen Wüifel bildet und in der Richtung einer Oktaederfläche gegen den grünen Flussspath begrenzt ist. Fluorescenz habe ich an den Flussspathen nicht wakr- genommen. Dagegen zeigen sie bei massiger Erwärmimg (in Oel) ausgezeichnete Phosphorescenz und zwar zuerst mit intensiv grüner, später mit indigoblauer Farbe. Das Stück stammt aus einer schwer zugänglichen Höhle am Sentis zwischen Wildkirchli und Seealpsee. welche als ein erweitertes Stück einer Spalte anzusehen und nach allen Richtungen mit Flussspath bekleidet ist. Sitzung vom 15. Mai 1888. 75 Nach schriftlichen Mittheiliiiigen des Herrn Professors IIklm in Zürich liegt die Höhle in der untersten Kreide (Valengien). in welclier Formation auch an zalilreichen an- deren Orten der Schweiz, z. B. am Saleve. am Stockhorn. an der Oltscherenalp. am Brienzer Rothliorn ähnliche, stets grüne Flussspathe sich linden, während die Flussspathe ans den krystallinischen Silicatgesteinen der Schweiz durch- gehends andere Farben zeigen oder farblos sind. Herr REINHARDT legte Helix (Campißaea) cinyiilata Stud. vom Staffelberge in Oberfranken vor. Das schon von Clessin (Malakol.. Bl. 11. 1880, p. 203) signalisirte Vorkommen dieser in Südtirol und Oberitalien lebenden Sclmecke an einem von ihrem Verbreitungsbezii-k so weit abgelegenen Fimdorte ist eine so auffallende That- sache, dass man geneigt ist, an eine künstliche Verpflan- zung zu denken; doch soll die Schnecke nach Angabe des Sammlers. Herrn Lehrer Kaulfuss in Michelau. in sehr zahli'eichen lebenden Exemplaren vorhanden sein. Bemer- kens werth ist auch der Umstand, dass in nicht allzu grosser Entfernung an einem noch nördlicher gelegenen Fimdort, bei Rudolstadt in Thüringen, eine andere Art Campylaeaj H. ichthi/omma Held, in einer besou deren Varietät (D uff tu KoB.). jedoch nm* in sub fossilem Zustande gefunden wor- den ist. Die Campylaeen gehören fast alle dem Alpen- gebiete und Südeuropa an.; in den deutschen Mitteige bii-gen findet sich nur IL faustbm Zgl. als Ausläufer von den Karpathen her im südlichen Theil der Sudeten. Der nächste Fundort einer lebenden Canipi/laea ist Ober baiern, wo eine nahe Verwandte der oben genannten Art, Helix Preslü Schmidt, vorkommt. Herr F. HiLGENDORF legte vor Fische aus dem Vic- toria-Nyanza (Ukerewe-See). gesammelt von dem verstor- benen Dr. (i. A. Fischer. Diese Sammlung besteht aus 15 Arten, von denen 7 bis 8 neu sein dürften; sie ist überhaupt die erste ichthyo- 76 Gesellschaft naturforschender Freunde. logische Ausbeute, die aus diesem Becken iu ein Museum gelangt ist. 1. Chromis nilotlcus Hasselq., ein typisches Exem- plar und ein anderes einer hellscheckigen Spielart. 2. Chromis nuchisquamulatus spec. nova. ausge- zeiclmet durch die bisher von keiner Art bekannten kleinen Nackenschuppen, welche kaum halb so gross sind als die Schuppen der Körperseiten; D. 16/9(8). A. 3/8. L. 1. 30, L. tr. 7/12(11). Wangenschuppen in 3(4) Reihen. Die eingeklammerten Zalilen beziehen sich auf ein Ideineres Exemplar, welches ausser den imdeutliclien Querbändern nocli zwei scliwarze. kräftige Längsstreifen besitzt. (K. Zool. Samml. Berlin. Catalog, Pisces. Nr. 12740.) S. Chvomis (Ilaplocliromis) ohliquidens. subg. noA.. spec. nova. Von echten Chromis dadm'ch imterschieden. dass die Zähne, obgleich abgeplattet und in zahlreichen (6) Reihen wie bei Chromis stehend, doch ungekerbt bleiben. Nm* in den hintersten Reihen sind Spuren von Neben- spitzen sichtbar. Cycloidschuppen sind nur am Vorder- liörper zu finden. D. 16/8 (9?). A. 3/8 (9?). L. L 28. L. tr. 7/11; Wangenschuppen in 3 — 4 Reilien. In der Analis 4 milch weisse Ki'eistlecke. Ventralis schwarz, bis zum 3. A.-Stachel reichend. (Zool. S. Berlin. Nr. 12721.) 4. (Paratilapia?) rctrodcns spec. nova. Diese und die beiden folgenden Arten fügen sich nicht ganz in die von Bleeker (1868) aufgestellte Diagnose seiner Gattung Paratilapia, weil dieser Autor darin die Flossenformel D. 12 aufgenommen hat, P. retrodens und cavif'rons aber 16 und longirostris 14 Stacheln besitzen. Steindachxer , Bei- träge IX. pag. 10 (1880). findet indess bereits bei der Stammspecies . P. Polleni, öfters 13 Stacheln. Ein Unter- schied gegenüber Paratilapia, der nur bei retrodens, nicht aber bei den zwei anderen FiscHER"schen Arten hinzu- kommt, ist die grössere Zahl der Zahnreihen, nämlich in in der oberen Kinnlade 9. in der unteren 8. statt 3—4 in Bleeker' s Diagnose. Endlich ist ein ziemlich auifälliger Charakter hervorzuheben, den Bleeker. wemi Paratila2na ihn besässe, gewiss erwälmt hätte. Er besteht darin, dass SitZiDHj roni Jü. Mal ]88ti. 77 am Hinterende der Zahnreihe, oben sowohl als unten, eine Gruppe kurzer, dicker Zähne auftritt. — Nach alledem ist entweder die Gattnngs - Diagnose zu moditiciren o(hjr für rdroäens ein neuer Genusname zu schatten (etwa Hoplo- t'dapia), oder man könnte, nach dem anderen Extrem ver- falu'cnd, Fand, mit Hemichromis Pet. vereinigen, welche Gattung aber nur 1 oder 2 Reihen Zähne und durchweg Oycloidschuppen hat. — Im Jahre 1S78 wurde von Blee- KEU eine Gattung Paracara aufgestellt, welche mit Parati- Irqm (und auch mit Ptychochromls und Parefrojjlos) das gleiche Vatei'land. ^Madagaskar, theilt. Ich bin niclit im Stande, in dev Diagnose irgend einen Unterschied zwischen ilu' und Paratilcqm zu entdecken; der Autor selbst hat ebenfalls keinen hervorgehoben. Ich betrachte daher Para- cara als ein Synonym zu der U) Jahi'e älteren Gattung Pamtilapia. — P. retrodcns hat folgende Formel: D. 16/8 (9?). A. 3/8(9?). L.. 1. 30, L. tr. 6/10. AVangeusch. in 4 — 5 Reihen; P. u. V. lang, bis in die weiche A. hinein zurück- reichend. (Zool. Samml. Berlin, Nr. 12742.) 5. (Paratilajria?) cavifrons sp. nova. D. 16/7 (8?), A. 3/8(9?). L. 1. 30. L. tr. 7/13; Wangenschuppen in 6 Reihen. Zähne vorn conisch, kräftig, hinten mit 2 schwa- chen Nebenzacken; oben in 4, unten in 3 Reihen. Das Kopfprofil ist über dem Auge concav, Schnauze doppelt so lang als der Augendurchniesser. V. u. P. reichen bis zum A. -Anfang; obere Körperhälfte schwarzfleckig. (Z. Samml., Nr. 12743.) 6. (Paratilapia?) loiiytrostris sp. n. D. 14/8 (9?), A. 3/7(8?). L. 1. 30—31, L. tr. 5V2/12; Wangenschuppen in 3 Reihen. Zähne oben in 3. unten in 2—3 Reihen, alle einspitzig. Schnauzenlänge fast gleich 2 Augendurchm. ; Kopfprofil fast geradlinig; Unterkiefer stark vortretend. Farbe oben gi-auviolett . unten silbern. Die entwickeltsten Kiemendornen Y-förmig. bei den beiden vorigen Arten da- gegen mit abgerundetem, gezähntem Ende, bei den 3 oben genannten Chroinis-Arten kleiner und ungezähnt. (Z. Samml. Nr. 12744.) 7. Synodontis Äfro- Fischer l sp. n. D. 1/7. A. 11, 7g Gesellscliaft natu r forschender Freunde. P. 1/7(8?), V. 7. Mandibiilarzäline über 20 jederseits. weit kürzer als der Augendiirchni. . dahinter keine Sammet- zähne. Die beiden Kiemenspalten nicht so weit median- wärts reichend als die Basis des P.. sie bleiben 20 mm von einander entfernt, während die Maximalbreite des Brust- gürtels 28 mm misst. Körperseite mit filzigen Zotten be- deckt. Die Fettflosse misst ca. -/'s der Kopflänge, sie ist irni ihre eigene Länge von der D. entfernt und 7^ Augen- durchmesser hoch; D.- Stachel vorn ungezähnt, hinten mit ca 10 kräftigen Dornen. Der Maxillarbartel ohne deut- lichen Saum. Die Spitze des Nuchalpanzers reicht wenig hinter den D.- Stachel zurück; der Pectoralschild ist noch küi"zer. Körper und alle Flossen schwarz marmorirt. 8. Alestes (B r achpale stes) Ilüp2)ellli Gthr. D. 2/8(9?). A. 3/15, L. 1. 30, L. tr. 5V2/2V2. 9. Mormyrus oxyrhynchus Geoffr. 10. Mormyrus longiharhis sp. n. D. 22. A. 28, L. 1. 58, L. tr. 11/11. Nahe M. Usheri Gth. 1867, aber Kinnzapfen länger (fast gleich Schnauzenlänge) und P. küi'- zer (kaum ^3 der Kopflänge). Diese Art gehört zur Ab- theilung III in GtJNTHER's Cat. VI, pag. 215. (Z. Saimnl. Nr. 12748.) 11. Barhus trimaculatus Peters. 12. Barhus (Laheoharhus) nedgia Rüppell? Dieses Exemplar besitzt Poren auf der Sclmauzenseite und am Hinterkopf. Der mediane Anhang unter der Symphyse des Unterkiefers ist la'eisförmig . platt, nicht kegelförmig. Die Schlundzähne stehen in 3 Reihen zu 5, 3, 2. 13. Barhus nahe gohionoides C. V. u. inermis Pet. — D. 3/8, A. 3/5, L. 1. 30. — Drei kleine Exemplare, die aber nicht die Jungen von einer der beiden vorigen Species sein können. (Z. Samml. Nr. 12751.) 14. Laheo Forshalii Rüpp. 15. Fundtdus (Nothohrancliius) orthonotus Pet. Eine Varietät mit einem scharf ausgeprägten hellen Längs- streif über dem schwarzen Saum in der Analis des Männ- chens, eine ähnliche Zeichnimg auch in der C. und V, Sitznng vom lo. Mai 1888. 79 Eine ausführlichere Beschreibung hoffe ich dem Leser baldi<^8t im Archiv f(u' Naturgeschichte geben zu können. Herr F. HiLGENDORF legte ferner eine neue Salarias- Art vor. welche von Herrn Dr. H. Simrotii bei den Acoren entdeckt wurde. Die Zahl der von Herrn Dr. Simroth gelegentlich seines vorjährigen Aufenthalts auf jenen Inseln gesam- melten Fisch-Species beläuft sich auf 25. unter denen Ser- ranus atricauda, Gohms paganelliis, Mugil chelo, Lepadogaster hhnacidatiis', Ileliasts chromis, Glyphidodon luridus, Centro- Icibrus truUa, Crenilahrus melops weder in der Literatur^) noch unter den Exemplaren des dortigen Museimis gefunden werden. Eine 6(am7?x-Species . die im Allgemeinen G. dentex ähnlich ist. aber im Zahnbau abweicht, scheint merkwür- digerweise mit dem australischen C. georgianus übereinzu- stimmen. Salarias sijmplocos spec. nova bildet eine Beimischimg von tropischem Charakter zu der wesentlich der mediter- ranen Fauna angehörigen Thierwelt der Acoren. Der Name soll auf den ganz eigenthümlichen Bau der Augententakeln hindeuten; es sind nämlich der Tentakel des rechten und der des linken Auges beide zu einer einzigen quergestellten Platte verschmolzen, die sich oben hin zu einer Spitze verschmälert, und deren Seitenkanten einige Franzen tragen. Der hei anderen Arten mehrfach auftretende Nuchalkamm wird heim symplocos durch eine Reihe von 6 medianen Fädchen vertreten. Der Nasententakel besteht aus 8 Fäd- chen. Der Vomer hat Zähne wie bei S. vomerlniis, welche Art ausserdem auch die gleiche Flossenformel besitzt, und weseutlicli nur in der Tentakelbildung abweicht. (K. zool. Samml. Berlin. Pisces. Nr. 12754.) Auch die Ausbeute des Herrn Simrotii wird eine ein- gehendere Behandlung im Archiv für Naturgeschichte finden. *) Eine 1886 von Guimaraes veröffentlichte Liste von A(;oren- Fischen habe ich noch nicht einsehen können. gO Gefidlschaft naturforschender Frennde. Herr Nekring sprach über das Vorkommen von Ar- olcola ovconomus Fall. sp. im Diluvium von Thiede und Westeregeln. I^ei meinen Ausgrabungen in den diluvialen Ablage- rungen des Gypsbruches von Thiede bei Braunschweig, sowie namentlich in denen des südlichen Gypsbruches von Westeregeln (zwischen Magdebm-g und Halberstadt) habe ich unter anderen Arvicolen - Kesten ziemlich häufig dieje- nigen einer Species gefunden, welche ich mit Hülfe des mir damals zugänglichen Materials als ArvicoU mtüceps Keys. u. Blas, bestimmte. Nachdem ich kürzlich durch die Güte des Herrn Prof. Dr. MoEBius hierselbst in den Stand gesetzt worden bin. das Gebiss eines im hiesige]i zoologischen Museum befindlichen Exemplars von Arvicola oeconomus Fall, von Port Ajan zu vergleichen, habe ich die Ansicht gewonnen, dass jene oben erwähnten Fossili'este mit ebenso viel oder mit mehr Recht als Arv. oeconomus (vielleicht mit dem Zusatz fossiUs) be- zeichnet werden dürfen. PoLiAKOFF und nach ihm Pleske halten Arv. raUiceps Keys. u. Blas, gradezu filr identisch mit Arv. oeconomus Pall. ^) Ich erlaube mii' darüber vorläufig aus Mangel an genügendem Materiale kein bestimmtes ürtheil; jedenfalls kann ich aber nach meiner Vergleichung constatiren. dass beide sich in der Bildung der Backenzähne sehi' ähnlich sind, und dass die fossilen Schädel und Unterkiefer, welche ich früher auf Arv. raUlceps bezogen habe, nach den For- men des Gebisses ebenso gut auf Arv. oeconomus bezogen werden können. ^) ^) PoLiAKOFF, Revue systematique des Compagnols de Siberie, p. 45. (Mem. Acad. Petersboiirg, 1881). Pleske, Die Säugetliiere der Kola- Halbinsel, pag. 35, Yergl. auch Lataste, Observations sur quelques especes du genre Campagnol (Sep.-Abdr.), Genua, 1887, pag. 7. -) Es muss betont werden, dass die grosse vordere Schmelz- schlinge des 1. Unterkiefer -Backzahns sowohl bei A. ratticeps, als auch bei A. oeconomus, sowie bei den betr. fossilen Kiefern manche Variationen in ihrer Form zeigt; sie ist manchmal etwas breiter und mit einer bemerkbaren Konvexität am Aussenrande versehen, manchmal Sitzmifj rom m M<ü 1888. 81 Da nun Ärv. occono}mi.s ^ die soJ^^ Wuizclinau.s. aiicli in den Steppcnj^Tbicteii jenseits der A\'oloa v()i*]nini»\ Ein solches zu erhalten, liat um so lucbr Interesse, als es uns überhanpt ein Beispiel ,!^iel)t. ^vie eine Thierart nicht steti*; iinrl lang- sam, sondern in einzelnen starken Anläufen und Vorstössen sich verbreitet, gewissermaassen analog den Völkerziigen aus Asien nnd Ostenropa im Beginn des Mittelalters, nnd wir wollen hoffen, dass diese harmlosen Vögel, deren Nah- rung Iiauptsächlich aus Grassaamen besteht, neue bleibende Wohnsitze gewinnen, wie die Germanen nnd Slaven in der Völkerwanderung, oder — ein nälier liegender, aber minder schmeichelhafter Vergleich — wie die Wanderratte seit dem letzten Viertel der vorigen Jahrhunderts. Im Umtausch wurden erhalten: Sitzungsberichte der Königl. Preuss. Akademie d. Wissen- schaften. 1888. I.— XX. Leopoldina. XXIV.. 5.-6. März 1888. Mittheilungen aus der Zoolog. Station zu Neapel. VIII., 1. 1888. Societatum Litterae. IL. 3.-4. Frankfurt a. 0.. 1888, Monatliche Mittheilungen aus dem Gesammtgebiete der Na- turwissensch. V., 11—12. Frankfurt a.D.. 1887 — 88. Abhandlungen des naturwissensch. Vereins in Bremen. X.. 1.-2. 1888. Schriften der naturforsch. Gesellschaft in Danzig. VII.. 1. 1888. Archiv des Vereins der Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg. 41. Jahrg.. 1887. Verhandlungen des naturforsch. Vereins in Brunn. XXV. 1886. V. Bericht der meteorologischen Commission des naturf. Vereins in Brunn. 1885. 46. Bericht über das Museiun Francisco-Carolinum in Linz. 1888. Földtani Közlöny, XVIIL, 3.-4. Budapest, 1888, gg Gesellschaft natwforscliender Freunde. Bollettino delle piiblicazioni Italiane. Firenze, 1888. Nr. 56. BoUettino delle opere moderne straniere. II., 4—6. 1887. Atti della Societa Toscana di scienze natiiraü, Processi verbau, VI. Januar 1888. Annali del Museo civico di storia nat. di Genova. III.— V., 1886—88. Tijdsclirift d. nederlandsche dierkimdige Vereeniging, II. Ser., L. 3.-4. 1886—87. Vidensk abelige Meddelelser fra naturh. Forening. Kjerben- havn, 1887. Bulletin of the Museiun of Compar. Zoology, XIII. , 8.; XVI., 1. 1888. Journal of the Elisha Mitschell Scientific Society, 4. Jahi-g., 2. Theil. Raleigh. 1887. Memorias de la Sociedad cientifica „Antonio Alzate", I., 9. Mexico. 1888. The Joiu'nal of Comparative Medicine and Surgery. IX., 2. Philadelphia. 1888. Als Geschenke wurden mit Dank entgegengenommen: Psyche, a Joiu-nal of Entomology, V., No. 144. Cam- bridge, 1888. Liste der Autoren zoologischer Artbegriffe füi' die zoolo- gische Sammlung des Königl. Museums für Naturkunde, 1888. Atlas de la Description physique de la Republique Argen- tine par H. Burmeister. 3. livr. Buenos-A}Tes. 1886. ßruck von J. F. Starcke in Berlin. Nr. (). 1888. Sitzungs-Bericht der Gesellscliaft iiatiuibrsclieiider Freunde zu Berlin vom 19. Juni 1888. Director: Herr E. v. Martens. Der Vorsitzende gedachte des schweren Verlustes , den Yor wenigen Tagen das gesammte Vaterland durch das Dahinscheiden Seiner Majestät, des Kaisers und Königs Friedrich erlitten hat, und betonte dabei, wie viel auch die Gesellschaft naturforschender Freimde dem preussischen Königshause zu verdanken habe. Die Anwesenden erhoben sich von ihren Sitzen, um der Theilnahme an der allge- meinen Trauer Ausdruck zu geben. Herr MAGNUS sprach einige Worte der Erinnerung an Karl Siegismund Kunth, der lange Jahre Mitglied unserer Gesellschaft gewesen war. Am 18. Juni d. J. waren es hundert Jahre, dass er zu Leipzig geboren war. Schon als Schüler zeigte er grosse Neigung zu den Naturwissenschaften, so dass der dortige Anatom Rosenmüller auf ihn aufmerksam wurde und ihn im naturwissenschaftlichen Zeichnen, namentlich anatomischer Objecto, beschäftigte. 1805 war er durch den Tod seines Vaters genöthigt. die Thomasschiile in Leipzig zu Aderlässen. Er fand hier in Berlin Aufnahme bei seinem Onkel, dem Staatsrath Kunth. dem Erzieher von Alexander und Wilhelm von Humboldt. Durch seinen Onkel trat er 6 90 Gesellschaft naturforscliender Freunde. auch in persönliche Beziehungen zu Alexander von Hum- boldt, der ihn yeranlasste. das Studium der Naturwissen- schaften Avieder aufzunehmen und ihn darin selir förderte. 1813 gab er bereits sein erstes Werk, die Flora Beroli- nensis heraus. 1813 berief ilm Alexander v. Humboldt nach Paris zur Bearbeitung der von ihm und Bonpland auf ihi'en so wichtigen Reisen im tropischen Amerika ge- sammelten Pflanzen. 16 Jahre blieb er in Paris. Er setzte dort die von Bonpland begonnene Monographie der Me- lastomaceen fort, gab heraus die Nova genera et species plantarum. cpias in peregrinatione ad plagam aeqiünoctialem orbis novi coUegerunt , descripserunt et adumbraverunt A. Bonpland et Alex, de Humboldt (7 Bände mit 700 Tafeln). Ferner veröftentlichte er eine Monographie der von Humboldt und Bonpland gesammelten Mimosen und Legu- minosen (Paris, 1819, mit 60 Tafeln), und eine Monographie der Gräser mit 220 Tafeln. Namentlich die letztere Arbeit ist wichtig durch die genauen von ihm selbst gezeichneten Analysen von 215 Grasarten und die auf diese genauen Untersuchungen gegründete systematische Eintheilung dieser schwierigen Familie. Neben diesen umfassenden Arbeiten veröffentlichte er noch jedes Jahi* eingehende Untersuchim- gen über kleinere Pflanzeugruppen. Von seinen Arbeiten in Paris sei noch die Bestimmung der von Passalacqua in den ägyptischen Gräbern gefundenen Pflanzen hervor- gehoben, die von grossem culturhistorischen Interesse war. 1829 wiu'de er neben Link zum Professor der Botanik und Vice - Director des botanischen Gartens zu Berlin er- nannt. Er entfaltete hier eine reiche Lehrthätigkeit, gab in Zusammenhang mit dieser mehrere seiner Zeit sehr ge- schätzte Lehrbücher heraus. Auch eine zweite sehr ver- mehrte Auflage seiner Flora Berolinensis erschien 1838. Daneben setzte er seine systematisch-morphologischen Stu- dien in eingehendster Weise fort. Jährlich erschienen Auf- sätze von ihm in den Abhandlungen der Berliner Academie der Wissenschaften sowie auch in der Linnaea und in Wiegmann's Archiv. Aus diesen Arbeiten sind besonders hervorzuheben die über Blüthen- und Fruchtbildung und Sitziuuf vom 19. Juni 1888. 