nun nen a DE

N Br ker i VERS 1

RN | MU), N

INN \

A

f

N

van: IN

MBUKTAHTTISDE 0. i j . a: VA uf 1

ir TR: Au?

ah KR.

ih Aa; a REIN \ DAR va Al, 3 NUR | re Manu | 3 iA en Rum. DRM BORN RE

a SR

Bes. AIR Oh | 1 uk BAHN 4yr NINE: Iaklanı Id

SITZUNGSBERICHTE

DER

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN.

Ss

JAHRGANG 1895. / 33434i

ZWEITER HALBBAND. JUNI BIS DECEMBER.

STÜCK XXIX—LII MIT ZWEI TAFELN, VERZEICHNISS DER EINGEGANGENEN DRUCKSCHRIFTEN, NAMEN- UND SACHREGISTER.

BERLIN, 1895.

VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

IN COMMISSION BEI GEORG REIMER.

AH SINE AUG AD A RATTEN

Yu

I HLTRALTE STIER IN At Kunze, Ar

4’ Dan

URS EIER 2

a RIES AER An Ei

zus Vrrthai ie eh; Fair ar Wahr j

sAUEL AR

iR I El, TORSTIDER: ı je

. D er y BA { . . 7 - @ u =

23, Sept vor pP

IN HAI

Hannack: Tertullian in der Litteratur dez alten Kirche £

Cosze: Jahresbericht über die Thätigkeit des Kaiserlich Deutschen rellaeclosrchen Tnssirgke

Mvsk: Über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde. Vierte Mittheilung

StapELmann: Beiträge zur Kenntniss der Gattung Melipona sens. lat. R

Reıske: Untersuchungen über Befruchtung und Furchung des Eies de Eohinodermen e

Runge und Pascaen: Über das Speetrum des Heliums. Au:

SCHWENDENER: Die jüngsten Entwiekelungsstadien seitlicher Organe "and ihr Moechlaes an bereits vor- handene (hierzu Taf. II) . . . . a Eee

Wers#oLp: Die altdeutschen Ver einge fermelß

Senmipt: Eine bisher unbekannte altehristliche Schrift in Kanbether Sprache

Wüvrrr: Morphologie des Natronsalpeters

Monmmsen: Festrede

Srunpr: Antrittsrede nr:

Monmnmsen: Antwort an Hın. Stumrr

E. Scumipr: Antrittsrede

Monusex: Antwort an Hrn. E. Scnuipr

Erman: Antrittsrede . ;

Monnxsen: Antwort an Hın. Erman

STEINER - Stiftung

CHARLOTTEN - Stiftung

Epvarp GERHARD - Stiftung F

Waroryer: Über Bindegewebszellen, Te beenndere Men Plesneellen.

Runge und Pascuex: Über die Bestandtheile des Oleveit- Gases

Kırcnnorr: Der Margites des Pigres von Halikarnass

Kaıeer: Die Vision des Maximus

Currius: Der Synoikismos von Elis N :

Körrer: Über eine Darstellung der Bieheanskeasinr zweier BRorende enranatensysteme duch Thetafunetionen zweier Argumente, welche die Lösungen mehrerer Probleme der Mechanik als Speeialfälle umfasst .

Weser: Vedische Beiträge . . Er

Vanten: Über einige Keane, in san Hyı mnen des Galltinachus

Monuusen: Das Potamon-Denkmal auf Mytilene =

Fuchs: Über die Abhängigkeit der Lösungen einer Ken. Diferentialgleichung von an in Rn C oeffi- cienten auftretenden Parametern ;

Körrsen und Asgeısporrr: Die Arten des Solana in es Wirbelthierreihe :

Ansprache an Hrn. Heingıcn Kırpert zur Feier seines fünfzigjährigen Doctorjubilaeums am 31. Juli 1895

Hesser: Über die Ordnungen der Verzweigungspunkte einer Rıemann’schen Fläche

VoGer: Über das Vorkommen der Linien des Oleveitgas-Speetrums in den Sternspeetren und über Me Classifieation der Sterne vom ersten Spectraltypus

SchrAper: Über einen altorientalischen Herrschernamen .

Inhalt.

Köster: Zur Geschichte Ptolemaios’ II. Philadelphos . Frosenius: Verallgemeinerung des Syrow’schen Satzes Hansemann: Über die Poren der normalen Lungenalveolen (biöten Taf. VE

: Mösıus: Die aesthetische Betrachtung der Thiere

\;

Gorpstein: Über die durch Kathodenstrahlen ee Kanaren einiger e Salka E Frogenius: Über auflösbare Gruppen. II. Damzs: Über die Ichthyopterygier der Triasformation

-Frırson: Über Discopyge Tschudü Heck.

Coxze: Über den ionischen Tempel auf der Theater terrasse von Haan

Dünmuter: Über den Mönch Otloh von St. Emmeram . :

Hesse: Über die Verzweigung der drei- und en een sahen Flächen

von BzzorLp: Der normale Erdmagnetismus

Ansprache an Hrn. ALsrecht WEBER zur Feier seines ufigährigen Doorariubilsenme am 18. De cember 1895 .

Wirsıs und Scnziwer: Über eine ehr empfindliche, Methode zum ‚Neckmeis Herelscheh) elektrischen Schwingungen

Krem: Ein Universaldschap panel zur nsreickune: von Dünnschliffen in F lüssigkeiten

Druckschriften - Verzeichniss .

Namenregister

Sachregister

Seite 965 981 999

1005 1017 1027 1045 1051 1057 1071 1103 1119

1137

1143 1151 1163 1193 1200

541

SITZUNGSBERICHTE

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN.

13. Juni. Gesammtsitzung.

Vorsitzender Secretar: Hr. E. pu Boıs-Reymonxv.

l. Hr. Harnack las über Tertullian in der Litteratur der alten Kirche.

2. Hr. Coxze legte den Jahresbericht über die Thätigkeit des Kaiserlich Deutschen archaeologischen Instituts, vor. Beide Mittheilungen folgen umstehend.

3. Die physikalisch-mathematische Classe hat zur Ausführung wissenschaftlicher Unternehmungen bewilligt: ihrem Mitgliede Hrn. Fuchs zur Fortsetzung der Herausgabe der gesammelten Werke DirichLErT's 2000 Mark; ihrem Mitgliede Hrn. WEierstrass zur Herausgabe seiner gesammelten mathematischen Werke 2000 Mark; Hrn. Prof. Dr. K. 1. GERHARDT in Graudenz zur Herausgabe der mathematischen Corre- spondenz Lrisxız’ 1500 Mark; Hrn. Lehrer Pmrip Fauru zu Ober- Arnbach bei Landstuhl in der Rheinpfalz zur Bearbeitung einer Mond- karte im Maassstabe 1:1000000 auf Grund eigener topographischer Auf- nahmen 1400 Mark; dem Öbservator an der Sternwarte der Universität Bonn Hrn. Prof. Dr. DeıcnmüLLer zu Vorarbeiten für eine Photometrie der seit der Zeit Tycho’s erschienenen Kometen 500 Mark; dem Director der Remeis-Sternwarte zu Bamberg Hrn. Dr. Ersst Harrwıe

Sitzungsberichte 1895. 52

542 Gesammtsitzung vom 13. Juni.

zur Bearbeitung seiner auf der Dorpater Sternwarte zur Bestimmung der physischen Libration des Mondes ausgeführten Heliometermessungen 600 Mark; dem ausserordentlichen Professor an der Universität Breslau Hrn. Dr. Frırz Freen zu tektonischen Studien im Gebiete des Rad- städter Tauern 1000 Mark; Hrn. Dr. WırneıLm Saromon aus Berlin, zur Zeit in Pavia, zur Fortsetzung seiner petrographisch - geologischen Untersuchungen am Monte Adamello 1200 Mark; Hrn. Dr. Lupwıs Wevrrr zu Schwerin i. M. zur Fortsetzung seiner Versuche zur Krystall- züchtung 1000 Mark; dem Privatdocenten an der Universität Greifs- wald Hrn. Dr. H. Bırrz zur Fortsetzung seiner die Ermittelung der Gasdichte einiger Elemente und Verbindungen bei hoher Temperatur betreffenden Untersuchungen 1000 Mark; dem Professor an der Uni- sität Kiel Hrn. Dr. OÖ. Krümmen zur Fortsetzung seiner Untersuchungen oceanographischer Instrumente und Bearbeitung seiner in einem Theile der Ostsee ausgeführten Bestimmungen des specifischen Wassergewichtes 450 Mark; dem Privatdocenten an der Universität hierselbst Hrn. Dr. Ersstr Girs zur Bearbeitung einer Monographie der Gattung Draba 1200 Mark; dem Director der Realschule beim Doventhor zu Bremen Hrn. Prof. Dr. Franz Bucuenau zur Bearbeitung und Drucklegung einer zweiten Auflage seiner Flora der ostfriesischen Inseln 1000 Mark; dem Professor an der Universität Tübingen Hrn. Dr. G@. H. Tr. Ener zur Herausgabe der zweiten Abtheilung seines Werkes: »Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Schmetterlingen« 1200 Mark; dem Privat- docenten an der Universität Strassburg Hrn. Dr. Fr. von WAGNER zu einer vergleichenden Untersuchung der Regenerationsprocesse bei den wirbellosen Thieren des Meeres goo Mark; dem Privatdocenten an der Universität Heidelberg. Hrn. Dr. PauL Samassa zu einer Untersuchung über die Herkunft der Dotterkerne bei den Selachiern 600 Mark; Hrn. Dr. Sıe. Srroprmans in Plön zu Untersuchungen über das Plankton der holsteinischen und mecklenburgischen Seen 500 Mark; dem Volks- schullehrer Hrn. F. Korsıke in Bremen zur Fortsetzung seiner Unter- suchungen über Hydrachniden 400 Mark; dem ausserordentlichen Pro- fessor an der Universität Freiburg i. B. Hrn. Dr. H. E. Zıeerer zu zoologischen Studien am Mittelmeer, hauptsächlich zu experimentellen Untersuchungen über den Verlauf der Zelltheilung Soo Mark; dem Director des städtischen Museums für Naturkunde zu Bremen Hrn. Dr. ScHauvmsLann als Beihülfe zu einer faunistischen Erforschung der Insel Laysan und anderer Inseln des pacifischen Oceans und anschliessenden entwickelungsgeschichtlichen Studien 2000 Mark; dem ausserordent- lichen Professor an der Universität Rostock Hrn. Dr. L. Wırı zur Fort- setzung seiner entwickelungsgeschichtlichen Studien über Reptilien 300 Mark.

Gesammtsitzung vom 13. Juni. 543

4. Die philosophisch-historische Classe hat zur Fortführung ihrer wissenschaftlichen Unternehmungen bewilligt: Hrn. Momusex zur Fort- führung der Arbeiten für das Corpus inseriptionum Latinarum 3000Mark; HH. vox Syger und ScHmoLLER zur ferneren Herausgabe der politischen Correspondenz König Frıeprıcn's II. 6000 Mark; Hrn. Kırcnnorr zur Fortsetzung der Arbeiten für Sammlung der griechischen Inschriften 3000 Mark; Hrn. Inmnoor-Bruner in Winterthur zur Herausgabe des nord- griechischen Münzwerkes 3000 Mark. Ferner hat dieselbe Classe zur Unterstützung wissenschaftlicher Unternehmungen bewilligt: ihrem Mit- gliede Hrn. Brusser zu Vorarbeiten für Herstellung eines Wörterbuches der älteren deutschen Rechtssprache 1000 Mark; dem Custos an der Uni- versitätsbibliothek zu Jena Hrn. Dr. GEORG STEINHAUSEN zu einer Pu- blication von deutschen Privatbriefen des 14. und 15. Jahrhunderts 600 Mark.

Am 23. Mai verlor die Akademie durch den Tod ihr auswärtiges Mitglied, Hrn. Franz Ersst Neumasyv in Königsberg.

Der Prineipal Librarian am British Museum in London, Mr. Epw. Maunpe THonrson, ist zum correspondirenden Mitglied der Akademie in der philosophisch -historischen Classe gewählt worden.

ou [5

u

HE eh | TR CHR - Keine Del PATER, ae Raser. A REN ER N; "ETAHERE, fh

Ba

WE BE

5945

Tertullian in der Litteratur der alten Kirche.

Von Apour HARrNACcK.

Selten haben sich so ungünstige Momente vereinigt, um den Einfluss eines gewaltigen Mannes und bedeutenden christlichen Schriftstellers auf die Folgezeit zu hemmen, wie bei Tertullian. Die zahlreichen Werke, die er hinterlassen, waren durchweg Gelegenheitsschriften: als der Kampf mit dem Heidenthum eine andere Gestalt annahm, als die Po- lemik gegen die Gnostiker unnöthig wurde, als die Grundsätze des kirchlichen Lebens und der Zucht sich änderten, mussten seine apo- logetischen, antihäretischen und moralischen Traetate antiquirt er- scheinen; exegetische Schriften aber, die ihrem Autor stets ein län- geres Andenken sichern, hat er nicht verfasst. Dazu: in den letzten zwanzig Jahren seines Lebens stand er als Mitglied, später als Haupt einer kleinen Secte ausserhalb der grossen Kirche; er selbst hatte es vorgezogen, eine Gemeinschaft zu verlassen, die mit der »Welt« pae- tirte. In seinen Anklagen wider sie war er von Jahr zu Jahr härter und ungerechter geworden. Zuletzt beurtheilte er sie als eine Ge- nossenschaft des Leichtsinns und der Sünde und machte seiner Ent- rüstung in wilden Anklagen Luft. Sollte die Kirche das Gedächtniss ihres Gegners ehren und seine schriftstellerisehe Hinterlassenschaft pie- tätsvoll pflegen? Endlich: dieselbe Generation, die in ihrer Jugend unter dem Eindruck der Pamphlete dieses Mannes gestanden hatte, erlebte in ihrem Alter einen Bischof und Schriftsteller, der Alles allerdings auch nicht mehr besass, was Tertullian fehlte, und der mit feinstem kirchlichen Verständniss das Wirksame aus den Schriften seines Vorgängers herauszufinden und unter eigenem Namen zu repro- dueiren verstand Cyprian. Es wäre kein Wunder, wenn Tertullian unter solchen Umständen von der Kirche bald vergessen worden wäre und seine Schriften das nächste Menschenalter nicht überdauert hätten.

Allein es ist anders gekommen. Der Mann war als Gelehrter, als Denker und als Schriftsteller zu mächtig gewesen, und er hatte der abendländischen Kirche in einer langen Reihe von Jahren zu grosse Dienste geleistet, als dass man sein Andenken hätte austilgen können. War doch die grössere Hälfte seiner Schriften kirchlich unanfechtbar,

» x . . 546 Gesammtsitzung vom 13. Juni.

und einigen von ihnen konnte nichts an die Seite gestellt werden! Allerdings der bedeutendste Einfluss, den er in der Folgezeit aus- geübt, hat in der Stille gewirkt, ohne dass sein Name genannt worden wäre. Wenn die Formel von Nicaea gepriesen wird, wird stets des Athanasius gedacht, wenn die Entscheidung von Chalcedon eitirt wird, strahlt der Name Leo’s des Grossen. Aber dass in Wahrheit Tertullian der Vater der orthodoxen 'Trinitätslehre und Christologie ist, und dass es in der gesammten patristischen Litteratur keine Schrift giebt, die sich an Bedeutung und Einfluss mit seinem Tractat »adv. Prawean« messen kann, das hat erst die dogmengeschichtliche Forschung unserer Tage an’s Licht stellen müssen. Der ganze Complex von Dogmen, der mit den abendländischen Lehren von der Natur, der Sünde und Gnade gegeben ist, trägt mit Recht die Etiquette » Augustin«. Aber dass Tertullian’s Schriften den mächtigen Anstoss zu seiner Entwickelung gegeben haben, bezeugt nicht die kirchliche Überlieferung, sondern das kann nur durch eingehende Untersuchung erkannt werden. In den Begriffen »Beleidigung«, »Schuld«, »Genugthuung« und »Ver- dienst« bewegt sich das populäre Verständniss und die praktische Handhabung der christlichen Religion im abendländischen Katholi- cismus. Dass diese Begriffe in der Kirche zuerst von Tertullian, ich will nieht sagen geprägt, aber bearbeitet und in Kurs gesetzt worden sind, das kündet keine Tradition; die Thatsache jedoch liegt in Ter- tullian’s Schriften offen vor. Aber über das Alles er hat der la- teinischen Christenheit die Sprache schaffen helfen: vor ihm hat sie nur gestammelt, von ihm hat sie reden gelernt. Weder einer der Vulgär- dialekte, wie wir sie in altlateinischen christlichen Schriften finden, noch die Kunstsprache des Minueius und Laetantius ist zur Kirchen- sprache geworden, sondern die Sprache Tertullian’s, wenn auch ohne seine Extravaganzen und mit der unverwüstlichen Politur, die ihr Cy- prian gegeben jene eigenthümliche Mischung schriftlateinischer und volksthümlicher Elemente, aus der sich ein neues, kräftiges und bieg- sames Idiom entwickelt hat, das zweckmässige Instrument der Gedan- kenbildung Europas für die längste einheitliche Periode der Cultur, die wir in der Geschichte kennen, nämlich für anderthalb Jahrtau- sende. Die Wurzeln dieser Sprache liegen bei Tertullian, und mit ihr ist etwas von dem eigenthümlichen Ingenium des Mannes in die la- teinische Kirche übergegangen; denn jede Sprache bringt dem, der sie aufnimmt, eine Mitgift. Auch Tertullian hätte sich die Grabschrift setzen können, die sich (s. Vita Augustini per Possidium e. 31) ein un- bekannter Dichter gesetzt hat: Vivere post obitum vatem vis nosse, viator, (Quod legis ecce loquor, vox tua nempe mea_est.

Harnack: Tertullian in der Litteratur der alten Kirche. 547

Aber es ist nicht meine Absicht, hier diesem stillen und gewaltigen Einfluss Tertullian’s in der Kirche nachzugehen und zu zeigen, dass er auch noch als Schismatiker die Fundamente für die griechisch- römische Orthodoxie und für den abendländischen Katholieismus ge- legt hat!. Ich möchte vielmehr der begrenzteren Aufgabe genügen, darzulegen, wie die einzelnen Väter der alten Kirche ihn beurtheilt und was sie seinen Schriften entnommen haben. Auch in diesem klei- neren Spiegel stellt sich die Eigenart und die Bedeutung des Mannes dar, dessen Wesen der Kirche lange Zeit ein sie beunruhigendes Räthsel geblieben ist. Ausserdem werden wir auf dem Gange durch vier Jahrhunderte mancher Reliquie Tertullian’s begegnen, die bisher übersehen worden ist”.

Zunächst ist es eine bemerkenswerthe Beobachtung, dass in der

gesammten christlichen Litteratur des 3. Jahrhunderts etwa So Jahre vom Tode Tertullian’s an gerechnet sein Name niemals genannt

worden ist. Selbst der Mann, von dem sein Notar bemerkt hat, er habe keinen Tag vorübergehen lassen, ohne den Tertullian zu lesen, und er habe seine Werke häufig mit den Worten gefordert: » Da ma- gistrum«s (nr. 4) selbst Cyprian hat ihn nicht ein einziges Mal in seinen Tractaten und Briefen erwähnt. Dieses Schweigen wirkt um so peinlicher, als Cyprian’s Werke auf vielen Seiten den stärksten Einfluss Tertullian’s verrathen, ja zwei von ihnen (de bono patientiae und de oratione) bestimmt gewesen zu sein scheinen, die Tractate Ter- tullian’s über dieselben Themata zu verdrängen, indem sie sie verar- beiten. Aber auch die Adressaten Cyprian’s haben in ihren Briefen von ihm geschwiegen. Nicht anders steht es in Rom: die beiden bedeu- tenden Schriftsteller, die Rom in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts besessen hat der eine, Hippolyt (nr. ı), ein Zeitgenosse Tertullian’s, der andere, Novatian (nr. 5), zwischen 250 und 258 schreibend, beide in ihrer praktisch-religiösen Haltung und in ihrer Stellung zur Kirche Tertullian nicht ferne stehend haben seinen Namen verschwiegen. Bei Novatian ist das besonders auffallend; denn seine Schriften zeigen, dass er sich an Tertullian’s Werken gebildet und sich erst allmählich zu einer selbständigeren Haltung emporgearbeitet hat. Ferner lässt sich auch bei ihm der Verdacht nicht unterdrücken, dass er durch einige seiner Tractate die Tractate Tertullian’s (unter dem gleichen oder einem ähnlichen Titel) hat verdrängen wollen. Schon Hieronymus hat

! S. darüber mein Lehrbuch der Dogmengeschichte Bd. 1°, II’, III”.

Eine Übersicht über die » Testimonia« hat Hr. Prevscnen in meiner Altchristl. Lit.-Gesch. Bd.I gegeben. Aber da sie nicht vollständig ist und ich Einiges anders beurtheile als der Verfasser, biete ich im Anhang eine neue Zusammenstellung, auf deren Nummern ich im Text verweise.

548 Gesammtsitzung vom 13. Juni.

Novatian’s Schrift de trinitate als eine »Epitome« des tertullianischen Werkes (adv. Praxean) bezeichnet', und in den Schriften, die von der neueren Kritik mit Recht dem Novatian vindieirt worden sind, ist die Abhängigkeit von Tertullian unverkennbar. Die römischen Bischöfe Xystus (nr.6) und Dionysius (nr.7) haben die Schriften Tertullian’s ausgebeutet, und der Diehter Commodian (nr.9) ist ihm nach dem Zeugniss des Gennadius (nr. 46) als Autor gefolgt; aber auch von ihnen ist sein Name nicht genannt worden”.

Der erste, der den Tertullian nicht nur benutzt, sondern auch er- wähnt hat, ist Lactantius (nr. ı 1). Dort, wo er constatirt, dass die christ- liche »sapientia et veritas« bisher nur ungenügende Vertheidiger gehabt habe, lässt er ihre wenig zahlreichen litterarischen Vertreter (im Abend- land) Revue passiren. Er nennt und charakterisirt den Minueius, Ter- tullian und Cyprian. Von dem ersten sagt er in feiner Wendung, er hätte ein vortrefflicher »adsertor veritatis« werden können, wenn er sich dieser Aufgabe ganz gewidmet hätte. Cyprian’s oratorisches Talent rühmt er in den höchsten Tönen von seiner Gelehrsamkeit schweigt er mit Recht —; aber Cyprian habe nur für die Gläubigen geschrieben und an apologetische Zwecke so wenig gedacht, dass seine Schriften, wenn sie den Gelehrten »dieser Welt« in die Hände fallen, regelmässig verlacht würden. »Ich habe«, fährt er fort, »einen der Redekunst wohl kundigen Mann gesprochen, der den Cyprian mit Vertauschung eines Buchstabens »Coprian« nannte, weil er sein feines und einer besseren Sache würdiges Talent auf Alte-Weiber-Märchen verschwendet hätte«. »Wenn solch ein Urtheil«, fährt Lactantius fort, »über einen Mann ergeht, dessen Beredsamkeit so einschmeichelnd ist, was werden die hören müssen, deren Sprache dürftig ist und ungefällig, und denen sowohl die Kraft der Überredung, als die Feinheit der Beweisführung,

! S. nr.5. Auch die Abhängigkeit Cyprian’s von Tertullian ist von Hieronymus constatirt worden, s. nr. 4 und nr. 30«.

?2 Die Abhängigkeit Commodian’s von Tertullian lässt sich heute nieht mehr sicher feststellen, aber vielleicht benutzte er die uns verlorene Schrift Tert.’s »De spe fidelium«. Überhaupt haben die altkirchlichen Väter noch eine Reihe von Schriften Tert.'s gekannt und eitirt, die wir nicht mehr besitzen (einige von ihnen haben auch sie schon vermisst; Hieronymus [nr. 30@] behauptet, die letzten von Tert. ge- schriebenen Opuscula existirten nicht mehr). Bezeugt bez. benutzt sind » Adv. Apelleiacos« von Hippolyt (nr.ı), Vietorin von Pettau (nr. 9), in einem Zusatz zu August., de haeres. (nr. 50) und vielleicht von Hieronymus (nr. 30$), »De spe fidelium von Hieronymus an mehreren Stellen (nr. 3odvr), »/Tepi ekoraoews« von Hieronymus (nr. 3oabc) und Prae- destinatus (nr. 42), »De censu animae adv. Hermog.« wahrscheinlich von Philastrius (nr. 23), Pseudo-Ambrosius (nr. 24) und Praedestinatus (nr. 42), »De angustüs nuptiarum ad amicum philosophum von Hieronymus (nr. 30096), »De Aaron vestibus« von Hieronymus (nr. 30%), »De fato« von Fulgentius Planciades (nr. 45), die Schriften »De circumeisione« und »De mundis et immundis animalibus«, wenn sie, was nicht sicher ist, existirt haben, von Novatian (nr. 5) und Hieronymus (nr. 30p).

Harnack: Tertullian in der Litteratur der alten Kirche. 549

als die Schärfe der Widerlegung völlig abgeht?« Von Tertullian end- lich sagt er, er sei »peritus ommi genere litterarum« gewesen, aber »in eloquendo parum facilis et minus comptus et multum obscurus. ergo ne hie quidem satis celebritatis invenit«. Dieses Urtheil ist in mehr als einer Hinsicht lehrreich: erstlich deshalb, weil Lactantius den Tertullian ohne eine abschätzige Bemerkung einfach zu den kirchlichen Apologe- ten zählt; das ist in der Folgezeit nicht häufig; nur bei Optatus (nr. 15: »adsertor ecclesiae catholicae«) und Hieronymus (nr. zopgqrstrp) findet es sich, und zwar in der Regel in einem Zusammenhang, in welchem, wie hier, die Erinnerung daran nicht am Platze gewesen wäre, dass Tertullian später schismatisch geworden ist. Sodann ist das besondere Lob bemerkenswerth, welches Lactantius der Gelehrsamkeit Tertullian’s spendet. Wir werden sehen, dass dieses Lob auch von späteren Vä- tern wiederholt worden ist. Ferner ist es interessant, dass er mit dem Stil Tertullian’s so unzufrieden ist; wir dürfen daraus entnehmen, dass

die schulmässige Rhetorik des Zeitalters denn diese vertritt Lactan- tius dasselbe ungünstige Urtheil über die Schreibweise des grossen

Afriecaners gefällt hat. Spätere Kirchenväter haben (s. u.) dem Stil Tertullian’s uneingeschränktes Lob gespendet; aber freilich war zu ihrer Zeit das Stilgefühl ein unsicheres geworden. Hieronymus hat sich einmal (nr. 30r) Ähnlich wie Lactantius ausgedrückt. Endlich dürfen wir dem Satze: »ne. hie quidem satis celebritatis invenit« nicht entnehmen, dass Tertullian’s Schriften auch in der Kirche nieht genügend bekannt ge- worden seien: Lactantius will nur sagen, dass Tertullian’s Apologe- ticum in dem gebildeten heidnischen Publieum nicht die nöthige Ver- breitung und Anerkennung gefunden habe.

Wenige Jahre nach Lactantius hat Eusebius, der Kirchenhistoriker, in seiner Chronik und Kirchengeschichte den Tertullian genannt (nr. 13) unseres Wissens ist er der einzige Morgenländer, der von ihm Notiz genommen hat. Die Bekanntschaft mit ihm hat ihm eine griechische Übersetzung des Apologetieum vermittelt. Diese Übersetzung, von der uns Eusebius (und nur er) einige Bruchstücke erhalten hat, ist fast einzig in ihrer Art. Die Griechen haben es in der Regel sonst verschmäht, von ihren christlichen lateinischen Brüdern zu lernen, und viel war bei ihnen auch nicht zu holen. Allein dem Apologeticum konnte keine griechische Vertheidigungsschrift für das Christenthum an die Seite gesetzt werden. Deshalb ist es übersetzt worden. Wann das geschehen ist, wissen wir nicht sicher. Wir können nur mit Grund vermuthen, dass die Übersetzung nicht allzu lange nach dem Erscheinen des Originals fällt, denn in späterer Zeit veränderte sich die Lage der Kirche, so dass das Werk ungenügend erscheinen musste. Eben darum, aber auch aus anderen Gründen, ist es nicht unwahrscheinlich, dass

550 Gesammtsitzung vom 13. Juni.

Julius Afrieanus der Übersetzer gewesen ist. Mit der Übersetzung hat Eusebius auch eine spärliche Kunde von der Person des Verfassers er- halten, aber merkwürdiger Weise nicht über den Theologen und auch nicht über den Karthaginienser, sondern über Tertullian als Juristen und als angesehenen Mann in Rom!. Hat er wirklich nicht mehr erfahren oder wollte er nicht mehr sagen? Das ist schwer zu ent- scheiden; aber wahrscheinlicher ist letzteres.

Dreimal ist Tertullian in den Orient eingezogen, aber nur ein einziges Mal in dem eben berührten Fall mit seinem Namen: durch die Übersetzung des Apologeticum hat er seinen ersten Einzug gehalten die Wirkung scheint nur eine beschränkte gewesen zu sein”; für die juristischen Ausführungen hatten die Griechen wenig Sinn; sie wollten »Philosophie«. Das zweite Mal ist er durch Dionysius von Rom (nr.7) und Hosius von Cordova (nr. ı2) in das Morgenland gekommen; denn diese einflussreichen Männer haben die von ihm in dem Werk adv. Praxean entwickelte Trinitätslehre nach Alexandrien und Nicaea getragen. Die nieaenischen Stichworte »öuooVoros« im Sinne

! In der Frage, ob der Tertullian der Digesten (»De castrensi peculio liber sin-

gularis«, (Quaestiones libri VIII«) mit unserem Tertullian identisch ist, wird man bei dem gegenwärtigen Stande des Materials ein sicheres Urtheil nicht abgeben können. Die Wahrscheinlichkeit spricht für die Identität; denn die Schriften des Kirchenvaters bezeugen nicht nur seine technische juristische Bildung, sondern auch, wie mir scheint, frühere juristische Praxis. Dazu kommt die bestimmte Angabe des Eusebius »rovs "Ponalwv vonovs NKpıBokos avpp, Ta Te anNa Evookos ka rov nakıcora emi Pouns Aaumpöv«. Vielleicht lässt sich aber noch mehr sagen: nach Hieronymus (nr. 304) war der Vater Tertullian’s »centurio proconsularis« in Karthago; eine gewisse Vertraut- heit mit militärischen Dingen zeigt sich auch in den Schriften Tert.'s (besonders merk- merkwürdig ist die-Berufung auf ein Zeugniss der militärischen Compagnie im Apolog. ce. 9: »Infantes penes Africam Saturno immolabantur palam usque ad proconsulatum Tiberü, qui eosdem sacerdotes in eisdem arboribus templi sui obumbratieibus scelerum votivis crucibus exposuit, teste militia patriae nostrae quae id ipsum munus illi proconsuli Functa est«). Sollte es nun Zufall sein, dass der Jurist T’ertullian »De castrensi peculio« geschrieben hat? Dazu kommt, dass der Vater Tertullian’s trotz seiner subalternen Stellung nicht ohne Vermögen gewesen sein kann. Das ergiebt sich aus der ausge- zeichneten Erziehung, die er seinem Sohn hat geben lassen, und auch aus ad wor. I,ı folgt, dass sich Tertullian in guten Vermögensverhältnissen befunden hat. Sollte etwa die Schrift »De castrensi peeulio« ihren Anlass in persönlichen Erlebnissen Tertullian’s gehabt haben? Das Argument, das man der Identifieirung des Juristen und des Christen Tertullian entgegenzusetzen pflegt es ist das einzige, welches man anführen kann —, die Verschiedenheit des Stils, ist sehr schwach; denn wie geringfügig sind die Reste, die wir von der Schriftstellerei des Juristen besitzen, wie verschieden sind die juristi- schen und theologischen Stoffe, und wie sehr hat Tertullian seinen Stil verändern müssen, als er für Christen oder als christlicher Anwalt zu schreiben begann!

Dass die drei griechisch von Tertullian geschriebenen Schriften » De spectaculis«, »De baptismo«, »De virginibus velandis« zu den Griechen des Orients gekommen sind, ist nicht bekannt, aber an sich nicht unglaublich. Ausser Tertullian selbst hat Niemand diese verlorenen Schriften erwähnt. Wahrscheinlich ist aber das (wohl auch griechisch geschriebene) Werk ep: erordoews gleich nach seinem Erscheinen dahin gelangt.

Harnack: Tertullian in der Litteratur der alten Kirche. 551

von »consors unius substantiae« und »ek TNS oVolas TOV MaTpos« sind von ihm zuerst ausgegeben worden. Das dritte Mal endlich hat ihn 125 Jahre später Leo der Grosse dem Morgenland verkündigt (nr. 39) und den Vätern des Ostens die Christologie vorgeschrieben, deren Grundzüge ebenfalls in dem Tractat adv. Praxean enthalten sind. Aber nieht nur dieser Tractat, auch der grosse christologische Abschnitt im Apolog. e. 21 ist eine Hauptquelle für orthodoxe christo- logische Aussagen der Folgezeit geworden. Bei Cyprian, Novatian und vielen anderen Vätern klingt er nach. Aber viel wichtiger ist, dass er selbst in die Kreise wenig gebildeter Laien gedrungen ist. Vor zwölf Jahren veröffentlichte Hr. Casrarı zum ersten Mal eine sehr lehrreiche Disputation vom Jahre 366 (oder etwas später) zwischen dem arianischen Bischof Germinius von Sirmium und dem orthodoxen Laien Heraclianus (nr. 14). Dieser legt in der Unterredung sein Glaubensbekenntniss dar und beschliesst es mit den Worten »haee mea fides est«. Das Bekenntniss ist aber lediglich eine wörtliche Re- produetion der christologischen Ausführung Tertullian’s Apolog. e. 21, die hier wie eine autoritative regula fidei produeirt ist! Eine höhere Werthung lässt sich nicht denken. Aber auch der Zeitgenosse jenes Heraclianus, der streitbare und fanatische Bischof von Cagliari Lueifer (nr. 17), hat nicht nur tertullianisches Gut benutzt, sondern auch bei der Wiedergabe der orthodoxen Trinitätslehre tertullianische Formeln eingemischt, ja sogar mit dem Wortlaut des Nicaenums verbunden. Ein anderer Zeitgenosse, der Bischof Zeno von Verona (nr. 16), hat seinen Gedankenausdruck und Stil vor Allem an Tertullian gebildet. Genannt hat ihn freilich weder Heraclianus noch Lueifer noch Zeno. Zweien anderen Klerikern, demselben Zeitalter angehörig, gebührt das kirchliche Verdienst, Tertullian zuerst ausdrücklich als Häretiker bezeichnet zu haben. Dass sich bis über die Mitte des 4. Jahrhunderts Niemand gefunden, der der Katze die Schelle angehängt hat, ist eine erstaunliche Thatsache! , Nur zwei Väter, Laetantius und Eusebius, hatten seinen Namen bisher, soviel wir wissen, überhaupt öffentlich genannt; aber sie haben von dem Schismatiker geschwiegen so unentbehrlich war der Kirche das in seinen Werken aufgespeicherte theologische Capital, dass man nicht in der Lage war, es durch Hinweis auf die kirchlich bedenklichen Papiere, die es enthielten, zu discredi- tiren. Nun aber war die lateinische Kirche auch litterarisch erstarkt. Da sind es Hilarius (nr. ı8) und Ambrosiaster (nr. 20) gewesen, die auf die »errores«, ja auf die Häresie Tertullian’s aufmerksam gemacht haben. Jener erwähnt ihn nur an einer einzigen Stelle seiner zahl- reichen Werke. Er nennt die Schrift desselben » De oratione« ein vo- lumen aptissimum, fügt aber hinzu: »sed consequens error hominis detraxit

552 Gesammtsitzung vom 13. Juni.

scriptis probabilibus auctoritatem«. Hilarius unterscheidet also zwischen den an sich brauchbaren früheren und den irrigen späteren Schriften Tertullian’s; aber er begnügt sich nicht mit dieser Unterscheidung: er decretirt, dass diese späteren schlechten auch den früheren guten Schriften die Autorität entzögen. Man sollte denken, Wahrheit bleibe Wahrheit; allein so urtheilten die strengeren unter den Vätern nicht, so konnten sie nicht urtheilen: es kommt auch darauf an, wer ge- sprochen hat. Aus häretischem Munde ist auch die Wahrheit ver- dächtig und wahrhafte Erbauung unmöglich. Ganz ähnlich hat sich der in Rom schreibende Ambrosiaster ausgesprochen. Zwar an einer Stelle fasst er beiläufig Tertullian mit den orthodoxen Vätern Vietorin und Cyprian zusammen; aber sie will nichts bedeuten, da es sich hier nur um Bibelhandschriften handelt, die sie benutzt haben. Da- gegen an zwei anderen Stellen (nr. 20 und 37') spricht er sich unzwei- deutig über Tertullian aus. Er stellt ihn mit Novatian zusammen’, erkennt die Gelehrsamkeit beider Männer an (vergl. Lactantius), fährt aber dann fort: »sed qwia per zelum caritatis foedera perdiderunt, in schisma versi ad perditionem swi haereses creaverunt«. Also Stifter einer Häresie ist Tertullian durch sein Schisma geworden! Nun dann ist er auch danach zu behandeln, und Ambrosiaster selbst oder sein Zeit- und Gesinnungsgenosse, der Autor der pseudoaugustinischen Quaestionen, hat uns die lehrreichste Probe einer solchen Behandlung gegeben. In der 44. Quaestio wird eine kurze Deutung der Jahrwochen Daniel’s mitgetheilt; dann bemerkt der Verfasser, auch Tertullian habe in seiner Schrift » Adv. Judaeos« so (also richtig) gerechnet, aber »ne ad iniuriam eius proficeret, quia recte computavit, praetermisimus«. Das ist eine dreiste, aber dankenswerthe Offenherzigkeit: zuzugestehen, dass Tertullian irgendwo, sei es auch nur in einer chronologischen Berechnung, Recht hat, müsste seiner Häresie Vorschub leisten; daher darf er nicht eitirt werden, auch wo er Recht hat, auch wo man von ihm gelernt hat! Nun ist es deutlich, warum man ihn 150 Jahre hin- durch den einen Lactantius abgerechnet im Abendland nie hat nennen wollen, obgleich man sich an ihm bildete. Eben weil man ihn brauchte, aber nicht eingestehen wollte, dass man von dem Schisma- tiker lernen musste, hat man seinen Namen unterdrückt. Ambrosiaster,

! Ich nehme hier den Verfasser der pseudoaugustinischen Quaestionen (nr. 37) hinzu, weil er entweder, wie die HH. Lansen und Zann annehmen, mit dem Am- brosiaster identisch gewesen ist, oder ihm zeitlich und sachlich sehr nahe stand, oder doch mindestens gewisse Theile der Quaestionen wenn sie als eine Compilation zu beurtheilen sind die engste Beziehung zu dem Commentar des Ambrosiaster besitzen. Die Entscheidung der Frage kann hier nicht versucht werden.

2 S. darüber unten.

Harnack: Tertullian in der Litteratur der alten Kirche. 553

oder wer der Verfasser der Quaestionen ist, sagt es mit dürren Worten. Hat vielleicht schon Papst Damasus die Schriften Tertullian’s als »apo- kryphe«, d.h. als irrige, sämmtlich verworfen und verboten, und liegt dieses Decret der Aussage Ambrosiaster’s zu Grunde? Im Gelasianum (nr. 47) ist die Verwerfung ausgesprochen, und der Grundstock dieses Decrets geht auf Damasus zurück. Allein ich trage doch Bedenken, diesem ein generelles Verbot der tertullianischen Schriften beizulegen ; denn von Anderem abgesehen das Verhalten des Hieronymus zu ihnen erklärt sich schwer, wenn bereits ein allgemeines Verdammungs- urtheil vorgelegen hat. Weniger will es dem gegenüber besagen, dass Philastrius (nr. 23) den Tertullian noch nicht in seinen grossen Ketzer- katalog eingestellt hat”; denn er hat als Öberitaliener nicht unter dem directen Einfluss Rom’s gestanden. Er hat unstreitig Einiges von ihm gelesen wahrscheinlich auch eine uns verlorene Schrift —, und er war eifrig darauf bedacht, seinen Katalog mit möglichst vielen Namen und Häresieen zu füllen; aber er besass doch noch so viel Pietät gegen den grossen Africaner, der der gewaltigste Ketzerbestreiter der abendländischen Kirche gewesen ist, dass er nicht, wie Ambrosiaster, den Tertullian zu den Feinden werfen wollte, deren Bekämpfung die lateinische Kirche eben von ihm gelernt hatte! Genannt hat er ihn freilich niemals; doch hat Philastrius auch sonst seine Quellen ver- schwiegen. Bei seinem Zeitgenossen und Landsmann, dem berühmten Ambrosius von Mailand, sucht man vergebens nach Tertullian. Allein hier liegen die Dinge anders. Ambrosius hat sich fast ausschliesslich an Philo und den griechischen Kirchenvätern gebildet; auch ein Einfluss Cyprian’s und hier walteten keine dogmatischen Bedenken auf ihn ist nicht nachweisbar, und demgemäss wird auch Cyprian von ihm m. W. niemals eitirt. Die Nicht-Erwähnung Tertullian’s hat also hier höchst wahrscheinlich in wirklicher Unkenntniss ihren Grund. Eine wichtige Nachricht bringt uns Pacian von Barcelona°®. Schon Ambrosiaster (s. 0.) hatte Tertullian und Novatian zusammengestellt; Pacian aber berichtet uns ausdrücklich, dass die Novatianer viel von Tertullian genommen hätten (auch Hieronymus nr. 30 pt und Augustin

! Ambrosiaster schreibt in Rom, und dass es in Rom eine kleine Secte der Tertullianisten gegeben hat, erfahren wir aus dem Praedestinatus (nr. 42). Dieser Um- stand mag die Schärfe in der Ablehnung Tert.’s bei Ambrosiaster mit verursacht haben.

® Dass der Zeitgenosse des Philastrius, der Africaner Optatus (nr.15), den Ter- tullian als Ketzerbestreiter zu den »adsertores ecclesiae catholicae« gerechnet und seine antihäretischen Traetate gekannt hat, wurde bereits oben erwähnt.

® Was die beiden anderen Spanier, Priseillian (nr. 32) und Prudentius (nr. 33), anlangt, so ist es nicht sicher, dass der erstere den Tert. benutzt hat; auch in Be- zug auf den zweiten ist es neuerlich bestritten worden, aber, wie mir scheint, nicht mit Recht.

554 Gesammtsitzung vom 13. Juni.

nr. 34 stellen sie zusammen; dieser nennt sogar den Tertullian » disertissi- mus Novatianorum adstipulator«). Einst hatte sich Novatian (s. 0.) be- müht, seine Abhängigkeit von Tertullian nicht hervortreten zu lassen; allein wie ihm selber, so waren auch der Kirche, die er gegründet hat, manche Ausführungen Tertullian’s (besonders über die Busse) und zwar gerade in dessen schismatischen Schriften willkommen und wichtig. Das Verhältniss konnte schliesslich nicht verborgen bleiben: Pacian hat öffentlich darauf aufmerksam gemacht, dass die Novatianer dem schismatischen Lehrer (er denkt besonders an die Schrift »De pudieitia«) viel verdanken'. Er selbst hat, wie Hilarius vor ihm, die Unterscheidung zwischen den Schriften des » Tertulliamus catholicus« und des » Tertullianus post haeresim« vorgetragen, ohne indess zu behaupten, dass der letztere auch den ersteren um den Credit gebracht habe.

Wir gehen zu Hieronymus (nr. 30) über. Er ist der eigentliche »testis Tertulliani« in der alten Kirche. Er hat ihn an weit über 50 Stellen erwähnt bez. wörtlich benutzt”; er hat auch etwas von seiner Lebensgeschichte erzählt”, und er hat sieh nicht entschliessen können, ihn als Häretiker einfach für einen todten Mann zu erklären. Nur ein einziges Mal hat er eine unbequeme Berufung des Helvidius (nr. 29) auf ihn mit den kurzen Worten zurückgewiesen (nr. 30ß): »De Tertulliano quidem nihil amplius dico, quam ecclesiae hominem non fuisse«. Seine wahre Meinung hat er da- mit nicht ausgedrückt. Für gewöhnlich zählt er ihn vielmehr unter den berühmten lateinischen kirchlichen Schriftstellern auf (nr. zopgrst Tp); er nennt ihn (nr. 30p) im Unterschied von Novatian » Tertullianus noster«; er schreibt (nr. 309) an Pammachius: »cum Tertulliano, Cypriano, Ambrosio me vel accusa vel libera«,;, er macht einmal (nr. 302) die ver- ständige Bemerkung: »ego ÖOrigenem propter eruditionem sic interdum legendum arbitror, quomodo Tertullianum, Novatlian)um, Arnobium, Apolli- narium et nonmullos ecclesiasticos scriptores Graecos pariter et Latinos, ut bona eorum eligamus vitemusque contraria« (s. auch nr. 30«); er preist be- wundernd und ohne Einschränkung seine Gelehrsamkeit (nr. 30u wx &); er rühmt dem Apologeticum nach, dass es »cumetam saeculi dis- ciplinam« enthalte; vor Allem aber feiert er das Talent und das In- genium des Schriftstellers in den höchsten Tönen (nr. 30@ »acris et

! Sie selbst scheinen noch immer, wie ihr Stifter, dies Verhältniss vertuscht zu haben. ® Allein in der Schrift de vir. inl. an acht Stellen. In der obigen Zahl sind nur die offenkundigen Fälle aufgenommen; ausserdem verdankt Hieronymus dem Tertullian noch sehr viel. Eine systematische Untersuchung des Hieronymus (für Tertullian) steht noch immer aus.

® S. nr. 300; ausser von ihm empfangen wir nur von Eusebius (nr. 13), Augustin (nr.34) und Praedestinatus (nr.42) spärliche Nachrichten.

Harnack: Tertullian in der Litteratur der alten Kirche. 555

vehementis ingenüs«, (p) »eloquentissimus vir«, (o) » quid Tertulliano acutius?«, (x) »eruditus [eristieus] et ardens vir «, (x) »in Tertulliano laudamus ingenium«, (Tr) » fumen eloquentiae et concinnae declamationes Tertulliani«, ($) »eleganter «; einmal (w) vergleicht er sich selbst mit Tertullian: »quaeso ne meam stillam illius flumini comparetis; non enim magnorum virorum ingenüs, sed meis sum viribus aestimandus«). Für diese Seite an Tertullian, seine Antithesen und Piquanterien, seinen Witz und Spott, seine heiss- blütige Lebhaftigkeit und advocatische Dialektik (»seribere yvuvaoTır@s« nr. 30%) hatte Hieronymus besonderes Verständniss. Doch vermisst auch er, wie Lactantius, in seiner Redeweise (wenigstens an einer Stelle) die leichte Verständlichkeit: »Tertullianus«, sagt er (nr. 30r), »creber est in sententüs, sed diffieilis in loquendo;, b. Cyprianus instar fontis purissimi duleis incedit et placidus«. Sehr wichtig ist, dass Hieronymus ausdrücklich die weite Ver- breitung der orthodoxen Schriften Tertullian’s zu seiner Zeit constatirt. Er hat es sogar in dem Tractat de vir. inl. unterlassen, sie aufzuzählen »quia nota sunt pluribus« (nr. 30a), und in der Chronik bemerkt er (im Hinblick auf die griechische Übersetzung des Apologeticum): »Ter- tullianus omnium ecclesiarum sermone celebratur« (nr. 301). Dieses Urtheil ist gewiss übertrieben; aber es zeigt doch auf’s Neue, dass die älteren Schriftsteller Tertullian's Namen absichtlich umgangen haben. Einige der Bücher, die Tertullian nach seinem Übertritt zum Montanismus geschrieben, zählt Hieronymus (nr. 30«@) ausdrücklich auf De pudie.«, » De persecut.«, » De ieiun.«, » De monog.«, » De ecstasi«); augenscheinlich

nahm er an, dass diese Schriften nieht so verbreitet und bekannt seien,

wie die anderen, oder wollte er vor ihnen warnen? Er selbst hat sie gelesen', ja in seiner Polemik gegen Jovinian ausgenutzt (s. auch

nr.3oabcenoyx). Sie sind auch ihm häretisch (l. e.: » De monogamia

librum haereticum«, vergl. nr. 30n »liber De pudicitia adversus paenitentiam scriptus«, nr. 30&K »damnamus Tertulliani haeresim«, nr. 30n » Tertullianus

U nr. 30u spricht Hieronymus von einem » Index Septimü Tertulliani«; er besass

also ein Verzeichniss der tertullianischen Schriften, augenscheinlich ein sehr vollständiges; denn es umfasste eine Schrift Tertullian’s, die wir nur aus dieser Stelle kennen. Leider ist uns dieser Index nicht erhalten. In einem seiner ältesten Briefe erwähnt Hieronymus einen Tertullianeodex, der dem Paulus, »senex Concordiae«, gehört (nr. 30/) und sich zeit- weilig bei Rufin befand; Paulus forderte ihn »vehementer« zurück: ein Beweis, wie gerne man den Tertullian las. Die Vertrautheit des Hieronymus mit der Schrift- stellerei des Tertullian geht auch daraus hervor, dass er den Irrthum Rufin’s, Tertullian sei der Verfasser der (novatianischen) Schrift »De trinitate«, zu corrigiren im Stande war. Aus dem Umstande, dass diese Schrift (die man gerne las und deshalb nicht aus den Händen des Ketzers Novatian empfangen wollte) dem Tertullian bez. dem Cyprian beigelegt wurde, geht hervor, dass Tertullian's Name am Ende des 4. Jahrhunderts doch noch einen besseren Klang hatte als der Novatian’s. Oder hat man den Tractat seiner inneren Verwandtschaft mit Tertullian’s Schriften wegen diesem beigelegt?

556 Gesammtsitzung vom 13. Juni.

iuxta insanas et blasphemas feminas suas«). Die Häresie ist dem Hiero- nymus (wie dem Hilarius und Ambrosiaster) eben der Montanismus, der längst nicht mehr als blosses Schisma betrachtet wurde. Was er sonst noch an Tertullian zu tadeln findet, seinen Chiliasmus (nr. 30d vr), falsche Exegesen (nr. 30n Y) und seine Lehre vom Ursprung der Seele (nr. 30a n 6), fällt ihm noch nicht unter diesen Begriff. Aber selbst in den antimontanistischen Schriften (und in dem verlorenen Tractat »De angustüs nuptiarum«) fand Hieronymus etwas, was ihm sehr ge- fiel, ich möchte sagen, behagte Tertullian’s Beurtheilung der Jung- fräulichkeit und der Ehe. Sowohl die prineipielle Stellung Tertullian’s zu dieser Frage, als seine Ausdrucksweise Tertullian hat nicht nur derb gesprochen, sondern er hat es auch nicht vermocht, dem Anreiz zu zotiger Grobheit zu widerstehen fanden den vollen Beifall des Hieronymus. Am liebsten hätte er dem Tertullian ganz beigestimmt und ihn in der abschätzigen Beurtheilung und ekelhaften Ausmalung der Ehe noch übertroffen; aber das Erstere erlaubte das Urtheil der Kirche nicht mehr. So musste sich Hieronymus mit dem Letzteren begnügen: die Tugend und das Laster hat er zusammen abgemalt, in den schreiendsten Farben, nicht »naturalistisch«, sondern verführerisch. Er ist der Erste gewesen, der Lüsternheit, ja Obseönes in die Be- schreibung heiliger Jungfräulichkeit eingemengt hat. Das hat ihn Tertullian nicht gelehrt; einen gewissen Anstoss aber zu dieser Art Behandlung der Sache hat er ihm allerdings gegeben. Doch lassen wir dieses dunkle Capitel der Litteraturgeschichte bei Seite.

In einem boshaften Satz hat Hieronymus das Capitel über Ter- tullian in seinem Tractat » De viris inlustr.« ausklingen lassen: »fertur vieisse usque ad decrepitam aetatem et multa quae non exstant opuscula condidisse|?]«. Dennoch soll ihm nicht vergessen werden, dass er das Ge- dächtniss des grossen Africaners in der Kirche aufrecht erhalten und ihn nicht einfach unter die Häretiker geworfen, vielmehr den »viri illustres« der Kirche beigesellt hat. Er, der Gelehrte und Novellist, wollte den gelehrten und geistvollen Mann nicht entbehren, und er sah ein, dass ihn auch die Kirche noch nicht entbehren konnte.

Aber noch bei Lebzeiten des Hieronymus! war eine neue Zeit für die abendländische Kirche im Anzug. Augustin hat sie herauf-

! Auch Rufin hat sich mit Tertullian beschäftigt; doch bieten die in Frage kommenden Stellen (nr. 31) nichts besonders Bemerkenswerthes. Man sieht unter Anderem, dass die tertullianische Frage über den Ursprung der Seele anfängt, die latei- nische Kirche zu beschäftigen. Auffallend ist, dass Rufin mit der in der Schrift »De trinitate« die er für tertullianisch hält vorgetragenen Christologie nicht einver- standen gewesen ist. Doch enthält sowohl diese Schrift als der ihr zu Grunde liegende Tractat » Adv. Praxean« für ein geschärftes dogmatisches Auge des 4. Jahrhunderts einige Anstösse. Als Schriftsteller hat Rufin den Tertullian so hoch gefeiert wie Hieronymus.

Harnack: Tertullian in der Litteratur der alten Kirche. DW

geführt. Die Auffassung vom Christenthum, die er vortrug min- destens seine Fragestellung —, beherrschte bald die ganze Kirche. Sie bedeutete in vieler Hinsicht eine Verschärfung der Orthodoxie und eine Verengung des Überlieferten; aber Augustin’s tiefsinnige Religionslehre trat als Ersatz ein. Persönlich liebevoll und nach- sichtig, auch voll Verständniss für intelleetuelle Nöthe, hat er doch die Maassstäbe der Rechtgläubigkeit in strengste Wirksamkeit gesetzt. Ältere Theologen von unsicherer Geltung, deren Ansehen sich um der Dienste willen, die sie einst geleistet, bisher noch in der Kirche erhalten hatte, sind von ihm um ihr Ansehen gebracht und beseitigt worden'. Überall nahm sein reicher Geist von den verlassenen Plätzen Besitz, ohne Ehrgeiz und ohne sich aufzudrängen Niemand ver- mochte sich der Kraft seiner Gedanken zu entziehen. Damals hat auch das Ansehen Tertullian’s in der Kirche den stärksten Stoss erhalten. Zu der prineipiellen Gegnerschaft Augustin’s kam noch das besondere Moment, dass er in Karthago die Reste einer kleinen Secte von Ter- tullianisten fand und ihnen, wie er selbst erzählt (nr. 34), ein Ende machte. Da ihm noch lebendige unbedingte Anhänger Tertullian’s entgegentraten, musste er die Autorität des Mannes in jeder Hinsicht zu stürzen suchen. Augustin hat den Tertullian nicht mehr unter den viris illustribus der Kirche aufgezählt, dagegen hat er ihn zuerst in den Katalog der Ketzer gestellt (haer. 86)". In der Unterscheidung von »natura« und »gratia«, die bei Augustin eine so grosse Rolle spielt, in der Lehre von dem vererbten Bösen und dem »iradux«, in manchen Ausführungen über das Wesen der Seele und in nicht wenigen tiefsinnigen religiösen Sentenzen ist Ter- tullian der Vorläufer Augustin’s gewesen; aber dieser hat sich nie- mals mehr auf ihn berufen. Im Gegentheil er hat nur Anlass ge- nommen, Tertullian’s Ansicht von der Seelenzeugung und der Körper- lichkeit der Seele und Gottes zurückzuweisen. Doch sah Augustin in diesen Anschauungen nicht die Häresie Tertullian’s, ja er hat sich sogar an zwei Stellen bemüht, sie freundlich zu entschuldigen? er konnte das; denn noch hatte die Kirche diese Lehren nicht ausdrück- lich verworfen. Als die einzige Häresie Tertullian’s galt ihm sein Montanismus. Innerhalb desselben trat für Augustin ein Punkt be- sonders in den Vordergrund: die Verwerfung der zweiten Ehe. Bei-

! Nur den Cyprian hat Augustin verehrt und geschützt. Aber welche Schwierig- keiten machte ihm das bei seiner strengen Vorstellung von Rechtgläubigkeit gegenüber der fatalen Thatsache, dass Cyprian in der Lehre von der Taufe geirrt hatte!

®2 Dass seine zahlreichen und »eloguentissime« geschriebenen Schriften noch immer gelesen werden, hat jedoch auch Augustin bezeugt (l. c.).

® An anderen urtheilt er freilich ziemlich hart über sie: »quo perversius quid diei potest?«, » Tertulliani deliramenta«.

Sitzungsberichte 1895. 53

558 Gesammtsitzung vom 13. Juni.

läufige Bemerkungen beweisen übrigens, dass Niemand die wirklichen Schwächen der Dialektik Tertullian’s besser durchschaut hat als Augustin. Wenn er an einer Stelle von ihm sagt: »facetius quam verius«, an einer anderen » Tertullianus quoniam est acutus interdum contra opinionem suam visa veritate superatur«, an einer dritten » Tertullianus buceis sonantibus non sapientibus Cataphrygarum ac Novatianorum' hae- reses inflavit«, so sind das die treffendsten Urtheile, die in der alten Kirche über die Mängel des Schriftstellers Tertullian gefällt worden sind. Aber Augustin hat seine Superiorität niemals gebraucht, um Andere persönlich blosszustellen oder zu vernichten. Ihm war es stets um die Vertheidigung der Sache zu thun, wie sie ihm aufgegangen war. Seine Sache aber war die der katholischen Kirche.

Vermochte es Augustin nicht, den Tertullian gelten zu lassen, so vermochten es seine pelagianischen Gegner (nr. 35. 36) noch viel weniger. Tertullian’s Seelen- und Sündenlehre, die sie kannten, musste ihnen besonders antipathisch sein. Indem sie gegen sie polemisirten, hat ihr Führer, der »iuvenis confidentissimus« Julian von Eelanum, kurzer Hand Tertullian und die Manichäer zusammengestellt und unverfroren behauptet, die Lehre vom »tradux animae« sei von der Kirche bereits »in Tertulliani et Manichaei profanitate« verdammt worden. Aber er hat auch Richtiges scharfsinnig bemerkt, nämlich die Verwandtschaft Tertullian’s und Augustin’s an diesem Punkt Grund genug für Augustin, seine Auffassung bestimmt gegen die Tertullian’s abzugrenzen.

Wenige Jahre nach Augustin’s Tode hat der Semipelagianer Vin- centius von Lerinum das Urtheil der Kirche über Tertullian zusammen- gefasst. Seine Fähigkeiten und die Dienste, die er der Kirche einst ge- leistet, hat Niemand in höheren Tönen gepriesen wie er; viel zu unbe- dingt hat er ihn als Schriftsteller gelobt. Aber das Schlussurtheil konnte nicht anders lauten: » fwit in ecclesia magna lentatio«:; Gott hat die Kirche durch ihn versuchen wollen; Hilarius (und Augustin) haben Recht: Tertullian hat durch den Abfall auch seinen früheren guten Schriften die Autorität entzogen. Ich setze seine Worte hierher, weil sie beson- ders charakteristisch sind (Commonit. ı8 [24]): »Sed et Tertulliani quo- que eadem ratio est. nam sicut ille (Origenes) apud Graecos, ita hie apud Latinos nostrorum omnium facile princeps üudicandus est (ev schätzte ihn also höher als den Augustin). quid enim hoc viro doctius, quid in di- vinis et hnumanis rebus ewercitatius? nempe omnem philosophiam et cunctas philosophorum sectas, auctores adserloresqgue sectarum ommesque eorum disciplinas, omnem historiarum ac studiorum varietatem mira quadam mentis capacitate complexus est. ingenio vero nonne tam gravi ac vehementi ex-

! Man beachte auch hier die Zusammenstellung.

Harnack: Tertullian in der Litteratur der alten Kirche. 559

cellwit, ut nihil sibi paene ad expugnandum proposuerit, quod non aut acumine inruperit aut pondere eliserit? iam porro orationis suae laudes quis ewsequi valeat? quae tanta nescio qua rationum necessitate conserta est, ut ad consensum sui, quos suadere non potuerit, impellatz; cuius quot paene verba, tot sententiae sunt, quot sensus, tot victoriae! sciunt hoc Marceiones, Apelles, Praxeae, Hermogenes, Iudaei, Gentiles, Gnostici ceteri- que, quorum ille blasphemias multis ac magnis vohıminum suorum molibus velut quibusdam fulminibus evertit. et tamen hie quoque post haec omnia, hie inguam, Tertullianus, catholiei dogmatis i. e. universalis ac fidei parum tenax ac ‚disertior multo quam felicior, mutata deinceps sententia fecit ad extremum, quod de eo b. confessor Hiarius quodam loco seribit (s. u. sub nr.ı8): 'Sequenti', inquit, 'errore detrawit scriptis probabilibus auctori- tatem', et fuit ipse quoque in ecclesia magna tentatio. sed de hoc nolo plura dicere. hoc tantum commemorabo, quod contra Moysi praeceptum exsurgentes in ecclesia novellas Montani furias et insana illa insanarum mulierum novitü dogmatis somnia veras prophetias adseverando meruit, ut de se quoque et scripturis suis diceretur : "Si surrexerit in medio tui propheta), et mox: 'non audies verba prophetae ülius;; quare? "quia‘, inquit, 'tentat vos dominus vester, utrum diligatis eum an non’« (Deut. 13, 1-3).

Aber kaum zwei Jahrzehnte nach der Zeit, da Tertullian von Augustin und Vincentius in den Ketzerkatalog eingestellt war, be-, reitete ihm die Geschichte einen stillen aber mächtigen Triumph. Leo der Grosse (nr. 39) schrieb jenen Lehrbrief an Flavian, der die Grundzüge der chalcedonensischen Christologie enthielt, und diese Grundzüge waren Tertullian’s Schrift adv. Praxean entnommen. Sein Name wurde nicht genannt; aber er hat die Formel der neuen Ortho- doxie dem Morgenland dietirt.

Auch noch in der Folgezeit sind Tertullian’s Schriften gelesen worden, wenn sie auch mehr zurücktraten. Selbst Augustin hat nicht vermocht, sie den Gelehrten der Kirche zu entreissen. Caesarius von Arles (nr. 43) hat sie gekannt und für seine Werke verwerthet, Clau- dianus Mamertus (nr. 40), der Anonymus Africanus v. 463 (nr. 41), Fulgentius von Ruspe (nr. 44), Gennadius (nr. 46) zeigen Spuren ihrer Kenntniss. Das Deceretum Gelasianum, welches sämmtliche Schriften Tertullian’s als apokryphe verbot (nr. 47); ist augenscheinlieh nicht streng befolgt worden. Selbst solche Schriften, die uns jetzt ver- loren sind, wie »De ecstasi« (s.nr. 42), »De fato« (mr. 45 dieses Citat ist besonders merkwürdig; Fulgentius Planciades ist ein pro- faner Schriftsteller), » Adversus Apelleiacos« (s. nr. 50), » De censu animae adv. Hermogenem« (s. nr. 42) sind nach Augustin’s Zeit noch bekannt gewesen, und der Codex Agobardinus zeigt, dass sich noch andere, später untergegangene Tractate bis zum 9. Jahrhundert erhalten haben.

53%

560 Gesammtsitzung vom 13. Juni.

Unter den späteren Schriftstellern aber, die den Tertullian gelesen haben, ragen zwei hervor, der Verfasser des »Praedestinatus« (nr. 42) und Isidor von Sevilla (nr. 48). Jener weil er augenscheinlich für Tertullian, obgleich er ihn im Anschluss an Augustin in den Ketzer- katalog aufgenommen, eine besondere Vorliebe besessen hat. Er rühmt ihn als siegreichen Bestreiter der Marcioniten. Wo er auf seinen Mon- tanismus zu sprechen kommt, da leitet er die üble Mittheilung mit den Worten ein: »quwi cum omnia bene et prime et imcomparabiliter scrip- serit, in hoc solo se reprehensibilem fecit ete.«. Er bringt einen Satz aus Tertullian’s Schrift » De ecstasi«, der die Differenz mit der Kirche auf das geringste Maass beschränkt. Er sagt, Tertullian habe »opus- cula eloquentissima et ferventia in defensione veritatis« geschrieben; ja er theilt uns die einzigartige und wohl nicht ganz zuverlässige Über- lieferung mit, Tertullian habe am Ende seines Lebens »omnem Phrygiae vanitatem« abgeworfen' und ein eigenes Conventikel gegründet; »non-

nihil«e so lese ich »tamen in fide mutavit. nam et secundas nuptias condemnat et animam ex traduce venire adserit« das gilt bereits als halbe Ketzerei »et nos catholicos psychicos titulat«. Das »nonnihil«

(der überlieferte Text bietet sogar »nihil«) ist so milde wie möglich. Endlich hat uns Praedestinatus noch ein werthvolles Gleichniss Ter- tullian’s aus einer verlorenen Schrift erhalten. Isidor aber ist des- halb so wichtig, weil er nicht nur orthodoxe tertullianische Werke sehr fleissig benutzt, sondern auch die montanistischen Schriften, die doch Hieronymus ausdrücklich praescribirt hat, ausschreibt, also be- zeugt, dass sie noch immer gelesen wurden (»De ieiunio«, » De mono- gamia«, auch »De virginibus velandis«e die ersten beiden Schriften sind je einmal benutzt, die dritte dreimal). Den Namen Tertullian’s aber hat er in den »Etymologieen« niemals, weder im Guten noch im Bösen, genannt. Die Benutzung der Werke Tertullian’s am Ende der Geschichte der alten Kirche scheint zu ihrem Anfang zurückzukehren: Cyprian und Isidor haben beide den Tertullian ausgeschrieben, aber seinen Namen verschwiegen. Mit Isidor stehen wir an der Schwelle des Mittelalters. Dass der grössere Theil der Werke Tertullian’s in die romanische Kirche gekommen ist welches Mannes Verdienst mag das gewesen sein? Ist doch sein Name im Mittelalter nahezu erloschen; aber »occeulta via tacitarum litterarum« ist sein Gedächtniss der Kirche und der Wissen- schaft erhalten geblieben. So hat das Zeitalter der Renaissance es wieder zu beleben vermocht. Nicht nur seine beiden wichtigsten und

! Das Motiv ist augenscheinlich ein vom Berichterstatter aus Verlegenheit erfun-

denes: »ne plebs Montani nomen Tertulliani videretur exchudere«. Persönlicher Ehrgeiz und f 8 die Sucht, eine Rolle zu spielen, treten in den Schriften Tert.'s nirgends hervor.

Harnack: Tertullian in der Litteratur der alten Kirche. 561

einflussreichsten Schriften das Apologeticum und der Traetat adr. Praxean sind auf uns gekommen, sondern auch mehrere von jenen Pamphleten, in denen er die Kirche auf's Heftigste angegriffen hatte. Das ist ein überlieferungsgeschichtliches Räthsel, aber ein kleines gegenüber der Thatsache, dass uns vor einigen Jahren die Schriften des Ketzers Priseillian wieder geschenkt worden sind. Der Codex Agobardinus Agobard war Spanier wie Isidor —, der älteste uns erhaltene Tertullian-Codex, saec. IX., umfasste einst 21 Schriften Ter- tullian’s, darunter fünf, die wir jetzt nicht mehr besitzen De spe ‚Jidelium«, » De paradiso«, » De carne et anima«, » De animae summissione«, » De superstitione saeculi«). Leider ist die Hälfte des Codex untergegangen. Dagegen sind die Schriften » Ad martyres«, » De baptismo«, » De fuga in persecutione«, » Adv. Hermogenem«, » Adv. Valentinianos«, » Adv. Marcio- nem«, » De resurr. carnis«, » Ad Scapulam«, »De Pallio«, » Adv. Praxean«, » Adv. Iudaeos«, » De monogamia«, » De pudieitia«, » De veiunio adv. psychicos « bis zum Zeitalter des Buchdrucks gelangt, obgleich sie im Agobardinus keine Stelle gefunden hatten; sie sind durch andere, zur Zeit noch un- durehsichtige Vermittelungen auf uns gekommen. Beachtenswerth ist es, dass sich im Agobardinus jene Traetate sämmtlich nicht finden, die Hieronymus (nr. 30a) als »adversus ecclesiam« geschriebene ausdrücklich gekennzeichnet hatte. Dennoch haben sie sich in anderen Codices mitten unter den rechtgläubigen erhalten, wie sie ja auch Isidor neben den orthodoxen excerpirt hat. Wie bei diesem ein Citat aus » De praeser. « neben einem aus » De monog.«, eines aus » De ieiun.« neben einem aus »De orat.« steht, so folgte auch im verlorenen codex Masburensis wahr- scheinlich » De monog.« auf » De praeser.«, »De orat.« auf » De ieiunio«. Verdanken wir unseren Tertullian den Spaniern? Es wird zu unter- suchen sein, ob die fränkischen Theologen des 9. Jahrhunderts den Tertullian kennen (Hinemar kennt ihn nicht).

Belege.

ı. Hippolyt: Hippolyt nennt den Tertullian niemals; aber er hat in der Re- Jutat. omnium haeresium (VII, ı2. 38) dessen verlorene Schrift adv. Apelleiacos benutzt, s. meine Dissertation: De Apellis gnosi monarchica 1874. Wahrscheinlich ist, dass er auch in seinem Bericht über Hermogenes (VIII, 4.17. X,28) den Tertullian benutzt hat, s. meine Abhandlung: Zur Quellenkritik der Gesch. d. Gnostieismus in d. Ztschr. f. d. histor. Theol. 1874 S.206ff.; doch kann hier auch eine gemeinsame Quelle zu Grunde liegen. Unsicher ist, ob Hippolyt in dem Fragm. c. Noötum die tertullianische Schrift adv. Praxean benutzt hat. Die interessanten, jüngst von Hrn. Rorrrs in den »Texten und Unters.« Bd. XII H.4 behandelten Fragen, ob Hippolyt, Origenes und andere Grie- chen auf die Streitpunkte eingegangen sind, die Tertullian in seinen Schriften gegen die Psychiker festgestellt hat, und ob diese Schriften vor allem das Werk zepi ex- oraoeos ihnen bekannt geworden sind, lasse ich hier bei Seite, da sie uns von dem

562 Gesammtsitzung vom 13. Juni.

gestellten Thema abführen und uns nöthigen würden, auf die montanistischen Kämpfe zur Zeit Tertullian’s einzugehen (s. über jene Fragen auch Voıcr, Eine verschollene Urkunde des antimontanistischen Kampfes S. 35 ff.).

2. Minucius Felix: Die Frage, ob Tertullian’s Apologeticum eine Quelle des Minucius gewesen ist, ist noch immer nicht endgültig entschieden und soll hier nicht erörtert werden.

3. Anonymus de pascha computus: Genannt ist in dieser im Jahre 242/3 (e.22) geschriebenen Schrift Tertullian nirgends; aber in c.17 liest man: »in mysterio nostro qui sumus tertium genus hominums. Diese Worte blicken vielleicht auf Tertullian, ad nation. 1,3 (und sonst) zurück.

4. Cyprian: Cyprian hat den Tertullian niemals in seinen Tractaten und Briefen genannt; aber auch in den Briefen derer, die an Cyprian geschrieben haben, und in den Schriften, die in späterer Zeit dem Cyprian beigelegt worden sind, fehlt sein Name, Allein Cyprian ist in hohem Maasse nicht nur in den Tractaten de oratione domi- nica, de bono patientiae und de habitu virg., sondern auch in seinen übrigen Werken und Briefen, s. z.B. ep. 55. 73, und nicht nur im Ausdruck, sondern auch in den Gedan- ken von Tertullian abhängig gewesen (vergl. besonders die Trinitätslehre, die Chri- stologie und die Busslehre), und auch die Tradition hat diese Abhängigkeit bewahrt, s. Hieron. de vir. inl. 53: »Vidi ego quendam Paulum Concordiae, quod oppidum Italiae est, senem, qui se b. Cypriani iam grandis aetatis notarium, cum ipse admodum esset adulescens, Romae vidisse diceret referreque sibi solitum numquam Cyprianum absque Tertulliani lectione unam praeterisse diem ac sibi erebro dicere: »Da magistrum«, Tertullianum videlicet signi- ficans«; cf. Hieron. ep. 84,2 ad Pammach.: »B. Cyprianus Tertulliano magistro utitur, ut eius scripta probant«. Die Abhängigkeit Cyprian’s von Tertullian ist selten eine wörtliche; Cyprian hat in der Regel den Gedanken und den Ausdruck seines Meisters frei reprodueirt. Einige seiner Antithesen hat er stillschweigend ihm abgenommen, so die Entgegenstellung von »veritas« und »consuetudo« (Cypr. ep. 74, 9, Ss. Tertull. de virg. vel.ı). Die Frage nach der Wiederaufnahme der Gefallenen (der Hurer und Ehebrecher) klingt in Cypr. ep. 55,15 ff. nach (s. bes. c.20.21.26.28.29), und es kann kein Zweifel sein, dass Cyprian den Tractat Tert.'s de pudic. gelesen hat (s. Rorrrs, das Indulgenz- ediet des römischen Bischofs Kallist in den »Texten und Unters.« XI, 3 S.123ff.); aber »C. schliesst sich nie selavisch an de pud. an, sondern er hat die dort ausgesprochenen Gedanken in sich aufgenommen und selbständig verarbeitet; er giebt kein Citat in der Form und dem Zusammenhang, wie wir es bei Tert. finden«.

5. Novatian: Wir besitzen von Novatian mehrere Briefe (s. meine Abhand- lung in den Theol. Abhandlungen, C. von Weizsäcker gewidmet 1893, S. ı4 ff.) und die Tractate de trinitate und de cibis Iudaicis; in jüngster Zeit ist aber von den Hrn. Weyman (Histor. Jahrb. d. Görresgesellsch. 1892, S. 737— 748, cf. 1893 S. 330f.) und DEnutLER (Tüb. Theol. Quartalschrift 1894 H.2) sehr wahrscheinlich gemacht worden, dass die pseudocyprianischen Schriften de spectaculis und de bono pudicitiae von Novatian ver- fasst sind, und dasselbe hat Hr. Haussterrer (Theol. Lit. Blatt 1894 Nr. 41 S. 481ff.) in Bezug auf die unter Cyprian’s Namen stehende Schrift »Quod idola di non sint« nach- gewiesen. Alle diese Schriften stehen in starker geistiger und stilistischer Abhängig- keit von Tertullian. In Bezug auf »de trinitate« hat das schon Hieronymus bemerkt, wenn er de vir inl. 70 schreibt: »de trinitate grande volumen, quasi emrounv|[?] operis Ter- tulliani (seil. der Schrift adv. Praxean) faciens, quod plurimi nescientes Cypriani aestimant«. Rufin hat (de adulter. libr. Origenis, Opp. Orig. XXV p. 395 Lommarzscn) sogar die Schrift »de trinitate« dem Tertullian beigelegt, bez. sie bereits unter Tertullian’s Namen vorgefunden; aber Hieronymus (ec. Rufin. II,ıg) hat ihn corrigirt: »nec Tertulliani liber est nec Cypriani dicitur, sed Novatiani, cuius et inseribitur titulo, et auctoris eloguium stil proprietas demonstrat.« Dass Novatian sich an Tertullian gebildet hat, erst ihn sela- visch nachahmend, ja einfach ausschreibend (vergl. Quod idola e.ıoff. mit Apolog. 21), dann sich selbständiger entwickelnd, haben Deuuter (s. bes. S.23 und 41 ff. der Separat- ausgabe) und Haussteirer (a.a. OÖ.) gezeigt. Die Benutzung der Schriften Apolog., adv. Marc., adv. Prax., de carne Christi, de prudie., de spectac. ist sicher nachweisbar;

Harnack: Tertullian in der Litteratur der alten Kirche. 563

ausserdem vergl. die Parallele, die Hr. Deuuter (S. 42) zwischen der Schriftstellerei der beiden Theologen gezogen hat:

Novatian: de trinitate Tertullian: adv. Praxean de circumeisione de circumeisione (verloren) ! de cibis Iudaicis de animalibus mundis et immun-

dis (verloren) ! de oratione? de oratione de bono pudiecitiae de pudieitia de spectaculis de spectaculis Dazu: Quod idola dii non sint Apologeticum

Wollte Novatian die Schriften des schismatischen Tertullian durch die seinigen ge- radezu verdrängen? Nun sehr bald ist er in dieselbe Verdammniss gerathen wie Tertullian; ja die Novatianer haben später die schismatischen Schriften Tertullian’s für sich ausgebeutet (s. u. sub 2o und 21)! Genannt hat Novatian den Tertullian niemals.

6. XystusIl., Bischof von Rom: Dass der in Cyprian’s Schriftensammlung gerathene Tractat »ad Novatianum« von dem römischen Bischof Xystus II. herrührt, habe ich in den »Texten u. Unters.« Bd. XIII H.ı bewiesen. Tertullian wird hier nicht genannt, aber seine Streitschrift »de praescript. haereticorum« stillschweigend aus- geschrieben, nämlich ce. 13: »quwi in ruina facilius aedificatorum stantium operatur quam in structione iacentium ruinarum« (cf. de praeser. 42), und e.14: »sub pellibus ovium rapaces bıpos. qui sunt isti rapaces lupi, misi sensu subdolo conspirantes ad infestandum gregem Ohristi?« (cf. de praescript. 4). Auch den term. techn. »praescriptio« hat Xystus von Ter- tullian übernommen, s. e.12: »desine unius capituli praescriptione terrere.« Vielleicht ist auch die Art, wie Xystus die vom Judasbrief benutzte Henochstelle eitirt, von Ter- tullian de cultw I, 3 abhängig, und sein Ausdruck »Caina haeresis« c.ı3 stammt aus Tertullian de bapt. ı.

7. Dionysius, Bischof von Rom: In der ep. adv. Sabellianos, von der uns Athanasius (Zpistola de decretis Nic. Synod. e. 26) ein grosses Bruchstück aufbewahrt hat (s. Rourn, Relig. Sacr. III” p. 373sq.), zeigt sich Dionysius vom Tractat adv. Prax. .2—ıı abhängig; doch kann keine einzige Stelle nachgewiesen werden, die einfach abgeschrieben ist, vielmehr hat Dionysius die trinitarische Lehre Tert.’s im Gegensatz zu den Formeln des alexandrinischen Dionysius in der Richtung der Orthodoxie weiter ausgebildet. Von Tert.’s Werk adv. Marc. ist er nicht abhängig; sonst hätte er nicht dem Mareion (p. 374,9 sq.) drei Prineipien beigelegt. Auf Dionysius’ These, die er leicht aus Tertullian abstrahiren konnte, dass der Sohn kein moimua sei und dass das yeyovevar von ihm nicht gelte, sondern das yeyevvnodar, geht das nicaenische Stich- wort: »yevvndevra ob momdevra« ebenso zurück, wie das andere »öwoovoros« (dieses ist direct tertullianisch, s. u. sub nr. 12).

8. Vietorin von Pettau: Ist dieser Bischof und dies ist höchst wahr- scheinlich der Autor des der Schrift De praescriptione Tertullian’s angehängten und

damit unter Tert.’s Namen gestellten Tractats »adv. omnes haereses«, so ist offenbar, dass er neben seiner Hauptquelle, Hippolyt’s Syntagma, Tertullian’s verlorenen Tractat adv. Apelleiacos (s. meine Schrift De Apellis gnosi monarchica 1874) und die Schrift adv. Praxean (s. den Schluss von adv. omn. haer.) benutzt hat. Genannt hat auch er den Tertullian nicht.

9. Commodian: Gennadius (de vir inl. 15) sagt von ihm: » Tertullianum et Lac- tantium et Papiam auctores secutus«; allein damit soll Commodian nur als Chiliast be- zeichnet werden (Lactantius hat wahrscheinlich später als C. geschrieben). Eine Be- nutzung Tertullian’s durch C. lässt sich nicht nachweisen, es müsste denn, woran PreuscHen erinnert (meine Altchristl. Litt.-Gesch. I S. 680), die verlorene Schrift »De spe fidelium« benutzt sein. Zwar bemerkt Domzarr (Commod. Opp. Praef. p. IV) unter

! Dass Tertullian eigene Schriften unter diesem Titel verfasst hat, ist freilich nicht ganz sicher, s. u. sub nr. 30 p. 2 Aber auch der Titel »de ordinatione« ist überliefert.

564 Gesammtsitzung vom 13. Juni.

Berufung auf Rıcaurrus: »Tertullianeae lectionis apud Commodianum occurrere vestigia iam pridem animadversum est« ; allein sichere Spuren der Abhängigkeit habe ich nicht finden können.

10. Das pseudotertull. Gedicht adversus Marcionem: Dieses Gedicht, welches von Einigen in das 3. Jahrh. versetzt wird, aber höchst wahrscheinlich der Mitte des 4. angehört (s. Hücksräpr, das pseudotert. Gedicht adv. Marcionem 1875), ruht ganz auf den fünf Büchern Tertullian’s (s. meine Abhandl. in Hırcexrero’s Ztschr. f. wiss. Theol. Bd. XIX S. 117; Hücksräpr, a.a.O. S. ı4fl., Oxe, Proleyg. de carm. adv. Marc. 13888 p. 8); aber auch andere tertullianische Schriften sind dem Anonymus bekannt gewesen (s. Hücksträpr, a. a. O.).

ı1. Lactantius: Er ist der erste Schriftsteller, der den Tertullian ausdrücklich nennt, Instit. V, ı, 23: »Septimius quoque Tertullianus fuit omni genere litterarum peritus, sed in eloquendo parum facilis et minus comptus et multum obscurus fuit. ergo ne hie quidem satis celebritatis invenit«, cf.V, 4,3: »quamquam Tertullianus eandem causam ‚plene peroraverit in eo libro cui Apologeticum nomen est etc.«. Benutzt hat Laetantius nicht nur das Apologeticum (Instit. I, 10, 3 = Apol. 14; 1, 23, 2 = 4Apol.ı9; II, 20,15 = Apol.14; IV, 7,5 = Apol.3; IV, 8, 6= Apol. 21; IV, 9, ı = Apol. 21; IV, 18— 21 = Apol. 21; IV, 27 = Apol.23; IV, 29, 3-6 = Apol. 21; V.1,2—-6 = Apol.ı; V,13,18 = Apol. 24; V, 20,9 = 4pol.24), sondern auch in IV, 8, 6f.; IV,9, 1; IV, 13, 5; IV, 29, 3-6 die Schrift adv. Praxean (c. 5.7.8) und in V,19,ı1; V,2o, 5f., V,23,ı die Schrift ad Scapulam (ec. 2. 3. 5). Die Stellen sind in Branpr’s Ausgabe angemerkt.

12. Hosius von Cordova und die nicaenische Formel: Sokrates, h.e.Ill,7, erzählt, Hosius habe bei seiner Anwesenheit in Alexandrien (vor dem nicaenischen Coneil, im Auftrag Konstantin’s, um die streitenden Parteien zu versöhnen) über ovoia und

vmooracıs gehandelt. Ist diese Mittheilung zuverlässig und ich sehe nicht ein, was ihr entgegengehalten werden kann —, so muss angenommen werden, dass Hosius sich

an der Schrift des Tertullian adv. Praxean (s. bes. c. 2. 3. 8. 15. 26. 30), bez. auch an der auf Tertullian ruhenden Schrift Novatian’s De trinitate gebildet hat (s. meine Dogmengesch. 3. Aufl. Bd. II S. 227f.). Das »öuoovoros« der nicaenischen Formel geht letztlich auf Tertull. adv. Prax. zurück (s. c. 2: »per substantiae unitatem«; 1. ec. »unius substantiae«;, c. 3 »consortes substantiae« etc.); ebenso ist das »ek rs oVolas ToV MaTpos« tertullianisch, s. adv. Prax. 7: »ex deo procedit«‘, »unigenitus ut solus ex deo genitus«, »de tanta substantia processit«; c. 8: »mpoßoAn substantiae ex qua prodit«; c. 9: »filius derivatio substantiae patris«; c. 26: »ex ipsius dei substantia« etc. Mit Recht hat daher der Verf. des Praedestinatus (s. u. sub nr. 42) von Tert. gesagt, er lehre »irinitatem in unitate deitatis«.

13. Eusebius: Er ist der einzige griechische Schriftsteller, von dem wir be- stimmt wissen, dass er eine Schrift Tertullian's gekannt hat; er hatte eine ziemlich freie, zum Theil auch ungenügende griechische Übersetzung des Apologetieum in Hän- den und hat sie an mehreren Stellen in seiner Kirchengeschichte (II, 2, 4£.; II, 25, 4; III, 20, 9; III, 33. 3f.; V, 5, 6f.) benutzt, bez. wörtlich ausgeschrieben, s. meine Ab- handlung in den »Texten und Unters.« Bd. VIII H.4. Diese Übersetzung war viel- leicht schon dem Julius Africanus bekannt, ja vielleicht ist er der Übersetzer gewesen (an. der Wahrscheinlichkeit halte ich fest, wenn auch nicht alle Gründe stichhaltig sind, die ich a.a. O. angeführt habe; s. Menperssonw im Philol. Bd. 52 S. 556f.). Von Tertullian sagt Eusebius (II, 2, 4): raura TeprväXtavos rovs "Ponalov vouovs KpıBorbs Avıjp, ra Te ara Evöofos al Tov uaxıora Em "Poyuns Aaumpov [Nicephorus Call. giebt das in seiner Kirchengeschichte Il, 8 also wieder: avnp Emibavıs kal av em "Pouns Aaumpov kart vouov arpißerav] Ev 5 ypabeion ev abro "Ponalov dovj, ueraßAndeion de Kal em Tv 'ENAAda yAorrav bmep Xpioriavov dmoXoyla Tidnoı Kara Aekıv ToUTov ioTop@v TOVv TPOTMOV. Über die Person und die Schicksale des Tertullian sagt er sonst nichts. In die Chronik, in der er bereits die Excerpte aus dem Apologetieum benutzt hat, hat er Tertullian nicht eingetragen; denn die in Hieronymus’ Chronik sich findende Bemerkung (ad. ann. Abr. 2224): »Tertullianus Afer centurionis proconsularis filius omnium ecclesiarum sermone cele- bratur« ist, da sie im Armen. und Syrer fehlt, für einen Zusatz des Hieronymus zu

Harnack: Tertullian in der Litteratur der alten Kirche. 565

halten, was auch durch den Stil bewiesen wird. Aus Eusebius haben spätere Griechen und Örientalen die Kenntniss der Apologeticum-Fragmente geschöpft (damit auch die Kenntniss des Pliniusbriefs), so Suidas und der Verf. des gefälschten Abgar-Tiberius- Briefwechsel bei Moses von Chorene.

14. Altercatio Heracliani laici cum Germinio episcopo Sirmiensi: In dieser von Casparı entdeckten und in den »Kirchenhistorischen Anecdota« 1883 S.133 ff. zum ersten Mal herausgegebenen Schrift vom Jahre 366 legt der orthodoxe Laie Hera- elianus (S. 143ff.) sein Glaubensbekenntniss fast wörtlich nach Tertull., Apol. 21, ab: „Cum radius ex sole porrigitur, portio ev summa est; sed sol erit in radio, quia solis est radıus, nec separatur substantia, sed extenditur, ut lumen de lumine accensum. manet integra, in- defecta materia, etsi plures inde traduces qualitatum mutueris. ita et quod de deo profectum est, deus est et dei filius, et unum ambo. ita et de spiritu sancto et de deo modulo. alterum ergo gradum, non statum fecit, exinde non discessit, sed excessit. iste igitur dei filius, ut retro semper praedicabatur, delapsus in virginem quandam et in utero eius caro figuratus, nascitur homo deo mixtus. caro spiritu structa nascitur, adolescit, afatur et Christus est. Haec mea fides est«. Ausserdem ist p. 142 (»sicut enim unus pater, unus et filius et spiritus sanctus, unus vigor. nam et tres unum sunt«) wahrscheinlich adv. Prax. 25 benutzt. Ge- nannt ist Tertullian nicht.

15. Optatus von Mileve: Dieser Bischof schreibt lib. I ec. 9: » Marcion Praxeas Sabellius Valentinus et ceteri usque ad Cataphrygas temporibus suis a Vietorino Petavionensi et Zephyrino Urbico et a Tertulliano Carthaginiensi et ab alüs adsertoribus ecclesiae catho- licae (es ist beachtenswerth, dass Tertullian zu diesen hier gezählt ist) superati sunt«. Die Erwähnung des Praxeas zeigt, dass Optatus die Schrift Tertullian’s gekannt oder mindestens von ihr gehört hat. Ferner geht aus der Stelle IV, 5 hervor (»u2 Marcion, qui ex episcopo |!] apostata factus inducebat duos deos et duos Christos, ut Praweas, qui argu- mentabatur patrem passum esse, non filium, ut Valentinus, qui conabatur carnem Christo subducere. horum est sermo, qui habuit cancer ad fidei membra vexanda. talis sermo est et Scorpiani haeretici, qui negabat debere esse martyria«), dass er die tertull. Schriften adv. Marc. (s. lib. I. II), adv. Prax., de carne Christi und Scorpiace gekannt hat. Ferner folgt aus III, 3 (ed. Zıwsa p. 75), dass er das Apologeticum gelesen hat (vergl. »cum super ümperatorem non sit nisi solus deus, qui fecit imperatorem ete.« mit Apol. 29-34). Endlich vergl. zu Optatus V,3 (p.125f.) »ne in Marcionis foveas incidatis« Tertull. adv. Mare. V,13: »quantas foveas in ista epistula Marcion fecerit.«

16. Zeno von Verona: Hr. Weyman (Studien zu Apulejus und seinen Nach- ahmern. München 1893 S.352) schreibt: »Von den älteren Kirchenschriftstellern hat unstreitig Tertullian den grössten Einfluss auf Zeno geübt. Von ihm hat er wohl den Hang zur Ironie ererbt, aber ohne in seine ätzende Bitterkeit zu verfallen, von ihm hat er eine gewisse energische Gedrungenheit des sprachlichen Ausdrucks gelernt, unter welcher bisweilen beim Schüler wie beim Meister die Verständlichkeit zu leiden hat. Nur einige wenige Beispiele mögen Zeno’s bald auf den Gedanken, bald auf den Stil sich erstreckende Abhängigkeit von dem genialen Karthager veranschaulichen. Zeno I, 9, ı p.72 (der Ausgabe von GivLıart): »pecus« von der Frucht im Mutterleibe, vergl. Tertull. adv. Marc. IV, 21 mit der Note Ornrer’s I] p.213; ], 16,4 p.120 »mortis iam lege dispunctus«, vergl. Tertull. de resurr. 58: »nondum resurrectione dispuncti« mit Ornrer’s Erklärung im Index p. CXXXVI; II, ı,ı p.ı32 »exserte iubet«, vergl. Tert. ad uxor. II, ı »exerte iubet«, de ieiun. 17; 11, 46 p. 263 »idem sui successor« (dies), vergl. Tert. de resurr. 12 »lux ... haeres sibimet existens«, wozu schon Oruser II p.482 die Zenostelle angemerkt hat«. Eine genauere Untersuchung des Verhältnisses von Zeno zu Tertullian steht noch aus. Genannt hat er ihn nicht.

17. Lucifer von Calaris: Lucifer hat den Tertullian nicht genannt, aber in dem Tractat »Moriendum esse pro filio dei« e.ı3 (p.313, 3fl. Harırr) hat er Scorp. 5 ausgeschrieben (vAY DER Vrier, studia eccles. I, 46 hat noch auf einige andere Ab- hängiskeiten hingewiesen). Ebendort c.4 (p. 292, 4fl.) hat er die tertullianisch- eyprianische christologische Formel (s. De orat. 1, Apol. 21) mit der nicaenischen Formel verbunden: »detestabilis mens tua indigne fert, quia diecamus Ohristum dei filium

566 Gesammtsitzung vom 13. Juni.

dei esse verbum, dei sapientiam, dei virtutem, deum verum de deo vero, natum de patre, i. & de substantia patris, lumen de lumine, natum non factum_ete.«

ı8. Hilarius von Poitiers: Das Verhältniss der Schriftstellerei dieses Bischofs zu der des Tertullian ist bisher nicht näher untersucht worden. In seinem grossen Werke De trinitaie ist er, wie es scheint, nicht von Tertullian, sondern von den Griechen abhängig; allein dass er Tertullian gelesen hat, und zwar die Schrift De oratione, ver- räth er (in Matth. e. 5,1) in folgender beachtenswerther Wendung: » Tertullianus hinc volumen aptissimum (d.h. de orat.) scripserit, sed consequens error hominis detrawit scriptis probabilibus auctoritatem«. Lactantius und Eusebius, die einzigen, die vor Hilarius den Tertullian genannt haben, haben über den »error« geschwiegen; Hilarius ist der erste, der Tertullian mit einer bitteren Nota eitirt. Die dogmatisch - christologische Überlieferung, die Tertullian und Novatian geschaffen haben, ist ihm natürlich bekannt gewesen, ja er ist von ihr ausgegangen.

19. Das zweite pseudopolykarpische Fragment: Hier (Ignatü et Polye. epp. rec. Zaun 1876 p.171) heisst es am Schluss: »Legitur et in dolio ferventis olei pro nomine Christi beatus loannes demersus«. Diese Mittheilung ist schwerlich von Tertull. De praescer. 36 unabhängig; allein wir vermögen mit ihr nichts anzufangen; denn der Ursprung der von Vietor von Capua beigebrachten pseudopolykarpischen Fragmente ist ganz dunkel (ausserdem wird von Zans [a.a. O.] die Mittheilung als ein späterer Zusatz betrachtet).

20. Ambrosiaster: Während Ambrosius in seinen zahlreichen Werken und Briefen nirgendwo, soviel ich sehe, Kenntniss des Tertullian verräth eine höchst‘ beachtenswerthe Thatsache —, kennt der unter dem Namen des Aınbrosiaster bekannte Commentar zu den Paulusbriefen Tertullian als Schriftsteller und als Ketzer: in ep. ad Rom. 5,14 und in ep. ad Cor. ı3,2. Die erste Stelle lautet (der Verfasser will in v.14 an nicht gelesen wissen, kennt aber diese richtige Lesart und bespricht sie): »nam hodie quae in Latinis reprehenduntur codicibus, sic inveniuntur a veteribus posita, Ter- tulliano, Vietorino et Cypriano«. In den uns erhaltenen Schriften streift Tertullian mei- nes Wissens nur De anima 4o die Stelle Röm. 5,14, ohne dass zu entscheiden ist, wie er gelesen hat. Jedenfalls lag dem Ambrosiaster eine grössere Anzahl tertull. Schriften vor. Zul. Cor. 13,2 bemerkt er: »nam et Tertullianus et Novatianus non parvae scientiae Juerunt, sed quia per zelum caritatis foedera perdiderunt, in schisma versi ad perditionem sul haereses creaverunt«. Hier wird Tertullian einfach als Häretiker bezeichnet; die Zusammenstellung mit Novatian, die hier zuerst begegnet, ist bemerkenswerth. In seiner Theologie ist Ambrosiaster von Tertullian abhängig.

2I und 22. Pacian von Barcelona und die Novatianer seiner Zeit. Pacian hat in der ep. I an den Novatianer Sempronianus den Tractat De paenitentia an mehreren Stellen wörtlich ausgeschrieben (s. auch die Paraenesis ad paenit.). In ep. III c.24 hat er Folgendes bemerkt: Tertullianum post haeresim nam multa inde sumpsi- stis ipsum epistula sua et ea ipsa quam catholicus edidit, audies confitentem: »posse ec- clesiam peccata dimittere«. Pacian unterscheidet hier zwei »Briefe« Tertullian’s, 1. einen, den er, nachdem er Häretiker geworden, geschrieben hat, das ist die Schrift De pu- dieitia, hier findet sich e.2ı (p. 269,24f. ReırrerscHeip) in der That der Satz: »Potest ecclesia donare delictum«, 2. einen, den er, als er noch Katholik war, verfasst hat, näm- lich De paenitentia, den Pacian auch sonst braucht und dem der Gedanke, die Sünden können vergeben werden, zu Grunde liegt. Höchst beachtenswerth aber ist das Dop- pelte: erstlich dass Pacian wie Hilarius (doch ohne dessen Zusatz, s. 0.) zwischen ka- tholischen und häretischen Schriften Tertullian’s bestimmt und richtig unterscheidet, zweitens dass Pacian bemerkt, dass die Novatianer (mindestens die seiner Zeit, wahr- scheinlich schon die älteren) die montanistischen Schriften Tertullian’s (speciell wohl De pudieitia) stark für sich ausgebeutet hätten (vergl. die Zusammenstellung von Ter-

! Die bei Ambrosius sich findenden Apelles- Fragmente sind nicht der verlorenen Schrift Tertullian’s adv. Apell. entnommen, sondern wahrscheinlich einem exegetischen Werk des Orige- nes; s. meine Abhandlung in den »Texten und Unters.« Bd. VI H.3.

Harnack: Tertullian in der Litteratur der alten Kirche. 567

tullian und Novatian bei Ambrosiaster oben sub 20). Ausser der Schrift »De paeni- tentia« klingen auch andere Tractate Tertullian’s bei Pacian nach.

23. Philaster: Er hat in seinem ber de haeresibus Tertullian niemals genannt, aber aus mehreren Capiteln geht hervor, dass er ihn benutzt hat, ja, wenn nicht Alles täuscht, hat er sogar eine Schrift Tert.'s benutzt, die uns nicht mehr erhalten ist. C.89 schreibt er: »Sunt alii quoque, qui epistolam Pauli ad Hebraeos non adserunt esse ipsius, sed dicunt Barnabae esse apostoli«,; diese Mittheilung geht vielleicht auf Tertull. De pudie. 20 zurück (cf. Hieron. De vir. inl. 5). Aus Tertull. De anima 1. 3. 11. 22. 24 wissen wir, dass Tertullian eine, uns leider verlorene Schrift De censu animae adv. Her- mogenem geschrieben hat, in welcher er den Ursprung der Seele aus materiellem Stoff abgewiesen und ihre Entstehung »exr dei flatu« behauptet hat. Es ist möglich, dass sich etwas von dieser Schrift in Aaer. 126 erhalten hat: »Est et alia haeresis quae de censu animae ambigens ex elementis eam consistere opinatur, ut multi philosophi vanissimi nune de igne, nunc de aqua, nunc de spiritu, nunc de materia, nunc de fonte, nunc de ato- mis, nunc quasi aöra esse animam hominum suspicantur, cum anima facta sit a domino, ex nihilo seil. (Tertullian sagt freilich ex flatu dei), ut seriptum est: »(Qui fecit ex ni- hilo omnia, ut essent quae non erant, etc.«. Sowohl der Ausdruck »census ani- mae«, als das Citat aus Hermiaas, Mand. I denn hier ist die Stelle zu finden spricht dafür, dass Philaster von Tertullian abhängig ist, der in seinen früheren Schriften den Hermas anerkannt hat (s. De orat.), später freilich nicht mehr. Philaster selbst hat die Quelle des Citats gar nicht mehr gekannt; denn haer. 30, wo es noch einmal steht daher ist es möglich, dass auch in Aaer. So tertullianisches Gut steckt —, führt er das- selbe irrthümlich auf Salomo (Sap. Sal. 1,14) zurück (auch A. 55 findet sich das Citat wieder). Am deutlichsten ist die Abhängigkeit des Philaster von Tertullian in Aaer. 54.55 (wo er den einen Hermogenes in einen Hermogenes und Hermias gespalten hat); h.54: »... et Praxeani a Praxea, et Hermogeniani ab Hermogene, qui fuerunt in Africa, qui et ita sentientes abiecti sunt ab ecclesia catholica«. Nun wird (A. 55) die Lehre der »Galater, des Seleucus und Hermias« (d. h. des Hemogenes) geschildert. Da sich das Gesagte nur zum Theil in der Schrift Tert.’s »adv. Hermogenem« findet, darf man annehmen, dass das Übrige aus der Schrift »De censu animae adv. Hermogenem« getlossen ist. »Qui cum volunt deum esse incorporeum (hier ist die Spur Tertullian’s deutlich), Aylen etiam, i. e. materiam mundi coaeternam esse cum deo asserunt, et materiam quidem elementorum, quae est sine anima, irrationabilis scil., quae facta est a deo patre per filium ex nihilo, ut possit esse gquae ante non erat (}lermas, Mand. I), non ita accipiunt; spiritum autem hominis, i. e. animam non factam a deo per filium, sed de terra esse aiunt; malum autem aliquando a deo, aliquando esse a materia asserunt. salvatorem autem in carne negant se- dere ad dexteram patris, sed evspoliasse carnem et posuisse in solem aestimant (s. Clemens Alex., Eclog. 56; Hippol., Refut. VIII,17; X,28), guwia dixit propheta, cum nesciant quid dixerit: » In sole posuit tabernaculum suum«. paradisum visibilem neygant a Platone (= ex, secundum Plat.), et isti vanitatibus servientes et animas hominum de igne et spiritu esse aesti- mantes isto baptismo non utuntur propter verbum hoc, quod dixit Ioannes baptista: »Ipse vos baptizabit in spiritu et igne«. Isti angelos dicunt creatores esse animarum nostrarum, non Christum salvatorem, mundum autem istum infernum esse adserunt, et resurrectionem in ‚filiorum procreatione hanc esse praedicant quae fit in humano genere quottidie, non illam immortalitatis futuram atque gloriosam annuntiant exspectantes.« Dass Hermias = Her- mogenes ist und dass hier eine alte Quelle, nämlich Tertullian's verlorene Schrift zu Grunde liegt, wird durch den folgenden Paragraph bestätigt. Es lässt sich vermuthen, dass Philaster auch in anderen Capiteln seines Werks (verlorene) Schriften Tertullian’s benutzt hat, aber es lässt sich nicht beweisen.

24. Die dem Ambrosius beigelegte Altercatio über den Ursprung der Seele: Dieser von Casparı zum ersten Mal herausgegebene, nicht näher zu da- tirende, aber aus dem kirchlichen Alterthum stammende Tractat (Kirchenhistor. Anecdota S. 225ff.) » Altercatio S. Ambrosü ce. eos, qui animam non confitentur esse facturam aut ex traduce esse dicunt« enthält p. 229 den Satz: »Cesset Ermogenis, qui dicit, nihil post mortem hominem futurum«. Die dem Hermogenes hier beigelegte Irrlehre deckt sich mit der,

568 Gesammtsitzung vom 13. Juni.

die Philaster (sub 23) dem »Hermias« beigelegt hat; der Hermias des Philaster ist also wirklich Hermogenes. Die Quelle des Anonymus kann aber Philaster nicht gewesen sein, denn jener nennt den richtigen Namen. Also gehen Beide auf eine gemeinsame Quelle zurück. In Tertullian’s Schrift »adv. Hermogenem« findet sich nichts dergleichen; also ist es wahrscheinlich, dass Tertullian’s verlorene Schrift »De censu animae adv. Hermog.« die Quelle gewesen ist; denn kein Lateiner ausser Tertullian hat über Her- mogenes selbständige Nachrichten gebracht.

25. Paulus senex Concordiae: s. sub nr. 30/.

26. Nepotianus: s. sub nr. 308.

27. Chromatius, Jovinus ete.: s. sub nr. 30m.

28. Marcellinus und Anapsychia: s. sub nr. 30a.

29. Helvidius: s. sub nr. 30.

30. Hieronymus: Was wir von Tertullian’s Leben und Schriften, abgesehen von seinen eigenen Angaben, wissen, verdanken wir fast Alles dem H. De vir. inl. 53 (a): » Tertullianus presbyter nunc demum primus post Vietorem et Apollonium Latinorum ponitur, provinciae Africae, civitatis Carthaginiensis, patre centurione proconsulari. hic acris et vehementis ingenü sub Severo principe et Antonino Caracalla maxime floruit multaque seripsif volumina, quae, quia nota sunt pluribus, praetermittimus (die Verbreitung dieser

nicht häretischen Schriften solche meint H. hauptsächlich; denn die schismatischen hat er am Schluss besonders angeführt, allerdings nicht vollständig; über die Unter- scheidung s. sub nr. 18. 21 ist also augenscheinlich noch unbeschränkt gewesen).

Vidi ego quendam (dieser Satz ist bereits oben sub 4 mitgetheilt) ete. Hic usque ad mediam aetatem presbyter fuit ecclesiae (Africanae) , invidia postea et contumelis clericorum Romanae ecclesiae ad Montani dogma delapsus in multis libris novae prophetiae meminit. specialiter autem adversus ecclesiam texuit volumina De pudicitia, De persecutione, De ieiunüs , De monogamia, De ecstasi libros sex, et septimum, quem adversum Apollonium composuit (alle diese Schriften fehlen im Cod. Agobard.!), ferturgue vixisse usque ad decrepitam aetatem et multa quae non exstant opuscula condidisse« (hiernach soll Tertullian noch eine dritte schriftstellerische Periode gehabt haben, deren Producte untergegangen sind sehr unwahrscheinlich!). Über die jetzt verlorene, wahrscheinlich griechisch abgefasste Schrift De ecstasi hat sich H. noch (b) ce. 24 (»Melitonis elegans et declamatorium ingenium Tertullianus in VI libris, quos scripsit adversus ecclesiam pro Montano, cavillatur dicens eum a plerisque nostrorum prophetam putari«) und (c) ce. 40 Tertullianus VI voluminibus adversus ecclesiam editis, quae scripsit de &koraceı, VII. proprie adversum Apollonium elaboravit, in quo omnia, quae ille arguit, conatur defendere«) geäussert. In (d) c. 18 erwähnt er die gleichfalls verlorene Schrift De spe ‚fidelium und sagt, sie sei chiliastisch Tertullianus quoque in libro De spe fidelium et Victorinus ... hac opinione ducuntur«). In (e) c.5 sagt er, dass der Hebräer- brief »ücurta Tertullianum« von Barnabas sei, und zeigt damit, dass er De pudieit. 20 ge- lesen hat. In (/)e.7 theilt er etwas über die Acta Pauli et Theclae mit, was Tertullian de bapt. ı7 zu lesen steht (»Igitur Tlepıodovs Pauli et Theclae et totam baptizati leonis fabulam inter apocrypha computemus. quale enim est, ut individuus comes apostoli inter ceteras eius res hoc solum ignoraverit? sed et Tertullianus, vieinus illorum temporum, refert presbyterum quendam in Asia, omovöaornv apostoli Pauli, apud lohannem convictum, quod auctor esset libri, et confessum se hoc Pauli amore fecisse, loco excidisses). Da Hieronymus den Ter- tullian hier mehr sagen lässt, als er a. a. O. gesagt hat, so hat man angenommen, H. berücksichtige hier auch die verlorene, griechisch abgefasste Schrift Tert.’s De baptismo; aber diese Hypothese ist sehr gewagt. In (g) e. 4 schreibt Hieron.: »/udas ‚frater Domini ... de libro Enoch, qui apocryphus est, adsumit testimonium (nach ihm Priseillian, tract. 111 p. 44, 19f. ed. Scurrss: »Quis est hie Enoc quem in testimonium profetiae aposto- lus Iudas adsumpsit?). Das ist schwerlich unabhängig von Tert. de cultu fem. 1, 3: »Eo accedit, quod Enoch apud Iudam apostolum testimonium possidet«. Über die Benrtheilung des novatianischen Werks De trinitate als Auszug aus Tert.’s Schrift adv. Prax. (De vir. inl. c. 70) Ss.o. sub nr. 5.

In der Chronik hat Hieron. (R) die bei Eusebius aus der griechischen Über- setzung des Apologeticum stammenden Stücke nach dem Grundtext gegeben (er hat

nn nn

Harnack: Tertullian in der Litteratur der alten Kirche. 569

also das Apologeticum eingesehen; s. meine Abhandlung in den »Texten und Unters.« Bd. VII H. 4) und ausserdem (i) zum ann. 2224 bemerkt: » Tertullianus Afer centurionis proconsularis filius omnium ecclesiarum sermone celebratur«. Hiermit spielt er auf die griechische Übersetzung des Apolog. an. Bemerkenswerth ist, dass er von Tertullian als Schismatiker ganz schweigt. Endlich bemerkt er noch in der Chronik (A) zum ann. 2014: »Tertullianus in eo libro, quem contra Iudaeos seribit, adfirmat, Christum XLI. anno Augusti natum et XV. passum esse« (cf. Tert. adv. Iud. 3).

In vielen seiner Briefe hat Hieron. den Tertullian erwähnt oder stillschweigend benutzt und dabei werthvolle Bemerkungen gemacht: (2) Ep. 5 (ad Florentium): »Seripsit et mihi quidam de patria supradicti fratis Rufini, Paulus senex, Tertulliani suwum codicem apud eum esse, quem vehementer reposeit«. Dieser Paulus hat (nach De vir. inl. 53) in seiner Jugend noch den damals hochbejahrten Notarius des Cyprian gesehen und gesprochen. Sein Tertullian-Codex mag daher sehr alt gewesen sein, ja vielleicht eben von jenem Notarius stammen. Umfasste dieser Codex sämmtliche Schriften Tertullian’s? Das ist doch nicht wahrscheinlich (s. Vincentius sub 38, der von multis ac magnis Tertul- liani voluminum molibus spricht). (m) Ep. 7,3 (ad Ohromatium, Iovinum etc.) schreibt H.: »Bonosus, ut scribitis, quasi filius ix®vos i. e. piscis aquosa petit. nos pristina contagione sordentes quasi reguli et scorpiones arentia quaeque sectamur«. Das ist aus Teert. De bapt. ı geflossen: »Nam fere viperae et aspides ipsique reguli serpentes arida et inaquosa sec- tantur. sed nos pisciculi secundum Ix0vv nostrum Iesum Christum in aqua nascimur nec aliter quam in aqua permanendo salvi sumus«. Die Stelle zeigt übrigens, dass auch die Adressaten die Schrift De bapt. gekannt haben. (n) Ep. 21, 3 (ad Damasum) wider- legt H. die tertull. Auslegung vom verlorenen Schaf und verlorenen Groschen in der Schrift De pudicit.9 (Tert. deutete sie auf Heiden): » Unde vehementer admiror, Tertullia- num in eo libro, quem De pudicitia adversum paenitentiam scripsit, et sententiam veterem nova opinione dissolvit, hoc voluisse sentire, quod publicani et peccatores, qui cum domino vescebantur, Ethniei fuerint, dicente scriptura: Nom erit vectigal pendens ex Israel.... Ile autem qui |qwia] iuvta insanas et blasphemas feminas suas (gemeint sind Maximilla und Priscilla) id dogmatis defendebat, quo Christianos nollet recipere paenitentes, frustra argumen- tatus est, publicanos Iudaeos non fuisse, ut in persona eorum Gentilium tantum populus possit intelligi« ; s. De pudic. 9 p. 236, ııff. (Reırrerscheip): »aut si quis dubitat ethnicos Juisse publicanos apud Iudaecam ...legat Deuteronomium: »non erit vectigal pendens ex filüs Israel««. (0) Ep. 22,22 (ad Eustochium): »Et in principio libelli (scil. adv. Helvidium) praefatus sum, me de angustüs nuptiarum aut nihil omnino aut pauca dieturum, et nunc eadem admoneo, ut si tibı placet scire quot molestüs virgo libera, quot uwor adstricta sit, legas Tertullianum Ad amicum philosophum et De Virginitate alios libellos ete.«. Die hier genannte, uns verlorene Schrift » Ad amicum philosophum« \kennen wir nur noch aus einer zweiten und dritten Anführung des Hieron. (ep. 48, 18 und adv. Iovin. I, 13, s. unten); die Zibelli de virginitate sind wohl die zahlreichen Schriften, in denen Tert. die Ehe- und Jungfrauenfrage behandelt hat. (p) Ep. 36, ı (ad Damasum): Hieron. schreibt, auf die beiden ihm von Damasus vorgelegten Fragen über die reinen und unreinen Thiere und über die Beschneidung als das dem Abraham gegebene jidei signum wolle er nicht antworten, »quod ab eloquentissimis viris, Tertulliano nostro scil. et Novatiano (es ist bemerkenswerth, dass er den Tertullian im Unterschied von Novatian als »noster« bezeichnet [doch fehlt es in einigen Mss.]; natürlich ist damit Tertullian nicht nur, wie Varrarsı meint, als lateinischer Schriftsteller bezeichnet, vielmehr sagt Hieron. damit, dass die betreffende Schrift Tert.’s aus seiner katholischen Epoche stammt, während die des Novatian aus seiner schismatischen) Latino sermone sint editae, et si nova volue- rimus afferre, sit latius disputandum ... et Origenes in IV. Pauli ad Romanos 'EEyynoeov tomo de circumeisione magnifice disputavit, et de mundis atque immundis animalibus in Le- vitico plura disseruit«. Dass Tertullian eigene Schriften unter diesen Titeln wir wissen sonst nichts von ihnen verfasst hat, ist nicht sicher, aber wahrscheinlich; denn bei Novatian ist es gewiss, dass er zwei einschlagende Tractate geschrieben hat (»De circumeisione« und »De cibis iudaieis«), und in Tert.'s uns erhaltenen Schriften findet sich nichts, worauf sich Hieron. hat beziehen können. (g) Ep. 48,13. 188g.

570 Gesammtsitzung vom 13. Juni.

(ad Pammachium): Hieron. vertheidigt das »scribere yuvuvaorıkös« unter Berufung auf viele profane und kirchliche Schriftsteller, u. A. auf die lateinischen Schriftsteller Ter- tullian, Cyprian, Minueius ete. Ferner vertheidigt er seine herbe Beurtheilung der Ehe durch Hinweis auf Tertullian (wahrscheinlich De angustüs [molestüs] nuptiarum): »Lege Tertullianum, lege Cyprianum, lege Ambrosium, et cum ilis me vel accusa vel libera«. End- lich nennt er unter den zahlreichen Schriftstellern, die »de impari numero« geschrieben haben, auch den Tertullian. Welche Schrift, bez. welche Stellen in Tertullian’s Schriften er im Auge gehabt hat, ist unsicher, vielleicht adv. Marc. IV,9g oder andere Stellen, wo Tertullian von der Siebenzahl spricht. (r) Ep. 58,10 (ad Paulinum) kritisirt H. die Schreibart der früheren kirchlichen lateinischen Schriftsteller: » Tertullianus creber est in sententüs, sed diffieilis in loquendo; b. Cyprianus instar fontis purissimi duleis incedit et placidus, et cum totus sit in exhortatione virtutum, occupatus persecutionum angustüs, de scripturis divinis nequaguam disseruit« (es folgen Urtheile über Vietorin, Lactantius, Ar- nobius und Hilarius). (s) In der Ep. 60 (ad Heliodorum epitaphium Nepotiani) erzählt H., dass Nepotian in der christlich-lateinischen Litteratur ausgezeichnet bewandert ge- wesen sei und ein vortreffliches Gedächtniss besessen habe: »Illud, aiebat, Tertulliani, istud Cypriani, hoc Lactantü, ilud Hilarii est; sic Minucius Felix, ita Vietorinus, in hune modum. est locutus Arnobius«. (t) In Ep. 62,2 (ad Tranquillum) drückt er sich in Bezug auf die Art, wie man Origenes lesen müsse, also aus: »ego Origenem propter eruditionem sic interdum legendum arbitror, quomodo Tertullianum, Novat(ian)um, Arnobium, Apollina- rium et nonnullos ecclesiasticos scriptores Graecos pariter et Latinos, ut bona eorum eligamus vitemusque contrariax. (u) In Ep. 64,23 (ad Fabiolam) erwähnt H. die Schrift Tert.’s »De Aaron vestibus«, die weder Tertullian selbst noch irgend ein anderer Zeuge er- wähnt. Gesehen hat sie Hieron. auch nicht selbst, sondern nur »in Indice Sept. Tertul- liani« also kannte er einen solchen und zwar einen vollständigeren als der Codex Agobardinus ihn bietet von der Existenz der Schrift gelesen: »Fertur in Indice Sep- timü Tertulliani liber de Aaron vestibus, qui interim usque ad hanc diem a me non est re- pertus; si a vobis propter celebritatem Urbis fuerit inventus (die Hoffnung auf die römi- schen Bibliotheken, die Hieron. hier ausspricht, hat man in späterer Zeit nicht mehr gehegt, vielmehr über den Büchermangel daselbst geklagt), guaeso ne meam stillam il- lius flumini comparetis. non enim magnorum virorum ingenüs, sed meis sum viribus aesti- mandus«. (v) In Ep. 69,1 (ad Oceanum) hat er stillschweigend De baptismo ı benutzt: »Consurgit mihi Caina haeresis, atque olim emortua vipera contritum caput levat« (cf. De bapt. ı: »quaedem de Caina! haeresi vipera«). (w) In Ep. 70, 5 (ad Magnum), dem Sei- tenstück zum Traetat De vir. inl. schreibt H.: »Veniam ad Latinos. quid Tertulliano eruditius, quid acutius? Apologeticus eius et Contra Gentes libri cunctam saeculi obtinent [continent] disciplinam«. (x) Die Stelle aus Zp. 84, 2 (ad Pammachium) wurde bereits oben sub nr. 4 mitgetheilt; vollständig lautet sie: B. Oyprianus Tertulliano magistro uti- tur, ut eius scripta probant; cumque eruditi (Cod. Veron.: eristici) et ardentis viri delectetur ingenio, Montanum cum eo Maximillamque non sequitur«. (y) In Ep. 85, 5 (ad Paulinum) schreibt H.: »De secundo problemate tuo Tertullianus in libris de monogamia disseruit as- serens, sanctos dici fidelium filios, quod quasi candidati sint fidei et nullis idololatriae sordibus polluantur«. Man beachte, dass H. »in hbris de monogamia« geschrieben hat. Er meint nicht die besondere Schrift »De monogamia«, denn in ihr findet sich meines Wissens das Citat nicht (gegen Preuscuen in meiner Lit.-Gesch. I S. 682, der ohne Grund auf c.6 verweist; auch in ce. 3.11 steht es nicht), sondern die Schriften überhaupt, die Tertullian über die Einehe verfasst hat. Aber in keiner derselben habe ich jenes Ci- tat mit dem echt tertullianischen Ausdruck »candidati fideis gefunden, weder in der Schrift Ad uxor. II, 2, noch De pudic. 16, noch De anima 39. Also hat der Ausdruck in einer uns nicht erhaltenen Schrift Tert.’s gestanden. (2) In Ep. 107, ı (ad Lae- tam) schreibt H.: »Fiunt non nascuntur Christiani«. Das ist dem Apolog. ec. ı8 ent-

ı So wird zu lesen sein und nieht, wie überliefert ist, »G@aiana haeresis. Eben nach der Stelle des Hieronymus ist die unserige zu emendiren, s. auch Sixtus (Pseudocyprian) ad Nova- tianum e.13: »Caina haeresis«.

m

Dil

Harnack: Tertullian in der Litteratur der alten Kirche. 571

nommen (vergl. De test. anim. 1). (22) der ganze 123. Brief (ad Ageruchiam) besteht aus Anleihen bei Tertullian; ce. ı3 enthält eine Stelle aus Adv. Mare., c. 14 eine aus de exhort. cast. 12. (a) Nach Ep. 126, ı endlich (ad Marcellinum et Anapsychiam) ist ihm von diesen unter anderen Fragen über die Seele auch die vorgelegt worden »an (anima) ex traduce, ut Tertullianus, Apollinaris et maxima pars occidentalium autumant«. Wir lernen daraus, dass sich Tert.'s Schrift De anima und die in ihr niedergelegten posi- tiven Gedanken einer grossen Verbreitung im Abendland erfreuten; speciell die Adressaten haben sie gekannt.

Aus dem Tractat De perpetua virginitate b. Mariae adv. Helvidium c.ı7 (ß) erfahren wir, dass sich dieser für seine These auf Tertullian (auf welche Schriften? vielleicht auf De virg. vel. 6 oder De carne 23) berufen hat (»Helvidius Tertullianum in testimonium vocat«). Hieronymus antwortet: »De Tertulliano quidem nihil amplius dico, quam_ ecelesiae hominem non fuisse«. Hier also giebt er den Tertullian völlig preis; allein (y) in c.2o hat er trotzdem, freilich stillschweigend, tertullianische Ausführungen aus dessen Schriften über die Ehe und die Ehefrau benutzt. In seinen Büchern gegen Jovinian hat H. die Tratate De monog. und De ieiun. verwerthet (s. Schurrzen in den Neuen Jahrh. f. deutsche Theol. III. Bd. S. 485ff.), und zwar sind im ı. Buch (ce. 7-9, 14—16, 18, 19, 25) de monog. cc. 3—6, 8, 13—17 benutzt, im 2. Buch (ce. 15-17) de ieiun. vv. 1. Die Stellen tragen auch etwas für die Textkritik Tertullian’'s aus. In I,ı3 (6) kommt er auch wieder (s. 0.) auf die verlorene Schrift De angustis nuptiarum zurück, die er als eine Jugendschrift Tertullian’s bezeichnet: »Certe et Tertullianus eum adhuec esset adolescens lusit (war die Schrift etwa in Versen abgefasst, wie Varrarsı vermuthet?) in hac materia (scil. in descriptione angustiarum nuptiarum)«. In I,26(e) schreibt er: » Refert autem Tertullianus, quod (Iohannes apostolus) Romae missus in ferventis olei dolium purior et vegetior exiverit quam intraverit«. Diese Stelle steht De praeser. 36: » Apostolus Johannes, posteaquam in oleum igneum demersus nihil passus est, in insulam relegatur«. Hieron. hat hier den Tert. mehr sagen lassen als er sagt. Adv. Vigilant.8 () hat H. die Schrift Scorpiace bezeugt: »Seribit adversum haeresem tuam, quae olim erupit adversum ecclesiam ne et in hoc quasi repertor novi sceleris glorieris Tertullianus vir eruditis- simus insigne volumen, quod Scorpiacum vocat rectissimo nomine, quia arcuato vulnere in ecclesiae corpus venena diffundit, quae olim appellabatur Caina haeresis', et multo tempore dormiens vel sepulta nunc a Dormitantio (= Vigilantio) suscitata est. miror, quod non di-

cas, nequaquam perpetranda martyria etc.«. (n) In den Büchern adversus libros Rufini eitirt H. 11,3 eine Stelle Rufin’s über den Ursprung der Seele es hatte sich in

Rom darüber eine Controverse erhoben —; Rufin hatte u. A. geschrieben: » Leg? quos- dam dicentes, quod pariter cum corpore per humani seminis traducem etiam animae diffun- dantur, et haec quibus poterant assertionibus confirmabant. quod puto inter Latinos Tertul- lianum sensisse vel Lactantium fortassis et nonnullos alios«. Obgleich Hieron. sehr wohl weiss, dass Tert. so geschrieben hat, so verhöhnt er doch (II,ıo) den Rufin der Un- sicherheit seines Ausdrucks wegen: » Non solum de animarum statu dubitas, sed et de auctorum sententüs 'putas’«, und ruft ihm zu: »Vide ne statim tibi obieiatur ... et Ier- tulliano et Lactantio ideo parcere, ne Origenem cum illis iugules«. In III, 30 (0) kommt er noch einmal darauf zu sprechen und giebt zu, dass Tertullian über die Seele so lehre, wie Rufin angiebt. In 11,19 (1) corrigirt er den Rufin, der die novatianische Schrift De trinitate, die in Konstantinopel als eine Schrift Cyprian’s umlief, für eine solche Tertullian’s hielt: » Transit ad inchytum martyrem Cyprianum et dieit Tertulliani librum, cui ttulus est, De trinitate, sub nomine eius Constantinopoli a Macedonianae partis haereticis lectitari. in quo crimine mentitur duo. nam nec Tertulliani liber est nec Cypriani dieitur, sed Novatiani, cuius et inscribitur titulo, et auctoris eloquium styli proprietas demonstrat«. In III, 27 (x) schreibt H. zum Beweise, dass man könne »in uno homine diversa laudare et accusares: »In Tertulliano laudamus ingenium, sed damnamus haeresim«.

Auch in seinen exegetischen Werken hat Hieron. nicht selten den Tert. erwähnt. In den von Hrn. Morıy jüngst entdeckten Commentariohi in Psalmos ( Anecd. Maredsol. Vol. III

! Über diesen aus De baptis. stammenden Ausdruck s. oben.

572 Gesammtsitzung vom 13. Juni.

P.I p. 3) schreibt H. zu Ps. 1 (A): »Tertullianus in libro de spectaculis adserit hunc psal- mum et de Ioseph posse intellegi, qui corpus domini sepelivit, et de his qui ad spectacula gentium non conveniant«, cf. Tertull. De spect. 3. Tertullian ist also auch unter den »quidam« gemeint, wenn H. zu Matth. 27,57 schreibt (): »In alio evangelista Ioseph iste BovAevrys appellatur i. e. consiliarius, et de ipso quidam putant primum psalmum esse compositum. Im Comment. zu Ezech. (lib. XI z. c. 36,1) schreibt er (v): » Neque enim iuxta Iudaicas fabulas, quas illi devrepwoeıs appellant, gemmatam et auream de coelo ex- spectamus lerusalem, nec rursum passuri circumcisionis iniuriam, nec oblaturi taurorum et arietum viclimas, nec sabbati otio dormiemus (sollte das Tertullian wirklich behauptet haben?). quod et multi nostrorum et praecipue Tertulliani liber, qui inscribitur De spe fidelium ... pollicetur«. Im Commentar zu Daniel (e.9 p. 691sq. Varr.) hat H. ein grosses Stück aus der Schrift adversus Judaeos, nämlich e.8 (p.ı134, 21-1137, 3 ÖEHLER edit. min.) wörtlich ausgeschrieben mit der Einleitung (&): »Tertullianus quid diverit, ex eo libro quem contra ludaeos scripsit, nosse poterimus, cuius verba breviter ponenda sunt«. In der Praefat. zum Comment. über den Propheten Obadja schreibt H. (0): » In libris quogue contra Marcionem Septimius Tertullianus hoc idem pas- sus | fassus] est«, nämlich eine frühere Arbeit desavouiren zu müssen, s. Tertull. adv. Mare. ],ı init. Im Comment. zu Jesaias (l. VIII praef.) verweist er (r) die, welche nach einem »flumen eloguentiae et concinnas declamationes« verlangen, auf Tertullian, Cy- prian, Minueius etc. (eine ähnliche Wendung affectirter Bescheidenheit auch im Prolog zum Commentar zum Epheserbrief (p): » Me imperitior quisque lecturus est: tua forsitan dieta si seripseris, Tullius admirabitur. numquid aut Tertullianus b. martyrem Cyprianum, aut Cyprianus Lactantium, aut Lactantius Hilarium deterruit a scribendo?«). In der Vorrede zum ı1. Buch desselben Werks (co) blickt er auf die im Commentar zu Daniel aus Tertullian’s Schrift adv. Iudaeos ausgeschriebenen chronologischen Ausführungen zurück, und in der Vorrede zum 18. Buch (r) erwähnt er den Chiliasten Tertullian (gemeint ist wohl auch hier die Schrift De spe fidelium): »et qua ratione intelligenda sit apocalypsis Johannis, quam si iuxta litteram accipimus, iudaizandum est; si spiritualiter, ut scripta est, disserimus, multorum veterum videbimus opinionibus contraire Latinorum, Tertulliani, Vieto- rini, Lactantü ete.«. Zu Gal. 1,8 bemerkt H. (#) im Commentar (lib. I): » Zleganter in hoc loco wir doctissimus Tertullianus adversus Apellem et eius virginem Philumenem, quam an- gelus quidam diaboliei spiritus et perversus impleverat, hunc esse scribit angelum, cui, multo antequam Apelles nasceretur, spiritus sancti valicinio sit anathema per apostolum prophetatum«. Ob H. De praeser. 6 oder De carne 6 (s. auch 24) im Auge hat, ist nicht sicher; beide Stellen stimmen nicht genau mit dem Citat; es kann daher auch die verlorene Schrift Adv. Apell. gemeint sein, in der Tertullian gewiss auch Gal. ı, 8 in obigem Sinn verwerthet haben wird. Im Commentar zum Titusbrief (1,6) schreibt H. (x): »Scripsit et Ter- tullianus de monogamia librum haereticum so bestimmt wird dies Buch verworfen —, quem apostolo contraire nemo, qui apostolum legerit, ignorabit«. In den Hebr. Quaest. in Gen. endlich (I,ı) hat H. die Schrift ad Praxean benutzt (w): »In principio fecit deus coelum et terram. Plerique existimant, sicut ... Tertullianus in libro ce. Praxean disputat .... in Hebraeo haberi: In filio fecit deus coelum et terram: quod falsum esse, ipsius rei veritas comprobat«. Aber Tertullian hat sich adv. Prax. 5 nicht so ausgedrückt.

Hieronymus hat somit bezeugt ı. von den erhaltenen Schriften: Adv. Iudaeos, Apolog., Ad nationes, De Spectac., De baptismo, De cultu fem. (wahrschemlich), De prae- script., Adv. Marcion., Sorpiace, De anima, De carne Christi (?), Adv. Praxean, De persecut., De virg. vel. (?), De exhort. cast., De pudic., De monogam., De ieiun., 2. von den ver- lorenen: De angustüs nuptiarum, De spe fidelium, De ecstasi, De Aaron vestibus, Adv. Apell. (?), De circumeisione und De mundis et immundis animalibus (wenn diese beiden Schriften, wie wahrscheinlich, existirten). Ausserdem hat er Zp. 85, 5 und vielleicht auch zu Gal. 1,8 je einen Satz Tertullian’s eitirt, den wir nicht nachzuweisen ver- mögen.

31. Rufin: Dass Rufin das Apologeticum Tertullian’s gelesen hat, geht aus seiner Kirchengeschichte hervor, wo er die von Eusebius griechisch angeführten Stellen zum Theil nach dem Original wiedergegeben hat (s. meine »Texte und Unters.« Bd. VIII

a al ED A Ze u Da 2 2 2,0

zus

Harsack: Tertullian in der Litteratur der alten Kirche. ANT«

H.4). Die Worte, in denen Eusebius die juristische Bedeutung Tert.’s und sein An- sehen in der römischen Gesellschaft bezeichnet hat, hat Rufin (A. e.) frei also wieder- gegeben: » Vir et legum et institutionum Romanorum peritissimus et inter nostros scrip- tores admodum clarus.« Er urtheilte über Tert. also wie Hieron. An einer anderen Stelle nennt er ihn »vir scriptorum nobilissimus«. Dass er De anima gekannt hat, folgt aus dem oben aus Hieron. adv. Rufin. II,3 gegebenen Citat; dass er Nova- tian’s Tractat de trinit. für ein Werk des Tertullian gehalten hat, wurde oben bemerkt (s. Rufin, de adulter. libr. Orig. bei Lommarzsca, Opp. Orig. XXV p.395 sq.); er sagt, es sei »reprehensibiliter quantum ad veritatem fidei nostrae pertinet« geschrieben. A.a.0. p.393 zeigt er, dass er Tertull. adv. Marc. gelesen hat: » Apostolorum vero vel Actus vel Epistolas qualiter polluerint, qualiter corroserint, qualiter in omnibus maculaverint vel addendo impia vel auferendo quae pia sunt, si quis vult plenius scire, ex his libris Tertulliani quos adver- sus Marcionem scripsit, plenissime recognoscet«, cf. Tert. adv. Mare. I, ı: »quis tam come- sor mus Ponticus quam qui evangelia corrosit?« Aus der oben nr. 30 eitirten Stelle end- lich geht hervor, dass der Tertulliancodex des Paulus eine Zeit lang in Rufin’s Händen gewesen ist.

32. Priseillian: Er hat den Tert. nie genannt; aber Scherss (Opp. Priseill. p.169) vermuthet, dass er ihn an einigen Stellen stillschweigend benutzt hat. Doch sind die Stellen tract. I p. 22.5 (= adv. Marc. III, 18), tract. I, p.14, 3 (= adv. Marc. IV, 20. 25. V, ır ete.); Zract. III p. 47,18 (= De pat. 14); tract. III p. 44, 19; 52, ıı (= De cultu fem. I, 3) nicht beweisend.

33. Während Hr. Brockaats (Aurel. Prudentius Clemens u. s. w. 1872 S.203— 217) behauptet hat, Tertullian’s Lehre und Gedanken hätten den Dichter Prudentius voll- kommen beherrscht, sucht Hr. Röster (der katholische Dichter Aurel. Prud. Clem. 1886 S. 243-249) jede Abhängigkeit des Prudentius von Tert. zu bestreiten. Man kann das versuchen, weil eine wörtliche Entlehnung aus Tert. bei Prudentius nicht nachweisbar ist und weil die Anschauungen, die Tert. in der Kirche in Kurs gesetzt hat, am Ende des 4. Jahrhunderts allen Theologen des Abendlandes geläufig waren. Dennoch ist es mir wahrscheinlich, dass Prudentius einige Hauptwerke Tert.'s gelesen hat, so Adv. Marc., De carne, Adv. Prax., vielleicht auch De patient.

34; 35 und 36. Augustin, Pelagius, Julian von Eclanum: Während Au- gustin in Cyprian’s Werken lebte und sie an mehr als hundert Stellen eitirt hat, hat er Tertullian als Ketzer fast ganz bei Seite gelassen. Nicht einmal unter den hervor- ragenden lateinischen christlichen Schriftstellern (de doctrina christ. 11,40 [6r]) hat er ihn mehr anführen mögen. Obgleich ihm Tertullian in der Lehre von der Erbsünde treffliche Dienste hätte leisten können und er seine Werke unzweifelhaft gekannt hat wie viele Wendungen beweisen —, so verschmäht er es, wie Cyprian, ihn zu eitiren! Dagegen hat er ihn in den Ketzerkatalog (de haeres. 86) eingestellt, seine Lehre von der Körperlichkeit Gottes und der Seele entschuldigend, aber seinen Montanismus als Häresie erachtend: »Tertullianistae a Tertulliano, cuius multa leguntur opuscula eloquentissime scripta, usque ad nostrum tempus paulatim deficientes, in extremis reliquüs durare potuerunt in urbe Carthaginensi, me autem ibi posito ante aliquot annos ... Omni ex parte consumpti sunt. paucissimi enim qui remanserant in catholicam transierunt suamque basilicam, quae nunc etiam notissima est, catholicae tradiderunt. Tertullianus ergo, sicut scripta eius indicant, animam immortalem quidem, sed eam corpus esse contendit, neque hanc tantum sed ipsum etiam deum. nec tamen hinc haereticus dicitur factus. posset enim quoquo modo putari ipsam naturam substantiamque divinam corpus vocare, non tale corpus cuius partes aliae maiores, aliae minores valeant vel debeant cogitari, qualia sunt omnia quae proprie dicimus corpora, quamvis de anima tale aliquid sentiat, sed potuit, ut dixi, propterea putari corpus deum dicere, quia non est nihil, non est inanitas, non est corporis vel animae qualitas, sed ubique totus, et per locorum spatia nulla partitus, in sua tamen natura atque substantia immutabiliter permanet. non ergo ideo est Tertullianus factus haereticus, sed quia transiens ad Cataphrygas, quos ante destruxerat (davon ist sonst nichts bekannt; aber vielleicht denkt Augustin an die Schrift de paenitentia), coepit etiam secundas nuptias contra apostolicam doctrinam tanquam stupra damnare (ef. c. adversar. leg. et proph. ll, 31), e€ post-

Sitzungsberichte 1895. 54

574 Gesammtsitzung vom 13. Juni.

modum etiam ab ipsis divisus (eine sehr wichtige Nachricht, die Hieron. nicht bringt) sua conventicula propagavit. dieit sane etiam ipse (wo?) animas hominum pessimas post mortem in daemones verti.« Über gewisse Zusätze zu diesen Worten s. u. Die obigen Aus- führungen sind ausgeschrieben worden von Praedestinatus 86, Isidor de haer. 61, Honor. de haeres. 76. Die Lehre Tertullian’s von der Körperlichkeit Gottes und der Seele hat Aug. noch dreimal berührt, ep. 190, 14 (ad Optatum): »nam et illi qui animas ex una ‚propagari asserunt, quam deus primo homini dedit atque ita eas ex parentibus trahi dicunt, si Tertulliani opinionem secuntur, profecto eas non spiritus, sed corpora esse comtendumt et corpulentis seminibus exoriri: quo perversius quid diei potest? neque hoc Tertullianum sommiasse mirandum est, qui eliam ipsum creatorem deum non esse nisi corpus opinatur (s. adv. Prax. 7); de anima et eius orig. 11, 5, 9: »incorporeum sane deum esse, quod credit gra- tulor eum hinc saltem a Tertulliani deliramentis esse discretum. ille quippe sicut animam ita etiam deum corporeum esse contendit«; de Genesi ad hit. X, 25 sq. [41 sq.]: »Denique Tertullianus, quia corpus esse animam credidit non ob aliud nisi quod eam incorpoream cogitare non potuit et ideo timuit, ne nihil esset, si corpus non esset, nec de deo vahıt aliter

sapere: qui sane, quoniam est acutus, interdum contra opinionem suam visa veritate supe- ratur. quid enim verius dicere potuit quam id, quod ait quodam loco: »Omne corporale

possibile est? (s. Tert. de anima 7). debuit ergo mutare sententiam, qua paulo superius diverat (de anima 6) etiam deum corpus esse .... em cum animae etiam colorem daret aerium ac lucidum, ventum est ad sensus, quibus eam membratim quasi corpus instruere conatus est et ait (folgt de anima 9 p. 312, 2—5 REIFFERSCHEID). $ 44 fährt Aug. fort: » Noluit tamen Tertullianus animam crescere substantia sicut corpus, adserens etiam timoris sui causam (folgt de anima 37 p. 364, 9—24). In der Schrift de bono viduit. 6. 7 sagt Aug. beiläufig: »Hinc enim maxime Cataphrygarum ac Novatianorum haereses tumuerunt, quas buccis sonantibus non sapientibus etiam Tertullianus inflavit, dum secundas nuptias tamquam illicitas maledico dente concidit (s. de monog.) ...... Alioqui etiam primas nuptias condemnabimus, quas nec Cataphryges nec Novatiani nec disertissimus eorum adstipulator Tertullianus turpes ausus est dicere.« Die Zusammenstellung von Novatianern und Tertullian ist beachtenswerth (s. o. sub nr. 20). In dem Werk de civit. dei VIL, ı findet sich die ebenfalls beiläufige Bemerkung: »(Qua in re non dico, quod facetius ait Tertullianus fortasse quam verius: »Si seliguntur ut bulbi, utique ceteri reprobi iudicantur « (s. Tert. ad nation. 11, 9, dessen Text nach diesem Citat verbessert werden kann). Das sind meines Wissens sämmtliche Citate aus Tert. bei Augustin. Ausserdem findet sich in seinen Werken noch je ein Zeugniss Julian’s von Eclanum und Pelagius’ über Tert. Jener schreibt (Aug., Opus imperf. II, 178): »Impietatem qua credis ita esse animarum traducem in Tertulliani olim et Manichaei profanitate damnatam, sicut est etiam corporum tradux.« Mit Mani hat also Julian den Tert. seiner Lehre von der Seelen- zeugung wegen zusammengestellt. Das »damnatam« ist schwerlich im solennen Sinn zu nehmen. Auch Pelagius muss direet oder indirect die Schrift de anima gekannt haben. Das folgt aus seiner Polemik gegen den »tradux«, s. Aug., de pecc. mer. et remiss. III z. B. ce. 10 (18).

37. Pseudoaugustin, Quaest. Vet. et Novi Test.: In diesem Werk eines Anonymus der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts (man hat ihn mit Ambrosiaster identifieirt) wird ((Quaest. ex Vet. Test. 44) eine kurze Erklärung der danielischen Jalırwochen ge- geben. Dann heisst es: »Quomodo etiam a Tertulliano computatum invenitur in libro quem scripsit Adversus Iudaeos (s. dort c. 8), guod, ne ad iniuriam eius proficeret, quia recte computavit, praetermisimus.« »Iniuria« kann hier nur sensw activo ver- standen werden; die passive Bedeutung ist unmöglich. Also ist Tertullian’s Häresie hier gemeint.

38. Vincentius von Lerinum: Die Stelle Commonit. 18(24) ist oben im Text mitgetheilt.

39. Leo I., Bischof von Rom. Die Christologie in der berühmten epistola dogmatica Leo’s (ep. 28), die der Chalcedonensischen Formel zu Grunde liegt, geht direet auf Tert.’s Schrift Adv. Praxean zurück (doch hat auch der selbst von Tert. abhängige Novatian De trinitate eingewirkt, sowie Ambrosius und Augustin;

en nn nee en

Harnack: Tertullian in der Litteratur der alten Kirche. 575

s. meine Dogmengesch. II S. 357ff... Gleich der erste specieller christologische Satz Leo’s (c. 3 init.): »Salva igitur proprietate utriusque naturae et substantiae et in unam coeunte personam« ist von Tertullian abgeschrieben, s. Adv. Prax. 27: »... secundum utramque substantiam in sua proprietate distantem ... coniunctum in una persoma. et adeo salva est utriusque proprietas substantiae.« Ü. 3: »manens in formam dei«, s. Adv. Prax. 27: »sermo (= Noyos) domini manet in aevum, perseverando scil. in sua forma«. Der Satz Leo’s, welcher bei den alexandrinisch gesinnten Orientalen den meisten Anstoss erregt hat (ec. 4): »Agit utraque forma cum alterius communione, quod proprium est, verbo scil. operante quod verbi est, et carne ewsequente quod carnis est; unum horum corus- cat miraculis, aliud succumbit iniurüs ete., sowie das ebenso gehasste Stichwort »duo substantiae« und das »arperros und dovyyiros« sind tertullianisch, denn er lehnt e. 27 die »zransfiguratio« der göttlichen Natur ebenso ab, wie die »confusio« mit der mensch- lichen (»itransfiguratio interemptio est pristini; omne enim quodcunque transfiguratur in aliud desinit esse quod fuerat et incipit esse, quod non erat« .... »videmus duplicem statum, non confusum sed coniunctum in una persona, deum et hominem lesum«); er nennt c. 27 den Erlöser »sequester utriusque substantiae«,; er sagt rund c. 29: »duae substantiae censentur in Christo lesu, divina et humana« (s. auch de carne Chr. 5), und er schreibt ce. 27: »Et adeo salva est utriusque proprietas substantiae, ut et spiritus res suas egerit in illo, i. e. virtutes et opera et signa, et caro passiones suas functa sit, esuriens sub diabolo, sitiens sub Samaritide, flens Lazarum, anxia usque ad mortem, denique et mortua est. quodsi tertium quid esset, ex utroque confusum , ut electrum, non tam distincta documenta parerent utriusque substantiae. sed et spiritus carnalia et caro spiritalia egisset ex translatione etc. Sed quia substantiae ambae in statu suo quaeque distincte agebant (an die Stelle des »distinctes hat Leo das »cum alterius communione« gesetzt das ist eine bedeutende Correetur), ideo illis et operae et ewitus sui ocurrerunt.« Genannt hat Leo den Tert. natürlich nicht. Durch Leo's Brief sind die tertullianischen Formeln zu den späteren orthodoxen griechischen Vätern gekommen, s. Joh. Damascenus, 'Op9oö. her. Ill, 14. 19.

40. Claudianus Mamertus: Im Eingang der Schrift »de statu animae« findet sich der Satz: »inludunt imperitos, quae maxima turba est«. Das scheint dem Satz Adv. Prax. c. 3 nachgebildet zu sein: »imprudentes et idiotae, quae maior semper credentium pars est«.

41. Der Anonymus Africanus vom Jahre 463: In Mıcne’s Patrol. Lat. T.LIX Col. 519sg. ist ein anonymer Tractat abgedruckt, den zuerst Baruze aus einem (od. Lucensis saec. VIIl/IX edirt hat. Er stammt aus Africa vom Jahre 463: » Anonymus, libellus de genealogüis patriarcharum ete.«. Das Schlussblatt der Handschrift ist leider nur zum Theil leserlich. P. 544 heisst es: »nam et in secretis legimus«;, dann folgt eine fast unlesbare Stelle über Nero als Antichrist, dann »hic pseudo-apostohus qui secundus extitit acerrimus Christianorum debellator ... Neronis et portio ...«. Gemeint ist augen- scheinlich Domitian und benutzt ist die Stelle Tert. Apol. 5: »Domitianus, portio Neronis de crudelitate«.

42. Praedestinatus: Dass die Tertullian betreffenden Stellen in dem von Augustin abgeschriebenen und sonst so unbrauchbaren Praedestinatus auf guter Kunde beruhen, habe ich »Texte und Unters.« Bd. XII, ır S. 44ff. (ef. Zaus, Forsch. Bd. V S. 5ıff.) nachgewiesen. H.2ı heisst es: »(Marcionitas) in Africanis partibus Tertullianus modis omnibus ita obtinuit, ut ipsos faceret contra sectam suam publice praedicare«. Der Verf. kennt also das Werk Tert.’s gegen Mareion; ob das »u£t ipsos etc.« eine Phrase ist oder auf einer Tradition beruht, lässt sich nicht entscheiden. H.26 (Kataphryger) liest man: »Seripsit contra eos librum. S. Soter papa Urbis, et Apollonius Ephesiorum anti- stes. contra quos scripsit Tertullianus presbyter Carthaginiensis. qui cum omnia bene et prime et incomparabiliter scripserit, in hoc. solo se reprehensibilem fecit, quod Montanum defendit, agens contra Soterem supradictum Urbis papam, asserens falsa esse de sanguine infantis, trinitatem in unitate deitatis, paenitentiam lapsis, mysterüs üsdem unum pascha nobiscum. »Hoc solum discrepamus«, inquit, »quod secundas nuptias non recipimus et prophetiam Mon- tani de futuro iudicio non recusamus.« obichmt quidam Tertulliano quod animam ex traduce i. e. animam dixerit ita gigni ex anima sicut ex corporibus corpus, quod catholica fides ve-

54*

576 Gesammtsitzung vom 13. Juni.

hementer execratur«. Wir haben hier eine Angabe über den Anlass und Inhalt der Schrift »De ecstasi« (genauer als Hieron. sie gegeben hat, s. o. sub nr. 30) und sogar einen Satz aus ihr. Auch die Schrift »De anima« ist dem Praedest. bekannt gewesen, und er erzählt uns, dass auch Andere (gemeint ist vor Allem Augustin) sich mit ihr beschäftigt haben. In 4. 86 spricht Praedest., dem Augustin folgend, über die Ter- tullianisten. Er beginnt mit einer Geschichte, die Tertullianisten betreffend, die sich in Rom unter Maximus und Theodosius abgespielt hat. Dann heisst es nur zum Theil nach Augustin A. 86 —: Tertullianus autem fuit eives et presbyter Carthaginiensis. opuscula eloquentissima et ferventia in defensione edidit veritatis. hie apud Carthaginem basilicam ha- buit, ubi populi ad eum conveniebant. quae basilica usque ad Aurelium episcopum fuit. agente enim Augustino Hipponiensi episcopo et rationabiliter cum eis disputante conversi sumt ecclesiamque suam sanctae ecclesiae contulerunt. Tertullianum autem catholica hinc reprehen- dit auctoritas, quod animam ex anima nasci dieit et defendit Montanum et Priscam et Ma.wi- millam contra fidem catholicam, et contra Apollonium episcopum orientis, et contra Soterem papam urbis Romae, ut supra divimus, dum Cataphrygas detegeremus.. a quibus postea di-

visus, ne plebs Montani nomen Tertulliani videretur exchudere, fudit a se omnem Phrygiae

vanitatem, et Tertullianistarum conventicula propagavit, nihil (dieses »nihil« ist um des fol- genden »nam« willen nicht erträglich; ich vermuthe »nonnihil«; allerdings ist nın das »tamen« etwas auffallend, jedoch zu vertheidigen) /Zamen in fide mutavit. nam et secun- das nuptias condemnat (et), ut divimus, animam ex traduce venire adserit et nos catholicos psychicos titulat. ubicumque autem legeris Tertulliani adversum psychicos, scias eum contra catholieos agere.« Der Verf. unterschied also die orthodoxen und die montanistischen Schriften Tert.’s. Am wichtigsten ist, was Praedest. 4. 60 mitgetheilt ist: von »Pro- elianiten« ‘berichtet zuerst Philaster (4. 56) nach einer uns unbekannten Quelle; daraus hat Augustin (Ah. 60) einen Auszug gegeben: »Proclianitae secuti sunt istos (sel. Seleucum et Hermiam, so auch Philast.) et addiderunt Christum non in carne venisse«. Nach einer anderen Quelle berichtet Praedestinatus ausführlich, und er nennt diese Quelle: Tertul- lian. In den uns erhaltenen Schriften Tert.’s kommen jedoch die Proclianiten nir- gends vor. Da man keinen Grund hat, an der Angabe des Praedest. zu zweifeln, da ferner die angeführten Sätze die Art und den Stil Tert.’s verrathen, so muss das Stück aus einer seiner verlorenen Schriften stammen, vielleicht aus der Schrift De censu ani- mae adv. Hermogenem (dies ist deshalb wahrscheinlich, weil der »Hermias« des Phila- ster und Augustin wohl = Hermogenes ist; s. o. sub nr. 23. 24); jedenfalls dürfen wir hier ein bisher nicht erkanntes Tertullian-Fragment begrüssen. Die Worte lauten: »LX. haeresim Proclianistae a Proclino fecerumt. dicunt isti, dei filium sie paruisse in terris sicut Raphaelem angelum aut Gabrielem, non carne adsumpta sed visa (s. eine Sachpa- rallele bei Tertullian De carne Chr. 6fl.). sic se miscent populo dei, ut non intelligan- tur. denique quia nullım alium errorem patiuntur, communicant nobiscum, et hoc est quod peius est, quia quoscumque simplices invenerint, ita eos faciunt sentire et credere. hoc scelus valde inimicum salutis nostrae ita adstruumt: »Ergo deus illas sordes habuit sustinere, quas naturalis conceptio partus et parientis infligit? habuitque dei filius habere alvum digesta sua abluentem, humorem de naribus, salivam ex ore, sordem in aure, in ventre stercora, putorem in exhalatione (cf. De carne 2ff. 5 indessen bieten diese Stellen nur eine Sachparal- lele) et his similia, quae insania mentis excogitat. His Tertullianus vehementer occurrit, ostendens dei filium impassibilem esse et ista divinitati non iniuriam sed laudem adferre: »Sieut rex qui volens anulum aureum cum gemma de cloaca levare (solche Bilder liebt Tertullian), induit se servilem tunicam et sic descendit ad cloacam, ut stercoreas iniurias tunica illa suscipiat, et mittens manum et anulum aureum cum gemma eripiens abluit et digito suwo regali induit, posteaguam inde ascenderit: ita procul dubio dei filius formam servi suscipiens venit non solum ad inferos caelorum, ubi nos sumus, qui videmur vivere in mundo, sed etiam ad inferos inferiores, qui tanto a nobis sunt profundius, quanto nos sumus caelo, et ut inde humanum genus eriperet, cunctarum sordium, non suarum sed nostrarum, est squalorem perpessus. pro viventibus sic viwit sicut nos vivimus, nihil aliud distans nisi hoc quod immaculatam vi-

\

Harnack: Tertullian in der Litteratur der alten Kirche. Sa

tam exercuit, habens intra se deum; pro mortuis sic mortuus, nihil distans (zu diesem Wort s. Tertullian De carne 15; ad nat. 1,15) nisi hoc, quod tertia die resurrexit a mortuis, et guod propterea sic descendit, ut sanctos inde erue- ret et mortis principem religaret.« quod autem anulum aureum cum gemma posuit, hoc in sequenti lectione (d.h. »im Folgenden«) edocuit (seil. Tertull.), guod anulum cor- pus posuerit, gemmam vero inclusam esse animam declaravit. hunc ergo anulum de ster- coribus antiquis et de cloaca huius mundi Christus elevans ac baptismatis unda perfundens, ab omni squalore abluens, in suis fecit sanctis manibus radiare (s. ad nat. 1,4; Apol. ır). siquidem ita legitur: »Iustorum autem ani- mae in manu dei sunt«, et iterum: »Pone me sicut anulum in manu tua«, et „In manus tuas commendo spiritum meum«, et infinita sunt his similia in sacris apicibus, quae nos causa brevitatis omitt\imus).« In seiner Vorlage, Tertullian’s Schrift, standen also noch weitere Bibelstellen.

43. Caesarius von Arles: Er hat meines Wissens Tertullian nie eitirt, auch nieht wörtlich angeführt; aber er hat ihn gekannt und seine Sätze ähnlich wie Cyprian in Überarbeitung benutzt (s. Hist. lit. de la France III [1866] p.745; Arnorp, Caesarius von Arelate [1894] S. 325).

44. Fulgentius von Ruspe: Er denkt an Tert. adv. Prax.7, wenn er De verit. praedest. I1l, 21, 33 schreibt: » Tertullianus quippe animam non spiritum esse dicens sed corpus vehementer erravit, eo usque desipiens, ut etiam summum et verum deum corpus esse diceret« (vergl. Augustin o. sub nr. 34).

45. Fulgentius Planciades: In seiner Eixpos. sermon. antig. ad Chaleid. (hinter der Ausgabe des Nonus Marcellus von MeErcıEr p. 562, Leipziger Neudruck 1826; in der Ausgabe Paris, 1614 steht das Citat p. 653, 9 sq.) schreibt er: » Nam et Tertullianus in libro quem De fato scripsit ita ait: "Redde huie fati primum problematis mancipatum's. Dass dieser abgerissene und daher unverständliche Satz wirklich aus einer verlorenen

- Schrift Tert.’s »De /ato« stammt, ist schwerlich zu bezweifeln. Allerdings wird diese Schrift lediglich von Tert. selbst eitirt (de anima 20). Wie sie sich zu der (angeblichen ?) Schrift des Minueinus Felix mit demselben Titel verhält, weiss man nicht; denn auch sie fehlt.

46. Gennadius von Massilia: In dem Tractat De vir. inl. 15 behauptet er, Commodian sei von Tertullian abhängig (»auctorem secutus«); in der Schrift De eccles. dogmatibus schreibt er: »nihil corporeum in trinitate, ut Melito et Tertullianus ..... nihil ex trinitatis essentia ad creaturarum naturam deductum, ut Plato et Tertullianus ..... non solitarium (seil. die Gottheit), v2 praesumunt Praxeas et Sylvanus« (s. Tert. adv. Prax.; der mittlere Satz des Gennadius richtet sich gegen die Meinung Tert's., dass die Seele ex ‚flatu dei stamme und nicht geschaffen ist). In derselben Schrift e.25 (55) schreibt er: »In divinis repromissionibus .... non quod ad cibum vel ad potum pertinet sicut Papia auctore Irenaeus et Tertullianus et Lactantius acquiescunt«. Das ist aus Hieron., de vir. inl. 18 getlossen.

47. Deecret des Gelasius: In diesem werden sämmtliche Schriften Tertul- lian’s als »apokryphe« bezeichnet. Wenn auch das Verzeichniss der zu verwerfenden Bücher in seinem Grundstock auf Damasus zurückgeht (s. Zaun, Gesch. d. Neutesta- ınentlichen Kanons 2. Bd. S. 264 ff.), so ist doch schwerlich anzunehmen, dass bereits dieser Papst die Werke des Tertullian, Victorin, Lactantius in Pausch und Bogen verworfen hat.

47b. Cassiodorus. Chronie. p.145 ed. Momusen: (Pompeiano et Avito coss.) Tertullianus Afer Christianorum seriptor celeberrimus habetur (nach Hieron. Chronik).

48. Isidor von Sevilla: Er hat in seinen »ÖOrigines« den Tertullian sehr fleissig (an etwa 70 Stellen) ausgeschrieben. Krussmann (Zixcerpta Tertullianea in Isidori Hispal. Etymol. Hamburg 1892) hat das Verdienst, die Stellen kenntlich gemacht zu haben (hiernach PrevscHen in meiner Lit.-Gesch. I S.686f.).. Indem ich auf diese Arbeit verweise, bemerke ich nur, dass Isidor Apol., Ad nat., De orat., De paenit., De corona, De idolol., De spectac., De praescr., Scorp., De bapt., De ieiun., De monog., De virg. vel, ausgeschrieben hat (die Benutzung jetzt verlorener Schriften Tert.'s ist nicht

578 Gesammtsitzung vom 13. Juni.

nachgewiesen; merkwürdig ist, dass er auch die montanistischen Tractate benutzt hat). Isidor hat den Tertullian lediglich als Quelle für gelehrtes Material benutzt und die dogmatischen Differenzen daher ganz bei Seite gelassen. Über die Art der Benutzung s. Krussmann p. 5 fl. Genannt hat er den Tert. niemals.

49. Pseudoprimasius: Die Mittheilung in der Praef. zum Commentar zum Römerbrief (cf. Praef. z. Comment. z. Hebr. Mıcsz T. 68), dass der Hebräerbrief auf Barnabas zurückgeführt werde, geht direet oder indireet auf Tertullian zurück.

50. Die Zusätze in einer verschollenen Handschrift des augusti- nischen Tractats De haeres.: In den älteren Ausgaben des august. Tractats De haeres. finden sich Zusätze, die die Benedietiner sämmtlich gestrichen haben, da sie sie in keiner einzigen der zahlreichen Handschriften, die sie benutzten, fanden. In der That gehören sie nicht zum Text Augustin’s (wie man auf Grund der Ausschreiber Aug.'s beweisen kann), sondern sind Randbemerkungen aber von hohem Alter und aus verhältnissmässig sehr guten Quellen (der Beweis dafür kann hier nicht gegeben werden; dass die Stücke ursprünglich am Rande einer alten Handschrift wie ich vermuthe, noch des 5. Jahrhunderts und vielleicht von Venerius, Bischof von Marseille gestanden haben, zeigt die gleich folgende Beobachtung). Zu dem Capitel nun über die Severianer (A. 24) ist irrthümlich (in den Drucken) ein Stück, Apelles betreffend, ge- stellt worden (Apelles 4.23 geht dem Severus vorher; also handelt es sich um eine Randbemerkung, die dann an eine falsche Stelle des Textes gerathen ist), und dieses Stück erweist sich jedem Kenner der tertullianischen Sprache und Art als von Ter- tullian herrührend. Da es sich aber in den uns erhaltenen Werken nicht findet, so kann es nır was ja auch am nächsten liegt aus der verlorenen Schrift adv. Apelleiacos herrühren; es lautet: »Hic (seil. Apelles) praeterea Philumenen quandam puellam dicebat inspiratam divinitus ad praenuntianda futura (s. Tert. de praescr. 6. 30 und sonst), ad guam somnia atque aestus sui animi referens divinationibus seu praesagiis eius secretim erat solitus praemoneri (ein echt tertullianischer Satz), eodem phantasmate (Tert. bezeichnet den Christus Marcion’s und Apelles’ auch sonst als phantasma) eidem Philumenae pueri habitu se demonstrante (die Erscheinung Christi als Jüngling ist im kirchlichen Alterthum häufig), qui puer ap- parens Christum se aligquando, aliquando esse assereret Paulum (man vergl. den Paulinismus der marcionitischen Kirche), a quo phantasmate sciscitans ea soleret respondere quae se audientibus diceret. nonnulla quoque illam mira- cula operari solitam, inter quae illud praecipuum, quod in angustissimi oris ampullam vitream panem grandem immitteret eumque extremis digitulis levare soleret illaesum, eoque solo quasi divinitus sibi cibo dato fuisset contenta«. Eine kostbare Nachricht zur Geschichte des Gnostieismus der auch in dieser Beziehung den Katholieismus antieipirt hat ist uns in diesem Bruchstück aus Tert.'s Schrift adv. Apelleiacos erhalten.

Tertullianische Stücke, die bisher nicht in die Opp. Tertull. aufgenommen worden sind, haben wir gefunden bei Philastrius (nr. 23), in der dem Ambrosius beigelegten Alter- catio (nr. 24), bei Hieronymus (nr. 30) wenigstens habe ich den Satz in den Opp. Tert. nicht entdecken können (und vielleicht auch nr.306), bei Augustin (nr. 34 der Satz »animas hominum pessimas post mortem in daemones verti «), bei Praedestinatus (nr.42) und in den Zusätzen zu August., de haeres. (nv. 50). Auf die dem Tertullian irrthümlich bei- gelegten Schriften näher einzugehen darf ich mir versagen, da diese Zuweisungen die Geschichte der echten Schriften kanm berühren. Dass ihm Novatianisches beigelegt und Vietorin’s Tractat » Adv. haeres.« an seine Schrift »De praescript.« angerückt worden ist, habe ich oben bemerkt (nr. 5.8). Letztere Zuweisung erklärt sich ebenso leicht (s. De praeser. 44 exit.), wie die Beilesung der fünf Gedichte »adv. Marcionem« (nr. 10), wenn sie wirklich im kirchlichen Alterthum erfolgt sein sollte. Dass man bald ihm, bald dem Cyprian die Gedichte »De Jona propheta«. »De Sodoma«, »Genesis« und »De iudicio domini« zugeschrieben hat, ist ein Beweis, dass sein Name noch immer in Achtung gestanden hat. Über das räthselhafte Fragment »De erecrandis gentium düs«, welches allein im Vatic. 3352 saec. X. überliefert ist (abgedruckt bei Ornrer, Tert. Opp. edit.

Harnack: Tertullian in der Litteratur der alten Kirche. 579

minor p.1175 ff.), enthalte ich mich des Urtheils, zumal ich nicht sicher weiss, ob in der Handschrift wirklich Tertullian’s Name steht. Die Refutatio omnium haeresium Hippolyt's ist erst in moderner Zeit dem Tertullian beigelegt worden ein grosser Irrthum eines grossen Gelehrten.

Nachschrift: Eine ausgezeichnete, erschöpfende Untersuchung über den »Schrift- stellerkatalog des Hieronymus« ist soeben von Hrn. BernovrLı veröffentlicht worden (Freiburg i. B.). Doch scheint mir seine Deutung der Worte e. 53: »(Tertullianus) multa scripsit volumina, quae, quia nota sunt pluribus, praetermittimus«, obgleich sie an der ganzen Haltung des Tractats eine starke Stütze hat, nicht die richtige zu sein. Da Hieron. die Schriften Tertullian’s gegen die Kirche einzeln aufgezählt, und da er einen Katalog der Werke des Hippolyt gegeben hat, so wird man den Verzicht, sämmtliche Werke des Tertullian (und Cyprian) einzeln zu nennen, so erklären müssen, wie ihn Hieron. selbst erklärt hat, nicht aber in dieser Erklärung eine billige, die Arbeits- scheu verdeckende Phrase sehen dürfen. Mindestens ist eine solche Auffassung nicht zu erweisen.

Zu [0 0) ii

Jahresbericht über die Thätigkeit des Kaiserlich Deutschen archaeologischen Instituts.

Von ALEXANDER ÜONZE.

In Rechnungsjahre 1894/95, über welches hiermit berichtet wird, fand die ordentliche Gesammtsitzung der Centraldirecetion am ı1. bis 14. April und nach einer Vertagung am 19. Mai statt. In ihr wurden vorgeschriebener Weise vornehmlich die Stipendienbewer- bungen erledigt, die Berichte des Generalsecretars und der Secretariate in Rom und Athen, sowie die der Leiter wissenschaftlicher Unter- nehmungen des Instituts entgegengenommen, die Wahl neuer Mitglieder vollzogen und der Finanzplan für das Jahr festgestellt.

Hr.-Krkur£ legte am Schlusse der Gesammtsitzung seine Stelle als Mitglied der Centraldireetion, die er statutengemäss auch nach seiner Übersiedelung von Bonn nach Berlin weiter inne gehabt hatte, nieder, um die Wahl eines neuen nicht in Berlin ansässigen Mitgliedes zu ermöglichen.

Hr. Kreur£ wurde jedoch in der durch $2, 3 des Statuts vor- gesehenen Weise auf Antrag der Centraldirection von der philosophisch- historischen Classe der Königlichen Akademie der Wissenschaften als zwölftes Mitglied der Centraldireetion wiedergewählt und nahm diese Wahl an.

Die Centraldireetion beschloss in der Gesammtsitzung (den Antrag auf eine Statutenänderung zu stellen, durch welche eine grössere Be- theiligung der verschiedenen deutschen Staaten, Studienanstalten und Fachgenossen an der Leitung des Instituts ermöglicht werden sollte. Diese Änderung hat nach Zustimmung des Bundesraths am 4. März d.J. die Allerhöchste Genehmigung S. M. des Kaisers erhalten. Nach ihr werden die Mitglieder der Centraldirection nicht mehr auf Lebenszeit, sondern auf fünf Jahre gewählt. Das nach Ablauf dieser Zeit aus- scheidende Mitglied kann, wenn es von der Akademie gewählt war, sofort wieder gewählt werden. Die von der Centraldireetion gewählten Mitglieder sind dagegen nicht bei Wiederbesetzung der durch ihr Aus-

> a . 582 Gesammtsitzung vom 13. Juni.

scheiden eingetretenen, sondern erst bei einer später eintretenden Vacanz auf’s Neue wählbar. Ausserdem ist durch die Änderung bestimmt, dass ein als nicht in Berlin ansässig gewähltes Mitglied ausscheidet, sobald es sein Domieil nach Berlin verlegt.

Als erstes auf Grund dieser neuen Statutenfassung von der Centraldireetion gewähltes Mitglied trat Hr. Lorscucke in Bonn an die durch Austritt des Hrn. Krkure frei gewordene Stelle ein.

Am 2. September hatte die Centraldireetion die Freude ihrem Mit- gliede Hrn. Currıus Glückwunsch zum achtzigsten Geburtstage auszu- sprechen.

Zu ordentlichen Mitgliedern des Instituts wurden ernannt die HH. Diers in Berlin, Hamrer in Budapest, voxn Herzoe in Tübingen, Jacosı in Homburg v.d.H., ÖHtEnsScHLAGER in Speyer, Pais in Pisa, Reıscn in Innsbruck, Rıcnarnson in Athen, von ScuwABe in Tübingen, Sorpan in Darmstadt, Vauten in Berlin, Wire in Cambridge (Mass.), von WıramowıTz- MÖLLENDORFF in Göttingen, zu correspondirenden Mit- gliedern die HH. GunrAver in Wittenberg, HAvErrıeLp in Oxford, HörneEs in Wien, Kastrıorıs in Athen, Pnarpys in Samothrake, Ranmsky in Serajewo, Skıas und Sorırıanıs in Athen.

Unter den Verlusten, welche das Institut durch den Tod von Mit- gliedern erlitt, dürfen wir als besonders schmerzlich den der Männer voranstellen, welche der Centraldireetion als ordentliche und Ehrenmit- glieder angehörten: H. Bruns (7 23. Juli1894), welcher auch früher als Secretar in Rom dem Institute ganz besonders wirksam und erfolgreich seine Thätigkeit gewidmet hatte, ©. T. Newros in London (7 28. Novem- ber 1394) und G.B. pr Rossı in Rom (7 20. September 1394), dessen unausgesetzte Theilnahme an den Bestrebungen und Arbeiten des In- stituts uns von so hohem Werthe war. Ausserdem beklagt das In- stitut den Hingang folgender Mitglieder: P. BorrorLorrı in Modena (F ı4. Mai 1894), H. Brusscn in Berlin (f 9. September 1894), E. von Couausen in Wiesbaden (7 2. December 1394), A. Fagrerrı in Turin (F 17. September 1894), R. Froenuicn in Budapest (7 23. Mai 1894), A. F. GUERRA Y ORBE (f 7. September 1894), A. KLitschE DE LA GRANGE in Rom (7 24. Juni 1894), A. H. Layarn in London (F 6. Juli 1894), A. Loenrt in Bari (7 8. December 1894), P. Narpuccr in Rom (F 17. No- vember 1894), P. Prrvanosıu in Triest (F 30. December 1894), S. Prix- pıkLıs in Athen (F 5. Januar 1895), H. Rawrıssox in London (7 5. März 1895), C.L. Vıscontı in Rom (F 19. Juni 1894), K. E. ZacHARrIAE von Lin- GENTHAL in Gross-Kmehlen (7 3. Juni 1894).

Das auswärtige Amt verlieh auf Vorschlag der Centraldireetion die Reisestipendien für 1894/95 den HH. BopenstEiser, SCHRADER und SCHULTEN, ein zufolge der im vorigen Jahresberichte erwähnten Statuten-

ne nn u nr

Coxzr: Jahresbericht des Kaiserlich Deutschen archaeologischen Instituts. 583

änderung getheiltes Stipendium den HH. GÜLDENPENNING und WELLMANN, und das für christliche Archaeologie Hrn. Carr Scnaipr.

Bei der Herausgabe der in Berlin erscheinenden periodischen Schriften stand auch in diesem Jahre dem Generalsecretar Hr. Korrp zur Seite. Das zweite Heft des zweiten Bandes der » Antiken Denk- mäler« war am Schlusse des Rechnungsjahrs nahezu vollendet, so dass seine Ausgabe im Maid.J. erfolgt ist. Vom »Jahrbuche« mit dem » An- zeiger« erschien der 9. Band, ausserdem als drittes Ergänzungsheft »Die Villa des Hadrian bei Tivoli« von Hermann WINNErRELD.

Der zweite Theil der »Architektonischen Studien« von SErsIUS Iwanorr war am Ende des Jahres bis zum Beginne der Drucklegung des Textes gelangt, wird also, da die Tafeln längst fertig sind, binnen Kurzem ausgegeben werden.

Hr. Rogerr hat vom Bande III, ı der » Antiken Sarkophage«, wäh- rend auch die letzten Tafeln dieses Bandes fertig gestellt worden sind, den wegen Beschaffung der bibliothekarischen Hültsmittel schwierigsten Theil des Textes vollendet, so dass er hofft im Herbst dieses Jahres ihn ganz zu beenden und zum Drucke zu bringen. Der Apparat ist durch Photographien dalmatinischer Sarkophage vermehrt worden.

Bei der Sammlung und Herausgabe der »Antiken Terracotten « war unter Leitung des Hrn. Krkvr£ die Bemühung immer ausschliess- licher auf Förderung des Typenkatalogs, für den Hr. Winter unaus- gesetzt thätig war, und des Bandes der römischen Thonreliefs, welchen Hr. von Ruopen bearbeitet, gerichtet. Das Material für den Typen- katalog ist in stetem Wachsen, so dass jeder der beiden in Aussicht genommenen Bände gegen 500 Bildseiten enthalten dürfte. Sobald die Anordnung dieser Bildseiten vollendet sein wird, soll der Druck be- ginnen. Für den Band der Thonreliefs ist das Material durch die von Hrn. Pırzar besorgte Aufnahme bisher noch fehlender Stücke in Rom und mit Unterstützung des Hrn. @. Körte so vermehrt, dass die Sammlung als abgeschlossen angesehen werden darf. Da auch der Text weiter gefördert ist, darf man sicherer als im vorigen Jahre darauf rechnen, den Druck bald beginnen zu sehen.

Den Druck des Textes zu Band I,2 der »Etruskischen Urnen« hat Hr. G. Körte beginnen lassen.

Von der mit Unterstützung der. Königlichen Akademie der Wissen- schaften zu Berlin erscheinenden Fortsetzung der GErHArn'schen Samm- lung »Etruskischer Spiegel« ist durch Hrn. @. Körre das Doppelheft 12/13. herausgegeben, für Heft 14 sind die Tafeln theils fertig gestellt, theils in Arbeit gegeben. Hr. Körre hält an der Hoffnung fest, die ferner in Aussicht genommenen Hefte 14-16 noch in diesem Jahre

584 Gesammtsitzung vom 13. Juni.

erscheinen zu lassen. Eine Reise des Herausgebers nach Italien kam dem Werke zu Gute, indem neues Material in Corneto, Florenz, Siena und Rom gewonnen wurde, in Rom besonders unter den faliseischen Funden im Museum der Villa di Papa Giulio.

Hr. Lorscncke hat für die Sammlung der »Chalkidischen Vasen « in London, Corneto und Gotha zeichnen und photographiren lassen, persönlich aber die Wiener Museen ausgebeutet und in Athen die Vasenfunde von der Akropolis durchgeprüft.

Für die Neuausgabe des Werkes von ALprovanpı Delle statue antiche hat Hr. Scureiger seine ÜColleetaneen zu verarbeiten fortgefahren.

Hr. von Domaszewskı hat seine vom Institute unterstützte Samm- lung römischer Reliefs mit militärischen Darstellungen durch eine An- zahl neuer Stücke aus Österreich, dem Orient und Africa vermehren können.

Für die unter Leitung der HH. Currıvs und KAupErr mit Unter- stützung des Königlich Preussischen Unterrichts-Ministeriums und des grossen Generalstabs bearbeiteten »Karten von Attika« haben die Auf- nahmen durch die HH. Hauptmann STtExeEeL und Premier-Lieutenant Kauvpert ihren Fortgang und Abschluss gefunden, und es sind auch die letzten im Maassstabe 1:25000 herauszugebenden Blätter, die Sectionen Salamis, Phyle, Megalo Vuno und Eleusis erschienen. Zum Abschlusse des Werkes wird jetzt eine Generalkarte von Attika, welche auch die nicht im Maassstabe von 1:25000 veröffentlichten nördlich- sten und westlichsten Theile der Landschaft umfassen wird. im Maass- stabe von 1:100000 sofort in Angriff genommen und von einzelnen besonders wichtigen Plätzen, eine Reihe von Speeialplänen zur Heraus- gabe vorbereitet. Schliesslich wünseht die Centraldireetion eine über- sichtliche, zur Benutzung als Wandkarte geeignete Darstellung von Attika erscheinen zu lassen.

Von den im Auftrage der Kaiserlichen Akademie der Wissen- schaften zu Wien mit Unterstützung des Instituts erscheinenden » Atti- schen Grabreliefs« ist durch Hrn. Coxnze im Vereine mit den HH. MicnaeLıs, POSTOLAKKAS, VON SCHNEIDER, Lorwyv und BrÜcKNER das 6. Heft als erstes des zweiten Bandes herausgegeben, das 7. Heft nahezu vollendet. Hierbei ist wieder der Mitwirkung des Hrn. WOLTERS besonders dankbar zu gedenken.

Zur Vermehrung des Materials nichtattischer Grabreliefs hat namentlich Hr. HırLer von GÄRTRINGEn durch seine ansehnliche Samm- lung von Aufzeichnungen über Grabmäler auf Rhodos beigetragen.

Für die im Auftrage des Instituts von Hrn. Kırserırzky heraus- zugebenden »Südrussisch-griechischen Grabreliefs« ist von einer Fort- setzung des Zeichnens abgesehen, indem die Abbildung durch Wieder-

Coxze: Jahresbericht des Kaiserlich Deutschen archaeologischen Instituts. DS

gabe der Photographien nach Meisenbach’schem Verfahren im Texte und. einiger ausgewählter Stücke als Heliogravuretafeln in Aussicht genommen ist. Die Herstellung des Textmanuscripts hat begonnen.

Von Seiten der römischen Abtheilung des Instituts wurde der 9. Band der »Mittheilungen« herausgegeben.

Die Sitzungen haben ihren gewohnten Fortgang genommen, ebenso die Vorträge, die des ersten Secretars Hrn. Prrersen in den Museen, die des zweiten Secretars Hrn. Hürsen über römische Topographie und lateinische Epigraphik. Hr. Mau hat in der ersten Hälfte des Juli seinen Cursus in Pompeji elf Tage hindurch, dazu an einem zwölften im Museum in Neapel abgehalten. Im Frühjahre wurde mit mehreren Theilnehmern eine Besichtigung in Ostia vorgenommen.

Sodann fand im Herbste und zwar vom 3. October bis 8. No- vember v. J. zum vierten Male ein Institutscursus in Italien für deutsche Gymnasiallehrer statt. Von den deutschen Staaten waren vertreten Preussen mit sechs, Bayern, Sachsen, Württemberg und Elsass-Lothrin- gen mit je zwei Theilnehmern, Baden, Hessen, Sachsen- Koburg-Gotha, Schwarzburg-Sondershausen, Reussj. L., Lippe und Lübeck mit je einem Theilnehmer. In die Führung theilten sich die Herren Secretare in Rom und Hr. Mav. Das Programm entsprach im Wesentlichen dem vom Jahre 1893.

Zu andern Reisen der Secretare fand sich nicht besonders häufiger Anlass. Der erste Seeretar war abermals in Perugia um seiner Bearbei- tung des Bronzefundes vom Jahre 1812 willen, ausserdem in Terra- eina um eine dortige Ausgrabung in Augenschein zu nehmen. Der zweite Secretar besuchte Oberitalien, um namentlich in Venedig und Verona bibliothekarisches Material zur Topographie von Rom zu ge- winnen.

Der erste Secretar wurde besonders durch die Vorbereitungen zu einem grösseren Unternehmen in Anspruch genommen, der Neu- aufnahme der Reliefs an der Mare- Aurels- Säule. Dieses Unternehmen anzuregen hatte sich in Deutschland, nach Vorgang der in ihm ver- tretenen Heidelberger Mitglieder, ein Comite gebildet, bestehend aus den HH. vos Brusn-München, Coxze-Berlin, von Domaszewskv-Heidelberg, Dünnter -Berlin, von Dunn-Heidelberg, vos Hrrzos-Tübingen, Monusen- Berlin, vox ÖEcHErLHÄuser- Heidelberg (jetzt Karlsruhe), Overgeck - Leip- zig, PETERSEn-Rom, Porr-München, Scuöxe-Berlin, Scnröper-Heidelberg, Weisnorp-Berlin, ZAngemEister-Heidelberg. Nachdem unter gnädigstem Vorgange S. Königlichen Hoheit des Grossherzogs von Baden bereits einige Private dazu beigetragen hatten, sind die nöthigen Mittel von Sr. Majestät dem Kaiser huldvoll bewilligt worden

586 Gesammtsitzung vom 13. Juni.

und das Königlich Italiänische Unterrichtsministerium hat dureh Stel- lung des Gerüstes in erheblicher Weise beizusteuern sich bereit finden lassen, auch die erforderlichen Genehmigungen geneigtest ertheilt und vermittelt. Das Institut hat jede mögliche Förderung der Arbeit ge- währt; die Leitung an Ort und Stelle und den wissenschaftlichen Theil hat das Comite in die Hände der HH. Prrexsen und von Do- MASZEWSKI gelegt, und es kann hier vorweg erwähnt werden, dass die Ausführung im April d.J. begonnen hat. Bei der Prüfung der Reliefs in der Nähe hat sich sofort ergeben, dass ihr Erhaltungs- zustand schlechter ist, als man bisher bemerken konnte, dass es also höchste Zeit war von den Darstellungen das noch Mögliche für die Kenntniss zu retten.

Der zweite Seeretar Hr. Hürsen arbeitete im Laufe dieses Jahres vornehmlich an der Sammlung der stadtrömischen Inschriften (Corpus Inser. Lat. vol. VI), welche, wie in der Vorrede zu diesem Bande aus- gesprochen ist, von der Königlichen Akademie der Wissenschaften in besonders nahe Beziehung zum Institut gesetzt worden ist.

Im römischen Institutshause wurde nebst andern erheblichen Ver- besserungen namentlich die Einführung elektrischer Beleuchtung in’s Werk gesetzt, welche der fortgesetzt lebhaften Benutzung der Biblio- thek, die nun auch in den Abendstunden ermöglicht ist, zu gute kommt.

Die Bibliothek vermehrte sich um 28ı Werke, darunter Geschenke von der Königlich preussischen Akademie der Wissenschaften, der Kaiserlich österreichischen und Königlich ungarischen Akademie der Wissenschaften in Wien und Budapest, der römischen Accademia dei Lincei und Accademia Pontefieia di archeologia, der Centraldirection der Monumenta Germaniae historica, der Königlichen Bibliothek zu Berlin, der Königlich sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig, der Universität Jena, dem französischen Ministere de l’instruction publique, der Society of antiquaries in London, der Königlich rumä- nischen Akademie der Wissenschaften in Bukarest, sowie von ver- schiedenen Privaten.

Hr. Baron vos PrArner in Rom hat der Bibliotheca Platneriana beim Institute in Fortsetzung seiner Munificenz eine weitere Schenkung von gegen 8S0oo Werken zur Munieipal- und Provinzialgeschichte Italiens zu- kommen lassen und einen Katalog dieses Nachtrages zum Drucke ge- bracht.

Für den neu herzustellenden Realkatalog der römischen Instituts- bibliothek hat Hr. Mau die Verzettelung beendet, die Ordnung der Zettel weitgehend gefördert und probeweise mit einer Excerpirung auch der in Zeitschriften und andern Sammelwerken enthaltenen Aufsätze be- gonnen.

u

Coxze: Jahresbericht des Kaiserlich Deutschen archaeologischen Instituts. D87

Die erheblichste Vermehrung der vom Institute in Rom aufge- nommenen Negative erfolgte durch die photographische Aufnahme der 56 Wandabschnitte mit Antiken im Museo Chiaramonti, womit die Ab- sicht einer Katalogisirung der Vatikanischen Antikensammlungen weiter verfolgt ist.

Das Secretariat in Athen brachte den 19. Band seiner »Mitthei- lungen« zum Abschlusse. Für die Herausgabe der Funde beim the- banischen Kabirenheiligthume ist ein Theil des Textes fertig ge- worden.

Die Sitzungen des Instituts und die Vorträge der beiden Secretare, der HH. DörrreLn und Worrers, haben in gewohnter Weise unter zahl- reicher Betheiligung Gelehrter verschiedener Nationen ihren Fortgang ge- nommen. Die auch im athenischen Institutshause eingeführte elektrische Beleuchtung gestattete es die Sitzungen in die Abendstunden zu verlegen und so eine anderweitig werthvolle Arbeitszeit am Tage frei zu machen. Gegen Ende des Wintersemesters wurde in den Sitzungen von einem neu angeschafften Skioptikon Gebrauch gemacht. Auch an den Sitzungen der andern auswärtigen Institute in Athen haben Mitglieder unseres Instituts _theilzunehmen nicht versäumt. Zu den Vorträgen trat dieses Mal im April v. J. eine zehntägige Periegese durch die wichtigsten Denk- mälergruppen der athenischen Museen hinzu, welche der zweite Secretar auf Wunsch vor einem zahlreichen Zuhörerkreise, in dem auch mehrere österreichische Stipendiaten vertreten waren, ausgeführt hat.

Eine erfreuliche, dem Institute höchst förderliche neue Berührung mit den österreichischen Fachgenossen ist eingetreten, indem von der Kaiserlich und Königlichen österreichisch-ungarischen Regierung der Epigraphiker Hr. Wırserm in Athen stationirt ist, mit dem die gemein- samen Studien unsere Anstalt besonders eng verbinden.

Im Frühjahr 1894 haben wiederum die nun bereits üblichen Stu- dienreisen in den Peloponnes und mit einem Dampfer nach griechischen Inseln und Küstenplätzen unter Führung des ersten Secretars stattge- funden. Der Wunsch von Deutschen und Ausländern sich an diesen Reisen zu betheiligen war auch dieses Mal so stark, dass nicht alle Meldungen berücksichtigt werden konnten. Es nahmen an der Peloponnes- reise 45, an der Inselreise 63 Personen Theil. Dieselben Reisen sind wieder für den April d. J. vorbereitet worden.

Im Sommer war der erste Secretar auf drei Monate beurlaubt, um die Ausgrabung auf Hissarlik mit den von Sr. Majestät dem Kaiser allergnädigst ihm zur Verfügung gestellten Mitteln fortzuführen und durch weitgehende Freilegung der der sogenannten mykenischen Epoche angehörenden Burg vorläufig abzuschliessen.

[= = . = 588 Gesammtsitzung vom 13. Juni.

Kürzere Reisen unternahm der erste Secretar auf Wunsch der HH. Wipe, Stais und Rıcmarvson, um die von diesen Herren auf schwedische, griechische und amerikanische Kosten unternommenen Ausgrabungen in Poros, Aegina und Eretria in Augenschein zu nehmen. Auch besuchte er um der französischen Ausgrabungen willen Delphi.

Der zweite Seeretar betheiligte sich an der Reise in den Peloponnes, auf welcher er in Olympia die Skulpturen erläuterte; ausserdem besuchte er Ithaka und Kephallenia gemeinsam mit Hrn. Noack und betheiligte sich an dessen Aufnahmen dortiger antiker Städteanlagen, nahm einen achttägigen Aufenthalt beim Asklepiosheiligthume von Epidauros zum Studium der dort von griechischer Seite aufgedeekten Anlagen, bereiste mehrere Punkte in Lakonien, Messenien, Arkadien und in der Argolis, und besuchte auf Anlass neuer Funde Kalaureia, Laurion, Aegina, Aphidna und Delphi.

Mit dem Stipendium, welches dem Institute von der Direetion der anatolischen Fisenbahn-Gesellschaft auf die Dauer von zwei Jahren zur Verfügung gestellt war, setzte Hr. A. Körre seinen Aufenthalt in Con- stantinopel und seine Reisen im nördlichen Kleinasien fort, mit einer Unterbrechung zur Benutzung der Institutsbibliothek in Athen, wo er in der Eröffnungssitzung über die bisherigen Ergebnisse seiner Fahrten berichtete, wovon weitere Nachrichten in den athenischen »Mitthei- lungen« des Instituts erscheinen werden.

Vom Institute nach Möglichkeit unterstützt wurde Hr. Noack bei seiner aus eigenen Mitteln ausgeführten Bereisung Nordgriechenlands behufs Aufnahme und Untersuchung altgriechischer befestigter Plätze.

Als die beiden wissenschaftlichen Hauptunternehmungen des In- stituts in Athen wurde die von Hrn. Dörrrern begonnene Ausgrabung im Westen der Akropolis und die von Hrn. Worrers geleitete Bearbei- tung der auf der Akropolis gefundenen Vasen energisch fortgeführt. -

Dass die Fortsetzung der Ausgrabung, für welche dem Institute Mittel nicht zur Verfügung standen, erfolgen konnte, verdanken wir der Liberalität folgender deutscher Gönner: Der Hr. Reichskanzler, Hr. Erpwın Amsınck in Hamburg, Hr. Generalintendant Dr. Bürkıım in Karlsruhe, HH. Dersrück,, Leo und Co. in Berlin, Hr. Prof. Dr. FrıepBERG in Halle, Hr. Freiherr von Hryı zu Herensuem in Worms, Frau Geh. Commerzienräthin Herz in Berlin, Hr. Commerzienrath Hemriıca Len- mann in Halle, Hr. Franz Freiherr vow Lirrerneiwe in Berlin, Hr. Arruur LößBEcKE in Braunschweig, Hr. Prof. Dr. Marrıwvs in Bonn, Hr. Geh. Commerzienrath Ernst MENDELSsSoun-BartHuoLpy in Berlin, Hr. Franz von Menperssonn in Berlin, Hr. RoBERT von MENDELSSOHN in Berlin, Hr. Geh. Commerzienrath von Mevıssen in Köln, Hr. Husco Orpexmeim in Berlin, Hr. Jakog Pını in Hamburg, Hr. Prof. Dr. ScnuLtze

re

Coxze: Jahresbericht des Kaiserlich Deutschen archaeologischen Instituts. 589

in Bonn, Hr. Fernınanp Scırıo in Mannheim, Hr. Geh. Commerzien- rath Gustav SıeeLe in Stuttgart, Hr. W. Spemann in Stuttgart, Hr. Geh. Commerzienrath Dr. Kırıan STEINER in Stuttgart, Hr. Geh. Com- merzienrath Verr in Berlin, Hr. R. Zanpers in Bergisch-Gladbach, Hr. Joser Zuntz, Königl. griechischer Consul in Bonn, ein Ungenannter. Ihnen hat sich unaufgefordert die englische Archaeologin Miss Jaxe Harrıson angeschlossen. Mit den gespendeten Mitteln konnte ziemlich das ganze Wintersemester hindurch gearbeitet werden.

Die Beriehte über die Ergebnisse haben in den athenischen »Mit- theilungen« zu erscheinen begonnen. Es ist ein erheblicher Theil einer Hauptstrasse der alten Stadt mit an ihr liegenden Heiligthümern und Privatgebäuden, mit namentlich auch ansehnlichen Wasseranlagen an das Licht gebracht, dazu manches Einzelne an Inschriften und Bild- werken und so der Kenntniss von Alt-Athen und seiner Topographie ganz neues Material zugeführt, dessen Verwerthung unter Vorgange des Entdeckers selbst bereits von verschiedenen Seiten begonnen hat, mit einem zweifellos starken neuen Impulse für die Erforschung der athenischen Stadtgeschichte. Wenn die Ausgrabung für den Sommer ruhen wird, so vertrauen wir der Theilnahme so vieler Freunde der Alterthumswissenschaft, dass sie uns helfen wird, Hrn. DörrreLn im kommenden Winter zur Fortführung der Untersuchung in den Stand zu setzen.

Für die Bearbeitung der auf der athenischen Akropolis gefundenen Vasen sind die HH. Graer und Harrwıe in Fortsetzung ihrer bereits früher begonnenen Thätigkeit auch in dem Jahre, über das wir be- richten, eingetreten. Die Bearbeitung der älteren Vasengattungen und der attisch-schwarzfigurigen Vasen wurde vom April an von Hrn. Graer bis Ende October, von Hrn. Harrwıc bis Ende Juni fort- gesetzt, indem dieser die schwarzfigurigen Schalen und Becher, ersterer die ältesten Vasen und einige Gruppen der späteren attisch-schwarz- figurigen Waare erledigte. Um Ende October trat Hr. Harrwıs wieder in die Arbeit ein und erledigte bis Ende März die noch übrigen schwarz- figurigen Gruppen, sowie die Stücke mit aufgemalten und eingeritzten Inschriften. Die Ordnung des ganzen grossen Materials und die Her- stellung eines kurzen Verzeichnisses mit beigefügten Durchzeiehnungen ist damit abgeschlossen und wir stehen also vor dem weiteren Schritte zur Herausgabe, vor der Herstellung hierfür genügender Abbildungen.

Nur durch Gestattung und Förderung Seitens der Königlich griechi- schen Generalephorie, in einem dafür zur Verfügung gestellten Raume des Nationalmuseums, hat diese grosse Arbeit so weit geführt werden können, wie wir ebenfalls dankbar zu erwähnen haben, dass Unter- suchungen der HH. ParrAT, Schraper und Wıreann an Denkmälern der

Sitzungsberichte 189. 55

590 Gesammtsitzung vom 13. Juni.

Akropolis unter ähnlicher Gunst von gleicher Stelle aus ermöglicht worden sind.

Die athenische Bibliothek des Instituts vermehrte sich um 331 Num- mern, einer deshalb grösseren Zahl als sonst, weil aus der Bibliothek des verstorbenen Loruıse eine grosse Anzahl kleiner Einzelschriften übernommen werden konnte. Sonst haben ausser den Anschaffungen Geschenke zum Anwachsen der Bibliothek beigetragen von Seiten der Akademien in Berlin und Wien, der Verwaltungen des Britischen und Ottomanischen Museums, des französischen Unterriehtsministeriums, der archaeologischen Gesellschaft zu Berlin, der amerikanischen Schule in Athen und einer Anzahl von Privaten. Auch in Athen ist die Benutzung der Bibliothek durch die schon erwähnte Einführung elek- trischer Beleuchtung gefördert worden.

Die Sammlung photographischer Negative des Instituts, deren Copien den Fachgenossen käuflich abgegeben werden, hat sich in Athen von 2500 auf 2900 Nummern vermehrt. Ein Nachtrag zu dem früheren Verzeichnisse ist soeben im » Anzeiger« des » Archaeologischen Jahrbuchs« (1895, S. 55 ff.) erschienen und wird vom Secretariate in Athen auch einzeln abgegeben.

Ein mit Ausnahme wenig geeigneter Stücke vollständiges Exem- plar von Copien aller in Rom und Athen vom Institute hergestellten Negative ist nach Berlin gelangt und wird mit Genehmigung der Generalverwaltung in der Bibliothek der Königlichen Museen zur Be- nutzung aufgestellt werden.

Anlass zu Reisen des Generalseeretars nach Karlsruhe und Rom gab im abgelaufenen Rechnungsjahre der im vorjährigen und in diesem Jahresberichte bereits erwähnte Plan einer Neuaufnahme der Relief- darstellungen an der Mare-Aurels-Säule. Der Generalsecretar nahm ausserdem den Weg über Rom auch im Februar und April d. J. auf dem Hin- und auf dem Rückwege einer Reise nach Griechenland, welche den Zweck persönlicher Verständigung mit den Herren Seere- taren in Rom und Athen über verschiedene Institutsarbeiten hatte, auch zum Besuche einer Anzahl der Haupt-Ausgrabungsplätze in Griechen- land benutzt wurde.

Das Institut hält es auch fortgesetzt für seine Pflicht den Bestre- bungen zu folgen und sich an ihnen nach Kräften zu betheiligen, welche das Moment der Anschauung im Gymnasialunterrichte mehr und mehr zur Geltung zu bringen suchen. Die, wie bereits erwähnt, im Herbst 1894 fortgeführte, auch für den Herbst d. J. wiederum vorbereitete Ver- anstaltung eines Cursus für deutsche Gymnasiallehrer in Italien und die gelegentliche Betheiligung von Gymnasiallehrern an den Studienreisen

Coxze: Jahresbericht des Kaiserlich Deutschen archaeologischen Instituts. 591

der athenischen Zweiganstalt diente diesen Bestrebungen in gleicher Weise, wie die Curse, welche von den Königlich preussischen, bayerischen, und sächsischen Regierungen in Berlin, München und Dresden für den April d. J. vorbereitet wurden und inzwischen abgehalten sind, wobei an jedem Orte ausser den Lehrern des eigenen Landes auch Theilnehmer aus andern deutschen Staaten Zulassung fanden. In Dresden ist dieses Mal durch Führung des Hrn. Wörmann in der Königlichen Gemälde- gallerie und des Hrn. Treu in der Königlichen Skulpturensammlung auch die Kunst der christlichen Periode vergleichsweise mit herbei- gezogen worden.

Im vorigen Jahresberichte wurde erwähnt, dass, um den auf der Wiener Philologenversammlung geäusserten Wunsch nach neuen An- schauungsmitteln aus dem Bereiche antiker Kunst für die Gymnasien zu verfolgen, das Zusammentreten einer vorberathenden Commission zu er- warten sei. Auf Veranlassung der Königlichen Regierungen von Preussen und Sachsen hat die Commissionssitzung im August v. J. stattgefunden. Es nahmen an ihr Theil die HH. GunrAaver- Wittenberg, 'TRENDELENBURG- Berlin, Treu-Dresden und der Generalsecretar des Instituts. Eine kurze Denkschrift, über welche die Commission sich einigte, ist von Sr. Durch- laucht dem Herrn Reichskanzler allen deutschen Regierungen, sowie der Kaiserlich und Königlich österreichisch -ungarischen Regierung mit- getheilt worden, und das Institut hat es übernommen, als Probe eine grosse Wandtafel, so wie sie in Wien gewünscht wurde, herstellen zu lassen und sie auf der bevorstehenden Philologenversammlung in Köln vorzulegen.

Wir haben endlich auch dieses Mal dem Verwaltungsrathe der Dampfschifffahrts-Gesellschaft des österreichischen Lloyd zu danken für die erhebliche Erleichterung, welche von seiner Seite den Reisen der Beamten und Stipendiaten des Instituts zu Theil geworden ist.

Ausgegeben am 20. Juni.

Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerci.

593

SITZUNGSBERICHTE

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN.

20. Juni. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe.

Vorsitzender Seeretar: Hr. E. pu Boıs-Revmonp.

l. Hr. Mvsx las eine vierte Mittheilung über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde.

2. Hr. Mögıus legte einen Beitrag zur Kenntniss der Gattung Melipona sens. lat. von Hrn. Dr. H. Sraveımann, Assistenten an der zoologischen Sammlung, vor.

3. Hr.WaArpever legte Untersuchungen von Hrn. Frievricn Reınke in Rostock über Befruchtung und Furchung des Eies der Echinodermen vor.

4. Hr. Pranck legte Untersuchungen der HH. ©. Runner und F. Paıscnen in Hannover über das Spectrum des Helium vor.

Die vier Mittheilungen folgen umstehend.

5. Hr. Ensrer legt einen Bericht des Hrn. Dr. Reıcne in Con- stitucion vor, welcher mit Unterstützung der Königl. Akademie in den südchilenischen Anden Studien über die Zusammensetzung der Vege- tationsformationen und über die biologischen Verhältnisse der dortigen Hochgebirgspflanzen zu machen wünschte. Dr. Reıcne bereiste im Januar d. J. die Cordillere von Nahuelbuta und von Chillan. Für die Cordillere von Nahuelbuta stellte er fest, dass der nördliche niedrigere Theil des Gebirges nur die Vegetationsformation des gemischten Laub-

Sitzungsberichte 1895. 56

594 Sitzung der physikalisch -mathematischen Classe vom 20. Juni.

waldes aufweist, mit der seiner geographischen Breite entsprechenden Beimengung südchilenischer, speciell in Valdivia, Llanguihue, Chilo& weit verbreiteten Arten, wie Kueryphia, Caldchwia paniculata, Alsophila. Diese Vegetation findet sich auch unverändert in den niederen Lagen des nördlichen Theiles des Gebirges, wird aber oberhalb 1000” von der Vegetationsformation der immergrünen Araucarienwälder oder Pinares abgelöst. Ihre hervorstechendsten Charakterzüge bestehen in ihrem lockeren Stande und dem reichlichen Unterholz von Buchengebüsch. Die Staudenflora, durch Anemone antucensis, Codonorchis Poeppigü und andere Orchideen charakterisirt, ist reichlicher in den Lichtungen, als im geschlossenen Bestande vertreten. An der CGordillere von Chillan stellte Dr. Reıcn£ fest, dass die hochwüchsigen Nierebäume (Fagus Pumilio) an geschützten Lagen etwas über 1900” hinaufgehen; an weniger geschützten Orten sind sie bereits durch Buchengebüsch ver- treten. Dann folgt die von den kleinen Sträuchern Berberis empetrifolia, Empetrum rubrum und Escallonia carmelita bezeichnete, 2000-2100" erreichende Zone. Schliesslich wird die Vegetation nur noch durch Nassauvia revohıta, einen vereinzelten Senecio oder an quelligen Stellen durch ein Polster von Oreobohıs clandestinus vertreten. Mit 2200” beginnt die Herrschaft des ewigen Schnees, bez. des nackten Felsen- oder Geröllbodens. Kleinere Flecken von nicht abschmelzendem Schnee sind auch unterhalb 2200" vorhanden; ihre Ränder sind von Caltha andicola und Ourisia racemosa umsäumt. Unter den Holzpflanzen sind sämmtliche mit lederigen Blättern ausgerüstet. Dichte rosettenförmige Beblätterung zeigen die Nassauvien und Viola volcanica, zu geschlossenen Polstern drängen sich zusammen Azorella laevigata, Adesmia compacta, Gamocarpha Poeppigü; Firnissüberzug der Blätter und jüngeren Theile des Stengels weisen Adesmia emarginata und Escallonia carmelita auf. Senecio carnosus ceombinirt das Rollblatt mit dem fleischigen Blatt, indem seine Blätter am Rande stark nach unten gekrümmt sind. Wenn auch solche Einrichtungen im Stande sind, die infolge des oftmals herrschenden heftigen Windes gesteigerte Transspiration zu re- guliren, so sind doch nach Dr. Reıcne an den gleichen Standorten mit diesen Pflanzen andere anzutreffen, welche durchaus keinen be- sonderen Trockenschutz zeigen, so einige Senecio- Arten und die Um- bellifere Huanaca andina. Ein ausführlicher Bericht über diese Reise erscheint im XXI. Band von Esecrer’s botanischen Jahrbüchern. Im September oder December d. J. gedenkt Dr. Reıcnz weitere Expedi- tionen zu unternehmen.

en er oe

Über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde.

Von Hermann Monk.

Vierte Mittheilung.!

[0 6)

m Hunde zeigen nach der Totalexstirpation der linken Extremi- tätenregionen die rechten Extremitäten, wenn der Hund geht, läuft, sich aufstellt, springt, strampelt, die nämlichen Störungen in den Bewegungen, wie ich sie von dem Affen beschrieb, der frei von Con- tracturen bleibt, so dass die im 6. Capitel gegebene Schilderung auch für den Hund zutrifft. Nur habe ich bei diesem äusserst selten das Hinterbein das Vorderbein streifen und nie es zu einer Art von Hüpfen an den Hinterbeinen kommen sehen. Bezüglich der Ungeschicktheiten in den Bewegungen der rechten Extremitäten, welche nach 6-83 Wochen übrig bleiben, konnte ich beim Hunde mich vergewissern, dass sie durch Jahre unverändert sich erhalten.

Nach der Totalexstirpation der Extremitätenregionen auf beiden Seiten zugleich, welehen Eingriff die Hunde, wenn nur die gefähr- lichen Nachblutungen ausbleiben, vertragen, treten ebensolche Stö- rungen in den Bewegungen, wie wir eben die Totalexstirpation der linken Extremitätenregionen für die rechten Extremitäten mit sich bringen sahen, zugleich an den rechten und an den linken Extremi- täten des Hundes auf und nehmen in gleicher Weise in 6-3 Wochen ab, bis schliesslich dieselben Ungeschicktheiten rechts und links für die Dauer verbleiben. Daneben gehen die in den Bereich der Em- pfindlichkeit fallenden Störungen einher, welche alle gerade so, wie ich sie im 3. Capitel nach der linksseitigen Totalexstirpation für die rechten Extremitäten beschrieb, nach der beiderseitigen Totalexstir- pation an den rechten und an den linken Extremitäten des Hundes sich wiederholen.

Gehen, Laufen u. s. w. des Hundes erscheinen demgemäss durch die beiderseitige Verstümmelung viel schwerer geschädigt, als durch

ı Die früheren Mittheilungen s. diese Berichte 1892. S. 67g9fl.; 1893. S. 759ff.; 1894. S. 823 ft.

56*

596 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 20. Juni.

die einseitige. In der Regel erst am 3. Tage nach der Operation gelingt es dem Hunde, sich durch Strampeln aus dem Liegen zu er- heben und zu gehen, aber weil die Beine zu weit oder zu wenig aus- schreiten, Vorder- wie Hinterbeine sich überkreuzen oder auf einander treten, die Füsse schleifen oder verkehrt aufgesetzt werden oder ab- gleiten, stürzt der Hund immer nach wenigen Schritten hin, bald nach der Seite fallend, bald nach vorn oder hinten überschlagend; und da er infolge der abnormen Stellungen, welche jederzeit die Beine haben, erst recht nicht zu stehen vermag, giebt der Hund in kurzem alle Bewegungen auf und bleibt lange Zeit ruhig liegen, bis endlich ein besonderer Anlass neues Strampeln und neue Gehversuche herbei- führt. Täglich macht sich dann eine Besserung bemerklich, indem der Hund, wenn er lange gelegen hat, leichter auf die Füsse kommt und besser geht. 8 Tage nach der Operation läuft er die ersten ı-2 Minuten, ohne dass mehr als ein stark schallendes Aufschlagen der Füsse auffällt; darauf geht er immer langsamer und immer mehr wie ein Trunkener schwankend, die Füsse gleiten immer häufiger ab, die Beine überkreuzen sich öfter und öfter oder kommen in andere fehlerhafte Stellungen u. s. w., und so fällt der Hund in immer kür- zeren Zwischenzeiten um, bis er nach längstens einer Viertelstunde erschöpft liegen bleibt. Anders als an die Wand, den Tischfuss und dergl. gelehnt oder das Kinn fest auf den Boden stemmend und dabei noch schwankend, kann er derzeit nicht stehen; beim Kothen und Harnen überschlägt er oder fällt er auf den Steiss; nimmt er im Gehen ein Fleischstück mit dem Maule auf, schiesst er nach vorn über. 3 Wochen nach der Operation verlangsamt und verschlechtert sich das Gehen viel allmählicher und kommt es in der ersten Stunde nur noch selten zum Hinstürzen, da der Hund, wenn er auch oft stolpert, doch meist sich aufrecht zu erhalten vermag. Eine kurze Weile kann der Hund jetzt frei stehen, ohne zu schwanken; fängt er zu schwanken an, so setzt er sich sogleich wieder in Gang. Auch erhebt er sich schon nach hoch vorgehaltenen Fleischstücken auf den Hinterfüssen; doch fällt er, sobald er sich aufgerichtet hat, nach der Seite oder nach hinten um. Endlich etwa 8 Wochen nach der Opera- tion ist das Verhalten erreicht, bei dem es für die Folge bleibt. Hat der Hund lange zuvor geruht, so bietet er in einer ersten Zeit, während welcher er nie langsam, sondern immer rasch geht oder läuft, zeitweise auch steht, nur wenige Abnormitäten dar: er geht manchmal vorn und besonders hinten auffällig breitbeinig und schlägt stets stark mit den Füssen auf; er schleift zuweilen einen Fuss zu Anfang des Gehens und wenn er die Richtung ändert, oder setzt ihn zu Ende des Gehens schlecht auf; er lässt öfters einen Fuss auf dem

nn Fe

Mexk: Über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde. 597

Boden gleiten, wenn er im Laufen eine kurze Wendung macht oder den Lauf hemmt. Nach 20-30 Minuten ist aber dasselbe nur noch gelegentlich einmal und für kurze Zeit zu beobachten, wenn der Hund in leidenschaftlicher Erregung läuft; sonst geht der Hund langsam und je länger es dauert, desto langsamer, und entsprechend nehmen die Abnormitäten zu. Die Beine werden fehlerhaft gehoben, meist die Hinterbeine zu hoch, die Vorderbeine zu wenig hoch, bis sogar die ersteren die letzteren hin und wieder streifen, und fehlerhaft auf- gesetzt, zu weit nicht bloss nach vorn oder nach hinten, sondern auch nach innen, so dass es zum Überkreuzen kommt, ein Fuss auf den anderen tritt und der Hund schliesslich immerfort stolpert. Beim Stehen stellt sich jetzt Schwanken ein, anfangs ganz schwaches, dann deutliches, später auffälliges Schwanken, und immer öfter gleitet dieser oder jener Fuss ab oder knickt das eine oder das andere Vorder- bein im Carpalgelenk nach vorn um; endlich ist das Stehen meist äusserst abgekürzt, weil die Beine von vorneherein in ganz abnormen Stellungen sich befinden. Trotz alledem können ı4 Stunden und mehr vergehen, ehe der Hund ein erstes Mal beim Gehen hinstürzt, und auch nur lang- sam nimmt das Umfallen an Häufigkeit zu. Zuerst erhebt sich dann der Hund sofort und gut wieder auf die Beine, aber allmählich wird das Aufstehen immer schwerer, weil besonders die Vorderfüsse abgleiten, und endlich bleibt der Hund liegen. Es kommt auch vor, dass der Hund aus dem Stehen zur Zeit, wo dieses schon sehr erschwert ist, unter Beugung der Vorder- und Hinterbeine zum Liegen übergeht, mehr zu Boden sinkt, als dass er sich legt. Nie setzt sich der Hund; bringt man ihn künstlich in die sitzende Stellung, so gleiten jedesmal die Vorderfüsse ab, so dass es zum Liegen kommt. Auch Springen und Aufrechtstellen, die nach langer Ruhe wie normal sich vollziehen können, werden, je länger der Hund in Bewegung war, infolge des Abgleitens der Füsse immer ungeschickter und unvollkommener aus- geführt. Zu keiner Zeit legt der Hund, wenn er sich am Menschen, am Tische u. s. w. aufstellt, in der normalen Weise die Vorderbeine an, sondern diese werden rhythmisch abwechselnd auf- und abwärts bewegt und können schliesslich vertical herabhängen, während der Kopf durch Anlegen des Kinnes zur Unterstützung herangezogen wird; fügt es schon einmal der Zufall, dass unter dem Hin- und Hergehen der Vorderbeine ein Vorderfuss zur Anlagerung kommt, so liegt er doch nur ganz lose an und gleitet bald wieder ab. »

Dasselbe Verhalten des Hundes kommt zur Beobachtung, wenn die Verstümmelung zweizeitig ausgeführt wurde, wenn der Totalexstir- pation der linken Extremitätenregionen erst nach ı-2 Monaten oder noch später die der rechten Extremitätenregionen nachfolgte. In sol-

598 Sitzung der physikalisch -mathematischen Classe vom 20. Juni.

chem Falle vermag nur der Hund ein wenig eher sich zu erheben, und bessern sich Gehen und Stehen etwas rascher, indem die rechten Extremitäten nicht nur von vorneherein kräftiger agiren als die linken, sondern auch weniger oft schleifen, abgleiten, verkehrt aufgesetzt werden.

Demnach verhält es sich mit den Gemeinschaftsbewegungen der Extremitäten, welche zu den Prineipalbewegungen, dem Gehen, Laufen, Aufriehten u. s. w. gehören, beim Hunde wie beim Affen, und ist auch beim Hunde einerseits den Extremitätenregionen der vervoll- kommnende oder verfeinernde Einfluss auf die Gemeinschaftsbewegun- gen der zugehörigen Extremitäten zuzuschreiben, andererseits die Besserung in den Gemeinschaftsbewegungen der Extremitäten, welche nach dem Untergange der Extremitätenregionen durch Wochen hin- durch fortschreitet, von der Zunahme abzuleiten, welche die Erreg- barkeit der Rückenmarkscentren der Extremitäten infolge der Isolirungs- veränderungen erfährt. Beim Hunde bietet sich nur das Besondere dar, dass nach der beiderseitigen Totalexstirpation, wenn die Besserung in den Gemeinschaftsbewegungen der Extremitäten ihr Maximum er- reicht hat, alltäglich im Verlaufe von ein paar Stunden die Stadien wiederum rückwärts durchlaufen werden können, welche vorher in einer Reihe von Wochen vorwärts zurückgelegt worden waren. Es findet das darin seine Erklärung, dass, während der Affe jedesmal, sobald er sich eine Weile bewegt hat, sich setzt und ausruht, der Hund ohne Extremitätenregionen stundenlang beim Gehen und Stehen bleibt und so immer müder wird: damit geht für die Gemeinschafts- bewegungen der Extremitäten mehr und mehr verloren, was infolge der Isolirungsveränderungen durch die Erhöhung der Erregbarkeit der Rückenmarkscentren gewonnen war, freilich nur vorübergehend verloren, bis durch Liegen des Hundes die Ermüdung beseitigt ist.

Beachtung verdient noch, dass, wenn gewisse Prineipalbewegun- gen des Affen, wie das Klettern, dem Hunde abgehen, wiederum andere Prineipalbewegungen dem Hunde eigenthümlich sind. Wir sahen, dass, wenn nach der beiderseitigen Totalexstirpation der Ex- tremitätenregionen das Thier sich aufstellt, beim Affen höchstens zu- gleich der eine Arm etwas nach vorn, der andere etwas nach hinten geht, beim Hunde aber beide Vorderbeine rhythmisch abwechselnd vor- und rückwärts sich bewegen. _Solches Hin- und Hergehen der Vorderextremitäten ist beim Affen überhaupt nicht zu beobachten, beim verstümmelten so wenig wie beim normalen, er müsste denn mit dem ganzen Körper Strampelbewegungen machen. Dagegen tritt es beim Hunde, und zwar bei demjenigen, der eine oder beide Ex- tremitätenregionen verloren hat, ebenso wie beim unversehrten, auch

nn un

Musk: Über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde. 599

in der Form der beiderseitigen Scharrbewegung auf, wenn der Hund nach Nahrung gierig ist, die vor ihm auf dem Boden liegt, die er aber nicht mit dem Maule, der unversehrte oder einseitig verstüm- melte Hund auch nieht mit einer Vorderextremität zu fassen vermag und die er doch zu erlangen strebt. Man studirt diese Bewegung am besten, wenn man vor dem hungerigen Hunde Fleischstücke in passendem Abstande unter einen Schrank mit sehr niedrigen Füssen legt, und constatirt so bei dem verstümmelten Hunde dasselbe, was sich für die anderen Prineipalbewegungen ergab: die geschädigte Ex- tremität führt die Scharrbewegung mit der Zeit immer besser aus, aber schliesslich doch für die Dauer unvollkommen, indem die Zehen allermeist gar nicht thätig werden. Dass hin und wieder einmal der regelmässige Wechsel in der Thätigkeit der Vorderbeine eine Unter- brechung erfährt, indem dasselbe Bein ein paarmal für sich allein die Scharrbewegung macht, kann nicht auffallen, da ähnliche Unregel- mässigkeiten aus unbekannter Ursache auch schon nach Durchschnei- dungen des Rückenmarks bei den Rückenmarksreflexen vorkommen, z.B. das Tactschlagen der beiden Hinterbeine zuweilen für eine kurze Zeit durch das Taetschlagen eines einzelnen Hinterbeines ab- gelöst wird.

Bezüglich derjenigen Störungen in den Bewegungen, welche ausser- halb des Bereiches der Prineipalbewegungen die Totalexstirpation der Extremitätenregionen mit sich bringt, wissen wir schon lange, dass an den zugehörigen Extremitäten auf mechanischen Angriff lediglich die Gemeinreflexe zu beobachten sind, nie mehr die Berührungsretlexe. Der Hund stimmt hinsichts dieser beiderlei Reflexe in allen Stücken mit dem Affen überein. Hinzukommt, dass der Hund, der die Ex- tremitätenregionen einer Seite verloren hat, nur das gleichseitige, nie das gegenseitige Vorderbein für sich allein in Bewegung setzt, um Nahrung, die er mit dem Maule nicht erreichen kann, zu greifen und®% heranzuholen, grosse Fleischstücke oder Knochen während des Fressens festzuhalten, mit Exerementen besudeltes Stroh oder überschüssige Nahrung und dergl. zu entfernen oder zu verscharren. Auch wenn Jahre nach der Operation verfliessen, tritt darin keine Änderung ein. Mit- hin gehen auch beim Hunde mit dem Untergange der Extremitäten- regionen isolirte Bewegungen der zugehörigen Extremitäten, welche nicht Gemeinretlexe oder Rückenmarksreflexe sind, für immer verloren. Aber ob beim Hunde ebenso, wie beim Affen, alle derartigen Be- wegungen durchaus für die Folge fehlen, bedarf im Hinblick auf Angaben von Hrn. Gorrz einer eingehenderen Untersuchung.

Bieten auch Hrn. Gorrz’ ältere Versuche mit Durchspülung oder ausgedehnter Zerstörung der Hemispkaere ebensowenig, wie die Ver-

600 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 20. Juni.

suche anderer Forscher mit Zerstörung des Gyrus sigmoideus, die Sicherheit, dass die Extremitätenregionen völlig exstirpirt waren, so kann doch in der Richtung kein Bedenken aufkommen gegenüber Hrn. Gorrtz’ neueren Versuchen mit Abtragung einer ganzen Hemisphaere oder der vorderen Hälfte derselben. Bei diesen Versuchen hat sich Hrn. Gortz ergeben, dass der Hund zuerst allerdings die Benutzung der gegenseitigen Pfote als Hand vernachlässigte, später aber die gegen- seitigen Pfoten noch zu einzelnen Handlungen benutzte; und Hr. Gortz hat es damit für bewiesen gehalten, dass der Fortbestand einer Gross- hirnhälfte genügt, um zweckmässige, offenbar willkürliche Einzelhand- lungen der gleichseitigen Pfoten zu ermöglichen. Danach müssen auch im Falle der Totalexstirpation der Extremitätenregionen jene »einzelnen Handlungen« und »willkürlichen Einzelhandlungen« der gegenseitigen Extremitäten vorkommen; und da »willkürliche Einzel- handlungen« nur isolirte Bewegungen sein können, wie sie bei uns in Frage stehen, können wir nicht umhin, alle weiteren Bewegungen, welche die gegenseitigen Extremitäten zeigen, der Reihe nach prüfend zu mustern.

Der Hund macht nach der Totalexstirpation der Extremitäten- regionen von der 3. Woche an Kratzbewegungen mit dem gegenseitigen Hinterbeine; er kratzt oftmals ganz in die Luft, sonst wenigstens zu Anfang oder zu Ende der Bewegungen, und er trifft in den letzteren Fällen bei wiederholtem Kratzen verschiedene Stellen der Haut oder auch immer wieder dieselbe Stelle, so dass es zur Bildung eines haar- losen Fleckes kommen kann. Die Bewegungen unterscheiden sich in keiner Hinsicht von denjenigen Kratzbewegungen, welche sich durch ‚Berühren oder Streichen der Haut herbeiführen lassen und uns als Kratzreflex bereits wohlbekannt sind’; und sie kommen mit diesen ins- besondere auch darin überein, dass der Hund während ihres Ablaufes, um Gereens’ Worte zu gebrauchen’, trotz dem nicht selten vollständig ausbleibenden Nutzen der Bewegung, ganz gleichgültig bleibt, frisst, sich mit anderen Dingen beschäftigt. Es liegt demgemäss kein Anlass vor, ihnen eine andere Bedeutung als den letzteren Bewegungen beizu- messen, in ihnen Anderes als Rückenmarksreflexe zu sehen, die hier ohne unser Zuthun durch zufällige Reizungen der Haut zustande- kommen.

Mit dem Vorderbeine der Gegenseite macht der Hund solche Kratzbewegungen nicht, aber doch ähnliche Bewegungen, indem er

! Prrücer’s Arch. Bd.42. 1888. S.425—426 (S.426 Z.2 v.o. muss es »der rechten Vorderpfote« statt »der linken Vorderpfote« heissen).

2 S. diese Berichte 1892. S. 700ff.

3 S. ebenda S. 702.

ET

Muxx: Über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde. 601

das Vorderbein wiederholt an die in der Heilung begriffene Kopf- wunde heranführt. Die Bewegungen, welche unter diesen Umständen nur selten zur Beobachtung kommen, kann man sich öfter vorführen, wenn man das gleichseitige Auge mit einem Tuche verbindet oder an die gleichseitige Gesichtshaut eine gezahnte Klemme legt, indem alsdann das Vorderbein ebenso gegen das Tuch oder die Klemme fährt. Aber während das ungeschädigte Vorderbein in entsprechen- den Fällen jedesmal mit den Zehen in die Wunde greift und das Tuch oder die Klemme mit den Zehen fasst, schlägt unser Vorder- bein immer an der Reizstelle vorbei, wird es immer nur gehoben und mehr oder weniger nahe der Wunde, dem Tuche, der Klemme, welche es höchstens streift, rasch abwärts geführt. Die active Be- wegung des Vorderbeines bleibt dabei in der Regel auf seine oberen Glieder beschränkt, so dass der Fuss bloss passiv mitgeführt wird; und nur hin und wieder, wenn der Hund sehr aufgeregt wird, dehnt sich die active Bewegung auch auf die unteren Glieder bis zu den Zehen aus. Geschieht es einmal in einem der letzteren Fälle, dass sich ein Zehennagel in den Falten des das Auge verschliessenden Tuches verfängt, so erlischt die Bewegung des Vorderbeines und ver- harrt dieses ruhig in der abnormen Lage, bis es nach einiger Zeit von neuem zum Schlagen sich hebt oder, wie ich es häufiger gesehen habe, indem der Hund sich in Gang setzt, durch die Gehbewegung wieder frei wird. Demnach sind diese Bewegungen des Vorderbeines offenbar nicht willkürliche Bewegungen, sondern Abwehrreflexe, deren Reflexcentren in der Medulla oblongata anzunehmen sind: Reflexe, wie sie auch am Kaninchen nach der Abtragung des ganzen Gross- hirns z. B. auf Reizung der Conjunctiva zu beobachten sind und ähnlich am grosshirnlosen Hunde vorkommen, den Hr. GoLzz gelegent- lich bei anhaltendem Blasen des Nebelhorns mit der einen oder der anderen Vorderpfote gegen das Ohr fahren sah'.

Auch die beiderseitige Totalexstirpation der Extremitätenregionen lehrt, dass mit den vorbesprochenen Bewegungen des Hinterbeines wie des Vorderbeines das Grosshirn nichts zu schaffen hat. Da aus- schliesslich die Extremitätenregionen von Einfluss auf die Bewegungen der Extremitäten sich erweisen, indem die Zerstörung keiner anderen ‚Partie der Grosshirnrinde Störungen in diesen Bewegungen mit sich bringt, könnte man nur annehmen, dass nach der Totalexstirpation der einen Extremitätenregionen die Bewegungen der Extremitäten der Gegenseite durch die erhaltenen Extremitätenregionen ebendieser Seite

! Prrüger’s Arch. Bd. 51. 1892. S. 572. Vergl. dazu: H. Munk, Verhandl. der Physiolog. Ges. zu Berlin 1893—94. S. 73; pu Boıs- Reymoxp’s Arch. 1894. S. 363.

602 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 20. Juni.

herbeigeführt würden. Aber der Hund, der seine rechten und seine linken Extremitätenregionen verloren hat, macht mit dem rechten wie mit dem linken Hinterbeine die Kratzbewegungen und schlägt eben- sowohl mit dem rechten wie mit dem linken Vorderbeine, je nach der Seite, auf welcher die Reizung erfolgt; sind ihm beide Augen verbunden, so schlägt er bald mit dem einen, bald mit dem anderen Vorderbeine und setzt zuweilen auch, wenn er auf dem Bauche liegt, fast gleichzeitig beide Vorderbeine zum Schlagen in Bewegung.

Die Zuverlässigkeit der Entscheidung, welche die beiderseitige Totalexstirpation der Extremitätenregionen so gewährt, wird zum Über- flusse noch durch das gegentheilige Verhalten erhärtet, das sich in anderen Fällen, zu welchen unsere Musterung weiter führt, für die Bewegungen der Extremitäten herausstellt. Während der unversehrte Hund die Nahrung, die er, um sie verzehren zu können, in Stücke zerlegen muss, wie den dicken Fleischklumpen, den langen Knochen, das Rippenstück und dergl., mit beiden Vorderbeinen geschickt hält und bewegt, verfährt der Hund, der die einen, sagen wir die linken Extremitätenregionen verloren hat, ebenso nur mit dem linken Vorder- beine. Jedoch verharrt, sobald Wochen seit der Operation vergangen sind, das rechte Vorderbein, auch wenn die Hinterbeine auf ihrem Platze bleiben, es also nicht zu einer Gehbewegung kommt, nicht immer in Ruhe, sondern geräth zeitweise mit in Thätigkeit, indem es entweder bloss gehoben und gesenkt wird oder auch vorgesetzt, zurückgezogen u. s. w. Regelmässig treten diese Bewegungen ein, wenn es dem linken Vorderbeine nicht gelingt, die Nahrung in der passenden Lage zu halten, und der Hund sich deshalb ereifert; so dass es ganz den Eindruck macht, als sollte das rechte Vorderbein, wie in der Norm, zu Hülfe kommen. Indess leistet dieses Vorderbein in der That die Hülfe nicht, weil der Fuss nie die Nahrung fasst, meist sogar nicht in Berührung mit der Nahrung kommt, und gewährt höchstens passiv dadurch Nutzen, dass zufällig einmal der Fuss auf die Nahrung tritt oder die hin- und hergezerrte Nahrung an den Fuss stösst und so einen Widerstand findet, der ihre weitere Verschiebung hemmt!. Sind die linken und die rechten Extremitätenregionen ex- stirpirt, so greift der Hund ausschliesslich mit dem Maule die Nahrung

an und bleiben beide Vorderbeine unthätig; auch wenn der Hund.

noch so eifrig wird, betheiligen sich die Vorderbeine bloss an der

! Gorrz giebt an, »dass das Thier noch die Fähigkeit besitzt, einen Knochen mit beiden Vorderpfoten wie mit zwei Händen festzuhalten, wenngleich es die rechte Pfote nicht: so geschickt dabei verwerthet wie die linke« (Prrücer’s Arch. Bd. 42. 1888. S. 425; vergl. ebenda, Bd. 34. 1884. S.461). Man ersieht aus meiner Schilderung, welche Bewandtniss es mit der »ungeschickten Verwerthung« beim »Festhalten« hat.

u u a |3W< u

Muxk: Über die Fühlsphaeren der Gvosshirnrinde. 603

Gehbewegung, welche der Hund auf dem Platze macht, und bringen nunmehr beide nicht anders als passiv denjenigen Nutzen, den wir vorher das rechte Vorderbein gewähren sahen.

Hier haben wir nun in den Bewegungen, welche das rechte Vorder- bein nach der Totalexstirpation der linken Extremitätenregionen macht, Bewegungen, welche vom Grosshirn, und zwar von den Extremitäten- regionen der gleichen Seite abhängig sind. Indem sie nie, wie die Bewegungen des linken Vorderbeines, für sich allein, sondern immer in Verbindung mit den letzteren Bewegungen auftreten, sind sie nicht isolirte Bewegungen; aber sie können auch nicht als Gemeinschafts- bewegungen Prineipalbewegungen angehören, weil sie nach dem Unter- gange der Extremitätenregionen gänzlich fehlen. Sie können deshalb nur secundäre Bewegungen sein, wie wir solche beim Affen, bisher aber noch nicht beim Hunde fanden, d.h. Gemeinschaftsbewegungen des rechten Vorderbeines, welche nach der Vernichtung der zugehörigen Extremitätenregionen auf die Weise zustandekommen, dass die Rücken- markscentren dieses Vorderbeines von anderen Rückenmarkscentren in Erregung gesetzt werden; und zwar müssen sie dadurch herbei- geführt sein, dass die Erregung von den erhaltenen rechten Extremi- tätenregionen aus zu den Rückenmarkseentren des linken Vorderbeines, welche durch direete Leitungsbahnen mit ihnen verbunden sind, gelangt und von hier auf die Rückenmarkscentren des rechten Vorderbeines übergeht. Dem Wesen der secundären Bewegungen entspricht es auch nach dem, was wir beim Affen sahen, dass die Bewegungen des rechten Vorderbeines während einer ersten Zeit nach der Operation eine fort- schreitende Besserung zeigen, aber doch schliesslich für die Dauer unvollkommen bleiben.

Unterscheidet man willkürliche und unwillkürliche Bewegungen, so lassen sich unsere Bewegungen des rechten Vorderbeines sowohl den ersteren wie den letzteren zurechnen. Einmal kann, wenn für die beabsichtigte Verstärkung der Bewegungen des linken Vorderbeines die von den rechten Extremitätenregionen ausgehende Erregung mehr und mehr wächst, die Erregung der Rückenmarkscentren des linken Vorder- beines bei einer gewissen Grösse die Erregung der Rückenmarkscentren des rechten Vorderbeines zur nothwendigen Folge haben und so es zur Bewegung des rechten Vorderbeines ohne, ja wider den Willen kommen. Dass dann zugleich oder noch eher die benachbarten Rückenmarks- centren des Rumpfes in Erregung gerathen müssten, lässt sich nicht entgegenhalten, weil die Leitung der Erregung zwischen den Rücken- markscentren der beiderseitigen Extremitäten, in Anbetracht ihres Zu- sammenwirkens beim Gehen, Laufen u. s. w., eine besonders gute sein kann und nach dem, was man bei den Gemeinreflexen beobachtet,

604 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 20. Juni.

thatsächlich ist. Andererseits aber kann auch, wie es unmittelbar den Eindruck macht, die Bewegung des rechten Vorderbeines beabsichtigt sein, um die Bewegungen des linken Vorderbeines zu unterstützen, und darum die von den rechten Extremitätenregionen ausgehende Erregung über die für die Bewegungen des linken Vorderbeines erforderliche Stärke hinaus soweit wachsen, dass durch die Rückenmarkscentren des linken Vorderbeines als auf dem zur Zeit nächsten und besten Wege die Erregung der Rückenmarkscentren des rechten Vorderbeines erfolgt. Beim Menschen würde entsprechendenfalls die Auskunft helfen, welche derselbe über sein Wollen gäbe. Beim Hunde verräth nichts in den Beobachtungen, ob er das eine oder das andere will, und lässt sich deshalb zwischen den beiden Möglichkeiten nicht entscheiden. Aber wenn man auch unsere Bewegungen des rechten Vorderbeines für will- kürliche Bewegungen oder Handlungen ansehen kann, so sind sie doch keinesfalls Einzelhandlungen des Vorderbeines; und man muss es ein richtiges Empfinden nennen, dass Hr. Gorzz selber nur wenig Gewicht dem vorliegenden Falle beimaass, indem er andere Bewegungen des geschädigten Vorderbeines ausdrücklich für »weit beweiskräftiger« erklärte.

Was diese anderen Bewegungen betrifft, so hören wir von Hrn. Gorrz das Folgende': Während der Hund, dessen linke Grosshirn- hälfte entfernt ist, im Käfig sich befindet, werden auf ein wage- rechtes Brett, das unmittelbar vor den Gitterstäben in gleicher Höhe mit dem Fussboden des Käfıgs angebracht ist, Fleischstücke gelegt. »Der Hund riecht das Fleisch, steckt die Schnauzenspitze zwischen die Stäbe und versucht die Bissen mit den Zähnen zu erreichen. Da ihm dies aber nicht gelingt, streckt er bald die linke, bald, doch seltener, die rechte Vorderpfote durch die Lücken des Gitters, fasst die Fleischstücke, zerrt sie in den Käfig und verzehrt sie. Es kann also nicht dem geringsten Zweifel unterliegen, dass dieser Hund im Stande ist, die rechte Vorderpfote für sich allein oder gemeinschaftlich mit der anderen willkürlich als Hand zu benutzen. «

Das erscheint von einer Einfachheit und Klarheit, dass es nur zu verwundern bleibt, wie Hr. GorLrz an den gleichen Nachweis noch so viele andere Mühe hat verschwenden können. Geht einmal die linke, ein andermal die rechte Vorderpfote vor, fasst das Fleisch und holt es heran, so kommen natürlich Einzelhandlungen auch des rechten Vorderbeines vor; und nichts hat dabei zu besagen, dass diese Einzelhandlungen seltener auftreten als die des linken Vorder- beines. Aber es muss doch schon bei der nächsten Erwägung stutzig

! Prrüger’s Arch. Bd. 42. 1888. S.425.

Musk: Über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde. 605

machen, dass ausschliesslich bei jener Prüfungsweise das geschädigte Vorderbein seine ganze Leistungsfähigkeit offenbaren soll, während sonst der Hund unter wesentlich gleichen Umständen, z. B. wenn er, an der Kette liegend, die Nahrung nicht mit dem Maule fassen kann, nach Hrn. Gortz selber nie mit der rechten Pfote nach der Nahrung langt, sondern lediglich die linke Pfote benutzt, die Nahrung zu holen. Die Vornahme der einfachen Prüfung, für welche, wenn der Käfig nicht auf Füssen steht, bloss der Fussboden vor dem Gitter mit Fleischstücken zu belegen ist, belehrt dann auch, dass die Gorrz’sche Schlussfolgerung ihre anscheinende Sicherheit nichts an- derem als dem Wortlaute verdankt, der bei der Schilderung der Beobachtung gewählt ist. Denn allerdings setzt der Hund »bald die linke, bald, doch seltener, die rechte Vorderpfote« in Bewegung; aber entweder streckt er bloss das linke Vorderbein aus dem Käfig und bewegt es hin und her, oder er streckt unmittelbar nach einander beide Vorderbeine vor und macht mit beiden die Scharrbewegung, die wir oben S. 599 kennen lernten. Selten ist die beiderseitige Scharr- bewegung von vorneherein zu sehen; meist folgt sie nach einer kurzen Pause, nachdem das linke Vorderbein allein eine Zeit lang sich be- mühte, und regelmässig desto eher, je weniger erfolgreich die letztere Bemühung war: nie aber bewegt der Hund das rechte Vorderbein für sich allein, wie das linke Vorderbein. Von Einzelhandlungen des rechten Vorderbeines kann also wiederum nicht die Rede sein, sondern nur von willkürlichen Bewegungen oder Handlungen, welche dasselbe in Gemeinschaft mit dem linken Vorderbeine vollführt. Und diesmal gehören die Gemeinschaftsbewegungen des rechten Vorder- beines zu den Prineipalbewegungen; denn dass die beiderseitige Scharr- bewegung eine Principalbewegung des Hundes ist, steht dadurch ausser Zweifel, dass sie, wie wir schon wissen, auch nach der beider- seitigen Totalexstirpation der Extremitätenregionen fortbesteht.

Die Frage liegt nahe, weshalb im vorliegenden Falle, wenn der Hund das Fleisch vor dem Gitter mit dem linken Vorderbeine nicht zu erreichen oder auch nur nicht rasch genug für seine Gier einzu- bringen vermag, nicht ebenso secundäre Bewegungen des rechten Vor- derbeines hinzukommen, wie in dem vorher betrachteten Falle, da es dem linken Vorderbeine allein nicht gelang, das Fleischstück oder den Knochen passend zu halten. Dem Zufall lässt sich dabei keine Rolle zuweisen; denn ich habe die seeundären Bewegungen hier nie gesehen, auch nicht bei den zahlreichen Prüfungen, die ich so vornahm, dass ich vor dem in voller Freiheit befindlichen Hunde Fleischstücke in passender Entfernung unter einen Schrank mit sehr niedrigen Füssen legte (s. oben S. 599). Sondern der Grund ist darin zu finden, dass die

606 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 20. Juni.

beiderseitige Scharrbewegung gerade so, wie die isolirten Bewegungen des linken Vorderbeines, zu den natürlichen willkürlichen Bewegungen des Hundes gehört, d. h. zu den Bewegungen, welche das Grosshirn anzuregen gewohnt ist, die secundären Bewegungen des rechten Vor- derbeines hingegen unnatürliche, nur durch die Verstümmelung er- zwungene willkürliche Bewegungen sind, Bewegungen, welche das Grosshirn erst nach dem Untergange der linken Extremitätenregionen anzuregen anfängt: daher dem Hunde jene Scharrbewegung eher und mehr zu Gebote steht, als diese secundären Bewegungen. Wirklich bleiben die seeundären Bewegungen nicht aus, wenn man die natür- lichen Bewegungen hindert. Hält man, wenn der Hund eben das linke Vorderbein unter den Schrank schieben oder die beiderseitige Scharrbewegung beginnen will, das linke Vorderbein mit der Hand fest, so sieht man, während man unter der hemmenden Hand das Arbeiten der Muskeln fühlt, das rechte Vorderbein hin und wieder, ähnlich wie bei der beiderseitigen Scharrbewegung, rasch und oft vor- und rückwärts geschoben werden, meist aber unregelmässig und lang- sam, manchmal auf dem Fussboden verbleibend, manchmal abgehoben, nach vorn, nach hinten, nach den Seiten geführt werden. Man kann die ersteren Bewegungen noch für den Ausdruck der durch die Um- stände modifieirten beiderseitigen Scharrbewegung nehmen: in den letzteren Bewegungen, die von dem Charakteristischen der Prineipal- bewegung, welche wir die beiderseitige Scharrbewegung nannten, gar nichts zeigen, stellen sich unverkennbar secundäre Bewegungen des rechten Vorderbeines dar.

Das richtige Verständniss ist damit zugleich gesichert für den Grabeversuch, den Hr. Gorzz folgendermaassen beschreibt: »Legt man Stücke Pferdefleisch auf den Boden einer grossen Schale und füllt man darüber Kies, so wird ein Hund, dem man die Schale vorsetzt, alsbald das Fleisch wittern, mit den Vorderpfoten herausgraben und verzehren. Macht man diesen Versuch mit einem Hunde, dem die linke sogenannte motorische Zone fehlt, so sieht man, dass das Thier aus- schliesslich mit der linken Vorderpfote das Fleisch herausgräbt, während es auf den drei übrigen Pfoten steht. Ich hielt nun einem solehen Hunde, der bis dahin nur die linke Pfote zum Graben benutzt hatte, diese fest. Zunächst versuchte er sich frei zu machen. Als ihm dies aber nicht gelang, benutzte er plötzlich die bis dahin vernachlässigte rechte Vorderpfote und scharrte sich mit ihr die begehrten Fleischstücke heraus.«' Hr. Gorrz hat den Versuch recht oft und mit vieler Be- tonung als Beweis benutzt, dass der Hund »noch die rechte Vorder-

! Prrücer’s Arch. Bd.42. 1888. S.438.

u u

Muxk: Über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde. 607

pfote als Hand zu einzelnen Handlungen verwerthen kann«. Indess beweist auch dieser Versuch, wie nicht mehr der Ausführung bedarf, nur willkürliche Bewegungen oder Handlungen, nicht aber, worauf es ankommt, Einzelhandlungen des rechten Vorderbeines. Abgesehen davon, dass dieses Vorderbein bei den ersten Prüfungen, bei welchen es thätig wird, überhaupt nicht »gräbt« und auch später immer un- geschiekter und oberflächlicher gräbt als das linke, ist seine Thätig- keit mit Bewegungen des linken Vorderbeines, als ob dieses »sich frei zu machen versuchte«, verknüpft und offenbart sich so als secun- däre Bewegung gegenüber der isolirten Bewegung des linken Vorder- beines, da bei dessen Graben die Musculatur des rechten Vorderbeines in Ruhe verharrt. In dieser Verschiedenartigkeit der Bewegungen ist zugleich die Erklärung für das enthalten, was Hr. Gorrz dahin aus- drückt, dass der Hund, »hat er die freie Auswahl, die Pfote ver- wendet, deren Bewegung ihm die bequemste ist«, und »nur im Noth- fall sich herbeilässt, eine Anstrengung aufzuwenden«.

Wie zu erwarten, gelingt es auch beim Affen, der die linken Extremitätenregionen verloren hat, durch Hinderung der natürlichen Bewegungen, secundäre Bewegungen des rechten Armes unter Um- ständen herbeizuführen, unter welchen solche Bewegungen sonst aus- bleiben. Legt man vor dem ruhig sitzenden Affen Apfelstücke so auf den Boden, dass sie bequem seinen Händen zugänglich sind, so nimmt sie der Affe immer mit der linken Hand auf und führt sie zum Munde, während der rechte Arm in Ruhe bleibt. Hält man nun den linken Arm fest und zwar so, dass der Affe auch sitzen bleiben muss, so gerathen zunächst lediglich die Muskeln dieses Armes in Thätigkeit, dann aber bewegt sich auch der rechte Arm, geht ungeschickt,- in Absätzen und wie stossweise, zugleich bald nach rechts, bald nach links abweichend, unter fortschreitender Streckung der unteren Glieder gegen das Apfelstück hin vor und kann, zumal wenn man den Ver- such öfters wiederholt, sogar das Apfelstück erreichen. Jedoch wird dieses höchstens mit der flachen linken Hand bedeckt und etwas hin und her geschoben, nie aber von den Fingern umfasst und empor- gehoben.

