^ SITZUNGSBERICHTE DER KAISERLICHEN lyDGlUie DER WISSEICHAFTI. PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLASSE. ACHTZEHNTER BAND. WIEN. AUS DER K. K. HOF- UND STAATSDHUCKEREI. IN COMMISSION DEI W. BRAUMÜLLER, BUCHHÄNDLER DES K. K. HOFES UND DER K. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 1856. SITZINGSBERICHTE DER PHILOSOPHISCH-HISTORISCHEN CLASSE DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. ACHTZEHNTER BAND. Jahrgang 1855. Heft I und IL WIEN. AUS DER K. K. HOF- UND STAATSDRUCKEREI. IN COIHMISSUJN BEI W. BRAUMÜM.KII , IiU( IIIlÄNDI-ER DES K. K. HOFES UND DER K. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 1856. J' ■^ A 5i e4.i8 INHALT. Sollo Sitzung vom 7. November 18SS. ür. Freih. Hammer- Purystull, Bericht über die Fortsetzung; des Druckes der osinanischen Reichsg-esehiolilo /.u Knnstniitino|iel 3 Gindcly, ßoitriige zur Geschichte der Zeit Kaiser HudolPs II 17 Sitzung vom 14. Novemher ISUS. Chmcl, llahshurj^ische Kxcurse. VI. (1. Aljlhciluiijj;) 63 Sitzung vom 28. November 1855. l'jizrnaicr, Notizen aus der (Jeschiclilc iler cliinesischen Reiche vom .Inhrc 1572 bis !i46 vor Christo HS Verzeichniss der eing-egangeiien Druckschriften 187 Siizung vom 15. Dccember I8!)5. Uicmvr, Kleine llcilriige zur ältereu deutsclien Sprache und Literatur (Fort- setzung:) enthallend: XIV. Über Ileinrich's Gedicht vom .,AII{,'onieinen Loben und der iM-iniierun^ an den Tnd" IIU Scherzer, Die ludiimer vidi Santa Ciilullnn Istliivaean (Frauenluss). Kin Bei- trag; zur Cniturffeschiehle der Urbowoliner Cenlriil-AuieriKiis . . 227 Sitzung vom 12. Dccember 18I>!). Diemer, Kleine Ueitrii(,'e zur älteren deutschen Sprache und MleiiHnr (Forl- selzun^') enlhulli'nd: XV. Über da» (;edichl vom „IMiilleiilelien" 24'i XVI. Heinrieir« (Jedichte von d ((uiiK^inem lebcni« uiid iIcs tode.s (^■eliMKde 27! Kerac'it'/tntAä der eing'egang'enün Druckschriften «U i SITZUNGSBERICHTE DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLASSE. XYIIL um. I. HEFT. JAHRGANG 1833. — NOVEMBER. SITZUNG VOM 7. NOVEMBER 1835. Gelesen: Bericht über die Fortsetzung des Druckes der osmanischen Reichsgescliichte zu Konstantinopel. Von dem w. M., Dr. Freiherrn Hammer-Pargstall. Vor einem halben Jalirhundert, d. i. im Jahre 1804 des laufenden Jahrhunderts erschien zu Koiistantinopel die letzte gedruckte Reichs- geschichte, nämlich die des Reichsgeschichtsschreibers Wafsif als die Fortsetzung der früher gedruckten Naima's, Raschid's, Kara Tschelebifad e's, Ifi's und Ssubbi's, welche den Zeitraum v. J. d. H. 1001 (1592) bis ins J. d. H. 1187 (1773) umfasst, d. i. bis ins Jahr vor dem Frieden von Kainardschi (richtiger Kainardsche) *) geht und zwei dünne Foliobände stark; die Fortsetzung beginnt unmittelbar nach dem Frieden von Kainardsche, d. i. mit Ende des J. d.H. 1188 (1774) und endetmitdem Tode des Königs von Preussen, d.i. mit dem zweiten Jahrhundert der Hidschret i. J. 1787 unmittelbar *) KHinamak heissl im Türkischen sieden, Kainardsche, das kleine Auf- siedende, der heisse Sprudel; wirklich ist der Frieden von Kainardsche der heisse Sprudel, aus dem so vieles Unheil und der g-eg'en\viirtif;:e Kriege der Türkei mit Russland quoll. Hoc fönte der'wutn cludes iiu/ue patres popuIum(/ue flir.rit. Die rnssisclie Sprache welclie g-erne das e fremder Wörter in / verwandelt . machte aus Kainardsche, Kainardsclii oder K a i ii a r d s c lii k , wie ;ims I! a l; d m Ii e s e r a, d. i. fiartenpalast Bag^d schi s erai, ausGerai dem l''aniilienMamen der Chane der Krim G i rai. Wer daran zweifelt, dass das erste ilas richtige, sclilage das zu Konstan- tinopel gedruckte persisch-türkische Wörterbuch des Ferhenge Schuurinach, wo im ersten Bande Bl. 307 unter der fünften Bedeutung des Wortes Gerai die Erklärung dieses Beinamens der Chane der Krim zu linden. 4 Dr. Freiherr II a ni in e r - P ii r g- s t a I 1. vor Ausbruche des Krieges mit Russland und Österreich, zwei Bände Gross-Octav oder Klein-Quart, der erste von 361 und der zweite von 364 Seiten, mit dem Titel: Die Geschichte Dschewdet's. Dschew det der dermalige Reichshistoriograph ist der literari- schen Welt bereits durch eine poetische Blüthenlese welche zu Konstantinopel imDruck erschienen, vortheilhaft bekannt; die Achtung die er sich dadurch in Europa erworben, vergrössert sich durch das vorliegende Werk welches sich vor allen bisher gedruckten Ge- schichten und Reichsgeschichten auf das Vortheilhafteste , so im Äusseren als im Inneren, auszeichnet; nicht nur ist das gewählte Format weit gehäbiger als das bisher übliche unbequeme Folio und der Druck ein besserer, sondern auch die Schreibart welche zur Einfachheit Naima's zurückgekehrt, vermeidet den unerträg- lichen Schwulst seiner Vorgänger Ifi und Ssubhi,und vermeidet die Schimpfwörter auf die Christen unter dem Namen der Giauern, d. i. der Ungläubigen, welches nur eine Umlautung des arabischen I^afirün welches ursprünglich die V er finsterer und die Un- dank b a r e n *) bedeutet. Dschewdet wetteifert mit Naima, welcher seiner Ge- schichte eine Abhandlung über die Vortheile des Studiums der Geschichte vorausgesendet hat, auch hierin, dass er seinem Werke eine in zwölf Abschnitte gelheilte Abhandlung vorausschickt, deren Inhalt der folgende: 1. Über die Notliweiidigkeit und den Nutzen der Geschichte; 2. über dieEintheilung der Reiche in Monarchien (unum- schränkte und beschränkte) und Republiken; 3. über den Ursprung moslimischer Reiche, das Chalifat, die Reni ümeije, die Beni Abbas, die Beni Ejub; 4. der Ursprung des osmanischen Reiches im Jahre d. H. 699(1299) und die Befestigung desselben durch die Eroberung ') Somehow the ward Giaour always gives nie an odd fceling in my knuckles sagt der ehreuwerthe Herr Wal pole, der geistreiche Verfasser der dreibändigen Reise- besehreihung welclie den Titel the A7isayrü führt (II. lo6), ai)er er hat Unrecht mit lleri)elol das Wort vom (lersisclien Gebe herzuleiten, indem die Wurzel Kefere, von welcher die arabischen K,a fi r u n und die türkischen G i a n e rn stammen, ur- spriinglich nichts als er ist undankbar gewesen, oder er h a t ver fi n ste r t beissl; wirklich sind die Verlinslernr die grössten Undankbaren ; das beste arabische Wörterbuch, derKamus, giiit hierüber (II. 100, Konstantinopolitaner Ausgabe) die beste Auskunft. Ausserdem, dass dieK,afirun im Koran oft genug vorkommen, beweiset das Wort der Überlieferung cl-kofrun inilledrn teuhldcluu, d. i. die Ungläubigen sind nur Ein Volk — am l)esten, dass das Wort schon zu Mcilianimed's Zeiten längst ein arabisches, nicht erst seit dem Isleni von den Persern hergenommenes war. Bericht über den Druck iler usiiiaiiischen Reichsgeschichte zu Koustautiiiopel. 5 Konstaiitinopels nach dem Überlieferungsworte : sie werden Kon- stantinopel erobern, welch ein guter Emir, der Eroberer! und welch ein gutes Heer, das erobernde Heer! 5. Über- blick der Begebenheiten von der Eroberung Konstantinopels bis zur Reffieruner Suleiman's des Gesetzgebers ; 6. von der Zeit Suleiman's des Gesetzgebers bis zum Tode Fafsil Ahmed Paschas, d. i. des zweiten Köprili ; 7. von dem Tode Fafsil Ahmed Paschas bis zur Zeit Damad Ibrahim Paschas, des Grosswefirs Ahmed HI. ; 8. von der Zeit Ibrahim Paschas bis zum Tode er-Ragib Paschas , der ein grosser Gönner der Dichter und ein grosser Liebhaber der Tulpen ; 9. die seltsamen Begebenheiten welche sich von der Zeit Ragib Paschas bis ins Jahr 1188 (1774) zutrugen, darunter die Entthronung Peter HI. und die Ermordung desselben durch Katharina II. (grösserer Sicher- heit willen, steht Dschewdet), der Krieg mit Russland und der Frieden vonKainardsche der seiner ganzen Länge nach eingeschaltet wird; 10. Überblick (Feslike) der Begebenheiten bis zum Beginne d.J. d. H. 188 (1774); 11. die ursprünglichen Bande zwischen der hohen Pforte und den Chanen der Krim ; dieser Abschnitt enthält zwar nicht eine trotz der histoire de la Tanride von Siestrenzewitz und des Marquis von Castlenau histoire de la nouvelle Russie noch zu schreibende Geschichte der Krim unter osmanischer Herr- s c h a f t , aber wohl einige der wichtigsten und glänzendsten Puncte derselben unter den Chanen Mengligerai, Seadetgerai, Ssahibgerai, Dewletgerai, Gafigerai, B ehadirgerai, Islamger ai, Hadschi Selimgerai, also nur acht Chane von den siebenundfünfzig Regierungen derselben, welche in der Geschichte des osmanischen Reiches aufgeführt sind; 12. über den Geist und die Verfassung der vorliegenden Geschichte. Es ist des Geschichts- schreibers Pflicht, sich aus den Quellen über die Wahrheit der von ihm erzählten Begebenheiten genau zu unterrichten, blos rhetorischer Styl hat kein historisches Verdienst. Die arabischen Geschichts- schreiber vermengen oft diese beiden ganz verschiedenen Zwecke der getreuen und schönen Erzählung; der Verfasser setzt sich blos den historischen zum Ziel, und macht keinen Anspruch auf Schönheit des Styls, wiewohl der seine der klaren Erzählung der Thatsachen angemessen, und da der grösste Theil des Inhalts diplomatische Ver- handlungen betrifft, eigentlich ein diplomatischer der alle Unhöflich- keiten vermeidet, zu nennen ist, er sagt weiters: „Die jährliche 6 Dr. Freiherr 11 a ni m e r - P u r g s t a 1 1. kaiserliche Überwanderung von dem Winterquartier in die Sommer- frische, und von dieser in den Winterpalast, das jährliche Auslaufen der Flotte im Frühjahr und die Rückkehr derselben in das kaiserliche Arsenal, die dreimonatliche Auszahlung des Soldes an die Truppen, die Verleihung von Ämlern und die Beförderung der Ulema nach ihren verschiedenen Graden, die wissenschaftliche Vorlesung welche alljährlich Anfangs des Monats Ramafan in Gegenwart des Sultans stattllndet, der Besuch des edlen Kleides (des Prophetenmantels), die Vomstappellassung von Schiflen und die dabei üblichen Gebete, die Erzählung dieser Begebenheiten wird nur, Avenn sich dabei etwas Aussergewöhnliches begeben, der Geschichte einverleibt." Was die Begebenheiten betrifft, die sich i. J. 1188 (1774) nach dem Frieden von Kainardsche bis zur Rückkehr des kaiserlichen Lagers von Schumla nach Konstantinopel ereignet haben, so bezieht sich der Verfasser auf die (noch nicht gedruckte) Fortsetzung der Geschichte Wafsifs, auf die Enweri's und Schemida nisade's, welche seinem Werke als Quellen gedient, denen er Zusätze, theils aus fremden Geschichten i) und aus Conferenzprolokollen beigefügt. Nach dieser Einleitung beginnt die Geschichte selbst als Chronik nach den Jahren, in denen sieh die Begebenheiten zugetragen haben. Jede Begebenheit hat eine besondere Überschrift, so dass der Text kein fortlaufender, sondern ein in kleine Stücke zerhacktes Ganzes zu sein scheint; dieses den an fortlaufenden Text gewohnten Europäer befremdende Aussehen gewinnt aber eine andere Gestalt, wenn man sich deidd, dass die Überschriften der einzelnen Abschnitte eigentlich nur die Stelle der kleinen Schrift des Inhaltes vertreten, welche sich in ordentlich geschriebenen europäischen Geschichten an der Seite jedes Paragraphes oben angegeben befindet. An den Seitenrand den bei uns die Inhaltsanzeigen einnehmen, schreiben die Morgenländer ihre Noten welche bei uns an den untern Rand der Seite oder an 1) Im Texte S. 83 sieht adschem tarichlerinden , was nicht mit der g-CMöhnlichsten Bedeiituii^ von persischen Geschichten, sondern mit fr eind en G esch ich- ten zu überset/.en ist, denn persische Gcscliichtcn sind nirgends ang-cfiihrt , und die hier gemeinten fremden Geschichten sind ollVnbar nur f r a nz ö s is ch e, wie aus der türkischen Aussprache fremder Namen erhellet, indem zum Beispiel der Name des Kaisers Joseph, immer französisch lautet. Es wäre weit besser gewesen, wenn der Verfasser das Arabische, im Koran als Name des ägyptischen .losepb's oft vorkommende Jüsuf gebraucht hätte, indem der Name des ägyptischen Joseph"« und der des Nährvaters Christi doch einer und derselbe ist. Bericht über den Druck der osmauischen Reichsgeschichte zu Konstantiuopel. 7 das Ende der Haiiptstücke verwiesen werden, wohin auch die Staats- schriften, oder andere rechtfertigendeSchriften gehören. Der Morgen- länder schaltet diese in dem Texte selbst ein, so wie die Chronograme, womit die Daten merkwürdiger Begebenheiten gefeiert werden, und Sprüche oder Verse welche auf die erzählte Begebenheit passen; die Sprüche sind dreierlei , nach den drei Sprachen arabische, persische und türkische, und dreierlei nach dem Inhalte: Verse des Korans, Worte der Überlieferung und Sprichwörter, Verse und Halb- verse, Distichen; die Einmischung derselben in die Erzählung des Geschichtsschreibers ist bei den Morgenländern durchaus üblich, und findet sich als Nachahmung derselben nur in spanischen Geschichten, wie zum Beispiel in der fabelhaften Geschichte der Cegr les und Abeneerrages des GinesPerezdeHita. Zu den vom Verfasser im letzten Capitel seinerEinleitung erwähnten alltäglichen und keines- weges der Geschichte nützenden Begebenheiten die er nur dann zu erzählen verspricht, wenn sich dabei nur etwas Aussergewöhnliches begibt , hätte er noch ein halbes Dutzend anderer hinzuschreiben können, welche mit ihren D;iten in den osmanischen Reichsgeschichten, oder vielmehr Chroniken regelmässig wiederkehren, ohne dass daraus für den Leser der Geschichte ein besonderer Nutzen erwächst; solche sind: die Geburten, Vermählungen und Todesfälle von Prinzen oder Prinzessinnen, die Prüfungen der Ulemas, die Feuersbrünste, die Absetzungen, Verbannungen und Hinrichtungen; die letzten in so weit durch dieselben nur politische Gegner (grösserer Sicherheit wegen) aus dem Wege geräumt werden , und von denen in diesen zwei Bänden noch beiläufig ein halbes Hundert vorkömmt, werden in den künftigen Reichsgeschichten oder vielmehr Reichschroniken der Osmanen, Dank ihrer Sittigung durch europäischen Einfluss, gänzlich verschwinden, denn mit der Hinrichtung gemeiner Verbrecher sollte sich die Geschichte des Reiches nicht bellecken. Würdige Gegen- stände der Reichsgeschichte sind nur die grossen Thaten des Krieges oder des Friedens, die Fortschritte der Cultur und Literatur, neu aufgeführte Bauten, oder grosse Feuersbrünste in welchen dieselben zu Grunde gehen, Gesetze welche die innere Ordnung des Reiches und die Polizei desselben betreffen, und wenn es auch nur Luxus- gesetze oder Kleiderordnungen wären, die Verhandlungen mit fremden Mächten durch Gesandtschaften und Minister-Conferenzcn, von denen Dschewedet Efendi sorgfältig die Protokolle gesammelt und den ö Dr. Freiherr Hammer-Purg'stall. Text mancher Sene de und verbindlicher Urkunden geliefert hat, welche bisher nirgends als hier gedruckt zu finden sind. Wir über- blicken nun den Inhalt der Geschichte selbst, welche auf der 86. Seite mit den Begebenheiten des Jahres 1188 (1774) nach dem Frieden von Kainardsche beginnt. Nach der Erwähnung eines Besuches des Sultans beim Mufti, der Absetzung des Kifiar Aga und der Verbannung eines Molla nach Tatardschick, geht die Geschichte sogleich in die Händel der Krim ein, welche, wie schon gesagt, das Hauptaugenmerk des Verfassers, so, dass die Verhältnisse der Pforte zur Krim , und die Streitigkeiten welche sich desshalb mit Russland erhoben, und die wegen derselben vom Frieden von Kainardsche bis zu ihrer Abtretung gepflogenen Verhandlungen, eingereichten Denkschriften und geschlossenen Ver- träge der rothe Faden sind, welcher durch das ganze Werk lauft. Im folgenden Jahre 1189 (1775) langen der ägyptische Tribut, aber auch die abgeschnittenen Köpfe Osman Paschas, Arabogli's, Abdi Paschas des Statthalters von Anatoli und Seinel's bei der hohen Pforte an. Couriere der Tataren (S. 109) beklagen sich über die Übergriffe der Russen, von denen Fürst Repnln als Botschafter kömmt. In Persien herrscht fend Kerimchan mit unumschränkter Macht; im Jahre 1190 (1776) erheben sich Unruhen zu Bassra und ein (S. 132) aufgenommenes FetAva rechtfertigt die Anstalten des Padischah Abdol- hamid zur Züchtigung von Rebellen; in der Nähe der neuen Moschee wird der Grund zu einer Armenküche gelegt (S. 134), die Kleider- ordnung wird hergestellt (S. 13o) und närrische Trachten verboten (S. 139), der Chan von Aferbeidschan neigt sich der hohen Pforte zu und an Hosein Alichan, den Chan von Eriwan, gehen ein gross- wefsirliches Schreiben (S. 143) und ein Ferman ab (S. 150). Das Jahr 1779 (1192 d. H.) brachte noch einige abgeschnittene Köpfe der hohen Pforte und die Nachricht von dem Tode Maria Theresia's der guten Freundinn und getreuen Nachbarinn der hohen Pforte; im folgenden Jahre ward Mohammed Ifetpascha Grosswesir, ein Ciiathischerif erging wider den Luxus der Mundstücke der Pfeifen welche gewöhnlich aus Bernstein, unnöthigerweise mit Gold und Edelsteinen vorziert wurden; bei Gelegenheit dieses Verbotes macht der Verfasser einen Abstecher (S. 288) (Ithiräd) über das vor- malige Verbot des Tabakrauchens überhaupt und über die Frage ob es nach dem Gesetze erlaubt sei zu rauchen; es hatte eine Prüfung Bericht über den Druck der osmanischen Reichsgeschichte zu Konstanlinopel. 9 der Danisch mende, d. i. der Studenten der verschiedenen Medreseen Statt, welche insgemein mit dem persischen Namen Sochta, d. i. die Verhrannten hezeichnet werden, und von zweihun- dert Geprüften erhielten dreissig Muderrisstellen; minderes Interesse als diese Prüfung und ßefürderung hat das kaiserliche Handschreihen, womit bei der Feierlichkeit des ersten Bartscherens des Prinzen Suleiman sein Vater der Sultan Abdulhamid dem Grosswefir einen mit schwarzem Fuchs ausgeschlagenen Kontusch sendet (S. 295). An die Stelle Mohammed Ifetpaschas wird Chalil Hamid Efendi, der bisherige Kaija, Grosswefir und der Tschauschbasc hi (Hof- marschall) Na fif Efendi abgesetzt; eine Randnote bemerkt, dassNafif c Efendi der Gemahl der Tochter Abdulhamid's derPrinzessinn Scheh- war, welche dem Sultan Abdolhamid, als er noch nicht den Thron bestiegen hatte, geboren ward, wesshalb ihr auch nicht der Name Sultan, d. i. Prinzessinn gegeben, sondern sienurinsgemeinChan um (gnädige Frau) betitelt ward (S. 302) ; den Schluss der Begeben- heiten dieses Jahres und des ersten Bandes machen die Conferenzen mit dem spanischen Gesandten und der in einundzwanzig Artikeln mit Spanien abgeschlossene Vertrag welcher der Länge nach aufge- nommen ist (307 — 331). Der zweite Band beginnt mit dem J. 1196 (1781) und der Wahl Beb adirgerai's als Chan der Krim, worauf sogleich die mit dem russischen Gesandten mit der Krim gehaltenen Conferenzen folgen; auf der S. 9 (durch Druckfehler steht 90) wird am Rande bemerkt, dass der vor zwei Jahren nach Cirkassien gesandte Ahmed Pascha ein Sohn des unter dem Namen Chänogli berühmt gewordenen tscher- kessischen Häuptlings sei ; die Verhandlungen wegen der Krim und die durch die Verwicklungen der Krim veranlassten Schreiben des Grosswesirs und des Kaija, dann die darauf stattgefundene Be- rathschlagung wegen der Krim und die eingereichten Denkschriften des russischen und österreichischen Gesandten füllen dieersten vierzig Seiten des zweiten Bandes, hierauf beginnt das Jahr 1197 (1782) mit der ßerathschlagung hierüber und Rüstungen des Krieges. Da russische Truppen in die Krim einmarschirten, so verliess selbe Gafi- gerai Sultan, der Sohn Arslangerai's, und floh nach Bessarabien. Angebliche russische Erklärungen über den Einmarsch seiner Truppen werden verlautbart (S. 64); auf der vorhergehenden Seite wird am Rande geographisch bemerkt, dass der Kuban sich in zwei Arme 1 U Kr. Freiherr H a m m e r - P ii r 2' s t a I i & theile, wovon der eine ins schwarze, der andere in das assowische Meer fällt, dass die dadurch gehildete Insel Taman heisst, und dass die Steppen welche von der Mündung des Flusses bis an die Kabartha reichen, das Land Kuban heisst. In diesem Jahre wurde zu Konstantinopel ein neues Corps von Artilleristen geschaften, welches den Titel der fliegenden Artillerie (surat topdschiler) erhielt und deren Einrichtung in zehn Artikeln gegeben wird (S. 57 — 00). SchaHingerai wird zum Chan der Krim ernannt (S. 157), die Denkschrift die der Reisefendi dem Grosswesir übergeben (S. 159), der Vortrag des Grosswesirs (S. 162) und das darauf erlassene Chat¥schrif (S. 162) werden mitgetheilt, i. .1. 1198(1783) erscheint ein indischer Gesandter an der Pforte; (S. 171) ist die erste wider eine Behauptung des zu Konstantinopel gedruckten Gülscheni Chulefa (Rosenbeet der Chalifen) gerichtete Note und es erscheint zum ersten Male in der osmanischen Geschichte Abdol-Wel^h^ab aus Nedschd (S. 174), der Stifter der neuen Lehre. Dewletgerai, welchen die Pforte vor Schal\i ngerai zum Chane der Krim ernannt hatte und der von diesem verjagt worden war, kam nach Konstantinopel und starb zu Wife in seinem Paläste; die Lehenssachen der Saime und der Inhaber von Timaren wurden geordnet (S. 181); Köprili Chalil Efendi der an der Moschee der Prinzen seit zwanzig Jahren mit einem Commentare der Koransexegese Beidhawi's be- schäftiget war, vollendete dieselbe (S. 184), Patent der Lehens- ordnung (S. 185) mit dem dazu gehörigen Chathseherif. Nachdem zu Ende dieses Jahres eine allgemeine Rathsversammlung (S. 192) gehalten, und in derselben Rüstungen wider Russland beschlossen worden waren, wurde mit dem neuen Jahre 1 199 (1784) den fremden Gesandten eine Denkschrift mitgetheilt, worin die Übergrifle der Russen durch die Unterstützung SchaHingerai's auseinandergesetzt waren, die Pforte hatte an Schal\ingerai's Stelle den S eli m- gerai zum dritten Male als Chan ernaimt (S. 198), die Geschäfte der Krim wurden in der Gegenwart des Grosswesirs berathen (S. 200), eine Randnote berührt den Bau Sebastopols auf der Stelle des Dorfes Akiar auf der südlichen Seite des Limans von Awlita. Wichtig für die Religionsgeschichte ist der Artikel welcher Verhinderung der Anstellung eines Pairiarchen der katholischen Armenier über- schrieben ist (S. 203) mit der vom Reisefendi abgefassten Denkschrift (S. 204), bei dieser Gelegenheit belehrt der Verfasser seine Leser Bericht über den Druck der osmanischen Reichsgeschichte zu Konstantinopel. 1 1 über die religiösen Oberhäupter der verschiedenen christlichen Kirchen, nämlich den Papst, den griechischen Patriarchen, über den armenischen der Schismatiker und über die Protestanten welche kein geistliches Oberhaupt anerkennen (S. 205). Im J. 1203 (1788) treten abermals die diplomatischen Geschäfte in den Vordergrund (S. 225), die Conferenzen mit dem russischen Gesandten (S, 231) führen endlich zum erläuternden Vertrage von Ainalikawak, welcher unter dem Namen: Convention cwpUcatoire du traite de 1774 entre la Russie et la Pointe ä Constantinople bekannt , welcher in seiner ganzen Länge eingeschaltet wird. Gesandte aus der Krim bitten um t das Diplom der Herrschaft für Seh al\ingerai (S. 242), worüber Conferenzen gehalten werden ; mit Russland wurde ein Handels- vertrag verhandelt (S. 256) und den Gesandten von Frankreich und England eine Denkschrift überreicht um die Parteilosigkeit der Pforte zu erklären (S. 260), der armenische Patriarch wird, nachdem sich der kaiserliche Hof wiederholt wider ihn beschwert hatte, abge- setzt und die Absetzung dem zu Wien *) befindlicben französischen Gesandten kundgegeben, der Reichshistoriograph Enweri über- reicht einen Rand Reichsgeschichte, wofür ihm der Sultan durch einen Chathscherif zwei Tausend fünfhundert Piaster (damals 3000 Gulden) als Geschenk anweist. Die Rewegungen der Krim treten abermals in den Vordergrund, die wegen des Einmarsches der Truppen in der Krim ausgestreuten Erklärungen erscheinen als falsch und scheinen das Machwerk eines zum Krieg aufhetzenden Hofes zu sein. Rehädirgerai, der ältere Rruder Schäl^ingeräi's, welcher, nachdem diesen die Russen als Chan der Krim eingesetzt, eingesperrt und dann nach der Resitz- nahme der Krim durch die Russen wieder in Freiheit gesetzt wurde, in Rodosto angesiedelt, wo er i. J. 1206 (1791) starb (S. 70). Eine marokkanische Gesandtschaft kömmt mit Geschenken (S. 76) und wird durch ein arabisches Staatssebreiben (S. 80 — 82) des Sultans freundschaftlich erwidert. Verhandlung des russischen Ilandels- *) Wien heisst in Jen alten türkischen Reichsgeschichten Bed seh und der römische Kaiser Bedscli Kirali, d. i. der Köni}^- von W'it'n. Dscliewdi't Kfcndi fjcl)r;iuclit das Wort V i a n a (das französische V i e ii n e), slattdas deutsche W i e ii /,u ycltrauchcii, was doch weit türkischer lauten würde, da es so gut mit P er w i u uudScIiirin reimt. J'^ji 3 '^'■^ '>^-^'^ '^'^^ ö'3 jr^ 1 i) Ur. Fieilieri- H a in in e r - I' u r g s t a 1 1. Vertrages dessen einundachtzio- Artikel nicht weniger als zehn Blätter füllen (S. 83 — 109), Englands Vermittlung zwischen der Pforte und Russland wegen der Krim (S. 1 12), der amerikanische Krieg (S. 114 — 120), der Chan Hera kl ins, der Herr von Georgien Karduel und Kaket, begibt sich unter russischen Schutz (S. 122), Berathung der Kriegsrüstungen wider Russland in der Wohnung des Mufti (S. 124), die Kriegserklärung wird aufgeschoben (S. 132), freie SchifFfahrt für Österreich auf dem schwarzen Meere (S. 13S), eine Randnote dieser Seite bemerkt, dass der Grosswesir insgemein Ssahib Dewlet, d. i. der Inhaber des Hofes, oder des Reiches heisse; dass Englands Generale und höhere Beamte in Indien noch heute den Ehrentitel Ssahib führen, ist bekannt; Verhandlung des Barbaresken-Seneds mit Osterreich (S. 136), Anstellung österreichischer Agenten in der Moldau und VS'alachei (S. 143), hierauf folgen einige merkwürdige Sterbefälle gelehrter Männer: der des Bali hi Efendi's des Mystikers, des Protomedicus Aäl^lf Efendi, des aus der osmanischen Geschichte hinlänglich bekannten Reis Efendi Omer, welcher den IbnChaldün grösstentheils auswendig wusste(S.1 48), der BebdschetEfend i's, der des durch seine Gesandtschaften nach W' ien und Berlin und durch ein politisches, von Dietz übersetztes Werk und durch eine Geschichte der Reis Ende (S e f i n e t e r - R ü e s ä) bekannten Resmi Ahmed Efendi, der des freizüngigen Abdolafif Efendi, welcher türkisch und persisch dichtete, und der des ersten Tagebuchfiihrers der Kammer (Rufnamedschei ewel) Said Efendi, welche alle in diesem Jahre starben, so dass dasselbe füglich, wie das 94. Jahr der Hidschret wegen des Todes von vielen Fakihen das Jahr der Fakihe bei- genannt ward*), in der osmanischen Geschichte das Jahr der Gelehrten beigenannt werden könnte. In diesem Jahre ward auch der Reichshistoriograph Enweri befördert und seine Stelle dem Wafsif Efendi verliehen; i. J. 1198 (1783) wurden die Kasernen der Kaliondschi gebaut, welche eines der ansehnlichsten Gebäude der Vorstadt Kasimpascha. Russland verlangt ein Sened wegen Abtretung der Krim (S. 159), wogegen ein Memoire des preussiscben Gesandten warnet (S. 161). Dschewdet Efendi führt die von seinem Vorfahrer Wafsif Efendi angestellten Betrachtungen mit dessen eigenen Worten 1) 04 senetol- fukaha cföu sebeb ki dschemi ef ischän wefid jaftend Hadschi Chalf'as chroiiologisclie Tafeln. Bericht über den Druck der osmanischen Reichsgeschichte zu Konstantluopel. 1 o an (S. 181), Berathung in der Wohnung des Mufti (S. 173), ein genaues Protokoll der Stimmen der einzelnen Mitglieder dieser Versammlung , Conferenz des Kapudanpascha mit dem englischen Gesandten (S. 182), der russische verlangt kategorische Antwort (S. 183), Inhalt verschiedener von osmanischen Staatsmännern hier- über eingereichter Denkschriften (S. 188), Betreibung des russischen Gesandten (S. 193), der Sultan befiehlt durch Chathischerif eine allgemeine Versammlung (S. 196), deren die Abtretung der Krim dem Kriege vorziehendes Resultat fünf volle Blätter füllt. Betrach- tungen Wäfsifs Efendi hierüber , denen der Verfasser zum Theile entgegentritt, das auszustellende Sened wird in einem besondern geheimen Rathe welcher nur aus drei Gliedern bestand, in der Kanzlei des Ministers des Innern gelesen und geprüft und dann mit dem russischen ausgewechselt, das Sened das eben so kurz als der Handelsvertrag lang, nur aus drei Artikeln besteht, wird (S. 219) gegeben und dann ausgewechselt (S. 222). Um die Aufmerksamkeit des Volkes auf die Abtretung der Krim zu zerstreuen , ward eben zu rechter Zeit vom Statthalter Syriens aus Bassra ein Stein eingesendet, worauf die Fussstapfen des Propheten (S. 223); die Ausbesserung des Palastes von Bebek (S. 237), Einrichtung des Corps der Minen- gräber (S. 239). Die Gelegenheit der Wiederbelebung der seit einigen Jahren stillgeslandenen osmanischen Druckerei benützt Dschewdet Efendi um im Kurzen die Geschichte der Druckerkunst im Allgemeinen und dann der osmanischen zu Anfang des verflossenen Jahrhunderts errichteten, und der daraus hervorgegangenen Werke zu geben (S. 240 — 249). Frankreich trägt sich an, Officiere zur Einübung der osmanischen zu senden (S. 249), was den Verfasser zu Betrachtungen und zu Bemerkungen und Erscheinung des ersten regelmässigen Heeres in Europa (S. 261) verleitet. Die erste regulirte Truppe in Europa waren aber die Janitscharen, was der Verfasser nicht bemerkt. Verhandlungen mit Osterreich wegen des Barbarcsken- Sened (S. 264) , das in voller Ausdehnung gegeben wird (S. 266), hierauf das an Österreich wegen der Berichtigung der Grenze zu Orsowa gegebene Sened , das nirgends gedruckt ist und auch im Schistower Frieden unter den bestätigten nicht vorkömmt, weil die zugleich mit dem Frieden zu Schistow abgeschlossene Convention diese Grenze berichtigt. Französische Vermittlung der in Bctrefl" der Grenze zu Orsowa erhobenen Streitigkeiten, Conferenzen mit dem 1 4 Dr. Freiherr Hammer- Purgstall. spanischen Gesandten (S. 285 und 288), Staatsiatli in der Wohnung des Kiajas ahgehalten (S. 303) und Finanzielles (S. 367), in der Erzählung der Begebenheiten des Jahres 1199 (1784) schweift der Verfasser bei Gelegenheit der von der Lady Montague zuerst in Europa bekannt gemachten Einimpfung der natürlichen Blattern, auf die von Dr. Jener eingeführte Einimpfung der Kuhpocken ab (S. 342) und schliesst mit dem Tode Friedrich's II., der aber nicht wie (S. 361) gesagt wird, am 15., sondern am 17. August 1786 gestorben, endlich ist ausser der Abschweifung auf die Entstehung der Buchdruckerkunst und der Kuhpockeneinimpfung noch der auf die Alchemie (S. 378) zu gedenken, wofür sich unter den grossen Philosophen und arabischen Ärzten Razes, und dawider Asicenna erklärten. Unter den berühmten arabischen Alchemikern erwähnt der Verfasser auch des Meisters Tograji, des Verfassers der durch Pococke übersetzten L a m i j e t, nennt aber keineswegs den D s c h i 1 d e g i, den berühmten Alchemiker des achten Jaiirhunderts derHidschret, welcher, wenn der Philosoph Furabi von den Arabern der zweite Aristoteles genannt wird, der zweite Algeber (el-Dschabir) zu heissen verdient. Mehreres von dem Inhalte dieser zwei Bände zu sagen, verbietet die Rücksicht für den künftigen Fortsetzer der osmanischen Ge- schichte, welcher dieselbe auch aus den Quellen der Reichshistorio- graphen schreiben wird, und welchem hier keineswegs vorgegriffen werden soll. Es bleibt uns also nur übrig noch einige Zufälligkeiten der vorliegenden zwei Bände hervorzuheben, namentlich die Korans- texte, die Worte der Überlieferung, die arabischen Sprüche und die Verse in den drei Sprachen, von denen ohnedies der europäische Geschichtsschreiber nur ausnahmsweise Gebrauch machen kann, während bei den arabischen, persischen, türkischen Vers und Prosa ineinandertliesst und ohne Rücksicht auf die verschiedenen Gattungen des Styles untereinander gemischt wird. Selbst dem Titel des zweiten Bandes ist ein Vers beigesetzt. An diesem Maal' von Ah med Dschewdet's Feder Männer von Herz nehmt euch ein Beispiel jedweder! Auf der letzten Seite dieses Bandes ist ein Chronogramm in eilf Strophen, dessen letzter Vers der h. Z. 1271 (1854), in welchem der Druck des Werkes begonnen und vollendet ward. Die siebente Strophe lautet: Es schreiht Dsclicwdct was sieh hegil)! im Reich Mit einem Kiele, dem Walsäfes yieicli. Bericht über den Druck der osmanischen Reichsgeschichte zu Konstantinopel. 1 5 Der liier dem Geschichtsschreiber ertheilte Lobspruch, dass sein Styl dem Wafsafs gleiche, ist so mehr ein übertriebener und nicht passender, als Wafsaf das unerreichte Muster geschmückten Styles persischer Geschichtsschreibung ist, worauf der Verfasser selbst, wie wir aus seiner Einleitung gesehen, gar keinen Anspruch macht. Die eingemischten Texte des Korans, Worte der Überlieferung des Propheten, Sprüche und Verse kommen im zweiten Bande weit häufiger als im ersten vor, und sind die folgenden : Texte des Korans. Gebt die Pfänder denen welchen sie gehören, zurück (I. 102 und II. 338). Wie oft ward von einer kleinen Schaar ein grosser Haufe über- wunden (II. 138). Frage sie um Rath im Geschäfte, und wenn du dir Etwas vor- nimmst, so vertraue auf Gott (II. 320). ' Worte der Überlieferung. Ausser der schon oben angeführten von der Eroberung Kon- stantinopels : Die Ungläubigen sind nur Ein Volk (II. 192). Ich werde Erdbeben senden meiiren Dienern in günstiger Nacht, wenn dasselbe einen Ungläubigen ergreift , so ist dies der ihm bestimmte Tod, wenn es aber einen Gläubigen wegrafft, so ist es Martyrthum. Die Gläubigen sind eine Brüderschaft (II. 2S4). Dies ist der Gegensatz von der Überlieferung: die Ungläu- bigen sind nur Ein Volk. Die Weisheit ist ein verlorenes Schaf, der Gläubige nimmt sie wo er sie findet. Mit diesem Überlieferungsworte beschönigen nicht nur häufig Schriftsteller ihre Plagiate, sondern es dient auch dazu, neue von den Europäern gelernte Einrichtungen vor den Augen der Moslimen zu rechtfertigen. Sprüche und Sprichwörter. Bereite dich zum Krieg, wenn du Frieden willst (I. 131). Dies ist das lateinische si vis pacem para öellum. 16 Dr. Freiherr H am raer-I'u r gsta 1 1. Berichtete. Notliwendigkeit bringt in Verlegenheit (I. 98 und 141). Der Mensch ist der Sclave von Wohlthaten (I. 98). Die Geschäfte sind gebunden an ihre Stunden (S. 240). Das Verderben der Truppen besteht darin, wenn ihnen zur Zeit der Noth geschmeichelt, und wenn man sie braucht schön gethan wird (S. 178). Das Gute kömmt nicht zu spät (S. 231). Die Vergeltung ist auch eine Art von That (I. 36, II. 312). Die bösesten Geschäfte sind die Neuerungen (II. 335). Die Menge der Kenntnisse verwirrt die Gedanken (II. 336). Halbe und ganze Verse. Dank' Gott, dass er durch seine Gnade Die Feindschaft in die Freundscliaft hat verkehrt Und dass dem Rufer langen Glücks der Zeit Der Frieden sei das Allerbeste lehrt. I. 31 (persisch). Vernünftiger Rath wirkt doch im Ganzen Vielmehr, als Kampf mit Schwertern und mit Lanzen. 11. 240 (türkisch). Die Welt führt auf gar manches Spiel. (II. 228.) Der Mann dess' Trefflichkeit zu Hause unbekannt, Erwirbt sich Manches, wenn er geht in anderes Land. Dies kann im Schahbrett dir der Bauer schon beweisen, Der oft zum König wird, durch das Verdienst vom Reisen. II. 233 (arabisch). Und war er auch Prophetensohn, so würd' er doch beneidet. S. 292 (persisch). Er sah den Schnee, und sprach es regnet Schnee. (persisch). Im Interesse der Geschichte überhaupt und besonders in dem der künftigen Fortsetzung der deutschen Geschichte des osnianischen Reiches, wünscht der Berichterstatter, dass die gedruckte Fortsetzung der Jahrbücher der Historiographen des osmanischen Reiches recht bald erscheinen möge! Beiträge zur Geschichte der Zeit lludoirs II. i 7 Beiträge zur Geschichte der Zeit Kaiser Rudolfs IL Von Anton Gindcly. Die Regierung Kaiser Rudolfs II. cliarakterisirt sieh durch zwei Eigenschaften, durch ihre beispiellose Schwäche und durch ihren Gegensatz in religiöser Reziehung gegen die Ma xi- niilia n's II. Die Schwäche hatte für das gesanimte Reich die Folge, dass ein Theil desselben, weil gänzlich vernachlässigt, dem Erz- herzog Mathias in die Hände fiel. Aber aus dieser negativen Thätig- keit Rudolfs in Bezug auf die verlornen österreichischen und ungri- schen Länder könnte noch lange nicht das grelle Bild seiner Schwäche mit solcher Deutlichkeit hervortreten, wie aus seiner positiven Thätigkeit in den böhmischen Kronländern. In Prag resi- dirend und die Zügel der Regierung schlaff in seinen Händen haltend, beschränkte er dieselbe auf die Abwehr von Angriffen auf seine poli- tische Macht, also auch hier nur negativ sie äussernd, und auf die Wiedereinführung des Katholicismus, hierin aliein angriffsweise vorschreitend. Im Allgemeinen mag man wohl glauben, es habe Rudolf, da er seine kaiserliche Macht auf die Erreichung Eines Zweckes verwandte, viel erreicht und wirklich den Protestantismus wenigstens in so weit unterdrückt, dass derselbe nur in Bittschriften hervor- treten durfte und das Land einen katholischen Schein annahm. Wenn wir aber einzelne, durch die Umstände und durch die Zwietracht der Parteien bewirkten Siege Rudolfs, die nicht sein Verdienst waren, abrechnen, so vermochte er, trotz allen Befehlens, Drohens und versuchten Strafens kaum einen Prädicanten aus dem Hause seines Patrons, kaum eine einzige Stadt zurEiilfernung unkathoiischer Priester zu bewegen. Es ist unglaublich, aber wahr, dass manch- mal seinen Befehlen nicht einmal mit einer Bittschrift der Ungehor- samen begegnet, sondern dieselben einfach verachtet wurden, dass er zehn und zwanzig Befehle in einer Sache erliess und eine und * mehrere Commissionen zur Untersuchung derselben anordnete, dass aber diese ohne jede Wirkung blieben und er, müde des Streites, Sitzb. d. phil.-hist. Cl. XVIII. Bd. 1. Hit. 3 1 ö A II t o n G i 11 d e 1 y. endlich von ihm iibliess. Hs scheint unglaublich, aber es ist wahr, dass diejenigen welche an ihn mit Klageschriften sich wandten, desshalb aus ihrer Heimat oder ihrem Wohnorte vertrieben, durch seinen Scluitz erst ins rechte Elend geriethen. In Fällen , wo ihm von den Bedrohten mit offenem Spotte begegnet wurde und wo das sanftmiithigste Herrscherlierz wild aufgebraust wäre, fasste er erst nach sechs bis zwölf Monaten einen Entschluss, und wiederholte zum Höchsten seinen gegebenen Befehl. Es ist eine ganz ungerecht- fertigte durch die Thatsachen widerlegte Meinung , als habe unter Rudolf in den böhmischen Kronländern der Protestautismus der bekannten katholischen Gesinnung des Herrschers wegen eine Unter- drückung zu erleiden gehabt. Es wurde allerdings hie und da, wie oben gesagt, ein kleiner Sieg durch Rudolf erfochten, allein zahl- reicher sind seine grossen Niederlagen ; er befahl viel, man folgte gar nicht, er besetzte das utraquistische Consistorium in Prag nach seinem Belieben mit katholisch gesinnter Geistlichkeit; allein er konnte nicht bewirken, dass die lutherischen Pastoren sich um dies Consistorium kümmerten, noch weniger also demselben folgten. Rudolf hatte den Schein einer Unterdrückung auf sich geladen, die auszuführen er viel zu schwach war. Ich nannte oben die zweite charakteristische Eigenschaft Rudol- finischer Regierung einen Gegensatz zu der Maximilian's. Hätte Maximilian nicht in so entschiedener Weise die Protestanten be- günstigt, die Schwäche Rudolfs wäre nicht so aulfallend bei der Erfolglosigkeit seiner Bemühungen hei'vorgetreten. Um den Gegen- satz beider Regierungen in vollster Schärfe würdigen zu können, ist es nicht genug Beider Befehle im Ganzen und Grossen, sondern es ist nöthig, sie im Detail zu betrachten, wodurch auf Beide ein über- raschendes Licht geworfen m ird. Die Möglichkeit dieser Gegenüber- stellung des beiderseitigen Verfahrens im Detail bietet sich nur in den böhmischen Kronländern, weil Rudolf nur in diesen wirksam gewesen. Ich will nur drei Episoden Rudollinischer Regierung, heraus- gewählt aus einer zahlreichen Menge, erzählen, von denen jede gleich grell die behauptete Schwäche Rudolfs nachweist, die erste uns überdies Gelegenheit bietet, Maximilian's und Rudolfs, des Vaters und Sohnes, Regierung einander gegenüber gestellt zu sehen. Das Material für die z\\(m ersten wählte ich aus einer Ungeheuern Beiträge zur Geschichte der Zeit Rudolfs II. 1 9 Masse, grössteiitheils Origin;tl-Correspondenzen, darunter vieler Ori- giiialbriefe Maximilian's II. und vieler hundert Rudolfs IL, die sieh in dem Kremsierer Archive vorfinden und deren vollständige Be- nützung mir die ausgezeichnete Liberalität des gegenwärtigeuFürst- Erzhisehofes verstattete. Woher die dritte Episode geschöpft, wird seines Orts gesagt. Zweimal werden wir den Kaiser im Kampfe gegen eine Stadt und zwar: I. gegenTroppau, II. g e g e n Z n a i m und einmal gegen einen adeligen Herrn, nämlich : III. gegen Herrn Li n hart von Stampach in Böhmen sehen. I. maiiiiiilian II. für. und Rudolf II. im Kampfe gegen die Stadt Troppau. Seit den frühesten Zeiten hatte der deutsche Orden dasPatronat über die Pfarrkirche zur sei. Jungfrau in Troppau inne gehabt. Durch einen Kaufvertrag trat erdasselbe um das Jahr 1540 an dieGemeinde ab. Diese erwirkte sich bald darauf i) von König Ferdinand I. ein Privileg welches die Übertragung des Patronats guthiess, den Trop- pauern anbefahl, bei jedesmaliger Vacanz einen katholischen Geist- lichen dem Bischöfe von Olmütz als Lociordinarius zu präsentiren, den dieser zu bestätigen haben würde. Wenn sie je einen unkatho- liscben Geistlichen vorschlagen würden, so sollten sie dadurch des Patronats an den Bischof verlustig werden. Obzwar seiner deutschen Bevölkerung nach Deutschland weit näher als Böhmen gerückt, kam doch der Protestantismus von letz- terem Lande nach Troppau. Daselbst hielt sich nämlich eine nicht unbedeutende Anzahl böhmischer Arbeiter auf; zur Befriedigung ihrer geistlichen Bedürfnisse hatte der Rath einen böhmischen Prediger mit Namen Matthäus berufen, und ihm die Benützung obiger Pfarr- kirche neben dem eigentlichen Pfarrer gestattet. Der letztere war stets ein Deutseher, über dessen Anstellung längere Zeit zwischen Bischof und Stadt das beste Einvernehmen herrschte. Als in) Jahre 1555 die Pfarre vacant wurde, berief die Gemeinde dahin den 1) Ddo. Prag, Dinstag nach Neujahr 1542. 2* 20 Anton Gindely. Blasius Sibelius, Domherrn von Olmütz, und schioss zugleich mit ihm einen Vertrag über die an ihn jährlich zu leistenden Zahlungen und Naturallieferungen, da sie, wie es scheint, die liegenden Gründe in ihre eigene V^erwaltung übernommen hatte. Dafür übernahm Sibelius die Verptlichlang, stets zwei Capläne, einen deutschen und einen böhmischen zu halten, sie, den Schulmeister, Cantor, Orga- nisten, Glöckner und den gegenwärtigen böhmischen Prediger Mat- thäus, so oft dieser kommen wollte, zu speisen, endlich an das Spital wöchentlich einen Laib Brod und etwas Fleisch zu geben. Das Einvernehmen zwischen dem Pfarrer Sibel und Matthäus scheint nur die kürzeste Zeit ungetrübt bestanden zu haben , denn gegen das Ende des Jahres 1555 trat eine unverkennbare Hinneigung des letzteren zum calvinischen Lehrbegriffe hervor, die er wahr- scheinlich schon mitgebriicht und längere Zeit verheimlicht haben dürfte. Da ersterer sich durch seine Stellung dazu verpflichtet fühlte, machte er davon die Anzeige an den Bischof Marcus von Olmütz. Er berichtete, dass der Prediger im Puncte des Altarssacramentes irre, am Sonntage das Taufen der Kinder verbiete und diesen ähnliche Sätze aufstelle. Er habe sich aber das Zutrauen seiner Gemeinde und eines Theils des Rathes erworben, seine Entfernung aus Troppau würde also sehr schwierig werden. Auf diese Anzeige beschied der Bischof den Matthäus vor sich nach Kremsier. Das angestellte Verhör zeigte zur Genüge die häre- tische Gesinnung des Angeklagten. In Folge derselben wurde ihm die Verpflichtung aufgelegt, nicht weiter zu predigen, überhaupt keine religiöse Handlung mehr vorzunehmen und sich auf jedesmalige Aufforderung des Bischofs innerhalb vierzehn Tagen persönlich zu stellen. Da neun Bürger aus Troppau mit 500 Schock böhmischer Groschen für ihn hafteten, wurde er auf freien Fuss entlassen. Doch hatte er so grosse Gönner gefunden, dass sie für ihn den Fürsten vonTeschen undGrossglogau gewaimen. Dieser wandte sich in einem eigenhändigen Schreiben *) für ihn an den Bischof und bat diesen, dem Suspendirten doch das weitere Predigen gestatten zu wollen. Auch der Rath und die Richter von Troppau baten für ihn beim Bischof vor. Allein dieser war nach Wien zu Ferdinand L gereist, hatte ihm die Hinneigung der Stadt zum Protestantismus mitgelheilt ») Ddo. Troppau, Froitiig niieli Giilli lüS.';. Beiträge zur Geschichte der Zeit Rudolfs II. Cl und von ihm die Ausweisung des Matthäus verlangt. Von Wien also schrieh Marcus an die Bittsteller: er habe dem Könige die ganze Angelegenheit mitgetheilt, für sich könne er nichts mehr thun, sie möchten den kommenden Bescheid erwarten. Ferdinand entschied *) wie zu erwarten stand; Mattliäus habe nicht nur Troppau, sondern sämmtliche Erbstaaten zu meiden. Der Rath von Troppau gab sich mit dieser Entscheidung noch nicht zufrieden, er bat den Bischof, sich bestimmt zu erklären, ob die Reactivirung des Matthäus für alle Zukunft unmöglich sei und wenn dies der Fall wäre, die Bürger ihrer Bürgschaft zu entlassen; weil sie, falls es der Bischof verlangte, den Prediger nochmals stellen wollten. Dieser letztern Bitte mag wohl nach ihrem Wunsche willfahrt worden sein. Während Ferdinand's Lebzeiten hatte sich der Bischof über nichts mehr zu beklagen. Die Troppauer wussten wohl, dass die starke Hand dieses Fürsten jeden Excess niederhalten würde. Dafür aber bereitete sich im Stillen ein entschiedener Umschwung der Gesinnung vor; bei der deutschen Einwohnerschaft fand das Lutherthum die günstigste Aufnahme und man harrte nur der Gelegenheit, um entschieden auftreten zu können. Diese Gelegenheit bot sich mit Ferdinand's Tode. Kaum war die Nachricht davon nach Troppau gekommen und kaum hatte man sich der Stimmung des neuen Fürsten vergewissert, als man die katho- lische Geistlichkeit von der Marienkirche wegjagte, den Pfarrer mit eingeschlossen. Statt dessen setzte man einen deutschen Prediger Zinkfrei (auch Zenkfrei und Zankfrei in den Urkunden genannt) ein. Alsbald erhob der nunmehrige Bischof Wilhelm Prussinowsky, ein junger, 3 l Jahre alter, ausserordentlich eifriger Katholik gegen dies gewaltsame Benehmen der Troppauer beim Kaiser Klage. Maximilian befahl ~) den Troppauern in strenger Weise die Entfernung des Eindringlings und die Wiederaufnahme der Vertriebenen, behielt sich übrigens die Bestrafung der Schuldigsten vor und befahl binnen vierzehn Tagen nach seiner Ankunft in Prag , wohin er zu reisen gedenke, acht der vornehmsten Rathspersonen in diese Stadt zur Verantwortung zu senden. Bei so strengen Aufträgen hätte man wohl auf einige Unbeugsamkeit beim Kaiser schliessen sollen. Allein sie dauerte nicht einmal bis zu seiner Ankunft in Prag. Die Troppauer *) Ddo. Wien, Sonntag' vor Martini ISSS. 2) Ddo. Wien, 1. Mai tS63. 22 A 11 to II <; i n (1 ely. sandten schnell eine Gesandtschaft nach Wien, durch diese vor- stellend, es sei allerdings eine völlig gerechtfertigte Sache, wenn nirgends sectische Priester geduldet würden, allein ihr Prediger sei kein solcher, er richte sich vielmehr nach der AugshurgerConfession, die Kaiser Karl V. glorreichen Angedenkens überreicht worden wäre. Auf diese einfache Vorstellung die doch Maximilian im Voraus hätte erwarten können, ertheilte er ihnen die Erlaubniss ') bis zu seiner Entscheidung von Prag aus den Prädicanten behalten zu dürfen, dem Bischof aber sehrieb er, seinen katholischen Eifer lobend, dass Er, bis auf seine Ankunft in Prag den Prediger in Troppau, „der sich „übrigens nach der Augsburger Confession richte, „sehr bescheiden sei, und den Sectirern nicht an ge- whöre, zu dulden beschlossen habe". Was sollte der Bischof zu dieser fast höhnischen Antwort sagen. Er niusste sich gedulden und von einer späteren Entscheidung des Kaisers das Becht erwarten. Dies wurde ihm aber nicht. Maximilian gestattete förmlich den Troppauern die Haltung zweier lutherischer Prediger, nur dies trug er ihnen auf, den vertriebenen Pfarrer wieder aufzunehmen und im Genüsse seiner Pfründe zu belassen. Allein dieser halbe Sieg kam dem Bischöfe theuer zu stehen. Sibelius oder auch Sibenlot fing an, sich dem lutherischen Bekenntnisse zuzuneigen, der vornehmste Grund dafür war der, dass er sich zu verheirathen wünschte. Bei dieser hervortretenden Gesinnung war die Gemeinde bereit ihn aufzunehmen und als ihren Pfarrer zu betrachten, auf dass statt seiner kein katholischer Priester angestellt werde. Indess mag Siebenlot nicht die nöthigen Fähigkeiten gehabt haben, um bei diesem Wechsel seines Glaubens dem Zinkfrei den Bang abzulaufen, der vielmehr auf der Pfarre unumschränkt waltete und den Siebenlot nicht einmal ins Pfarrhaus aufnehmen wollte. Siebenlot klagte nun gegen ihn beim Landeshauptmann. Durch Einwirkung des letzteren kam endlich ein Vergleich zu Stande. Die Gemeinde verpflichtete sich, dem Sibenlot für die bisherigen Verluste 400 Gulden, ausser- dem aber, falls er es vorzöge, für längere oder kürzere Zeit Troppau zu verlassen, von dem Pfarreinkommen jährlich 200 Gulden auszu- zahlen. Dagegen verpflichtete er sich, weder dem deutschen , noch dem böhmischen Prediger in der Ausübung ihrer gottesdienstlichen V) ndo. Wipi), 1. OelobiT 1S65. Beiträge zur Gesehiclile der Zeit Rudolfs II. /Cd Verrichtungen ein Hiiideniiss in den Wog zu legen ; er nahm Leide förmlich als seine Capläne auf. Dieser Contract, vor dem Landes- hauptmanne abgeschlossen, wurde dem Kaiser zur Bestätigung zuge- sandt, der auch dieselbe ertheilte. Zugleich machte er dem Bischöfe eine Anzeige von seiner Bewilligung *) und forderte ihn auf, seine allfälligen Beschwerden gegen dies ÜbereinkonuTien ihm kundzu- geben. Als sich aber der Bischof über diese sonderl)are Handlungs- weise beschwerte und verlangte, es solle ein ordentlicher katho- lischer Geistlicher als Pfarrer eingesetzt, die eingedrungenen Capläne aber entfernt werden, überging Maximilian den zweiten Theil der Bitte und erwiderte wie zum Spotte, es stehe ja dem Bischöfe frei, wenn die Pfarre einmal durch Sibenlot frei würde, einen tüchtigen Geistlichen einzusetzen, übrigens sei nichts in Troppau durch Ge- walt, sondern alles durch freundschaftliche Einigung geschehen. Kaum aber hatten die Troppauer die Gesinnung ihres Fürsten ausgekundschaftet, so unterliessen sie es nicht, sie auch gehörig auszubeuten. Sie stellten ihm nämlich vor, wie die immer grössere Menge der Augsburger Religionsverwandten den Besitz mehrerer Kirchen äusserst nothwendig mache. Das Weiizelskloster werde von kaum zwei Mönchen bewohnt, die Kirche daselbst stehe leer, weil von Niemand besucht; es möge also dieselbe ihnen eingeräumt werden. Maximilian war gewillt, dieses Gesuch zu bewilligen, for- derte aber den Bischof um sein Gutachten auf'). Dieses fiel, wie sieh von selbst versteht, verneinend aus. Er ergriff zugleich die Gele- genheit, um sich beim Kaiser zu beklagen, dass Sibenlot sich ent- fernt und dass in der Marienkirche jeder Gottesdienst aufgehört habe. Darauf erwiderte Maximilian : des Bischofs Furcht, dass der Gottes- dienst milSibenlot's Entfernung an der Marienkirche aufhören würde sei eitel, er müsse ja wisscMi, dass die Troppauer stets zwei Prediger an ihr aushielten. Übrigens habe er auf seinen Wunsch der Gemeinde die Bitte um Überlassung der Wenzelskirche abgeschlagen. Indessen starb der Prediger M. Zinkfrei im September 1S69. Der Bischof sah dies als die beste Gelegenheit an, dui'ch Anstellung eines tüchtigen katholischen Predigers für die Kirche zu sorgen. Er berichtete sogleich an den Kaiser von dem Todesfalle und bat ihn, 1) Ddo. in Vigilia Pentccostes in Wien, l.'JGO. 2) Ddo. Wien, .im Tsige des li. Veit löGO. 4 Tt A 11 1 o n fi i 1» (I e I y. nicht gestiitten zu wollen, dass die Troppauer ohne sein (des Bi- schofs) Vorwissen einen andern Prediger anstellen. Der Kaiser, noch von Niemand um das Entgegengesetzte angegangen, sagte ilim dies zu, und ertheilte einen in diesem Sinne lautenden Befehl den Troppauorn. Da sich der Bischof heklagte, dass sich der böhmische Prediger nicht anders wie ein Aufruhrer benehme, so befahl er, denselben vor den Ordinarius nach Olmütz zur Verantwortung zu stellen. Der Bischof Wilhelm mochte es zur kräftigen Herstellung des gesimkenen Ansehens der Kirche für dasErspriesslichste halten, eine Beise nach Troppau anzustellen. Sibenlot hielt sich daselbst nicht auf. Seit der Zeit des abgeschlossenen Contractes hatte er sich ent- fernt, ohne jedoch entschieden das lutherische Bekenntniss anzu- nehmen, ohne sich auch verheirathet zu haben , sondern im steten Schwjinken begriffen. Es zeigt eine für die Zeit unpassende Ver- söhnlichkeit des Bischofs, dass er diesen pflichtvergessenen Priester der, wie er selbst sagte, in die grösste Excommunication, sowohl durch den früher eingegangenen Contract , als auch sein sonstiges Benehmen verfallen war, aufforderte , nach Troppau reumüthig zu kommen, sich zu verantworten, ihm volle Sicherheit seiner Person versprechend und Verzeihung anboffen lassend. In der That nahm Sibenlot den Antrag an, erschien in Troppau und nahm vorläufig vom Pfarrgebäude Besitz. Wilhelm kam also in Begleitung des Domherrn von Olmütz Sigmund Skutellan und anderer Geistlichen am Mittwoch vor Simon und Judä 1S69 in Troppau an. Er fand die Stadt in nicht geringer Aufregung. Die Bürger hatten in ihren Häusern Waffen , als wären sie auf einen Angriff gefasst. Noch denselben Tag lud er mehrere Bathspersonen und Geistliche zum Abendessen, um die öffentliche Stimmung besser kennen zu lernen. Als sie sich des Nachts ent- fernten, wurde auf den Jesuiteiiprovincial der ebenfalls einer der Gäste gewesen, ein Stein geworfen, ohne ihn zu treffen. Des fol- genden Tages begab er sich in die Wenzelskirche um sie zu recon- ciliiren. da in letzter Zeit ohne alle Erlaubniss die Protestanten ihren Gottesdienst darin feierten. Die Bürger aber sandten ihm zwölf Kannen Wein und 4 Zuber Fische, ein Zeichen ihrer Verehrung. Der Stadt- schreiber, Begleiter des Geschenkes, sprach in ihrem Namen. Der Bischof dankte für die Aufmerksamkeit und drückte die Hoffnung aus. Beiträge zur GeschicMe der Zeit Rudolfs II. 23 dass die Geschäfte die ihn hieher geführt, glücklich würden beendet werden. Er bat, dass der Rath zu ihm um zwölf Uhr kommen möge. Statt des Rath es erschienen aber am Abend desselben Tages bei ihm drei Abgesandte mit der Bitte, ihnen sein Begehren kund zu geben. Wilhelm sprach sein Bedauern aus, dass nur so wenige bei ihm erschienen seien, indessen, da die Gemeinde es so bestimmt habe, theile er ihnen mit, dass er zur Ordnung der geistlichen Ange- legenheiten gekommen sei. Der frühere deutsche Prediger sei ge- storben, er versehe sich von ihnen, dass sie einen neuen nur mit seiner Billigung anstellen würden. Sie mögen sich darüber berathen. Sollte diese Berathung auch eine Woche oder längere Zeit in An- spruch nehmen, so würde dies seine Geduld nicht erschöpfen, da er ihren Entschluss abwarten wolle. Würde sich bei dem katholischen Prediger den er ihnen geben , oder sie sich wählen würden , ein moralischer Mangel zeigen, sei er stets bereit, ihn abzuschaffen und einen tüchtigem an seine Stelle zu setzen. Doch erwarte er von den Troppauern ein entsprechendes Vorgehen, er hoffe, dass sie seine bischöfliche Jurisdiction anerkennen und den Befehlen des Kaisers gehorchen würden. Auch glaube er, dass sie sich des böhmischen Predigers der nach Sr. Majestät Verordnung zur Verantwortung ge- zogen werden solle, vergewissert hätten, er erwarte nichts anderes. Auf diese, wohl erwartete, aber doch überraschende, weil von festem Entschlüsse auszuharren zeigende Antwort, erklärten die Abgeordneten keine Antwort ertheilen zu können. Was ihnen mitge- theilt worden, sei zu wichtig, und müsse vom ganzen Rath und der Gemeinde berathen werden. Der Bischof erklärte, er habe zwar ibre Meinungsäusserung erwartet, doch bescheide er sich; Morgen (28. October) am Tage Simon und Judä, werde er selbst in der Wen- zelskirche die Messe lesen und dann von einem Priester die Predigt gehalten werden, er hofle, dass der Rath dabei erscheinen und dem böhmischen Prädicanten inzwischen zu predigen nicht verstattet werden würde. Die Abgesandten versprachen, für ihre Person zu erscheinen und empfahlen sich. In der darauf folgenden Nacht wurde als Zeichen der allgemein herrschenden Gesinnung das Wappen des Bischofs in dem Hause, wo er wohnte, mit Koth beworfen. Einige entrüstete Bürger verlangten die Bestrafung des Thäters, der Bischof bat aber, falls er aufgefunden würde, ihm nichts zu Leide zu thun. tio Aiilo n r; i ml el y. Am folgenden Tage, den 29. Oetober, sandte die Stadt folgende Abgeordnete zum Bischöfe: den Stadtsehreiber Heinrich Georg Kraus, die Rathsherren Hans Langhaus, Georg Lederer, Leopold Seiden- sporer nebst mehreren andern. Sie erklärten, bezüglich der Annahme eines Predigers durch den Bischof sich nicht bestimmt aussprechen zu können; was den böhmischen Prediger betreffe, so wolle der Bischof bedenken, dass er nicht sein Ordinarius sei, sondern dass jener mit Erlaubniss des Kaisers vom Prager Consistorium sub utraque hier angestellt sei. Doch sei der Rath erbötig, ihn in dieser Stadt vor den Bischof zu stellen. Wilhelm entgegnete, dass ihre Ausflüchte ihui ganz unerwartet kämen. Was den böhmischen Prädicanten und die Behauptung be- trelTe, dass er dem Prager Consistorium sub utraque untergeben sei, so müsse er bemerken, dass er einzig und allein in Troppau Ordi- narius sei und Niemand in sein Recht eingreifen dürfe; ihm sei also auch der Prädicant unterthan. Übrigens sei er nicht desshalb nach Troppau gekommen, um denselben da zu verhören ; diese Zumuthung würdige ihn herab; er verpflichte nochmals den Rath sich seiner zu vergewissern und ihn nach Olmütz zur Verantwortung zu senden, wann immer es begehrt würde. Endlich vermerke er es mit höchstem Unwillen, wie sich der Prädicant auch während seiner Anwesenheit des Predigens nicht enthalte, ihn (den Bischof) zu beschinipfen wage, indem er ihn mit dem Beinameti eines Wolfes und ähnlicher belege. Auch sei der Rath uiul speciell der Stadtschreiber (einer von den drei gestrigen Abgeordneten) trotz seines gegebenen Wortes bei der Predigt und Messe nicht erschienen. Der Stadtschreiber ent- schuldigte sich mit seiner schwachen Leibesbeschaflenheit die ihm nirgends lange auszuharren erlaube, und auch jetzt auf einige Augen- blicke sich zu entfernen nöthige. Nachdem er wieder kam, erwi- derte er im Namen der Übrigen: Die Troppauer hätten wohl ge- wünscht, sich mit dem Landeshauptmanne, als ihrer ordentlichen Obrigkeit über alle diese Angelegenheiten zu berathen, doch sei dies wegen dessen Krankheit nicht möglich. Es bleibe ihnen also nur die Bitte, dass sie in ihren wohlerworbenen und durch Ferdinand I. be- stätigten Rechten (sie meinten das Patronatsrecht) geschont werden mögen. Als der Bischof Einiges entgegnete, gaben sie dieselbe Ant- wort, worauf er ungeduldig ausrief: Es ist nicht meine Absicht, euern Privilegien nahe zu treten , allein so weit reichen sie nicht, Beitrüge zur Geschichte der Zeit Rudolfs U. 27 dass ihr euch in der Religion Störungen erlauben dürfet. Wir kennen sie besser als ihr wohl glauben möchtet. Dies seien für sie zu subtile Dinge, war des Stadtschreibers Antwort, sie seien keineswegs gewillt, sich mit Sr. Gnaden in einen Streit einzulassen. Sie rüsteten sich darauf zum Aufbruch. Indem erschien aber der böhmische Pre- diger, kühn und ungezwungen auftretend. Er habe gehört, schrie er, der Bischof wolle ihn nach Olmütz citiren. Da sei er, da stelle er sich ein für allemal und erkläre, der Bischof sei nicht seine Obrigkeit, diese sei einzig und allein das Consistoriiim sub utraque in Prag. Aufgeregt protestirte der Bischof dagegen, dass in Troppau eine andere Jurisdiction als die seinige gelten sollte und entliess hierauf die Anwesenden. Der Stadtrath begann bereits die Absicht des Bischofs einzu- sehen. Diese bestand darin, sich nicht einen Moment eher von Troppau zu entfernen, so lange nicht katholische Geistliche überall eingesetzt wären, mochte nun der Widerstand der Commune noch so lange dauern. Dagegen wollte der Rath den Bischof um jeden Preis von Troppau entfernen, sei es durch ausweichende Antworten, durch Appellation an den Kaiser, oder endlich durch einen Aufstand des Volkes, also durch Schrecken. Da er aber zu zweifeln begann, dass die ersteren Mittel ausreichen dürften, so begann er schon die letzteren vorzubereiten. Demgemäss wurde das Gerücht eifrig ver- breitet, der Bischof habe die Absicht, die Gräber der im Lulherthum Verstorbenen und bei der Geistkirche Begrabenen erbrechen und die Leichname herauswerfen zu lassen. Da dort vornehme Adelige der Umgebung begraben waren, so regte man sie gegen den Bischof ins- gesammt auf Auch einige Verwandte des Landeshauptmannes waren auf diesem Friedhofe bestattet. Da man auch ihn dadurch gegen den Bischof aufhetzte, so wurde die Wirkung der angelegten Mine mit Siegeszuversicht erwartet. Am Sonntage theilte Wilhelm den Troppauern seine Forderungen schriftlich mit. Er unterliess auch nicht zu erwähnen, wie die Stadt unter Bischof Marcus sich nicht im Mindesten geweigert habe, den Prädicanten Matthäus nach Kremsier zu stellen. Zugleich lud er den gesanimten Rath zu sich zum Frühstück auf Allerheiligen (1. No- vember) ein und als derselbe die Einladung abschlug, zur Predigt welche er an diesem Feiertage selbst halten wolle. Gleichzeitig schickte er seinen Lehnrechtsschreiber Georg Kamenohorsky von ÄÖ Anton G ind e 1 y. Kamenoliory zu dem in Heraltitz krank liegenden Landeshauptmanne Johann von Wrbna und auf Heraltitz, um seine Meinung über das den Troppauern gegenüber einzuschlagende Benehmen zu erfahren. Dem Abgesandten eröffnete der Hauptmann, er begreife nicht, wie sich der Bischof als erste Person Mährens habe in