91 den Embryo der Criiciferen, sowie die Untersuchung; über die Natur des schlauchartisen Orf!;ans (Utriculus) bei Carex^ in der er zuei-st dio richti«;e Erklärung desselben als Trag- blatt der Aveibliclien J^lüthe gab. Am meisten beschäftigte ihn seit 1833 sein grossartig angelegtes Werk, die Enume- ratio j)lantarum onmium hucusque cognitarum secundum familias naturales disposita adjectis characteribus, dittei-en- tiis et synonymis, von denen 5 Bände erschienen sind, in denen der grösste Theil der Monocotyledonen - Familien mustergiltig bearbeitet vorliegt. Noch heute ist das AVerk jedem botanischen Systematiker unentbehrlich. In seinen letzten Lebensjahren ward Kunth von einer schweren, schmerzlichen, unheilbaren Krankheit betroften, deren Angriif er nicht zu widerstehen yermochte und am 22. März 1850 erlag. Unsterblich bleibt er l'iir alle Zeiten in der Geschichte der Erforschung der tropischen amerikanischen Pflanzenwelt, in der botanischen Systematik, sowie in der Morphologie der Blüthen und der Anordnimg derselben. Herr Nehring sprach über den Schädel eines Fran- queiro-Ochsen aus Brasilien. Auf den Campos im Innern der l)rasilianisclien Pro- vinz S. Paulo findet man eine interessante Rasse von Rin- dern, welche sich besonders durch die eigenthümliche Form uhd colossale Grösse der Hörner auszeichnet. Es ist die Rasse der sogen. „Franqueiros". über welche Hexsel in seinen „Beiträgen zui' Kenntniss der Thierwelt Brasiliens" im „Zoolog. Garten", 1876. pag. 40 einige Angaben ver- öffentlicht hat. Doch beziehen sich die letzteren fast nm* auf die Form und Grösse der Hörner; Hensel hat weder lebende Franqueiros echter Rasse zu sehen Gelegenheit gehabt, noch einen Schädel untersuchen können. Durch die Güte meines Bruders Carl Neiiking. Apo- thekers in Piracicaba. Prov. S. Paulo, Brasilien, habe ich vor ca. 2 Jahren den Schädel eines Franqueiro erhalten, sodass ich in der Lage bin. bestimmte Angaben über die Form- und Grössenverhältnisse desselben zu machen. 92 Gesellscluift naturforschender Freunde. ^ s: ^ (^ ►^ 2 "^ P >— ^ 2^5"' ^ 1 S. ^ CO 3 g' s ^ ^ S- o 2. S* ^ ^ 2. ^ q=! 5* les Franqu , Sammlun ie nach ei des Herrn N oK B ^ B Cfq 2. ^ ►... fej ^ 5 ^. > t= ^ N Q£, 2 M i» 2. • ^^grrrr^ aus land chnu G h. iraci t^^B o 2 - :^ =^ 1 rjMBSBB rll = § L^^ «-^ O O H-l CT' o^ c» 1^ = i - w II ^ ^ ^ 5 "^ ta 1 ö . ^ •"» •'' C ^ rv«« ö i_j ^ d ?o W td < X. CO • T: S- . 2. K •" c/i ^ acj j>: 5" i — ^ p ^ o P m E-- - i^ c: o >— Ci. r^ ^O c ;? ^ o ^ ^ td '^^ ^ 2 p o - S- ^ t ^ ^- ^' t^ & S 5. Jener Schädel staiiunt angeblich von einem Ochsen, also von einem castrirten Bullen, i) Die Form der Hörner ) Ich habe denselben, nachdem er einen Schmuck der südameri- canischen Ausstellung hierselbst gebildet hatte, inzwischen der mir unterstellten öffentlichen Sammlung überlassen. Sitzung vom 19. Jmd 1S8S. 93 harinonirt sehr i. Die Schicht, welclie die Zähne enthielt, parallelisirt er mit der Schicht AAAl am Mokattam. nach ihm die Basis des obersten Eocän. ^) Dort führt sie zahl- reiche (Jallianassen, Tiirritellen, Spondylen. Plicatnla pohj- morpha, Ostrca Glot-Bcyi, Carolya und Agassizia glhhcnila; an der Localität BB im Fajum enthielt sie ausser den Fischzähnen keine Petrefacten. Die Form der drei unter sich nahezu gleich grossen Zähne ist die eines Vierecks mit gerundeten Ecken. Ihre Tlölie (ca. 28 mm) übertrifft die Breite (ca. 23 nmi) nur um ein Geringes. Die Zähne sind stark comjU'iiiiirt. und zwar derart, dass sie sich von der nur 6 nmi dicken Basis an zur Spitze hin allmählich zu schärfen, so dass sie hier in einer scharfen Kante endigen, welche eine kräftige Curve darstellt. Auch Vorder- und Hinterrand sind scharf. Die ganze Basis wird von einer ziemlich flachen Furche einge- nommen, welche am Vorderrande plötzlich aufhört, am Hinterrande dagegen fast bis zur halben Höhe des Zahnes emporsteigt, dabei sich stets versclimälernd. — Die Ober- fläche ist in zwei Theile getheilt, welche sofort in's Auge fallen. Die untere Hälfte trägt senkrechte, unter sich ver- schieden dicke Rippen mit dazwischen liegenden, verschie- den breiten Furchen. lieber beide laufen die der gekrümm- ten Basis parallelen Anwachsrunzeln. Soweit diese Ober- flächensti'uctur sichtbar ist, mag der Zahn im Rostrimi ge- steckt haben. Der obere, ehedem freie Theil ist völlig glatt und macht an allen vorliegenden Zähnen den Eindruck, als ob er mechanisch abgeschliffen sei. Wie schon erwähnt, ist der obere Rand scharf und schneidend, wie das obere Ende von der Seite, von hinten. ^) Ueber die geologische Schichtengliederuiig des Mokattam hei Cairo. (Zeitschrift d. deutschen geolog. Gesellschaft, Bd. 35, 1888, pag. 737.) 6** j^Qg Gesellschaft naturforschender Freunde. einer Tischmesserklinge geformt. — Die Basis lässt gut erkennen, dass die Zähne nicht aus festem Dentin, sondern aus zahlreichen, faserigen Elementen zusammengesetzt sind. Diese substantielle Beschaffenheit und die am Hinterrande aufsteigende BasaKurche fühi'ten auch auf die Bestimmung der systematischen Stellung von AmUypristis, in welchem Zähne des Bostrums einer bis dahin unbekannten Gattung der Sägefische erkannt wurden. Schon früher ist die fossil so seltene Sippe der Säge- fische durch die Aufsammlungen Prof. Schweinfurth's um eine interessante neue Gattung bereichert worden, für die ich den Namen Fropristis Schweinfurthi ^) wählte. Sie wurde auf Zähne und Eostral - Fragmente begründet, welche der genannte Gelehrte auf der westlichen Insel des Birket-el- Qernn gesammelt hatte, also nicht gar weit von der Loca- lität. wo sich Amhlypristis gezeigt hat. Während aber Fropristis in der Form seiner Zähne dem Typus des leben- den Fristis durchaus nahesteht und nur durch den Mangel der hinteren Furche sich unterscheidet^), der Hauptunter- schied aber in der abweichenden Bildung des Rostrum gefunden Avurde. ist hier gerade die Gestalt der Zähne der Hauptcharakter der neuen Gattung. Die Form der typischen Frlstis-Zälme ist zu bekannt und ihi'e Verschiedenheit von den hier beschriebenen durch einen Blick auf obige Figuren sofort erwiesen, dass eine weitere Auseinandersetzimg hier- über überflüssig scheint. — Es sei nur daran erinnert, dass trotz der verschiedenen Form — bei Fristis die der Dolch- spitze, bei AmUypristis die einer oben gerundeten Tisch- messerklinge — hier auch die am hinteren Rande auf- ^) Sitzmigsbericlite der kgl. preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlm, 1883, I., pag. 136, t. 3, f. 1—2. ^) Einer solchen hinteren Furche entbehren übrigens auch die Zähne des in ostindischen Meeren lebenden Fristis cuspidatus Latiiam, worauf mich Herr A. Smith AVoodward vom Natural history Museum in London gelegentlich eines Besuches unserer Sammlungen freundlichst aufmerksam machte. (Cfr. Günther, Catalogue of the Fishes in the British Museum, Vol. 3, 1870, pag. 440.) Sitzung vom 19. Juni 1888. 109 steigende Furche vorhanden ist, welche fast allen Pristiden zukommt. Um jeden etwa noch möglichen Zw eifel über die syste- matische Stellung von Amhlypristis zu beseitigen, wurden von einem der Zähne Längs- und Quersclililfe angefertigt, welche zeigten, dass der Bau derselben gleich dem von Fropristis und Pristis ist. Herr F. HiLGENDORF knüpfte daran einige Bemerkun- gen über die Histologie der Pr^■5^^5-Zähne. Die Zähne der 8äge weichen in so vielfacher Hinsicht von den gewöhnlichen Fischzähnen ab, dass sie vielleicht ebenso gut den Flossenstacheln der Haie angereiht werden können; dafür spricht, abgesehen von der Lage ausserhalb des Mundes, die Einsenkung in die unterliegende Körper- masse und das stetige Fortwachsen an der Basis, das den Mangel eines Zalmwechsels ermögliclit. Ein Sclunelzüber- zug ist vielleicht bei der ersten Anlage auf der Spitze vorhanden, wird aber wohl schon in früher Jugend abge- nutzt. Das Gewebe des älteren Zahns besteht eigentlich nur aus einer Gewebsart, die sich dui'ch geringe Härte von dem Dentin gewöhnlicher Fisclizähne auffallend unter- scheidet; die Masse lässt sich leicht mit einem Messer schneiden. Die Einstreuung eines schwarzen, feinkörnigen Pigments an der dorsalen (belichteten) Seite des Zahns ist ebenfalls für Dentin ungewöhnlich. Avenn nicht überhaupt die einzige Ausnahme. Am eigenthümlichsten ist aber eine Längsfaserung innerhalb der Zahnmasse. Jedes Polygon, welches im Querschnitt des Zahns einen einzelnen der zahl- reichen Pulpakanäle, die gleichfalls von der Basis ziu- Spitze ziehen, umgiebt, erscheint dadurch als ein Mosaik aus Ideinen Feldchen; diese Feldchen werden ihrerseits von den senkrecht zur Längsaxe des Zalms ziehenden, verästelten Dentinröhrchen umsponnen. Auf Längsschnitten, mit einem stumpfen Messer angefertigt, treten die Fasern leicht einzeln hervor mid sind an dünnen Querschliffen gut sichtbar; sie sind nach Behandlung mit Salzsäure noch deutlich, wenn auch weniger scharf wie die Scheiden der 1][Q Gesellscimft naturforschender Freunde. Pulpacanälchen. Den Fasern verdankt der Sägezalm seine Zähigkeit, er zersplittert nicht, sondern weicht äusseren Angriffen gegenüber nur Yon Faser zu Faser. Eine ähn- liche Faserimg der Interzellularsuhstanz ist mii* weder von Zäluien noch von Knochen bekannt; hei den jetzt vielfach auf Faserbildung im Knochengewebe gerichteten Unter- suchungen ist ein Hinweis des Verhaltens bei Frlstis wohl an der Zeit. Hannover (om Bygningen og Udviklingen af Skjael og Pigge hos Bruskfisk. Vidensk. Selsk. Sla^ifter (5), naturvid. og math. ^fd.. Bd. 7, Kjöbenh. 1867) hat die Fasern schon richtig beschrieben, Hubrecht (Bronn, Klass. u. Ordn., Pisces, pag. 31 u. Taf. 2) hat sie in der Copie (Fig. 5. nicht aber in Fig. 4) einigermaassen wiedergegeben, im Text erwähnt er sie niclit. An dem Schliff von Amhly- pristis erscheinen die Fasern gröber als bei einem solchen von Fristis antiqtiomin. Herr Kny überreichte der Gesellschaft im Auftrage des Verfassers das Werk von J. Wiesner, Die mikrosko- pische Untersuchung des Papiers, Wien 1887. Das- selbe giebt in botanisch - technischer Beziehimg eine Reihe genauerer Daten über Nachweis der Fasern, über Leimung und Füllung, als sie bisher zu Gebote standen. In kultur- historischer Beziehung kommt es zu dem wichtigen Resul- tate, dass es niemals ein aus roher Baumwolle bereitetes Papier gegeben hat. und dass die ältesten bis jetzt unter- suchten Papiere Hadernpapiere sind. Ihre Erfindung wurde weder in Deutschland, noch in Italien, sondern im Orient gemacht imd stammt aus dem VIII. Jahrhundert. Herr F. E. ScHULZE legte einige lebende Tausendfüsse aus der Gattung Spiro strephus vor, welche Herr Dr. Stuhlmann aus KSanzibar an das zoologisclie Institut der Universität eingesandt hatte. Die walzenförmigen Thiere haben die ansehnliche Länge von 22 — 24 cm und sind über 2 cm dick. Während des Ej'iechens lässt die Bewegung der zahlreichen (250) Beine 8 — 9 gleichzeitig von hinten nach vorn in gleichen Ab- Sitzung vom 19. Juni 1SS8. \\l ständen fortschi'eitende Wellen erkennen. An den meisten Körpersegmenten tindet sich je ein Paar seitlich ausmün- dender Hautdrüsen, deren gelbliclies Sekret auf geringen Reiz in Tropfenform austritt und einen penetranten, stechen- den, an unterchlorige Säure erinnernden Gei'uch verl)reitet. Eine von Herrn (»ehehnrath Landolt freundlichst vor- genommene Prüfung mittelst Jodkaliumstärkekleister hat jedoch die Abwesenheit dieser wie anderer Mineralsäuren ergehen, so dass es sich nur um eine der unterchlorigen Säure sehr ähnlich riechende organische Verbindmig han- deln kann. Herr L. WrrrM.ACK legte folgende ^littheilung des Herrn A. Ernst in Caracas über fischvergiftende Pflanzen vor. Im Jahre 1881 schrieb ich auf Veranlassung meines Freundes A. A. Level eine Notiz über den Fischfang ver- mittelst giftiger Pflanzen (im Spanischen embarbascar) für sein Buch über die Insel Margarita^), deren wichtigste Industrie die Fischerei ist. Obgleich das ]\[anuscript in wenigen Tagen fertig gestellt w^erden musste. und die ein- schlägige Literatur nur in beschränktem Maasse mii* zu- gänglich war. versuchte ich doch meiner iVrbeit die grösst- mögliche Ausführlichkeit zu geben, und so entstand eine kleine Abhandlung, die auch separat erschien unter dem Titel „Memoria botanica sobre el embarbascar. osea la pesca con plantas venenosas (Caracas, 1881, 16 S.)^) In derselben zähle ich 60 Pflanzen auf. ausser 14 anderen, deren Vulgärnamen mii* damals nur bekannt waren . welche alle in verschiedenen Ländern der Erde zu dem angege- benen ZAvecke entweder verAvandt wurden, oder noch ver- wandt werden. Dieser erste Versuch hatte mein Interesse füi' den Gegenstand erregt, so dass ich sorgfältig weiteres Material zu einer Vervollständigung des von mir i)ubli- cirten Verzeichnisses sammelte. Auf diese Weise war die ^) A. A. Level, Esbozos de Venezuela, I., Margarita. Caracas, 1881, 78, CXI und 10 S., 8«. ') Dieselbe steht auch abgedruckt im 5. Bande der Zeitschrift La Naturaleza, Mexico, 1882, pag. 37 — 42 der Revista cientifica. [12 Gesellsclwft naturforscliender Freunde. Liste nach und nach auf mehi* als das Doppelte ange- wachsen, als mir Herr Professor Radlkofer in München seine Abhandlung „Ueber fisch vergiftende Pflanzen" ^) zu- scliickte. in welcher dieser ausgezeichnete imd Aielbelesene Forscher die Zahl der hier zu nennenden Gewächse bis auf 15-1 bringt, ungerechnet mehrerer zweifelhafter oder nur ihrem Vulgärnamen nach bekannter Arten. Diese be- trächtliche Zalil erschöpft indess den Gegenstand noch nicht, und vermag ich die nachstehend aufgeführten 32 weiteren Arten hinzuzufügen, wobei ich zugleich ein paar Bemer- kungen über einige der bereits erwähnten anschliessen will. Hiernach haben wir bis jetzt im Ganzen 186 fischvergif- tende Pflanzen, ausser etwa 12 nicht wissenschaftlich prä- cisii'ten Arten. 1. CaneUaalhaMvRu. Puertorico. Vulgärname: Bar- basco. A. Stahl. Estudios sobre la Flora de Puerto-Rico, folleto 2^ (Puerto-Rico 1884), pag. 128. Man benutzt die Zweige. 2. CalojjJiyllum inophifllum L. Neu - Caledonien. ,,Les feuilles, pilees. passent pour enivrer le poisson", Lanessax, Les Plantes utiles des Colonies frangaises, Paris, 1886. pag. 680. 3. Galophyllum montanuniYiEiJuL. Neu-Caledonien. Wii'd wie die vorstehende Art gebraucht. Lanessan. 1. c, pag. 680. 4. Byrsonimia crassifolia Kth. Llanos von Vene- zuela. Vulgärname: Chaparro de M ante ca. Nach brief- iichen und mündlichen Mittheilungen, die ich mehreren meiner Schüler verdanke, werden die zerschnittenen Zweige angewendet. 5. Xanthoxyluni hastlle Roxb. Ost-Indien. Vulgär- name: Tej-bul. Samen und Samenkapseln. Rosenthal, Syn. plant, diaphoret., pag. 876. 6. Galipea cus2iaria St. Hil. Nordküste von Vene- zuela. Vulgärname: Culpa. Rinde und Zweige. Ich hatte ^) Sitzungsberichte der mathem.-phys. Classe der kgl. bayer. Akad. d. Wiss., Bd. X^^, 1886, pag. 379—416. Sitzung vom 19. Juni 1888. 113 im März 1886 Gelegenheit, in dem kleinen Flusse von Ohuspa (unweit Cap Codera), an dessen Ufern der Baum häutig Yorkomnit, einen solclien Fischfang anzusehen. Herr A. A. Level erzählt mir, dass auch in Guyana (District Juruari) auf diese Weise gefischt wird; man nennt dort den Baum wegen des bittern Geschmackes seiner Rinde fälschlich Quina. 6. Balanltes Roxhurghii Planxti. Ost-Indien und Birma. Nach Gamble (A Manual of Indian Timbers, Cal- cutta 1881. pag. 65) heisst der Baum auf marattisch hin- gan. und düifte die von FRA^x•IS Day (Report on the Fresh Water Fish and Fisheries of India and Burma. Calcutta, 1873, pag. XXXVII) unter dem Namen hinganbet aufge- fülu'te Pflanze liierher gehören. 7. Tephrosia Candida DC Ost-Bengalen und Birma. Man bedient sich der Blätter. Gamble, 1. c. pag. 118. 8. Cassia alata L. Venezuelanisch Guyana. Vulgär- name: Barbas CO macagua. Wii'd hier auf Grund des spanischen Namens aufgeführt. Die botanische Bestimmung beruht auf der Untersuchung einer allerdings nicht son- derlich erhaltenen Probe, welche 1883 zm* National - Aus- stellung nach Caracas geschickt worden war. 9. Otigeinia dalher ff ioides Bth. Centrales und west- liches Ost-Indien. Man braucht die etwas zerstampfte Rinde. Gamble. 1. c, pag. 119. 120. 10. Dalhergia lanceolata L. Ost-Indien. -La tige sert a eni\Ter le poisson." Laxessan, 1. c. pag. 590. 11. Mülleria moniliformis L. Englisch Guyana. Vulgärname: Haiari-balli. Im Thurn, Among the Indians of Goiara (London 1883), pag. 233, 234. 12. Andlra rosea Makt. Brasilien. Vulgärname: Angelim araroba oder Angelim doce. „Das Kernholz ist gelb imd liefert ein Pulver, welches wie Taback aus- sieht und in die Flüsse gestreut, den Tod der Fische ver- m-sacht" (Catal. da Expos. Nac. em 1875, Rio de Janeiro, 1875. pag. 141). Martius (Systema Mat. med. Axget. bras., pag. 63) erwähnt diese Species unter anderen Vulgärnamen wegen der wurmabtreibenden Eigenschaft ihi*er Samen. j^l4 Gesellschaft naturforschender Freunde. 13. Caesalpinia (Ginlandina) Bonducella L. Ost- Indien. „Fruits servant a eniATer le poisson", Soubeiran et Delondre, La Mat. med. ä FExpos. de 1867 (Paris 1868), pag. 37. 14. Enter olohium jamhoril Mart. Brasilien. Viil- gärname : Timbo - uba. Caminhoa, Cat. des plantes toxiques du Bresil (Paris 1880), pag. 23, 28. 15. Barrinytonia acutangula Gaertn. Ost-Indien. Rinde. Gamble, 1. c, pag. 196. Der von mii' nacli Francis Day aufgeführte Name Kyee geliört nach Kurz (Forest Flora of Brit. Birma, Calcutta 1877, vol. I, pag. 496) zu Barringtonia speciosa LiN. fil., welche Radlkofer unter No. 78 erwähnt. 16. Gasear ia graveolens BAhz. Ost - Indien. Man gebraucht die grob zerstossene Frucht. Gamble, 1. c, p. 202. 17. Gasearia tomentosa Roxb. Ost-Indien. Gebrauch wie vorher. Gamble, 1. c, pag. 206. 18. Randia dumetortim Lam. Ost-Indien. Die zer- stossene Frucht. Gamble, 1. c, pag. 227; Flückiger, Phar- makognosie (II. Aufl.), pag. 826. 19. Basanacantha armata (DC). Martinique. Frucht. Lanessan, 1. c, pag. 458. Ich habe sowohl mit dieser Art, als auch mit B. tetracantha (DC.), die beide im Gebiete der Flora von Cararas häufig sind („Cruceta'- ine), Ver- suche angestellt, und kann wenigstens mit Bezug auf klei- nere Fische (Poecilki, Girardinus, Bmdus) die sehr schnell eintretende toxische Wirkung der zerquetschten und in das Wasser geworfenen Früchte bestätigen. 20. Glihadium silvestre H. Bn. Guyana. Lanessan, 1. c. pag. 406. 21. Bassia hutyraeea Roxb. Ost-Indien. Der Lepcha- Name dieses Baumes ist nach Gamble (1. c. pag. 244) yel oder yel pote; demnach wäre es möglich, dass yel phul (No. 10 meiner Liste ex Fr. Day) hierher zu ziehen ist. 22. Buddleja verticillata H. B. K. Mexico. Vul- gärname: Michpatli. Die zerquetschten Zweige. Fernando Altamirano in La Naturaleza (Mexico 1879), IV, p. 100. Sitzung vom 19. Juni 1888. 115 J23. Euphorbia Boyleana Boiss. Nordwesten von Ost-Indien. Heisst nach Gamblk (i. c. pag. 368) im Pundjab tlior. Avelclier Name von Francis Day als der einer üsch- vergifteuden Pflanze aufgeführt wird (No. 8 meiner Liste). 24. En2)horhla pnlclierriina Willd. Soll im süd- lichen China zum Fischfange gehraucht werden, wie mir einer der Coolis auf der Zuckerplantage des Herrn T. FßANCiA hierselbst mittheilte. 25. Groton Pavanum Hamilt. Ost-Indien. Holz und Samen. Rosenttial, Synopsis, pag. 835. 26. Seeurinega obovata Müll. Arg. Ost - Indien. Rinde. Gamble, 1. c. , pag. 354. Vielleicht gehört der Name gir aus Fr. Day zu der von Radlkofer unter No. 144 aufgeführten S. lencopyriis Müll. Arg., die nach Gamble (ibid.) im Pundjab girk heisst. 27. ? Putranjiva Eoxburghii Walt^. Nach Gamble heisst die Pflanze in Malabar pongalam. was ziemlich genau zu dem aus Fr. Day entnommenen Namen bon- galong stimmt. Doch scheinen wenigstens die Blätter nicht giftig zu sein, da dieselben, wie Gamble anführt, als Vieh- futter benutzt werden. 28. Petiveria tetrandra Gomes. Brasilien. Nach Capanema wird die zerquetschte Pflanze benutzt. Camix- HOA, 1. c, pag. 42. 29. Piper methysticum Forster. Hawaii. Vulgär- name: Awa. Wird nach Mrs. Metcalf Beckley (Hawaiian Fisheries. Honolulu 1883, pag. 11) beim Fange des niuhi, einer grossen und gefährlichen Haifisch-Art. gebraucht. 30. Myrica sapfi da Wall. Ost - Indien. Rinde, Gamble, 1. c, pag. 391. 31. Agave americana L. Cuba. Vulgärname: Ma- guey. Bachillez y Murales, Cuba primitiva (II. Aufl., Habana 1883), pag. 210. Auch in Venezuela soll man die zerquetschten Blätter gelegentlich zu gleichem Zwecke ver- wenden. 32. Chlorogalum pomeridlamim Kth. Nach Ste- phen Powers (Tribes of California. Washington, 1877, pag. 177) benutzen die Wailakki-Indianer am Westabhange 116 Gesellschctft naturfoi'scJiender Freunde. der Shasta-Berge die Zwiebel dieser A'on den Amerikanern soap-root oder soab-bulb genannten Pflanze zum Ver- giften des Wassers. Von den nachstehend aufgeführten Pflanzen kenne ich nur die Vulgärnamen: 1. Yerbadeflecha. Süd-Californien in der Umge- gend von Todos Santos. Ten Kate, Reizen en Onder- zoekingen in Noord-Amerika (Leiden 1885), pag. 86, 87. 