Die Besserung der seeundären Bewegungen, deren eben, wie schon mehrmals, beiläufig Erwähnung geschah, müssen wir noch etwas näher betrachten. Die anfängliche Herabsetzung, welche die Erregbarkeit der Rückenmarkscentren der rechten Vorderextremität durch die Totalexstirpation der linken Extremitätenregionen erfährt, das spätere Wachsen derselben Erregbarkeit infolge der Isolirungsveränderungen, endlich der Umstand, dass die genannten Rückenmarkscentren durch die entsprechenden linksseitigen Rückenmarksceentren in Erregung

608 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 20. Juni.

gesetzt werden, machen es ohne weiteres verständlich', was sich überall gleichmässig ergiebt: dass zunächst nach dem operativen Ein- griffe nichts von den secundären Bewegungen der rechten Vorder- extremität zu bemerken ist und mit der Zeit diese Bewegungen häufiger und in immer besserer Ausführung auftreten, bis sie schliesslich für die Dauer ebenso unvollkommen bleiben, wie die Gemeinschafts- bewegungen der rechten Vorderextremität bei den Prineipalbewegungen. Aber wenn man die seeundären Bewegungen bei den letztbesprochenen Versuchen am Hunde und am Affen viel und aufmerksam verfolgt, macht man noch bemerkenswerthe weitere Erfahrungen. Auch dann, wenn man erst 2-3 Monate nach der Operation, also nach dem Ab-

laufe der Isolirungsveränderungen die secundären Bewegungen der

rechten Vorderextremität herbeizuführen beginnt, sieht man sie bei den Wiederholungen des Versuches leichter eintreten, als zuerst, und bis zu einer gewissen Grenze umfangreicher und geschickter werden; und man findet zweitens bei der oftmaligen Ausführung desselben Ver- suches, gleichviel ob sie zu einer früheren oder zu einer späteren Zeit nach der Operation statthat, dass, während die Bewegungen der rechten Vorderextremität wachsen, die gleichzeitigen Bewegungen der linken Vorderextremität schwächer werden. Man kann die erstere Erfahrung darauf zurückführen, dass die Erregung auf dem unge- wohnten Wege von den rechten Extremitätenregionen zu den Rücken- markscentren der rechten Vorderextremität desto weniger Widerstand findet, je öfter sie den Weg durchläuft; und es wird der Gegenstand weiterer Erwägungen sein müssen, ob nicht überhaupt hier und bei den Isolirungsveränderungen im Grunde derselbe Vorgang seine Rolle spielt. Die letztere Erfahrung lässt sich dann zu einem Theile gleich- falls durch die Verbesserung der Leitung erklären, soweit nämlich, als noch kräftigere Bewegungen der linken mit schwächeren Be- wegungen der rechten Vorderextremität verknüpft sind. Sobald aber die linksseitigen Bewegungen nicht mehr deutlich überwiegen, kann die Erklärung nicht befriedigen, da nie zu dem unbehinderten Graben oder Greifen der linken Vorderextremität secundäre Bewegungen der rechten Vorderextremität hinzutreten, wie es doch geschehen müsste, wenn der Übergang der Erregung von den Rückenmarkscentren der einen auf die der anderen Vorderextremität so sehr erleichtert wäre, dass er kaum noch in Betracht käme. Vollends erweist sich die Er- klärung unzureichend, wenn sogar die Bewegungen der rechten Vorder- extremität die stärkeren sind. Es wird deshalb für die letzteren Fälle noch anzunehmen sein, dass die rechten Extremitätenregionen in dem

! Vergl. diese Berichte 1893. S. 779-

TE

Mvnxk: Über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde. 609

Maasse, wie sie an Herrschaft über die rechte Vorderextremität ge- winnen, bei der Herbeiführung der Bewegungen dieser Extremität zugleich die überflüssigen gleichzeitigen Bewegungen der linken Vorder- extremität mehr und mehr unterdrücken, indem sie neben denjenigen Rückenmarkscentren der linken Extremität, durch welche die Erregung der Rückenmarkscentren der rechten Extremität vermittelt wird, auch die antagonistischen Rückenmarkscentren der linken Extremität in Er- regung setzen. Für die Richtigkeit der Annahme spricht auch sehr, dass die Bewegungen der festgehaltenen linken Vorderextremität beim Greifversuche am Affen, wo sie bloss nutzlos sind, nicht so viel ab- nehmen wie beim Grabeversuche am Hunde, wo sie geradezu schädlich sind, indem sie das feste Aufstehen des Vorderbeines verhindern: dort sind schliesslich immer noch schwache Bewegungen des Armes zu beobachten; hier kann es dahin kommen, dass selbst ein Spielen der Muskeln nicht mehr am Vorderbeine sicht- oder fühlbar ist und nur noch die Möglichkeit tonischer Contractionen der Muskeln besteht. Der Nachweis solcher Contractionen, wie er für die Erhärtung der Annahme erforderlich wäre, ist mir jedoch nicht ausreichend gelungen; denn ich habe allerdings manchmal mich von der erhöhten Spannung der Muskeln überzeugen zu können geglaubt, anderemal aber wieder dieselbe nicht zu fühlen vermocht.

Unsere Musterung fortsetzend, kommen wir zum Pfotegeben des Hundes. War der Hund abgerichtet, beide Vorderpfoten auf Befehl zu reichen, so verliert er diese Fähigkeit für immer nach tiefer doppelseitiger Zerstörung des Vorderhirns oder der motorischen Zone; nach einseitiger solcher Zerstörung verliert er die Fähigkeit nur für die gegenseitige Vorderpfote, kann sie aber später auch für diese Pfote wieder zeigen. So würden bündig die thatsächlichen Ermitte- lungen von Hrn. Gorrz lauten'; und eben dieselben Folgen ergeben sich, wenn man die Extremitätenregionen beiderseitig bez. einseitig total exstirpirt. Von neuem also finden wir nach dem Verluste der einen Extremitätenregionen eine willkürliche Bewegung oder Handlung des gegenseitigen Vorderbeines durch die erhaltenen Extremitäten- regionen derselben Seite herbeigeführt. Aber wiederum ist es nicht eine Einzelhandlung, ist es nicht eine isolirte, sondern eine secun- däre Bewegung des Vorderbeines, wie klar hervortritt, wenn man das Pfotegeben in seinem Werden verfolgt. Zwar lässt sich zunächst darauf nicht Gewicht legen, dass der Hund nach der Totalexstirpation der linken Extremitätenregionen, wie es Hr. GoLrz schon nach seinen

! Über den mehrfachen Wechsel in den Erfahrungen und Auffassungen von Gorrz bezüglich des Pfotegebens vergl. Prrücer’s Arch. Bd. 13. S. 31-35; Bd. 14. S.424, 436-437; Bd. 20. S.25; Bd. 26. S. 38; B.34. S.461, 483; Bd.42. S.424, 425, 462-463.

Sitzungsberichte 1895. 57

610 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 20. Juni.

ersten Untersuchungen als Folge der Durchspülung einer Hemisphaere be- schrieb', in einer ersten Zeit immer ausschliesslich die linke Pfote giebt, auch dann, wenn man die rechte verlangt, und später, zunächst seltener und zögernder, schliesslich aber ebenso prompt die rechte Pfote dar- reicht; denn dafür könnten, woher auch immer die Erregung zu den Rückenmarkscentren des rechten Vorderbeines gelangte, die anfäng- liche Herabsetzung der Erregbarkeit dieser Rückenmarkscentren und ihr späteres Wachsen infolge der Isolirungsveränderungen für sich allein die ausreichende Erklärung bieten. Aber man sieht, wenn der Hund anfängt, die rechte Pfote zu geben, regelmässig das linke Vorder- bein gehoben und gesenkt oder auch nach vorn gesetzt werden, ehe das rechte Vorderbein in die Höhe geht; man sieht in der Folge das linke Vorderbein, wenn auch nicht mehr abgehoben, so doch kräftig bewegt werden; man fühlt weiterhin die Streckung des linken Vorder- beines jedesmal, dass der Hund die rechte Pfote in Bewegung setzt; und erst wenn der Hund schon vielmals die rechte Pfote gereicht hat, kommt es öfters vor, dass die Mitbetheiligung des linken Vorder- beines selbst nicht durch die erhöhte Spannung seiner Museculatur sicher nachzuweisen ist. Man macht ferner die eben geschilderten Erfahrungen in gleicher Weise, ob man schon in den ersten Wochen nach der Operation das Pfotegeben prüft oder erst im 3. oder 4. Monate, wenn die Isolirungsveränderungen längst ihr Ende erreicht haben, mit den bis dahin gänzlich vermiedenen Prüfungen beginnt. Und auch bei den letzteren, so späten Prüfungen stösst man auf-eine mit den Wiederholungen zunehmende Vervollkommnung des Pfotegebens, nur dass dieselbe rascher als bei den frühen Prüfungen abläuft: eine Vervollkommnung nicht bloss in der Richtung, dass die rechte Pfote regelmässiger und rascher der Aufforderung folgt, sondern auch dahin, dass Ober- und Vorderarm mehr gehoben und der anfangs schlaff herabhängende Fuss später so gestreckt wird, dass er die gerade Fortsetzung des Vorderarmes bildet. So stimmt das rechts- seitige Pfotegeben in Entstehung und Ausbildung mit den vorbe- trachteten seeundären Bewegungen des rechten Vorderbeines überein und schliesst sich am engsten dem Graben desselben an, indem auch bei ihm und offenbar aus demselben Grunde die Mitbetheiligung des linken Vorderbeines schliesslich am wenigsten merklich ist. Nur darin weicht das Pfotegeben von den anderen secundären Bewegungen ab, dass nicht eine Unvollkommenheit der Bewegung für die Dauer verbleibt: und das versteht sich ohne weiteres aus der so grossen Einfachheit der Bewegung, bei welcher auch an die Zehen gar keine Ansprüche gestellt sind.

! Prrücer’s Arch. Bd.ı3. 1876. S. 31-33.

Mvsk: Über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde. 611

Bei der Prüfung des Pfotegebens tritt am auffälligsten entgegen, was für alle seeundären Bewegungen gilt, dass diese Bewegungen bei den einen Thieren leichter sich einstellen, bei den anderen schwerer und bei einigen sogar überhaupt nicht zu erzielen sind. Worauf diese Verschiedenheiten beruhen, wird bei weiter fortgeschrittener Unter- suchung Aufklärung finden. Hier sei nur bemerkt, dass dafür im Falle des Pfotegebens die bessere oder schlechtere Abrichtung der Hunde keine den Ausschlag gebende Bedeutung hat; denn ich habe bei Hunden, welche sehr gut abgerichtet waren, das seeundäre Pfote- geben ausbleiben und wiederum andere Hunde, welche gar nicht ab- gerichtet waren, welche vor der Totalexstirpation der linken Extre- mitätenregionen und eine Zeit lang nachher nie eine Pfote gaben, später doch zuerst die linke und dann, wie beschrieben, die rechte Pfote reichen sehen. Auch sei darauf aufmerksam gemacht, dass man, um das secundäre Pfotegeben in seinen ersten Stadien schön beobachten zu können, die operirten Hunde nicht viel anderweitigen Prüfungen unterwerfen und insbesondere nicht sich öfters an Tischen, Stühlen u. s. w. aufstellen lassen darf; die Thiere müssen möglichst ungestört in geräumigen hellen Käfigen gehalten werden, die an der Stirnwand, nicht an der Decke die Gitterstäbe tragen.

Hr. Gorzz hat ferner noch das Erheben des geschädigten Hinter- beines beim Harnen männlicher Hunde als eine »zweckmässige, offen- bar willkürliche Einzelhandlung« dieses Hinterbeines herangezogen. Soviel ich sehe, betreffen Hrn. Gouzz’ Beobachtungen zwei Hunde, bei welchen die Rinde der linken Hemisphaere so gut wie vollständig entfernt war: die Hunde erhoben zum Harnen in der ersten Zeit nach dem Eingriffe das linke Hinterbein, nach einigen Wochen aber auch das rechte Hinterbein'. Natürlich ist die Gültigkeit dieser Erfahrungen unbedingt auch für den Fall der Totalexstirpation der linken Extre- mitätenregionen anzuerkennen, obschon bei meinen so zahlreichen Versuchen nie derartige Beobachtungen sich haben machen lassen. Aber wer jenes Harnen der Hunde kennt, wird auf der anderen Seite nie zugeben, dass dabei das Erheben des Hinterbeines eine Einzel- handlung desselben ist. Ich denke selbstverständlieh nicht an die- Jenige Muskelthätigkeit, welche für die Erhaltung des Gleichgewichtes des Hundes erforderlich ist, wenn das Hinterbein sich hebt: alle solche unwillkürliche Muskelthätigkeit hat hier, wie schon immer vorher bei den behandelten Bewegungen, ausser Acht zu bleiben. Sondern die Erhebung des einen Hinterbeines zum Harnen ist stets mit der Streckung des anderen Hinterbeines und der Drehung des

! Prrücer’s Arch. Bd. 42. 1888. S.426, 431.

612 Sitzune der physikalisch- mathematischen Classe vom 20. Juni. s phy

hinteren Rumpftheiles nach der Seite des letzteren Beines hin ver- bunden; daher kommt es ja auch nur, dass der Hund, wie Hr. GoLTz sagt, die Keule hoch emporhebt, das Hinterbein gegen einen Eck- stein erhebt, gegen die Wand harnt. Wiederum also ist, was nach der Verstümmelung noch sich findet, nicht eine isolirte, sondern eine Gemeinschaftsbewegung des geschädigten Vorderbeines. Sie würde sich als zu einer Prineipalbewegung gehörig herausstellen, wenn ein- mal ein Hund sich finden sollte, der auch nach der beiderseitigen Totalexstirpation der Extremitätenregionen die eigenartige Stellung zum Harnen einnähme. Wahrscheinlicher ist es, dass sie eine secun- däre Bewegung ist, dadurch herbeigeführt, dass die Rückenmarks- centren des geschädigten Hinterbeines von den Rückenmarkscentren des anderen Hinterbeines oder den benachbarten Rückenmarkscentren des Rumpfes in Erregung gesetzt werden.

Um alles zu erschöpfen, bleibt schliesslich zu erwähnen, dass ich zwei Hunde lange Zeit nach der Totalexstirpation der linken Extremitätenregionen das rechte Vorderbein während einiger Tage habe andauernd hoch halten sehen, solange sie standen. Beim Gehen hinkten sie, indem sie das Bein zwar senkten, aber entweder gar nicht oder nur sehr lose und ungeschiekt auf den Boden setzten. In beiden Fällen erwiesen sich die Zehen des Beines verletzt; und als die Zehen wieder heil waren, hatte auch das ungewöhnliche Verhalten des Vorderbeines sein Ende erreicht. Ganz die nämlichen Beobach- tungen habe ich an einem Hunde, welchem die Extremitätenregionen beiderseits exstirpirt waren, gleichfalls ein Vorderbein betreffend gemacht. Demnach ist die abnorme Haltung des Beines unabhängig von den Extremitätenregionen und, weil keine andere Partie der Grosshirnrinde von Einfluss auf die Bewegungen einer Extremität sich erweist, un- abhängig von der Grosshirnrinde überhaupt. Im Einklang damit steht, dass Hr. Gorrz einen Hund, an welchem das ganze Grosshirn entfernt war, als derselbe sich eine Hinterpfote verletzt hatte, bis zur Aus- heilung der Wunde, welche eine Anzahl von Tagen erforderte, »unter freiwilliger dauernder Hebung des wunden Beines« auf den drei ge- sunden Beinen hat herumhinken sehen'. Ich habe aber auch wieder- holt an Hunden, welchen das Rückenmark am letzten Brustwirbel quer durchschnitten war, wenn ein Hinterbein am Fussrücken wund geworden war, eine stetige Beugung der oberen Glieder dieses Beines gefunden, welche sofort auffiel, wenn am emporgehaltenen Hunde die Hinterbeine herabhingen, aber auch gut sichtbar war, wenn der Hund beim Gehen die Hinterbeine nachschleppte. Und nichts ist leichter, als an solehen Hunden

! Prrüger’s Arch Bd. 51. 1892. S. 575.

Movnxk: Über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde. 613

mit quer durchschnittenem Rückenmarke, sobald sie einige Zeit nach der Operation sich in guter Verfassung befinden, durch fortgesetztes mässiges Quetschen der Zehen eines Hinterbeines die Beugung der oberen Glieder dieses Beines für lange Zeit zu erhalten. Die isolirte Bewegung des Beines, um welche es sich handelt, ist also ein Rückenmarks- reflex, eine gemeine Retlexbewegung oder, schärfer ausgedrückt, re- fleetorische tonische Bewegung infolge der dauernden peripherischen Reizung, welche die Wunde mit sich bringt.

Das Ergebniss unserer Musterung ist nach alledem, dass beim Hunde ebenso, wie beim Affen, nach der Totalexstirpation der Ex- tremitätenregionen alle isolirten Bewegungen der gegenseitigen Extre- mitäten, welche nicht Gemeinreflexe oder Rückenmarksreflexe sind, für die Folge durchaus fehlen. Daneben haben wir beim Hunde die secundären Bewegungen wiedergefunden, die erst nach dem Unter- gange der Extremitätenregionen auftretenden Gemeinschaftsbewegungen der gegenseitigen Extremitäten, wie wir sie beim Affen kennen lern- ten. Nehmen wir dazu, was sich vorher für die Gemeinschaftsbewe- gungen, welche Prineipalbewegungen zugehören, herausgestellt hat, so besteht bezüglich der Bedeutung der Extremitätenregionen für die Bewegungen der Extremitäten beim Hunde und beim Affen volle Über- einstimmung. Der Übersicht über die Beziehungen der Extremitäten- regionen zu den gegenseitigen Extremitäten, welche der Schluss des 6. Capitels gab', ist nach unseren neueren Erfahrungen nur noch hin- zuzufügen, dass die secundären Bewegungen auch in Unabhängigkeit von den Isolirungsveränderungen lediglich durch ihre Wiederholung sich vervollkommnen und, während sie wachsen, die primären Be- wegungen, mit welchen sie verbunden sind, schwächer werden können.

! Diese Berichte 1893. S. 779-781.

615

Beiträge zur Kenntniss der Gattung Melipona sens. lat.

Von Dr. H. STADELMANnN.

(Vorgelegt von Hrn. Mößrvs.)

D:. stachellosen Bienen der tropischen Regionen sind im Laufe der Zeit in die drei Gattungen Melipona, Trigona und Tetragona unter- gebracht worden. Vergleicht man jedoch die verschiedenen Formen auf ihre generischen Unterschiede, so kommt man zu demselben Resul- tat wie LEPELETIER (Hist. nat. Ins. Hym. Bd. I) und Tascnengere (Die Gattungen der Bienen, B. ent. Zeit. 1833), dass durchgreifende Unter- schiede fehlen, und es besser ist, für alle diese Formen zur Zeit noch einen Gattungsnamen anzunehmen. So verschieden auch die Formen des Abdomens bei M. favosa (F.), amalthea (F.) und angustula (LaTr.) sind, so giebt es doch viele Formen, die hierin mit keiner der drei genannten Gattungen übereinstimmen, sondern die verschiedenartigsten Übergänge von einer zur anderen Gattung bieten. Schon Kıus weist in seiner »Kritischen Revision der Bienengattungen in FAgrıcıus’ neuem Piezatensystem u. s. w.« (ILLigGer, Magaz. Inseetenkunde VI, 1807) darauf hin. Er erblickt darin, dass IrLLıeer für diese scheinbar so verschie- denen Thierformen nur eine Gattung aufstellt, einen Beweis von ento- mologischem Scharfblicke. Auch in biologischer Beziehung lässt sich ein durchgreifender Unterschied, der zu einer generischen Trennung führen müsste, nicht auffinden. Das Flügelgeäder variirt in allen Formkreisen in gleicher Weise. Die zur Unterscheidung der Genera angeführte kielartige Erhebung längs der Unterseite des Abdomens ist überall vorhanden, bei einer Art mehr, bei der anderen weniger. Nur so viel geht ohne Weiteres aus alledem hervor, dass wir in Melipona eine Gattung vor uns haben, deren einzelne Elemente im Begriffe stehen, sich um gewisse Centren innerhalb der Gattung zu gruppiren, d. h. eine Gattung, die vielleicht im Begriffe ist, sich in

616 Sitzung der physikalisch - mathematischen Classe vom 20. Juni.

mehrere aufzulösen, ähnlich wie es bei Sphex, Xwylocopa u. a. der Fall ist.

Nach den allgemein gültigen Prioritätsgesetzen muss die Gattung den Namen Melipona Iruiser führen. Er beschrieb sie in »W. Kırgy's Familie der bienenartigen Insecten u. s. w.« in Irzıser’s Magaz. f. In- seetenkunde V, 1806. Der Grund, weshalb bei TAsSCcHENBERG u. S. w. als Autor der Gattung im weitesten Sinne LATREILLE angegeben wird, liegt wohl darin, dass als Erscheinungszeit der »Gen. Crust. et Ins.« immer 1806-1809 eitirt wird. Der erste Band ist allerdings 1806 etwas vor Iwuieer’s Publication erschienen, der vierte Band jedoch, der die Gattung Melipona enthält, erst 1809. Im Jahre 1807 stellte Jurıne die Gattung Trigona in seiner »Nouv. Methode de classer les Hym. et Dipt.« auf. 1809 spaltete LATreıLLe in der oben angegebenen Schrift die Gattung in zwei und gab der einen den Namen Melipona (Ivr.) Larr., der anderen den Namen Trigona (Jur.) Latr. Der geistige Urheber der Gattung Melipona sensu lat. ist allerdings LATREILLE, der in den Ann. Mus. d’hist. nat. 1804 auf die etwaigen generischen Unter- schiede im Gegensatze zu Apis hinwies. Aber da Iruieer ihr zuerst den Namen gab und sie kenntlich beschrieb, so muss die Gattung heissen Melipona Iuusser. Bemerken will ich noch, dass sowohl IrLLigEr wie Jurie ihre Gattungen in. demselben Sinne auffassten, da beide sowohl die Apis favosa F. als auch A. amalthea F., die später als die Typen der Gattungen Melipona und Trigona im engeren Sinne angesehen wurden, in dieselben hineinnahmen. Der Name Tetragona ist erst im Jahre 1825 von LEPELETIER und A. SErVILLE aufgestellt worden (En- eyclop. method. X).

In letzter Zeit sind der hiesigen zoologischen Sammlung viele Meli- ponen aus Africa zugegangen, die mit keiner der bisher beschriebenen Arten identisch sind, und die ich deshalb weiter unten kennzeichnen werde. Die Thiere gehören theils zur Trigona-, theils zur Tetragona- Gruppe. Es sind dies drei Species, von denen M. togoönsis und M. africana zur Trigona-, M. schmidti zur Tetragona-Gruppe gehören.

Die M. togoönsis ist um so interessanter, als ihr Sammler, Hr. Conrapt, aus Bismarckburg im Togolande auch den Nestbau dieser Art mitbrachte, den ich jetzt ausführlicher beschreiben will.

Das Nest war in einem hohlen, horizontal verlaufenden Baumast angelegt. Am ganzen Bau kann man drei Theile unterscheiden:

ı. das eigentliche Nest mit den Brutwaben, 2. die Pollen- und Honigtöpfe, 3. die zum Flugloche führende Flugröhre.

Das eigentliche Nest hat eine Länge von 24°. Es ist von dunkelbrauner Farbe und hat eine sehr unregelmässig gewellte Ober-

StADELMANN: Beiträge zur Kenntniss der Gattung Melipona sens. lat. 617

fläche. An ihm kann man zwei Theile unterscheiden: die Brutwaben und die diese umschliessende Hülle. Die Brutwaben sind auch hier wie bei allen mir bekannt gewordenen Meliponennestern im Gegen- satze zu Apis mellifica horizontal angelegt. Sie enthalten nur eine einzige Schicht von Zellen. Auf einem Querschnitt, der durch die hintere Hälfte des Nestes geführt ist, kann man ı2 Waben zählen. Die mittelsten Waben sind die längsten, ungefähr 18° lang. Nach unten hin werden sie nur unmerklich kürzer, während die weiter nach oben gelegenen schnell an Länge abnehmen. Unter einander sind die einzelnen Waben durch ein Balkenwerk verbunden. Dieses setzt sich aus einzelnen Pfeilern zusammen, die den Waben als Träger und Stütze dienen. Fig. ı zeigt das Nest in halber Grösse. Die auf-

Fig. 1.

Nest von Melipona togoensis Sranrın. %

geschnittene Stelle ermöglicht, einen Blick in das Innere zu thun. Die einzelne Wabe, wovon ein Stück in Fig.2 abgebildet ist, besteht R aus zusammenstossenden einzelnen Brutzellen. Die 9. = einzelne Zelle hat einen Durchmesser von 24-3" und ist 5”” tief. Ihr Querdurchschnitt ist entweder

ein unregelmässiger Kreis oder ein unregelmässiges

REFER Zellen einer Brutwabee Sechseck. Eine regelmässige sechseckige Anord- a nung, wie bei der eigentlichen Honigbiene (Apis mellifica L.), ist aber nicht vorhanden. Der Boden der einzelnen Zellen ist calottenförmig ausgebaucht. Die Waben des mir vorliegenden Nestes waren mit Brut besetzt und enthielten fast durchgängig schon zum Ausschlüpfen reife Individuen.

Wie schon erwähnt, ist das ganze Nest von einer Hülle umgeben.

Diese Hülle besteht aus einer papierdünnen Schicht. Sie ist unregel-

618 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 20. Juni.

mässig gefaltet, so dass zwischen den Waben und der äussersten Be- kleidung zahlreiche Hohlräume entstehen, die vielleicht auch hier späterhin mit Pollen und Honig angefüllt werden und dann als Vorrathskammern dienen. Doch kann ich hierüber nichts Bestimmtes mittheilen, da alle von mir untersuchten Hohlräume leer waren. Meine Vermuthung stützt sich nur auf die bekannte Thatsache, dass die südamericanischen Meliponen nicht bloss die Honigtöpfe, sondern auch diese Hohlräume manchmal mit Honig und Pollen füllen.

Ausser diesem Neste brachte Hr. Conkapr noch ein anderes Nest- stück mit, das mit Honig- und Pollentöpfen besetzt ist. Es befand sich dicht neben dem oben beschriebenen Neste in demselben hohlen Aste und wurde nur des besseren Transportes wegen von ihm ab- gelöst.

Die Honigtöpfe sind also als die Vorrathskammern dieser Art aufzufassen. Über ihre Lage zum Brutneste kann ich leider nichts Genaues sagen. In Fig. 3 sind mehrere zusammenhängende Töpfe

Fig. 3.

Honigtöpfe. Nat. Gr.

dargestellt. Sie sind eiförmig und von verschiedener Grösse. Ihr Längendurchmesser variirt zwischen 15 und 25"”"”, ihre grösste Breite zwischen 10-15””. Auch diese grossen Zellen sind durch Pfeiler, die ihnen zur Stütze dienen, mit einander verbunden. Auf Fig. 3 sieht man an einzelnen Zellen die Anfänge solcher Stützen, wohl ein Zeichen, dass die Nestbewohner beim Einsammeln des Nestes noch beim Aufbau von Pollen- und Honigtöpfen beschäftigt waren. Durch den engen Aneinanderbau dieser entstehen zwischen den einzelnen Zellen ge- schlossene Hohlräume, die von den Bienen dann zu Töpfen ausgebaut und wie diese benutzt werden.

ne

N Urferı r . > - 5 = SrapELMANN: Beiträge zur Kenntniss der Gattung Melipona sens. lat. 619

Ihrer Anlage nach sind die Töpfe und Brutzellen homolog. Sie sind nur durch die Grösse verschieden. Dass diese Auffassung richtig ist, geht wohl aus Folgendem hervor. Das vorliegende Nest war mit noch lebendem Inhalt von Hrn. Coxkapr in eine Versandkiste gepackt. Als ich dasselbe zu Gesicht bekam, hatten die Bienen aussen an dem Stücke Holz, auf dem sich das Nest befand, angefangen, einzelne Zellen zu bauen. Es waren kleine eiförmige, oben offene Gebilde, die auf einem kurzen Stiel sassen und ihrer Gestalt nach vollständig den Töpfen glichen, wegen ihrer Grösse jedoch nur Brut- zellen sein konnten. Da nun die Brutzellen in einer Ebene ohne seitliche Stützen dicht neben einander gebaut werden, so erhalten sie wohl durch seitliche Anlagerung den oben erwähnten unregel- mässigen Querschnitt. Die Töpfe dagegen werden stets in einiger Entfernung von einander angelegt und erhalten ihr festes Gefüge unter einander erst durch Ausbauen der zwischen ihnen befindlichen Hohl- räume. Daher kommt es wohl auch, dass letztere ihre ursprüngliche eiförmige Gestalt beibehalten, während erstere sie einbüssen.

In einem Theile der Töpfe befand sich Pollen, im anderen Honig. Letzterer ist nach den Angaben des Hrn. Coxrkapt gelb, dünnflüssig und von stark aromatischem angenehmen Geschmacke. Er wird von den Eingeborenen mit Vorliebe gegessen. Der Honig, den ich hier in Berlin den Töpfen entnahm, war sehr stark eingediekt, dunkel- braun und hatte seinen aromatischen Geschmack noch beibehalten. Es stellte sich jedoch nach einiger Zeit ein unangenehmer, scharfer, etwas ranziger Nachgeschmack ein, der dem frischen Honig fehlen soll. Da die Meliponen viel Honig sammeln, so dürfte es sich empfehlen, in Africa mit ihnen Domesticationsversuche anzustellen.

Wie bei allen Meliponenbauten, führte auch hier eine Röhre vom Neste zum Flugloche. Leider kann ich über den Verlauf dieser im vorliegenden Falle nichts berichten, da ich von ihr nur noch ein ab- gebrochenes Stück vorfand. Es stellt ein 55”" langes etwas gebo- genes schwarzes, steinhartes Stück dar, das die Form einer halb offe- nen Röhre hat. Die Lage des Flugloches ist mir in Folge dessen un- bekannt geblieben.

Endlich möchte ich noch etwas über die Zusammensetzung der Masse, aus der das Nest gebaut ist, sagen. Die Meliponen vermischen ihr Wachs mit Harz, Schmutz u.s. w. in höherem oder geringerem Grade. Der Farbe nach kann man im vorliegenden Falle zwei Arten von Baumaterial unterscheiden, eine dunkelbraune weiche Masse, aus der sich Brutwaben, Umhüllung, Honig- und Pollentöpfe aufbauen, und eine schwarze, sehr harte, an Farbe der Propolis unserer ein- heimischen Honigbienen ähnliche Masse, aus der die Flugröhre ge-

620 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 20. Juni.

bildet ist. Um das Wachs von den erdigen Bestandtheilen zu trennen, löste ich Stücke von beiden Wachsarten in Chloroform auf und filtrirte die Lösung im Wärmeofen bei einer durchschnittlichen Temperatur von 65°. Die braune Masse löst sich im Gegensatz zur schwarzen erst im erhitzten Chloroform. Hierbei ergab sich, dass die Nestmasse 23.66 Procent in Chloroform unlösliche und 71.34 Procent in Chloro- form lösliche Bestandtheile enthält. Der unlösliche Rückstand war zusammengesetzt aus Lehm, feinem Sande und Holztheilchen. Die löslichen Bestandtheile bildeten nach Verdunsten des Chloroforms eine dunkelbraune Masse, die sich leicht in Fäden ausziehen lies. Um mir über ihre Zusammensetzung ein klares Bild zu verschaffen, löste ich sie noch einmal in Chloroform auf und liess sie wiederholt durch ein Filter gehen. Hierbei ergab sich nur noch ein ganz minimaler Rück- stand an Schmutz, der jedoch den oben angegebenen Procentsatz in keiner Weise berührte. Die nach Verdampfen des Chloroforms zurück- gebliebene immer noch dunkelbraune Masse blieb nun längere Zeit im Wärmeofen stehen und ergab schliesslich eine hellgelbe Substanz, die unserem Bienenwachs ähnlich war. Sie war ziemlich hart und liess sich mit dem Fingernagel schwer ritzen. Erst ‚nach längerer Einwirkung der Handwärme konnte sie in Fäden ausgezogen werden. Hieraus schliesse ich nun, dass ausser durch Sand u. s. w. das Meli- ponenwachs noch mit leichtflüchtigen Harzen vermischt ist, die der Masse die dunkelbraune Farbe geben und am Schmelzpunkte des Wachses sehr schnell verdunsten. Dafür spricht auch der Umstand, dass der hellgelbe Rückstand erheblich leichter war als der dunkel- braune, ein Zeichen, dass durch Verdunsten u. s. w. ein Substanzver- lust eingetreten war. Bei der schwarzen Masse erhielt ich ein ähn- liches Resultat, nur dass hier der Bestandtheil an unlöslichem Bau- material ein viel grösserer war, er stieg bis zu 60 Procent. Auch hier bildete die hellgelbe wachsähnliche Masse das Endergebniss, nur dass hier ein einmaliges Filtriren genügte. Die Erbauerin des Nestes ist:

Melipona togoönsis n. sp.

8 Schwarzbraun bis schwarz gefärbt, Kopf und Thorax matt glänzend, Abdomen wie polirt. Der Kopf ist flach, breiter als der Thorax. Kopfschild wenig hervortretend, unten wenig ausgerandet. Nebenaugen stehen in einer sanft geschwungenen Linie, sie ragen über den Scheitel deutlich hervor. Die hinteren Nebenaugen sind von ein- ander etwas mehr entfernt als von den Hauptaugen. Vom vorderen Nebenauge zieht ähnlich wie bei M. staudingeri (Grısopo) nach unten eine tiefe Furche, die sich vor der Anheftungsstelle der Fühler theilt

it

SrADELMANN: Beiträge zur Kenntniss der Gattung Melipona sens. lat. 621

und fast bis zu den Mandibeln einen um die Basis der Fühler herum- laufenden Ast entsendet. Untere Hälfte des Gesichtes dicht anliegend grau tomentirt, Scheitel mit längeren graubraunen Haaren besetzt. Der Thorax ist oben grauschwarz tomentirt, nur am Hinterrande des Schildehens befinden sich einige längere hellere Haare; das Schildehen selbst ist gegen das Dorsulum durch eine tiefe geschwungene Furche abgegrenzt, so dass es von oben gesehen sichelförmig erscheint. Es erhebt sich deutlich über die Oberfläche des Rückens und überragt bedeutend den dritten Brustring. Das Mittelsegment fällt schräg gegen das Abdomen zu ab. Das Abdomen ist von der Form wie bei M. gribodoi (Maer.), erythra (ScHLEtr.), braunsü (Kon) u.a. Es ist oben, wenigstens vorn glatt und glänzend, an den hinteren Ringen macht sich eine dunkel- graue anliegende Tomentirung geltend. Die Unterseite ist ziemlich dicht mit hellgrauen Haaren besetzt. Die Beine sind bis auf die rostrothen Tarsen schwarz, in der oberen Hälfte mit hellbraunen, in der unteren mit rothbraunen Haaren besetzt. Sie sind ebenso wie die Pleuren fein lederartig seulpturirt. Die Schenkel des zweiten Beinpaares haben hinten einen flachen Längseindruck. Die Schienen der Hinterbeine sind unten sehr breit, mehr als 14 Mal so breit wie die ersten Fussglieder an ihrem Unterende und sind auf der Vorderseite in ihrer unteren Hälfte sehr stark vertieft. Sämmtliche Individuen, Arbeiterinnen, stammen aus dem oben beschriebenen Neste, das von Hrn. Conkapr am 19. November 1892 in Bismarckburg im Togolande erbeutet wurde. Männchen habe ich trotz sorgfältigen Suchens nicht finden können.

Das Nest enthielt solche Thiere, die schon vollständig ausgefärbt waren und solche, die zwar schon ausgeschlüpft, aber noch nicht den Ausfärbungsprocess vollendet hatten. Die Thiere verlassen ganz hell- braun gefärbt die Wabe. Zuerst wird der Hinterleib allmählich dunkler, dann folgt der Kopf, während Brust und Beine noch ihre hellgelbe Färbung beibehalten haben. In diesem Stadium scheinen sie längere Zeit verharren zu können, da ich davon sehr viele vorfand. Vielleicht ist auch die von Grsopo beschriebene Varietät von M. staudingeri (Bull. Soc. Ent. Ital. 1393 p.265 Nr.13) eine solche noch nicht voll- ständig ausgefärbte Form. Die Flügel sind zuerst ganz durchsichtig, werden aber allmählich dunkler und erscheinen dann etwas beraucht. Sie irisiren bei auffallendem Lichte. Die Thiere haben eine durch- schnittliche Länge von 5"".

Zum Schlusse mögen noch die Beschreibungen zweier neuer Meli- ponenarten aus Ostafrica folgen:

622 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 20. Juni.

Melipona africana n.sp. ? Trigona beccarii GrıBopo Ann. Mus. Civic. Genova XIV 1879. p- 340 Nr. 20.

8 Bis auf die Färbung des Hinterleibes der M. beccarü (Grız.) ähnlich. Schwarz, Mandibeln, Vorder- und Seitenrand des Clypeus, ein grosser Fleck in der Mitte desselben, Seitenrand des Kopfes an den Augen, eine dreieckige Makel zwischen den Fühlern, die Unter- seite des Schaftes derselben, Schulterbeulen, Pronotum bis auf einen kleinen Streifen in der Mitte, Seiten des Mesonotum, Schildehen, Flügelschuppe und Geäder hell rothgelb. Tarsenglieder hell rostbraun, Flügel hyalin, hellgelb. Das zweite Hinterleibssegment hat oben jeder- seits einen dunkel rothgelben Fleck, das dritte und vierte eine Binde von derselben Farbe, die beim dritten durch einen sehr breiten, beim vierten durch einen sehr schmalen Zwischenraum unterbrochen ist. Der ganze Körper ist mit kurzen weissen Härchen besetzt. Der Kopf ist flach und breiter als der Thorax. Zwischen den Fühlern erhebt sich ein kleiner Kiel. Vom vorderen Nebenauge zieht nach unten eine Furche. Die Nebenaugen stehen in einer wenig geschwungenen Linie erhaben auf dem Scheitel. Die Vorderseite des Kopfes ist ebenso wie Thorax und Beine fein lederartig punktirt. Das zweite und dritte Ab- dominalsegment sind glatt. Von da ab trägt jeder Ring hinten eine Zone feiner Punktirung und Körnelung, die auf jedem folgenden Ring immer mächtiger als auf dem vorhergehenden auftritt. Das zweite Geisselglied ist kegelförmig, mit der breiten Basis nach oben gerichtet, etwas länger als das dritte, die folgenden Glieder sind unter sich gleich lang, bis auf das letzte, welches ungefähr so lang wie das zweite ist. In der Form des Abdomens und der Bildung der Beine stimmt diese Art mit der vorigen überein.

Tamge: 772.

Habitat: Zanzibar (C. W. Scmumr leg.). Melipona schmidti n. sp.

8 Weicht in der Form des Hinterleibes von den beiden oben beschriebenen Arten ab. Das Abdomen ist hier langgestreckt, viel länger als Kopf und Brust zusammen, vorn etwas seitlich zusammen- gedrückt und am hinteren Ende kolbig angeschwollen. Diese Art stimmt also hierin mit der M. staudingeri (Grısono) und der M. dolichogaster (Konr) überein. Sie gehört mit ebengenannten zur Tetragona-Gruppe.

M. schmidti ist schwarz, glänzend polirt, Thorax oben und Beine mit kurzen dunklen Haaren besetzt. Kopf vorn, Thorax und Mittelsegment an den Seiten mit silberweisser dichter Pubescenz, die am Kopf und Mittelsegment etwaige Sculptur verdeckt. Die Fühlergeissel ist dunkel

rn u

PS

STADELMANN: Beiträge zur Kenntniss der Gattung Melipona sens. lat. 623

rostbraun. Das Geäder der Flügel ist sehr dunkel. Diese selbst sind stark beraucht, fast dunkelbraun mit violettem Schimmer. Stellung der Nebenaugen und die Furche auf der Vorderseite des Kopfes wie bei M. togoönsis m. Der Mittelrücken zeigt in der Mitte einen tiefen Längs- eindruck. Die Hinterbeine sind hier im Verhältniss mit denen der beiden vorigen Arten viel länger. Auch sind ihre Schienen am unteren Ende mehr als zweimal so breit als das erste Fussglied unten.

länge: 77”.

Zanzibar (C. W. Scnmipr).

Die Typen obiger Arten und das Nest selbst werden in der hiesigen zoologischen Sammlung des Königlichen Museums für Naturkunde auf- bewahrt.

I

———nug EEE 0 EEE TB

. ; . ai m pn - vr \ I ai 2 2 “= D , De B \ t+- 2 z . > | E u -. nd \ 4 RL h > ne, |

Untersuchungen über Befruchtung und Furchung des Eies der Echinodermen.

Von FkrıEprıcHh REınkE in Rostock.

(Vorgelegt von Hrn. WALpEYveEr.)

Re Erweiterung meiner Kenntnisse auf dem Gebiet der Zelle und mit der Absicht, die in den letzten Jahren durch die angestrengten Bemühungen verschiedener Forscher gewonnenen exacten Methoden der Conservirung und Färbung auf das thierische Ei anzuwenden, habe ich in diesem Frühjahr in der zoologischen Station zu Neapel die Be- fruchtung und Furchung des Eies der Echinodermen studirt. Auf meinen Antrag gewährte mir zu diesem Zweck die Königlich Preussi- sche Akademie der Wissenschaften eine pecuniäre Unterstützung und verlieh mir das Königlich Preussische Cultus-Ministerium einen Ar- beitsplatz in der obengenannten Station.

In wie weit es meinen Bemühungen gelungen ist, diese Vergünsti- gungen nach Kräften zur Förderung der Wissenschaft auszunutzen, möchte ich an dieser Stelle durch vorläufige Veröffentlichung meiner Methoden und Beobachtungen dem Urtheil der Fachgenossen unter- breiten.

Mit Genugthuung constatire ich, dass ich jedenfalls, als ich im Sommer vorigen Jahres den Plan dieser Arbeit fasste, das Bedürf- niss, mit den modernen Methoden das Ei der See-Igel zu untersuchen, richtig geschätzt habe. Diesen Beweis liefert die grosse Zahl der Un- tersuchungen, die seit dieser Zeit über dasselbe Object, wie ich weiss, angestellt sind. An vorläufigen Veröffentlichungen liegen mir aller- dings bis jetzt erst zwei Arbeiten von E.B. Wırsov und A.P. Marnews einerseits und Boverı andererseits vor. Beide Arbeiten sind für mich überzeugend gewesen, dass es nicht überflüssig, sondern sehr noth- wendig ist, dass dies ausgezeichnete Objeet noch viel umfassender und vielseitiger in Angriff genommen werde, als meine Vorgänger und ich es zu thun im Stande waren.

[31] [0 +)

Sitzungsberichte 1895.

626 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 20. Juni.

Meine Untersuchungsobjecte waren die Eier dreier See-Igel: Kchinus microtuberculatus, Sphaerechinus granularis und Strongylocentrotus lividus. Von diesen drei zeigte sich die zuletzt genannte Art als bei Weitem die günstigste.

1. Methode der Untersuchung.

In erster Linie habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, soviel als irgend möglich lebend zu beobachten, um mir ein eigenes Urtheil zum Vergleich mit dem eonservirten und gefärbten Material zu verschaffen. Einmal habe ich die Eier im Meerwasser unter einem durch Barthaare gestützten Deckglas beobachtet, sodann aber vermittelst des bekannten ZiEGLER schen Compressoriums. Auf die erste Weise habe ich begreif- licherweise nicht mehr, aber auch nicht weniger gesehen als vor mir OÖ. und R. Hrrrwıe, For, Fremmme, Boverı und Andere Mit dem Ziesrer'schen Apparat dagegen habe ich vermittels eines einfachen kleinen Kunstgriffs einige besonders wichtige Befunde machen können, die theilweise ganz neu sind, theilweise die Beobachtungen anderer Forscher bestätigen. Ein jedes Compressorium übt natürlich nur bei der ersten Montirung einen Druck aus. Später hebt sich derselbe durch die Abplattung des Objects vollständig auf. Man kann nun bei diesem Apparat den Druck beliebig handhaben, indem man die Eier durch zwei der drei vorhandenen Schrauben feststellt und die dritte nach Gutdünken auf und nieder gehen lässt. Auf diese Weise kann man die Eier nebst ihrem Kern und deren Theilungsfiguren bei einiger Übung beliebig insultiren und massiren und auf diese Weise wichtige Resultate erzielen. Ähnlich gelingt das durch Druck mit der Nadel auf’s Deckglas, aber aus naheliegenden Gründen nur in weit unvollkom- menerer Weise. Denn bei meiner Methode liegen die Eier fest und werden dank der genialen Einrichtung des Apparats stets von fliessen- dem Meerwasser umspült. Ausserdem ist die Führung der Schraube eine ungemein sichere und man hat es in der Hand, jede Stellung der Zelle zu fixiren.

In zweiter Linie habe ich ein sehr grosses Material conservirt. Dabei wurde besonders darauf geachtet, möglichst viele verschiedene Stadien zu erhalten. Abgesehen von unbefruchteten reifen und un- reifen Eiern, wurden befruchtete Eier vom ersten Moment an bis zum Vier-, ja allerdings spärlicher, bis zum Acht-Zellenstadium fixirt. Zur Fixirung wählte ich eine Anzahl von Flüssigkeiten, die mir besonders bewährt erschienen: Hrrmasv sches Gemisch, vom Rart#'’sche Flüssigkeit in mehreren Modificationen, verschiedene Pikrinosmiumsäuren, Sublimat nach Heıpesnam, Sublimateisessig nach Wırsox und Sublimateisessig- kalibichromieum (Zexker’sche Flüssigkeit) in verschiedener Zusammen-

Reınke: Befruchtung und Furchung des Eies der Echinodermen. 627

setzung, ausserdem noch Pikrinschwefelsäure. Ich will sogleich be- merken, dass mir Sublimateisessig und Sublimateisessigkalibichromieum bei Weitem die schönsten Praeparate geliefert haben.

Die Eier wurden verschieden lange in diesen Flüssigkeiten con- servirt, in Alkohol ausgewaschen und nachgehärtet, dann durch Xylol auf 2-1 Stunde in sehr weiches Paraffın und schliesslich auf eine Minute in sehr hartes Paraffin gebracht. Alle Proceduren wurden mit kalten und angewärmten Pipetten und sehr stark gewölbten kleinen Glasschalen ausgeführt. Es gelingt sehr leicht, grosse Mengen der Eier in wenig Paraffın einzubetten, so dass fast ein Ei neben dem anderen zu liegen kommt. Von diesen Paraffinstücken wurden feine Serien- schnitte angefertigt und diese mit Eiweissglycerin und destillirtem Wasser nach der »japanischen Methode« auf Deckgläschen geklebt. Zur Färbung diente Saffranin - Gentiana - Orange, Bionpr’sches Farb- gemisch und vor Allem Hripennarm’s Haematoxylineisenlackmethode. Bei guter Fixirung liefert am vorliegenden Objeet diese Methode so Vorzügliches, speciell eine specifische Centralkörperchenfärbung, wie es sonst mit keiner anderen Methode zu erreichen ist. Jaich bin der An- sicht, dass meine so gewonnenen See-Igel-Eierpraeparate eher bessere als schlechtere Bilder liefern, als die der Wirbelthierzellen. Vor Allem bietet sie den grossen Vortheil, dass bei ihrer Anwendung die Dotter- körner sowie Leeithinkörner, die bei anderen Methoden sich intensiv mitzufärben pflegen, durchaus keinen Farbstoff annehmen, dagegen werden kleine Pigmentkörner allerdings geschwärzt.

Schliesslich machte ich noch einige Versuche mit einem chemi- schem Reizmittel, nämlich dem von Lors und Morcav angewandten eoncentrirten Meerwasser.

2. Beobachtungen an lebenden Eiern.

Ein Faetum wird in der Litteratur wenig hervorgehoben, das an Eiern im Zıesrer’schen Apparat sehr deutlich zu sehen ist. das ist die starke amöboide Bewegung des Eikerns bei Annäherung der Sperma- strahlung und die tiefgehenden Bewegungen des Furchungskernes in den ersten Stadien. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass ein Kern so impulsiver Bewegungen fähig wäre. An Praeparaten ist von diesen Dingen wenig zu erkennen, offenbar rundet sich der Kern beim Eindringen der Fixirungsflüssigkeit sehr schnell ab.

Gegen Ende der Mitose, wenn die Strahlung der Sphaeren be- reits vollständig die Peripherie erreicht hat, fällt sehr auf die plötz- liche Längsdehnung des Eies, die wie mit einem Ruck erfolgt. Bald darauf tritt an den Radien der Strahlung eine seltsame, aber regel-

58*

628 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 20. Juni.

mässige Bewegung ein. Während nämlich vorher dieselben alle ent- weder gerade gestreckt waren oder in leichten, nach dem Centrum der Zelle zu concaven Curven verliefen, schlagen sie jetzt auf einmal sämmtlich um und zeigen eine nach aussen concave Krümmung. Selbst bei starker Pressung im Zieszer’schen Apparat sieht man diese Erscheinung deutlich. Diese Umklappung der Radien erinnert lebhaft an die Beschreibung und Abbildung von Fremume bei denselben Eiern, aber im ersten Stadium der Spindelausbildung. Sehr schön abgebildet finde ich sie ferner bei For, »Recherches sur la Fecondation«, 1879, Taf. VI, Fig. 9 und ıo und Taf. VII, Fig. 6. Schliesslich ist am Ende der Mitose auffallend, dass der reconstruirte Tochterkern sehr schnell aus seiner mittleren Stellung sich der Theilungsebene nähert und diese excentrische Stellung bis zum Eintritt der neuen Mitose bewahrt. Auf diese Erscheinung führe ich den auffallenden Umstand zurück, dass bei der Quadrantentheilung die Furche nicht von aussen nach innen, sondern umgekehrt an der Seite beginnt, die den anderen Zellen anliegt.

So unbedeutend diese Facta an sich sind, so möchte ich sie doch nicht unerwähnt lassen als sichere Beobachtungen am lebenden Object. Weit ergiebiger zeigten sich die Resultate, die ich durch eine mechanische Insultirung der Eier erzielte. Übt man in der oben an- gegebenen Weise durch Bewegung der einen Schraube des ZıesLer’schen Apparates auf die Eier vorübergehende Druckwirkungen aus, so wirkt dies auf die mitotische Figur in Art eines Reizes, so dass der ganze Process um ein Vielfaches beschleunigt wird. Beginnt man die Massi- rung in den Prophasen, so bildet sich die Sphaerenstrahlung sehr schnell aus und umgekehrt, lässt man auf die Zelle den Reiz während der Anaphase wirken, so geht der Process der Mitose sehr viel schneller seinem Ende zu. Dabei ist nichts davon zu bemerken, dass die ihrer Länge nach ab- oder zunehmenden Radien irgendwie in Unordnung kämen oder ihre Zeichnung auch nur verwaschener würde. Ebenso- wenig wird die bekannte regelmässige Formveränderung der Sphaere jemals gestört oder verändert. Nur der Wechsel der Bilder ist ein schnellerer.

Übertreibt man die Bewegungen der Schraube absichtlich, so kann man es leicht erreichen, dass die Eimembran platzt. Aus der Öffnung strömt mit erheblicher Geschwindigkeit ein grösserer Theil der Dotterkörner mit dem sie umgebenden Plasma hinaus. Dabei macht sich ein beträchtlicher Unterschied geltend, je nachdem das Stadium der Mitose eine geringe oder eine vollständige Strahlenaus- bildung hatte. Im ersten Fall schlüpft die ganze Kernfigur mit Spindel und Sphaeren zum Loch hinaus; erreichten die Strahlen aber bereits

are N

Reıske: Befruchtung und Furchung des Eies der Echinodermen. 629

die Eiperipherie, so ist die Strömung des Extraovats verlangsamt, wie gehemmt, die ganze Protoplasmamasse zäher, cohaerenter. Bei aus- giebigerer Bewegung der Schraube quillt meistens eine grössere zu- sammenhängende Masse heraus.

Sollte Jemand noch daran zweifeln, dass diese Radien dichte Fäden und keine Strömungen vorstellen, dem empfehle ich diese Ex- perimente nachzumachen und ich denke, er wird sich sehr bald von der Fadennatur überzeugen.

Driescn und ZiesLer haben beobachtet, dass unter Druck oder bei Erwärmung sich die Furchungen im Zwei- und Vier-Zellenstadium u.s. w. zurückbilden. Dies Phaenomen erhält man leicht durch die Massirung, es entstehen dann mehrkernige Zellen. Gönnt man dem Ei Ruhe, so treten mit der nächsten Mitose mehrere Furchungen auf, meistens bleiben aber einige Abschnitte ungetheilt und die Thei- lung wird erst nach den nächstfolgenden Mitosen nachgeholt. Stets aber theilen sich die Kerne und zwar zu gleicher Zeit, daran ändert die Massage nichts. Fast stets aber werden die Theilungspro- ducte später ungleich, es kommt zur Makro- und Mikromerenbil- dung. Im Allgemeinen stellen sich dabei die Spindeln nach dem Herrwis'schen Prineip in der Richtung der grössten Plasmamasse ein, ohne Ausnahme senkrecht zur Pressung. Oft erscheinen sie aber zur längsten Axe der Zelle schräg gestellt. Ausserdem kommt es bei dieser Massirung gar nicht selten vor, dass sich die Spindeln senk- recht zur längsten Axe (aber stets senkrecht zur Pressung) in den kleinsten Durchmesser einstellen und zwar so, dass sie excentrisch an der einen Seite liegen. Diese Stellung bewirkt stets eine Unregel- mässigkeit der Theilung, indem entweder sich eine Mikromere ab- schnürt, oder die Furche nur auf der Seite partiell sich ausbildet, wo die Spindel liegt. In diesem Falle stellen sich bei der nächsten Mi- tose die Spindeln parallel zur begonnenen Furche in der Richtung der grössten Protoplasmamasse ein. Es werden darauf an der Seite, wo die partielle Furchung geschah, Mikromeren abgeschnitten, und der Rest theilt sich erst bei der folgenden Mitose. Ist die partielle Furchung weiter gegangen, wie die Länge der Mikromeren, so geht dieser Rest vollständig wieder zurück. Die Furchung beginnt stets auf der Seite der Zelle, der der Kern näher liegt.

Bei dieser Gelegenheit habe ich eine Beobachtung von funda- mentaler Bedeutung gemacht. Es ist mir wiederholt gelungen, die beiden ersten Furchungszellen so zu pressen und zu massiren, dass ihre Gestalt bedeutend länger wie breit wurde und zugleich die ruhen- den oder in den ersten Stadien der Mitose befindlichen Kerne so in der Zelle zu verschieben, dass sie excentrisch an der einen Seite zu

630 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 20. Juni.

liegen kamen. In diesen Fällen tritt regelmässig, zur Zeit der sich entwickelnden Sphaerenstrahlung eine unabhängige grosse, sehr deut- liche Strahlungsfigur in der kernfreien Hälfte der Zelle auf. Diese Strahlung bildet eine grosse Sonne, die von der Peripherie der Zelle nach deren Centrum gerichtet ist, meistens aber nach der Kernfigur hin schwächer entwiekelt wie unterbrochen erscheint. Das Centrum dieser Strahlung ist ein grösserer fibrillenfreier Raum, etwa ent- sprechend der Grösse einer kurzen Sphaerenstrahlung. Ganz auffallend ist ihre Abhängigkeit von der Mitose. Sie ist nämlich mit dieser synehron. Kehrt der Kern zur Ruhe zurück, so verschwindet sie, um in der Mitte der nächsten Mitose in alter Stärke wieder aufzu- treten. Dagegen steht sie mit den Centren in gar keiner Verbindung, ist ja auch in ganz anderer Richtung centrirt. \

Durch diesen Versuch erscheint es höchstwahrscheinlich gemacht, dass die periphere Zellstrahlung nicht allein durch die Einwirkung der Centralkörpercehen, vielmehr durch das Auftreten der ganzen Mitose bedingt und hervorgerufen wird. Wir hätten es demnach während der Mitose mit zwei mehr oder weniger unabhängigen Strahlensystemen, einem centralen und einem peripheren zu thun, die sich zu einem grossen System ergänzen. Ausserdem beweist aber dies Experiment schlagend, dass der periphere Theil der Strahlung durch Umwand- lung in Fibrillen einer um die centrale Sphaerenstrahlung gelagerten protoplasmatischen Substanz sich bildet, und nieht durch eine Ver- längerung oder Ausbreitung der Substanzmasse der kurzen Sphaeren- strahlen entsteht.

3. Beobachtungen am conservirten Material.

Von grosser Wichtigkeit ist die besonders gute Färbung der Structur unbefruchteter Eier, die meine Praeparate zeigen. Sie ist deutlich erkennbar in einer das ganze Ei scheinbar gleichmässig durch- setzenden, wabenartigen Anordnung feinster, aber gut erkennbarer Granula. Diese wabenartige Structur wird offenbar bedingt durch die Einlagerung der Dotterkörner, so dass von einer specifischen Plasmastructur, abgesehen von dem körnigen Bau, keine Rede sein kann. Nach Eintritt des Spermakopfes und der Bildung dessen Cen-

! Ich bemerke ausdrücklich, dass mir dies Experiment nur gelungen ist an Zellen, deren Substanz durch die weiter unten zu erwähnende »innere Theilung« bereits vorher in zwei gleiche Abschnitte strahlig differeneirt war. In früheren Stadien stellten sich die Spindeln stets mehr oder minder so ein, wie es der Her'rwıs’schen Regel entspricht. Die Spindel, bez. deren Pole scheinen demnach nach der »inneren Theilung« nicht mehr oder nur in schwächerem Maasse im Stande zu sein, Unregel- mässigkeiten der Stellung auszugleichen.

Reınke: Befruchtung und Furchung des Eies der Echinodermen. 631

trenstrahlung kann man auf’s Sicherste den Nachweis liefern, dass diese Strahlung sich aus der körnigen Pseudo-Waben-Structur all- mählich herausbildet und umgekehrt später wieder in dieselbe sich umgestaltet. Dasselbe gilt in den späteren Stadien für die beiden Sphaerenstrahlungen, denn auch hier ist die kömige Pseudo-Waben- Structur das Material, auf dessen Kosten und aus dessen Elementen sich die Strahlen bilden und in die sie sich wieder verwandeln. Meine Praeparate sind in diesem Punkt von einer derartigen Beweiskraft, dass für jeden objeetiven Beobachter diese Frage nunmehr wohl als entschieden betrachtet werden darf.

Die erste sehr kleine Sphaere, die sich am Spermakern bildet, ist von kugeliger Gestalt, die Strahlung geht von ihrer Peripherie aus. Die feinere Structur der Sphaere ist aber auf diesem Stadium schwierig zu definiren. Mit Rubin, Safranin und Orange lässt sie sich im Gegensatz zur Strahlung und der Pseudo-Waben-Structur intensiv färben. Ihr Inneres scheint granulirt oder netzförmig zu sein, sicher nicht homogen. Man sieht hier und da in ihr wohl sehr kleine in- tensiv färbbare Körnchen oder auch nur ein einziges, allein zu der festen Überzeugung, dass dies ein oder mehrere Centralkörperehen seien, kann ich einfach deshalb nicht kommen, weil die Verhältnisse zu klein und nicht deutlich genug sind. Man wird diese Reserve, mit der ich diesen Verhältnissen gegenüberstehe beim Anblick solcher Praeparate, sehr begreiflich finden. Ich zweifle aber keinen Augen- bliek daran, dass hier ein oder schon mehrere Centralkörperchen in Wirklichkeit vorhanden sind, da ich dieselben in den späteren Stadien mit Sicherheit nachweisen kann.

Dies führt mich zu dem heikelsten Punkt meiner Untersuchung, zur Frage nach der Geltung der For’schen Uentrenquadrille. Wısox und Bovzrı haben eine Kritik derselben geliefert, die einem Begräbniss gleichkommt. Wenn ich mir die Sache recht überlege, so muss ich bekennen, dass mich diese absolut vernichtende Kritik doch mit einigem Staunen erfüllt. Wenn ein so vorzüglicher Beobachter wie For an der Hand von Praeparaten, also positiv, das Factum der Quadrille constatiren konnte, so sollte man doch etwas vorsichtiger urtheilen. Wenn man bedenkt, dass weder Wırson noch Boverr die Öentralkör- perchen in den späteren Stadien, wo sie so leicht zu beobachten sind, gesehen haben. so muss man sagen, ihre Methoden waren einfach nicht ausreichend und die uns unbekannte Methode For’s ist unzweifel- haft besser gewesen. For hat nämlich bereits im Jahre 1879 in der obengenannten Schrift in den späteren Stadien die Centralkörperchen richtig gesehen und abgebildet! Meine Praeparate können hierin Fou ganz bestätigen. Ich halte es deshalb, weil For diese Bildungen

632 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 20. Jnni.

schon sehr lange genau gekannt haben muss, für ausgeschlossen, dass er bei diesen Anfangsstadien derartigen naiven Täuschungen, wie Bovert sie ihm imputirt, zum Opfer gefallen ist, er, der im Jahre 1879 diese Dinge bereits viel besser kannte wie BovErı 1895. Wenn Bovert sagt, dass es ihm an einigen besonders günstigen Praeparaten gelang, das Centrosoma selbst als ein winziges kleines intensiv schwarzes Körnchen in einigem Abstand von dem Chromatinkegel als Centrum der Strahlenfigur nachzuweisen, so ist es sehr wohl möglich, dass er das Richtige gesehen hat, obgleich ich an meinen Praeparaten die Dinge nicht so scharf sehen kann. Wenn derselbe aber aus diesem Körperchen durch »Quellung« die enorm grosse spätere Sphaere sich entstanden denkt, so muss mich das nach meinen Befunden in nicht geringes Erstaunen versetzen.

Ich möchte daraufhin nur Folgendes sagen. Auch ich kann mit den mir zu Gebote stehenden Methoden die von For positiv gesehene Quadrille nicht wahrnehmen, möchte daraus aber nicht den Schluss ziehen, dass dieselbe wirklich nicht stattfindet. Für unrichtig halte ich vorläufig an den For’schen Befunden die Lage des Centralkörper- chens an der Spitze des Spermakopfes, ferner eine irgendwie deut- liche Strahlung um das Ovocentrum. Alle Bilder, die dafür sprechen könnten, sind nach meinen Serienschnitten als Polyspermien zu deuten. Dennoch ist es aber sehr wohl möglich, dass For dank einer vorzüg- lichen Methode das Ovocentrum gesehen hat und den Act der Centren- quadrille verfolgen konnte. ‚Ich muss es eben nur bedauern, dass die Möglichkeit der Verificirung uns durch den leider viel zu frühzeitigen Tod des ausgezeichneten Forschers verloren gegangen ist. Ich füge hinzu, dass die Abbildungen der letzten For’schen Publicationen, offenbar durch die miserable Technik der Wiedergabe, äusserst roh ausgefallen sind. Seine Praeparate müssen zu ihnen in keinem Ver- hältniss gestanden haben, das beweisen seine Abbildungen aus dem Jahre 1879, das beweist auch eine bis in die Einzelheiten richtige Abbildung, die Fremmıse nach einem ihm von For geschenkten Prae- parate giebt. Es wäre sehr zu wünschen, dass man For’sche Original- praeparate genauer untersuchte, sie und sie allein können den Auf- schluss über diese Frage geben.

Vorläufig also möchte ich mich in diesem Punkte mit meinem Ur- theil sehr reservirt halten und constatire nur, dass es den bisherigen Nachuntersuchern nicht möglich gewesen ist, sich von der Richtigkeit der Centrenquadrille zu überzeugen weiter nichts.

Nach dieser Abschweifung nehme ich meine Beschreibung der weiteren Befunde wieder auf. Die Sphaere des Spermakerns theilt sich bald mehr, bald weniger weit vom Eikern entfernt, meistens ihm

a

Reıske: Befruchtung und: Furchung des Eies der Echinodermen. 633

dieht anliegend. Beide neue Sphaeren nehmen den Eikern zwischen sich. Spindelmantel und Centralspindel bilden sich, zum grössten Theil wenigstens, aus der Membran-und deren Linie des Kerns. Während dieser Differeneirung geht im Zellleib ein höchst eigenthümlicher Pro- cess vor sich, der allerdings schon oft beschrieben, aber offenbar noch nicht genügend gewürdigt ist. Zunächst liegt der Furchungskern ex- centrisch; nachdem sich die Centren getrennt haben, nimmt er immer mehr eine centrirte Stellung ein, wenn er auch vielleicht niemals genau den Mittelpunkt erreicht. Während dieser Zeit durchsetzt die Strahlung den gesammten Zellleib oder correcter ausgedrückt, die ganze pseudowabige Structur wandelt sich unter dem Eintluss der Centralkörperchen in Radien um, die sich überall ganz gleichmässig- an die Peripherie der Zelle ansetzen. Nur zwischen Aequator und beiden Sphaeren bildet sich ein charakteristisch geformter konischer Raum, in dem nur sehr kurze Strahlen liegen. Durch diese Um- formung des Plasmas wird schon bald nach dem Entstehen des ersten Furchungskerns eine vollständige und gleichmässige Theilung der Zellleibssubstanz erreicht. Die ganze körnige pseudowabige Structur wird in Strahlen umgewandelt, die ganz entgegengesetzt gerichtet sind. Nur in der späteren Furchungsebene bleibt eine neutrale Zone, eine feine Platte von Waben übrig, in dieser Platte findet die spätere Theilung statt. Ich möchte diese erste primäre Theilung der Zell- substanz, innere Theilung, im Gegensatz zu der zweiten mehr äusser- lichen, als äusseren Theilung, nennen. Ich denke mir diese »innere Theilung« so vor sich gehen, dass durch den Einfluss der Centren genau dieselbe Menge von Granula, die ich mir mit verschiedenen Polen begabt denke, einseitig polar auf das eine Centrum wie auf das andere eingestellt wird. In der späteren Furchungsebene bleibt dann eine neu- trale, indifferente Zone, in der die Theilung vor sich geht. Diese Vorgänge sieht man sehr schön in meinen Praeparaten'.

! Die Mechanik der Fortbewegung des Spermakerns und seiner Strahlung, nach dem Eintritt in’s Ei, die Ausbildung dieser Strahlung, sowie die schliessliche mehr oder weniger centrirte Einstellung des Furchungskerns und dessen die ganze Substanz des Eies durchsetzende Sphaerenstrahlung nebst der damit verbundenen »inneren Theilung« des Eies, spotten mehr oder weniger jeder mechanischen Erklärung. Der von ZıEsLer meines Wissens zuerst ausgesprochene Gedanke: »bei der Zelltheilung stellt sich die Kernspindel so, dass die von dem Protoplasma auf den Pol der Spindel ausgeübte Anziehungskraft jederseits gleich ist«, gab mir die Anregung zu folgender Idee.

Die Sphaere des Spermakerns enthält drei verschiedene Kräfte x, yund, der Eikern enthält die Kraft m, jedes Plasmatheilchen (Granulum) die Kraft n, deren Summe ich als Sz bezeichnen will. Zwischen x und n findet eine Anziehung statt, wahr- scheinlich dieselbe welche das Spermatozon veranlasst hat, auf das, Sn enthaltende, Ei einzudringen. In Folge dessen rückt die Spermasphaere in’s Innere des Eies den Spermakern mitschleppend. Das y derselben Sphaere wird aber vom m des Eikerns

634 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 20. Juni.

Sehr bald wandelt sich aber der ganze periphere Kugelabschnitt dieser strahligen Kugel wieder in die frühere wabige Structur um, und nur eine kurzstrahlige Kugel um die Sphaeren herum bleibt bestehen. Diese Strahlung ist sehr leicht mit Mitteln zu fixiren, die sonst die Structuren verquellen machen, offenbar weil sie durch den Einfluss der Centralkörperchen stark contrahirt und verdichtet sind, und eine sehr feste innere Organisation bekommen haben. Niemals endigen diese Strahlen frei. Peripherwärts gehen sie, allerdings recht plötzlich in die Pseudo-Waben-Structur über, central aber setzen sie sich an die Peripherie eines kugeligen Gebildes fest der Sphaere. Diese früher halbkugeligen Gebilde haben sich im Stadium des Mutter- sterns zu ausserordentlich regelmässigen Kugeln von beträchtlicher Grösse umgebildet. Sie sind durchaus nicht homogen, sondern be- stehen aus einem färbbaren Netzwerk, in deren Maschen eine hellere Substanz gebettet liegt. In dem Netzwerk selbst liegt ein Häufchen intensiv schwarz färbbarer Kügelchen, die gut von dem Netzwerk zu unterscheiden sind die Centralkörperchen. Ihre Zahl ist eine beträchtliche, ich schätze sie auf ı-2 Dutzend. Ihrer Form nach sind es, soweit sie isolirt beobachtet werden können, drehrunde Kügelchen. Sie entsprechen genau den Üentralkörperchen der fixen Bindegewebszellen des Salamanders und denselben Gebilden in den Leukoceyten dieser Thiere und bilden offenbar zusammen als eine Gruppe das Mikrocentrum. Ihre Lage ist eine ganz gesetzmässige, sie liegen in diesem Stadium genau in der Mitte der Sphaere. Das Verdienst ihrer Entdeckung gebührt For. Im Jahre 1879 hat er sie allerdings meistens in etwas verbackenem Zustande entdeckt, beschrieben und wiederholt abgebildet. Aus seinen Figuren ist bereits mit Sicher- heit zu entnehmen, dass es sich keineswegs um zufällige Bildungen, sondern um etwas ganz Typisches handelt. Dies geht nämlich daraus hervor, dass dieselben in den späteren Stadien der Sphaeren einen ganz genau bestimmbaren Wechsel ihrer Lage eingehen. Sehr bald

angezogen und zieht andererseits dasselbe seinerseits an. In Folge dessen kann sich die Spermasphaere nur in der Resultante der Anziehung von m und Sn bewegen. Haben sich der Ei- und Spermakern zum Furchungskern vereinigt, so wirkt auf y nur noch Sr und der Kern wird eine Gleichgewichtslage annehmen, die annähernd in der Mitte der Zelle liegt, da das Plasma nicht ganz gleichmässig vertheilt ist. Ausser- dem übt aber auch x eine Anziehung auf n aus. Die Folge davon ist, dass Sn zu Radien um die Sphaere des Spermakerns und später die beiden Sphaeren des Fur- chungskerns sich orientir. Dabei müssen wir annehmen, dass dies z durch innere Vorgänge in der Sphaere in seiner Kraft wechselt, so dass bald das ganze Sn davon umgewandelt wird, bald nur ein Theil desselben. Sieht man sich daraufhin die sehr genauen Diagramme der Bewegungen von Ei- und Spermakern bei Wırson (Matu- ration, Fertilization, and Polarity in the Echinoderm Egg Journal of Morphology Vol.X Nr.r) an, so wird man überrascht sein, wie gut meine Theorie dazu stimmt.

. . a0) Reınke: Befruchtung und Furchung des Eies der Echinodermen. 635

nämlich beginnt die periphere Plasmaschicht sich wieder in discrete Strahlen umzuwandeln. Die Fibrillen setzen sich durch Umwandlung der Pseudo-Waben-Struetur bis an die Eimembran fort. Dabei nimmt die bisher kugelrunde Sphaere die Gestalt einer biconvexen Linse an. In diesem Stadium geht aber die Gruppe der Centralkörperchen, das Mikrocentrum, in eine tellerförmige Platte über, eine Umordnung, bei der aber die einzelnen Granula wohl unterscheidbar bleiben. Diese Linsenform der Sphaere geht dann in die Gestalt einer Birne über, durch ein eigenthümliches Verhalten der Strahlung, auf das ich hier nicht näher eingehen kann und schliesslich wandelt sich diese Birn- form in eine grosse Halbkugel um. Auch in diesem Stadium bildet For das Mikrocentrum sehr deutlich ab. Um diese Zeit hat sich die erste Zelltheilung vollzogen. Es folgt nun die Sphaerentheilung. Da- bei wird die Substanz derselben so dicht, dass man, wie im ersten Anfang in meinen Praeparaten die feineren Details nicht mehr zu analysiren vermag. Erwähnenswerth ist, dass während der Quadranten- theilung und Oectantentheilung die Gestaltveränderung der Sphaere eine andere wie die hier beschriebene ist. Im Anfang halbkugelig, ist sie zur Zeit des Muttersterns auch hier kugelrund, dann aber die Form des Quadranten und Octanten nachahmend, wird sie nicht linsen- förmig, sondern hat genau die Gestalt eines vierten Theils einer Kugel, bez. des vierten Theils einer Halbkugel nur mit abgerundeten Ecken. Aus dieser Form aber geht sie nicht in die Gestalt einer geraden, sondern einer nach einer Seite schief gezogenen Birne über. Diese Form ist nur an Sublimatessigsäure- und Sublimatkalibichromieumessig- säure-Praeparaten erkennbar. An Osmiumpraeparaten erscheint sie aus Gründen, auf die ich hier nicht näher eingehen kann, die aber sehr motivirt erscheinen, in ganz anderer Gestalt.

Es drängt sich uns die Frage auf, wodurch werden diese ganz typischen Gestaltveränderungen der Sphaere bedingt? Liegt die causa movens im Wesen der Sphaere selbst oder ausserhalb derselben in der Form der Zelle und den von der Sphaere entspringenden Radien? Meine Untersuchungen führen mich dahin zu antworten: Die wech- selnde Gestalt der Sphaere ist das Product aus der äusseren Gestalt der Zellen und der strahligen Structur des Zellleibes. Die genauere Begründung dieser wichtigen Erkenntniss behalte ich mir für später vor. Nur ein Faetum möchte ich schon hier erwähnen. Ich habe mir ein grosses körperliches Modell, das diese Verhältnisse der Zelle nachahmen soll, angefertigt. Anstatt der Sphaere nahm ich einen grossen Gummiball, anstatt der Radien Gummistreifen, anstatt der Zellperipherie Bambusringe. Aus dem Gummiball wurden die Wände derartig ausgeschnitten, dass 3 auf einander senkrechte Ringe entstehen.

636 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 20. Juni.

Diese Gummibildung wurde durch die Gummibänder in ein Gestell von 3 auf einander senkrecht stehenden Bambusringen aufgehängt. Auf diese Weise erhält man ein dreidimensionales Zellenmodell. Die Gummibänder waren alle von ganz gleicher Beschaffenheit.‘ Mit diesem Modell kam ich sofort zu dem überraschenden Ergebniss: Durch gesetz- mässige, der Radienvertheilung im Praeparat entsprechende Anordnung der Gummibänder, treten im Modell alle jene eigenthümlichen Gestalt- veränderungen des Gummiballs auf, die ich vorhin von der Sphaere der Eier beschrieben habe. In Bezug auf die Details muss ich natür- lich auf die spätere Publication verweisen.

Da es sich hier um einen fundamentalen Versuch handelt, der offenbar dem HEıpennar schen Spannungsgesetz bis in die Einzelheiten entspricht, so erscheinen mir die sich furchenden Eier des See-Igels eine glänzende Bestätigung der Heıpennais’schen cellular-mechanischen Theorie zu sein.

Die Structur der Leukocyten, von der HEIDENHAIN ausging, mit ihrem sehr grossen Kern und ihrem winzigen Centrum, ist ausser- ordentlich verschieden von der Structur der See-Igel-Eier mit ihrem winzigen Kern und ihrer sehr grossen Sphaere. Dort wird die Stellung und Form des Kerns durch das Spannungsgesetz durchaus verständlich, hier erklärt sich die auf den ersten Blick ganz seltsame Veränderung der Sphaere durch dasselbe Gesetz. Ich meine, damit ist die Gültig- keit dieses Gesetzes, als eines allgemeinen Zellgesetzes, genügend dar- gethan, und ich stehe nicht an zu sagen, Heıpennaiv’s theoretische Aus- führungen haben uns zum ersten Mal seit der Entdeckung der Zelle den richtigen Weg gebahnt zum Verständniss ihrer Mechanik und damit der Wissenschaft eine Perspective eröffnet, wie wir sie bis dahin kaum zu erhoffen wagen konnten. r

Die Bedeutung dieser Theorie hat mit dem Wechsel der Struc- turen an und für sich gar nichts zu thun, es kann ihr also auch dieser Wechsel in keiner Weise Abbruch thun. Ihr Kern liegt in der Auf- deckung der wechselseitigen Beziehung zwischen Mikrocentrum einer- seits und der Substanz des Zellleibes nebst Plasma andererseits.

Wie wichtig diese Dinge für den Fortschritt nicht nur der Zell- mechanik, sondern auch vor Allem für die ersten Entwickelungsvorgänge des sich furchenden Eies sind, davon habe ich mich bereits bei den Echinodermen überzeugen können, denn an der Hand meines Modells lässt sich ohne Weiteres die Furchung bis zum 16. Zellenstadium er- klären. Darüber hinaus zu gehen hat mir bisher die Zeit nicht erlaubt.

Zum Schluss will ich aber nicht verfehlen, auf eins aufmerksam zu machen. Es ist ja von vornherein klar, dass das von HEIDEnHAm aufgestellte Spannungsgesetz nur in einer modifieirten Weise auf die

Reınze: Befruchtung und Furchung des Eies der Echinodermen. 637

Echinodermeneier angewandt werden kann, da hier die thatsächlichen Structurverhältnisse andere sind wie die der Leukocyten. Ebenso, denke ich mir, wird es bei den meisten anderen Zellarten sein. Es scheint mir vor Allem wichtig, dass man derartigen grossen Ideen gegenüber nicht zu kleinlich denkt. Es werden aber durch derartige geeignete Modificationen auch in Zukunft grosse Differenzen leicht und glücklich auszugleichen sein.

Der Herrwıs’sche Satz, dass die Spindel sich in der Richtung der grössten Protoplasmamasse einstellt, wird sicherlich durch das Spannungsgesetz nicht aufgehoben, vielmehr nur im Detail begründet und gewinnt dadurch an discreter Klarheit, wenn er auch gewisse Einschränkungen erfährt. Der Roux’sche Satz »die Kernspindel der Furchungszellen stellt sich in die, bez. in eine Richtung festesten Gleich- gewichts der fraetiven Einzelheiten des Protoplasmas« und schliesslich die Zıeerer’sche Lehre: »Bei der Zelltheilung stellt sich die Kernspindel so, dass die von dem Protoplasma auf den Pol der Spindel ausgeübte Anziehungskraft jederseits gleich ist«, lassen sich beide sehr wohl mit dem Spannungsgesetz vereinigen. Sie alle drei sind doch nur Modi- fieationen ein und derselben Wahrheit, der ganz gesetzmässigen Be- ziehung zwischen Mikrocentrum und Plasma. Dieser Beziehung eine mathematische Form zu geben, dahin zielte der Hrıpesnaıy’sche Versuch des Spannungsgesetzes. Sollte es mir, wie ich hoffe, durch meine ausführliche Publication gelingen, am Ei des See-Igel einen allgemeinen Gesichtspunkt, unter dem sich diese Ansichten der vorzüglichen Forscher zusammenfassen lassen, zu gewinnen, so wird meine Mühe ihren vollen Lohn gefunden haben.

= u u = ein N a ie - # = Pa » Br h h - v P un BSTEn are, ww j » De ah y R & De 7 2 ee r ef u s 2 _

639

Über das Spectrum des Helium.

Von C. Runge und F. PascuEn

in Hannover.

(Vorgelegt von Hrn. Pranck.)

I dem seltenen Mineral Cleveit hat Ramsay vor einigen Monaten ein Gas entdeckt, dessen Speetrum sich durch eine Reihe sehr heller Linien auszeichnet. Vor Allem erregte die hellste Linie von gelber Farbe das Interesse, weil Croores die nahe Übereinstimmung ihrer Wellenlänge mit der Linie D, erkannte, die in dem Speetrum der Chromosphaere der Sonne und in dem mancher Sterne eine Haupt- rolle spielt, und die Überzeugung aussprach, dass in dem Cleveitgase die Ursache dieser Linie das bisher hypothetische Element Helium gefunden sei. Ürookes hat so geringe Dispersion angewandt, dass uns sein Schluss nicht bindend erschien. Auch zeigte sich bei An- wendung von grosser Dispersion die gelbe Linie deutlich doppelt, während D, bisher nicht doppelt gesehen worden ist. Nach der ge- nauesten von Rowranp herrührenden Bestimmung der Wellenlänge ‘von D, liegt sie zwischen den Componenten der Doppellinie etwas näher der stärkeren von beiden. Es ist aber wahrscheinlich, dass Croorkes den wahren Sachverhalt in der That doch errathen hat, dass nämlich D, mit der gelben Doppellinie des Üleveitgases identisch ist, aber in der Sonne so verbreitert ist, dass ihre Trennung in zwei Linien auch bei Anwendung von grosser Dispersion nicht gelingt. Dies scheint uns jetzt um so wahrscheinlicher, als wir auch im Labo- ratorium eine Verbreiterung der gelben Doppellinie willkürlich herbei- führen können. In einem geschlossenen Glasrohr, das mit Üleveitgas unter einem Druck von etwa einer halben Atmosphaere gefüllt war, liessen wir zwischen Eisenelektroden den Inductionsfunken über- springen. Bei Einschaltung einer Leidener Batterie neben den seeundären Stromkreis wurde die gelbe Doppellinie verwaschen, sobald einzelne getrennte knackende Funken zwischen den Elektroden übergingen, und erlangte ihre Schärfe wieder, sobald die Funkenentladung in eine Glimmentladung umsetzte.

640 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 20. Juni.

Inzwischen sind auch von anderer Seite neue Gründe für die Identität des Cleveitgases mit dem hypothetischen Helium beigebracht worden. LockvEr hat mehrere andere Linien der Chromosphaere im Speetrum des Cleveitgases nachgewiesen und DEsLAnDREs hat die Reihe dieser Linien erheblich vermehrt und durch genauere Messungen die Übereinstimmung erhärtet. Lockver’s Ansicht geht dahin, dass wir in dem Cleveitgase mehrere Elemente vor uns haben, und es gelingt ihm nicht, zu sagen, welche Linien dem Helium zukommen.

Hier setzen unsere Untersuchungen ein. Wir können zeigen, dass eine grosse Anzahl und. vor Allem die hellsten Linien des Cleveit- gases aller Wahrscheinlichkeit nach demselben Element angehören, weil sie nach einem systematischen Plan geordnet sind, und das Spectrum sich wie beinahe alle Linienspectren, die aus einer nicht zu grossen Zahl von charakteristischen Linien bestehen, in eine An- zahl von »Serien« auflösen lässt. Unter einer Serie verstehen wir dasselbe, was in den Abhandlungen von H. Kayser und C. Runse unter diesem Ausdruck verstanden wird, eine Reihe von Linien, deren Intensität mit der Wellenlänge zugleich abnimmt und deren Schwin- gungszahlen durch die Formel

A Bn”” Cn”*

mit grosser Genauigkeit berechnet werden können, wenn man n die Werthe 3,4,5... beilegt. A,B,C sind dabei positive Constanten und BD hat für alle beobachteten Serien aller Elemente nahezu den- selben Werth'.

Nächst der gelben Doppellinie ist in dem sichtbaren Theil des Spectrums, wenn man die geringere Empfindlichkeit des Auges für violettes Licht berücksichtigt, wohl die Linie 4472 die stärkste. Wir fanden, dass sie ebenfalls eine Doppellinie ist 4471.85 4471.66. Die Componenten haben dasselbe Intensitätsverhältniss wie die der gelben Doppellinie, und der Unterschied der Wellenlängen ist in dem Maasse kleiner, dass der Unterschied der Schwingungszahlen, so genau wie wir ihn haben bestimmen können, für beide Paare der gleiche ist. Wir schlossen daraus, dass diese beiden Paare jedenfalls demselben Element angehören und vermutheten, dass sie die ersten beiden Glieder einer Serie von Paaren seien. Nach den FErörterungen von Kayser und Russe in der Nachschrift zu der vierten ihrer Abhandlungen über die Spectren der Elemente kann man mit erheblicher Genauigkeit aus zwei Gliedern einer Serie die übrigen berechnen. Es zeigte sich, dass

! Vergl. die Abhandlungen von H. Kayser und C. Runge über die Spectren der Elemente. Abhdl. der Berl. Akad. 1888—1893 und besonders die Nachschrift zur Ab- handlung IV S. 6r ff.

Runge und Pasc#hen: Über das Spectrum des Helium. 641

die Differenz zwischen den Schwingungszahlen des gelben und violetten Paares beinahe dieselbe ist wie die zwischen den ersten beiden Gliedern der Wasserstoffserie, die durch die Barmer’sche Formel mit so grosser Genauigkeit dargestellt wird. Daraus folgt, dass die ganze Serie nahezu dieselben Schwingungsdifferenzen ergeben muss wie die Wasserstoffserie. Wir berechneten danach die nächsten Glieder und fanden an der be- rechneten Stelle die gesuchten Linienpaare, deren Componenten immer das gleiche Intensitätsverhältniss und die gleiche Schwingungsdifferenz aufweisen. Die ersten sind noch sehr kräftig, aber mit wachsender ÖOrdnungszahl nimmt ihre Intensität ab, genau wie beim Wasserstoff und bei allen übrigen Serien.

Das achte Paar und die folgenden sind nicht mehr als Paare zu erkennen, obwohl sie es vermuthlich sind, und die ı2. und 13. Linie sind nur noch eben wahrzunehmen. Mehr als ı3 Glieder haben wir nicht beobachten können. Die letzten Linien kamen erst bei einer Exposition von 7 Stunden zum Vorschein.

Ein Vergleich mit den Schwingungszahlen der Wasserstoffserie wird die gesetzmässige Anordnung dieser Linien überzeugend darthun. Es genügen dazu die vorläufigen Bestimmungen der Wellenlängen, bei denen erst einige unserer photographischen Platten verwerthet sind.

Helium Wasserstoff! Differenz A 1/A 1/A

5876.206 17017.78 5875-883 17018.72 15236.8 1781.9 4471.85 22362.11 4471.66 22363.06 20569.8 1793-3 4026.52 24835.34 4026.35 24836.39 23038.0 1798.4 3819.89 26178.76 3819.75 26179.72 24379-2 1800.5 3705.29 26988.44 3705.15 26989.46 25187.3 1802.2 3634.52 27513-95 3634-39 27514-93 25712.6 1802.3 3587-54 2787425 3587-42 27875.19 26071.5 1803.7 3554-5 28133 26330 1803 3530.6 28324 26520 1804 3512.6 28469 26666 1803 3498.7 28582 26780 1802 3487-8 28671 26869 1802 3479-2 28742 26940 1802

Von dieser Serie hat DrstAannres die ersten 5 Glieder ebenfalls beobachtet, ohne sie indessen als Glieder einer Serie noch als Doppel- linien zu erkennen. Die ersten beiden Glieder sind Hauptlinien der

! Nach den Messungen von Anus, Phil. Mag., July 1890.

Sitzungsberichte 1895. 59

642 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe vom 20. Juni.

Chromosphaere, DEsLANDRES führt auch noch das fünfte Glied als in der Chromosphaere beobachtet an. Wir glauben, man kann mit einiger Sicherheit auch auf das Vorhandensein des dritten und vierten Gliedes schliessen, wenn die Beobachtung des fünften Gliedes richtig ist. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Glieder der Serie nicht gleichzeitig auftreten sollten. Es können daher die schwächeren Glieder nicht ohne die stärkeren beobachtet werden. In der That giebt Lockver an, 4026 bei der Sonnenfinsterniss von 1893 photographirt zu haben. Auch in dem Spectrum eines der Sterne des Orion tritt nach LockvEr diese Linie zugleich mit D, und 4472 hervor. Die übrigen Linien lassen sich in der folgenden Weise zu Serien zusammen- fassen. Die ersten beiden Serien bestehen aus nicht sehr intensiven Linien und haben wohl aus diesem Grunde bis jetzt nicht weit ver- folgt werden können, wenn nicht die erste Serie sogar überhaupt zu streichen ist. Wir neigen zu dieser Ansicht, weil die Linien 4467.31 und 4205.26 vermuthlich dem Wasserstoff angehören. Die langen Wellen 7065.2 und 6678.1 sind vorläufig mit einem kleineren Row- ran schen Plangitter oculariter bestimmt.

R 1/% Differenz ‘A 1/A Differenz 7065.2 14153.9 Bee 6678.1 149743 BE 5047.82 19810.5 . 4922.08 203 16.6 2467.31? 223848 1483 4388.11 ana en

1394.9 1343.90 4205.26? 23779.7 | 4143.91 24131.8 5015.73 19937.37 3888.97 9 25713-8 3965.08 25220.2 | 5284.4 3883.76) 25715.1 3964.84 | 25221.7 3187.98 } 1367| 5654.2 3613.89 ) | 2450.2 3187.83 \ 31369.3 3613.789 2767191 .,, e 2945-57 339403 | 2581.7 3447-73 29004.6 es 2945.42) 33951.0 3354-7 29809 En 2829.32 ) 3534| 1395-2 3296.9 30332 >57 2829.16) 35346.2- 3258.3 30691 = 2764.01) 36179.3 834-4 3231.3 30947 a 2763.91) 36180.6- Br 3213.4 31120 2723.3 36720 ges 2696.5 37085 = 2677-1 37354 >

Die letzte Serie besteht wieder aus Linienpaaren von unter einander gleicher Schwingungsdifferenz, wie es scheint. Aber die Schwingungs- differenz ist nicht die gleiche wie die der anderen Serie von Paaren, sondern etwas grösser. In der vorletzten Serie erkennen wir die zwei so angeführten Glieder als Doppellinien. Wie es mit den anderen. Linien steht, müssen wir noch dahingestellt sein lassen.

Ordnet man die sämmtlichen fünf Serien nach der Grösse ihres ersten Gliedes, so gewähren sie ein einheitliches Bild, wie man aus der nebenstehenden Figur ersieht.

Se En

Runge und Paschen: Über das Spectrum des Helium. 643

Sie rücken in regelmässig wachsenden Absätzen nach kleinerer Wellenlänge. Ausser diesen Linien haben wir von stärkeren Linien noch 4437.73 und die Doppellinien 4713.39 4713.17, 4121.13 4120.97

nr en m I Tr nm m Do Tr m m en m m m m

Sem SE == ——s I I SE me Seren moon aim II [Tepe

beobachtet. Vielleicht lassen auch sie sich zu Serien ergänzen, die in den allgemeinen Plan passen. Die Schwingungsdifferenz und das Intensitätsverhältniss der Componenten beider Doppellinien stimmt mit der gelben Doppellinie überein.

Wir hatten gehofft, aus dem Plane des Spectrums auf die Stellung des Heliums in der Reihe der chemischen Elemente einen Schluss ziehen zu können. Aber diese Hoffnung ist nicht erfüllt. Das Spectrum ist ohne Analogon, oder vielmehr analoge Spectra sind bisher nicht be- obachtet worden. Man weiss eben bis jetzt noch nicht viel von den Speetren der Elemente, die nur in dem verhältnissmässig kleinen Theile gut erforscht sind, wo sie mit dem Auge oder der gewöhnlichen photo- graphischen Platte wahrgenommen werden können.

Vielleicht geben uns das Bolometer einerseits und die ScHUMANN- schen gelatinlosen Platten andererseits dereinst weiteren Aufschluss’.

! Wir haben zur Herstellung und Reinigung des Helium-Gases mit Vortheil das Rausav’sche Verfahren angewendet, indem wir Cleveit von Moss in Schwefelsäure kochten und das entwickelte Gas über Kalilauge auffingen. Zur Beseitigung des Stick- stoffs lässt man in Gegenwart von überschüssigem Sauerstoff Funken durchschlagen, bis keine Volumänderung mehr eintritt. Den Sauerstoff beseitigt man mit Pyrogallol. Trotzdem zeigte die gut getrocknete Geisster’sche Röhre immer noch das Spectrum des Wasserstoffs, des Stickstoffs und, wahrscheinlich in Folge des mit Siegellack an- gekitteten Quarzfensters, Spuren der Cyan-Bande bei 3833.

95

645

Die jüngsten Entwickelungsstadien seitlicher Organe und ihr Anschluss an bereits vorhandene.

Von S. SCHWENDENER. (Vorgetragen am 30. Mai [s. oben S. 523].)

Hierzu Taf. III.

I: den Einwänden, welche in neuerer Zeit gegen meine Theorie der Blattstellungen erhoben worden sind, gehört auch die Angabe, dass bei Nymphaea, Nuphar und Victoria, sowie bei verschiedenen anderen Pilanzen, ein Contact zwischen den jüngsten Anlagen gar nicht bestehe, woraus dann weiter gefolgert wird, dass die zu Stande kommenden Stellungsverhältnisse durch innere Ursachen und nicht durch den An- schluss der neu hinzukommenden Organe an die vorhergehenden be- dingt seien. In diesem Sinne hat sich namentlich Racızorskı' sehr bestimmt ausgesprochen, und da er in dem einen Punkte meine Dar- legung nicht zutreffend findet, so hält er die ganze Theorie für un- haltbar. Er verwirft also kurzweg auch diejenigen Capitel, welche mit der Entwickelung der jungen Organe in keinem Zusammenhang stehen, sondern nur die Verschiebung vorgerückterer Stadien auf un- zweifelhaften Contactlinien behandeln.

Nun bin ich zwar nicht geneigt, auf angebliche oder wirkliche Befunde an einigen wenigen Pflanzen ein grosses Gewicht zu legen; ich meine im Gegentheil, dass Untersuchungen über Blattstellungs- fragen sich vor Allem mit denjenigen Objeceten abzufinden haben, welche aus naheliegenden Gründen schon in den einschlägigen Arbeiten von ALEXANDER BrAuUNn, L. und A. BravAaıs, HormEIsTER u. A. vorzugs- weise Gegenstand der Beobachtung gewesen sind. Insbesondere ver- dienen in dieser Hinsicht die Köpfchen der Compositen und Dipsaceen, die Zapfen und Laubtriebe der Coniferen und dergl. als vorzüglich geeignete Organsysteme hervorgehoben zu werden. Wer auch nur

! Flora, Jahrg. 1894, Bd. 78 und 79.

646 Sitzung der phys.-math. Classe v. 20. Juni. Mittheilung v. 30. Mai.

eines dieser Systeme, etwa die Sonnenblume, eingehend studirt hat, wird sich in seinen hierdurch gewonnenen Anschauungen durch ge- legentliche Beobachtungen Anderer nicht leieht beirren lassen.

Da indess zwei der genannten Objeete, Nuphar luteum und Nym- phaea alba, leicht zu beschaffen sind, so wollte ich doch nicht unter- lassen, die Angaben Racızorskıs, das Fehlen des Contactes in der Scheitelregion betreffend, einstweilen an diesen Beispielen zu prüfen. Dies geschah im Sommer 1894 an frischen Rhizomen, welche aus dem Tegeler See bei Berlin stammten. Als Ergebniss stellte sich, im Gegensatz zu den Beobachtungen Racızorskrs, heraus, dass der Con- tact zwischen den jüngsten Blattanlagen bei Nuphar und Nymphaea in gleicher Weise besteht, wie ich es früher für Helianthus, Dipsacus und ähnliche Objecte beschrieben habe. Ich verweise namentlich auf die »Beobachtungen am Scheitel« in meiner Theorie der Blattstellungen, speciell auf die S. 49 mitgetheilten Befunde.

Die thatsächlichen Form- und Contactverhältnisse der jungen An- lagen am Rhizom von Nymphaea alba sind durch die Querschnitts- ansicht Fig. 2 auf Taf. III veranschaulicht. Die Blätter stehen in rechts- läufiger Spirale, mit Divergenzen der Hauptreihe, welche dem Grenz- werthe ziemlich nahe liegen. Auf den Dreierzeilen 5, 8, 11: 6, 9, 12 und 7. 10 besteht Contact, ebenso auf den Fünferzeilen 2, 7, 12; 3, 85 4, 95 5, 10; 6, ıı. Der Scheitel war hier etwas eingesenkt und lag unversehrt in der Mitte des Schnittes.

Zwischen den vorgerückteren Blattanlagen sprossen dann aller-

dings schon frühzeitig zahlreiche Haare hervor, durch welche die Blätter mehr oder weniger aus einander gedrängt werden. Ihre Um- risslinien tangiren sich jetzt nicht mehr; allein die Druckwirkungen auf den Dreier- und Fünferzeilen sind damit keineswegs aufgehoben, denn die Haare stehen so dicht, dass sie die Lücken zwischen den Blättern vollständig ausfüllen und somit eine feste Zwischenmasse darstellen.

Nach dem Abfall der Haare, der schon in geringer Entfernung von der Scheitelregion erfolgt, nähern sich die Blattbasen wieder bis zur unmittelbaren Berührung, welche im ausgewachsenen Rhizom auf den nahezu rechtwinkelig gekreuzten Fünfer- und Achterzeilen stattfindet.

Ähnlich verhält sich Nuphar luteum, von welchem ein Querschnitt durch die Endknospe des Rhizoms in Fig. 3 abgebildet ist. Die jüngsten Blattanlagen, deren Umrisslinien bereits deutlich hervortreten es sind die mit 3, 4 und 5 bezifferten entsprechen in Form und Gruppirung dem bekannten Bilde gewöhnlicher Dikotylenscheitel. Blatt 3 steht mit 5 in Contact, und sofern 6 und 7 vielleicht eben-

SCHWENDENER: Jüngste Entwickelungsstadien seitlicher Organe. 647

falls junge Anlagen sind, was ich allerdings nicht mit Sicherheit be- haupten kann, wären auch die Dreierzeilen 3, 6 und 4, 7 Contact- linien. Dass 2 und 5 kurz vor Herstellung des Praeparates sich un- mittelbar berührt haben müssen, ist zweifellos; jetzt sind sie aber durch die in der Entwickelung begriffenen Schleimhaare aus einander gedrängt. Dasselbe gilt von Blatt ı in Bezug auf 3 und 4. Diese Haare bilden übrigens auch hier, wie bei Nymphaea, vermöge ihrer diehtgedrängten Stellung eine widerstandsfähige Zwischenmasse, die freilich nur kurze Zeit erhalten bleibt. Nach ihrem Verschwinden wird der unmittelbare Contact zwischen den Blattorganen wieder her- gestellt.

Im Anschluss an Nymphaea und Nuphar wurden sodann noch verschiedene andere Pflanzen zur Vergleichung herbeigezogen, zunächst die von Scnumann und Racızozskı besprochene Vicloria regia. Ich hatte mir dieselbe schon im Frühjahr 1894 zu verschaffen gesucht, allein die Keimpflanzen, die zu diesem Zwecke bestellt waren, gingen zu Grunde, bevor sie in meine Hände gelangten. Alte, ausgewachsene Exemplare, wie sie Scuumann vorlagen, schienen mir aber für die zu untersuchende Frage nicht die richtigen Objeete zu sein; denn um zuverlässige Bilder zu erhalten, ist vor Allem darauf Gewicht zu legen, dass die Stammspitze zur Anfertigung von Querschnitten ge- eignet sei und sich überdies im Stadium lebhaften Wachsthums be- finde, welcher Anforderung wohl am besten durch die Wahl von Keimpflanzen entsprochen wird.

Eine solche Keimpflanze, die schon ziemlich erstarkt war, erhielt ich im Mai dieses Jahres aus dem botanischen Garten in Hamburg. Ich verdanke dieselbe der Freundlichkeit des Hrn. Prof. ZacHarısas, dem ich hierfür auch an dieser Stelle meinen verbindlichen Dank ausspreche. Die Pflanze hatte bereits eine ansehnliche Zahl von Blättern entwickelt. Bei dem ältesten und grössten betrug der Durch- messer der Spreite 19, bei dem nächstfolgenden 17°”; dann folgten kleinere in regelmässigen Abstufungen, zuletzt solche, welche sich noch in der Knospenlage befanden und von den Stipeln der tiefer- stehenden Blätter umschlossen waren.

Der innerste Theil der Knospe wurde nun durch successive Schnitte in mehrere Querscheiben zerlegt, von welchen in Fig. ı die den Scheitel enthaltende abgebildet ist. Man sieht hier sofort, dass die Stellungs- und Contactverhältnisse nichts Besonderes darbieten;

das Bild zeigt im Gegentheil und zwar in ausgeprägt typischer Weise die bekannte Physiognomie eines Dikotylenscheitels. Die

Divergenzen entsprechen der Hauptreihe; Contaet besteht auf den Zweier- und Dreierzeilen, theilweise auch auf der Grundspirale.

648 Sitzung der phys.-math. Classe v. 20. Juni. Mittheilung v. 30. Mai.

Vergleicht man diese Querschnittsansicht der Scheitelregion mit Fig. S der Racısozskr'schen Mittheilung', so stellt sich heraus, dass in dieser Figur keineswegs die » Ansatzstellen« der seitlichen Organe, wie der Autor angiebt, sondern höher gelegene Querschnittsformen, zum Theil sogar Scheitelansichten der jungen Blätter, veranschaulicht sind. Dadurch verliert die Figur jede Beweiskraft. Ich habe des- halb keine Veranlassung, die Einzelheiten derselben noch näher zu beleuchten, will aber nicht verhehlen, dass derartige Ungenauigkeiten, zumal in Punkten von prineipieller Bedeutung, in meinen Augen wenig vertrauenerweckend sind.

Ausser der beschriebenen Keimpflanze habe ich übrigens nach- träglich noch ein altes, in Weingeist conservirtes Exemplar von Vietoria regia untersucht, das mir mein verehrter College, Hr. Geheim- rath Eneter, freundlichst zur Verfügung gestellt hatte. Der Scheitel war hier deutlich eingesenkt, die Herstellung günstiger Praeparate in Folge dessen erschwert. Die angefertigten Querschnitte waren denn auch thatsächlich etwas schief gerathen, zeigten aber auf der einen Seite normale Contactverhältnisse, die man füglich auch auf die andere, weniger günstig getroffene Hälfte übertragen darf. Ein prineipieller Unterschied zwischen jungen und alten Pflanzen, der ja auch von vorne herein nicht zu erwarten war, besteht also thatsächlich nicht; aber es ist trotzdem unverkennbar, dass alte Exemplare für die Unter- suchung der Contactverhältnisse weniger günstig sind als Keimpflanzen.

Was nun noch die zahlreichen weiteren Beispiele betrifft, welche nach Racızorskı” ebenfalls keinen Anschluss der jüngsten Anlagen an die vorhergehenden zeigen sollen, so sind das zum grossen Theil alte Bekannte, die ich wiederholt untersucht habe. Von manchen der- selben liegen mir Ansichten der Scheitelregion vor, die mit der Ca- mera aufgenommen und dann sorgfältig nach der Natur gezeichnet wurden. Es hätte daher keinen Zweck, dieselben von Neuem zu unter- suchen. Nach meinen Beobachtungen besteht von seltenen Ano- malien abgesehen immer Contact in dem von mir bezeichneten Sinne. Wenn andere Forscher das Gegentheil behaupten, so bleibt nur übrig, die Scheidung des Richtigen vom Unrichtigen der Zukunft zu überlassen. Ich verzichte darauf, die Einzelbefunde hier nochmals zu erörtern, da ich ja doch nur bereits Gesagtes wiederholen könnte; es genügt mir, meinen Standpunkt zu wahren.

Nur auf ein paar leicht eontrolirbare Beispiele, die ich bis dahin nicht speciell besprochen habe, glaube ich an dieser Stelle etwas

! Flora, Jahrg. 1894, Bd. 78, S. 268. ® Flora, Jahrg. 1894, Bd.79, S. 105.

EBENE WERE VW

SCHWENDENER: Jüngste Entwickelungsstadien seitlicher Organe. 649

näher eingehen zu sollen, und zwar in Berücksichtigung des Um- standes, dass dieselben zu den schlanken Vegetationskegeln gehören, von denen Frask' so ziemlich allgemein behauptet, dass hier »die Anlagen der seitlichen Organe in regelmässiger Stellung ohne gegen- seitigen Contact« hervortreten. Es ist zunächst der Stammscheitel von Elodea canadensis, dessen Verhalten im Folgenden kurz geschil- dert werden soll. An diesem Objeet lässt sich mit aller Sicherheit nachweisen, dass die erwähnte Behauptung Frank’s einzig und allein für die Orthostichen richtig ist, welche ja auch sonst nur selten Contactlinien sind, nicht aber für die Schrägzeilen, welche die be- nachbarten Glieder successiver Quirle enthalten. Auf diesen Schräg- zeilen besteht zweifellos Berührung zwischen den einzelnen Gliedern, wie sich auf Flächenansichten, besonders beim Drehen des Scheitels unter dem Mikroskop, leicht constatiren lässt (Taf. III Fig.3, @ bc eine Contactzeile). Die entgegengesetzten Angaben meiner Opponenten stützen sich, wie ich nicht bloss für Zlodea, sondern auch für andere Objeete annehmen muss, nur auf longitudinale Profilansichten, welche über das Verhalten der Schrägzeilen keine Auskunft geben können.

Racızorskı giebt allerdings an, dass er bei seinen Untersuchun- gen Mikrotomsehnitte durch den Scheitel in gleicher Weise combinirt habe, wie man die Höheneurven der Specialkarten zur Herstellung von Reliefs zu benutzen pflegt”. Ein solches Verfahren erscheint mir indessen bei den meisten Öbjeeten schon wegen der Kleinheit der Anlagen gar nieht durchführbar, und die gänzlich unhaltbaren Er- gebnisse, welche Racızorskı auf diesem Wege an mir wohlbekannten Scheiteln erhielt, sind meines Erachtens Beweis genug, dass die von ihm versuchte Durchführung misslang. Ich frage mich aber, wie er es wohl angefangen, um z.B. bei der Sonnenblume die Mikrotom- schnitte so herzustellen, dass sich daraus das Anschlussprofil auf den Contactlinien ableiten liess. Hier dürfte doch wohl etwas Selbst- täuschung in die Isohypsen hineinspielen.

Nach meinen Erfahrungen besteht die beste Methode für das Studium schlanker Scheitel darin, dieselben unter dem Mikroskop zu drehen und die jungen Anlagen sowohl in der Flächenansicht als im Profil zu zeichnen®. Unter Umständen empfiehlt es sich, Längsschnitte

I Lehrbuch der Botanik, Bd.I, S.4rr. Auf derselben Seite wird auch ange- geben, dass die Blattstellung bei den Gefässkryptogamen von der Theilungsweise der Scheitelzelle abhängig sei, was ebenfalls unzutreffend ist.

2 Die betreffende Stelle lautet wörtlich: »Die Zeichnungen der auf einander folgenden Schnitte liefern uns in Isohypsen ein naturgetreues Bild der Verhältnisse an dem Stammscheitel«.

3 Dasselbe Verfahren empfiehlt sich auch für Florideen-Scheitel. Beobachtungen, die sich nur auf Längenprofile stützen, sind nicht als beweisend zu erachten.

650 Sitzung der phys.-math. Classe v. 20. Juni. Mittheilung v. 30. Mai.

anzufertigen, um deutlichere Bilder zu erhalten. Bei Blüthenständen mit scheibenförmigem Receptaculum sind dagegen in erster Linie Schnitte parallel zur Oberfläche und daneben Radialsehnitte als zweckdienlich zu bezeichnen. An jungen Sonnenblumen von etwa 3" Durchmesser gelingt es sogar ziemlich leicht, Flächenschnitte durch die Randpartie zu er- halten, welche allen Anforderungen Genüge leisten.

Ausser Elodea habe ich noch Hippuris vulgaris, Ceratophyllum de- mersum, Myriophyllum proserpinacoides und Stratiotes aloides näher unter- sucht und auf Flächenansichten durchgehends ähnliche Contactverhält- nisse zwischen den jüngsten Anlagen beobachtet. Besonders deutlich und instructiv waren die auf Fippuris bezüglichen Praeparate, von welchen ein Längsschnitt in Fig. 5 abgebildet ist. Der Contact auf den Schrägzeilen springt sofort in die Augen. Ähnliche Verhältnisse beobachtet man auch bei Ceratophyllum demersum. Die Blätter stehen hier ebenfalls in vielgliedrigen Quirlen. Da jedoch die Ausbildung der einzelnen Quirlelemente keine ganz gleichmässige und die Zahl derselben überdies veränderlich ist, so zeigen sich im Zeilenverlauf mancherlei Störungen. Bei Myriophyllum proserpinacoides liegen die Dinge noch ungünstiger, weil der Scheitel weniger schlank und demgemäss die Abstufung zwischen älteren und jüngsten Organen eine viel raschere ist. Nicht selten fehlen gerade diejenigen Entwickelungsstadien, die man am liebsten beobachten würde. Das Vorhandensein des Contacts kommt aber in solchen Fällen nur um so entschiedener zum Ausdruck.

Für die Beurtheilung der Sachlage scheinen mir die im Vor- stehenden mitgetheilten Befunde namentlich deshalb Beachtung zu verdienen, weil sie das Irrthümliche der entgegengesetzten Angaben völlig klarlegen. Es ist nun aber nothwendig, hieran noch einige Bemerkungen über die Ausdrücke Contact, Anschluss oder Juxta- position zu knüpfen. Wer diese Worte in anderem Sinne deutet, als ich sie an den betreffenden Stellen gebraucht habe, geräth natürlich sofort in Widersprüche und Unklarheiten. Im engeren, buchstäblichen Sinne besteht Contact selbstverständlich nur zwischen Organen, die nach aussen vorspringen und sich mit ihren Rändern oder Seiten- flächen tangiren. Das ist übrigens bei Helianthus, Dipsacus und in vielen ähnlichen Systemen schon in sehr jugendlichen Stadien der Fall. Bei Helianthus-Köpfen von nur 3”" Durchmesser besteht z. B. ein soleher Contaet nicht bloss für die Hüllblätter, sondern auch für die periphe- rischen Blüthen. Diese bilden also Contaetzeilen im eigentlichen Sinne des Wortes, d.h. sie fungiren bei den Verschiebungen wie die Sparren eines Dachstuhls.

Dagegen erheben sich die jüngsten Stadien seitlicher Organe, welche eben mikroskopisch erkennbar geworden, noch gar nicht über

ann Peg

ScHWENDENER: Jüngste Entwickelungsstadien seitlicher Organe. 651

die Oberfläche und können demzufolge Contactbeziehungen, wie die eben erwähnten, unmöglich darbieten. Es besteht aber Anschluss oder Contact in einem anderen Sinne. Die Bildungseentren der jüng- sten Anlagen zeigen nämlich dieselben relativen Abstände von ein- ander, wie die vorhergehenden älteren, welche bereits höckerartig vorspringen. Jeder Anlage entspricht also eine gewisse Area, ein be- stimmtes Entwickelungsfeld, das sie im Verlaufe ihrer Ausgestal- tung vollkommen ausfüllt, aber nicht überschreiten kann, weil die benachbarten Anlagen die ihnen zugemessenen Felder ebenfalls voll- ständig beanspruchen. Zieht man nun die Grenzlinien zwischen den mikroskopisch erkennbaren Bildungsheerden der neuen Anlagen, gleich- viel ob in Gestalt eines Polygons oder eines Ovals, so zeigt sich, dass diese Figuren sich genau so an die vorhergehenden anschliessen, wie die in geschlossener Ordnung vorspringenden Höcker oder wie kör- perliche Gebilde (Walzen, Pappschachteln und dergl.), die man beim künstlichen Aufbau eines Spiralsystems zu den schon vorhandenen hinzufügt. Damit soll namentlich betont werden, dass die erwähnten Figuren die gegebenen Schrägzeilen nach oben fortsetzen und bei rascher Grössenabnahme die bekannten Übergangsfiguren bilden. Ein soleher Anschluss ist z. B. in Fig.ıı, welche ein kleines Randstück eines jungen Blüthenkopfes von Chrysanthemum fruticosum darstellt, abgebildet. Die den jüngsten Anlagen entsprechenden Felder a und d sind durch punktirte Linien bezeichnet.

Welcher Ausdruck für die hier geschilderte räumliche Beziehung zutreffender sei, ob Contact oder Anschluss, lasse ich dahingestellt. Es ist unter allen Umständen nothwendig, die Bedeutung des gewähl- ten Wortes zu praeeisiren. Man darf nicht übersehen, dass die Mor- phologen der Brauv’schen Schule ebenfalls von Anschlussverhältnissen sprechen, aber ohne dabei an gegenseitige Berührung zu denken.

Ist die Entwiekelung der jüngsten Anlagen so weit fortgeschritten, dass sie sich uhrglasähnlich vorwölben, so bilden diese Erhebungen mit den dazwischen liegenden Einsenkungen in der longitudinalen Profilansicht vielleicht am häufigsten eine Weillenlinie, wie ich sie in meiner Theorie der Blattstellungen auf Taf. II, Fig.14 dargestellt habe. Nur ist zu bemerken, dass damit die Profilform auf den Contactlinien selbst noch nicht gegeben ist. Aber wie man sich dieselbe auch vor- stellen mag, jedenfalls sind die Grenzlinien der einzelnen Felder auch in diesem Stadium in der Regel noch keineswegs scharf gezeichnet. Sobald jedoch die Höcker noch etwas stärker geworden, berühren sie sich thatsächlich mit dem Basaltheil ihrer Seitenflächen; es besteht fortan Contact in demselben Sinne, wie zwischen den Fruchtschuppen eines Pinienzapfens.

652 Sitzung der phys.-math. Classe v. 20. Juni. Mittheilung v. 30. Mai.

Die genaue Form der Wellenberge und Wellenthäler in den ver- schiedenen Entwickelungsstadien der Anlagen lässt sich nicht immer leicht feststellen, weil dazu auch Schnitte in der Richtung der Con- tactlinien nöthig sind. Nach Allem, was ich gesehen, kommt es jeden- falls häufig vor, dass die Vertiefungen zwischen den jungen Anlagen auf den Contactlinien schon sehr frühzeitig, wahrscheinlich sogar ur- sprünglich, einen einspringenden Winkel bilden, so dass das Profil einem gekerbten Blattrande ähnlich sieht. So z. B. bei Hippuris vul- garis und Elodea canadensis, wo ich solche Einkerbungen wiederholt beobachtet habe (Fig. 6); ferner bei Dipsacus laciniatus (Fig.15), dessen Blüthenköpfe ich unmittelbar vor Abschluss des Manuseriptes noch untersuchen konnte, desgleichen bei Scabiosa ochroleuca (Fig.1ı4) und verschiedenen Compositen (vergl. die Figurenerklärung).

Daneben kommt hin und wieder, wie ich mich neuerdings über- zeugt habe, noch eine andere Art der Abgrenzung jüngster Organe vor, die sich an die eben erwähnte als Grenzfall anreiht. Die An- lagen erscheinen in diesem Falle zweifellos gleich von Anfang an, und zwar meist ohne nach aussen vorgewölbt zu sein, durch scharfe Einkerbungen (nicht durch Wellenthäler) von einander geschieden. So z. B. bei dem oben erwähnten Chrysanthemum fruticosum (Fig. 12). Gewöhnlich sind alsdann diese Kerblinien auf der dem Rande zu- gewandten Seite einer Anlage bereits scharf markirt, bevor sie auf der Innenseite deutlich hervortreten. Ein Zweifel über die bestehenden Contactverhältnisse kann unter solchen Umständen nicht wohl auf- kommen.

Das Studium der Entwickelungsgeschichte führt uns also immer wieder zu dem Ergebniss, dass die neuen Anlagen sich in gesetz- mässiger Weise an die vorhergehenden anschliessen und zwar unter voller Ausnutzung des vorhandenen Flächen- raumes, mit Contact zwischen den bezüglichen Entwicke- lungsfeldern oder den von Anfang an deutlich erkennbaren Umrisslinien. Das Thatsächliche dieser Anschlussweise scheint übrigens auch Racızorskı, wenn ich ihn recht verstehe, nicht ernstlich anfechten zu wollen. Er bestreitet aber, dass die neuen Bildungs- centren durch die vorhergehenden in der Weise, wie ich es dargestellt habe, örtlich bestimmt seien, und kehrt daher lieber zu den Punkt- systemen oder genetischen Linien früherer Autoren zurück‘. Darin scheint mir denn auch, wenn ich über offenbare Missverständnisse

' Vergl. Flora, Jahrg. 1894, Bd. 79, S.ıo5, wo er ausdrücklich sagt, dass die seitlichen Organe »ohne Contact mit den älteren Organen, aber trotzdem an den im Voraus bestimmbaren Stellen angelegt werden«.

| No

SCHWENDENER: Jüngste Entwickelungsstadien seitlicher Organe. 653

und Unklarheiten hinwegsehe, der eigentliche Gegensatz zwischen unseren Auffassungen zu liegen.

An anderen Stellen sucht freilich Racızorskı den gegebenen Anschlussbeziehungen mit der Horueıster’schen »grössten Lücke«, also mit einer Anschlussregel mechanischen Gepräges, Genüge zu leisten. Er bewegt sich also bewusst oder unbewusst in zwei ver- schiedenen Anschauungen, und es könnte zweifelhaft erscheinen, welche von beiden die echtere sei, wenn nicht die entschieden gegnerische Haltung seiner Kritik hierüber einiges Licht verbreitete. Übrigens setzt sowohl diese »grösste Lücke« im Sinne HornEister's, wie die einzige Lücke, auf welche Scuumann' bei alternirend zweizeiliger Stellung hingewiesen, Specialfälle der Anordnung voraus, die zwar häufig genug vorkommen, aber gerade bei den bekanntesten Objecten, den Tannzapfen, Sonnenblumen, Karden u. s. w. niemals zu beobachten sind. Hier ist die Zahl der Lücken, welche durch die neu hinzu- kommenden Organe ungefähr gleichzeitig ausgefüllt werden, eine sehr ansehnliche, und es liegt kein Grund vor, irgend einer derselben eine besondere Bedeutung zuzuschreiben. Das ist der allgemeine Fall, der eigentlich alle Speeialfälle involvirt.

Über das thatsächliche Vorhandensein von Druckwirkungen, die Racısorskı ebenfalls bestreitet, kann ich mich kurz fassen, da ich hierüber schon bei einer anderen Gelegenheit das Nöthige gesagt habe’. Ich bemerke nur, dass ähnliche Verschiebungen und Form- änderungen, wie ich sie in der eitirten Mittheilung für Pinus Pinaster erwähnt habe, auch anderwärts vorkommen, in jungen Blüthen- köpfen von Helianthus sogar in viel erheblicherem Maasse. Wenn z. B. die Randblüthen ursprünglich in rechtwinkelig gekreuzten 21" und 34” Zeilen, später aber in schiefwinkeligen 34” und 55“ Zeilen angeordnet sind, so steht damit eine Divergenzänderung und zugleich eine kleine Formänderung der Organe im Zusammenhang. Es handelt sich also in diesen beiden Fällen nicht etwa um heterogene Dinge, sondern um Vorgänge von durchaus gleicher Natur. Ob die Ver- schiebungen etwas früher oder später erfolgen und wie lange sie dauern, kommt dabei nicht in Betracht, aber selbstverständlich müssen die Organe doch erst vorhanden sein, ehe sie verschoben werden können.

Die Ernährungsverhältnisse als ortbestimmende Momente in die Lehre von den Blattstellungen hereinzuziehen, wie Racızorskr’ em- pfiehlt, mag für gewisse einfache Fälle (Distichie, Blätter von Sela-

! Morphologische Studien, Heft I (1892), S. 73 und ror. ?2 Diese Sitzungsber., Jahrg. 1883, S. 741. ® Flora, Jahrg. 1894, Bd. 79, S. 107.

654 Sitzung der phys.-math. Classe v. 20. Juni. Mittheilung v. 30. Mai.

ginella und dergl.) mehr oder weniger berechtigt sein. Für die com- plieirten Spiralsysteme dagegen erscheint mir diese Betrachtungsweise völlig unzureichend, und ganz dasselbe gilt von dem »verwickelten Spiel innerer Kräfte und Reizwirkungen«, von den Correlationserschei- nungen u.s. w. Wie aus solchen dunkeln Vorgängen, um nur einen Punkt hervorzuheben, die bekannten Grenzwerthe der Divergenzen- reihen, z. B. die Winkel 137° 30', 99° 30' u. s. w., die in der Natur doch sehr annähernd verwirklicht sind, abgeleitet werden sollen, ist mir völlig unverständlich. Überdies verliert man sich bei solchen Betrachtungen leieht in das Gebiet der Gestaltungsvorgänge und zwar einstweilen ohne alle Aussicht, dieselben erklären zu können. Ich halte es deshalb für erspriesslicher, die Stellungsfragen säuberlich ge- trennt zu behandeln.

Demgemäss gehören meiner Ansicht nach auch die interessanten Beobachtungen Vöcntise’s' über die Gestaltveränderung von Cacteen- sprossen, je nachdem sie im Dunkeln oder bei voller Beleuchtung ge- wachsen waren, nicht eigentlich hierher, sondern in das Capitel über die Beeinflussung der Pflanzengestalt durch äussere Agentien. Welche Einflüsse in einem concreten Falle eine bestimmte Form des Stengels und eine damit zusammenhängende Blattstellung herbeiführen, ob das Licht oder die Schwerkraft u. s. w., das ist eine Frage für sich, die mit der Erklärung einer gegebenen Quirl- oder Spiralstellung durch die Gontaetbeziehungen in der Scheitelregion, oder überhaupt durch ortbestimmende Momente irgend welcher Art, nichts zu thun hat. Nur der Übergang der !/, Stellung in die Spiralstellung nach !/;, von welchem wiederholt die Rede ist, und einige verwandte Erscheinun- gen würden hier zu berücksichtigen sein, wenn die dreikantigen Cacteen bezüglich ihres Verhaltens in der Scheitelregion normale Ver- hältnisse darböten. Das ist nun aber, wie ich in einer früheren Mit- theilung gezeigt habe’, nicht der Fall; sie nehmen zweifellos eine Ausnahmestellung ein. Ob sich analoge Verhältnisse, wie VÖCHTING vermuthet, auch anderwärts finden werden, bleibt abzuwarten. Einst- weilen sind das’ seltene Anomalien. Nach meinem Dafürhalten wür- den darum auch einige weitere Ausnahmen die Sachlage ebensowenig ändern, als beliebige andere Vorkommnisse, die von einer anerkann- ten Regel abweichen. Der Kolben von Zea Mays zeigt jedenfalls auch

! Prısesneim’s Jahrb., Bd. XXVI, S.438 (1894).

® Diese Sitzungsber., Jahrg. 13894, S. 963. Dass bei den genannten Cacteen zuerst die Blätter und dann erst die Kanten auftreten, wie ich bereits in der Theorie der Blattstellungen S. 48 angegeben, wird hier bestätigt. Nach einem Referat von W.Bexeeke über die Vöchring’sche Arbeit (Bot. Ztg. 1895, Nr. 6) soll ich aber gerade das Gegentheil behauptet haben.

u A nu rn a

SCHWENDENER: Jüngste Entwickelungsstadien seitlicher. Organe. 655

abnorme Entwickelungsverhältnisse; es wäre aber doch ungereimt, danach die übrige Pflanzenwelt, die sich notorisch anders verhält, beurtheilen zu wollen.

Unter solehen Umständen haben auch die Schlussbetrachtungen Vöcnrise’s, in welchen er zur bekannten Auffassung Näceuı's hinneigt, für mich nichts Überzeugendes. Es ist von vorne herein misslich, in solchen Fragen die extrem-anomalen Cacteen als Ausgangspunkt zu wählen. Und was speciell die Anschauungen Näezur's betrifft, so sind die vermeintlichen Thatsachen, auf welche dieser Autor sich hauptsächlich zu stützen pflegte, nämlich die angenommene Abhän- gigkeit der Blattstellung von der Segmentirung der Scheitelzelle, zu- mal bei Equiseten und Farnen, heute als widerlegt zu betrachten!. Eine solehe Abhängigkeit besteht bei den Gefässkryptogamen über- haupt nicht und natürlich ebensowenig bei den Phanerogamen. Übrig geblieben sind also in Bezug auf Stellungsverhältnisse nur die »idioplasmatischen Anlagen«, welche in der Näezıischen Abstam- mungslehre bekanntlich die Elemente darstellen, aus welchen die speei- fische Eigenart eines Organismus in Merkmalen, Einrichtungen u. s. w. sich zusammensetzt. Aber Niemand wird behaupten wollen, dass eine bestimmte spiralige Anordnung dieser Anlagen schon vor ihrem Sieht- 'barwerden am Scheitel zu den festgestellten Thatsachen gehöre. Das sind im Gegentheil blosse Vorstellungen, hypothetische Annahmen, die meines Erachtens an Wahrscheinlichkeit nur gewinnen könnten, ‚wenn man den älteren Micellgruppen, welche die Entfaltung der seit- lichen Organe bewirken sollen, auch im Idioplasma des Scheitels einen ortbestimmenden Einfluss auf die Bildung der jüngeren zuschriebe. Da jedoch die fraglichen Vorgänge sich der Beobachtung vollständig. ent- ziehen, so dürfte es am gerathensten sein, das Idioplasma in unserer Frage aus dem Spiele zu lassen und sich nur auf Dinge und Zustände zu stützen, die mikroskopisch erkennbar sind.

Zu den Gegnern meiner Anschlusstheorie gehört ferner, wie ich aus einer vor Kurzem erschienenen Mittheilung ersehe”, ©. DE ÜANDOLEE. Dieser Autor wiederholt darin die von ihm sehon früher” adoptirte Ansicht, dass die seitlichen Organe von Anfang an die dem Grenz- werth entsprechenden Divergenzen aufweisen und dass Druckwirkungen und seitliche Verschiebungen nicht stattfinden. Selbst die neuerdings

! Vergl. hierüber meine Mittheilung »über Scheitelwachsthum und Blattstellun- gen« in diesen Sitzungsber. Jahrg. 1885, S. 921.

2 Nouvelles Considerations sur la Phyllotaxie. Archives des Sciences phys. et nat. Troisieme periode, t. XXXIII, Fevrier 1895.

3 Considerations sur l’etude de la Phyllotaxie. Archives des Sciences phys. et nat. t. V, 188r.

656 Sitzung der phys.-math. Classe v. 20. Juni. Mittheilung v. 30. Mai.

von mir besprochene und, wie ich glaube, unwiderleglich nachgewiesene Divergenzänderung in der Stammspitze von Pandanus' wird in Abrede gestellt. In Bezug auf diesen letzteren Punkt erlaubt sich indessen Ö. DE CAnDoLLE eine Deutung, die ich entschieden zurückweisen muss. Ich hatte gefunden, dass die jüngsten Blattanlagen eine mittlere Divergenz von 120-121° ergeben, also sehr annähernd drei Ortho- stichen bilden, dass aber nachträglich eine Vergrösserung dieses Winkels um mindestens und folglich eine Drehung des Stengels stattfinde.

Dazu bemerkt nun mein ÖOpponent (a. a. OÖ. 8.13), die von mir ausgeführten Messungen hätten eine grosse Unregelmässigkeit der Divergenzänderungen ergeben; er sei deshalb geneigt anzunehmen, dass die Blätter von Anfang an verschiedene Divergenzen gezeigt haben, aus welchem Verhalten eine Torsion des Stammes nicht ge- folgert werden könnte.

Nun handelt es sich aber in unserem Falle keineswegs um die Unterschiede zwischen den. einzelnen Divergenzen, die ja auch bei anderen Pflanzen variiren, sondern nur um ihre mittlere Grösse. Um diese zu bestimmen, habe ich von je drei successiven Divergenzen, weil diese zusammen ungefähr dem Stengelumfang gleichkommen, das Mittel berechnet. Die so erhaltenen Ziffern sind jedenfalls ver- gleichbarer als solche, die ungleichwerthigen Theilen des Umfangs entsprechen. Übrigens ist die blosse Thatsache einer nachträg- lichen Divergenzänderung ohne alle Messungen leicht zu consta- tiren. Dazu genügt schon die flüchtige Betrachtung eines einzigen gelungenen Schnittes durch die Scheitelregion. Man sieht hier so- fort, dass die inneren Blätter drei Radialreihen bilden, während die äusseren mehr und mehr, aber immer im gleichen Sinne, seitlich ab- weichen. Aus den bisherigen Untersuchungen geht überdies hervor, dass dieses Querschnittsbild der Scheitelregion in allen Altersstadien im Wesentlichen dasselbe bleibt. Die Torsion des Stammes und die damit verbundene nachträgliche Divergenzänderung kann hiernach keinem Zweifel unterliegen.

Was nun noch die übrigen Punkte betrifft, so könnte ich, da sie wenig Neues enthalten, einfach auf meine frühere Entgegnung” verweisen, welche sich auf die »Considerations« von 1881 bezieht. Ich habe daselbst namentlich betont, dass sowohl Druckwirkungen wie Divergenzänderungen thatsächlich vorkommen und dass eine geradlinige Verschiebung parallel zur Axe, wie sie DE ÜANDOLLE an-

! Diese Sitzungsber., Jahrg. 1894, S. 963. ?2 Diese Sitzungsber., Jahrg. 1883, S. 741.

& .- . - . . N md SCHWENDENER: Jüngste Entwickelungsstadien seitlicher Organe. 657

nimmt, bei einem geschlossenen System von körperlichen Gebilden mechanisch unmöglich ist. Es mag indessen nicht ganz überflüssig sein, an dieser Stelle nochmals hervorzuheben, dass die Voraus- setzung einer unveränderlichen, dem Grenzwinkel gleichen Divergenz mit den Thatsachen in Widerspruch steht. Keimpflanzen sowohl, wie Axillar- und Adventivsprosse, bringen oft ein halbes Dutzend und mehr Blätter mit schwankenden Divergenzen hervor; es vergeht also eine geraume Zeit, bis endlich eine gewisse Regelmässigkeit der Blattstellung zu Stande kommt. Ist dies erreicht, so beobachtet man am Laubspross als grösste Annäherung an den Grenzwinkel etwa den Werth 5/13, = 138° 28', welcher vom Grenzwinkel um ungefähr einen Grad abweicht!. Es finden sich aber auch grössere Abweichungen bis zu 2 und 3 Grad keineswegs selten. In den Blüthenköpfen geht da- gegen die Annäherung viel weiter. Die Sonnenblume erreicht z.B. den Grenzwerth der Hauptreihe = 137° 30'28" sehr häufig bis auf eine Minute, nicht selten sogar bis auf eine Differenz von 20 Secunden genau. Es liegen mir von ausgewachsenen Exemplaren noch Ab- drücke aus früheren Jahren vor, welche die Divergenzen 55/14, = 137° 30' und 89/33, 137° 30'39" ergeben. Eine so weit gehende Über- einstimmung wird hier allerdings nur theilweise durch das bekannte Spiel der als Dachstuhl wirksamen Contactzeilen, zum grösseren Theil aber durch das Kleinerwerden der Organe herbeigeführt; aber das eine wie das andere vollzieht sich nach den Regeln der Anschlusstheorie.

Dass die Coordinationszahlen der augenfälligen Parastichen steigen und fallen, je nachdem ein gegebenes Spiralsystem durch Verkürzung der Axe zusammengeschoben oder aber wie ein Fernrohr ausgezogen wird, bleibt natürlich auch dann richtig, wenn die Divergenzen unter Vernachlässigung der vorkommenden Änderungen constant gedacht werden. Das ist aber auch von Niemandem bestritten worden, weil es ohne Weiteres einleuchtet, und kann daher in unserer Streitfrage keinen Ausschlag geben. Es ist mir deshalb unklar geblieben, was C. DE CanpoLLE mit der ausführlichen Besprechung dieser wechselnden Combinationen bezweckt. Soll dieselbe etwa bloss zur Erklärung des abgebildeten Demonstrationsapparates dienen?

Ebensowenig vermag ich einzusehen, in wie fern die angebliche Concordanz zwischen der Blattstellung und der »symetrie de structure « im Scheitel das Zustandekommen der Scumper’schen Divergenzbrüche

! Vergl. hierüber Nägerı, Beiträge zur wiss. Bot. I. Die auf Querschnitten durch die Terminalknospe gemessene Divergenz betrug z. B. bei Sarothamnus scoparius 144°, bei Menispermum dauricum 138:/, bis 139'/°, bei Prunus avium 138?/;°, bei Ribes rubrum 1363/7° u.s.w. Dazu bemerke ich, dass diese Zahlen das arithmetische Mittel

aus möglichst vielen Divergenzen bezeichnen.

Sitzungsberichte 1895. 60

658 Sitzung der phys.-math. Classe v. 20. Juni. Mittheilung v. 30. Mai.

fordern oder erklären soll. Der Autor lehnt es ab, damit einer teleo- logischen Betrachtungsweise Ausdruck geben zu wollen. Da nun aber doch die Herstellung der eingebildeten Harmonie bei der Erzeugung seitlicher Organe als das zu erstrebende Ziel hingestellt wird, so weiss ich nicht, wie man diese Betonung einer causa finalis eigentlich auf- zufassen hätte, um den Sinn der Worte richtig wiederzugeben. Eine Causalerklärung liegt darin jedenfalls nicht.

Überraschend war für mich ferner die Bemerkung (a. a. O. 8.17 und 18), dass der Divergenzwinkel bei wenig gedrängter Stellung der Organe dem Grenzwerth nicht genau zu entsprechen brauche; derselbe könne beispielsweise 8/,, oder '!/;s (also 137'/,° und 1413/7°) betragen. Durch diese Einschränkung wird aber doch nur bestätigt, was ich vorhin bezüglich der Abweichungen an Laubtrieben angeführt habe. Blüthenköpfe zeigen so etwas nicht. Darin liegt ja gerade das Cha- rakteristische: so oft solche Triebe mit Stellungen nach ''/ss oder ?2/- u.s. w. in einen Blüthenkopf endigen, zeigt dieser Divergenzen, welche bis auf eine Minute oder sogar noch etwas genauer mit dem Grenzwerth übereinstimmen.

Endlich erübrigt mir noch, einen Einwand zu entkräften, den C. pe CanpoLLe gegen die Verschiebungen erhebt, die ich in meiner Theorie der Blattstellungen auf Taf.I, Fig. ı, 2 und 5 veranschaulicht habe. Die Figuren beziehen sich auf die abgerollte Cylinderfläche und zwar zunächst auf einen willkürlich gewählten Theil derselben, welcher 36 kreisförmige Organe enthält und die Gestalt eines Parallelo- gramms besitzt. In den Vorlesungen bediene ich mich zu demselben Zweck eines beweglichen Rahmens, welcher 36 eylindrische Papp- schachteln umfasst. Dazu bemerkt nun DE CAnDoLLE a.a.0.S.7: Mais ce mecanisme donne une image trompeuse de ce qui se passe reelle- ment sur le cylindre dans le cas suppose le rapport entre son epaississement et son allongement vient A varier. En effet les deplace- ments lateraux des disques en question ne representent que les pro- jeetions planes des deplacements que les points correspondants de la surface eylindrigue non deroulee eprouvent en realite dans le sens de son rayon, deplacements radiaires qui n’ont aucun effet sur l’ecarte- ment des plans meridiens menes par ces points.

Diese Auffassung beruht jedoch auf einem leicht nachweisbaren Irrthum. Die seitlichen Verschiebungen stellen sich thatsächlich auf

! ©. pe Canporıe sagt z.B.: La symetrie de structure du point vegetatif implique necessairement des dispositions phyllotaxiques ayant les fractions des series de SchimPpER pour divergences fondamentales. Ferner: Les fractions des series de SchmrEr sont, chacune en elle-meme, une expression de la symetrie. In Wirklichkeit bilden freilich sowohl Axillarknospen wie Keimpflanzen ihre ersten Blätter nicht in regelmässigen Divergenzen.

ee

« er A . pm SCHWENDENER: Jüngste Entwickelungsstadien seitlicher Organe. 659

der Oberfläche eines Cylinders oder an einem cylindrischen System von Kugeln genau so dar, wie in den eitirten Figuren. Die letzteren entsprechen ja bloss der allgemein üblichen und als richtig anerkannten Darstellungsweise. Wer die körperliche Form der Veranschaulichung für geeigneter hält, mag diese Figuren zusammenrollen oder von vorne herein auf eine Cylinderfläche auftragen; er wird sich alsdann leicht überzeugen können, dass die Lateralverschiebungen unverändert be- stehen bleiben. Übrigens besitze ich auch einen Demonstrationsapparat, bei dem die Organe durch bewegliche Kugeln vertreten sind, die in ihrer Gesammtheit ein hohleylindrisches Spiralsystem bilden. Der Mechanismus des Apparates gestattet, den Radius dieses Systems er- heblich zu vergrössern, wobei die Contactbeziehungen der Kugeln die- selben Veränderungen erfahren, wie sie in unseren Figuren für die Kreise angedeutet sind. Die seitlichen Verschiebungen lassen sich hier- bei sehr ‚bequem verfolgen.

Solche Verschiebungen, verbunden mit Divergenzänderungen, müssen hiernach bei vorwiegendem Dicken- oder Längenwachsthum immer eintreten, solange die Contactzeilen wie die Sparren eines Dachstuhls fungiren. Nur wenn die Organe eines Spiralsystems so verwachsen oder verbunden sind, dass sie wie eine homogene Masse wirken, dann allerdings verlieren die Contactzeilen, auch wenn sie äusserlich hervortreten, ihre mechanische Bedeutung und die seitlichen Schubwirkungen unterbleiben. Ein solcher Zustand liegt aber in den Organsystemen, die ich bis dahin näher untersucht habe, nieht vor. Die Organe sind im Gegentheil verschiebbar, bestehende Contacte wer- den aufgehoben, neue hergestellt u. s. w. Junge endständige Helian- thus-Köpfe von etwa 2.5 bis 3"”" Durchmesser zeigen z.B. in der Blüthen- region Contaet auf den 34” und 55“ Parastichen, ausgewachsene da- gegen auf den 55” und 89“ oder sogar auf den 89° und 144” Zeilen. Daneben giebt es allerdings auch Systeme, welche während ihres Wachsthums keinen Wechsel der Contactlinien, sondern bloss Winkel- änderungen zeigen. Auch diese können fehlen, aber nur dann, wenn die Form des Systems absolut unverändert bleibt.

Wenn ich zum Schlusse die von gegnerischer Seite erhobenen Einwände noch einmal überblicke und ihrer Natur nach gruppire, so beruhen sie zum Theil auf Missverständnissen in Bezug auf den Con- tactbegriff, anderntheils auf ungenauen Beobachtungen über die Vor- gänge und Zustände am Scheitel. Dazu kommen dann noch über- lieferte Voraussetzungen in Betreff der ursprünglichen, angeblich in allen Stadien der Entwickelung eonstanten Divergenz, welche der Wirk- lichkeit keine Rechnung tragen, sowie ferner mechanische Vorstellun- gen über Stellungsänderungen, deren Unrichtigkeit sofort einleuchtet.

60*

660

Sitzung der phys.-math. Classe v.

20. Juni. Mittheilung v. 30. Mai.

Daneben finden sich hin und wieder noch Andeutungen über Reizwir- kungen, Ernährungsverhältnisse und dergl., alles Dinge, welche für die Lösung der schwierigeren Stellungs- probleme, wie z. B. die Bestimmung der Grenzwinkel, keine brauchba- ren Daten liefern können. Es ist einfach unmöglich, auf einer sol- chen Basis eine annehmbare Theorie aufzubauen.

Die Anschlusstheorie dagegen deckt klar und scharf die Causal- verkettungen auf, welche die An- näherung der Divergenzen an den Grenzwinkel herbeiführen, und er- klärt diese Annäherung für die ver- schiedensten Reihen mit mathema- tischer Genauigkeit. Dabei ist es gleichgültig, ob das Vorrücken der Contactzeilen durch die Verschiebung gleichgrosser Organe oder aber vor- wiegend durch das Kleinerwerden der Anlagen bewirkt wird. Denn beide Vorgänge bedeuten für die mathematische Betrachtung dasselbe, nämlich eine Änderung des Verhält- nisses zwischen Organdurchmesser und Stengelumfang. Um dies hier nochmals und vielleicht anschau- licher, als es bereits geschehen, zu demonstriren, ist in nebenstehender Figur die Wirkung allmählicher Grössenabnahme in solchem Umfange dargestellt, dass der Gesammteffeet einen sehr ansehnlichen Betrag er- reicht. Im unteren Theil der Figur bei A schneiden sich Dreier- und Fünferzeilen ungefähr rechtwinkelig, weiter oben bei B Fünfer und Achter, zuletzt bei © Achter und Dreizehner, diese aber noch unter schiefem Win-

SCHWENDENER: Jüngste Entwickelungsstadien seitlicher Organe. 661

kel. Dazwischen liegen die Übergänge, wozu als Mittelstellung auch der Contact nach drei Richtungen bei und ß gehört. Es kommen somit der Reihe nach genau dieselben Stellungen und darum auch dieselben Divergenzen zu Stande, wie bei der Verschiebung gleich- grosser Organe in Folge vorwiegenden Dickenwachsthums. Nur wenn das Kleinerwerden sehr rasch erfolgt, entstehen neue Gruppirungen, sogenannte Übergangsfiguren, die eine besondere Betrachtung verdie- nen'. Das Endresultat ist aber unter allen Umständen dasselbe, näm- lich die Erreichung des Grenzwinkels für die gegebene Reihe.

Für unsere Figur ergeben sich, wenn wir die S" und 13” am oberen Ende bis zur rechtwinkeligen Kreuzung fortgesetzt denken, folgende Divergenzwerthe:

8e und 13° rechtwinkelig

Contactzeilen unter 60°

3E= und De gen 55 ger rechtwinkelig unter 60°

Se und ger Se, ger, 13® rechtwinkelig

Divergenzen 137° 30' 39"

(89/233)

137° 31' (34/89)

135° 55" (37/98)

137° 39' (73/34)

Der Grenzwerth ist also bereits bis auf ıı Secunden genau er- reicht. Gehen wir dagegen in Gedanken nach unten über die Basis unserer Figur hinaus, so folgen zuerst 2”, 3” und 5” als Contact- linien, wobei die Divergenz 15/28 = 142°6' erreicht, sodann recht- winkelig gekreuzte 2” und mit einer Divergenz von 5/13 = 138° 28', hierauf ı”, und 3” mit 128° 34' u.s. w. Den Schluss bildet die '/, Stellung.

Der theoretische Theil meiner Theorie, welcher die mechanische Begründung dieser Annäherung an den Grenzwerth enthält, ist übrigens bis dahin viel weniger umstritten, als die Praemissen, von denen ich ausging, um die erhaltenen Resultate auf das Werden und Wachsen der pflanzlichen Organsysteme zu übertragen. An diesen Praemissen halte ich aber fest in dem Bewusstsein, dass sie auf sorgfältigen Beobachtungen beruhen. An den neuerdings untersuchten Stamm- scheiteln besteht sogar, wie oben gezeigt wurde, der angenommene Contaet nieht bloss zwischen den Entwickelungsfeldern der jungen Anlagen, sondern von Anfang an zwischen diesen selbst. Es ist also ein Contaet im buchstäblichen Sinne, eine Anschlussform, welche mit einem kleinen Plus noch über meine Praemissen hinausgeht.

Damit glaube ich die erhobenen Einwände hinlänglich beleuchtet zu haben. Es mag aber zu guter Letzt noch gestattet sein, auch der- jenigen Autoren zu gedenken, welche die Anschlusstheorie in den Hauptzügen beifällig aufgenommen und durch eigene Forschungen er-

! Vergl. hierüber meine Theorie der Blattstellungen, S. 61.

662 Sitzung der phys.-math. Classe v. 20. Juni. Mittheilung v. 30. Mai.

gänzt und erweitert haben. Ich verweise insbesondere auf Schumann’s" umfassendes Werk über den Blüthenanschluss und auf die Unter- suchungen von A. Weisse” über die Blattstellungen an Axillar- und Adventivknospen. Wer die hier mitgetheilten Thatsachen unbefangen beurtheilt, kann nicht wohl in Abrede stellen, dass die Wendung der Blattspirale am seitlichen Spross von äusseren Factoren abhängt, wie sie durch die Asymmetrieverhältnisse im Blattwinkel und an der Basis der Adventivtriebe gegeben sind.

Erklärung der Abbildungen.

Fig. 1. Querschnitt durch die Endknospe von Victoria regia. Die Blätter sind in aufsteigender Folge beziffert. Zweier und Dreier nebst Grundspirale bilden die Contactzeilen. Vergr. 16.

Fig. 2. Querschnitt durch die Endknospe von Nymphaea alba. Der Con- tact zwischen den jüngsten Anlagen ist augenfällig. Vergr. 40.

Fig. 3. Querschnitt durch ie Endknospe von Nuphar luteum. Die jüngsten Blätter Fa normale Contactverhältnisse; die älteren sind vorübergehend durch Haarbildungen aus einander gedrängt. Vergr. 40.

Fig. 4. Längsschnitt durch die Sprossspitze von Stratiotes aloides. Vergr. 32.

Fig. 5. Längsschnitt durch die Stammspitze von Hippuris vulgaris, von der Oberfläche gesehen. Die seitlichen Organe berühren sich auf den rechts- und linksschief "ansteigenden Schrägzeilen. Vergr. 125.

Fig. 6. Schiefer Sehnitt durch die Stammspitze von Hippuris vulgaris. Der Schnitt geht durch eine Contactzeile und zeigt, dass die jungen Anlagen sich uhrglasähnlich vorwölben und mit ihren Rändern tangiren. Die a linie erinnert an einen gekerbten Blattrand. Vergr. 125.

Fig. 7. Schema zur Orientirung über die Schiefstellung des in Fig. 6 dargestellten Schnittes. Die punktirte Linie giebt Lage und Richtung der Schnittfläche an.

Fig. 8. Stammspitze von Elodea canadensis, von der Seite gesehen. Ver- anschaulicht den Contaet auf den Schrägzeilen, z. B. zwischen den Organen a, b und c. Auf den Orthostichen besteht dagegen kein Contact. Vergr. 125.

Fig.9. Radialschnitt durch eine junge Blattanlage von Elodea N Zeigt die noch schwache, aber deutlich abgegrenzte uhrglasähnliche Vorwölbung. Vergr. 600.

Fig. 10. Stammspitze von Myriophyllum proserpinacoides, von der Seite gesehen. Der Contaet zwischen den zugekehrten jungen Organen ist zweifel- los. Vergr. 125.

! Neue Untersuchungen über den Blüthenanschluss, Leipzig 1890. 2 Flora, Jahrg. 1889, Bd. 72, S. ıı4 und Jahrg. 1891, Bd. 74, S. 58. Ferner: Prınssseim’s Jahrb., Bd. XXVI (1894), S. 236.

Sützungsber. d.Berl. Akad. d. Wiss. 1895. Taf

B.baue ch

Schwendener: Jüngste Entwicklungsstadien seillicher Organe.

£

SCHWENDENER: Jüngste Entwickelungsstadien seitlicher Organe. 663

Fig. ı1. Theil des Scheitels eines jungen Blüthenköpfchens von Chrys- anthemum fruticosum, von der Fläche gesehen. Die jüngsten noch erkennbaren Anlagen a und 5 sind durch punktirte Linien angedeutet. Vergr. 100.

Fig. ı2. Theil eines Längsschnittes durch ein junges Blüthenköpfchen von Chrysanthemum fruticosum. Zeigt die Kerben zwischen den jüngsten Blüthen- anlagen. Der Pfeil bezeichnet die Lage der Mittellinie. Vergr. 40.

Fig. 13. Ein ähnlicher Längsschnitt durch ein junges Blüthenköpfehen von Ohrysanthemum Leucanthemum. Vergr. 125.

Fig. 14. Desgleichen von Scabiosa ochroleuca. Die punktirte Linie giebt den Umriss des Scheitels auf einem Medianschnitt an. Vergr. 125.

Fig. 15. Stück eines in der Richtung der Contactzeilen geführten Schnittes durch den Blüthenkopf von Dipsacus laciniatus. Zeigt die uhrglasähnliche Vor- wölbung der jungen Organe und die einspringenden Winkel zwischen denselben.

Vergr. 125.

Ausgegeben am 27. Juni.

=

665

1895. AÄXXIL

SITZUNGSBERICHTE

DER

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN.

20. Juni. Sitzung der philosophisch -historischen Classe.

Vorsitzender Secretar: Hr. Momnsen.

l. Hr. Wemmorn las: Die altdeutschen Verwünschungs- formeln.

Die Mittheilung folgt umstehend.

2. Derselbe legte eine Abhandlung des Privatdocenten Hrn. Prof. Dr. Tu. Sıess in Greifswald vor: Westfriesische Studien.

3. Hr. Harnack legte die umstehend folgende Mittheilung des Hrn. Dr. Carr Scnmiot, z. Zt. in Kairo, vor: Eine bisher unbe- kannte christliche Schrift in koptischer Sprache.

667

Die altdeutschen Verwünschungsformeln.

Von KArL WeEINHOLD.

D:. wunderbaren Eigenschaften des Wortes, die von blosser Mit- theilung einer Empfindung oder einer Thatsache in langer Kette sich bis zur erschütternden Wirkung in Zeit und Raum erheben können, haben das Wort in den Vorstellungen aller Völker, der rohesten wie der gebildetsten, als eine gewaltige Macht erkennen lassen. Das Wort kann wolthun und schaden, kann schaffen und vernichten, je nach Absicht dessen, der es als den Leiter des Gedanken und des Willen benuzt. Segen und Fluch strömt von dem gesprochenen und dem geschriebenen Worte aus. Es kann ein einzelner Lautkörper sein, ein einziges Zeichen mit Wortbedeutung, oder auch eine ganze ryth- misch gegliederte Wortreihe, begleitet von feststehender bedeutender Handlung. Der Segen, die Beschwörung, die Verwünschung, der Fluch kann sich in den rasch ausgestossenen Ruf eines einzigen Menschen zusammendrängen, oder er kann zum Gebet oder Rechtsspruch sich auswachsen, in dem der Priester oder der Richter unter feierlicher Handlung für das ganze Volk spricht und die göttliche Macht zum Vollstrecker aufruft.

Wenn in dem Zauberwesen, das auf priesterlichen Handlungen beruht, in seiner späteren Verkommenheit das Wort zuweilen fehlt, so ist das eben Entartung. Die Worte gehören nicht bloss dazu, sondern tragen die eigentliche Macht, die stofflichen Dinge sind Neben- sache gewesen.

Es ist ein grosses Kapitel, das von der Macht des Wortes im Glauben und Aberglauben der Völker handelt, führt doch schon die Macht des Namens bedeutsamen Stoff zusammen, wie KrISTOFFER NYRop in seiner Schrift Navns magt (Kopenh. 1887) schön dargelegt hat. Das Wort segnet und schafft Glück, das Wort flucht und bringt Ver- derben und Tod. Wunsch und Verwünschung wollen und sollen beide wirken, der Wunsch das Wohl, der Fluch das Weh.

Ich will hier einen kleinen Ausschnitt aus diesem Kapitel be- handeln, den von den Verwünscehungen und Flüchen, beschränkt überdies auf die älteren deutschen poetischen Quellen, mit Streifzügen

668 Sitzung der philosophisch - historischen Classe vom 20. Juni.

in die nordgermanischen. Vergleichungen auch nur mit den römischen und griechischen Worten und Formeln würden die Übereinstimmung, die auch in diesem Puncte unter den Völkern herrscht, bezeugen. Vollständigkeit ist von mir nicht erstrebt, auch kaum möglich, zumal bei fest gemessenem Raume. Es kommt mir mehr darauf an, die vorhandenen Typen nachzuweisen."

Die gewöhnlichen Verba für die Handlung des verfluchens und verwünschens sind im Altdeutschen verfluochen, verwäzen, ver- teilen, vertuomen. Ich gebe Belege für ihre Verwendung.

Verfluoehet” sistu von mir, Vorauer Ged. 11,16. verfluochet bis, dem süezen got unm:zre, Reinm. v. Zweter 157,12. swer dir fluoche, der si verfluochet, Walther 11,14. daz du verfluochet sist, Erek 5916. Reinm. v. Zw. 184,9. Teufelsnetz 417. geschant verfluochet muoz er sin, Kittel 56,10. verfluochet si der lip, Reinm. v.Zw.105, 2. verfluochet si ir lip unde allez ir gebeine, daz gröze und daz kleine, Keller Erzähl. 192,16. verflokin and vermalediad wertha thi oll thine kata and thina lithmatha, Rıcntnoren, Fries. Rechtsqu. 246. verfluochet si der tac, der mich geb:re, Heinr. Erinner. 770. verfl. si der tac daz ich die erde ruorte, Erek 5955. verfl. und verwäzen wart vil ofte der tac sin geburt ane lac, a. Heinr. 160. verfl. si diu wile und diu zit, Heinr. Er. Pfaffenl. 261. verfl. si die stund die mich nit sterben lert, SPIEGEL 133.5. diu (erde) muoze hinnenfür des immer verfl. sin, Angenge 20, 49. der anger si verfl. der die rösen ie getruoc, Rosengarte (GRIMM) 1190 (1268). got gebe den argen sinen fluoch, MSH. 3, 90°. Balämes fluoch werde in ze teile, ebd. 3,105”. nu gi sculun faran forflökane an that fiur &uuig, Heljand 4420. vart hin verfluochet man, Parziv. 694, 17. pfüch den vervluochten man, MSH. 3,95”. gunerter lip verfluochet man, Parziv. 255,13.

wis verwäzen,’ MSH. 3, 212”. du sis verwäzen, Hasen, GAb. Nr. 55,1207. er si von mir verw., a. Heinr. 798. iuwer unbheil si ver- wäzen, Eracl. 3579.

daz er si verwäzen, Eracl. 1106. daz er gar verwäzen si, Eckenl. 135,2. daz ir sit verwäzen, Reinfrit 5238. woy daz ir v. sit, Neith. 45, 23. daz sisin v., Neith. 81, 8. dat ubele worte sin verwäten, Veldeke

! Nicht zu vergessen ist L. Unranps schöne Ausführung über Segen und Ver- wünschungen in seiner Abhandlung über Wett- und Wunschlieder: Schriften zur Ge- schichte der Dichtung und Sage Ill, 244— 269.

2 fluochen: ahd. fluochön, alts. flökan, altfr. flöka, got. flekan: germ. *flankan = lat. plangere (plaga), griech. mAyoow Pf. rerinya, bedeutet urspr. schlagen: verfluochen, also verschlagen, wegjagen.

3 altsächs. forhwätan, ahd. farhuuäzzan faruuäzzan, altnd. faruuätan, wird nach den durch das vatikanische altsächs. Genesisfragment bezeugten Anlaut mit hw wol mit Braune zu hwat scharf, got. hwöta Drohung, zu stellen sein.

I r - . EN) Weıssorp: Die altdeutschen Verwünschungsformeln. 669

MF. 57,1. min lip der si verwäzen, Garel 1732. die vische sin verwäzen, daz sin niene vräzen, Gregor 1169. dat sy verwaessen moissen syn, Karlmein. 20,64. ich müze sin verwäzen, L. Alex. 4265. nu var von mir verwäzen, Lieders. Nr.181,233. diu wiege var verw., Neith. 8, 3. er hiez in varen verwäzen, Tr. Aegid. 1132. nu müze mich got ver- wäzen, Eilh. Trist.VII, 20. daz in got verwäze, Helbl. 2,626. daz ez got verwäze, Erek 7901. got alle die verwäze, MSH.I,64°. dat got dat metz verwaesse, Karlmein. 189, 14. verräderen möte god verwäten, Morian 2210. got verwäte di, Renout 1180.

verteilen bedeutet einem den Antheil woran nehmen, einem etwas absprechen, im besondern durch richterliches Urteil, dann über- haupt verurteilen, verfluchen.'

minne, daz du sist verteilet, Gotfr. v. Neifen 10, 30 (Haupr). müez ich verteilet sin, M.Fr.1ı73,28. daz dir si verteilet, MSH. III, 263”. daz er verteilet müeze wesen, Karl 6273. daz er.v.si, 6295. var hin verwäzen vil gar verteilter sn&e, Gotfr. v. Neifen 25,4. verteiltiu her- schaft, Heinr. Erinn. 551. verteilter Sarrazin, Salman 201,4. verteilter Bern:ere, Rabenschl. 1065. verteilter lip, Wolfd. B. 576.

vertuomen’ heisst durch Rechtspruch einem etwas nehmen, einen verurteilen, verdammen.

god hi moete mi verdömen, Renout 813. müez ich sin vertnomet, Partenop.15966. fordoemdr verdi sa sem piggr nockur pin bod, Sörlas. stark. c.ıı. vor gode sy hey verdoemet, Karlmein. 217,51. verdoemet moesse syn de bach 151,61. des argen öre müeze sin verwäzen und ver- tüemet, Konr. v. Würzb. Lieder 32, 241. veigiu boesiu gar vertüemtiu fruht, Frauenlob 93, ı. den vortümeten palas, Passional K. 670, 21. Selten ist verschaffen in der Bedeutung verfluchen. Bezeugt ist es durch Frauenlob Spr. 407, 8: vertluochet si der leide wurm, der uns die wirde nam; verschaffen si der leide stam dan üz der apfel bluote.”

Auch vertuon ist in der Bedeutung verurtheilen, verdammen mir nur aus dem Winsbeken 71, 6 bekannt: din tugende sint reiner art daz du den sünder niht vertuost, geriuwet in der sünden vart. Da- gegen ist das Partieip vertän in der Bedeutung verflucht sehr häufig, die aber nur abgeleitet ist aus der ahd. sicher belegten von: ver- brecherisch, schuldig, böse.

Ein sehr altes germanisches Wort für verfluchen ist farwargjan (zum warg, expulsus, machen), im ahd. Tatian als furwergen für male- dicere gebraucht, ebenso ags. wergjan, wirgjan.

! spät ahd. ferteilen, privare, proscribere. alts. ädeljan, damnare (c. dat.). ahd. fortuomen (T.), ags. ford&man, altn. fordoema. ® das Pte. verworht (zu verwirken) wird in Fluchformeln nicht gebraucht;

es bedeutet verbrecherisch, böse, daraus ist in attributer Verwendung die Bedeutung verflucht, verdammt, welche die Wörterbücher geben, erst abgeleitet.

vo

670 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 20. Juni.

Altsächsisch hatte das Partie. forgripan die Bedeutung verflucht, Heljand 2638. 2590. 4445. Das Partie. verworfen wird in späterer Zeit zuweilen, z. B. SPIEGEL 177, 12 verworfen si der tac, der mich zuntriuwen bräht, für verdammt, verflucht gebraucht. Im übrigen be- deutet es ausgestossen, schlecht. Die dies nefasti wurden seit dem 14. Jahrhundert mit verworfene tage übersetzt.

Entlehnt aus franz. maldire (lat. maledicere) ist maledien, zuerst bei Wolfram v. E. (Wilh. 142, 10) in dem Pte. vermaldit nachzuweisen, im 13. Jahrhundert noch selten, und erst im 15. Jahrhundert häufiger. Im Emsiger Recht lesen wir vrflokin and vmalediet wertha thi olle thine kata and lithmata, Rıcnrnuoren Rqu. 246.

Das ebenfalls entlehnte verdamnet, verdammet wird im Fluche höchst selten gebraucht; ich kenne nur Karlmeinet 83, 61 verdammet sy di handgicht.

verwünschen ist aus älterer Zeit noch nicht zu belegen. Von den Lexikographen verzeichnet zuerst der Spate d.i. Casp. v. Stieler Sp. 2498 seines Teutschen Sprachschatzes (1691) verwünschen exeecrari, male precari.

Häufig wird im Mittelhochdeutschen einem undane sagen = ihn verfluchen, verwünschen gebraucht, eine Steigerung also von: einem keinen Dank sagen. Sowie er habe dance die Bedeutung erhielt: wohl ihm! er sei gesegnet!, so er habe undane, er habe keinen Dank, die von: er sei verwünscht. Einige Belege: daz du habes un- dance, Roland 236, 32.' der habe undane, Walther 96, 22. der keiser habe undane, Ernst B. 1294. die fürsten haben undane, Karl 1680. ir lip der habe undane, Nibel. 909, 1. dine gote haben undane, Roland 202, II. man sol undane der wile sagen, Klage 273.

Ein ähnlicher gemilderter Ausdruck des Fluchs liegt in dem Ad- Jeetiv uns#lie, das in Verwünschungsformeln häufig in mittelhoch- deutscher Poesie erscheint: z.B. ouw& daz ich niht fluochen kan! leider ich enkan niht mere wan daz übel wort uns#lie! neinä daz wer alze sere, Walther 73, 28. unszlie si daz ungemach, ebd. 117,7. ir herze müez unsz#lie sin, LacHumann’s Walther 141, 17. des moetes du on- sälich sin, Eneit 10632. 13086. er muoz immer süren und unszlie sin MSH. 3, 31°. er müeze uns#lie sin, Garel 4130. ir lip muoz un- silie sin, Tandareis 14781. daz dez ros unsielie si, Iwein 3668. sper- w:ere valken smirlin die läze got unsilee sin, Gotfr. Trist. 2594. daz diu wil unsz#lie si, Garel 3982. unss#lie si diu wile, Ulr. Eschenb. Alexand. 4990. unsz#lee si diu huote, Erael. 3328.

Nahe mit dem verwünschenden uns#lie berühren sich die durch we, öwe eingeleiteten Ausrufe, z.B. we dem der im geswiche,

' Der Stricker, Karl 8131, gibt dies durch: nu müeze din der leide tiuvel walten.

Weıs#oLp: Die altdeutschen Verwünschungsformeln. 671

Alexand.V. 592. we iu trügenaeren, Pfaffenleb. 578. we der naht diu in danne gebirt, Heinr. Erinner. 585. we über dinen lip und über dine sele und bist halt alles verdamnet, Berthold Pred. II. 111, 15. öwe dir ungelücke, Eracl. 3902. Aber die Klage überwiegt doch in we die Verwünschung; klagen ist nicht fluchen.

Die Verwünschung wird notwendig am wirksamsten, wenn man die Gottheit dabei anruft und sie zum Vollstrecker der verkündeten Verurteilung oder des verhängten Unheils macht.‘ Der Zorn und die Feindschaft der göttlichen Macht wird dem Verhassten und Ver- achteten angesagt.” In der Hervararsaga c.14 ruft Gizurr bei der Ladung zur Schlacht und dem symbolischen Sperwurf: gramr er ydr O’dinn! In der Eigla e.56 bannt Egill Skallagrimsson allen Männern den Genuss der Güter des Biorn Brynjolfsson mit den Worten: hver- jum manni, er hat gerir, legg ek vid logbrot lands rettar ok gridarof ok godagremi. In der Hassstrophe Egills gegen König Eirik Blutaxt von Norwegen (Eigla ce. 56), ruft der Skald: »Erzürnt seien die Götter und Odin! Lass o Landesgott (d.i. Thor) den Tyrannen (folkmyge) von seinen Landgütern fliehen! Freyr und Njordr mögen feind sein dem Feinde der Männer, dem Schänder der Heiligthümer!« Freys Werber Skirnir um die schöne Riesin Gerdr flucht der spröden: »Er- zürnt ist dir Odin, erzürnt der Asen Fürst, Freyr wird dein Feind sein, böseste Maid! verwirkt hast du den schweren Zorn der Götter« (Skirnism. 33). Und so werden die Verhassten auch zu den bösen Dä- monen (gramir) verwünscht, die sie holen, haben und peinigen sollen: gramir hafa Gunnar, Brot af Sig. qu.ıı. gramir munu taka Pik, Haraldss. Hardr. ec. 28. taka nu allar gramir vid honum, Flöamannas. 147. 180. eigi hann gramir Fornald. s. I, 214. farbu nu pars pik hafdi allan gramir, Harbardsl. 60. deili grom vid pik Helgaqu. Hund. I. 44.

tramar” gneypa ik skulo gerstan dag iotna gordum 1, Skirnism. 30.

In der Einleitung der Grimnismäl ruft Geirrodr seinem Bruder Agnar zu, als er das Bot, drin er sizt, in die See hinausstösst: farbu nu par en smyl hafı Pik! Unter smyl ist ein weibliches Gespenst zu verstehen. Die Zauberin Busla ruft in ihrem Fluchgebet die Trolle, Elben und Zauberweiber (troll ok älfar ok tofrunornir) an, das

Altnord. bidja einum ills (Fornaldars. II. 377) einem böses anbeten.

Das hiess altn. leggja manni godagremi, Egilss. c. 56.

tramar sind männliche riesische Geister, vergl. S. Busse in seiner Edda- ausgabe S.95 Anm.

on

672 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 20. Juni.

Haus des Königs zu verbrennen, und die Reifriesen (hrimpussar), ihn mit ihrem Hass zu verfolgen (Herraudss. ok Bosa c. 5).

Es sollen ihn die Riesen (iotnar) haben, wenn er euch belügt, heisst es in den Atlamaäl 33.

In den Sagas, nicht in den eddischen Liedern, wird der gehasste oft den Trollen übergeben:

troll hafı pik allan ok sva gull pitt, Kormakss. ce. 19. Haraldss. hardr. c. 28. hafi Pik oll troll, Orvaroddss. e. 28. troll hafit treföt allan, trollin sleypi eim ollum, Grettiss. e. 4. troll hafı Pina vini, Niälss. c. 36. troll hafı Pitt höl ok skrum (deine Pralerei und Aufschneiderei), ebd. e.149. munu ydr troll toga tüngu or hofdi, Formannas. 3,154.

Diese Beispiele für die Verfluchung an die Heidengötter ge- hören Quellen, die nach der Bekehrung Norwegens und Islands zum Kristenthum geschrieben sind. Es sind aber Wiederhalle der alten Heidenverwünschungen. Aus Deutschland haben wir derartiges nicht; hier ist der kristliche Gott und der Teufel kurzweg in die Nachfolge eingetreten. Die Verwünschungen treten in vielen Abstufungen auf: Gott möge seine Huld dem verhassten entziehen, Gott möge töten und schenden, können die Steigerung bezeichnen, nieht minder: der Teufel möge bei dem verhassten sein, ihn haben und hegen, in ihn fahren, bis zu gräulicher Schändung und Qual durch ihn.

got dir werde niemer holt, Virginal 376,1. daz er si got unmzxre, Tandareis 6796. daz dich got nimmer berät, Lieders. 43, 330. got läze ir nimmer werden rät, Helbl. 2,1092. des müeze dir got entwichen, Lieders. 148, 597. muoze mir got geswichen, Kaiserkr. 4432. daz dir got geswiche, Eracl. 1046. 1451. 3906. dat hem got geswike, Eneit 11466. got der gebe in leit, M. Frühl. 9, 18. daz dir got gebe leit, Ernst B. 1303. Karlmein. 266, 10. daz im got gebe leit, Erael. 1511. daz ir got gebe leit, Warnung 2142. got gebe sinem halse leit, Flore 5556. god geve leit syme lyve, Karlmein. 217,57. got gebe dem schuoster immer leit, der die solen ie breit gesneit, Orendel 1001. (skör er skapadr illa eda skapt se rangt, pa er per bols bedit, Havamal 126). got gebe dem wege leit den ich gereit, Orend. 2631. des gevein god ungenäde ebd. 113, 37. der die helle brach, der vüege in we und ach, M.Fr. 49,3. god geve hem quele, Ferguut 2374.

des gehazze got den dinen lip, M. Frühl. 8,14. got hazze immer sinen lip, Iwein 2262. nu gehazze in got swer ez tuo, Eracl. 765. daz sie got gehazze 1233. in got iemer hazze, MSH. 3,195”. gods hat hebbe hi, Ferguut 4702. nu müez ich haben gotes haz, Trist.13347. daz im werde des gotes haz, Garel17780. daz iu müeze werden der gotes haz, Tandareis 14572. nu var du in gotes haz, Kaiserkr. 13349. nu vart den gotes haz alsam ein boeswiht von mir hin, Frauend. 109,12.

Weınnorp: Die altdeutschen Verwünschungsformeln. 673

var hin du böser geist in den ewigen haz, Marienleg. Passional ı ı, 209 |Preırrer]. varet hen an godes hat, Wieserr Scherflein 2,47. üz in gotes haz, Tristan 5449. tu odium dei omniumque sanctorum habeas, Vita S. Meinwerei ce. 13,95. daz dir werde aller heiligen haz, Kaiserkr. 12879. des haben in sant Georgen haz und gotes fluoch umbe daz, Helbl. 8, 916.

got gebe den argen sinen fluoch MSH. 3,95". herre got gip dem verschamten man der wibe fluoch, der manne ban MSH. 3,81 (Meıssxer). nu muoze mich got vorwäzin, Eilhart 2984. daz ez got verwäze, Erek 7900. daz in got verwäze, Helbl. 2, 626.

dat dich got gehöne, Eneit10692. daz dich schiere got gehoene, Walther 64, 34. got höne in de’t geriet, Eneit11787. daz in got höne, Eilhart 2225. daz Hetelen got gehoene, Gudr. 614,4. daz in got von himele immer gehoene, ebd. 1221,4. daz in got gehoene, Lanzel. 3862. des gehoene got ir lip, Erael. 3382. dat dich god unere, Karlmein. 246,56. got si schende, MSH. 3,187°. got schende die den rät im haben geräten, MSH. 3,6”. got diu übelen wip schende, Hätzler. 219,70. si got der mich schende, Ulr. v. Türheim Wilh.ı22°. daz im got sinen lip schende, Lieders. 187,136. dat got ind sente Maria uch beyde samen schende ind in dem Iyve pende, Karlmein. 243.1. god moet scenden Keyen, Ferguutıı2ı. dat sy got vermaledeyen moesse ind schenden, Karlmein. 244.1. god geve u scande, Ferguut 2672. dat dir god geve scande, Karlmein. 282,55. daz got boes antlüt schende, Teufels Netz 8562. das dich got schende, Agricola Sprichw. Nr. 494. das dieh gots leichnam schende, Agricola Nr. 495. das dich pax leichnam schend, Fastn. sp. 73,13. das dich pock schend und blend, H. Sachs bös Weib 305. das dich gots lufft und dufft schende, Agricola Nr. 529. das dich botz lufft als bettlers schend, Frischlin Wendelg. III, 4. das dich potz tunder sakraleiden schend! das dich botz dunner wunden sack voll endten schend! das dich botz tau- send kuewunden schend! das dich potz tausend dukaten schend! Zeitschr. f. deutsche Philol. 20,165. dass üch botz houwbank schend, Manuel Weinspiel 2566. Anderes der Art bei Grun D. Wb. ı, 22

diu gotes räche über ir bluotegez leben g&, Helbl. 4, 94. die raach gots mufs dir uber den kopf ufsgeen, Ruff Adam und Eva 4216. dass dich got als kuchisüdels straf, Manuel Barbali 925. got gebe den heiden sinen slac, Livl. Kr. 5220.

got müez iuch vellen, Parziv. 516, 2. got die veigen velle, Lieders. 37, 100. daz in got velle, Erek 3775. swer des schuldie si, den velle got und nem im al sin ere, Reinmar, MF. 196,4. den velle got und tuo daz schier, Helbl. 2,1092. god de sal ich vellen, Karl- mein. 278, 25. daz sy moesse vellen god unse here 218, 8. god de

Sitzungsberiehte 1895. 61

674 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 20. Juni.

moess sy gevellen, 478, 64. ich wil daz mich got velle und mir schende den lip, Flore 1315. got der müez si veigen unde vellen, MSH. 3, 2y8P. er si gar geveiget der niht geloubet ane got, STRICKER kl. Ged. S. 90. der winter müeze sin geveiget, MSH. ı. 350°. gebe got das er des gahen todes sterbe, Agricola T. Sprichw. Nr. 519.

Gleich diesen Gottesflüchen laufen die Teufelsflüche, nur tritt hier die Verwünschung zum Eigentum des Teufels in mancherlei Formen hinzu.

daz si der tiuvel hazze, MSH. 3, 303°. das alle düfel hassen dich, Gengenbach Bettlerorden 266. des werde üch der düvel gram, Karl- mein. 136,6. der tiuvel schende ir lip, Frauenlob 22, ı1. daz dich der t. schende, MSH. 3, 299. Agricola Nr. 496, H. Sachs Fabel v. Klaus Narr 46. iuch der t. schende, MSH. 3, 21 ı”. des müez Agez der t. schenden, Reinm. v. Zw. 174, 9. däzuo schende in (den wurm) der mit im üız frönem himelriche entran, Marner 15, 179. daz iuch der boese schenden muoz, Teufels Netz 10405. das dich der teufel im schandtrog walk, Fastn. sp. 253, ı4. dass dich der t. walck, H. Sachs Hausmagd u. Kindbettkellerin 102. das der Teufel verpfue dich, Fastn. 55,16. das dich der t. gehei, ebd. 175,4. der tiuvel schize im in den kragen, Helbl. 5, 107. der teufel dir ein zan aufsreils und dir denn in die lucken scheifs, H. Sachs Eulensp. mit d. Hostuch 65. der teufel scheifs ihm auf sein hut, Seript. rer. siles. XII, 46 (1422).

der välant müez sie stillen, Frauenlob Spr. 123,19.

der tiuvel in der helle müeze der merkxre schar machen aller fröuden bar und vellen unde veigen, Heinzel. ML. 1937. daz dich der tievel lem, Fastn. sp. 617, ı. daz dir der tiuvel den töt tuo, Gregor 2636. der düvil en den döt, Rother 1475. daz in der tiuvel wurge, Virginal 274,6. daz in der t. henke, Lanzel. 6151. der düvel töbreke eme hals unde hövet, Theophil. 1, 345. daz sie der tiuvel brenne und in die helle renne, Karl 10033. des müeze in der tiuvel brennen, Lieders. 78, 150. tiuvel, die argen wecke dort din glüende zange, MSH. 3, 103°. daz si der t. dräte binde in den helle grunt, Lieders. 37, 98. des si ir sele und ir leben dem übeln tievel ergeben, Dietr. Fl. 7972. dem tievel sin die stige ergeben, die mich her näch dir truogen, Eckenl. 87.9. der si dem tiuvel üfgeselt, MSH. 3, 17”. der tiuvel müez sin hiute pflegen, Eracl. 1044. daz sin der t. müeze pflegen, Garel 8361. der tüvel müze üwer pflegen, Salman 369, 4. euer müels der tiefel pflegen Ring 6°, 24. nu müeze din der leide tiuvel walten, Karl 8131. der tiuvel walt ir beider, MSH. 2, 77°. es walt sin der koch in der helle, Fsp.88ı, ı8. das dein der leydig teufel walt, Alberus Fabeln 7. 30. ey nun mufs dein der teufel walten, H. Sachs Rockenst. 186. di duvel moests wouden, Reinout 139. daz

Weısmorp: Die altdeutschen Verwünschungsformeln. 675

tusend tievel mit dir sin, Salman 201,5. ze siner zeswen siten ste der tiuvel zallen ziten, Karl 2906. daz iuch der tiuvel hab, MSH. 3, 216°. daz sie der t. hiet, Helbl. 2, 1040. der tüvel neme Elenam, Herbort 6178. dich der vint uns benem, Helbl. 1,1186. der tüfel neme üch alsamen, Manuel 58, 694 (Bächtold). dafs dich der teufel muofs pfenden, Fastn. sp. 534.2. di duvel hi moet di geleiden, Fer- guut 2677. der (tiuvel) müeze iuch an disen stunden füeren zuo der helle grunden, Orendel 1093. der t. vüere in bere und tal, Vir- ginal 644, 12. daz iuch der ubele geist enpfüer, Ring 45", ı. sie der t. müeze füeren gen Ungern über die witen heid, Keller Erz. 193. 21. der teufel füre dich uber Osterrode hynweg, Agricola Nr. 484. der teufel müez in rennen durh sinen valschen list, Suchenwirt 23. 52. dat in der välant riten sol, Welsch. Gast 4252. dafs dich der teufel reit, Fsp. 991, 32. dat der duvel ir god sy, Karlmein. 221, 21. dat der düvel in üch vare, Karlmein. 135.67. der düvel var dir in tom live, B. Waldis verl. S. 793. dat dik negen düvel int hole liff faren, Agricola Nr. 483. der tiuvel var dir in den bale, Mo- rolf 1210. der t. var im in den munt, a. Reinh. 1643. der t. var ir in die drozzel, Mone Altd. Sch. 133. der teufel fahr im in sein schlund, H. Sachs verungl. Bulsch. 311. das der tiuvel var im in die platten und in gar zerreize unt zerzerre, Renner 4701. der t. var dir in din hirne, Lieders. 148, 650. das dir der teufel ins arsch- loch fahr, aller alten hexen, Freys Gartengesellsch. S. 140 (1556). des kome der t. in din leben und breche dinen hals abe, Erakl. 1476. nu vriz in dich den tiuvel, Reinm. v. Zw. 184, ı2. der teufel pleib bey dir, H. Sachs lose Frau 47. so gesegne mirn der leidig tewfel, H. Sachs Knecht frafs Handschuh 98.

var du dem tiuvel in die hant, Reinh. 952. var hin dem t. ze teil an sinem seile, MSH. 3, 218°. die müczen in des tiuvels kewen, Marner ı, 50 (Strauch). wol hin dem t. in den ars, dun maht niht baz gevarn, Stolle MSH. 3, 7‘.

Die Verwünschungen in die Hölle schliessen sich zunächst an:

ez müczen sin die veigen der helle und des tievels eigen, Lieders. 170, 70. des mücze er in der helle dach versmelzen und verbrennen, Suchenw. 23, 50. ich woulde ir selen glüweden ind ir der düvel moeste walden, Karlmein. 17,43. nu var du in die hell hinab, Ring 55°, 30. nu briuwe hie und süf dort in der helle sac, MSH. 3, 91°. nu brät zer helle als ein huon, Lieders. 78, 148. swebel bech fiur üf dich regene, MSH. 3,53. dass dich das hellisch fewer verbrenne, Agricola Nr.4Sr. dass üchs hellisch füwr enzünd, Manuel Bieocecal. hab dir die hellisch prunst, H. Sachs Abt m. d. bös. Zahn 71.

61°

676 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 20. Juni.

Entkleiden wir die Hölle dieser Flüche der feurigen teuflischen Ausstattung, so ist sie die Unterwelt.

Sigurd ruft dem sterbenden Drachen zu: Fäfnir, ligg ı fiorbrotum bar er pik Hel hefi, Fafnism. 21. Atli verwünscht die Hrimgerd neun Meilen in die Erde: niu rostum er bu skyldir nedarr vera ok vaxi ber a badmi barr, Helgaqu. Hjorvardss. 16. Skirnir verwünscht die spröde Gerdr in die tiefste Unterwelt unter die Wurzel des Weltbaums, Skirnismäl 35. Der Hexenspruch (Syrpuvers) der Herrauds u. Bosasaga (e.5) schliesst mit dem Fluche: pa skulu pik hundar i hel gnaga en sal binn sokkva ı viti.

Deutsche Verwünschungen sind verwandt:

daz dich di erde virslinde, Judeneid, Müllenh. Scherers Denkm. C, 3. ghi sult mi in d’arde ontsinken, Walewein 5733. verslinden müez in diu erde, Karl 2908. der erdboden solt in verslinden, Teufelsnetz 7084. dich solt der erden abgrund tief verslinden, Spiegel 161, 18. dass dichs erdrich fräss, Manuel Weinspiel 1615. ei leg er tusent meil im grunt, Murner luth. Narr {1522.) M.ııı1“.

Diesen Verwünschungen in die Unterwelt reihen sich die Bannun- gen an wüste Orte, in den Wald, in Schluchten, in See, Ströme oder Sumpf an,' wie sie noch heute in Gespenstersagen und Beschwö- rungen der Krankheitsgeister fortleben: der böse Dämon wird in die Öde ausgestossen, wo er nicht schaden kann, oder wie der Verbrecher, der friedlos gelegt im Walde sein elendes gehetztes Leben führt. Auch die Verurtheilung zum Tode durch ertränken oder versenken in den Sumpf hört man aus diesen Fluchformeln heraus.

Die Verwünsehung in den Wald hängt, wie schon gesagt, mit der Strafe des Ausschlusses aus dem gemeinen Frieden zusammen. Der seinen Frieden verwirkte, heisst der homo qui vadit per sylvas, ediet. Chilperiei e.10, was dem altnord. skögarmadr, dem angelsächs. wealdgenga, dem deutschen waltman entspricht”. In den Wald kann sich der Ächter retten,’ wo er gleich dem Wolfe (warg) sein Leben führt. »Da wäre der tote Helgi an dir gerächt, wenn du ein Wolf wärst im Walde draussen, arm und freudlos, hättest nicht Speise, wenn du nicht sprängst nach dem Ase!« ruft Sigrun dem Dag zu, der ihren Gemahl Helgi mit Odins Ger tötete (Helgaqu. Hundingsh. I, 32). Auch in Deutschland hat solcher Fluch gegolten; er tönt im ı5. Jahrhundert aus einem Verse in Sachsenheims Mörin 2052 heraus: liefst du im grüenen walde dort und wirst ain wolf, sowie aus der

! Zustimmendes von den alten und neuen Griechen hat B. Schum’r gesammelt in Freckeisens N. Jahrb. f. Phil. u. Pädagog. Bd. 143. 144. S. 561—-76 (1891). Vergl. auch J. Grinm, Kleinere Schriften II, 162.

2 Grimm Rechtsalterth. 733. Brunner D. Rechtsgesch. ı. 167. Constit. Frideriei I. contra incendiarios a.1187.

Weın#orp: Die altdeutschen Verwünschungsformeln. 677

Klage eines jungen Ehemannes: o weib! ich wolt du werst ein wolf und lufest ze holz umben, ZfdA. 358,153. Abgeschwächter ist die Verwünsehung, wenn nicht das Leben des als gemeiner Feind ge- hetzten Wolfes dem verfluchten zugeurteilt wird, sondern nur das freudlose, einsame und schwere Leben des Waldsiedlers:

nu möstu an den wilden wolt varen, där möstu als &n wilden swin vülen, Redentiner Sp. 1892. Den (Praler mit Frauengunst) solt man vertuomen zuo walde von den liuten, solt er stoe zriuten' und niemer komen ze einer stunt in gruozte ein röter munt oder lieplich ougen sz#hen an, Ketzer Altd. Erzähl. 297,5. Schon M. Havpr hat diese Stelle zur Erklärung des bekannten Spruches Walthers v. d. Vogelweide gegen Herzog Liutpolt von Österreich (Lacnman 35,17) angezogen. in dem der Diehter dem Fürsten, der ihn unmutig ze walde gewünscht, scharf entgegnete: Herzoge iz Österriche, mich bi den liuten, wünsche mir ze velde, niht ze walde: ichn kan niht riuten.

fleuch in den wald, hat noch J. Ayrer in einem Fastnachtspiel (Op. theatr. II. 63°) als Verwünschung. In einem Gedicht des 14. Jahr- hunderts das Minnegericht (Hätzlerin 229. 240 ff.) wird über eine un- treue Frau das Urteil gesprochen: sie sol die welt sehs jär verswern, in einem walt sol sie sich nern nackent als ein ander tier, in diser waltrevier sol sie alle freud vermiden. Die Verwünschung in den Wald kann aber auch noch eine andre Bedeutung haben: fahre zu den un- heimlichen Waldgeistern, denen du angehörst. So spricht der böse Vizthum zu Crescentia in der Kaiserkronik 12183 ff. »waz huotest däse, ubeliu hornpläse? du soltest pillicher ze holze varn, danne die mägede hie bewarn. du bist ein unholde.« Wir gedenken dabei der nordischen Verwünschung zu den Riesen und Trollen, oben S. 672.

Dem Walde gleich ist das sumpfige Buschland, das Bruch (bruoch. nd. brök):

du scholt varen in dat wilde brök, där du numende schaden mochst, sagt der Priester im Redentiner Spiel 1861 zu dem Satan, der darauf humoristisch entgegnet: ich schal an dat wilde brök varn? schal ik de voghelneste warn? (18So. f.). Nach fortlebender Volks- meinung werden unselige Geister und Krankheitsdämonen von den Beschwörern gern in ein Bruch gebannt, oder in ein wildes Röhricht. In H. Sachs Fastnachtspiel vom Kälberbrüten 231 sagt der beschwö- rende Pfaffe: ich beschwör dich in ein wild roerich in Behmer walt. Und in dem Sachsischen Spiel der Teufel nam ein alt Weib, ruft der geplagte Satan: e ich pey dir pleib noch ein jor, e ich in das

! Im Spiegel 145, 5 erwidert die im Walde als Klausnerin lebende Frau Treue dem sie auf sein Schloss ladenden Ritter: min trüt gesell, hilf riuten, sit du mich hie hast funden (d.h. lass mich im Walde).

678 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 20. Juni.

wild grörich far (173). ich wolte ewiglich und imer in aim wilden gerörich siezen, 230; und er wird aus einem Besessenen, in den er gefahren, mit den Worten beschworen: das du arger Belzepock auf- fahrest uber stain und stock in das wild gerörich hinaus, 304.

Bei der Verwünschung ins Wasser ist mehr der Wassertod als die Bannung in die Tiefe anzunehmen: daz ir ein teil verrunnen wir in einer tiefen wazzersluht, Helbl. 2, 1361. des ertrenke iuch ein gröze wolkenbrust, Hagen GA. 31, 402. ich wolde daz si were er- drenket in dem Rine, Morolf 848. wolt got dafs er im Ryn duls leg, Müle v. Sehwindelsheim 555. wolt got der schalk leg in dem Rein, H. Sachs Eulensp. Pelzwaschen 344. ich wolt er leg im Bodensee mit andren mer, Binder Aecolast E.VI. rw. ich wolt du legest in dem Necker mit deinem balg, du galgendrüfsel, H. Sachs v. bösen Weib 276.

Hass und Humor gesellen sich in den unsaubern Bannungen: sy miessend durch seyn stinkends maul, das bifs ins arsloch inn ist faul, Murner Schelmenz. 3, 35. hundes ars in dinero naso, Altd. Ge- spräche 1, 41. alsö hat si villeiht gedaht, daz du mir in ars niht maht, Teichner (Hätzlerin 187, 84). du scholt enem olden wive in den ers varen, Redentiner Sp. 1669. so gang, versigel du eym schwein das arsloch, Murner Schelmenz. 7, 38.

Unsre Sagen und Märchen haben aus der mythischen Zeit den Glauben an die Verwandlung von Menschen fortgepflanzt.‘ Auch den Verwünschungsformeln sind die Spuren davon eingedrückt:

In pseudoneithartschen Liedern findet sich: Engelman du soltst ein grözer esel sin, daz du secke trüegest in zen müln ungevüege, MSH. 3, 260”. daz sin oeder krage noch müeste secke tragen, ebd. 3, 214”. Also Verwandlung in einen Esel! In einem Meistergesang der Kolmarer Handschrift (Bartsch 201, 44) wird unkeuschen Weibern ein Igelshaupt angewünscht: igelsbalg war ein Scheltname der Huren. Im niederländischen Walewein 5738 f. ruft die Herzogin Alene der Königin von Ysike zu: töte dier wile moet i wesen ne padde ende sitten al stille bin üwer porten onder die sille, ende alle die bi ü sullen gaen, die moeten steken ende slaen ende spüwen up ü vel. Unter padde ist hier die verhasste Kröte gemeint. Von den Ver- bannungen von Frauen in Kröten und der Erscheinung abgeschiedener Seelen in dieser Thiergestalt, wusste und weiss man viel zu sagen.”

! Vergl. meine Abhandlung über das Märchen vom Eselmenschen (Sitz.-Ber. der Preuss. Akad. d. Wissensch. 1893. Nr. XXIX). L. Unranp Schriften zur Gesch. d. Dichtung u. Sage 3, 278 ff. J. Grıuu D. Mythologie 2, ro48f. R.Anprer Ethno- graph. Parallelen u. Vergleiche S. 62-80. J. Konzer Der Ursprung der Melusinensage. Leipz. 1895.

2 Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 5, 124{. Lıirsrecrr zur Volkskunde 333.

Weınnorn: Die altdeutschen Verwünschungsformeln. 679

Ehre, Vermögen und Leben (re, guot, lip) ward den Ver- urteilten in der gerichtlichen Verfehmung abgesprochen, und so er- geben sich auch in den aussergerichtlichen Verfluchungen drei Gruppen, je nachdem dem Verhassten Ehre oder Gut oder Leben, oder auch alles drei gekränkt und vernichtet werden soll.

Zwei gereimte Fluchformeln seien vorangestellt, in denen je drei Arten der Verwünschung zusammen stehn. Die erste findet sich in des Pfaffen Konrad Rolandsliede bei der Verschwörung Geneluns mit den Sarazenen gegen Rolands Leben! und hat wesentlich den 109. Psalm zur Grundlage; weiter ausgeführt hat sie der Überarbeiter des Konrad- schen Rolandliedes, der Stricker in seinem Karl. Ich gebe sie nach seiner Gestaltung 2892-2923:

Vluochet dem verrätzere,

er hät sine zungen gewetzet, mine vinde üf mich gehezzet, wider got er hazzet mich. herre tuo selbe din gerich, brich im sine tage abe, ein ander sinen richtuom habe, ein witwe werde sin wip, in sünden sterbe sin lip,

siniu kint werden weisen und kumen niemer üzer freisen. sin gewinne ein ander uberhant der neme im lip unde hant.

ze siner zeswen siten ste der tiuvel zallen ziten.

der luft im vient werde, verslinden müez in d’erde, zeime fluoche werde im sin gebet. swaz er ie übeles getet,

des vergiz du herre niemerme! als er an dime gerihte ste,

werde er verteilet, mit des tiuvels bande geseilet. er werde gekleidet mit der scham und der verdammnisse alsam, daz si an im werden erkant reht als ein strifeht gewant.

diu helle si im iemer gar. in die swebelbrinnende schar müez er gefüeret werden hin: er tlöh den segen, der fliehe ouch in,

er nam den fluoch, den müez er hän.?

Den zweiten ausgeführten Fluch bietet

Meister Rumsland.

Loter ritter, boese pflihtgeselle,

daz din wip got von dir loese! du laz und du snelle,

snel in houbet schanden‘,

aller tugende laz!

vische vogele würme

tier mit liuten

diner fröuden bure erstürme!

swaz ich kan gediuten

gnäde in allen landen

sol dir sin gehaz.

Dich mide gruoz von allen guoten vrouwen,

din same und ouch din sät verdorre unsuoze,

Gelbö& der bere von allen touwen Die französ. Chanson de Roland hat diese Stelle nicht.

= Die Verse 2893— 2908 sind in ein Brixener Kalendar des XV. Jahrhunderts

eingeschrieben: Anzeiger f. Kunde d. Vorzeit 27, 179.

1

650 Sitzung der philosophisch - historischen Classe vom 20. Juni.

verteilet ist: der fluoch dir haften muoze. unheil dir begegene swar du k£res, swebel bech viur üf dich regene wan du schande ıneres: Got der sol min anden an dir rechen baz. (MSH. 3, 52®. 532.)

In breiterer Ausführung bietet ein Gedicht des 14. Jahrhunderts in Lassbergs Liedersal Nr.55 Verwünschungen der untreuen Frauen, und ein anderes daselbst Nr. 138, eine Reihe Flüche über die untreuen Männer.

Die Ehre wird abgesprochen; der ehrlos erklärte verliert sein Recht, das nur einem unbescholtenen gebührt. Verunehrt wird er und was in ihm ist, gescholten.

ir gunerten, Wolfr. Wilh. 110,21. 116,13. gunert sin sölhe sinne, Parz. 353,22. iuwer zunge müez guneret sin, diu allez guot gar ver- dagt und niwan daz boeste sagt, Iwein 838. der tae si guneret Iw. 7396. gheoneert moete sijn ü hant, Ferguut 2412.

sin lop daz müez im swinen, Eckenl. 7,6. des lop daz müez erkrummen, Meisner MSH. 3, 108°.

der müez allez laster hän, swer reinen froun niht guotes gan, Lieders. 166, 473.

hin daz din Schande viere, Frauenlob Spr. 415, 11.

dat hei ummer sy geschant, Karlmein. 276.14. dat hei geschant moess syn 265, 38.

Wer eine entehrende That verübt hat, ein nidingsverk, hiess in Skandinavien ein nidingr:' er ist allgemeiner Verachtung und ver- derblichem Hass verfallen, Gulathingsl. 178. Westgotal. I. orbötamal. Werde jedermanns Neiding, wenn du nicht zum Zweikampf dich stellst, lesen wir öfter in den Sagas: verdi sa nıdingr er vill eigi heldr berjast, Sveriss. c.52. ver hvers manz nidingr, ef püu kemr eigi at hölm, Ketil Haengss. c.5. en pu Hialmarr! kom südr a Samsey til hölmgongu vid mik ella ver hvers manz nidingr, ef bu kemr eigi at midju sumri at ari, Hervararss. ce. 3.

Ehrenkränkung wird in verschiedenen Formen angewünscht:

Ein fahrender Mann, der von dem Wolhabenden mit der Bitte um Kleider abgewiesen ward, ruft ihm zu: eins fremden mannes kleit müeze ir (der geizigen) hant üf ir wibes bette vinden! MSH. 3, 43”.

! Auch angelsächs. bedeutet nıding einen ehrlosen nichtswürdigen, so den Todtenschänder, Schmp Gesetze der Angels. S. 413; ımhd. aber ist nidune, nidine der voll Hass und Neid ist, dann auch der auf etwas neidisch ist: erennidine. Ahd. ist das Wort nur als Eigenname bekannt.

Weınssorp: Die altdeutschen Verwünschungsformeln. 681

Mit eklem Schmutze werde der gehasste besudelt! dat dik de ro@ (Rüde) bemijge, Niederdeutsche Bauernkomoedien S. 19. der tiuvel schiz im in den kragen, Helbl. 5,107. der teufel scheifs im auf sein hut, Seript. rer. siles. XII, 46. ich schifs dir ein dräck uff d’nasen und dry in din knebelbart, Manuel S. 28 (Bäcntorp). das dir mein dreck durch die zend werd zogen, STERZINGER Sp. I. 8, 257. Die mit 120 De- naren (3 solidi) zu büssende Schelte eoncacatus in der lex salica XXX, 2. weist schon auf ähnliches hin. '

Anwünschung ehrlosen Todes begegnet oft: in nordischen Liedern z. B. eigi hann gälgi gorvallan, Atlamal 33. horskir hrafnar skulu p‘r a ham gälga slita sjönir or, ef bu pat Iygir, Fjolsvinnsmäl 45.

Aus deutschen Quellen: swer mir schade an miner vrouwen, dem wünsche ich des rises, daran die diebe nement ein ende, Veldeke M.Fr. 58,12. wid und seil daz si ir teil, MSH. 3,153”. got gebe daz er hange in einem järe mit dem häre, MSH. 3,191°. sie müezen werden erhangen, Lieders. 187. 134. dem gesch@ daz im (dem Judas) geschach, MSH. 3, 91°. der muefs am galgen schwenken, H. Sachs Wütend Her der kl. Diebe 118. ufs an galgen allesampt. Murner Narrenb. 42, 98. fast us mit in an liechten galgen, Manuel Weinspiel 1582. gee an galgen Fastn.sp. 348, 22. 586. 9, Steinhöwel Esopus 44 (Oesterley). gang an liechten galgen, schifs hinter d’häfen, Manuel Barbali 927. heb dich an galgen, H. Sachs Rockenstub. 173. Vater Sun u. Narren 296. heb dieh naus an liechten galgen, H. Sachs v. bösen Weib 166. so far si gleich hin an Geissgalgen, Spangenberg Glückswechsel 1129. pack dich naus an liechten galgen, Ayrer Op. theatr. 2,123. dafs dich der galg verschlick, ebd. 2,122.“ dafs dich der henker reit, Fsp. 995, 3. STERZINGER Sp. VII, 327. dat di de bodel anne galgen t£, Redent. Sp. 1667. müte di de bodel slän, ebd.ıı18. der henker dich verprennen well und dass der rauch riech in die hell, Fsp. 281, 24. du must noch auf einer hurd verprinnen und solt ich die hurd auf meinem kragen selb ein ganze meil weg darzue tragen, STERZINGER Sp. VII, 283.

Dem verfehmten urteilt der Richter sein Gut ab und jeder ist berechtigt es ihm zu nehmen und zu vernichten: er wird arm und elend gelegt, alle Freude wird ihm zerstört, das Unheil wirft ihn nieder. In diesem weiteren Sinne fasse ich diese Schar der Ver- fluchungen, die hier folgen.

! Der mit 600 Denaren gebüsste cenitus, einitus (nach der Busse eine schwerere Schelte) ist auch als e@nosus gedeutet worden: pu CanGe Gloss. II, 254.

682 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 20. Juni.

er habe im al unsälde, MSH. 3, 38”. habe dort uns:elde, 3,90". daz

dich unss#lde trürie tuo, Konr. Troj. Kr. 2818. übel müeze mir geschehen, Walther 56, 32. übel und we werde dir, Karl 1993. übele müeze ez im ergän, 2028. dem müez al sin wunne gar zergen,

MFr. 126, 35. vische vogele würme tier mit liuten diner fröuden bure erstürme, Rumsland MSH. 3, 53. ich wünsch ouch in den ahsen bresten den gezierten wagen, der sie ze fröuden sulle tragen, Lieders. 54, 90. der werde unfröuden vol, MSH. 3, 88”. unheil dir begegene swar du kerest, MSH. 3, 53. ei daz im al unheil widervar, 3. 303”. heil müez sich in verzihen in allem ir gewerbe, Lieders. 54,96. daz sin nimmer werde rät Garel 3842. 4154. 5697. daz in sielde ent- wiche, MSH. 3, 64”. das dir nymmer keyn guts geschehe, Agricola Sprichw. Nr. 626. das dich alles unglück bestehe, ebd. Nr. 473. alles unglück gee an deinen palk, Fastensp. 606, 21. des müs alles unglück walten, H. Sachs verspilt Reuter 221. da schlach alls unglück zu, Sachsenheim Mörin 274. alls unglück und ein poeses jar muls dir auf deinen kragen deihen, Fastn. sp. 348.14. 588, ı2. das dichs unglück schend, H. Sachs Rockenstube 125. daz dich alls unglück schenden müefs, Mone Schausp. d. Mittelalt. 2,290. daz dich hasehart' schende, Malagis 55° Heidelb. Hs. daz dich hasehart verzer, Rüdig. v. Munre Ges. Abent. 55,1328. leit unt riuwe si dir &wiclich bereit, gar verfluochte kündekeit, Helbl. 2, 554. swer sie (die lesterliche Minne) trüeg im sinne, daz den angieng al daz leit, swaz üf der welt liutes treit, Altsw. 56, 8. got geb dir leit und ungemach, Ringıı", 8. got geb im leit mitsamt dem rampf, ebd. 44°, 8. dem müezen tüsent herze- leit geschehen, Wartburgkr. MSH. 2, 5°. dafs dichs hertzleit als mans ankum, Manuel Weinspiel 1374. das geh dich das hertzleid an, H. Sachs der Karg u. Mild 56. dafs dich das hertzeleyd bestehe, Agricola Spr. Nr. 474. habt euch das hertzleid, H. Sachs Eulensp. Pelzwaschen 378. daz dich ein veigez jär müez ankomen, Lieders. 43. 312. daz in got geb ein boesez jär beidiu still und offenbär, Lieders. 33, S2. ein poes jar auf iren nack, Fastn. sp. 502, 4. alls unglück und ein poes jar müfs dir auf deinen kragen deihen, ebd. 348,14. 588, 12. welcher dem andern fluochet eins boesen jares oder als unglück, der bessert ein schilling pfenning alles rappen, 1409. SCHREIBER Freiburger Ur- kundenb. 2, 236. dafs dich ein böse jar ankomme (angehe) Agricola Nr. 472. hab dir ein böses jar Waldis Esopus IV. 143, 94. dat dir dis dach leyde ste, Karlmein. 3, 22. hie moes dicke hebben gnaden dach, Ferguut 5000.

In der Ragnar Lodbrökssaga e.5. wünscht Kraka den schlechten

! J. Grium in Havpr's Z.f.d.A. ı, 576.

WeısnorLp: Die altdeutschen Verwünschungsformeln. 683

Pflegeeltern, dass jeder Tag für sie schlimmer als der vorangehende sei und der letzte der schlechteste (at annarr dagr se yckr odrum verri, er yfir yckr kemr, en inn sıdarsti verstr).

Auch die Vorzeichen des Unglücks werden angewünscht, also auch ein übler Angang. Hierher fällt Walthers v. d. Vogelweide humo- ristischer Fluch: hiure müezens beide esel und den gouch gehoeren & si enbizzen sin (Lacnmasn 73, 31). Die Formel in J. Paulis Schimpf und Ernst Nr.642 dass dich dis und jens angang! ist gewis sehr alt und verbreitet gewesen, bei dem herrschenden Glauben an böse Be- gegnungen (J. Grimm Deutsche Mythol. 1072ff.); leider vermag ich sie nicht weiter zu belegen.

Böse Träume gehören dazu, denn wie sonst in der Welt ward auch in Deutschland und im germanischen Norden! fest geglaubt, dass die Träume sichere Schieksalsboten seien, Boten der Götter oder Gottes. Reinmar v. Zweter wünscht dem wegelagernden Ritter, der Frauen und Mädchen überfällt: »darzuo müeze im von eijern sin getroumet«, denn der Traum von Eiern verkündete Unglück oder Tod.”

Brand und Bruch (fries. brond ende brek) ward über des ge- ächteten Haus und Hof verhängt:;° selbst ohne Ächtung brachen und branten die Friesen einem straffälligen nach Gemeindebeschluss das Haus (vergl. Rıcntnoren Altfries. Wörterbuch 671). In den Ge- schlechterfehden des alten Islands war der Mordbrand ein häufiger Racheact.

Darum ist Brand und Bruch auch in den Verwünschungen und Flüchen zu hören.

Loki bannt dem Aegir all sein Haus und Gut in Asche: eiga bin oll, er her inni er, leiki yfir logi ok brenni per a baki, Lokasenna 65. In der Busluboen flucht das Zauberweib dem König: Trolle und Elben und Zaubernornen, der Bergriesen Volk brenne deine Hallen nieder, Herraudss. ok Bosa c.5. Egill Skallagrimson liegt mit dem angesehenen Norweger Bergonundr im Erbstreit um die Hinterlassen- schaft ihres Schwiegervaters Biorn. Onundr hat die liegende und fahrende Habe Biorns sich angeeignet und auch die Verhandlung auf

! J. Grius, D. Mythologie?” S.1098f. Nachträge* S. 331f. K. Maurer Be- kehrung des Norweg. Stammes 2, 124-128. W. Hrxwrzen Die Träume in der altnord. Sagalitteratur (Leipz. 1890) 1. e.1.

® Roerues Anmerkung in seinem Reimar v. Zweter S. 624. Aus einem neueren Traumbuch (Jahrmarktsdruck von 1820 etwa) nehme ich: Eyer kaufen ist Unglück; kochen Klatscherei, essen Betrübnis. Eyerschalen zielt auf Tod.

® J. Grium Rechtsalterth. 729. Brunser D. Rechtsgesch. 1, 169 f.

684 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 20. Juni.

dem Gulathing verläuft durch gewaltsamen Eingriff der Königin Gunn- hild, der Gemahlin K. Eiriks, zu Ungunsten Egils. Ehe dieser das Ding verlässt, ruft er: »Darum rufe ich dich, Arinbiorn und dich, Thördr, und alle Männer, die meine Worte hören können, Lehns- männer und Rechtskundige und das ganze Volk zu Zeugen, dass ich den Bann lege auf alle Landgüter, die Biorn gehabt hat, dass nie- mand sie bebaue und verwalte. Ich banne sie dir, Bergonundr, und allen andern Männern, inn- und ausländischen, reichen und armen, und auf jeden Mann, der sie bebaut und verwaltet, lege ich den Bruch des Landrechts und den Bruch des gemeinen Frieden und lege den Zorn der Götter auf ihn.« Ehe dann Egill nach einem blutigen Zusammenstoss mit König Eirik, dem Gönner Bergonunds, Norwegen verlässt, spricht er die Strophe: »Mögen die Götter den Fürsten ver- treiben; so solten die Götter den Raub meines Vermögens ihm ver- gelten! zornig seien die Waltenden und Odin! Landesgott, verjage den Volksbedrücker von seinem Besitz; Freyr und Njordr mögen hassen den Feind der Menschen und den Schädiger der Heiligthümer. «

Ähnliches ergeben deutsche Gedichte. Den untreuen Männern wird angewünscht: ir kastel müezen reren ze hüfen ir gestein. Lieders. 54, 54. ze valle ste din brugge, Reimar v. Zweter 64, 7‘.

Und so muss alles, was die verdammten und verteilten haben, abnehmen und verkommen.

Kein Thau falle auf ihre Felder: din same und auch din sät verdorre unsuoze, Gelbö@ der bere von allen touwen verteilet ist, der fluoch dir haften muoze (MSH. 3, 53°) ganz wie es in der Wester- lauwer Formel heisst: him ne aegh neen dawen to bytisen (RıcHTHorEn, Fries. Rechtsqu. 430, I). Ihr Garten verderbe: ir kriutersäm verderbe in ir wurzgarten, Lieders. 54, 99. jämmerlich stehe ihre Sat: üf jämers pfat vast ste din sät, Frauenlob Spr. 33, 16,

Was sie besitzen, komme in andre Hand, verliere an Wert, gehe ganz verloren: ein ander sinen richtuom habe sin gewinne ein ander uberhant, der nem im lip liut und lant, Karl 2898. des swende got der vürsten guot, Dietr. Flucht 7970. Alterthümlich lautet es, wenn im Emsiger Fiaeid (Rıcntuoren 246,19) dem falsch schwö- renden angewünscht wird, dass sein Stall- und Waldvieh (thin wik and olle thin woldsket) ihm entlaufe (fliande werthe). Dagegen klingt die Geldwirtschaft aus dem Fluche: dem (Wucherer) solt diu äht wer- den kunt, daz im küm belib ein phunt ze sämen, der in widerbriht in des tiuvels abers#ht, Helbl. 8, 1009. ze helbing müezen ir pfunt unnützlich gedihen, heil müez sich in verzihen in allem ir gewerbe,

! Hier bildlich. aber aus wirklichem entnommen.

Weınnorn: Die altdeutschen Verwünschungsformeln. 685

Lieders. 54, 94, das Geschmeide soll wertlos werden: ir goltgespenge in valschez bli müeze sich verkeren ir finiu berlinoere vergenzen und verwahsen, Lieders. 54, 51. 86.

Im Spiel sollen sie Unglück haben: ir ses sich in drige ver- wandel üf ir topelspil, Lieders. 54. 108.

Ihre Kleider sollen von den Riegen schwinden und ihnen von dem Leibe fallen: so im Emsiger Fiaeid (Rıcntnoren 246,20) und entsprechend: ich wünsch daz im abrise sin wät, swer unstete si, Lieders. 138, 295.

Und so wird mit kräftiger Erfindung alles was Freude und Heil, Ehre und Förderung bringen kann, verflucht und verboten.

Sonne und Mond sollen dem verteilten nicht mehr scheinen: him ne »gh neen sonne to beschynen, Rıcntuoren Rechtsqu. 424, Anm.ı, din ungetriwer valscher lip solt @wielich begraben sin hie vor der sunnen schin, Hätzler. 233”. Eine häufige Formel dafür war in der Sonne Hass fahren: rit dine sträzen und hebe dich der sunnen haz, Erek 93. er hiez in der sunnen haz hinvarn, Frauend. 375, 26. ir sult varn der sunnen haz, Parz. 247, 26. der var der sunnen haz, Rüdeger v. Munre (Ges. Ab. 55. 677). si hieznen strichen der sunnen haz, Erakl. 952. ir soltet sie (die trüllerinnen) der sunnen haz heizen strichen Berthold Pred. 6, 26. du slüegest in in der sunnen haz und des mänen darzuo ebd. 255, 15. In der Excommuniecatio rebellarum, einem Abschnitt des Liebesconeils, eines lateinischen Gedichtes des ı1/12. Jahrhunderts aus der Touler Diöcese, heisst es: Luna Jovis famula, Phebus sua vernula, Propter ista erimina Negent vobis lumina. Sie sine solamine Careatis lumine (Haurr Zeitschr. 7, 166).

Die freie Luft, die frisch über die Weite streicht, wird dem ver- wünsehten versagt: der luft im vient werde, Karl 2907. und so in Selbstverfluchungen: man solte mich vermüren, daz mich niht ruorte me der luft, Eekenl. 144, 7. der luft mich solte miden, Labers Jagd 365,1.

Auch der reine Wassertrunk wird als Labung versagt: ich wünsch den küelen brunnen ersigen in, Lieders. 54, 74. Und in seiner Vertluchung der Gerdr wünscht ihr unter anderm Skirnir, dass sie in den Tiefen der Unterwelt nur Ziegenharn zum Trunk erhalte, Skirnism. 35: pär per vilmegir ä vibar rötom geita hland gefi. opri dryckja fa aldregi, mer!

Wenn der Sommer gekommen ist mit dem Vogelsang in den grünen Bäumen, und mit den bunten Blumen, wenn die Rasenplätze zum fröhlichen Reihen laden, seien diese Freuden dem gehassten

versagt:

686 Sitzung der philosophisch - historischen Classe vom 20. Juni.

ich wünsche in dem. meien ob si dann wollen reien, die wasen müezen valwen und die bluomen salwen, swar sie ze velde keren. Die linden müezen reren ir loup swä si zogen zuo. ich wünsch ein ieglich vogel tuo als ich im nu gebiete, daz er sich swigens niete swä ez ir keine hoere, Lieders. 54, 75-85.

swer uns die fröude wende, den vermiden rösen und alle zite- lösen und aller vogeline sane, Tanhuser MSH. 2, 63°. dem sin die rösen widerseit, Helbl. 13, 165.

ich wünsche daz in (den untreuen Frauen) kein seite iht doen ze tanze, ir bluomen von ir kranze sich sigen unde smiegen, Lieders. 54, 56.

Auch der Gruss der Glocken wird verboten: kein glocke müeze im erklingen, Frauenlob Spr. 31,12.

Dem Waidmann wünscht der Feind oder Verächter Unglück bei der Jagd; sein Horn soll nicht tönen, Hund und Beizvogel versagen, das Wild verstört werden.

ich wünsch daz im erwüeten sin wint und ouch sin vogelhunt, ich wünsch daz im ze keiner stunt kein jagthunt iht ervar, swar zuo er kere dar, daz al geswigen snelle. ich wünsch daz im iht helle an dem gejeit sin walthorn,' daz ez den hal habe verlorn und ez werde timmer. ich wünsche daz er nimmer gevähe w£enie oder vil, ich wünsch daz im kein vederspil iht guot müge bliben; swä er beiz daz imz ver- triben die krän daz gevügel, Lieders. 138, 298-313.

Ist der verwünschte verliebt, so verzehre er sich hoffnungslos in Sehnsucht: der müez als unsanfte ringen als ich tuon mit seneden dingen, Fenis M Fr. 85,18.” den schol von keinem röten munt guoter tröst noch wän geschehen, Suchenwirt 24, 320.

Keine reine Frau grüsse ihn, alle sollen ihn hassen und ihm fluchen:

hermine zen, scharlachens munt werd im von vrouwen nimmer kunt, Reinmar v. Zw. 221, ı1. in schol kain lieplich blick ansehen von kainer rainen frawen zart, ir munt der sei gen im verspart, daz im kain gruoz müg werden kunt von kainem rösenvarben munt, Suchenw. 23, 58. dich mide gruoz von allen guoten frouwen MSH. 3, 53. im sch® von frouwen nimmer guot, swer frouwen lop niht mere, MSH. 3, 21”. die solten alle frouwen guot beid hazzen und vertriben, daz in kein guot geschehe von wiben, Hätzler 210, 356.

all rain fraun sein im gehaz, Suchenw. 24, 298. ich wünsch daz ab im grüe allen reinen wiben, Lieders. 138, 334. herre got gip dem ver-

! einen guten Jagdwunsch spricht Walther v. d. Vogelweide 18. 26: sins hornes duz erhelle im und erschelle im wol näch £ren. ® ausdrücklich als Fluch 35, bezeichnet.

WeixnorLp: Die altdeutschen Verwünschungsformeln. 687

sehamten man der wibe fluoch. der manne ban, der näch der schalkheit gähet, MSH. 3, Sı.

Als die höchste Steigerung ihrer Flüche legt das Zauberweib Busla auf den König Ring, dass er sich nieht mehr an Mädchen als Mann erfreuen könne:

po’ skal per sidar synu verra, ef pu vilt vid meyjar manns gaman hafa (Fornald. s. 3, 205).

Skirnir legt auf die spröde Gerdr, die des Gottes Freyr Werbung abweist, den Fluch, dass sie mit einem dreiköpfigen Riesen immer leben oder mannlos bleiben solle in Sehnsucht und Trauer, und gleich einer Distel verdorre, die zur Scheuer gebracht ward; unter Anrufung aller Riesen zu Zeugen, bannt er ihr dann Verkehr und Genuss der Männer (Skirnismäl 31.34). Der verhassten Gullrond ruft Brynhild im 1.Gudrun- liede 23 zu: von se su vettr vers ok barna! entbehren müsse die Hexe des Gatten und der Kinder!

Auf die Männer wird der böse Fluch gelegt, dass sie erbenlos dahin fahren, ihr Geschlecht mit ihnen erlösche.' Der Kanzler sagt: daz wolt ich die biderben daz sie jungeten sich, die boesen daz sie nimmer vruht gebxren, MSH. 2, 396”. än erben müezen sie vervarn, wünscht Walther v.d. V.23, 23 den tugendlosen Herren, und Konrad v. Würzburg den von Schande gebundenen Männern und Frauen, daz an ir sun er- wünde ir beider künne gar, MSH.2, 333.“ Im Emsiger Fiaeid wird auf den Falschschwörenden gelegt, dass kein Erbe von seinem Leibe entspriesse (thetter fon thina liwa nen erwa insprute, Rıcntnoren Rechtsqu. 246).

Das Leben der Männer blüht auf in voller Kraft auf der See und im Kampfe. Schwere Flüche daher sind, dass ihr Schiff und ihr Ross und ihr Schwert in der Not versagen sollen. So flucht Sigrun ihrem Bruder, der ihren Gemahl Helgi tötete: Still liege dein Schiff, ob auch Wunschwind es treibe! nicht renne dein Ross, wenn der Feind dich auch hetzt! nicht schneide dein Schwert das du schwingst, ausser es sause dir selbst ums Haupt!” Helgaqu. II, 32. 30. Das sind formel- hafte Verwünschungen: in einer Westerlauwer wird dem Verfehmten zugetheilt, dass kein günstiger Segelwind ihm wehe (him ne »gh neen wynd to wayen, Rıcntuoren Rqu. 424. Anm. r.) und dass kein Mann ihn weiter sehe (him ne sgh neen man to bysyaen (ebd.), eine Verwünsehung die sich merkwürdigerweise auch in einem Liede des Markgrafen Heinrichs des Erlauchten von Meissen findet: versigelen

ı Wie es Psalm 109, 13 heisst: seine Nachkommen müssen ausgerottet werden, ihr Name werde im andern Gliede vertilget.

2 Durch Zaubersprüche konnten den Gegnern nach dem lange dauernden Glauben die Waffen unschädlich gemacht werden; so heisst es in den Havamal 148: eggjar ek deyfi minna andskota, bitat beim vapn ne veler.

688 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 20. Juni.

müeze er üf daz mer von wibe und von kinde, MSH. ı, 14°. Breiter führt ein unbekannter Dichter des XIV. Jahrhunderts jene alten Ver- wünschungen gegen die untreuen Männer aus:”

Swä er (der unst#te) in grözen reisen var, daz man in vür den boesten habe und im ros unt pfert ge abe lesterlich ein michel teil ich wünsch daz im zerbrisen sin rosses gurt in rehter nöt. er ein jemerlichen töt von sinen vinden fliehen sal, daz er in einen graben vall und ez im niht wol erge. ich wünsch daz im sin ros beste üf witer heid und werde ze r#h, er allergernest seh das ez in üz neeten trüege, Lieders. 138, 194-197. 208-217. ich wünsch daz im miüez weichen sin wäfen steinhert. als ein wahs, daz man bert, werd im sin swertes klinge, ich wünsch sin harnaschringe fülen im und risen. ich wünsch daz im got füege die lesterlichsten zite: er ernstlich strite üf dem velt mit wernder diet und sich manec helt niet von vinden jzmerlicher pin, daz er von dem herren sin müez tliehen dem er hete gesworn, und daz er si als lang verlorn biz man des strits erwinde, daz man in vinde swä man aller werde warten, in einem krütgarten, Lieders. 138, 202-207. 218-230. ich wünsch dem veigen triuwenfri, swä er vor minneclichen frowen turniere man sulle schowen und kiesen ritterliche tät, daz er lide gröz versmät von stezen unde streichen, daz im der ruck müez weichen von grözen slegen unversunnen, 138, 240—48.

Interessant sind zwei skandinavische grosse Verwünschungen, die beide so lange gelten sollen, bis der Frevel gesühnt oder der Zweck der Drohung erreicht ist. Die erste hat Saxo Grammaticus in ge- zierter lateinischer Fassung im ı. Buch seiner dänischen Geschichte (S.49 der Mürwerschen Ausgabe) auf Grund eines altdänischen Liedes überliefert. Der mythische Held Hadding hat ein Merthier erschlagen, in das ein göttliches Wesen sich verwandelt hatte und wird deshalb von einem dämonischen Weibe verflucht: »Ob auf dem Lande du wan- delst oder die See durchschiffst, den Zorn der Götter wirst du füllen und über den Erdkreis hin wird alles dich hassen. Auf dem Lande wirst du stürzen, auf der See zerschüttelt werden, den Wanderer wird der Wind verfolgen, dein Segel der Sturm durchrasen, wenn in ein Haus du flüchtest, soll der Wind es brechen, dein Vieh soll die Kälte töten, Unheil wirst du bringen, dem du nahest, gleich dem Aussatz wird man dich fliehen und mehr als die Pest. So werden die Götter dich strafen, denn einen der ihren in fremder Hülle hast du mit frevler Hand gemordet. Wenn die See dich aufnimmt, sollen die

2 L. Unraxp (Schriften 3, 272) hat auf ein Sirventes Bertrands von Born auf- merksam gemacht, worin derselbe ganz ähnliche Verwünschungen über sich ausspricht

falls er treulos sei.

Weın#oLp: Die altdeutschen Verwünschungsformeln. 689

Winde sich auf dich stürzen um die Wette, bis den göttlichen Zorn du «demütig gesühnt hast. «

Den zweiten grossen Fluch enthält in rythmischer Form die Herrauds und Bosisaga (Cap. 5) in der sogenannten Busluboen. Die zauberkundige Busla will den König Ring von Ostgotaland zwingen, das Todesurtheil über seinen Sohn Herraudr und dessen Pflegebruder Bosi aufzuheben. Wenn er das nicht thue, so schliesst jede Strophe, soll ihn schwerstes Unheil treffen: die Felsen sollen wanken, die Erde erbeben, beispielloses Unwetter losbrechen, wenn König Ring dem Herraud nicht Frieden, dem Bosi nicht Leben gewährt. Nattern sollen sein Herz fressen, seine Ohren taub werden, seine Augen heraus- springen wenn er segeln will, zerschleisse das Takelwerk, wenn er steuert, breche das Ruder,' die Segel verwickeln sich, die Taue reissen. Will er reiten, soll der Zügel schlaff hangen, die Hengste erlahmen, die Gäule verschlagen, und alle Wege und Steige sich dop- peln, dass er sich verirre. Liegt er im Bett, so brenne er wie ein Strohfeuer: sizt er auf dem Hochsitz, schwanke er wie auf der Krone der Welle. Umsonst sei der Wille, zu freuen sich des Mädehens, wenn er dem Herraud nicht Frieden, dem Bosi nicht Leben gewähre.

Gesundheit und Leben, der lip, wird von den Verwünschungen von allen Seiten angegriffen.

Der zuo der minn iht trewen hab dem swind unz in sin grab lib und guot und ouch sin leben, so lautet das Urteil über die treu- losen, das Frau Staete und Frau Gerechtigkeit durch die Frau Maasse schöpfen lassen, Suchenwirt 24, 303. Und ähnlich lautet es in dem oft hier benuzten Gedicht gegen die ungetreuen und leichtfertigen Frauen (Liedersal Nr. 54): ei gerehte Minne grif zuo, beroub ir liehtiu ougen ir krefte, diu tougen mit falsche schinen kunten! munt wangel, diu zunten, suln an ir roete erblichen, daz sich die sts#te- richen an ir niht vergaffen, v. 136-143.

Reinmar von Zweter wünscht der persönlich gedachten unrechten Gewalt: stwete als ein tou si rippe unt ouch din rucke, 64,8.

Der Spiegel soll den leichtfertigen Schönen ein hässliches Bild zeigen, das lockige blonde Haar soll ihnen ausfallen: ir spiegel sie betriegen müezen swenn sie sehent darin, daz ir schoene unschoen

! Auf der Todesfahrt Gunnars und Hognis zu Atli trifft das alles ein, Atla:nal 37: röa namo riki, rifo kjöl halfan, beysto bacfollom, brugduz heldr reidir, homlor slitnopo, häir brotnodo, gerdut far festa adr peir fra hyrfi. Auch dem Hagen bricht das Ruder bei der Fahrt auf der Donau, Nibel. N. 1504.

Sitzungsberichte 1895. 62

690 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 20. Juni.

schin, swenn sie sich gerne machten klär. ir reidelahtez gelwez här in rise ab ir swarten, 60-65.

Dem falschen wünscht Suchenwirt (23, 76) dass ilım Schweins- zähne aus dem Munde wüchsen. Auch Anwünschung von Zahn- schmerzen begegnet: we dir in die zende, Neith. 56, 27. Daz ins Sanct Zene löne! heisst es MSH. 3, 244° in einer unechten Zusatzstrophe zu einem echten Neithartliede: der heilige Zeno von Nikomedien hat ausgerissene Zähne als Attribut wegen seines Martyriums. daz du werst durch die zend geprent, lautet ein Fluch in einem Sterzinger Spiel (1. 343).

Versehwellung und Lähmung der Zunge wird denen ange- wünscht, die sie unrecht brauchen: daz si (diu zunge) verswellen müeze und ouch die kel, Wartburgkr. 20, 7 (Smrock). wünsch ich daz sin ungetriuwe zunge müeze erlamen, Walther 28,25. daz im diu zunge sin erlame, MSH. 3,44”. des zunge müeze erlamen, 3,96'.

Taubheit und Blindheit werden oft angeflucht: des var diu suht in iuwer ören, Reinm. v. Zweter 266,4. eyru Pin aldri heyri, en augu pin üthverf snuist, Busluboen.

daz im diu ougen üzfüeren, Walth. 61,3. daz ir ein oug üz dem kopf swer, Kerrer Erzähl. 196,27. daz diu ougen im erglasen, Helbl. 2,512. got mache ez (daz kint) krumb und blint, 15, 200. ich gedäht daz du erblindest, MSH. 3,197°. du muest mir an beiden ougen erplinden, Sterzinger Sp.ı,341. müezen diu ougen din die unsxzlde und daz leit haben, daz siu dir werden üzgegraben, GrImM Reinh. F.S. 329. der henker stech dir die ougen ufs, Pauuı Sch. u. E. Nr.ı53. dafs euch paide pock plent und schend, H. Sachs kuplet Schwieger 327.

Allerlei Gebrechen und Leiden werden dem verhassten ange- wünscht: ich wünsche daz im wahs ein hover und ein grözer kropf, Helbl. 1,543. wolde got wer din houbet fül, Rexser 12191. dafs dir ein or abfalle mit nase und mit alle, Untann Volksl. S. 662. der hodenbruch werd dir und das dir w@ am zümpfel si, Manuel 262, 26.

Lähmung: erlamen müezen im diu bein, Walth. 28, 23. wie daz ir bein ir arme ir hant ir zunge nicht erlament, Lacnmann Walther 141,16. daz sie müezen gar erlamen an ir zeswen lerzen hende, Frauenlob Sp. 31, ı1. den müezen erlamen die knübel, Hauvrr Z. f. d. A. VI. 492. ei daz er müez erkrumben, MSH. 3,202". daz din hant erkrumbe, MSH. 3, 264°. 285°. ey so gee hin dafs du erkrumbst. H. Sachs mucket Weib 51. Im Falle des Meineids werden im Emsiger Fiaeid alle Knöchel und Gliedmaassen vermaledeit (Rıcntuoren Rqu. 246, 18).

Wir erinnern uns nun der Verbindung des Wortes mit dem Zauber. Noch heute ist der Glaube nicht erloschen, dass Gebrechen und

Weıssorp: Die altdeutschen Verwünschungsformeln. 691

Krankheiten durch einen Fluch oder Spruch Menschen und Thieren angehext werden können: der Aberglaube glimmt unter der Asche der Aufklärung und des Unglaubens lebhaft fort. Oft genug wollte zwar der Fluchende seinem Grimm und Zorn in soleher Anwünschung nur einen Aderlass geben, noch öfter aber. war der Fluch ernst ge- meint, und die Polizei sah sich veranlasst, Erlasse dagegen zu geben. Ich führe nur ein Basler Mandat von ı411r an:

wer dem andern den siechtagen, daz vallent übel fluchet in zormnes wise, es syen fröowen oder mannes namen, die ob vierzehen jJaren alt sien daz der oder die x. 8. verbessern sollen als dicke er den flüch in zornes wise tut, als ob er messer gezucket oder in einer ander wise ein unzuht beschuldet hette. wer aber dem andern densel- ben fluch tut in schimpf und in verlassener wise, der sol funf schil- ling verbessern (Baseler Rechte 1,92 £.).

Die germanische alte und allgemeine Bezeichnung des krank- seins ist suht (got. sauhts, altn. sött). Durch Beisätze wird suht auf besondere Krankheiten bezogen, z. B. vallende suht, kalte s., swin- dende s., tobesuht. bluots., hirns. u. s. w. Betreffende Formeln der Anwünschung' sind:

daz dieh diu suht müez hiut bestän, Lieders. 73,51. die suht an iuwern lösen kragen! Grmm Reinh. Fuchs S. 302. haf de sucht in dinem nacken, Karlmein. 3,18. hin ze allen sühten, Helbl. 2, 746. die suhte (heute in schwachem Plural die Suchten) sind die Krankheits- dämonen. In alten wie in heutigen Beschwörungen erscheinen sie in grosser Zahl, so zu 9 oder 99, auch zu 77.”

In althochdeutschen Glossen wird suht durch plaga gedeutet, das ins Deutsche von NoTker herübergenommen, als pläge im Mittel- hochdeutschen neben Qual, Misgeschick, auch Krankheit, namentlich eine Epidemie bezeichnet. In Flüchen finde ich es erst im 15/16. Jahr- hundert: ei dafs dich all plag und straaf angang... pestilentz bül blattern lemmen u. a., Fastn. sp. 684, 29. dafs dich die plage be- stehe (diese plage ist das falbel das fallend ubel, die grosse seuche, die grosse krankheit Agricola), T. Spr. Nr. 436. dafs dich plag bestee, H. Sachs Fastnachthon 293. dass dich all plagen münd ankon, Boltz Weltspiegel 3531. dafs in all plagen müess angan, Manuel Wein- spiel 558. 587. dafs in all bül und plagen schend 783. dafs dich all plag und hertzritt schütt, Ruff Adam und Eva 2317. Landschatft-

! Eine kleine Sammlung von Verwünschungsformeln auf Krankheiten bezüglich, vor- nemlich aus dem 16. Jahrhhundert, gab Aug. Stöber in Fromnans deutsch. Mundarten 6, I—II.

® A. Kunn in s. Zeitschr. 13, 128. Wwrrke Aberglaube $$. 135. 229. Bartsch, Mecklenb. Sagen 2, 394 96.

692 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 20. Juni.

lich bezeichnet plage unterschiedene Krankheiten: Epilepsie, Magen- krampf, Durchfall: Lexer in Gruus D. Wb. VII, 1878. Agricola sah das fallende Übel, die Epilepsie darin. Wir werden dem Wort bald weiter begegnen.

Die furchtbare Plage des Mittelalters die lepra, deutsch misel- suht, die durch die Kreuzzüge und die sich verbreitenden Juden im 12-15. Jahrhundert auch Deutschland arg heimsuchte, finden wir gerade in dem Judeneide zuerst und zwar als Fluch auf den Meineid gelegt: ob du unrehte sweris, daz dich di muselsuht beste, MÜLLENH. SCHERER Denkm. C, 5 (dazu die Anmerkungen).

In der gereimten Vorrede zum Sachsenspiegel v. 234 wird denen die falsche Zusätze zu dem Rechtsbuche verschulden, angewünscht: de meselsuht müze in bekliben! Ausserdem weiss ich diesen Fluch nur aus Helbl. 1, 1203 nachzuweisen: dich diu suht benasche, daz dir hüt und här abge.

Am üppigsten und groteskesten schiessen die Krankheitsflüche seit dem Ende des 15. Jahrhunderts ins Kraut. Das hängt theils mit den zahlreichen Epidemien der Zeit und den neu auftretenden Krank- heiten! zusammen, theils mit dem grobianischen Winde, der über das Land streicht.

Ungemein häufig wird das Fieber, der ritte, angeflucht; es kann darunter das im 16. Jahrhundert häufig epidemische Wechselfieber ver- standen sein, aber auch Fieberformen mit Karbunkeln und Bubonen, vielleicht auch der damals neue Flecktyphus. Ich gebe nur eine kleine Zahl Belege:

der ritt dieh schütt, Hätzler. S.LXXI, 24. ich wolt dafs sie der ritten schitt, Murner Narrenbeschw. 86, 48. wolt got das sie der ritte schitt, Murner luth. Narr (Scheible 82). dafs der ritt schitt den mönch in sinen hals hinyn, Narrenbeschw. 32, 92. dafs üch der ritten schitt, zu gutem welsch le febre quartan, 82, 32. dafs dich der ritt als tropfen schütt, Ruf Weingarten 1786. dass dich der ritt in d’knoden schitt, Manuel Weinspiel 454. got geb dir die drüs und den ritten, Schade Satir. I. 157. 106. got geb dem brauch die ritt, Waldis Esopus IV. 43, 25. es will den ritten han (= das ist verflucht) Waldis ebd. III. 89, 27. IV. 46, 33. du hast den ritten vff din hertz, Murner Geuchmatt y. 4".

der gächritten gehe dich an (difs wort ist am Reynstram fast gemeyn und ist meins denckens der ritt das fieber, das kalte oder

! Register von Krankheiten des 16. Jahrhunderts in N. Manuels Spiel Elsli Trag- denknaben 107, und in Hans von Rüte Fastnachtspiel von Abgötterei, in Bächtolds Nikl. Manuel S. 261.

®2 Vel. auch Froumaxn Deutsche Mundart. 6,1f. Grium D. Wb.], 220. 230.

VII, 1052 ff.

® r . * Weınuorn: Die altdeutschen Verwünschungsformeln. 693

frorer. der gächritten aber das feber, das die ertzte nennen das pestilentzisch feber, das bald ende gibt vnd todtet), Agricola T. Sprichw. Nr. 478. Gäch- oder Gachritten wird auch zu Jarritt ent- stellt: Hans Sachs hat es besonders häufig,' z. B. des schütt dich der jJarritt, vom Kaufmann und alten Weibern 210. Fastnachthon 86. dafs euch der jarritt schend, Hausmaid und Gesell 44. nu muls ewer der jarritt walten, v. bösen Weib 92. da mufs der jarritt zu dir schlagen, Hausmagd und Kindpettkellerin 128. der jarrit dank der warheit dir, Fabel von der Landsknechten Zulauf zur Trommel 1190. dafs in der hertz jarrit schitt, Murner Narrenbeschw. 95, 103. dafs vch (dich) der jor hertz ritten schit, Schelmenz. Vorr. 87. 5. 40.

In diesen lezten Formeln ist jarritte mit herzritte (in Vocabu- larien des 14. 15. Jahrhunderts mit syncopis, cardia erklärt) ver- bunden, das auch allein bei H. Sachs in Flüchen auftritt.

Gleichbedeutend mit ritte? ist der sehüttel oder schüttler: dass dich der schittel angee, Fsp. 1000, 14. ey das geh dich der schütler an, H. Sachs Rockenstube 182. flucht den schüttler trufs und auch die beuln, H. Sachs Bauer m. d. Plerr 81.” Ferner das kalte wee: dass diehs kaltwee in d’schinbein schütt, Etter Heini 586. dass dichs kaltwee und der ritt als keiben apostützlers schitt, Ruff Ad. Eva 4287. das dritägig kalt wee sy die frucht, Manuel Elsli ı 12.

Krampf und Gicht habe ich in den Flüchen nicht oft ge- funden:

got geb im leid mitsamt dem rampf, Ring 44", 8. darzuo geb im got den rampf 39,7. Gsucht und krampf gang dich an, Manuel Elslir 10. hab dirs gicht, H. Sachs alt Buler 401. Zween Gevatter ı 12. dafs dichs gicht ankum, Schade Satiren II. 120,12. das gegicht hab, Manuel Elsli 125.

ich wil dir tuen gelsucht, schwintel und das potigra, Sterzinger Sp. I, 115. pestilentz bül platern lemen potegran, Manuel Elsli 109.

Dagegen sind weit verbreitet einige mit Heiligennamen aus- gestattete Flüche, welche Krankheiten anwünschen, gegen welche jene Heilige als Nothelfer angerufen wurden. Unter dem Titel: dafs dich die vier bottschaft ankommen, schrieb Johann Agricola in seinen Sybenhundert und Fünfftzig Teutscher Sprichwörter Nr. 528: »diese fluche seind seer newe vnd von der zeit an auffkommen dafs die Stationirer vnd Landfarer in deutschen landen sind auffkommen.

! Vergl. Gruss D. Wb. IV. 2, 2247. Der hier nach Grium wiederholten Deu- tung als Jahresfieber (febris continua) kann ich nicht beitreten.

?2 mhd. rite, ahd. rito, ags. hride. (ahd. ridan, ags. hridjan, fiebern.)

3 Belege aus neuerer Zeit bei ScnmeLter B. Wb. II?, 490.

694 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 20. Juni.

die lieben heyligen schaden ye niemant, sonst weren sie nit heylig worden vnd ruwen im schofs Abrahe, noch mfilsen sie herhalten vnd dem geytz dienen. Es hett aber solcher geytz keinen deckel gehabt, wo die heiligen nieht weren zu henckern, stockmeystern vnd mördern gemacht worden, dafs man sich vor ylınen hett gefurchtet. daher seind kommen die vier potschafften Sant Valtin zu Rufach, S. Ru- precht, Sant Quirin vnd sant Anthoni, vnd eyn yeghlicher kunde für eyn sonderliche plage helffen vnd radten. Wenn nun yemandt tlüchet die vier botschafften, so tluchet er die vier plagen, dafür die potschafften die leute bereden, yhre bevelchgeber können yhnen helffen« (Hagenau 1534).

Die S. Ruprecehtsplage ist der Rotlauf; in Verwünschungen ist sie mir nicht bekannt. Aber S. Velten- S. Quirin- und S. An- toniübel und als vierte Plage Sant Urbans sind im 16. Jahrhundert stark geflucht worden. wie unten belegt wird. Als Unterstützung der Bemerkungen Agricolas können noch Th. Murners Verse in seiner Narrenbeschwörung dienen: »die mit heiligen statzionieren Vnd das Heiltumb vmbher fieren, Wendt sich des bettels ouch begon Vnd gendt iärlich ein pentzion Vnd liegen von sant Veltins plagen, Von sant Thengen feür sy sagen, Von sant Kürin, von sant Vyt, Bifs das ein yeder opffer gyt. 25, S4ff. (vergl. auch 56,65. 85, 46).

Sanet Valentins, Valtens, Veltens Plag hiess früher die fallende Sucht, der fallende Siechtag, das fallende (falled, falt) Übel, auch bloss das Fallende. Es ist die Epilepsie.

Wer dem andern tluochet das fallent übel der bessert zwen schil- ling, SCHREIBER Freiburger Urk. Il. 236. a. 1409. In den Luzerner blasphemiae (Haupt Z. XXX, 400. 412) aus dem 14-15. Jahrhundert werden eine Menge fluchender Anwünschungen desselben Übels auf- gezählt: das si das vallende ubel angange und ein bös jar hab ir gewunscht das vallent ubel in das hertz das er minen herren daz vallent ubel in buch geflucht hat das ir got das nün vallend übel, das hundert vallent übel, das tusent, das hundert tusend vallent übel geb das dich das tusent vallent übel in diner muter lung angang got geb in allen das tusing vallent übel in ir zungen, die ir zungen ie ze der urteil gebrucht u. s.w. das vallend ovel slaen nacht unde dach, Theophil. ı, 343. der vallend und froelich siechtag werd dir ouch, Manuel Elsli ııı. das tausend valled übel ge euch in den pauch hinein, STERZINGER Sp.2,.275. hab dir das fallend ubel, H. Sachs Karg und Mild 430, er solt wol das valt übel hon, ebd. Blind Mesner 82. das falbel gehe dich an! also reden die Sachsen und Döringer, sonst soll es heyfsen das fallent ubel, Agricola Nr. 475. dafs dich das falbel an, Alberus Fabeln 14. 49. Bei den Flüchen, die das fallende

Weınsorp: Die altdeutschen Verwünschungsformeln. 695

Übel in Herz, Lunge, Zunge und Bauch hinein wünschen, ist wol an Lähmung oder Krampf zu denken.

Mit dem fallenden Übel oder Siechtag ist nun S. Valtens Siech- tag, Leiden, Arbeit, Plage gleich bedeutend. Der heilig gesprochene Bischof Valentin von Terni hatte durch Heilung von Epilepsie Römer zum Kristenthum bekehrt und deshalb den Märtyrertod erlitten. Ein anderer Valentin von Viterbo galt auch als Helfer gegen Epilepsie und Pest. So bezeichnet denn im 16. Jahrhundert S. Valentins Krankheit die Epilepsie, ja der Name des Heiligen allein dient für das Übel, gegen das er hilft und wird zum Fluche: lass lungen und leber Sant Veltin haben, Manuel Weinspiel 518. dafs dich Sant Velten ankomm oder schend, Agricola Nr. 500. den pachen lafs Sant Felte haben, H. Sachs Pachenholen 110.

Dafs dieh Sant Veltens arbeit bestee, Manuel 432 (Grüneısen). dafs euch alle S. Veltens leiden schend, Z. f. d. Philol. 20, ı70. solt Sant Velten siechtag han, Grob Schützen (Haupt Z. 3, 247).

Ein zweiter Krankheitspatron und Krankheitsender, nach dem Glauben der Flucher, war Sanet Quirinus. Agricola T. Sprichw. Nr. 502 schreibt: »dafs dich S. Kürin ankomme! Im Niderlande wirt geglaubt, wie sant Quirinus macht habe, die leute vor vil plagen, seuchen und kranckheyten zu bewaren, darumb er auch für eynen nothelffer wirt an gebettet, vnd indem man sich vor yhm fürchtet, als vor einem stockmeister und hencker, so hat man walfarten und pilgerfart auffgerichtet. «

Nach Paracelsus «(R. Hırpegranp im D. Wörterb. V, 2801f.) hiess S. Küris buss oder rauch ein mit Fieber verbundener böser Ausschlag, der zu offenen Schäden führte.

Sanet Küris plag dich gang drumb an, Ruff Ad. u. Eva 3945. dafs dich Sant Kürin und der ritt als riechen keiben luren schütt 5025. es ist darin S. Küris ritt, Etter Heini 2318. dich sol Sant Körnis leiden bestan, Römoldt Hoffart 1158. Sant Köres marter komm dieh an, Alberus (Grımm d. Wh. 1, 386). ei dafs er hab S. Qui- rins buls! H. Sachs Verdorb. Edelmann. tlohe derhalben als jaget ihn S. Kürins bufs, Lindners Rastbüchl. Nr. 7. ir mägd habt euch sant Kürins rouch, Scneir Grobianus 1557.

In groben Schwurformeln ward Sant Kürin gleich den andern Krankheitspatronen von den Landsknechten und andern oft gebraucht. Im grossen lutherischen Narren lässt Murner (1522. M.ı1ı1*) den Lands- knecht Veit sagen: »Noch sein der andern heiligen man die bruch ich

! In Luxemburg heissen die Blattern Greinsbloderen. In Baiern ist das Kireinsöl ein volksthümliches Heilmittel, das aus einer Asphaltquelle bei Tegernsee quillt; Qui- rinus war der Patron von Tegernsee. Er war in Ol gesotten worden.

696 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 20. Juni.

so ich schwer, Sant Veltin und sant Kürin beid, Sant Veit sein dantz mit anderm leid, Sant Huprecht und Cornelius ouch, Sant Deng mit fewer und auch rouch Vnd Gotz marter auch damit, die heiligen mag ich laszen nit. Gotz iudas wobey wolt ich schweren, Wan du mir woltest die heiligen weren?«

Der hier genannte Sant Deng mit fewer ist der h. Antonius, eigentlich Antonius der Einsiedler, der gegen Feuersbrünste half; aber der berühmtere Antonius von Padua ist gewöhnlich, selbst von Th. Murner, mit ihm vermengt worden. Die Krankheit seines Patronats war das Antoniusfeuer, auch das heilig oder kalt Feuer (ignis sacer, pestis igniaria, mal des ardents) genannt, eine furchtbare, besonders vom 9.—-13. Jahrhundert häufige Krankheit. welche das Fleisch von den Knochen löste und verzehrte. Oft fielen die Hände und Füsse der Kranken ganz ab. Die Krankheit wird mit dem Genuss des Mutter- korns in Verbindung gebracht. Als Helfer dagegen galten ausser Antonius die h. Jungfrau. Genoveva, Martialis und Vitonus.' Zu dem Fluch »dafs dieh Sant Anthoni ankomme« bemerkt J. Agricola Nr. 499: das kalt fewer das frisset umb sich und tödtet oft den menschen.