so grosse Gefahr begeben können; er habe erfahren, ein Aufruhr sei in Troppau sehr zu befürchten, kaum dass der Rath seine Gemeinde im Zaume zu halten vermöge. Man spreche davon , dass die Leichname der Pro- testanten, die bei und in den Kirchen begraben seien, aufBefehl des Bischofs ausgegraben werden sollen, und das mache böses Blut. Kamenohorsky erklärte dieses Gerücht für eine verleumderische Erfindung. Den angekündigten Besuch des Bischofs bat sich Herr von Wrbna nicht auf Mittwoch, an welchem Tage er sich mit Gott ver- söhnen Avolle, sondern einige Tage später aus. In der Nacht auf den Dinstag kam dann Kamenohorsky nach Troppau zurück. Als er aus dem mit des Bischofs Wappen gezierten Wagen bei dessen Wohnung ausstieg, kamen zwei Steine auf ihn geflogen, ohne ihn zu verletzen, wie er meinte, aus der Wohnung des gegenüber wohnenden böhmi- schen Predigers. Der Bischof hielt am Dinstag den angesagten Gottesdienst und firmte bei dieser Gelegenheit über 200 Personen, ein Beweis, dass es doch noch eine nicht ganz unbedeutende Anzahl Katholiken in der Stadt geben musste. Der Rath hielt während dem über sein weiteres Benehmen eine Berathung. Als die Firmlinge aus der Kirche gingen, riss ein gewisser Zak das Tuch das sonst dieselben einige Zeit umgebunden zu tragen pflegten , einem Knaben ab und trat es mit den Füssen. Am Mittwoch wollte Wilhelm in der Pfarrkirche zur sei. Jungfrau einer Predigt beiwohnen. Als er hinkam, fand er sie geschlossen, durch dieFenster sah man aber darin vier Personen sitzen und hörte sie auch deutsche lutherische Lieder singen. Als man sie aufforderte die Thüre zu öfl'nen, schlössen sie nicht auf, sondern verharrten in trotziger Stille. Nun befahl der Bischof, eine Axt herbeizuholen, um die Thüre einzusciilagen, was auch geschah. Während dem ver- sammelte sich eine zahlreiche Volksmenge, auf diese schrien die Eingeschlossenen man möge ihnen zu Hilfe kommen, die Katholiken wollten sie erschlagen. Obzwar das Volk leidenschaftlich aufgeregt Avar, wie seine Blicke und Mienen und sein Gemurre bcM'ies, so blieb Beiträge zur Geschichte der Zeit Rudolfs II. /iv es (loch ruhig; der zündende Funke sollte erst später kommen. Als die Thür aufgemacht war, stürzten die Sänger heraus, darunter auch oben genannter Zäk. In der Kirche Hessen sich nur die Begleiter des Bischofs erblicken, die Predigt wurde gehalten, nach derselben die Kirche verschlossen und der Schlüssel zu Sibetilot zur Aufbewahrunsr getragen. Noch denselben Tag beklagte sich Wilhelm durch einen Abge- sandten beim Rath , über das gewaltthätige aufreizende Benehmen des Zäk. Der Rath Hess darauf um eine Audienz auf den folgenden Tag (Donnerstag) ansuchen. Diese schlug ihm der Bischof ab, da er an diesem Tage bis Mittag in der Kirche seine Zeit zubringen, Nach- mittags dann zum Herrn v. Wrbna fahren Avolle. Als er aber am Mittage des folgenden Tages nach Hause kam, sah er vor demselben eine Masse bewaffneten Volkes herumstehen und als er in sein Zimmer gehen wollte, traten ihm die Abgeordneten des Rathes entgegen. Er beschwerte sich über diese ihre Zudringlichkeit; er habe ihnen den Freitag zur Audienz bestimmt. Allein, ohne dadurch den Muth zu verlieren, erklärten sie im Namen des ganzen Rathes, dass der- selbe sich in keine weiteren Verhandlungen mit dem Bischöfe weder einlassen könne noch wolle; dass er die Entscheidung des Streites bis auf weiteres verschiebe. Der Kaiser werde schon sein letztes Wort sprechen. Übrigens müssten sie (die Abgeordneten) dringend darauf bestehen, dass der Bischof schnell abreise, die Gemeinde werde äusserst schAvierig und unwillig, es sei dem Rath nicht weiter möglich, sie im Zaume zu halten, da sie sich in ihrem Theuersten, in dem gereinigten Evangelium bedroht wähnten. Darauf der Bischof: Er höre diese Rede mit Verwunderung an, er für seine Person glaube nicht die mindeste V^eranlassung zum Aufrühre gegeben zu haben. Der Rath möge ihm jene Personen nennen, die einen Aufruhr erregen wollten, dass er ihnen entgegen trete; er werde übrigens bis zum Austrag der Sache nicht vom Platze weichen, man möge ihn morden, er sei unbewalTnet, sterbe er doch in der Erfüllung seiner Berufspflichton den schönsten Tod. Er versehe sich übrigens eines anderen Gebahrens von Seite der Gemeinde. Die Deputirten ent- fernten sich, und versprachen, mit einer andern Antwort zu kommen. Nachmittags fuhr der Bischof zum Landeshauidmaim. Den Tag vordem hatte er durch denselben Kamenohorsky ihm seinen Besuch ankündigen lassen. Dieser stellte an Herrn v. Wrbna 30 Anton U i nd e I y. die Frage, ob er mit Bestimmtheit glaube , dass es in der Stadt zu einem Aufruhr kommen könne und ob man etwas gegen des Bischofs Person wagen werde. Der Gefragte entgegnete, er glaube nach den erhaltenen Berichten, dass es sicher in derStadt zum Aufruhr kommen würde. Er sei auch mit Bestimmtheit berichtet, der Bischof habe die Absicht, die Leichname begrabener Protestanten ausgraben zu lassen, er habe erst heute darüber an ihn geschrieben und davor gewarnt; sein Vater sei im Wenzelskloster begraben, sollte man seinen Leich- nam antasten wollen, so könnte dies nur seinen höchsten Unwillen erregen; was andere treffliche Geschlechter zu einem solchen Be- ginnen sagen würden, wisse er zwar nicht, aber es lasse sich ver- muthen. — Man sieht, die Troppauer hatten es nicht unterlassen, den Hauptmann zu hetzen. — Kamenohorsky stellte nochmals auf das Bestimmteste eine solche Absicht seines Herrn in Abrede und kündigte dessen Besuch auf Morgen Abends an. Herr v. Wrbna ent- schuldigte sich wieder mit seiner Krankheit, er könne ihn nicht nach Gebühr empfangen, noch auch jetzt mit ihm über religiöse Dinge ein Gespräch halten, später sei er erbötig ihn selbst zu besuchen, wenn ihm Gott die Gesundheit schenken würde. Nachdem aber Kameno- horsky nochmals versicherte, sein Herr wolle keinen Empfang, werde auch nicht einmal zu Nacht da speisen, sondern nur mit ihm über einige der dringendsten Angelegenheiten sich berathen , gab der Hauptmann unter den Zeichen der höchsten Unwillfährigkeit seine Gutheissung zu dem angekündigten Besuche. Endlich, am Donnerstag Abends fuhr Wilhelm in Begleitung dreier adeliger Herren nach Heraltitz. Da angekommen, betete er in einem Zimmer allein die Hören, und begab sich dann mit seinen Begleitern zu Herrn v. Wrbna der im Bette lag. Er Hess ihm einen genauen Bericht, was sich seit seiner Ankunft in Troppau zugetragen, vorlesen und gab noch selbst die nöthige Erläuterung. Als der Haus- herr sah, wie die Sachen stünden, wie auch der Biscliof nicht im Entferntesten auf eine Erbrcchung der Gräber denke, erwiderte er: „Das ist anders, als ich von den Troppauern berichtet worden bin. I „Fürwahr, wenn mir Gott eine bessere Gesundheit verleihen wollte, „möchte ich gewiss selbst Euer Gnaden zur Seite stehen, doch nichts „desto weniger will ich jetzt zu ihnen senden und ihnen ernstlich „befehlen, dass sie sich in nichts Ungebührliches einlassen. Doch „möchte ich Euev Gnaden, da jetzt Jahrmarkt dort gehalten wird. Beiträge zur Geschichte der Zeit Rudolfs II. 3 1 „rathen, nicht allda zu verbleiben und Eure Person des Kaisers und „des Vaterlandes Avegen zu verschonen. Reiset nur auf einige Tage 5, weg, bis ich gesund bin, Mollen wir das wilde Thier, den gering- „ schätzigen Pöbel, zu paaren treiben." Dies die Summe der gehabten Unterredung. Während Wilhelm in Heraltitz war, hatten sich in Troppau weitere Excesse ereignet. Eine Rotte überfiel das Pfarrhaus des Sibenlot, fing da an, Karten und andere Spiele zu spielen, trank Bier welches ihnen Sibenlot gab , der sogar selbst zum Schlüsse mit ihnen zu spielen begann. Auch gingen zu allen Kirchen bewaff- nete Haufen und besetzten ihre Eingänge. Der Bischof erwartete nach seiner Rückkehr eine Antwort der Bürgerschaft , doch sowohl am Freitag wie am Samstag vergebens. Währenddem hatte sich der Rath nach Heraltitz begeben, um sich mit Herrn v. Wrbna, den er nach Allem was vorliegt für seinen besten Freund halten musste und der höchst wahrscheinlich lutherischen Glaubens war, zu berathen. Er widerrieth ihnen aufs Ernstlichste jede Gewalt, und gewiss hätte Maximilian bei einer etwaigen Tödtung des Bischofs nicht innhin können die Stadt strenge zu strafen. Auf dieses zog der rückge- kehrte Rath die Wachen von den Kirchen zurück (am Samstag) und beschloss, in weiterer Passivität verharrend , den Bischof endlich doch zur Abreise zu nöthigen. Am Sonntage Früh begab sich Wilhelm in die Wenzelskirche, wohnte daselbst der Messe bei, und begab sich dann mit seinem Hof- gesinde und einigen Katholiken in die Pfarrkirciie. Zuerst wurde das Dens in adjutoriummeumintende, hierauf ein deutsches Lied gesungen, dann befahl er dem Jesuiten Stephan, seinem Prediger, die Kanzel zu besteigen, und vor der Versammlung zu predigen. Da sich eine grosse Menge Menschen, zumeist Lutheraner in der Kirche eingefunden hatten, so war der Weg zur Kanzel versperrt. Der Bischof befahl seinem Kämmerer Tiburcius Sirakowsky von Pirknar den Stephan zum Pre- digtstuhl zu geleiten. Nachdem sie mit grosser Mühe dahin gelangt waren, und Stephan eben die Stufen hinansteigen wollte , trat ihm ein Mann der mitten auf der Stiege stand, entgegen und sagte: Komm nicht berauf, wir haben unsern Pfarrer; e r- griff dabei einen Dolch und sprach weiter: K omni st du, so musst du und ich sterben. Die Umstehenden aber stiessen sowohl den Jesuiten wie den Känunerer hin und her, ihnen OA Allton G in d cl y. weder vor- noch rückwärts zu gelien gestattend. Als der Bischof die Gefahr der Seinigen sah, stand er auf, um ihnen zu Hilfe zu gehen, allein es war dies unmöglich. Eine ungeheure Menge Personen drängte sich gegen ihn. Steine wurden in die Kirche getragen und schon geworfen, ohne dass aber Jemand verletzt wurde. In der Kirche befanden sich auch viele Personen vom Herren- und Ritterstande. Kaum dürften sie der Mehrzahl nach Katholiken gewesen und wahr- scheinlich nur desshalb dahin gegangen sein, um eine versuchte Gewaltthat gegen den Bischof zu hindern. Verborgen konnten die Absichten der Menge Niemand sein, da man zu laut von diesen sprach. Als sie also die drohende Gefahr erkannten , in der der Bischof schwebte, eilten sie schnell von allen Seiten zu ihm und fassten ihn, wie auch den befreiten Jesuiten und Kämmerer in ihre Mitte. Sie sprachen ihm zu, von diesem gefährlichen Orte sich zu entfernen. Angesichts der kampfbereiten Menge blieb auch nichts anderes zu thun übrig. So bewegte sich der Zug, den Bischof in der Mitte, den Jesuiten im Chorrock und Stola zu dessen Seite aus der Kirche über den Friedhof, den Oberring , zur Wenzelskirche. Auf dem Wege warf das Volk Steine, Sturm wurde geläutet und von allen Seiten liefen Männer mit Büchsen und Hellebarden, mit Gabeln, Kisen- deichseln, Schwein- und Bratspiessen, Schwertern und dergleichen bewaffnet. Die Pfarrkirche wurde von ihnen geschlossen und zehn geharrnischten Männern zur Bewachung übergeben. In der Wenzels- kirche angelatigt, befahl der Bischof wiederum dem M. Stephan , die Kanzel zu besteigen und hier predigte er, trotz einer zahlreichen Volksmenge ruhig. Nach der Predigt begab sich endlich Wilhelm in seine Herberge, fortwährend geleitet und beschützt vom Adel. Unter diesem war auch der Dr. Thaddäus Ha jek. Zu Hause angelangt, erwartete ihn schon eine Deputation des Rathes. Obgleich er jedenfalls durch das Erfahrene auf das Äusserste aufgeregt sein musste, beschwichtigte er sich doch so weit, dass er den Gruss derselben ruhig empfing und ihnen eine Schrift durch seinen Schreiber Cyprian vorlesen liess, welche seine sämmtlichen Forderungen enthielt. Die Abgeordneten verlangten eine Abschrift, um sie dem Ralhe und der Gemeinde vorzulegen. Ihrer Bitte wurde willfahrt. Z\ini Schlüsse sagte der Bischof : Er sei nach Tropitau des Seelenheiles der Gemeinde wegen gekommen, nicht um Jemand zu berauben. Nun müsse er Zeuge solchen Aufruhrs sein. Um die Beiträge zur Geschichte der Zeit Rudolfs 11. 33 Gemeinde nicht in die Gefahr zu bringen, dass sie wegen seiner möglichen Ermordung in Strafe käme, wolle er sich so bald wie möglich entfernen um später wieder zu kommen; er hoffe, die Gemeinde werde sich eines Bessern besinnen. Ohne jeden Erfolg endete auf diese Weise die Reise des Bi- schofs Wilhelm Prussinowsky, er kehrte nachOlmiitz wieder zurück. Er mochte wohl nicht im Geringsten zweifeln, dass der Zweck seiner Reise nicht werde erreicht werden, wenn er sich weiter mit Klagen an den Kaiser wenden würde. Doch that er dies, da er es für seine Pflicht halten musste, im voraus von der Nutzlosigkeit seines Schrei- bens überzeugt. Sibenlot selbst fing nun an , unverantwortlich zu wirthschaften. Er verheirathete sich im Beginne des Jahres loTO. Der Bischof berichtete es alsbald an Maximilian und bat ihn, eine von den zwei Pfarreien in deren Besitz Sibenlot war, nämlich die von Hra- disch, dem Dr. Johann Viscovinus zu verleihen, und als der Kaiser diesen Wunsch bewilligte, bat er ihn, diesem auch die Troppauer Pfarre zu verleihen und Sibenlot zu entfernen. Schon lange und oft hatte der Bischof um die Entfernung des Letzteren angesucht, allein Maxi- milian beliebte den Sibenlot als einen katholischen Geistlichen anzu- sehen; nun erst, nachdem ersieh verheirathet, konnte er sich keiner Ausflüchte mehr bedienen, wenn er überhaupt mit dem Bischöfe nicht brechen wollte. Er ertheilte demnach unter Einem den Troppauern den Befehl (ddo. die Jovis post festum St. Dionysii Viennae 1571) den Viscovinus als ihren Pfarrer anzunehmen. Auch dieser Befehl wurde von den Troppauern mit gewohnter Willfährigkeit vollzogen, das ist, nicht im Mindosten beachtet, da sie überzeugt, dass es dem Kaiser mit seinem Befehle nicht rechter Ernst sei. Sibenlot blieb ruhig auf seinem Platze. Viscovinus durfte nicht erscheinen. Um aber doch etwas zu thun, verlangten sie vom Kaiser die Aufstellung einer Commission zur Untersuchung ihrer Rechte und Schlichtung des Streites. Die Commission wurde vom Kaiser aufgestellt, sie bestand aus Laien, darunter einem Theile Protestanten. Unter diesen steten Verzögerungen starb Bischof Wilhelm 1572. Sein Nachfolger Johann ergrilT den unter diesen Umständen passendsten Ausweg. Voraussehend, dass er weder die Ausweisung Sibeiilot's noch den Besitz der Pfarrkirche werde erlangen können, aber den vollen Nach- theil einsehend, den die Abwesenheit eines fähigen katholischen Sitzb. d. phil.-hist. Cl. XYIU. Bd. I. Hft. 3 ö*t All ton Gindely. Priesters für den Rest der katholischen Gemeinde in Troppau nach sich ziehen müsse, beschloss er, den Dr. Viscovinus 1573 nach Troppau zu senden. Er machte eine Anzeige an den Franciscaner- Convent bei der Geistkirche in Troppau (ddo. Cremsirii Vil. Idus Martias 1573), Dr. Viscovinus verfüge sich in seinem Auftrage als Prediger dahin, die Mönche mögen ihm die Kanzel ihrer Kirche und ein Zimmer im Kloster einräumen. Gleichzeitig bat er doch auch den Kaiser, die Ausweisung des Sibenlot endlich verfügen zu wollen. Maximilian erliess an die Stadt den gewünschten Befehl i) und ver- langte von ihr den Bericht, dass sie demselben nachgekommen sei. Allein wie weit war doch die Gemeinde vom Gehorsam entfernt. Nicht nur schützten sie den Sibenlot in seiner Pfarre, sondern antwor- teten nicht einmal auf des Kaisers Befehl. Erst zwölf Wochen nach Empfang des Briefes sandten sie eine Ge- sandtschaft an ihn und entschuldigten sich wegen ihres langen Schweigens, ohne jede Angabe des Grundes. Der Kaiser möge die Gnade haben, nochmals eine Commission zur Schlichtung ihres Streites anzuordnen , da die früliere Commission durch den Tod zweier ihrer Glieder, darunter auch desLandeshauptmannes, Herrn v. Wrbna, aufgelöst sei, übrigens über sie seine schützende Rechte halten. Der Kaiser gewährte ihre Bitte und gab von seinem Ent- schlüsse dem Bischöfe Nachricht, damit dieser mit weiterem Drängen inne halte. Unzufrieden damit, dass Maximilian seinen früheren, strengen und scheinbar so ernst gemeinten Befehl so leicht wieder zurück- nahm, wurde es der Bischof noch mehr, als er eine Laien-Conmiission deren Glieder gutentheils Protestanten waren, erstehen sah, um in einer geistlichen Angelegenheit zu entscheiden. Er beschwerte sich darüber beim Kaiser, worauf dieser den Befehl gab, dass der Com- mission der Abt von Welehrad beigeordnet werde. Allein auch dies befriedigte jenen nicht; es constatire, schrieb er zurück, ein gefähr- liches Präjudiz gegen die geistliche Gerichtsbarkeit, wenn Laien in solchen Angelegenheiten zu Gerichte sässcn. Wiederum entgegnete Maximilian, es solle dies kein Präjudiz constatiren, aber da schon eine ähnliche Commission, sogar ohne geistliches Mitglied unter dem Bischöfe Wilhelm angeordnet gewesen und dieser sich nicht beklagt *) Ddo. Viennae, die Vcneris post SS. Corporis Christi festiini l.'JTS. Beiträge zur Geschichte der Zeit Rudolfs II. 33 habe, so möge es bei der gegenwärtigen Anordnung sein Bewenden haben. Der Erfolg der zweiten Commission lässt sich in wenig Worten zusammenfassen: Sibenlot blieb ruhig und ungefährdet an seinem Platze, bis an seinen, 1580 erfolgten Tod. Es war das dringendste Bedürfniss für die künftige Ruhe des österreichischen Staates, dass die unabweisbaren Ansprüche der Pro- testanten auf eine gerechte und gesetzmässige Weise befriedigt würden, weil nur auf diese Weise im friedlichen Wege ihre Ein- dämmung bewirkt werden konnte. Allein nirgends rechtlich geduldet, erhoben sie überall ihr Haupt. Die Kraft der Staatsgewalt musste sich nothwendigerweise erschöpfen, wenn sie es über sich nahm, diese einzelnen Auswüchse eben so einzeln abzuschneiden. Weil aber weder Maximilian, noch Rudolf diejenigen Männer waren, welche einen solchen gesetzlichen Zustand hätten begründen können, so brachen in Österreich die furchtbaren Kriege des siebzehnten Jahrhunderts in fast allen Ländern der Monarchie aus. Maximilian hatte den Ständen von Österreich und Böhmen Concessionen im Puncte der Religion gemacht, die ersteren konnten sich dann be- schränkt dem Lutherthum hingeben ; die letzteren aber unbeschränkt. In einzelnen Fällen, in denen offenbar die Concessionen überschritten wurden, entschied aber Maximilian zum guten Theil gegen die kla- genden Katholiken. Welche Folgen musste es nun erzeugen , als Rudolf die Regierung antrat, der die Bestimmungen seines Vaters insbesondere in den böhmischen Kronländern missachtete, den reli- giösen Zustand völlig umzugestalten trachtete, aber auch nicht das bescheidenste Mass der hierzu erforderlichen Kraft besass. Der Ungehorsam der gegen Maximilian's Befehle von Seite der Pro- testanten ausgeübt wurde, hatte eine ganz andere Bedeutung als der gegen Rudolf. Die Protestanten waren sich bewusst , gegen die Sympathien Maximilian's, über die er sich mehr oder minder klar sein mochte, durch die Missachtung seiner Befehle nicht zu Ver- stössen; das Ansehen des Fürsten erlitt im Ganzen keinen so gefähr- lichen Stoss , als wenn sie durch ihren Ungehorsam Rudolf sowohl als Kaiser , wie als Privatmann in seinen ernst ausgesprochenen Absichten und in seinen innigsten Wünschen schonungslos verletzten. Ist es zu verwundern, dass die Rudollinische Regierung unter 3' 36 Anton Gindely. Revolution endigte und Revolutionen im Gefolge hatte, wenn Befehle des Kaisers, deren einmalige Ausserachtlassung in früheren Zeiten für den Ungehorsamen Capitalstrafen nach sieh gezogen hätte, zehn- mal, trotz der immer schärferen Strafandrohungen, der Bezeugung des höchsten Missfallens des Staatsoberhauptes, selbst ohne den Schein einer Beachtung verworfen wurden? Es gibt keine königliche Stadt in Böhmen, Mähren und Schlesien, der nicht Rudolf wiederholt Befehle zusandte, die sectischen, d. i. lutherischen Geistlichen zu entfernen; aber nirgends bewirkte er mit seinem Befehle etwas, wenn nicht zufälligerweise eine Spaltung des Baths ihm entgegenkam. Ich kenne nur einen einzigen Fall, in dem er einen vollständigen Sieg gewann, und dies in Jungbunzlau, doch auch da nicht über die Luthe- raner, sondern über die böhmischen Brüder die, trotz ihrer Ansiede- lung allda seit mehr als 100 Jahren, Kirche und Schule im Jahre 1602 sperren mussten und ihr ganzes Vermögen an ihm verloren. Miss- achtete Befehle des Fürsten von Seite der Unterthanen sind eben so viele Stiche gegen ihre Autorität, schlimmer noch dann, wenn die Befehle nicht im Gesetze gegründet waren. Der Troppauer Kampf der in seiner ernsten Weise seit dem Jahre 1565 begonnen, ruhte nun bis zum Jahre 1580. Die Ursache des mehrjährigen Stillstandes seit 1573 war nicht etwa die Über- zeugung der Olmützer Bischöfe von der Nutzlosigkeit ihrer Bemü- hung während Maximilian's Herrschaft, sondern mehrmalige schnell auf einander folgende Sedisvacanz des Olmützer Bisthums. 1574 starb Bischof Johann XIV., 1575 sein Nachfolger Thomas Albinus, 1578 dessen Nachfolger Johann XV., erst im Jahre 1579 erstand dem Bis- thume mit der Wahl des Stanislaus Pawlowsky ein Vorsteher der sowohl über staatsmännische wie kirchliche Bildung gebietend, von Rudolf hochgeachtet und als Principalgesandter bei der ver- suchten Erhebung des Erzherzogs Maximilian auf den polnischen Thron benützt, allein im Stande war, einen schwierigen Kampf gegen die Missachtcr geistlicher Autorität und katholischer Religion aufzu- nehmen. Es traf sich, dass Sibenlot 1580 starb. Dieses Ereigniss ver- anlasste Stanislaus, seine Aufmerksamkeit eher nach Troppau zu richten, als er sonst Willens gewesen wäre. Die Pfarre war nun unstreitig vacant. Alsogleich schrieb er an die Gemeinde, da ihr ver- möge Privilegium Ferdinand's I. das Patronatsrccht, ihm allein aber Beiträge zur Geschichte der Zeit Rudolfs II. öt die Bestätigung des Präsentirten zustehe, so möge sich dieselbe ohne seine Erlaiibniss das Recht nicht anmassen, einen Pfarrer einzusetzen. Die Troppauer, überzeugt, dass es nunmehr einen harten Kampf gegen den wahrscheinlich zu Hilfe gerufenen Kaiser geben werde, erwi- derten ziemlich schnell, sie würden dem Bischöfe einen Candidaten präsentircn, doch sei es nicht leicht, einen für sie passenden zu finden. Ihre Absicht war es, die Sache hinauszuschieben und, wenn es nicht anders ging, gar keinen Pfarrer einzusetzen, da sie sich im ärgsten Falle mit den zwei lutherischen Caplänen an der Pfarre begnügen wollten. Allein Stanislaus drängte sie, er bot sich ihnen an, falls sie noch immer von einen guten Candidaten nichts wüssten, ihnen einen tüchtigen Geistlichen vorzuschlagen, und nannte als solchen den Propst von Fulnek. Zugleich forderte er den Landeshauptmann auf, dem Rathe keine Ruhe zu gönnen, sondern unablässig auf die Präsen- tation anzutragen. Mehrmals wegen ihrer Zögerung sich entschuldi- gend, nahm endlich die Gemeinde den Vorschlag des Bischofs an. Der neuernannte Pfarrer kam am 5. November 1580 in Troppau an. Bevor er jedoch von der Pfarre Besitz ergreifen sollte, befahl ihm Stanislaus die Ausweisung der lutherischen Capläne zu verlangen und schrieb selbst in gleichem Sinne an den Rath. Dies war nun der Punct, bei dem es zum Kampfe kommen musste. Die Rathsherren verweigerten die Entfernung mit Festigkeit. Seit jeher sei die Anstellung und Unterhaltung der Capläne ihr Recht gewesen, auch sei ihnen nicht bekannt, dass eine fremde und unka- tholische Religion von denselben gelehrt werde. Es sei ihr Wunsch, dass das Abendmahl sub utraque ausgetheilt werde, und diesen Wunsch habe Maximilian durch Zulassung des Predigers Zinkfrei, der sich nach der Augsburger Confession gerichtet, wie auch des böhmischen Predigers gebilligt. Hätten sie blos einen Pfarrer sub una und ihm entsprechende Capläne, so würde eine grosse Religions- störung eintreten, indem schon viele sub utraque geboren und erzogen worden wären. Auf diese Einwendungen entgegnete der Bischof: Wenn es sich um nichts anderes als um die Communio sub utraque handle, so könne dieselbe Jederma;in ertheilt werden, da sie vom Papste bewilligt wor- den; er müsse also trotzdem auf der Entlassung beider Capläne beharren. Zugleich wandte er sich an Rudolf, um dessen, wie es nunmehr scheinen musste, entscheidende Mithilfe anzusuchen. Ohne 38 Anton Gindely. Zögeriing befahl Rudolf dem Troppauer Landeshaaptmanne (ddo. Prag, Montag nach Barbara lö80) die zwei häretischen Capläne unverzüglich abzuschaffen. Der Landeshauptmann Johann von Wrbna theilte den Troppauern des Kaisers Befehl mit. Es Verstösse, war ihre Antwort, gegen ihre Privilegien, in die Abschaffung ihrer Capläne einzuwilligen. Leicht könnte eine Geringschätzung ihrer Personen bei der ganzen Nach- barschaft die sich in Religionsangelegenheiten so wie sie benehme, eintreten, wofern des Kaisers Gesuch willfahrt würde. Übrigens hätten sie bereits einige Personen nach Prag zur Verantwortung geschickt und bäten, bis auf deren Rückkunft, sie mit weiterem Drän- gen zu verschonen. Sei es, dass diese Gesandtschaft noch nicht nach Prag gekommen war, sei es, dass der Kaiser bereits wieder entschied, genug, er befahl (ddo. Pragae die Jovis post Epiphaniam 1581) dem Bischöfe, dass er im Einverständnisse mit dem Landeshauptmanne die Entfer- nung der Prädicanten betreiben solle. Allein nicht nur dass die Troppauer diesem Befehle nicht gehorchten, sie gestatteten auch nicht mehr dem von Stanishtus ernannten Pfarrer von der Pfarre Besitz zu ergreifen und eine Function zu verrichten. Über solche Hartnäckigkeit berichtet, befahl ihnen Rudolf unter sonstiger schar- fer Ahndung ') nicht nur die Entfernung der zwei Häretiker zu bewerk- stelligen, sondern auch den katholischen Pfarrer von seiner Pfarre Besitz ergreifen zu lassen. Den Bischof forderte er unter Einem auf, eine Commission nach Troppau zur schleunigen Entfernung der öfter genannten Personen abzusenden, dem Herrn von Wrbna befahl er, dieser Commission jeden möglichen Vorschub zu leisten. Stanislaus schickte auf diesen Befehl den Dechant des Capitels, den Archidiakon Scutelan und den bischöflichen Oflicial als seine Commissäre nach Troppau, wohin diese am 12. Juni gelangten. Im V^ereine mit dem Landeshauptmanne erklärten sie den Abge- sandten des Ratlies die Ursache ihres Erscheinens und verlangten unwiderruflich die Erfüllung des kaiserlichen Befehles. Sie stellten ihnen zugleich zwei Priester vor, von denen der eine als deutscher, der andere als böhmischer Prediger fungiren könne, und empfahlen sie ihnen zur Annahme. Die Abgesandten erbaten sich für die *J Ddo. die Jovis post divisionem Apostolorum 1581. Beiträge zur Geschichte der Zeit Rudolfs II. 39 Antwort einen Tag zur Bedenkzeit. Des andern Tages erklärten sie, sie seien erbötig, den ihnen vom Bischöfe präsentirten Pfarrer anzu- nehmen, ihre Capläne könnten sie aber auch nicht entfernen, da diese nichts irrthümliches lehrten, sie hätten die augsburgische Confession welche von Kaiser Karl Y. seligen Angedenkens für ganz Deutschland 1530 bewilligt worden wäre, zur Richtschnur, übrigens sei ihnen das Bekenntniss dieser Confession ausdrücklich von Kaiser Maximilian II, glorreichen Andenkens gestattet worden; endlich würde an den Kaiser ihrerseits eine Deputation abgesendet werden : man möge also auf seine künftige Antwort harren. Aber Herr von Wrbna zeigte ihnen, wie ja der Kaiser durch Erneuerung seines Befehls das Ansu- chen ihrer früheren Gesandtschaft verworfen und wie sie durch die Missachtung desselben in die Strafe des Ungehorsams verfallen könnten. Sie ersuchten auf dies um einige Tage Bedenkzeit, damit sie die Gemeinde einberufen und an sie die Sache referiren könnten. Obzwar dagegen die Commissäre Einsprache thaten, da ihre Sendung nur an den Rath gehe, der nach des Kaisers Ermessen in der Sache allein eutscheiden könne, so gaben sie endlich ihrer Bitte nach. Nach einigen Tagen kam der Rath und die Abgesandten der Gemeinde, letztere SO an der Zahl, zu den Commissären. Da diese in einem kleinen Saale waren, so Hessen sie von den letzteren nur 10 vor sich treten. In ihrem Namen sprach ein gewisser Jakob, das einflussreichste Glied der Gemeinde, mit aller Heftigkeit. Die Stadt könne durchweg nicht in die Entfernung der zwei Capläne einwilli- gen, sondern werde sich desslialb an den Kaiser wenden, auch werde man nunmehr nicht früher den katholischen Pfarrer aufnehmen, bevor des Kaisers Antwort zurückgekommen wäre. Bei dieser entschiede- nen Weigerung, den Befehlen des Kaisers Folge zu leisten, verlangte die Commission von dem Rathe, und zwar der Hauptmann für den Kaiser, die geistlichen Commissäre für den Bischof eine Zuschrift, worin dieser seinen letzten Entschluss mittheilen möchte, damit an beide der Bericht über den Erfolg der Commission zugesendet werde. Über die Begebenheiten in Troppau unterrichtet, zögerte Rudolf unverhältnissmässig lange mit der Kundgebung seines Willens. End- lich, nach Verlauf eines halben Jahres, befahl er Herrn von Wrbna ohne jeden a\ eitern Verzug die zwei Prädicanten abzuscliafl'eii (ddo. Prag, Montag nach Haibara 1581). Da aber die Gemeinde nicht gehorchte, wiederholte er seinen Befehl ei nige M o nate späte r 4-ü A n l o n (J i n de ly. (ddo. Wien die Veneris post Pascha 1582) und trug zugleich dem Landesunterkämmerer von Mähren, Nikolaus von Hradek, einem eifri- gen Katholiken auf, nach Troppau zu reisen, und mit dem Landes- hauptmanne seinen Befehl auszuführen. Welche Ohnmacht! 4 Jahre vergingen nun unter h e s t ä n d i g e n Anordnungen von C o m m i s s i o n e n Seitens des Kaisers zur Vertreib ung der Prediger, 4 Jahre ver- floss-en bis zum Jahre 1586 unter stetem Schreiben und G e g e n s c h r e i b e n , unter drohenden Befehlen und unter- thänigen Vorstellungen, unter Erwartung und Vereite- lung, 0 h n e d a s s T r o p p a u a u c h n u r e i n H a a r b r e i t g e w i- chenwäre. Es würd e zu nichts füh ren, alle die Befehle des Kaisers, alle d i e E i n w e n d u n g e n d e r G e m e i n d e h i e r auseinanderzusetzen, genug, nachdem er seit 1 580 b i s 1586 befohlen und gedroht, hatte er nichts bewirkt. Stanislaus Pawlowsky bewies sich als einen Mann von Erfahrung und grosser Klugheit. Er lebte noch bis 1598, allein mit Troppau mochte er nichts mehr zu thun haben, überzeugt, dass seine Stellung ihm nicht jene Macht gebe, um deren Anwendung er und seine Vorgän- ger den Kaiser so oft und so vergeblich angefleht. Seine Tliätigkeit ging nur auf das Erreichbare und bei dieser Resignation rettete er für die Geistlichkeit in Mähren, was für sie zu retten war. Durch dasselbe Mittel eines mehr passiven als activen Wider- standes hatte er die hart angegriffene Exemption der Geistlichkeit in Personalsachen gegen das mährische Landrecht gerettet. Die Wichtigkeit des Gegenstandes macht es erklärlich, wenn wir um den weiteren Verlauf des Streites uns kümmern. Nachdem Troppau jeden Widerstand von Seite des Bischofs aufgegeben sah, berief es an die erledigte Pfarre einen lutherischen Geistlichen. Die Diöcesanrechte dos Olmützer Bischofs über die Stadt schienen längst in Vergessenheit begraben zu sein, als nach Stanislaus Tode der berühmte Cardinal Dietrichstein den bischöflichen Stuhl von Olmütz bestieg, durch den, was Niemand gelungen war, Troppau wenigstens für einen Moment besiegt werden sollte. Der genannte Cardinal orfreute sich der Vortheile einer hohen Stellung und Geburt. Obzwar an staatsmännischer Geschicklichkeit seinem berühmten Zeitgenossen, dem Cardinal Khlesel, nachstehend, überragte er ihn durch die Vortrefflichkeit seines Charakters und Beiträge zur Geschichte der Zeit Rudolfs !I. 4 1 durch seine Uneigennüfzigkeit. Betraut mit vielen Aufträgen des Kaisers und Papstes, hatte er sie vielleicht nicht mit der gewünschten erfolgreichen Schnelligkeit, aber immer mit gewissenhafter Ehrlich- keit beendet. Bei vielen grossartigen canonischen Processen in Deutschland, unter andern bei dem des Dr. Brand mit dem Angsburger Capitel und Bischöfe, hatte er als päpstlicher Delegat, eine Würde, die selten Jemand zu Theil ward, entschieden. Es war nun für einen Mann von seiner Stellung eine würdige Aufgabe, wenn er in Troppau das vernichtete Ansehen der Kirche herstellen wollte, um so mehr, wenn er dabei einen rein geistlichen Eifer an den Tag legte und nicht scheute, seine Person der Lebensgefahr blosszustellen. Bei seinem Einflüsse auf K. Rudolf konnte er sich einer Unterstützung seiner- seits versehen, wie keiner seiner Vorgänger. Er rührte also den Troppauer Streit durch einschreiben an Rudolf auf, indem er sich beklagte, dass die Gemeinde gegen das Privilegium Ferdinand's I., das sie lange verwirkt, einen lutherischen Pfarrer eigen- mächtig angestellt habe. Diesmal befahl der Kaiser der Stadt, als- bald ihren Pfarrer abzuschatTen, eine taugliche Person dem Cardinal zu präsentiren (ddo. Prag am Tage der h. Ursula 1602). Aus diesem späten Datum ist ersichtlich, dass Dietrichstein drei Jahre nach Ein- nahme seines bischöflichen Stuhles zögerte, bevor er sich an den bevorstehenden schweren Kampf machte. Auf den Befehl Rudolfs richteten die Troppauer eine Bittschrift nach Prag (ddo. 28. Jänner 1603). Sie baten auf das Unterthänigste, ihnen die freie Ausübung der Augsburger Confession die ihnen 1565 von Maximilian II. bewilligt worden, zu gestatten. Es sei ihnen übrigens unmöglich, wie der Kaiser in der vorangehenden Zuschrift verlangt, die vorzüglichsten Rathspersonen nach Prag zu schicken; denn das Einkommen der Stadt sei so schlecht, dass sie oft kaum einen Botenlohn zahlen könnten, viel weniger den Unterhalt mehrerer Personen für eine so Aveite Reise bestreiten könnten. Würde der Kaiser aber nichtsdesto- weniger eine Gesandtschaft verlangen, so bäten sie, er möge ihnen einen längern Termin setzen, damit sie über den Gegenstand reiflich berathen könnten. Indess vergingen über diese Bitte Monate, sei es, dass der Kaiser nach gewohnter Weise keinen Befehl erthoilte, sei es, dass er ebenso missachtet ward. Nun versuchte Dietrichstein, nach dem Beispiele seines Vorgängers, die drohende Gefahr nicht scheuend , eine Reise 4:2 Anton Gin d ely. nach Troppau anzustellen und persönlich die Umänderung herbeizu- führen. Er kam den 8. Mai 1603 dahin. Doch auch diesmal war, wie zu Bischof Wilhelm's Zeiten, das Volk furchtbar aufgeregt und zu Gewaltthaten von den Feinden der Katholiken aufgestachelt. Pasquille wurden gegen den Cardinal und die Jesuiten an den Mauern ange- klebt, die die Leidenschaften noch mehr aufreizten. Eines dieser Pasquille wurde von den Katholiken abgerissen und ward nach Kremsier geschickt, wo es noch aufbewahrt ist. Es ist voll der bitter- sten Heftigkeit und von einem „Phil, de Grand" unterschrieben. Als der Cardinal in Troppau einfuhr, wurde er von einem Volkshaufen umringt; ob er persönlich misshandelt ward, kann ich nicht ermessen; doch scheint der Frevel sehr weit gegangen zu sein, er musste endlich froh sein, mit dem Leben aus der Stadt zu entkommen. Noch an dem- selben Tage schrieb er eigenhändig, was äusserst selten der Fall, einen Brief an den Kaiser, dessen Inhalt folgender: AUerdurchleuchtigister, grossmechtigister Kheiser und Khunig allergnedigister Herr. Was mir für ein schandt und despect in E. K. K. M. stadt Troppau widerfarn , wern sie aller genedigist auss bei gelegten memorial ver- nemen. Und es woll ich nitt allein solliches, sundern den todt selbst wegen der religion Zu leidten bereidt, so will mirs doch nitt gebirn E. K. K. M. solliches berichten zu Underlassen, weil in Thirkhei nitt erger wer geschehen autf das E. K. K. M. teste besser informirt werdte, bin ich allerunderthenigest bereidt, so es E. K. K. M. Erlau- ben selbst auf Prag zu khumen. Mich deroweil E. K. K. M. aller- deinittigest und gehorschamest bevhellendt. Paktarz den 8. Mai Jar 1603. E. K. K, M. allergehorschamester underthenigester Diener Caplan und Underthan F. Card, von Dietrichstein. Die Misshandlung eines Cardinais war in jenen Zeiten immer eine gefährliche Sache und leicht konnte der Unwille des Kaisers über eine solche Missachtung eines hohen Kirchenfürsten der Stadt ärger bekommen, als die langgeübte Missachtung kaiserlicher Befehle. In dieser Erwägung beschloss auch der Hath von Troppan gleich am folgenden Tage (9. Mai), den Cardinal um Entschuldigung für die Beiträge znr Geschichte der Zeit Rudolfs II. 43 vviederfahi eiie Unbill zu bitten , er habe keine Macht über das Volk welches so eigenmächtig die Grenzen des Gesetzes überschritten habe. Er wolle mit allem Eifer nach den schuldigen Personen forschen und sie strafen. Gleichwohl war dies nur eine schale, für die Öffent- lichkeit und den Kaiser berechnete Entschuldigung. Der Rath wie das Volk waren mit dem Geschehenen zufrieden, bereit, im Gleichen fortzufahren und sich mit der Hoffnung schmeichelnd , den Bischöfen von Olmütz für immer das Reisen in ihre Stadt verleidet zu haben. Bevor noch die Nachricht von des Cardinais Misshandlung nach Prag gekommen war, hatte der Kaiser, erzürnt über die Erfolglosig- keit seines ersten Befehles, neuerlich (13. Mai 1603) in strenger Weise an die Troppauer geschrieben. Das Patronatsrecht derselben, hiess es, sei durch die Einsetzung von Prädicanten verloren gegangen und wenn es noch ferner der Stadt verbleiben solle, so sollten sie unweigerlich einen katholischen Geistlichen dem Bischöfe präsentiren, den Prädicanten aber und seine Gehilfen entfernen und dem ordent- lichen katholischen Pfarrer alle früher mit der Pfarrei verbunden gewesenen Einkünfte zuweisen. (Die Stadt hatte sich nämlich eines Theils derselben bemächtigt.) Mit der Versicherung, das Aufgetragene vollziehen zu wollen, sollten sie Abgeordnete an den Kaiser schicken, und diese sollten sich nicht eher von Prag entfernen dürfen, so lange nicht sein Befehl gänzlich erfüllt sei. Dafür hafte die Stadt unter sonstiger Strafe von 30.000 Schock Groschen. Welche furchtbare Strenge, würde man meinen, wie schnell muss wohl der Erfolg gewesen sein! Doch weit gefehlt. Die Stadt schickte zwar Abgeordnete nach Prag, doch nicht um dem Kaiser die Versi- cherung von der Vollziehung der Befehle zu überbringen, auch nicht um etwa die Strafe zu erlegen oder sich von ihr loszubitten, sondern einfach um für die Beibelassung des Prädicanten anzusuchen, gewillt, ihn um jeden Preis zu halfen. In der Stadt Troppau selbst stieg die Aufregung von Tag zu Tag, die Bewaffnung Murde allgemein, die Thore des Tages und Nachts bewacht, durch die Strassen zogen bewaffnete Truppen, die Glocken waren stets bereit, ein Signal für die allgemeine Ansammlung zu geben. Unter diesen Umständen war das Leben und Eigenthum der Katholiken bedroht, man begann davon zusprechen, die katholischen Kirchen und Klöster zu zerstören und wollte zunächst mit dem Nonnenkloster bei S. Clara beginnen. In grösster Angst schrieb die Abtissinn an den Landeshauptmann (Montag I Anton G i nd el y. nach Laurenlius 1603) von der sie bedrohenden Gefahr und um seine Hilfe ansuchend. Der Landeshauptmann, Herr von Sedlnicky, im Innern dem lutherischen Bekenntnisse zugethan, warnte gleichwohl als Diener des Kaisers die Bürger vor jedem unbesonnenen Vorgehen, ohne jedoch irgendwie den Bedrohten thätige Hilfe zu gewähren. Inzwischen war vom Kaiser ein neuerlicher Befehl an den Bath gekommen, die Pfarrkirche so lange zu sperren, bis ein ordentlicher Priester eingesetzt werden würde, so wie auch jene Personen in Gewahrsam zu nehmen, die sich der Misshandlung des Cardinais schuldig machten. Obwohl diese Personen alle bekannt, so genossen sie bis dahin ganz ungefährdet ihrer Freiheit. Der Kaiser verlangte nun auch, dass sie nach Olmütz zur Untersuchung und Bestrafung abgesendet würden. Allein sowohl der Bath wie die Beklagten weigerten sich, der Aufforderung Folge zu leisten. Die Beklagten weigerten sich dessen, weil sie erbötig seien, sich in Troppau zu stellen; der Rath, weil es gegen die Privilegien der Stadt sei, dass ein Bürger anderswo vors Gericht gefordert werde. Was die aufge- tragene Sperrung der Kirche betraf, so gab sich der Bürgermeister Cikanek den Anschein, als wollte er gehorchen, er Hess dieselbe sperren und die Schlüssel zu sich bringen. Als aber des andern IMorgens ein grosser Haufe mit vielem Geschrei die Schlüssel von ihm forderte, gab er sie, vielleicht wirklich eingeschüchtert, heraus, wor- auf die Kirche geöffnet und der lutherische Prädicant die Kanzel bestieg. Etwas später forderte Cikanek die der Missbandlung des Cardinais schuldigen Personen auf, vor ihm zu erscheinen und erklärte ihnen, er habe wiederum einen strengen Befehl vom Kaiser erhalten, sie in Gewahrsam zu nehmen. Doch diese, bis auf einen, sämmtlich Bürger, weigerten sich, auch nur in Troppau ins Gefängniss zu gehen, nur der eine, seiner Beschäftigung nach ein Diener, ergab sich frei- willig in die fhift. Auf dies erklärte d.er Bürgermeister dem Herrn von Sedlnicky, er sei ausser Stande, die Befehle des Kaisers zu vollziehen, die Gemeinde verweigere ihm den Gehorsam. Herr von Sedlnicky war mit den Landrichtern in der Stadt erschienen, um bei einer späteren Vorladung der Ungehorsamen vor die Schranken des Gerichts die Einwohner zum Gehorsam zu mah- nen. Doch vergeblich. Sie schrieben demnach in corpore an den Kaiser und erklärten ihm, die Stadt beharre in offener Widersetzlich- keit (ddo. 10. und 12. August 1603). Auch der Rath richtete an Beiträge zur Geschichte der Zeit Rudolfs II. 4D Rudolf ein demütliiges Schreiben und entschuldigte sich mit seiner Ohnmacht wegen Nichterfüllung der kaiserlichen Befehle. Der Kaiser antwortete auf alle diese Vorstellungen in einem väterlichen Tone. In diesem Schreiben trug er nämlich dem Landeshauptmann und den Landrichtern auf, den Troppauern in einer eindringlichen Weise ihren bisherigen Ungehorsam und die nothwendigen üblen Folgen vorzustellen, insbesondere aber ihnen auseinanderzusetzen wie schwer sie sich durch die verbotene Wiedereröffnung der Pfarrkirche gegen die kaiserliche Majestät vergangen hätten. Für alle diese Vergehen sollten sie seine Verzeihung erflehen , würden sie dies aber und die Beobachtung seiner weiteren Aufträge unterlassen, so sollten sie unnachsichtlich als Landfriedensbrecher zu behandeln sein. Sedlnicky eröffnete am 27. August dem Stadtrathe seinen Auftrag und forderte zugleich die Inhaftnahme der der Insultation des Cardinais Schuldi- gen. Statt aber letzteres zu thun, bat der Rath den Hauptmann, er möge sich für sie beim Kaiser verwenden, da die Stadt an ihn eine Bitt- schrift einzureichen gedenke. Wirklich ward eine solche am andern Tage abgeschickt. Die Bürger baten in derselben mit ihren Frauen und Kindern fussfälligst um die freie Ausübung der Augsburger Confession und erklärten sich bereit, falls die mit der angefochtenen Pfarre ver- .bundenen Einkünfte und Besitzungen der Stein des Anstosses wären, dieselben an den Kaiser abtreten und ihre Prädicanten aus Eigenem besolden zu wollen. Indessen waren auch die Landrichter in Troppau erschienen. Sie citirten vor das Landrecht die Bürgermeister (ihre Zahl war durch Gesetz auf drei bestimmt) und die vorzüglichsten Räthe der Stadt. Den erscheinenden wurden die Befehle des Kaisers wegen Schliessung der Pfarrkirche und Entfernung aller Prädicanten milgetheilt und sie zur Willenserklärung aufgefordert, ob sie gehorchen wollten oder nicht. Darauf erklärten die Anwesenden, es sei ihr Wille, gehorsam zu sein, doch leiste ihnen die Stadt keinen Gehorsam mehr. Das Landrecht begnügte sich mit dieser Erklärung, gab aber deui Rathe und den Bürgermeistern den Auftrag, die Gemeinde vor sich alsbald zu berufen, ihr zu befehlen, aus jeder Zunft drei Männer zu wählen und diesen Ausschuss am folgenden Tage um 7 Uhr in die Landrechts- stube zu senden. Am andern Tage (Mitwoch nach Maria Geburt 1603) fanden sich am Rathhause auf den Befehl des Rathes viele Bürger, doch 46 Anton Gindely. weitaus die kleinere Hälfte der Gesammtheit ein. Ihnen ward das Begehren der Landrichter mitgetheilt. Die Bürger weigerten sich aber, aus sich einen Ausschuss zu wälilen und in die Landrechtstube zu senden. Es sei gegen ihre Privilegien, sich anderswo als in der Bathsstube zu versammeln, habe ihnen der Landeshauptmann oder die Landrichter etwas mitzutheilen, so seien sie erbötig, dies hier anzu- hören. Da die bestimmte Stunde erschienen war, um welche die Aus- schüsse der Zünfte vor dem Landrechte erscheinen sollten und Nie- mand kam, sandte Herr von Sedlnicky aufs Bathhaus, die Säumigen anzuspornen oder um die Ursache des Nichterscheinens zu fragen. Es wurde seinem Boten die obige Antwort. Noch zweimal sandte er seine Diener aufs Bathhaus, um die gesetzliche dreimalige Citation voll zu machen; als auch dies nutzlos, Hess er ihnen sagen, er werde über ihren Ungehorsam an den Kaiser berichten, was auch geschah. So wie alle Befehle an die Troppauer nutzlos waren, so war auch jedes Bittgesuch derselben an den Kaiser vergeblich. Trotz des von ihnen zuletzt eingereichten, befahl Budolf am 18. October dem Landeshauptmanne die weitere strenge Einhaltung seiner Befehle. Allein so schlecht war die damalige Expedition selbst in so wichtiger Angelegenheit, dass das Schreiben erst am 13. December in die Hand des Herrn von Sedlnicky kam. Wiederum wurde in diesem kaiser- lichen Mandate der Gemeinde befohlen, die Pfarrkirche zu sperren, den Prädicanten mit seinem Gefolge zu entfernen. Die Stadt traute sich noch nicht, offene Widersetzlichkeit an den Tag zu legen. Sie beschloss, sich, als letztes stets bequemes und zu wiederholendes Auskunftsmittel, aufs Bitten zu verlegen. Den 29. December schickte die Gemeinde an den Kaiser eine Bittschrift, wiederum fussfälligst um freies Exercitium der Augsburger Confession ansuchend ; an demsel- ben Tage wandten sich die Bürger und ihre Frauen in separaten Bittschriften an die kaiserlichen Commissäre, sie um ihre Verwendung beim Kaiser anflehend. Zwei Tage später, den 31. December 1603, erneuerten sie und ihre Frauen ihre Bittschriften an den Kaiser und an die Commissäre, von der grösseren Menge vielleicht einen Erfolg erwartend. Dass die Commissäre lutherische Sympathien hatten, tritt deutlich aus dem hervor, dass sie die Bitten der Troppauer an den Kaiser mit einem Schreiben begleiteten, welches zwar nicht Avie eine Fürbitte klingt, aber doch den Kaiser für die Bittsteller günstiger zu stimmen sucht. Beiträge zur Geschichte der Zeit Rudolfs 11. 4T Im Beginne des Jahres 1604 erhielten die Landrichter ein kaiser- liches Schreiben, ddo. 1. November 1603, welches ihnen befahl, den Rath und die Gemeinde vor sich zu fordern und in Eid und Pflicht zu nehmen, über etwaigen Ungehorsam zu berichten, und die Pfarrkirche zu sperren. Die Bittschrift der Stadt konnte demnach die Procedur diesmal nicht aufhalten. Der oberste Richter Bartholomäus Bruntalsky von Wrbna beschied zu sich nach Hinein (bei Troppau) den Rath und die Abgeordneten der Stadt, und verlangte von ihnen die Able- gung eines Eides, dass sie dem Kaiser und seinen Befehlen gehor- samen wollen (8. Jänner). Sie weigerten sich, denselben zu leisten, es sei denn, dass denselben noch die Phrase „salva religione" beige- fügt würde. Dies verweigerte Herr Bruntalsky, verlangte aber die Schliessung der Pfarrkirche und Ablieferung der Schlüssel. Diesem Befehle gehorchten sie, die Kirche, ward wieder geschlossen, die Schlüssel vom Bürgermeister überreicht. Auch den Eid leisteten sie endlich ohne jenen Beisatz „salva religione", erklärten aber, dass sie ihn stillschweigend verstünden. Alles dies berichtete Herr Brun- talsky an den Kaiser und erwartete seine weiteren Verhaltungsbefehle. Dieser momentane Gehorsam war aber nicht von langer Dauer; denn die Prädicanten deren Ausweisung ebenfalls anbefohlen war, predigten zwar nicht in der Pfarrkirche, dagegen in den übrigen, nämlich in der Georgskirche und in der Barbarakirche mit solcher Heftigkeit, dass sie die Gemeinde zum Aufstand reizten. Wahr- scheinlich erbrach sie die verschlossene Pfarrkirche wieder. Die offene Verachtung kaiserlichen Ansehens wurde an den Tag gelegt. Da erklärte K. Rudolf H. die Stadt in die Acht. Rudolf schien plötzlich zu einer energischen Thätigkeit sich aufraffen, und an der Stadt die lange Verachtung seiner Befehle rächen zu wollen. Er befahl den Zusammenzug von Truppen, durch die er die Stadt w^elche sich in den besten Vertheidigungszustand setzte, belagern lassen wollte. Dem Cardinal gab er den wohl über- flüssigen Befehl, dafür zu sorgen, dass kein Proviant nach Troppau gebracht würde (ddo. Pragae feste S. Viti 1604). Zu seinen Commis- sären, welche die aufrührerische Stadt zum Frieden zwingen soll- ten, ernannte er den Landeshauptmann von Mähren, Karl von Lichten- stein und den Hauptmann der Fürstcnthümer Oppeln und Ralibor Georg Oppersdorf von Dub und Fridstein. Nach der Unterwerfung sollte die Pfarre mit katholischen Geistlichen, übrigens die Klöster 48 Auto » Gi iiilely. mit Mönchen deren Vertreihui-g stattgefunden zu haben scheint, besetzt werden. Die Kremsierer Acten, aus denen die ganze Erzählung geschöpft ist, geben keinen Aufschluss darüber , wie Troppau zum Gehorsam gebracht wurde. Wahrscheinlich geschah dies durch rechtzeitiges Nachgeben der Gemeinde und durch Aufnahme katholischer Geistli- chen. Diese Nachgiebigkeit erreichte aber ihr Ende, als der Kampf zwischen Rudolf und Mathias ausbrach. Nachdem die Stände Böhmens Rudolf zur Herausgabe des Majestätsbriefes genöthigt hatten, war auch Troppau nicht mehr zu beschwichtigen. Wenige Tage vor der Ertheilung des Majestätsbi-iefes im Monate Juni hatte sich in Troppau eine bedenkliche Stimmung gezeigt. Aufrührerische Personen schnitten den Strick von der Glocke in der Wenzelskirche ab und nagelten ihn an den Galgen an , die Fenster der Pfarrei wurden eingeschlagen. Umsonst drohten die kaiserlichen Commissäre von Olmütz aus den Troppauern und mahnten sie, der fiüher erlittenen Strafe eingedenk zu sein; bald waren diese durch die vom Kaiser bewilligte freie Religionsübung von aller Furcht befreit, die Pfarre und was damit im Zusammenhang war, in ihrem Besitze. So endigte mit dem Jahre 1609 der lange Streit der Troppauer mit den Bischöfen von Olmütz und dem Kaiser durch den abermaligen Sieg der ersteren. Die Darlegung des Streites kann uns nicht sowohl von seiner religiösen als weit mehr von seiner politischen und recht- lichen Seite interessiren. Für die Kirche war es am Ende ein kleiner Gewinn, wenn eine kleine Stadt äusserlich eine Verbindung mit ihr einging, die jedes Gemeindeglied im Innern verwünschte, mochte gleich von der Zukunft ein innerer und freiwilliger Anschluss zu erwarten sein. Aber es war von unermcsslicher Wichtigkeit für die Festigkeit und Dauer der Staatsordnung, wenn eine Stadt durch so lange Jahre im Zwiespalt mit ibi-em obersten Regenten stand. Unter Maximilian wurden der Stadt häufig Befehle ertheilt, aber stets auf ihr Ansuchen zurückgenommen. Dagegen unter Rudolf nie wider- rufen, aber auch nie befolgt. Musste dies nicht den Staat unterwühlen, wenn solche Erscheinungen nicht vereinzelt, sondern allgemein waren, und musste nicht endlich eine Katastrophe hereinbrechen, die eine neue Ordnung der Dinge herbeiführte? Beiträge zur Geschichte der Zeit Rudolfs 11. 49 II. Radolf gegen Znaiui. In Znaim lebte als Pfarrer an der Michaelskirche Georg Schildt. Er hatte seine Studien in Österreich gemacht, war dann vom Bischöfe von Wiener-Neustadt zum Priester geweiht worden und hatte durch einige Jahre in Wien als Caplan gewirkt. Im Jahre 1555 kam er in ohiger Stellung nach Znaim. Während sein orthodoxer Glaube früher keinem Zweifel unterlag, ging er im Laufe der Zeit bei ihm verloren. Unter Maximilian's Regierung konnte er sich ohne jede Hinde- rung seiner Neigung hingeben, auch in den ersten Regierungsjahren Rudolfs genoss er der vollständigsten Ruhe, da er die Gemeinde ganz auf seiner Seite hatte. Über katholische Gebräuche fing er nun an, sich in äusserst wegwerfender Weise zu äussern; so, um ein Beispiel anzuführen, sagte er von der Taufe : Die beschornen Pfaffen machten den Kindern Kreuze vorn und hinten und legten ihnen D . . . . ins Ohr. Seine Reden über Heiligenverehrung, Fasten und Feiertage glichen ganz der obigen. Die Klage gegen ihn ging diesmal nicht von Katholiken, sondern von einem Protestanten selbst aus. Einige Zeit vor dem Jahre 1579 war aus Deutschland ein gewisser Peter Corvinus nach Znaim als Rector der Pfarrschule von St. Michael berufen worden. Da er über eine, wie mir scheint, grössere Bildung als Schildt selbst gebot, so entstand zwischen beiden bald eine Eifersucht, die von Seite Schildt's in die heftigste Feindschaft ausartete. Er suchte jenem auf alle Weise nahezutreten, um ihn zur Entfernung zu vermögen; so schmä- lerte er sein Einkommen, strich Gebühren von Leichenzügen, die sonst dem Schulrector als Regenschori zukamen, für sich ein. Corvin klagte über diese Schmälerung beim Rathe, der auch die Beschwerde gegründet fand, und dem Pfarrer die Auszahlung des vorenthaltenen Geldes anbefahl. Statt dies aber zu thun, begann Scbildt seinen, Gegner häretischer Gesinnung zu beschuldigen, Hess dessen Stuhl in der Kirche wegnehmen und excommunicirte ihn endlich. Dadurch war Corvin genölhigt, seine Stellung aufzugeben, doch klagte er beim Znaimer Rathe über die Eigenmächtigkeit Schildt's; aber der Rath, im entscheidenden Augenblicke mehr von seinem Gegner beherrscht, gab ihm am 19. December 1579 die Antwort, er könne in diesem Streite nicht entscheiden. Sitzb. d. phil.-hist. Cl. XVIII. Bd. I. Hft. 4 50 A n t o n G i n (] e 1 y. In unmittelbarer Nähe von Znaim liegt das Kloster Brück. Der Abt desselben, Sebastian Freitag, hatte schon lange mit Unwillen nach Znaim gesehen und im Allgemeinen (im August 1579) dem Kaiser geklagt, dass sich dort sectische Priester aufhielten. Schon im fol- genden Monate beauftragteRudolf den Landesunterkämmerer Nikolaus von Hradek mit der Untersuchung des Gegenstandes, doch, wie es scheint, vergeblich. Inzwischen hatte sich Corvin, über seinen Geg- ner erbittert und gewillt, gegen ihn beim Kaiser zu klagen, dem Abte genähert, hatte ihm einen Abriss des Lebens und Thuns Schildt's gegeben und aufgefordert, gegen ihn beim Kaiser zu klagen. Dies that auch der Abt am 7. Jänner 1580. Corvin selbst sandte eine Klageschrift am 18. Jänner an den Kaiser ab. In dieser erzählte er seine erlittene Verfolgung, die er habe von Schildt dulden müssen. Dieser sei weder Katholik noch Lutheraner, denn nirgends sei er nach seinem Abfall von der katholischen Kirche über die Augsburger Confession geprüft worden, übrigens halte er sich auch nicht nach derselben. In seinem Privatleben sei er faul, stehe spät auf, gebe sich dem Frass und der Völlerei hin, spiele beständig Karten und Würfel, habe nichts gelernt, kenne kaum ein wenig Latein, lese mit Mühe, obzwar er die Puncte am Würfel sehr gut ausnehme; habe seine Wohnung am Markte aufgeschlagen, um in den müssigen Stun- den am Fenster zu lümmeln, dominire unrechtmässig den Rath und die Stadt, reisse das Einkommen der Schule an sich, und verzehre jährlich über 800 Joachimsthaler. Schildt brachte es bald in Erfahrung, dass Corvin gegen ihn geklagt habe. Durch den Ansehluss an den Abt verlor er auch die Sympathien der Stadt, und so konnte es ersterer leicht beim Stadt- gerichte, mit dem er auf eben so gutem Fusse wie mit dem Magistrate stand, durchsetzen, dass Corvin vorgeladen und gegen jedes Recht aufgefordert wurde, zu erklären, welchen Inhaltes seine Klage sei ')• Dies erbitterte diesen so sehr, dass er sich nicht enthalten konnte den Schildt einen alten (nicht angegeben) zu schelten. Nun klagte Schildt wegen Ehrenbeleidigung, eine der schwersten Klagen, die man noch im 10. Jahrhundert erheben konnte. Das Gericht nahm die Klage an und verpilichtete den Corvin sich jederzeit gegen die- selbe verantworten zu wollen. ») Ddo. 1. Febr. 1S80. Beiträg-e zur Geschichte der Zeit Rudolfs II. ^ | Auf die eingelaufenen Klagen trug Rudolf dem Bischöfe von Olmütz, Stanislaus, auf mit dem Landesunterkämmerer nach Znaim zu reisen und die Streitigkeiten zu untersuchen, „da es sich um geistliche Personen handle, die unter seine Gerichtsbarkeit gehörten". Beide machten sich auf den Weg um den ihnen ertheilten Auftrag zu erfüllen. Schon waren an den Bischof von Corvin zwei klägliche Briefe (ddo. 15. März und 10. April) eingelaufen, in denen ihn dieser um die Beschleunigung seines Processes ersuchte, seine Lage sei in Znaim unerträglich, kaum dass ihn mit seinem Weibe Jemand im Quartier dulde und er nicht, gleich einem Hunde, auf der Gasse wohnen müsse. Freitag vor Georgi 1S80 erschienen die beiden Commissäre bei Znaim. Sie steigen im Kloster des Abtes Sebastian Freitag ab. Sta- nislaus sandte drei seiner Diener in die Stadt zu Schildt, und forderte ihn auf, alsbald vor ihm zur Verantwortung zu erscheinen. Ihnen entgegnete der Vorgeladene, er sei gewillt dem Bischöfe „debitam obedientiam praestare", doch zieme es ihm nicht dies ohne Vorwissen des Bürgermeisters zu thun. Kaum hatten die Diener Stanislaus die Antwort mitgetheilt, erschien aus der Stadt eine Deputation, beste- hend aus 4 Bürgern mit dem Rathsschreiber Job. Opius an der Spitze. Nach geschehener Begrüssung erklärten sie , sie hätten so eben erfahren, dass ihr Prediger der schon auf das 2ä. Jahr das Wort Gottes ihnen mittheile, citirt werde, es sei ihr sehnlicher Wunsch, die Ursache dessen zu wissen. Darauf erwiderte der Bischof, er habe mit den Bürgern nichts zu schaffen, sondern vom Kaiser seinen Auftrag, der sich nur auf Schildt und Corvin beziehe; sie möchten sich mit dieser Antwort begnügen und in nichts mischen, was sie nicht angehe. Da Schildt seinem Diener zur Antwort gegeben habe, er kenne seine Pflicht, müsse aber früher dem Bürgermeister eine Anzeige von seiner Citation machen , so sei leichtlich zu ersehen, dass wenn er mit seinem Erscheinen zögern würde. Niemand anderer als die Bürgerschaft selbst daran Schuld trüge. Auf dies verlangten die Abgeordneten die Erlaubniss, einen Augenblick unter einander sich beralhen zu dürfen, und nachdem sie abgetreten und wieder erschienen waren, erklärten sie dem Bischöfe, dass sie dem Rathe einen Bericht erstatten und morgen wiederum ihm eine Antwort bringen würden. Darauf dieser: sie möchten eindringlich ihren Mitgenossen auseinandersetzen, wie sie diese Angelegenheit gar nichts angehe und sie nur dem Befehle des Kaisers zu gehorchen hätten. Allein noch 4* 32 Ant 011 Ci iüdely. an demselben Tage Abends kam eine verstärkte aus 8 Personen bestehende Stadtdeputation mit dem Schreiber Opius an der Spitze in das Kloster. Sie verlangte mit dem Landesunterkämmerer zu sprechen. Er war gerade vom Nachtessen aufgestanden, ungesäumt gab er dem Verlangen Gehör und Hess die Bürger vor sich. Nachdem er eine gute Stunde mit ihnen gesprochen, verlangten sie von ihm, er möge ihnen noch beim Bischöfe eine Audienz auswirken. Dieser war schon halb ausgekleidet und verweigerte dem Unterkämmerer die Gewäh- rung der Bitte, gab aber endlich doch seiner Fürsprache nach. Die Vorgelassenen erklärten, ihr Prediger könne sich nicht ausserhalb Znaim stellen; wolle sich aber der Bischof in die Stadt verfügen, so werde er sich ungesäumt verantworten. Stanislaus erwiderte, er wundere sich, wie sie sich nicht mit seiner frühern Antwort begnügt hätten, und sich gleichwohl vorsätzlich in Sachen mischten, die sie nichts angingen. Sie müssten doch wohl die Einsicht haben, wie es sich nicht für ihn schicke, dem Prädicanten zu Gefallen in die Stadt zu fahren. Werde sich dieser nach dem Befehle des Kaisers vor ihm stellen, so werde ersieh nach dem gnädigen Willen des Kaisers gegen ihn zu verhalten wissen, er habe sich durchaus nicht zu fürchten, dass ihn gegen des Kaisers Willen etwas Härteres begegnen könnte. Er (der Bischof) habe die Absicht gehabt in der Stadt abzusteigen, allein gerade bei der Einfahrt ins Thor sei ihm der Abt begegnet und habe ihn ersucht bei ihm Ouartiei* zu nehmen. Nichts destowe- niger baten die Bürger den Bischof in ihre Stadt zu ziehen, er habe keine Verpflichtung eingegangen, den angeregten Streit ausserhalb derselben zu entscheiden. Als sie sich mit diesen Worten entfernen wollten, sagte ihnen nochmals Stanislaus, sie möchten sich nicht in eine ihnen fremde Angelegenheit mengen und bedenken, welche Folge diese unberufene Einmischung für sie haben könnte; da es nun Nacht sei, so möchten sie sich entfernen aber dafür sorgen, dass der Prä- dicant am andern Morgen um die achte Stunde im Kloster zur Ver- antwortung sich stelle. Würde dies nicht geschehen, so würde er alsbald an den Kaiser einen Bericht erstatten, wie seine Autorität geachtet werde, und nicht länger auf das Erscheinen des Prädicanten warten, sondern anderer Beschäftigungen wegen wegfahren. Am andern Tage zeitlich Früh schickte der Bischof seinen Hof- marschall Herrn Johann Wlcek von Dobfenic, dann den Verwalter des Wischauer Gutes Ritter Peter Nesilowsky von Nesilow nebst Beiträg'e zur Geschichte der Zeit Rudolfs II. Öd mehreren seiner ersten Diener nach Znaim zu Schildt, um ihn zu ermahnen in ihrer Begleitung im Kloster sich einzufinden. Er habe keine Gefahr zu befürchten, so frei wie er kommen würde, könne er auch sich entfernen. Als die Abgesandten zu seiner Wohnung kamen und von einem Bürger erblickt wurden, schloss dieser, ihre Absicht merkend, das Hausthor schnell zu. Der verlangte Einlass wurde ihnen verweigert mit dem Bedeuten, der Prediger sei nicht zu Hause. So kehrten sie unverrichteter Dinge ins Kloster zurück. Inzwischen waren aber im Kloster Herr Christoph von Lamberg und Herr Albrecht Eizinger auf Veranlassung Schildt's erschienen und baten in seinem Namen den Bischof, er möge sich in der Stadt einfinden, dort wolle sich der Prädicant bereitwillig stellen. Wolle der Bischof seinen Bitten nicht nachgeben, so möge er wenigstens ihren Fürbitten Bechnung tragen. Darauf Stanislaus: ihm als Bischof und Vorge- setzten des Schildt, als Commissär des Kaisers zieme es keineswegs jetzt in die Stadt zu gehen, nachdem er es nicht früher gethan. Schildt habe sich im Kloster zu stellen, er habe nicht die mindeste Ge- fährde zu befürchten. Auf diese feierliche Versicherung entgegneten die Herren: da sie einsähen, dass ihrem Schützling keine Gefahr drohe, so würden sie für sein Erscheinen sorgen und selbst mit ihm erschei- nen. Obzwar ihnen entgegnet wurde, ihre Anwesenheit sei nicht im mindesten nöthig und ihre Mühe eitel, so erscheinen sie gleichwohl in kurzer Zeit mit Schildt und Corvin vor dem Bischöfe, der von einigen Geistlichen und Laien umgeben war. Stanislaus eröffnete nun allen Anwesenden den an ihn ergangenen Befehl des Kaisers, die Klage des Corvinus und die Puncte wegen derer Schildt in Anklagestand versetzt sei. Während dem dies im Innern des Klosters vorging, sammelte sich vor demselben eine grosse Menschenmenge, darunter mehrere Hundert mit Schiessgewehren und anderen Waffen versehene Männer. Obgleich es stark regnete, wichen sie doch keinen Augen- blick vom Platze, sondern harrten bis zum Abend aus, nachdem das Verhör mit Schildt beendet war. Das mit Schildt angestellte Verhör über verschiedene Puncte der Religion stellte es unzweifelhaft heraus, dass er von der katholischen Kirche abgefallen war, da er durchaus seine Gesinnung nicht verhehlte. Auch über des Corvinus Klagen wurde inquirirt, doch nur obernächlich. Nach Beendigung des lange dauernden und zu Protokoll genommenen Verhörs wollte der Bischof alle Znaimer entlassen. Nun baten aber ö4 AnfoiiGindely. die Beschützer Schildt's, der Bischof möge ihnen eine Abschrift der Klagsciirift Corvin's geben. Dies verweigerte dieser, wiederum eriilä- rend, sie hätten nichts mit der Sache zu tbun, er werde nicht unter- lassen dem Kaiser über ihre Zudringlichkeit Bericlit zu erstatten, auch nicht unerwähnt lassen, wie mehrere hundert Bewaffnete in drohender Haltung den Tag über bei dem Kloster sich angesammelt, was ohne die augenfällige Beschützung des Prädicanten nicht geschehen wäre. Nach gepflogener Untersuchung sendete der Bischof alle Schrif- ten an den Kaiser und stellte den Antrag, den Schildt aus allen öster- reichischen Ländern zu verweisen. Ein Gleiches sollte mit seinen Gesinnungsgenossen geschehen. Budolf billigte den Antrag (Dinstag nach Himmelfahrt löSO), verlangte aber in der Überschätzung seiner Ausdauer von den Commissären einen Vorschlag, wie die Znaimer wegen ihres ungesetzlichen Benehmens gestraft werden könnten. Bald aber besann er sich eines andern. Am 15 Juni verlangte er von ihnen einen Vorschlag, wie Schildt ohne jeden Lärm entfernt werden könnte, zugleich trug er den Znaimern streng auf, wenn sie sich seiner Gnade versichern wollten, den Schildt in seiner bevorstehen- den Abreise nicht zu hindern, sonderti ihm die Entlassung sobald er es verlangen würde, zu geben. Der Befehl an die Znaimer lautet nach gleichzeitiger lateinischen Übersetzung, die ich mit dem böhmischen Original vollkommen in Einklang stehen fand, so: Budolphus etc. Celare vos nolumus, quod (pro potestate nostra) decrevissemus ut Georgius Schildt apud Sancti Michaelem in civitate vestra concionator jiistis et legitimis de causis, accepta a vobis migrandi facultate ititra determinatum temporis spatium inde, atque adeo ex toto Marchionatu nostro Moraviae discederet. Proinde serio vobis committimus mandantes, cum praedictus concionator pro decreto nostro a vobis discedendi potestatem postularit, acceperitque, ejus ne votis adversemini, potius in eam curam incumbentes, ut inde pacifice et absque late divaganli rumore, alio comigret, certo sibi persuadens, ubi secus fecerit, gravius in se a nobis (pro eo ac sequitas postulat) animadversum iri. Porro quemadmodnm vubis anno domini 1S77 pariter cum aliis civitatibus nostris Marchionatus Moraviae inviolabilibus in mandatis dedimus, qui esse apud vos et vigere religionis Status debeat, quatenus sectarum errorumque incre- mentis mature ac salubriter obviaretur, nee non illegitimi sacerdotes buccinatores inde amoverentur, ita nunc quoque plane nobis constamus Beiträge zur Geschichte der Zeit Rudolfs II. S5 vobisque sei'io ac pro imperio nostro injungentes , ne iinqiiam posthae quocunque modo, ratione seu colore concionatorem ad S. Michaclem in civitate vestra aut in suburbio, quocunque tandem in loco praeter sententiam ac voluntatem Reverendi Stanislai Episcopi Olomucensis moderni aut successorum ipsius Episcoporuni Olomu- censium suscipiatis, vel susceptum patiamini. Sed quando aliqua paroehia secundum jus patronatus vobis comissa vacaverit, curatote, ut parocbus in illam promovendus Episcopo Olomucensi sive moderno sive futuro tanquam legitimo lociordinario vestro praesentetur, prae- sentatus, tandem si legitimus, dignus eo munere ac inculpatae vitae fuerit, ad debita parocbi munia obeunda primo subrogetur, secus non facientes. Datum Pragae in arce nostra feria tertia post S. Vitum 1S80. Indem auf diese Art der Process jedenfalls zu Gunsten des Cor- A'inus entscbieden schien, verlangte dieser vom Znaimer Rathe, dass Schildt vor seiner Abreise zu einem Schadenersatze für wirklichen Verlust und für erlittenen Kummer an ihn verhalten werde. Er hatte aber nicht nöthig auf den Ersatz zu dringen aus Furcht, Schildt werde zu bald abreisen. Vielmehr legte der Rath den kaiserlichen Ausweisungsbefehl ad acta und Hess Schildt ungehindert sein Amt verwalten und seine Pfründe geniessen. Corvin fand es bald auf ver- schiedene Andeutungen gerathen, trotz dem, dass der Kaiser es mit ihm hielt, mit seinem AVeibe Znaim zu verlassen. Er ging nach Brunn und klagte da beim Landrechte auf Schadenersatz. Eine Cita- tion erging an Schildt, in Brunn zu erscheinen. Allein dieser, auf die geheimeGunst des Landeshauptmannes und der Richter nicht mit Un- recht bauend, erschien nicht. So blieb dem Corvin nichts anderes übrig, nachdem er Brunn vergeblich mit seinem Klagegeschrei erfüllt hatte, als nach Prag zu ziehen um sieh unmittelbar an Rudolf zu wenden. Er überreichte ihm eine mit vieler Zierlichkeit abgefasste lateinische Klageschrift die, wenn Rudolf erregbar gewesen wäre, ihn bei seinem llerrschergefühl hätte angreifen müssen. Er musste auf eine beredte Weise geschildert lesen, wie ein Prädicant, ein Stadtrath und ein Landesgericht um die Wette seine Befehle höhnten, wie jener der seine Autorität angerufen, verjagt aus Znaim, ver- lacht in Brunn, endlich wie ein Bettler in Prag anlangte, er musste lesen, wie erst seine Protection das Übermass des Elends auf den Supplicanten heraufgewälzt habe. In der am 27. December über- ö6 Anton Gindely. reichten Bittschrift rechnete Corvin seinen Schaden auf 2000 Thaler. 