2. NduA'u, „a Tine with whose bark fish are intoxi- cated". und 3. Tuva. „a tree from which a poison is obtained for intoxicating fish" (Horatio Hall in Vitian Dictionary, im 6. Bande des grossen Werkes über die Expedition Aon WiLKES, Philadelphia 1846, pag. 406, 415). Die bota- nischen Namen werden sich wahrscheinlich aus Seemann's Flora Vitiensis ermitteln lassen; mir ist dieses Werk liier nicht zugänglich. Tuva ist vermuthlich eine Derris, viel- leicht D.uliginosa Bth.. die A. Gray von den Viti- Inseln anführt. In Siugapore heisst D. eUi2)tica Benth. auch tuba oder tu bah (Radlkofer. unter No. 69; Christy, Commercial Plauts. X. p. 39). 4. Cuna. Gujwilla, Hist. nat. , civile et geogr. de rOrenoque, trad. p. Eidous (Avignon 1758), IL, pag. 46, 48 erwähnt unter diesem Namen eine von den Indianern an- gebaute fischvergiftende Pflanze, die der Luzerne ähnlich sein soll; benutzt w^irde die rübenartige Wurzel. Es ist vielleicht eine Te2)hrosia. 5. u. 6. Breton nennt in seinem Dict. caraibe-fran^ois (Auxerre 1665), pag. 244 di-ei fischvergiftende Pflanzen: aloucaloüa. inecou und onaboüboüe, und fügt hinzu, dass die Indianer von der ersten den Stamm, und von den beiden anderen die Wurzel benutzen. Inecou ist sicher- lich identisch mit Lonchocatyus Nicou D. C, was auch Radlkofer annimmt (No. 64 seiner Liste). Denselben Namen gaben die Caraiben auch einem Fische, der heute „vieja" heisst und zur Gattmig Sparus gehört; hiernach könnte man vermuthen. dass diese Pflanze vorzugsweise zum Fange dieser Art gebraucht wurde. Die beiden an- Sitzumj vom 19. Juni 1888. 117 deren von Breton citirten Namen sind mir noch unklar lind werden sich wahrscheinlich niemals botanisch deuten lassen. Onaboüboüe scheint eine Zusammenziehung aus tona (Wasser), boüloulli (Gift) und hiiehue (Baum) zu sein, sodass es „Giftholz für das Wasser" bedeuten würde. Schliesslich noch einige Bemerkimgen zu bereits früher aufgeführten Namen. 1. Bavgua (No. 1 des Anhanges zu meiner Liste). Das Wort stimmt sehr gut überein mit bajagua, dem Na- men einer Pflanze, von welcher 1883 aus dem Staate Ca- rabobo Probon der AVurzel zur National -Ausstellung nach Caracas kamen, mit der Angabe, man benutze dieselbe als wirksames Purgirmittel in der Wassersucht (cfr. mein Werk „La Exposicion Nacional de Venezuela en 1883. Caracas 1884, pag. 438). Später erhielt ich ausreichendes Material, lun die Stammpflanze als Ipomaea tuherosa L. bestimmen zu können, bei der wir wegen ihi'es drastischen Milchsaftes ebenfalls fischvergiftende AVirkmig voraussetzen dürfen. Diese Vermuthung wird bestärkt durch den Umstand, dass Herxandez unter dem Namen Camopatli, i. e. Camote oder Bat ata venenosa eine Ipomaea aufführt, deren zer- quetschte Wurzel die Azteken zum Vergiften des Wassers benutzten (F. Altamiraxo. La Naturaleza, IV., pag. 101). Ich will nun keineswegs behaupten, dass die baygua des OviEDO wirklich die Ix^omaea tuherosa sei; doch könnte sie wohl in diese Gattimg gehören, umsomehr als Oviedo sagt, sie sei ein bejuco, d. h. eine Schlingpflanze (im wei- teren Sinne des Wortes). 2. Alrese (No. 2 des citii-ten Anhanges). Dieses räthselhafte Wort ist vielleicht identisch mit dem arabi- schen abased. wie nach Mextzel (Index nominum plant., Berol.. 1682) die Kresse heissen soll. Ob das richtig ist, muss ich denen zur Entscheidung überlassen, welche ara- bisch verstehen. Unmöglich scheint es nicht, dass der scharfe Saft der Kresse den Fischen unbequem werden könnte. 3. Radlkofer vermuthet. dass ich Euphorhia cara- ca$ana Boiss. (No. 128 seiner Liste) aus Verwechselimg WQ Gesellscliaft naturforschender Freunde. mit E. cotinifolia Kth. aufgeführt habe. Dem ist aber nicht so. Eupliorhia continif'olia Kth. kommt wenigstens in der Umgegend von Caracas nicht vor, wo dieselbe durch die oft zu einem stattlichen Bamne werdende E. caraca- sana Boiss. vertreten wird (Lechero ine). Der Milchsaft ist sehr giftig, wie ich selbst einmal erfahren habe (See- mann. Journal of Bot.. 1866. pag. 284). Bei der grossen Anzahl giftiger Gew^ächse in allen Floren-Gebieten und der Leichtigkeit, mit welcher die mei- sten toxischen Substanzen von dem Wasser aufgenommen werden, ist es höclist wahrscheinlich, dass noch mancherlei andere Pflanzen zu dem hier besprochenen Zwecke benutzt w^erden. oder wenigstens benutzt werden können, so dass eine absolute Vollständigkeit in der Aufzählung derselben kaum erreichbar sein düi'fte. Herr VON MARXENS theilte einige literarische Anga- ben über das Vorkommen der Lacerta viridis in der Mark Brandenburg mit. Da nach einer inündlichen Mittheilung unseres Mt- gliedes, Prof. Xehijing in einigen Kreisen die Meinimg besteht, das Vorkommen dieser Eidechse auf den Rüders- dorfer Kalkbergen beruhe auf absichtlichem Aussetzen durch den früheren Reptiliensammler Lincke. so ist es von Inter- esse, zu fragen, bis Avie weit zurück Nachrichten über dieses Vorkommen in der Literatur sich vorfinden. Die Thätig- keit des geiaannten Lincke fällt den Erinnerungen des Vor- tragenden nach in die Jahre 1850 bis 1860, wo er den Physiologen Berlins Frösche lieferte und auf Kosten von R. Effeldt eine Reise tu das südliche Ungarn machte, um lebende Reptilien füi* denselben zu sammeln; bei dieser Gelegenheit kann er allerdings leicht eiae grössere An- zahl lebender Lacerta viridis von dort mitgebracht haben, und es mochte in seinem Interesse sein, die Art in der Nähe Berlins anzusiedeln, lun Liebhaber stets damit ver- sorgen zu können. Aber schon in der 1845 erschienenen Fauna Marchica von Jon. Heinr. Schulz, Oberlehrer in Berlin, steht pag. 448: „Wir kennen nur die Rüdersdorfer Sitzung vom 10. Juni 1888. 119 „Kalkberge als den alleinigen Fundort dieser Eidechse in „unserer Fauna, wo wir sie in diesem Sommer öfter ge- „ sehen und gefangen haben, so dass wir in diesem Augen- „ blicke drei lebende Exemplare vor uns sehen." Eine frühere Angabe betreffs Rüdersdorf selbst als Fundort ist dem Vortragenden nicht bekannt geworden, namentlicli wird die Eidechse nicht in Klöden's Beiträgen zur mineral. u. geogn. Kenntniss der ^lark Brandenburg erwähnt, obwohl in deren erstem Stück. 1828. „das Rüdersdorfer Kalkge- bii'ge" ausführlich besclnieben und 31 füi* dasselbe charak- teristisclie Pflanzenarten genannt werden. Aber für die Mark überhaupt reiclien die Angaben doch weiter zurück. Gloc^er sagt in seiner schlesischen ^Virbelthierfauna A'on 1833, pag. 66. dass sie wolil auch in Schlesien zu finden sein werde, „da sie bestimmt und mehrfach in der Mark A^orgekommen sein soll" und entscheidend dürfte sein, dass in LICHTE^^STEIN s Yerzeichniss der Doubletten des zoolo- gischen Museums. 1823 erschienen, pag. 97 unten steht: Lac. viridis raro in germania boreali . „in ]Mesomarchia phu'es eam offendisse certo scio"; die einheimischen Eidech- sensen sind in dieser Schrift mit besonderer Sorgfalt von Lichtestein"s damaligen Assistenten . stud. med. Ferd. Schulze von Halle (^"orrede. pag. IX) . bearbeitet und na- mentlich L. agilis in ihren verschiedenen Farbenvarietäten schon scharf von L. viridis unterschieden. Demnach ist es nicht walirscheinlich. dass sie erst durch Lixcke nach der ^lark gebracht worden sei. mid wenn sie auch gegenwärtig bei Rüdersdorf sehi* selten geworden oder ganz ausgerottet ist. so kennen wix: sie doch neuerdings auch von andern Gegenden der Mark, so von Oderberg, zuerst durch einen andern Lehrer Schultze. und jetzt aucli von Teu])itz durch ScHALOw imd Friedel. Es würde von Interesse sein, zu wissen, ob sie noch weiter nördlich Yorkommt; Schreiber in seiner Ilerpeto- logia p]uropaea. 1875. pag. 447 nennt noch Danzig und Rügen, aber zweifelnd mit einem „soll". In Bezug auf letzteres theilt mir Dr. Wilh. Müller in Greifswald mit. dass weder er noch der Präparator des dortigen Museums, J20 Gesellschaft naturforscJiender Freunde. „ein eifriger Sammler und Jäger imd für solche Fragen zuverlässiger Beobachter", Lacerta viridis je auf dieser Insel oder sonst in der Nähe von Greifswald gefunden, auch kein einheimisches Exemplar derselben dort aufbewahrt sei und ebenso kennt sie Dr. Heinr. Dohrn nicht aus Pom- mern, Baron v. Maltzan nicht aus Mecklenburg. Immer- hin ist Lac. viridis eine Thierart, welche, in ganz Süd- europa häufig, von beiden Seiten. Südwest und Südost, noch um die Alpen herum nach Mittel -Europa eingreift, von Südwesten bis Paris, aber nicht nach England hinüber, wahrscheinlich w^eil sie heisse Sommer liebt, und eben deshalb von Südosten aus noch weiter, über Ungarn, Ga- lizien und Mähren, bis in die Mark, wo sie aber nur an einzelnen besonders günstigen Stellen mit steilen, sonnigen Abhängen die äussersten Vorposten ihrer Verbreitung zu haben scheint, ähnlich wie GoroneUa austriaca, Fiqya fru- menUim und andere Thiere. Im Umtausch wurden erhalten: Leopoldina. XXIV.. 7. — 10. Aprü — Mai 1888. 34.-37. Jahresbericht der naturhist. Gesellschaft zu Han- nover für die Jahre 1883 — 1887. Jahresberichte des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg. 44. Jahrg. 1888. Bulletin de la Societe zoologique de France. XII., 2.-4. 1887. Proceedings of the Zoological Society of London, 1887, IV. Atti della Societa dei naturalisti di Modena. Rendiconti, IIL. 3. 1887; Memorie. III.. 6. 1887. Bolletino della Societa di naturalisti in Napoli, L. 2., fasc. 1. 1888. Bollettino delle publicazioni Italiane, Fii'enze, 1888, 57.-58. Tavola sinottica delle publicazioni Italiane. 1887. Proceedings of the Canadian Institute. Toronto, 3. Ser., Vol. V.. Fasc. 2. 1888. Druck von J. F. Starcke in Berlin. Nr. ;. 1888. S i t z u n g s - B e r i c h t au- Inspector F. A. Schran in Kaniei'un dem ]\Insenm der Köni.^l. landwii'lhschaftlichen Hochschule abernialn eine Sendulli;- iil)erinittelt ist. Darunter verdient das grösste Interesse ein iii einem Fass mit Salzwasser übersandtes vollständi.2:es . mit Klüzom und Blüthenstand versehenes Exemplar einer Monokotyiedone. die sich nach den Be- stinimnn;;en des Vortragenden als Sanseriera longiflora Sims, ergab. Das mächtige Rhizom kriecht horizontal dicht unter der Erdobertlächo hin und hat eine Länge von 38 cm. ist aber an seinem unteren Ende abgebrochen, so dass dies noch nicht die \olle Länge ist. Die Gestalt ist cylindrisch- spind eiförmig, die Dicke beträgt am unteren spindelförmi- gen Ende '2 cm. in der ]\Iitte und weiter oben, in dem cyliudrischen Theil. 6 cm. Die Farbe ist schön röthlich- gelb, wie eine ]\Iohrriibe. In dieser Hinsicht erimiert es etwas an die roth -gelben Rhizome resp. Wurzeln von Wa- chendarfia (Haemodoraceae). Während aber bei Wacl}cmlorfia und Lidchncwthes, einer anderen Hacniodoracee , die Wurzeln im ganzen Gewebe einen rothen Farbstoff enthalten, der bei Lachnantlies tinc- toria Ell. sogar zum Rothfärben dient, ist hier nur die Rinde gefärbt, das Innere rein weiss. Die anatomische Untersuchung ergiebt, dass die Farbe durch die Korkschicht bedingt ist. deren schmal-länglich-ß-eckige Zellen in ß bis 8 Reihen die Rinde bilden. (Die Korkbildung beginnt von innen.) Die Wände dieser Korkzellen sind braungelb ge- färbt; schon kalte Kalilauge löst den Farbstoff. Im Uebri- gen zeigt die Ruide viele ringförmig verlaufende Blatt- narben; die Wurzeln finden sich nur noch am dickeren, jüngeren Theil. Der innere weisse, fleischige Theil des Rhizonis besteht aus rundlich sechseckigen Zellen. Stärke wurde darin nur sehr wenig, in kleinen rundlichen, selten zu 2 — 3 zusammengesetzten Körnern gefunden; wohl aber aber zeigte sich ganz auffallender Weise nach Jodzusatz die Schleimhiille um die Raphidenbündel. die massig zahl- reich vorhanden sind . rothviolett . zuletzt fast rothgelb ;[24 Gesdh-cJuift naturforschender Fronide. gefärbt. Diese Erscheinimg lässt vielleicht darauf schliessen. dass wir es hier mit Amylodextriu zu thuii haheu. ^^■ eitere Uutersiichuiigeu darüber bleiben vorbehalten. Die riesigen dicken, aber flachen Blätter von 1 m Länge entspringen zu 8 an der Spitze des Rhizonis mit einem ca 7 cm breiten, scheidigen, dicken. Blattstiel -ähn- lichem Theil. der sich allmählich in die lanzettiiche, zuge- spitzte Spreite verbreitert. Die grösste Breite der Spreite beträgt bis 14 cm an den ausgewachsenen Blättern; die Farbe der Blätter ist grün mit weissen Flecken und Bän- dern, am hornartigen Rande roth. Nacli ehier Photographie, die Herr Schran inzwischen freundlichst übersandt. sind sie aufrecht abstehend. Der Bliithenschaft ist central. 75 cm hoch, 2 cm dick. grün, fleischig, von 7 entfernter stehenden, trockenhäutigen, dreieckig - lanzettlichen , ins 10 cm langen und an der Basis 3 cm l)reiten Plochblättern besetzt. Er trägt eine älu'enförmige Traube von 55 cm Länge, die mit Hunderten von schlaffen, langen, nickenden Blüthen bedeckt sind. Im frischen Zustande nuiss die Traube einen Durch- messer von 20 cm und mehr gehabt haben; soviel hat sie nämlich auch jetzt, wenn man sie umgekehrt in's Wasser hängt. Die Blüthenstiele stehen zu 5 bis ß und mehr dicht zusammen. Sie sind kurz, in der Mitte gegliedert (mit einer Piingnarbe versehen) und Aon da ab nach oben verdickt. so dass dieser Theil einem unterständigen Fruchtknoten ähnlich sieht. Der eigentliche Fruchtknoten ist aber ober- ständig. An der Basis jedes Bliithenstielchens steht eine lanzettliche Braktee. Das röhrige, nur an der Spitze ge- theilte Perigon ist sehr lang cylindilsch , 8 — SV-^ cm lang und sehi' dünn, kaum 2 mm dick. Die freien Zipfel sind nur V4 so lang als die Perigonröhre . Griifel und Staub- fäden scheinen wie gewöhnlich. Die Antheren fehlen meist. Baker giebt in seiner Monographie (Journ. of Linn. Soc. Bot., vol. XIV. pag. 548) an: Blätter 4 — 6. 1—2 Fuss lang, in der Mitte 3 — 4 Zoll, oberhalb der Basis 1 Zoll breit, Schaft 1 Fuss und mehr. 3 — 6 Linien dick; Traube dicht; 1 — 1 V2 Fuss lang, mit ausgebreiteten Blu- Sitzunfi vorn 17. Juli ISSS. 125 men. 8— 9 Zoll dick; Bluthenstiele 2— 3 Liiiioii laii^-. dicht biisclu'lii;'. Pci'i^ou Nvciss-^riiiilicii. 87- — "^ VjAi lang, wäh- rend der Bliithe nickend, die ZiidVvl dreimal kürzer als die Röhre. StaublKMiiel l)l,issgelb. 2 Linien lan.i;-. (iriH'el (j bis 9 Linieu voiraiAcnd. Tropisches Westat'rika. Unsere Pllanze niitei'scheidet sich demnach nur durcli mehr Blätter, durch z. Th. i^rössere Dimensionen und da- durch, dass die Zipfel nur 74 so lang, selten \/:$ so lang sind als die Rtihre des Perigous. Herr L. VViTTMACK h'gte ferner den Blüthenstaiid einer fiir den Gartenbau neuen Bromeliaecc vor, die Herr Obergärtner F. Kkamek. Leiter des berühmten Jen i seif - sehen Gartens. „Flottbeker Park" bei Altona. vor einigen Jahren von Herrn Groenewegen in Amsterdam erworben und dem Vortragenden am 16. Juli lebend übergeben hatte. Die Bestinnnung ergab, dass wü' es hier mit einer der Tillandsia jyhyllostachya verwandten, vielleicht mit ihr identischen Art zu thun ha])en. TRI. phyllostacluja ist erst küi'zlich von Baker im Journ. ofBot.. 1888. pag. 143. sub Ko. 230 nach trockenem Material, das Hahn in Central- ^lexico während der französischen Exj)edition 1865 — (SQ sanmielte. als neue Species aufgestellt. Unsere Pflanze unterscheidet sich aber dm'ch die lockere Rispe, die mit Ausnahme der oberen starr horizontal abstehenden Zweige (Aehren) derselben, die grösseren Deckblätter der Einzel- l)lüthen etc. Sie kommt in der Hinsicht einer vom jetzi- gen deutschen Konsul in Popayan (Kolumbien) 1882 iji Turialba (Costarica) sub No. 1801 gesammelten Herbar- l)flanze gleich. Gemein ist diesen beiden, dass die die Zweige stützenden, dunkelblutrotheu Brakteen, welche der Pflanze ein schönes Ansehen geben, in ilu'em imteren Drittel stark eingerollt siiul. so dass sie die Aehren fast ganz umschliessen. — Ueber die Speciesfrage müssen noch nä- here Untersuchungen angestellt werden. Hier interessirt nur die eigenthümliche Art imd Weise, wie das starre Abstehen der Rispenzweige, d.h. der Aehren. be- wirkt wird. Man gewahrt an der Basis jeder Aehre auf 126 Gesellschaft naturforscliender Freunde. der Innenseite eine grosse, ca. 4 inm lange, 5 mm breite, flach halbkugelige, am Umkreis ziigeschärfte . dimkelgriine, glänzende Schwiele, die sich bei genauerer Untersuchung als ein Entfaltungspolster erweist, welches durch An- schwellung der Oberseite der Basis der Aehrenspindel ent- steht. Der Bau erinnert sehr an das von Haberlandt in seiner ,. Entwicklungsgeschichte des mechanischen Gewebe- systems". Taf. VII, Fig. 10 im Querschnitt abgebildete Entfaltungspolster aus der Inflorescenz von Bactylls ghme- ratci, noch mehr an das von Agrostis cdha, von dem Herr Dr. Klein so freundlich war. Querschnitte zu machen. Bei oberflächlicher Betrachtung hat es bei unserer Tillandsia den Anschein, als ob die erste, der Hau])taxe zugekehrte Braktee des Aelux-hens die AnschAvellung besitze; in Wii'klichkeit ist die Braktee aber erst am oberen Theil derselben inserirt. Man sieht bei der TUlcmdsia. ferner sehr deutlich, wie das Entfaltungspolster, je mehr sich die Aehren spi-eizen wollen, um so stärker anschwillt. Jedenfalls ist diese Uebereinstimmung beim Ausbreiten der Inflorescenzzweige bei Gramineen und Bromeliaceen Ton Interesse. Herr VON Martens sprach über neugriechische Fisch- namen unter N'orlage einer m Athen l^^b3 veröffentlichten Druckschrift von Apostolides über den Fischfang in Grie- chenland. Unter 136 neugriechischen Namen für Fische, welche darin vorkommen , finden sich 64 auch bei den Schrift- stellern des Alterthums. namentlich Aüistoteles und Athe- XAEUS. wieder, selbstverständlich mit denjenigen sprach- lichen Modificationen . welche eben zwischen dem Alt- und Neu - Griechischen sich geltend machen, z. B. synagrida für sgnagris, Iciuraki für lahrcix, shomhri für skomhcr. clieli für enchelys, und von den meisten derselben, etwa 58, lässt sich mit grösserer oder geringerer Bestimmtlieit annehmen, dass sie bei den Alten dieselben Gattungen oder Arten von Fischen bezeichnet haben, wie noch heutzutao'e; die Süzuntj mm 17. Juli 1888. Y'21 Mehrzahl derselben ist dalicr schon von (h'U Zoologen des XVI. Jahrhunderts, welche zunächst die Thierwelt des Mittelmeeres kannten, wie Belon. Kondklkt nnd kSalviani. richtig gedeutet worden, eben indem sie die in Griechen- land. Italien nnd Südfrankreich bei den Fischern noch fort- lebenden l)enenniing(Mi berücksichtigten. In einigen wenigen Fäll(Mi wird derselbe Name gegenwärtig in (iriechenland für zwei oder mehrere unter sich sehr vei'schiedene Fische gebraucht, die etwa nur in der Grösse übereinstinimen. so z. B. rojjJios fiii* Sermnus yigas und Thynnus. Nur in Einem Falle lässt sich nachweisen, dass derselbe Name bei den Alten, d. h. speciell bei Auistoteles, einen ganz anderen Fisch bezeichnet, als gegenwärtig, worauf schon AuBERT und AViMMEii (Thierkunde des Aristoteles. I., pag. 125) aufmerksam gemacht haben; nämlich hclone bei Aristoteles ist Sy(jnatlius, helonida der Neugriechen der Hornhecht. Bclone acus des zoologischen Systems; aber auch hier ist denkbar, freilich nicht nachgewiesen, dass derselbe Name auch im Alterthmn. nur in anderen Dia- lekten, für Bclone acus galt oder auch noch heutzutage da und dort für Sygnathus angeAvendet wurde ; wenigstens gelten dem Sinne nach gleichbedeutende, den Vergleich mit einer Nadel enthaltend . im Alterthum auch für Bclone ^ z. B. mplds bei Oppian, in der Neuzeit an vielen Küsten des Mittelmeeres auch für Sygnathus, z. B. aguglia oder ago in Italien. Unter den neugriechischen Fischnamen, welche bei alten Schriftstellern nicht vorkommen, sind einige einfache nicht weiter etymologisch analysiibare Worte . die möglicher Weise auch schon aus dem Alterthum stammen, aber eben zufällig in den uns erhaltenen Schriften nicht genannt sind; andere dagegen sind schon ihrer Etymologie nach entschieden neu, d. h. erst unter dem Einflüsse des Christenthums oder der italienischen oder tüi'kischen Sprache aufgekommen: so christopsaro für Zeus fdber, alogahi im das Seepferdchen. Hippocampus, indem alogon, das unvernünftige, eben die ge- wöhnliche neugriechische Bezeichnimg des Pferdes anstatt des alten ausser Gebrauch gekommenen hqjpos ist. Italic- 128 Gesellschaft natur forschender Freunde. ni sehen Ursprunges sind harhnnl (geschrieben mparpauni), ital. harhone für Mullns harhatus, kajwric, ital. capone für Trigliden, lotitzos, ital. lu^zo Toni lateinischen, nicht grie- chischen lucms, im Sphynu'ua; san-pleros. venezianisch san- picro. St. Peter, für den schon genannten Zeus faher. pxqm- lina, ebenso im Italienischen, für eine kleinere Häringsart u. a. ; türldsch mertzani der rothe. für einen Spjayoiden, ge- wisserniaassen Uel)ersetzung des altgriechischen erythrlnos; nordischen Ursprungs hahaliaros (geschrieben ^npaJcaliaros), wie italienisch nnd spanisch hacala, hacalao, mit Konsonan- tenversetznng aus dem holländischen JcabUau, zunächst für die aus Holland oder NorAvegen getrocknet eingeführten Fische, aber auch für den im Mittelmeer lebenden Ver- Avandten derselben , Merhicms, in frischem Zustand ge- bräuchlich. Bemerkens wer th ist dabei, dass, während für die Mehrzahl die alten Namen geblieben suid. doch gerade für einige der alltäglichsten Erscheinungen im Thierreich die alten Namen verloren und neue aufgekommen sind, wie unter den Säugethieren das oben erwähnte hipjjjos, in den romanischen Sprachen equus und mus, ist bei den Fischen selbst in Athen der alte Name tr'ujle dem moder- nen harlmni gewichen. Herr VON Martens theilte ferner mit. dass eine für die Fauna Berlins neue Gammaride, von Herrn Oberlehrer Dr. E. Scn>[iDT (Schwedt) in den Wiesengräben zwischen dem Joachimsthaler Gymnasium, der Wilmersdorfer Chaus- see und Schöneberg aufgefunden worden ist; derselbe unter- scheidet sich von den beiden bei uns bekannten Arten, Gammarus pulex und yoesolii, namentlich durch die Ver- wachsung der drei hintersten Körpersegmente, die Verküm- merung des letzten Schvvanzfusspaares. einen einzigen un- paaren, hellgelben Fleck hinter und über den Augen und die stärker ausgebildeten Riechhaare an den Fühlern, sowie bedeutenden Grössenunterschied zwischen beiden Geschlech- tern, und dürfte voraussichtlich identisch, mindestens nahe verwandt sein mit Gammarus amhiilans ^ welchen Fritz Sitzumj vom 77. JuU 18S8. 