Andere Belege des Fluches:

dass dich Sanet Tönges fewr komm an, Alberus (Grkmm D. Wh. I. 386). Nun zünd dich Sanet Töni an, Scheible Kloster VII. 2, 748. sanct Töngen rouch gang dich an, Manuel Elsli 110.”

Unter den Krankheiten, die im 16. Jahrhundert fluchend ange- wünscht wurden, erscheint auch der Veitstanz. Diese nach dem h. Veit benannte ekstatische Tanzwut trat im ı1. Jahrhundert in Anhalt, dann in Thürıngen, den Niederlanden und am Oberrhein auf und war im 14. Jahrhundert epidemisch. Der letzte grosse Ausbruch erfolgte 1418 in Strassburg.” Der älteste mir bekannte Beleg des Fluchs ist grade aus Strassburg, aus Geiler: das dich Sant Veitz tantz ankum (Frommann Mundarten 6, 5), der auch bei J. Agricola Nr. 497 in dieser Form erscheint.

habt euch beiden Sant Veits tantz, H. Sachs, Vater, Son und Narren 342. das in S. Veits tantz bestehe, Z. f. d. Philol. XX, 165.

Dass dem frommen Jüngling S. Vitus die Patronschaft über die Tanzwut gegeben ward, hängt wol damit zusammen, dass er dem verführerischen Tanze üppiger Mädchen nach seiner Legende wider- standen hat. Übrigens galt und gilt er als Helfer gegen viele Krank- heiten der Menschen und des Viehs.

! Häser Geschichte der Medizin III, 89 f. (1882).

° Vergl. auch die Stellen aus Murners Narrenbeschwörung und Agricolas Sprich- wörtern oben S. 693. 694 und Griıum D.Wb. I, 501.

® Hecker die Tanzwuth eine Volkskrankheit des Mittelalters. Berlin 1332. Häser Lehrbuch der Geschichte der Medizin. 3. A. III, 190 f. Jena 1882.

Weıssorp: Die altdeutschen Verwünschungsformeln. 697

Seit Ende des 15. Jahrhunderts begegnet Sanct Urbans Plage in Flüchen oft, z. B.:

dafs dich Sant Urbans plag angee, Geiler Brösamlin. 52”. dafs dieh S. U. pl. bestehe, Agricola Nr. 498. Römoldt Hoffart 1196. ich wolt er het S. Urbans pl., H. Sachs die 6 klagenden 69. ich wolt er solt S. Urban han, H. Sachs Hester. hab dir Sant Urbans plag, Edelpöck Weihnachtsp. 2123. dass dich der Rangen' d.i. S. Urbans Plag oder Feuer anstofse, kleine Thanner Chronik S. 78 (Colmar 1766).

Der h. Bischof Urbanus von Langres ist bekanntlich der Wein- patron. Seine Krankheit folgt aus dem Wein. J. Agrieola erklärt in Nr. 498: Sant Vrbans Plage ist eyn deutsche plage. nemlich dafs sich einer vollfauf vnd mache eyn fewmale. Nach der Schilderung von Hans Sachs im Fastnachtspiele von einem bösen Weibe v. 421-432 war sie eine Art Delirium. Auch das Podagra kann darunter ver- standen sein.

Seit dem 14. Jahrhundert gingen pestartige Drüsen- und Beulen- krankheiten epidemisch durch Deutschland, von denen die Flüche des 15. 16. Jahrhunderts Zeugnis geben:

habt euch die drues, Fastn.sp. 203,4. die drüfs gehe dich an, Agricola Nr. 482. das den die trües ange, H. Sachs Fabel v. d. unsicht. Magdı19. ei das hab dir die trües in narrn, H. Sachs Rockenstube 119. Vater Son u. Narr. 167. hab dir die trües aufs hertz hinein, Teufel nam alt Weib 157. des geh dich die träs ins maul hinein, Par- tekensack 350. ey das dich trüfs unds feber schütt, Ruf Weingar- ten 1220. hab dir die trüs und das hertzlaid und den ritten, Schade Satir. I, 1459. das die drüs disen alten schend, Agrie. op. th. I, ı 26°“.

das dieh bül aller suw anstoss, Manuel Weinspiel 1614. das in all bül und blagen schend, ebd. 783. das euch drus und peulen angee, Fsp. 539, 10. dafs uch die buil und trüsen schütt, Ruf Wein- garten 359. hab dir drüs und peulen, H.Sachs Kaufm. u. alt Weiber 167. farend. Schüler Teufelb. 99. das euch die drüs peulen und der ritt erwurg, Fsp. 179, 3-

das geb dir got die drüfs beul und pestilentz, Frey Gartenge- sellseh. 78°. das mufs dich die beul und pestilentz ankommen, ebd.51". dafs dich die pestilentz ankom, Agricola Nr. 476. “dafs dich die pestilentz stofs an, Manuel Weinspiel 168.

Seit Ausgang des ı5. Jahrhunderts hatte sich die Lustseuche von dem vor Neapel liegenden französischen Here aus rasch und böse als Epidemie auch nach Deutschland verbreitet, und die Franzosen, der

! Die Folge des starken Rangenweins von Thann im Öberelsass, vergl. Stöber bei Frommann Mda. 6,9.

698 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 20. Juni.

morbus gallieus, drang auch in die Flüche ein. Agricola T. Sprichw. Nr. 477 sagt: dafs dich die Frantzosen ankommen! dieser fluch ist new und bey Keyser Maximilians gezeiten aufkommen. Denn vor dieser Zeit war diese kranckheyt und plattern ungehöret in deutschen landen.

ich wolt er hett büel und frantzosen, Stimmer Comed. 712. die welschen purpeln mufs er hon, welcher davon nit wil ablon, Hasel- berg (Weller Dieht. d. 16. Jahrh. S. 104). hab dir die frantzosen, H. Sachs Tod im Stock 290. Kaufm. u. alt. Weib 234. dafs im got die frantzosen geb, H. Sachs Teufel u. alt. Weib ı22. gott geb dem alten alle fr., Agrie. I, 123”. ei nu geb im bock alle frantzen, H. Sachs jung. Kaufm. dafs dich die frantzosen ankomb, Z. f. d. Philol. XX,166.

Alle diese Krankheitsflüche wollen den Leib des Verwünschten schwächen, quälen und schliesslich vernichten. Wenn Gottes oder der heidnischen Götter und Wichte Zorn, wenn der Teufel gegen den Feind angerufen wird, so ist Vertilgung das Ziel. In den Acht- und Bannformeln, in den Verfehmungen fehlt nie der Satz: eine witwe werde sein weib, seine kint werden weisen! (J. Grimm d. RA. 40-42). Im Rolandsliede 87, 17-19 (und so auch in Strickers Karl 2899 f.) wird dem Verräter gewünscht: siniu kint werden weisen sin wip muoze witwe werden (Psalm 109, 9). Im RemHArT Fuchs lautet das Urtheil über den Frevler v.1752f.: ich verteille im ere unde guot und ze shte sinen lip unt zeiner witwen sin wip unt ze weisen diu kint sin.

Die Todesanwünschungen haben mancherlei Formen: herre, kurze im sine tage, Rolandsl. 87,15. brich im sine tage abe Karl 2897. nu sterbent drät, Marnerı3,71. den tugendelösen wünsch ich daz sie sterben, MSH. 3, 104".

nu iz den grimmen töt, Stricker Kl. Ged. 3,62 (Hahn). der töt müeze die boesen von den biderben verren, MSH. 2,362”. daz in der töt wone bi, Ottok. 4665. dafs euch der übel töt der bitter nemen miüifs, Ring 6°, 12. dafs euch der übel töt müls strecken ebd. 5”, 10. dafs üch der bitter tod strecki, Manuel Weinspiel 2569. nit und alliu boesiu lere daz muoz in daz herze sniden daz sie sterben und dest ere, M. Frühl. 61,12. daz der gouch w:er erstochen, Hätzler. 187, 86.

gott wöll dafs er den hals abfall, Frischlin Wendelg. IV,ı. wolte got wsrens gemeine verbrunnen swaz ir w:iere, Karl 8733. wolt got

sehe ich sie begraben MSH. 3,196”. der nider schar daz die vor kirchen legen ebd. ı1,75*'. des müezen sich die maden an ir mesten, Reinm. v. Zw.94,ı2. daz dich zen die maden, Helbl. 1,1212 (vergl.

ı J. Grıuu Mythol.2 2,1177, bezog es auf begraben in ungeweihter Erde, was ich bezweifle, da auch der Kirchhof geweiht ist.

WeınnorLn: Die altdeutschen Verwünschurgsformeln. 699

auch Marner1ı5,180 ich weiz wol daz sich an im [dem vertluchten] werden mesten kleiniu würmelin).

Oft wird in der späteren Zeit (seit dem 13. Jahrhundert) der plötz- liche Gewittertod angewünscht:

der doner slahe uns beide, Bloch 2 (G. Abent. Nr. 32). ob ich iemer daz bewein, slahe mich ein donerstein, MSH. 3, 202°. wol ufs dafs dich der dunder schlag, Murner luth. Nr. 4273. dass dich der donner erschlage, Agricola Nr. 520. dafs dise lüt all schuss der donder, Manuel Weinspiel 1558. der donder dich als keiben schüls, Manuel ebd. 1248. dafs der dunder in hymel schlag, Murner Narren- beschw. 59,27. wolt e das euch der doner schlüg in d ern H. Sachs Munket Weib 333. dafs üch der donder in gitsack schend, Manuel 59 (Bächtold). dafs dieh der stral zerschmetter, Stimmer Comedia 643. da schlach der donder und der blitz, ebd. 825. so schlach der blizg und donder drin, Etter Heini 2664. - dafs mich der strol und dunder schiefs, Boltz Weltspiegel 3523. dafs dich das wetter angehe, Agri- cola Nr. 521. dafs üch der blix das wetter schlag, Murner luth. Nar42.

ei dass dich der hagel schlah als du do stest, Fastn. sp. 56, 26. das dich der hagel schlah in den hunt faulen, ebd. 54,7. der hagel schlag den argen knecht, Frischlin Wendelg.IV,ı. dass dich dann der hagel schendt, Müle v. Schwindelsh. 789. hey nun schlag der dunder dreyn, der blix der hagel vnd der schne, Murner Schelmenzunft Vorr. 67.69.

Unbestattet sollen’ die Leichen der Verhassten draussen auf weiter Heide liegen, von den Wölfen und den wilden Vögeln verzehrt:!

des müezen sie die wolve nagen, Altd. Wäld. 2,56. (die wolve müezen mich verzern, Bloch 287. GA. Nr. 32. Selbstverwünschung). ich wolt daz ez die wilden wolf verslinten unt zerissen, Spiegel 148, 31. dafs euch der wolf müefs fressen, H. Sachs Bauer Wolf Fuchs 11.

Pitt skyli hiarta hrafnar slita vid lond yfir, Gudrunargu. II. 9. dat üch de raven schinnen, Karlmeinet 140, 23. heb dich von mir an galgen und lafs die raben mit dir palgen, H. Sachs Fabel v. Herrn u. spiels. Knecht 82. ich wolt dich frefsen die kröen und die raben, Fastn. sp. 686, 10.

ir herzen müezen krän üznagen, MSH. 2, 174°. ezzen sie die wilden krän, Keller Erz. 196, 16.

Unter den Belegen für die Verwünschung vom Wolfe gefressen zu werden, können die letzten auch so gedeutet werden, dass der

Vergl. über diese Thiere der Walstatt J. Grium Andr. Elene S.XXV und mein Spieilegium formularum S. 22; besonders auch die angelsächs. Judith 205— 212.

700 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 20. Juni.

Wolf sie lebend verschlinge, gleich dem Fluche der Inselschweden: rargen i mynnen! (Russwurm S. 264) und ähnlich wie der Fluch: daz in ein ber sappe! Helbl. 3, 868. Mit der Verwünschung an die Raben und Krähen ist nicht selten die Verwünschung an den Galgen gemeint.

In dem Gedieht Wittenweilers der Ring lesen wir 35°, 24 die Ver- wünschung: got geb, &z muest derstinken! Gott lasse euch in Stank umkommen! Wie das gemeint ist, erläutern die Annalen von Stade zum Jahr 1187. die von dem fürchterlichen Unglück auf dem Erfurter Reichstage jenes Jahrs berichten, wo durch Zusammenbruch einer Laube mehr als hundert Ritter, viele Edle und acht Fürsten in der darunter befindlichen Cloake umkamen. Darunter war Graf Heinrich von Schwarz- burg, qui semper sie juravit: si hoc fecero vel dixero, submergar in latrina! Detmar in seiner Lübischen Kronik übersetzte: ofte ik dat dö, möte ik versinken! (Chroniken der deutschen Städte XIX, 40).

Durch die Hunderte von Verwünschungen und Flüchen, die ich vorgelegt habe, geht ein formelhafter Zug. Es ist scheinbar über- raschend, dass Ausdrücke und Wendungen in norwegischen und islän- dischen alten Liedern fast wörtlich in süddeutschen Verwünschungen des 14/15. Jahrhunderts wiederkehren; aber in der That kann das nicht überraschen, denn wir stehn hier vor uralten und allgemeinen Erzeugnissen germanischen Lebens. Den poetischen epischen Formeln reihen sich diese Formeln an, die aus zornigem verleztem und wild begehrendem Gemüte heraufstiegen, und die wie Pfeile und Spere sich in das Mark und Bein des Feindes bohren wollen. Sie waren von dem Glauben an ihre Gewalt getragen, und der Glaube auch derer, die sie treffen solten, an ihre Macht machte sie furchtbar. Schwächte sich dieser Glaube auch ab, je jünger die Zeiten wurden, so gilt doch selbst heute der Fluch oder die Verwünschung, die aus geängstigter oder zorniger Sele herausbricht, für keinen leren Schall bei dem, den er trifft. Es liegt noch immer etwas geheimes darin, das von ihrer Gewalt in alter Zeit eine Ahnung geben kann.

Über die Anwendung dieser Formeln in unsrer alten Poesie lässt sich keine Regel aufstellen. Die eddischen Lieder haben manches meiner Sammlung gewährt, und auch aus skaldischen Strophen und

! Alexander wolde er vähen und üf einen ast hähen und scantliche nemen im daz leben und wolde auch sin fleise geben den vogelen ze ezzen, L. Alexander

1933 37-

Weın#orp: Die altdeutschen Verwünschungsformeln. 701

der Saga konnten sie gehoben werden. Wo die Leidenschaft auf- lodert, wo die Wildheit der Sitte nicht erstickt ist, wie in den nor- dischen Heldenliedern oder in den Scenen aus dem Götterleben, da fliegt auch der Fluch von den gereizten Lippen.

Unser deutsches altes Epos hat Maass darin gehalten. Selbst die Spielmannsepen des zwölften Jahrhunderts sind sehr sparsam wie der Orendel, oder halten sich ganz rein wie Rother, Oswald. Herzog Ernst. Der gemordete Siegfried der Nibelunge Not hat keinen Fluch für seine Mörder, er schilt sie nur boese zagen, er klagt nur über sein getäusch- tes Vertrauen und die Schmach, dass sein Sohn Mörder zu Verwandten habe und trauert über sein armes Weib. So hat denn auch der junge Alphart keinen Fluch für die Mordgesellen Heime und Witege, er ruft nur: pfüch ir zagen boes, ir @relösen man!

Man liebte nicht den ruhigen Fluss der poetischen Erzählung durch solchen Wirbel zu stören.

Ein so leidenschaftlicher Mensch wie Heinrich, der Dichter der Todeserinnerung und des Pfaftenleben, gestattet sich höchst selten ein verfluochet si der tac, er ruft nur we dir, oder: er ist unsz#lie der des vergizzet. Und er ist kein Erzähler, sondern ein strafender und satirischer Redner.

Die grossen höfischen Epiker, Hartmann von Aue, Wolfram von Eschenbach, Gotfried von Strassburg, sind mit der Verwünschung sparsam, und ihr Beispiel wirkt auf die Schüler. Auch die Lyriker gehorchen der Mäze. Der warmblütige Walther von der Vogelweide braucht nur mildere Formen der Verwünschung. Neithart von Reuen- thal lässt sich in seinen Bildern aus dem Dorfleben höchst selten zum Fluch verlocken, er ist zu höfisch dazu. Bei den jüngeren, so bei Reinmar von Zweter, dem Meissner, Raumsland, Frauenlob, gedeiht die Verwünschung besser. Aber die Meistersinger enthalten sich ihrer wieder in steifer Ehrbarkeit.

Überall sind diese Formeln nur eingesprengte Brocken, hier häu- figer, dort seltener. In breiterem Flusse brechen sie erst im fünf- zehnten Jahrhundert in unseren Dichtungen hervor, am vollsten im sechzehnten, denn die Zeit ward immer erregter und in den Stürmen des öffentlichen Lebens gröber. Aber auch hier zeigen sich grosse Unterschiede. Hans Sachs tlucht in den bäuerlichen Stücken und Erzählungen mit ganzem Behagen, in den höher gehaltenen ist er sauberer.

Eine grammatische Bemerkung über die Verwünschungsformel möge den Schluss machen.

Am schärfsten drückt sich die Verwünschung oder der Fluch im Imperativ aus: farbu nu pars pik hafdi allan gramir, Harbardsl. 60.

102 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 20. Juni.

vart den gotes haz, Frauend. 109, ı2. Mit Ellipse des Verbums: üz in gotes haz! Trist. 5449. üz an galgen!

Am häufigsten wird der Optativ oder Jussiv gewählt: du sis ver- wäzen, G. Abent. 55,1207. er si verwäzen, a. Heinr. 798. got gebe in leit, M. Frühl. 9, 18.

Oder mit daz eingeleitet: daz dich diu erde verslinde, Erf. Judeneid. daz du habes undane, Roland 236, 32. daz dir got gebe leit, Ernst B-11303-

Selten ist die Einleitung durch hinweisendes sö: in got iemer hazze, MSH. 3,195". diu gotes räche über ir leben g@, Helbl. 4, 94.

Bemerkenswert ist die Verbindung von ÖOptativ und Imperativ in der Strophe der Eigla ce. 56, wo der Landgott Thör im Imperativ, die andern Götter im Optativ angerufen werden, denn Thors Eingreifen erschien dem isländischen Dichter gegen den norwegischen König als das nothwendigste.

Recht häufig wird der Optativ umschrieben durch müeze mit Infinitiv: muoze mir got geswichen, Kaiserkr. 4432. än erben müezen sie vervarn, Walther 23, 23. verslinden müeze in diu erde, Karl 2908.

Auch der Indieativ von müezen findet sich später in der Bedeu- tung: du sollst, es wird dir geboten: nu müst du in den wilden wold varen, Redentin. Sp.ı892. du muest noch auf einer hurt verprinnen, Sterzinger Sp. 8, 283.

In gleicher Art wird umschreibendes suln, skula gefunden: ı. im Conjunetiv mit hypothetischem Anstrich (es wäre schuldig, es wäre recht dass...): niu rostum er bu skyldir nedarr vera, Helgaqu. Hiorv. 16. du soltest billicher ze holze varn, Kaiserkr. 12185. den solt man vertuomen ze walde, Kerzer Erzähl. 297. 5. 2. im Indieativ als Umschreibung des Imperativs: ir sult varn der sunnen haz, Parz. 247, 26, oder des Jussivs: tramar gneypa pik skulo, Skir- nism. 30. Ppä skulu pik hundar ı hel gnaga, Syrpuvers. si sol in einem walt sich nern, Hätzler. 229, 241.

Gleiche Bedeutung hat die nordische Umschreibung mit muna: gramir munu taka Pik, Haraldss. hardr. ce. 28. i

Die Umschreibung durch wollen wäre eigentlich eine Milderung des Fluchs; allein im Grunde bleibt es gleich, ob man wie Morolf 848 sagt: ich wolde daz si w:er ertrenket, oder ertränkt sie!

Im sechzehnten Jahrhundert wird nicht selten einleitendes wolte got gebraucht: wolt got der schalk leg im Rein.

Verwandt sind die Formeln mit ich wünsche. Formeln wie »dem wünsche ich des rises, im wünsche ich des rises«, sind nur verdeckte Verfluchungen.

Weinnorp: Die altdeutschen Verwünschungsformeln. 703

Eine Eigenthümlichkeit vieler Formeln vom Anfang des sech- zehnten bis in die ersten Zeiten des siebzehnten Jahrhunderts ist die Zufügung eines im Genitiv stehenden Praedikats zu der verfluchten Person, gesteigert durch alles oder aller (entstellt allers).. Der Genitiv muss von einem ausgelassenen Vocativ abhängen, wie J. Grm im Deutschen Wörterbuch I, 220 wol ganz richtig erklärt hat: z. B. dass dich bül aller suw anstofs = dass dich, o erste aller Säue, die Beulen- krankheit befalle; dass dieh bocks marter alls Narren schend = dass dich grössten aller Narren Gottes Marter schände!

Zahlreiche Beispiele hat J. Grimm im D. Wörterb. I, 220. 227. 229 f. gesammelt.

AT 2 N |

fi I I

Anne UP) Kar. EN. Eu, at

du 2, n ?: & “ri E27 .s

=

Dr rbb SE

ar

fi Ee im tar Bu ö - en hd, Br f D700 8 I w1

{ ä m a ya Y 32. A EREE TE Ber ni x | 1 . © e AN FR £ > E e z\ = ar

B N »s in > c | x Y = i er "4 En -. N. I s } % 4 r in = - he ; cf !

705

Eine bisher unbekannte altehristliche Schrift in koptischer Sprache.

Von Dr. CArL ScaaipT,

z. Zt. in Kairo.

(Vorgelegt von Hrn. HarnaAck.)

De grossen Bibliothek, welche Masrero im Anfang der achtziger Jahre in einem Kloster zu Achmim, der alten Panopolis, entdeckte, verdanken wir bereits eine Reihe sehr werthvoller Bruchstücke alt- koptischer Schriften auf Papyrus und Pergament, die nicht nur für die Erforschung der koptischen Sprache, sondern auch für die alt- christliche Litteratur von hoher Bedeutung sind. Man erkennt immer deutlicher, dass der Dialekt von Achmim gegenüber seinen beiden Verwandten, dem Sahidischen und Boheirischen, eine viel alterthüm- lichere Form bietet, ferner dass die Litteraturüberreste unbedingt den ältesten Denkmälern der koptischen Litteratur angehören, einer Zeit, in der die koptischen Mönche, von lebendigem christlichem Geiste erfüllt, die urchristlichen Schriften eifrig studirten und in’s Koptische übersetzten. Diese Bibliothek muss eine wahre Schatzkammer alt- ehristlicher Litteratur gewesen sein, da ja ihr der griechische Henoch, das Evangelium des Petrus, die Apokalypse des Petrus und die Apo- kalypse des Elias bez. Sophonias entstammen. Leider ist diese Bibliothek in Folge der Habgier der Araber in alle Winde verkauft worden, wenn auch der grösste Theil in das Museum des Louvre gewandert ist. Derselben Sammlung entstammt auch die vorliegende Schrift, auf die ich heute die Aufmerksamkeit der K. Akademie zu richten mir gestatte. Das Manuseript ist auf Papyrus reeto und verso mit je 14-15 Zeilen geschrieben. Es umfasst 16 Blätter in einer Höhe von 154” und einer Breite von 13°”. Die Schrift weist auf das 4.-5. Jahr- hundert. Das ganze Werk war ursprünglich paginirt, hatte also Buch- form: wir finden ca-ıß (1 Blatt), ve-ın (2 Bl), ky-«6 (1 Bl.), KI-Kn (1 Bl.), va-&ö (7 Bl... Dazu kommen noch 4 Blätter, deren Pagini- rung abgebrochen ist. Von diesen lassen sich 2 Blätter sicher ein- ordnen, nämlich das eine unmittelbar vor ıa als [9] und [ıl, und

Sitzungsberichte 189. 63

706 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 20. Juni.

das zweite direet hinter «n als [«®] und [A]. Ein drittes Blatt glaube ich zwischen ı8 und ıe als [ey] und [ı@] stellen zu können, während das vierte Blatt vielleicht zu dem verlorenen Schluss gehört.

Aus dieser Übersicht ergiebt sich, dass Anfang und Schluss nicht erhalten, ebenso ıo Blätter in der Mitte ausgefallen sind, so dass von den angegebenen 64 Seiten nur 32 überliefert sind.

Dazu tritt noch der Umstand, dass nicht alle Blätter gut erhalten sind; vor Allem das erste Blatt und die letzten sind so stark zer- stört, dass eine Ergänzung des Fehlenden zuweilen unmöglich ist und der Gedankengang nur mit Mühe reconstruirt werden kann.

Ferner legt die Sprache grosse Schwierigkeiten in den Weg, da einerseits eine eingehende Behandlung dieses Dialektes noch aussteht und andererseits sich eine Menge von unbekannten Wörtern findet, deren Bedeutung erst nach der Veröffentlichung der gesammten Über- reste studirt werden kann.

Aber alle diese Mängel sind nicht so beschaffen, dass sie das Verständniss des Inhaltes zur Unmöglichkeit machen. Schon ein tlüchtiger Bliek in das Manuscript lehrt, dass wir hier ein Werk vor uns haben, das Gespräche Jesu mit seinen Jüngern enthält. Immer und immer kehren die beiden Phrasen wieder: »Wir sprachen zu ihm, o Herr u.s.w.« und »Da antwortete er und sprach zu uns«. Wir erhalten also keinen zusammenhängenden Lehrvortrag Jesu an seine Jünger, sondern die Jünger stellen zur Befriedigung ihrer Wiss- begierde ununterbrochen kurze Fragen, die dann ebenso kurz von Jesus beantwortet werden. Den Jüngern selbst erscheint das ewige Fragen respeetwidrig; daher ersuchen sie zuweilen den Herm, er möge ihnen noch weiter die Erlaubniss zum Fragen geben; sie wird ihnen stets im Hinblick auf ihre Glaubensüberzeugung und ihre Aufgabe (die zukünftige Predigt) gewährt. Unwillkürlich werden wir an die in Achmim gefundenen Schriften, Evangelium und Apokalypse des Petrus, erinnert, in denen die Jünger als nueıs eingeführt werden besonders kommt die Apokalypse in Betracht, in der sie um Be- antwortung ihrer Fragen ersuchen mit der Motivirung: va löwuev To- ranoi eioı tyv woppnv (seil. die Verklärten) kat Haponoavres rapa- hapovvwuev kal TOUS Gdkovovras Nu@v avdpwmovs.

Allein ein ey® neben nueis wie in der Apokalypse tritt in unserer Schrift nirgends hervor. Die Jünger in ihrer Gesammtheit haben die Offenbarungen des Herrn empfangen und sie in ihrer Ge- sammtheit haben sie niedergeschrieben, wie die Worte auf p.[P] lehren:

»Deswegen ..... indem wir euch geschrieben haben in Betreff der .... unseres Erlösers Christus, welche er gethan hat .... in

Worten und Werken, und wir legen Zeugniss über ihn ab, dass der

Scuuipr: Eine bisher unbekannte altchristliche Schrift in kopt. Sprache. 707

Herr ist der, welcher gekreuzigt ist durch Pontius Pilatus«. Aber meines Erachtens steckt hinter dem »wir« doch ein »ich«, das sich ohne Zweifel am Anfang genannt hatte und der Zahl der Jünger an- gehörte. Darum liegt die Vermuthung nahe, dass diese Schrift eben- falls zu den unter dem Namen des Petrus verbreiteten Werken gehört. Petrus tritt in der That bei der Erscheinung des Auferstandenen he- sonders hervor, da ihn der Herr, um in ihm die Überzeugung seiner leibhaftigen Auferstehung zu erwecken, an seine dreimalige Verleugnung erinnert und ihn anweist, die Finger in die Nägelmale seiner Hände zu legen. Freilich wird an derselben Stelle auch Thomas und Andreas genannt.

Wie dem auch sein mag unsere Schrift ist von den Jüngern an die Gläubigen gerichtet; denn nur diese können unter dem »euch« verstanden werden, um Zeugniss dafür abzulegen, dass der Aufer- standene der xvpios ist. Zu diesem Zwecke wird die Auferstehungs- geschichte ausführlich berichtet. Maria, Martha und Maria Magdalena gehen zum Grabe, um, den Leichnam zu salben. Da sie das Grab leer finden, sind sie betrübt und weinen. Der Herr erscheint ihnen und spricht: »Was weinet ihr, höret auf zu weinen, ich bin. den ihr suchet. Aber möge eine von euch zu euren Brüdern gehen und sagen: »Kommet, der Meister ist von den Todten auferstanden«. Martha ging und sagte es uns. Wir sprachen zu ihr: »Was hast du mit uns zu schaffen, o Weib? Der, welcher starb, ist begraben und nicht ist die Möglichkeit, dass er lebe«. Nicht glaubten wir ihr, dass der Erlöser von den Todten auferstanden wäre. Da ging sie zum Herrn und sprach zu ihm: »Niemand unter ihnen hat mir geglaubt, dass du lebst«. Er sprach: »Möge eine andere von euch zu ihnen gehen und es ihnen wiederum sagen«. Maria ging und sagte es uns wiederum, und nicht haben wir ihr geglaubt. Sie kehrte zurück zum Herrn, und auch sie sagte es ihm. Da sprach der Herr zur Maria und ihren anderen Schwestern: »Lasst uns zu ihnen gehen«. Und er ging und fand uns drinnen und rief uns heraus. Wir aber dachten, dass es ein Gespenst (davracta) sei, und glaubten nicht, dass es der Herr sei. Da sprach er zu uns: »Kommet und........ Du, o Petrus, der du ihn dreimal verleugnet hast, und auch jetzt leugnest du?« Wir traten zu ihm heran, indem wir im Herzen zweifelten, dass er vielleicht es nicht wäre. Da sprach er zu uns: »Warum zweifelt ihr noch und seid ungläubig? Ich bin der, wel- cher euch gesagt hat wegen meines Fleisches und meines Todes und meiner Auferstehung, damit ihr wisset, dass ich es bin. Petrus, lege deine Finger in die Nägelmale meiner Hände, und du Thomas lege deine Finger in die Lanzenstiche meiner Seite, du aber Andreas be-

63 *

08 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 20. Juni.

rühre meine Füsse, so siehst du, dass sie...... denen der Erde. Denn es stehet im Propheten geschrieben: "Phantasieen von Träumen! a auf Erden‘. Wir antworteten ihm: »Wir haben in Wahr- heit erkannt, dass...... im Fleisch«. Und wir stürzten uns auf unser Angesicht und bekannten unsere Sünden, dass wir ungläubig gewesen waren. «

Ohne auf den Nachweis einzugehen, dass der Verfasser aus den verschiedenen Schlüssen der Evangelien seine Erzählung mosaikartig zusammengearbeitet und ähnlich wie der Verfasser des Petrus-Evan- gelium Alles weiter ausgesponnen hat, möchte ich sofort die Tendenz dieses Stückes in’s Auge fassen. Es fällt das augenscheinliche In- teresse des Verfassers auf, den Unglauben der Jünger bei der Kunde von der Auferstehung des Herrn möglichst in’s grelle Licht zu rücken,” um dann ihre völlige Überführung dureh die Berührung der leib- lichen Gestalt Jesu vor die Augen zu stellen. Die Absicht ist meines Srachtens klar. Es sind nämlich in den Gemeinden Leute aufgetreten, die die Fleischesauferstehung des Herrn geleugnet haben; ihnen gegen- über wird ausführlich dargelegt, dass auch die Jünger zuerst ungläubig gewesen seien, bis sie sich durch die Thatsache selbst vom Gegen- theil überzeugt, mit dem Auferstandenen verkehrt und im Gespräche mit ihm die nachfolgenden Offenbarungen erhalten hätten.

Diese Leugner werden wohl Gnostiker gewesen sein, und in der That finden wir am Anfang von S. [6] die beiden Namen Korinthos (sie!) und Simon. Darunter sind ohne Zweifel Cerinth und Simon der Magier, die Hauptvertreter der Gnosis in der Vorstellung der älte- sten Kirche, zu verstehen. Unsere Schrift warnt vor ihnen als vor solchen, die da in die Welt gekommen sind und die Worte und Thaten [Jesu] verdrehen, [und es nicht gelten lassen wollen], dass dieser [so beschaffen] ist Jesus Christus; darum die Mahnung, sich von ihnen zu trennen, »da der Tod ihnen anhaftet und das Gericht zum ewigen Verderben ihnen in Aussicht steht«.

Damit ist der antihaeretische und zugleich der grosskirchliche Charakter der Schrift sichergestellt. Der antignostische Charakter er- hellt auch aus der Aussage Christi, dass die Auferstehung des Fleisches statthaben werde, indem »zugleich in dem Fleische« Seele und Geist seien. Nun entspinnt sich eine lange Erörterung, in der die Jünger sich mehr der gegentheiligen Ansicht zuneigen und schüchtern fragen, ob Jesus die Kraft habe (zu bewirken), dass das, was sich zum Unter- gang aufgelöst, wieder heil werde was die Ungläubigen nicht an-

! Gemeint ist die Stelle Sap. Salom.ı3, 17: Tore mapaypijua davraviaı ev öveipov KTA. Die Worte sind im koptischen Text griechisch gegeben. ®2 Das ist auch die Tendenz des unechten Marcusschlusses.

Scumiwr: Eine bisiier unbekannte altchristliche Schrift in kopt. Sprache. 709

nehmen —, oder ob er nicht die Macht habe. Darüber ist Christus sehr erzürnt und schilt sie Kleingläubige' und führt aus, dass mit dem Fleische auch die Seele und der Geist auferstehen würden und sie sich für das, was sie gethan, verantworten müssten, sei es nun Gutes oder Böses. Die dmıoToı sind natürlich die Gnostiker; aber es ist sehr bezeichnend, dass die Jünger ebenso wie bei der Aufer- stehung des Herrn scheinbar auf Seiten der Gegner stehen; nur so konnte der Beweis der Wahrheit eindrucksvoll geführt werden. Gerade die leibliche Auferstehung war bereits seit den Tagen, da der I. Co- rintherbrief des Paulus geschrieben worden ist, ein viel umstrittener Punkt, gegen den Gnostiker wie Heiden entschieden Protest erhoben.

Ebensowenig hat ein Gmnmostiker die allegorische Erklärung von den 5 klugen und den 5 thörichten Jungfrauen verfassen können. Denn unter den 5 klugen Jungfrauen versteht der Verfasser mioTis, ayann, xapıs, eipyvn und eAris, während er an die Spitze der 5 thö- richten Jungfrauen die yvooıs und die codia stellt! Das ist ein Antignostieismus, wie ihn selbst Tertullian in seinen paradoxesten Wendungen nicht gewagt hat, und er läuft Stellen wie Barn. ep. 2, 2f. (rns oüv miorews nu@v eioiv Bondoi boßos kai Umouovn, de avv- nayovvra nuv marpodvwa Kal Eykpareıa' TOUTWV HEVOVTWV TA TMPOS Klpıov dryvos ovvevppaivovraı auroıs vobla, ovveois, EmMoTNUn, yv@cıs) und Herm. Vis. II, 8 (wo unter den h. Jungfrauen die Erı- ornun aufgezählt wird) zuwider.

Giebt sich also unsere Schrift als ein altes, apokryphes Send- schreiben der Apostel an die Gemeinden und zugleich als ein Erzeug- niss der Gemeindeorthodoxie der grossen Kirche zu erkennen, so ist diese Thatsache für die Geschichte der ältesten kirchlichen Schrift- stellerei von nicht geringer Bedeutung.

Die Gnostiker hatten da sie ihre Weisheit aus den Evangelien und Briefen nur unvollständig schöpfen konnten, eine Verbreitung ihrer Lehre aber unmöglich war, wenn sie sich nieht auf eine sichere Autorität gründete eine neue Evangeliengattung erfunden, in der die Thaten und Aussprüche des Auferstandenen aufgezeichnet waren.

Die Kirche hat nicht überall der Versuchung zu wider- stehen vermocht, ihnen in dieser Art Schriftstellerei zu folgen. Auch sie hatte eine Menge Fragen und Probleme, die im Kampfe mit den Gegnern nur noch klarer zu Tage traten, aber sie suchte vergebens eine Antwort in den überlieferten Evangelien und Briefen. So wurde sie dazu gedrängt, ebenfalls zu der Geheimtradition ihre Zuflucht zu nehmen und diese litterarisch in der den Gegnern

ı S. Luc.24, 25; Marc. 16, 14.

10 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 20. Juni.

geläufigen Form zu bearbeiten. Dieser Litteraturgattung gehört auch die Apokalypse des Petrus an, die Offenbarungen des Auferstandenen über das zukünftige Leben ertheilt, ferner das Kerygma Petri und auch eine Schrift, die Clemens Alex. nach Euseb. h. e. I,ı,4 kannte.

Darum entspricht es nicht dem wirklichen Sachverhalte, wenn man bei dem Titel »Apokryphen« nur an die Gnostiker denkt', wie man es auch versucht hat, das Evangelium des Petrus gnostischen Kreisen zuzuschreiben, obwohl keine deutlichen Spuren des Gnostieimus in ihm vorhanden sind. Einzelne undogmatische Ansichen berechtigen dazu noch keineswegs. Zeigte unsere Schrift ihre Orthodoxie nicht so deutlich in der Lehre von der Fleischesauferstehung, so könnte man sie leicht für gnostisch erklären; denn Christus sagt von sich, dass er, als er von dem Vater des Alls gesandt wurde, »die codia des Vaters angezogen und durch sie die Erzengel und Engel überragt habe«. Michael, Gabriel, Uriel und Raphael hätten ihn für einen der ihrigen gehalten und wären ihm bei seinem Niedersteigen bis zum fünften Stereoma gefolgt. Gnostisch klingt der Ausdruck: »Ich wurde in dem All, in einem Jeden«, ebenso die Vorstellung, dass Christus sich in der Gestalt des Gabriel der Maria offenbart hätte und in ihren Leib hineingegangen wäre. Aber derartige Gedanken über Christi Praeexistenz und Geburt konnten in der ältesten Kirche noch ungestört vorgetragen werden, wie manche kirchliche Urkunden aus der Zeit vor Irenäus beweisen.

Damit sind wir zugleich der Frage nach dem Alter der vorlie- genden Schrift nahegetreten. Eine sichere Bestimmung ist unmöglich, solange die Schrift nicht mit einer der uns dem Titel nach über- lieferten altehristlichen Schriften identifieirt ist, aber wohl möglich ist eine Bestimmung des terminus ante quem: es ist nicht wohl denkbar, dass dieses Werk nach e. 160 n. Chr. verfasst ist. Auf die erste Hälfte des 2. Jahrhunderts weisen die Namen Cerinth und Simon (während Valentin, Basilides, Marcion fehlen), weist die Kühnheit, mit welcher der Verf. die Erscheinungsgeschichte des Auferstandenen bereichert und umgebildet hat, weist die schriftstellerische Form sowie die eigen- thümlichen Ansichten über die Person Christi. Meines Erachtens fällt die Abfassung in die Zeit der petrinischen Schriften, des Evangeliums und der Apokalypse; wenn nicht Alles trügt, so gehört sie, wie oben ! Für das 3.,4. und die folgenden Jahrhunderte der alten Kirche giebt man zu, dass die in ihnen entstandenen »Apokryphen« zu einem Theile innerhalb der katholischen Kirche selbst entstanden sind, aber die älteren Apokryphen des 2. Jahr- hunderts sollen sämmtlich »gnostisch« sein und die allgemeine Kirche nichts angehen. Es wirkt hier ein theologisches Vorurtheil nach, welches gegenüber dem entgegen- gesetzten, der Katholieismus habe sich aus einem gnostischen Chaos allmählich ent- wickelt, allerdings ein starkes Wahrheitsmoment besitzt.

Scuupr: Eine bisher unbekannte altchristliche Schrift in kopt. Sprache. 711

erwähnt, ebenfalls zu diesem Corpus, dem sie auch räumlich so nahe steht.

Zum Schluss möchte ich noch auf eine sehr merkwürdige Peri- kope aufmerksam machen. Gleich nach der Erörterung über seine Fleischwerdung in der Maria spricht Jesus also: »Gedenket meines Todes. Wenn nun das Passah stattfinden wird, dann wird einer unter euch in’s Gefängniss geworfen werden um meines Namens willen, und er wird in Trauer und Sorge sein, dass ihr das Passah feiert, wäh- rend er im Gefängniss ist und..... Denn er wird trauern, dass er nicht feiert das Passah mit euch. Ich werde ihm senden meine Kraft” in der Gestalt des Engel Gabriel, und es werden sich öffnen die Thore des Gefängnisses. Er kommt heraus und geht zu euch und bringt eine Nachtwache mit euch zu, indem er bei euch bleibt, bis der Hahn kräht. Wenn ihr aber meine dvauvnoıs und ayarn vollendet habt, so wird man ihn wieder in’s Gefängniss werfen zum Zeugniss, bis er herauskommt... . und predigt das, was ich euch verkündet habe«.

Nirgends findet man eine derartige Erzählung in den Evangelien; aber an Act.ı2 wird sich wohl ein jeder Leser erinnert fühlen. Haben wir hier eine selbständige Relation jener Geschichte? Ist »einer unter euch« nicht Petrus? Ferner scheint hier eine ganz eigenartige (juden- ehristliche?) Auffassung des Abendmahles vorzuliegen. Da das Abend- mahl am Passah eingesetzt ist, so soll auch die avauvnoıs und @yarın nur an diesem Tage gefeiert werden und zwar in einer Nachtwache nach Analogie des Passahfestes. Dass eine Controverse über die Feier des Abendmahles berührt wird, zeigt auch die Frage der Jünger: »O Herr, ist es nun wieder nothwendig, dass wir das TOTNpLOV nehmen und trinken?« Er antwortete: »Ja, es ist nothwendig, bis ich komme mit denen, die um meinetwillen getödtet sind«. Damit hat Christus in unserer Schrift entschieden, dass das Abendmahl eine dauernde Institution sein solle.

Für den weiteren Inhalt des Werkes muss ich auf eine spätere Publication verweisen.

! Die Beobachtungen, dass von Gmostikern nur Simon und Cerinth genannt sind und dass sich die Schrift als eine apostolische giebt, sind an sich nicht ausreichend, ein sehr frühes Datum zu begründen dergleichen findet man später auch —; aber im Zusammenhang mit der eigenthümlichen Auferstehungsgeschichte und der ganz willkürlichen Christologie fallen sie für ein sehr altes Datum in’s Gewicht.

ıc»D =

2 S. Petrus Ev.

Ausgegeben am 27. Juni.

Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei.

Ji pi}

+ ui rar

Wr -_ vi ER

I We a

715

1895. XXX

SITZUNGSBERICHTE

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN.

27. Juni. Gesammtsitzung.

Vorsitzender Secretar: Hr. E. pu Boıs-Revymonv.

l. Hr. Lanvorr theilte einige Erfahrungen mit, welche er bei der Darstellung des Argons aus der atmosphaerischen Luft gemacht hat.

2. Hr. Krem legte eine Arbeit des Hrn. Dr. L. Wurrr in Schwerin über die Morphologie des Natronsalpeters vor.

Die Mittheilung folgt umstehend.

3. Hr. Scuwarz legte eine stereoskopische Photographie einer speciellen sphaerischen Kettenlinie vor, die ihm von dem Hrn. GrEENHILL, Professor an der Artillerieschule zu Woolwich, mitgetheilt worden ist.

Am 23. Juni verlor die Akademie durch den Tod ihr auswärtiges Mitglied Ruporr von Rorn in Tübingen.

Hr. ArLrrep Louis Orivier Des Croızeaux in Paris, vormals Pro- fessor, jetzt Ehrenprofessor am Museum d’histoire naturelle daselbst, wurde zum correspondirenden Mitglied der Akademie in der physi- kalisch-mathematischen Classe gewählt.

Sitzungsberichte 1895. 64

715

Morphologie des Natronsalpeters.

Von Dr. LupwıG WULFF

in Schwerin i. Meckl.

(Vorgelegt von Hrn. ©. Kreım.)

bb; meinen jahrelangen Versuchen, grosse, einschlussfreie Krystalle von Natronsalpeter für Frussser’sche Prismen zu ziehen, habe ich diese Substanz näher studirt, so wenig sie auch wegen der Eintönigkeit, die ihre Krystallisationen meistens zeigen, zu morphologischen Studien einladet. Da die Substanz, im Fall der Kalkspatlımangel anhält, für wissenschaftliche Zwecke wird viel gezüchtet werden müssen, so will ich im Folgenden meine Beobachtungen ausführlich wiedergeben.

I. Mikroskopische Krystallisationen.

Die Untersuchung des Auskrystallisirens sehr kleiner Quantitäten der Lösung auf Deckgläsern oder in Uhrgläsern zeigt vorwiegend sehr gleichmässige Krystalle, da die weitaus grösste Anzahl der Krystalle aus vollkommen glasigen Rhomboedern besteht, wenn die Abkühlung oder Verdunstung ziemlich langsam vor sich geht. Zwischen ihnen finden sich in wechselnder Häufigkeit (sehr oft fehlend) flache Platten, die entweder vollkommen rhombisch begrenzt sind, oder auch parallel einer Kante ausgeprägt in die Länge gezogen sind. Die dünnen Platten sind besonders leicht bei der Beobachtung zwischen gekreuzten Nicols zu erkennen, da sie sehr intensive Farben zeigen, während die com- paeten Krystalle wegen der sehr hohen Doppelbrechung des Natron- salpeters das Weiss höherer Ordnung zeigen, wenn ihre Dimensionen nicht allzu klein sind. Wegen dieser Farben sind die Platten leicht herauszufinden, selbst wenn die Krystalle in dichten Haufen aus- gefallen sind.

Diese blätterigen Gebilde sind durch Hemmungen des Wachs- thums, nicht durch vorwiegendes Wachsthum nach einer Ebene zu erklären, wie bei sehr vielen Substanzen sonst bei schnellem Wachs- thum blätterige Wachsthumsformen anschiessen. Dagegen spricht

64*

716 Gesammtsitzung vom 27. Juni.

erstens die homogene Beschaffenheit der Blätter, wenigstens derjenigen von vollkommen rhombischem Umrisse, denn wie ich noch mehrfach zu zeigen Gelegenheit haben werde, ist Natronsalpeter sehr empfindlich gegen eine Vergrösserung der Wachthumsgeschwindigkeit, deren Steigerung sehr leicht die Bildung von Einschlüssen bewirkt. Zweitens zeigt ein Vergleich der Wachsthumsgeschwindigkeit von Platten und compacten Krystallen, wie die neben einander liegenden Platten und compacten Krystalle entweder ungefähr gleichmässig schnell wachsen, oder die compacten Krystalle vergrössern sich schneller als die Platten, deren Wachsthum häufig gar nicht mehr ersichtlich ist, wenn viele grössere compacte Krystalle benachbart sind.

Die Diekenzunahme der Platten ist äusserst gering (wie man aus dem sehr langsamen Farbenwechsel der Blätter erkennt), so lange die Auskrystallisation in Ruhe weiter geht. Stört man dieselbe durch Rühren oder Umschütteln, so ist die Plattenbildung zu Ende, und es werden dieselben schnell dieker, wie man an den Farben erkennen kann, die sich am Rande schnell ändern und in das Weiss höherer Ordnung übergehen, das allmählich vom Rand nach der Mitte der Platten fortschreitet.

Mannigfaltig ist die Riefenbildung an der Auflagerungstläche der einige Tage alten Krystalle. Die Riefen entstehen dadurch, dass die Verdickung der am Boden aufliegenden Krystalle auf der Unterseite meist nicht eontinuirlich verläuft, wenn auch das äussere Wachsthum an den freien Krystallen keine Discontinuitäten erkennen lässt. Die Riefen, die durch die Kanten dieser Rahmen gebildet werden, lassen nun erkennen, wie die äusseren Umgrenzungen des Krystalles in den verschiedenen Phasen seines Wachsthums gewesen sind, und sie ge- währen uns so leicht einen Einblick in das Wachsthum der einzelnen Exemplare.

In Fig. ı sind die Riefen von drei Krystallen abgebildet, die sich in einer flachen kleinen Schale ausgebildet hatten. Dieselben lagen Anfangs ganz frei und stiessen auch am Schlusse der Beobachtung nicht mit anderen Krystallen zusammen, so dass keinerlei störende Nachbarkrystalle bei der Betrachtung berücksichtigt zu werden brauchen.

Die Mittelpunkte der innersten Riefen geben die Öentren des Wachsthums der Krystalle an. Ein Blick auf die Figur zeigt, dass nur bei dem rechts gelegenen Krystalle das Wachsthum ringsum nahezu gleichmässig vor sich gegangen ist. Der links gelegene Krystall hat parallel einem Flächenpaare eine deutlich grössere Wachsthums- zunahme erhalten. Man könnte versucht sein, diese Abweichung darauf zu schieben, dass der benachbarte mittlere Krystall hemmend eingewirkt habe, dagegen spricht aber der Umstand, dass schon die

Werrr: Morphologie des Natronsalpeters. 707

inneren Riefen deutlich die vorwiegende Ausdehnung nach einer Seite erkennen lassen, so wie der Umstand, dass der linke Krystall vor den anderen entstanden war (weshalb er auch grössere Bodenfläche hat). Dass die Abweichungen des Wachsthums nicht in den benach- barten Krystallen ihren Grund haben, lehrt die Ausbildung des mittleren

Fig. 1.

Krystalles am oberen Ende. Hier zeigt sich eine sehr ausgeprägte Verminderung der Wachsthumsgeschwindigkeit parallel einer Fläche, für die keine Erklärung durch Wirkungen der Umgebung des Krystalles möglich ist. Ich werde bei Besprechung der grossen Krystalle noch auf diese Hemmungserscheinungen näher einzugehen haben.

Da die Bodenriefen auf eine discontinuirliche Diekenzunahme der Krystalle und zwar an der Bodenfläche zurückzuführen sind, so sind sie bei plattenförmigen Krystallen wenig ausgebildet, weil bei diesen die Diekenzunahme sehr gering ist. Wegen des Fehlens der Boden- riefen erscheinen auch die Platten bei der Beobachtung zwischen zwei Polarisationsprismen gleichmässig gefärbt.

In geringer Anzahl finden sich bei den Versuchen, aus Lösungs- mengen von wenigen Tropfen zu krystallisiren, sehr lang gestreckte Krystalle, die in seltenen Fällen äusserlich als Zwilling nach —+Rxk}oıı2! zu erkennen sind. Häufiger sind scheinbar einfache Nadeln, die sich bei der optischen Untersuchung als Zwillinge ergeben, bei denen das vorwiegende Hauptindividuum ein kleines in Zwillings- stellung nach —+Rk}oıı2| einschliest. In den meisten Fällen haben wir es bei diesen sehr lang gestreckten Exemplaren mit Krystallen zu thun, deren Wachsthum nach mehreren Richtungen gehemmt ist, und zwar liegt das Wachsthumscentrum oft an einem Ende der Nadeln, selbst wenn diese ganz frei in der Lösung liegen. Nur zu Anfang der Bildung der Nadeln tritt oft ein überschnelles Wachsthum derselben auf, wie ja bei sehr vielen Substanzen in übereoncentrirten Lösungen schnell nadelförmige Exemplare sich bilden,

„7 ®) * . . ‘18 Gesammtsitzung vom 27. Juni.

In einigen Krystallisationen fand ich vereinzelte Krystalle (in einem Falle eine grössere Anzahl derselben) von sehr auffallender Stellung. Sie liegen nicht mit einer Rhomboederfläche auf, sondern sitzen so am Boden auf, dass die Hauptaxe senkrecht steht, so dass man als Auflagerungsfläche ok }o001} annehmen müsste, die aber durchaus an den Krystallen nicht beobachtbar war. Ich habe bei meinen Krystallisationen mit Chlorkali und Salmiak mehrfach Gelegenheit gehabt, analog Octaeder zu beobachten, die nicht mit einer Fläche des Octaeders aufgewachsen waren, sondern auch eine Hauptaxe senkrecht hatten. Bei diesen Fällen! waren ursprünglich Würfel vor- handen gewesen, die später durch Habituswechsel in Octaeder über- gingen. So lassen sich auch die Natronsalpeterexemplare mit vertical stehender Hauptaxe erklären, wenn man annehmen wollte, dass die Krystalle beim Entstehen durch eine andere Combination von Flächen begrenzt gewesen seien, bei der oRk}ooo1ı| vorwiegend entwickelt war. Dafür würde auch der Umstand sprechen, dass fast alle Krystalle mit vertical gestellter Hauptaxe einschlussreich sind, weil bei plötz- lichem Habituswechsel überhaupt leicht einschlussführende Exemplare entstehen.

Es kann aber auch die auffallende Stellung ohne Flächen von oRK}oooı\ erklärt werden, wenn man annimmt, dass die Krystalle nicht direet entstanden sind, sondern dass zuerst Krystalle einer labilen Form vorhanden waren. Für diese secundäre Bildungsweise spricht der Umstand, dass die Zwillingsbildung bei den Exemplaren mit verticaler Hauptaxe eine ganz abweichende ist, worauf ich weiter unten einzugehen habe in dem Abschnitte über die Verzwillingungen.

Ich wiederholte die von O.Lenmann mit Zusatz von Gummi an- gestellten Versuche, bei denen er” nach seiner Figur theils rundliche Krystalle, theils scharfkantige erhielt. Auch ich erhielt ähnlich auf- gebaute Wachsthumsformen, in denen sich an kleine, abgerundete, matte Gruppen von sehr feinkrystalligem Aufbau später klare Rhombo- eder ansetzten, und zwar in nicht paralleler Stellung, derartig, dass die benachbarten Krystalle um einige Grade von einander ab- weichen. Die ursprünglichen matten Partien waren so schlecht entwickelt, dass ich über das gegenseitige Verhältniss der beiden Krystallisationen nichts herausbringen konnte.

Daneben entstehen auch zuweilen beim Verdunsten zuerst deutlich dendritisch verzweigte Wachsthumsformen, die zwar auch opak sind, die sich aber beim Untersuchen zwischen gekreuzten Nicols als

! Diese Berichte 1893. S.1076, Absatz 5. Zeitung für Krystallographie 1877. Bd.ı. S.481. (Fig. 50%, 5ob.)

Wüvrrr: Morphologie des Natronsalpeters. 719

paralleltheilig aufgebaute regelmässige Wachsthumsformen zu erkennen geben, weil sie einheitlich auslöschen. Die Richtungen, nach denen sich diese Wachsthumsformen aufbauen, sind die drei Rhomboeder- kantenriehtungen. Je nach der Anzahl und Richtung der Aste der Wachsthumsformen ist ihre Lage sehr verschieden, sowie auch die Lage der gruppigen Exemplare, zu denen sie auswachsen. > ! fe) Sind drei Halbäste, die um dasselbe Ende einer Hauptaxe liegen 2 > 2 gleichmässig entwickelt, so liegen die Gruppen oft so auf, dass die Hauptaxe senkrecht steht, wie es Fig.2 angiebt. Man könnte versucht sein, solehe Wachsthumsformen als & Grundlage der Krystalle anzusehen, die mit senkrecht ER n N n & Su stehender Hauptaxe aufgewachsen sind, doch ist das

Fig. 2.

nicht zulässig, wenigstens nicht für alle derartigen Gruppen, weil dieselben erstens noch die Basis und zweitens eine besondere Zwillingsbildung, nämlich nach der Basis zeigen.

Noch intensiver als Gummi wirkt der Zusatz von Natronwasser- glas auf die Krystallisation kleiner Quantitäten von Natronsalpeter ein und zwar in sehr variabeler Weise. Schon ehe die Consistenz der Lösung sehr diek wird, übt der Zusatz einen Einfluss auf die ent- stehenden Wachsthumsformen aus, die in manchen Fällen den bei Gummizusatz von O. Lemumann beobachteten, oder den von mir soeben angegebenen Formen entsprechen.

Daneben treten aber auch Wachsthumsformen, in denen nach einzelnen Rhomboedermittelecken vorwiegendes Wachsthum stattfindet,

ig. 3. so dass die Krystalle nahezu parallel längs der Nebenaxe, die in der Auflagerungstfläche liegt, aufgereiht erscheinen, Fig. 3. Auch auf die Flächenbegrenzung hatte der Zusatz von Natronwasserglas Einfluss, indem manche Krystalle unregelmässig verzerrt erschie- nen durch Flächen von der ungefähren Lage von 2Rk }o221|, in deren Lage auch oft kleine Abstumpfungen beob- achtet werden an sonst vollkommenen Rhomboedern.

II. Morphologie der Einzelkrystalle.

a. Gewöhnliche flache Rhomboeder. Als die normale Entwickelung des Natronsalpeters haben wir nach der mikroskopischen Vorkrystallisation vollkommen glasige eben- mässige Rhomboeder anzusehen, die ich aber nur bei Krystallisationen

-. . . 720 Gesammtsitzung vom 27. Juni.

‘in Cylindern am Rande der Platten oder bei Krystallen fand, die an der Wand hingen. Bei den aufliegenden grösseren Krystallen trat stets eine erhebliche Abflachung der Rhomboeder ein und zwar pro- portional der Langsamkeit des Wachsthums, so dass die Krystalle durchschnittlich bei sehr langsamem Wachsthum am flachsten ent- wickelt sind, wie es ja bei den weitaus meisten sonstigen künstlichen Krystallisationen der Fall ist. Der Verlauf der Riefen an solchen grossen flachen Rhomboedern zeigt dieselben Erscheinungen wie die Fig. ı es rechts angiebt.

Bei grossen Krystallen sind aber die oft zahlreichen Riefen in Bezug auf ihren Verlauf und Vertheilung auf der Bodenfläche noch genauer zu verfolgen wie bei Versuchen unter dem Mikroskop. Das Centrum der Riefenbildung, mithin auch das Wachsthumscentrum, liegt stets nach einer bestimmten Seite aus dem Mittelpunkt des rhombischen Umfangs gerückt, nämlich nach der Seite hin, wo die schrägen Rhomboederflächen liegen, die mit der Bodenfläche des Ge- fässes einen spitzen Winkel bilden. Es ist also das Wachsthum auf diesen Flächen langsamer gewesen, als auf den anderen beiden schrägen Rhom- boederflächen.

In Fig.4 ist ein Rhomboeder mit derartiger Bodenfläche gezeichnet.

Es ist das Rhomboeder in der Stel- lung eines monoklinen Krystalles ge- zeichnet, wie die Natronsalpeterkrystalle

ja gewöhnlich aufgewachsen sind, aber um die Riefenvertiefung deutlicher hervortreten zu lassen, ist die Boden- fläche nach oben gelegt. Der Verlauf der Riefen ist wie bei den meisten künstlichen Krystallen, die am Boden aufliegen, nur theil- weise ein geradliniger, und zwar liegen die geraden Theile den Seiten der Bodenfläche parallel, und die Ecken der vierseitigen Rahmen der Riefen sind abgerundet, und zwar bei verschiedenen Exemplaren desto mehr, desto flacher die Bodenvertiefung ist.

In der Fig. 4 sind der geometrische Mittelpunkt der Bodenfläche und das Wachsthumscentrum des innersten Riefenrahmens mit kleinen Kreuzen gekennzeichnet, so dass letzteres als deutlich nach links ver- schoben und vertieft liegend ersichtlich ist.

Der Grund, weshalb auf den beiden in Fig. 4 rechts liegenden Rhomboederflächen das Wachsthum geringer als auf den links liegenden bleibt, ist leicht einzusehen. Die ersteren bilden mit der Bodenfläche des Gefässes einen spitzen Winkel, in dem die Diffusionsvorgänge gehemmt werden, so dass das Zutreten von neuer concentrirter

Werrr: Morphologie des Natronsalpeters. mei

Lösung nieht so frei zur Entwickelung kommen kann, als in dem stumpfen Winkel, den die schiefen Rhomboederflächen links mit der Bodenfläche des Gefässes bilden, wo die Diffusionsausgleichungen viel leichter vor sich gehen.

Diese Verschiedenheit der Wachsthumsgeschwindigkeit lässt sich auch bei anderen Substanzen beobachten, bei denen parallele Flächen- paare schief, bis auf den Boden des Gefässes reichend, als Begrenzungs- fläche auftreten. Diese Verschiedenheit trägt sehr dazu bei, dass Krystalle, die am Boden aufliegen, oft sehr verzerrte Gestalten haben, und durchaus nicht die Form haben, die man erhält, wenn man von einem ringsum ebenmässigen Krystallmodell einen Theil von ähnlicher Lage und ähnlicher Dieke absägen würde. Ich komme später noch auf diese Abweichung vom normalen Wachsthum wieder zurück bei Besprechung der Einschlussbildung.

b. Platten.

Auch die bei der Beschreibung der mikroskopischen Krystallisation angegebenen Platten hatte ich Gelegenheit einige Male bei Krystalli- sationen mit grösseren Mengen Monate lang zu verfolgen. Wie bei der mikroskopischen Beobachtung eine Verminderung in der Wachsthums- geschwindigkeit zu constatiren war, so trat bei allen grösseren Platten, die ich zu beobachten Gelegenheit hatte, eine deutliche Verlangsamung der Grössenzunahme parallel dem Gefässboden ein, die desto deutlicher hervortrat, je langsamer die Lösungen überhaupt neues Material ab- gaben, und je mehr andere Krystalle vorhanden waren, so dass das Wacehsthum der Platten oft nicht mehr wahrnehmbar war, während sonst noch die andern Krystalle sich wesentlich in der Lösung ver- grösserten.

So kennzeichnet sich die Ursache der Plattenbildung auch bei grossen Krystallen als eine Hemmungserscheinung, und tritt dies bei grossen Dimensionen noch deutlicher hervor. Am Boden der Gefässe oder der Platten in den Cylindern ist ja die Concentration der Lösung eher etwas stärker als in Schichten, die oberhalb der betreffenden Flächen liegen, und flachen sich aus dem Grunde ja oft flächenreiche Krystalle ab, weil die Krystalle unten auf Kosten der oberen Krystall- theile wachsen. Hier bleiben aber die Krystalle in der günstigeren Lage, d. h. unmittelbar am Boden gegen die anderen zurück.

Wie bei den mikroskopischen Krystallisationen geht auch bei grossen Platten die Plattenbildung verloren, wenn man dieselben in neue Lösungen bringt, oder die Krystallisation stört durch Be- wegung.

122 Gesammtsitzung vom 27. Juni.

Frei stehende Platten habe ich einmal an Krystallgruppen beob- achten können, doch die flache Entwickelung ging verloren, als die Platten noch nicht einen Centimeter gross waren, so dass mässig abgeflachte Rhomboeder daraus weiter wuchsen.

Häufiger hatte ich Gelegenheit, solche Fälle der Hemmung zu beobachten, bei denen nach einer schrägen Fläche des Rhomboeders das Wachsthum gehemmt war, so

Fig. 5.

dass die Krystalle gewissermaassen halbe gewöhnliche Rhomboeder dar- stellten. In Fig. 5 ist für ein der artiges Exemplar die Riefenbildung

der Unterseite wiedergegeben. Desgleichen fand ich mehrfach einzelne nicht plattenförmige Kry- stalle, die kurz säulenförmig waren. Es ist diese Gestalt auf eine Hemmung des Wachsthums nach allen vier schrägen Rhombhoederflächen zurückzuführen. Hiermit in Zusammen-

hang steht auch die geringe Wachsthumsgeschwindigkeit dieser Exemplare.

Ein Exemplar meiner Sammlung zeigt Hemmung des Wachsthums

nach zwei an einander stossenden schrägen Flächen des Rhomboeders,

PR: so dass die Bodenriefen das Wachs-

MH thumscentrum nahe einer stumpfen Ecke

der Unterfläche des Krystalls erkennen

lassen. Fig. 6 zeigt die Riefenbildung

und Fig. 7 einen Durchschnitt von a nach b.

Wurden die Krystalle, die nach schrägen Flächen Hemmungen zeigten, als Zusatzkrystalle für neue Lösungen angewandt, so traten die Hemmungs- erscheinungen nicht wieder auf, in einem Falle trat sogar an einem fort- wachsenden Krystalle eine andere Art der Hemmung auf, der Art, dass die Ge- stalt des Krystalles ganz geändert wurde.

Nach meinen eingehenden Beob- achtungen können diese Hemmungen nur durch Änderungen der Strömungserscheinungen erklärt werden, die an der Oberfläche des Krystalles stattfinden. Jedenfalls sind innere Structuranlage oder Verschiedenartigkeit der weiteren Umgebung der Krystalle nicht zur Erklärung dieser Hemmungen

Wuvrrr: Morphologie des Natronsalpeters. 123

ausreichend, die wesentlich verschieden sind von den Wachsthums- anomalien, die zur Bildung der Nadeln Veranlassung geben.

c. Nadelförmige Krystalle.

Bei Störungen durch locale Bewegungen bei der Krystallisation ruhig auskrystallisirender Lösungen entwickeln sich zuweilen mehrere Centimeter lange nadelförmige Krystalle, besonders gern in den Ecken und Winkeln von Krystallgruppen.

Die Strömungsabweichungen, die bei der Nadelbildung statt- finden, sind gerade entgegengesetzter Natur wie die Strömungs- abweichungen, die zur Plattenbildung Veranlassung geben. Während bei den Nadeln eine stellenweise erhöhte Zufuhr von Substanz statt- findet, ist bei den Platten die Zufuhr local vermindert.

Noch in anderer Weise unterscheiden sich die Strömungsab- weichungen bei der Nadel- und Plattenbildung. Erstere halten nur kurze Zeit an, sind bedingt durch eine gewisse Ueberconcentration, während die Strömungsabweichungen bei Plattenbildung dauernde sind. So lange das überwiegende Längswachsthum der Nadeln anhält, verdicken sich die Nadeln wenig, dann aber tritt eine gleichmässige Verdickung der Nadeln zu länglichen Prismen ein.

Zu vielen Hunderten bildeten sich die Nadeln bei Versuchen, wo durch mehrere grössere Schalen, die durch Stutzen mit einander verbunden waren, langsam abkühlende Lösung floss, wenn die gleich- mässige Durchlaufbewegung gestört wurde, wobei sich die Wände der Schalen dicht mit Nadeln bedeckten.

Die Bildung der Nadeln in den Ecken und Winkeln von unregel- mässigen Krystallen und Krystallgruppen bei ruhig stehender Lösung ist auch auf Bewegungsstörungen zurückzuführen, denn bei solchen Krystallen und Gruppen kommen leicht Verschiebungen von Krystall- theilen (wie ich unten weiter ausführen werde) oder Krystallen vor, wobei sich Risse plötzlich bilden oder vergrössern. Die Störungen durch solche spontane Bewegungen sind oft mehrere Gentimeter weit am Boden zu verfolgen, wenn es dabei zur Bildung von neuen kleinen Individuen kommt.

d. Flächen ausser Rkıoı1|.

Ausser dem Rhomboeder }1o11\ wurden selten noch Flächen beobachtet. In Ranmersgere’s Lehrbuch! wird von dem Verfasser noch —2Rk}o221\ angegeben.

! Raumersgers, Handbuch der Krystallographisch-physikalischen Chemie. 1881.

Bd.ı S. 348.

7 B . 124 Gesammtsitzung vom 27. Juni.

An einigen Exemplaren aus reiner Lösung habe ich auch schlecht entwickelte Flächen ungefähr von der Lage von —2 Rk }o221| gefunden. Fig. 8. Wie die grosse Einker- bung in Fig. 8 zeigt, haben wir es mit anormal gebil- deten Krystallen zu thun. Die Lage der einspringenden kleinen Flächen lässt erwar- ten, dass dieselben ursprüng- lich grösser entwickelt ge- wesen sind.'

Die beschriebenen Ex- emplare waren allerdings auch auf anormale Weise entstanden, nämlich durch Neubildung beim Einsetzen von Krystallen in eine concentrirte Lösung.

Die Messungen waren nur an einer Fläche und auch nur bis auf einige Grade genau auszuführen, denn die nicht scharf getrennten

Reflexe der gekniekten Fläche erstreckten sich über ein Gebiet von 10°, Ausserdem ergab sich eine erhebliche Abweichung der Fläche aus der vertiealen Zone —2R:R, so dass wir es hier nieht mit typischen Flächen zu thun haben, wie solche wohl bei den RAmmELsBerG' schen Messungen zu Grunde lagen, die allerdings auch auf ı0' abgerun- det sind.

Meine Ansicht, dass es sich hierbei um Flächenüberreste handelte, bestätigte sich, als ich später die grossen Gruppen näher untersuchte und zerstückelte, die sich aus den Einsatzkrystallen gebildet hatten. Hierbei fanden sich Krystalle mit grösser entwickelten unregelmässigen Flächen von der ungefähren Lage —2Rx}o221|, die auch noch mehr der ursprünglichen Flächenlage nahe kamen.

Deutlicher ist die Entwickelung der Flächen —2R bei Krystalli- sationen aus Lösungen mit Zusatz von Natronwasserglas, aber das Auftreten der Flächen ist äusserst variabel, wie es schon bei der mikroskopischen Krystallisation angegeben war.

Meist sind nur einzelne Flächen von —2 R«k}o221! an Rhomboedern entwickelt. Um gleichmässigere Combinationen zu erhalten, legte ich kleine klare Rhomboeder aus reinen Lösungen ein in abkühlende Lösungen mit Natriumsilikatzusatz, wobei ich die in Fig. 9 dar- gestellten Gebilde erhielt.

! Über derartige Flächenüberreste an Nähten und Einkerbungen vergleiche man diese Berichte 1894. S. 1087.

nn

Wurrr: Morphologie des Natronsalpeters. 125

Nur bei einem Versuche erhielt ich reine oder vorwiegende Rhomboeder 2 Rek|o22 ı\, an denen die Rhomboederflächen vereinzelt als schmale Abstumpfungen der Polkanten vorkamen, Fig.10. Auch an diesen Krystallen ist die Entwicke- lung der Flächen —2 Rk}o221| un- eben, und nur das Hauptrhomboeder hat glatte Flächen.

An einem Exemplar des K.K. Hofmineralienkabinets in Wien (jetzt Hofmuseum) hat Scnraur die Flächen oRK}ooo1! »angedeutet« beobachtet.!

Einige Male habe auch ich solche kleine Flächen gefunden und zwar stets an incompacten Wachsthums- formen, die sich aus Exemplaren entwickelt hatten, die mit senkrecht stehender Hauptaxe aufgewachsen waren, bei denen also oR als Auf- lagerungstläche erschien. Zu genaueren Messungen eigneten sich meine Exemplare nicht, weil oR nieht genügend ebenflächig war, doch ist die Flächenlage deutlich erkenntlich.

Meine Versuche, die Flächen von oRk}oooı! absichtlich zu er- halten, schlugen fehl. Flächen untergeordneter Bedeutung bilden sich häufig an Krystallen, wenn diese abgerundet werden und langsam ausheilen, wobei oft Flächen auftreten, die sich an continuirlich ge-

Fig. 9.

wachsenen Krystallen garnicht zeigen, aber beim Natronsalpeter bilden sich immer nur treppenförmig angeordnete Rhomboederansätze an den abgerundeten Partien. Es können demnach die beobachteten Flächen von OoRK}oooı! nur durch eine besondere, gelegentlich eintretende andere Lösungsconstitution bewirkt werden. Diese Constitution ist ja, wie meine Krystalle aus reiner Lösung zeigen, auch bei dieser möglich, aber sehr wenig stabil, wie das leichte Verschwinden der Flächen oRk}oooı! zeigt. Bei den Wiener Vorkommnissen, die nach ihrer Beschaffenheit aus unreiner Lösung entstanden sind, ist die be- treffende Constitution stabiler gewesen, da die Flächen oRtk }oo01\ sich bei grossen Krystallen und nicht vereinzelt ausgebildet haben.

Die nicht verzwillingten Exemplare mit vertical stehender Haupt- axe waren mir bei meinen Züchtungen stets sehr unangenehm, weil auch alle anderen Exemplare der betreffenden Züchtungen von gestörtem Auf’bau waren.

! Scnraur, Berichte der Wiener Akademie der Wissenschaften 1860. Bd. 41 S. 784.

(26 Gesammitsitzung vom 27. Juni.

Ich habe bei der Darlegung der mikroskopischen Züchtungen schon ausgesprochen, dass ich der Ansicht sei, dass die Exemplare mit verticaler Hauptaxe nicht dadurch entstanden seien, dass ursprüng- lich die Krystalle mit den mehr entwickelten Flächen oR aufgelagert waren.

Meine Ansicht, dass es sich hierbei um seeundäre Krystall- bildungen handle, wurde bestärkt durch das, was ich von Hrn. Direetor Brezısa über das erwähnte Wiener Vorkommen mit oR in Erfahrung brachte.

Derselbe hatte die Liebenswürdigkeit, mir über das Stück folgende brietliche Mittheilung zu machen: »Das erwähnte Stück Natronsalpeter findet sich in unserer Sammlung und trägt die Acquisitionsnummer A,a. ı8. Wir erhielten es mit anderen aus der K. K. Schwefelsäure- fabrik in Neudorf bei Wien im October 1843. Es ist eine Druse von lichtgelblicher Farbe; herrschend ist das Rhomboeder, sehr unter- geordnet aber ständig die Basis vorhanden. Die Krystalle sitzen fast durchweg mit einer Basiskante des Rhomboeders nach unten, so dass sämmtliche Basisflächen nahezu vertical stehen. Die Krystalle sind 3%. Krystalle an unserem Stücke um 90° gegen die von Ihnen beobachteten Exemplare gedreht. «

Wäre die Stellung der Krystalle durch das Vorhandensein der Basisfläche bedingt, so könnte man die Stellung der Wiener Exem-

mm

gross, die Basis meist 1-2 Es ist also die Stellung der

plare nicht erklären, da dieselben ja mit einer Prismenfläche auf- gewachsen erscheinen, die nicht beobachtet ist.

Ausser diesen Flächen kommen noch undeutliche Flächenent- wickelungen an einspringenden Krystallpartien vor.

Die Riefen der Bodenflächen sind häufig nur sehr flach entwickelt, da das Wachsthum daselbst fast ganz gehemmt ist. Tritt aber das Wachsthum dort nicht zurück, was an einer treppenartigen Riefelung zu erkennen ist, so lassen die Riefenstreifen deutlich erkennen, dass sie von Flächentheilen des Rhomboeders und von Skalenoederflächen aus den Zonen

Rk\ıoııl zu—4Rko1ı2| zurückzuführen sind. Indicesbestimmungen sind nicht möglich, da die Skalenoedertlächentheile durch Abrundungen in die Flächentheile parallel dem Hauptrhomboeder übergehen.

Ganz abweichend ist die Riefenbildung bei den Exemplaren, die mit senkrecht stehender Hauptaxe aufgewachsen waren, was ja leicht erklärlich ist, weil die Riefen in Fig. 4, 5,6 durch Flächen gebildet werden, die den Rhomboederflächen nahe liegen und durch Abrun- dungen in sie übergehen. Die Rhomboedertlächen liegen aber bei den

Worrr: Morphologie des Natronsalpeters. 727

Krystallen, die mit senkrecht stehender Hauptaxe aufgewachsen sind, schräge gegen den Boden, während sie bei Fig.4,5,6 die Auf- lagerungstläche bilden.

Das Aussehen der Bodenflächen der Krystalle, die mit senkrecht stehender Hauptaxe aufgewachsen sind, ist sehr verschieden und zwar hängt dies von der äusseren Umgrenzung ab, welche meist sechsseitig ist, und von Rhomboederflächen eingeschlossen wird, die mit der Bodenfläche der Krystalle drei spitze und drei stumpfe Kanten bilden. Die Riefenbildung findet nur an den stumpfen

Kanten statt, und ist sehr englinig im Vergleich

Fig. 11.

zu der Riefenbildung in Fig. 4, 5, 6.

In Fig. ı1 ist ein Schema der Riefenbildung einer sechsseitigen Auflagerungsfläche angegeben. Die langen Seiten sind die stumpfen Kanten an der Bodentläche.

Dass die engere Riefenbildung durch die Lage der Rhomboederflächen bedingt ist, tritt deutlich

hervor, wenn Krystalle von beiden Auflagerungs- weisen neben einander liegen, wobei die Riefenbildungen von Fig. 4, 5, 6 “und andererseits von Fig. ır unmittelbar neben einander sich voll- ziehen.

Bei den Krystallen, die ich mit Zusatz von Natriumehlorid erhielt, zeigen sich andere Flächenandeutungen auf einzelnen Flächen, während die anderen benachbarten Flächen durchaus eben sind. Der Aufbau der Krystalle ist ein gestörter, so dass sie beim Anfassen mit den Fingern leicht nach den Spaltungsrichtungen zer- springen.

Die Krystallisationen mit Zusatz von Natriumehlorid müssen zur Winterzeit angestellt werden, denn bei Sommertem- peraturen kehren sich die Lösungsverhält- nisse der beiden Substanzen um.

In Fig. ı2 ist auf einer Rhomboeder- fläche der Verlauf der Knickungen ver- zeichnet. Stets sind die rundlichen Flächenbildungen auf steilere Flächen als das Rhomboeder zurückzuführen.

Sie eignen sich ihrer eigenen Abrundung wegen für Indices- bestimmungen nicht, doch gehen sie nieht wie bei den Bodenriefen in die Rhomboederflächen über, sondern stossen in deutlichen Kanten mit ihnen zusammen.

728 Gesammtsitzung vom 27. Juni.

e. Das Axenverhältniss des Natronsalpeters.

Da die Angaben! über das Axenverhältniss des Natronsalpeters erheblich von einander abweichen:

Beobachter Winkel R:R LA

SENARMONT 106° 33' 0.8266 Brooke 106° 30" 0.8277 SCHRAUF 105° 50' 0.8401

so unternahm ich einige Messungen an gut ausgebildeten Exemplaren von 3-4" Ausdehnung. Die Einstellungen mittels des Wesskv’schen Spalts waren so genau möglich, dass die Wiederholungsablesungen im Maximum eine Abweichung von 4' ergaben. Auch die Abweichungen in der Parallelität von Flächenpaaren hielten sich innerhalb dieser Grenzen bis auf eine Zone, in der eine Fläche eine nicht einheitliche Spiegelung ergab und 10’ Abweichung von der parallelen Gegenfläche. Das Mittel aus 24 Messungen ergab als Polkantenwinkel für das Rhomboeder 106° 23' (Maximum 106° 25#') (Minimum 106° 21'),

woraus sich das Axenverhältniss berechnet

a:C=1:0.8297 (Maximum 0.8303) (Minimum 0.8289).

Diese Zahlen weichen zwar erheblich von den Schraur'schen Angaben ab, doch war dessen Material gelblich und »wegen Hygro- seopieität schwer messbar«.

IV. Wachsthumsformen.

Neben den gut entwickelten Individuen aller meiner Ansätze fand ich auch in verschiedener Häufigkeit wohl ausgeprägte Wachs- thumsformen vor, und zwar in zweierlei Ausbildungen, die sich so- wohl morphologisch als genetisch verschieden zeigen. Erstens lamel- läre Wachsthumsformen mit paralleltheiligem Aufbau, zweitens strah- lige Wachsthumsformen mit nicht paralleltheiligem Aufbau.

a. Lamelläre, paralleltheilige Wachsthumsformen.

Sie entstehen bei allen Krystallen, die sich bei ausgeprägter Ubereoneentration gebildet haben, daher alle grobkrystallisirten Fabrik- krystallisationen hierher gehören.

! RAnmersBERG, Handbuch der krystallographisch-physikalischen Chemie 1881. Bd. 1. S. 348.

Wurrr: Morphologie des Natronsalpeters. 129

Sie entstehen aber auch aus Krystallen, die ursprünglich ohne ausgeprägte Übereoncentration compact gebildet waren, sobald nun diese ausgeprägte Übereoncentration eintritt. Hierbei tritt der lamelläre Aufbau nicht immer nach allen drei Rhomboederflächenpaaren ein, son- dern es finden sich bei nachträglich entstandenen Wachsthumsformen so- wohl Wachsthumsformen mit einer sowie mit zwei oder drei Lamellen- lagen, so dass theils compaete Krystallpartien (nach zwei bez. einem Rhom- boederflächenpaar) neben den Wachsthumsformpartien vorkommen.

Gerade die letzten Formen eignen sich besonders, um die innere Aufbauart der lamellären Wachsthumsformen zu verfolgen, da sie wegen der compacten Partien sich leicht und gut spalten lassen.

Äusserlich erscheinen die blätterigen Wachsthumsformen stets ebenflächig begrenzt, dagegen tritt im Innern deutlich hervor, wie die inneren incompacten Partien in ihren Begrenzungen abgerundet sind. Diese Abrundungen sind auf nachträgliche Corrosionen und innere Wachsthumsvorgänge zurückzuführen. Bei beiden zeigt der Natronsalpeter keine Tendenz zur Bildung von ebenen Flächen, daher rührt der unregelmässige innere Aufbau der Natronsalpeterkrystalle.

Es ist hier sehr deutlich erkenntlich, wie der spätere innere Auf- bau der Krystalle wesentlich abweicht von dem ursprünglichen Auf- bau derselben, und habe ich ähnliche nachträgliche Abänderungen des inneren Aufbaus auch bei anderen Salzen verfolgen können.

Derartige typisch entwickelte Wachsthumsformen setzen nur eine ausgeprägte Übereoncentration zu Anfang der Bildung voraus. Später kann das Wachsthum derselben in analoger Weise fortschreiten, wenn auch die Abscheidung der neuen Substanz nur sehr langsam vor sich geht, so dass sie unmittelbar neben vollständig langsam wachsenden glasigen Individuen ihre Entwickelung als typische Wachsthumsformen beibehalten.

Da ich stets bemüht bin, unter Ausschluss von ausgeprägter Über- concentration zu arbeiten, so habe ich bei meinen Züchtungen so typisch ausgebildete Wachsthumsformen wenig gefunden. Weit häufiger sind

solehe Wachthumsformen, die nahezu com-

Fig. 13.

paet sind, und die daher Individuen ähn- lich sind, von denen sie sich aber durch ihren Aufbau deutlich unterscheiden. Die Lamelleneinlagerung findet durchweg vor- wiegend nach den beiden schiefen Rhom- boederflächenpaaren statt, und der Aufbau lässt sich am besten auf der Bodentläche verfolgen, wie sie in Fig. ı3 dargestellt ist. Das Wachsthumscentrum liegt ein wenig

Sitzungsberichte 1895. 65

730 Gesammtsitzung vom 27. Juni.

nach oben, Da wo die Lamellenreihen aneinander stossen, hat sich eine compacte Substanzablagerung eingestellt, so dass man oft ganz durch den sonst vor Lamellenbildung undurehsichtigen Krystall längs 4 radial gestellter Platten hindurchsehen kann. Die durch den inneren Aufbau bedingten Streifen in Fig. ı3 sind nieht mit den äusserlichen Discontinuitäten in Fig. ıı zu verwechseln.

Wenn die Lamellenbildung sich gar nicht auf die obere Fläche überträgt, dann tritt oft ein Zerspringen des Krystalles in eine oder mehrere compacte Pyramiden und in einen oder mehrere vierkantige lamelläre Rahmen ein, so dass der Aufbau der obersten Par- tien treppenartig wird.

In Fig.ı4 ist ein senkrechter Quer- schnitt durch ein derartiges flaches Ex- emplar gezeichnet. Die Risse, welche das Aufkeilen einzelner Partien bedingen, entstehen bei Temperaturschwankungen wegen der un- gleichen Ausdehnungsbestrebungen der einschlussfreien und einschluss- reichen Krystallpartien, für welche die höheren Ausdehnungscoeffi- eienten von wässerigen Lösungen ein höheres Ausdehnungsbestreben veranlassen.

Fig. 14.

Die nicht verzwillingten grossen Exemplare, die mit senkrecht stehender Hauptaxe aufgewachsen waren, gehörten alle zu den wachs- thumsformenartig entwickelten Krystallen, während bei den oben er- wähnten mikroskopischen Beobachtungen manche der analogen Ex- emplare noch compact erscheinen, was vielleicht aber nur wegen der Kleinheit so zu sein scheint. Es liegt dies wohl daran, dass die Wachsthumsanomalien bei den mikroskopischen Exemplaren weniger zum Ausdruck gelangen, während die bei den lamellären grösseren Exemplaren auftretenden Störungen sieh discontinuirlich wiederholen.

Bei den meisten Exemplaren mit senkrecht stehender Hauptaxe findet das Hauptwachsthum nach den Mittelkanten statt, während die oberen Polkanten unvollständig entwickelt sind und einen grob- blätterigen Aufbau nach den drei oberen Rhomboederflächen zeigen. Die unten am Boden aufliegenden Partien der Exemplare erscheinen oft von aussen ziemlich glasig compact. Daher ist auch auf der Boden- fläche der lamelläne Aufbau nicht zu erkennen.

Über die Riefenbildung auf den Bodenflächen vergleiche man die Fig.ıı in Abschnitt II. Dass die Bildung dieser engen Riefen nieht auf innere Anlage, sondern auf die äussere Umgrenzung zurückzu- führen ist, wurde dort dargelegt.

Die Nadeln sind auch häufig blätterig nach den vier Längsflächen aufgebaut, was sich aus zwei Eigenschaften derselben ergiebt. Erstens

Wovrrr: Morphologie des Natronsalpeters. 731

ist das Ende soleher Nadeln incompact, indem zwischen vier Platten eine Vertiefung entsteht, zweitens kommen Längskanäle mit Flüssig- keitseinschluss vor.

Es kommen auch wohl ausgeprägte wiederholte Wachsthumsdis- eontinuitäten bei Nadeln vor. Besonders ausgebildet tritt dies bei einer Nadel meiner Colleetion auf, die, obgleich kaum 1" diek, doch auf der Länge von fast 3°” innere Streifungen in Abständen von +-1"" zeigt.

Bei meinen Versuchen, mittelst Zusatz von Natriumwasserglas Kry- stalle mit —2%Rklo22ı} zu erzielen, erhielt ich bis 1°" grosse Wachs- thumsformen, welche zu den bei der Beschreibung der mikroskopi- schen Krystallisationen angegebenen Wachsthumsformen mit Wachsthum parallel den Rhomboederkantenrichtungen Fig. 2 gehörten.

Dieselben sind auch paralleltheilig aufgebaut und den blätterigen Wachsthumsformen ähnlich. Sie unterscheiden sich aber von ihnen durch ihren Aufbau aus sehr länglichen, wenn auch theilweise ab- geplatteten Aufbautheilen, ihre geringe Festigkeit, die sie oft schon beim Herausnehmen zerfallen lässt und durch das Fehlen der glasigen Partien, die in Fig.ı3 und Fig.ı4 angegeben sind, da wo die La- mellenschichten aneinanderstossen.

Bei den meisten Versuchen, einheitliche Krystalle mit 2Rk}o221| aus natronwasserglashaltigen Lösungen zu erhalten, entstanden aus den etwa millimetergrossen Exemplaren wachsthumsformartige Gebilde von sehr unregelmässiger Gestalt. Die Unregelmässigkeit rührt theil- weise davon her, dass die ursprünglichen Krystalle schon eine un- regelmässige Vertheilung der Flächen Rr}ıorı) und —2Kkjo221} zeigen, wie in Fig. 9 wiedergegeben ist und bei der Beschreibung der mikroskopischen Krystallisationen angegeben wurde. Besonders aber wird die Unregelmässigkeit dadurch erzeugt, dass der Überzug von incompaeten Wachsthumsformen an der Bodenfläche nur sehr langsam vor sich geht, dagegen oben stark entwickelt ist. An der Boden-

Fig.-15. fläche und den unteren Krystallpar- tien halten sich die Flächen von —2R am längsten, während die oberen Krystallpartien nur gelegent- lich noch Flächen dieser Form zei- gen. Unter den mannigfach wech- selnden unregelmässigen Gestalten kehrt häufig eine wieder, die in Fig. ı5 dargestellt ist. Es sind drei Hauptrhomboederflächen ineompaet, aber doch spiegelnd entwickelt.

Die Auflagerungsfläche ist klein geblieben und undeutlich. Die beiden

« i = n 132 ; Gesammtsitzung vom 27. Juni.

Rhomboederflächen rechts in der Figur fehlen und sind durch rund- liche treppenförmige Partien ersetzt, die unter sich und mit den bei- den Rhomboederflächen links in krummen, discontinuirlichen Kanten zusammenstossen, an denen Flächen von —2R unvollkommen auf- treten, am häufigsten an den krummen Kanten, die vorn und hinten in Figur liegen.

Ausgegeben am 4. Juli.

Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei.

1.599;

XXX. SITZUNGSBERICHTE

DER

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN.

4. Juli. Offentliche Sitzung zur Feier des Lrisnızischen Jahrestages.

Vorsitzender Secretar: Hr. Momnsen.

Der Vorsitzende eröffnete die Sitzung, welcher Seine Excellenz der vorgeordnete Minister Hr. Dr. Bosse beiwohnte, mit folgender Rede:

Wenn Jahr für Jahr der akademische Leibniztag herankommt, so legt er uns, den Mitgliedern der von Leibniz ins Leben gerufenen Akademie, wieder und wieder die Frage vor, ob wir es rechtfertigen können uns gewissermaassen seine Nachfolger zu nennen. Wohl hätte er, zugleich Mathematiker, Physiker, Philosoph und Historiker, das Recht gehabt den Begriff der praestabilirten Harmonie auf sich selber anzuwenden; das grosse Geheimniss der Individualität, die Einheit der verschiedenartigen Kräfte hat vielleicht niemals so vollkommen sich innerlich vollendet und so mächtig nach aussen gewirkt wie in diesem grössten Manne einer nicht glänzenden Epoche unserer nationalen Geschichte. Die Wissenschaft allerdings schreitet unaufhaltsam und gewaltig vorwärts; aber dem emporsteigenden Riesenbau gegenüber erscheint der einzelne Arbeiter immer kleiner und geringer. Für die weitgedehnten Kreise der Gesammtforschung, die dem Einzelnen fremd sind, sucht er sich wohl Achtung und Wohlwollen zu bewahren; der Muth die Wissenschaften, die man nicht beherrscht, zu verachten ist in Deutschland glücklicher Weise selten. Aber was ist Achtung

Sitzungsberichte 189. 66

134 Öffentliche Sitzung vom 4. Juli.

ohne Verständniss? und das Wohlwollen ohne Wissen steht ungefähr auf einer Höhe mit der platonischen Liebe. Wenn Leibnizens Akademie als Fortführerin seiner Arbeiten betrachtet werden darf und wenn sie darin ihre rechte Legitimation hat, so können wir uns doch nicht verbergen und müssen uns damit abfinden, dass diese Fortführung, in ihrer Zersplitterung auf mehrere Classen und innerhalb dieser Classen auf zahlreiche engere Kreise, ein Surrogat ist, unentbehrlich und wirksam, aber nicht unbedingt gesund und nicht unbedingt erfreulich. Unser Werk lobt keinen Meister und keines Meisters Auge erfreut sich an ihm; denn es hat keinen Meister und wir sind alle nur Gesellen.

Auch das Verhältniss der Wissenschaft zum Staat ist im Lauf der Zeiten ein anderes geworden. Freilich verfügen wir über weitaus grössere Hülfsmittel, als sie älteren Generationen zu Theil wurden. Nicht bloss die von unserer Regierung mit anerkennenswerther Frei- gebigkeit gesteigerte Dotirung sowie die von Privaten aus Interesse für die Wissenschaft uns zugewandten, eben in dem verflossenen Jahre in ungeahntem Umfang vermehrten Stiftungsgelder kommen uns zu Gute; auch der gesammte Aufschwung der Humanität, die Ausdehnung der Civilisation über bisher ihr ferner stehende Gebiete, die erleich- terten und verbilligten Verbindungen, die zahllosen technischen Ver- vollkommnungen und Neuentdeekungen sind wichtige Hebel auch des wissenschaftlichen Fortschritts. Aber das tiefe innerliche Verhältniss zwischen Wissenschaft und Staat, auf dem Preussens Grösse und Deutschlands Weltstellung mit beruht, besteht so wie früher heute nicht mehr. Wir feiern noch jährlich den Friedrichstag, den 24. Januar und wir werden ihn feiern, so lange es eine preussische Akademie giebt; aber Friedrichs Auge ruht nicht mehr auf der von ihm neu belebten Anstalt und wir wissen es, dass er Friedrich der Einzige war und bleiben wird. Wir wissen nieht minder, dass die Zeiten, wo der Erforscher der Kawisprache und der Begründer der Monu- menta Germaniae historica Minister des preussischen Staats sein konn- ten, unwiederbringlich dahin sind. Auch dies hängt zusammen mit dem vorher berührten Steigen des Arbeitsergebnisses und dem Sinken des einzelnen Arbeiters. Wie die Dinge jetzt liegen, kann die Wissen- schaft nur den Fachmann brauchen und schliesst die Dilettanten aus. Das ist richtig und nothwendig; aber die enge Beziehung des Staats- mannes zur Wissenschaft, die ihr von hochgestellten preussischen Be- amten früherer Generationen bewahrte innige oft leidenschaftliche Liebe ist mit dieser strengen Haltung der alternden Pallas Athene unver- einbar. Wir klagen nicht und beklagen uns nicht; die Blume ver- blüht, die Frucht muss treiben. Aber die Besten von uns empfinden es, dass wir Fachmänner geworden sind.

un ne

Monuusen: Festrede. Sruner: Antrittsrede. 1/2)

Erwägungen, wie die eben ausgesprochenen, legt der heutige Leibniztag uns vor allem nahe. Wir haben in dem verflossenen aka- demischen Jahr neben anderen schweren Verlusten auch den Mann her- geben müssen, der mehr als irgend ein anderes Mitglied sich kraft eigenen Rechts Leibnizens Nachfolger nennen durfte, dessen hoher Forscherflug, dessen tief eindringender Scharfsinn die Geistes- wie die Naturwissenschaften gleichmässig umspannten. Sie werden noch heute aus berufenerem Munde seinen Namen nennen und sein Wirken schil- dern hören; ich will nicht vorgreifen, um so weniger, als gerade in der Erinnerung an ihn es nur zu deutlich und nur zu schmerzlich mir zum Bewusstsein kommt, wie durchaus für die rechte Anerkennung das örkennen vorbedingend ist. Das aber mag noch gesagt sein, dass die Aufgabe desjenigen Akademikers, der nur mit Inbegriff seiner Collegen sich als Nachfolger Leibnizens bezeichnen darf, eine schwere und viel- fach leidvolle ist und dass das Bewusstsein dessen, was von uns geleistet werden soll und was geleistet wird, das Bewusstsein dessen, was die Gesellschaft von der höchsten wissenschaftlichen Corporation Deutsch- lands mit gutem Grund fordert und wie dazu die Kraft des Einzelnen sich verhält, als schwerer und mit den Jahren immer sich steigernder Druck empfunden werden muss und empfunden wird.

Darauf hielt Hr. Stunpr folgende Antrittsrede:

Der hochverehrlichen Körperschaft, die mich in ihren Kreis auf- genommen, danke ich aufs Wärmste für diese Anerkennung meiner Bestrebungen. Sicherlich giebt es im Leben des Gelehrten keine Ehrung, die ihn stärker ermuntern könnte, auf den Wegen, die er für recht erkannte, fortzuschreiten; und Keiner wird unterlassen, bei solcher Gelegenheit zurückschauend die Grundlagen seiner Lebens- thätigkeit sich zum deutlichsten Bewusstsein zu bringen.

Meine Studienzeit fiel in das Ende der sechziger Jahre, als in der deutschen Philosophie nach dem Zusammenbruch der grossen künst- lichen Systeme mehr und mehr eine empirische Richtung zur Geltung gelangte. Mich hatte auf diesen Weg Franz BRENTAno gewiesen, dessen an Aristoteles geschulter Scharfsinn mir auch im Einzelnen entscheidende Anregungen, Keime mannigfachster Art zuführte; während Lorze’s spätere Einwirkung speciell das Interesse für psychologische Gegen- stände und die Gewöhnung an breite Fundamente beförderte.

Meine grösseren Arbeiten wurzelten in dem dringenden Wunsche, gegenüber dem Hin- und Herreden in halbverständlichen, unvoll- kommen definirten Allgemeinheiten, worin philosophische Speculation

66*

736 Öffentliche Sitzung vom 4. Juli.

so leicht verläuft, Fragen von grundsätzlicher Bedeutung an dem concreten Material einzelner Erscheinungsgebiete und im engsten Anschluss an die Fachwissenschaften zu untersuchen. Auf diese Art haben wir Hoffnung, uns allmählich zu verständigen, unsere Behaup- tungen für jeden Kenner der Thatsachen unzweideutig und unsere Beweisführungen einleuchtend zu gestalten; während solche, die sich mit dem Material nicht hinreichend vertraut gemacht haben, von selbst aus der Discussion ausgeschlossen bleiben und in ihrer gewohnten Art unter sich weiter verhandeln mögen. Wir müssen Ernst machen mit der Regel, das Allgemeine am Einzelnen zu erfassen, und mit dem goldenen Spruch: Willst du ins Unendliche schreiten, Geh nur im Endlichen nach allen Seiten! Wir müssen die Mühen der Einzelforschung durch eigenes Handanlegen in irgend einem Gebiete erfahren haben, und es soll zwischen ihren und unsren Frage- stellungen, Methoden und Grundbegriffen ein stetiger Übergang und nicht eine Kluft liegen. In der Psychologie ist die physiologische und experimentelle Richtung, wenn wir von schiefen Auffassungen absehen, nur eine besondere Anwendung dieser Maxime. Neben ihr steht indess noch mancher Weg auf Grund der gleichen Maxime offen, wie z. B. die Zergliederung juristischer, nationaloeconomischer, kunstgeschichtlicher, sprachlicher Thatsachen, wenn sie nur gleichfalls auf fachmässiger Kenntniss ruht.

Ich wählte zuerst die räumlichen Wahrnehmungen, dann das mir von Kindheit an vertraute Gebiet der Töne zur Basis psycho- logischer Untersuchungen; also dieselben Gebiete, für welche uns bereits HeLmnorrz durch seine Meisterwerke eine Fülle von Belehrungen gegeben hatte.

Damals herrschte in weiten Kreisen die Lehre, dass die räum- lichen Eigenschaften unserer Gesichtsempfindungen sich aus völlig unräumlichen Farbeneindrücken und aus Muskelempfindungen ent- wickeln. Eine solehe Metamorphose, die von Manchen nur still- schweigend vorausgesetzt, von Anderen aber unter dem Titel der psychischen Chemie oder Synthese ausdrücklich vertreten und sogar als allgemeines Kennzeichen des geistigen Lebens hingestellt worden ist, schien mir ohne jede Analogie im Gebiete der sinnlichen Vor- stellungen; während sich zugleich die in Physiologenkreise weit ein- gedrungene Lehre Lorze’s von den Localzeichen und die Annahme unbewusster Schlüsse als unnöthige und bedenkliche Hülfshypothesen darstellten. Die neuere Psychologie gelangt mehr und mehr zu der Erkenntniss, dass bei aller Ausbildungsfähigkeit unserer Raumvorstel- lungen doch eine ursprüngliche Mitgift räumlich angeschauter Sinnes- empfindungen bei Menschen wie 'Thieren angenommen werden muss.

nn u ur

Srumer: Antrittsrede. darzı

Das Unternehmen, das ich in Ermangelung eines bessern kurzen Ausdruckes Tonpsychologie nannte, hat sieh in den beiden bisher erschienenen Bänden darauf beschränkt, theils die von dem Schöpfer der »Lehre von den Tonempfindungen« eröffneten Bahnen weiter zu verfolgen, theils Fragen zu erörtern, die nicht auf seinem Wege und mehr in der Richtung der allgemeinen Psychologie lagen. Doch ist darin auch schon die experimentelle Begründung eines Prineips enthalten, durch welches die Phaenomene der Consonanz und Dissonanz auch bei einfachen Tönen definirt werden können. Da ich Angesichts der weitgreifenden Öonsequenzen nicht genug der Beobachtungen und Versuche, der Studien über die Praxis und Geschichte der Musik, über individuelle Entwiekelung des musikalischen Urtheils und Gefühls, über die Melodik der Naturvölker u. dgl. ansammeln zu können glaubte, so schreitet das Ganze langsam fort. Aber ieh gebe mich der Hoffnung hin, dass aus dem gesammelten Apparat neben der Psychologie einmal auch die Aesthetik schöpfen und dass eine allgemeine Musik- wissenschaft erwachsen könnte, die uns in die Tiefen dieser für den Verstand so dunklen wie für das Gemüth offenbaren Kunst denkend einzudringen lehrte.

Bin ich im Verfolg dieser und anderer Arbeiten für die Augen Unbetheiligter vielleicht öfters ganz aus den Kreisen der Philosophie herausgetreten, so geschah es mit dem vollen Bewusstsein der Noth- wendigkeit. Wer wird sich denn auch durch die Grenzen eines »Faches«, und sei es die Philosophie, abhalten lassen, der Consequenz der Sache und seiner eigenen Individualität zu folgen!

Immerhin möchte ich gerade heute am Leıssıztage um keinen Preis in den Verdacht kommen, .als ob mir die centralen Aufgaben der Philosophie nicht in der grossartigen Fassung vor der Seele schwebten, wie sie durch jenen hohen Geist deutscher Philosophie vor- gezeichnet sind, und als ob mir Ersetzung der Philosophie dureh Einzel- untersuehungen oder eine positivistische Thatsachenverehrung im Sinne läge. Aus jedem Gebiet führen tausend Fäden den Suchenden ins Weite, und immer liegt das offene oder heimliche Centrum unseres Denkens in den Ideen, die wir uns über den Zusammenhang der Dinge und über die letzten Wurzeln der Sittlichkeit bilden. Auch in der Psychologie wird das ehrsame Handwerk nicht dauernd das Interesse an den letzten Gesetzen des geistig-körperlichen Zusammen- hangs, von dem es doch ausgegangen ist, verdrängen; und so wird sie dem Complex der philosophischen Wissenschaften, von dem sie sich gegenwärtig fast loszusagen scheint, erhalten bleiben. Aber auch das geschiehtlieh-philosophische Studium, die lebendige Fühlung mit den grossen Gedankenkreisen der Vergangenheit, worin wiederum Leısnız

738 Öffentliche Sitzung vom 4. Juli.

uns ein Beispiel gegeben, wird allezeit zu den unentbehrlichen Be- dingungen des Philosophirens gehören.

In diesen Überzeugungen, und nieht zum wenigsten in dem Ge- fühl der Bewunderung für die philosophischen Grossthaten der Alten, weiss ich mich auch dem hochberühmten Manne, in dessen Stelle in der Akademie ich eintreten durfte, trotz der Ungleichartigkeit der besonderen Arbeitsgebiete innerlich verbunden. Gewiss weilen heute seine Gedanken in diesem Kreise, der seine persönliche Gegenwart schmerzlich vermisst. Möge es ihm noch durch eine Reihe von Jahren vergönnt sein, frischen Auges das Licht der Sonne zu schauen und an den Fortschritten der Wissenschaft theilzunehmen.

Hr. Momusen, als Secretar der philosophisch -historischen Ülasse, antwortete:

Sie wissen es, verehrter Herr College, dass die Antwort auf die eben vernommenen Worte aus dem Munde eines anderen hätte kommen sollen, welcher darauf zu erwiedern besser als ich berufen war und den ein schwerer Schicksalsschlag heute von unserer Vereinigung fern hält. Aber auch mir ist es gestattet für uns alle es auszusprechen, dass wir Sie mit Freude und Hoffnung in unserem Kreise empfangen. Aller- dings ist die Philosophie, wie alle Wissenschaftszweige, zu einer ge- wissen Abkehr von dem früher eingehaltenen Wege genöthigt worden: allerdings hat sie den luftigen, aber wenig soliden Hochflug der Spe- eulation mehr und mehr mit dem festen Boden der Empirie vertauscht. Darin begegnen Sie sich, wie fern sonst auch die beiden Kreise von ein- ander liegen, mit Ihrem Vorgänger, mit dem zu unserer aller Leidwesen aus unseren Reihen geschiedenen Hrn. Zeller. Was ihm die philologisch- historische Forschung war, das ist für Sie die physiologische und die darauf ruhende psychologische Beobachtung; wie er, so wollen auch Sie nicht das Wesen des Kosmos in neuen Begriffen oder doch neuen Worten formuliren, sondern in bescheideneren Grenzen das That- sächliche feststellen, ordnen, begrifflich entwickeln. Geheimnissvoll am lichten Tag liegt das Gebiet der Erscheinungen vor uns und vielleicht nirgends wunderbarer in der Entstehung wie in der Wirkung als in der Schallwelle, in der Welt der Klänge, der Geburtsstätte der Musik, Ihrem eigensten Arbeitsgebiet. Nur zu sehr ist das Erkennen der Einzelheiten vernachlässigt worden über dem Aufbau der einander ablösenden und schliesslich, wie Sie mit Recht sagen, sämmtlich zusammengebrochenen Systeme. Unsere Akademie kann ihrer ganzen Organisation nach in die systematische Philosophie noch weniger eingreifen als in andere Wissenschaftsgebiete; dennoch aber rufen wir Sie nicht bloss, um Sie so, wie Ihre Leistungen es verdienen, zu ehren, sondern vor allen

u

Monmnmsen: Antwort an Hrn. Srumpr. Scumipr: Antrittsrede. 139

Dingen zu gemeinschaftlicher Arbeit. Wenn auf irgend einem Ge- biet die Akademie die Wissenschaft gefördert hat, so ist es die Aristoteles-Forschung, von der ja auch Sie ausgegangen sind. Die akademische Aristoteles-Ausgabe, die dafür maassgebend gewesen und geblieben ist, ist seit langem abgeschlossen; die schwierigere und minder dankbare Bearbeitung seiner Commentatoren ist erst begonnen und ihre Leitung bietet Ihnen ein bedeutsames Arbeitsfeld. Begonnen ferner ist seit Kurzem die Bearbeitung der Werke desjenigen Philo- sophen, in dem der beste Theil unseres norddeutschen Wesens seinen reinsten und schönsten Ausdruck gefunden hat, des Mannes des kate- gorischen Imperativs, Immanuel Kants. Ihre erste Mitwirkung bei akademischen Verhandlungen hat sich darauf bezogen: accipimus omen. Hier ist noch Alles zu ordnen und zu leisten. Mögen Sie selbst und alle neben Ihnen daran Betheiligten den Segen und die Freude wissen- schaftlichen Zusammenwirkens an diesem Werke in vollem Maasse em- pfinden.

Hr. Erıen Scnmipr hielt folgende Antrittsrede:

Wenn ich heute dankbar für die meine Wissenschaft ehrende und mich anspornende Wahl in Ihren Kreis trete, so drängt es mich, als erstes Wort den theuren Namen WirHELm SCHERER'S auszusprechen, der meine unsicheren Schritte anfangs leitete, mit dem ich mich lieber in Einklang wusste als mit jedem Andern, und dessen jäher Tod auch der Akademie einen reichen Besitz und noch reichere Hoffnungen entrissen hat.

Ich bin einem frühen Drange gefolgt, als ich mich, in den Hör- sälen der elassischen und germanischen Philologie vorbereitet, immer ausschliesslicher dem Studium unserer modernen Litteratur widmete. In meiner Vaterstadt Jena hat sich ein gutes Stück deutscher Litteratur- geschichte abgespielt. In meinem Elternhause war die Liebe zu den Schätzen nationaler und fremder Dichtung heimisch, und der an huma- nistischer Bildung festhaltende Zoologe zählte zu seinen näheren Freun- den Männer wie Hrertser und Hrn. Weıs#orn. In Schulpforta hat mir KoBERSTEIN, keineswegs nur ein treufleissiger Registrator, starke An- regungen auch für einzelne Vertreter oder Gruppen unserer National- litteratur geboten. In der Goethestadt Strassburg habe ich, nach einem Beitrag zur Charakteristik und Kritik des Minnesangs, eine Reihe kleiner Monographien über Jugenddichtung und Jugendgenossen Gorrue’s begonnen, später aber das litterarische Elsass des 16. Jahr- hunderts als Herausgeber und Forscher ins Auge gefasst und denke mich diesem Zeitalter noch verweilender zuzuwenden. Vorschnell des docendo diseere betflissen in Jahren, da die neuere deutsche Litteraturgeschichte

740 Öffentliche Sitzung vom 4. Juli.

einen raschen Aufschwung an den Universitäten nahm, durch Hrn. M. Bernays auch in Bayern, wo ich mich zuerst versuchte, bin ich leicht von Ort zu Ort gekommen und betrachte es als Gewinn für meine Studien, dassösterreichische, thüringische, fränkische, alemannische Jahre mich mit der Sprache und Art verschiedener Stämme vertraut gemacht und hervorragende Dichter des deutschen Nordens und Südens mir näheren Umgang gegönnt haben. Ein glücklicher Stern führte mich, als die Riegel des Goethe-Archivs endlich sprangen, nach Weimar in den Dienst einer hochsinnigen und werkthätigen Fürstin: ich durfte diese Schatzkammer verwalten, mit SCHERER und v. LoEPER, dann mit den HH. Surman und SEUFFERT eine den gesammten Nachlass erschöpfende Ausgabe rüsten, selbst unter anderm die Masse der Skizzen und Varianten zum zweiten Theile des »Faust« verarbeiten und durch einen zufälligen Fund die Vorgeschichte des ersten aufklären; freilich auch neu ver- wirren, ohne meinerseits in das »Trenn’ und gebiete« moderner Chori- zonten rückhaltlos einzustimmen. Das wohlfeile Achselzucken über sogenannte Goethe-Philologie soll uns nicht darin stören, die Arbeit zu erweitern und zu vertiefen. Dass der unerlässliche historisch -philo- logische Betrieb einer älteren speculirenden systematischen Aesthetik Valet sagte, war heilsam; aber das Einvernehmen und Zusammen- arbeiten mit der induetiven Aesthetik muss immer inniger werden: ich bekenne mich in den Grundfragen der Poetik, kurz gesagt, zu den von Hrn. Divruey dargelegten Überzeugungen.

Wenn ich. zwischen den letzten auf GoETHE und ScHILLer be- züglichen Arbeiten ein grösseres Werk über Lessise abschliessend, als entschiedener Vertreter der Bildungs-, Stil- und Motivgeschichte die Filiationen nachzuweisen und zugleich eine möglichst scharfe Charak- teristik des Individuellen zu geben suchte, so darf ich wiederum in aller Kürze bekennen, dass mir Vererbung und Anpassung, dass mir alle durch Tame aufgeworfenen Milieu-Fragen selbstverständlich von grösster Bedeutung sind, aber Gorrue’s Durchdrungensein von der geschichtlichen Bedingtheit einerseits, vom höchsten Glück der Per- sönlichkeit anderseits längst schon den Heilsweg zwischen einem vagen Heroeneult und einem die Individualität verkennenden Historismus, zwischen falscher monarchischer und falscher demokratischer Betrachtung zu zeigen scheint.

Von meinen auch auf Volkspoesie und Formgeschichte zielenden Plänen will ich schweigen; aber gestatten Sie mir, die Hoffnung aus- zusprechen, dass gerade in einer Zeit, wo unserer Nation der Sinn für ältere geistige Erbgüter immer mehr verloren geht und allein die Gegenwart Recht hat, die deutsche Litteratur hier nicht nur ihren Platz einnehme, sondern allgemach auch einige Brosamen von den für

- y 7, Scnmip’r: Antrittsrede. Monmmsen: Antwort an Hrn. Scaamiprr. 741

andere Wissenschaften so reich gedeckten Tischen empfange. Hat doch Leisnız, allerdings mehr an eine uns nicht erwünschte Sprach- regelung denkend, vor bald zweihundert Jahren gemahnt: »Solchen nach soll bey dieser Societät neben andern nützlichen Studien, was zu Erhaltung der teutschen Sprache in ihrer anständigen Reinigkeit, auch zur Ehre und Zierde der teutschen Nation gereichet, absonderlich mit besorget werden, also dass es eine teutsch - gesinnete Societät der Scienzien sey«.

Hr. Mommsen erwiderte:

Eben wie Ihnen, geehrter College, bei dem Eintreten in unseren Kreis als erstes Wort der Name Wilhelm Scherer auf die Lippen kam, so gedenke auch ich an diesem Leibniztage mit tiefer Bewegung desjenigen von 1884, an dem ich ihm, so wie heute Ihnen, bei seinem Eintritt in die Akademie das Glückauf zuzurufen hatte. Es hat sich nicht erfüllt; nur wenige Jahre haben wir diese Jugendkraft, diese männliche Anmuth, diese den frischen Reiz unseres Südens und den Ernst unseres Nordens so harmonisch in sich verschmelzende Persön- lichkeit unser nennen können. Goethes Wort, dass es nichts Ab- geschmackteres giebt als den Tod, in diesem Fall wenigstens traf es zu. Ihnen, der Sie früh die Arbeit begonnen haben und in frischer Kraft unserer Thätigkeit sich anschliessen, sollen günstigere Sterne leuchten; wir hoffen viel von Ihrem rüstigen Schaffen.

Leicht ist die Aufgabe des deutschen Litterarhistorikers nicht. Schwere durch Jahrhunderte andauernde Geschicke drohten unsere Nation sich selbst zu entfremden, und als die deutsche Muse sich end- lich auf sich selbst besann, waren die Götter Griechenlands für sie mehr bestimmend als diejenigen, welche einst über die deutschen Felder und Wälder walteten, und ist vor dem dicehtbelaubten Hain Iphigeniens und den glänzenden Sälen des Hofes von Ferrara das deutsche Wesen kaum zu Worte gekommen. Fausts Vermählung mit Helena und Euphorions Verschwinden in das Schattenreich haben leider ironische Wahrheit. Während bei anderen Völkern die politische und die litterarische Blüthezeit gleichzeitig eingetreten ist, hat bei dem unsrigen, nachdem die staatlose Nation sich eine Litteratur geschaffen hatte und der Poet wegen der getheilten Erde sich mit dem eröffneten ‘Himmel hatte trösten müssen, erst in unsern Tagen Volk und Staat die nothwendige Durchdringung wenigstens annähernd vollzogen. Ihre und Ihrer Arbeitsgenossen Aufgabe ist es eine in der Kleinstaaterei erwachsene und tief von ihr durchdrungene Litteratur in den Gross- staat überzuführen und zu bewirken, dass die Nation wie Wilhelms des Ersten, so auch Goethes und Schillers nicht vergesse. Bei der

742 Öffentliche Sitzung vom 4. Juli.

unter dem mächtigen Eindruck geschichtlichen Werdens und kriege- rischer Thaten herangewachsenen Generation scheint die Neigung dazu nicht allzu kräftig zu sein; und Ihre Aufgabe ist schwierig. Unsere an das Alterthum angelehnte Jugendbildung geht zu Ende; aber es ist leichter die klassischen Studien zu deelassiren als an die Stelle, die vor Zeiten Horaz und Homer eingenommen haben, Lessing und Goethe zu setzen. Freilich hängt diese gesunde Entwickelung der Nation nicht viel mehr von dem Litterarhistoriker ab als die körperliche Gesundheit von dem Arzt. Dennoch ist Ihr Beruf ein grosser und schöner. Wir hoffen mit Ihnen, dass Sie es verstehen werden einerseits die Abwege der sogenannten Goethe-Philologie zu vermeiden und der Kleinmeisterei des Text- und Apparatmachens und des Abdruckens seelenloser Epistolarien gebührende Schranken zu setzen, andererseits durch Klarlegung desjenigen Kernes der poetischen Pro- duetion, der nicht von selbst verstanden wird, sondern Studium fordert, dureh die Vorführung der noch über der einzelnen Produetion stehenden Persönlichkeit der grossen Meister, durch die Klarlegung des grossen Zusammenhangs der Weltlitteratur die Wirkung unserer Litteratur zu vertiefen und zu adeln. Des Volkes Schätze sind in eure Hand gegeben; bewahret sie!

Hr. Erman hielt folgende Antrittsrede:

Wenn ich heute der Königlichen Akademie meinen Dank aus- spreche für die Aufnahme unter ihre Mitglieder, so kann ich mich dabei nicht ganz eines drückenden Gefühles erwehren, des Zweifels, ob denn das, was ich in der Wissenschaft geleistet habe, mich auch berechtigt, einem Kreise anzugehören, der nicht die gewissenhaften Arbeiter sondern die genialen Führer der Wissenschaft umschliessen soll.

Ich muss mich damit beruhigen, dass wir Orientalisten überhaupt leichter als andere Philologen zur Anerkennung gelangen. Wo wie bei uns die ernsthaften Vertreter einer Disciplin an den Fingern her- zuzählen sind, ist es ja nieht schwer, zu den besseren unter dieser kleinen Zahl zu gehören. Und wo ein reiches Feld nur wenig be- arbeitet wird, wird, wer anders seine Schuldigkeit thut, auch des Er- trages nicht ermangeln. Mehr als diese Pflicht und Schuldigkeit habe ich auch nieht gethan und wenn ich dabei Ausdauer gezeigt habe und nicht ganz ungeschiekt verfahren bin, so verdanke ich das den glücklichen Umständen, unter denen ich mich ausbilden durfte. Ich bin in einem Hause aufgewachsen, in dem die stille wissenschaftliche Arbeit, die »zu dem Bau der Ewigkeiten zwar Sandkorn nur für Sandkorn reicht« als das Höchste im Leben galt. Ich habe dann weiter auf der Universität es meinen Lehrern zu danken gehabt, dass

Erman: Antrittsrede. 743

mir für diese Arbeit auch die richtigen Wege gewiesen wurden. Ich habe endlich das Glück gehabt, von früher Jugend an einem grossen wissenschaftlichen Institute anzugehören und in ihm von jenem fein- sinnigen Kenner der Kunst und des Alterthumes ausgebildet zu werden, den auch unsere Akademie zu den Ihrigen gezählt hat, von Jurius FRIEDLAENDER. Ich bin nieht der Numismatiker geworden, den er gern aus mir gemacht hätte dazu war ich schon zu sehr aegyptisirt —, aber wenn sich mein Gesichtskreis erweitert hat über das enge Nilthal hinaus, so verdanke ich es ihm.

Wenn ich dann weiter der Gefahr entgangen bin, mich von dem Zauber des Orients und des grauen Alterthumes berauschen zu lassen, wenn mir das alte Aegypten nie in rosiger Verklärung er- schienen ist, so habe ich das von Rıcnarp Lersıus gelernt, der auch jenes alte Volk immer mit ruhiger Objeetivität beurtheilt hat. Und wahrlich die Aegypter haben es nicht nöthig, dass wir mehr in ihnen sehen, als sie wirklich gewesen sind. Sie haben auf technischem und künstlerischem Gebiete so Grosses geleistet, dass wir sie nicht noch mit wissenschaftlichem Geist oder mit litterarischer Begabung zu versehen brauchen.

Ich weiss, dass diese Betrachtungsweise noch nicht die allgemeine ist und dass überhaupt mancher ältere Fachgenosse klagt, wir jüngeren seien auf dem Wege, der Aegyptologie ihren Reiz zu nehmen; aus der heiteren, an überraschenden Entdeckungen reichen Wissenschaft machten wir eine trockene Philologie mit unbequemen Lautgesetzen und bösen syntaktischen Regeln.

Es ist ohne Zweifel etwas Wahres an dieser Klage, nur muss sie sich nicht gegen das persönliche Wirken des Einzelnen richten, sondern gegen die natürliche Entwickelung der Wissenschaft. Denn was sich in der Aegyptologie heut vollzieht, ist der Process, der keiner Wissenschaft erspart bleibt, der Rückschlag gegen die Begeisterung und das rasche Vordringen ihrer jungen Zeit.

Ich glaube wohl, dass es Fernerstehenden erscheinen mag, als hätten wir in den letzten Jahren nur Rückschritte gemacht. Wo ist die schöne Zeit hin, wo jeder Text sich übersetzen und verstehen liess? seit uns die Grammatik anfängt bekannter zu werden, sehen wir leider überall Schwierigkeiten und Hindernisse, von denen wir bisher nichts ahnten. Und nun vollends der Wortschatz; die Zahl der bekannten Worte schrumpft zusammen, das Heer der unbekannten wächst, denn wir ermitteln die Bedeutungen nicht mehr durch kühne Etymologien und noch kühneres Errathen. Bis wir auf dem müh- seligen Wege empirischer Untersuchung zu einem genügenden Wörter- buche gekommen sein werden, wird noch so manches Jahr vergehen.

744 Öffentliche Sitzung vom 4. Juli.

Freilich winkt uns am Ende dieser langen Arbeit dann auch ein besonderer Lohn; sie wird uns ermöglichen, über die Stellung des Aegyptischen innerhalb der Sprachen Vorderasiens und Afrikas sicher zu urtheilen, während wir zur Zeit gut thun, dieser grossen Frage fernzubleiben.

Wie es auf dem sprachlichen Gebiete in der Aegyptologie steht, so steht es leider auch auf jedem anderen. Die aegyptische Religion erschien vordem so verständlich und systematisch abgerundet, als jeder Gott noch als die Verkörperung einer Naturkraft galt. Jetzt sehen wir ein, dass wir besser mit unserem Urtheil über die aegyp- tische Religion zurückhalten, bis wir ihre 'Thatsachen und ihre Ge- schichte kennen und wie weit wir davon noch entfernt sind, das zeigt uns jeder Text; überall wird auf Thaten und Schicksale der Götter angespielt und nur die wenigsten unter diesen Anspielungen sind uns verständlich.

Die Zeit ist vorbei, wo man es für möglich hielt, die Chrono- logie der aegyptischen Geschichte herzustellen und wo man glaubte, diese Geschichte zu kennen, weil man die Reihenfolge der wichtig- sten Könige ermittelt hatte. Für uns ist die Geschichte Aegyptens etwas ganz Anderes geworden: wir denken uns darunter die Geschichte seiner Cultur, seiner Kunst, seiner Verwaltung und wir freuen uns an der Aussicht, dass es uns einstmals möglich sein wird, in diesem Lande die Entwiekelung eines Volkes durch fünf Jahrtausende an der Hand seiner Denkmäler und Urkunden zu verfolgen. Aber wir wissen auch, dass noch die Arbeit von Generationen nöthig sein wird, um diesen Traum zu verwirklichen.

Die sogenannten »demotischen« Texte, die uns aus dem alten Aegypten hinüberführen in das Aegypten der griechisch -römischen Cultur, sind einst vor einem halben Jahrhundert von Heısrıcn BrusscH mit genialem Scharfsinn entziffert worden. Aber auch sie erscheinen uns heute in anderem Lichte, voll ungeahnter Schwierigkeiten, in scheinbarem Widerspruch zur älteren und zur jüngeren Sprache. Auch auf diesem so wichtigen Gebiete werden wir uns daher einer Nach- prüfung des bisher Geleisteten nicht entziehen dürfen.

Ich will das hier Gesagte nicht weiter ausführen, es gilt von jedem Zweige der Aegyptologie. Überall ist die Zeit der raschen Erfolge zu Ende und die einförmige Zeit der Einzelarbeit hat begonnen.

So bitte ich denn auch die Akademie, von ihrem neuen Mitgliede keine sensationellen Entdeckungen zu erwarten; ich kann nur geben, was der »labor improbus« an das Licht bringt und das sind kleine Funde

wenn sie uns auch im Lauf der Zeiten doch zu den Zielen führen wer- den, die unseren Vorgängern einst so greifbar nah zu liegen schienen.

_— nn u une

>

3 Momasen: Antwort an Hrn. Erman. 74

Hr. Mommsen antwortete:

Mit aufrichtiger Freude, geehrter Herr College, begrüsse ich Sie als neu gewonnenen Arbeitsgenossen. Lange Jahre hindurch ist in der Akademie die aegyptische Forschung unvertreten gewesen. Wir alle, insbesondere diejenigen, denen die griechisch -römische Forschung die Wichtigkeit der Aegyptologie nahe legt, haben dies stets bedauert und mit Freuden die Gelegenheit ergriffen Lepsius Platz in würdiger Weise auszufüllen. Die geschichtliche Entwiekelung Aegyptens ist ein wesentlicher Theil der Geschichte der Civilisation überhaupt. Mag uns, die wir in den Anschauungen der entwickelten griechisch- römischen Cultur aufgewachsen sind, die aegyptische auch fremdartig erscheinen; mag das aegyptische Götterbild neben den Werken helleni- scher Kunst uns den Eindruck machen etwa wie am Hochzeitstag die Kinderschuhe der Braut, wir wissen doch und lernen es täglich besser erkennen, wie eng das aegyptische Wesen mit dem klassischen Alter- thum zusammenhängt, mag man nun auf die Anfänge der Kunst und der Wissenschaft sehen, oder auf die hochentwickelte politische Ad- ministration, oder auf den litterarischen Alexandrinismus; die Staats- wirthschaft und die Gelehrsamkeit sind im gewissem Sinn ebenso sehr aegyptische Erfindungen wie die Pyramiden und die Obelisken und für unsere Finanzräthe wie für unsere Professoren ist der Stempel in Aegypten aufgestellt worden. Das Schicksal hat es gefügt, dass das Land des Nils, die älteste Heimstätte der jetzt bestehenden Civili- sation, in gewissem Sinn und namentlich hinsichtlich der Denkmäler- forschung ein Gemeinbesitz Europas geworden ist. Insofern kann auch unsere Regierung und folgeweise unsere Akademie dort zu einem Eingreifen berufen werden, wie es in selbständig organisirten Staaten dem Ausländer nicht zusteht. Sie sind an die Spitze der grossen Sammlungen gestellt, welche unser Staat aus jenem Lande in grösserem Umfang als anderswoher besitzt; wir geben uns der Hoffnung hin, dass es Ihnen, berufen durch diese Stellung und weiter gestützt durch unsere Akademie, gelingen wird die Aegyptologie in allen ihren Zwei- gen schützen und fördern zu helfen und die Stelle, die Deutschland in dieser Hinsicht von jeher eingenommen hat, zu wahren und zu steigern.

746 Öffentliche Sitzung vom 4. Juli.

Hiernach hielt Hr. nu Bors-Reymosp eine Gedächtnissrede auf Hrn. v. Heımnmorız, welche in den Abhandlungen erscheinen wird.

Hr. Auwers als Secretar der physikalisch -mathematischen Ölasse verkündete folgenden Beschluss derselben über den

Preis der Steıner'schen Stiftung.

In der Leissız-Sitzung am 3. Juli 1890 hat die Akademie für den Srteımer’schen Preis die Aufgabe gestellt:

Sie verlangt die Lösung eines bedeutenden Problems aus der Theorie der Krümmungslinien der Flächen, und hebt als ein solches namentlich die Ermittelung der Bedingungen hervor, unter welchen die Krümmungslinien algebraischer Flächen algebraische Curven sind.

Eine Bearbeitung ist für dieses Thema nicht eingegangen.

Den Statuten der Stemer’schen Stiftung gemäss hat die Akademie den hiermit frei gewordenen Preis zur Anerkennung hervorragender in den letzten Jahren veröffentlichter geometrischer Arbeiten verwen- det. Derselbe wird zuerkannt: zur einen Hälfte dem Professor an der Technischen Hochschule zu Darmstadt Hrn. Dr. Sıemunp GUNDEL- FINGER für seine ausgezeichneten Arbeiten, welche auf Begründung und Ausbau der von Hesse. in die Geometrie eingeführten Metho- den hinzielen, zur anderen Hälfte dem Professor an der Universität Marburg Hrn. Dr. Frıeprıcn Scnottky für die hervorragenden Ver- dienste, welche er sich um eine Reihe der wichtigsten speciellen geome- trischen Probleme dadurch erworben hat, dass er ihre Beziehungen zur Theorie der Ager’schen Funetionen von zwei, drei und vier Varia- beln in’s Licht gesetzt hat.

Für das Jahr 1900 stellt die Akademie aus der StEmer’schen Stif- tung folgende Preisaufgabe:

Es soll irgend ein» bedeutendes, auf die Lehre von den krummen Flächen sich beziehendes, bis jetzt noch nicht gelöstes Problem mög- liehst mit Berücksichtigung der von J. StEmer aufgestellten Methode und Prineipien vollständig gelöst werden.

Es wird gefordert, dass zur Bestätigung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Lösung ausreichende analytische Erläuterungen den geometrischen Untersuchungen beigegeben werden.

Ohne die Wahl des Themas einschränken zu wollen, wünscht die Akademie bei dieser Gelegenheit die Aufmerksamkeit der Geometer auf die speciellen Aufgaben zu richten, auf welche J. Sreiser in der

= u -

Steiner - Stiftung. ÜHARLoTTEN - Stiftung. TAT

allgemeinen Anmerkung am Schlusse seiner zweiten Abhandlung über Maximum und Minimum bei den Figuren in der Ebene, auf der Kugel- fläche und im Raume überhaupt hingewiesen hat.

Für die Lösung der gestellten Aufgabe wird ein Preis von Vier- tausend Mark und ein Accessitpreis von Zweitausend Mark ausgesetzt.

Bewerbungsschriften, welche in deutscher, lateinischer, franzö- sischer, englischer oder italiänischer Sprache verfasst sein können, sind bis zum 31. December 1899 bei der Akademie einzuliefern. Jede Bewerbungsschrift ist mit einem Spruchwort zu bezeichnen, welches auf einem beigefügten versiegelten, innerlich den Namen und die Adresse des Verfassers angebenden Zettel äusserlich wiederholt ist. Schriften, welche den Namen des Verfassers nennen oder deutlich ergeben, werden von der Bewerbung ausgeschlossen.

Die Verkündung des Urtheils erfolgt in der Lewnız-Sitzung des Jahres 1900.

Der Vorsitzende verlas schliesslich im Namen der philosophisch- historischen Classe die hinsichtlich der CuartLorTten- und der Envarn GERHARD-Stiftung gefassten Beschlüsse.

Preisaufgabe der CHARLOTTEN - Stiftung 1895.

Nach dem Statut der von Frau CHARLOTTE STIEPEL geb. Freiin von HoPrFFGARTEN errichteten ÜHARLOTTEN-Stiftung für Philologie wird am heutigen Tage eine neue Aufgabe von, der ständigen Commission der Akademie gestellt:

»Cieero’s Timaeus soll auf Grund des veröffentlichten Materials in neuer textkritischer Bearbeitung vorgelegt und knapp ge- haltene Prolegomena über die Recensio, die Authentie der Übersetzung und die Composition des beabsichtigten Dialogs vorausgeschiekt werden. Man wünscht durch diese Aufgabe die Anregung zu geben, die Textgeschichte des sogenannten Corpus philosophicum vom Archetypus an genauer zu erforschen und eine neue Ausgabe der meistens noch nicht in befrie- digender Recension vorliegenden Dialoge, die aus jenem Arche- typus stammen, in Angriff zu nehmen. «

Die Stiftung ist zur Förderung junger, dem Deutschen Reiche an- gehöriger Philologen bestimmt, welche die Universitätsstudien vollendet und den philosophischen Doctorgrad erlangt oder die Prüfung für das höhere Schulamt bestanden haben, aber zur Zeit ihrer Bewerbung noch ohne feste Anstellung sind. Privatdozenten an Universitäten sind von der Bewerbung nicht ausgeschlossen.

748 Öffentliche Sitzung vom 4. Juli.

Die Arbeiten der Bewerber sind bis zum ı. März 1896 an die Akademie einzusenden. Sie sind mit einem Denkspruch zu versehen; in einem versiegelten, mit demselben Spruche bezeichneten Umschlage ist der Name des Verfassers anzugeben und der Nachweis zu liefern, dass die statutenmässigen Voraussetzungen bei dem Bewerber zutreffen. In der öffentlichen Sitzung am Lrısnız-Tage 1896 ertheilt die Akademie dem Verfasser der des Preises würdig erkannten Arbeit das Stipendium. Dasselbe besteht in dem Genusse der Jahreszinsen des Stiftungscapitals von 30000 Mark auf die Dauer von vier Jahren.

Epbvard GERHARD- Stiftung.

Die für dieses Jahr aus der Envarn GERHARD-Stiftung verfügbare Summe wird ebenso wie im Vorjahr für spätere Vergebung reservirt.

Ausgegeben am 11. Juli.

Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei.

a

u

Den

1895. XXXIWV.

SITZUNGSBERICHTE

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN.

11. Juli. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe.

Vorsitzender Secretar: Hr. E. pu Boıs-Revmonv.

1. Hr. Warpeyer las über Bindegewebszellen, insbesondere über Plasmazellen.

2. Hr.Praxck legte eine Mittheilung der HH. C. Russe und F. Pascnen in Hannover vor über die Bestandtheile des Cleveit-Gases.

Beide Mittheilungen folgen hier.

Sitzungsberichte 1895. 67

2%

TER SEINDE

ae

R - <rfantlade u ch

N - i E 4 [7)J1 are

er j i 1% k j

x ö f \ I 7 k ı \ N k B n #7 4

a a na a

=] zi =

Uber Bindegewebszellen, insbesondere über Plasmazellen.

Von W. WALDEYER.

Vor zwanzig Jahren veröffentlichte ich im Archiv für mikroskopische Anatomie, Bd.ı1, S.176, einen Aufsatz über Bindegewebszellen, in welchem ich den Namen »Plasmazellen« für eine besondere Gruppe von Zellen des Bindegewebes einführte. Die betreffenden Zellen waren bereits bekannt: von RECKLINGHAUSEN, KÜHNE, COHNHEIM, KÖLLIkER, RoL- LETT, von Biesmapeckı, Bor, Krem und Sıcmunp MaAyvER, wohl auch noch Andere, hatten sie schon vor mir gesehen und kurz geschildert. Wenn ich hierbei ein geringes Verdienst mir zuschreiben darf, so ist es einzig und allein das, darauf hingewiesen zu haben, dass diese Zellform im Bindegewebe allgemein verbreitet ist und auch häufiger, als man bis dahin wohl angenommen hatte, vorkommt, und dass ich im Gegensatze zu den platten protoplasmaarmen Zellen des Binde- gewebes, die durch R. Vırcnow, CoHsHEm und RANVIER so gut cha- rakterisirt worden sind und zu allgemeiner Anerkennung gekommen waren, auch das allgemeine Vorkommen von protoplasmareichen Zellen im Bindegewebe betonte. Das war es auch, dem ich mit dem Worte »Plasmazellen« Ausdruck geben wollte.

Ich ging damals aber noch einen Schritt weiter: ich glaubte die betreffenden Zellen, d. h. die Plasmazellen, mit anderen Zellenarten in eine grosse Gruppe vereinigen zu dürfen, nämlich mit den Zellen der sogenannten Zwischensubstanz des Hodens, den Zellen der Steiss- und Karotidendrüsen, der Nebennieren, des Corpus luteum und mit den Deeiduazellen. Das alle diese Zellen Verbindende glaubte ich in ihren nahen (räumlichen) Beziehungen zum Blutgefässsystem gefunden zu haben. Ich bezeichnete deshalb die ganze Gruppe von Zellen als perivasculäres Zellengewebe und stellte dasselbe in eine Parallele mit dem Iymphoiden oder eytogenen Gewebe. Wie letzteres Organe bildet, aber auch durch vereinzelt lebende Zellen repraesentirt ist (Milz, Lymphdrüsen u. s. w. einerseits, und vereinzelte Wanderzellen, farblose Blutkörper andererseits), so komme dieselbe Erscheinung beim perivasculären Zellengewebe zu Tage. Nebennieren und Corpus luteum

67*

752 Sitzung der physikalisch-mathematiscnen Classe vom 11. Juli.

z.B. wären hier die perivasculären Organe, die im Bindegewebe ver- streut vorkommenden granulirten »Plasmazellen« die vereinzelt ge- lagerten Glieder dieser Gruppe.

Diese meine Aufstellung fiel noch in die vorfärberische Periode unserer mikroskopisch-anatomischen Technik. Man wird wissen, dass ich damit nicht sagen will, man habe zu der Zeit überhaupt sich des Färbens der thierischen Gewebe noch nicht bedient; das war schon seit Jahrzehnten in Übung, seit Görrert und Ferrnınann Conv 1849 den ersten Versuch mit Carmin bei Characeen gemacht hatten'. Aber man hatte wohl meist nur deshalb gefärbt, um gewisse Theile, namentlich Kerngebilde, deutlicher sichtbar zu machen, sich das ein- fache Sehen der Dinge zu erleichtern, haltbarere Dauerpraeparate her- zustellen. Zur differentiellen Diagnostik auf tinetoriellem Wege war man noch nicht geschritten. Die ersten dahin gehörigen Versuche fielen in die Zeit, in der ich meine Untersuchungen über das Binde- gewebe begann, und erinnere ich hier an die Arbeiten von Aurr- HAMMER, RANVIER, (Pikrokarmin), LANGERHANs und Unna über die Epi- dermis. Kurz darauf kam Enkricn mit seiner Arbeit über die Anilin- färbungen’, und es ist bekannt, welche Fortschritte die tinctorielle Diagnostik seit dieser Zeit durch die weiteren Arbeiten Enrrion’s, Unna’s, Hover’s, ALTMAnN’s, WEIGERT's und vieler Anderer gemacht hat. Ich habe diese Vervollkommnungen unserer Technik mit Freuden be- grüsst, möchte aber gern dem Wunsche Ausdruck geben, dass WEIGERT’sS’ auf hervorragender Sachkenntniss beruhende Worte überall Berück- sichtigung dabei fänden. Enkricn (a. a. O.) fand nun eine charak- teristische Färbung der von mir als Plasmazellen bezeichneten Gebilde des Bindegewebes in einer Dahliamischung, während er mit derselben Mischung die Parenchymzellen der Nebenniere und der Zwischen- substanz des Hodens nicht zu färben vermochte. Er schliesst schon damals mit Recht, dass man nach diesen Erfahrungen letztere Zellen mit den im Bindegewebe vorkommenden, die Dahliareaction zeigen- den Elementen nicht mehr in eine Gruppe zusammenfassen könne. Später' benannte Enkricn diejenigen Zellen, welche die von ihm ge- fundene charakteristische Färbung annehmen, mit dem Namen: »Gra-

! H. Gierke, Färberei zu mikroskopischen Zwecken. Zeitschrift für wissen- schaftliche Mikroskopie, herausgegeben von W. Benrens. Bd.I, 1884, S.62 ff.

2 Enrrıca, P., Beiträge zur Kenntniss der Anilinfärbungen und ihrer Verwendung in der mikroskopischen Technik. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd.13, 1877, S. 263.

3 WEIGERT, R., Artikel »Technik« in: Ergebnisse der Anat. u. Entwickelungs- geschichte, herausg. von Fr. Merker u. R. Bonner, Bd.IlI, Litteratur von 1893.

* Enrtıcn, P., Beiträge zur Kenntniss der granulirten Bindegewebszellen und der eosinophilen Leukocyten. Arch. für Anat. u. Physiol. Physiolog. Abth., 1879, S.166 S. auch die Dissertation von E. WesrpnaL: Über Mastzellen. Berlin 1880.

>

Warpever: Über Bindegewebszellen, insbesondere über Plasmazellen. 753 nulirte Zellen« oder »Mastzellen«. Ob der Be Name passend gewählt war, soll hier nicht weiter erörtert werden; dass aber der Name »Plasmazellen«, den ich gewählt hatte, für die Dahliazellen füg- lieh nieht beibehalten werden konnte, ist einleuchtend; denn, erstens, hatte ich ihn auf eine grosse Gruppe von Zellen ausgedehnt, die sich bei den weiteren Untersuchungen als verschieden erwiesen, und, zweitens, hatte ich seinerzeit für meine Plasmazellen als Charaktere nur die meist erheblichere Grösse, den Protoplasmareichthum und vor Allem die augenfällige grobe Granulirung angeben können. Wer wollte damals entscheiden, ob alle so beschaffenen Bindegewebszellen auch die so bestimmte Dahliareaction gaben? Hatte doch wiederum Enkrıcn selbst gefunden, dass es noch eine andere Art stärker granulirter Zellen im Bindegewebe giebt, deren Granula sich intensiv mit Eosin färben, die von ihm sogenannten »eosinophilen« Zellen. Es war also erwiesen, dass unter den granulirten Zellenformen verschiedene Farbenreactionen vorkamen, und war es daher wohl gerechtfertigt, die einer bestimmten Reaction folgenden Zellen mit einem besonderen Namen zu belegen. Inzwischen sind nun von Unna’ Zellen des Bindegewebes, die er

bei sehr vielen pathologischen Processen in der Haut findet (bei in- feetiös entzündlichen Vorgängen und bei entzündlichen Vorgängen mit Neigung zur Geschwulstbildung, wie insbesondere bei der Framboesie, bei Syphiliden, bei Lupus, bei der Lepra u. a.), nachgewiesen worden, die sich auszeichnen durch ihre Grösse, Form (Mangel an Ausläufern), reichliche Entwiekelung eines körnigen Protoplasmas (Granoplasma, Unna) und bestimmte färberische Eigenthümlichkeiten des Protoplasmas und Kerns. Die betreffenden Praeparate werden in Alkohol gehärtet, dann in Unwa’s sogenannter polychromer Methylenblaulösung gefärbt”, der Farbüberschuss in Glycerinaethermischung kurz ausgezogen’. An zahlreichen Praeparaten Unsa’s habe ich mich davon überzeugen können, dass Zellen der Art, wie er sie beschreibt, unter Anwendung dieses Verfahrens und bei den erwähnten pathologischen Processen in der Haut in ausgezeichneter Weise hervortreten. Übrigens lassen sich nach den Angaben von Japassonun® und von MarscHaLkö' diese » Unna’schen

! Unna, P., Über Plasmazellen, insbesondere beim Lupus. Monatshefte f. prakt. Dermatologie Bd. XII, Nr. 7, 1891, S.296. VAN DER Speck und Unna, P., Zur Kennt- niss der Warpever’schen Plasmazellen und Enrrıcn’schen Mastzellen. Ebend. Bd. XIII, S. 364, 1891 u. A.; insbesondere ferner: Unxa in Orr#’s Lehrbuch der speciellen pathol. Anatomie, Lief.VIII, Hautkrankheiten, Berlin 1894, HırscuwArp, VIH, 1225 SS.

® Die Farblösung, wie die Mischung liefert die Firma K. Grübler in Dresden.

3 Janassons, Demonstration von Unna’s Plasmazellen. Verhandlungen der deut- schen dermatologischen Gesellschaft, II. Congress, 1891.

4 von Marscuatko, Tu., Über die sogenannten Plasmazellen, ein Beitrag zur Kennt- niss der Herkunft der entzündlichen Infiltrationszellen. Arch. f. Dermatologie und Sy- philis, Bd. XXX, 1895.

154 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 11. Juli.

Zellen« so will ich sie vor der Hand einmal nennen noch in anderen Farbstoffen, wie Thionin und Saffranin, darstellen.

Ussa hat nun diese Zellen, in der berechtigten Annahme, dass sie in meine grosse so benannte Gruppe gehörten, ebenfalls mit dem Namen »Plasmazellen« belegt.

Nach Einsicht von Uxna’s Praeparaten, welche er mir bereits vor drei Jahren zusendete, habe ich diese Bezeichnung als zulässig durchaus anerkannt; mir erschienen die Zellen in der That mit den von mir früher als Plasmazellen im Bindegewebe benannten Gebilden grosse Ähnlichkeit zu besitzen. Der Umstand, dass sie in patho- logischen Bildungen so reichlich auftraten, konnte ja nicht dagegen sprechen; hatte doch auch Enkriıcn seine Mastzellen bei pathologischen Processen, insbesondere der Haut, bei der sogenannten braunen Induration der Lunge und in der Umgebung von Krebsknoten auf- fallend reichlich gefunden. S. die Dissertation von WESTPHAL, a. a. 0. Und schliesslich kann man Uxxa nur Recht geben, wenn er bezüglich der Frage, ob seine Zellen zu meiner Plasmazellengruppe gehörten oder nicht, vor Allem meine Meinung hören wollte.

Mit den zahlreichen Uswa’schen Veröffentlichungen sind nun die Plasmazellen vielfach wieder genannt worden, insbesondere im Gebiete der pathologischen Histologie; auch eine rege Polemik ist seit den Veröffentlichungen von Japassonn und vox MarscHarLkö angefacht worden, und unter Anderem wird es bestritten, dass Unna’s Zellen mit den von mir seiner Zeit als Plasmazellen bezeichneten Gebil- den identisch seien. Andere, wie z. B. LöwentuaL', gebrauchen die Namen »Plasmazellen« und »Mastzellen« für eine und dieselbe Zellenart. PoLsaXorr” sagt, dass WALDEvEr’s Plasmazellen inactive, kugelförmige, bewegliche Bindegewebszellen seien, die sich unter günstigen Ernährungsverhältnissen befänden und deshalb leicht in Fett- zellen sich umwandeln könnten, Enruicn's Mastzellen dagegen stellten im Allgemeinen absterbende Zellen dar.

So ist denn, wie aus dieser kurzen Übersicht hervorgeht, eine ge- wisse Unklarheit über das, was man »Plasmazelle« fernerhin nennen solle, entstanden, die es mir zur Pflicht macht noch einmal zur Sache das Wort zu nehmen, um, soweit es an mir liegt, diese Unsicherheit zu beseitigen.

Es galt in erster Linie, die von mir 1875 als »Plasmazellen« im Bindegewebe beschriebenen granulirten Zellen noch einmal auf ihre färberischen Verwandtschaften zu prüfen, und zwar einmal mit den

! Löwentuau, N., Technisch -histologische Notiz. Zeitschrift für wissenschaftliche Mikroskopie, herausgegeben von W.Benrens. Bd. X, S.309, 1893.

D3

®? PorJsakorr, Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 45, 1895, S.574. (Im Druck begriffen.)

WArDEYER: Über Bindegewebszellen, insbesondere über Plasmazellen. 755

Enkricn'schen Gemischen, und das andere Mal mit den von Unna angegebenen Färbemitteln. Aus den von mir und auf meinen Wunsch auch von Unsa angestellten Proben hat sich nun ergeben, dass die- jenigen Zellen, welche zum Theil bereits von von RECKLINGHAUSEN, Künse, Consneım u. A. im Bindegewebe als eigenthümliche granu- lirte Körper beschrieben worden waren, und die ich Plasmazellen benannt hatte, durchweg die Enkticn'sche Mastzellenreaction zeigten. Ich wählte die Proben von denjenigen Stellen aus, wo die von mir als Plasmazellen benannten Gebilde anerkannter Massen sicher und in charakteristischer Form vorkommen und wo ich sie auch früher vorzugsweise studirt hatte. Ich erhielt nun hier, wie auch Unna, dem ich die betreffenden Gewebsproben zum Färben einsendete, durchweg die Mastzellenfärbung.

Diese Zellen zeigten dagegen nicht die Uxwa’schen Farbenreac- tionen, welche Reactionen aber klar und bestimmt an den Unna’schen Plasmazellen hervortraten. Diese Unna’schen Zellen sind also, wie das auch Janassonmn und von MArscHAaLkö behauptet haben, indem sie die Mastzellen und meine Plasmazellen identifieiren, tinetoriell von dem, was ich früher als Plasmazellen des Bindegewebes benannt habe, ver- schieden.

Eine weitere Prüfung musste nun noch mit den übrigen von mir hierhergezogenen Zellen des Corpus luteum, den Deciduazellen, Neben- nieren- und Steissdrüsenzellen, den interstitiellen Zellen der Hoden angestellt werden. Diese Prüfung ergab mir, wie bereits- früher zum Theil Enkricn, dass sie sich gegen dessen Farbenreaction anders ver- halten wie die granulirten Zellen des Bindegewebes; nach Unna’s Unter- suchungen, welche derselbe mir freundlichst mittheilte, sind sie aber auch von denjenigen Zellen, die Letzterer Plasmazellen genannt hat, verschieden. }

Wie man sieht, ist nun durch diese erneute genauere Prüfung jene grosse Gruppe von Zellen, die ich seiner Zeit als Plasmazellen bez. perivasculäre Zellen bezeichnet hatte, in verschiedene einzelne Unterabtheilungen aufgelöst worden. Soll nun noch der Name » Plasma- zellen« festgehalten werden? Mir scheint es am richtigsten ihn, wenig- stens für die Zellengruppe, für welche ich ihn 1875 eingeführt hatte, aufzugeben. Sicher festgelegt ist durch die EnkLicr'sche Reaction die Mastzellengruppe; sie deckt sich am besten mit meinen Plasma- zellen, wie ich sie im Bindegewebe auffand; ich zweifle aber nicht, dass ich auch die eosinophilen Zellen Enkricn's, zum Theil mindestens, mit unter meine Gruppe gefasst hatte. Die anderen vorhin genannten Zellen der Nebennieren u. s. w. sind als nicht hierhergehörig erkannt worden: über sie sind die Acten noch kaum angelegt, geschweige

756 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 11. Juli.

denn geschlossen. So scheint es mir denn, wie gesagt, am richtig- sten, wenn ich den Namen »Plasmazellen« aufgebe oder, besser ge- sagt, freigebe. Ich würde nunmehr sagen: dass unter den verschie- denen Arten der Bindegewebszellen eine durch ihre Form, Grösse, reichlichen Protoplasmagehalt, reichliche Granulirung und durch be- stimmte färberische Eigenschaften charakterisirt sei, das seien die Mastzellen Enrricn’s einer- und die eosinophilen Zellen Enkrricn’s andererseits, andere seien die Bindegewebskörperchen R. Vırcnow’s, die wohl den fixen Bindegewebszellen Coushem’s, den Ranvıer’schen platten Zellen und den von mir sogenannten »Flügelzellen« entsprechen, wieder andere im Bindegewebe vorfindliche Zellen seien lymphoide, andere »lipogene« oder fettbildende Zellen u.s.f. Den Namen: » Plasma- zellen« zur Bezeichnung von gewissen Zellen des normalen Binde- gewebes gebe ich aber fortan auf.

Will Unsa ihn zur Bezeichnung gewisser, von ihm bei patho- logischen Processen nachgewiesenen Zellformen, die ich, als durch verschiedene Eigenthümlichkeiten in Gestalt, Grösse und färberischen Eigenschaften gut charakterisirt, wohl als besondere Bildungen an- zuerkennen vermag, wieder aufnehmen, so habe ich dagegen keinen Einwand; nur müssen wir festhalten, dass dann die Umsa’schen Plasmazellen und das, was ich früher so nannte, verschiedene Dinge sind'. Sie betreffen nicht dieselben Objecte, welche ich 1875 im Auge hatte; diese werde ich fortab mit dem ebenfalls schon eingebürgerten Namen »Mastzellen« belegen.

Die Unna’schen Plasmazellen entsprechen aber sehr wohl der Definition, welche ich damals (1875) von der Plasmazelle gab, der Erkenntniss, welcher ich Ausdruck geben wollte, dass wir ausser den protoplasmaarmen Zellen im Bindegewebe noch protoplasmareiche, in anderen Formen auftretende zu unterscheiden und zu beachten hätten. Die Bezeichnung, welche Uxsa seinen Zellen gab, muss ich daher als durchaus berechtigt anerkennen.

Bei dieser Gelegenheit habe ich meine Aufmerksamkeit noch auf einige andere Punkte gerichtet, die ich kurz zur Sprache bringen möchte.

Wie ich in meiner eitirten Arbeit vom Jahre 1875 angegeben habe, zeigt sich häufig in der Nähe des Kernes der fixen Binde- gewebszellen das Protoplasma stärker gefärbt, als weiter peripherisch in der sogenannten Zellplatte.. Meine jetzigen Untersuchungen be-

! Auf die Herkunft dieser Zellen, welche Unxa von fixen Bindegewebszellen,

von MarscHaLkö dagegen von mononucleären Lymphoidzellen (Lymphoeyten) ableitet sowie auf ihre pathologische Bedeutung gehe ich hier nicht ein; ich habe darüber zu wenig eigene Erfahrung.

Warpever: Über Bindegewebszellen, insbesondere über Plasmazellen. 757

stätigen dies, lassen aber noch Folgendes hinzufügen: bei den Zellen mit sehr grosser schleierähnlicher Zellplatte, bei denen auch der Kern grösser zu sein pflegt, sieht man meist die stärkere perinucleäre Proto- plasmafärbung nicht mehr, wohl aber bei den Zellen mit kleinerer Platte; bei diesen sind meist auch die Kerne kleiner. Wieder andere Zellen zeigten um den Kern eine grössere Menge lebhafter gefärbten Protoplasmas und nur eine geringe Andeutung einer fransenförmigen Zellplatte. Ich möchte diese drei Zellformen als auf einander folgende Differenzirungsstufen der fixen platten Bindegewebszellen ansehen, und zwar die Zellen mit den grossen Schleiern als die älteren Formen.

Beim lockeren Bindegewebe vom Frosch zeigten sich an Karmin- praeparaten, welche unter dem Deckglase gefärbt worden waren, am Kern zwei Zonen, eine hellere periphere und eine centrale chroma- tinreichere.

Die Kernkörperchen sind bei den fixen Bindegewebszellen stets auffallend klein; sehr oft findet man sie in der Mehrzahl (2-3). Diese Verhältnisse (grosse Kerne, kleine Kernkörperchen, Mehrzahl derselben, stärker färbbares perinucleäres Protoplasma, schleierähnliche Zellplatte in verschiedener Ausbildung) scheinen bei den fixen Bindegewebszellen von Thieren aus den verschiedensten Wirbelthierelassen dieselben zu sein.

Ich wendete diesmal meine Aufmerksamkeit auch der so viel um- strittenen Frage nach der Herkunft der Bindegewebsfibrillen zu.

Wir sind darin, ungeachtet der vielen Verbesserungen unserer Hülfsmittel, noch auf demselben strittigen Standpunkte geblieben, wie vor etwa 50 Jahren. Fremmmne’s Arbeit (s. Festschrift für Runporr VIrRcHow, Bd.I, Berlin ı8g1, S.213) schien einen Abschluss gebracht zu haben; seine prächtigen Praeparate sprachen mit Evidenz dafür, dass die colla- genen Fibrillen direet aus dem Protoplasma der Bindegewebszellen abzuleiten wären. Auf der jüngsten Anatomen-Versammlung in Basel konnte aber wiederum Fr. MerkeL von Praeparaten berichten, die die Entwickelung der Bindegewebsfasern in der Grundsubstanz an- nehmbar erscheinen liessen. Bei der Durchmusterung von Dahliaprae- paraten des lockeren Bindegewebes vom Igel (Erinaceus europaeus) ge- wann ich jedoch Bilder der Art, wie sie Fremnmine zeichnet, und muss mich also in dieser Angelegenheit auf seine Seite stellen.

Meine Untersuchungen wurden am lockeren Bindegewebe von Ratten (ältere Praeparate mit Eosin), vom Frosch (Pikrokarmin unter dem Deckglas zum frischen Praeparate zugelassen) und am Unterhaut- bindegewebe vom Igel angestellt. Ich verwendete hier das Rayvier’sche Verfahren einer subeutanen Injection verschiedener Farbstoffe: PoLsa- Korr's Pikrokarmin, von welchem mir eine Portion durch des Autors Freundlichkeit zur Verfügung stand. Ich benutze dieses Pikrokarmin

758 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 11. Juli.

seit fünf Jahren; es ist noch unverändert wirksam und ist das beste Pikrokarmingemisch, welches mir bekannt ist. Vergl. PoLsakorr, Arch. für mikroskopische Anatomie 1895 a.a.0. Ferner verwendete ich Enkuicn's Triacidgemisch und verdünnte Dahlialösung (etwa ı° auf ı' aqua destill.). Letztere erwies sich vortrefflich brauchbar. Binnen einer Minute ist durch subeutane Injeetion (bei Erinaceus) ein gutes Praeparat herzustellen. Denn unmittelbar nach der Herstellung des Farboedems kann man dem letzteren ein kleines Stückchen entnehmen, dasselbe ohne jeden Zusatz mit dem Deckglase bedecken, und wird bereits sämmtliche Bindegewebszellen auf’s Beste gefärbt finden. Ein Vortheil ist, dass die bindegewebigen Fibrillen sich nicht mit färben, während die elastischen Fasern sich tief bläuen.

ur ie rag nn

Über die Bestandtheile des Cleveit-Gases.

Von C. Runge und F. PAscHeEn

in Hannover.

(Vorgelegt von Hrn. Pranxck.)

Seit unserer Mittheilung über das Speetrum des Helium ist es uns gelungen, wesentlich bessere GEISsLER-Röhren herzustellen, die nur sehr schwache Verunreinigungen zeigen, das Licht des Gases selbst dage- gen in grösster Helligkeit erstrahlen lassen. Mit diesen neuen Röhren war es nicht nur möglich, den ultrarothen Theil des Spectrums bis ıou hin mit dem Bolometer zu untersuchen und die ersten beiden Glieder zweier Serien, die nach unseren Formeln ungefähr die Wellen- längen ı1.ıı u und 2.03 u haben mussten, bei 1.1204 und 2.040 u wirk- lich zu entdecken, es trat auch der Zusammenhang der übrigen Linien des Speetrums vollkommen deutlich hervor.

Die Zweifel, die wir wegen der mit 7065 beginnenden Serie schon in unserer letzten Mittheilung äusserten, bestätigten sich. Die beiden dort als fraglich bezeichneten Linien gehören dem Wasserstoff an, 7065 und 5048 dagegen gehören zwei verschiedenen Serien an, die mit den übrigen vier Serien zusammen nunmehr alle Linien des Spectrums aufnehmen.

Die folgende Liste enthält die neu aufgefundenen und die neu zusammengefassten Linien.

Die übrigen Serien konnten mit den neuen Röhren noch um mehrere Glieder weiter verfolgt werden.

Wir haben es hier also mit sechs Serien zu thun, und zweimal laufen je zwei Serien an der gleichen Stelle aus. Zwei von den an einer Stelle zusammenlaufenden Serien, nämlich die bei 7065 und bei 5876 beginnenden, bestehen aus Doppellinien von gleicher Schwingungs- differenz. Wir fassen sie mit einer der übrigen, die ebenfalls aus Doppel- linien besteht und im Ultraroth bei 1.124 beginnt, zusammen. Von den übrigen drei Serien führen jedenfalls zwei keine Doppellinien, laufen aber auch an derselben Stelle aus. Diese beiden fassen wir mit der

760 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 11. Juli.

letzten zu einem zweiten System zusammen. Beide Systeme gewähren dann ein ähnliches Bild, und in dem ersten sind alle Linien durchweg stärker als die entsprechenden des zweiten.

r Bemerkungen % Bemerkungen 1.1204 bolometrisch bestimmt, Kopf 2.0404 bolometrisch bestimmt, Kopf

der Serie 3889 u. s. w., der Serie 5016 u. s. w. stärkste Linie des ganzen Speetrums.

7065.77) photographisch bestimmt auf 7281.8 durch Winkelmessung mit ei-

7065.51 sensibilisirter Platte. nem Rowranp’schen Plan-

4713.39 gitter in dritter und vierter

4713.17 Kon sn Ordnung bestimmt.

4121.15 4437.73 | diese Serie läuft mit derSerie

4120.98 4169.12 6678.37 u. s. w. an der-

3867.77 4024.14 selben Stelle zusammen.

3867.61 3936.1

3733-15 3878-3

3733.01 | diese Serie läuft mit der 3838.2

3652.2 Serie 5876 u. s. w. an der- 3808.3?

3652.15 selben Stelle zusammen.

3599-59

3599-45

3563.26

3563.11

3536-9

3517-5

3502.5

3490.8

3481.5 ?

Danach zeigt es sich nun, dass jedes dieser beiden Systeme den Speetren der Alkalien sehr ähnlich ist. In den Spectren der Alkalien haben wir es mit zwei Nebenserien (von Linienpaaren mit Ausnahme von Lithium, wo keine Paare beobachtet sind) und einer sehr starken Hauptserie zu thun. Die Nebenserien laufen an derselben Stelle aus, und die stärkere von beiden ist enger zusammengezogen. Die Haupt- serie dagegen läuft an einer weiter nach der brechbareren Seite ge- legenen Stelle aus. Dasselbe finden wir in unseren beiden Systemen (vergl. die Figur). Wir können in jedem System zwei Nebenserien unterscheiden, die an derselben Stelle auslaufen, und von denen die stärkere enger zusammengezogen ist. Und ferner besitzt jedes System eine Hauptserie, deren Linien stärker sind als diejenigen der Neben- serien, und die bei einer kleineren Wellenlänge ausläuft.

Aus der Ähnlichkeit der beiden Systeme mit den Speetren der

Alkalien wollen wir nicht eine chemische Verwandtschaft mit den-

|

Runge und Pascuen: Über die Bestandtheile des Cleveit-Gases. 761

Alkalien folgern. Wohl aber scheint es berechtigt, die beiden Systeme von Serien verschiedenen Bestandtheilen zuzuschreiben. Helium wür- den wir, den Astronomen folgend, nur denjenigen Bestandtheil nennen, zu dessen System die gelbe Linie D, gehört.

Wenn diese Betrachtungen richtig sind, so lassen sich nun nach der Analogie der übrigen Spectren weitere Vermuthungen über die ‚Stellung der Bestandtheile in der Reihe der chemischen Elemente machen. Da das Gas in der Chromosphaere der Sonne beständig be- obachtet wird, so ist es jedenfalls von geringer Dichte. Dies geht auch aus den bisherigen beiden Bestimmungen der Dichte des Gases hervor, obwohl beide zu sehr verschiedenen Resultaten geführt haben. CıeveE!' hat 2.02, Ramsayr” 3.89 gefunden, wenn die Dichte des Wasserstoffs gleich ı gesetzt wird. Rausay hält das Gas der Schall- geschwindigkeit nach für einatomig, und demnach würde das Atom- gewicht nach CLEveE 4.04, nach Rausay 7.78 sein. Wir halten CLevE’s Bestimmung für zuverlässiger, weil seine GEIssLER-Röhre keine Argon- linien zeigte und weil Ramsay’s Material, wie er sagt, nicht ganz frei von Stickstoff war, und wollen voraussetzen, dass die Atom- gewichte beider Bestandtheile jedenfalls zwischen dem des Wasser- stoffs und dem des Lithiums liegen. Soweit man nun bisher die Spectra der Elemente in Serien hat zerlegen können, scheinen in einer MENDELEIEFF’schen Reihe dem Atomgewicht nach auf einander folgender chemischer Elemente die Serien im Ganzen mit wachsendem Atomgewicht nach kleineren Wellenlängen zu rücken. Umgekehrt ist das Verhalten in einer Gruppe chemisch verwandter Elemente, wie z.B. Li, Na, K, Rb, Cs. Wir wollen daher die Serien unserer beiden Systeme in einer Zeichnung zwischen den Serien des Wasser- stoffs und des Lithiums so ordnen, dass sie, wenn man vom Wasser- stoff zum Lithium geht, nach kleineren Wellenlängen rücken. Wir würden dann sagen, dass das der Serie des Wasserstoffs benachbarte System einem kleineren Atomgewicht entspreche, als das dem Lithium benachbarte.

Helium würde danach der schwerere der beiden Bestandtheile sein. Dies stimmt überein mit einer Beobachtung, die wir beim Füllen der Geisster-Röhre gemacht haben. Das Zuleitungsrohr enthielt nämlich einen Asbestpfropfen, um beim Füllen der ausgepumpten Röhre die schwereren Verunreinigungen zurückzuhalten, die langsamer durch den Pfropfen diffundiren. Es zeigte sich nun, dass beim Öffnen des Hahns anfänglich die Röhre ein grünliches Licht ausstrahlte, und in einem

! Creve, Comptes Rendus, 4. Juni 1895, p.1212. Ransay, Nature, 16. Mai 1895, p. 55:

[9]

762 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 11. Jnli.

kleinen Spectroskop a vision directe sah man, dass die Linie 5016 der gelben Linie an Helligkeit gleichkam. Sobald aber mehr Gas einströmte, nahm die Röhre eine gelbe Farbe an, und die Linie 5016 wurde von 5876 überstrahlt. Der leichtere Bestandtheil, dessen Hauptlinie im sichtbaren Spectrum 5016 ist, diffundirte schneller durch den Pfropfen hindurch. Auch Destanpees hat bereits die Vermuthung

AuanaEz DLZESSEZEBEEZERuEBE [PIIII#BI II T®# Wassers TI

v A)

vw I P iR | | I ar r | |

ausgesprochen, dass die beiden Linien 5016 und 5876 wegen ihrer verschiedenen Intensitätsverhältnisse in verschiedenen Theilen seiner GzissLer-Röhre wahrscheinlich verschiedenen Elementen angehören.

Eine weitere Bestätigung dafür, dass die beiden Systeme ver- schiedenen Elementen entsprechen, erblicken wir darin, dass diejenigen Linien unseres Spectrums, die in der Chromosphaere der Sonne be- ständig erscheinen, alle dem einen System, dem eigentlichen Helium, angehören, während diejenigen Linien des anderen Systems, die bis- her ebenfalls in der Chromosphaere beobachtet worden sind, nach Youne viel weniger häufig erscheinen.

Nach der Darstellung der Serien in der Zeichnung kann man auch über die Grösse der Atomgewichte der Bestandtheile eine Vermuthung wagen. Zwar gehörte der Nachweis dazu, dass man die Wasserstoff- serie mit Recht als Hauptserie aufzufassen hat, und das bleibt so lange hypothetisch, als die Nebenserien nicht aufgefunden sind. Nimmt man es aber an, so rücken in der Zeichnung die Hauptserien von Element zu Element vom Wasserstoff zum Lithium ziemlich gleich- mässig nach kleinerer Wellenlänge. Man kann daher auch zwischen den Atomgewichten ähnliche Unterschiede vermuthen. Das würde für den leichteren Bestandtheil etwa das Atomgewicht 3 und für Helium etwa das Atomgewicht 5 ergeben, und wenn die Bestand- theile in dem Cleveit-Gase ungefähr in gleichen Mengen vorhanden sind. so würde dieses damit übereinstimmen, dass CLevE das Atom- gewicht gleich 4 gefunden hat.

Russe und Pasc#en: Über die Bestandtheile des Cleveit-Gases. 763

Wir sind uns vollkommen bewusst, dass die Vermuthung über die Grösse des Atomgewichts bis jetzt nicht wohl begründet ist. Dennoch glauben wir, dass sie einige Beachtung verdient. Eine sichere Begründung würden die Schlüsse vom Spectrum eines Elements auf seine chemischen Eigenschaften erhalten, sobald es gelänge, eine mathematische Theorie der Schwingungsformen zu geben, auf denen die Serien beruhen.

Ausgegeben am 18. Juli.

Ti A a

Zur

N: BEN Alt Be; ER Aldo EDEN Kl SU Vanronakeufi ri Kine at De ee 17171777 © tum A Sr

Inu Auen ea een

SITZUNGSBERICHTE

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN.

11. Juli. Sitzung der philosophisch-historischen Classe.

Vorsitzender Secretar: Hr. Momnmsen.

l. Hr. Kırcunorr las: Der Margites des Pigres von Hali-

karnass. 2. Hr. Dıers legte eine Mittheilung des correspondirenden Mit-

gliedes Hrn. Prof. Karser in Strassburg i. Els. vor: Die Vision des

Maximus. Beide Mittheilungen folgen umstehend.

Sitzungsberichte 1895. 68

| FERGE PE Ren va ee, N ee

wu

CEER

j PLTRIAIRREREIH U FORT FR ö ANTTATIEREANG Aa a

£ 4 x » r ER

Bu nn ern

2b ven af Melyaen Ar: sah Kup Al Kr Rn i “r a aaa Fre ae au _. an - An i Sun u 2 \ aa

Bu 3 En Be t @n] De le AL UT a

Helunoht AHA er OR ORRESTF =

2 Er BR - re EN un ah SUR Kalk, arlie >

PER si TEEN, Dan - ar ar

167

Der Margites des Pigres von Halikarnass.

Von A. KırcHHorr.

D: Anfänge litteraturgeschichtlicher Forschung und Darstellung reichen bei den Hellenen bekanntlich bis in das fünfte Jahrhundert zurück und stehen in erkennbarem Zusammenhange mit dem Entwickelungs- gange der wissenschaftlichen Erkenntniss überhaupt, wie sie sich in dieser Zeit nach den verschiedensten Richtungen auszugestalten be- ginnt. Die bis dahin erhaltenen Reste der Dichtung älterer Zeiten werden als Quellen geschichtlicher Erkenntniss aufgefasst und be- handelt; die an dieselben sich knüpfende Überlieferung muss sich eine eingehende kritische Prüfung und Berichtigung gefallen lassen, während gleichzeitig die zahlreichen Lücken dieser Überlieferung durch ver- muthungsweise Constructionen und Annahmen auszufüllen versucht wird, die später als Thatsachen unbefangen geglaubt und überliefert werden, bis eine vorgeschrittene Kritik sie als Legenden erkennt und beseitigt. So hat sich der Dichter Homeros es gefallen lassen müssen, dass ihm dieses fünfte Jahrhundert die Verfasserschaft zweier Dich- tungen zugeschoben hat, die ihrem Charakter, wie ihrer Entstehungs- zeit nach weit von einander abliegen, nämlich des älteren Festhymnos auf den Delischen Apollon, dessen Verfasser sich als Chiischen Aoeden charakterisirt, aber leider seinen Namen nicht genannt hatte, und einer satirischen Dichtung jüngsten Datums, deren Urheber, weil er unerkannt bleiben wollte, eine Maske vorgenommen hatte, die als solehe nicht erkannt wurde und deshalb zu einer falschen Deutung Veranlassung gab.

Die uns erhaltenen Redaetionen des Bios Ounpov aus römischer Zeit nennen in der Zusammenstellung der Homer mit Unrecht zuge- schriebenen Dichtungen an erster Stelle den ‘Margites’. Wann zuerst und von welcher Seite her die Kritik der späteren Zeit ihren Feldzug gegen diesen eröffnet hat, wissen wir nicht; gewiss ist nur, dass er im vierten Jahrhundert und noch später ziemlich allgemein für Home- risch gegolten hatte, so dass ein Mann, wie Aristoteles, ihn unbe- denklich neben Ilias und Odyssee als ein Erzeugniss desselben alten Dichters betrachten und aus dieser Voraussetzung seine Folgerungen

65*

768 Sitzung der philosophisch - historischen Classe vom 11. Juli.

ableiten konnte. Was den Inhalt der Dichtung betrifft, so steht zwar fest, dass sie die burleske Gestalt und das Treiben eines Dummkopfes vorführte, dem der Name Margites gegeben war, allein die Über- lieferung, über die wir verfügen, lässt nicht deutlich erkennen, ob diese Figur eine freie Erfindung des Verfassers war, oder die Be- arbeitung eines volksthümlichen Typus unter freier Benutzung der in der Überlieferung gegebenen Motive, und ob also Alles, was uns vom Margites erzählt wird, auf die Dichtung als Quelle zurückzuführen ist, oder nieht vielmehr gar Manches als aus anderweiter Überliefe- rung stammend aufgefasst werden muss. So bleibt es z.B. leider für uns zweifelhaft, ob in der Dichtung die Mutter und die Gattin des possenhaften Helden überhaupt eine Rolle und welche alsdann gespielt haben. Genauer, als über den Inhalt, sind wir dagegen über die metrische Form des Gedichtes unterrichtet; die Metriker der römi- schen Zeit sagen aus, dass es aus ungleichmässigen Gruppen von zwei oder mehreren daktylischen Hexametern bestand, deren jede durch ein iambisches Trimetron als Epodos abgeschlossen zu werden pflegte. Als Probe theilen sie eine vollständige Perikope mit, welche diese Auszeichnung nur dem Umstande verdanken kann, dass sie die erste war und somit den Anfang des Gedichtes bildete. Als solcher aber aufgefasst und richtig verstanden wirft sie ein helles Licht auf Tendenz und Charakter der ganzen Dichtung, und lehrt uns zugleich nebenher, durch welche missverständliche Deutung es geschehen ist, dass das Gedicht seit einer bestimmten Zeit in gutem Glauben Homer zugeschrieben wurde. Diese erste Perikope lautete nämlich:

°Hn6e Tıs eis KoAobova Yepwv kai Heios Goıöos, Movodwv Hepanwv kal ernBoAov AmoAAwvos, PiAns Exwv Ev xepaiv evbdoyyov Avpıv.

Offenbar war von diesem nicht bei Namen genannten (Tıs), sondern nur im Allgemeinen charakterisirten greisen Sänger, welcher vor Zeiten einmal nach Kolophon gekommen sein sollte, weiter erzählt, dass er bei Gelegenheit dieses Besuches dort in Kolophon das folgende Lied vom Margites zum Saitenspiele vorgetragen habe, als dessen Verfasser er somit angesehen werden sollte. Selbstverständlieh ist dies eine Erfindung, welche keinen anderen Zweck gehabt haben kann, als die Aufmerksamkeit von der Person des eigentlichen Verfassers abzulenken und diesem eine Deekung zu verschaffen, deren er benöthigt zu sein glaubte. Es folgt daraus, was für uns die Hauptsache ist, dass die Dichtung Margites nicht ein lustiges Possenspiel war, bestimmt harmlose Hörer oder Leser zu ergötzen, sondern eine giftige Satire, welche ihre Spitze gegen eine zeitgenössische Person von Rang und Ansehen richtete.

Kırcuuorr: Der Margites des Pigres von Halikarnass. 769

Ihr Name Margites ist natürlich entweder eigene Erfindung des Dichters oder aus volksthümlicher Überlieferung genommen, was indessen selbst- verständlich nicht verhindert hat, dass zu der Zeit, in welcher das Pamphlet entstand, in den Kreisen, für welche es bestimmt war, kein Zweifel darüber bestand, wer unter dem Margites zu verstehen sei. Ausser- halb dieser Kreise und in einer späteren Zeit hat dieses Verständniss allerdings nie vorhanden sein können oder sehr bald verloren gehen müssen. Warum der erste Vortrag der Dichtung durch ihren fin- girten Verfasser gerade nach Kolophon verlegt worden ist, können wir nicht wissen, ist aber im Grunde auch völlig gleichgültig; gewiss ist, dass der Angreifer wie der Angegriffene mit Kolophon überhaupt nichts zu thun hatten und das Local der Thaten des Margites an einer ganz anderen Stelle zu suchen ist, wenn es überhaupt für uns auffindbar sein sollte.

Fragt man nun, wie es geschehen konnte, dass eine Dichtung dieser Art schon in der Zeit vor Aristoteles dem Dichter von Ilias und Odyssee zugeschrieben,wurde, so antwortet darauf die bekannte Thatsache, dass die spätere Überlieferung in Homer einen Kolophonier sah, nicht sowohl, weil er dort geboren worden, sondern weil er sich auf seinen Wanderungen längere oder kürzere Zeit in dieser Stadt auf- gehalten haben sollte. Offenbar glaubte man in dem mysteriösen Sänger, hinter dessen Maske der unerkannt bleiben wollende Verfasser des Mar- gites sich versteckt hatte und der nach Angabe dieses zuverlässigen Gewährsmannes das Lied vom Margites in Kolophon vor Zeiten vor- getragen haben sollte, den alten Sänger Homer erkennen zu müssen; Homer also hatte den Margites gedichtet und zwar in Kolophon ge- dichtet oder doch vorgetragen, sich also, wenn auch vielleicht nur vorübergehend, einmal in dieser Stadt aufgehalten. Daher betrachte ich es denn auch als eine nicht zu bezweifelnde Thatsache, dass sowohl Aristoteles als wer sonst im Alterthum den Margites als eine Homerische Diehtung gelten liess, den yepwv kal Beios aoıöos, der ihn in Kolophon vorgetragen haben sollte, mit Homer identifieirte; ge- boren konnte darum Homer auch ganz wo anders sein, in Smyrna, Chios, oder wo man sonst seine Geburtsstätte ansetzen wollte. Am deut- lichsten tritt dieser Zusammenhang uns in der Formulirung entgegen, welche wir im sogenannten ‘“Wettstreite’ lesen (p.235 Rzacn): KoAXo- Pwvıoı de Kal Tomov ÖeıkvVovow, Ev @ bacıw auröv (Homer) Ypaunara Öiöddokovra ns momoews ap&aodaı kaı momoaı mpwrov rov Mapyirnv. Die Rechnung der ‘Kolophonier’ litt allerdings an einem groben Fehler: das Lied vom Margites, welches der Dichter als yepov in Kolophon vorgetragen hatte, konnte nieht wohl das erste dichterische Erzeugniss sein, das er nicht nur in Kolophon, sondern überhaupt geschaffen.

770 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 11. Juli.

Indessen ist wenigstens dieser Fehler sicher jungen Datums, und reicht nicht in die Zeit zurück, in der diese Combination auf Grund einer fehlgreifenden Vermuthung zuerst aufgestellt worden ist. Wann aber und von wem dies geschehen, darüber lässt eine bestimmte Über- lieferung, der wir zu misstrauen nicht die geringste Veranlassung haben, keinen Zweifel. Überall, wo von der Ansicht derjenigen be- richtet wird, welehe Homer für Kolophon in Anspruch nahmen, ihn ‘für einen Kolophonier’ erklärten, und bei dieser Gelegenheit auch der Name desjenigen genannt wird, der diese Ansicht zuerst aufgestellt oder hauptsächlich vertreten hatte, ist es Antimachos, auf dessen Autorität wir verwiesen werden. Damit gelangen wir über Aristo- teles herauf in die zweite Hälfte des fünften Jahrhunderts: denn dass wir unter Antimachos den gelehrten Dichter von Kolophon zu verstehen haben, kann einem Zweifel doch wohl nicht unterliegen. Wo, in welchem Zusammenhange und mit welcher Begründung er seine An- sicht vorgetragen, wird uns zwar nicht gesagt; aber auch für ihn ist kein anderer Ausgangs- oder Anknüpfungspunkt nachweisbar oder auch nur denkbar, als die Einleitungsworte des Margites: er sah in dem greisen Sänger, welcher das Gedicht bei Gelegenheit seiner An- wesenheit in Kolophon vorgetragen haben sollte, in Wirklichkeit aber nie existirt hatte, den Dichter Homer: Homer also war der Verfasser des Spottgedichtes, hatte sich nach eigener Aussage wenn auch nur vorübergehend in Kolophon aufgehalten und durfte somit von einem Kolophonier in gewissem Sinne als Landsmann betrachtet werden. Lässt sich also nicht nachweisen, dass Antimachos diese missverständ- liche Auffassung von Anderen entlehnt oder überkommen hat, so ist er es, den wir als den geistigen Urheber derselben zu betrachten haben, und unter dessen Einflusse alle diejenigen bewusst oder un- bewusst gestanden haben, welchen in späterer Zeit der Margites als eine Homerische Diehtung galt. Allerdings müsste dieser Nachweis als erbracht gelten, wenn wahr wäre, was allgemein geglaubt zu werden pflegt, dass nämlich bereits im siebenten Jahrhundert Archi- lochos die Diehtung Margites nicht nur gekannt, sondern auch Homer als ihren Verfasser bezeichnet habe. Dies wird als feststehende That- sache betrachtet auf Grund der Angaben, welche sich zu den Worten des Aristoteles in der Nikomachischen Ethik VI, 7 p.ı141° eivaı de was cobovs oioueda 6Aws ol karü Epos old AAAo Vobovs, @oTrep "Ounpos bnow ev TO Mapyirn "Tov 6 oür üp okamrnpa HeoL Hevav oUT’ äpornpa our aAws vobov” im Commentare des Eustratios gemacht finden, p. 320-21 ed. Hryızur: mapayeı Ö' eis uaprupiav ToV elvaı TOv OAws Fobov Erepov mapı Tov TIva Topov Kal Ta moimaıw Mapyirnv övonalouevnv Oumpov. uuvnuovever aurns ob Novov aurös

Kırcauorr: Der Margites des Pigres von Halikarnass. 171

ApıororeAns €v TO npwrw llepi momrıns, aa kai ApxiXoyos kai Kparivos kat KaAXluayos Ev TO Emiypdunarı Kal uaprupovow eivaı Ounpov TO moinna 6 de "Ounpos Aeywv Ev Mapyirn "rov © out ap okanrnpa Beoi Hevav oVT' apornpa oVT ANNws vodov” mepi cobov Aeyeı ÖAWS OvTos Kal Kupiws Fobov Kal ob Kara Cobor, ws ol karophovvres mepi Tas reyvas. Woher der Metropolit diese seine Weisheit entnommen und wie correct oder ungenau er sein Original wiedergegeben hat, lässt sich, so viel ich sehen kann, leider mit Sicher- heit nieht mehr feststellen. In einer Pariser Aristoteleshandschrift des zwölften Jahrhunderts, in dessen erster Hälfte Eustratios lebte und schrieb, n.1854 (L’ Becker) findet sich zur Stelle der Nikom. Ethik f.122” die folgende Marginalnote beigeschrieben, deren von Braxpıs seiner Zeit genommene und unter seinen Papieren aufbewahrte Abschrift ich hier mitzutheilen durch die Güte des Hrn. Collegen Ders in den Stand gesetzt bin: 6 Mapyirns Ounpov moinoıs nv. obros ev ro a llepi mom- Tırns uvnnoveveı kal ApyiXoyos kalt Kparwos kat KaAXiuayos Ev Emiypdunao (sie). TO de Emos &orı mporıdeuevov Tepi ToV OAwS Kal ANA@S Fohov Acyeıv kal ol Kkard ws ol Tepl Tas TExvas OoboL Kal KATop- dwrıxoi. War die Quelle, aus welcher Eustratios geschöpft hat, eben diese Randbemerkung, die sich auch in-der von ihm benutzten Aristo- teleshandschrift beigeschrieben fand, so entsteht die Frage, ob die Worte kal uaprvpovaw eivar Ounpov TO moinua, welche in der Pariser Handschrift fehlen, in der seinigen wirklich gestanden haben und nicht vielmehr als eine von ihm selbst willkürlich hinzugefügte Erweiterung zu betrachten sind, in welchem Falle ihr Inhalt für unseren Zweck gänzlich bedeutungslos sein würde, da er alsdann nur die voreilig und ohne jede Berechtigung gefasste Meinung Jemandes wiedergeben würde, dem die Beweisobjecte selbst völlig unbekannt waren. Aber auch angenommen, dass die Sache sich anders verhält und Eustratios die betreffenden Worte in dem von ihm benutzten und gleichviel wo- her entnommenen Texte vorgefunden hatte, so bleibt doch immer zweifelhaft, was mit ihm im Sinne des unbekannten Autors gesagt sein sollte und was wir durch sie als Thatsachen bezeugt zu betrachten haben. Welche Form hatten die uaprvpiaı des Archilochos und des Kratinos, um die es sich für uns allein hier handeln kann? Hatten diese Dichter bei Gelegenheit Thatsachen und Geschehnisse erwähnt oder Gedanken, Ausdrücke, Wendungen, Verse angeführt oder ver- wendet, welche sich in der Dichtung Margites erwähnt oder gebraucht vorfanden und von ihnen selbst ausdrücklich als vom Dichter Homeros herrührend bezeichnet waren? Oder war es nur ein Schluss, der aus einem oder mehreren Berührungspunkten der bezeichneten Art abge- leitet wurde, dass ihnen die Dichtung Margites bekannt gewesen, und

772 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 11. Juli.

wurde dann in diesem Umstande ein Zeugniss für den Homerischen Ursprung des Margites gefunden, an welchem der die Schlussfolgerung Ziehende ohnedem nicht zweifelte? Um eine sichere Entscheidung zu treffen, müssten wir den Wortlaut der betreffenden Stellen bei Archi- lochos und Kratinos zu prüfen in der Lage sein; da dies leider nicht der Fall ist, so ist eine Entscheidung unmöglich und bleibt einem Jeden unbenommen, sich die Sache zu denken, wie er will und mag. Was Kratinos betrifft, so sind wir unter diesen Umständen sogar ver- pflichtet mit der Möglichkeit zu rechnen, dass die bei ihm begegnen- den Beziehungen auf den Margites lediglich eine Bekanntschaft mit den volksmässigen Vorstellungen vom Charakter und der Hand- lungsweise des berufenen Dummkopfes dieses Namens zur Vor- aussetzung hatten, keinesweges aber den Margites der Dichtung meinten, die Meinung also, dass er diese Dichtung gekannt und Vertrautheit mit dem Inhalte derselben auch bei seinen Zuhörern vorausgesetzt habe, lediglich auf einer unzutreffenden Vermuthung Je- mandes beruhte, für den seine Worte als eine Quelle historischer Erkenntnisse zu dienen hatten. Archilochos ferner würde für un- sere Frage gar nicht einmal in Betracht kommen, wenn die wieder- holt geäusserte und auf den ersten Blick recht ansprechende Ver- muthung neuerer Kritiker begründet wäre, dass nämlich die Worte des Eustratios (oder der von ihm benutzten Quelle) verdorben seien und ursprünglich nicht, wie überliefert, @AAa kai ApxiXoyos kat Kparivos, sondern vielmehr aAXa kai Apyxı%oyoıs Kparivos ge- lautet hätten. Aber auch die völlige Correetheit ‘der Überlieferung zugegeben, würden wir doch dem ‘Zeugniss’ des Archilochos gegen- über uns in ganz ähnlicher Lage befinden, wie dem des Kratinos. Es ist deswegen als ein glücklicher Zufall zu bezeichnen, dass wir ganz unabhängig von dieser fraglichen Angabe durch ein anderweites Zeugniss uns in den Stand gesetzt sehen, festzustellen, dass das Gedicht Margites Berührungspunkte mit den Archilochischen Dich- tungen aufzuweisen hatte, welche nicht auf Zufall beruhen konnten und eine Erklärung verlangten, die unter gewissen Voraussetzungen zu der Annahme führen konnte und geführt hat, dass das Spottgedicht Margites dem Dichter von Paros bereits bekannt gewesen sein müsse. In der dem Zenobios zugeschriebenen Sprichwörtersammlung lesen wir nämlich V, 68 (Paroemiogr. I p.ı47): [l6AX oil’ aAwrınE, AAN exivos Ev ueya. ueuvnraı ravrns ApxiAoyoı Ev erwon. ypaseı de kai Ounpos Tov oTiyov Aeyeraı de i; Tapoımla Emil T@v TavovpyoTdTwv. Die ‘Erwähnung’ durch Archilochos kann nur darin bestanden haben, dass der betreffende Vers sich in einem seiner Lieder verwendet fand, und durch obige Notiz wird somit die Thatsache festgestellt, dass der-

EEE ae

Kırcauorr: Der Margites des Pigres von Halikarnass. 713

selbe ausser in einer der epodischen Dichtungen des Archilochos auch in einem “Homerischen’ Gedichte zu lesen war, unter welchem, da es sich um ein iambisches Trimetron handelt, nur der ‘Margites’ ver- standen werden kann, wie allgemein anerkannt wird': die Formulirung der Notiz rührt eben von Jemandem her, der Homer als den Verfasser des ‘Margites’ sich zu betrachten gewöhnt hatte. Solcher oder ähnlicher Berührungspunkte mag es noch mehrere gegeben haben: in erster Linie unter ihnen stand die noch für uns erkennbare Verwandtschaft der metri- schen Form; denn dass unter den Archilochischen Epoden sich auch solche befanden, welche in aus einem daktylischen Hexametron und einem iambischen Trimetron bestehenden Distichen componirt waren, wird, obwohl uns Reste eines Originales zufällig nicht erhalten sind, doch durch die Horazische Nachahmung in Epod.16 ausser Zweifel gestellt. Wer also der Überzeugung lebte, dass der alte Homer es gewesen, der in Kolophon das Lied vom Margites gesungen, konnte aus diesen Umständen nichts Anderes folgern, als dass Archilochos den ‘“Margites’ gekannt und benutzt habe, und mochte darin eine indireete Bestäti- gung oder wohl gar ein ‘Zeugniss’ für die Richtigkeit der gehegten Ansicht finden; wer sich dagegen überzeugt hat, dass diese Ansicht auf einem Irrthum beruhte, wird sich für berechtigt halten und ge- neigt sein, aus den besprochenen Erscheinungen die gerade umgekehrte Folgerung zu ziehen, dass nämlich der Dichter des Margites es war, der unter dem Einflusse des älteren Archilochos stand, dessen Dich- tungen ihm wohl bekannt waren und für ihn das Vorbild abgaben. Ich selbst halte diese Auffassung des Verhältnisses beider Dichter zu einander für die allein richtige und gewinne damit für die Bestimmung der Zeitgrenzen, innerhalb deren die Entstehung des Margites und die Lebenszeit seines Verfassers anzusetzen ist, einen festen Anhalt: der ‘Margites’ kann nicht vor der Mitte des siebenten, aber auch nicht nach der Mitte des fünften Jahrhunderts gedichtet sein, seine Entstehungszeit fällt in die Periode der zwei zwischen diesen End- punkten liegenden Jahrhunderte.

Wer nun die oben entwickelte Auffassung der uns bekannten Thatsachen und die von ihr abgeleitete Bestimmung der Abfassungs- zeit der Dichtung als zutreffend anerkennt, wird nicht umhin können, mir auch weiter beizustimmen, wenn ich behaupte, dass eine Über-

! Ich glaube sogar, dass zufälligerweise noch jetzt die Stelle bestimmt werden kann, welche der Vers in dieser Dichtung einnahm. Meines Erachtens nämlich bildete er die epodische Reihe derjenigen Perikope, deren wesentlichen Theil das Hexametron ausmachte, welches uns der Verfasser des Platon zugeschriebenen zweiten Alkibiades p-147 AC aus dem Margites citirt, und das vermuthlich so gelautet hat: moAN” jmioraro Epya, kakös Ö' jmioraro mavra.

774 Sitzung der philosophisch - historischen Classe vom 11. Juli.

lieferung, welche als Verfasser des Margites eine Persönlichkeit aus dem Anfange des fünften Jahrhunderts bezeichnet, ernstlichere Be- achtung verdiene, als ihr gewöhnlich geschenkt zu werden pflegt. Ich meine die Angabe, welche in dem Artikel des Suidaslexikons II, 2 p- 267 enthalten ist: /lrypns, Kap amo AXıkapvaocov, adeApos Apre- nuolas ns Ev Tois moNeuoıs Ötabavovs, MavowAov Yuvvamos, ös tm Indöı mapeveßaXe kara oTiyov EXeyeiov, olTw ypdıras' Mnvıv aeıöe, Bea, IlmAnıddew Ayınos, Movoa: oVv yap maons meipar' Eyeıs vobins.

Eypayre Öe kai Tov eis Ounpov avabepouevov Mapyirnv kaı Barpa- xonvouayxiav. Der Frosch- und Mäusekrieg wird bekanntlich auch von Plutarch in einer in den Handschriften leider verstümmelten Stelle der Schrift Ilepi ns Hpoöorov kakondelas 43 unbedenklich dem Pigres zugeschrieben, deren Wortlaut ich aus einem bestimmten Grunde hier vollständig hersetze: reooadpwv 6 dywvov TöTE mpos rovs Bapßapovs yevonuevov Ex uev Apremoiov rovs "EAAyvas aroopaval now (Herodot)' ev de OepuorvAaus ToV OTparnyov Kal Baoı\ews TrPoKLVdvvevovTos 0IKOV- pew kal aueXeiv OAvumıa kal Kapveıa mavnyvpilovras: Ta 6 ev La- Aauivı Öiyyovuevos TOcoVTovs ep! Aprewoias Aöyovs yeypabev, 6aoıs OAnv TNV vavuaylav oVKk AnnyyeNke' TEXos de Kadnuevovs Ev IMMaraı- aus aryvonaa HEXpL TEXovs TOV Adyova Tous ErAıvas, @OTEp Barpa- xonvonaylas Yıwopevns IMypns 6 Apreuolas ev Ereoı nallwv Kal PAva- po@v eypaye, Lwrn Ölaywvioaodaı auvdenevov, va Aadwoı Tovs AX- Aovs, aurovs de Nakedaıuoviovs avöpela ev oldev kpeitrovas yeveodaı rov Bapßapwv, avonAoıs de Kal yvuvois uayouevovs kparnoau. Ich muss nämlich ein besonderes Gewicht darauf legen, dass der Leser durch eigene Einsichtnahme von dem Inhalte und Zusammenhange der Stelle sich überzeuge, dass ihr Verfasser lediglich durch die für zweckmässig erachtete Bezugnahme auf Inhalt und Charakter der Batrachomyomachie veranlasst worden ist, nebenher des Pigres als des Dichters derselben Erwähnung zu thun, und dass ihm in diesem Zusammenhange nichts ferner gelegen haben kann, als eine vollstän- dige Übersicht über die litterarische Thätigkeit dieses Pigres zu geben; denn nicht die Erwähnung des Dichters hat ihn auf dessen Dichtung, sondern umgekehrt die der Dichtung auf deren Verfasser geführt. Es folgt daraus, dass für Plutarch in einem solchen Zusammenhange weder Nöthigung noch Berechtigung vorlag, des Margites zu gedenken, auch wenn ihm dieser gleichfalls als eine Dichtung desselben Pigres galt, den er als Verfasser der Batrachomyomachie betrachtete, und dass bei solcher Lage der Dinge wir nicht berechtigt sind, aus seinem Schweigen uns ein Verdachtsmoment gegen die Correetheit der An- gabe im Suidaslexikon zu construiren. Und zwar halte ich für nöthig,

rn a EEE DE u a IE

Kırc#uorr: Der Margites des Pigres von Halikarnass. 715 dies zu betonen, weil der Versuch, wie mir scheint, in wenig über- legter Weise, gemacht worden ist, diese Angabe als auf einem blossen Missverständnisse beruhend zu erweisen.

Bekanntlich findet sich in einer Anzahl Handsehriften der Ba- trachomyomachie, von denen, soviel ich sehen kann, die älteste in das 13. Jahrhundert hinaufreicht, der Betitelung die Bemerkung hin- upefüpt, dass diese Diehtung ein Werk Tiypnros rov Kapos sei. Dazu stimmt in augenscheinlich nicht zufälliger Weise, was Joannes Tzetzes in seiner eönynois eis nv Ounpov INuada pP. 37 zu berichten weiss: BiBAovs de TauTtas egemovjoaro (Homer), av Te Mvoßarpaxonaxiav, nv Twes Teypnros eival dacı rov Kapos, kai rov Mapyirnv, © mom- narı ok Everuyov. Sowohl die gleiche Verschreibung des Namens des Verfassers, als die übereinstimmende Charakterisirung desselben als 6 Kap lassen an der nahen Beziehung, in der die beiden Notizen zu einander stehen, nicht den mindesten Zweifel. Dasselbe gilt von der Randbemerkung, welche, mit rother Tinte geschrieben, in der Vene- diger Handschrift A der Ilias den Textworten der Homerbiographie des Proklos: mpootdeacı de auto kal malyvıa rwa, Mapyirnv, Ba- Tpayouayiav 7 uvonayxiav u. s.w. in einer Weise beigesetzt ist, welche die Vergleicher der Handschrift veranlasst hat, die Notiz als auf den Margites bezüglich zu betrachten: oi de Aeyovaı TyypnTos ToV Kapos; ich halte indessen für wahrscheinlich, dass sie vielmehr entweder auf die Batrachomyomachie allein, oder beide Dichtungen zugleich, keines- weges aber auf den Margites allein sich beziehend zu fassen ist. Auch hier, wie man sieht, findet sich eine gleichartige fehlerhafte Schrei- bung des Namens des Pigres und wird er in derselben Weise als 6 Kap bezeichnet. Wie man nun aber auch über das Verhältniss der drei verschiedenen Angaben zu einander und zu ihrer Quelle denken mag, welches ja immerhin streitig erscheinen kann, so wird doch Niemand in Abrede stellen können, dass sie alle drei aus derselben Quelle ge- ilossen sind, und lehrt dann der Augenschein, dass diese gemeinsame Quelle unter keinen Umständen die oben ausgehobene Stelle der Plu- tarchischen Schrift gewesen sein kann, sehr wohl dagegen der an- geführte Artikel des Suidaslexikons, in dem ja Pigres ausdrücklich als Kap amo AAıkapvaooov uns vorgeführt wird. Selbstverständlich kann, wer will, auch eine von Plutarch und dem Lexikographen un- abhängige Quelle ansetzen; dass aber eine solche dem unbekannten Urheber der Notiz zu Gebote gestanden habe oder gestanden haben müsse, wird heutzutage zu beweisen Niemand im Stande sein. Da indessen die Möglichkeit immerhin bleibt, dass die Sache sich doch so verhalte, so hat man, ausgehend von der Vorstellung, dass der Verfasser des Margites vor Archilochos gelebt habe und dass im

776 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 11. Juli.

Alterthum selbst, in dem ja Vielen die Diehtung sogar als eine Home- rische gegolten, unmöglich Jemand aus ganz unerfindlichen Gründen habe auf den Gedanken kommen können, den Margites einem Manne aus der Zeit der Perserkriege und zudem gerade dem Pigres zuzu- schreiben, sich für berechtigt und gewissermaassen verpflichtet ge- halten, die betreffende Notiz im Artikel des Suidaslexikons auf einen groben Irrthum seines Verfassers zurückzuführen. So sagt denn BERGK in seiner Griechischen Litteraturgeschichte (I p.775 Anm. 86): ‘Suidas legt den Margites dem Pigres zu, dies ist ein Irrthum —. Wie jene falsche Notiz auf eine missverstandene Randbemerkung zurück- geht, sieht man aus der Homerischen Biographie des Proklos’. Danach

hätte also die Hauptquelle, welche der Lexikograph für den betreffen- *

den Artikel benutzte, nichts weiter enthalten oder ihm hergegeben, als die Personalien des Pigres und die Angabe, dass er Verfasser einer Parodie der Ilias (oder eines Theiles derselben) in der näher beschrie- benen Form gewesen; die abschliessende Notiz dagegen über Pigres als Verfasser des Margites (und der Batrachomyomachie?) rührte von Suidas selbst her und wäre von ihm aus einer anderen Quelle hin- zugefügt worden. Diese andere Quelle soll eine Randbemerkung wie die oben ausgehobene zu den Excerpten aus der Chrestomathie des Proklos gewesen sein, und das Missverständniss, dessen sich Suidas bei Benutzung derselben schuldig gemacht haben soll, könnte, so- viel ich sehen kann, nur darin bestanden haben, dass er die Notiz auf den Margites bezog, während in Wirklichkeit doch die Batra- chomyomachie und nur diese gemeint war. Da nicht angenommen werden kann, was auch Bere selbst gewiss nicht angenommen hat, dass Suidas die Venediger Handschrift A der Ilias benutzt hat, so wird uns also zugemuthet anzunehmen, dass in seinem Exemplare die betreffende Randbemerkung dieselbe unrichtige oder doch noth- wendig irre führende Stellung zu den Textesworten gehabt habe, wie in A, oder dass er aus reiner Leichtfertigkeit zufällig denselben Fehler begangen habe, zu dem die Leser und Vergleicher von A durch jene ungenaue Stellung sich mit Nothwendigkeit gedrängt sahen. Ich glaube nun nicht, berechtigt oder verpflichtet zu sein, mit Zufälligkeiten solcher Art zu rechnen, weise eine Zumuthung, wie die obige, entschieden zurück und beharre bei der Ansicht, dass Suidas selbst dem Artikel nichts hinzugefügt hat, vielmehr der Ge- sammtinhalt desselben, also auch die Notizen über Margites und Ba- trachomyomachie, in der von ihm benutzten Hauptquelle bereits ent- halten gewesen sind.

Allerdings ist auch für den, der mit mir in diesem Punkte der- selben Ansicht huldigt, die Sache, um die es sich hier handelt, noch

Kırcauorr: Der Margites des Pigres von Halikarnass. Tiere

keinesweges erledigt; es bleibt die Frage offen, welchen Grad von Zuverlässigkeit wir der Angabe der vom Verfasser des Lexikons für seinen Artikel direct benutzten Quelle, sagen wir also Hesychios, dass Pigres von Halikarnass der Dichter des Margites und der Ba- trachomyomachie gewesen, zuzuschreiben verpflichtet oder berechtigt sind, ob diese Angabe auf der Kenntniss von Thatsachen oder blosser Vermuthung beruht, und wie weit ihre Überlieferung in ein höheres Alterthum hinaufreicht. Eine sichere und Jedermann überzeugende Beantwortung dieser Frage in den angedeuteten Richtungen ist bei der ungenügenden Beschaffenheit des Materials, über das wir heutigen Tages allein verfügen, schlechthin unmöglich, und für immer oder so lange wenigstens, als nicht ein glücklicher Zufall die nöthige Ver- vollständigung unseres Erkenntnissmaterials herbeigeführt haben wird, wird ein Schleier über diesen Dingen liegen, den zu lüften wir nicht im Stande sind. Mit diesem Bekenntniss hat in diesen und ähnlichen Fällen die wissenschaftliche Untersuchung abzuschliessen; es pflegt aber in solcher Lage allgemein einem Jeden, der an einer solchen Untersuchung sich betheiligt, das Recht zugestanden, ja wohl auch die Pflicht auferlegt zu werden, dass er sich und Anderen die ver- bleibende Lücke des Wissens durch eine Construction des Zusammen- hanges ausfülle, die sich in den Grenzen des Möglichen oder Wahr- scheinlichen hält, ohne Anspruch darauf zu erheben, dass sie als der Wirklichkeit entsprechend von Jedermann angenommen und anerkannt werde. Von diesem Rechte Gebrauch machend oder dieser Verpflich- tung genügend, gebe ich zum Schluss im Folgenden der Vorstellung in aller Kürze Ausdruck, welche ich mir von dem Sachverhalte ge- bildet habe, ohne zu verlangen oder zu erwarten, dass ausser mir sonst Jemand sie annehmbar finde und zu der seinigen mache.

Die ursprüngliche Quelle, aus welcher auf nieht bestimmt nach- weisbaren Wegen die Angaben über Pigres von Halikarnass und seine dichterische Thätigkeit in dem betreffenden Artikel des Suidaslexikons geflossen sind, ist meiner Ansicht nach dieselbe, der die Mittheilung der interessanten und wichtigen Thatsachen verdankt wird, welche in dem Artikel desselben Lexikons über Panyassis von Halikarnass ent- halten sind und auch in dem Artikel über Herodot Verwendung ge- funden haben. Der unbekannte Gewährsmann dieser Nachrichten be- kundet eine so eingehende Kenntniss der Zustände von Halikarnass während der Periode der Perserkriege und der Zeit unmittelbar vor und nach denselben, dass wir genöthigt sind, seine Lebenszeit in Jahre heraufzurücken, welche den von ihm hier geschilderten Personen und Ereignissen nicht allzu fern gelegen haben. Sein Werk muss offenbar litterarhistorischen Inhalts gewesen sein, und so vermuthe ich denn,

778 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 11. Juli.

dass es Glaukos von Rhegion und seine bekannte Schrift repi T@v ap- xalwv TOMT@V Kal uovoık@v seien, mit denen wir es hier zu thun haben. Er war es, der Pigres als Verfasser des Margites und der Batrachomyomachie bezeichnet hatte, und diese seine Angabe halte ich für vertrauenswürdig.

Was den Margites betrifft, so halte ich es durchaus nicht für unmöglich, finde vielmehr sehr begreiflich, dass der Verfasser eines in der Zeit der Perserkriege oder kurz nachher gedichteten und auf be- stimmte zeitgenössische Persönlichkeiten seiner engeren Heimath ge- münzten Pasquills, der aus guten Gründen unerkannt bleiben wollte und zu diesem Zwecke mit bewusster Absicht irre führende Angaben über Zeit und Ort der Entstehung seiner Dichtung, sowie die Person ihres Urhebers gemacht hatte, zwar von den Dingen näher stehenden Zeitgenossen erkannt und errathen worden, aber noch gegen Ende des fünften Jahrhunderts weiteren Kreisen völlig unbekannt geblieben war. Die Folge davon war, dass Sinn und Zweck der Dichtung hier nicht mehr verstanden wurden, und so konnte es geschehen, dass das Inter- esse, welche sie zur Zeit und am Orte ihrer Entstehung hervorgerufen hatte und das in der Folgezeit sich erhielt und weiter verbreitete, zu ungeheuerlichen Vermuthungen über Zeit und Person des Verfassers Veranlassung gab, zu welchen die fietiven Angaben des boshaften Mannes gewissermaassen herauszufordern schienen. Dass dann diese zur Tradition gewordenen Vorstellungen durch das vierte Jahrhundert die herrschenden blieben und selbst ein Mann wie Aristoteles an ihrer Thatsächlichkeit keinen Zweifel hegte, finde ich ebenso wenig irgend- wie befremdlich. An analogen Hergängen hat es zu keiner Zeit, auch der unserigen nicht, gefehlt; MAacrnuerson’s Össianlieder z. B. haben bei seinen Lebzeiten und noch lange nachher bei den Meisten für das gegolten, als was er sie angesehen wissen wollte, und selbst ein Goethe hat daran nicht gezweifelt, obwohl schon Zeitgenossen das Verhältniss klar war, wie es heutzutage aller Welt als festgestellt gilt. Will man endlich Pigres als Verfasser des Margites nur dann gelten lassen, wenn wenigstens vermuthungsweise die Personen nachgewiesen werden, welche er in diesem Gedichte parodirte, so empfehle ich in Erwägung zu ziehen, ob er nicht mit seinem ‘Margites’ den eigenen Neffen Pisindelis, den damaligen Dynasten von Halikarnass, gemeint und unter dessen Mutter die eigene Schwester Artemisia hat verstanden wissen wollen. Die Möglichkeit, dass dem so sei, wird angesichts der uns bekannten Thatsachen und der Angaben über die Rolle, welche die Mutter des Dummkopfes an seiner Seite, sei es nach volksmässiger Überlieferung, sei es nach der Erfindung des Dichters, gespielt haben soll, nicht wohl bestritten werden können.

nn

Kırcunorr: Der Margites des Pigres von Halikarnass. 203

Der Text der Batrachomyomachie ist uns erhalten, freilich in einem so verderbten Zustande, dass bis in die neueste Zeit immer von Neuem hat versucht werden können, die Entstehungszeit der Diehtung, von der man nicht glaubt zugeben zu dürfen, dass sie ein Erzeugniss der ersten Hälfte des fünften Jahrhunderts v. Chr. sei, sicher irrthümlich in die Hellenistische Periode heraufzurücken. Ganz verstehen und richtig beurtheilen werden sie freilich nur diejenigen können, welche erkannt haben, dass die Neigung des Verfassers zu parodirender Behandlung der Dinge ihn auch hier veranlasst hat, wirkliche Geschehnisse seiner Zeit denen, die sie mit ihm erlebt, in launiger Darstellung vorzuführen. Welches diese Ereignisse waren, scheint mir angesichts der Thatsache, dass der Verfasser die Zeit der Perserkämpfe bis zur Schlacht bei Salamis und darüber hinaus durch- lebt hat, nicht zweifelhaft, und ich meine, dass von seinen Zeitgenossen die meisten ohne Schwierigkeit errathen haben, wer nach des Dichters Absicht unter den Bewohnern des grossen Teiches und seiner Ränder, den Fröschen, und ihren anfänglich siegreichen Gegnern, den land- bewohnenden Mäusen zu verstehen sei, und nicht minder be- griffen haben, wer mit den Rettern des Froschheeres aus der Noth, den gepanzerten Krebsen, gemeint war. Späteren Zeiten ist dieses Verständniss freilich vollständig abhanden gekommen, und darum hat es geschehen können, dass, wir wissen nicht, wann und von wem, die abenteuerliche Ansicht ausgesprochen worden ist und eine gewisse Verbreitung gefunden hat, der alte Froschmäusler sei eine Homerische Diehtung. Jedenfalls gab es im ersten Jahrhundert n. Chr. viele, die das glaubten, obwohl die Kritik entschiedenen Einspruch erhob und die Kunde von Pigres als dem Verfasser der Batrachomyomachie sich bis in diese späteren Zeiten daneben erhalten hatte.

> . Aal

er j Ah j Be a Ve RER

ef ah se vo Fe Y a Bein NEN AR ee N le end Er Ar La Be REN ee. re re eh MA: ee BEP ENDE ass Eutin ne A } » en LH Oi ET: A a ur an Vor A A EEE ee E er Ei AN LIE Ru } iA Na de arilı- „rogilı Tai > Tara a ERSTER at. Eee re EN | Äh NET DAHIN 1er a RA: BE a Se ' era on ar a uebila) 44% {ji i una Br Ihr > et ee Er N er a en % EN ur uw uyard v | or A

u Yin ii ac er FRA j 3 a

art hd h UL LTE TEE Re Er.” { Hull! te = m

ae. > ION 9.2 D de ee TEE ' rer ui rer \ Bi RT ni N

! und s LEN ms SUTaTHT 4} er FaRı Se 7,

.

T g iv war - hu y Fr, UN A h ind) BT, RT TE i Ve j . » ü DM NISTLe ) N Vader z urdada RT er EEE ee BL F El Bir 2. Far URN r

\ ri h Ag we, te 1 HN BE

De

781

Die Vision des Maximus.

Von G. KABEL

in Strassburg i. Els.

Auf der Südmauer des Mandulistempels von Kalabscheh (Talmis in Aethiopien) haben jüngst die HH. Sayce und Manarry ein mit rother Farbe aufgemaltes griechisches Gedicht entdeckt und alsbald nach eigenen Abschriften veröffentlicht, SaycEe mit einem kurzen Commentar von H. Weir in der Revue des etudes gr. VIl 284, Manarry mit einigen Bemerkungen von I. B. Burv im Bulletin de corresp. Hellen. XVII 150. Das Verständniss der Verse ist so schwierig, dass die in dankens- werther Weise beeilten ersten Erklärungsversuche natürlich weder Alles erschöpfen noch überall befriedigen konnten. Weniger der poetische Gehalt als die Absonderlichkeit des Inhalts wie der Form liess mir eine eindringlichere Behandlung lohnend erscheinen, und da meine Hoffnung, ein Kundigerer werde mir mit Besserem zuvorkommen, auch durch E. Roupe’s kurze Besprechung (im Philologus LIV ır) nicht er- füllt worden ist, möchte ich meinen eigenen Versuch an dieser Stelle vorlegen. Eine Wiederholung des Textes zuvor ist unerlässlich.

Maxrapıov OT’ EBnv npewas Tomov Evadpnoaı, depı TO modewov Yruyns TVvevu' Emaveivaı,

er x m (Eeva uoı Blorn mepi dpeva mavrodev Edoverro, [OTOPa Kakins Euavrov OUK Exwv EXeyyov)

s MÜOTNV TOTE KIKÄNOKE PVcIs TOVov Yewpyew' 6 oocdbos TOT Eyw MoikiXov npnoLov doıdnv, veuvov amo Hewv KwriAov Emitvywv vonua. OnAov öre Beoıs apeotov npyalero Movoa, EAikwv xAoins avdeuov amerivaka K@yov.

10 Kal TOTE HE TS Umvov uvyos hpedıre bepeodaı, öAlyov Emicboßov bavranins Ovap Tparnnvar' v [4 [4 \ Umvos ÖE ne |K]Aeyas Tayuv amerowoe bu... . mv.

ı EBAN S(avcE) 3 MANTOCOEN SM(anarrr) 5 KEKAHCKE SM

9 XAOHC S XA@WHC M; vielleicht äveriva&a koouov 12 MEAEYAC SM, verb. Wei Bury ®1...PHNS ®..... HN M, @iAnv yıv Weır

Sitzungsberichte 1895. 69

-]

82 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 11. Juli.

e # E G \ mn en f2 peldpoıs Edokovv yap moTanov o@ua am|oXo]vew ikavoıs amo NiAov YAvkepov üdarı mpoc|nv]os. :s @oumv de oeuvnv Movo@v KarAıereav vvubaıs Ana macaıs ueo|o]|nv kouov aeidew. Ernados kamo Bpaxv Aelyravov voniLlwv ypanrov amo vobns Envevoa Yuyns uov vonua' paßow de Ts ola Kara ueXos Ödeuas dovn|d]eis Apnorymv nee ovvepryov EmekdAovv yaparreılv], 7 E \ woyov aMorpioıs neow amoAımov AonAov. apxyn ÖE u ErAnl EMOC TO vobov Toinua Ackaı, Aaumpos Töre Mavöoväıs Eßn ueyas am’ OAvunov, [4 derywv Bapßapırnv Aegıw am’ Aidıorwv, \ \ y s se m ER Kal YAUKEPAV EOTTEUTEV ed Errada uovoav daeıaal, Aaurpa mapeıa depwv kal Öe&iös "Ioıdı Balvov, Ponaiwv neryedeı © o|i]' av ayaAAouevos, \ 7 x \ E y navrıka muvdiowv are On eos OVAvumoıo‘ ‘os Bios avdpwmoıs TpoopwWuevos Ek oEdev auyei, » @s Auap Kal vv& ve oreßeı, Bpaı 6 Ana macaı, \ \ \ 4 kai kaXeovol ve Bpeid kai MavoovAıw ovvoualuovs, aorpa Hewv, Ev onua, Kar’ olpavov avreAXovra. kat TAÖE ToL OTeiyovra xapdoceıw u’ autos EXe&as kat oda Ypanpnara racıw adwreitws Eoopacdaı.

vw a

Der Verfasser dieses in einwandsfreien Sotadeen (1-23) abge- fassten Gedichtes hat seinen Namen in einem Akrostichon bekannt: MaE&ınos Öekovpiov Eypaya'. Schwerlich ist er mit einem der sonst aus den Tempelinschriften von Talmis bekannten Soldaten gleichen Namens zu identifieiren (ClG. 5063. 5065). Die Proskynemata von Kalabscheh fallen, soweit sie datirbar sind, zwischen die Jahre und 248 n. Chr. (Puchstem, Epigramm. gr. in Aegypto reperta p.67); die Verse des Maximus möchte man der correeten Orthographie wegen eher dem frühesten als dem spätesten Datum nahe rücken. Der Ver- fasser stammt, wenn ich V.ı7 recht verstehe, entweder aus einer griechischen Stadt Aegyptens (s. zu V.ı2), oder hat doch eine gute

13.14 ergänzt von SM ı5 WOMHNHNAE SM, verb. Weır Burv 16 NI NEYAICAMA S 17 TIKATABPAXY S 18 wohl Emvevoa uov yuxis v. ıg AO NHCEIC SM 20 MENEICCYNEPFTON S XAPATTEIC M XAPANEIC S, verb. Bury 22 vielleicht apynv de u’ EkAnC öre ro 27 AOTAN SM: verb. Weır (Roape) 28 OAYMNOIO S 29 EZEOENAYXEIS(YM) SM, das letzte Zeichen ist eine Art Koronis 31 oder Zeßpeid

! Das Akrostichon, jetzt auch von Ronpe erkannt, hatte Erıcu PRENNER be- merkt, als er mich vor mehreren Monaten zuerst auf die Inschrift aufmerksam machte.

ne a nn ne u

Kaiser: Die Vision des Maximus. 783

griechische Bildung genossen, unter deren Firniss allerdings ein stark nationaler Untergrund hervorblickt. Ausdruck, Wortfügung, Satzbil- dung tragen deutlich orientalisches Gepräge; eine rechte &AAnvırn Ae&ıs ist trotz Mandulis’ Beihülfe (24) nicht zu Stande gekommen. Visionäre Erzählungen pflegen sich nicht durch Klarheit und Anschau- liehkeit auszuzeichnen: bei Maximus hat neben der stilistischen Absicht auch das sprachliche Unvermögen dazu beigetragen, sein Gedicht ver- worren zu machen. Die Aufgabe, die er sich gestellt, ist an sich keine leichte: er will die Entstehung des Gedichtes in seiner Seele schildern, und zwar als übernatürlichen Vorgang, als eine göttliche Eingebung. Gerade in dieser Absicht liegt das Interesse, das die Verse für sich beanspruchen können; ein ähnliches Gedicht ist mir aus dem Alterthum nicht bekannt.

"Als ich’, so beginnt Maximus, "die selige Stätte der Einsam- keit betrat, sie zu schauen, den Hauch der Seele, die danach ver- langte, in die Luft auszuströmen, da trieb mich innere Begabung und göttlicher Wille zum Dichten‘. Er geht also nicht nur, wie die übrigen ungezählten Besucher der aegyptischen Wunderstätten, als Neugieriger zum Mandulistempel (&oadpnoaı), sondern auch um dem Trubel des Lagerlebens zu entfliehen, frische Luft zu schöpfen und den Zauber der nur von Göttern bewohnten Einsamkeit auf sich wirken zu lassen: ro wodewov (2) kann als Apposition zum zweiten dem ersten ohne Verbindung angereihten Infinitiv &raver- var gefasst werden, einfacher ist es vielleicht, modewos activisch zu nehmen, wie in dem Xenophonteischen Ausdruck (de rep. Lae. 1, 5) oUTw de avvöovrwv modewoTepws uev Avaykn odov aurov Exew KTX. Der Nachsatz zu öre (1) beginnt mit roTre (5), wie diese gut orien- talische Form der Periodisirung so ziemlich die einzige ist, die der Verfasser kennt oder die er dem Stile des Gedichts für angemessen hält. Demnach sind V. 3.4 ein Zwischensatz, der die Wirkung der Einsamkeit und die Vorbereitung auf dieselbe schildern soll: ‘von allen Seiten umdrängten meinen Sinn fremdartige Eindrücke, die mich aber nicht erschreckten, da ich mich aller Übelthat rein fühlte”. Das scheint der Sinn der seltsamen Worte, die mit gut logischer Structur sich im Nominativ (eyov 4) an den Dativ wo: (3) anschliessen. Wörtlich würde zu übersetzen sein ‘da ich an mir keinen mich eines Unrechts über- führenden Gewissensmahner hatte. Was im Tempel von Epidauros gestanden hatte @yvov xpn vaoıo Auwöcos Evros iovra Eunevan dryvein Ö eori bpovew öcıa (Theophr. w. eva. p.68 B), das gilt auch für die Besucher des Mandulistempels: ein unbekannter Pilger sagt (PuchstEin P- 72) aAAoTpıov Euavrov Eromodunv Mdons Kakias Kal üryvevaas es moAUV xpovov, so sei er gekommen Mandulis zu schauen. Es ist

69*

784 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 11. Juli.

also für” Maximus die Einsamkeit nicht nur ein rein negatives, eine aßaros oder dßporos Epnuia, sondern auch, insofern sie von einem allsehenden Gott bewohnt ist, etwas positiv Furchterregendes, wenig- stens für den, der nicht reinen Herzens ist. Aber für so unantik möchte ich Maximus nicht halten, dass er von der Einsamkeit eine Annäherung seiner Seele an die Natur selbst erwartete und dass er unter der &voıs (5), die ihn zum Dichten ruft, die Natur verstanden habe. Vielmehr sondert er bei dem Geschäfte des Dichtens zwei wir- kende Factoren, die eigene Begabung ($dVous) und die göttliche Ein- gebung, nach einem sehr geläufigen Schema, wie z. B. im 20. Hippo- kratesbriefe die dVaıs, d.h. die gesunde Körpernatur, dem deiov, d.h. der göttlichen Beihülfe gegenübergestellt wird. Freilich die Abgren- zung der beiden Factoren ist einigermaassen willkürlich: die &vous mahnte ihn uVornv movov yeopyeiw, ein Werk zu thun (so brauchen die Späteren das Verbum yeopyew, ohne das Bild noch zu empfinden), wie es nur dem Eingeweihten, dem dichterisch Begabten gelingt: erläutert wird der gekünstelte Ausdruck durch das folgende 6 vodbos TOT &yw moıkiAov npuolov aoıöyv, wo opös der Kunstverständige ist (vergl. V.ı8) und Tore rein anaphorische Wiederholung. Von den Göttern dagegen kommt ihm der Gedanke, und zwar ein koriAov vonua, d.h. ein Gedanke, der redet, der sich in Worte fassen lässt; «wriAov una, oculi arguti sind wenigstens ähnlich. Das ist eine von der gewöhn- lichen abweichende Anschauung, da doch die vodia, die Kunst, von den Musen und Chariten verliehen zu werden pflegt. Aber der Muse hat Maximus noch eine besondere Wirkung zugewiesen: "als nun, was den Göttern gefallen hatte, die Muse offenkundig zu machen begann, da EAlkwv-yAoins avdenov amerivafa kouov'. Darauf sinkt er in Schlaf. Wenn die Gedankenarbeit, TO amo Hewv vonua, offenkundig wird, so kann das nur entweder so vor sich gehen, dass die Gedanken sich in Worte umsetzen davon aber ist hier noch nicht die Rede oder so, dass die Arbeit eine körperliche Wirkung zeigt: der Inspi- rirte wird aufgeregt, von der Muse ergriffen, uovooAnnTos. Dazu passt der alsbald eintretende Schlaf, der nichts als ein intensiv fort- gesetztes Leben im Traum ist, ein intimes persönliches Verkehren mit den Göttern selbst, theils Reaction gegen die Ekstase, theils noch selbst Ekstase. Bei Trozen war ein Altar, auf dem zugleich den Ar- dalischen Musen und dem Hypnos geopfert wurde, weil man (nach Pausan. II 31, 3) meinte rov "Yarvov Heov udAıoTra eivaı dıXov raıs Mov- caıs. Dieser bekannten Vorstellung des Musenschlafs giebt auch Maximus hier Ausdruck. Ist das richtig, so muss sich daraus das Verständniss des dunklen V.g ergeben. Das Wort «@uos ist V.16 ein Synonym für Troinua oder aowön: dass das Lied eine Blüthe vom Grün der Ranken

ee ET REN

an up Nah

Kaiser: Die Vision des Maximus. 785

heisst, könnte man sich gefallen lassen, aber drorwagaı bedeutet nicht dasselbe wie aroöpewaodaı, sondern etwas abschütteln, was man nieht mehr an sich dulden will. wie Pentheus den Kadmos anherrscht (Eur. Bakch. 253) oik amorwageıs Kıooov; ok EXevdepav Büuprov nehaeıs xeipa; Maximus kann doch nicht ein Lied abschütteln, das er noch gar nicht besitzt. Es muss ein Schreibfehler vorliegen, begangen von dem, der die Verse des Maximus wie der übrigen Andächtigen mit einheitlicher Handschrift, wie Sayce bemerkt, auf die Wände einge- tragen hat. Man vermisst eine Äusserung der KaToyn Movowv, und diese suche ich durch die Verbesserung zu gewinnen EXikwv xAoins avdeuov averiva&a koouov, d.h. "ich schwang empor den Schmuck der Ranken, die Blüthe des Grüns''. So lassen sich die beiden Substantive im Genetiv E&Aikwov und yAoins am ehesten ertragen, wenn jedes von je einem besonderen Nomen abhängig ist. Maximus meint wohl eine Epheuranke, und es würde dem Phantasten nur Unrecht geschehen, wollte man fragen, ob es in Talmis denn auch Epheu gab. Eine Ver- quiekung musischer und dionysischer Begeisterung ist durchaus unan- stössig. An diese allerdings dürftige Beschreibung seiner Gottergriffen- heit schliesst sich nun Schlaf und Traum passend an: ‘und da reizte mich ein Winkel des Schlafes zu geniessen (Umvov depeodaı ist zu verbinden), also dass ich einem Traum zugewendet wurde”. Der Ac- cusativ 6Alyov Ovap hängt von rparrnvaı ab, dieser Infinitiv ist dem vorhergehenden depeoda entweder gleich geordnet (wie ı. 2) oder, wie ich lieber glaube, untergeordnet; eripoßov pavracins scheint zu- sammenzugehören, so dass davracia nicht, wie gewöhnlich, die Traum- erscheinung, sondern die Vorstellungsthätigkeit des Träumhenden be- zeichnet”. Dem Schläfer sind göttliche Erscheinungen zugedacht: dazu muss er sich durch eine Reinigung vorbereiten. Er träumt, er werde an den Nil versetzt und nehme dort ein reichliches Bad. Wie yap (13) zeigt, muss am Schlusse von V.ı2 eine Ortsbestimmung gestanden haben. Mir scheint Wei's Ergänzung $iAnv ynv zutreffend zu sein. Man müsste das verstehen als &iAnv Es rarpida yatav und hätte damit eine Heimathsangabe für Maximus gewonnen. An der Ver-

! Ich habe daran gedacht mit einer Änderung auszukommen und zu schreiben ENikov xAolys ävdeuov am’ Erivaka koouov, da man röv Aupoöv rıvaooeıy nicht minder gut sagen kann wie ävarıyaoveıv (Eur. Bakch. 553 uoXe, xpvoora, rıvaoowv, ava, Oupoov); aber, wiewohl ich die Möglichkeit nicht bestreite, die Schwierigkeit drö mit eXikov zu ver- binden, nachdem ein anderer Genetiv yAoins dazwischengetreten war, schreckte mich ab.

2 Es liegt nahe öAiyov Umvov depeodat zu verbinden, aber das Übergreifen des Satzes in den nächsten Vers, und zwar mit einem einzigen Worte, ist gegen den Stil: auch der Ausdruck selbst (fo take a little nap) ist zu spiessbürgerlich.

3 Möglich wäre auch em $6ßov davraoins, so dass der Traum selbst ein Schrecken für die Vorstellung des Träumenden genannt würde.

786 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 11. Juli.

besserung «Aewas ist nicht zu zweifeln; Unformen wie Amyas (so Ronpe; es soll gleich Aaß®v sein) sind in diesem Gedichte nicht zu dulden. Den Hiatus YAvkepov vdacıv (14) möchte ich eher ertragen als Wriv’s Änderung YAvkepois, das sich neben ikavoıs bedenklich ausnimmt'; ob TPOCNV@S richtig ergänzt ist, möchte man bezwei- feln. Nach dem Bade erscheinen dem Maximus zunächst die Musen. Man las und verstand bisher V.ı5 oeuvnv Movowv kaAXıcmeıav ab- hängig von deidew. Wer empfand dabei die Unhaltbarkeit der Worte ueronv und k@uov (16), die er deshalb in &ue auyyvouov abänderte. Aber es ist offenbar, und zwar als Subjeet zu aelödew, Kalliope selbst gemeint, ob man nun KaAAuöreıav corrigiren will oder nicht. Sie heisst oeuvn Movo@v wie Alkestis dia yvvark@v, sie ist die vornehmste der Musen, mpodepeotarn eortiv amaoewv nach Hesiod, und bei ähn- lichen Träumen die Wortführerin des Chors. So in dem wahrschein- lich aus Kallimachos’ Traum stammenden Bruchstück (fr. anon. 114 Schn.) ros ephey&aro KaAAuöreia, so bei Properz IV 3 und sonst. Niemals aber erscheint sie allein, bei Hesiod, bei Kallimachos (vergl. Anth. Pal. VII 42), bei Properz sind alle Musen gegenwärtig, und Maximus, der offenbar eine Kallimacheische Erinnerung feiert, lässt Kalliope vvudbas Aua maoaıs ueoonv auftreten: er meint nicht die Nymphen des Nils, sondern die Schwestermusen, die Mädchen, nicht Nvubaı, sondern vuudaı. Der Gesang der Musen muss sich nun dureh irgend welehen Vorgang auf den Schläfer übertragen: "und aus meiner Dichterseele (codn Yvyn 18) hauchte ich den aufzuzeichnenden Ge- danken (yparrov vonua), indem ich in ihm eine wenn auch karge Spur Griechenlands zu erkennen glaubte‘. Das Object zu vowLwv kann nur vönua sein, aber was der Dichter von dem Gedanken sagt, scheint er auf sich selbst anzuwenden: er spürt noch einen Hauch längst vergessenen griechischen Geistes in sich, und zwar unter dem Einfluss der (griechischen) Musen. Zu dem Gedanken des Gedichts kommt alsdann die Form, zunächst das Metrum. Durch die leichte Än- derung Öovndeis glaube ich die Verse verständlich gemacht zu haben. Maximus spürt den Rhythmus an seinem eigenen Leibe: ‘gleich wie wenn einer mit einem Stabe im Takt (kara ueXos 19) geschlagen wird, so fand ich die Versfügung (apnoyn). Eine Reminiscenz an die falsche Etymologie von paywöos (von paßoos) ist darin schwerlich zu erkennen. Die Versfügung heisst ueXeı ovvepyos, aber nicht als Stütze für die

! Nicht ganz ähnlich ist V.7 das doppelte Adjectiv oeuvov dmo Beov kworiAov Em- Tuyov vonua, da hier koriXov praedicativ gemeint ist. Den Hiat konnte Maximus durch Pindarische Beispiele vertheidigen, wie Ol. IIı3 röpov r’ Ardgeov, iavdels doıdais; obwohl ich glaube, dass Pindar hier wie anderswo AAdeor’ gewollt hat, so war doch dem Maximus die Form auf ov ebenso überliefert wie uns.

er iu En TE RT er aan

.

4

Kaiser: Die Vision des Maximus. 787

Melodie, sondern für das ganze Lied oder Gedicht; dass ueXeı hier in anderem Sinne steht als xara ueAos im vorhergehenden Verse, ist nicht schön, aber auch nicht unerträglich. Hinzu tritt der lockere epexegetische Infinitiv yaparrewv (denn mit yaparreıs ist nichts an- zufangen); der bedarf eines Objeets, und das scheint nur aus dem Dativ ueAeı zu gewinnen zu sein 'also dass ich das Lied aufschreiben konnte. Da Maximus von der endgültigen Niederschrift redet, unter- lässt er nicht auf das hinzuweisen, was ihm offenbar Mühe genug gemacht hat, auf das Akrostichon. Denn das ist, wie H. Diers mit glücklichem Scharfsinn erkannt hat, der Sinn der Worte woyov aX- Aorpioıs ndeoıw amoAımwv aönAov nachdem ich einen etwaigen Tadel für missgünstige Seelen unbestimmbar gelassen habe’, so dass sie nicht wissen können, wer der Dichter ist, den sie tadeln möchten. Natür- lich soll der Leser dadurch auf das Akrostichon hingewiesen werden, und die Furcht des Dichters unbekannt zu bleiben ist grösser als die Furcht getadelt zu werden. Endlich kommt die Ae&ıs an die Reihe. Der Dichter ist fertig und will sein Gedicht hersagen. Die offenbare Corruptel V.22 apyn de u erAnl EMOC To copov Toinua Ackaı lässt sich auf Grund der Sprachgewohnheit dieser Verse mit einiger Wahrscheinlichkeit beseitigen. Da die folgenden Worte Aaumpos Tore MavöovXıs Nachsatz sind, so fehlt im Vordersatz das übliche öre: andere Versuche sind weder besser noch leichter ausgefallen. Dass apyn irgend etwas Anderes sein könne als der Anfang des Gedichts, glaube ich nicht. _ Der Begriff passt hier vorzüglich, da der Vortrag sogleich beim Beginn durch Mandulis’ Erscheinen unterbrochen werden muss. Bedenklich wäre der blosse Dativ aoyn für ev apyn gleich zu Anfang, als das Gedicht mich mahnte es herzusagen‘; besser oder wenigstens einwandsfreier wäre apynv "als es mich mahnte den An- fang herzusagen. Dem Mandulis also verdankt es Maximus, dass sein Gedicht, ein Hymnus auf Mandulis selbst (29ff.), griechischer klingt als alles Übrige. Von wannen dem aethiopischen Gott diese Fähigkeit gekommen ist, weiss ich nicht zu sagen, aber auch in einem neuen von MaAnHaArrY p.151 mitgetheilten Hymnenfragment wird mit den Worten dwvnv Bapßapırnv wumoVuevos et ano onk@v autos üva& BovAoo dvabnvar onuara macı Bporotoı die hellenische Sprach- gewohnheit des Gottes hervorgehoben: das Aethiopische, die Pdwvn Bapßapırn, ist ihm eine ungeläufige Sprache.

Dass mit Mandulis’ Erscheinen auch das Metrum sich ändert, hat schwerlich eine tiefere Bedeutung. Der Verfasser scheint einfach der schweren Sotadeen müde geworden zu sein und erholt sich in einem ziemlich öden Gemisch von Hexametern und Pentametern. Zwei dieser Verse (25. 26) gehören überdies zum typischen Hymnenapparat jener

788 Sitzung der philosophisch- historischen Classe vom 11. Juli.

Gegend und kehren auf einer anderen, freilich jüngeren Inschrift wieder (CIG. 5039 mit Manarrv'’s Lesung a. O.). Sie können immer- hin von Maximus entlehnt sein, ob er sie aber selbst erfunden hat, steht dahin. In dem Verse 27 Pouaiov neyedeı © ol Av ayaAAoue- vos ist das de sehr störend, da ein neuer Satz nicht beginnt, das ganze Compliment ziemlich sinnlos.

Endlich folgt der mit Hülfe von Göttern und Musen glücklich zu Stande gekommene Mandulishymnus selbst, die ganze Frucht so man- nigfacher Vorbereitungen und so aufregender Vorgänge, aus vier wohl- gebauten Hexametern bestehend (29-32). Er wird von den übrigen metrischen Bemühungen des Maximus V.33. 34 deutlich geschieden, seiner ersten Zeile ist ausserdem zur Rechten ein deutliches Inter- punctionszeiehen beigegeben (29). Über Mandulis’ göttliche Natur, die in dem Hymnus gepriesen wird, lehren zunächst die epichorischen Inschriften, wie mir mein College Hr. Dr. SpiesELBErRG mittheilt, nichts, etwas mehr die griechischen. Er heisst in einem der von PucHstEin (pP. 73) zusammengestellten Proskynemata aravrwv BaoıXevs und aiwv TAVTOKPAT@P, ein anderer nennt ihn (nach Sayvce’s berichtigter Lesung von CIG. 5039) rTov Tpokadyyn(rnv) kai MPOOPOM. Das letzte Wort, von Lersius MPOOPON gelesen, lässt sich etwa als mpocpouov deuten, möglich wäre aber auch Pucnsteiıw’s Änderung Tpoop@vra oder gar H. Dıers’ Deutung mpoopov als bpovpov, und damit würde sich der etwas verzwiekte Ausdruck bei Maximus decken @s ßtos av- Opwroıs Tpoopwuevos Ex orefev auyeı das Leben rühmt sich, dass du es den Menschen regierst. Diese segensreiche Thätigkeit übt Man- dulis als Sonnengott aus, wie ihn die Hymnen mehrfach nennen: Evda oe Eyvov, Mavooväı, "HAıov Tov mavrenontnv deomoryv und AKTı- voßoXe deomora, Mavcovxı, Tırav u.a. "Dich ehren‘, sagt Maximus, "Tag und Nacht, zugleich aber alle Zeiten des Jahres‘. Die Nacht unter den Anbetern des Sonnengottes liesse sich als poetische Fietion ganz wohl denken: 0v aiöaa NVE Evapıfonueva Tikreı karevvaleı TE PAoyıSönevov "HAiov, sagt Sophokles Trach. 94. Aber Maximus scheint ein anderes im Sinne zu haben. Im nächsten Verse erscheint Man- dulis mit einem anderen göttlichen Wesen, einem ihm blutsverwandten, zu einer Einheit verbunden: sie beide heissen doTpa dewv, Kar’ obpavov avreAXovra, sie bilden aber ev onua, und ihr Name ist Man- dulis und Breith. Für die Schreibung kai xaA&ovol oe Bpeid spricht die griechische Satzbildung, wenn es auch nicht völlig ausgeschlossen ist, dass die Gottheit Zeßpei# hiess. Auf einheimischen Inschriften ist der Name noch nicht vorgekommen, auf griechischen erscheint er hier, wie ich höre, zum ersten Mal. Für sicher aber halte ich, dass es der Mondgott ist (bei den Aegyptern wenigstens männlichen

Kaiser: Die Vision des Maximus. 789

Geschlechts), der hier ein Bruder des Sonnengottes heisst, und viel- leicht mag man dafür eine Bestätigung finden in dem Hymnus bei Pucnstein p.71, wo in der Beschreibung von Helios’ Meeresfahrt ein als vurtiöponos bezeichnetes Wesen Erwähnung findet: das kann nur der Mond sein. Der Mond, da er von der Sonne sein Licht empfängt, ist in gewissem Sinne mit der Sonne eins, ev omna: der Tag verehrt in Mandulis die Sonne, die Nacht den Mond.

Ausgegeben am 18. Juli.

Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei.

Sitzungsberichte 1895. 70

I i 1 - PL Disnu ER LH

- hugh, bat SE = Kir a Air Mu Irypai ji mi „NINE:

R ns En van: will r d dene 1"

u Zu an Hal, un ul en lei Ta (ade uns 15 N te, a u Aa

64 N" URUTUn SER a EN Jul ar ei

u ar sr Er

FR > j s Rn; Li 7 io e u # " / > i j 5 2: ® P3 u E \ . (u ; er - I \ 5

N - ' v szr Pi ur v > - % 3 h } .

791

1895.

XXXVI.

SITZUNGSBERICHTE

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN.

18. Juli. Gesammtsitzung.

Vorsitzender Secretar: Hr. E. pu Boıs-Reynuonv.

l. Hr. Currivs las über den Synoikismos von Elis.

2. Hr. Fucns legte eine Mittheilung des Hrn. Dr. Frırz Körrter, Professors an der Bergakademie, über eine Darstellung des Rich- tungscosinus zweier orthogonaler Coordinatensysteme durch Thetafunetionen zweier Argumente vor, welche die Lösungen mehrerer Probleme der Mechanik als Specialfälle umfasst.

Die beiden Mittheilungen folgen umstehend.

3. Hr. Auwers überreichte ein weiteres Stück des Sternkataloges der Astronomischen Gesellschaft: Zone + 20° bis + 25°, beobachtet auf der Sternwarte Berlin.

Die Akademie hat zu eorrespondirenden Mitgliedern in der phy- sikalisch-mathematischen Classe gewählt in ihrer Sitzung am 13. Juni die HH. Prof. Wırneımn von Günger und Prof. Argrecnt Ritter von ZITTEL in München, Prof. ALsrecHt Schraur in Wien und Prof. Arronso CossAa in Turin; ferner in ihrer Sitzung am 18. Juli die HH. ALrxAnDEr Acassız,

Sitzungsberichte 1895. 71

792 Gesammtsitzung vom 18. Juli.

Director des Museums für vergleichende Zoologie zu Cambridge in Nordamerika und Errzurnire Mascarr in Paris, Mitglied des Institut, Professor der Physik am College de France.

Am 29. Juni starb das correspondirende Mitglied der physika- lisch-mathematischen Classe Hr. Tuomas Hvxrey in London.

Die philosophisch-historische Classe hat zur Fortführung ihrer wissenschaftlichen Unternehmungen bewilligt: ihrem Mitgliede Hrn. Drers zur Fortsetzung der Arbeiten für eine kritische Ausgabe der griechischen Commentatoren des Aristoteles 8000 Mark. Dieselbe Classe bewilligte für andere wissenschaftliche Zwecke: Hrn. Dr. KArı SchmivT, z.Z. in Cairo, zur Förderung seiner Koptischen Studien 1000 Mark; Hrn. Prof. Dr. Rıcnarn FÖRSTER in Breslau zu Vorbereitungen für eine kritische Aus- gabe des Libanius und des Chorieius 1000 Mark; Hrn. Dr. Haurer in Wien zu der von ihm für die Stupemunn’sche Frontoausgabe zu unter- nehmenden Reise nach Mailand und Rom 1000 Mark: dem Privat- docenten an der Universität hierselbst Hrn. Dr. jur. et phil. ©. F. Len- MANN zu einer in Gemeinschaft mit Hrn. Dr. WArLpemar BELcK in Für- furt für das Jahr 1396 geplanten Forschungsreise durch Armenien 1000 Mark.

—n

un —,—n .

793

Der Synoikismos von Elis.

Von E. Currivs.

Der Synoikismos der Eleer wird nur gelegentlich und so kurz in unseren Quellen erwähnt, dass, soviel ich weiss, noch nie der Versuch gemacht worden ist, dies Ereigniss in die peloponnesische Geschichte einzuführen und mit bekannten Thatsachen in Zusammenhang zu setzen. Und doch hat es der ganzen Landschaft eine neue, dauerhafte Form gegeben und war, vom Standpunkte vergleichender Verfassungsgeschichte betrachtet, so merkwürdig, dass Aristoteles in der Geschichte der Staats- umwälzungen der Umgestaltung von Elis eine besondere Aufmerksam- keit zuwendet.

Der Synoikismos gehört zu den eigenthümlichsten Kennzeichen des staatlichen Lebens der Hellenen. Mit ihm beginnt, was wir in engerem Sinne griechische Geschichte nennen können, und die letzten Schöpfungen auf griechischem Boden, die von den Römern nach griechischem Vorbilde ausgeführt worden sind, die Gründungen von Neu-Patrai und Nikopolis, sind Synoikismen.