700 Thaler habe die Reise nach Brunn, Prag und andere Verluste in Anspruch genommen, 300 Thaler betrage der Verlust eines Jahres an sonst gewordenem Erwerbe. 1000 Thaler verlange er als Ersatz für den erlittenen Kummer und Schimpf, der ihm eigentlich nie bezahlt werden könne. Schon zwei Tage später fasste diesmal Rudolf einen Entschluss, er trug dem Bischöfe von Olmiitz auf, beim nächsten Landrecht in Brunn den Streit zwischen Corvin einerseits und dem Znaimer Rathe und Schildt anderseits zur Entscheidung zu bringen. Das worüber das Landrecht zu entscheiden hätte, betraf aber nur die Schadenersatzklage; die über Schildt verhängte Aus- weisung habe, sollte man denken, noch in Kraft bestanden, ja hätte eigentlich noch strenger wiederholt werden müssen. Weit gefehlt. Der Landeshauptmann brachte es durch eine Vereinigung der Stände dahin, dass dem kaiserlichen Befehle keine Folge gegeben wurde; Rudolf that nichts gegen diese Opposition. In einem Memoriale welches zu Händen des Bischofs verfasst war, ist auf scharfe Weise der Einfluss des Landeshauptmanns Hanus Haugwic von Biskupic geschildert. Es hatte die Bestimmung, dem Kaiser überreicht zu werden. Bei dessen Lesung wird es uns nicht wundern, wenn des Kaisers Befehle missachtet wurden, da dessen erster Landbeamte sich offen an die Spitze seiner Feinde stellte. Der Inhalt des Memorials ist folgender : Quod CapitaneusMoraviae,ubicun(|ue potest religionis catholicae promotioni suis artibus et machinationibus renitatur. Exemplo est, quod eo praecipuo authore literas a tribus statibus Moraviae ad Suam Majestäten! in causa permittendi illis hereticos parochos, Neotici- nenses impetrarint, idem quod minus mandata SuaeMajeslatis ratioiie Georgii Schilt Znoyma amovendi executionem suam habuerint, impe- divit. Idem quandoProstannensis minister cum Kostelicensicapti erant, omnem movebat lapidem, ut dimitterentur. Idem mandata Caesarea de non imprimendis libris haereticis, neque in Moraviam invehendis, aut venundandis, non publicavit. Deinde tutelam orphanorum Vasallorum contra juris feudalis dispositionem sibi violenter arrogare nititur. Tum Vasalli Episcopi ad literas confoederationis publicae suas quoque apponere sigillaque imprimere urgentur, cum tamen, quatenus Vasalli sunt, ad id non teneantur, siquidem Dominus Reverendissimus Beiträg^e zur Geschichte der Zeit Rudolfs II. Öl suum sigillum pro se et omnibus suis Vasallis praedictis literis con- foederationis imprimat. His ipsius conatibus caeteri quoque audaciores efficiuntur, ad injurias Clero faciendas. Census annui Clero debiti non solvuntur opor- tune, quando monentur eo nomine, iit solvant, desaeviiint, probris proscindunt et tantum non manus violentas illi injiciunt. Ex multis unum afferam, ex quo, quam injurii sint ceteri in Clerum, conjicias. Joannes enim Kenias, antequam ab Abbatissa Pustomeriensi praesen- tatus et a Reverendissimo confirmatus parochus Bnyensis Kilianus Nowak fuisset, reiietas decimas post M. Jacobum Halecium ejusdem loci parocbum, quum ad Abbatissam , ut Collaturae jure, pertinebant sibi per fas nefas usurpavit, deinde eundeiu Kilianum multis aft'ecit injuriis, aditu templi sicut et munia parochialia exequendi facultatem probibuit, subditis interdixit quoque, ut eum non audirent. So seben wir auch in diesem Streite Rudolf nach mannigfachen Anstrengungen, Refehlen und Drohungen ermüdet durch den Wider- stand seiner Gegner in kurzer Zeit aus dem Felde geschlagen. III. Rudolf gegen Herrn Llnhart von Stampach. Nachstehende Erzählung ist aus dem Ms. IS, C. IG, fol. 206 u. s. w. der Prager Universitäts-Ribliothek, dann dem Ms. 3, G. 1 der böhmischen Museums-Bibliothek geschöpft. Revor die Stadt und Herrschaft Kommotau in Böhmen in den Besitz der Familie Lobkowitz kam, war auf ihr der utraquistische Gottesdienst ohne alles Hinderniss geübt worden. Natürlich fand auch da das Lutherthum, wie überall sonst in Böhmen, Eingang. Als jedoch die Lobkowitze in den Resitz kamen, haben sie auch hier im Sinne der katholischen Kirche reformirt. Georg von Lobkowitz ent- fernte die theils utraquistischen theils lutherischen Pfarrer von ihren Pfründen und besetzte sie mit Geistlichen sub una. Nach Kommotau selbst führte er im Jahre 1591 die Jesuiten ein. Dies so wie die Verordnung, dass bei dem Leichenzuge eines ohne Sacramente Ver- storbenen keine Glocken ertönen dürften, erbitterte die Bürger der Stadt auf das höchste. Ein Aufstand brach bei Gelegenheit der Einhal- tung obiger Verordnung aus, er richtete sich gegen die Jesuiten, und nur mitLebensgefahr retteten siesicli aus der Stadt. Für den Aufstand und angerichteten Schaden musste die Gemeinde büssen. Fünf Personen Öö A n t o n (iln (lel y. wurden hingerichtet. Der Sehaden mussie völlig ersetzt werden, die Privilegien wurden der Stadt genommen und nur auf inständiges Flehen derselhen von Georg Popel von Lobkowitz wieder gegeben. Die Praktiken, in die sich Georg Popel gegen Rudolf II. im Jahre 1593 einliess, durch die er den Kaiser zwingen wollte, ihn zum Obersfburggrafen zu ernennen, kosteten ihm trotz seiner hohen Ver- bindungen und selbst seiner Freundschaft mit dem päpstlichen Hofe die Freiheit und seine Güter. Mehrere derselben behielt der Kaiser einige Jahre in seiner Verwaltung, bis er durch Geldnoth gedrängt einige zu verkaufen sich genöthigt sah. So löste er die Herrschaft Kommotau von der Stadt Kommotau und einem Theile ihres frühern Bestandes ab und trug sie dem Herrn Linhart von Stampach 1605 zum Kaufe an. Stampach war ein entschiedener Protestant. Er wusste welche Veränderung in religiöser Beziehung durch Georg Popel ange- stellt worden, und er zweifelte durchaus nicht, dass durch die Jesui- ten eine Veränderung in den Gesinnungen der Einwohner vor sich gegangen war. Bevor er also die Herrschaft kaufte, die ihm wahr- scheinlich um einen billigen Kaufschilling angeboten worden war, wollte er mit Bestimmtheit wissen, welche Umänderung er sich erlauben dürfte. Er stellte also die Anfrage, ob er in den Besitz des Patronatsrechtes in demselben Umfange, wie es Georg Popel geübt, kommen werde. Dies wurde ihm zugesagt, freilich von Seite des Kaisers in der stillschweigenden Voraussetzung, dass Herr Stampach fernerhin , wie es jetzt zu Recht bestehe, katholische Priester einsetzen werde, von Seite Stampach's aber in dem Sinne gedeutet, dass er sich dieselbe Änderung in entgegengesetzter Weise erlauben dürfe, welche die Lobkowitze bei der Erwerbung Kommotau^s vorgenommen. So ward also der Kauf im Jahre 1605 abgeschlossen und ein Theil des Kaufschillings vom Käufer sogleich erlegt. Kaum sah sich Herr Linhart von Stampach im Besitze seines neuen Gutes, so hatte er nichts eiligeres zu thnn, als mehrere katho- lische Pfarrer von ihren Beneficien Avegzujagen und an ihre Stelle lutherische Prediger einzusetzen. Selbst an ihrem Eigenthume ihnen Schaden zuzufügen, kümmerte ihn wenig. Als die Jesuiten in Kommotau von dem Loose der vornämlich durch ihre Empfehlung ehedem eingesetzten Pfarrer Kenntniss i erhielten, so berichteten sie darüber an den Kaiser und ersuchten ihn durch ihre Freunde um seinen Schutz. Beitrüge zur Geschichte der Zeit Rudolfs II. o" Soviel stand bisher unzweifelhaft in Böhmen fest, dass es von dem Grundherrn ahhing, ob er an seine Pfarren Geistliche sub una oder sub utraque einführte, wofern die letzteren sich nach dem Prä- ger untern Consistorium richteten und nicht etwa Lutheraner waren. Um die Zeit vollends bestand zwischen den katholischen Geistlichen sub una und sub utraque kein Unterschied mehr, seitdem vom Papste der Gebrauch des Kelches gestattet war, und selbst von den Jesuiten in ihren Kirchen ausgetheilt wurde. Allein der BegritT sub utraque hatte auch eine andere Bedeutung gewonnen; die sich damit seit den letz- ten Decennien des 16. Jahrhunderts, vornämlich seit dem Landtage von 157S benannten, waren zuversichtlich nichts anderes als Luthe- raner und Brüder. Man kann es weiter nicht in Abrede stellen, dass katholische Herren bei der Erwerbung von Gütern deren Einwohner von früherher lutherisch waren, ihre Religion mehr oder minder gewaltsam im Allgemeinen auf die Weise einführten, dass sie die früheren Priester wegjagten und neue einsetzten. Allein auch luthe- rische befolgten dieses zuerst von ihnen gegebene Beispiel, und so war der Unterthan in Böhmen ebenso ein Spielball seiner Herren, wie in Deutschland seiner Fürsten. Bei einer so furchtbaren Ver- kehrtheit der Verhältnisse, wo die Sorge für das eigene Seelenheil nicht Sache des BetrefTenden, sondern Gegenstand der Entscheidung seines privilegirten Herrn ist, ist der Historiker in Verlegenheit, welches Urtheil er über die gewaltsamen Reformationen und Gegen- reformationen fällen soll. Es dürfte nicht schwer sein, den Beweis durchzuführen, dass das Privilegium der Gewissensfreiheit des Adels weit mehr geschadet hat, als wenn die Gewissensfreiheit eine allge- meine gewesen wäre. Schliesslich muss es die Vorsehung so ein- richten, dass in Glaubenssachen auch das einfache Gemüth ohne Zwang den rechten Weg findet. Dehnte sich aber die Freiheit des Adels in Böhmen so weit aus, dass er unter dem Vorwande, blos Geistliche sub utraque anzustellen, eigentlich lutherische Geistliche anstellen durfte? Dies wurde ent- schieden nach der jeweiligen Macht des Adels und Ohnmacht des Königs. Unter Ferdinand L verpönt, war es unter Maximilian IL gestat- tet, unter Rudolf iL wieder angefochten. Das erste Missfallen über Stampach's Beginnen gab Rudolf in einer Zuschrift an ihn Donnerstag nach dem Sonntage Judica IGOG zu erkennen, in welcher er ihm anbefahl, die eingeführten Pfarrer 60 Anton Gindely. ZU entfernen und die vertriebenen aufzunehmen, weil die ersteren weder nach dem Prager katholischen noch utraquistischenConsistorium sich richten, sondern nichts anderes als Landstreicher seien. Da aber Linhart diesem Befehle nicht gleich nachfolgte, auch sonst seine Missachtung des Kaisers an den Tag gelegt haben mochte, so befahl ihm dieser (ddo. Freitag nach dem Sonntage Jubilate 1606) nach Prag zu kommen und in der böhmischen Kanzlei zur Verantwortung über sein eigenmächtiges Beginnen sich zu stellen. Auf diese doppelte Mahnung erwiderte Stampach nach einiger Zeit mit einer Zuschrift an den Kaiser. Als ihm , heisst es darin, Theile der Kommotauer Herrschaft zum Verkaufe angetragen worden wären, behaupteten die Jesuiten in Kommotau, dass ihnen in demsel- ben alle CoUaturen gebührten. Da habe er dem Kammerpräsidenten erklärt, sich in keinen Kauf einlassen zu wollen, wofern ihm die CoUa- turen nicht gleicherweise erblich verkauft würden. Da wäre von Seiner Majestät Beamten entschieden worden, dass die Jesuiten nicht Be- sitzer der CoUaturen wären, sondern dieselben erblich an den Käufer übergingen. Nun habe er den Priestern an den ihm rechtmässig gebührenden Pfarreien, von denen er bemerkt habe, dass sie eine Herrschaft über ihn ausüben wollten, keineswegs aber zum Schimpfe der katholischen Religion erklärt, sie möchten sich andere Pfarreien aufsuchen, er werde diesselben mit Priestern seiner Religion, das ist der utraqu istischen, besetzen. Dies könne ihm durchaus nicht gewehrt werden, denn so wie es überall den Herren sub una gestattet sei, die Pfarren mit ihren Geistlichen zu besetzen, und utraquistische Pfarrer wegzuschicken, so müsse es auch ihm und dies um so mehr gestattet sein, als auf den neu angekauften Gründen ehedem nur utraquistische Geistliche ihren Sitz gehabt hätten, die von den früheren Besitzern unterdrückt worden wären. Endlich habe er nur unter der Bedingung, dass er erblicher Collator werde, einige Raten des Kaufschillings berichtiget. Diese Entschuldigung und Beweisführung übte auf den Kaiser keinen Einfluss. Unter dem Datum Freitag auf Himmelfahrt Christi befahl er wieder dem Stampach, er solle die weggejagten Pfarrer einsetzen, die eingesetzten entfernen, weil diese sich weder nach dem einen noch nach dem andern Prager Consistorium richten. An- statt zu gehorchen, erwiderte jener: nur den Einflüsterungen seiner Feinde, der Jesuiten, glaube er es zuschreiben zu müssen, dass der Beiträge zur Geschichte der Zeit Rudolfs II. 61 Kaiser so ungnädig gegen ihn verfahre. Er bitte den Einflüsterungen derselben kein Gehör zu geben. Die eingesetzten Pfarrer könne er keineswegs entfernen, da er nach dem Kaufvertrage erblicher Col- lator sei. Auf den erneuerten Befehl Rudolfs (ddo. Freitag nach Margaretha) erwiderte Stampach dasselbe. Der Kaiser lasse sich von den Jesuiten etwas einreden, die seine Feinde seien. Er sei erblicher Collator und werde nicht von seinem Rechte weichen. Wenn es dem Kaiser beliebe, möge er ihn vors Landrecht stellen und dort verklagen, er werde sich zu verantworten wissen. Indessen waren bei Rudolf auch Klagen der vertriebenen Pfarrer über Eigenthumsverletzungen eingegangen. So hatten die meisten im Herbste die Äcker bestellt, da sie aber im Frühjahr weg- gejagt wurden, war die geschehene Aussaat für sie verloren. Sie verlangten wenigstens diese ersetzt. Dem Pfarrer Benedict Sadeler nahm sogar Stampach sein Eigenthum, sei es in beweglichem Gute, sei es in liegenden Gründen, weg; andere katholische Geistliche die sich noch auf seiner Besitzung aufhielten, quälte er auf verschiedene Weise; neuerlich erst entfernte er drei katholische Pfarrer die er bislang in einem der Städtchen gelassen, mit Gewalt von ihrem Amte. In Kenntniss von allen dem gesetzt, gebot Rudolf (ddo. Samstag nach Laurentius), die Leistung des Schadenersatzes an die Vertrie- benen und (ddo. Samstag nach der Apostelvertheilung 1607, also nach mehr als 11 Monaten) einen Schadenersatz an Benedict Sadeler, dann (ddo. Dinstag den 24. Juli 1607) das Erscheinen des Stam- pach in der böhmischen Kanzlei zur Verantwortung. Auf keinen der drei Befehle gab dieser dem Kaiser eine Antwort; endlich schrieb er nach dem letzten an den Kanzler, dass er den königlichen Befehlen nicht entsprechen könne noch werde, es möge ihn Rudolf vor das Gericht fordern. Dies geschah aber von Seite Rudolfs nicht; er begnügte sich mit der Wiederholung in den Wind gestreuter Befehle. Während dem starb Linhart von Stampach in dem Alter von ungefähr 80 Jahren. Alsbald wiederholte der Kaiser an die Söhne Johann Regiidiard, Johann Heinrich, Mathias und Linhart die Befehle, die er so oft ver- geblich dem Vater gegeben. Die Nachkommenschaft hielt sich ganz nach dem Muster des Vaters. Der ausgebrochene Kampf zwischen Rudolf und Mathias und der crtheiitc Majestätsbrief sicherten endlich den Sieg der Stampachc und vollendeten die Niederlage des Kaisers. Oä Anton Gindely. Beitriig'e zur Geschichte der Zeit Rudolfs II. Um sich aber sicher zu stellen, traten die genanuten 4 Söhne vor den Landtag des Jahres 1609, legten demselben den Streit ihres Vaters und ihrer selbst mit dem Kaiser und den Jesuiten über die Colla- turen vor und verlangten von ihm Schutz gegen jede mögliche Beeinträchtigung ihrer Rechte. Eine solche trat gewiss unter Rudolfs und Mathias' Regierung nicht mehr ein. Anstatt ein Resume am Schlüsse dieser längern Abhandlung zu ziehen, verweisen wir nur auf das was Eingangs gesagt worden. Nur das mag noch hinzugefügt werden, eine ins Detail gehende Bearbeitung der Thätigkeit Rudolfs als Herrschers, abgesehen von seinem Kampfe mit Mathias, also eine dadurch erlangte Kenntniss der Innern Um- wandlung die in den böhmischen Kronländern unter Rudolf vor sich ging, erscheint unbedingt nothwendig neben vielfachen andern Arbei- ten, wenn die Geschichte Böhmens innerhalb des Zeitraumes von 1600 bis 1620 geschrieben werden soll. Welche grossartige Ergänzung der österreichischen Geschichte, wenn diese Aufgabe gelöst werden wird ! Jose|)li Chmel. Habsburgische Excurse. ÖO SITZUNG VOM J4. NOVEMBER 1853. Gelesen: Habsburgische Excurse. VI. (1. Abtheilung.) Von dem w. M., Hrn. Regierungsrathe Jos. Cbnicl. Indem ich an die in den beiden Excursen III und IV beliaiidelfe Zeit der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts anknüpfe, fulire ich fort, die Verhältnisse des hahshurgischen Hauses und der von ihm regierten Länder in diesem Zeiträume zu beleuchten; in der leb- haften Überzeugung, durch derlei kritische Erläuterungen die eine künftige gründliche Geschichte unseres Vaterlandes vorbe- reiten sollen, den Freunden und Kennern derselben die Nothwen- digkeit einleuchtend zu machen, die Forschung in grossartigerer Weise zu fördern, als es bisher geschah. AVenn irgend ein Zeitraum der vaterländischen Geschichte in seiner wahren und überzeugenden pragmatischen Entwicklung noch weit zurück und in trostloses Dunkel gehüllt ist, so ist es die Zeit von 1438 bis 1458, und je mehr ich darüber forsche und daran arbeite, desto lückenhafter, ja verwirrter erscheint mir das bisher als Geschichte Geltende. Insbesondere ist aber das Jahr 14S2 und seine Geschichte ganz geeignet, einen gewissenhaften Geschichtschreiber wahriiaft zu peinigen. Nicht etwa aus Verzweiflung, jemals ins Reine zu kommen, sondern aus Sehnsucht nach solchen Quellen die wahr- scheinlich existiren und deren Verön'entlichung seiner Noth ein Ende machen könnte. Derlei Quellen sind nicht etwa Gcschichtschreiber, um- fängliche Chroniken und Darstellun gen deren es aus diesem Joseph Chrael. Zeiträume gewiss nur wenige gibt, es sind kleinere Berichte, ver- trauliche Briefe, auch Landtags-Verhandlungen, wenn es auch nur Bruchstücke und vereinzelte Nachrichten wären. Und derlei Ouellen existiren, man weiss es, man hat nicht blos Spuren; — jedoch ihre Benützung ist erschwert, unter gewissen Ver- hältnissen beinahe unmöglich. Ich will es versuchen, hier eine Darstellung des im Jahre 14S2 in Österreich Geschehenen zu liefern, wie sie nach den bisher bekannten Quellen möglich ist, und zugleich die Bedenken welche aufsteigen, die Lücken welche sich zeigen, die Zweifel welche sich nicht abweisen lassen, andeuten und zur Sprache bringen. Bekanntlich wurde im Jahre 1432 der noch minderjährige König Ladislaus Posthumus seinem Vormunde Kaiser Friedrich IlL auf gewalt- same Weise abgedrungen und in Freiheit gesetzt, oder vielmehr in ein Labyrinth von hitriguen und Einflüssen gebracht, die seinen Unter- gang und mit ihm eine Reihe von Begebenheiten herbeiführten, welche den Ländern deren Herrscher er sein sollte, ganz andere Schicksale bereiteten, als in Zeiten der Ruhe und Eintracht ihr Los gewesen wäre. Es handelt sich um Hochwichtiges, nämlich um einen gemein- schaftlichen Herrscher über höchst verschiedene ja entgegen- gesetzte Völker und Reiche. Dieser Herrscher der eine Riesenauf- gabe vor sich hatte, war aber ein zwölfjähriger Knabe, noch unent- wickelt, wenn auch nicht ohne Talent und Charakterstärke. Weder die ungrische noch die böhmische und mäh- rische Geschichte, ja auch nicht einmal die österreichische, wenn gleich an Quellen bei weitem die reichste, ist in diesem Zeit- räume (von 1438 bis 1452) zu einem befriedigenden Abschlüsse gelangt, es ist noch alles so nebelhaft und verschwommen, man kennt weder die Tendenzen der Parteien noch die einzelnen Personen so genau als es nöthig wäre, um mit fester Hand klar und deutlich die Geschichte der vorausgegangenen 14 Jahre aufzuzeichnen. Ist es ein Wunder, wenn auch das so folgenreiche Jahr 1452 uns in Vielem räthselhaft ist? Was nun die speciell österreichische Geschichte betrifft, so sind die bisher bekannten Quellen zur Geschichte dieser gewalt- samen Befreiung des Unmündigen zweifacher Art. I Habsburgische Excurse. 65 Erstens zwei gleichzeitige Geschichtsschreiber, zweitens mehrere Actenstücke und Briefe von den Betheiligten ausgegangen, nebst einzelnen chronistischen Daten. Die gleichzeitigen Geschichtsschreiber sind Thomas Eben- d orfer von Haselbach (im zweiten Bande von H. Pez Scriptores rerum Austriacarum) und Aeneas Sylvius Piccolomini (nach- maliger Papst Pius II.) in seiner Geschichte K. Friedrich's III. (bei KoUar, Analecta Vindobon. T. I). Die Actenstücke sind zerstreut bei Pr ay (Annales Hungariae T. III), KoUar (Analecta Vindob. II), Chmel (Materialien zur österr. Geschichte, 1. und 2.) u. s.w. Vgl. Regesten von Lieh nowsk y und Chmel. Thomas Ebendorfer ist gerade für diese hochwichtige Zeit äusserst mager, er beschränkt sich auf einige wenige Angaben und Reflexionen; wir werden selbe gelegentlich anführen *)• Aeneas Syl- vius ist sehr reich an Daten und Schilderungen, in gewisser Hinsicht auch sehr freimüthig und offen, aber äusserst parteiisch und mit grosser Vorsicht nur zu benützen, obgleich sich seine Geschichte durch Geschmack und Lebendigkeit auszeichnet. In Betreff der Actenstücke ist zu bemerken, dass ihr Abdruck theilweise sehr mangelhaft und unzulänglich ist. Indess König Friedrich die Kaiserkrone holte und politisch- religiöse Unterhandlungen betrieb . wurde in Österreich lebhaft agitirt. Ich habe im zweiten Bande der Geschichte K. Friedrich'sIV. etc. die ersten Erfolge der Eizinger'schen Umtriebe bereits geschildert, aber auch damals (also vor 12 Jahren) den Mangel genauer Daten über die allmähliche Entwickelung und den Fortschritt der Bewegung beklagt. Leider sind seitdem über dieses Fortschreiten keine neuen Aufschlüsse bekannt geworden, diese dürften wohl erst ^) Wir können hier nicht unteHassen, den dringenden Wunsch nach einer neuen, wo mögiich vollständigeren jedenfalls aber kritischeren Ausgabe Ebendorfer's (und zwar des gesaminten historischen Apparates von seiner llandj auszusprechen. — Ist auch P^hendorfer's Styl äusserst geschmacklos und l)arharisch, so enthält seine Chronik doch hiiclist wichtige Angaben, und eine umsichtige Kritik dürfte auch mehr Ordnung und Zusammenhang in dieses Geschichtswerk bringen, (iherhaupt wäre eine gründliche Monographie über diesen Schriftsteller in Verbindung mit einer Auswahl seiner Schriften (auch der Predigten) ein äusserst dankenswerther Beitrag zur österreichi- schen Literargeschichte. — Wer wird diesen Wunsch erfüllen? — Sitzb. d. phil.-hist. Cl. XVIII. Bd. I.JIft. 5 r ÖÖ Joseph Chmel. dann zu hoffen sein, wenn die Archive der Städte und Märkte, der Schlösser und Landsitze des Adels gründlich durch- forscht würden, eine Aufgabe die nur durch persönliche Untersuchung an Ort und Steile von Seite jüngerer tüchtiger Geschichtsforscher ausgeführt werden kann. Literarische Reisen sind unerläss- lich. — Eizinger und sein Anhang war unermüdlich, doch würde derselbe schwerlich etwas Bedeutendes ausgerichtet haben, er wäre wohl an der oft bewiesenen österreichischen Unbeweglichkeit (vis inertiae) gescheitert, wenn sich nicht ein anderes Element dazu gesellt hätte, das dem ganzen Unternehmen erst Halt und Nerv gab, und das war der Beitritt der allerdings mächtigen und einflussreichen Grafen von Cilli. Durch sie ward der Aufstand ausgebreitet, und ausserhalb Österreichs, namentlich aber in Ungern, die Bewegung immer drohender, da Viele aus den Gleichgiltigen, Unentschlossenen, ja selbst aus den zwar nicht Übelgesinnten wohl aber Furchtsamen und Vorsichtigen sich anschlössen, um nicht für unpatriotisch und „ihrem natürlichen Erbherrn" abgeneigt gehalten zu werden. Auf welche Weise dieser Ans chluss nun ausgeführt wurde, ist unklar, doch scheint ihn Eizinger nicht gesucht zu haben, sondern der ehrgeizige sich stets zurückgesetzt fühlende Graf Ulrich von Cilli glaubte diese willkommene Gelegenheit, Einfluss zu gewinnen, nicht versäumen zu müssen. Eizinger als „obrister Hauptmann von Österreich" brauchte vor Allem Geld, um seinen Anhang zu verstärken und sich und die Seinen zur bewaffneten Gegenwehr zu rüsten. Da die Landesrenten grösstentheils schon früher durch so viele Verpfändungen, um die alten Schulden die meist aus der Hussiten- zeit stammten, zu tilgen, in Beschlag genommen waren, so konnte der Beitritt so reicher Genossen, wie die Grafen von Cilli waren, dem Agitator nur höchst willkommen sein, obgleich schon damals ihn die Sorge beschleichen mochte, durch Grafen Ulrich verdrängt zu werden. Leider haben wir keine Register der Einnahmen und Ausgaben Eizingers als obersten Hauptmanns und Niclas Drugsetzens des von ihm bestellten Hubmeisters in Österreich, aus denen so manches über den Fortgang und die Mittel der Agitation zu ersehen wäre; was wir bisher davon wissen, beschränkt sieh auf vereinzelte Habsburgische Excurse. b7 'b Daten, wie sie aus mehreren Befehlschreiben, Bestandbriefen oder Quittungen geschöpft werden können *). 1) Wir wollen das uns Erreichbare hier zusammenstellen, möchte es doch vielfach ergänzt werden! — Wir haben hier wieder einen Fall, der übrigens nicht selten ist, dass an und für sich höchst unbedeutende Urkunden und Documente sehr interessante That- sachenherauszustellen beitragen könnten. — 1. Ulrich Eizinger von Eizing-, obri- ster Hauptmann in Österreich, «[uittirt dieStadt Linz über 313 Pfund 4 Schillinge Pfennige „an iren bestenndn der ambt daselbs und dem ungelt in Wechsenberger- Lanndtgericht die sy an irer raittung davon an den zwain nagstuergangen des 1430 und 1451 jarn nach lawt des ambtregisters schuldig sind warden". — Wien am Montag nach dem Prehemtag (10 Jänner) 1432. — Orig. Papier. Haus- und Staats-Archiv. Am 13. März 1432 erklärt Eizinger etc., dass die Stadt Linz die jetzt vorgestreckten 200 Pfund von dem Bestandgeld der nächsten zwei Jahre (für die Ämter) abziehen dürfe. Chmel, Regesten I. 2773. Am 28. Juli 1432 befiehlt Niklas Ürugsecz, Hubmeister in Österreich, dem Magi- strate der Stadt Linz von dem Bestandgeld der dortigen Ämter 36 Pfund und 3 Schil- ling dem Passauer Bürger Konrad Edliuger zu bezahlen für „9100 hawspheil die er von ihm zu des lanudes notdurften gekauft hat". — Die Quittung Edlinger's ist d. d. Linz, 2. August 1452. Hausarchiv. — 2. 1432, 14. Jänner. Eizinger etc. gibt der Stadt Klosterneuburg für die nächsten zwei Jahre den Weinungelt daselbst für jährliche 830 Pfund, das Gericht für 110 und die Mauth für 60 Pfund, zusammen 1020 und für die 2 Jahre 2040 Pfund in Bestand. Er erklärt zugleich , die Stadt habe 300 Pfund gleich vorgestreckt, welche am Bestandgelde dürfen abgerechnet werden. Chmel, Regesten 1. 2736. —3. Am selben Tage (14. Jänner 1432) gibt er der Stadt B gen- b u rg ebenfalls für die nächsten zwei Jahre um jährliche 700 Pfund den Weinungelt, das Stadtgericht, das Landgericht und das (früher zu Meissau abgehaltene) Hochgericht in Bestand. S. Chmel, Regesten I. 2737. Am 1 Februar erlegte die Stadt 200 Pfund. S.Lichnowsky, Bd. \1, Regesten Nr. 1623. Am 15. Juli 1432 befiehlt Niklas Drugsecz, Hubmeister in Österreich, der Stadt Egenburg, von dem Bestandgeld daselbst dem Lorenz Palterndorffer (dem man jährlich „zwjarsold gibt sechzig phunt phenning") 30 Pfund auszuzahlen. Hausarchiv. — Ebendaselbst befindet sich eine Quittung des Cristan von Tächnstein vom 20. Üecember 1432 (aus Wien) für die Stadt Ege n bu rg über 2 Pfund Pfge. „von des klainschenkampts wegen". Orig.Perg. — 4. Am 18. Jänner 1432 gibt Ulrich Eizinger der Stadt Enns für jährliche 900 Pfund Pfge. ebenfalls auf dieuiächsten 2 Jahre Mauth, Zoll, Ungelt und Gerieht daselbst in Bestand. Die- selbe streckte am «. März (1432) 400 Pfund vor. Chmel, Regesten I. 2758. Von Enns findet sich die Jahres-Hechnung für 1432 vor (im Hausarchiv), in der sie nachweist 880 Pfund, 3 Schillinge ausgegeben zu haben, folglich nur 19 Pfund 3 Schillinge (als Ergänzung auf die 900 Pfd. Pfge.) schuldig zu sein. — Unter den Ausgaben kommen vor: „auf potenlon — item von den brieten von der lanntschaft ausgangen gen Steyr in die Refier allen klöstern und Edellawten gesant, daraufgeben 34 Pfenning, it. zwen brief von den unngrischen Herren ausgangen an dem von Zelking und den annde.n Herren Hannscn von Neydegk gesanndt 28 pfenning". — Auch die übrigen Posten verdienen angeführt zu werden, a) 1432, 3. März. Hanns Feyrtag, Caplan der Capelle auf St. Jörgenberg zu Enns quittirt den Stadtriehter und Mauthner zu Enns Wolfgang Grunltner über 4 Pfund Pfge. als Quatemberabsehlags- zahlung seines Soldes (also jährlich 16 Pfund); h) Clement l'önhalni, Plleger zu Enns, quittirt denselben (W. Grunntni^) über I2V2 '''''■ '''S''- "'* Qu^'l»' seines Soldes und 5* C (S J o s e p h C h ni e I . Dass die Agitation übrigens in kurzer Zeit aufTallend an Energie wie an Erfolg gewann, ist augenfällig, wenn wir auch leider die volle Jahrg^elds (also SO Pfund), das ihm K. Albreclit IL lebenslänglich auf den Ämtern der StadtEnns verschrieben hat, 6. März 1432; c) Wolfgang-, Capian des St. Katharina- Altars der Pfarrkirche U. L. Frau zu Enns, quittirt denselben über 3 Pfund Pfge. als Pfingstquartal seines Soldes (iO Pfund) 6. Juni 1432; d) Ulrich Eizinger vonEyczingen, obrister Hauptmann in Österreich, befiehlt dem Magistrat zu Enns, dem Grafen Ul rieh von Cilli das Quatembergeld ihres Bestandes (also 223 Pfund Pfge.) auszurichten. — „Ich lasse ew wissen, das mir mein herr von Cili ain mercliche Sum guidein zu des lanndes notdurften gelihen hat." Wien 14. März 1432; e) Niklas Drugsecz, Hubmeister in Österreich, quittirt die Stadt Enns über 200 Pfund Pfge. vom Bestand-Quartal (zu Pfingsten) — „die meim genedign herrn Graf Ulreichen von Czily etc. an seim Kostgelt geuallen sind", Wien 23. Juni 1432 ; f) Ulrich Eizinger und die Verweser des Landes Österreich befehlen der Stadt Enns, den Rückstand am Bestandgelde dem Scheinboten des Grafen Ulrich von Cilli „dieczeit vorgeer der lanndschafft daselbs in Österreich" — auszurichten, Wien 23. August 1432; gr) Graf Ulrich von Cilli ersucht die Stadt Enns, auf deren Bestandgeld erzürn Theile angewiesen ist, seinem Diener Hanns Malchinger, Bürger von Wien, das ihm Gebührende zu überantworten. D. d. Wien, 13. September 1452; h) Hanns Mat- ch i n g e r quittirt im Namen des Grafen Ulrich von Cilli die Stadt Enns über 200 Gul- den „ye ain guidein für sibenn Schilling ze raitten bringt 173 pfund pfenning." — 3. Am 23. Februar 1432 wird dem Ritter Jörg Hager das Ungelt zu Baden, Lauberstorf (Leobersdorf) und Po t e n stei n für jährliche 700 Pfund Pfge. auf 2 Jahre in Bestand gegeben; derselbe hat 200 Pfund vorgestreckt. Chmel, Regesten 1. 2767. Tags vorher (Wien, Montag vor St. Pauls Bekehrung, 24. Jänner 1432) ersucht Ulrich Eyzinger vonEyzing, obrister Hauptmann, diesen „Ritter Jörg Hager, Verweser der Herrschaft zu Baden", dem Hanns Hang 30 Pfund 84 Pfenninge zu bezahlen von dem Bestandgeld der Ämter, die er inne hat (Ungelt zu Baden etc.) „Als ew wol wissentleich ist das mein dienner ettleich davor ze Paden, als ich das haws daselbs an die Welserin eruordert hab zw Hannsen dem Hawgen daselbs verczert haben daz mit sum bringet 30phuntund 84 phenning, die man dann demselben Hawgen noch schuldig bleybt." — (Scheint ein Privatgeschäft des Herrn Eizinger gewesen zu sein ! ?) Orig. Hausarchiv. Andere Anweisungen an diesen Hager finden sich ebendaselbst. So trägt Niklas Drugsecz, Hubmeister in Österreich, dem Ritter Jörg Hager „seinem guten frewnt und gunner" auf, dem Kloster Heiligeukreuz die gewöhnlichen 18 Pfund („die Ir im alle jar aus ewrem Amt („Paden") geben habt") aus den Einkünften seiner Ver- wesung zu bezahlen, da er sie bisher nicht ausgerichtet hat. — Wien, 1. Juni 1432. In der Quittung des Abtes Johann, vom 9. Juni 1432, heisst es : „18 pfund dy uns und unserm gotshawss von den allerdurichlewchtigisten hochgeb. Fürsten von Osterreich etc. löbliher gedächlnuss järlich geschafft auff phingsten sind ze geben von dem wein- ungelt der zu Phalfstetten gefeilet von wegen ainer wisen gelegen zw LaxendorfT als danne ausweisen unser brieff dy wir darumb haben". — Am 6. Juni 1432 ein gleicher Auftrag, dem Augustinerkloster zu Baden sein Quartal per 1 Pfund auszuzahlen. — Am 13. Juli 1432 erhält Ritter Jörg Hager vom Hubmeister Niklas Drugsecz den Auftrag, dem edlen Hanns Zeller von Riedau und etlichen anderen Rottmeistern der Söldner zu Fuss und zu Boss 97 Pfund und 3 Schilling zu bezahlen und zwar nach beiliegendem Zettel : „Von erst Hannsen dem Zeller von Riedaw auf X werlich ze Ross 8 Pfund 6 Schilling Pfenning; it. Petern dem Lanipharter auf 7 werlich ze fuessen SVg Pfund Habsl)nr5»'isclie Excurse. o9 Betleiitung der Einzelnen die sich der Bewegung anschlössen, aus dem Grunde nicht abzuwägen vermögen, weil es der österreichischen Landeskunde nebst so manchem Anderm insbesondere an einer Sta- tistik und Topographie des Mittelalters fehlt, durch welche allein über die Verhältnisse der einzelnen Stände und ihr materielles Gewicht, ihre Kräfte und ihren Eintluss das Avünschenswerthe Licht verbreitet würde. Je mühsamer und schwieriger eine solche Stati- stik des Mittelalters ist, desto dringender ist aber das Zusammen- wirken der einzelnen Forscher nöthig, denn für einen Einzelnen ist die Aufgabe auch selbst nur für einen kleineren Zeitraum zu erdrückend. Ich würde mithin vorschlagen, partienweise diesen umfas- senden Gegenstand in Angriff zu nehmen. Vorzugsweise würde sich die Zeit der Parteien und inneren Unruhen im Lande (in Österreich also von 1439 bis 1463, vom Tode Pfenn, ; it. dem Jenko von Luttaw auf 32 werlich ze Fuessen 16 Pfund Pfenning; it. Petern dem HÜndiing-er auf 6 werlich ze fuessen 3 Pfund Pfenn.; it. dem Prokchsy Paldauf und dem Sigmunden von Ungrisehen Brod auf 29 werlich ze fuessen 14 Pfund 4 Schilling Pfenn. und auf ain werlichen ze ross 7 Schilling Pfenning; it. dem Niko- lesch Guidein auf 37 werlich ze fuess 26 Pfund 4 Schilling Pfenning; it. dem Petersiken von Schilin und dem Marczinko von Stresnicz auf 49 werlichen ze fuess 24 Pfund 4 Schilling Pfenn." Hausarchiv — 6. Am S. März 1452 erhalten Konrad und Leopold Holzler und ihre Mutter Frau Katharina und der Wiener P.athsbiirger Erasmus Pon- haimer das Ungelt zu Lengbach und zu P egk stal (?) für jährliche 370 Pfund in Bestand und zwar für die nächsten 6 Jahre. — S. Chmel, P.egesten I. 2768.— 7. Am folgenden Tage (6. März 14ö2) gibt Eizinger der Stadt Zwetl das dortige Ungelt, Stadtgericht, Landgericht, Losung (?) und Zoll — (das Urbar ist ausgenommen) für jährliche löO Pfund Pfge. auf die nächsten 2 Jahre in Bestand. S. Chmel, P.egesten I. 2770. — 8. Am 1. Juni 14ä2 überlassen Ulrich Eizinger und die übrigen Verweser des Landes den Bürgern zu Freistadt das dortige Ungelt für die nächsten zwei Jahre bestandweise gegen Entrichtung jährlicher 440 Pfund Pfenninge, die sie dem Ritter .Niklas Drugsecz als Hubmeister in Österreich entrichten sollen. Hausarchiv. S. Lichnowsky, Vi. Regesten Nr. 1666. — Ohne Zweifel sind die hier angeführten Daten nur ein geringer Theil der stattgefundenen finanziellen Operationen ; wir wollten sie hier zusammenstellen, um ihre etwaige Ergänzung, zu der wir alle Forscher der Landes- geschichte dringend auffordern, zu erleichtern. Wir können nicht oft genug wieder- holen, dass bei dem Mangel kritischer und unparteiischer Geschichtsschreiber des Mittelalters die Geschichle erst mühsam nach und nach gleichsam mosaikartig aus lauter kleinen Steinchen zusammengesetzt werden müsse. — Derlei Steinchen sind aber gerade solche urkundliche Daten und Notizen , die man ja nicht verachten oder unbenutzt liegen lassen soll. — An solchen sind .iber die Privatarchive des Adels, der Städte und M ä r k t e , der Klöster und Kirchen gewiss noch sehr reich ; für das vierzehnte, fünfzehnte, sechzehnte und siebzehnte Jahrhundert jedenfalls! — 70 Joseph Chmel. König Albrecht's II. bis zum Tode Herzog Alhrecht's VI., Kaiser Friedrich's III. Bruder) als besonders beleuchtenswerth und erläu- terungsbediirftig berausstelien. Ich habe theihveise für diesen Zeitraum brauchbares Materiale gesammelt und auch manclies davon schon mitgetheilt (z. B. Eizin- ger'sche Regesten, K. Ladislaus P. Lehenbuch u. s. w.), doch ist in dieser Hinsicht noch viel zu forschen, und der bisherige Stoff ganz unzulänglich. Wollte man jedoch warten, bis derselbe vollständig und abge- schlossen zur Bearbeitung vorläge, so dürften mehr als Decennien darüber hinschwinden. Es ist mithin gerathener, selbst lückenhafte und vielfacher Berichtigung fähige und bedürftige topographisch-statistische Dar- stellungen zu liefern, als die bisher beliebte Weise, unsere vater- ländische Geschichte mit Phrasen abzuleiern, noch länger fort- zusetzen 1). Auf dem Landtage zu Wien, in der ersten Hälfte des Decem- bers 1451, wurde ein Landesausschuss, aus jedem der vier Stände vier Personen, gewählt und ein oberster Hauptmann bestellt, der an die Spitze dieses neuen Begiments trat, das sich selbst aufwarf. Obrister Hauptmann war bekanntlich Ulrich Eizinger vonEizing, der sich bei der ganzen Angelegenheit am thätigsten bewiesen hatte. Es ist auffallend, und beweist nicht wenig Vorsicht, dass sich in den öffentlichen Actenstücken die „Verweser des Landes" als solche nicht persönlich namhaft machten, nur Eizinger machte sich als „obrister Hauptmann" geltend 2). *) Ich werde desshall) in einem der niichsten Exeurse den allerding-s gewag-ten Versuch einer t o p o g r a |) h i s c h-g- e n e a I o g- i s c h e n S t a l i s t i k des Erzherzogthunis Öster- reich um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts in einer Skizze den Freunden vaterländischer Geschichte vorführen ; es muss einmal die Kahn gehrochen werden, denn unmöglich kann eine gründlichere Geschichtsforschung erzielt werden , ohne früher das Terrain zu kennen, auf dem geforscht werden soll. 2) Aus dem Prälatenstande war einer der Landesverweser Abt Stephan von I\lelk, der eigentlich um dieselbe Zeil zu einem Geschäfte geistlicher Natur (Klöster-Visitation) bestimmt gewesen, aber sich demselben entzog, am sich dieser Laudesangelegenheit widmen zu können. Er bestellte als .seinen Stellvertreter den Conventualen J. Seh lit- pacher. IL l'ez theiltiu seinem (::od. dipl. epist. (Thesaurus Anecdot. VI.) 111.338— 360 zwei Briefe an diesen Schlilpacher mit, beide vom 10. Februar 1432. In demeinen, von dem Melker Conventualen Thomas von Laa geschrieben , wird die seltene Anwe- senheit des Abtes im Kloster erwähnt und geklagt: „Videturenim (Abbas) in cavendo Habsbui'gische Excurse. 7 1 Bedeutenderes Liclit über den Fortgang der Agitation und Bewe- gung in den Landen des unmündigen Ladislaus gewährt uns ein Actenstüek das der verdienstvolle Pray in seinen Annalen (T. III, p. 89 — 92) aus dem bekannten Melker Codex Ms. N. 13, der Ver- fasser der habsburgischen Excurse in seinen Materialien zur öster- reichischen Geschichte (Bd. I, S. 374, Nr. CLXXXVIII) aus dem im k. k. Haus-, Hof- und Staats-Archive aufbewahrten Originale heraus- gegeben hat. Es ist nämlich jene Conföderation welche zu Wien auf dem im Februar 1452 begonnenen Landtage zwischen einem Theile der ungrischen und österreichischen Stände, dem Grafen von Cilli und einigen wenigen böhmischen Edlen, zur Erledigung ihres unmündigen Erbherrn abgeschlossen wurde. Dieses wichtige Actenstüek verdient eine umständliche Erörterung. Wir wollen zuerst die Personen, sodann die Absichten dieses Bündnisses besprechen. Wir bemerken, dass das Original-Document, datirt Wien am 5. März 1452, durch 84 Siegel bekräftigt wurde. Von Seite der ungrischen Stände werden folgende Personen namhaft gemacht, welche für sich und im Namen Aller (?) das Bünd- niss abschlössen *). An der Spitze stehen freilich die drei angesehensten Personen des Königreiches, der Gubernator Johann von Hunyad und der Erz- bischof von Gran, Cardinal Dionys (tit. S. Ciriaei) wie auch der Palatinus Ladislaus von Gara (der im Pray'schen Abdrucke fehlt. pruinaiQ, id est opus visitationis, incidissein nivem occupationis onerum totius patriae". Ebenso schreibt der Prior Johann Hausheimer: „Sciatis quod Dominus noster Ahbas raro est in domo, eo quod est unus de sedecim, qui regunt totam Austriam cum Capitaneo, qui est Dominus Ulricus Eiczjnger. Sunt enim de qualil>et partia quatuor electi , qui tracteut neg'otia terrae et colligant omnes redditus Auslriae, et nitantur unire incolas patriae ut omnes sint unum pro Domino Hege Ladislao. Inter quos plures adhuc stant in propriis, et certi favent Domino Regi Friderico. Major tamen pars (?) est unum, et speratur, quod cito omnes in unum convenient, alioquin repug'nantes li u ni i 1 i a b u nt u r vi". — Vergl. Keiblinger, Gesch. v. Melk, Band I, S. S7ö, Note 2 und S. SSO, Note 1. SolUen denn in den Archiven der niederösterreichischen Klöster, z. B. der Schotten in Wien u. s. w., niciit Briefe über diese Verliäitnisse und Begebenheiten im Jahre iiö'l exi- stiren, eigentlich in d^'n Pfarrarchiven u. s. w. (?) t) Es heisst niimlich nach Aufzählung- der Personen: „cetericpie niilltes, nobiles, cives et nuncii Universitalis nobilium, civilaturn et incolarum regni lluugariae, ipsum totum regnum H ungari a e repraesentantes". — Die ungrische Statistik des Mittelalters leidet an den nämlichen Gebrechen, wie die österreichische, eine Controle der Behaup- tung lässt sich folglich kaum holTcn. 72 JosephChmel. obgleich sein Taufname Ladislaus fehlerhafter Weise dem Woiwoden von Siebenbürgen zugesehrieben ist). Ausser ihnen werden aus dem Prälatenstande nur die Bischöfe Johann von Grosswardein und Andreas von Fünfkirchen, sodann der „Gubernator" der Benedictiner-Abtei St. Martinsberg Thomas von „Debrenthe" (bei Pray heisst er Thomas de Brenthe), also auffallend wenige Glieder des Klerus namhaft gemacht. Von den Magnaten und Adelspersonen überhaupt werden acht- zehn aufgeführt und zwar die Würdenträger, der Woiwode von Siebenbürgen Nikolaus de Ujlak, der Judex curiae regiae Graf Ladislaus von Palocz, der Magister tavernicorum regalium Johann von Peren, der Banus von Machovien Johann von Korogh, der Graf der Szekler Rainald von Rozgon, der Magister Janitorum regalium Sylvester von Tor na, der Graf von Pressburg Georg von Rozgon, sodann Simon Zudar von Onod (Alvod?), Johann von Zeecz (Zetse), Paul von Lindua (Pray: Hudna?), Johann Orszag von Guth, Bartholomäus von Homonna, Emerich Graf von Pösing (Bosin, bei Pray: Grof de Bazim), Emerich von Kanisa, Nikolaus und Ladislaus de Eadem, Ladislaus von Nezpal, Stephan Pongräcz von S z ent-M iklos. Vom ßürgerstande werden sieben städtische Deputirte aufgeführt und zwar: der Richter von Ofen Martin Weissenstainer (für die Stadt Ofen); der Richter von Stuhlweissenburg Benedict Vincze (Wincze) (für Stuhlweissen- burg); Nikolaus Flincz (bei Pray: Hincz) einer der Geschwornen von Pressburg (für die Stadt Pressburg); der Richter von Kaschau Stephan Calmar (Pray: Kalmayer) (für die Stadt Kaschau); Georg Turzo von Leutschau (für die Stadt Leutschau); Georg Richter von Bartfa (für die Stadt Bartfa, Bartfeld) und der Richter von Pesth Nikolaus von Jarmath (Pray: Jarnach). Die Grafen (Friedrich und Ulrich) von Cilly, Ortemburg und Sagor, Baue von Slavonien, treten für sich und ihre Herrscliaften sanunt allen ßewohnern derselben dem Bündnisse bei. Es werden nun die österreichischen, persönlich in Wien anwesenden Mitglieder der Landschaft aufgeführt, an ihrer Spitze der „obriste Hauptmann" Ulrich Eyzinger von Eyzingen — ganz begreiflich. Ihm folgen zehn Mitglieder des Prälatenstandes, und zwar die Benedictiner-Äbte Stephan von Melk und Wolfgang von Göttweig, Ilabsbiirgische Excurse. 73 di#Cistercienser-Äbte Johann von Heiligenkreuz und Johann von Zwetl, die Pröpste (regulirte Chorherren) Kaspar von St. Polten, Simon von Klosterneuburg, Martin von Waldhausen, Johann von Herzogenburg, Konrad von St. Andre und der Prior Johannes des Karthäuser-Klosters zu Mauerbaeh. Aus dem Herrenstande i) des österreichischen Adels dem sich auch eine böhmische Familie, allerdings von grosser Bedeutung, Ulrich von Rosenberg und seine Söhne Heinrich und Johann (regnicolae regni Bohemiae) anschloss, werden aufgeführt folgende sechzehn gewichtige Männer: Graf Johann von Schaunberg, oberster Marschall von Steier; Herr Wolfgang von Wallsee, ober- ster Marschall von Österreich und oberster Truchsess von Steier; Friedrich Herr von Hohenberg, der sich bei der ganzen Angele- genheit besonders thätig bewies; die Herren Johann und Heinrich, Brüder, und ihr Blutsverwandter Wilhelm von Lichtenstein von Nikolsburg; Herr Rupert von Polhaim; die Herren Pankraz von Plankenstein, Georg von Eckart sau, Christoph und Georg (con- sanguinei) von P o 1 1 e n d o r f , Georg von C z e 1 k i n g, Otto von T o p e 1, Wolfgang von Winden, Cadold von Wähingen und Tobias von Rohr (bei Pray: Rhär). Aus dem Ritterstande (Ritterund Knechte, milites et mili- tares) werden namhaft gemacht: Nikolaus Drucksetz in Staats („Stecz", Pray hat Szentz); Engelbert Da chp ekh; Job Kirch- stetter (Pray: Crihstetler); Georg D echser; Oswald Ludman- storffer; Siegmund Pottenprunner; Georg Hager und Jakob Hauser (der letztere fehlt bei Pray, der dafür den Jakob Hanns Po tinger und Siegmund Leu prech tinger anführt, die in der Originalurkunde nicht aufgeführt werden); wirkliche Ritter (Milites); sodann die Knechte (Militares) : Dietmar Kunigsberger (Pray: Chunsperger); Christoph Po tinger; Siegmund Leuprech tinger (Pray nennt ihn hier: Lewprediger), Burggraf (Castellanus) auf dem Kahlenberg (ad S. Georgium in K.); Wolfgang von Rukendorf (nachmals Roggendorf); Wolfgang Hinter bolzer; Kaspar De ch- sen'pekb; Konrad Sweinwarter; Johann Stiklperger; Leo Snekenreuter; Lorenz Palterndorffer (bei Pray: Paltenhofer); 1) „Barones praefati Ducatus Aiistriac." Von den aUen Familien fehlen dieKiienri n g und Puchhaim, die S t a r h e ni b e rg' nnd St rein. 74 .losephChmel. Janko von Flednicz (bei Pray: Szladnicz); Bernhard Seu sö n- eker (Pray: Fausenecker); Erhard Druksetz in Scheue he n- stein (Pray: Schenkenstein); Wolfgang Stockharner. Zusammen 8 Ritter und 14 Knechte, also zweiundzwanzig aus dem Ritterstande. Aus dem vierten Stande (Bürger) betheiligten sieh Oswald Reicholf, der Bürgermeister von Wien, für sich und die ganze Gemeinde; weiters die Städte (Richter, Geschwornen (scabini) und Bürger) Krems und Stein, Klosterneuburg, Korneuburg, Tuln und Zwetl. Doch erklärten die hier aufgeführten Österreicher aus allen vier Ständen, diesen Bund im Namen des ganzen Landes und aller Bewoh- ner desselben abzuschliessen, was jedenfalls eine ungeheure Anmas- sung gewesen, wenn auch nicht zu leugnen ist, dass die Bewegung sich auffallend verbreitet hatte 9. Wir müssen jedoch den Inhalt und die Ausdrücke dieser hoch- wichtigen Urkunde näher betrachten, um die gesammten folgenden Ereignisse und überhaupt den Standpunct der Partei würdigen zu können. Zuerst wird auf sehr einseitige Weise das factische Verhältniss der Vormundschaft dargestellt. In früheren Zeiten habe nach dem Tode König Albrecht's seine Witwe Königinn Elisabeth ihren Sohn König Ladislaus („unsern Erbherrn") in zarter Jugend nebst der Krone Ungerns, gegen den Willen seiner Unterthanen und die testamentarische Verfügung König Albrecht's, dem römischen Könige Friedrich übergeben, der ihn nun schon mehrere Jahre ausserhalb der ihm zustehenden Lande behielt und gegenwärtig zurückhält 2). 1) Es heisst nämlich im Texte : „pro nobis, ac omnibus aliis incolis et terrigenis saepe dicti ducalus Austiiae, tarn spiritualibus, quam etiam secularibus Universum dueatum Austriae et civitates ipsius servantes". — Sie g-|aubten also durch ihren Schritt (diesen Bund) ihrem Erbherrn seine Lande zu bewahren, als wenn sie bei fernerem unthätig'en Zusehen in Gefahr stünden, ihm verlorenzugehen. Unten weiter die Erläuterung dieser Besorglicbkeit. 2) „Praeter consensum et voliintatem omnium nostrorum, scilicet regnicolarum et terrigenarum, regnorum et dominiorum suorum peculiarium ac extra eadem contra ordinationera testamentariam praefati quondam Alberti regis tradidit et assignavit (Ladislaum), quem dictus dominus rex Romanorum jam pluribus annis extra regna, ducatus et dominia sua tenuit ac tenet de praesenti." Habsburgische Excurse. 7o In der Zwischenzeit sind wir und andere Reiche unseres natür- lichen Erbherrn in grosse Bedrängniss gekommen („in varia disturbia damna ac inquietudines"), daher wir zu wiederholtenmalen den römi- schen König ersuchten, unsern Erbherrn in seine väterlichen Lande zu bringen, was wir aber nie erreichen konnten; er bringt ihn viel- mehr ohne unser Wissen und wider unsern Willen in fremde Lande und setzt seine Person grossen Gefahren aus. Aus diesen Gründen und aus dringender Noth (?) haben wir einen General-Convent in Wien gehalten, und nach langen Unter- handlungen mit reifer Überlegung Folgendes beschlossen: 1. Dass wir obengenannte alle und jeder einzeln in Gemein- schaft mit den Grafen Friedrich und Ulrich von Cilly, die besondern Eifer in dieser Angelegenheit an den Tag legten *), eine Liga, Eini- gung und Conföderation eingegangen sind, unsern Herrn König Ladislaus nebst der ungrischen Krone mit göttlicher Hilfe und unserer ganzen Macht, mit allen Hilfsmitteln, wie wir es unserm Herrn schuldig sind, mit Hilfe, Rath und Beistand aller, die sich noch anschliessen werden, aus den Händen des römischen Königs oder jedes andern, der ihn wider unsern Willen zurückhalten wollte, zu entreissen („eripere") und auf seinen väterlichen Thron zu setzen, auch alle Burgen und Schlösser und alles was nach dem Tode König Albrechf s vom römischen König, oder seinem Bruder Herzog Albrecht, oder ihren Angehörigen besetzt und an sich gezogen wurde, ihnen zu entziehen und ihren Herren zurückzustellen. 2. Dass wir uns bei dieser Unternehmung einander unterstützen und schützen sollen gegen den römischen König und seine Anhänger. 3. Dass wir alle bei dieser Gelegenheit entstehenden Missver- ständnisse und Zwistigkeiten , wodurch diese Erledigung unsers Herrn gehindert werden könnte, beseitigen wollen. 4. Eben so wollen wir allen Schaden der uns treffen könnte, gemeinschaftlich abwehren; sollte Jemand aus uns gefangen werden oder etwas verlieren, wollen wir nicht eher Frieden schliessen, bis *) „Qui inter ceteros principes et magnates, ipsius videlicet domini nostri reg'is Ladislai consang-uinei, non minus ex iidelitatis constantia, quam ipsius eonsnnguineitatis fervoro, tlagrantiori desiJerio, praesertim pro eliboratloiie personac dicti domini nostri regis Liulisiai, (t!t) doitiiiiioruin .suoruiii traiiqiiillo statu, liujus diaelae et negotii cordialissimi direclores foreiit et existerent. " — Dies der Beweis unserer oben angefüiirten Behauptung, dass der Beitritt der Grafen der Agitation den grössten Impuls gegeben. 76 .losephChmel. der Verlust ersetzt und die Gefangenen ohne Lösegeld frei gelassen werden. 5. Endlich haben wir gemeinschaftlich beschlossen, dass, wenn unser natürlicher Erbherr frei wird, er nach dem Testamente König Albrecht's in Pres sburg bleiben soll („teneri debeat"). 6. Doch soll (bei Bestellung der durch dasselbe Testament ange- ordneten Vormünder) auf den römischen König keine Rücksicht genommen werden, da er sich durch sein Verfahren gleichsam selbst ausgeschlossen hafi). 7. Sollte unser Herr sterben, ehe er in seine Reiche kömmt, und bei dieser Gelegenheit eines oder das andere oder die Bewohner der- selben, sowie auch die Unterthanen der Grafen von Cilli zu Schaden kommen, sollen Avir alle denselben zu helfen verpflichtet sein. 8. Insbesondere verpflichten wir uns zur gemeinschaftlichen Hilfe aus allen Kräften, um die Krone des Königreichs Ungern und die von Fremden in Besitz genommenen Güter zurückzubringen 2). Diese wichtige Urkunde verdiente auch in sphragistischer Bezie- hung eine genauere Untersuchung, da unter den 84 (82) daran hän- genden Siegeln so manches interessante noch unbekannte sich finden dürfte. Ehe wir aber eine Beurtheilung des Bundes und seiner Absichten vornehmen, müssen wir einige andere Actenstücke berücksichtigen, welche über die Motive und Tendenzen desselben nähern Aufschluss geben. Vierzehn Tage nach Abschluss der Liga zwischen den ungri- schen und österreichischen Ständen und den Grafen von Cilli ward zwischen den Letzteren noch ein Separat-Vertrag gemacht s), der *) Die Stelle ist etwas unklar : „Excepto tarnen praefato domino Romanorum reg-e, qui semet ipsum, quantura ad Interesse superintendentiam seu executionem qualescun(|ue i antelatam(Pray:annullatam!)testamentariam ordinationßm respiciendo (Prayrespicien- tes) cerlis phirilms legitimis ex causis palam cernitur exciusisse". — Man sieht, die Sache war von vornherein darauf ang-elegt, Könige Friedrich einfach zu verdrängen, nicht aber den Erhherrn (ein Kind) selbststiindig zu machen. 2) „Itorum juxta consilium et decretum colligatorum in dominio damnificati residentium et etiaiii hoc easu sjiecialiter pro recuperaiidis Corona regni Hungariae et bonis, tam ejus quam dominionim praefati domini regis occupatorum restaurandis nobis invicem assistere et auxiliari tcneamur toto posse." 3) Am 19. März 14ö2, an welchem Tage Kaiser Friedrich zu Rom vom Papste Nikolaus V. die Kaiserkrone empfing. S. Regesten I. 2781 u.2782, abgedruckt bei K urz I, Beilagen Nr. XII und XIII, S. 271— 27S. Habsburgische Excurse. 77 beiden Theileii den ganz besondern wechselseitigen Beistand zusichern sollte, falls einer aus ihnen desshalb vom römischen Könige „als der Sachen Haubtwidertail" oder jemand Anderm angegriffen werden sollte. Ohne Zweifel war in dem Bunde vom b. März Ungern ganz besonders berücksichtigt worden; der Vertrag zielte dahin, nicht blos den natürlichen Erhherrn in seine Lande zu bringen und zwar in Pressburg die Zeit seiner Minderjährigkeit (?) hindurch zu bewah- ren, sondern auch die der ungrischen Nation so werthe, dem Vor- munde Friedrich verpfändete Krone nebst den ihm ebenfalls pfand- weise eingeräumten Herrschaften (Odenburgu. s.w.) zurückzubringen. Um dieser Zwecke willen hatte sich ein Theil der ungrischen Stände zu dieser Verbindung herbeigelassen. Wahrscheinlich fühlten Graf Ulrich von Cilli wie Ulrich Eizinger und seine Freunde, wie wenig Sicherheit in dem ungrischen Bünd- nisse lag in Betrefl' der Folgen die aus einer feindseligen Stellung des römischen Königs entstehen konnten. Kaiser Friedrich konnte als Herr der inner österreichischen Lande insbesondere den Grafen von Cilli sehr utibequem werden, eben so waren die an Steiermark grenzenden Theile des Herzogtliums Österreich im Falle der Feindseligkeit den Angriffen blossgestellt. Es war mithin eine Massregel der Klugheit, sich gegenseitig diesen Beistand zuzu- sichern, da man doch nicht wissen konnte, ob nicht der in seinen Rechten so arg verletzte römische König mit Nachdruck und Energie seine Gegner bekämpfen würde; zugleich ist aber dieses zweite Bündniss der sicherste Beweis, dass die Häupter der Agitation das Gewagte wie das Ungesetzliche ihres Verfahrens nicht ver- kannten. Zugleich suchten dieselben von allen Seiten Unterstützung zu erhalten, oder doch wenigstens die Begünstigung und Förderung ihrer Gegner, des Kaisers und seines Anhangs, zu verhindern und zu vereiteln. Wir haben bereits (im vierten Excurse) die Schritte der Unzu- friedenen bei der römischen Curie besprochen, die freilich nicht den erwünschten Erfolg hatten, vielmehr Veranlassung gaben, dass Kaiser Friedrich sich den geisth'chen Beistand des Pa[)sles erbat, ihn erhielt und im Vertrauen auf denselben sich für so ziemlich gesichert glauben mochte. 