129 Müller 1846 iu süssem Wasser bei Greifswald, imd mit Goplaua jjolonica, welche Wrzesniowski 1879 imd 1881 bei Warschau beobachtet imd beschrieben haben. Im Umtausch wurden erhalten: Leopoldma. XXIV., 11. — 12. Juni 1888. ^lonatl. Mittheilungen des naturwissenschaftl. Vereins in Franlvfurt a. ().. VI.. 1.— 3. April— Juni 1888. Societatum Litterae. II.. 5. ]\Iai 1888. Frankfurt a. 0. Sitzun,ü:berichte der physikalisch - mediciuischen Societät zu Erlangen. 19. Heft; 1. October 1886 — 1. Mai 1887 und Jahrgang 1887. Jahresbericht der naturhistorischen Gesellschaft zu Nüi-n- berg. 1887. Jahresbericht und Abhandlungen des naturwissenschaftl. Vereins in Magdebm^g. 1887. Annalen des K. K. natiu*historischen Hofmuseums. III.. 2. Wien. 1888. Jahresbericht der Lese- und RedehaUe der deutschen Stu- denten in Prag. 1887. Sitzungbericht der Naturforscher - Gesellschaft bei der üni- vei-sität Dorpat. VIII.. 2. 1887. Bollettino delle pubblicazioni Italiane, Fii-enze, 1888. 59. bis 61. Bulletin de lAcademie imper. des sciences de St. Peters- bourg. XXXII. . 2. 1888. Botanisk TidssMft. XVI.. 4. Kj^benhavn 1888. Proceedings of the Zoological Society of London, 1888, I. Bulletin of the Museum of Comparative Zoology. XIII., 9, XIV. u. XV. 1888. Memoirs of the Boston Society of Nat. Historv, IV., 1.— 4. 1886. Journal of Comparative Medicine and Surgery. IX.. 1. Philadelphia. 1888. Bulletin of the California Academy of Sciences, L, 1.-3.. 1884—85; IL 8, 1887. ;[30 Gesellschaft juUurforschender Freunde. Journal of tlie Elisha Mitchel Scientific Society for the years 1883—1886, 1887, L Raleigli. Anniial Report of the Canadian Institute, 1886 — 87. Proceedings of the Academv of Natural Sciences of Phila- delphia. I. Januar— Februar 1888. Verhandlungen des deutschen wissenschaftl. Vereins zu Santiago, 6. Heft. 1888. Berichte ülier die Sitzungen der Gesellsch. für Botanik zu Hamburg, 1.— 3. 1886—1887. Psyche, a Journal of Entomology. V., 145. Camhridge, 1888. 16 Annual Pieport of the Zoological Society of Philadel- phia. 1888. Memorias de la sociedad cientifica „Antonia Alzate", L, 10. Mexico, 1888. Proceedings of the Linnean Society of New South Wales, 2. Ser.. Vol. IL. Part. 2—3. 1887. Als Geschenlce wurden mit Danli; entgegengenommen: List of the Names of Contdbutors to the first series of the Proceedings of the Linnean Society of New South Wales, from 1875 to 1885. Talbot, R.. Die Amateur - Photographie nebst Preisliste. Berlin. 1888. Julius Wiesxek , Die mllvroskopische Untersuchung des Papieres mit besonderer Berüclcsichtigimg der ältesten orientalischen und europäischen Papiere. Wien, 1887. Festschrift zur Begriissung des XVIII. Kongresses der deut- schen anthropologischen Gesellschaft in Nürnberg, 1887. Berg, Fk.. Graf, Einige Spielarten der Fische, a. d. Schrif- ten der naturf. Ges. bei der Universtät Dorpat, 1887. Russow, Ed., Zur Anatomie der Torfmoose, a. d. Schriften der naturf. Ges. bei der Universität Dorpat. 1887. Weihrauch. K., Neue Untersuchungen über die BESSEL'sche Formel und deren Verwendung in der Meteorologie, a. d. Schriften der naturf. Ges. bei der Universität Dorpat. Sitzun(j vom 17. Juli 1888. 131 15 Anuiial Report of tlie Geological and Natural llist. Survey of Minnesota. St. Paul, 1886. Bulletin of the Geological and Natural Ilist. Survey of Min- nesota. No. 2 — 4. St. Paiü, 1887. Psyche, Journal of Entomology, Cambridge, Mass., V., No. 146. HiNTZMAXX, E., Das Innere der Erde, Vortrag, gehalten im naturwissensch. Verein zu Magdeburg am 8. Mai 1888. Magnus, P., Nachruf auf Robert ÜASPARy. Druck von J. F. Starcke in Berlin. Nr. 8. 1888. S i t z 11 n g s - B e r i c h t der Gesellscliaft iiatiirforsclieiKler Freunde zu Berlin vom 16. October 1888. Director (in Vertretung) : Herr v. Martens. Herr Nehring sprach über den Einfluss der Do- mestication auf die Grösse der Thiere, namentlich über Grössenunterschiede zwischen wilden und zah- men Grunzochsen (Fo'pphagus grunnlens). Es ist eine alte Controverse, ob die wilden Thierarten durch Domestication grösser oder kleiner werden; manche Autoren haben die erstere, manche die letztere Ansicht ver- treten. Nach meinem Urtheil lässt sich eine allgemein gültige Antwort auf jene Frage überhaupt nicht geben; es kommt auf die Umstände an. Dennoch scheint es die Regel zu sein, dass die Domestication^). namentlich in ihren ersten Stadien und insbesondere bei den langsam w^achsenden Säugethieren, eine deutliche Verkleinerung der Statur und eine ansehnliche Verminderung der Körper- masse herbeiführt. Im Allgemeinen ist die freie Natur die beste Thier- züchterin. d. h. sie bietet den Thieren, sofern das Klima imd die sonstigen Verhältnisse des betr. Landes überhaupt für die in Betracht kommenden Arten passen, die günstig- ^) Ich verstehe hier die Ausdrücke „Domestication" und weiterhin „domesticirt" in dem allgcmoinern Sinne, in welchem Darwin sie jre- braucht, nicht in dem engern Sinne, den Settegast (Die Thierzucht, 0. Aufl., I., pag. .56) damit verbindet. 8 -[34 Gesellsclioft natuiforschender Freunde. sten Bedingungen für ein dauerndes Gedeihen dar. Da- gegen jiflegt die Domesticirung von Seiten des Menschen zunächst durchweg eine Verschlechterung der Existenzbe- dingungen für die betroffenen Thiere mit sich zu führen, und da fast alle erfolgreichen Domesticirungen an jungen, nocli bildsamen Individuen gemacht werden und gemacht worden sind, so übt die angedeutete Verschlechterung der Existenzbedingungen regelmässig einen Aerkleinernden Eintluss auf das Skelet und die ganze Statur der heran- wachsenden Thiere aus. Dieser verkleinernde Einfluss steigert sich meistens bei den nächsten, im Zustande der Domestication erzeugten imd aufwachsenden Generationen, sodass bald zwischen den wildlebenden Individuen und den durch primitive Thier- zucht von Seiten des Menschen producirten Exemplaren einer bestimmten Thierart sehi* deutliche Grössemmterschiede sich herausstellen. Letzteres ist namentlich dann der Fall, wenn die Fortpflanzung der gezähmten Thiere durch sog. Inzucht (Verwandtschaftszucht) geschieht (was in den An- fangsstadien der Domestication offenbar häufig vorkommen wird) . und wenn die ganze Haltung und Pflege derselben der Sorgfalt und Liebe entbehrt. Doch pflegen schon die blosse Einschränkung der Freiheit, die einförmigere Nah- rung, die vorzeitige Gelegenheit zur Fortpflanzung schwä- chend einzuwirken \) . selbst wenn andere Uebelstände ver- mieden werden. Nur, wenn der Mensch in der Thierzucht so Aveit vor- geschritten ist. dass er die freie Natur in Bezug auf Dar- bietung günstiger Fortpflanzimgs-, Entwickelungs- und Nah- rungsverhältnisse noch übertrifft, können die domesticirten Thiere ihre wilden Artgenossen an Grösse und Körpermasse übertreffen, wie wir dieses bei manchen modernen Rassen von Haussäugethieren und namentlich von Hausgeflügel beob- achten. Doch sind erst wenige Jahrzehnte vergangen, seit- ^) Vergl. meine Bemerkungen in den Yerh. d. Berliner anthrop. Gesellsch. 1888, pag. 182 f., Landwirthsch. Jahrbücher 1888, pag. 29. Diese Sitzungsberichte 1888, pag. 62. Sitzinuj vom 10. Octohcr 1888. 135 dem die ThieizuL-lit in I)eut8clilaüd (im Aihsciüiiss an die englische Thierzuchtj solche Erfolge aufzuweisen hat^ In früheren Zeiten waren unsere Ilausthiere meistens klein und unansehnlich-); ja. sie sind es noch heute in solchen Districten. in welclien die ^'hierzucht auf einer niedrigen Stufe der .Vushildung ziirückgel)liel)en ist. Während bei vielen Hausthieren Zweifel über die Ab- stammung erhoben werden, kann es wohl kaum als zweifel- haft erscheinen, dass die zahmen Grunzochsen (oder Yaks) von den wilden abstammen. Es steht nun schon durch altere Beobachtungen fest, dass die letzteren wesentlich grösser und stärker sind, als die ersteren'^). Dennoch dürften bestimmte Messungen und Vergleich imgen von Schä- deln wilder und zahmer Individuen für gewisse Studien, namentlich für die richtige Beurtheilung des Verhältnisses zwischen Bos i^i'imlgenius und Bos tcmrus, von wissenschaft- lichem Interesse sein. Wie es scheint, gehören bis jetzt Schädel von wilden Yaks in den europäischen Museen zu den grössten Selten- heiten. Um so interessanter ist ein Exemplar, welches Pkzewalski von seiner letzten centralasiatischen Reise nach Petersburg mitgebracht hat. Herr Eugen Büchner, Conservator am zoologischen Museiun der kaiserlichen Aca- demie der Wissenschaften zu St. Petersburg, welcher jetzt mit der Bearbeitung der von Pkzewalski gesammelten Säugethiere l)eschäftigt ist, war so freundlich, mir eine Anzahl von ^Messungen in Bezug auf jenen Schädel eines wilden Yak mitzutheilen. sodass ich in der angenehmen Lage bin, dieselben hier vergleichungsweise anführen zu können. Während dieses Exemplar oflenbar von einem erwach- ^) Verpl. Settegast, Die Thierzucht, I., pag. 68 ff. ^) Landois, Westfalens Thierleben, I., pag. lOOff. Tacitus, Ger- mania, c. o. ^) Nach Campbell (Journ. Asiat. Soc. Beng. 1855) betragt das Gewicht eines „Dong" (d, h. eines wilden Yak) meistens das Vierfache eines gezähmten Yak. — Yergl. auch Brehms Blustr. Thierleben, 2. Aufl., III., pag. 380 ff. 8* 136 Gesellschaft naturforschender Fretinde. senen Stiere herrührt, besitzt die mir unterstellte Samm- liing einen aus der Reise -Ausbeute der Gebrüder Schlag- iNTWEiT stammenden tibetanischen Yak -Schädel, welcher sehr wahrscheinlich von einer wilden Yak-Kuh herrührt^). Leider sind die Hörner sammt den Hornkernen abgehackt, auch ist das Hinterhaupt an einer Seite gewaltsam verletzt; aber grade der Umstand, dass die Gebrüder Schlagint- WEIT diesen Schädel trotz der genannten Verletzungen des Transports für Averth gehalten haben, Avälirend ihnen un- verletzte Schädel zahmer Yaks ohne Zweifel zur Dispo- sition standen, scheint zu beweisen, dass jener von einem (schwer zu erbeutenden) wilden Yak herrührt. Auch die Grösse des Schädels und die glatte, feste Textur der Kno- chen sprechen dafür. Mit diesen beiden Schädeln stelle ich diejenigen von drei zahmen Yaks zusammen, welche der mir unterstellten Sammlung angehören. Zwei davon stammen aus Indien (vermuthlich aus dem Himalaya - Gebiete) , einer aus dem hiesigen zoologischen Garten. Letzterer ist hornlos, wie die Mehrzahl der hier gezüchteten Exemplare, wenngleich von gehörnten Individuen abstammend. Aus nebenstehender Tabelle ergiebt sich, dass der Schädel des wilden männlichen Yak in seinen Dimensionen an die kleineren Schädel des Bos prhnigenins heranreicht. Der von Hodgson (Asiat. Soc. Beng. 1841) beschriebene Schädel eines, wie ich nach dem Zusammenhange vermuthe, wilden Yak dürfte von einem weiblichen Indi^iduum herrühren; seine grösste Länge beträgt nur 482 mm. Auch in den sonstigen Dimensionen steht er etwas hinter dem Schlagixtweit' sehen Schädel imserer Sammlimg zurück. Seine Hörner sind viel zierlicher, als die des Przewalski'- schen Schädels; die Dimensionen No. 13, 14, 15 und 16 ^) In dem Nathusius' sehen Kataloge fehlt hei diesem Schädel, sowie bei dem unter derselben Nummer inventarisirten Skelet eines jüngeren tibetanischen Yak, welches weiter unten noch besprochen werden soll, der Zusatz: „domesticirt", während bei den anderen Yaks dieser Zusatz ausdrücklich gemacht ist. Dieses lässt vermuthen, dass auch Nathusius jenen Schädel einem wilden Yak zuschrieb. Sitziuuj ro)ii 16. Octoher 18SS. 137 Tabelle I. Yorglcichondo Scliädclinessungon wilder und zalunor Grunzochsen (Pof''2)h((iju>t (jni)w iens). Mit Tasterzirkol aemossen. (mni) w Id. Tibet H 2 a . '^■ . :? r- J r— C- 5 '^ t> "^ Viy o::^ l-H ^ X Doinestieirt. Zool.Gart. Berlin Indien X 1 ^5t" fcJC •r 1. Grösste Länge des Schädels . . 2. Basilarlänge vom untern Rande des Foramen nuignum .... 3. Länge der Stirnbeine (Mittellinie) incl. Sclieitelkamm 4. Länge der Nasenbeine .... 5. Grösste Hinterliauptsbreite . . G. Höhe des Hinterhaupts vom unt. Rande des P'oramen magnum bis Mitte des Scheitelkammes . . . 7. Kleinste Breite der Stirn an der sog. Stirnenge (zwischen Horn- basen und Augenhöhlen) . . . 8. Grösste Stirnbreite am Hinter- rande der Augeidiöhlen . . . 9. Breite der Schnauze an den Maxillarhöckern 10. Länge des zahnfreien Theils der Schnauze in der Mittellinie . . IL Länge der ob. Backenzahnreihe 12. Länge des Unterkiefers incl. Condylus .... .... 13. Länge eines d. Hörner d. äusseren Krümmung nach gemessen . . 14. Umfang eines der Hornkerne an der Basis \'). Directe Entfernung zwischen den Spitzen der beiden Höruer . . 16. Grösste lichte Breite zwischen den inneren Krümmungen der beiden Hörner 024 Ö29 2:)6 242 240 192 243 288 186 176 134 445 853 327 678 784 503 450 20( ) 200 ca. 210 157 ca. 210 232 156 159 117 404 9 448 422 390 184 172 165 128 170 202 140 127 115 352 340 130 360 366 183 155 158 132 188 210 128 117 119 340 310 177 520 368 520 399 342 182 133 160 142^) 166 211 117 1 20 116 31(5 ^) Bei diesem hornlosen Exemplare hat sich ein auffallend hoher, spitzer „Stirnwulst" herausgebildet: daher die relativ grosse Höhe des Hinterhaupts. ;[38 Gesellscluift naUtjforscJieiider Fieunde. unserer Tabelle betragen bei ihm nur resp. 432. 267, 482 und 394 mm, Avas auch für weibliches Geschlecht spricht. Die Schädel der domesticii^ten Yaks scheinen dm^ch- weg um ein Bedeutendes hinter denen der wilden Exem- plare zurückzubleiben^), gleiches Alter und Geschlecht yor- ausgesetzt. Doch kommen bei ihnen sehr verschiedene Abstufungen in der Grösse vor, wie auch die lebenden In- dividuen des hiesigen zoologischen Gartens beweisen. Sogar in den Proportionen der Schädel erkennt man mancherlei Variationen. Die einzige Dimension des Schädels, welche relativ constant sich darstellt, ist die Länge der Backenzahnreihe; doch erscheint sie hn Vergleich mit den wilden Yaks ver- hältnissmässig gross. Setzt man die Basilarlänge des Schädels = 100. so beträgt die Länge der oberen Backen- zahnreihe bei den beiden wilden Exemplaren 25. resp. 267''' bei den 3 domesticirten 29 V^. 32 V2 und 347o. Wir finden ganz analoge Verliältnisse bei vielen anderen Säugethier- Arten. wenn wir wilde und domesticirte Exemplare mit einander vergleiclien. Die Backenzähne pflegen bei den im Zustande primitiver Domestication gezücliteten und in Folge dessen an Grösse zurückgebliebenen Individuen nicht in demselben Maassstabe abzunehmen, wie der ganze Schädel; sie erscheinen daher relativ gross. — Aehnliche Grössendifferenzen . wie ich sie zwischen den Schädeln der wilden und zahmen Y^aks nachgewiesen habe, scheinen auch zwischen den übrigen Skelettheilen zu exi- sth-en. Die mir imterstellte Sammlung enthält das zerlegte Skelet eines etwa 2V2 jähiigen. männlichen-). Avalu'schein- lich wilden Y^ak aus Tibet, dem leider der Schädel fehlt. (Dasselbe stammt ebenso, wie der oben besprochene Schädel, aus der ScHLAGiXTWErr'schen Sammlung). Obgleich dieses ^) Vergl. RÜTiMEYER, Natürl. Geschichte des Rindes, 2. Abth., pag. 110 11. 124. Der dort von Rütimeyer beschriebene Schädel eines domesticirten weiblichen Yak hat nach der Abbildung eine grösste Länge von nur ca. 410 mm. *) Das männliche Geschlecht ergiebt sich mit Sicherheit aus der Form der Schambeine. Sitzntuj roni IG. Octoher 1888. 139 Skelet nach der Ikschaffenheit der Epipliyseii \) von einem noch im Wachsthnm begriffenen Individuum herrührt, wel- ches dem oben in der Tabelle an 5. Stelle aufgeführten Stiere aus dem lüesigen zoologisclien Garten an Alter eher nachsteht, als vcu'angeht. so sind die zugehörigen Skelet- theile doch viel grösser und dicker, als bei jenem. Nament- lich fällt der Unterschied in der Stärke der Diaph) sen bei den längeren Röhrenknochen deutlich in's Auge; der Vak aus dem zoologisclien Garten ist. obgleich auch männlich, viel dünnknochiger und zierlicher gebaut, als der tibetani- sche Yak gleichen Alters. In der nachfolgenden Tabelle sind einige llauptdimen- sionen der Extremitätenknochen beider Exemplare zusam- mengestellt ; ferner habe ich die entsprechenden Dimensionen der alten, o'oen an 3. Stelle aufgeführten, domesticirten Yak-Kuh hinzugefüti8. 143 während gleichzeitig Speichel und Sclileini ziemlich reich- licli abgesondert wurden. Nach wenigen KSekimden richtete ich mich wieder in die Höhe, der Küri)er liel nach hinten über die Leime des Stuhles und würde olme die Hülfe der zufiillig anwesenden Kollegen, die den Vorgang beob- achtet hatten, zur Erde gefallen sein. Bis zum Kinlreffen ärztlicher Hülfe, d. h. etwa 25 Minuten nach Ablauf der geschilderten Vorgänge, wurde ich \on Kollegen, die mich fiir todt hielten, in sitzender Lage festgehalten, was unter den obwaltenden Umständen nicht günstig gewirkt haben mag. Die Aerzte fanden mich ohne Athem und olme Puls; bei genauerer Untersuchung stellte sich jedoch heraus, dass das Herz noch schwach arbeitete und Wiederbelebungsver- suche hatten nach einer halben Stunde den Erfolg, dass ich die Augen öffnete und das Leben wieder zurückkehrte. Bald war ich im stände mit einiger Unterstützung stehen und an die Anwesenden Fragen nach der Art und Ursache des Unfalles, Aon dem ich betroffen, stellen zu können; nui' das Sehvermögen war zunächst noch gestört, worüber ich. mich wiederholt bei meiner Umgebung beklagte und blieb es auch bis 4 Uhr Nachmittags, wo es sich dann ziemlich plötzlich wieder einstellte. Als ich einigermassen vvdeder hergestellt vrar. wurde ich in Begleitung des Arztes und eines Kollegen nach meiner Behausung gefahren; dort angekommen — es mag 11 V^ Uhr gewesen sein — be- stand ich darauf, die drei nach meiner Wohnung führenden Treppen allein hinaufzusteigen, was ich auch trotz man- gelnder Sehkraft zu Stande brachte. Beim Entkleiden stellte es sich heraus, dass der Verschluss der Harn- und Fäkalwege ungenügend gewesen v\^ar. ohne dass jedoch die aus dem Darme ausgetretenen Massen den Charakter einer Diarrhöe anzeigten. Während ich des Nachmittags im Bette lag. waren die Augen weit geöffnet und glänzend, das Ge- sicht leichenblass und eingefallen, die unteren Extremitäten Pharmakooiiosio, Y. Aufl., Berlin, 79) zu hoiichtigcii sein, wrlcher als Unterschied des Veratrin gegen Colchicin anführt, dass ersteres Niesen errege. 