Die Synoikismen der unabhängigen Volksgeschichte sind zwie- facher Art.

Es sind erstens Zusammensiedelungen alter Zeit, durch welche Gruppen von Nachbargauen sich zu einem Gemeinwesen verbunden und ein Prytaneion mit gemeinsamem Stadtherd gegründet haben. Diese Thatsachen gehören der Vorgeschichte an und sind in Legenden über- liefert. Wie Theseus in Athen, so wurden Pittheus in Troizen und Aleos in Tegea als Urheber des Synoikismos verehrt. In Patrai, Boiai, Tegea kennen wir Namen und Zahl der Urorte. Auch diese Synoikismen sind nicht ohne blutige Kämpfe zu Stande gekommen, aber im Ganzen er- scheinen sie wie ein natürlicher und in sich nothwendiger Entwicke- lungsprocess, die unentbehrliche Voraussetzung politischer Geschichte.

Als zweite Gattung bezeichne ich die Synoikismen, die in historischer Zeit aus einer bestimmten Absicht in’s Leben gerufen sind. Sie waren bestimmt, Bergstämmen, die in lockerer Gauverfassung zurückgeblieben waren, eine neue Entwickelungsperiode zu eröffnen, oder einen durch

al

794 Gesammtsitzung vom 18. Juli.

schwere Katastrophen gebrochenen Staat neu zu beleben. Das nam- hafteste Beispiel dieser Art ist der Synoikismos von Argos. Die Stadt war durch die Kämpfe mit den Lakedaemoniern so herunter gekommen, dass sie einer Verjüngung durch frisches Blut bedurfte. Sie sah sich also genöthigt, wie Aristoteles sagt (Pol. ı303« 9), Perioeken als Neu- bürger aufzunehmen. Dadurch neu gestärkt, griffen die Argeier er- obernd um sich und machten das Umland zu ihrem Stadtgebiet. Das war während der Perserkriege.

Damals begann die Bedeutung der Synoikismen für die pelopon- nesische Geschichte.

Spartas Eroberungspolitik war an dem frühzeitig synoikisirten Tegea gescheitert. Seitdem erkannten die Lakedaemonier, wie sehr ihre vor- örtliche Macht darauf beruhe, dass die Bevölkerung der Halbinsel, so- viel wie möglich, in lockeren Gauverbänden verharre, weil sie sich, zu politischer Selbständigkeit unfähig, so am leichtesten regieren lasse. Jeder Versuch, einen ländlichen Canton in einen städtischen zu verwan- deln und ihm dadurch die Befähigung zu politischer Action zu geben, war ein Angriff auf den Vorort, eine Lähmung seiner Macht. War also ein Synoikismos gelungen, so hatte Sparta, sobald es freie Hand hatte, nichts Wichtigeres zu thun, als denselben rückgängig zu machen. So wurde nach dem Antalkidasfrieden die Stadt Mantineia sofort durch Agesipolis dioekisirt und in ihre vier Dorfgemeinden wieder aufgelöst (ÖtwktoOn rerpayn Xenoph. Hellenika 5, 2, 7).

Dieser Kampf mit den Waffen des Synoikismos und des Dioikismos wurde, seitdem die Staaten des Nordens in die Halbinsel eingriffen, von diesen aufgenommen. Epaminondas vereinigte die Mantineer, nach- dem sie vierzehn Jahre als Bauern in der Diaspora gelebt hatten, von Neuem zu einer Stadtgemeinde, und ebenso wurde das ländlich bewohnte Westarkadien durch Megalopolis ein Stadtgebiet. Auch die Römer haben den Kampf gegen Sparta in derselben Form geführt, indem sie die Ortschaften der Eleutherolakonen mit der Hauptstadt Tainaron als einen unabhängigen Gesammtstaat anerkannten.

Es werden aber auch Halbinselstädte genannt, deren Synoikismos von Sparta ausgegangen ist. Erstens Boiai, das nach Paus.II, 22,11 aus drei Ortschaften von einem Herakliden vereinigt sein soll. Das ist eine Ortslegende, die auf eine Zeit hinweist, welche der dorischen Politik spartanischer Könige noch weit vorangeht. Es war eine Stadt an dem Kythera gegenüberliegenden Gestade, welches ungriechischen Einflüssen besonders ausgesetzt war. Hier sollte Boiai ein Stützpunkt hellenischer Cultur sein und der vordorische Ursprung dieses Syn- oikismos erhellt auch daraus, dass die Gründung auf Geheiss der Artemis erfolgt sein soll.

Currıus: Der Synoikismos von Elis. 295

Ganz anders verhält es sich mit Heraia. Hier haben wir in der That einen vom dorischen Vorort ausgehenden Synoikismos. Denn hier hat Kleombrotos oder Kleomenes (nach Borck#’s Verbesserung) die arkadische Stadt, die von jeher treu zu den Lakedaemoniern hielt, aus neun Ortschaften zusammengesiedelt (Strabo 337). Man wollte am Ausgang des Alpheiosthales einen festen Ort haben; deshalb versuchten die Lakedaemonier nach der Schlacht von Leuktra ihren Feinden mit denselben Waffen entgegenzutreten, mit denen sie selbst so erfolgreich bekämpft worden waren.

Ähnlich verhielt es sich mit Lepreon. Auch hier haben die La- kedaemonier den treuen Bundesgenossen auf ihren Antrag geholfen, die kleineren Orte der Umgegend, wie das alte Pylos, sich einzuver- leiben und ihr Stadtgebiet bis an die Neda auszudehnen. Auch hier kam es, wie in Heraia, den Lakedaemoniern darauf an, der Macht- erweiterung der antilakonischen Eleer einen Damm entgegenzustellen (Strabo 355).

Suchen wir nun den Synoikismos der Eleer unter den gleich- artigen Ereignissen griechischer Verfassungsgeschichte an die richtige Stelle zu setzen, so beginnen wir damit, ihn nach Strabo von den Synoikismen der alten Zeit zu sondern. Spät, sagt er, haben die Eleer sich aus ihrem Gauverband zu einem Staate vereinigt (öwe de more ovvnAdov eis ryv vov moAw HAw uera ra Ilepoıa Ex mov Onuwv Strabo 336), und bestimmteren Anhalt giebt Diodor (XI, 54). der wie Strabo aus Ephoros schöpft, dem bestunterrichteten Kenner alt- peloponnesischer Verfassungen. Nach Diodor fällt das Ereigniss in das Archontenjahr des Praxiergos (01.77.2=471v.Chr.). Das ist eine lose und unsichere Anreihung; das erste Jahrzehnt nach den Perserkriegen können wir aber mit Sicherheit als die Zeit des Synoikismos ansehen.

Was Aristoteles Polit.ı341a@ im Allgemeinen von den Hellenen sagt, dass sie nach den Perserkriegen von neuem Selbstgefühl erfüllt, in ihrem geistigen Leben die alten Gleise verlassen hätten, das gilt aueh vom Peloponnes. Hier konnten die öffentlichen Zustände am wenigsten unverändert bleiben. Sparta hatte sich als leitende Macht nicht bewährt, sein vorörtliches Ansehen war tief erschüttert. Es lockerte sich der alte Staatenverband, und die wachsende Gährung hatte in Argos ihren Herd.

Die Argiver hatten deutlich zu erkennen gegeben, dass sie lieber dem Grosskönige gehorchten als den Befehlen der Ephoren. Sie hatten während der Freiheitskriege in selbstsüchtiger Politik ihren Staat ge- kräftigt, und die Lakedaemonier glaubten, auf die Sympathie der Athener rechnen zu können, wenn mit den Thessaliern und Thebanern auch die Argiver als Persischgesinnte von der hellenischen Amphiktyonie,

796 Gesammtsitzung vom 18. Juli.

welche eine ovunayia Ent Mn6® (Thuk. I, ı02) bleiben sollte, aus- geschlossen würden. Die Pylagoren waren geneigt beizustimmen; da wurden sie durch Themistokles umgestimmt (Plut. Them. 20: ovverme als moAevı Kal uereßnke Tas yvouas Taov ruAayopwv). Themistokles durchschaute in dem Antrage die arglistige Absicht Spartas, das nur darauf ausging, die Argiver für die verweigerte Heeresfolge büssen zu lassen, während er es als die Aufgabe der Athener erkannte, die Vormacht der Lakedaemonier in der Halbinsel zu Fall zu bringen. Damit trat er in die Politik ein, welche später durch Alkibiades er- neuert worden ist.

Das war ein entscheidender Wendepunkt für sein Leben wie für die Geschichte. Denn dadurch wurde er der Gegenstand des unver- söhnlichen Hasses Spartas und zerfiel gleichzeitig mit der kimonischen Partei, welche nichts davon wissen wollte, die Macht des zweiten Grolsstaates zu untergraben. Für die Staatengeschichte aber war es ein entscheidendes Ereigniss, dass Themistokles für seine Zwecke persönlich im Peloponnes wirksam war. Die Argiver ehrten ihn als ihren Retter. Er lebte als einflussreicher Staatsmann in ihrer Mitte (Corn. Nep. Them. 8: magna cum dignitate). Argos wurde der Ort, von dem die Aufregung in die Nachbarstaaten überging, so dass auch die bis dahin gefügigsten Bundesgenossen Spartas, Arkader und Eleer, ihre eigenen Wege zu gehen anfingen.

Dass auch in Elis eine starke Gährung herrschte, hat sich unseres Wissens zuerst auf dem Schlachtfelde von Plataiai gezeigt. Das Con- tingent der Eleer war zu spät gekommen, die Theilnahme an dem Ehrentage war versäumt und die Schuld wurde der schlechten Heer- führung beigemessen. Der Unwille brach in offenen Aufstand aus, die Führer wurden von den Mannschaften vertrieben (E&diwEav ToVs iye- uovas Herodot 9,77).

Das war der Anfang einer Volksbewegung, in welcher die Partei der Nationalgesinnten sich gegen die Oligarchen erhob. Themistokles selbst ist, nachdem er 476 die »Phönizierinnen« des Phryniehos in Athen zur Aufführung gebracht hatte, in Olympia gewesen und hat auch hier die nationale Partei vereinigt und begeistert (Griech. Gesch. II° 130). So steigerte sich die Volksbewegung und führte endlich zu einer durchgreifenden Umwälzung der Landesverfassung.

Die ältere Verfassung war der lakedaemonischen entsprechend. Ein Rath der Alten bestand aus 90 lebenslänglichen Geronten, deren Wahlart nach Aristot. p.1306 eine dynastische war; d.h. es war eine sehr kleine Anzahl von Geschlechtern, deren Mitglieder zur Theil- nahme am Regiment gelangen konnten und die alle gewohnt waren, sich unbedingt von Sparta abhängig zu fühlen.

a

A m

Currıus: Der Synoikismos von Elis. 197

Diesem starren Geschlechterverbande gegenüber hatte sich eine freiere Richtung geltend gemacht, die an der Bewegung der Zeit lebhaften Antheil nahm und vor Allem eine landschaftliche Unab- hängigkeit erstrebte. Die herkömmliche Form dafür war der Syn- oikismos; wie mächtig aber die Reformbewegung war, geht daraus am deutlichsten hervor, dass man eine neue Gliederung von Land und Volk in Angriff nahm, wie es bei allen grossen Verfassungsänderungen im Alterthum der Fall war.

Elis ist bei seiner lang gestreckten Uferlage die Landschaft, welche am schwierigsten zu einem festen Ganzen zu vereinigen war. Ihr fehlen die natürlichen Schranken, innerhalb deren sich in Hellas die bürger- lichen Gemeinschaften bildeten. Daher der Mangel an cantonaler Selbst- ständigkeit und das lange Verharren in den alten Formen loser Gau- verbände. Auch jetzt, da die Herrschaft des alten Geschlechterkreises gebrochen war, ging die oberste Staatsleitung nicht, wie bei den anderen Synoikismen, an die Gesammtheit der freien Staatsangehörigen über. Die Bauern, Hirten und Fischer waren unfähig, bürgerliche Rechte auszuüben. Aber es wurde der Versuch gemacht, eine staatliche Ein- heit anzubahnen, indem man die Bevölkerung nach ihren Wohnsitzen gliederte, um auf diese Weise das Gefühl landschaftlicher Zusammen- gehörigkeit zu stärken. Während die Eleer bis jetzt nur durch den regierenden Adel vertreten waren, wurden jetzt örtliche Phylen ein- geführt und alle freien Bewohner als Eleer anerkannt. Es war eine Reform, welche an die Einführung der Kleisthenischen Phylen erinnert, und da alle antilakonischen Volksbewegungen mit einer Hinneigung zu Athen zusammenhingen, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass auch hier Attika vorbildlich gewesen ist'. Die Phylen von Elis waren aber keine neu geschaffenen Landbezirke, sondern sie beruhten auf der alten Gliederung der Landschaft, welche aus dem Dionysosdienste hervor- gegangen war.

Wie sich politische Ordnungen bei den Griechen an den Götter- dienst anschlossen, erkennen wir am deutlichsten in Patrai, wo die beim Dionysoseultus mit Ehrenämtern ausgezeichneten Familien auch zu bürgerlichen Ämtern herangezogen wurden (Paus. VII, 20). So hatte sich aus dem Dienste derselben Gottheit auch in Elis ein Kreis vor- nehmerer Familien gebildet. Diese Notabeln des Landes, deren Ansehen auf einer durchaus volksthümlichen Grundlage beruhte, wurden also benutzt, um an Stelle der engen Öligarchie einen neuen grösseren Kreis von Geschlechtern zur Leitung der öffentlichen Angelegenheiten

! Nıesvnr hat die elischen Phylen mit den örtlichen Tribus der Römer verglichen (Vorträge über röm. Gesch. I, S. 309),

798 Gesammtsitzung vom 18. Juli.

heranzuziehen. Die alte Kreisordnung blieb. Auch die alte Zahl der Kreise blieb, vier für Nordelis, vier für Pisatis. Das Zeusheiligthum in Olympia wurde aber jetzt in neuer Weise Mittelpunkt und Kern der ganzen Landschaft.

Dies erkennen wir besonders darin, dass in der Leitung des olympi- schen Festes plötzlich eine wesentliche Veränderung eintrat. Die Zahl der Hellanodiken wird auf einmal um das Vierfache erhöht und wenn diese durchgreifendste aller Reformen des olympischen Festes auch nicht ausdrücklich mit der neuen Phylenordnung in Zusammenhang gesetzt wird, so ist sie doch nur in Verbindung mit ihr verständlich. Denn mit der Ausdehnung des Territoriums von Elis wächst die Zahl der Hellanodiken bis auf zwölf; in Folge von Einbusse an Landbesitz ver- mindert sie sich auf acht und ist endlich bei zehn stehen geblieben. Wenn also gleich zuerst nach Beseitigung der Doppelzahl nicht acht, sondern neun Hellanodiken eintreten, so können wir dies nur so erklären, dass damals die landschaftlichen Grenzen schon über die Pisatis hinaus ausgedehnt waren.

Wie aber die räumliche Erweiterung der Landschaft mit der neuen Gliederung derselben zusammenhängt, das lässt sich nur aus den geo- graphischen und geschichtlichen Verhältnissen von Elis begreifen.

Im Süden war keine natürliche Grenze, und das Gebirge, welches am linken Alpheiosufer nach der Westküste vorspringt, das Gebiet der Paroreaten, eine reich bewässerte Hügellandschaft, war ein be- sonders dicht bevölkertes Stück hellenischen Landes. Hier wohnten alteinheimische und eingewanderte Stämme neben einander, Völker- schaften der verschiedensten Nationalität, wie der Name Triphylien andeutet. Von den eingewanderten waren die wichtigsten die Minyer mit ihren sechs festen Städten, welche im Poseidion von Samikon ihr Bundesheiligthum hatten und zur Erhaltung desselben wie zur Feier seines Festes regelmässig steuerten (Strabo 343).

An Reibungen konnte es nicht fehlen, seit die Eleer mit Ein- führung der örtlichen Phylen das ganze Landgebiet schärfer als zuvor ordneten und gliederten. Überragte doch die nordöstlichste Minyer- stadt Phrixa mit ihrer Gipfelhöhe unmittelbar das Alpheiosthal, und das mit Olympia so eng verbundene Skillus zeigt am deutlichsten, wie Nordtriphylien mit Pisatis unzertrennlich zusammenhängt. An der Seeküste aber stiess das Gebiet der Makistier, welche das alte Bundesheiligthum pflegten, ohne natürliche Schranke an die elische Niederung.

Aus den unvermeidlichen Reibungen entspann sich ein jahrelanger Krieg. Denn, während die alte Oligarchie nichts im Sinne hatte, als die von Sparta verbürgten Ehrenrechte der Eleer zu wahren und im

r “I * AaEı ar d Curriws: Der Synoikismos von Elis. 799

Interesse des Vororts die Bevölkerung in ihren behaglichen Zuständen unverändert zu erhalten, lebte in den Jüngeren Geschlechtern, die der nationalen Partei angehörten, ein kühner Geist, und ihr ehrgeiziger Thatendrang führte sie dahin, dass sie neben der inneren Unabhängig- keit auch Erweiterung der Landesgrenzen erstrebten.

In Triphylien sind die Eleer zu einem kriegerischen Volke ge- worden, und während sie früher nur als Festordner und Friedens- boten bekannt waren, haben sie jetzt nach den ordnungsmässig ge- feierten Olympiaden wiederholte Feldzüge in das Nachbarland unter- nommen. Die Minyer waren ohne Bundesgenossen; wie zähe aber die Bundesorte zusammenhielten, erhellt daraus, dass jede der alten Burgstädte belagert und zerstört werden musste. Von diesem Kriege in einem abgelegenen Bergwinkel hören wir in der griechischen Ge- schichte nichts; nur Herodot (IV,ı48) erwähnt ganz gelegentlich, dass zu seiner Zeit die meisten dieser Städte durch die Eleer in Trümmern lagen. Eine Ergänzung dieser Kunde bildet die wechselnde Zahl der olympischen Hellanodiken. Die Neunzahl bezeugt die Einverleibung des Nordrandes von Triphylien, die Zehnzahl die Ausdehnung bis Samikon, wo, ähnlich wie bei Thermopylai, ein enger Seepass eine Landesgrenze bildet. Damit fiel das Bundesheiligthum der Minyer in die Hände der Eleer, und wie wichtig dies Heiligthum den Eleern war, erkennen wir daraus, dass das heilige Bild des Bundesgottes, wie es bei Synoikismen Brauch war, nach Stadt Elis übergeführt worden ist (Paus. VI, 25,6). Samikon lag auf halbem Wege nach Lepreon, der südlichsten Minyerstadt. Lepreon allein ist nicht von den Eleern zerstört und niemals ihr dauernder Besitz geworden. Daher ist die Zwölfzahl der Hellanodiken, welche die Ausdehnung von Elis bis an die Neda bezeugt, nur eine vorübergehende, und die Zehnzahl hat endlich bleibende Geltung erhalten.

So erklärt sich, glaube ich, aus den örtlichen und geschichtlichen Verhältnissen die überraschende Thatsache, dass eine Magistratur von solcher Würde und nationalen Bedeutung plötzlich durchaus umge- staltet wird und in Bezug auf die Zahl ihrer Mitglieder lange Zeit eine zufällig wechselnde bleibt. Nirgends finden wir so wie in Olympia einen streng eonservativen Sinn mit dem unruhigen Geiste rücksichtsloser Re- form verbunden. Man hat wohl in den Worten Aayovres €£ andvrov Hxeiwv (Pausan. V, 9, 4) den Beweis finden wollen, dass schon bei der Wahl der zwei Hellanodiken eine demokratische Einrichtung zu Grunde liege; aber das Loos war auch hier eine hieratische Form (Griech. Gesch. I’ 378), und die Gesammtzahl der Eleer bezeichnet im Gegen- satz zum Geschlechte des Iphitos die Anzahl von Geschlechtern, welche zur Zeit der alten Oligarchie die Gesammtheit der Eleer vertrat. In

500 Gesammtsitzung vom 18. Juli.

conservativem Sinne wurde die Erinnerung an die königliche Zeit auch jetzt noch festgehalten; das Purpurkleid als königliches Ehrenzeichen ist geblieben, und auch zur Zeit der Neun war es immer nur einer, welcher das altkönigliche Amt der Preisverleihung vollzog. So redet Pindar noch Ol. 76 (476) von dem »ätolischen Manne«, der dem Sieger den Olivenkranz um die Stirn legt (Ol. II, 13). Also galt auch damals noch die Herkunft als eine Bedingung des höchsten Ehrenamts. Modern aber war bei der Vermehrung der Stellen auch die Theilung der Geschäfte, indem drei die Ross- und Wagenkämpfe, drei das Pent- athlon und drei die anderen Angelegenheiten des Wettkampfes zu be- sorgen hatten (Paus.V,9,5). Dass die erstgenannte Gattung der Wett- kämpfe vorzugsweise am Peneios zu Hause war, dürfen wir wohl daraus schliessen, dass in Stadt Elis der Stadtmarkt als »Hippodrom « bezeichnet und benutzt wurde (Paus. VI, 24.2). Wahrscheinlich steht mit dieser Epoche auch die Änderung in Zusammenhang, dass die früher auf einen Tag fallenden Kämpfe vertheilt und besondere Tage des Festes für die Rosse angesetzt wurden.

Die Vermehrung des nach jedem Feste wechselnden Hellanodiken- collegiums diente dazu, eine viel grössere Anzahl von Geschlechtern in die olympischen Angelegenheiten einzuführen; die Feier erschien Jetzt nicht mehr als ein von der Gunst des Vororts abhängiges Privilegium, sondern wie ein fester, unveräusserlicher Besitz der Landschaft, und man konnte den noch draussen wohnenden Nachbarn die Aussicht er- öffnen, an der höchsten nationalen Würde, die es in Hellas gab, theil- zuhaben.

Was die Zeit der Reform betrifft, so können wir nur so viel sagen, dass Hellanikos schon die Hellanodiken der neuen Phylen kannte (Sehol. Pind. Ol.III, 22), und das stimmt zu der aus Herodot bekannten Zeit des triphylischen Krieges, ohne welchen wir uns die steigende Vermehrung der Phylen und der Hellanodiken nicht erklären können.

Sollte der Synoikismos folgerecht durchgeführt werden, so gehörte dazu eine feste Hauptstadt, deren Ringmauer jede Intervention der Lakedaemonier unschädlich machte, wie es mit Athen durch den themistokleischen Ring der Fall war. Dieser Schritt ist in Elis nicht erfolgt. Die Stadt am Peneios blieb eine offene Stadt. Sie erhielt wohl eine mehr centrale Bedeutung, weil das jetzt aus allen Landes- theilen sich erneuernde Hellanodikencollegium hier nach wie vor seinen Sitz hatte. Die Stadt selbst aber erschien nicht wie die Hauptstadt der grössten und reichsten Landschaften Griechenlands. Ihr Markt blieb ein Beispiel der allmählich selten werdenden »Märkte nach altem Stil« (apyata aryopa). Alles, was die Stadt an Merkwürdigkeiten hatte Hellanodikeion, Hippodrom und Gymnasium, das Peploshaus bezog

Currius: Der Synoikismos von Elis. s0l

sich auf Olympia; ihr heiliges Thor war das Olympiathor. Es war auch in der Stadt kein Prytaneion, das als Gemeinherd der Landschaft geehrt wurde; die ganze Landschaft war gleichsam ein Weichbild des Zeus (HXıs 1 Auvös yeirwv). Aller Glanz ging von Olympia aus und was der Synoikismos an Werken der Kunst ins Leben gerufen hat, müssen wir in Olympia suchen.

Die ersten bildlichen Zeugen der neuen Zeit sind die Münzen.

Gleich nach den Perserkriegen ist Elis, wie mit dem Hellanodiken- collegium, so auch auf einmal mit einer Fülle von Silbergeld aufgetreten, das allein genügen würde, einen glücklichen Aufschwung der Landschaft, sowie das energische Bestreben, sie im In- und Auslande zu Ehren zu bringen, urkundlich zu bezeugen.

Es ist eine Reihe von Didrachmen aeginaeischer Währung, in deren Gepräge wir zuerst den Anschluss an den ältesten Landescultus er- kennen, den Cultus des Zeus, der mit seinen Blitzmalen den Boden von Olympia geheiligt hat, die Gestalt des schreitenden, blitzschleudern- den Zeus Kataibates, und seine Symbole allein als Hauptstempel, Adler und Blitz. Dann tritt uns der Kopf der Hera entgegen, deren Heiligthum der erste monumentale Mittelpunkt der Altis war. Dann das Bild der Nike nach dem alten Typus der mit gebogenem Knie heraneilenden Göttin. Neu ist das Bild der ruhig stehenden oder sitzenden Nike mit Taenia und Palme, ein schönes Symbol der in Olympia sesshaften Kranzspenderin.

Vergleichen wir Elis mit anderen Münzstätten, so überrascht zuerst die Fülle der Symbole auf gleichzeitigen Silberstücken, sowie die immer wechselnden Formen derselben Typen; man spürt die Freude, welche die Eleer an diesen Darstellungen hatten und erkennt deutlich, wie nach echt hellenischer Weise mit dem politischen Sinn und kriegerischen Geist auch ein künstlerischer Trieb sich geltend gemacht hat. Man bemerkt, wie fein die mancherlei Formen des Adlers, der Nike und des Blitzes verwendet worden sind, um das Rund des Münzbildes zu füllen; man konnte sich nicht genug thun, in den Köpfen von Zeus und Hera die ernste Würde der Gottheit zum Ausdruck zu bringen, und ebenso erstrebte man in der Darstellung des Adlerkopfes unermüdlich die höchste Naturtreue, so dass wir darin die vollendetsten Thier- bildungen erkennen müssen, welche uns auf griechischen Münzen vor- liegen. Ich glaube nicht zu irren, wenn ich hier einen Einfluss der westlichen Colonien erkenne, deren Münzen die vollkommensten Denk- mäler ihres Wohlstandes waren; daher treten auch auf elischen Di- drachmen Künstlernamen auf; ein Beweis, wie hohe Anerkennung man den Stempelschneidern ‘von Staatswegen zollte, Künstlernamen, die hier und da mit denen auf syrakusischen Münzen übereinstimmen.

(Vergl. Garner, Brit. Mus. Cat. Peloponnesus p. XXXV.)

802 Gesammtsitzung vom 18. Juli.

Schon Percy GArpsEr hat den Beginn der elischen Münzreihe (Numismat. Chron. 1879 p.221ff.; Brit. Mus. Cat. Peloponnesus p.XXXV) um 471 angesetzt und wenn er auch geneigt ist, eine kleinere Gruppe für älter zu halten, so können wir doch nicht umhin, die Didrachmen alle mit dem Synoikismos in Verbindung zu setzen.

Das Heiligthum hatte seit alten Zeiten einen Schatz, der auf regelmässige Einkünfte, wie auf Geschenke aller Art gegründet war. Es war der Grundeigenthümer auf einem Boden, wo jeder kleine Raum einen immer steigenden Werth besass. Von jeder Stiftung hatte es seinen Gewinn, von jeder Beute seinen Antheil. Der Tempel wurde der Mittelpunkt des Geldwesens; das zeigen die Münzen, deren Stempel sämmtlich der Altis angehörige Embleme tragen, und neben den Landes- münzen, die mit merkwürdiger Zähigkeit bis in die römische Zeit das alterthümliche Fa festhalten, gab es noch eine besondere olympische Münze (OAvumırov se. vowoua). Es gab also eine ganz auf das Heilig- thum berechnete Münze, und wenn die Lepreaten, wie wir aus Thuky- dides wissen, sich verpflichteten, für die nördliche Hälfte ihres Stadt- gebietes (das war in der Zeit der zehn Hellanodiken) jährlich ein Talent an den olympischen Zeus zu entrichten (Ges. Abh. I, 487), so wird diese Art von Tempelzins nicht für den einen Fall erfunden sein; wir dürfen vielmehr annehmen, dass auch andere Gemeinden zu Zah- lungen an das gemeinsame Heiligthum verpflichtet waren. Wissen wir doch auch, dass die Städte Triphyliens als Mitglieder der Amphiktyo- nie von Samikon regelmässige Zahlungen an das Poseidonheiligthum ge- leistet haben (Strabo 343 ovvreAovor eis TO iepov). Es ist sehr wahr- scheinlich, dass nach dem Synoikismos, welcher Olympia in neuer Weise zum Mittelpunkt der ganzen Landschaft machte, auch ein solcher Tempelzins eingeführt wurde. Die Fülle der Münzen ist das beste Zeugniss für den Reichthum ihres Heiligthums, das dadurch befähigt wurde, auch in grösseren Kunstwerken die neue Blüthe der Landschaft zu verherrlichen. Die Verwaltung der heiligen Gelder war hier wie in Athen die wichtigste Angelegenheit, die zu den Befugnissen des Raths gehörte, und Dörrrenp hat im Textbande zu den Baudenk- mälern von Olympia S.78 darauf hingewiesen, dass in den Apsiden des Buleuterions, wo der »olympische Rath« seinen Sitz hatte, ganz ähnlich, wie im alten Hekatompedos von Athen, zwei Kammern vor- handen waren, welche sich zur Aufbewahrung von Geldern und Ur- kunden eigneten.

Wollten die Eleer mit den anderen Grofsstaaten in eine Reihe treten, so bedurfte es monumentaler Gründungen, an denen Elis ärmer war, als die anderen Staaten von Hellas. Dazu kam noch ein an- deres Motiv.

en a >

Currius: Der Synoikismos von Elis. 803

Der Sturz der alten Geschlechterherrschaft, die Auflösung der Sondergemeinden und die Ausdehnung der Landschaft auf das Gebiet von Triphylien hatte nicht ohne Gewaltsamkeit sowie nicht ohne blutige Fehden durchgeführt werden können. Nachdem also der Synoikismos in der Hauptsache gelungen war, musste man das Bedürfniss fühlen, beruhigende Friedenswerke herzustellen, vor Allem einen Tempelbau, der das vergossene Bürgerblut sühnen und die neue Aera in würdigster Form ankündigen sollte. Tempel und Tempelfeste soll- ten, wie in Athen, dazu beitragen, die neugeschaffene Staatseinheit zu besiegeln, und wir dürfen wohl annehmen, dass der Hekatompedos von Athen den Eleern als Vorbild gedient hat.

Wie Tempelbauten zur Sühne von Blutschuld bei den Hellenen verwendet worden sind, zeigt am deutlichsten der Vorgang in Plataiai, wo die Thebaner nach Zerstörung der Nachbarstadt einen neuen Heka- tompedos aus Marmor errichteten, bei dem das in der zerstörten Stadt vorgefundene Material benutzt wurde (Thuk. III, 68). Vergl. die süh- nenden Volksfeste ScuÄrer, Demosthenes II’, 155.

Wenn der olympische Tempelbau an die Zerstörung von Pisa an- geknüpft wird (Paus. V, 10.1 aro Aadbvpwv), so wird dadurch nur be- zeugt, dass man sich den Tempelschatz seit jener Zeit bestehend dachte, ohne dass eine unmittelbare Zeitfolge dadurch bezeugt wird'.

Elis hatte eine eigene Bauschule. Ihr gehörte Libon an, der mit dem Tempelbau beauftragt wurde. Der Muschelkalkstein, der im Al- pheiosthal bricht, diente als Material, und es gereicht der einheimi- schen Technik zu hoher Ehre, dass aus einem so schlechten Baustein ein dorischer Hexastylos Peripteros von solcher Grösse, Würde und Dauerhaftigkeit hergestellt werden konnte.

Der Tempel ist 456 vollendet worden; nehmen wir also, da der Bau aus einem Gusse ist, eine Bauzeit von etwa ı2 Jahren an, so würde der Beginn ungefähr 468 fallen. Der Zusammenhang mit dem Synoikismos ist also nieht zu bezweifeln.

Der Boden der Altis war mit Altären und Weihgeschenken so dicht besetzt, dass ein freier Platz für den Hekatompedos nicht vor- handen war. Der geeignetste Raum fand sich an der Südseite, wo das Terrain sich nach dem Alpheios senkt, und es ist nicht unwahr- scheinlich, dass hier ein grösserer Raum war, der schon früher zu öffentlichen Feierlichkeiten gedient hatte, namentlich für die Versamm- lung, vor welcher die Sieger vom Hellanodiken gekränzt wurden; denn der heilige Ölbaum muss doch immer innerhalb der Altis gestanden

! Nach Urricus war es die Beute aus dem Kampf mit den Minyerstädten, Hall. Philologenversammlung 1867 S.7off. (Herodot IV, 148).

504 Gesammtsitzung vom 18. Juli.

haben (WesiGer, Der heilige Ölbaum, Weimar 1895). Wir haben Grund anzunehmen. dass Altäre, die früher hier vorhanden waren, in den Neubau aufgenommen worden sind, und dass andere Stiftungen, denen man weniger Rücksicht schuldig zu sein glaubte, namentlich Weih- geschenke, abgetragen worden sind, um den nöthigen Baugrund zu schaffen'.

Mit dem Hekatompedos erhielt Olympia eine neue amphiktyoni- sche Stellung. Darum sind die Behörden Olympias bei dem Baue auch mit auswärtigen Kunstschulen in Verbindung getreten, um zu dem ersten Prachtwerk monumentaler Kunst die Fortschritte der Technik, die ausserhalb der Halbinsel gemacht waren, und solche Kräfte, wie sie in der Heimath nicht zu finden waren, in Olympia zu verwerthen.

Die Marmortechnik, welche in der heiligen Architektur mehr und mehr sich geltend machte, war im aegaeischen Meere zu Hause. Naxi- scher Marmor soll von Byzes zuerst benutzt worden sein, um die früher in Thon geformten Dachziegel aus Stein zu meisseln. Nach angegebenen Maassen wurden solche Ziegel fabrikmässig in Naxos gefertigt, und wir finden Olympia wie Athen gleichzeitig in demselben überseeischen Handelsverkehre, wie die an beiden Orten gefundenen Marmorziegel beweisen. Vergl. Lersrus, Marmorstudien S. 108.

Die Tempelsculpturen sind mit dem Bau zusammen ausgeführt; so ohne Zweifel die Metopentafeln, welche von der Seite in die Tri- glyphenblöcke eingeschoben waren. Die Herstellung der Giebelgruppen erschien als eine Aufgabe von so hervorragender Bedeutung, dass die Tempelbehörden eine Concurrenz vornehmen zu müssen glaubten. In Olympia kann es nicht befremden, dass alle öffentlichen Leistungen agonistische Form annahmen, und nach meiner Überzeugung bezeichnet sich Paeonios selbst auf der Basis der Nikestatue als den, welcher als Sieger in einem Wettkampfe hervorgegangen sei. Welcher Art der- selbe gewesen sei, entzieht sich unserer Kenntniss. Es ist möglich, dass nach Vollendung beider Giebelfelder ein richterlicher Schiedsspruch herbeigeführt wurde, und dass bei dieser Gelegenheit dem Urheber des Ostgiebels der Preis zuerkannt worden ist. Dann würde das, was Pausanias von Alkamenes, dem Meister des Westgiebels, sagt (r@ dev- repata Eveykduevos), auf dieselbe Concurrenz zu beziehen sein. Es ist aber auch ein zweiter Fall denkbar. Es ist möglich, dass aus einer grösseren Anzahl von Bildhauern auf Grund ihrer Vorlagen zwei aus- erwählt worden sind, und dann dem an erster Stelle Gekrönten der Ostgiebel, dem zweiten der Westgiebel übertragen worden sei.

! Nach Furrwänster's Untersuchungen (Archaeol. Zeitg. 37 S. 44) ist das grosse Weihgeschenk des Praxiteles, das erst im Anfang des 5. Jahrhunderts mit grossem Auf- wand hergestellt worden ist, aus Anlass des Tempelbaues verschüttet und zerstört worden.

nn ni EEE DE essen BU

tn

Currivs: Der Synoikismos von Elis. S05

Wenn ausländische Meister solche Aufträge erhielten, so ist damit nicht gesagt, dass sie mit ihren Schülern und Gesellen gekommen seien, um die Werke auszuführen. Aus der Rechnungsurkunde von Epidauros lernen wir, dass die an den dortigen Heiligthümern beschäftigten Mei- ster Modelle lieferten und dafür bezahlt wurden (so der Bildhauer Timo- theos für die von ihm gelieferten rVroı, vergl. Foucarr, Bull. de corr. hell. 1890, 590). Dass man auch in Olympia in ähnlicher Weise ver- fahren sei, erhält nach meiner Überzeugung dadurch eine Wahrschein- lichkeit, dass schon bei der ersten eingehenderen stilistischen Prüfung der Bildwerke, namentlich der Westgiebelgruppen, ein Widerspruch zwischen der Genialität künstlerischer Erfindung und dem Detail tech- nischer Ausführung wahrgenommen wurde. Diesem Eindruck hat Sir CHuartLes NEwron bei seiner Durchmusterung des Trümmerfeldes be- sonders lebhafte Worte gegeben. Dadurch ist natürlich die Thatsache nicht ausgeschlossen, dass einzelne Stücke, ich nenne nur den Kopf des Apollo, wirklich eine Meisterhand zeigen.

Den Urheber des Ostgiebels mit einer Kunstschule in sicheren Zusammenhang zu bringen, ist noch nicht gelungen; von der Com- position des Westgiebels ist nicht zu verkennen, dass sie in attischer Kunst wurzele. Rothfigurige Vasen strengen Stils zeigen vollkommen gleichartige Scenen des Kentaurenkampfes; Athen war der einzige Platz, wo Malerei und Plastik so glücklich auf einander einwirkten; alles spricht für Alkamenes, dem Pausanias den Westgiebel zuschreibt. Auch ist es ja im höchsten Grade unwahrscheinlich, dass in Bezug auf so hervorragende Sehenswürdigkeiten die Tradition in Olympia irre gehen sollte.

Die Partei, welche der spartanisch gesinnten Nobilität gegenüber den Synoikismos durchgeführt hatte, war von Anfang an darauf an- gewiesen, mit den vorgeschritteneren Staaten Griechenlands, also na- mentlich mit Athen, in nahe Beziehung zu treten, und so kamen endlich in denkwürdiger Weise perikleische Politik und die der Eleer zusammen. Denn des Perikles lebhafter Wunsch war es ja, die Kunst Athens als die wahrhaft nationale anerkannt zu sehen, und die Eleer waren Schritt für Schritt immer mehr dahin gekommen, das Vorzüg- lichste, was die Kunst der Hellenen leisten konnte, zur Ausstattung von Olympia zu gewinnen. Denn diesmal wurde eine ganze Colonie von athenischen Meistern der verschiedensten Kunstzweige zu gemein- samer Arbeit auf eine Reihe von Jahren nach Olympia übergesiedelt; was auf der Burg der Athener geschaffen war, wurde in Anlage und Aus- führung noch überboten, und das Geschlecht des in seiner Heimat ver- folgten Pheidias wurde mit einem dauernden Ehrenamte in Olympia heimisch. Die grössten Sehenswürdigkeiten von Olympia, die kunst-

806 Gesammtsitzung vom 18. Juli.

voll geordneten Wagenstände des Hippodroms, der kostbare Tisch, auf dem die Siegerkränze lagen, waren Leistungen attischer Kunst, die in Olympia ihre höchsten Triumphe feiern sollte.

So haben wir den Synoikismos der Eleer, der bis dahin als ver- einzelte Thatsache gleichsam in der Luft schwebte, nach seinen Ur- sachen, seinem eigenthümlichen Charakter und seinen Wirkungen zu verstehen gesucht. Um dieselbe Zeit, da die Hegemonie zur See an Athen überging, ist durch ihn zu Lande die vorörtliche Macht Spartas aufs Empfindlichste erschüttert worden. Räumlich war es einer der grössten Synoikismen, die in Griechenland zu Stande gekommen sind, innerlich durchaus verschieden von allen gleichartigen Ereignissen, ein Synoikismos ohne centrale Hauptstadt, aus dem ein Staat hervor- geht ohne freies Bürgerthum und beschliessende Bürgergemeinde. Ein Heiligthum bleibt der Mittelpunkt und das einzige Band, das die Be- völkerung zu gemeinsamen Leistungen verpflichtet. Die nationale Bedeu- tung des Heiligthums ist es, was die Landschaft vor allen Anderen aus- zeichnet, die Bürgschaft ihres Wohlstandes, und da die Verwaltung desselben Erfahrung und Umsicht verlangte, wie sie nur als erblicher Besitz geschlossener Familienkreise vorausgesetzt werden konnte, so be- greift sich die Thatsache, die in der griechischen Verfassungsgeschichte selten ist, dass nach dem Synoikismos eine neue Geschlechterherrschaft eintritt.

Die Verhältnisse, wie sie aus dem elischen Synoikismos hervor- gingen, konnten nach aussen so wenig wie nach innen festen Bestand haben. Percy GARDNER hat um die Zeit des Sonderbundes mit Argos eine Demokratisirung von Elis angenommen und als Denkmäler dieser Epoche die Didrachmen mit dem Herakopf bezeichnet. Das ist bei der Bedeutung, welche die Göttin seit alter Zeit in Olympia hatte, schwer zu beweisen. Merkwürdig aber bleibt die Weitläuftigkeit der Formen, in denen nach dem Wortlaute der Urkunde bei Thuk.V,47 die Vollziehung des Vertrages in Elis angeordnet wird; denn wir sehen daraus, dass die Eleer auch damals noch keine beschliessende Bürger- schaft bildeten, wie es in einer Demokratie der Fall war.

Über eine Darstellung der Richtungscosinus zweier orthogonaler Coordinatensysteme durch Thetafunc- tionen zweier Argumente, welche die Lösungen

mehrerer Probleme der Mechanik als Specialfälle umfasst.

Von Prof. Dr. Frırz KöTTEr

in Berlin.

(Vorgelegt von Hrn. Fuchs.)

Bekanntlich kann man in sehr einfacher Weise Ausdrücke bilden, welehe den Bedingungen für die Richtungscosinus zweier orthogonaler Coordinatensysteme genügen, indem man neun von den fünfzehn Thetaquotienten zweier Argumente mit passend gewählten Constanten multiplieirt'. Die sechs übrigen Quotienten liefern dann in einfachster Weise die Componenten der Drehung, welche einer Variation der Ar- gumente entspricht, in Bezug auf die beiden Coordinatensysteme.

Die Hoffnung, dass sich diese merkwürdige Eigenschaft der Thetaquotienten als nützlich für die Lösung mechanischer Probleme erweisen werde, hat sich nur in verhältnissmässig engem Umfange erfüllt. Nur ein besonderer Fall der Bewegung eines Körpers in einer Flüssigkeit hat sich und zwar auch nur unter einer besonderen Voraussetzung über den Anfangszustand bisher durch Formeln der in Frage stehenden Art lösen lassen”. Und doch haben die Thetafunetionen zweier Argumente jedenfalls eine grössere Bedeutung für die Lösung mechanischer Probleme; das zeigt schon ein Blick auf die in neuerer Zeit vermittelst ihrer Hülfe gelösten Aufgaben über die Bewegung starrer Körper im leeren Raum und in einer Flüssigkeit. Jener oben erwähnte Fall der Bewegung eines starren Körpers in einer Flüssigkeit lässt sich auch ohne besondere Voraus- setzungen über den Anfangszustand vermittelst Thetafunetionen zweier

! Casparv, ©. R. de l’acad&mie des sciences, Tome CXI, 225, Tome CXIl, 305.

?2 Weser, Mathematische Annalen XIV, 173—206.

Sitzungsberichte 1895.

808 Gesammtsitzung vom 18. Juli.

Argumente behandeln’; ebenso lassen sich die beiden Bewegungen, aus ‚denen man die Rotation eines starren Körpers um einen festen Punkt in dem durch Frau vow Kowarevskı entdeckten integrablen Falle zu- sammensetzen kann, in übersichtlicher Weise durch derartige Func- tionen darstellen”.

Betrachtet man nun die Formeln, durch welche alle diese Be- wegungen dargestellt werden, etwas genauer, so springt die weit- gehende Ähnlichkeit derselben sowohl bezüglich der allgemeinen Structur als auch bezüglich der wichtigsten Eigenschaften mit jenen berühmten Formeln in die Augen, vermittelst deren Jacogı die Rotation eines starren Körpers um seinen Schwerpunkt dargestellt hat. Diese Übereinstimmung legt die Frage nahe, ob man nicht ein allgemeineres Formelsystem finden könne, aus welchem sich die Darstellungen der oben erwähnten Rotationen durch Speeialisiren ableiten lassen.

Ein solches Formelsystem giebt es in der That. Nicht nur die oben erwähnten in neuerer Zeit ermittelten Bewegungen lassen sich als Specialfälle aus demselben ableiten, sondern auch die Jacogr'schen Formeln können daraus gewonnen werden, wenn man zwischen den Perioden der Thetas passende Beziehungen annimmt. Aber auch eine Aufgabe, deren Lösung bisher nicht bekannt war, kann durch der- artige Formeln erledigt werden, nämlich der neuerdings durch Hrn. StexLorr® entdeckte integrable Fall der Bewegung eines starren Körpers in einer idealen Flüssigkeit.

Neben dem Interesse, welches ihr umfassender Charakter unseren Formeln verleiht, glaubt der Verfasser denselben eine nicht geringe praktische Brauchbarkeit für die Lösung mechanischer Probleme zu- schreiben zu dürfen. Dieser Vorzug beruht auf Folgendem. Bei den bisher gelösten Rotationsproblemen hat ein Weg zum Ziele geführt, der auch in künftigen Fällen, weil er naturgemäss zu sein scheint, versuchsweise wird eingeschlagen werden. Zunächst müssen vermöge der algebraischen Integralgleichungen die Richtungscosinus einer aus- gezeichneten, im Raume festen Richtung zu den drei Hauptaxen des Körpers sowie die nach den letzteren genommenen Componenten der Umdrehungsgeschwindigkeit durch zwei passend gewählte Hülfsgrössen dargestellt werden. Alsdann müssen diese Hülfsgrössen, sowie die sechs noch fehlenden Richtungseosinus als Functionen der Zeit dargestellt werden. Unstreitig ist der erste Theil der Aufgabe der bei Weitem schwierigere, weil er bisher wenigstens für jedes Problem besonders

! Vergl. des Verfassers Abhandlung über die Bewegung eines Körpers in einer Flüssigkeit, Journal für die reine und angewandte Mathematik, CIX.

® Acta mathematica. Bd. XVII, 209-263.

® Mathematische Annalen XLII, 273.

S(u,, u,

F. Körrer: Darstell. d. neun Richtungscos. durch ©-Funetionen zweier Arg. 809

gelöst werden muss. Aber frei von Schwierigkeiten ist auch der andere Theil nicht; zwar handelt es sich hierbei meist nur um Quadraturen, aber die zu integrirenden Ausdrücke haben selten eine solche Form, dass das Integral unmittelbar hingeschrieben werden kann, und machen daher Umformungen nöthig, welche durchaus nicht immer auf der Hand liegen. In gewissen Fällen ist nun dieser zweite Theil der Arbeit durch unsere Formeln vollständig erledigt. Führt nämlich der erste Theil auf Ausdrücke passender Form, so lassen sich die übrigen Grössen jetzt ohne weitere Rechnung hinschreiben. Manche mühevolle Arbeit wäre dem Verfasser dieser Abhandlung erspart geblieben, wenn ihm die neuen Formeln bekannt gewesen wären, bevor er die Bewegung eines Körpers in einer Flüssigkeit und den Kowarezvskr'schen Fall der Rotation eines schweren Körpers in Angriff nahm, während ihm die Kenntniss der Formeln die Behandlung des StekLorr schen Falles der Bewegung eines Körpers in einer Flüssigkeit, dessen Lösung demnächst veröffentlicht werden soll, ganz wesentlich erleichtert hat. Das Gesagte wird genügen, um die Veröffentlichung des in Frage stehenden Systems von Formeln zu rechtfertigen.

In der Bezeichnung der Thetafunctionen folgen wir WEIERSTRASS und setzen also:

Inı (Zur + Fr +2 Fr2) +n: (2U2+Nı Fı2+N2 F22)\ mi Sa A > e : N,,N, I Ea(2Va+tErFartE2 Fan €, 2 £,) = (u, Ar E, Tr Ar ET 2 2 U, är ET, Ar &,T,.) ze 3

Wir charakterisiren ferner fünf einfache Indices 0,1,2.

durch folgende Werthe der vier Grössen 0}, 6%, &,&:

os r

& DR & & =, (6) —I —I [6) [6) —=1 —1I —I I (6) A (®) —1I I (6) DR [6) —1I (6) I =4 [6) (6) (6) IR:

Hieraus bilden wir die Charakteristik eines zusammengesetzten Index vermittelst der Bedingungen

ar Ra aNs aa Rare An Be

Ö, =6, +09, -- +0, (mod.2), —ıSo6, <So@=1, 2), a HERR EN NER 1

Ex =. t+&% -- : &; (M0d.2), 120, z0@=1,2).

Da nun die Charakteristik des aus allen fünf einfachen Indices zusammengesetzten Index 0,0; 0,0 ist, so kann jeder zusammen-

72*

Dr

810 Gesammtsitzung vom 18. Juli.

gesetzte Index auf einen einfachen oder einen aus zwei einfachen zu- sammengesetzten Index redueirt werden, falls nicht seine Charakteristik gerade gleich 0,0; 0,0 ist. Jeder der fünfzehn von 0,0; 0,0 ver- schiedenen Charakteristiken ordnen wir nun eine Thetafunetion ver- mittelst u, ,u), = S(w +4, u,+ +9

zu. Ob ein Index « und damit auch die zugehörige Thetafunction gerade oder ungerade ist, erkennt man daran, ob die durch

#l= Hei + de definirte Zahl gerade oder ungerade ist, welche ein besonderer Fall der auf zwei Indices bezüglichen Zahl

vu a

en Zee)

73

ist. Es giebt also sechs ungerade Indices, nämlich:

HELFE ED AIR, DAR Diese wollen wir nun in ganz beliebiger Weise in zwei Gruppen von je dreien zerlegen und dann abgekürzt durch x,(p = I, 2,3) und ?.(r =1,2,3) bezeichnen. Zu jeder Gruppe wollen wir als x, bez.

?, den geraden Index re IN hinzufügen. Dann kann man jede der sechszehn Charakteristiken auf eine einzige Art durch einen Index von der Form 20 (p=1,2,3,4,002 2 bestimmen.

Sind nun @,,6,,c, drei Grössen, welche der Gleichung für die Richtungscosinus eimer Richtung zu drei orthogonalen Axen genügen, nämlich der Gleichung

E+G+G&=I, und haben die sechs Grössen &,:e p=1,2,3, e=1,2,3) die Werthe #1, so genügen die Grössen

Mr (—1) roll, u) Han Wu) + Del—1) Ir; mel sul, Ur SU; . ‚Perl ö 2=1,2,3 IAl#; .— | 7,14 Hul,u)Hu,, u)+3, e(—1) ea Vu, u) Hi p=1n2,3 (GIG 253))

der Gleichung

ytY+Y3=1, welches auch immer die Werthe der Grössen u/, uw. und «,, u, sein mögen!. Als Functionen dieser Werthepaare betrachtet, genügen sie folgenden merkwürdigen partiellen Differentialgleichungen

! Dieser Satz kann unmittelbar aus dem Theorem I der Abhandlung von CAspary im Journ. f. d. reine und angew. Mathem. XCIV, 74—86 gefolgert werden.

; U)ar,

F. Körrer: Darstell. d. neun Richtungseos. durch ©-Functionen zweier Arg.

sıl

9y, 07 9y. oy.. oy,. Mr N —wt+- u, = &äly.| -wt+ u, |—Y.| <-> Ww+-—u, |\, du, En du, Ir ou, u: ou! " ou, ie ou Sb a ey, Oyır , en

= w ++ u = &äly.|-w+-—w, \—Y, mw, W, ou, an: R h ou, Ar ou, 2: ou, 2 ou,

in welchen o, co’, c” 1, 2, 3 bedeutet, und e der durch die Gleichung yi |?r%2+%2|7%2%3 +23 [73 Ar

‚Prul+aul+l?sel

irgend eine cyklische Permutation der Zahlen

definirte Werth #1 ist, während vw, , w,, w,, w/ beliebige Werthepaare

bezeichnen.

In Folge dieser Differentialgleichungen kann man nun

die allgemeine Form von sechs Grössen «_, ß, bestimmen, welche mit y, zusammen den Bedingungen für die Richtungscosinus zweier ortho- gonaler, eongruenter Coordinatensysteme genügen. Sind nämlich a,, b, sechs Grössen, welche in Gemeinschaft mit c, diese Bedingungen er- füllen, so kann jedes System von Grössen @_,®, in folgender Form

dargestellt werden:

a.tieß,

)S |R- + iz 9 1,2,3 ü

(—ı) ”e

zn

4 Au EU UEU,) u

Hul, u) Hu, ,u,) +2, ei

e=1,2,3

(G=E273):

In dieser Gleichung hat man gleichzeitig das obere oder das untere Zeichen zu nehmen; die Grösse ist in derselben Weise aus den

Grössen &,,8,& Gleichung

2 N ad a

;arl+l#nl+ sel

zu bestimmen wie e aus g,8,8,, nämlich durch die

Die einzelnen Werthsysteme «,.ß_, welche zu denselben drei Grössen

Yıs> Ya» Y,, gehören, unterscheiden sich nur durch den Werth von u..

Einer Variation der Grösse «, entspricht eine Drehung

Yı»Y,Y, bestimmte Richtung.

um die durch

fine merkwürdige Eigenschaft der angegebenen Formeln ist die vollständige Reeiprocität der Beziehung zwischen den Grössen a,,b,,e,

Es

Pb, s

einerseits und den Grössen «,, ß,, y. andererseits. Bali 2 ur, U). U U), + > 1) :

e=1r,2,3

„IU; U) (U > U.)

ist

Hufe

N

u ;

(u, ,u,)Hu,, u), 8.(—1) Su) ‚ul

Baer

Q ur. Ur; U,)u2..

812 Gesammtsitzung vom 18. Juli.

nyelre Se ee (z)* Reel, +iB NS, A „uU; EU:, U Eu),

nu u,,w) Su, ,u HE (— ‚yel IAee]

21,23

Aykalk

I (u, , u . u.) BIC? 2 U a

Der Werth der Grösse z, ist durch denjenigen von «, bedingt; es ist

N i(tz2+2,) S(u—u, , U,—U,)u / 7 - Sur HU)

Von zwei Systemen orthogonaler Axen, welche mit einander die neun Cosinus 4,, &,,y, bestimmen, soll dasjenige, dessen erste Axe mit den drei Axen des anderen die Cosinus ,,®,,y, bestimmt, das erste heissen, während wir das andere das zweite nennen wollen. Eine Variation derjenigen Grössen, von welchen die neun Richtungs- cosinus &,, ., y. abhängen, führt auch eine Änderung der letzteren, d. h. eine relative Drehung des ersten Systems gegen das zweite herbei. Die Elemente, von denen die fraglichen neun Grössen ab- hängen, sind:

ı. die drei Grössen ı,,u,,u,, 2. die beiden Grössen u,,u,, 3. die Grössen 7,,,7.;72, 4. die neun Grössen a,,b,, c..

Man kann nun die Componenten der Drehung, welche einer Variation aller dieser Grössen entspricht, linear zusammensetzen aus den Componenten, welche den. Variationen der einzelnen Grössen entsprechen. Für die bisher gelösten mechanischen Probleme, welche auf Formeln der hier behandelten Art führen, haben nun aber die einzelnen Bestandtheile nicht alle die gleiche Wichtigkeit; es kommen z. B. die einer Variation von 7,,,7,,7,, entsprechenden Drehungs- componenten gar nicht in Betracht und dürfen deshalb wohl unbe- rücksiehtigt bleiben. Dagegen sind die Componenten der Drehung, welche von der Änderung der Grössen «,,u,,«, herrühren, für die Rotationsprobleme besonders wichtig; denn bei den eben erwähnten Aufgaben sind nur %,,%,, u, Funetionen der Zeit und man hat nur

du, du, Bar. -— zu ersetzen, um aus den Com- dt’ dt’ dt ponenten der unendlich kleinen Drehung diejenigen der Rotations- geschwindigkeit abzuleiten. Diese sollen daher in erster Linie be- stimmt werden, und zwar sollen die nach den Axen des ersten Systems genommenen Componenten der unendlich kleinen Drehung p,,P;:P; und die nach den Axen des zweiten genommenen Componenten P,Q,R heissen. Bei der völligen Symmetrie aller Ausdrücke be- züglich der Werthepaare «,,«, und uw,w. können wir aus den eben erwähnten Componenten die zur Variation von ı,,u, gehörenden

I

nöthig, du, , du, , du, durch

ei,

D.=ei

F. Körver: Darstell. d. neun Richtungscos. durch ©-Funetionen zweier Arg. 813

Componenten p,,P/,P,, P',@,R' unmittelbar ableiten, indem wir in den ersteren dw, gleich Null setzen und dann die Buchstaben u,,u, und w,,u, mit einander vertauschen. Die drei Componenten

',@,R’ und die nach den Axen des zweiten Systems genommenen Componenten P’,Q”,R” der Drehung, welche einer Variation der neun Grössen 0,5 0,, 6, entspricht, haben für die beiden Fälle der Bewegung eines festen Körpers in einer Flüssigkeit, welche sich durch Specialfälle unserer Formeln darstellen lassen, deshalb eine besondere Bedeutung, weil sich die Coordinaten für den Mittelpunkt des bewegten Körpers in der einfachsten Weise aus ihnen zusammen- setzen. Es unterscheiden sich nämlich zwei dieser Coordinaten nur durch einen constanten Factor von P’+P” resp. Q’+Q”, während wir die dritte Coordinate erhalten, indem wir R’+R’” mit einer Constanten multiplieiren und dann eine ganze lineare Function der Zeit addiren.

Bezeichnen wir den Ausdruck

oflu, ,«)) oflul, u an je du, = ef(u; , u.) ou, ou! SDR a u) a + fu durch fu, , w,) und setzen wir flww)_o.0' 0 9, so werden

die sechs Componenten der Drehung, welche von der Variation der Grössen 4, , ,, u, herrührt,

A_lan 2,.— |2,% Ne hr 1) | IS, 5 U) a Ur» U;) 2 ZN me 1.9 Hu/ ul), Ilu, u Alu Ba 2 Ts Ko 2 u, u) u, u) HE bel, CH Ur > Un) u (Ur > Ur), ge=1,2,3 i i (sn 2a)

N Y \ ulz, .—|2.u IH, u) (u, , %,) +31) ie EIS CHRTA ERS UHR

R e_ e=1,2,3 —_— B IR =, Tat) Suus ul), ,,) HIE— rl sul, APR RER g=1,2,3 ; : P+ iQ . De (Fi), ul; el (a,&ie’b ‚OS, SWwEu, iEU.), a a 213 a Us = ST P FEN N |; —|23| ! r 2 i Yu, , uw) I (u, ,%,) +3 A Pi Su, U,).uN (Urs 29H e=1,2,3 k £

Nach den obigen Bemerkungen kann man hieraus die Grössen p-,P',@,R’ in so leichter Weise gewinnen, dass es nicht nöthig sein wird, dieselben besonders hinzuschreiben. Um P”, @”, R” in möglichst übersichtlicher Gestalt darzustellen, drücken wir die Variationen der (Grössen Qa,,0,,C, durch die drei Grössen

o

a

814 Gesammtsitzung vom 18. Juli. \ i N Ic = >60, D- Dem, R-Da | ep=1,2,3 e=1,2,3 Bag 4 aus, und setzen, wo es vorheilhaft erscheint, 4

,=P,a,+0Db,+Re, p=1,2,3). Dann wird

N, u), u) + Dell- re el Sal,u) R'=e'. —__—

Y A, | Ho / Su, u) u, u) + 1 Tele Si, St.)

e=1,2,3

S(u,, %,)

Hola

Hold

ee Be ze

Hola P"+ieQ”

Ss Hu, Eu ,u,&u = e WHO) ) wi: |

Su, u) Hu.) Bi leur), un, %.)

I—=n2,3

Hola Aylı

Zum Schluss soll noch eine Formel angeführt werden, welche für die Bestimmung der fortschreitenden Bewegung eines Körpers in einer Flüssigkeit von Wichtigkeit ist. Man muss nämlich die Com- ponente der fortschreitenden Geschwindigkeit in Richtung des Impulses nach der Zeit integriren, was in dem früher von mir behandelten Falle einige Schwierigkeit bereitete. Diese wird nun durch die Formel

r

Ir aut RZ 36. + NER = 3) 3 Se: ) ee ) ou, ou, dc, 6 (2 u, u,

auf das einfachste beseitigt, weil vermittelst derselben der zu integri-

rende Ausdruck sich sofort in ein vollständiges Differential verwandelt.

In einer später zu veröffentlichenden Abhandlung will ich zeigen, wie man vermittelst der hier angegebenen Formeln den von STEKLOFF entdeckten Fall der Bewegung eines Körpers in einer Flüssigkeit der Lösung entgegenführen kann.

du,

gr 302,3

815

Vedische Beiträge.

Von ALBR. WEBER.

(Vorgetragen am 30. Mai [s. oben S. 489].)

4. Das achtzehnte Buch der Atharvasamhitä.

(Sprüche zum Todtenritual.)

Eis vier anuväka dieses Buches mit ihren 283 (61. 60. 73. 89) Versen', resp. Sprüchen, sind von so hervorragender Bedeutung für das indische Todtenritual, dass es mir an der Zeit scheint, dieselben hier einmal zunächst für sich allein reden zu lassen, sodann aber auch, nachdem uns durch Broonrierv’s treffliche Ausgabe des Kaucikasütra die Möglich- keit dazu geboten ist, das von der Tradition dazu in Bezug gesetzte rituelle Material Vers für Vers heranzuziehen, wobei sich dann sofort ergiebt, dass diese traditionelle Verwerthung der Sprüche keineswegs für uns als maassgebend zu erachten ist.

R. Rorn hat dies Letztere schon 1854 in seiner bahnbrechenden Behandlung des Rik-Liedes X, ı8 in ZDMG. VII, 467 fg.” an diesem einen Liede eingehend dargethan und die zu jedem Verse gehörigen Gebräuche je aus dem Inhalt der einzelnen Verse selbst erschlossen. Er hat dabei bereits gezeigt, dass es sich daselbst nicht sowohl, wie anderweit und später regulär, um Verbrennen, sondern vielmehr um Begraben des Todten handelt.

Der richtige Weg wäre nun gewesen, in gleicher Weise auch die vorhergehenden Hymnen ähnlichen Inhalts zu behandeln. Indessen, da sie sämmtlich, von X,ıo an, bis auf 6 Verse’, in unser Buch hier Aufnahme gefunden haben, und in diesem eben doch in einem gewissen rituellen Verbande mit andern Versen stehen, habe ich davon abstrahirt, sie aus diesem hiesigen, freilich ja sehr losen Zusammenhange heraus- zulösen, lasse sie resp. in diesem stehen und je für sich reden. Es reihen sich ihnen hier eben noch eine Anzahl von Sprüchen an, in

! nach der Anukramani zerfallen dieselben in 28 sükta; gemeint sind damit offenbar die in der Editio markirten 28 Decaden.

? s. auch die »Siebzig Lieder des Rigveda« (GELDNER u. KaEsı 1875) p.150-3.

8 12,9. 13, 3.4. 17, 13. 18,6. 14

816 Gesammtsitzung vom 18. Juli. Mittheilung vom 30. Mai.

denen es sich ebenfalls von vornherein um Begraben, nicht um Verbrennen der Leiche handelt, wenn sie auch wohl in ihrer vor- liegenden Zusammenfassung bereits in eine Zeit gehören, in der das letztere, ebenso wie dies für das Kaucikasütra gilt, Regel war, so dass die in alter Zeit zum Begraben der Leichen selbst dienenden Sprüche nun bloss noch zur Bestattung der vom pyrus gesammelten Knochen, und andrer Rester, in einer Grube verwendet wurden.

Es hätten sich hieran dann noch die übrigen zum Todtenritual gehörigen Sprüche, wie sie in der AtharvaS. (z. B. XII, 2), in der Väjas. S. (XXXV), in den übrigen Yajus-Texten (speciell in Taitt. Är.VJ) zerstreut! sind, anzuschliessen.

Und an dieses Spruch-Material würden sich dann, um ein rich- tiges Bild von dem alten Todtenritual Indiens und seiner Entwicke- lung zu gewinnen, die zahlreichen Angaben darüber in den verschie- denen brähmana- und sütra(crauta- wie grihya-sütra)-Texten anzu- schliessen haben. Und von da wäre dann in die smriti- und paddhati- Literatur, resp. in die epischen ete. Texte alter und moderner Zeit hinabzusteigen. Besonders wichtige Texte, vor Allem das Todtenbuch des Taitt. Är., habe ich denn auch bereits jetzt mehrfach herangezogen. Indessen, es galt sich zu beschränken, und wenigstens das erreichbare älteste Material festzulegen. Denn es ist ein geradezu riesiger Stoff, welcher hier noch der Bearbeitung harrt. Nach ÜoLEBBROoRE (As. Re- searches VII Mise. Ess. I, 156 fg.), Wırson (Sel. Works II, 270 fg.) und Max Mürrer (ZDMG.IX,1ı fg.) hat sich in neuerer Zeit CaLann (sein neuestes Werk, 1893, behandelt den »Indischen Ahneneult«) um die Erforschung der rituellen Texte, resp. die Darstellung der alten und modernen Formen der betreffenden Vorschriften und Bräuche verdient gemacht.

Wenn sich schon in den früheren Büchern der Ath.S. eine ganze Zahl von Liedern befindet, die sich auf Todtenritual und ähnliche Gegenstände beziehen, so ist das achtzehnte Buch doch offenbar so zu sagen der classische Ausdruck für das, was zur Zeit seiner Zusammenstellung üblich und im Gange war. Das Buch gehört nieht zu dem ältesten Bestande der Ath.S., welcher nur 16 Bücher kannte, und es theilt mit dem ihm folgenden, neunzehnten, Buche das Geschick, dass sein Text, allerdings nur hier und da, bei weitem nicht in dem Grade, wie dies bei 19 der Fall ist, immerhin aber

! Arrrep Lupwıc hat in dem so reichhaltigen dritten Bande seines »Rigveda« (Prag 1878) p. 479-493 bereits einen grossen Theil dieser, Sprüche (insbesondere auch aus Ath. 18, 2. 3. 4) übersetzt; indessen ohne irgend welche erklärende, oder irgendwie über das Ritual orientirende Bemerkungen hinzuzufügen, wie dies dort ja auch nicht recht am Orte gewesen wäre.

Weser: Vedische Beiträge. 817

doch mehrfach recht incorreet und verunstaltet vorliegt, und zwar z. Th. in einer Weise, die weit über die von Ror# in jüngster Zeit besprochenen! lautlichen, resp. orthographischen Defeete hinausgeht. Da habe ich denn zu Correeturen schreiten müssen, über die sich ja reden lassen wird. Die Hoffnung, die ich auf den Abdruck des Textes in dem Commentar (dipikä) eines der vielen »Näräyana« zur samnyäsa-upanishad (Bibl. Indica Nr. 265 p. 171-173) setzte, dass sich nämlich daselbst etwa wichtige Varianten finden würden, hat sich leider nicht bestätigt. Der Text erscheint daselbst zwar sogar doppelt auf jeder Seite; der obere Text ist aber eben wohl nur eine Copie aus der Ausgabe von Rorn und Wurrnxey, der untere dagegen basirt auf einer sehr stark eorrumpirten Handschrift, ist resp. ganz ohne Werth.

Ich schicke meiner Behandlung des Textes einen kurzen Über- blick über seinen Inhalt voraus.

Der ausgehauchte Odem, ätman (2, 8) geht in die Luft über, die feuchten Winde nehmen ihn in sich auf (2, 22) während die körper- lichen Bestandtheile sich, sozusagen, in ihre Elemente auflösen (2, 7). Trotzdem soll der Todte, dessen Seele als sein »ungeborener (ewiger) Theil« (2, 8) gilt, im Jenseits im Vollbesitz aller seiner Glieder, mit sei- ner ganzen Leiblichkeit wiedererstehen und die Lebensgeister (asavah) drüben ein neues Leben weiterführen. Um aber mit einem neuen Leibe zusammenzukommen, ist die Gunst der Manen und ihres Königs Yama nebst seiner Gattin Yami erforderlich. Der Weg zum Jenseits ist mit allerhand Schwierigkeiten verbunden. Es gilt nicht nur ihn überhaupt richtig zu finden, wobei Pushan mithilft (2, 54), sondern man hat auch zunächst die beiden Wegwächter, die Hunde des Yama, glücklich zu passiren, dann einen Fluss zu überschreiten etc.

Bis es der Seele gelingt, die Reise richtig zu absolviren, und im Jenseits anzukommen, wo das Wiedersehn mit den Eltern ete. bevorsteht, wo Milch und Honig ete. in reicher Fülle? fliessen und wo überhaupt jeder irdische Mangel beseitigt ist, irrt sie zwischen Himmel und Erde umher und hat völlige Freiheit ihrer Bewegung (svadhä), bedarf aber eines festen Ruhepunktes auf Erden, zu dem sie stets zurückkehren, und von dem aus sie ihre Versuche, in das Jenseits zu gelangen, immer wieder erneuern kann.

Zu dem Ende wird dem Todten eine feste Grabstätte gewidmet, sei es dass die Leiche selbst direet, sei es dass bloss die Knochen der auf dem pyrus verbrannten Leiche, darin geborgen werden.

Is. ZDMG. 48, 101 fg. 676 fg. 1894.

? s. die Dissertation von W. Gore (Halle 7. 3. 1888) Homeri de morte mor- tuorumque conditione sententiae exponuntur atque comparantur cum antiquissimis ceterarım nationum cognatarum de hac re opinionibus.

818 Gesammtsitzung vom 18. Juli. Mittheilung vom 30. Mai.

Diese Grabstätte ist geräumig herzustellen, damit ja kein Druck statt- findet; daher braucht man Erdschollen oder Holzklötze (2, 15. 16), um die Erde aufzusteifen und einen hohlen Raum zu sichern. Im Verlauf nimmt man dazu Steine (ef. 4, 54); daher der Name wohl emacäna (acmacayana) für diese Stätte. Und zwar wird darin, resp. beim Ver- brennen auch schon auf dem pyrus,' ein viaticum aufgestellt, bestehend in Bechern und Krügen voll Wasser, soma, Milch ete., voll Körnern, Kuchen, Fleisch ete. Die durch das Verbrennen auf dem pyrus schwer heimgesuchte Seele bedarf der Kühlung und Erfrischung durch Wasser- spenden. Die Art der Bestattung selbst ist verschieden; es werden sogar vier Weisen dafür angegeben (2, 34). Begräbniss oder Verbren- nung sind aber die beiden Hauptmethoden und zwar entscheidet sich die Sitte im Verlauf ausschliesslich für die letztere.

Die »Erde« legt man »zur Erde« (4, 48) und bittet diese, »nicht zu drücken«, sondern wie eine Mutter den Sohn mit ihrem Kleidzipfel, wie eine Gattin den Gatten, so den Todten sanft einzuhüllen (2, 50-52).

Auch das Feuer wird gebeten, sanft zu brennen (2, 36), keine Sehmerzen zu machen, nichts zu zerstören (2, 4), sondern nur den »ungeborenen (ewigen) Theil«, die Seele, zu läutern (2, 8) und auf seinen Schwingen hinauf zu tragen. Die Verbrennungsstätte wird ge- kühlt und entsühnt (2,6. 3, 18).

Das Jenseits ist im dritten Himmel (3, 71), über die Sternenbahn (Milchstrasse?) hinaus (2, 31). Die Sterne sind die Lichte der Frommen.

Die Leiche wird zur Bestattung von zwei Ochsen gefahren (2, 56), welche danach entsühnt werden müssen (4, 49); sie ist in ein noch un- getragenes Gewand gehüllt und wird bei der Verbrennung Glied für Glied mit den Gliedern einer Kuh (oder Bock) belegt, die dem Todten als Reitthier in das Jenseits dienen soll, und deren Schwanz man ihm daher in die Hand giebt.

Der älteste Sohn tritt sein Erbe dadurch an, dass er die Insignien des Todten (Stab, Bogen, Gold und dergl.) an sich (2. 59. 60, 4, 56) nimmt. Die Wittwe legt sich, altem Brauche folgend, neben die Leiche (um mit ihr verbrannt zu werden), wird aber aufgefordert sich zu erheben, und Nachkommenschaft und Glück weiter hier zu finden (3, 1), da sie ihre Pflicht nun erfüllt habe. Es findet ein Gelage statt (3,18) von dem die Frauen, reich geschmückt, ohne Thränen (3, 57) zuerst heimkehren. Zwischen den Todten und den Lebenden ist geschieden (2. 27. 55. 59).

Mit der Bestattung selbst hat die Todtenfeier aber noch nicht ihr Ende. Es folgen ihr vielmehr zunächst monatliche Spenden

! hier, wie es scheint, um die Gunst der Götter und Manen dadurch zu ge- winnen.

nt re

Werer: Vedische Beiträge. 819

an den Todten, seinen Vater, und Grossvater, sowie an alle die sonstigen Ahnen und an die Manen überhaupt, deren es eine reiche Fülle unter den verschiedensten Namen und Classifieirungen giebt. Ihre Gunst ist nieht nur für den, der zunächst in ihre Reihen treten will, erforderlich, sondern auch das Gedeihen der Lebenden ist davon abhängig, wie sie selbst freilich auch umgekehrt deren Spenden be- dürfen.

Alles dies hat im Übrigen nur für die Dauer einer Welt- periode Gültigkeit (3, 30), eine Anschauung, die sich selbstverständlich erst secundär entwickelt hat.

Erster anuväka (61 vv.) a. Composition.

Die ersten 39 Verse, die grössere Hälfte also des ganzen anuväka haben bei Kaucika gar keine rituelle Verwendung gefunden. Dieselben haben denn auch in der That keinerlei Beziehung zum Todten- ritual, und stehen nur deshalb hier an der Spitze des Buches, weil sie in der Riksamhitä (wie hier) unmittelbar vor den auf dieses bezüglichen Liedern X, 13-18 sich befinden, resp. daselbst, in derselben Reihenfolge als X, 10-12 aufgeführt sind. Der Grund hierfür aber liegt einfach darin, dass das erste dieser drei Lieder (X,ı0) eine auf Yama, den König der Todten, bezügliche Legende betrifft, während die beiden folgenden Lieder (X, ı1. 12), obschon in keiner directen Beziehung zu dieser Legende oder zu Yama überhaupt stehend, doch zu X, 10 speciellen Bezug haben, indem sie anscheinend je ein direetes Citat daraus enthalten, oder doch je als eine Parallele, Glosse zu darin vertretenen Angaben zu erachten sind (s. im Verlauf). Also, weil sie

.* allerdings sind hiervon einige Verse auszunehmen. So ist v.6 nur eine Paral- lelstelle zu v.7 (Rik X, 10, 6); v.13,14 sind nur eine secundäre Auseinanderziehung von Rik v. ız; v.17 ist eine Glosse resp. Parallelstelle zu den payänsi in v.18, v. 27 u. 28 (von denen resp. v. 27 nur eine secundäre Variante von v. 28 ist) sind nur eine Glosse zu v.29. Und an den letzten Vers von X, ı2 (hier v. 36) schliessen sich hier noch zwei Verse, an Indra resp. Agni gerichtet, für deren hiesige Aufführung ich zunächst keinen ersichtlichen Grund anzugeben weiss. Von diesen Versen ist besonders der erste, v.6., darum von grossem Interesse, weil er den Zusammenhang des Liedes vollständig unterbricht und sein Charakter als Parallelstelle, resp. Glosse, zu v.7 (Rik v. 6) in die Augen springt. Auch das Verhältniss von v.ı7 zu v.ıS ist sehr klar. Wir erhalten hier somit für den in der Riks. etc. noch vielfach wieder- kehrenden Fall der Einschiebung solcher glossenartigen Parallelstellen zwei sehr sichere Beispiele. Und zwar möchte ich mich hinsichtlich soleher Fälle dahin aussprechen, dass wir dieselben keineswegs etwa nothwendig, als Marginal-Glossen so zu sagen anzusehen, resp. auf schriftliche Überlieferung zurückzuführen haben, sondern dass sie sehr wohl auch auf mündliche Tradition zurückgehen können, gewissermaassen als ältester Commentar-Versuch zu gelten haben.

820 Gesammtsitzung vom 18. Juli. Mittheilung vom 30. Mai.

in der Riks. auf X, ıo folgen, sind sie mit diesem Liede, das ja immerhin als ein Yama-Lied ein gewisses Anrecht darauf hat, hier zu stehen, ebenfalls hierher gewandert.

Für die folgenden Verse (40-60) hat Kaueika Verwendung, und ihr Inhalt weist sie denn auch theils direet dem Todtenritual zu, theils lässt er sich damit leicht in Bezug bringen. Sie sind zum grössten Theile den unmittelbar folgenden Liedern der Riks. (X, 13-17) entlehnt, stehen aber hier in ganz anderer Reihenfolge wie dort, und sind somit deutlich für ein anderes Ritual als das dort im Auge ge- habte bestimmt. Aber auch die Angaben bei Kaucika verwenden die Verse in einer von der hiesigen völlig verschiedenen Reihenfolge, so dass hiernach diese letztere ein (von beiden verschiedenes) ganz selb- ständiges Ritual zur Grundlage haben muss. Und zwar kann man wohl im Allgemeinen sagen, dass es sich hierbei um Zinleitungs- feierlichkeiten für eine Bestattung handelt, da die Reihenfolge der Verse dieselben sind an die Sarasvati und, freilich in buntem Wechsel, an Yama, resp. an die Manen gerichtet sich so am Besten er- klären lässt. Nur drei Verse (40. 54. 55) passen nieht in diesen Zu- sammenhang, sondern beziehen sich auf die Bestattung selbst.

Die Verse 40-61 vertheilen sich nach ihrer Herkunft aus der Riks. wie folgt: 40 Rik II, 33,11, 41-43 X, 17, 7-9, 44-46 X,15,1-3, 44%, 84, 3, 48 VI, 47,1, 99. 50 X,14,1I.2, RE EEE EN ER EEE VA URS TA ee X, 16, 12, ;7 Variante dazu, 58-60 X, 14, 6. 5.4, nur hier. Von diesen Versen 40 fg. finden sich zwei (49 und 55) auch in dem Todtenbuch (adhy. 6) des Taittiriya Äranyaka. (In den anu- väka 2-4 ist die Zahl dieser Coineidenzen erheblich grösser. Der Text derselben stimmt, wo es sich um Entlehnungen aus der Riks. handelt, fast stetig mit dieser, nieht mit der Ath.S.. doch fehlt es auch nicht an eignen Lesarten, wie denn z.B. gerade die beiden hiesigen Verse 49 und 55 in T. Är. mehrere dergl. zeigen.)

Bei Kaucika! werden die Verse 40 fg. in folgender Weise ver- wendet’: go in K. 85,19, 41-43 in 81, 39, 44-46 87, 29 (44 80,

! das in Kaucika 80-89 dargestellte Ritual hat nach Kegava’s paddhati (s. BroonriıeLp p. 368) ausschliesslich die Bestattung durch Verbrennung zum Gegen- stande, wie dies ja für ein dergl. sütra-Werk nicht anders zu erwarten ist. Und zwar wird danach in 80. die Bestattung sowohl eines ähitägni, der alle drei Feuer pflegt, wie eines ekägni, der nur das Hausfeuer pflegt, geschildert, in 82 die Sühne- ceremonie (cänti) des Sohnes und der andern Verwandten, in 83. 84 das Manenopfer (pitrimedha), nach einem Jahr, in 85. 86 Abmessung und Herrichtung des gmagäna,

in 87-89 Manenopfer mit Klössen (pindapitriyajna). Im Einzelnen bleibt dabei auch hier, wie ja durchweg bei Kaugika, Vieles völlig unklar.

2

? s. BroonrieLo p. 410. Es ist auffällig, dass auch bei der Aufführung der pratika der von Kaucika verwendeten Verse die in unserm Text der Ath. S. vorliegende

Weser: Vedische Beiträge. 821

43. 87,14; 46 80, 51), 49 8I, 34, so 81, 35, 87, 27, 52 83,28, 55 80,42, 56 87,19, 58 81, 36, 60 84,2, 80, 35. 82, 31. Dies geht in der That sehr durch einander; ohne Verwendung bleiben resp. 47. 48. 53. 54. 57. 59.

Wenn sich nun unser Text hier weder an die Reihenfolge der

Riks. anschliesst, noch seine eigene Reihenfolge von Kaucika fest- gehalten wird, so sind wir, um zu einem irgendwelchen Verständniss dieser letzteren zu gelangen, einfach auf den Inhalt der Verse an- gewiesen. Und dieser Wortlaut scheint denn nun, wie bereis bemerkt, dafür einzutreten, dass es sich dabei nicht durchweg um Verbren- nung des Todten handelt, sondern manche Verse sind ursprünglich, wie dies eben schon Rorn für das Rik-Lied X, ı8 annahm, für ein Begräbniss der Leiche bestimmt gewesen. Und zwar ist gerade dieser Modus allem Anschein nach dem Volke so lieb gewesen, dass sich auch das zur sacralen Norm gewordene Verbrennungsritual zur Incorporation der Beerdigungs-Riten hat entschliessen müssen, in der Weise nämlich, dass dieselben für die von der Verbrennung übrig gebliebenen Rester, Knochen ete., und deren feierliche Bestattung in einer Grube, beı- behalten wurden. Dabei ist denn ja wohl möglich, dass manche der betreffenden Sprüche diese Verwendung auch bereits ursprünglich schon mit im Auge haben. Dass im Übrigen unter diesen, insbesondere unter den in den beiden letzten anuväka enthaltenen, Sprüchen auch eine ganze Zahl solcher sich befinden, die garnicht zur Leichen- bestattung selbst, sondern zu den, in gewissen Zeitabschnitten, darauf folgenden Manenopfern gehören, ist theils an und für sich dem Inhalt der betreffenden Verse nach zu schliessen, theils wohl auch mit Rücksicht auf die Angaben bei Kaucika in hohem Grade wahrschein- lich, lässt sich jedoch im Einzelnen nur in wenigen Fällen mit voller Sicherheit klar stellen. Reihenfolge derselben nicht durchweg inne gehalten wird. Der Fall liegt nämlich mehrfach vor, dass er mehrere Verse aus verschiedenen anuväka neben einander aufführt. Im Allgemeinen stehen dabei die Verse aus dem ersten anuväka vor denen aus dem zweiten etc., und auch innerhalb eines jeden anuväka werden die Verse meist in der Reihenfolge unseres Textes aufgeführt. Aber es kommen dabei auch, nach beiden Richtungen hin mehrfach Ausnahmen vor, wobei denn ja freilich innere Gründe für die angegebene Reihenfolge entscheidend sein können. Siehe z.B. die pratika der harinyas in 80, 35 (18, 3, 8.9. 2, 48. 1,61. 2, 53. 4, 44), sowie 81, 37. 86, 2. 87,22. (Die gleiche Erscheinung liegt im Übrigen bei Kaugika auch sonst noch mehrfach in Bezug auf die darin aufgeführten pratika vor.) In einem Fall (s. 80, 50) hat Kaucika’s Text der Ath. S. entschieden einen Vers mehr als der überlieferte Text; s. auch noch 2,20. Die völlig identische Wiederkehr von 71, 16-24 als 86, 19-27, während doch die Analogie des in 86, 28. 29 vorliegenden garkarädi und vaivasvatädi für Angaben in 82, 2-ı9 und 82, 36 die Verwendung eines gleichen Ausdruckes für 71,16-24 geboten hätte, führt, beiläufig, darauf hin, dass das elfte Buch des Kaucikas. ($ 80-89) nicht von demselben Vf. herrühre, wie das neunte ($ 69-74).

822 Gesammtsitzung vom 18. Juli. Mittheilung vom 30. Mai.

b. Erklärung).

1-16 (Riks. X, 10, 1-14°). Dieses schöne Lied ist zuerst von Rorn, s. Journ. Amer. Or. Soc. II, 331-47 (1852; übersetzt von WHırNEY) richtig gedeutet worden’, als ein Protest nämlich gegen die Ge- schwister-Heirath, die, wie bei den Persern (Herodot) und Griechen (Athen) so auch bei den Indern in alter Zeit üblich war.‘ Wie Zeus und Hera, waren auch Rudra und Ambikä, Räma und Sitä, Yama und Yami (diese Beiden sogar, wie ihr Name bezeugt, Zwillings-) Ge- schwister. Die Gäkya-Prinzen, Buddha’s Vorfahren, heiratheten ihre Schwestern, »aus Furcht vor Erniedrigung ihres Geschlechts«, wenn sie ein nicht ebenbürtiges Weib nähmen. Mit der Zeit indessen erhob sich gegen diese aus einem nördlichen Klima mitgebrachte Sitte, welche sich bei der durch das indische Klima bedingten frühen Ge- schlechtsreife der Kinder vermuthlich als höchst gefährlich für die Sittlichkeit innerhalb der Familie erwies, zum Schutze der letzteren, bei den indischen Ärya heftige Opposition. Ist man ja doch in Indien schliesslich so weit gegangen, alle näheren Verwandtschaftsgrade bei der Wahl einer Gattin auszuschliessen‘. Es mag dies nicht ohne harten Kampf mit den adlichen Geschlechtern abgegangen sein. Und in die Zeit dieser Kämpfe mag dann etwa dieses Lied hier gehören, aller-

! bei den Variantenangaben ist A = Atharvasamhitä, R= Riksamhitä, T= Taittiriya Äranyaka.

> dass den 14 Versen der Riks. im Ath.- Texte 16 Verse gegenüberstehen, beruht, s. oben p. 819 ”-! und im Verlauf, darauf, dass in Letzterem zu einem Vers (6) ein Parallelvers hinzugefügt, und ein anderer (v.ı2) in zwei Verse (13 und 14) aus ein- ander gezerrt ist.

3 s. auch »Siebzig Lieder« (GELDNER u. Kaztı) p. 142-45.

4 s. Ind. Stud. V,427. X 76%. In die Zeit der alten Hochhaltung des ge- schwisterlichen Verhältnisses entfällt noch die neuerdings (1893) von Pısche im Hermes 18, 465-8 besprochene Erzählung Herodot’s III, 19, ef. Sophokles Antigone 909-12, dass die Gattin des Intaphernes bei der ihr durch Darius gestellten Wahl den Bruder, nicht den Gatten, wählte, und, nach dem Grunde befragt, erklärte, dass sie zwar wohl wieder einen Gatten, nicht aber einen Bruder bekommen könne, wozu denn Pıscher aus dem Rämäy. VI, 24. 78 und insbesondere aus den jätaka-Texten ent- sprechende Parallelen beigebracht hat, die im Übrigen nicht, wie er meint, dafür eintreten, dass die indische Anschauung im Oceident bekannt geworden sei, sondern nur dafür, dass eine alt-ärische von den In dern wie den Persern festgehaltene Vorstellung durch Herodot den Griechen bekannt wurde.

5 zur Zeit des Qatap. br. (1, 8, 3, 6), s. EsGEring’s Übersetzung p- 238. Ind. Stud. X, 75.76, war es noch verstattet, beim dritten resp. vierten Gliede eine Heirath zu schliessen. Nach Harisvämin’'s Commentar war Ersteres die Meinung der Känva, resp. Däkshinätya, bei denen somit die Tochter des Mutterbruders und der Sohn der Vaterschwester heirathsfähig waren. Das vierte Glied dagegen war die Ansicht des Sauräshtra. S. hierzu noch meine Abh. über die Vajrasüci des Agvaghosha p. 157 (1860). Der Wortlaut der Stelle im Gat. br. macht beiläufig den Eindruck, auf juristischer Terminologie zu beruhen.

Weser: Vedische Beiträge. 823

dings in eine Zeit, wo der Sieg der Neuerung bereits soweit errungen war, dass die alte Sitte als etwas ganz Unerhörtes, bisher noch nicht Dagewesenes (v. 4), resp. gradezu als eine Sünde (v. 12), die höchstens etwa mal in Zukunft (v. 10) üblich(!) werden könne, be- zeichnet werden konnte. Dem gegenüber lässt der Dichter die Yami gar nicht zu der Behauptung kommen, dass es vielmehr ein altes Recht sei, für das sie eintrete, sondern lässt alle Gründe, die sie für ihren Wunsch anführt, nur und alleinig aus ihrem leidenschaftlichen, sinnlichen Begehren hervorgehen. Er legt im Übrigen dem Yama bei seiner Zurückweisung desselben einen Ausdruck in den Mund (v. 2): »er wünsche nicht: »salakshmä yad vishurüpä bhaväti«, der in dieser seiner Steifheit geradezu aus der technischen Terminologie der juristischen Diseussion über diesen Gegenstand herübergenommen zu sein scheint, ein Eindruck, der dadurch verstärkt wird, dass auch in X,ı2,6 gegen diese selbe Vorstellung als eine »unverständliche« polemisirt wird, so dass sie hiernach als eine zu betreffender Zeit immerhin doch noch mehrfach vertretene erscheint (diese Polemik ist es gerade, welcher das Lied X, ı2 seine Stellung zwischen X, ıo und X,ı3 verdankt, s. im Verlauf).

Yami ist eben mit ihren Gründen bei dem Dichter sehr zu kurz gekommen. Denn, wenn er sie auch die Sprache der Leidenschaft mit grosser Energie führen lässt, so ist es doch Yama entschieden, dem er seine ganze Sympathie zuwendet. Die Berufung der Yami auf den Willen des Schöpfers selbst, der »sie Beide« schon im Mutter- leibe zu Gatten bestimmt habe, schneidet er damit ab, dass Niemand über den ersten Tag (der Schöpfung) etwas Genaues zu sagen im Stande sei (v.6 resp. 7); was der Ath.-Text dann durch Zwischen- schiebung, resp. Voranstellung, einer Parallelstelle noch weiter ausführt. Auch die Pilicht Yama’s, dem Vater einen Enkel zu schaffen (v. 1), den Wunsch der Götter (v. 4), dass der einzige Sterbliche für Nach- kommenschaft sorgen möge, lässt der Dichter den Yama einfach durch den Hinweis darauf zurückweisen, dass er sich vor den »Spähern des grossen Asura« fürchte, und dass sie Beide göttlichen Ursprungs seien (also wohl: keiner Nachkommenschaft bedürften). Die Bezeich- nung der Geschwisterehe als ajämi tritt hierbei besonders hervor (s. v.10.11). Dieser Ausdruck: ajämi, eig.: »Verwandten (jämi) nicht zukommend«, dann »unziemlich, unpassend« überhaupt, findet sich allerdings auch schon in der Riks., ganz besonders aber doch in den brähmana-Texten vor (später ist er ganz verloren gegangen), und man könnte ihn somit etwa als ein Zeichen für die secundäre Abfassung des Liedes, in deren Zeit erst, ansehen wollen. Die Alterthümlichkeit des Liedes wird indessen doch durch den sonstigen Inhalt, sowie auch

zur ' re en Sitzungsberichte 1895. 73

324 Gesammtsitzung vom 18. Juli. Mittheilung vom 30. Mai.

durch die Sprache desselben hinlänglich verbürgt, und müsste dasselbe jedenfalls wenigstens in die älteste Stufe der brähmana-Zeit gesetzt werden.

Wer sind denn nun aber diese beiden Zwillingsgeschwister, Yama und Yami? Nach Rorn ist darunter das erste Menschen- paar zu verstehen. In der That ist von Yama in v. 3 als von dem »einzigen Sterbliehen« die Rede, von dem die Götter Nach- kommenschaft zu sehen wünschen, und auch die Angaben in v. ı lassen sich so deuten‘. Der Dichter hätte somit, um sein Thema desto un- bestreitbarer hinzustellen, in dem Eifer dafür selbst den Widersinn nicht gescheut, die einzige Möglichkeit für die Fortpflanzung des Menschengeschlechts abzuschneiden. So wenig auch bei der Annahme eines ersten Menschenpaares für dessen Kinder und nächste Nach- kommen die Geschwisterehe sich beseitigen lässt, so ist es doch nicht gerade nöthig, diesen »Confliet« auch schon für es selbst an- zunehmen. Die Inder sind ja zwar in dieser Beziehung nicht heikel, lassen vielmehr die Schöpfung ganz einfach durch einen Incest des Schöpfers (prajäpati) mit seiner ersten Schöpfung, seiner »Tochter« (»sei es der Himmel oder die Morgenröthe«, Gatap. I, 7,4, I) vor sich gehen. Die Götter suchen dann zwar dem weiteren Incest vor- zubeugen, ja sogar ihn zu strafen, aber einmal musste er eben doch begangen werden, um die Weiterentwickelung der Schöpfung zu er- möglichen. Warum also nun sollte er gerade bei dem Zwillingspaar Yama und Yami, vorausgesetzt, dass darunter das »erste Menschen- paar« zu verstehen ist, zu verhindern gewesen sein? Jedenfalls nehmen dieselben sonst diese Stellung nicht ein. Yama wird aller- dings anderweit als »der Erste, der gestorben ist«, aber nur hier als der »einzige Sterbliche« bezeichnet. Und Yami wird überhaupt, ausser als Königin der Todten neben Yama, nur noch in jener hübschen Legende des Käthaka erwähnt, die von ihrem tiefen Schmerz über den ihr durch den Tod entrissenen Bruder handelt. Als Begründer des Menschengeschlechts erscheint anderweit vielmehr regulär Manu, der in dieser seiner Eigenschaft als »pitä Manuh« sogar in die indo- germanische Vorzeit zurückzugehen scheint, da der Mannus in der Germania des Taecitus und der Minos der Griechen, von dessen Gattin und dessen Stier ganz ähnliche Sagen berichtet werden, wie von Manu, seiner Gattin Manävi, und seinem Stier, hierfür ein- zutreten scheinen. Auch die an Manu sich knüpfende Fluthsage giebt seiner Stellung nach dieser Richtung hin ein sehr alterthüm- liches Gepräge; nach der Fluth vollzog er mit seiner »Tochter« die

Is. »Siebzig Lieder« p. 145. ® s. Ind. Streifen 1,85 f.

An

Weser: Vedische Beiträge. 825

Fortpflanzung des Menschengeschlechts (Cat. I, 8, 1,10). Von Yama wird nie etwas berichtet, was ihn hiermit in Bezug brächte.

Die beste Auskunft über Yama und Yami erhalten wir, wenn wir uns nach ihren Eltern umsehen. In v.4 unseres Liedes wird der »gandharva in den Gewässern« und die » Wasserfrau« (apyä ca yoshä) als ihr näbhi, und paramam jämi, d.i. also doch wohl als ihr Eltern- paar, bezeichnet; in v. 5 tvashtar, resp. savitar als ihr »Erzeuger« (janitar). Unter den »Gewässern« ist denn wohl der Himmels-Ocean gemeint, und gandharva, tvashtar, savitar können nur andere Bezeich- nungen dessen sein, der für gewöhnlich als Vater des Yama gilt, des Vivasvant, des Frühmorgens, resp. der Morgensonne, die mit dem wässerigen Morgennebel (apyä yoshä) zusammen das Zwillings- paar Tag und Nacht (Yama und Yami) erzeugt. An einer anderen Stelle der Riks. (X, 17, 1, hier in anuv. ı v.53) wird die Mutter des Yama als »Tochter« des Tvashtar, resp. als Gattin des »grossen Vivasvant« bezeichnet. Nach der richtigen Interpretation dieses Verses (s. Ind. Stud. 17, 331) handelt es sich dabei resp. um den oben besprochenen Incest des » Vaters« mit seiner »Tochter«. Tvashtar und Vivasvant sind mit einander identisch. In dem sich anschliessenden zweiten Verse von X, 17 (hier anuv. 2, 33) wird die Mutter der »beiden Gepaarten« (v. 1,10) (dvä mithunä, s. v. 10), die Gattin des Vivasvant, Saranyü »rasch dahin- eilend« genannt. Das Wort kommt nur an dieser Stelle als n. pr. vor. ApaLBERT Kuny hat in seiner elassischen Abh. über Saranyüı und Epıwwvvs (2.1, 439 fg. 1852) die alten Beziehungen, die sich an beide Namen anknüpfen, in wie mir noch immer scheint mustergültiger Weise auseinandergesetzt. Während hiernach die Göttin Saranyü, der rasch dahineilende wässerige Morgennebel, nb. mit ihrem einen (dem zweiten) Zwillingspaar, den beiden Acvin, bereits der indogermanischen Zeit angehört, ist ihr Gatte Vivasvant und ihr anderes (erstes) Zwillingspaar, Yama und Yami, erst der ärischen Periode angehörig, da sie, ausser im Veda, nur noch in den iranischen Mythen nachweisbar sind. Die Auffassung dieses »Zwillings«-Paars als » Tag und Nacht« hat M. MürLer zuerst eingehend begründet, Leetures on the Science of Language II, 509 (1864), s. auch Sitz.-Ber. 1894 p. 775-

Das Lied ist, ähnlich wie andere dergl. Lieder der Riks., eine dialogische Wechselrede zwischen Yami (1. 3.5 ete.) und Yama (2. 4. 6ete.) und hat entschieden dramatischen Schwung.

ı. Her zu mir möchte ich den Freund in Freundschaft wenden, die ich über die vielen Fluthen hingegangen bin. | Dem Vater setze einen Enkel ein der Weise, auf der (für die) Erde das Fernere bedenkend.

jaganvän, Mascul. für Fem. (jagmushi), am Ende des Hemistichs; purü cid arnavam für arnaväni (arnava ist aber sonst Mascul.), Singular statt Plural; Beides alter-

73*

826 Gesammtsitzung vom 18. Juli. Mittheilung vom 30. Mai.

thümlich; vedhäs fasse ich = vedäs, yvid, mit Wechsel von d zu dh, wie in sindhu (ysyand); ksham, die geduldige, Alles tragende Erde; die Zukunft derselben im Auge habend; ydhi sehen, geistig schauen, bedenken.

Dein Freund wünscht nicht diese Freundschaft, als ob die Gleich- artige wäre (wie) eine Verschiedenartige.| Die Söhne des grossen Asura, die Männer, die Träger des Himmels, blicken weit umher.||

als ob ...., wobei die Blutsverwandte behandelt wird, als ob sie eine Fremde wäre; Varuna’s Späher.

3. Die Unsterblichen wünschen gerade dies von dir, Nachkommenschaft des einzigen Sterblichen.| Es neige sich dein Sinn zu meinem Sinn. Als Gatte tritt ein in den Leib der Gattin.

tyajasam, von ytyaj (yYaj-+ ati); vivicyäh, Opt. Perf.; dies ist die stärkste Form der Bitte, die dadurch als bereits erfüllt, resp. der Vergangenheit angehörig, hingestellt wird; janyuh, alter Genetiv, wie im Skr. noch patyuh und sakhyuh.

4. was wir vordem nicht gethan haben, wie (sollten wir das) jetzt (tun)? sollten, da wir (doch sonst nur) Wahres reden, Unwahres schwatzen? Der Gandharva in den Gewässern und die Wasserfrau, das ist unserer Beider Nabel (unsere Verbindung), das unserer Beider höchste Verwandtschaft. ||

apsu ziehe ich zu gandharva; unter dem Wasser ist der Himmels-Ocean, unter dem gandharva die Morgensonne zu verstehen (s. tvashtar, savitar in v. 5; sonst Vivas- vant, der hier nicht genannt wird); die apyä yoshaä ist der feuchte Morgendunst, der hier mit der Sonne als schöpferisches Elternpaar für Yama und Yanı erscheint.

5. Im Mutterleibe schon hat uns der Erzeuger zu Ehegatten gemacht, Gott Tvashtar, Savitar, der Vielgestaltige. | Niemand verletzt seine Willens- meinungen. Es kennt uns Beide als ihm gehörig Himmel und Erde.

dampati »zwei Hausherren«, ein für die monogamische Form der Ehe in der betreffenden Zeit entscheidender Dual; na kih pra minanti, Singular des Pro- nomens, Plural des Verbums, alterthümlich.

v.6A. (R.II, 84,16) ist Glosse zu v.6 R.: »wer schirrt jetzt die Stiere an die Deichsel der Ordnung, die kräftigen, feurigen, wüthigen | im Maule Pfeile habenden, in die Herzen schiessenden (und doch) heilvollen. Wer sich auf ihre Pflege gut versteht, wohl dem (sa jivät, vivat!).

Jvege 9 2) J)

7 (6R). Wer weiss von jenem ersten (Schöpfungs)-Tage? wer hat ihn gesehen? wer kann (von ihm) hier melden? | Erhaben ist die Satzung des Mütra (und) des Varuna. Was sprichst du, Üppige! verlockend zu den Männern.||

Der »grosse Asura« ist natürlich Varuna, s. v.2; doch steht hier Mitra noch neben, ja vor, ihm; vieyä fasse ich als Instrum. fem. von vyafc, eig. auseinandergehend, (im

Sskr. noch viei die Woge) dann: irrig, fälschlich; nrin, Plural. majest.; denn es ist ja doch zur Zeit noch erst ein einziger Mann, (s. v. 3) vorhanden!; ähanas, wohl

eig. compactus (cf. ghana, jaghana), prall, üppig.

8 (7 R). Mich, die Zwillings- Schwester, hat die Liebe zum Zwillings- Bruder ergriffen, um mit ihm auf gemeinsamem Lager zu liegen | Wie eine Gattin dem Gatten möchte ich (ihm meinen) Leib hingeben. Wie zwei Wagen- räder möchten wir uns (aus, resp. mit, einander) zerren.||

vi vriheva, eig. auseinanderzerren; cakrä für cakrau; cakra ist sonst Neutrum.

en

un nn

Weser: Vedische Beiträge. 827

9 (8 R). Nicht halten inne, nicht schlagen (die Augen) nieder hier diese Späher der Götter, die hier (umher) wandeln | Mit einem Andern, als mir, o du Uppige! gehe eilig. Mit ihm zerre dich, wie zwei Wagenräder.

10 (9 R). Die Nächte uns, die Tage sollen uns dienen! Das Auge der Sonne möge wiederholentlich aufschlagen.| (Wir sind) ein durch Himmel und Erde verbundenes Paar. Yami möchte von Yama »Unziemliches« befahren.

asme R. richtig, asmai A. secundär, irrig. dagasyet, neutral: »es möge uns durch .. gedient werden«, dagas von ydag fest packen (beissen), festhalten (s. »Pratijnäsütra« p- 106".2 (1872), dagasyati jemandem sich fest anschliessen, ihm dienen'; die Ver- einigung soll eine ganze Weile continuirlich fortdauern; mithunä ist zwar Dual, doch meine ich ist das Wort hier singularisch zu fassen, ähnlich wie die Duale in den Com- positen dyävä-prithivyau ete. Yamis, alter Nomin.; Yami ist bereit, den Zorn der Späher auf sich zu nehmen. bibhriyät R. richtig, vivrihät A. ist eine schlechte, von v.8. 9 herstammende Lesart.

ıı (10 R). es können wohl künftig » Zeiten« kommen, wo Geschwister »Unziemliches« thun| (jetzt aber) schiebe einem (andern) Mann d(ein)en Arm unter. Suche dir einen Andern, o Holde, zum Gatten, als mich. |

upa barbrihi (cf. upabarhana), eine ganz irreguläre Imperativbildung, für bar- briddhi; subhage, dies klingt anders als das schroffe ähanas in v.7.9. Yama bleibt zwar fest, wird aber höflicher.

ı2 (tı R). Wozu ist ein Bruder, wenn (der Schwester) kein Schutz wird? wozu ist (eine) Schwester, wenn (sie) in's Unheil hineingerathen soll? Von Liebe verwirrt schwatze ich hier all das Viele. Mische doch deinen Leib mit dem meinen !||

kämamütä; zu Yymü s. Kunn ZVI], 317 318 (1857); sam piprigdhi, der Im- perativ Perf. (oder Opt. Perf.) ist, s. v. 3, die stärkste Form der Bitte; ähnlich die Anrede durch ein possessives Adjeetivum (äyushmant bhagavant).

13.14. (12 R.) Nicht möchte ich meinen Leib mit dem deinen mischen, Sünde nennen sie es, wenn man der Schwester beiwohnt| Mit einem Ändern,

als mir, bereite dir deine Lüste. Nicht wünscht dein Bruder dies, o du Holde.

in R. nur ein Vers (12), in A. kläglich in zwei Verse auseinandergezerrt; wes- halb? ist völlig unklar; schwerlich aus Lüsternheit; dazu doch nicht einladend genug. Es sind zwei Parallelverse über denselben Gegenstand, gleichsam zwei Schülerarbeiten über ein gegebenes Thema. Dafür könnte man noch anführen, dass sich dabei zwei grobe grammatische Fehler vorfinden, nämlich r) in: na te natham Yamy aträ’ham asmi ein aus dem richtigen Abstractum: anätham entnommenes, ganz unberechtigtes? Neu- trum: nätham!, und 2) die Tonlosigkeit von gayiya im Relativsatze.

ı5 (13 R). Ein Schwächling bist du, Schwächling! o Yama! Nicht haben wir in dir Sinn und Herz gefunden | Eine Andre fürwahr möge dich, wie der Gurt das Ross, wie die Schlingpflanze den Baum, umschlingen.|| bato batä’si. Dieses sonderbare Wort lese ich vielmehr mit v anlautend, und

fasse es als Partie. Fut. Pass. von yav, veiner, dem zu helfen ist«. Ehe dieser hiesige Nom. Sgl. vorlag, der da beweist, dass die Partikel »vata« als Vocativ zu fassen ist,

! Jat. decus, was Einem fest, z&h, anhaftet (unser »Ziers?). s. jedoch 'Ath. IV; 20, 7: IX,.2, 7:

828 Gesammtsitzung vom 18. Juli. Mittheilung vom 30. Mai.

lag es nahe, dieselbe als 2. p. Plur. Imp. yYav = avata »helft!« zu fassen, wie »hanta!« »schlagt, haut zu!«, ein alter Schlachtruf, schliesslich überhaupt ein Jubelruf geworden ist.

16 (14). Ein Andrer fürwahr, o Yami! ein Andrer möge dich um- schlingen, wie die Schlingpflanze den Baum| Dessen Sinn suche du (zu ge- winnen), er den deinen; da schaffe, dir eine holde Vereinigung. ||

zu dem Mascul. des Subjects in pada ı stimmt das Fem. im Vergleich (libuje ’va) nicht; es erklärt sich dasselbe aber dadurch, dass es aus der Rede der Yami herüber- genommen ist; tava einsilbig zu lesen, metri c., t'va, s. Sitzbr. 1894, p. 790.2.

v.17-26. Das im Rik sich unmittelbar anschliessende Lied X, ı1, 1-9 folgt hier erst nach Einfügung einer Parallelstrophe zu v.ı des- selben, die ihm, als Glosse zu dem darin stehenden Plural: payänsi voraufgeschickt ist. Die äpas, die vätäs und die oshadhayas » Wasser, Winde und Pflanzen« sind die drei chandas, welche die kavi als die eigentlichen payas, Säfte, die in dieser Welt walten, erkannt haben.

Der Grund nun, weshalb im Rik X, ıı auf X, ıo folgt, ist, wie bereits bemerkt, der Umstand, dass in v. 2 (Ath. 19) eine Parallelstelle zu 10,4 vorliegt. Zwar decken sich die beiderseitigen Angaben nicht voll- ständig, aber sie beziehen sich doch unbedingt auf die gleiche Vor- stellung. Im Übrigen hat das Lied X, ı1 gar keine Beziehung zu X, ro, ebensowenig wie zum Todtenritual, und steht eben nur darum hier, weil es in Riks. nach X, 10 steht. Es bezieht sich, wie mir scheint, ein- fach auf das frühmorgens darzubringende agnihotram, das noch vor Tagesanbruch, zu der Zeit wo sich die gandharvi, die eigentliche Frau des gandharva, d.i. der Morgensonne, also etwa das Tageslicht (?) mit den apyä yoshanä, dem wässerigen Morgennebel, herumzankt und streitet. Agni schütze den Opfernden bei dem Klange dieses Zankes (dem Rauschen der Morgenwinde?). Bei v. 3 geht die Morgenröthe erst auf, die Verse ı. 2 gehören in die Zeit unmittelbar vorher.

ı8 (11,1). Der Mann (Agni) melkt dem Manne (Opfernden) durch Melkung des Himmels die Säfte (paydnsi), der Rasche (junge Sohn) der Aditi (Ewigkeit), der Untrügliche. | Er weiss Alles, wie Varuna, durch seine Einsicht. Er, opferwürdig, opfert zu den opferwürdigen Zeiten. ||

19 (2). Es kreischt die gandharva- Frau und das Wasserweib. Bei dem Schall (dieses) Klanges schütze er (Agni) unsern Sinn. | In die Mitte des Erwünschten setze uns Aditi ein. Als unser ältester Bruder möge er (Agni) uns zuerst erklären (?belehren).

20 (3). Dort leuchtete jetzt auf diese holde, Nahrung-reiche, Ruhm- reiche Ushas, die den Menschen Lichtbringende, | als sie (die Opfernden) ihn, den (danach) verlangenden Agni, nach dem Wunsche der (danach) Ver- langenden (Götter) zum hotar für die Festfeier erzeugten (entzündeten).

21 (4). Da trug ihn, diesen mächtigen, leuchtenden Tropfen (Funken) der rasche Vogel ('yena heran zum Opfer. | Als die ärischen (befreundeten)

u Z

Weser: Vedische Beiträge. 829

Stämme im, den Gewaltigen, wählten, den Agni, zum hotar, da entstand die (fromme) Einsicht (Andacht).

vir ä 'bharad ishirah gyeno adhvare ..; im Anschluss an eine Angabe in meiner Bearbeitung der cgyenastuti (Sitzungsber. 1894 p. 776. 793) theilt mir Freund Jusrı (31. Juli 1894) über den Vogel Simurgh (gana maregha) aus dem Shäh-Nämeh mit, dass er daselbst »ein weisheitsvoller Vogel ist, der sogar, zum ersten Male in der Geschichte der Mediein (!), den Kaiserschnitt an seiner lebenden Mutter ausgeführt, wobei für deren geöffnete Seite dasselbe Wort (pahlu) gebraucht wird, wie in der Buddha- Legende (pärgva)«. Dies ist in der That ein merkwürdiges Zusammentreffen mit dem: garbhe nu san der Riks. und dem garbhe gayänah des Ait. Är. (l. c. p. 792. 793). Das Durchbrechen der Wolke, sei es durch den Blitz, sei es durch den Regen (soma), ist wohl das dieser Mythe zu Grunde liegende Moment. Auffällig bleibt aber immerhin, dass dasselbe in der indischen wie in der iranischen Mythe gleichmässig auf den Mutterschooss unmittelbar, und auf die Geburt daraus, bezogen wird. Jusrı leitet seine Notiz mit den Worten ein: »Auch die chaldäische Mythologie kennt einen ähnlichen Blitzvogel, einen Adler, der, wie Simurgh und cyena, ein Prometheus in Vogelgestalt ist. Da die Menschen zunächst durch das Blitzfeuer die Kenntniss des Feuers erhielten, und in ihm einen ungeheuren Culturfortschritt erkannten, so ist der Simurgh auch ein weisheitsvoller Vogel ....e An unserer Stelle hier ist es eben auch nicht der soma (Regen), sondern das Blitzfeuer, welches der cyena (Blitz) vom Himmel herab bringt. dhir ajayata »Einsicht,. Andacht«, oder geradezu: das (fromme) Lied, dhi = dhenä (väc, Nigh I,ır. Zd. daenä, litth. daino).

22 (5). Du, o Agni, bist (für den Opfernden) stets erfreulich (an- zuschauen), wie die Feldfrucht für (ihren) Pfleger, wenn du durch die Opfer- spende des Menschen das Opfer gut zu vollziehen im Stande bist, | oder wenn du, dem Sänger gütig gesinnt, Preis-würdig und Kraft spendend herbeikommst mit reichen (Gaben).

gagamäna Ycam, comis; ukthyam R., ukthyo A.; sasavän von ysä(san); das & ist hier noch als kurzes a vorhanden, während es später (cf. dadvas) ganz ausfällt, gerade so wie dies bei den Wurzeln auf o (!) vor dem ya der vierten Classe durchweg geschieht.

23 (6). Reize die beiden Eltern auf! (wie) der Buhle hin zum (Liebes)- Glück! Freudig begehrt er (Agni) zu opfern; von Herzen strebt er danach. Es prasselt der (Flammen)zug, lustig sucht er sein Werk gut zu verrichten. Kräftig zeigt sich der Lebendige (asurah), zittert vor Aufregung (? mati).

Der Vers schildert das Entzünden und Auflodern des Feuers; er zerfällt in lauter kleine Sätze, und hat dadurch, auch metrisch, grosse Lebendigkeit. Zunächst wird der Priester angerufen, die beiden arani zu handhaben, mit denen er das Feuer zu er- zeugen hat; es wird dies mit dem Act des eoitus verglichen ; bhaga könnte hier sogar auch: eunnus bedeuten. Besser wären v. 5.6 umgestellt, da v. 6 die Freude über den An- blick des bereits entzündeten Feuers schildert und somit besser an v. 4 direct anschliesst. Der nach v.4 vom Himmel herabgeholte drapsa, feurige Funke, hat seinen Aufenthalt in den beiden arani gefunden, aus denen er erst wieder durch Reiben erzeugt werden muss. Nach Säyana bezieht sich der letzte päda auf den adhvaryu, nicht auf den agni.

24 (7). Welcher Sterbliche dein Wohlwollen erlangt, o Agni, du Sohn der Kraft, der wird sehr berühmt. | Saft (Kraft) in sich haltend, mit Rossen dahin fahrend, glänzend, gewaltig tritt er auf (alle) Tage.

akshat R., akhıyat A. auf Verhören (resp. falscher Auffassung bei mündlichem Unterricht) beruhend, s. hierzu Väj. Prät. IV, 164 (Ind. Stud. IV, 273, »Königsweihe« p- 50 n. 2),

830 Gesammtsitzung vom 18. Juli. Mittheilung vom 30. Mai.

25 (9). Höre uns, o Agni, auf (deinem) Sitze, dem Versammlungs- platze (der Götter? Opferer?). Schirre den dahin eilenden Wagen des Unsterblichen (der unsterblichen Ordnung) an!| Führe zu uns herbei die beiden Ufer (Welten), die Götterkinder. Möge Keiner der Götter hier fehlen.

Der Grund der Umstellung von Rik v. 8 und 9 ist nicht recht ersichtlich; rodasi, Himmel und Erde, dass auch sie zum Opfer kommen sollen, ist immerhin etwas viel verlangt; gemeint ist denn wohl nur je ihre adhishthätri devatä; rodasi für: rodhasi, von Yrudh, mit d statt dh, ähnlich wie in nedishtha für nadarishtha, (zd. nazdista) umgekehrt wie in sindhu (ysyand), vedhas (Yvid, s. v. 1); devaputre könnte auch (und dem Accent nach ist dies sogar besser) als bahuyrihi gefasst werden, »die beiden Eltern der Götter» (deväh puträ yayoh Säy.); apabhüh ist mit Sayana als Com- positum zu fassen; syäh für syät, wie so oft beim Precativ, wo aber berechtigt, da das £ der dritten Person am Ende von Rechtswegen auszufallen, das s (von yäs) davor zu bleiben hat; hier dagegen wohl nur irrige Analogie -Bildung.

26 (8). Wenn, o Agni, diese Zusammenkunft stattfinden soll, die gött- liche, bei den Göttern, die opferwürdige (Verehrungswürdige), o du Opfer- bereiter ! | und wenn du, o du Selbstherrlicher ! erfreuliche Gaben austheilen willst, so geniesse dabei (auch du) unsererseits reichen Antheil.

vität, nach Säyana: so gieb uns dabei ...

v.27-36. Wenn schon X, ı1ı zu dem Todtenritual gar keine Beziehung hat, so gilt dies denn ebenso auch von dem im Rik (X, 12) und hier folgenden sükta, das resp. seine Stellung im Rik, eben auch nur, wie X, ıı, der darin (in v. 6, hier 34), vorliegenden Beziehung zu X, ıo, (v. 2) verdankt. Und #ier, im A., steht es denn auch nur, wie X,ı1, weil es im Rik an X, ıo angeschlossen ist. Vorher sind hier aber noch zwei Verse eingeschoben, von denen der zweite eine Parallelstelle zu pratyar in X,12,1, der erste dagegen nur eine kümmer- liche Variation dieses Parallelverses selbst ist (anu statt prati, sonst, bis auf einige Worte im zweiten Hemistich, identisch). Der erste päda von v. 23 findet sich Rik IV, ı3, ı, der Rest des Verses nur hier!. Was nun das Lied X, ı2 (29-36) anbelangt, so ist es wohl auch ein Morgenlied, zum prätaragnihotram gehörig, scheint aber noch eine besondere Pointe zu haben, nämlich eine Art Schwur (v. 3) zu sein. Himmel und Erde werden zu Zeugen angerufen. Betheuerung der Unschuld. Anrufung der Götter um Hülfe gegen Varuna’s Zorn (v. 5). Der anscheinend gemachte Vorwurf der Geschwisterehe (v. 4) wird unter Bezug auf X, 10,2 mit Energie zurückgewiesen (v.6). Sonne und Mond sollen Zeugniss ablegen (v. 7), Mitra, Aditi und Savitar vor Varuna die Unschuld bezeugen (v. 8).

1 28. „wieder erschaute Agni die Spitze der Morgenröthen, wieder die Tage, als Erster, der Wesenkenner (jätavedas, oder : der angeborene Weisheit Habende)| und wieder (von Neuem) reichlich die Strahlen der Sonne; wieder aus spannte er Himmel und Erde.« Der Vers könnte eventualiter auch als ein Nachspiel zu dem prätaragnihotra - Liede

X, ıı anzusehen sein; doch scheint mir die Beziehung zu »pratyan« in v. 29 vorzu- ziehen, zumal ja doch auch X, ı2 selbst zu einer Morgenfeier zu gehören scheint.

- wu nn u

—_— u ———

Weser: Vedische Beiträge. 831

29 (12,1). Himmel und Erde sind der Ordnung nach die beiden ersten Erhörer, die Wahrhaftiges Redenden, | wenn der Gott (Agni), der die Sterblichen zum Opferwerk veranlasst, dasitzt als hotar, wiederum in sein eigenes Leben eingehend.

pratyan svam asum yan, wieder frisch auflodernd? ätmiyam jvälälakshanam

pränam präpnuvan, Säyana; an jedem neuen Morgen werden beim Entzünden des Feuers Himmel und Erde wieder wach.

30 (2). (Selbst) Gott, die Götter durch die (heilige) Ordnung umhegend, führe du unsere Opferspende als der Erste Kundige, | Rauch-befahnt, durch die Entzündung in Licht strahlend, ein lustiger Rufer, stetig, durch (die) Stimme (durch das Lied der Opferer?) trefflich zum Opfer geeignet.

metri c. etwa Aha nach devo einzufügen?, oder devo dreisilbig? rijika yarj, äpy, umgestellt raj (rajata), raüj, räj.

31(4). Ich preise Euch Beide, die Segen-Träufelnden, dass Ihr mein Werk wachsen macht. Himmel und Erde! ihr beiden Ufer! hört mich! | So lange die hellen Tage ihr Lebenswerk verrichten, mögen die beiden Eltern (Himmel und Erde) uns hierbei mit Meth schärfen (kräftigen).

ahä (für ahäni) yad dyävo asunitim äyan R., besser als die verballhornte Ath.- Lesart: ahä yad devä asunitim äyan; ahä ist eine Art Apposition zu dyavah; asunitim äyan, wörtlich: die (Weiter)-Führung ihrer Lebenskraft begehen; das Ganze im Sinne von: Tag für Tag. Weshalb v. 3.4 der Riks. in Ath. umgestellt sind, er- hellt nieht. Die Reihenfolge im Rik erscheint resp. als die bessere. Alle Morgen neue Schöpfung (v. 3) und neue Befestigung von Himmel und Erde, sobald Agni auf- flammt. Daher in v. 4 Preis an Beide, und Bitte um ihren Schutz (und ihr Zeugniss?).

32 (3). Wenn das Unsterbliche (die ewige Kraft) des göttlichen Stieres von selbst wirkend ist, (dann) halten die daraus Entstandenen (die Götter) die beiden Breiten (Himmel und Erde) fest. | Alle Götter wandeln hinter diesem deinem Opferwerk drein, wenn die Bunte (Kuh) das himmlische, ghrita (-gleiche) Wasser melkt.

Der göttliche Stier ist wohl Vivasvant (s. v. 35), die Morgensonne, resp. die Sonne überhaupt; eni »die Bunte« ist etwa der scheckige Nebeldunst des Morgens? oder geradezu die bunte (versicolor) mannigfaltige Naturkraft, die unter dem Bilde einer Kuh (ef. Audhumbla, kämadhenu), Ziege (cf. Amalthea) oder Schafmutter gedacht wird, ef. den cabalihoma Ind. Stud. V, 438 fg. (XVII, 142); unter dem divyam vär ist wohl der befruchtende Morgenthau zu verstehen. Jeden Morgen neue Schöpfung.

33 (5). Warum wohl hat uns der König (Varuna) ergriffen? Welches Gebot von ihm haben wir überschritten? wer weiss es?| Denn ein bedrängter Freund macht die Götter eilen, wie der Klang (Fort-) Gehender.

ich fasse apiväja als Compositum, im Sinne von: beflügelnd, zur Hülfe herbei- zukommen anspornend; »Wie »der Klang Fortgehender«, der Schall ihrer sich ent- fernenden Schritte, die Freunde eines »Bedrängten« herbeilockt, um noch rechtzeitig ihm zur Hülfe zu kommen.

34 (6). Schwerverständlich ist der Name (das Wesen) des Unsterb- lichen (der unsterblichen Ordnung) darin, dass »die Gleichartige sein sollte

832 Gesammtsitzung vom 18. Juli. Mittheilung vom 30. Mai.

(wie) eine Verschieden-gestaltete« | Wer (hierbei die Meinung) des Yama für gutverständlich hält, den, o Agni! schütze du unablässig, du Erhabener !||

Das erste Hemistich ist eine starke Polemik gegen den, in v. 2. von Yama mit denselben Worten bekämpften, Wunsch der Yami; das zweite Hemistich enthält die directe Zustimmung zu Yama’s Verwerfung

dieses Wunsches.

Die Erklärung dieses Verses fehlt nach M. Mürter, Rigveda V, xrvır. 430 (1872) in allen Mss. von Säyana’s Commentar zum Rik; in einem seiner Mss. (B4) befindet sich resp. eine darauf bezügliche Randnote: atra patito granthah. Auch die von M. Mürrer für seine zweite Ausgabe der Riks. (London 1890-92) benutzten Mess. haben keine Erklärung für diesen Vers. Wohl aber hat die Bombayer Ausgabe (R., s. daselbst vol. IV p.3) und zwar, wie mir M. M. auf meine Bitte um Auskunft freundlichst mittheilt: »ich glaube, wie gewöhnlich, aus eigenem Kopf«, eine Erklärung desselben, die freilich wenig besagt. Ein Grund für diese dem Anschein nach ab- sichtliche Auslassung ist nicht ersichtlich. Gegen die Authentieität des Verses selbst, der sowohl im R. wie in A im padapätha steht, kann dieser Umstand begreiflicher Weise nichts besagen. Ist dieser Vers es ja doch gerade, dem das Lied Riks. X, 12, seine Stellung an diesem Platze, hinter X, ro verdankt, 's. oben p.830. Das Schweigen Säyana’s ist indessen jedenfalls sehr auffällig (ef. OLpenzere, die Hymnen des Rigveda,

534, 1888).

35 (7). bei welchem Feste die Götter sich berauschen, im Hause des Vivasvant sich aufhalten, | da setzten sie in die Sonne (sürye) das Licht, in den Mond die Nächte (aktün), und es umwandeln Beide ihre leuchtende (Bahn) die beiden Unvergänglichen.

dieser Vers ist eventuell nur eine Parallelstelle (Glosse) zum folgenden.

36 (8). bei welchem Rathschluss die Götter zusammentreffen, dem verborgenen, wir wissen nichts davon | Hierbei möge uns Mitra, Aditi und Gott Savitar als Schuldlose dem Varuna melden.

v.37-39. Auch diese drei Verse haben weder eine innere Be- ziehung zum Todtenritual, noch werden sie bei Kaucika für das- selbe verwendet; die beiden ersten sind aus einem Liede an Indra:

37. 38 (Rik VII, 24, 1. 2). Freunde! lasst uns dem Indra vajrin ein Lied singen! | ich will dem Männlichsten, Kühmen Lob bringen || 37 |] denn mit Kraft bist du versehen, Feindetödter durch Feindetödtung | Du, o Held! giebst noch reichlicher als die an Schätzen Reichen || 38].

äcishämahi (R.) ist ein Conj. Aor., °mahe (A.) ist eine secundäre Lesart; auch

stushe ist Con. Aor. Die Verwendung von Vritra als n. pr ist erst secundär. Der Avesta kennt den Dämon Vritra noch nicht; anders anscheinend OLpengerg, Religion des Veda p. 29 (1894). grito A., gruto R. däcasi; ich nehme zwei Wurzeln däg

an, die eine ist eine Weiterbildung der ydä (cf. lat. facere aus ydhä), die andere ist eine Nebenform zu ydag, festhalten, s. oben bei v. 10, resp. v. 41.

Der dritte Vers ist an Agni gerichtet, weicht resp. von dem entsprechenden Rik-Verse (X, 31, 9) im Wortlaut sehr wesentlich ab. 39. Wie eine Pflugschar (2) überschreitest du (o Agni!) den breiten Erdboden. Mit Macht(?) mögen für uns (deine Funken-) Stürme hier über

nn nn

WEBER: Vedische Beiträge. 833

die Erde wehen! | Wie Mütra und Varuna vereinigt, hat uns Agni Gluth gleichsam in das Holz ausströmen lassen.

atyeshi A., atyeti R.; für stega scheint mir hier »Pflugschar« besser zu passen, als: »Pfeil«; prithvim R., prithivim A.; miham na väto vi ha väti bhüma R., mahi no vätä iha väntu bhümau A. hier hat R. offenbar das Richtige; der A.- Redactor hat miham na nicht mehr verstanden und durch mahi no ersetzt. Auch bei: mitro yatra varıuno ajyamano R., mitro no atra varuno yujyamano A. ist ajyamano durch yujyamano glossirt. Agni, wenn er richtig mit Ghee gesalbt wird, kommt an Majestät Mitra und Varuna gleich.

v. 40-61. Nun erst beginnen die Sprüche, für welche das Kauci- kasütram eine Verwendung hat, und zwar wird v. 40 (Rik II, 33, ı11) nach Kauc. 85, 19 bei dem Graben einer Grube verwendet (madhye gartam khätvä), wobei offenbar das Vorkommen des Wortes garta in v. 40 maassgebend ist. Die Grube ist mit päci(?)', Sand, Salzerde, Fei- gen, Muscheln, Lotuswurzeln (cälüka), »allerlei Duftstoff« (sarvasurabhi) und eami-Mehl aus zustatten. Es ist dies ein für den Beginn eines Todtenrituals in der That in hohem Grade passender Anfang. Und auch der sonstige Inhalt des Verses passt dazu, man braucht nur den Tod an die Stelle Rudra’s zu setzen. Bei Kaucika ist der garta zur Aufnahme der nach der Verbrennung gesammelten Knochen des Todten bestimmt. An und für sich könnte er jedoch auch ebenso gut für ein wirkliches Begräbniss, ohne vorhergehende Verbrennung, bestimmt sein.

40. preise den berühmten in der Höhle (garta) sitzenden König der Leute, den furchtbaren, dreinschlagenden, gewaltigen| Und du o Rudra! gepriesen werdend, sei gnädig dann dem Sänger, einen Anderen als uns mögen deine Heerschaaren niederwerfen.

yuvänän mrigam na R, janänäm räjänam A; dies ist eine berechtigte, der hiesigen Verwendung angepasste Variation, welche bestimmt ist, den Todesgott (Yama) hier an die Stelle Rudra’s zu setzen (den Namen Rudra selbst durch: Yama zn er- setzen, hat der Ath. Redactor doch nicht gewagt). Dagegen ist sainyam A., für senäh R., eine gänzlich unberechtigte Verballhornung, da beim Verbum der Plural (niva- pantu) beibehalten ist.

41-43 (Rik X, 17, 7-9) Auch diese drei an Sarasvati, die Genie der priesterlichen Weisheit gerichteten Verse stehen hier am Eingang des Todtenrituals durchaus an richtiger Stelle. Sie kehren resp., ebenfalls durchaus passend, auch am Schlusse desselben, als 4, 45-47, und zwar dort wie hier mit den gleichen Umstellungen (Rik v.S und 9 haben hier ihre ersten Hemistiche getauscht), und einigen leichten Varianten dem Rik gegenüber, wieder. Nach Kauc. 80, 38. 39 gehören die drei Verse nebst drei anderen zu einer Gruppe von

! päci wohl: Gestein, = päshi, päshäna; im Pet. W. irrig päshya (E. Leumann (bei der Correctur).

834 Gesammtsitzung vom 18. Juli. Mittheilung vom 30. Mai.

särasvatäh (homäh), die am Anfang der Leichenfeier, nach einigen an Yama gerichteten Spenden ihre Stelle haben.

41 (17,7). Die Sarasvati rufen die Gott ergebenen, die Sarasvati, wenn das Opfer zugerichtet wird; | die Sarasvati rufen die Frommen, Sarasvati möge ihrem Verehrer (alles) Wünschenswerthe geben. ||

sukrito ahvayanta R, sukrito havante A; däcgushe ist meiner Meinung nach von der zweiten ydäg s. oben bei v. 38 herzuleiten: »festhalten an Jemand«, colere aliquem.

42 (17, 9°. 8”). Die Sarasvati rufen die Väter, von der rechten Seite her dem Opfer nahend.| Auf diese Opferstreu sich setzend berauschet euch. Gieb uns krankheitslose Säfte.

mädayasva R, mädayadhvam A, aber dhehy auch in A festgehalten (!).

43 (17, 8°. 9°). o Sarasvati! die du auf gleichem Wagen mit den Liedern dahinziehst, an den Freiheiten, o Göttin, mit den Vätern, dich ergötzend, | tausendfältigen Antheil am Gebet hier, und Gedeihen des Reich- thums gieb dem Opfernden.

yayätho ’kthaih A, yayätha (ohne ukthaih) R; sahasrärgham, Tausende werthen, ido A, ilo R.

Nach diesen einleitenden Sprüchen kommen wir nun zur Sache, und zwar zunächst zu Sprüchen (v. 44-47), welche sich speciell auf die soeben (in 43*) bereits erwähnten »Väter« beziehen. Davon werden resp. v.44-46 nach Kauc. 87, 29 ganz am Schluss, bei lustrirendem Niederguss von Wasserverwendet; 44 dient resp., nach ibid. 87, 14, auch zum Graben einer Furche (karshüs Grube); nach 80, 43 dagegen wird v. 44, was besser zu der hiesigen Stelle, am Anfang des Todten-Rituals, passt, bei der Schichtung der Holzscheite (edhae einvanti) für den pyrus gebraucht, wie denn auch v. 46, nach ibid. 51, dem gleichen Zwecke dient. Alle drei Verse stehen auch im Rik (X, 15, ı-3) zusammen; doch sind hier v. 2 und 3 umgestellt.

44 (15,1). Auf mögen sich heben die Unteren, auf die Oberen, auf die Mittleren, die soma-würdigen Väter. | Die zum (neuen) Leben (ein)ginge, unbehelligt von den Wölfen, die heilige Ordnung kennend, die Väter mögen uns behüten bei unsern Anrufungen.

avrikäh nach Säyana, dem sich auch Pet. W. und Grassmann anschliessen, als karmadhäraya zu fassen: »nicht schädigend, huldvoll«. Ich möchte dabei lieber an die sälävrikeya denken, denen Indra die yati übergiebt (Ind. Stud. III, 465), und an die andern Gefahren, (z. B. durch die beiden Särameya), welche die zum Himmel Ziehen- den bedrohen.

45 (15, 3). Ich habe die wohlweisen Väter erschaut und den Napät und den Schritt des Vishmu.| Die auf dem barhis sitzenden Väter, die in Freiheit (nach Lust) an dem ausgepressten Tranke ihren Theil haben, die mögen alle herankommen.

napätam, nur hier so, ohne genetiven Beisatz; gemeint ist wohl der Apäm-

napät (cf. etwa den Nept-unus?), ägamishthäh, diesen Superlativ habe ich durch: »alle« ausgedrückt.

nr ET En er a at un

nn en

Pe BEE Er

Weser: Vedische Beiträge. 835

46 (15, 2). Hier sei jetzt Verneigung (namas) den Vätern, die früher, die später dahingingen, | die im irdischen Raum ihren Sitz haben, oder die fürwahr (schon) unter den frommen Leuten (sich befinden). ||

ye aparäsaA. ist zwar klarer, als: ya uparäsa R., gerade darum aber secun- där; upara hat hier die Bedeutung: unterhalb befindlich ; dikshu A. ist natürlich eine (und zwar geradezu unbegreifliche) Verballhornung für: vikshu R.

Die pitar werden hier in avara, para, madhyama, (resp. pürva und apara, upara) getheilt; es ist diese Dreitheilung wohl zugleich zeitlich und örtlich zu verstehen, also: alte, mittlere und neue, sowie: im Himmel, in der Luft, auf der Erde hausend. Die, welche bereits den Himmel, das vikramanam vishnoh, erreicht haben, sind die oberen para (pürva), die, welche noch in der Luft (beim napät?) hausen, sind die mittleren, und die, welche gar noch auf der Erde pärthive rajasi selbst weilen (die barhishad), sind die Unteren (apara, upara).

Ausser diesen Namen, resp. Gruppen, giebt es denn aber noch zahlreiche andere Namen und Eintheilungen für die Väter (s. im Verlauf).

Es ist immerhin bemerkenswerth, dass die Mütter, die doch bei den Römern (matrae, matres) Kelten etc. so speciell verehrt wurden, in Indien erst in den späteren Texten sich vorfinden (mätriyäga Cänkh. g. 4, 10.; mätripüjä, mätricräddha noch später). Sollte dies etwa damit zusammenhängen, dass im Veda der Name: Mutter speciell für die himmlischen Gewässer gebraucht wird? Bei Kaucika und im Ath. Ritual überhaupt spielen im Übrigen Spruchgruppen, die den Na- men mätri nämäni führen, eine gewisse, obschon noch unaufgeklärte Rolle, s. hierzu meine Abh. über Omina und Portenta (1859) p. 349-353:

Der nächste Vers (47) ist aus Rik X, 14,3 und enthält eine nur hier sich findende Eintheilung der Väter. Kaucika hat keine Ver- wendung für ihn.

47 Maätali mit den Kavya, Yama mit den Angiras, Brihaspati mit

den Rikvan in Wachsthum gedeihend, | welchen die Götter Wachsthum brachten, und welche den Göttern, die Väter mögen uns bei den Opfern helfen. ||

Der letze päda ist hier aus v. 44 herbeigeholt, R. hat dafür die ältere Lesart: die Einen (die Götter) freuen sich an svahä (an dem Heilrufe der Menschen), die Ändern (die pitar) an svadhä (an der freien Selbstbestimmung); Säyana erklärt hierbei natürlich svadhä in der secundären Weise, welche, wohl durch volksetymologische Anlehnung an ysvad, das Wort als: pitrinäm annam auffasst; in Wahrheit hat die svadhä der pitaras damit nichts zu thun, sondern bezieht sich, gegenüber der menschlichen Gebundenheit an die Erde, auf die Freiheit, in der Dreiwelt nach Belieben umherzuschweifen.

Auch hier liegt wohl eine Eintheilung nach den drei Welten vor. Die Rikvan, Sänger, unter Brihaspati repraesentiren wohl die jüngste, noch zur Erde gehörige Gruppe der Väter. Die Angiras,

836 Gesammtsitzung vom 18. Juli. Mittheilung vom 30. Mai.

d.i. die raschen Boten‘, gehören sonst mit den Winden etc. vielfach zu Indra, der speciell angirasvant heisst, also in die Luft-Welt. Ehenso freilich auch zu Agni (also zur Erde) dessen Flammen eben- falls Botendienste der Menschen zu den Göttern verrichten, und. der selbst angiras, ja angirastama, heisst. Ihr Ort hängt ab von dem Gotte, zu dem sie in Bezug gesetzt werden. Hier also von Yama, dessen Reich, wo die Väter wohnen, im dritten, obersten, Himmel (2, 48) ist”. Danach bleibt für die Kavya unter Mätali die Luftwelt übrig. Das Wort kavya zunächst erscheint nur noch zweimal in der Riks., und zwar X, 15,9 neben satya als allgemeines Beiwort der pitar, und X,91,2 als Beiwort der Menschen über- haupt, gegenüber dem himmlischen Volke (divya jana); aber eine be- sondere Gruppe von » Vätern« wird nur hier damit bezeichnet. Dage- gen findet sich das in der Riks. viermal als patronymischer Beiname des Ucanas (°nä!) und einmal als Beiwort zu kavi selbst vorkommende Wort: kävya in den brähmana und crautasütra als drittes Glied einer anderen da selbst vorliegenden Väter-Trias, und zwar als Gottheit der »näräcansa« genannten Becher des dritten savana, also in durchaus solenner Verwendung, vor. Beide Wörter, kavya’ wie kdvya führen, wie kavi selbst, zu dem sie gehören, in die ärische Periode zurück’, gehören resp. zu den in Iran wie in Indien festgehaltenen ursprüng- lich eben gemeinsamen Vorstellugen derselben. Ihr Führer Mätali dagegen ist eine ausschliesslich indische Gestalt. Wer aber ist dieser? Zunächst ist schon die Namensform nieht ganz klar; der Nominativ erscheint nämlich stetig in der Form Mätali, was, da es sich doch

! s. »Episches im vedischen Ritual« Sitzungsber. 1891 p. 812 (46) "=. Zu An- gares s. Max Duncker, Geschichte des Alterthums 4, 268.

2 die Angiras hätten hier denn speciell als »Boten« des Himmels zur Erde hin zu gelten.

3 in den Rik-Texten (Ait. br. VII, 34, Cänkh. er. VII, 5,24) heissen die beiden ersten Gruppen, welche den Gottheiten der närägansa beim Frühopfer und beim Mittag- opfer gegenüber stehen: üma (etwa: günstig) und ürva (etwa: deckend?); im Säna- veda dagegen (Pancav. I, 5,14. Läty. I, 5, 9) heisst die erste Gruppe: avama, die zweite ürva bei L., aurva bei Pv. (avama resp. aurva sind wohl secundäre Lesarten). Der betreffende Spruch lautet: tasya ümaih pitribhir bhakshitasyo "pahütasyo 'pahüto bhakshayämi ’ti bhakshamantrah prätahsavane, ürvair iti mädhyandine, kävyair iti tritiyasavane (Cänkh.). Zu den närägansa-Bechern s. Ind. Stud. IX, 224. X, 378; das Yajus-Ritual hat andere Lesarten für den Spruch, erwähnt die drei pitri-Gruppen nicht (s. Ts. III, 2, 5, 2. 3).

* das Wort kavya behält seine specielle Beziehung zu den Manen in den bräh- ana ete. Texten anscheinend dadurch bei, dass das Feuer, in welchem für die Väter geopfert wird, kavyavähana, resp. kavyaväh heisst, während das Feuer, welches den Göttern Gaben bringt, havya vähana heisst. Es liegt jedoch nahe, dieses kavya als eine secundäre Umwandlung aus kravya aufzufassen, cf. Rik X, 16, 11. kravyädam agnim ibid. v. 9.

5 s. »Episches im Vedischen Ritual« Sitzungsber. 1891 p. 813.

En

ee

Weser: Vedische Beiträge. 837

um ein Masculinum handelt, auf ein Thema: Mätalin hinführt. Da indessen die spätere Namensform: Mätali lautet, die Bildung auf lin zudem schwer erklärbar wäre', da ferner sich bei Eigennamen auch sonst noch im Veda einige irreguläre Nominative Mase. auf i vorfinden (s. Lasman Noun Infleetion in the Veda p. 367; 1880), so ist denn wohl Mätali auch für den Veda als Thema anzusetzen, wobei freilich der Nom. °1/ eben eine Irregularität bleibt. Der Name findet sich nur noch zweimal, und zwar in der Ath. s. vor; zunächst XI, 6, 23, wo die Angabe, dass: Mätal? rathakritam amritam veda bhe- shajam gut zu der späteren Stellung des Mätali als Wagenlenker Indra’s passt; sodann VII, 9, 5, wo von seiner Entstehung aus der mdyd die Rede ist. Meiner Meinung nach ist mätali eine Bildung wie Sobhari (ebenfalls Nom. Sobhari), aus Ymat”, math »fortreissen«, und identisch mit dem ersten Gliede von: Mätari-cvan resp., wie auch dieses Wort selbst* (»Hund des M.«), ein Name des Windes. Der Wind ist eben der Yvyoroumos, Führer der in die Luft ausgehauchten Seelen der Kavya-Väter, die mit ihm im Luftraum ihre Stelle haben (Mätali als Wagenlenker des Indra ist eben auch nur der Wind).

Der nächste Vers (48. Riks. VI, 47,ı) ist aus dem soma-Ritual bekannt, und hat hier wohl darum seine Stelle, weil den Vätern ver- muthlich hier eine soma-Spende (s. v. 45°) dargebracht wird: Kaucika hat für 48 ebensowenig Verwendung, wie für 47.

48. Süss fürwahr (ist) er, und Meth-reich (ist) er, scharf fürwahr und saftreich ist er. | Und den Indra, wenn er von ihm getrunken hat, besteht nicht irgend Einer in den Kämpfen. ||

tivra, von ytar, umgestellt aus tirva »durchdringend«, cf. jivri für jirvi.

49. 50. Es folgen zwei von Yama, in seiner in v.47 erwähnten Eigenschaft als Führer der (»Angiras« genannten) Väter, handelnde Verse (Rik X, 14,1. 2). Sie gehören zu Opferspenden, die für Yama bestimmt sind: ädipte sruvena yAmän homän juhoti Kauc. 87, 34. 35. Alle diese Spenden, an die Sarasvati, an die pitaras, an Yama sind als Einleitung zur Todtenbestattung durchaus am Platze.

49. ihm, den nach grossen Fernen dahingegangenen, für Viele den Pfad erschaut habenden | Sohn des Vivasvant, den Versammler der Leute, den König Yama ehret mit Opferspenden.

pareyuvänsam T. mit Ersetzung des Bindevocals © durch das dem Taitt. Yajus bei der Auseinanderziehung von v in vv übliche «u; mahir iti A, mahir anu R. sanga- ar oc

! dieselbe wird auch schon durch den Accent, mä’tali, nicht mätalin, verboten (s. Pet.W.).

?2 dieses mätak, vor r, könnte auch für Mätalr stehen. ® cf. natya, durmatikrita. * die Bedeutung: agni für mätaricvan bezieht sich wohl auf die Flammen/ohe

des Feuers.

838 Gesammtsitzung vom 18. Juli. Mittheilung vom 30. Mai.

manam janänäm; dies erinnert direet an Vendidad. 2, hanjamanem frabarata yo yimö ksha&tö; saparyata A., duvasya R. Letzteres metri c. besser, aber saparyata passt besser zu der hiesigen Gelegenheit.

50. Yama hat für uns als Erster den Gang erschaut. Diese Flur ist uns nicht (wieder) wegzunehmen; | Wo unsere früheren Väter hin- gegangen sind, durch ihn erkannt habend ihre eigenen Pfade. ||

gavyüti ist auch ein Wort aus der ärinha Periode; pareyur R., besser als

paretäh A.; bei welcher Lesart auch übersetzt werden könnte: wo sich unsere früheren dahingegangenen Väter (befinden). oO £

51. 52. Es folgen wiederum zwei Verse, die auf die Väter be- züglich sind, aus Rik X, 15,4.6. Nach Kauc. 87, 27 wird v.51 bei einer Besprengung des barhis mit Wasser beim pindapitriyajna ver- wendet (zugleich mit 3, 45. 44. 46. 4, 68), während v. 52 nach K. 83,28 bei einer, früheren, an die Väter zu richtenden Bitte, sich zu setzen, gebraucht wird (und zwar geschieht dies am Abend, vor Sonnenuntergang).

51. Auf dem barhis sitzende Väter! Heran mit (eurer) Hülfe! Hier diese Opfergaben haben wir Euch bereitet. Lasst sie Euch behagen! | Heran kommt mit Eurer heilbringendsten Hülfe. Herbringt uns Heil, Ordnung und Freiheit von Jammer.

cam yor arapo dadhäta, yos für yavas (zend. yaojdä), von yyu verbinden, Ordnung, lat. jus; arapas von yrap, lap klagen, jammern, eig. nur laut schreien, daher im Zd. von freudigem Rufen gebraucht, rafnas Freude.

52. Das Knie einbiegend, zur Rechten sich niedersetzend, mögen sie Alle hier diese unsere Gaben freudig begrüssen. | Suchet uns nicht, o Väter, um irgend Etwas willen zu schädigen, was wir etwa nach Menschenart früher gegen Euch gefehlt haben mögen.

Das Einknicken der Kniee, und die rechte Seite (des Opferplatzes) sind für alle Manen-Ceremonieen obligatorisch; imam yajnam abhi grinita (zweite Person, wie päda 3) R., idam havir abhi grinantu A.; kena eit; der Instrumentalis ist auch der Casus des Grundes.

53. Der Text kommt nun wieder auf Yama zurück, und zwar auf seine Eltern. Im Rik steht der Vers (X, 17, 1) zusammen mit einem zweiten, auf denselben Gegenstand bezüglichen Vers. Hier hat er den Zweck, den Yama zu captiviren. Wenn man die Eltern Jemandes, eines Gottes, Dämons ete., kennt, hat man denselben in seiner Gewalt, weil man sich über ihn dort beschweren, resp. schadlos halten kann.

53. Tvashtar richtet der Tochter den Hochzeitszug aus. Deshalb strömt hier die ganze Welt zusammen. | Die Mutter des Yama, herumgefahren wer- dend, die Gattin des grossen Vivasvant verschwand. |

krinoti tene ’dam A., krinoti 'ti dam R.

Zur richtigen Erklärung dieses Verses s. Ind. Stud. 17, 312. Es handelt sich hier nur um eine andere Form der Legende von dem Incest

Weser: Vedische Beiträge. 839

des Prajäpati mit seiner Tochter. Tvashtar, resp. Savitar (s. v. 5), Vivasvant will seine eigene Tochter (Saranyü) heirathen. Die ganze Welt (ein hübsches hysteron proteron! um deren erst noch bevor- stehende Entstehung handelt es sich ja!) kommt entsetzt zusammen. Die Götter substituiren der Tochter eine savarnä (s. v.2, resp. hier 2, 33), und entführen die Saranyü. Sie war aber schon Mutter von zwei Gepaarten, als dies geschah, nämlich Mutter von Yama und Yami und schwanger mit den beiden Acvin. Weshalb der zweite Vers, der zur Vervollständigung der Legende gehört, nicht schon hier, sondern erst in 2, 33 vorgeführt wird, erhellt nicht.

54. Nunmehr sind die Einleitungs-Gebete (an Sarasvati, die Pi- taras, Yama) zunächst beendet, und es folgt eine an den Todten selbst gerichtete Aufforderung, sich auf die Reise zu machen. Von der Art der Bestattung wird dabei nichts angedeutet. Bei Kaucika hat der Vers keine Verwendung.

54 (X, 14, 7). geh vor, geh vor! auf den uralten Pfaden, auf denen hingingen die früheren Väter ;| die beiden Könige, in Freiheit waltend, Yama und Gott Varuna sollst du schauen. ||

pürvyebhih R., püryänaih A. (ef. 4, 63), dem padap. nach, s. Warrwey Index, für: püh-yänaih, wohl aber eher als püryamänaih zu fassen; jedenfalls secundäre Lesart; ich habe nach R. übersetzt; yatra nah R., yenä te A. (secundär). Be nun R., paretäh A., (wie bei v. 50.) räjanä R., nau A.; ebenso madanta R., °tau A. Wenn hier Yama und »Gott Varuna« als die beiden in Selbständigkeit waltenden Könige bezeichnet werden, so ist dies genau dieselbe Stellung, welche Yima und Ahura Mazda im Vendidad 2, 21 neben einander einnehmen, Yima als König der Menschen, Ahura als König der yazata. Offenbar ein recht alterthümlicher Vers.

55. Es folgt nun ein Vers (Rik X, 14,9) der wohl nur von einer Gruft verstanden werden kann, somit nicht Verbrennen, sondern Begraben der Leiche zur Voraussetzung hat. Auch im Rik liegt nichts vor, was hiergegen spräche. Nach Kauc. 80, 42 wird mit

.55 und 3, 37 Weihwasser cäntyudakam hergestellt.

55. Geht ab! geht fort! macht Euch hinweg von hinnen! diesem hier gaben diesen Platz die Väter.| Yama giebt ihm hier diesen Aufenthaltsort, gesalbt mit Tagen, Wasser und mit Nächten. ||

Es handelt sich hier wohl um eine averruncatio aller der Wesen, seien es thierische, oder dämonische'), die bisher an der Stelle hausten’),

! gmagäne Be am sthitäh pigäcäh Säyana.

® das Taitt. Är. VI, 6, 4 liest pada 2 in von R. und A. abweichender Weise: ye "tra stha ak > ca nütanah; und zwar verdient dies wohl den Vorzug, weil dadurch das doppelte asmai in päda 2 und 4, sowie die doppelte Angabe der Geber (zuerst die pitaras sodann Yama) vermieden wird. Nach dem kalpa im Schol. dazu p- 687 wird der Vers gebraucht, wenn man am Morgen, vyushtäyam harinyäa(m), mit einem paläca- oder gami-Zweige den gmagäna-Platz kehrt (sammärshti). Nach dem Schol. werden die Boten Yama’s (Yamena niyuktäh purushäh), die über die ganze Erde hin sich vertheilen, durch den Spruch fortgescheucht.

Sitzungsberichte 1895. 74

840 Gesammtsitzung vom 18. Juli. Mittheilung vom 30. Mai.

die fortab dem Dahingeschiedenen als »avasänam« Abspannungsort, Absteigequartier, dienen soll, wo er stets einen mit »Licht und Wasser« ausgestatteten Ruheort findet, und von wo aus er seine hinderniss- reiche und daher oft lange Zeit hindurch vergebliche Reise nach dem Jenseits immer wieder aufs Neue antreten kann, bis sie ihn endlich wirklich hinüberführt. Und zwar ist hierbei denn eben wohl an den bereits oben (s. v. 40) genannten garta zu denken, nicht mit Säyana an das dahanasthänam, den Platz des pyrus, welcher doch nur als zeitweiser nicht als dauernder /oka, (resp. gar nicht als: avasänam) des Todten gelten kann. S. im Übrigen Mahidh. zu Vs. XIL, 45. Die Bezeichnung des avasäna in päda 3 als mit Tagen, . Wasser und Nächten gesalbt, erinnert an die Angaben, über den Var des Yima im Vendidäd 2, 39 fg.

56. 57. Der nächste Vers, (Rik X, 16, 12; v. 57 ist nur eine se- cundäre Variante zu 56) handelt von der Entzündung des Feuers. An und für sich kann es sich dabei resp. sehr wohl bloss um. das ge- wöhnliche Opferfeuer handeln, in welchem eine Gabe für die Väter darzubringen ist, und es ist nicht nothwendig, dabei an den pyrus zu denken. Für die Rik ist jedoch der darin vorhergehende Vers (X, 16, ıı) entschieden auf diesen bezüglich, und ist denn wohl auch für unseren Vers hier dieselbe Beziehung anzunehmen. Bei Kauc. 87, 19 wird resp. v. 56 zur Entzündung der Opferfeuer gebraucht, allerdings bei einer späteren Gelegenheit (dem pindapitriyajna).

56. Eifrig wollen wir dich anzünden, eifrig wollen wir dich ent- zünden| Eifrig führe uns die eifrigen Väter herbei, zum Essen des havis. ||

tvä ni dhimahi R. ist unbedingt älter als: tve ’dhimahi A., indessen für die hiesige ‚Stelle ist dies letztere doch die passendere Lesart, wofür denn wohl auch die Wieder- holung in der Variante in v. 57 eintritt.

57 (wie 59). Glanzreich wollen wir dich anzünden, glanzreich ..| Glanzreich ... die glanzreicher . .||

58-61. Der Text geht nun wieder auf die soeben ganz allgemein herbeigerufenen Väter zurück, und ladet dieselben nochmals gruppen- weise, und zwar in Gemeinschaft mit Yama und Vivasvant, ein herbeizukommen. Die drei ersten Verse sind aus dem Rik (X, 14, 6. 5.4) der letzte aber findet sich nur hier. Nach Kauc. Sı, 36 dient v.58 für »samhitäh sapta«, wozu wohl sruvähutih zu ergänzen ist.' Für 59 hat Kaucika keine Verwendung; v. 60 wird nach K.84, 2

? die Zahl 7 ist resp. dabei zunächst auffällig, da es nur ein Vers ist; ebenso ibid. 35 dve prathame bei nur einem Verse, sowie ibid. 37 ekädaga, bei nur zwei Versen; die Zahlen beziehen sich somit hier nicht auf die Verse, sondern wohl auf Spenden.

eu ae

EEE NEE 00 EB

WeßEr: Vedische Beiträge. 841

für eine an Yama geweihte vierte vapä-Spende bei einer geschlachte- ten Kuh gebraucht; und v. 61 ist nach 80, 35 der vierte von 6 Sprüchen, die harinyas' heissen, und mit denen die Betreffenden hareyuh: d.i. wohl: (den Leichnam zur Bestattungsstelle holen ?).

58 (14,6). Die Angiras, unsere Väter, die Navagva, die Atharvan, die soma-würdigen Bhrigu, | in deren, der Opferwürdigen, Huld und gün- stiger Wohlgesinntheit möchten wir sein.

Die Angiras, Atharvan und Bhrigu sind speciell Vertreter der alten Geschlechter (daher ihnen ja auch der Atharvaveda zugehört). Zu Angiras s. oben p.836. Das seiner lautlichen Form nach allerdings noch unklare Wort Atharvan (s. Sitzungsber. 1891 p.815%-5) bedeutet wohl einfach den Feuerpriester. Und die gleiche Bedeu- tung hat denn wohl auch das Wort Bhrigu (eig. »blinkend«?), doch wohnt demselben vielleicht auch eine in die indogermanische Zeit zurückgehende mythologische Bedeu- tung bei („Blitz«?; PAeyvas, s. Sitzungsber. 1894 p. 775). Mit den Navagva ist man noch gar nicht im Klaren; nach Lignana wären es die Seelen der (neun Monate lang getragenen) bei ihrer Geburt verstorbenen Kinder”. Sollte nicht aber etwa bei Navagva, (und Dagagva) gerade umgekehrt an eine die ältesten Greise umfassende Manengruppe zu denken sein,? nämlich an die in der neunten, (resp. zehnten) Lebens-Dekade dacä°), resp. in dem letzten Lebensstadium Verstorbenen? so dass na- vagva eigentlich einen Neunziger (3So—90o Jahre Alten, dacagva einen dagamin (go bis 100 Jahre Alten) bedeutete? s. Festgruss an Rork p.137°.

59 (14, 5). Mit den opferwürdigen Angiras komme hierher, o Yama! mit den Vairipa berausche dich hier. | Den Vivasvant rufe ich, der dein Vater ist; bei diesem Opfer, auf dem barhis hier sich niederlassend (nehme er es gnädig an). ||

Lies metri e.: vivastvantam; fünfsilbig. Die Anrufung des Vivasvant hat hier wohl denselben Zweck, wie die Herbeiziehung von v. 53, nämlich eine Bürgschaft für Yama’s Wohlverhalten dadurch zu erlangen. yajne R (nach asmin), fehlt A., wodurch das Metrum gestört wird; die Vairüpa erscheinen hier als eine Abtheilung der Angiras, s. Pet. W.

60 (14,4). Auf dieser Streu hier, Yama! lass dich nieder, mit den Angiras-Vätern eines Sinnes. | Herbei sollen dich die von den kavi reci- tirten Sprüche bringen. An diesem havis berausche dich, o König! |

sida R., roha A. (unnöthige Variation); havishä R., havisho A.

61. Von hier sind diese aufgestiegen. Zu den Rücken des Himmels stiegen sie hinan. | Wie rasche (Reisige) auf ihrem Pfade gingen die An- giras zum Himmel (hin). ||

! dieses harini gehört weder zu harina noch zu harita, sondern zu harin, be- deutet resp. »zum Holen dienend«; was zu holen ist, erhellt je aus dem Zusammen- hange cf. Broonrıero p. 368 dahanadece niyamänam harinibhir abhimantrayate; s. noch Broonriern p. 385.

® (die dagagva wären resp. die Seelen der volle zehn Monate lang getragenen Kinder), s. »Episches im vedischen Ritual« Sitzungsber. 1891 p.81o”-2, und cf. den Chor der »seligen Knaben« in Gorwne’s Faust, (s. meine Abhandl. über den räjasüya p- 12T).

® (das Wort dacä in der Bedeutung: Lebenslage, ist eben wohl einfach auf die an diesem Orte besprochenen zehn Lebens-Dekaden zurückzuführen).

74*

842 Gesammtsitzung vom 18. Juli. Mittheilung vom 30. Mai.

Dieser Spruch gehört offenbar an den Schluss einer Manenspende. Nach eingenommener Mahlzeit sind die Manen wieder zum Himmel zurückgekehrt; statt bhürjayah (tonlos!), das, nach Wuısey’s In- dex, im padapätha in bhüh-jayah getrennt wird (was jedenfalls eine ganz irreguläre Bildung, im Sinne von: bhü-jitah wäre!), vermuthe ich bhü'rnayo; bhürni »eifrig« wird Ath.V, 6,3 (Rik IX, 73, 4) von den space gebraucht, die nie die Augen schliessen. Der durch die Tonlosigkeit des Wortes im Texte bedingte Vocativ ist jedenfalls ganz unbrauchbar.

Zweiter anuväka (6ov.).

a. Composition.

Während im ersten anuväka, abgesehen von v. 40. 54. 55, nur ein- leitende Sprüche, an die Sarasvati, an Yama, an die pitar gerichtet, stehen, und die beiden auf den Todten direct bezüglichen Verse (54. 55) sich, dem Anschein nach, auf ein Begräbniss desselben beziehen, führt uns anuväka 2, zunächst direet in einen Verbrennungs-Process hinein. Daran schliessen sich resp. auch mehrere Verse die ursprünglich sicher auf Begräbniss beruhen, in dem vorliegenden Zusammenhange jedoch sich theilweise bereits auch auf die Beisetzung der Knochen und sonstiger von der Verbrennung übrigen Reste beziehen. Auch hier geht im Übrigen kein rother Faden durch das Ganze hin- durch, und zwar so, dass sowohl die hiesige Stellung der aus dem Rik entlehnten Verse von ihrer dortigen Reihenfolge abweicht, als auch die Verwendung der hiesigen Verse im Kaucikasütra gänzlich regellos, p@le-mele, durch einander geht. Es entsprechen nämlich in ersterer Hinsicht:

ı-3 Riks. X,14,13.15. 14, 45 X, 16, 1.2, 6 X, 14, 16, 7-10 X, 16, 3-5, 11-13 X, 14, 10-12, 14-18 X, 154, 1-5, 19 1, 22, 15, 33 X, 17,2, 35 X, 15,14, 3455 X, 17, 3.4, 58 X, 16,7, 59 X, 18,9. Immerhin schimmert hier doch noch, bei aller Differenz in der Reihenfolge, die in der Riks. beobachtete dergl. durch; die Verse sind nur aus X, 14-17, bloss einer ist schon aus X, ı8, ent- lehnt!. Die Zahl der im Todtenbuch des Taitt. Är. (VI, 1-12) sich ebenfalls vorfindenden Verse ist hier nicht unerheblich, und zwar zeigen dieselben, soweit sie der Riks. entlehnt sind, wie bereits be- merkt ‚fast stetig deren Lesarten, nicht die der Ath. S.; daneben

I es zeigt sich hierbei im Übrigen ein erheblicher Unterschied von anuväka ı darin, der fast ganz aus Rik-Versen besteht, während hier nur der kleinere Theil des anuväka 2 von da entlehnt ist.

Weser: Vedische Beiträge. 843

allerdings auch einige Besonderheiten‘. Es finden sich resp. v. ı. 3. 2 daselbst in 5, 3-5, 4-5 in I, 20. 2I, 6 in5, II, 7.8 in I, 22. 23 (zur s. auch 7, 12), ıo in 4 ‚6, 11-14. ı6. ız in 3, 4-7. 9. 8, 25 in 7, 8, 54-60 in I, 5. 7.4. 3.19. 15.16.

Das Verhältniss zu Kaucika stellt sich wie folgt (s. BLoonrıeo 1. c.):

v.4-7K. 81, 33, 49. 11-18 K. 81,44, —4K.81,33,—8K.81, 29, 10 K. 81, 44. 82, 28, ı1-ı8 K. 80, 35. 8253 31 ıı K. 8ı, 22, 19 K. 80, 3. 38. 82, 83, zo K. 82, 21, 2 K. 81,29, 24 K. 32, 29. 85, 26, 25 K. 82,32, 26 K. 82, 29.85.26 27 K. 80, 18, 28 K. 87, 30, 29 K. 83, 29, K. 82, 10, 34 K. 87, 22, 36 K. 81, 33, 37 K. 80, 42. 85, 24, 38 K. 85, 3. 12, 45 K. 85, 17, 48 K. 80, 35. 82, 31, 49 K.81, 37, soK. 86, 10, 53 K. 80, 35. 82, 31, 56 K. 80, 34, 57 K. 80, 52. 81, 29, 57* K. 80, 17, 58 K. Sı, 25, 59 K. 80, 48, 60 K. 80, 49. (Für die Verse 1-3. 21. 23. 30.32. 33.35. 39-44. 46. 47. 51. 52. 54. 55 hat Ke keine Ver- wendung.)

Dieser bunten Durcheinanderwürfelung der 60 Verse des Textes gegenüber ergiebt sich nun aus dem Inhalt folgende, freilich eben- falls sehr bunte Reihenfolge:

ı-3 Spenden an Yama, 4-10 Verbrennung, und Hinsendung in das Jenseits, 11-13 unterwegs Begegnung mit den beiden Hunden des Yama, 14-18 Gebete an Yama, 19-26 Begräbniss (sit tibi terra levis), 27 Forttragen des Todten aus dem gräma, 28. 29 böse und gute Manen, 30 viaticum für den Todten, 31 Auf- forderung an ihn, den »Fluss« zu überschreiten, 32. 33 an Yama, 34. 35 Manen, 36 ignis pyralis (brenne sanft!), 37 Eingang zur Welt des Yama, 38-45 Abmessung des cmacäna, 46-49 Eingang zur Welt des Yama, so-60o der Todte auf der Bahre, vor der Be-

stattung (sei es Begräbniss oder Verbrennung). Erb- Antritt.

b. Erklärung.

1-3. Diese drei an Yama gerichteten Verse (Rik X, 14, 13.15.14; Taitt. Är. VI, 5, 3. 5.4) haben bei Kaucika keine Verwendung. Nach dem kalpa im Schol. zu T. Är. gehören sie zu einem monatlich wieder- kehrenden Yamayajna.

ı. Für Yama läutert sich der soma, für Yama wird das havis be- reitet. | Zu Yama geht das Opfer hin, Agni zum Boten habend, fertig gestellt. ||

somah pavate A., somam sunuta R., kriyate A., juhutä R.

! ich habe die Lesarten von T.Ar., da wo sie mit Rik übereinstimmen, nicht besonders angegeben.

844 Gesammtsitzung vom 18. Juli. Mittheilung vom 30. Mai.

2. Für Yama spendet das madhu-reichste und gehet vor (damit)! | Dieses namas (gilt) den früher geborenen rishi, den Früheren, Pfadfindern. ||

Der zweite päda steht in R. als zweiter päda des nächsten Verses (3, dort 14) und umgekehrt.

3. Dem König Yama spendet ghrita-reiche Milch als havis;|er reihe

uns unter die Lebenden ein, um ein langes Leben fort zu leben || jiveshv ä yame A., deveshv a yamad R.; yame ist als verbum finitum schwer zu erklären, wohl nur eine Verballhornung; die Angabe bezweckt wohl eine etymo-

logische, resp. eulogistische Erklärung für den Namen Yama’s, um diesen zu captivieren.-

4-10. Diese sieben Verse (der neunte Vers fehlt in R.T.) beziehen sich auf die Verbrennung der Leiche auf dem pyrus. Nach Kaucika Sı, 43 führen die Verse 4-18 (resp. 4-9. 11-18) den Namen: anushthänyas, und sind dazu bestimmt, dass die Theilnehmer an der Feier mit ihnen upatishthanti (Sı, 41) d.i. doch wohl das agnyupasthänam vollziehen. Ausserdem aber hat er noch für 4. 4-7. 8: Io. 1ı1.11-1ı8 besondere Verwendungen, für v. 4 zunächst in 81, 33 die Angabe, dass der Jüngste‘ der Theilnehmer damit das Feuer (des pyrus nämlich) anzündet, was zu dem Inhalt des Verses trefflich passt. Ebenso die Angabe des kalpa zu T. VI, ı, 20 (athainam ädipayati, ädipyamänam anumantrayate), während man mit (1, 21) v.5 prajvalantam anumantrayate).

4. Verbrenne ihn nicht, o Feuer! Glühe im nicht! verschleudere nicht seine Haut, nicht seinen Leib. | Wenn du ihn gar gekocht hast, Jätavedas! dann schicke du ihm zu den Vätern hin.||

gücuco A., goco R.; es ist hierbei wohl auch an die causative Bedeutung: »Schmerz

machen« zu denken, critam yada karasi A., yadä gritam krinavo (karavo T.) R., athe 'mam enam A. (secundär), athe "m enam R., pitrier upa A. (gegen das Metrum,

aber alte, gute Lesart), pitribhyah R. h

Der heilige Spruch hat die Wirkung, das Unheilige der Handlung in sein Gegentheil zu verkehren. Das Feuer soll alles Unreine aus dem Leichnam austilgen, aber es soll dies doch so thun, dass dem- selben dabei kein Leides geschieht, und nichts davon zerstört wird, oder abhanden kommt. Und dies wird durch den Spruch erreicht. Mag auch in Wirklichkeit noch so viel bei dem Process verloren gehen, der Spruch tritt dafür ein, dass dies virtuell ohne Bedeutung ist. Erst nachdem der Todte erita, gar gekocht, aller Schlacken entledigt ist, ist er würdig, den Vätern zugesandt zu werden.

5. Wenn du ihn gar gekocht hast, Jätavedas!, dann übergieb ihn den Vätern. | Wenn er zu dieser Fortführung des Lebens gelangt, dann möchte

(kann) er (sogar) die Götter (noch) in seine Gewalt bekommen. yadä critam krinavo A., gritam yadä karasi R. (Umstellung mit pädaı von v.4); athe 'mam enam A. (wie eben, secundär), athe "m enam R.; yado A., yadä R.; ! der Jüngste tritt auch sonst noch, und mehrfach, handelnd auf, resp. voran, s. kanishthapürväh Cänkh. g. 4,15,8. yaviyahprathamäni karmäni Kang. 82, 2. yathä-

kanishtham Päraskara 3, 9.

Weser: Vedische Beiträge. 845

asuniti fasse ich nicht als: »Geisterleben, Geisterreich« (Pet. W.), sondern als: »Fort- führung der Lebensgeister« (asavah), s. 1, 31 (»ihr Lebenswerk verrichten«). 2, 27 (aslın pitribhyo gamayäm cakära). 56. 3, 59.

Nicht Jeder gelangt hinüber. Zunächst muss eben der Todte von Agni »gar gekocht« werden; sein »ewiger Theil« durch ihn geläutert (v. 8) sein; dann erst tritt seine in die Luft ausgehauchte Seele (v.7), auf den Fittichen des Feuers (v.S) resp. der Winde (v.21), die Reise zur Welt der Seligen an!. Da giebt es denn aber allerhand Hindernisse, durch die beiden Särameya (v. 11-13) ete.; die Seele findet auch nicht gleich die richtigen Pfade, und es dauert unter Umständen lange, bis sie drüben ankommt. Mittlerweile hat der Todte ein festes Heim auf der Erde in der Gruft, in welcher seine Gebeine gebettet sind, und wo er Wasser und Nahrung findet. Er geniesst dabei volle Freiheit (svadhä) der Bewegung, des Umherschweifens durch die Luft, resp. Dreiwelt, und befindet sich dabei z. Th. in einem schlafen- den, resp. träumenden Zustande, s. Ind. Stud. II, 206. 229.

Die Vorstellung in päda 4, dass er, bei den Vätern angelangt, sogar die Götter in seine Gewalt bekommen kann, gehört keiner alten Zeit an, sondern macht fast den Eindruck, auf der buddhisti- sehen Unterordnung der Götter unter die Menschen zu beruhen. Über einen ähnlichen Fall in den Ritualsprüchen des räjasüya s. » Königs- weihe« p. 64"”.

6. Dieser Vers (Rik X, 14, 16) unterbricht zunächst den Zusammen- hang, greift auf Yama (v.ı-3) zurück, den König der in v.4.5 herangezogenen Väter. Nach dem kalpa zu T.VI,5,ıı ist er der dritte von drei Versen, mit denen die Theilnehmer an der Feier eine Spende für Yama »entnehmen« (havir uddharanti).

6. Mittelst der Trikadruka (genannten heiligen drei Festtage) läutert sich, über die sechs Weiten hin, dieses Erhabene, Eine. | Die Trishtubh, die Gdäyatri, alle diese Metra, sind in Yama eingefügt. ||

shad urvir A., shal urvir R, shad ürvir T., gäyatri trishtup T.

Säyana’s Erklärung des seiner eigentlichen Bedeutung nach freilich dunklen Wortes trikadruka’” als bezüglich auf die drei heiligen Tage (jyotis, go, äyus) der abhiplava-shalaha-Feier (Ind. Stud. IX, 374, 3), scheint mir für unsere Stelle hier durchaus passend. Natürlich wird dadurch für diesen Vers die Zugehörigkeit in die Zeit des voll-entwickelten Rituals be-

! in Yama’s Welt angelangt, hat ein Jeder ein Sechszehntel seines Tugendver- dienstes an dessen Beisitzer abzugeben. Ein bei Lebzeiten dem Priester geschenkter weissfüssiger Schafbock, Hammel, befreit jedoch von diesem Zoll(!), s. Ath. III, 29, Ind. Stud. 17, 302. Ein dem Priester geschenkter Last-Stier bringt im Jenseits natürlich erst recht hohen Lohn und reiche Vergeltung s. Ath. IV, 11,41. ® sollte sich trikadruka etwa ursprünglich auf »drei-henklige« Krüge beziehen Cha Rak 1 77, 172. 25,7..22,1.

846 Gesammtsitzung vom 18. Juli. Mittheilung vom 30. Mai.

dingt. Dass er nur ein secundäres Anhängsel des Liedes X, 14 ist (an dessen Schluss er steht), dafür tritt ja wohl auch schon der Umstand ein, dass er in einem anderen Metrum als v. ı-ı2 abgefasst ist. Er ver- dankt seinen Anschluss dort, und damit auch seine Anführung hier, wohl einfach dem Umstande, dass Yama in ihm genannt wird. shad urvih die vier die nebst Zenith und Nadir? Es giebt dafür jedoch auch noch andere Aufzählungen; so werden im Gat. II, 5, ı, 22, als die 6 urvis aufgeführt: agni und die Erde, Wasser und Wind, Tag und Nacht; dagegen bei Gänkh. cr. I, 6, 4 Himmel und Erde, Tag und Nacht, Wasser und Kräuter; endlich im Schol. zu T.VI, 5, ıı p- 682: Himmel und Erde, Wasser und Kräuter, ürdhvam (? Zenith) und sünritä (freundliche Rede?). Sollte nieht im Übrigen die Heranziehung dieses die »sechs urvis« erwähnenden Spruches hier auch noch dadurch bedingt sein, dass darin etwa eine specielle Be- ziehung zu dem hier nächstfolgenden Spruche vorliegt, in dem dieselben sechs Factoren aufgeführt sind, die, s. soeben, z. Th. als die »sechs urvis« gelten? und somis als eine Art Glosse dazu anzusehen sein?

7. Dieser Vers schliesst direct an v. 5 an; Kaucika hat keine besondere Verwendung für ihn; nach dem kalpa zu T.VI, ı, 22 führt er speciell den Namen: shaddhotar', und unter Vorausschickung dieses Namens findet er sich daselbst nochmals in 7,12, mit denselben Les- arten wie hier, wieder. Er dient dabei zum (agny)-upesthänam.

7. (X, 16,3). Zur Sonne gehe mit dem Auge, in den Wind mit dem Odem, und zum Himmel, und gehe zur Erde mit den festen (Bestand- theilen), | oder geh’ in das Wasser, wenn es dir da passt; in den Kräutern finde (festen) Stand mit den Knochen.||

siryam cakshushä gacha vätam ätmanä A, süryam cakshur gachatu vatam ätmä? R., divam A dyäm ca R., dharmabhih A, dharmanä R.

Es ist dies die erste Vorstufe für das spätere pafcatvam, die Auflösung in die fünf Elemente. Den solennen Ausdruck für die

! shaddhotar »durch sechs Priester zu begehen« ist sonst eine Bezeichnung des pagu- -bandha und eines dazu gehörigen ae Gänkh. X, 16, 12. 17, 1; sowie Käty.VI, 1, 36. Cat. XI, 7,2,6. Und zwar hat der dortige Spruch eine gewisse Ähn- lichkeit mit dem hiesigen. Hier bezieht sich der Name aber nicht auf die 6 hotar, sondern auf die in dem Spruche genannten sechs Factoren (s. das oben über die »shad urvis« Bemerkte): Sonne und Winde, Himmel und Erde, Wasser und Kräuter. Und so geht denn wohl auch in seiner Beziehung zum pagubandha der Name ur- sprünglich auf die in den dortigen Sprüchen genannten sechs Factoren: Himmel, Luft, Erde ete. zurück.

2 Atman (vedisch auch tman, was eine Zwischenform atman voraussetzt) »Odem, Geist, Seele« ist auf Yat »sich rasch hin- und herbewegen« zurückzuführen, cf. atka Zipfel, atasa Gebüsch, atya Ross, äti eine Vogelart (cf. Ad-ler), at-ithi Wandersmann ; dazu gehören: äaruos Rauch, Dunst, und unser »Athem« sowohl als(?) »Odem«, (vergl. dhüma, fumus und Avnos); zu dieser yat gehört wohl auch 7rop, das pulsirende Herz, resp. »Ader« (ebenfalls: pulsirend).

rn

=.

A 0

Weser: Vedische Beiträge. 847

Mittelstufen dazu giebt uns Gat. br. XIV,6, 2,13: yaträ 'sya purushasya mritasy& 'gnim väg apyeti, vätam pränac, cakshur ädityam, manac- candram, dicah crotram, prithivim cariram, äkäcam ätmau, ’sha- dhir lomäni, vanaspatin kecä, apsu lohitam ca retac ca nidhiyate, kvä 'yam tadä purusho bhavati? Wenn an dieser Stelle zwischen präna (zu väta) und ätman (zu äkäca) geschieden wird, so wird an anderen Stellen doch ebenso wie hier von dem Eingehen des ätman in den räta resp. in das antariksham mehrfach gesprochen, s. Ind. Stud. XII, 210,1I, 229. Der Todte geht mit seiner (ausgehauchten) Seele in die Luft ein, sätmä 'ntariksham ärohati Ts. V, 3, 6,3. Zu carira, Knochen (s. Ind. Stud. XII, 211), ist die buddhistische Verwendung des Wortes in der Bedeutung: Reliquie zu vergleichen.

8 (X, 16,4). Nach Kaucika 81, 29 wird mit diesem Verse und mit v.22 (nach einigen, mit v. 57 nach anderen Handschriften) »rechts (von dem pyrus?) ein Bock angebunden«, dakshinato ’jam badhnanti. Ebenso nach dem kalpa zu T. VI, 1,23 (ajam eity-ante abalena culvena badhnäti). Es beruht dies einfach auf einem Missverständniss des im Texte stehenden: a)o bhägah. Seinem Inhalte nach gehört der Vers resp. unmittelbar zu v.7, nur dass er nicht die auf dem pyrus befind- liche Leiche, sondern das Feuer des pyrus anredet:

8. (Was) der ungeborene Theil ist, den brenne mit Brand, den brenne deine Gluth, den deine Flammen; | welches deine gütigen Leiber (Formen) sind, o Jätavedas! mit denen führe ihn zur Welt der Frommen! ||

tapasa R., tapasas A. (unrichtig!), vahai 'nam sukritäm u lokam A. R, vahe 'maw» sukritäm yatra lokäh T.

Der »ungeborene«, also auch unsterbliche, ewige »Theil«, der durch die Flammen des pyrus geläutert wird, ist eben die Seele, die dänach dann ihre Reise zu den Vätern antritt. Ausser in v.9 ist von ihr unter diesen Namen auch in v. 53 (aja-yänaih pathibhih) die Rede!'. Sie wird hier deutlich von dem im vorigen Verse als für das Eingehen in den väta bestimmt bezeichneten dtman getrennt, unter dem so- mit dort nur der präna »ÖOdem« zu verstehen ist, ähnlich wie in der soeben zu v.7 eitirten Stelle des Cat. br. präna und ätman (der hiesige aJ)o bhägah) geschieden werden.

' cf. auch Ath. IV, 14,1 (nicht im Rik, wohl aber in Vs. XIII, und in den übrigen Yajus- Texten, s. v. Schröder Maitr. IV 255): ajo hy agner ajanishta cokät, was das Ritual (Kauc. 64, 21.25) auch auf einen Bock bezieht. Auch kann nach v. 6-8 ibid. kein Zweifel daran sein, dass es sich dort wirklich um einen Bock handelt, der dem Todten, wie die anustarani-Kuh (s. 2, 58. 3,4), als Reitthier bei der Reise zum Jenseits dienen soll. Aber unter dem aja in v. ı ist dort ebensowenig wie hier ursprünglich ein Bock gemeint, wenn der Vers auch im Yajus-Ritual durchweg für einen solchen verwendet wird.

848 Gesammtsitzung vom 18. Juli. Mittheilung vom 30. Mai.

9, Dieser, dem Rik (und T.) fremde, und auch bei Kaucika nicht erwähnte Vers ist wohl nur eine Parallelstelle zu v. 8, eine Glosse zu den darin erwähnten: aja.

9. Welches deine raschen Gluthen sind, o Jätavedas! mit denen du den Himmel anfüllst, den Luftraum, | mögen die hinter dem dahinziehenden Ungebornen (Ewigen, ajam) drein sich zusammenfügen ! mit den anderen heilvollsten verschaffe (ihm) dann Heil! ||

10 (16, 5). Kaueika 81, 44 schliesst diesen Vers bei der Angabe über die Verwendung der Verse 4-18 aus, wohl deshalb, weil er (s. auch K. 82, 28) seinem Inhalt nach an den Schluss der Ver- brennung auf dem pyrus gehört. Jedenfalls schliesst er sich aber vortrefflich an v. 4-9 an. Nach dem kalpa zu T. VI,4,6 werden damit und: mit 3, 58. 53 drei ähuti, nach Hinauswerfung von Kohlen nach rechts hin (angärän dakshinän nirvartya tisrah sruvähutir juhoti) dargebracht.

10. Entlasse ihn wieder, o Agni, (zu) den Vätern, (ihn) der, dir ein- geopfert, nun in voller Freiheit wandelt | In (neues) Leben sich kleidend fliege der Rest (auf sie) zu; er komme mit einem (neuen) Leibe zusammen, vollkräftig ||

svadhäbhih R., svadhävän A. (secundär), upa vetu R., upa yätu A.T. (secundär), gesham T. (bhagam upayätu p. 672) tanuva T., suvarcah A. (was ich hier vor- ziehe), jätavedah R.; varcas leite ich auf yvarj, &py., wirken zurück (s. Sitz. Ber. 1892 p- 795"?; der »Rest«, geshah (eishyamänam asthilakshanam yajaniyam cariram Say.) ist wohl eben der ajo bhägah, der sich nun, nach der durch das Feuer erfolgten Läuterung, mit äyus und tanü nex bekleiden soll; nach der rein volksthümlichen Anschauung freilich geht der Todte »sarvatanlıh sängah«, also: mit seiner vollen hie- sigen Leiblichkeit, in die Welt der Seligen hinüber, s. Ind. Streifen II, 21. 22.

11-13 (14, 10-12). Diese drei Verse beziehen sich auf eine wichtige Episode der Reise nach dem Jenseits. Der Todte kommt bei den beiden Hunden des Yama vorüber, welche den Weg dahin zu hüten, die Unberufenen davon fern zu halten, die Berufenen aber richtig zu geleiten haben. Diese Hunde heissen hier beide cabala »scheckig«, in den brähmana-Texten: eyama »dunkel« und cabala, und sollen, diesen zufolge, Tag und Nacht repraesentiren. Ausserdem führen sie Beide den metronymischen Namen Särameya, Kinder der Götter- hündin (devacuni) Saramä, welche als eine Dienerin Indra’s erscheint. ADALBERT Kun hat in seiner für die vergleichende Mythologie grund- legenden Abh. in Haupr’s Z. D. A. 6, 125 sie mit gr. öpun Andrang (von Wogen, Winden) und Särameya mit Epueias in Bezug gesetzt, und in dem Letzteren, in seiner Eigenschaft als Wuyoroumos, einen Genius des Windes erkannt, der eben den Beruf hat, die ausgehauchten Seelen nach dem Jenseits zu führen, s. Ind. Stud. I, 416; eine Vor- stellung, zu der die noch jetzt geltende parsische Sitte, in die Nähe

u N

Weser: Vedische Beiträge. 849

eines Sterbenden einen Hund zu bringen, damit sein letzter Bliek auf diesen, seinen Führer in das Jenseits, falle (der sogenannte cag-did), in Bezug steht.

In dem Namen cabala haben, unabhängig von einander, BExFrEY (und zwar dieser wohl eben zuerst', s. Göttinger Nachrichten 1877 p-S fg.), M. Mürzer (Chips. I, 182 1867, aus 1848) und ich selbst (Ind. Stud. II, 295-298 1852) den Namen des Höllenhundes Kepßepos zu erkennen gemeint. Das indische Ritual hat für die Begegnung des Todten mit diesen beiden Hunden ein hübsches »Bakschisch « für dieselben sich erdacht. Aus der Kuh nämlich, welche ihm zufolge zu schlachten ist, um dem Todten als Reitthier” nach dem Jenseits zu dienen (zu dem Ende werden Glied um Glied der Leiche mit den Gliedern dieser Kuh belegt), sind die beiden Nieren (vrikkau) heraus- zunehmen (Kaue. Sı, 22) und dem Todten mit v.ır in die Hand zu geben, offenbar, damit er die beiden Hunde damit beschwichtigen möge. Nach dem kalpa zu T. VI, 3, ı gehören die drei Verse nebst 14, 16, 17 zu einem navarcam yämyam süktam.

ı1. Laufe vorbei bei den beiden Hunden, Söhnen der Saramd, den vieräugigen, scheckigen, auf rechtem Pfade | Dann gehe ein zu den wohl-

weisen Vätern, die sich des Zusammenzechens mit Yama_ erfreuen.

gvänau steht in A. vor, im R. nach Särameyau, athä R., adhä A. upehi R., apihi A.T. »vieräugig«, auch in Indien haben die Hunde nur zwei Augen (um mich dieser Ausdrucksweise zu bedienen); die vier Augen sollen eben etwas Abson- derliches, Mythisches markiren, und zwar vermuthlich doch wohl die Fähigkeit, zu- gleich nach allen Richtungen zu sehen®, hervorheben (ähnlich wie dies wohl bei den vier mukha des Brahman der Fall ist); die rationalistische Deutung der späteren Zeit hat an den vier Augen zwar festgehalten, aber aus dem dritten und vierten Auge zwei Flecke, zur Seite der Augen (yasyä 'kshisamipe pundhräni) gemacht, s. Käty. XX, r, 38 (zu Cat. XIII, 1, 2,9): ein solcher Hund wird getödtet und dem ÖOpferrosse zu Füssen gelegt, wohl zu demselben Zweck, wie die anustarani-Kuh der Leiche des Todten. Hier heissen beide Hunde: gabalau, nicht: cyama-gabalau, entweder in dem Sinne wie dyäväa für dyäväprithivyau gebraucht wird, oder aber, was wohl vorzuziehen, da die Riks. das Wort gyäma überhaupt gar nicht kennt, weil sie zur Zeit des Liedes wirklich eben Beide so hiessen; ihre Trennung in cyäma (resp. cyäva)-gabalau würde

! vor ihm hatte übrigens nach Pierre Origines Indo-Europ. I, 523, schon Wırrorn (As. Res. 3,409) diese Zusammenstellung, von gabala mit Kepßepos gemacht. Zu Brear's Angaben in seinem »Hercule et Cacus« s. Ind. Streifen 2, 229, sowie weiter noch ibid. p. 427 etwaige zendische Beziehungen.

® Ath. XII, 2,48 ist es ein männliches Rind, ein Zugstier (anadvah). Der Schwanz dieser Kuh, den man dem Todten in die Hand gab, hat später den Namen für eine Upanishad (mrityulängüla) hergegeben, s. Ind. Stud. IX, 21. 22; es ist dies der Name der 82. Upanishad in der Liste von Pandit Rädhäkrishna’s Library, s. auch Aurrecur Cat. Catt. p. 466; ef. noch gaupuchika = gopuchena tarati Pan. IV, 4; 6. V,1,19. Und hier liegt denn auch noch der Grund zu einem hübschen »Lalen- burger« Streich vor, s. Ind. Streifen ı, 246.

® in Ath. IV, 26,6 wird der Scharfblick der »vieräugigen Hündin« (offenbar ist damit die Saramäa gemeint) gerühmt.

850 Gesammtsitzung vom 18. Juli. Mittheilung vom 30. Mai.

somit erst der brähmana-Zeit angehören. Ist gabala in dieser Verwendung wirklich mit Kepßepos identisch, so hat es im Übrigen ursprünglich überhaupt wohl nur einen gabala gegeben.

12. Welche, o Yama, deine beiden wachsamen Hunde sind, die vier- äugigen, den Pfad hütenden, nach den Männern spähenden, | Den Beiden, o König, übergieb ihm; schenke ihm Wohlsein und Krankheitslosigkeit.

pathirakshi R., pathishadi A., dehy R., dhehy A., svasti ca 'smä R., svasty asmä A., in der jenseitigen Welt, im »Var des Yima«, giebt es keine Krankheiten.

13. Die beiden breitnasigen, an den Lebensgeistern sich letzenden (?), braunen(?) Boten des Yama wandern hinter den Leuten drein. | Sie Beide mögen uns, jetzt hier wieder das holde Leben (asum) geben, um die Sonne

zu schauen.

a-sutripau, »nicht leicht zu sättigen«? oder: asu-tripau (parakiyän pränän svi- kritya tais tripyantau Säyana) »an den Lebensgeistern der Todten sich sättigend« ? den Todten, resp. Lebenden, ihre asu entziehend? cf. die Angabe am Schluss des Verses, dass sie den Lebenden ihren asu lassen, resp. wiedergeben sollen. udumbalau urubalau vistirnabalau Säay.; nach Pet.W. »Kupferfarben.«(?); da das Wort anscheinend doch zu udumbara, Feige, gehört, sollte es eher »Feigenfarbig« bedeuten; aber auch das ist schwierig, da die Farbe ja soeben für Beide als gabala angegeben ist. ulumbalau T., (prabhütabalayuktau Säy.); carato 'vagäwanu T. (sic! avagan asvädhinän präninah Say. p- 664) dätäm R. A., dattäv T. (sic! dattau prayachatäm! Say. p. 665) bhadram asum; durch die Theilnahme an der Todtenfeier sind auch die Lebenden in Gefahr durch die beiden Hunde des Yama ihren asu zu verlieren.

14-18 (X, 154, 1.4. 2. 3.5). Diese fünf Verse, für die Kaucika keine besondere Verwendung angiebt (nach dem kalpa zu T. VI, 3, ı gehören die Verse 14. 16. 17 zu denselben an Yama gerichteten navar- cam süktam wie v. 11-13), enthalten einen Segenswunsch für den Todten, resp. zugleich eine Bitte an Yama zu seinen Gunsten, dass er (ohne langen Aufenthalt unterwegs) zu den Vätern eingehen möge, und zwar handelt es sich dabei um zwei Gruppen derselben, resp. um Parallelformulare für die beiden Fälle, dass der Todte entweder dem, wir wollen mal sagen, priesterlichen Stande, oder dem Krieger- stande angehört. Über letztere noch weiter hinab aber geht das Lied, und somit auch das Ritual, dem es zu dienen hatte, nicht (s. das unten zu v. 59. 60 Bemerkte).

14. Für die Einen läutert sich soma, ghrita umsitzen die Andern | für die madhu auf dem Vorsatze ist (d. i. denen madhu vorgesetzt wird)

zu denen möge er eingehen.||

pradhävati R., pradhäv adhi A. (gekünstelte Lesart), soma, ghrita und madhu, oder payas, ghrita und madhu, sind wie auf Erden so auch im Himmel die Symbole des Segens und Wohlbehagens; die »Bäche, wo Milch und Honig« fliesst, payahkulyäh, ghrita°, madhu° repräsentiren die Wonne des Jenseits, s. Catap. XI, 5, 6,4.8; gachatfät ist hier durchweg als dritte Person zu fassen, da in v. 15 und I8 Yama im Vocativ angerufen ist, auf den es sich doch nicht beziehen kann. Säyana, der gachatät überall als zweite Person auffasst, hilft sich beide Male damit yama nicht als n. propr. zu fassen, sondern durch niyata zu erklären!

TEE

Weser: Vedische Beiträge. 851

15. welche Früheren, die heilige Ordnung Pflegenden, in ihr Ge- borenen, an ihr sich Freuenden, da sind, | zu den Inbrunstreichen Rishi, o Yama, zu den aus Inbrunst Geborenen, möge er eingehen.

ritasapa(h) R. (ysap, cf. sapary°), ritasäta A., ritävana(h) R., ritajatä(h) A. pitrin R., rishin A., tapojäs api A,, täwg cid eva 'pi R.; in tapasvato, tapojan liest wohl schon die seeundär entwickelte Bedeutung: Askese zu Grunde? (tapasa krichra-cändräyanadina Sayana); das Lied ist dann natürlich erst der braähmana-Zeit angehörig.

16. Die durch (ihre) Inbrunst unüberwindlich sind, die dadurch zum Himmel (svar) gelangten, | die da grosse Inbrunst geübt haben, zu denen möge er eingehen.

svar yayıh R. A., suvar gatäh T., mahas R. A., mahat, T. «tapo ye cakrire mahas«, dies kann in der That wohl nur von »Askese« verstanden werden.

17. Die da kämpfen in den Schlachten, die ihr Leben daransetzenden Helden | oder die da tausendfach spenden, zu denen möge er eingehen ||

pradhana leite ich, wie nidhana, von ydhan, (dhany) davew ab. sahasra- dakshinäh, auch dieser Ausdruck tritt für die secundäre Zeit des Liedes ein.

18 (5). Die tausend Weisen habenden kavi, welche (dadurch) die Sonne behüten, | zu den Inbrunstreichen Rishi o Yama! zu den in Inbrunst Ge- borenen gehe er ein.

sahasranithäh (sahasranayanäh Säyana); ebenfalls ein Zeichen seeundärer Zeit, gopäyanti desgl.

19-26. Diese Verse sind, bis auf den ersten, die Erde anredenden Vers (Rik. I, 22,15), an den Todten gerichtet, resp. nicht der Riks. entlehnt, und zwar beziehen sie sich auf den in seiner Gruft be- findliehen Todten, wobei es denn am Nächsten liegt, dass es sich eben dabei um ein Begräbniss desselben handelt.. Jedoch ist immerhin z. Th. nicht ausgeschlossen, dass es sich auch von vorn- herein nur um die Beisetzung der Knochen ete., nach vorhergegangener Verbrennung der Leiche, handelt. Kaucika hat zunächst für v.ıg eine dreifache Verwendung. Nach 80,3 legt man damit den Sterbenden auf (opferreine) Grashalme, die man auf die dem Erd- boden der cälä entwachsenden Gräser gestreut hat, durbalibhavantam

eälätrineshu darbhän ästirya "varohayati; nach 80,38 legt man damit die Leiche nördlich vom Feuer nieder: uttarato 'gneh cariram nidadhäti, und nach 82,33 verrichtet man damit, drei Nächte (und

drei Tage) lang nichts Flüssiges geniessend, was auf dem Erdboden zu thum ist, bhümau trirätram arasäcinah karmäni kurvate. Seinem Inhalt nach eignet sich der Vers für alle diese Modalitäten.

19. Sei ihm gütig (syond), o Erde, ein Lager ohme Dornen | gieb ihnen breiten Schutz.

syonä (dreisilbig!) prithivi bhava R, syonä 'smai bhava prithivy A, yacha 'smai A, yachä nah R., saprathäh A. saprathah R.

852 Gesammtsitzung vom 18. Juli. Mittheilung vom 30. Mai.

Durch die Einfügung von asmai »ihm« in päda ı und 3 (wo der Rik nah dafür hat) ist dieser Vers, der im Rik ganz allgemeine Be- deutung hat, für die hiesigen Zwecke nutzbar gemacht; die Be- deutung von anrikshara ist noch unsicher, rikshara wird von Yäska (Nir. IX, 31) durch kantaka erklärt, (cf. richara, rikshalä).

20. Von diesem Verse wird das zweite Hemistich nach Kaue. 82,21 bei der Einfüllung (Eingiessung) eines sthälipäka (Topfspeise) in das Feuer verwendet, und zwar erscheint es daselbst, worauf auch BroomrieLp schon aufmerksam macht, im vollständigen Text, im saka- lapätha, was sonst nur dann geschieht, wenn das betreffende Textstück in der Samhitä nicht vorliegt. Der Spruch hat es seinerseits jedenfalls mit der Einsenkung in die Erde zu thun; »sit tibi terra levis!« s. v.25.

20. In einer unbedrückten (Stelle) der Erde, in einem weiten Raum sei eingesenkt!| Die eigenen Thaten, die du lebend gethan hast, die mögen dir madhu-träufelnd sein !||

»svadhä yäc cakrishe jivan«, hier ist svadhä in seiner alten Be- deutung: eigenes, freies Thun gebraucht; auch madhugeutah ist alterthümlich; »und ihre Werke folgen ihnen nach« Apokal.

21. Dieser Spruch, für den Kaucika (ebenso wie für 23) keine Verwendung hat, bezieht sich offenbar auch auf eine Gruft; er ist metrisch etwas gestört; im ersten päda haben wir eine kurze penultima', im zweiten päda ist jushäna statt jujushäna zu lesen.

Ich rufe deinen Geist hierher mit (meinem?) Geiste. Gehe gern ein in diese Wohnungsräume. | Komm’ zusammen mit den Vätern, zusammen mit Yama! günstige Winde sollen dir zuwehen, kräftige.

22. Auf mögen dich führen die Winde, die Wasser mit sich führenden, Wasser fliessen lassenden.| Mit ewigem (ajena) Regen Kühlung schaffend mögen sie dich besprengen, dass es klingt.

22. Dieser Vers passt für einen auf dem pyrus Verbrannten, der Kühlung nöthig hat. Die Winde nehmen die ausgehauchte Seele in sich auf und tragen sie hinüber zum Jenseits; »dass es klingt«, der Text hat: bäl iti, eine onomatopoietische Nachahmung des Klangs der niederfallenden Tropfen, cf. Ath. 1, 3, I-9. Nach Kauce. Sı, 29 wird der Vers wie v.8 bei der Anbindung des Bockes rechts (vom pyrus) verwendet; nach anderen Handschriften ist v.57 mit v.S dazu bestimmt; beide Male handelt es sich um irrigen Anschluss an das im Text sich findende Wort aja.

23. Auf rief ich Lebensdauer zu Lebensdauer (dyur äyushe), zu Ener- gie (kratve), zu Zähigkeit (dakshäya), zum Leben (jivase). | Zu den Deinen (svän) gehe dein Geist (manas), eile hin zu deinen Vätern. ||

! oder ist etwa zu lesen: huayami te manasä mane 'ha?

Weser: Vedische Beiträge. 853

Dieser Vers enthält nichts, was für Begraben oder Verbrennen entscheidet; über das Wiedersehen der Seinigen (lies: suän) im Jenseits cf. Ath. VI, 120, 3 tatra pacyema pitarau ca puträn.

24. Nichts von deinem Geiste (manas), deiner Lebenskraft (asu), von deinen Gliedern, deinem Safte, | Nichts von deinem Leibe bleibe hier irgend zurück. ||

Dieser Spruch ist nicht nothwendig von Verbrennung zu ver- stehen, kann sich auch auf das Aufsteigen zum Himmel aus einem Grabe beziehen. Man kann jedoch den dritten päda auch mit: »nicht gehe von deinem Leibe hier(bei) irgend etwas verloren« über- setzen, und dann bezieht er sich allerdings wohl auf Verbrennung der Leiche, s. v. 4. 26 ete. Der Todte soll jedenfalls mit seiner gan- zen hiesigen Leiblichkeit (sarvatanüh, sängah) in das Jenseits eingehen s. Sitz. Ber. 1894 p. 795”. Im ersten päda ist zu lesen: te manaso asor. Nach Kauc. 82, 29 wird v. 24 (und v. 36) »päda- weise« (pachah) beim Einsammeln (sameinoti) der Knochen und anderen Reste (vom pyrus) verwendet, wozu sich der Inhalt ja auch vortrefflich eignet. Ebenso nach K. 85, 25 nebst v. 26 und 3, 25-37 zu einer Ansprache (anumantrayate) an das, was man eben gesammelt hat (ebenfalls: sameinoti).

25. nicht möge dich der Baum drücken, nicht die göttliche (devi) grosse Erde| Finde du Platz unter den von Yama als König beherrschten Vätern, und gedeihe (unter ihnen) ||

in T VI, 7, 8 lautet der Vers: tvä vrikshau! sambädhishtäm mäta prithivi tvam?, pitrin hy atra gachäsy edhäsam® Yamaräjye; lies: vittuä edhasva.

Dieser Spruch deutet wieder mehr auf ein Begräbniss hin. »Baum» (vriksha) steht, wie vanaspati mehrfach im Rik, für: Holz, und bezieht sich hier wohl auf eine hölzerne Truhe, resp. einen hölzernen Sarg; nach Kaue. 32, 32 freilich wird der Vers dazu verwendet, dass man den kalaca, in den man die gesammelten Knochen gethan hat, an der Wurzel eines » Baumes« niedersetzt (resp. den- selben daselbst eingräbt), dies ist denn aber wohl erst eine secun- däre Modalität. Nach dem kalpa zu T. VI, 7, S’ wird v. 25 bei dem Umherlegen von vier paridhi-Klötzen aus paläca-Holz verwendet.

Gegenüber der hier vorliegenden allgemeinen, aus der arischen Periode stammende Bestimmung, dass Yama der König der Väter

! pürväparaparidhirüpan Säy. p. 696. Der Vers erscheint in T. doppelt, das zweite Mal lautet er: tvä vrikshau (dakshinottaraparidhirüpau) sambädhethäm mätä prithivi mahi| Vaivasvataw hi gachäsi Yamaräjye viräjasi.|]

®2 he prithivi tvam api mätä sati ma sambädhishthäh

3 edhäsam edhasva vardhasva (sie!)

* päläcän paridhin paridadhäti tva vrikshäv iti pürväparäv, uttarayä (s. note I) dakshinottarau.

854 Gesammtsitzung vom 18. Juli. Mittheilung vom 30. Mai.

sei, steht die im Yajus-Ritual vorliegende (Vs. IX, 10 s. Sitz. Ber. 1892 p- 788), im weiteren Verlauf in Indien entstandene Vorstellung, wo- nach Brihaspati und seine Welt für die Brähmana, Indra und seine Welt für die Kshatriya, die Marut und ihre Welt für die Vaieya be- stimmt sind.

26. Welches Glied von dir fortgekommen, bei Seite, oder welche Abhauch oder Einhauch von dir dahin (bei Seite) gegangen, | Das mögen dir vereint die verbrüderten Väter Stück um Stück wieder zubringen. ||

atihitam, über, hinaus, bei Seite, gelegt, gekommen; sanidäh, aus demselben Nest (nida, aus ni und sad, eines der wenigen indo-germanischen Composita; übrigens mit rein präkritischen Modificationen!) stammend; ghäsäd ghäsam Bissen um Bissen.

Nicht das Geringste von der hiesigen Leiblichkeit darf verloren gehen, cf. v. 24. Kaucika hat dieselbe Verwendung für beide Verse. Im zweiten päda ist väte, obschon zu apäna und präna trefflich passend (wohl gerade deshalb hierher gekommen!), in te aufzu- lösen (natürlich unter Beseitigung des Accentes).

27. Scheidung zwischen den Lebenden und dem Todten. Fort- schaffung desselben aus dem gräma.

27. Die Lebenden schlossen diesen hier von ihren Wohnungen aus. Führt ihn hinaus, fort von diesem gräma hier!| Der Tod war Yama’s weiser Bote, machte (seine) Lebensgeister (asün) hingehen zu den Vätern. ||

Während die bisherigen Verse es unbedingt mit der Bestattung, sei es als Begräbniss, oder als Verbrennung, des Todten zu thun hatten, geht dieser Vers rückwärts, zu dem Moment, wo der Tod eben erst eingetreten ist. Die Leiche darf nicht mehr im Dorf, bei den Lebenden, bleiben, sondern muss hinaus geschafft werden, um weiteres Unheil zu verhüten. Nach Kauc. So, 18 wird der Vers bei dieser Gelegenheit zu einer Opferspende in die heiligen drei Feuer ver- wendet (agnishu juhoti; asin pitribhyo gamayäm cakära, dies ist die asuniti von v.5.

28. 29. Zwei auf die Manen (s. v. 27) bezügliche Sprüche.

28. Welche Feinde (dasyavah) unter die Väter eingemischt sind, und mit dem Antlitz von Verwandten, aber ohme Opfergaben zu verzehren, unter ihnen sich ergehen,|die da grobe und feine Leiber (?) tragen, die möge Agni von diesem Opfer fortfauchen. ||

Dieser Vers kommt hier sehr unerwartet; nach Kauc. 87, 30 wird er am Schluss des pindapitriyajna zu der symbolischen Hand- lung verwendet, dass man damit einen an beiden Seiten (oben und unten) entzündeten Feuerbrand (ulmuka), nach dreimaliger Schwenkung nach links hin, fortwirft. An dieser Stelle hier ist er etwa nur eine Art Glosse zu v. 29. Neben den eignen (v. 29) guten Vätern, deren Gunst man durch Opfer und Sprüche zu gewinnen sucht, giebt es doch

Werer: Vedische Beiträge. 855

unter den Manen auch Persönlichkeiten, die nur das » Aussehen« von » Verwandten« haben, in Wahrheit aber als »dasyu« und »ahutäd« gelebt haben. Es sind dies die vrätya, von deren theils Exoreisirung theils Aufnahme in den brähmanischen Verband das von AUFRECHT schon 1349 übersetzte 15. Buch der Ath. S. handelt. Vergl. hierzu etwa die pitripicäca, bei Burserr. Sämavidhäna p. 60. 93. Das zweite Hemistich' findet sich in Vs.II, 30 Cänkh. IV, 4, 5 (mit sakal- apätha) vor, und von da habe ich die Erklärung der beiden ara&- Aeyoueva paräpuro, nipuro durch: sthüladehän und: sükshmadehän entlehnt, s. Mahidhara dazu; paräpur bedeutet eigentlich etwa: Fort- füllung, Entleerung, nipur dagegen Einfüllung.

29. Hier mögen sich unsere eigenen Väter lagern, die gütig handelnden, (und uns) das Lebensalter hinausziehenden.| Ihnen möchten wir dienen, (2?) mit

"havis, sie zu erreichen suchend, lang (noch) lebend, viele Herbste.

Auch dieser an die guten Manen gerichtete Vers unterbricht den Zusammenhang zwischen v. 27 und 30. Nach Kauc.83, 29 dient er zu einer vor Sonnenuntergang an die Manen zu richtenden Auf- forderung sich zu lagern.

30. Dieser Vers schliesst an 27 an; es wird darin der Krug an- geredet, der das für den Todten bestimmte viaticum enthält. Auf Verbrennung, resp. Knochenreste, scheint der Vers ursprünglich nicht zu gehn, wenn er auch nachträglich dafür verwendet worden sein mag. Kaucika erwähnt den Spruch nicht.

Welche Milchkuh ich dir einfülle, und welches Kornmuss (ich dir noch) in die Mich (hinein thue), | dadurch sei du Erhalter (dieses) Mannesthier, | der sich hier leblos befindet||

yam dhenum, totum pro parte, = »welche Milch« ; »das nehm’ er als viaticum, nit 'nüber in’s Elysium«, notabene hier: bis zu seiner Ankunft daselbst.

31. Auch dieser Vers greift wieder auf den Todten zurück, ist an ihn selbst gerichtet, resp. an einen Getödteten und ermuthigt ihn, (kurz gesagt) den Styx zu passiren. Dem entspricht denn auch die höchst interessante Verwendung bei Kaueika 82,10. Wenn ich

! das erste Hemistich handelt daselbst von den asuräs, welche, ihnen nicht ge- bührende Gestalten annehmend (rüpäni pratimuncamänäh), nach Belieben, in Freiheit leben (svadhayä caranti), was so ziemlich auf dasselbe, wie das hiesige erste Hemistich, hinauskommt, zumal wenn man mit Mahidhara das Wort pratimufcamänäh mit: pitri- samänarüpäni svikurvantah erklärt; In Vs., wie in Cänkh., gehört der Spruch auch zu einem piriyajna. Jedenfalls stammt er aus einer Zeit, wo die brähmanisch lebenden Ärya von grimmigem Hass gegen ihre in der alten Freiheit verbliebenen Stammesgenossen (die vrätya, bähika, ete.; adikshitä dikshitaväcam vadanti Paüe. br.) erfüllt wayen. Dass dieselben trotz ihrer Stammesgleichheit nicht zu den »Vätern« gehören durften, musste bei solcher Gelegenheit ausdrücklich constatirt werden; der Gegensatz der feindlichen Brüder! die sich stets am ingrimmigsten befehden; zumal wenn es sich, wie auch hier (ahutädah!), um religiöse Differenzen handelt.

Sitzungsberichte 1895. 5)

856 Gesammtsitzung vom 18. Juli. Mittheilung vom 30. Mai.

das Vorhergehende recht verstehe, erhält jeder der Theilnehmer (die Jüngsten voran) sieben Kiesel (carkarä) in die Hand, und lässt die- selben im Gehen auf den Erdboden gleiten, bis man in der Nähe eines Wassers anlangt. So bildet sich eine kleine Wasserrinne, die als Fluss (nadi) bezeichnet wird, und mit unserm Verse fordert man dazu auf, diese nadi zu überschreiten (nadim tärayati)..

78. Überschreite den Fluss, den hochheilvollen, oder (und dann) die Sternenbahn, immer weiter, aufs Neue | Wer dich getödtet hat, der soll getödtet werden. Nicht möge er ein anderes Antheilsloos. finden!

Statt des sinnlosen aevävatim lese ich: aecmanvatim; dieses Wort, eigentlich: »die steinige« (nadi), ist hier wohl der Name” des später vaitarani genannten Flusses (des Luftstroms), der auf dem Wege nach dem Jenseits zu passiren ist und die Scheidestelle bildet für alle Unheiligen’, die hinter ihm zurückzubleiben haben.

Für rikshäka” vermuthe ich die Bedeutung: Sternenbahn (riksha + ane) s. Festgruss an Roth p. 138"*”. Die Welt des Yama ist noch über die Sterne hinaus, im dritten Himmel, s. v. 48: die Sterne sind die Lichter der Frommen Ts. V, 4, I, 3. Und zwar ist unter der Sternenbahn wohl speciell die Milchstrasse, der Pfad des Aryaman, die Erminge strete‘ zu verstehen. Anstatt prataram könnte

! dasselbe Ritual gilt auch (ebenso wie das Ritual für v. 32) für sieben andere nadirüpäni Kauc. 86, 23. Nach Catap. XIII, 8, 4, 2 haben die dortigen sieben dgl., runden mit Wasser gefüllten Gruben (parivakra, karshü, garta) den Zweck die Sünde (agham) des Todten zu hindern, ihm zu folgen, denn das agham geht nicht über die sapta sravantis hinweg (man möchte bei ihm zugleich an die 7 Berge, giri denken, hinter denen der varäha vämamosha haust, s. Ts. VI, 2, 4, 2). Bei Kauc. handelt es sich auch für die 7 nadirüpani um denselben Zweck wie hier. Ein mit Gold und Gerste versehenes Schiff (nau), das der Todte zu besteigen hat, dient ihm wohl als Fähre über die acmanvati und als Begleitverse dabei dienen Ath. XII, 2, 48. VIl, 6, 3. 2. XI, 2, 26. 27 (s. hierzu noch Kauc. 71, 20-24).

? acmanvati viyate, samrabhadhvam, uttishthata (virayadhvam A.), pratarata sa- khäyah!jaträ jahäma ye asann ageyäh civän vayam uttaremä 'bhi väjän. || Rik X, 53, 8. A XI, 2, 26 (aträ jahita ye asan durevä anamiväan uttaremä’bhi väjan). 27 (Parallel- vers) Vs. XXXV,1o (atra jahimo ’civä ye asan civän ... väjän). Cat. XII, 8, 4, 3. (sakala- pätha!; wie Vs.) Käty. XXI, 4,22 (acmanvatir iti!). Diese letztere, bei Käty. vorliegende Lesart: »acmanvatir iti« führt anscheinend (!) zu den ganz absonderlichen Varianten, mit welchen sich dieser Vers, und zwar zu dreien Malen, in T. aufgeführt findet (VI, 3, 10.4, 11.9, 15): agmanvati(h) revatih samrabhadhvam (Rest wie im Rik, nur givan vayam abhi vajan ut tarema). Säyana p.667 ergänzt im Übrigen zu acm. (päshänayuktäh) und rev. (dhanahetubhütäh) den Accusativ apah, der dazu angeführte kalpa giebt die Situation ganz ähnlich wie die übrigen Yajus-Texte an: hinter dem pyrus werden drei Gruben gegraben, mit Steinen und Kieseln beworfen (agmabhih sikatäbhig ca prakirya), und mit Wasser gefüllt worauf die Verwandten sich darin eintauchen (täsı jnnätayah) samgähante.).

® so hat nach Wurrney Index p. 51, der padapätha, resp. nach p. 72 die »Mss.«; das Ath. Präticäkhya nimmt von dem irregulären samdhi sugevä "rkshäkam keine Notiz; das Metrum verlangt im Übrigen, dass in sugevä "rkshäkam dies letztere Wort vier- silbig. also wohl: ärckshäkam, mit svarabhakti, gelesen wird sonst fehlt eine Silbe.

225, Verz Berl Sskleall, 502,

u Zn un m

Weser: Vedische Beiträge. 857

man auch ein wiederholtes prä tara vermuthen, doch passt Ersteres noch besser zu naviyah, das, allein stehend, etwas absonderlich wäre, nach pratarım aber als noch weitere Steigerung gut passt.

32. 33. Diese beiden Verse, von denen der zweite der Riks. (X, 17, 2) entlehnt ist, greifen wieder auf Yama zurück, beziehen sich resp. speciell auf dessen Vater Vivasvant. Der Grund für Letzteres wird wohl derselbe sein, wie oben bei 1,53. Man sucht sich des Yama dadurch zu versichern, dass man seinen Vater für sich gewinnt. Kaugika hat für beide Verse keine direete Verwendung, doch gilt für sie wohl dasselbe, was für 3,61, nämlich (ef. 86, 29) die Angabe in 82, 36, dass man damit einen vaivasvata sthälipäka (zu kochen und) zu opfern hat.

32. Yama ist der obere, Vivasvant der untere; etwas darüber hinaus sehe ich nicht irgend | In Yama ist mein Opfer eingegangen, die Welten (bhuwah) hat Vivasvant weithin ausgespannt. |

Die in päda ı angegebene Stellung der beiden Götter möchte man vielmehr um- gekehrt erwarten. *

33. Die Unsterblichen verbargen sie (eam) vor den Sterblichen. Eine Gleichartige machend, gaben sie (dieselbe) dem Vivasvant; | sie (Saranyü) trug schon die beiden Agvin (in ihrem Mutter- Schoosse) als dies geschah. Zwei Gepaarte liess (zurück) Saranyü. |

Vergl. hierzu das über diese Legende bereits zu 1, 53 Bemerkte. Die Götter suchten die Fortsetzung des unheiligen Incestes des Pra- jäpati (Vivasvant, Tvashtar, gandharva) mit seiner Tochter (Saranyü, apyä yoshä, gandharvi) zu verhindern, entzogen daher zunächst den Sterblichen (sie! hysteron proteron! die sollten ja erst geschaffen werden!) den Anblick der Geschändeten, und substituirten für sie dem Prajäpati gegenüber eine Andere. Sie hatte aber schon zwei Gepaarte, d.i. ein Zwillingspaar, Yama eben und Yami, geboren, als dies ge- schah, und war bereits mit einem zweiten dergl. Paar, den beiden Acvin, auch einem Götterpaar, das dem frühen Morgen angehört, s. »Königsweihe« p. 100"*, schwanger. Zu Saranyüı Epwvvs und zu den gleichartigen Mythen von dieser s. AnaLgert Kun am oben p-825 a.0. (2.1,439 fg. 454).

34.35. Es folgen zwei Verse, die auf die Väter (s. v. 28. 29), zurückgreifen. Bei Kaucika wird v. 34 (35 wird nicht erwähnt) am Schluss 88, 22 verwendet, nebst drei anderen Versen (4, 4I. 1,47. 48), wie es scheint beim Anlegen von Holz in das Feuer.

34. Die eingegraben sind, hingeworfen, verbrannt, oder aufgestellt, | ‘alle diese Väter, führe herbei, o Agni! dass sie (unser) havis verzehren. ||

Zur Zeit dieses Verses galten noch und dies ist hochbedeutsam alle die darin aufgeführten Arten der Bestattung als gleich- bereehtigt. Und zwar steht das Begraben voran, das Verbrennen

os

858 Gesammtsitzung vom 18. Juli. Mittheilung vom 30. Mai.

erst an dritter Stelle. Unter den uddhita »Aufgestellten« ist wohl eine Bestattung nach Art der im Avesta üblichen zu verstehen? Die formloseste Art, das einfache Hinwerfen (zum Frass für die Raub- thiere ete.?) steht sogar an zweiter Stelle (paroptäh); dass das Verbrennen erst secundär durchgedrungen ist, zeigt denn auch der nächste Vers.

35. (X, 15,14) Die vom Feuer verbrannt oder nicht davon ver- brannt, in der Mitte des Himmels nach Belieben (in voller Freiheit) sich ergötzen, | du kennst sie, o Jätavedas, wie viel es (auch) sind. Mögen sie nach Belieben das freie Opfer sich gefallen lassen.

Auch hier stehen die Verbrannten und die nicht-Verbrannten sich völlig gleich. Der solenne terminus dafür ist aber nicht agni- dagdha, wie hier, (auch im Rik), sondern agnis/wätta, und mit dieser älteren Form erscheint das erste Hemistich in Vs. XIX, 60', wo resp. das zweite Hemistich ganz anders als hier, nämlich so, wie im Rik lautet?. Die hiesige Lesart des zweiten Hemistichs iSt resp. aus dem im Rik vorhergehenden Verse (13) entlehnt, freilich mit erheblichen Differenzen; tän fehlt zwischen tvam und vettha, statt yadi (A.) hat Rik die unbedingt richtige, daher auch oben übersetzte Lesart: yatt, und päda 4 lautet daselbst: svadhäbhir yajnam sukritam jushasva, sodass der Vers an Agni gerichtet ist, ebenso wie v. 34, was zu dem Ritual bei Kaucika jedenfalls besser passt als die hiesige Les- art. Auch der nächste Vers ist ja an Agni gerichtet.

36. Dieser Vers ist seinem Inhalt nach (ef. v. 4) an das Feuer auf dem pyrus gerichtet und hierzu stimmt auch die Angabe bei Kaue. Sı, 33, wonach der Jüngste den pyrus damit anzündet.

Brenne sanft, brenne nicht zu sehr, o Agni! (ver)brenne den Leib nicht.| In den Wäldern hause dein sausender Zug, in die Erde richte sich deine Gluth.

Also: »verbrenne ihn, aber thue ihm nieht wehe dabei«; cushma (von Yevas, sausen, cf. sushi). und haras (von Yghar glühen) sollen die Leiche nicht heimsuchen! sondern ihre Wirksamkeit nach anderen Richtungen ausüben.

37. Wenn nun der »ewige Theil«, in dieser Weise kräftiglich »gar gekocht«, geläutert, auf den Fittichen des Windes dahinfahrend, bei den beiden Hunden des Yama vorbei, über den Styx und die Milch- strasse hinweg, nach dem dritten Himmel (s. v. 48) gelangt ist, empfängt ihn Yama mit freundlicher Rede. Nach Kauc. 85, 24 wirft der

! die agnishvätta erscheinen daselbst auch noch in XIX, 5. (Rik X, 15,11; nicht weiter im Rik) XXI, 43-45. XXIV, ı8.

? tebhyah svaräd (Präl R) asunititim etam yathävagam fanvam kalpayäti (°yasva R). [sollte nieht etwa: svä-räl, d.i. svar-räl »Ilimmelskönig« zu lesen sein? LEuUMmAnN bei der Correctur].

a 4 GE

Weser: Vedische Beiträge. 859

Jüngste (kanishthah) mit 3, 73' und mit unserem Verse hier! die ge- sammelten Anochen in die Grube (BLoonrıEeLn p. 370).

» Ich gebe hier diesen Aufenthaltsort ihm, der da hier herbeikam (kommt), wenn er (erst) hier mein ist« | so spricht der weise Yama ihm entgegen, »meine Reichthümer möge er hier antreten (alle meine Schätze stehn ihm

offen) «.

avasänam, eig. Abspannung, der Zugthiere nämlich; dann der Ort, wo dies geschieht, s. I, 55.

35-45. Diese Verse handeln von dem Abmessen, Abstecken des »cmacäna« (Ath. V, 31, 8. X, 1,18) eigentlich wohl: »acma-cayana«” »Steinlager«, d.i. die durch Steine abgesteckte und umfriedete ja auch geradezu mit Thon- und Brennziegeln hergestellte” Stelle, wo die Bestattung (sei es Begräbniss, sei es Verbrennung, resp. in letzteım Fall die Bestattung der Anochen) stattzufinden hat. Von Rechts wegen hätten diese Sprüche eigentlich ganz voran stehen sollen! sie sind aber in ihrer formelhaften Gestalt, offenbar ein secundäres Product, und daher wohl dazu nicht würdig erachtet worden. Die Bestimmungen bei Kauc. 85, ı fg., die zugleich von den Maassen selbst handeln, sind sehr eingehend, und werden dabei auch die ver- schiedenen Ansichten zweier Schulen, der Devadarcin und der Gau- nakin erwähnt, also z. B. ob sie rund oder viereckig zu machen seien‘.

38. Wir messen (mimimahe) dieses Maass hier ab, damit man weiter nicht zu messen braucht (mdsdtai) | in hundert Herbsten, nicht früher.

Sollte etwa mit diesen »hundert Herbsten« hier das, was man bei uns: » Verwesungsfrist« nennt, bezeichnet sein? die Stelle also vor Verlauf von 100 Jahren nicht wieder anderweit benutzt werden können? denn auf den Aufenthalt im Himmel können sich die » 100 carad« doch nicht gut beziehen; derselbe ist nach 3, 30-35 vielmehr bis zur »samvrit«, dem Ende der betreffenden Weltperiode, bestimmt.

! 3.73 steht hier vor 2, 37 s. oben p.820n-2,

?2 gayanam wenigstens sucht auch schon Yäska (Nir. III, 5) in dem Schluss des Wortes, erklärt dagegen gma durch: cariram, nicht durch: agınan, was doch entschieden sehr nahe liegt; ef. noch acmä 'nnänam 4, 54.

° ciläbhir vishamäabhir ishtakäbhir va prasavyam cinvanti gmaganam, Schol. zu Kauc. 86,10 BroonriELD p. 370.

* nach Gat. XIII, 8, 1,5 machten die daivyah prajäh, d.i. die den Göttern ergebenen, frommen, resp. der brahmanischen Staatsordnung unterthanen Stämme die- selben viereckig, dagegen die äsuryah, präcyäs tvad, ye tvat d.i. »die asurischen Stämme, »mögen sie nun Östliche sein, oder sonst welche« machten sie rund. (Dieselbe Einreihung der präcyäs, »Östlichen« /unter die äsuryah prajäh Janders Ind. Stud. II, 189] findet sich auch noch ibid. XII, 8, 2, 1, und zwar ebenfalls in Bezug auf einen Gebrauch bei der Anlegung des cmacäna vor. Halten wir dazu die tadelnde Angabe des Cat. IX, 3. 1, 24 über die Anwohner der sieben westlichenFlüsse, so ist es klar, dass die Abfassung des Cat. br. in die Mitte, zwischen Osten und Westen, gehört; das Land der Kuru-Pancäla ist eben ein Land des madlıyadega).

S60 Gesammtsitzung vom 18. Juli. Mittheilung vom 30. Mai.

39-44. (ebenso wie 38 dass, nur die Praepositionen pra, apa, vi, nis, ud, sam, wohl auf die verschiedenen Himmelsrichtungen bezüglich, vor mimimahe treten).

45. Ich maass das Maass. Ich ging zum Himmel. Möge ich lang- lebend (dyushmdn) sein. | Damit man weiter nicht zu messen braucht, in hundert Herbste, nicht früher. ||

Dem Kaucikasütra zufolge werden Zaunklötze (paridhi) von ver- schiedenen Holzarten bei den verschiedenen Himmelsrichtungen ver- wendet; v.45 dient zur Ansprache der vollendeten Herrichtung (Kaue. 85, 17). Das erste Hemistich dieses Verses (das zweite ist einfach der Refrain von 38-44) ist resp. wohl als dem Priester in den Mund gelegt zu denken? derselbe hat sich durch seine Arbeit Anspruch auf das »in-den-Himmel-Kommen« erworben, wünscht aber doch zu- nächst noch auf Erden sein volles äyus (100 Herbste) zu leben.

46-49 handeln von dem Eingang zur Welt des Yama und diesem selbst. In v. 46 zunächst die Aufforderung an den Todten, sich dahin aufzumachen, und zwar ohne dass der Inhalt für Begräbniss oder Ver- brennung einträte. Kaucika hat keine Verwendung dafür (ebensowenig für v. 47).

Einhauch, Abhauch, Durchhauch, Lebenskraft (äyus), Auge um die Sonne zu schauen (mögen dir zu Theil werden) ;| auf hindernisslosen Wegen gehe zu den von König Yama beherrschten Vätern. ||

apariparena, nach Pet. W. »ohne Umweg« (paripara »eig. wohl nur ein wiederholtes pari«); oder: ohne Umzingler, Feind.

47. Welche arbeitskräftigen Jünglinge dahingingen, alle Feindschaft hinter sich lassend, ohme Nachkommenschaft, | die fanden, zum Himmel aufsteigend, ihren Platz, auf dem Rücken des Firmaments, darüber hin (herab) schauend. |

agravah, agru »ledig, unverheirathet«; zd. aghru, (Pet. W.); ent- weder von Yjar, aufreiben, comprimere coire? cf. jära, Buhle; oder von /jar altern (comprimi; neutrale Form der vorigen y)?; oder etwa von

Vaj. = agilis; cacamänäh ycam sich Mühe geben, Part. Prf. näka, ein noch dunkles Wort, etwa von Ysnä »feucht«? adhi didhyänäh,

von oben herab Alles überschauend?... Es ist dies ein schöner, in guter altvedischer Sprache abgefasster Spruch.

48. Dieser Vers giebt im Anschluss an dyäm uditya in v. 47 eine hochwillkommene Notiz über den Ort, wo man sich die Väter hausend dachte. Kaucika verwendet den Vers als einen der sogenannten harini- Sprüche »mit denen man holt« (80,35 und 83,31).

Der wasserreiche Himmel ist der unterste, «Palmenreiche« | (pilumati) heisst der mittlere; | der dritte Himmel heisst pradyo (der höchste dyo), in welchem die Väter sitzen. ||

Dass der Himmel aus verschiedenen Sehichten, Stufen, sich auf- baut, ist auch dem einfachsten Auge klar. Drei Schichten, wollen

—— nn se“

SE eu EEE ETW

Weser: Vedische Beiträge. 861

sagen: Wolkenschicht (udanvati!), Mondschieht (pilumati!), Sternen- schieht (pradyo), anzunehmen, liegt sehr nahe. Die Phantasie ist noch weiter gegangen, bis zu sieben Himmeln. Der Name der zweiten Schicht: pilumati bezieht sich wohl auf die lichten oder dunklen Wolkendäume (pilu nach Pet. W. Careya arborea, oder Sal- vadora persica), die manchmal amHimmel erscheinen; sprechen wir ja doch auch direet von » Wetterbäumen «. Vom dritten Himmel ist auch sonst noch mehrfach die Rede. In ihm hat auch der himmlische soma seinen Sitz. Ts.Il,5,7,ı. Tbr.M,2,1,1. Käth. XXX,ıo. Dass die pitaras in dem dritten loka hausen, berichtet auch Pancav. IX, 8, 5.

49. Es folgt noch ein an die Väter im Allgemeinen gerichteter Spruch der nach Kauc. 81,37 mit, resp. hinter (s. p.820"°) 3, 13 zur Begleitung von ıı Spenden (?) verwendet wird.

49. Welche unsres Vaters Väter und Grossväter sind, die da einge- treten sind in den weiten Luftraum, | die da die Erde und den Himmel bewohmen, diesen Vätern wollen wir mit Ehrerbietung (namasd) dienen. ||

Die ausgehauchten Seelen der Väter erfüllen die Dreiwelt, in der sie nach Belieben (svadhayä) umherschweifen; die eigenthümliche Verwendung der Yvidh mit den Dat. der Person und den Instr. der Sache »Jemandem womit dienen« ist noch unerklärt.

50-60. Diese Verse mit Ausnahme von 53, den ich als Glosse zu 54 ansehe, beziehen sich auf den auf der Bahre befindlichen Todten, der eben bestattet, sei es begraben, so doch wohl 50. 51, sei es verbrannt, werden soll. Nach Kauc. 86, 10 wird v. 50 (nebst 3, 49. 4.66) beim Schichten (nicht des pyrus, sondern des emacäna, resp. der Grube, welehe die Knochenreste birgt) verwendet.

50. Jetzt nur noch, nicht weiter, magst du die Sonne am Himmel schauen! | Wie die Mutter den Sohn mit dem Kleidzipfel, hälle du ihn (ein), o Erde!||

Seinem Wortlaut nach bezieht sich dieser anmuthige Spruch wohl von vornherein auf das Einsenken der Leiche selbst (nicht ihrer Knochenreste) in den Schooss der Mutter Erde. Es handelt sich

ja freilich um einen Todten; aber es ist hübsch, dass er, bis man ihn einsenkt, als noch fähig, die Sonne zu schauen, angeredet wird. »Nun schaut er auf zum letzten Mal in Gottes Sonne feurigen Strahl. «

51. Jetzt noch nun, nicht weiter —! Von jetzt ab weiter verwesest du Wie die Gattin den Gatten mit dem Gewande, umhülle du ihn, o Erde!

Auch hier das erste Hemistich an den Todten, das zweite an die Erde gerichtet; und zwar ist hier zu dem ersten päda wohl der zweite päda des vorigen Verses zu ergänzen; Für 51. 52 hat Kaueika keine Verwendung. Zur Verbrennung auf dem pyrus passen diese Sprüche eben nicht.

862 Gesammtsitzung vom 18. Juli. Mittheilung vom 30. Mai.

52. Ich bedecke dich mit Erde, wie mit dem Gewande der Mutter, in freundlicher Weise. | Bei den Lebenden holdes (Glück) das sei mein! Frei- heit bei den Vätern, die sei dein !||

Mit diesem Verse redet wohl der Erbe den Todten an, und so sind denn wohl auch v. 50. 51 in seinen Mund gelegt zu denken, und das Gleiche gilt dann wohl auch von v. 54fg., während in v. 53 von dem Todten in dritter Person die Rede ist. Derselbe macht mir überhaupt den Eindruck, eigentlich nicht herzugehören, sondern eine Art Glosse, so zu sagen Marginal-Note (s. jedoch oben p. 819 "') zu 54, zur Beglaubigung der Rolle die dem Püshan darin zugetheilt ist, zu sein. Kaucika hat freilich gerade nur für 53, nicht für 54. 55 eine Verwendung, und sogar eine doppelte (80, 35. 82, 31), übrigens nur wie für 48 unter den harini-Sprüchen. Jedenfalls ist dies kein Hinder- niss für meine Vermuthung, da dem Kaueika eben doch unser Ath. S.-Text bereits fertig vorlag.

53. Agni und Soma, ihr beiden Pfadfinder! habt den Göttern ein schönes Juwel, (ihre) Welt, gegeben | Schicket muın hieher den Piishan, damit er (Diesen hier) führe auf den von den Ewigen (aja) begangenen Pfaden; gehet da (auch ihr)!

Der Ausdruck: aja-ydnaih ist eben wohl mit dem padapätha (s. Wuntsev Index) wie devayäna, pitriyäna aufzulösen und auf den »1jo bhägah« in v. 8 zu beziehen; man könnte das Wort ja allenfalls auch in a-jayäna »unbesieglich« auflösen'. Die folgenden beiden, von Kaucika nicht erwähnten Verse sind aus Rik X, 17, 3.4.

54. Püshan führe dich eilig fort von hier, der Kundige! der Hirte der Welt, dem kein (Stück) Vieh verloren geht| Er übergebe dich diesen Vätern, (wie) Agni den wohlweisen Göttern. ||

paridadat AR, paridadät T.

Der Todte wird in die Obhut des Gottes Püshan gegeben, der alle Wege kennt, somit auch ihn sicher hinüber geleiten wird. Eine zwar nicht in die indogermanische Periode, aber doch in noch durchaus patriarchalische Zeit gehörige Vorstellung. Püshan ist der späteren vedischen Zeit gänzlich abhanden gekommen.

55. Lebensalter, ganzes Lebensalter behüte dich. Püshan behüte dich auf deinem Fortgang von vorn. | Wo die Frommen sitzen, wo sie hingegangen sind, da möge dich Gott Savitar hinbringen. |

paripäsati R, in A. durch das auch metrisch unrichtige, secun- däre pari pätu ersetzt; yatra te yayus R ist zum Wenigsten ein rich- tiger jägata päda, yatra ta iyus A ist dagegen metrisch unriehtig; man müsste denn etwa tai yuh zweisilbig scandiren, wo man dann einen

! Partie. Praes. Ätm., mit guna, statt Part. Praes. Pass., wie staväna für stüyamäna.

u au

Weser: Vedische Beiträge. 363

richtigen traishtubha päda erhält. »Gott Savitar« ist ebenso alter- thümlich, wie Püshan; sein Dienst muss zur Zeit der Bildung der Sprüche des Yajus-Rituals besonders in Ehren gestanden haben.

56. 57. Während v. 5ofg. bereits die Bestattung selbst be- treffen, greifen diese beiden Verse auf ein etwas früheres Stadium zurück, auf die Herbeischaffung nämlich und die Bekleidung der Leiche. Nach Kauc. 80, 34 wird v. 56 bei der Anschirrung zweier Rinder oder zweier Männer (Diener?) an den Wagen, der die Leiche zur Stätte bringen soll, verwendet. Die Leiche wird resp. nach ib. 80, ı7 gebadet, geschmückt und mit einem noch nicht getragenen Gewande, dessen Fransen(?) nach unten gerichtet sind (avägdacena)' mit v. 57 (s. auch noch 4, 31) umhüllt.

56. ich schirre dir hier diese beiden Zugthiere an, damit sie dich zu dem Fortführen deiner Lebensgeister hinfahren; | mit ihnen Beiden gehe du ein zu dem Sitze und den Versammlungen des Yama. ||

asunitäya A, asunithäya T (VI, 1,4), samitie 'va A, sukritäm 'pi T; asunitäya (°thäya) vodhave steht für asunitam (tham) vodhave, ef. dricayesüryäya; zur Sache s. v.5. alter Spruch.

Man möchte meinen, dass ursprünglich beide Thiere, nach Erfüllung ihrer Aufgabe, geschlachtet wurden, um direct als Zugthiere (vahni) auch nach dem Jenseits hinüber, zu Yama hin (s. päda 3,4), zu dienen. Nach 4, 49 nimmt jedoch der Erbe die beiden Ochsen, welche die Leiche zur Bestattung gefahren haben, wieder an sich zurück (dies ist wohl aber secundär!).

57. Dieses Kleid hier kam dir num zuerst zu. Zieh jenes aus, das du hier zuvor getragen hast. | Schreite damit hinter der Erfüllung (aller) Wünsche (drein), (dahin) wo sie dir vielfach gegeben ist unter den Freunden(?) ||

etat tvä väsah A, idam tvä vastram T (VI, ı, 2), anusamkräma vidvän A, anu sampacya dakshinäm T, yatra A, yathä T; vibandhushu AT; Säyana trennt aber, gegen den Accut, vi von ban- dhushu ab; (bandhushu pritidänarüpena bahudhä yathä viceshena dattam). In der That ist vibandhushu hier höchst befremdlich; man erwartet gerade das Gegentheil: sabandhushu, resp. bloss ban- dhushu allein; aber »© als Partikel, = viceshena, zu fassen, ist denn doch auch sehr bedenklich (jedenfalls müsste der Accent geändert werden). Sollte man nicht also etwa doch vibandhu einfach im Sinne von bandhu, das vi also als verstärkend, nicht (wie sonst vor con- creten Begriffen) als privativ zu fassen haben? wie dies z.B. dem Pet. W zufolge bei vijämi, freilich gegenüber von ajämi, Riks. X, 69, 12 der Fall ist. Oder, wem dies doch zu bedenklich ist, sollte etwa bahudhä vi

ı dacä, »Fransen« eigentlich wohl: was wie zerdissen, zerkaut, zerzaust

aussieht: zu dagä, Lebens-Dekade, s. oben p.841”-3.

Sitzungsberichte 1895. 76

564 Gesammtsitzung vom 18. Juli. Mittheilung vom 30. Mai.

präkritisch für bahudhä api stehen? vi ein apokopirtes api (pi, bi, vx) sein? Es handelt sich hier ja doch um einen volksthümlichen, resp. vielfach gebrauchten Vers, wie denn wohl auch schon die doppelte Form des Einganges (in A und T) dafür eintritt, dass er eben eine Art versus communis ist. Zu vergleichen wäre! etwa die vedische Ver- wendung von iva in der apokopirten (präkritischen) Form va (cf. schon Pet. W. I, Sıg. 820).— Im Pet. W. wird vibandhu, unter Citirung dieser Stelle hier, als »verwandtenlos« übersetzt. Das will hier aber dureh- aus nicht passen. Denn es wird ja doch sonst gerade umgekehrt vom Jenseits gerühmt, dass man dort mit den Seinigen (s. auch 29) wieder zusammentrifft.

Es erhebt sich hier noch die Frage, ob der Vers wirklich ursprünglich auf die Leichenkleidung sich bezog? oder ob nicht etwa in päda ı nur das F/ammenkleid von v.58 (Rik X, 16, 7) gemeint ist? die Gluthen des pyrus also, gegen die in v.58 ein Panzer an- gelegt wird? oder etwa gar dieser Panzer selbst?

58. Es wird nunmehr (Kauc. 81, 25 f.) die Leiche mit dem Fell einer Kuh (nach Kaue. mit ihrer vapä, und im Übrigen Glied für Glied mit deren Gliedern) bedeckt; dieses Fell soll zunächst als ein Panzer gegen die Feuersgluth , und die Kuh selbst (s. 3, 4; ef. den aja oben bei v.8 p.847) als Reitthier nach dem Jenseits dienen. Auch nach dem kalpa zu T.VI, ı, ı9 wird der Leichnam mit v. 58 mit der Haut einer Kuh (an der sich Kopf, Haare und Füsse befinden, die Haare nach aussen gewendet) vollständig eingehüllt.

58. Zieh’ dir mittels der Kühe (der Kuhhaut! oder mittels der vapd der Kuh?) einen Panzer gegen das Feuer an, umlülle dich mit ihrem Fett und Safte, | damit dich nicht der Kühne, mit seiner Gluth Jauchzende, Trotzige, zum Verbrennen Begierige, vollständig umklaftert. ||

Säyana fasst agnes als Gen. subjecti: agneh svabhütam varma jvälälakshanam;

gobhir anustaranigocarmanäa Säy. zu Rik (racmibhih zu T.), pivasä steht in Rik. vor medasä, dadhrig RA, dadhad T (sic! he carma tvam dhärayan Säay., sehr seltsam!), vidhakshyan R, vidhakshan A, was mir besser scheint,

paryankhayätai R, parinkhayätai A (secundär).

59. 60. Ansprache an den Todten durch den Erben, der die Insignien desselben an sich nimmt, und dadurch, unter scharfer Be- tonung der Scheidung zwischen Leben und Tod, in den Vollbesitz der Erbschaft eintritt. Und zwar hat sich der ursprüngliche Vers (Rik X, 18,9) der an einen Ärieger gerichtet ist, hier in zwei Verse gespalten, von denen der erste (cf. oben 2, ı5 fg.) an einen Brähmana,

! beiläufig, wenn in elassischer Dichtung gelegentlich v@=iva gebraucht wird, so scheint mir dies nur eine irrthümliche Aneignung des präkritischen: va, iva zu sein, ähnlich wie wohl auch manasvini bei Kälidäsa Mälavikägn., v. 19. 38 auf einer irrigen Erklärung des präkritischen mänamsini (für mänavati) beruht, s. Häla p. 99.

Weser: Vedische Beiträge. 865

der zweite an einen Krieger gerichtet ist. In T (VI, ı, 15-17) finden sich resp. drei Verse vor, deren dritter für einen Vaieya bestimmt ist. Ebenso bei Kaucika (80, 50; die dortigen Angaben stimmen genau zu der Situation, die sich aus dem Inhalt selbst ergiebt; und zwar differirt der Eingang dieses dritten Verses', den unser Text der Aths. nicht kennt, von dem Eingange des dritten Verses in T. Dafür dass v. 59 ursprünglich nur für einen Krieger bestimmt war, tritt päda 4 mit Bestimmtheit ein’. Es liegt hier eben ein hoch- interessantes Beispiel für die allmähliche Weiterentwickelung solcher Verse vor. Während der ursprüngliche Text im Rik einfach lautet:

dhanur hastäd ädadäno mritasyä 'sme kshaträya varcase baläya | atrai 'va tvam iha vayam suvirä vieväh spridho abhimätir jayema||

»Den bogen aus der Hand des Todten nehmend, uns zur Kraft, Werkkraft, Stärke, (sage ich):|»Da bist du, hier sind wir; mit guten Mannen versehen wollen wir alle Gegner und Nachsteller besiegen «. || haben A.T. zunächst eine Form des Spruchs, in welcher der Bogen durch einen Stab (dandam) in A., durch: Gold (suvarnam, hier zwei- silbig zu lesen!!) in T., ersetzt ist; und zwar scheint mir hier der Stab als Insignie des Brähmana den Vorzug vor dem Gold zu verdienen; mritasya ist in A. in 59 durch gatäsoh vertreten; es macht dies zwar einen alterthümlichen Eindruck, ist aber doch wohl, da v.60 an mritasya festhält (ebenso T. in allen drei Versen) als eine gesuchte, immerhin gute, Veränderung aufzufassen; der zweite päda ist in v. 59 in A. für den Brähmana umgewandelt in: saha crotrena varcasä balena »mit Gehör, Werkkraft und Stärke«, wobei erotra (cf. crotriya) sich offen- bar auf das Studium der heiligen Texte bezieht; auch dies ist entschie- den charakteristischer für den Brähmana, als die allgemeinen Lesarten

in T.: eriyai, brahmane, tejase, baläya. Das zweite Hemistich ist bis auf die kleinen Varianten: suceväh (statt suviräh) in T., und mridha statt: spridha in A., mit R. identisch. Die zweite und dritte Form

des Spruches ist in T. bis auf den Eingang (dhanur resp. manim)

..

und den zweiten päda (criyai kshaträyau ’jase baläya, und criyai

vice pushtyai baläya) mit der ersten identisch, in A. dagegen differirt v. 60 von v. 59 theils im Eingange (dhanur statt dandam), theils im zweiten päda (kshatrena statt erotrena), theils endlich zeigt das zweite Hemistich eine ganz selbständige, von R. wie T. abweichende Gestalt.? In A. lautet somit der Text wie folgt:

! es liegt davon eben nur der Eingang vor.