78 JosephChmel. Den Landesherrn von Tirol, Herzog Siegmund, der vor weni- gen Jahren auf ähnliche Weise der Vormundschaft war ledig gewor- den und dessen wenig ergebene Gesinnung gegen den Kaiser, seinen einstigen Vormund, man gar wohl kannte, suchte man durch eine eigene Botschaft für sich zu gewinnen. Diese traf ihn nicht in Innsbruck und wartete durch acht Tage vergeblich auf seine Rückkunft; sodann schickten sie einen aus ihrer Mitte aus, den Herzog aufzusuchen, der ihn auch in Constanz fand ; sie selbst scheint zurückgekehrt zu sein, ohne ihn gesprochen zu haben. Herzog Siegmund hatte durch einen seiner Räthe („den Häk- chen") die Österreicher seiner gnädigen und wohlwollenden Gesin- nung versichern lassen, daher sie eine zweite Botschaft an ihn absen- deten, welche die Herren Friedrich von Hohenberg und Siegmund Friczestor f f e r übernommen hatten. Aus der ihnen mitgegebenen Instruction (s. Chmel, Materialien p. I, S. 329, Regesten I, 2774) erfahren wir, dass sich auch ein Theil der mährischen Stände ihrem Bunde wider Friedrich ange- schlossen habe ^). Ihre Gesandten mögen die Bedeutung dieses Bundes hervor- heben und den Herzog an das gute Einvernehmen mahnen, welches zwischen seinem Vater (Herzog Friedrich) und dem Vater des jungen Erbherrn geherrscht habe 2). *) „Item sagt auch sein gnaden dabei, die verainigiing und puntnuss, wie sich unser herrn von Cili und der gubernator und das gauncz Königreich von Hungern auch die von Roseniberg aus dem Kiniigreich zu Behem, und sunder aueli der Biseliofi' von Olmüncz, der haubtman und die mechtigisten herren und stett aus dein lannd zu Merhern zu uns versehrihen und vcrpunden haben". . . Dieser mährisch-österreichische Buudes- brief ist noch unbekannt. Hoffentlich wird der Codex dipl. et epist. Moraviae seiner Zeit über diese Verhältnisse reichliche Aul'schliisse liel'ern. Aus einer kurzen schriftlichen Mittheilung Boczeck's (des viel zu früh Verstorbenen) entnehmen wir die Existenz eines „Bundesbriefes der mährischen Städte Olmütz, Brunn, Znaim, Iglau und llradisch" (blos unter einander?) um Verabfolgung des Erbprinzen Ladislaw zu ihrem Könige aus der Vornuintlscbart des Kaisers Friedrich" — im Iglauer Stadl-Archive. 2) (Dass sie) „in irin leben so gar ainig und frewntlich miteinander gewesen sein, also das ainer mit dem andern in Notdurfln leib und gut fnrstentumb lannd und lewt gefailt, und in kainerlay wege noch sachn aneinander verlassen hieltn". — Allerdings hatte Herzog Friedrich mit der leeren Tasche , der diesem Beinamen zu Trotz unter allen österreichischen Fürsten seiner Zeit die meiste Barschaft besass, den schwer bedrängten Albrecht, der solche Opfer bringen musste im Hussitenkriege, kräftig unterstützt, jedoch nur gegen bedeutendes Unlei-pl'and, gleichwie einen fremden Fürsten. Habsburgische Excurse. 79 Sie sollen ihn dringend bitten, Gleiches zu thun und ihrem Unternehmen Rath, Hilfe und Beistand angedeihen zu lassen, damit ihr Erbherr aus des römischen Königs Händen „unverbunden und unversch rieben" frei und ledig zu seinen Landen und Leuten komme. Er möge bedenken, dass, falls ihr Herr König Ladislaus sieh gegen den römischen König irgendwie verschreiben miisste ^), dies auch ihm, als einem Gliede des österreichischen Fürstenhauses und eventuellen Erben, schädlich Averden könnte. Sie sollen ihm zu Gemüthe führen den Ernst ihres Bundes, indem sie mit Leib und Gut sich und alle noch herbeizuziehenden Genossen vertheidigen wollen. Was Herzog Siegmund zur Förderung dieses Unternehmens gethan, ist bisher noch nicht klargeworden, obgleich zu vermuthen ist, dass er demselben nichts weniger als abhold gewesen s). 1) „Und das auch darin sein gnad ansehe und gedeunkch , soll sich unser herr kunig Lasslau gen unserra harren dem Römischen kunig in ichtte unpilleich verschreiben oder verpinden, das im das fürbasser als aim Fürsten von Österreich und wartunden erben auch möchte zu schaden komen" etc. Allerdings hatte Herzog Siegmund, wie im 2. Bande der Geschichte K. Friedrich's, S. SSO — 362 nachgewiesen wurde, Verpflich- tungen eingehen müssen, wie natürlich; es war mithin diese Weisung, an das Unbe- queme solcher Verschreibungeu zu mahnen, ganz klug ausgedacht. 2j Im k. k. Haus-, Hof- und Staatsarchive befindet sich der Anfang eines Antwortsehrei- bens Herzog Siegmund's an die österreichischen Stände, das, ungeachtet es nur die Ein- leitung enthält, doch mit dem kleinen Secretsiegel des Fürsten versehen ist. Ich vermuthe, es sei von Seite der herzoglichen Kanzlei, die vielleicht vorsichtiger war als ihr Herr, den Gesandten, die wahrscheinlich nicht lesen konnten, dieses m a n k e Schreiben mitge- geben worden, gleichsam als definitive Antwort ! Da seihst dieses Bruchstück interes- sante Angaben enthält, die von den Gesandten waren mündlich vorgebracht worden, theile ich es hier mit. „Bekennen vnd tun kund ofTennlich mit dem Brief. Das vns die Ersa- men geistlichen, die edeln vnd vesten, vnser andechtigen vnd lieben getrewn Vlreich Eyczinger von Eyczingeu, Obrister Hauptmann vnd die verwcser des Lands Österreich haben l'ürbringen lassen, wie weileul des allerdurchlewchtigist fürst kunig Albrecht Römischer ze Vngern ze Pehem etc. kunig Herczog ze Österreich vnd marggraf ze Merhern löblicher gedechtnuss vnser lieber Herr vnd veter an sein leslen zelten ain geschcft getan vnd darinn fürgesehen vnd gemeldet hab, ob die durchleuchtig Fürstinn, fraw Eli- zabeth desselben vnsers lieben velern geraahel selige, unser liebe mum, die er hab geswengert liinder sein lassen , ain Sun geperte , wellend, wie, vnd vnder welher phlicht, derscib sein Sun geczogen vndbeseczt solt werden also liab dieselb vnse- Liebe mum die kuniginn, zu derselben Irer gepurde den durcbleucbtigisten Fürsten kunig Lasslau zu Vngern zu Behem etc. kunig Herczogen zu Österreich vnd Marggrafen zu Merhern vnsern lieben Herren vnd vetern gepert, den Si vnd auch dieCron von Vngern, wider desselben Irs gemahels vnsers lieben vettern geschcft auch wider seiner kunigreich vnd fürstentum land vnd lewt rat vnd willen, dem Allcrdurclileucliligislcnfürstenkayser Fridreichen da sein gnad dennoch Romischer kunig was vnserm lieben berru vnd oO Joseph C hm e I. Eben so unklar ist das Verhältniss der österreichischen Unzu- friedenen zu einem andern Nachbarfürsten, Herzog Ludwig von Baiern, der allerdings auch um Hilfe und Beistand ersucht worden war, obgleich es den Anschein hat, als habe derselbe wenigstens anfänglich sich Avenig geneigt gezeigt, werkthätigen Beistand zu leisten. Herzog Ludwig von Baiern war vor Kurzem selbst Mitglied der österreichischen Landschaft geworden ^), insoferne die sogenannten vettern hab übergeben vnd Ingeantwort, den auch derselb vnser gnediger herr >Tid veiter nu meiiigerejar wider desselben seinsvater geschefte auswendig derselben seiner kunigreich vnd lande hab gehalten Also das von solichs abwesens wegen, desselben vnsers lieben vetlern kunig Lasslas dieselben seine Reich land vnd lewt in gross krieg undzwitrechl sein körnen. Es hab auch derselb vnser gnediger Herre vnd veiter der kaiser den egenautn vnsern lieben vetern kunig Lasslan nachmaln von allen seyun kunig- reichen vnd landen an seiner Lantscheft willen in frömbde Lande gen Rom gefiirt in manigneltigen widerwertigen Lufft, vnd ander vi! sorgueltigkait, die seim leib vnd leben zu schaden möchten komen, als zu besorgen wer, darczuhab sein kaiserlieh gnad wider die verschreibung, den vier parteyen der Lantschaftze Österreich gegeben, sich des Lands Österreich angenomen vnd den lantleuten zugeschribn, wie das land vnd die lanllewt darinn sein, seyn, auch menige Geslösser vnd Ambt, desselben Fürstentums wider dieselben sein verschreibung mit gesten beseezt vnd eltliche auf leib vergeben, vnd raeniger Nucz vnd Rentt des Lands also verphendl vnd verkumbert, vnd da si solich gepresten von abwesens wegen desselben unsers lieben veitern kiinig Lasslas, auch das merklich abneraen seiner laut und Lewt haben gemerkchl, haben Si denselben vnsern gnedigen herrn vnd vettern, den kaiser ettwie offl angeruefTt vnd gepeten , daz sein kayserlich gnad, denselben vnsern lieben veitern, irn Erbherrn gesucht in seine erbliche land zu seczen, wan Si damit hofften, daz durch desselben irs Erbherrn gegcn- wurtigkait, sein land vnd lewt, vil desterj)as, zu befridung , gemach vnd aufnemeu möchlten komen. Das si aber von denselben Seyner kaiserlichen gnaden vuczher nye haben mügen erlangen dadurch vnd auch von obgeschribner Sachen wegen Land und lewt in gross merklich scheden vnd verderbn In maniguelliger weise sein komen. Vnd derworlen daz derselb Ir Erbhere, aus solhen des egenannten vnsers herrn des kaisers banden kern vnd pracht wurde. Daz auch seine Reich land vnd lewt grössere sclieden vnd verderbnuss künftigclich möchten vertragen sein, haben Si nach solhen irn merklichen notdurl'ten nicht füglicher wege mügen fürnemen zu vnderkönien solch geprechen vnd vnfug. 1) Bekanntlich besassen die baierischen Fürsten seit geraumer Zeil, besonders in Spitz , nicht unbeträchtliclie Güter, obgleich auch diese baierischen Besitzungen, wie so viele andere ausliindischer Herren undComniunen (Klöster u. s. w.) noch wenig histo- risch und statistisch beleuchtet sind. Ich will einige urkundliche Daten aus den Wiener und Münchner Archiven hier anführen. Am IG. December IWO („an Mlltich nach Lucientag") schlössen die Herzoge Albrecht und Ludwig (der reiche) von ßaiern ein Übereinkommen über die Erbschaft der beiden Herzoge Ludwig von Baiern („Mortani und Graispach"), in welchem ein Artikel lautet wie folgt: „Item es ist auch beredt Worden, das wir Ilerczog Albrecht obgenant dem benanten unserm lieben vettern llerczog Ludwigen die vesst und lierrschafft Spicz und Swellnpach in der Habsburg-ische Excurse. o 1 'O Gäste (fremde Herrschaften) auf Landtagen erscheinen und an den Berathungen und Landtags-Beschlüssen theihiehmen konnten. Wochaw mit allem zugehörn nichtz ausgenomen als wir das gelöst haben auf die schiristenLieehtmessenoder in dennehstenxiiij tagen vor oder nach auch eingeben und uberantwortfen sullen ra i t s a m h t aller lehenschaft manschaft und allen brifen und Registern so wir darüber haben (wo sind sie?J, doch das uns alle gült bis auf die schiristen liechtmessea zusteen und beleiben sei und auch also das uns der benannt unser lieber velter herczog Ludwig entgegen beczal und ausricht halbe sunira geltsdarumb das vormals verseczt und von uns gelost worden ist. Aber von paws zerung und alles andern darlegeus wegen so wir dahin oder darumb getan haben und voran bisher geschehen ist, sol er uns ganez niehtz schuldig sein und was wir herczog Albrecht zu Spiez von weingartten oder giilltkaufft haben mitsambt den brifen und anuderer gerechtikaitt so wir darumb haben und des dann auch unseru kaufbrief darüber geben." — (S. Münchner Staatsarchiv. Fürsten-Sachen, Tom. X. 1430—1439. Fol. 2—4. it. 10—14. Copie.) Fol. 29 eben daselbst ein Schreiben Herzog Ludwigs von Baiern an Herczog Albrecht von Baiern, d.d. Landsliut-Moutag vor Scolastice (S. Februar) 1431. — (Original.) Er hat vernommen, dass die Sache wegen Spitz soll verschoben werden bis Herren-Fastnacht (7. März) — „lieber Vetter nu ist uns von unnserm genadigisten herrn dem Römischen konig etc. und unnseru Räten die wir bey seinen genaden yeczo haben potschaft komen daz wir darauf in rate gefunden haben uns zu uunserm benannten genadigisten herrn zu fugen und auf sand Mathiastage schiristen zu Schär- dingen aus zu erheben allso das uns soihs verlengen nach herkommen der taiding und solher unser raise wegen vast ungewegeu ist, doch unvergrill'enlich an der taidiug und besliessung zwischen unnser baider bescheheii, so wolt uns wolgeuallen daz ewr liebe ewr botschaft auf den benannten tag mit uns hinahferttigät die uns daz gslos Spicz und marckt mit lehen und allem ezugehoren eingäben, nach lautt der taiding, und uns der halben summa von der losuug wegen und der summa von der kauften gült und weingartten wegen daselbs erinndräten.domit ains mit dem anndern zugieng. So wolten wir darauf dann bey der seihen botschaft unnsern anwäiden heraufschreiben euch die czalung der man ains wurd zu Ihun und ob man der czalung uit ains wenlen möclit so kurczlich daz uns danaoch Spicz slos und inarckt mit anuderm zugehörn nach lautt der taiding eingehen wurd, so wir dann wider anlieiiu wurden, wolten wironuerczielien der Sachen ains mit euch werden und czalung zu tun schallen". ;}. Auf dem nächstfolgenden Blatte (Fol. 30) stellt das Coucept der Antwort Herzog Albrecht's von Baiern an Herzog Ludwig, d. d. „Munichen an plintzlag nach Scolastice virginis (II. Februar) 1431". Frist nicht einverstanden mit dem Aufschub des Tages zu Erding (Ärdingj, der zu Herren-Fasl nacht (7. .März) gehalten werden sollte, „angesehen das uns solich sachen also in vil wege und besunder von der slrass wegen(l«eiehsstrasse) zu gros<»eni schaden ansteen und dez gern fruntlichen austrag und ennd betten". — Er bittet ihn, zu kommen. — 4. Das k. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv zu Wien enthält eine vom 12. März (Freytagvorlnvocavit) 1431ausMünchen datirte Kaufsurkunde, vermöge weither Her- zog Albreoht von Baiern seinem Vetter Herzog Ludwig folgende Stücke verkauft: „\on ersten dy holden zu Si)iez, it. Hanns Egiuf dient an St. Martinslag (5 Schilling 13 Pfenning von einem virtail Imlz und an St. Michelstag 4 iifenning, S. Jörgentag 1 Pfenning; it. Symon Pewschl dient an S. Martinstag von 1 virtail holz 13 pfenning, St. .Michelstag 14 pfenning; it.Stell'an Winekler dient an St.Martinstag G '/o pf^'nuiiig, Sitzb. d. phil.-hist. 1 1. XVIH. Bd. I. Hit. 6 S2 Joseph Chmel. Graf Johann von Schaunberg, der die von König Friedrich als Vormund ihm anvertraute Stelle eines Landeshauptmanns ob der Enns niedergelegt und sich den Unzufriedenen angeschlossen hatte *), übernahm es, den Herzog zu gewinnen, was wohl nicht alsbald gelangt). an St. Michelstag- 22^/2 Pfenning- und an St. Jörgenta^ 1 helbling; it. Hanns Gassner dient an St. Miehelstag 4 pfenning; it. Niclas Peck dient an St. Michelstag 7 pfenning; it. Erhart Schramel dient an St. Martinslag GVg pfenning und an S. Michelstag 22^/2 Pfenning und au St. Jörgentag 1 helbling ; — it. 2 öde hewser gelegen in der I a w b e n davon man nichts dient; it. die pewnt gelegen under der vessten Spiczz; it. 1 Wein- garten genant der huntaff gelegen an dem Setzperg; it. 1 Weingarten gen. der ciain Könringer auch gel. an dem Setzperg; it. 1 Weingarten gen. Rannbergerin gel. an der Achspewnt; it. 1 Weingarten gen. der gross Könringer gel. an dem iMynner, mit aniidern güllten Zinsen stucken und guetern in unnsers genadigen herrn des konigs und auch des Brior und Conventsdes gotshauss unnsrer lieben frawen porttenzu Aspach brief clärlicheu begrilfeu. Item die nachgeschribeu stuck die wir von llainrlchen üäwkra- m e r kaufft haben von ersten ain haws darauf yeezo Martein Öllsgesessen ist, gelegen under der vessten Spicz zunächst bey der mule und 2 Weingarten gel. in der gassen die zu dem benannten haws gehören davon man gedient hat halben wein , und 1 Wein- garten genant die Potendorff'eriu gel. in der Aschpewnt zu Spiczz etc. als das der brief von dem benannten Gäwkramer innbellt ; item mer zwen höf mitsambtden Wein- garten darczue gehörnd gel. neben einander zu S wel I en pach in Spiczzerpfarr und davon man järlichen halben wein dient die von Jörgen von E gkertzaw kaufl't sind als das der brief von dem benanten von Egkertzaw innbellt; item mer ain haws gel. zu \V il de n d o rf f , das durch unsern lieben herrn und vattern Herczogen Ernsten etc. säliger gedächtnuss von Jörgen von Rappach kaufft ist worden als das der brief von dem von Rappach auch innbellt. Die benant stuck guter und güllte mit irn zugehörn sind gelegen in dem lannd zu Österreich bei seiner Lieb sloss Spiczz und in nachen dabei die wir dann darzu kaufft haben." . . . ij Siehe Lichnowsky, Bd. 6, Regesten 1613 und 1617. Am 11. Jiinner 1432 hatten nämlich Eizinger und die Landesverweser denselben aufgefordert, sich ihnen anzuschliessen und mit der Hauptniannschaft und dem Schlosse zu Linz ihrem Erbherrn König Ladis- laus gehorsam zu sein; er möge sich darüber gegen ihre Abgeordnelen erklären. Sollte er sich weigern (bei Lichnowsky heisst es: „Thäte er diess",wo das nicht offenbar aus Versehen wegblieb), hätten diese den Auftrag, auf dem nächstens abzuhaltenden Landtage zu Wels es dahin zu bringen, dass ihm kein Gehorsam mehr geleistet wei'de. Gleich nach Em])fang dieser Aufforderung (ddo. lö. Jänner 1452) schrieb Graf Johann von Schaunberg an König Friedrich und tlieilte ihm das Drohschreiben mit; wider- standloslegt erseine Stelle nieder, entbindet sich (selbst) aller dem Könige(Friedrich) geleisteten Eide und bittet ihn, dieVeste zu Linz längstens bis Sonntag La tare (19. März) übernehmen zu lassen, wo er dann ferner keine Verantwortung mehr desshalb haben will". (Beide interessante Schreiben liegen im Wittingauer Archive; möchten doch derlei Quellen reichlicher Oiessen!) — Später schloss sich Graf Johann von Schaun- berg, wahrscheinlich dem Beispiele der Grafen von Cilli folgend, der Bewegungspartei positiv an. 2) Aeneas Sylvius erzählt in seiner Geschichte K. Friedrich's zwei Erlebnisse des Grafen, die seine Stellung wieseinen Charakter nichts weniger alsschmeichelhaft hervorheben. Einer der Räthe des Herzogs von Baiern soll sich bei Verlesung des Creden/.briefes, in welchem Eizinger als oberster Hauptmann prangte, der bekanntlich aus Baiern Habsburgische Excurse. ö 3 Nach der Angabe des Aeneas Sylvius sollen die österreichischen Stände ihm einen Theil des Landes für ein Darlehen verpfändet, er soll sich sogar mit ihnen förmlich verbündet haben. Allerdings werden wir später nachweisen können, dass der Herzog gegen Bürg- schaft angesehener Österreicher eine beträchtliche Summe vorschoss, bezweifeln aber, dass ihm ein Theil des Landes förmlich verpfändet Morden. Ebenso fehlen uns noch die urkundlichen Beweise eines formellen Bündnisses. Zur Beurtheilung und unparteiischen Würdigung dieser Ver- suche, sich Bundesgenossen zu verschaffen und ihrer Sache um jeden Preis zum Siege zu verhelfen, müssen a\ ir die eigentlichen Motive zu ergründen suchen, welche den besonneneren Theil der öster- reichischen Stände bei dieser Angelegenheit dahin brachten, sich der Bewegungspartei anzuschliessen , deren Führer wohl meist durch Leidenschaften des Ehrgeizes, der Rache, des Eigennutzes getrieben waren. stammte und dort sehr gering geachtet war, über den Grafen lustig gemacht haben, der sich zum Boten dieses ."\Iannes hergab : „Miseret me, inquit, Comilis huius. Quem cum Caesaris eoiisiliarium alicjuando viderim in primis acceptum (vergl. Habsburgische Excurse Nr. IV, wo ich die enge Verbindung hervorhob), usque adeo nunc cum de- clinasse contueor, ut Eizingeri vilis hominis, quem nostra terra velut inutilem absese repuiit (?J, jam nuntius et famulus ad nos transiverit." — Bekanntlich thut Aeneas Sylvius alles .Mögliche, um die Bedeutung Eizinger's so tief als möglich zu setzen, ein homo vilis in der Bedeutung gering war er nicht. — Ärgeres widerfuhr dem Grafen von Schaunberg, wie Aeneas Sylvius erzählt, von Seite des österreichischen Adels, der ihm wahrscheinlich nicht traute, da wirklich unbegreillich schnell dieser Wechsel erfolgte. „Acciditet aliud huic Coraiti relatu dignum, quod einen parvodocu- mento esse posset, si quid eura turpitudinis pigeret et non perversam naturam magis (|uam rationem sequi delectarct" bemerkt Aeneas Sylvius. — In voller Versammlung der Stünde zu Wien, wo Graf .lohaun von Schaunberg einen der ersten Plätze eiunabm, sprang ein Adeliger, seinen Namen nennt uns Aeneas leider nicht, sondern bemerkt nur, dass er nicht zu den Beichen gehörte, aber ..vitio iiieutis liberior atque dicacior" war, auf den Grafen los, fasste ihn heim Kinn und schrie: ,,Wie kannst du schlechter Mensch (sceleste) dich in die Gesellschaft ehrenwerther .Männer drängen, der du weder Treue noch Wahrheit achtest! — König Albert warst du stets ungetreu, Kaiser Fried- rich hast du verralhen, jetzt kömmst du zu uns, damit du auch König Ladislaus zu Schaden bringest, steh' auf und [lacke dich („in nialam crucem abi"), hier ist eine Versammlung von Getreuen, nicht von Verräthern. " Der Unsinnige ward zwar jm dess- willen , dass er sich persönlich vergrilfen halle, ins Gefäiigniss geworfen, Aeneas Sylvius bemerkt aber. Viele hätten ihm Hecht gegeben. „Id ijuamvis multi ex vero dic- tum meritoque putabant, tamen delirum hominem apprehendeutes in carcerem con- jecerunt , qui nobilcm comitem non con\icio tantum, sed manu quo(|ue aggredi presumpsisset." (|). 343.) 6* 84 Jos e p h Ch inel. Wir finden sie im Misstraiien, in der Furcht, in der Besorgniss, den Erbherrn zu verlieren, und in einer an und für sich löblichen, obgleich höchst unklaren patri oti sehen Gesinnung. Leider waren seit mehr als achtzig Jahren die Lande welche einer Herrscher-Familie, der habsburgischen, untergeben waren, förm- lich entwöhnt worden, sich als ein Ganzes zu betrachten. Die unse- ligen Theilungen welche in einer einzigen Familie drei verschie- dene Linien veranlassten, waren Ursache geworden so vieler innerer Wirren und einer heillosen äusseren Schwäche; man muss es offen gestehen, dass der Mangel eines consequent durchgeführten unabweislich befolgten Senior ats-Gesetzes viel Unheil stiftete, und ohne Zweifel insbesondere hinderte, dass der grösste Theil der heutigen Bestandtheile des österreichischen Kaiserstaates schon im fünfzehnten Jahrhundert ein grosses, folglich kräftiges Reich bildete. Man erinnere sich, dass bald nachdem König Rudolf L seine Söhne mit den Herzogthümern belehnt hatte, eine Deputation aus den Landen ihn flehentlich bat, ihnen blos einen Herrn zu geben, damit nicht heillose Verwirrung und parteiische Zerspaltung die Lande heimsuche. Albrecht l. ward Alleinherrscher, Leider ward das Rudolfinische Hausgesetz nicht fortwährend beobachtet, obgleich die österreichischen Privilegien welche ohne Zweifel den Familiengliedern wohl bekannt waren, die Einheit des Recrenten zum Gesetze erhoben hatten. Rudolf IV. dachte ohne Zweifel daran, das Gesetz zur fortwäh- renden Richtschnur in der Familie und ihren Landen zu machen, da er diese Privilegien zur vollen Geltung bringen wollte. Leider starb er viel zu früh. Von der Theilung der Brüder Albrecht und Leopold im Jahre 1370 datirt sich die Schwäche des Hauses, das Unheil im Innern. Eben so unheilvoll war das Jahr 1404, wo die Theilung der Lande (Februar — April, s. Lichnowsky Bd. V, Regesten S93 — 610) gleichsam neuerdings bestätigt Avurde. Die Geschichte dieser Spaltung in Linien, die damit verknüpften Vormundschafts-Streitigkeiten, ist gewiss höchst unerquicklich, ja peinlich. Eine Folge dieser Familien-Spaltung war, dass sich die Lande isolirten und sich einander fremd Avurden. Habsburgische Excurse. ÖO Diese leidigen Verhältnisse erklären, ja entschuldigen zum Theile diese Bewegung im Jahre 1432. Allerdings ist noch vieles unklar, wir kennen weder die Personen noch die Verhältnisse so genau, dass wir einen Richterspruch machen dürfen, dazu müssten noch mehr Acten vorliegen. Doch lässt sich schon Manches pro und contra vorbringen, und die unparteiische Geschichtsforschung ist verpflichtet, das audiatur et altera pars zur Geltung zu bringen. Wir wollen zuerst die eigene Erklärung der einen Partei betrachten, sodann das vorbringen, was sich über das Recht und die Stellung der andern vor der Hand bemerken lässt, bis vollständigere Aufschlüsse ans Licht kommen. Wir haben im vierten habsburgischen Excurse die päpstliche Bulle erörtert, welche die österreichischen Unzufriedenen von ihrem Vorhaben abschrecken sollte (ddo. Rom 4. April 1452). Wir werden später sehen, was der Erfolg dieser päpstlichen Drohbulle war, müssen aber jetzt schon beleuchten, was die aufstän- dischen Österreicher in ihrer Appellation vorbrachten, weil es die Motive des Aufstandes beleuchtet ^}. Sie berufen sich auf die „Theilung welche einst die Brüder Albrecbt III. und Leopold der Fromme im Jahre 1370 machten, und auf die Renunciation der Oheime Herzog Albrecht's IV. im Jahre 1404 2), folglich, schliessen sie, konnte König Albrecht (II.) ein Testament machen, welches volle Giltigkeit haben musste 3). Im Zweifel, ob Elisabeth einen Sohn oder eine Tochter gebären würde und 1) Dieses wichtige Document theilte Pray im lil. Bande seiner Annales Hungariae. p. 112 aus dem bekannten Melker Codex Ms. Nr. 27 und 13, Fol. 47, mit. Die Appellation geht aus vom Grafen Ulrich von Cilli, von Ulrich Eizinger und den übrigen Verwesern Österreichs; die Ungern waren bekanntlich nicht bedroht, nur abgemahnt worden. — 2) Es sind diese hochwichtigen Documente theihveise abgedruckt bei Rauch, Scriptores Bd. 111, S. 419 11. ff. Wann werden wir in einem Codex diploraaticus die Belege zur Hand haben, die zur Geschichte des österreichischen Staatsrechtsund seiner histo- rischen Entwicklung unumgänglich nöthig sindl — ^) „Posteaquam dictus dominus Albertus rex Romanorum et Hungariae Iegitimum,validum et canonicum condiderat, sicut voluit et potuit; dietae divisionis vigore testamentum sive ultimam voluntatein, disponens sagaciter, quid et qualiter de suis regnis, ducatibus et terris ad prolis suae postuaiae nondum natae tamen in utero olim serenissiraae reginae Elisabethae, suae dilectae conthoralis, ut sperabatur inclusae fieri deberet, . . . quodque merito debuisset, deberet ac debet snrtiri eirectuur'. . . Bekanntlich wurde das Testament im Jahre 1439 beseitigt von den Ständen selbst, jetzt 1432 sollte es gelten! 8G Joseph Chmel. wegen der drohenden Gefahren, auch damit den ührigen Erben kein Präjudiz entstünde und aus arideren Motiven (?) haben die Öster- reicher oder der grössere Theii aus ilinen das Sichere gewählt und dem Herzog Friedrich als Senior die Administration übertragen bis auf die Jahre der M ündigkeit (? discretionis) i)". Hier ist nun der Stein des Anstosses und die Ursache des Auf- ruhrs zu suclien. Die Zeit der Vormundschaft und des provisorischen Regimentes war zu unbestimmt und ward von den Betreflenden verschieden ausgelegt. Der Ausdruck lautete in den beiden Documenten vom 15. Novem- ber und 1. December 1439 (bei Kurz Bd. I, S. 243—251) „bis zu seinen beschaiden Jarn", die nach dem gemeinen Landrechte nach zurückgelegtem zwölften Jahre begannen. Zwar hatten die habsburgischen Fürsten, als sie die Lande unter sich theilten, eine Familien-Ordnung eingeführt, vermöge welcher die Kinder bis zum sechzehnten Jahre bevormundet werden sollten, doch wurde dieser „Ordnungsbrief" zwar bei den ständischen Ver- handlungen im Jahre 1439 vorgelesen, jedoch nicht ausdrücklich als Norm anerkannt 3). Ladislaus P, war am 22. Februar 1452 zwölf Jahre alt gewor- den, es fingen nach der Auslegung der Österreicher seine „beschaiden jar" an. Nach dem „Ordnungsbrief des habsburgischen Hauses war das sechzehnte Jahr der Termin, wo die Vormundschaft aufhören sollte, aber auch da war nicht bestimmt, ob das begonnene oder zurückgelegte sechzehnte Jahr zu rechnen sei. (Es heisst: „nutz sy zu sechzehen Jaren koment".) ») Mit der Bemerkung' — „non exdebito ctjusto, cum dictis divisione et testa- mento obstantibus non p o tuerint, sed ex causis praemissis, (juantum eis videbatur exped ire, sub certis modis et pactis iiominarunt et receperiiut (Fridericuin . . .)■' . . Der Abdruck bei Pray ist leider sebr lückcubaft , der Codex Ms. aber ver- scbolleii (?). 2) Die Stände sag^en (S. 24öj: „Doch ob unsere g-nedige Fraw die Kunigin ain Sun gepertte, das der u b e r s e i n b e s c h a i d e n j a r e n uicbt gedrungen werdt leug-er innzehaben, und (l;i/. Im alle sein l.aninl und Lewt an irrung und an verziehen abge- trettcn und übergeben werden" . . . Uud im Revers des Herzogs Priedrich (S. 248) bcisst es: „Des ersten, ob unser jelzgenante besundre liebe Fraw und Mueui dy Kunigin diczmais ainen Sun geperet, daz wir den , so er zw seinen b e s c li a i d e n .larn kuiiil.l , nicht verrer innhaben, darüber nicht lenger dringen, runder Im des Habsburgische Excurse. o7 Wir haben im vierten Excurse erwähnt (S. 14), dass König Friedrich im Jahre 14S0 mit dem Gubernator Ungerns Johann Hunyad einen Vergleich abgeschlossen habe, vermöge welchem dieorVmund- schaft wenigstens in Betreff Ungerns bis zum achtzehnten Jahre dauern sollte. Es ist wohl möglich, ja wahrscheinlich, dass dieser geheime Vertrag doch in die OtTentlichkeit gedrungen und den Verdacht erregt habe, Friedrich wolle die Zeit der Vormundschaft auch in Österreich verlängern; es ward aber noch weit mehr befürchtet, wie wir bald sehen werden. Wir fahren nach dieser Bemerkung in der Erörterung des Äppellations-Documentes fort. Die österreichischen Aufständischen beschuldigen nämlich den Vormund, er habe das in seinem Reverse dem Lande Versprochene nicht gehalten, das Herzogthum sei in der Zeit seiner Verwesung von äusseren Feinden vielfach beschädigt und verwüstet worden durch Raub und durch Brand, durch Brandschatzung, durch Aussau- gung, an der sich der Vormund selbst betheiligte i)« Er habe Märkte wie Burgen, Zölle wie andere Landesrenten verpfändet, und habe rücksichtlich der Erhaltung des Landes vielfältig gegen den in den angezogenen Documenten aufgestellten Vertrag durch Vernachlässigung gefehlt 2). „Da aber, wenn Zwei sich wechselseitig zu etwas verpflichtet haben und der eine die Zusage nicht hält, auch der andere Theil Landes Österreich iiiderhalb und ob der Enns mit allem dem, so darzu gehört, nach ausweisung der tayibrief, auch der Vormundtschaft (dieser Ausdruck, der eine V^erwahrung enthält, war zu unklar) des lieiltumhs, derbrief, Silbergeschirr, klainat und gezewg dann unverczogenleich au alle waygrung und widerred abtreten und inautwurtten." ^) „Sed (juia idem dominus noster Iinperator contenta in eisdem litteris niinime elTectui mancipavit, quin potius ducatuni Auslrlae in pluribus suis passihus per multos exteros inimicos invadi, devastari, ignis voragine annihilari, exactionihus et aliis niultimodis d a m n i f i (• a r i et p e r t u r b a r i p e r m i s i t , a c d a m n i f i e a v i t et p e r t u r- bavit, nullo jiraestito saltem efficaei suffragio." Wir hahcn zum Theil den Grund oder Ungruiid dieser Vorwürfe im 2. Bande der Geschichte K. Fried- rich's etc. erörtert, noch mehr soll es später geschehen , bei Beleuchtung der Ver- fas s u n g des (iUndes. 2) „0|ipida, caslia, telonia et alios redditus et proveutus ipsius ducatus Austriae iinpigno- ravit, in defensioneque ipsius, sicuti etiam ducis sive domini temporalis seuejus vices gerentis iuterest, p I u r i m u ni defecit contra litteras praemissas sive pacta in eis contenta iiiultiiilicilcr veniendo." 38 Joseph Chmel. nicht verbunden ist, den Vertrag zu halten, so hat sich Seine üurch- lauchtigkeit, nach klarem Wortlaut der Documente, des Regimentes selbst entsetzt i)"- „Daher wir aus diesen Gründen und anderen, die aufzuzählen zu weitläufig wäre (?), besonders aber weil Er unsern natürlichen Erbherrn mit Gefahr weit weggeführt hat, sogar nach Rom (!), und weil Er in Österreich keine Disposition traf mit unserm Willen^), obgleich vielfach gebeten und ermahnt, uns von Ihm losgesagt und als treue Unterthanen die Administration für unsern Herrn übernommen haben. Dies haben wir durch unsere und durch ungrische Gesandte dem Papst aus einander gesetzt und um Erhörung gebeten (um seine Verwendung, dass der Kaiser der Vormundschaft freiwillig entsage!).'" 1) „Cum autem, si duo ad invicem aliqua pacti fuerint, et alter cadem non servaverit, etiam alter non servare teneatur, iit clari juris et rationis existit, imo etiam s u- preraus princeps contractum, et per eonsequens, pactum cum suis in i tum servare sit obnoxius, quod si non fecerit, nee sub- diti teneaiitiir: propterea Sua Sercnitas se administratione praemissa , ut luce clarius ex praemissis et lenore litlerarum earundero constat, dcstituerit et privarlt." — Die hier angedeuteten Worte des Reverses (vom 1. December 1439) lauten also : „Und darumb so ist uns soleich redleich fürnemen und betrachtung der Lanntschaft (Beschluss vom 15. Nov. 1439) zwmall dankebnem und geuellig'kleich, und geloben auch bei unsern fiirstleichen Wirdigkeiten und Irewn wissenlleicb in Krafl't des briefs, ob sich fuegi, daz unser Fraw und muem dy Kunigin zw diser gegenbürtigen irer gepurd ainen Sun gepern wirdet, daz wir den über seine beschaidne Jar nicht verrer irinhaben noch dringen , sunder im der vorniundscbafft und Verwesung, und auch des Lannds ze Oesterreich und ob der Enns mit seiner Zwgehorung und allen andern Stückchen, so dauor benennet sind , an alle waygrung und vercziehen abtretten sullen und wellen, all argliste und geuerde genczleich ausgeschaiden und hindangesaczt. Wer aber, des got nicht enwelle, daz wir des nicht tetn, und dariiiu waigcrn und vercziehen wollen , so niiigen und sullen sich all Rischouen Prelaten Grafen Lantherren Ritter und Knecht, und Bürger von den Stein des seczen, und uns von der V or rn u nds c ha IT t wegen nicht mehr gehorsam sein, sunder des vorgenanten unsers genedigen Herren und Vettern Kiinig Albrechts Sun, ob unser Fraw und muem dy Kiinigin zw diser irer gepurd aiiien Sun gepern wirdet, als irem rechten erbleichen Herren gewcrttig sein und gehorsam, und sullen auch aller ayde und gel üb ledig sein, dy sy uns als aiin Vor- mund desselben Suiis und des lands ze Oesterreich getan hieteu. Wir geloben auch, (l;iz wir, noch yemanl von unsern wegen In allen, noch yr yetieichen besunder, von darumb chaiii veintscIialTt ungnad noch Unwillen zwziehen, oder zw !n haben sullen noch wellen in dhainer wais ungeuerleich. Auch geloben und verhaissen wir in dem Namen, als vor, all und yetieich ander vorgemellt artiki auch gencz- leich stüt ze haben, und an all aufzug zw volfiirn getrewieieh und an allesgeuerd". — An diesen Revers hielt man sich! — *) Im Reverse biess es nünilich : „Item daz wir nach der Lannllewt rat, der vier partteyen Prelaten Herren Rittern Knechten und Stet des Fürstentumbs Oester- Habsburgische Excurse. O «J „Dieser hat uns aber nicht erhört und bereits nach zehn Tagen Censuren über uns verhängt i)« „Da uns dies sehr beschwerhch fällt und noch mehr beschweren dürfte, appelliren wir an den besser zu unterrichtenden Papst, oder an ein heiliges allgemeines Concilium was demnächst gehofft wird, oder an die heilige katholische Kirche die immer besteht." „Wir begehren darüber ein öffentliches Zeugniss-)". Sieht man aus diesem wichtigen Documente, welche Ansicht die Majorität der unzufriedenen Österreicher von dem Verhältnisse gegen den Vormund und von der gesetzlichen Dauer der Vormundschaft hatte, so wollen wir zur grösseren Verdeutlichung der Stimnmng und der Überzeugung der Landesbewohner die Darstellung eines öster- reichischen Chronisten anführen und erläutern, der am besten wissen konnte, was die Bewegungspartei wollte, obgleich er selbst, wie alle übrigen, schwerlich die Absichten des Kaisers kannte. reich uiderhalb und ob der Enns, dy uns von der Lanntsehafft benennet werdent, und dy wir darczu nennen sullen, all saehen des Lands, auch alles innemen und ausgeben aller nucz und rennt desselben lands ze Oesterreich und ob der Enns hannd- ien, und auch dy Phleg, Gericht und Empter mit iandleuten im landt gesessen, beseczen und entseczen sullen, wie sieh daz dann allieg nach notdurtften gepurn wirdet ungeuerleich." — Wie viel fehlt noch zur Geschichte der Vormundschaft Friedrich's. um zu beurtheilen, ob und wie gegen diese Artikel gefehlt wurde! — *) „Ad nudura tanlum favorem dicli doniini nostri im(ieratoris, contra Deum, justitiam aequitatem, et omnem rationein, nt supra bene colligilur, sua Sanctitate semper salva, minus p r o v i d e , in quantum coglinur dicere, cum contra i n a u d i t a m et non vocatam parte m nihil sit di f i n i endum , decrevit et fecit emanare, executorem vel executorcs desuper deputando". . . 2) „Petiinusque instanter instantius et instautissime, primo, secundo et tertio Apostolicos (litteras appellationis) nobis dari, sive quis sit, aut fuerit, qui dare possit vel vohierit, praesertim a vobis notariis hie praesentibus, litteras testimoniales sive instrumentum publicum" .... Thomas Ebendorffer von Ilaselbach sagt (Pez, SS. 11, col. STj) in seiner Chronik über die päpstliche Bulle vom 4. April 1432 und die Appellation der Österreicher Folgendes: „Fertur, (|uod magna fiduciae suae inlentione Dominus Imperator l'undamentum fecerit in quodam monitorio I'apali, viribus gladii spiritualis contra morem Imperatoris innitens. Sed ab codem (|uanlocyus a gravatis extitit appellatum; tum quia clau r o u t H e ■,' a I i s e x |> o s c i t C e 1 s i t u d o p r o v i s u s r e d u- eitiir. Sic quoque loto undecirn annoriitn decursn def>endo g-yratur". Dass der Vor- iijiiiid seinen Mündel zu wenig slandesmässig- versorgt halie, scheint die beständige Klage gewesen zu sein ; so sagt Ehendorll'cr (col. 8(i9) von dem Reisegefolge des jungen Herrn: „Similiter Rex Ladislaus, hahens viginti octo duntaxat pro seet suis necessariissuhvectiones et equos, eoaetus est invisere (üotiiam) stupore otiiniuiii Italii-Driii ciitcs (sie), qui lioe insoiituni et invisuui a saeculis detail Infante et tanto l'iincipe conspexere prodigium" . . Allerdings war dieses Geleit wie es seheint, nach damaligem Krauche, ein armseliges zu nennen. Warum schlössen sich aber auch so wenige Österreicher, Ungern, Böhmen iiiiil M ii li I- e r dem Zufre an ? — Habsburgische Excurse. «7 1 Domini Iinperatoris prohibitione non obstante, ad instans tum festum Catharinae, communitate Yiennensi faciente, post nuiltos verboriim conflictus in hanc devoluti sunt sententiam, suis pro regimine patriae Deputatis praesentibus, quod requirendus esset (Fridericus) aut Dominum Regem Ladislaum suum naturalem Dominum Austriae redderet; aut se in antea sibi ut gubernatori patriae parere non posse, debere aut velle; se quoque a jurejurando ex tunc et postea, quousque astricti videbantur sibi, immunes reddere. In baue sen- tentiam eoierunt omnes Praelati patriae, Barones quoque, pariter et eivitatum et oppidorum communitates: paucis superius denotatis exceptis, et iis qui se ituros cum Romanorum Rege versus Romani devoverunt. Et ii c e t o m n i u m s e n s a t o r u m d e p a t r i a, e t i a m secretariorum sibi fidorum Concors haberetsententia et digestum consilium, quod praefatum iter nulla ra- tione arripiendum foret, nisi Austriae de suorumcon- sensu opportuna provisio major, quam usque facta dinoscitur, quantocyus praecederet, praevaluit tarnen prae- fati Regis intentio. Quam et innoteseere decrevit, quod nulla vis inferenda, nulla distractio facultatum, nullum terrarum discrimen ipsum distraberet, quin praeconceptum iter arriperet, et bonorem sibi debitum possetenus obtineret," Der nämlicbe Cbronist Ebendorffer deutet aber nocb ein ande- res Motiv an, das wohl den Ausscblag gegeben baben dürfte, und ohne Zweifel nicht wenige von den sonst ruhigen und wohlgesinnten Österreichern der Bewegungspartei in die Arme fübrte. Man hatte nämlich Verdacbt geschöpft und war misstrauisch geworden gegen die Absichten des Kaisers, man beschuldigte ihn des Vorhabens, ein früheres Gesetz seines Hauses, vermöge welchem der älteste der Familie das Regiment sämmtlicher Lande fübren sollte, wieder zur Geltung bringen zu wollen. Leider lässt sich nach den bisher bekannt gewordenen histori- schen Quellen nicht beurtbeilen, inwiefern dieser Verdacht, wenn man es so nennen will, begründet war. Allerdings lag es nahe, und die bitteren Erfahrungen besonders der letzten drei Decennien aus der Gescbichte des Hauses Habsburg hatten es nur zu deutlich herausgestellt, dass Tbeilungen in mehrere Linien, deren das Haus Habsburg seit 1404 drei zählte, dasselbe aufs Ausserste schwächen und wenig geeignet machen, in stürmischen 92 Jose p h C hnie I. Zeiten die Wucht der Ereignisse tragen und die Aufgaben, welche unabweisbar waren, lösen zu können. Einzelne Glieder des Hauses Habsburg, wie Herzog Frie- drich mit der leeren Tasche im Kampfe gegen den luxemburgischen König Siegmund und die von ihm begünstigten Eidgenossen, Herzog Albrecbt V., der als Schwiegersohn desselben Siegmund^s später die Hauptlast des Hussitenkrieges zu tragen hatte, der als König von Ungern und Böhmen wie als deutscher König bei so geschwächter Hausmacht seiner kolossalen Aufgabe leider nicht gewachsen war, mussten Mohl einen solchen denkenden und, wie so Manches beweist, mit der Geschichte des Hauses vertrauten Herrscher, wie Friedrich unstreitig war, auf die ganz natürliche Folgerung führen, dass Ein- heit des Regiments dasselbe stärker machen könne und müsse. Freilich hätte es zur Durchführung dieser Idee eines ganz andern Charakters bedurft, als eben der Friedrich's gewesen. Dass nun Friedrich aber diesen Gedanken, die Einheit des Regiments im habsburgischen Hause wieder einzuführen, wirklich verfolgt habe, möchte ich keineswegs ableugnen; die Händel mit seinem Bruder, dem ehrgeizigen und verschwenderischen Albrecht, die Wirren mit den Tirolern die ihm seinen Mündel Herzog Siegmund mit Gewalt abdrangen, beweisen hinlänglich, dass König Friedrich seine Stellung als Ältester des Hauses anders auffasste, als die meisten übrigen Zeitgenossen. Wir müssen es künftigen vaterländischen Geschichtsforschern, die so glücklich sein werden, vertrauliche Briefe der Regenten und ihrer einflussrcichston Räthe, oder auch umständliche Verhandlungen ständischer Versammlungen zu finden, überlassen, volles Licht über diese Verhältnisse zu verbreiten. Mein Zweck ist es eben, in diesen meinen Excursen die vorhan- denen Lücken anzudeuten, die etwaigen Spuren zu verfolgen, und auf gewisse Äusserungen und ihre Bedeutung aufmerksam zu machen. Unser Chronist Ebendorffer der wenigstens einseitiges Verständniss der Lage der Dinge hatte, die Volksstimmung kannte und die Ansichten seiner Partei gegenwärtig hatte, sagt nämlich im Verlaufe der bereits oben theilweise angeführten Stelle Folgendes: „Publica enim fama percrehuit. Dominum Imperatorem a duobus Ele- ctorihus, Trevirensi Cancellario, et DuceSaxoniae sororio, ac a certis Austriae Baronibus litteras obtinuisse, quod in antea semper Habsljurgische Exciirse. 9« major-natu f)omus Austriae omnes principatus et dominia eiusdem gubernaret, prout et in suis litteris, quas ab anno citra solebat emittere, partim innotuit: in quibus et Äustriamsuampatriam, et castrumViennensiumsuum fortalitium affirmabat." Man sieht, der Chronist hatte eine confuse Ansicht von der ganzen Sachlage und mochte wobl vage Andeutungen über König Friedrich's Absichten aufgefasst haben. Dass sich der Letztere mit den Privilegien des Hauses, die aller- dings von Ihm zuerst als König (am 25. Juli 1442 zu Frankfurt, s. Regesten I, Nro. 789) in voller Ausdehnung und in optima forma bestätigt wurden, viel beschäftigte, ist ersichtlich aus der kurze Zeit nach Ladislaus Posthumus' Erledigung erfolgten Vergrösserung des Titels der österreichischen Herzoge, dieEram ß.Jänner 1453zu Erz- herzogen erhob, wie wir späterhin umständlicher erörtern werden. Es war mithin König Friedrich von seinem Rechte auf die alleinigeHerrschaft in allen habsburgischen Landen nachdem bekann- ten Artikel des grossen Haus-Privilegimus : „Inter duces Austriae qui senior fuerit dominium habeant dictae terrae" überzeugt, und Er nannte mithin nach seiner Überzeugung mit vollem Recht« Öster- reich sein Land, die Rurg zu Wien seine Veste. Ob nun Friedrich wirklich die Alleinherrschaft nach dem Wortlaute der Privilegien, deren Restätigung durch die Kurfürsten Er sich angelegen sein Hess, durchführen wollte, ist noch nicht ganz vergewissert. Jedenfalls glaubte aber ein grosser Theil der Österreicher an ein solches Vorhaben, und ich möchte nicht bezweifeln, dass diese Resorgnissam meisten beigetragen habe, das Lager der Unzufriedenen zu verstärken *)• *) EbendorlTer sagt indem l'rolog- des \ierU'ii Buches seiner Clironik (l'ez, SS. II, col. 867) : „divinum iprovidondaiii .silii ( l-iidislao l'.J ;istitissc spccialiter nemo ambigit (jui eins urlinn in (iumaren . . in hosUum niediü, persecntiunem insidialornm , et obsidioncni, dum moestus Posnnii vagiret in cnnis, d e n i gr a ti o n em famae super defectu nutalium, dum vix verbalia edere posset imperfecta, nee ex inlegro facultas edtndi eadem suppeteret, attente rimatur. Auditae si(|iiidem sunt la- nientationis voees a quodam non parvae conditionis, auelore «jtiodam Clerico: Videat Dens, (| im modo avilu fraudamur palrimonio |ier spurium, ex alieno matriinonio supposilum" . . . „Bcce prodigiose natus mirabiliter in l'osonio sub infeslatiune bostiuin fuelus, sub iiumanoium liege miraliilius e, 394 und Manlissaj. — Regesten II, 29ÜÜ. / Habsburgische Excurse, 97 mehr zu imponiren, die Getreuen zu ermuthigen. Es sei aber Eile nöthig, viel komme es im Kriege darauf an, der erste auf dem Platze zu sein. Die steierischen Landleute sollen aufgefordert werden, sieh sogleich zu rüsten und des Zeichens zum Aufbruch gewärtig zu sein, andere (?) sollen sich den Cilliern, wieder andere den Ungern ent- gegenstellen i). In Österreich möge man mehr mit Söldner n den Kampf führen. — Die ihm folgenden Räthe hielten es für sicherer, zuerst nach Graz zu gehen und dann mit bewaffneter Hand in Österreich einzudringen, Alles mit Feuer und Schwert zu verwüsten, bis die stolzen Häupter gedemüthigt wären »)." Nur Ritter Procop von Rabenstein und Härtung von Cappel (etwas später kaiserlicher Reichsfiscal), beide kaiserliche Räthe, schlössen sich der Meinung des Aeneas S. an. Herzog Alb recht der fand, dass auf beiden Seiten wichtige Gründe vor- gebracht wären, blieb unentschieden. Kaiser Friedrich, der zuletzt das Wort ergriff, zeigte vielen Muth. „Er wolle — nach Neustadt gehen — und sich nicht durch Cilli'sche und Eizinger'sche Umtriebe aus Österreich verdrängen lassen" s). Der Kaiser kam wirklich zur Freude der getreuen Österreicher nach Neustadt, gegen Ende des Monats Juni 1452; die getreuen Barone des Landes Georg von Puchaim, Rüdiger von Starhemberg, Sigmund von Eberstorf u. s. w. fanden sich alsbald ein und man berathschlagt sich fleissig, wie der Krieg geführt werden soll*). *) Aeneas hatte gut rathen; damals ging es mit einem Aufgebote und noch dazu in einer Angelegenheit, welche die Steierer, Kärntner und Krainer schwerlich einstim- mig als eine Landessache betrachtet hätten, nicht so leicht! ) Aeneas Sylvius a. a. 0. „ac ferro et igne vastanda omnia, donec superba capita retun- derentur". •■*) Aeneas Sylvius legt dem Kaiser die Worte in Mund: „venisse jam tempus, quo thesau- runi exponere oporleat: daturum se onine aurum , patrimoniiini consumpturum, postrerao corpus po si tu r um , ut Australium temeritateni cdliiheat, neque pas- surum se, aut Comitis Ciliae aut Eizingeri conatibus Austria pelli: benignitatesuperum satis esse sibi auri, arinorum, equoruin, et liominum". . . '*) Auch Aeneas Sylvius wird vom Kaiser zu Käthe gezogen. Bei dieser Gelegenheit riith er demselben ab, uiiter die Söldner böhmische Ketzer aufzunehmen — aus Rücksicht auf den päpstlichen Stuhl „inter caeteros enim articulos , quibus Romani Pontilices Imperatores privarc dignitate solent (!), hie maximus est, sl aut haercsim saiiiant, aut haereticis se eonjungant." — DerKaiser bemerkte hierauf, er werde zwar keine H ii h in c n aufnehmen, wenn ihn nicht die äussersteNoth zwingt, Sitzb. d. phil.-hist. Cl. XVIII. Bd. I. Hft. 7 98 Joseph Chm el. Mittlerweile war die Aufforderung des Kaisers an die Öster- reicher, dem aufrührerischen Regimente keinen Gehorsam zu leisten und namentlich die ausgeschriebenen Steuern zu verweigern, ver- breitet worden. Wir sehen (aus zwei in meinen Materialien, Bd. 2, S. 17 und 18 abgedruckten Schreiben), dass weder das Regiment noch die Unterthanen dadurch eingeschüchtert wurden. Die Wiener schreiben dem Kaiser mit Beobachtung der äusseren formellen Unter- würfigkeit, dass sie mit Gut und Blut ihrem Erbherrn ergeben, dass die Steuern (Aufschlag) von den versammelten Standen ausge- schrieben seien. Es sei um so weniger nöthig gewesen, so ernstliche Drohungen und Strafen anzudeuten, da man schon früher ihm jeglichen Gehor- sam förmlich aufgekündet habe *)• Eizinger aber und die ihm zur Seite stehenden Verweser fanden für nöthig, die Wirkung der kaiserlichen Patente durch eine Gegen- erklärung und Erneuerung ihres Steuerausschreibens aufzuheben. Sie gebrauchten die Vorsicht, den Ursprung dieser Patente dem Herrn Rüdiger von Starhemberg zuzuschreiben, als hätte dieser, um doch könne ihm nicht weniger erlaubt sein, als dem Erzbischofe von Co In, der, obgleich ein Geistlicher, doch hussitische Söldner wider die Stadt Soest verwendete; auch die Markgrafen von Brandenburg wie die Herzoge von Sachsen hätten sich öfter hussitischer MieUistruppcn bedient. — Bischof Aeneas erwiderte, er erinnere sich, dass, als Markgraf Johann von Brandenburg im Jubiicunisjahre (1450) nach Rom gekommen war, er vom Papste Nikolaus ziemlich hart angelassen wurde („a Nicoiao porilifice durioribus verbis castigatum fuisse"), weil er mit den Ketzern einen Vertrag geschlossen habe. Der Erzbisehof von Cöln habe entweder unrecht getbau und sei nicht nachzuahmen, oder er habe mit püpstlicherDispens („exindulgentia Papae") zum Besten der Kirche die llussiten zu Hilfe gerufen. Der Kaiser sagte. Er habe dies auch nicht unterlassen und mit dem Papste gesprochen, ob er buhmische Ketzer zu Hilfe rufen dürfe. Der Papst habe ihm bewilligt, wenn keine Gläubigen zu haben würen, zur Bündigungder übermüthigen Österreicher Leute jeden Schlages zu gebrauchen („indul- tumijue sibi esse, ubi non posscntlideles haberi, adcohibendam temeritatem Australiuni (| u o d V i s gen US ho min um advocare"). Aeneas bemerkte dazu, gegen die Verfügungen des Papstes sei nichts zu erwidern ! •) Sie hatten, sagen sie im Eingänge, vier offene kaiserliche Briefe (Patente) durch den kais. Herold Stejerland erhallen, die sie der kaiserlichen Majestät zu (iefallen (!) gelesen und angehört haben, worin vom „Eizinger und seinem Anhange" die Rede sei, der sich wider ihn (Kaiser) aufgeworfen und eine Steuer ausgeschrieben habe, um Söldner anzuwerben; er warne sie, diesen Aufschlag zu entrichten „wann wo wir ain Pfenning darin geben werden, wolt e. gn. alweg dreymal souil von uns nemen, und die solch Steuer also geben wurden darzu an leib und an guet straffen". . Habsburgische Excurse. 99 Unruhe zu stiften im Lande, dieselben vom Kaiser „geworben und aufbracht". Man möge sich also daran nicht kehren, sondernden bestell- ten Einnehmern (in den vier Vierteln) die Steuer (je vier Schilling [Va Pfund] auf ein Haus) richtig abführen, damit der Kriegszug zur Erlangung ihres Erbherrn baldigst zu Stande komme. Die Partei war rührig und hatte sich auf jegliche Weise zu verstärken gesucht. Es gelang ihr, den neu gewählten Bischof von Passau, Ulrich Nussdorfer, und den ihm anhängigen Theil seines Capitels, dessen Wahl bekanntlich gegen den Willendes römischen Königs Friedrich erfolgt war, für sich zu gewinnen, da ihr Interesse ein gemeinschaft- liches war. Am 12. Juni 1452 ward dieses Bündniss abgeschlossen. Der oberste Hauptmann Ulrich Eizinger von Eizing und die Landes Ver- weser in Österreich, für sich, und die vier Parteien, Prälaten, Grafen und Herren, Ritter und Knechte und die von Städten, verpflichten sich, die Wahl des vom Capitel zum Bischof von Passau erwählten Ulrich's von Nussdorf aufrecht zu erhalten und nach Kräften beizutragen, dass er zum vollen Regimente gelange — wegen der alten Verbindung der Fürsten von Österreich mit den Bischöfen von Passau „und sunder „auch das sich dieselben der Erweit und das Cappitel ze Passaw von „unsers gnedigisten Erbherren Kunig Lasslaws wegen gen uns ver- schriben und verpunden haben". — Kömmt König Ladislaus zur Frei- heit, so ist der Brief ungiltig, doch will man ihm rathen und ihn bitten, dem Hochstifte zu helfen i). Nicht so leicht war es, den positiven Anschluss der Stadt Passau zu erreichen, dieselbe wollte es mit dem römisch-deutschen Reichsoberhaupte nicht verderben, da eine Achtserklärung der ohne- hin zweideutigen Selbstständigkeit schnell ein Ende machen konnte^). 1) Abgedruckt in den Monumentis boicis Bd. XXXI, 2, S. 424, Nr. CLXXXIII und schon früher bei Bern. Pez: Thesaurus Anecdotorum, T. VI (Cod. epist.), IM, p. 318, Nr. CXXXVI. . Versiegelt mit den Siegeln des Filrstenthunis Österreich (statt der Land- schaft), des ohristen Hauptmanns, „unser Steffan abiits /.e Miilckli, mein Brueder Johannesen Prior von Maurbach, Niclasen des Druchsetzen Uilturs llubmaisters in Osterreich, Oeorg(!n Tocher Ritters, und mein Oswalden Reichalfs Burgermaister ze Wienn, anstat unser und der andern Mitvervvesern, die der zeit ire aignc Insigl hey Inen nicht gehabt". 2) Am 27. Juni 14!;2 ermahnt Kaiser Friedrich (aus Neustadt bereits) die Stadt Passau zur Treue: „Erbern weysen lieben getrewen. Als e\v wissenlich ist solichs froml)ds 7" 1 00 Joseph Chmel, Wir haben ein dringendes Schreiben der österreichischen „Bundherren" an dieStadt vom 20. Juli 14S2 (abgedruckt in m. Ma- terialien, Bd. 2, S. 18, Nr. XVIII), in welchem sie zur baldigen Ent- scheidung aufgefordert wird , sie möge nach dem Beispiele des Erwählten (Bischofs) und des Capitels sich ihnen anschliessen aus Klugheit wie aus Pflichtgefühl. Im Weigerungsfalle wird den Bürgern das freie Geleit wie der Friede aufgesagt i)- Übrigens waren jedenfalls einzelne Bürger schon aus Gewinn- sucht geneigt, die Sache der Bundesherren zu unterstützen, so zum unpillichs und frauenlichs fumemen, so Ulrich Eyczinger und sein Anhang in Oster- reich wider uns getan haben und noch tun. Begern wir an ew mit ganczera vleiss und ernste, ob an ew von yemands wer die wären begert war oder wurde, des mit In zu sein, das Ir denn des mit nichte tut, sunder ew unser als ains Römischen Kaysers darinn halltet." Die Stadt war in grosser Klemme, sie schickte dess- halb zwei ihrer Mitbürger die Rathgenossen „H i e r o n y m u s W e ii n d e 1 s t a i n" und „Friedrich Släntlein" zu Herzog Albrecht von Baiern (Beglaubigungsschreiben ddo. Erichtag vor St. Maria Magdalena [18. .luli] 1452 im Original, so wie die oben- erwähnte Aufforderung des Kaisers in Abschrift im Münchner Reichs-Archive: Fürsten- Sachen anno 1430— 14.'>9, Tom. X, Fol. 46 u. 47), um von demselben Rath und Ver- mittlung zu erhalten. — Zur selben Zeit aber war die Stadt Passau deren Bürger, wie 80 viele andere, damals getheilte Ansichten hatten, bereits der Werbeplatz der aufständischen Österreicher, wie aus einem zweiten (Copie ebendaselbst Tom. X, Fol. 47) Schreiben des Kaisers hervorgeht, ddo. Neustadt „pfintztag nach Sand Margretentag under unnserm Insigel, so wir vor unser kaiserlichen kronung ge- praucht haben und noch prauehen" (20. Juli 1432). Der Kaiser sagt: „Uns ist ange- langt wie Ulrich Eyczinger voick von Beyern wider uns bei euch in der Stat Passaw bestell und aufneme und da abred umb den sold mit ew mache , und das in ir sold daselbs in und ausgee, das uns vast frombd nympt und nicht geuellet. Enpfelchen wir ew ernstlich und wellen das ir hinfur demselben Eyczinger und den Seinen nicht gestattet noch verbeuget , voIck daselbs bei euch in der Stat wider uns aufzenemen noch zu bestellen, noch mit den undeired da haben, sunder uns und den unnsern in solichem wa das anewgelanget und begeret wirdet furdrung tut und guten willen beweyset. Daran tut Ir uns sunder gefallen und wir wollen das gnadigclich gen ew eikennen." Am selben Tage drängen die Österreicher die Stadt zur grösseren Theilnahme. Siehe oben im Texte. 1) Geschäch aber des nicht und das Ir uns solcher hilfl' und beystands verzcichn wurdet, des wir doch nit trawn, so sagen wir euch all euer Freyheit gnaden und glait, so Ir von dem Furstcnlunib «isterreich habt, auch allen euren gewerben und handl hie im lanndt nach laut derselben freyhait so Ir hincz her habt gehabt und gehaben mocht gancz ab und wiillcn auch ilarauf neinblicli verbielu , das furbas im landt nicmant mit kaincriay gewerben mit cu Ireibn mich ubn sol. Wir wollen uns auch alsdaii euer sol- cher guter, so Ir hie im landt habt zu des egenantn Herrn Kunig Ladislaus handten unterwiuden als von den die sich feindlich und unbillich wider denselben unsern Erb- herrn setzen und wider geniainen nucz des launds halten, die doch ir maiste narung und nicrcklich guct hie im landt besiczendt." . . . Habsburgische Excurse. 101 Beispiel jener Passauer Bürger Konrad Edliriger, der über 9000 Hauspfeile (?) den Österreichern lieferte (s. Note oben). Als es schien, dass sich der Kaiser anschicke, den Aufstand der Österreicher mit gewaffneter Hand zu unterdrücken und man von ernstlichen Rüstungen desselben hörte, sank so Manchen der Muth, zumal da man fühlte, dass der Kaiser doch im Grunde ihr Herr sei, wenn auch nicht als Vormund, doch als Reichsoberhaupt. Die Häupter der Partei säumten jedoch nicht, die Hoffnungen neu zu beleben und den gesunkenen Muth hauptsächlich durch Ver- kleinerung der drohenden Gefahr möglichst zu heben *). Aeneas Sylvius führt auch ein Schreiben des Grafen Ulrich von Cilli an, welcher es für nöthig gehalten haben soll, selbst das Haupt der Unzufriedenen zu ermuthigen -). 1) Pray thcilt in seinen Annalen Bd. III, S. 113 aus dem bekannten Melker Cod. Ms. (Nr. 13, Fol. 219) ein solches Ermuthigungs- und respective Drohschreiben an die Unschlüssigen und der Bewegung Abgeneigten mit. Die Anrede ist : Magnifici , amici uostri charissimi ! — „Sie werden wissen, dass sie (Landesverweser u. s. w.) mit den österreichischen, mährischen, böhmischen und ungrischen Ständen einen Bund abge- schlossen zum Nutzen Königs Ladisiaus und seiner Länder, sie bitten sie desshalb und r a t h e n ihnen, sich anzuschliessen „quatenus spiritu s a n i o r i s consilii resumto domino nostro ac vestro naturali praefato Ladislao regi, a cuius genitore, eiusque progenitoribus multos honores ac benivolentias suscepistis, adhaerere et s i n e m o ra assistere velitis , ne fragmentis extrinsecis vel alienis reductio regis optataque pax turbetur, sed verius totalitate naturali et corporali pro virili parte vestra vos reintegrare conemini (also hatten sie sich zurückgezogen), omnique studio, cura et vigilantia ad id insistere velitis". — Man müsse sich allem entgegensetzen, was die Eintracht und Ruhe des Landes stören könnte, jeden Schaden verhüten, wie sie auch von den Ungern schriftlich ermahnt wurden. Es scheinen bereits Feindseligkeiten von den Kaiserlichgesinuten ausgeübt worden zu sein, da sie selbe ermahnen „ut ab illatione damnorum et nocumentorum, atque depraedationum serenissimo domino nostro naturali, regi Ladislao et suo ducatui Austriae illatorum vel inferendorum abstin«re, et potius vos nobiscum, et ceteris Praelatis, Baronibus, nobilibus regnorum et terrarum ipsius domini nostri tarn Hungariae, Boheiniae, quam Austriae et Moraviae foedere et liga unitis, velletis con- formare, ita et nos reqiiirimus vestram amicitiam, et s u a d e ni u s , quatenus id ipsum facere velitis, ne, quod absit, si aliud feceritis, quod non speramus, nos cum aliis praedictis dominis praetactorum regnorum conamine, t a 1 e r ein e di u m o p p o n e r e cogamur, quod cunctis fidelibus dicti domini nostri, sed et vobis manifeste appareat, nos omnia damna illa, quae dicto domino nostro regi, et suis regnis, terris, ac dominus, fldelibusi|uc et inhabitatoribus taliter illata sunt, ex corde condoluisse, n o b i s q u e m u 1 1 i p I i c i r a t i o n e d i s p 1 i c u i s s e" . . So schreibt mau nicht an Bundesgenossen, das sind Drohungen für Abtrünnige und Gegner ! *) „Ne movearis, inquit, Eizingere, stat sententia prosequi ipiod coeptum est, neque si duo vel tres retrorsum ierint, propterea coramuuitatis ruet decretura: timor lO!w Joseph Chmel. Er deutet an, dass die Ungern die Letzteren im Widerstände bestärkten i), die Rosenberge Hilfe versprachen und Eizinger auf den Beistand der Baiern und Franken hindeutete und die Gefalir vom Kaiser als sehr unbedeutend schilderte 3). Interessanter und bedeutender sind zwei Schreiben welche AeneasSylvius in seiner Geschichte Friedrich's mittheilt, welche aber ofTenbar in dieser Gestalt nicht ausgegangen sind, sondern von dem geistvollen Italiener der einen Livius und Sallustius vor Augen hatte, zur Ausschmückung seines Geschichtswerkes umgestaltet wurden ^). aliquos adversos facit, qui magniim esse dticiint, rediisse Fridericiim ex Italia coro- natum, seciindaque illi oninia fuisse. Nesciunt inexperti homines Italiae mores : non est Italis curae Corona, dum veetigalia salva sunt eis, resque suas ipsi gubernant, faeile transitum praebent Caesaribus, qui reg-iminibus eorum non se objiciunt, quera- admodum Fredericum fecisse eonstat, qui coronam, quam secum duxit, ex Italia reduxit, suumquecaputsuo auro adornavit. Quod si dominari apud Ualos tentasset, invasissetque civitates aliquas atque Imperii jura vendicasset, idque sibi ex sententia cessisset, tunc eum et sapientem et fortunatum et timendum faterer ; at cum talis redierit, et aliquanto pauperior, quam ivit, non est cur quisquam eum timeat." — Leider haben wir das Sehreiben, selbst nicht, ich möchte glauben, der geistvolle aber nicht immer quellentreue Aeneas habe dem Cillyer seine eigenen ironischen Reflexionen in den Mund gelegt ! *) Ich habe in meinen Materialien Band II, S. 21, Nr. XX ein „Rundschreiben der ungrischen Stände zur Verstärkung ihrer Partei gegen Kaiser Friedrich", datirt aus Gran vom 6. August 1453, aus einem Codex Ms. des geheimen Haus-, Hof- und Staats- Archives mitgetheilt; dasselbe ist in deutscher Sprache, also offenbar eine (höchst schwerfällige) Übersetzung. Bei näherer Betrachtung findet man, dass dieses Schreiben und das oben erwähnte von Pray (Aunales III, 115j mitgetheilte so ziem- lich übereinstimmen , nur der Schluss ist abgekürzt. Da offenbar die ungrischen Interessen nicht mit den österreichischen übereiiistiramlen, so müssen spätere wohl noch zu hoffende Briefe und Circulare den Hergang der Bewegung und die ver- schiedenen Schwankungen derselben klarer machen. — Die eben erwähnte Aufforderung hat die Aufschrift : „Ausschreiben von den Hungarn auf die die im Bundt nicht sind gein Österreich." Eine Stelle darin beweist, dass Versuche gemacht wurden, die Aufständischen zu beschwichtigen. Im Deutschen lautet sie : „das nicht die erfodrung kunig Ladislaus und auch der gewünscht frid mit dem a us wendigen und frembden |irasm(frasm in dem Abdrucke in den Mater, ein Druckfehler) betruebt werd". — Im Lateinischen heisst es: „ ne fragmentis (statt scissionibus) extrinsecis vel alienis reductio regis optataqiie pax turbetur". 