144 Gesellschaft natnrforscliender Frewnde. kalt, so dass ich mich wiederholt darüber beklagt habe. Ausser der Sehkraft war auch die geistige Thätigkeit theil- weise gestört: Ich habe öfter die Ansicht ausgesprochen, dass ich geschlafen hätte, während ich doch, wie schon bemerkt, die ganze Zeit über mit offnen Augen dalag, habe unaufhörlicli dieselben Fragen gestellt: wie spät und wel- cher Tag es sei, wann tmd wo mu' der Unfall zugestossen Alle die Ereignisse bis zu meinem Eintreten in das Leh- rerzimmer, wie ich sie im obigen geschildert habe, sind erst gegen Abend und am folgenden Sonntage wieder in meiner Erinnerung lebendig gew orden. von dem. was später mit mir vorgegangen, was ich nach meiner Wiederbelebung gewollt, gesprochen und gedacht, habe ich nur einzelne dunkle Erinnerungen. Nachdem das Sehvermögen am Kach- mittage Aviedergekehrt war, trat eine ziemlich schnelle Bes- serung meines Zu Standes ein. die Kräfte nahmen sehr bald so weit zu, dass ich den Wunsch zu erliennen gab, das Bett zu verlassen imd davon nm* Abstand nahm, Aveil ich nicht gegen die Anordnungen des Arztes fehlen wollte. Als Beweis für die Wiederbelebimg der Körper- und Geistes- kräfte mag die Tliatsache gelten, dass ich Nachmittags um 5 Uhr an den Direktor meiner Anstalt zwei Postkarten geschrieben habe, die nach Form uud Inhalt nicht erheb- lich anders in gesimden Tagen ausgefallen wären. Der Abend und die Nacht verliefen ohne jegliche Störung und am Sonntag Morgen Avar ich vollständig wieder hergestellt und mein Befinden wie an jedem anderen Tage. Auch später haben sich Nachwirkungen irgend welcher Art nicht gezeigt. Zum Sclilusse habe ich die Frage zu erörtern, ob die im Vorstehenden geschilderten Erscheinungen die in der Ueberschrift aufgestellte Behauptung rechtfertigen, d. h. als eine Vergiftung mit Colchicum autunmalc aufgefasst werden düi'fen. Die Entscheidung darüber w^erden nur die Physio- logen geben können, in deren Interesse ich den Fall in möglichst ausfülniicher und objectiver Weise zur Darstel- lung gebraclit habe. Nur soviel will ich erwähnen, dass nach dem Urtheile des Arztes, welcher mich behandelte. Sitzung vom 16. Octoeher 1888. Üb weder an Schlaganfall jkmIi an E|)ilej)sie im gewöhnlichen Sinne gedacht werden kann und dalier jedenfalls die aus- gesprochene Verniüthnng einen hohen Grad von Wahrschein- lichkeit besitzt. Herr Arthur Krause sprach über einen monströsen Prionus coriarius, den derselbe Ende Juli d. J. bei Treseburg im Harz gefunden hatte. An demselben ist. wie untenstehende Abbildung zeigt, das linke Hinterbein a vollkommf^n normal gestaltet; auf der rechten Seite des letzten Brustringes stehen mehr oder weniger vollständig ausgebildet drei Beine. Die beiden der Mittellinie des Körpers zunächst stehenden b und c haben Hüfte, Schenkelring und Oberschenkel gemeinsam; im übri- gen ist das Bein b gleichfalls normal ausgebildet, nur der Hinterbrust eines monströsen Prionus coriarius, ^/i von unten. a normaler linker Hinterfuss. b, c, d abnorme Füsse auf der rechten Seite. e Querschnitt des normalen linken Oberschenkels, f Querschnitt des den Füssen b und c gemeinschaftlichen Ober schenkeis. Der Pfeil deutet die Mittellinie des Körpers an. 146 Geseilschüft naturforschender Freumle. Tarsus ist ein Aveiiig kurzer und schwächer als der des entsprechenden linken Fusses a. Die folgenden Beine c und d sind in allen ihren Theilen kürzer und schwächer als die normalen, ausserdem fehlen bei d das Klauenglied und hei c die drei letzten Tarsalglieder. Der Unterschenkel von c zeigt an seinem oberen Ende eine abnorme Ein- knickung. Merkwürdig ist nun. dass das Bein c. obgleich auf der rechten Seite des Körpers gelegen, doch durchaus wie ein Bein der linken Seite geformt ist. Es zeigt sich dies in der Gestalt der zu c zugehörigen Hälften der Hüfte, des Schenkelrings und des Oberschenkels, wie dies namentlich beim Vergleich der Querschnitte des für b und c gemein- schaftlichen und des normalen linken Oberschenkels. Fig. f und e. hervortritt. Ferner ist die Lage der Gelenkt! ächen und die Richtung des Knie- und Tarsengelenks . die Ein- fügung des Tarsus am Unterschenkel und die Stellung der sehr verkümmerten, aber doch deutlichen Enddornen der Schiene bei c durchaus wie bei einem linken Fusse. Der Fuss d dagegen verhält sich in jeder Hinsicht wie ein rechter Fuss. Wir haben es also im vorliegenden Falle mit der Aus- bildung zAveier hinteren Beinpaare nebeneinander zu thun, von denen a und b das normale, c und d das accessorische darstellen. Die punktierte Linie der Zeichnung kennzeichnet die Stelle der Verwachsung zwischen dem normalen rechten und dem accessorischen linken Bein. Beim Durchsehen der diesbezüglichen Literatur. soAveit dieselbe dem Vortragenden zugänglich war. fand sich, dass in allen genauer bekannten Fällen der Verdreifachung eines Gliedes dieselbe gesetzmässige Anordnung der Theile, wie bei dem vorgelegten Monstrum statttindet, das heisst, dass eigentlich zwei Paare von Beinen an ein und demselben Brustringe neben einander ausgebildet sind, wobei durch mehr oder weniger starke Verwachsung einzelner Theile die grösste Mannigfaltigkeit erreicht werden kann. — Dieses Gesetz wurde schon von Asmüs aufgestellt (Monstrositates coleopterorum; Rigae et Dorpati 1835, pag. 64), der es Sifzvjifj vom IG. (htohcr 1888. 147 unter sieben von ihm erwähnten Fällen in alli^n denen, die eine nähere Untersncliinii;- znliessen. l)estätii:;t fand. Auch die beiden von Gkk'stäckku (15ronn"s Klassen nnd Ord- nungen des Thierreiehs ^^ 1 . pag. 201 . Fisj. B. und 0.) erwähnten und abgebihleten ]\[onstrositäten sind nach der- selben Regel gebaut. Dasselbe ist der Fall mit einem monströsen Exemplar von Eidnicliclus Temminck'd Latr., welches sich in der entomologischen Sammlung der hie- sigen Universität befindet, und dessen Untersuchung dem Vortragenden durch die Freundlichkeit des Herrn Kolbe ermöglicht wurde. Dasselbe hat nämlich eine unvollkom- men dreitheilige rechte Hinterschiene mit drei Tarsen, von denen der mittlere wie der eines linken Fnsses. die beiden anderen A\ie die von rechten Füssen gestaltet sind. AsMus wendet sich an der oben angeführten Stelle gegen die Ansicht, dass die Triplicität eines Gliedes etwa durch wiederholte Dichotomie desselben entstanden sein könnte. In der That ist sclnver einzusehen. Avarum dann das mittlere Stück stets dem der entgegengesetzten Seite entsprechend geformt sein soll. Auch sind ja in dem vor- liegenden Falle die Hinterhüften nicht dreifach, sondern vierfach angelegt. Dagegen gelangt man zu einer mit den Deobachtungen imgezwungen übereinstimmenden Auffassung, wenn man annimmt, dass der ganze betreffende Brustring sich dichotom ges})alten hätte (in obiger Zeichnimg nach der Richtung der punctierten Linie), und an dessen Theilen nun zw^ei Beinpaare, jedes natiu^lich aus einem rechten und linken Bein bestehend, hervorgesprosst Avären. — In dem oben beschriebenen Falle des Frionus coriarius wäre dann der linke Brusttheil mit dem ihm zugehörigen Beinpaare bedeutend stärker ausgebildet als der rechte und dadurch eine Asymmetrie des ganzen Körpers bedingt, die schon bei obertlächlicher Betrachtung des Thieres vom Rücken her deutlich erkennbar ist. Dass das Plus von Bewegungsorganen, welches den vorgelegten Frionus coriarius auszeichnet, demselben bei Lebzeiten keineswegs förderlich war, lässt sich aus obiger 148 Gesellschaft natuiforscliender Freunde. Zeichnimg wohl ohne weiteres ersehen, wurde aber auch cUirch die Beohachtiuig des lebenden Thieres erkannt. Das heschiiebene Exemplar befindet sich jetzt in der entomologischen Sammlung der hiesigen Universität. Herr VON S\^ARTENS legte einige Conchylien aus Ka- merun vor, w^elche bei Barombi von Herrn Premier -Lieu- tenant Zeutxer bei der Zinkgk äff' sehen Expedition ge-> sammelt w^orden sind, nämlich Perideris solunana (Morel.), Achaüna marg'mata Swains. mit ihi-en Eiern und eine neue Art von Limicolaria, deren Beschreibung hier folgt: Limicolaria praetexta n. Testa elongata. peranguste perforata, leviter striatula. nitidula. flavescens. strigis rufofuscis llexuosis medio latius- culis, supra et infra furcillato-multiplicatis picta; anfr. 7V2, conA^exiusciili , lente crescentes. sutura leviter crenulata; ultimus oblongus. basi modice attenuatus; apertura subver- ticalis, 7^ longitudinis occupans. oblonga, sursum attenuata, margine columellari torto, crassiusculo, violaceo. Long. 41, diam. I4V2, apert. long. I6V2, lat. 8 mm. Die dunklen Striemen zerfallen auf jeder einzelnen Windimg in drei Theile. in der Mitte breit mit breiten hellen Zwischenräumen, oben und unten durch wiederholte Gablung feiner und zahlreicher, die Gablung nach oben deut- licher ausgedrückt und öfter wiederholt als nach unten; die Grenze zwischen dem mittlem und untern Theil fällt in die Verlängerung der Naht, der untere Theil ist daher auf den obern Windungen völlig verdeckt. Dadurch entsteht im mittlem Theil der letzten, im untern der vorhergehen- den Windungen, soweit diese sichtbar, eine breite Zone grösserer dunlder und heller Stellen. Betreifs der Eier der genannten Ächatina ist zu bemerken, dass dieselben 18 nam lang und 14 im Querdurchmesser sind, während die zugehörigen Schalen 100 — 135 mm Länge und 60 — 85 Durchmesser zeigen; die Eier von Achaüna verhalten sich also in der Länge ziu^ erwachsenen Schale imgefähi- wie 1:6—8, dagegen bei den grossen südamerikanischen Buli- Sitzung rotii IG. Octoöer 18S8. 149 mus wie 1:3—4. und dieser Unterschied steigert sich noch selbstverständlich für den Kubikinhalt; es sind also wohl die absolut ,i;Tössten Landschneckenschalen in der Gattung Achatina, aber die absolut grössten Schnekeneier bei Bu- Uimis zu linden. Herr VON Martens zeigte ferner einige mehr als hun- dertjälu'ige Stücke aus der alten Sammlung der Geseilschaft vor. nämlich einen noch ganz gut erhaltenen Echinastcr spinosus Retz, welchen die Gesellschaft naturforschender Freunde laut der Etikette 1781 von Hofrath Gleditscii, und zwei Exemplare von Bnccimnn (/laeiale Linne. welche dieselbe 1785 von dem bekannten Conchyliologen J. H. Chem- nitz aus Kopenliagen erhalten hat. Vgl. die Schriften un- serer Gesellschaft Bd. VI. 1785. pag. 318. Endlich besprach Herr VON MartenS noch kurz das Vorkommen von Helix pomatia im nördlicheren Europa, unter Vorlage eines bezüglichen Artikels in Dr. Potonie s naturwissenschaftlicher Wochenschrift III. Bd.. No. 3. vom 14. Oktober 1888. Die Annahme, dass dieselbe in geschichtlicher Zeit durch Menschen als Fastenspeise oder Delilcatesse einge- führt sei. lässt sich fiii" die russischen Ostseeprovinzen, Schweden. Norwegen und die dänischen Inseln, vielleicht auch England durch Ueberlieferung und aus Einzelheiten des Vorkommens begründen und ebendieselbe Annahme hat auch für die norddeutsche Ebene einen nicht geringen Grad von Wahrscheinlichkeit, aber hier ist auch eine fortschrei- tende natürliche Ausdehnung der Verbreitung von Mittel- deutschland aus längs der Stromläufe, begünstigt durch zu- nehmende Bodenkultur, nicht aus2,eschlossen. Wahrschein- lieh wii'kten beide Ursachen zusammen. Jedenfalls ist Helix pmnatia in Norddeutschland später aufgetreten als die mehr oder w^eniger mit Sibirien und Nordamerika gemein- samen grossen diluvialen Säugethiere und zahlreiche Smnpf- und Wasser-Schnecken. ;[50 Gesdlsdinft naturforsclwnder Freunde. Herr Nehring giebt im Anschluss hieran einige Noti- zen über das Vorkommen resp. Nichtvorkommen der Helix iwmatia im Diluvium Deutschlands. Es ist bemerkenswerth , dass Hellx pomutia den löss- artigen Ablagerungen, welche sich vor dem Nordi-ande des Harzes finden, völlig zu fehlen scheint. Ich habe in den lössartigen Ablagerungen der Gypsbrüche bei Thiede un- weit Braimschweig und bei Westeregeln unweit Magdeburg, welche mir ein so reiches Material an diluvialen Thier- resten geliefert haben (vergi. Zeitschr. d. deutsch, geolog. Gesellsch. 1880, pag. 471 ff.), niemals den geringsten Rest von Helix 2>omatia gefunden. Ebensowenig fand ich diese Schnecke in dem conchylienreichen Löss Aon Gandersheim am Nordwestrande des Harzes. Sie fehlt auch in dem Löss am Unkelstein bei Remagen am Rhein, sowie in dem des Heigelsbachthals bei Würzburg. Dagegen wird sie aus mehreren diluvialen Tuffa))- lagerungen, z. B. von Taub ach bei Weimar, angeführt. Nach A. PoRTis und H. Pohlig findet sie sich bei Tau- bach neben Rhinoceros 3Ierc]di, Elephas antiqims. Gerims elaplms, Cervus captreolus, Bison p>yisciis. Sus scropha ferus, Ursus arctos etc. (Siehe Palaeontographica, Bd. 25. Lief. 4, pag. 156 und Zeitschr. f. Naturwissenschaft. 1885. Bd. 58, pag. 263.) Diese Fauna deutet auf ein milderes Klima hin, etwa von der Art. wie es Helix pjomatia liebt ^). Dagegen würde ein Zusammenvorkommen von Helix pomatia mit Lemmingen, Eisfüchsen. Schneehühnern oder mit subarktischen Steppennagern (wie Alactaga und Sp)enno- philus) sehr auffallend erscheinen. Es ist sicher kein blosser Zufall, dass Helix pomatia den Diluvialfaunen von Thiede, von Westeregeln, von Quedlinburg und ähn- lichen Fundorten, welche theils Lemminge etc., theils Alac- taga jaculus und Sp^ermophilns rufesceus enthalten, völlig fehlt. Die neben diesen arktischen resp. subarktischen Nagern von mir gefundenen Conchylien deuten einen andern ^) Auch die von Pohlig für den Tutf von Taubach aufgeführten Pflanzen deuten meistens ein mildes Klima an. Sittiou/ vom IG. Octohcr 1S88. 151 Laiidöcliaftschai'akter an. als ilm die ^^'embel•g8schuecke lieht. (Vergl. Zeitschr. d. deutscheu geolog. Ges. 1880, pag. 472 if.) Letztere scheint erst in historischer Zeit allmählich nach Norddentschland (im engern Sinne) theils vom Menschen eingeführt, theils spontan vorgedrungen zu sein. Dafür spricht auch der Umstand, dass sie an den j)rähistorischen und frühhistorischen Fiuid- stätten Norddeutschlands und. wie mir Herr Stadtrath E. FjiiEDEL kürzlich mit Bestimmtheit versicherte, nament- lich auch in den sl avischen Burg wällen des östlichen Nord- deutschlands bisher nicht beobachtet worden ist. Im Umtausch wurden erhalten: Abhandlungen der Königl. Preuss. Akademie der Wissen- schaften. 1887. Sitzungsberichte der Königl. Preuss. Akademie der Wissen- schaften. XXL— XXXVII. 1888. Leopoldina. XXIV.. 13.-16. 1888. Berliner Entomologische Zeitschrift. XXXIL, 1. 1888. Mittheilungen a. d. zoologischen Station zu Neapel, VIIL, 2. 1888. Schriften der physik. -ökonomischen Gesellschaft zu Königs- berg i./Pr. 28. Jahi'g. 1887. Berichte d. naturhistorischen Museum zu Hamburg. 1887. Mittheilungen des Vereins für Erdkunde zu Leipzig. 1887. Verhandlungen des natmliistor. Vereins der Preuss. Rhein- lande und Westfalens. 45. Jahrg. 1 Hälfte. 1888. 65. Jahresbericht der Schles. Gesellsch. für vaterl. Cultur. Breslau. 1887. Jahrbuch der K. K. Geologisclien Reichsanstalt Wien, XXXVIIL. 1. u. 2. 1888. Annalen des K. K. naturhistor. Hofmuseums. Wien. III.. 3. 1888. Jahresbericht der Königl. Ungarischen Geologischen Anstalt. Budapest. 1886. Miltheilungen a. d. Jahrb. d. Königl. Ungar. Geolog. An- stalt, Budapest. VIIL, 6. 1888. ;[52 Gesellschaft naturforschender Freunde. Forhaudliuger i Videnskabs-Selskabet. i Christiania. 1887. Rendiconto dell' Accademia delle seienze flsiche e matem. di Napoli. XXVI.. fasc. 1 — 12. 1887. Atti della R. Accademia delle seienze iisiche e matem. Xapoli. ser. II.. vol. 1 u. 2. 1888. Bollettino delle pubblicazioni Italiane. Firenze. No. 62 bis m. 1888. Bollettino delle opere moderne straniere. Roma, toI. II., 1887. Indici. Memoires de TAcademie imper. des sciences de St. Peters- bourg. XXXVI. . 1 11. 2. 1888. Bulletin de TAcademie imper. des sciences de St. Peters- bourg, XXXIL. 3 u. 4. 1888. Bulletin de la Societe imper. des natm-alistes de Moscou, 2. 1888. Proceedings of the Zoological Society of London. IL 1888. Smithsonian Report. IL 1885. Bulletin of the Museum of Comparative Zoology, XIII. . 10, XVII. , 1. 1888. Memoirs of the Boston Society of nat. hist. IV., 5 u. 6. 1888. Report of tiie Yale university. for 1886/87. 1887/88. Jom-nal of the Elisha Mitchel Scientific Society, V.. 1. Raleigh, 1888. Journal of Conchology. V., 11. Leeds, 1888. Archivos do Museu Xacional do Rio de Janeiro, VIL 1887. Boletin de la Academia nacional de ciencias en Cordoba, X., 2. 1887. Anales del Museo nacional de Costarica, L 1887. The Journal of compar. Medicine and Surgery, New-York, L— VIIL. 1880—1887. IX.. 1888. Als Geschenlve wurden mit Dank entgegengenommen: Petrik, L., lieber die Verwendbarkeit der Rhyoüthe. Bu- dapest, 1888. Philippi, R. A., sobre los Tiburones. Santiago de Chile, 1887. Jahresbericht des Königl. Geodätischen Instituts. Aprü 1887/88. Marxens. E. y.. Ueber Helix pomatia. Berlin, 1888. Druck von J. F. Starcke in Berlin. Nr. d. 1888. S i t z u n g s - B e r i c h t der Gesellschaft iiatiirforscliender Freunde zu Berlin vom 20. November 1888. Dircctor: Herr W. Dames. Herr Nehring gab eine vorläufige Entgegnung auf Wollemann's Abhandlung über die Diluvialsteppe. In der Sitzimg vom 20. März d. J. habe ich die ]\Iit- theilimgen des Herrn Dr. Wollemann „über Gliede- rung und Fauna der Diluvialablagerungen imDorfe T hie de bei Braun schweig" einer kurzen Kritik unter- worfen und mir vorbehalten, in einem Briefe an die Nie- derrheinische Gesellschaft zu Bonn, in deren Sitzimgsbe- richten jene Mittheilungen erschienen sind^). sowie demnächst in einer ausfüluiicheren Arbeit auf die Sache nälier einzu- gehen. Der damals in Aussicht genommene Brief ist von mir am 29. ]\Iai an den Vorsitzenden der Niederrheinischen Gesellschaft. Herrn Prof. Dr. Rein in Bonn, mit der Bitte um Verlesung und denmächstigen Abdi'uck in den Sitzimgs- berichten der Bonner Gesellschaft abgesandt worden; ich habe denselben aber am 6. Juni zurückerhalten, mit der Bemerkung, dass die Niederrheinische Gesellschaft nur das abdrucke , was Mitglieder derselben in den Sitzungen mittheilen; sie könne also meine Entgegnung, obgleich Herr ') Sitzungsbericht vom 14. November 1887, pag. 2G0 ff. 9 ;[54 Gesellschaft natiirforschender Freunde. Prof. Reix die Begründimg derselben nicht bezweifle, nicht zum Abdruck bringen^). Da ich also vor den Mitgliedern der Niederrheinischen Gesellschaft und den Lesern ihrer Sitzungsberichte mich gegen die Angriffe Wollemaxx's nicht vertheidigen konnte, habe ich später den Hauptinhalt des betr. Briefes zu einer Abhandlung „über den Charakter der Quartär - Fauna Yon Thiede bei Braunschweig"* verwerthet, welche sehr bald im „Neuen Jahrbuch für Mineralogie etc." erscheinen wird. Inzwischen hat Herr Wollemann das Erscheinen mei- ner ausführlicheren Entgegnung nicht abgewartet, sondern in den Verhandl. d. naturhist. Vereins zu Bonn, Bd. XXXXV, pag. 239 — 291 eine ziemlich umfangreiclie Abhandlung „über die Diluvialsteppe" zum Abdruck gebracht^), in welcher er nicht nur die Quartär-Fauna von Thiede, sondern auch die- jenige zahlreicher anderer Fundorte Mitteleuropas kritisch beleuchtet und den Beweis zu führen versucht, dass die von mir seit 1876 vertheidigte Hypothese, wonach in Mittel- europa während eines gewissen Abschnittes der Diluvial- zeit steppenartige Districte mit einem mehr oder weniger continentalen Klima existirt haben, durchaus unbegründet sei. Diese Abhandlung, Avelche in dem Tone grossen Selbst- bewusstseins geschrieben ist und mit dem Ansprüche aus- reichender litteratiirkenntniss auftritt, veranlasst mich, hier vor dieser Gesellscliaft sofort nach Empfang des von Herrn Wollemann übersandten Separat - Abdrucks einige entgeg- nende Bemerkungen vorzutragen, indem ich mir eine aus- führlichere Entgegnimg für später vorbehalte. 