® derselbe passt eben nur für einen solchen, nicht für einen Brähman.

° wie die dritte Form des Verses bei Kaugika gelautet haben mag, ist nicht ersichtlich; nur das steht fest, dass der Eingang: ashträm lautet (statt dandam und dhanur), sich also auf den »Viehstachel« des Landmanns bezieht, während manim in T. wohl mehr den Handelsmann markirt.

366 Gesammtsitzung vom 18. Juli. Mittheilung vom 30. Mai.

59. Den Stab aus der Hand nehmend des Dahingeschiedenen, sammt crotra, Werkkraft und Stärke, (sage ich):|»Da bist du, hier sind wir; mit guten Mannen versehen wollen wir die Feinde und Nachsteller besiegen «.||

60. Den Bogen aus der Hand nehmend des Todten, sammt kshatra, Werkkraft und Stärke (sage ich):| »fasse zusammen den Besitz (vasu), die reiche Fülle, (bhüri pushtam); herwärts komme dw zu der Welt der Lebendigen. ||

Das zweite Hemistich in v. 60 kann nicht an den Todten, son- dern nur an den Erben gerichtet sein. Der Priester fordert ihn auf, sein Erbe anzutreten. Und dies ist denn freilich eine secundäre Wand- lung, die, römisch gesprochen, so viel bedeutet als: »der König setzt sich die Krone nicht mehr selbst auf, sondern empfängt sie aus der Hand des Priesters«. Die Trennung zwischen Leben und Tod ist auch hierbei kräftig festgehalten, wenn auch nicht scharf pointirt, wie in v.59.

Es ist im Übrigen wundersam, dass hier nicht auch gleich die an die Wittwe gerichteten Sprüche, die den Eingang des nächsten anuväka (3, 1.2) bilden, direet angeschlossen, sondern eben durch den Schluss des anuväka von hier abgetrennt, und an die Spitze des nächsten Abschnittes gestellt sind. In R. stehen dieselben vor dem Spruche an den Erben. Ebenso auch in T. vor den diesem Spruche entsprechenden drei Sprüchen, und zwar sind daselbst sogar auch diese drei Sprüche ihrerseits, wie das Feminin ädadänä zeigt, im den Mund (nieht des Erben, sondern) der Wittwe gelegt‘, die somit. ihrerseits die Insignien an sich nimmt, und dadurch, sollte man doch meinen, auch die Erbschaft antritt(?). Nach dem kalpa zu T. VI, 1,15 berührt sie die beiden Hände des Todten mit dem »Golde« ete.: suvarnena hastau sammärshti, und der Priester (nach Säyana) redet sie, nicht den Todten, mit den Worten: atrai ’va an, und for- dert sie auf zu leben: he näri ädadänä sati atrai ’va loke tishtha.

-l wodurch sich denn wohl auch erklärt, dass darin »Gold, Bogen und mani« dem »Bogen« in R., resp. »Stab, Bogen und Viehstachel« in A., gegenüber stehn; s. auch noch die gleichartigen Angaben aus dem Bharadväjasütra bei Wırson Seleet Works (ed. Rosr) II, 297. 298. Das Rik-Ritual schliesst sieh natürlich der Riks. an.

Ausgegeben am 25. Juli.

Berlin, gedruckt in der Reiehsdruckerei,

1895. XXXVI.

SITZUNGSBERICHTE

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN.

25. Juli. Sitzung der philosophisch-historischen Classe.

Vorsitzender Secretar: Hr. Momnmsen.

Hr. Vauren las: Über einige Anspielungen in den Hymnen des Callimachus. Die Mittheilung folgt umstehend.

Sitzungsberichte 1895. 77

e a

2 I MER a a Er kr Br SR ve

SR E er re

ar ee ee we

WERE FA ae 220 DR ra

e 5,0 Er; . ö Y i Ve FAR a ö { N EN - As end: Di Pi Li re eg \ Pal ?: E =} BR K EEE ENTARENG Erg ar 2

+ Sp 2 2 4 Br N y

N * 5 r % En 7 a Kreta } NT RRETLI Be t " og =; x . >

369

Über einige Anspielungen in den Hymnen des Gallimachus.

Von J. VAHLEN.

Nicht neue, der Spürkraft der Philologen bisher entgangene geschicht- liche Anspielungen in den genannten Dichtungen habe ich aufzudecken, sondern verfolge nur die bescheidenere Absicht, einige dahin gehende Annahmen einer Prüfung auf ihre Richtigkeit zu unterziehen. Denn ich hege, je länger je mehr, Bedenken, ob eine Ausdeutung dieses Dichters Bestand haben könne, bei der die Gottheiten, die er preist, in die historischen Gestalten der Könige von Aegypten sich verwan- deln, und Zeus mit Ptolemäus Philadelphus, Apollo mit demselben oder dem dritten Ptolemäer oder beiden zugleich in demselben Hymnus, Apollo’s Braut Cyrene mit Euergetes’ Gemahlin Berenice identificiert wird und zahlreiche auf demselben Wege liegende Annahmen ver- wandter Art aufgestellt und zur Grundlage gemacht werden für die Bestimmung der Zeiten und Umstände, unter denen diese Dichtungen entstanden sind und verbreitet worden.

Unser verewigtes Mitglied, Joh. Gustav Droysen, hat, als er die Geschichte des Hellenismus aufbaute, für die Darstellung der Ptole- mäerzeit auch den Alexandrinischen Dichtern dieser Epoche, den Callimachus und Theocritus und wie sie heissen, eine geschärftere Aufmerksamkeit zugewendet; und da er bei seinen Vorstellungen über die Beziehungen dieser Dichter zu dem Alexandrinischen Königshof sich oftmals unbefriedigt fand, dass sie nicht mehr sagen sollten, als der Wortlaut zu gestatten schien, hat er unter symbolisierenden Formen sich verbergende Urtheile und Äusserungen zu entdecken geglaubt, die den Diehtungen erst das rechte Salz verliehen und sie wie Zeug- nisse von Zeitgenossen für die Zeitgeschichte brauchbar machten. Droy- sen’s Verfahren hat in seiner geistreichen und entschlossenen Art ins- besondere bei philologischen Interpreten dieser Dichter viel Beifall und Nachfolge gefunden, deren viele heutzutage, bewusst oder unbe- wusst, in seinen Fussstapfen wandeln, und selbst wo sie abweichen, nicht die Berechtigung der allgemeinen Voraussetzung in Frage stellen, sondern nur das Einzelergebniss, wenn es Zweifel erregt, durch an- deres von gleicher Art zu ersetzen suchen.

--. di

870 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 25. Juli.

Callimachus’ Hymnendiehtung, die uns hier allein beschäftigt, trägt unverkennbar den Stempel der Zeit, die sie hervorgebracht hat, und wie der Dichter mit seinem persönlichen Wünschen und Hoffen nicht selten sich in seine Darstellung mischt, so lässt er es auch nicht an ausdrücklichem Hinweis fehlen auf seinen König, den er (1,85) als von der Gunst des Zeus besonders begnadigt preist, oder (2, 26) mit dem zu streiten ein Verbrechen nicht geringer sei, als mit den Unsterblichen zu fechten. Aber wenn er hier so deutlich und unver- hüllt redet, ja (4, 165) den Apollo, den noch ungeborenen Gott, aus Leto’s Mutterschooss dem namentlich genannten oder unzweideutig ge- kennzeichneten Ptolemäus seine Geburt auf Kos und die ihm gemein- sam mit dem Gott bevorstehenden Kämpfe weissagen lässt, so ist die Frage nahegelegt, mit welchem Rechte man auch da noch versteckte Anspielungen voraussetzt, wo die Worte, wie sie stehen, an mehr als die gepriesene Gottheit zu denken nicht verstatten: können doch Lob- preisungen der Götter, selbst abgesehen von ihrem möglichen Zu- sammenhang mit dem religiösen Cult, als eine aus älterer Zeit über- kommene Gattung, auch ohne zum Träger verstohlener Hindeutungen auf Zeitereignisse zu werden, rein als poetisches Erzeugniss, ihren Werth behaupten und ihre Bestimmung erfüllen.

Doch allgemeine Betrachtungen dieser Art, mögen sie auch nicht nutzlos sein, werden uns nicht zum Ziele führen. Ob eine Ausführung noch mehr enthalte, als die Worte besagen, muss aus ihr selbst er- wiesen werden; und so versuche ich an einigen Äusserungen in den drei ersten Hymnen in eingehender Erklärung der Zusammenhänge darzuthun, dass der Wortverstand den Absichten des Dichters Genüge thue und anderweitige Ausdeutung ausgeschlossen oder nicht gefordert sei. Um aber einen verlässlichen Maassstab für die Beurtheilung des Einzelnen zu gewinnen, schlage ich hier wie sonst den hermeneuti- schen Weg ein, indem ich den Dichter auf dem Gange seiner Gedanken- entwickelung begleite und Anlage und Gliederung seiner Dichtung nach Möglichkeit anschaulich zu machen suche, dies um so mehr, da diese Seite der Erklärung, die, so elementar sie ist, doch die unerlässliche Grundlage jeder weiteren Untersuchung abgeben muss, von den bis- herigen Auslegern der älteren wie der neueren Zeit, trotz verdienst- voller, aber mehr das Verständniss des Einzelnen im Zusammenhang der kritischen Erörterungen fördernder Leistungen, weniger als billig beachtet und befolgt worden ist. Bietet sich dabei Gelegenheit, einige am Wege liegende Fragen der Textesgestaltung zu streifen, so wird dies vielleicht für die nothgedrungene Umständlichkeit der übrigen Darlegung einigen Ersatz bieten.

Vanren: Über Anspielungen in Callimachus’ Hymnen. s7i

T.

Der Hymnus auf Zeus hebt mit der Frage an 'was anderes gäbe es besseres bei Spenden für Zeus zu besingen als den Gott selbst, dem sie gelten, den Bezwinger der Erdgeborenen und den Rechtsverkün- diger der Himmelsbewohner (1-3), indem eine Gelegenheit bezeichnet wird, für welche das Preislied bestimmt sein konnte, ob die thatsäch- liche, wie manche angenommen und dann die omovdat Avos verschie- den gedeutet haben, oder in poetischer Fietion, um in Anknüpfung an bekannte Sitte der Dichtung einen äusseren Anhalt zu geben, lässt sich aus den Worten nicht entscheiden.

Auf die erste folgt eine zweite Frage: "wie auch soll ich ihn be- singen, als Dietäischen oder als Lyeäischen? denn die Meinungen sind getheilt: die Einen lassen den Zeus auf Creta’s Idäischen Bergen, die Andern in Arcadien geboren sein: welche dieser beiden Parteien hat gelogen? "Die Creter”, lautet mit dem auf Epimenides zurückgeführten Spruch die Antwort, "sind immer Lügner”; was hier seine besondere Begründung daraus empfängt, dass sie auch ein Grab auf ihrer Insel für Zeus gezimmert oder ersonnen haben (E&rexryvavro), den ewigen Gott, der niemals gestorben ist (4-9).

Der Nachdruck, mit dem Callimachus den eretischen Anspruch auf die Geburt des Zeus verwirft und die Verwerfung bekräftigt, zeigt deutlich, dass er gegen eine verbreitete Meinung sich wendet, und dass hier wie sonst in diesem Hymnus (auch in andern) der polemische Zweck allein es ist, der die Färbung seiner Worte bestimmt hat.

Nachdem er so die Bahn sich frei gemacht, berichtet er Zeus’ arcadische Geburt, beschreibt die Heiligkeit des Ortes und erläutert den daran haften gebliebenen Namen.

ı0 ev Öe ae Ilappaoin Pein rerev, hyı uadıora Eokev opos Hduvowı Tmepiokenes, Evdev 6 y@pos iepos oVde TI uw keypnnevov Eidewdvins EpTEeTovV oVde yvvn Emwwioryerau, aa Peins @yUyıov kaNeovoı Aexwıov Amıdavnes' ıs evda ©’ Erei unrnp neydAwv amednKaro KoATav Rhea gebar dich im Parrhasischen (Arcadischen) Land, da wo der Berg am meisten von Buschwerk "umschattet ist, daher der Ort heilig ist, und kein der Geburtsgöttin bedürftiges Weib oder Thier naht sich ihm, sondern die Arcader nennen ihn (immerfort) das alte‘ Kindbett der Rhea.’ Diese Verse bilden ein Ganzes, und ich hege Bedenken, ob

! oyvyıov, nicht &yvyıor, das den Ausdruck verdirbt. &mwioyera, wie 4, 39 ovmo

vol ypvaen erenioyero Anro. '

872 Sitzung der philosophisch - historischen Classe vom 25. Juli.

es zweckmässig war, einen Theil derselben, von Evdev 6 yopos (11) bis Arıöavnes (14), als Parenthese abzusondern, wodurch die Anknüpfung von (15) evda ©’ Erei u. nicht erleichtert und die Namengebung des Ortes mehr als billig gedrückt wird, die für Callimachus kein neben- sächliches, sondern ein wesentliches Moment der Darstellung ausmacht, wie in diesem Hymnus die Verse 38. 45. 5I zeigen, und hier soll die am Ort haftende Benennung zugleich zum Beweise dienen für die Richtigkeit der von Callimachus befolgten Version der Sage über Zeus’ Geburt.

Länger verweilt er sodann bei Rhea’s Noth, nachdem sie geboren, sich und ihren Sprössling in strömendem Wasser zu waschen, das ihr damals durch den Wassermangel Arcadiens verwehrt ward, bis sie den Berg mit gewaltigem Schlage spaltete und den Boden fliessendes Wasser herzugeben zwang (V.15-32).

„7 3 N [4 [4 [4 IL ıs evda ©’ Emei untnp neyaAwv ümednjkaro KoATWV, abrika ÖlCnrTo p0oVv Vdaros ® KE TOKOLO Aunara xvTAWoaTo, TEeov Ö Evi ypwra Aocoau. Nadwv AAN oUnw ueyas Eppeev oid Epvuavdos, Nevkotaros MoTauav, Erı Ö APpoyxos hev amaca Apkadin, MEANEev be uaN evvöpos kaxeeodaı aurıs, emei rnuoode, Pen 67° EeAvoaro uirpnv, AB N 4 2 e \ 317 n moNNüs edvmepde vapwvidas üypös Iawv neıpev, moANas de Mexas wkynoev ünagas, \ x EA La, „+7 moAXa de Kapiwvos dvo Ölepov ep Eovros 2: AvovVs EBaAovTo Kiv@mera, viooero 6 Avnp \ e \ en [4 (is melos ümep Kpadiv re moAVorewv Te Merwrnv x \ \ y e x \ ÖnhaNeos, TO ÖE MONAOV Vowp UMO MOOOIv Ekeito. Kal dB Um aunyavins oxouevn baro morvia Pein Tata Pin, TeRe Kal oU: Teal 6 wöwves EXadpat. eime Kal üvravvoaca den ueyav iyrodı rnyuv N [4 N x e \ [4 mANgEv Öp0os OKNTTPW' TO de oi Ölya movAV ÖLeoTn, EK Ö Exeev ueya xevua. Man sieht das Interesse, das den Dichter bei dieser Darstellung fesselte, und erinnert sich leicht, dass er ein Werk mepi morauov verfasst hatte. Auch ist nicht zu verkennen, wie er dem einfachen Gedanken eine Ausweitung zu geben und das Allgemeine durch Speeialisierung zu veranschaulichen beflissen ist. Denn es genügte zu sagen Rhea suchte nach Wasser, sich und das Kind zu waschen, aber der Ladon und Ery- manthus flossen noch nicht und ganz Arcadien war noch unbewässert, sollte aber (noch einmal) gar wasserreich heissen. Und an dem so be- schlossenen Gedanken konnte mit V. 28 kai p Um Aunyavins die Erzählung fortgeführt werden. Allein seiner Weise entsprechend ist

Vanten: Über Anspielungen in Callimachus’ Hymnen. 873

die Drehung, mit der er auf schon Gesagtes zurückkommt und erst in variierender Ausführung seinen Gedanken zum Abschluss bringt: Rhea suchte nach strömendem Wasser, aber der Ladon und Erymanthus flossen noch nicht und ganz Arcadien war noch unbewässert, sollte aber wasserreich heissen in Zukunft, während damals, als Rhea gebar' und nun werden nicht wieder Ladon und Erymanthus, sondern andere Flüsse genannt, von denen in zierlichen Wendungen mannigfaltiger Art ausgeführt wird, wie die späteren Gewässer damals noch festes Erdreich waren. Diese Gliederung und Anordnung der Gedanken ist zwar künst- lich aber nicht unklar, ist aber dennoch lange verkannt worden. Nachdem die Waschung vollzogen, übergiebt die Mutter das Zeus- kind der Nymphe Neda, es in die Cretische Grotte zu bringen, in der es im Verborgenen auferzogen werde. Todı xpoa bawöpvvaca, @va, reov omelpwoe, Neön de ve Öwre konlooaı kevduov Erw Kpnraov, va kpvba Traudevoıo, ss mpeoßvrarn Nuubewv, al uw TOTE uawoavro, TP@TIETN 'yeven uerd ye Atiya Te P®iAvpnv Te. oVvö AAinv amerıce den xapır, AANA TO xevua keivo Neönv övounve, TO uev modı movAV Kar’ auto Kavkovwov mroXiedpov, 6 Aenpeiov mebarıora, se ovudbepera Nnpnı, marauörarov ÖdE uw Vvöop viovol ivovor Avkaovins ApkToıo. In V. 35. 36 halte ich die überlieferte Fassung bei rpeoßvrarn Nuubewv, al uw TOTE uawoavro, TPWTIETN 'yeven uera ye Ituya te ®iAvpnv Te, die allein, wie ich meine, eine angemessene Gliederung ergiebt; denn die Redeweise ist keine Anaphora (wie Meineke annahm), sondern das Alter der Nymphe wird doppelt bestimmt, nach verschiedenem Maass- stab: ‘der ältesten unter den Nymphen, die damals um Rhea beschäf- tigt waren', und von Geburt (von Alter) der ersten Nymphe über- haupt wenigstens nach’ der Styx, die dem Hesiodus (Theog. 776) v- varnp ayroppoov Ükeavoro Mpeoßvrarn ist, und der Philyra, die von Kronos den Cheiron gebar, als Zeus noch in Creta erzogen ward (Apoll. Rhod. 2, 1232ff.). Wer dem Gedanken des Dichters sich hin- giebt und sich erinnert, wie häufig yeven, der Dativ (nicht even, das Meineke setzt, aber ohne Beleg), zu Altersbestimmungen, wie

! Pausanias 8, 38, 3 nennt neben der Neda noch zwei Nymphen, Theisoa und Hagno.

?2 Für uera ye (36), die Ausnahme zu bezeichnen, sei, weil man doch auch ge- zweifelt hat, verwiesen auf Od. ı1, 310 kai moAb kaN\iorovs werd Ye KAvrov 'Opiova. Herodot 4.152 ueyıora O7 EANAyvov mavrwv .. Ekeponoav era ye Zootparov.

874 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 25. Juli.

veWTaTos, TpoyeveoTepos, TpOTEpoSs, mpeoßvraros u. a. hinzugefügt worden, wird durch die zusammengeordneten Dative verschiedener Beziehung sich nicht irren lassen, und mehr Grund diese Verbindung zu meiden, hatte Callimachus nicht als in demselben Hymnus V. 73 DoiBov de Avpns ed eiöoras oluovs, obwohl ei eiöoras auch einen Genitiv zuliess (ed eidoras AaAKns, TOEwv ED eiöws), den er schwerlich darum gemieden hat, weil in Avpns schon ein Genitiv stand. Den No- minativ herzustellen und TpwTioTn yeven im Sinne der ersten Gene- ration zu verstehen, war, dünkt mich, kein glücklicher Gedanke von Schneider, weder in der Form, die er selbst ursprünglich (Philolog. 1,266) empfohlen und die v. Wilamowitz aufgenommen,

mpeoßvrarn Nvubewv (al mv Tore uawoavro,

TPWTIOTN even) uerd ye Ztuya re PiAvpnv Te, mit Abtrennung einer Parenthese, die selbst einen zwecklosen Ge- danken erhält, und in die Mitte zwischen Zusammengehöriges ge- schoben, zweimal trennt, was der Leser doch nicht umhin kann zu- sammenzulesen Nvubeov ai uw T. u. und Tpwriorn nerd ye 2rt., noch in der später von ihm in den Text seiner Ausgabe genommenen

mpeoßvrarn Nvubewv al uw TOTE uawoavro,

TP@TIOTN even nera Ye Ltuya worin MpwTioTn 'yeven (wenn ich recht verstehe) appositionell an ai sich anschliessen soll, etwa wie 4,282 kal ol kadumepde Bopeins oikia Owos Eyoveı, moAvypoviwrarov alua; denn nun wird die in uera ye 2T. liegende Ausnahme, die der Neda gelten sollte, wenig passend an TPW@TIOTN even (Nvupewv) angeschlossen und überhaupt der Ge- neration von Nymphen, welche der Rhea bei der Geburt des Zeus beistanden, mehr Gewicht beigelegt, als mit der Absicht des Dichters be- steht, der die Neda, der Rhea das Zeuskind anvertraut, auszeichnen wollte.

Dass Callimachus den auf dem Lykaion entspringenden Fluss Neda, dessen Lauf er beschreibt (38-40), d. i. das yevua keivo, welches Rhea durch Spaltung des Berges Lykaion hervorrief (32) und das er (40) als maAaısrarov Vöw@p bezeichnet (Curtius, Peloponnesos ı S. 343), von der Nymphe Neda und zwar als Geschenk der Rhea für ihren Dienst benannt sein lässt, und da er die Nymphe auf ihrem Gange in Creta begleitet, nicht versäumt auch den Ursprung des in der Mitte zwischen O©eval und Kvwoos gelegenen OupaAıov zu erklären und mit dem Zeusmythus in Verbindung zu setzen (42-45), dies alles sind sprechende Züge, die des Dichters Geistesart nicht minder als den Charakter unseres Gedichtes erkennen lassen. Rasch in knappestem Ausdruck aber gefälligem Wechsel der Form

durchläuft er sodann die bekannten Momente der ersten Ernährung und Erziehung des Zeuskindes (46-54). Damit aber schliesst, wenn man

Vanren: Über Anspielungen in Callimachus’ Hymnen. 875

sondern will, ein erster Theil des Hymnus, der in fester Fügung sich entwickelt und die Schicksale des Zeus von seiner Geburt an, bald skiz- zierend, bald verweilend und in anschaulichen Bildern sich ergehend, verfolgt hat.

Von V.55 ab ist es nicht mehr das Zeuskind und dessen Geburt und Erziehung, sondern, wie in einem zweiten Theile des Gedichtes, Zeus, der Herrscher im Himmel, dem Callimachus’ Darstellung ge- widmet ist. "Schnell entwickelt sich Zeus, aber obwohl noch jugend- lich, ersann er alles vollkommen. Darum auch haben ihm die Brüder, obwohl älter von Geburt, den Himmel als das ihm zugetheilte Haus nicht missgönnt (55-59).

Erı mauövös Ewv Ebpaooao Tavra TeXeıa' s” TO TOL Kal YvwTol TPOTEPNyYEVEeS TED Eovres olpavov OUK Eueynpav Eyeıw Emiöaloıov oIkov. Bei diesen Versen hat man sich daran erinnert, dass der Lagide Pto- lemäus mit Übergehung seiner älteren Söhne aus seiner Ehe mit Eury- dice den Sohn der Berenice Philadelphus zum Thronerben ausersehen hatte, und hat demnach angenommen, dass der von Callimachus er- wähnte Vorrang, den die älteren Brüder dem jüngern Zeus eingeräumt, von der Zeit nur als eine Anspielung auf diese Vorgänge am Alexan- drinischen Hofe aufgefasst und als eine in dem göttlichen Beispiele enthaltene Genehmigung der von dem Lagiden angeordneten Erbfolge habe angesehen werden können; und man hat demnach im Hinblick auf die historischen Verhältnisse den Zeitpunct näher festzusetzen ge- sucht, wann die höfische Rücksicht dem Callimachus getattet habe, seinen Hymnus bekannt zu machen.

Den Gedanken hat zuerst Droysen (Geschichte des Hellenismus 3,1. 8.254, 2. Aufl.) mehr hingeworfen als entwickelt, der auch darin, dass der Hymnus auf Zeus der Hera nicht gedenke, ein Anzeichen dafür erblickte, dass die Diehtung älter sei als Philadelphus’ Vermäh- lung mit seiner Schwester Arsinoe (a.a.O. S. 266 a.); aber aufgenom- men hat die Ansicht und in specieller Begründung des Näheren aus- geführt Otto Richter in dem Programm von 1371, dessen Titel 'Calli- machus’ Hymnen auf Zeus und Apollo: zwei Momente im Leben des Ptolemäus Philadelphus’ die Absicht der Untersuchung erkennen lässt; und nach ihm haben mehre, auf derselben Voraussetzung beharrend, nur darüber gestritten, ob die weiteren Folgen jener Entscheidung der Thronfolge den Hymnus etwas früher oder etwas später anzusetzen rathen'.

! S. besonders die neueste Darlegung von Bruno Ehrlich, De Oallimachi hymnis quaestiones chronologicae (Breslauer philol. Abhandlungen 7.Bd. 3. Heft 1894), in welcher auch die früheren Ansichten durchgesprochen werden, und eine Recension dieser

876 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 25. Juli.

Lässt man den Vergleich gelten zwischen Zeus’ Brüdern und den Brüdern des Königs Philadelphus, so würde doch die erkennbare Weise des Callimachus eher erwarten lassen, er werde dieser Parallele im Worte Ausdruck gegeben haben, wie er in unserem Gedichte selbst (85 ff.), Zeus’ Bevorzugung der Könige zu belegen, als hervorstechendes Beispiel seinen König nennt, oder wie umgekehrt Theoecrit, da er von Philadelphus’ Ehe mit seiner Schwester Arsinoe gesprochen, nicht unter- lässt, den vergleichenden Hinweis auf Zeus’ und Hera’s iepos yauos hinzuzufügen (17, ızıff.). Aber wollte man auch hier versuchen, eine Bezugnahme auf den König zu formulieren und an das von Zeus Ge- sagte anzuschliessen, ‘So haben auch unserem König die älteren Brüder die Herrschaft eingeräumt usw., so würde man, meine ich, bald inne werden, wie wenig die Vergleichung Stich hält, die nicht weiter reicht, als dass hier und dort ein jüngerer älteren Brüdern vorgezogen worden, während die Umstände, unter denen dies geschieht, in beiden Fällen verschiedene und jener Parallelisierung von Zeus und Philadelphus durchaus widerstrebende sind, dessen Brüder, wie bekannt, nach seiner Thronbesteigung in Hass und Feindschaft sich von ihm gewendet haben. Wenn es aber nicht möglich war, den Vergleich in Worte zu kleiden, sollen wir doch glauben, dass das allein von Zeus Ausgesagte den Lesern des Callimachus den Gedanken an ihr eigenes Königshaus nahe gelegt hätte? Dazu kommt, dass Callimachus sich nieht auf die beiden Verse beschränkt, die den Anstoss zu jener Voraussetzung ge- geben haben, und die meist ‚allein erwogen werden, sondern statt einer Beziehung auf die Königsfamilie im Anschluss an jene beiden Verse seine Gedanken in ganz anderer Richtung entwickelt.

TO ToL Kal YvwTol TpoTepn'yevees TEp Eovres olpavov oUK Eueynpav Eye Emiöaioıov oikov. 6 Ömvanoı Ö' ou Taumav AAndees Noav aoıöor' pavro maxov Kpoviöncı Öldrpıya Öwuara veruar Tis de K' Em’ oVAUnT® TE Kal Aıdı KAMPoV Epvocaı, Ös uaxa um vevinAos; Er’ ioam yap Eoıke nach, Ta de TOOToVv 600v dLa MAEIOTOV Exyovan. 6; revdoiunv diovros A Kev meniboev akovnv. ov ve Hewv Eoonva maxoı Hevav, Epya de yeıpav, on Te Bin TO TE Kapros. ‘Die älteren Brüder haben dem Zeus den Himmel als seinen Wohn- sitz nicht missgönnt. Denn die alten Dichter haben unwahr berichtet,

Schrift (Wochenschr. f. class. Philol. 1895 n.20) von Max Rannow, der zwar selbst wie früher (Stud. Theoerit. Berl. 1886 S. 38 ff.) die Beziehung im Allgemeinen nicht aufgiebt, aber die sich ergebenden Consequenzen im Einzelnen mit besonnenem Urtheil abschätzt.

ou wi

ei

Vanren: Über Anspielungen in Callimachus’ Hymnen. 871

das Loos habe den Kronossöhnen ihre Wohnungen dreifach zugetheilt. Wer wollte auch über Himmel und Hades das Loos werfen? Um Gleichwerthiges ziemt es sich zu loosen: jene aber sind unendlich verschieden. Wenn ich schon lügen wollte, würde ich lügen, was den Hörern glaubhaft erschiene.. Dann in unmittelbarer Anrede an Zeus selbst: "nicht das Loos hat Dich zum Herrscher der Götter ge- macht, sondern die Werke Deiner Hände, Deine Kraft und Gewalt. Auch an dieser Gedankenkette ist leicht zu erkennen, dass die dem Callimachus schuldgegebene Geschwätzigkeit nicht besteht in der Breite des Ausdrucks, sondern darin, dass er in wiederholter Kreisbewegung seine Gedanken dreht und wendet, bis er eine das logische Bedürfniss voll befriedigende Abrundung erzielt hat. Und hier erreicht er damit, dass die Meinung, die Himmlischen hätten um die Theile der Welt das Loos geworfen, recht als ein thörichter Einfall eines der alten Dichter erscheine, den man nicht nachdrücklich genug abweisen könne'. Es richtet sich aber seine Polemik gegen Homer, vermuthlich ihn allein, trotz dem Plural önvaroi aoıöol, bei dem (Ilias 15,182) Poseidon einer von Iris überbrachten Drohung des Zeus entgegen so sich aus- lässt: 185 n p ayabos mep Ewv ÜmepomAov Eeımer,

ei u’ öuorınov Eovra Bin aekovra kadekeı.

Tpeis yap T' Ex Kpovov einev adeAbol, ols rexero Pea,

Zevs kai eyo, rpiraros Ö' Aiöns Evepowww ävdoowv. ni rpıyda de mavra Öedaortal, EKa0Tos Ö Eumope TIuns'

iso NTOL Ey@v EXayov MoAımv ANa vaıeuev aiel

max‘ouevwv, Älöns 6 EXaye Lopov hepdevra,

Zeus Ö' EXay' oüpavov eupvv Ev aidepı kal vepeAneu.

yata Ö' Erı Evvn mavrwv Kal narpos "OAvumos KTA. Gegen die hierin ausgesprochene Theilung der Welt durch das Loos unter die drei Kroniden wendet sich Callimachus und bekämpft die Anschauung in ähnlicher Art, wie er (V. 8) die Cretische Sage von

! In einem andern Gedicht hatte Callimachus selbst, wie es scheint beiläufig, von der Loosung der Himmlischen geredet (Fr. 465 Schn.) nxı maNovs EßaNovro, Ötekpivavro de Tıuas -

TpOTa Yıryavreiov Öaiuoves Ex moNenov, welchem Distichon man den besonders überlieferten Pentameter vorgesetzt hat (Fr. 195)

Mnkovnv nardapwv Eöpavov abrıs ldeiv- (Meineke, Callim. S.ı3r). Hier also befolgte er wohl die hergebrachte Form der Sage, weil er keinen Grund hatte, von ihr abzuweichen. In unserm Hymnus, der die per- sönlichen Verdienste des höchsten Gottes in gebührendes Licht setzen sollte, hatte er Anlass abzuweichen nicht bloss, sondern auch die verbreitete Sage zu bekämpfen. He- siod lässt (Theog. 881) die Götter dem Zeus nach dem Titanenkampf aber ohne Loo- sung die Herrschaft übertragen.

878 Sitzung der philosophisch--historischen Classe vom 25. Juli.

Zeus’ Geburt und Zeus’ Tod bestritten hat; nur darin abweichend, dass bei ihm Zeus der jüngste der Drei, nicht wie bei Homer der älteste ist (a.a.0.166. 182. 204) und, was seinen Zwecken entsprechender war, die Hesiodische Tradition befolgend, in der Zeus der jüngste unter den Kronossöhnen ist (Theog. 455. 468. 478).

Hat nun Callimachus die Absicht gehabt, mit der Erinnerung an die älteren Brüder des Zeus in den Versen 58. 59 auf die Brüder seines Königs anzuspielen, so hat er dadurch, dass er an jene beiden Verse die polemische Betrachtung über die Loosung der Götter angeschlossen, die ihren Zweck in sich trägt und eine Beziehung auf das Königshaus nicht zulässt, seine Absicht geschädigt und verdunkelt, um so mehr als die beiden Verse selbst von der vorausgesetzten Parallele zwischen Zeus und König Philadelphus kaum einen schwachen Schatten er- kennen lassen. Nichts ist aber Callimachus’ Wesen, dessen poetische d. h. anschauliche Bilder schaffende Kraft mit einer seltenen Klarheit in Gedanken und Form verbunden war, mehr entgegen, als eine solche Trübung einfacher Absichten durch einander widerstrebende Motive. Fassen wir dagegen das ganze Kolon (53-67) in dem geschlossenen Gange seiner Gedankenentwickelung, so gewährt es ohne jede nach Aussen gewendete Beziehung, was den Zwecken des Dichters entsprach, der, das persönliche Verdienst des Gottes zu heben, daran erinnert, dass seiner überragenden Einsicht zu Liebe die Brüder ihm, dem jün- gern, den himmlischen Sitz eingeräumt haben, und, nachdem er die aus der Homerischen Darstellung von selbst sich darbietende Meinung, dass dies auf Grund einer Loosung um die Theile der Welt geschehen, mit Nachdruck abgewiesen, zurücklenkt und abschliesst, "nicht das Loos, sondern Deine Kraft und Gewalt hat Dich, Zeus, zum Herrscher gemacht. Was wäre darin, das seine Aufklärung aus einer Anspielung auf Zeitverhältnisse erwartete, oder was nur, das die Einmischung solch fremdartiger Beziehungen ohne Schaden für die Einfachheit des Gedankens vertrüge? Wenn aber dem so ist, wie ich glaube, so ist es nutzlos auf diese Stelle, insbesondere die Verse 58.59, chronologische Discussionen zu gründen, die, da sie zu jeder Zeit geschrieben sein konnten, ohne dass die zeitgenössischen Leser anderes daraus, als der Wortlaut besagt, zu entnehmen veranlasst waren, auch nicht bestim- mend sein konnten für den Zeitpunkt, dem dieser Hymnus seinen Ur- sprung verdankt.

Indem Callimachus diese Gedankenkette abschliesst, "nicht das Loos hat Dich zum Herrscher gemacht, sondern Deine Kraft und Ge- walt‘, hat er mit dieser wenig variierenden Wiederaufnahme des Ein- gangs (V. 57) zugleich die Fortleitung seiner Darlegung gewonnen, “Deine Kraft und Gewalt, die Du auch nahe Deinem Sitze hingepflanzt

ee BE ER. un.

Vanten: Über Anspielungen in Callimachus’ Hymnen. 879

(67). “Hast den König der Vögel zum Boten Deiner Zeichen gemacht, die für meine Freunde immer günstige sein mögen (68. 69). "Hast Dir von Jünglingen erkoren, was das Tüchtigste ist (70). Und wie- derum, nachdem er an Einigem rasch vorübergegangen, findet er An- lass zum Verweilen, und indem er in der schon zweimal aufgewiesenen Manier seine Gedanken dreht und wendet und in wiederholten Spe- cialisierungen erbreitet und versinnlicht, gelingt es ihm, das was die Hauptsache war, um so nachdrücklicher herauszustellen. Doch hat sich in den so gründlich vorbereiteten Abschluss eine handschriftliche Verderbniss eingeschlichen, die, nicht erkannt oder nicht richtig be- urtheilt, die Interpreten auf Abwege geleitet hat. Um das Sachver- hältniss in das Klare zu bringen, wird es nöthig sein, den Gedanken- gang an dieser Stelle genauer darzulegen. » eiNeo Ö ailmav 6 Beprarov, oV OU Ye vn@v Eumepduovs, oUk Avopa TakeomaNov, OU ev doLöov, ANA TA ev nardpeoaıw 6Allocıw avdı Tapnkas AAXa ueXew Erepowı, 0V E&eAeo MToALdpyovs aurovs, @v ÜMO yeıpa Yewuopos, &v löpıs aiyums, s @v Eperns, &v mavra' Ti Kpareovros Um’ ioyvv; aurika xa\knas uev Vdeiouev Hoaloroıo, revynotas 0 "Apnos, emartnpas de Aıravns »» Apremöos, Doißov de Avpns eidoras oluovs. ‘Du hast Dir erkoren von Jünglingen was das Vorzüglichste, nicht Schiffskundige, nicht den schildtragenden Mann, nicht den Sänger, sondern dergleichen hast Du geringeren Gottheiten überlassen, dass dem Einen dieses, dem Anderen anderes angelegen sei, Du aber hast Dir auserkoren die Stadtbeherrscher selbst, unter deren Macht der Landmann, der Lanzenkundige, der Ruderer, kurz alles steht: denn was stünde nicht unter der Macht des Herrschers? So feiern wir die Schmiede als des Hephästus, Bewaffnete des Ares, die Jäger als der Artemis Chitone, als des Apollo die Leierkundigen.' »» er Öe As Baoı%knes‘” Eemei wos oUdev avarrov Heiwrepov‘ TO Kal odı Tenv Ekpivao AdEw, Öokas be mroNiedpa duNaooeuev, Eleo © aurös akpno’ Ev moNieooıw Emöynos ol Te Ölkneı Aaov imo oKoAımo' ol T Eumakıv idvvovow. Die kleinen Varietäten bei Übereinstimmung im Wesentlichen in den wiederholten individualisierenden Aufzählungen der verschiedenen Be- rufsarten durch Abänderung auszugleichen, war unnöthige Mühe und verdarb, was fein und anmuthig war. Man erkennt aber leicht, wie die letzte epagogische Reihe (76-78) aurika xaAknas Üdelouev KTA dem mit Gewicht sich abhebenden ex de Aös Bacı%nes (79) zur Unter-

850 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 25. Juli.

lage zu dienen bestimmt war. Doch hier verlegen uns Schwierig- keiten den Weg. Sollen die nächstfolgenden Worte &rei As ovdev avartov Heiörepov zu Einem Satz sich einen, so können uns die an Aıos versuchten Künsteleien der Erklärung wenig helfen: unbeirrtes Urtheil wird anerkennen, dass As in dem so geformten Satz eine Stelle nicht finden konnte, und Hofmann Peerlkamps Vermuthung, die Haupt wieder aufnahm, &rmel yevos oVdev Aavarrov Belörepov, er- giebt, für sich betrachtet, einen verständlichen Gedanken und eine untadelige Satzform, wenn auch yevos nicht eben gefordert war und kaum als eine wahrscheinliche Berichtigung für Aıös betrachtet werden kann. Dem Sinne scheinbar dienlicher und an äusserer Wahrschein- liehkeit nicht nachstehend! ist Hrn. von Wilamowitz’ Vorschlag Et xHovos oVdev avarrwv Beiörepov, der einen Anhalt an dem folgenden Satz To kal obı Tenv Expivao Adgıv zu gewinnen scheint, nach der gewöhnlichen Auffassung desselben, dass Zeus die Könige zu seinen Stellvertretern auf Erden bestellt habe. Allein beide Vorschläge lassen ein Bedürfniss ungedeckt, das bei Behandlung der Stelle, soviel ich sehe, unerwogen geblieben ist, das aber vor allem Beachtung und wo möglich Befriedigung zu erheischen scheint. Ex de As Bacı%nes heisst von Zeus stammen die Könige. In diesem Sinne wird der Satz von Hesiodus verstanden, Theog. 96

Ex yap Movoawv Kal EernBoAov AmoAAwvos

ävöpes aoıdol Eaoıw Emi xHöva Kal Kıdapıorat'

ex de Aıös Bacıınes, und wo er sonst vorkommt (Hom. hymn. 24). Und so nennt Sophocles (Eleetr. 659) rovs €k Auös die Söhne des Zeus, und Pindar (Pyth. 4, 176) eE AnorMwvos de dbopuukras aoıdav marıp EnoNev Opbevs d.i. €& AroANwvos @v’; und dies ist der bekannte und geläufige Gebrauch der Präposition. Allein so riehtig es an sich war, von den dioyeveis (Ötorpebeis) BaoıAnes zu sagen, dass sie von Zeus stammen, so auf- fällig würde dieser Ausdruck in dem hiesigen Zusammenhang erschei- nen, und man müsste glauben, Callimachus habe den so sorgfältig und

! Für die Verschreibung sei erwähnt, dass h. 3, 55 u. 61 für em ueya die Hand-

schriften &rei ueya geben E at Joe . ®2 Uber diese Stelle freilich waren die alten Interpreten verschiedener Meinung, wie die Scholien z. St. berichten: AroaAwvos rov "Opbea dyoiv eivaı, öv kal avros 6 lliv- dapos kal arNoı Oidypov Aeyovam. Aynnovios de ouubovov iv ioropiav HEAwv eivaı, oVTws dmo- dilmoıv: 0 de rod AmoAAwvos jovorkos. Er yap tor Movoewv kai ermBorov AmoAAwvos "Avöpes dordor Eaoıv Em xOovi kaı kılapıoral (s. oben)‘ &omep ouv ex Auös Aeyovorv eivan Tols Baoı\eis, oVx or yovos eioi rou Auos, aa or To Pa- oıkeveiv er Aıös Exovamw, ourws EE AmoAAwvos bopwukryv abröv eimev .. 6 nevroı Xatpıs ok B x 4 x - ve r er amMdavos robrovs bnyoiv Bvonaodaı ToVs Er Hewv yeyovoras, olov Arookovpovs kai HparXea, ovTo

ER 08 EI. Su Aa Vr s ex , on kat Opdea, cıa TO AmoAAwvos eivar viov yovo.

7 NEE BEER WERE

Vauten: Über Anspielungen in Callimachus’ Hymnen. 881

getlissentlich vorbereiteten Gedanken schliesslich ohne siehtbaren Grund verlassen und dem, der zu erwarten war, einen andern untergeschoben. Denn nicht die Herkunft der Könige von Zeus zu erweisen ist sein Zweck, sondern dass, wie für andere Götter andere und anderer Künste Kundige, so für Zeus allein die Könige die von ihm Erko- renen sind. Und so gewiss jede der beiden Vorstellungen dem Dichter wohlanstand, eine Vermischung beider in derselben dialeetischen Kette wird dem Callimachus nicht zuschreiben, wer die Schärfe seiner Ge- dankenentwickelung richtig beurtheilt hat. Wollte er daher der vor- angegangenen Ausführung entsprechend seinen Gedanken abschliessen, so konnte er sagen: yaAknas uev üdeiouev Hbaiorow ... ara Auös Bacı\nas (bdeiouev), oder unverbunden yaAknas uev Vöelouev Hobatoroıo

. rov de Avös Baoı\nes. Nun ist zwar einleuchtend, dass Callimachus, indem er ex de Avös BaoıAnes schrieb, des Hesiodus Worte eitiert, und sie -als solches Citat angesehen wissen wollte, wie ähnlich an den anderen Stellen unseres Hymnus', und der neueste Herausgeber hat sie mit Recht als Anführung markiert. Allein gebrauchen konnte Calli- machus die Sentenz nur, wenn er sie durch eine Art von Correetur seinem eigenen Gedankenzusammenhang anpasste, und das scheint die Absicht zu sein, indem eine mit &rrei eingeführte Begründung sich anschloss. Nur konnte in der von Haupt empfohlenen Schreibung Erei yEvos oVdev avartov Beiorepov diese Begründung nicht enthalten sein, die vielmehr den von uns vermissten Satz voraussetzt, ‘des Zeus Erkorene sind die Könige, da es kein herrlicheres Geschlecht giebt als Könige.’ Dem Hesiodischen Satz konnte diese Formulierung in keiner Weise als Begründung dienlich sein, weder um die Sentenz richtig zu stellen, noch sie in ihrem eigenen Sinne genommen. Die andere früher erwähnte Berichtigung aber hat, indem sie Errei aufgab, den causalen Zusammenhang gelöst, und da sie das Citat für sich bestehen lässt, uns die Hülfe nicht gebracht, die wir suchen. Dagegen fügen sich ohne Änderung an einander die Worte &x öde Aus Bacı- Anes' &rei Avös, und ergeben, richtig ausgelegt, die Correetur des an- geführten Dichterwortes, die uns erforderlich schien. "Von Zeus stam- men die Könige” sagt der Dichter, mit Recht, weil sie des Zeus sind, d. h. wie die Krieger des Ares, die Schmiede des Hephästus, so die Könige des Zeus sind, die er sich erkoren (oÜs €E£eiXero). Oder anders ausgedrückt, man würde sie nicht Zeuskinder nennen, hätte er sie nicht als die Seinigen sich auserwählt. Der Ausdruck ist knapp zu- sammengefasst, auch das eine Eigenheit Callimacheischer Rede, aber,

ı S, Wilamowitz, Über Aratos in den Nachrichten der Göttinger Gesellschaft der Wissensch. 1894 N. 2 S.197 Anm.2.

882 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 25. Juli.

im Zusammenhang der Darlegung betrachtet, nicht dunkel. Statt mit eigenen Worten den abschliessenden Gedanken an die voraufgehende Reihe zu knüpfen, wählt er, seiner Neigung gemäss, die geläufige Dichtersentenz und macht sie nur durch die angefügte, ihren Sinn wandelnde Begründung seinen Zwecken gerecht.

Die Abtrennung der Worte Errei As hat auch Schneider! ange- nommen, aber in anderer Schreibung und in einer Auffassung, die mit der meinigen nichts gemein hat, überdies, irre ich nicht, dem Dichter einen wenig geschickten Ausdruck zutraut. Denn wenn er schreibt ex de As Baoinas (seil. Vdeiouev), emei Aus und erklärt "als Söhne des Zeus preisen wir die Könige, weil sie des Zeus, nicht eines andern Gottes Söhne sind’, so bedarf es wohl nicht vieler Worte, um diese Schreibung und Erklärung als verwerflich zu kennzeichnen.

Was nach Abtrennung der Worte &rrei As übrig bleibt, ist ein richtiger Gedanke oVdev avarrov Qelörepov, worin Belörepov steht, wie 2, 93 oV keivov yopov elde Hewrepov aAAov AnoAAwv (vergl. 3, 180); 3,249 don np@n, Tov oUrı Hewrepov öyreraı nws oVO Acbveiorepov, und ein Ausdruck sich ergiebt, wie V.70 ailyav 6 deprarov. Der Satz selbst aber würde zwecklos erscheinen, wenn er nicht die noth- wendige Unterlage abgäbe für den folgenden (V.80) kai ode Tenv erpivao Ad&ıw. Bis hierher war nur zu trennen und zu verbinden, hier ist ein Buchstabe zu ändern, ode statt abı, Accusativ statt Dativ, mit R. Bentley, der allein den Zusammenhang richtig aufgefasst hat: ovdev avarrwv Heisrtepov‘ TO Kal abe Tenv Expivao Adsıv "Nichts herr- licheres als Könige: drum auch hast Du sie als Deine Loosung Dir aus- erwählt.. Seltsam wie Meineke und ihm beitretend Schneider Bentley’s Berichtigung abgelehnt haben: secundo versui, sagt Meineke, haec ad- scripsit Bentleius: “lege ode, non o'$ı. non illis deerevisti, verum illos delegisti”. Quwidni "illis deerevisti”? Juppiter reges sui in terris vicarios esse voluit, itague rectissime suam ülis sortem concessisse diei potuit. Und Schneider, nach Erwähnung der Worte Bentley’s, hoc si verum_esset, Callimachus male repetivisset quae iam v.70 et 73 diwerat. Rectissime contra habet vulgata scriptura quae significat, regibus concessisti tuam sortem, ni- mirum ut urbes custodiant” Hier zeigt sich recht, was ich von den Auslegern sagte, dass sie am Einzelnen haften bleiben, und in die

! Alph. Hecker Comment. Callim. (Gröningen 1842) p.ı29 macht &rei Ars zum Vordersatz des folgenden ovdev avarrav eıiorepov, was einen wo möglich noch weniger befriedigenden Ausdruck ergiebt.

2 Wieviel verständiger Ernesti, der Bentley’s Schreibung billigt, die den Sinn ergäbe: iaque eos delegisti tibi pro sorte, tuam sortem voluisti esse reges, ut musicos Apol- linis ete. quem sensum contextus requirit. Mit ode hat auch Haupt Op. 2,141 den Vers eitiert.

Vauten: Über Anspielungen in Callimachus’ Hymnen. 883

Zusammenhänge der Gedanken nicht eindringen. Denn was Schneider bemerkt, dass mit Bentley’s Schreibung übel (male) wiederholt würde, was schon früher (70. 73) gesagt worden, ist Beweises genug, dass ihm die dialeetische Entwickelung des Gedankens verborgen ge- blieben ist, die nur thut, was sie soll, wenn sie schliesslich auf das zurückkommt, was ihr Ausgangspunet gewesen'. Und der Sinn, dass Zeus die Könige als seine viarü auf Erden eingesetzt, den man mit dem folgenden Öwkas de nroXledpa PvAacoeuev in Verbindung bringt, was selbst die Form der Anknüpfung widerräth, wie verträgt er sich mit dem von Callimachus so eindringlich durchgeführten Gedanken, dass Zeus nicht wie andre Götter niedrigerer Künste Vertreter, son- dern was es vorzüglichstes gäbe, die Stadtbeherrscher selbst sich aus- erwählt habe. Aber sei es: Erkorene des Zeus, Zeus’ Söhne, Stell- vertreter des Zeus: welch ein Durcheinander von Vorstellungen, wo- bei kein erkennbarer Zusammenhang mehr besteht, aber auch von den Interpreten, scheint es, nicht vermisst oder gesucht worden. Setzt man dagegen mit Bentley oe, die auch sonst von Callimachus ge- brauchte Form, statt o®ı, so ergiebt sich lichthelle Klarheit von An- fang bis zu Ende und ein festgefügter Abschluss des Ganzen. aurika xaAknas uev Vdeiouev HobaioTroıo, revynoras © "Apnos, Enakrnpas de Xırwvns Aprewdos, DoiBov de Avpns eidoras oluovs. "er de Arös BaoıAnes”, Errei Awos. oVdev avarrwv 0 Heiwrepov: TO Kal” abe Tenv Erpivao AaEıw.

"Wir nennen die Schmiede des Hephästus, die Krieger des Ares, die Jäger der Artemis, des Phoebus die Sänger. "Söhne des Zeus aber sind die Könige” nach des Dichters Wort, weil sie des Zeus sind. Nichts herrlicheres als Könige: darum auch ist es geschehen, dass Du sie Dir als Deine Loosung erkoren hast.‘ Denn Aq&ır Expivao ist gesagt wie in dem entsprechenden Gedanken im Hymnus auf Apollo

(2, 42)

! Wie sehr dies Callimachus’ Manier ist, dafür sei aus anderen Hymnen wenig- stens eine Stelle angeführt, 5, 131-136 Ös daueva karevevoe' TO Ö' EvreNes, @ K’ Em vevon MaxXas, emei ucva Zeus roye Ouyarepov ÖOrev Adavaia, marpoıa mavra pepeodaı, Aorpoxooı, uärnp Ö' ovrıs Erıkre eav, aaXa Ars kopvba. kopvoba Ars oUk Emiveveı Weide’. aradevcı kaı As a Avyarıp. Über das dem Callimachus geläufige 7 und xa‘ spricht Schneider S.189, der auch Beispiele aus Apollonius Rhodius beibringt. Es pflegt aber kal sowohl zur Anknüpfung von Neuem und Weiterem, wie in unserem Hymnus 58, als auch zur Rückkehr zu schon Gesagtem zu dienen, wie 4, 59 und 275. Es ist dieses ka‘ dasselbe, wie in Aristophanischen Sätzen, z. B. Ritt. 180 d1’ abTO yap ToL ToUTO kal yiyveı ueyas.

2

Sitzungsberichte 1895. 78

884 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 25. Juli.

reyvn Ö' aubıAabns oV Tıs TOoov dooov AnoAMwv'

KEIVOS ÖLOTEUTNV EXay Gvepa, KElIvos AoLldov KTA, deren Sinn man neuerer Zeit auch wohl verkannt hat.

Mit V.8ı

Öwkas de mrToNiedpa cbvAaroeuev, Eleo Ö' autos

akpno' Ev moAleooıw Emöwıos ol TE ÖlknoL

Aaöv Ümo oKoAma ol T Eumakıv idvvovaıv beginnt ein neuer, wenn auch verwandter Gedanke, angeknüpft wie 68 Aykao Öe-, 70 eiXeo Öe-, und wie in dem ersten Satz der Nach- druck gelegt ist auf dvAaooeuev, so ist dieser in enge Beziehung ge- setzt zu dem folgenden, mit dem er ein Ganzes ausmacht. "Du gabst ihnen” die Städte zu schützen, und siehst selbst zu von Deinem Sitz auf der Höhe der Städte, wer unter krummem Recht das Volk, wer entgegengesetzt (d.h. ideimoı Öikncı Hesiod Theog. 86) leitet.’

Und dann weiter, was sonst Zeus den von ihm erkorenen Königen gewährt, Reichthum (dvn&evinv) und Glück, allen zwar, aber nicht allen gleich, wie man, sagt er, an unserem König ermessen (Tekunpaodaı, 2,35) kann, der andern weit vorangeht, dem alles gelingt, was er unternimmt, rasch und glücklich, während andere nur mit der Zeit erreichen, was sie erstreben oder auch niemals die Vollendung sehen (84-90), alles in geschlossenem Zusammenhang (denn kein Grund ist vor &omepıos V.87 etwas zu vermissen, wofern man nur 0Aßov (84) richtig versteht, das hier nicht mit pundevin in Eins sich verbindet, sondern selbständig steht und selbständige Bedeutung beansprucht), und in knapp gehaltener Form: selbst die Erwähnung und Lobprei- sung seines Königs verleitet ihn nicht zu einer breiteren Ausführung, die zu dem Plan des Ganzen nicht stimmen würde.

Wen wir unter dem nuerepw nedeovrı zu verstehen haben, das zu bestimmen, hat T'heocritus geholfen, dessen Loblied auf König Pto- lemäus Philadelphus Reichthum und Glück dieses Königs in so über- einstimmender Weise feiert, dass über die Identität der Person bei

! In dem einen der beiden Programme zum Callimachus (Ind. lect. hib. 1839/90) war S.8 darauf hingewiesen worden, dass Callimachus 2, 43 xewvos diorevrmv EXaxev kA voraussetze, der Leser werde sich des im Hymnus auf Zeus (V.70ff.) entwickelten Begriffs erinnern, wie in 3,7 al moAvwvyuinv, iva zum nor Borßos Epilm auf 2, 70 mavrn de Toı oVvona movAvd zurückverwiesen werde. Auch 3,250 oVd’ agveıorepov‘ pea kev Iv- döva mapeXdoı erinnert und soll erinnern an 2,35 xal de moAurreavos‘ [Ivdavi ke rerunpaıo. Und 4, 272 denkt jeder leicht an den Hymnus auf Zeus. Doch diese Bemerkungen wie die Programme selbst sind unbeachtet geblieben.

®2 Dass zu öokas kein odı gesetzt ist, nachdem vorher 80 odı in ade geändert worden, kann kein Gegengrund sein; denn wenn auch Callimachus sehr sorgfältig im Setzen der Pronomina ist, besonders in diesem Hymnus, dass der selbstverständliche Dativ bei dökas fehlen konnte, zeigen Beispiele wie 4, 259 ovö’ "Hpn veueonrev, Emei xo- Aov eEeNero Zevs. Vergl. 3, 295 2,II u.a

Vantes: Über Anspielungen in Callimachus’ Hymnen. 885

beiden Dichtern nicht zu streiten ist, gleichgültig wer von beiden dem andern vorangegangen ist. Ob aber in dem, was Callimachus seinem Könige in figürlicher Rede und unbestimmtem Ausdruck von anderen Königen entgegensetzt, specielle historische Beziehungen zu erkennen sind, wage ich nicht zu entscheiden.

Da nun die Könige als die Lieblinge des Zeus gezeichnet sind, so hat man das Ziel des Hymnus in einer Apotheose des Königthums gesehen, und weil der König von Aegypten als ein besonders begün- stigter hervortritt, einer Glorificierung dieses Königshauses, indem da- mit zugleich die besprochene Annahme einer Anspielung auf die Erb- folge in dieser Dynastie in Beziehung gesetzt wird. Mir ist jenes nicht glaublicher als dieses. Es ist meines Erachtens ein Fehler der neueren Interpreten des Callimachus, dass sie nur zu oft von Einer Seite, mit Übergehung anderer nicht minder wichtiger, ja mitunter von einer im Zusammenhang fast verschwindenden Einzelheit, Plan und Anlage aus- geführter Compositionen zu bestimmen suchen, die in ihren Absichten doch nur dann gerecht beurtheilt werden können, wenn es gelingt einen Plan aufzuweisen, in welchem alle Theile wie in ihrer Einheit aufgehen. So nehme ich denn den Hymnus auf Zeus als was er sich darstellt, als ein Loblied auf den höchsten Gott, das seinen Werth und seinen Reiz in der Auswahl und der eigenthümlichen Ausgestal- tung der Mythen von Zeus besitzt, und kann darin die doch immer nur beiläufige und beispielsweise eingeführte Erwähnung des Ptole- mäus einen Unterschied nicht begründen und nicht aus dem mytho- logischen Hymnus ein Zeitgedicht mit politischer Tendenz machen. Je mehr ich aber bei dem poetischen Zweck glaube beharren zu sollen, bin ich auch geneigter, die orovöal Auos im Eingang als poetische Fietion, und nicht als wirklichen Anlass des Gedichtes zu betrachten.

Es erübrigt der Epilog des Hymnus, das übliche yaipe an den Gott, dem das Preislied galt, hier, wie in den übrigen Hymnen, bald ausgeführter, bald knapper gehalten. Der unsrige enthält Entschuldi- gung zugleich, dass der Dichter des Gottes &pyuara zu singen nicht wagt,

Tea Ö Epynara Tis kev deldoı; oV ever‘, ouk Eotau: Tis kev Miös Epynar' aeidoı‘; und die Bitte, dass der ö@rwp Edwv und Öwrwp Amnuovins beides ge- währen möge, von denen das eine ohne das andere den Menschen nicht fördern könne, apern und oAßos (Abevos).

! Vol. 2,31 ris av ob pea Doißov deidor;

fe Yin) | Ey Er zu BR rl Ba, Er Ed rn er Su Wr Hi

we nahe

« MAN

Lu DLEN Luck RR 291 u > ; ne e Per 3, Ltr konzert I 4 I YARN i weh EEE RR mn ER

. Iu8 . dt. y Bi. Hl 5 } a [a ar; a B E - i =. IH I E J, „2 FP rd a JA 4 j Tr AFT, ul hab - 3 . wre rn Pi ER b r uk ar skin Promi a 4 v % N 2 4 e3 E ei EE si Er + - » i BEL 2, HN u v P in E} F ü } ‚sah 5he- Yan Ne x Tan Zu f L i ß wi, u i = ni) nd Fr 13 je - Abi u s - . a « m 4 7 x a F | h - . er iS

Das Potamon-Denkmal auf Mytilene.

Von Ta. Monmnsen.

(Vorgetragen am 27. Juni.)

Non den einem mytilenaeischen Monument aus der caesarisch-augusti- schen Epoche angehörigen Blöcken, deren einen Fabricius, andere fünf Cichorius abgeschrieben und die der letztere in diesen Sitzungsberichten 1889 S.953fg. bekannt gemacht hat, hat Hr. Paton, der jetzt im Auftrag unserer Akademie die lesbischen Inschriften sammelt, vier weitere hinzugefunden'. Indem diese hier seinem Wunsch entsprechend veröffentlicht werden, erscheint es nothwendig nicht bloss die zuge- hörigen früher bekannt gemachten Stücke zu wiederholen, sondern auch auf das Monument selbst näher einzugehen.

Paton hat erkannt, dass die Anlage, zu welcher diese Blöcke ge- hört haben, ein Ehrendenkmal gewesen ist, welches die Mytilenaeer ihrem Mitbürger Potamon, dem Sohn des Lesbonax, errichtet haben, einem gefeierten Rhetor der caesarisch-augustischen Epoche, dem Lehrer des späteren Kaisers Tiberius”. Schon früher ist man auf die grosse An- zahl der mytilenaeischen ihm gewidmeten Inschriften aufmerksam ge- worden’; Paton weist darauf hin, dass eine beträchtliche Anzahl der- selben allem Anschein nach einer und derselben baulichen Anlage entstammen‘. Sie sind aus gleichem Material’ und zeigen wesentlich die gleichen Buchstabenformen, insbesondere stehend H und B°, wenn auch die Arbeit hie und da verschieden, insbesondere bei den römi- schen Stücken sorgfältiger ist als bei den übrigen. Sie sind zum grössten Theil in der Festung oder in dem unmittelbar unter der- selben liegenden Stadttheil gefunden. Sehr bemerkenswerth ist es, dass in den römischen Documenten Urkunden aus den Jahren 707, 709 und 729 d. St. vereinigt sind, von denen sich die zwei ersten sicher, die dritte wahrscheinlich” auf eine von Potamon geführte Ver-

ı Das kleine Fragment NETTER. Rom und a S.29): .... [Mjvruänvalı]

|| --- Plaov Morfauova] .... || -..ov mpös [was] ... || - .. [r]ois vnerelpors] ... ||

(leere Zeile) || - - » ov aurorplar] ... ||... [/7]olr]auovfa] . .. || -- 2 avrır... gehört nicht

in die Reihe (vergl. unten S. 899). 5 Cichoriss, Rom und Mytilene S. 62 ft. ® Cichorius a. a.O. S. 64. * Vergl. den Anhang S. 898.

5 Nur der Block X der römischen Reihe ist von ursprünglich hellblauem, dann durch die Einwirkung der Luft gelblich gefärbtem Marmor, alle übrigen von. weissem.

° Vergl. unten S. 899.

In unseren Resten der Verhandlungen vom Jahre 729 werden die mytilenaeischen Gesandten nicht genannt; es ist aber kaum zu bezw eifeln, dass auch hier Potamon die

888 Gesammtsitzung vom 25. Juli. Mittheilung vom 27. Juni.

handlung beziehen und dass in der, wie wir finden werden, an der Spitze stehenden Urkunde da, wo Potamon zuerst genannt wird, der Name durch etwas grössere und deutlichere Schrift ausgezeichnet ist. Nach Patons Vermuthung waren auf dem betreffenden zu Potamons Ehrung auf dem jetzt von der Festung eingenommenen Platze errich- teten Gebäude die für ihn theils in seiner Heimath, theils von ande- ren griechischen Gemeinden gefassten Beschlüsse so wie die Acten der unter seiner Führung mit Rom gepflogenen Verhandlungen eingehauen und gehören die im Anhang S. 898. 899 abgedruckten Fragmente A. B. C einem oder mehreren mytilenaeischen Psephismen an, die Frag- mente Cichorius 10. 17 und unten D, vielleicht auch Cichorius 9. 20 den Psephismen anderer Städte; die erstere Reihe mag früher zerstört und deren Rest deshalb in die Stadt hinunter gelangt sein, wogegen die der zweiten Reihe, insbesondere die römischen Urkunden länger an ihrem Platz geblieben sind und daher in der Festung selbst sich gefunden haben. Wenn die unterhalb desjenigen Theils der Festungs- mauer, aus der die römischen Blöcke zum Vorschein gekommen sind, aufgehäuften Steinmassen, welche vor etwa 30 Jahren ein Erdbeben hinabgestürzt hat, einmal aufgeräumt werden sollten, so werden ohne Zweifel noch eine Reihe anderer Bruchstücke hinzukommen. Inzwischen erwägen wir, was wir zur Zeit haben.

Ich lasse zunächst die neu gefundenen Blöcke der römischen Reihe folgen.

D: hoch 0.41, breit 0.69. Der Stein ist hinten vollständig, an der Vorderseite links die Oberfläche so abgeschlagen, dass von der ersten Columne, die auch als sie vollständig war, nicht mehr als 6-7 Buchstaben in der Zeile enthalten haben kann, nur aus Z. ı-4 Über- reste geblieben sind. In der Festung in einem türkischen Haus.

ITE MEPIRQN/JIROZZEIAANOENOF/YE HN TONIONZYNAPXONTATPAMM {oJ} /INTHIEYFKAHTRIAPEEZKHMET E JOYTOYTOYMPAFTMATOZAYT.!

IITOYTOYTOYMPATMATOZO JMATOZEANAYTQI®AINHTAIOPK /JTEONOIONRZTEANEKTRN

TOY®AINHTAI ERNOZEIN TPOHMEPNRNTPIRQRNKAAANARNIO ZANFTAIOZNDPBA ie

TIOYYIOZMANA [|HNZRPINOZ 1APKOZOYA

Führung gehabt hat. Sein Name kann in der Einleitung zu der Eidformel gestanden

haben. ! Der gebrochene Buchstabe am Schluss kann nicht mit Sicherheit bestimmt werden.

Mouusen: Das Potamon-Denkmal auf Mytilene. 389

E: hoch 0.405, breit 0.66. Ebenfalls in der Festung in einem türkischen Haus.

YAHMOYTOYPQMAIRN IKEA EINE BERUHOFZIIREIE 2 EIPHNH NONTOEZO/ QNHTOPAZM ZIENIOTROME IT OMOIRQZ TION NIAUIN NAHMQR2IMYTIAHNAISNEAR NAIQNYMAK TOYAHMOYTOYMYTIAHNAIRQNEZTR MPOKPIMAT NAIQNEFTENONTOENNHZRI TOIZAAAOIZT ANAQNIANOAPIR2NAITINEZ ESFTR OAN TOLSETENONTOIENTETTANGEHN TEAUTDRZAFSFSIH u DIIEIKAETION TON DNERIN AHNAIOZNA IE ONE ON EIRIBFATTCHISFÄNNVESSXIOFN TAPXRNOZAN

DONMKO NER EITTAENTEATFAN TAEXE AMNOAIAOTR ATINA®IAAN®P TTENHN AUSNE ETDZEAN NOMOYAHM

F: hoch 0.21; oben und rechts vollständig. Eingemauert in einer der Zinnen der Festung in einem nach dem Erdbeben wieder hergestellten Theil des Gemäuers, unmittelbar neben dem Ort, wo die übrigen Blöcke zum Vorschein kamen.

JE N nl ZIRTAZIEDIIED MYTIAHNA ITZ2ZALOZNS HIEN2MHI SILEZAINIEZSZE 3 zMONHP

@: hoch 0.17; unten und rechts vollständig. Unmittelbar neben dem vorhergehenden Fragment eingemauert; dem äusseren Anschein nach mit demselben zusammengehörend, nach Patons allerdings von ihm selbst als keineswegs sicher bezeichneter Vermuthung erst in Folge jenes Erdbebens von ihm getrennt.

GB MV N OENZAZIZAST ON MHIKAIANAZ IINSYEMETIEN DEIN TH MSN ZTIEREITATN

VESTBERBZABERNME

un

890 Gesammtsitzung vom 25. Juli. Mittheilung vom 27. Juni.

Das wesentliche Interesse dieser Potamon-Steine beruht auf den römischen Urkunden; bei diesen aber kommt alles darauf an die er- haltenen zehn Blöcke in die richtige Folge zu bringen und danach die Lücken zu bestimmen. Als äusserer Anhalt hierfür dienen folgende Momente.

1. Die Maasse der jetzt bekannten Blöcke ich bezeichne die von Cichorius publieirten mit dessen Buchstaben OMNPXY, die von Paton entdeckten mit DEFG sind die folgenden:

Höhe Breite EEE RN 0.497 0.667 I DIESEN RR EN E 0.41 0.69 ME un Bee 0.405 0.66

F (unten gebrochen) 0.21 @G (oben gebrochen) 0.17

YES 0.415 OA UN a ol. = ra Birne 0.415 0.68 VIE REN 0.415 0.785 DE 395 0.475 Re 0.410 0.59

Augenscheinlich gehören die Blöcke zu einem aus mehreren Schichten bestehenden Quaderbau, über dessen :Fugen die Schrift hinweglief, und zwar der Block C zu einer Schicht von 0.50 Höhe, die übrigen, so- weit sie der Höhe nach wesentlich vollständig sind, sämmtlich zu 0.41 hohen Schichten. Dem entsprechend hat der Block © 17, die übrigen durchgängig 13-14 Zeilen, wenn man Zeilen mit grösserer Schrift für zwei zählt. Da die dem Maass nach’ höhere Schicht vermuthlich der Lage nach die tiefere gewesen ist, wird man derjenigen, welcher der Block C angehört, zweckmässig den tiefsten Standort anweisen. Die Breite der Blöcke ist ungleich, insbesondere die von P wesentlich grösser; es erklärt sich dies von selbst, da man nicht Fuge auf Fuge gesetzt haben wird. Für die Bestimmung der Folge giebt die Breite keinen Anhalt. Die Dicke aller Steine, die gemessen werden konnten, ist durchgängig die gleiche von 0.25.

2. Der Block Y machte Paton den Eindruck eines Ecksteins; in-

dess hat, da der Stein in die Mauer eingelassen ist, nicht mit Sicher-

heit festgestellt werden können, ob er links bearbeitet ist. 3. Dass die Blöcke MN P in derselben Schicht lagen und zwar M N unmittelbar neben einander, N von P durch einen fehlenden

! Der Block X ist nicht, wie Cichorius sagt, nach allen Seiten gebrochen, son- dern nur auf der linken.

2 Der Block Y ist nicht weiter beschädigt, als dass zwei Ecken etwas abge- stossen sind; im Übrigen sind die Ränder vollständig erhalten.

Monusen: Das Potamon-Denkmal auf Mytilene. 891

Block getrennt, geht daraus hervor, dass die Zeilen in M und N x an einander schliessen, in N" und P! ebenfalls, aber mit fehlendem Zwischenstück einander fortsetzen. Daraus erhellt, dass die Urkunden- reihe wenigstens drei Spalten gefüllt hat.

4. Nach Patons Vermuthung haben auch die Blöcke XD un- mittelbar neben einander gelegen. Ein strenger Beweis lässt sich dafür allerdings nicht erbringen, da die sehr beschädigten ersten Zeilen von X und die geringen Reste von D! den Zusammenschluss mehr erlauben als fordern; aber die auffallend breite und deutliche Schrift der ersten Zeilen von X, besonders der zweiten, ist die gleiche in dem Reste von D!.

Mit Festhaltung dieser äusserlichen Leitmomente gestattet es der Inhalt die Urkunden also zu ordnen, dass sie sich darstellen als auf drei Steinschichten in der Höhe von 0.41 0.41 0.50 und in fünf Spalten geschrieben, wie die folgende Tafel es zeigt. Dem Block Y, welchem dem Maass wie dem Inhalt nach ebenso die erste wie die zweite Stelle in der ersten Spalte angewiesen werden könnte, ist die letztere gegeben worden, weil eine Überschrift wie IL 1,6. II, 3.9 hier, nicht gefehlt haben kann und diese einen voraufgehenden Stein fordert. Am Schluss fehlt mindestens noch ein Block. Die kleinen Stücke F@ können den Maassen nach ebenso wohl einer der niedrigeren wie der höheren Schicht angehört haben und sind dem Inhalt nach nur in- soweit bestimmbar, dass @ in dem früheren, F in dem letzten Theil der Reihe gestanden haben muss.

Erste Spalte Zweite Spalte Dritte Spalte Vierte Spalte Fünfte Spalte I

I I I I

‚+ X DI

DN +... EN...

fehlt fehlt

Es sollen nun die Urkunden in dieser Folge vorgelegt werden. Die früher bekannt gemachten gebe ich nur in Umschrift unter Bei-

892 Gesammtsitzung vom 25. Juli. Mittheilung vom 27. Juni.

setzung insbesondere der von Paton gebesserten Lesungen. In der Aus- füllung der Lücken genau die richtigen Worte zu treffen ist natürlich meistens unmöglich, und den beliebten Hader um gleichgültige Mög- lichkeiten mache ich nicht mit; im Allgemeinen habe ich die von Cichorius vorgeschlagenen Ergänzungen stillschweigend beibehalten, wo sie mir wesentlich das Richtige zu treffen schienen.

I, ı fehlt. [Tpaunara Katoapos Heov.] I,2 [I@os ’lovros Kaivap abrorparwp dırrarwp To] delvre]pov MurıA[yvawv apxovan (=... PovÄan Önuo yalpeıw‘ ei Eppwode, kaaos av] Exoı: kayb de Hera To orparev[uaros +) bylawvov. lIlorauov Aecoßovarros, ] kadevovs, Kpivayopas KakXir| mov, Z]wiXo[s "Ermiyevovs ]ras Aıkatov, 'Yßpias Arodavrov, Iorıaios 5 Anun]|rpıos Tınatov oi mpeoßevrai bu@v ouve- TUyöv nor kat To vıdıona buov amejowkav kal mepi Tav Tı1av dieexOncav ]v xarwp@orauev Kal ebxapıorı)oavres Evelruxov era moAANs BiAorıwias kal eis Jov Exew. Ey de Tovs re Avdpas Emmve- 10 oa dia Tyv mpoßvwiav abrav Kal diNoriulos amedetayınv, ndews re tv moAv

vuov ebepyernow kal kara Tjovs mapovras kaıpovs kal Ev ToIs Hera Tav- Ta xpovoıs jav emorauevos iv Eyovres euvor-

]röv Morauova. |[’Erı] re rıyv mpoe- ] aurov Erf rlovs ///ovra/

I, 3 fehlt; doch gehört vielleicht an diese Stelle oder doch in einen der beiden Caesar- briefe das Fragment @:

]os Mvrua[nv Jov dia rov |[.. Jun kat ävao| 5 jav dv ev m| Moı To vl vu]erepa Exelvdepa?

ll, ı ] ovoe [ Jau/////ore = Blovaouevos [ü]uov keroniof da] Tv +X rn]v rs dıAlas [aod]axeiav Ev re /lloı +D!) tv] moAıv alei Tıvos [un] altıos A|’yadov yJe-

I, 2(Y) ı. Dass die erhaltenen Reste die Ergänzung [rö] de[vre]pov MuriA[nvav äpxovaı] fordern, hat Paton erkannt, der den Stein verifieirt hat.

3 a. E. hat Paton die Buchstaben QIAO nicht finden können.

7.9.13 die Spatien von Paton bemerkt.

13 'TONMOTAMQRNA vacat Y/TETHNNMPO”; vor TE fehlen drei Buch- staben; nach MPO folgte E oder &’° Paton; TONMOTAMQNA mit etwas grösseren Buchstaben, wie schon bemerkt ward.

ı4 OY&Z///ONTA Paton, OY<‘Y//ONTA Cichorius.

I, ı(X+D!). Stellung der Anfangs- und Endbuchstaben nach Paton. Das ı von Z.2 kekouio steht über dem r von Z.3 re, das a hinter Z.4 altıos unter dem e von Z.3 re.

1-4. Dass der Zusammenschluss von X mit den wenigen von der ersten Columne in D bewahrten Buchstaben ...ore |... rm | ...cı | ....e | nicht sicher ist, wurde schon bemerkt.

3 nach dogaNelav und Z.5 am Ende die Spatien von Paton bemerkt.

Monnusen: Das Potamon-Denkmal auf Mytilene. 893

5 vjoonat. Oappouvres ovv mepi mavrov Evruyyavere nuiv. lEppwode. I paunara] KaliJoapos Heov Tas "lovrıos Katoap abrorpar|op dırrarop T|O T]pirov, kadelorauevos To reraprov MuriAnvalov apyovor BovjAj yxaipew rar eppocdla kat dyıaivewv. "Erei dei Povronar |] ebepyereiv tv moAıv Kal ob uov[ov 10 BuAarreıv ra dihavdpoma, ü Öiempa&|aode &’ muov, aA\a Kal ovvav|&a- veıv aura, los Tv yenoviav, dı\las dory|za- Tos dulv ouykexopnuevov Öılamemouda mpos vbuas To alvr- ypapov en 7 ENT:

lI,2 /lepı öv m]peoßevrai MurıAnvawv Norauov Aeoßovlarros, Paivias Paıviov Tov Kaxxi[r- (=M mov, Zeponos Arovs, Hpoöns Kiewvos, Arjs MarpiorAeovs, Anumrpios KAewvinov +N!) Kpwäayopas Ka\\immov, ZwiXos Erryevovs Aoyovs Emloıjoavro xapıra dıklav avuna-

xiav dveveovvro, iva Te £v Karerworiwmı Bvallijav moımou eäjı & Te abrois

5 mpörepov imo TS avykAjrov avykexwpnu|ejva nv, ravra Ev deAtwı yarkmı yeypanneva mpoonAdca: iva e&jı" mepi TovTov ToV Mpayuaros oVTws Ebofev- xapıra dıNlav ovunayiav ävavelwoaodaı, Avopas üryahovs kal di- Aovs Tmpooayopevou, £v KarerwAiwı Ovolav mooaı e£eivaı, d Te avrois mpo- Tepov imo Ts avykAntov dıhavdporna ouyklexwpnueva ıv, raura Ev dEX-

10 TwL xaAkijı yeypanueva mpoomAdouı &£eivar,| orav HeAwawv‘ iva re [wos Katoap abrorparwp, Eav autor daivpraı, TOMOVS Xopmyıa abrols Kata To Tov mpoyovav Edos Tanlav juodoou KeXevain, 6mws ds Av abroı ek T@v Ön- uooiov mpayuarwv Tiorews Te Tis idlas galvara. "Edofev. |Emlei de kal TpOTeEPov Everuyere por Kal Eypava mpös| buas, makıv breulew]av oi

Ds, 3 un]öeva deiv arern eilva] map’ nuiv akoAovdlos _ rois] dıNavdpamos, A Exere map’ nuov, Tois Te |mporepov

+() xal vos dia Tovmov To]u doryuaros dedouevos TO ekeivan vur|v rais lölaıs| rs FoAews kai Tjs xopas mpooocoıs ah’ |ovxiav s xpiodaı amjodıjvamdlaı, örı obdevi ovyxywp@a ode avlyxw- pyew Olirws oiv mereiouevor Yappovvres xpnodl|e jorwos‘ &yo yap ravra re ndews memoinka Ü|mep 2,2 "PR: | » I r ur D n r em r vuov kat euxona eis T|O eAAov alei rıvos dyadov mapalmos bulv |[yeveodaı.

Aöyulara ovykAnrov mepi öpkiov.

ıoAbrorparopos Kaicapos] Zeßaorov TO Evarov, Mapkov LZıXavov Ülmarov mporedev? em]rayne Mapkov ZiNavov Er avykAjrov do|yuaros

15 [4 - Movviov Ev kovpiar "lovAiaı ypabonevor ma|pijcav Mauros AlyiXios Aev]kiov vios MMaNariva Aeredos, Idıos Acivlıos Nai-

ov vios MoANo|v, Aevkıos Zeumpovios Aevkiov vios Pax|epva A- ı5s rparivos, Mäpros Tepevrlıoos Mapkov vios MMameıpıa Ovappov, Tao|s 'lov- vios Zılnavos, Kowros Akovrıos Koivrov vios |

ıı zu Anfang OX statt QX Paton. ı3 Paton schienen vor und vielleicht auch nach den erhaltenen Buchstabenresten leere Stellen auf dem Stein zu sein und die ersten Buchstaben Spuren der Tilgung zu zeigen; er liest ANENOM®AMPOZYMAZTOA vacatı_ Y NTZ TV vacat? litura I, 2(M+-N!), 4 ist aveveovvro verschrieben für ävavewoaohdaı. 12 für ömwos &s ist entweder mit Cichorius örws oder ourws ös zu schreiben.

II, 3 (©), 15. 16 die Spatien von Paton bemerkt.

894 Gesammtsitzung vom 25. Juli. Mittheilung vom 27. Juni.

III,t /Iepi öv [Ma]pkos Zıravös Aöylo]vs [Emoınoaro emi abrorparopa Katoapa Zeßao-

—DU Toöv Tov ovvapyovra ypauulara deiv meubAnvaı +...) [ea]y ri ovyRArroı apeoxn ner | Ti mepl [T]ovrov Tod mpayuaros abr|n: haivnraı me-

s [pli rovrov Tor mpaynaros o|ürws Eöofev- örı Mäpkos Zıkavös [ö]raros, av avroı dalvara, öpkl| .. Te Ö6molov Worte av E&k TOv |[dnuooiov mpayuarov mioreos Te Ts au-

ToV Daivırat. "EdoEev [ [T]po uepov Tpıov karavoav "lo[vAiov ypapouevo mapij- 10 oav Tas Nwpßa|vos Iatov vios PAakkos Ar- miov vios MlaXa| riva “un. Mapmos

[Klnvoopivos [ Mäpkos Ova[Xepıos

III, 2 kov viols ]v vios KAoor[o- N! uiva Aal Mäpxos Tepevrıos Mapkov vios Tlarelıpıa Ovappov +... Tas K| + Pl) Tlepi öv M[apkos ZiNavos Ümaros Adyovs Emomoaro ] doynarı Eavraı 5 dedolyı MvrliAnvalov yeveo-

daı bpovrjion, ovrws Kalos äv auto &k Tv Ömuooliov mpaynarov

miorews r|e rjs lölas Palvarar Jaı- Aoımov eivaı

iva rovr| ] ep rovrov Tov

mpayuarlos oVrTws Edokev- omws Maäpros LıAavös] Umaros, Eav av- payy 10 Toı Yalvn|taı, Ta Opka mpos robs MvrıAnvailovs os EoTake yeveodaı [kai ravra kal Ta Tjs ovykAnrov doynara Tja mepl Tovrov ToV mpary|uaros evoueva Ev dEeATwıL anknı eylyapardivar kaı Bam 2 X 1 YIXxap 1 eis Önuolorov dvaredijvan povrion "Edo£ev] 1 1 p N- 5 a = e Avrorpar|opos Kaisapos Zeßaotrov To Evarov, Mapkjov Zixavov Ima-

III, 3 fehlt. [rov]

IV,ı Mera&) rov &yuov ou MvriAnvaiov kal ro]ü Onuov rov Ponaiov [3 x [4 (a PiNia Kal ovunayia PBe]ßawos Eorw. Eipyvn N ee r +EI) Eotw eis TOv Amavra xpovov ]- &avrov Ertu. Ouoiws

un

]y dyuoı MuriAnvalov Edo- MvrıAnvaiov Eyevovro Ev vıjowı us P er kaN]avoov "lavoapiov, airıves P B Uma]roıs Eyevovro, elite ravryı R A ]ows Ekaorov Tovrov Tov + 10 ]rı odroı Erparyoav Eoxov Ki m ]e odroi/ re mavra ravra Eyxe- ToCav ] P MlvrıAnvaiov Eotwoav

IN,ı (DI) 7 "TEOMOION ist sicher’ Paton.

ıı “Der erste beschädigte Buchstabe kann, obwohl der Querstrich nicht sicher ist, nicht wohl ein anderer gewesen sein als M’ Paton. Stand hier also MIOY, so giebt es keinen auf ... mos ausgehenden römischen Vornamen als Appius. Ist diese Ergänzung richtig, so kann der bei Vellejus 2, 100 genannte Ap. Claudius gemeint sein. Die Claudier würden danach zu der Palatina gehört haben, wie die Aemilier und die Manlier, obwohl der Kaiser Claudius sich zu der Quirina gerechnet zu haben scheint (Staatsrecht 3, 788).

2(PI). ı KAO-ı (nicht KAOYX) Paton mit Fabricius.

14 AYTOıPAT Paton.

Mouusen: Das Potamon-Denkmal auf Mytilene. S95

IV. 2 'O [önj]uo[s 6] MuriAnvalov apxn|v Tv Eavrov (= PU PvAacoerw oVrws, bs Av K| +...) Tods moNewiovs Tod Önuov [od Ponatov 6 Önuos 6 MuriAnvaiov da Ts iölas £- mıkparelas um abeıeroı Önuoo|ia BovAn dieNdev, Gore To Onum To 5 Ponatov 7) rols üpxouevos üm’ [abrov ı) Tois auunaxoıs roD önuov rov Poual- @v möNeHuov momoaı, ujre abrois |omAoıs xpyuaoı vavoi Pondeirw. © öÖnuos 6 Ponaiwv Tobs moNeni[ovs ToV önuov Tov MvriAnvaiov dia ToD lölov üypov kal rjs Idlas Emipareia|s un apeıerw Önuocia BovAn dierdeiv, Gore ar Öyumı ot MurıAnvlawv 7 Tols dpyonevos dm’ abrou 7 Tols ovund- 10 xoıs Tod Önnov Tov MurAnvlaiov moNeuov momoaı, unte avrois omXoıs xpnnaloı| vavarı PBond|eitw. Eav Tıs mporepos möNeuov molujon To Ön- no ro Ponalwv [kai] rors av[unayoıs Tod dnuov Tod Ponalov

IV, 3 fehlt.

V,ı /ney(?)eXe (=EN R

vovro eEooyl| ov yopazu| rovrov av| MvrıAn- 5 valov brrar| mporpınar| Tois aaXoıs Y| Eotwo, 'Oavl ra mpaoon| Mvrı- 10 Anvaloıs mal T apyov ös av amodıdorw [ Arıva dı$avp[ora auro- vouov dnu|ov

V,2 fehlt.

Zu den öpkıa gehört noch das seiner Stellung nach nicht be- stimmt zu fixirende Bruchstück F':

Jevaı|. .. Je kat o: o|[ ] MuriAnvalı 5 rw oAw|ı movnp® komw]ie yvoznı | joı eav e£e| öoA]os movnp|os Jpl

Io . .

IV, 2 (Pl), 13. Zwischen PQMAIQRN und TOIX fehlen nach Paton drei Buch- staben.

896 Gesammtsitzung vom 25. Juli. Mittheilung vom 27. Juni.

Die Reihe der Documente stellt sich danach folgendermaassen heraus:

ı. Was auf dem fehlenden ersten Block stand, ausser der Über- schrift des folgenden Briefes, lässt sich nicht errathen; der Sache nach konnte dieser die Reihe füglich eröffnen.

2. (I, ı enthielt die Überschrift; ,2=[Y}; I, 3 fehlt, wenn nicht das offenbar einem Schreiben angehörige Fragment @ an diesen Platz gehört; I, ı=X-+ D!ı-s). Schreiben des Dietators Caesar an die Mytilenaeer vom Jahre 707. Der Rest der Inscription [70] öe[ure]pov kann in keiner Weise der von Augustus im Jahre 729 geführten Titulatur angepasst werden, passt dagegen gut auf diejenige des Dietators vom Jahre 707; die Jahre 706 und 708, welche die zweite Dietatur auch zulassen würde, sind dadurch ausgeschlossen, dass Caesar in diesen das Consulat bekleidete, für welches in unserem Text schwerlich Raum ist. Caesar verweilte in diesen Jahren bis zum September im Osten'; während dieser Zeit und aus dem Feldlager ist der Brief geschrieben, veranlasst durch eine von den Mytilenaeern an den Sieger von Pharsalos abgeordnete Gesandtschaft. Der Stadt war die nach dem mithradatischen Kriege ihr genommene Freiheit durch Pompeius zurückgegeben worden; hier verweilten während des letzten Entscheidungskampfes seine Gemahlin und sein jüngerer Sohn. Um sie mit sich zu nehmen, hielt er nach der Niederlage auf der Flucht nach dem Osten hier an; als die Mytilenaeer ihn aufforderten selber in die Stadt sich zu begeben, lehnte er dies ab und rieth ihnen, sich dem Sieger zu unterwerfen, der gnädig und milde sein werde”. Caesar selbst betrat auf der Verfolgung die Insel nicht’; den Rath des Pompeius aber haben die Mytilenaeer befolgt und eine Gesandtschaft an ihn abgeordnet. Ihr Führer Potamon muss, obwohl damals noch sehr jung, nach den Worten I, 2,12.13 zu schliessen, in irgend welcher Weise Caesar näher getreten sein, sei es, dass er in Mytilene die Gegenpartei führte, sei es, dass er litterarische Bezie- hungen zu dem Römer gehabt hat. Der Eingang des Schreibens zeigt, dass die Gesandtschaft den Auftrag gehabt hat dem Sieger die wegen seiner Erfolge ihm erwiesenen Ehrungen kundzuthun. Diese Gesandten haben das uns zum Theil erhaltene Schreiben des Dietators zurück-

! Paton vermuthet, dass in der Inschrift Cichorius (athen. Mitth. 13) n.g von

dieser Gesandtschaft die Rede war: [mpleoßevoas de |mpos Katoapa Heov Ev] Ev Karraö|o- ka moNeuw], wenn gleich der Krieg gegen Pharnakes genau genommen in Su nicht in nen geführt worden sei.

® Plutarch Pomp. 75: röv de MvriAnvaiov rov TToumov domacanevav Kal TapakaNobv- rov eioeNdeiv eis ryv moAıv o'k NOEANoOEV, aAAa kükeivovs EKENEVEE TO kparovvrı meideodaı Kal dappeiv ebyvonova Yap elvar Kaicvapa Kal xpnerov.

® Brutus bei Seneca consol. ad Helviam 9: (©. Caesarem Mytilenas praetervectum.

Monusen: Das Potamon-Denkmal auf Mytilene. 897

gebracht. Wir haben davon den Anfang und den Schluss; was er- halten ist, zeigt nur, dass die erbetene Begnadigung ertheilt ward. So befremdet es nicht, dass die Mytilenaeer auf einem anderen Ehren- denkmal" die Statuen des En. Pompeius, des Dietators Caesar und der beiden Söhne des Augustus Gaius und Lucius neben einander stellten und noch nach dem Tode, wie den Pompeius als evepyerns Kal OWTHpP Kal Kriotns, so auch den Caesar als evepyerns kal KTiotns feierten.

3. (U, ı=X,6-13.) Zweites Schreiben Caesars an die Mytilenaeer mit der Inscription dietator III designatus IIII, also vom Jahre 709. Dasselbe enthält eingelegt das folgende Senatusconsult, dessen Über- sendung Z.1ı2 angekündigt wird.

4. (,2=M+N',ı-ı3.) Folgt der dem Briefe eingelegte Se- natsbeschluss, dessen Praeseript und damit die Datirung der Über- sender weggelassen hat. Wir entnehmen demselben, dass damals eine Gesandtschaft der Mytilenaeer wiederum unter Potamons Führung in Rom eingetroffen war und vom Senat die Erneuerung des Bündniss- vertrages in der üblichen Form erbeten hatte, was ihnen durch diesen Beschluss gewährt wird.

5. (,2= M+N',13.14 und I, 3= (, 1-8.) Schluss des unter 3 aufgeführten Briefes des Dietators, worin derselbe auch (II, 2,14) des früheren Schreibens vom Jahre 707 gedenkt.

6. (I, 3=(,9-17 und II, ı= D", 1-8.) Unter der Überschrift [Soyulara avyrAnrov mepi öpkiov folgen die im Jahre 729 hinsichtlich der eidlichen Bestätigung des Bündnisses zwischen Rom und Mytilene gefassten Beschlüsse. Die beiden Zeilen II, 3,10.11 gehören zu diesen selbst nicht, sondern scheinen als allgemeines Praescript zunächst die Angabe des Jahres zu enthalten, dann vielleicht den Befehl des Consuls zur Aufstellung der Urkunde nach Anweisung des Senats. Der erste Senatsbeschluss ist gefasst zwischen dem 16. Mai und dem 13. Juni des Jahres 729; da der Consul Augustus sich damals in Spanien befand, leitet diese wie die folgenden Verhandlungen allein der College M. Silanus. Nach den Resten scheint der Beschluss sich darauf beschränkt zu haben, dass wegen des Anliegens der Mytilenaeer um eidliche Bestäti- gung des Bündnisses die Willensmeinung des abwesenden Kaisers ein- zuholen sei, offenbar deswegen, weil diesem verfassungsmässig das Recht der Bündnissschliessung vorbehalten war”.

7. (I,ı=D",9-ı3 und H,2=N"-+...+P!,ı-ı3.) Zweiter Senatsbeschluss in dieser Angelegenheit, gefasst am 30. Mai oder wahr- scheinlicher am 29. Juni desselben Jahres. Ohne Zweifel wurde an diesem

! Lolling athen. Mitth. ır, 266.

9

2 Staatsrecht 23, 955.

898 Gesammtsitzung vom 25. Juli. Mittheilung vom 27. Juni.

Tage, nachdem die kaiserliche Einwilligung eingetroffen war, die Eidlich- machung des Bündnisses und dessen öffentliche Aufstellung beschlossen; doch sind die Überreste so gering, dass sich deutlich der Inhalt nicht erkennen lässt, auch die kaiserliche Einwilligung darin nicht hervortritt.

8. M,2=N’+...+ P,145 IL, 3 fehlt 1a =, W2=PpE IV, 3 fehlt; V,ı= E"; endlich das Fragment F unbestimmten Platzes, aber nach der imperativischen Fassung und den Formeln doA» o- vnp® und ÖoAos movnpos zu den Opkıa gehörig.) Es folgte die lange Eidesformel. Die erste grossentheils erhaltene Zeile enthält die Jahres- bezeichnung; in den folgenden Trümmern treten die Schwurformeln überall deutlich hervor. Der den Kriegsfall betreffende Abschnitt lautet ähnlich wie in den gleichartigen Urkunden von Astypalaea und Methymna (S. 900) und lässt sich danach einigermaassen ergänzen; der mytilenaeische Vertrag aber umfasste noch weitere Clauseln, denen in unserer sonstigen Überlieferung nichts entspricht und deren geringe Überreste eine Ergänzung schwerlich gestatten.

Andere mytilenaeische Potamon-Inschriften.

Zu demselben Potamon-Monument gehören nach Patons Vermu- thung von den mytilenaeischen Ehrendecretfragmenten, die Cichorius in den athenischen Mittheilungen Bd. ı3 (1888) veröffentlicht hat, die folgenden, unter denen freilich nur das letzte Potamons Namen er- halten hat:

38.53, wo Z.5 für APITTOKAHN zu lesen ist APIZTINAHN 9 S.59 (vergl. S. 896 A.ı)

Io S.59

17 8.66

20 S.67 sowie eine Reihe anderer nicht publieirter Bruchstücke, mit denen allerdings bei ihrem zertrümmerten Zustand wenig anzufangen ist. Beispielsweise mögen hier die folgenden vier stehen:

4A. unten vollständig; hoch 22, breit 61°; in einem Hause der Stadt unterhalb der Festung.

PEz<ZBHAIZEAYTONOI AMOAEAOMENRNK| ‚EPIAYTONAPETAIZENEI N BIOTZSTIOHNIENTEIR ZIERT, 1 DATE OEFANTEENETIBIR AYNAMINKAIMONO \Toxz OAEMPOKAO®HMENOXZ ANOT2NIAIR2NKA 5 -AZMOAIOZKAITANAIKAO BOPRZKAIMPO/f TAZMPEZBHAZATHMENOZ XaPIzEEIzAz

| NOPR2MOTATAN DRSZIZE TATO NEM BIO!

Monnsen: Das Potamon-Denkmal auf Mytilene. 899

B. links vollständig; hoch 21, breit 22°. Schrift derselben Hand, aber etwas kleiner. In demselben Haus.

TAI o (IT Or NE N NZIETZAZZITURIO ST 070 P EV AN DAY ASRAEZZEINEITZTDTTE HIEPIISA TEARESSHERIOFSZTHERRO N EZAFIESIK

SEISSOEN K ALL PROIZFATTZOFRIENY DIE BEEIZEBSESNZZERZ EEE EIPIDEIT AuNZERTEIESTAENDEEZETE ART I 7 DERFNEERESORNEARGITRDET

C. oben, unten und links vollständig; hoch 41, breit 25°. Eingemauert in einer Moschee am Nordhafen.

TYXAIZTANNON MOKATAZTAZAIEZ OITOZAHNOEIRE) s ZAFOITOAEKAIFT TQNAKAI®INOTIM \HMANTAKAITAN NPOENEMNENAY\ MIZZAZOAIKOZMON io NHPOIZMON YM QNAEFTONERNOY KAAAIZTONAPM| HAZEMIMENHOEI) IKAIAYNATON/

D. auf allen Seiten gebrochen; in einem Hause der oberen Festung.

ITLNSZTHNEANOS—_

NAN/ ANZONTATOYAETE ZINKAIAIANETHZOMENONZ) = POFTEFTPANTAI MPEZBEY7ns ö deiva

|

FERN 5 em ar

BARNODAHIT BESHETNTEO:Y. I E P/ews / vadıoua & PAMYTHNA2N moränya Ketrfrave KETOrE MY TUN HN AL ONV

MA TOMKAY \To

Sowohl in den oben behandelten römischen Urkunden wie in den hier auf Potamon bezogenen Fragmenten ist der Stein der gleiche und sind die Buchstabenformen wesentlich dieselben. Sie alle zeigen das in der unteren Rundung bauchige B und das H mit gerundeter Quer- linie. Etwas abweichend ist das oben S.387 Anm. ı abgedruckte Bruch- stück so wie das Fragment Cichorius 20; die sonst schmalen Buch-

Sitzungsberichte 1895. 79

900 Gesammtsitzung vom 25. Juli. Mittheilung vom 27. Juni.

:staben E und £ sind hier breiter. An die Stelle von R, das die übrigen Steine aufweisen, tritt hier (so wie in dem Fragment A) die Form &; doch sind beide Formen nicht immer sicher zu unterscheiden. Die Grösse der Buchstaben und die der Zwischenräume zwischen den Buchstaben und den Zeilen sind verschieden. Die römischen Docu- mente zeigen grössere und sorgfältigere Schrift und ebenso das Frag- ment A; möglicher Weise gehört dies zu der Hauptinschrift, durch welche die Mytilenaeer das Monument dediecirten.

Bündnissvertrag zwischen Rom und Methymna.

Das von Conze in Methymna aufgefundene und im J. 1865 in seiner ‘Reise auf der Insel Lesbos’ (S.23 Tafelıı,B) publieirte, dann von Cichorius (Rhein. Mus. 44, 440) behandelte Fragment des Bündniss- vertrags zwischen Rom und Methymna schien es angemessen wegen seiner nahen Verwandtschaft mit den mytilenaeischen Documenten nach der von Paton vorgenommenen Revision und im Wesentlichen mit seinen Ergänzungen hier anzuschliessen. Nach dem Urtheil der Sach- verständigen ist der Schriftcharakter derjenige der vormithradatischen Zeit, der Vertrag also etwa um die Zeit abgeschlossen, als Asia römische Provinz ward.

L a) N -HIP2ITORA IH MO: VAN TOYS TOY AH MIO TOM DERZATSSKZANFALERIESTAGNZOFATHENEOZOFR s EANAHMOZIAIBOYAHAONS QITRIMHOYMNAIQNKAIOIZ IAPXHTTOAEMONENI®EPEIN OIZEMHTEXPHMAZINMHTENA -IAIBOYAHMETAAONOYMONHPOY ZEMI®EPHTR2IAHMRITRIMHO AIQNTRQSIAHMRITRIMHON EYKAIPONEANAETIZMOAEM MESIIETEDZ IERZRZMFASIESENZTEOETZEZOFRS: AQSITOTPQMALO N EB SOharEiT2 s NEYNOHKRNKAIOPKIQANTAI AHMRITRSIMHOYMNAION NEIN ZEEN N OHRTASIRIOHENDEIE IAHMOZIAIBOYAHEKATEP PNnZINENTAIZZYNOHK 20 TAIZEYNOHKA!'T

Io

15

20

Monusen: Das Potamon-Denkmal auf Mytilene.

re OmAoıs ujre xpnuacıw wpr|(e) [vavj(or)[v Bondeirwcav Önnooiar BovAn do» mojvnpw. O önnos [6 Poynatov

robs moXenlovs kal bmevjavriovs rov Onuov rov M[n- Ovuvalov dia Ts lölas xy|opas kal di’ js äv 6 önnos 6 Plo- nalov kpariı un duerwjoav Önuooiaı BovAn oral:

rovnpöu, @ore roı Önuloı rov MnOvuvalov Kal ols

av 6 Önuos 6 MnBvuvalov] apyn moNenov &mibepew

are moNeniors unre OmNloıs unre xprnaoıw unre valu-

iv Bondeirwoav Önuoo]iar BovAn era doAov movnpon.

Eav rıs möNeuov mpörepo]s Embepn Toı dnımı ro Mndlvn- vaiov, röre 6 Önuos 6 Poulawv ro: Onuwı ro MnBv[z- vaiov Bondeitwoav &s av] evkampov: &av de rıs moxeu|ov mpotepos Emibepn ToL Ojuoı ro: Ponatov, röre 6 ö|n- nos 6 MnBvuvalov ro duo To 'Ponatov, Bondelrw-

cav &s Av evkaıpov Er TÜ]|y ovvOnkav kat öpkiov [r]oı önuoı ro Ponalov kat To] önuoı Tr MnBvuvalov

alvnra(?). Eav de ris mpös Tavlras ras ovvAnkas kon |Bov- 7 pP 7 /l

An mpoodeivar 7) apaı BovAnralı, önuooiaı BovAn erarep[ov a x n m - eleotw‘ & Ö8 av mpoodaow 7) alp(w)oıv Ev rais ovvnklaıs ErTos Eotw Taura mpooyeypanneva] rais auvBrkaıs.

Ausgegeben am 1. August.

ZIR

901

903

1895. XXXVI

SITZUNGSBERICHTE

DER

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN.

25. Juli. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe.

Vorsitzender Secretar: Hr. E. pu Bors-Reymonxv.

l. Hr. Fuchs las über die Abhängigkeit der Lösungen einer linearen Differentialgleichung von den in den Öoeffi- eienten auftretenden Parametern.

2. Der Vorsitzende legte eine Mittheilung von Fräulein Erse Körreen und Hrn. Dr. GroR6 ABELSDoRFF vor über die Arten des Sehpurpurs in der Wirbelthierreihe.

Beide Mittheilungen folgen umstehend.

. % r ra ante De

re Hife: oe y>

- 4 & Gr I hy

Be Tr A 2

/ -

905

Über die Abhängigkeit der Lösungen einer linearen Differentialgleichung von den in den Coefficienten auftretenden Parametern.

Von L. Fvcas.

Ds folgende Notiz bezieht sich auf die Frage der Abhängigkeit der Lösungen einer linearen homogenen Differentialgleichung von einem in den Coeffieienten derselben auftretenden Parameter, welche ich bereits in einer Reihe früherer Aufsätze in den Sitzungsberichten in’s Auge gefasst habe. Wenn die Coeffiecienten der zur Differential- gleichung gehörigen Substitutionsgruppe vom Parameter unabhängig sind, so genügen die Integrale der Differentialgleichung, aufgefasst als Functionen des Parameters, ebenfalls einer linearen homogenen Differentialgleichung höchstens derselben Ordnung, wie die vorgelegte'. Es bietet sich naturgemäss die Aufgabe dar, festzustellen, was um- gekehrt für eine vorgelegte Differentialgleichung, deren Coeffieienten rationale Funetionen der unabhängigen Variablen und des Parameters sind, gefolgert werden kann, wenn es feststeht, dass ein Fundamental- system von Integralen derselben, aufgefasst als Functionen des Para- meters, ebenfalls einer linearen homogenen Differentialgleichung Genüge leistet, deren Coeffieienten rationale Funetionen des Parameters und der unabhängigen Variablen der vorgelegten Differentialgleichung sind.

So genügt das hyperelliptische oder elliptische Integral z als Func- tion der Variablen« einer linearen homogenen Differentialgleichung zwei- ter Ordnung, deren Coefficienten rationale Functionen der Variablen x und eines der Verzweigungswerthe «. Dasselbe Integral z, aufgefasst als Function des Verzweigungswerthes u, genügt einer linearen homo- genen Differentialgleichung der Form

u) gr Ad +E, =0,

gr 1, Q” ar 3

el > e! A 2 (42) a In—ı1, m + Ser Ay Ebner Mor

ı S. Sitzungsber. vom 25. Februar 1892, S. 165.

906 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 25. Juli.

wo q,, 9, rationale Functionen von x und u, ß,,®,,... ß„_, rationale Functionen von u allein sind, und n den Grad des Radicanden der zu Grunde liegenden Quadratwurzel bedeutet. Die Folge aus diesem Umstande ist aber, dass die Periodieitätsmodulen 7 des hyperelliptischen oder elliptischen Integrals der Differentialgleichung

An) = 0

Genüge leisten. Diese Periodieitätsmodulen sind aber eben nichts anderes als Coeffiecienten der zur genannten Diffe- rentialgleichung zweiter Ordnung zugehörigen Substitu- tionsgruppe.'

Wir beschränken uns an dieser Stelle, der Kürze halber die Aus- führung der oben bezeichneten Aufgabe an dem Falle vorzunehmen, dass die vorgelegte Differentialgleichung der zweiten Ordnung ist, und dass von der Voraussetzung ausgegangen wird, dass die Differential- gleichung, welcher die Integrale derselben als Funetionen des Para- meters aufgefasst genügen, dritter Ordnung wird.

T. Es sei vorgelegt die Differentialgleichung 0°2 02 (1) a: +h,=o,

deren Coefficienten rational von x und y abhangen, und es werde vorausgesetzt, dass ein Fundamentalsystem von Integralen derselben, als Functionen von y, einer Differentialgleichung

032 { 02 = (2) Iy Pr 77 te an deren Coeffieienten ebenfalls rationale Functionen von x und y sind, genüge. Sei _. @@,Yy) = Hay)’

wo G(x,y) und H(x,y) ganze rationale Functionen ohne gemein- schaftlichen Theiler sind, und zwar

(4) Bir) la) HG) Aion). wo 0,,0,,...0, positive ganze Zahlen, He, y) irreductible ganze rationale Functionen und H,(x,y) von H,(x,y) verschieden, wenn k

! S, meine Arbeit Crerres Journal B. 71, S. grff.

Fucus: Über lineare Differentialgleichungen. 907 und / verschieden sind. Alsdann kann man bekanntlich g in die Form bringen:

3 F,(&,y) Vie,y) Ar-(e,y) A. (9): .. A.@;Yy) 949 =.) dw | H («,y) i

wo F,(x,y) und V(x,y) ganze rationale Functionen von x, deren Coefficienten rational von y abhängen." Bezeichnen wir die Wurzeln der Gleichung

(6) H,(@,y)=0 in Bezug auf x als Unbekannte mit a, @%, . . -, So ist F,(&,y) I 2 (N er eu

Wir machen nunmehr die vereinfachende Voraussetzung, dass «,,, &s, -.. von y unabhängig sind. Diese Voraussetzung ist beispiels- weise erfüllt, wenn die Integrale der Gleichung (1) sich überall be- stimmt verhalten und die Wurzeln der determinirenden Fundamental- gleichung von y unabhängig sind. Wenn qa,,, @,,, . .. von y abhangen, so ist, mit Rücksicht darauf, dass nach dem Puviseux’schen Satze durch Umläufe von y jedes a, in jede andere Wurzel der Gleichung (6) übergeführt werden kann, und andererseits darauf, dass solche Um- läufe die rechte Seite der Gleichung (7) nicht ändern,

(8) he:

Es ist daher

da; = dy 9) dy er Pre, ra) P K H,(@,y) H.(&9)- -- en und demnach Ge da;. (10) = gi = , % BEN...

L— = Di Ip

g V(w,y) H.(&,y) H,(@,y).-- H,@,Yy) 7 H(«,y)

eine rationale Function von x und y. Zu den Summen liefern nur diejenigen Factoren H,(x,y) einen Beitrag, für welche @„, Qu; :.»- von y abhängen.

! Vergl. Herurve, Cours d’analyse, premiere partie, annee 1873 p. 268.

908 Sitzung der physikalisch -mathematischen Classe vom 25. Juli. Substituiren wir nunmehr in die Gleichungen (1) und (2) (11) ze lair,

indem wir bei der Bildung von fode aus Gleichung (5) kein von x unabhängiges Glied hinzufügen, so verwandeln sich (1) und (2) in

(1°) ynt=o

0°7 0°t dt (2*) W +P, 7 +P, 7 +P,t=o.

Der Coefficient }, und nach Gleichung (10) auch die Coefficienten P,,P,, P, sind rationale Functionen von x und y, und es genügt ein Fundamentalsystem von Integralen der Gleichung (1°) der Gleichung (1P), wenn ein solches der Gleichung (1) die Gleichung (2) befriedigt, und umgekehrt.

Wir dürfen also von vornherein in Gleichung (I) den Coeffi- eienten g gleich Null annehmen, und von den Gleichungen

o°z

(A) Apr +hz=o . en ie 02 RN: ( ) er Pr dp ee

ausgehen, in welchen A, p,, p., p, rationale Functionen von x und y sind.

2.

kl

f) Bezeichnen wir der Kürze halber En, mit (A, /), so ergiebt die

zweimalige Differentiation der Gleichung (B) nach x

N i HR, D)+P.L, N) +0, 2)+9,0,1) +7,01)

op; st: Ir (0,0) =O0,

2 2 2) 2 9+2 2) ++ 22) +pl2,0)+2 7, 1)

0°p, =

+ ap (0,2)+272(,0)+ ap - (0, DE

>(0,0)=0. Die dreimalige Differentiation der Gleichung (A) nach y liefert

oh (3) (2,1)+h(0,1)+ u o)=o,

Fucus: Über lineare Differentialgleichungen. 909

(@) (2 )+ 10,24 237. 0:1)+30.0)=0, oh 0°h 03% Baer, 3, er, RNTI Aus diesen Gleichungen ergiebt sich: (©) A(1,2)+B(0,2)+ C(1,1)+ D(1,0)+ E(o, 1) + F(0,0)=0,

wo

(6)

0’p, o’h oh a ae Differentiiren wir die Gleichung (C) nach x, so folgt durch An- wendung der Gleichungen (1) bis (5)

(D) A,(1,2)+ B,(0,2)+ C;(1,1)+ D,(1,0)-+ E,(0,1)+ F,(0,0)=0,

wo

a B=—A+ 2, k =i+E: 1N— +, z near R=-A. 0) - m

Aus (C) und (D) ergiebt sich: (E) B,(0,2) + C;(1,1) + D,(1,0)+ E,(0,1) + F,(0,0)=o, wo (8) B,=AB,—AB; ,=AC,—A,0C; D)=AD,— AD; E,=AB,—AE&E; BR=AF—AF.

Die Gleichung

(9) B,=0 lässt sich in die Gestalt bringen: EA ne en

dx dx

910 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 25. Juli.

oder 8 0 /B BR =) Bela en Setzen wir B ologu (10) ne > so geht diese Gleichung über in (11) 4 u=o.

Die Gleichung (9) erfordert also, dass die Gleichung (A) durch ein Integral der Form

(12) FR. RB 3 : befriedigt werde, won eine rationale Function von «.

Tritt dieser Fall, den wir später einer besonderen Un- tersuchung unterwerfen werden, nicht ein, so sind also nicht sämmtliche Coeffieienten der Gleichung (E) Null, namentlich ist B, von Null verschieden.

NE

3.

Sei 2,, 2, ein Fundamentalsystem von Integralen der Gleichung (A), welche zugleich Gleichung (B) befriedigen, und seien a2, + ßz,; y2, + d2, zwei Zweige von 2, oder 2,, in welche diese Funetionen nach einem Umlaufe der Variablen x übergehen, so folgt aus (E)

a) R, —- BR, Sr as, En B'S, =ov,

(F) . j VOR HIAR,+YS+IS,=o0, wenn wir MB: N, =, 02, 02, S, = 2B, —— QG,—+E£&2; oYy 0x (1) d2 02, Er oo 0 oy dx um Fa pm _ ER k? dıy" setzen.

Wir setzen zunächst voraus, dass B, von Null verschieden ist.

Fucas: Über lineare Differentialgleichungen. 911

Es können nun zwei Fälle eintreten:

I. Es giebt unter den Zweigen der Functionen 2, und 2,, welche durch die verschiedenen Umläufe der Variablen x erzeugt werden, wenigstens zwei solche, für welche

(2) _— ad B'y’ von Null verschieden ist, oder

I. Es ist für alle Zweige e = 0. Im Falle I folgt aus den Gleichungen (F)

8, = —e.,R—eR,, (3) je = —e.R—:R,, wo a ya; &, = LA’ IR’ (@ E ua; ea. Setzen wir (5) Do=24,+7 w+z

so folgt aus den Gleichungen (3), dass D(z,) und D(z,) Integrale der Gleichung (A) sind.

Im Falle II folgt aus (F) gR,+&,R,=o (6) | sR,+s,R,=o0,

d.h., da z,,2, ein Fundamentalsystem von Integralen der Gleichung (A) sind, (7) Re Xer Aus denselben folgt

ER EM HR

(8)

(—c)a®ß’=o (—c)u’ 9 =o,

wo c und c, von x und y unabhängige Grössen bedeuten. Die bei- den letzten Gleichungen erfordern, dass entweder #=o, oder d’ =o oder «9 = o und 9 =o, oderendlich ,=c. Für «= o müsste nach der ersten Gleichung auch y’=o sein, und demgemäss nach den Gleichungen (F) die Funetion D(z,) der Gleichung (A) Genüge leisten. Für 8’ = o folgt aus der zweiten Gleichung (8), dass auch = o, und dann aus den Gleichungen (F), dass die Function D(z,) die Gleichung (A) befriedigt. Für die Combination «”) = o, &% = 0 folgt aus den bei- den ersten Gleichungen (8), dass auch „?=o,.d"—=o, dass also «',®,y’,d von y unabhängige Werthe a,b,c,d annehmeh. Es

912 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 25. Juli.

ergiebt sich alsdann aus (F), dass für das gemeinschaftliche Integral der Gleichungen (A) und (B)

(9) u= az, +bz, die Funetion D(w) die Gleichung (A) befriedigt. Für den Fall , =e ergeben die Gleichungen (8) (10) y=ca-+tT, 8 —cd+r, wo auch T und T, von y unabhängig sind.

Wenn a, +2; yz,+ 62, demselben Umlaufe der Variablen x entsprechende Zweige bezw. von 2,, 2, bedeuten, so folgt mit Rück-

sicht darauf, dass in Gleichung (A) ni nicht auftritt, und demgemäss

de2.1.008, 9 (11) a—Ay=ı.

Substituiren wir in diese Gleichung die Werthe y und & aus den Gleichungen (10), so ergiebt sich

von x unabhängig wird,

at, —AT=ı, also Te’ —TR' = 0. Sei also (12) U 122-012;

so folgt aus (F), dass D(w) der Gleichung (A) Genüge leistet. Es können nicht beide Grössen T und T, verschwinden, weil sonst 2,, 2, nach dem Umlaufe von x aufhören würden ein Fundamentalsystem zu bilden.

Fassen wir das Vorhergehende zusammen, so ergiebt sich:

I. Wenn B, von Null verschieden ist, so existirt stets ein den Gleichungen (A) und (B) gemeinschaftliches Integral u, für welches die Function D(uw) ebenfalls die Gleichung (A) befriedigt.

Sei v, ein anderes gemeinschaftliches Integral der Gleichungen (A) und (B), welches mit « ein Fundamentalsystem für die Gleichung (A) bildet, und möge nach einem Umlauf der Variablen x die Fune- tion « übergehen in

uU—=AUuU-+ YUu,,

so geht D(w) über in

—4 ® ar dıı (13% D(u) = Dia) = ?D(u) +uD(w)+ 2 El 2 a

Fucus: Über lineare Differentialgleichungen. 913

Es muss aber auch D(w) ein Integral der Gleichung (A) sein, folglich ist auch

dA du (14) uD(u,) = Diu) —2 7,42 Fr

ein Integral derselben Gleichung. Wenn demnach nicht für alle Um- läufe der Variablen x die Grösse u verschwindet, so ist auch D(w,) ein Integral der Gleichung (A). Dieses führt zu dem folgenden Satze:

I. Wenn B, von Null verschieden ist, und die Gleichun- gen (A) und (B) nicht ein gemeinschaftliches Integral be- sitzen, dessen logarithmische Ableitung nach x eine ratio- nale Function von & ist, so giebt es stets ein Fundamental- system von Integralen z,, 2, der Gleichung (A), welches eben- falls die Gleichung (B) befriedigt und so beschaffen ist, dass D(z,), D(z,) der Gleichung (A) Genüge leisten.

4. Setzen wir zur Abkürzung SR Bin ee () De ee A at 2 0’2 Pi2 = ati: so ist d (2) P(D(2)) = 2(2,D+as, 00423. +3|12. 0) g°a ob +[ie+ 2 + ‚o)+h(0, ı) 0°b +3 + (0, 0).

Ist z ein Integral der Gleichung (A), so folgt aus dieser Gleichung, und aus Gleichung (3) Nr. 2 0°a odbl oz [9% da oh oh (3) P(D@)) 17 E Eirr | FR 3e- re |

Bilden z,,z, ein Fundamentalsystem von Integralen der Gleichung (A) von der im Satze II voriger Nr. angegebenen Beschaffenheit, so ist

(4) P(D(z)) 10). P(D(z,)) —0):

- “u

914 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 25. Juli.

= 02 Da z, ; = —;2, An von Null verschieden ist, so muss demnach (5) a 2 rar Pc 0°b da oh oh (6) range In Lean sein. Aus diesen beiden Gleichungen folgt 03a n da i oh oh 5 7) De a i Es müsste demnach die Differentialgleichung: 032 oz oh oh (6) ee

durch die rationale Funetion @ von x und %y befriedigt werden.

Der Gleichung Iw n dw oh en (9) ee a

» 2 1 2.,32. Sie

42, —2,2,,+2 einander zugeordnet.' Es müsste also der Ausdruck

flohen. oh ToR (10) 2 [1 2de+ a

eine rationale Function von x werden, wenn die Gleichung (8) durch eine rationale Function von x befriedigt werden soll.

Ist aber der Ausdruck (Io) eine rationale Function von x, so sind die Coeffieienten der Substitutionen der zur Gleichung (A) ge- hörigen Gruppe von y unabhängig.”

Wenn wir dieses Resultat mit den Resultaten der vorhergehenden Nummern zusammenhalten, so gelangen wir zu dem folgenden Theorem:

Soll ein Fundamentalsystem von Integralen der Glei- chung (A) der Gleichung (B) genügen, so muss die Gleichung (A) entweder ein Integral zulassen, dessen logarithmische Ableitung nach x eine rationale Function von & ist, oder sie gehört zur Kategorie derjenigen Differentialgleichungen, deren Gruppe von y unabhängige Substitutionen besitzt.

ı S. Sitzungsber. vom 1. November 1894, S. 1124. 2 S. Sitzungsber. a. a. ©. und Sitzungsber. vom 25. Februar 1892, S. 163.

LE u DE 2 0 ud

Fuchs: Über lineare Differentialgleichungen. 915

In dem Falle, dass die Gruppe von Substitutionen der Gleichung (A) von y unabhängig ist, genügt 2 als Function von y einer Diffe- rentialgleichung höchstens zweiter Ordnung, deren Coeffieienten ra- tionale Funetionen von x und y sind;' es müsste demnach die Gleichung (B) in diesem Falle reductibel sein.

Es bleibt uns also noch übrig, den Fall zu untersuchen, in welchem die Gleichung (A) ein Integral besitzt, dessen logarithmische Ableitung nach x eine rationale Function von & ist.

9.

Es sei jetzt (1) = Fl

ein Integral der Gleichung (A), wo R eine rationale Function von «. Wir wollen nunmehr voraussetzen, dass N die Gestalt habe &, U, Am

+ +...+ s a—a, a.—a x dd,

(2) I

2

wo die Grössen a,,@,,...q, von einander verschieden, und

&, 2 d, Fa 22 } Um 2 von x unabhängig seien. Substituiren wir z, in Gleichung (A), so folgt OR 3 —h=W”+——. (3) + Ay

Die eben gemachte Voraussetzung schliesst also die in sich, dass die Integrale der Gleichung (A) sich überall bestimmt verhalten.’ Wenn nach einem Umlauf der Variablen y R sich in

, ei /

[6 u [62

[2 I 2 m (4) N en re en en a—a) a—a, 2 a, verwandelt, so müssen die Grössen a/, a ... a, wiederum von ein- ander verschieden sein und es ist R/de (1a) u

ebenfalls ein Integral der Gleichung (A). Zwischen R und ® besteht nach Gleichung (3) die Relation

aa OR Aus derselben ergiebt sich elog 5 y (6) Ir R-NI= —IR+N].

ı S. Sitzungsber. vom 25. Februar 1892, S. 165—166. 2 S, Crerres Journal B. 66 S.146 Gl. 12.

Sitzungsberichte 1895. 80

916 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe vom 25. Juli.

Ist .=a/=a, so muss eine der Functionen R— NW oder R+NW für ©—=a unendlich werden, da sonst ,=0, 4 =O sein müsste. Ist &. a; von Null verschieden, so ist die linke Seite der Glei-

chung (6) für e=a unendlich wie - folglich ist

(7) 4 +4 =1. Ist 2. oc] =0, so muss (8) %4t+0 = —p

sein, wo p die Ordnung bezeichnet, in welcher RAR—NR fürz=a ver- schwindet.

Ist a} ein Werth, der sich nicht unter den Werthen a, befindet, so folgt durch einen analogen Schluss aus Gleichung (6)

(9) 41 und ebenso für a,, wenn dasselbe nicht unter dem a; befindlich ist, (10) an: Aus den Gleichungen (7) bis (10) folgern wir, dass

(11) A— ef RR) de

= oa)

eine rationale Function von x darstellt. Es müssten demnach! z,,2, die Form haben I e pdı

amprei®, (12) se. 2, =4’e ’’P, wo c von x unabhängig ist. Wir setzen

(13) 0=7T,;

wo G(&) und (x) ganze rationale Funetionen von x ohne gemein- samen Theiler sind. Es sind alsdann für die Nullstellen von (x) die Exponentialfunetionen in (12) endlich, der Factor #% aber unendlich. Es wird demnach (x) nur Null für Werthe, für welche A unendlich wird. Für diese aber müssten 2,,2, gleichzeitig unendlich werden. Wenn wir aber voraussetzen, dass R—N®’ nicht von x unabhängig ist, so bilden z,,2, nach Gleichung (1) und (1*) ein Fundamental- system von Integralen der Gleichung (A). Es müsste demnach für dieselben Werthe von x jedes Integral dieser Gleichung unendlich

! S. Crerres Journal B. S. 118.

Fucus: Über lineare Differentialgleichungen. 917

werden. Aber die zu den singulären Stellen der Gleichung (A) zu- gehörigen determinirenden Fundamentalgleichungen haben die Gestalt

(14) vw—I)te=o, d.h. für das einem solchen singulären Punkte der Gleichung (A) zugehörige Fundamentalsystem ist die Summe der Exponenten gleich

Eins, diese Exponenten können also nicht beide negativ sein. Also ist Y(x) eine von x unabhängige Grösse, und man hat

(15) = Ca) eine ganze rationale Function von x.

Die Differentialgleichung dritter Ordnung (8) in Nr. 4, welche &,2,2,,% als Fundamentalsystem besitzt, hat demnach eine ganze rationale Function G(x) zum Integral. Besässe dieselbe noch ein zweites Integral @,(2), wo G@,(@) eine nicht um einen blossen con- stanten Factor von @(x) verschiedene ganze rationale Function be- deutet, so müssten sich die von x unabhängigen Grössen A,B,C so bestimmen lassen, dass

(16) Az+(C2+BG=G,

G,— BG

dr rc oder DE. + Base = G

dx

Demnach müsste el @ eine zweiwerthige algebraische Function von x sein. Nach den Gleichungen (7), (9), (10) enthält @ nur ein- fache Faetoren. Es müsste also diese zweiwerthige Function die Quadratwurzel einer rationalen Function von x sein. Sehen wir von diesem Falle, in welchem die Gleichung (A) durch Wurzeln rationaler Functionen integrirt werden würde, ab, so hätte die Gleichung (8) in Nr. 4 nur eine ganze rationale Function zum Integral. Die Co- efficienten desselben sind bis auf einen allen gemeinsamen Factor aus der Gleichung (8) in Nr.4 als rationale Functionen von y be- stimmbar. Bezeichnen wir dieses Integral mit T-H(x), so dass die Coeffieienten von H(x) rationale Funetionen von y sind und T von

x unabhängig, so können wir setzen

(17) Br) = Te HN?.

Substituiren wir 2, aus Gleichung (12) in die Gleichung (A), so er- halten wir

oB\’ (18) Eee +— Aa = —h. 4 29 da® 49

Wird der Werth von &(a) aus (18) substituirt, so folgt so*

918 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 25. Juli. oH (x) \? I 0x er. Ne I (19) AN H@ 2H(a) 08 +7 Ha wo

@ 2 wodurch 2) sich als rationale Function von y% bestimmt.

I. Hiernach würde, wenn wir von dem Falle absehen, in welchem die Gleichung (A) algebraisch integrirbar ist, diese Gleichung durch ein Fundamentalsystem von Integra- len der Form

Re

= H: er! H

(20) I e fd me H’e " A

befriedigt werden können, worin H eine ganze rationale Funetion von & ist, deren Coefficienten rational von y ab-

hängen, und wo (5) eine rationale Function von y ist, die

aber sich auf eine von y unabhängige Grösse reducirt, wenn die Grössen &,, &,,...4,„ in Gleichung (2) als von y unabhängig vorausgesetzt werden.

Wenn aber für alle Umläufe der Variablen y die Function PR unverändert bleibt, so sind die Coeffieienten von R ratio- nale Functionen von 9.

6.

Wir wollen nunmehr noch den Fall näher betrachten, dass die Gleichung (A) nur ein Integral besitzt, dessen logarithmische Ab- leitung nach & eine rationale Funetion ist. Alsdann hat nach voriger Nummer dieses Integral die Gestalt

(1) ee

wo NR eine rationale Function von x und y darstellt. Wir setzen vor- aus, dass in Gleichung (2) Nr. 5 die Grössen &,,d4,,...&, von % un- abhängig seien; alsdann zerfallen die algebraischen Functionen von von Y,@,@,,...G4,, Welche in derselben Gleichung auftreten, in Gruppen von der Beschaffenheit, dass die zu einer Gruppe gehörigen bei den Umläufen von y sich nur untereinander vertauschen. Es müssen daher die Grössen @,, welche zu den eine Gruppe bildenden Grössen a, gehören, einander gleich sein. Wir können also aus (1) und (2) Nr.5 folgern

(2) 2, = Pr pa... .pu—=S,

Id

LEE

Fucns: Über lineare Differentialgleichungen. 919

wo P,,P,,... P, ganze rationale Functionen von x sind, deren Coeffiecienten rational von y abhängen. Bekanntlich ist

da (3) = JE

ein Integral der Gleichung (A), welches mit z, ein Fundamentalsystem bildet. Substituiren wir in (A)

(4) z2= Sr, so erhalten wir eine Differentialgleichung (s) 0°v an h - FE Pe

und es ist g, eine rationale Function von x und y. Diese Differen- tialgleichung besitzt das Fundamentalsystem von Integralen

(6) ee

Wenn », als Function von y einer linearen Differentialgleichung

0”2 or P(e2) = —— ut... A (7) ( ) dy" FPıdm— Ar Sri; O, deren Coeffieienten rationale Functionen von x und y, genügt, so be- friedigt dieselbe auch jeder Zweig von v,, welcher durch die Um- läufe von x und von %y erhalten wird. Diese Zweige haben die Form

(8) =lu+Bß, [27

wo 4 eine der Grössen &,,&,,...,d, rend & nur von y abhängig ist.

Die Gleichung (7) muss in Bezug auf y reductibel sein. Denn wäre sie irreduetibel und substituirten wir v, in dieselbe, so erhielten wir eine lineare homogene Differentialgleichung für 8 von gleicher Ordnung:

in Gleichung (2) bedeutet, wäh-

a a 2 (9) tg tm

Da die Coefficienten P,, P,; -.-, Pm; Sich durch ein Fundamentalsystem

von Integralen $%,,%,,..., &„ derselben, welche als Zweige eines In-

tegrals &@ von x unabhängig sind, und durch ihre Ableitungen nach

y rational darstellen lassen, so müssten p,,P;;> :-:; ?m von x unab-

hängig sein.

920 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 25. Juli.

Lässt sich beispielsweise P(z) in der Form

(10) P(<2) = r,Q(2) + En ren a darstellen, wo 5 E 02 2 (11) Marta, t +.

irreduetibel in Bezug auf y ist, und wo r,,r,...,r,„ rationale Func-

tionen von y sind, so würde sich für 8 die Differentialgleichung (12) Qad) = o

ergeben, und es müssten alsdann nur die Grössen 9,,,; -.., Q, von

x unabhängige rationale Functionen von y sein.

Dieses Verhalten wird durch das Beispiel der Differentialgleichun- gen erläutert, welchen die hyperelliptischen (elliptischen) Integrale bezw. aufgefasst als Functionen der unabhängigen Veränderlichen und als Func- tionen der Verzweigungswerthe genügen, wie bereits in der Einleitung angeführt worden ist.

921

Die Arten des Sehpurpurs in der Wirbelthierreihe.

Von Erse KörTtgen und Dr. GEORG ABELSDORFF

in Berlin.

(Vorgelegt von Hın. E. pu Boıs-Reymoxv.)

Aus den Angaben Hrn. W. Künnxe’s über die Farbe des Sehpurpurs bei Thieren und Menschen geht hervor, dass nach dem Aussehen zu urtheilen, verschiedene Arten von Sehpurpur vorkommen. Hinsicht- lich der Frage, ob wir es hier mit bestimmten feststehenden Typen oder mit einer Reihe von Übergangsformen zu thun haben, sind die Untersuchungen von Hrn. Künse, wie dieser selbst in seiner letzten Abhandlung! hervorhebt, noch nicht entscheidend. Um diese Frage in exacter Weise zu lösen, haben wir eine genaue Bestimmung der Farbe durch speetralphotometrische Messung der Absorption des Seh- purpurs bei Vertretern aller Wirbelthierclassen vorgenommen.

Im Ganzen wurden 16 Species untersucht, nämlich vier Säuge- thiere, ein Vogel, drei Amphibien und acht Fische. Die Angaben früherer Beobachter (Borz, Künne und Andere) über den Mangel an Sehpurpur in den stäbchenlosen Netzhäuten der meisten Reptilien haben wir an einem Beispiele bestätigen können: bei der Schildkröte (Emys europaea) haben wir weder in der Netzhaut selbst Sehpurpur gefunden, noch an einer mit grösster Vorsicht bei rothem Lichte hergestellten Lösung von 16 Netzhäuten. Auf diejenigen Reptilien, in deren Netzhaut Stäbehen vorkommen, den Gecko, das Krokodil und die Boa” konnten wir leider der Kostbarkeit des Materials wegen unsere Untersuchung nicht ausdehnen, obwohl hier ein anderes Re- sultat zu erwarten gewesen wäre, und im Auge des Gecko thatsäch- lich schon Sehpurpur nachgewiesen worden ist’.

ı W. Künse, Zur Darstellung des Sehpurpurs. Zeitschr. f. Biologie. N. F. Bd. XIV, S. 21, 1895.

® Heımemans, Beiträge z. Anatom, d. Retina. Arch. f. mikroskop. Anatomie Bd. XIV, S. 409-441, 1877.

® W. Krause, die Retina der Reptilien. Internat. Monatsschr. f. Anatom. u. Physiolog. 1893, S. 47 u. 52.

922 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 25. Juli.

Bei der Herstellung der Sehpurpurlösungen sind wir von der Künse’schen Methode nur insofern abgewichen, als wir die Praeparation der Netzhäute bei rothem Lichte vornahmen und bei den Fischen die Lösungen von den aus der Netzhaut in sie übergehenden Beimischungen von Guanin (Bley, Zander) oder oft stark gefärbten Pigmenten (Hecht, Barsch) durch Centrifugiren befreiten.

Die ersten Untersuchungen wurden mit einem zu diesem Zwecke nach dem Vıerorpr’schen Princeip gebauten Apparat ausgeführt, dessen besondere, von Hrn. A. Könıs angegebene Construction es ermöglicht, das Absorptionsgefäss in das Ocularrohr so einzuschieben, dass es nur von den Strahlen derjenigen spectralen Region getroffen wird, in welcher die Messung gerade stattfindet. Die Zersetzlichkeit des Sehpurpurs schien diese Vorsicht nöthig zu machen, abgesehen davon, dass selbst- verständlich im Dunkelraum beobachtet wurde. Da es sich jedoch bald zeigte, dass wir uns diese Zersetzlichkeit, wenigstens soweit sie bei Anwendung mässig starker Lichtquellen auftritt, viel grösser vor- gestellt hatten, als sie in Wirklichkeit ist, so gingen wir, um grössere Genauigkeit zu erzielen, später dazu über, die Messungen mit einem Könıs’schen Spectralphotometer' auszuführen. Die Zersetzung während der Beobachtung wurde dabei in folgender Weise möglichst vermieden.

Das Licht unserer Versuchslampe (Avrr’sches Glühlicht mit mat- tirtem Cylinder) wurde nach seitlicher Abblendung, durch Linsen auf das vor dem Collimatorspalt stehende Absorptionsgefäss concentrirt, und das letztere vor dem zur Beobachtung in der jeweiligen spectralen Region nicht nöthigen Licht durch passend ausgesuchte gefärbte Gläser geschützt. Die eine Hälfte der Einstellungen am Photometer wurde stets so ausgeführt, dass man vom rothen Ende des Speetrums zum blauen, die andere, dass man in umgekehrter Richtung durch das Speetrum ging. Eine Berechnung zweier Curven aus der ersten und zweiten Hälfte lehrte, dass, wo überhaupt eine Zersetzung wäh- rend der durchschnittlich dreiviertel Stunden dauernden Messungsreihe nachgewiesen werden konnte, dieselbe so gering war, dass durch die symmetrische zeitliche Anordnung der Einstellungen jeder Fehler in Folge von Zersetzung im Mittelwerth vollkommen aufgehoben wurde.

Die mit beiden Apparaten ausgeführten Messungen stimmen im Wesentlichen vollkommen überein; wir theilen hier jedoch nur die genaueren Resultate unserer Beobachtungen mit dem Könıs’schen Spectralphotometer mit.

Da man es nicht in der Hand hatte, bei allen Lösungen den- selben Concentrationsgrad herzustellen, so haben wir, um den Ver-

ı A. Könıs. Ein neues Spectralphotometer. Annal. der Physik und Chemie N. F. Bd. 53, S. 785—792, 1894.

Körrgen u. ABELspoRFF: Die Arten des Sehpurpurs in der Wirbelthierreihe. 923

gleich der Resultate zu erleichtern, die ursprünglich gewonnenen Werthe so umgerechnet, dass der Mittelwerth der Absorptionscoeffi- eienten der drei mittleren Punkte stärkster Absorption stets derselbe In den folgenden Tabellen sind die Mittelwerthe der so um- gerechneten Absorptionscoeffieienten des Sehpurpurs der vier in Be- tracht kommenden Wirbelthierclassen enthalten.

wird.

Tabelle I. Säugethiere Vögel Amphibien ß Laub- e Wellen-| Affe! Schleiereule| Frosch ash Feuerunke m Hund Kaninchen) Katze längen | Kalitrichus Strix Rana Hyla |Bombinator sabaeus flammea \\temporaria arborea | bombinus 6? I 5 I 3 5 2 I 720 Ju 0.0023 700 » 0.0125 0.0012 0.0012 0.0054 |(—0.003) 0.0174 680 » ||(—0.005)? 0.0061 0.0023 0.0009 |(—0.005) |(—0.004) 660 » 0.0039 |(—0.027) 0.0040 | 0.0167 0.0019 |(—0.005) |(—0.006) 640 » 0.0051 0.0089 0.0181 0.0248 0.0054 | (—0.004) 620 » 0.0185 |(—0.010) 0.0112 0.0226 0.0355 0.0133 9.— 0.0286 600 » 0.0384 0.0151 0.0348 0.0505 0.0361 0.0260 0.0115 0.0672 580 » 0.0539 0.0248 0.0753 0.0821 0.0819 0.0599 0.0570 0.1244 560 » 0.1890 0.2016 0.1892 0.2177 0.2027 0.1859 0.2213 0.2452 540 0.3221 0.3807 0.3464 0.3644 0.3496 0.3461 0.3799 0.3186 520 0.4714 0.4705 0.4653 0.4769 0.4706 0.4713 0.4867 0.4826 500 » 0.5069 0.5082 0.5106 0.5237 0.5073 0.5027 0.5070 0.5097 480 » 0.4423 0.4450 0.4453 0.4199 0.4495 0.4502 0.4288 0.4301 460 » 0.2715 0.1710 0.2768 0.2692 0.2796 0.3112 0.1947 0.2289 440 » 0.0931 0.0521 0.0893 0.1330 0.1158 0.1419 0.0180 0.0417 420 » 0.0095 0.0257 |(—0.002) 0.0239 0.0006 ||(—0.008) |(—0.001) |(—0.002) Tabelle I. Fische alle | Bley Karpfen | Schleie | Hecht Forelle | Barsch Zander | Quappe längen | Abramis | Cyprinus | Tinca Esox Salmo Perca | Lucioperca Lota | drama carpio vulgaris lueius Jario fluviatilis | sandra vulgaris | II 9 2 2 2 2 4 4 2 790 zu 0.0021 0.0031 |(—0.003) 0.0071 | (—0.008) 0.0072 0.0003 |(—0.003) 680 » 0.0125 0.0307 |(—0.001) 0.0047 0.0042 0.0038 0.0071 |(—0.004) 660 0.0249 0.0343 0.— 0.0070 0.0003 0.0166 0.0117 |(—0.001) 640 0.0579 0.0660 0.0318 0.0182 0.0458 0.0564 0.0365 0.0196 620 0.1174 | 0.1060 0.0800 0.0682 0.1548 0.1452 0.0943 0.0813

! Hr. H.Mvnk hatte die Freundlichkeit uns die Augen dieser Species zu überlassen. ?2 Diese Zahlen geben die Anzahl der, eventuell zu einem Mittelwerth vereinigten, Beobachtungsreihen an. ® Die negativen Werthe sind in Klammern gesetzt, weil sie, obwohl rechnungs- mässig erhalten, physikalisch keinen Sinn haben.

924 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 25. Juli.

| Fische Wreilen- | Bley Karpfen | Schleye | Hecht Forelle Barsch Zander | Quappe längen | Adramis \ Cyprinus | Tinca Esox Salmo Perca |Lucioperca | Lota

brama carpio | vulgaris lucius ‚Fario Fluviatilis | sandra vulgaris

9 2 2 | 2 2 4 4 Fo

600 » 0.2477 0.2074 0.2191 0.2228 0.2699 0.2774 0.1882 0.2012 580 » | 0.3715 0.3257 0.3643 0.3669 0.4001 0.3707 0.3388 0.3448 560 0.4744 0.4642 0.4733 0.4682 0.4744 0.4726 0.4649 0.4534 540 » 0.5009 0.5068 0.5042 0.5118 0.5060 0.5043 0.5029 0.5104 520 » 0.4638 0.4677 0.4624 0.4583 0.4596 0.4607 0.4713 0.4588 500 » 0.3725 0.3821 0.3493 0.3547 0.3326 0.3470 0.3897 0.3550 480 » 0.2024 0.2073 0.0929 0.2035 0.1326 0.1424 0.1872 0.1164 460 » 0.022 0.0436 0.0186 0.0147 0.0223 0.0279 0.0232 0.0179 440 » 0.0018 0.0061 0.0107 |(—0.006) | (—0.008) 0.0060 | (—0.005) 0.0066 420 » 0.0051 0.0010 |(—0.005) |(—0.002) | (—0.003) | (—0.002) |(—0.003) 0.0039

Zunächst ergiebt sich also, dass bei den untersuchten Wirbel- thieren zwei Arten von Sehpurpur vorkommen, die eine bei den Säuge- thieren, Vögeln und Amphibien mit dem Maximum der Absorption bei der Wellenlänge 5oouu, die andere bei den Fischen mit dem Absorptionsmaximum bei 540uu. Bei beiden Arten findet also die stärkste Absorption im Grünen statt, bei den Fischen jedoch in einer sich dem Gelbgrünen nähernden Gegend des Specetrums, wodurch das mehr violette Aussehen des Fischsehpurpurs bedingt wird.

In der nebenstehenden Figur ist das Resultat graphisch so dar- gestellt, dass das Spectrum ‘als Abseissenaxe, die Absorptionscoeffi- ecienten vom Kaninchen und Bley als Ordinaten eingetragen sind. Die beiden so erhaltenen, in der Figur ausgezogenen Curven sind ein-

Säugethiere Vögel Fische Amphibien

Körrsen u. Aseısporrr: Die Arten des Sehpurpurs in der Wirbelthierreihe. 925

gehüllt von gestrichelten Curven, welche die grössten Abweichungen der in den Tabellen angegebenen Mittelwerthe von diesen typischen Curven darstellen. An sehr vielen Punkten wird die Grösse der Abweichungen nicht durch die Unsicherheit der Curven im Allgemeinen, sondern durch diejenigen einiger weniger Einzelreihen oder Mittelwerthe aus nur zwei Beobachtungsreihen bedingt. So würden z. B. die ein- hüllenden Curven diejenigen vom Kaninchen bei 58ouu viel enger umschliessen, wenn nicht bei zwei Einzelreihen (Hund und Feuer- unke) grössere Fehler vorgekommen wären, während die Überein- stimmung aller anderen Curven an diesem Punkt eine sehr gute ist. Auch bei 460uu giebt die Curve vom Hund wieder die grösste Ab- weichung. Bei vielen Thieren mussten wir uns aus naheliegenden praktischen Gründen damit begnügen, eine einzige Lösung herzu- stellen, die unter Umständen nur zur einmaligen Füllung unseres Absorptionsgefässes ausreichte und deren Concentration überdies viel- leicht noch schwach war und sich deswegen zu einer genauen Messung weniger eignete. War aber die Zugehörigkeit zur einen oder anderen Art mit Sicherheit festgestellt, so glaubten wir von einer Wieder- holung Abstand nehmen zu können, selbst wenn Ungenauigkeiten wie die oben geschilderten hervorgetreten waren.

Ein weiteres wichtiges Ergebniss unserer Untersuchung ist die Übereinstimmung der Absorption des menschlichen Sehpurpurs mit derjenigen des Sehpurpurs von Säugethieren, Vögeln und Amphibien. Um diese Übereinstimmung darzuthun, haben wir die von Hrn. A. Könıs! angegebenen Absorptionscoefficienten des menschlichen Seh- purpurs auf dieselbe Concentration umgerechnet, die unseren oben angeführten Tabellen zu Grunde gelegt ist, und die so erhaltenen Werthe in der folgenden Tabelle denjenigen vom Kaninchen und Frosch gegenübergestellt.

Tabelle MI.

Wellenlängen| Mensch Kaninchen Frosch 600 zu 0.0223 0.0348 0.0260 580 » 0.0876 0.0753 0.0599 560 » 0.1292 0.1892 0.1859 540 » 0.3378 0.3464 0.3461 520 » 0.4365 0.4653 0.4713 500 » 0.5285 0.5106 0.5027 480 » 0.4558 0.4453 0.4502 460 » 0.3451 0.2768 0.3112 440 » 0.1807 0.0893 0.1419 420 | (0.042) (—0.002) (—0.008)

|

ı A. Kösıs, Über den menschlichen Sehpurpur und seine Bedeutung für das Sehen. Sitzungsberichte d. Berliner Akademie 1894, S. 577—98.

926 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe vom 25. Juli.

Zum Schluss muss noch erwähnt werden, dass trotz aller Be- lichtungsversuche und bei Anwendung verschiedenartiger Gallen- praeparate' aus unseren Beobachtungen niemals ein Hinweis auf das Vorkommen von Sehgelb bei den Thieren sich ergeben hat, sondern durch Belichtung nur eine fortschreitende Abnahme der Concentration des Sehpurpurs und schliesslich Farblosigkeit erzielt wurde. Diese in direetem Widerspruch mit früheren Beobachtungen stehende That- sache hier durch unser Zahlenmaterial zu erhärten, würde über den zulässigen Rahmen dieser vorläufigen Mittheilung hinausgehen. Wir verweisen deshalb bezüglich dieses Punktes auf die später zu ver- öffentlichende ausführliche Darstellung.

Die Untersuchungen wurden auf Anregung des Hrn. Prof. A. Könıs in der physikalischen Abtheilung des Berliner physiologischen Instituts ausgeführt.

! Zu diesem Zwecke stand uns auch eine von Hrn. W. Künnxe in liebenswürdigster Weise überlassene Gallenlösung zur Verfügung.

Hr. Kırrert wird am 31. d.M. sein fünfzigjähriges Doetorjubi- laeum begehen. Zur Feier des Tages hat die Akademie in einer ausser- ordentlichen Gesammtsitzung die umstehend folgende Adresse be- schlossen.

927

Ansprache an Hrn. HEInRıch KıEpERT

zur Feier seines fünfzigjährigen Doctorjubilaeums am 31. Juli 1895.

Hochverehrter Herr College,

D:. akademischen Genossen feiern mit Ihnen den Tag, an dem Sie auf eine fünfzigjährige, reiche und in sich geschlossene Thätigkeit zurückblicken. Sie haben das besondere Glück gehabt, von früher Jugend an einem inneren Zuge folgen zu können, der Sie in der Wahl des Arbeitstoffs niemals irren oder schwanken liess, dem an- geborenen Triebe, die Wohnsitze der Völker zu erforschen und im Bilde darzustellen. In der Schule eines der ersten Hellenisten, unseres unvergesslichen Aucust MEIınerE haben Sie Ihrem Lieblingsstudium die Richtung auf das elassische Alterthum gegeben; dann sind Sie mit jugendlicher Begeisterung in den weiten Gesichtskreis eingetreten, den Karr Rırter seinen Zeitgenossen öffnete, und während der Meister selbst durch die Anlage seines grossen Werks von den Gegenden ferngehalten wurde, in denen seine Methode am glücklichsten ver- werthet werden konnte, sammelten und ordneten Sie mit unver- drossenem Eifer das weit zerstreute Material, um den Atlas von Hellas und den Colonien in’s Leben zu rufen, der auf dem Gebiet der historischen Philologie Epoche gemacht und uns alle in eine lebendigere Anschauung des Alterthums eingeführt hat.

Es war die Zeit, da nach den seemächtigen Nationen auch die Deutschen an der Wiederentdeckung der Länder alter Geschichte selbstthätigen Antheil nahmen. Sie selbst betraten 1872 zuerst den Boden Kleinasiens, wo Sie mit WELCcKErR und Hrxsen zusammentrafen, und während der treffliche Schönßorn seine einsamen Wanderungen durch die südlichen Küstenländer machte, gelang es den mit anderen Mitteln ausgerüsteten Offizieren des Preussischen Generalstabes, von MoLTrkE, FiscHER, VON VINCKE, ÜLBENDORF durch das noch verschlossene Binnenland Kleinasiens der Wissenschaft Bahn zu machen. Ihnen aber war es vorbehalten, das Ergebniss eigener und fremder Leistungen zu ziehen. 1854 erschienen Ihre Karten von Kleinasien mit dem

928 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 25. Juli.

begleitenden Memoir, das erste ruhmwürdige Denkmal auf einem von deutscher Forschung noch unbetretenen Arbeitsfelde.

Sieben Jahre lang haben Sie in Weimar, wo ScHöLL, PRELLER und SaurprE Ihre geistigen Genossen waren, das geographische In- stitut daselbst geleitet, bis die Rückkehr nach Berlin Sie aus der Sphaere geschäftlicher Technik in das Gebiet freier Forschung zurück- führte.

Hier wartete Ihrer in alter Liebe der Lehrer Ihrer Jugend: Kar RıTTEr war es, der Sie in unseren Kreis einführte. “Unsere Akademie bedarf eines p’Anvirze‘, begann sein Wahlantrag, und am Leısnız- Tage 1854 wurden Sie mit Haurr zusammen durch Böckr feierlich aufgenommen.

Ihre Vorträge zeigten uns bald, in wie grossem Zusammenhange Sie Ihre Studien auffassten. Wir sahen, wie Sie beim Zeichnen der Thäler und Wasserscheiden überall in die Tiefen des Völkerlebens eindrangen, wie Sie in den Berg- und Flussnamen die ältesten Sprach- reste untergegangener Nationen erkannten, und nach dem Anlaut der Ortsnamen suchten Sie die Grenzlinien zwischen den Völkern ara- mäischer und arischer Herkunft zu ziehen. Auf dem Gebiete, wo Orient und Occident sich begegnen, haben Sie zuerst die neu- gewonnenen Urkunden der Keilschrift mit den Berichten Hrropor's zusammengestellt. Die Persische Königstrasse haben Sie mit histo- rischem Blick verfolgt und in ihrer Abzweigung nach dem Pontus eine alte Verkehrslinie erkannt. Auch die Handelstrassen nach Central- Asien sind ein Lieblingsgegenstand Ihrer Studien gewesen.

Die nach Maassgabe erweiterter Länderkunde immer neu er- schienenen Karten der alten Welt aufzuzählen kann nicht die Auf- gabe dieser Ansprache sein, aber das ist uns ein Bedürfniss, mit warmer Anerkennung und Dankbarkeit auszusprechen, wie Sie in uneigennütziger Liebe zur Sache unausgesetzt bereit gewesen sind, Werken Anderer durch Ihre Karten einen erhöhten Werth zu geben; so Lassen’s Indien, Rosımson’s Palästina, Monnsen’s Römischer Ge- schichte, BEnsvorr’s Lycien u. s. w. Aus dem Schatze von Ortskunde, wie er nur Ihnen zur Verfügung steht, sind Sie bei allen grossen epi- graphischen und archaeologischen Arbeiten mit Rath und That immer ein liebenswürdiger und zuverlässiger Beistand gewesen.

Innerhalb des Weltkreises aber, den Sie beherrschen, ist es vor Allem das für alte Völker- und Culturgeschichte wichtigste aller Länder, das in Ihrer Hand ruht. Ihr Studirzimmer ist das Haupt- quartier für die wissenschaftliche Eroberung Kleinasiens. Sie kennen Jeden Punkt, wo unsere Kenntniss stockt, jede Lücke eines noch unvollkommen bekannten Wasserlaufs. Von Ihnen erhält der Reisende

Ansprache an Hrn. Kırrerr. 929

jede genaue Weisung, Sie allein wissen jeden kleinen Fortschritt zu würdigen und an richtiger Stelle zu verwerthen. Wenn wir also dem herzlichen Festgrusse und dem Dank für das, was Sie der Akademie gewesen sind, noch einen Wunsch hinzufügen dürfen, so ist es der, dass es Ihnen vergönnt sein möge, Ihr Kleinasien so voll- ständig und klar, wie es der Wissenschaft möglich ist, den Freunden der Erdkunde und Geschichte vorzulegen, und ebenso den ganzen Orbis antiquus, den wir als ein akademisches Werk ansehen dürfen.

Die Königlich Preussische Akademie der Wissenschaften.

Ausgegeben am 1. August.

Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei.

al

1895. AXXIX.

SITZUNGSBERICHTE

DER

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN.

17. October. Gesammtsitzung.

Vorsitzender Secretar: Hr. E. pu Boıs-Revmoxov.

l. Hr. Scuuzze las von seiner Abhandlung über die Hexacti- nelliden des indischen Oceans den zweiten Theil: die Hex- asterophora.

2. Hr. Frogentus legte eine Abhandlung des Hrn. Kurr HexseEL über die Ordnungen der Verzweigungspunkte einer RıEmAnn- schen Fläche vor.

Die erste Mittheilung ist für die Denkschriften bestimmt, die zweite folgt hier umstehend.

Hr. Kırcunorr überreichte eine Sammlung seiner akademischen Ab- handlungen unter dem Titel: Thukydides und sein Urkundenmaterial. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte seines Werkes. Verlag von

W. Hertz 1895.

Die Akademie hat seit ihrer letzten Sitzung folgende Mitglieder durch den Tod verloren:

Das ordentliche Mitglied der philosophisch - historischen Classe Heimrıcn von SyBEL am 1. August.

Das correspondirende Mitglied der physikalisch - mathematischen Ulasse Sven Lupwıe Lovexn am 3. September in Stockholm.

Sitzungsberichte 1895. sl

932 Gesammtsitzung vom 17. October.

Unter dem 13. August geruhte Seine Majestät der Kaiser und König dieWahlen des Praesidenten der physikalisch-technischen Reichsanstalt, Professors Dr. Frıeprıcn Konrrauscn und des ordentlichen Professors der Experimentalphysik an der hiesigen Universität und Direetors des physikalischen Instituts Dr. Emm Wargure zu ordentlichen Mitgliedern der physikalisch-mathematisehen Classe, sowie des ordentlichen Pro- fessors der Geschichte an der hiesigen Universität und Historiographen des preussischen Staates, Geheimen Regierungsrathes Dr. Heımrıcn von TREITSCHKE zum ordentlichen Mitgliede der philosophisch - historischen Classe der Akademie zu bestätigen.

Zu wissenschaftlichen Unternehmungen sind von der physikalisch- mathematischen Classe bewilligt worden: dem Privatdocenten an der Universität Kiel Hrn. Dr. Haus Lonmann zu einem sechsmonatlichen Aufenthalt in Messina behufs Studiums der Appendieularien des Mittel- meeres 1500 Mark; Hrn. Prof. Dr. Hans Vırcnow hierselbst zur wei- teren Bearbeitung des von dem praktischen Arzte Dr. FÜLLEBoRN in Nord-America gesammelten Materials von Amia, Lepidosteus und Nec- turus 1000 Mark; dem Privatdocenten an der Universität hierselbst Hrn. Dr. G. Lispau zu Untersuchungen über Bau und Wachsthum der Krustenflechten 350 Mark.

Die philosophisch-historische Classe hat für wissenschaftliche Un- ternehmungen bewilligt: dem Akademiker Hrn. Sacnau zu einer Vor- arbeit für die Herausgabe der Urgeschichte des Islam’s von Ibn Said 700 Mark; der Verlagsbuchhandlung von Georg Reimer hierselbst zur Herausgabe von GerHArD, »Etruskische Spiegel«. Bd.V. H. 12/13 360 Mark.

933

Über die Ordnungen der Verzweigungspunkte einer RIEMANN’schen Fläche.

Von K. HenseL

in Berlin.

(Vorgelest von Hrn. Frosgentos.)

E: einer soeben veröffentlichten Arbeit habe ich zum ersten Male auf die Elementartheiler von solchen Systemen (Y) hingewiesen, in denen die Elemente (Y}) Y!)...Y)) einer jeden Verticalreihe conjugirte alge- braische Grössen desselben Gattungsbereiches oder Körpers sind, und ich habe dort schon auf die Bedeutung jener Theiler für die grund- legenden Probleme der Theorie der algebraischen Functionen aufmerk- sam gemacht.

In der vorliegenden Abhandlung will ich nunmehr zeigen, wie mit Hülfe jener rational bestimmbaren Elementartheiler unmittelbar die Verzweigung der zu einer gegebenen Gleichung f(y, x) = 0 ge- hörigen Rırmans’schen Fläche R gefunden werden kann. Bekanntlich ist diese eine von denjenigen Aufgaben, welche man z. B. in der Theorie der algebraischen Curven und der Aser’schen Funetionen als gelöst anzusehen pflegt, ohne doch jene Lösung in anderen als ganz trivialen Fällen wirklich angeben zu können.

Ich stelle zunächst die in der vorigen Arbeit gefundenen Resul- tate, soweit sie hier in Betracht kommen, kurz zusammen. Es sei:

(1) y:d=yY+talß)y+.-+0@)=0

die irreduetible Gleichung, durch welche y als algebraische Funetion von x definirt wird, und %,,%s, :--%, die n eonjugirten Wurzeln der- selben. Ist dann Y=#(x,y) irgend eine rationale Function von & und y, also eine beliebige Grösse des durch die Gleichung (1) con- stituirten Gattungsbereiches oder Körpers $(x,y), so bezeichne ich

analog durch Y,,Y,,-.-Y, die n eonjugirten algebraischen Funetionen,

! Über einen neuen Fundamentalsatz in der Theorie der algebraischen Functionen einer Variablen. Crerre’s Journal Bd.ıız. S..234.

1

{es}

934 Gesammtsitzung vom 17. October.

welche man erhält, wenn man in dem Ausdrucke für Y y der Reihe nach durch %,, %Ys, ---y, ersetzt. Es seien nun (F"Y®...Y") irgend welche n Grössen des Bereiches $(x.y). Ich bilde aus ihnen und ihren eonjugirten das algebraische | JuS >

System von Elementen:

) ya) {n)

(EIER,

yl ya ..yh

2 2

7) (2) (n) TE

2

dann kann man die Elementartheiler desselben auf rationalem Wege bestimmen, denn jeder von ihnen ist die ganzzahlige Wurzel aus einer rationalen Function von x allein, welche ihrerseits aus den Coeffieien- ten der definirenden Gleichung (I) durch das Euclidische Theilerver- fahren bestimmt werden kann. Sind die rn Functionen (Y®...Y") nicht rational unabhängig, so verschwindet die Determinante B2% des zugehörigen Systemes (Y®); von den Elementartheilern desselben ist also einer oder mehrere gleich Null. Im Folgenden sollen aber nur Systeme mit nicht verschwindender Determinante betrachtet werden.

Für die Folge genügt es, die algebraischen Systeme und ihre Elementartheiler allein in der Umgebung einer beliebig gegebenen Stelle (e—= a) zu untersuchen; man braucht dann also nur diejenigen Potenzen:

(2) (a), (x- a)”, + (2— a)

ö

n

des Linearfactors a) zu bestimmen, welche in jenen n Elementar- theilern enthalten, und deren Exponenten d,,d,,---d, rational bestimm- bare positive oder negative rationale Brüche sind. Es sollen daher diese Potenzen (2) als die n Elementartheiler des Systemes (F") für die Stelle @ bezeichnet werden. Es soll von vorn herein an- genommen werden, dass jene Elementartheiler (2) nicht, wie dies gewöhnlich geschieht, nach der Grösse ihrer Exponenten, sondern in einer ganz beliebigen Reihenfolge geordnet gegeben sind; in der That ist jene specielle Anordnung für die vorliegenden Fragen in keiner Weise naturgemäss, sondern sie ist eher geeignet, die wesentlichen Eigenschaften jener Elementartheiler zu verhüllen.

Betrachtet man nun zwei beliebige algebraische Systeme (F%) und (Y®), so besteht zwischen ihren Elementartheilern in Bezug auf eine beliebige Stelle «a eine merkwürdige Beziehung, deren Darlegung eben den Gegenstand der erwähnten Arbeit bildete. Sind nämlich:

(«-a)" , (@-a)”, --- (e-a)” jene Elementartheiler von (Y®) in irgend einer Anordnung, so kann

man die Theiler von (Y") in einer solchen Reihenfolge:

Hesse: Über die Verzweigungspunkte der Rıemaxn’schen Flächen. 935

(«—a)', (2-a)®, ... (x - a)”

anordnen, dass die entsprechenden Exponenten d; und d, stets um eine ganze Zahl von einander verschieden sind, dass sich also die bei dieser Anordnung entsprechenden Elementartheiler (e-a)“ und (x—a)* um ganzzahlige Potenzen von «—-a unterscheiden. Wir können und wollen daher bei der Vergleichung der Elementartheiler von zwei oder mehreren Systemen diese stets in der Ordnung geschrieben vor- aussetzen, dass diese Beziehung für alle entsprechenden Elementartheiler erfüllt ist, und dann zwei solche Potenzen (x-a)“ und (x-a)* ent- sprechende Elementartheiler der Systeme (Y") und (Y®) nennen.

Geht man also von einem Systeme (Y®) zu irgend einem an- deren (Y) über, so ändern sich die Exponenten der Elementartheiler für eine jede Stelle « zwar im Allgemeinen, jedoch immer nur um ganze Zahlen, es bleiben also die kleinsten positiven Reste jener Üxponenten d,,d,,--.d, für alle algebraischen Systeme des Bereiches $(x,y) dieselben, sie sind daher Invarianten derselben, und zwar, wie ich gleich hervorheben möchte, wohl die wichtigsten Invarianten, welche überhaupt in der Theorie der algebraischen Grössen auftreten. Ich will nun zeigen, wie man mit ihrer Hülfe die Verzweigung der zugehörigen Rırmanw’schen Fläche an der willkürlich gegebenen Stellea, d.h. also an einer jeden Stelle finden kann. Kennt man nämlich die Verzweigung der Fläche an der Stelle a, so sind, wie Jetzt gezeigt werden soll, durch sie jene Invarianten eindeutig bestimmt und umgekehrt; da man also jene Invarianten rational bestimmen kann, so ist dadurch auch die Frage nach der Verzweigung der zugehörigen Rırmanv’ schen Fläche gelöst.

Ehe ich hierzu übergehe, möchte ich noch eine Bemerkung über die zu untersuchende Stelle (e —= a) hinzufügen. Bei der Betrachtung der zu G(x,y) gehörigen Rırmann’schen Fläche muss auch die Stelle (a = ©0) untersucht werden. Um auch diese ebenso wie jede im Endliehen liegende Stelle behandeln zu können, setze man in der

definirenden Gleichung (1) =, wodurch ihre Coeffieienten

A, () , az(&) , *-a.(®) in homogene Formen von x, und x, der nullten Dimension über-

gehen. In den Elementartheilern des Systems (Y) treten dann an Stelle der Linearfactoren «—-a für ein endliches a die entsprechen-

den homogenen Linearformen E=.x,-ax, mit denselben ge- brochenen Exponenten d,,d,, -.:d, auf, während der Stelle a = &

jetzt der homogene Linearfactor E=., entspricht, welcher hier seine Nullstelle besitzt. Da aber, wie a. a.0. gezeigt wurde, auch für

936 Gesammtsitzung vom 17. October.

diesen Linearfaetor dieselbe Beziehung zwischen den entsprechenden Elementartheilern verschiedener Systeme besteht, so gelten die hier abzuleitenden Folgerungen auch für jene Stelle. Aus diesem Grunde kann und werde ich mich im Folgenden auf eine im Endlichen liegende Stelle @ beschränken.

Ich stelle nun für die Stelle e=a ein System (F"...Y") von n Funetionen auf, deren auf jene Stelle bezüglichen Elementartheiler aus den in a über einander liegenden Windungspunkten unmittelbar ge- funden werden können, und ich bediene mich zu diesem Zwecke eines in der Zahlentheorie sehr bekannten Verfahrens, durch das man die für eine zusammengesetzte Zahl m = d*b?...k* ineongruenten Zahlen vermittelst eines Fundamentalsystemes darstellt, dessen Elemente aus den in m aufgehenden Primzahlpotenzen a“, b°,... k* geeignet zusam- mengesetzt sind'.

Die Übertragung jener Methode auf die Rırmans’schen Flächen wird durch den folgenden fast selbstverständlichen Satz ermöglicht:

Ist A irgend ein Punkt der Rırmanv’schen Fläche, so kann man stets eine Function Y(x, y) des Bereiches finden, welche in A von vorgeschriebener Ordnung Null oder unendlich wird, während sie an einer beliebigen Anzahl vorgeschrie- bener Stellen B,€,...$ endlich und von Null verschie- den ist.

In der That braucht man ja über die übrigen Null- und Unend- lichkeitsstellen von Y(x,y) nur so zu verfügen, dass sie mit keiner jener Stellen zusammenfallen, und dies ist stets auf unendlich viele verschiedene Arten möglich.

Es mögen nun die » Blätter der Rıemann’schen Fläche an der Stelle («= a) durch A Windungspunkte

DJ , 3) . (0 OK KR mit einander verbunden sein, und zwar mögen in ihnen beziehungs-

weise a,ß,y, ..eX

Blätter jener Fläche zusammenhängen, so dass

a+ß+. +z=n ist. Die Bezeichnung sei so gewählt, dass die ersten « Blätter in W, die folgenden ß® in B u.s. w. zusammenhängen. Es sei nun F(x, y)

eine Function des Bereiches. welche in A eine einfache Nullstelle hat und in 8,€,...® weder Null noch unendlich gross wird. Dann be-

! Vergl. auch Devekınp und WEBER, ÜRrELLE’s Journal Bd. 92. S. 245 und meine allgemeinere Untersuchung Crerre’s Journal Bd. 1o5. S. 331.

Hesse: Über die Verzweigungspunkte der Rıessans’schen Flächen. 937

1 ginnt ihre Entwickelung im ersten Blatte mit (c-a)“ und man kann es durch Division mit einer Constanten erreichen, dass der Coeffieient

jenes ersten Gliedes gleich Eins, dass also 1

(4) Y = (e-a)“+---

ist, wo die fortgelassenen Glieder hier, wie stets im Folgenden höhere Potenzen von x—-a bedeuten. Da in dem Windungspunkte A die « ersten Blätter der Rırmann-

schen Fläche zusammenhängen, so ist die rechte Seite der Entwicke- 1

lung (4) eine nach ganzzahligen Potenzen von (w-a)“ fortschreitende

Potenzreihe, und man erhält die & ersten conjugirten Functionen 1

Y,, Y.,:-: Y. dadurch, dass man in (4) für (x-a)“ bez. («-a%, wl(e-a%, w:(a-a), --- wet(g—a):

R|-

2ri setzt, wo w irgend eine primitive «" Wurzel der Einheit, also etwa e“ be- deutet. Es sei die Bezeichnung der « ersten in A zusammenhängen- den Blätter so gewählt, dass man für Y,Y,---Y, die folgenden Ent- wickelungen erhält: 3

1 = w(w a) +:

1 Y=wl@-a)+---

@

sämmtlich mit einem von Null ver- schiedenen eonstanten Gliede anfangen. Erhebt man eine der con- Jugirten Functionen Y,---Y, zu einer beliebigen A” Potenz, so folgt:

«

während die folgenden F,,,---F,

A

Y. = N(g—-a).+--: Gl), also ist speciell für A=« Y"—(e-a)+--:- und hieraus ergiebt sich, dass die Function aa jr... (=12...a) Yi

die Eigenschaft hat, dass sie sich in der Umgebung des ersten Win- dungspunktes für e=a auf 1 redueirt, dass aber ihre Entwickelung in der Umgebung jedes anderen Windungspunktes mit «—a selbst beginnt, weil hier ja ihr Nenner Y“ weder Null noch unendlich gross wird. Hieraus folgt weiter, dass die Function

A= YA0

938 Gesammtsitzung vom 17. October.

1 in der Umgebung von A ebenso wie Y selbst mit (e—a), in der Umgebung von jedem anderen Windungspunkte mit (e—a) selbst be- ginnt, und allgemein erkennt man, dass eine beliebige Potenz von A,

0

also A', bei A mit (e—a)‘, bei einem jeden anderen Windungspunkte mit (@—a)' beginnt. Bildet man also jetzt die & Functionen: AD, YA: A, .-. AA,

so beginnt ihre Entwickelung bei A bez. mit

1

1, (z-a)“, (x-a)

«@-1

(v«-a)*,

rl

während die Entwickelung bei einem der 4-1 übrigen Windungs-

ar

punkte mindestens mit x«—-a selbst anfängt, und da sich die # con-

jJugirten Entwickelungen jener Funetionen nur durch die Werthe von 1

(e—-a)“ unterscheiden, so ist allgemein:

A r Nr NE 1 ei (ve-a)* + Ben.

a Die gebrochene Potenz (x—-a)“ ist der grösste gemeinsame Theiler der n conjugirten algebraischen Funetionen (A}--- AL AL... A}) an der Stelle a, denn die Entwickelungen aller jener Functionen an jener

A

ce

Stelle beginnen mindestens mit (0-a) “, während die der # ersten genau

as 5 - 4A” en ae mit dieser Potenz anfangen. Der Quotient —— redueirt sich nämlich (v—-a)® für 2a bez. auf

le *, WER ar, DR 0 --.- 0:

Bildet man also die Matrix aus » Zeilen und & Colonnen ar A (4}), (1 elle .) welche aus den & Functionen AA... A“ nebst allen ihren n conju- girten besteht, so sind allgemein alle Elemente (A}--- A}), welche in

A

derselben Colonne, stehen durch (w—-a)“ theilbar. Dividirt man jede a

Colonne durch die entsprechende Potenz (x-a)“, so besteht die so entstehende Matrix:

(5) EEE

aus lauter Funetionen, welche an der Stelle «=a algebraisch ganz

HesseL: Über die Verzweigungspunkte der Rıesann’schen Flächen. 29

sind; bildet man von dieser die Elementartheiler, so ist keiner von ihnen ‘durch eine positive gebrochene Potenz von x-a theilbar, jenes System ist also in Bezug auf den Linearfactor x-a ein Einheitssystem; wäre dieses nämlich nicht der Fall, so müssten mindestens die Unter- determinanten höchster d.h. «“ Ordnung alle eine positive Potenz von (@—a) enthalten, also für e=a verschwinden. Für diesen Werth von x geht aber jenes System in das folgende über:

rd)

0

0

0 wo sich die Nullen auf die den A-1 letzten Windungspunkten B,..:R entsprechenden Zeilen beziehen, während die & ersten Zeilen durch die «“" Einheitswurzeln gebildet werden. Die aus jenen ersten Zeilen gebildete Determinante =“ Ordnung |w’“| ist aber bekanntlich gleich einer Potenz von &, also von Null verschieden. Das System (5) ist also wirklich ein Einheitssystem.

Da nun das ursprüngliche rechteckige System (A?) dadurch er-

halten wird, dass man das Einheitssystem (5) hinten mit dem Diagonalsystem:

(6)

0, 0 ‚0 (0a) ®

componirt, und da die Elementartheiler eines Systems durch Compo- sition mit einem Einheitssystem nicht geändert werden, so stimmen die Elementartheiler von (A}) mit denjenigen von (6) überein, d.h.

sie sind: u a—l

le («-a)®, (x—a)*®, ...(a-a)® .

In derselben Weise, wie dies hier für den ersten Punkt A ge- schah, bilde man nun für jeden der A Windungspunkte A, B,---R 2 n ° = > ein System von bez. &, © ,.--x Functionen. Die sich so ergebenden a+ß+-::-+2=n Functionen:

(7) AV, A, u. Asl. B®, B, ale jet KV), IR ara Ca

besitzen dann mit ihren Conjugirten für die Stelle =a bez. den grössten gemeinsamen Theiler:

1 «—-l B—1

(8) 1,(@-a)°, ---(@-a

Ir

x-1 „er(a-a)*.

[©] x|-

„er (aa) ® >>; 1,(@-a)

=

1, (©—a)'

Sitzungsberichte 1895. 82

940 Gesammtsitzung vom 17. October.

Bildet man also die n? zu den Funetionen (7) conjugirten Grössen und betrachtet das aus ihnen gebildete System:

(9) (Am A, 2 Ar RO, Re), Vie

i

so ist jede seiner Verticalreihen durch die entsprechende gebrochene Potenz von («—a) theilbar, welche sich in (8) an derselben Stelle be- findet. Dividirt man also diese Elemente durch jene Potenzen, so besteht das so sich ergebende System:

A; a (de) (9 ee = (v—-a)“ (ea) ®

aus lauter Elementen, die an jener Stelle algebraisch ganz sind, und welches in Bezug auf den Linearfaetor (w-a) insofern den Charakter eines Einheitssystems hat, als keiner seiner Elementartheiler durch eine Potenz von x-a theilbar ist, also für 2=a verschwindet: denn dieses System redueirt sich ja für v=a auf das folgende:

Kan 0 ‚0 „0 0) wre), 0 Be) Na— ge oe De) - n 3< 5 E Ho a TAB HRL Se A

wo w, w,---w, primitive Einheitswurzeln bez. von der Ordnung &ß-:- x bezeichnen, und seine Determinante wird gleich:

re? | elle,

ist also von Null verschieden, da die einzelnen Determinanten auf der rechten Seite Potenzen von #4, ®,-::x sind.

Da somit das System (A... Ar;...K!9...K7"') aus dem Ein- heitssysteme (10) und aus dem Diagonalsysteme componirt ist, dessen Diagonalelemente die gebrochenen Potenzen (5) von w-a sind, so er- giebt sich, dass dasselbe jenem Diagonalsysteme aequivalent, dass also seine Elementartheiler für die Stelle « eben diese Potenzen selbst sind. Man hat also den wichtigen Satz:

Liegen an einer Stelle « die Windungspunkte A, B, ... R über einander, in welchen bez. &,®,.-- x Blätter der Fläche zusammenhängen, so giebt es ein algebraisches System (Y'®), dessen Elementartheiler in Bezug auf die Stelle a bez. die gebrochenen Exponenten:

(2 10,09 ml 30) 1 B-1 ON —)

gunelein , = s et a prallen = ae) » ... a’a’a a BEZB ern rar: x

besitzen; die Exponenten jener Potenzen bilden also die h Bruchsequenzen:

Hessen: Über die Verzweigungspunkte der Rırmanv’schen Flächen. 941

«Gb Bl

B A E CE wenn allgemein unter 5 der Reihe der echten Brüche

mit dem Nenner A, also die Reihe (> , 2) verstan- den wird.

Nach dem oben erwähnten Satze unterscheiden sich aber die Exponenten der Elementartheiler eines beliebigen Systemes (Y®) für die Stelle a von den entsprechenden Theilern dieses speciellen Systemes nur um ganze Zahlen; die Exponenten der Elementartheiler eines jeden Systemes (Y) enthalten also genau dieselben Bruchsequenzen wie das vorher betrachtete specielle System; hieraus ergiebt sich also der folgende Fundamentalsatz, mit dessen Hülfe die Verzweigung der zu f(y,2)=(0 gehörigen Rırmans’schen Fläche an jedem ihrer Punkte x=a, auch für @=co unmittelbar erkannt werden kann.

Ist (Y®.-- Y')) ein beliebiges rational unabhängiges System und sind

(«-a)”", (<a), nun (x a)”

die Elementartheiler des zugehörigen Systemes (Y®) für die Stelle @, so lassen sich die kleinsten positiven Reste der gebrochenen Exponenten stets in Bruchsequenzen

Bi 1,2 r—1 BERG en N

anordnen; ergeben sich hierbei die h (gleichen oder ver- schiedenen) Bruchsequenzen

le) Lel

so liegen in der zugehörigen Rırmann’schen Fläche an jener Stelle genau % Verzweigungspunkte über einander, in denen beziehungsweise

BEA. Blätter derselben zusammenhängen.

Dieser Satz giebt eine wichtige theoretische Einsicht in den Zu- sammenhang, welcher zwischen den Elementartheilern der Systeme und der Verzweigung der zugehörigen Rırmann’schen Fläche besteht, er liefert aber auch ein Mittel um die zu einer Gleichung f(y, x) = 0

gehörige Rırmanv’sche Fläche leicht zu finden. Da man nämlich zur ' 2 : - Bestimmung der Bruchsequenzen l=)--| | von einem ganz belie- 2 x

bigen System ausgehen kann, so kann man dadurch, dass man ein

942 Gesammtsitzung vom 17. October.

möglichst geeignetes algebraisches System der Untersuchung zu Grunde legt, die Aufgabe zu einer verhältnissmässig sehr einfachen machen, wie dies in der an die vorliegende Arbeit sich anschliessenden Ab- handlung näher dargelegt werden soll. Aus dem soeben bewiesenen Satze geht von selbst hervor, dass sich die kleinsten Reste der Ex- ponenten d,,0d,,:--d, auf eine und auch nur auf eine Weise in die

1 1 D . Sequenzen | | ... HB zusammenfassen lassen. Um diese Zusammen- [0 x

fassung in jedem conereten Falle wirklich durchzuführen, wähle man unter den Resten d,,---,0, den kleinsten aus; dann besitzt dieser nach

n

: > - 1 : B dem oben bewiesenen Satze nothwendig die Form und bestimmt die [0 erste Sequenz jener redueirten Brüche. Nach Weglassung der Sequenz

.| ist der kleinste der übrigbleibenden Brüche nothwendig von der B 3

1 > - - Form © und bestimmt die zweite Sequenz, und durch Fortsetzung desselben Verfahrens erhält man alle 4 Sequenzen.

Zum Abschlusse dieser Arbeit gehe ich von den hier entwickel- ten Gesichtspunkten aus noch kurz auf die sehr einfache Frage nach der Verzweigung derjenigen Rırmanw’schen Fläche ein, welche zu der reinen Gleichung

y' = ale) gehört. Um auch die Stelle «= oo mit zu betrachten, setze ich

XL = ä . . x = —, wodurch «a(x) in die homogene Form der nullten Dimension:

2

a(x) ala, %) = II&“

übergehen möge; hier bedeuten die £, die sämmtlichen homogenen Linearfaetoren von a, und ihre Exponenten r, sind positive oder nega- tive ganze Zahlen. Soll nun die Verzweigung an einer beliebigen Stelle e=a (auch für @a—= 0) untersucht werden und ist E= x. -am, (oder Z=x,) der zugehörige homogene Linearfactor, so möge die

gr

Potenz £ in a(x) enthalten sein. Betrachtet man dann das System

[3

(1.9: 5,925. Ya) (—1,2, :.-n) ES und beachtet, dass y} abgesehen von einer Constante gleich a” ist,

dass also das System: 2 —1 LE ERS ZAMSNER a a” > a I

für jeden Linearfactor £ ein Einheitssystem ist, so erkennt man, dass

Henset: Über die Verzweigungspunkte der Rırmann’schen Flächen. 943

die Elementartheiler des Systemes für die Stelle « mit denjenigen ge- brochenen Potenzen von Z übereinstimmen, welche bez. in

i 1 2 n—1 ee

enthalten sind, dass sie also gleich:

2 ar (r-ı)r

ee

sind. Ist nun d=(r,n) der grösste gemeinsame Theiler von r und n, ist also r—=dr, n=dn,

so stimmen die kleinsten positiven Reste der Exponenten

r (n— 1)r en

: u ei mit der dMale genommenen Bruchsequenz -]| = | ee )

N ml n’

überein, es liegen also an der Stelle x = a genau dVerzweigungs-

punkte von je n Blättern über einander. Es ergiebt sich also der Satz: Ist y"—=a(x) und ist der Linearfactor «-a r Male in a(x) enthalten, so ist die Anzahl der in @ über einander liegen- den Verzweigungspunkte gleich dem grössten gemeinsamen Theiler von » und r, und diese sind sämmtlich von gleicher Ordnung.

Ausgegeben am 24. October.

Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei.

Sitzungsberichte 1895. 83

AROERANRUTN. iM ar 4 n

Fu DL J - i '

> I)

r

SITZUNGSBERICHTE KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN.

24. Oetober. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe.

Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers.

Hr. Voser las die umstehend folgende Mittheilung: Uber das Vorkommen der Linien des Cleveitgasspectrums in den Stern- speetren und über die Classification der Sterne vom ersten

Speetraltypus.

Sitzungsberichte 1895. 54

r

=

as dee

n 5

ui Kr e u. IR,

947

Über das Vorkommen der Linien des Gleveitgas- speetrums in den Sternspectren und über die Classi- fication der Sterne vom ersten Spectraltypus.

Von H. C. Vocer.

Seit der Anwendung der Speetralanalyse auf die Gestirne hat eine Linie in der Nähe der bekannten Doppellinie des Natriumspeetrums, welche im Spectrum der Chromosphaere der Sonne stets mit den Wasser- stofflinien zusammen auftritt und in Bezug auf Intensität von gleicher Ordnung mit denselben ist, die Aufmerksamkeit der Astrophysiker auf sich gezogen. Diese Linie ist auch in den Speetren einiger der wenigen Sterne beobachtet worden, in denen die Wasserstofflinien hell erscheinen. Dem unbekannten Stoff, dem die Linie angehört, hatte man den Namen Helium beigelegt und die Linie wegen ihres geringen Abstandes von der Doppellinie D, und D, des Natriumspec- trums mit D, bezeichnet.

Ransay war es vorbehalten, zu Anfang dieses Jahres in dem seltenen Mineral Cleveit ein Gas zu entdecken, in dessen Spectrum die Heliumlinie D, als eine der intensivsten Linien auftritt, und die bald nach dieser hochinteressanten Beobachtung erfolgte vortreffliche Untersuchung über das Spectrum des Cleveitgases von Runee und Pascnen ist nicht ohne Bedeutung für die Sternspectralanalyse ge- blieben, wie ich im Folgenden zeigen werde.

Ich stelle zunächst die in den Berichten der Akademie (1895 St. XXX, S. 639 und St. XXXIV, S. 759) von Runee mitgetheilten Wellenlängen des Cleveitgasspeetrums in der für die vorliegende Unter- suchung geeigneten Form zusammen und füge noch die Schätzungen über die relative Intensität der einzelnen Linien, welche ich der gütigen Mittheilung des Hrn..Prof. RunsEe verdanke, bei. Mit 10 sind die hellsten Linien des Speetrums, mit o diejenigen Linien be- zeichnet, welche eben noch zu erkennen waren, ohne eine bestimmte Schätzung der Helligkeit relativ zu den stärkeren Linien zuzulassen. Der Helligkeitsunterschied der Componenten der engen Doppellinien

84*

948 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 24. October.

ist sehr gross; man kann annehmen, dass die brechbarere Componente zehnmal intensiver ist, als die weniger brechbare.

Hr. Prof. Runee ist im Laufe seiner Untersuchungen zu der Annahme gekommen, dass das von ihm beobachtete Spectrum nicht einem Stoffe angehört, sondern einem schwereren Gase (Helium) und einem leichteren Gase. Die Linien des Heliums sind mit * bezeichnet worden.

Ich gebe hier nur die Linien zwischen den Wellenlängen 370 uu und 707un, da sie allein bei einer Vergleichung mit Sternspeetren in Betracht kommen werden.

Spectrum des Cleveitgases.

W.L. zu W.L. up Syst. Rowrann Intens. Syst. RowLann Intens. E | 370.515 3 „402.635 5 .529 l .652 373.301 1.5 | 412.098 2.5 x | .315 EN .II4 „387.975 4 414.391 2 .989 416.912 I 383-37 o 438.811 3 383.82 © 443.773 1.5 N 386.761 z ( 447.166 6 in n8: 387-19 0.5 | 471.317 3 387.83 [6) N -339 388.876 Io 492.208 4 3 | .897 501.573 6 392.68 0.5 504.782 2 393.61 © ( 587.588 10 396.484 4 EN .621 .508 667.84 6 400.942 I | 706.551 5 402.414 o "577

Im Jahre 1894 habe ich in der Sitzung der Akademie vom $. Februar über das eigenthümliche Doppelspeetrum von ßLyrae be- richtet und in der zum Abdruck gelangten Abhandlung (Sitzungs- berichte 1894 St.VI S.ı15) hauptsächlich Untersuchungen mitgetheilt über die Veränderungen der hellen und dunklen Linienpaare, welche mit dem Lichtwechsel des Sterns in Verbindung stehen und wahr- scheinlich eine Folge der Bewegung zweier oder mehrerer Sterne sind, deren Atmosphaeren von gleicher Zusammensetzung, jedoch als verschieden in Bezug auf Dampfdichte und Glühzustand angenommen werden müssen. Nebenher hatte ich aber auch die Resultate der von mir vorgenommenen Bestimmungen der Wellenlängen der einzelnen

Vocer: Vorkommen der Linien des Cleveitspeetrums in Sternspeetren. 949

Linien des Speetrums dieses Sterns angegeben, und eine Vergleichung derselben mit den Linien des Cleveitgasspeetrums hat zu einem über- raschenden Resultat in Bezug auf die Anzahl der im Sternspeetrum vorhandenen. Linien dieses Gases geführt.

Ich habe nachträglich einige Messungen an den besten Speetro- grammen vorgenommen und noch drei dem Cleveitgasspectrum an- gehörende Linien gefunden, die bei den ersten Messungen wegen ihrer Schwäche übersehen worden waren.

Füge ich noch die schon seit vielen Jahren im Spectrum dieses Sterns bekannte Linie D,, ferner noch zwei von Kerrer! und von BeroroLsky” gemessene, im Grün gelegene Linien, endlich eine Linie, deren Wellenlänge neben vier anderen, auch von mir gemessenen Linien von Lockyer’ sowie auch von Berororsky bestimmt wurde, hinzu, so ergibt sich folgendes Verzeichniss der Wellenlängen von Linien des Cleveitgasspeetrums in BLyrae‘.

W.L. un Bemerkungen

370.4 Matte Absorptionslinie. Nicht von HE zu trennen.

373-5 Matte Absorptionslinie. Nicht von HA zu trennen.

382.0 Starke Absorptionslinie.

386.9 Nachträglich gemessen, sehr schwach.

387.4 Nachträglich gemessen. Fraglich, da die Abweichung o.2 uu beträgt.

388.9 Intensivste Linie im Speetrum von ßLyrae. Ohne Zweifel Summirung der Linie HC mit der hellsten Linie des Oleveitgasspeetrums.

! Astronomy and Astrophysies. Nr. 114.

2 Mel. Math. et Astron. St. Petersb. T. VII 1893.

® Proceedings of the R. S. Vol. 56 p. 284.

* Es dürfte hier erwähnt werden, dass nach Krerer’s Beobachtungen (Astron. and Astrophysics Nr. 114) der Veränderliche PCygni ein ähnliches Doppelspectrum zeigt wie ALyrae, und dass im Spectrum dieses Sterns ausser den Wasserstofflinien Hy und Hß, vielleicht auch den D-Linien, die Linien ib 2 un, A 501.6uu und D, vom Spectrum des Cleveitgases enthalten sind.

Vor wenigen Tagen ist durch eine Shleelsnnene Aufnahme des Speetrums von PCygni von Dr. WırsınG die Keerer’sche Beobachtung bestätigt worden. Das Speetrum ist dem von ßLyrae zur Zeit des Hauptminimums sehr ähnlich; helle und dunkle Linien liegen dicht bei einander. Die Linien sind aber im Spectrum von PCyeni schmäler als in dem von ßLyrae und die hellen Linien relativ zum continuirlichen Spectrum inten- siver. Ich habe folgende Wellenlängenbestimmungen ausgeführt:

IVyE DR WTe 383.6 yuu 412.1 388.9 414-3 396.6 434.0 397.0 437-1 402.6 438.8 410.1 447.0

Unter den gemessenen ı2 Linien gehören 7 dem Spectrum des Cleveitgases an.

950 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 24. October.

W.L. zu Bemerkungen

——

392.7 Matte Absorptionslinie.

396.5 Als scharfe, starke Linie neben He beobachtet.

401.0 Zarte Linie. Nachträgliche Messungen ergeben A = 400.8 yyyı.

402.6 An Intensität nahe gleich den Wasserstofflinien.

412.0 Matte Linie.

414.3 Zarte Linie.

438.8 Breite Absorptionslinie, schwach.

443.8 Nachträglich gemessen, sehr schwach, ohne Kenntniss der ungefähren Lage leicht zu übersehen.

447.0 Breite, auffallende Linie.

471.4 Von Lockver und Berororsky beobachtet.

2 E = 492.3} Von Berororskv und Keerer beobachtet.

501.6) 587.6 D;.

Angeregt durch das interessante Ergebniss des Vergleichs zwischen dem Spectrum des Cleveitgases und dem Speetrum von ßLyrae und befriedigt von der Genauigkeit der Wellenlängenbestimmung in Anbe- tracht der geringen linearen Ausdehnung der Sternspectra (r0”” von X 370pa bis A 4504uu), habe ich nach den Linien des Cleveitgasspec- trums in den Sternspectren gesucht. Es stand mir zu dem Zwecke ein reiches Beobachtungsmaterial zur Verfügung, von Dr. Wırsıne an- gesammelt, der vor etwa zwei Jahren auf meine Veranlassung hin damit begonnen hat, mit dem kleinen Spectrographen, mit dem die Spectra von ß Lyrae hergestellt sind, in Verbindung mit dem 13 zölligen photo- graphischen Refractor von allen Sternen bis zur 5. Grösse, die der ersten Spectralelasse angehören, Spectrogramme anzufertigen. Da die Linie A 447 ua, welche in den Spectren der Orionsterne eine besondere Rolle spielt, dem Cleveitgasspeetrum angehört und somit die Ransay- sche Entdeckung auch über den Urprung dieser Linie Licht verbreitet hat. habe ich zunächst die Spectra der helleren Örionsterne einer Durchsicht unterworfen.

Es liegt nicht in meiner Absicht, hier die Untersuchungen im Detail anzuführen, sondern ich werde dieselben so kurz und gedrängt wie möglich geben, da später, wenn die erwähnten Aufnahmen, von denen zur Zeit nur etwa der dritte Theil vollendet ist, hergestellt sein werden, die Bearbeitung der Speetra von mir und Dr. Wırsıne gemeinsam erfolgen soll und eine Veröffentlichung der Beobachtungen in den Publicationen des Observatoriums beabsichtigt wird. Ich habe daher in der folgenden Zusammenstellung zunächst nur die Linien angeführt, die mit denen des Cleveitgases zu identifieiren sind. Die hellste Linie A 388.gouu fällt so nahe mit HI(A 388.91 un) zusammen, dass eine Trennung auch bei erheblich stärkerer Zerstreuung als der angewandten nieht möglich ist. Wie ich bereits weiter oben bei dem

Voser: Vorkommen der Linien des Cleveitspeetrums in Sternspeetren. 951

Speetrum von ßLyrae bemerkt habe, kann aber dureh Summirung der Linien beider Stoffe diese Linie besonders auffällig erscheinen, und ich habe deshalb die Helligkeitsschätzung (auf deren Angabe ich mich allein beschränke) der mit HT zusammenfallenden Linie des Cleveitgases mit angeführt. Eine eben nur erkennbare Linie im Cleveitgasspectrum X 393.61 uu fällt nahe mit der Caleiumlinie A 393.38 uu zusammen, und da das Auftreten der Caleiumlinie, wie ich weiter unten zeigen werde, von Interesse ist, habe ich auch diese Linie mit angegeben, bemerke aber ausdrücklich, dass mit dem Erscheinen der Linie, auch wenn sie gänz schwach ist, eher der Nachweis vom Vorhandensein des Caleiums als des Üleveitgases gegeben sein wird.

Ich habe ferner, wie soeben angedeutet, nur die Schätzungen der relativen Intensitäten der Linien (die schwächsten Linien sind mit 1, die stärksten mit 1o bezeichnet worden) angeführt und nicht die abgeleiteten Wellenlängen für jede Linie angegeben, bemerke aber, dass die Identität der Linien mit denen des Cleveitgases bez. des Caleiums angenommen wurde, wenn die Wellenlängen innerhalb + 0.2un übereinstimmten.

Cleveitgas B | Y N | e [@ N ci m3 ms is) W.L. | in Keen Orionis | Orionis | Orionis Orionis | Orionis Orionis | Orionis ‚Orionis kp | | + 382.0 | 4 4 | oo 5 | 3 3) | 7 6 6 » 386.8 | 2 L? | 307.2 5 | 388.9 | 10 10 | 10 10 Io Io 1o Io 9 9 9 392.7 | 0.5 De Fr 2 3 (Ca 393.4)| 8 a 1 I 2 396.5 | 4 2, | a I 2 4009 | r | [53 23 | 2 I 3 »402.6 | 5 aa 08 Dee made er 6 10 8 7 Bm *412.1| 25 BA LG 1? 414.4 | 2 4 | 2 3 4 3 3 416.9 I 1 SH] 438.8 | 3 || a 3 28583 2 443.8 | 1.5] 1? | | »447:2 | 6 Re u 7 CE VER SEN ER) Se a) 1?

Bemerkungen. Von den beiden vorzüglichen Aufnahmen von ß Orionis ist eine schmal gehalten; das Spectrum ist zwischen Hy und Hp so kräftig, dass die zarten Linien, weniger brechbar als Hy, nicht zu erkennen sind. Die zweite Aufnahme mit breitem Speetrum ist bei Hy etwas matt und lässt ebenfalls die schwächeren Linien nieht mit Bestimmtheit erkennen. Beide Aufnahmen von e Orionis sind zu kräftig gehalten, und es ist daher feines Detail nicht wahrzunehmen.

Die fünf hellsten Orionsterne ß, y, 6, eund ( sind sowohl von Schreiner! nach den Pots- damer Speetrogrammen, die mit dem grossen Spectrographen von der Gegend bei Ay angefertigt

' Publicationen des Astrophys. Observat. Bd. VII. ır.

952 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 24. October.

wurden, als auch von Krer£er! besonders im weniger brechbaren Theile des Speetrums unter- sucht worden. ScHEInEr fand in den Orionsternen folgende Linien des Cleveitgases:

W.L. um Sterne 438.8 P, y, e Orionis 443.8 P Orionis

447-2 P, Y; 8, e und Orionis.

Kerıer beobachtete in den genannten Orionsternen, sowie in dem Trapezstern Bond 628:

W.L. un Sterne

402.6 P, y; e und ( Orionis 438.8 P, Y, &, Orionis und Bond 628 443.8 ß Orionis 447.2 Ps Y 9, e, © Orionis und Bond 628 471.3 ß, Y; 9, e, C Orionis und Bond 628 492.2 501.6 P Orionis.

D; 587-6

Bisher hat nun die Ansicht bestanden, dass die Sterne vom Oriontypus, in deren Spectren nach den vorstehenden Beobachtungen das Vorhandensein des Cleveitgases wohl als erwiesen angesehen werden kann, anderwärts am Himmel nur sehr spärlich vertheilt sind. ScHEINER führt in seinen Untersuchungen über die Spectra der hellen Sterne? noch folgende Sterne an: a Virginis, 8 Persei, ß Tauri und n Ursae majoris, in deren Speetren die »Orionlinie« A 447.2 uu sicht- bar ist. Ich war daher überrascht, bei der Durchsicht der Spectra von etwa 150 helleren Sternen, der ersten Speetralelasse angehörig, nicht weniger als 25 Sterne ausser den Io Orionsternen und den 4 von SCHEINER angeführten Sternen zu finden, in deren Spectren die für die Orionsterne charakteristischen Linien, oder mit anderen Worten, die Spectrallinien des Cleveitgases zu finden waren.

Ein richtiger Überbliek über die Vertheilung dieser Sterne am Him- mel kann erst erhalten werden nach Abschluss der hier geplanten Arbeit, die Spectrogramme aller Sterne der ersten Speetralelasse bis etwa zur 5. Grösse herab anzufertigen und zu untersuchen, eine Arbeit, die, wie gesagt, bisher erst etwa zum dritten Theil vollendet ist. Ich stelle hier noch einige Sterne zusammen, in denen das Üleveitgasspeetrum gut ausgeprägt ist, und zwar ebenfalls mit Weglassung anderer im Speetrum gemessener Linien, ausser der Ca-Linie, A 393.4 un.

! On the Spectra of the Orion Nebula and the Orion Stars, Astronomy and Astro- physies Nr. 126. ® Publicat. des Astrophys. Obs. Bd. VII. ı1. p. 152.

Voser: Classifieation der Sterne vom ersten Spectraltypus. 953

Cleveitgas 102 | ı a | ß | Bet 1 T @ 7 Gen B | 2) WL | Her- | Her- | Vir- | Pe- | Pis- | Ce- | Her-| An- | Her- | Dra- | Leo- | Pe- | Per- |Auri- PAR: | Int. || eulis | eulis ginis | gasi | cium | phei | culis |drom.| eulis |conis | nis | gasi | sei | gae ap | | Te » 382.0 4 8 5 2 9 valısz! 5 3 7 « 386.8 2 a: Is 2 | 2 2 2 5 2) 387.2 0.5 I | | 2? | 387.8 [6) lvl Bert | | * 388.9 10 ıo |9 10 10 10 Io 10 10 To 10 7 1o zo, | Xo 392.7 0.5 u |.2 2 2 Er 2 (Ca 3934) | | 2 | 15 ER IE 4 2 396.5 | 4 4 | 2 400.9 1 33 5 3 2 2 4 | | » 402.6 5 87776 45 | 7 6,1078 5 4 4 5 34 13 * 412.1 2.5 3.42 2502 414.4 2 Sea 03 Ba: 2 5 | 416.9 I a) | | | | 438.8 a WE: 4 N 2 | 2 | | 443.8 1.5 | 2? 12 1:5 1? 447-2 6 u! 3 ZUSU Es 3 ? 2 2 2 I no

Bemerkung. Dass die Linie X 396.5 „u nur in zwei Sternen beobachtet worden ist, mag seinen Grund darin haben, dass sie so nahe an der Caleiumlinie X 396.941 und der Wasser- stofflinie He (X 397.0 u) gelegen ist, dass sie noch innerhalb des Schattens dieser breiten, ver- waschenen Linie fällt. Es ist übrigens diese Linie in dem von mir untersuchten Theile des Speetrums die hellste von den Linien des »leichteren Gases«, und es ist bemerkenswerth, dass in einigen Speetren auch die anderen Linien des leichteren Gases nicht beobachtet worden sind; es gibt demnach möglicherweise Sterne, in deren Speetren thatsächlich nur ‚die Linien des »Heliums« enthalten sind. Meines Erachtens lässt sich jedoch mit Bestimmtheit ein getrenntes Auftreten einer der Componenten des aus dem Cleveit erhaltenen Gases aus den vorliegenden Beobachtungen nicht als erwiesen ansehen; es würde hierzu erforderlich sein, auch den weniger brechbaren Theil des Speetruns, in welchem die intensivsten Linien des leichteren Gases X 492.2 un, X 501.6 u und X 667.8 u gelegen sind, zu untersuchen, wozu aber die mir gegenwärtig zur Verfügung stehenden instrumentellen Mittel nicht ausreichen.

Wiederum bin ich bei der Durchsicht der zahlreichen Spectra in der Ansicht bestärkt worden, dass bei einer Classification der Sterne nach ihren Speetren nur allgemeine durchgreifende Merkmale aufge- stellt werden sollten und eine rationelle Eintheilung nur zu denken ist, wenn sie auf dem Gesichtspunkte basirt, dass die verschiedenen Speetra der Sterne verschiedene Entwickelungsphasen derselben kennzeichnen. Meines Erachtens ist es zu bedauern, dass in der umfangreichen spectro- skopischen Durchmusterung, die Pıckerıne auf Grund der mit einem Objeetivprisma aufgenommenen Spectra aller Sterne bis etwa 7. Grösse herab vorgenommen hat, die Classification der Sterne, ohne von irgend einem allgemeinen Gesichtspunkt auszugehen, nur nach dem Aussehen des Speetrums, welches vielfach, durch unrichtige Exposition beson- ders bei helleren Sternen, entstellt ist, nach 16 mit den Buchstaben A bis Q bezeichneten Classen erfolgt ist.

954 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 24. October.

Mein früher, vor mehr als 20 Jahren, gemachter Versuch einer von dem oben bezeichneten Standpunkte ausgehenden Eintheilung der Sternspectra' hat trotz der enormen Fortschritte der Sternspeetral- analyse in den letzten Jahren, namentlich auch durch die feinen, detaillirten Untersuchungen über die Spectra von SCHEINER, im Wesent- lichen nur eine Bestätigung erfahren.

In Bezug auf die Sterne der III. Spectralelasse ist auch jetzt noch die direete Beobachtung in dem weniger brechbaren Theile des Spec- trums der photographischen Aufnahme vorzuziehen. Für die von mir aufgestellten Abtheilungen a und db fehlt das Kriterium, welche von beiden einer mehr vorgeschrittenen Entwickelung angehört, gänzlich. Es lässt sich nur so viel sagen, dass bei beiden Abtheilungen die Atmosphaeren der Sterne so weit abgekühlt sind, dass die Disso- eiation der Stoffe aufhört und Verbindungen sich halten können. Es ist deshalb kein Grund gegeben, die Sterne der Classe III, bei welchen hauptsächlich Kohlenwasserstoffe die Absorptionsbänder hervorbrin- gen, in eine besondere IV. Ölasse zu verweisen. Desgleichen ist zur Erkennung der Spectra der II. Speetralclasse die direete Beobachtung sehr geeignet. Auch hier ist kein Grund vorhanden, andere Unterab- theilungen, als die beiden von mir angenommenen, aufzustellen, ehe noch genauere Untersuchungen über die Speetra der Classe Ib vor- liegen.

Anders verhält es sich mit den Speetren der I. Speetralelasse. Bei diesen Speetren ermöglicht die Anwendung der Photographie, im Allgemeinen weiter zu gehen und feinere Unterscheidungsmerk- male aufzustellen, als es früher der Fall war. Es scheint auch das Studium des Speetrums dieser Sterne insofern von besonderem Interesse, als man, von dem einfachsten Spectrum, in dem nur die Wasserstofflinien erkennbar sind, ausgehend, die ersten Spuren einer weiteren Entwiekelung durch das Hinzutreten von Linien anderer Stoffe auffinden und verfolgen kann bis zu den mit zahllosen Linien durch- zogenen Speetren der I. Spectralclasse. Vielleicht gelingt es bei noch weiterer Erforschung der Einzelheiten in den Specetren der Classe I, die ersten Anfänge und einzelne Glieder der beiden aus einander gehen- den Reihen zu finden, deren Endglieder die im Aussehen so verschie- denen Spectra der Spectralelasse Ila und Id sind.

Im Besondern haben mich die oben mitgetheilten Beobachtungen zu der Ansicht geführt, dass das Auftreten der Linien des Cleveit- gases in den Sternspeetren sehr zu beachten ist und ein geeignetes Mittel zur Classifieation der Speetra abgeben kann. Das Üleveitgas

! Astr. Nachr. Nr. 2000.

Voser: Classification der Sterne vom ersten Spectraltypus. 999

hat in seinem speetralen Verhalten so viel Ähnlichkeit mit dem Wasserstoff, wie das schon längst bekannt ist durch das stets gemein- same Auftreten der Linie D, mit den Wasserstofflinien an allen Stellen der Chromosphaere der Sonne, sowie in den Protuberanzen, dass man neben den Wasserstofflinien an erster Stelle das Auftreten der Speectral- linien des Cleveitgases erwarten kann. Das linienarme Speetrum dieses Gases ist ganz besonders geeignet, leicht erkannt zu werden. Wenn- gleich die hellste Linie A 388.9 uu, wie schon erwähnt, so nahe mit der in den Speetren der I. Classe nie fehlenden Wasserstofflinie HT zusammenfällt, dass eine Trennung nicht möglich ist und nur in sel- tenen Fällen die Summirung der beiden kräftigen Linien so deutlich erscheinen wird, wie im Speetrum von ßLyrae, so sind die Linien A 382.0uu, A 386.8 um. A 402.6uu und A 447.2um und im weniger brechbaren Theile des Speetrums die Linien A 492.2 uu, A 501.6 un und die Linie D, A 587.6 uu so leicht aufzufinden und sicher zu er- kennen, dass der Nachweis des Vorhandenseins von Cleveitgas keine Schwierigkeiten bereitet. Im brechbareren Theile genügt die Con- statirung des Vorhandenseins der in keinem der bisher untersuchten Spectra, in welchem Linien des Cleveitgases auftreten, fehlenden Linie von der Wellenlänge 402.6 uu; sie liegt im prismatischen Speetrum nahe in der Mitte zwischen den Wasserstofflinien He und He.

Als zweites Unterscheidungsmerkmal für Unterabtheilungen der I. Speetralelasse ist das Auftreten der Caleiumlinien A 393.35 uu und X 396.86 uu, welch’ letztere sehr nahe mit der Wasserstofflinie He (X 397.02uu) zusammenfällt. geeignet. Erscheint die erste der Linien schmal und scharf, so übt die zweite nur einen sehr geringen Einfluss auf die Wasserstofflinie Fe aus. Nehmen jedoch die Ca- Linien an Intensität und Breite zu, so wird die Verbreiterung von He sehr merkbar, und beide Linien überragen in Bezug auf Inten- sität und Breite sehr bald die starken und meist breiten Wasserstoff- linien der Speetra der I. Classe; sie bilden bei weiterer Entwickelung das für die II. Speetralelasse so charakteristische Linienpaar, welches Fraunmorer mit /7 bezeichnet hat.

Ich glaube, dass die nachstehende Eintheilung der Sterne der ersten Speectralelasse, die ich mir hiermit vorzuschlagen erlaube, dem Jetzigen Standpunkt der Wissenschaft entsprechen dürfte und für län- gere Zeit wird gebraucht werden können. Ich bin bei der Aufstellung derselben bestrebt gewesen, mich möglichst der früher von mir ge- gebenen Eintheilung anzuschliessen. Nach dem heutigen Standpunkte dürfte es vielleicht besser erscheinen, die selten vorkommenden Sterne, in deren Speetren die Linien hell sind, an erste Stelle zu setzen, als auf der ersten Stufe der Entwiekelung stehend; da aber eine de-

956 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 24. October.

finitive Entscheidung über diese Frage meines Erachtens noch nieht zu treffen ist, habe ich aus formalen Gründen die frühere Reihen- folge beibehalten und diese Sterne wieder in eine dritte Abtheilung (ec) vereinigt.

Die Charakterisirung der Classe Ib zeigte sich nach Maassgabe der weiteren Erkenntniss als unzureichend, und ich habe im Laufe der Zeit eine Veränderung der Fassung als nothwendig erkannt und vorge- nommen!'. Später ist auf Grund eingehender Untersuchungen über die Speetra von ßOrionis und aCygni der Vorschlag gemacht worden, die Classe Ib meiner früheren Eintheilung dahin zu praeeisiren, dass sie Sterne bezeichne, in denen die Wasserstofflinien und die Metall- linien alle von gleicher Breite und scharfer Begrenzung erscheinen’. So berechtigt es auch ist, den eigenthümlich scharf geschnittenen Spectrallinien der eben angeführten und weniger anderer Sterne be- sondere Beachtung zuzuwenden, so würde man doch bei Annahme des Vorschlags gezwungen werden, eine Zahl von Sternen, darunter einen Theil der Orionsterne, deren Zusammengehörigkeit nach den vor- stehenden Untersuchungen jetzt wohl ausser Zweifel gesetzt ist, abzu- trennen und mit dem wesentlich verschiedenen Spectrum von a Öygni zusammenzubringen. Die Wasserstofflinien sind in den Speetren der Classe I von so verschiedener Breite und so verschiedenem Grade der Verwaschenheit, dass man die schmalen und scharf begrenzten Linien in den Speetren von P Orionis und aÜygni zwar als eine sehr beachtens- werthe, aber doch nur individuelle Eigenthümlichkeit dieser Speetra anzusehen haben wird. Meines Erachtens ist nunmehr, nach Auffindung des Cleveitgases, die Charakterisirung der Speetra der Classe Ib zu einem endgültigen Abschluss gelangt.

Classe I der Sternspectra.

Continuirliche Spectra, deren brechbarere Theile, Blau und Violett, durch Intensität besonders auffallen. Die Speetra sind durchsetzt von der ganzen Reihe der Wasserstofflinien, die als dunkle, breite, ver- waschene, seltener scharf begrenzte und dann schmälere Absorptions- linien erscheinen und im Allgemeinen die ausserdem in den Spectren sich zeigenden Linien anderer Metalle an Intensität erheblich über- treffen.

Ganz selten treten die Wasserstofflinien und Linien anderer Stoffe nicht als Absorptionslinien auf und erscheinen dann als helle Linien auf continuirlichem Spectralgrunde.

! Astr. Nachr. Nr. 2839. ® ScHEiner, Spectralanalyse der Gestirne S. 271.

Vosen: Classification der Sterne vom ersten Spectraltypus. 95%

a.

1. Spectra, in denen nur die Wasserstofflinien als breite, stark entwickelte Linien erscheinen, andere Spectrallinien aber nicht zu er- kennen sind.

2. Speetra, in denen neben den Wasserstofflinien noch Linien von anderen Metallen, namentlich von Caleium, Magnesium und Na- trium, jedoch keine Linien des Üleveitgases auftreten. Die Caleium- linie A 393.4 uu erscheint in diesen Specetren scharf geschnitten; sie kommt den Linien des Wasserstoffs an Breite nicht gleich. Die Speetrallinien der anderen Metalle sind nur zart und bei Anwendung geringer Zerstreuung schwer zu erkennen.

3. Spectra, in denen die Ca-Linie A 393.4uu von nahe gleicher Intensität mit den Wasserstofflinien erscheint, in seltenen Fällen auch dann noch an den Rändern scharf begrenzt ist, oder breiter und in- tensiver als die Wasserstofflinien und stark verwaschen mit der durch die Ca-Linie A 396.9uu verstärkten und verbreiterten Wasserstofflinie He(X 397.O0uu) ein auffallendes Linienpaar bildet. In den Speetren dieser Abtheilung sind die Linien des Cleveitgases nicht zu erkennen; dagegen treten stets zahlreiche und kräftige Linien verschiedener Me- talle, besonders auch Eisenlinien auf; die Wasserstofflinien dominiren jedoch immer noch. tritt unter den Linien deutlich hervor, und die Liniengruppe @ ist weniger auffallend als Ay.

Diese Unterabtheilung bildet den direeten Übergang zur Spectral- classe Il, bei welcher die Wasserstofflinien gegen die Linien anderer Metalle keine hervorragende Rolle mehr spielen.

b.

Speetra, in denen neben den stets dominirenden Wasserstofflinien die Linien des Cleveitgases, vor Allem die Linien von den Wellenlängen 402.6un, 447.244, 501.6uu und 587.6uu (D,) erscheinen. (Die stärkste Linie im Violett A 488.9 ua fällt so nahe mit HT zusammen, dass sie nicht zur Erkennung des Cleveitgases in Sternspectren geeignet erscheint.) Ausserdem treten in den Spectren dieser Abtheilung mehr oder minder zahlreich die Linien der Speetra von Caleium, Magnesium, Natrium und Eisen auf.

C.

1. Speetra mit hellen Wasserstofflinien.

2. Spectra, in denen ausser den Wasserstofflinien noch die Linien des Cleveitgases und Linien von Caleium, Magnesium und anderen Metallen hell erscheinen.

958 Sitzung der physikalisch-mathematischen Ciasse vom 24. October.

Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, dass eine scharfe Tren- nung der einzelnen Unterabtheilungen nicht möglich ist und in ge- wissem Grade die Einordnung der Spectra in dieselben von der Güte des angewandten Instruments und, bei Zuhülfenahme der Photographie, von der richtigen Exposition der photographischen Platte abhängen wird. Nach den bisherigen Erfahrungen wird die Unterscheidung zwischen Iaı und la2 grössere Schwierigkeiten bereiten, als die zwischen den anderen Abtheilungen, und die Zahl der unter Iaı und Icı einzu- reihenden Spectra wird nur eine geringe sein.

Unter Ia2 würden die Spectra von aCanis majoris und aLyrae, unter Iaz aCygni, an der Übergangsgrenze nach Classe II stehend, BCassiopejae und aCanis minoris zu rechnen sein. Zur Abtheilung b gehören die meisten helleren Orionsterne, 8 Persei (Algol), a Virginis, die eine Componente von ALyrae, während die andere Componente von ßLyrae unter Ic2 einzureihen ist. Sieht man das eigenthümliche Speetrum von Plejone als Doppelspectrum an, so gehört es sowohl zu laı wie zu Icı, die Wasserstofflinien (andere Linien sind auf den hiesigen Speetrogrammen nicht zu erkennen) erscheinen als breite Ab- sorptionsstreifen mit hellen Linien in der Mitte. Nimmt man dagegen an, die Wasserstofflinien hätten nur eine doppelte Umkehr erfahren, so würde das Speetrum dieses Sterns unter Iaı einzureihen sein.

Die Spectra der Classe Ib würden mit Bezug auf Entwickelungs- phase, nach Zahl und Stärke der Metalllinien, die neben den Wasser- stofflinien auftreten, zu urtheilen, mit Ia2 und Iaz3 zusammenzustellen sein. Wenn auch bisher noch kein so vorzüglicher Übergang nach Classe II angebbar ist, wie unter den Sternen der Unterabtheilung Ia3. so sind doch einige der Speetra, in denen Cleveitgas nachgewiesen werden konnte, linienreich, so dass der Sprung zwischen Classe Ib und Classe II wenigstens kein zu schroffer ist. Dass ein allmählicher Übergang stattfinden wird, ist nicht zu bezweifeln, da sich in der Atmosphaere der Sonne, eines Sternes der II. Spectralclasse, Cleveitgas findet, die Linien desselben aber bekanntlich keine Umkehr erfahren.

Ausgegeben am 31. October.

1895.

XL. SITZUNGSBERICHTE

DER

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN.

24. Oetober. Sitzung der philosophisch-historischen Classe.

Vorsitzender Secretar: Hr. VAuLen.

l. Hr. Ermay las eine von Hrn. ScHraper eingesendete Abhand- lung “über einen altorientalischen Herrschernamen.

2. Hr. Könter legte eine Mittheilung "Zur Geschichte Ptole- maios’ des II. Philadelphos’ vor.

Beide Mittheilungen folgen umstehend.

Hr. Coxze überreichte von Seiten des Kaiserl. archaeologischen Instituts ‘das zweite Heft von SErGIUs ANDREJEWITSCH IwANorFF's archi- tektonischen Studien, Pompejanisches enthaltend, mit Text von Auscust Mav. Ferner überreichte er im Namen des Hrn. H£rox pr Viırrerosse dessen Bericht über den Silberfund von Bosco Reale.

se A 182 Eer af “a Las sfr Le = TNUIREATNLEE wo w g.- \ u =;

I61

Über einen altorientalischen Herrschernamen.

Von Es. SCHRADER.

I den Sitzungsberichten der philos.-histor. Classe vom 29. März 1594 habe ich gelegentlich einer Ausführung über den altbabylonischen Königsnamen r =T >! -]] all d.i. [run-Aku darzuthun gesucht, dass der Träger dieses Namens, König von Larsam und Zeitgenosse Hammurabi’s von Babylon, im Bunde mit diesem, dem biblischen Amraphel von Sinear (Gen. 14,1 ff., s. Sitzungsberichte 1837 S. 600 ff.), sowie im Bunde mit Kedorla'‘ömer von Elam und einem vierten, meso- potamischen (?), Machthaber einen Kriegszug gegen den Westen unter- nahm (Sitzungsberichte 1894 S.g ff.), um dann später, unter anderen politischen Verhältnissen mit dem Babylonierkönige in Zwietracht ge- rathen, in einem Kriege von diesem besiegt und unterworfen zu werden.

Über den letzten der vier verbündeten Herrscher, der an der betreffenden Stelle des hebräischen Textes den Namen >y7n mit dem Beisatze: on 7>2 führt, war, abgesehen von der in Rede stehenden Stelle, bislang schlechterdings nichts bekannt, sowohl was seine Person als was das von ihm beherrschte Land oder Volk betrifft.

Inzwischen scheint auch bezüglich dieser Persönlichkeit das Dunkel, das über derselben bislang lag. durch die Inschriften sich erhellen zu sollen.

Unter der Bezeichnung Sp. III,2 bewahrt das Britische Museum eine Thontafel, auf dem Avers und Revers mit babylonischer Keil- schrift bedeckt, welche, wie mir Hr. Tueornıus G. PıncHes unter dem 21. Juli d. J. die Güte hatte mitzutheilen, bereits vor längerer Zeit (P. giebt an »vor etwa 15 Jahren«) in das Britische Museum gelangte und augenscheinlich (apparently) in der Nähe von Babylon gefunden wurde. P. beschreibt den Text als in einem schlechten Zustande (ir a bad condition) befindlich: Theile desselben seien sehr verstümmelt und schwierig (parts of it are unfortunatehy mutilated and diffieult). Der Charakter der Schrift sei ein später, vermuthlich (probably) der der Arsacidenzeit. Aus dieser Textbeschaffenheit erklärt P., warum die Tafel bislang wenig oder gar nicht beachtet sei (hence the neglect of the text hitherto). Aus dem gleichen Grunde musste er auch seinerseits

Sitzungsberichte 1895. 85

962 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 24. October.

auf eine Mittheilung des zusammenhängenden Textes verzichten. Er beschränkt sich auf Heraushebung derjenigen Sätze, die ihm graphisch zu wesentlichen Bedenken keinen Anlass boten. Eine Veröffentlichung des gesammten Textes, soweit er erhalten, behält sich P. für später vor, »nachdem er denselben nochmals unter günstigen Umständen ver- glichen habe«.

Als erste Zeile von Bedeutung glaubt Pıincnes Z.9 bezeichnen zu sollen, die er, soweit sie erhalten, liest: ..... u-sam-kit ana dür- mal-ildni a-na Y>T > er Ir ef d. i. warf er nieder, nach Dur- mah-ildni wider den I’riäm)-I(?)-aku? (seil. zog er)«.. Von wem hier als dem Angreifer die Rede ist, erhellt nicht. Im Verlauf des Textes wird Babylons (hier /-KI Tr «El geschrieben) und seines einen Haupt- tempels /-saggil Erwähnung gethan. Der Wortlaut in Z.ı1ı und 12, wo sich die Phrasen: » Waffen seiner Hände« und »alt und jung mit dem Sehwerte« seil. »tödtete er« finden, lässt auf einen Kampf schliessen, der in oder um Babylon Statt hatte, ohne dass wir aber über Zweck und Ziel desselben irgend etwas aussagen könnten.

Danach in welchem engeren Zusammenhange aber, ist schlechter- dings nicht zu sagen begegnet uns der Name T»gE] 41 «P-I>-T Tr Tu-ud-hul-a mär Gaz-za(?)-.. Tudhula, Sohn des Gazza... In diesem Namen sieht Pıncnes das keilinschriftliche Prototyp des biblischen Namens >y7n, und rein graphisch ebenso wie lautlich ist gegen diese Zusammenstellung nicht wohl etwas einzuwenden. Der Wiedergabe von babylonisch 7 durch hebräisch > ist analog der anderen des babylo- nischen 3 in Za-ga-ma-ru durch hebräisch 5 in 729°, zumal wenn man die ganz normale Correlation von hebräisch $ gegenüber assyrisch-baby- lonisch 7 vergl. "as = Humri, 779 Hazzatu in Betracht zieht; und da eine Bezeichnung des Volkes oder Reiches, über das er gebot, nicht nam- haft gemacht wird, steht auch in dieser Beziehung keinerlei Schwierigkeit entgegen, selbst wenn H. Rawuınsov’s scharfsinnige Conjeetur zu Gen. 14, 1.9: ann Gutim statt 2%, wie wir anzunehmen geneigt sind, das Richtige getroffen haben sollte. Immerhin wird man begreiflicherweise

! Umschrift in assyrisches Cursiv!

® Var. eines anderen historischen Fragments: Y >17 eTTIT [ET = !’ri(m)-i- ku (Pıncaes). Im Originaltexte steht statt des assyrischen eITIT das spätbabylonische Zeichen rau —. An der Identität der Namen /’ri(m)-I’(?)-a-ku und I’ri(m)-I'-ku (Var.) ist nicht wohl zu zweifeln. Die Vermuthung, dass der Gottesname > e/TY] Ir [el bez. rl [ET mit dem andern 1 Ir El zusammenzustellen sei, drängt sich auf; kann aber nicht ohne Weiteres als sicher angesehen werden. Daher muss auch die

Gleichstellung des Namens mit dem altbabylonischen Namen I’ri(m)-Aku (= Ariök) noch dahingestellt bleiben. Im Übrigen siehe Sitzungsberichte vom 29. März 1894 S. 283.

SCHRADER: Über einen altorientalischen Herrschernamen. 963

das Bedürfniss haben, Umschau zu halten, ob nicht von anderer Seite her eine Stütze der betreffenden Vermuthung sich gewinnen liesse. PmwcHes selber weist als auf eine solche auf den Revers des in Rede stehenden Täfelehens hin, auf welchem in der 3. Zeile einer Persönlichkeit T El [el JET>rT Erwähnung geschieht, von welcher im Verlaufe des Textes ausgesagt wird: märu (PE)-SU ina patri parzilli sibbi-su Tib-ba-Su it-ta .... d.i. »(dass) er seines Sohnes Herz mit dem eisernen Dolche seines Gürtels durch[bohrt?] habe'«.

So wie diese Aussage lautet, ist mit derselben zunächst nichts anzufangen, zumal der Tenor des Zusammenhanges und das Subjeet der Aussage einigermaassen unsicher ist. Interesse gewinnt die Aus- sage lediglich durch den Namen der Persönlichkeit, mit welcher irgend- wie das Ausgesagte in Beziehung gesetzt wird. Pıncnes liest denselben zweifelnd Audur-laga (?)-mal und denkt dabei an den bekannten Elamiter- könig may>772 = Kudurlagamar, den Bundesgenossen des vn (s. 0.) ge- mäss Gen.14,1.9. Die Lesung des ersten Theiles des Namens = [ET JE] als Xu-dur ist unbedenklich, zumal wenn es sich wirklich um einen König von Elam handelt, da als erster Theil von elamitischen Eigen- namen das Wort Audur, Kutir auch sonst ganz gewöhnlich erscheint, s. darüber Jessen, Elamitische Eigennamen in Wiener Zeitschr. für Kunde des Morgenlandes VI. Bd. S. 220 (66). Dass aber allerdings der Name eines Königs von Elam in Aussicht genommen, wird an die Hand gegeben durch den Umstand, dass auf einer weiteren Tafel derselben Gattung, ein anderes historisches Fragment (»an other historical Jragment«) enthaltend, diese selbe Persönlichkeit als sar (mdätu) T-la- mat »König von Elam« ausdrücklich bezeichnet wird (Pıscnes).

Wesentlich Conjeetur ist bis jetzt die Lesung des zweiten Theiles des Namens = JE]-mal als laga-mal. Soviel ich weiss, ist KU, etwa als Ideogramm des Gottheitsnamens (Lagamal) (mit dem phonetischen Complemente mal), bislang anderweit nicht belegt”. Lediglich die Mög- lichkeit, dass dem so sei, mag zugegeben werden, wie andererseits als hinlänglich gesichert die Identität der Gottesnamen Lagamar und Lagamal gelten kann (s. darüber Jensen a.a.O. S. 64). Eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass der Königsname so = Kudurlagamal zu lesen

! Möglich ist natürlich auch die Übersetzung: »(dass) sein Sohn sein (wessen?) Herz mit dem eisernen Dolche seines Gürtels durchbohrt habe«. Bei der Lücken- haftigkeit des Textes ist ein Entscheid schwer zu geben.

® Hoxnmer in der Wochenschrift »Die Aula« 1895 S. 552 liest KU als dug und spricht den zweiten Theil des Namens aus: dug-mal (für KU = dug, tuk s. Brünxow, List Nr.1o, 543), ohne dass ich über die Berechtigtheit dieser Aussprache etwas aus-

zusagen vermöchte. Als Ganzes sieht er in dem Namen ebenfalls ein Aequivalent des Namens Kudur- Lagamal.

85*

964 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 24. October.

und, versetzt uns der Bericht wirklich in eine so frühe Zeit elamitisch- babylonischer Geschichte, sein Träger mit dem historisch überlieferten Kedorldömer identisch sei, mag immerhin zugegeben werden.

Weitere Schlussfolgerungen halte ich bei der Dunkelheit und Fragmentenhaftigkeit des Berichts für zur Zeit unzulässig. Insbesondere finde ich von einem »Siege, den der babylonische König Hammurabi gegen Elam erfochten«, auf der Tafel nichts erwähnt. Sind die Namen I’rim-[TJa-ku und Tud-hul-a riehtig gelesen und ist ersteres in der That = sonstigem I’rim- Aku! Ariök z18, sowie letzteres bibl. Tid’al >»n (s. vorhin), so kann vielleicht an das Fragment eines Be- richts aus der altbabylonischen Zeit, aus der Zeit des Hammurabi von Babel gedacht werden: in dem auf uns gekommenen (und ver- wandten) in jungbabylonischer Schrift niedergeschriebenen Thontäfel- chen würden wir die Copie eines solchen alten Berichts zu sehen haben, die vielleicht zur Arsaeidenzeit angefertigt ward. Näheres darüber auszusagen, scheint uns solange ein unfruchtbares Beginnen, so lange uns nicht eine von kundiger Hand angefertigte, thunlichst vollständige Copie des in Frage stehenden Täfelchens, Avers und Revers, sowie der parallelen Texte zugänglich gemacht ist.

! Jensen in KB. Ill,ır S.2ıı möchte bei dem zweiten Theile des Eigennamens an den (elamitischen) Gottesnamen Mabuk, in der erweichten Aussprache Mauk, Wauk, gedacht wissen, indem er den Eigennamen fasst als bedeutend: »Knecht M( W)auk’s«. Im Übrigen vergl. oben S. 962 Anm. 2, sowie die Erklärungsversuche Har£vy’s in Rev. semit. II (1894) p- 273 ss. 278 ss.

Zur Geschichte Ptolemaios’ II. Philadelphos.

Von Urrıcn KÖöurer.

Hi Erman hat unlängst die im Jahre 1883 von Navure an der Stelle des biblischen Pithom, des späteren Heroopolis, aufgefundene und in dem Ausgrabungsbericht vorläufig besprochene und besonders nach ihrer Bedeutung für die Ortskunde gewürdigte hieroglyphische Inschrift aus der Regierungszeit des zweiten Ptolemaios nach einer von dem verewigten Brusscn angefertigten und für den Druck vorbereiteten Copie in seiner Zeitschrift (B. XXXI S.74 ff.) herausgegeben und durch die beigefügte Übersetzung auch dem Nicht-Aegyptologen ein Urtheil über das merkwürdige Document ermöglicht. Eine vollständige Herstellung des nicht sowohl durch die Unbill der Zeit, wie durch die Ungeschicklichkeit des aegyptischen Steinmetzen entstellten Textes und eine überall sichere Deutung im Einzelnen hat sich freilich als unaus- führbar erwiesen; aber der Versuch, die Inschrift als Ganzes ge- schichtlich zu verwerthen, darf und muss gemacht werden. Dass ein auf die Übersetzung Angewiesener den Versuch anstellt, mag unter den angegebenen Umständen doppelt gewagt erscheinen; für mich ist der Gedanke bestimmend gewesen, dass, wenn der philologischen Wissenschaft Anlass zur Kritik und Correetur gegeben wird, dies der Sache nur förderlich sein kann'.

Die Inschrift enthält eine in panegyrischem Tone abgefasste Auf- zählung von Regierungsacten des Ptolemaios Philadelphos, die sich zeitlich auf die grössere Hälfte der achtunddreissigjährigen Herrschaft des Königs erstreckt. An vier Stellen, und zwar in aufsteigender Linie, ist das Regierungsjahr des Königs angegeben; hiernach ist man berechtigt anzunehmen, dass durchgehend die zeitliche Folge inne- gehalten ist. In der litterarischen Überlieferung liegen fortlaufende Nachrichten über die Regierung Ptolemaios’ II., ausser in dem kümmer- lichen und zeitlich unbestimmten, ausserdem nicht zu Ende geführten Abriss der Geschichte des Königs bei Pausanias (I 7). nicht vor; Justin

! Ich würde gleichwohl die Hand von der Inschrift gelassen haben, wenn ich nicht im Voraus der freundlichen Beihülfe Hrn. Erman’s hätte sicher sein können.

966 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 24. October.

bricht nach dem, trotz seiner sich an das Äusserliche haltenden Fassung werthvollen Bericht über die Übernahme der Regierung, mit welchem er allein steht, ab, und Eusebios in den series regum notirt für die ersten Ptolemäer lediglich die Regierungszeiten. Die Bedeutung, welche die Inschrift von Heroopolis für die Geschichte hat, beruht wesentlich auf den in derselben enthaltenen chronologischen Daten. Die Beschreibung der Regententhätigkeit des Königs will keineswegs eine allgemeine oder vollständige sein; die angeführten Thatsachen stehen in der Hauptsache in näherer oder fernerer Beziehung zu dem Heiligthum des Gottes Atum in Heroopolis und zu dem umliegenden Gau; die kriegerischen Erfolge des Regenten sind prineipiell ausge- schlossen. Hieraus ergiebt sich, dass die Inschrift eine Huldigung der Priesterschaft von Heroopolis darstellt und in diesem Kreis ent- standen ist; der priesterliche Ursprung des Schriftstücks wird dadurch, dass in demselben neben den Verdiensten des Philadelphos um Heroo- polis seine Freigebigkeit gegen die Heiligthümer von Ober- und Unter- aegypten, d.h. des ganzen Landes, gepriesen wird, bestätigt. Als Zeit der Abfassung der Inschrift bestimmt sich nach den Schlusssätzen das 21. Regierungsjahr des Philadelphos (265/4 vorchristlich); damals ist die Stele »Angesichts des Atum«, wie es heisst, also in oder vor dem Tempel des Gottes, aufgestellt worden. Hr. Erman hat den Text der Inschrift der Deutlichkeit wegen im Anschluss an Brussch nach dem Inhalt in Abschnitte zerlegt, welche von ihm mit den Buch- staben des Alphabets (A-T) bezeichnet worden sind.

Nach der offieiellen Titulatur des makedonischen Pharao, an welche sich andere Ehrenbezeigungen anschliessen (AB Erm.), ist im Anfang des Haupttheiles der Inschrift berichtet von einem Besuche des Königs in Heroopolis und einem von demselben angeordneten Umbau des Heiligthums des Atum. Vorgeschrieben ist diesem Ab- schnitt das 6. Jahr des Königs (Anfang November 280 bis November 279), als Datum der Ankunft in Heroopolis der 3. Tag des 3. 8t-Monats (des Athyr nach der herkömmlichen Gleichung) angegeben; man muss urtheilen, dass Philadelphos in seinen ersten fünf Regierungsjahren nichts gethan hatte, was der Priesterschaft des Atum Anlass hätte geben können, ihn als Wohlthäter zu feiern. Der folgende Abschnitt (D) hat nicht entziffert werden können, indess ist erkannt worden, dass von dem Besuch eines nicht näher bestimmbaren Heiligthums und weiterhin von dem Bau eines Kanals die Rede war, der in der Gegend von Heroopolis lief; Pithom-Heroopolis ist in Verbindung mit dem Kanal genannt. Man erinnert sich, dass das Wadi Tu- milat, in dessen östlichstem Theil, nach der Seeregion auf der süd- lichen Hälfte der Landenge von Suez, dem Timsah- und den Bitter-

Könter: Zur Geschichte Ptolemaios’ II. Philadelphos. 967

seen hin, die Ruinen von Heroopolis liegen, seit Ramses II. durch einen vom Nil’abgezweigten Kanal bewässert war und dass nach der bei Herodot und Diodor vorliegenden Überlieferung, nachdem schon Necho II. es unternommen hatte, das Werk des Ramses weiter zu führen, Dareios Hystaspis, als Herr von Aegypten, und wieder Ptole- maios II. durch Kanalbauten eine directe Schiffahrtsverbindung zwischen dem unteren Nil und dem arabischen Meerbusen hergestellt haben. Wie sich die in diesem Abschnitt referirten Thatsachen zeitlich zu einander und zu dem vorher berichteten Besuch des Königs in He- roopolis verhalten, ob kürzere oder längere Intervalle dazwischen ge- legen haben, ist nicht zu erkennen.

Der nächste Abschnitt lautet in der Übersetzung des Hrn. Ermax: »Der König ging nach Ts?’, dem Ende des Südens, und er- reichte Persien. Er fand dort die Götter von Aegypten..., er brachte sie nach Aegypten, sie kamen zusammen mit König Ptolemaeus nach Hmti. Seine Majestät sandte (?) sie nach Aegypten, die Einwohner (?) Aegyptens empfingen sie (?) jauchzend, nach dem Befehl (?) dieser Götter.« Es ist dies vielleicht die merkwürdigste Stelle der ganzen Inschrift. Wenn es hier heisst, der König sei nach dem Ende des Südens gegangen und nach Persien gekommen, so ist damit unzweifelhaft gesagt, eine von Ptolemaios wenn auch nicht geführte, so doch von ihm ausge- rüstete Flotte habe vom arabischen Meere aus die Südküste von Arabien umfahren und sei in den persischen Meerbusen eingelaufen. Der Seeweg um das südliche Arabien war den griechischen Schiffahrern noch um den Anfang des 3. Jahrhunderts nur der Existenz nach bekannt; die Schiffe, welche Alexander der Grosse in den letzten Tagen seines Lebens von der Mündung des Euphrat aus geschickt hatte, den Seeweg um die arabische Küste nach Aegypten zu erkunden, waren nicht über den persischen Meerbusen hinausgekommen'. Von

! In Beziehung auf die Ausdehnung der Schiffahrt der Aegypter theilt mir a pe s Hr. Erman Folgendes mit: »Dass mm DA mw kdw ein Name für den Euphrat NW ist, ergiebt sich aus der bekannten Stelle LD. III 5a. Ramses III. rühmt sich nun (Harr. 77, 8 ff), er habe grosse Schiffe gebaut, bemannt und beladen mit den Dingen Aegyptens ohne Zahl. Er habe sie gesendet auf dem grossen

Meere des | eu mw kd. Dann fährt er unmittelbar fort: Sie gelangen wm‘ A

zu den Ländern von Pwnt ohne Unfall, und erzählt, wie die Schiffe dort mit den Dingen des Gotteslandes beladen werden, mit den seltenen Wundern ihrer Länder, den vielen Myrrhen von Punt. Dann kehren sie heim und landen in der Wüste von Koptos.

Es handelt sich also nach dem Wortlaut nur um eine Fahrt in die Weihrauch- änder, und wenn trotzdem das Meer, in das die Schiffe fahren, als das ‘grosse Meer

968 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 24. October.

Ptolemaios I. ist ein Zug nach Aithiopien zeitlos überliefert (Diodor I 37. 5); man könnte vielleicht meinen, in der Priesterinschrift sei der aethiopische Feldzug mit einem Heerzug nach Asien undeutlich verbunden und der zweite Theil des Abschnitts beziehe sich auf den Zug in Asien, welches von dem Verfasser in anachronistischer Weise Persien genannt sei; allein diese Vermuthung erweist sich sofort als unstatthaft. Der Name Hmti, mit welchem eine Station auf dem Rück- wege von Persien genannt ist, kommt in einem späteren Theile der Inschrift (N) als Bezeichnung eines Küstenstriches auf der Südwest- seite des arabischen Golfes vor: also ist der Zug nach Persien ein Seezug gewesen und vom arabischen Meerbusen ausgegangen. Bei Plinius findet sich die Notiz (Nat. hist. IX 6): Cadara appellatur Rubri maris paeninsula ingens. Inıjus objectu vastus efficitur sinus XII dierum et noctium remigio enavigatus Ptolomaeo regi, quando nullius aurae recepit afflatum. Die Halbinsel Cadara auf der Westseite des persischen Golfes südwärts von Gerra, der Hauptstadt des Handelsvolkes der Gerräer, gegenüber der Küste von Persis, ist bekannt: man heisst sie heutzutage Katar. Dxrovysen hat unter dem von Plinius genannten Ptolemaios den dritten König dieses Namens verstanden; er hat die Aussage des Schrift- stellers in Verbindung gebracht mit Andeutungen in der Inschrift von Adule und hat aus diesen combinirten Zeugnissen geschlossen, Ptolemaios Euergetes habe auf dem Rückwege von dem Heerzuge in Oberasien im sogenannten dritten syrischen Kriege einen Theil der Truppen sich an der Euphratmündung für die Fahrt um Arabien einschiffen lassen, der nach der Ankunft im arabischen Golf in Adule an der Troglo- dytenküste gelandet sei; allein mit den in ihrer Beziehung völlig dun- keln Worten, welche jetzt das Ende der Inschrift von Adule bilden, lässt sich nichts beweisen!. Der Autor, auf welchen die Notiz bei Plinius zurückgeht, kann ebenso gut den zweiten wie den dritten Ptole- maios gemeint haben; auf einen von diesen Beiden aber muss die An- gabe, wenn anders darauf zu bauen ist, gehen.

Wenn es ferner in der heroopolitischen Inschrift heisst, der König habe die Götter von Aegypten aus Persien zurückgebracht, so wissen wir durch gleichzeitige Aufzeichnungen, dass-sowohl der Gründer der Dynastie wie Ptolemaios IIl., jener nach dem syrischen Feldzug des Jahres 312, als er nominell noch Satrap war, dieser nach dem grossen

des mw kd, des Euphrat’ bezeichnet wird, so müssen die Aegypter gewusst haben, dass der persische Meerbusen und das rothe Meer zusammengehören.

W. Max Mürter (Asien und Europa S. 255) erklärt sich die Stelle so: "Es scheint, als habe man die ganze bekannte Welt in zwei Wassersysteme eingetheilt, das africanische des Nils, aus welchem das Mittelländische Meer gebildet schien, und das mesopotamische oder asiatische, auf welches das Rothe Meer zurückgeführt wurde’. «

! Drovsen, Hellenismus III 2 S. 343 f.

Könker: Zur Geschichte Ptolemaios’ II. Philadelphos. 969

Heerzug in das innere Asien, von ihren aegyptischen Unterthanen sich haben feiern lassen, weil sie Götterbilder und andere Heiligthümer, die in der persischen Zeit entführt worden waren, den Tempeln des Landes zurückgegeben hatten. Wenn Philadelphos aegyptische Götter- bilder zurückgeführt hat, so kann das auch nur im Kriege geschehen sein. Die relative Zeit des Zuges wird dadurch näher bestimmt, dass dem nächsten Abschnitt der Inschrift, in welchem Neues berichtet ist, das ı2. Regierungsjahr (vom November 274 ab) vorgeschrieben ist. In diese Zeit fällt, wie wir jetzt durch ein positives Zeugniss wissen, der erste syrische Krieg, der zwischen Ptolemaios II. und

Antiochos I. geführt wurde. In einer aus dem 38. Jahre der Seleu-

kidenaera datirten babylonischen Tempelurkunde ist gelesen worden, dass im Jahre 274 ein aegyptisches Heer westwärts vom Euphrat ge- standen hat. Es ist das Verdienst von Ü. Fr. Leumann, darauf hin- gewiesen zu haben, dass damit der erste syrische Krieg bezeichnet ist: zur Verstärkung der Streitkräfte des Antiochos, der vor dem Feind aus Syrien gewichen war, ist eine Elephantencolonne aus Baktrien herangezogen worden'.