2) Über den Kaiser soll Kizinger sich also geäussert haben: „Avarum Caesarem, moriturum facilius, quam aurum expositurum". Auchdie Räthe kommen übel weg. „Consiliarios habere inexpertos, inutiles, pusillauimes, qui suo Principi solum adu- lando serviaut". — Ich zweifle wieder, dass diese Ausdrücke von Eizinger her- rühren, der die Gefahr gewiss nicht gering schätzte. 3) Ich habe beide Schreiben nebst einem dritten, authentischen (in meinen Materialien Band II, S. 19, Nr. XIX abgedruckten) in meiner Abhandlung: „Zur Kritik der Habsburgische Excurse. 103 Obgleich dieser Geschichtsehreiber kein ganz zuverlässiger Führer ist, müssen wir uns doch aus Mangel eines Verlässlicheren seiner Führung anvertrauen und nur wo er durch bekannt gewor- dene Documente berichtigt wird , sind wir berechtigt, ja verpflichtet, seiner Darstellung zu widersprechen. Es ist eben die Aufgabe dieser Excurse, das Mangelhafte und Widersprechende nachzu- weisen. Das Treiben und Gebahren der Bewegungspartei und ihrer Führer zu Wien in der ersten Zeit nach der Zurückkunft des Kaisers schildert Aeneas S. durch mehrere Züge, deren Wahrheit übrigens durch spätere Zeugnisse von anderer Seite bestätigt zu sehen wir wünschen müssen. Er beschuldigt die Partei grossen Leichtsinns und verschwende- rischer Pracht, besonders habe sich Graf Ulrich von Cilli mit könig- lichem Hofstaate umgeben, auch Eizinger und seine Freunde sollen auf Kosten des Landes und des königlichen Schatzes geschwelgt haben. Ein kühner Tadler dieser Lebensweise soll auf grausame Art gestraft worden sein i). Graf Ulrich von Cilli, der möglichst lange den Unbefangenen spielte und das offene Auftreten vennied, schrieb dem Burggrafen von Maidburg um Sicherheitsbriefe für seinen Boten; der Kaiser will eher das Geschäft wissen, das derselbe auszurichten habe. Graf Ulrich gibt vor, er wolle den Kaiser begrüssen und das Schloss ßertholdsdorf übergeben; er soll also wenigstens Leute schicken, die es übernehmen. Als Niemand kam 2), übergab er es den Wienern. österreichischen Geschichte" im ersten Bande der Denkschriften der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften (Wien 1849) unistänillich hesprochen und grössten- theils wortgetreu übersetzt. Indem ich auf diese Abhandlung verweise, hebe ich später nur die Hauptpuncte hervor und citire dabei die Originalausdriicke. 1) Und noch dazu ein kaiserlicher Herold (k. Bote), der mit Briefen seines Herrn nach Wien gekommen war; „qui cum opes Ladislai Regis male consumi vidisset, Comitem Ciliae magnam familiam regio sumptu alere, Eizingerum splendide vivere, Nobiles quoque, ubi possent, pnblicas pecunias rapere; et quid vos, inquit, Australes Cae- sarem incusatis, tanquam bona pupilli Regis dissiparet? Plus vos una die consnmitis, quam Caesaris aiinus exposuerit. Id cum Ei z i n ge r u s intellexisset , niox h o m i- nem apprehendi, linguamque sibi absein di jussit." Die Bestätigung dieses angeblichen Factums ist der Zukunft aufbewahrt! ^) „Certior enim factus est Caesar", bemerkt Aeneas Sylvius, „suos in captivitatem ire, si quos mitteret". 104 Joseph Chrael. Der Kaiser eitirti) den Eizinger und die Wiener auf einen bestimmten Tag, um sich vor ihm zu verantworten über „Gewalt- thätigkeit", „Treubruch" und „Eidesverletzung«. Diese beschenken den Herold, der die Vorladungsschreiben brachte 2). Die päpstlichen Schreiben, worin die Österreicher aufgefordert werden, hinnen 40 Tagen dem Kaiser die Regierung zu übergeben (4. April 1452, s. Excurs IV.), werden nach Salzburg, Passau und Olmütz geschickt; die damit beauftragten Notare wollen sie öffentlich anschlagen, man gestattete es aber nicht! Erzbischof Siegmund von Salzburg wollte als Vermittler in die- sem Streite auftreten und glaubte desshalb sich nicht offen gegen die Verbündeten erklären zu sollen s). Das mit den Österreichern verbündete Domcapitel zu Passau machte es eben so, als die päpstlichen Briefe ankamen, nahmen sie selbe dem Beauftragten ab und stellten trotz dringender Bitte sie ihm nicht mehr zurück. Über Papst und Kaiser äusserte man sich sehr wegwerfend*). Gleiche Widerspänstigkeit in Olmütz. 0 „Tanquam res Principatiium legibus agantur", bemerkt tadelnd Aeneas Sylvius, der für Gewalt eingenommene Priester. 2j Aeneas S. bemerkt darüber: „Uli Heraldum, qui scripta detulit, serieeis vestibus et aiireis aliquot nummis donant, gratiasque Caesari referunt, quem cum putassent armis secum couteudere, litteris agentem inveniunt, quibus se facile satisfacturos minime dubitant". — Nach deutschem Brauche konnte der Kaiser wohl nicht anders verfahren ! 3) Aeneas Sylvius tadelt sein Benehmen mit scharfen Worten . „Quippe Saitzburgensis Antistes , tam se prüden lern quam potentem existimans , neque Papae neque Imperator! parendura duxit, apostolicas litteras in sua Eeelesia publi- cari prohibuit, sie enim se litis compositionem melius assumere posse confir- mabat; quasi mox alteri parli suspectus esset, si apud Salzburgam Processus Apostolici publicati fuissent, cum tarnen factum suum in ea re nullum require- r e t u r et o b e d i r e i 1 1 u m Romano P o n t i f i c i o p o r t e b a t. S e d m a I u i t homo sui iuris retinens, consilio non desideratn quam debito obsequio respondere, quod cum permitlitur inferiori omne offi- cium procul dubio imperantis corrumpitur atqu£ d i saol v i t u r ". Ob Aeneas Sylvius an des Erzbisehofs von Salzburg Stelle anders gehandelt hätte? — Früher wie spiiter zeigte er eben keine grosse Consequenz, z. B. als er die Partei des gewaltthätigen Matthias Corvinus nahm gegen den (freilich unmächligeu) Kaiser?! ^) „Nam cum litteras apostolicas adesse senserunt, vocato bajulo eas sibi tradi jusserunt, neque multum rogati restituerunt. De Papa atque Imperatore proterve locuti, gloriabundi quoque: namque de suis natalibus nullos se superiores ha b ere j a c t ab a n t , et Papam ignobilem, Imperatorem Habsburffische Excurse. 103 Die Österreicher werfen den Notar gar ins Gefängniss und überhäufen ihn mit Schmach. Sie appelliren an einen besser zu unterrichtenden Papst oder an das nächste Generai-Conciliumoder überhaupt an die allgemeine Kirche. Diese Appellations-Urkunde wurde an der St. Stephanskirche zu Wien angeschlagen und auch in Salzburg publicirti). Die Ursache dieses Benehmens wollen, wie Aeneas Sylvius ver- sichert, Einige in den verkehrten Rathschlägen der Wiener Th eo- logen finden, denen die päpstliche Autorität verhasst sei. Canonisten und Gesetzkundige hätten es wohl besser ver- standen! 2) Bei dieser Haltung der Österreicher und ihrer Verbün- desidem atque inutilem esse dieebant". Weiter unten führt er an, die Österreicher hätten behauptet: „Nicolaum adversum decreta Coneilii Basiliensis electum non esse Papain . . Felicem verum fuisse Pontifieein; Fridericum iniqne Con- cilium ex Basilea deturbasse , Eugenium depositum contra ius fasque juvisse, ejus opera Nicolaum Petri cathedram invasisse, qui Fridericum imperio minime dignum coronaverit, compensasse sibi invicem criinina, neque illum Papam aut istura Caesarem legitimum esse, indignum utrumque tanto honore: sceleratissimum Nicolaum, qui etsi Papa esset, non tarnen secularibus se rebus immiscere deberet atque injuriam magno Principi Regi Ungariae irrogare : futurum brevi concilium, ubi tanta temeritas com- pescatur, velle se Galileis assistere atque cum his concilium celebrare. Sic fex illa populi Viennensis, ultimae sortis multitudo , coenosa societas, loquebatur. Quos sermones non ex se habuit, neque enim tantum pensi plebibus inest. Schola, quae illic est, armaministravit, in qua singulares opiniones cerebrosa- que capita semper domin ari consueverunt, ac mentes magis elatae quam doctae, et nimis de se credentes, cathedras regunt; i n- grata filia sedis apostolicae, quae filios novit a tum cupidos matri rebelies ac magistros error is nutrire non erubescit.« Wir bemerken wiederholt, dass Aeneas S. als Geschichtsmaler gerne grelle Farben aufträgt. 1) Wir wünschten noch einen andern Gewährsmann dieser angeblichen Facten als den geistreichen Italiener. Früher behauptete er, die Wiener hätten den kaiserlichen Herold reichlich beschenkt und nun sollen sie den Notar (wahrscheinlich kamen sämmtliche offene Briefe, Patente, zu gleicher Zeit) gar ins Gefängniss geworfen haben „pluriniisque opprobrüs affeeere " ? 2) „Eaconsilia male consulta sunt qui Theologos Viennenses praebuisse affirment, apud (|uos auctoritassummi Pontificis odiosa es t." Über den Erz- bischof von Salzburg, der die Publicirung der A|)pellations-Urkunde gestattete, äussert sich Aeneas S. wieder bitter: „Taiita est aucloritas Ecciesiae et Sacroruin Canonum a pu d i 1 1 u ni li o in i n em revereutia". — In Neustadt und in G a rs (also mitten unter den Gegnern) wurd« die päpstliche Malinbulle publicirt. — Er set/.t die BiMiierkung hinzu: „Nee dubium est, quin A\istrales his (processibus papalibus) ligati fuerint, quorum exitum sentient, cum illi placuerit, qui suam vindictam quo magis dlffert eo graviorem infligit." Die österreichische Geschichtsforschung hat die Aufgabe, insbe- sondere dieStellungder NVienerUniversität unparteiisch zu erörtern, deren Geschichte, besonders was ihre Wirksamkeit betrilTt, noch viel zu wenig beleuchtet ist. 106 Joseph Chmel. deten welche der Aufforderung des Kaisers wie des Papstes sich nicht unterwerfen , sondern vielmehr es auf Waffengewalt ankommen lassen wollten, war Krieg die Losung der Parteien. Zur selben Zeit war auch ausserhalb Österreichs im Herzen Deutscblands, wo ohnehin Jahre lang der Fürsten- und Städtekrieg gewiithet hatte (s. Gesch. K. Friedrich etc. , Bd. II, S. 509 u. s. f.), grosse Spannung und Furcht vor dem Wiederausbruche der Feind- seligkeiten. Die österreichischen Wirren konnten eine allgemeine Flamme entzünden. Darum suchten mehrere deutsche Reichsfürsten, besonders die Herzoge von ßaiern die wohl von Erneuerung des Krieges an ihren Grenzen am meisten zu fürchten hatten, diese Vormundschaftsange- legenheit durch Vermittlung friedlieh beizulegen. Aeneas Sylvius nennt die Herzoge Aibrecht und Ludwig von Baiern und den Markgrafen Albrecht von Brandenburg welche Gesandte abschickten, um dem Kaiser zur neuen Würde Glück zu wünschen und ihre Vermittlung anzubieten , die der Kaiser nicht geradezu ablehnt, wenn die Sache nicht einen der Ehre und Würde nachtheiligen Ausgang nehmen würde , obgleich die unveischämte Menge besser durch Schärfe als Gelindigkeit zur Vernunft gebracht werde *)• Aeneas lässt die Gesandten bald unverrichteter Dinge abreisen, widerspricht sich aber selbst, indem er weiter unten sie als Unter- händler wieder aufführt. Leider fehlt unter so vielen andern Sondergeschichten welche allein erschöpfende Darstellung eines gewissen Verhältnisses liefern können, auch die Geschichte dieser Gesandtschaft der baieri- scheu Herzoge und des brandenburgischen Markgrafen. Hätten wir ^^Denkwürdigkeiten" dieses gewiss interessanten Vermittlungsver- suches, oder auch nur eine grössere Anzahl von Actenstücken und Briefen der dabei thätigen Personen, so würde uns so Manches klarer werden, was gegenwärtig noch sehr dunkel ist. ») (Der Kaiser sei bereit zur Ausgfleichung) „i|iiap nihil liahent turpitudinis, quamvis insolentem mullitudinem melius ad honesta rigor quam mansuetudo reducat" — wieder eine dem Kaiser in den Mund geiejjte Uellexion des Aeneas Sylvius, der hoinerkt, der Kaiser habe sich geäussert, „Er traue den Gesandten alles Gute zu"; obgleich (Zusatz des Aeneas S.) Eizinger sich ihrer Unterstützung rühmte. Wir werden sehen , dass Eizinger nicht log. Habsburffist'he Excurse. 107 Nur einige Actensfücke fand ich im Münchner Reichsarchive, welche uns übrigens doch nicht unwichtige Daten liefern. Zuerst das Concept (oder Original?) der Instruction Herzog Albrecht's von Baiern, welche er seinen Räthen den Rittern Christoph von Parsperg, Marquard von Schellenberg, Hanns von Degenberg (Hofmeister) und Wernher Pientzenauer, die er neben andern fürst- lichen Abgeordneten nach Österreich sendete, über die ihnen aufge- tragenen mehrfachen Geschäfte mitgab. Sie ist undatirt, aber gehört ohne Zweifel in das Ende des Monats Juli 1452 9- ^) Ich theile sie hier voUständig mit. Sie enthält mehrere andere Gegenstände, deren Erörterung dem dritten Bande meiner Geschichte K. Friedrich's IV. etc. vorbehalten bleibt; der gegenwärtige Exeurs ist der speciellen Forschung über die erbländischen und Familien-Verhältnisse bestimmt, welche in der allgemeinen Geschichte wie billig nur kurz nach den Ergebnissen dieser Forschung dargestellt werden sollen. „Vermerckt die Werbung und hanndlung so unnser Rät mit namen CristofF von Pars- perg Marquart von Schellenberg Hanns von Degenberg HofmaisterWernher Pientzenawer all Ritter von unnser Hertzog Älbrechts wegen tun sollen als wir sy yetzo schicken in unnser potschaft mit der andern fürsten potsehaft gen Osterreich zu unnserm gena- diffisten herrn dem Romischen kavser etc. und zu der lanntschaft in Osterreich auch der andern lannde Anwallden die zu In gewont sind der Irruug halb zwischen desselben unnsers herrn des kaysers und derselbigen lanndtlewt als von unnsers herrn konig Lasslaws irs herrn wegen. Zum ersten unnserm Herrn dem kayser unnser undertänigkait und gehorsam zu tun und zu beweisen als sich zu sollichem gepurt und darauf seinen gnaden zu der wir- dikait der kayserlichen Crou von uns glucks zu wünschen und In zu empfahenals dann auch dartzu gehört. Und dann furbasser zu reden wie uns sollich unainikait so dann zwischen seiner kayserlichen gnaden und der vorgenannten lanntlewt zu Osterreich und den aundern die dartzu gewant erstannden — nicht lieb sonder getrewlichen layd sein und das wir sy darutiib hinab geschickt haben dann wir selbs unnsers leibs gesunthaithalben sonder zu diser zeit nit gereiten noch aus mugen, als wir dann das selbs gern mit willen getan betten, allen vleiss in den Sachen furgewenndet das zu gut und ainikait möcht gedie- net und In das mitsambt den anndern beuolhen haben an unnser stat ob man sy von unnsern wegen in den suchen ycht wesst zu geprauchen das sy sich da nutzen und arbait nicht verdriessen auch mitsambt andern allen vleiss tun sollten die sach hellFen versuchen zu gut und ainikait zu bringen, darinn uns sein kayserlich gnad noch auch die henanten unnser Rät von unnsern wegen also iiit sparn des uns kainer zerung noch mue zu haben nicht verdriessen solle mit nier sollicher oder desgleichen crbcrer und zitnlicher erpietung als dartzu gehört des syain aufsehen sollen haben und eruorschen wie sich der andern fursten die unparllieig sein senndiioten von. irer bcrr'Mi wegen hallten unnser pesstes und das gliniptlichist darinn furzunemen und zu lernen das yetzo nit alles mag wissentlich sein noch empfolhen werden. Desgleichen sollen sy auch von unsern wegen zimlich erber erpietung tun gen den vorgenanten lanntlewten Verwesern und haubllewlen als sich von uns dartzu gepurt gen ainem yeglicheui in seinem »tannde. 1 Oo Joseph Chmel. Es ist vor Allem aulTallend, dass diese Räthe angewiesen sind, sich ganz unparteiisch zu verhalten, „dabei man nit mercken mug Und sich also von unnsern wcg^en in den Sachen erpieten muen hallten und nutzen lassen unpartheig ainem tail als dem anndern dabei man nit mercken mug das wir und sy von unnsern wegen kainem tail für den andern genaigter oder geuarlichen sein und da beleihen so lanng sy versteen das des von unnsern wegen ain notturft sei. Wir hallen unnserm vettern Hertzog Otten von Bairn die tadung umb dieviij.VI — ungrisch guidein nagst also hingeschickt und ob er uns der losung so wir an in eruordert haben von Lenngfeld und annders unnsers erbs wegen nit eingeen oder uns der brief darüber lauttend nach unnser begerung nit gewärt abschrifft schicken wollte dai'nach wir uns lautter wessten zurichten oder uns sollichs Verzug oder was gepruchs wir darinn von Im betten darumb uns not täte wollten wir uns sy auch ladung gen Im bringen lassen und In so wir erst möchten vor unnser underrlchtung hinab schreiben wie sy uns umb sollichs ladung gen Hertzog Otten begern und anspringen sollten dem dann furo nachzugeen. Sy sollen auch von unnsern wegen mit unnserm herrn dem Römischen kayser reden, als wir sein gnad vor vil und offt umb recht angeruffen und potschaft bei Im gehebt haben von der lanntvogtei wegen zu Swaben die uns zugehöret nach lautt der versigelten brief und urkund so wir darumb haben, als sein gnad wol wisse und die auch ettweofft gehört habe das uns albegen gar lanng verzogen sei auf erfarung sein gnad von unnsern wegen noch anzuruffen und diemutigklich zu bitten uns ungeirrt dabei zu beleiben lassen. — Ob aber sein gnad. des ye nit vermaintedes wir nit hoffen, das uns dann sein gnad noch darumb ain furderlich gutlich gleich recht schaffe ergeen und widerfarn lasse des tag setze und ladung gebe yetzo bei In und darumb vast an- zuheben gute ausrichtung zu erlanngen und uns des antwurt wider zu bringen. Und der andern herren potschaft auch darumb pitten und das nach aller notturft werben und yetzo Hertzog Ludwigen an dem hinabfarn darumb zu piten das mit den seinen zu schaffen. Desgleichen auch unnserm genedigisten Herrn dem Romischen kayseretc. antwurt zu geben und zu sagen auf sein schreiben und die Babstlichen brief uns von Im zu- geschickt wie wir darumb also unnser potschaft zu seinen gnaden und der lanntschaft geschickt und geuertigt haben das pesst darinn heliren furzunenien das zu gut und ainikait zu bringen nach lautt diser beuelhnuss zetel und darinn zu hanndeln als der andern herren potschaft unpartheig. Item mer als die Stat von Passaw ir potschaft bei uns gehebt haben von sollicher begerung wegen, so unnser genadigister herr der Römisch kayser und die lanntschaft zu Osterreich von der krieg sach als von hilff und beistannds wegen zwischen dersel- ben I'arthei umb rat und underweisung In zutun sich in den Sachen zu halten und zu tun wissen. Das in die Rät widerumb darauf von uns sagen sollen auf die maynung. Das unnser rat nit sei das sieh die von Passaw snndcrliclien zu yeiuant nicht ver- pinten sollen noch niugen wann das nit sein soll und brächt irm herrn dem Erwellten und der slifft mercklichen und künftigen schaden. Und daraufist unnser rat die weil die Stat Passaw irm herrn dem Erweiten nit huldigung getan haben als der dann noch nit gar bestät das sy die weil das noch nicht garbeschehen ist nicht schuldig sein yemaiids hilff noch zulegung zu tun sonder der pach 80 sy glimpflichist mugen also zu disen Zeiten dardurch raussig sten und auch das die Stat Passaw der huldigung irm herrn dem Erwellten zetun zu disen zelten Habsburgische Exeurse. l\j[) das wir und sy von uiinsern wegen kainem tail für den andern genaig- ter oder geuarlichen sein;" — sie sollen so lange bleiben, als sie es für nöthig finden. Die Stadt Passau sollen sie zur strengen Neutra- lität bewegen. Einige Spuren der Wirksamkeit dieser Gesandten sollen später erwähnt werden. Ehe wir den wirkliehen Ausbruch der Feindseligkeiten im Monate August dieses Jahres (1452) erörtern, müssen wir jener sonderbaren Schreiben gedenken, welche Aeneas Sylvius in seiner Geschichte umständlich mittheilt, und welche die gegenseitige Erbitterung der Parteien allerdings kund thun, obgleich gegen ihre Echtheit gar viel einzuwenden ist. Nach ihm schrieben die Österreicher (Eizinger und die Ver- weser) an einen der einflussreichsten Räthe des Kaisers , den kaiser- lichen Kammermeister Johann Ungnad, einen Brief voll massloser Invectiven, worin sie ihm seinen Hochmuth bei niedriger Herkunft, seine unersättliche Habgier und grenzenlose Bestechlichkeit vor- werfen 1). sunderlich soUieher sach halben wol an lassen steen und das auch also zu hanndeln mit Herlzog Ludwigs rat und seiner potsehaft. Item die Rät sollen auch reden von unnsern wegen mit unnserm Oheim Graf Johannsen von Schawnburg als von der sach wegen zwischen sein und unnsers Oheims von Görtz als er uns geschriben und der sach uinb tag zu setzen gepeten hab. Darauf wir Im widerumb geschriben haben wie wir dem von Görtz noch schreiben und ver- suchen wellen das bei dem fruntlichisten zu beleiben lassen nach lautt sprucldjrief und verschreibung darumb beschehen und das er Im der sachenhalb auch soll schreiben uns auch umb tag zu seczen ze piten. Also haben wir dem von Görtz nochmaln also darumb geschriben der uns wider geantwurt und geschriben hat und haben des volg von Im nit erlanngen mugeii, sonder er pit uns under annderm die eingelegten brief und kuntschaf't nit von bannt zu geben an seinen willen und wissen wann er mcrcklich darein zu sprechen und zu reden hab. Darauf wir Im yetzo aber wider geschriben haben under anderm ob sy sich der sach suust nit miteinander gütlich veraineu und wir der ye so uerr ersucht oder nicht über haben mugen werden so wir dann das ungeuarlich erst getun miigen wellen wir In baiderseit der saclien wideriiiiib tag für uns beschaiden dem nach allem herkomeu verrer nachzugeen dem von Sehawiiluirg das auch also zuuerkonnden und wissenlich zu machen sich darnach wissen zurichten. Item nicht zu 'lergessen der kaulleut von Munichen von irer sach wegen anzu- bringen. (Fürsten-Sachen, Bd. X, Fol. 'öiu.'öS, Reichs-Archiv in München. Concept? Original ?) *) Facilius Caesarem, quam tc alloqui potuimus, qui neque nobis respondere diguabare: gravis et intolerabilis tua superbia fuit, scd intolerabilior ingens illatua rapa ei tas qua omnes vexasti, clericos et laicos, omnes tibi vectigales fuimus. Quis ali(iuaudo 1 i 0 Joseph C hm el. Er sei durch und durch unwahr gewesen, und habe besonders durch seine verkehrten Rathschliige geschadet i)- Eine Reihe von Missgriffen wird ihm zugeschoben, er sei beim Kaiser alhnächtig gewesen, habe sich aber so verächtlich gemacht, dass ausserhalb Steiermark, Kärnten und Krain sich Niemand mehr um ihn kümmere. So hätten die Tiroler zuerst sich seinem Über- muthe entzogen, die Ungern wären weggeblieben, auch die Böhmen hätten nicht ausgehalten am Hofe. Am längsten hätten sie (Österreicher) und die Mährer es ge- duldet, in der Hoffnung, dass wenigstens der Kaiser sich ändern würde. Nun seien sie es satt. — Sie wollen dem Beispiele der Tiroler folgen. Er aber möge sich endlich des Kaisers erbarmen und auf- hören , durch seinen schlechten Rath ihn zu verderben. — An allem Unheil sei er allein Schuld »). gratiam quampiam ex Caesare tulit, qui iion te prius auro placaverit? Apud te venalia cuncta fuerunl; praetiiras, praefecturas, sacerdotia, honesta et iiihonesta, sacra et profana, pecunia vendidisti: qui plura dedit, non qui maiora meruit, te conante, raagistratuin obtinuit: saepe quoque ex nuda promissione argentura extorsisti, deinde plus Offerent! praefecturam commisisti, ille apud te Tnelior iudicatus est, querapecunio- siorem invenisti, nihil tibi duicius, quam pecunia fuit. Nos tuam domura tritLco, vino, sale, carne, pisce complere oportuit : foenum bladumque tuis equis dedimus, elavos quoque tibi coemimus, quibus equos ferro munires. Omnis tua suppellex dono parata est, rclig-iosos viros, Barones, pari tenore cum plebibus habuisti. Ouippe solitus apud Novam Civitatem ludaeos deglubere, quorum anseres et anserum jecinora devorasti, uos ex illorum more tractandos existimabas. Splendidascoenas, lautas mensas, ex pau- perura tibi sanguine comparasti." Auch zahlreiche Opfer der Wollust! — „Oraittimus nuptas ad te domumque tuam noctu deductas, defloratasque virgines, dum tuum patro- cinium apud Caesarem rogant." *) Quid de tuis mendaciis satis referri potest? nunquamex te verum nisi errante, auditum est: nunc promittere, nunc promissum negare, dictum atque indictumapud te iuxta fuit, neque iurata tua iides stabilis mansit. Ad haec raonebas Caesarem , ne cui se crederet Australi: raperet ex Austria, quae posset: seiret se aliquando dominium diraissurum: quod medio tempore de pupilli haereditate surriperet, id suum esse". . . . 2) Es hcisst: reduc in memoriarn male consulta consilia Ina. Amicissimus Caesaris, Co- ioniensis Anlistes, alienatus est, cum sibi te suadente contra Susatenses nega- tum est auxilium; tuo suasu perditi sunt Turiccnses, adversus Suicenses arma sumentes : res Athcsinae tua causa perditae sunt : per te M e d i o 1 a n e n s e nego- tium iiifoclum est : res Goritiac ad intentionem Caesaris vadentes qnis nisi tua negligentia atque inscitia perturbavit? Quis Cilienses Principes nisi arrogaiitia tua a Caesare alienavlt? Quid de Frisingensi Ecciesia dixerimus? quam Johanni de Viridi Silva (Grünwalder) vendidisti, summumque lllum et exccllentissimum vestrae Curiae lumcn Cas|iarem Cancellarium prodidisli : tu Magdeburg eiiscm Arcliiei)iscoi)um et Saltzburgensem, quia non datur auri quantura flagitas, ab iuvestitura repulisti. Nunc Habsburg-ische Excurse. 111 Als Johannes Ungnad dieses Schreiben erhielt, soll er es voll Unwillen dem Kaiser gebracht und es im vollen Rathe haben vorlesen lassen. Einige aus den kaiserlichen Ruthen sollen was Eizinger hier schrieb missbilligt, andere stillgeschwiegen, unter sich aber bemerkt haben, es sei wahr, was geschrieben wurde; sie hätten sich gefreut, dass endlich sich Jemand gefunden, der dem Manne den Kopf gewaschen und den Hochmuth des Aufgeblasenen gedemüthigt habe. Also berichtet Aeneas Sylvius, der hinzusetzt, der Kaiser habe allerdings den Stich gefühlt, sich jedoch durch die seinem Vertrauten widerfahrene Schmach nicht ausser Fassung bringen lassen. Wir haben nicht das Original dieses ohne Zweifel in deutscher Sprache ausgefertigten Schreibens, ich habe vielmehr in meinen Materialien (Bd. II, S. 19, Nr. XIX) ein Schreiben Eizinger 's und der Verweser an die kaiserlichen Räthe Hanns und Wolfgang Ungnad mitgetheilt, welches dieselben als Antwort auf deren förmliche Absage ausgehen Hessen. Allerdings wird auch in diesem Schreiben dem Hanns Ungnad sein Übermuth und sein Eigennutz vorgeworfen, der durch seine Rathschläge den Kaiser ins Verderben gebracht habe. Ob nun Aeneas Sylvius sich erlaubt habe, dieses ganz kurze, durchaus keine Einzelheiten enthaltende Schreiben, nach dem Muster anderer classischer Geschichtschreiber, zu erweitern und dadurch eindringlicher zu machen, oder ob nicht vielleicht bei dieser Gelegen- heit, wie das öfter vorkömmt, von Seite eines Dritten eine Unter- schiebung stattgefunden, ist nicht klar. Ich möchte glauben, einer der Gegner Ungnad's unter den kaiserlichen Räthen oder Dienern habe sich den allerdings argen Scherz erlaubt, dem verhassten Günstling ein Schreiben in die Hand zu spielen, worin dem so Einflussreichen auf die bitterste Weise sein Schalten und Walten vorgestellt wird. Dadurch gewinnt das Schrei- ben noch grössere Wichtigkeit, indem es ein freilich höchst uner- quickliches Licht auf die inneren Verhältnisse des kaiserlichen Hofes wirft und Aeneas Sylvius ist dann wenigstens kein oflenbarer Fälscher. Die Antwort aber, welche Hanns Ungnad dem Eizinger auf seinen insolenten Brief geschrieben haben soll , die Aeneas Sylvius ebenfalls quoque Pataviensem electura omni conatu persequeris parum tibi offerentem. Sic tu Caesari i- Pfi/. maier. Reich Lii, worauf Tsin diesem zu Hilfe kiim und mit seinen Verbün- deten die Hauptstadt des Reiches Tsi beUigcrto. Fürst Ling von Tsi starb hakl nach diesen Vorgängen (554 vor Chr. Geb.). Nach einigen minder wichtigen Ereignissen innerhalb der Grenzen des Reiches Lu brach in Tsin (ööO vor. Chr. Geb.) eine durch Luan-ying veranlasste gefährlicbe Empörung aus, welche Tschuang, der neue Fürst von Tsi, zu einem Einfalle in Tsin benützte. Die Empörung selbst ward durch ein von Lu entsandtes Hilfsheer unterdrückt. Zwei Jahre später (548 vor Chr. Geb.) wurde Tschuang, Fürst von Tsi, durch Tlisui-tschü , einem Grossen seines Reiches, getödtet. In demselben Jahre bekriegte Tsching ohne Erlaubniss des die Oberherrschaft ansprechenden Reiches das Reich Tschin, wobei es nur durch die grosse Beredtsamkeit Tse-fan's , Prinzen von Tsching, der ihm für dieses Unternehmen zugedachten Strafe entging. Gegen das Ende des hier behandelten Zeitraumes wollte Tso-sse von Sung, der sowohl Tschao-wu, den Regierungsvorsteher von Tshi, als auch Tse-mo, den Regierungsvorsteher von Tsu, zu Freunden hatte, sich einen Namen machen, indem er die Reiche Tsin und Tsu 7A1 einem Vertrage der die Herstellung eines allgemeinen Friedens im Gefolge haben sollte, zu bewegen suchte. Dieser Vertrag, durch welchen Tsin und Tsu sich in die Oberherrschaft theilten und der in der chinesiscben Welt plötzlich eine grosse Veränderung hervor- brachte, wurde in der That (54G vor Chr. Geb.) vor den Thoren der Hauptstadt von Sung geschlossen. Merkwürdiger Weise wird dieser Friede der anscheinend die grösste Wohltbat gewesen , von den Weisen des Alterthums auf das Tiefste beklagt. Durch ihn gab es nändich, wie angegeben wird, zwei die Oberherrschaft ausübende Reiche, das eine im Süden, das andere im Norden. Man sah mit Redauern, dass Tsin der Oberherischaft nicht mehr gewachsen war, und die Reichsfürsten wandten sich zuletzt sämmtlich nach Tsu. Als dieses Reich später das Reich LJ angriff, Lai vernichtete , fand sich Niemand der sich einem solchen Beginnen widersetzte. Durch ibn wurde ferner, wie behauptet wird, der Unter- schied zwischen Chinesen und Barbaren aufgeliobcn, indem nändich gegen das Ende der Periode des Tschün-tsieu das ursprünglich unter den östlichen Barbaren gegründete Reich U und noch später das gleicbfalls barbarische Reich Yue die Oberherrschaft an sich rissen. Die Ansiclit von der Verwerflicbkeit des Vertrages wurde übrigens Notizen aus der Geschichte der chinesischen Reiche etc. 11^ f^leich nach dem Abschliisse desselben von Tse-han, Prinzen von Sung, gegenüber Tso-sse geltend gemacht. Die hier erzählten Begebenheiten wurden in ihrer Anordnung auf sieben und zwanzig Regierungsjahre des Fürsten ö Siang von Lu, der im Ganzen ein und dreissig Jahre regierte, vertheilt. Erwähnt zu werden verdient noch, dass in das ein und zwanzigste Regierungs- jahr des Fürsten Siang von Lu die Geburt Khung-tse's (Contucius) fällt, der somit zur Zeit des Friedensschlusses von Sung sechs Jahre alt wurde. Das erste Regierungsjahr des Fürsten Siang von Lu ist übrigens das vierzehnte des Königs Kien von Tscheu , der in demselben starb, ferner das sieben und zwanzigste des Fürsten Tsching von Tsehin, das vierte des Fürsten Fing von Sung, das erste des Fürsten Tao von Tsin, das zehnte des Fürsten Ling von Tsi , das dreizehnte des Hl— ■ -I— Fürsten Tsching von Tsching, das vierzehnte des Fürsten ^. '^p Scheu-mung von U. Das folgende zweite Regierungsjahr des Fürsten Siang von Lu ist das erste des Königs pw Ling von Tscheu, des Himmelssohnes. 1 118 l>i-. Pi'i/. iiiaier. :Ön ^ 28, das Jahr des Cyklus (570 vor Chi-. Geb.). Drittes Regierungsjahr des Fürsten Siang von Lu. Dieses Jahr ist das erste Regieriingsjahr des Fürsten |S- Hi von Tsehing. Rhi-hi erhebt die Vortrefl'lichen. „Khi-hi bat um die Versetzung in den Ruhestand." Khi-hi war, wie in dem achtzehnten Regierungsjahre des Fürsten Tseliing von Lu zu ersehen, der Reruhiger des mittleren Heeres von Tsin, „Der Fürst von Tsin fragte ihn um den Nachfolger. Er empfahl Hiai-ku. Dieser war sein Feind. Als man ihn erheben wollte, starb er." ^JlL fI? Hiai-ku von Khi-hi zum Nachfolger vorgeschlagen, starb in dem Augenblicke, als er in sein Amt eingesetzt werden sollte. „Man fragte ihn wieder. Er antwortete: Wu mag es werden." -tt=- Wu ist ip jhR Khi-wu, Khi-hi's eigener Sohn. „Um diese Zeit stari» Yang-sche-tschL" Yang-sche-tschf war der Genosse Khi-hi's in seinem bisherigen Amte. „Der Fürst von Tsin sprach: Wer kann seine Stelle vertreten?" „Jener antwortete: Tschhf mag es werden." ;5Jk Tschhi war der Sohn Yang-sche-tschPs. „Hierauf Hess man Khi-wu werden den Reruhiger des mittleren Heeres. Yang-sche-tschbT stand ihm zur Seite." „Die Weisen meinten, dass Khi-hi hier im Stande war, zu er- heben die VortrefTlichen." „Indem er seinen Feind empfahl, ühte er keine Verstellung. Indem er seinen Sohn einsetzte, bevorzugte er nicht den Nahe- stehenden. Indem er den Mann seines Anhangs erhob, bevorzugte er nicht den Genossen." Notizen aus der Geschichte der chinesischen Reiche etc. 119 „In dem Buche der Schang heisst es: Wer nicht den Anhang kennt, nicht die Genossen, dem ist des Königs grosser Weg er- schlossen. — Dieses lässt sich sagen von Khi-hi." „Hiai-ku erhielt die Beförderung. Khi-wu erhielt die Würde. Pe-hoa erhielt das Amt. Er errichtete ein einziges Amt, und drei Dinge wurden vollendet." BE i^ Pe-hoa ist der Jiinglingsname Yang-sche-tschhf's. Da Hiiii-ku starb, ehe er noch in seine Würde eingesetzt war, so erhielt er blos die Beförderung. Die übrigen Zwei erhielten je eine Würde und ein Amt. Der ßeruhiger des Heeres und dessen Genosse bekleiden ein und dasselbe Amt, desswegen wird gesagt, dass Khi-hi ein einziges Amt errichtet. Dass jene drei Männer die Beförderung, die Würde und das Amt erlangt, sind die drei Dinge welche er vollendet. „Er konnte erheben die Vortrefflichen. Nur weil er selbst vor- trefflich, konnte er erheben seines Gleichen." „In einem Gedichte heisst es: Er denlvt, was selbst er Iconnt' erreichen, Desswegen sie ihm gleichen." Der Sinn ist: Wer sich der eigenen Tugend bewusst ist, kann Menschen befördern, welche ihm selbst ähnlich sind. „Ein Solcher ist Khi-hi." Wei-kiang steht dem Yolkc zur Seite durch die Strafe. „Yang-yü, der Bruder des Fürsten vonTsin, verwirrte die Reihen in Khio-lia ng. Wei-kiang strafte dessen Diener." — p ^^ Yang-yü ist der jüngere Bruder des Fürsten Tao von Tsin, Wei-kiang der Anführer der Reiterei, was eigentlich der Anführer der Streitwagen. ^^ rffi Khio-liang, ein Gebiet von Tsin. Weil der Prinz Unordnung in die Reihen der Streitwagen brachte, Hess der Feldherr dessen Diener enthaupten. „Der Fürst von Tsin zürnte. Er sprach zu Yang-sche-tschhf: Ich habe versammelt die Vasallenfürsten zu meinem Ruhme. Yang-yü wird gestraft: welche Schande ist wohl gleich dieser? Wir müssen Wei-kiang tödten, ohne es zu versäumen." „Jener antwortete: Kiang hat keine doppelte Absicht". 1 !(i 0 ÜJ'. P f i z in a i e r. Av^ Kiang ist Wei-kiang's Name. „Wenn er dem Ijandeslierni dient, so entzieht er sich nicht den Gefahren. Hat er ein Verbrechen began -ö?- Kia-fu. |B^ "^ Meng-16 war dessen Minister. „Er überreichte durch die Vermittlung Wei-tschuang-tse's Felle von Tigern und Leoparden, und bat um ein Bündniss mit den west- lichen Barbaren." "? ^"i ^^ Wei-tschuang-tse ist VVei-kiang. „Der Fürst von Tsin sprach: Die Barbaren des Westens und des Nordens sind ohne Fieundschaft und begierig nach Vortbeil. Man kann sie blos angreifen." „Wei-kiang sprach: Die Vasallenfürslen haben sich erst unlängst unterworfen. Tschin ist erst unlängst gekommen, sicii mit uns zu verbünden. Sie werden uns beobachten. Besitzen wir die Tugend, so sind sie freundschaftlich. Besitzen wir sie nicht, so sind sie gegen uns doppelberzig. Wenn wir das Heer (M-müden gegen die Barbaren, und Tsu dann Tschin angreift, so können wir gewiss nicht zu Hilfe kommen. Dieses hiesse Tschin verlassen. Was genannt wird das blumige Reich, wird gewiss abfallen." 1 26 Oi: Pfizmaier. „Die Barbaren sind nichts anderes als Tliiere. Wir gewinnen die Barbaren und verlieren das blumige Reich. Dieses darf durchaus nicht geschehen." „Einst war Sin-kia der grosse Geschichtsschreiber der Tscheu." ffl ^ Sin-kia war der Hofgeschichtschreiber des Königs Wn von Tscheu. „Er befahl den hundert Obrigkeiten, in ihren Ämtern den Stachel zu kehren gegen die Fehler der Könige." Die verschiedenen Obrigkeiten hatten aus ihrem Wirkungskreise etwas zu verzeichnen, das den Königen zur Warnung dienen konnte. „In den Stachelworten der Menschen von Yü heisst es : In weiter Ferne die Fussstapfen des grossen Yü!" Die Bewohner des ehemaligen Reiches 1^ Yü bekleideten Ämter für die Beaufsichtigung der Jagd. ^ Yü ist der Gründer der Dynastie Hia. „Er zeichnete die neun Provinzen. Er eröffnete die neun Wege. Das Volk hat Schhifstätten und Ahnentempel. Die Thiere haben reich- liche Pflanzen. Alles hat seine Wohnplätze. Die Tugend wird dadurch nicht gestört." „Als I-I Kaiser war, verlangte ihn nach den Thieren der Ebene." ä^ ^ I-I ist der berühmte Schütze und Usurpator ^. 1. „Er vergass auf seines Reiches Kummer und gedachte der Hin- dinnen und Hirsciiböcke." „Die Kriegskunst darf man nicht hochschätzen. Durch sie ver- grösserte er nicht das Haus der Hia." I legte grossen Werth auf die Kriegskunst. Hierdurch bemächtigte er sich zwar des Reiches der Hia, aber er konnte dasselbe weder ver- grössern noch behaupten. „Die Diener des Wildes und Aufseher der Ebene wagen es, dieses zu melden den leitenden Männern." „Also lauteten die Stachelworte aus Yü. Sollte man wohl durch sie sich nicht warnen lassen?" „Um diese Zeit war der Fürst von Tsin ein Freund der Jagd, desswegen kam Wei-kiang hierauf zu sprechen." Ursprünglich hatte Wei-kiang die Absicht, den Fürsten zu einem Bündnisse mit den Barbaren zu bewegen, er fügt aber hierzu noch eine Warnung hinsichtlich der Jagd. Notizen aus der Geschichte der chinesischen Reiche etc. 127 „Der Fürst sprach: Also müssen wir uns mit den westlichen Barbaren verbünden?" „Jener antwortete: Das Bündniss mit den westlichen Barbaren hat einen fünfTachen Nutzen." „Die Barbaren leben unter den Pflanzen." Die Barbaren ziehen den Flüssen nach und suchen die gras- reichen Gegenden, um daselbst zu wohnen, d. i. sie sind Nomaden. „Sie schätzen die Waaren und machen ihr Land zugänglich. In ihrem Lande lässt sich Handel treiben. Dieses ist das Eine." „Die Grenzstädte werden nicht beunruhigt. Das Volk gewöhnt sich an seine Felder, die Ackerleute vollbringen ihre Arbeit. Dieses ist das Zweite." „Wenn die Barbaren Tsin dienen, so zittern die Nachbarn der vier Gegenden, die Fürsten des Reiches sind voll Ehrturcht. Dieses ist das Dritte." „Wenn wir durch Tugend beruhigen die Barbaren, so brauchen sich die Heere nicht zu bemühen, unsere Waffen werden nicht abge- nützt. Dieses ist das Vierte." „Wir spiegeln uns an dem königlichen I und nehmen uns zum Muster die Tugend : dann kommen zu uns die Fernen, und die Nahen sind beruhigt. Dieses ist das Fünfte. Mögest du, o Herr, dieses bedenken." „Der Fürst billigte es. Er hiess Wei-kiang den Vertrag schliessen mit den westlichen Barbaren." „Er brachte Ordnung in die Angelegenheiten des Volkes und jagte gemäss der Zeit." Die Angelegenheit des Volkes ist der Ackerhau, Die Jagd ist der Zeit gemäss, wenn durch sie der Ackerbau keine Störung erleidet. [^ ^ 30, das Jahr des Cyklus (568 vor Chr. Geb.). Fünftes Regierungsjahr des Fürsten Siang von Lu. Rl-wen-tse bewährt seine RedHchkcit gegennbor dem Hause des Fürston. „Ki-wen-tse starb. Der Haushofmeister bereitete die Gerätli- schaften des Hauses für die Begrähnissfeier." „Es gab keine Nebengemahlinnen welche sich in Seide klei- deten, keine Pferde welche Gerste verzehrten, kein aufbewahrtes Gold noch Edelsteine, keine kostbaren Geräthschaften und Rüstungen." 128 l>r. Hl iziiiai er. „Die Weisen crkannfcn hieraus, dass Ki-wen-tse redlicii war gegenüber dem Hause des Fürsten." „Er stand zur Seite drei Landesherren und hatte nichts für sieh gesammelt. Lässt sich dieses nicht Redlichkeit nennen?" Ki-wen-tse fülirte die Regierung bei drei Landesherren, den Fürston Siuen, Tsching und Siang von Lu. l+i j^ 33, das Jahr des Cyklus (565 vor Chr. Geb.). Achtes Regierungsjahr des Fürsten Siang von Lu. Dieses Jahr ist das erste Regierungsjahr des Fürsten "rS Kien von Tsching. Tse-tschan kann das Reich Tsehing bedauern. „Tse-kue und Tse-ni von Tsching drangen in Tsai. Sie fingen den Prinzen ST." feil HP Tse-kue ist der Sohn des Fürsten Mo von Tsching, B^ Hp- Tse-ni der Sohn des Prinzen Tse-liang. Das Reich Tsai stand auf der Seite von Tsu. Indem die beiden Prinzen dasselbe an- grilFen, wollten sie sich bei Tsin in Gunst setzen. Der Prinz '/^A Si ist der Anführer der Reiterei von Tsai. „Die Menschen von Tsching freuten sich. Tse-tschan allein war nicht ihrer Meinung und sprach: Ein kleines Reich ohne den Schmuck der Tugend erwirbt kriegerisches Verdienst: kein Unglück ist grösser als dieses." RF Hr Tse-tschan ist der Sohn des Prinzen Tse-kue. „Wenn die Menschen von Tsu kommen, um uns zu strafen, können wir anders, als ihnen gehurehen? Wenn wir ihnen gehorchen, so rückt das Heer von Tsin gewiss an." Tsching wird sich dem Reiche Tsu unterwerfen müssen, worauf Tsin die Zurückeroberinig desselben versuchen w ird. „Tsin und Tsu bekämpfen Tscliing. Von nun an, bevor niciit für das Reich Tscliing verflossen vier oder fünf Jahre, erlangt es nicht die Ruhe." „Tse-kue ziu-nte über ihn und sprach: Was kannst du wohl wissen? Ein Reich hat den grossen Hefehl und besitzt den ersten Reichsniinister. Dieses sind die Worte eines Knaben: du wirst dafür die Strafe erhalten." Notizen aus der Geschichte der chinesischen Reiche etc. 1ä9 Dessenungeachtet ging die Vorhorsagung Tse-tselian's gleich nachher in Erfülhing. Tse-tschen und Tse-sse berathen, ob Tsa zu gehorchen. „Tse-nang von Tsu griff Tsching an. Er strafte dessen Einfall in Tsai," ^^ -p Tse-nang ist der Prinz g Tsching, der Sohn des Königs Tschuang von Tsu. j, Tse-sse, Tse-kue und Tse-ni wollten Tsu gehorchen." SpO ~p Tse-sse, ein anderer Prinz von Tsching. „Tse-khung, Tse-kiao und Tse-tschen wollten warten aufTsin." IL ^ Tse-khung. ^| =f Tse-kiao und ^ =f Tse- tschen waren Enkel des Fürsten Mo von Tsching. Sie wollten warten, bis das Reich Tsin zu Hilfe käme. „Tse-sse sprach: Unter den Gedichten von Tscheu ist eines welches sagt: Wir warten, bis der FIuss sich klärt: Des Menschen Leben, sprich, wie lang' es währt ? Wo Zeichen schwanken, vielfach wird berathen, Sind Streiten und Umgarnen nur die Thaten." Diese Verse fehlen in den jetzt vorhandenen Gedichten des Reiches Tscheu. Von dem Wasser des gelhen Flusses, welches immer trüb ist, wird geglaubt, dass es nur alle dreitausend Jahre klar M^erde. Der Sinn ist: Das Leben des Menschen ist kurz, und das Wasser des gelben Flusses klärt sich zu spät. Auf ähnliche Weise kann man die Hilfe von Tsin nicht mehr erwarten. „Die Rath pflegen, sind viele Geschlechter, unter dem Volke ist viel Widerspruch. Die Geschäfte wachsen ohne irgend einen Erfolg, das Volk ist schon in Bedrängniss. Wir gehorchen einstweilen Tsu und verschaflTen eine Frist unserem Volke." „Wenn das Heer von Tsin kommt, so gehorchen wir ihm gleich- falls. Ehrfurchtsvoll reichen wir Seidenslolfe und Seide und warten auf die Kommenden: also gebührt es sich für ein kleines Reich." „Mit Opferthieren, Edelsteinen und Seide warten Avir an den zwei Grenzen." Sitzh. d. |.hil.-hist. Cl. XVUI. lid. I. Ufl. 9 i 30 Dr. I'fiz maier. Die Opferthiere gehören für einen Vertrag, Edelsteine und Seide für eine Zusammenkunft. Auf diese Weise möge man sowohl an der Grenze von Tsin als auch von Tsu warten. „Wir warten auf den Stärksten und beschützen so das Volk. Die Plünderer bringen uns dann keinen Sehaden, das Volk siecht nicht dahin. Ist dieses nicht auch mö'dich ?" „Tse-tschen sprach: Dasjenige wodurch die Kleinen dienen den Grossen, ist die Treue. Wenn ein kleines Reich ohne Treue, ist Un- glück durch die Waffen täglich im Anzüge. Es geht zu Grunde in nicht langer Zeit." „Die Treue von fünf Zusammenkünften, ihr wollen wir jetzt den Rücken kehren. Wenn Tsu auch käme uns zu helfen, was würde es uns wohl nützen?" Tsu wäre in diesem Falle gewonnen, die Treue aber verloren, woraus nach dem eben Gesagten der Untergang des Reiches erfolgen würde. In den letzten sechs Jahren hatte Tsching mit Tsin fünf Zusammenkünfte gehabt. „Die sich uns nahen, kommen zu keinem Ziele. Die uns zu einer Grenzstadt machen wollen, sind der Gegenstand unserer Wünsche." Mit Tsin welches von gleicher Familie ist und sich annähert, wird der Vertrag nicht abgeschlossen, wohl aber will man dieses mit Tsu welches Tsching vernichten und dasselbe zu einer Grenzstadt machen will. „Wir dürfen dieses nicht befolgen und müssen warten auf Tsin." „Der Landesherr von Tsin ist jetzt erleuchtet. Seine vier Kriegs- heere sind ohne Mängel. Die acht Reichsminister leben in Eintracht. Gewiss, er wird Tsching nicht verlassen." Die acht Reichsminister sind die Anführer der vier Heere von Tsin sammt deren Genossen, d. i. den zweiten Feldherren. „Das Heer von Tsu kommt aus weiter Ferne. Sein Mundvorrath wird sich erschöpfen. Gewiss, es wird schleunig zurückkehren. Warum betrüben wir uns?" „Ich Sche-tschi habe es gehört: Kein Stab ist gleich der Treue.« ^ ^ Sche-tschi ist Tse-tschen's Name. „Wir befestigen uns und ermüden Tsu. Wir machen zum Stab die Treue und warten auf Tsin. Ist dieses nicht auch möglich?« Notizen aus der Geschichte der chinesischen Reiche etc. 131 „Tse-sse sprach: In einem Gedichte heisst es: Der Miinner in dem Rath sind viele. Wird er befolgt, sie kommen nicht zum Ziele. Von Sprechern ist die Halle voll gedriingt. Wer ist es, der den Vorwurf gern empfängt? Wenn auf dem Weg sie nicht sich treffen in dem Rath, Wird er befolgt, der Weg verfehlt ist in der That. Ich Fei nehme den Vorwurf auf mich." ||4t Fei ist Tse-sse's Name. „Hierauf verglich man sich mit Tsu. Man hiess den Königssohn Pe-ping die Meldung bringen nach Tsin." Der Königssohn ,^TF in Pe-ping gehörte zu den Grossen des Reiches Tsching. „Dieser sprach: Euer Landesherr befahl der niedrigen Stadt: Ordnet eure Wagen und Waffen, rüstet eure Heerhaufen und Kriegs- scharen, damit ihr strafet die Empörer und Eindringlinge." „Die Menschen von Tsai gehorchten nicht. Die Menschen der niedrigen Stadt wagten es nicht zu verbleiben in Ruhe. Wir führten insgesammt heraus die niedrigen Streiter, um Tsai zu strafen. Wir fingen den Anführer der Pferde Si. Wir boten ihn euch dar in Hing- khieu." Bei der letzten erst in diesem Jahre erfolgten Zusammenkunft von 1^ ?TR Hing-khieu schenkte Tsching den gefangenen Prinzen Si an Tsin. „Jetzt kommt Tsu uns zu strafen und sagt: Warum erhobt ihr die Waffen gegen Tsai?" „Es verbrennt die Wachposten unserer Weichbilde. Es bedrängt die Vorwerke unserer Mauern." „Die Menge der niedrigen Stadt, die Männer und Weiber, die Jünglinge und Mädchen haben nicht Zeit zu sitzen auf ihren Knieen, indess sie einander helfen." „Man wirft uns gänzlich über den Haufen : wir haben nichts Weiteres zu melden." „Das Volk welches zu Grunde ging im Tode, wenn es nicht Väter sind und ältere Brüder, so sind es Söhne und jüngere Brüder." „Diese Menschen sind voll Kummer und Schmerz, sie wissen nicht, w odiu'ch sich schützen. Das Volk erkennt seine Ohnmacht, und wir empfingen den Vertrag von Tsu. Ich der Verwaiste mit meinen 9 ' 132 Hr. Pf iz maier. zwei oder drei Ministern konnte es nicht wehren. Ich wage es nicht, die Meldung zu unterlassen." „Tschi-wu-tse hiess Tse-yün, den Mann des Verkehrs mit den Gesandten, ihm antworten: Euer Landesherr hatte den Befehl von Tsu.« -?- Tpr 4;P Tschi-wu-tse ist ^j^ ^^J Siün-ying. Von dem Reiche Tsu war der Befehl ergangen, dass der Fürst von Tsching gestraft Averde. „Auch entsandte er nicht einen einzigen Mann des Verkehrs, damit er es melde unserem Landesherrn, sondern er sorgte sogleich für seine Ruhe bei Tsu. Euer Landesherr hat dieses gewollt: wer dürfte sich widersetzen eurem Landesherrn ?" „Unser Landesherr wird sich stellen an die Spitze der Reichs- fürsten und ihnen zeigen den Fuss eurer Stadtmauern. Nur euer Landesherr möge sich hierbei rathen." Diesem zufolge wurde Tsching im nächsten Jahre von Tsin angegritTen. jS| ~J~ 34, das Jahr des Cyklus (^64 vor Chr. Geb.). Neuntes Regierungsjahr des Fürsten Siang von Lu. Mo-kiang erkennt ihre Fehler. „Mo-kiang starb in dem östlichen Palaste." Mo-kiang ist die Grossmutter des Fürsten Siang von Lu. Sie hatte verbotenen Umgang mit Kiao-ju und wollte die Absetzung des Fürsten Tsching zu Stande bringen. Letzterer verbannte sie in den Palast des Thronfolgers, d. i. in den Palast der hier der östliche genannt wird. Ihr Tod erfolgte in diesem Jahre. „Im Anfange, als sie sich dahin begab, zog sie die Wahrsager- pflanze. Sie traf die neun Linien des Stillstehens." Bei dem Ziehen der Wahrsagerpflanze sind neun Linien des Diagramma's das alte Princip des Lichtes, sechs Linien das alte Princip der Finsterniss, sieben Linien das junge Princip des Lichtes, acht Linien das junge Princip der Finsterniss. Die beiden alten Principe sind einer Änderung fähig, die beiden jungen ändern sich nicht. Mo-kiang traf das Diagramma BH genannt ^ Ken, still stehen. Die Linien desselben sind Combinationen von zwei mit vier und fünf. Wo fünf Linien sind, findet eine Änderung Statt, acht Linien Notizen aus der Geschichte der chinesischen Reiche etc. 133 entstanden aus zweien, gehören zu dem jungen Prineip der Finster- niss und verändern sich niclit. „Der Geschichtsschreiber sprach: Dieses will sagen: das Folgen des Stillstehens." Da das ursprüngliche Diagramma das Stillstehen ist und fiinf Linien verändert, d. 1. mit einem andern Diagramma combinirt werden, so ist auf letzteres welches hier V^ sui „folgen" ist, besonders zu achten. „Folgen ist fortgehen. Du, o Herrinn, wirst bald von hier fort- kommen." Der Geschichtsschreiber spricht hier Md-kiang zu Gefallen und meint, dass sie nicht lange verbannt bleiben werde. „Kiang sprach: Es ist umsonst. Hier in den Verwandlungen der Tscheu heisst es: Folgen. Als Grundlage die Geselligkeit. Nutzen für die Reinheit. Keine Schuld." Dieses die Bedeutung des Diagramma's „folgen". Wer nämlich den Dingen folgen kann, zu diesem kommen ihrerseits die Dinge und folgen ihm. Eines folgt dem andern, und dieses ist die Geselligkeit. Die Vorbedeutung ist daher: Als Grundordnung die Geselligkeit. Dieselbe muss jedoch für die Reinheit von Nutzen sein, damit man ohne Schuld bleibe. Wenn dasjenige dem man folgt , nicht rein ist, so mag die Geselligkeit noch so gross sein , man wird der Schuld nicht entkommen. Md-kiang citirt hier den Text der Verwandlungen, um die Worte des Geschichtsschreibers zu widerlegen. In den Er- klärungen zu dieser Stelle wird noch bemerkt: Wenn bei dem Wahr- sagen fünf Linien, für welche eine Veränderung ist, getroifen werden, so gelten diejenigen Worte des zweiten Diagramma's, welche sich bei Linien ohne Veränderung finden, als Vorhersagung. Die Worte des Diagramma^s „folgen" welche hier massgebend hätten sein sollen, wären daher : Die kleinen Söhne verlieren den Mann. Es hätten also sowohl der Geschichtsschreiber als auch Md-kiang bei dem Wahrsagen Unrecht gehabt. „Die Grundlage ist der älteste der Körper." Dieses und das Folgende stimmt mit dem von Khung-tsc (Con- fucius) verfassten = /v Wen-yen „Worten der Schrift" bei dem Diagramma „Himmel" vollkommen überein. Es M^rd vermuthet, dass diese Stelle in irgend einem alten Buche vorhanden gewesen und Khung-tse später sie benützt habe. In dem Wen-yen lautet jedoch 134 I^i"- Pfizmaier. dieser Satz: „Die Grundlage ist die älteste der Vortrefflichkeiten«. Was hier die Grundlage genannt Mird, ist der Uranfang aller Dinge, die Kraft des Himmels und der Erde. Bei den Jahreszeiten erscheint dieselhe als der Frühling, hei dem Menschen äusserst sie sich als Menschlichkeit. „Die Geselligkeit ist die Vereinigung des Trefflichen." Die Geselligkeit ist der Verkehr der entstandenen Dinge unter einander. Wenn diese einmal so weit gediehen sind, so ist alles gut und vortrefflich. Bei den Jahreszeiten ist dieses der Sommer, bei dem Menschen sind es die Gebräuche. „Der Nutzen ist die Befreundung mit der Gerechtigkeit." Der Nutzen ist die Reihenfolge der entstandenen Dinge welche ihren angemessenen Platz erhalten und einander nicht im Wege stehen. Bei den Jahreszeiten ist dieses Herbst, bei dem Menschen die Gerech- tigkeit. „Die Reinheit ist der Stengel der Angelegenheiten." Die Reinheit ist Geradheit und Festigkeit. Wenn die entstandenen Dinge fest sind, können sie als Stengel dienen, daher heisst die Rein- heit der Stengel der Angelegenheiten. Bei den Jahreszeiten ist ein solcher Zustand der Winter, bei dem Menschen die Weisheit. „Wer die Menschlichkeit verkörpert, ist fähig zu sein der Älteste der Menschen." Die Menschlichkeit ist die Grundlage. Wenn der Weise sie ver- körpert, so liebt er alle entstandenen Dinge und er ist desshalb fähig, den Menschen als Ältester vorzustehen. „Wer trefflich ist von Tugend, ist fähig, sich anzuschliessen den Gebräuchen." In den „Worten der Schrift" lautet der Vordersatz: „Wer mit dem Trefflichen sich vereinigt." „\A'er Nutzen bringt den Dingen, ist fähig, sich zu befreunden mit der Gerechtigkeit." „Wer Reinheit besitzt und Festigkeit, ist fähig, der Stengel zu sein für die Angelegenheiten." Bis hierher stimmen die Worte Mö-kiang's mit dem Texte der Verwandlungen der Tscheu überein. „Wer so ist, kann gewiss nicht betrogen werden. Darum, wie es auch heissen mag: „„Folgen"" und „„keine Schuld"", jetzt bin ich ein Weib und habe mich eingelassen in Unordnungen, Gewiss Notizen aus der Geschichte der chinesischen Reiche etc. IdO ich stehe auf einer niederen Stufe und besitze nicht die Menschlichiieit. Dieses lässt sich nicht nennen die Grundlage." „Ich liess nicht in Ruhe das Reich und das Haus : dieses lässt sich nicht nennen die Geselligkeit." „Durch meine Handlungen schadete ich mir selbst: dieses lässt sich nicht nennen der Nutzen." „Ich setzte hintan meinen Rang und beging Ausschweifungen : dieses lässt sich nicht nennen die Reinheit." „Wer die vier Tugenden besitzt, für diesen sei „„folgen"" und „„keine Schuld"". Ich bin entblösst von ihnen allen: wie wäre für mich das „„Folgen""? Die vier Tugenden sind die oben genannten: Grundlage, Gesel- ligkeit, Nutzen und Reinheit. „Ich habe mir angeeignet das Böse: kann ich wohl bleiben ohne Schuld ? Gewiss, ich muss hier sterben , ich werde nicht mehr hin- wegkommen." Der Prioz Tsching tadelt den Angriff auf Tsln. „King, Fürst von Thsin, entsandte Sse-ya, damit er ein Heer erbitte von Tsu. Er wollte Tsin angreifen." Die Sendung ^"W -^ Sse-ya's nach Tsu erfolgte, weil Thsin allein sich dem Reiche Tsin nicht gewachsen fühlte. „Der Fürst von Tsu gewährte es, Tse-nang sprach: Es darf nicht sein." Tse-nang ist der Prinz Tsching. „Für jetzt können wir mit Tsin nicht streiten. Der Landesherr von Tsin richtet sich nach den Fähigkeiten und verwendet sie. Bei den Erhebungen ist seine Wahl keine verfehlte." „Die Obrigkeiten wechseln nicht den Platz. Seine Reichsminister weichen den Besseren. Die Grossen seines Reiches versäumen nicht die Obliegenheiten. Seine Staatsdiener wetteifern gegenüber den Belehrungen. Die gewöhnlichen Menschen bellcissen sich des Acker- baues. Die Kaufleute, Künstler, die kleinsten Diener kennen keine Änderung ihrer Geschäfte. Der Landesherr ist erleuchtet, die Minister redlich. Die Höheren weichen einander, die Niederen wetteifern. In der gegenwärtigen Zeit kann man sich mit Tsin nicht messen. Mögen wir ihm dienen, später wird es wohl möglich. Mögest du, o Herr, dieses bedenken." 136 Dr. Pfizmaier. „Der König sprach: Ich habe es bereits gewährt. Kommen wir auch nicht nach Tsin, so muss ich doch das Heer ausrücken hissen." „Der Fürst von Tsu lager(e in Wu-tsching. Er schützte dadurch Thsin." König Kung rückte mit seinem Heere nach dem Gebiete IpT Jv/V Wu-tsching, um das Reich Thsin gegen einen Angriff zu schützen. Tsin and Tscking schHessen einen Vertrag in Hi. „Die Reichsfürsten griffen Tsching an. Die Menschen von Tsching fürchteten sich und schlössen Frieden." In Folge der im vorhergehenden Jahre erzählten Ereignisse führte Tsin die Macht der Reichsfürsten gegen Tsching. „Tschung-hang-hien-tse sprach : Wir belagern sie sogleich. Wir warten, bis die Menschen von Tsu ihnen zu Hilfe kommen, und kämpfen dann mit ihnen." ~V /m iT T Tschung-hang-hien-tse ist j^ >^ Siün-yen. „Geschieht dieses nicht, so gibt es keinen Frieden." In diesem Falle würde Tsu zum Angriffe schreiten. Tsching würde von Tsin wieder abfallen und sich Tsu unterwerfen. „Tschi-wu-tse sprach: Wir gewähren ihnen den Vertrag und ziehen das Heer zurück. Durch dieses setzen wir herab die Menschen von Tsu." „Wir theilen in drei Theile die vier Kriegsheere und die aus- erlesenen Streiter der Reichsfürsten. Hiermit treten wir entgegen den Anrückenden. Ehe bei uns noch eine Krankheit, Mird Tsu schon niclit mehr können. Dieses ist weit besser als kämpfen." Von den drei Abtheilungen der Heere von Tsin wird eine jede ein einziges Mal ausrücken , w ährend das Heer von Tsu dreimal an- rücken muss und dadurch seine Kraft erschöpfen wird. „Wenn wir bleichen die Gebeine, um durchzudringen, so können wir nicht streiten." Wenn Tsin eine Schlacht liefern will, so wird der Sieg unge- wiss sein und man kann gegen Tsu nicht in die Schranken treten. Nur indem man nicht kämpft, könne man einen vollständigen Sieg erringen. Notizen aus der Geschichle der chinesischen Reiche etc, 1 O ^ „Die grosse Arbeit ist noch niclit zu Ende. Der Weise arbeitet mit dem Herzen, der kleine Mensch arbeitet mit der Kraft des Körpers. So sind die Anordnungen der früheren Könige." Die alten Könige gründeten auf diesen Ausspruch die Herrschaft des Weisen über den gewöhnlichen Menschen. In Übereinstimmung hiermit würde Tsin jetzt mit der Kraft des Geistes arbeiten und Tsu zur Ordnung führen, während Tsu mit der Kraft des Körpers arbeiten und von Tsin zur Ordnung gebracht werden würde. „Die Reichsfürsten wollten insgesammt nicht kämpfen. Man gewährte Tsching den Frieden." „Als man den Vertrag abschliessen wollte, verfertigte Sse- tschuang-tse von Tsin die Urkunde." -^ Ü-j- -J- Sse-tschuang-tse ist S3 -£- Sse-jo. Bei der Abschliessung eines Vertrages kostet man von dem Blute des Opfer- thieres und verfertigt eine Urkunde, in welcher der Gegenstand den Göttern gemeldet wird. „In dieser wurde gesagt: Von dem heutigen Tage und nachdem der Vertrag bereits geschlossen, wenn das Reich Tsching nicht einzig gehorchen sollte dem Befehle von Tsin und vielleicht hegen sollte eine andere Absicht, so sei es wie in diesem Vertrage." In diesem Falle möge das mit jedem Vertragsbruch verbundene Unglück hereinbrechen. „Der Prinz Fei eilte herbei und machte einen Antrag." Fei ist der Name des Prinzen Tse-sse von Tschinjj. Er war mit der Fassung der Urkunde nicht einverstanden und machte einen Vor- schlag zur Änderung derselben. „Dieser lautete : Der Himmel schickte Unglück über das Reich Tsching, er hiess uns an den Grenzen wohnen zwischen zwei grossen Reichen. Die grossen Reiche nahten uns nicht mit dem Klang der Tugend, sondern erregten Unordnung, um uns zu zwingen." „Sie bewirkten, dass die Götter und Geister nicht trinken konnten das reine Opfer, dass die Menschen des Volkes nicht geniessen konnten den Nutzen ihres Bodens. Männer und Weiber empdnden bitteres Leid, gerathen in Bedrängniss. Sie haben nichts, wohin sie sich könnten wenden, wo sie es könnten melden." „Von dem heutigen Tage und nachdem der Vertrag bereits ge- schlossen, wenn das Reich Tsching nicht einzig folgen sollte Demjenigen, 1 O O Dr. I* f i z ni a i e r. der besitzt die Gebräuche sammt der Stärke, der beschirmen kann das Volk, und wenn es wagen sollte, zu hegen eine andere Absicht, so sei es auch wie hier." In diesem Falle möge den Wortbrüchigen ebenfalls das in dem Vertrage angedeutete Unglück ereilen. Indem Tse-sse dieses vor- schlug, wollte er bewirken, dass Tsching sich nicht in die aus- schliessliche Abhängigkeit von Tsin versetze. „Siün-yen sprach: Man verändere die Urkunde." Tse-sse hatte seine Rede ebenfalls auf eine Tafel schreiben lassen, daher Hess man jetzt die Urkunde abändern. „Der Fürstenenkel Sche-tschi sprach: Man meldet es offenbar den grossen Göttern und verpflichtet sich mit Worten. Wenn man dieses verändern darf, so darf man auch gegen das grosse Reich sich auflehnen." Z ^ Sche-tschi ist der Name des Prinzen Tse-tschen. „Tschi-wu-tse sprach zu Hien-tse: Wir besitzen in der That nicht die Tugend und binden die Menschen durch Verträge : wie Märe dieses nach den Gebräuchen? Ohne die Gebräuche, wie wären wir die Herren des Vertrages?" „Wir schliessen einstweilen den Vertrag und ziehen uns zurück. Wenn wir die Tugend ordnen, die Waffen ruhen lassen und dann kommen, so gewinnen wir Tsching gewiss für immer. Wozu brauchten wir es für heute?" „Besitzen wir nicht die Tugend, so wird uns das eigene Volk verlassen: wie wäre es Tsching allein?" „Wenn wir Ruhe gewähren können und die Zuneigung erwerben, so werden die fernen Menschen zu uns kommen: warum verlassen wir uns auf Tschiiig?" „Hierauf schlössen sie den Vertrag und kehrten zurück." Das Gebiet j^ Hi, von welchem dieser Vertrag den Namen führt, lag in dem Reiche Tsching. Der Fürst von Tsln lässt das Volk ruhen. „Der Fürst von Tsin kehrte zurück. Er überlegte wie er das Volk könne ruhen lassen." Der AngrilT auf Tsching war nicht von dem gewünschten Erfolge begleitet, man wollte daher vor Allem das Volk neue Kräfte sammeln lassen. Notizen ans der Geschichte der chinesischen Reiche etc. loU „Wei-kiang bat, dass man Gnaden spende und entlasse." Man sollte die ausgedienten Krieger entlassen. „Man möge die Vorräthe herausgeben und sie verthcilen. Von dem Fürsten abwärts, wenn Jemand Vorräthe besitzt, so gebe er sie insgesammt heraus." „Hat ein Reich keine wucherliehen Aufspeicherungen, so hat es auch keine unglücklichen Menschen." „Hat der Fürst keinen ausschliesslichen Nutzen, so gibt es auch kein habsüchtiges Volk." „Bei dem Opfer tausche man mit Seidenstoffen." Bei dem Opfer möge man die Opferthiere durch Seidenstoffe ersetzen. „Für den Gast verwende man ein einziges Opferthier. Die Ge- räthschaften verfertige man nicht neu. Bei den Wagen und Kleidern richte man sich nach dem Bedürfniss." „Thut man dieses durch ein Jahr, so hat das Reich seine Ord- nung. Wir spannen dreimal ein, und Tsu kann nicht mehr mit uns streiten." Wenn Tsin dreimal ein Heer aussendet, wird Tsu nicht mehr um den Besitz des Reiches Tsching streiten können. /^ f^ 35, das Jahr des Cyklus (Ö63 vor Chr. Geb.). Zehntes Regierungsjahr des Fürsten Siang von Lu. Tse-tschan verbrennt die Irkande. „Die Räuber tödteten Tse-sse, Tse-kua und Tse-ni von Tsching. Sie entführten den Fürsten von Tsching und zogen mit ihm nach dem nördlichen Palaste." Mit dem Ausdrucke „Räuber" bezeichnete zuerst der Tschün- tsieu die Mörder der hier genannten drei Reichsminisler, indem er die völlige Auflösung der Regierung welche in dem Reiche Tsching eintrat, hierdurch andeuten wollte. Die Veranlassung war ein Streit zwischen diesen drei Reichsministern und der Familie jjj^ j^a' Wei- tsehhi wegen der Bewässerungsgräben der Felder, in Folge dessen die Familien p] Sse, j^ Tu, -|& Hon und pfjj -^ Tse-sse ihre Felder verloren. Die fünf Familien sammelten einen Anhang und erregten einen Aufstand, worauf sie in den westlichen Palast drangen und die drei Vorsteher der Regierung an dem Hofe des l^'ürslcn lödteten. 