1. Herr Wollemann glaubt, mich über den Begriff der Steppe unterrichten zu müssen und beruft sich dabei ^) Ich betone, dass mein Brief ckirchaus sachlich und maassvoll geschrieben war. — Das A^erfahren der Niederrht'in. Gesellschaft steht im Widerspruch mit dem Grundsatze: Audiatur et altera pars! ^) Ich bemerke, dass ich nirgends von „der Diluvialsteppe", son- dern stets von „Steppen" in der Mehrzahl, resp. von „steppenartigen Districten" gesprochen habe, wodurch schon angedeutet ist, dass ich mir dieselben durch Gebirge , Gewässer und Waldcomplexe unter- brochen denke. Sitztwfj vom 20. Norcmher JS88. I55 auf SciiMAKDA. Die i^TogTapli. Vej'broitiing der Thiere. Wien 1853. pag. 237. A\'f'nii Ilorr W. sicli eiiK^ ausreichende und tiefere Kenntniss der mannigfaltigen ^rodilieationen der Steppe , welche in den von mir stets zum Vergleich heran- gezogenen Gebieten Ost -Russlands und Südwest -JSibiiiens vorkommen, Aerschaffen will, so möge er die Original- werke lesen, in denen letztere beschrieben worden sind, und möge sich nicht mit dem kurzen Abschnitte des genannten Werks von kSciimarda begnügen. Ich empfehle Herrn W. dringend die genaue Leetüre folgender Pul)licationen: Pallas, Eeise durch verschiedene Provinzen des Rus- sischen Reiches. 3 Bde, St. Petersburg 1771—76, ein Werk, das Herr W. offenbar nicht gelesen hat, obgleich es für die vorliegende Discussion sehr wichtig ist. Ledebour. Reise durch das Altai-Gebirge und die soon- gorische Kirgisensteppe. 2 Bde, 1829, wo namentlich das über die Ischimsche Steppe Gesagte zu berücksichtigen wäre. EvEKSMANN , Reise a on Orenburg nach Buchara, Berlin 1823. Derselbe. Zoolog. Erinnerungen aus den südAvestl. Vor- gebirgen des Urals. (Bull. phys. - math. Acad. St. Peters- burg 1844, pag. 116 ff.) Vergl.^ Bull. Soc. Natimü. Moscou, 1840. p. 3-59; 1848. I, p. 186-227; 1853, U, p. 487-501. A. Tu. VON MiDDENDOKFF, Sibirische Reise, Bd. IV, Theü 2, Petersburg 1867—1874. 0. FiNSCH, Reise nach West- Sibirien im Jahre 1876. Berlin 1879, avo namentlich das pag. 71 ff. Gesagte für Herrn W. lesensAverth sein düi'fte. Ich könnte Herrn W. noch eine ganze Reihe von Wer- ken nennen, aus denen er eine bessere Kenntniss der zAvi- schen Wolga und Irtysch gelegenen Steppen. soAvie der Nachbargebiete bei genauer Leetüre geAvinnen Avürde; doch Averden die oben genannten Schriften schon genügen. Wer dieselben genau gelesen hat. wird nicht umhin können, die Wollemann' sehe Abhandlung über die Diluvial- steppe als ein Product ungenügender Kenntniss der Litteratur zu bezeichnen. Herr W. behauptet, ich hätte den Begriff' Steppe „verdreht"; nun, dann hat ihn Pallas, der grosse Steppenreisende, vor 100 Jahren auch schon 9* [56 Gesellschaft naturforschender Freunde. „verdreht", und ich kann mich mit ihm über den Wolle- mann'sehen Vorwurf trösten. Wenn man sich nach Herrn W. richten wollte, so müsste das Wort Steppe an Hun- derten von Stellen in dem berühmten Pallas' sehen Reise- werke als unrichtig oder verdreht gestrichen werden. Herr W. scheint gar nicht begreifen zu können, dass die Natur die Steppen nicht alle ganz gleichartig imd eintönig nach dem Schmarda' sehen Musterbilde hergestellt hat^). 2. Ich habe nirgends behauptet, Deutschland sei einst eine Baraba gewiesen; das ist eine durchaus unrichtige Insinuation Wollemann' s , resp. eine Verdrehung meiner Bemerkungen in dem Sitzungsberichte der Berliner anthrop. Gesellschaft vom 11. März 1882. Die letzteren lauten wörtlich folgendermaassen : „Es wäre kühn, auf die Funde von T hie de allein die Annahme einer ehemaligen Steppenzeit Mittel- europa's zu begründen. Da ich aber die Reste echter Steppenthiere ausser bei Thiede auch bei Westeregeln, Quedlinburg. Gera, Poesneck, Jena, Saalfeld, in Oberfran- ken, bei Würzburg, bei Eppelsheim, bei Steeten a. d. Lahn, bei Wien , in Ober - Ungarn und Süd - Ungarn nachweisen kann, da Herr Prof. Woldrich in Wien ebenfalls eine Steppenfamia für Böhmen und Mähren nachgewiesen hat, da ferner viele belgische und französische Fundorte Reste von Steppenthieren geliefert haben, da ausserdem die neue- ren Untersuchungen Engler' s, Blytt's und Anderer die Annalime einer postglacialen Steppenzeit vom Standpunkte ^) Herr Wollemann sagt a. a. 0. pag. 287, ich hätte plötzlich nach der „glänzenden" Widerlegung Much's eine ganz andere Defi- nition des Begriffs Steppe gegeben. Dieses ist durchaus unwahr! Schon in meiner ersten ausführlicheren Mittheilung an Virchow über meine Funde von Westeregeln (Sitzungsber. der Berliner anthropol. Gesellsch. v. 16. Dec. 1876, S.-A. pag. 29 f.) sage ich: „Wahrschein- lich war die Westeregeier Steppe im Westen und Südwesten einge- rahmt von mit Kiefern bewaldeten Bergen und Höhenzügen (Unter- harz, Hu3^, P^ allstein, Asse, Elm, die Höhen zwischen Helmstedt und Oschersleben); hinter Hadmersleben und Oschersleben ging sie nach AVesten zu über in dengrossen Bruch, der als Steppen sumpf zu betrachten sein würde." etc. Sitzung vom 20. Novemher 1888. -[57 der Botanik aus unterstützen, da endlich auch viele Geolo- gen die V. RicirnioFKN'sche Lösstheorie für unseren mittel- europäischen Löss, oder doch für gcMisse Lössablagerungen acceptirt haben, so sehe ich nicht ein, warum manche Ge- lehi-te, wie z. B. Herr Dr. Mucii in Wien, sich so sehr bemühen, die Annahme einer ehemaligen Steppenzeit Mittel- europa s zu bekämpfen. Ist doch der AVeclisel von Perio- den mit oceanischem und continentalem Klima nebst den entsprechenden Vegetationsyerhältnissen für viele Gegenden der Erdoberfläche so sicher nachweisbar, dass Niemand daran zweifeln kann. Much scheint freilicli unter Steppe etwas Anderes zu verstehen, als ich; er meint, die Stepi)e sei an die Ebene gebunden, sie könne wesentlich nur auf ehemaligem Meeresgrunde sich herausbilden, sie entbehre ganz des Baumwuchses und dergl. Man lese doch nur die Reisewerke, welche sich mit den westsibirischen Steppen beschäftigen, und man wird sich überzeugen, dass es dort grosse Steppengebirge giebt, dass Waldinseln und ausge- dehnte Complexe mit einzeln stehenden Bäumen (besonders Birken) ^) und Gestrüpp nicht fehlen, dass Flüsse und Seeen Abwechselung in die Steppe bringen. Es kommt eben auf den Haupt Charakter der Landschaft, auf die vorherr- schende Pflanzendecke, auf die bestimmenden Faktoren in der Vertheilung der Niederschläge etc. an; und ich be- haupte auch heute noch trotz aller Einwendungen, welche MucH dagegen erhoben hat, dass Mitteleuropa und speciell Deutschland in der auf die Eiszeit folgenden Periode ein Klima, eine Vegetation und eine Fauna besessen hat, wie die Steppenbezirke des heutigen Westsibiiien sie aufzu- weisen haben. Wenn man nun die westsibirischen Distrikte trotz der vorhandenen Gebirge, Waldcomplexe , Seeen und Moore allgemein als Steppenlandschaften bezeiclmet, so wird man diesen Ausdruck auch auf die ganz analog ge- stalteten Landschaften des postgiacialen Mittelem'opa an- wenden können." ^) „Die Baraba - Steppe iimfasst solche lichte Birkenwaklungen in grosser Ausdehnung, wird aber trotzdem allgemein als Steppe be- zeichnet." 158 Gesellschaft naturforschenäer Freunde. Jeder, der die bei dem Worte „Bü'ken" angehäugte Fuss- note iinbefangeu liest, wird aus derselben entnehmen, dass ich die Baraba als ein extremes Beispiel des Vorkom- mens Ton ausgedehnten Birkenwäldern in den Steppengebieten West - Sibiriens und der Am\ enduug des Wortes Steppe anführe; ich habe mit keinem Worte gesagt, dass Deutsch- land zur Zeit des diluvialen Alactciga eine Baraba gewesen sei. Herr W. legt aber meinen Worten diesen Sinn unter, weil es ilim so passt, mid knüpft daran eine gegen meine Logik gerichtete scharfe Bemerkung. (A. a. 0., p. 288.) 3. Die Yon Herrn W. gemachten Versuche, die dilu- vialen Sandspringer (Älactaga jacidtis foss.) und Ziesel (Spermoph. nifescens foss., Spennoijli. fidciis foss., Spermoph. gnttatus foss. und Verwandte) in einen Gegensatz zu ilu'en heutigen Nachkommen zu bringen, und die Behauptung, dass sie recht wohl im Walde gelebt haben könnten, ma- chen auf mich einen gradezu komischen Eindruck, zumal da Herr W. sich auch noch auf den seltsamen Vergleich Much's zwischen Älactaga jaculus und Dendrolagus ursinus, einem nach Much angeblich ..ganz ähnlich gebauten Be- wohner der Bäume" bezieht^). Herr W. nennt Jactdus hudsonius „den americanischeu Vetter" des Älactaga jactdus. Nun. die Vetterschaft ist eine ziemlich entfernte, wie jeder Kenner weiss. Ausserdem ist Jactdus hudsonius keineswegs ein ausschliesslicher Waldbewohner; im Gegentheil, er konmit vorzugsweise auf Wiesen und Saatfeldern vor. (Siehe Hart Mekriam, The Mammals of the Adirondack Region, New York 1884, p. 290.) Wenn Herr W. p. 281 sagt: „Jedenfalls ist Älactaga so organisii't, dass er eben- sowohl auf bewaldetem, wie unbewaldetem Terrain leben kann", so muss ich dieses füi' eine völlig unbewiesene, mit der Lebensweise und dem Fussbau der Pferdespringer in dii-ectem Widerspruch stehende Behauptung erklären. ^) Herr Much scheint von dem Skeletbau des Älactaga jaculus einen sehr mangelhaften Begriff zu haben. Man vergl. meine ausführ- liche Abhandlung in der Zeitschr. f. ges. Natunviss. Halle 1876, Bd. 47, p. 18 — 65, nebst Tafel. — lieber Demh-okqjKs siehe A. Wagner, Die Säugethiere, Suppl., 5. Abth., 1855, p. 284 f. Sitzioiy vom 20. Nouemher 1888. 159 4. Die von Herrn W. in dem mitteleuropäischen Di- luvium vermissteu kleinen Steppenhamster, wie Crl- cetus phaeus, arenarius und Verwandte, sind von mir in wohlerlialtenen Fossilresten festgestellt worden, besonders zahlreich aus Süd-Ungarn, aber aucli aus Nord-Ungarn und sogar von SaalfekU). Woldkicii wies später auch bei Zuzlawitz am Döhmer Walde eine Hamster-Species von der Grösse des Crkctus phaeus nach^). Ich selbst besitze dm'ch die Güte des Herrn Prof. Dr. S. Roth in Leutschau einen vollständig erhaltenen Unterkiefer eines solchen kleinen Steppenhamsters aus dem Höhleulehm von 0-Ruzsin bei Kaschau, als Belagstück für die Riclitigkeit meiner Be- stinmmng. Es handelt sich keineswegs um „sehr fragliche Reste", wie Herr W. behauptet, sondern um sicher be- stinnnte, wohlerhaltene Reste. Dass dieselben der einen oder anderen Species unter den kleinen östlichen Steppen- hamstern angehören, ist völlig sicher; welcher von ihnen, ist w^eniger leicht festzustellen. Für die vorliegende Dis- cussion kommt aber sehi' wenig darauf an, ob man sie dem Gr. phaeus oder acedula oder arenarius zusclii'eibt. Letztere Arten stehen einander im Gebiss und in den sonstigen osteologischen Charakteren selir nahe. 5. Herr W. bezeichnet eine Anzahl von Wirbelthieren der Düuvialfauna von Thiede und anderen Fundorten mit grosser Bestimmtheit als „ Waldthiere'*; so z. B. wird Canis vidpes einfach als „Waldfuchs" bezeichnet. Wenn Herr W. das oben citii'te PALLAs'sche Reisew^erk studii"en will, wird er sich leicht davon überzeugen können, dass Canis vulpcs und manche andere von ihm als entschiedene Waldthiere bezeichnete Species*^) in den westsibirischen 1) Zeitschr. d. D. geolog. Gesellsch. 1880, pag. 496. Zeitschr. f. Ethnol., BerHii 1881, pag. 102 u. 107. Vergl. Jahrbuch d. geolog. Reidisanstalt in Wien, 1879, pag. 491. ') AVoLDRiCH , Diluviale Faima .von Zuzlawitz , 2. Theil , Wien 1881, pag. 39. 3) Thatsächlich befindet sich unter den diluvialen Wirbelthieren von Thiede nicht ein einziges, welches unbedingt als ein echtes Wald- thier bezeichnet werden müsste. IßO Gesellschaft naturforschender Freimde. Steppengebieten zahbeich vorkommen. ^) Ueber die ausge- storbenen Arten, wie Bliinoceros ticliorhimis, vergleiche man meine Bemerkungen in der demnächst erscheinenden Ab- handlung im Neuen Jahrbuch für Mineralogie. 6. Alle Kenner der Steppen sind darüber einig, dass die in Erdhöhlen lebenden Nager die wichtigsten Charakterthiere der ostem'opäischen und angrenzenden asiatischen Steppen sind. So z. B. heisst es bei Goebel, Reise in die Steppen des südlichen Russlands. II. p. 223: „Unter den Säugetliieren bilden die Nagethiere. welche an den Zwiebeln der hier in Menge w^achsenden Lilienpflanzen reiche Nahrimg finden und in unterirdischen Höhlen woh- nen. mit denen die Steppe gleichsam unterminirt ist. die Hauptbewohner." Herr W. kennt die Sache natüidich viel besser, als die Leute, welche in den Steppen selbst ge- wiesen sind; er legt auf die Nager kein Gewicht, sondern „gelangt zu seinen Resultaten auf einem ganz anderen Wege, nämlich durch gehörige Berücksichtigung der grossen dilu- vialen Wirbelthiere und Mollusken". 7. Was die Mollusken von T hie de anbetrifft, so sagt Herr W. in seiner neuesten Abhandlung Folgendes: „Hinsichtlich der Vertheilung der einzelnen Species inner- halb des Diluviallehms will ich bemerken, dass keine der- selben an einen bestimmten Horizont gebunden ist, beson- ders fanden sich die unten aufgeführten echten Laub- schnecken sowohl in den unteren, wie oberen Theilen der Ablagerung, bald mit Lemming. bald mit Mammuth, bald mit den nach Ansicht Nehkixg's für die Diluvialsteppe charakteristischen kleinen Nagern zusammen." Diese Behauptungen erscheinen mir im höchsten Grade auffallend. Als ich um Ostern 1885. d. h. nachdem Herr W. etw^a 7 bis 8 Jahre lang bei Thiede gesammelt und ^) Das PALLAs'sche Reisewerk ist eine wahre Fundgrube für in- teressante Beobachtungen über die geographische Verbreitung und die Lebensweise der in den westsibirischen Steppendistricten vorkommen- den Wirbelthiere. Jeder, der sich für die mitteleuropäische Diluvial- fauna interessirt, sollte es genau studirenl Sitzung vom 20. November J888. jßl seine Haiiptfunde bereits gemacht liatte, ein genaues Ver- zeicliniss seiner Thieder Sammlung unter seiner persön- lichen Beihiilfe aufnahm, habe ich mir Folgendes notirt: Ilelix frutlcum. 1 Exemjjlar. ,. arlmstorum. 1 Exemplar. ,. hortensis. Wenige Exemplare. y, hispida. Zalilreich. ,. striata^ var. N'dssoniana. Zieml. zalilreicli. ,. pulchclla. Zahlreich. ,. tcnuilahris. Ziemlich zahlreich. Patida ritderata. 1 Exemplar. Chondnda tridens. Selten! Bidhmis ohscunis. 1 Ex. Gionella luhrica. Nur an einer Stelle mittl. Tiefe häufig. PnXKi miiscorum. Sehr häufig. S'iiccinea oblonga. Sehr häufig. Hyallna radiatida. Ziemlich häufig. Lhnnaeus pereger. 3 Exempl. Pisidimn liensloiviannm. 2 Exempl. Ausserdem habe ich mir bei Ilelix fnUicnm und ar- hustorum notirt: Höheres Niveau, bei Patida ruderata: Mitt- lere Tiefe. — Wie Ivami nun Herr W. behaupten, dass obige „Laubschnecken" ^) bei TMede in jedem Niveau vorkommen? Ich selbst habe von 1873 — 81 mehi* als 200 Excursionen nach dem Thieder Gypsbruch ausgefülu't. bin auch seit meiner Uebersiedelung nach Berlin (1881) alljälu'lich 1 bis 2 mal dort gewesen. Trotz sorgsamster Aufmerksamlceit habe ich niemals ein Exemplar von Bidimas ohscunis, von Helix frutlcum oder //. arhiistonun gefunden; \o\\ H. hor- tensis nui' ein Exemplar im hölieren Niveau, von Patula rotundata ebenso, von Clausdia parvula nur 2 Exemjdare in mittlerer Tiefe, von Patula ruderata und Cltomlrula tridens ebenso. (Man vergleiche aucli meine Angaben in ^) Als Laubscliiiccken bozoiclinet Herr W. fol^t-iule: Helix fru- ficnnt, H. arhustorum, H. hortensis, H. Jtispida, Fat. rotioidata und Bnl. ohsciunis. Obige Behauptung passt höchstens auf H. hispida. 162 Gesellschaft naturforschender Freunde. der Zeitschrift d. Deutschen geolog. Gesellschaft 1880, pag. 472.) Ich kann mit der grössten Bestimmtheit sagen, dass nach meinen seit 1873 gemachten Beobachtungen, sowie auch nach den von Herrn Wollemanx bis 1885 gemachten Funden Conchylien in den untersten Schichten des Thieder Diluviums, in welchen die Lemminge die Hauptrolle spielen, äusserst selten sind, und dass ich in ihnen niemals ein Exemplar von Ilelix arhistanwi , IL fniticuni, II. hortensis, BuUmus obsciiruSj Fatula rotundata, Chondnda tridcns, Clan- süia jMTvula gefunden habe. Meine Conchylien-Liste von Thiede. welche im xVpril 1880 niedergeschrieben ist^), lautet folgendermaassen : 1. Fkjm muscorum. Sehr zahlreich. Am häufigsten in den mittleren Lagen, w^elche an gewissen Stellen den Cha- rakter des typischen Löss aufweisen. Bei 20 Fuss Tiefe ganze Klumpen dieser kleinen Schneckchen. Reicht am weitesten in die Tiefe, also bis 40 Fuss, w^enn auch nur in vereinzelten Exemplaren. 2. Chondrula tridens. Sein* selten, bisher nur zwei Exemplare in mittlerer Tiefe vorgekommen. 3. CioneUa hihrica. Im Ganzen selten, nur an einer Stelle bei ca. 18 Fuss Tiefe 8 Exemplare. 4. Pattda niderata. 1 schönes ausgewachsenes Exem- plar. Mittleres Niveau. (Später noch eins.) 5. Fcdula rotundatci. 1 noch nicht ausgewachsenes Exemplar. Mittl. Niveau. 6. Ilelix striata, meistens in der var. Nilssoniana. Ziem- lich selten (8 Exemplare), während diese Art bei Wester- egeln häufig ist. Mittl. Niveau. 7. Ilelix Jiisxnda. Häufig. 18 Exemplare. Meistens aus dem mittl. Niveau. 8. Ilelix temtilahris. 10 Exemplare. Zerstreut. 9. Ilelix pidehella. 15 Exemplare. Zerstreut. ^) Die betr. Exemplare befinden sich jetzt fast sämmtlich in dem Besitze der hiesigen geologischen Landesanstalt, nebst Proben der Ablagerungsmassen von Thiede. Sitzumj vom 20. Kornnher W88. 163 10. IlcJix liortensis. 1 Ex. Höheres Niveau. 11. llclix obvoluta. 1 Ex. Nur 1 \/2 Euss tief, daher schwerlich diluvial. 12. Ilyalina radiaüda. 10 Exeinj)lare. Zerstreut. 13. Succinea ohloiuja. Ziemlich häiiii.i;- in dein oberen, mittleren und unteren Niveau. 14. Limnaeus pereger. 2 Exemplare. Ziemlich tief. 15. Clcmsilia sp. (parvula?). 2 Exempl. Mittl. Tiefe. 16. Fisidimn pusillum. 3 Exempl. In den tieferen Schichten. Es wäre ja möglich, dass Herr ^^^ seit 1885. obgleich er seit jener Zeit sich meist in Würzburg und Bonn auf- gehalten hat. noch einzelne hemerkenswerthe Concliylien- funde bei Thiede gemacht hätte ^); aber selbst unter dieser Voraussetzung erscheinen mir die oben citirten neuerlichen Behauptungen desselben über das Vorkonmien der Conchy- lien in dem Diluvium des Thieder Gvpsbruches sehr auf- fallend! 8. Aehnliches muss ich in Bezug auf seine Behaup- tungen über das Vorkommen der Wirbelthierreste sagen. Ich lege hier 3 Skizzen des Fundortes vor, von denen 2 von mii- originaliter im Thieder Gypsbruche 1878 resp. 1880 mit Andeutung meiner wichtigsten Funde ge- zeiclmet sind, während die dritte im Anfange des März 1882 theils auf Grund eigener Beobachtungen, theils auf Grund einer von Herrn W. an mich eingesandten Skizze von mir hergestellt und bald nachher zur Vertheilung an die Mitglieder der hiesigen anthropol. Gesellschaft bei Gelegen- heit meines Vorti-ages vom 11. März 1882 hektographirt wurde. Auf letzterer Skizze linden sich die wichtigsten Funde der Jahi-e 1880 und 1881 in verticaler Richtung angedeutet, welche sich im Buchdi'uck etwa folgendermaassen wieder- geben lassen: ^) Bei meinen eigenen Excursionen nach Thiede seit 1885 habe ich genau dieselben Beobachtungen gemacht, wie früher. 164 Gesellscluift vaünforschender Freunde. Gvpsbriich von Tliiede. Ein Theil der Ost- Wand 1880/81. Ackerkrume Humös, z. Th. schwarz gefärbte lössartige Ab- lagerungen, mehr oder weniger ausgelaugt. Bos. Pferd. Löwe. Mammuth. Löwe. Rhinoceros, Riesenhirsch. Hyaena. Lösssclmecken. Springmaus. Pferd. Rhinoceros. Vereinzelte Mammuth. Lemminge. Mammuth. Pfeifhase. Pferd. Rhinoceros. Ziesel. Springmaus. 