Die Entstehung des ersten syrischen Krieges wird von Pausanias auf Magas, den Stiefsohn Ptolemaios’ I. von der Berenike zurückgeführt, der seit dem Jahre 308 als Statthalter oder Vicekönig die Kyrenaika ver- waltete?. Magas hatte sich nach dieser Darstellung gegen seinen Lehns- herrn und Halbbruder Philadelphos empört und war gegen Aegypten zu Felde gezogen. Die Erhebung eines libyschen Stammes hinter seinem Rücken hatte Magas genöthigt, umzukehren, ein Meuterei im Heere des Ptolemaios hielt diesen davon ab, den Rebellen zu verfolgen; Magas aber, der soeben der Gemahl der Tochter des Königs Antiochos geworden war, überredete seinen Schwiegervater, die Verträge mit Aegypten zu brechen und Ptolemaios den Krieg zu erklären. Ich kann nicht glauben, dass die Darstellung dieser Vorgänge, welche. Pausanias bietet, in allen Stücken zutreffend und correet ist. Für Magas wäre es ein zweckloses Wagstück gewesen, wenn derselbe, nachdem er sich von Ptolemaios losgesagt, gegen Aegypten hätte ziehen wollen, statt in Kyrene, durch. die vorliegenden Wüsten geschützt, den An- griff seines bisherigen Oberherrn zu erwarten; oder soll man sich etwa vorstellen, Magas habe es für möglich gehalten, mit seinen beschränk- ten Mitteln Ptolemaios aus Aegypten zu verdrängen und sich an dessen Stelle zu setzen? Antiochos andererseits hat sich gewiss nicht bloss

! Srrassmaier, Zeitschr. für Assyriol. VII (1892) S. 226 ff.; Lenmanv, Philol. Wochensehr. 1892 Sp.1465 und Zeitschr. für Assyriol. a. a.O. S. 354 f. (Berichtigung); Eurrıcn, De Callimachi hymnis quaest. chronol. 1894 S. 20 f.

2

2 Über die Zeit der Statthalterschaft Sitzungsber. 1891 S. 209 f.

970 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 24. October.

durch verwandtschaftliche Rücksichten bestimmen lassen, einen Krieg mit dem mächtigen Herrscher in der Nachbarschaft anzufangen; das eigentliche Motiv kann für ihn nur gewesen sein, das südliche Syrien, auf dessen Besitz er als Erbe seines Vaters Ansprüche zu haben glaubte, von Aegypten los und an sich zu reissen. Man muss ver- muthen, dass Antiochos und Magas von Anfang an im Bunde ge- wesen sind und dass Magas vor’ der Zeit losgebrochen ist. Über den Krieg zwischen Ptolemaios und Antiochos geht Pausanias mit der all- gemeinen Bemerkung hinweg, Ptolemaios habe den Feind in allen Theilen seines Reiches angegriffen; ungedeckte Gebiete habe er plün- dern lassen, anderwärts habe er denselben mit Heeresmacht in Schranken gehalten, so dass Antiochos nicht dazu kam, gegen Aegypten zu ziehen‘. Dem aegyptischen König, dessen Hauptstärke auf der Marine beruhte, war der Kriegsplan, Beunruhigung der ausgedehnten feindlichen Küsten dureh fliegende Geschwader und Einmarsch einer Armee in Syrien, vorgezeichnet. Nach der Inschrift von Heroopolis muss man glauben, dass Ptolemaios sich nicht damit begnügt hat, seine 'maritimen Streit- kräfte auf dem Mittelmeer zu entfalten; dass im Verlaufe des Krieges ein Geschwader in das rothe Meer gefahren ist und auf der Küste der Persis Truppen ausgeschifft hat, denen auf einem Streifzug in das Innere des Landes einige Götterbilder aegyptischen Ursprungs in die Hände gefallen sind. Der Aussage von der Heimholung der Götter, von deren Ankunft im Lande weiterhin des Langen und Breiten die Rede ist, muss eine Thatsache doch zu Grunde liegen, mag die- selbe in dem Priestertext auch noch so sehr aufgebauscht sein. Ich täusche mich nicht über den Werth, welchen die Aufzeichnungen der Aegypter, insbesondere aegyptischer Priester, als geschichtliche Zeugnisse im Allgemeinen haben und bin mir vollständig bewusst, wie unsicher der Boden ist, auf dem ich mich bewege; um so mehr liegt mir daran, das Gewicht der Gründe zu betonen, welche für die Reali- tät der Expedition in das persische Meer sprechen. Auf die Be- schreibung der Ankunft und Einholung der Götterbilder gehe ich näher nicht ein und begnüge mich damit, einen Punkt hervorzuheben. Nach dem, was gelesen worden ist, scheinen die Bilder auf dem »Ost- kanal« befördert worden zu sein, auch Pithom ist zwei Mal genannt. Danach wäre anzunehmen, dass die an einer früheren Stelle erwähn- ten Wasserbauten nicht etwa auf das Binnenland beschränkt gewesen seien und dass zur Zeit der Rückführung der Götter man thatsäch-

E\ - s 1,8 F 7 I Opumuevov 6 Avrıoyov orpareverv, IMroAeuatos dıemeurev Es amavras @v jpxev Avrioxos, Tols ev ügleveotepoıs AyoTas Kkararpexeiıv TNVv yıv, ol de joav Övvarwrepoı OTpatıa Karelpyev,

öore Avrıoyn more eyyeveodaı orparevew em’ Alyumrov (Pausan. I 7, 3).

Könter: Zur Geschichte Ptolemaios’ II. Philadelphos. 971

lich aus dem arabischen Meerbusen zu Schiffe in den Kanal des Wadi Tumilat habe gelangen können.

Von grösserer Bedeutung als die Schilderung der Heimkehr der Götterbilder ist der nächstfolgende Abschnitt (/), insofern als eine in der neueren Zeit oftmals erörterte und in der That auch in mehr- facher Hinsicht wichtige Frage, die Frage der Zeit der Geschwisterehe des zweiten Ptolemaios und der Arsinoe, durch denselben meines Er- achtens definitiv erledigt wird. Es heisst hier: »Jahr 12, erster St Monat, Tag 3 ... Seine Majestät durchzog das Delta mit der Erbfürstin, gross an Belohnungen, der Herrin der Liebens- würdigkeit, süss an Liebe, der königlichen Gemahlin, der Beherrscherin beider Länder, Arsinoe, Tochter und Gattin eines Königs Ptolemaeus, der bruderliebenden Gattin. Sie(?) gelangte zum heroopolitischen Gau, der Stadt ihres Vaters Atum«; die nicht sicher gedeuteten Schlussworte lasse ich bei Seite. Arsinoe ist in den weiterhin folgenden Theilen der Inschrift zwei Mal (N P) neben Ptolemaios als Gemahlin erwähnt, ohne dass in dem einen oder anderen Falle eine besondere Veranlassung dazu vorlag; in den vorausgehenden Abschnitten kommt sie an keiner Stelle vor; er- wägt man ausserdem die Form und die Beziehung, in der sie hier eingeführt wird, so kommt man zu demi Schlusse, dass die Vermählung kurz vorausgegangen war und dass die Geschwisterehe in den Herbst oder Sommer 274 zu setzen ist.

Vom ı2. Regierungsjahr des Königs springt die Inschrift auf das 16. Jahr (270/69) über. Hier war nach der im Einzelnen als unsicher bezeiehneten, aber im Wesentlichen gewiss zutreffenden Deutung wieder von Kanalbauten die Rede, als Ausgangspunkt des Kanals scheint Heliopolis genannt gewesen zu sein; danach (A) folgten Angaben über die Ausstattung von Heiligthümern, speciell des Heiligthums in Pithom mit Einkünften, wofür unter Anderem »die Abgabe auf dem Kanal des östlichen Landes« angewiesen war; weiterhin die Gründung von Arsinoe, zweifellos der als Schöpfung Ptolemaios’ II. litterarisch bezeugten Stadt dieses Namens am Ausgang des Kanals in das arabische Meer. Soweit ich mir nach dem mir zugänglichen Material ein Urtheil habe bilden können, bezogen sich die Angaben der Inschrift über Wasserbauten ausschliesslich auf den Schiffahrtskanal; die Arbeiten hatten in einer näher nicht bestimmbaren Zeit nach dem ersten Besuch des Königs in Heroopolis im 6. Regierungsjahr begonnen und waren, nachdem, wie es scheint, früher bereits der Kanal fahrbar gewesen

! ALFRED WIEDEMANN, der sich früher um die Frage der Zeit der Geschwister- ehe verdient gemacht und zuletzt im Philologus N. F.IS.84 mit Rücksicht auf die Pithomstele darüber gehandelt hat, findet auf der letzteren nur einen terminus ante quem.

972 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 24. October.

war, im 16. Jahr abgeschlossen worden. Wenn in der Inschrift dieses Verhältniss nicht klar zu Tage tritt, es vielmehr den Anschein hat, als wäre an der zweiten Stelle von einem damals begonnenen, von dem früher erwähnten verschiedenen Kanal die Rede, so wird man bei der notorischen Beschaffenheit aegyptischer Priesterinschriften, dem Mangel an Praeeision und Sachgemässheit, daran ernstlich nicht Anstoss nehmen. Findet Jemand den Zeitraum von 6 bis ıo Jahren zu gross für die Vollendung des Kanals, so steht es Jedem frei, anzunehmen, die Arbeiten seien in der Kriegszeit in’s Stocken gerathen. Im letzten Theil des Kanals war, wie anderweitig bekannt ist (Diodor I 33, 11, Strabo XVII 804), zur Regulirung der Gewässer ein in technischer Beziehung bedeutendes ($ıAoTeyxvov) Schleusenwerk angelegt; Jahre müssen über den für die Vollendung des Schiffahrtskanals erforderlichen Arbeiten verstrichen sein.

In dem auf die Gründung der Stadt Arsinoe bezüglichen Abschnitt der Inschrift ist gelesen worden: »Danach gelangte seine Majestät zum See Kem-wer und er erbaute(?) eine Stadt mit (seiner?) Schwester auf den grossen Namen der Tochter des Königs Bitolemaeus. 7 Ein Tempel... n.2% wurde erbaut, und er stellte(?) die Götter-Brüder darin auf«; hierauf war von den Gründungs- ceremonien die Rede, die, wie es scheint, von den »Propheten und Priestern« des Atum von Heroopolis vollzogen worden waren. Der See Kem-wer ist in indireeter Verbindung mit dem Schiffahrtskanal genannt; aus dem Namen des heroopolitischen Golfes und den Er- wähnungen des, Kem-wer-Sees in der Inschrift hat Hr. Navırrr den einleuchtenden Schluss gezogen, der westliche Arm des arabischen Meerbusens habe sich noch in der Ptolemäerzeit nordwärts lagunen- artig über Suez hinaus bis in die Gegend des Timsahsees oberhalb der Bitterseen erstreckt und Arsinoe sei nicht, wie man früher glaubte, an der Küste des offenen Meeres in der Nähe des heutigen Suez von Philadelphos angelegt worden, sondern als Binnenhafen an dem inneren Recess des Golfes'; sicher scheint wenigstens so viel, dass die heutigen Bodenverhältnisse als für die Ptolemäerzeit geltend nicht anzusehen sind. In unmittelbarem Anschluss an die Gründung von Arsinoe ist oder war in der Inschrift von der Schiffahrt auf dem arabischen Meer, insbesondere von einer vom Könige ausgerüsteten und von »dem ersten General seiner Majestät« angeführten Expedition und der

! Navırıe, The Store-City of Pithom (1885) S.2ıf. W. Max Mürrer, Asien und Enropa nach altaegyptischen Denkmälern (1893) S. 39 ff. hat die von Navırrr in Be- ziehung auf die Bedeutung des Namens Kem-wer entwickelte Theorie weiter zu be- gründen gesucht. Das pro et contra der geographischen Aufstellungen des Genfer Ge- lehrten wird behutsam erwogen von DirıLmanx in den Sitzungsber. der Akad. 1885 S. 889.

Könter: Zur Geschichte Ptolemaios’ II. Philadelphos. 373

Gründung der Colonie Ptolemais Epitheras an der 'T'roglodytenküste, südwärts von dem heutigen Suakin, die Rede. Im Anfang war der Kem-wer-See genannt, »er fährt inmitten dieses Wassers, er erreicht Hmtältt|' und das Ende des Negerlandes, (um) ihm alles Echte ... zu bringen.« »Es wurde ihm Alles ge- bracht, was der König liebt, und seine Schwester, die kö- nigliche Gemahlin, die ihn liebt. Es wurde dort eine grosse Stadt für den König gebaut, auf den grossen Namen des Königs Ptolemaeus.« »Er schuf dort Ackerland, es wurde bestellt (?2) mit Getreide und Rindern.« »Er fing dort viele Elephanten für den König, sie wurden als Merkwürdigkeiten dem Könige auf seinen Schiffen auf dem Meere gebracht. Schätze wurden ihm aus dem östlichen ..... gebracht.« »Seine Schiffe kamen seinen Schiffen entgegen inmitten des Kem- wer-Gewässers.« Wesentlich Neues für uns ist in diesen Aussagen kaum enthalten; dass Ptolemaios II. Arsinoe und Ptolemais sowie an- dere Hafenplätze auf der afrieanischen Seite des arabischen Meeres angelegt oder besetzt und dass er Elephanten in Aithiopien für die Verwendung im Kriege hat jagen lassen, ist litterarisch bezeugt; und dass in Verbindung mit jenen Gründungen die aegyptische Handels- schiffahrt auf dem arabischen Meere den Intentionen des Königs ge- mäss sich entwickelt hat, liegt in der Natur der Sache und ist nie bezweifelt worden. ‘Auch dass Ptolemais Epitheras nicht allein als Station für die Elephantenjagd, worauf der Beiname hinweist, sondern als eine förmliche mit Ackerland und Weiden ausgestattete Colonie angelegt worden ist, steht mit der offenbar auf trefflichen Informa- tionen, vielleicht sogar auf dem officiellen Bericht des als Oikist ge- nannten Eumedes, der von dem in der Inschrift ohne Namensnennung erwähnten Befehlshaber der Flotte doch wohl nicht verschieden ist, beruhenden Notiz Strabo’s über die Gründung von Ptolemais (X VI 770) wenigstens nicht in Widerspruch. Immerhin ist es gewissermaassen eine Beruhigung für den Forscher, dasjenige, was aus bekannten That- sachen erschlossen werden konnte, durch gleichzeitige Tradition aus- drücklich bestätigt und illustrirt zu finden. Übrigens sind die von Philadelphos auf den Schiffahrtscanal gebauten Hoffnungen in vollem Maasse nicht erfüllt worden. Nach einer ebenfalls bei Strabo erhal- tenen Notiz” hat derselbe eine Caravanenstrasse von dem sogenannten

! Die letzten beiden Zeichen (?) sind, wie mir Hr. Erman sagt, wenigstens wahr- scheinlich bedeutungslos; es ist derselbe Name, der in dem Absehnitt über die Rück- führung der Götterbilder Hmti geschrieben ist.

?2 Strabo XVII 815 Aeyeraı 8’ 6 PıradeAdos Tp@Tos oTparomeiw Teneiv TNv 6dov Tav-

vw IN bo; x - a. - an x \ % \ Sr ryv avvopov ovTav Kat KATATKEvaTal oraluovs, rTovTro öde rpa&aı dla To nV EpvApav evaemAovv elvaı kal uaNıora Tols ek TOD uwyoo mAoilouevos. Anderweitig ist überliefert, dass der } MUX A 8

974 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 24. October.

troglodytischen Berenike nach Koptos einrichten lassen; als Grund ist angegeben, weil die Fahrt auf dem arabischen Meer, und zwar beson- ders für die aus dem heroopolitischen Golf kommenden Schiffe, ge- fährlich war. Die Strasse von Berenike nach Koptos muss von Phila- delphos, wenn die freilich nicht absolut sicher verbürgte Aussage Strabo’s thatsächlich begründet ist, in die letzte Periode der Regie- rung des Königs fallen. In der späteren Zeit ist, wie Strabo an der- selben Stelle bezeugt, der arabische, indische und aethiopische Handel in der Hauptsache über Berenike und Koptos gegangen, was indess nicht verhindert hat, dass noch der Kaiser Trajan den längst in Ver- fall gerathenen Kanal im Norden hat restauriren lassen.

Das wesentliche Moment für uns ist auch in diesem Theile der Inschrift das chronologische. Den Unternehmungen im arabischen Meere kann sich Philadelphos nicht zugewendet haben, während er in einem schweren Kriege lag; hieraus folgt, dass der syrische Krieg, der in der zweiten Hälfte des Jahres 274 im Gange war, vor dem Beginn der sechziger Jahre beigelegt worden ist. Die poetische Hul- digung, welche Theokrit an Philadelphos und die Schwesterkönigin gerichtet hat, gehört nach Form und Inhalt im die Friedensperiode nach dem ersten syrischen Krieg, in welcher Aegypten den Gipfel des Wohlstandes erreichte; die Einzelerklärung des vielberufenen Gedichtes muss sich hiernach richten. Der aithiopische Feldzug des Philadel- phos, welcher nach dem auf Agatharchides zurückgehenden Zeugniss Diodor’s (I 37, 5) bewirkte, dass Aithiopien der griechischen Wissen- schaft erschlossen wurde, ist in die dem Kriege mit Antiochos I. vor- ausliegende Zeit seiner Regierung zu setzen. In der Erkundung Aithio- piens sowohl wie der Uferländer des arabischen Meeres hat Ptole- majos II. seinen Nachfolgern das Beispiel gegeben.

Die übrigen Theile der Inschrift beziehen sich auf Schenkungen und Stiftungen für religiöse Zwecke. Der König wird gepriesen, weil er Sorge getragen hat für die Bestattung des Apisstieres und anderer heiliger Thiere; hiernach folgen summarische Angaben über die den Heiligthümern Aegyptens und der Stadt Heroopolis gewährten Ein- künfte. In welchem Verhältniss die dazwischen stehenden chronolo- gischen Daten zu diesem summarischen Verzeichniss stehen, ist nicht

nördliche Theil des Meerbusens durch arabische Piraten unsicher gemacht wurde und dass die späteren Ptolemäer genöthigt waren, Kriegsschiffe gegen die Piraten aus- laufen zu lassen (Strabo XVI 777 und Diodor III 43, 5, beide nach Artemidoros), aber in der ausgeschriebenen Stelle ist an natürliche Hemmnisse, widrige Winde und Meeres- strömungen zu denken, welche die Fahrt an der klippenreichen Küste doppelt gefähr- lich machten, vergl. die Bemerkungen Krunzınger’s über den heutigen Stand der Schift- fahrt auf dem arabischen Meere, Bilder aus Oberaegypten, der Wüste und dem rothen Meere S. 2gıf.

Könrer: Zur Geschichte Ptolemaios’ II. Philadelphos. 375

klar und ist geschichtlich auch irrelevant: die Hauptsache ist, dass Ptolemaios II., dem Beispiel seines Vater folgend, nicht allein die Re- ligion seiner aegyptischen Unterthanen als Staatsreligion anerkannt, sondern es sich zur Maxime gemacht hat, durch Freigebigkeit gegen die alten Heiligthümer des Landes in erster Linie die Priesterschaften in loyaler Gesinnung zu erhalten. Die auf die Steuern, deren Ertrag nach der Inschrift Philadelphos den Heiligthümern zugewendet hat, bezüglichen Aussagen gehören in das Capitel des Finanzwesens der Ptolemaier und der Verwaltung.

Im Jahr 264, in welchem die Stele von Pithom aufgestellt wor- den ist, lag Philadelphos im Kriege mit dem Könige von Makedonien Antigonos Gonatas, der einen weniger günstigen Verlauf für ihn nahm als vorher der syrische. Das aegyptische Protectorat in der griechi- schen Inselwelt muss, nachdem Ptolemaios Soter den Grund gelegt hatte, im Verlaufe des syrischen Krieges, welcher von Philadelphos zum Theil an den kleinasiatischen Küsten geführt wurde, ausgebreitet und befestigt worden sein; seitdem bestand ein Gegensatz zwischen Aegypten und Makedonien, der voraussichtlich früher oder später zu Collisionen führen musste; für Philadelphos lag die Versuchung nahe, sein Proteetorat auch auf das griechische Festland auszudehnen, und Gonatas durfte nicht zulassen, dass der aegyptische Einfluss in Griechen- land Wurzel schlug, wenn das von ihm als Staat wieder aufgerichtete Makedonien fernerhin eine Grossmachtstellung einnehmen sollte. Auch der sogenannte chremonideische Krieg ist nur in Bruchstücken über- liefert: für den Ausbruch desselben besitzen wir eine attische Urkunde, das Psephisma des Chremonides (€. I. A. II 332 DiTTEngErGer Syll. 163), die indess, so werthvoll sie an sich als Quelle für uns ist, einen vollen Einblick in den Verlauf und besonders in den inneren Zusammenhang der Dinge auch nicht gewährt. Dem Psephisma ist, wie aus den Motiven hervorgeht, der Abschluss von Bündnissen zwischen dem aegyptischen König und Athen einerseits und demselben und Sparta sowie den kleineren mit Sparta es haltenden peloponnesischen Gemein- wesen, welche sich nach der Niederlage des Epirotenkönigs Pyrrhos bei Argos von dem makedonischen Einfluss frei gehalten oder sich ihm in der nächsten Zeit wieder entzogen hatten, andererseits vor- ausgegangen. Im Athen ist beschlossen worden, da der König Ptole- maios, den Traditionen seines Hauses folgend, sich der hellenischen Freiheit gewogen zeige, die übrigen Hellenen einzuladen, einem ge- meinsamen Bündniss zum Schutze ihrer freien Verfassungen beizu- treten‘. Von den verbündeten Peloponnesiern sind Gesandte nach

! An einer späteren Stelle nennt das Psephisma als diejenigen, gegen welche das Bündniss gerichtet sein soll, rovs ndırnkoras kal mapeomovönkoras Tas moXeıs; ge-

976 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 24. October.

Athen gekommen mit einem Vertragsentwurf, dessen Ratificirung durch die Volksversammlung in dem Psephisma des Chremonides enthalten ist. In der Motivirung des Psephisma ist neben Ptolemaios die Schwester- königin Arsinoe genannt; Emei 6 Baoıevs IlroXeuatos, heisst es, dko- Aovdws Tel TOv Tpoyovwav kal Teı TNS AdeAdbns Tpoapeceı dbavepos eorıv omovöalwv Umep Tns Kowns Tov EAAyvov ENevdepias. Für die Stellung, welche Arsinoe neben dem Gemahl Ptolemaios eingenommen hat, ist es bezeichnend, dass sie auf den Steinen von Pithom zwei Namenschilder hat, wie, von den Königen abgesehen, sonst nur re- gierende Königinnen'. Arsinoe war, wie die Nachrichten über ihre erste Ehe mit dem thrakischen Könige Lysimachos und ihren Auf- enthalt in Makedonien beweisen, ebenso thatkräftig wie herrschsüchtig und intrigant; ihr männlicher und willenskräftiger Geist scheint auf den während ihrer Abwesenheit von Aegypten herangewachsenen, staatsmännisch und diplomatisch veranlagten, aber weichlichen und Interessen und Genüssen jeder Art zugänglichen Ptolemaios einen starken Eindruck gemacht zu haben; er hatte böse Erfahrungen mit seinen Halbgeschwistern von väterlicher und mütterlicher Seite gemacht und konnte glauben, eine moralische Stütze in dem Getriebe der am Hofe und in der höheren Beamtenschaft spielenden Intriguen zu er- halten, wenn er, der Sitte seiner aegyptischen Unterthanen folgend, sich mit der beiläufig zehn Jahre älteren rechten Schwester vermählte”. Dass Arsinoe nach ihrer Erhebung auf den aegyptischen Thron einen gewissen Einfluss auf die Regierung ausgeübt hat, ist nicht zu be- zweifeln, und den Ehrgeiz, auch in die grosse Politik eingreifen zu wollen, wird man der temperamentvollen Frau leicht zutrauen. Aber durch Alles das wird die Erwähnung der Arsinoe in dem attischen Aectenstück nicht ausreichend erklärt. Seitdem in Aegypten das neue Königthum sich befestigt und in Alexandrien ein glänzender Hof sich gebildet hatte, war der alexandrinische Hof das Asyl griechischer Gelehrten und Staatsmänner geworden, welche vor den jeweilig auf

meint sind der makedonische König und die von ihm beschirmten Stadtherren oder Tyrannen.

! Navirze a.a.0. S.12 f. und S. 27; Erman, Philol. Wochenschr. 1890 Sp. 961.

® Ein näherer Einblick in die Dinge ist uns auch hier nicht vergönnt. Die Verschwörung, um derentwillen die erste Gemahlin des Philadelphos nach Koptos verbannt wurde, ist als vor die Geschwisterehe fallend bezeugt, hat aber doch wohl schon mit dieser im Zusammenhang gestanden. Die mehrfach wiederholte Ansicht Drovsen’s, Philadelphos habe sich wegen der, der Arsinoe aus der Ehe mit Lysimachos zustehenden Besitzrechte auf Herakleia und andere Städte mit ihr vermählt, schwebt in der Lutt; Philadelphos hat diese Ansprüche nie geltend gemacht; sie würden, wenn sie von ihm erhoben worden wären, eine praktische Bedeutung doch auch nicht gehabt haben. Übrigens ist Arsinoe, nach den Münzbildern zu urtheilen, auch eine schöne Frau gewesen.

Könter: Zur Geschichte Ptolemaios’ II. Philadelphos. 977

der Halbinsel herrschenden makedonischen Machthabern gewichen waren. Ich glaube, dass die ersten Fäden der Politik, welche in den chremo- nischen Krieg ausgelaufen ist, in diesem, mit den antimakedonischen Führern in Griechenland naturgemäss in Verbindung stehenden Kreise gesponnen worden sind, und dass Arsinoe dieselbe bei dem Könige be- fürwortet hat.

In dem Psephisma des Chremonides ist weder Antigonos Gonatas noch Makedonien genannt; also war zur Zeit, als Chremonides seinen Antrag einbrachte, der Friede noch nicht gebrochen; aber der Krieg konnte seit den Verträgen des aegyptischen Königs mit Athen und Sparta vorausgesehen werden. Nach dem Aufruf der Athener und dem Anschluss der peloponnesischen Verbündeten war für Antigonos Gonatas thatsächlich der casus belli gegeben; sein Angriff musste aus äusseren und inneren Gründen sich gegen Athen richten'. Zu dem Unterliegen der von Ptolemaios mit einer Flotte unterstützten griechi- schen Sache hat die Schwachmüthigkeit und Saumseligkeit der Pelo- ponnesier wesentlich mit beigetragen, die, statt den Athenern zu Hülfe zu eilen, Antigonos Zeit liessen, die Isthmospässe zu sperren. Nach- dem der spartanische König Areus, das Haupt der Actionspartei im Peloponnes, in den Kämpfen bei Korinth gefallen war, löste sich die Coalition, die sich im Anschluss an Sparta gebildet hatte, auf; der aegyptische Admiral musste erkennen, dass er das von den makedo- nischen Truppen belagerte Athen nicht würde retten können. Die kühne Demonstration des Antigonos in den südöstlichen Gewässern wurde durch den Seesieg von Kos gekrönt, der Philadelphos zum Frieden nöthigte und der aegyptischen Autorität auf dem aegeischen Meere einen Stoss versetzte, welcher erst durch Philadelphos’ Nachfolger, allerdings in glänzender Weise, reparirt worden ist.

Arsinoe hat den chremonideischen Krieg vielleicht nur wenige Jahre überlebt. Drovsen hat aus einer versprengten Anekdote scharf- sinnig erschlossen, dass Arsinoe dem Gemahl und Bruder im Tode vorausgegangen ist”; er hätte es näher haben können; dasselbe ist in den Schlussworten des auf Philadelphos bezüglichen Excerptes bei Pausanias enthalten.

! Da nach der Ankunft der peloponnesischen Gesandten in Athen Chremonides als Antragsteller das Wort ergriffen hat, ist man berechtigt anzunehmen, dass der Aufruf an die Hellenen ebenfalls von Chremonides beantragt worden war, nach welchem daher auch der hieraus entsprungene Krieg benannt werden konnte.

® Sitzungsber. der Akad. 1882 S. 229. i

Ausgegeben am 31. October.

Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei.

Sitzungsberichte 1895. s6

ea f dt ® u ü ;

Bi ER ER 2 0 A

Hip Veh SriRee ai TE

sr ten he aan OPEN Ri

ER BTL NT 09.177 nr ker

- =” LER

a Mt RITA Dr se sah 1 rg Fer u; Ir! St

379

1895. XL.

SITZUNGSBERICHTE

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN.

31. Oetober. Gesammtsitzung.

Vorsitzender Secretar: Hr. E. vu Bois- Reynmoxp. 1. Hr. Frosenıus las über die Verallgemeinerung des

Syrow’schen Satzes. Die Mittheilung folgt umstehend.

Sitzungsberichte 1895. 87

#33 iz 43 4 tür X Yz e

FFC SEE

981

Verallgemeinerung des SYLow'schen Satzes.

Von G. FRoBENnIUS.

Jede endliche Gruppe, deren Ordnung durch die Primzahl p theilbar ist, enthält Elemente der Ordnung p. (Cauenv, Memoire sur les arrange- ments que l’on peut former avec des lettres donnees. Exercices d’ana- lyse et de physique Mathematique, tome III, $.XII pag. 250.) Die An- zahl derselben ist, wie ich hier zeigen werde, stets eine Zahl der Form (p—1) (np +1). Aus jenem Satze hat Syrow den allgemeineren hergeleitet, dass eine Gruppe, deren Ordnung A durch p* theilbar ist, Untergruppen der Ordnung p* besitzen muss. (Theoremes sur les groupes de substitutions, Math. Ann. Bd. V.) Einen einfachen Beweis dafür habe ich in meiner Arbeit Neuer Beweis des Srrow’schen Satzes, ÜRELLE’S Journal Bd.100, gegeben. Die Anzahl dieser Untergruppen muss,

wie ich hier zeigen werde, immer =1 (mod. p) sein. Ist p* die höchste in Ah enthaltene Potenz von p, so hat Syrow diesen Satz nur für den Fall bewiesen, dass <= ist. Dann sind je zwei in 5 enthaltene Gruppen der Ordnung p* conjugirt, und ihre Anzahl np-+1 ist ein Divisor von h, während dies für <<A im Allgemeinen nicht eintrifft. Die angeführten Ergebnisse erhalte ich auf einem neuen Wege aus einem Satze der Gruppentheorie, der bisher noch nicht bemerkt zu sein scheint:

In einer Gruppe der Ordnung h ist die Anzahl der Elemente, deren Ordnung in g aufgeht, durch den grössten gemeinsamen Diisor von g und h theilbar.

8. T-

Ist p eine Primzahl, so hat eine Gruppe W der Ordnung p’ eine Reihe von invarianten E (Hauptreihe) B,, P,,.-. Pı_, der Ordnungen p,Pp ...p’ ', von denen jede in der folgenden enthalten ist. Dies Resultat leitet Syrow (a.a.0.S.588) aus dem Satze ab:

l. Jede Gruppe der Ordnung p* enthält ein invariantes Element der Ordnung p.

Ein invariantes Element einer Gruppe 9 ist ein Element von 9, das mit jedem Element von 9 vertauschbar ist. Enthält W das in-

| * 87

982 Gesammtsitzung vom 31. October.

variante Element P der Ordnung p, so bilden die Potenzen von P eine invariante Untergruppe W, von W, deren Ordnung p ist. Ebenso hat Du 2 Dup au invariante Untergruppe W, der Ordnung p’, welche V, enthält, u. s. w. Ich habe in meiner Arbeit Über die Congruenz nach einem aus zwei end- lichen Gruppen gebildeten Doppelmodul, Creure's Journal Bd. 101 ($. 3, IV) zu jenem Theorem die folgende Bemerkung gefügt:

II. Jede in einer Gruppe der Ordnung p* enthaltene Gruppe der Ordnung p* ist eine invariante Untergruppe.

Andere Beweise dafür habe ich in meiner Arbeit Über endliche

eine invariante Untergruppe der Ordnung p, also hat W eine

Gruppen, Sitzungsberichte 1895 ($. 2, IH, IV, V; 8.4, II) entwickelt. Aus dem Satze I kann man dies auf folgende Weise erhalten: Sei 9 eine Gruppe der Ordnung p', & eine Untergruppe der Ordnung p’ ',

P ein invariantes Element von 9, dessen Ordnung p ist, und W die

Gruppe der Potenzen von ®. Ist & durch W theilbar, so ist & eine

Du

weil man den Satz II für Gruppen,

5 deren Ordnung kleiner als p* ist, schon als bewiesen annehmen kann. Mithin ist auch © eine invariante Untergruppe von 9. Ist & nicht durch W theilbar, so ist 9 = GW, oder es kann jedes Element von 9 auf die Form H = GP" gebracht werden, wo G ein Element von & ist. Nun ist @ mit © vertauschbar, und P sogar mit jedem Ele- mente von ©. Mithin ist auch 7 mit 6 vertauschbar.

Das Eingangs erwähnte Theorem lässt sich noch nach einer anderen

invariante Untergruppe von

Richtung hin vervollständigen:

III. Jede invariante Untergruppe der Ordnung p von einer Gruppe der Ordnung p’ besteht aus den Potenzen eines invarianten Elementes.

Sei 5 eine Gruppe der Ordnung p’, W eine invariante Unter- gruppe der Ordnung p. Ist Q irgend ein Element von 59 und q = p* seine Ordnung, so bilden die Potenzen von (Q eine in 5 enthaltene Gruppe O der Ordnung g. Ist VW ein Divisor von Q, so ist jedes Element P von W eine Potenz von Q, also mit Q@ vertauschbar. Ist ® nicht ein Divisor von D, so sind DB und D theilerfremd. W ist mit jedem Elemente von 9, also auch mit jedem von O vertauschbar. Daher ist PO eine Gruppe der Ordnung p**, und W ist eine in- variante Untergruppe derselben. Nach dem Satze II ist aber auch Q eine solche. Mithin ist P mit Q vertauschbar nach dem Satze:

IV. Ist jede der beiden theilerfremden Gruppen A und ® mit jedem Elemente der andern vertauschbar, so ist auch jedes Element von A mit jedem Elemente von B vertauschbar.

Froseniws: Verallgemeinerung des Syrow’schen Satzes. 983

Denn ist A ein Element von A und B ein Element von ®, so

ist das Element

A(BA"B"') = (ABA) B" sowohl in A als auch in ® enthalten, und ist daher das Haupt- element E.

Ich will den Satz III noch auf eine zweite Art beweisen: Ist Q’PQ = P“, so ist Q’PQ’ = P“. Ist also Q'=E, so ist @=1 (mod. p). Nun ist a’ ==1 (mod. p), also da q und p | theilerfremd sind, auch a =1 (mod. p), und mithin PQ = QP.

Endlich ergiebt sich der Satz drittens aus dem allgemeineren Satze:

V. Jede invwariante Untergruppe einer Gruppe 9 der Ordnung p enthält ein invariantes Element von 9, dessen Ordnung p ist.

Man theile die Elemente von 9 in Classen conjugirter Elemente (eonjugirt in Bezug auf 9). Besteht eine Classe aus nur einem Ele- ment, so ist dies ein invariantes, und umgekehrt bildet jedes in- rariante Element von 9 für sich eine Classe. Sei & eine invariante Untergruppe von 9 und p* ihre Ordnung. Enthält dann «ie Gruppe (& ein Element einer Olasse, so enthält sie alle Elemente derselben. Man wähle aus jeder der n in @ enthaltenen Classen ein Element aus, @,,@,,...@,. Bilden die mit @, vertauschbaren Elemente von 5 eine Gruppe der Ordnung p’, so ist die Anzahl der mit @, conju- girten Elemente von 9, also die Anzahl der Elemente der durch @, repraesentirten Olasse, gleich p*” (Crerre’s Journal Bd. 100 S. 181). Daher ist

p* pi +p* er +pX An,

Ist @, das Hauptelement E, so it A=A. Daher können die letzten n-- 1 Glieder auf der rechten Seite dieser Gleichung nicht alle durch p theilbar sein. Es muss daher noch einen Index v>1 geben, für den A, =? ist. Dann ist @, ein invariantes Element von 9, dessen Ordnung p*>1 ist, und die p* "te Potenz von G, ist ein in © ent- haltenes invariantes Element von 9 der Ordnung p.

BE >

l. Sind a und b relative Primzahlen, so kann ein Element der Ordnung ab stets und nur in einer Weise als Product von zwei Elementen darge- stellt werden, deren Ordnungen a und b sind, und die mit einander ver- tauschbar sind.

Sind A und B zwei mit einander vertauschbare Elemente, deren Ordnungen a und 5b relative Primzahlen sind, so hat AB = ( die Ordnung ab. Sei umgekehrt irgend ein Element der Ordnung ab. Bestimmt man dann die ganzen Zahlen x und y so, dass au + by = |

984 Gesammtsitzung vom 31. October.

wird, und setzt man ax = ß, by = a, so ist (= (“C®, und (“ hat, da y zu a theilerfremd ist, die Ordnung a, und C” die Ordnung b. (CAucav, a.a. 0. $.V, pag.179.) Sei nun auch C = AB, wo A und B die Ordnungen a und b haben und mit einander vertauschbar sind. Dann ist (= AB, B= Br = E, A = AMP=zA, also A 6: und B= (C?. Als Potenzen von (€ gehören A und B jeder Gruppe an, der angehört.

I. Ist die Ordnung einer Gruppe durch n theilbar, so ist die An- zahl derjenigen Elemente der Gruppe, deren Ordnung in n aufgeht, ein Vielfaches von n.

Sei 5 eine Gruppe der Ordnung A und n ein Divisor von A. Für jede Gruppe, deren Ordnung X <h ist, und für jeden Divisor # von # setze ich den Satz als bewiesen voraus. Die Anzahl der Ele- mente von 9, deren Ordnung in n aufgeht, ist, falls n = A ist, gleich n. Ist also n<h, so kann ich annehmen, der Satz sei bereits bewiesen für jeden Divisor von Ah, der >n ist. Ist dann p eine in

aufgehende Primzahl, so ist die Anzahl der Elemente von 4, deren N x

Ordnung in np aufgeht, durch np theilbar, also auch durch n. Sei np = p’r, wo r nicht durch p theilbar ist und A>1ı ist. Sei 8 der Complex derjenigen Elemente von 5, deren Ordnung in np, aber nicht in n aufgeht, also durch p’ theilbar ist, und sei % die Ordnung dieses Complexes. Dann ist nur noch zu zeigen, dass die Zahl %, falls sie von Null verschieden ist, durch n theilbar ist. Zu dem Zweck be-

'" und dureh r theilbar ist.

weise ich, dass 4 durch p’

Ich theile die Elemente von X in Systeme, indem ich zwei Ele- mente zu demselben System rechne, wenn jedes eine Potenz des anderen ist. Alle Elemente eines Systems haben dieselbe Ordnung »n. Ihre Anzahl ist p(m). Durch jedes seiner Elemente A ist das System vollständig bestimmt. es wird gebildet von den Elementen A“, wo u die (m) Zahlen durchläuft, die <m und relativ prim zu m sind. Ist A ein Element des Complexes 8, so gehören auch alle Elemente des durch A repraesentirten Systems dem Complexe X an. Dann ist die Ordnung »n von A durch p’, also $(m) durch p’” theilbar. Da die Anzahl der Elemente jedes der Systeme, in die 8 zerlegt ist,

' theilbar sein.

durch p*"' theilbar ist, so muss auch k durch p*

Um zweitens zu zeigen, dass k auch durch r theilbar ist, theile ich wieder die Elemente von 8 in Systeme, aber von anderer Art, doch ebenfalls so, dass die Anzahl der Elemente jedes Systems durch r theilbar ist. Jedes Element von 8 kann, und zwar nur in einer Art, dargestellt werden als Product von einem Elemente P der Ordnung p’

und einem damit vertauschbaren Elemente (, dessen Ordnung in r

Frosentvs: Verallgemeinerung des Syrow’schen Satzes. 985

aufgeht. Umgekehrt gehört jedes so erhaltene Product PQ dem Com- plexe 8 an.

Sei P irgend ein bestimmtes Element der Ordnung p’. Alle Elemente von 9, die mit P vertauschbar sind, bilden eine Gruppe Q, deren Ordnung g durch p* theilbar ist. Die Potenzen von P bilden eine Gruppe W der Ordnung p’, die eine invariante Untergruppe von Q ist. Die Elemente Q von DO, die der Gleichung Y’—= E genügen, sind mit denen identisch, die der Gleichung Y'’= E genügen, wo t der grösste gemeinsame Divisor von g und r ist. Es handelt sich zunächst darum, die Anzahl dieser Elemente zu bestimmen.

Jedes Element von Q lässt sich, und zwar nur in einer Weise als Produet darstellen von einem Element A, dessen Ordnung eine Potenz p ist, und einem damit vertauschbaren Elemente D, dessen Ordnung nieht durch p theilbar ist.

Wenn die fte Potenz von AB der Gruppe angehört, so ist

(ABY=AB=P, aso A—P, B—=E, weil sich auch dies Element nur in einer Weise auf die angegebene Art zerlegen lässt. Demnach gehört A der Gruppe V an, mithin

auch A selbst, weil / nicht durch p theilbar ist. Die Ordnung der

9 Gruppe v

Gruppe, die der Gleiehung Y’= E „enügen, ist daher ein Vielfaches oO te} oO

Pe \ s ; ist Z<h. Die Anzahl der (complexen) Elemente dieser pP

von f, etwa Zu. Ist DAB ein solches Element, so ist, weil A der Gruppe angehört, BDA=NW, also WAB—=WB. Da B als Element von Q mit P vertauschbar ist, so enthält der Complex BB nur ein Element, dessen Ordnung in 7 aufgeht, nämlich D selbst, während die Ordnung jedes anderen Elementes von BP durelı p theilbar ist. Seien PBH-DB +DB,+---

die Zu verschiedenen (complexen) Elemente der Gruppe $r deren te Potenz in W enthalten ist, dann sind in diesem Complexe auch alle Elemente von O enthalten, deren tte Potenz (absolut) gleich # ist. Diese Eigenschaft haben aber nur die Elemente B, B,, B,,---. Mit- hin enthält DO genau Zu« Elemente, die der Gleichung Y’—= E genügen, oder es giebt, wenn P ein bestimmtes Element der Ordnung p’ ist, genau Zu Elemente, die mit P vertauschbar sind, und deren Ordnung in r aufgeht.

Die Anzahl der mit P vertauschbaren Elemente von 9 ist q.

Die Anzahl der Elemente P, P,, P,,:-- von 9, die mit P conjugirt i Se sr h SARAdE sind in Bezug auf 9, ist daher —. Es giebt dann auch genau fu

986 Gesammtsitzung vom 31. October. Elemente Q, in 9, die mit P, vertauschbar sind, und deren Ordnung

; A i Ä hin in r aufgeht. Setzt man für X der Reihe nach jedes der 5 Elemente

P, P,P,--- und für Y jedes Mal die mit X vertauschbaren Ele- mente, die der Gleichung Y"—= E genügen, so erhält man ein System K’ vor n k' = tu 9

verschiedenen Elementen XY des Complexes &. Nun ist A% durch jede der beiden Zahlen g und r theilbar, also auch durch ihr kleinstes

gemeinschaftliches Vielfache Z. Mithin ist A durch r theilbar. Das

System & ist durch jedes seiner Elemente vollständig bestimmt. Zwei verschiedene der Systeme &', &”, --- haben kein Element gemein- sam. Ihre Ordnungen X, A”, --- sind alle durch r theilbar. Mithin ist auch k=%+%”+-- durch r theilbar.

Die Anzahl der Elemente einer Gruppe, die der Gleichung X" —= E genügen, ist mn, die ganze Zahl m ist > 0, weil stets X = E jene Gleichung befriedigt.

II. Ist die Ordnung einer Gruppe 9 durch n theilbar, so erzeugen die Elemente von 9, deren Ordnung in n aufgeht, eine charakteristische Untergruppe von 9, deren Ordnung durch n theilbar ist.

Sei N der Complex der Elemente von 9, die der Gleichung X"— E genügen. Ist X ein Element von N, und R irgend ein mit 5 vertauschbares Element, so ist auch R"'XR ein Element von ®. Mithin ist AINR—N. Der Complex N erzeuge eine Gruppe © der Ordnung g. Dann ist auch ROR=6, also ist © eine charak- teristische Untergruppe von 9.

Ist g* die höchste in n aufgehende Potenz der Primzahl g, so geht g* auch in h auf. Mithin enthält 5 eine Gruppe Q der Ordnung q’. Nun ist N durch O theilbar, also auch ©, und folglich ist durch g* theilbar. Da dies für jede in n aufgehende Primzahl g gilt, so ist g durch n theilbar.

Über die Beziehung des Complexes N zu der Gruppe & bemerke ich noch Folgendes: Ich habe Über endliche Gruppen, $1 die Potenzen MRM,N, --- eines Complexes N betrachtet. Ist in ihrer Reihe W’+' die erste, die einer früheren W gleich ist, so ist stets und nur dann

>r sind. Sei ? die

MN, wenn o=r (mod. s) und p und c beide durch die Bedingungen t=0 (mod. s) und r<St<r+s eindeutig be- stimmte Zahl. Dann ist N die einzige in der Reihe jener Potenzen enthaltene Gruppe. Enthält N das Hauptelement E, so ist N’*' durch N’ theilbar. Mithin ist = NW durch N theilbar. Ist N ein Element der Gruppe &, so ist 6SN= 6. Ist also allgemeiner N ein in der

A Frosentvs: Verallgemeinerung des Syrow’schen Satzes. 987

Gruppe © enthaltener Complex von Elementen, so ist ON = ©. Daher ist WH —W, also s=1l undt=r. In der Reihe der Potenzen von N ist folglich W— W*' die erste, die einer folgenden gleich ist, und diese ist die von dem Complex N erzeugte Gruppe.

IV. Ist die Ordnung einer Gruppe 9 durch die beiden theilerfremden Zahlen r und s theilbar, giebt es in 59 genau r Elemente A, deren Ord- nung in r aufgeht, und genau s Elemente B, deren Ordnung in s auf- geht, so ist jedes der r Elemente A mit jedem der s Elemente B_ vertausch- bar, und es giebt in 9 genau rs Elemente, deren Ordnung in rs auf- geht, nämlich die rs verschiedenen Elemente AB —= BDA.

Denn jedes Element C von 9, dessen Ordnung in rs aufgeht, kann als Product von zwei mit einander vertauschbaren Elementen A

und B dargestellt werden, deren Ordnungen in r und s aufgehen. Nun enthält 5 nicht mehr als r Elemente A und nicht mehr als s Ele- mente B. Wäre also nicht jedes der r Elemente A mit jedem der s Elemente B vertauschbar, und wären nicht ausserdem die rs Ele- mente AB alle verschieden, so enthielte 5 weniger als rs Elemente €. Dies widerspricht aber dem Satze II.

Un

ER

Ist die Ordnung A der Gruppe 5 durch die Primzahl p theilbar, so enthält 5 Elemente der Ordnung p, und zwar mp —1, weil es in 95 mp Elemente giebt, deren Ordnung in p aufgeht. Aus diesem Satze von Caucny hat Syrow den allgemeineren abgeleitet, dass jede Gruppe, deren Ordnung durch p* theilbar ist, eine Untergruppe der Ordnung p* besitzt. Er bedient sich bei seinem Beweise der Sprache der Substitutionentheorie. Will man diese vermeiden, so hat man das Verfahren anzuwenden, das ich in meiner Arbeit Über endliche Gruppen beim Beweise der Sätze V und VII, $.2 benutzt habe.

Einen anderen Beweis erhält man, indem man die mp -1in 9 enthaltenen Elemente P der Ordnung p in Classen conjugirter Ele- mente theilt. Bilden die mit P vertauschbaren Elemente von 9 die Gruppe © der Ordnung 9, so ist die Anzahl der mit P conjugirten

9 h Elemente —. Mithin ist I

h x mp —ı! —‘ Er u (7 wo die Summe über die verschiedenen Classen zu erstrecken ist, in welche die Elemente P zerfallen. Aus dieser Gleichung folgt, dass Bin rag Biiak i & ee die Summanden nicht alle durch p theilbar sind. Sei p" die höchste I

B N - LER in A enthaltene Potenz von p, und sei x>A. Ist - nieht durch p

985 Gesammtsitzung vom 31. October.

theilbar, so ist 9 durch p’ theilbar. Die Potenzen von P bilden eine Gruppe W der Ordnung p, die eine invariante Untergruppe von © ist.

i x 6 a . Die Ordnung der Gruppe Y ist - F5 I <h. Für diese Gruppe dürfen wir

mithin die Sätze, die wir für die Gruppe 9 beweisen wollen, schon

als bekannt voraussetzen. Sie enthält also eine Gruppe T der Ord- DV, i Dur

theilbare Gruppe BD an der Ordnung p*. Folglich enthält 5 die Gruppe W, der Ordnung p*

und die durch ®, theilbare Gruppe W,,, der Ordnung p**'.

ul

nung p*"', und falls x<A ist, eine durch

*

8.4.

I. Ist die Ordnung einer Gruppe durch die xte Potenz der Prim- zahl p theilbar, so ist die Anzahl der darin enthaltenen Gruppen der Ord- nung p* eine Zahl der Form np +1.

Sei r, die Anzahl der in 9 enthaltenen Gruppen der Ordnung p*. Dann ist ie Anzahl der Elemente von 9, deren Ordnung p ist, gleich r(p—1). Diese Zahl hat, wie oben gezeigt, die Form mp—1. Mithin ist

(1.) r, =1 (mod. p). Sein), 7, rn, Ss, nund-seien (2.) 2 RD ne

»—l

die r in 5 enthaltenen Gruppen der Ordnung p*" und (3.) Bee

die s Gruppen der Ordnung p*. Die Gruppe X, sei in a, der Gruppen (3.) enthalten. Die Gruppe ®, sei durch db, der Gruppen (2.) theilbar. Dann ist

(4.) a+a,+. +. —=b+b,+::+b

die Anzahl der verschiedenen Paare von Gruppen 4,8 für die A, in ®, enthalten ist.

Sei A eine der Gruppen (2.). Von den Gruppen (3.) seien B,8,,.:::B, die, welche durch A theilbar sind. Nach $. 3 ist a>o, und nach Satz II, $.ı ist A eine invariante Untergruppe von jeder

dieser a Gruppen, also auch von ihrem kleinsten gemein schaftchen * . . .. x (6) B, B, Vielfachen ©. Mithin enthält die Gruppe 5, sr die a Gruppen U a

Bis der Ordnung p und keine weitere. Denn ist yy ine in „y enthaltene ?

Frosenıus: Verallgemeinerung des Syrow’schen Satzes. 989

Gruppe der Ordnung p, so ist B eine durch A theilbare Gruppe der Ordnung p*. Nach Formel (1.) ist daher @ =1(mod.p). Mithin ist

(5.) = 1a #0t + +%=r(mod.p):

Nunmehr brauche ich den Hülfssatz: Die Anzahl der Gruppen der Ordnung p

\, die in einer Gruppe der

Ordnung p’ enthalten sind, ist = 1 (mod. p).

Ich nehme an, dies Lemma sei schon bewiesen für Gruppen der Ordnung p*, falls x<A ist. Ist dann in der obigen Entwieklung RN, SO ist

(6.) b.=1,b,+b, +. -+b,= s(mod. p).

Daher ist r=s oder r, ,= r,(mod. p), und da diese Öongruenz

für jeden Werth <A gilt, so ist lzr zr,=.-=nr.(mod.p).

Wendet man dies Ergebniss auf eine Gruppe 5 an, deren Ord- nung p’ ist, so ist demnach für eine solche r, , = l(mod. p), und da- mit ist das obige Lemma auch für Gruppen der Ordnung p” bewiesen, falls es für Gruppen der Ordnung p*<p* gilt, es ist also allgemein gültig. Für jeden Werth x ist folglich r, = r,_,. und daher r, = I (mod. p).

Genau auf dieselbe Weise beweist man den allgemeineren Satz:

II. Ist die Ordnung einer Gruppe 9 durch die xte Potenz der Prim- zahl p theilbar, ist 3x und DB eine in 9 enthaltene Gruppe der Ordnung p’, so ist die Anzahl der in 9 enthaltenen Gruppen der Ordnung p*, die durch ® theilbar sind, eine Zahl der Form np +1.

8. 5.

Das in $.4 benutzte Lemma kann man auch in folgender Art beweisen, indem man sich auf den Satz stützt: Jede Gruppe 9 der Ordnung p’ hat eine Untergruppe A der Ordnung p Untergruppe ist stets eine invariante. Seien A und ® zwei verschiedene und sei D ihr grösster

’—1 und eine solche

in 9 enthaltene Gruppen der Ordnung pp” gemeinsamer Divisor. Da A und B invariante Untergruppen von 9 sind, so ist auch D eine solche, und da 5 das kleinste gemeinschaft- liche Vielfache von A und ® ist, so hat D die Ordnung p"”. Mithin 5) D

ist < eine Gruppe der Ordnung p‘. Eine solche hat, je nachdem sie

eine eyklische Gruppe ist oder nicht, 1 oder p+1 Untergruppen der

U B 5 £ Ordnung p, in unserem Falle also p+1, da und a wei verschie-

dene Gruppen dieser Art sind. Demnach enthält 5 genau p+l1 ver- schiedene Gruppen der Ordnung p*", die dureh D theilbar sind.

990 Gesammtsitzung vom 31. October.

Die Gruppe 5 enthält immer eine Gruppe A der Ordnung p. Enthält sie noch eine andere, so hat 5 eine invariante Untergruppe D der Ordnung p’*, die in A enthalten ist, und für welche die Gruppe

=S nicht eine cyklische ist. Seien D,, D,,---D, die sämmtlichen Gruppen dieser Art. Dann giebt es in S ausser A noch p durch D, theilbare Gruppen der Ordnung pP"

(1.) an.

ebenso p durch D, theilbare Gruppen (2.) Mor Mora ser,

u. s. w., endlich p durch D, theilbare Gruppen (3.) Aayp+ı> An-npt2> °** Am -

Die np+1 Gruppen X, U, ,---U,, sind die sämmtlichen in 9 ent- haltenen Gruppen der Ordnung p”"', da jede solche Gruppe ® mit A einen gewissen Divisor D gemeinsam haben muss, der eine der n Gruppen D,,D,:-- D, ist. Sie sind ferner alle verschieden. Denn wäre 4, = W,,,, so wäre U, durch die beiden Gruppen ®, und D, theilbar, also auch durch ihr kleinstes gemeinschaftliches Vielfaches N. Ist D eine in 5 enthaltene Gruppe der Ordnung p”, so kann man auch die oben betrachteten Untergruppen von 9 alle der Bedingung unterwerfen, durch W theilbar zu sein. Ist umgekehrt 9 eine in- variante Untergruppe einer Gruppe V der Ordnung p°, so kann man fordern, dass sie alle invariante Untergruppen von W seien.

Mit Hülfe des Satzes V, ist leicht zu beweisen, dass die An- zahl der Gruppen der Ordnung p’', die in einer Gruppe 9 der Ord- nung p” enthalten sind, nur dann gleich 1 ist, wenn 9 eine eyclische Gruppe ist.

I. Die Anzahl der in einer Gruppe der Ordnung p’ enthaltenen in- varianten Untergruppen der Ordnung p* ist eine Zahl der Form np +1.

Sei 5 eine Gruppe der Ordnung A, sei p* die höchste in A ent- haltene Potenz von p, sei <A und W, irgend eine in $ enthaltene Gruppe der Ordnung p*. Jede Gruppe W, ist in np +1, also in min- destens einer Gruppe W, enthalten. Ich theile die Gruppen W, in zwei Arten. Für eine Gruppe der ersten Art giebt es eine Gruppe W,. von der W, eine invariante Untergruppe ist. für eine der zweiten Art giebt es eine solche nicht. Die Anzahl der mit VD, vertausch- baren Elemente von 9 ist im ersten Falle durch p* theilbar, im zweiten nieht. Die Anzahl der mit W, conjugirten Gruppen ist daher im zweiten Falle durch p theilbar, im ersten nicht. Theilt man also die Gruppen VW, in Classen conjugirter Gruppen, so erkennt man, dass

Frosenivs: Verallgemeinerung des Syrow’schen Satzes. Son

die Anzahl der Gruppen W, der zweiten Art durch p theilbar ist. Folglich ist die Anzahl der Gruppen W, der ersten Art = (mod. p).

II. Ist 9 eine Gruppe der Ordnung p’ und & eine invariante Unter- gruppe von 9, deren Ordnung durch p* theilbar ist, so ist die Anzahl der in & enthaltenen Gruppen der Ordnung p*, die invariante Untergruppen von D sind, eine Zahl der Form np +1.

Sei auch ‚hier allgemeiner p* die höchste Potenz der Primzahl p, die in der Ordnung A von 9 aufgeht. Sei & eine invariante Unter- gruppe von 9, deren Ordnung g durch p* theilbar ist. Die Anzahl aller in © enthaltenen Gruppen W, der Ordnung p* ist = I(mod. p). Ich theile sie in Gruppen erster und zweiter Art (in Bezug auf 5) und weiter in Glassen eonjugirter Gruppen. Ist & durch W, theilbar, so ist & auch durch jede mit W, conjugirte Gruppe theilbar. Daraus ergiebt sich die Behauptung in derselben Weise wie oben. Man kann sie aber auch mit Hülfe der in $. 4 benutzten Methode leicht direct beweisen:

Die Ordnung von 9 sei A=p*. Nach Satz V, $.ı enthält & Elemente der Ordnung p, die invariante Elemente von 9 sind. Sie bilden, zusammen mit dem Hauptelemente, eine Gruppe. Ist p* ihre Ordnung, so ist p“—1 die Anzahl jener Elemente. Nach Satz II, $.ı besteht jede invariante Untergruppe von 9, deren Ordnung p ist, aus den Potenzen eines solchen Elementes. Daher giebt es in &

= en Gruppen der Ordnung p, die invariante Untergruppen von 9 sind. Diese Zahl ist (4.) r = 1 (mod. p). Seien (5.) A,U,, U diese r Gruppen, und seien (6.) BD.

die s in & enthaltenen Gruppen der Ordnung p*, die invariante Unter- gruppen von 9 sind. Sei B eine der Gruppen (6.). Unter den Gruppen (5.) seien U ,Q,,---Q, in B enthalten. Nach (4.) ist dann = 1 (mod. p). Sei X eine der Gruppen (5.). Unter den Gruppen (6.) seien ®,,®,,--®,

®, 8, FE \ durch A theilbar. Dann sind U: U die in U enthaltenen Gruppen

SER £ DER, die invariante Untergruppen von M sind. Nach

der Ordnung p”

der Methode der Induetion ist demnach a = 1(mod.p). Bedient man sich also derselben Bezeichnungen, wie in $. 4, so ist

ler=za,+@,+' +4,=b+b,+:+b=s(mod.p).

992 Gesammtsitzung vom 31. October.

Ich füge noch einige Bemerkungen hinzu über die Anzahl der Gruppen W, der ersten Art, die mit einer bestimmten eonjugirt sind, und über die Anzahl der Classen conjugirter Gruppen, in welche die Gruppen W, zerfallen.

Sei ® eine in 9 enthaltene Gruppe der Ordnung p’, und Q eine invariante Untergruppe von ® der Ordnung p*. Die mit W(O) ver- tauschbaren Elemente von 5 bilden eine Gruppe von W(©) der Ord- nung p(g). Der grösste gemeinsame Divisor von W und © sei die Gruppe N der Ordnung r. Die Gruppen W, O’ und R sind durch ® theilbar. Sei p? die Ordnung des grössten gemeinsamen Divisors von W und einer in Bezug auf 5 conjugirten Gruppe, die so gewählt ist, dass d ein Maximum ist. Dann ist (Über endliche Gruppen, $. 2, VII) n —= 1 (mod.p*°).

Die Gruppe N besteht aus allen Elementen von ©, die mit ® ver- tauschbar sind. Mithin ist auch

u 1(mod.p”).

II

Folglich ist h p

(7-) q =

(mod. p*®).

die Anzahl der Gruppen, die mit Q in Bezug auf 9

2

h Hier ist 9

conjugirt sind, und P_ die Anzahl der Gruppen, die mit Q in Bezug 2 r

auf W eonjugirt sind. Denn die Gruppe N besteht aus allen Elementen von W, die mit Q vertauschbar sind. Die Anzahl der Gruppen einer bestimmten Classe in 5 ist also der Anzahl der Gruppen der ent- sprechenden Classe in W congruent (mod. p"”).

Ferner ist die Anzahl der verschiedenen Classen (in welche die Gruppen V, der ersten Art zerfallen) in 5 der Anzahl dieser Classen in W gleich. Dies ergiebt sich aus dem Satze:

INT. Sind zwei invariante Untergruppen von VW conjugirt in Bezug auf 9, so sind sie es auch in Bezug auf MW.

Seien Q und Q, zwei invariante Untergruppen von W. Sind sie conjugirt in Bezug auf 5, so giebt es in 5 ein solches Element H, dass

(4.) HH —— Q ist. Da O, eine invariante Untergruppe von ® ist. so ist PQH=O eine invariante Untergruppe von

Hase?

Frogenıus: Verallgemeinerung des Syrow’schen Satzes. 993 Mithin ist O’ durch ® und durch W, theilbar. Folglich (Über endliche Gruppen, $.2,VIl) giebt es in ©’ ein solches Element @, dass

EDRR=N,

VHIQ HOV ist. Daher ist HQ = P ein Element von W. Setzt man den Ausdruck H = PQ° in die Gleichung (4.) ein, so erhält man, da Q mit O ver- tauschbar ist,

also

POP=QOQ=08.

Es giebt also in W ein Element P, das O, in OD transformirt.

Man theile nun die in 5 enthaltenen Gruppen VW, (der ersten Art) in Classen conjugirter Gruppen (in Bezug auf 5), und wähle aus jeder Classe einen Repraesentanten. Ist Q, ein solcher, so ist Q, eine Gruppe der Ordnung p*, die in einer gewissen Gruppe W, als invariante Unter- gruppe enthalten ist. It ’WH=NW, so it H'QH=OD eine in- variante Untergruppe von W. Man kann also die Repraesentanten der verschiedenen Classen so wählen, dass sie alle invariante Untergruppen einer bestimmten Gruppe ® der Ordnung p* sind. Jede invariante Untergruppe der Ordnung p* von W ist dann einer dieser Gruppen in Bezug auf 5, also auch in Bezug auf W, conjugirt. Die invarianten Untergruppen W, von VW mögen zerfallen in s Classen von Gruppen, die in Bezug auf W eonjugirt sind. Dann zerfallen auch die Gruppen W, der ersten Art von 5 in s Classen von Gruppen, die in Bezug auf 9 eonjugirt sind.

Ausgegeben am 7. November.

Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei,

995

1895. XLIN. SITZUNGSBERICHTE KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN.

7. November. Sitzung der philosophisch -historischen Classe.

Vorsitzender Secretar: Hr. VAHLEn.

Hr. Coxze las über den ionischen Tempel auf der Theater- terrasse von Pergamon‘.

Die Mittheilung wird in einem der nächsten Hefte erscheinen.

Hr. Diers legt von den Commentaria in Aristotelem Graeca vol. IV pars 4 Ammonius in Aristotelis categorias commentarius. Ed. A. Busse

enthaltend vor. .

Ausgegeben am 14. November.

Sitzungsberichte 1895. 88

StreR BEE r Bu

Ü nn BE Er i = U A8

Rn 0 Km nn 2.7

u j

>

"u

RD HAAR RR rg

Es "enden OS ur ie: b

Be:

B- W Pr: - r

BETONT BRETT DIE VTABRDTT IE Due BG IT E FI ITmE LER T 17 TE Haie -

- _ u

j rd a anehe TINTE; i 2 . g \r al a gror RETTET Ih, na. 0 j ' ER: F = a u a IN, R urı2ı7 I a: no n - R R ICh 2 I: ai? + EA, ur Bar rule ZI

h 3) Pi I Haar ae RAT S v Er - 2: j « N h AT; g rin) TR BETIET y N m a a E

in fi

397

1895. XLIV.

SITZUNGSBERICHTE

DER

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN.

7. November. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe.

Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers.

l. Hr. Krrın trug eine später in diesen Berichten zu veröffent- lichende Mittheilung vor: Ein Universaldrehapparat zur Unter- suchung von Dünnschliffen in Flüssigkeiten.

2. Hr. Warprver legte die umstehend folgende Mittheilung vor: Über die Poren der normalen Lungenalveolen, von dem Privat- docenten an der hiesigen Universität und Proseetor am Städtischen Krankenhaus Friedrichshain Hrn. Dr. D. Hansemann.

3. Hr. v. Bezorn überreichte die neue Veröffentlichung des Kgl. Meteorologischen Instituts: »Ergebnisse der Niederschlagsbeobachtun- gen im Jahre 1893.«

88*

BEN E

>

j

k a URS Fu Pr F i 1% -% (4 i

ae lR &

P

“£.

ae?) 8 f 7

Male

u“

* a

1 il MEN: \ I 3 f Mi 1 iZX ’r EI TEN i ER Tall Fer, „und Iren. + it ir - nt (NEDIIRIEE 5

Br

ri MER

399

Über die Poren der normalen Lungenalveolen.

Von Dr. Davın HansEmann,

Privatdocent und Proseetor am Krankenhaus Friedrichshain zu Berlin.

(Vorgelegt von Hrn. WALpever.)

Hierzu Taf. IV.

ia Jahre 1893 wurde dureh H. N. Kons' die merkwürdige Entdeckung gemacht, dass bei der fibrinösen Pneumonie die Fibrinfäden von einem Alveolus in den andern durch die Septa hindurchtreten und dass auch bei einer nachfolgenden Organisation das wuchernde Bindegewebe durch Kanäle von einem Alveolus in den andern wächst. Er lässt es dahingestellt, ob diese Kanäle normale vorgebildete Stomata sind, oder durch einen pathologischen Process gebildet werden, neigt aber zu der letzteren Ansicht.

Hauser”, unter dessen Leitung die Arbeit Konv’s entstand, tritt entschieden für die Ansicht ein, dass die Stomata normale Gebilde seien und bezeichnet sie als Konv’sche Porenkanäle.

Rısgert” bestätigt die Thatsache, glaubt aber, dass die Poren- kanäle dadurch zu Stande kommen, dass bei der Entzündung die Alveolarepithelien abfallen und dadurch die Möglichkeit einer Perfo- 'ation der Wandungen gegeben sei. In demselben Sinne äusserte er sich auf der Naturforscher-Versammlung zu Nürnberg 1593, sowie in den Arbeiten seiner Schüler Hersıs und Bezzora.‘

Zuletzt kam die Frage zur Verhandlung in der Berliner mediei- nischen Gesellschaft am 30. Januar 1895. Hier äusserte sich auch Vırcnow° zur Sache wie folgt: »Ich will das glauben, wenn Hr. Konn uns beweist, dass die Löcher in den Alveolen nieht vorher da waren, ehe die Pneumonie eingetreten ist. Was er von dem 'Durchwachsen’ des Fibrins durch die Wandungen erzählt, ist ein wenig stark. Aber

! Münch. med. Wochenschr. 1893 Nr. 3.

? Ziester's Beiträge Bd. XV S. 527. Münch. med. Wochenschr. 1893 Nr. 8. 3 Fortschritte d. Med. Nr. 10 1894.

* Vırcnow’s Archiv Bd. 136 S. zır und 345:

° Berl. klin. Wochenschr. 1895 Nr. 6.

1000 Sitzung der physikalisch - mathematischen Classe vom 7. November.

ich will einmal den Fall setzen, es möchte so etwas vorkommen, so müsste doch für den einzelnen Fall demonstrirt werden, dass Commu- nicationen zwischen den Alveolen vorher nicht da waren, sondern dass sie erst im Laufe der Entzündung entstanden sind. Das, glaube ich, wird er schwer beweisen können. Dagegen möchte ich ihn darauf verweisen, dass auch geringe Grade von Emphysem solche Commu- nicationen zeigen. «

Es liegt also die Frage vor, ob normaler Weise Porenkanäle die Lungenalveolen verbinden, oder ob diese erst durch pathologische Processe gebildet werden. Menschliches Leichenmaterial ist zu solchen Untersuchungen nicht einwandsfrei zu verwerthen, da geringfügige pathologische Processe fast stets vorhanden sind und durch Fäulniss die Alveolarepithelien sehr leicht zerstört werden.

Ich habe deshalb Injectionsversuche von der Trachea aus an den Lungen von Ratten, Meerschweinchen und Kaninchen vorgenommen. Solehe Injeetionsversuche gelingen nur, wenn die Lungen vorher luft- leer gemacht werden.

Wie Herrmann! nachgewiesen hat, kann man eine Lunge atelek- tatisch machen, indem man sie mit Kohlensäure auswäscht, worauf dann die Kohlensäure durch das Lungengewebe resorbirt wird. Ich modifieirte den Hermann’schen Versuch in der Weise, dass ich nicht die herausgeschnittene Lunge mit Kohlensäure füllte, sondern das lebende Thier unter eine Glasglocke brachte, in die Kohlensäure ein- geleitet wurde, bis der Tod des Thieres eingetreten war. Wenn man dann die Lunge herausschneidet, so wird sie nach kurzer Zeit fast vollständig atelektatisch und zeigt keinerlei pathologische Veränderung.

Die Injection erfolgte von der Trachea aus mit einer Lösung wasserlöslichen Berliner Blaus und Zusatz von Gelatine unter einem möglichst geringen Druck, so dass die Alveolen nicht über das nor- male Maass ausgedehnt werden. Ist die Gelatine durch Abkühlung erstarrt und untersucht man frisch, so findet man die Alveolen mit der Masse erfüllt, die sich an die Wandungen eng anschmiegt. Da- durch sind Verbindungen zwischen den Alveolen nicht sichtbar. Wenn man aber zu solchen Praeparaten absoluten Alkohol zusetzt, so wird das überschüssige Wasser der Injectionsmasse extrahirt, sie zieht sich von den Wandungen etwas zurück und lässt nun sehr eigenthümliche Bilder erkennen. Man kann den Process unter dem Mikroskop ver- folgen, und sehen, dass dabei sonstige Kunstproducte nicht auftreten. Die in Alkohol gehärteten Praeparate können noch deutlicher gemacht

' Über den atelektatischen Zustand der Lunge und dessen Aufhören bei der Geburt. Prrüser’s Archiv Bd. XX 1879.

Sützungsber d. Bert. Akad.d. Wiss. 1895. TarIV:

Zeiss De.4. Oby. 0.

Fig. 2.

Ölimmerstion

Hansemann: Veber die Poren der normalen lungenalveolen

Hansemansn: Über die Poren der normalen Lungenalveolen. 1001

werden, indem man sie nach der van Gızson schen Methode mit Säure- fuchsin-Pikrinsäure färbt. Dann nehmen die Injeetionsmassen eine fast schwarze Beschaffenheit an, wodurch auch die feinsten Fäden der- selben deutlich sichtbar werden. Die Schnitte wurden durch Ein- bettung in Photoxylin gewonnen, das sich kaum mitfärbt und nach- her durch absoluten Alkohol entfernt wird.

An den Praeparaten (s. die Abbildungen) sieht man nun Folgen- des. Die Alveolen sind erfüllt mit der Injeetionsmasse, die durch die Schrumpfung meist unregelmässig sternförmige Gestaltung angenom- men hat. Überall läuft dieselbe in dünne Fäden aus, die durch die Alveolarwandungen treten und mit der Masse der benachbarten Alveo- len in Verbindung stehen. Oft sieht man ein oder zwei solche Verbin- dungen zwischen den Alveolen, häufig aber viel mehr, bis zu sechs neben einander. Man kann sich durch Drehung der Mikrometerschraube bei stärksten Vergrösserungen mit vollkommener Sicherheit überzeugen, dass die Verbindungsfäden durch die Wand der Alveolen hindurch- treten und nicht etwa über oder unter dem Praeparat verlaufen. Auch kann man an günstig gelegenen Stellen den optischen Querschnitt der Stomata sehen, und sich überzeugen, dass hier Lücken der Wand be- stehen, wahrscheinlich in der Weise, dass Fortsätze der Epithelzellen durch diese Stomata hindurchtreten und mit den Zellen des andern Alveolus in Verbindung treten.

Dadurch ist nachgewiesen, dass in den Lungen der vorgenannten Versuchsthiere Verbindungen zwischen den Alveolen normaler Weise bestehen, und wenn man diese Thatsache mit den Befunden menschlicher Pneumonie vergleicht, so muss man zu der Überzeugung kommen, dass auch beim Menschen die Stomata normale Gebilde sind, die nicht erst durch den pathologischen Process zu Stande kommen.

Der Nachweis solcher Einrichtungen muss für das Verständniss der pathologischen Processe von grosser Wichtigkeit sein. Einmal ver- steht man, dass Entzündungsprocesse von einem Alveolus in den andern übergehen können, ohne wesentliche Veränderung der Wandungen und ohne den Umweg durch die Broncheolen zu nehmen. Dann aber er- klären sich die von Vırcnow erwähnten schon frühzeitig auftretenden Verbindungen der Alveolen bei Emphysem als eine mechanische Er- weiterung der normalen Stomata, so dass die Rareficationen, die man in ausgebildeten Fällen von Emphysem findet, erst in späterer Zeit hinzutreten und nicht den primären Process darzustellen brauchen.

Ausgegeben am 14. November.

Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei.

j

Ei 2433 \ PR i ; be Ki Pu | EHE ol Mr Aa

} 7 = i

E AT ATOHEN - AR Org = Ar N Re EN fe: HASTE NONE Sun ee Dur Tu anni Un AuLEe (Pt Kun ur TI Ser ) hir rn: AN si aha Ti BTIA WAS .. Due c: =: Dart RSNOrE EL Te NakalT RM url ıe ‚rc i nt en! MARIN ee u er Dorn a ri a RAR EIERN FU IEEN u <a TEE IE EI E AL ET D Ko NETT “e Fi Erg wu Pe he rn MT, Me hp arear EEE . i e rl TH IRA A RT

vr N en. J ER KRRE AOF In ER h MN nn. he Ton AAN Hrn Tee RE FE \ ArTTIRUE De ZT SEE A IE 7 9, uns j len eV) I KRAFT Bu; h=; A a“ « NEE IT et 7 and wäh

saar i ' ! mi ind WIRT nr

- P ; , fi * = Br vun an zn Wi SU 1) Nm Bien ar br

& Ki &

na ARD VA

| | hr di zn, Kr EL TEE

4 r. .

> Fran 2 Buy “rk min rs & F , IR { r ji Ir Nuke 1897 ITIEFaR I 1) x a » = TA

- u WP Y. il) 18 un AT BD R - = seen ; f m»; re =) MR hut au

i 7 t ar vi wi MED ZART eu fi > ı b a ERTL HK nl a

. . we ? . 307 i ıyy‘ Dr Mren he 2 e IR ARTE KEE In R j ö al Sue, Baunia 2 + AN i:y ie u ur an Pe;

alrE Bir ua y

n. ! in aa nern u re IE, f ubkst sr Aa Eureıns he tk Ta Tal ar DH En 5 j | 7 j Verne IND

or ENTE Dan arts n

1003

1395. XAÄLV.

SITZUNGSBERICHTE

DER

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN.

14. November. Gesammtsitzung.

Vorsitzender Secretar: Hr. E. pu Boıs-Revmonpv.

l. Hr. Mösıs las über die aesthetische Betrachtung der Thiere.

2. Hr. Frogenıvs legte eine Mittheilung des Hrn. Prof. Kurr HenseL vor über die Verzweigung der drei- und vierblätterigen Rır- mann schen Fläche.

3. Hr. Lanporr legte eine Mittheilung des Hrn. Prof. GoLpstEın vor über die durch die Kathodenstrahlen hervorgerufenen Färbungen einiger Salze.

Die Mittheilungen ı und 3 folgen hier, die 2 wird im nächsten Stück erscheinen.

Sitzungsberichte 1895. 89

I yo

rt PRBaNd EHI, Si

m. wer NE

k Wach vun Aue = tabu TE \ sh nie Bit 4 DEE ENT =

En Er i I en Er Er Dar Ha;

%

N SUR 17% - Pi Y Pa ee;

VEREIN DINDE EARÄT. L u %

e DRS ITS a re

Pin, ray a TER 2 /ES u PET 22 sulnrdndE ri N > 5 8 i N

res ART use ee —>

5 ua ee Bil na an BEE N In in ID a A A Ei er a Tee RE : ERS ee:, rukl HIITENB ah u sn AR he | ih PIeanı' ‚ssA Bl Zar ahly.

FETTE as

1005

Die aesthetische Betrachtung der Thiere.

Von K. Mößgıvs.

1. Zoologen und Nichtzoologen sprechen von schönen und hässlichen Thieren.

Aıs Hr. F. EıLnuarp ScnurzE am 30. December 1892 der Akademie Be- schreibungen von Hexaetinelliden aus dem indischen Ocean vortrug, äusserte er seine Befriedigung nieht allein über die Erweiterung seiner Kenntnisse durch die Untersuchung dieser Sschwämme, sondern auch über den Genuss, den ihm die Betrachtung ihrer schönen äusseren Formen und ihrer zierlichen Kieselgebilde bereitet hätte. .

Die Schönheit der Coelenteraten rühmen fast alle Zoologen, welche ihnen Abhandlungen widmeten. So sagt E. Harcrer im Vor- wort zu den Acraspeden des Systems der Medusen: »Niemals werde ich das Entzücken vergessen, mit welchem ich die erste Tiara und Irene, die erste Chrysaora und Cyanea beobachtete und ihre prächtigen Formen und Farben mit dem Pinsel wiederzugeben versuchte«.

In der Einleitung seines Werkes über die Ctenophoren des Golfes von Neapel schreibt C. Cuun: »Wird nicht »»die Freude, die Natur in ihrem Schaffen zu ergründen, sobald man es versteht, den Ursachen nachzuspüren und über die Erscheinungswelt nachzudenken « « (Arist., De part. anim. I. 5) verdoppelt, wenn das Object der Unter- suchung so freigebig den Zauber zur Schau trägt, womit es fast über- reichlich ausgestattet ist. So haben denn die Rippenquallen seit ihrer Entdeckung sich in hervorragendem Maasse der am Meeresstrande weilenden Forscher zu erfreuen gehabt und keiner hat es versäumt, mit beredten Worten diese zartesten Meisterwerke der Natur zu preisen, ehe er den Ton nüchterner Darstellungsweise anschlug«.

Von den Korallenriffen sagt W.K.Brooxs:' »Keine Beschreibung ist fähig, eine Vorstellung von der Schönheit und Pracht der Korallen- gärten zu geben. Wundervolle Fische, schwarz, goldgelb und kobalt- blau, schweben gleich Vögeln zwischen gelben und lilafarbigen Gorgonien«.

' Studies from the Biol. Labrat. Baltimore 1893. p. 130.

1006 Gesammtsitzung vom 14. November.

Viele Konchylien, Inseeten und Vögel werden wegen ihrer Form und prächtigen Farbe als schöne Thiere bewundert; unter den Säugethieren werden das Pferd und der Löwe wegen ihrer Schön- heit seit Jahrtausenden gepriesen und nachgebildet.

»In ihrer heimischen Wildniss gesehen«, sagt F. SrtunLmann,' »bieten die Elephanten riesenhafte, imposante und prächtige Er- scheinungen. Sie von Weitem zu beobachten, wie sie vorsichtig und ruhig einherschreiten, bald den Rüssel hoch erhebend, und mit den Ohren klappend, bald Zweige und Grasbüschel abrupfend, ist für jeden Naturfreund ein hoher Genuss. «

Viele Thiere wirken abstossend auf die meisten Menschen und gelten ihnen deswegen für hässlich, z. B. Spinnen, 'Tausendfüssler, Kröten, Schlangen, Krocodile u. A.

Die aesthetische Auffassung der Thiere ist also sehr verbreitet. In den meisten Schriften über das Schöne und Hässliche in der Natur werden auch Betrachtungen über thierische Schönheit und Hässlich- keit angestellt; doch habe ich in keinem Werke über Aesthetik Untersuchungen gefunden, welche auf anschauliche Kenntnisse der mannigfaltigen Formen, Farben und Bewegungen von Thieren aller Classen gegründet worden wären. Wenn Aesthetiker von Fach ein- zelne Thiere betrachten, so dienen sie ihnen gewöhnlich nur als Bei- spiele für Gedanken allgemeinerer Geltung über das Schöne und Hässliche in der Natur. Den vorzugsweise litterarisch und philo- sophisch gebildeten Verfassern aesthetischer Schriften fehlten zu- reichende Anschauungen für eine auf den ganzen Formenreichthum der Thierwelt eingehende Thier-Aesthetik. Dazu muss man Zoolog mit aesthetischen Neigungen sein, lebende Thiere aller Classen beobachten und eine reichhaltige Thiersammlung zu Vergleichungen benutzen können.

2. Die Thier-Wissenschaft hat andere Aufgaben als die Thier-Aesthetik.

Das Ziel der Zoologie ist die möglichst vollkommene Kenntniss der äussern Form, des inneren Baues, der Entwickelung und der Lebensbedingungen aller erreichbaren Thierarten. Die Ergebnisse der vielseitigen, zur Erreichung dieses Zieles angestellten Untersuchungen liefern Merkmale für die Begriffe der Varietäten, Arten, Gattungen, Familien und Ordnungen aller Thierclassen, welche die Grundlage für alle classificatorischen und speculativen Thiersysteme bilden. Diese

! Mit Emin in’s Herz von Africa, Berlin 1894. 279.

Mörıvs: Die aesthetische Betrachtung der Thiere. 1007

Systeme werden aber niemals der Natur vollkommen entsprechen, weil nieht sämmtliche Thierindividuen aller Gebiete und Zeiten auf alle Lebenseigenschaften und Lebensbedingungen erschöpfend unter- sucht werden können. An die beste wissenschaftliche Beschreibung einer jeden Thierform heftet sich daher das Verlangen nach noch weiterer, mehr befriedigender Erkenntniss.

Mit diesem nimmer gestillten Verlangen ist die aesthetische Be- trachtung der Thiere nicht behaftet. Den Rhizopodenforscher fesseln die Bewegungen der Pseudopodien, ehe er sie erklären kann; den Spongiologen erfreuen die zierlichen Formen der Kieselgerüste der Schwämme, ehe er weiss, wie sie sich bilden; der Ötenophorenforscher verfolgt mit Entzücken das Spiel der Wimperkämmehen, ehe ihm die Mechanik ihrer Bewegungen klar ist; der Conchyliolog betrachtet mit Vergnügen die Gestalten und Farben seiner Schnecken und Muscheln, obgleich ihm die chemischen und physiologischen Vorgänge bei ihrer Bildung gar nicht oder nur unzureichend bekannt sind: den Jäger ergötzt das Spiel des Birkhahnes und die lauschende Stellung des Rehbockes ohne genaue Kenntniss der Muskeln, welche diese Bewe- gungen ausführen.

Sobald wir ein Thier ruhig geniessend betrachten, treten wir aus der Sphaere wissenschaftlicher Betrachtung in die Sphaere der aesthetischen Anschauung desselben ein. Während dieser sind wir frei von dem Bewusstsein unserer mangelhaften Kenntniss desselben. Wir geniessen es mit einem male so inhaltreich, wie wir es wahr- nehmen und kennen, und fragen dabei nicht nach noch unbekannten und unerklärten Eigenschaften desselben, die wir doch nie alle voll- ständig erkennen werden.

»Ein ächtes Kunstwerk «, sagt Gorrne,' »bleibt wie ein Naturwerk für unseren Verstand immer unendlich; es wird angeschaut, empfun- den; es wirkt, es kann aber nicht eigentlich erkannt, viel weniger sein Wesen, sein Verdienst mit Worten ausgesprochen werden. «

»Neben dem Wissen«, sagt Hermnortz,” »welches mit Begriffen arbeitet, und deshalb des Ausdrucks in Worten fähig ist, besteht noch ein anderes Gebiet der Vorstellungsfähigkeit, welches nur sinnliche Eindrücke eombinirt, die des unmittelbaren Ausdrucks durch Worte nicht fähig sind. Wir nennen es im Deutschen Kennen. Dieses Kennen (eines Menschen, Weges u. A.) kann den allerhöchsten Grad von Bestimmtheit und Sicherheit haben, und in dieser Beziehung

! Über Laokoon (1797). Sämmtliche Werke. Stuttgart und Tübingen. 1854. Bd. 30 S. 305.

2 In: Die neueren Fortschritte in der Theorie des Sehens. Popul. wissenschaftl. Vorträge. III. Gesichtswahrnehmungen. 2. Heft, 1871, S. 92.

1008 Gesammtsitzung vom 14. November.

hinter keinem in Worten ausgedrückten Wissen zurückstehen. Aber es ist nieht direet mittheilbar, wenn nicht das betreffende Object zur Stelle geschafft oder dessen Eindruck anderweitig nachgeahmt werden kann. Dies sind psychische Thätigkeiten, von denen bisher in wissen- schaftlichen Untersuchungen wenig die Rede gewesen ist, weil es schwer hält, in Worten von ihnen zu reden. Am meisten sind sie noch in aesthetischen Untersuchungen berücksichtigt worden, wo sie als »»Anschaulichkeit««, »»sinnliche Verständlichkeit««, »»unbewusste Vernunftmässigkeit«« und in ähnlichen halb- dunklen Bezeichnungen eine Rolle spielen. Es steht ihnen das sehr falsche Vorurtheil entgegen, dass sie unklar, unbestimmt, nur halb bewusst vor sich gingen, dass sie als eine Art rein mechanischer Operationen dem bewussten, durch die Sprache ausdrückbaren Denken untergeordnet seien. Ich glaube nicht (schliesst Hrımnortz), dass in der Thätigkeit ein Unterschied zwischen den ersten und den letzten nachgewiesen werden kann.«

Wenn wir alle uns bekannten Eigenschaften einer Thierspecies in unserer Phantasie als anschauliche Einheit zusammenfassen, doch nicht so, dass nach und nach das Ganze aus den einzelnen Merk- malen aufgebaut wird wie in der Wissenschaft, sondern so, dass wir das Ganze mit allen seinen Theilen gleichsam vor uns sehen, so geniessen wir aesthetisch, nicht wissenschaftlich.

Jede Erweiterung und Vertiefung unserer Kenntnisse der äusseren Form, des inneren Baues, der Entwickelung und Lebensweise einer Thierspecies liefert uns neue Grundlagen für einen reicheren aesthe- tischen Genuss derselben. Dieser knüpft sich an die Phantasiebilder, die wir uns von dem Habitus der Species entwerfen, d.h. von dem Gesammteindruck, den die vereinigten wesentlichen Eigenschaften normal ausgebildeter Individuen der Species auf uns machen. .

Wollen wir den uns bekannten Habitus eines Thieres bildlich oder plastisch darstellen, so müssen wir ihm individuelle Züge geben, ohne welche selbst die einfachste Umrisszeichnung nicht auszuführen ist. Wenn Zoologen ihren Schriften Abbildungen beifügen, gehen sie also über die Grenzen der begrifflich erkenn- und darstellbaren Ge- setze der thierischen Natur hinaus in das Gebiet des aesthetisch an- schaulichen Individuellen, nicht zum Nachtheil der wissenschaftlichen Belehrung, sondern zur Erleichterung des Verständnisses der Beschrei- bungen und zur Erhöhung der Freude an wissenschaftlicher Arbeit.

Wissenschaftlich denkend, sind wir vorwiegend Verstandes- menschen, aesthetisch betrachtend, ganze sinnlich-geistige Menschen. Wenn Thiere, Pflanzen, Landschaften oder das Meer als anschauliche Erscheinungen auf uns einwirken, so erheben sie uns aesthetisch; von

Mösıus: Die aesthetische Betrachtung der Thiere. 1009

ihnen gilt dann dasselbe, was GoETHE über den Werth der Kunstwerke sagt:' »Der Mensch ist ein Ganzes, eine Einheit vielfacher, innig ver- bundener Kräfte und zu diesem Ganzen muss das Kunstwerk reden, es muss dieser Einheit, dieser Mannigfaltigkeit in ihm entsprechen. « Und weiter: »Der menschliche Geist befindet sich in einer herrlichen Lage, wenn er einen Gegenstand erhebt und von ihm erhoben wird. Der Gattungsbegriff lässt ihn kalt; das Ideal erhebt ihn über sich selbst. Was würde aus diesem Zustand werden, wenn die Schönheit nicht einträte und das Räthsel glücklich löste. Ein schönes Kunst- werk ist eine Art Individuum, das wir mit Neigung umfassen. «

Aesthetischer Genuss versetzt uns in gehobene Stimmung; wir fühlen die ganze Fülle unserer Kräfte und Fähigkeiten und machen Entwürfe für frohe Bethätigung derselben.

Wie Bildnisse und Statuen von Menschen in uns Vorstellungen von lebendigen Menschen erwecken den Stellungen und Farben ge- mäss, durch welche die Künstler ihre Ideen darstellten, so denken wir in jede Thierform Gefühle, Strebungen und Erinnerungen hinein, welche ihrer Organisationsstufe entsprechen. Thiere höherer, der menschlichen Natur verwandter Bildung sind Objeete von höherer psychischer Bedeutung, als Thiere niederer Ölassen, und deshalb auch aesthetisch wirkungsvoller, als niedere Thiere. Je niedriger die Thiere organisirt sind, desto weniger menschenähnliche Gefühle und Stre- bungen messen wir ihnen bei, und das aesthetische Wohlgefallen, wel- ches sie hervorrufen, entspringt dann hauptsächlich aus -der Wahr- nehmung der Regelmässigkeit ihres Körpers, der Schönheit ihrer Farben und Bewegungen.

Mangeln genauere Kenntnisse über die äussere Form, den in- neren Bau und die Lebensweise eines beurtheilten Thieres, so können irrige Vorstellungen über schädliche und widerliche Eigenschaften des- selben die rein aesthetische Beurtheilung seiner Gestalt, Bewegung und Färbung sehr stören. Von solchen irrigen Vorstellungen beherrscht, finden viele Menschen schöne Quallen, Nacktschnecken, Spinnen, Frösche, Schlangen, Eidechsen hässlich.

3. Psychologische Grundlagen der aesthetischen Betrachtung der Thiere.

Wenn wir einen Menschen, ein Thier, eine Pflanze erblicken und sie auf den Grad ihrer Schönheit ansehen, so tauchen in uns Bilder früher angeschauter Individuen derselben Species auf; mit

! In: Der Sammler und die Seinigen (1799). Sämmtliche Werke in 40 Bänden. Stuttgart und Tübingen. 1854. Bd. 30 S. 360 u. 363.

1010 Gesammtsitzung vom 14. November.

diesen vergleichen wir das vor uns erscheinende Individuum und urtheilen nun, ob es uns mehr oder weniger gefällt als jene Erin- nerungsbilder. Wir messen also den Schönheitsgrad angeschauter In- dividuen nicht mit einem bestimmten unveränderlichen Vorbilde, son- dern mit einem Maasse, welches sich nach unsern Erfahrungen ändert. Da auffallend schöne und auffallend hässliche Menschen und Thiere auf uns einen stärkeren Eindruck machen, als gewöhnliche Indivi- duen, so prägen sie sich unserm Gedächtnisse besonders scharf und fest ein und liefern daher vorzugsweise die Grundlagen 'zu unsern ideellen Maassen des Schönen und Hässlichen.

Unübertrefflich vollkommene Ideale schöner Menschen, schöner Thierarten, schöner Pflanzenformen, schöner Landschaften, schöner Kunstwerke giebt es nicht in der Natur und auch nicht in der Ge- dankenwelt.

Wenn ein Maler, ein Bildhauer einen schönen Menschen, ein schönes Thier darstellt, so versinnlicht er ein Ideal, das er in sich aus eigenen oder beschriebenen Anschauungen wirklicher Menschen oder Thiere gebildet hatte.

»Indem der Künstler«, sagt GorTHE', »irgend einen Gegenstand der Natur ergreift, so gehört dieser schon nicht mehr der Natur an, Ja man kann sagen, dass der Künstler ihn in jedem Augenblicke er- schaffe, indem er ihm das Bedeutende, Charakteristische,, Interessante abgewinnt, oder vielmehr erst den höheren Werth hineinlegt. Auf diese Weise werden der menschlichen Gestalt die schöneren Pro- portionen, die edleren Formen, die höheren Charaktere gleichsam erst aufgedrungen, der Kreis der Regelmässigkeit, Vollkommenheit, Bedeutsamkeit und Vollendung wird gezogen. «

Schön, hässlich ist ein Thier nicht an sich, sondern erst für den, der es wahrnimmt.

Thiere können auch auf andere Thiere anziehend oder abstossend einwirken, diesen also gewissermaassen auch schön oder hässlich er- scheinen. In höheren Thieren treten vielleicht Anfänge aesthetischen Wohlgefallens auf, wenn sie Individuen des anderen Geschlechts ihrer Art oder ihre spielenden Jungen erblicken.

Die Verhältnisse der Länge, Breite und Höhe verschiedener Kör- pertheile einer Menschenrasse, einer Thierspeecies liefern gewisse Grund- lagen für den aesthetischen Eindruck derselben, sind aber keineswegs die alleinigen Eigenschaften, aus denen ihr Wohlgefallen oder Miss- fallen entspringt. Wenn wir in den Gliederungen eines uns gefallenden

! Einleitung in die Propylaeen (1798). Sämmtliche Werke in 40 Bänden.

Stuttgart und Tübingen. 1854. Bd. 30 S. 290.

Mösıvs: Die aesthetische Betrachtung der Thiere. 1011

Thieres gewisse mathematische Verhältnisse nachweisen, so betrachten wir es von einem bestimmten Standpunkte aus wissenschaftlich, geben aber dadurch noch keine Erklärung der aesthetischen Gesammtwir- kung aller wahrgenommenen Eigenschaften des Thieres. Wer den wohlgefälligen Eindruck eines Menschen oder Thieres dadurch erklärt zu haben glaubt, dass er in ihrem Bau die Verhältnisse des goldenen Schnittes nachweist, der sieht ab von deren übrigen, ihre Schönheit mit bedingenden Eigenschaften, nimmt sie also nicht als die ganzen einheitlichen Erscheinungen, als welche sie gerade aesthetisch wirken.' Wären die Längenverhältnisse der Körpertheile des Menschen und schöner Wirbelthiere die zureichende Grundlage ihrer Schönheit, so müsste diese in deren gesäuberten Skeletten noch deutlicher und ein- drücklicher hervortreten, als in den durch Muskeln und Haut ver- hüllten Knochen, von deren Grösse, Form und Verbindung die Maasse der Weichtheile abhängig sind. Hat man im Bau eines Pferdes Ver- hältnisse des goldenen Schnittes gefunden, als es jung und schön war, so wird man sie an ihm auch noch finden, wenn es alt und hässlich geworden ist. Schönheit braucht nicht durch Maassstab und Zirkel aufgedeckt zu werden, sie wird unvermittelt wahrgenommen.

Durch Vereinigung gesetzmässiger Eigenschaften, welche durch wissenschaftliche Untersuchungen an Menschen und Thieren festgestellt werden können, lassen sich keine Kunstwerke herstellen, welche wirk- lichen Menschen und Thieren entsprechen, denn »das Denken beschäftigt sich«, wie Lotze sagt’, »nur mit den ewig bestehenden und bestän- digen Verhältnissen der Dinge, nicht mit der Wirklichkeit und mit dem, wodurch diese ewig mehr ist, als die Welt der Gedanken. «

Wirklichen Menschen und Thieren entsprechende Kunstwerke kann ein Künstler nur schaffen, wenn er die specifischen Eigenschaften, welche er an natürlichen Individuen wahrgenommen hat, mit individueller Prä- gung darstellt.

Auch ist es nach Hermnorrz” »eine wesentliche Bedingung, dass der ganze Umfang der Gesetzmässigkeit und Zweckmässigkeit eines Kunstwerkes nicht durch bewusstes Verständniss gefasst werden könne. Eben durch den Theil seiner Vernunftmässigkeit, welcher nicht Gegen- stand bewussten Verständnisses wird, behält das Kunstwerk für uns das Erhebende und Befriedigende; von ihm hängen die höchsten Wir-

! Über den aesthetischen Werth des goldenen Schnittes handeln: A. Zeısıns, Morphologische Studien. In: Zeitschr. f. Philos. u. philosoph. Kritik von Fıcare, Urrıcı und Wırrn. Nene Folge, Bd. 51 u. 52, Halle 1867 u. 1868. R. Sevoer, Das. Bd. 51.— F. X. Preırer, Der goldene Schnitt und dessen Erscheinungsformen in Mathematik, Natur und Kunst. Augsburg 1885.

® Metaphysik. Leipzig 1379. S. 149.

° Die Lehre von den Tonempfindungen. 4. Ausgabe. 1877. 3. Abth. S. 591.

1012 Gesammtsitzung vom 14. November.

kungen künstlerischer Schönheit ab; nieht von dem Theile, welchen wir vollständig analysiren können.« Diese Gedanken, welche Hrın- Hnorrz in dem letzten, » Beziehungen zur Aesthetik« überschrie- benen Abschnitte seiner »Lehre von den Tonempfindungen« aus- spricht, haben nicht bloss für Tonkunstwerke Geltung, sondern für das Schöne in der Kunst und Natur überhaupt.

4. Die Grundeigenschaften des Schönen in Beziehung zur aesthetischen Betrachtung der Thiere.

Allen aesthetischen Urtheilen über sichtbare Naturkörper und Kunstwerke liegt die Kenntniss der allgemeinen Eigenschaften der Körper und der geradlinigen Verbreitung des Lichts zu Grunde. Jeden Gegenstand, auf den wir unsern Blick heften, finden wir ausgedehnt nach beiden Seiten einer senkrechten Ebene, die wir mitten zwischen die Blieklinien unserer Augen setzen. Diese Scheidungsebene der an- geschauten Körper stellen wir uns deshalb senkrecht vor, weil wir unsere eigene Körperlast in dieser Richtung fühlen‘. Gegenstände, welehe nach beiden Seiten der senkrechten Ebene gleiehwerthig er- scheinen, machen einen wohlgefälligen Eindruck (Symmetrie).

In der Symmetrie der Gestalten und Zeichnungen der Thiere erkennen wir mit einem Blicke gesetzmässig wirkende innere Bezie- hungen. Die mühelose Wahrnehmung gesetzlich wiederkehrender Er- scheinungen bereitet uns aesthetischen Genuss. Dies gilt auch für die von Thieren ausgeführten Bewegungen. Sie gefallen, wenn sie sich in derselben Richtung und Geschwindigkeit wiederholen.

Die Gliederung in der Richtung der Hauptachse eines Thieres gefällt, wenn die Zahl der Abschnitte mühelos zu übersehen ist. Drei gleichgrosse Abschnitte erscheinen daher schöner, als eine grössere Anzahl schwerer gesondert wahrzunehmender Abschnitte. Ungleiche Grösse macht die Abschnitte wohlgefälliger, weil der grössere Ab- schnitt den Blick mehr anzieht, als die kleineren, und dadurch zur Grundlage einer einheitlichen Vorstellung des ganzen Thierkörpers wird. Auch eine regelmässige Zunahme der Grösse ähnlicher Abschnitte eines Thierkörpers, z.B. der Windungen einer Schnecke, gefällt, weil da- durch alle Abschnitte als Glieder eines genetischen Ganzen erscheinen.

In radiär gebauten Thieren gefällt die gleiche Entfernung gleich- förmiger und gleichfarbiger Theile von dem Mittelpunkte des Körpers. Sie ist der anschauliche Ausdruck der Bildungs- und Lebenseinheit der Thiere. Eine geringe, leicht überschaubare Anzahl gleichwerthiger

ı Verel. J.L.Sorer, Des Conditions physiques de la Perception du Beau. Geneve 1592. p.9.

Mößıvs: Die aesthetische Betrachtung der Thiere. 1013

Strahlthiere gefällt mehr, als eine grosse nicht schnell abschätzbare Zahl derselben.

Jeder Theil eines Thieres wirkt schön oder hässlich nur als Glied desjenigen Ganzen, zu dem er gehört. Die schönen Augen einer grossen Antilope würden in dem zierlichen Kopfe einer kleinen Anti- lope von ähnlicher Form hässlich erscheinen. Ähnliches gilt von vielen anderen Organen höherer und niederer Thiere.

Die Stellungen und Bewegungen der Thiere hängen ab von me- chanischen Gesetzen, welche die ganze sichtbare Welt beherrschen. Da- her sind auch ihre aesthetischen Wirkungen bedingt von dem Verhält- niss der Grösse und Schwere des Rumpfes zur Anzahl, Grösse, Stellung und Gliederung der den Körper tragenden und bewegenden Organe.

Thiere, welche sich bewegen, erscheinen um so schöner, je siche- rer und gewandter ihre Bewegungsorgane den Körper forttragen, je weniger Anstrengung die Bewegungen verrathen und je mehr Be- hagen die Bewegungsarbeit dem Thier zu bereiten scheint.

Bedeutsam für den aesthetischen Eindruck, den die Thiere auf uns machen, ist auch ihre Grösse. Kleine Thiere überblicken wir schneller und müheloser als grosse Thiere derselben Grundform. Kleine Arten bewegen ihre Locomotionsorgane schneller, als grosse Arten derselben Gruppe, weil diese grössere Massen bewältigen, stärkere Widerstände überwinden müssen. Der Trab eines Ponys sieht anders aus als der eines grossen Pferdes. Wie verschieden sind die schnellen Flügelschläge einer Ente und die langsameren eines Schwanes. Flie- gende Hunde schlagen ihre grossen Flügel im hellen tropischen Mond- schein wie Fächer deutlich sichtbar nieder, während unsere Fleder- mäuse mit grosser Geschwindigkeit flattern.

Sehr grosse Thiere können einen erhabenen Eindruck machen, besonders wenn sie sich kraftvoll und schnell bewegen. Löwen und Tiger, die auf ihre Beute springen, Elephanten, die dicke Baumstämme mit dem Rüssel aufnehmen und forttragen, Walfische, die aus dem Meere springen, sind erhabene Thiergestalten. Auch grosse Massen von Thieren können einen erhabenen Eindruck machen: unüberseh- bare Scharen von Antilopen in der Steppe, wolkenähnliche Vogel- züge über dem Meere, Milliarden von Planktonwesen, welche die ganze Meeresfläche färben und in dunklen Nächten erhellen.

Alle Thierspeeies, welche lebenskräftige Nachkommen erzeugen, sind erhaltungsmässig organisirt, doch sind deswegen nicht alle auch schön; denn die Theile eines Thieres erscheinen uns nicht deswegen schön, weil sie physiologisch zweckmässig zusammenarbeiten, sondern wegen ihrer Form, Grösse, Lage und Bewegung in dem nicht causal betrachteten ganzen Thiere,

1014 Gesammtsitzung vom 14. November.

Viele niedere Wasserthiere macht die Durchsichtigkeit ihres Körpers ausserordentlich anziehend. Das aesthetische Wohlgefallen, welches entsteht, wenn wir kleine durchsichtige Thiere oder durch- sichtige Theile grösserer Thiere bei durchfallendem Lichte mit dem Mikroskop ansehen, ist dem ähnlich, welches die Betrachtung von Glasgemälden hervorruft, durch welche uns das Licht zugeführt wird. In beiden Fällen erscheinen die betrachteten Gegenstände wie Quellen des Lichts, während wir Gegenstände, auf welche Licht fällt und von ihnen zurückgeworfen wird, sofort von der Lichtquelle unter- scheiden. Durchleuchtete Gegenstände sehen lichtreicher aus als un- durchsichtige. Ihre Theile unterscheiden sich durch verschiedene Grade der Durchleuchtung; haben diese auch noch verschiedene Far- ben, wie in Glasgemälden und gefärbten mikroskopischen Schnittprae- paraten, so heben sie sich noch schärfer und schöner von einander ab.

Einen ganz besonderen Reiz üben aber mikroskopische durch- sichtige Organismen dadurch aus, dass wir nicht bloss ihre äussere Gestalt überblicken, sondern auch noch ihr ganzes Innere durch- schauen, die mikroskopischen Elemente sehen, aus denen sie zusam- mengesetzt sind.

Wir sehn nicht nur den Kern,

wir sehn nicht bloss die Schale, wir sehen alles mit einem male!,

Wir verfolgen den Lauf der Blutkörperchen, die Schläge der Flimmerwimpern, die Verkürzungen der Muskelfasern. Die Schichten durchsichtiger Zellhäute, dünner Perlen- und Muschelschliffe verrathen uns wenigstens den Gang organischer Bildungen, deren rastloses Wer- den wir nirgend wahrzunehmen vermögen. In der Vereinigung des Spermakernes mit dem Eikern wird uns die erste materielle Grund- lage der Vererbung väterlicher und mütterlicher Eigenschaften sichtbar.

Um einen noch vollkommenern Einblick in das innerste Lebens- getriebe zu erlangen, als unsern Augen die stärksten Mikroskope ver- schaffen können, wagen wir sogar Pflanzen und Thiere aus kleinsten unsichtbaren formgebenden Theilchen aufzubauen, die wir selbst er- sonnen haben; denn was wir selbst erfanden, das kennen, das durch- schauen wir auch ganz.

»Mit dem Totaleindruck (ohne Unterscheidung) fangen alle an. Dann kommt die Unterscheidung, und der dritte Grad ist die Rück- kehr von der Unterscheidung zum Gefühl des Ganzen, welches das Aesthetische ist,« sagt GoEFTHE.”

! Vergl. Gorr#se, Sämmtliche Werke in 40 Bänden. 1854. Bd.2 S.304 u. Bd. 36 S. 220.

2 Über den sogenannten Dilettantismus (1799). Sämmtlliche Werke in 40 Bänden, 1854. Bd. 31. S. 437.

re

en

Mößsıus: Die aesthetische Betrachtung der Thiere. 1015

Alle Hypothesen über unsichtbare Gruppirungen organischer Mo- lekel, durch welche wir unsere unvollkommenen wissenschaftlichen Kenntnisse über die Entstehung und Gestaltung der Pflanzen und Thiere ergänzen und zu einem beruhigenden Abschlusse bringen wollen, sind aesthetische Schöpfungen. Scharfsinnig erfunden und anziehend dargestellt, können sie ihren Schöpfern und Bewunderern gröfseren Genuss bereiten, als bescheidenere streng wissenschaftliche Erklärungen, die nicht so umfassende und tiefgehende Einblicke in das innere Ge- triebe des Lebens eröffnen, wie solche schöne Hypothesen.

Vergleichende Urtheile über den aesthetischen Werth verschie- dener Thierformen stützen sich stets auf Vorstellungen angeschauter Individuen. Finden wir den Windhund schöner, als den Mops, so schweben uns ideelle Vorbilder dieser beiden Hunderassen vor. Sollen wir über die Schönheit verschiedener Arten einer Gattung urtheilen, z.B. über die des Pferdes (Eguus caballus) und die des Esels (Zguus asinus), so reichen dazu die blossen zoologischen Begriffe beider Spe- cies nicht aus. Diese nackten logischen Auszüge aus den zahllosen Eigenschaften vieler Individuen müssen wir erst wieder mit vollem individuellen Leben bekleiden, ehe wir ein aesthetisches Urtheil über verschiedene Arten aussprechen können. Je weniger verwandt zwei aesthetisch zu vergleichende Thierformen sind, je weiter von einander entfernt sie in den zoologischen Systemen stehen, desto kärglicher und unsicherer werden die Unterlagen für eine vergleichende aesthe- tische Beurtheilung derselben.

Erst wenn durch zahlreiche Vergleichungen ähnlicher Thiere aller Classen erkannt worden ist, welche Formen, Farben, Zeichnungen und Bewegungen aesthetisch angenehm, welche aesthetisch abstossend wirken, dann erst lassen sich allgemein gültige Regeln über thierische Schönheit und Hässlichkeit aufstellen.

Eine Aesthetik der Thierwelt werden diejenigen am besten ver- stehen, welche den Gestaltenreichthum aller Thierclassen aus eigenen Anschauungen kennen; nicht zoologisch gebildeten Kreisen wird sie Blicke in ungeahnte Schätze natürlicher Schönheit eröffnen; Künstlern kann sie zahlreiche Anregungen zu mannigfaltigen Verzierungen und Kunstwerken darbieten.

f u % Brei U

a: lila A hi Piss em

(ES ETEIR USE 7 AT LMANE

Zr ib 7 ps Tea Er 9 BR Rt 0 I BR j

riet aan N A f ch

tr re eu AN BE To L

een ee X

TRRIT tern NIT a a

7 che A NER Le EN

| PRET a ide rer usa art

4 Finys ln REN er

FE U Te Be NL SORUN 9 71 77 Aa Hude

E Nee ara et ii: Alk Damen

a ee DA

BI LIE TREE ERTE SEE TE ET ET ı a iin attla re N ae ta 7

NIRMEN

FE STIRE EEE

Bud m 7} na tal Ayz vw A EL er a

x Be 527, a N TEEN kr, ae ae nr Pl er Er Pr lan ri STE TEE IE LI BEN T a ‚0 77 ad irgei t Bei iratkes fa Pe y en here ü ultra ee Wir a rl Ten er En Te) eTE re Re a en | 1 Kadaı 39 £ Atchzaart Lurit| Mr Ks he A I EL nFrueh? Ur Ze" j Kl wg ran N le Ka Na n ee h u: ulm LITE NA aid li SHARE T, AEUL Ir r N dad 1; al y r Ati UMEETRTE AT, eu ls ri turrallan Mirzuda ap a BLTTEITTLE TE NORE Oral KAT 75 1 take: Par udn | a NeeBe ı rt N sl uhr Vi STR WR a m | | ih al I uilsilin ale Jar a Pr LR z Arne nr Hilo a j ü du anal. ir raus Bee {

is. Destpi Han 1 un cent aan rt un ne ak ware 10,9 SU.CHLUN GE nor URN ee B 1 ‚AU y ÄUNEIENN: aD). ru

Ar.P er { TAT IR RITTER EE | Fat Fr RT hu N Ei rd u HoAlöny, il “u Enuıe Br, -

f. > u & Ar 6 N

> 5

e Fa 7 7

w; ER ERE Bere 2 3 en] Du

1017

Über die durch Kathodenstrahlen hervorgerufenen Färbungen einiger Salze.

Von Prof. E. GoLDSTEIN in Berlin.

(Vorgelegt von Hrn. Lanporr.)

I: dem Sitzungsbericht der Akademie der Wissenschaften vom 26. Juli 1894 habe ich mitgetheilt, dass verschiedene gewöhnlich farblose Salze unter der Einwirkung der Kathodenstrahlen lebhafte Färbungen an- nehmen: Die Salze wurden in eylindrischen Entladungsröhren bestrahlt, deren Kathode eine zur Gefässaxe senkrecht und conaxial gestellte Scheibe war. Diesen Röhren habe ich inzwischen eine etwas geän- derte Gestalt wie Fig. ı gegeben. Die frühere Form hatte den Nach-

ng. 1.

theil, dass beim Hin- und Herschütten des Salzes während des Ent- ladungsdurchganges leicht zahlreiche Salzpartikel an die Kathode heran- flogen und dort haften blieben. Dadurch kann aber die Entwickelung der Kathodenstrahlen stark beeinträchtigt werden. Bei der geänderten Form befindet sich die Kathodenscheibe X, an der Rückseite wie früher dureh einen Glasschirm gedeckt, in einem sie nahe umschliessenden Seitentubus, etwa 5°” vom Eingang in die 4°” weite Hauptröhre ent- fernt. Bei der alsdann über S°" betragenden Entfernung zwischen Salzoberfläche und Kathode kann das Salz auch während der Ent- ladung ohne Störung hin- und hergeschüttet werden. Diese Bewe- gung des Salzes, welche dazu dient, immer neue Theilchen mit den Kathodenstrahlen in Berührung zu bringen, wird durch geeignete Dre-

1018 Gesammtsitzung vom 14. November.

hung der Röhre um die Axe des in einem Schliff an der Pumpe hän- genden Abzugsrohres a bewerkstelligt. Wenn eine Kathodenscheibe, wie hier, in einem nur wenig weiteren Rohr liegt, so zieht das direct sichtbare Kathodenlieht bei fortschreitender Gasverdünnung sich von den peripheren Theilen der Scheibe immer weiter nach der Mitte zu- rück. Unsiehtbare Kathodenstrahlen, erkennbar an ihrer phospho- rescenzerregenden Wirkung, gehen allerdings noch von der ganzen Vorderfläche aus, um die Mitte ist ihre Dichtigkeit aber am grössten. Die hierbei erzielte Strahlendichtigkeit ist gross genug, um für die meisten Fälle die in der vorigen Mittheilung erwähnte Concentration der Strahlen durch einen Magneten entbehrlich zu machen. Nachdem das Salz unter der Kathode bestrahlt worden, wird es in dem Fort- satz f gesammelt und eventuell zu weiteren Versuchen durch Ab- schmelzen oder Abschneiden mit ihm von der Entladungsröhre ge- trennt.

Das fortgesetzte Studium der dureh Kathodenstrahlen gefärbten Salze hat mich eine Reihe von Eigenschaften derselben kennen ge- lehrt, deren zusammenfassende Darstellung ich einer späteren Mitthei- lung vorbehalte. Auf das Verhalten der gefärbten Modificationen unter dem Einfluss von Lieht und von Wärme möchte ich indess schon jetzt aufmerksam machen.

In meiner ersten Mittheilung hatte ich erwähnt, dass die meisten der erzeugten Nachfarben nicht dauernd sind, sondern dass die be- treffenden farbigen Substanzen mit der Zeit theils die ihnen durch die Kathodenstrahlen unmittelbar ertheilte Färbung gegen eine andere ver- tauschen, theils wieder in ihre ursprüngliche Farblosigkeit zurückgehen. Diese Änderungen fanden anscheinend von selbst statt, d.h. unter der Wirkung von damals noch nicht zu ermittelnden Faetoren. Die Salze wurden meist in den eylindrischen Fortsätzen f aufbewahrt. Es fiel bald auf, dass die Farbenänderungen nicht in der ganzen Masse der Salze gleichzeitig erfolgten. Das unmittelbar nach der Bestrahlung braungelbe Chlornatrium wurde allmählich grau; erschien aber der Mantel der eylindrischen Salzsäule bereits grau, so kamen, wenn nicht zu lange Zeit verflossen war, beim Durcheinanderschütteln der Masse noch eine Menge braungelber Körner zum Vorschein, die, wenn sie an der Aussenfläche blieben, ebenfalls nach einiger Zeit grau wurden. Der Contact mit der Glaswand war nicht als Ursache des Grauwerdens anzusehen, denn bei nur theilweiser Erfüllung des Glaseylinders wurde auch die freie Oberfläche des Salzes, die nur an Luft bez. den leeren Raum grenzte, grau. Entsprechend zeigte sich bei den Salzen, die anscheinend von selbst in den ganz ungefärbten Zustand zurückgingen, wie Chlorkalium, Bromkalium, Jodkalium, dass das Weisswerden zuerst

Gorvsrein: Salzfärbungen. 1019

an der Aussenfläche der Salzmasse erfolgte und zwar gleichmässig an der freien wie an der mit dem Glase in Berührung stehenden Grenz- fläche. Die Vermuthung liegt nahe, dass die beobachteten Änderungen unter dem Einfluss einer von aussen kommenden Strahlung erfolgen. Eine Röhre wie Fig.ı blieb mit dem in ihr bestrahlten krystallisirten Chlornatrium möglichst stark evacuirt an der Pumpe: an dem Fort- satz f, in dem sich das braungelbe Salz befand, wurde eine Zone mit einigen Lagen schwarzen Papiers so umwickelt, dass dadurch ein Theil des Salzes vor äusserer Belichtung geschützt war, während das Übrige dem Lichte ausgesetzt blieb, das durch die (nach Norden ge- legenen) Fenster des Versuchszimmers eintrat. Nach ıo Minuten hatte die Färbung des unbedeckten Salzes sich stark geändert, nach Grau- braun; das bedeckt gewesene erschien unverändert braungelb.

Weitere Versuche ergaben, dass unter geeigneten Versuchsbedin- gungen eine bemerkbare Änderung in noch viel kürzerer Zeit erzielt werden kann. Gepulvertes Chlornatrium erscheint nach der Einwirkung der Kathodenstrahlen lehmgelb bis orangegelb. Nach ı Minute Be- lichtung (in 2” Abstand vom Nordfenster) ist schon ein schwacher, nach 2 Minuten ein sehr deutlicher Farbenunterschied zwischen bedecktem und unbedeektem Salz zu bemerken. Im direeten Sonnenlicht führen schon Seceunden eine bemerkbare Wirkung herbei.

Wurde eine mit gelbem Chlornatriumpulver gefüllte Glasröhre in eine undurchsichtige Lösung von Jod in Schwefelkohlenstoff zur Hälfte eingesenkt, während die andere Hälfte aus der Flüssigkeit herausragte, so trat bei Belichtung eine Umfärbung nur an dem herausragenden Theil der Salzsäule ein, der von der Jodlösung umspülte Theil behält unveränderte Färbung. Auf strahlende Wärme bez. ultrarothe Strah- len ist also die Umfärbung, mindestens ihrem wesentlichsten Betrag nach. nicht zurückzuführen. Wurde andererseits bei sonst gleicher Anordnung an Stelle der Jodlösung möglichst reiner farbloser Schwefel- kohlenstoff in einer für die Absorption des Ultraviolett hinreichend dicken Schicht angewendet, so trat die Umfärbung im Tageslicht auch an dem eingetauchten Theil kräftig ein. Für die Herbeiführung der Umfärbung genügen also die sichtbaren Theile des Speetrums.

Stark lichtempfindlich sind auch die gefärbten Modificationen von Chlorkalium, Bromkalium und Jodkalium. Schon nach wenigen Minuten ist die Farbe des violetten in 2” Entfernung vom Fenster belichteten Chlorkalium merklich weniger gesättigt als die Färbung eines in demselben Gefäss bedeckt gehaltenen Theiles.. Nahe dem Fenster zeigt gepulvertes Chlorkalium im diffusen Tageslicht schon nach einer Minute eine deutliche Änderung, im direeten Sonnenlicht sehon nach einigen Secunden. Bei Bromkalium bewirkt das diffuse

Sitzungsberichte 1895. 90

1020 Gesammtsitzung vom 14. November.

Tageslicht bei 2" Fensterabstand schon in einer Minute eine erkenn- bare Schwächung der durch Kathodenstrahlen. hervorgerufenen Farbe. Noch empfindlicher ist Jodkalium. Entsprechend der kräftigen Wirkung welche das des Ultraviolett beraubte Tageslicht zeigte, geben auch künstliche, an ultravioletten Strahlen arme Lichtquellen sehr merk- liche Effeete. Drei Glühlampen zu 16 Kerzen brachten bei gelbem pulverförmigen Chlornatrium aus einer Entfernung von etwas über ı" erst in 15 Minuten eine eben erkennbare Wirkung hervor; bei gepul- vertem Chlorkalium aber trat unter den gleichen Verhältnissen schon nach 3 Minuten, bei gepulvertem Bromkalium bereits nach 2 Minuten eine deutliche Schwächung der Salzfarbe ein.

Beurtheilt man die Lichtempfindlichkeit eines Stoffes nach der Zeit, innerhalb deren er eine sichtbare kräftige Änderung direet unter dem Einfluss des Lichtes ohne nachfolgendes Entwickelungsverfahren erleidet, so müssen die hier behandelten Substanzen zu den licht- empfindlichsten gezählt werden, die man bisher kennen gelernt hat. Es lag nahe, so wenig ein praktisch brauchbares Resultat zu erwarten war, zu versuchen, ob nicht wirkliche photographische Bilder auf den bestrahlten Salzen zu erzielen seien. Man erhielt in der That auf geebnet ausgebreiteten Salzschichten unter photographischen Diaposi- tiven gut erkennbare Abbildungen, soweit das Wesentliche der Bilder nicht in feinerem Detail liegt. Der Wiedergabe des Letzteren ist wohl die relative Grobkörnigkeit des Pulvers hinderlich. Schablonenmuster werden sehr gut und scharf wiedergegeben. Ein Diapositiv muss benutzt werden, weil die belichteten Stellen heller werden.

Das krystallisirte, braungelbe Chlornatrium nimmt bei Belichtung nach einigen Minuten zunächst eine ziemlich dunkle, schmutzigbraune Färbung an; diese geht dann bei fortgesetztem Lichtzutritt durch Grau- braun in ein dunkles Olivgrau, dann in reines Schiefergrau über. In meiner ersten Mittheilung hatte ich angeführt, dass graues Chlornatrium sich innerhalb mehrerer Wochen nicht mehr erkennbar verändert habe. Das Salz wurde an einem vom Tageslicht nur mässig erhellten Ort aufbewahrt. Unter gleichen Verhältnissen haben sich graue Proben weiterhin sogar seit mehreren Monaten unverändert gehalten. Setzt man das graue Salz aber hellerem, wenn auch nur diffusem Tages- licht aus, so wird das Grau immer heller, und das Salz wird schliess- lich nach einigen Wochen so weiss wie vor der Bestrahlung. Umgiebt man wieder eine Zone des Salzes mit schwarzer Hülle, so bleibt diese Zone grau, während das Übrige weiss wird.

Bei starker Erhitzung wird das braungelbe und ebenso das graue Chlornatrium, ehe es weiss wird, blau. Wird das blaue Salz dem Tageslicht ausgesetzt, so nimmt die Intensität seiner Färbung all-

Gouvsrein: Salzfärbungen. 1021

mählich ab, jedoch gehörten Monate dazu, es in Weiss übergehen zu lassen. Das graue Chlornatrium kann im Verlauf seines Verblassens stets noch durch Erhitzung in blaues Salz übergeführt werden; das erzeugte Blau ist aber desto blasser, je blasser das Grau bereits ge- worden war. Viel schneller als bei Chlornatrium erfolgt der Rückgang in die weisse Substanz unter dem Einfluss der Belichtung bei Chlorkalium, Bromkalium und Jodkalium. Bei krystallisirtem Chlorkalium genügen ı-2 Tage, bei Bromkalium einige Stunden Belichtung, um die Fär- bung des bestrahlten Salzes verschwinden zu lassen. Sehr licht- empfindlich ist auch Jodkalium. Es braucht wohl nicht besonders betont zu werden, dass die Zeitangaben hinsichtlich des Einflusses der Belichtung abhängig sein müssen auch von Witterung, Tages- und Jahreszeit.

Der Einfluss äusserer Belichtung auf die Sättigung der Nach- farben macht sich schon bei der Herstellung derselben geltend. Um recht gesättigte Farben zu erzielen, empfiehlt es sich, in ganz ver- dunkeltem Zimmer zu arbeiten.

Bei vollständigem Lichtabschluss hat gefärbtes Chlornatrium in- nerhalb der zur Verfügung gestandenen Probezeit keine sichere Far-

Fig. 2;

benänderung gezeigt. Eine seit der Auffindung der Lichtempfindlich- keit (Mai 1895) im Finstern aufbewahrte Menge ist nach 5% Monaten von frisch bestrahltem nicht sicher zu unterscheiden. Auch dunkel- blaues, aus braungelbem durch Erhitzung hervorgegangenes, krystalli- sirtes Chlornatrium hat ebenso wie graues im Finstern sich seit meh- reren Monaten nicht erkennbar geändert. Eine solche mindestens annähernde Unveränderlichkeit bei Ausschluss von Belichtung existirt für Chlorkalium, Bromkalium und Jodkalium nicht. Kıystallisirtes Chlorkalium wurde in einer wie Fig. 2 gestalteten Röhre unter der Kathode bestrahlt. Ein Theil A des Salzes wurde in’/,, der andere B

1022 Gesammtsitzung vom 14. November.

in f, abgeschmolzen. A wurde dann am Fenster dem Tageslicht aus- gesetzt, B im Finstern aufbewahrt. Nach 48 Stunden war die ganze Salzmasse A weiss geworden, das im Finstern aufbewahrte Salz B war noch sehr kräftig gefärbt; es blieb ungewiss, ob die Farbe schon an Sättigung verloren hatte. Nach mehreren Tagen weiterer Aufbe- wahrung im Finstern war die Farbe entschieden weniger gesättigt, nach ı7 Tagen war etwa die Hälfte der Salzkrystalle weiss, die an- dere Hälfte aber noch deutlich, wenn auch nicht kräftig, gefärbt. Nach 5 Wochen war der überwiegende Theil weiss, eine Anzahl Körner schwach farbig. Schliesslich wurden auch diese weiss. Die Prüfungs- besichtigungen waren natürlich auf das kürzeste Maass, einige Seeunden bei mattem Tageslicht, eingeschränkt. Analoge Versuche wurden mit Bromkalium und Jodkalium angestellt. Krystallisirtes Bromkalium, nach der Bestrahlung sehr ähnlich wie Kupfervitriol gefärbt, wurde im Finstern nach 5 Tagen weiss; Jodkalium verlor seine unmittelbar nach der Bestrahlung auftretende Farbe, die der Farbe des Eisen- vitriols ähnlich ist, im Finstern schon in einem Tage, wurde dann gelb- lichweiss, schliesslich ganz weiss. Der Rückgang in die ungefärbte Substanz erfolgt somit wenigstens für die letztgenannten drei Salze auch bei Liehtabschluss, nur viel langsamer als unter der Einwirkung des Lichts. Das Lieht beschleunigt also einen Process, der sich auch ohne Lieht anscheinend von selbst abspielt. Denkbar erscheint es, dass auch Chlornatrium schliesslich sich im Finstern entfärben werde, nur in so viel längerer Zeit, als schon seine Entfärbungszeit bei Tages- licht die der anderen drei Salze übertrifft, also erst nach Jahren.

Die Wirkung des Lichts auf die gefärbten Salze wird bei er- höhter Temperatur beschleunigt.

Vergleichsproben in Glasröhren wurden belichtet, nachdem die eine durch Eintauchen in heisses Wasser schnell auf 80-90°, die andere auf 17°C. gebracht war. Für Chlornatrium ergab sich dann z. B., dass das auf 90° 0. erwärmte Salz im Lichte bereits nach 2% Minuten braungrau wurde, während das kühl gehaltene ganz schwach, nur eben bemerkbar, verändert war. Nach 8 Minuten Belichtung erschien das heisse Salz schon entschieden grau, das kalte erst schmutzig gelb. Dass das Grau- werden des heisseren Salzes nicht einfach eine Folge der Erwärmung ist, geht daraus hervor, dass die vom Fenster abgekehrte Seite des Salzes noch braungelb ist, wenn die Vorderseite bereits grau erscheint. Kry- stallisirtes Chlorkalium, das in derselben Weise schnell auf etwa So®Ü. erwärmt war, zeigte sich beim Zutritt des Tageslichts schon nach erheb- lich weniger als einer Minute stark verändert; nach zwei Minuten war es an der dem Lichte zugekehrten Seite weiss geworden. Die auf 17°C. gehaltene Vergleiehsportion war noch kräftig violett gefärbt.

* Gorosrein: Salzfärbungen. 1023

Erhöhung der Temperatur bringt auch bei völligem Lichtabschluss Änderungen der Salzfarben hervor, braungelbes Chlornatrium z.B. wird bei Lichtabschluss, in einem nicht glühenden Tiegel erwärmt, blau. Derartige Beobachtungen legen die Frage nahe, ob nicht auch schon die schwache Wärmezufuhr, welche den Salzen durch die Medien von gewöhnlicher Temperatur geboten wird, auf die gefärbten Salze wirkt und in entsprechend verlängerter Zeit diejenigen Veränderungen her- beiführen hilft, die bei gewöhnlicher Temperatur auch im Finstern, scheinbar von selbst, erfolgen. Ist das der Fall, so ist zu erwarten, dass die im Finstern erfolgenden Veränderungen desto langsamer wer- den, je niedriger die Temperatur des umgebenden Mediums ist. Dies zeigte sich in der That. Bromkalium, das gegen Licht und Feuchtig- keit geschützt, im Zimmer aufbewahrt wurde, war nach einigen Tagen schneeweiss, eine demselben Färbungsprocess entstammende unter sonst ganz gleichen Verhältnissen, aber im Freien, bei durchschnittlich etwa 13° niedrigerer Temperatur aufbewahrte Probe war dann noch kräftig gefärbt. Wiederholungen des Versuchs ergaben stets analoge Resultate. Ebenso fiel für Chlorkalium die Färbung bei dem in kühlerer Temperatur gehaltenen Salze viel langsamer ab als bei der im Zimmer gehaltenen Vergleichsprobe.

Bei Temperaturen oberhalb der gewöhnlichen wird die Wirkung der Wärme stark beschleunigt. Zur Prüfung wurden zwei in Glas- röhren eingeschmolzene, im selben Färbungsprocess gewonnene Proben im Wasserbade bei Lichtabschluss auf 90° bez. 18°C. gehalten und das heissere Salz nach dem Versuch noch im Finstern auf 18°C. abgekühlt. Der Versuch mit pulverförmigem Chlorkalium ergab nach einer Viertel- stunde noch keinen erkennbaren Unterschied zwischen dem auf 90° erhitzten und dem kälteren Salz; nach 17 Stunde Erhitzung aber zeigte das erhitzt gewesene Salz entschieden blassere Färbung. Noch wider- standsfähiger gegen Erhitzung ist Chlornatrium. Überraschend war das Ergebniss bei pulverförmigem Bromkalium. Durch 74 Minuten Erhitzung auf 80o—-90° wurde das gesammte Salz schneeweiss. Die Erhitzung einer neuen Probe während 3%+ Minuten führte ebenfalls eine so starke Entfärbung herbei, dass das Salz für sich betrachtet als völlig weiss erschien; nur der Vergleich mit der länger erhitzten Probe zeigte das Vorhandensein einer ganz zarten Färbung.

Weiterer Untersuchung muss es vorbehalten bleiben festzustellen, ob hier direete Wärmewirkungen vorliegen, oder ob nur die durch die höhere Temperatur gesteigerte Beweglichkeit der Theilchen eine Rückkehr derselben aus einem von den Kathodenstrahlen hervorgeru- fenen, durch die Färbung charakterisirten Zwangszustande in den ur- sprünglichen stabileren Zustand erleichtert.

Sitzungsberichte 1895. 91

1024 Gesammtsitzung vom 14. November.

Chlornatrium zeigt in seiner gelben Modification noch ein beson- deres Verhalten gegen die Wärme. Die bisher erwähnten Farbenände- rungen, welche die Salze durch Erhitzung erfahren, werden durch nachfolgende Abkühlung nicht wieder rückgängig gemacht, sondern die durch eine bestimmte Wärmezufuhr erzielte Farbe oder Farben- abschwächung bleibt, wenn das Salz rasch abgekühlt wird, bestehen. So sind alle durch Wärmezufuhr modificirten Färbungen von Brom- kalium, Chlorkalium und Jodkalium durch Abkühlung nicht wieder herzustellen, auch die durch starke Erhitzung hervorgerufene blaue Farbe von Chlornatrium bleibt, wie aus dem Früheren hervorgeht, bei Abkühlung bestehen. Chlornatrium zeigt aber ausserdem noch eine Färbung, welche nur bestimmten Temperaturgraden angehört und mit ihnen wieder verschwindet.

Das gelbe Chlornatriumpulver nimmt schon im Wasserbade eine leichtröthliche Nuance an, beim Erhitzen in der Bunsenflamme kann es fast rein roth werden. Eintauchen in kaltes Wasser beseitigt das Roth schnell, neue Erhitzung erzeugt es wieder. Erhitzt man noch stärker, als dem Rothwerden entspricht, so nimmt das Salz die blaue Farbe an.

Theoretische Erörterungen der mitgetheilten Beobachtungen ver- schiebe ich bis zur Veröffentlichung einer Fortsetzung. Von den HH. E. Wıepemann und G. ©. Schmipr' sind die von mir gefundenen farbigen Modificationen der Salze für Subehloride, Subbromide u. s. w. erklärt worden. In meiner ersten Mittheilung hatte ich selbst bei der Erörterung verschiedener naheliegender Erklärungsversuche bereits auch die Möglichkeit jener Erklärung behandelt. Meine dagegen geltend gemachten Argumente haben die Herren nicht erörtert: ich halte sie aufrecht und bemerke vorläufig, dass ich so wenig aus meinen eigenen neueren Versuchen, wie aus einer Nachprüfung der von HH. Wirpe- MANN und Schuivr für ihre Meinung geltend gemachten Beobachtungen einen Anlass entnehmen kann, meine frühere Stellungnahme zu ändern.

! E. WıEDemann und G. Ü. Scuuipr, Wıevem. Ann. Bd. 54. 1895.

Ausgegeben am 21. November,

Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei.

ni

SITZUNGSBERICHTE KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN.

21. November. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe.

Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers.

1. Hr. Frosentus las: Über auflösbare Gruppen. II. 2. Hr. Dames machte eine Mittheilung über die Ichthyopte- rygier der Triasformation.

3. Hr. Mösgıus legte eine Mittheilung des Geh. Med. Raths Hrn Prof. G. Frırscn hierselbst vor: Über Discopyge Tschudii Heex.

Sämmtliche Mittheilungen folgen hier.

Sitzungsberichte 1895. 92

Über auflösbare Gruppen. II.

Von G. FRoBENIUS.

r meiner Arbeit Über auflösbare Gruppen (Sitzungsberichte 1893) habe ich folgenden Satz bewiesen:

Ist ab die Ordnung einer Gruppe 9, sind die Primfactoren von a alle unter einander verschieden, und ist b zu ad(a) theilerfremd, so giebt es in 5 genau b Elemente, deren Ordnung in b aufgeht; und wenn d irgend ein Divisor von a ist, so enthält 5 eine Gruppe der Ordnung d.

Wegen der zahlreichen Folgerungen, die sich aus diesem Satze ergeben, habe ich versucht, ihn unter Hinzufügung passender Ein- schränkungen auf den Fall auszudehnen, wo die Primfactoren von a nicht alle verschieden sind.

772)

T.

. Seien 9,92, 9 charakteristische Untergruppen einer Gruppe $ (Über endliche Gruppen, $ 5; Sitzungsberichte 1895). Ist jede derselben 9, in der folgenden 9,,, enthalten, so nenne ich 9,,9,; 9,‘ eine Reihe charakteristischer Untergruppen. Lückenlos wird die Reihe ge- nannt, wenn es für keinen Index x eine charakteristische Untergruppe 6 von 9 giebt, die 9, enthält, in 9,;., enthalten ist und von bei- den verschieden ist, und wenn ausserdem die erste Gruppe der Reihe die Hauptgruppe €, die letzte die Gruppe 9 selbst ist. Ist A,Q,, QA,,--- A, eine lückenlose Reihe charakteristischer Untergruppen von 9, und 8, B,B,,'--B; eine andere, so ist =, und die Gruppen

A A; A a. ee N, ST IL, sind den Gruppen an BG 8 ®, » = ... 1», B, R, ° ® er

abgesehen von der Reihenfolge (holoedrisch) isomorph. Man kann diesen Satz auf‘ demselben Wege beweisen, wie den analogen über die Hauptreihe einer Gruppe. Man kann ihn.aber auch aus diesem herleiten mittelst des (a.a.O. S.22) bewiesenen Satzes: Durch passende

92

1028 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 21. November.

Erweiterung des gegebenen Elementensystems kann man eine solche Gruppe 9 construiren, dass 5 und folglich auch jede charakteristische Untergruppe von 9 eine invariante Untergruppe von $ ist, und dass auch umgekehrt jede in 5 enthaltene invariante Untergruppe von 5 eine charakteristische Untergruppe von 5 ist. Ebenso wie bei der U U, minimale invariante Untergruppe derselben ist eine einfache Gruppe, jede Hauptreihe ist zugleich eine Reihe, und die einfachen Gruppen, aus denen sie zusammengesetzt ist, sind alle unter einander isomorph. Sei p eine Primzahl, und W eine Gruppe der Ordnung p’, und sei

E09, 9%, PB, VD

eine lückenlose Reihe charakteristischer Untergruppen von VW. Seien

Hauptreihe hat daher jede der Gruppen die Eigenschaft: Eine

a At Aa AıtrAoa-tar; % ta van, jD" ps 2 ı)

die Ordnungen dieser Gruppen. Ist x die grösste der Zahlen A,,2,,%,,°-, so setze ich

(1.) (BP) = (p-1)(p?-1)--- (p*-1).

Ist die Ordnung A einer Gruppe 9 durch mehrere verschiedene Prim- zahlen p, 9, r,--- theilbar, A = p’g“r’---, so enthält 5 Gruppen W,O,R,--- der Ordnungen p*, g*, r’,--. Da je zwei in 9 enthaltene Gruppen P der Ordnung p* conjugirt sind, so hat I(W) für alle diese Gruppen denselben Werth. Ich setze daher

(2.) SH=FEMEA)SR)---

Für den Fall, dass je zwei Elemente der Gruppe ® mit einander vertauschbar sind, lässt sich eine lückenlose Reihe charakteristischer Untergruppen von V auf folgendem Wege bestimmen: Sei P,, P,,.--P, eine Basis unabhängiger Elemente von P®, und seien pfı , ‚--- die Ordnungen jener Elemente. (Über Gruppen von vertauschbaren Elementen, Crerre’s Journal, Band 86). Ist »=:,, so erhält man einen Isomor- phismus der Gruppe in sich, indem man dem Elemente

Pr... Pi... Pl... Bi das Element

Be. PR PIE HPE

E : zuordnet, das durch Vertauschung der beiden Basiselemente P; und P, aus jenem hervorgeht. Die Elemente von ®, die der Gleichung x —E

genügen, bilden eine charakteristische Untergruppe W,.. Erhebt man alle Elemente von ® auf die p°“ Potenz, so erhält man eine charakte-

Frosenıus: Über auflösbare Gruppen. II. 1029

ristische Untergruppe Q;. Der grösste gemeinsame Divisor von U, und Q; ist eine charakteristische Untergruppe D,,. Dann bilden zunächst

€, DV, N, PB: D,

eine Reihe charakteristischer Untergruppen, die aber im allgemeinen

nieht lückenlos ist. Sei 8 28,>8,,.:'- und sei ze =E£& ri, er Re te Een EEhnha Een +2 9" 95

dann kann man zwischen und 9, die Gruppen

Bun, Ve» Won %-

einschieben, zwischen ®, und W, die Gruppen

I as N W.,02; DUpO LPRREN Eu u.s.w. Mit Hülfe der obigen Bemerkung über einen Isomorphismus von VW in sich selbst ist leicht zu zeigen, dass diese Reihe lückenlos ist. Daher ist x die grösste der Zahlen &,n,&,:--. Ist D eine beliebige Gruppe der Ordnung p’, so bilden die Elemente von W, die mit jedem Elemente von W vertauschbar sind, eine Gruppe W.

Ebenso bilden die Elemente von 7 die mit jedem Elemente von n vertauschbar sind, eine Gruppe <-, u.s. w. Die so erhaltenen Gruppen

w’ WW, 1”, -.-D bilden eine Reihe charakteristischer Untergruppen von W. (Vergl. Youne, On the Determination of Groups whose Order is a Power of a Prime, American Journal of Math. vol. XV (p- 130).) Nun ist eine charakteristische Untergruppe von einer charakte- ristischen Untergruppe von 5 auch eine charakteristische Untergruppe von 9 selbst. Für die Gruppe vertauschbarer Elemente VW, kann man auf dem oben angegebenen Wege eine (in Bezug auf W,) lückenlose Reihe charakteristischer Untergruppen W; , W;, D; ,--- construiren, ebenso

Du j ? Du Du% DA

W die Untergruppen yw’y’ .... Auf Weise erhält man eine vollständigere Reihe charakteristischer Unter- gruppen von W

DEREN DENE NT, MV...

Sind A und B zwei auf einander folgende Gruppen dieser Reihe,

für die Gruppe diese

8 so ist N eine Gruppe von vertauschbaren Elementen, die alle die

Ordnung p (oder 1) haben.

Für den Fall, wo in der Gruppe W der Ordnung p* je zwei Ele- mente vertauschbar sind, brauche ich im Folgenden ausser den oben definirten Zeichen S(V) noch das Zeichen

1030 Sitzung der physikalisch -mathematischen Classe vom 21. November.

(3.) ed) = (PP) (pr),

wo p den Rang von W bezeichnet. Ist dann Q eine Untergruppe von W, so ist ihr Rang o<p (a.a.0. S. 232). Mithin ist E(P) durch E(Q) theilbar. Eine Gruppe des Ranges p kann durch >, aber nieht durch weniger als p Elemente erzeugt werden. Sei N eine Gruppe, die nicht in D enthalten zu sein braucht, die aber mit jedem Elemente von W vertauschbar ist. Sei Q die Gruppe, in die W übergeht, wenn man zwei Elemente von W, die (mod. N) aequivalent sind, nicht als ver- schieden betrachtet. Erzeugen dann P,@,R,.-: die Gruppe V, so erzeugen sie auch die Gruppe Q. Mithin ist auch in diesem Falle der Rang von Q o<p, und es ist O(W) durch @(D) theilbar.

Hat W, dieselbe Bedeutung wie oben, so ist die Ordnung von

V. DB;

N, gleich p? und die Ordnungen von Po, u bilden eine ab- 1 2

nehmende Reihe (a.a.0. S. 237). Folglich ist p>x, und @(W) ist durch

S(D) theilbar. 82.

I. Ist eine Gruppe A der Ordnung a mit einem Elemente B der Ord- nung b vertauschbar, und sind b und aSs(A) relative Primzahlen, so ist jedes Element von A mit B_ vertauschbar.

Ist b=rst-.-, und sind je zwei der Zahlen r, s, £,.-- relative Prim- zahlen, so kann man die ganzen Zahlen p, 0, r,-.- so bestimmen, dass

oa T Re er a wird. Setzt man dann

be u; (& Bl, DEZ IS BEZ 1 Sosor so ist B=RST.... Die Elemente R,S,T... haben die Ordnungen r,$s,t-... Speciell kann man für r,s,t-... die Potenzen der verschie-

denen Primzahlen setzen, deren Produet b ist. Ist B mit A vertausch- bar, so ist auch jede Potenz von B mit A vertauschbar. Kann man nun zeigen, dass R,S,T,-.. mit jedem Elemente von A vertauschbar sind, so hat auch B diese Eigenschaft. Man braucht daher den obigen Satz nur für den Fall zu beweisen, wo 5=g* eine Potenz einer Primzahl g ist, die nicht in a$(Q) aufgeht. Sei ® die von den Potenzen von B gebildete Gruppe der Ordnung b.

Ich betrachte nun zunächst den Fall, wo auch = p* eine Potenz einer Primzahl p ist. Sei €E,W,4,,4;,.-- X eine lückenlose Reihe charak- teristischer Untergruppen von A, und seien 1, pt, pt”, pt F",.... p die Ordnungen dieser Gruppen. Ist dann x die grösste der Zahlen

2 An As SOHRLST s.(M) = (p-1)(p?-1)---(p*-1).

Frosextus: Über auflösbare Gruppen. I. 1031

Da B mit WA vertauschbar ist, so ist B auch mit jeder der Gruppen A,,A,, N, ,--- vertauschbar (Über endliche Gruppen S. 21). Die mit ® vertauschbaren Elemente der Gruppe 4,98 der Ordnung p"'g* bilden eine Gruppe der Ordnung p*g“. Dann ist nach dem Syrow’schen Satze p''=“=1 (mod. g). Nun ist aber A,-#<x und I(A) ist nicht durch 9 theilbar. Folglich ist &=A,, also ist ®, ebenso wie U, eine invariante Untergruppe von A,8. Die beiden Gruppen U, und ® sind theilerfremd, weil ihre Ordnungen relative Primzahlen sind. Daher ist jedes Element von U, mit D vertauschbar.

Die mit B vertauschbaren Elemente der Gruppe A,® der Ordnung p''*"g* bilden demnach eine Gruppe, die durch A, theilbar ist. Mit- hin ist ihre Ordnung. p*+?g*, und weil p®=?=1 (mod. g) ist, muss ®=ır, sein. Folglich sind X, und 8 zwei invariante Untergruppen von W,®, und da sie theilerfremd sind, so ist jedes Element von W, mit B vertauschbar, u. s. w.

Nunmehr nehme ich an, dass a durch mehrere verschiedene Primzahlen p,p,, Ps; '': theilbar ist. Da B mit A vertauschbar ist, so ist AB=9 eine Gruppe der Ordnung ab. Sei p* die höchste Potenz von p, die in ab, also auch in a aufgeht, und W eine in A enthaltene Gruppe der Ordnung p’. Da X eine invariante Untergruppe von 9 ist, so enthält A auch alle Gruppen, die mit ® in Bezug auf 9 eonjugirt sind, also alle Untergruppen von 9, deren Ordnung p* ist. Bilden die mit W vertauschbaren Elemente von 9 die Gruppe

RR Ä 4 BriE W der Ordnung p’, so ist ze die Anzahl der verschiedenen in 9 p

enthaltenen Gruppen der Ordnung p*. Zugleich ist r die Anzahl der in A enthaltenen Gruppen der Ordnung p’, und mithin ist @ durch r, also p’ durch 5 theilbar. Folglich enthält W eine Gruppe ®, der Ordnung b=g*. Da aber g* die höchste Potenz von g ist, die in ab aufgeht, so giebt es in 9 ein Element FH, das der Gleichung H"83,H=B genügt. Dann ist H"WNH durch B theilbar. Ersetzt man VD durch ZWH, so wird W durch ® theilbar, also ist DB mit B vertauschbar, und folglich ist, weil pS(W) nicht durch q theilbar ist, auch jedes Element von W mit B vertauschbar.

Ebenso wie diese Gruppe ® der Primzahl p entspricht, gehören zu den andern in a aufgehenden Primzahlen p,, p,,-:: gewisse Gruppen

%,,0,,--.. Das kleinste gemeinschaftliche Vielfache dieser Gruppen ist A, weil seine Ordnung durch die Ordnung jeder der Gruppen V,0,,%,,--- theilbar sein muss. Da B mit jedem Elemente von V,W.W,,--- vertauschbar ist, so ist B auch mit jedem Elemente

von A vertauschbar.

1032 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 21. November.

In derselben Weise kann man folgenden Satz beweisen:

II. Sind die Ordnungen der Gruppe A und des Elementes C relative Primzahlen, ist B eine invariante Untergruppe von A, ist © mit jedem Elemente von B vertauschbar, und mit jedem Elemente von A (mod. 8) vertauschbar, so ist C auch mit jedem Elemente von WA vertauschbar.

Sei die Gruppe der Potenzen von (©, und seien a,b,c die Ordnungen der Gruppen A,8,C. Dann sind die Complexe AC und BE Gruppen, A und BE sind invariante Untergruppen von AC, und 6 ist eine invariante Untergruppe von BC. Da aber 5 und ce theiler- fremd sind, so ist auch eine invariante Untergruppe von A& (Über endliche Gruppen, $ 2, I. Die Ordnungen a und c der beiden inva- rianten Untergruppen X und C& von NE sind theilerfremd. Folglich ist © mit jedem Elemente von 4 vertauschbar.

772)

an

Sind a und b theilerfremd, und enthält eine Gruppe 9 der Ordnung ab eine invariante Untergruppe A der Ordnung a, so giebt es in 9 genau a Elemente, deren Ordnung in a aufgeht, nämlich die von N.

Sind auch S(A) und b theilerfremd, so giebt es in 9 genau b Elemente, deren Ordnung in b aufgeht, und jedes derselben ist mit jedem Elemente von A vertauschbar.

Jene b Elemente erzeugen eine Gruppe 9, der Ordnung a,b, die eine invariante Untergruppe A, der Ordnung a, enthält. Jedes Element der Gruppe A, ist mit jedem Elemente von 9 vertauschbar. Sie ist der grösste gemeinsame Divisor von A und 9, und, ebenso wie diese, eine invariante Untergruppe von 9.

Den ersten Theil dieses Satzes habe ich in der Arbeit Über endliche Gruppen, $ 2, I bewiesen. Nun sei

(1.) S=AB,+AB,+:--+WB,. Ist B eins der 5 (mod. WA) verschiedenen Elemente B,, B,.:-: B,. so ist die Ordnung von B ein Divisor von Ah=ab, also gleich rs, wo r in a aufgeht und s in d. Da r und s relative Primzahlen sind, so ist B= BB’, wo B? die Ordnung r und B” die Ordnung s hat. Da r ein Divisor von a ist, so ist DB? ein Element von 4W, mithin ist AR —WA und AB=NB”. Man kann daher in der Gleichung (1.) B dureh B” ersetzen, also bewirken, dass die Ordnung s von B ein Divisor von db wird. Dann ist s zu a$(Q\) theilerfremd, und folglich ist B nach I, $2 mit jedem Elemente von A vertauschbar. Ist also A irgend ein Element von W, und ist r seine Ordnung, so ist rs die Ordnung von AB. Demnach enthält der Complex AB ein und nur ein Element B, dessen Ordnung in 5b aufgeht, und die Gruppe 9

Frosenius: Über auflösbare Gruppen. II. 1033

enthält genau b solche Elemente, deren Complex 8=B+B,+--+B

sei. Jedes derselben ist mit jedem Elemente von A vertauschbar.

Alle Elemente von 9, die mit jedem Elemente von X vertausch- bar sind, bilden eine Gruppe 9, der Ordnung A,. Diese ist durch den Complex ® theilbar. Ist HZ ein Element von 9, so bilden alle Elemente von 9, die mit jedem Elemente von H"AH vertauschbar sind, die Gruppe IS,H. Da FMAH=N ist, so ist folglich auch HIS,H=%,. Mithin ist 5, eine invariante Untergruppe von 9. Das kleinste gemeinschaftliche Vielfache von X und 9, ist die in 9 ent- haltene Gruppe AS,. Da 9, durch ® theilbar ist, so ist AS, durch AB—NH theilbar. Folglich ist A9,=9. Ist also a, die Ordnung des grössten gemeinsamen Divisors X, von A und 9, so ist ,h=ah, also ,=a,b. Da A und $, invariante Untergruppen von 9 sind, so ist auch A, eine solche. NW, besteht aus allen Elementen von Q, die mit jedem Elemente von A vertauschbar sind, und ist demnach durch A allein vollständig bestimmt. Jedes Element von W, ist mit jedem von 4 und mit jedem von ®, also auch mit jedem von AB = 9 vertauschbar.

Ist H ein Element von 9, so besteht der Complex

IMS8H= HBH+ MBH+-.-+MB,H

aus b verschiedenen Elementen, deren Ordnungen in b aufgehen. Da 9 nicht mehr als 5 solche Elemente enthält, so ist ’BH-—=%. Erzeugt also der Complex ® die Gruppe 9, der Ordnung A,, so ist 9, eine invariante Untergruppe von 9, und ebenso der grösste gemeinsame Divisor A, von A und 9,, dessen Ordnung a, sei. Da 9, durch 9, theilbar ist, so ist auch A, durch W, theilbar, und mithin ist jedes Element von X, mit jedem Elemente von 95 vertauschbar. Wie oben ergiebt sich, dass ah=ah,, also hy = ab ist.

4

Sei p” die höchste Potenz der Primzahl p, die in der Ordnung p‘ab einer Gruppe 9 aufgeht, und seien je zwei in 9 enthaltene Gruppen D der Ordnung p* theilerfremd. Sind S(W) und b relative Primzahlen, und enthält 9 genau p*b Elemente, deren Ordnung in p*b aufgeht, so enthält 9 auch genau b Elemente, deren Ordnung in b aufgeht, und die mit W vertauschbaren Elemente von 5 bilden eine Gruppe, deren Ordnung p*ab ist, wo - und a theilerfremd sind, und | (mod. p?) ist.

Je zwei in 9 enthaltene Gruppen ® und O der Ordnung p’ sind eonjugirt (in Bezug auf 9). Daher ist SW)=S(O). Die gemachte

1034 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe vom 21. November. 5 ven

Voraussetzung ist also von der Wahl von W unabhängig. Die mit WO) vertauschbaren Elemente von 9 bilden eine Gruppe WO) der Ordnung h’—=p’a’b', wo b’ der grösste gemeinsame Divisor von h’ und b sei. Die Gruppen W und ©’ haben kein Element R gemeinsam, dessen Ordnung pg durch p theilbar ist. Denn sonst hätten sie auch das Element R?= P gemeinsam, und dies würde, da seine Ordnung p ist, jeder der beiden Gruppen ® und Q angehören, während diese nach Voraussetzung theilerfremd sind.

Die Gruppe W’ enthält p*b’e Elemente, deren Ordnung in p*b’ (oder p’b) aufgeht. (Verallgemeinerung des Syrow’schen Satzes, $ 2, 1.) Ein solehes Element R kann als Product von zwei mit einander ver- tauschbaren Elementen P und Q dargestellt werden, deren Ordnungen in p* und in db aufgehen. Mithin gehört P der Gruppe V an, und folglich ist BPP=WV, VPR=-TPQ=WQ. Das Element Q gehört als Potenz von R der Gruppe W an, seine Ordnung geht in b auf, ist also zu I(W) theilerfremd. Nach $ 2 ist daher (Q mit jedem Elemente von W vertauschbar. Folglich enthält der Complex WVQ nur ein Element, nämlich Q, dessen Ordnung in 5b aufgeht, während die Ordnung jedes der anderen p*—1 Elemente durch p theilbar ist, aber in p’b aufgeht. Die p’b’e Elemente von W’, deren Ordnung in p*b aufgeht, zerfallen also in b’c Complexe WR, und es giebt unter ihnen genau (p’-1)b’e Elemente, deren Ordnung durch p theilbar ist.

Da W und © eonjugirt sind, so enthält auch DO’ genau (p*-1)b’e Elemente, deren Ordnung in p*b aufgeht und durch p theilbar ist. Zwei

Gruppen W und ©’ haben kein solches Element gemeinsam, die Anzahl

2 ee s DER th ab Be der verschiedenen in 9 enthaltenen Gruppen W ist a Mithin

enthält 9 mindestens (p-1)b’c Elemente, deren Ordnung in p*b auf- ji sınp

ab ab geht und durch p theilbar ist. Nach der Voraussetzung giebt es aber in $ nicht mehr als p*b Elemente, deren Ordnung in p*b aufgeht, und zu ihnen gehört das Hauptelement, dessen Ordnung nicht durch p theil-

bar ist. Daher ist a mx 2 a Pu e PP -Dd<p b, (5: 1) Ze

an a r also weil und ce ganze Zahlen sind, d

Bel, Wi, Ne: Da b der grösste gemeinsame Divisor von A und b ist, so sind a

b Ri: und Yy theilerfremd.

Die Bedingung, dass I(W) und d, oder, was auch schon genügt, SW) und 5 relative Primzahlen seien, kann auch durch folgende er-

Frogenius: Über auflösbare Gruppen. 1. 1035

setzt werden: Jedes Element von 9, dessen Ordnung in b aufgeht, und das mit der Gruppe V vertauschbar ist, muss mit jedem Elemente von W vertauschbar sein.

S5-

Die Ordnung einer Gruppe 9 sei h=ab, wo a und b relative Prim-

zahlen sind. Sei a— ke ld m’. p,

wo k, 1, m,--- p verschiedene Primzahlen sind. Seien &,R%, MM, P Gruppen der Ordnungen k“, I’, m?’ ,.+-p*, die in 5 enthalten sind.

Wenn je zwei Elemente von ®, je zwei von %,--- mit einander ver-

h

ie zahlen sind, so enthält 59 genau b Elemente, deren Ordnung in b aufgeht.

3 8 / i ; tauschbar sind, und wenn ®(R) und ne ‚„ OR) und relative Prim-

Ist d ein Divisor von a, der zu r theilerfremd ist, so enthält 59 Unter-

gruppen der Ordnung d, und je zwei solche Untergruppen sind conjugirt.

Da m” die höchste Potenz von m ist, die in A aufgeht, so sind je zwei in 5 enthaltene Gruppen M und M, der Ordnung m” con- jugirt. Daher sind auch je zwei Elemente von M, vertauschbar, und es ist OEM) O(M,). Die gemachten Voraussetzungen sind also von der Wahl der Gruppen 8,2, M,--- unabhängig. Ich nehme an, der obige Satz, der für a=1 selbstverständlich ist, sei in allen seinen Theilen bewiesen für jede Gruppe 5 der Ordnung ab‘, falls «<a ist. Dann enthält 9 genau p*b Elemente, deren Ordnung in p*b aufgeht, und es ist also nur noch zu zeigen, dass 59 genau (p’—1) b Elemente ent- hält, deren Ordnung in p’b aufgeht und durch p theilbar ist.

Jedes solche Element R kann, und zwar nur in einer Weise, als Produet von zwei mit einander vertauschbaren Elementen P und Q dargestellt werden, deren Ordnungen in p* und in 5 aufgehen. Man setze also für P der Reihe nach alle Elemente von 9, deren Ordnung eine Potenz von p ist, das Hauptelement E ausgeschlossen. Jedem P ordne man die Elemente Q zu, die mit P vertauschbar sind, und deren Ordnung in 5 aufgeht. Dann stellt R=PQ jedes Element von 9 einmal dar, dessen Ordnung in p’b aufgeht und durch p theilbar ist.

Die mit P vertauschbaren Elemente von 9 bilden eine Gruppe O der Ordnung rs, wo r in a aufgeht und s in d, und wo r durch p* theil- bar ist. Die Potenzen von P bilden eine Gruppe N der Ordnung p’v>P). Diese ist eine invariante Untergruppe von DO. Nach den Bemerkungen

(») am Ende des genügt die Gruppe nn} denselben Bedingungen wie 9.

*

Sie enthält daher, weil ist, genau s Elemente, deren Ordnung

1036 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 21. November.

in s (oder in db) aufgeht. Ist NC ein solches, so ist C’ in W enthalten,

also ist C?”—=E. Daher kann ( als Product von zwei mit einander ver- tauschbaren Elementen A und B dargestellt werden, deren Ordnungen in p’ und s aufgehen. Dann ist "=A'B’=A' in W enthalten, also da s nicht durch p theilbar ist, auch A. Mithin ist NA=NR und NO—NB. Als Potenz von (C ist B mit jedem Elemente von N ver- tauschbar. Daher enthält der Complex RB nur ein Element, nämlich 3, dessen Ordnung in s aufgeht. In Q giebt es aber s solche Complexe. Sie enthalten zusammen alle Elemente von Q, deren s'* Potenz in W enthalten ist, also auch alle, deren Ordnung in s aufgeht. Jeder der s Complexe enthält aber nur ein solches Element. Mithin giebt es in Q genau s Elemente, deren Ordnung ein Theiler von b ist.

Die Anzahl der mit P vertauschbaren Elemente von 9 ist rs. Die Anzahl der Elemente, die mit P eonjugirt sind in Bezug auf 9, ist

daher

Jedem Elemente dieser Classe, wie P, entsprechen s Ele-

TS mente (), die mit P vertauschbar sind, und deren Ordnung in 5 auf- geht. Aus dieser Classe entspringen daher —b Elemente R=PQ. Mithin giebt es in 9

ab lege (1.) Fr Elemente, deren Ordnung in p’b aufgeht, und durch p theilbar ist. Um diese Summe zu bilden, hat man alle Elemente von 5 zu be- stimmen, ‘deren Ordnung eine Potenz von p ist, davon das Haupt- element auszuschliessen, die übrigen in Classen conjugirter Elemente (in Bezug auf 5) zu theilen, aus jeder Classe einen Repraesentanten P zu wählen, und die Anzahl rs der mit P vertauschbaren Elemente von 5 (die Ordnung von Q) zu bestimmen. Die Anzahl aller Elemente von 9, deren Ordnung in p*b aufgeht, ist p’b. Zu ihnen gehört das Hauptelement, dessen Ordnung nicht durch p theilbar ist. Daher ist be<p*b, also ist die ganze Zahl CO=m—Ie

Sei ® eine bestimmte in 9 enthaltene Gruppe der Ordnung p*. Ist P, ein Element der Ordnung p’ in $, so giebt es ein mit P, con- jugirtes Element P, das der Gruppe ® angehört. Wir können daher die Repraesentanten P der verschiedenen Classen, auf die sich die Summe (1.) bezieht, alle in ® wählen. Die mit W vertauschbaren Elemente von $& bilden eine Gruppe W der Ordnung «db, wo da in a aufgeht und 5 in b.

Um die Summe (1.) zu berechnen, führe ich für diese Gruppe W die nämliche Untersuchung durch, wie oben für 9. Dieselbe enthält

Frosenius: Über auflösbare Gruppen. II. 1037

genau p*b' Elemente R, deren Ordnung in p*b' (oder p*b) aufgeht. Ist wie oben R=PQ, so gehört das Element P, weil seine Ordnung eine Potenz von p ist, der Gruppe ® an. Daher ist WP=NW und VR=NWQ. Die Ordnung von Q geht in db auf, ist also zu E(W) theilerfremd. Als Potenz von R ist @ mit V, und folglich mit jedem Elemente von W vertauschbar. Daher enthält der Complex BQ ein und nur ein Element, nämlich Q, dessen Ordnung in 5 aufgeht, während die Ordnung jedes der p’-1l andern Elemente durch p theilbar ist. Ist also R ein Element von W, dessen Ordnung in p’b aufgeht, so hat jedes Element des Complexes PR dieselbe Eigenschaft. Die An- zahl der Elemente R ist pb. Sie zerfallen folglich in 5 Complexe MR, deren jeder ein Element Q enthält. Demnach enthält W genau b Elemente Q, deren Ordnung in 5b aufgeht, und genau (p*-1)D, deren Ordnung in p*b aufgeht und durch p theilbar ist. Man nehme nun in W die Elemente von VW, schliesse davon das Hauptelement aus, theile die übrigen in Classen conjugirter Elemente (in Bezug auf W) und wähle aus jeder Classe einen Repraesentanten P aus. Die mit P vertauschbaren Elemente von W bilden eine Gruppe R der Ordnung r’s, wo r in a’(a) aufgeht und s' in d’(b). Dann ist

(2.) WI, P-).

®)

Die beiden in den Formeln (r.) und (2.) auftretenden Summen stimmen, wie ich jetzt beweisen werde, Glied für Glied überein. Nach dem letzten Theile des zu beweisenden Satzes enthält die Gruppe

®)

N eine Untergruppe DR

v

7% . ler Ordnung p’ also Q selbst eine Gruppe

®3 der Ordnung r. Da <a ist, so giebt es in B genau p* Ele-

mente, deren Ordnung in p’ aufgeht. Demnach hat ® eine invariante Untergruppe W, der Ordnung p*. Die beiden Gruppen VD und W, sind in Bezug auf Q eonjugirt. Indem man also B durch eine in Bezug auf Q conjugirte Gruppe ersetzt, kann man erreichen, dass W,=W wird. Dann ist P mit jedem Elemente von B vertauschbar, mithin ist 8 in W enthalten und in Q, also auch in dem grössten gemeinsamen Divisor von W und ©. Dieser ist die oben benutzte Gruppe N der Ordnung rs. Folglich ist r’s, also auch r’ durch r theilbar. Da aber R ein Divisor von Qist, so ist r durch r’ theilbar. Mithin ist ”—=r. Auch wäre leicht zu beweisen, dass ’—b’ ist. Die Repraesentanten der verschiedenen Classen, auf die sich die Summe (1.) bezieht, gehören alle der Gruppe W an, und repraesen- tiren auch für diese verschiedene Classen. Ich will nun aber zeigen,

1038 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 21. November.

dass dies die sämmtlichen Classen sind, auf die sich die Summe (2.) bezieht. Es ist also zu beweisen:

Sind P und P, zwei (invariante) Elemente von W, die conjugirt sind in Bezug auf 9, so sind sie auch conjugirt in Bezug auf W. Denn sei

(3.) HARH=P: Da P, der Gruppe W angehört, so ist P ein Element von en

Mithin ist P mit jedem Elemente von V und jedem von W, ver- tauschbar. Die Gruppe Q ist folglich sowohl durch VW, wie durch Wi, theilbar. Nun ist aber p* die höchste Petenz von p, die in der Ordnung von Q aufgeht. Daher giebt es in Q ein solches Element (2, dass ARA—-B ist. Aus diesen Gleichungen folgt PHQ=HRN, und mithin ist HQ= P ein Element von W. Setzt man den Ausdruck H=P0Q" in die Gleichung (3) ein, so erhält man, da Q mit P vertauschbar ist, Br sEr Ol ROTER: Demnach können die beiden Summen (1.) und (2.) auf genau dieselben Repraesentanten bezogen werden. Daher ist adc—=a(p—]). Da aber asa, esp-—l ist. so muss er, Bern

. . . sein. (Die oben benutzte Gleichung r =

2

* drückt für die Gruppe O dieselbe Eigenschaft aus, wie die Gleichung @=a für die Gruppe 9.) Folglich enthält 9 genau (p’-1)b Elemente, deren Ordnung in p’b, aber nicht in 5 aufgeht, und genau db Elemente, deren Ordnung in b aufgeht.

es Y

a .. m B \ Ordnung —, also enthält W eine Gruppe A der Ordnung a. p

£ : A Die Gruppe der Ordnung = b enthält eine Gruppe „_ der

BD

Auch bei dem Beweise des letzten Theiles des obigen Satzes wende ich den Induetionsschluss an. Er braucht dann nicht mehr

. » = » nn a - bewiesen zu werden, falls man A in die Factoren und p*b zer- Jen

d

legt, d.h. wenn d in aufgeht, also nur noch, wenn d durch p* 2 U RE theilbar ist. Nun enthält aber die Gruppe 5, der Ordnung eine Y p*

Frosentus: Über auflösbare Gruppen. 11. 1039

za also enthält A eine Gruppe D der Ord-

Gruppe - der Ordnung zZ nung d. Seien D und D, irgend zwei in 9 enthaltene Gruppen der Ordnung d (die durch p* theilbar ist). Will man beweisen, dass sie conjugirt sind in Bezug auf 5, so kann man jede durch eine be- liebige conjugirte Gruppe ersetzen. Dadurch kann man erreichen, dass beide dieselbe Gruppe W der Ordnung p’ enthalten. Da D(D,) genau p* Elemente enthält, deren Ordnung in p* aufgeht, so ist P eine

invariante Untergruppe von D und ®,. Daher sind D und D, beide

D D / in W enthalten und en und n beide in T Folglich giebt es in DRY 7 en) ur ein solches Element H, dass Ta en also HDOH—D, ist. U D Yp 8 6.

Ich wende mich nun zur Betrachtung einiger besonders interessanter specieller Fälle des eben entwickelten allgemeinen Satzes. Der ein- fachste ist der, wo jede der Gruppen 8,%,---W den Rang ?=1 hat, also eine eyklische Gruppe ist (aus den Potenzen eines Elementes be- steht). Dann ist E($R)=%k-1l. Ist also k</!<m<...<p, und ist jede in b aufgehende Primzahl > p, oder sind allgemeiner b und a®(a) relative Primzahlen, so sind die Voraussetzungen sämmtlich erfüllt. Diesen Fall hat Burssipe in einer Arbeit Notes on the Theory of Groups of Finite Order, Proceedings of the London Math. Soc. vol. XXVI, p.199 behandelt. Als Beispiel führe ich folgenden Satz an:

I. Ist m eine ungerade Zahl, so hat eine Gruppe 9 der Ordnung 2" m, die ein Element der Ordnung 2” enthält, eine und nur eine Untergruppe 9, der Ordnung ?”*m. Sie besteht aus allen Elementen von 9, deren Ordnung in 2?” m aufgeht. Von den A charakteristischen Untergruppen 9: 9,9, der Gruppe 9 ist jede durch die folgende theilbar.

Denn sind @,, @,,-:: @, die h= 2” m Elemente von 9, und ist A eines unter ihnen, so ist

Mm GH D G, Be G, re HA,G@GA,-- A eine Permutation derselben. Die so erhaltenen Ah verschiedenen Per- mutationen bilden eine der Gruppe 9 isomorphe Gruppe 9. Ist a die ME j n Ordnung von A, so besteht A aus Cyklen von je a Symbolen. Ber }

Ist ZL ein Element der Ordnung 2°, so ist daher Z eine ungerade Per- mutation. Daher bilden die geraden Permutationen von $ eine in- > = I i N variante Untergruppe 9, der Ordnung —. Die ungeraden Permutationen

sind die, deren Ordnung durch 2” theilbar ist, die geraden die, deren

1040 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 21. November.

Ordnung in 2”"m aufgeht. Der Gruppe $, entspricht eine invariante Untergruppe 5, von 9, die aus allen Elementen von $) besteht, deren Ordnung in 2*"m aufgeht. Sie enthält das Element L? der Ordnung 2’, Mithin hat sie eine invariante Untergruppe 9, der Ordnung 2” m. Sie besteht aus allen Elementen B von 9, deren Ordnung in 2" m aufgeht, und die in 9, enthalten sind. Die zweite Bedingung ist aber eine Folge der ersten. Denn wenn die Ordnung von B in 2”"m aufgeht, so geht sie auch in 2°" m auf, und mithin ist B in 9, ent- halten. Folglich ist 9, die einzige in 5 enthaltene Gruppe der Ord- nung 2*””m, und demnach ist $, eine charakteristische Untergruppe von 9.

Der nächste Fall ist der, wo jede der Gruppen 8,%,---W den Rang 1 oder 2 hat. Hat X den Rang 2, so ist E(R)=(k-1) (A’-1). Auch dann sind die Voraussetzungen erfüllt, wenn A</<m<---<p ist, und jede in 5 aufgehende Primzahl >p ist, oder allgemeiner 5 zu (#?—1)(7?—1)--: (p?—1) theilerfremd ist. Eine Ausnahme tritt aber hier ein, wenn k=2 und /=3 ist, und & den Rang 2 hat.

Die Bedingung, dass O(R) und 2 theilerfremd sein sollen, kann

durch folgende andere ersetzt werden: Sei C irgend eine Untergruppe von &, sei N eine Untergruppe von €, und sei Q ein Element von

4 aufgeht. Ist dann Q mit C (mod. N) ver- tauschbar, so muss Q mit jedem Elemente von & (mod. N) vertausch- bar sein. Es genügt auch zu wissen, dass dieser Bedingung jedes solche Element Q genügt, dessen Ordnung eine Potenz einer Prim- zahl ist. Der oben erwähnte Ausnahmefall tritt daher unter folgen- der Bedingung nieht ein: Ist ein Element Q, dessen Ordnung eine Potenz von 3 ist, mit E (mod. N) vertauschbar, so muss Q mit jedem Elemente von C (mod. N) vertauschbar sein.

Sei = —W und sei W,,W,, V,--- VD eine lückenlose Reihe charak- Wurı

teristischer Untergruppen von W. Dann hat jede der Gruppen DU

[73

9, dessen Ordnung in

entweder den Rang l und die Ordnung 2 oder den Rang 2 und die

Ordnung 4. Ist Q mit jedem Elemente von W, vertauschbar, mit jedem ba B: 2 inle n von m,’ von n u.s.w., so ist Q nach SatzIl,$2 auch mit jedem Elemente 1 2 von ® vertauschbar. Wenn also Q zwar mit ®, aber nicht mit jedem Elemente von W vertauschbar ist, so muss es auch einen solchen

eo 2 RE Index u geben, dass Q zwar mit Dow aber nicht mit jedem Elemente = £ Ü e dieser Gruppe vertauschbar ist. Dann muss Darı aber nothwendig

PD,

Frogenws: Über auflösbare Gruppen. I. 1041 den Rang 2 und die Ordnung 4 haben. Wir können nun die Gruppe

vollständig durch diese Gruppe ersetzen, d.h. wir können

c na! N Bur & f

Ds —=®W den Rang 2 und die Ordnung 4 hat. Dann besteht W aus dem Hauptelemente E und 3 unter einander vertausch-

baren Elementen A, B,€ der Ordnung 2, die den Bedingungen A2—Z#B,B—=E, 62H, ABC=E

voraussetzen, dass

genügen. Da Q mit W, aber nicht mit A, B,C vertauschbar ist, so müssen Relationen der Form

QA=BQ, QB=CQ, QC=4Q

bestehen. Daher ist mit jedem Elemente von W vertauschbar. Bilden also die Potenzen von Q die Gruppe Q, die von Q* die Gruppe R, so ist N eine invariante Untergruppe von PO, die obigen Relationen gelten auch (mod. N) und ausserdem ist Q@= E (mod. R). a ae Daher ist = die Tetraedergruppe.

II. Hat jede der Gruppen vertauschbarer Elemente R,X,M,--- DB der Ordnung k“, I®, m? ,---p* den Rang 1 oder 2, und ist jeder Prim- factor von b grösser als der grösste Primfactor von a, oder ist allgemeiner b zu ER) O(P)--- OP) theilerfremd, so enthält 9 genau b Elemente, deren Ordnung in b aufgeht.

Eine Ausnahme tritt nur en, wenn k—= 2, 1—=3 ist, X den Rang 2 hat, und 9 eine Untergruppe hat, deren Ordnung in 2°3° aufgeht, und die mit der Tetraedergruppe zusammengesetzt ist.

Die Gruppen 8,%,--- haben sicher den Rang 1 oder 2, wenn die Exponenten &,®,-:-A alle gleich 1 oder 2 sind. Den speciellen Fall, woa=2,ß=y=---=?A=]1 ist, hat ebenfalls schon Burnsıpe (a.a.O0. S. 202) behandelt. Einen anderen habe ich Über auf lösbare Gruppen $ 5 erwähnt. Wie ich bei dieser Gelegenheit bemerke, geht dort aus der Fassung des Satzes nicht deutlich genug hervor, dass 9,4, keine invariante Untergruppe von 9 selbst zu sein braucht.

Mit Hülfe der entwickelten Sätze macht es nun keine besondere Mühe mehr, die Vermuthung zu bestätigen, die ich in der Einleitung jener Arbeit ausgesprochen habe:

III. Unter allen Gruppen, deren Ordnung ein Product von 5 Prim- zahlen ist, giebt es nur 3 einfache Gruppen, gebildet von den eigentlichen gebrochenen linearen Substitutionen in Bezug auf einen Primzahlmodul p, von der Ordnung sp(p’—\) für p=1T, 11 und 13, also von der Ordnung

IbB == 255375466 0-22.3252117,#.1092 1223-713:

Sitzungsberichte 1895. 93

1042 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 21. November.

Unter allen Gruppen, deren Ordnung ein Produet von weniger als 5 Primzahlen ist, giebt es nur eine einfache, die Ikosaedergruppe der Ordnung 60. Wenn also eine Gruppe, deren Ordnung ein Pro- duet von 5 Primzahlen ist, zwar zusammengesetzt, aber nicht auf- lösbar ist, so muss sie aus der Ikosaedergruppe und einer Gruppe von Primzahlordnung zusammengesetzt sein.

Seien % und & irgend zwei Gruppen der Ordnungen f und g. Indem man die Elemente von © (ausser £) mit andern Buchstaben bezeichnet, wie die von %, erhält man zwei isomorphe Gruppen, die theilerfremd sind. Setzt man dann fest, dass jedes Element von % mit jedem von © vertauschbar sein soll, so ist J6=S9 eine Gruppe der Ordnung /g, die zwei theilerfremde invariante Untergruppen % und & hat. Diese triviale Art, aus zwei Gruppen eine dritte zu bilden, hat schon Caucny gelehrt. Solche Gruppen 9 sind passend als zerfallende bezeichnet worden (Dyk, Math. Ann. Bd. ı7 S. 482).

Ist f eine Primzahl p, und ist © eine Ikosaedergruppe, so ist 9 eine Gruppe der Ordnung 60p.

Diese zerfallenden Gruppen hatte ich bei meiner Untersuchung von vorn herein von der Betrachtung ausgeschlossen, habe sie aber dann bei der Zusammenstellung der Resultate aufzuführen vergessen. Ausser ihnen giebt es aber, wie a. a. OÖ. behauptet wurde, nur noch zwei zusammengesetzte, aber nicht auflösbare Gruppen, deren Ordnung ein Product von 5 Primzahlen ist. Beide haben die Ordnung 120, jede hat nur eine invariante Untergruppe, die eine die Ikosaeder- gruppe, die andere eine Gruppe der Ordnung 2. Jene ist die sym- metrische Gruppe des Grades 5, diese die Gruppe der linearen Sub-

stitutionen ö : ; , : z=ax+ßy y=ya'+öy' (mod. 5) (—Py=1)

Diese Resultate, die mir schon bei der Abfassung jener Arbeit be- kannt waren, hat Hörver in der kürzlich erschienenen Arbeit Bildung zusammengesetzter Gruppen (Math. Ann. Bd. 46) ausführlich bewiesen (vergl. besonders $ 60).

Von den zahlreichen Verallgemeinerungen der obigen Resultate erwähne ich hier nur noch die beiden folgenden:

IV. Sind p<g<r drei verschiedene Primzahlen, so giebt es ausser der Ikosaedergruppe keine einfache Gruppe der Ordnung p“gr, worin je zwei Untergruppen der Ordnung p“ theilerfremd sind.

V. Sind p<g<r drei verschiedene Primzahlen, so hat eine Gruppe 9 der Ordnung p?’gr’ eine invariante Untergruppe der Ordnung r? und

ist folglich auflösbar. Nur wenn p=?2, y=3, r—=5 ist, braucht dies nicht der Fall zu sein. Dann aber hat 5 eine invariante Untergruppe |

h Dir der Ordnung 7”, und ist die Ikosaedergruppe. ü

Frosenwus: Über auflösbare Gruppen. II. 1043

$ 7. Die in $ 5 betrachtete Gruppe 9 hat eine Untergruppe der Ordnung d, falls d und 7 theilerfremd sind. Dieser Satz lässt sich so

verallgemeinern: Die Gruppe R(X,--- B) habe eine (für X) charakte- ristische Untergruppe 8%, W,) der Ordnung krr(7P ep), 2. B. kann 8, = E oder ®,—= KR sein. Dann hat 9 eine Untergruppe der Ordnung d— k“ 1°... p”. Denn die Gruppe A der Ordnung a hat die invariante Untergruppe W der Ordnung p*, und diese hat die charakteristische Untergruppe W,. Folglich ist auch W, eine invariante Untergruppe

a \ a } von W. Ferner hat A eine Untergruppe A, der Ordnung Bi Nimmt 27

man nun an, für diese sei die Behauptung schon bewiesen, so hat Q\,

: 1 a : 3m: eine Untergruppe ®, der Ordnung = Die Gruppe W, ist mit jedem

Ag

Elemente von X, also auch mit jedem von ®, vertauschbar. Mithin hat A die Untergruppe D=-D,W, der Ordnung d.

Ich betrachte nun den speciellen Fall, wo jede der Gruppen 8.%,--- Weine eyklische ist. Dann hat V nur eine einzige Untergruppe von gegebener Ordnung p’, und diese ist folglich eine charakteristische. Ist also d irgend ein Divisor von a, so hat 9 eine Untergruppe D der Ordnung d. Ferner sind je zwei solche Gruppen D und D’ con- jugirt. Denn seien VW, und W, die in ihnen enthaltenen Gruppen der Ordnung p’", und seien V und W Gruppen der Ordnung p’, in denen W, und W, enthalten sind. Dann it W—= I’WH, also auch WW H'W,H, weil D nur eine Untergruppe der Ordnung p’» enthält. Indem man daher ®D durch eine conjugirte Gruppe ersetzt, kann man erreichen, dass D und D beide dieselbe (invariante) Untergruppe W, enthalten. Daraus erhält man das Resultat in derselben Weise wie in 85.

Sind die Exponenten «4, ß,-- Ar alle gleich 1, so ergiebt sich aus der Existenz der Gruppe D in besonders einfacher Weise der interessante Satz, den Hörner in der unlängst erschienenen Arbeit Die Gruppen mit quadratfreier Ordnungszahl (Göttinger Nachrichten, 1895) entwickelt hat.

Die Ordnung A=p,p,p;‘': der Gruppe 9 enthalte keinen Prim- factor P,, Ps, Ps‘; in einer höheren als der ersten Potenz. Sei W, eine in 5 enthaltene Gruppe der Ordnung p,, gebildet von den Potenzen des Elementes /,.. Um $ als transitive Gruppe von Permutationen darzustellen, muss man eine Untergruppe & suchen, welche keine in- rariante Untergruppe von 9 (ausser &) enthält. (Über endliche Gruppen $ 4.) Sei X eine von verschiedene invariante Untergruppe von 9, q die grösste in ihrer Ordnung f enthaltene Primzahl, Q eine in %

gar

1044 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 21. November. enthaltene Gruppe der Ordnung g. Dann ist OD eine invariante Unter- gruppe von 7, also auch von 9, weil q und 2 theilerfremd sind

(a. a. 0. S.2,Il). Damit also & keine invariante Untergruppe von 9 enthält, ist nothwendig und hinreichend, dass sie keine solche Gruppe von Primzahlordnung enthält.

Seien 9, P;, P,--- die invarianten Untergruppen von 9, deren Ordnungen p,,P53;P,;''' Primzahlen sind. Dann ist auch ihr kleinstes gemeinschaftliches Vielfaches B,V;V,--- =M eine invariante Unter- gruppe von 5 der Ordnung m=p,P5p,''- Da VW. und W, theiler- fremd sind, so ist P, mit P, vertauschbar. Folglich ist P,P,P, --=M ein Element der Ordnung m, und M besteht aus den Potenzen von M. Zu den Primzahlen p., ps, P,':: gehört nothwendig jede in A enthaltene

I E Primzahl p, die nicht in & (}) aufgeht, z. B. der grösste Primfactor

von A.

Ist A=gm, so hat 5 eine Untergruppe & der Ordnung g. Durch die Benutzung einer solchen Gruppe & gelingt es nun, das Verfahren von HöLver zu vereinfachen. © enthält keine invariante Untergruppe von 9. Denn sonst enthielte sie auch eine solche von Primzahlord- nung, also eine der Gruppen W,.,W;,D,---, während g durch keine der Primzahlen p,.,Ps;P,‘‘: theilbar ist. Mithin lässt sich 9 als

h

transitive Gruppe von Permutationen von m = Symbolen darstellen.

In dieser Darstellung wird das Element M der Ordnung m eine Sub- stitution, die aus einem einzigen Cyklus von m Symbolen besteht, also z. B. durch die lineare Substitution y=x+1 (mod. m) dargestellt werden kann. Die 5‘ Potenz von M ist dann die Substitution

y=2+b (mod. m).

Mit der Gruppe M, die von diesen Potenzen gebildet wird, ist jede Substitution von 5 vertauschbar. Sie ist daher von der Form y=ax+b (mod. m), wo a eine Gruppe von g Werthen durchläuft. Die Substitutionen y=ax (mod. m) bilden eine in 5 enthaltene Gruppe vertauschbarer Elemente der Ordnung g. Dieser ist nach $5 die Gruppe © conjugirt. Also sind auch je zwei Elemente von & ver- tauschbhar. Da g durch kein Quadrat theilbar ist, so hat & den Rang 1, ist also eine eyklische Gruppe. Mithin lassen sich die g Werthe von a alle als Potenzen von einem derselben c darstellen, der zum Exponenten g (mod. m) gehört.

1045

Uber die Ichthyopterygier der Triasformation.

Von W. Danmes.

Nor einigen Jahren machte G. Baur' an Ichthyopterygiern aus der oberen Triasformation von Besano in der Lombardei, welche F. Bassanı” kurz vorher zuerst erwähnt und Ichthyosaurus Cornalianus benannt hatte, die wichtige Beobachtung, dass ihr Unterarm verlängert ist und seine beiden Theile, Radius und Ulna, nicht an einander stossen, sondern durch einen länglichen, schlitzartigen Zwischenraum von einander ge- trennt werden. Ferner fand er, dass die Zähne weniger zahlreich als bei Ichthyosaurus s. str. und von zweierlei Form sind. Somit war der Beweis für die schon früher von E. HacEckEr und C. Vogr vertretene An- sicht erbracht, dass die Ichthyopterygier von Landthieren abstammen, und nicht, wie GEGEnBAUR wollte, Beziehungen zu Fischen haben. G. Baur erhob die lombardischen Funde zur Gattung Miwosaurus, als Typus einer Familie der Mixvosauridae, und erblickte in ihnen mit Recht den Übergang von den noch unbekannten, landbewohnenden Stammeltern zu den rein marinen Ichthyosauriern der mesozoischen Perioden.

Später konnte E. Fraas’ den schon von G. Baur erhofften, in- teressanten Nachweis führen, dass auch die Iehthyopterygier des schwäbischen Musechelkalkes, welche Quessteor’ als Ichthyosaurus atavus beschrieben hatte, in die Gattung Mixosaurus zu stellen seien, da auch sie verlängerte und getrennte Unterarmknochen und relativ wenig Zähne von zweierlei Form besitzen. Die dazugehörigen Wirbel haben zwar die allgemeine Form der jüngeren Gattungen, aber ihre Pro- CESSsus spinosi weichen insofern ab, als ihnen sehr verdickte, längs-

! Über den Ursprung der Extremitäten der Ichthyopterygier (Bericht über die XX. Versammlung des Oberrheinischen geologischen Vereins. 1887).

?2 Sui fossili e sull’ etä degli schisti bituminosi triasici di Besano in Lombardia (Atti della Societä italiana di Scienze naturali. Vol. XXIX. Milano 1886).

® Die Ichthyosaurier der süddeutschen Trias- und Jura-Ablagerungen. 1891. S. 37fl.

* Handbuch der Petrefactenkunde. 1852. S.129.

1046 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 21. November,

gekielte Seiten und paarige Zygapophysen zukommen, im Gegensatz zu den dünnen, ebenen Seiten und der unpaaren Zygapophyse jener'.

Ausser in der Lombardei und Württemberg sind triadische Ich- thyopterygier noch auf Spitzbergen und im nördlichen Californien ge- funden worden, über deren Beziehungen zu den Mixosauriden noch nichts bekannt geworden ist. Diese zu erörtern ist der Zweck der fol- genden Mittheilung.

A. E. NorpeEnsksöLn sammelte in den Jahren 1864 und 1868 zahl- reiche Reptilienreste aus Triasablagerungen, welche an einer Saurie Hook genannten Bucht des Eisfjordes auf Spitzbergen anstehen. J. W. Hurke” hat sie beschrieben und, abgesehen von einigen hier nicht in Betracht kommenden Resten, Wirbel und Rippen zweier Arten von Ichthyopte- rygiern erkannt, welche er Ichthyosaurus polaris und Nordenskjöldi be- nannte, die erstere von bedeutender Grösse, die zweite klein. Ausser- dem lehrte er ein Schädelfragment kennen »A small snout, reptilian? incertae sedis (of I. Nordenskjöldi?)«, das er wegen der eigen- thümlichen Bezahnung nicht mit Ichthyosaurus Nordenskjöldi zu ver- einigen wagte, obwohl er, wie die Bezeichnung zeigt, dazu geneigt war. Hätten ihm die G. Baur’schen und E. Fraas’schen Beobachtungen bekannt sein können, würde er die Vereinigung wohl unbedenklich vorgenommen haben. Dank der freundlichen Bereitwilligkeit des Hrn. Prof. Dr. G. Liınpström konnte ich die Hurke’schen Originale, welehe das Riksmuseum in Stockholm aufbewahrt, einer erneuten Untersuchung unterziehen und zunächst feststellen, dass die früheren Beschreibungen keiner Ergänzung oder Änderung bedürfen; es kann also auf sie verwiesen werden’.

Ein Vergleich der Bezahnung des Schädelfragments von Spitz- bergen mit der von Mixwosaurus atavus ergab in den wesentlichsten Punk- ten völlige Übereinstimmung. Charakteristisch für die hinteren Zähne des letzteren ist, dass das Dentin in einige wenige, grobe Falten ge- legt und die Pulpenhöhle sehr gross ist. Zu einem Dünnsehliff ist die Erhaltung der Zähne der arktischen Art nicht geeignet, aber der horizontale Anschliff eines hinteren Zahnes zeigt deutlich auch hier

! Auf die phylogenetische Bedeutung der oben erwähnten Veränderung der Zygapophysen habe ich in einer Mittheilung » Über das Vorkommen von Ichthyoptery- giern im Tithon Argentiniens« (Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft. 45. 1893. S. 30ff.) hingewiesen.

?2 Memorandum on some fossil vertebrate remains collected by the swedish ex- peditions to Spitzbergen in 1864 and 1868. (Bihang till k. Svenska Vet. Akad. Hand- lingar. Bd. 1. Nr. 9. 1873.)

® Da die für Hurke vorhanden gewesenen Bedenken einer Vereinigung des Schädelfragments mit den Wirbeln des Ichthyosaurus Nordenskjöldi nach Vergleich mit Mixosaurus atavus in Fortfall kommen, bezeichne ich beide mit demselben Artnamen.

Danes: Über die Ichthyopterygier der Triasformation. 1047

wenige, unregelmässige Falten. Ebenso stimmt das Verhältniss der Dicke des Dentin zur Grösse der Pulpenhöhle bei beiden gut überein; nur sind durch den Gesteinsdruck zahlreiche, feine Risse und Sprünge, sowie kleine Verwerfungen entstanden, welche die Unregelmässigkeit der Faltung grösser erscheinen lassen, als sie ursprünglich war'. Unter- schiede bestehen in der Form der einzelnen Zähne. Diejenigen von Ichthyosaurus Nordenskjöldi bilden sämmtlich im Querschnitt ein läng- liches Viereck mit abgerundeten Ecken, während sie bei der schwä- bischen Art nahezu kreisrund sind. Ferner bleiben die hintersten Zähne bedeutend niederiger und bekommen eine unregelmässig-höcke- rige Oberfläche, welche am letzten Zahn der linken Seite durch eine stumpfe Längskante eine lebhaft an die Öestracioniden-Gattung Orodus erinnernde Form annimmt. Auch in der Form der Befestigung scheinen kleine Abweichungen zwischen beiden Arten zu bestehen. Im Zwischen- kiefer des Ichthyosaurus Nordenskjöldi lehnen sich die Zähne nur an die Aussenwand an, während sie bei Mixosaurus atavus auch innen an eine leistenartige Erhebung anstossen sollen’; ferner ist die Knochensubstanz zwischen den hinteren Zähnen bei ersterem kräftiger entwickelt, so dass ringsum geschlossene Alveolen entstehen, an Stelle der verkümmerten Scheidewände zwischen den hinteren Zähnen des letzteren.

Die Wirbel beider Arten gleichen sich darin auffallend, dass sie unter Beibehaltung der allgemeinen Form der typischen Ichthyosau- rier in der Schwanzregion gerundet hexagonal und dabei höher als breit sind, so dass der verticale Durchmesser den horizontalen fast um die Hälfte übertrifft. Während aber Mixosaurus atavus tief con- :ave Gelenkflächen besitzt, haben sie bei Ichthyosaurus Nordenskjöldi einen ebenen Rand und nur in der Mitte eine trichterförmige Ver- tiefung.

Es ergibt sich somit, dass letztere Art in allen wesentlichen Merkmalen mit denen der Gattung Mixosaurus übereinstimmt. Was an Unterschieden angeführt wurde, kann vorläufig nur zur Trennung in zwei Arten derselben Gattung dienen. Sollten spätere Funde auch ergeben, dass eine Scheidung in zwei Gattungen statt haben muss, so werden die nahen verwandtschaftlichen Beziehungen doch bestehen bleiben. Vorläufig ist für eine generische Selbstständigkeit noch kein Anhalt gegeben, und demgemäss ist die arktische Art Mixosaurus Nordenskjöldi Bassanı sp. zu benennen.

! Die kleineren Vorderzähne sind kaum gefaltet. Die Faltung stellt sich erst bei den Hinterzähnen ein.

?2 Es ist hierbei nicht ausser Acht zu lassen, dass die Bezahnung von Ichthyo- saurus Nordenskjöldi dem Zwischenkiefer, die von Mixosaurus atavus dem Unterkiefer angehört.

1048 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 21. November.

Die Funde von Ichthyopterygiern in der californischen Triasfor- mation datiren aus neuester Zeit. Jon C. Merrıam' hat im Juli d.J. mitgetheilt, dass sich Wirbel und Coracoide einer grossen und Wirbel

einer kleinen Art in Ablagerungen gefunden haben, welche zugleich

Arcestes, Trachyceras, Atractites, Aulacoceras, sowie namentlich Tropites subbullatus führen und somit sicher der oberen Triasformation ange- hören. Ein genauer Fundort wird nicht angegeben; er liegt in Shasta County. Die kleinere Art, welche durch eine Reihe von 25 zu- sammenhängenden Schwanzwirbeln repraesentirt ist, soll völlig mit Ichthyosaurus übereinstimmen. Für die grössere Art hat der Autor die neue Gattung Shastasaurus geschaffen, deren Merkmale er in der einfachen Facette für die Gelenkung mit den Rippen an den von ihm für hintere Hals- oder vordere Rückenwirbel gehaltenen Wirbelkörpern und in der Verdiekung der Processus spinosi, welche zudem noch äussere, seitliche Längskiele besitzen, erblickt. Zu der Annahme, dass Hals- oder Rückenwirbel vorliegen, wurde er muthmasslich dadurch geführt, dass die Coracoide mit ihnen zusammen in einem und dem- selben Kalkblock lagen, aber ein Beweis dafür ist nicht erbracht. Einfache Gelenkung der Rippen mit den Centren kommt den Schwanz- wirbeln aller Ichthyopterygier zu, und man muss demgemäss auch den fraglichen Wirbeln des Shasta County diese Stelle in der Reihe zuweisen. Das zweite Merkmal theilt Shastasaurus pacificus mit Mixo- saurus, mit dem er unbedenklich zu vereinigen wäre, wenn die Form und Grösse der Wirbel nicht dagegen Bedenken aufkommen liessen. Die Grösse übertrifft die der europäischen Mörosaurus- Arten um ein Be- deutendes: sie erreicht 60”” Höhe und 70”” Breite. Aus diesen Zahlen geht auch hervor, dass die Wirbel breiter als hoch sind und dadurch von den hohen Schwanzwirbeln von Mixosaurus abweichen. Immerhin stimmt die Gestalt der oberen Bögen so auffallend mit der von Miwo- saurus überein, dass an eine Zugehörigkeit zu derselben Formengruppe oder Familie nicht gezweifelt werden kann. Eine Abweichung, die nur generischen Werth beanspruchen kann, liegt in der schwachen Entwiekelung der Zygapophysen. Die Gattungsdiagnose ist somit dahin zu ändern, dass Grösse, runder, etwas quer-elliptischer Umriss der Wirbeleentren, verdickte, seitlich gekielte, obere Bögen mit schwach entwickelten Zygapophysen’ als die bezeichnenden Merkmale von Shastasaurus zu gelten haben.

! On some Reptilian Remains from the Triassie of Northern California (The American Journal of Science. 3. Series. Vol.L. 1895. p. 55 ft.).

® Der systematische Werth des Grades der Zygapophysen -Entwickelung wird sich erst definitiv beurtheilen lassen, wenn bekannt sein wird, welchem Theil der Wirbelsäule der von E. Fraas |. c. t. 3 f. 6 abgebildete obere Bogen, der übrigens seinen

nn

Danes: Über die Ichthyopterygier der Triasformation. 1049

Shastasaurus pacificus beansprucht nicht nur als erster Vertreter der Ichthyopterygier in der Triasformation Nordamericas besonderes Inter- esse, sondern namentlich auch deshalb, weil er für die Beurtheilung der Stellung der grösseren arktischen Art Ichthyosaurus polaris J. W. HurLxe zu den übrigen die Handhabe bietet. G. Baur hatte als bezeichnend für die Familie der Mixosauridae auch geringe Körper- dimensionen angegeben, und in der That erreichen weder Mixosaurus atavus, noch Mixosaurus Nordenskjöldi die durchschnittliche Grösse der jüngeren Ichthyopterygier. Nun zeigt Shastasaurus pacificus, dass auch sehr grosse Arten der Triasformation Mixosauriden-Merkmale, wie verdickte und längsgekielte obere Bögen, besitzen können. So- mit liegt kein Grund mehr vor, Ichthyosaurus polaris aus der Familie der Mixosauridae auszuschliessen, und zwar um so weniger, als auch die, allerdings recht spärlichen Fragmente der Zygapophysen auf dem Querbruch eine ansehnliche Dicke zeigen, die jedenfalls die der jüngeren Ichthyosaurier übertrifft. Auch die Form der Wirbel- centren scheint der von Shastasaurus sehr nahe zu stehen, da die von Hurke angegebene Höhe sicher auf den Gesteinsdruck zurückzu führen ist.

Es ist ein eigenthümliches Zusammentreffen, dass sich sowohl auf Spitzbergen wie in Californien je eine grosse und eine kleine Art in denselben Ablagerungen gezeigt haben. Auf die schwäbischen Funde übertragen, lässt dasselbe die Annahme rechtfertigen, dass die beiden Varietäten, in welche E. Fraas nach der Grösse Mixo- saurus altavus zerlegt hat, zwei verschiedenen Arten entsprechen, und dies um so mehr, als var. major durch kreisrunden Umfang des Wirbelkörpers von der var. minor deutlich getrennt ist, und auch die Vorderflächen verschieden sind: die der ersten am Rande eben und in der Mitte trichterförmig eingesenkt, ähnlich wie bei Mixosaurus Nordenskjöldi, die der zweiten gleich vom Rande aus tief concavV,

Aus Obigem ergibt sich die für die Stammesgeschichte der Ichthyopterygier bemerkenswerthe Thatsache, dass alle ihre Vertreter

Dimensionen eher zu der grösseren der beiden von ihm unterschiedenen Varietäten von Mirosaurus atavus gehören dürfte, zukommt, und ferner, innerhalb welcher Grenzen die Ausbildung der Zygapophysen bei einem und demselben Individuum schwankt.

Auch die Form der Coracoide hätte in die Gattungsdiagnose aufgenommen werden müssen, wenn festzustellen gewesen wäre, in welchen Eigenschaften sie bei den Mixosauriden persistiren. Da sie aber bisher nur von einer Gattung bekannt sind, mussten sie ausser Acht gelassen werden. Hr. E. Fraas äusserte sich in einem Briefe, in welehem er auch meiner Auffassung der Wirbel von Shastasaurus zustimmt, dahin, dass Coracoide von Mixosauriden theoretisch kaum anders hätten construirt werden können, als die von Shastosaurus thatsächlich beschaffen sind.

1050 Sitzung der physikalisch-mathematisenen Classe vom 21. November.

in der Triasformation trotz mancher generischer und speecifischer Ab- weichungen doch durch bestimmte gemeinsame Merkmale mit einander verbunden sind, welche sie von den jüngeren trennen, dass sie also zu derselben geologischen Zeit dasselbe Entwickelungsstadium durch- laufen haben, in welchen geographischen Breiten sie auch immer gelebt haben mögen.

1051

Über Discopyge Tschudii Heck.

Von Prof. Gustav FrıTscH

in Berlin.

(Vorgelegt von Hrn. Mößıvs.)

Vor einigen Monaten war ich in der Lage, der Akademie über eine bisher nicht in Berlin gesehene, auf speciellen Wunsch eingelieferte Torpedinee der australischen Küste, Hypnos subniger, zu berichten. Seitdem ist ebenfalls in Folge hierorts geäusserter Bitten von der chilenischen Küste eine andere Neuheit aus diesem Gebiet für uns, nämlich die Discopyge Tschudi in zwei Exemplaren eingeliefert.

Es ist das Verdienst des von der Humboldt-Stiftung ausgesandten Zoologen Hrn. Dr. Prare, dass er, den durch Hrn. E. pu Boıs-Revmonn und mich selbst geäusserten Wünschen Rechnung tragend, auch diese fast verschollene Art glücklich zur Stelle geschafft hat, wofür ich ihm hier meinen besondern Dank ausdrücken möchte.

Als ich in den achtziger Jahren die Torpedineen monographisch bearbeitete, war es mir nicht möglich, die Discopyge in Natur zu untersuchen. Der von Hecker! beschriebene Typ sollte sich im Wiener Museum für Naturkunde befinden, doch gelang es nicht ihn ausfindig zu machen. Nach Angabe des Hrn. SrtempAacHser, der mir bei den Nachforschungen mit gewohnter Gefälligkeit entgegenkam, ist das Exemplar, auf welches Hecker seine Beschreibung gründete, bereits getrocknet gewesen und ist wieder aufgeweicht worden; vielleicht war es dadurch zur Zeit verstellt.

Meine damalige Beschreibung stützte sich daher, wie angeführt, durchaus auf die von Hecker seiner Zeit gegebene, und ich versuchte nach den beigefügten Abbildungen die fehlenden Daten über die Ent- wickelung der elektrischen Organe zu ergänzen, was natürlich nur unter einem gewissen Vorbehalt geschehen konnte. Da die Bestä- tigung der Hrcrer’schen Angaben aus dem angeführten Grunde in Wien auf Schwierigkeiten stösst, so ist es sehr erfreulich, nun hier

! Fauna Peruana, Pisces; p. 33, pl. VI.

1052 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 21. November.

in Berlin die Möglichkeit dazu zu haben, wobei auch Hrn. Möpıvs, der die Untersuchung bereitwilligst gestattete, mein besonderer Dank gebührt.

Die beiden vorliegenden Exemplare sind erheblich stärker ent- wickelt, als es das von Hecker beschriebene war (Gesammtlängen: I= 363' und I=401); beide sind männlichen Geschlechtes. Die all- gemeine Gestalt der Scheibe und die beim Weibehen verwachsenen Bauchtflossen war für den genannten Autor die Veranlassung, die Gattung als » Discopyge« zu bezeichnen und in die Diagnose als Merkmal auf- zunehmen »Scheibe kreisförmig«, wie sie auch seine Abbildung zeigt. Bei den jetzt vorliegenden Exemplaren trifft diess Merkmal indessen nicht zu, da die Scheibe erheblich breiter als lang ist (I=186:165; II=240:196), auch springt der Schnauzentheil nicht unerheblich vor. Der mit breiter Basis angesetzte Schwanz ist länger als die Scheibe (I=198; II=205) und trägt zwei Rückenflossen von rundlich-ovaler Gestalt, von denen die erste, hinter den Bauchflossen beginnend, gerade vor der Schwanzmitte steht, die zweite, ebenso grosse, etwas hinter derselben. Eigenthümlich ist bei ihm auch ein seitlicher Flossen- saum, der, ebenfalls hinter den Bauchflossen anfangend, links und rechts bis in die Wurzel der unregelmässig ovalären Schwanzflosse verläuft. Die Angabe der kreisförmigen Scheibe und die Erwähnung dieses Flossensaumes am Schwanze als seitliche »Falte« erweckt den Verdacht, dass Hecker vielleicht genöthigt war seine Beschreibung nach dem bereits getrockneten Exemplar näher auszuführen. Die kräftig entwickelten Bauchflossen sind dreieckig, mit abgerundeten Ecken und lehnen sich median an die männlichen Organe, sind also hier nicht verwachsen.

Die Ränder der Spiracula sind durchaus glatt, aber deutlich gewulstet und stehen dieselben ganz dieht an den mindestens um ein Drittel kleineren Augen.

Mundpartie und Nasenklappe sind in allen wesentlichen Punkten

Fig. 1. mit der von Hecken gegebenen Beschreibung 1 und Abbildung übereinstimmend. Die lange, am untern Rande ausgebuchtete Nasenklappe trägt in der Mitte einen zweilappigen Vorsprung, der sich unten an das Bändehen anheftet; die Be- zahnung der Kiefer ist nur auf dem mittlern, die knappe Hälfte einnehmenden Theil der Kiefer

Discopyge Tschudii Hxcx. entwickelt und zeigt zwei dem Kiefer aufgelöthete

Mundpartie in natürl. Grösse.

Platten von stumpfen, rhombisch gestellten Zähn-

! Die Zahlen bedeuten stets Millimeter.

Frirsch: Über Discopyge Tschudii Heck. 1053

chen, während das Maul selbst von einem gefältelten Wulst ringförmig umgeben ist (vergl. beistehende Figur).

Die elektrischen Organe, von Hecken nicht näher beschrieben und in seiner Abbildung nur unvollkommen wiedergegeben, zeigen thatsäch- lich eine beträchtliche Grösse bei grobem und unregelmässigem Mosaik der Säulen (Länge der Organe bei Id=ıı12\, v=98, beil d=126, v=115). Im Hinblick auf die grosse Beobachtungstreue des genannten Autors fasste ich damals den Entschluss, die schematisirten Säulen nach Hecexer’s Abbildung zu zählen und diese Zahl schätzungsweise zu ergänzen. Indem ich so die nicht ausgeprägten Organumrisse ver- vollständigte, kam ich zu der Säulen- zahl von 150 in jedem Organ, wie sich dieselbe in meinem Werk findet. Es ge- reichte mir zu einer angenehmen Befrie- digung, dass die jetzt am freipraeparirten Organ direet vorgenommene, genaue ZÄh- lung beinahe diese selbige Zahl, nämlich 154, ergab, bei 51 Randsäulen. Der Um- stand scheint mir zu beweisen, dass es möglich ist, sich in derartige Untersu- chungen genügend einzuarbeiten, um selbst durch Schätzung bemerkenswerth genaue Zahlen zu finden; auch bei der vorliegenden Art spielt das dekadische System sonderbarer Weise dieselbe Rolle, wie bei den meisten anderen Arten.

Da Hecker die Organumrisse nicht abbildete, so folgt hier anbei die Skizze eines linken elektrischen Organs, in sei- ner Anordnung der Säulen genau nach dem Praeparat an der Bauchseite ge- zeichnet. Wie erwartet wurde, kommen

in dem Säulenmosaik die regelmässig

Linkes elektrisches Organ. Bauchseite.

angeordneten, schrägen Reihen der Figur Heexer's nicht zur Beobachtung, sie sind seiner Zeit vom Zeichner der Bequemlichkeit halber schematisch entworfen worden.

Die Ausbildung der elektrischen Organe ist von ganz besonderm Interesse, weil sie einen deutlichen Beweis dafür liefert, dass ihre Entwiekelung einen ausgesprochen correlativen Charakter trägt: es wäre möglich, mit annähernder Correetheit den ganzen Fisch in allen

' d= »dorsal« gemessen, dv = »ventral«.

1054 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 21. November.

seinen Merkmalen nur nach dem Bilde der elektrischen Organe zu entwerfen. Dieselben halten genau die Mitte zwischen den beiden Gattungen Narecine und Astrape, und das gleiche gilt von den übrigen Charakteren. An Narcine erinnert die regelmässige Stellung der äusseren, allerdings noch nicht abgeplatteten Säulen, an Astrape das grobe, unregelmässige Mosaik der übrigen Säulen auf der Fläche und die allgemeine Gestalt der Organe.'

Die breite, kräftig entwickelte Scheibe des Körpers entspricht der Gattung Ästrape, ebenso wie die Gestalt der weiten, glatten Spiracula, das Maul, die Bezahnung, der Lippenwulst ist fast genau wie bei Narcine, wozu auch die doppelte Rückenflosse zu rechnen wäre.

So erscheint die Untersuchung dieser letzten, bisher noch sehr unvollkommen bekannten Art im Hinblick auf die früher in dem Werk über die Torpedineen gemachten Angaben gleichsam wie die Probe auf das Exempel und bestätigt endgültig die Bedeutung des Aufbaus der elektrischen Organe für die allgemeine Charakteristik und Syste- matik aller hierher gehörigen Thiere.

Die sonstigen Merkmale der vorliegenden Specimina bieten weniger allgemeines Interesse dar. Die beiden Ohrgänge, von Heckeu als Schleim- kanäle beschrieben, sind an ihnen nicht so stark ausgeprägt, als der Autor angibt und abbildet. Die Öffnungen der wirklichen Schleim- kanäle (Lorexzist'sche Ampullen) sind beinahe auf der ganzen Scheibe ebenso deutlich markirt und heben sich durch ihre helle, weissliche Farbe gut von der Umgebung ab.

Die allgemeine Farbe der Oberseite scheint im Leben ein tiefes Kaffeebraun zu sein, hat aber im Spiritus durch das Opakwerden der Epidermis einen etwas blaugrauen Ton erhalten. Die Unterseite ist im allgemeinen weiss, doch finden sich auf derselben in der Höhe der Kiemen links und rechts verwaschene, dunklere Flecke, die kaum constant sein dürften.

Als Fundort ist: »Calbuco, chilenische Küste« angegeben, wo die Thiere nach Hrn. Prare's Angabe aber auch recht selten sein sollen. Nähere Angaben über die Lebensweise fehlen, doch wird

dieselbe von derjenigen anderer Torpedineen kaum abweichen.

! Vergl.: Die elektrischen Fische. II. Die Torpedineen. Taf. XI, Fig. 24.

Ausgegeben am 28. November.

1895. XLVI.

SITZUNGSBERICHTE

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN.

21. November. Sitzung der philosophisch -historischen Qlasse.

Vorsitzender Secretar: Hr. VAnuLen.

Hr. Tosrer las "Beiträge zur historischen Syntax des Französischen‘.

1 ort Aus PELK:

u

Nas

1057

Über den ionischen Tempel auf der Theaterterrasse von Pergamon.

Von ALEXANDER Ü0oNZE.

(Vorgetragen am 7. November [s. oben S. 995].)

Den zweiten Bande der » Alterthümer von Pergamon« sind die zweite Hälfte des fünften und beide Hälften des achten Bandes gefolgt. Jetzt ist der vierte Band, von Rıcnarp Bonny herauszugeben, im Fertig- werden. Er umfasst die Theaterterrasse mit ihren Denkmälern, unter ihnen den am Nordrande der Terrasse gelegenen Tempel ionischen Stils. Mit dem Abschlusse des Bandes werden wir genöthigt, auch die Überlegungen über die ursprüngliche Bestimmung dieses Baus, soweit man damit hat kommen können, auszusprechen. Es kann das an dieser Stelle ausführlicher geschehen, als in der grossen Publication am Platze wäre. Es war auch zu hoffen, dass uns das noch vor Er- scheinen des Bandes fördernde Belehrung einbringen könnte und wir haben uns darin schon jetzt nieht getäuscht. Besonders von Hrn. HırscnreLnp sind zu dem in der Sitzung Vorgetragenen Bemerkungen gemacht, welche noch bei der Drucklegung dieser Mittheilung haben benutzt werden können.

Es ist vor Allem vorauszuschicken, dass der Untergrund für den Tempelbau theilweise erst künstlich geschaffen ist. Zur Zeit der perga- menischen Könige war es eine durchaus moderne Anlage. Von Natur war der obere Abhang des Stadtberges nach Westen zu halbtrichter- förmig eingebuchtet und von dieser Einbuchtung zog sich abwärts eine Schlucht bis auf die Sohle des Selinus-Flussbettes, welches auf dieser Seite am Fusse des Stadtberges sich hinzieht. Als von dem Epvua des Philetairos aus eine Stadtanlage auf der Höhe sich auszu- weiten begann, lud diese Bucht am oberen Abhange zur Anlage von Theatersitzen ein, denen hier, umgekehrt wie sonst wohl bei Theater- anlagen, die ebene Fläche für Orchestra, Skene und für den Zugang zum Ganzen erst künstlich vorgelegt werden musste. Es geschah durch gewaltige Quaderunterbauten, welche, von Süden nach Norden

Sitzungsberichte 1895. 94

1058 Sitzung der phil.-hist. Classe vom 21. Nov. Mittheilung vom 7. Nov.

in einer Länge von rund 250" gestreckt, wie eine Sehne vor den Bogen der Einbuchtung gelegt wurden und die ganze Anlage wie schwebend in der Höhe am Stadtberge hielten. Die Oberfläche dieser Quaderunterbauten stellt sich als eine verhältnissmässig schmale Ter- rasse dar. Auf ihrem felsbegrenzten Nordende, dem am Südende ge- legenen Haupteingange gegenüber, wurde mit hochansteigender Frei- treppe eine Plateform mit dem Tempel angelegt; Plateform und Tempelfundament grossentheils aus natürlichem Felsen, zugänglich erst durch die auf den Quaderunterbauten ruhende Terrasse.

Das Ganze bildete im Architekturbilde der Königszeit die gross- artige Basis, über welcher Markt, grosser Altar, Athenatempel und Königsburg sich für den Anblick des den Stadtberg Heraufkommenden aufbauten, Alles zwar nach und nach entstanden, aber doch im We- sentlichen unter Eumenes I. einheitlich gestaltet und noch nicht über- trumpft und beeinträchtigt durch die massige Wiederholung der ge- raden Linie in dem viel später hinzugefügten Trajaneum hoch oben. Der ionische Tempel nahm eine sehr augenfällige Stelle in dieser Gesammtanlage ein, gewiss als architektonischer Ausdruck eines nicht unwiehtigen Gedankens jener Zeit. Es verlohnt sich wohl, diesem Gedanken nachzugehen.

Der Tempel besteht aus einer Cella, deren Thür nach Süden in einen Pronaos mit vier Säulen in der Front sich öffnet: zu ihm steigt die Freitreppe empor, eine der hellenistisch-römischen Zeit geläufige Form der Tempelanlage.

Rıcnarp Bonn’s Untersuchung hat festgestellt, und in der Publi- cation wird es von ihm dargelegt, dass der Tempel im Zustande seiner Wiederaufdeckung aus zwei Theilen besteht, die Nord-, West- und und Ostwand der Cella sammt dem Unterbau aus der pergamenischen Königszeit, die ganze Frontseite, also die Südwand der Cella, der West- und Ostwand nicht im ursprünglichen Verbande vorgesetzt, mit der Thür in ihr, und die Vorhalle aus der römischen Kaiserzeit. Die älteren Theile zeigen im Innern die Oberfläche der Marmorquadern durch einen starken Brand zerbröckelt und mit den Resten einer in römischer Zeit darüber gelegten Verkleidung aus dünnen, leichtfarbi- gen Marmorplatten. Auch sonst ist das Innere, namentlich mit einem Naiskos für Cultusbildwerk an der Rückwand, bei der römischen Wiederherstellung neu hergerichtet. Vielleicht lässt sich, was uns hier aber wenig angeht, auch eine dritte, ziemlich rohe Zurichtung des Innern, etwa aus christlicher Zeit, erkennen.

Der Umbau aus der Kaiserzeit trägt in den Löchern der ver- schwundenen Bronzebuchstaben der Weihinschrift auf dem Architrav seine Signatur. Wie zuerst Fasrıcıus gesehen, Bormann bestätigt,

Coxze: Der ionische Tempel auf der Theaterterrasse von Pergamon. 1059

FrÄnken weiter dargelegt haben, wurde der damals als Brandruine liegende Tempel dem Caracalla als sein Neokoratstempel neu her- gestellt und geweiht (Alterthümer von Pergamon VIII, 2, Inschrift n. 299).

Welcher Gottheit galt aber der ursprüngliche Bau? Wie Bonn betont, gleicht er in seinen erhaltenen Formen, in deren Technik und nieht zum geringsten mit seinen sorgfältig geordneten Versatz- marken auf den einzelnen Werkstücken durchaus den datirbaren Bauten der Königszeit Eumenes’ I, dem grossen Altare, den Athenahallen, der Exedra des Attalos. Dass er ungefähr in dieser Zeit und, wie aus dem vorher Gesagten sich ergiebt, von Grund aus neu aufgeführt wurde, leidet keinen Zweifel.

Der nächstliegende Gedanke wäre wegen der nahen Zusammen- lage mit dem "Theater der an einen Dionysostempel. Einen Tempel des Dionysos haben wir aber bereits unweit oberhalb der Theater- terrasse auf dem Stadtmarkte der Königszeit zu finden geglaubt (Bon in den Abhandlungen der Akademie 1884). Wir glaubten in einer in der Ruine erkennbaren rückwärtigen Abtheilung der Cella dort das Adyton zu sehen, aus dem nach Caesar's Berichte die Wunderzeichen zur Zeit der Schlacht von Pharsalos sich hätten hören lassen. Ein solches Adyton hat der Tempel auf der Theaterterrasse nicht. Machte Bonn für die Benennung des Markttempels dessen nahe Lage beim Theater geltend, zur Zeit, als der ionische Tempel auf der 'Theater- terrasse noch nicht durch die Ausgrabung wieder an’s Licht getreten war, so würde das Argument jetzt viel mehr für diesen in Anschlag kommen. Aber an dem Markttempel ist wenigstens ein Kennzeichen, das immer noch für ihn als einen Dionysostempel zeugt: die Wasser- speier der Sima sind als Satyrköpfe gebildet. Ornament kann freilich einmal bedeutungslos sein. Es wäre das aber nicht gerade im Geiste der hellenistischen Kunst, die gern auch im Kleinen Beziehungen zu bieten sucht. So haben wir, um dafür die Belege nicht weiter her- zuholen, die Blitzbündel in den Kapitellen des grossen Altars um des Zeus willen, dessen Cultus jedesfalls so oder so bei dem Altare im Spiele war; so haben wir die Eule in den Ornamenten der Vorhalle des Athenaheiligthums gemischt mit Attributen des Zeus, der der Athena zumal in »Pergamon in der Königszeit verbunden ist. So liessen sich aus den Einzelheiten der Gigantomachie-Reliefs am grossen Altare weitere Belege beibringen.

Auch zwei Tempel desselben Gottes wären denkbar, also etwa einer des Dionysos auf dem Markte, wo um ihn der Weinhandel aus der Umgegend seinen Verkehrsplatz gehabt hätte, ein zweiter des Musengottes beim Theater. Und Fräxker hat auf einen zweiten

94*

1060 Sitzung der phil.-hist. Classe vom 21. Nov. Mittheilung vom 7. Nov.

Dionysostempel in Pergamon ausser dem auf dem Markte, den auch er für riehtig bestimmt hält, geschlossen aus der Inschrift VIIL, ı, n.163. In dieser, einem königlichen Decrete in Sachen der Techniten von Teos, wird bestimmt, dass es aufgeschrieben werden soll eis To iepov rov Awovvcov. Dass dieses das Marktheiligthum wäre, ist weder nach den Fundplätzen der Inschriftstücke, noch nach dem technischen Charakter der Blöcke anzunehmen. Aber vom Tempel auf der Theater- terrasse können sie auch nicht wohl stammen, schon weil das Centrum ihrer Fundstellen die Hochburg: ist, zu der hinauf sie von der Terrasse nicht leicht hätten gerathen können.

Auf‘ der ganzen gründlich untersuchten Hochburg ist übrigens kein Baurest gefunden, der einen zweiten Dionysostempel dort unter- zubringen gestattete, und man darf wohl die Frage aufwerfen, ob nicht mit dem in der Inschrift n.163 als Platz der Inschrift ge- nannten Dionysostempel der in Teos gemeint ist. Darauf scheint der ganze Satz zu führen: dvaypabnvaı eis TO iepov rov Awovvoov, Omws uuiv aodbaNes Kal lvov ToIs vouoıs eis TOV Aoımöoy Xpovov Ümapyn. Der Platz für die Gesetze der Synodos war doch an erster Stelle der Tempel ihres Gottes in Teos, wie es auch in einem Deerete aus Teos heisst, dass es aufgeschrieben werden solle ev iep]® rov Awvvaov vonov Tagıv Eyov (©. 1. Gr. 3062). Dass, wie bei der pergamenischen Inschrift dann angenommen werden müsste, die Aufzeichnung auch noch an einer andern Stelle, als der in der Inschrift verordneten ge- schah, ist ja nicht ungewöhnlich.

Um aber wieder zu dem ionischen Tempel der 'Theaterterrasse zurückzukehren, so sprechen auch die Fundstellen der ziemlich zahl- reich in Pergamon vorkommenden Weihungen an Dionysos nieht da- für, dass die Steine ursprünglich an diesem Tempel ihren Platz ge- habt hätten. Dass bei ihm selbst nichts der Art gefunden ist, wiegt allerdings nieht schwer, da sich hier bei der Lage des Baus und seinen späteren Schicksalen nieht leicht Einzelheiten aus ursprüng- licher Zeit erhalten konnten. Immer aber ergiebt sich, soweit wir bisher sahen, noch keine besondere Bestätigung für die Vermuthung, dass der Tempel auf der 'T'heaterterrasse dem Gotte des "Theaters erbaut worden sei. Trotzdem werden wir noch ein Mal auf sie zu- rückgeführt werden.

Zunächst muss aber davon gesprochen werden, dass eine andere Vermuthung über die Gottheit, welcher zuerst der ionische Tempel gegolten hätte, von FrÄskEL aufgestellt ist (Alterthümer von Perga- mon VIII, 2 zu n. 299, S. 228), die nämlich, der ursprüngliche Tempel- gott sei Zeus gewesen. An seine Stelle, als seine neue Epiphanie, sei Caracalla getreten. Dafür wird die pergamenische Caracalla-Münze

Coxze: Der ionische Tempel auf der Theaterterrasse von Pergamon. 1061

mit den «drei Neokoratstempeln geltend gemacht, der in die Mitte gestellte und so besonders hervorgehobene müsse der des Caracalla sein und in ihm erkenne man auf «dem Berliner Abgusse des Pariser Exemplars sicher das Bild eines sitzenden Zeus. Man sieht leicht, dass die Darstellung des Kaisers in Zeus-Gestalt auch ohne die daraus gezogene Folgerung erklärlich wäre, aber ein Londoner (Catalogue S.156, n. 327. Taf. XXXIU,ı) und ein Imnoor’sches Exemplar, von dem erst seit Kurzem der Abguss im Berliner Cabinet ist, zeigen deutlich auf der Hand des im mittleren Tempel thronenden Gottes eine Schlange. Es ist also, und bei der Undeutlichkeit des Attributs auf dem Pariser Exemplare vermuthlich auch da, Asklepios darge- stellt. Ich möchte deshalb nicht Asklepios als ursprünglichen Inhaber des Caracalla- Tempels annehmen; wird man doch überhaupt an der Deutung der drei Tempel auf die Neokoratstempel irre. Aber für Zeus zeugt die Münze jedesfalls nicht.

“ine andere Begründung der Annahme, Zeus sei der erste In- haber des ionischen Tempels, wird in dem Delta gefunden, mit dem die in drei kleinen Bruchstücken erhaltene Inschrift eines kleinen Epistyls aus römischer Zeit, im Tempel selbst gefunden, beginnt (VIII, 2, n. 300). Man könnte den einen Buchstaben ebensowohl für Dionysos in Anschlag bringen, aber er bietet überhaupt eine etwas unsichere Grundlage. Wahrscheinlich ist es allerdings, dass die Stücke zur römischen Herrichtung des Tempels gehören, ein zwingender Be- weis ist aber nach Bonv’s Versicherung dafür nicht zu erbringen. Wie für alle Fundstücke in und an unserem Tempel, die nicht un- zweideutig zu seiner Architektur gehören, ist für sie die Möglichkeit nicht von vorn herein ausgeschlossen, dass sie von oben, vom Tempel des Zeus Philios und Trajan, heruntergekommen sind. Es ist ferner nicht ganz ausgeschlossen, dass bei den letzten, wie gesagt wahr- scheinlich erst aus christlicher Zeit herrührenden Zurichtungen im Tempel dieses Epistyl, wie andere Stücke, hineingetragen sei. Das Anfangsdelta der Inschrift bleibt also besser unerklärt, wenn für eine Ergänzung keine bestimmten, stützenden Gründe beizubringen sind, und das ist einstweilen nicht der Fall; denn dass ausserdem noch ein Bruchstück der Inschrift eines Zeuspriesters beim ionischen Tempel gefunden ist (VII, 2, n. 326), versagt wiederum Zeugniss eben wegen der erwähnten häufigen Falllage von Trümmern aus dem Trajaneum, zumal ein zweites Bruchstück derselben Inschrift am Nordrande der Agora gefunden ist. Dasselbe gilt von dem Funde einer als Hymnus an Zeus zu fassenden Inschrift (VII, 2,n.324) auf der 'Theaterterrasse, zumal in Anbetracht der Einrahmung der Tafel, die ähnlich an In- schrifttafeln aus dem Trajaneum sich findet. Die Bronze -Inschrift

1062 Sitzung der phil. -hist. Classe vom 21. Nov. Mittheilung vom 7. Nov.

auf dem Tempel-Architrave enthält aber nichts, was auf Zeus hin- deutete; sie beginnt unzweideutig mit Abrorparopı.

Auf die Frage, ob wir überhaupt in der Königsstadt Pergamon einen Tempeleultus des Zeus zu suchen haben, will ich hier nicht weiter eingehen; genug, dass bei dem Tempel der Theaterterrasse nichts für Zeus als den ursprünglichen Inhaber spricht.

An einen andern Gott als an die beiden genannten, Dionysos oder Zeus, zu denken, ist, so viel ich sehen kann, ebenfalls kein Anlass, wohl aber liegt eine gewisse Schwierigkeit vor, überhaupt an einen Gott, an einen der im Cultus dauernden Götter, will ich sagen, zu denken. Der Tempel ist durch Brand zerstört, unter Cara- cealla mit neuer, nieht vom Brande berührter Facade versehen, sei es, dass die alte zu zerstört war, sei es, dass ihre, den übrigen er- haltenen Theilen nach zu urtheilen, schliehten Formen dem Ge- schmacke des dritten Jahrhunderts n. Chr. nicht mehr zusagten, sei es, dass beide Gründe zusammenwirkten. Dass nun zwischen dem Brande und der Wiederherstellung an dieser vornehmen Stelle der Hauptstadt, die sie auch in römischer Zeit blieb, lange Zeit, Jahr- hunderte vergangen wären, wenn der Cultus ein dauernder war, ist nieht besonders wahrscheinlich; dazu waren Neubauten, Wiederher- stellungen auf der Akropolis auch unter den Kaisern noch zu häufig. 3ei einer Zerstörung kurz vor Caracalla würde aber der erste Cultus im Tempel kaum hinreichend antiquirt gewesen sein, um den Cara- calla-Cultus an seine Stelle treten zu lassen. Am geringsten wäre diese Schwierigkeit allerdings doch wieder bei Dionysos, ganz be- sonders sogar gering gerade bei Caracalla als veos Awövvoos, worauf wir noch zurückkommen.

Aber die hier berührten Anstände sind gehoben, sobald wir an- nehmen, dass der Tempel für eine Gottheit erbaut sei, deren Öultus längst abgekommen war, als Caracalla Besitz erhielt, sobald wir an- nehmen, dass der Tempel etwa für den Königscultus erbaut worden sei.

Über den Cultus, welcher den pergamenischen Königen gewidmet wurde, ist wiederholt. so letzthin von JERUSALEM, DITTENBERGER, BEURLIER und zu den pergamenischen Inschriften (VIIL, ı, S.39) von FrÄnkEL ge- handelt. Die Herrscher empfingen schon bei Lebzeiten göttliche Ehren, Attalos I. wurden Altäre gesetzt, Eumenes II. hatte einen Priester u. s. w.. Starben sie, so gingen sie recht eigentlich erst zu den Göttern, erhielten den Beinamen ®eos. Ob bei Lebzeiten schon oder nach dem Tode, jedes- falls wurden ihnen Tempel gebaut. Besonders bekannt ist der Tempel der Königin-Mutter Apollonis in Kyzikos. Ein Eüueveior in Philetaireia am Ida war nach Fränker’s Annahme Eumenes I. als kriorns des Platzes heilig (VIIL, ı, n. 240); es ist die Weihinschrift eines Epimeleten

Coxze: Der ionische Tempel auf der Theaterterrasse von Pergamon. 1063 I 5

rov repi TO Evueveiov iepov. Auf Aigina, das seit Attalos I. den perga- menischen Königen gehörte, gab es ein Arraxeıov, in dem das Ehren- deeret für einen Vertreter Attalos’ II. aufgestellt wurde (0.1.Gr. II, add. 21395). Endlich wird noch ein Attaleion, das wir mit Bocck# in Pergamon zu suchen haben, erwähnt.

In einer vielfach behandelten Inschrift aus Teos (C. 1. Gr. II. 3069) wird von dem Testamente des Kraton, des Zotichos Sohne, berichtet, des Auleten und dureh seine Munificenz hervorragenden Priesters und Agonotheten der Techniten von Teos, des Vorstandes einer unter dem Namen der Attalisten anscheinend ganz besonders den pergamenischen Königen sich anschliessenden Abtheilung dieser Techniten. Unter den Vermächtnissen, welche Kraton bei seinem Tode in Pergamon den Atta- listen hinterliess, steht obenan TO ArraXeov To npos To dearpn, 6 kai Cwv kadıepwreı Tols Arradıoraıs.

Dass mit dem Theater nur das Theater oben in der Altstadt ge- meint sein kann, nicht das zweite in der Unterstadt gelegene, bedarf kaum der ausdrücklichen Erwähnung, da dieses zweite mit der ganzen Unterstadt jenseit des Selinus erst der römischen Zeit angehört. Auf der Theaterterrasse oben gab es nun aber nach dem Ausweise der Ausgrabungen ausser dem Theater selbst und den Säulenhallen nur zwei antike Bauten, welche also das Attaleion sein könnten, auch auf der im Südwesten an die Hauptterrasse sich anschliessenden niedriger gelegenen Terrasse keines. Diese zwei Bauten sind ein hart süd- westlich an das Theater stossendes Gebäude und eben der ionische Tempel. Jenes Gebäude unmittelbar am Theater wird in Bons’s Publieation als »Nischenbau« bezeichnet, weil seine Ruine sich nischen- artig gegen den Felsabhang lehnt. - In dem Hauptrechtecke seines Grundrisses könnte man einen Versammlungsraum erkennen, sagt Bonn, und, wenn man in der Nordostecke die Stelle eines Herdes annehmen dürfte, so könnte das Ganze ein Speisesaal mit seinen Nebenräumen gewesen sein, und er weist als auf etwas Ähnliches auf den Nord- westbau am Theater in Magnesia a. M. hin. Die Anlage scheint jedes- falls zu praktischen Zwecken mit dem Theater in enger Verbindung gestanden zu haben und könnte so sehr wohl den dionysischen Künstlern gedient haben.

Ich wiederhole, dass beim Theater, auf den ganzen Theaterterrassen und andere als beim Theater gelegen zu bezeichnende Plätze giebt es nach der Bodengestaltung der Stadt nicht kein Überrest eines Gebäudes aus vorchristlicher Zeit ausser dem »ionischen Tempel « und dem »Nischenbau« zum Vorschein gekommen ist, dass aber auf der Hauptterrasse auch nicht einmal Platz ist, wo ein solches gestan- den haben könnte. Wie der Tempel ist aber auch der »Nischen-

1064 Sitzung der phil.-hist. Classe vom 21. Nov. Mittheilung vom 7. Nov.

bau« seiner Technik nach, wie Bons festgestellt hat, aus der Königszeit.

öntweder das Eine oder das Andere, entweder der »ionische Tempel « oder der »Nischenbau«, muss also das Attaleion des Kraton sein.

So viel ich sehe, fasst von den Bearbeitern und Benutzern der Inschrift nur WırseLer TO ArraXeıov TO mpos To Hearpw so auf, dass wir es in dem »Nischenbau« wiederfinden müssten. Er sagt (unter »Griechisches Theater« in Erscun und GRUBER, Section I, Bd. LXXXIH, S.ı85, Anm. 128): »Was das »Attaleion beim Theater« anbetrifft es sieht ganz so aus, als habe es zu Pergamos noch ein zweites Attaleion gegeben —, so vertrat das vermuthlich auch die Stelle eines Berathungs- oder auch Übungshauses. An einen eigentlichen » Tempel der Attalen« (WELCKER, Griechische Tragoedien II, S.1306 f.) zu denken, scheint uns ganz unthunlich. Die Ausdrücke kadıepwkeı und @varidnow berechtigen auch nicht im Mindesten dazu«c. Wenn Letzteres auch gewiss richtig ist, so hat Lünpers (Die Dionysischen Künstler S.23 Anm.) geglaubt geltend machen zu können, dass die unter den Vermächtnissen des Kraton an letzter Stelle genannten mpos evoynuocıw (wie Fr. Lenormant gegen Borckw's Änderung ov- oxyvocıv festhält) Ev Teueveı ypnornpıa ikava als zum Teuevos des Attaleion gehörig erschienen, das Attaleion also ein Heiligthum gewesen sei. Ausser WELCKER und Lüpers haben auch Fr. Lenormant (Recherches archeologiques a Eleusis S. 126), Foucarr (De collegüs scenicorum arti- ficum apud graecos S. 36), BEURLIER (De divinis honoribus quos acceperunt Alexander et successores ejus S. 106) und Fränker (VIN, ı, S.39) das Attaleion beim Theater für einen Tempel genommen, wie das Eume- neion in Philetaireia und das Attaleion auf Aigina. Dann wäre es der »ionische Tempel«.

Der Tempel nimmt in seinem ganzen Umfange in der Unterstufe gemessen 13”17 zu 2160 Fläche ein. Ein solcher Bau erscheint nicht geradezu unausführbar für die Mittel eines Kraton, dessen Testament der König selbst nach Teos übermittelte, der eine ovvorkia in bester Lage der Hauptstadt neben dem königlichen Palaste besass und sie den Attalisten, an zweiter Stelle hinter dem Attaleion beim Theater aufge- führt, vermachte, der wegen Leistungen gegen Götter und Könige, dureh die er seine Vorgänger im Amte übertraf, und wegen vielerlei Wohlthaten, die er den Techniten auch von Seiten der Könige ver- schaffte, von der Teischen Synodos überschwänglich, auch mit Weih- rauchspende durch den Königspriester vor seinem Bilde im "Theater geehrt wurde (©. I. Gr. I, 3067. 3068). Den Ausdruck der Inschrift so zu fassen, dass Kraton den Techniten einen Königstempel geweiht hätte, hat ja freilich etwas Auffallendes, erscheint aber nicht schlecht-

Coxze: Der ionische Tempel auf der Theaterterrasse von Pergamon. 1065

hin unmöglich, wenn man bedenkt, dass die Techniten auch sonst ihre eigenen Heiligthümer hatten, in denen sie den Dienst vollzogen, und so z.B. der Epimelet Philemon den Techniten ihr Temenos und ihren Altar zu Eleusis wiederherstellte (C. I. Att. II, 628). Am ernstesten wäre aber vielleicht der Einwand, dass die bedeutende Stelle, welche der Tempel in der Gesammtanlage der Theaterterrasse einnimmt, ihn kaum als eine Privatstiftung erscheinen liesse.

Als Königstempel der Techniten von Teos würde sonst der Tempel auf der Theaterterrasse eine merkwürdige architektonische Verkörpe- rung eines hervorstechenden Zuges in der Organisation des Bühnen- wesens jener Techniten sein, die immer neben ihrem Schutzgotte zu den Mächtigen der Erde hielten, wie das Foucarr im 8. und 9. Capitel seiner These de collegüs scenicorum artificum apud Graecos dargelegt hat. Wiederholt nannten sie sich, wie in Pergamon Attalisten, so hier und dort neben dem Dionysos nach Königen und später nach Kaisern.,

Dem Dionysos Kathegemon, das ist der Gott von Teos und des dortigen Techniten-Ördens, gelten eine ganze Reihe von Inschriften aus Pergamon, ihm war das Theater heilig, wie die Inschrift über dem einen Eingange es ausspricht (VII, ı, n. 236). Mit den Feiern der Techniten im Theater werden die für den König eng verbunden ge- wesen sein, Agonothet und Priester des Königs erscheinen in den In- schriften als eine Person, der Priester des Königs Eumenes’ I. voll- zieht, wie schon erwähnt, im Auftrage der Techniten die Ehrung vor dem Bilde des Kraton im Theater. Diesen Zusammenhang hat auch Hırschrern in seiner Abhandlung zur Geschichte des römischen Kaiser- eultus betont (Sitzungsberichte 1888, II, S. 834).

Wenn wir früher die Schwierigkeit berührt haben, dass Caracalla den Tempel eines der Götter von bleibendem Cultus, Dionysos von dieser Schwierigkeit noch am ersten ausgenommen, in Besitz genom- men haben sollte, so fällt solches Bedenken völlig hinweg, wenn der Tempel ursprünglich dem Königseultus diente. Mögen auch die Ehren der pergamenischen Könige, wie JERuUsALEm (Wiener Studien I, S. 41, zu 2.16) zu der Inschrift von Sestos angemerkt hat, noch eine Weile nach dem Aussterben der Dynastie fortgedauert haben beruhten doch solche Ehren vielfach auf Stiftungen mit einem Vermögen, über das zunächst bindende Bestimmungen galten —, so haben doch die Königsgötter der Natur der Dinge nach nicht Bestand gehabt, wie die uralten Götter. Schon FrÄnker hat zu einer pergamenischen Inschrift- basis des Attalos, die für den Proconsul M. Valerius Messala umge- schrieben wurde, bemerkt, dass die Pergamener sich der Art sichtlich durch Pietätsrücksichten gegen ihre grosse Vergangenheit nicht lange stören liessen. So würde man verstehen, dass der ionische Tempel,

Sitzungsberichte 1895. 95

1066 Sitzung der phil.-hist. Classe vom 21. Nov. Mittheilung vom 7. Nov.

für einen neuen Cultus von Grund aus neu entstanden, eine durchaus moderne Anlage der Königszeit, so wie die aufgedeckte Ruine ihn zeigt, dann von Brand beschädigt und verfallen ohne Cultus daliegen konnte, ohne dass Anlass zu seiner Wiederherstellung gewesen wäre, bis die Stadt ihn für den Neokoratstempel des Caracalla verwandte, in einer Zeitlage, in der man nicht mehr wie für Augusteum und Trajaneum zu einem glänzenden Neubau sich aufschwang.

Kraton lebte unter Eumenes I. und unter Attalos II., zu dessen Regierungszeit er starb, nicht vor dem Jahre 152/153 v. Chr., wie Borexn zur Inschrift 3069 darlegt. Wäre er der Erbauer des Tempels, so wäre dieser damit ziemlich genau datirt, in die Zeit, in die man ihn nach allgemeiner Wahrscheinlichkeit, wie schon Anfangs gesagt, auch sonst etwa ansetzen würde. Seinem Namen nach sollte man ihn dann erst unter Attalos II. und dem also schon bei seinen Lebzeiten geweiht annehmen müssen, wenn nicht der Name auf Attalos I. zu- rückgriffe.

Bonn hat die Beobachtung gemacht, dass der Altar vor dem Tempel wohl mit einer ältesten Form der Terrasse an dieser Stelle, aber nicht genau mit dem Tempel übereinstimmend orientirt ist, der Tempel also erst das Jüngste Stück der Anlage sein könnte. Vielleicht wäre danach zuerst nur ein Altarcultus, etwa vor einem Bilde des Königs, als Endpunkt der Terrasse vorhanden gewesen, später erst der Tempel gebaut. !

Bei alle dem müssen wir aber doch auch noch ein Mal, und, je mehr man es überlegt, mit um so stärkerer Betonung auf die zweite Möglichkeit zurückkommen, dass mit dem ArraAeıov TO mpös To Hed- pw, 6 Kparwv ka Lov kabıepwreı roıs ArtaXıorais, kein Tempel, also nicht der ionische am Ende der Terrasse, gemeint sei, sondern ein für das Leben und Treiben der Techniten bestimmtes Gebäude, so wie WIESELER es wollte, dass das Attaleion dann also doch der »Nischenbau« wäre. Das Unscheinbarere ist ja leicht das Wahre, und der Relativsatz würde so seine doch allereinfachste Auslegung finden. Auch würde die Bezeichnung mpos dearpw auf diesen Bau, der unmittelbar hart an das Theater stösst, ganz besonders zutreffend sein. Die Benennung Attaleion würde dann einfach auf Attalos II. gehen, nach dem sich die Attalisten genannt haben werden und der auch einen CGultusplatz mit seinem Bilde in dem Locale seiner Attalisten gehabt haben möchte. Das reuevos der Inschrift wäre dann ein den Verfassern des Dekrets ohne Weiteres bekanntes der Attalisten , gleich- viel wo gelegen.

Angenommen also, das Attaleion wäre der »Nischenbau«. so bliebe die ursprüngliche Bestimmung des Tempels unentschieden, zwei Möglich-

Coxze: Der ionische Tempel auf der Theaterterrasse von Pergamon. 1067

keiten würden aber immer die wahrscheinlichsten bleiben. Entweder, und was dafür spricht, dürfte hinreichend betont sein, könnte der Bau dennoch Königstempel gewesen sein, vielleicht für den Haupt- bauherrn der Stadt, für Eumenes Il., nach seinem Tode errichtet, oder es war ein Dionysostempel, Tempel des Dionysos Kathegemon der Teehniten, und Caracalla würde als veos Awvvoos anstatt des alten Gottes oder mit ihm, so wie FrRÄnkEL für Zeus es wollte, eingetreten sein, obwohl in der Weihinschrift auf dem Epistyl nichts davon ge- standen zu haben scheint und die Ornamente des römischen Frieses, Ochsenköpfe und Adler, nur auf den Kaiserkultus deuten. Bons macht darauf aufmerksam, dass die Basis des Naiskos der römischen Her- richtung im Tempel der Art langgestreckt ist, dass zwei Figuren auf ihr gestanden zu haben scheinen. Man sieht leicht, wie das zur Annahme von Bildern des Dionysos und des Kaisers, zur Combina- tion auch mit dem erwähnten Delta der Inschriftbruchstücke führen könnte.