140 Dr. Pfizmaier. „Tse-tschan hörte von den Räubern. Er entfaltete die Kriegs- macht und überfiel die Räuber in dem nördlichen Palaste." „Tse-kiao an der Spitze der Menschen des Reiches stand ihm bei. Die Räuber fanden insgesammt den Tod." „Tse-khung versah die Geschäfte des Reiches und verfertigte eine Urkunde. Er machte Reihenf .Igen nach der Würde. Ei- hiess gehorchen den Vorschriften der Regierung." Der Prinz Tse-khung wurde an der Stelle des getödteten Tse-sse der Vorsteher der Regierung. Er wollte eine Urkunde welche er früher verfertigt hatte, von den Grossen des Reiches beschwören lassen. In derselben hatte er die Rangordnung nach Ämtern aufgestellt, zu- gleichverlangte er, dass Alle sich den Vorschriften dervon ihm selbst geführten Regierung fügen, nicht aber der von dem Hofe ausgehenden Regierung untergeordnet seien. „Die Grossen des Reiches, die Vorsteher und die Söhne der Pforten gehorchten ihm nicht." Die Söhne der Pforten sind die Söhne der Reichsminister, durch welche Seitenlinien gegründet werden. „Jener wollte sie strafen. Tse-tschan hielt ihn zurück und bat ihn, dass er die Schrift verbrenne." „Tse-khung weigerte sich und sprach: Ich verfertigte die Schrift, um das Reich zu beruhigen. Wenn die Gesammtheit zürnt und sie verbrennt, so führt die Gesammtheit die Regierune-. Ist dann das Reich nicht auch unmöglich?" „Tse-tschan sprach: Wenn die Gesammtheit zürnt, ist der Widerstand unmöglich. Was nur ein Einziger wünscht, lässt sich unmöglich vollenden." „Du vereinst zwei Unmöglichkeiten, um das Volk zu beruhigen: dieses ist der Weg zu der Gefahr. Man muss die Schrift verbrennen, um die Gesammtheit zu beruhigen." „Du hast erhalten, was du wünschtest, die Gesammtheit erhält auch die Ruhe: ist dieses nicht auch möglich?" Was Tse-khung zu erhalten wünschte, war die Rcüieruno-. „Was nur ein Einziger wünscht, lässt sich nicht vollenden. Der Gesammtheit sich widersetzen, bringt Unheil. Mögest du es gewiss befolgen." „Hierauf verbrannte man die Schrift ausserhalb des grünen Thores." Notizen aus der Geschichte der chinesischen Reiche etc. 141 Indem Tse-khimg die Urkunde nicht an dem Hofe, sondern vor einem Thore der Hauptstadt von Tsehing verbrannte, wollte er, dass es in der Nähe wie in der Ferne gesehen werde. „Die Gesammtheit war hierauf beruhigt." ^ g 36, das Jahr des Cyklus (562 vor Chr. Geb.). Eilftes Regierungsjahr des Fürsten Siang von Lu. Wei-kiang verweigert die Aanahme der Musik. „Die Menschen von Tsching schenkten dem Fürsten von Tsin die Meister Khuei, Tschho und Kiuen, Glocken für den Gesang zwei Reihen sammt den grossen Glocken und Musiksteinen, ferner Musikan- tinnen zweimal acht." Die Meister ;ffi Khuei , ra^ Tschho und |^;S Kiuen waren Meister in der Musik. Eine Reihe Glocken zählt sechzehn Stücke, die hier geschenkten zwei Reihen gehörten zur Begleitung des Gesangs. „Der Fürst von Tsin schenkte Wei-kiang die Hälfte der Musik." „Hierbei sprach er : Du hast mich gelehrt mich verbünden mit den Barbaren, damit ich zur Ordnung bringe die Menschen des blumigen Reiches." Dieses geschah im vierten Jahre des Fürsten Siang von Lu. „In einem Zeiträume von acht Jahren versammelte ich neunmal die Fürsten des Reiches." Im fünften Jahre des Fürsten Siang von Lu war die Zusammen- kunft von 1^ Tsi' und 4ä^ IM/ Tsching-ti, im siebenten von "^p Yen, im achten von Pp 4tR Hing-khieu, im neunten von Igj/ Hi, im zehnten von i^ Tscha, ferner die Zusammenkunft bei dem An- griffe auf Tsching. In dem gegenwärtigen Jahre versammelte Tsin die Reichsfürsien in JW »^7 Po-tsching und 'S ^fe" Siao-yü. „Gleich dem Einklang der Musik war nichts, das nicht in Über- einstimmung. Ich bitte dich, mich vnit dir zugleich dessen freuen zu dürfen." „Jener weigerte sich und sprach: Das Bündniss mit den Barbaren hat seinen Grund in dem Glücke des Reiches. Dass in acht Jahren neunmal versammelt wurden die Fürsten des Reiches, und dass die Fürsten des Reiches ohne Arglist, dieses hat seinen Grund in deinem Geiste, 0 Herr, und in den Verdiensten der zwei oder drei Söhne. Was für einen Einfluss hätte ich hier geübt?" 142 Dr. Pfiziniiier. „Jedoch wünsche ich, dass du, o Herr, in Ruhe geniessen mögest deine Freude und denken an deren Dauer." Der Fürst möge die Freude der Gegenwart geniessen und sich in seiner günstigen Lage für die Dauer behaupten. „In einem Gedichte heisst es: Sich freuen kann der Weise nur, Er schenkt die Ruh' des Himmelssohnes Reichen. Sich freuen kann der Weise nur. Der Segen wird, das Glück von ihm nicht weichen. Die Menschen steh'n zu seinen beiden Seiten, Sie folgen ihm, sie lassen sich nocli leiten." „Durch die Musik bringt man in Einklang die Tugend. Durch die Gerechtigkeit ordnet man sie, durch die Gebräuche übt man sie, durch die Treue bewahrt man sie, durch die Menschlichkeit schmückt man sie. Dann erst mag man zur Ruhe bringen die Länder und die Reiche, theilen das Glück und den Segen, an sich ziehen die fernen i Menschen, und dieses nennt man die Musik." Die Musik verdient nur dann diesen Namen, wenn sie die hier genannten Tugenden hervorbringt. „In dem Ruche heisst es : Lebt man in Sicherheit, so denkt man an die Gefahr. Denkt man an diese, so ist man vorbereitet. Ist man vorbereitet, so gibt es keine Trübsal." Diese Stelle ist in den heutigen Schu-king nicht enthalten. „Ich wage es, dieses vorzuzeiehnen." „Der Fürst sprach: Du hast mich belehrt: Durfte ich es wagen den Refehl nicht zu vollziehen? Fürwahr, ohne dich hätte ich nicht erwartet die westlichen Rarbaren, ich hätte nicht setzen können über den Fluss." Ohne den Rath Wei-kiang's hätte sich der Fürst nicht mit den westlichen Rarbaren verbündet, eben so wenig wäre er im Stande gewesen, den gelben Fluss zu übersetzen und im Süden desselben um das Reich Tsching zu streiten. „Die Vorschriften hinsichtlich der Relohnungen gehören zu den Grundgesetzen der Reiche. Sie sind aufbewahrt in der Kammer der Verträge: sie dürfen nicht abgeschalft werden. Darum mögest du sie empfangen." „Wei-kiang erhielt um diese Zeit das erste Mal eine Musik von Erz und Stein. Es war nach den Gebräuchen." Notizen aus der Geschichte der chinesischen Reiche etc. 143 Wei-kiang, der sich früher geweigert, nahm die Musik jetzt an. Wenn ein Grosser des Reichs sich Verdienst erwirbt, so wird er nach den Gebräuchen mit Musik beschenkt. 5 ^ 38, das Jahr des Cyklus (560 vor Chr. Geb.). Dreizehntes Regierungsjahr des Fürsten Siang von Lu. Dieses Jahr ist das erste Regierungsjahr des Fürsten ^^ =:« Tschü-fan von U, Die Feldherren von Tsin überlassen einander den Platz. „Siün-ying und Sse-fang starben." Reide Männer gehörten zu der Zahl der vier Reichsminister, Siün-ying war zugleich der Anführer des mittleren Heeres von Tsin. „Der Fürst von Tsin hiess Sse-kai befehligen das mittlere Heer." ^ •-[- Sse-kai ist -?- g ^vn Fan-siuen-tse, der Sohn Fan-wen-tse's. „Dieser weigerte sich und sprach: Pe-yeu ist der Ältere." Wf 'lÖ ^^"Y^u i^*^ Siün-yen. „Siün-yen befehligte das mittlere Heer. Sse-kai stand ihm zur Seite." Sse-kai behielt somit seinen früheren Posten. „Man Hess Han-khi befehligen das erste Heer." ^B US Han-khi war der Genosse, d. i. der zweite Anführer des ersten Heeres. „Er trat zurück zu Gunsten Tschao-wu's." TK" 7f^ Tschao-wu ist ^ a^^ ^^ Tschao-wen-tse. „Man ernannte wieder Luan-yen." Da Tschao-wu als Anführer des neuen Heeres auf einer zu niedrigen Stufe stand, so ging der Fürst auf den Vorschlag Han-klii's nicht ein, sondern ernannte Luan-yen, den Anführer des dritten Heeres zum Anführer des ersten. „Dieser weigerte sich und sprach : Ich bin nicht so viel werth wie Han-khi. Han-khi wünscht über sich zu stellen Tschao-wu. Mögest du, 0 Herr, ihm Gehör schenken." „Man liess Tschao-wu befehligen das erste Heer. Han-khi stand ihm zur Seite." Tschao-wu als Anführer des neuen Heeres stieg vier Stufen höher und trat an die Stelle Siün-yen's. Han-khi blieb was er früher gewesen. 144 Dr. l'fizmaier. „Liian-yeii befehligte das dritte Heer. Wei-kiang stand ihm zur Seite." Luan-yen blieb was er früher gewesen. Wei-kiang als Genosse des neuen Heeres stieg eine Stufe höher und trat an die Stelle Sse-fang's. „Das Volk des Reiches Tsin wurde hierdurch in hohem Grade anhänglich. Die Reichsfürsten näherten sich in Freundschaft." „Die Weisen sprachen: Das Überlassen ist die Hauptsache bei den Gebräuchen. Fan-siuen-tse überliess seinen Platz. Die unter ihm standen, überliessen ihn gleichfalls." „Luan-yen war hochmüthig: er wagte es nicht, hier anders zu handeln." „Das Reich Tsin wurde hierdurch befriedigt: mehrere Ge- schlechtsalter bauten hierauf." „Man machte zum Gesetz das Gute. Wenn Ein Mensch zum Gesetze macht das Gute, so wird den hundert Familien Zufriedenheit und Ruhe. Kann man anders, als dessen sich bestreben?" „In dem Ruche heisst es: Ein einziger Mensch weiss Segen zu verbreiten! Die Millionen Volkes ihm vertrau'n, die Ruh' wird ihm zu Theil für ew'ge Zeiten! — Dieses lässt sich hier sagen. **^ „Als die Tscheu emporkamen, hiess es in dem Gedichte: Ein treffliches Gesetz gibt König Wen, Zu ilim zehntausend Länder voll Vertrau'n!" „Es sagt: Er machte zum Gesetz das Gute." „Als sie in Verfall geriethen, hiess es in dem Gedichte: Die Grossen niemals stimmen überein, Wir handeln, wir bekümmern uns allein." Rei dem Verfalle der Dynastie Tscheu war König Yeu in seinem Rathe nicht einig, die Staatsdiener mussten daher ohne Unterstützung von oben die Angelegenheiten besorgen. Auf diesen Zustand beziehen sich die folgenden Verse des Siao-ya: Rings unter dieses Himmels Weite Ist Alles nur des Königs Land. Die wandeln an dem Uferrand, Sind Alle nur des Königs Leute. Die Grossen niemals stimmen überein. Wir handeln, wir bekümmern uns allein. „Es sagt: Es war kein Überlassen." Notizen aus der Geschichte der chinesischen Reiche etc. 14rO Da in dem Rathe des Königs Yeu keine Eintracht herrschte und die Staatsdiener unabhängig handeln mussten, so war von einem gegenseitigen Überlassen keine Rede. „Wenn die Welt in Ordnung ist, so schätzt der Weise die Fähig- keiten und überlässt den Platz dem Niederen. Der kleine Mensch befleissigt sich des Ackerbaues und dient dadurch dem Höheren." „Durch dieses beobachten die Höheren und die Niederen die Gebräuche, doch Verleumdung und Arglist sind gelöscht und fern- gehalten. Es kommt daher, weil sie nicht streiten. Dieses nennt man die unvergleichliche Tugend." „Wenn sie in Unordnung ist, so rühmen die Weisen ihre Ver- dienste und beleidigen die kleinen Menschen. Die kleinen Menschen sind stolz auf ihre Gaben und drängen sich zu den Höheren." „Durch dieses verletzen die Höheren und die Niederen die Gebräuche. Unordnung und Bedrückung entstehen zu gleicher Zeit. Es kommt daher, weil man streitet mit den Guten. Dieses nennt man die verfinsterte Tugend." „Die Erniedrigung der Reiche und Häuser geht immer aus diesem hervor." ^ ^ 39, das Jahr des Cyklus (559 vor Chr. Geb.). Vier- zehntes Regierungsjahr des Fürsten Siang von Lu. Dieses Jahr ist das erste Regierungsjahr des Königs jp^ Khang von Tsu. Der Vorsteher Rhuang bespricht die Vertreibung des landesherrn dorch die Jlenschcn von Wei. „Der Vorsteher Khuang machte die Aufwartung bei dem Fürsten von Tsin." Ein Vorsteher der Musik in Tsin führte den Namen JOf^ Khuang. „Der Fürst von Tsin sprach : Die Menschen von Wei vertrieben ihren Landesherrn. Ist dieses nicht auch sehr arg?" „Jener antwortete: Vielleicht war ihr Landesherr in der That sehr arg." „Ein guter Landesherr soll belohnen die Guten und bestrafen die Bösen. Er nährt das Volk wie seine SiWine. Er bedeckt es gleich dem Himmel. Er trägt es gleich der Erde." Sitzb. (1. phil.-hist. Cl. XVIU. Bd. I. Hft. ^Q 1 4 6 Dr. P f i z in a i e r. „Das Volk dient seinem Landesherrn, es liebt ihn wie den Vater und die Mutter. Es blickt zu ihm empor wie zu der Sonne und dem Mond, Es verehrt ihn wie der Götter Licht, es fürchtet ihn wie des Donners Ton. Kann er dann wohl vertrieben werden?" „Der Landesherr ist der Hauswirth der Götter und die Hoffnung des Volkes." Der Landesherr reicht den Göttern das Opfer und ist dadurch deren Hauswirth. „Ist er aber der Hauswirth eines verkümmerten Volkes, so be- lästigt er die Götter und vernichtet das Opfer. Die hundert Familien verlieren ihre Hoffnung, die Landesgötter haben keinen Hauswirth. Wozu könnte man ihn dann noch brauchen ? Was lässt sich anderes thun, als ihn vertreiben?" „Der Himmel lässt entstehen das Volk und pflanzt ihm einen Landesherrn. Er gibt ihm einen Vorsteher und Hirten , er lässt es nicht verlieren die Zuneigung." „Dem Landesherrn stellt er zur Seite die Gehilfen. Er heisst sie ihn leiten, ihn beschützen. Sie lassen ihn nicht überschreiten das Mass." „Desswegen hat der Himmelssohn die Fürsten." Die drei obersten Minister des Himmelssohnes heissen die drei Fürsten. „Die Fürsten des Reiches haben die Reichsminister. Die Reichs- minister gründen die Seitenlinien. Die Grossen des Reiches haben die abhängigen Geschlechter. Die Staatsdiener haben Freunde. Die gewöhnlichen Menschen, die Künstler, die Kaufleute, die kleinen Diener, die Hirten, alle haben Nahe und Verwandte, damit sie sie stützen und ihnen helfen." „Thun sie Gutes, so verbreiten sie es. Fehlen sie, so verbessern sie es. Sind sie in Resorgniss, so kommen sie ihnen zu Hilfe. Ver- säumen sie etwas, so machen sie es wieder gut." „Von dem Könige abwärts hat ein Jeder einen Vater, einen älteren Rruder, einen Sohn oder einen jüngeren Bruder, damit sie ausbessern und untersuchen die Regierung." „Die Geschichtsschreiber verfertigen die Bücher. Die Blinden verfertigen die Gedichte. Die Künstler singen die Stachelworte und den Tadel. Die Grossen des Reiches umzeichnen und belehren. Die Notizen aus der Geschichte der chinesischen Reiche etc. 1 4- 7 Staatsdiener melden es mit Worten. Die gewöhnlichen Menschen schmähen." Wenn die niederen Staatsdiener welche bei Hofe nicht ver- kehren, an dem Landesherrn Fehler entdecken, so melden sie es den Grossen des Reiches. Die gewöhnlichen Menschen welche an der Regierung gar keinen Antheil haben, schmähen in diesem Falle öffent- lich den Landesherrn. „Die Kaufleute stellen es zur Schau auf dem Markte." Wenn die Kaufleute die Regierung schlecht finden, so stellen sie ihre fehlerhaften Waaren zur Schau, um dadurch dem Landesherrn ihren Tadel zu erkennen zu geben. „Die hundert Künstler überreichen die Kunstwerke." Wenn die Handwerker an dem Landesherrn keine guten Eigen- schaften bemerken, so überreichen sie ihm die von ihnen verfertigten kunstvollen Gegenstände. Da diese Gegenstände streng nach den Regeln der Kunst gearbeitet sind, so dienen sie zur Vorbringung eines bildlichen Tadels. „Desswegen heisst es in dem Ruche der Hia: Die kundgebenden Menschen wandeln mit Holzglocken umher auf den Wegen." Eine Holzglocke heisst eine grosse Glocke von Metall mit höl- zernem Klöppel. Im Anfange des Frühlings zogen besondere Ange- stellte in dem Lande umher, welche diese Glocke schlugen und die Menschen ermahnten, die Gesetze zu befolgen. „Die Obrigkeiten und die Vorsteher bezeichnen einander die Vorschriften. Die Künstler ergreifen die Gegenstände der Kunst, um zu tadeln." Hier das Ende der angeführten Stelle. „Im ersten Monate, im Anfange des Frühlings ist dieses der Fall. Man tadelt die Abweichungen von der Regel." „Der Himmel liebt das Volk sehr. Wie könnte er heissen einen einzigen Menschen sich eigenmächtig stellen über das Volk, so dass er Nachsicht hat mit dessen Lastern und abstreift das Wesen des Himmels und der Erde? Gewiss, dem ist nicht so." In diesem Jahre erfolgte ferner der sogenannte Angriff der drei- zehn Reiche, indem die Reiche Tsin, Lu, Tsi, Sung, Wei, Tsching, Tsao, Khiü, Tschü, Teng, Sie, Khi und das kleine Tschü das Reich Thsin angriffen. Mit diesem Angriffe erreichte die zwischen Tsin und 10* 148 l)r. Pfiz maier. Thsin seit der Schlacht von Hiao (627 vor Chr. Geb.) bestandene Fehde ihr Ende. Der erste Kampf zwischen diesen beiden Reichen, die Schlacht von Han hatte schon im füiifzelinten Regierungsjahre des Fürsten Hi von Lu (645 vor Chr. Geb.) also vor sechs und achtzig Jahren stattgefunden. ^P ^ 40, das Jahr des Cyklus (558 vor Chr. Geb.). Fünfzehntes Regierungsjahr des Fürsten Siang von Lu. In diesem Jahre starb Tao, Fürst von Tsin, ihm folgte sein Sohn j^^ Pieu, genannt Fürst ^ Fing. Tse-han ferweigert die Annahme eines Edelsteines. „Ein Mensch von Sung fand einen Edelstein. Er überreichte ihn Tse-han." ^ -f Tse-han ist gl ■^ Lo-hi, der Vorsteher der Stadt- mauern. „Tse-han nahm ihn nicht an. Der den Edelstein überreichte sprach: Ich zeigte ihn dem Edelsteinschleifer. Der Edelsteinschleifer hielt ihn für kostbar. Desswegen wagte ich es, ihn zu überreichen." „Tse-han sprach : Ich halte die Uneigennützigkeit für kostbar, du hältst den Edelstein für kostbar. Wenn du ihn mir gibst, so ver- lieren wir Beide etwas Kostbares. Der Mensch muss seine Kostbar- keiten behalten." „Jener verbeugte sich und meldete: Wenn ich den Edelstein im Busen trage, so kann ich nicht hinaus über den District. Indem ich dieses zu mir nehme, bitte ich um den Tod." Der Besitzer des Edelsteines meint: Wenn er mit diesem Edel- steine den Bezirk verliesse, würde er von Räubern angefallen und getödtet werden. „Tse-han gab ihm einen Wohnplatz in seinem Dorfe." Er behielt den Besitzer des Edelsteines bei sich und Hess ihn in dem Dorfe welches er (Tse-han) eben bew^ohntc, wohnen, „Er Hess ihm den Edelstein durch den Edeisteinschleifer schleifen. Nachdem er ihn verwerthet, Hess er ihn in seine Heimath zurück- kehren." Tse-han verkaufte den geschliffenen Edelstein und schickte den Besitzer desselben mit dem Erlöse in die Ileimath. Notizen aus der Geschichte der chinesischen Reiche etc. 1 4:9 T^ J 44, das Jahr des Cykliis (554 vor Chr. Geb.). Neun- zehntes Regierungsjahr des Fürsten Siang von Lu. In diesem Jahre starb Ling, Fürst von Tsi, ihm folgte sein Sohn ■W- Kuang, genannt Fürst H-J- Tschuang. Ri-wa-tse reist nach Tsin, sich für den Feldzug zu bedanken. ^Ki-wu-tse reiste nach Tsin, sich für den Feldzug zu bedanken." Hp^ ^^ ^ Ki-wu-tse ist ^ ^^ 7^ Ki-sün-sä von Lu. Im fünfzehnten Jahre des Fürsten Siang von Lu hatte der Fürst von Tsi einmal, im sechzehnten zweimal, im siebzehnten wieder zweimal, im achtzehnten einmal das Reich Lu angegriffen. In Folge dessen ver- einigte sich in dem letztgenannten Jahre der Fürst von Tsin mit den Fürsten von Lu, Sung, Wei, Tsching, Tsao, Khiü, Tschü, Teng, Sie, Khi und dem kleinen Tschü und belagerte die Hauptstadt des Reiches Tsi. Lu schickte jetzt einen Gesandten nach Tsin, um sich für die geleistete Hilfe zu bedanken. „Der Fürst von Tsin bereitete ihm den Empfang. Fan-siuen-tse führte die Regierung." Sse-kai befehligte um diese Zeit das mittlere Heer an der Stelle Siün-yen's. Der Anführer des mittleren Heeres war in Tsin zugleich der Vorsteher der Regierung. „Er las: Die Halme des Getreides." Die erste Strophe des Gedichtes : „Die Halme des Getreides" lautet : Wie hoch die Hahne des Getreides! Der lange Regen sie befeuchtet. In weite Ferne südwärts geht der Zug: Der Fürst von Schao durch Thaten leuchtet. Der Fürst von -^ Schao ist Schao-mo, Reichsminister des Königs Siuen. Der König hatte den Fürsten von m Schin mit der Stadt ^ft)}- Sie belehnt und beauftragte Schao-mo sich selbst dahin zu begeben und die Stadt neu zu bauen. Als er den Zug nach Süden antreten wollte, verfertigten die Theilnehmer an dem Zuge dieses Gedicht. ^,Ki-wu-tse erhob sich. Er bedankte sich zweimal mit gesenktem Haupte und sprach : Das kleine Reich blickt empor zu dem grossen jgQ Dr. Pfi zmaier. Reiche wie die hundert Getreidearten emporblicken zu dem befeuch- tenden Regen. Wenn er sie beständig befeuchtet, so kehrt Alles unter dem Himmel sich zu ihm in Freundschaft : wie wäre es allein unsere niedrige Stadt?" „Er las: Im sechsten Monat." Die erste Strophe des Gedichtes: „Im sechsten Monat" lautet: Im sechsten Monat herrscht Gedränge, Die Wagen schon geordnet steh'n. Die Viergespanne kraftig schön; Rings Lederpanzer sind zu seh'n. Die Hien-yin eine grosse Menge, Man braucht uns zu dem Dienste gleich. Der König zieht hinaus zum Streite, Wir festigen des Königs Reich. Diese Verse beziehen sich auf den Feldherrn Ke-fu , der unter dem König Siuen die in das Reich Tscheu eingefallenen Hien-yin- ßarbaren zurückschlug. Indem der Gesandte dieses Gedicht hersagte, gab er zu verstehen, dass der Fürst von Tsin durch seinen Feld/Aig sich ein ähnliches Verdienst wie der Feldherr Ke-fu erworben habe. Wu-tschuug ermahnt Ki-wu-tse, auf die Verdienste zu achten. „Ki-wu-tse verfertigte aus den Waffen welche er von Tsi er- halten , Glocken des Waldes und grub in das Erz die Verdienste des Reiches Lu." „Die Glocken des Waldes" heisstdie zu demLiede: „Im sechsten Monat" passende Musik. Ki-wu-tse Hess aus den ihm aus dem Kriege gegen Tsi als Beuteantheil zufallenden Waffen Glocken giessen, welche dem Tone dieser Musik entsprachen. „Tsang-wu-tschung sprach zu Ki-sün: Dieses ist gegen die Gebräuche." f^ K ^'^ Tsang-wu-tschung ist |>^ f^ ^ Tsang- sün-hö. Ki-sün ist Ki-sün-su, d. i. Ki-wu-tse. „Bei dem Graben in Erz befiehlt der Himmelssohn die Tugend." Der Himmelssohn gräbt in das Erz nur seine Tugend, nicht aber die kriegerischen Verdienste. „Die Reichsfürsten sagen die Zeit und erwähnen die Verdienste." Notizen aus der Geschichte der chinesischeu Reiche etc. 1 ö 1 Wenn die Reiehsfürsten etwas zur gehörigen Zeit, wo das Volk nicht in seinen Beschäftigungen gestört wird, unternehmen und hierbei Verdienste erwerben, so können sie dieses in das Erz graben lassen. „Die Grossen des Reiches nennen den AngritF." Die Grossendes Reiches können die Verdienste welche sie sich bei einem Angriffe auf fremde Reiche erworben haben, in das Erz graben lassen. „Jetzt, wenn du nennst den Angrifl", so steigst du eine Stufe abwärts." Ki-sün als Reichsminister von Lu steht über den Grossen des Reiches, welche zu der dritten Rangstufe gehören. „Erwähnst du die Verdienste, so entlehnst du von den Menschen." In diesem Falle würde man sich fremde Verdienste zueignen, da der Angriff hauptsächlich von dem Reiche Tsin unternommen wurde. „Sagst du die Zeit, so warst du dem Volke vielfach im Wege." Das Volk von Lu ist durch den Angriff vielfach in den Beschäf- tigungen des Ackerbaues gestört worden. „Was wäre hier in das Erz zu graben? Ferner, wenn ein grosses Reich bekriegt ein kleines, so nimmt es, was es erbeutet und verfertigt daraus Geräthe des Ahnentempels. Es gräbt in das Erz die glänzenden Verdienste, um sie zu verkünden den Söhnen und den Enkeln. Es erleuchtet die glänzende Tugend und warnt vor der Verachtung der Gebräuche." „Jetzt wollten wir entlehnen die Stärke der Menschen, um uns zu retten vor dem Tode. Wie Hesse sich dieses in das Erz graben?" „Ein kleines Reich ist glücklich gegenüber einem grossen Reiche, und es setzt in das Licht, was es erbeutet, damit es errege dessen Zorn. Dieses ist der Weg zu dem Verderben." Das kleine Reich ist Lu, welches so glücklich war, durch die Hilfe von Tsin das grosse Reich Tsi zu besiegen. Indem es aber seine Verdienste in das Erz graben lässt, erregt es den Zorn dieses grossen Reiches. ^ p 46, das Jahr des Cyklus (552 vor Chr. Geb.). Ein und zwanzigstes Regierungsjahr des Fürsten Siang von Lu. Im eilften Monate dieses Jahres wurde -?- 31 Khung-tse (Confucius) geboren. 152 Dr. Plizmaier. Tsang-wa-tschang beschuldigt Ki-sün der Belohnung der Räuber. „Schü-khivonTscliü kam mitThsfundLiü-khieu als Flüchtling." Igt /EE Schü-khi, ein Grosser des Reiches Tschü, fiel mit den Städten ^J^ Thsf und ^ H^i Liü-khieu, deren Einkünfte ihm angewiesen waren, von dem Fürsten von Tschü ab und tloh nach Lu, dessen Fürsten er diese zwei Städte antrug. Fürst Siang der erst im vorigen Jahre das Reich Tschü bekriegt hatte, nahm dieselben an und überliess Schü-khi von Neuem deren Einkünfte. „Ki-wu-tse vermählte ihn mit der Muhme und älteren Schwester des Fürsten. Zugleich belohnte man sein Gefolge." „Um diese Zeit gab es in Lu viele Räuber. Ki-sün sprach zu Tsang-wu-tschung: Warum ziehst du nicht die Räuber in Unter- suchung?" „Wu-tschung sprach : Man kann sie nicht in Untersuchung ziehen. Auch bin ich Ho dessen nicht fähig." Hd ist der Name Tsang-wu-tschung's. „Ki-sün sprach: Wir besitzen vier Grenzen: warum sollten wir nicht in Untersuchung ziehen können die Räuber? Du bist Richter über die Übelthäter. Wo Räuber sind, musst du trachten sie zu ent- fernen: wie solltest du dessen nicht fähig sein?" „Wu-tschung sprach: Du rufst herbei die Räuber des Auslandes und behandelst sie mit grosser Auszeichnung. Wie könnte ich Einhalt gebieten den Räubern unseres Landes? Du bist der erste Reichs- minister und lassest kommen die Räuber des Auslandes. Du heissest mich Hd sie entfernen: werde ich dessen wohl fähig sein?" „Schü-khi raubte Städte in Tschü und kam zu uns. Du vermählst ihn mit Töchtern der Familie Ki und gibst ihm Städte." Lu ist ein Reich der Familie Ki. Die Töchter dieser Familie heissen die Muhme und die ältere Schwester des Fürsten Siang von Lu. Ferner gab man Schü-khi die zwei geraubten Städte zur Nutz- niessung. „Die Menschen seines Gefolges wurden alle beschenkt. Wenn man den grossen Räuber auszeichnet durch die Muhme und Schwester des Landesherrn sanmit dengrossen Städten, die Nächstfolgenden durch kleine Diener, Hirten, Wagen und Pferde, die Kleinsten unter ihnen durch Kleider, Schwerter und Gürtel, so belohnt man dadurch Notizen aus der Geschichte der chinesischen Reiche etc. 1 Oo die Räuber. Sie belohnen und hierauf entfernen, dieses ist wohl unmöglich." „Ich Hö habe es gehört: Wer auf einer hohen Stufe steht der wäscht sein Herz rein. Er behandelt folgerecht die Menschen. Er bringt in Übereinstimmung mit dem Gesetz die Treue. Wenn dieses klar ist und erwiesen, dann erst kann er regieren die Menschen." „Was die Höheren thun, nach diesem richtet sich das Volk. Wenn Dasjenige was die Höheren nicht thun. Einige unter dem Volke thun, so verhängt man desswegen die Strafe, und Keiner wagt es, nicht zu beachten die Warnung." „Wenn Dasjenige was die Höheren thun, das Volk ebenfalls thut, so ist dieses ganz in der Ordnung. Kann man es ihm dann noch wehren?" „In dem Buche der Hia heisst es : Bedenkst du dieses, so kommt es an auf dieses. Entfernst du dieses, so kommt es an auf dieses. Nennst du mit Namen dieses, so kommt es an auf dieses. Pflanzt Treue sich in dieses, so kommt es an auf dieses. Möge der Kaiser bedenken die Verdienste." Yü sagt diese Worte zu Schün. Der ihnen hier untergelegte Sinn ist: Wenn man überlegt, ob man Etwas thun solle, so kommt es darauf an, ob es an uns selbst ausgeübt werden könne, in welchem Falle allein man es thun darf. „Dieses" ist hier dieses eigene Innere. Ebenso, wenn man etwas Böses an anderen Menschen entfernen will, kommt es darauf an, ob an uns selbst nichts Böses mehr haftet. Das- selbe gilt von den Worten und Benennungen, von welchen verlangt wird, dass sie sowohl auf die eigene als fremde Person angewendet werden können. Endlich, wenn Aufrichtigkeit und Treue in dem eigenen Innern entstehen, so ist das Gute auch wirklich in diesem Inneren enthalten. Was hier gesagt wird, ist übrigens nicht der ursprüngliche Sinn der in dem Buche der Yü vorkommenden Stelle. Dieselbe muss durch „Bedenkst du dieses, so kommt es an auf Diesen" u. s. f. indem statt „auf dieses" durchgängig „auf Diesen" gesetzt wird, wiedergegeben werden. Derjenige, auf welchen nach dem ursitninglichen Sinne Alles ankommt, ist der Minister Hao-tao. „Wenn die Treue zusammentrifft mit der eigenen Folgerichtigkeit, dann erst lassen sich bedenken die Verdienste."^ 154 Dr. Pfizmaier. Dieses die Erklärung der obigen Stelle und ein Tadel gegen Ki-sün, der, selbst obne Treue und Wabrbeit, andere Menschen belohnen will. ^t/} ^ 48, das Jahr des Cyklus (550 vor Chr. Geb.). Drei und zwanzigstes Regierungsjahr des Fürsten Siang von Lu. Miu-tse-ma bewegt Rung-tschü zu Elternliebe und Ehrfurcht. „Ki-wu-tse hatte keinen Sohn des ersten Hauses. Kung-mi war der Ältere, aber er liebte Tao-tse. Diesen wollte er einsetzen." Ki-wu-tse hatte keinen Sohn von einer Gemahlinn ersten Ranges. ^Ü^ ^/N Kung-mi und -P /K^ Tao-tse waren Söhne einer Neben- gemahlinn. Der Letztere sollte bestimmt sein, das Haus ^^ Ki als Haupt der Familie fortzusetzen. „Er fragte Tsang-ho. Tsang-ho sprach: Weil du ihn einsetzen willst, mache ich Kung-tschü zum Anführer der Pferde." ^'L T^ Tsang-ho ist Tsang-sün-ho, d. i. Tsang-wu-tschung. ^F) "j^ Kung-tschü ist Kung-mi. Dieser sollte zur Entschädigung dafür, dass er die Nachfolge verloren , den Befehl über die Streit- wagen des Hauses erhalten. „Jener grollte und ging nicht aus. Min-tse-ma besuchte ihn." Kung-tschü zog sich aus Missmuth von den Geschäften zurück. ^ Hp P.^ Min-tse-ma ist ^ 1^ W< Min-ma-fu. ^M \ IxJ J^ "i^ VAX „Er sprach: Du darfst nicht so handeln. Glück und Unglück haben keine Thüre, nur der Mensch ruft sie herbei." „Wer ein Sohn unter den Menschen ist, der kümmert sich, wenn er kein guter Sohn. Er kümmert sich nicht, wenn er verloren hat seinen Platz." „Ehrfurchtsvoll gehorchen dem Befehle des Vaters, was gäbe es hierbei für eine beständige Würde?" Die Einsetzungen und Absetzungen in der Familie hängen von dem Vater ab, es handelt sich hier nicht um beständige Würden welche im Staate bekleidet werden. „Wenn du fähig bist der Elternliebe und Ehrfurcht, so kann es sein, dass der Segen doppelt zu Theil wird der Familie Ki. Bist du heimtückisch, widerspänstig und richtest dich nicht nach der Ordnung, Notizen aus der Geschichte der chinesischen Reiche etc. 155 SO kann es sein, dass das Unglück doppelt zu Theil wird dem niederen Volke.« Im ersteren Falle kann der Segen auf die Nachkommen der Familie Ki übergehen. Im letzteren Falle würde sich Kung-tsehü in Verbrechen verwickeln, und von dem Unglück würden arme und niedrige Menschen des Volkes getroffen werden. „Kung-tschü handelte diesem gemäss. Er gehorchte ehrfurchts- voll am Morgen und am Abend. Er verblieb ehrerbietig in der besagten Stellung.« Er begnügte sich mit der Stelle eines Anführers der Streitwagen. Tsang-sÜD erhält den Vertrag. „Meng-sün hasste Tsang-tschung. Ki-sün liebte ihn.« %±^ Hp Meng-sün ist -f- H-j- ^" Meng-tschuang-tse und dessen Familie. 4111 ^M/' Tsang-tschung ist Tsang-wu-tschung. Ki-sün liebte Tsang-wu-tschuiig, weil dieser, wie in dem vorher- gehenden Abschnitte zu sehen, ihm bei der Einsetzung seines zweiten Sohnes Tao-tse behilflich gewesen. „Meng-tschuang-tse erkrankte. Fung-tien sprach zu Kung-tschü: Wenn du Khie einsetzest, so werde ich ihn bitten, feindlich auf- zutreten gegen die Familie Tsang. « ip Ö[ Fung-tien ist Meng-sün's Wagenführer. |ee Khie ist der Sohn Meng-sün's von einer Nebengemahlinn. Fung-tien setzt voraus, dass Kung-tschü ein Feind Tsang-wu-tschung s, weil er durch diesen der Nachfolge beraubt wurde. Wenn Khie seinem Vater als Haupt der Familie gefolgt sein würde, sollte er so wie Kung-tschü durch Fung-tien's Veranstaltung der Feind Tsang-sün's werden. „Meng-sün starb. Kung-tschü bot Khie einen Platz zur Seite des Leichnams.« Nach den Gebräuchen ist der älteste Sohn der Hauptgemahliun der Erste unter den Trauernden. Da Kung-tschü dem Sohne Khie die Nachfolge verschaffen wollte, so liess er ihn zur Seite des Leichnams stehen, was nur der Hauptperson unter den Trauernden zukommt. „Ki-sün kam. Er trat ein um zu weinen und begab sich wieder hinaus. Er sprach: Wo ist Tschhi?« 136 Dr. Pfizmaier. %,y^ TsclihTist Meng-sün's ältester Sohn. Bei der Trauer, wo er hätte die erste Stelle einnehmen sollen, wurde er von Ki-sün nicht gesehen. „Kung-tschü sprach: Hier ist Khie." „Ki-sün sprach: Jener Sohn ist der Altere." „Kung-tschü sprach: Wie könnte es hier einen Älteren geben? Es handelt sich nur um den Werth." Als Ki-wu-tse seinen Sohn Tao-tse zum Nachtheile Kung-tschü's einsetzen wollte, hatte er sich geäussert : Ich will nach dem Werthe wählen und diesem gemäss einsetzen. Kung-tschü antwortet hier dem Vater mit dessen eigenen Worten, so dass dieser nichts dagegen einzuwenden vermag. „Auch ist es der Befehl des Meisters." Kung-tschü sagt fälschlich, dass Meng-sün den Befehl hinter- lassen, seinen Sohn Khie einzusetzen. „Hieraufsetzte man Khie ein. Tschhf floh nach Tschü." „Tsang-sün trat ein, um zu weinen. Er war traurig und vergoss viele Thränen." „Er trat wieder hinaus. Sein Wagenführer sprach : Meng-sün hasste dich, und du bist seinetwegen so traurig. Wenn Ki-sün sterben sollte, was würdest du wohl thun?" „Tsang-sün sprach : Die Liebe Ki-sün's zu mir ist ein hitziges Fieber. Der Hass Meng-sün's gegen mich Avar ein heilender Stein." Ein heilender Stein lieisst eine Nadel von Stein, deren man sich zur Acupuiictur bedient. „Ein angenehmes Fieber ist weniger werth als ein verhasster Stein. Der Stein erhält uns noch immer am Leben. Bei der Annehm- lichkeit des Fiebers ist dessen Gift noch ärger." „Meng-sün ist gestorben. Ich bin verloren in kurzer Zeit." „Die Familie Meng schloss das Thor. Man meldete Ki-sün: Die Familie Tsang will einen Aufstand erregen. Sie lässt uns nicht das Begräbniss feiern." Die Glieder der Familie Meng verschlossen auf Fung-tien\s Anstiften das Thor ihres Palastes. Der Zweck dieser falschen Meldung war, Ki-sün zu bewegen, dass er feindlich gegen Tsang-wu-tschung auftrete. „Ki-sün zürnte und befahl den Angriff auf die Familie Tsang." Notizen aus der Geschichte der chinesischen Reiche etc. 157 Tsang-wu-tschung, der sich vor der Familie Meng fürchtete, hatte sich um diese Zeit von gepanzerten Kriegern begleiten lassen. Als Ki-wu-tse dieses sah, gab er den Befehl zum AngriiT. „Tsang-hd enthauptete den Thorwächter des Hirschthores, trat hinaus und floh nach Tschü." Das Hirschthor heisst das östliche Thor der Stadt I/tV j^ Nan-tsching von Lu. „Tsang-ku und Tsang-wei waren ausgetreten und befanden sich in Tschü.« ^ ^^ Tsang-ku und "^ ^^ Tsang-wei waren Tsang-wu- tschung's ältere Brüder und Neffen des Fürsten von ^fe Tschü, in dessen Reiche sie sich um diese Zeit aufhielten. Dieses Reich Tschü ist von dem Reiche 4^ Tschü, in welches sich Tsang-wu-tschung geflüchtet, verschieden. „Tsang-wu-tschung Hess Tsang-ku benachrichtigen. Auch schickte er ihm eine Schildkröte aus Tsai." Das Gebiet ü^ Tsai, nicht zu verwechseln mit dem gleich- ere namigen Reiche, brachte grosse Schildkröten hervor, welche mit dem Namen „das grosse Tsai" belegt wurden. „Hierbei sprach er: Ich Ho besitze keine Fälligkeiten. Ich verlor den Besitz der Ahnentempel in der Nähe und in der Ferne. Ich wage es zu melden, dass man mich nicht bedauert. Meine Schuld zieht nicht nach sich den Verlust des Opfers. Wenn du mit der Schildkröte von Tsai deine Bitte vorträgst, so setzest du es wohl durch." Tsang-sün ist keines grossen Verbrechens schuldig, wegen dessen das Opfer in dem Ahnentempel der Familie abgeschafft werden sollte. Tsang-ku möge den» Fürsten von Lu die grosse Schildkröte reichen und ihn bitten. Jemanden als Haupt der Familie Tsang einzusetzen. „Ku sprach: Es ist das Unglück unseres Hauses, du bist daran nicht Schuld. Ich Ku habe den Befehl gehört." „Er verbengte sich zweimal und empfing die Schildkröte. Er hiess V^ei die Bitte vortragen. Dieser handelte hierauf selbstständig." Tsang-ku beauftragte mit der Sendung seinen Bruder Tsang-wei, dieser handelte jedoch in seinem eigenen Interesse, indem er die Nachfolge für sich selbst zu erhalten suchte. „Tsang-sün reiste nach Fang." Die Stadt Rib Fang in Lu war das Eigenthum der Familie Tsang. ] 58 D"*- Pfizmaier. „Er Hess durch einen Abgesandten melden: Ich Ho hin nicht im Stande zu schaden. Mein Versfand ist nicht ausreichend." Tsang-siin meint, er habe in Lu keine Empörung erregen wollen, von den gepanzerten Kriegern habe er sich nur aus Unverstand begleiten lassen. „Ich wage keine eigennützige Bitte." Er bittet nur der Vorfahren willen, denen er das Opfer in dem Ahnentempel erhalten will. „Wenn ich bewahre das Opfer der Vorfahren, so vernichtet man nicht die zweifachen Verdienste." Die zwei früheren Familienhäupter Tsang- wen-tschung und Tsang-siuen-scho hatten grosse Verdienste um das Reich Lu. „Ich wage es, die Stadt nicht zu vermeiden." Er entfernt sich nicht aus der Stadt Fang. Dass Tsang -wu- tschung sich in der Stadt Fang festsetzt, während er seine Bitte vor- tragen lässt, wird ihm später von Khung-tse (Confucius) so ausgelegt, als ob er den Fürsten von Lu zu zwingen gesucht hätte. „Hierauf erhob man Tsang -wei. Als man den Vertrag für die Familie Tsang aufsetzen wollte, berief Ki-sün den äusseren Geschicht- schreiber, der sich befasste mit den schlechten Ministern, und fragte ihn um den Eingang des Vertrages." Die schlechten Minister sind diejenigen welche in das Ausland flohen. Man wollte die Vergeben Tsang-sün's in einer Urkunde auf- zeichnen und dieselbe durch die Grossen des Reiches beschwören lassen. Die Absicht war, die Übrigen vor ähnlichen Vergehen zu warnen. „Jener antwortete : In dem Vertrage für die Familie Tung-men standen die Worte: „„Möge Niemand so handeln, wie Tung-men-sui. Er tödtete den rechtmässigen Sohn und erhob den unrechtmässigen.«" Dieser Vertrag wurde im achtzehnten Jahre des Fürsten Siuen von Lu aufgesetzt. Fürst Wen hatte J^ P^ ^Tung-men-sui befohlen, den Thronfolger ^£ Ngö einzusetzen. Statt dessen tödtete dieser den Prinzen Ngo und erhob den Fürsten Siuen, der der Sohn einer Nehengemahlinn, auf den Thron von Lu. „In dem Vertrage für die Familie Scho-sün standen die Worte: „„Möge Niemand so handeln wie Scho-sün -kiao-ju. Er wollte Notizen aus der Geschichte der chinesischen Reiche etc. löU abschaffen die Grundgesetze des Reiches. Er brachte in Verwirrung und stürzte des Fürsten Haus."" Dieser Vertrag wurde im sechzehnten Jahre des Fürsten Tsching von Lu aufgesetzt. Kiao-ju verleumdete den Fürsten Tsching, so wie die Familien Ki und Meng hei der Regierung von Tsin. „Ki-sün sprach: Was Tsang-sün verschuldet, hat mit diesem nichts gemein." „Meng-tsiao sprach: Warum setzt man nicht, dass er gebrochen durch das Thor und enthauptet hat den Thorwächter?" KC? -p Meng-tsiao ist der Enkel Meng-hien-tse's von Lu. „Ki-sün machte hiervon Gebrauch. Hierauf schrieb man den Vertrag für die Familie Tsang. In diesem standen die Worte : „„Möge Niemand so handeln wie Tsang-sün-hd. Er widersetzte sich der Ord- nung des Reiches. Er brach durch das Thor und enthauptete den Thorwächter.«" „Tsang-sün hörte dieses und sprach: Fürwahr, das Reich hat einen Menschen. Wer ist dieser? Kein Anderer als Meng-tsiao!" Tsang-wQ-tschung meidet das laglück des Reiches Tsi. „Der Fürst von Tsi wollte Tsang-ho beschenken mitTien. Tsang- sün hörte es und besuchte ihn." gg Tien, eine Stadt in Tsi. „Der Fürst von Tsi sprach mit ihm über den Angriff auf Tsin." In diesem Jahre war in Tsin eine Empörung ausgehrochen, worauf der Fürst von Tsi, der bisher der Verbündete von Tsin gewesen, dieses Reich angriff. „Jener antwortete : Schlachtenruhm hast du zwar vielen erworben, aber du gleichst, o Herr, einer Ratte. Die Ratte verbirgt sich am Tage und kommt hervor in der Nacht. Sie macht zu ihrer Höhle nicht die Schlafstätten und Ahnentempel. Dieses ist, weil sie die Menschen fürchtet.« Die Ratte lebt nicht in grossen Räumen, sondern nur in Mauern welche sie früher durchbrochen. „Jetzt hast du, o Herr, gehört von der Empörung in Tsin und hast dich hierauf erhohen." Ebenso handelt die Ratte, welche in der Nacht hervorkommt. „Wenn es beruhigt sein wird, wirst du ihm dienen.« 1 60 Dr. Pfizmaier. Ebenso handelt die Ratte, welche in der Nacht schläft. „Wenn du keine Ratte bist, was bist du sonst?" Tsang-wu-tschung erkennt, dass der Fürst von Tsi in Folge seiner Handlungsweise zuletzt geschlagen werden wird und will daher keine Stadt von ihm erhalten. Indem er ihn mit einer Ratte vergleicht, will er ihn beleidigen und ihn dadurch zur Zurücknahme seiner Schenkung bewegen. „Hieraufmachte man rückgängig die Schenkung von Tien." „Tschung-ni sprach: Die Weisheit ist unmöglich." Tsehung-ni (Confucius) war in diesem Jahre zwei Jahre alt, er besprach diese Regebenheit in späterer Zeit. Der Sinn ist: Es ist schwer, die Weisheit anzuwenden. „Es gab die Weisheit Tsang-wu-tschung's, und sie wurde nicht besessen in dem Reiche Lu, " Tsang-sün war weise genug, sich nicht in das Unglück des Reiches Tsi hineinziehen zu lassen, in Lu jedoch kam seine Weisheit nicht an den Tag. „Dieses hatte auch seinen Grund. Er that Dinge gegen die Ordnung und handelte nicht menschenfreundlich." Indem er den älteren Sohn der Familie Ki zurücksetzte, den jüngeren aber einsetzte, handelte er gegen die Ordnung. Indem er Anderen dasjenige that, was er selbst nicht wünschte, handelte er nicht menschenfreundlich. „In dem Ruche der Hia heisst es: Redenkst du dieses, so kommt es an auf dieses." Dieses der Anfang der schon unter den Regebeiiheiten des ein und zwanzigsten Jahres angeführten Stelle. Die Worte sind ebenfalls auf eine von dem ursprünglichen Sinne derselben abweichende Weise zu erklären: Rei dem Nachdenken über diese Angelegenheit kommt es an auf diese eigene Person. Alles was man Anderen thut, muss man sich nämlich so vorstellen, als ob es an uns selbst ausgeübt werden sollte. „Man beobachtet die Ordnung bei den Angelegenheiten und ist menschenfreundlich in seinen Handlungen." Dieses die Erklärung des obigen Citates. •=p ^ 49, das Jahr des Cyklus (549 vor Chr. Geb.). Vier und zwanzigstes Regierungsjahr des Fürsten Siang von Lu. Notizen aus der Geschichte der chinesischen Reiche etc. 161 Scho-sän-piao bespricht das Wort: Sterben und nicht Yerderben. „Scho-sün-piao reiste nach Tsin. Fan-siuen-tse zog ihm entgegen." Im vorigen Jahre war Scho-sün-piao von Lu dem Reiche Tsin mit einem Heere zu Hilfe gekommen, worauf/^ le^ Luan-vinff, der Urheber des Aufstandes, das Leben verlor. In diesem Jahre wurde Scho-sün-piao als Gesandter nach Tsin geschickt, um diesem Reiche die Glückwünsche des Fürsten von Lu wegen der glücklich unter- drückten Empörung darzubringen. „Er stellte an ihn eine Frage wie folgt: Die Alten hatten ein Sprichwort welches lautet: Sterben und nicht verderben. Wovon lässt sich dieses sagen?" „M6-scho antwortete nicht gleich. Siuen-tse sprach : Zu meinen, Kai's Ahnherren aufwärts von den Yü gehört das Geschlecht Tao- tbang." Fan-siuen-tse, d. i. Sse-kai nennt sich bei seinem Namen Kai. Er rühmt sich, dass seine Ahnherren aufwärts von der Dynastie Yü, d. i. noch vor dem Kaiser Schün gelebt. Tao-thang ist der Zuname des Kaisers Yao, zu dessen Nachkommen Sse-kai gezählt wird. „Unter den Hia ist es das Geschlecht Yü-lung." ^ ^Ij Lieu-lui, der Nachkomme des Kaisers Yao, gründete unter der Dynastie Hia das neue Geschlecht n^ f^R Yü-lung. „Unter den Schang ist es das Geschlecht Schi-wei." Die Nachkommen Lieu-lui's gründeten unter der Dynastie Schang das Geschlecht _s_ ^ Schi-wei. Diesen Namen führte unter der nämlichen Dynastie ein Fürst, der den übrigen Reichsfürsten nach Art der Gewaltherrscher Bedingungen vorschrieb. „Unter den Tscheu ist es das Geschlecht Thang-tu." 1^ Thang und T^ Tu sind die Namen zweier Reiche. König Tsching vernichtete das erstere und versetzte das Volk desselben nach Tu. Die Nachkommen Schi-wei's gründeten unter der Dynastie Tscheu das von diesen zwei Reichen den Namen führende Geschlecht Thang-tu. „Jetzt da Tsin der Herr des Vertrages in dem Reiche der Hia, ist es das Geschlecht Fan. Von diesem lässt es sich sagen." Sitzb. d. phil.-hist. Cl. XMII. Bd. I. Hft. H 162 Dr. Pfizmaier. Sse-kai gehört zu den Nachkommen Thang-tu's. Das Reich Tsin schreibt den übrigen Staaten Bedingungen vor und Sse-kai, der jetzt ein Mitglied der Familie Fan , führt in diesem Reiche die Regierung. Auf ein Haus welches durch so viele Geschlechtsalter fortbesteht, mag das obige Sprichwort angewendet werden. „Mo-scho sprach: Nach demjenigen was ich Piao gehört habe, nennt man dieses das Glück der Geschlechtsalter, nicht aber: nicht verderben." „Lu hatte einen früheren Grossen des Reiches Namens Tsang- wen-tschung. Nachdem er gestorben , blieben seine Worte aufrecht. Von diesem lässt es sich sagen." „Ich Piao habe es gehört: Der Allerhöchste pflanzt die Tugend. Der Zunächststehende pflanzt die Verdienste. Der diesem Zunächst- stehende pflanzt die Worte." Die Weisen hinterlassen je nach dem Grade ihrer Weisheit der Nachwelt ihre Tugend, ihre Verdienste oder ihre Worte. „Vergeht auch lange Zeit, sie gehen nicht zu Grunde. Von diesem lässt sich sagen: nicht verderben." „Was betrifft das Bewahren der Familiennamen, das Empfangen der Geschlechtsnamen, um Wache zu stehen bei den Thoren des Ahnentempels und durch Geschlechtsalter nicht zu unterbrechen das Opfer: es gibt kein Reich, welches dieses nicht hätte. Von demjenigen was der Glücksgüter grösstes, lässt sich nicht sagen: nicht verderben." Tse-tschan wendet sich an Fan-sinen - tse wegen Herabsetzung des Tributs. „Fan-siuen-tse führte die Regierung. Der Tribut der Reichs- fürsten wurde erhöht." Den Reichsfürsten welche an dem Hofe von Tsin erschienen, wurde zugemuthet, die Menge der von ihnen dargebrachten Geschenke zu vermehren. „Tse-tschan schickte einen Brief mit einer Meldung an Siuen-tse." Tse-tschan ist der Prinz von Tsching. „Dieser lautete : Du führst die Regierung des Reiches Tsin. Die Reichsfürsten in den Nachbarländern der vier Gegenden hören nichts von der geschätzten Tugend, aber sie hören von der Erhöhung des Tributs. Ich Kiao bin darüber betroffen." Notizen aus der Geschichte der chinesischen Reiche etc. lOö .,^_ Kiao ist Tse-tschan's Name. „Ich Kiao habe gehört: Der Weise der Dauer verschafft den Reichen und Häusern, ist nicht bekümmert, weil es keine Güter gibt, sondern ob des Unglücks, dass es keinen geschätzten Namen gibt." „Wenn die Güter der Reichsfürsten gesammelt werden in dem Hause des Fürsten, so neigen sich die Reichsfürsten zum Abfall. Wenn du, mein Sohn, dich hierauf verlassest, so neigt sich das Reich Tsin zum Abfall." Wenn Sse-kai sich diese Güter selbst zu Nutzen machen wollte, so würden die Bewohner des Reiches Tsin ihm abgeneigt werden. „Neigen sich die Reichsfürsten zum Abfall, so geht das Reich Tsin zu Grunde. Neigt sich das Reich Tsin zum Abfall, so geht dein Haus zu Grunde. Wie könnte der Untergang wohl ausbleiben? Wozu wirst du dann die Güter brauchen?" „Der geschätzte Name ist der Tragesessel der Tugend. Die Tugend ist das Fussgestell der Reiche und Häuser. Dass ein Fuss- gestell sei, nicht der Einsturz, sollte man nach diesem nicht auch streben?" „Besitzt man die Tugend, so hat man auch die Freude. Hat man die Freude, so ist man fähig zu der Dauer." Bei der Freude welche aus der Tugend entspringt, theilt der Herrscher seine Freude mit dem Volke. In diesem Falle ist dem Reiche lange Dauer zu versprechen. „In einem Gedichte heisst es: Sich freuen kann der Weise nur, Das Fussgestell der Länder und der Häuser." „Er besitzt nämlich die geschätzte Tugend!" „Der hohe Kaiser hlickt auf dich herab, Zum Abfall nie sich neigen diese Herzen." „Er besitzt nämlich den geschätzten Namen!" Die zwei letzteren Verse beziehen sich auf den König Tsching. „Denkt man menschenfreundlich, um zu erleuchten die Tugend, so fasst der geschätzte Name sie gleich einem Wagen und zieht mit ihr des Weges. Durch dieses kommen herbei die Fernen, und die Nahen sind beruhigt." „Es ist immer besser, du bewirkst, dass die Menschen zu dir sagen: Du lassest in der That uns leben. Sie aber sagen zu dir: Du nimmst von uns, damit du lebest." 11' 1 64 Dr. Pfizmaier. „Der Elephant besitzt die Zähne, um zu verderben mit dem Leibe. Sie gehören zu den Gütern." Der Elephant hat nichts verschuldet, aber man tödtet ihn, weil seine Zähne ein kostbares Gut sind. Hier das Ende des Briefes. „Siuen-tse billigte dieses. Er setzte den Tribut herab." ^ ^ '60, das Jahr des Cyklus (548 vor Chr. Geb.). Fünf und zwanzigstes Regierungsjahr des Fürsten Siang von Lu. Ngan-tse stirbt nicht bei dem Inglück des landesherrn. „Thsui-wu-tse erblickte Thang-kiang und liebte sie." i TEV ^ Thsui-wu-tse ist der erste Feldherr des Reiches Tsi, sonst auch T^ ^ Thsui-tschü und Hp /^ Thsui - tse ge- nannt. :^ _SL Thang-kiang ist die Gemahlinn ^ 15^ Thang- kung's, eines Grossen des Reiches Tsi. Als Thang-kung starb, besorgte Thsui-tschü die Trauer und sah bei dieser Gelegenheit Thang-kiang. „Er vermählte sich mit ihr. Fürst Tschuang hatte mit ihr Umgang. Thsui-tse tödtete ihn." Fürst Tschuang von Tsi, der mit Thang-kiang verbotenen Um- gang hatte, wurde von Thsui-tschü in dessen eigenem Hause getödtet. „Ngan-tse stand ausserhalb des Thores der Familie Thsui." Hp t^ Ngan-tse ist 411] ^p *£?■ Ngan-ping-tschung. „Seine Leute sprachen: Wirst du sterben?" In dem Augenblicke, als der Tod des Fürsten Tschuang bekannt wurde, nahmen sich zehn Personen aus Schmerz das Leben. Die Begleiter Ngan-tse's fragten diesen, ob er sich ebenfalls das Leben nehmen werde. „Jener sprach: War es denn mein Landesherr allein, dass ich sollte sterben?" „Sie sprachen: Wirst du fliehen?" „Jener sprach: Lag denn die Schuld an mir, dass ich sollte fliehen?" „Sie sprachen: Wirst du dich anschliessen?" „Jener sprach: Der Landesherr ist gestorben: wo sollte ich mich anschliessen ?" Notizen aus der Geschichte der chinesischen Reiche etc. 1 65 „Wer Landesherr ist für das Volk, wie wäre er dieses, iiin das Volk zu überragen? Die Landesgötter brauchen einen Vorsteher. Wer Minister ist für den Landesherrn, wie wäre er dieses wegen der Früchte für seinen Mund? Die Landesgötter brauchen einen Ernährer." „Desswegen, wenn der Landesherr stirbt für die Landesgötter, so sterben Avir mit ihm. Geht er in die Verbannung für die Landes- götter, so gehen wir in die Verbannung mit ihm. Wenn er stirbt für sich selbst oder in die Verbannung geht für sich selbst, wer dann, ausser seine vertrautesten Diener, würde es wagen, für ihn zu dulden?" „Auch hatten die Menschen einen Landesherrn und tödteten ihn. Wie könnte ich für ihn wohl sterben? Oder wie könnte ich für ihn in die Verbannung gehen? Wo sollte ich für die Dauer mich an- schliessen?" „Das Thor öffnete sich, und er trat ein." Thsui-tse Hess die Menschen jetzt in sein Haus, wo der Leichnam des Fürsten lag, eintreten. „Er nahm den Leichnam auf den Schooss und weinte. Hierauf erhob er sich, sprang dreimal in die Höhe und ging hinaus." Yeu-tse bezeugte durch alles dieses seine Trauer. „Einige meinten, Thsui-tse müsse ihn tödten." „Thsui-tse sprach : Er ist die Hoffnung des Volkes. Wenn ich ihn verschone, so gewinne ich das Volk." „Thsui-tschü erhob den Fürsten King und stand ihm zur Seite als Minister. Khing-fung stand ihm als Minister zur linken Seite." Fürst S- King ist der Sohn des Fürsten Ling, der jüngere Bruder des getödteten Fürsten Tschuang von Tsi. Jij' ^ Khing-fung war Thsui-tschü's Genosse. „Sie schlössen einen Vertrag mit den Menschen des Reiches in dem grossen Palaste." Die beiden Männer der Familien Thsui und Khing fürchteten die Strafe für ihre Verbrechen. Sie verfassten daher eine Urkunde welche sie von den vorzüglichsten Männern des Reiches in dfem Ahnen- tempel des grossen Fürsten von Tscheu beschwören Hessen. „In diesem standen die Worte : Wenn wir nicht übereinstimmen mit Thsui und Khing." „Yen-tse blickte zum Himmel, seufzte und sprach: Wenn ich Ying nicht mit Denjenigen aUein übereinstimme, welche treu sind 166 Dr. Pfizmaier, ihrem Landesherrn und Nutzen bringen den Landesgöttern, so strafe mich der hohe Kaiser." ^. Ying ist Yen-tse's Name. Als man bei dem Ablesen der Urkunde zu der oben angeführten Stelle kam, schaltete Yen-tse münd- lich die hier angegebenen von dem Texte derselben abweichenden Worte ein. Er gab dadurch zu verstehen, dass Thsui-tschü und Khing-fung weder treu gegen ihren Landeslierrn noch von Nutzen für das Land gewesen und ruft den Himmelsgott zum Zeugen, dass er ihnen nicht folgen werde. „Hierauf kostete er das Blut." „Der grosse Geschichtsschreiber schrieb nieder: Thsiii-schü tödtet seinen Landesherrn." „Thsui-tse tödtete ihn." Weil der Hofgeschichtsschreiber die Wahrheit geschrieben, Hess ihn Thsui-tschü hinrichten. „Seine zwei Brüder schrieben es nach einander und starben." Die jüngeren Brüder des Hofgeschichtsschreibers folgten diesem einer nach dem andern in seinem Amte. Da sie das Nämliche nieder- schrieben, so wurden sie ebenfalls hingerichtet. „Der jüngste Bruder schrieb es nochmals. Diesen verschonte er." Der jüngste Bruder des Hofgeschichtssehreibers, der diesem im Amte folgte, schrieb das Nämliche nieder. Thsui-tse der nicht das ganze Geschlecht ausrotten wollte, Hess ihn jedoch am Leben. „Der Geschichtsschreiber des Südens hörte, dass die grossen Geschichtsschreiber insgesammt gestorben." Der Geschichtsschreiber des Südens ist einer der äusseren Geschichtsschreiber, der sich im Süden des Reiches Tsi befand. „Er ergriff die Geschichtstafel und begab sich auf den Weg." Er wollte sich in die Hauptstadt begeben, um das Geschehene niederzuschreiben. „Er hörte, dass es bereits geschrieben. Hierauf kehrte er zurück." Der jüngste Bruder des grossen Geschichtsschreibers hatte, wie eben gemeldet, das Ereigniss schon verzeichnet. Tsc-tschan überreicht Tsln die Beute ans Tschin. „Tse-tschen und Tse-tschan von Tsching bekriegten Tschin. Sie drangen in dessen Städte." Notizen aus der Geschichte der chinesischen Reiche etc. 1 Ö ^ „Tse-tschan überreichte Tsin die Beute. Er wollte in Kriegs- kleidern die Aufwartung machen." „Die Menschen von Tsin fragten ihn, was Tschin verschuldet." „Jener antwortete : Einst war Yü-yen-fu der Tao-tsching von Tscheu. Er unterwarf sich und diente unserem früheren Könige." ■^ K^ 1^ Yü-yen-fu war ein Nachkomme des Kaisers Schün und bekleidete die zu seiner Zeit bestehende Stelle eines j^ h^ Tao-tsching, Vorstehers der Regierung. Als solcher diente er dem Könige Wu von Tscheu. „Unser früherer König verliess sich auf dessen Scharfsinn. Er gewährte ihm, weil er der Nachkomme des göttlichen Lichts." Das göttliche Licht heisst der Kaiser Schün. „Er verwendete und vermählte mit seiner ältesten Tochter Tai- ki den Fürsten von Hu. Er belehnte ihn mit Tschin und schuf hier- durch die drei Geehrten." y|hj Muan, der Sohn Yen-fu's erhielt den posthumen Namen : Fürst von jt0 Hu. Diesem gab König Wu seine Tochter i^ß y^ Tai-ki zur Gemahlinn. Die mit den Reichen Khi und Sung belehnten Fürsten waren Nachkommen von Königen der Dynastien Hia und Schang, zu diesen kam jetzt noch der mit Tschin belehnte Fürst von Hu als Nachkomme des Kaisers Schün von der Dynastie Yü. Dieselben wurden mit dem Namen „die drei Geehrten" bezeichnet, indem König Wu dadurch die Nachkommen der alten weisen Könige auszeichnen wollte. „Sie sind also hervorgegangen aus unseren Tscheu. Bis zu der gegenwärtigen Zeit waren sie die Träger." Die Fürsten von Tschin stammen von Tai-ki, der Tochter des Königs Wu von Tscheu. Dieselben hatten bis auf die jüngste Zeit die Tugend der Tscheu vertreten. „Bei der Empörung zur Zeit des Fürsten Hoan wollten die Menschen von Tsai erheben ihren Abkömmling." Im fünften Jahre des Fürsten Hoan von Lu erkrankte Hoan, Fürst von Tschin, in Folge dessen in diesem Reiche Empörungen ausbrachen. Der Prinz Y6 war der Nefle des Fürsten von Tsai und wurde von diesem zur Nachfolge in Tschin vorgeschlagen. „Unser früherer Landesherr Fürst Tschuang empfahl U-fu und setzte ihn ein. Die Menschen von Tsai tödteten ihn." 1 68 Dr. Pfizraaier, yj ^ U-fu ist der Prinz Tho von Tschin, genannt Fürst Li. Derselbe tödtete den Thronfolger Mien, bestieg an dessen Stelle den Thron und wurde von Tsehuang, Fürsten von Tsebing, beschützt. Schon im sechsten Jahre des Fürsten Hoan von Lu jedoch verlor er durch Tsai das Leben. „Wir in Gemeinschaft mit den Menschen von Tsai empfahlen dann wieder und trugen auf den Häuptern den Fürsten Li." Die Reiche Tsching und Tsai erhoben jetzt den Prinzen Yd, ebenfalls genannt Fürst Li, auf den Thron von Tschin. „Bis auf die Fürsten Tsehuang und Siuen wurden sie alle von uns erhoben." Fürst Tsehuang von Tschin folgte auf den zweiten Fürsten Li im zweiten Jahre des Fürsten Hoan von Lu. Fürst Siuen von Tschin folgte dem Fürsten Tsehuang im ersten Jahre des Fürsten Tsehuang vonLu. Die durch Tsching bewerkstelligten Einsetzungen beschränken sich somit auf vier Fürsten von Tschin. „Bei dem Aufruhr der Familie Hia gerieth Fürst Tsching in Bestürzung." Im eilften Jahre des Fürsten Siuen von Lu tödtete Hia-tsching- schü den Fürsten Ling von Tschin. Der Sohn des Getödteten , der spätere Fürst Tsching floh nach Tsin. „Wir brachten ihn auch wieder in sein Reich. Dieses ist bekannt eurem Landesherrn." Fürst Tsching kehrte von Tsin mit Hilfe des Reiches Tsching wieder nach Tschin zurück. „Jetzt hat Tschin vergessen die grosse Tugend der Tscheu. Es hält für nichts unsere grosse Wohlthat. Es setzt sich hinweg über die Verschwägerung mit uns." „Es verlässt sich auf die Heere des Reiches Tsu und dringt mit Gewalt gegen unsere niedrigen Städte. Es lässt sich nicht zurückhalten von seinem Vorhaben." „Von unserer Seite erfolgte desshalb die Meldung des vergan- genen Jahres." Im vorigen Jahre hatte der Fürst von Tsching in Tsin um^ die Erlaubniss gebeten, das Reich Tschin angreifen zu dürfen. „Wir hatten noch nicht erhalten den Befehl, so erfolgte die Waffenthat an unserm östlichen Thore." Notizen aus der Geschichte der chinesischen Reiche etc. 169 Im vorigen Jahre hatte Tschin im Bündniss mit Tsu das östliche Thor der Hauptstadt von Tsching angegriffen. „Auf den Wegen welche Tschin gezogen, sind die Brunnen verschüttet, die Bäume gefällt." „Die niedrigen Städte fürchteten sehr, dass sie nicht können streiten, und sie schämten sich vor Tai-ki." Tsching fürchtete die Erschöpfung seiner Kräfte und schämte sich vor dem Geiste Tai-ki*s, der Gemahlinn des Fürsten von Hu, welche so wie die Fürsten von Tsching aus der Familie der Tscheu. „Der Himmel führte zurecht unser Inneres und eröffnete die Herzen der niedrigen Städte. " Der Himmel führte das Reich Tsching zum Siege. „Tschin erkannte seine Schuld. Sie überlieferten uns ihre Häupter." Der Fürst von Tschin umfasste den Altar in Trauerkleidern, hiess seine Krieger sich selbst in Bande legen und erschien an dem Hofe von Tsching. „Desswegen wage ich es, darzubieten die Beute." „Die Menschen von Tsin sprachen : Warum drangt ihr in ein kleines Reich?" „Jener antwortete: Ein Befehl der früheren Könige lautet: Man sehe nur darauf, wo die Schuld. Dann übe Jeder das Gesetz." Man verhänge ohne Rücksicht die gesetzliche Strafe. Da Tschin schuldig war, so konnte es diesem zufolge gestraft werden. „Auch betrug ehemals das Gebiet des Himmelssohnes einen Umkreis. Die vordersten Reiche massen eine Gemeinschaft. Von da an ging es abwärts." Nach den Vorschriften der Tscheu hat das Gebiet des Himmels- sohnes einen Umfang von tausend Li. Ein Land von fünfhundert Li im Umfange heisst eine Gemeinschaft, so genannt, weil angenommen wird, dass die Bewohner desselben den Donner gemeinschaftlich hören. Der Umfang eines grossen Reiches beträgt nämlich nach diesen Vorschriften fünfhundert Li, der eines mittlem siebzig, der eines kleinen Reiches fünfzig Li. „Jetzt gibt es unter den grossen Reichen viele von mehreren Umkreisen." Es gibt jetzt Reiche welche mehrere tausend Li im Umfange haben, folglich weit grösser sind, als das Land des Himmelssohnes. 