7 Meter tief. Gelb oder gelblich gefärbte, mehr oder we- niger lössähnliche Ab- lagerungen. Durchweg sehr kalkreich. Meist ungeschichtet. Sehr viele Lemminge. Kleine Vögel. Schneehuhn. Arvicolen. Schneehase. Her- melin. Eisfuchs. Lemminge. Renthier. Schneehühner. Sandig-lehmige, meist dünngeschichtete Ab- lagerungen mit kleine- ren Steinen. Ich bemerke, dass meine früheren Fimde an der Ost- wand des Thieder Gypshriiches zum Theil auf tiefere Spaltaiisfülliingen . als die von 1880/81 waren, sich er- streckt haben ^). In meiner Sammlung liegt noch jetzt die Ausheute einer sorgsamen, in 40 Fuss Tiefe mit dem Taschen- messer ausgeführten Ausgrabung bei emander. welche ledig- lich Keste von nordischen Thieren (Myocles torqiiatus, M. oben- sis, Eisfuchs. Renthier. Schneehuhn u. dergl.) geliefert hat. Ich muss es von Neuem betonen, dass in der Ver- theilung der Wirbelthiere bei Thiede Ton unten nach ^) Dass die gesanmiten, stellenweise bis 40 Fuss mächtigen Ab- lagerungen lediglich durch zwei starke Hochwasserfluthen der Oker gebildet sein sollen, glaubt Herr W. doch wohl selbst kaum im Ernste. Sitzung vom 20. November 1888. 165 oben eine gewisse Stufenfolge von mir beobachtet wor- den ist. natürlicli ohne seharfe Grenzlinien. 9. An den Fundorten, wie am Rothen Berge bei Saalfeld, wo die gesammte Ablagerungsmasse in verticaler Richtung nur gering ist. oder in Höhlen, wo oft nachträg- liche Störungen der Ablagerungen stattgefunden haben, kann man selbstverständlich keine deutliche Trennung der Ni- veaux beobachten. In dem Bnchenloch bei Gerolstein, wo das w^ährend der Diluvialzeit abgelagerte Material sehr gering und in den verschiedenen Theilen der Höhle von un- gleicher Mächtigkeit Avar. fanden sich römische Objecte dicht über echt diluvialen Knochen. Um so wichtiger ist ein Fundort wie Thiede, wo die verticale Entwickelung der Ablagerungsmassen eine bedeutende ist und in den frisch angeschnittenen Profilen der Ostwand (der Hauptfund- stätte) nii'gends Spuren irgend welcher wesentlicher Störun- gen der Lagerungsverhältnisse beobachtet werden. 10. Zum Schluss bemerke ich, dass die Behaui)tung WoLLEMANXs, dass icli in den von mir persönlich unter- suchten Höhlen bei Neumühle (Hoesch's- und Elisabeth- höhle) in bayr. Ob er franken keine Aufeinanderfolge der Thierarten in verticaler Richtung beobachtet hätte, durchaus unrichtig ist. Meine 1879 an Ort imd Stelle gemachten Notizen. soAvie die Original -Etiquetten der noch jetzt voll- ständig in meinem Besitze befindlichen Coliectionen aus jenen Höhlen beweisen das directe Gegentheil von dem, w^as Herr W. behauptet. Auch habe ich bereits 1880 in der Zeitschrift d. Deutsch, geolog. Gesellsch. , pag. 481 u. 482 einige bezügliche Andeutungen gegeben. Die genannten Höhlen zeigen im Wesentlichen dieselbe Stufenfolge, wie der Thieder Gypsbrucli. Im Uebrigen Avird ein gelegentliches Zusammen vor- kommen von Fossilresten der Steppen- und Waldthiere für denjenigen, welcher die Fauna der Orenburgischen und süd- westsibirischen Steppen nach Pallas, Eversmann. Finsch u. A. eingehend studirt hat, gar nichts Auftallendes an sich haben, ebenso wenig, wie das Hineinragen der arktischen Fauna in die subarktische Steppenfauna West-Sibiriens und 166 Gesellschaft naturfor seilender Freunde. Ost-RuRslands dem Kenner der einschlägigen Litteratur ein Gegenstand der Verwunderung sein kann. Trotz dieses in manchen Districten und zu gewissen Zeiten stattfindenden Ineinandergreifens wii'd man die Faunen der Tundren, der Steppen und der Wälder bei einer wissenschaftlichen Betrach- tung klar auseinander zu halten haben, nicht nur für die Jetztzeit, sondern auch für die Vorzeit. Mit denselben Gründen, welche Herr W. geltend macht, könnte man auch behaupten, dass es in West-Sibirien keine Step])en geben könne ; denn die dortige Fauna bestehe zum Theil aus Waldthieren (im Wollemaxn" sehen Sinne) und die dort vorkommenden sogen. Steppenthiere wären so or- ganisirt. dass sie auch im Walde nicht sterben würden. Folglich seien die Reiseberichte von Pallas offenbar un- richtig; die Existenz von Steppendistricten sei dort un- möglich. Ebenso könnte Herr W. das bekannte Reisewerk Yon G. Radde über Südost - Sibiiien (Bd. I, Säugethiere, 1862) kritisch beleuchten und behaupten, dieser Reisende hätte offenbar den ßegritf der Steppe „verdreht" ; denn es befänden sich unter der von ihm aufgezählten Fauna eine Anzahl von Waldthieren, wirkliche Steppen könne es also dort nicht geben. Eingehendere Bemerkungen über die Wollemann" sehe Abhandlung, namentlich AViderlegmigen der vielen unrich- tigen Behauptungen über Steppen- und Waldthiere, sowie Richtigstellungen mancher mir imtergeschobener Ansichten hoffe ich demnächst veröffentlichen zu können. Uebrigens scheint Herr W. von dem vor Jahresfrist behaupteten oceanischen Klima und den ausgedehnten Waldungen inzwischen schon einigermaassen zurückgekom- men zu sein. Vielleicht darf ich mich der Hoffnung hin- geben, dass die von ihm nach Much's Vorbilde jetzt an- genommenen diluvialen Parks (auf Grimd weiteren Stu- diums der einschlägigen Litteratur) sich den Orenburgischen und südw^estsibirischen Steppen immer ähnlicher gestalten wer- den. Dann w ürde Herr W. schliesslich doch noch, wenn auch „auf einem ganz anderen Wege**, zu derjenigen Anschauung gelangen, welche ich schon vor 12 Jahren vertreten habe. Sitzunff vom ;J0. Nomnhcr 1888. 167 lleiT Magnus ix'spi-acl) (I(mi Einfluss der Lage des Sub- strats auf die Ausbildung des Fruchtkörpers einiger gestielter Fol i/2wrus- Arten. Scholl in den V('i'han(Uuiii;(Mi des IJotanischcii Vereins der Provinz Bandenbnrg. '2b. Jahrg.. 1H83. ])ag. VIII hat Vortr. mitgetheilt, wie sich die Gestalt der gewöhnlich central gestellten Fruchtkörper des Folypoms Schivelnitzü Vr. nach der Lage ilires Auftretens znr befallenen \ye\- mouth-Kiefer im hiesigen botanischen Garten ändern. Zuerst waren die nahe unter dem Boden horizontal hinlvriechenden Wurzeln Aom Pilze befallen worden und traten die Frucht- körper ziemlich weit vom Stamme auf und waren central gestielt; später traten sie immer näher und näher dem Stamme auf. bis sie zuletzt an der Basis des Stammes selbst hervorbrachen. So lange sie auf den Wurzeln auf- traten, waren die Fruchtkörper central gestielt, d. h. me- sopod. Sobald sie nahe dem Winkel zAvischen den Wur- zeln und der Stammbasis liervorbrachen, rückte die Ober- fläche des Hutes inmier mehr nach der dem Stamme ab- geneigten Seite, bis schliesslich der Stiel ganz seitlich an der dem Stamme zugewandten Seite des Fruchtkörpers stand, d. h. die Fruchtkörper streng pleuropod waren. So- bald sie endlich an der Stammbasis aus dem Stamme selbst hervorbrachen, waren sie zu einem seitlich ansitzenden Friichtkörper ausgebildet, d. h. die Fruchtkörper waren apod. Dies ist heute noch das schönste Beispiel, das Vortr. von der Beeinflussung der Lage des Substrats auf die Ausbildung der Gestalt des angelegten Fruchtkörpers ken- nen gelernt hat. Einen anderen ähnlichen Fall hat Vortr. an dem zier- lichen Folyporus (wmlarkis (Batsch) beobachtet und in den Verhandlungen des Botanischen Vereins der Provinz Bran- denbm-g, Be. XXIX beschrieben. Hier wurde der normal central gestellte Hut durch die grosse Nähe des Stammes l)leuropod. da sich ein Hut nur an der dem Stamme ab- gcAvandten Seite des Stieles ausbildete. Bei Folyporus elegans Fr. ist der gewöhnlich mehr oder minder excentrisch sitzende Stiel je nach der Lage zum 168 Gesellschaft naturforscltender Freunde. Substrat (gewöhnlich BucheDstiimpf oder auch Aeste) sehr verschieden am Hute inserii't. Vortr. traf ihn so nament- lich im Dietrichswerder bei Menz hei Rheinsherg 1869 vom völlig central gestielten bis zum völlig seitlich inserirten Hute an, was, wie gesagt, von der nahen oder entfernten Lage des Baumstmnpfes abhing. Einen der interessantesten Fälle bietet Folijporus hien- nis (Bull, sub Bol.) Fr. dar, den Vortr. seit vielen Jahren im Thiergarten bei Berlin beobachtet hat. Er scheint hier etwa die Kordgrenze seiner Verbreitung in unserer Länge zu haben; wenigstens scheint er in Schweden nicht vorzu- kommen. Denn der so erfahrene El. Fries kennt ihn nicht aus Schweden (avoW aber den sehr nahe verwandten Pol. nifesccns Fr., der so nahe verwandt ist, dass ihn Sovverby als Boletus hiennis bezeichnet hat) und sagt von ihm in seinen 1874 erschienenen Hymenomycetes europaeü s. Epi- criseos systematis mycologici editio altera pag. 529: „Ad terram. juxta truncos Europae australis" und fügt hinzu (v. s.); ebenso giebt ihn Rob. Fries in seiner 1888 erschie- nenen Synopsis Hymenomycetum regionis Gothoburgensis (Act. Reg. Societ. Gothoburgens. t. XXIII) nicht an; auch CooKE giebt in seinen British Fungi nm* Folyp. rufescens Fr. aus England an. Dieser Folijporus hiennis (Bull.) tritt im Thiergarten stets an den Stubben der gefällten Bäume auf, gewöhnlich an deren Oberfläche oder neben ilii'er Basis und bildet er sich dann mit centralem Stiele aus. an dem die Poren herablaufen. Ist hingegen der Stubben hoch und bricht der Fruchtkörper an dessen Seite hervor, so bildet er sich zu einem seitlich ansitzenden Hute, wie bei der Sectio Äxms, aus. Wähi-end wir es hier mit Formen zu thun haben, die in der normalen typischen Ausbildimg entweder central oder, wie bei Folyp. clegans, schwach excentrisch gestielt sind, bei denen mithin in der typischen Form der Stiel völlig von dem das Hymeniimi auf seiner Unterseite tra- genden Hute umgeben ist und seine Stellung nach dem dem Substrate zugekehrten Rande rückt oder seine Bildung unterdrückt wird, hat Vortr. jüngst den umgekehrten Fall SiLii,i;i colli 'M. yocciiihcr 188b. 1(59 kennen gelernt, wo ein Folyporuö- mit iiorniai seitlich ge- stieltem Ilnt(^ einen central <;«'stielten Fruclitköi'per bildet. Folfjporus sffuaiiw.sius (Iluns.) tritt Ix'i uns seitlich an den Stämmen vieler Lanbhölzer anf. die von dem Angrift' seines ]\Iycels im Laute der Jahre allmählich zn Ornnde <;ehen. ]>richt er so an seinem normalen Standorte, ge- wöhnlich zn mehreren, hervor, so ist er streng seitlich ge- stielt, nnd breitet sich der Hut erst von dem oberen Ende des Stieles aus. au dessen vorderer Seite indessen die Po- ren des Hymeniums sich hiuabziehen. Frl. Fueitag traf nun diese Art auf einem Baumstumpfe im Charlottenbm^ger Schlossgarten an; die Hüte waren z. Th. von normaler Grösse, z. Th. kleiner und zarter und vor allen Dingen central gestielt. Ebenso theilte Herr Jacobascii mit, dass er drei Jahre lüntereiuander in Finkenkrug bei Berlin auf einem Baiimstubben Polyp)- sqimmosus (Huds.) mit central gestieltem Hute beobachtet hat. Wir haben es hier also mit einer normal seitlich gestielten (pleuropoden) Art zu thun, die central gestielt (mesopod) wird, wenn sie sich mitten auf dem Substrate erhebt. Entfernter schliesst sich hier die Erscheinung an, wo Arten, die gewöhnlich seitlich ansitzende, sich muschel- förmig vom Substrate abhebende Hüte bilden, sobald sie auf die freie Oberfläche des Substrates gelangen, sich zu central angehefteten, sich nach allen Seiten abhebenden Fruchtkörpern aus))ilden, wde etwa Teleplwra terrestris dies oft thut. Solches hat Vortr. namentlich schön an Sterewm hirsutum (Willd.) Fers, und Folyporus versicolor (L.) wie- wiederholt beobachtet. Hier behält der Fruchtkörper auch auf der freien Oberfläche des Substrats vollkommen seinen Charakter bei; er entwickelt keinen Stiel, von dem sich das Hymenium abhebt. Er breitet sich nur von seinem Bildimgsorte, ungehindert durch das Substrat, vollkommen frei nach allen Seiten aus. während er an der Seitenwan- dung des Substrats sich nicht in der Richtung nach diesem zu ausbreiten kann und so einseitig muschelförmig wird. 170 Gesellscliaft naturforschender Freunde. Sodann zeigte Herr MAGNUS Wurzeln von Fasslflora mit kleinen seitlichen Verdickungen, verursacht von Heterodera, vor, die ihm Frau Prof. J. B. ]Meyer aus Bonn zur Untersuchung zugesandt hatte. Frau Prof. Meyer bemerkt dazu, dass die Passiflora nicht gut gediehen. Die Untersuchung ergab, dass die Wurzeln you der Heterodera radicicola Greeff angegriffen sind und die Anschwellung die gebildeten Gallen derselben sind. Die Anschwellung sitzt einseitig dem Holzkörper der Wurzel auf, der an der Seite der Anschwellung etwas keil- förmig unterbrochen ist. Die Anschwellung ist eine par- enchymatische Wucherung, in die sich Tracheiden von der Unterbreclumg des Plolzkörpers aus hineinziehen. Ausser- dem wird die parenchymatische Wucherung von grossen Höhlungen durchzogen, in denen zur Zeit der Untersuchung an den untersuchten Gallen häufig die riesig angeschwol- lenen Weibchen, dicht mit zahlreichen Eiern erfüllt, waren, von den Eiern zeigten sich selten einige schon zu jungen Aeichen ausgewachsen. Unter den Pflanzen, die B. Frank in seiner Arbeit „Ueber das Wurzelälchen und die durch dasselbe verursachten Beschädigungen der Pflanzen'^ in Landwirthschaftliche Jahrbücher, 1885, pag. 167 als von Heterodera angegriffen, aufzählt, befindet sich Passiflora nicht, und dürfte mithin deren Angriff' zum ersten Mal beobachtet sein. Auch muss sich Votr. der von Frank 1. c, pag. 170 bis 173 entwickelten Auseinandersetzung über die Schädi- gung der befallenen Pflanzen in allen Punkten anschliessen. Auch an den übersandten Wurzeln begann schon an den grösseren Gallen der Fäulnissprocess von den verlassenen Höhlen aus, der Fäulnissprocess, dessen Fortschreiten die Wirthspflanzen so sehr schädigt und die Erki'ankung der Kaffeepflanzen zu einer so gefährlichen macht. Sitzung vom 20. November 1888. 171 Herr W. Weltner s|)rach unter Vorzei^uii}»- von Präjia- rateu über das Vorkommen von Bythotrcphcs louf/i- manus Leyd. und Dendrocoelum punctatum Pall. in dem Werbellinsee bei Berlin. Seit einigen Jaliren ist der Vortragende damit l)eschäf- tigt, die in der Umgebung Berlin' s lebenden Entomostraceen zu sammeln, um die hier vorkonmienden Arten der Clado- ceren. Oopepoden und Ostracoden zu ermitteln. Während die einheimische Oopepoden- und Osti-acoden- fauna noch keinen Bearbeiter gefunden hat. sind die Clado- ceren durch einen der ersten Kenner dieser Gruppe, den vor zwei Jahren verstorbenen Prof. Eu. Schüdler in Berlin einem eingehenden Studium unterworfen worden. Als Schöd- LER seine Arbeiten 1877 abschloss. Avaren nach Hellicii in Deutschland 70 Arten von Cladoceren bekannt, von denen ScHÖDLER allein 60 bei Berlin gesammelt hat. Da sich aber seine Untersuchungen von hier vorzugsweise mit den Formen aus Gräben, aus der Spree, aus Tümpeln und aus der Uferzone einiger Seeen beschäftigten, so entging ihm die grössere Zahl der pelagisch lebenden Cladoceren der hie- sigen Seeen. und als daher Dr. Zacharias. welcher sich unter anderem auch der Mühe unterzogen hat. eine Zusam- menstellung der von ihm in mehi- als 42 Seeen, Teichen und ausserdem einigen Flüssen Norddeutschlands gesanuuelten Cladoceren. Copepoden imd Hydrachniden zu geben, auch bei Berlin pelagisch fischte, musste er Formen finden, die ScHÖDLER von hier unbekannt geblieben waren. Nach Zacharias führe ich folgende an: Hijalodaplinia cimiUcita G. 0. SARS. var. lahlhergiensis Schödl.. var. cederströmü ScHÖDL.. Bosmina coreyoni Baird. Bosmina gihhcra Schödl.. var. thersites Poppe und Bosmina hohcmka Hellicii. Die von Zacharias ebenfalls bei Berlin pelagisch gefundene Ceriodaphnia pidchella G. 0. Sars ist zwar in den Abhand- lungen Schödler's von Berlin nicht verzeichnet, doch war sie demselben aus dem Plötzensee von hier bekannt. Des weiteren hat Zacharias aber auch Bosmina gihhcra Schödl. var. tersites Poppe. Bosmina hohemlca Hellich und Cerio- daphnia pidchella G. 0. Sars in der Spree innerhalb Berlins 172 GeselUchaft imturforftcliender Freunde. und in der Havel ^^efunden. Hierzu gesellt sich noch eine von Imhof beschriebene neue Form aus dem Müggelsee Bosmina herolineusis Imhof. so dass sich die Zahl der bei Berlin gefunden (Jladoceren auf 67 Arten beläuft. Die Zahl der A'on Zacharias in Xorddeutschland ge- sammelten Cladoceren beträgt 40 Arten, wozu noch 7 var. kommen. Diese Zahl würde eine grössere gewesen sein, wenn es nicht in der Absicht von Zacharias gelegen hätte, sich nur auf die Seeen. Teiche und Flüsse zu beschränken, sondern wenn auch Gräben und Tüm])el abgesucht worden wären. Ich bin nocli nicht im stände, nach eigenem Material eine Uebersicht einheimischer Cladoceren zu geben, weil ich dasselbe noch nicht für umfangreich genug halte. In den folgenden Zeilen soll nur die Aufmerksamkeit auf die Gat- tung Bytliotrephes gelenkt werden. Von ihr kennt man drei Arten, unter denen die verbreitetste, Bijtlt. longimaniis Leyd., in Deutschland erst im vorigen Jahre durch Zacharias im Müritzsee und Labenzsee bei Deutsch-Eylau in Westpreussen entdeckt wurde. Die beiden ajideren Arten sind Byth. cc- derstrmnii Schödl. \) aus Schweden und Byth. asovicus Pengo aus dem asoA\ sehen Meere. Da die meisten Seeen. in denen man Bythotrc^hes bisher angetroffen hat, eine bedeutende Tiefe haben (soweit ich ermitteln konnte) . und mir kein über 60 Fuss tiefer See bei Berlin beivannt war, so glaubte ich das Suchen nach dem Tliiere aufgeben zu müssen, bis ich gelegentlich erfuhr, dass im Werbellinsee bei Joachims- ^) ScHÖL>LER gab in seinen Neuen Beitr. z. Xaturgesch. der Cla- doceren, 1863 eine Diagnose des Byth. cedcr^trömii. Dieselbe war ungenügend und mit Recht bestritt P. E. Müller (Note sur les cladoc. des grands lacs de la Suisse, 1870) die Artbereclitigung dieser 8chö- DLER'schen Fonn. Schödler gab nun in den Sitzungsber. d. Gesell- schaft naturforsch. Freunde zu Berlin, 1877, pag. 283 andere Unter- schiede zwischen Bytk loiiyimanus Leyd. und B. Cederstromii Schödl. an und nach den hier angeführten Besonderheiten sind beide Arten aufrecht zu erhalten. Da ich die Originale Sciiödler's, sowie wei- teres Material aus Schweden, dem Bodensee und Xorddeutschland untersuchen konnte, so will ich die Resultate der Yergleichung bald folgen lassen. Sltzinuf vom ^0. Noremher 1^88. 