Hier verdient endlich noch eine Florentiner Inschrift erwähnt zu werden (C.1.Gr. IV, 6829). Ihre Herkunft ist unbekannt, sie ist aber, wie die Herausgeber gesagt haben, jedesfalls kleinasiatisch. Der Errichter dieser Inschrift, L. Septimius Tryphon, Priester (des Kadnyeuov Awwvvoos, gehörte diesem Götternamen nach zur Synodos der Techniten von Teos, die dazumal in Lebedos ihren Sitz hatte. Der ferner in der Inschrift genannte ypaunarevs des Collegiums Aelius Agathemerus scheint, wie ebenfalls die Herausgeber bemerkt haben, derselbe zu sein, welcher in einer andern Inschrift Ephesier, Smyr- naeer und Pergamener genannt wird. Wenn Herkunft aus dem Binnen- lande nicht ziemlich unwahrscheinlich wäre, so könnte der Inschrift- stein sogar aus Pergamon selbst sein und wieder zu einer Combi- nation mit jenem Delta der Inschrift 300 verlocken. Wie dem auch sei, was in der übrigens schon unter Septimius Severus fallenden Inschrift berichtet wird, dass ein Priester der Synodos von Teos, der zugleich Priester des Caracalla mit dem Beinamen veos Awovvoos ist, einen Dionysos wiederhergestellt habe (v. 14: rov Awvvoov avarooun- cas; v.20: EreXeiwoa, @s ennyyeııdumv, rov Awövvoov), was man auf ein Dionysosbild beziehen wird, wäre ein wenigstens als gleichzeitig bemerkenswerther Vorgang, wenn wir annehmen, der ionische Tempel auf der Theaterterrasse sei ursprünglich ein Dionysostempel, dann an seiner Stelle wahrscheinlich mit den Techniten von Teos, die auf der Theaterterrasse ihr Reich hatten, in Beziehung und für Caracalla aus den Ruinen neu hergestellt.

Über Erwägungen ohne bestimmte letzte Entscheidung bin ich nicht hinausgekommen. Mögen sie durch neue Prüfung weitergeführt

1068 Sitzung der phil.-hist. Classe vom 21. Nov. Mittheilung vom 7. Nov.

werden. Selbst auf neues Material zur Sache kann man sich Hoffnung machen. Sollte einmal in Teos vom Testament des Kraton mehr, als wir in der Inschrift C. 1. Gr. 3071 bereits besitzen, wieder ent- deckt werden, so möchte da, wie in dem erhaltenen Stücke über die xpnornpia, so über das Attaleion Genaueres gesagt sein, als in dem uns einstweilen allein zu Gebote stehenden Referate aus dem Testamente im Attalistendecrete 3069.

Ausgegeben aın 28. November.

Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei,

1069

1895. XLV.

SITZUNGSBERICHTE

DER

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN.

28. November. Gesammtsitzung.

Vorsitzender Secretar: Hr. E. pu Boıs- Reymonv.

Hr. Dümuter las über den Mönch Otloh von St. Emmeram. Die Mittheilung folgt umstehend.

Unter dem 23. October hatte die Akademie dem Institut de France zur Beglückwünschung bei dessen hundertjähriger Stiftungsfeier ein Telegramm gesandt. Unter dem 18. November erhielt sie jetzt im Namen der fünf Akademien, aus denen das Institut besteht, ein über- aus freundliches, von dem zeitigen Praesidenten des Institut Hrn. AnsroıssE Tnuomas und dem Seeretar Hrn. Hrxser DELABORDE unter- zeichnetes Dankschreiben.

Die philosophisch-historische Classe hat für Entsendung eines Aegyptologen behufs Beiwohnung bei den Arbeiten zur Freilegung und Untersuchung der Fundamente der Tempelbauten auf der Insel Philae im oberen Nilthale eine Beihülfe von 2500 Mark bewilligt.

Sitzungsberichte 1895. 96

EI Pr ron r NEE By

Über den Mönch Otloh von St. Emmeram.

Von E. Dünmnter.

Aus der noch friedlichen Zeit des ıı. Jahrhunderts, die in Deutsch- land dem verwirrenden Investiturstreite vorangieng, ragt neben manchen andern namhaften Schriftstellern der Mönch Otloh von St. Emmeram dadurch hervor, dass uns aus seinen Selbstbekenntnissen seine Per- sönlichkeit, seine Entwickelung deutlicher und greifbarer entgegen- tritt, als es sonst meist bei den Menschen des früheren Mittelalters der Fall zu sein pflegt.'

Otloh oder Othloh ist die allein richtige Form des Namens, be- zeugt durch die Erwähnung in drei Todtenbüchern,” durch eine von ihm als Geistlichen für Tegernsee ausgestellte Schenkung” drei auf ihn zurückgehende Schreiberinschriften.“ Ganz unberechtigt

und durch

ist die seit MasırLon® in Umlauf gesetzte, selbst noch von Wartz gebilligte, Form Othlonus, die man aus dem vermeintlichen Genitiv Othloni gemacht hat. In der Handschrift steht "Otlohi‘.” Der dafür angeführte Vocativ Othlone ist gleichfalls ohne allen Werth, denn er lautet so nur in der Ausgabe des Werkes De tribus quaestionibus bei

! Hierauf hat besonders F. vox Bezorn hingewiesen (SreınHausens Zeitschr. für Kulturgesch. I, 161—163).

2 Necrol. S. Emmer. cod. Maihingens.: "VIIII kal. Dee. Otlohe presbiter et mo- nachus noster’; Emmer. (Mon. Boica XIV, 402): "VIIII kal. Dec. Otloch mon. nostrae congreg.’; Seonense (Neerol. Germ. II, 233): "VIII kal. Dee. Othloch presb. et monachus’.

3 Mon. Boica VI, 17: 'quidam elerieus, Othloch dietus sub Ellingero abbate tra- didit ad altare saneti Quirini ete.', angeführt von Bresstavu, Jahrb. Konrads II, 395 A. 1.

* Die eine des 'tantillus Otloh’ im Cod. lat. Monae. fol.rr2' schon bei Prz The- saur. III p. XIX und jetzt Poet. Carol. III, 555, die andre in der Hs. des Brit. Museums Addit. mser. 22793 fol. 42' in dem Catal. of additions a.1854—1860 p.733 und gleich- lautend in der jetzt Cheltenhamer Hs. der V.Wolfkangi, Libri Catal. of manuscripts p- 105. 164. Die von Prz (Thes. anecd. III, 2, 613) benutzte Windberger Hs. der V.Wolfk. mit dem ausgeschriebenen Namen Othloh scheint nieht mehr vorhanden, dagegen die St. Emmeramer Clm. 14872 (vergl. SS. IV, 888).

5 Masırton Anal. vet. ed. II p. 107.

05, SS: IV Kaumit.

Der Vers des Prologs De doctr. spirit. lautet in dem Cod. lat. Mon. 14756 fol.ı13': "Quatenus Otlohi quandoque velis memorari’. Auf die nur von Prz hinzu- gefügten Überschriften kommt es natürlich nicht an, die in den Hss. überlieferten In- haltsangaben am Rande hat er unterdrückt.

96*

1072 Gesammtsitzung vom 28. November.

Pzz.' in den beiden von diesen benutzten Handschriften dagegen 'Ot- lohe’: er beweist also gerade das Gegentheil.

Über Otlohs Herkunft lässt sich nur sagen, dass er aus einer be- güterten Familie im Freisinger Sprengel,’ in dem er uns zuerst be- gegnet, etwa gegen IOIO oder etwas früher” geboren wurde. Seinen ersten Unterricht empfieng er in dem heimatlichen Kloster Tegern- see,‘ wo seit 1017 Abt Ellinger waltete. Diesem Kloster schenkte er daher später zwei leibeigene Mägde zum Danke.’ Die Schreibekunst erlernte er als ein frühreifes Kind hier ohne alle Anweisung vor der Zeit, so dass er bereits schreiben konnte, als ihm die erste Wachs- tafel in die Hand gegeben wurde.” In Folge davon gewöhnte er sich zuerst eine falsche Federhaltung an, die ihn doch nicht hinderte, später einer der geschätztesten und fruchtbarsten Schreiber seiner Zeit zu werden. Nach seinem eigenen Zeugniss begann der Unterricht, bei welchem die gefürchtete Ruthe eine grosse Rolle spielte,” in diesen Schulen mit dem Auswendiglernen des lateinischen Psalters® und weiterhin gieng im Latein die Dichtung der Prosa voran, besonders die dem Cato zugeschriebenen Sittensprüche und die Fabeln des Avie- nus waren als Jugendschriften beliebt.”

! Thesaur. anecdot. III, 2, 147: 'Cur non, Othlohe’ (Otlohe S. Cr.). Die Lam- bacher Hs. LXXVI fol. 53 habe ich selbst eingesehen, über die Heiligenkreuzer 148 (beschrieben in den Xenia Bernardina II, r, 158) belehrte mich freundlichst Hr. Stifts- archivar Dr. Benevıcr GsELL.

2 Die von Warrengaca (Geschichtsq. Il, 65) angedeutete Vermuthung über seinen Geburtsort schwebt völlig in der Luft. Der: Name ist keineswegs ungewöhnlich, er kommt auch sonst in Förstemanns Namenbuch und in den Libri confraternit. ed. PırEr vor.

® Er bezeichnet sich selbst gegen 1024 als puer.

* De temptat. (SS. XI, 392): "in loco illo quo talia didiei, id est in coenobio Tegrinsee dicto'. Dass er dort einen Verwandten hatte, erzählt er in der 8. Vision. Über Tegernsee vergl. Hırscn, Jahrb. des Deutschen Reiches unter Heinrich II., I, 124—128.

5 Vergl. oben S.1071 A.3. Er schenkte 'duas ancillas Ermlinth et Willipurch no- minate’ mit Jahreszins von 5 Denaren. Später stiftete er auch 2 Bücher dorthin, SS. XI, 393.

° De temptat. a. a. O., vergl. Warrengach, Schriftwesen im Mittelalter, 2. Ausg., S. 58. 223.

De temptat. (Masırron Anal. p.ıı1): 'quem quaeso tune credideras tam pium, ut te parvulum a virgularum plagis defenderet’? (se. deum); De cursu spirit. ec. 23 (Pez III, 2, 372); De reb. visibil. (Bedae opp. ed. Colon. VIII, 915): "Sieut in omni scola virgulae solent haberi, non ad perditionem euiusquam, sed ad timorem saluti- ferum’.

® De cursu spirit. c. 9 (Pez col. 299): 'Pro hac etiam ammonitione pueri literis instruendi inprimis psalmorum leetione introdueuntur atque memoriter retinere usu ecelesiastico iubentur’; vergl. Scherer, Leben Willirams S. 263, Sprecmr, Gesch. des Unterrichtswesens in Deutschl. S. 60. 68.

° Lib. proverbior. (ed. Prz col. 487): 'Proverbiorum autem hie colleetorum diectis parvuli quilibet scolastiei .. possunt apte instrui post leetionem psalterii. Sunt enim

Dünswer: Über den Mönch Otloh von St. Emmeram. 1073

Otloh, der durch rasche Auffassung unter allen seinen Mitschülern hervorleuchtete,' wurde noch als Knabe nach dem hessischen Kloster Hersfeld gebracht,” wo damals unter dem Abte Arnulf (1012-1031) Albwin als Schulmeister grossen Ruhm genoss. Wir finden ihn dort zur Zeit des Thronwechsels von 1024.° Unter seinen Gefährten er- wähnt er zwei Hildesheimer Geistliche, von dem Bischof Godehard entsendet, einen gewissen Boto, den wir sonst nicht kennen, und Wolfhere,' der später das Leben Godehards verfasste. Eine auf den letzteren zurückgehende Erzählung von einem göttlichen Strafgericht, welches die allzu prachtliebende Hildesheimer Geistlichkeit betraf, scheint dem Jahre 1016 anzugehören.” Als sie nämlich trotz der Mahnung durch ein dreimal erscheinendes Traumbild von ihren schlechten Ge- wohnheiten nieht lassen konnte, tödtete ein Blitzstrahl während der Messe einen von ihnen und betäubte die andern.

Wahrscheinlich in Hersfeld, wenn nicht schon in Tegernsee, legte Ötloh, angezogen von seiner Umgebung und stolz auf seine Schul- erfolge er schrieb hier mit solchem Eifer, dass er fast sein Augen- licht gefährdete für sich das Gelübde ab, Mönch zu werden,’ das ihm jedoch, da er es in der Jugend und ohne Zustimmung seiner Ver- wandten gethan, nachmals nicht als bindend erschien. Auch bat ihn sein Vater dringend, davon abzustehen.‘ Heimgekehrt wurde er viel-

multo brevioris et planioris sententiae quam illa fabulosa Aviani dieta, sed et utiliora, quam quaedam Catonis verba, quae utraque omnes pene magistri legere solent ad prima puerorum documenta’; De temptat. (SS. XI, 388): 'metrieis prolatus est verbis, quae pueris et intrantibus ad discendas litteras a multis primitus exhiberi solent‘. Das Werk De doctr. spirit. verfasste O. in Versen 'cognoscens studiosos | quosque magis metri, quam prosae intendere dietis’ (ed. Prz col. 432).

! De temptat. (ed. MagırLon p. 11T): ‘testor, quia non solum praemonstratas a doctore, sed etiam nondum reseratas lectiones et cantica tam capaci celerique eflectu didiceras, ut non parvum miraculum ceteris simul discentibus exhiberes’; ib. (p. 115): "Quid ergo olim, eum in scola positus esses, pro capacitate magna discendi laborasti’ ? (Pez col. 372. 384).

® Lib. vision. e. 5: "Cum puer adhuc ad monasterium Herveldense seribendi causa transmissus fuissem’; De temptat.: ‘in Franeiam translatus adhue puer’ (SS. XI, 373. 392). Er schreibt für die Hersfelder später 2 Bücher (p. 393). Über Hersfeld vergl. Lam- perti opp. ed. Horper-Escer p. XI.

® De temptat. a.a.0.

* S. die Widmungen Wolfheres an Albwin SS. XI, 167. 196.

5 Lib. vision. e. 5: 'tantus fulgurum tonitruumque fragor’, vergl. Ann. Hildesh. (Altah.) 1016: 'plurimi fulmine exusti perierunt'.

° De temptat. (SS. XI, 392): 'ut inde rediens paene visu privatus fuissem'.

De doctr. spir. c. 15: 'Olim promisi, cum parvus adhuec puer essem Ac spe discendi pollerem more scolari, | me submissurum legi sanctae monachorum’ ete.; lib. vis. c. 2: 'religionis ınonasticae vitam, quam olim quoque cum adhuc essem parvulus, pro eo, quod prae multis in discendo pollebam, pollieitus sum’ (ed. Prz col. 456. 554).

° Lib. vis. e. 3: 'a qua (sc. monastica religione) pene invitus patris mei preeibus assiduis discessi'; De temptat. (ed. MAsırLov p.108): 'sine consilio parentum et ami-

1074 Gesammtsitzung vom 28. November.

mehr zum Weltgeistlichen bestimmt und brauchte als solcher nach da- maliger Anschauung den Freuden der Welt keineswegs zu entsagen. Er konnte ein prächtiges und üppiges Leben führen, liebte gleich an- dern gewählte Kleidung' und hielt sich nicht vollkommen sittenrein.? Wenn auch der später von ihm verherrlichte Bischof Wolfgang von Regensburg bei seinen Geistlichen schon damals völlige Enthaltsam- keit durchzuführen suchte,’ so war dies doch nicht die herrschende Auf- fassung, und man nahm im Allgemeinen an der Priesterehe keinen An- stoss, wie manche Beispiele ihres ganz öffentlichen Vorkommens zeigen."

Otloh trat in seiner Jugend, wir wissen nicht genau wann, noch eine zweite Reise zu dem Bischof Meginhard von Wirzburg (T019--1034) an, der ihn als berühmten Schreiber zu sich berief.” Eine Zeit lang

lebte er auch, wie es scheint, auf einer Landpfarre,° in der er sich,

der selbst ein vorzüglicher Sänger war, über den sehr mangelhaften Kirchengesang seiner Amtsbrüder ärgerte. In einem Traumgesicht glaubte er eines Tages zu erleben, dass Gott der Herr selbst durch seinen Gesang zu Thränen gerührt war und ihm dafür das ewige Leben verhiess, während derselbe ein andermal als ein greiser Priester in einem rothen Messgewande aus dem Altar hervortrat, um die Geistlichkeit wegen ihres nachlässigen Singens abzukanzeln.

Otlohs weiterem Emporkommen im Freisinger Sprengel trat je- doch ein Hinderniss in den Weg durch einen von ihm verschuldeten

corum .. in maximo inventutis fervore positus’; (p. 112): ‘sine consilio omnium affınium parentumque tuorum'.

! De temptat. p.ıro: Gott wirft ihm 'vestitus superflui studium’ vor (s. weiter unten $S.1090); p.ıı5: 'Quod deinde in saeculari vita positus habuisti studium, ut eius inanem noxiumque evaderes luxum’? ® Ebd. p.ıı2: 'plurimis in utroque homine laureatus beneficiis pene omne tempus praeteritum consumpsisti in flagitiis’; Lib. vis. (ed. Prz col. 549): "Cum igitur in sae- eulari adhue habitu eonstitutus iuvenilesque annos gerens multimodae insolentiae atque lasciviae, sieut illa plerumque solet aetas, deditus essem’. Am bezeichnendsten ist, dass da, wo von fleischlichen Versuchungen die Rede ist (De tempt. p. 115), er sich aus- drücklich von den Reinen unterscheidet: "quia perfeetorum et in castitate perseverantium omnimodo diserepas meritis atque labore’, wird er angeredet.

® V.S. Wolfkangi c. 23 (SS. 1V, 536): 'prae omnibus, ut castitatem sequerentur (se. pagenses sacerdotes) milies ineulcavit'.

* Bei Arnorn (De S. Emmer. 1. II, Canisii lect. ant. II, 125) sagt ein Geistlicher zu einer Frau (deren maritus er ist): "Clerieus enim sum et ideo erubesco in tanta multitudine tecum eonsistere’; in den Quellen und Erörter. zur bair. Gesch. I, 33 schenken ‘quidam elerieus Hartwie et coniux eius Landrat’ r Hufe an St. Emmeram. Andere Bei- spiele bei Bucuner, Gesch. v. Baiern Dok. II, 74 n. 461, Rırzrer, Gesch. Baierns I, 49r.

5 Lib. vis. e.6 (SS. XI, 379): “in habitu canonico adhue constitutus'.

% Lib. vis. e.2 (ed. Prz 552): ‘dum neglegenter, sieut mos est pene villanis om- nibus clerieis, eantaremus’; e. 3 (556): "quo libentius inter studiosos quosque et doc- tiores clerieos, qnam inter villanos versari saepe desiderabam’. Die Örtlichkeit bleibt unklar, weil in der Hs. 2 Blätter fehlen, Freising selbst kann aber nicht gemeint sein, OÖ. wird als 'sacerdos futurus’ bezeichnet.

Dünster: Über den Mönch Otloh von St. Emmeram. 1075

Zwist mit dem mächtigen Erzpriester Werinhar, der als Probst an der Spitze des dortigen Domcapitels in hohem Ansehen stand." Otloh, nachdem er sich schon durch ein Vergehen seine Ungnade zugezogen, reizte ihn im höchsten Grade durch einen aus Spottversen bestehen- den Brief,’ den er ihm vor versammelter Geistliehkeit überreichte. Trotz der darauf folgenden äusseren Versöhnung brachte er ihn bald durch freche Reden auf’s neue gegen sich auf” und beschloss deshalb, weil seines Bleibens nicht mehr sein konnte, sich nach Regensburg zu wenden, denn er hoffte dort gelehrtere Geistliche und eine grössere Bibliothek zu finden.” Als Gast des Stiftes St. Emme- ram, wo man von seinen Gaben Nutzen zu ziehen gedachte, unter dem aus Reichenau stammenden Abte Burchard, freundlich aufge- nommen,’ hielt er sich in einem ausserhalb des Klosters belegenen Hause auf. Hier aber kam es zu einer völligen Umwandelung seines Innern.

Der Ruhm des Gelehrten hatte ihm bisher vorzugsweise ver- lockend vorgeschwebt:® wie es selbst in den Klöstern allgemeine Regel war, nährten die Alten seinen Geist und er versuchte nicht ohne Gewandtheit nach ihrem Muster lateinische Verse zu dichten,” die er bisweilen auch in seine Prosa später noch einfliessen lässt."

! Lib. vision. e. 2 (ed. Prz 555): 'quidam archipresbiter nomine Werinharius in episcopatu Frigisingensi praestantissimus’ ete., ohne Zweifel doch derselbe, der in 2 Ur- kunden des Bischofs Egilbert (r005—1039) vorkommt. Die eine ist ein Tausch des Bischofs mit den Canonikern "una cum domno Werinhario praeposito ac magistro fra- trum eorundem’, die andere ein Tausch desselben mit seinem Knecht Mahtuni 'episcopo tradente atque Werinhario sapido canonicorum provisore annuente’ (MEICHELBEcK Hist. Frising. Ia, 232; 1b, 494).

® Die den Anfang enthaltenden Worte: 'qui versus-referende’, hat O. in der Hs. 14673 fol.6 am unteren Rande selbst nachgetragen. Dass diese Geschichte nicht in Freising spielt, geht daraus hervor, dass W. von dem Aufenthaltsorte O.’s nach F. zurückkehrt.

® Auf Werinhar geht vielleicht illius hominis odium, quem seis a te non esse odiendum’, wie Gott ihm vorwirft und weiter: ‘Si enim ille te frustra persequens ini- quus est, quid ad te pertinet, ut eum similiter persequaris’? (MaAsıLrLon p. 110).

Mapırron a. a. OÖ. p. ıro: 'Rogasti etiam tibi talem praestari locum, in quo copiam haberes librorum. Eece auditus es, ecce libros retines diversum dogma feren- tes. S. den Bibliothekskatalog aus der Zeit Ramwold’s SS. XVII, 567 568.

° Lib. vision. e.3 (Prz 556): 'pro eo scil., quod coenobii eiusdem monachi pro- fectuosum sibi fore arbitrabantur .meum seire in scribendo vel in docendo canonicos quoslibet'.

De temptat. p. 116.

De doctr. spirit. (ed. Prz 431. 432): 'Quae licet urbanis possem decorare camaenis, | absit' ete.; “Haec est summa tamen, quoniam metricam hactenus artem | plus quam prosaicam dietandi more colebam, |nec mutare stilum properantem quivi aliorsum’; De temptat. (SS. XI, 388): ’libellum primum seribere coepi metrico scil. stilo, quo maxime in saeculari vita positus me exercebam’.

s Vergl. Ruodlieb v. Seırer S. 173. In der neuesten Ausgabe der V. Wolfk. sind die Verse im Druck hervorgehoben.

1076 Gesammtsitzung vom 28. November.

Er kannte, wenn man von blossen Namen wie Plato und Aristoteles absieht, u. a. Cicero, Vergil, Juvenal, Horaz, Terenz,' den christlichen Diehter Arator” und vor allem Lucan, den er am meisten liebte,’ wie dieser denn überhaupt im Mittelalter bei weitem höher geschätzt wurde, als in neuerer Zeit. Als er eines Tages im Freien den letz- teren wieder las, veranlasste ihn ein mehrmals wiederkehrender heisser Wind unwohl das Zimmer aufzusuchen.” Etwa acht Tage nach dieser Warnung befiel ihn ein hitziges Fieber, in welchem er sich von bösen Geistern verfolgt und zerschlagen glaubte. Er er- wachte jedoch nicht, wie er wähnte, in seinem Blut schwimmend, sondern mit einem Ausschlage auf dem Rücken.” Nach einigen Wochen wilder Phantasien wurde Otloh gerade gegen Ostern (1032) wieder hergestellt.

Obgleich schon in dieser Krankheit der Gedanke in ihm aufge- taucht und durch Zureden der Mönche verstärkt worden war, durch den Eintritt in das Kloster Ruhe für seine Seele zu gewinnen, so

ı V. Bonifatii (Jarre Mon. Mogunt. p. 483): "Habeant amatores sapientiae sae- cularis Tullium, nos.. sequamur Christum’; De trib. quaestionib. c. 14 (ed. Prz 169): “ut in eis (sc. laieis) ipsum Tullium disputantem putares’; De doctr. spir. c. 10 (col. 442): ‘'Forsitan ex aliquo querenda haec norma profano,| ut sunt Horatius Terentius et Iu- venalis |ac plures alii, quos sectatur scola mundi‘. Iuvenal wird in der V. Wolfkangi e.7 eitirt, SS. IV, 528 und in den Sprüchen Prz 494 das sprichwörtlich gewordene ‘Creseit amor nummi’ aus Sat. XIV, 139, ebd. Hor. Ep.], ıı, 27; col. 536 aus Hor. Ep. 1, 2, 52. De doctr. spir. e. 14 (col.454): 'Ila tripertita Maronis et inclyta verba’ (eitirt V. Wolfk. e. 101.42 Aen. XII, 59 p. 529, unter den Sprüchen Prz 508: "Labor improbus omnia vineit’ aus Georg. I, 145. 146; Lib. manual. (Prz 404): 'quidam sa- piens’ = Eel. VIII, 63. De doctr. spir. a. a. O.: 'Quid mihi tune Socrates vel Plato Aristotilesque, | Tullius ipse rhetor, mundanae (corr. ni) dogmatis auetor? | Die, quid enim misero mihi tunc prodesse valebant? | quos si non legi, per tempora multa cu- pivi, | affeetuque ipso discendi adii loca quaedam, | quae pro mundanis mihi cultibus optima duxi; De trib. quaest. Prolog. (ed. Prz 146): 'Maior enim cura mihi est legendo vel sceribendo sequi sanetorum dieta, quam Platonis vel Aristotelis, ipsiusque etiam Boetii dogmata’. Unter den Sprüchen (Prz 493) begegnet uns ein Sprichwort aus Sall. IJug. c. 10. Vergl. unten S. 1100.

2 In der V. Wolfk. c.ı (p. 527 lin.4o vergl. Acta SS. Nov. II, 1, 570) wird als poeta Arator Act. ap. II, 485—487 angeführt.

® De doctr. spir. ec. 14: 'Lectio Lucani, quam maxime tune adamavi, | et cui iam nuper divinae legis adulter, | sie intentus eram, quo vix agerem religuum quid’. In dem Prolog De trib. quaest. (col. 146) wird Boetius getadelt, dass er (Phil. consol. IV e.6) 'ex persona philosophiae loquens Lucanum gentilem et infidelem familiarem suum appellat’.

* Lib. vision. e.3 (Pez 557) 'residens in lectione Lucani’, nachher 'verumtamen interea nisu, quo potueram, lectionem Lucani frequentabam’; De doctr. spirit. (454): "Atque legentem ipsum (se. Lucanum) caepit me haec passio primum, |sed necdum poenas eredens exinde futuras | languidus, ut poteram, legi studiosus eundem’. Vergl. die Anfechtungen des Mönches Gozo durch Virgil, V. Popponis ce. 32 (SS. XI, 314). ° Lib. vis. c.3. Er fragte seinen Pfleger 'ut si forte vel in dorso aliqua stig- mata ulcerosa videret', dieser fand 'punctis quibusdam exerescentibus omnem cutem repletam esse’.

Dünster: Über den Mönch Otloh von St. Emmeram. 1077

verharrte er nach der Heilung dennoch in seiner bisherigen Sinnes- art! und stand eben im Begriff, Regensburg zu verlassen, als ein zwei- ter heftigerer Anfall der Krankheit, bei welchem sein ganzer Körper mit einem Ausschlage ' bedeckt wurde” und selbst die Augen ver- schwollen waren, ihn an den Rand des Grabes brachte. Er glaubte nunmehr, dies als Strafe des Himmels dafür betrachten zu müssen, dass er jenes kindische Gelübde nicht geachtet habe, und erklärte seinen Vorsatz, in das Kloster eintreten zu wollen, obgleich die Brüder, die in ihm nur einen Sterbenden aufzunehmen glaubten, kei- nen Werth mehr darauf legten. Indessen der Entschluss brachte ihm nicht nur innere Beruhigung, sondern bald genug auch äussere Genesung.

Indem Otloh im Jahre 1032 Mönch wurde und vermuthlich später auch erst im Kloster die Priesterweihe” empfieng, legte er von nun an die geliebten Alten zur Seite und widmete sich ausschliesslich der heiligen Schrift.‘ Dieser jähe Umsehwung stürzte ihn in eine Reihe von Seelenkämpfen, die er für Versuchungen des Teufels hielt. Neben den Bedenken über die Richtigkeit seiner Handlungsweise waren es vor allem Zweifel an der Gnade und Gerechtigkeit Gottes, an dem Sinn und der Wahrheit des göttlichen Wortes, endlich selbst an dem Dasein Gottes, die ihn verfolgten. Nur allmählich konnte er sie über- winden und zwar in der Weise, dass er nach einer inbrünstigen An- rufung des Herrn, ihm sein Dasein und seine Macht kundzugeben, die beruhigende Stimme Gottes wie eines leiblich Anwesenden an seinem Ohr zu vernehmen glaubte.” Sie überführte ihn seiner Schwäche, dass er erst die Versuchung herbeigewünscht habe, um sie dann zu fliehen, dass er für die überreichlichen Gaben der Vorsehung von Kindesbeinen an nieht dankbar genug gewesen sei, sie beschämte ihn durch die *Beispiele anderer, welche bei weitem härtere Prüfungen siegreich bestanden hätten.

! De doetr. spir.: 'Rursus deerevi captare negotia mundi’.

Lib. vis. a. a. O.; De doctr. spir. (col. 455): 'En iterum subito tali languore gravabar, | ut verrucarum tumor ingens insolitusque | horrendo vultum eircumdans stig- ıinate cunetum, | orbibus obduetis oculos quoque contenebraret'.

® Er erwähnt diese Weihe nieht, obgleich er nach den Todtenbüchern Priester war. Vor dem Eintritt in das Kloster kann er das erforderliche Alter noch nicht be- sessen haben. Nach dem lib. de tempt. (SS. XI, 389) gehörte er dem Kloster ‘per tri- ginta annos’ an und verliess es 1062.

* De temptat. (ed. Masır.ov p. 108): ‘cum plurimos diversae qualitatis homines invenisset, quosdam libros quidem gentiles, quosdam vero sacram seripturam legentes, ipse coepit illum solummodo imitari, quos videbat divinae insistere lectioni.

5 A.a.O. p.ıro: 'memini me frequenter et maxime cum primum de stratu meo in matutinis exsurgerem horis, mox a quodam quasi mecum surgente, mecumque si- mul gradiente per ineffabilem modum nune increpari, interdum leniter admoneri’ etc.

ler 1078 Gesammtsitzung vom 28. November.

Indem Otloh somit zum innern Abschluss gelangte, legte er auf jene Kämpfe nachmals so grossen Werth, dass er sie als Vorbild für andre in Versen wie in Prosa bearbeitete. Im Kloster aber wurde ihm wegen seiner vielseitigen Gelehrsamkeit das Amt des .Schulmeisters übertragen." Er übte es mit Eifer und Strenge. Dass er einst in seinem Jähzorn einen Jüngling über Gebühr hart angelassen hatte,’ verursachte ihm mehrtägige Gewissensbisse. Daneben füllte er seine ganze Musse mit Herstellung von Handschriften aus? und für die Ab- fassung seiner eigenen Schriften, die sein unruhiges Herz am meisten beschwichtigten,‘ nahm er selbst zu Feiertagen und Nächten seine Zuflucht.

Eine Zeit lang lebte Otloh in St. Emmeram noch mit dem Probste Arnold zusammen, einem Manne von sehr vornehmer Herkunft, der, durch einen erschütternden Todesfall bestimmt, gleichfalls den Alten entsagt hatte, um sich ganz den Vätern zuzuwenden.’ Dieser verfasste in den Jahren 1035—-1037° 2 Bücher lose an einander gereihter Wunder- geschichten über den h. Emmeram und sein Kloster mit sehr schätz- baren Nachrichten über den Bischof Wolfgang von Regensburg und den Abt Ramwold.’” Otloh, der diese Schrift kannte und benutzte, hat ohne Zweifel manche Einwirkungen von dem verwandten Geiste Arnolds erfahren, ja vielleicht ist die Annahme nicht zu gewagt,”

! Lib. vision. e.3 (ed. Prz 562): ‘Post tempus igitur nonnullum, quo aufugi in coenobium, quia existimabar instructus aliquid in liberali seientia, commissa est mihi liceet inmaturo doctori invisa puerorum disciplina’; De temptat. (SS. XI, 392): "Nam pro eo quod saepius legere vel scribere vel dietare videbar, scolastieorum cura mihi commissa est.

> Vis. e.3: ‘plus quam deeuit probrosis asperrimisque afficiebam verbis’.

® De temptat. SS. XI, 392-393; p. 387: 'non solum ob depellendam taedii mole stiam, sed etiam ob recreandas animae et corporis vires studui quondam dieta diversae qualitatis seribere'.

* Ebd. p.388: 'saepe expertus sum mentem lascivam cuiuslibet scolastice in- structi in nullo magis posse constringi, quam studio dietandi'.

5 S. seine Widmung an Burchard (SS. IV, 546): 'Inde absterritus subduxi me, quibus eatenus ob gloriolam seculi adhesi, libris paganis, et saniore consilio inplica- bar divinis’.

° Zu den für die Abfassungszeit bestimmenden Stellen gehört namentlich auch II ce. 24 (SS. IV, 565): 'Gebhardus et item Gebhardus, quibus Orno successit, tertius Gebhardus, frater imperatoris’ ete. Es muss vielmehr gelesen werden: 'quibus horno successit tertius Gebhardus’, heuer, nämlich im Jahre 1036; Warrz (SS. IV, 888) schlug nachträglich "ordine successit’ vor.

Eine Verdeutschung dieses Namens, wie er sie auch sonst sehr liebt, bringt Arnold II c.48 (p. 569): "Beatus ergo Ramvoldus, qui desiderium suum .. optime pro- didit vocabulo arietis volentis’, ram ist ahd. aries.

° Den Dialog führen Colleetitius (Arnold) und Ammonitius, ein jüngerer Genosse (comes .. fidelissimus), der über die Vergangenheit unterrichtet sein will und den schwatzhaften Alten beständig zur Eile treibt. Persönliche Übereinstimmungen habe ich nicht gefunden ausser dem Eifer für die Erhaltung des Klostergutes. Warrz hat

Dünster: Über den Mönch Otloh von St. Emmeram. 1079

dass er in dem zweiten, in dialogischer Form verfassten Theile des- selben der jüngere treibende Genosse war, dem Arnold seine Erin- nerungen zum Besten gab.

Zweifelhaft bleibt uns das Verhältniss Otloh’s zu dem später als Abt von Hirschau (seit 1069) und Förderer der Gregorianischen Be- strebungen so berühmt gewordenen Wilhelm, der zu seiner Zeit Mönch von St. Emmeram war. Man hat ihn in einem gleichnamigen Freunde Otloh’s im Kloster vermuthet, dem dieser 4 Bücher schrieb, darunter ein sehr kostbares Messbuch,' und den er einmal auf einer Reise be- gleitete. Andrerseits gibt es 2 Werke des späteren Hirschauers, über die Astronomie und die Musik,’ die beide einem Freunde Otloh ge- widmet und auf dessen Anregung in Form eines Zwiegespräches ent- standen sind. Dass er darunter einen andern als den bekannten Otloh verstanden haben sollte, ist doch kaum denkbar, wenn wir auch aller- dings einen zweiten Träger dieses Namens,' vielleicht einen Verwandten, in St. Emmeram nachweisen können. Für die Musik, die unser Otloh eifrig pflegte, hat diese Widmung nichts Auffallendes, viel eher für die Astronomie, die er später von sich ablehnte.’ Leugnen lässt sich nicht, dass in der Vorrede des letzteren Werkes neben manchem, womit

in seiner Ausgabe nicht bloss, wie WarrEngacH meint (GQ. 11,64 A.2), moralische Betrachtungen weggelassen, sondern viele eulturgeschichtlich wichtige Stellen, so dass Canisius unentbehrlich bleibt.

! De temptat. (SS. XI, 393, vergl. 391), so KErker, Wilhelm der Selige S. 25 flg.

® Dass sie demselben Freunde gewidmet sind, geht aus den Eingangsworten des Werkes De musica (GErserr SS. de mus. II, 154) hervor: 'Postquam donante deo peti- tionibus meis et quaestionibus in astronomica satisfeeisti disciplina, consequens est, ut ad musicam transferatur collatio'. Da es in der Überschrift des letzteren heisst (s. auch Enpricner Catal. codie. p. 260): "sub ipsius (sc. WırLesermt) nomine et cuiusdam Othlohi per dialogum compositam’, so ist der 'carissimus et valde unicus mihi OÖ.’ (Pez Thesaur. VI, 259) ebenso zu ergänzen, und es ist ohne alles Gewicht, dass in der einzigen Hs. Cod. lat. Monac. 14689 fol. 85 Aventin dazu den Namen 'Öthochus’ an den Rand gesetzt hat, doch meint auch er damit Otloh, wie Rıerzter (Joh. Turmair’s Werke III, ı) un- widerleglich dargethan hat.

® Im Gegensatze zu Kerker bestreitet dies unter fast allgemeiner Zustimmung Hermsnörrer (Forsch. zur Gesch. des Abtes Wilh. v. Hirschau S. 67—71).

* In dem ungedruckten Neer. S. Emmer. der Maihinger Hs. findet sich unter "XI. kal. Febr. Otloh presbiter et monachus‘, ebenso in dem Weltenburger (Mon. Boica XII, 475). vielleicht identisch mit dem 'filio sororis meae ibidem posito’ (d.h. in Prüll), von dem OÖ. spricht (SS. XI, 393).

° Dial. de trib. quaest. Epilog. (ed. Prz 249): "Haee igitur .. spiritalis intelle- gentiae dieta .. scribere studui, cum multos prudentiae saecularis amatores cernerem oceupatos in sperae et horologii et astrolabii labore, neenon in varia stellarum contem- platione. Quae seil. quamvis et ego dicere possem, pro eo tamen, quod in illis labo- rantes inspexi deficere in via dei .. animum meum ab eis averti. Ich wage nicht zu vermuthen, obgleich es möglich wäre, dass O. unter dem im Anschluss hieran er- wähnten, aber nicht genannten, klugen, doch undankbaren Schüler, dessen Neuerungen in der Theorie der Musik er missbilligte, Wilhelm verstanden habe. Man würde daraus eine mindestens vorübergehende Entfremdung zwischen beiden folgern müssen.

1080 Gesammtsitzung vom 28. November.

Otloh völlig übereinstimmen konnte, wie der Werthschätzung der welt- lichen Wissenschaft,' es befremdet, ihm geradezu die Veranlassung zu solchen Studien zugeschrieben zu sehen, allein ganz sicher gehörte er nicht zu den von Wilhelm bekämpften Gegnern, die den Mönchen nur das Lesen des Psalters für zuträglich hielten.” Sehr wohl kann ja auch im Laufe der Jahre die Strenge seiner Auffassung sich gesteigert haben.

Zu den persönlichen Freunden Otloh’s gesellte sich auch der Mönch Heinrich von Reichenau, edler Abkunft, der, dem gewaltigen Drange der Zeit folgend, im Jahre 1053 mit dem Abte Richard von Rheinau zusammen eine Pilgerfahrt nach dem gelobten Lande antrat.’ Als er von da über Regensburg zurückkehrte, hielt er sich etwa 1054 eine Zeit lang in dem gastlichen Emmeramskloster auf: ein Besuch, den er dann noch einmal wiederholte. Die bei dieser Gelegenheit ge- führten wissenschaftlichen Erörterungen gaben Otloh zu dem Buche de tribus quaestionibus in Gesprächsform Anlass, das, zuerst namen- los, auf den Wunsch des Freundes erst mit Namen versehen wurde. Auch an andern anziehenden Bekanntschaften fehlte es im Kloster nicht: so lernte O. 1056 den Papst Vietor II. und den Cardinal Hum- bert bei einem Besuche kennen, nicht minder durch einen Aufenthalt daselbst den Bischof (Harduin?) von Langres.'

Otloh’s langjähriges Verweilen in St. Emmeram wurde zu Anfang des Jahres 1054 durch eine Reise nach Fulda unterbrochen,’ die ihn

! Dial. de trib. quaest. ec. 22 (1384): ‘Omnis namque septem liberalium artium

scientia, quanihilin rebus humanis praestantius est, per infideles dieitur primi- tus prolata’. Zu den Worten der Vorrede Wilhelm’s (col. 262): ‘'Licet nimirum et vere decet nos saecularem philosophiam investigando aurum in luto quaerere, Aegyptum spoliare, odoriferos fructus in spinis carpere’ findet sich bei O. folgendes Seitenstück (De reb. visibilib., Bedae opp. VIII, 913): ‘Sieut filii Israel quondam ex Aegypto profecti Aegyptios in auro et argento vestibusque pretiosis despoliaverunt, eaque secum deferentes ad honorem dei posuerunt: ita unusquisque a saeculi vanitate ad spiritalis vitae puri- tatem conversus agere debet. Si quam in saecularibus litteris notitiam habuit, eligat ex eis pretiosa quaeque .. Sie enim multi venerabiles sanctique patres feeisse leguntur” etc. Über Adam vergl. De temptat. (ed. MasırLon p.113), De trib. quaest. c. 28 (Pez 194).

®2 So in der Vorrede (col. 261): praesertim cum nobis monachis nihil liberalis seientiae praeter psalterium licere asserant'. Einer so übertriebenen Auffassung wider- streiten alle Schriften Otlohs. Sagt er doch in den Sprüchen (Prz 494): "Cleriei libe- ralis seientiae nimis ignari nullum sacerdotalem gradum aceipere sunt digni'.

® Lib. de temptat. (SS. XI, 389): 'Quidam namque monachus de Augiensi coe- nobio, nobilissima Alemannorum stirpe ortus, nomine Heinrieus’ etc., vergl. Herı- mann. Aug. Chron.ros53 (SS.V, 133): 'Et sequenti tempore Richardus Renaugiensis abbas et Heinricus item Augiensis monachus .. relictis omnibus idem propositum ad- grediuntur”. OÖ. redet ihn an: "Heinrice, mihimet specialis amice’ (Prz 143).

* Lib. vis. c.15, De temptat. (SS. XI, 384. 393). Die verwirrte Chronologie, welche Hzrnspörrer (S. 71 A.4) an der 10. Vision rügt, trifft nicht O., sondern den Herausgeber. Die Worte 'tune ad monasterium Ful-

5

Dünnter: Über den Mönch Otloh von St. Emmeram. 1081

hinderte, dem Abscheiden des durch den Geist der Weissagung aus- gezeichneten Mönches Adalpert beizuwohnen. Seine Vorhersagungen erfuhr er nur aus den Berichten andrer.

Das Kloster St. Emmeram befand sich damals in einer etwas zweifel- haften äusseren Lage. Die Bemühungen, dieselbe zu verbessern und damit zugleich den Geist der Brüderschaft zu heben, füllen einen guten Theil von Otlohs undankbarer Lebensarbeit aus. Durch Jahr- hunderte hatten in Regensburg Bisthum und Kloster in Einer Hand gelegen, war der Bischof zugleich der Abt gewesen. Diese, ebenso wie ursprünglich für Salzburg und St. Peter bestehende, Verbindung erwies sich, wie natürlich, unvereinbar mit der strengen Durchführung der Benediktinerregel.‘ In Folge der ungenügenden Ausstattung hatten die Mönche ein für allemal die Erlaubniss, zu geben und zu nehmen und für sich zu erwerben. Ein andrer Geist aber, gesteigerte Ansprüche, machten sich im 10. Jahrhundert durch die von Burgund und Lothrin- gen ausgehende Reformbewegung geltend. Von diesen Bestrebungen erfüllt, berief der treffliche, durchaus mönchisch gesinnte, Bischof W olf- gang von Regensburg den Mönch Ramwold aus St. Maximin als Refor- mator des Klosters." Durch seine Einsetzung zum Abt im Jahre 975 wurde zugleich zum ersten Male die alte unmittelbare Verbindung mit dem Bisthum gelöst und durch eine nach dem Gesetz der Billigkeit durchgeführte Theilung des gemeinsamen Besitzstandes dem Stift in seinem Kreise volle Selbständigkeit eingeräumt, ohne doch alle Ab- hängigkeit von dem Bischof aufzuheben.

Nur so lange Wolfgang lebte, gedieh sein von ihm geschütztes Werk; schon sein Nachfolger Gebhard I. (995-1023) missbilligte die für das Bisthum unvortheilhafte Gütertheilung, und im Jahre 996 musste Otto III. den schwer verleumdeten Ramwold gegen ihn in Schutz nehmen.” Die Lage verschlimmerte sich, als dieser ehrwürdige und allgemein geachtete Greis im Jahre 1001 starb; sein Nachfolger Wolfram wurde bereits 1006 ungerecht, wie es heisst, abgesetzt.” Unter Richold

dense profeetus’ (SS. XI, 382) können nicht auf das Jahr 1062 gehen, weil sie Hein- rich III. noch als lebend voraussetzen, sondern müssen eine frühere Reise meinen. Dazu stimmt in demselben Capitel (Prz 580) der Tod eines Fulder Mönches 'qui etiam Chunimundus vocabatur'. Nach den Ann. necrol. Fuld. (SS.XII, 214) starb zu Anfang des Jahres 1054 "Cunimundus presbiter et monachus’. Der an demselben Tage gestorbene Adalpert von St. Emmeram findet sich wahrscheinlich in dem Neer. St. Emmer. unter "XIII kal. Febr. Adalpertus ex laico conversus’. Damals also weilte O. in Fulda.

! Vergl. über das Folgende Hırscz, Jahrb. des D. Reiches unter Heinrich II. I, 111-120, und über Ramwold seine eigenen Äusserungen, N. Arch. X, 390; XIH, 563; Breruorz in den Mittheil. des Österr. Instituts XII, 17.

2 S. Hırsca a.a.0. S. 181.

®° Ann. S. Emmerammi 1006 (SS. XIII, 48). Vergl. im Allgemeinen Otlohs V. Wolf kangi ec. 17 (SS. IV, 534; Acta SS. Boll. Nov. I, ı, 574 ed. Derenaye): ‘Post eius (sc.

1082 Gesammtsitzung vom 28. November.

(Rieholf) wandten sich die Mönche mit fussfälliger Klage über ihre Be- drückung an Kaiser Heinrich 1.' Sogar 4 kostbare Evangelienbücher waren ihnen u. a. von dem Bischof entrissen worden.” Unter Geb- hard II. (1023-1036) und Gebhard II. (1036-1060), dem sehr ungeist- lichen Oheim Konrads II, einem gewaltthätigen und ränkevollen Manne, dauerten diese Zustände und Klagen im Wesentlichen unverändert fort, obgleich Kaiser Heinrich II. 1021 dem Abte die ausschliessliche Ver- fügung über das Klostergut zugesichert hatte.”

Die Äbte wechselten sehr häufig:* auf jenen Richold, der 1028 sein Amt wegen Blindheit niederlegen musste, folgte für kaum 2 Jahre Hartwig, dann der schon genannte Burchard aus Reichenau, der durch den uns bekannten Probst Arnold im Jahre 1031 den gesammten Besitz- stand des Klosters verzeichnen liess,’ doch schon 1037 in Rom sein Leben beendete. Udalrich, ein früherer Domherr, wird mit besonderem Lobe erwähnt,‘ aber nach ihm lösten wieder Erchanpert, Berengar, Reginward rasch einander ab. Es liegt auf der Hand, dass unter diesen kurz regierenden, z. Th. in geringem Ansehen stehenden, Äbten das klösterliche Leben wenig gedeihen konnte. Nachgibigkeit nach oben hin gegen die Bischöfe führte stets auch Nachgibigkeit nach unten im Gefolge, gegen ungeistliche Brüder, und namentlich unter Reginward sollen sich alle Zügel der Zucht gelockert haben.”

Ramvoldi) vero discessum illorumque quos ipse instituerat tune ... sancti Emmerammi coenobitae multis pseudopraepositis succedentibus omnimoda spiritualis vitae destructione eontriti sunt.

! "Thietmari Chron. VI e.41 (28), vergl. Hırscn, Heinrich II., I, 215.

? Serapeum II, 260 (Cod. Monae. 14222 fol. 17): ‘Inter ecelesiasticas res, quas Gebehardus episcopus abstulit de Sancto Emmerammo evangelia IIII, e quibus duo cum auro seripta'. Arnold (De S. Emmer. 1. II c. 57, SS.1V, 571) sagt von der Zeit Heinrichs II.: ‘de abbatia saneti Emmerammi ob controversiam episcopi et abbatis plu- ribus bonis pessundatis atque dissipatis’ und spricht von der 'noviter facta bonorum S. Emmerammi minoratio’ (ce. 56 p.570); Transl. S. Dionysii e. 8 (N. Arch. XV, 347): 'sub eodem abbate (se. Richolfo) episcoporum maximeque primi Gebehardi persecutio adeo crassabatur, ut eiusdem cenobii ornamenta resque variae ab eo auferrentur, abbas monachique plures expellerentur’.

® S. Hıssc# a.a: O.

* Ann. S. Emmer. min. (SS. XII, 48, XVII, 571).

5 Vergl. BressLav, Jahrb. des deutschen Reiches unter Konrad ll., Il, 238. Die deseriptio geschah "Arnoldo praeposito eas (sc. res coenobii) disquirente’ (Prz, The- saur. I, 3.07).

° In dem Todtenbuche: 'XVI kal. Iun. Oudalrieus abbas huius loci. Hie Vlus a S. Ramwoldo multa honesta et utilia huie loco ordinavit’; Ann. Altah. 1042; Arnold, De S. Emmer. II c.48 (SS.IV, 569): 'prius in canonica vita plurigena probitate decoratum'.

Lib. vis. ec. 10 (SS. XI, 382): 'sub eo tempore tam ob abbatis quam episcopi incuriam omnia disciplinae vincula in coenobio eodem laxata sunt'. (Da er vom Jahre 1054 spricht, bezieht sich dies auf Reginward, s. auch vis. 4, Prz col. 564.) Vergl, De reb.visibilib. (Bedae opp. VIII, 909): "possent etiam si quid professionis suae regulam excederent, a pastoribus suis lieentius corripi. Sed haece omnia in tanta pro dolor

Dünnter: Über den Mönch Otloh von St. Emmeram. 1083

Indem Otloh in seinen Schriften in vielfachen Wendungen immer wieder auf das Grundübel seiner Zeit, den Verfall des Mönchthums, zurückkommt, vermisst er bei allen Ständen die Ehrfurcht vor der Un- antastbarkeit des Klostergutes und seiner Bestimmung,' obwohl Jeder- mann seine eigenen Gerechtsame wohl zu schützen wüsste.” Er findet, dass weder die Mönche selbst ihren genügenden Unterhalt hätten, noch dass sie Gäste, Pilger und Arme in gebührender Weise, wie es die Regel vorschriebe, beherbergen und verpflegen könnten. Er tadelt als Räuber die Laien, an deren Spitze der jugendliche und leichtsinnige König Heinrich IV.ihm ganz ungeeignet scheint, das Recht zuverlässig zu schirmen.” Er tadelt aber auch die Weltgeistlichkeit und ganz be- sonders die habgierigen, im Überfluss schwelgenden Bischöfe, mochten sie auch auf das Beispiel ihrer Vorgänger sich berufen,’ als deren ge- meinsames Werk sich die Zerstörung der Klöster darstellt, im traurigen Gegensatz zu den frommen Stiftern der alten Zeit, die sie reich aus- gestattet hatten.

neglegentia a plurimis episcopis habentur, ut, si vel oratio pura vel correptio et am- monitio congrua euiquam sit necessaria, tractare dedignentur, hoc solummodo tractantes, ut sibi placita assiduaque agantur obsequia.'

! Lib. manual. (ed. Pez 406): 'Quis namque fidelium religiosorum attendens, quanta modo .. coenobiorum destructio fiat, non solum a laieis depraedantibus et rapientibus praedia eorum, sed etiam a clericis ipsisque abbatibus ultro oflerentibus, quasi quaedam venalia sibimet commissa bona, unde alendi forent non solum monachi, sed etiam familia commissa, necnon pauperes et peregrini advenientes, non possit conicere destructionem sanctae ecclesiae?’ Dial. de trib. quaest. e.14 (169): "pro dolor agnosco nune pene omnes rectores, tam clericos quam laicos, nil magis studere quam aliena rapere’; De reb. visib. (909): "tam a clerieis quibusdam quam Jlaieis pro dolor nihil diffieilius ereditur quam peccatum esse cenobiorum predia rapere et abalienare'; V. Bonifatii (ed. JAFrE p. 494): 'praenoscens (se. Karolus) .. quod et nos cernimus et anteriores nostri jam diu impletum viderunt loca sanceta, quae necessariis omni- bus sufficienter erant redimita a suis institutoribus, tradita vero episcopis, et in penuriam maximam et in destructionem totius disciplinae regularis ventura fore’ u.s.w. Die Stellen sind zahlreich.

® De cursu spirit. Prolog. (col. 259): 'Quibus si vel unus ager ad eorum pro- prietatem pertinens auferretur, seu a censu sibi placito minueretur, maximam sibi in- iustitiam factam quererentur’.

? Lib. manual. (eol. 407): "Ubi sunt iura christianae legis et proteetio metuendi regis?’; Lib. vis. 16 (SS. XI, 385): ‘Nam in isto parvulo rege nostro per multa "tempora pro dolor! nil regiminis habere possumus’; De reb. visib. (p. 915): 'Sieut parvuli a eultellorum et gladiorum tactu prohibentur, ne eos incaute tangentes vulnerentur, ita lascivi puerilesque sensus prohibendi sunt tam a spiritualibus quam saeeularibus euris, ne eas insipienter tractantes et se et commissos spiritualiter vulneratos perpetuae morti tradant. Unde seriptum est: Vae eivitati euius rex iuvenis est, quasi diceretur: Vae illis hominibus, quorum reetor lascivus vel neglegens et irreligiosus est, quia at- testante sacra scriptura regnantibus impiis ruina erit hominum'.

* Lib. manual. (col. 407): 'facti sunt perseceutores nulli parcentes, dummodo ipsi in delieiis vivant divitiisque affluant’.

° Bedae opp. VIII, 9ıo: "Consuetudinem, quam antecessores nostros hie habuisse agnovimus’ etc.

1084 Gesammtsitzung vom 28. November.

Otloh vermochte mit seinen einseitigen, dem Zeitgeiste wider- streitenden Anschauungen nicht viel auszurichten, und der Trost, dass es eigentlich Sache der Heiligen sei ihr Eigenthum selbst zu schirmen,' nützte gleichfalls wenig. Um den erst durch Wolfgang neu begrün- deten, vielfach angefochtenen Rechtszustand des Klosters besser zu sichern, versuchte man, ihm durch eine Rückspiegelung in die Ver- gangenheit Stützen zu verleihen. Man liess durch Karl den Grossen St. Emmeram gleich als eine von Hause aus selbständige Abtei be- gründet werden und erdichtete ausser den Namen angeblicher älterer Äbte’ zum Zeugniss dessen Urkunden Karls selbst,® Ludwigs des Frommen und Arnolfs, endlich Ludwigs des Kindes, sowie eine angebliche Ein- weihung der Kirche durch Papst Formosus,' so dass was Wolfgang gethan, sich nur als Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes ergab.

Kaiser Arnolf, dem die vorletzte dieser Urkunden zugeschrieben wird, war als besonderer Verehrer des h. Emmeram, bei dem er wie sein Sohn seine Ruhestätte gefunden, bekannt.” Er hatte das Kloster u. a. mit einem Betpult und einem überaus kostbaren Evangelienbuche, das aus dem Nachlass Karls des Kahlen nach St. Denis gekommen war, beschenkt.‘° Somit lag es nahe, gerade ihm noch mehr anzu- dichten und es trat daher plötzlich die Behauptung auf: durch einen von ihm unterstützten Diebstahl seien die unschätzbaren Reliquien des h. Dionysius Areopagita von Athen aus ihrem Grabe in St. Denis entwendet und nach Regensburg geschafft worden, wo sie, angeblich 150 Jahre verborgen, durch eine feierliche Erhebung im Jahre 1049 zu Tage traten,’ durch anscheinend alte, vielmehr neu gefälschte, In- schriften beglaubigt und von Leo IX. 1052 anerkannt.

Wie weit Otloh persönlich und etwa als Urheber an diesem frommen Betruge betheiligt war, lässt sich nicht mehr sicher aus-

! De reb. visibil. (p.909): 'Sieut pauper vel quilibet rebus proprüs iniuste spoliatus apud iudices et. rectores saeculi querimoniam faciens, raptorem accusat sibique sua restituere postulat, ita omnes sancti pro suorum destructione cenobiorum ad deum iugiter clamant, obsecrantes ut aut suis tradita cenobiis iusteque acquisita bona resti- tuat aut in eos qui rapere praesumpserunt iustum iudieium faciat'.

2 S. HırscH Jahrb. Heinr. II, I, 418-421.

3 Müntsacher Reg.imp. I nr. 343. 980. 1866. 1959, vergl. V. S. Bonif. p. 494: "At Karolus noster . . quaedam loca ad episcopatum pertinentia... ab episcopali ditione absolvit libertateque regali sublimavit, sicut sancti Emmerammi cenobium’.

* Notae S. Emmer. (SS. XV, 1094. 1095). In der gefälschten Urk. Arnolfs (Mon. Boica XXXI, 149): in praesentia domni et venerabilis papae Formosi'.

5 S., meine Gesch. des Ostfränk. Reiches III, 374. 560.

6 S. ebenda 478.

? SYEINDORFF, Jahrb. des D. Reiches unter Heinrich III., II, 185. Das Jahr be- ruht auf der Transl. S. Dionysii e.ırı (Neues Arch. XV, 351).

Dünster: Über den Mönch Otloh von St. Emmeram. 1085

machen. Die ursprüngliche Freiheit St. Emmerams, von der Arnold noch nichts wusste, hat er jedenfalls anerkannt, wie er auch berichtet, dass Heinrich III. nur durch den Tod verhindert worden sei, die kürzlich aufgefundenen Urkunden (d. h. eben jene gefälschten) ausdrücklich zu bestätigen." Über den h. Dionys verfasste er eine Sequenz ;? eine Ge- schichte jener fabelhaften Übertragung, die sehr bald von andern noch weiter ausgeschmückt wurde, verdankt ihm, obgleich er sie nicht unter seinen Schriften aufzählt, wahrscheinlich ihren Ursprung.” Von seiner eifrigen Beschäftigung mit Dionys zeugen noch jetzt 2 Hand- schriften, von denen die eine die an Ludwig den Frommen gerichtete Schrift des Abtes Hilduin über ihn enthält,‘ die andere das dem Dio- nysius zugeschriebene Werk über die himmlische Hierarchie in der Übersetzung des Johannes Seotus.

Mit dem Abte Reginward (1048-1064) überwarf sich Otloh, da- mals zum Dekan aufgerückt, vollständig und da derselbe ihm nicht gestatten wollte, sein Amt niederzulegen, ergieng er sich in bitteren und gehässigen Reden über ihn’ und verfiel bald darauf in eine Krank- heit, in der er abermals ein Spielball der bösen Geister zu sein glaubte. Die Vergeblichkeit der Bemühungen zur Herstellung einer strengeren Klosterzucht, dazu Drohungen von Seiten des Bischofs Otto (1061-1089) und seiner Vertrauten, bei dem Otloh von einigen jüngeren Brüdern verklagt worden war,“ machten ihn endlich des Kampfes so müde, dass

! Lib. vision. e.ıo (SS. XI, 382): 'propter privilegia monasterii nostri interim inventa in regiam potestatem idem monasterium reeipiente'.

2 Prz Thesaur. anecdot. III, 2, 400 in der Hs. mit Noten Cod. Monac. 14490 fol. 163', wo die folgenden Blätter mit dem Schluss fehlen, von Otlohs Hand.

® Herausgegeben aus einer jungen Wolfenbüttler Hs. von L. v. Hrınemann (N. Arch. XV, 340-358). In der Münchner Hs. 1805 steht die jüngere, von Körke her- ausgeg. Transl., nicht, wie WarrengacHh (GQ.1Il, 518) annahm, die ältere. Das aus Hiob (5 v. 6) stammende: 'Nihil in terra fit sine causa’ findet sich bei Otloh aller- dings öfter, s. bei Prz col. 231, 424; SS.IV,525 (auch bei Arnold ebd. 568). Sehr geläufig ist ihm das N. A. XV, 341 vorkommende rusticitas, s. N. Arch. X, 408, Prz 143. 203. 240. 255. 404. 432. 512. 548; SS. XV, 846, ebenso verbula N. A. XV, 353, vergl. SS. XI, 389; XV, 845; Pez 143. 404. 431. 460. 547, Masıtron I18.

* Die jetzige Hs. des Brit. Museums 22793, früher im Besitze von Lisrt, s. oben S.1071 Anm. 4. die andere die Münchner 14137, benutzt von Fross Patrol. lat. ed. Mıcne CXXI, XIII; 1193. Diese Hs. meint Otloh De temptat. (SS. XI, 393) mit den Worten ‘ierarchiam seripsi'. (Vergl. auch den Katalog N. Arch. V, 625.) Die Schrift Hilduins wird in der Transl. e.13—17 (p- 353flg.) als Quelle benutzt.

5 Lib. vision. 4 (ed. Pez 564): 'Ante decennium (d. i. um 1060) agente me deca- niam in monasterio nostro et abbate non iuxta regulae sanctae instituta, sed secundum episcopi praeceptum vel iuniorum quorundam affeetum plurima illue disponente’ etc.

° De temptat. p. 389: 'a fratribus quibusdam iuvenibus, quibus displicebam, apud episcopum aceusatus’; 390 'persecutionem, quam in monasterio nostro ... passus eram, fugiens’. Vergl. über den B. Otto V. Udalriei prior. Cell. pr. c. 6 (SS. XI, 253). Die Vermuthung Heıyemanns (N, Arch. XV, 340), der Otlohs »Entweichung« mit der Fälschung der Kaiserurkunden in Verbindung bringen will, scheint mir zu sehr des

Sitzungsberichte 1895. 97

1086 Gesammtsitzung vom 28. November.

er mit Erlaubniss des Abtes im Jahre 1062 die Verfolgung fliehend sich nach Fulda begab." In demselben Jahre am 13. April brannte St. Emmeram ab.’

Hier unter dem Abte Widrad (1T060-1075), dem er auch das Leben des h. Nicolaus widmete,’ fand er die lange ersehnte Musse für seine literarischen Arbeiten und nutzte sie auf das beste aus. Besonderen Dank der Brüder erwarb er sich durch ein ausführliches Leben ihres Stifters Bonifatius,‘ theils nach Wilibald, theils nach seinen Briefen, in welchen er seinen Klagen über den unwürdigen Zustand St. Emmeram’s freien Lauf liess. Nachdem inzwischen Re- ginward gestorben und der Abt Eberhard von Kempten auf ihn ge- folgt war,’ verliess Otloh auf die Bitten vieler seiner früheren Mit- brüder das gastliche Fulda, welches ihn gern zurückgehalten hätte, nach vierjährigem Aufenthalt.

Zögernd begab er sich vorerst nach dem lieblich gelegenen Amorbach, wo er, freundlich von dem Abte (Bruno?) aufgenommen, fast ein Jahr verweilte,‘ um sich von dort aus genauer über die Verhältnisse in St. Emmeram zu unterrichten. Als er dann endlich 1067 in sein altes Kloster heimkehrte, fand er einige der Brüder über seine Rückkehr erfreut, andere nach wie vor feindlich gesinnt. An der Spitze stand damals der Abt Rudpert. Otloh, dessen schrift- stellerische Thätigkeit wir bis etwa zum Jahre 1070 verfolgen können, starb, zuletzt kränklich und altersschwach ,” wahrscheinlich nieht sehr viel später am 23. November eines unbekannten Jahres.

Grundes zu entbehren. Ihn mit HeruspörrEr (S. 70) »zelotisch« zu nennen, sind wir kaum berechtigt.

! Siehe oben S. 1085 Anm. 6; De temptat. p. 389: "quasi cito reversurus'.

?2 De temptat. p. 389: ‘in ipso discessionis meae anno’, vergl. Ann. S. Emmer. min. (SS. I, 94, X111, 48) 1062 zum 13. April, Ann. breviss. (SS. XVII, 57r) zum 12. April.

® N. Arch. X, 408. Da O. diese V. Nicolai schon vor 1062 verfasste (De temptat. P- 391), so ist die Widmung entweder später hinzugefügt oder (minder wahrscheinlich) dem früheren Besuche Fulda’s im Jahre 1054 entsprungen. Er widmete den Fuldern überhaupt 7 Handschriften.

De temptat. p. 390; Jarrz, Monum. Mogunt. p. 482.

Am ı1. Juli 1064 wirkte er schon bei einer Kirchweihe mit (SS. XVII, 573). Die Notae S. Emmer. (SS. XV, 1099) lassen ihn, schwerlich mit Recht, schon 1065 abdanken. Nach dem Tode Sigifrid’s (-F 6. März 1068) wurde er Abt von Tegernsee, s. Hist. monast. Tegernsee. c.7 (Pez Thes. anecdot. III, 3, 514).

% De temptat. p. 391. 393. Der Name des Abtes, bei dem O. sich hier aufhielt, ist schwer zu ermitteln. Auf den im Jahre 1039 verstorbenen Richard folgte nach Grorr (Aetas millenaria p. 75) Walther, der gar nicht geweiht wurde, dann Ezilin (vergl. Neer. S. Emmer. "XVII kal. Apr. Azili abbas de Amarbah’), dessen Todesjahr unbekannt ist, endlich Bruno.

Die 'Epistola ad quendam amieum nostrum facta’ (Pez 253) beginnt mit den Worten (Luc. 24,29): "Quoniam aetati meae advesperaseit et inclinata est iam dies’ etc., vergl. De temptat. p. 393: 'nil ultra magni operis preter psalterium seripsi, quia et senectus et infirmitas varia me prohibuit’. Über seinen Todestag s. oben S. 1071 Anm. 2.

Dünnter: Über den Mönch Otloh von St. Emmeram. 1087

Mannigfach ist die Zahl seiner Schriften, die theils der theo- logischen, theils der Erbauungsliteratur angehören, nur uneigentlich der historischen.‘ Er hat uns seine Arbeiten mit anerkennenswerther Genauigkeit sämmtlich aufgezählt und die Reihenfolge seiner Werke bestimmt, obgleich sein Name nur an zwei Stellen seiner Schriften vorkommt.” Deutlich unterscheidet er zwischen den Büchern, die er abgeschrieben, und denen, die er verfasst hatte.” Die letzteren die- tirte er nämlich und versah sie nur mit eigenhändigen Zusätzen und Nachträgen.* Als eine schulmeisterliche Eigenthümlichkeit von ihm oder als Gedankenarmuth muss es gelten, dass er sich sehr häufig selbst ausschreibt und sich in einzelnen Gedanken und Wen- dungen wie in grösseren Partien unbefangen wiederholt. Er schrieb im Ganzen einen klaren und ungekünstelten, bisweilen weitschwei- figen, hauptsächlich von der Vulgata beeinflussten Stil.’ Die sonst so beliebten klassischen Anspielungen scheint er grundsätzlich zu vermeiden.

Otloh’s der Zeit nach erstes Werk: De doctrina spirituali ist im An- schluss an die Lieblingsbeschäftigung seiner jüngeren Jahre in grossen- theils gereimten Hexametern, Versen etwas nüchterner Art, verfasst.”

! Dass der von Aventin unter seinen Quellen für das 4. Buch der Annal. due. Boior. aufgeführte 'Othochus Fruxinensis mysta, deinde monachus Reginoburgensis’ (s. oben S.1079 Anm. 2) unser Otloh ist, hat Rırzrer richtig erkannt, doch genügt für diese Erwähnung die Benutzung der V. Wolfkangi (Turmair’s Werke III, 16— 22) und keinenfalls hat O., wie nach Giesesrec#r noch RırzLer annimmt (S. 2. 51. 579), etwas mit den ungrischen Nachrichten unbekannter Herkunft zu thun (vergl. Rape- MACHER, Forsch. z. D. Gesch. XXV, 405; N. Arch. IX, 572).

2 S. oben $S.1071 Anm.7; 1072 Anm.ı. Dass ihn die mittelalterlichen Literatur- historiker nicht kennen, erwähnte schon Warrz (SS. IV, 524 Anm. 43).

® Nach dem lib. de temptat. (p. 387) schrieb O. 'quaedam quidem dietando, quaedam autem alio modo’ und er unterscheidet p. 392—93 seribere und dictare. Von einer somnii visio sagt er ausdrücklich: 'ut etiam tune dietatam seriberem’ (ed. Pez 55t) und fügt hinzu: 'quia per idem tempus et dietandi aliquam et scribendi magnam notitiam habui’.

* Mit Recht bemerkt W. Arno, Schrifttafeln 2. Aufl. zu Taf.19: ‘der Text ist von einem Schreiber hergestellt, Otloh selbst fügte einzelnes am Rande und über den Zeilen hinzu’. Was hier von dem (od. 14756 gesagt wird, gilt ebenso von 14490, 14673, 18611, 18937, die zwar unter den Augen des Verfassers hergestellt, doch nicht Autographe im eigentlichen Sinne sind.

5 V. Bonifatii (ed. Jarr£ p. 483): "Quid enim nobis infimis ... nodosa et per- plexa oratio?’ Otloh’s Sprache berührt Seıer zum Ruodlieb S. 113. 115—119. 130.

° Ed. Prz, Thesaur. anecd. II, 2, 431-477 aus dem cod. Monae. 14756 fol. rı2! bis 156. Die bei Prz (477-481) angehängten Gedichte folgen ebenso in der Hs., aus welcher auch Mose (Lat. Hymnen I, 53) den Hymnus auf Weihnachten heraus- gegeben hat. Wie Bressrau (Jahrb. Konrad’s (II, 395 A. 1) bemerkt, könnte diese Schrift noch unter Konrad fallen, s. Warrz, SS. IV, 522: 'Paullo post annum 1032’. Über die Reime vergl. W. Mrver in den Sitzungsber. der Münchener Akad. 1882. S. 67, Ruod- lieb von SEILER S. 148. 149. 154. 173.

1088 Gesammtsitzung vom 28. November.

Er entwickelt darin die christliche Glaubenslehre, empfiehlt das Schriftstudium mit allegorischer Auslegung unter Warnung vor den heidnischen Schriftstellern, knüpft daran die Geschichte seiner in- neren Bekehrung nebst vielfachen Ermahnungen an Geistliche wie an Laien zur Besserung ihres Wandels. Ein Theil dieser Vorschriften kehrt wörtlich in einer für die Geistlichkeit allein bestimmten kürzeren Predigt in Versen wieder."

Als sein zweites, um 1055 verfasstes Werk” bezeichnet Otloh das über die von seinem Freunde Heinrich an ihn gerichteten und zuerst mündlich erörterten Fragen, welches, nach dem Vorbilde der h. Dreieinigkeit über 3 Gegenstände handelnd, den Titel De tribus quaestionibus führt.” Erstlich von der Erkenntniss der göttlichen Liebe und Gnade, welche sich ebenso durch Milde wie durch Strenge in der Natur wie im Menschenleben kundgibt (e. 1-15), zweitens von der Verschiedenheit der göttlichen Gerichte, die in gerechte, nothwendige, solche, die zugleich gerecht und nothwendig sind, und in verborgene getheilt werden (c. 16-29), endlich von der Fähigkeit des Menschen Gutes zu thun, wobei ihm die durch Gottesfurcht zu überwindende Freiheit böse zu handeln zugesprochen wird. Es folgt endlich eine sehr ausgeführte Zahlenmystik über den tieferen Sinn der Einheit und Dreiheit, die er auch in der Gestalt des Kreuzes wiederfindet. Er schliesst (ec. 50) mit einer Sammlung moralischer Sentenzen, dem Kerne eines späteren selbständigen Werthes, in dem sie alle wiederkehren. Obgleich Otloh als Grammatiker den Nutzen der 7 freien Künste als einer Vorstufe für die christliche Wissenschaft anerkennt, weist er doch die Beihilfe der Dialektik für die Auslegung

! Aus dem Cod. 14490 fol. 16'—-18: "Item sermo metrieus ad celericos speecialiter dietus’ (es folgen f. 19 ‘Versus de die iudieii’ = Prz 481-482) herausgegeben von Fross (Migne Patrol. lat. OXXIl, XV—-XVI). In diesem Gedichte kehren v. 4—ı2 wört- lich wieder bei Prz 475 'Sermo ad avaros’ als v. 2-10; v. 13—25 ebd. 475—476 als v. 25 bis 38; v. 29-129 (ausgenommen v. 121. 122. 124) = De doctr. spir. e. 13 v. 39—136 bei Prz 447—449, es bleiben 9 selbständige Verse. Die Worte: "Cum prope sit tem- pus, quo mundus erit ruiturus’ (Prz col. 475) bezieht Rırzrer (I, 499 A.4) wohl mit Recht auf das für 1065 erwartete Weltende.

® De temptat. p. 389: "ante annos XV ut reor seripsi. Die Schrift De tempt. verfasste O. einige Zeit nach seiner Heimkehr im Jahre 1068, denn die V. Magni gieng noch voraus, also schwerlich vor 1070 (damit würde es übereinstimmen, wenn 'frater noster Willehalmus’ p. 393 der Hirschauer war, dass O. ihn nicht Abt nennt, denn er wurde erst 1071 geweiht). Die Bekanntschaft mit dem Mönche Heinrich aber fällt frühestens 1053 oder 1054 (s. oben S. 1080 Anm. 3).

® Herausgegeben von B. Prz a. a. O. 143—250 nach 2 noch vorhandenen Hss. des ı2. Jahrhunderts (s. oben S.1072 Anm.r). Den Schreibervers am Schluss habe ich umsonst gesucht. Über Berührungspunkte dieser Schrift mit der ahd. Summa theologiae s. MÜLLENHOFF u. SCHERER, Denkmäler Il3, 204. 205. 208. 2Io. 2II. 213. 222. Vergl. auch WERNER, Gerbert v. Aurillac S. 150. 242.

Dünnter: Über den Mönch Otloh von St. Emmeram. 1089

der h. Schrift, vielleicht mit Beziehung auf gewisse Zeitrichtungen (Lanfranes Schüler) entschieden zurück. '

Das der Zeitfolge nach dritte Werk Otloh’s, welches er wie eine Er- gänzung mit den beiden andern am liebsten zu Einem Bande vereinigt sehen möchte,” handelt von den Gesichten und Erscheinungen, die ihm oder andern begegnet waren. Er versteht darunter zwar vorzugsweise Traumbilder, ausdrücklich aber auch solche, die Wachenden zu Theil geworden, zumal im letzten Augenblick, nach dem Muster des vierten Buches von Gregors Dialogen.” Da der aus eigener und fremder Er- fahrung geschöpfte Stoff ihm noch nicht ganz genügte, so entnahm er einige verwandte und vorbildliche Stücke schriftlichen Quellen, Beda’s Kirchengeschichte des angelsächsischen Volkes und den Briefen des h. Bonifatius. Die Erzählungen dieser Art haben sämmtlich einen paedagogischen Zweck, sie sollen durch Beispiele göttlicher Züchti- gungen zu den guten Lehren, gleichsam wie Pfeffer und Essig zu den Speisen, als Würze hinzukommen.° Otloh, der selbst früher an der Möglichkeit derartiger Einwirkungen von oben gezweifelt hatte, ver- sichert durch eigene Erfahrung eines besseren belehrt worden zu sein.®

Zu den Visionen rechnete Otloh vor allem jene bösen Träume in seinen Erkrankungen, bei denen er sich wiederholt als hilflose

US. col. 144: 'Peritos autem dieo magis illos, qui in sacra scriptura, quam qui in dialeetica sunt instructi. Nam dialecticos quosdam ita simplices inveni, ut omnia sacrae scripturae dieta iuxta dialecticae auctoritatem constringenda esse decernerent magisque Boetio quam sanctis seriptoribus in plurimis dietis erederent’; col. 203: "Quae nimirum omnia licet iuxta dialecticae artis subtilitatem nequeam (non enim merui illius habere notitiam)' ete.; col. 312: 'dialeetiei neenon prudentiae saecularis gnari; 314. Vergl. Prawrr, Gesch. der Logik im Abendl. II, 68; Scherer, Leben Willirams (Sitzungsber. der Wiener Akad. LIII, 289 n. 2).

® De tempt. p. 387: 'quos volui in unum volumen quasi ad unam convescentium mensam colligere .. ut qui ex uno nequiverit refici, ex alio reficiatur’.

® S. den Prolog, Prz col. 547. Prz hat das Werk, abgesehen von den beiden in der Hs. fehlenden Blättern, vollständig herausgegeben, Wırmans nur einen unge- nügenden Auszug. Die von diesem wiederholten Überschriften rühren, ebenso wie bei den übrigen Werken, durchaus nur von Prz her. In dem lib. revelation. b. Bernhardi, enthalten in dem Cod. lat. Mon. 14682 des 13.—ı4. Jahrhunderts finden sich auf fol. 36— 38' in überarbeiteter Gestalt mit den Überschriften: ‘De mortuo monacho. De quodam suspenso. Visio monachi egrotantis. De quodam diacono’. Visio 16. 18. 10.5 aus Otloh.

* Vis. 19 (ed. Prz 594— 601) ist Ep. ro des h. Bonifatius (M. G. EE. III, 252 bis 256), obgleich schon von Warrz (SS. IV, 522 n. ı9) bemerkt, doch von Han und mir bei unseren Arbeiten über Bon. übersehen; vis. 20o—22 (col. 601—609) stam- men aus Beda V c. ı2. 13. 14, ed. Horper p. 245. 251. 253. Für die Beliebtheit der von Beda erzählten Visionen spricht auch, dass IV c. 25 p. 212— 215 in dem Cod. Lambac. LXXVI fol. 1r9—ı21 einzeln sich vorfindet: 'Ineipit de quodam penitentiam agente ex visione’.

° De temptat. p. 388.

© Prolog. (ed. Prz 548): "Confiteor namque peccatum meum, quia nemo plus me super huiusmodi monitis dubitavit’.

1090 Gesammtsitzung vom 28. November.

Beute der Teufel sah, die ihn in qualvolle Verzweiflung stürzten. Das eine Mal rettete ihn aus ihren Klauen nur das zur Nocturn läu- tende Glöckehen, nachdem selbst die zweimalige Erscheinung eines lichten Geistes ihn in seinem Elend wieder verlassen hatte.' Als warnendes Beispiel der strafbaren Kleiderpracht erscheinen, wie schon erwähnt, die Hildesheimer Geistlichen,” aber selbst die einstige Kai- serin Theophanu klagte im 'Traume einer Nonne, dass sie wegen der Einführung überflüssigen Schmuckes aus Byzanz, bei der sie sich nicht einmal etwas Übles gedacht habe, Höllenstrafe leiden müsse.” Ein alter Mönch, der mit Otloh befreundet war, ahnte im voraus den Brand des Klosters Tegernsee im Jahre 1035 und warnte den Abt Ellinger vergeblich,* wenigstens vorher die Schätze und Bücher in Sicherheit zu bringen. Ein anderer sehr angesehener Geistlicher During erschien kurz nach seinem Tode demselben Abte in einer Krankheit und machte ihm Vorwürfe wegen seines nachlässigen Wan- dels, die er durch einen schmerzhaften Stoss in die Seite bekräftigte: da sie nichts fruchteten, wurde Ellinger 1041 zum zweiten Male abgesetzt.

Ein gewisser Adalpert in St. Emmeram drohte einem andern Mönche mit höllischen Strafen, falls er sich nicht des Verkehrs mit den Juden enthielte und ein Bediensteter des Klosters Niedermünster sah den Juden Abraham im Augenblick seines Todes in glühenden Ketten fortgeschleppt, weil er den Namen Christi nie ohne Lästerung hatte hören können.” Man sieht, dass in der Handelstadt Regensburg, ähnlich wie unter Willigis in Mainz, die Juden schon eine gewisse Rolle spielten.

Es lässt sich denken, dass auch die Beraubung der Klöster und der Armen in mehreren Beispielen gezüchtigt wird. So wird der sonst löbliche Kaiser Heinrich II.” wegen seines Geizes getadelt und vom Himmel bestraft, weil er den Armen rechtliches Gehör verweigerte.”

ı Vis. 4 (Pez 565 569).

® Vis. 5. Der Mahner zeigt sich hier, wie in anderen Fällen, dreimal und wendet zuletzt ein flagellatorium an. i

® Vis. 17 (SS. XI, 385). Diese Vision ebenso wie die 4. findet sich auch in einer Hildesheimer Hs. des ı5. Jahrhunderts, s. SS. IV, 888 aus Otloh. Verel. GiIESEBRECHT, Deutsche Kaiserzeit I, 658.

* Vis. 8.9 (SS. XI, 381). Vergl. über Tegernsee Bressrau, Jahrb. Konraps ll, 402.

5 Vis. 1o (Prz 579); 13 (SS. XI, 383). Über die Juden in Regensburg s. Warrz Deutsche Verf. G. 2. Ausg. V,423 A.5. Schon aın 2. Apr. 981 bestätigte Otto II. den Kauf einer Besitzung in der Vorstadt Regensburgs, welche St. Emmeram von dem Juden Samuel erworben (DD.1l, 279). Als Bewohner von Regensburg werden sie auch bei Arnold er- wähnt, De S. Emmer. Ic. 15 (Canis. Lect. ant. II, 61).

6 Vis.ıı (SS. XI, 332).

" Vergl. Sreınoorrr Heinrich III., II, 363. Bemerkenswerth ist auch hier das dreimalige Erscheinen eines Armen.

Dünsnter: Über den Mönch Otloh von St. Emmeram. 1091

Aber auch seine Gegner, die ihm den Frieden gestört, sah ein Bettler im Traume in einem Hause von glühendem Metall eingeschlossen. Den Bischof Gebhard III. von Regensburg, der gleichfalls dazu gehört hatte, erblickte er noch überdies als einen gewaltigen, völlig verdorrten Baum.' Denselben Gebhard hatte zugleich mit dem Bischof Severus von Prag schon früher ein Gefährte des Einsiedlers Gunther wegen ihres mangelnden Pflichteifers im Jenseits auf glühenden Stühlen erschaut. In Wirzburg kehrte eine schon verstorbene Magd, die eben begraben werden sollte, noch einmal in’s Leben zurück, um den Schultheissen zur Zurückgabe eines von seinem Vater mit Missbrauch der Amtsgewalt ungerecht erworbenen Hofes zu bewegen.” Ja, selbst Papst Leo IX., der im Jahre 1052 Regensburg besuchte, wird als Zeuge aufgerufen für zwei Brüder, welche die Seele ihres verschiedenen Vaters durch Rückerstattung eines geraubten Klostergutes der Hölle entrissen und überdies noch selbst Mönche wurden. Aber auch andere Vergehen, z. B. Meineid, finden die gebührende Züchtigung.

Ebenso wie die Visionen in Fulda entstanden, wo Otloh sich über die Regensburger Verhältnisse freier aussprechen durfte, so auch in der günstigen Musse des dortigen Aufenthaltes mehrere seiner fol- genden Schriften. Namentlich ein kurzes predigtartiges Handbuch der Ermahnungen für Geistliche und Laien,’ in welchem den andern Sittenlehren die Warnung vor ungerechtem Raub an den Klöstern vorangestellt wird. Die Geistlichen, die der Schrift kundig sind, ver- weist er auf die biblischen Gleichnisse, die Laien auf Vergleichungen, die aus dem Leben geschöpft sind. Wenn er in dieser und einer bald danach folgenden Schrift davon spricht,’ dass mehrere Jahre hin-

ı Vis.ır (SS. XI, 383), vergl. Bresstau, Jahrbücher Konrads, I, 163. O. setzt mit ‘paulo plus duobus annis’ den Tod beider etwas zu nahe an einander, denn Heinrich -+ 5. Okt. 1056, Gebhard III. am 2. Dez. 1060. Vergl. Vis. 14 (SS. XI, 384).

2 Vis.6 (p. 379). Diese wenig beachtete Erzählung ist rechtsgeschichtlich sehr interessant.

® Zuerst unter Beda’s Namen abgedruckt mit dem unrichtigen Titel De substantiis libellus in Bedae opp. ed. Colon. (a. 1612. 1688) t. I, 200— 206, dann von Prz (403—428) aus dem Cod. Monae. 14490 fol. 1'—ı6', wo es den Titel führt 'Libellus manualis de ammonitione elericorum et laicorum’, unter dem es auch in dem Lib. de temptat. (SS. XI, 390) als in Fulda entstanden erwähnt wird.

* Die Voraussetzung, dass die Laien nicht lesen könnten, kehrt bei O. öfter wieder.

5 C.9 (col. 428): "attendentes continuam aeris intemperiem, quae ... ita per annos multos iam imminebat, ut aut inmensum frigus aut inmensa pluvia, vel intem- perata siceitas fructus terrae corrumpens famem miserandam efficeret atque formidantes, e corrupta iniquitate terra necessaria alimenta penitus deneget vel aliquos homines ab- sorbeat, sieut in quibusdam loeis pro dolor! noviter evenisse dieitur’, vergl. De cursu spirit. Prolog. col. 260. Abgesehen von der Hungersnoth des Jahres 1056 (s. Chron. Wirzib., SS. VI, 31 a.1056) bezeugt Berthold in seinen Annalen solche Nöthe von 1059-1063 alljährlich (SS.V, 271. 272, vergl. Herimanni contin. 1059-1063, SS. XII, 731. 732),

1092 Gesammtsitzung vom 28. November.

durch die Menschen durch Miswachs und Hungersnoth als durch ein göttliches Strafgericht schwer heimgesucht worden seien und deshalb Busse thun sollten, so weist dies deutlich auf die Jahre 1059-1063, die in der That eine fast ununterbrochene Reihe derartiger Plagen aufzuweisen haben.

Auf dies Handbuch folgte zunächst eine Sammlung von alpha- betisch geordneten Sprüchen, theils in Prosa, theils in Versen, na- mentlich gereimten Hexametern." Ihr Zweck bestand darin, die dem heidnischen Philosophen Seneca zugeschriebenen Gnomen, die sich grosser Beliebtheit erfreuten und selbst den Beifall Otlohs erreg- ten,” aus der Schule zu verdrängen. Er konnte daher, obgleich er seine Sätze überwiegend der Bibel entnahm, sich nicht enthalten, einzelne Sprüche auch dem sog. Seneca zu entlehnen, die er jedoch am Rande als solche bezeichnete.” Antikes findet sich bei ihm sonst nur in sehr geringem Maasse. Aber was ihm am meisten am Herzen lag, vermochte er auch hier nicht ganz zu unterdrücken. So heisst es neben anderen Anspielungen:* »Es ist eine beklagenswerthe Frech- heit, dass die Christen sich solche Dinge herausnehmen, welche die Heiden verabscheuen, denn die Christen zerstören die Klöster ihres Gottes und der Heiligen, die Heiden aber verehren ihre Götzen«. Von allen Schriften Otloh’s ausser seinen Heiligenleben scheint das Buch der Sprüche in einer dafür besonders empfänglichen Zeit noch die grösste Verbreitung gefunden zu haben wenn auch keineswegs eine so grosse wie die Wipos und es kehrt wenig- stens in Auszügen an mehreren Orten wieder,’ einen Anfang des- selben nahm er ja auch selbst schon in seine Schrift De tribus question. auf.

dazu treten bestätigend die Ann. Altah. 1059. 1060, Ann. August. 1060. 1063 (SS. III, 127), Lampert. 1060 (ed. Horner - EsGEr p. 77).

! Zuerst herausgeg. in Bedae opp. ed. Colon. II, 185—200 als Proverbiorum liber, dann von Prz (485—536) aus dem Cod. Monac. 14490 fol. 23—49, wo es als 'libellus proverbiorum’ bezeichnet wird, ebenso in dem lib. de temptat. p. 390.

® "Primo quidem mirabar tantam cuiquam infidelium prudentiam inesse potuisse, quanta in quibusdam eorundem proverbiorum dietis reperiuntur’.

® S,W. Meyer, Spruchverse des Publilius Syrus S. 10—ı2, Publil. Syri Sentent. ed. Meyer p.9, wo die Entlehnungen aus Seneca zusammengestellt sind. Das am Rande beigefügte "Sen.’ hat Prz in seiner Ausgabe nicht beachtet.

* Col. 514. S. u.a. daselbst: ‘Nemo in ecclesia amplius nocet, quam qui per- versa agens regimen tenet'; col. 502: '"Grandis ecelesiae destructio neglecta coenobiorum provisio‘. Vgl. auch MürrLenHorr und ScHErer, Denkmäler 3. Ausg. II, 138. 139. 146. 166. 313 und oben S. 1076 Anm.1.

° Eine zweite Hs. aus der Hand Ötloh’s ist Monac. 18937 fol. 230, etwas jünger 536 fol. 102, von W. MEyer nachgewiesen (Spruchverse S. 10), über 19411 aus Tegern- see s. Warrengach im N. Arch. XVII, 35, über 9510 Zeitschr. für deutsches Alterth. XXI, 422, XXV, 188; über die Wiener Hs. 2521 N. Arch. XIX, 720.

Dünnter: Über den Mönch Otloh von St. Emmeram. 1093

Als sich Otloh von Fulda nach Amorbach begeben hatte, ver- fasste er dort auf den Wunsch des Abtes in Form einer Predigt eine Auslegung‘ der Worte von Psalm 53, 3 »Gott schauet vom Himmel auf der Menschen Kinder, dass er sehe, ob Jemand klug sey, der nach Gott frage«. Er benannte diese Schrift auch: »Wie man in sichtbaren Dingen lesen solle«. Ihrem Inhalte nach mit dem obigen Handbuche sich nahe berührend, sucht sie durch Vergleichungen (si- militudines) aus der uns umgebenden sichtbaren Welt den Unge- bildeten das Verständniss der unsichtbaren näher zu bringen und daraus moralische Nutzanwendungen zu ziehen. So wird z.B. die heil. Dreieinigkeit hier wie anderwärts” bald mit einer Kerze verglichen, die aus Wachs, Docht und Flamme besteht, bald mit einer Quelle, die zum Bach und zum See wird, oder mit einem Gebäude, das aus 2 Wänden und einem Dach gebildet ist, u. s. w.

Es folgte nun die Rückkehr nach St. Emmeram und hier verfasste Otloh gleichsam als eine Beichte, ausführlicher als es früher in Versen geschehen war, einen Bericht über die Seelenkämpfe, die er bei seinem Eintritt in das Kloster durchzumachen hatte. Er redet da, wie von sich in der dritten Person und will für andre, die Ähnliches zu erdulden haben, ein Vorbild aufstellen.”

Eng hiermit zusammen hängt die umfangreiche Schrift De eursu spirituali,‘ vom geistlichen Wettlaufe, in der er sich die Menschen vorstellt, wie sie gleichsam auf einer Rennbahn um den Siegespreis des ewigen Lebens wetteifern. Dem Verfalle der christlichen Religion und der allgemeinen Nachlässigkeit der geistlichen und weltlichen Häupter, deren Worte und Thaten einander widersprachen, wollte er damit entgegenwirken. Er unterscheidet die verschiedenen Stände, die

! Herausg. in Bedae opp. ed. Coron. VIII, 902-925 (daraus wiederholt bei Mıcne Patrol. lat. XCIII, 1r03—-1128 auch unter Beda). Ein Stück dieser bei Prz fehlenden Schrift, die aber De temptat. p. 391 als in Amorbach entstanden erwähnt wird, vorn und hinten verstümmelt, steht in dem Cod. Monac. 14490 fol. 164-—167' beginnend 'gratiam perducere solent premii in eorum dispensatione sibi'. Dies erkannten schon die Bearbeiter des Catalogs, vergl. auch MürLennorr und ScHERER Denkmäler 3. Ausg. II,41ı-412. Dieser Text hat zu dem sonst genauen Druck ein paar von O. nach- getragene Zusätze und die von ihm herrührenden Inhaltsangaben am Rande. Ein Auszug derselben in der Papierhs. Cod. lat. Mon. 14881 fol. 45'-54: "Incipit tractatulus, quomodo legendum sit in similitudinibus’.

2 S.a.a.0. p. 904. 923, PEz col. 211-213. 412.

® SS. XI, 392: "librum de confessione actuum meorum’, vergl. De cursu spir. c. 21 (eol. 360): "quatenus per eandem impugnationem, quam ipse passus erat, illi cautiores fortioresque contra diabolum efficerentur’.

* Herausg. von Pez col. 259-398 aus dem Cod. Monae. 14490 fol. 56'-155', steht aber auch in dem Cod. 18611 aus Tegernsee, in welchem eine Anzahl Blätter von viel jüngerer Hand ergänzt sind, vergl. De temptat. p. 391; WERNer, Gerbert v. Aurillac

S. 241—244.

1094 Gesammtsitzung vom 28. November.

Mönche, die frommen Laien, die Lenker der Kirchen, die Gebildeten, um dann für alle Vorbilder und Vorschriften aus der Bibel zu ent- nehmen, wobei einerseits der Psalter, andrerseits die Evangelien am meisten hervortreten. Am Schluss hängt er seine Selbstbekenntnisse an. Diesen Bekenntnissen fügte er dann endlich noch ein für uns besonders wichtiges zweites Buch hinzu,' welches gleichsam die Summe seiner Lebensarbeit zieht durch sorgsame Aufzählung seiner eigenen Werke, wie auch durch einen Bericht über die staunenswerthe Menge der von ihm meist auf eigene Kosten hergestellten Handschriften und über deren Empfänger. Die aufgezählten theologischen Schriften Otloh’s halten sich fern von dogmatischen Erörterungen und bewegen sich vorzugsweise auf praktischem Gebiet. Dem entspricht es, dass eine ausgedehntere Benutzung der Kirchenväter nirgends hervortritt, sondern wie F. von BezoLnp bemerkte,” nur wenige und vereinzelte An- führungen aus ihnen vorkommen.

Von geringerer Bedeutung als jene grösseren Werke sind einige Sermonen’ und Hymnen, sowie zwei öfter wiederholte längere lateinische Gebete, von denen das eine jedoch dadurch unseren besonderen Antheil beansprucht, dass Otloh es, angeregt durch mehrere ähnliche Arbeiten dieser Art, die in St. Emmeram vorangegangen waren, in das Deutsche übersetzte.“ Die Fähigkeit in deutscher Sprache zu predigen, wollte er

! Zuerst von Maeırrow herausgeg., Analecta vetera p. 116—119 (der Abschnitt über seine Schreibthätigkeit auch von Monte, Zeitschr. f.d. Gesch. des Oberrheins VI, 383), sodann von Wırmans, SS. XI, 387—393 nach dem Cod. 14756 fol. 62'-ıır', wo es als "Liber de temptatione euiusdam monachi’ bezeichnet ist, s. W.Arnpr a.a.O. Ich glaube, dass MaszırLon keine andre als diese Hs. benutzt hat: sein Gewährsmann Anseram GrABNER hat nur etwas nachlässig abgeschrieben und am Schluss die eigenhändigen, kleiner geschriebenen, Nachträge Otloh’s weggelassen. Bei der starken Abweichung P- 392 n.c. 'desceribere nolui’ (statt 'decrevi scribere pro monimento’) hat offenbar GRABNER die Gebete, die ihn langweilten, fortgelassen, während schon die vorhergehenden Worte: "Adhuc proferre libet duorum orationum verba’ beweisen, dass sie folgen sollten. Wirnmans hätte also durchweg nur der Hs. und nicht Masırron sich anschliessen sollen. Die Eintheilung in 2 partes ist Zuthat des Herausgebers. 2 Über die Anfänge der Selbstbiographie, Erlangen 1893 S. 23 (StEınHAusEen’s Zeitschr. für Kulturgesch. I, 161 A.2ı). Am häufigsten wird Gregor der Gr. eitirt, SS.IV, 532. 541, Prz col.162. 216. 217. 229. 262. 298. 358. 548; Bedae opp. VIII, 916; Hiero- nymus SS.IV, 529; Pez col.203.453.558; Augustinus SS.IV, 525; Pez col. 145.154. 182; Boetius Prz col. 144.146.250; Joh. Cassianus Collat. patr. Mazırrov 115; Vita patrum Ma». 115, Prz 242; Hist. ecclesiast. Ma». 114; Leben der Maria Aegypt. ebd. 116.

® In nat. apostol. Prz 539-544 (aus cod. 14490 fol.1g'—22'). Hierher gehört auch ein Brief an einen Freund 'Cur deus bona et mala hominibus aceidere permittat', Pez 253—256 (Cod. 14490 fol. 49-50). O. selbst sagt (SS. XI, 392): ‘Inter haeec et sermones quosdam neenon epistolas pro communi utilitate seripsi, quas si quis forte legere voluerit, apud nos invenire poterit'.

* S. die Ausgabe dieses Gebetes bei MÜLLENHOFF und ScHErER, Denkmäler I, 267—269 und die Erläuterungen dazu II, 411-416. Die latein. Vorlagen stehen auch in dem Cod. 18937 fol. 246' und 14756 fol.101.106 (von Masırron fortgelassen).

Dünster: Über den Mönch Otloh von St. Emmeram. 1095

aber, als er in Amorbach dazu aufgefordert wurde, nicht für sich in Anspruch nehmen‘ und legte deshalb, was ihm zur Besserung und Er- bauung der Laien am Herzen lag, nur in lateinischen Schriften nieder.

Neben seinen theologischen Werken schrieb Otloh aber auch eine Anzahl von Heiligenleben, die grossentheils des selbständigen Werthes entbehren, weil sie vorwiegend Überarbeitungen älterer Vorlagen sind. Einige von diesen, zumal Wolfgang und. Bonifatius, haben freilich ohne seinen Namen eine grössere Verbreitung gefunden. In seiner früheren St. Emmeramer Zeit behandelte er die h. Nicolaus, Wolfgang und Alto, von denen das Leben des zweiten, vor 1052 verfasst, des- halb allerdings für uns sehr wichtig ist,” weil wir die eine der beiden Quellen Otloh’s, eine ältere in Franken verfasste Biographie, nicht mehr besitzen, die andre ist Arnold. Von Wolfgang’s Leben liess er später auch eine Abschrift für Fulda anfertigen. Für den noch ungedruckten Nicolaus sind freilich die beiden Quellen nicht nachgewiesen, allein es handelt sich ja jedenfalls nur um Fabeleien, bis auf eine Erzählung am Schluss von der Ergreifung eines Diebes in Ulm, der das Kloster St. Emmeram bestohlen hatte, auf Fürbitte des h. Nicolaus. Das Leben des h. Alto ist selbständig,‘ aber dürftig und sagenhaft, es reicht bis auf die Umwandelung Altenmünsters in ein Nonnenkloster durch die Wittwe Welf’sII. im Jahre 1057 herab. In dem in Fulda verfassten,’

62

! De temptat. (SS. XI, 391): 'qui nihil huius rei scio, qui numquam consuevi populum alloqui in publico‘. Die Schrift De cursu spirit. verfasste er, 'quia nullus dignaretur me audire communi sermone loquentem’ oder wie es in der Vorrede heisst: 'at qui sermone communi dedignantur corripi, lectione saltim saera corrigantur" (ebd. 392). Ähnlich De admon. eler. (Pez 407) 'Quam videl. miserandam persecutionem ego infimus ingiter audiens.., cum non possem aliquos sermone communi corrigere, tractavi vel scriptis eos admonere’ etc.

® S. die Ausgabe von Warrz SS. IV, 521-542. 888, und die auf noch reicherem Apparat beruhende in den Acta SS. ed. Bollandi Nov. I, 1, 565-583. Otloh’s für Fulda bestimmtes Exemplar, früher bei Libri nr. 748, befindet sich jetzt in Cheltenham als Nr. 16359, s. N. Arch. IV, 603. Die Subseription auf der letzten Seite lautet nach Ab- schrift des Hrn. Dr. Hanpe:

‘"Presul Wolfkange, ceunctis semper venerande, Hee tua qui seripsi, iam memor esto mei. Presbiter et monachus Otloh quidam voecitatus, Sancte, tibi librum, Bonifaei, tradidit istum.' (Vergl. Acta SS. Nov. II, 1, 530.)

3 S. darüber N. Arch. X, 407, XI, 403, wo Hss. in München und Einsiedeln nach- gewiesen werden. OÖ. nennt es 'alienum pene opus’, weil entlehnt. Da O. nach seiner eigenen Aussage (SS. XI, 391) es 'ex petitione namıque fratrum nostrorum’ schrieb, so gab es wahrscheinlich noch eine andre Ausgabe mit einer Vorrede an diese.

* SS. XV, 843846 ed. Warrz, ohne Prolog, vergl. Warrenzacn's Geschichtsq. II, 66 A. 5.

5 Jarr& Mon. Mogunt. p. 454: 'Sed mihi .. in nullis maior tanti presulis aucto- ritas quam in epistolis ab ipso vel ad ipsum directis videtur esse’. Willibald hielt er für den Bischof von Eichstedt.

1096 Gesammtsitzung vom 28. November.

auf Wilibald beruhenden Leben des h. Bonifatius ist die Werthschätzung seiner Briefe bemerkenswerth. Zuletzt überarbeitete Otloh nach seiner Rückkehr auf Bitte seines Freundes Wilhelm und des späteren Abtes Adalhalm von St. Afra, der damals in St. Emmeram lebte, das an- geblich von Ermenrich abgefasste Leben des h. Magnus, das noch un- gedruckt sich nur in neuerer Abschrift erhalten hat.'

Otloh, der als Sittenprediger das praktische Leben stets im Auge behalten musste, bringt uns in seinen Schriften, ebenso wie vor ihm schon Arnold, manchen merkwürdigen kulturgeschichtlichen Zug. So wenn er, ganz ähnlich wie sein Zeitgenosse, Abt Sigfrid von Gorze,” über das Eindringen der fremden Moden, die langen schleppenden Gewänder und über die allgemeine Putzsucht klagt,’ die sich sogar auf die Mönche erstreckte.

Seinen besonderen Unwillen erregte es hiebei, dass nach dama- ligem Brauche öfter Laien sich nach Art der Geistlichen den Bart scheeren liessen, statt ihn lang zu tragen. Er erzählt‘ als Warnung von einem Gottesurtheil der Wasserprobe, das im Westen des Reiches zu Ungunsten eines des Pferdediebstahls beziehtigten Mannes ausfiel, obgleich dieser sich unschuldig fühlte. Als daher von den anwesen- den Geistlichen vermuthet wurde, dass er eine andere Schuld auf dem Gewissen habe, die gegen ihn spräche, stellte sich heraus, dass er, wiewohl Laie, den Bart nach Art der Geistlichen hatte schneiden lassen. Nachdem er gelobt, im Falle seiner Rettung ihn fortan wachsen

! SS. XI, 391, vergl. Acta SS. Sept. Il, 701, wo ein Bruchstück des an Adalhalm gerichteten Prologs aus der seitdem verschollenen Hs. von St. Ulrich in Augsburg. S. unten den Anhang. Adalhalm aus St. Mang, der discendi causa nach St. Emmeram kam, ist als Abt von St. Afra auch sonst nachzuweisen, s. SS. XIII, 280; XIV, 558.

2 S. seinen Brief von 1043 an den Abt Poppo von Stablo (Gresesrec#r, Deutsche Kaiserzeit II, 718): "ignominiosa Franeiscarum ineptiarum consuetudo introdueitur sc. in tonsione barbarum’ etc.

° Lib. manual. e. 9 (Pez 428): 'abstineant se aliquatenus a .. laseivia multipli- eibusque nugis, quas stolidissimi quidam ab exteris nationibus in has regiones per in- solitam rasuram et monstruosum vestitum detulerunt’; De cursu spirit. c.2 (Prz 265): ‘si illas incongruae rasurae et monstruosi vestitus nugas, quae noviter a quibusdam stultissimis hominibus inventae vel allatae sunt huc (peccatum namque magnum est turpi et insolita rasura vel vestitu incedere)'. De doctr. spir. ec. 23 (Pez 462): "Sed cur haec dieo de vestitu pretioso, | cum vitium quoddam magis execrabile cernam, | quod tam praelati, qui cognoseunt mala mundi, | quam plebs ignara verrunt cum vestibus ima’. In dem lib. proverb. (col. 514) heisst es: 'Nitor vestium pretiosarum separat a regno coelorum’. Vergl. Ruodlieb herausgeg. von SEILER S. 107. 180.

* Mit der Überschrift “De miraculo quod nuper accidit euidam laico’ steht diese Erzählung hinter dem Buche De cursu spirit., wozu sie aber nicht gehört, in dem Cod. Monac. 14490 fol. 156-157, ed. Prz col. 398—400. Von dem Gottesurtheil heisst es ‘per solitum aquae iudieium’. Er begieng hernach eine Zweideutigkeit: "iussit sibi cum novacula barbam radere dicens: ege quidem deo promisi, quia rasorium in bar-

bam meam inmitterem nunquam, pro novacula vero non promisi’. Vergl. V. Udalriei prior. Cell. post. e. 6 (SS. XII, 254 flg.).

Dünster: Über den Mönch Otloh von St. Emmeram. 1097

zu lassen, fiel nunmehr das Gottesurtheil zu seinen Gunsten aus. Später aber wieder wortbrüchig geworden, gerieth er in die Hand seiner Feinde und erlitt die Strafe der Blendung.

Unter den Handelsartikeln kennt Otloh neben den Seidenstoffen ganz besonders das Pelzwerk' und dies gehörte, wie wir auch aus manchen andern Erwähnungen wissen, zu den eifrigsten und kost- spieligsten Liebhabereien jener Zeit. Aus einer andern Stelle erfahren wir, dass schon im ıı. Jahrhundert die Katzen als Mäusefänger in allgemeinem Gebrauche waren.” Anderweitig schon mehrfach beachtet? ist die den Visionen angehängte Geschichte von dem Spielmann Vollare, der, zu einer Hochzeit in Sachsen ziehend, mit seinen Gefährten in eine Teufelsherberge gerieth, aus der er nur mit knapper Noth heil, aber ohne Gewinn, wieder entrann. Die Schätze, die sie daselbst erbliekten, bestanden alle aus dem Raube der Kirchen und der Armen. Wunderlich ist auch die Erzählung von einem unschuldig Verurtheilten . Namens Albrich,* der, nachdem er 8 Tage am Galgen gehangen, sich plötzlich losriss und lebend zu seinem Weibe zurückkehrte. Sieben Patenkinder, die er beschenkt hatte, stützten ihm abwechselnd wie hülfreiche Engel die Füsse. Das achte aber, welches nichts erhalten, trippelte am achten Tage zwar um den Galgen, traute sich aber nicht heran.

! De trib. quaestion. e. 43 (col. 228): 'mercatores nostros secimus aurum, pallia serica necenon ignotas eximiasque bestiarum pelliculas ad nos detulisse: quae omnia fatentur aut cum aere, seu cum vestimentis vulgaribus, vel vilibus domesticorum ani- malium pellibus in quibusdam provineiis comparasse’. Vergl. u.a. Arnold. de S. Emmer. 1. II e.ı3 (SS. IV, 560): ‘Non enim verrebat terram, sicuti multi facere solent, tunieis et pellieiis magno pretio acquisitis’; (Canisii Leet. ant. 1,157): 'gracile et subtile pelli- cium’; Adam. Hammab. eccl. gesta 1. IV e.ı8: 'pellibus habundant peregrinis (sc. Sueones), quarum odor letiferum nostro orbi propinavit superbiae venenum. Et illi quidem ut stercora haec habent ad nostram credo dampnationem, qui per fas et nefas ad vestem anhelamus marturinam, quasi ad summam beatitudinem’, c. 21 (SS. VII, 374. 377), Landulf. de S. Paulo c.6 (SS. XX, 23); Sext. Amare. 1. IV, 197-200. Vergl. Ruodlieb her. v. SEILER S. 108.

2 De trib. quaest. ec. 9 (col.160). Unter den guten Gaben Gottes zählt er auf: ‘cattarum circa mures capiendos peritiam’. Die Katze als Hausthier kommt auch bei Ruodlieb vor VI, 47 p. 253 ed. SeıLer und in Egbert’s Fecunda ratis v. 709 (ed. Voıcr p- 714): ‘Mures haud fatiunt nidos in vertice catti', vergl. Frıepsers, Aus deutschen Bussbüchern S. 55; V. Heus, Hausth. u. Culturpfl. 6. Aufl. S. 455.

3 Vis. 23 (SS. XI, 385—387), vergl. Haurr, veine Teufelssage aus dem ır. Jahr- hundert«, Haupr’s Zs. f. D. Alterth. VII, 522; Frevrac, Bilder aus der deutschen Ver- gangenheit II, 1, 447. O. spricht sonst nur noch einmal De trib. quaest. ec. 31 (col. 199) von 'histrionibus aliisque saecularibus viris’ im Gegensatz zu den Armen, denen man viel mehr geben solle, als jenen.

* Vis.ı8 (Prz 592). Er soll von der auf die Pfingstwoche folgenden Woche beinahe bis Jacobi (Juli 25) gehangen haben, d.h. wenn wir Pfingsten so spät wie möglich ansetzen, einen vollen Monat, wozu die Zahl der Paten nicht zu passen scheint.

1098 Gesammtsitzung vom 28. November.

Von heidnischem Aberglauben des Loosens' wird gelegentlich ge- sprochen, doch leider ohne nähere Angaben. Jedenfalls aber wirken abergläubische Vorstellungen mit, wenn man für Kranke Pflaster her- stellte,” bei denen der Koth von Säugethieren oder Vögeln verwendet wurde, sowie andrerseits das Fleisch von Hunden, Geiern und Schlangen.

Anhang.

I. Den nachfolgenden Abdruck des Anfanges und Schlusses der ungedruckten Vita S. Magni Otloh’s verdanke ich der Güte der Bol- landisten in Brüssel, welche in ihrem Museum Bollandianum die von P. Gamans angefertigte Abschrift der Augsburger Hs. sorgfältig auf- bewahrt haben. Der Text, auf den in den Acta SS. bisweilen Bezug genommen wird, verdient wohl kaum einen Abdruck, da er nichts Eigenes bietet. Als charakteristisch hebe ich den Zusatz in e. 16 (Canis. V, 988) hervor, wo es nach 'semetipsos gladio interfecerunt' heisst: Domino per hane tremendam ultionem insinuante omnes sanc- torum locorum destructores seu devastatores puniendos fore und in c. 32 (p. 946) wird Karl der Grosse ausführlicher gerühmt, "qui nimirum, quoniam prae cunetis regibus antecessoribus suis in Gallia atque Ger- mania regnantibus timere et amare deum coepit, ecclesias monasteria- que destructa renovare studuit.'

Prologus.

Juxta intelligentiae meae parvitatem complevi, quod tibi, dilecte frater Adelhalme, promisi. Te enim petente una cum alio carissimo® fratre nostro,° ut sancti Magni vitam vitioso nutantique in plurimis locis ab institutione grammatica stilo antiquitus prolatam emendarem, diu, sicut ipse scis, negavi considerans eiusdem vitae seripta pene®» incorrigibilia. Cumque in huiusmodi preeibus persisteres credens hoc mihi fore possibile, quod ego dixi impossibile, vietus tandem precum constantia tuarum pollieitus sum, ea tamen conditione, ut si domino opitulante mihi seientia daretur, petita com-

! De cursu spir. e. 2: 'si ritus gentiles auguriandi in rebus variis prorsus con- temnentes’; ec.ır 'qui iuxta morem ethnicorum auguriandi vel turpiter ludendi utuntur vanitate’ (Pez col. 265. 306).

2

Lib. manual. (ed. Prz 424): 'si infirmitas exigit, imponit ei emplastra materia quadam vilissima interdum confeeta, adeo ut animalium vel avium stercore misceantur, carnibus quoque canum vel vulturum seu serpentium agat, praeterea si opus est, adustionem medieus addit’; vergl. Jar. Grius, Deutsche Mythol. 3. Ausg. I, 1125.

® Vergl. Lib. de temptat. (SS. XI. 391): 'compulsus fratrum duorum preeibus intimis et assiduis, Willihalmi scil. ex congregatione nostra’ ete.

a charissimo @. b poene @.

u A ein. Mr if ee

Dünster: Über den Mönch Otloh von St. Emmeram. 1099

plerem. Si vero impossibilitas aliqua me impediret, a promissionis debito essem absolutus.

‚Hae igitur conditione aggressus sum confusae disputationis pelagus. In quo non longe ab incepti operis litore navigans ineidi in tantae diffieultatis syrtes, ut aliquan- diu desperarem me ulterius posse profieisci. Sed reminiscens quod apostoli in tem- pestate laborantes arguebantur modicae fidei,! quodque dominus alibi dieat:® "Omnia possibilia sunt credenti’, clamavi ad dominum deposcens, ut me imminenti eripere dignaretur naufragio. Post hoe non longe ventus a dextris veniens, nescio quo impulsu, me sustulit inde, et prospero ut mihi videbatur eursu in ulteriores transvexit partes, ubi eito in eadem pericula ineidens iterum invocavi? dominum. Et exaudivit me ferens super tam periculosa loca, ut post transitum retro videns satis mirarer evasisse. His igitur modis me laborasse in spacio totius pelagi, in quod petitionis tuae manu me impulisti, testis est deus, quem saepius invocavi, in quo solo spem evadendi positam habui. O quoties me penituit tibi quiequam emendationis promisisse in tamı confuso et incongruae narrationis textu. Nam licet me non terreret promissionis improvida conscientia, promittentem solummodo, si possem tuam complere petitionem, verebar tamen si inchoata minime perficerem, aliquos me deridendo dieturos, quia hie homo coepit aedificare et non potuit consummare.

Ecce potes, frater, agnoscere, quia angustiae mihi erant undique. Ex una denique parte coartabar multipliei oblatae seripturae inconvenientia, quae more puerorum in- caute colloquentium reperiebatur tam in stilo® quam in sententia. Nam nune quaedanı, quae impossibilia sunt homini, profert, ut est illud quod sanetus Magnus dieitur* in locum quendam venisse et mox oratione facta ecelesiae fundamentum ponere, ecelesiam- que construere, quasi sine supplemento multorum solus tantum opus perficere posset, interdum vero incongrua, ut est illud quod de eiusdem viei vocabulo refert dicens:° ‘Merito vocatur locus iste Eptatieus qui in medio constat inter duo monasteria’, quasi idem vocabulum interpretetur medium, et non potius numerum sonet septenarium, qui grece dieitur erra, unde etiam liber eptaticus vocatur continens V libros Moysi et liberb Iosuae atque Iudieum, qui sunt VI.

Hec inquam multaque his similia ex una parte me coartabant, altera vero parte nihilominüs constringebar, quod scientiam tantam non habui, ut tam vitiosam scrip- turam emendare® sperarem. Non enim talis eram, ut pro certo scirem me impetrare posse, quod non inveni, sed sicut® oculi ancillae in manibus dominae suae, ita oculi mei ad dominum erant intendentes, ut adiuvaret me. Cumque sie intenderem sursum, repente venit auxilium, unde si quid in hoc opusculo invenitur recte prolatum, pietati divinae deputandum est totum, reliqua vero imperitie meae.

Postremo eunctos ista legentes obseero, ut si quod beneficium eis praebui seri- bendo, ipsi quoque mihi faciant pro delictorum meorum venia[m] poscendo. Etsi ignari sint personae meae, sciant me esse unum ex sancti Emmerami congregatione.

Sancte Dei Magne, toto mundo venerande, Suseipe vota mei qui promptus talia scripsi, Atque ferens Christo veniam rogita mihi quaeso.

Matth. 14, 31. Marc. 9, 22. Vergl. Ps. 4, 2. Cap. 23 (Canis., Lect. ant. V,937; Gorvasr 1,198): 'Finita vero oratione coe- perunt construere fundamentum et aedificaverunt eccelesiam’. O. schreibt: ‘Post haec non longe, cum homines in eircuitu positi, sanctitatem beati Magni audientes, neces- saria quaeque sibi studerent praebere, coepit ibidem ecelesiam construere'.

° Cap. 26 (p. 941; Gorvasr 1, 199), von O. weggelassen.

% Psalm 122, 2.

a stylo @. b sic G. ° emmendare @.

» 0 2 -

1100 Gesammtsitzung vom 28. November.

Similiter quoque ego feci qui diu postulatus hane iterum vitam correxi. Huius rei testes esse possunt, qui hoc a me vix impetraverunt, non quod ab huiusmodi studia ulla malicia, sed nimia me retraheret imperitia, si enim porcionem aliquam eius peritiae quam .multos habere cognosco retinerem, sponte me huie operi obtulissem. Sed de hoc satis dietum, nune ad incepta redeo subiungens pauca prioribus, quod ergo miracula plurima quae post beati Magni translationem in eius eoenobio deus facere dignatus est, minime scripta habentur. Hoc aceidit tam ex negligentia quam imperitia seriptorum. Negligentia enim magna dicenda est quod hi, quibus tanta scientia est dietandi et scribendi quaelibet, ut in hora brevi chartas, quantascunque voluerint, non solum multimodis veterum auctorum sententiis, verum etiam ipsa Tullianae eloquentiae pompa insignitas humani duntaxat favoris causa proferant, aliqua saltim levia in nomine domini et honore cuiuslibet sancti scribere dedignantur, non attendentes, cur a deo tanta scientiae dona acceperint, vel quanto errore obligati sint in hoc quod videtur illis faeilius diffieilima et maxima quaeque seribere pro humano favore, quam faeilia et minima pro divino amore. Quibus illa prophetica congruit sententia:! 'Sapientes sunt ut faciant mala, bene autem facere nescierunt'. Huiusmodi igitur negligentia multos prö dolor peritos impedit scribere ulla spirituali vitae con- grua, at nos indoctos et imperitia et alia impedit causa. In tempore namque immi- nenti peccatis nostris exigentibus undique affligimur, videntes vel audientes fraudes bella, locorum sanctorum destructiones tam a clerieis et monachis quam a laieis factas. Quomodo ergo inter tanta mala possumus aliquid iucundae utilitatis seribere quos nihil magis libet quam lugere. Quapropter ponentes sic finem his quae de saneti Magni virtutibus dicere novimus supplieiter deprecamur, ut ea quae iam diximus ipse dignanter accipiat, et sicut plurimis se invocantibus sanitatem corporum apud dominum obtinuit, ita et nobis animarum salutem peccatorumque remissionem obtineat praestante domino nostro Iesu Christo, qui cum patre et spiritu sancto vivit et regnat in secula secu- lorum. Amen. |

II. Ich lasse dieser Mittheilung noch einen kleinen bisher unge- druckten Aufsatz Otloh’s aus dem Gebiet der Zahlenmystik folgen, der in dem Cod. lat. Monae. 14756 fol. 109'-ı1ı mit der voran- gehenden Figur an unpassender Stelle eingeschoben ist, wie man aus den Erläuterungen Arndt’s zu seiner Schrifttafel 19 (S. 7) des Näheren ersehen kann. Der Inhalt berührt sich mit dem Dialog. de tribus quaestionib. c. 38 (ed. Prz col. 215-217).

Explanatio qualitatis hominum iuxta numeri mysterium.

Agnoscens aliquantulum in numero non solum iuxta literam, que et abaeistis et compotistis, in arte quoque arithmetica et musica peritis, nota est plurimis, sed etiam iuxta spiritualem sapientiam utilitatem esse maximam, studui presentem figuram in modum sancte erueis componere et in ea numeros quosdam scientie spirituali aptos inserere. Cum enim sancte erueis sublimitas, latitudo et profundum significationem diversam habeant, et in nomine Iesu omne genu flectatur? celestium, terrestrium et infernorum, licet modis diversis celestia a terrestribus, terrestria ab infernalibus se- parentur, eredendum videtur et in numerorum mysterio eandem diversitatem inesse: ut scilicet quidam eorum in trinitate solummodo existentes, sieut VIII, perfectos homines vel si rectius videtur angelos, quorum etiam novem sunt ordines, quidam vero in dualitate simul et trinitate existentes, sieut VI et XII, mediocres, quos ideo

! Terem. 4, 22.

® Philipp. 2, ro.

Dünsver: Über den Mönch Otloh von St. Emmeram. 1101

Deus I pater

Adam II

Dominus Iesus Christus

III

X

medioeres appello, quia in dualitate, id est in primi hominis lapsu diu peccando in- herentes, postea ad trinitatem penitendo redierunt nam primus homo a simili- tudine conditoris sui, hoc est a sancta trinitate, peccando lapsus in dualitatem venit —, quidam autem nihil sancte trinitatis in se recipientes, ut IIII et VIII, reprobos signi- ficent. Sieut igitur a binario, quem primum hominem, in quo omnes peccavimus, significare eredo, omnes numeri in dualitate et equa proportione manentes oriuntur, ita a ternario dominum nostrum significante, in quo omnes redempti sumus, omnes quoque numeri trinitatem triplieis proportionis oriri inveniuntur. Congruit et hoc, quod sieut dominus, ad iudicandum veniens, electos quidem ad dexteram suam, re- probos vero omnes ad sinistram deputaturus est, ita et numeri trinitatis speciem habentes ad dexteram ternarii, binarius autem aliigue numeri in dualitate consistentes ad sinistram stare videntur. Eece videri potest, quanta distantia sit inter trinitatem et dualitatem, quantaque veritas licet latens sit in numeri mysteriis, quandoquidem hoc, quod longa ratione premissa vix tandem a multis intellegitur, facilius numeri

192)

Sitzungsberichte 1895. 9

1102 Gesammtsitzung vom 28. November.

proportione discussa intellegimus. Sicut videlicet in novenario numero, per quem angeli vel angelicam vitam secuti significantur, nullatenus dualitas equa proportione constans, sed semper trinitas, hoc est imago divine perfectionis invenitur. Similiter sicut quidam numeri et dualitatem et trinitatem in se habere probantur, sie etiam homines plurimi, licet peccatis nimiis dediti in dualitate fuerint, tamen ad meliora, id est ad trinitatem, quandoque convertuntur, sieque fit, ut et in dualitate et trini- tate fuissent. Qui autem in pravitate sua perseverant, aptissime figurantur per hos numeros, qui nulla proportione equa ad trinitatis speciem flecti possunt. Possunt adhuc alia mysteria in numeris coram positis reperire, que his qui rimari solent sub- tilia relinquo investiganda.

1103

Über die Verzweigung der drei- und vierblätterigen Rıemann’schen Flächen.

Von K. HenseEu

in Berlin.

(Vorgelegt von Hrn. Frogenıus am 14. November [s. oben S. 1003].)

r einer kürzlich der Akademie vorgelegten Arbeit habe ich die Frage nach der Verzweigung der Rremann’schen Flächen vollständig auf die Bestimmung der Elementartheiler algebraischer Systeme zurückgeführt. Ich will jetzt ein einfaches und praktisch brauchbares Verfahren an- geben, um diese Elementartheiler zu bestimmen und dasselbe dann auf die Untersuchung der allgemeinen drei- und vierblätterigen RıEmanx- schen Fläche anwenden. Es sei: (1) Y"+a,(&) y"7t+-+a,(8) = 0

die irreduetible Gleichung, durch welche y als algebraische Function von x definirt wird; um die Verzweigung der zugehörigen RıEmanNn- schen Fläche R an einer beliebigen Stelle (e=a) zu finden, braucht man, wie a.a. 0. gezeigt wurde, nur die gebrochenen Potenzen: (aa) , (e-a)? ‚--- (wa) des zugehörigen Linearfactors (e—a) zu bestimmen, welche in den n Elementartheilern irgend eines algebraischen Systemes (Y’) mit nicht verschwindender Determinante enthalten sind. Da die Wahl des der Untersuchung zu Grunde gelegten Systemes ganz unbeschränkt ist, so wähle ich das folgende: I sy sen ya yin (2) Diyyyd)=| 9% 2 gl 1,4,» Y / dessen Determinante die Quadratwurzel aus der Diseriminante der Gleichung (1), also von Null verschieden ist. Ferner setze ich vor- läufig voraus, dass die zu untersuchende Stelle « im Endlichen liegt,

98*

1104 Gesammtsitzung vom 28. November. Mittheilung vom 14. November.

und dass die Coeffieienten a,(&),:::a,(«) der Gleichung (1) in Bezug auf jene Stelle sämmtlich ganz sind, dass also keiner derselben den Linearfaetor (e—a) im Nenner enthält. Dann sind auch die conju- girten Funetionen Y,,:::y, in a algebraisch ganz, und dasselbe gilt auch von jeder ganzen rationalen Function derselben.

Unter dieser Voraussetzung kann man zunächst für den grössten gemeinsamen Theiler aller Unterdeterminanten einer beliebigen A” Ord- nung des Systemes (2) in Bezug auf die Stelle @ einen sehr einfachen Ausdruck angeben. Zu diesem Zwecke betrachte ich zunächst das rechteckige System

En N (3) Kuh Sa welches aus den A ersten Zeilen von (2) gebildet ist. Jede seiner Determinanten A“ Ordnung verschwindet, wenn irgend zwei der Ele- mente y,,Ys,''y, gleichgesetzt werden, und hieraus folgt, dass sie durch das Differenzenproduet derselben ,yy ya Ile. =\?®# a,b=1 3 1,9,» SR Yazs d.h. durch die erste Determinante jenes Systemes in der Weise theil- bar ist, dass der Quotient eine rationale ganze Function von %, ,'*' Y4s also selbst algebraisch ganz ist. Es stimmt demnach der grösste ge- meinsame Theiler aller Determinanten A“ Ordnung von (3) mit der ersten Determinante jenes Systemes überein; macht man dieselbe Über- legung für alle Systeme von je A Horizontalreihen von D(l,y,y""), so ergiebt sich der folgende Satz: Der grösste gemeinsame Theiler aller Determinanten einer beliebigen A" Ordnung des Systemes D(l,y,''y'") stimmt überein mit dem entsprechenden Determinantentheiler

DIN, Y5Y >)

des algebraischen Systemes:

1,9,» Sa welches aus dem ursprünglichen durch Weglassung seiner n—-? letzten Verticalreihen gebildet wird.

HexserL: Über drei- und vierblätterige Rıemanv’sche Flächen. 1105

Hieraus ergiebt sich für die gesuchten Elementartheiler der fol- gende einfache Ausdruck:

—_ PO, y9)

= D(1,y,-y) Malern):

Für die Bestimmung der Verzweigungspunkte braucht man aber nicht die Elementartheiler selbst, sondern nur ihre kleinsten Reste R(E,), welche man erhält, wenn man die Functionen Z, durch ihren grössten rationalen Theiler [&,] dividirt. Bezeichnet man also diese kleinsten Reste der Reihe nach durch €,, &,,°:'€,, so erhält man für sie die folgende Darstellung:

.

ur Dee) Gans al? (4) Sl D(1,y,--, 9°?) R=1,2,''n),

wo R(d(&)) wie früher den kleinsten Rest der Wurzelfunction &(«) bedeutet.

Aus den Exponenten d,.0,,-.-. 0, der Potenzen von (x-a), welche bez. in €,,€,,... &, enthalten sind, kann man nun unmittelbar die An- zahl und die Ordnung der an der Stelle « über einander liegenden Verzweigungspunkte finden. Nach dem Resultate der vorigen Ab- handlung lassen sich nämlich diese » nicht negativen Brüche in

b 1 we al £ K Cyklen | = Kress anordnen, und wenn jene n Brüche

a [73 u . e 1 1 a in die A Cyklen ([—|,--- | —|} zusammengefasst werden können, so a 24

liegen na A Windungspunkte bez. von den Ordnungen BB

über einander.

Diese Bestimmung der Invarianten 6, (x) gilt aber zunächst nur für diejenigen Stellen a, für welche die Gleichungscoeffieienten a;(x) ganz sind, und welche im Endlichen liegen, denn für die übrigen Stellen fällt der Theiler der Determinanten A” Ordnung im Allge- meinen gar nicht mit D(l,y,..-y'") zusammen. Merkwürdiger Weise stimmen aber die redueirten Elementartheiler &,(x) auch für diese ausgeschlossenen Stellen mit den Ausdrücken (4) überein.

Um dies nachzuweisen, setze ich in den Gleichungscoefficienten

X . . ala). ra, = z wodurch diese in n homogene Formen der nullten 277

Dimension von (x,,x,) übergehen. Es sei a,(x,,%,) der kleinste gemein- same Nenner jener Formen, so dass _ Mila , &e)

aa) —— \ Ayl®ı X)

ist, wo jetzt @,,@, ,--» a, homogene ganze Formen von gleicher Dimen-

1106 Gesammtsitzung vom 28. November. Mittheilung vom 14. November.

sion ohne gemeinsamen Theiler sind. Schreibt man dann die Gleichung (1) in der Form: Ay (®ı , 2)" + a1 (a1 , 2B)y" + +an(aı , 2) = 0

und führt an Stelle von y die Grösse durch die Gleichung:

N= A (21 , %) Yy ein, so genügt 7 der algebraischen Gleichung: Year a, (81, %)n" "+0 (21, &3)@s (x, a) + ta, —0,

deren Üoefficienten jetzt sämmtlich ganze homogene Formen von (&,, ,) sind. Führt man also an Stelle von % die homogene algebraische Form „= a,y ein, so sind ihre Gleichungscoefficienten für jede Stelle a, auch für die Stelle a=x ganz, denn der zugehörige Linearfactor x, —ax, (bez. x, für a=x) tritt in keinem jener Coeffiecienten im Nenner auf, also sind für jede Stelle « die reducirten Elementar- theiler durch die Gleichung

= Diem, Ba) S=R| N

gegeben. Man erkennt aber leicht, dass diese mit den vorher be- stimmten für jede Stelle « übereinstimmen. Ersetzt man nämlich durch a,y, so ist:

D( bene Sen P)= D(1,ay, aa, Dr a) a Un ane ns Ps

AL

weil die Potenzen a,,@,,'''@, aus den Colonnen der Matrix (1,4,, 7°) unmittelbar herausgehoben werden können, und hieraus folgt:

DEE DER) Di...) DT Da sich hiernach jene Theilerquotienten stets nur um eine rationale homogene Form unterscheiden, so stimmen ihre redueirten Werthe in allen ihren Theilern überein, und man erhält den Satz:

Für einen beliebigen Gattungsbereich oder Körper der n‘“ Ord-

nung findet man die reducirten rn Elementartheiler aus den

Gleichungen:

n D(1,y,..-y7) 5 ee 5 E, (zı , &) r( Das a

wenn y eine beliebige algebraische Grösse jener Gattung ist. Durch diese » Fundamentalinvarianten ist die zuge- hörige Rırmanw’sche Fläche für jeden ihrer Punkte, den unendlich fernen Punkt mit eingeschlossen, vollständig be-

stimmt. Die Berechnung der algebraischen Divisoren D(l,y,''y"), auf welche die hier behandelte Aufgabe nunmehr zurückgeführt ist, wird

Hessen: Über drei- und vierblätterige Rıcmanw’sche Flächen. 1107

durch die Bemerkung sehr erleichtert, dass die Determinantentheiler einer Matrix (1,%;,°''y2) ungeändert bleiben, wenn man dieselbe vorn oder hinten mit einem beliebigen Einheitssysteme componirt. Indem ich mir ein näheres Eingehen auf diesen Gegenstand für eine spätere Gelegenheit vorbehalte, möchte ich hierüber nur die einfachen Be- merkungen hinzufügen, welche für die beiden folgenden Beispiele von Wichtigkeit sind.

Der erste und letzte von jenen » Theilern ist unmittelbar bekannt; in der That ist:

(5) D)=1, Din yY)=A),

wenn A die Discriminante der Gleichung /(y.x) = 0 bedeutet. Aber auch der zweite und der vorletzte Theiler D(1,y) und D(1,y,--- y"°) können unmittelbar bestimmt werden. In der That ist:

l, 9%, DAY) I, Y, oly —%, > RN) 1, Y.)

und diesen Elementen können offenbar die n folgenden

a

1 y+=— (u) + 9)

zugefügt und alsdann wegen der Gleichungen

BEN RL. ET Sr Ya (n+ =) (n+ .)

alle übrigen fortgelassen werden. Es ist also stets: [2 a a Dan=(n+t, Pe vr).

Denkt man sich also die Gleichung für y von vornherein von ihrem zweiten Gliede befreit, also in der Form gegeben:

y'+ala)y°rasla)y°+ + ml) 0 (was ja stets durch die lineare Substitution Y —= y-- erreicht werden kann), so ist einfach: 1 1 (6) Day W=@,a,@).

Den vorletzten Determinantentheiler kann man entweder direet oder durch die folgende einfache Überlegung bestimmen. Sind E,,E,,°*' E, die Elementartheiler eines beliebigen Systemes, so sind bekanntlich die entsprechenden Theiler des reeiproken Systemes gleich

1108 Gesammtsitzung vom 28. November. Mittheilung vom 14. November.

1 1 1 BB En nach Belieben von dem einen oder dem anderen Systeme ausgehen.

Ann : Rn ER Ca: Nun gehört bekanntlich zu dem Systeme (1,y,, y},::: yÜ') das reeiproke

und man kann also zu Bestimmung von E,,:-- E,

(0) N) (a-1) a En. wo allgemein Su Fin)’ i 7 -.- ira 3 a A el tr An—k—1 (k 0, ıb, oo n—1). ist, und dieses unterscheidet sich für ganze a, ,a,,'''a, nur durch ein Einheitssystem von dem folgenden: Y. x ß en Bene z (=1L2, un): WET

Auch bei diesem System ist aber jede Unterdeterminante A” Ord- nung durch die entsprechende theilbar, welche aus den A ersten Verticalreihen gebildet ist. Also ist der A“ Determinantentheiler

= 1 en 5 E, EB, Mr N

des reciproken Systemes ebenfalls durch die Gleichung gegeben:

en: 1 Y; hs D,=| oo, 2: nn. h a, =

So ist speciell:

TE 1 De m E (7 CHR =

und hieraus folgt für das ursprüngliche System:

D N! 1 1 ID = Jen -; un 000 4 (7) E, \ UA BE AU A; =

Man erkennt wieder leicht, dass der redueirte Werth jenes Deter- minantentheilers mit dem hier gefundenen auch in dem Falle überein- stimmt, wo die Gleichungscoeffieienten für die Stelle a nicht ganz sind.

Die hier gefundenen Resultate wende ich zuerst auf die allge- meine dreiblätterige Rıemanx’sche Fläche an: Es sei Y als Function von x durch die eubische Gleichung:

ET MLETD EAN definirt, wo a,,a,,a, ganz beliebige rationale Functionen von x sind. Setzt man hier, um den Üoeffieienten von Y” fortzuschaffen:

Y— Ye

Ps oO

HExseL: Über drei- und vierblätterige Rırman’sche Flächen. 1109

so genügt y der Gleichung: YP+tay+ß=0, wo _ 34,—a} 274; 9a, a, + 2a}

2 : 3 P 27

ist, Nach den oben angegebenen Gleichungen (5) und (6) erhält man hier für die drei Determinantentheiler die folgenden einfachen Werthe:

a Dü,y)= (a, £‘) —E, D(1.y,y))=A’= (4a° + 278%)’ E&H,,

aus denen dann die redueirten Elementartheiler ohne Weiteres ab-

geleitet werden können. Diese drei Funetionen kann man aber vollständig durch die eine:

E(x) = ut

(«) B,(«) D(,y) (2.89) ersetzen, da man aus ihr allein vollständig den Charakter einer jeden Stelle @ (auch für @=00) erkennen kann. Ist nämlich a ein zweifacher Verzweigungspunkt und E=.x,-ax, bez. E= x, der zur Stelle a gehörige

Linearfactor, so muss nach dem vorher erwähnten Hauptsatze von den 1

beiden redueirten Elementartheilern €, und €, der eine durch £, der 3 E, 3 3 : andere durch £°, also der redueirte Quotient 5. durch £° oder £° theilbar

2

sein, ist dagegen an jener Stelle nur ein einfacher Verzweigungspunkt vorhanden, so ist der eine von jenen beiden redueirten Theilern durch

} = : = Z, der andere gar nicht, also ihr Quotient durch £° theilbar, während jener redueirte Quotient £ offenbar gar nicht enthält, wenn in a alle 3 Blätter getrennt verlaufen. Redueirt man jenen Quotienten lieber so, dass man an die Stelle aller positiven Potenzen £° die complemen-

E32 tären negativen £ ' setzt, so kann man das hier gefundene Resultat

in dem folgenden einfachen Satze aussprechen: Die Funetion

A

(a, &) kann durch Division mit einer rationalen homogenen Form von (x, .x,) auf eine und nur eine Weise auf die reducirte Form:

R (5 ) 4%. B} (a,8°)

Sitzungsberichte 1895. 99

1110 Gesammtsitzung vom 28. November. Mittheilung vom 14. November.

gebracht werden, wo A(a,,2,) eine ganze, P(x,,x,) eine ge- brochene homogene Form von (x,,,) ohne gleiche Faetoren bedeutet. Dann entsprechen allen Linearfactoren (x,—a,) von A und B, und nur ihnen, Verzweigungspunkte der zu der Gleichung Yray+p=0

gehörigen Rırmans’schen Fläche, und zwar gehören zu den Linearfactoren von A die einfachen, zu denen von B die doppelten Verzweigungspunkte.

Endlich kann auch der Rang oder das Geschlecht p des zuge- hörigen algebraischen Gebildes aus dieser Zerlegung ohne weiteres gefunden werden. Die bekannte Rıemann’sche Formel giebt nämlich für den Fall n=3, wo r—-1] nur einen der Werthe 1 oder 2 haben kann:

P=3. = 241314 N, 2 +2

wo sich also die erste Summation auf die Nullstellen von A, die zweite auf die Null- und Unendlichkeitsstellen von B bezieht, und hieraus folgt also der weitere Satz:

Ist A? ylBi\® RR m | 4A? > ) ve ) B,

die oben angegebene Zerlegung, so ist das Geschlecht des zugehörigen algebraischen Gebildes gleich der um zwei Ein- heiten verminderten Dimension der ganzen homogenen Form

4%.B,B,,

woraus noch beiläufig folgt, dass die Form A nothwendig stets von gerader Dimension sein muss.

Die Frage nach der Verzweigung der Fläche NW in einem be- stimmten Punkte kann noch einfacher entschieden werden, wenn man die wenigen in Betracht kommenden Fälle gesondert betrachtet. Sei Z der an der betrachteten Stelle verschwindende Linearfactor und:

B—e2d, Bere 325 E;(&)

so ist der Exponent der in E.(@) enthaltenen Potenz von gleich

a(®

(3) en (a,b),

wo m(a,:b) die kleimere der beiden Zahlen a und 25 bedeutet. Der Nenner dieses Bruches entscheidet also darüber, ob in dem be-

0

en

HesseL: Über drei- und vierblätterige Rızmann’sche Flächen. 1111

trachteten Punkte alle drei oder nur zwei der Blätter von R zusammen- hängen, oder ob alle Blätter von einander getrennt verlaufen. Ist nun

ab : -n2 2 : ; zuerst rue ist A=4a°+27ß%° genau durch die kleinere der in

&' und enthaltenen Potenzen von £ theilbar, d.h. es ist d=m(3a, 2b), also wird in diesem Falle die Verzweigung durch den Nenner von

ER m (3a ,b)— m (a, 3b) = m (+ : 3)

u

£ a = [77 b d.h. durch den Nenner des kleineren der beiden Brüche > und Far

r

bestimmt. Ist dagegen Sen also 3a—= 2b, so müssen sich jene

beiden Brüche, da a und b ganze Zahlen sind, selbst auf ganze Zahlen reduciren, es kann also in dem obigen Bruche (8) die ganze Zahl m(a,3b) einfach fortgelassen werden; in diesem Falle wird demnach

5 d F die Frage durch den Nenner von entschieden.

Ist der betrachtete Punkt speciell =», also x, der zugehörige

Linearfactor, so gehen durch die Substitution ı=— a, ® und A über in

2

a PEN:

a a 7 Ae

wo ab d’ bez. gleich dem Grade von #, 3 und A, als Function von x allein betrachtet, sind. Da alsdann «, Ö und d’ gleich den negativen Werthen der vorher betrachteten Exponenten a, b und d sind, so er- hält man den folgenden Satz:

Sind in der eubischen Gleichung:

Praytp—=0

die Coeffieienten &, ß und die Diseriminante A rationale Fune- tionen von x bez. von dem Grade «a, b und d’, so wird die Ver- zweigung im Punkte @=& durch den Nenner des grösseren ! ! t ! h 3 a b a b der beiden Brüche und 3 falls aber Se durch den !

Nenner von so bestimmt, dass er angiebt, wie viele Blätter jener Fläche hier zusammenhängen. Durch diesen Satz kann man die Einführung der Grössen x, und x, in «, ö und A vermeiden. So ist z. B. für die eubische Gleichung

y-3(2°-20)y+2(a-2") = 0

a—=7, b’=1l; also ergiebt der Nenner des Bruches *!, dass der un-

endlich ferne Punkt ein zweifacher Verzweigungspunkt ist; da nun in diesem Falle A= (x-1)’. (+3) ist, so wird

1112 Gesammtsitzung vom 28. November. Mittheilung vom 14. Nevember.

() Ra? 1) (0 + 3) = (a(r+ 3))*. («1 —=4?”B°, (2,6°)

und hieraus in Verbindung mit der obigen Bemerkung geht hervor, dass die Rırmanv’sche Fläche an den beiden Stellen («= 0 und @=-3) einen einfachen, an den Stellen (e=1 und 2=x) einen zweifachen Verzweigungspunkt besitzt, dass also das Geschlecht gleich 1 ist.

Es soll jetzt noch in ähnlicher Weise die allgemeine vierblätterige Rırmans’sche Fläche untersucht werden, welche durch eine beliebige biquadratische Gleichung für y definirt ist. Dieselbe möge von vorn- herein von ihrem zweiten Gliede befreit, also in der Form:

Y+ay?+By+y—=0 gegeben sein. Die oben gemachten Bemerkungen genügen auch hier, um die vier Determinantentheiler explieite anzugeben, es ist nämlich:

D(1) =|

Du) =(@&,P,y) —E,

D(,y,%) = en )-EB Fu) fu) Fu) Fly)

D(1,y,y%,y) = A? RI,

wo A die Discriminante der Gleichung für y bedeutet. Der Theiler D(l,y,y”) ergiebt sich aus der oben gemachten Bemerkung, dass:

1 -( 1 1 1 1 ) EN Fe FR) ist. Man braucht demnach nur noch den grössten gemeinsamen Theiler

der conjugirten Functionen d.h. ihre elementaren symmetrischen

BEN) Fu)’

Funetionen zu finden, und da man durch eine leichte Rechnung erhält:

Bert Di rm) y.)F (y;) =D/@, en + 9B°—8ay)

Frau y,) Re

—T,

Fur EATz YvfW) A

so ergeben sich für & und für D(1,y,y”) die Werthe

m, B’,T')

D(l,y.y:) =A*(A?, B°,T%).

Hessen: Über drei- und vierblätterige Rırran’sche Flächen. #113

Diese Ausdrücke genügen, um die Verzweigung der zugehörigen Rırmann’schen Fläche an einer beliebigen Stelle a vollständig zu er- gründen. Sollen nämlich zunächst in a alle vier oder nur drei Blätter der Fläche # zusammenhängen, so müssen die Reste der in E,, E,, E, enthaltenen Potenzen des zugehörigen Linearfactors £ die Sequenz [4] bez. [3] bilden, und dies ist dann und nur dann möglich, wenn £ mindestens

2 n e 1; r 5 in einer der Funetionen EZ, und g, {u einer Potenz enthalten ist, deren „4

Nenner in der redueirten Form gleich vier oder gleich drei ist. Da aber ein soleher Nenner bei den Theilern (a3, 88, y*) und (A%, B:, T‘) nur in der dritten bez. zweiten von jenen drei Functionen auftreten kann, so erhält man für einen dreifachen bezw. für einen zweifachen Verzweigungspunkt die folgenden Bedingungen:

I. für einen dreifachen Verzweigungspunkt:

a) («3, 8, y') & y' R(y}) =Sjl, b) (1*,B°,T) oT RÜd)>1.

I. für einen zweifachen Verzweigungspunkt: a5 2 1 1 1 a) (a*, 8°, y') op" Re) >1, b) (43, 8°, 1) ooB° RB2)>1,

in denen die beigefügten Zusätze besagen, dass die Exponenten der

in yt... enthaltenen Potenzen von £ in der reducirten Form den

Nenner 4 oder 3 haben müssen, und wo von den Bedingungen (a) und (Ö) immer nur die eine erfüllt zu sein braucht.

Soll dagegen an der Stelle a gar kein Verzweigungspunkt vorhanden

1

E, E,E,E, ent-

haltenen Potenzen von £ nothwendig sämmtlich ganzzahlige Expo-

sein, so müssen die in #,, E,, E,, also auch diein E,,

nenten haben. Es ergiebt sich also die Bedingung: II. für einen nullfachen Verzweigungspunkt: 40% 4 N! 2% R(a?, 8°, y!) © R(A?, B°, T!)» R(A?) 1.

In allen übrigen Fällen hat die Fläche R in a einfache Verzweigungs- punkte und zwar zwei über einander liegende oder nur einen, je nachdem in den Resten der Exponenten von E,, E,, E, die Sequenz [#] zweimal oder einmal vorkommt, je nachdem also das Product

a A’= EEE,

Sitzungsberichte 1805. 100

1114 Gesammtsitzung vom 28. November. Mittheilung vom 14. November.

eine ganzzahlige oder eine gebrochene Potenz von £ enthält. Es ergiebt sich also als nothwendige und hinreichende Bedingung: IV. für einfache Verzweigungspunkte: Von den Bedingungen unter I, I, III darf keine einzige erfüllt sein, und zwar erhält man:

a) zwei einfache Verzweigungspunkte für: R(AM) 1, b) einen einfachen Verzweigungspunkt für:

R(A®)>1.

Ausgegeben am 5. December.

Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei.

1115

1895.

XLIX. SITZUNGSBERICHTE

. KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN.

5. December. Sitzung der philosophisch -historischen Classe.

Vorsitzender Secretar: Hr. VAHLen.

Hr. Dırıs las über Alkman’s Partheneion.

Sitzungsberichte 1895. 101

IT

SITZUNGSBERICHTE

DER

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN.

5. December. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe.

Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. »Der

Hr. v. BezoLp las die umstehend folgende Abhandlung

normale Erdmagnetismus«.

101*

1119

Der normale Erdmagnetismus.

Von WILHELM von BeEzoLD.

L der vor einem halben Jahre erschienenen Abhandlung »Über Iso- anomalen des erdmagnetischen Potentials'« habe ich darauf hinge- wiesen, dass sich die Mittelwerthe dieses Potentials für die einzelnen Parallelkreise mit einem hohen Grade der Annäherung durch die Formel

V„—=Ksinß (1)

darstellen lassen, wenn man unter Ä eine Constante versteht, und ß® die geographische Breite ist. Die Werthe von V und damit auch jene von V, hatte ich der Karte entnommen, welche G. vox Quixtus Icı.ıus für das Jahr 188o.0 entworfen und in dem Archiv der Deut- schen Seewarte veröffentlicht hat.

Wenige Wochen nach dem Erscheinen meines Aufsatzes erhielt ich einen Brief von Hrn. G. A. Scmmir in Gotha, in welchem er mich darauf aufmerksam machte, dass man zu einem Ausdruck von ähnlicher Form gelangt, wenn man in der Gauss’schen Reihe für den Werth des erdmagnetischen Potentials nur das erste Glied berück- sichtigt.

Ein beinahe gleichzeitig mit dem eben genannten eingetroffener Brief des Hrn. L. A. Baver in Chicago, damals noch in Washington, enthielt die Bemerkung, dass durch die nämliche Formel das Poten- tial an der Oberfläche einer gleichförmig magnetisirten Kugel dar- gestellt werde.

Für diese freundlichen Andeutungen bin ich den beiden um die Lehre vom Erdmagnetismus so hoch verdienten Forschern um so dankbarer, je ferner ich bis vor Kurzem diesem Gebiete gestanden habe, und je mehr ich mich erst mit demselben bekannt machen muss.

Gerade mit Rücksicht auf diesen Umstand hatte ich auch ur- sprünglich gar nicht die Absicht, mich selbst mit der Construction der Isanomalen zu befassen, obwohl ich den Gedanken seit vielen Jahren für einen vielversprechenden hielt. Ich entschloss mich viel-

ı S, diese Berichte für 1895 S. 363— 378.

1120 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 5. December.

mehr erst dazu, nachdem verschiedene Versuche, andere dem Fache näher stehende Gelehrte für die Aufnahme dieser Frage zu gewinnen, fehlgeschlagen waren.

Nachdem aber nun durch diese beiden Bemerkungen wesentlich neue Gesichtspunkte gewonnen waren, schien es mir nöthig, die Frage von Neuem in Angriff zu nehmen und nach den verschiedensten Richtungen zu untersuchen, in wie ferne es zulässig sei, der Eingangs erwähnten Formel thatsächlich eine höhere Bedeutung beizulegen.

Ich wollte deshalb vor Allem die Formel an dem besten gegen- wärtig zugänglichen Materiale prüfen und auf diesem Wege eine Entscheidung darüber herbeiführen, ob und in welchem Maasse man die dureh sie dargestellte ideale Vertheilung als den normalen Erd- magnetismus bezeichnen darf.

Während ich mit dieser Arbeit beschäftigt war, hat Hr. General- lieutenant von Tırıo in den Comptes Rendus der Pariser Akademie vom 8. Juli 1. J. eine Mittheilung gemacht, in welcher er für das mittlere erdmagnetische Potential der einzelnen Parallelkreise die- selbe Formel aufstellt, über die ich bereits am 19. Januar 1893 in der Berliner Akademie gesprochen hatte, und die später in den Sitzungsberichten vom 4. April 1. J. veröffentlicht wurde.

Wie es kommt, dass Hr. von TırLo hiebei meiner Arbeit nicht erwähnt, vermag ich mir nicht zu erklären, da ich sie ihm gleich nach dem Erscheinen übersandt habe, ich kann deshalb nur anneh- men, dass sie durch irgend einen Zufall erst zu spät in seine Hände gelangt sei.

Eine in derselben Mittheilung von Hrn. vox Tırro veröffentlichte Formel über die mittlere Horizontalintensität kann nur als eine ganz rohe Näherungsformel gelten und scheint es dem Herrn Verfasser entgangen zu sein, dass sie streng genommen mit der Formel für das Potential geradezu im Widerspruch steht.

Ich werde auf diesen Punkt noch einmal zurückkommen und die bereits in meiner vorigen Abhandlung gemachte Andeutung über die Zulässigkeit der Mittelbildung aus den verschiedenen erdmagnetischen Elementen weiter ausführen.

Dies vorausgeschickt, soll nun vor Allem die theoretische Bedeu- tung der Formel für das mittlere Potential erläutert, und alsdann deren Prüfung an der Erfahrung vorgenommen werden.

Dementsprechend soll zunächst gezeigt werden, inwiefern sich diese Formel als erste Annäherung aus der Gauss’schen Reihe ergiebt.

Diese Reihe lautet bekanntlich für Punkte auf der Erdoberfläche

v

Fi ! " ... Re en

von Bezorp: Der normale Erdmagnetismus. 121

wobei P' g"sinß + g'!cosß cosX + h'!cosß sin‘ ist, wenn man die Coeffieienten g"°, g"', A"' in dem von Gauss festge- setzten Sinne versteht, aber anstatt des von Gauss benutzten und mit ıt bezeichneten Complements der geographischen Breite diese selbst einführt und durch 3 bezeichnet. Bildet man nun

V 1 ar 1 27 ar ee 7 'd u Jon], R N AR 57 (jr x [Pr AR +

1

so fallen aus dem ersten dieser Integrale die mit g"' und A" multi-

plieirten Glieder vollständig heraus und man erhält

= ar 1 = sing + 2. (Pr + ) (2)

oder, wenn man nur das erste Glied berücksichtigt und den hierdurch ausgedrückten Näherungswerth durch V, bezeichnet,

re 2 R 7 uB gulsınß. Für 9°" hat G. von Quistus IcıLıus den Werth 0.33923 gefunden, während ich aus der von ihm entworfenen Karte durch Interpolationen

und Mittelbildung nach den einzelnen Parallelkreisen für = den Werth

0.330 abgeleitet habe', freilich ohne Anwendung der Wahrscheinlich- keitsrechnung oder irgend welcher Ausgleichungsmethoden.

Übrigens darf man auch gar nieht erwarten, durch Ableitung der Werthe von V, aus einer unter Benutzung der späteren Glieder der

n

Gauss’schen Reihe entworfenen Karte der Gleichgewichtslinien für R

genau den Werth des Coeffieienten g"° zu erhalten, da der einge- klammerte Ausdruck in Formel (2) im Allgemeinen eben nicht gleich Null ist.

Dass dies im Allgemeinen nicht der Fall ist, übersieht man leicht, wenn man den von Gauss in Artikel 27 der » Allgemeinen Theorie des

Erdmagnetismus« entwickelten Ausdruck für R der Betrachtung zu

Grunde legt. Dieser Ausdruck hat die Form V ! x Ir A-+ BeosßcosA + B’ eosßsinA + Ccos’B cos 2A + (C’cos’Bsin2A + ---,

! Auf S. 375 Z. 17 v.u. meiner oben angeführten Abhandlung steht irrthümlich

- K K statt RB:

1122 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 5. December.

worin A, B, €... B', C’ u. s. w. nur Functionen von £, d.h. Funetionen der geographischen Breite sind.

ar

: F N , Bildet man nun das Integrale Een so fallen die sämmtlichen

B, B,C, C' u. s. w. enthaltenden Glieder weg, und es bleibt

2

ji dr. [Am {0

0

Die Grösse A aber besitzt die Form A=a+bsinß+esin?®®+dsin’ß+--- wobei a,b, c u.s. w. Zahlencoefficienten sind. Unter diesen Üoeffi- cienten ist a sehr klein gegen b, welch letzteres weitaus den grössten Werth hat, während c, d u. s. w. immerhin noch nicht vernachlässigt werden dürfen.

Nur wenn alle diese Coeffieienten mit Ausnahme von 5 gleich 0 wären, würde das Sinusgesetz ganz genau gelten. Da dies thatsäch- lieh nicht der Fall ist, so muss es eigentlich überraschen, dass die Werthe, wie ich sie aus der von G. von Quistus IcıLıws entworfenen Karte abgeleitet habe, sowie die später mitzutheilenden, nach den Angaben von Hrn. G. Neumayer für 13835.0 ermittelten, sich diesem Gesetze trotzdem so nahe anschliessen.

Wenn dieser letztere Umstand darnach angethan scheint, die Be- deutung der empirisch gefundenen Beziehung abzuschwächen, so ge- winnt doch die Frage nach dem »normalen« Erdmagnetismus durch das eben Dargelegte ganz erheblich an Interesse.

Es folgt nämlich daraus, dass der thatsächlich bestehende magne- tische Zustand der Erde ein derartiger ist, dass bei der Mittelbildung nach ganzen Parallelkreisen die späteren Glieder der Gauss’schen Reihe eine sehr untergeordnete Rolle spielen.

Man ist mithin auch berechtigt, als normale Vertheilung der erd- magnetischen Elemente jene zu bezeichnen, wie sie durch das erste Glied der Gauss’schen Reihe dargestellt wird, oder, richtiger gesprochen, durch den von A unabhängigen Theil dieses Gliedes, da das erste Glied der "Gauss’schen Reihe selbst wieder aus drei Theilen besteht, von denen eben nur der erste in Betracht zu ziehen ist.

So aufgefasst, wird das normale Potential durch die Formel

V‚,=Ksinß definirt, aus der sich dann die normalen Componenten X, und Z, von selbst ergeben, während Y,—=0 wird.

Diese Definition gestattet aber auch eine rein physicalische Deu- tung, und dies ist der Punkt, auf den Hr. L. A. Baver hinwies und

WE.

von BezoLp: Der normale Erdmagnetismus. 1123

über den er bereits am 25. Mai 1. J. in der Philosophical Society of Washington gesprochen hat', als er dieser Gesellschaft eine Fort- setzung seiner ausgezeichneten Untersuchung über die saeculare Varia- tion des Erdmagnetismus” mittheilte. Die Formel V,= Ksinß ist näm- lich nichts anderes, als der Ausdruck für das Potential einer voll- kommen gleichförmig magnetisirten Kugel, deren magnetisches Moment,

i : Mr : bezogen auf ihre magnetische Axe —nk=gR ist.

Die durch das allererste Glied der Gauss’schen Reihe dargestellte Vertheilung der erdmagnetischen Erscheinungen entspricht demnach jener Vertheilung, welche eine an Stelle der Erde gedachte homogene Eisenkugel von den Abmessungen der Erde zeigen würde, wenn sie parallel der Erdachse vollkommen gleichförmig und so stark magne- tisirt wäre, dass ihr magnetisches Moment, bezogen auf die Erdaxe, ebenso gross wäre wie jenes der Erde.

Für eine solche durch und durch gleichförmig magnetisirte Kugel gelten aber, wie schon PETER BAarLow gezeigt hat, hinsichtlich der an ihrer Oberfläche wirkenden Kräfte höchst einfache Gesetze.

Es ist nämlich in diesem Falle die nach dem Pole gerichtete Componente

ENG = cos ß

und die nach dem Centrum der Kugel gerichtete

ZI sm 2 Re SR Endlich ist auch tgsQ,—21gßB

wenn man den Neigungswinkel mit £, bezeichnet, lauter Sätze, die sich auch unmittelbar aus den Gauss’schen Formeln ergeben, sowie man annimmt, dass man sich auf das erste Glied der Reihe be- schränken dürfe.

Dass sich diese ideale magnetische Vertheilung in der allerein- fachsten Weise durch ein die Erde umkreisendes System von gal- vanischen Strömen ersetzen lässt, ist selbstverständlich.

Nimmt man nämlich an, dass die an Stelle der Erde gedachte gleichförmig magnetisirte Kugel durch sehr viele gleichweit von ein- ander abstehende, der Aequatorialebene parallele Schnitte in lauter Schichten von sehr geringer, aber gleicher Dicke getheilt werde, so

! Science 21. June 1895. p. 673— 676. ®2 The Physical Review Vol. II Nr. 2, Vol. II Nr.13. 1895.

1124 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 5. December.

kann man jede dieser Scheiben in ihrer magnetischen Wirkung durch einen ihre Peripherie durchlaufenden Strom ersetzt denken, wobei alle diese Ströme die gleiche Stärke besitzen müssen.

Nimmt man aber andererseits an, dass alle diese Ströme in einer die Erdoberfläche bedeckenden Schicht von gleichmässiger Dicke ver- laufen, dann muss die Intensität dieser Ströme bei dem Übergange von einer bestimmten geographischen Breite zu einer anderen höheren in dem gleichen Verhältnisse abnehmen, in welchem die Breite der Flächenstreifen wächst, welche durch die gleichweit von einander abstehenden Parallelebenen aus der Oberfläche ausgeschnitten werden.

Es muss mithin der die Querschnittseinheit dieser Schale durch- fliessende Strom in der Breite ® die Intensität

J—=J,cosß

haben, wenn J, die dem Aequatorialring entsprechende Stromstärke ist.

Man kann sich demnach die normal, d. h. gleichförmig magneti- sirte Erde ersetzt denken durch Ströme, welche die Erdoberfläche längs der Parallelkreise durchtliessen, und deren Stärke jederzeit dem Halbmesser des betreffenden Parallelkreises proportional ist, oder, was das nämliche besagt, der Geschwindigkeit, mit welcher sich jeder Punkt des Parallelkreises bei der Umdrehung um die Axe in seiner Kreisbahn weiter bewegt.

Hätte die von den Strömen durchflossene Schale allenthalben das nämliche Leitungsvermögen, so entsprächen solche Ströme elek- tromotorischen Kräften, die dem Quadrate des Cosinus der geographi- schen Breite proportional sind, bez. dem Quadrate der Geschwindig- keit, welche den einzelnen Punkten der Erdoberfläche in Folge der Drehung um die Axe zukommt.

Da sich, wie man später sehen wird, die thatsächliche Vertheilung der erdmagnetischen Kraft den hier aufgestellten Formeln recht gut anschliesst, so bestärken die zuletzt durchgeführten Betrachtungen offenbar in der schon in der ersten Abhandlung ausgesprochenen Vermuthung, dass man die Ursache des wesentlichsten Theiles des Erdmagnetismus in der Axendrehung zu suchen habe.

Man hat mir freilich gegen diese Anschauung mündlich einge- wendet, dass die Übereinstimmung zwischen Erfahrung und Formeln vielleicht noch vollkommener wäre, wenn nicht die Rotationsaxe son- dern die magnetische Axe der Erde der Betrachtung zu Grunde gelegt würde. Abgesehen davon, dass die Untersuchung beim Abgehen von den gewöhnlichen geographischen Coordinaten ganz ausserordentlich schwierig und mühsam wird, steht dem doch noch ein anderes Be- denken entgegen.

von BezoLp: Der normale Erdmagnetismus. 1125

Die magnetische Axe ist in ihrer Lage nämlich ebensowohl Ver- änderungen unterworfen wie alle magnetischen Elemente, während die Rotationsaxe immer die gleiche bleibt.

Da es nun gerade bei der Trennung in einen normalen und anor- malen Theil wünschenswerth ist, den ersteren möglichst constant zu erhalten, so möchte ich doch der Benutzung der Rotationsaxe den Vor- zug geben.

Ohne jedoch irgendwie auf Hypothesen eingehen zu wollen, sei nur hervorgehoben, dass durch die vorstehenden Überlegungen drei oder richtiger gesprochen zwei verschiedene Definitionen für den Be- griff des normalen Erdmagnetismus gewonnen worden sind.

Man kann als normale Vertheilung der erdmagnetischen Erschei- nungen betrachten:

Erstens jene Vertheilung, wie sie einer homogen magnetisirten Kugel entspricht, oder, was dasselbe ist, wie sie durch das erste Glied der Gauss’schen Reihe dargestellt wird.

Man kann diese Art der Vertheilung der erdmagnetischen Kraft als die »theoretisch normale« bezeichnen.

Zweitens aber kann man die in der früheren Abhandlung auf- gestellte Definition festhalten, und jene Vertheilung als die normale betrachten, wie sie durch die Mittelwerthe des effectiv vorhandenen Potentials für die einzelnen Parallelkreise dargestellt wird.

Die auf diese Weise definirte Vertheilung wird man passend mit dem Namen des »empirisch normalen« belegen.

Jedenfalls aber erscheint es gerade nach den soeben angestellten Betrachtungen als eine Aufgabe von hoher Bedeutung, zu untersuchen, inwiefern diese verschieden definirten bez. aus verschiedenen Quellen geschöpften Werthe miteinander übereinstimmen.

Besteht nämlich eine solche Übereinstimmung mit einigermaassen grösserer Annäherung, so ist die Frage nach der Endursache der erd- magnetischen Erscheinungen wenigstens der Hauptsache nach darauf zurückgeführt, wie die Entstehung des durch die einfachen Gesetze ausgedrückten normalen Theiles des Erdmagnetismus zu erklären sei.

Leider ist gerade hinsichtlich des Potentials die Vergleichung zwischen Theorie und Erfahrung zur Zeit äusserst schwierig, da die vorhandenen Karten des Potentials sämmtlich auf dem Wege der Rech- nung gewonnen sind.

Man kann deshalb die aus diesen Karten entnommenen bez. die ihnen zu Grunde gelegten Werthe des Potentials nur insofern als em- pirische bezeichnen, als die daraus abgeleiteten Werthe der Intensität und Deelination mit der Erfahrung übereinstimmen. Die Mittelwerthe V,, wie sie aus jenen Karten abgeleitet werden können und wie sie von

1126 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 5. December.

mir und Hrn. vox Tırıo benutzt wurden, sind demnach. streng ge- nommen nur die Werthe, wie sie die Gauss’sche Reihe bei Berück- sichtigung einer grösseren Zahl von Gliedern liefert, im Gegensatze zu jenen von V,, die sich schon aus dem ersten Gliede ergeben.

Glücklicherweise ist es möglich, die Mittelwerthe des Potentials auf viel geraderem Wege aus den beobachteten Grössen abzuleiten, d.h. ohne dass man nöthig hat, zuerst mit Hülfe der Gauss’schen For- meln die Wertlie des Potentials zu berechnen.

Dies ersieht man aus nachstehender Betrachtung:

Für das empirische normale Potential gilt die Gleichung:

0

Dementsprechend ist die normale nordwärts gerichtete Componente:

27 27

2 ee ee a: al -[& „| (3) 0 0

d. h. »die normale nach Norden gerichtete Componente für eine be- »stimmte geographische Breite ist gleich dem Mittelwerthe aus den »nach Norden gerichteten Componenten für sämmtliche Punkte des »entsprechenden Parallelkreises«.

Desgleichen findet man:

27

2r 2% Du [3 in [u (4)

dz Im) de DIT 0 ry

es ist mithin auch »die verticale Componente des normalen Erd- »magnetismus gleich dem Mittelwerthe aus den Verticaleomponenten »für den ganzen Parallelkreis«.

Da Y, ohnehin = 0 ist und da Y, auch = (0 sein muss, sofern die erdmagnetischen Kräfte überhaupt ein Potential besitzen', so gilt für die normale Declination &, der Satz:

ut (5) und für die normale Totalintensität T,=VX+2Z. (6) Zugleich ist die normale Horizontalintensität eben = X, d.h.

sie fällt mit der nach Norden gerichteten normalen Componente zusammen.

»Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass die nach diesen letzten »Formeln erhaltenen Werthe keineswegs mit jenen übereinstimmen,

IS. Gauss, Allg. Theor. Art. 8. Il.

von Bezorp: Der normale Erdmagnetismus. 1127

»welehe man erhält, wenn man die an den verschiedenen Punkten »eines Parallelkreises geltenden Werthe der Declination, oder der Hori- »zontal- oder Totalintensität direct zu Mittelwerthen vereinigt, wie »dies Hr. vos Tırro und in neuester Zeit auch Hr. L. A. Bauer! ge- »than hat.«

Derartigen Mittelwerthen kann man kaum eine tiefere wissen- schaftliche Bedeutung beilegen, da das bei ihrer Bildung eingeschlagene Verfahren genau das nämliche ist, als wenn man aus Kräften, die nach verschiedenen Richtungen an ein und demselben Punkte an- greifen, schlechtweg das arithmetische Mittel bilden wollte, oder falls sie sämmtlich in einer Ebene liegen, die Winkel, welche sie mit einer bestimmten Richtung bilden, einfach zu einem Mittelwerthe vereinigen wollte.

Die so erhaltenen Zahlen geben weder die Grösse noch die Richtung der wirklichen Resultante, sondern Werthe, deren Deutung sehr schwer fallen dürfte.

Dementsprechend ist es auch eigentlich nicht zulässig, Isano- malen der Horizontal- oder Totalintensität sowie solche der Deelination oder Inclination zu ziehen.

Zur strengen Mittelbildung und damit auch zur Construction von Isanomalen eignen sich vielmehr nur das Potential oder die einzelnen Componenten.

Wie man die Mittelbildung auf die anderen vorher genannten Elemente ausdehnen will, verfällt man in ähnliche Fehler, wie sie in der Meteorologie bei der Bildung mittlerer Windriehtungen oder mittlerer Windstärken so oft begangen worden sind.

Nur wenn die in Betracht kommenden Kräfte oder Winkel sich sehr wenig von einander unterscheiden, wie dies etwa bei der Unter- suchung eines eng beschränkten Gebietes der Fall ist, kann man der- artige Mittelbildung und damit auch die Construction von Isanomalen auf soleher Grundlage als eine Annäherung gelten lassen”.

Wie bedenklich es ist, derartige eben als unzulässig bezeichnete Mittel bilden zu wollen, geht eben aus dem schon Eingangs erwähnten Irrthum hervor, den man in der unterm 8. Juli 1. J. in den Comptes Rendus veröffentlichten Abhandlung des Hrn. vos Tırro findet.

Dort stehen nämlich neben einander die beiden Formeln

H = H,cosp

und V= Hsıno

! Amer, Journ. of Science, Vol.L, p. 109-115. 1895.

® Vergl. Moureaux, Annal. Meteor. de France. 1890. 1.

1128 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 5. December.

oder wenn man die hier benutzten Bezeichnungen verwendet

K H R COS ß und ER: TB; == R sin ß. Nun folgt aber aus der letzteren Formel I = R cosß. Andererseits ist ar Re le 27 h und g=lna, DT

0 wenn man die an den einzelnen Punkten des Parallelkreises beob-

achtete Horizontalintensität durch H’ bezeichnet, da Hr. von Tırıo den Buchstaben 7 für den Mittelwerth gewählt hat.

Da jedoch H’—= Xseed ist, wo d der Declinationswinkel ist, und da im Allgemeinen seed>+1 ist, so ist auch

Ir 2r ja da >| x {) 0

H>X, und sind demnach die beiden von Hrn. vox Tırro aufgestellten For- meln nicht mit einander vereinbar.

Freilich ist der Unterschied nicht sehr gross, da eben der Werth von secd im Allgemeinen nur wenig von 1 verschieden ist.

Die beiden Formeln (3) und (4) gestatten nun das Gesetz für die Vertheilung des normalen Erdmagnetismus unmittelbar an den aus den magnetischen Karten zu entnehmenden Grössen zu prüfen, ohne dass man eine Trübung des Ergebnisses durch das Dazwischentreten umständlicher Rechnungen zu befürchten hätte.

Für diese Prüfung stehen zweierlei Wege offen.

Zunächst kann man die Werthe X, und Z,, das sind die Com- ponenten des empirischen normalen Erdmagnetismus, mit jenen der theoretisch normalen Vertheilung vergleichen.

Diese letzteren sind:

oder

und

nn a a

von BezoLp: Der normale Erdmagnetismus. 1129

so dass man nur die Werthe A, und Z, neben jene von X, und Z, zu setzen hat, um sich sofort davon zu überzeugen, ob und inwieweit sie miteinander übereinstimmen.

Man kann aber auch V, aus den Werthen von X, ableiten und zwar nach der Formel

ar = [X „de +V, = R|[X.as an (7)

ei m = jre4% 4

wobei V, den Mittelwerth des Potentials am Aequator bezeichnet.

oder

Hierbei müsste

en und mithin auch V,= (0 sein, wenn der theoretische und der em- pirische norınale Erdmagnetismus identisch wären.

Die Ermittelung des Integrales kann natürlich nur durch mecha- nische Quadraturen erfolgen, sofern man nicht über einen sogenannten Integraphen verfügt.'

In der folgenden Tabelle findet man nun die auf verschiedenen Wegen gewonnenen Werthe des mittleren Potentials und der mittleren Componenten für die einzelnen Parallelkreise neben den aus dem ersten Glied der Gauss’schen Reihe abgeleiteten d. h. neben den theoretisch normalen.

Die letzteren stehen in den Vertiealzeilen I, IV und VI und ist

Brig : zu denselben nur zu bemerken, dass für R der von den HH. G. Nev-

MAYER und PETERSENn ermittelte Werth der ersten Gauss’schen Con- stante g"° d.i. 0.31572 benutzt wurde.

Die Zeile II enthält die Mittelwerthe des Potentials, wie sie sich aus der von den HH. G. Neumaver und PETERsEn bis zu den Gliedern vierter Ordnung entwickelten Gauss’schen Reihe ergeben. Hr. G. Neu- MAYER hatte die Güte, mir diese Werthe von 70°N bis zu 60° S von zu Breite und 30° zu 30° Länge mitzutheilen und wurden als- dann die 12 auf jeden einzelnen, Parallelkreis entfallenden Zahlen zu Mittelwerthen vereinigt.” Es sind dies demnach jene Werthe, welche

' Anpank-ABaKAanowiıcz, Les Integraphes. Paris 1886.

® Da mir für die Componenten nur die Werthe bis zu 60° N zur Verfügung standen, habe ich mich in den Tabellen allenthalben auf das Intervall von 60° N bis 60° S beschränkt.

1130 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 5. December.

oben in nicht sehr strenger Weise als die empirisch normalen Werthe des Potentials bezeichnet wurden.

Die Verticalzeile III enthält die Werthe von 2 wie sie sich mit

Hülfe der Formel (7) durch mechanische Quadratur aus den mittleren nach Norden gerichteten Componenten X, ergeben haben. Diese letz- teren Zahlen, die man unter V findet, wurden mir von Hrn. Av. Scuhumipr mitgetheilt, der sie von Hrn. Nrumayver erhalten hatte, und mit dessen Genehmigung ich sie hier zum Abdrucke bringe.

Sie sind aus den von Hrn. NEumAYER für 1885.0 gezeichneten Karten der Declination und Horizontalintensität abgeleitet, in welche die auf Grundlage der wirklichen Beobachtungen gewonnenen, jedoch ausgeglichenen sogenannten terrestrischen Curven eingetragen sind.

Die in den Verticalzeilen II und V enthaltenen Zahlen, sowie die entsprechenden unter VII stehenden, aus derselben Quelle stammenden Werthe für Z, dürfen demnach mit Recht als »empirisch normale« Wertlie bezeichnet werden.

Bei den durch mechanische Quadratur ermittelten Werthen von 7

n

RR: wie man sie unter III findet, wurde, wie schon bei Formel (7)

bemerkt, die willkürliche Constante so bestimmt, dass für den Aequa- tor der gleiche Werth herauskam, wie er sich unter I findet, d.h. wie er sich aus der Gauss’schen Reihe ergiebt. Unter IV und VI findet man die »theoretisch normalen« Werthe der nach Norden gerichteten Componente, sowie der Verticalintensität, wobei immer

X > TE 0.31572 gesetzt ist.

Die Verticalzeile VII enthält, wie schon oben bemerkt, die Mittel- werthe der Verticalintensität nach den Angaben des Hrn. NEuMmAYER, die sich ihrerseits auf wirkliche Beobachtungen stützen und die dem- nach mit Recht als die »empirisch normalen« Werthe dieses Elements bezeichnet werden dürfen.

Da Z,=24V, und da auch Z,=2V, wäre, wenn alle Glieder der Gauss’schen Reihe mit Ausnahme des ersten gleich 0 wären, so habe ich auch noch die sämmtlichen unter II aufgeführten Zahlen mit 2 multiplieirt und sie unter VIII zusammengestellt.

Die mit A überschriebenen Columnen endlich enthalten die Diffe- renzen zwischen den auf den verschiedenen Wegen gewonnenen Zahlen und bedürfen wohl keiner weiteren Erläuterung mehr.

Dies vorausgeschickt lasse ich nun die Tabellen selbst folgen:

09 | 6110°0 SS | 19100 08 | Srioo St | Lo1o'o ot | 00100

1131

SE | oroo'o | ££oo'o Sz | 6g00'0 6z210'0 | ıtıo'0

1SMUS. ie} a

o1 | ıtoo'0 S.S |gE10'0

o |LE£Eo‘o $ | 9000 E11o'o

| otoo'o oz | 98000 Sz | 1z100 | 15100 SE | Lzioo

zoLp: Der normale Erdmagnet 3

or | 9600:0 St | 1600°0 6900'0

SS | Ezooo N 009 | ELoo'o

von B ° in

ITA—IIIA

v

orkS-o— t905'0 zSLro— oıtro— geotro

gegeo zızt'o— trSLe0o— tLzzeo— tgLro—

geero— 7890'0 zI10'0 oLto'o gSıro gEg1o g907z'0 rSLz’o gLzt'o ssLe:o g6ır'o o6St‘o ze6to tzzS‘o ggrs°o

Lrzo'ö 69z0'0 0020'0 z910'0 1210'0

tzoo'o

gg00'0 tLı0'0— Erzo'o— ıLz0'0—

08200 zLz00— Szzo0o— St1oo— rSo0'0—

zroo'o zeıo'o 90z0'0 oLEo'o Eg9zo'o Stzo'o g1z0'0 rg910'0 SLoo'o ELoo'0o—

122°°0— to6to— L£egt’o Eotto gesto—

g65T'0o Stzeto— ergzo— torzo— So610—

LLETO— zzg0' 0 Szzoo— Soto'o Etor'o gLg1o c6zz'o SLge'o Lzt£‘o Sgge‘o t6zt°o ıg9r°0 100$°0 LrzS‘o S6ES°o

ggrso zLıS'o Legto Sytro 6Soto

zzge'o LSIE 0 69920 O9IT'O rEgro

L601'0 o0SSo'0 0000'0 [o}-4-ToYe) L601'0 regro o91z'O 6992°0 LSıEo zzge'o 6Sot'o Sott'o Legto zLıS'o ggrs°o

L000'0 €900°0 S1100— EL10o'0— 60200 gzzo0o gIzo'0— 9LIOO Lo10'0 62000

Stoo'o gzı1o'o E1zo'o 1Lzo'0 g6z0'0 0620'0 2920'0 91200 6r10'0 9900°0 Szo00— to1o'0— g9LIO0 crzo'o—- 98700

v

zlSı'o grLı'o r161°0 0902'0 60720

gSezo gı1Szo Sgg9z'0 0982'0 1108°0 rSıEo Elzeo oLEE£'o gırEe'o Lotto [149%] 6zzE£'o LLot:o eggz'o zSgz'0 E6kz'o ofız'o esgro 695 1°0 E6zı'o

6L$ro TIgL'O 62020 eezz'o gırz'o

98520 relz’o 19820 L96z'0 oSof'o 6o1Et'o Stıt’o LSıE'o Stıe'o 6o1E'o

oSof'o L96z'0 19g2°0 rEelz'o 98520 gırz'o eezz'o 6z02'0 11gL’o 6LS1°o

gz00'0 12000 L100'0 91000 €100'0

Z100°0 r100'0 r100'0 r100'0 1000

zrooo + £o00'0 0000'0

So00'0 otoo'0

r100'0 9000'0 S100°0 z100'0 Z100'0

z100'0 r100°0 9100'0 0700'0 gz00'0

95000 86920 |t900'0 |olgzo |t£Lzo— E£oo'o ESSz:o |r%o0.0 zesSzo | 98570 Szoo'o eotzro |ztoooo \glezo— |gıtrzo— 1100'0 12220 |Lzoo'0 Sozz’0o— |ztzzo— £000'0 | zE0z‘0 |0100'0 6102°0— |6202.0— 0200°0— | 1Eg1'0 |g000°0— |61gr'0— | 11g1°0— 1F00'0 | 02910 |Lzoo'o 90910 6L51o 65000 | E6E 10 | Er00'0— | LLEITO | FEET0 1L00'0 | 15110 | LSo0‘0 | LE11°0— |0g01'0— 8L00'0— | S6g0'0 | S900'0— | zgg0'0— | L1go0— 8500'0— | 9290'0 |0210'0— |g990'0 | gF50'0— zLoo'0— | St£o'o |6900'0 |zrfo'o— | ELzo0o— 9500'0 9500'0 9500'0 9600'0— |0000'0 Eroo'o— | 08z0'0 geooo— |Stzooo |ELzo'o 0100'0— | gESo'o 08000 gLSo'o grSo‘o $100'0 zego'o 1000'0 |g180'0 Lıgo'o 6z200'0 60110 Ezoo'o £o1r'o 0g01°0 0900°0 r6€81o Eroo'o LLEIO retro 1L00'0 05910 6500'0 gegro 6L$51°0 0800'0 16810 g900°0 |6lgı'o 11810 Tg00'0 11120 oLoo'o 66070 6z07'0 L900°0 6otz'o €900'0 S6zzo zezzo ?900'0 zgrz'o stroo'o ggrz'o gırz'o gtoo'o zegz’o 9700°0 zı9z'0 g9g5z°o gz00'0 zg9Lz’o 0000°0 tEelzo tElzo

4

dus gu

A

SE

N 009

3

0’EggT ayaody

102

Sitzungsberichte 1895.

1132 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 5. December.

Betrachtet man diese Zahlenreihen, so sieht man vor Allem, dass die nach der Gauss’schen Entwickelung unter Benutzung des besten Beobachtungsmaterials von den HH. G. NeumAvyer und PETERsSEN ab- geleiteten Mittelwerthe des Potentials für ganze Parallelkreise sich beinahe ebenso genau durch die einfache Sinusformel darstellen lassen, wie die durch G. v. Qumrus lIcırıus seinerzeit berechneten und in meiner ersten Abhandlung verwendeten Zahlen. Man erhält demnach diese Mittelwerthe bereits mit einem ziemlich hohen Grade der An- näherung, wenn man sich auf das erste Glied der Gauss’schen Reihe bez. auf den von A unabhängigen Theil beschränkt, und mithin nur die erste Gauss’sche Constante verwendet.

Hiebei beträgt der Fehler in wenigen Fällen mehr als 6 Ein- heiten der 3. Decimale. Nur bei 10° südlicher Breite findet man eine grössere Differenz, eine Eigenthümlichkeit, die auch in den übrigen aus dem directen Beobachtungsmaterial gebildeten Zahlen- reihen hervortritt und wohl besondere Beachtung verdient bez. zu einer kritischen Durchforschung dieses Materials veranlassen sollte.

Viel weiter weichen die unmittelbar nach den Beobachtungen gebildeten Mittelwerthe der Componenten X und Z von den normalen Werthen ab und treten die Abweichungen hier vielfach schon in der 2. Decimale hervor.

»Dagegen schliessen sich die aus den empirisch ermittelten »Zahlen für die Nordeomponente durch mechanische Quadraturen er- »haltenen Werthe den durch die Gauss’sche Reihe gewonnenen mit »erstaunlicher Genauigkeit an und ist nur bei 10° südlicher Breite »auch hier eine grössere Abweichung zu bemerken. «

Diese im Übrigen so weit gehende Übereinstimmung ist höchst bemerkenswerth, da sie ein Mittel an die Hand giebt, um eine Karte der Gleichgewichtslinien mit unverhältnissmässig geringerem Auf- wand an Zeit und Mühe herzustellen als mit Hülfe der Gauss’schen Formeln.

Wie in der früheren Abhandlung nachgewiesen wurde, genügt nämlich die blosse Kenntniss der Werthe von Y, d. h. der nach Osten gerichteten Componenten, um eine Karte der Isanomalen des Po- tentials zu zeichnen. Kennt man alsdann noch die Mittelwerthe des Potentials für die einzelnen Parallelkreise, d. h. das empirisch normale Potential, so hat man nur die beiden Systeme über ein- ander zu lagern, um nach bekanntem Verfahren die Gleichgewichts- linien zu erhalten.

Da man aber eben dieses empirisch normale Potential aus den blossen Mittelwerthen der Nordeomponente durch mechanische Qua- draturen mit grosser Genauigkeit, bez. wohl ebenso genau als durch

2 : 9% vox BezoLp: Der normaie Erdmagnetismus. 11113333

die mühsame Reihenentwickelung, erhalten kann, so ist hiermit ein Weg gegeben, um die Gleichgewichtslinien ohne besonders erhebliche Mühe für jede Epoche zu zeichnen, für welche Karten der Declination und Horizentalintensität veröffentlicht werden.

Natürlich würde diese Arbeit ganz ausserordentlich erleichtert, wenn jedesmal die in den Karten implicite enthaltenen Zahlen auch in tabellarischer Form für hinreichend viele Schnittpunkte der geogra- phischen Coordinaten, also etwa von zu Breite und 10° zu 10° Länge veröffentlicht würden, und zwar womöglich die Werthe der Componenten X und F.

Nach einer in der neuesten Abhandlung des Hrn. An. Schuipr' enthaltenen Bemerkung, die selbst schon einige derartige Angaben bringt, darf man sich der Hoffnung hingeben, dass in nicht zu ferner Zeit dieser schon von GAuss vor bald 60 Jahren ausgesprochene Wunsch endlich einmal und zwar durch die Deutsche Seewarte in Hamburg zur Verwirklichung kommen werde.

Überbliekt man noch einmal die vorstehende Abhandlung, so findet man als wesentlichstes Ergebniss:

Die auf Grundlage des besten gegenwärtig zugänglichen Materials ausgeführten Untersuchungen berechtigen vollauf dazu, von einem normalen Erdmagnetismus zu sprechen, da zwischen den aus der einfachen Formel berechneten Werthen und den aus der Gauss’schen Reihe sowie unmittelbar aus Beobachtungen abgeleiteten Werthen für das Potential sowie für die Componenten eine weitgehende Überein- stimmung besteht.

Das Potential dieser normalen Vertheilung wird durch den von der geographischen Länge unabhängigen Theil des ersten Gliedes der Gauss’schen Reihe dargestellt.

Die Formeln lauten dementsprechend

V,

glPsinß Ren, X, = glcosß 7 2g28smnB.

Diese Formeln sind die gleichen, wie man sie erhalten würde, wenn die Erde eine durch und durch parallel zur Erdaxe gleichmässig magnetisirte Kugel wäre, oder wenn sie von einem dieser Vertheilung gleichwerthigen Systeme von Strömen umflossen wäre.

' Abhandl. der Münch. Akad. II. Cl. XIX. Bd. I. Abth. 1895.

102°

1134 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 5. December.

Es scheint kaum nöthig darauf hinzuweisen, dass sich diese For- meln auch ausserordentlich leicht geometrisch versinnlichen lassen. Trotzdem halte ich es für gut, eine hierauf bezügliche Figur mitzutheilen.

Bedeutet der um Ü geschlagene Kreis den Umfang der in orthogra- phischer Projeetion dargestellten Erde, NS deren Axe, so erscheinen die nach gleichen Differenzen von V weiter schreitenden Gleichgewichtslinien als lauter gleich weit von einander ab- stehende, dem Aequator parallele Li- nien.

Halbirt man alsdann den nach dem Schnittpunkte D einer solchen Geraden mit der Peripherie gezogenen Halbmesser und errichtet man in dem Halbirungspunkte X eine Senkrechte EG von solcher Länge, dass EG=2EF ist. so besteht, wie leicht zu übersehen, für den Winkel GDE=2£ die Beziehung tg£=2tgß, d.h. £ ist der normale Decli- nationswinkel in dem Punkte D. Die über D hinaus verlängerte Gerade D@ aber ist die Tangente, welche man in D an die Gleich- gewichtsfläche legen kann, und bezeichnen die kurzen Geraden, welche man an den Schnittpunkten der Gleichgewichtslinien mit der Peri- pherie findet, Stücken der entsprechenden Tangenten.

Man gelangt demnach auf dem Wege der Mittelbildung aus den einzelnen Componenten sowie für das Potential nach ganzen Parallel- kreisen zu einer ausserordentlich einfachen und übersichtlichen Ver- theilung der erdmagnetischen Kräfte, die man deshalb wohl als die normale bezeichnen darf.

Den in einem gegebenen Augenblicke bestehenden magnetischen Zustand der Erde aber wird man zweckmässig als Übereinanderlagerung eines oder mehrerer störenden Systeme über dieses normale System betrachten.

Über eine Anwendung dieses Gedankens auf die tägliche Varia- tion der erdmagnetischen Kraft hoffe ich in nicht zu ferner Zeit Mit-

theilung machen zu können.

Ausgegeben am 19. December.

1135

1895. 11.

SITZUNGSBERICHTE

DER

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN.

12. December. Gesammtsitzung.

Vorsitzender Secretar: Hr. E. pu Boıs-Revmonv.

l. Hr. Dames machte eine Mittheilung über die Gattung An- guisaurus und die Art der Anpassung der fossilen Reptilien an das Leben im Meere.

Die Mittheilung wird später erscheinen.

2. Die HH. Dr. Wırrıam Husems in London, und Morıtrz Lorwy, Membre de l’Institut, in Paris wurden zu correspondirenden Mitgliedern der Akademie in ihrer physikalisch-mathematischen Classe gewählt.

3. Die Akademie hat beschlossen ihr Mitglied Hrn. A. WEBER zur Feier seines fünfzigjährigen Doctorjubilaeums am 18. d. M. durch die umstehend abgedruckte Ansprache zu beglückwünschen.

Hr. Momnsex hat sein Amt als ständiger Secretar der Akademie mit dem 30. September d. J. niedergelegt. Nachdem zu seinem Nach- folger von der philosophisch-historischen Classe Hr. Diezs erwählt worden ist, hat Seine Majestät der Kaiser und König diese Wahl durch Allerhöchsten Erlass vom 27. November zu bestätigen geruht.

SOHLE EVEN

1137

Ansprache an Hrn. ALBRECHT WEBER

zur Feier seines fünfzigjährigen Doetorjubilaeums am 18. December 1895.

Hochgeehrter Herr College,

Sie feiern heute den Tag, dessen Anbruch man nicht mit banger Erwartung herbeisehnt, weil er ein grosses Unternehmen abschlösse oder ein neues begönne, sondern mit ruhiger Freude über sich er- gehen lässt, den Tag, an welchem das stets vorwärts gerichtete Auge des emsigen Forschers sich einmal rückwärts wendet und mit Be- friedigung auf die Erfolge fünfzigjähriger Arbeit blickt, den Tag, an welchem der stille Dank der Genossen und Schüler sich zu lautem Jubel erhebt. An diesem Tage Ihnen ihre herzlichsten Glückwünsche auszusprechen fühlt sich vor Allen die Königlich Preussische Akademie der Wissenschaften berechtigt, da sie stolz darauf ist Sie seit acht- unddreissig Jahren zu ihren ordentlichen Mitgliedern zu zählen.

In Deutschland ist die Theilnahme an der Erforschung des in- dischen Alterthums vornehmlich durch das Licht geweckt worden, welches die altindische Sprache auf ihre europäischen Schwestern ausstrahlte. Indische Philologie und vergleichende Sprachwissenschaft sehienen bei uns untrennbar verbunden. Das Band lockerte sich aber, sobald die Sprachwissenschaft aufhörte angewandtes Sanskrit zu sein und andererseits das indische Schriftthum zu seinem eigenen Rechte kam. Damit wuchsen auf beiden Gebieten die Aufgaben ins Unge- messene, und selbst die unermüdlichste Arbeitskraft musste sich be- scheiden allein auf dem einen zu schaffen, auf dem andern zuzuschauen. Sie entschieden Sich für die indische Philologie. Diese bedurfte vor allem zuverlässiger Texte. Sie giengen mit Feuereifer ans Werk, traten gleich als Jüngling in die erste Reihe und haben der Wissen- schaft durch rastlosen Fleiss eine staunenswerthe Fülle des mannig- faltigsten Stoffes zugeführt. Sie waren der Erste, welcher eine der vedischen Samhitäs mit einheimischem Commentar und dem zuge- hörigen Brähmana und Sütra in musterhafter Ausgabe vorlegte. Sie haben ihr später noch eine zweite Samhitä verwandter Schule ange-

1138 Gesammtsitzung vom 12. December.

schlossen. Zahlreiche kürzere Texte aus verschiedenen Gebieten der Litteratur folgten nach. Mit entsagungsvoller Hingabe durchforschten Sie dann den Handschriftenschatz der hiesigen Bibliothek. Ihr wissen- schaftliches Verzeichniss desselben war das erste seiner Art. Und als ein Menschenalter später der Schatz sich verdoppelt hatte, griffen Sie wieder rüstig zu und liessen dem ersten Quartanten des Katalogs noch einen dreifach stärkern folgen. Sie, und wir mit Ihnen, beklagen, dass in diesem Riesenwerke ‘ein gut Stück Ihrer Sehkraft begraben liegt. Aber Sie haben die stolze Befriedigung Anderen dadurch zum Sehen verholfen zu haben. Sie waren der Erste, der hier und in den “Vorlesungen über indische Litteraturgeschichte’ die Axt an den Ur- wald der indischen Litteratur legte und Bahnen für die Nachfolger brach. Ihre Bearbeitung der weitschichtigen Jainalitteratur, welche mit der Analyse eines Fragmentes der Bhagavati anhebend in der grund- legenden und umfassenden Abhandlung über die heiligen Schriften dieser Secte gipfelt, eroberte der indischen Philologie und Religions- geschichte eine ganz neue Provinz. Durch Ihre Ausgabe der An- thologie des Häla erschlossen Sie das Gebiet der prakritischen Lyrik. Sie sammelten die Angaben der indischen Schriftsteller über die Metrik. Sie untersuchten die Grundlagen der indischen Astronomie und wiesen deren Abhängigkeit von Babylon nach. Sie führten den nur Ihnen ganz vertrauten Sprachschatz der Brähmana und Sütra dem monu- mentalen Werke des Petersburger Wörterbuches zu, von dem kaum ein Band erschien, dessen Vorrede Sie nieht unter ‘den guten mehr an Andere als an sich denkenden Freunden’ nannte.

Wir haben hier nur die Thürme der Stadt erwähnt, welche Ihre durch Schwierigkeiten stets wachsende Kraft im Laufe eines halben Jahrhunderts erbaut hat. Wollten wir auch der einzelnen, oft sehr stattlichen Häuser gedenken, wir fänden des Lobes kein Ende. Ihre zahlreichen Abhandlungen in den Schriften unserer Akademie, die siebzehn fast nur von Ihnen gefüllten Bände Ihrer “indischen Studien‘, Ihre indischen Skizzen’ und die drei Bände der ‘indischen Streifen’, ent- halten eine solche Menge des gewichtigsten neuen Materials, mit ein- dringender Spürkraft und unverdrossenstem Fleisse auf Grundlage weit- umfassender Kenntniss des fast grenzenlosen Gebietes durchforscht, dass man lediglich aus dem Studium dieser Schriften fast den ganzen Ent- wiekelungsgang der indischen Philologie zu erkennen vermag. Es gibt kaum ein Gebiet der Geschichte der indischen Litteratur, Religion, Wissenschaft, Cultur, Sitte, an dessen Bebauung Sie nicht erfolgreich theilgenommen hätten, kaum eine wichtige Frage, zu deren Erörterung Sie nieht schwer gerüstet in den Kampf gezogen wären. Es ist in den letzten Jahrzehnten kaum ein Buch erschienen, welches Sie nicht

Ansprache an Hrn. Weser. 1139

öffentlich Ihrem sachkundigen Urtheil unterzogen hätten. Und be- sonderer Dank gebührt Ihnen, dass Sie vom Beginn Ihrer 'Thätigkeit bis in die jüngste Zeit die Beziehungen Indiens zu den westlichen Culturländern unentwegt im Auge behalten haben. Die jüngeren abendländischen Vertreter der. indischen Philologie sind zum grossen Theil durch Sie ausgebildet worden, und so lange diese Wissenschaft blüht, wird sie dankbar Ihren Namen unter den Heroen der Arbeit nennen, welche mit starker Hand ihr Gebiet erweitert und gesichert haben.

Auch schweres körperliches Leiden der letzten Jahre hat nicht vermocht Ihre Thatkraft zu schwächen. So hoffen wir, dass es Ihnen noch lange vergönnt sei mit Ihren unvergleichlichen Kenntnissen der Wissenschaft zum Heile, Sich zum Ruhme zu wirken.

Die Königlich Preussische Akademie der Wissenschaften.

Ausgegeben am 19. December.

Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei.

Sitzungsberichte 1895. 103

Hu

j B Ir NEL N N IR ur ter „ln al I Au N in Aa 4) m wu a Kult, u ul a mi A ya Il Un hauk: nah x ae M % it (ihn, U erh DIV Ph nr f dr dh ‚I,r Kuabstnlii AIE Hl I; N uf un h } " Dur ‚surel A # ( o2N art Aon hir a Karol i An wie, uunP: u Rn. Tier f (3) Killer MIT ler

u

un Bi 2

i y A

ae MET N / vihk: ER

e Dawn ul Habt A

Aris| orlrc a

1141

1895. Lu. SITZUNGSBERICHTE

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN.

19. December. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe.

Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers.

l. Hr. Scuwarz las über die analytische Bestimmung der- jenigen Minimalflächen, welche dureh Translation einer reellen Curve erzeugt werden können.

Mittheilung in diesen Berichten erfolgt später.

2. Hr. Vocer legte die umstehend abgedruckte Mittheilung der HH. Prof. J. Scnemer und Prof. J. Wırsıss in Potsdam vor über eine sehr empfindliche Methode zum Nachweis Herrz’scher elek- trischer Schwingungen.

Sitzungsberichte 1895. 104

1143

Über eine sehr empfindliche Methode zum Nach- weis Hrrtz'scher elektrischer Schwingungen.

Von Prof. J. Wırsıne und Prof. J. ScHEINER

in Potsdam.

(Mitgetheilt von Prof. J. Wırsıne.)

(Vorgelegt von Hrn. Vogt.)

Besehäftigt, im Verein mit Hrn. Prof. J. Scueiser Versuche über elektrische Schwingungen anzustellen, versuchte ich, die Wärme- strahlung eines o””o5 starken Platindrahtes, in dem elektrische Öseillationen stattfanden, mit Hülfe einer empfindlichen 'Thermosäule zu messen; hierbei veranlasste mich das Auftreten von Störungen, welehe die Übereinstimmung der zuweilen sehr kräftigen Galvano- meterausschläge beeinträchtigten, dazu, die Entfernung zu bestimmen, innerhalb welcher die elektrischen Schwingungen im Beobachtungs- raume noch merkbar waren. Es zeigten sich kleine Fünkchen in einer Entfernung von etwa 2" vom primären Leiter bei Annäherung an die Drähte, welche zum Galvanometer führten. Bei einer Über- brückung derselben an dieser Stelle mittels eines lose aufgelegten mehrere Centimeter langen, 2” dicken Stahldrahtes zeigte der Spiegel des Galvanometers ganz enorme Ausschläge an, welche vermuthen liessen, dass hier besondere Wirkungen mit der Erregung Herrz’scher elektrischer Schwingungen in dem metallisch geschlossenen Galvano- meterkreise verknüpft waren.

Die sich hieran anschliessenden im Folgenden mitgetheilten Untersuchungen sind von Prof. Scueiser und mir dann gemeinsam

weitergeführt worden'.

' Nach Abschluss der hier mitgetheilten Versuche wurden uns durch einen Auf-

satz von Hrn. Hasa (Pose. Annalen 1895 Nr.ır) die interessanten Ergebnisse des Hrn. Ascukınass bekannt, über welche derselbe in der Sitzung der Physik. Gesellsch. zu Berlin 1894 Nov. 30 berichtet hat. Hr. Ascukınass hat bei bolometrischen Messungen die Wahrnehmung gemacht, dass die von ihm benutzten Stanniolgitter, sowie Stücke dünnen Eisen-, Platin- und Silberdrahts durch die elektrischen Schwingungen Wider- standsverminderungen von 2 bis 3 Procent erfuliren. Dieselben, welche sich nur durch

104*

1144 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 19. December.

Zunächst wurden die Zuleitungsdrähte zum Galvanometer in einer Entfernung von etwa einem halben Meter vor demselben durehschnitten und ihre Enden durch den erwähnten, lose darüber gelegten Draht überbrückt. Der primäre Leiter befand sich in einer Entfernung von. etwa 3” vom Galvanometerkreise. Wir benutzten als solehen zu- nächst Kugeln von 4°o (Nr. ı), dann von 1%8 (Nr. 2), von 0%"5 (Nr. 3) und o°”2 (Nr.4) Durehmesser, ferner ein Induetorium mittlerer Grösse, dessen primärer Strom durch 3 Bunsen’sche Elemente geliefert wurde, und in dessen secundären Kreis bei den ersten Versuchen ein Con- densator eingeschaltet war. Die Zuleitung von den in o”"ı dicke Neusilberdrähte auslaufenden Enden der Induetionsspirale zum pri- mären Leiter geschah stets durch kleine Funkenstrecken. Die Ent- stehung von Schwingungen in den Zuleitungsdrähten vom Inductorium wurde ausserdem durch Einschaltung eines Wasserwiderstandes ver- hindert.

In allen Fällen liess die Bewegung des Spiegels am SıEmEns- schen Galvanometer, dessen astatisches System von Glockenmagneten durch ein leichteres, nach den Angaben des Hrn. Dr. Rusens con- struirtes System ersetzt war, Ausschläge erkennen, die wir oft auf 20° bis 30° schätzten. Da die Wirkung der elektrischen Schwingungen sich hier augenscheinlich allein auf die Berührungsstellen der Brücke und der Zuleitungsdrähte zum Galvanometer concentrirte, so suchten wir ihre Ursache zunächst in starken, thermoelektrischen Wirkungen an diesen Stellen grössten Widerstandes im Galvanometerkreise, und benutzten deshalb als Brücke Metalle, welche sich in thermoelek- trischer Beziehung verschieden verhalten, erhielten aber mit Stanniol- blättehen, Drähten aus Aluminium, Kupfer, Stahl, Gold, Platin, Wis- muth von verschiedener Länge und mehreren Millimetern Dicke, ebenso mit einem eylindrischen Stabe aus weichem Eisen von 16°” Länge und 2°® Dieke anscheinend gleich kräftige Wirkungen, sobald dafür ge- sorgt war, dass nur eine lose Berührung von Brücke und Zuleitungs- drähten stattfand. Da jedoch diese Wirkungen ziemlich unregel- mässig eintraten und stets bald nachliessen, wenn nicht die Lage der Brücke zwischen den einzelnen Erregungen der Funkenstrecken ver-

Erwärmung der Gitter oder durch leichte mechanische Erschütterungen wieder be- seitigen liessen, schrieb Hr. Ascukınass seinen weiteren Versuchen zufolge dem Stanniol selbst und nicht einer Änderung des Übergangswiderstandes an den Contactstellen der verschiedenen metallischen Leiter zu und wies zugleich darauf hin, dass die beschrie- benen Erscheinungen ein überaus empfindliches Reagens für elektrische Schwingungen darstellen. ;

Wir glauben, dass die von Hrn. Ascakınass gegebene Deutung der Erscheinung nicht die richtige ist, sondern dass dieselbe auf die gleiche Ursache zurückzuführen ist, welche den von uns im Folgenden beschriebenen Versuchen zu Grunde liegt.

Wirsıse u. Scheiner: Methode zum Nachweis elektr. Schwingungen. 1145

ändert wurde, so musste die Oberfläche an den Berührungsstellen der Drähte beim Durchgang der Schwingungen eine Veränderung erleiden, deren Ursache wenigstens bei den zuerst angewandten, besonders wirksamen Brücken aus Stahldraht auf Oxydation beruhen konnte. Die Benetzung der Berührungsstelle mit einem Tropfen Alkohol be- wirkte auch zumeist eine merkliche Steigerung sowohl der Intensität, als der Dauer der Wirksamkeit. Doch führten fortgesetzte Versuche zu der Überzeugung, dass hier wesentlich eine ausserordentliche Ände- rung des galvanischen Widerstandes und zwar eine Änderung des Übergangswiderstandes an den Berührungsstellen der Brücke mit den Zuleitungsdrähten vorlag.

Bei den weiteren Versuchen bedienten wir uns eines unempfind- lichen Nadel-Galvanometers, dessen 6°” langes Nadelpaar eine Schwin- gungsdauer von etwa IO Secunden besass. Das Galvanometer stand, wie bei den früheren Versuchen, in einer Entfernung von ungefähr 3" vom primären Leiter. Im Galvanometerkreise befand sich jetzt ein schwaches Element, welches bei gutem metallischen Schluss eine Ab- lenkung der Nadel von 55° bewirkte. Der Widerstand an den Berüh- rungsstellen des lose aufgelegten Brückendrahtes war indessen so be- trächtlich, dass die Nadel nicht merklich aus der Gleichgewichtslage bei geöffnetem Stromkreise abgelenkt wurde. Bei Erregung der elek- trischen Schwingungen trat aber sofort eine dauernde Ablenkung von etwa 53° ein. Diese Ablenkung blieb innerhalb der Genauigkeit der Mes- sungen die gleiche für die bereits früher benutzten Stanniolblättchen, für Aluminium-, Kupfer-, Stahl-, Platin-, Gold- und Wismuthdraht. Die Grösse der Widerstandsverminderung war daher merklich die gleiche für die benutzten Metalle und entsprach nahe dem Gesammtwiderstande an den Berührungsstellen der Brücke. Die Widerstandsverminderung war eine dauernde und wurde erst beseitigt durch eine leise Erschütterung der Brücke, welche dadurch ihre Berührungspunkte mit den Leitungsdrähten zum Galvanometer veränderte. Der Betrag der Widerstandsverminde- rung oder die von den Wellen im Galvanometerkreise ausgelöste Strom- stärke zeigte unter gleichen Bedingungen eine bemerkenswerthe Con- stanz, war aber mit der Intensität «der elektrischen Erregung verän- derliceh. Sehr deutlich war die Abnahme des Ausschlages, wenn die Intensität der Schwingungen durch Vergrösserung der Entfernung zwischen Funkenstrecke und Brücke vermindert wurde. Wir bedienten uns bei den Versuchen eines ganz kleinen Inductoriums (Spule 10°" lang), welches durch ein Chromsäure-Flaschenelement erregt wurde. Die wirksame Funkenstrecke zwischen den Kugeln Nr. ı war dabei nur einige Zehntel-Millimeter lang. Für verschiedene Entfernungen fanden wir die folgenden Ablenkungen der Nadel:

1146 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 19. December.

Entfernung Ablenkung Entfernung Ablenkung Tas Sin 158 Da, 3-5 44 20.8 7 5.8 35 24.8 8 10.8 24

Die Ablenkung der Nadel durch den vollen Strom bei gutem Schluss betrug 65°.

Die Abnahme der Ablenkung, deren Bestimmung auf bis sicher sein mag, und deren Unsicherheit zumeist durch Ungenauig- keit der Ablesung und besonders durch die nicht erschütterungsfreie Aufstellung der Brücke bedingt war, tritt deutlich hervor. Weniger deutlich ist die Abhängigkeit der Wirkung von den Dimensionen des primären Leiters. So erhielten wir bei einer Versuchsreihe mit den Kugeln Nr. ı eine Ablenkung von 72°, mit den Kugeln Nr. 3 eine Ablenkung von 67°, mit den Kugeln Nr.4 eine Ablenkung von 65° (Ablenkung bei gutem Schluss 84°) und bei einem andern, wohl we- niger zuverlässigen Versuch mit den Kugeln Nr. ı eine Ablenkung von 52°, mit den Kugeln Nr. 4 eine Ablenkung von 31° (Ablenkung bei gutem Schluss 65°). Überhaupt traten stets Wirkungen hervor, so- bald sieh nur an irgend einer Stelle der Leitung vom Induetorium ein Funke bilden konnte. Wurden z.B. die Enden der vom Indueto- rium kommenden Drähte so mit einer der Kugeln in Berührung ge- bracht, dass noch ein schwacher Funke auftrat, und zwar sowohl, wenn die Zuleitungsdrähte die Kugel an den Enden eines Durchmes- sers berührten, als auch, wenn sie dieht neben einander an der Ober- fläche der Kugeln mündeten, ebenso bei Anwendung zweier etwa 4" langer Stücke eines o"”o5 dicken Platindrahts als Elektroden, so waren sehr kräftige Wirkungen erkennbar. Nur wenn die Enden der secun- dären Spirale fest mit einander verbunden waren, blieb die Nadel vollkommen bewegungslos.

Mit Bezug auf diese ausserordentliche Empfindlichkeit der Reaction bei Erregung elektrischer Schwingungen waren auch die Versuche mit einer Horrz’schen Influenzmaschine von Interesse. Sobald letztere in einem Abstande von mehreren Metern in Bewegung gesetzt wurde, bewirkten die zwischen den Bürsten überspringenden Fünkchen bereits einen kräftigen Ausschlag, noch ehe eine Entladung zwischen den Conductoren stattfinden konnte. Wurde mittels der Maschine eine Leydener Flasche geladen, so trieb der Entladungsfunke die Nadel sofort bis zum Maximalausschlag.

Besonders bei den erwähnten Versuchen über den Einfluss der Grösse der als Elektroden dienenden Kugeln auf den Betrag der Widerstandsverminderung schien eine Integration der Wellenwirkung über einen längern Zeitraum hervorzutreten. Während die Ablenkung

Wirsine u. Scaeiser: Methode zum Nachweis elektr. Schwingungen. 1147

der Nadel bei Anwendung der grossen Kugeln Nr.ı nach momentanem Stromschluss eintrat und ihre Bewegung mit grosser Energie erfolgte, schien bei den kleinen Kugeln Nr. 4 meist ein etwas längerer Strom- schluss erforderlich. um die der maximalen Widerstandsverminderung entsprechende Ablenkung zu erzielen, welche stets dadurch charak- terisirt ist, dass die Nadel bei erneuerter Erregung der Funkenstrecke unbeweglich bleibt.

Eine Resonanzwirkung zwischen Erreger und Brücke vermochten wir nicht zu erkennen. Wir schalteten bei den darauf bezüglichen Versuchen in die Leitung von der Brücke zum Galvanometer kurze, gut leitende Flüssigkeitsstrecken ein, welche die im ganzen metallischen Kreise etwa stattfindenden, dureh die vom primären Leiter ausgehenden Wellen verursachten Schwingungen von der Brücke abschliessen sollten, so dass die letztere mit den bis zu den Flüssigkeitsstreeken führenden, etwa 10° langen Drähten ein gesondertes System bildete. Der volle Strom bewirkte nun eine Ablenkung der Nadel von 14°, während die Ablenkung bei Erregung der Schwingungen mit Hülfe der Kugeln Nr. 4 ı bis 12° betrug, gleichgültig, ob als Brücke kleine, wenige Millimeter

cm

lange Stanniolblättchen oder Stahldrähte von 1ı9°o, 6°”s, ı"o Länge to) to}

gem

dienten. Auch nach Befestigung zweier 400%" grosser Stanniolblätter an den Enden eines langen Stahldrahts ergab sich die gleiche Ablenkung.

Wir möchten indessen dieses negative Ergebniss weniger dem Fehlen einer Resonanzwirkung überhaupt, als dem Umstande zu- schreiben, dass die elektrischen Schwingungen in allen Fällen noch kräftig genug waren, um die Maximalablenkung zu erzielen.

Wir untersuchten ferner die Abhängigkeit der Widerstandsver- minderung von der Grösse der im Galvanometerkreise vorhandenen elektromotorischen Kräfte. Zu diesem Zwecke bedienten wir uns einer gewöhnlichen Sinusboussole, und erhielten bei einer Entfernung von 4" zwischen primärer Funkenstrecke und Brücke die folgenden Verhältniss- zahlen der von den Wellen indueirten Stromstärke J, zur vollen Strom- stärke J, (0.01 Ampere) bei gutem Schluss:

Jo Jr:do 0.51 0.61 0.67 0.67 0.78 0.68 1.00 0.61

Das Verhältniss der Stromstärken J,:J, scheint also innerhalb weiter Grenzen ziemlich constant zu bleiben. Nur wächst bei Zunahme der elektromotorischen Kraft die Schwierigkeit den Brückendraht so lose aufzulegen, dass sich kein merklicher Strom im Kreise bilden kann. Doch gelang es uns noch bei Anwendung beträchtlich stärkerer Ströme entsprechende Wirkungen zu erhalten.

1148 Sitzung der plıysikalisch-mathematischen Classe vom 19. December.

Grosse Schwierigkeiten verursachte uns der Nachweis einer Schirm- wirkung wegen der ausserordentlichen Empfindlichkeit. Dass die von den Funken der in einem Nebenraume aufgestellten Elektrisirmaschine erregten Wellen ungeschwächt eine mehr als meterdicke Mauer durch- liefen, durfte nicht in Erstaunen setzen. Aber auch die Einführung mehrerer grosser Blechplatten in den Gang der Strahlen hatte anschei- nend nicht den geringsten Erfolg. Indessen zeigte sich, dass auch die Funkenstrecke an der Unterbrechungsstelle eines rechteckig gebogenen Eisendrahts mit Hülfe metallischer Schirme nicht ganz zum Verlöschen zu bringen war, «dass also sehr kräftige Reflexionen im Beohachtungs- 'aum stattfanden. Nebenbei bemerkt, dürfte als eine Wirkung dieser unregelmässigen Reflexionen auch die Wahrnehmung zu betrachten sein, dass die Orientirung der Brücke gegen die Funkenstrecke ohne merk- lichen Einfluss auf die Grösse der Ablenkung blieb.

Nachdem wir das Vorhandensein sehr starker Reflexionen erkannt hatten, wurde das Galvanometer mit der Brücke und dem galvani- schen Element in einen mit Stanniol überzogenen Kasten eingeschlos- sen, an dessen einer Seite sich ein kleines, mit einem feinen Draht- gitter überzogenes Fenster befand, durch welches die Bewegungen der Nadel beobachtet werden konnten. Bei geschlossenem Kasten blieb nun die Nadel vollkommen in Ruhe, obwohl sich der primäre Leiter, Kugeln Nr. 1, nur in einer Entfernung von etwa 1.o vom Kasten be- fand. Wurde aber eine Seite des Kastens ein wenig geöffnet, oder auch mit der Hand das Ende eines kurzen Kupferdrahtes durch eine kleine Öffnung in den Kasten eingeführt, der Art dass beide Enden des Drahts frei in der Luft endigten, so trat sofort ein kräftiger Aus- schlag der Nadel ein.

Wir fassen das Ergebniss unserer Versuche in den folgenden Sätzen zusammen.

Die Erregung elektrischer Wellen in einem galvanischen Strom- kreise, welcher durch metallische Leiter gleicher oder verschiedener Beschaffenheit geschlossen wird, der Art dass an den Berührungs- stellen derselben ein starker Widerstand vorhanden ist, bewirkt eine beträchtliche Verminderung dieses Widerstandes. Die Widerstands- verminderung ist eine dauernde, sie bleibt bestehen, so lange die Be- rührungsstellen der Metalle die gleichen bleiben, verschwindet aber so- fort gänzlich bei einer Veränderung der Berührungsstellen. Der unter gleichen Bedingungen constante Betrag der Widerstandsverminderung ist von der Intensität der elektrischen Erregung, wahrscheinlich inner- halb gewisser Grenzen auch von der Dauer derselben, abhängig, in ähnlicher Weise, wie die photographische Wirkung einer bestimmten

Wirsıne u. Scueiwer: Methode zum Nachweis elektr. Schwingungen. 1149

Strahlengattung ebenfalls innerhalb gewisser Grenzen durch das Pro- duet der Intensität der Bestrahlung mit der Dauer derselben gemessen wird.

Die Intensität des Stromes, welcher durch die elektrischen Schwin- gungen ausgelöst wird, wächst mit den im Galvanometerkreise vor- handenen elektromotorischen Kräften.

Bezüglich ihrer Empfindlichkeit dürfte keine der bisher zum Nach- weis der Existenz elektrischer Schwingungen dienenden Methoden mit der soeben beschriebenen verglichen werden können; aber auch be- züglich der Exactheit, mit welcher sich quantitative Messungen von Intensitätsunterschieden der Schwingungen ausführen lassen, erscheinen weitgehende Erwartungen nicht unberechtigt.

Lan zu PL 1 =

A

. © Pa fr Due Pe. RD ODE >; , ® m Bi 6 ee Kg A h Lane Iman. Re re IR Mrz Pen Lurh a Zn nt DE Ba Da ve ee NT a 110277 Are: Paar na? 2. u Ari

IRENEH

ie Tea Toy » F - - U . i 2 Si; R Pe x z M

1151

Ein Universaldrehapparat zur Untersuchung von Dünnschliffen in Flüssigkeiten.

Von C. Krem.

(Vorgetragen am 7. November [s. oben S. 997).)

Wehrend man bei rein krystallographischen Untersuchungen schon von früh an bestrebt gewesen ist', die Projeetionsmethoden anzuwenden, vermöge deren die Aufgaben im Raume in solche in der Ebene ver- wandelt werden, hat man es erst mehr in neuerer Zeit und vornehmlich bei optischen Untersuchungen angestrebt, nicht nur die Gebilde aus dem Raume möglichst allseitig zu erforschen, sondern auch die Eigen- schaften von Praeparaten in der Ebene thunlichst im Sinne der drei Dimensionen des Raumes zu ergründen.

Wie bekannt, habe ich 1891” den ersteren Weg betreten und gleichzeitig mit mir und unabhängig von mir hat Hr. von FEnorow sich in demselben Jahre der anderen Beobachtungsweise zugewandt.

Während aber die möglichst allseitige Beobachtung der Krystalle im Universaldrehapparat vorher in der vervollkommneten Weise, wie sie meine Veröffentlichung vom Jahre 1895° mittheilt. in der Minera- logie und in anderen Wissenschaften nicht geübt wurde, ist dies bei den Apparaten und zum Theil auch bei den mit denselben anzu- stellenden Untersuchungen, über die Hr. von Frporow berichtet, nicht der Fall.

Die Botaniker und Zoologen kennen schon lange Apparate‘, den neueren Drehapparaten FEporow’s im Princip völlig entsprechend, und manche Resultate sind in jenen Wissenschaften schon erlangt worden,

' F. E. Neumann, Beiträge zur Krystallonomie, 1823; S.ru. f. Punktmethode,

S.55 u.f. Kugelprojeetion, S.117 und ıı8 Linearprojection. ® ©. Kreiın, Der Universaldrehapparat ı. s. w. Diese Sitzungsberichte 1895 S.gru. f.

° Ebenda 8.92.

* Drehapparate, sehr ähnlich denen, die Hr. von Frporow anwendet, und jeden- falls im Prineip damit übereinstimmend, finden wir u. A. abgebildet und beschrieben

bei G. Varenrin, Die Untersuchung der Pflanzen- und der Thiergewebe im polarisirten

1152 Sitzung der phys.-math. Classe v. 19. Dee. Mittheilung v. 7. Nov.

die sieh mit gewissen neueren, auch hier von mir mitzutheilenden, decken.

Es soll indessen mit Erwähnung dieser Thatsachen keineswegs das Verdienst des Hrn. vox Frporow herabgesetzt werden. Es tritt vielmehr erst recht in_das hellste Licht, da die Mineralogen, trotzdem die betreffenden Instrumente und Methoden bekannt waren, sie nicht anzuwenden verstanden, und erst Hr. vox FEnorow gezeigt hat, welchen eingehenden und die wissenschaftliche Forschung vollständig umge- staltenden Gebrauch man davon machen kann.

Hr. vos Feporow hat seine Mittheilungen hauptsächlich in drei Abhandlungen niedergelegt, von denen mir die letzte erst während des Drucks dieser Arbeit zukam.

In der ersten Arbeit vom Jahre 1893' (Zeitschr. f. Krystallo- graphie B.22 S.229 u.f.) beschreibt er die (für den mineralogischen Gebrauch) neuen Instrumente und geht auf ihre Hauptbenutzungen, so zur Untersuchung der Zwillingskrystalle und der Plagioklase, ein.

In der zweiten Veröffentlichung vom Jahre 1895 (ebenda B. 24 S.602 u.f.) bespricht er die Einrichtung eines vereinfachten Instru- mentes und ein Verfahren zur Bestimmung des absoluten optischen Zeichens, wenn Mineralbruchstücke oder Schliffe vorliegen.

In der dritten Abhandlung (ebenda 1895 B.25 S.351 u. f.) wird nochmals das zu obigen Erforschungen dienende vereinfachte Instrument behandelt, in seiner Anwendungsfähigkeit erweitert und verbessert.

Im Ganzen war Hr. von Feporow in seinen beiden ersten Abhand- lungen bestrebt, die optischen Erscheinungen in Krystallplatten zu studiren, die sich beim Drehen der Vorrichtungen der Apparate in Luft kundgaben; erst in der letzten Arbeit wird ein stärker brechendes Medium (Glas von einem Brechungsverhältniss 1.747) herangezogen.

Die stark lichtbrechenden Flüssigkeiten werden zwar schon in der ersten Arbeit als nützlich erwähnt (Zeitschr. für Kryst. 1893 B. 22 S. 236), nachher wird aber ausdrücklich (ebenda 1895 B.25 S. 353) auf ihre Anwendung verzichtet. Es kommen in der Folge nun

Lichte, 1861 S.166 u.f., ferner bei ©. Näserı und S. SchwEnDENER, Das Mikroskop, 1877 S. 312. Dass mit diesen Instrumenten bereits eingehendere Untersuchungen ge- macht wurden, beweisen in letzterem Werke die Seiten 328— 330.

Auch die in dem Werke von L. Dırrer, Das Mikroskop, 1882 S. 942—966 an- gegebenen und ausgeführten Erforschungen lassen sich zum Theil kaum anders als mit einem Drehapparat ausgeführt denken, wenngleich S.945 ausdrücklich von ihm ab- gesehen wird. ‚Jedenfalls, und das ist das Wesentliche, kommen auch hier bei den optischen Untersuchungen Drehbewegungen um horizontale und verticale Axen in Be- zug auf den Mikroskoptisch mit in Betracht.

! Gewisse Theile derselben erschienen schon 1892 in TscHernar’s Min. u. petrog. Mitth. B.ı2 S. 505 u. f.

Krein: Universaldrehapparat für Dünnschliffe. 1153

Objeetträger aus dem oben erwähnten stark lichtbrechenden Glase in Betracht. darauf wird das Plättchen gelegt und auf der Unterseite der Glasplatte sowohl, als auch über dem Krystallplättchen eine halb- kugelförmige Linse aus derselben stark lichtbrechenden Glassorte an- gebracht.

Weit entfernt davon, die Vortheile dieser Methode zu unter- schätzen, noch die mit derselben und den früheren erlangten Resultate gering anzuschlagen, möchte ich mir doch die Bemerkung erlauben, dass bei Anwendung dieser Methoden in der Praxis einige Nachtheile zu Tage treten.

Dieselben sind:

ı. Alle früher gefertigten. den Forschern in grossen Mengen zu Gebote stehenden Schliffe aus älterer Zeit können, da sie auf zu grossen Objeetträgern von gewöhnlichem Glase sitzen, nicht nach der neuen Methode untersucht werden.

2. Die für die Untersuchungen nach der neuen Methode her- gestellten Schliffe lassen wegen ihrer Kleinheit wenig Detail erkennen und geben namentlich über die Structur eines Gesteins einen sehr ungenügenden Aufschluss.

3. Die immerhin recht kleinen Objectträger aus stark licht- brechendem Glase sind noch obendrein sehr theuer; so kostet ein Scheibehen von 20”” Durchmesser 14 Mark und ein rechteckiges Plättehen von 30"”" und 15"" Kantenlänge 3 Mark. Die Kosten der Dünnschliffe werden also sehr erheblich gesteigert.

Unter diesen Umständen schien es mir einem Bedürfniss zu ent- sprechen, dem Universaldrehapparat eine solche Form zu geben, dass

Fig. 1 man damit die gewöhnlichen Ge- steinsdünnschliffe' in Flüssigkeiten höherer Brechbar- keit untersuchen könne.

Der Apparat, Fig. ı und 1°, ist bei Hrn. Furss hier- selbst gefertigt und nach meinen

Angaben von Hrn. Leiss in bekannter Sorgfalt ausgeführt worden.

1 mm

Grösse der Objeetträger: 45"" und 25”" Kantenlänge. Wählt man diese Grössen zu 32" und 32" Kantenlänge, so verringern sich die Dimensionen des Dreh- apparats bedeutend,

1154 Sitzung der phys.-math. Classe v. 19. Dec. Mittheilung v. 7. Nov.

Auf einer viereckigen, in der Mitte O durehbohrten und mit einer Glasplatte wieder verschlossenen Metallplatte P erhebt sich das Flüs- sigkeitsgefäss V von 52” Höhe und 80”" oberem Durchmesser. In-

Fig. 1°. nerhalb desselben kann ein auf der Scheibe 8, deren Mitteltheil @ von Glas ist (Durch- messer des letzte- ren 53”), ruhen- der Schliff durch die Klemmen X gehalten und aus- giebigst bewegt werden.

Eine volle Um- drehung erleidet er dureh die Schraube D, die mit einer Zähnelung in die Scheibe S

eingreift, um eine verticale Axe; eine Drehung um eine horizontale Axe!, die ebenfalls eine volle, aber etwa nur bis zu 70°-75° auf jeder Seite gebrauchsfähige ist, wird durch D" vermittelt. Theilungen und Nonien, N und N', sorgen dafür, dass man die Drehungen von 5 zu 5 Minuten ablesen könne.

DasGefäss wird zu den Untersuchungen mit einer stark lichtbrechen- den Flüssigkeit gefüllt; für gewöhnliche Fälle leisten schon die Öle und Glycerin gute Dienste. Die Oberseite des Schliffs ist stets unbedeckt zu lassen, da sonst am Deckglase Totalreflexion bei den betreffenden Operationen zu befürchten ist.

Abgesehen von den von Hrn. von Frporow angegebenen Unter- suchungen, deren Wichtigkeit für die genaue Mineralbestimmung eine hervorragende ist. habe ich mich u. A.” des Universaldrehapparats bedient,’ um:

1. Die genaue Lage der Axenebene in zweiaxigen Krystallen zu ermitteln.

2, . Den Charakter der Doppelbrechung in zweiaxigen Krystallen zu bestimmen. wenn Schliffe senkrecht a oder c oder b, oder solche von annähernd einer dieser Lagen gegeben sind.

! Beide Drehungen können arretirt werden. 2 Wie man sich mit Vortheil der Methode zur Unterscheidung gewisser Mine- valien bedienen könne, wird einer meiner Schüler demnächst zeigen.

! Bei allen Drehbewegungen muss das direct auf das Instrument fallende Tages-

licht abgehalten werden, da sonst durch Reflexe Aufhellungen störender Art eintreten.

Kreis: Universaldrehapparat für Dünnschlifte. 1155 1. Bestimmung der Lage der Axenebene.

In den meisten Fällen erfolgt diese Bestimmung in einfacher Weise und nach bekannten Methoden. Wenn aber die Schliffe sehr dünn sind und daneben schwache Doppelbrechung stattfindet, so kann es zweifelhaft bleiben. ob man in Schliffen, senkrecht zur ersten Mittellinie, diejenigen Barren vor sich hat, die die Axenpunkte durch- setzen oder die dazu senkrechten'.

In solehen Fällen, in denen die Erscheinungen sich der deut- lichen Wahrnehmung und Unterscheidung entziehen, empfiehlt es sich das folgende empfindliche Verfahren anzuwenden.

Man bringe den Schliff auf den Drehapparat, klemme ihn fest und stelle mit der Horizontalscheibe zwischen gekreuzten Nicols auf Dunkel ein. Alsdann bewege man mit der Drehung um die horizon- tale Axe, die selbst mit der Richtung vorn-hinten oder rechts-links zusammenfällt, und sehe. ob die den optischen Axen entspre- ehenden Aufhellungsstellen erscheinen oder sich erst bei dem um 90° gedrehten Schliff zeigen.” Man findet dann entweder in der ersten Lage oder in der zweiten die optischen Axen.

Wenn nicht zu schwach doppelbrechende (oder zu dünne) Schlifte vorliegen, können die optischen Axen auch, nach Umwandlung des Mikroskops, im eonvergenten Lichte bestätigt werden.

Hat man Grund zu der Annahme, dass die Axen in Luft nieht austreten, so ist in einem stärker brechenden Medium, eventuell in einem solehen ähnlicher Brechbarkeit, zu untersuchen.

Ebenfalls recht empfindlich, vielleicht noch empfindlicher, ist die folgende Methode.

Man stelle gekreuzte Nicols her und nehme den Schliff in Dia- gonalstellung. Wird nun um die ebenfalls unter 45° befindliche hori-

' Vergl. C. Kreis, Optische Studien an Granat,. Vesuvian und Pennin, diese

Sitzungsberichte 1894 S. 743, Fussnote.

® Vergl. E. Karkowsky, Zeitschr. f. Kryst. 1884 B.9 S.486 u. f. und €. Kreis, diese Sitzungsberichte 1891 S. 439.

®° Diese Untersuchungsmethode ist schon bei ©. Nägerı und S. SchwExpEnxer, Das Mikroskop, 1877 S. 329 und 330 zum Theil angegeben. Es heisst dort S. 330:

»Eine planplane Platte, welche parallel der mittleren Axe geschnitten ist, muss folglich beim Drehen um diese Axe zweimal in eine solche Lage kommen, dass die von unten einfallenden Strahlen sie in der Richtung einer optischen Axe durchsetzen; sie muss sich alsdann wie ein einfach brechendes Medium verhalten und bei gekreuzten Nicols schwarz erscheinen.«

Diese Untersuchung setzt voraus, dass sich die Platte in diagonaler Stellung zu den gekreuzten Nicols befindet und dass auch die Drehaxe b unter 45° zu den- selben steht.

Die Erscheinungen werden in Annäherung eintreten, wie gefordert. In Strenge kann diess nicht stattfinden, da die theoretischen Voraussetzungen nicht genau erfüllt sind (vergl. E. vox Feporow a. a. U. 1893 B.22 5.233).

1156 Sitzung der phys.-math. Classe v. 19. Dee. Mittheilung v. 7. Nov.

zontale Axe gedreht, so fallen die Farben des Praeparates bis zur an- nähernden Dunkelheit (Stellen der Axen) und steigen dann wieder, wenn noch weiter gedreht wird.

Schaltet man ein Gypsblättehen vom Roth I. Ordnung ein, so wird dessen Farbe zunächst durch die zu untersuchende Platte ge- ändert, ist aber wieder erreicht. wenn die annähernde Dunkelheit und damit die Stelle der optischen Axe erlangt ist.

Was also der Schliff in der Normalstellung und im eonvergenten Lichte vielleicht nicht deutlich zeigen würde (Aufhellungen, Axen- barren), spielt sich hier sehr empfindlich an der Abtönung des Gyps- blättchens ab und kann gut erkannt werden.

2. Bestimmung des Charakters der Doppelbreehung.

Für den Fall, dass ein Schliff vorliegt, der genau oder annähernd parallel der Axenebene ist, wird man denselben an der für das be- treffende Mineral stärksten Doppelbrechung erkennen.

Hr. von Frporow hat in seiner zweiten Abhandlung (Zeitschr. f. Kryst. B.24 1895 S. 604) angegeben, wie zu verfahren ist, um in einem solchen Falle das Zeichen der Doppelbrechung zu bestimmen.

Mit unserem Apparat arbeiten wir, wie folgt:

Sei durch Fig. 2 der Schliff gegeben, so stelle man die horizon- tale Drehaxe von links nach rechts, gehe mit dem Schliff zur Dunkel-

stellung über und lasse eine Elastieitätsaxe', z. B. a, Fig. 2. "7

von vorn nach hinten ziehen, die andere, also hier c, von links nach rechts sich erstreeken. Alsdann drehe man mit D', Fig. 1, um c möglichst ausgiebig. so dass die Ebene der Axen ac annähernd vertical steht. Nun- l - mehr lasse man die Platte, mit der Scheibe D in Be- wegung gesetzt, rotiren, bis die den Axen entspre-

N

chenden Stellen der Aufhellung sich zeigen.

Ist diese Position in einem Falle erreicht, so stelle man mit D' die Platte wieder horizontal und ermittele durch Tischdrehung den Winkel besagter Position zur Axe a. Ist der Winkel von der optischen Axe zu a klein (unter 45°), so ist der Krystall negativ, ist er gross, so wird letzterer als positiv erkannt.

Selbstverständlich kann man auch bei gekreuzten Nicols mit dia- gonal gestellten Axen a und c und ebenso gestellter Drehaxe operiren.

! Man muss natürlich vorher in der Plattenebene, wo es sich nur um grösste oder kleinste Elastieitätsaxen handelt, die Lage von a und c bestimmt haben.

Krein: Universaldrehapparat für Dünnschliffe. 1157

Man erhält dann die optischen Axen durch die Stellen stärkster Ver- dunkelung und verfährt wie oben.

Die Methode eignet sich mehr für kleine und grosse. nicht für mittlere Axenwinkel (Grenzen 75°-105°), da in den letzteren Fällen die Aufhellungen in den Diagonalstellungen mit den Axenlagen zu- sammenfallen und ohne Weiteres nicht zu unterscheiden sind. Wendet ınan aber, was man bei dünnen Platten stark doppelbreehender Mine- ralien immer noch mit Erfolg kann, eonvergentes Licht an, so wird ınan, namentlich wenn man nach der von mir angegebenen Methode der Umwandlung des Mikroskops arbeitet. in manchen Fällen noch Resultate erzielen können.

Sollen indessen nieht diese Schliffe allein. sondern auch die senk- recht a und die senkrecht c nebst den entsprechenden angenäherten

Lagen zur Beobachtung dienen, so wird es gut sein, zugleich auch ein

Fig. 3.

Verfahren kennen zu lernen. um sie einzeln von einander zu unterscheiden.

a. Die Schliffe senkrecht a. Fig. 3. haben in b die mittlere Elastieitätsaxenrichtung.

Wird um b gedreht, so stellt sich, senkrecht dazu und abfallend von a, zunächst ein mittlerer Werth b (und mit ihm die optische Axe) und da- nach ein kleinerer Werth. an c erinnernd, ein.

Dagegen lässt eine Drehung um c in der Ebene ab stets einen Werth aufkommen. der grösser

als c ist.

Ist man von der Ausgangsstellung der Fig. 3 ausgegangen und hat c in die Diagonalstellung gebracht und von vorn links nach hinten rechts verlaufen lassen, wie die kleinere Elasticitätsaxe MM' im Gyps- blättchen vom Roth I. Ordnung, so musste, da b in der Plattenebene die grössere, c die kleinere Elastieitätsaxenrichtung war, die Farbe steigen. War durch Drehen um b die Richtung c= b geworden, so musste in der Diagonalstellung die ursprüngliche Farbe des Gypsblätt- chens wiederhergestellt werden, um zu fallen. wenn durch wei- teres Drehen a in die Lage von c kam. denn in letzterem Falle stellte nun b die kleinere Axe in der Ebene gegenüber a dar.

Dagegen ändert eine Drehung um c für das Verhältniss zwischen klein und gross nichts. da stets normal zu c ein Werth sich einstellt. der grösser als c ist.

An dem Winkel, den die optische Axe gegen die Plattennormale macht (Untersuchung in einem stärker brechenden Medium vorbehalten). kann man sehen, ob die zur Platte normale Axe a erste oder zweite Mittellinie ist. und an den Veränderungen, die das Plättehen in Dia-

Sitzungsberichte 1895. 105

1158 Sitzung der phys.-math. Classe v. 19. Dee. Mittheilung v. 7. Nov.

eonalstellung unter dem Gypsblättehen vom Roth I. Ordnung erfährt, erkennen, welchen Charakter die in der Plattenebene liegende, der Axen- ebene angehörige Axe (hier c) besitzt.

Ferner kann man aber auch sagen: bei der Horizontallage des Blättehens. der Stellung von 45° zwischen gekreuzten Nicols und unter dem Gypsblättchen vom Roth I. Ordnung war die lange Ausdehnung der Platte, Fig. 3. grössere Elastieitätsaxe, die kurze kleinere. Nachı Drehung über den Wendepunkt (optische Axe) hinaus schlug diess Ver- hältniss um: die lange Ausdehnung wurde kleinere, die kurze grössere Elastieitätsaxe. Dieses Umschlagen und sein Charakter! deuten also darauf hin, dass parallel der kurzen Kante die Axenebene liegt und der Charakter der auf der Platte normal stehenden Mittellinie negativ ist, wie der Charakter der in der Plattenebene liegenden Mittellinie positiv war.

Haben die Schliffe nieht die geforderte Lage und weichen sie von der senkreehten Position zur Elastieitätsaxe (hier a) ab. so wird man eventuell doch die Spur des Einschnitts der Axenebene zu den Umgrenzungen der Platte und die Winkel bestimmen können, die die Axen einzeln zur Plattennormale machen. Hieraus lässt sich ein Sehluss auf die Lage der Platte gegen die Elastieitätsaxen des Kry- stalls ziehen, so dass auch schiefe Schnitte noch verwertlibar sind.

Es ist bei diesen Untersuchungen selbstverständlich, dass man den Einfluss in Rechnung ziehen muss, den die Doppelbrechung der Platte erfährt. wenn das Lieht sie schief durchsetzt”, und weiterhin müssen am Instrument einheitliche Linsen vorhanden sein und nicht solehe, die schon an und für sich Polarisationswirkungen ausüben‘.

b. Mit den Schliffen senkrecht zu c, Fig. 4. und ihren angenähert entsprechenden Lagen kommt man bei Drehung um b auf die der nun- mehrigen Lage entsprechenden Resultate und findet Qualität und Cha- rakter der Mittellinie c.

! Da die lange Ausdehnung der kurzen gegenüber bald grössere, bald kleinere Elastieitätsaxe ist, so kann sie in Wahrheit nur der mittleren Elastieitätsaxe entsprechen, die diese Rolle gegenüber der kleinen und der grossen Elastieitätsaxe spielt.

2 Vergl. E. von Frnorow, a.a. OÖ. 1893 B.22 S.234.

3 Auf diesen Umstand und seinen schädlichen Einfluss habe ich schon in meiner Arbeit über den Granat, diese Sitzungsberichte 1894 S.747 Fussnote, aufmerksam gemacht.

Den störenden Einfluss stark gespannter Linsen kann man, abgesehen vom Lockeren der Fassungen und der Linsen in denselben, schwer gänzlich aufheben, da ein Theil der störenden Wirkung in Differenzen der Substanz der Linsen zu suchen ist. Am besten ist es, solche fehlerhaften Objeetive zu verwerfen. Geringere Schäden kann ınan dadurch aufheben, dass man die mit Zangenverschluss angebrachten Öbjeetive in der Horizontalebene dreht, bis sie für ihre Erscheinungen die Normalstellung erreichen; sie wirken dann viel weniger schädlich, als wenn sie sich in Diagonalstellung befinden.

Krein: Universaldrehapparat für Dünnschliffe. 1159

ce. Dagegen ergeben die Schliffe senkrecht zu b Fig. 5, und die entsprechenden ähnlichen Lagen weder mit Rücksicht auf das Auf-

treten von Axenpunkten —— wie Fig. 4. Fig. 5. natürlich ein Resultat, noch L ändern sich in ihnen die Rich-

tungen der relativ grössten und kleinsten Elastieität. wenn um a (wobei senkrecht dazu stets eine Riehtung kleinerer Elastieität bleibt) oder um c (wobei senk- recht dazu stets eine Richtung

erösserer Elastieität sich einstellt)

gedreht wird.

Diese Schliffe sind danach nach der zu Eingang erwähnten von Frporow’'schen Methode zu untersuchen.

So wird überhaupt die eine Methode die andere ergänzen können und fördernd eingreifen, wenn eine versagt. Wir haben nach den Angaben des Hrn. von FEporow gesehen, dass seine Methode bei Schlifl- lagen parallel der Axenebene dann nicht mehr gut zum Ziele führt, wenn der innere Axenwinkel um 90° ist; bei der unserigen hat das Gesichtsfeld schliesslich auch eine Grenze, und wenn auch die Glas- platte @ auf‘ dem Drehtisch es gestattet, bei recht schiefen Stellungen noch durehzusehen. so wird doch die Leistung bei Winkeln von über 150° aufhören.

Ausgegeben am 9. Januar 1896.

a

un2! ee B i Be aa

r Al, un “ri Be Me | aIEL nt Be 5

IR a as en 3 ri u, reg TR WE AR Te Veh ii klertmuch RN

. 4 Er.

ef u ul da Bun! ä F da £

us Kir rat.

ic ee: i HA . ß 2 > mia y NATLE a HN 3 Su R = nr A . le KEN? ar are a

u rule i | ar el re NR

Sr 2 N u

Na, B 3 | , e

TR ar } URN x u ey u

T -

4 %

R =

-

Be ) r - Ace 4 u = an; us 1% 6 } F s 2 r

“1161

849.

Lin.

SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN.

19. December. Sitzung der philosophisch -historischen Classe.

Vorsitzender Seeretar: Hr. VAuLeEn.

Hr. Prrnıice las "über den verbrecherischen Vorsatz im

römisch-griechischen Rechte.

Ausgegeben am 9. Januar 1896.

Sirzungsberichte 1895. 106

1163

VERZEICHNISS DER EINGEGANGENEN DRUCKSCHRIFTEN.

(Die Schriften, bei denen kein Format angegeben ist, sind in Oetav. Die mit * bezeichneten Schriften sind mit Unterstützung der Akademie erschienen, die mit f bezeichneten durch Ankauf erworben.)

Leopoldina. Amtliches Organ der Kais. Leop. Carol. Deutschen Akademie der Naturforscher. Heft 31. N. 1— 24. Halle 1895. 4.