170 Dr. Pfizraaier. j,Wenn sie nicht dringen in die kleinen Reiche, wie wäre dieses möglieh?" Dieses die Antwort auf die Frage: „Warum drangt ihr in ein kleines Reich?" und zugleich darauf berechnet, Tsin einen Vorwurf zu machen. „Die Menschen von Tsin sprachen: Warum erscheinst du in Kriegskleidern?" „Jener antwortete: Unsere früheren Landesherren Wu und Tschuang waren Reiehsminister der Könige Fing und Hoan." „Zur Zeit der Waffenthat von Tsching-po erliess Fürst Wen einen Befehl der lautete : Ein Jeder übe sein altes Amt." Im acht und zwanzigsten Jahre des Fürsten Hi von Lu gewann Tsin gegen Tsu die Schlacht von Tsching-pö, in welcher Tsching an der Seite Tsin's als Verbündeter kämpfte. Fürst Wen von Tsin erliess einen Befehl an die Reichsfürsten, diejenigen Ämter welche sie oder ihre Vorfahren an dem Hofe des Himmelssohnes bekleideten, wieder auszuüben. Die Ursache war, weil um diese Zeit der Himmelssohn persönlich bei der Zusammenkunft der Reichsfürsten in Tsien - tu erscheinen sollte. „Er hiess unsern Fürsten Wen in Kriegskleidern aufwarten dem Könige und überreichen die Beute aus Tsu." Der damalige Fürst von Tsching erhielt ebenfalls den posthumen Namen Wen. „Ich wagte es nicht, ausser Acht zu lassen den Befehl des Königs. Dieses ist die Ursache." „Sse-tschuang-pe konnte nicht weiter fragen. Er überliess es Tschao-wen-tse." 4P H^ -|- Sse-tschuang-pe ist Sse- tschuang -tse, d. i. Sse-jd. „Wen-tse sprach: Seine Worte sind gefällig. Dem Gefälligen etwas zu Leide thun, bringt kein Glück." „Hierauf empfing man die Beute." „Tschung-ni sprach: In den Denkwürdigkeiten ist es enthalten: Durch die Worte ergänzt man die Gedanken. Durch den Schmuck der Rede ergänzt man die Worte." Dieses und das Folgende äusserte in späteren Jahren Khung-tse (Confucius) über die erzählte Begebenheit. Die Denkwürdigkeiten sind eine alte Schrift der damaligen Zeit. Notizen aus der Geschichte der chinesischen Reiche etc. 171 „Hätten wir keine Worte, wer wüsste dann unsere Gedanken? Wenn die Worte ohne Schmuck, so mögen wir sie wohl anbringen, aber wir kommen mit ihnen nicht weit." „Tsin übte die Oberherrschaft. Tsching drang in Tschin. Ohne den Schmuck der Rede wäre dieses kein Verdienst gewesen. Man richte sein Augenmerk auf die Rede!" Wenn Tse-tschan nicht auf so glänzende Weise die Gabe der Beredtsamkeit entfaltet hätte , so wäre Tsching wegen seines eigen- mächtigen Angriffes von Tsin gewiss gestraft worden. Tse-tschan und Jen-ming besprechen die Regiernng. „Tsching-tsching von Tsin starb. Tse-tschan lernte jetzt erst Jen-ming kennen." ii£ ^ß Tsching-tsching war von dem Fürsten Tao von Tsin zum Führer der Streitwagen ernannt worden. Im vorigen Jahre hatte EJEj ^/^ Jen-ming dessen Tod vorhergesagt, was auch wirklich in Erfüllung ging. Tse-tschan von Tsching erkannte jetzt erst Jen-ming's Weisheit. Übrigens ist die hier zu Grande liegende Begebenheit in diesem Werke Tso-schi's und in den Erklärungen zu dem Texte des Tschün-tsieu nicht enthalten. „Er fragte ihn nach der Regierung. Jener antwortete: Man betrachte das Volk als seine Söhne. Sieht man einen Unmenschlichen, so strafe man ihn wie der Falke der die kleinen Vögel und Sperlinge verfolgt." Zu diesen Worten wird bemerkt: Das Volk als seine Söhne betrachten, ist ganz gewiss die Menschlichkeit. Indem man die Un- menschlichen straft, übt man ebenfalls die Menschlichkeit. „Tse-tschan freute sich hierüber und sagte es Tse-tai-schd." ^^X }^ ~f' Tse-tai-schd ist -^ )Jj^ Yeu-ke. „Er setzte noch hinzu: Vor diesem sah ich von Mie nur das Gesicht. Jetzt sehe ich auch sein Herz." ^^ Mie ist Jen-ming's Name. „Tse-tai-scho fragte Tse-tschan nach der Regierung. Tse-tschan sprach: Die Regierung gleicht den Verdiensten um den Ackerbau. Man denkt an sie Tag und Nacht. Man denkt an ihren Anfang und i i ^ Dr. Pfi zmaier. führt sie zu einem glücklichen Ende. Man üht sie am Morgen und am Ahend. Bei der Ausübung geht man nicht weiter als man dachte, gerade wie es bei dem Ackerbau Marken der Felder gibt. Der Fehl- tritte sind dann wenige." Unter den Begebenheiten dieses Jahres verdient noch die folgende aus dem Tschün-tsieu nachgetragen zu werden: „Zwölfter Monat. Ngo, Fürst von U greift Tsu an. Er zieht durch das Thor in Tschao und stirbt." ^ Ngo ist der Name des Fürsten Tschü-fan. Derselbe wollte das Reich Tsu angreifen und gelangte mit seinem Heere nach M Tschao, einem kleinen Reiche zwischen Tsu und U. Als er im Begriffe war, durch das Thor der Hauptstadt einzuziehen , schössen die Be- wohner von der Höhe der Stadtmauer mit Pfeilen und tödteten ihn. Es wird bemerkt, dass der Fürst von U, der ohne Panzer ein- gezogen war, hierbei keine Verachtung gegen das kleine Reich Tschao an den Tag gelegt hatte. Nach den Vorschriften der damaligen Zeit musste nämlich Jeder der eine Grenze überschreiten wollte, um den Durchzug bitten. Wer durch ein Thor ging, musste den Panzer ab- legen. Wer durch ein fremdes Reich zog, durfte nicht schnell fahren. Eben so wenig glaubt man, dass die Bewohner von Tschao nicht zu fürchten gewesen wären. Als eine andere Vorschrift der damaligen Zeit wird nämlich erwähnt, dass wenn die Machthaber eines grossen Reiches durch eine kleine Stadt ziehen, diese die Stadtmauern schmücken und fragen müsse, was sie verschuldet habe. Nichts von diesem thaten die Bewohner von Tschao, sie wechselten, wie man sich auszudrücken pflegt, mit den Ankömmlingen nur einen Pfeil. ^ ^ öl. das Jahr des Cyklus (547 vor Chr. Geb.). Sechs und zwanzigstes Regierungsjahr des Fürsten Siang von Lu. Dieses Jahr ist das erste Regierungsjahr der Fürsten King von Tsi und -^ ^^ Yü-tsai von U. Letzterer war der jüngere Bruder des Fürsten Tschü-fan. Sching-tse bittet um die Zurückberafung U-khiü's. „U-khlü von Tsu und Sching-tse von Tsai waren Freunde." >^ l£. f^^-khiü, ein Grosser des Reiches Tsu, Hp ^ Sching- tse, ein Grosser des Reiches Tsai. Notizen aus der Geschichte der chinesischen Reiche etc. 173 „U-khiü floh nach Tsching. Von dort wollte er weiter fliehen nach Tsin," Die Ursache der Flucht wird gegen das Ende dieses Abschnittes angegeben. An der Grenze des Reiches Tsching traf U-khiü mit seinem Freunde Sching-tse zusammen, worauf die zunächst folgende Stelle sich bezieht. „Sching-tse sprach: Mögest du jetzt fortziehen. Ich bringe dich gewiss zurück." „Als Schang-siu von Sung zwischen Tsin und Tsu Frieden I stiften wollte, reiste Sching-tse als Gesandter nach Tsin." I n^ |p] Schang-siu von Sung bemühte sich um diese Zeit, ein Bündniss zwischen den Reichen Tsin, Tsu und Sung und dadurch einen allgemeinen Frieden zu Stande zu bringen. Das Reich Tsai stand auf der Seite von Tsu, desshalb entsandte es Sching-tse zu den Friedensunterhandlungen nach Tsin. „Als er zurückkehrte, begab er sich nach Tsu. Der Regierungs- vorsteher Tse-mo fragte ihn wegen Tsin. " ■^ ^ Tse-md ist J^ ^ Khie-kien, der in Tsu die Stelle eines Ling-yin bekleidete. „Erfragte ferner: Wer ist weiser, die Grossen des Reiches Tsin oder diejenigen des Reiches Tsu?" „Jener antwortete: Die Reichsminister von Tsin sind es weniger als diejenigen von Tsu. Die Grossen seines Reiches jedoch sind weiser, sie besitzen die Fähigkeiten von Reichsministern." „So wie kostbare Hölzer, Felle und Leder von Tsu eingeführt werden, so Ist Tsu zwar reich an Fähigkeiten, aber Tsin macht in der That von ihnen Gebrauch." Tsu bringt zwar fähige Männer hervor, diese fliehen aber nach Tsin und werden daselbst verwendet. „Tse-md sprach : Hätten denn diese allein keine Geschlechter in ihren Verbindungen ?" Es ist nicht anzunehmen, dass nur in Tsin durch die Familien- verbindungon keine neuen Geschlechter entstehen, desswegen brauche man daselbst nicht die Fähigkeiten der Bewohner von Tsu. „Jener antwortete: Wenn sie sie auch haben, so sind der Fähig- keiten aus Tsu welche sie verwenden, doch viele." 174 Dr. Pfizmaier. ,,Icli Kuei-seng habe es gehört: Wer Reiche gut regiert, ist nicht einseitig im Belohnen, nicht masslos im Bestrafen." Ap Ro^« Kuei-seng ist Sching-tse's Name. „Sind die Belohnungen einseitig, so ist zu fürchten, dass sie zu Theil werden den schlechten Menschen. Sind die Strafen masslos, so ist zu fürchten, dass sie verhängt werden über die guten Menschen." „Ist man so unglücklich zu fehlen, so ist es besser einseitig sein, als masslos. Ehe man verliert die Guten, bringe man lieber Nutzen den Schlechten. Sind die guten Menschen verloren, so folgen ihnen auch die Reiche." „In einem Gedichte heisst es : Wenn diese Menschen nicht vorhanden, Ist Tod und Krankheit in den Landen." „Dieses heisst: Keine guten Menschen." In dem Gedichte werden unter der Benennung „diese Menschen" die guten Menschen verstanden. Wo solche Menschen zu Grunde gehen, folgen ihnen die Reiche nach und verfallen dem Untergang. „Desswegen heisst es in dem Buche der Hia : Ehe man straft die Unschuldigen, lasse man lieber entkommen die Schuldigen." „In den Lobpreisungen der Schang ist es enthalten: Einseitig nicht, auch masslos nicht. Nicht lass sei er, er weil' in Müsse nicht. Dann den Befehl den nied'ren Reichen er verkündet, Für sie den grossen Segen er begründet." Diese Verse beziehen sich auf den König Thang. „Durch dieses erlangte Thang den Segen des Himmels." „Diejenigen welche im Alterthume das Volk regierten, waren frohen Muthes beim Belohnen, aber sie fürchteten sich zu strafen. Sie waren bekümmert um das Volk ohne Unterlass." „Sie belohnten im Frühling und im Sommer. Sie straften im Herbst und im Winter." Sie richteten sich hierbei nach den Jahreszeiten welche einer- seits von Eniötelien und Wachsthum, andererseits von Verkümmern und Absterben begleitet sind. „Desswegen, wenn sie belohnen sollten, so Hessen sie aus diesem Anlasse noch eine Schüssel auftragen. Weiui sie noch eine Schüssel auftragen Hessen, so beschenkten sie reichlich mit Speisen. Hieraus lässt sich erkennen, dass sie frohen Muthes waren beim Belohnen." Notizen aus der Geschichte der chinesischen Reiche etc. 1/0 „Wenn sie strafen sollten, so Hessen sie aus diesem Anlasse keine Gerichte auftragen. Wenn sie keine Gerichte auftragen Hessen, so entfernten sie die Musik. Hieraus lässt sich erkennen, dass sie sich fürchteten zu strafen." „Sie standen am frühen Morgen auf und gingen in später Nacht schlafen. Sie befassten sich mit der Regierung am Morgen und am Abend. Hieraus lässt sich erkennen, dass sie bekümmert waren um das Volk." „Diese drei Dinge sind die grossen Gliederungen der Gebräuche. Hat man die Gebräuche, so gibt es kein Fehlschlagen." Die drei Dinge sind: mit frohem Muthe belohnen, sich fürchten zu strafen, um das Volk bekümmert sein. „Jetzt ist Tsu oft ausschweifend im Bestrafen. Die Grossen seines Reiches entfliehen dem Tode nach allen vier Weltgegenden und sind die Seele der Berathungen, wo es gilt, dem Reiche Tsu zu schaden." „Hier ist keine Rettung, keine Heilung. Dieses meinte ich, dass ihr nicht könnet." Tsu versteht es nicht, wie früher gesagt worden, die fähigen Männer seines Landes zu verwenden. „Als Tse-I sich empörte, floh der Fürst von Sf nach Tsin." Bei der Thronbesteigung des Königs Tschuang von Tsu im vier- zehnten Jahre des Königs Wen von Lu empörten sich 4^ -f" Tse-I und der Prinz ;('ö^ Si. Tse-I wurde getödtet, dessen Genosse der Fürst von 'mjt Si floh nach Tsin. „Die Menschen von Tsin stellten ihn unter die Nachhut ihrer Streitwagen. Er war der Vorsitzende im Rathe." „Bei der Waflenthat von Jao-kio wollte das Heer von Tsin ent- weichen." Im sechsten Jahre des Fürsten Tsching von Lu kam Luan-schu von Tsin dem Reiche Tsching zu Hilfe und traf auf dem Gebiete ffi -fM- Jao-kio mit dem Heere von Tsu zusammen. „Der Fürst von Sr sprach: Das Heer von Tsu ist schwächlich, es lässt sich leicht erschüttern. Wenn viele Trommeln vereint tönen und wir in der Nacht anrücken, so wird das Heer von Tsu entweichen." w|^ ^ Sang-sui dem Heere ire des Fürsten Tsching von 176 Dr. Pfizmaier. „Die Menschen von Tsin befolgten dieses. Das Heer von Tsu zerstob in der Nacht." „Tsin drang hierauf in Tsai. Es machte einen Streifzug nach Schin. Sie fingen dessen Landesherrn." '/)t ^^^^"' der Name eines Reiches. Dieses und das Reich Tsai standen auf der Seite von Tsu. Der Fürst von Schin Namens /l» Thsf wurde bei diesem Einfall gefangen „Sie schlugen das ausgeruhte Heer in Sang-sui. Sie fingen Schin-li und kehrten zurück." Zwei Prinzen von Tsu Namens m Schin und i^ Tsching kamen dem Reiche Tsai mit einem neuen ausgeruhten Heere zu Hilfe. Dieselben stellten sich auf dem Gebiete von Tsin entgegen. Später im achten Ja Lu drang Luan-schu von Tsin in das Reich Tsu und nahm ^ Pft öchin-li gefangen. „Tsching wagte es hierauf nicht, das Gesicht zu kehren nach Süden." Tsching war eingeschüchtert und getraute sich nicht, sich dem Reiche Tsu das im Süden lag, anzuschliessen. „Tsu verlor das blumige Reich der Hia. Dieses war das Werk des Fürsten von Si." „Der Vater und der ältere Bruder Yung-tse's verleumdeten Yung-tse. Euer Landesherr und die Grossen des Reiches waren in dieser Sache nicht bewandert. Yung-tse floh nach Tsin." Von -^ ^|| Yung-tse und dessen Angehörigen wird angegeben, dass über dieselben nirgend etwas zu finden, und man nicht wisse, wer sie gewesen. Es sei daher auch unbekannt, in welchem Jahre Yung-tse sich nach Tsin geflüchtet. „Die Menschen von Tsin beschenkten ihn mit Hu. Er war der Vorsitzende im Rathe." jI^P Hu, eine Stadt des Reiches Tsin. „Zur Zeit der WafTcnthat von Peng-tsching trafen Tsin und Tsu aufeinander in dem Thale von Mi-kio." ^ )|| Mi-kio, ein Gebiet des Reiches Sung. Notizen aus der Geschichte der chinesischen Reiche etc. W 7 Im achtzehnten Jahre des Fürsten Tsching von Lu griff der König von Tsu in Verbindung mit dem Fürsten von Tsching das Reich Sung an. Er brachte ^ '03 Yü-schf, einen Grossen des Reiches Sung nach JfA/ p^ Peng-tsching, einer Stadt in Sang, welche dieser verloren hatte, zurück und legte in dieselbe eine Resatzung von drei- hundert Streitwagen. Tsin kam indessen dem Reiche Sung zu Hilfe. „Das Heer von Tsin wollte entweichen. Yung-tse erliess einen Befehl in dem Heere, welcher lautete: Man lasse heimkehren die Alten und Schwächlichen. Man schicke zurück die Verwaisten und die Kranken. W^o zwei Menschen dienen, lasse man einen von ihnen heimkehren." Unter zwei Menschen sind zwei Personen aus einem und dem- selben Hause gemeint, welche bei dem Heere dienen. „Man wähle die Waffen und untersuche die Wagen. Man gebe den Pferden Gerste und füttere auf der Streu." Wenn ein Heer am frühesten Morgen aufbrechen soll, werden die Pferde noch auf der Streu, wo sie die Nacht zubringen, gefüttert. „Das Heer stelle sich in Ordnung und verbrenne die Lagerhütten. Am morgenden Tage werden wir kämpfen." Wenn ein Heer die Lagerhütten verbrennt, so zeigt es dadurch, dass es sich dem Tode weihen will. „Man brachte die zur Heimkehr Bestimmten auf den Weg und entliess die Gefangenen von Tsu." „Das Heer von Tsu zerstreute sich in der Nacht." Die Erzählungen der zurückgekehrten Gefangenen verbreiteten einen solchen Schrecken, dass das Heer von Tsu noch in der Nacht die Flucht ergriff. „Tsin brachte Peng-tsching zur Unterwerfung und gab es zurück an Sung. Sie kehrten heim mit Yü-schf." Yü-schf und dessen vier Genossen welche im fünfzehnten Jahre des Fürsten Tsching von Lu nach Tsu geflohen waren, wurden jetzt in eine Stadt des Reiches Tsin versetzt. „Tsu verlor seine Rangstufe im Osten. Tse-sin fand hierdurch den Tod. Dieses war das Werk Yung-tse's." Als die kleinen Reiche im Osten von Tsu sahen, dass dieses Reich die Stadt Peng-tsching nicht retten konnte, fielen sie von ihm ab. Dasselbe that im fünften Jahre des Fürsten Siang von Lu das Reich Sitzb. d. phil.-hist. Cl. XVIII. Bd. 1. Hft. |2 l7o Dl'. Pfizmaier. Tschin. Die Schuld davon wälzte man auf den Regierungsvorsteher ^ ^ Tse-sin, der auch aus diesem Grunde getödtet wurde. „Tse-fan eiferte mit Tse-ling wegen Hia-ki und verdarb dessen Angelegenheiten für immer." Tse-fan stand der Verbindung Tse-ling's mit Hia-ki bleibend im Wege. Die hierauf bezügliche Begebenheit ist in dem zweiten Jahre des Fürsten Tsching von Lu enthalten. „Tse-ling floh nach Tsin. Die Menschen von Tsin beschenkten ihn mit Hing." nU Hing, eine Stadt des Reiches Tsin. „Er wurde der Vorsitzende im Rathe. Er leistete Widerstand den nördlichen Barbaren. Er brachte U in den Verkehr mit Tsin." Das Reich U, ein Lehen vierter Classe, war noch vor den Zeiten der Dynastie Tscheu von Tai-pe, dem Oheim des Königs Wen, dessen schon in dem ersten Regierungsjahre des Fürsten Min von Lu ge- dacht wurde, unter den südlichen Barbaren gegründet worden. Tschung-yung der seinem Bruder Tai-pe folgte, nahm barbarische Sitten an, und er so wie seine Nachfolger verkehrten nicht mehr mit dem mittlem Reiche. Im siebenten Jahre des Fürsten Tsching von Lu erwirkte Tse-ling von dem Fürsten von Tsin die Erlaubniss, sich als Gesandter nach U begeben zu dürfen. „Er lehrte U abfallen von Tsu. Er lehrte es Streitwagen be- spannen, mit Pfeilen schiessen, die Wagen lenken, in Eile dahinjagen und Einfälle machen." Indem er diesem barbarischen Reiche die Kriegskunst des Mittel- reiches lehrte, wollte er dem Reiche Tsu einen gefährlichen Gegner schaffen. „Er Hess seinen Sohn Ku-yung werden den Mann des Verkehrs in U." Tse-ling Hess seinen Sohn i^ /(m^ Ku-yung in U als Geissei zurück. Dieser erhielt daselbst die Stelle eines ^A -Yt Hang-jin, d. i. eines Angestellten für den Verkehr mit den fremden Gesandten. „U bekriegte hierauf Tschao." .^, Tschao, ein kleines von Tsu abhängiges Reich. „Es eroberte Kia. Es überwältigte Kf. Es drang in Tschheu-lai." Notizen aus der Geschichte der chinesischen Reiche etc. 1 lU || Kia, iMj Kfund ^ ji\\ Tscliheu-lai sind Städte des Reiches Tsu. „Tsu wurde aufgerieben, während man sich durch die Flucht entzog seinen Befehlen. Bis auf den heutigen Tag ist es noch sein Kummer." Es wird angegeben, dass Tse-fan und Tse-tschung von Tsu sich in Einem Jahre sieben Mal dem Befehle durch die Flucht entzogen. „Dieses war das Werk Tse-ling's." „Als Jo-ngao sich empörte, floh Pe-fen's Sohn Fen-hoang nach Tsin.« Im vierten Jahre des Fürsten Siuen von Lu empörte sich Yue- tsiao mit einer Seitenlinie der Familie Jo-ngao. g 4H Pen-fen ist Yüe-tsiao, dessen Sohn -^ g Fen-hoang. „Die Menschen von Tsin beschenkten ihn mit Miao." ^ Miao, eine Stadt des Reiches Tsin. „Er wurde der Vorsitzende in dem Rathe. Zur Zeit der Waft'en- tliat von Yen-ling überraschte Tsu am frühen Morgen das Heer von Tsin und stellte sich in Schlachtordnung. Das Heer von Tsin wollte entweichen." Die Schlacht von Yen-ling fällt in das sechzehnte Jahr des Fürsten Tsching von Lu. „Miao-fen-hoang sprach: Die besten Krieger von Tsu befinden sich in dessen mittlerem Heere. Sie stehen allein bei den Geschlechtern des Königs." Miao-fen-hoang heisst Fen-hoang jetzt von der ihm geschenkten Stadt "i^ Miao. „Wenn wir die Brunnen verschütten, die Herde abtragen, dann die Schlachtordnung bilden ihnen gegenüber, wenn hierauf Luan und Fan ihre Reihen verdiinnen, damit sie sie verlocken, so werden die beiden Kl)ie von Tschimg-hang gewiss überwältigen die beiden Mo." Das Heer von Tsin möge sich dem mittlem Heere von Tsu gegen- über aufstellen, nachdem es alle Hindernisse des Bodens zwischen diesem und sich selbst beseitigt. VVeiui hierauf die Feldherren Luan- schu und Fan-sf von Tsin einen Theil ihrer Krieger aus den Reihen zurückziehen, so wird das mittlere Heer von Tsu hitzig vorrücken, ohne mehr auf das linke und rechte Heer Rücksicht zu nehmen. Die 12» 180 Dr. IMizmaier. beiden Khie heissen Khie-I und Khie-tschi aus dem GesehlechteTschung- hang. Die beiden Tt© Mo heissen Tse-tschung und Tse-sin, welche von dem Könige Mo von Tsu abstammten. Tse-tschung befehligte um diese Zeit das linke, Tse-sin das rechte Heer von Tsu. „Wir drängen hierauf von vier Seiten die Geschlechter des Königs und schlagen sie gewiss vollständig." „Die Menschen von Tsin befolgten dieses. Das Heer von Tsu wurde vollständig geschlagen. Der König wurde verwundet, das Heer erlosch gleich einem Feuer." ^Y |B. Liü-I traf mit einem Pfeile das Auge des Königs von Tsu. „Tse-fan fand hierdurch den Tod." Tse-fan tödtete sich selbst. „Tsching fiel ab, dem Reiche U kam es zu Gute." Das Reich U wurde von dieser Zeit an immer mächtiger. „Tsu verlor die Fürsten des Reiches. Dieses war das Werk Miao- fen-hoang's." Als Fürst Tao von Tsin zur Regierung gelangte, schlössen sich die Reichsfürsten an Tsin. Hier endet die Rede Sching-tse's. „Tse-mo sprach: Alles dieses ist wahr." „Sching-tse sprach: Es gibt aber noch etwas Ärgeres als dieses. Tsiao-khiü vermählte sich mit der Tochter Tse-meu's, Fürsten von Schin." 7^ T/m Tsiao-khiü ist ü-khiü, Ep. Hp Tse - meu ist der Statthalter von ffl Schin, das früher ein selbstständiges Reich ge- wesen. Den Statthaltern wurde in Tsu der Fürstentitel beigelegt. „Tse-meu war eines Vergehens schuldig und ging in die Ver- bannung." „Euer Landesherr und die Grossen des Reiches sprachen zu Tsiao-khiü: Du hast ihn in der That hinweggcschickt." „Jener fürchtete sich und floh nach Tsching. Er streckt den Hals aus und blickt nach Süden." Er hofft, nach Tsu zurückkehren zu können. „Er sagt: Man wird mir wohl verzeihen. — Dieses habt ihr wieder nicht im Sinne." „Jetzt ist er in Tsin. Die Menschen von Tsin wollen ihn be- schenken mit einem Districte. Sie vergleichen ihn mit Scho-hiang." Man vergleicht die Fähigkeiten U-khiü\s mit denen Fp] M^ Notizen aus der Geschichte der chinesischen Reiche etc. 1 ö 1 Scho-hiang's, d. i. j^^ ^ ^ Ya!^.g-sche-he's, eines Grossen des Reiches Tsin. „Wenn dieser es sich vornehmen sollte, dem Reiche Tsu zu schaden, wie wäre er nicht für euch ein Gegenstand der Sorge?" „Tse-mo fürchtete sich und sagte es dem Könige." „Man vermehrte seinen (U-khiii's) Ehrengehalt und berief ihn zurück." und zwanzigstes Regierungsjahr des Fürsten Siang von Lu. Die Menschen von Tsa tragen unter den Kleidern Panzer. „Schang-siu von Sung war der Freund Tschao-wen-tses. Er war ferner der Freund des Regierungsvorstehers Tse-mo." r^ |p| Schang-siu ist ^[{j ~J^ Tso-sse von Sung. Tschao- wen-tse ist Tschao-wu von Tsin, Tse-mo ist Khie-kien, der Ling- yin des Reiches Tsu. „Er wollte ruhen lassen die Waffen der Reichsfürsten und sich hierdurch einen Namen erwerben." Da Schang-siu die Regierungsvorsteher der beiden nach Ober- herrschaft strebenden Reiche zu Freunden hatte, so konnte er hoffen, durch deren Einfliiss einen allgemeinen Frieden zu Stande zu bringen. „Er reiste nach Tsin und meldete es Tschao-meng." ~^ ]t^ Tschao-meng ist Tschao-wu, d. i. Tschao-meng-tse. „Tschao-meng berieth sich mit den Grossen des Reiches." „Han-siuen-tse sprach: Die Waffen sind das Unglück des Volkes. Sie sind die Holzwürmer der Güter, die grossen Wetterschäden der kleinen Reiche." "f" B 5^ Han-siuen-tse ist Han-khi, der zweite Anführer des ersten Heeres von Tsin. „Man wird sie vielleicht ruhen lassen. Sollte es auch heissen, dass es nicht möglich, so müssen wir doch darauf eingehen. Gehen wir nicht darauf ein, so wird Tsu darauf eingehen und es verkünden den Fürsten des Reiches. Wir haben dann aufgehört zu sein die Herren des Vertrages." „Die Menschen von Tsin willigten ein. Jener reiste nach Tsu." Schang-siii machte jetzt dieselben Vorschläge in Tsu. lö/C Dr. Pfizmaier. „Auch Tsu willigte ein. Man meldete es den kleinen Reichen." „Schang-siü schickte Abgesandte an die von Tsin und Tsu ab- hängigen Reiche. „Es erfolgte eine Zusammenkunft in Sung. Man erbaute ein Lager aus Gehägen." Die Abgesandten der Reiche Tsin, Tsu, Lu, Tsai, Wei, Tschin, Tsching, Hiü und Tsao hatten eine Zusammenkunft vor den Thoren der Hauptstadt von Sung. Man umgab das Lager nicht mit Erdwällen, sondern baute nur ein grosses Gehäge aus Rrennholz und Bambusrohr. Da man die Ab- sicht hatte , einen allgemeinen Frieden 7a\ schliessen , so gab man hierdurch zu verstehen, dass man einander nicht misstraue. „Tsin und Tsu standen jedes an einer Seite." Die Abgesandten von Tsin standen an der nördlichen Seite des Gehäges, die Abgesandten von Tsu an dessen südlicher Seite. „Pe-su sprach zu Tschao-meng: Das Wetter in Tsu ist sehr schlecht. Ich fürchte ein Unglück." JMj In ^^■^"' ^i"^ Grosser des Reiches Tsin. Er glaubt, dass die Leute von Tsu die Gelegenheit zu einem Angriff benützen werden. „Tschao-meng sprach: Wir gehen herum zur Linken und treten ein in Sung. Was können sie uns dann anhaben?" „Man wollte den Vertrag schliessen vor dem östlichen Thore von Sung. Die Menschen von Tsu trugen unter den Kleidern Panzer." „Pe-tschheu-li sprach: Die Menge der Reichsfürsten versammeln und dabei treulos handeln, dieses darf nicht anders als unterbleiben." 3y. Jt\ im Pe-tschheu-li ist der Sohn Pe-thsung's von Tsin. Derselbe war in die Verbannung gegangen und befand sich in Tsu. „Die Fürsten des Reiches hoffen von Tsu die Treue. Desswegen kamen sie, sich zu unterwerfen. Ist man jetzt treulos, so verwirft man Dasjenige wodurch man zur Unterwerfung brachte die Fürsten des Reiches. Ich bitte ernstlich, den Panzer abzulegen." „Tse-mo sprach: Tsin und Tsu sind ohne Treue schon seit langer Zeit. Sie suchen ihren Vortheil, sonst nichts. Wenn wir jetzt nur unsere Absicht erreichen, wozu brauchen wir die Treue zu besitzen?" „Der grosse Haushofmeister zog sich zurück." Notizen aus der Geschichte der chinesischen Reiche etc. löd Diese Stelle bekleidete Pe-tschheu-li an dem Hofe von Tsu. „Er sagte zu den Menschen : Der Regierungsvorsteher wird bald sterben. Er erreicht nicht drei Jahre mehr. Er sucht seine Absicht durchzusetzen und verwirft die Treue. Wird er aber seine Absicht auch durchsetzen können?" „Durch die Absicht bringt man hervor die Worte. Durch die Worte bringt man hervor die Treue. Durch die Treue bringt man zur Geltung die Absicht. Diese drei Dinge geben uns Bestand." „Die Treue ist verloren : Wie könnte er gelangen zu dem dritten ?" Die Treue ist das dritte derjenigen Dinge welche dem Menschen Bestand geben. Da Tse-md sie verloren, so wird er das dritte Jahr nicht mehr erreichen. Ebenso wenig wird er seine Absicht durchsetzen können , was dem Obigen zufolge nur durch die Treue möglich wird. Übrigens starb Tse-md wirklich schon im folgenden Jahre. „Tschao-meng war besorgt, weil die Menschen von Tsu unter den Kleidern Panzer trugen. Er meldete es Scho-hiang." „Scho-hiang sprach: Was sollte dieses schaden? Wenn der ge- wöhnliche Mensch ein einziges Mal zuwider der Treue handelt, so richtet er noch weniger etwas aus. Er stürzt kopfüber in seinen Tod." „Wenn man versammelt die Reichsminister der Fürsten des Reiches, um zuwider zu handeln der Treue, so trägt man gewiss keine Beute davon." „Die ihr Wort brechen, sind nicht bekümmert. Du brauchst desswegen nicht zu sorgen." „Wer in Angelegenheiten der Treue beruft die Menschen und den Abschluss macht durch die Falschheit, zu diesem wird Keiner sich gesellen. Wie könnten sie uns wohl Schaden bringen?" Tse-han vergisst nicht die Furchtbarkeit der Waffen. „Tso-sse von Sung bat um eine Belohnung." Tso-sse ist Schang-siu. Da er den Vertrag zwischen Tsin und Tsu und in Folge dessen einen allgemeinen Frieden zu Stande ge- bracht, begehrt er von dem Fürsten von Sung eine Belohnung. „Er sprach: Ich bitte um eine Stadt, wo ich entkomme dem Tode." Sso-sse begehrt zwar im Grunde eine übermässige Belohnung, aus Bescheidenheit spricht er jedoch, als ob er eines Verbrechens schuldig wäre. i 84 Dr. Pfizmaier. „Der Fürst schenkte ihm Städte sechzig," „Jener zeigte es Tse-han." Tse-han ist L6-hi, der Vorsteher der Stadtmauern, in dessen Bereich die inneren Angelegenheiten gehörten. Tso-sse zeigte diesem die von dem Fürsten über diese Belohnung ausgestellte Urkunde, „Tse-han sprach: Die Reichsfürsten im Besitze kleiner Reiche, wenn durch Tsin und Tsu sie von Scheu erfüllt sind vor der Furcht- barkeit der WafTen, dann erst sind in ihnen Höhere und Niedere wohl- wollend und einträchtig. Wenn diese wohlwollend und einträchtig, dann erst sind sie im Stande zu beruhigen das Volk und zu dienen dem grossen Reiche. Durch dieses sind sie noch vorhanden." Diesem zufolge hätten die kleinen Reiche dadurch den Fort- bestand, dass es für sie eine Furchtbarkeit der Waffen gibt. „Sehen sie nicht die Furchtbarkeit, so sind sie übermüthig. Sind sie übermüthig, so entstehen Unordnungen. Entstehen Unordnungen, so folgt nothwendig dieVernichtung. Durch dieses gehen sie zu Grunde." Diesem zufolge gingen die kleinen Reiche dadurch zu Grunde, dass es für sie keine Furchtbarkeit der Waffen gibt. „Der Himmel lässt entstehen die fünf Grundstoffe. Das Volk macht in Gesammtheit von ihnen Gebrauch. Einen einzigen von ihnen abschaffen, ist nicht möglich. VS^er könnte wohl entfernen die Waffen?" Die fünf Grundstoffe sind Metall, Holz, Wasser, Feuer und Erde. Die Waffen gehören zu dem ersten dieser Grundstoffe, nämlich dem Metall und können daher nicht abgeschafft werden, „Die Waften sind eingeführt seit langer Zeit. Durch sie schreckt man die Gesetzlosen und stellt in das Licht die prangende Tugend." „Die höchstweisen Männer kamen durch sie empor, die laster- haften Männer wurden durch sie gestürzt." „Stürzen und Emporkommen, Fortbestand und Untergang, Fin- sterniss und Aufklärung, alles dieses hat seinen Grund in den Waffen." „Du aber trachtest sie zu entfernen: bist du nicht auch ein Lügner?" Da es nicht möglich ist, die Waffen zu entfernen , Tso-sse aber dieses zu thun sich anheischig gemacht hat, so ist er im Grunde ein Lügner. „Mit Lügen hintergehen die Fürsten des Reiches: keine Schuld ist grösser als diese." Notizen aus der Geschichte der chinesischen Reiche etc. loO „Man hat Nachsicht mit dir und verhängt über dich keine grosse Strafe. Du aber begehrst noch eine Belohnung: diese Unersättlichkeit ist zu arg." „Er zerschnitt die Urkunde und warf sie von sich." Tse-fan zerschnitt die Zeichen der Urkunde mit dem Messer, dessen man sich damals zum Schreiben bediente. „Tso-sse verweigerte die Annahme der Städte." „Die Familie Schang wollte den Vorsteher der Stadtmauern angreifen." Die Familie jpl Schang sind die Genossen Schang-siii's. Weil dieser sich jetzt schämte die Belohnung anzunehmen, trachteten sie Tse-fan nach dem Leben. „Tso-sse sprach : Ich war im Begriffe zu verderben, dieser Mann gab mir den Fortbestand: keine Tugend ist grösser als diese. Sollte man ihn auch noch angreifen dürfen?" Tso-sse meint : Da er sich nur Verdienste um den Untergang erworben, so wäre ihm, falls er die Belohnung angenommen hätte, ebenfalls der Untergang zu Theil geworden. Indem ihn Tse-han über die Ursache des Fortbestandes aufgeklärt und die Urkunde zerschnitten habe, sei ihm das Leben erhalten worden. „Die Weisen sprachen : Der Mann allliier mit dem Verstände Ist Meister der Geradheit in dem Lande." „Dieses lässt sich sagen von Lo-hi." „Was sollte dir um mich die Sorge frommen? Es ward von mir schon angenommen." „Dieses lässt sich sagen von Schang-siii." Die ersteren zwei Verse sind aus den Volksliedern des Beiches Tsching, die letzteren zwei sind unbekannten Ursprungs. Der Sinn des zweiten Citates ist: Man habe nicht mehr nöthig, Schang-siu zu ermahnen, da er die Worte Tse-han's bereits angenommen. Verzeichniss der eingeg'angenen Druckschriften. 18T VERZEICHNISS DER EINGEGANGENEN DRUCKSCHRIFTEN. (NOVEMBER.) Akademie, Leopold, -Carolin, der Naturforscher. Verhandlungen. Bd. 25, Suppl. zu Bd. 24. Anzeiger für Kunde der deutsehen Vorzeit. Nr. 11. Archive s des missions scientifiques et litteraires etc. Vol. IV, Nr. 4, 5, 6, 7. Cimento, il nuovo. Tom. II, Settembre. Cosmos. Vol. VII, Nr. 19, 20, 21. Lotos. 1805, Nr. 1—11. Martini, Carlo, Scritti di storia e d'Archeologia ordinati da Tom. Gar, con un discorso intorno alla vita ed alle opere delT autore. Trento 1855; S"- Mayr, Gusl., Formicina austriaca. Wien 1855; 8"- Nachrichten, astronomische. Nr. 994 — 996. ^i)Hlip§, ®eorge, 9Sermif(f)te @cf)riften. SÖien 1856, 2 ©be. ; S«- S ch r ü d er, Joh. Henr., Ad Bullarium Romano-Sveogothicum a Magno von Celse et Porthan editum accessio nova. Upsala 1854; 40- SStcfen^aufer, SDJor., Siebe, 9Bein unb mancherlei; ^jerftfc^e Steber na^ 35f(^ami'g %ext jum erften SOial beutfd) gegeben. Seipjtg 1855; S«* SSeretn jur 23eförberung beä ©arteubaueä in ben f. :|)reup. «Staaten. 9ieue mei^i. 3at)rg. I unb II, |)eft 1—6. SSerltn 1853—55; S»- SITZUNGSBERICHTE DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHÄFTEN. PIIILOSOPHISCH-HISTORISCHECLASSE. XYIII. BAIVD. II. HEFT. JAHRGANG 1853. — DECEMBER. 13 I 191 SITZUNG VOM 5. DECEMBER 1853. Gelesen : Kleine Beiträge zur älteren deutschen Sprache und Literatur. Von dem w. M. Jos. Diemer. (Fortsetzung-. Vgl. Sitzungsl)eriehte B. XI.) XIV. Über Hclnrich's Gedicht yoiii ^^Allgemciueu Lebeu uud der Eriuucrnng an den Tod". Auf dem Gebiete der deutschen Literatur-Geschichte gibt es noch gar manche Stellen welche einer eingehenden Untersuchung bedürfen. Dahin gehört vorzüglich die Übergangszeit aus dem Alt- hochdeutschen in das Mittelhochdeutsche von etwa 1060 bis 1170. Ich habe es in der Einleitung zu meiner Ausgabe der „Deutschen Gedichte des 11. und 12. Jahrhunderts" versucht darüber Einiges beizubringen. Ich habe mich dort und anderwärts i) bemüht darzu- thun, wie ein grosser Theil dieser Dichtungen, von deren Dasein man früher kaum eine Ahnung hatte, in unseren Gegenden entstehen konnte und insbesonders auf ein Verhältniss der Verfasser einiger der- selben hingewiesen, nämlich auf die Klausnerinn Ava und ihre beiden Söhne Heinrich und Hartmann, das eben so rührend und schön als einzig in seiner Art in der altern Literatur-Geschichte dasteht. Meine Ansicht die nur mehr auf den inneren Gründen, welche aus den Dichtungen selbst hervorgingen, beruhte, fand jedoch von ausgezeichneten Literatur -Historikern denen man vor Allen auf diesem Gebiete ein entscheidendes Urtheil zutraut, nicht die geholTtc Zustimmung und ihr Ausspruch war für alle andern mehr oder minder massgebend. Ich musste hiebei nur bedauern dass meine Vermuthung 13* 192 Josephüiemer. nirgend eine eingehende Besprechung erfuhr, sondern nur durch kurze Andeutungen oder auch durch unerwiesenes Gerede in Zwei- fel gezogen wurde. Ich sah mich daher genöthigt, die Einwendungen die man allenfalls mit Grund gegen sie erheben konnte, grossentheils selbst aufzusuchen, um sie womöglich zu beseitigen. Nur W.Grimm untersuchte meine Ansicht nach dem Massftabe der mehr oder minder gleichartigen Reime gründlicher und meinte, indem er seine Bedenken dagegen aussprach zugleich, dass es „vielleicht meinen weiteren For- schungen gelingen dürfte, sie auf anderem Wege zu erweisen" 2). Ich habe desshalb die möglichen Einwürfe nochmals geprüft und glaube versichern zu dürfen mit Ruhe und voller Unbefangenheit, da es bei einer so schwierigen Frage nicht zur Unehre gereichen kann, geirrt zu haben. Nichts desto weniger fühlte ich mich bestimmt, ferne von jeder Rechthaberei, bei meiner ersten Ansicht, obgleich mit einigen nicht unwichtigen Änderungen, zu verharren. Ich will nun im Ver- laufe dieser und ein paar anderer Untersuchungen dasjenige was mir damals theils entgangen ist, theils von minderer Bedeutung schien, nachtragen. Vielleicht ist es geeignet jene Bedenken gegen meine aufgestellte Vernmthung, wenn nicht ganz zu entfernen, so doch bedeutend zu beschwichtigen. Als Einleitung hiezu ist es nicht unwesentlich dass wir das Alter des Gedichtes vom „Gemeinen Leben" und der „Erinnerung an den Tod" genau feststellen. Da diese Dichtung Heinrich's, M'ie die Folge zeigen wird, auch in anderer Beziehung zu den wichtigsten und ausge- zeichnetsten des 12. Jahrhunderts gehört, so glaube ich nicht nur dem Literar- Historiker sondern auch dem deutschen Geschichtsforscher über jene Zeit einen Dienst zu erweisen, wenn ich sie bei dieser Gelegenheit unter Einem ihrem vollen Inhalte nach, was ich zu obi- gem Zwecke ohnehin theilweise hätte thun müssen , hier etwas ausführlicher als es bisher geschehen, ausziehe und untersuche. Fast zwanzig Jahre sind verflossen, seit Massmann das Gedicht Heinrich's vom „Gemeinen Leben" und der „Erinnerung an den Tod" nach der einzigen davon vorhandenen Handschrift der hiesigen Hof-Bibliothek Nr. 3176 aus dem Ende des 13. Jahrhunderts zuerst vollständig herausgab s). In allen besseren Literatur-Geschichten ward es seither mehr oder minder ausführlich besprochen, fast in allen Lesebüchern im Auszuge mitgetheilt und dennoch glaube ich sagen zu dürfen von Wenigen seinem ganzen Umfange nach gehörig Kleine Beiträge. 193 verstanden. Aber auch ich bin weit entfernt behaupten zu wollen dass es mir gelungen sei, den Sinn desselben in allen seinen Theilen richtig erfasst zu haben. Die Ursache liegt darin dass es uns wahr- scheinlich nicht in seiner ursprünglichen Form sondern erst durch eine zweite Hand entstellt und an manchen Orten selbst noch in dem Abdrucke fehlerhaft vorliegt, theils auch dass es sich gewisser- massen unter einem ganz eigenthümlichen Banne befand welcher dem richtigen Verständnisse oft hindernd im Wege war. Wenn ich es ungeachtet dieser oft nicht geringen Schwierigkeiten dennoch wage den Sinn und Inhalt dieser Dichtung zu erörtern, so geschieht es nur desshalb weil sich mir bei meiner Beschäftigung mit diesen Poesien nach oftmals wiederholter Lesung unwillkürlich ein neuer Gesichtspunct zu dessen Erklärung immer wieder aufdrängte welcher, meiner Ansicht nach, ein völlig neues Licht über dasselbe verbreitet und seinen Werth ungemein erhöht. Ob dieser auch der richtige ist, mögen unparteiische Forscher entscheiden. Ehe wir in eine Eiörterung des Gedichtes eingehen, wollen wir einige Bemerkungen über den Verfasser, seine Heimat und die Zeit in welcher er lebte, vorausschicken. Der erstere nennt sich am Schlüsse des Gedichtes V. 1032 selbst Heinrich und beruft sich wie bekannt bei dieser Gelegenheit auf einen Abt „erchennen frid", d. i. Erchenfried. Dass er nicht dem geistlichen sondern dem Laienstande angehörte, geht aus der ganzen Dichtung und besonders aus der Stelle V. 225 y^Dar uf hah wir Iceien ein arclnvan" unzweifelhaft hervor. Auch wird allgemein zugestanden dass er ein Österreicher gewesen sei, was aus seiner Sprache und den gebrauchten Reimen vollkommen gerechtfertigt erscheint. Z. B. ai und sei = ei in Iseitet v. I ; beschai- denlichen v. 6; vrseise v.7; gemseine: saeine v. 9, 10, u. v. a. ; ou =^ ü und uo; z. B. choum v. 18; troutliet 612; sous: hous 949, 930; u füre im Part, praes. z. B. stinchunde hol v. 675; swanzunde v. 21S; a für 0 in muzzige wart: hohvart 608, 609; pl. warte (verba): harte 881, 882; ferner die Reime: zergen : gesten 49, 50; rät: hat 8o; liet: niet 447; schiet: nicht 759; niht: versieht 399; nicht: enwiht 425; vergibt: liecht 547; suon : tuen 697, 744, 775; suon : reich- tum 749; zu: fru 523 u. dgl. Auch finden wir in Österreich und zwar im Stifte Melk von 1122 — 1163 einen Abt Erchenfried*) und einen zweiten dieses Namens der um 1090 — 1120 5) jf, Göttweig unter dem Prälaten 194: Joseph Diera er. Hartmann (flll4) lebte. Aus Gründen die ich später anführen werde, wird sich zeigen dass der Dichter wahrscheinlich nur diesen letztern bezeichnen wollte und damals, als er dieses Gedicht verfasste, es noch nicht für nöthig hielt, genauer anzugeben, welchen Abt Erchen- fried er meine, weil es in seiner Nähe in dieser Zeit nur diesen Einen gab. Oh diese meine Ansicht d«r allgemein vorherrschenden welche diese Dichtung in die Mitte des 12. Jahrhunderts ß) oder gegen das Jahr 1163^) setzt, vorzuziehen sei, dürfte sich im Verlaufe dieser Untersuchung zeigen. Doch prüfen wir den Inhalt dieses Gedichtes selbst, indem er uns über die Zeit seiner Abfassung am ehesten Aufschluss gewähren und zugleich dessen Werth am besten darstellen wird. Ich halte mich hierin, so weit es mit dem Geiste der heutigen Sprache vereinbar ist, so viel als möglich an die Worte des Verfassers und glaube, da das Gedicht in seinem Zusammenhange nichts weniger als leicht zu ver- stehen ist, dadurch den Dank derjenigen zu verdienen welche sich bisher mit altdeutschen Studien nicht näher befassen konnten. Der Verfasser beginnt: „Der Glaube zu dem er sich bekenne, veranlasse ihn, eine Rede von der Erinnerung an den Tod zu halten, um weltlich gesinnten Menschen die Noth und die Leiden welche ihnen nach dem Tode der uns allen täglich bevorstehe drohen, deut- lich aus einander zu setzen. „Omnes declinauerunt" sagt der Prophet, d. h. Alle sind von Gott abgewichen, denn von tausend sündhaften Men- schen dürfte wohl kaum Einer rein und vollkommen befunden werden." „0 weh !" ruft der Verfasser aus, „welche Unzahl unchristlicher Sünden müssen wir alle Tag erfahren und doch hören wir niemals dass auch nur Einer zurückgezogen in einer Zelle seine Sünden beweine oder anderwärts abbüsse, wie die fromme Maria welche nach Christus Himmelfahrt in einer schauerlichen Wüste wohnte und Zeit und Ort, allen Menschen unbewnsst, verherrlichte **) , die sie nach unserem Herrn den sie nicht mehr schauen konnte, auch nimmer sehen wollte." Nach dieser allgemeinen Klage über dicSündbaftigkeit der Welt geht der Verfasser die verschiedenen Stände durch und zeigt uns die Missbräuche welche ailcr Orten herrschen. Zuerst kommt die Geist- lichkeit an die Reihe und da ruft er aus : „0 weh der armen Geistlichkeit welche die Laien zum Himmelreiche geleiten sollte, wie weit wird sie bei dem jüngsten Gerichte zurück stehen, so dass sich an jenem Tage jeder Priester vor dem Angesichte des Herrn verbergen möchte." Kleine Beiträge. 195 Sollten sie alles befolgen was ihnen durch die Schrift befohlen ward, die ihnen einen christlichen Wandel gebietet, so würde kaum Einer selig werden. Die christliche Ordnung ist völlig zu Grunde gegangen ") : Einige haben den Namen ohne das Amt und Wenige kümmern sich um das Heil der armen Seele. Diejenigen welchen die höchsten Ehren unter der Geistlichkeit übertragen, denen Ring und Stab und das auszeichnende Gewand gegeben wurde, wesshalb sie Bischöfe heissen, haben das Recht entzwei gebrochen und geben Pfarre, Prop- stei und Pfründe die ihnen nicht zum Verkaufe angehören, doch nur dem der sie durch Geld erwerben kann. Ihre Jünger haben das Beispiel das ihnen ihre Lehrer gegeben, wohl erkannt und bieten Beicht und Begräbniss, Messe und Psalmen allenthalben zum Kaufe aus. Chrysam und Taufe und was sie sonst verrichten sollen, ertheilen sie nicht umsonst, sondern nur dem der den Preis dafür entrichten kann '«). 0 weh. Jüngster Tag! welchen Lohn wirst du ihnen bringen! Keiner darf erwarten, dass ihm Vergebung zu Theil werde. Was er auch in der Sünde verharrend Gutes thun mag, wird von Gott verabscheut und sein Gebet kein Gehör finden, da es nicht zu Gottes Ohren dringt. Sein Andenken fällt der Vergessenheit anheim. Den Priestern ward die Gewalt der heiligen Apostel verliehen, mit dem Worte Gottes das sie predigen, die Sünder zu binden und zu lösen, sie aber gebrauchen selbe mit offenbarer Willkür, Wer ihnen etwas geben kann, darf thun was er will und ist nicht im Stande so viel Böses zu verüben das nicht die Pfennige wieder sühnen könnten. Während sie einerseits die Mücken seichen, verschlingen sie die Elephanten. Doch Gottes Gericht wird einst über sie ergehen. Wie hoch wird ihnen dann der irdische Reichthum und die unselige Frei- heit, dass sie ohne Zwang leben, zu stehen kommen! Und jetzt wollen sie es alle ohne Ausnahme als Recht geltend machen, dass Keiner von ihnen sich von den Frauen zu scheiden brauche. Wahrhaftig, sie sollen sich von ihnen als von ihren Untergebenen, damit ich ein Bei- spiel vorführe, auf die Weise wie der Hirt von der Herde, der Lehrer von dem Schüler, so sollen sie sich von ihnen trennen ; allein sie wollen sich der Leichtfertigkeit hingeben. Wesshalb ward ihnen die Oberherrschaft verliehen? — Unzucht i') und Heiligkeit, Unkeusch- heit und Reinigkeit sind nicht wohl vereint. Wenn des Priesters Hand den Leib des Herrn aufwandelt, soll sie sich dann nicht enthalten eine Frau zu berühren ? Wahrlich, hierin sind alle [die das Gegentheil 19Ö Joseph Diemer. glauben] im Irrthum. Unser Glaube lehrt dass sich, wenn der Priester am Altare steht, unter dem Geheimnisse sogleich alle Himmel öffnen und dass seine Worte da durchdringen. Unser Herr sendet hiezu aus allen Engelscharen seine Diener, das Opfer wird ihm genehm und vertilgt alle die Missethaten welche die Christenheit beging, wenn sie dies mit wahrer Zuversicht erwartet. Doch ihr fragt, welcher Reinigkeit dann derjenige bedürfe der das Opfer darbringt? Dagegen rufen und sagen wir: es wird Gott allerdings missfallen, wenn wir die Messe hören bei denen die wir nicht so leben sehen, wie sie von rechtswegen sollen, und wir müssen ihnen desshalb zür- nen, nichts desto weniger wird jedoch da, wo das Gottes Wort und die geweihte Hand am Tische des Herrn vereint wirken, der Leib des Herrn in der Messe von einem Sünder eben so gewiss verwandelt, als von dem heiligsten Manne der Priesters Namen je erhielt. Ich will es aussprechen wovon ich überzeugt bin, diejenigen welche ihr christliches Amt noch mit anderen Gelübden belastet haben, kommen, so sehr sie auch in den Wissenschaften unterrichtet seien und von der Welt zurückgezogen leben , wenn die heilige Schrift nicht lügt, in die grösste Noth. Sie sollen dieser Welt abster- ben, das Fleisch abtödten, dass es mit jedem Tage schwächer werde, und die Seele so ansehen wie eine Magd ihre wahre Gebieterinn". Auf diese Weise fährt der Verfasser noch weiter fort die Pflichten der Geistlichkeit zu schildern, wohin wir ihm jedoch nicht folgen wollen, und schliesst mit den Worten : „Gerne haben wir von dem geredet was die Weltpriester und die Mönche in grossen Zorn versetzen wird. Sie sollen vorn und rückwärts voll Augen sein , dass sie allenthalben die Feinde, woher sie sich immer ihren Anbefohlenen nahen, sehen können. Sind sie auf beiden Seiten blind, so werden beide mit ewiger Blindheit geschlagen, das wird uns durch die Worte der Wahrheit deutlich verkündet: „Wenn ein Blinder den andern führt, fallen beide in die Grube". Diese Rede verstehen Alle: die Grube ist die Hölle, und fragt man nach den Blinden, es sind dies die schlechten Lehrer welche die bösen Zuhörer mit sich in das ewige Verderben führen". Der Verfasser geht nun auf das Leben der Laien über, worauf wir später zurückkommen werden. Nur die folgende Stelle ist für die Sittengeschichte zu wichtig als dass wir sie hier übergehen könnten : „Das Leben der Ritter und Frauen, das wir euch darstellen wollen, ist Gott widerwärtig. Sie kehren alle ihre Kunst dahin, wie sie neuer Kleine Beiträsre. »^ 197 Mode huldigen können. Dies ist der Fallstrick der HofTahrt welche den Teufel aus dem Himmelreiche vertrieb .... Sie herrscht am meisten bei dem weiblichen Geschiechte. Wir sehen auf der Gasse und in der Kirche gar Manche die um den Taglohn arbeitet und nicht mehr ais diesen zu erwerben im Stande ist, wie sie eher keinen frohen Tag erlebt, bis sie nicht ihr Kleid so lang machen kann, dass der Schlepp, der Falten Nachwurf, da wo sie einhergeht, den Staub aufwirft, als wenn das Reicb bei ihrem hoffährtigen Gange besser führe. Mit frem- der Farbe an der Wange und mit goldgelbem Kopfschmuck wollen selbst die Bäuerinnen sich überall den Töchtern des reichen Mannes gleichstellen. . . . Was die Eine beginnt , darnach sind die Andern ausser sich vor Begierde es auch zu haben. Vom Rechte ist unter Armen und Reichen wenig geblieben, was Gott füglich missfallen muss. Von den Frauen wollen wir nicht weiter reden, doch dürfen wir die Ritter nicht übergehen. — Wo sich die Ritterschaft ver- sammelt, da erhebt sich ihre Wechselrede davon, wie Viele der oder jener beb habe. Ihre Laster können sie nicht verschweigen, ihren Ruhm suchen sie nur bei den Weibern; wer sich den nicht verschalTen kann, halt sich für einen Schwächling unter den Seinen. W^enn von der Tapferkeit geredet wird, wissen sie selten etwas zu sagen, welche Stärke der aufwenden muss der wider den Teufel kämpfen will. Sie wissen nur von einer Menge Unthaten zu erzählen und offenbaren nur ihre Schande, wenn sie sagen, den muss man für einen tüchtigen Knecht halten der recht Viele erschlagen hafi-). 0 weh unseren nächsten Nachkommen! wie muss unter ihnen Achtung vor Gott und Christenthum zu Grunde gehen. Der reiche Mann nur ist edel und schön, geschickt und überall beliebt, allenthalben verachtet ist der Arme. Die geistlichen Richter könnte man eher Reichsherren (richsnsere) als Reichslehrer heissen. Sind sie im Stande viele Heerschilde, Helme und Brünne aufzubringen, mit grossem Gefolge einher zu reiten und weithin durch die Lande ihre Dienstmannen aufzubieten, so ist dies ihre grösste Wonne" i^^. Nach dieser Schilderung des Zustandes seiner Zeit geht der Verfasser zum zweiten Theil seiner Dichtung, zur Erinnerung an den Tod über. Er sagt da : „Nun gedenke Mensch, deines Todes, nach den Worten Jobes der da spricht: Kurz siiul meine Tage, meinLcben neigt sich zum Grabe, oder wie er anderswo erinnert: Gedenke deines Schöpfers in der Jugend, ehe dich die Zeit erfasst, dass dir 1 9o Joseph Diemer. dein Unheil naht und dein Staub wieder zur Erde wird ; diesem kommen die Worte gleich : Mein Lehen ist wie Wind oder wie das Wasser das schnell dahin rauscht, oder wie der Prophet sagt: Mein Leben gleicht dem Grase das gestern grün war und heute verdorrt ist, und damit auf den weisen Mann deutet der stets den Tod vor Augen hat. So ermahnt uns auch Salomon indem er sagt: „Mein Sohn ver- giss dein letztes Ende nicht, so wirst du immer ohne Sünde leben." „Armer Mensch, schwache Erde, ihr beide müsst wieder vereinigt werden, indem du zuerst daher stammest, ehe dich deine Mutter mit Schmerz und Wehklagen zu grossem Leid gebar. Mit der ganzen Welt hast du nichts gemein als die Haut und das Gebein und ohne Kleid wirst du geboren, warum strebst du also so eifrig nach schlech- tem Gewinne? Wollte dich auch Gottes Rathschluss der Welt ent- fremden, so gab er dir doch zu einem Hemde, auf dass du deine Scham bedeckest. Auf dieser Erde übernachtest du nimmer, du musst sterben und erbleichen. Sowie dudein Heereszeichen (deine Fahne) mit Weinen eingeläutet und damit angedeutet hast, dass du zur Armuth geboren, musst du auch, wenn deine letzte Stunde naht, vielmals wehrufen, denn es ist recht dass der mit Wehklagen wieder vergehe, der mit Wehklagen geboren ward, wie dies der erste Laut des Kindes durch sein Weinen bei der Gehurt schon bezeugt." Nach diesen Betrachtungen geht der Verfasser zur Schilderung des Lebens selbst über : dass es von der Wiege bis zur Bahre nur eine Reihe von Kummer, Sorge und Noth sei, und führt uns zum Be- lege dessen die Laufbahn eines Menschen vor von dem Jedermann glaubt, dass er dem Glücke im Schoosse ruht, nämlich den Sohn eines Königs, worauf wir später zurückkommen werden. — „Doch wir wollen", heisst es weiter, „die mannigfachen Leiden die den Armen wie den Reichen gleichmässig befallen, nicht verschweigen. Der Eine hat das Fieber oder die Gicht, der Andere verliert das Gehör oder das Augenlicht, dem Einen wird ein Bein abgenommen, der Andere liegt verkrüppelt, dass er wedergehen noch stehen kann, ein Dritter verliert Geschmack und Geruch, ein Vierter die Sprache, Keiner vermag sich vor diesen Gebrechen die einen Jeden befallen können, zu schützen. Wie reich und edel er auch sei, er kann sich vor ihnen nicht bewahren. Doch nehmen wir an dass Einer sein Ende ohne alle Leiden erreiche, was sehr selten geschieht, nun, was be- darf es da viel Redens? Sobald die arme Seele den Leib verlässt, so Kleiuc Beiträge. 1 99 sieh, mein lieber Mensch, wie er da liegt, und hätte er drei Reiche beherrscht, er wird mit der Erde vereint ganz auf dieselbe Art wie der Dürftige. Auch sehen wir Manche mit schönen Seidenstoffen auf der Bahre liegen, viele Lichter werden angezündet, Weihrauch und Myrrhen verbrannt und beschlossen, die Begrähniss hinauszuschieben und, wenn sich alle seine Freunde versammelt haben, ist es ihre grösste Sorge, ihn auf das prachtvollste zu bestatten. 0 weh der un- seligen Pracht, wenn die Macht der Hölle die arme Seele mit Gewalt verschlingt! Was frommt es, wohin auch das armselige Gebein be- graben wird? sie theilt mit der aller Heiligen gleiche Trennung und weh, wenn hierauf für sie ewige Nacht eintritt! Doch setzen wir, die Begräbniss werde auf zwei, drei Tage oder auch noch länger hinaus geschoben, so bleibt es doch stets eine armselige Hinfahrt **), denn nichts von Allem was geboren ward, wird so widerlich und der Welt unangenehm. Geh' nun hin schönes Weib und schau an deinen geliebten Mann, sieh' genau wie sein Antlitz gefärbt, wie seine Scheitel gerichtet, wie sein Haar geschlichtet ist. Schau recht ernst- lich , üb er noch etwas von jener Laune besitzt mit welcher er einst öffentlich und geheim auf dich sein Auge spielen Hess. Sieh' hin, wo sind die eitlen Worte mit denen er der Frauen Schönheit pries und besang? Sieh' wie ist die Zunge in seinem Munde erstarrt mit der er einst so fröhlich Minnelieder singen konnte, sie kann nun nichts, weder Worte noch irgend einen Laut hervorbringen. Sieh' nun, wo ist das Kinn mit dem jungen Barthaare? Sieh' wie recht schwach und elend liegen Arme und Hände da mit denen er dich einst innig lie- bend umschloss! Wie sehen die Füsse aus mit denen er nach Hofessitte mit den Frauen einherging? Das musst du alles recht genau betrachten. Er dem du einst die Seide in dem Hemde überall erweitern musstest, ist dir nun ganz fremd geworden." Der Verfasser malt den Zustand des Leichnams noch weiter aus, was wir hier übergehen wollen. Kehren wir nun zur Frage zurück, in welche Zeit eigentlich dieses Sittengemälde gehören kaim. Sie ist, wie man zugeben wird, nicht nur für die deutsche Literaturgeschichte sondern auch für die Geschichte Österreichs von nicht geringem Belange und um so mehr zu beachten, als wir in den Urkunden und Zeitbüchern jener Periode solch frischen Schilderungen des inneren Lebens unserer Vorfahren so selten oder gar nicht begegnen. Wie ich schon oben bemerkt habe, glaube ich mich gegen die Ansicht aussprechen zu dürfen, welche 200 Joseph Diemer. dasselbe gegen das Jahr 1 103 setzt. Ich will nun die Sache vom histo- rischen Standpuncte aus etwas genauer untersuchen, muss jedoch die Nachsicht der Männer des Faches in Anspruch nehmen, wenn ich viel- leicht Manches übersehen, oder nicht nach ihren Ansichten aufgefasst und dargestellt habe. Es würde mich nur freuen, wenn ein Sachkun- diger diese Andeutungen als Grundlage für weitere Forschungen be- nützen und das was mir aus Mangel an Zeit zum Nachsuchen allen- falls entgangen ist, bezeichnen wollte. Wir haben oben die ernstlichen Rügen über die in vielfacher Be- ziehung tadelswerlhen Sitten der Geistlichkeit vernommen und dürfen voraussetzen, dass der Verfasser hierin besonders jene Österreichs, seines unbestrittenen Vaterlandes, im Auge hatte. Diese Klagen können sich aber meiner Ansicht nach nur auf den Anfang des 12. Jahrhunderts beziehen in welchem die üblen Folgen des grossen Kampfes zwischen Heinrich IV. und V. und den Päpsten erst recht ins Leben traten. Die rechtmässigen Bischöfe von Passau und Salzburg die für strengere Kirchenzucht hätten wachen sollen, konnten trotz ihres Eifers nicht überall nachhaltig genug einwirken, denn sie waren meistens gezwun- gen, sich vor den bewaffneten Scharen der Gegenpartei von ihren Bischofssitzen zu flüchten, und andere denen das Streben sich durch die Macht des Schwertes in den ihnen übertragenen Bisthümern fest zu setzen und zu erhalten, höher stand als die Sorge für die ihnen anvertrauten Gläubigen und Priester, traten an ihre Stelle. Es ist da natürlich dass diese weniger streng gegen die ihnen ergebene Geist- lichkeit sein durften, Aveil sie sonst ihren Abfall zur päpstlichen Partei fürchten mussten. Zum Glücke konnten aber diese trostlosen Zustände bei uns nicht wie in Deutschland tiefere Wurzel fassen. Der gute Same den Bischof Altmann von Passau und Erzbischof Gebhard von Salzburg in unseren Landen ausgestreut hatten, konnte während der kurzen Dauer des Krieges bei uns nicht gänzlich erstickt oder ausgerottet Averden. An die Stelle dieser Kircbenfürsten traten noch überdies in Passau Ulrich, in Salzburg Thiemo und später Konrad, Männer die nicht minder eifrig in ihrem Berufe als ihre Vorgänger fortfuhren, so weit es die Umstände zuhessen, zur Verbesserung der Kirchenzucht und zur Hebung des Klerus zu wirken. Sie fanden auch, was um so erfreulicher war, in den damaligen Herrschern von Österreich und Steiermark, in dem fromm gesinnten Leopold III. (109G— 1130) und in Ottokar VI. (f 1122) eine feste und bleibende Stütze. Kleine Beiträge. /CUl Beide Parteien, die weltlicher gesinnte nämlich und die streng kirchliche, standen sich demnach mächtig und schroff gegenüber. Diese suchte den vielfältigen Missbräuchen welche in der Kirche durch die geübte Willkür der beiden Heinriche in der Verleihung geistlicher Ämter und Würden herbeigeführt wurden, kräftig ent- gegen zu wirken. Das Übel hatte eben den höchsten Grad erreicht und alle guten und frömmeren Bischöfe und Priester vereinigten sich, um durch ihr gemeinsames Streben die Reinheit der Sitten der Geistlichkeit nach dem Vorbilde der ersten Kirche theils durch die strengere Befolgung der kanonischen Gesetze, theils durch das ver- besserte Leben in den Klöstern und durch die Ehelosigkeit der Geist- lichen wieder herzustellen. Einen neuen Anstoss erhielt aber dieses Streben noch durch die Kreuzzüge , so dass auch die Laien mit in den Kampf für eine strengere Sittenzucht der Geistlichkeit hinein- gezogen wurden. Theils in den Anfang, theils mitten in diesen Kampf fallen die meisten Gedichte des 11. und 12. Jahrhunderts, was aus ihrem Geiste und Inhalte deutlich hervorgeht. Daher diese bis in das entgegengesetzte Ende gehende kirchlich -fromme Richtung, ihr durchaus heiliger Stoff, von dem Tode, dem Antichrist und jüngsten Gerichte, daher die vielfach wiederkehrenden Klagen über die „Spot- taere und Nidsere", wenn man eine gute heilsame Lehre vorbringe is^, über diejenigen die da in der Taubheit und Blindheit des Gemüthes verharren und für die Harfenklänge der Lehre des Heiles ihre Ohren verstopfen i^), daher die Hoffnungslosigkeit trotz aller angewandten Vorstellungen dem Guten Eingang zu verschaffen, Avelche sich in dem Schmerze und der Trauer, dass die Söhne so vielerMütter in die Hölle fahren müssten, deutlich ausspricht i^). Offenbar in diese Zeit fällt auch unser Gedicht und zwar nicht in das Ende dieses Umschwungs, sondern eher in den eigentlichen Anfang. Die Worte (Vers 141 ff.) „nu wellcnt die phaffen über al in daz haben ze einem rehte gar daz sich under der phaffen schar sul der weihe iemen änen" zeigen dies hinlänglich. Der Verfasser staunt wie man sieht als über etwas Neues und Unerhörtes dass es die Geistliehen nun wagen sieh gegen das Gebot der Ehelosigkeit aufzulehnen. Er steht somit wohl im Anfange desselben , denn später nach dem VVormser 20!, CXXXV; S. 40, CLX, quidam nohilis nomine Wichardus, qui spretis pompis secula- ribus nobiscum regulariter est conuersatus; S. 41, CLXVIII, CLXIX u. s. m. 5«) Beispiele davon liefern S. 18, LXI; S. 19, LXII; S. 21, LXXI ; S. 47, CXLIII des Saalbuches. 5») Cum Dominus H.artraannus regimenCampidonensisMonasteriitenebat, interim nobilis frater Erchinfridus nomine, abbatiam in Gottewic, ex consensu Hartmanni et Udalrici Episcopi et electione fratrum, regebat. Hie primitus laicus in artiiis vivens deinde sajculum rcliquens literas studiose didicit et usque ad nomen Abbatis pervenit qui et ipse bona Monaslerii in multis auxit. Vita Altmanni 1. e. §. 41. Dr. Kar I Scherzer. Die Indianer von Santa Catalina Istla'vacan. 227 Die Indianer von Santa Catalina hüävacan (Fraiienfuss). Ein Beitrag zur Culturgeschichte der Urbewohner Central-Amerikas. Von Dr. Rarl Scherze p. Wohl schwerlich hat sich irgend einer der bezwungenen Indianerstämme Central-Amerikas so ungemischt erhalten, wie die Bergbewohner von Santa Catalina Istlavacan im Hochlande von Guatemala, Abkömmlinge des alten, berühmten Stammes der Quiches. Der Gründer ihres Reiches war Nima-Quiche oder der grosse Qniche, einer der Häuptlinge der Tolteken, welche von Tanub geführt und aus dem Norden kommend, zu Anfang des 7. Jahrhunderts zuerst auf dem Plateau von Mexico erschienen. Mit dem eigenen Stamme im Kampfe und von dem einstürmenden, Avilden Jägervolke der Chichimeken verdrängt, verliess Nima Quiche, der Eingebung eines Orakels folgend , um die Mitte des 11. Jahrhunderts die alte Tolteken-Residenz Tula und wanderte an der Spitze seiner Getreuen gegen Süden. Nima-Quiche sollte jedoch das Ziel seines Zuges nicht erreichen. Er starb noch während des Marsches. Nun irrte sein Volk viele Jahre lang in den Bergen des heutigen Guatemala umher, bis es endlich den Attitangsee entdeckte und in dessen Nähe sich nieder- zulassen beschloss. Hier gründete es ein neues Reich und nannte dasselbe zur Erinnerung an seinen verstorbenen geliebten Führer : Quiche. — Acxopil, Nima-Quiche's Sohn, war der erste Regent von Utatlan, der neuen Residenz des Quiche-Reiches. Als Pedro Alvarado mit seiner Schar von Abenteurern zu An- fang des 16. Jahrhunderts diese Länder bekriegte, sass Tecum Umam, der fünfzehnte König auf dem Throne von Quiche. In der Ebene von Tzaccaha, in der Nähe des heutigen Quesaltenango fiel die entschei- dende Schlacht vor. Die Armee Alvarado's zählte nicht mehr als 300 Mann Fussvolk, 135 Reiter und ungefähr 300, durch Zwang alliirte Indianer, 4 Kanonen und einige Dominicaner-Mönche. Die feindliche Macht der Quichc's hingegen wird von den Eroberern, wahrscheinlich um ihren Sieg desto mehr zu verherrlichen, auf 70.000 Mann ange- 228 Dr. Karl Scherzer. geben. Jedenfalls muss der Kampf ein verzweifelnder gewesen sein; denn die wüthenden Indianer packten zuletzt sogar die Pferde der Streitenden beim Schweife, und warfen sie mit Montur und Reiter um. Der Zamala färbte sich von dem Blute der Kämpfer, und führt noch bis zur Stunde den Namen Xeguijel oder Blutfluss. Tecum Umam aber der letzte der unabhängigen Quiche-Könige, fiel im Zweikampfe mit seinem Unterjocher Pedro Alvarado durch einen Lanzenstich, sterbend noch den Göttern fluchend, die seinem Feinde den Sieg gegeben. Des Mordens, Rauhens und Brennens von Seite der Sieger war jetzt kein Ende. Kein Stein der alten Quiche-Residenz blieb auf dem andern i) und es darf den Forscher der in unseren Tagen mit einem Gefühle von Pietät die Ruinen der alten indianischen Königsstadt besucht, nach solchen vandalischen Vorgängen nicht Wunder nehmen, von allen den Baudenkmalen welche einst ein friedlich gedeihendes Volk unter despotischem Einflüsse dort geschafl'en, gegenwärtig nichts mehr als wüstumherliegende Trümmer übrig zu finden, das melancho- lische Bild des tragischen Geschickes seiner Erbauer! Auf der noch rauchenden Asche der zerstörten Stadt erhob sich die erste katholische Capelle und am Tage nach der entscheidenden Schlacht, am Pfingst- sonntage 1524, feierte daselbst ein Dominicaner die erste heilige Messe. Vor den Verfolgungen der spanischen Eroberer fliehend, verliess jetzt das Volk der Quiche's die Stätte und die Tempel seiner Väter und zog sich in die wildesten, verschlossensten Bergthäler der Altos zurück, um dort in der Ebene und auf den Hügeln, wie es gerade die seltsame BodenbeschalTenheit dieses gewaltigen Gebirgslandes gestattete, ihre Hütten wieder aufzubauen. Fromme Mönche und bekehrungseifrige Missionäre waren seither die einzigen Fremdlinge welche zuweilen in diese Wildnisse drangen, und die heidnischen Eingebornen in ihrer Waldeinsamkeit aufsuchten. Entfernt und abgeschlossen von dem öffentlichen Verkehr und seinem reformirenden Einflüsse haben die Indianer von Istlavacan, obwohl seit Jahrhunderten zum Christenthum bekehrt, noch immer ^) „Manile queraar la ciudad o poner por los cimientos, porque es tan peligroso y tan fiierte, que mas parece casa de ladronesqiie depobladores" .... Brief Pedro Alvarado's an Ferdinand Cortes, ddo. 11. April 1324. Verg'l. Edicion Bareia, tom I, p. 139. Die Indianer von Santa Catalina Istlavacan. 