173 tlial (Kreis Oborbariiini) IMaraenen ]el)eii sollten. Teil scliloss daraus auf eine geliörige Tiefe des i.:01eiieii lanj^eu Sees und erfuhr an Ort und Stelle durch Herrn Fischereipächter HÜBNEK. der mich bei der pelagisclien und Grundsclilamm- iischerei freundlichst unterstützte, folgendes: der See ist als Areal von 3500 Morgen zur Fischerei beuutzimg vom Fiskus verpachtet worden; die tiefste Stelle beträgt 160 P\iss. eine andere (Avestsüd westlich von Altenliof) liat 120 Fuss Tiefe. Die Erfahrung hat gelehrt, dass die pelagisch lebenden Cla- doceren sich in Massen in einer Tiefe von 5—25 Metern aufhalten, dass einzelne Arten aber viel tiefer gehen. Im- HOF ^) fand pelagische Organismen, unter ihnen auch Bytliotr. longimanus, noch in 190 m. Schon Leydici-) gab an und Claus ^) stimmt ihm bei. dass sich diese Cladocere vornehm- lich in der Tiefe auflialte, da er die Nahrung der Blau- felchen bilde. Er ist aber auch selbst wälu'end der Tages- zeit an der Oberlläche der Seeen gefangen worden^), und dass grosse Tiefen zu seiner Existenz nicht unbedingt nöthig sind, zeigt sein Vorkommen an seichten Stellen von nur wenigen Metern Tiefe, wie z. B. in Tümpeln Norwegens, welche durch den schmelzenden Schnee mit Wasser erfüllt worden waren (nach mündlicher Mittheilung von Herrn Dr. Arth. Krause). Auch G. 0. Sars^) fand B, longimanus in sol- chen Wasseransanniilungen). Obwohl ich im Werbellinsee von der Oberfläche bis 80 Fuss Tiefe tischte, ist mir kein Bytliotrephes in das Netz gegangen. Dagegen gelang es mii-. denselben im Magen und Darm der mir aus jenem See durch Herrn Hübxer gesandten Maränen (Coreyo)ms alUda L.J zu finden. Es steht zu erwarten, dass sich dieser Krebs auch in anderen tiefen Seeen der Provinz Bi'andenburg findet; Angaben über solche findet man in dem Circular ^) Zool. Anz., 188.S, Xo. 280. -) Naturgesch. der Daplniideii, IbGü, pair. 24."). ') Zur Könnt, des Baues u. d. Organisat. dor Polyphem., 1877, p. 1. *) Imiiof, Zool. Anz., 18GG, Xo. 224. — ZACiiAKiAs, ZeitscLr. f. wissenscli. Zoologie, Bd. 45, 1887, pag. 2(io. ^) Zoolog. Reise i Cliristiania Stift, 1804, pag. 13. ;[74 GesellscJuift natur forschender Freunde. des deutsch. Fischerei- Vereins im Jahre 1879, pag. 49, Berlin 1880. Die drei bekannten Arten des Bythotre2)hes unterschei- den sicli besonders durch die Beschaffenheit des Schwanz- stachels. Die diesbezüglichen Untersclüede Yon longimanus und cederströmii hat Schödler angefülirt (1. c). Gerade und vom letzten Klauenpaare ab gieichmässig mit feinen nach hinten gericliteten Dörnchen besetzt, ist der Schwanz- stachel bei lomjimmius. Hinter der Mitte — bei kleineren Exemplaren etwa in der Mitte — mit einer „jocliartigeu Biegung", welche mit Zälmen ausgerüstet ist, findet man ihn bei cederströmii. Bei asovicus endlich erreiclit die be- zahnte Biegung des abdominalen Stachels eine viel bedeu- tendere Tiefe und die selir Ivräftigen Zähne sind hier in anderer Weise als bei der vorher genannten Art angeordnet. Ich habe diese Eigenthümlichkeiten deshalb erwähnt, weil Schödler die Ansicht aussprach, es möclite die mit Zähnen besetzte Krümmung des Schwanzstachels ein Ankerapparat sein, mit dem sich das Tliier an einen Gegenstand befesti- gen könne, um bequemer seine Nahrung zu erhasclien. Nun gehört aber Bythotrephes zu den pelagisch lebenden Thieren, deren Attribute sind (Fokel) : grosse Durchsichtigkeit, grosse Entwickeluug der Ruderorgane, vollständiges Feliien eines Haftapparates und das Auf- und Absteigen im Wasser zur Nacht- und Tageszeit. Ob jene eigenthümliche Biegung und Bewehrung des Schwanzstachels bei BytJiotr. cederströmii und asovicus einem Zwecke dient und welchem, bleibt da- her noch zu ergründen. Es ist nicht undenkbar, dass es ein Haftapparat im Sinne Schödler' s wäre, aber man sieht nicht recht ein, an welchen im freien AVasser schwebenden, ob lebenden oder todten Gegenstande sich der Ki'ebs an- heften kann. Ich schliesse hieran einige Bemerkungen über die kleine Maräne des Werbellinsees. In den Circularen des deutsch. Fischerei- Vereins im Jahre 1887, pag. 134 heisst es: ^Herr HÜBXER. der Pächter der Fischerei im Werbellinsee bei Joachimsthal theilt uns mit. dass vor 60 bis 70 Jahren in dem See viele kleine Maränen gefangen wurden, dass die- Sitzutuj vom :20. yoroiihcr 18S8. 175 selben dann allniäblich so selte verwandten Käfers. [Die nahestehenden MaiAvürnier. lleloe, .i;*elten bekanntlich seit lani>e als Büttel Ji:<^'gen die llnndswntli. L. W.| Herr E. SCHMIDT (Schwedt) maclite einij^e nähere An- gaben über die von ihm bei Berlin gefundene neue Gram- maride (S. diese Sitzungsberichte vom 1 7. Juli dieses Jahres). WuzESNi()\\sKi hält die von ihm bei Warschau gefun- dene Gammaride und die früher von Fr. MüLLi^:!i bei Greifs- wald aufgefundene für 2 verschiedene Arten der von ihm neu aufgestellten Gattung Goplana. Er nennt die beiden Arten Goplana pohnica und G. amhulans. Er stellt auch, ohne die Greifswalder Art anders als aus der Beschreibung und den Abbildungen von Fr. Müller im Archiv für Natur- geschichte. Jahrg. 1846. zu kennen, die Unterschiede der beiden Arten auf. Dieselben beziehen sich einerseits auf eine abweichende Bildung des Telson (bei G. pohnica ein- fach, schwach ausgekerbt, bei G. amhulans ans 2 Griffeln be- stehend) und andererseits auf absolute und relative Grössen- verhältnisse. Der Vergleich der bei Berlin gefundenen Exemplare mit den Abbildungen und der Beschreibung von Wrzes- xiowsKi ergab eine fast vollständige Uebereinstinnnung. Abweichungen zeigten sich nur bei einigen Verhältnisszahlen — es Avm'de das Mittel von 6 verschiedenen Thieren zu Grunde gelegt — . aber diese Abweichungen waren kaum grösser, als sie theilweise zwischen Text und Abbildung bei Wrzesniowski selbst sich zeigen. Andi-erseits konnte durch den unmittelbaren Vergleicli der Berliner mit den Greifswalder Thieren. die der Vor- tragende theils der Freundlichkeit des Herrn Dr. AVilh. Müller (Greifswald), theils dem freundlichen Entgegen- kommen des ilerrn Dr. Hiluendokf verdankt, eine voll- ständige Uebereinstinnnung Beider festgestellt werden. Dass nun aber Fn. ]\Iüller seiner Zeit nicht etwa eine andere 1^0 GeseUscluift naturforschender Freunde. Art untersucht hat, als die. welclie der Vortragende aus Greifswald erhielt und welche im hiesigen Museum als Gammams amhulans aufbewahrt Avird, ergiebt sich daraus, dass Herr Dr. Wilh. Müller nach einer brieflichen Mit- theilimg bei einer Untersuchung der (Jriginalexemplare in Betreff der Grösse der Thiere und der Bildung des Telson nicht die alten Angaben seines Bruders, sondern die davon abweichenden über Goplana polouka und über die hiesigen Thiere bestätigt fand (Grösse bis fast 7 mm statt 2'" = 4.-1: mm und Telson einfach, ausgekerbt statt aus 2 Theilen bestehend). Es handelt sich also bei den Funden in Greifswald, Warschau mid Berlin um diesell^e Art. die wohl am rich- tigsten — schon Fr. Müller hält dafür, dass das Thier von den Arten der Gattung Gammams mehr imterschieden sei als manche schon damals neu aufgestellte Gattung — als Goj^lana amhulans zu bezeiclmen ist. Der Vortragende weist endlich auf die ihm unerlvlär- liche Erscheinung aus dem Leben des Tliieres hin. dass die Thiere im Hochsommer in den betreffenden Gräben nicht aufzufinden sind und ei'st im nächsten Frühjahr wieder er- scheinen, wie er das 3 Jahi'e beobachtet habe. Da übrigens in dem betreff'enden Wiesengebiet 1887 Abzugsröhren gelegt worden sind, und deswegen in diesem Sommer die Gräben ungleich frühzeitiger als sonst zu grossem Theil austrockneten, so liegt ein Verschwinden des Thieres wohl im Bereich der Möglichkeit. An anderer Stelle in der Umgegend von Berlin hat es der Vortragende noch nicht gefunden. Im Umtausch wurden erhalten: Leopoldina. XXIV.. 19—20, October 1888. Monatliche Mittheilungen des naturwii'sensch. Vereins zu Frankfurt a.D.. VL. -1 — 6. 1888 — 89. Societatum Litterae, Franlvfurt a.D., IL, 6—8. 1888. Druck von J. F. Starcke in Berlin. Nr. 10. 1888. 8 i t z u n g s - B e 1- i c h t der GeselLscliaft iiatiirforsclieiider Freunde zu Berlin vom 18. December 1888. Director: Herr W. Dames. Herr K. MÖBIUS legte Säugethier- Lichtbilder vor, aufgeuommeu im Zoologischen Garten zu Breslau von Herrn Anschütz. Herr MAGNUS sprach über eine epidemische Erkran- kung der Gartennelken, die dieses Jahr in vielen Gärt- nereien Berlins aufgetreten ist. Anfang November d. J. sandte mir der Inspector des hiesigen Universitätsgartens. Herr H. Linde.muth, von einem Pilze angegriffene Blätter des Diantims Caryophylhts, die von einem Stocke stammten, der. wie er richtig bemerkte, durch diesen Pilz in seinem Kalthause zu Grimde gerichtet worden war. Als ich in Folge dieser Benachrichtigung gleich darauf den Universitätsgarten besuchte, konnte ich vollauf die Linde- MUTii'sche Beobachtung bestätigen. Der Pilz zeigt sich in anfangs weisslichen, später in der Mitte schwärzlichen, noch später fast ganz schwärzlichen, weiss umrandeten Flecken, die von einem aus bräunlichen Fäden gebildeten Sammte überzogen sind, und er tritt am häufigsten auf den Laubblättern, aber auch oft am Stengel und den Kelch- blättern auf. Die befallenen Stellen werden wellv und bieten sich den in den feuchten und niedrigen Gewächs- lu [32 Gesellschaft naturforschender Freunde. häiisern so verbreiteten Schimmelpilzen als gute Angriffs- punkte dar, die das Zerstörungswerk des Pilzes vollenden. Die Blüthenknospen der befallenen Stöcke kommen zum grössten Theile nicht zur Entfaltung, theils weil die Kelch- schuppen direct vom Pilze angegriften sind, tiieils wegen des allgemein leidenden Zustandes der Wirthspflanze. Auf Querschnitten der angegriffenen Stellen erkennt man ein reichliches, intercellular A^egetirendes Mycel. Dieses Mycel verflechtet sich unter den Spaltöffnungen zu einem kleinen pseudoparenchymatischen Körper, von dem aus ein Bündel aufrechter septii'ter Fäden durch die Spaltöffnung nach aussen tritt. Diese Fäden sind Conidienträger des Pilzes. Von ihnen gliedern sich die meist vierzelligen Conidien ab. Unter der Abgliederungsstelle setzt der Fa- den das Längenwachsthum fort, um nach Kurzem wieder eine 4 zellige Conidie abzuschnüren, ujid so gelit das an einem Faden 5 Mal, 6 Mal und öfter fort. Die Abglie- derimgsst^llen der Conidien kommen so seitlich zu liegen und geben dem oberen Theile des Fadens ein charakte- ristisches, knorriges Ansehen. Verzweigung der Fäden findet, abgesehen von der eben geschilderten sympodialen Verkettmig nur an der ausser sten Basis der Conidienträger statt. Obwohl sie, wie geschildert, als ein vom pseudo- parenchymatischen Pilzkörper ausgehendes Bündel gemein- sam durch die Spaltöffnung lieraustreten. bleibt doch jeder einzelne Conidienträger aussen fr<3i. vollständig getrennt von dem anderen, sodass sie kein gemeinschaftliches Kissen oder Sti'oma oder Fruchtkörper, sondern nur ein lockeres Bü- schel bilden. Von der Basis der peripherischen Conidien- träger eines solchen Büschels aus kriechen zuweilen noch kurze Zweige zwischen der durch sie emporgewölbten Cu- ticula und der Membran der Epidermiszellen, und es können deren Gliederzellen ebenfalls zu Conidienträgern aus wachsen. Die Sporen sind meistens eim-eiliig vierzellig. seltener drei- zellig; doch kommen auch zwei- oder einzellige, sowie auch fünf- bis siebenzellige vor. Sie sind durchschnittlich 50 ]i lang und 12,5 ]i. breit und durch 2 — 3 senlo^echt zu ihrer Längsaxe stehende Querwände in 3 — 4 Zellen getheilt; an SUzHiuj com lt>. Ikcemher 1888. 133 den Polen sind sie kugelig abjjcernndet. Der eine Pol trägt deutlich aufgesetzt ein kleines, kui'zes, flaches Membran- stück, das der Abgliederungsstelle vom (>)nidienträger ent- spricht. Ausserdem ist die ganze Oberfläche des Epispors durch kleine, zierliche, punktförmige \>rdickungen rauh. Der oben dargelegte Charakter der einzelnen freien Conidienträger Hessen mich den Pilz in der alten Lixk'- schen Gattung Hehn'mthosporluni suchen und ist er von Berkeley als Glied dieser Gattung sogar zwei Mal be- schrieben worden. Er beschrieb ihn 1870 in Gardener's Chronicle. pag. 382, fig. 63 als Helmintiwspoi/'lum echinula- tum und 1873 in Gemeinschaft mit Broome in den Annais and Magazine of natural History, 4. Ser. , Vol. XI, p. 346 (Berkeley ii. Broome, Notices of British Fungi, No. 1380, PL VII, Fig. 4) als Helmintliosporium exaspemtum B. u. Br. Danach wies M. G. Cooke in Grevillea, Vol. V (1876 — 77), pag. 122 sq. darauf hin, dass die Arten, deren Conidien ein stacheliges oder körniges Epispor haben, in die von Klotzsch 1832 im Herbarium mycologicum, 1, No. 67 be- gründete Gattung Heterospormm gehören und nannte sie demgemäss Ileterosiiorium cchimilatum (Berk.). Die Conidien keimen mit seitlich hervortretenden Keim- schläuchen unmittelbar nach ihrer Pteife und die Keim- schläuche dringen wdeder ins gesunde Blattgewebe, Avahr- scheinlich durch die Spaltöffnungen . ein , doch glückte es mir bisher nicht, letzteres direct zu beobachten. Die Keimimg tritt namentlich bei feuchter und warmer Luft leicht ein und es wii-d so in derselben die Ki-ankheit schnell über den ganzen ergriffenen Stock und die benachbarten Stöcke verbreitet. Der Pilz stellt natürlich nur die Conidienform eines Ascomyceten dar, dessen Fruchtträger vielleicht im oben geschilderten Pseudoparenchym unter den Conidienträgern gebildet werden. Da. wie schon oben erwähnt, andere schimmelartig auftretende Pilze, z. B. Botrytis, leicht die ergriffenen Stellen überwuchern, und da die Gärtner das kranke Laub mit Recht sogleich tief in das Erdreich ver- graben, so möcnte es nicht leicht sein, die höhere Frucht- Ig4 Gesellschaft naturforschender Freunde. form zu erhalten, da zu schwer grössere Mengen zu er- halten sind. Unter den Pilzen, die leicht die ergritfenen Stöcke infi- ciren. ist einer bemerkenswerth. der in seiner zerstörenden Wirkung fast noch mehr gefürchtet wird, als das Jleterospo- rnim ecldnulatum. Das sind die rothen Conidienlager einer wahrscheinlich neuen Nectr/a-Art. die sich leicht auf ergrif- fenen Stöcken ansiedelt und dieselben Yollends yernichtet. Schon Berkeley erkannte 1870 (Gardener's Chro- nicle. pag. 382) den verderblichen Einfliiss des Pilzes imd die Schwierigkeit ihm entgegenzutreten. Er sagt 1. c. : „As the mould evidently is developed in the fliest instance be- neath the cuticle, it is almost impossible to apply with effect any remedy. Indeed the brown monlds appear to be far more obstinate than the white ones, sulphur appa- rently having no effect on them. except in such a form as will prove destructive to both parasite and plant." Es wird daher den hiesigen Nelkenzüchtern recht schwer, dieser Krankheit entgegenzutreten. Es wird ihnen um so schwerer, als bei den Nelken die Varietäten bekanntlich nur durch Ableger fortgepflanzt werden und es ihnen daher häufig sehr darauf ankommen muss, die ergriffenen Stöcke selbst zu retten, um sich die Sorte zu erhalten. Sie suchen das dadurch zu erreichen, dass sie die ergriffenen Stöcke möglichst trocken und luftig stellen, die besonders stark ergriffen und von den secundären Pilzen schon sehr geschädigten oder getödteten Triebe abschneiden und tief in den P3oden vergraben. Dieses Verfahren ist sehr ra- tionell und scheint unter den gegebenen Umständen das beste zu sein. Diese Nelkenki'ankheit ist bisher in Deutschland noch nicht wissenschaftlich beobachtet worden. Wenigstens giebt Sascardo in seiner Sylloge Fungorum Vol. IV, pag. 407 Helminthosjjorium exaspemtum Bekk. u. Br. nur aus Eng- land und pag. 481 Heterospormm cchimdatum (Berk.) Cooke nur aus England, der Schw^eiz und den Ardennen an. Auch geben sie Fraxk und Sorauer in ihren Handbüchern der Pflanzenkrankheiten nicht an. da sie ihnen in der Literatur Sitziüffj com 18. Deceinher 1888. 185 nicht als verderblicho Krankheit liervorgehoben entge^^en- o(>treten ist. was natürlicli ist, da nur die aplioristisch kurze Notiz Berkeley s in Gardenek's Chrouiele die duj'ch den Pilz veranlasste Krankheit erwähnt. Ausser auf Dianthus Garijophyllus, unserer Gartennelke, auf der er überhaupt nur in England beobaclitet worden zu sein scheint, ist der Pilz auch mf Dianthus harhatus \on Berkeley in England, von Mhe Libert in den Ardennen (Saccardo in Michelia. Bd. IL pag. 643 unter der Bezeich- nung lleterosporium Bianthl 8acc. u. Roum. und in Revue mycologique, 1881, No. 11) und von G.Winter in der Schweiz (Saccardo in Michelia. Bd. II, pag. 559 unter demselben Namen) beobachtet worden. Hier bei uns lernte ich, wie gesagt, die Krankheit zuerst dm-ch Herrn Inspector Lixdemuth an dem von ihm im Uuiversitätsgarten gezogenen Stocke kennen, den er in der Markthalle gekauft hatte. Es lag daher sofort die Vermuthung sehr nahe, dass die Krankheit weiter verbreitet sein möchte. Erkundigungen, die Herr Inspector Linde- MUTH auf meine Bitte von den Kunst^ und Handelsgärtnern einzog, bestätigten diese Vermuthung vorllkommen. Alle Nelkenzüchter klagten lebhaft über das Auftreten der Krank- heit. Ich besuchte in Folge dessen die Gärtnerei eines unserer renommirtesten Nelkenzüchter, des Herrn Kunst- gärtners August Käding in Schöneberg, und sah dort in dessen schönen Nelkenculturen die Krankheit in furchtbarer Weise auftreten. Herr Käding bestätigte mir. dass die Krankheit in allen grösseren Nelkenculturen um Berlin sowohl im Freien, wie in den Häusern dieses Jahr furchtbar auftritt und meinte, dass sie vielleicht in einer einzigen Gärtnerei in Lichterfelde noch nicht aufgetreten sei. Er theilte mir gleichzeitig auf meine Frage mit. dass die Ki'ankheit schon öfter in anderen Jahren aufgetreten sei. aber in den letzten Jahren nicht und sich erst dieses Jahr wieder gezeigt habe, sodass die Witterung dieses Jahres die epidemische Aus- breitung des Pilzes begünstigt zu haben scheint. Es ist geboten, auf den gefährlichen Charakter dieser 186 GeseUschtift nxtnrforschemler Freunde. Erkrankung unserer jetzt wieder so erfreulich aufblühenden Nelkenzucht nachdrücklich hinzuweisen, damit sie nicht unbeachtet bleibt und ihr mit voller Kenntniss der Gefahr in ebenso rationeller Weise entgegengetreten wii'd, wie das Herr Käding thut. Wenn wir die volle Entwickelung des Pilzes kennen w^erden, werden sich vielleicht noch wirk- samere Abwehrmaassregeln angeben lassen. Herr F. E. SCHULZE demonstrirte einen neuen Beleuch- tungsapparat von Kochs und Wolz in Bonn, welcher auch als Mikroskopirlampe benutzt werden kann. Im Umtausch wurden erhalten: Verhandlungen des botan. Vereins der Provinz Branden- burg, 29. Jahrg. 1887. Sitzungsberichte der naturhistor. Gesellschaft zu Leipzig, 13. u. 14. Jahrg. 1886—87. Jahresbericht des naturhistor. Museums in Lübeck für das Jahr 1887. Bericht über die Senckenbergische naturforsch. Gesellschaft in Frankfurt a. M. 1888. Verslagen en Mededeelingen Koninkl. Akademie van We- tenschappen, Amsterdam, 3. Reihe, 3. Theil, 1887; 4. Theil 1888. Bulletin de la Societe zoologique de France, XH., 5 u. 6, 1887; XIIL, 1—6, 1888. Memoires de la Societe nat. des sciences nat. et mat. de Cherbourg. XXV., 1887. Bollettino delle pubblicazioni Italiane. Firenze, 67—69. 71. 1888. Bollettino delle opere moderne straniere. Roma. III., 1 bis 4. 1888. Acta Societatis pro Fauna et Flora Fennica. III. Helsing- fors. 1886—88; IV, Helsingfors, 1887. Meddelanden af Societas pro Fauna et Flora Fennica. Hel- singfors. 14. Haft. 1H88. Proceedings of the Zoological Society of London. III. 1888. Journal of the Asiatic Society of Bengal. vol. LVII, part. II, 1—3. Calcutta, 1888. Sitzung vom J8. Deceniher 1SH8. 187 Journal of (.'omparative Medicine and Surgery. IX. 4. Phi- ladelphia. 1888. Boletin de la Acadeniia nacional en Cordoba, XL l, 2. 1887. 1888. Gradmessungs - Nivellement zwischen Anclani u. Cuxhaven vom Königl. Preuss. Geodät. Institut. 1888. 16. Jahresbericht des westfäl. Provinzial - Vereins für Wis- senschaft und Kunst. Münster 1887. 14. Jahresher. d. Gewerbeschule zu Bistritz. 1887 — 88. Botanisk Tidsskrift, XVII, 1—2. KjerbenhaYn 1888. Bulletin de la Societe des sciences nat. et phys. de Mont- pellier, I Aiinee, No. 9—11. 1888. Atti della Societä dei natural, di Modena, Memorie, Ser. III, vol. VII. 1888. Proceedings of the Canadian Institute, Toronto, Ser. III, vol. VI, fasc, 1. 1888. Proceedings of the Academy of Natural Sciences of Phila- delphia, II, März — September 1888. Proceedings of the American Academy of arts and sciences, Boston, XV, 1. 1888. Bulletin of the Museum of Comparative Zoology , Cam- bridge, XVII, 2. 1888. Bulletin of the Essex Institute, Salem, Vol. XIX, 1 — 12. 1887. Psyche, Journal of entomology, Cambridge, Vol. V, No. 149 "bis 150. 1888. Anales del Museo Nacional Repüblica de Costarica, I, 1887. Bulletin de la Societe imper. des naturalistes de Moscou, 1888, 3. Meteorologische Beobachtungen zum Bulletin de la Societe imper. des naturalistes de Moscou, Ser. II, Tom. II. 1888. Bulletins du comite geologique de St. Petersbourg. VI. 11 — 12. 1887; VII, 1—5, 1888. und Supplement, 1887. Memoires du comite geologique de St. Petersbourg. V, 2—4; VI, 1—2; VII, 12. 1888. ;[gg Gesellschaft nnturforschejider Freunde. Als Geschenke wurden mit Dank entgegengenommen: MÖBius, K. , Bruchstücke einer Infusorienfauna der Kieler Bucht. Berlin 1888. NEHRiNa, A., lieber den Charakter der Quartärfauna von Thiede bei Braunschweig. Stuttgart 1888. Guide to Salem. Mass. 1888. Druck von J. F. Starcke in Berlin. 1 3 2044 106 259 716 Date Due J^ftT^ :^M' F-^lf^ SS#^ /s rs'r^ f^ ^mk ■^mw^ >W^-'^-y^'f<:- t^mWMi 3fflilBBy3ffi03ffl 'A'J'aS JaUJJJ AAAAfS §^/^A^A/? A ^ ■ A 'A' 'rv Ay^^ A/^A /^J^^^Ä^ ^^«^Mfll .AnÄAl a « i-S/üöfl® A;«jafl f5 '