Abhandlungen der math.-phys. Classe der Kgl. Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Bd. 18. Abth.3. Der historischen Olasse. Bd. 21. Abth. 1. München 1895. 4. Sitzungsberichte der math.-phys. Classe der Kgl. Bayerischen Akademie der Wissenschaften zu München. 1894. Heft4. 1895. Heft 1.2. Der philos.-philol. und der histor.

Classe. 1894. Heft3. 1895.-Heft 1—3. München 1894/95.

Nachrichten von der Kgl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Philol.-hist. Classe. 1894. Heft 4. Math.-phys. Classe. 1895. Heft 1—4. Geschäftliche Mittheilungen. 1895. Heft 1.2. Göttingen 1895. ;

Abhandlungen der math.-phys. Classe der Kgl. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften. Bd. 21. N. 3—6. Bd. 22. N. 1—6. Der philol.-hist. Olasse. Bd. 15. N. 2—4. Leipzig 1895. 4.

Berichte über die Verhandlungen der Kygl. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig. Philol.-hist. Classe. Bd.46. 1894. II. 1895. I. II. Math.-phys. Olasse. 1894. III. 1895. I—IV. Leipzig 1865.

Abhandlungen der Kgl. Preussischen Geologischen Landesanstalt. N. F. Heft 16 mit Atlas in Fol. Heft 17 mit Atlas in 4. Heft 19 mit Atlas in Fol. Berlin 1895.

Preussische Statistik. Herausgegeben vom Kgl. Statistischen Bureau in Berlin. N. 125. 131.135. Berlin 1895. 4.

Zeitschrift des Kyl. Preussischen Statistischen Bureaus. Jahrg. 34. 1894. Vierteljahrsheft 4. Jahrg. 35. 1895. Vierteljahrsheft 1—3. Berlin 1894. 95. 4.

Die Fortschritte der Physik im Jahre 1893. Dargestellt von der Physikalischen Gesell- schaft zu Berlin. Jahrg. 49. Abth. 1—3. Jahrg. 50. Abth.1. Jahrg. 45. Abth. 3. Berlin 1895.

Jahrbuch über die Fortschritte der Mathematik. Bd. 24. Jahrg. 1892. Berlin 1895.

"Journal für die reine und angewandte Mathematik. Gegründet von A. L. Crerrr 1826. Bd. 115. Heft 1—4. Berlin 1895. 4.

Berichte der Deutschen chemischen Gesellschaft. Jahrg. 27. N.19. Jahrg. 28. N. 1—4. 6— 18. Berlin 1895.

Landwirthschaftliche Jahrbücher. Bd.23. Ergänzungsband 4. Bd.24. Heft 1—6. Ergänzungs- band 1 u.2. Berlin 1895.

Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen im Preussischen Staate. Bd. 52. Heft5 nebst Atlas; 2.3. statistische Lief. Berlin 1894. Bd. 43. Heft 1—4. Mit einem Atlas. (Heft 1—4). 1. statistische Lief. Berlin 1895. 4 u. fol.

Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft. Bd. 46. Heft3.4. Bd.47. Heft 1.2. Berlin 1894. 95.

Sitzungsberichte 1895. 107

1164 Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften.

Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. Festsitzung zur Feier ihres 25 jährigen Bestehens am 17. Nov. 1894. Berlin 1894.

‚Jahresbericht des Direktors des Kgl. Geodätischen Instituts für die Zeit vom April 1894 bis April 1895. Berlin 1895.

Das Kgl. Preussische Geodätische Institut. Aus amtlichem Anlass herausgegeben von F. R. Hermerr. Berlin 1890.

Veröffentlichungen des Kgl. Preussischen Greodätischen Instituts. Astronomisch - geodätische Arbeiten I. Ordnung. Berlin 1895. 4.

Verhandlungen der vom 5.— 12. September 1894 in Innsbruck abgehaltenen Conferenz der ‚permanenten Commission der Internationalen Erdmessung. Berlin 1895. 4.

Bericht über die Thätigkeit des Kygl. Preussischen Meteorologischen Instituts im Jahre 1894. Berlin 1895.

Veröffentlichungen des Kgl. Preussischen Meteorologischen Instituts. Ergebnisse der Gewitterbeobachtungen im Jahre 1891. Berlin 1895. 2. Ergebnisse der Beobachtungen an den Stationen II. und III. Ordnung im Jahre 1891. Berlin 1895. 2. Ergebnisse der Meteorologischen Beobachtungen in Potsdam im Jahre 1893. Berlin 1895. 4. Er- gebnisse der Niederschlagsbeobachtungen im Jahre 1893. Berlin 1895. 4.

Publicationen des Astrophysikalischen Observatoriums zu Potsdam. Bd.7. Th.2. Bd. 10. Potsdam 1895. 4.

Nuntiaturberichte aus Deutschland nebst ergänzenden Actenstücken. Abth. 4. 17. Jalırg. Berlin 1895.

Die Kriege Frıeprıca's des Grossen. Th.2. Der 2. schlesische Krieg 1744/45. Heraus- gegeben vom Grossen Generalstabe. Bd. 1. Böhmen 1744. Bd. 2. Hohenfriedberg. Bd. 3. Soor und Kesselsdorf. Berlin 1895.

#*Commentaria in Aristotelem Graeca edita consilio et auctoritate Academiae litterarum Reg. Borussicae. Vol. IV. p.IV: Ammonius in Aristotelis categorias commentarius ed. AporLr Busse. Berolini 1895.

#Corpus inscriplionum Etruscarum administrante Danıersox ed. Carorus Paurı. [Fase. II—IV.] Lipsiae (1895).

Monumenta Germaniae historica. Epistolarum Tom.ll. P.l11. Gregorü Registri. L.X—XIV. Epistolarum Tom. IV. Karolini aeri Il. Berolini 1895. 4. Auctorum antiquissimorum Tom. XII. P.H. Chronica minora saec. IV. V. VI. VII ed. Ta. Mousse. Vol. Ill. Fasc. 2. Berolini 1895. 4. Scriptorum qui vernacula lingua usi sunt Tom.I. P.11. Hannoverae 1895. 4.

Scriptores rerum germanicarum in usum scholarum ec Mon. Germ. hist. recusi. Annales regni Francorum et annales Q. D. Einhardi. Post editionem Per'rzu rec. Frıp. Kurze. Hannoverae 1895.

Jahrbuch des Kais. Deutschen Archaeologischen Instituts. Bd.9. Bd. 10. Heft 1—3. Berlin 1894/95. 4.

Mittheilungen des Kais. Deutschen Archaeologischen Instituts. Römische Abtheilung. Bd. IX. Fasc. 4. Bd. X. Fase. 1.2. Rom 1895.

Mittheilungen des Kais. Deutschen Archaeologischen Instituts. Athenische Abtheilung. Bd. XIX. Heft 1—4. Athen 1894. Bd. XX. Heft 1.2. Atlıen 1895.

®Etruskische Spiegel. Herausgegeben von Epvarn GerHarn. Bd.5. Im Auftrage des Kais. deutschen archaeologischen Instituts bearbeitet von A. Krücmann und G. Körte. Heft 12u. 13. Berlin 1895. 4. 2 Ex.

Architektonische Studien. Von S. A. Iwanorr. Mit Erläuterungen von Aus. Mau. Heraus- gegeben vom Kais. Deutschen Archaeologischen-Institut. Berlin. 2. u. 4.

Zeitschrift für afrikanische und oceanische Sprachen. Jahrg. 1. Heft 2—4. Berlin 1595.

Mittheilungen aus der Zoologischen Station zu Neapel. Bd.11. Heft4. Bd. 12. Heft1. Berlin 18595.

Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. 1165

Wissenschaftliche Abhandlungen der Physikalisch-technischen Reichsanstalt. Bd.2. Berlin 1895.

Die Thätigkeit der Physikalisch-technischen Reichsanstalt in der Zeit vom 1. März 1894 bis 1. April 1895. (Mittheilung aus der Physikalisch-technischen Reichsanstalt.) Sep.-Abdr.

Wissenschaftliche Abhandlungen der Kais. Normal- Aichungs- Commission. (Fortsetzung der Metronomischen Beiträge). Heft 1. Berlin 1895.

Übersicht über die Geschäftsthätigkeit der Aichungsbehörden während des Jahres 1894. Herausgegeben von der Kais. Normal- Aichungs-Commission. Berlin 1895. 4.

Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. Jahrg. 17. Hamburg 1894. 4.

Ergebnisse der meteorologischen Beobachtungen. Herausgegeben von der Direktion der Deutschen Seewarte. Jahrg. 16. Hamburg 1394. 4.

Deutsche Seewarte. Resultate meteorologischer Beobachtungen von deutschen und holländischen Schiffen für Eingradfelder des Nordatlantischen Oceans. Quadrat 78. N. 14. Hamburg 1894. 4. Tabellarische Wetterberichte. Jahrg. 19. 1894. N. 305 —365. Jahrg. 20. N.1— 365. Hamburg. 2.

17. Jahresbericht über die Thätigkeit der Deutschen Seewarte für das Jahr 1894. Beiheft 1 zu den »Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie«. Hamburg 1895.

Beobachtungen der Meteorologischen Station der Kais. Marine in Wilhelmshaven. Heraus- gegeben von dem Kais. Observatorium zu Wilhelmshaven. Theil l. Berlin 1895. 4.

Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums. Jahrg. 1894. Nürnberg 1894.

Mittheilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum. Jahrg. 1894. Nürnberg 1893.

Germanisches Museum. Katalog der Holzstöcke vom 15.— 18. Jahrh. Th. 2: 17. u. 18. Jahrh. Nürnberg 1894.

Catalog der Astronomischen Gesellschaft. Abth. 1. Catalog der Sterne bis zur 9. Grösse zwischen 80° nördlicher und südlicher Declination für das Aegquinoctium 1895. 10. Stück. Zone +20° bis +25°, beobachtet auf der Sternwarte Berlin. Leipzig 1895. 4.

Vierteljahrschrift der Astronomischen Gesellschaft. Jahrg.29. Heft 3.4. Jahrg. 30. Heft 1—3. Leipzig 1895.

Zeitschrift der Deutschen morgenländischen Gesellschaft. Bd. 48. Heft4. Bd. 49. Heft 1—3. Leipzig 1895.

Schriften der physikalisch-ökonomischen Gesellschaft zu Königsberg i. Pr. Jahrg. 35. Königs- berg 1895. 4.

72. Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. |Nebst] Ergänzungs- heft. Breslau 1895.

Verhandlungen des Botanischen Vereins der Provinz Brandenburg. Jahrg.36. 1894. Berlin 1895.

Helios. Abhandlungen aus dem Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. Organ des natur- - wissenschaftlichen Vereins des Regierungsbezirks Frankfurt. Jahrg. 12. N. 7—9. 1894. N. 10—12. 1895. Jahrg. 13. N. 1—6. Frankfurt a.0. 1894/95.

Societatum Läitterae. Verzeichniss der in den Publicationen der Akademien aller Län- der erscheinenden Einzelarbeiten. Jahrg. 8. N.10—12. 1894. Jahrg. 9. N.1—9. Frankfurt a. O.

Neues Lausitzisches Magazin. Bd. 71. Heft 1. 2. Görlitz 1895.

Mittheilungen aus dem Naturwissenschaftlichen Verein für Neu-Vorpommern und Rügen in Greifswald. Jahrg. 1894. Berlin 1895.

Ergebnisse der Beobachtungsstationen an den deutschen Küsten über die physikalischen Eigen- schaften der Ostsee und Nordsee und der Fischerei. Jahrg. 1893. Heft 1—12. Kiel und Leipzig 1895. 4.

Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde. Bd. 20. Heft 2 u. 3. Bd. 21. Heft 1. Hannover und Leipzig 1895.

107*

1166 Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften.

Mittheilungen des deutschen Seefischereivereins. Bd. 11. Nr.1—12. Nebst Beilage Nr. 5. Hannover 1895.

Astronomische Nachrichten. Bd. 137. N.3265—3288. Bd.138. N.3289—3312. Kiel1895. 4.

Astronomische Mittheilungen von der Kgl. Sternwarte zu Göttingen. ‘Th. 4. Göttingen 1395.

Das zweihundertjährige Jubiläum der Universität Halle- Wittenberg. Festbericht erstattet von W. Beyscuras. Halle 1895. 4.

Verzeichniss der auf der Friedrichs-Universität Halle- Wittenberg im Winterhalbjahr A zu haltenden Vorlesungen. Halle 1895.

Jahrbücher der Kgl. Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt. N. F. Heft 21. Erfurt 1895.

Abhandlungen und Bericht 40 des Vereins für Naturkunde zu Kassel über das Vereinsjahr 1894/95. Kassel 1895.

Bericht der Wetterauischen Gesellschaft für die gesammte Naturkunde zu Hanau a. M., über den Zeitraum vom 1. December 1892 bis 31. April 1895. Hanau 1895.

Abhandlungen, herausgegeben von der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft. Bd. 18. Heft 3.4. Bd. 19. Heft 1. Frankfurt a. M. 1895. 4.

Bericht über die Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft in Frankfurt a. M. Frank- furt a. M. 1895.

Jahresbericht des Physikalischen Vereins zu Frankfurt a. M. für das Rechnungsjahr 1893/94. Frankfurt a. M. 1895.

Verhandlungen des naturhistorischen Vereins der preussischen Rheinlande. Jahrg. 51. 52. 1. Hälfte. Bonn 1894/95.

Sitzungsberichte der Niederrheinischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde zu Bonn. 1895. 1. Hälfte. Bonn 1895.

Bonner Jahrbücher. Jahrbücher des Vereins von Alterthumsforschern im Rheinlande. Heft 96 u. 97. Bonn 1895.

Veröffentlichungen der Kgl. Sternwarte zu Bonn. N.1. Bonn 1895. 4.

Bericht über die Thätigkeit im Kgl. Sächsischen meteorologischen Institut auf das Jahr 1893. Chemnitz 1894. 4.

Jahrbuch des Kgl. Sächsischen meteorologischen Instituts 1894. Jahrg. 12. 1. Hälfte (Abth. 1 u.2). Ergebnisse der meteorologischen Beobachtungen im Jahre 1893. Chemnitz 1895. 4.

Amtliche Publicationen des Kgl. Sächsischen Meteorologischen Instituts. Das Klima des Königreichs Sachsen. Heft 3. Chemnitz 1895. 4.

Vorläufige Mittheilung der Beobachtungsergebnisse von 12 Stationen II. Ordnung in Sachsen. Januar November 1394. Wissensch. Beibl. der Leipziger Zeitung.

tHedwigia. Organ für Kryptogamenkunde. Bd. 34. 1895. Heft 1—6. Dresden 1895.

Zeitschrift für Naturwissenschaften. Bd. 67. Heft 6. Bd. 68. Heft1.2. Leipzig 1894.

2, Jahresbericht des Instituts für Rumänische Sprache (Rumänisches Seminar) zu Leipzig. Leipzig 1895.

Mittheilungen der Geschichts- und Alterthumsforschenden Gesellschaft des Osterlandes. Bd. 10. Heft 4. Altenburg 1895.

Jahrbuch der Hamburgischen wissenschaftlichen Anstalten. Jahrg. 11. 1893. [Nebst] Beiheft. Jahrg. 12. 1894. Hamburg 1894/95.

Mittheilungen aus dem Naturhistorischen Museum in Hamburg. Jahrg. 12. 1894. (Beiheft zum Jahrbuch der Hamburgischen wissenschaftl. Anstalten.) Hamburg 1895. Naturhistorisches Museum zu Hamburg. Bericht des Directors für das Jahr 1883—37.

N. 1—11. Hamburg 1884 94.

Mittheilungen der Mathematischen Gesellschaft in Hamburg. Bd. 3. Heft 5. Hamburg

1895.

Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. 1167

Abhandlungen, herausgegeben vom Naturwissenschaftlichen Vereine zu Bremen. Bd. 13. Heft 2. Bremen 1895.

Beiträge zur nordwestdeutschen Volks- und Landeskunde. Herausgegeben vom Natur- wissenschaftlichen Verein zu Bremen. Heft 1. Bremen 1895.

Meteorologische Station 1. Ordnung in Bremen. Ergebnisse der Meteorologischen Beobachtungen 1894. (Jahrg. 5.) Bremen 1895. 4.

Geognostische Jahreshefte. Jahrg. 7. 1894. Herausgegeben von der geognostischen Ab- theilung des Kgl. Bayerischen Oberbergamtes in München. München.

Sitzungsberichte der physikalisch- medicinischen Gesellschaft zu Würzburg. Jahrg. 1894. N. 1—10. Würzburg 1895.

Verhandlungen der physikalisch-medieinischen Gesellschaft zu Würzburg. N.F. Bd. 28. 1894. Würzburg 1895.

Der historische Verein von Unterfranken und Aschaffenburg in seinem 60jährigen Bestehen. Von Tn. Hexnser. Würzburg 1895.

Sitzungsberichte der physikalisch-medieinischen Societät in Erlangen. Heft 26. 1894. Er- langen 1895.

Hochschul- Nachrichten. W.S. 1895/96. N. 53— 62. (München 1895.) 4.

Verhandlungen des historischen Vereins der Oberpfalz und Regensburg. Bd.47. Regens- burg 1895.

Jahresheft des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg. Jahrg. 51. Stuttgart 1895.

Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. N.F. Jahrg. 3. 1894. Heft 1—4. Stuttgart.

Neue Heidelberger Jahrbücher. Herausgegeben von dem hist.-philos. Vereine zu Heidel- berg. Jahrg. 4. Heft2. Jahrg. 5. Heft 1 u.2. Heidelberg 1895.

Berichte der Naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i. Br. Bd.9. Heft 1—3. Freiburg i. Br. 1894.

Zeitschrift der Gesellschaft für Beförderung der Geschichts-, Alterthums- und Volkskunde von Freiburg, dem Breisgau und den angrenzenden Landschaften. Bd.11. Freiburg i.Br. 1894.

30. Bericht der Oberhessischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde. Giessen 1895.

Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften im Unter- Elsass. Monatsbericht. Bd. 28. 1894. N.9 u. 10. Bd. 29. 1895. N. 1—10. Strassburg.

Ergebnisse der meteorologischen Beobachtungen im Reichsland Elsass - Lothringen im Jahre 1893. Strassburg 1895. 4.

Die Kais. Universitäts- und Landesbibliothek in Strassburg. Festschrift zur Einweihung des neuen Bibliothekgebäudes. Von S. Hausmann. Strassburg 1895.

Katalog der Kais. Universitäts- und Landesbibliothek in Strassburg. Elsass - Lothringische Handschriften und Handzeichnungen bearbeitet von K. A. Barack. Strassburg 1895.

Mittheilungen der Naturhistorischen Gesellschaft in Colmar. N.F. Bd. 2. Jahrg. 1891—94. Colmar 1894.

17. Jahresbericht des Vereins für Erdkunde zu Metz für das Vereinsjahr 1894/95. Metz 1395.

Beınsrein, F. Handbuch der organischen Chemie. 3. Aufl. Lief.41—57. Bd. II. Lief. 16—32. Hamburg u. Leipzig 1895.

Bovemann, Eovarn. Die Lersnız-Handschriften der Kgl. öffentlichen Bibliothek zu Hannover. Hannover u. Leipzig 1895.

Breuer, Orro. Beiträge zur Geographie der deutschen Mundarten in Form einer Kritik von Wenker's Sprachatlas des deutschen Reiches. Leipzig 1895. = Sammlung kurzer Grammatiken deutscher Mundarten. Bd. 3.

Comznıvs’ Werke. Bd.1. Des J. A. Conenxıvs’ Entwurf der umgestalteten Naturkunde. Herausgegeben, übersetzt und erläutert von Jos. REser. Giessen 1896.

1168 Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften.

®=Eimer, G. H. Tueovor. Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Schmetterlingen. Th. II. Eine systematische Darstellung der Abänderungen der schwalbenschwanz- ähnlichen Formen der Gattung Papilio. Unter Mitwirkung von K. Fıckerr. Jena 1895. 4. 2 Ex.

®Ergebnisse der Plankton - Expedition der Humboldt- Stiftung. Bd.1l. B. Methodik der Untersuchungen. Von Vıcror Hensen. Bd.U. E.a. C. Die Thaliacea. C. Ver- theilung der Doliolen. Von A. Borcerr. Bd.Il F. d. Die Gastropoden. Von

Heınr. Sınrorn. Bd. Il. G. c. Isopoden, Cumaceen und Stomapoden. Von H. J. Hansen. Bd.1I. H.c. Die pelagischen Phyllodociden und Typhloscoleciden. Von Jon. Reızısch. Bd.Il. H.g. Die Turbellaria acoela. Von Lupw. Bönnıs. Kiel

und Leipzig 1895. 4 (je 2 Ex.).

#Hıs, WırueLm. Die anatomische Nomenclatur. Nomina anatomica eingeleitet von —. Leipzig 1895. Dasselbe. Sep.-Abdr. aus dem »Archiv für Anatomie und Phy- siologie«. Suppl.-Bd. 1895.

#=Jaun, G. Sibawaihis' Buch über die Grammatik übersetzt und erklärt. Bd.1. Hälfte 1u.2. Berlin 1895. 2 Ex.

#=Jusrı, Ferpınann. Jranisches Namenbuch. Marburg 1895. 4. 2 Ex.

#=KeıgEeL, Franz. 1. Studien zur Entwickelungsgeschichte des Schweines. 2. Die Entwicke- lung des Mesoblast beim Schaf. 1894. 2 Sep.-Abdr.

#=Krerann, H. Beobachtungen über Pleurocladia lacustris A. Br. 1895. Sep.-Abdr.

®Lınpau, Gustav. Lichenologische Untersuchungen. Heft 1. Über Wachsthum und An- heftungsweise der Rindenflechten. Dresden 1895. 4. 2 Ex.

#MÖLLER, Atrrep. Brasilianische Pilzblumen. (Botanische Mittheilungen aus den Tropen. Heft 7.) Jena 1895.

. Protobasidiomyceten. Untersuchungen aus Brasilien (Botanische Mit-

theilungen aus den Tropen. Heft 8.) Jena 1895.

Perser, J., W. JAEGER und E. Gunmricn. Herstellung und Untersuchung der Quecksüber- Normalthermometer. (Mittheilungen aus der Physikalisch - technischen Reichs- anstalt. Abth. 1.) 1895. Sep.- Abdr.

®Reseur-Pascawirz, E. von. Horizontalpendel- Beobachtungen auf der Kgl. Universitäts- Sternwarte zu Strassburg 1392— 94. 1895. Sep.-Abd.

®SPEINMEYER, Erıas. Die althochdeutschen Glossen. Gesammelt und bearbeitet von und Eopvaro Sıevers. Bd. 3. Berlin 1895. 2 Ex.

#TASCHENBERG, O. Bibliotheca zoologica. 11. Lief. 13. Leipzig 1895. 2 Ex.

#WEIERSTRASS, Kar. Mathematische Werke. Bd. 11. Abhandlungen II. Berlin 1895. 4. 2 Ex.

=WEIGAND, Gustav. Die Aromunen, ethnographisch -philologisch- historische Untersuchungen über das Volk der sogen. Makedo- Romanen oder Zinzaren. Bd.1. Land und Leute. Leipzig 1895.

#=Wırr, Lupwıc. Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Reptilien. 1. 11. Sep.-Abdr.

tJacor Grimm und Wırsern Grium. Deutsches Wörterbuch. Fortgesetzt von M. Heyne. Bd. 9. Lief.4u.5. Bd.4. Abth. 1. 2. Hälfte. Bd. 12. Lief. 6. Leipzig 1895.

Kırcunorr, Avotr. Thukydides und sein Urkundenmaterial. Ein Beitrag zur Entstehungs- geschichte seinesWerkes. Gesammelte akademische Abhandlungen von—. Berlin 1895.

Fresenius, ©. Renicıus. Anleitung zur quantitativen chemischen Analyse. 16. neu be- arbeitete und verbesserte Auflage. Braunschweig 1895.

Körniker, von. Über den Fornix longus von Forrr und die Riechstrahlungen im Gehirn des Kaninchens. 1894. Sep.-Abdr. Kritik der Hypothesen von Rasr-RÜckHARD und Duvvaz über amoeboide Bewegungen der Neurodendren. 1895. Sep.-Abdr. Zum ‚feineren Bau des Zwischengehirns und der Regio hypothalamica. 1895. Sep.-Abdr.

Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. 1169

Lermann, S. Franz Borr, sein Leben und seine Wissenschaft. 2. Hälfte. Berlin 1895.

Rosesgusch, H. Mikroskopische Physiographie der Mineralien und Gesteine. Bd.2. 1. Hälfte. 3. verm. u. verb. Aufl. Stuttgart 1895.

EnGeruAaror, B. pe. Observations astronomiques. Troisieme Partie. Dresde 1895. 4.

Forrsrer, F. Über die Bestimmung des Kohlenstoffes im Eisen. 1895. Sep.-Abdr.

Grawow. Versuch einer Deutung der gotischen Sprachreste in dem Epigramm: »De ser- vando medico«. Sep.-Abdr.

GrÜrzmacHER, Fr. Reduktion der Angaben von (Quecksilberthermometern aus Jenaer Glas 59141 und 12211, sowie aus Resistenzglas auf das Luftthermometer. 1895. Sep.-Abdr.

Heinen, Heinrıen, Ascidiae agyregatae und ascidiae compositae von der Insel Menorca. Inaugural-Dissertation. Sep.-Abdr. Jena 1893.

Hering, ©. A. Das Entwicklungsgesetz der Erde und die Erzlagerstätten. Eine Studie. (Dresden) 1895.

Horrzmans, Anour. Das Mahabharata und seine Theile. [1.] Zur Geschichte und Kritik des Mahabharata. Kiel 1892. 2Ex. *Bd.4. Das Mahabharata im Osten und Westen. Kiel 1895. 2 Ex.

Kornıke, F. Nordamerikanische Hydrachniden. Bremen 1895. Sep.-Abdr.

Lirsewrmar, Enız. Über die Abhängigkeit der Hefnerlampe und der Pentanlampe von der Beschaffenheit der umgebenden Luft. 1895. Sep.-Abdr.

Lircmrenstein, F. Franc von. Vorrichtung zum Schleifen genauer Kugeln. 1895. Sep.-Abdr.

Lossen, Max. Die Lehre vom Tyrannenmord in der christlichen Zeit. Festrede. München 1894.

Maurke, A. Über die Bestimmung der Skala von hochgradigen Quecksilber - Thermometern aus ‚Jenaer Borosilikatglas 591. 1895. Sep.-Abdr.

Merver, A.B. Abbildungen von Vogelskeletten. Lief. 19—21. Berlin 1894. 4.

Mürrter, Davınp HeisrıcH. Ezechiel- Studien. Berlin 1895.

Mürrer, Hans. Friedrich I. von Preussen und die Kunst. Rede. Berlin 1895.

Mvrıvs, F., und ©. From. Versuche zur Herstellung von reinem Zink. 1895. Sep.-Abdr.

OLıvıer, Jurıus von. Was ist Raum, Zeit, Bewegung, Masse? Was ist die Erscheinungswelt? München 1895. 2 Ex.

Seneer, Karı. Prüfung eines Sprung - Fuess’schen Laufgewichtsbarographen neuester Con- struction. 1895. Sep.-Abdr.

Scureiser, Paur.. Über registrirende Regenmesser und Pegel. Chemnitz 1895. 4. Sep.-Abdr.

Sıapy, A. Das Gesetz von der Erhaltung der Energie und seine Bedeutung für die Technik. Berlin 1895.

Warver, B. Die Oberflächen- oder Schillerfarben. Braunschweig 1895.

Westpuar, A. Untersuchungen über den selbstregistrirenden Universalpegel zu Swinemünde, System Seibt- Fuess. 1895. Sep.-Abdr.

Anzeiger der Kais. Akademie der Wissenschaften in Wien. Jahrg. 1895. N. 10—18. Sitzung der philos.- hist. Classe. N. 10—18. Sitzung der math.-naturw. Classe. Wien 1395.

Almanach der Kais. Akademie der Wissenschaften. Jahrg. 44. 1894. Wien.

Denkschriften der Kais. Akademie der Wissenschaften in Wien. Math. -naturw. Classe. Bd. 21. Philos.- hist. Classe. Bd. 44. Wien 1895. 4.

Sitzungsberichte der Kais. Akademie der Wissenschaften. Math.-naturw. Classe. Bd. 103. Abth. 1. 1894. N.4—10. Abth.IIa. 1894. N.6—10. Abth. Ib. 1894. N. 4—10. Abth. III. 1895. N.5—10. Wien 1894. Philos. -hist. Classe. Bd. 131. 1. IV. VI. Wien 1894. Bd. 132. I—IX. XI. XIII. Wien 1894/95.

Die attischen Grabreliefs. Herausgegeben im Auftrage der Kais. Akademie der Wissen- schaften zu Wien. Lief. 7. Textbogen 23—25. Taf. 151— 75. Berlin 1895. 2.

1170 Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften.

Jahrbuch der K.K. Geologischen Reichsanstalt. Jahrg.1894. Bd. 44. Heft 2—4. Jahrg. 1895. Bd. 45. Heft 1. Wien 1894/95. 4.

Abhandlungen der K. K. Geologischen Reichsanstalt. N. 1—13. Wien 1895.

Jahrbücher der K._K. Central-Anstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus. Jahrg. 1892. N.F. Bd. 29. Wien. 4.

Mittheilungen der K. K. Central- Commission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale. Bd. 21. Heft 2—4. N.F. 1895. Wien und Leipzig. 4. Astronomische Arbeiten der Österreichischen Gradmessungs-Commission. Bestimmung der Polhöhe auf der Station: Spieglitzer Schneeberg, Hoher Schneeberg und Wetrnik.

Wien 1895. 4.

Relative Schwerebestimmungen durch Pendelbeobachtungen. Ausgeführt durch die K. K. Kriegs-Marine 1892—94. Herausgegeben vom K. K. Reichs - Kriegsministerium, Marine-Section. Wien 1895.

Verhandlungen der K. K. Zoologisch- botanischen Gesellschaft in Wien. Bd. 45. Jahrg. 1895. Heft 1— 10.

Archiv für Österreichische Geschichte. Bd.21. 2. Hälfte. Wien 1895.

Fontes rerum austriacarum. Österreichische Geschichts- Quellen. Herausgegeben von der Historischen Commission der Kais. Akademie der Wissenschaften in Wien. Abth. 2. Diplomata et acta. 47. Bd. 2. Hälfte. Wien 1894.

Mittheilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien. Bd.24. Bd.25. Heft 1—3. Wien 1894/95. 4.

Mittheilungen der K. K. Geographischen Gesellschaft in Wien. 1894. Bd. 37. Wien 1894.

Mittheilungen der Section für Naturkunde des Österreichischen Touristen-Club. Jahrg. 7. N. 1—12. Wien 1895. 4.

Schriften des Vereines zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse in Wien. Bd. 35. Vereinsjahr 1894/95. Wien 1895.

53. Jahresbericht des Museums Francisco- Carolinum. [Nebst der] 47. Lief. der Beiträge zur Landeskunde von Österreich ob der Enns. Linz 1895.

Jahresbericht der Kol. Böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften für das Jahr 1894. Prag 1895.

Sitzungsberichte der Kgl. Böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften. Math.-naturw. Classe. 1894. (lasse für Philosophie, Geschichte und Philologie. 1894. Prag 1895. Mittheilung N. 3—5 der Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und

Litteratur in Böhmen. Prag. [1895.]

Übersicht über die Leistungen der Deutschen Böhmens auf dem Gebiete der Wissenschaft und Kunst im Jahre 1893. Herausgegeben von der Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft in Böhmen. Prag 1895.

Magnetische und meteorologische Beobachtungen an der K.K. Sternwarte zu Prag im Jahre 1894. Jahrg. 55. 4.

Verhandlungen des Naturforschenden Vereines in Brimn. Bd.32. 1893. Bd. 33. 1894. Brünn 1894/95. f

Bericht der meteorologischen Commission des Natunforschenden Vereins in Brünn. Ergeb- nisse der meteorologischen Beobachtungen von 1892—94. Brünn 1895.

83. Jahresbericht des Steiermärkischen Landesmuseums Joanneum über das Jahr 1894. Graz 1895.

Mittheilungen des Historischen Vereines für Steiermark. Heft 43. Graz 1895.

Vorlese-Ordnung an der K. K. Karl- Franzens- Universität in Graz für das S. S. 1895. Graz. 4.

Festschrift zur Feier der Schlusssteinlegung des neuen Hauptgebäudes der Grazer Universität am 4. Juni des Jahres 1895. Graz 1895.

m m Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. alzal

Jahrbuch des Naturhistorischen Landes- Museums von Kärnten. Heft 23. Jahrg. 61 u. 62. Klagenfurt 1895.

Naturhistorisches Landesmuseum von Kärnten. Diagramme der magnetischen und meteoro- logischen Beobachtungen zu Klagenfurt. Witterungsjahr 1894. Dec. 1893 Nov. 1894. Klagenfurt. 4.

Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg. 3. Folge. Heft 39. Innsbruck

1895.

Archivio Trentino pubbl. della direzione della biblioteca di Trento. Anno 12. Fasc. 1. Trento 1895.

Atti del Museo civico di storia naturale di Trieste. IX. Trieste 1395.

Jahresbericht des Vereins für Siebenbürgische Landeskunde für das Vereinsjahr 1894/95. Hermannstadt 1895.

Archiv desVereins für Siebenbürgische Landeskunde. N.F. Bd.26. Heft 3. Hermannstadt 1895.

Verhandlungen und Mittheilungen des Siebenbürgischen Vereins für Naturwissenschaften zu Hermannstadt. Jahrg. 44. Hermannstadt 1895.

Monumenta conciliorum generalium seculi decimi quinti. Coneilium Basileense. Sceriptorum Tomi tertii pars 3. Vindobonae 1895. 4.

Bibliotheca patrum latinarum Britannica. Die Bibliotheken der englischen Kathedralen. Bearbeitet von Heısrıcn ScuenkL. Bd.3. Abth. 1. (3600—4063). Wien 1894. BEER, Avorr. Die Staatsschulden und die Ordnung des Staatshaushaltes unter Maria Theresia. 1.

Wien 1894. Sep.-Abdr.

Beer, Runporr. Handschriftenschätze Spaniens. Bericht über eine im Auftrag der Kais. Akademie der Wissenschaften in den Jahren 1886—88 durchgeführte Forschungs- reise. Wien 1894. Sep.-Abdr.

Ersen, Wırnerm. Die Frage der Heranziehung des Deutschen Ordens zur Vertheidigung der Ungarischen Grenze. Wien 1894. Sep.-Abdr.

ErtınGHausen, Consran’ın, Freiherr von. Beiträge zur Kenntniss der Kreideflora Austra- liens. Wien 1895. 4. Sepr.-Abdr.

Grisar, H. Prof. ä l’univ. d’Innsbruck. Un pretendu tresor sacre des premiers siecles. Trad. de l’allemand par J. Verrer. Rome 1895. 4. j

HasEnxönrL, Vıcror. Deutschlands südöstliche Marken im 10., 11. und 12. Jahrhundert. Wien 1895. Sep.-Abdr.

Huser, Arrons. Studien über die Correspondenz der Generale Gallas, Aldringen und Piecolomini im Februar 1634. Wien 1894. Sep.-Abdr.

Kaınpr, Raımunn Friedrich. Studien zu den Ungarischen Geschichtsquellen. 3 u.4. Wien 1895. Sep. -Abdr.

Krones, Franz von. Beiträge zur Städte- und Rechtsgeschichte Oberungarns. Wien 1894. Sep. - Abdr.

LARTSCHNEIDER, Joser. Die Steissbeinmuskeln des Menschen und ihre Beziehungen zum M. levator ani und zur Beckenfascie. Eine vergleichende anatomische Studie. Wien 1895. 4. Sep.-Abdr.

Loserru, Jonann. Beiträge zur Geschichte der Hussitischen Bewegung. Gleichzeitige Berichte und Actenstücke zur Ausbreitung des Wiclifismus in Böhmen und Mähren von 1410—1419. Wien 1895. Sep. -Abdr.

—, J). Sigmar und Bernhard von Kremsmünster. Kritische Studien zu den Ge- schichtsquellen von Kremsmünster im 13. u. 14. Jahrhundert. Wien 1894. Sep.- Abdr.

Maıonica, Enrico. Studi Aqulejesi. Trieste 1895. Sep. -Abdr.

—_—, Bibliografia. Joser# Wırrert, die altchristlichen Inschriften Aquileja's. Estr. dall’ Archeografo Triestino. Vol. 20. 1895.

MarcHzserrı, Carro. Scavi nella necropoli di S. Lucia presso Tolmino (1885 92). Trieste 1893.

1172 Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften.

Mazenne, Epvarn. Beziehungen zwischen den mittleren und wahrscheinlichsten Werthen der Lufttemperatur. Wien 1895. 4. Sep.- Abdr.

Mürrer, Davın Heimricn. Die Propheten in ihrer ursprünglichen Form. Die Grundgesetze der ursemitischen Poesie. Bd. 1. Prologomena und Epilogomena. Bd 2. Hebräische und arabische Texte. Wien 1896.

Der Ombrograph, System Iszkowski. Wien 1893. Sep.-Abdr.

Sırper, R. Versuche über das magnetische Verhalten des Eisens bei verschiedener Inanspruch- nahme desselben. Vortrag. Wien 1895. Sep.- Abdr.

Scnvcnaror, Huco. Über das Georgische. Wien 1895. 4.

Sind unsere Personennamen übersetzbar? Graz 1895.

ScHLEMÜLLER, Wıruern. Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Schalles in einem theore- tischen Gase. Beweis auf Grund der dynamischen Gastheorie. Wien. [1895.]

Srossıich, MıcHAELE. I distomi dei rettili. Trieste 1895. Estr.

- -. Notizie elmintologiche. (Tav. IV—V].) Trieste 1895. Estr. Anzeiger der Akademie der Wissenschaften in Krakau. 1895. Jan. bis Nov. Krakau. Werenka, Danıer. Topographie der Bukowina zur Zeit ihrer Erwerbung durch Öster-

reich (1774—1785). Czernowitz 1895.

Mag. Tud. Akademiei Almanach. 1894/95. Budapest.

Rapport sur Vactivit de " Academie Hongroise des sciences en 1893/94. Presente par le Seeretaire general C. Szı.y. Budapest 1894/95.

Mathematische und naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn. Bd. XI. Hälfte 1. °1893. Hälfte 2. 1894. Bd. XII. Hälfte 1.2. 1895. Berlin. Budapest. 1893—95.

Mittheilungen aus dem Jahrbuch der K'gl. Ungarischen Geologischen Anstalt. Bd.9. 7.(Schluss-) Heft. Budapest 1895.

Erläuterungen zur geologischen Specialkarte der Länder der Ungarischen Krone. Heraus- gegeben von der Kgl. Ungarischen Geologischen Anstalt. Umgebung von Mar- ımaros-Sziget. Budapest 1894.

Földany Közlöny. Geologische Mittheilungen. Zeitschrift der Ungarischen Geologischen Gesellschaft. Kötet XXV. Füzet I—5. Budapest 1895.

Ungarische Revue. 1895. Heft 1—5. Budapest 1895.

Monumenta Hungariae historica. Class. ll. Vol. 33. Budapest 1894.

Monumenta comitialia regni Transylvaniae. \01.16.17. = Monumenta Hungariae historica. Budapest 1893/94.

A Mag. Tud. Akad. törtenelmi bizottsäganak oklevelmdsolatai. Masodik füzet. Budapest 1894.

Meteorologiai Megfigyelesek. Meteorologische Beobachtungen auf dem astrophysikalischen Observatorium zu Hereny im Jahre 1891. Herausgegeben von E. von GorHarn. Budapest 1894. 4.

Archaeologiai Ertesitö. Uj folyam. Kötet XIII. Szam 3—5. 1893. Kötet XIV. Szam1—5. 1894. Kötet XV. Szam 1—3. 1895. Budapest 1893—95.

Archaeologiai Közlemenyek. Kötet XVII. Budapest 1895. 4.

Mathematikai es termeszettudomanyi Ertesitö. Kötet XI. Füzet 6-9. 1893. Kötet XII. Füzet 1—12. 1894. Kötet XIII. Füzet 1.2. 1895. Budapest 1893—95.

Mathematikai es termeszettudomanyi Közlemenyek. Kötet NXV. Szam4.5. 1894. Kötet XXVI. Szam 1. 1894. Budapest 1894.

Ertekezesek a mathematikai tudomanyok köreböl. Kötet XV. Szam 4. 5. Budapest 1894/95.

Ertekezesek a nyelv-es szeptudomanyok köreböl. Kötet XVI. Szam 4.5. Budapest 1894.

Ertekezesek a tarsadalmi tudomanyok köreböl. Kötet XI. Szam 7.8. 1894. Szam 9. 10. 1895. Budapest 1894/95.

Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. DI73

Ertekezösek a termeszet-tudomanyok köreböl. Kötet 23. Szam 3—8. 1893. Szam 9—12. 1894. Budapest 1894/95.

Ertekezesek a törteneti tudomanyok köreböl. Kötet XVI. Szam 2. 1893. Szam 3. 1894. Szam 4.5. 1895. Budapest 1893—95.

Termeszettudomanyi Könyvkiado-vallalat. A. M. Tud. Akademia segitkezesevel kiadja. A. K. M. Termeszttudomanyi tarsulat 50—54. Budapest 1893—95.

Nyelvtudomanyi Közlemenyek. Kötet XXIII. Füzet 3.4. 1893. Kötet XXIV. Füzet 1—4. 1894. Kötet XXV. Füzet 1.2. 1895. Budapest 1893 95.

A Pozsonyi orvos-termeszettudomänyi egyesület Közlemenyei. 1892/93. U/j folyam. VII. Füzet. Pozsony 1894.

Budapest szekes fövaros statistikai hivatalanak Közlemenyei. Publicationen des statistischen Bureaus der Haupt- und Residenzstadt Budapest. XXV.2. Berlin 1895.

Magyarorszagi tanulok külföldön. Vol.3. Regestrum Bursae Hungarorum Cracoviensis 1493— 1558 ... [ed.] Dr. Schraur KArory. Budapest 1893.

Masodik nemzetközi madartani congressus. Budapest 1891. Zweiter internationaler ornitho- logischer Congress. Budapest 1891. A madarvonulas elemei magyarorszayban 1891. Die Elemente des Vogelzuges in Ungarn bis 1891. Mit einer Über- sichtskarte, 4 Detail-Karten und 4 Tabellen verfasst von Oro Hermann. Buda- pest 1895. 4.

Maparasz, Jurius v. Erläuterungen zu den aus Anlass des II. Internationalen Ornitho- logen-Congress zu Budapest veranstalteten Ausstellung der Ungarischen Vogelfreunde.

AcsApy, Isnacz. Ket penzügytörtenelmi tanulmany. Budapest 1894.

Csanskı, Dezsö. Magyarorszdg törtenelmi földrajza a Hunyadiak koraban. Geschichtliche Geographie Ungarns im 15. Jahrhundert. 11. Kötet. Budapest 1894.

Üzöster, Arasos. Fizikai egysegek. A Kir. magyar T’ermeszettudomänyi tärsulat megbi zasaböl. Ket Keppel. Budapest 1891.

Dapvay, Jenö. Rovartani müszotar. A leirö rovartan legfontosabb müszavainak fogla- latja. Budapest 1894.

. Uypridicola parasitica, nov. gen. nov. sp. Egy üj rotatoria. Budapest 1893. Sep.-Abdr. 2

Fırarszky, Nanpor. A charafelek (Characeae L. C#. Rıcnarnd). Különös tekintettel a magyarorzägi fajokra. Die Characeen (Characeae L. CH. RıcHArD). Mit beson- derer Rücksicht auf die in Ungarn beobachteten Arten. A. Kir. Magyar Termes- zettudomanyi tarsulattöl. Budapest 1893. 4.

Frarnör, Vırmos. Mätyds kiraly levelei. Külügyi osztäly. Elvö kötet. 1458—1479. Budapest 1893.

Gerrrner, ALBERT. Szenelemzesek különös tekintettel. A magyaroszägi szenekre. Bida- pest 1895. 4.

Hauer, Jözser. A regibb közepkor emlekei magyarhonban. Vol.1. Budapest 1894.

Hesyroxy, Kanos. A szel iranya a magyar szent Korona orszägaiban a barometeralläs es az esö czimü függelekkel. Über die Windrichtung in den Ländern der Ungarischen Krone nebst einem Anhang über Barometerstand und Regen. Budapest. 1894. 4.

JarLonowskı, Jözser. A szölö betegsegei Es ellensegei. Budapest 1895.

ÜUuvzEer, Corn. et Lan. Kurczynskı. Araneae Hungariae secundum collectiones a Leone BEcKER pro parte perserutatas conscriptae. T.I. T.U. 1. Budapest 1892—94. Irosvay Lasos. A torjai büdös-barlang levegöjenek chemiai es fizikai vizsgalata. A Kir.

M. Terıneszettudomanyi Tarsulat megbizäsäböl. Budapest 1895.

Kırary, JAnos. Possony varos joga a közepkorban. Budapest 1894. Meyer, GorrnoLp ALFRED. Szent Simon ezüst koporsoja Zäraban. Der silberne Sarg des heiligen Simon in Zara. Budapest 1894. gr. 4.

1174 Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften.

MunxrAczı BernAr. A votjak nyelv szotara. Votjakisches Wörterbuch. Fasc. 3. Buda- pest 1893.

Perrovirs Istvan. A homoki szölök telepitese es müvelese. Eredeti megfig. es gyakorl. tapaszt. alapjan. Tizenket raizzai. Budapest 1894.

Sınonyı, Zsısmonpd. A magyar hatarozok. (11. 2). Budapest 1895.

Szı.y CoLoman €s HELLER Acosr. Georgios de Hungaria Arithmetikaja 1499-böl. Buda- pest 1894.

Tesräs GABor. Ujabb adalelok az aldunai zuhatagok sziklafelirataihoz. Neuere Beiträge zu den Felseninschriften der Stromschnellen der unteren Donau. Budapest 1394.

Tuary, Kirmän. Bercsenyi hazassädga. Budapest 1894.

Zornar, Gyura. Nyelvemlekeink a könyvnyomtatas koraig. Budapest 1894.

Ljetopis jugoslavenske akademije znanosti i umjetnosti za godinu 1894. IX svez. Zagebru 1895.

Rad jugoslavenske akademije znanosti i umjetnosti. Knjiga 117”—122. U Zagrebu 1894/95.

Starohrvatska Prosvjeta GodI. Br.2. U Kninu 1895.

Philosophical Transactions of the Royal Society of London for the year 1894. Vol. 185. P.1. A.B. P.1I. A.B. London 1895.

The Royal Society, 30th Nov. 1894. London 1895.

Proceedings of the Royal Society. Vol. 57. N. 340— 345. Vol. 58. N. 346— 352. London 1395.

Proceedings of the Royal Institution of Great Britain. Vol. 14. P.2. N. 88. London 1895.

Royal Institution of Great Britain. List of the members, officers and professors 1894. London 1894.

Report of the 64! meeting of the British Association for the Advancement of Science, Oxford, August 1894. London 1894.

Monthly Notices of the R. Astronomical Society. V01.55. N.2—9. Vol.56. N.1—2. London 1895.

Astronomical and magnetical and meteorological observations made at the Royal Observatory, Greenwich, in the year 1892. London 1894. 4.

Proceedings of the London Mathematical Society. N. 495 508. 518—532. London 1894,

The Quarterly Journal of the Geological Society. Vol. 51. Part 2—4. N. 201 204. London 1895.

Geological literature added to the Geological Society's library during the half-year ended Dec. 1894. London 1895.

Journal of the R. Microscopical Society. 1395. P.2—6. London.

Journal of the Chemical Society. N. 386—397. London 1895.

Proceedings of the Chemical Society. Vol.IX. N. 118—130. 1893. N. 131—144. 1894. N. 150— 157. 1894/95. London 1895.

A list of the Officers and Fellows of the Chemical Society. Corrected to April 1895. Lon- don 1895. -

Charter and By-laws of the Chemical Society. London 1895.

The Journal of the Linnean Society. Vol.30. Botany N. 209. 1894. N. 210 214, 1895. Vol 25. Zoology N. 158—160. 1894. London.

Transactions of the Linnean Society of London. Ser.2. Botany. Vol.IV. P.2—3. 1894. Vol. V. P.1—2. 1895. Ser. 2. Zoology. Vol.6. P.3. 1894. London. 4.

Proceedings of the Linnean Society of London. From Nov. 1893 to June 1394. London 1895.

List of the Linnean Society of London. 1894/95. London 1894.

Transactions of the Zoological Society of London. Vol. XIII. P. 10—11. London 1895. 4.

nu ee ee ee ei ee en ee ee ee ee ee ee

re

Zu 39 20 2 ZZ a eu

- . ein Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. 1175

Proceedings of the Zoological Society of London for the year 1895. Part.1. 2. London.

Proceedings of the General meetings ‚for scientific business of the Zoological Society of London Jor 1894. P.1IV. April 1895. For 1895. P.1. II. June 1895. London.

Catalogue of the Fishes in the British Museum. Ed. 2. Vol.1. London 1895.

Catalogue descriptive of the spiders of Panama, based upon the collection made by Eugene W. OAres and preserved in the British Museum, by T. Taorerr. London 1892.

Report of the Scientific results of the Voyage of H. M. S. Challenger 1872—76. A summary of the scientific results. P. 1 (with appendices). P.2. London 1895. 4.

*Annals and Magazine of Natural History. Ser.6. Vol.15. N.85—90. Ser. 6. Vol. 16. N. 91— 96. London 1895.

The Geographical Journal. Vol.V. N. 1—6. Vol.VI. N.1—6. London 1895.

The Kew Observatory, Richmond, Surrey. Report of the incorporated Kew Committee for the year ending Dec. 31, 1894. [From the Proceedings of the R. Society, 1895.] London 1894.

Catalogue of the Sanscrit Manuscripts in the Library of the India Office. P.4. Sanserit Literature by Ernsr Wisoisch and Jurivs Esserins. London 1894. 4.

The Sanskrit Oritical Journal of the Oriental Nobility Institute. Vol. XXIV. Febr. N.2. May N.5.6. June N.7.8. Woking 1895.

Proceedings of the Cambridge Philosophical Society. Vol.8. P.4.5. Cambridge 1895.

Proceedings of the Birmingham Natural History and Philosophical Society. Vol. IX. P.1. Session 1394. Birmingham 1894.

Memoirs and Proceedings of the Manchester Literary and Philosophical Society 1894/95. Ser. 4. Vol.9. N. 1—6. Manchester.

Report of the Manchester Museum, Owen’s College, from October 1890 to 318! Dec. 1894. Manchester 1895.

The Manchester Museum, Owen’s College. Museum handbooks. Catalogue of the Hadfield Colleetion of shells from the Loyalty Islands. Handy guide to the Museum. A catalogue of the books and pamphlets in the library by Wırrıam E. Hoyre. Manchester 1895.

Studies in Biology from the biological department of the Owen’s College. Vol. 3. Man- chester 1895.

Proceedings and Transactions of the Liverpool Biological Society. Vol. 9. Session 1894/95. Liverpool 1895.

Proceedings of the Royal Society of Edinburgh. Sessions 1892/93, 1893/94 and 1894/95. Vol. 20. (Pp. 305— 384.) Sessions 1890/91 and 1894/95. (Pp. 385 480.)

Transactions of the R. Irish Academy. Vol. 30. Part 15—17. Dublin 1895. 4.

Proceedings of the R. Irish Academy. Ser. IIl. Vol.3. N.4. Dublin 1895.

FaAırman, Enwarn Sr. Joun. An electric flash on the Egyptian (Question; its cause and origin. London 1894. 2 Ex.

Lemoise, Emıwe. Etude sur le triangle et sur les certains points de geometrographie. (Pro- ceedings of the Edinburgh Math. Society. Vol. 13. 1894/95.)

Wırpe, Henry. On the evidence afforded by Bode's Law of a permanent contraction of the Radii Vectores of the Planetary Orbits. Manchester 1895. Sep.-Abdr.

——, On the Multiple Proportions of the Atomic Weights of elementary substances in relation to the unit of Hydrogen. Manchester 1895. Sep.-Abdr.'

Cayrey, Arınur. Collected Mathematical papers. Vol.8. Cambridge 1895. 4.

Wınn, J.M. An exposition of the fallacies of the materialistic theory of physiological psycho- logy. London 1894.

1176 Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften.

Journal of the Asiatic Society of Bengal. N.S. Vol. 61. Part.I. Extra No. 1892. 1895. Vo01.63. Part.1. N. 1—4. 1894. Vol.63. Part.I. Title Page and Index. Vol. 64. Part. I. N.1.2. 1895. Vol. 64. Part. II. N. 1.2. 1895. Calcutta.

Proceedings of the Asiatie Society of Bengal. N. 10. Dee. 1894. N. 1—8. Jan.—Aug. 1895. Caleutta 1894/95.

Archological Survey of India. New imperial series. Vol. 22. The Bower manusecript. Facsimile leaves. P.II. Fasc. 2. Calcutta 1895. 2.

Annual progress report of the Archaeological Survey eircle, North-western Provinces and Oudh, Jor the year ending 30'% June 1894. Roorkee. 4.

Report of the Director of the Botanical Survey of India for the year 1894/95. |Caleutta 1895.] 4.

Records of the Geological Survey of India. Vol. 28. P. 1—4. 1895. Calcutta.

Notices of Sanskrit Manuscripts. Vol. XI. Caleutta 1895.

Report on the search for Sanscrit Manuscripts in the Bombay Resideney during the years 1884/85, 1885/86 and 1886/87. Bombay 1894.

Epigraphia Indica. P.V.VI. (Vol. 111.) Nov. 1894. P.VIl. (Vol. 111.) March 1895. P. 1. (Vol. IV.) Sept. 1895. Caleutta. 4.

Bibliotheca Indica. N.S. N. 750. 751. 756. 762. 769. 778. 784. 791. 797. 804. The index of the Maasir-ul-umara. Vol. 3. Fase. 11.12. Caleutta 1895. N.S. N. 950—59. Caleutta 1894/95.

Figures and deseriptions of nine species of Squillide from the collection in the Indian Mu- seum. By James Woop-Mason. Caleutta 1895. 4.

Indian Meteorological Memoirs. Being occasional discussions of meteorological data re- lating to India and the neighbouring countries- Vol. 7. P.1. Pressure. P. 2. Tempe- rature observations. 4. Caleutta.

Madras Government Museum. Bulletin N.3. Madras 1895.

University of Madras. The Calendar for 1895/96. Vol. 1.2.

Lavır, Syanp Munanman. History of the Panjab. Lahore 1895.

Proceedings and Transactions of the Royal Society of Canada for 1894. Vol. 12. Ottawa 1893. 4.

The Canadian Record of Science. Vo1.6. N.1.2. 1894. Montreal 1894.

Geological Survey of Canada. GEoRGE M. Dawson. Director. Palxozoie fossils. Vol. III. p-1I. Maps 379—90 Nova Scotia N.25—36. Maps 550—51 Nova Scotia N. 37—38. Maps of the prineipal auriferous cereeks in the Cariboo Mining distriet, British Columbia. Sheet N. 11. S.W. Nova Seotia. Eastern Townships map. Quebec.

North-east quarter sheet. Rainy River sheet. Ontario. Ottawa 1895. Geological Survey of Canada. Aurrep R. ©. Serwyn, Direetor. Annual Report. N.S. Vol.6. 1892/93. Ottawa 1895.

The University of Toronto. Quarterly. Vol. 1. N. 1.2. Toronto 1895.

Institute of Jamaica. Jamaica in 1395, a handbook of information for intending settlers and others. Kingston 1895.

Results of Meridian Observations of stars made at the R. Observatory, Cape of Good Hope, /rom 1885 Aug. to 1887 Dec. London 1894. 4.

Catalogue of 1713 stars for the equinox 1885.0. From observations made at the R. Observatory, Cape of Good Hope, during the years 1579 to 1885. London 1894. 4.

Report of Her Majesty's Astronomer at the Cape of Good Hope to the Secretary of the Admirality for the year 1894. London 1895. 4.

Journal and Proceedings of the Royal Society of New South Wales 1894. Vol. 28. Sydney.

Records of the Australian Museum. Vol.1I. N.6. Sydney 1895.

Australian Museum. Report of Trustees for the year 1894. Sydney 1894/95. 4.

nl u El a A m U lud ul DU UL Lu Zn 0 u a

Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. alz7

Proceedings of the Royal Society of Vietoria. Vol.7. (N.S.) Melbourne 1895.

Annual Report of the Secretary for Mines. Year 1894. Vietoria 1895. 4.

Transactions of the Royal Society of South Australia. Vol.19. P.I. Adelaide 1895.

Liversivee. DBoleite, Nantokite, Keragyrite and Cuprite from Broken Hill, N. S. Wales. [Sydney 1894.]

Comptes rendus hebdomadaires des seances de l Academie des Sciences. 1895. T. 120.121. Tables. 2. sem. 1894. (T. 119). Tables. Premier sem. 1895. (T. 120). Tables alpha- betiques. Juill.—Dee. 1894. Paris. 4.

tAcademie des Inscriptions et Belles-lettres. Comptes rendus des scances de l’annee 1895. Ser. IV. T.23. Bulletin de Janv.— Oct. Paris 1895.

!Annales de Chimie et de Physique. Ser. VII. 1895. T. 4—6. Paris 1895.

Annales des Ponts et Chaussees. Me&moires et documents. 1895. Ser. VII. Annee5. Cah. 1—10. Paris 1895.

Annales des Ponts et Chaussees. Personel. Paris 1895.

Annales des Mines. Ser. IX. T.6. Livr. 9—11 de 1894. Paris 1894. T.7. Livr. 1—6 de 1895. T.8. Livr. 7—11 de 1895. Paris 1895.

Bulletin du Museum d’histoire naturelle. Anne 1895. N. 1—7. Paris 1895. -

Nowvelles Archives du Museum d'histoire naturelle. Ser.3. T.5. Paris 1893. T.6. Paris 1594. 4.

Centenaire de la fondation du Museum d’histoire naturelle. 10 Juin 1793— 10 Juin 1893.

Volume commemoratif publie par les professeurs du Museum d’histoire naturelle. Paris 1893. 4.

Memoires de la Societe zoologique de France pour lannee 1894. T. VII. Premiere partie. Feuilles 1a 8. Planches. Paris.

Bulletin de la Societe Linneenne. Ser. 1V. Vol.8. Annee 1894. 4. fasc. Aolıt— Decembre. (Paris) 1895.

Bulletin de la Societe geologique de France. Ser. 111. T.23. 1895. N. 1—7.10. Paris 1895.

Comptes rendus des scances de la SocietE de Geographie 1895. N.6—16. Paris 1895.

Bulletin de la Societe de Geographie. Ser. VII. T.15. Trimestre 4. 1894. T. 16. Trimestre 1. 1895. Paris 1894. T. 16. Trimestre 2. 3. 1895. Paris 1895.

Bulletin de la Societe philomatique de Paris. Ser. VIll. T.6. N.4. 1893/94. T.7. N. 1—2. 1894/95. Paris 1895.

Compte rendu sommaire des seances de la Societe philomatique de Paris. 1895. N. 6— 19 (Janv.—Juill.). 1895. N. 1—5 (Oct. —Dee.). Paris 1895.

Feuille des Jeunes Naturalistes. Ser. Il. Annee 25. N. 291— 302. Paris 1895.

Bulletin du Comite international permanent pour lexeeution photographique de la carte du ciel. T.2. Fasc. 1. Table des matieres T.2. Paris 1895. 4.

Bulletin de l’ Academie de Medecine. Annee 59. Ser. III. T. 33. N.1—25. T. 34. N. 26—52. Paris 1895.

Bulletin de la Societe mathematique de France. 1.23. N. 1—9. Paris [1895].

Journal de T Ecole polytechnique. Cah. 63. 64. Paris 1893/94. 4.

Association frangaise pour l’avancement des sciences fusionnde avec l’ Association scientifique de France (fondee par Le Verrier en 1864). Congres de Caen 1894. Paris.

Annales du Musee Gwimet. 7.25. T.26. P.1. Paris 1894. 4.

Bibliotheque d’etudes. 'T.4. Paris 1894.

TE . Revue de l’histoire des religions. Annee 14. T.27. N.3. 1893. Annee 14. T.28. N. 1—3. 1393. Annee 15. T.29. N.1—3. 1894. Anne 15. T. 30. N. 1—3. 1894. Annee 16. T.31. N.1. 1895. Paris.

1178 Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften.

Bulletin archeologigue du Comite des travaux historiques et scientifiques. Annee 1892. N. 4. Paris 1892. Annee 1893. N. 1—3. Paris 1893. Annee 1894. N.1. Paris 1894. tRevue archeologique. Ser. III. T.26. Janv.—Oct. 1895. T.27. Juill.—Aoüt. 1895. Paris

1895. Revue scientifique. Ser. IV. T.3. N.13—26. Sem.2. T.4. N.1—26. Sem.1.2. Paris 1895. 4.

Polybiblion. Revue bibliographique univ. Partie litteraire. Ser. II. T.41. Livr. 1-—6. T. 42. Livr. 1—5. Partie technique. Ser.1l. T.21. Livr. 1—12. Paris 1895. Travauz et memoires du Bureau international des poids et mesures. T.8. 10. Paris 1893/94. 4. Comite international des poids et mesures. 16. Rapport aux gouvernements signataires

de la Convention du metre sur l’exereice de 1892. Paris 1893. 4.

Recueil des Instructions donnees aux ambassadeurs et ministres de France depuis les traites de Westphalie jusqu’a la revolution frangaise. Publ. sous les auspices de la commission des archives diplomatiques au ministere des affaires £trangeres. XIII. Danemark, avec une introduction et des notes par A. GErrroy. Paris 1895.

Bulletin de la Societe Linneenne de Normandie. Ser. IV. Vol. 7. Annee 1893. Fasc. 3 et 4. Vol.8. Annee 1894. Fasc. 1et2. Vol.9. Annee 1895. Fasc. 1. Caen 1894/95.

Preeis analytique des travauv de Ü Academie des sciences et belles-lettres de Rouen pendant l’annee 1891/92. 1892/93. Rouen 1893/94.

Union geographique du Nord de la France. Bulletin. T. 16. Trim. 4. 1894. T.17. Trim. 1. 1895. T.13. Trim.2. 1895. Douai.

Bulletin de la Societe des sciences de Nancy. Ancienne Societe des sciences nat. de Strass- bourg. Ser.2. T. 13. Fasc. 28. Annee 26. 1893. Ser. 2. T.13. Fasc. 29. Annee 27. 1894. Paris 1894/95.

Bulletin des secances de la Societe des sciences de Nancy. N. 3—9. Annee 5. 1893. N. 1—3. Annee 6. 1894.

Societe des sciences de Nancy. Catalogue de la bibliotheque. Nancy 1894.

Memoires de l’ Academie de Stanislas 1892. Annee 143. Ser.5. T.10. 1893. Annee 144, Ser.5 T.11. Nancy 1893/94.

Memoires de la Societe d’emulation du Doubs. Ser.6. Vol.7. 1892. Vol. 8. 1893. Be- sangon 1893/94.

Memoires de l’Academie des sciences, arts et belles-lettres de Dijon. Ser. 4. T.4., Annees 1393/94. Dijon 1894.

Memoires de U Academie des sciences, belles-lettres et arts de Lyon. Sciences et lettres. Ser. III. T.2. Paris. Lyon. 1893.

Annales de la Societe d’agriculture, sciences et industrie de Lyon. Ser. VU. T.1. 1893. Lyon. Paris 1894.

Annales de la Societe Linneenne de Lyon. Annee 1391—93. T. 38—40. Lyon 1891— 93.

Cartulaire Lyonnais. Documents inedits pour servir a l’histoire des anciennes provinces Lyonnais, Forez ... rec. et publ. p. M. €. Guisve. T.2. Documents de l’annee 1255 a l’annee 1300. Lyon 1893. 4.

Bulletin d’histoire ecclesiastique et d’archeologie religieuse des dioceses de Valence, Gap, Grenoble. Annee 13. Livr. 1—6. 1893. Livr. suppl. Annee 14. Livr. 1—6. 1894. Livr. suppl. Valence.

Annales de la Faculte des sciences de Marseille. T.3. Fasc. I—4 (1892). Supplement. T. 3. Annee 1893. Marseille 13594. T.4. Fase. 1—3. Marseille. 4.

Annales de l’Institut Botanico- Geologigue colonial de Marseille. Ser.I. Anneel. Vol.1 (1893). Paris 1893.

Academie des sciences et lettres de Montpellier. 1. Memoires de la section des sciences. Ser. II. T.1. N. 1—4. Montpellier 1893/94. T.2. N. 1. Montpellier 1894. .2. Me-

u 2 2

Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. 1179

moires de la section de medeeine. Ser. 11. T.1. N.1. Montpellier 1893. 3. Me- moires de la section des lettres. Ser. II. T.1. N. 1—4. Montpellier 1893/94.

Annales de la Faculte des sciences de Toulouse. T.9. Annee 1895. Fasc. 2. 3. Paris 1895. 4.

Memoires de la Societe des sciences physiques et naturelles de Bordeaux. Ser. 4. T.3. Cah. 2. T.4. Cah. 1.2. [Nebst] Appendix. Paris. Bordeaux 1893/94.

Bulletin de la Societe de geographie commerciale de Bordeaux. Annee 18. Ser. II. N. 6—24. 1895. Bordeaux.

Bulletin de la SocietE Les amis des sciences et arts de Rochechouart. T.3. N.3—5. T. 4. N. 1—6. Rochechouart 1893/94. 1894/95.

Academie d’Hippone. Bulletin 1893. N. 26. Bone 1894.

Academie d’Hippone. Comptes rendus des r&unions. Annee 1893. [S. 9—50 und Titel- blatt.] 1894 [S. 1—48]. Bone.

Memoires publies par les membres de la Mission archeologique frangaise au Caire. T. X1. 1. BETTER ETSIT ET VEVIE 3. 43 VIII ER. VL 18948 "PAIV2FRVIN: XIX.1. 1895. Paris. 4.

Documents Grecs pour servir & l’histoire de la quatriöme croisade. Paris 1893.

Fernar. Oeuvres, publiees par les soins de M. M. Paur. Tannery et Cnartes Henry. T.2. Correspondance. Paris 1894.

Nerervs, Joannes. Mirifici logarithmorum canonis constructio. Una cum annotationibus aliquot Hesrıcı Brıscı. Lugduni 1620. (Neudruck von A. Hermann. Paris.) pD’Avener. Histoire economique de la propriete des salaires, des denrees ... depuis l’an 1200

jJusqu’en l’an 1800. T.1.2. Paris 1394.

Brape, JEean-Frangoıs. Geographie politigue du sud-ouest de la Gaule Franque au temps des rois d’Aquitaine. Agen 1895.

—. Le sud-ouest de la Gaule Franque depuis la creation du royaume d’Aquitaine jusqwa la mort de Charlemagne. Paris 1893/94. Extr.

Bovurtant, U. Chansons populaires arabes en dialecte du Caire. Paris 1893.

Foucart, P. Recherches sur lorigine et la nature des mysteres d’Eleusis. Paris 1895. 4. Extr.

HERoN DE VILLeFossE, Avır. Le tresor d’argenterie de Bosco Reale. Paris 1895. Extr.

Le tresor d’argenterie de Bosco Reale, lu 15 Nov. 1895. Paris.

1895. Janer, Cuartes. Etudes sur les Jourmis. Paris 1895. Extr. Etudes sur les Jourmis. Note 8.10. Paris 1895. 4. Extr. Etudes sur les Jourmis, les quöpes et les abeilles. Note 10. (Extr.) 11. Limoges 1895. 4. Observations sur les frelons. Paris 1895. 4. Extr. . Sur les nids de la Vespa crabro L., ordre d’apparition des alveoles. Paris 1894. Extr. Lorwy, M. et Pvuiseux.. Sur les photographies de la lune obtenues au grand equatorial coude de T’Observatoire de Paris. Paris 1894. Extr. Parıs, Gaston. La poesie du moyen-äge. Lecons et lectures. Ser. Il. Paris 1895. Peror, A. Sur Vexistence et la propagation des oscillations electro- magnetiques dans lair. Marseille 1894. Extr. Prareau, Ferıx. Observations et experiences sur les moyens de protection de I’ Ahraxas grossulariata. Paris 1894. Extr. Sımyr-LaGeEr. ÖOnothera ou enothera. Les änes et le vin. Paris 1893. Vaurter, Gumrause. La Hongrie economique. Paris- Nancy 1893.

Resultats des campagnes scientifiques accomplies sur son yacht par ALBERT I, prince souve- rain de Monaco, publ. sous sa direction avec le concours de M. Junes RıcHArp,

Sitzungsberichte 1895. 108

1180 Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften.

doeteur &s-sciences, charge des travaux zoologiques a bord. Fase. VIII. IX. Monaco 1895. 4. -

Atti della R. Accademia dei Lincei. Anno 287. 1890. Ser. IV. Memorie della Classe di seienze fisiche, matematiche e naturali. Vol.7. Roma 1894. 4.

Atti della R. Accademia dei Lincei. Anno 290. Ser.V. 1893. Classe di scienze morali, storiche e filologiche. Vol.I. P. 1: Memorie. P. 2: Notizie degli Scavi. Roma 1893. Vol. III. P.2. Notizie degli Scavi. Genn.—Sett. 1895.

Atti della R. Accademia dei Lincei. Anno 292. 1895. Ser.V. Rendiconti. Classe di scienze fisiche, matematiche e naturali. Vol. IV. Fase. 1. 3. 5—12. Sem. Fasc. 1—7. 9.10. Sem. Roma 1895. 4.

Rendiconti della R. Accademia dei Lincei. Classe di scienze morali, storiche e filologiche. Ser. V. Vol. 4. Fase. 1—8. Roma 1895.

Atti della R. Accademia dei Lincei. Anno 292. 1895. Rendiconto dell’ adunanza solenne del 9 giugno 1895. Roma 1895.

Atti dell’ Accademia Pontificia de’ Nuovi Lincei. Anno 45. Sess. VII. 1892. Roma 1894. Anno 47. Sess. IV— VII. 1894. Roma 1894. Anno 48. Sess. I—VII. 1894/95. Roma 1895. 4.

Bollettino del R. Comitato geologico d’ Italia. Anno 1895. Vol. 26 della raccolta. Vol. 6 della ser. 11]. Trim. 1. N.1. Trim. 2. N.2.3. Roma 1895.

Bollettino della Societa geografica Italiana. Ser. III. Vol.8. Fasc. 4. Roma 1895.

Archivio della R. Societa Romana di storia patria. Vol. 18. Roma 1895.

Atti della R. Accademia delle scienze di Torino. Vol. 30. Disp. 1—16. Torino 1895.

Osservazioni meteorologiche fatte nell’ anno 1894 all’ Osservatorio della R. Universitäa di Torino. Torino 1895.

R. Istituto Lombardo di scienze e letter. Rendieonti. Ser. U. Vol.26. Milano 1893. Vol. 27. Milano 1894. Indice generale dei lavori della fondazione all’ anno 1888 per autori e per materie. Milano 1891.

Memorie del R. Istituto Lombardo di scienze e lettere. Classe di scienze matematiche e naturali. Vol. 17 (VIII della ser. III). Fasec. 3. 4. Milano 1894. Classe di lettere e scienze storiche. Vol. 19 (X della ser. III). Fasc. II ed ultimo. Milano 1893. Vol. 20 (XI della ser. III). Fase. 1. Milano 1895. 4.

Atti della fondazione scientifica Cagnola dalla sua istituzione in poi. Vol. 12. Anni 1893/94. Vol. 13. Anni 1894/95. Milano 1894/95.

Pubblicazioni del R. Osservatorio di Brera in Milano. N.38. Milano 1893. 4.

R. Osservatorio Astronomico di Brera in Milano. Össervazioni meteorologiche eseguite nell’ anno 1894. Milano.

Atti del R. Istituto Veneto di scienze, lettere ed arti. (T.52.) Ser. 7. T.5. Disp. 4—9. ‘Venezia 1893/94. (T. 53.) Ser. 7. T.6. Disp. 1—3. Venezia 1894/95.

Memorie del R. Istituto Veneto di scienze, lettere ed arti. Vol. 25. N. 1—3. Venezia 1894. 4.

Temi di premio proclamati dal R. Istituto Veneto di scienze, ecc. nella solenne adunanza del 19 maggio 1895. Venezia 1895.

Bullettino della Societa Veneto -Trentina di sceienze naturali. Anno 1895. T.6. N.1. Padova 1895.

Giornale della Societa di letture e conversazioni scientifiche di Genova. Anno 17. 1895. Fasc. 1-3. Genova 1895.

Annali del Museo civico di storia naturale di Genova. Ser. 1. Vol. 14.15. Genova 1594.

Memorie della R. Accademia di scienze, lettere ed arti in Modena. Ser. II. Vol. 10. Modena 1894. 4.

Atti della R. Accademia Lacchese di scienze, lettere ed arti. T.27. Lucca 1895.

Atti della Societa Toscana di scienze naturali. Memorie Vol. 14. Pisa 1895.

Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. 1181

Atti della Societa Toscana di scienze naturali. Processi verbali. Vol.9. Adunanza del di 13 gennaio 1895. 13 marzo 1895. ... 5 maggio 1895. ... 7 luglio 1895. (Pisa 1895.)

Memorie della R. Accademia delle scienze dell’ Istituto di Bologna. Ser.V. T.3.- Bologna 1892. 4.

Annali dell Universita di Perugia. Facolta di medieina. Atti e rendiconti dell’ Acca- demia medieo-chirurgica di Perugia. Vol.6.7. Fasce. 1—3. Perugia 1895.

Atti della R. Accademia dei Fisioeritiei in Siena. Ser. IV. Vol VII. Fase. 1—6. Supple- mento al Fase. X del Vol. VI. Ser. IV. P.1. Siena 1895.

R. Accademia dei Fisioeritici in Siena. Processi verbali delle adunanze. Anno accad. 203. N.7. Anno acead. 204. N. 1—5. Siena 1895.

Societa Reale di Napoli. Rendiconto delle tornate e dei lavori dell’ Accademia di Archeo- logia, lettere, ecc. Nuova serie. Anno VIII. Luglio a Dicembre 1894. Anno IX. Gennaio a Giugno. Napoli 1895.

Societa Reale di Napoli. Rendiconto dell’ Accademia delle scienze fisiche e matematiche. Ser. III. Vol. 1. (Anno 34.) Fase. I—11. Napoli 1895.

Societa Reale di Napoli. Atti della R. Accademia delle scienze fisiche e matematiche. Ser. 11. Vol. 7. Napoli 1895. 4.

Societa Reale di Napoli. Atti della R. Accademia di sceienze morali e politiche. Vol. 37. 1894/95. Napoli 1895.

Societa Reale di Napoli. Rendiconto delle tornate e dei lavori dell’ Accademia di seienze morali e politiche. Anno 33. Gennaio a Dicembre 1894. Napoli 1894.

Atti della Accademia Pontaniana. Vol. 24. 25. Napoli 1894/95. 4.

Atti del R. Istituto d’ incoraggiamento di Napoli. Ser. IV. Vol.7. Napoli 1894. 4.

L’ Oriente. Rivista trimestrale pubbl. a cura dei professori del R. Istituto orientale in Napoli. Roma-Napoli 1895.

Per III Centenario della morte di Torquato Tasso. Adunanza del 19 Maggio 1895 tenuta dalla R. Accademia di scienze, lettere e belle arti. Palermo 1895. 4.

Rendiconti del Circolo matematico di Palermo. Anno 1895. T.9. Fasc. 1—6. Palermo.

Bollettino delle pubblicazioni Italiane. 1895. N. 221—240. Firenze 1895. Bollettino 1893. Indice alfabetico delle opere.

Zoologicae res. Collectio brevium dissertationum... ad universas zoologicas doctrinas speetantium quae periodice eduntur sub direetione Prrrı pe Vescovı. Ann.I. 1894, N.2. Romae 1894.

Spieilegium Casinense complectens Analecta sacra et profana e codd. Casinensibus cura Monachorum S. Benedicti. T.I. Typ. archieoenobii Montis Casini. 1888. 4.

ALBANESE DI BoTERNOo, V. Nota religiosa. Modica 1895.

Bıancnenı, G. I disastri ferroviari ed i mezzi atti ad evitarli. Sistema elettrico BıancHeEDI per la sieurezza dei convogli nelle strade ferrate. Firenze 1895. 4.

Commenti Danteschi. (Nuove interpretazioni di aleuni passi della Divina Commedia.) Lucca 1894.

GanugERA, Pıevro. Teoria matematica dei gas perfetti. Lecce 1895.

Marrvese, Francesco. Le ambliopie curate per la via dentaria. Napoli 1895.

Rayna, MicnAELe. Sull’ apparato esaminatore di livelle costrwito dal S. LEoNnaArDo Mizant nel 1889 per il R. Össervatorio astronomico di Milano. Milano 1895. Eistr. —, $ull’ esoursione diurna della declinazione magnetica a Milano in relazione col periodo stelle macchii solari. Estr. dei Rendiconti del R. Istituto Lombardo

di scienze, ecc. Ser. II. Vol. 28. 1895.

Sıcco, Feperıco. Essai sur Porogenie de la terre. Turin 1895.

Tovaro. Ricerche fatte nel laboratorio di anatomia normale della R. Universita di Roma, —. Vol. IV. Fase. 1—4. Roma.

108*

1182 Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften.

Verson, E., e Bısson, E. Sviluppo postembrionale degli organi sessuali accessori nel maschio del B. Mori. = R. stazione bacologica sperimentale. Pubblicazioni sovvenute dal Ministro di agricolt. VIII. Padova 1895.

Memoires de l’_Academie Imperiale des sciences de St.-Petersbourg. Ser. VII. T.42. N.1. E.S. Fevorow. Neue Apparate für geometrische und optische Untersuchung von Krystallen. (Russ.) N.2. S. Korsumsky. Untersuchungen über die russischen Ade- nophora-Arten. St.-Petersbourg 1894. 4.

Memoires de Ü_Academie Imperiale des sciences de St.-Petersbourg. Ser.VIlI. Classe physico- mathematique. Vol.I. N.8. Neue Normal-Lufttemperaturen für das russische Reich, herausgegeben von H. Wırp, Director des physikalischen Central -Obser- vatoriums. St. Petersburg 1894.

Bulletin de l’Academie Imp. des sciences de St.-Petersbourg. Ser. V. T.U. N.2—5. St.- Petersbourg 1895.

Bulletin du Comite geologique St.-Petersbourg. 1893. XII. N.8-—9. 1894. XIIl. N. 1—9. [Nebst] Suppl. au T. 13. 1895. XIV. N. 1—5. St.-Petersbourg 1893. 1894/95. Memoires du Comite Geologique. T. 8. N.2.3. 1894. T.9. N.3.4. 1895. T.10. N.3.

1895. T.14. N.1.3. 1895. Titelbl. zu T.4. St.-Petersbourg.

Annalen des Physikalischen Central-Observatoriums, herausgegeben von H. Wırp. Jahrg. 1893. Th. II. St.-Petersburg 1894. 4.

Acta Horti Petropolitani. T.13. Fasc. 2. St. Petersburg 1894.

Archives des sciences biologiques. Edition frangaise, T. III. N.5. T.IV. N. 1. St. Peters- bourg 1895. 4.

Travaux de la Societe des naturalistes de St.- Petersbourg. T. XXIV. Section de Botanique. St.-Petersbourg 1894.

Avanerra leporoAvwricns oraxvoAoyias. Bd.Il. St. Petersburg 1894.

lepoooAvurrn Bıßrıodyen. Bd.1l. Th. 1.2. St. Petersburg 1894.

Ioropia Nırnra Bacıkıkov KAnpıvod (mit russischem Titel: 38. Stück des orthodoxen Palästina-Vereins). St. Petersburg 1894.

Mepırn duyynoıs &k TOv üylov romov rs lepovoaAnı (mit russischem Titel: 40. Stück des orthodoxen Palaestina-Vereins). St. Petersburg 1894.

Russko-japonskije razgovory. Sostav. Josibumi Kurono. St. Petersburg 1894.

Bulletin de la Societe Imperiale des naturalistes de Moscou. Annee 1894. N.4. 1895. N.1.2. Moscou 1894/95.

Universitetskija izvestijja. God 35. N.1—6. Kiew 1895.

Ucenyja zapiski Kazanskago universiteta. God 62. Knigi 3—6. Kazan 1895.

Zapiski novorossijskago obscestva estestvoispytatelej. T.19. Vyp.1.2. Odessa 1894/95.

Zapiski Uralskago Obscestva Ljubitelej Estestvoznanija. T. XIV. Vyp. 1—4. Ekaterinburg

1892 95. Schriften herausgegeben von der Naturforscher-Gesellschaft bei der Universität Jurjew (Dorpat). VIII. Synchronistische Tabellen über die naturwissenschaftliche ‚Journallitteratur von

1650—1893. Zusammengestellt von Carr Scampr. Dorpat 1895. 4. Sitzungsberichte der Naturforscher-Gesellschaft bei der Universität Jurjew (Dorpat). Bd. 10. St.3. 1894. Jurjew (Dorpat) 1895. Festschrift des Naturforscher-Vereins zu Riga aus Anlass seines 50 jährigen Bestehens am 27. März (8. April) 1895. Riga 1895.

Bericht über die Ergebnisse der Beobachtungen an den Regenstationen der Kais. livländischen gemeinnützigen und ökonomischen Societät für das Jahr 1894. |Dorpat.] 1895. 4. @Gewitterbeobachtungen angestellt in Liv- und Esthland im Jahre 1894. Bearbeitet vom Me- teorologischen Observatorium der Kais. Universität in Jurjew. Jurjew 1885.

ee

Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. 1183

Acta Societatis scientiarum Fennicae. T.20. Helsingforsiae 1895. 4.

Öfversigt af Finska vetenskaps-societetens förhandlingar 36. 1893/94. Helsingfors 1894.

Observations publiees par U Institut meteorologique central de la Societe des sciences de Finlande. Vol.12. Helsingfors 1894. 2.

Observations meteorologiques publices par l’Institut meteorologique central de la Societe des sciences de Finlande. 1889/1890. Kuopio 1895. 2.

Finlands Geoloyiska Undersökning. |Carte geologique (N. 25.26). Dazu:] Beskrifning till Kartbladet N. 25, föglo af Bens. Frosrerus. Beskrifning till Kartbladet N. 26, enskär af A. F. Tigersteor. 4. u. 8.

Bidray till Kännedom af Finlands Natur och Folk. Utgifna af Finska Vetenskaps-Socie- teten. Häftet 54. 55. 1894. 56. 1895. Helsingfors.

BrEDIKHINE, Tu. Mouvement des substances emises par les cometes 1893. II et 1893 IV. St.-Petersbourg. 4. Extr.

Brevıenıng, Tu. Sur les Perseides observes en Russie en 1894. St.-Petersbourg. 4. Extr.

FrrrscHe, H. Die magnetischen Localabweichungen bei Moskau und ihre Beziehungen zur dortigen Local-Attraction. Moskau 1893. Extr.

, Über den Zusammenhang zwischen der erdmagnetischen Horizontalintensität und der Inclination. St. Petersburg 1895.

GLAsENAPP, S. DE. Mesures micrometriques d’etoiles doubles faites a St.-Petersbourg et a Domkino. St.-Petersbourg 1895.

Lowsasın, Atex. Aristotelis Adnvaiov Tloıreia. Graece et Russice. St. Petersburg 1895.

Scheider, Gvino. Über den Killo (Clupea sprattus L.) und seine Existenzbedingungen an der Esthländischen Küste. Reval 1895. 4. Sep.-Abdr.

Konglika Svenska Vetenskaps-Akademiens Handlingar. Ny Följd. Bandet 26. Stockholm 1894/95. 4.

Öfversigt af Kongl. Vetenskaps - Akademiens Förhandlingar. Ärg. 52. 1895. N. 2-7. Stockholm 1895.

Astronomiska Jaktagelser och Undersökningar anstälda Stockholms Observatorium. Bd. 5. H. 1—4. Stockholm 1895.

Kongl. Vitterhets Historie och Antiquitets Akademiens Handlingar. 'Tretiondeandra delen. Ny följd. Tolfte delen. Stockholm.

ÄNNERSTEDT, CLAEs. Upsala Universitetsbibliotheks historia. Stockholm 1894. = Vitterhets Historie och Antiquitets Akademiens Handlingar 12:2.

Antiquarisk Tidskrift for Sverige. 1. XIV: 2. XVI: 1—3. 2. Femfte Delen. Fjerde häftet. Stockholm.

Acta mathematica. Zeitschrift herausgegeben von G. MırraG-LeErrLer. 19: 2— 4. Stock- holm 1895. 4.

Nova Acta Regiae Societatis scientiarum Upsaliensis. Serie III. Vol.15. Fasc.2. Upsaliae1895.4.

Upsala Universitets Arsskrift. 1894. Upsala.

Föreläsningar och öfningar vid kongl. Universitetet, Upsala, höst-terminen 1894/95. Upsala 1894.

Skrifter utgifna af humanistiska vetenskapssamfunnet i Upsala. Bd.2. Upsala 1892 94.

Tueer, Hı. Om Sveriges zoologiska hafsstation Kristineberg. Stockholm 1895.

Norwegische Commission der Europäischen Gradmessung. Resultate der im Sommer 1894 in dem südlichsten Theile Norwegens ausgeführten Pendelbeobachtungen von O.E. Scmörz. Christiania 1895.

Publication der Norwegischen Commission der Europäischen Gradmessung. Astronomische Beobachtungen und Vergleichung der astronomischen und geodätischen Resultate. Christiania 1895. 4.

1184 Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften.

Bergens Museum. V.— On the development and structure of the whale. PartI. On the development of the dolphin by Gusrav GuLpgerG and Frip’rsor Nansen. 2.

Bulletin de U’ Academie Royale des sciences et des lettres de Danemark, Copenhague, pour l’annee 1894. N.3. 1895. N. 1. Copenhagne.

Memoires de l’Academie Royale des sciences et des lettres de Danemark, Copenhague. Ser. V1. Section des sciences. T.VIl. N. 10. Reaktionshastigheden ved Methylaether- dannelsen. Af Emır PErersen. Kjebenhavn 1894. 4.

De Danske Runemindesmaerker, unsersegte og tolkede af Lupv. F. A. Wınner, afbild- ningerne adfurte af J. Masnus Prrersen. 1. De historiske Runemindesmaerker. Kjebenhavn 1895. 4.

Lange, Jon. Descriptio iconibus illustrata plantarum novarum vel minus cognitarum , prae- cipue e flora Hispanica. Autore ... Fasc. I u. 2. Hauniae 1894. 2.

Verhandelingen der Koninkl. Akademie van Wetenschappen te Amsterdam. |Afd. Natuur- kunde.] Sectie II. Deel 4. N. 1—6. Amsterdam 1894/95. Sectiel. Deel 3. N. 1—4. Amsterdam 1895. Sectie I. Deel 2. N.7. Amsterdam 1894. Afd. Letterkunde. Deel 1. N.4. Amsterdam 1895.

Verslagen en Mededeelingen der Koninkl. Akademie van Wetenschappen. Afd. Letterkunde. 3. Reeks. Deel 11. Amsterdam 1895.

Verslagen van de zittingen der wis- en natuurkundig afdeeling van de Koninkl. Akademie van Wetenschappen van 26. Mai 1894 tot 18. April 1895. Deel 3. Amsterdam 1895.

Jaarboek van de Koninkl. Akademie van Wetenschappen gevestigd te Amsterdam voor 1894. Amsterdam.

Archives Neerlandaises des sciences exactes et naturelles publiees par la Societe Hollan- daise des sciences a Haarlem. T. 29. Livr. 1—3. Haarlem 1895.

Archives du Musee Teyler. Ser. Il. Vol. IV. P.3.4. Haarlem 1894/95.

Verhandelingen rakende den natuurlijken ... Godsdienst, uitgegeven door Teyler's God- geleerd Genootschap. Nieuwe Ser. Deel 15. Haarlem 1895.

Koninkl. Nederlandsch Meteorolog. Instituut. Onweders in Nederland. Naar vrijwillige waarnemingen in 1894. Deel 15. Amsterdam 1895.

Meteorologisch Jaarboek voor 1893, uitgegeven door het Koninkl. Nederlandsch Meteor. Instituut. Jaarg. 45. Utrecht 1895. 4.

Flora Batava. Afbeelding en Beschrijving van Nederlandsche Gewassen. Atl. 309. 310. Leiden. 4.

Nederlandsch kruwüdkundig Archief. Verslagen en Mededeelingen der Nederlandsche Bota- nische Vereeniging. Ser. 2. Deel 6. Stuk 4. Nijmegen 1895.

TMnemosyne. Bibliotheca philologiea Batava. Nova Series. Vol.23. P.2—4. Lugduni Bat. Lips. 1895.

Onderzoekingen gedaan in het Physiologisch Laboratorium der Utrechtsche Hoogeschool. Reeks. IV. Deel III. 2. Utrecht 1895.

Programme de la SocietE Batave de Philosophie experimentale de Rotterdam. |1895.]

Bijdragen tot de Taal-, Land- en Volkenkunde van Nederlandsch-Indie. Volg.6. Deell. Afl. 2—4. 'sGravenhage 1895.

Tijdschrift voor Nederlandsche Taal- en Letterkunde, witgegeven vanwege de Maatschappij der Nederl. Letterkunde te Leiden. 14. Deel. (Nieuwe reeks, 6. Deel). Aflevering 2—4. Leiden 1895.

GRONEMAN, J. De garebegs te Nyajogyäkarti. Uitgegeven door het K. Instituut voor de Taal-, Land- en Volkenkunde van Nederlandsch-Indie. "sGravenhage. 1895. 4.

Oeuvres complötes de CarıstIıaan Huyszns. Publiees par la Societe Hollandaise des seiences. T. 6. Correspondance 1666—69. La Haye 1895. 4.

ne EEE een Ze;

a u u u u SZ U 737

Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. 1185

BosscHa, J. (Hrıstıan Huysens. Rede am 200. Gedächtnisstage seines Lebensendes. Aus dem Holländischen übersetzt von Tn. W. Engermann, Professor in Utrecht. Leipzig 1895.

Hırın, Frıeprıcn. Das Reich Malabar. Nach Chao Iu-kua. Leiden 1895. Sep.-Abdr.

La Brer, J. J. et J. A. Regularisation de l’instrument d’echange et de la production. Arnhem.

PascoLı, Joannes. Myrmedon. Carmen praemio aureo ornatum in certamine poetico Hoeufftiano. Accedunt duo poemata laudata. Amstelodami 1895.

Notulen van de algemeene en bestwurs-vergaderingen van het Bataviaasch Genootschap van Kunsten en Wetenschappen. Deel 32. 1894. Afl. 3.4. Deel 33. 1895. Afl.1.2. Batavia 1894/95.

Verhandelingen van het Bataviaasch Genootschap van Kunsten en Wetenschappen. Deel 47. Stuk 3. Deel 48. Stuk 2. Deel 50. Stuk 1. Batavia 1894.

Tijdschrift voor Indische Taal-, Land- en Volkenkunde, uitgegeven door het Bataviaasch Genootschap van Kunsten en Wetenschappen. Deel 37. 1894. Deel 38. Afl. 4. 5. 1895. Batavia 1894/95.

Natuurkundig Tijdschrift voor Nederlandsch-Indie, uitgegeven door de Koninkl. natuur- kundige Vereeniging in Nederl.-Indie. Negende serie. Deel 3.4. Batavia 1895.

Observations made at the magnetical and meteorological Observatory at Batavia. Vol. 16. 1893. Batavia 1894.

Rainfall in the East Indian Archipelago. 15. Jear 1893. Regenwaarnemingen in Neder- landsch-Indie. Batavia 1894.

Mededeelingen wit ’s Lands Plantentuin. N.14. Batavia-'sGravenhage 1895.

Annales du Jardin botanique de Buitenzorg. Vol. 12. P.2. Vol.13. P.1. Leide 1895.

Dagh- Register gehouden int Casteel Batavia vant passerende daer ter plaetse als over geheel Nederlandts-India. Anno 1665. Uitgegeven door het Bataviaasch Genootschap van Kunsten en Wetenschappen van Mr. J. A. van DER Cnrss. Batavia 1894.

Nederlandsch- Indisch Plakaatboek. 1602—1811. Dertiende Deel 1300—1805. Batavia 1895.

Die Triangulation von Java. Ausgeführt vom Personal des Geographischen Dienstes in Niederländisch Ost-Indien. Abth. 4. Das primäre Dreiecknetz. Bearbeitet von Dr. J. A. C. Oupemans, Prof. der Astronomie an der Reichs-Universität zu Ut- recht. Haag 1895. 4.

Academie Royale de Belgique. Bulletin de l’Academie Royale des sciences des lettres et des beaux-arts de Belgique. Annce 65. Ser. III. T.29. N.2—6. T. 30. N. 7—10. Bruxelles 1895.

Memoires de U’ Academie Royale des sciences ... de Belgique. T.51. 1893. T. 52. 1894. Bruxelles.

Memoires couronnes et autres memoires publies par l’Academie Royale des sciences ... de Belgique. Collection in 8. T.47. 50—52. Bruxelles.

Memoires couronnes et memoires des savants etrangers publies par l’Academie Royale des sciences ... de Belgique. T.53. Bruxelles Mai 15893 Juillet 1894.

Academie Royale des sciences ... de Belgique. Classe des lettres. Concours pour les annees 1896, 1897 et 1898 et prix perpetuels.

Academie Royale de Belgique. Colleetion des documents inedits relatifs a l’histoire de la Belgique. T.10. Correspondance de Cardinal de Granvelle. 1565 83. T.11. 1584. p. p. M. Ch. Piot. Bruxelles 1893/94. 4.

Biographie nationale publice par l’Academie Royale des sciences ... de Belgique. T. 13. Fasc. 1. Bruxelles 1894. Fasc. 2. Bruxelles 1892/93.

1186 Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften.

Commission royale pour la publication des anciennes lois et ordonnances de la Belgique. Proces-verbaux des seances. Vol.7. Cah. III. Bruxelles 1894.

Annales de la Societe geologique de Belgique. T.20. Livr. 3. 1892/93. T.21. Livr. 3. 1893/94. T.22. Livr. 3. 1894/95. T.22. Livr.2. 1895. Liege 1894/95.

Annales de la Societe entomologique de Belgique. T.38. Bruxelles 1894.

Annales de la SocietE Royale malacologique de Belgique. T. 27. (Ser. 4. T.7). Annee 1892. Bruxelles.

Societe Royale malacologigue de Belgique. Proces-verbaux. T.21. Annee 1892. (2 N.) T.22. Annee 1893. T.23. Annee 1894. T.24. Annee 1895. Bruxelles.

Bulletin de Societe Belge de geologie, de paleontologie et d’hydrologie. (Bruxelles.) Annee 1887 93. T.1—7. Bruxelles [1887] 1893 94.

Analecta Bollandiana. T.14. Fasc. I—4. Bruxelles 1895.

Memoires de la Societe Royale des sciences de Liege. Ser.2. T.18. Bruxelles.

Revue Benedictine. Annee 12. N.1—12. Abbaye de Maredsous, Belgique.

MEEREns, CnAartes. A propos de la Melopee antique dans le chant de l’eglise par Fr. Aus. GEVAERT. Documentaires p. p. la Federation artistique. Bruxelles 1896.

MEEREns, CHuartes. Tonometre d’apres l’invention de SCHEIBLER. Nouvelle demonstration. Bruxelles. Extr.

Porvın, Cu. Homere, choix de rhapsodies illustrees... et mises en vers. (Acad. R. de Belgique. Memoires T.50. Fasc. 2. Bruxelles 1893.)

Publications de la Section historique de l’Institut Royal Grand-Ducal de Luxembourg. Vol. 422 —44. Luxembourg 1895.

Publications de U’ Institut Grand-Ducal de Lauwembourg. Section des sciences naturelles et mathematiques. T.23. Luxembourg 1894.

Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft in Basel. Bd.X. Heft3. Bd. XI. Heft 1. Basel 1895.

Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich. Jahrg. 40. Heft1 u. 2. Zürich 1895.

7. Jahresbericht der Physikalischen Gesellschaft in Zürich 1893/94. Uster-Zürich 1895.

Mittheilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich. Bd.23. Heft7. Bd.24. Heft. Zürich 1895. 4.

Jahrbuch für Schweizerische Geschichte. Herausgegeben auf Veranstaltung der allgemeinen Geschichtsforschenden Gesellschaft der Schweiz. Bd. 20. Zürich 1895.

Astronomische Mittheilungen gegründet von Dr. Runporr Worr. N. 85.86. Herausgegeben von A. Worrer. Sep.-Abdr. aus der Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Ge- sellschaft in Zürich. Jahrg. 40. 1895.

Memoires de la Societe de physique et d’histoire naturelle de Geneve. T. 32. Partiel. N.5. Geneve 1894. 4.

Archives des sciences physiques et naturelles. 1894 Sept.— Oct. Geneve 1894.

Bibliotheque universelle. Archives des sciences physiques et naturelles. Periode Il. T.33. N.4. Geneve.

Mittheilungen der Aargauischen Naturforschenden Gesellschaft. Heft 1—6. [1878] 92. Aarau.

Argovia. Jahresschrift der historischen Gesellschaft des Kantons Aargau. (Jg.) 1862— 1894. 25 Bde.

Jahresbericht der Naturforschenden Gesellschaft Graubündens. Bd. 38. Vereinsjahr 1894/95. Chur 1895.

Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. 1187

Die Ergebnisse der sanitarischen Untersuchungen der Recruten des Kantons Graubünden (Schweiz) in den Jahren 1875—1879. Von P. Lorenz. (Beilage zum Jahresbericht der Naturforschenden Gesellschaft Graubündens in Chur. Bd. 38.) 4.

Bulletin de la SocietE Vaudoise des sciences naturelles. Ser. III. Vol. 30. N. 116—118. Lausanne 1894.

Collectanea Friburgensia. Commentationes academicae universitatis Friburgensis Helvet. Faseieulus 1—4. Friburgi Helv. 1893—1895.

Universite de Fribourg (Suisse). Autorites, professeurs et &tudiants., Universität Freiburg in der Schweiz. Behörden, Lehrer und Studirende. Semestre d’hiver 1895/96. Fribourg (Suisse) 1895.

Projets anciens des hautes etudes catholiques en Suisse. Preliminaires de l’universite de Fribourg. Documents recueillis par J. Scauneuwry. Fribourg 1891.

Index lectionum quae in Universitate Friburgensi per menses aestivos anni 1890 ... 1891 ... 1892... per menses hiemales anni 1892/3 habentur. Friburgi Helvet. 1890—92.

BRANDSTETTER, BERNwARD. Malaio- Polynesische Forschungen. IV. Die Geschichte von König Indjilai. Luzern 1895. 4.

KarrengacHh, Josepn. Les humanistes Polonais. Fribourg 1891.

Kınsermans, A. Resume meteorologique de Vannee 1894 pour Geneve et le Grand Saint- Bernard. Geneve 1895. Extr.

Memorias de la R. Academia de ciencias exactas de Madrid. T.16. Madrid 1895.

Boletin de la R. Academia de la Historia. T.26. Cuaderno IV—V]. T.27. Cuaderno I—IV. Madrid 1895.

Resumen de las Observaciones meteorolögicas efectuadas en la Peninsula y algunas de sus Islas adyacentes durante los anos 1891—1892 ordonado por el Observatorio de Madrid. Madrid 1895.

Almanaque Nautico para 1897, caleulado de orden de la superioridad en el Instituto y Observatorio de Marina de la Ciudad de San Fernando. Madrid 1895.

Anales del Instituto y Observatorio de Marina de San Fernando. Seceion 2a. Observaciones meteorologicas y magneticas. Ano 1893. San Fernando 1894. 4.

DE Gorpon y DE Acosta, Av'ronıo. La iglesia y la cremacion. Guanabacoa 1893. Discurso leido en el Colegio de Farmaceuticos de la Habana el dia 29 de Sept. de 1895. Habana 1895. 2 Ex. Los incendios, los bomberos y la higiene. Habana 1895. Discurso leido en la sesion solemne commemorativa de la fundacion de la R. Academia de Ciencias Medicas. Habana 1895. Medicina indigena de Cuba y sw valor historico. Habana 1894. Informe acerca de la obra de » Tecnica anatomica« del Dr. D. Jose L. Yarını. |Habana] 1894. Higiene colonial en Cuba. Habana 1895.

Barsoza nu BocaGe, I. V. Herpetologie d’Angola et du Congo. Lisbonne 1895.

Bertino ALsano. Inscripgöes e lettreiros da Cidade di Braga e algumas frequezias ruraes. Porto 1895.

CABREIRA, Antonio. Analyse geometrica de duas espiraes parabolicas. Estudo completa- mente original. Lisboa 1893.

CaApreıra, Tuomas. Principios de stereochimica. These da concurso a Escola Polytechnica. 1894. Lisboa. 2 Ex.

tEonnepis apxaoxoyırn Erdidouevn bmo rns &v Adyvaıs apyamoAoyırns Erarpıas. Tlepıodos 3. 1894. Tevxos 4. Tlepıodos 3. 1895. Tevxos 1. Athen 1894/95. 4.

Edvirn PıßAodnen Ts EANados. KaraXoyos Twv xeıpoypadov ns EBvirns PußAuoßnkns Tas 'ExXados imo Ivavvov ZarkeXıwvos, EmueNnrov kaı ANkıBıadov Zarkekıwvos, Ekrakrov üva-

mAnpwrov. Ev Adyvaıs 1892.

1188 Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften.

Analele Academiei Romäne. Ser.11. T.14. 1891/92. Ser. II. T. 15. 1892/93. Memoriile sectiunei literare. Ser. 1. T. 14. 1892/93. Memoriile sectiunei seiintifice. Bucuresci 1893. Ser. II. T. 15. 1892/93. Ser. Il. T.16. 1893/94. Partea admini- strativä si desbaterile. Bucuresei 1893/94. 4.

Analele Imstitutului meteorologie al Romäniei publicate de Sweran (. Heprres. T.IX. Anul 1893. Bucuresci 1895. 4.

Buletinul observatiunilor meteorologice din Romänia de Sveran Ü. Herrres. Anul III. 1894. Bucuresei 1895. 4.

Buletinul Societätii de Sciinte fizice (Fisica, Chimia si Mineralogia) din Bucuresei-Romänia. Anul III. N.11—12. 1894. Anul IV. N.1—10. 1895. Bucuresci. 4.

Documente privitoare la Istoria Romänilor. Urmare la colectiunea lui Eupoxın DE Hurmuzart. Suppl. 1. Vol. VI. 1827—49. Documente adunate si coordinate de D. A. Srurnza si C. Corescv- Varrıc. Suppl. II. Vol. 11. 1601—1640. Cu portretul lui Caspar Gratiani Voevod. Documente eulese din archive si bibliotece Polone ... publ. de Joan Bospan. Bueuresei 1895. 4.

L’initiative d’un nouveau procede statistique necessaire a tout le monde et specialement & tous les etats en general. Bucarest 1895. 4.

Crıverz, Tu&ovore. Essai sur le postulat d’Euclide. Bucarest 1895. 2 Ex.

Saınenu, LazAr. Basmele Romane in comparatiune cu legendele antice clasice si in lega- turd cu Basmele poporeloru invecinate si ale tuturorü poporelorü Romanice. Studiu comparativü. Bucuresei 1895.

Glas. |N.] 43. 46. 48. Beograd 1894/95. Godisnjak. V—VII. Beograd 1892 94. Spomenik. [N.] 23. 24. 26—29. Beograd 1894/95. 4.

Mesecen bjuletin na centraln. meteorolog. stancija v Blgarija. Bull. mens. de la Station centr. meteorol. de Bulgarie. Jahrg. 1895. N. 1—10. Sofia.

Godisen otdet na meteorolog. stanca v Gabrovo. Bull. annuaire de la station meteorol. de Gabrovo. 1894.

Godisen otdet na meteoroloy. stancija v Plöven. Bull. annuaire de la station meteorol. de Pleven. 1894.

Bulletin meteorologique et seismique de l’Observatoire Imperial de Constantinople. Janv.— Sept. 1895. Constantinople 1895.

Bvlavrıva xpovıra. Tonos mpwros. Tevxos y’xkal 6°, 4 Separatabzüge daraus.

Proceedings of the American Academy of Arts and Sciences. N.S. Vol. 22. (Whole Series Vol. 30.) From May 1894 to May 1895. Boston 1895.

Memoirs of the Museum of Comparative Zooloyy at Harvard College. Vol. XU. XV. XVII. N.4. XVII. XIX. N.1. Cambridge 1895. 4.

Bulletin of the Museum of Comparative Zoology at Harvard College. Vol. 25. N.12. Vol. 26. N.1—2. Vol.27. N.1—6. Vol.28. N.1. Cambridge 1893/5.

Bulletin of the Museum of Comparative Zoology at Harvard College. Vol.16. N.15. (Geo- logical series Vol. II.) Cambridge 1895.

Transactions of the American Philological Association 1894. Vol. 25. Boston, Mass.

Technology Quarterly and Proceedings of the Society of Arts. Vol.7. 1894. N. 2—4. Vol. 8. 1895. N. 1.2. Boston.

Archaeological Institute of America. American Journal of Archaeology. Jan.—March 1895. Cambridge.

GE EEE. en.

ar.

ee. Me u Sn

Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. 1189

Astromomical Journal. Vol. XIV. N. 21—24. Vol. XV. N. 1—24. Boston 1894/5. 4.

Transactions of the Connecticut Academy of Arts and Sciences. Vol.4. P.2. New Haven.

The American Journal of Science. Ser. III. Vol. 49. N. 289—94. Ser. II. Vol. 50. N. 295— 300. New Haven, Connect. 1895.

Report for the year 1894/95, presented by the Board of Managers of the Observatory of Yale University to the President and Fellows. (Yale University 1895.)

Annals of the New York Academy of Sciences, late Lyceum of Natural history. Vol.7. (Index). N.5. New York 1895.

Memoirs from the Departement of Botanıy of Columbia College. Vol.l [2 Taf. 1Bl.]. Plate 26. Plate 49.

The Physical Review. XI. XIII. XV. New York 1895.

Journal of the Academy of Natural Sciences of Philadelphia. Ser. 11. Vol.9. P.4. Plıila- delphia 1895. 4.

Proceedings of the Academy of Natural Sciences of Philadelphia. 1894. P. Ill. Octob.— Dee.

1895. P.1I. Jan.— March. Philadelphia 1894.

The American Naturalist. Vol. XXIX. January 1895. N. 337. April July 1895. N. 340 347. Philadelphia.

Transactions of the American Philosophical Society held at Philadelphia for promoting useful Aenowledge. Vol.18. N.S. P.2. Philadelphia 1895. 4.

Proceedings of the American Philosophical Society. Vol. 32. May 1893. N. 143. Vol. 33. July December 1894. N. 146. Vol. 34. Jan. 1895. N. 147. Philadelphia.

Bulletin of the Geographical Club of Philadelphia. 1895. Vol.1. N.4.5

Johns Hopkins University Cireulars. Vol.14. N. 116—120. Vol.15. N. 121.122. Balti- more. 4.

American ‚Journal of Mathematics. Vol. 16. N. 4. Oct. 1894. Vol. 17. N. 1—3. Jan. April. July 1895. Baltimore 1594/5. 4.

‚Johns Hopkins University Studies in Historical and Political Science. Ser. Xll. 3—12. 1894. Ser. XIII. 1—8. 1895. Baltimore.

Annual Report of the Peabody Institute of the City of Baltimore. June 1. 1895. Baltimore.

Report of the National Academy of Sciences for the year 1893. 1894. Washington 1895.

U. S. Department of Agriculture. Division of Ornithology and Mammalogy. North Ameri- can fauna. N.8. Washington 1895.

U.S. Department of Agriculture. Division of Örnithology and Mammalogy. Bulletin. N.6. Washington 1895.

Department of the Interior. U.S. Geological Survey. J. W. Powerr, Director. Geological Atlas of the United States. Fol. I—12. Washington 1894. gr. Fol.

Department of the Interior. Bulletin of the U.S. Geologieal Survey. N. 115— 122. Washington 1894.

Department of the Interior. U.S.Geographical and Geological Survey of the Rocky Mountain region. J.W. Powerr in charge. Contributions to North american Ethno- logy. Vol. 9. Washington 1893. 4.

Department of the Interior. Monographs of the U.S. Geological Survey. Vol. 23. Geo- logy of the Green Mountains in Massachusetts by R. Punrertv, J. E. Worrr and T. Nerson Date. Vol.24. Mollusca and Crustacea of the Miocene formations of New Jersey by R. P. Wurrrıerp. Washington =

U.S. Geological Survey. 14. annual report of the U.S. Geological Survey to the Secre- tary of the Interior 1892/93 by J. W. Powerr, Dir. Part 1.2. Washington 1893/94.

U.S. Coast and Geodetie Survey. Bulletin N. 31—34. Washington 1894/95.

Report of the Commissioner of Education for the year 1891/92. Vol. 1, containing P.1. Vol.2, eontaining P. II and III. Washington 1894.

1190 Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften.

Smithsonian Miscellaneous Collections. 969. The varieties of the human species. Principles and method of classification by GıuserrE Sersı. Washington 1894.

Smithsonian Miscellaneous Collections. 970. Bibliography of aceto acetie ester and its derivatives by Paur H. Seymour. Washington 1894.

Smithsonian Miscelleneous Collections. 854. Smithsonian Geographical Tables prepared by R. S. Woopwarn. Washington 1894.

Smithsonian Institution. Bureau of Ethnology: J.W. Powerr, Director. List of the publi- cations of the Bureau of Ethnology with index to authors and subjeets by Freverıck . Wess Hopse. Washington 1894.

Smithsonian Institution. Bureau of Ethnology: J. W. Power, Direetor. An ancient quarry in Indian Territory by Wırrıam Henky Hornes. Washington 1894.

Smithsonian Institution. Bureau of Ethnology: J.W.Poweır, Director. 1. Archaeological investigations in James and Potomae valleys by Gerarp Fowke. 2. The Siouan tribes of the east by James Mooney. 3. Chinook texts by Franz Boss. Washington 1894.

11. Annual Report of the Bureau of Ethnology to the Secretary of the Smithsonian Institution. 1889/90. 1890/91. Washington 1894. 4.

Annual Report of the Board of Reyents of the Smithsonian Institution, showing the operations

. of the Institution to July 1893. Washington 1895.

Publications of the Cincinnati Observatory. N.13. Catalogue of 2000 stars for the epoch 1890, by Jermaın G. Porter. 4.

Bulletin of the Scientific Laboratories of Denison University. Vol.8. Part. I. Vol. 8. Part. I. Granville, Ohio. May 1893. June 1894.

Transactions of the Academy of Science of St. Louis. Vol.6. N. 18. Vol.7. N. 1-3. St. Louis 1895.

Missouri Botanical Garden. Sixth annual Report. St. Louis, Mo.

Field Columbian Museum. Pub.]. Vol.I. N.1. Chicago. Dee. 1895. 2 Ex.

Michigan Mining School. Houghton, Michigan. Prospectus of elecetrie studies. May 1895. Houghton. 2 Ex.

Catalogue of the Michigan Mining School. 1892—94. Announcements 1895/96. Hough- ton, Michigan 1894.

Transactions af the Wisconsin Academy of Sciences, Arts and Letters. Vol. 1.1870/72. 1872. Vol. 2. 1873/74. 1874. Vol. 3. 1875/76. 1876. Vol.4. 1876/77. 1878. Vol.5. 1877/81. 1832. Vol.6. 1881/83. 1886. Vol.7. 1883/87. 1889. Vol.8. 1888/91. 1892. Vol.9. 1892/93. 1893. Vol.9. P.II. 1893. 1893. Madison, Wisconsin.

University of Nebraska. Bulletin of the Agricultural Experiment Station of Nebraska. Vo1.8. N. 43. Lincoln, Nebraska U. S.A.

Agrieultural experiment station of Nebraska. Press Bulletin N.6. (Beilage) o. O.u.J.

Proceedings of the California Academy of Sciences. Vol. IV. P.1.2. San Francisco 1895.

Memoirs of the California Academy of Sciences. Vol.2 N.4. San Francisco. Cal. 1895. 4.

Annual Report of the Secretary to the Board of Regents of the University of California, for the year ending ‚June 30, 1894. Sacramento 1894.

University of California. Biennial Report of the President of the University on behalf of the Board of Regents, to his Excelleney the Governor of the State. 1893. Sacramento 1894.

Register of the University of California 1893/94.

University of California. College of Agriculture. Agrieultural experiment station. Re- port of work of the agrieultural experiment stations of the University of California for the year 1392/93 and part of 1894. Being a part of the Report of the Regents of the University. Sacramento 1894.

Dr | I de u a m

2

Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. 1491

University of California. Bulletin of the Department of Geology. Vol.1. N.5—9. p: 161— 300. Pls. 10—16. (Berkeley 1894.)

University of California. Library Bulletin, N.12. Classification of books in the Library by Jos. €. Rowerr. [Supplement to the Report of the Secretary of the Board of Regents, 1894]. Berkeley, California 1894.

Iniversity of California Studies. Notes on the development of a child, P. II, by Mıticenr Wasusgurn Suınn. Berkeley 1894.

Alumni Association, University of California. Adresses, commencement day. University of California, Berkeley, May 17. 1893.

Hınrıcas, Gusravus Derter. The elements of Atom-Mechanics. Vol.1. St. Louis, Mo., U. S. 1894.

Horven, Epwarn S. A brief account of the Lick Observatory of the University of California. Second edition. Sacramento 1895.

KeeELer, James E. A Spectroscopie proof of the Meteoric Constitution of Saturn’s Rings. Chicago 1895. Sep.-Abdr.

Keerer, James E. Conditions affecting the form of lines in the Spectrum of Saturn. Chicago 1895. Sep.-Abdr.

Lyverker, R. The La Plata Museum. (Reprint. from »Natural Science«, Vol. IV. N.24. Febr. 1894).

Newcons, Sınon. The Elements of the four Inner Planets and the Fundamental constants of Astronomy. Supplement to the American Ephemeris and Nautical Almanac for 1897. Washington 1895.

ALVARADO, JuLıo. Geographical and exploring commission of the Mexican Republic. Cata- logue of the exhibits by the Directing Engineer. Transl. by Wırrıam Tuonrson. Mexico 1895.

Anales del Observatorio astronomico y meteorologico de San Salvador. 1895. San Salvador. 4.

Garavuro, Jurıo. Principes de la dynamique des fluides. Bogota. Columbia.

Annuario publicado pelo Observatorio de Rio de ‚Janeiro para o anno de 1894/95. Rio de Janeiro 1893/94.

Gorıoı, Exınıo A. Ensaio sobre o Dr. ALEXANDRE R. FERREIRA. Para. Brazil 1895.

Honore£, Carros. Loi du rayonnement solaire et ses principales consequences. Communi- cation sommaire sur la decouverte de faits generaux du domaine de la meteoro- logie et de l’astronomie physique. Montevideo 1894.

Polaires thermiques du soleil. 2. Communication sur la decouverte de faits generaux du domaine de la meteorologie et de l’astronomie physique. Montevideo 1895.

Anales del Museo de La Plata. Materiales para la historia fisica y moral del continente sud-americano. 1890/91. Primera parte. Buenos Aires 1890/91.

Anales del Museo de La Plata. Materiales ... Seceion de Historia Americana. Ill. Historia de la bibliografia y la imprenta en el antiguo Vireinato del Rio de la Plata. Buenos Aires 1892. Fol.

Anales del Museo de La Plata. Materiales ... Seccion de historia general. I. Documentos histöricos sobra el descubrimiento de la fotografia. Buenos Aires 1892. Fol. Anales del Museo de La Plata. Materiales ... Seceion de Arqueologia. II y Ill. Pro-

vincia de Catamarca. Buenos Aires 1892. Fol. }

Anales del Museo de La Plata. Materiales ... Seccion zoologica. I. Geotria Macrastoma y Thalassophryne Montevidensis. Buenos Aires 1893. Fol.

1192 Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. segang

Anales del Museo de La Plata. Materiales ... Seccion Geolögica y Minerologica. I. Pro- vincia de Mendoza. Buenos Aires 1892. Fol.

Anales del Museo de La Plata. Paleontologia Argentina II. III. Buenos Aires 1893/94. Fol.

Boletin del Museo La Plata (Provincia de Buenos Aires). Museo La Plata. Informe pre- liminar de los progresos del Museo La Plata durante el primer semestre de 1888. Breve resena de los progresos del Museo La Plata, durante el segundo semestre de 1888. Por su director Francısco P. Moreno. Buenos Aires 1889.

Revista del Museo de La Plata dirijida por Francısco MorEno, Director del Museo. T. 4. 5. Tulleres del Museo de La Plata. 1893 (93). 1893 (94). T.6. Parte 6. Museo de La Plata 1894.

Revista de la Facultad de Agronomia y Veterinaria La Plata. N.5—7. 1895. La Plata.

Boletin del Centro Naval. T.13. N. 141. Buenos Aires 1895.

Conferencias de la Sociedad Cientifica Argentina. Patagonia resto de un antiguo continente hoy sumerjido. Contribuciones por Francısco P. Moreno. Conferencia del 15 de Julio de 1882. Buenos Aires 1882.

Boletin de la Academia Nacional de Ciencias en Cordoba (Repüblica Argentina). Enero de 1892. Tomo XII. Entrega 4a. Octubre de 1892. Tomo XIII. Entrega la. Decembre de 1894. Tomo XIV. Entrega 2a. Buenos Aires 1892 94.

Resultados del Observatorio Nacional Argentino. V01.17. Buenos Aires. 1894. 4.

Moreno, Francısco P. Viaje «d la Patagonia austral emprendido bajo los auspicios del Gobierno nacional 1876/77. Buenos Aires 1879. 4.

. Le musee de La Plata. Rapide coup d’oeil sur sa fondation et

son developpement. 1890. Extr.

The Imperial University Calendar. 2554—55 (1894— 95.) Tokyo 2555 (1895.)

The Journal of the College of Science, Imperial University, Japan. Vol. Vll. Part. IV. V. Tokyo 1895.

Mittheilungen aus der Medicinischen Facultät der Kais. Japanischen Universität. Bd.11. N.IV. Bd. Ill. N.I. Tokio 1894.

Mittheilungen der Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens in Tokio. Heft 55. 56. (Bd. VI. S. 197— 328.) Supplement - Heft II zu Bd. VI. Tokio. 1895. 4.

ungen

BL SI 4 DZ

1193

NAMENREGISTER.

ABELSDORFF, Dr. G. in Berlin, über Erkennbarkeit des Sehpurpurs von Adramis Brama wit Hülfe des Augenspiegels. 323. 325—329. S. auch Körrsen.

Acu, L., Synthese des Caffeins, s. FıscHEr.

Acassız, Alexander,Director des Museums für vergl. Zoologie in Cambridge, Mass., zum correspondirenden Mitglied der physikalisch- mathematischen Classe gewählt. 791.

Auwers, Ergebnisse einer Untersuchung der Bradley’schen Sectorbeobachtungen hin- sichtlich der Wahrnehmbarkeit von Polhöhenschwankungen. 445 448.

D’AvENEL, Vicomte G., »Histoire &economique de la propriete, des salaires ... depuis l’an 1200 jusqu’en l’an 1800.« Paris 1894. 469.

BaummAveEr, Dr. H. in Lüdinghausen, über den Skleroklas von Binn. 217. 243 252.

Bruck, W., s. LEumann.

von Bezornn, über Isanomalen des erdmagnetischen Potentials. 363 378.

———, der normale Erdmagnetismus. 1117. 1119—1134.

, Vorlage von Veröffentlichungen des Kgl. Meteorologischen Instituts. 997.

Bır'rz, Dr. H., Privatdocent in Greifswald, Bestimmung der Moleculargrösse einiger anorganischen Substanzen. 1. 67— 90.

erhält 1000 Mark zur Fortsetzung seiner Untersuchungen über die Ermitte- lung der Gasdichte einiger Elemente. 542.

pu:Boıs-Reymonp, Bericht über die Humboldt-Stiftung. 48 49.

, Gedächtnissrede auf von Hernsorız. 746.

Brunner, über die Geburt eines lebenden Kindes und das eheliche Vermögensrecht. 207.

—, erhält 1000 Mark zu Vorarbeiten für Herstellung eines Wörterbuchs der älteren deutschen Rechtssprache. 543.

Bucnenau, Prof. Dr. Franz, Director der Realschule beim Doventhor in Bremen, erhält 1000 Mark zur Bearbeitung seiner Flora der ostfriesischen Inseln. 542.

Bückıng, Prof. H. in Strassburg, neue Mineralfunde von Westeregeln. 448. 533 540-

Buresch, Dr. K., z. Z. in Athen, erhält 1500 Mark für eine topographische Reise in Kleinasien. 411. j

Cavrey, starb am 26. Januar in Cambridge. 55.

Coxze, Jahresbericht über die Thätigkeit des Kaiserl. Deutschen archaeologischen Instituts. 541. 581—591.

über den ionischen Tempel auf der Theaterterrasse von Pergamon. 995. 1057— 1068.

Cossa, Prof. Alfonso in Turin, zum eorrespondirenden Mitglied der physikalisch - ma- thematischen Classe gewählt. 791.

Curvrıus, über den Synoikismos von Elis. 791. 793— 806.

———— und Kavrert, VIII. (Schluss-) Heft der Karten von Attika. 111. Danues, über die in Württemberg und Franken vorkommenden Arten der Gattung Plesiosaurus und ihre Beziehungen zu ausserdeutschen Arten. 109. (4ADA.)

———, über die Ichthyopterygier der Triasformation. 1025. 1045—1050. ——, über die Gattung Anguisaurus und die Art der Anpassung der fossilen Rep- tilien an das Leben im Meer. 1135.

1194 Namenregister.

Dana, starb am 15. April in New Haven, Conn. 411.

DEıcHnmüLrEer, Prof. Dr. Fr., Observator an der Sternwarte der Universität Bonn, erhält 500 Mark zu Vorarbeiten für eine Photometrie der seit der Zeit Tycho’s erschienenen Kometen. 541.

Des Crorzeauvx, Alfred Louis Olivier, in Paris, vormals Professor, jetzt Ehrenprofessor am Museum d’histoire naturelle daselbst, zum correspondirenden Mitglied der physikalisch - mathematischen Classe gewählt. 713.

Dırens, Bericht über die Ausgabe der Aristoteles-Commentatoren. 47.

Bericht über den Thesaurus linguae latinae. 48.

, über Alkman’s Partheneion. 1125.

zum beständigen Secretar der Akademie gewählt. 1135.

Dörrrerp, Bericht über die Ausgrabung des Kaiserlichen archaeologischen Instituts im Westen der Akropolis von Athen. 111—112.

Dünmmter, Jahresbericht über die Herausgabe der Monumenta Germaniae historica. 411. 413 —417.

,„ über den Mönch Ötloh von St. Emmeram. 1069. 1071—1102. über Leben und Lehre des Bischofs Claudius von Turin. 425. 427—443.

Eımer, Dr. G. H. Th., Professor an der Universität Tübingen, erhält 1200 Mark zur Herausgabe der 2. Abtheilung seines Werkes: »Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Schmetterlingen«. 542.

Erster, J., und Gerrer, H., in Wolfenbüttel, über die Abhängigkeit des lichtelektri- schen Stromes vom Azimuth und Einfallswinkel des Lichtes. 207. 209— 216. En6GLEr, über Amphicarpie bei Fleurya podocarpa Wenp., nebst einigen allgemeinen

Bemerkungen über die Erscheinung der Amphicarpie und Geocarpie. 1. 57—66.

Eruman, Prof. Dr. Adolf in Berlin, Direetor der aegyptischen Abtheilung der Kgl. Mu- seen, zum ordentlichen Mitglied der philosophisch -historischen Classe gewählt. 260.

, Antrittsrede. 742 744.

Faurs, Philipp, Lehrer in Landstuhl (Rheinpfalz), erhält 1400 Mark zur Fortsetzung seiner Bearbeitung einer Mondkarte im Maassstabe 1:1000000. 541.

FıscHer, über die Verbindungen der Zucker mit den Alkoholen und Ketonen. 217. 219 241.

und L. Aca, über die Synthese des Caffeins. 259. 261 263.

FoOERSTER, Prof. Dr. Richard in Breslau, erhält 1000 Mark für eine kritische Ausgabe des Libanius und Choricius. 792.

Frecn, Prof. Dr. Fritz in Breslau, erhält 1000 Mark zu tektonischen Studien im Gebiet des Radstädter Tauern. 542.

Frrrsch, Prof. Dr. G., Abtheilungsvorsteher im physiologischen Institut der Universität Berlin, über Discopyge Tschudü Heck. 1025. 1051—1054.

über Hypnos subniger. 421. 423 424.

Frosentus, über auflösbare Gruppen. 1025. 1027—1044.

———, über endliche Gruppen. 161. 163—194.

—— , über die Verallgemeinerung des Sylow’schen Satzes. 979. 981— 993.

Fucas, erhält 2000 Mark zur Fortsetzung der Herausgabe der gesammelten Werke Dirichlet's. 541.

——— , über die Abhängigkeit der Lösung einer linearen Differentialgleichung von den in den Coefficienten auftretenden Parametern. 903. 905— 920.

Gerrer H., lichtelektrischer Strom, s. Erster.

GERHARD, Etruskische Spiegel. 469. 932.

GerHArRDT, R.1., erhält 1500 Mark zur Herausgabe der mathematischen Correspon- denz Leısnız’. 541.

Der erste Jahresband endet mit Seite 540. 1195

GeErovA, Dr. D. in Bukarest, über den ano-rectalen Lymphapparat. 217. 253—256.

Gırs, Dr. Ernst, Privatdocent an der Universität Berlin, erhält 1200 Mark zur: Be- arbeitung einer Monographie der Gattung Draba. 542.

Gorpvsweın, Prof. E. in Berlin, über die durch die Kathodenstrahlen hervorgerufenen Färbungen einiger Salze. 1003. 1017—1024.

GrEEnHILL, Professor an der Artillerieschule in Woolwich, Photographie einer sphaerischen Kettenlinie. 713.

von Günser, Wilhelm, Professor in München, zum correspondirenden Mitglied der physikalisch-mathematischen Classe gewählt. 791.

GRUBE, Dr. W., Professor an der Universität in Berlin, erhält 900 Mark zur Herausgabe einer auf der Kgl. Bibliothek befindlichen Handschrift der Iu-tschen -Sprache. 411.

HansEemann, Dr. David, Privatdocent an der Universität in Berlin, über die Poren der normalen Lungenalveolen. 997. 999 —1001.

Hanssen, starb am 19. December 1894 in Göttingen. 2.

Harnack, Bericht über die Ausgabe der griechischen Kirchenväter. 48.

über Tertullian in der Litteratur der alten Kirche. 541. 545—579. zu Apostelgeschichte 28, 16 s. Momnusen.

Harrwıs, Dr. Ernst, Director der Remeis-Sternwarte zu Bamberg, erhält 600 Mark zur Bearbeitung seiner auf der Dorpater Sternwarte zur Bestimmung der physi- schen Libration des Mondes ausgeführten Heliometerimessungen. 542.

Hauvuter, Dr. in Wien, erhält 1000 Mark für die Studemund’sche Frontoausgabe. 792.

Henwser, Prof. Kurt in Berlin, über die Ordnungen der Verzweigungspunkte einer Riemann’schen Fläche. 931. 933—943.

über die Verzweigung der drei- und vierblätterigen Riemann’schen Fläche. 1003. 1103—1114.

Hermann, A. in Paris, Neudruck von »Neperus, Mirifici Logarithmorum Canonis eonstructio ... Lugduni MDCXX.« 323.

H&ERoN DE VırLErosse, Bericht über den Silberfund ‘von Bosco Reale. 959.

Herwwıs, über die Entwickelung des menschlichen Kopfskelets. 259.

Hevynmons, Dr. R., Assistent am Zoologischen Institut der Universität Berlin, die Segmentirung des Insectenkörpers. 323. (4AdA.)

HırLer von GÄRTRINGENn, Friedrich Freiherr, über eine neue Inschrift von Nisyros. 469. 471—475.

Hırsc#rerp, Bericht über die Sammlung der lateinischen Inschriften. 46.

zur Geschichte des Christenthums in Lugudunum vor Constantin. 379. 381—409.

Horven, Prof., Director des Lick-Observatoriums, Mt. Hamilton, Cal., Mond- photographien. 260.

Hussıns, Dr. William in London, zum correspondirenden Mitglied der physikalisch- mathematischen Classe gewählt. 1135.

Hurnu, Dr. Georg in Berlin, Verzeichniss der im tibetischen Tanjur, Abtheilung mDo (Sütra), Bd. 117—124, enthaltenen Werke. 111. 267—286.

Huxrey, starb am 29. Juni in London. 792.

Insoor-Brumer erhält 3000 Mark behufs Fortführung der Sammlung der nord-

griechischen Münzen. 1. Iwanorr, Sergius Andrejewitsch, architektonische Studien. Heft 2. 959. Kaiser, die Vision des Maximus. 765. 767—769. Kırsrreiscn, Dr. K., Abhandlung »über eine -unedirte neuplatonische, fälschlich dem Galen zugeschriebene Schrift ep! rov mos &uyvxovra ra Eußpvas, 111. Kıaurerr, Karten von Attika, s. Currıus.

Sitzungsberichte 1895. 109

1196 Namenregister.

Kırrerr, erhält 1500 Mark als Unterstützung für das 1. Heft der von ihm heraus- gegebenen Formae orbis antiqui. 1

Kırcasworr, Bericht über die Sammlung der griechischen Inschriften. 45.

_ _ _ , der Margites des Pigres von Halikarnass.. 765. 767—779.

Kresann, Dr. G., Seminarlehrer in Bremen, Untersuchung über die Algenflora des Plöner Sees. 109.

Kreın, der Universaldrehapparat, ein Instrument zur Erleichterung und Vereinfachung krystallographisch - optischer Untersuchungen. 91—107.

ein Universaldrehapparat zur Untersuchung von Dünnschliffen in Flüssig- keiten. 997. 1151—1159.

Könrer, die athenische Oligarchie des Jahres 411 v. Chr. 449. 451—468.

, zur Geschichte Ptolemaios’ II. Philadelphos. 959. 965 977.

Könıke, F., Volksschullehrer in Bremen, erhält 400 Mark zur Fortsetzung seiner Untersuchungen über die Hydrachniden. 542.

Körrer, Dr. Fritz, Professor an der Bergakademie in Berlin, über eine Darstellung der Richtungscosinus zweier orthogonaler Coordinatensysteme durch Thetafunctionen zweier Argumente. 791. 807—814.

Körrsen, Frl. Else, und Dr. Georg ABEeLSporFF in Berlin, die Arten des Sehpur- purs in der Wirbelthierreihe. 903. 921— 928.

Kontrauscn, Prof. Dr. Friedrich in Charlottenburg, Praesident der Physikalisch- technischen Reichsanstalt, zum ordentlichen Mitglied der physikalisch -mathe- matischen Classe gewählt. 932.

Korscaer', Prof. Dr. E. in Marburg, erhält 1400 Mark zu entwickelungsgeschicht- lichen Untersuchungen an Cephalopoden. 1. 2.

KRONECKER, Auszug aus einem Brief desselben an Deverınn. 113. 115—117.

Krünner, Dr. O., Professor an der Universität Kiel, erhält 450 Mark zur Fortsetzung seiner Untersuchungen oceanographischer Instrumente u. s.w. 542.

Kuckuck, Dr. Paul auf Helgoland, über Schwärmsporen -Bildung bei den Tilopteri- deen. 217.

Lanpor', Erfahrungen bei der Darstellung des Argons aus der atmosphaerischen Luft. 713.

Laryscuew, Inschriften aus dem Taurischen Chersonesos.. 449. 505—522. S. auch Suru'rscHan.

LEHnAann. Dr. C. T., Privatdocent an der Universität Berlin, erhält 1000 Mark zu einer mit Dr. Warpemar Bere in Fürfurt für 1896 geplanten Forschungsreise durch Armenien. 792.

Lıspau, Dr. G., Privatdocent an der Universität Berlin, erhält 350 Mark zur Heraus- gabe seiner Untersuchungen über Bau und Wachsthum der Krustenflechten. 932.

Lorwy, Moritz, Membre de l’Institut in Paris, zum correspondirenden Mitglied der physikalisch-mathematischen Classe gewählt. 1135.

Zn und Puiıseux, P.. Mondphotographien. 217.

Lonumann, Dr. Hans, Privatdocent an der Universität Kiel, erhält 1500 Mark zum Studium der Appendicularien des Mittelmeeres. 932.

Loven, starb am 3. September in Stockholm. 931.

Lupwıs, starb am 23. April in Leipzig. 425.

MASCART, Eleuthöre. Membre de l’Institut in Paris, Professor der Physik am College de France, zum correspondirenden Mitglied der physikalisch-mathematischen Classe gewählt. 792.

Meyer, Lothar, starb am 11. April in Tübingen.

Mörıvs, die ästhetische Betrachtung der Thiere. 1003. 1005— 1015.

Mouusen, Bericht über die Sammlung der lateinischen Inschriften. 46— 47.

PR

Der erste Jahresband endet mit Seite 540. 1197

Monmasex, Bericht über die Prosopographie der römischen Kaiserzeit. 47. —————— , Bericht über das Corpus nummorum. 47. , Bericht über die Wentzel-Stiftung. 50.

——— , Rede zur Leibniz-Feier. 733 735.

—_ Antwort auf die Antrittsreden der HH. Srunrr, E. Scumivr und Ernan. 738 745.

das Potamon-Denkmal auf Mytilene. 887 901. -—— , legt sein Amt als beständiger Secretar nieder. 1135.

———— und Harnack, zu Apostelgeschichte 28,16 (Zrparoredapyns = princeps peregrinorum). 489. 491 —503.

Munk, über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde. 4. Mittheilung. 593. 595 —613.

NEUMANN, starb am 23. Mai in Königsberg. 543.

ÖBERBECK, Prof. A. in Greifswald, über das Ausströmen der Elektrieität aus einem Leiter in die Luft und über den Einfluss, welchen Temperaturerhöhung auf diesen Vorgang ausübt. 311. 313— 321.

Pırıs, Gaston, »La poesie du moyen-äge«. Ser. II. Paris 1895. 469.

Pıscn#en, F., Spectrum des Heliums, s. Runge.

Perntıce, über den verbrecherischen Vorsatz im römisch -griechischen Recht. 1161.

Pı.anck, über Absorption und Emission der elektrischen Wellen durch Resonanz. 287. 289— 301.

PrAare, Dr.L., Mittheilung über dessen Reise für die Humboldt-Stiftung. 161.

Prınssn#eim, Dr.E. in Berlin, über Leitung der Elektrieität durch heisse Gase. 323. 330 334.

Quincke, über die Dauer des elektrischen Schattens bei festen und flüssigen Isolatoren. 523. 525—531.

RaprLorr, Dr. Wilhelm. Director des Museums für Ethnographie in St. Petersburg, zum correspondirenden Mitglied der philosophisch -historischen Classe gewählt. 113.

Rawrınson, starb am 5. März in London. 260.

von REsEur-Pascawrrz, Dr. E. zu Merseburg, erhält 600 Mark zur Fortsetzung seiner Untersuchung über Veränderungen der Richtung der Schwere, 411.

Reıc#e, Dr. K. in Constitucion, Chile, Bericht über botanische Studien in den chileni- schen Anden. 593 59.

ReınkE, Dr. Friedrich in Rostock, Untersuchungen über Befruchtung und Furchung des Eies der Echinodermen. 593. 625—637.

von Roru, Rudolf, starb am 23. Juni in Tübingen. 713.

Runge, C., und Pasc#en, F., in Hannover, über das Spectrum des Heliums. 593. 639 643.

——, über die Bestandtheile des Cleveit-Gases. 749. 759 763.

Sıcnau, Baal-Llarrän in einer Altaramäischen Inschrift auf einem Relief des Kgl. Museums zu Berlin. 119— 122.

———., Stellung der Christen im Muhammedanischen Privatrecht. 159.

, erhält 700 Mark zur Herausgabe der Urgeschichte des Islam’s von Ibn Said. 932.

Sıacns, H., Schnitte des Grosshirns, s. WERNICKE.

Sıromon, Dr. Wilhelm aus Berlin, z.Zt. in Pavia, erhält 1200 Mark zur Fortsetzung seiner petrographisch - geologischen Untersuchungen am Monte Adamello. 542.

Sımassa, Dr. Paul, Privatdocent an der Universität Heidelberg, erhält 600 Mark zu einer Untersuchung über die Herkunft der Dotterkerne bei den Selachiern. 542.

ScHauvınsLAND, Dr., Director des städtischen Museums für Naturkunde zu Bremen, erhält 2000 Mark zu einer faunistischen Erforschung der Insel Laysan und anderer Inseln des pacifischen Oceans. 542.

109*

1198 Namenregister.

SCHEINER, J., Hertz'sche elektrische Schwingungen, s. Wırsıng. ScaräÄrLrı, starb am 20. März in Bern. 311. Scuraur, Prof. Albrecht in Wien, zum correspondirenden Mitglied der physikalisch- mathematischen Classe gewählt. 791. Scamipr, Dr. Carl, z. Zt. in Kairo, eine bisher unbekannte altchristliche Schrift in koptischer Sprache. 665. 705— 711. erhält 1000 Mark zur Förderung seiner koptischen Studien. 792. Scuuıpı, Dr. Erich, Professor an der Universität Berlin, zum ordentlichen Mitglied der philosophisch -historischen Classe gewählt. 260. Antrittsrede. 739 741. Scamıpt, J., über die Schicksale der Lautverbindung mn in den indogermanischen Sprachen. 257. SCHMOLLER, über Einkommensvertheilung in alter und neuer Zeit. 265. S. auch von SYBEL. _ SCHRADER, über einen altorientalischen Herrschernamen. 959. 961— 964. ScHwWARz, Untersuchung über die Integration einiger partieller Differentialgleichungen. (Forts.) 421. ————., über die analytische Bestimmung derjenigen Minimaltlächen, welche durch Translation einer reellen Curve erzeugt werden können. 1141. SCHWENDENER, die jüngsten Entwickelungsstadien seitlicher Organe und ihr An- schluss an bereits vorhandene. 623. 645 663. ScHULzeE, die Hexactinelliden des Indischen Oceans. Zweiter Theil. 931. (AbA.) STADELMANN, Dr. H., Assistent an der Zoologischen Sammlung der Universität Berlin, Beitrag zur Kenntniss der Gattung Melipona sens. lat. 593. 615 623. STEINER, Prof. I. in Köln, über Entwickelung der Sinnessphaeren, insbesondere der Sehsphaere, auf der Grosshirnrinde des Neugeborenen. 287. 303— 309. STEINHAUSEN, Dr. Georg, Assistent an der Universitätsbibliothek in Jena, erhält 600 Mark zu einer Publication von deutschen Privatbriefen des 14. und 15. Jahrhunderts. 543. STRODTMANN, Dr. Sig. in Plön, erhält 500 Mark zu Untersuchungen über das Plankton der holsteinischen und mecklenburgischen Seen. 542. Srumrr, Dr. Carl, Professor an der Universität Berlin, zum ordentlichen Mitglied der philosophisch - historischen Classe gewählt. 260. ,‚ Antrittsrede. 735 738. SURUTSCHAN, J., und B.LArysc#Ew, Inscriptiones Graecae et Latinae novissimis annis (1889 —1894) Museo Surutschaniano quod est Kischinevi inlatae. 260. VON SYBEL, starb am ]. August. 931. SCHMOLLER und Naupe, Bericht über die Politische Correspondenz Frieprıcn’s des Grossen. 43 —44. und ScHumoLLer, Bericht über die Acta Borussica. 44—45. Teomrson, Edw. Maunde, Principal Librarian am British Museum in London, zum correspondirenden Mitglied der philosophisch -historischen Classe gewählt. 543. TosLERr, textkritische Bemerkungen zu Petrarca's Canzoniere. 27. , Beiträge zur historischen Syntax des Französischen. 1055. TrAUBE, Dr. Hermann in Berlin, über das optische Drehungsvermögen von Körpern im krystallisirten und im flüssigen Zustand. 195 205. von TrEITScHKE, Dr. Heinrich, Professor an der Universität Berlin und Historiograph des preussischen Staates, zum ordentlichen Mitglied der philosophisch -historischen Classe gewählt. 932. VAHLEN, Festrede in der öffentlichen Sitzung zur Feier des Geburtsfestes S. M. des Kaisers und Königs und des Friedrichs-Tages.. 29—43.

N

ET WERE WELL

u A ee ET ee

Der erste Jahresband endet mit Seite 540. 1199

Vanten, über einige Anspielungen in des Callimachus’ Hymnen. 867. 869 —885.

Vırcuow, über die eulturgeschichtliche Stellung des alten Kaukasus, unter besonderer Berücksichtigung der ornamentirten Bronzegürtel aus transkaukasischen Gäbern. 469. (Abh.)

Vırcuow, Prof. Dr. Hans in Berlin, erhält 1000 Mark zur weiteren Bearbeitung des von Dr. F. FürLresorv gesammelten Materials von Amia, Lepidosteus und Necturus. 932.

Voser, neuere Untersuchungen über die Spectra der Planeten. 3. 5—25.

———, über das Vorkommen der Linien des Cleveitgasspectrums in den Stern- spectren und über die Classification der Sterne vom ersten Spectraltypus. 945. 947—958.

von WAGNER, Dr. Fr., Privatdocent an der Universität Strassburg, erhält 900 Mark zu einer vergleichenden Untersuchung der Regenerationsprocesse bei den wirbel- losen Thieren des Meeres. 542. ;

WALDEYER, über Bindegewebszellen, insbesondere Plasmazellen. 749. 751—758.

Warsurs, Dr. Emil, Professor an der Universität Berlin und Director des physi- kalischen Instituts, zum ordentlichen Mitglied der physikalisch -mathematischen Classe gewählt. 932.

Warrensach, Beschreibung einer Handschrift mittelalterlicher Gedichte (Berl. cod. theol. cart. 94). 55. 123—157.

WEBER, vedische Beiträge. 489. 8315—866.

Adresse an denselben zur Feier seines 50 jährigen Doctorjubilaeums. 1135. 1137—1139.

WeEıIERSTRASss, erhält 2000 Mark zur Herausgabe seiner gesammelten mathematischen Werke. 541.

WeınHoLD, die altdeutschen Verwünschungsformeln. 665. 667— 703.

Wentzer, Dr. G. in Göttingen, Beiträge zur Geschichte der griechischen Lexiko- graphen. 469. 477—487.

WERNntcKE, Prof. Dr., und Dr. H. Sacas in Breslau, Photographien von Schnitten des menschlichen Grosshirns. 448.

Wıen, Dr. Willy, in Charlottenburg, über die Gestalt der Meereswellen. 161. 343 362.

Wırcken, Prof. Dr. U. in Breslau, erhält 500 Mark behufs Vervollständigung der Sammlung griechischer Papyrusurkunden aus der Ptolemäerzeit. 1.

Wırr, Dr. L., Professor an der Universität Rostock, erhält 300 Mark zur Fortsetzung seiner entwickelungsgeschichtlichen Studien über Reptilien. 542.

Wırsıns, Prof. J., und ScHEiner, Prof. J., in Potsdam, über eine sehr empfindliche Methode zum Nachweis Hertz’scher elektrischer Schwingungen. 1141. 1143—1149.

Wurrr, Dr. Ludwig in Schwerin i. M., erhält 1000 Mark zur Fortsetzung seiner Ver- suche zur Krystallzüchtung. 542,

ZELLER, zum auswärtigen Mitglied gewählt. 55.

Zıester, Dr. H. E., Professor an der Universität Freiburg i. Br., erhält 800 Mark zu zoologischen Studien am Mittelmeer. 542.

von Zrrrerv, Albrecht, Professor an der Universität München, zum correspondirenden Mitglied der physikalisch-mathematischen Classe gewählt. 791.

1200

SACHREGISTER.

Abramis Brama, s. Sehpurpur.

Acta Borussiea: Bericht. 44—45.

Adressen: an Kırrerr zur Feier seines fünfzigjährigen Doetorjubilaeums. 926—929. an WEBER zur Feier seines fünfzigjährigen Doctorjubilaeums. 1135. 1137—1139.

Aesthetische Betrachtung der Thiere, von Mörıvs. 1003. 1005—1015.

Alkman, über dessen Partheneion, von Diers. 1115.

Altchristliche Schrift, eine bisher unbekannte in koptischer Sprache, von C. Scennipr. 665. 705— 711.

Altdeutsche Verwünschungsformeln, von Weımnorn. 665. 667— 703.

Altorientalischer Herrschernamen, über einen solchen, von ScHRADER. 959. 961— 964.

Amphicarpie bei Fleurya podocarpa Wevn., über dieselbe, nebst einigen allgemeinen Bemerkungen über die Erscheinung der Amphicarpie und Geocarpie, von ENGLERr. 1. 57—66.

Anatomie und Physiologie: G. Asersporrr, über Erkennbarkeit des Sehpurpurs

von Abramis Brama mit Hülfe des Augenspiegels. 323. 325—329. D. GerorA, der ano-rectale Lymphapparat. 217. 253—256. D. Hansemann, über die Poren der normalen Lungenalveolen. 997. 999—1001. Eıse Körrsen und G. ABeıs-

926. Munk, über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde. 4. Mittheilung. 593. 595 —613. Fr. Reınke, über Befruchtung und Furchung des Eies der Echinodermen. 593.

DORFF, die Arten des Sehpurpurs in der Wirbelthierreihe. 921

625 637. 1. Steiner, über die Entwickelung der Sinnessphaeren, insbesondere der Sehsphaere, auf der Grosshirnrinde des Neugeborenen. 287. 303—309. Warpever, über Bindegewebszellen, insbesondere Plasmazellen. 749. 751—758.

Anguisaurus, über die Gattung und die Art der Anpassung der fossilen Rep- tilien an das Leben im Meere, von Daues. 1135.

Antrittsreden von ordentlichen Mitgliedern: Erman. 742—744. E. Scamiprr. 739— 741. Sıumer. 735 738.

Apostelgeschichte: Zu Apostelgesch, 28,16 (Zrparoredapyns = princeps peregrinorum), von Mommsen und Harnack. 489. 491— 503.

Archaeologie: Conze, über den ionischen Tempel auf der Theaterterrasse von Pergamon. 995. 1057—1068.

Archaeologisches Institut: Jahresbericht. 541. 581—591. Neue Publi- cationen. 469. 959,

Aristoteles-Commentatoren: Bericht. 47—48. Geldbewilligung. 792. Neue Publieationen. 159. 995.

Astronomie: Auwers, Ergebnisse einer Untersuchung der Bradley’schen Sector- beobachtungen hinsichtlich der Wahrnehmbarkeit von Polhöhenschwankungen in denselben. 445 448. Voser, neuere Untersuchungen über die Speetra der Planeten. 3. 5—25. Derselbe, über das Vorkommen der Linien des Cleveit- gasspectrums in den Sternspeetren und über die Classification der Sterne vom ersten Spectraltypus. 945. 947—958.

Der erste Jahresband endet mit Seite 540. 1201

Athenische Oligarchie, über dieselbe, des Jahres 411 v.Chr. von Könrter. 449. 451— 468.

Ausgrabung des Kaiserlichen archaeologischen Instituts im Westen der Akropolis von Athen, Mittheilung darüber von Coxze. 111. 112.

Baal-Ilarrän in einer Altaramäischen Inschrift auf einem Relief des Kgl. Museums zu Berlin, von Sıcnau. 119 —122.

Bopp-Stiftung: Jahresbericht. 50.

Botanik: Ensrer, über Amphicarpie bei Fleurya podocarpa Wenpn»., nebst einigen allgemeinen Bemerkungen über die Erscheinung der Amphicarpie und Geocarpie. 1. 57—66. SCHWENDENER, die jüngsten Entwickelungsstadien seitlicher Organe und ihr Anschluss an bereits vorhandene. 623. 645—663.

Caffein, über die Synthese desselben, von Fıscuer und L. Acn. 259. 261— 263.

Callimachus, über einige Anspielungen in des Hymnen, von Vanren. 867.8369— 885.

Chemie: H. Bırrz, über die Bestimmung der Moleculargrösse einiger anorganischen Substanzen. 1. 67— 90. Fiıscaer, über die Verbindungen der Zucker ınit den Alkoholen und Ketonen. 217. 219—241. Fiscner und L. Acn, über die Syn- these des Cafleins. 259. 261— 263. ©. Runge und F. Pascuen, über die Bestand- theile des. Cleveit- Gases. 749. 759 —763.

Classification der Sterne vom ersten Speetraltypus, von Vocer. 945. 953-958.

Claudius, Bischof von Turin, über dessen Leben und Lehre, von Dünmnter. 425. 427— 443.

Cleveitgas, über die Bestandtheile desselben, von €. Runge und F. Pascnen. 749. 759— 763.

Cleveitgas-Specetrum, über das Vorkommen der Linien desselben in den Stern- speetren, von Voger. 945. 947— 953.

Corpus Inseriptionum Graecarum: Bericht. 45. Geldbewilligung. 543.

m Latinarum: Bericht. 46. Geldbewilligung. 543.

—— Nummorum: Bericht. 47. Geldbewilligung. 543.

Differentialgleichung, über die Abhängigkeit der Lösungen einer linearen von den in den Coeffieienten auftretenden Parametern, von Fucns. 903. 905-920.

Differentialgleichungen, über die Integration einiger partieller —, von Schwarz. 421.

Discopyge Tschudii Heck., über dieselbe, von G. Frırsch. 1025. 1051—1054.

Drehvermögen, optisches, von Körpern im krystallisirten und im flüssigen Zustande, über dasselbe, von H. Trause. 161. 195 205.

Eduard Gerhard-Stiftung, s. Gerhard - Stiftung.

Ei der Echinodermen, über Befruchtung und Furchung desselben, von Fr. Reınke. 593. 625 637.

Einkommensvertheilung in alter und neuer Zeit. von SCHNOLLER. 265.

Elektricität, über das Ausströmen derselben aus einem Leiter in die Luft und über den Einfluss, welchen eine Temperaturerhöhung des Leiters auf diesen Vorgang ausübt, von A. Ogerzzecr. 311. 313— 321.

—— , über die Leitung derselben durch heisse Gase, von Prınssueın. 323.

331— 334.

Elektrischer Schatten, über die Dauer desselben bei festen und flüssigen Isola-

toren, von Quincke. 523. 525 —531. Elektrische Schwingungen, Hertz’sche, über eine sehr empfindliche Methode zum Nachweis derselben, von J. Wırsıng und J. Scueiner. 1141. 1143 1159. Elektrische Wellen, über Absorption und Emission derselben durch Resonanz, von Pranck. 287. 289 301.

1202 Sachregister.

Erdmagnetisches Potential, über die Isanomalen desselben, von v. Bezorn. 363 378.

Erdmagnetismus, der normale, von v. Bezorv. 1117. 1119 —1134.

Festreden: zur Feier des Friedrichstages und des Geburtsfestes S. M. des Kaisers und Königs, von Vanten. 29—43. zur Feier des Leibniztages, von Momnsen. 733— 135.

Friede und Friedlosigkeit im römischen und griechischen Recht, von Persıck 311.

Friedrich I., s. Politische Correspondenz.

Fühlsphaeren, s. Grosshirnrinde.

Ganglienzellen, Axencylinder, Punktsubstanz und Neuroglia, über dieselben, von E. Roupe. 217.

Gastrulationsprocess der Eidechse (Lacerta), von L. Wırr. 323. 335 341.

Gedächtnissrede: auf von Hernnorız, von pu Boıss-Reymond. 746.

Geldbewilligungen zur Fortführung der wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie: Aristoteles-Commentatoren. 792. Politische Correspondenz König FrıevoricH's 1. 543. Corpus Inseriptionum Graecarum. 543. Corpus In- seriptionum Latinarum. 543. Corpus Nummorum. 1. 543.

Geldbewilligungen für besondere wissenschaftliche Untersuchungen und Veröffent- lichungen: H. Bırız, Gasdichte einiger Elemente. 542. Brunner, Wörterbuch der älteren deutschen Rechtssprache. 543. Franz BucHenAu, Flora der ost- friesischen Inseln. 542. K. Buresc#, topographische Reise nach Kleinasien. 411. Fr. DeicnmüLLer, Photometrie der Kometen. 541. G.H. Tan. Eıner, Artbildung bei den Schmetterlingen. 542. Ph. Fauru, Mondkarte. 541. Rıca. Foerster, Ausgabe des Libanius und Chorieius. 792. Frrız Frech, tektonische Studien im Radstädter Tauern. 542. Fucas, gesammelte mathe- matische Werke Dirıcazer's. 541. K. I. Geruarpr, mathematische Corre- spondenz Leısnız’. 541. E. Gire, Gattung Draba. 542. W. Gruee, Hand- schrift der Iu-tschen-Sprache. 411. E. Harrwıs, physische Libration des Mondes. 542. Dr. Havrer, Studemund’sche Frontoausgabe. 792. Kır- PERT, Formae orbis antiqui. 1. F. Kornıke, Hydrachniden. 542. E. Kor- scHELT, Cephalopoden. 1. 2. OÖ. Krünmmer, oceanographische Instrumente. 542. C.F. Lenmann und W. Bere, Forschungsreise durch Armenien. 792. G. Linpau, Krustenflechten. 932. H. Losmann, Appendicularien des Mittelmeeres. 932. von Reseur-Pascawırz, Richtung der Schwere. 411. G. Reimer’sche Buchhandlung, Geruarp’s Etruskische Spiegel. 932. SacHau, Urgeschichte des Islam’s von Ibn Said. 932. W. Sıromon, petrographisch - geologische Untersuchungen. 542. P. Samassa, Dotterkerne bei den Selachiern. 542. Dr. Scnaursstanp, faunistische Erforschung der Insel Laysan. 542. C. Scamipr, koptische Studien. 792. G. Steınuausen, deutsche Privatbriefe. 543. Sıc. Srroprmann, Plankton der holsteinischen und mecklenburgischen Seen. 542. H. Vırcnow, Amia, Lepidosteus und Necturus. 932. Fr. von WAGnER, Regenerationsprocesse bei den wirbellosen Thieren des Meeres. 542. WEIER- STRASS, gesammelte mathematische Werke. 541. U. Wırcken, Papyrusurkunden. 1. L. Wırr, Studien über Reptilien. 542. L. Wurrr, Krystallzüchtung. 542. H.E. Zıester, zoologische Studien. 542. Freilegung der Tempelbauten auf der Insel Philae. 1069.

Gerhard-Stiftung: Bericht. 50. 748.

Geschichte: Acta Borussica. 44—45. Corpus nummorum. 1. 47. 543. Currius, über den Synoikismos von Elis. 791. 793—806. Dünnter, über den Mönch

Der erste Jahresband endet mit Seite 540. 1203

Ötloh von St. Emmeram. 1069. 1071 —1102. Derselbe, über Leben und Lehre des Bischofs Claudius von Turin. 425. 427—443. Köster, die atheni- sche Öligarchie des Jahres 411 v. Chr. 449. 451—468. Derselbe, zur Ge-

schichte Ptolemaios’ II. Philadelphos. 959. 965 977. Monumenta Germaniae historiea. 411. 413—417. Politische Correspondenz Frıevrıcn's Il. 43—44. 543. Römische Prosopographie. 47. Warwrensach, Beschreibung einer

Handschrift mittelalterlicher Gedichte. 55. 123—157. Vergl. Kirchengeschichte. Geschichte des Christenthums in Lugudunum vor Constantin, von Hırschreun. 379. 381— 409. Grosshirnrinde, über die Füllsphaeren derselben, von Munk. 593. 595—613. ———, über die Entwickelung der Sinnessphaeren, insbesondere der Seh- sphaere auf der des Neugeborenen, von J. Steiner. 287. 303 309. Gruppen, über auflösbare, von Frosenıus. 1025. 1027—1044. —, über endliche, von Frogenıvs. 161. 163—194. Handschrift, Beschreibung einer mittelalterlicher Gedichte, von Warrensacn. 55. 123 —157. Helium, über das Spectrum desselben, von C. Runge und F. Pascnen. 593. 639 643. von Helmholtz, Gedächtnissrede auf ihn, von pu Boıs-Reynonn. 746. Hexactinelliden des Indischen Oceans; Theil2: die Hexasterophora, von Scuurze. 931. Historische Syntax des Französischen, Beiträge zu derselben, von Toerer. 1055. Humboldt-Stiftung: Bericht. 48—49. Hypnos subniger, über denselben, von G. Frrrscn. 421. 423—424. Ichthyopterygier der Triasformation, über dieselben, von Daues. 1025. 1045—1050. Inschriften: Fr. HıLner von GÄRTRINGEN, eine neue Inschrift von Nisyros. 469. 471— 475. B. Larvscaew, Inschriften aus dem Taurischen Chersonesos. 449. 505— 522. Monusen, das Potamon-Denkmal auf Mytilene. 857—901. Vergl. Corpus Insceriptionum. Inseetenkörper, Segmentirung desselben, von R. Hrymons. 323. Institut de France, Beglückwünschung desselben bei seiner hundertjährigen Stif- tungsfeier. 1069. Ionischer Tempel, s. Pergamon.

Kaukasus, über die culturgeschichtliche Stellung des alten —, unter besonderer Be- rücksichtigung der ornamentirten Bronzegürtel aus transkaukasischen Gräbern, von Vırcnow. 469.

Kirchengeschichte: Ausgabe der griechischen Kirchenväter. 48. Dünnter, Bischof Claudius, s. Geschichte. Harnack, über Tertullian in der Litteratur der alten Kirche. 541. 545 —579. HirscHreLd, zur Geschichte des Christen- thums in Lugudunum vor Constantin. 379. 331— 409. C. Scnuip'r, eine bisher unbekannte altchristliche Schrift in koptischer Sprache. 665. 705—711.

Kathodenstrahlen, Färbungen einiger Salze durch dieselben, von E. Gorvstreın. 1003. 1017—1024.

Kopfskelet, über die Entwickelung des menschlichen —, von Herrwıc. 259.

Kosmische Physik: von Brzorp, über Isanomalen des erdmagnetischen Potentials. 363—378. Derselbe, der normale Erdmagnetismus. 1119—1134.

Kronecker, Auszug aus einem Brief desselben an R. Deverınn. 115—117.

Krystallographie: Kreis, der Universaldrehapparat, ein Instrument zur Erleichte- rung und Vereinfachung krystallographisch- optischer Untersuchungen. 91—107. Derselbe, ein Universaldrehapparat zur Untersuchung von Dünnschliffen in Flüssigkeiten. 997. 1151—1159. H. Travse, über das optische Drehungs-

Sitzungsberichte 1895. 110

1204 Sachregister.

vermögen von Körpern im krystallisirten und im flüssigen Zustande. 161. 195— 205. L. Wuvrrr, Morphologie des Natronsalpeters. 713. 715—732. Lautverbindung mn in den indogermanischen Sprachen, über die Schicksale der- selben, von J. Schmipr. 257. ; Lebendes Kind, s. Vermögensrecht. Lexikographen, Beiträge zur Geschichte der griechischen, von G. Wenızer. 469, 477— 487. Lichtelektrischer Strom, über die Abhängigkeit desselben vom Azimuth und Einfallswinkel des Lichtes, von J. Erster und H. Gerver. 207. 209—216. Lungenalveolen, über die Poren der normalen —, von D. Hansemann. 997. 9993 —1001.

Lymphapparat, ano-rectaler, über denselben, von D. Grrora. 217. 253—256.

Mathematik: Frosenius, über auflösbare Gruppen. 1025. 1027—1044. Derselbe, über endliche Gruppen. 161. 163—194. Derselbe, über die Verallgemeinerung des Sylow’schen Satzes. 979. 981—993. Fucas, über die Abhängigkeit der Lösung einer linearen Diflferentialgleichung von den in den Coeffieienten auftreten- den Parametern. 903. 905—920. K. Henser, über die Ordnungen der Verzwei- gungspunkte einer Riemann’schen Fläche. 931. 933—943. Derselbe, über die Verzweigung der drei- und vierblätterigen Riemann’schen Flächen. 1003. 1103 1114. Frrrz Körrver, über eine Darstellung der Richtungscosinus zweier orthogo- naler Coordinatensysteme durch Thetafunetionen zweier Argumente, welche die Lö- sungen mehrerer Probleme der Mechanik als Specialfälle umfasst. 791. 807— 814.

Maximus, s. Vision.

Meereswellen, über die Gestalt derselben, von W. Wırn. 161. 343—362.

Melipona sens. lat., Beiträge zur Kenntniss der Gattung —, von H. Srapeımsann, 593. 615—623.

Mineralfunde, neue von Westeregeln, von H.Bückıns. 448. 533—540.

Mineralogie: H. BausunAveEr, über den Skleroklas von Binn. 217. 243—252. H. Bückıns, neue Mineralfunde von Westeregeln. 448. 533 540.

Vergl. Krystallographie.

Moleceulargrösse, über die Bestimmung der einiger anorganischer Substanzen, von H. Bırız. 1. 67— 9.

Monumenta Germaniae historica: Jahresbericht. 411. 413 —417.

Muhammedanisches Privatrecht, über die Stellung der Christen in demselben, von SacHau. 159.

Mytilene, das Potamon-Denkmal auf —, von Monnusen. : 8857— 901.

Natronsalz, über die Morphologie desselben, von L. Wurrr. 713. 715—732.

Organe, s. seitliche Organe.

Otloh, Mönch von St. Emmeram, über denselben, von Dünnter. 1069. 1071—1102.

Palaeontologie: Daues, über die Ichthyopterygier der Triasformation. 1025. 1045 1050.

Pergamon, über den ionischen Tempel auf der Theaterterrasse daselbst. von Coxze. 595. 1057—1068.

Personalveränderungen. 52—53.

Vergl. Todesanzeigen und Wählen.

Petrarca, textkritische Bemerkungen zu dessen Canzoniere, von Tosrer. 27.

Philologie, allgemeine: J. Scamr, über die Schicksale der Lautverbindung mn in den indogermanischen Sprachen. 257.°

———— , deutsche: WeınHorLp, die altdeutschen Verwünschungsformeln. 665. 667— 703.

N VER

nn

Der erste Jahresband endet mit Seite 540. 1205

Philologie, griechische: G. Kaiser, die Vision des Maximus. 765. 781—789. Kırennorr, der Margites des Pigres von Halikarnass. 765. 767—779. Mounusen und Harnack, zu Apostelgesch. 28,16 (2rTparoreöapyns = princeps peregrinorum).

489. 491— 503. Vauten, über einige Anspielungen in des Callimachus’ Hymnen. 867. 869— 885. G. Wenızer, Beiträge zur Geschichte der griechischen Lexiko-

graphen. 469. 477—487. S. auch Inschriften.

——-, orientalische: G. Hua, Verzeichniss der im Tibetischen Tanjur, Ab- theilung mDo (Sütra) Bd.117—124, enthaltenen Werke. 111. 267— 286. Sacnar, Baal-Ilarrän in einer Altaramäischen Inschrift auf einem Relief des Kgl. Museums zu Berlin. 119—122. ScurAver, über einen altorientalischen Herrschernamen. 959. 961— 964. Weser, vedische Beiträge. 489. 815 866.

romanische: Toster, textkritische Bemerkungen zu Petrarca's Can- zoniere. 27. Derselbe, Beiträge zur historischen Syntax des Französischen. 1055.

Physik: J. Ersrer und H. Gerrer, über die Abhängigkeit des lichtelektrischen Stromes vom Azimuth und Einfallswinkel des Lichtes. 207. 209— 216. E. Gorvstein, über die durch die Kathodenstrahlen hervorgerufenen Färbungen einiger Salze. 1003. 1017—1024. A. ÖsBergeck, über das Ausströmen der Elektrieität aus einem Leiter in die Luft und über den Einfluss, welchen eine Temperaturerhöhung des Leiters auf‘ diesen Vorgang ausübt. 311. 313— 321. Pranck, über Ab- sorption und Emission der elektrischen Wellen durch Resonanz. 287. 239 301. Prıxssueim, über Leitung der Elektrieität durch heisse Gase. 323. 330—334. Quincke, über die Dauer des elektrischen Schattens bei festen und flüssigen Isolatoren. 523. 525— 531. Ü. Runge und F. Pascaen, über das Spectrum des Heliums. 593. 639— 643. W. Wıen, über die Gestalt der Meereswellen. 161.

343 362. Wiırsıng und ScHEiner, über eine sehr empfindliche Methode zum

Nachweis Hertz’scher elektrischer Schwingungen. 1143 —1149. Vergl. kosmische Physik und Krystallographie. Physiologie, s. Anatomie. Pigres von Halikarnass, der Margites desselben, von Kırcnnorr. 765. 767—779. Plesiosaurus. über die in Württemberg und Franken vorkommenden Arten der Gattung und ihre Beziehungen zu ausserdeutschen Arten, von Daues. 109. Polhöhenschwankungen, Untersuchung der Bradley'schen Sectorbeobachtungen auf ihre Wahrnehmbarkeit, von Auwers. 445-— 448. Politische Correspondenz Frıepkrıcr’s 1].: Bericht. 43—44. Geldbewilligung. 543. Potamon-Denkmal, s. Mytilene. Preisaufgaben: Charlotten-Stiftung. 746. 747. Steiner’sche Stiftung. 747. 748. Prosopographie der römischen Kaiserzeit, Bericht. 47. Psychologie, Ideen über die beschreibende —. von Dirrney. (Forts.) 419. Ptolemaios II. Philadelphos, zur Geschichte desselben, von Könter. 959. 965 977, Richtungsecosinus, über die Darstellung der zweier orthogonaler Coordinaten- systeme durch T'hetafunetion zweier Argumente, von Fr. Körrer. 791. 307 814. Riemann’sche Fläche, über die Ordnungen der Verzweigungspunkte derselben, von K. Henser. 931. 933 943. —- über die Verzweigung der drei- und vierblätterigen, von K. Henser. 1003. 1103— 1114. Savigny-Stiftung: Bericht. 50. Schwärmsporen-Bildung bei den Tilopterideen, über dieselbe, von P. Kuckuer. 217. Segmentirung, s. Insectenkörper. Sehpurpur, die Arten desselben in der Wirbelthierreihe, von Ersz Körrsen und G. Aseısporrr. 921— 926.

1206 Sachregister.

Sehpurpur, über die Erkennbarkeit desselben von Adramis Brama mit Hülfe des Augenspiegels, von G. ABELSDORFF. 323. 325 329.

Seitliche Organe, die jüngsten Entwickelungsstadien derselben und ihr Anschluss an bereits vorhandene. 623. 645 663.

Sinnessphaeren, s. Grosshirnrinde.

Skleroklas von Binn, von H. Baumnaver. 217. 243 252.

Spectra der Planeten, neuere Untersuchungen über dieselben, von VocEr. 3. 5— 25.

Sterne vom ersten Spectraltypus, über die Classification derselben, von Vocer. 945. 953 958. ;

Sylow’scher Satz, über die Verallgemeinerung desselben, von Frosenıus. 979. 981 993.

Synoikismos von Elis, über denselben, von Currivs. 791. 793 806.

Syntax, s. historische Syntax.

Tertullian in der Litteratur der alten Kirche, von Harnack. 541. 545 579.

Thesaurus linguae Latinae: Bericht. 48.

Tibetischer Tanjur, Abtheilung mDo (Sütra), Bd. 117— 124, Verzeichniss der darin enthaltenen Werke, von G. Huvrn. 111. 267 286.

Tilopterideen, s. Schwärmsporenbildung.

Todesanzeigen: (Cayrey. 55. Dana. 411. Hanssen. 2. Huxıey. 792. Lovsn. 931. Lupwıc. 425. Lora. Meyer. 411. Neumann. 543. Raw- ınson. 260. von Rors. 713. Scatärctı. 311. von Syser. 931.

Universaldrehapparat, ein Instrument zur Erleichterung und Vereinfachung kry- stallographisch - optischer Untersuchungen, von Krrın. 91— 107.

- zur Untersuchung von Dünnschliffen in Flüssigkeiten, von Kreın. 997. 1151 1159.

Vedische Beiträge, von Weser. 489. 815— 866.

Vermögensrecht, über die Geburt eines lebenden Kindes und das eheliche —, von Brunner. 207.

Vision des Maximus, von G. Kaiser. 765. 781—789.

Wahl von ordentlichen Mitgliedern: Erman. 260. KonrrauscHh. 932. Pranck. 52. E. Scamıpr. 260. Sıumpr. 260. von TreıtscHhke. 932. Wargurg. 932.

von correspondirenden Mitgliedern: Acassız. 791. Cossa. 791. Des CroızEaux. 713. von Gümsger. 791. Huccıns. 1135. Loewy. 1135. Mascarr. 792. Raprorr. 113. Scaraur. 791. Tuourson. 543. von

Zrrrer. 791.

zum auswärtigen Mitglied: ZELLER. 55.

zum beständigen Secretar: Dırrs. 1135.

Wentzel-Stiftung: Bericht. 50.

Westeregeln, Neue Mineralfunde von —, von H. Bückıns. 448. 583— 540.

Zoologie: G. Frrrsch, über Discopyge Tschudü Heck. 1025. 1051 —1054. Der- selbe, über Hypnos subniger. 421. 423—424. Mösıvs, die aesthetische Be- trachtung der Thiere. 1003. 1005— 1015. H. SraperLmann, Beiträge zur Kennt- niss der Gattung Melipona sens. lat. 593. 615— 623. L. Wırr, Ergebnisse einer Untersuchung des Gastrulationsprocesses der Eidechse (Lacerta). 323. 335 341.

Zucker, über die Verbindungen derselben mit den Alkoholen und Ketonen, von Fischer. 217. 219 241.

Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei.

nn. sa

us

m

SITZUNGSBERICHTE

DER

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN.

XXIX.

13. Junı 1895.

esc

BERLIN 1895.

VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

IN COMMISSION BEI GEORG REIMER.

Anzeige.

Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben die »Monatsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften« zu erscheinen aufgehört, und es sind an deren Stelle »Sitzungsberichte« getreten, für welche unter anderen folgende

Bestimmungen gelten.

(Auszug aus dem Reglement für die Redaction der »Sitzungsberichte«.)

81.

2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross- Octav regelmässig Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender- jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten ausserdem eine durch den Band ohne Unterschied der Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi- kalisch- mathematischen Classe allemal gerade, die über Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade Nummern.

$ 2.

1. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten geschäftlichen Angelegenheiten.

2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten über- wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört. druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö- rigen Stücken nicht erscheinen konnten.

SA.

2. Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften

wird vierteljährlich ausgegeben. $ 28.

l. Die zur Aufnahme in die. Sitzungsberichte be- stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder, sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. ı Einsendungen auswärtiger oder correspon- dirender Mitglieder, welche direet bei der Gesammt- akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der vorsitzende Secretar selber oder durch ein anderes Mit- glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen.

Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen.

86.

2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in Octav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte nieht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- demie oder der betreflenden Classe statthaft.

3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus

Notliwendiges beschränkt werden. Der Satz einer Mit- theilung wird erst begonnen, wenn die Stöcke der in den Text einzuschaltenden Holzschnitte fertig sind und von besonders beizugebenden Tafeln die volle erforderliche) Auflage eingeliefert ist.

87

Eine für die Sitzungsberiehte bestimmte Be. liehe Mittheilung darf in keinem Falle vor der Ausgabe des betreffenden Stückes anderweitig, sei es auch nur auszugsweise oder auch in weiterer Ausführung, in scher Sprache veröffentlicht sein oder werden. Wenn der Verfasser einer aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilung diese anderweit früher zu veröffentlichen beabsichtigt, als ihm dies gesetzlich zusteht, bedarf er dazu der Einwilligung der Gesammtakademie oder u betreffenden Classe 4

Ss

Ss . 3. Auswärts werden Correeturen nur auf Tec Verlangen verschickt. Die Verfasser verzichten damit

auf Erscheinen ihrer Mittheilungen nach acht Tagen.

$9.

1. Neben der vollständigen Ausgabe der Sitzungs-

berichte können bestimmte Kategorien wissenschaftlicher

Mittheilungen auch abgesondert in der Weise publioeed

werden, dass dieselben mit Sondertitel und fortlaufender °

Paginirung versehen und mit besonderem Verkaufspreis in den Buchhandel gebracht werden.

De EN

$ 11.

1. Jeder Verfasser einer unter den »Wissenschaft- lichen Mittheilungen« abgedruckten Arbeit erhält unent- geltlich fünfzig Sonderabdrücke mit einem Umschlag, auf wre der Titel der Arbeit wiederholt wird. 4

. Dem Verfasser steht frei, auf seine Kosten weitere Sen Sonderabdrücke bis zur Zahl;von noch zweihundert \ N zu unentgeltlicher eigener Vertheilung abziehen zu lassen, 7 )) sofern er hiervon rechtzeitig dem redigirenden Secre- tar Anzeige gemacht hat. ;

ä s. |

Den Bericht über jede einzelne Sitzung stellt der” Seeretar zusammen, welcher darin den Vorsitz hatte. N Derselbe Secretar fülirt die Oberaufsicht über die Redac- tion und den Druck der in dem gleichen Stück erschei- nenden wissenschaftlichen Arbeiten; in dieser Eigenschaft heisst er der redigirende Seeretar.

$ 29.

1. Der redigirende Seeretar ist für den Inhalt des - geschäftlichen Theils der Sitzungsberichte verantwortlich. Für alle übrigen Theile derselben sind nach jeder Richtung nur die Verfasser verantwortlich. h

be ade

SITZUNGSBERICHTE

DER

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN.

XXX. XXX

20. Junı 1895. 34

MIT TAFEL III.

BERLIN 1895.

VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

IN COMMISSION BEI GEORG REIMER.

Anzeige.

Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben die »Monatsberichte der Königlich

Preussischen Akademie der Wissenschaften« zu erscheinen aufgehört, und es sind

an deren Stelle »Sitzungsberichte« getreten, für welche unter anderen folgende Bestimmungen gelten.

(Auszug aus dem Reglement für die Redaetion der »Sitzungsberichte«.)

81.

2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross- Octav regelmässig Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender- jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten ausserdem eine durch den Band ohne Unterschied der Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi- kalisch- mathematischen Classe allemal gerade, die über Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade Nummern.

8 2.

1. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten geschäftlichen Angelegenheiten.

2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten über- wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört. druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö- rigen Stücken nicht erscheinen konnten.

84.

2. Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften

wird vierteljährlich ausgegeben. & 28.

1. Die zur Aufnahme in die Sitzungsberichte be- stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder, sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon- dirender Mitglieder, welche direct bei der Gesammt- akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der vorsitzende Secretar selber oder durch ein anderes Mit- glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen.

Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen.

5 6.

2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in Octav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte nicht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche der Akademie nieht angehören, sind auf die Hälfte dieses Umfanges. beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- demie oder der betreffenden Classe statthaft.

3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus

Nothwendiges beschränkt werden. Der Satz einer Mit- theilung wird erst begonnen, wenn die Stöcke der in den Text einzuschaltenden Holzschnitte fertig sind und von besonders beizugebenden Tafeln die volle erforderliche Auflage eingeliefert ist.

87

Eine für die Sitzungsberiehte bestimmte wissenschaft- liche Mittheilung darf in keinem Falle vor der Ausgabe des betreffenden Stückes anderweitig, sei es auch nur auszugsweise oder auch in weiterer Ausführung, in deut- scher Sprache veröffentlicht sein oder werden. Wenn der Verfasser einer aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilung diese anderweit früher zu veröffentlichen beabsichtigt, als ihm dies gesetzlich zusteht, bedarf er dazu der Einwilligung der Gesammtakademie oder der betreffenden Classe

8 8. 3. Auswärts werden Correeturen nur auf besonderes Verlangen verschickt. Die Verfasser verzichten damit auf Erseheinen ihrer Mittheilungen nach acht Tagen.

9

1. Neben der vollständigen Ausgabe der Sitzungs- berichte können bestimmte Kategorien wissenschaftlicher Mittheilungen auch abgesondert in der Weise publieirt werden, dass dieselben mit Sondertitel und fortlaufender Paginirung versehen und mit besonderem Verkaufspreis in den Buchhandel gebracht werden.

SCH

1. Jeder Verfasser einer unter den »Wissenschaft- lichen Mittheilungen« abgedruckten Arbeit erhält unent- geltlich fünfzig Sonderabdrücke mit einem Umschlag, auf welchem der Titel der Arbeit wiederholt wird.

2. Dem Verfasser steht frei, auf seine Kosten weitere gleiche Sonderabdrücke bis zur Zahl von noch zweihundert zu unentgeltlicher eigener Vertheilung abziehen zu lassen, sofern er hiervon rechtzeitig dem redigirenden Secre- tar Anzeige gemacht hat.

85.

Den Bericht über jede einzelne Sitzung stellt der Secretar zusammen, welcher darin den Vorsitz hatte. Derselbe Secretar führt die Oberaufsicht über die Redac- tion und den Druck der in dem gleichen Stück erschei- nenden wissenschaftlichen Arbeiten; in dieser Eigenschaft heisst er der redigirende Secretar.

$ 29.

1. Der redigirende Secretar ist für den Inhalt des geschäftlichen Theils der Sitzungsberichte verantwortlich. Für alle übrigen Theile derselben sind nach jeder Richtung nur die Verfasser verantwortlich.

——i a ——

en

A EEE EEE a Be

SITZUNGSBERICHTE

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN. An ,_ XXX. 19316

27. Junı 1895.

BERLIN 1895.

VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

IN COMMISSION BEI GEORG REIMER.

Anzeige.

Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben die »Monatsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften« zu erscheinen aufgehört, und es sind an deren Stelle »Sitzungsberichte« getreten, für welche unter anderen folgende

Bestimmungen gelten.

(Auszug aus dem Reglement für die Redaction der »Sitzungsberichte«.)

81.

2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross- Oetav regelmässig Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. Die siämmtlichen zu einem Kalender- jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten ausserdem eine durch den Band ohne Unterschied der Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi- kalisch- mathematischen Classe allemal gerade, die über Sitzungen der philosophiseh - historisehen Classe ungerade Nummern.

82.

1. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersieht über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten geschäftlichen Angelegenheiten.

2. Darauf folgen die den Sitzungsberiehten über- wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört. druckfertig übergebenen, dann die, welehe in früheren Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö- rigen Stücken nicht erscheinen konnten.

SA. 2. Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften wird vierteljährlich ausgegeben.

& 28,

l. Die zur Aufnahme in die Sitzungsberichie be- stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder, sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder eorrespon- dirender Mitglieder, welche direet bei der Gesammt- akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der vorsitzende Seeretar selber oder durch ein anderes Mit- glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen.

Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen.

8 6.

2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in Octav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte nieht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche der Akademie nieht angehören, sind auf die Hälfte dieses Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- demie oder der betreffenden Classe statthaft.

3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus

Notliwendiges beschränkt werden. theilung wird erst begonnen, wenn die Stöcke der in den Text einzuschaltenden Holzschnitte fertig sind und von besonders beizugebenden Tafeln die volle erforderliche Auflage eingeliefert ist.

87

Eine für die Sitzungsberiehte bestimmte wissenschaft- liche Mittheilung darf in keinem Falle vor der Ausgabe des betreffenden Stückes anderweitig, sei es auch nur auszugsweise oder auch in weiterer Ausführung, in deut- scher Sprache veröffentlicht sein oder werden. Wenn der Verfasser einer aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilung diese anderweit früher zu veröffentlichen beabsichtigt, als ihm dies gesetzlich zusteht, bedarf er dazu der Einwilligung der Gesammtakademie oder der betreffenden Classe.

$ 8. 3. Auswärts werden Correeturen nur auf besonderes Verlangen verschiekt. Die Verfasser verzichten damit auf Erscheinen ihrer Mittheilungen nach acht Tagen.

59.

1. Neben der vollständigen Ausgabe der Sitzungs- berichte können bestimmte Kategorien wissenschaftlicher Mittheilungen auch abgesondert in der Weise publieirt werden, dass dieselben mit Sondertitel und fortlaufender Paginirung versehen und mit besonderem Verkaufspreis in den Buchhandel gebracht werden.

8 11.

1. Jeder Verfasser einer unter den »Wissenschaft- lichen Mittheilungen« abgedruckten Arbeit erhält unent- geltlich fünfzig Sonderabdrücke mit einem Umschlag, auf welchem der Titel der Arbeit wiederholt wird.

2. Dem Verfasser steht frei, auf seine Kosten weitere

gleiche Sonderabdrücke bis zur Zahl von noch zweihundert

zu unentgeltlicher eigener Vertheilung abziehen zu lassen, sofern er hiervon rechtzeitig dem redigirenden Secre- tar Anzeige gemacht hat.

5.

Den Berieht über jede einzelne Sitzung stellt der Seeretar zusammen, welcher darin den Vorsitz hatte, Derselbe Secretar führt die Oberaufsicht über die Redac- tion und den Druck der in dem gleichen Stück erschei- nenden wissenschaftliehen Arbeiten; in dieser Eigenschaft heisst er der redigirende Seeretar.

829.

1. Der redigirende Seeretar ist für den Inhalt des geschäftlichen Theils der Sitzungsberichte verantwortlich. Für alle übrigen Theile derselben sind nach jeder Richtung nur die Verfasser verantwortlich.

eg

Der Satz einer Mit-

rn

SITZUNGSBERICHTE

DER

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN. XXX. TE

4. Juuı 1895.

BERLIN 1895.

VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

IN COMMISSION BEI GEORG REIMER.

Anzeige.

Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben die »Monatsberichte der Königlich

Preussischen Akademie der Wissenschaften« zu erscheinen aufgehört, und es sind

an deren Stelle »Sitzungsberichte« getreten, für welche unter anderen folgende Bestimmungen gelten.

(Auszug aus dem Reglement für die Redaction der »Sitzungsberichte«.)

81.

2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross- Octav regelmässig Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender- jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten ausserdem eine durch den Band ohne Unterschied der Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi- kalisch - mathematischen Classe allemal gerade, die über Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade Nummern.

8 2.

1. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten geschäftlichen Angelegenheiten.

2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten über- wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört. druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö- rigen Stücken nicht erscheinen konnten.

Sa.

2. Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften

wird vierteljährlich ausgegeben. $ 28.

1. Die zur Aufnahme in die Sitzungsberichte‘ be- stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder, sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon- dirender Mitglieder, welche direct bei der Gesammt- akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der vorsitzende Secretar selber oder durch ein anderes Mit- glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen.

Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen.

$ 6.

2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in Octav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte nicht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- demie oder der betreffenden Classe statthaft.

3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus

Nothwendiges beschränkt werden. Der Satz einer Mit- theilung wird erst begonnen, wenn die Stöcke der in den Text einzuschaltenden Holzschnitte fertig sind und von besonders beizugebenden Tafeln die volle erforderliche Auflage eingeliefert ist.

87

Eine für die Sitzungsberichte bestimmte wissenschaft- liche Mittheilung darf in keinem Falle vor der Ausgabe des betreffenden Stückes anderweitig, sei es auch nur auszugsweise oder auch in weiterer Ausführung, in deut- scher Sprache veröffentlieht sein oder werden. Wenn der Verfasser einer aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilung diese anderweit früher zu veröffentlichen beabsichtigt, als ihm dies gesetzlich zusteht, bedarf er dazu der Einwilligung der Gesammtakademie oder der betreffenden Classe. b)

S 8. 3. Auswärts werden Correeturen nur auf besonderes Verlangen verschickt. Die Verfasser verzichten damit auf Erscheinen ihrer Mittheilungen nach acht Tagen.

9 1. Neben der vollständigen Ausgabe der Sitzungs- berichte können bestimmte Kategorien wissenschaftlicher Mittheilungen auch abgesondert in der Weise publieirt werden, dass dieselben mit Sondertitel und fortlaufender Paginirung versehen und mit besonderem Verkaufspreis in den Buchhandel gebracht werden.

$ 11.

l. Jeder Verfasser einer unter den »Wissenschatt- lichen Mittheilungen« abgedruckten Arbeit erhält unent- geltlich fünfzig Sonderabdrücke mit einem Umschlag, auf welchem der Titel der Arbeit wiederholt wird.

2. Dem Verfasser steht frei, auf seine Kosten weitere gleiche Sonderabdrücke bis zur Zahl von noch zweihundert zu unentgeltlicher eigener Vertheilung abziehen zu lassen, sofern er hiervon rechtzeitig dem redigirenden Seere- tar Anzeige gemacht hat.

85.

Den Bericht über jede einzelne Sitzung stellt der Secretar zusammen, welcher darin den Vorsitz hatte. Derselbe Secretar führt die Oberaufsicht über die Redac- tion und den Druck der in dem gleichen Stück erschei- nenden wissenschaftlichen Arbeiten; in dieser Eigenschaft heisst er der redigirende Secretar.

8 29.

l. Der redigirende Secretar ist für den Inhalt des geschäftlichen Theils der Sitzungsberichte verantwortlich. Für alle übrigen Theile derselben sind nach jeder Richtung nur die Verfasser verantwortlich.

= se

SITZUNGSBERICHTE

DER

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN.

XXXIV. XXXV. 570;

11. Juzı 1895.

BERLIN 1895.

VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

IN COMMISSION BEI GEORG REIMER.

Anzeige.

Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben die »Monatsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften« zu erscheinen aufgehört, und es sind an deren Stelle »Sitzungsberichte« getreten, für welche unter anderen folgende

Bestimmungen gelten.

(Auszug aus dem Reglement für die Redaction der »Sitzungsberichte«,)

81.

2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross- Octav regelmässig Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender- jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten ausserdem eine durch den Band ohne Unterschied der Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi- kalisch - mathematischen Classe allemal gerade, die über Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade Nummern.

2.

1. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten geschäftlichen Angelegenheiten.

2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten über- wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört. druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö- rigen Stücken nieht erscheinen konnten.

SA.

2. Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften

wird vierteljährlich ausgegeben. $ 28.

1. Die zur Aufnahme in die Sitzungsberichte be- stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder, sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon- dirender Mitglieder, welche direet bei der Gesammt- akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der vorsitzende Secretar selber oder durch ein anderes Mit- glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen.

Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen.

$ 6.

2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in Octav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte nieht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- demie oder der betreffenden Classe statthaft.

3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus

Nothwendiges beschränkt werden.

besonders beizugebenden Tafeln die volle erforderliche Auflage eingeliefert ist.

87

Eine für die Sitzungsberichte bestimmte wissenschaft-

liche Mittheilung darf in keinem Falle vor der Ausgabe des betreffenden Stückes anderweitig, sei es auch nur

auszugsweise oder auch in weiterer Ausführung, in deut- scher Sprache veröffentlicht sein oder werden. Wenn der Verfasser einer aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilung diese anderweit früher zu veröffentlichen beabsichtigt, als ihm dies gesetzlich zusteht, bedarf er dazu der Einwilligung der Gesammtakademie oder der betreffenden Classe

$ 8. 3. Auswärts werden Correeturen nur auf besonderes Verlangen verschickt. Die Verfasser verzichten damit auf Erscheinen ihrer Mittheilungen nach acht Tagen.

Se:

1. Neben der vollständigen Ausgabe der Sitzungs- berichte können bestimmte Kategorien wissensehaftlicher Mittheilungen auch abgesondert in der Weise publieirt werden, dass dieselben mit Sondertitel und fortlaufender Paginirung versehen und mit besonderem Verkaufspreis in den Buchhandel gebracht werden.

su.

1. Jeder Verfasser einer unter den »Wissenschaft- lichen Mittheilungen« abgedruckten Arbeit erhält unent- geltlich fünfzig Sonderabdrücke mit einem Umschlag, auf welchem der Titel der Arbeit wiederholt wird.

2. Dem Verfasser steht frei, auf seine Kosten weitere gleiche Sonderabdrücke bis zur Zahl von noch zweihundert zu unentgeltlicher eigener Vertheilung abziehen zu lassen, sofern er hiervon rechtzeitig dem redigirenden Secre- tar Anzeige gemacht hat.

S5.

Den Bericht über jede einzelne Sitzung stellt der Seeretar zusammen, weleher darin den Vorsitz hatte. Derselbe Seeretar führt die Oberaufsicht über die Redac- tion und den Druck der in dem gleichen Stück erschei- nenden wissenschaftlichen Arbeiten ; in dieser Eigenschaft heisst er der redigirende Seeretar.

s 29.

1. Der redigirende Secretar ist für den Inhalt des geschäftlichen Theils der Sitzungsberichte verantwortlich. Für alle übrigen Theile derselben sind nach jeder Richtung nur die Verfasser verantwortlich.

—Rs——

Der Satz einer Mit- theilung wird erst begonnen, wenn die Stöcke der in den Text einzuschaltenden Holzschnitte fertig sind und von

Par een

un u er

5252525252508]

SITZUNGSBERICHTE

DER

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN.

beiu Peru,

18. Juzı 1895.

BERLIN 1895.

VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

IN COMMISSION BEI GEORG REIMER.

Anzeige.

Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben die »Monatsberichte der Königlich

Preussischen Akademie der Wissenschaften« zu erscheinen aufgehört, und es sind

an deren Stelle »Sitzungsberichte« getreten, für welche unter anderen folgende Bestimmungen gelten.

(Auszug aus dem Reglement für die Redaction der »Sitzungsberichte«.)

SL:

2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross- Oetav regelmässig Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender- jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten ausserdem eine dureh den Band ohne Unterschied der Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi- kalisch - mathematischen Classe allemal gerade, die über Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade Nummern.

8.2.

1. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten geschäftlichen Angelegenheiten.

2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten über- wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört. druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö- rigen Stücken nicht erscheinen konnten.

g 4. 2. Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften wird vierteljährlich ausgegeben.

$ 28.

1. Die zur Aufnahme in die Sitzungsberichte be- stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder, sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder eorrespon- dirender Mitglieder, welche direet bei der Gesammt- akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der vorsitzende Secretar selber oder durch ein anderes Mit- glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren Verfasser der Akademie nieht angehören, hat er einem zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen.

Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen.

S 6.

2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in Octav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte nieht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- demie oder der betreffenden Classe statthaft.

3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus

Nothwendiges beschränkt werden. Der Satz einer Mit- theilung wird erst begonnen, wenn die Stöcke der in den Text einzuschaltenden Holzschnitte fertig sind und von besonders beizugebenden Tafeln die volle erforderliche Auflage eingeliefert ist.

87 Eine für die Sitzungsberichte bestimmte wissenschaft- liche Mittheilung darf in keinem Falle vor der Ausgabe des betreffenden Stückes anderweitig, sei es auch nur

auszugsweise oder auch in weiterer Ausführung, in deut-

scher Sprache veröffentlicht sein oder werden. Wenn der Verfasser einer aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilung diese anderweit früher zu veröffentlichen beabsichtigt, als ihm dies gesetzlich zusteht, bedarf er dazu der Einwilligung der Gesammtakademie oder der betreffenden Classe

88. 3. Auswärts werden Correeturen nur auf besonderes Verlangen verschickt. Die Verfasser verziehten damit auf Exscheinen ihrer Mittheilungen nach acht Tagen.

89.

1. Neben der vollständigen Ausgabe der Sitzungs- berichte können bestimmte Kategorien wissenschaftlicher Mittheilungen aueh abgesondert in der Weise publieirt werden, dass dieselben mit Sondertitel und fortlaufender Paginirung versehen und mit besonderem Verkaufspreis in den Buchhandel gebracht werden.

$ 11.

1. Jeder Verfasser einer unter den »Wissenschaft- lichen Mittheilungen« abgedruckten Arbeit erhält unent- geltlich fünfzig Sonderabdrücke mit einem Umschlag, auf welchem der Titel der Arbeit wiederholt wird.

2. Dem Verfasser steht frei, auf seine Kosten weitere gleiche Sonderabdrücke bis zur Zahl von noch zweihundert zu unentgeltlicher eigener Vertheilung abziehen zu lassen, sofern er hiervon rechtzeitig dem redigirenden Secre- tar Anzeige gemacht hat.

85.

Den Bericht über jede einzelne Sitzung stellt der Secretar zusammen, welcher darin den Vorsitz hatte. Derselbe Seeretar führt die Oberaufsicht über die Redac- tion und den Druck der in dem gleichen Stück erschei- nenden wissenschaftlichen Arbeiten; in dieser Eigenschaft heisst er der redigirende Secretar.

$ 29.

1. Der redigirende Seeretar ist für den Inhalt des geschäftlichen Theils der Sitzungsberichte verantwortlich. Für alle übrigen Theile derselben sind nach jeder Richtung nur die Verfasser verantwortlich.

u

on ae

SITZUNGSBERICHTE

DER

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN. 319316 XXXNVIH XXXVIR

25. Juzı 1895.

BERLIN 1895.

VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

IN COMMISSION BEI GEORG REIMER,

Anzeige.

Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben die »Monatsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften« zu erscheinen aufgehört, und es sind an deren Stelle »Sitzungsberichtes getreten, für welche unter anderen folgende

Bestimmungen gelten. |

(Auszug aus dem Reglement für die

8217

2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross- Octav regelmässig Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender- jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten ausserdem eine durch den Band ohne Unterschied der Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi- kalisch- mathematischen Classe allemal gerade, die über Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade Nummern.

82,

1. Jeden Sitzungsberieht eröffnet eine Übersicht über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten geschäftlichen Angelegenheiten.

2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört. druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö- rigen Stücken nicht erscheinen konnten.

SA.

2. Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften

wird vierteljährlich ausgegeben. $ 28.

1. Die zur Aufnahme in die Sitzungsberichte be- stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder, sowie alle Niehtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon- dirender Mitglieder, welche direet bei der Gesammt- akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der vorsitzende Seeretar selber oder durch ein anderes Mit- glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren Verfasser der Akademie nieht angehören, hat er einem zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen.

Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen.

S 6.

2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in Octav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte nicht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses Umfanges- beschränkt.: Überschreitung dieser Grenzen ist nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- demie oder der betreffenden Classe statthaft.

3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus

über-

I |

Redaction der »Sitzungsberichte«.)

Nothwendiges beschränkt werden. Der Satz einer Mit- theilung wird erst begonnen, wenn die Stöcke der in den Text einzuschaltenden Holzschnitte fertig sind und von besonders beizugebenden Tafeln die volle erforderliche Auflage eingeliefert ist.

87 Eine für die Sitzungsberichte bestimmte wissenschaft- liche Mittheilung darf in keinem Falle vor der Ausgabe des betreflienden Stückes anderweitig, sei es auch nur auszugsweise oder auch in weiterer Ausführung, in deut- scher Sprache veröffentlicht sein oder werden. Wenn der Verfasser einer aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilung diese anderweit früher zu veröffentlichen beabsichtigt, als ihm dies gesetzlich zusteht, bedarf er dazu der Einwilligung der Gesammtakademie oder der betreffenden Classe

8 8.

3. Auswärts werden Correcturen nur auf besonderes Verlangen verschickt. Die Verfasser verzichten damit auf Erscheinen ihrer Mittheilungen nach acht Tagen.

8.9.

l. Neben der vollständigen Ausgabe der Sitzungs- berichte können bestimmte Kategorien wissenschaftlicher Mittheilungen auch abgesondert in der Weise publieirt werden, dass dieselben mit Sondertitel und fortlaufender Paginirung versehen und init besonderem Verkaufspreis in den Buchhandel gebracht werden.

sl.

1. Jeder Verfasser einer unter den »Wissenschaft- lichen Mittheilungen« abgedruckten Arbeit erhält unent- geltlich fünfzig Sonderabdrücke mit einem Umschlag, auf welchem der Titel der Arbeit wiederholt wird.

2. Dem Verfasser steht frei, auf seine Kosten weitere gleiche Sonderabdrücke bis zur Zahl von noch zweihundert zu unentgeltlicher eigener Vertheilung abziehen zu lassen, sofern er hiervon rechtzeitig dem redigirenden Secre- tar Anzeige gemacht hat.

85.

Den Bericht über jede einzelne Sitzung stellt der Seeretar zusammen, welcher darin den Vorsitz hatte. Derselbe Seeretar führt die Oberaufsicht über die Redac- tion und den Druck der in dem gleichen Stück erschei- nenden wissenschaftlichen Arbeiten; in dieser Eigenschaft heisst er der redigirende Secretar.

$ 29.

1. Der redigirende Secretar ist für den Inhalt des geschäftlichen Theils der Sitzungsberichte verantwortlich. Für alle übrigen Theile derselben sind nach jeder Richtung nur die Verfasser verantwortlich.

a ee

SITZUNGSBERICHTE

DER

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN.

XXXIX.

17. Ocrtoger 1895.

BERLIN 1895.

VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

IN COMMISSION BEI GEORG REIMER.

Anzeige.

Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben die »Monatsberichte der Königlich

Preussischen Akademie der Wissenschaften« zu erscheinen aufgehört, und es sind

an deren Stelle »Sitzungsberichte« getreten, für welche unter anderen folgende

Bestimmungen gelten.

(Auszug aus dem Reglement für die Redaction der »Sitzungsberichte«.)

$1.

2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross- Octav regelmässig Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender- jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten ausserdem eine durch den Band ohne Unterschied der Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi- kalisch- mathematischen Classe allemal gerade, die über Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade Nummern.

8.2.

1. Jeden Sitzungsberieht eröffnet eine Übersicht über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten geschäftlichen Angelegenheiten.

2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten über- wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört. druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö- rigen Stücken nieht erscheinen konnten.

SA.

2. Das Verzeichniss der eingegangenen Drucksehriften

wird vierteljährlich ausgegeben. $ 28.

l. Die zur Aufnahme in die Sitzungsberichte be- stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder, sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon- dirender Mitglieder, welche direet bei der Gesammt- akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der vorsitzende Secretar selber oder durch ein anderes Mit- glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren Verfasser der Akademie nieht angehören, hat er einem zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen.

Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen.

8 6.

2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in Octav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte nieht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- demie oder der betreflenden Classe statthaft.

3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus

Nothwendiges beschränkt werden. theilung wird erst begonnen, wenn die Stöcke der in den Text einzuschaltenden Holzschnitte fertig sind und von

besonders beizugebenden Tafeln die volle erforderliche

Auflage eingeliefert ist.

87

Eine für die Sitzungsberichte bestimmte wissenschaft- liche Mittheilung darf in keinem Falle vor der Ausgabe des betreffenden Stückes anderweitig, sei es auch nur auszugsweise oder auch in weiterer Ausführung, in deut- scher Sprache veröffentlicht sein oder werden. Wenn der Verfasser einer aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilung diese anderweit früher zu veröffentlichen beabsichtigt, als ihm dies gesetzlich zusteht, bedarf er dazu der Einwilligung der Gesammtakademie oder der betreffenden Classe

S 8. 3. Auswärts werden Correcturen nur auf besonderes Verlangen verschickt. Die Verfasser verzichten damit auf Erscheinen ihrer Mittheilungen nach acht Tagen.

SHE l. Neben der vollständigen Ausgabe der Sitzungs- berichte können bestimmte Kategorien wissenschaftlicher Mittheilungen auch abgesondert in der Weise publieirt werden, dass dieselben mit Sondertitel und fortlaufender Paginirung versehen und mit besonderem Verkaufspreis in den Buchhandel gebracht werden.

$ 11.

1. Jeder Verfasser einer unter den »Wissenschaft- lichen Mittheilungens« abgedruckten Arbeit erhält unent- geltlich fünfzig Sonderabdrücke mit einem Umschlag, auf welchem der Titel der Arbeit wiederholt wird.

2. Dem Verfasser steht frei, auf seine Kosten weitere gleiche Sonderabdrücke bis zur Zahl von noch zweihundert zu unentgeltlicher eigener Vertheilung abziehen zu lassen, sofern er hiervon rechtzeitig dem redigirenden Secre- tar Anzeige gemacht hat.

$ 5.

Den Bericht über jede einzelne Sitzung stellt der Secretar zusammen, welcher darin den Vorsitz hatte. Derselbe Seeretar führt die Oberaufsicht über die Redae- tion und den Druck der in dem gleichen Stück erschei- nenden wissenschaftlichen Arbeiten; in dieser Eigenschaft heisst er der redigirende Secretar.

s 29.

1. Der redigirende Seeretar ist für den Inhalt des geschäftlichen Theils der Sitzungsberichte verantwortlich. Für alle übrigen Theile derselben sind nach jeder Richtung nur die Verfasser verantwortlich.

u ——— He —————

Der Satz einer Mit-

SITZUNGSBERICHTE

DER

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN. XL. XL.

24. OcroßEr 1895.

Rt: NE CONZES. En a FleN (Y 9204 BarRAn 26 I\DoyO 1 NW: en ANAL 5

BERLIN 1895.

VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

IN COMMISSION BEI GEORG REIMER.

Anzeige.

Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben die »Monatsberichte der Königlich

Preussischen Akademie der Wissenschaften« zu erscheinen aufgehört, und es sind

an deren Stelle »Sitzungsberichte« getreten, für welche unter anderen folgende Bestimmungen gelten.

(Auszug aus dem Reglement für die Redaction der »Sitzungsberichte«.)

SAuN

2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross- Octav regelmässig Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender- jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten ausserdem eine durch den Band ohne Unterschied der Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi- kalisch - mathematischen Classe allemal gerade, die über Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade Nummern.

$2.

1. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten geschäftlichen Angelegenheiten.

2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten über- wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört. druckfertig übergebenen, dann die, welehe in früheren Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö- rigen Stücken nicht erscheinen konnten.

SA.

2. Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften

wird vierteljährlich ausgegeben. $ 28.

1. Die zur Aufnahme in die Sitzungsberichte be- stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder, sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung eines ihrem .Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon- dirender Mitglieder, welche direct bei der Gesammt- akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der vorsitzende Seeretar selber oder durch ein anderes Mit- glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren Verfasser der Akademie nieht angehören, hat er einem zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen.

Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen.

5 6.

2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in Octav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberiehte nieht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- demie oder der betreffenden Classe statthaft.

3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus

Nothwendiges beschränkt werden. Der Satz einer Mit- theilung wird erst begonnen, wenn die Stöcke der in den Text einzuschaltenden Holzschnitte fertig sind und von besonders beizugebenden Tafeln die volle erforderliche Auflage eingeliefert ist.

87

Eine für die Sitzungsberiehte bestimmte wissenschaft- liche Mittheilung darf in keinem Falle vor der Ausgabe des betreffenden Stückes anderweitig, sei es auch nur auszugsweise oder auch in weiterer Ausführung, in deut- scher Sprache veröffentlicht sein oder werden. Wenn der Verfasser einer aufgenommenen wissensehaftlichen Mittheilung diese anderweit früher zu veröffentlichen beabsichtigt, als ihm dies gesetzlich zusteht, bedarf er dazu der Einwilligung der Gesammtakademie oder der betreffenden Classe

$ 8. 3. Auswärts werden Correcturen nur auf besonderes Verlangen verschickt. Die Verfasser verzichten damit auf Erscheinen ihrer Mittheilungen nach acht Tagen.

59 l. Neben der vollständigen Ausgabe der Sitzungs- beriehte können bestimmte Kategorien wissenschaftlieher Mittheilungen auch abgesondert in der Weise publieirt werden, dass dieselben mit Sondertitel und fortlaufender Paginirung versehen und mit besonderem Verkaufspreis in den Buchhandel gebracht werden.

sl.

1. Jeder Verfasser einer unter den » Wissenschaft- lichen Mittheilungen« abgedruckten Arbeit erhält unent- geltlich fünfzig Sonderabdrücke mit einem Umschlag, auf welchem der Titel der Arbeit wiederholt wird.

2. Dem Verfasser steht frei, auf seine Kosten weitere gleiche Sonderabdrücke bis zur Zahl von noch zweihundert zu unentgeltlicher eigener Vertheilung abziehen zu lassen, sofern er hiervon rechtzeitig dem redigirenden Secere- tar Anzeige gemacht hat.

85.

Den Bericht über jede einzelne Sitzung stellt der Secretar zusammen, welcher darin den Vorsitz hatte. Derselbe Seeretar führt die Oberaufsicht über die Redac- tion und den Druck der in dem gleichen Stück erschei- nenden wissenschaftliehen Arbeiten; in dieser Eigenschaft heisst er der redigirende Secretar.

$ 29.

1. Der redigirende Seeretar ist für den Inhalt des geschäftlichen Theils der Sitzungsberichte verantwortlich. Für alle übrigen Theile derselben sind nach jeder Richtung nur die Verfasser verantwortlich.

——as —————

SITZUNGSBERICHTE

DER

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN.

XLn.

31. Ocroger 1895.

BERLIN 1895.

VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

IN COMMISSION BEI GEORG REIMER.

Anzeige.

Mit dem Decemberheft des Jahrganges 19881 haben die »Monatsberichte der Königlich

Preussischen Akademie der Wissenschaften« zu erscheinen aufgehört, und es sind

an deren Stelle »Sitzungsberichte« getreten, für welche unter anderen folgende Bestimmungen gelten.

(Auszug aus dem Reglement für die Redaction der »Sitzungsberichte«.)

$.1.

2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross- Octav regelmässig Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender- jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten ausserdem eine durch den Band ohne Unterschied der Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi- kalisch- mathematischen Classe allemal gerade, die über Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade Nummern.

82.

1. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten geschäftlichen Angelegenheiten.

2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten über- wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört. druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö- rigen Stücken nicht erscheinen konnten.

SA.

2. Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften

wird vierteljährlich ausgegeben. $ 28.

l. Die zur Aufnahme in die Sitzungsberichte be- stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder, sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon- dirender Mitglieder, welche direct bei der Gesammt- akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der vorsitzende Secretar selber oder durch ein anderes Mit- glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen.

Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen.

$ 6.

2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in Oectav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte nicht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- demie oder der betreffenden Classe statthaft.

3. Abgeselien von einfachen in den Text einzuschal- tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus

Nothwendiges beschränkt werden. Der Satz einer Mit- theilung wird erst begonnen, wenn die Stöcke der in den Text einzuschaltenden Holzschnitte fertig sind und von besonders beizugebenden Tafeln die volle erforderliche Auflage eingeliefert ist.

8:7

Eine für die Sitzungsberichte bestimmte wissenschaft- liche Mittheilung darf in keinem Falle vor der Ausgabe des betreffenden Stückes anderweitig, sei es auch nur auszugsweise oder auch in weiterer Ausführung, in deut- scher Sprache veröffentlieht sein oder werden. Wenn der Verfasser einer aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilung diese anderweit früher zu veröffentlichen beabsichtigt, als ihm dies gesetzlich zusteht, bedarf-er dazu der Einwilligung der Gesammtakademie oder der betreffenden Classe

$ 8.

3. Auswärts werden Correeturen nur auf besonderes Verlangen verschickt. Die Verfasser verziehten damit auf Erscheinen ihrer Mittheilungen nach acht Tagen.

x 9.

1. Neben der vollständigen Ausgabe der Sitzungs- berichte können bestimmte Kategorien wissenschaftlicher Mittheilungen auch abgesondert in der Weise publieirt werden, dass dieselben mit Sondertitel und fortlaufender Paginirung versehen und mit besonderem Verkaufspreis in den Buchhandel gebracht werden.

$ 11.

1. Jeder Verfasser einer unter den » Wissenschaft- lichen Mittheilungen« abgedruckten Arbeit erhält unent- geltlich fünfzig Sonderabdrücke mit einem Umschlag, auf welchem der Titel der Arbeit wiederholt wird.

2. Dem Verfasser steht frei, auf seine Kosten weitere gleiche Sonderabdrücke bis zur Zahl von noch zweihundert zu unentgeltlicher eigener Vertheilung abziehen zu lassen, sofern er hiervon rechtzeitig demredigirenden Secre- tar Anzeige gemacht hat. $ 5.

Den Bericht über jede einzelne Sitzung stellt der Secretar zusammen, welcher darin den Vorsitz hatte. Derselbe Secretar führt die Oberaufsicht über die Redac- tion und den Druck der in dem gleichen Stück erschei- nenden wissenschaftlichen Arbeiten ; in dieser Eigenschaft heisst er der redigirende Secretar.

$ 29.

l. Der redigirende Secretar ist für den Inlıalt des geschäftlichen Theils der Sitzungsberichte verantwortlich. Für alle übrigen Theile derselben sind nach jeder Richtung nur die Verfasser verantwortlich.

ee

SITZUNGSBERICHTE

DER

‚KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN.

XL. XLIV.

7. NovEnger 1895.

MIT TAFEL IV. ne Ren DOADA esta N n \ \ N 86 } \

BERLIN 1895.

VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

STTz

IN COMMISSION BEI GEORG REIMER

Anzeige.

Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben die »Monatsberichte der Königlich

Preussischen Akademie der Wissenschaften« zu erscheinen aufgehört, und es sind

an deren Stelle »Sitzungsberiehte« getreten, für welche unter anderen folgende Bestimmungen gelten.

(Auszug aus dem Reglement für die Redaction der »Sitzungsberichte«.)

Sl

2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross- Octav regelmässig Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender- jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten ausserdem eine dureh den Band ohne Unterschied der Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi- kalisch- mathematischen Classe allemal gerade, die über Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade Nummern.

S 2.

1. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersielir über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten geschäftlichen Angelegenheiten.

2. Darauf folgen die den Sitzungsberielten über- wiesenen wissenschaftliehen Arbeiten, und zwar in der Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört. druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö- rigen Stücken nieht erscheinen konnten.

SA.

2. Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften wird vierteljährlich ausgegeben.

$ 28.

l. Die zur Aufnahme in die Sitzungsberichte be- stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder, sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon- dirender Mitglieder, welche direet bei der Gesammt- akademie oder bei einer der ‚Classen eingehen, hat der vorsitzende Seeretar selber oder durch ein anderes Mit- glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen.

Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie oder die Classe die Aufnalıme der Mittheilung in die akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen.

$ 6.

2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in Octav in der gewölinliehen Schrift der Sitzungsberichte nieht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- demie oder der betreffenden Classe statthaft.

3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus

Nothwendiges beschränkt werden. Der Satz einer Mit- theilung wird erst begonnen, wenn die Stöcke der in den Text einzuschaltenden Holzschnitte fertig sind und von besonders beizugebenden Tafeln die volle erforderliche Auflage eingeliefert ist.

. $7

Eine für die Sitzungsberiehte bestimmte wissenschaft- liche Mittheilung darf in keinem Falle vor der Ausgabe des betreffenden Stückes anderweitig, sei es auch nur auszugsweise oder auch in weiterer Ausführung, in deut- scher Sprache veröffentlicht sein oder werden. Wenn der Verfasser einer aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilung diese anderweit früher zu veröffentlichen beabsichtigt, als ihm dies gesetzlich zusteht, bedarf er dazu der Einwilligung der Gesammtakademie oder der betreffenden Classe

SS. 3. Auswärts werden Correeturen nur auf besonderes Verlangen verschickt. Die Verfasser verziehten damit

auf Erscheinen ihrer Mittheilungen nach acht Tagen.

89.

1. Neben der vollständigen Ausgabe der Sitzungs- berichte können bestimmte Kategorien wissenschaftlicher Mittheilungen auch abgesondert in der Weise publieirt werden, dass dieselben mit Söndertitel und fortlaufender Paginirung versehen und ınit besonderem Verkaufspreis in den Buchhandel gebracht werden.

ScLT:

1. Jeder Verfasser einer unter den »Wissenschaft- lichen Mittheilungen« abgedruckten Arbeit erhält unent- geltlich fünfzig Sonderabdrücke mit einem Umschlag, auf welchem der Titel der Arbeit wiederholt wird.

2. Dem Verfasser steht frei, auf seine Kosten weitere gleiche Sonderabdrücke bis zur Zahl von noch zweihundert zu unentgeltlicher eigener Vertheilung abziehen zu lassen, sofern er hiervon rechtzeitig dem redigirenden Secre- tar Anzeige gemacht hat.

x 5.

Den Bericht über jede einzelne Sitzung stellt der Secretar zusammen, weleher darin den Vorsitz hatte. Derselbe Seeretar führt die Oberaufsicht über die Redac- tion und den Druck der in dem gleichen Stück erschei- nenden wissenschaftlichen Arbeiten ; in dieser Eigenschaft heisst er der redigirende Seeretar.

8 29.

l. Der redigirende Seeretar ist für den Inhalt des geschäftlichen Theils der Sitzungsberichte verantwortlich. Für alle übrigen Theile derselben sind nach jeder Richtung nur die Verfasser verantwortlich.

SITZUNGSBERICHTE

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN.

XLV.

14. NovEenger 1895.

u nn ( BPIPRRe )

BERLIN 1895.

VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

IN COMMISSION BEI GEORG REIMER.

Anzeige.

Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben die oikaniheieh der Preussischen Akademie der Wissenschaften« zu erscheinen aufgel '

an deren Stelle »Sitzungsberichte«

81. IK x

x

. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross- S u regelmässig Donnerstags acht Tage nach % jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem. Kalender-

jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit au

fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten. ausserdem eine durch den Band ohne Unterschied der Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi- kalisch- mathematischen Classe allemal gerade, die über | Sitzungen der philosophisch - BIN nBEREn! Classe ungerade N Nummern. r | s2 \ IR

-1. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersieht über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten geschäftlichen Angelegenheiten. h

2. Darauf folgen die den Sitzungsberiehten über- wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört. e druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö- rigen Stücken nicht erscheinen konnten. :

g4 EI, 2. Das Verzeichnis der eingegangenen Druckschriften wird vierteljährlich Ge Br = ah $ 28. i REN

1. Die zur Arklahne in die Sitzungsberichte be- stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung druckfertig vorgelegt werden. sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon- dirender Mitglieder, welche direet bei der Gesammt- akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der vorsitzende Seeretar selber oder durch ein anderes Mit- glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen.

Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen.

$ 6. .

2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in Octav in der gewöhnliehen Schrift der Sitzungsberichte nicht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche der Rasdemer nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- demie oder der betreffenden Classe statthaft.

3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus

getreten, für welche unter L _ Bestimmungen ‚gelten. ER 4) = j

(Auszug aus EN Begiehlent für ‚die Redaction den n.

Äbwesende' Mitglieder, |,

BR

‚onıglic ei su

as

__ Nothwendiges Besen We e s Se n aan theilung wird erst begonnen, se ’k = den Text einzuscha rc a as nd .d von

re { es liche Mitteilung 0 d

Ein. N T des betreffenden Stückes ande Teig a Br h auszugsweise oder auch a weierer Aust

scher Sprache veröffentlicht, seit der Verfasser einer Mittheilung diese an 57 se als i

34, Arne SE, aaa PER Verlangen x verschickt, Die Verfasser auf Erscheinen KR en

\ 4 . = 2Y a) 7 f} R3 4 74 ER 9 e 1 re der. vollständig gen Ausgabe berichte können bestimmte : Kategorien \ wis Mittheilungen auch ‚abgesonde rt in werden, dass dieselben mit S ndertit £

An RR Paginirung versehen und mit besonderem \ in den Buchhandel. Te 2

rear BAR 2 LESS 1. \ 1. Jeder Vera einer unter de n lichen ee sr geltlich fünfzig Sonderabdrücke mi welchem der Titel De ederh 2. Dem Verfass en gleiche Sonderabdrü ’ke bis 1 Zahl zu unentgeltlicher ‚eigener

Er b

sofern ex en demre digire x tar Anzeige BBmachk) SE N Do ar ra r 2 a Den Bericht. ber jede einalıe 5 ii ung, stellt Secretar zusammen, welcher dari den \ Ba & Derselbe Seeretar führt die Oberau A ir ie Re tion und den Druck de in dem | gleichen ‚as hr, nenden wissensehaftlichen Arten Be Bi cha a heisst er der Sa Br 4 ER A E. Far Lo; ze 1. is 1. Der redigirende Seoraun: is für a den alt des geschäftlichen Theils der Sitzungsberichte veran von lich. i

Für alle übrigen Theile derselben ind n Richtung nur Se VER vor

SITZUNGSBERICHTE

DER

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN.

XLVI. XLVH.

21. NovEengeEer 1895.

vr N # NORFN

FR ao" Es f o12E Se \ a

BERLIN 1895.

VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

IN COMMISSION BEI GEORG REIMER.

F-

Anzeige.

Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben die »Monatsberichte der Königlich

Preussischen Akademie der Wissenschaften« zu erscheinen aufgehört, und es sind

an deren Stelle »Sitzungsberichte« getreten, für welche unter anderen folgende Bestimmungen gelten.

(Auszug aus dem Reglement für die Redaction der »Sitzungsberichte«.)

STJr

2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross- Octav regelmässig Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender- jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten ausserdem eine durelı den Band olıne Unterschied der Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi- kalisch- mathematischen Classe allemal gerade, die über Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade Nummern.

52

1. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten geschäftlichen Angelegenheiten.

2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten über- wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört. druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gelö- rigen Stücken nicht erscheinen konnten.

SA.

2. Das Verzeichniss der eingegangenen Drueksehriften

wird vierteljährlich ausgegeben. $ 28.

1. Die zur Aufnahme in die Sitzungsberichte be- stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder, sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon- dirender Mitglieder, welche direet bei der Gesammt- akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der vorsitzende Secretar selber oder durch ein anderes Mit- glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen.

Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen.

5 6.

2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in Oetav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte nieht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- demie oder der betreffenden Classe statthaft.

3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus

Nothwendiges beschränkt werden. Der Satz einer Mit- theilung wird erst begonnen, wenn die Stöcke der in den Text einzuschaltenden Holzschnitte fertig sind und von besonders beizugebenden Tafeln die volle erforderliche Auflage eingeliefert ist.

87 Eine für die Sitzungsberichte bestimmte wissenschaft- liche Mittheilung darf in keinem Falle vor der Ausgabe des betreffenden Stückes anderweitig, sei es auch nur auszugsweise oder auch in weiterer Ausführung, in deut- scher Sprache veröffentlicht sein oder werden. Wenn der Verfasser einer aufgenommenen wissensehaftlichen Mittheilung diese anderweit früher zu veröffentlichen beabsichtigt, als ihm dies gesetzlich zusteht, bedarf er dazu der Einwilligung der Gesammtakademie oder der betreffenden Classe $ 8. 3. Auswärts werden Correcturen nur auf besonderes Verlangen verschickt. Die Verfasser verzichten damit auf Erscheinen ihrer Mittheilungen nach acht Tagen.

8#9,

1. Neben der vollständigen Ausgabe der Sitzungs- beriehte können bestimmte Kategorien wissenschaftlicher Mittheilungen auch abgesondert in der Weise publieirt werden, dass dieselben mit Sondertitel und fortlaufender Paginirung versehen und mit besonderem Verkaufspreis in den Buchhandel gebracht werden.

$ 11.

1. Jeder Verfasser einer unter den »Wissenschaft- lichen Mittheilungen« abgedruckten Arbeit erhält unent- geltlich fünfzig Sonderabdrücke mit einem Umschlag, auf welchem der Titel der Arbeit wiederholt wird.

2. Dem Verfasser steht frei, auf seine Kosten weitere gleiche Sonderabdrücke bis zur Zahl von noch zweihundert zu unentgeltlicher eigener Vertheilung abziehen zu lassen, sofern er hiervon rechtzeitig dem redigirenden Secere- tar Anzeige gemacht hat.

$ 5.

Den Bericht über jede einzelne Sitzung stellt der Secretar zusammen, welcher darin den Vorsitz hatte. Derselbe Seeretar führt die Oberaufsicht über die Redae- tion und den Druck der in dem gleichen Stück erschei- nenden wissenschaftlichen Arbeiten ; in dieser Eigenschaft heisst er der redigirende Secretar.

s 29.

l. Der redigirende Seeretar ist für den Inhalt des geschäftlichen Theils der Sitzungsberichte verantwortlich. Für alle übrigen Theile derselben sind nach jeder Richtung nur die Verfasser verantwortlich.

Er se

Se5c52e52525025 ]

SITZUNGSBERICHTE

DER

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN.

XLVI.

28. NovEngBEr 1895.

IS

©}

2 / SI

BERLIN 1895.

VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

IN COMMISSION BEI GEORG REIMER.

Anzeige.

Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben die »Monatsberichte der Königlich

Preussischen Akademie der Wissenschaften« zu erscheinen aufgehört, und es sind

'an deren Stelle »Sitzungsberichte« getreten, für welche unter anderen folgende Bestimmungen gelten.

(Auszug aus dem Reglement für die Redaction der »Sitzungsberichte«.)

81. -

2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross- Octav regelmässig Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender- jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten ausserdem eine dureh den Band olıne Unterschied der Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi- kalisch- mathematischen Classe allemal gerade, die über Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade Nummern.

8.2.

1. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten geschäftlichen Angelegenheiten.

2, Darauf folgen die den Sitzungsberichten über- wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört. druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö- rigen Stücken nieht erscheinen konnten.

S4.

2. Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften

wird vierteljährlich ausgegeben. 8 28.

l. Die zur Aufnalıme in die Sitzungsberichte be- stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder, sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon- dirender Mitglieder, welche direet bei der Gesammt- akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der vorsitzende Secretar selber oder dureh ein anderes Mit- glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen.

Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen.

$ 6.

2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in Octav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte nicht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- demie oder der betrefienden Classe statthaft.

3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus

Nothwendiges beschränkt werden. Der Satz einer Mit- theilung wird erst begonnen, wenn die Stöcke der in den Text einzuschaltenden Holzschnitte fertig sind und von besonders ‚beizugebenden Tafeln die volle erforderliche Auflage eingeliefert ist.

87

Eine für die Sitzungsberiehte bestimmte wissenschaft- liche Mittheilung darf in keinem Falle vor der Ausgabe des betreflenden Stückes anderweitig, sei es auch nur auszugsweise oder auch in weiterer Ausführung, in deut- scher Sprache veröffentlicht sein oder werden. Wenn der Verfasser einer aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilung diese anderweit früher zu veröffentlichen beabsichtigt, als ihm dies gesetzlich zusteht, bedarf er dazu der Einwilligung der Gesammtakademie oder der betreffenden Classe

S 8. 3. Auswärts werden Correeturen nur auf besonderes

Verlangen veischiekt. Die Verfasser verziehten damit auf Erscheinen ihrer Mittheilungen nach acht Tagen.

89.

1. Neben der vollständigen Ausgabe der Sitzungs- berichte können bestimmte Kategorien wissenschaftlicher Mittheilungen auch abgesondert in der Weise publieirt werden, dass dieselben mit Sondertitel und fortlaufender Paginirung versehen und mit besonderem Verkaufspreis in den Buchhandel gebracht werden.

$ 11.

1. Jeder Verfasser einer unter den »Wissenschatt- lichen Mittheilungens abgedruckten Arbeit erhält unent- geltlich fünfzig Sonderabdrücke mit einem Umschlag, auf welchem der Titel der Arbeit wiederholt wird.

2. Dem Verfasser steht frei, auf seine Kosten weitere gleiche Sonderabdrücke bis zur Zahl von noch zweihundert zu unentgeltlicher eigener Vertheilung abziehen zu lassen, sofern er hiervon rechtzeitig dem redigirenden Seere- tar Anzeige gemacht hat. .

8 5.

Den Bericht über jede einzelne Sitzung stellt der Seeretar zusammen, welcher darin den Vorsitz hatte. Derselbe Seeretar führt die Oberaufsicht über die Redac- tion und den Druck der in dem gleichen Stück erschei- nenden wissenschaftlichen Arbeiten; in dieser Eigenschaft heisst er der redigirende Secretar.

g29.-

1. Der redigirende Seeretar ist für den Inhalt des geschäftlichen Theils der Sitzungsberichte verantwortlich. Für alle übrigen Theile derselben sind nach jeder Richtung nur die Verfasser verantwortlich.

—. > ——

a al ee en un

SITZUNGSBERICHTE

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN.

XLIX. L. LE.

5. 12. DEcENBER 1895.

N | \ An SEIREER (ut 96 15% ) 67 Bonan ©

BERLIN 1895.

VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

IN COMMISSION BEI GEORG REIMER.

Anzeige.

Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben die »Monatsberiehte der Königlich

Preussischen Akademie der Wissenschaften« zu erscheinen aufgehört, und es sind

an deren Stelle »Sitzungsberichtes getreten, für welche unter anderen folgende Bestimmungen gelten.

(Auszug aus dem Reglement für die Redaction der »Sitzungsberichte«.)

81.

2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross- Octav regelmässig Donnerstags acht Tage nach jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender- jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten ausserdem eine durch den Band ohne Unterschied der Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi- kalisch - mathematischen Classe allemal gerade, die über Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade Nummern.

82.

1. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten geschäftlichen Angelegenheiten.

2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten über- wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört. druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö- rigen Stücken nieht erscheinen konnten.

SA.

2. Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften

wird vierteljährlich ausgegeben. $ 28.

1. Die zur Aufnahme in die Sitzungsberichte be- stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder, sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon- dirender Mitglieder, welche direct bei der Gesammt- akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der vorsitzende Secretar selber oder durch ein anderes Mit- glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen.

Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen.

$ 6.

2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in Octav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte nicht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- demie oder der betreffenden Classe statthaft.

3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus

Nothwendiges beschränkt werden. Der Satz einer Mit- theilung wird erst begonnen, wenn die Stöcke der in den Text einzuschaltenden Holzschnitte fertig sind und von besonders beizugebenden Tafeln die volle erforderliche Auflage eingeliefert ist.

87

Eine für die Sitzungsberichte bestimmte wissenschaft- liche Mittheilung darf in keinem Falle vor der Ausgabe des betreffenden Stückes anderweitig, sei es auch nur auszugsweise oder auch in weiterer Ausführung, in deut- scher Sprache veröffentlicht sein oder werden. Wenn der Verfasser einer aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilung diese anderweit früher zu veröffentlichen beabsichtigt, als ihm dies gesetzlich zusteht, bedarf er dazu der Einwilligung der Gesammtakademie oder der betreffenden Classe

58. 3. Auswärts werden Correeturen nur auf besonderes Verlangen verschickt. Die Verfasser verzichten damit auf Erscheinen ihrer Mittheilungen nach acht Tagen.

89 1. Neben der vollständigen Ausgabe der Sitzungs- berichte können bestimmte Kategorien wissenschaftlicher Mittheilungen auch abgesondert in der Weise publieirt werden, dass dieselben mit Sondertitel und fortlaufender Paginirung versehen und mit besonderem Verkaufspreis in den Buchhandel gebracht werden.

8 11.

1. Jeder Verfasser einer unter den »Wissenschaft- lichen Mittheilungen« abgedruckten Arbeit erhält unent- geltlich fünfzig Sonderabdrücke mit einem Umschlag, auf welchem der Titel der Arbeit wiederholt wird.

2. Dem Verfasser steht frei, auf seine Kosten weitere gleiche Sonderabdrücke bis zur Zahl von noch zweihundert zu unentgeltlicher eigener Vertheilung abziehen zu lassen, sofern er hiervon rechtzeitig dem redigirenden Secre- tar Anzeige gemacht hat.

85.

Den Bericht über jede einzelne Sitzung stellt der Secretar zusammen, welcher darin den Vorsitz hatte. Derselbe Secretar führt die Oberaufsicht über die Redac- tion und den Druck der in dem gleichen Stück erschei- nenden wissenschaftlichen Arbeiten; in dieser Eigenschaft heisst er der redigirende Secretar.

8 29.

1. Der redigirende Secretar ist für den Inhalt des geschäftlichen Theils der Sitzungsberichte verantwortlich. Für alle übrigen Theile derselben sind nach jeder Richtung nur die Verfasser verantwortlich.

m— hi

DER

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN

SeSeS5eS2S52Se$] SITZUNGSBERICHTE AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

ZU BERLIN. LI. LA.

19. DecemßEer 1895.

BERLIN 1895.

VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

IN COMMISSION BEI GEORG REIMER.

Anzeige no Pe

Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben die »Monatsberichte der Königlich.

Preussischen Akademie der Wissenschaften« zu erscheinen aufgehört, und es sind. an deren Stelle »Sitzungsberichte« getreten, für welehe unter anderen. folgende,

Bestimmungen ‚gelten. UK he

(Auszug aus dem Reglement für die Redaction der "Sitzungsberichte. Er

Se

. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross-

a regelmässig Donnerstags acht Tage nach ‚jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender- jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit förtlaufender Paginirung, ausserdem eine durch den Band ohne Unterschied der Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi- kalisch- mathematischen Classe allemal gerade, die über

Sitzungen der philosophiseh - historischen Classe ungerade _

Nummern.

$2.

1. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über ie in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten

geschäftlichen Angelegenheiten. , 2. Darauf folgen die den Sitzungsberiehten über- wiesenen wissenschaftliehen Arbeiten, und zwar in der Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört. druckfertig übergebenen, dann die, welehe in früheren Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö- vigen Stücken nicht erscheinen konnten. Sa. | 2. Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften wird vierteljährlich ausgegeben. $ 28:

Aufnahme in

1. Die zur

druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder, sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon- dirender Mitglieder, welche direct bei der Gesammt- akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der vorsitzende Secretar selber oder durch ein anderes Mit- glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren

Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem

zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen.

Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen.

8 6.

2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in Oetav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte nicht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses „Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- lemie oder der betreffenden Classe statthaft.

3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus

Die einzelnen Stücke erhalten

die Sitzungsberichte be- stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung.

l

ss >——

N ER a

Fe

Nothwendiges beschränkt werden. Der Satz "einer Mit theilung wird erst begonnen, wenn die Stöcke der in « den Text einzuschaltenden Holzschnitte fertig sind und von 1 ‚besonders beizugebenden Tafeln ale AO erforderliche

Aulıge eingeliefert. ist. a: Tyrse | + e FL > HR t SR ie aa 1

Eine für P% Sitzungsberichte A - wissenschaft- liche Mittheilung darf in keinem Falle vor der A, ‚gabe i des betreffenden Stückes ‚anderweitig, sei udlinur | auszugsweise oder auch in weiterer Ausführen Bu et schaft Sprache veröffentlicht, ‚sein ‚oder werden. /enn der Verfasser einer aufgenommenen a. h. Mittheilung diese anderweit früher Ar veröffent i beabsichtigt, als. ihm dies gesetzlich zusteht, bedarf © er dazu der Einwilligung der Gesammtakademie oder der betreffenden Olasse ir ; eh N,

3. Auswärts werden Correcturen nur auf besonderes

Verlangen verschiekt. Die Verfasser verzichten di mit auf Erscheinen ihrer Mittheilungen. nach ‚acht Tagen. A

rt . h

he

R De 1. Neben der vollständigen NE da A beriehte können bestimmte ' Kategorien wissenschaftlich her Mittheilungen auch abgesondert in r Weise publieirt werden, dass dieselben. mit 'Sond titel und fortlaufender Beeiuieine versehen as init oe 0 nderem be

an , Mittheilungen« ee Arbeit erhält unent- geltlich fünfzig Sonderabdrücke mit einem 1 Umschlag, au auf welcheE! der Titel der Arbeit wiederholt wird. 2 h . Dem Verfasser steht frei, auf seine Kosten veitere ) ee Sonderabdrücke bis zur Zahl von noch zwei ihundert zu unentgeltlicher eigener Vertheilung abziehen a een sofern er hiervon er dem rec \ {or Seere - tar Anzeige gemacht hat. FW

ia IT A MAY ae

Den Bericht über ‚jede einzelne Siizung er er Secretar zusammen, welcher darin den Vorsitz. hatte. Derselbe Seeretar führt die Oberaufsicht über die, Redac- tion und den Druck der in dem gleichen Stück erschei- nenden wissenschaftlichen Arbeiten; in dieser Eigenschaft

heisst er der vedigirende Seeretar. TER YA T

$ 29. RAR ru 1. Der redigirende Ber ist für nen Inhalt des geschäftlichen Theils der Sitzungsberichte verantwortlich. Für alle übrigen Theile derselben sind nach jeder“ Richtung nur die ac ee . ; Be

ee N

SITZUNGSBERICHTE

DER

L KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

'ZU BERLIN.

} Jahrgang 1895. an | sang 1! 5154

MAR 9C 18 ;g6

er

VERZEIHRUBR: DER EINGEGANGENEN DRUCKSCHRIFTEN, TITEL, INHALT, NAMEN- UND SACHREGISTER.

)

Anzeige

Mit dem Decemberheft de Jahrganges 1881 haben die ee Preussischen Akademie der Wissenschaften«. zu erscheinen aufgehö el an deren Stelle »Sitzungsberichte« getreten, für welche unte & am er

Bestimmungen gelten.

rt FR f

sei > (Auszug. aus dem Reglement für die ‚Redaction der a ©

Sk I 4 = | Nothwendiges beschränkt werden. ' 2. Diese erscheinen in en Stücken in Gross- | ‚teilung wird erst | begonnen, wenn die Stö Octav regelmässig Donnerstags acht Tage nach | jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalendr- | jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten 4% ausserdem eine durch den Band ohne Unterschied der | Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi- { kalisch - mathematischen Classe allemal gerade, die über Sitzungen der philosophisch - - historischen. Classe ee ; Nummern. } Be MR O8 ) &r KR en Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht ber ; die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- | theilungen und über die zur Veröffentlichung. geeigneten N geschäftlichen Angelegenheiten. El , 2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten über- LE wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der. Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört. ee übergebenen, dann die, welche in früheren = Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen ‚gehö- rigen Stücken nicht erscheinen konnten. .

Ei - Bi RE värts ara Comecturen nur auf b =: er eres

rschickt. _ Die Verfasser ve

E#

Pe 5 8 Neben de ah vollständigen - et h h be: ti v 2. Das Verzeiehniss der eingegangenen Druckschriften Se . berichte ei = ge ee wird vierteljährlich ausgegeben. ee E werden, da a SDaR: x ME 2 nen Pie

‘1. Die zur Aufnahme in die Sinne bei stimmte Mittheilung muss in einer akademischen | Sitzung 4 druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder, sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon- dirender Mitglieder, welche direet bei der Gesammt- akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der vorsitzende Secretar selber oder durch ein anderes Mit- glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren | un Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem sofern er hiervon rechtze zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen. | bar ‚Anzeige gemacht

Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie : oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen.

86.

2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in Octav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte nicht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche der Akademie nicht angehören , sind auf die Hälfte dieses Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- Jemie oder der betreffenden Classe statthaft.

3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus

ER & e

PER a ee einer. unt I de lichen Mittheilungen « 2 abgedruckten geltlich fünfzig. Sonderabdrücke welchem der Titel der Arbeit v ai en Um ri

‚2. _ Dem Verfasser steht frei, auf seine gleiche Sonderabdrücke e bis zur Zahl zu unentgeltlicher eigene: Ve

Sara zusammen, welcher darin. den V Derselbe Secretar führt die Sic ne tion und den Druck der in d chen Stü nenden en Me in dieser Big E ie er der Be Seeretar. ee MR >

s2. Re ES

1. Der anleende Secretar ist T geschäftlichen Theils der Sitepngaberichie 7 a Für alle übrigen Theile ‚derselben sind nad Richtung nur Ex Verfasser verantwor

ABHANDLUNGEN DER AKADEMIE aus den Jahren 1893, 1894, 1895.

Dünster: Sigeberts von Gembloux Passio Sanetae Lueiae und Passio Thebeorum VosxL: Über den neuen Stern im Fuhrmann .

Weser: Über die Königsweihe, den Räjasüya

Enter: Über die Gliederung der Vegetation Usambaras Kae der EN BEhiEıE Dünmter: Über Leben und Schriften des Mönches Theoderich (von Amorbach) Scaurze: Hexactinelliden des Indischen Oceans. I. Die Hyalonematiden

Daues: Die Plesiosaurier der süddeutschen Liasformation

Vircwow: Über die culturgeschichtliche Stellung des Kaukasus

Sacuau: Skizze des Fellichi-Dialekts von Mosul

Kayser und Ruxee: Die Dispersion der Luft

SCHWEINFURTR: Abyssinische Pflanzennamen

Kayser und Runge: Die Spectren der Elemente. vo. : ScHEiner und Hırayama: Photographische Aufnahmen Fraunhofer nen Beugungsiguren Heysoss: Die Segmentirung des Insectenkörpers

Karerrriscn: Die Neuplatonische, fälschlich dem Galen zugesc BERN Schrift ara mepi

rov mas Emhvyovra Ta Eußpva . Sıess: Westfriesische Studien .

AM. 6.50 » 3.50 » 10.— » 3.50 et IE rg

6.50 n 5.—

AM. 1.50 ee a DE » 4.50 a

6.50 3.50

ANZEIGE.

= A 5 Seit dem 1. Januar 1882 gibt die Königlich Preussische Akademie der Wissenschaften zu Berlin wöchentliche »Sitzungsberichte« heraus. Die dafür geltenden Bestimmungen finden sich im Aus- zuge auf der zweiten Seite dieses Umschlages abgedruckt.

Um dem mathematisch - naturwissenschaftlichen Leserkreise den ihn näher angehenden Theil des Stoffes der »Sitzungsberichte« in bequemerer Form ‚darzubieten, wird ein Auszug aus diesen Berichten unter dem Titel:

MATHEMATISCHE UND NATURWISSENSCHAFTLICHE MITTHEILUNGEN

AUS DEN SITZUNG SBERICHTEN DER

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN

herausgegeben. Diese Sonderausgabe enthält sämmtliche Arbeiten aus dem Gebiet der‘ reinen Mathematik wie aus dem der theoretischen, experimentellen und beobachtenden Naturwissenschaften in vollständigem Abdruck, welche in Sitzungen der Akademie von deren Mitgliedern oder ihr fremden Verfassern mitgetheilt in die »Sitzungsberichte« aufgenommen wurden, Auch demselben Gebiet angehörige geschäftliche Berichte, Preis- Aufgaben und -Ertheilungen, Adressen, Reden und dergl. mehr, finden darin Platz. Die »Mittheilungen« erscheinen bis auf weiteres in Monats- heften, welche jährlich einen Band ausmachen. Das zu einem Monat gehörige Stück wird in der Regel am zweiten Donnerstag des folgenden Monats ausgegeben. j

Ne nn en eher

BE

n

[5]

Die Akademie versendet ihre »Sitzungsberichte« ur die » Mathematischen und ‚Naturwissenschaftlichen Mittheilungen« an diejenigen Stellen, mit denen sie im Schriftverkehr steht, wofern nicht im ‚besonderen Falle anderes vereinbart wird, jährlich drei Mal, nämlich:

die Stücke von Januar bis April in der ersten Hälfte des Monats Mai,

Ta » Mai bis Juli in der ersten Hälfte des Monats August,

non » October bis December zu Anfang des nächsten Jahres sogleich nach Ferägeteltung des Registers.

Diejenigen Empfänger, welchen Theile des Jahrgangs 1895 nicht zugekommen sein sollten, Brei ersucht, hiervon baldigst bei der Akademie Anzeige zu machen, da eine Berücksichtigung etwaiger Reclamationen nur in Aussicht gestellt werden kann, wenn dieselben spätestens bis zum Ende des Jahres 1896 angebracht werden.

Wegen des buchhändlerischen Bezuges der »Sitzungsberichte« u. s. w. siehe unten.

In Commission bei Geors Reimer in Berlin erscheinen in wöchentlichen Stücken:

SITZUNGSBERICHTE

DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE un WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. gr. 8. Geheftet. Preis des ee) 12.M.

Getrennt von denselben erscheinen ausserdem, ebenda in Commission, in Mbitsheftin: u

MATHEMATISCHE UND NATURWISSENSCHAFTLICHE MITTHEILUNGEN

AUS DEN SITZUNGSBERICHTEN & DER

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN.

gr. 8. Geheftet. Preis des Jahrganges 3 M.

4280

a HNOALT Wan

J h y

N

ER

re “Ei ne er

LIBRARIES

INN

3 9088 01298 9455

|

Il

|

SMITHSONIAN INSTITUTION

ll

a > Zen S N ee