329 viele Sitten und Gebräuche ihrer heidnischen Vorfahren ziemlich unverändert bewahrt. Der Besuch einer solchen weltabgeschiedenen Gemeinde, meilenweit umher nur von steilen hohen Bergen und dichten Wäldern umgeben, schien mir in ethnographischer wie in humani- stischer Beziehung so viel des Interessanten und Belehrenden zu bieten, dass ich am 21. Juni 1854 trotz mancher schriftlichen und mündlichen Warnung vor der Gefahr eines solchen Unternehmens mein Maulthier von der Hauptstrasse seitab nach einem schmalen Fusspfad lenkte, der über schroffes Gestein und steile Bergabhänge, durch riesige Tannenforste und reissende Waldbäche nach Santa Catalina Istlavacan führt. Die Unwirthbarkeit dieser Gegend über- trifft jede Beschreibung. Einmal kamen wir an einen ungefähr 40 Fuss breiten Bergstrom, von den Indianern Massä genannt, den wir in einer Höhe von ungefähr 60 Fuss auf zwei dicken, quer über den Fluss gelegten Baumstämmen mit Thieren und Gepäckstücken über- schreiten mussten. Nach unsäglicher Mühe am entgegengesetzten Ufer angelangt, stellten sich der Fortsetzung unsers Bittes nicht minder bedenkliche Hindernisse entgegen. Ein kolossaler, jäh auf- steigender Felsblock schien jedes weitere Vordringen unmöglich machen zu wollen. Nirgends auf der ganzen Steinmasse fand man Gelegenheit sich festzuhalten, und glitt der Fuss auf der schlüpfrigen Fläche zufällig aus, so war Sturz und Tod unvermeidlich. Es vergeht auch kein Jahr,| wo nicht selbst von den wenigen Wanderern welche ihr Beruf durch diese Wälder führt, zwei oder drei derselben der erwähnten gefährlichen Passage zum Opfer fallen. Gleichwohl sind die eivilisationsscheuen Indianer dieser Bergregion nicht zur Aus- besserung der lebensfeindlichen Stelle zu bewegen. Bleiben sie doch durch eine solche Unwegsamkeit desto länger und sicherer von einem lebhafteren Verkehr mit der Aussenwelt abgeschlossen ! Nach einem 14stündigen beschwerdevollen Bitt erreichten wir endlich Istlavacan. Der Pfarrer des Dorfes, der edle Pater Vicente Hernandez, durch den Corregidor des Districts von unserem beab- sichtigten Besuche bereits in Kenntniss gesetzt, empfing uns auf das Freundlichste und Zuvorkommendste. Seine Wohnung war klein und unansehnlich, aber gemächlich eingerichtet. Vor dem Wohnhause standen eine Anzahl Indianerknaben, unaufhörlich bereit die Befehle des hochwürdigen Pfarrers entgegen zu nehmen. Ich sah diese wilden Pagen niemals in das Zimmer selbst treten; Pater Vicente 230 Dr. Karl Scherzer. verkehrte mit ihnen immer nur durch das Fenster oder die Thür. So oft diese Jungen mit dem Pfarrer sprachen, veränderten sie stets ihre natürliche Stimme und schhigen dieselbe um ein paar Töne höher an, was unter den meisten Indianerstämmen als ein Zeichen besonderer Verehrung gilt. Am Morgen nach meiner Ankunft kam der Häuptling der Indianer von Istlävacan (von den Spaniern el Gobernador genannt) zum Pfarrer, um sich die Erlaubniss zu erbitten, im Verein mit den andern indianischen Autoritäten des Dorfes den Fremdling bewillkommnen zu dürfen. Die ßegrüssung geschah in einer ziemlich geräumigen Stube, deren Einrichtung jedoch nur aus einem Tische und wenigen Stühlen bestand. Eine Anzahl von 20 Männern, meistentheils schöne, kräftige Gestalten , waren bereits versammelt , als der Pfarrer und ich ein- traten. Die scharfeckige Form ihrer Backenknochen, die niederen schmalen Stirnen, ihre stechend schwarzen Augen, ihre platten breiten Nasen, ihre struppigen dunklen Kopfhaare, ihre Bartlosigkeit und die lohbraune Farbe ihres Körpers schienen hier mehr wie bei anderen von uns besuchten Indianerstämmen Central-Amerikas den unver- mischten Urtypus zu bekunden. Da das Klima in den Bergen von Istlävacan , bei einer Höhe von mehr als 8000 Fuss über dem stillen Ocean schon ziemlich rauh ist, so kleiden sich dessen Bewohner grösstentheils in grobe Wollstoffe von dunkelbrauner Farbe, welche im benachbarten Quesaltenango, der Hauptstadt der Altos, fabricirt werden. Der Gobernador hielt nun in der Quiche-Sprache eine Anrede welche Pater Vicente die Güte hatte, mir ins Spanische zu übersetzen. Dieselbe drückte die Freude der Bewohner von Istlävacan darüber aus, einen Fremden in ihrer Mitte zu sehen, welcher durch seinen Besuch wie durch die Aufnahme die er findet, das verleumderische Gerücht widerlegen könne, als lebten in diesen Bergen nur Wilde und Mörder, als seien sie keine Menschen sondern nicht viel besser als Thiere! 9 — Ich antwortete hierauf, wie glücklich ich mich fühlte, 1) Die Meinung der liuliiiner, dass sie von der weissen Uaee für nicht viel besser als Thiere gehalten würden, findet ihre Begründung in den böswilligen Berichten, welche um das Jahr lä36 von den damaligen Colonisten in höchst egoistischer Absicht über die Urbewohner des spanischen Amerikas nach dem Mutterlande gemacht wurden, in Folge dessen sich Papst Paul 111. sogar bewogen fand, ein besonderes Breve ddo. llom , 10. Juni 1337 zu erlassen: „Attendentes Indos ipsos utpote veros homines non solum christianae lidei capaces existere , set ut nobis innotuit ad fidem iiisain promptessime currere." Vergl. Ilerrera, Ooiio Decades vol. 1, p. 139 — 141. Die Indianer von Santa Catalina Istlnvacan. liöl der Dollmetscher ihrer guten Gesinnungen bei der Regierung von Guatemala sein und von dem herzlichen Empfang berichten zu können, der mir in meiner Eigenschaft als Fremdem in diesen Bergen zu Theil geworden ist. Ja, ich konnte nicht unterlassen hinzuzufügen, dass ich aus einem Lande zu ihnen gekommen, welches, obwohl viele tausend Meilen entfernt, doch aufrichtigen Antheil an ihrem Schicksal nimmt, und dass wohl keine gebildete Nation der Erde sie mehr für vernunft- lose Menschen oder gar Thiere halte, sondern für Wesen, hervor- gegangen aus derselben gewaltigen Schöpferhand, gleichberechtigt zum selben Welt- und Seelenheil. Als Pater Vicente diese Worte den anwesenden Indianern ver- dollmetschte, warfen sie sich Alle auf die Erde, und indem sie unver- ständliche Worte vor sich hinmurmelten , suchten sie durch Mienen und Geberden ihren Dank und ihr Entzücken über diese Versicherung kund zugeben. Es war wirklich ergreifend zu sehen, wie diese braunen Söhne des Waldes, an deren Race die spanischen Eroberer so mör- derische Grausamkeiten verübt, jetzt einen weissen Fremdling dafür Dank wussten, dass er sie nicht für Thiere oder Mörder halte. Erst als der Pfarrer die Indianer zu wiederholten Malen aufstehen hiess, erhoben sie sich wieder und verliessen mit einem Gruss das Zimmer, nachdem vorher noch ein Jeder einzeln sich verbeugt und dem Pater und mir den entblössten Vorderkopf zur Berührung hingestreckt hatte. Diese Betastung des Vorderhauptes mit den Fingern der rechten Hand gilt unter denlndianern vonistlavacan als eine Art von Magnetismus, als die Übertragung einer wohlthätigen Kraft auf den Berührten. Und so gross ist der Glaube dieses Urvolkes in die heilbringende Wirkung einer solchen Handauflegung, dass kein Indianer vor dem Pfarrer vorüber- geht, ohne nicht jedesmal in kniegebeugter Stellung den Vorderkopf zur Berührung hinzustrecken. Der Einfluss den Pater Vicente seit den wenigen Jahren, die derselbe unter den Indianern von Istltivacan lebt, auf ihren sittlichen und materiellen Fortschritt geübt, hat bereits manche überraschende Resultate zur Folge gehabt. — Seinem Eifer und seiner Energie ist es gelungen, die Mariniba, ein indianisches Lieblingsinstrument, ab- zuscbafTen und den Verkauf des Branntweins in seinem Pfarrbezirke zu verbieten. Durch die Verbannung der Marimba , einer Art Hack- brett, haben viele frivole Belustigungen aufgehört, welche innner wilde Trinkgelage und anstandverletzende Tänze im Gefolge hatten. 232 Dr. Karl Scherzer. Durch das Verbot des Branntweins aber wurde der Gesundheit und der Sitth'chkeit ein noch grösserer Dienst geleistet; denn sobald der Indianer zu trinken beginnt, weiss er sich nicht länger mehr zu be- herrschen. Die wilde Orgie einer Nacht macht ihn oft für viele darauf- folgende Tage arbeitsunfähig. Man mag es hauptsächlich diesen beiden Massnahmen zuschreiben, dass die Ansiedler von istläva- can sich gegenwärtig mit ziemlichem Fleisse der Cultur des Bodens widmen. Weniger glücklich war der eifrige Pfarrer bisher in Bezug auf die Hebung des geistigen und religiösen Zustandes seiner Gemeinde. Obschon laut alten Kirchenbüchern die ich im Pfarrhaus von Istlävacan einzusehen Gelegenheit fand , die ersten regelmässigen Taufhand- lungen in diesem Dorfe bereits im Jahre 1600 von zwei Franciscaner- Mönchen vorgenommen wurden, so ist doch erst seit wenigen Monaten den Anstrengungen des Pater Vicente die Gründung der ersten Schule gelungen. Und selbst diese wird nur von zwölf Schülern besucht, obgleich die Dorfgemeinde an 6000 Köpfe stark ist, und der ganze Pfarrsprengel über 2S.O0O Seelen zählt. Ebenso steht die Gemeinde von Istlävacan, was ihren christ- lichen Fortschritt betrifft, auf einer nicht viel höhern Stufe wie zur Zeit, als katholische Missionäre die ersten Taufhandlungen verrich- teten. In ihrer frommen Hast, so schnell als möglich die ganze Be- völkerung des neuen Continents den Segen der Lehre des Erlösers theilhaftig werden zu lassen, und dabei der Sprache des Landes völlig unkundig, haben sieh die ersten Mönche welche mit Pedro Alvarado's Armada landeten, grösstentheils nur mit der Taufe der Heiden beschäftigt i)- Die späteren Grausamkeiten der Eroberer und ihr rohes Vernichtender heidnischen Idolewaren nur wenig geeignet, die Eingebornen für die neue Glaubenslehre empfänglicher zu machen und so sehen wir zwar heute die meisten centralamerikanischen Indianer getauft, aber nur in den Herzen der Wenigsten hat trotz den auf- 1) Gil Gonzales Davila hatte auf seinem ersten Zuge durch die Provinz Nicaragua (A. D. 1522) während einer Heise von 224 span. Leguas, 32.2G4 Indianer g-etauft. — Der Geschichtschreiber Fernandez de Oviedo meint, er würde gerne bereit sein, Einen Goldthaler für jeden getauften Indianer zu bezahlen, der im Stande ist, seinen Tauf- namen zu sagen und das Vaterunser und das Ave Maria zu wiederholen, und blos einen Maravedi (die kleinste spanische Münze) für jeden Indianer nehmen, der dies nicht könnte, und gleichwohl bei dieser Operation ein sehr gutes Geldgeschäft machen. Die Indianer VOD Santa Cataliaa Istiävacan. Zoö opferndsten Bemühungen mancher ihrer geistlichen Seelsorger eine auf- richtige Bekehrung zum Christenthum stattgefunden. Mit kaltem Starrsinn noch immer an ihrem alten Glauben festhaltend , haben sie ihren früheren Götzen blos andere Namen beigelegt. Sie verehren scheinbar Gott und meinen in ihrem Innern die Sonne, sie rufen die heil. Jungfrau Maria an und denken sich dabei den Mond; sie beten laut zu den Heiligen der katholischen Kirche und stellen sich unter jedem einzelnen Schutzpatron einen andern Stern vor. Die Verwe- gensten und Schlauesten unter ihnen gingen zuweilen sogar schon so weit, im Geheimen hinter dem Altare ihrer Pfarrkirche Höhlungen zu machen und darin kleine Götzenfiguren zu verbergen. Und während sie der Pfarrer vor dem Christuskreuze am Hauptaltar betend dachte, waren es verborgene, heidnische Gottheiten denen sie huldigten. Die ersten spanischen Missionäre glaubten in der Beibehaltung einzelner heidnischer Gebräuche ein günstiges Mittel gefunden zu haben, um das Werk der Bekehrung zu erleichtern und die Zahl der indianischen Neophyten bedeutend zu vermehren. Und darum sehen wir noch heutzutage in Central-Amerika viele kirchliche Festlich- keiten von einem gewissen heidnischen Nimbus umgeben. Die meisten Kirchen -Processionen sind gleichzeitig von hässlich maskirten in- dianischen Tänzern mit Thierlarven begleitet, welche unter Schellen- geklingel, Pfeifenspiel und wilden einförmigen Trommelschlägen *) auf die burleskeste Weise vor einer Heiligenfigur herumhüpfen, und durch ihre lustige Ausgelassenheit dem Festzug völlig den ernsten Charakter einer christkatholischen Kirchenfeier benehmen. Bei allen solchen Anlässen spielt die Kerze eine Hauptrolle. Die Indianer scheinen dem Lichte eine besondere Wirkung beizulegen. Niemals tritt eine Indianerinn in die Kirche, ohne nicht mindestens eine lange, dicke Wachskerze mitzubringen. Je mehr Kerzen, desto grösser ist die Feierlichkeit, desto vornehmer ist die Betende. Ich *) Die Instrumente deren sich die Indianer bei solchen Anlässen bedienen , sind nicht harmonischer als ihre Melodien. Sie heissen: El Pilo, el atambor, el Tun und la Tortuga. Der Tun ist ein Stück ausgeliühlles Rhenholz, gewöhnlich 18 Zoll lang und 4 Zoll im Durchmesser, auf das fortwährend mit einem kleinen Holzstähchcu ge- schlagen wird. Die Tortuga ist ein aus den beiden festen Theilen der Land-Schildkröte verfertigtes Instrument, dem die Indianer ganz eigenthiimliche Töne zu entlocken verstehen, indem sie wie heim „Tun" nut einem hölzernen Stäbchen unausgesetzt auf dasselbe schlagen. 234 Dr. Karl Scherzer. sah oft an Fesitagen barfiissige Indianerinnen ganze Bündel von solchen langen, schweren Wachskerzen unterm Arm nach der Dorf- kirche tragen und sie dort unter zahllosen Bekreuzungen irgend einem Schutzpatron anzünden. Ob jedoch bei einer derartigen Gelegenheit ihr Gebet wirklich einem Heiligen der katholischen Kirche, oder ob dasselbe fortwährend noch den Idolen ihrer heidnischen Voreltern gilt, ist ein Geheimniss das selbst der kluge Pater Vicente noch immer nicht zu lüften vermochte. Derselbe erzählte mir vielmehr wie er einmal selbst unbemerkt Augenzeuge gewesen ist, als eine In- dianerinn in der Dorfkirche vor dem Standbilde des heil. Michael niederkniete und zuerst dem Teufel zu den Füssen des Heiligen, und dann erst dem heil. Michael selbst eine Kerze anzündete. Die Indianer haben nämlich weit mehr Furcht vor den bösen Geistern wie vor den guten. In ihrer Einfalt glauben sie, der Gott der Liebe könne sich unmöglich so grausam an ihnen rächen als der Geist der Hölle; und darum opfern und beten sie in der Regel zu Beiden. Die wichtigste Person in allen Geschehnissen des Lebens ist noch immer der Aj-quig oder Sonnenpriester, welcher hier ziemlich dieselbe Stellung einnimmt wie der Medecine-man unter den Indianern des Nordens. Es soll nach der Vermuthung des Pater Vicente Her- nandez in der Gemeinde von Istlavacan noch immer einige sechzig solcher Aj-quigues geben O , gegen deren betrügerisches Beginnen der Aufklärungseifer des Pfarrers bisher vergebens kämpfte. — Die Werkzeuge (Ki-ji-val), deren sich diese Sonnenpriester bei ihren Wahrsagiuigen bedienen, sind gewöhnlich Bohnen, Maiskörner, Berg- krystalle und Figuren aus Holz oder Stein. Sie prophezeien Glück und Unglück, Überfluss und Misswachs , Finsternisse und Kometen. Sie beschwören und citiren den Teufel, rächen sich an ihren Feinden, heilen mittelst Kräutern, Wurzeln, Baumrinden, Öl und Thierfett und bedienen sich allerlei mysteriöser Worte, die gerade sie selbst am allerwenigsten verstehen. Werden diese Zauberer zu einem Kranken gerufen, so drücken und saugen sie an der leidenden Stelle, um, wie sie vorgeben, durch diese Operation den Schmerz aus dem Körper zu 1) Von den folgenden Adivinos, welche noch zur Stunde in IsUavacan und San Miguelito zu gewissen Zeiten Götzendienste verriclit(Mi, sind dem Pater Vicente sogar die Namen bekannt. Sie heissen: Juan Juney, Juan Cliox, JuauZikim, Lorenzo Coli, Francisco Ximata, Manuel Lopez, Diego Xtos, Cristohal Ixiiniaplap, Juan Choxpatel, Cruz Jum, Isabel Lopez Napaquisis, Baltasar lx(juiaptap, Manuel Perechu, Älonzo Jum, Ali Chiau. Die Indianei- von Santa Catalina Istla'vacan. 235 ziehen. Zuweilen schwitzen sie selbst stundenlang, seufzen, zittern, und machen die wunderlichsten Geherden, hissie zuletzt eine schwarze, kugeiformige Suhstanz aus dem Munde ziehen, angeblich den Teufel, der im Körper des Kranken gesteckt und ihm den Schmerz verursacht hat. Die Verwandten des Patienten bringen hierauf diese Substanz ins Freie und suchen dieselbe auf die bizarrste Weise und unter den sonderbarsten Ausrufungen zu zertreten und zu zerstören. Wird ein Kind im Dorfe geboren, so erhält der heidnische Götzen- priester von diesem Ereignisse viel eher eine Kunde , als der katho- lische Pfarrer. Erst wenn dem neuen braunen Weltbürger durch den Aj- quig das Horoskop gestellt, der Name irgend eines Thieres beigelegt, Mi-si-sal (das citronengelbe Harz des Rhus eopallinum), verbrannt, ein Lieblingsgötze angerufen und noch viele andere abergläubische Mysterien verrichtet worden sind, wird das Kind nach dem Pfarr- hause zur christlichen Taufe getragen. Das Thier dessen Name dem Kinde kurz nach seiner Geburt vom Sonnenpriester beigelegt wird, gilt gewöhnlich auch als sein Schutzgeist (nagual) fürs ganze Leben. Nicht weniger eigenthümlich als diese Geburts-Ceremonie ist die Sitte welche bei den Indianern einer Verheirathung vorausgeht. In der Regel sind es die Eltern welche dem Sohne ein Weib be- stimmen. Gefühlsheirathen kommen bei diesem wenig sentimentalen Volke nur selten vor. Oft wird das künftige Paar schon mit 6 oder 8 Jahren vor Zeugen versprochen. Von der Stunde an, wo dies ge- schehen, wohnen Beide zusammen in demselben Hause und verkehren oft noch Jahre lang wie Gespielen mit einander. Wenn das Mädchen 12, der Junge 14 oder IS Jahre alt ist, erfolgt meistentheils schon die Verheirathung. Dieselbe wird durch Tänze und Mahlzeiten ge- feiert, und auch bei diesem Anlasse werden die Person und die Instrumente des Sonnenpriesters weit mehr in Anspruch genom- men als der Pfarrer und die heiligenden Mittel der katholischen Kirche. Und wie im Leben, so besitzt diese abergläubische Race sogar noch für den Moment des Todes ganz cigenthümliche Ceremonien, um ihren Schmerz und ihr Beileid auszudrücken. Stirbt einer von ihnen, so wird er gewaschen, frisch gekleidet und in einen einfachen Sarg aus roh zusammengefügten Brettern gelegt; — hierauf wird Mi-si-sal verbrannt, ein Geiger gerufen und im wilden Reigen um den 236 Dr. Karl Scherzer. Todten herumgetanzt. Die Indianer stellen sich den Tod blos als einen Übergang nach einem andern Orte vor, an dem der Geschiedene mit Fleisch und Blut, nur unter glücklicheren Verhältnissen fortlebt. Darum geben sie auch ihren Todten Esswaaren, Sandalen, Waffen und andere Gegenstände die er im Leben besonders geliebt, mit unter die Erde. Die Messen die sie in der Pfarrkirche für ihre Ver- storbenen lesen lassen, betrachten sie als Grüsse und Erinnerungen welche sie den theuren Dahingegangenen nachsenden. Die Opfer welche die Indianer von Istlavacan ihren Götzen bringen , bestehen dermalen grösstentheils nur in Früchten und im Verbrennen von Kopal. Gleichwohl soll es im indianischen Hochlande von Guatemala, wenn schon höchst selten und nur in den pein- lichsten Nöthen, noch immer vorkommen, dass einem, im Rufe grosser Macht stehenden Götzen neugeborene Kinder geopfert werden. Bei einer solchen schaurigen Veranlassung wird das arme Kind durch den Sonnenpriester aufgeschlitzt, das frische Blut als Opfergabe unter Schreien, Tanzen und Trommeltönen vor dem Idol auf einen Stein hingespritzt und sodann der Leichnam des Kindes im Walde ver- scharrt 1). Die bedeutendsten Gottheiten der Indianer von Istlavacan, denen sie noch bis zur Stunde zu gewissen Zeiten im Geheimen im düsteren Urforst opfern und zu deren Ehren sie zuweilen sogar Feste begehen, heissen: Noj, der Genius der Vernunft, Ajmak, der Genius der Ge- sundheit, Ik, der Mond, Kanil, der Genius der Aussaat und Juiup, der Gott der Erde, welcher unter den Indianern das böse Princip vor- stellt, im Gegensatze zu Kij, dem Gotte des Lichtes, dem guten Princip. Die Gottheit Juiup soll ein unförmiger Steinklotz von 3 Fuss Höhe und 1 Fuss im Durchmesser sein und die fratzenhafte Nach- bildung eines Menschenkopfes darstellen. Allein nur die wenigsten Gottheiten der Indianer sind leblose Steine oder rohgeschnitzte Holz- figuren. Ein mächtiger Berg, ein seltsam geformter Hügel, ein kolos- saler Baum, eine dunkle Höhle verwandeln sich in der Phantasie des *) Der Correg-idor von Totonicapam im Staate Guatemala, Don Rosendo Garcia de Salas, versicherte mich, dass die bekehrten Indianer des Dorfes Attitang- am Fiisse des Vulcans gleichen Namens noch vor wenigen Jahren ein neugehornes Kind geopfert haben, um ihrer Meinung nach den zürnenden Feuerberg zu beschwichtigen, aus dessen Innern sich wochenlang ein unheimliches Getöse (Retumbos) vernehmen liess. Die Indianer von Santa Catalina Istlavacan. 23T leichtgläubigen Eingebornen rasch in ebenso viele Götter-Asyle. Es scheint, dass die Indianer, seitdem ihnen die Spanier die meisten ihrer Götzen zerstört haben, diese in das Innere der Berge und Höhlen geflüchtet wähnen. — Muss aber auch der heidnische Glaube der braunen Bewohner Central-Amerikas sowohl aus christlichen, wie aus rein menschlichen Bücksichten verurtheilt werden , so kann man sich gleichwohl nicht erwehren, zuweilen die poetischen Aus- drücke zu bewundern, in denen dieses halbcivilisirte Volk noch bis zur Stunde zu seinen alten Göttern spricht. Ich erlaube mir die wort- getreue deutsche Übersetzung eines indianischen Gebetes mitzu- theilen, das kürzlich noch ein Sonnenpriester von Istlavacan des Nachts im Tannenwald vor einem mächtigen Hügel i) bei Gelegenheit der Geburt eines Kindes sprach, und in dem sich katholische Andachts- weise und wilder Götzenglaube auf das Absonderlichste verquicken. Ich verdanke dieses interessante Document der Güte des Herrn Pfarrers Vicente Hernandez und vermag dessen Echtheit zu verbürgen. Gebet. „0 Jesus Christus, mein Gott! Du Sohn Gottes, der du mit dem Vater und dem heiligen Geiste Ein einziger Gott bist! Heute an diesem Tage, zu dieserStunde, am Tage vonTijax, beschwöre ich die heiligen Seelen welche die Morgenröthe und die letzten Strahlen des schei- denden Tages begleiten! Zugleich mit diesen heiligen Seelen beschwöre ich dich, du Fürst jener Geister welche den Berg von Sija-Baxquin bewohnen! 0, ihr anderen Sonnenpriester, denen Alles was ge- schieht, bewusst ist, und du, Fürst der Vernunft, du Genius des Windes, du Genius des Berges und du Genius der Ebene, Don Puru- peto Martin, kommet und empfanget diesen Weihrauch und diese Kerze ! Ich der sich zum Pathen und zur Pathinn dieses Kindes bekennt, ich der Euch anfloht, ich der Zeuge und Bruder dieses Säuglings, der zu Euch fleht, dieses Menschen der sich zu Eurem Sohne bekennt, ich beschwöre Euch, o heilige Seelen, erlaubt nicht, dass ihm irgend ein Leid widerfahre, noch dass er auf irgend eine Weise unglücklich *) Die Orte, wo noch gegenwärtig- fiötzendienste gehalten werden (adoratorios), heissen: Chui-sija, Caxtum , Pa-eora; die Orte, wo früher Menschen geopfert wurden (sacrilicatorios de viclimas humanas), heissen : Tziba-pek, Sempoal, Chui- siheles. Sitzb. d. phil.-hist, Cl. XVIII. Bd. II. Ilft. 16 238 Dr. Karl Scheizer. sei. Ich der jetzt zu Euch spricht, ich, der Sacerdote, ich der diesen Weihrauch verbrennt, ich der diese Kerze anzündet, ich der für ihn bittet, ich der ihn unter seinen Schutz nimmt, ich flehe zu Euch, gewähret, dass er leicht seine Nahrung finden möge! Schicke ihm, 0 Gott, die nöthige Baarschaft, erlaube nicht, dass er am Fieber erkranke, oder vom Schlagfluss befallen werde, oder am Keuchhusten ersticke, oder durch eine Schlange gebissen werde; gestatte nicht, dass er sich verwunde, dass er von Kurzathmigkeit befallen oder gar wahnsinnig werde; lasse nicht zu, dass er von einem Hunde gebissen, oder getödtet werde durch den Blitz; verhindere dass er sich er- drossle durch einen übermässigen Genuss des Branntweins oder sterbe durch das Eisen oder den Stock; gestatte eben so wenig, dass er davongeführt werde durch den Raubadler; — steht ihm bei, ihr Wolken, golden gefärbt durch die Abendröthe! Hilf ihm, o Blitz, hilf ihm, o Donner! Hilf ihm, o heiliger Peter, hilf ihm, o heiliger Paul, hilf ihm, du ewiger Vater! Und wie ich bisher zu seinen Gunsten gesprochen, so beschwöre ich Euch gleichfalls, dass Ihr Krankheit über seine Gegner kommen lassen möget; machet, dass, wenn sein Feind das Haus verlässt, er nur dem Unheil und der Noth entgegen gehe; machet, dass wo er immer hingehe, er nur Unglück und Elend finde; handelt überhaupt immer und überall gegen ihn, gerade umgekehrt, wie Ihr gegen meinen Schützling handeln würdet, und thut, wie ich Euch inständigst bitte! 0 heilige Seelen, möge Euch Gott begleiten, Gott Vater, Gott Sohn und Gott der heilige Geist! So sei es! Amen. Die bekehrten Indianer von Istlävacan bedienen sich noch bis zur Stunde häufig der Zeitrechnung ihrer heidnischen Voreltern, Sie theilen, ähnlich den Indianern Mexico's^' das Jahr in 18 Monate 2), und jeden Monat wieder in 20 Tage ein und ersetzen die zur Ergän- zung unseres Sonnesjahres noch fehlenden S Tage durch sogenannte dias baldios oder Supplement-Tage. Jeder dieser 20 Tage hat eine 1) Vergl. Antonio de Herrera , Historia general de las Indias, vol. II, Dec. III, Cap. 18, [). 75 und L. de Gomara, Croniea de la Nueva Espana. c. 191, p. 177. (Edicion Barcia.) 2) Die Namen der 18 Monate sind : Nox (Genius der Vernunft), Tijax , Cajux, Ajpu, Imok, lii (Mond), Akbal (spiirlicli), Kat (Feuer), Kam (Sclilang-e, auch gell)) Ka-moy (Tod, Diss), Kuyex, Kanil (Aussaat), Tox, Tzi (Hund), Batz, Ee', Tzikim, Ajmak (Genius der Gesundheit). Die Indianer von Santa Catalina Istlavacan. . 841. Tarnen quia Spiritus sanctus mystice illa (sacramenta) vivilicat, nee meritis bonorum dispensatorum amplificantur, nee peccatis malorum attenuantur, unde est hie, qui baptizat. Vgl. endlich auch Lambert von Hersfeld ad anuum 1074. I3j ygi_ stüiz s. 129. Gerhoch sagt in seinem Commentar über die Psalmen (geschrieben um 1147), dann auch bestimmt beim Psalm XXI, S. 388: tanquam ego (Jesus Chr.) in sacramentis meis ita sim varius ac divisus, ut per sanctiorem ministrum magis sanctum et per minus sanctum vel reprobum ministrum detur minus sanctum vel reprobabile sacramentum : quod neiiuaquam sie est. Eliamsi minister calholice ordinatus Hat hiere- ticus, et maueat hsereticus occultus, verbi gratia Simoniacus aut Nicolaita, omuino rata sunt per illum data sacramenta. Kleine Beiträsre. 267 "ö **) V. 367 und ff. Nu spreche wir oueh die laien ane wan daz ist recht, daz man siu mane. und 371 : So sprechen si, sin messe si unreine. 1-5) Presbyteris, diaconibus et subdiaconibus concubinarura et uxoriim contubernia inter- dicunt et aliarum mulieruni eoliabitationem prseter matris, sororis, amitaj, materterse aut alius huiusmodi, de quibus nulla juste valeat oriri suspicio. Pertz, Leg-. II, 182. 16J Vita Altmanni §. 30, I. c, wo es heisst: Gregorius aliam ei (Altmanno) mittit (episto- lam) in qua ei rigorem canonum pro tempore flecti perraittit. Paschalis II. aber schreibt (1106) dem Erzbischof Gebhard von Salzburg und dem Bischof Ulrich von Passau et ceteris Teutonicarum partium tarn clericis quam laicis cathoiicis, audisse se quosdam eorum, ut vitarent excommunicatos, peregre proficiscendi consilium cepisse. Hortatur dorai maneaut etinmedio nationis pravie ac perversae tamquam lurai- naria lucer e studeant. Mansi, tora XX, 1002 und 1083. Überhaupt war Ulrich einer der ausgezeichnetsten Bischöfe Deutschlands, dem Wenige gleichkamen. Vgl. P. ßernried ap. Hansiz, tom I, 293. 1'') Erat ea tempestate nova super uxoratis presbyteris apostolicae sedis invectio unde et vulgi clericos zelantis tanta ad versus eos rabies festuabat, ut eos ecclesiastico beneficio vel abstineri sacerdotio infesto spiritu conclamarunt. Abt Guibert, L. 1, cap. VII. fol. 462. Dann sagt Gerhoch in seinem Werke de corrupto ecclesise statu, Baluzius Mise., tora V, pag. 203: Novissime diebus istis viri religiosi contra simoniacos con- ductitios, incestuosos, dissolutos aut quod pejus est irregulariter congregatos clericos p r 8B 1 i u m g r an de tempore Gregorii VII. habuerunt etadhuc haben t. Vgl. ferner Chronicon, Ursp. ad a. 1116, pag. 197 u. Stenzel a. a. 0. S. 301. *8J Eodem anno (1106) Domnus Papa in Tuseiam apud Florentiam concilium celebravit, in quo cum episcopo loci de anticliristo, quia eum natum dicebat, satis disputatura est, sed frequentia populi qui ob audiendam rei novitatem hinc inde confestim, tumultua- timque confluxerat, nee concilium finem, nee disputatio deliberationem suscepit. Paa- dulphus Pisanus in Muratori's Rerum ital. scriptt. tom III, 336. Vgl. auch Stenzel a. a. 0. Bd. I, S. 681 ff. 1^) Vgl. hierüber Stenzel am angef. Orte S. 680, dann heisst es sehr bezeichnend im Antichrist bei Diemer, 280, 13: So horte (1. boren) wir danne banne über banne, wir hören alle stunde uermain sam(en)unge, des wirt daz riebe allei uol so uliebent die guten ze walde in diu steinhol . . . Dann wird ferner 281, 89 ff. ein fast ähnliches Bild der Zeit des Antichrists gegeben, wie wir es beim Gehugde V. 267 — 288 finden: do nist nilit getriwe diu frowe der diuwe, noch der man dem wibe: si lebenl al mit nide, so hazzet si in danne. sam tut der lierre dem manne alse ist der man dem herren, swi gut im si daz leben : so ricbsenol diu irrocheit so truret elliu diu cristeneheit. 268 Joseph Dieiner. 20) enstan in der Bedeutung von erinnern, vgl. V. 3 : die sich nicht vv^ellent ensten des der gotes sun gesprochen hat. 21) Vita Altmanni I. c. §. 40 : in quibus eum et sibi subditos a communione excommuni- catorum prohibet. Die betreffenden Schreiben scheinen verloren gegangen zu sein, da sie sich nicht im Göttweiger Saalbuche finden. 22 j isti sunt Libri, quos F rater Heinricus huic (Gottwicensi) con- tulit ecciesiae. Psalteriuni insigniter expositum. Cantica Canticorum mirabiliter exposita. Mat- thaeus glosatus. Apocalypsis exposita. Item Cantica Canticorum cum glosis. Clavis Physicae, scilicet liber de Perifision excerptus. Speculum ecciesiae, in quo sermones dulcissinii ad populum. Refeclio mentium (hiezu macht Pez folgende Bemerkung : vi- detur Cod. habere moerentium) in quo sermones ad Fratres in Capitulo. Pahulum vitae, in quo sermones in festis diebus. Elucidarium bene correctuni. Offendiculum de Incontinentia sacerdotum. Eucharistion de Corpore Domini. Neocosmus de fex primis diebus. Scaia coeli de tribus coelis. Gemma animae de divinissacra- mentis. Sacramentarium de Mysteriis. Summa totius, in quo Chronica ab initio Mundi usque ad nostra tempora. ImagoMundi, in quo totus Mundus describitur. Summa Gloria de Apostolico et Augusto. Suum quid virtutis de virtutibus et vitiis. Sigillum sanetae Mariae, in quo Cantica ad personam sanctae Mariae exponuntur. Cognitio vitae. Inevitabile, in quo de libero arbitrio et praedestinatione et gratia Dei disputatur. Anshelmus de libero arbitrio. Evcherius de Hebraicis nominibus. Isidorus breviter super totam Bibliothecam. Item sententise Isidori de utroque Testamento. Thimeus Piatonis. Bucolica Virgilii. Theo dolus. Musica Odonis. Serenus de Medicina arte, in quo excerpta Bedae de Gallieno et Ipocrate. AbacusGerlandi. Priscia- nus abbreviatus. Ahbo de regulis. Phocas de arte Grammatica. Item Libe 1 lus de penultimis. Li bei lus v er suum. Rhetorica Alerani. Excerpta de Martiano. Priscianus constructionum. Liber de Luminaribus Ecclesias, idest: de Scriptoribus ecclesiastieis. Liber, in quo sanctae cantilenae. Excerpta de libris S. Augu- stini de Deo et anima. Quajstiones diversaj. Glosae diversae. Co ni p u tus D io n isi i, Graece, in quo abacus et mappa Mundi. Martyrologium, in quo diversae paginae Computi. Rodale, in quo Septem liberalesartes depictse. Item Rodale, in quo Troianum bellum depictum. Item Rodale , in quo varia pictura. Item Quaternio depictus. — Hucusque Donatio Heinrici in membraneo Codice Gott- wicensi in folio , manu seculi duodecimi. Vergleichen wir dieses Büclier- verzeichniss mit denen der Klosterbibliotheken dieser Zeit, deren im genannten Bande des Thesaurus von Pez mehrere aufgeführt werden , so wird man zugeste- hen, dass dasselbe sowohl seinem Umfange als Inhalte nach sehr bedeutend und werthvoll ist, und in dem Besitzer einen Mann von vielseitigem Wissen und grosser Bildung vermuthen lässt. Selten wird man in Klöstern ausser der h. Schrift, den Commentaren hiezu und den alten Kirchenvätern so viele andere Werke über Geschichte, Grammatik, Metrik, Musik und alte classisehe Literatur u. dgl. verei- nigt finden, als dies hier der Fall ist, fast nie aber, was besonders auffallen niuss, Gemälde oder Bücher mit heiligen und vollends weltlichen Gesängen. Wir haben hier, was gewiss sehr interessant ist, die Bibliothek eines Gelehrten und Dichters der damaligen Zeit vor uns, denn wer anders als ein Kenner oder Freund der alten griechischen und römischen Literatur und ein Dichter mochte d.imals ein Interesse haben, den Computus des Dionysius grie- chisch, den Thimeus des Piaton, die Bucolica des Virgil oder eine Rolle mit Bildern aus dem Trojanischen Kriege zu besitzen. 23) Vgl. das Melker Todtenbuch bei Pez, Script. I, p. 304 ff. Kleine Beiträge. 269 '-^) \'g\. BertliolJ V. Constanz , Chronik zum Jahre 1083. Monumenta res Alemanor. illustrantia, tom II, pag. 120 und zum Jahre 1091, S. 148; eben so über die fratres conversi, Gerhert. historia Nigrae Silva;, Bd. 1, 493, 494 und Stenzel S. 494. 25) Vgl. Österreichische Blätter für Literatur und Kunst, Jahrg. 1844, Nr. 10, S. 70, Note. Ich setze dieselbe ganz hielier, weil sie für die deutsche Literaturgeschichte nicht unwichtig ist, und jene Blätter in Deutschland weniger verbreitet sein dürften, als sie es ira Ganzen verdienen : Dass Konrad von Fussesbrunnen ein Österreicher und nicht wie Lassberg zum Sigenot und van der Hagen, Minnesinger 4,869 meint, ein Schweizer sei, habe ich bereits ira J. 1849 in einem Briefe an W. Grimm ge- schrieben. Ich fand nämlich in dem obigen Jahre bei der Durchsicht mehrerer Hand- schriften des Stiftes Göttwcig im dortigen Codex traditionum aus dem 12. bis lö. Jahrb. S. Iä3 in einer Urkunde einen Ministerialen des Herzogs Heinrich (1149 — 1177. Vgl. Göttweiger Saalbuch S. 67. CCLXXIl. u. S. 199) unter den eilf Zeugen zuletzt auch einen H e r r a n d de U u z z e s b r u n n e n. Säramtliche Vormäuner desselben gehören aber österreichischen Ortschaften an, und insbesonders sind die ihm zunächt vor- angehenden Chunradus de Charabe und Pride ricus de Tisze (Kamp und Theiss) aus den Orten welche dem heutigen Fe u ersb r un n (Fuersbrunn) einem Dorfe mit 9ö Häusern anstunden von Krems, zunächst liegen. Ferner kommt in demselben Codex S. 188 (Göttweiger Saalbuch S. 86) ein Werinhardus de Fuhsprua als Zeuge vor, was offenbar mit Fussesbrunnen gleichbedeutend ist. Ebenso führt das Liber praediorum des Klosters vom J. 1302, in welchem die Grunddienste nach der Reihe der Ämter verzeichnet sind, in der officina Emicheubrun (Amt Engabrun) das jus civile (Purkrecht) i n Fuhsprunne auf; dann erscheint dieser Ort in derselben Gegend in den Monum. Boica Bd. XXIX. pars 2. S. 217, 248 u. 383, und endlich im Klosterneuburger Saalbucbe, im Aus- zuge zuerst von Max. Fischer, Wien 1813, mitgeth. im II. Bde. unter Nr. 132 namentlich ein Konrad von Fussesbrunnen. In der vollständigen Ausgabe des Klosterneuburger Codex traditionum. Wien 1851 , welcher zu den von der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften herausgegebenen Fontes rerum austriaearum gehört, finden sich unter Nr. 344 ein Gerung de Siusprunnen (offenbar F u s sp r unne n) , dann Nr. 382 ein Chvnrad et Frater ejus Ge- runch de Vuzsprunnen und endlich Nr. SoO wieder Gerung de Phus- prugnen cum Filio Chvnrado als Zeugen. Dieser Sohn des Gerung ist wohl kein anderer als unser Dichter Kon r ad. Diese letzte Urkunde ist jedoch nicht datirt, fällt aber zwischen die beiden datirten vom Jahre 1179 und 1187, welche in der altern Ausgabe des Saalbuches unter Nr. 126 und 134 aufgeführt sind. Wir können aus andern historischen Daten, welche in jenen Ur- kunden gegeben sind , aber hier zu erörtern zu weit führen würde mit Bestimmt- heit annehmen dass sie innerhalb der J. 1182 — 1186 ausgestellt worden ist. Da nun Konrad damals als Zeuge wenigstens 21 Jahre alt sein musste, so muss er spätestens innerhalb der Jahre 1161 — 1163 geboren worden sein, was mit der Zeit, in welche seine Dichtungen fallen, vollkommen übereinstimmt." ■■ä^) Septima (sc. ecciesia) in radice moritis in honore St. ßlasii dedicata, juxta rivulum preterfluentem i)osita, ubi et est liabitatio sororum et mansio fratrum in pistrina servientium. Vita Altmanni §. 27. 2'') Keiblinger in seiner Geschichte des Benedictiner-Stiftes Melk, Wien 1831, Bd. I, S. 248 sagt, indem er von diesen Frauenklöstern s|>riclit, ausdrücklich: „Viele solche Frauenklöster waren aber ganz ohne eigenen Stiflungsfond und die Anzahl ihrer .Mit- glieder sehr klein, so dass sie keine Abtissinn zur Vorsteherinn hatten und ihre Existenz sehr kümmerlich und zufällig war; daher sie alle in kurzer Zeit, ujanchnial sclion nach Ausslerben der ersten Golonie, wieder eingingen, wie es zu Melk , AKenburg, Sitzb. d. phil.-hist. Cl. XVIII, Bd. II. Hft. 18 2^0 Josepli Di e me r. i I Klein-Mariazell, Suben, Waldliausen und Micliaelbeuern der Fall war." Diesem gemäss findet man aueh in dem Götlweiger Saailiuclie S. 376 für diese Zeit ausser der Lant- rath und der Gerhirg' nur noch folgende vier verzeichnet, nämlich eine Bertha um 1110, wahrscheinlich dieselbe, welche im Melker Todtenbuche am 16. Juli als Inclusa vorkommt, eine Wieza um 1110, und eine Dieraut und Regilint um 1120, alle drei wahrscheinlich früher unverehelicht , da die anderen Matrone genannt werden. Bei der letztern sowie bei der obgeuannten Bertha und unserer A va befindet sich im Melker Todtenbuche S. 303 ff. nirgend der Beisatz „noslrie congregationis.'"'' Sie gehörten daher gewiss nicht dem Stifte Melk an, weil bei dessen Mitgliedern, wie auch Keiblinger am angef. 0. S. 230 in der Note sagt, jene Worte stets hinzugefügt worden sind. Vgl. hiezu auch Keiblinger S. 260. Die drei genannten Nonnen waren daher offenbar aus Göttweig, was nur ein Paar Meilen von Melk entfernt liegt, und mit diesem Stifte auch im lebhaften Verkehr stehen mochte. Man kann dies um so mehr annehmen, als sie völlig um die gleiche Zeit, als ihr Name im Melker Necrologium mochte eingetragen worden sein, auch im Göttweiger Saalbuche aufgeführt werden. Auf ähnliche Weise finden wir ja den Göttweiger Abt Erchenfried auch im genannten Todtenbuche. Zum Schlüsse muss ich noch auf einen Umstand aufmerksam machen, der nicht uninteressant ist. Es erscheint nämlich die obige Bertha ebenfalls so wie unsere Ava im Göttweiger Saalbuche zuerst nur als Conuersa, im Melker Sterbebuche aber als Inclusa. Desshalb die Identität der Personen zu bezweifeln, hiesse doch wohl zu weit gehen. Es scheint also unsere Dichterinn nur dem Beispiele der Bertha gefolgt zu sein, indem sie die noch strengere Ordensregel als Inclusa annahm. — Wahrscheinlich wurde aber durch die zu strenge Lehensweise ihre Gesundheit allzu sehr angegriffen, so dass es die alte Frau nicht lange ertrug, und in einigen Jahren darauf 1127 selig in dem Herrn entschlief. Kteiue Beiträge. 271 Kleine Beiträge zur älteren deutschen Sprache und Literatur. Von dem w. M. Jos. Diemer. XVI. Heinrich'« Gediclite Ton dem gemeinem iebene und des todes gelingde. Mich laeitet meines gelouben gelubde daz ich von des todes gehugde Eine rede für bringe. dar an ist aller mein gedinge 5. Daz ich werltlichen liuten beschseidenlichen muze bediuten Ir aller vrseise nnt ir not, die uof den tsegiichen tot Der allen liuten ist gemaeine, 10. sich berseitet Iseider sseine. Die mache[t] uns der weissage chunt: er sprichet 'omnes declinauerunt', Daz sprichet, si hant sich alle genaeiget, er maeinet die da habent gesseiget 15. Von got ze dem ewigem valle. er mac wol sprechen alle' Wan under tousent sundaeren mug wir vil choum einen bewaeren Der durnechtic nmge haeizzen. 20. owe, waz wir alle tage gefracischen Unchristenlicher sunden ! man beeret uns niender chunden, Wa einer stech in einer chliuse der seine sunde also beriuse 18* ÄiÄ / Joseph Dieme r. 25. Oder aiidersvva gebuzze, Massm. — 56. als Maria diu suzze Diu nach cliristes uofverte ceit unt stat biherte In einer aeislichen wste, 30. da si inne wonen muste Ane der Hute mitwist die si nach unserm herren christ Nimmer mer bischowen wolde, S. 163, b. seit si in nicht lenger sehen solde. 35. O we armir phaffhaeite! diu den Iseien ein gelseite Solde zu dem himelreiche geben, wie harte si zeruke muzen streben An dem jungistem gerichte: 40. unt möchte iemen ze gotes gesiebte Sich des tages da verbergen, unt ist daz si gehorsam sulen werden Des an den buochen geschriben stat als in unser herre got geboten hat, 45. Wan er in allen hat gedrot in den ewigen tot Die so nicht lebent als er in gebiutet unt in sein schrifFt bediutet, Sulen seiniu wort nicht zergen : 50. si muzzen an der warhaeit gesten, Daz si der christenhseit wellent phlegen, nach der si solden leben Als si an den buochen hant gelesen: so mocht ir einer nicht genesen. 55. Christenlicher orden der ist harte erworden. 28. hischerte. 23—34. Vgl. Gloul.. 2263 d'. und Litaii. 1173 11'. 32. Hs. hcrrem. 33. urm'iu. 32. nach den. Vg:l. Litaii. M. 392. u. Filg-. 227, 41. 36. IIs. worden. Vgl. V. 681 und Diemer, Gedichte des 11. und 12. Jahrh. 134, 2; 139, 16. Kleine Beiträge. 273 Sumlich habent den namen an daz ambet, Massm. — 86, laeider vil lutzol im lenien enblandet Uf den wuocber der armen sele. 60. die der obristen ere Under der phaffiiaeit solden pblegen, den daz vingerl unt der stäp ist geben Unt ander vil bezaeicbenlich gewant da von si bisehof sint ginant, 65. Ze den ist daz recht enzwaei: pharre, probstei unt abtei. Weihe zehende phrimde die si nicht ze verchoufen bestünde, Daz gebent si ander niemen 70. wan der ez mit schätze mac verdienen. IR junger habent ouch wol erchant, wie in ir maeister haut Vor gitragen daz bilde: S. 166, a. beichte unt bivilde, 75. Misse unt salmen daz bringent si allenthalben Ze etlichem choufe. ez sei der chresem oder diu toufe Od ander swaz si sulen began 80. daz laut si niemen vergeben stan Wan als diu miete erwerben mac. owe, jungister tac, Weihen Ion soltu in bringen ! ir dehseiner hat den gedingen 85. Ob sein des tages sul werden rat. swer geistliche gäbe verchoufet hat, Wie möchte des missetat immer mere werden rat? Wirt er dar an funden, 90. er muz immer sein gebunden 74 ff. Vgl. pfaffi. .i;;» ff. iiiH^ Joseph Die m er. In der hseizzen fiures flamme: Massm. — HS. ze spate chlajit er danne. Swaz er halt guter dinge bigat die welle er an dem unrecht stat 95. Daz ist vor got verfluchet; sein gebet wirt verunruchet Wan ez ze gotes oren nicht steiget ; sein gehugde wirt ewichlich versweiget. Die ze briester sint gezalt 100. die hant der zwelfpoten giwalt Daz si mit dem gotes worte daz si bredigent, die sundser bindent unt erledigent. Ouch sulen si ir leben behalten, anders muoz si got engalten 105. Daz si den nutz ane muo wellent haben. in geit got von seinem weissagen Ein vorchtliche urchunde 'dise verswelhent meiner Hute sunde'. Unser herre ouch selbe chiut 110. 'dise ladent uf daz arm liut Solhe bürde die niemen mac erheben, S. 166, b. unt wellent si selbe nicht erwegen'. Sumliche die aber so senfte sint, die trostent über recht des tivels chint 115. Unt liebent in die maeintat. swer in ze gebene hat Der mac tuen swaz er wil, daz er dehaeine weis so vil Mac getuon böser dinge, 120. ez buzen die phenninge. Die muken si lichent, die olbenden si verslichent, 104. enf/aUi'n] seliwv. engelten lassen , strafen. Dasselbe Wort auch Litan. Fdg. 226, 3. 100. Hs. seinen. 112. Us. eri/ . . . Wa c kern age I ergänzt im Leselxich S. 221. 1 erwegen. 120—122. Vgl. I'falTenl. K92. Kleine Beiträge. Ho Si refsent niewan die armen, Massm. — 135. die solden in erbarmen. 125. Swaz der reiche man getuot daz dunchet siu siiz mit guot. Got enwelle seiniu wort verwandelen 'swer vordert ein sei vor der anderen', Wa sol der mensch denne erscheinen 130. der von den schulden seinen Verliuset mit seiner ger toiisent sei oder mer? Als wir diu buoch hören schreiben, ir aller weitze er muz leiden 135. Nach der jungisten schidunge, do laeider ane barmunge Gotes zorn über siu erget. wie tiwer si danne gestet Dirre werltliche reichtuom 140. unt der unsselige freituom Daz si lebent ane twanchsal. nu wellent die phaffen über al In daz haben ze einem rechte gar daz sich under der phafFen schar 145. Sul der weihe lemen anen. ja solden si sich von ir undertanen, Als ich ein ebenmazze wil für ziehen, als der vibirt von den vihen Unt der maxister von den jungern, S. 167, a. 150. sus solten si sich sundern. Unt wellent leichticbeit phlegen. durh waz ist in diu maeisterschaft geben? Bediu Unzucht unt haiilichseit, unchiusehe unt rainechseit. 131. (jer] = ger Begierde. 136. so laider. US. Ctneti] Vgl. Lilan. Fdg. 228, IS. 148. Hs. vihirt den vihen.] Vgl. Angengi 24, 85. 31, Ö8. 74; u. Die mer 286, 8. uike. 1Ü3. IIs. zuc/it vnt. ä76 JosephDiemer. 155. Die sint nicht wol ensamt. Massm. — 182. svvenne des briesters haut Wandelt gotes leichnamen, sol si sieh danne nicht zamen Von weiplichen anegriflfen? 160. entriwen, si sint dar an beswichen. Unser geloube daz bivangen hat, swenne der brister ob dem alter stat, Under dem gerinne da entsliezent sich die himel sa 165. Daz seiniu wort dar durch varn; im sendet ouz allen englischen scharn Unser herre seine dienstman. daz opher wirdet lobesam, Ez vertilget alle die missetat 170. die diu Christenheit bigat. Die des mit warem gelouben gedingent. die daz ampt für bringent, Sprechet, welher rsBinicliEßit er bedürfe? dar umbe heb wir uns ze rulfe 175. Unt sprechen, ez sul got missecemen daz wir der misse vernemen Die wir so nicht sehen leben noch den segen so rechte geben Als si von rechte solden: 180. dar umbe sei wir in erbolgen. Swa aber daz gotes wort unt diu geweihte hant ob dem gotes tische wrchent ensant. Da wirt der gotes leichname in der misse von einem sundajr so gewisse, 185. So von dem ha)iligistem man der briesterlichen namen ie gewan. S. 167, b. 1S9. Hs. anegreiffen. 1S3— 183. Vgl Vrid.ink. S. 13—16. 101 ff. \gl. PfulTI. 278 fr. 176 derjenigen Messe. 181—186. ebso. Pfaffl. 397— 403. ISS. \h. Idchnanirn. 184. so ffeivisse] Pfaffl. V. 400 sin geivisse. Kleine Beiträge. Z il Getorst ich iii sagen daz ich wseiz, Massm. — 214. die ir ehristenlichen anthseiz Mit andern gehseizzen habent genieret, 190. swie wol si diu buoch sein geleret Die sich von dirre werlt habent gezogen: eintweder diu schrift ist gelogen Oder si choment in ein vil michel not. si solten in dirre Averlt wesen tot, 195. Unt solten daz vlsBisch an in rewen daz ez taeglich muse slewen, Unt die sele aiie schowen sam ein diu ir rechten frowen. Nu habent si haz unt neit, 200. missehellunge unt strett. Wol chunnen si spoten unt greinen unt lazzent übel scheinen Ob si die waren minne in dem hercen sulen gewinnen; 20S. Irin wort sint vil manicvalt. sine haben ampt oder gewalt, Anders dunchet ez siu ze nichte. si dienent niwan ze gesiebte. Durch verebte, nicht durch minne. 210. si gesitzent nimmer inne, Si wellent umbetwungen sein, daz ist an sumlichen schein. Die ir dinc so schafTent uzze, die wellent in so gitane buzze 215. Die si so swanzunde tragen: der in der werlt nilit einen esel mochte haben, Ze boeser gewinnunge ist sein herce unt sein zunge 194 ff. Vgl. PfaflI. 210 ff. 19Ö. rewe7i] zu reo, ablödtcn. 196. slewen] erschlaffen. 203. iibel] heisst hier selten. 214. Il.s. f/ilrmcr. 4>tO JosephDieraer. In wunderlicher weise. Massm. — 246. 220. unt möcht iemen mit heriicher speise Daz himelrich beherten unt mit wol gistrselten ba3rten Unt mit höh gesehornem hare, so wseren si alle hseilich zware. 225. Dar uf hab wir laeien ein archwan : S. iG8, a. swaz wir die wandelbare sehen bigan Des verwaene wir uns ouf die andern alle. si sint ein schände unt ein galle Gseistlicher samnunge. 230. von wie getaner ordenunge Sold er ze einem herren werden gehabt, für daz er der werlt hat widersagt Der vor des ein arm mensch was? in dem winder wirt dürre daz gras 235. Daz des sumers was grüne: der sich in der werlt dunchet chune. So der greifFet an gseistlich leben, da er mit dem tievel muz streben. So zimt vil weisleichen 240. daz er ander sein geleichen Aller erst inne bringe seiner tugentlicher dinge. Gerne hab wir geredet daz die phafTen biweget 245. Unt die muniche ze grozem zorne. die solden binden unt vorne Der ougen also wesen vol daz si allenthalben wol Die veinde gessehen, 250. wa si sich wolden na;hen 221. heherien] «Iiiich Kampf erzwinf^en. Vgl. Mhd. Wörtorl). S. (i39. SU. 226. Hs. wanddwcerc] ehso. mit w für h. Aug. 39, 3. Pfaffl. lliO. 234. Ils. toinde. V!,H. I'falfl. 234. 248 IT. vgl. Pfaffl. 20 IL Kleine Beiträge. 279 Ze den die in bevolhen sint. Massm. — 278. wellent si nii bedenthalben wesen blint. So werdent si ewichlichen erblendet: daz ist uns offenliehen verchundet 255. Mit den werten der warhfßite 'swa ein blinde dem anderm git gelseite, Da vallent si bede in die grübe'. dise rede verstent genüge: Dill gruobe ist diu belle, 260. swer nu die blinden wizzen welle, Daz sint die boBsen lersere die die verworcbten boeraere Mit in Iseiten in den ewigen val. S. 1G8, b. nocb beeret ein andern sturmscbal 26S. Von unsern berborne tiezzen, des oucb die Iseien mac verdriezzen. Werltlicbe richtaere daz sint widervechtsere Gotes unt aller gute, 270. die tragent wlfein gemute, Si bebirsent swaz si mugen bejagen. diu triwe ist gaerlicb erslagen Under den die laeien sint: der vater muz bazzen daz ehint, 275. Er wirt des nimmer an sorgen, volwaebset ez bfut oder morgen, Ern verstozze in alles des er hat ob sein dinc unbailich ergat Daz er nacb reicbtum erarmet. 280. owe, wie lutzel sieb iemen erbarmet Alles seines cbunnes über in! so vaste strebet ir muot uf gewin. 2S1. Hs. bevolhent. 254. verendet. 2S6. Vgl. Pfaffl. 132. 2S9. Hs. gruob. 260. wer] swer die Hs. loizzen, ausdrücklich so in der lls. und nicht wirren. 2Gö. fterhorn] ebenso Litan. 220, .30, PHtfri. 23. 270. Wolfen. 279. lls. erarnet. ÄöU Joseph Diemer. Swa er sich des nutzes nicht versieht, Massm. — 310. dehaeiner dem anderm vergiht 28S. Dehseiner chunneschefte. der herre versieht sieh ze dem chnechte. Noch der chnecht zu dem herren weder triwen noch eren. Reiter unt frowen 290. der leben sul wir lazzen schowen Daz got vil widerwertic ist. die cherent allen ir list Wie si niwer site megen gedenchen da mit si die sele chrenchen. 29Ö. Daz ist ein strich der hohverte der den tivel des himelriches beherte. Er wirbet ouch nicht so gerne, so daz er uns uz götlichem scherme Mit dem selbem laster verschunde. 300. ez sint die aller mjeisten sunde Die man wider gotes hulde mac getuon. S. 169, a. der hohvertige man ist des tivels suon, Swa er mit ubermute gevaehet den man dem hat er den sie behabet an: 305. Des gestet uns jobes schrifft bei, er sprichet daz er ein furste sei Über elliu chint der ubermute. da vor uns got behüte Daz wir im icht werden genozsam 310. von dem diu ubermuot anegenge nam. Si ist alles ubeles vollaiist unt enlset den hsüiligen gaeist Bei dem menschen nicht beleiben. diu laster sul wir vertreiben. 296. Hs. den der tivel beherte] prset. von hehern, I)eraul)en. Vgl. Mhd. Wörlerb. 662, 23. 1500. Hs. er sei ein furste. 309. Massm. liest gehorsam, es steht jedoch deutlich genozsam, der Sinn ist, dass wir ihm nicht zugesellt oder dienstbar werden. Kleine Beiträgfc. äöI 315. Si benement uns gseistlicli zuht, Massm. — 340. si sint der sele miselsuht, Si reichsent al inaeiste an den weihen : hie muge wir der frowen wol gesweigen. IkVir sehen ce gazzen iint ze chirchen 320. um die arm tagewrchen Diu nicht mer erwerben mae, si gelebt ir nimmer guoten tae, Si enmache ir gewant also lanc daz der gevalden nachswane 325. Den stoub erweche da si hin ge, sam daz reiche al deste baz ste. Mit ir hohvertigem gange unt mit vrömder varwe an dem wange Unt mit gelwem gibende 330. wellent sich die gebiurinnen an allem ende Des reichen raannes tochter ginozzen, mit ir chratzen unt mit ir stozzen Daz si tunt an ir gewande. daz sol den von recht wesen ande 335, Die daz recht minnent. swes sumlich biginnent Dar nach bruttent sich die andern. des rechtes ist lutzel bistanden Under armen unt under reichen: S. 196, b. 340. daz muz got von scliulden misseleichen. Von den frowen sul wir nicht übel sagen, doch mug wir der reiter nicht verdagen. Zwene geverten hat diu nbermuot, die setzent die reiter an die gluot 330. Hs. si 11. f/cbiurinen. 343 — 31)3. Diese Stelle ist offenbar verdorben. Der Sinn dürfte sein: Zwei Genossen iint der (loclimiith , welche die Ritter in die glühenden Flinken des ewig'en Feuers bringen, und der bat Golt viel zu danken, der sein Leben ohne sie vollendet, [dw die zwene geverten ln'jaf/et\, er hat der Hol'falirt widersagt. 282 Joseph Dieme r. 345. Der ewigen fiures vanchen, Massm. — 370. er hat got vil ce danclieii Der sich an die bejaget, der hat der hohverte widersaget. Die verlseitent si vil diche 350. in des ewigen todes striche Da si verliesent ir leben. so mac dem armen niemen geben. Er muz sein verdampnet. swa sich diu reiterschaft gesamnet, 355. Da hebet sich ir wechselsage wie manige der unt der behuret habe. Ir laster mugen si nicht versweigen, ir ruom ist niwan von den weihen, Swer sich im den nicht enmachet 360. der dunchet sich verswachet ünder andern seinen geleichen. swa aber von sumleichen Der manhaeit wirt gidacht, da wirt vil selten für bracht, 365. Wie gitaner sterche der sul phlegen der wider den tievel muze streben. Da nennent si genüge vil manic ungefüge. Si bringent sich mer ze schänden, 370. swenne si sprechent 'den mac man in allen landen Ze einem guotem chnecht wol haben, der hat so manigen erslagen'. Die machet uns der weissage chunt, 'si vreunt sich, so si tuont Sie (die Gefährten, die aber nicht g-enannt siiul) verleiten die Ritter sehr oft in die Sehliiig-en des ewigen Todes, wo sie (die Ritter) ihre ewige Seligkeit verlieren. Da kann den armen Niemand helfen, sie müssen verdammt sein. Sii.Hs. setzet. 347. Sich hejagen] Vgl. Mhd. Würterbuch von VV. Müller. S. 763, 4S. 343. des. Vgl. Litan. 234, 36. 330. Hs. sich in den ruom. 360. verswachef] ebenso Ang. 7, 33. Kleine Beitrage. /Co 3 375. Daz boesiste an allen dingen Massm. — 400. swaz si des mugen für bringen', Swie wir an disen Worten bewseren: S. 170, a. von solhen rumaeren Wirt dise werlt niuwe 380. Iseider ungetriuwe, Diu ehlaget von rechte umbe die vordem guoten chnehte Die ir so gar sint benomen. sol disiu werlt an ir ende chomen, 385. Owe unser jungisten erben ! wie harte si niuzzen verderben Gotes unt ir ehristentuom. wa schseinet der altherren weistuom Den niemen ercellen msechte 390. under allem ir geslsBchte? Alle die bei disen ceiten lebent, debseines anders listes si phlegent Wan wie si ein ander betrigen bespoten unt beliegen. 395. Verboeset ist diu niwe jugent, ere, zucht unt tugent Die neigent sam um ein rat. rome, aller werlde houptstat Diu bat ir alten vaters nicht. 400. man vindet da dehiein Zuversicht Rechtes noch gonaden wan wie man dem schätze muge gelagen. Der reiche man ist cdele unt ist der fursten gesedele, 377. lls. Dil' ivir an. 377 — 384. Diese Stelle ist ebeufails verdorben. Der Sinn dürfte sein: Diireh solche Grosssprecher wird die jetzige Welt leider treulos, welche mit Recht um die einstigen guten Knechte klagt, die ihr so ganz und gar abhanden gekommen sind. Weh unsern letzten iNaciikomnien, wc^nn die Welt dann ihr Ende erreicht. 379. Wie dise. 382. ils. die vordem yuole ohne umbe. 38ä. unser juntjiste. 393. lls. une nander. 284 Joseph Diemer. 40S. Er ist weise unt stareh, Massm. — 430. er ist schoene unt charch Unt in den landen lobesam ; allenthalben ist verworfen der armman. Gaeistliehe richtsere 410. die mugen reichsnsere Baz denne inseister gehseizzen, mugen si der schilde vil geiseisten Unt Helme unt brunne. daz ist elliu ir wnne 41 y. Daz si mit menige reiten S. 170, b. unt haeizzen in die gegende weiten Dienen swes so sie. ir undertanen wellent wesen fri Ze tunen allez daz in gevalle, 420. die reichen lebent mit schalle, Die armen mit gesuoche: daz vindet man an dehseinem buoche. Die phafTen die sint geitic, die gebour die sint neidic, 425. Die choufliut habent triwen nicht, der weihe chiusche ist enwicht. Frowen unt reiter dine dürfen nimmer gefreiscen, Weder ir leben bezzer sei. 430. ir undertanen wellent wesen frei. Die guot sint unt biderbe, da setze wir in tousent widere Den niemen mac urchunde geben ob si tugentlichen leben. 409. Hs. GceistUcher. 413. ohne unt. 420. Hs. lohent. 428. Hs. gefristcn] Frauen und Ritter iltirfen nicht viel frag-eii, weiches von ihr heiJer Leben l)HS,ser sei. 431. Hs. hiherde Denen, die g-ut und edel sind, können wir Tausend entgegen stellen, welchen Niemand das Zeug-niss geben wird, dass sie tugendhaft leben. 519. ze tunen] = ze tuonne, vgl. Pfairi. 2jö. ze tuonen. Kleine Beiträge. 283 43S. Michel mere han ich gereit Massni. — 452. denne ich het uf gelett, Do ich des liedes higan. dar iimbe sei mir niemen gram Daz ich die warhseit han gesprochen; 440. swa aber ich den orden han zebrochen Der materie di ich ane viench, daz machent laesterlichiu dinch Unt ditzes leibes getrugde diu uns von des todes gehugde 44S. Manigen ende laeitet, als wir iu vor haben gebraeitet. Hie welle enden ditz liet, daz ander gehillet disem niet. Daz wir bäten ze redene 430. von dem gemseinem lebene Mag ez einen besundereii nam wol haben: swaz wir von dem tode wellen sagen Daz vindet ir geschriben hie bi, S. 171, a. des beginne wir in nomine domini. 455. Mu gedench aber mensch deines todes nach den werten des herren jobes, 442. Iceslertichin. 443. ditzes] ebenso V. 840. 444. Hs. der uns — ohne todes. 445. Manigen ende] nach mancher Seite hin; Adverbialausdruck vgl. Grammat. III. 140, und Mhd. Worterb 431, 19. Der Sinn ist: Wo ich aber die Ordnung der begonnenen Rede verlassen habe, sind die verschiedenen Missbräuche und das Trugbild dieses Lebens Schuld, das uns von der Erinnerung an den Tod, wie wir euch vorgestellt haben, auf gar manche andere Dinge führt. 447. Nach Hie welle muss man sich wir hinzudenken , was bei älteren Dichtungen in Imperativsätzen oft weggelassen wird. 448. daz vorder] gibt durchaus keinen Sinn. Durch die Änderung in ander wird er jedoch auf die einfachste und n:itiirlichste Weise hergestellt. Es heissl dann : Hier wollen wir dieses (das vo'-her gegangene) Lied beendigen, das andere (t'olgenili') slimmt mit diesem nicht iiberein, und durch die Verbesserung des ursprünglichen /(«ftc« V. 440 in haheten oder /täten, heisst es : Das was wir von dem gewohnlichen Leben zu sagen hatten, mag wohl einen besondern Namen, nämlich den „vom gemeinen Leben" führen, alles was wir von dem Tode reden wollen, findet ihr hier angeschlossen, i'.i'.i. hei. Sitzh. d. phil.-bist. Cl. XVIII. IJ10. Vg-1. die Überse(/.uii<> dieser Stelle in der Aldiaiidlung; über dieses Gedlelit. S. 198. SIG — S19. Diese Stelle ist offenbar verdorben. Kaum wage ich eine Deutung. Vielleicht ist dies der Sinn derselben : Wir können hier gar Manches bei Seite lassen, damit wir die Kinder (oder auch die Söhne durch schlechte Krziebung in der Jugend) einem langen Sieclithnin zuführen mochten. Es ist sogar möglich, l. sliinde, vjjl. Graffi, ."JT.'J. iJÖ«. entreden] V. 701 entreidcn, davor ver- theidif^PM, hewalircn. :t62. vil tlhcl] heissl. hier sehr selten. öGii. heijcit] = hc(jibet, den Leih verlässt. V^l. Mhd. Wörterb. IJO.'), 4.'J ff. >iO\J .losephDiemer. Owe, vertseiltiu herschaft! Massm. — 570. swenne diu tivellich hellecraft Die arme sele mit gewalte verswilhet. waz hilfet, swa man bivilhet Ö85. Daz vil arme gebseine, so der armen sele mit gemseine Allen hseiligen widertseilet wirt? we der nacht diu in danne geblrt! Nu lazze wir des sein verhenget, 590. daz bivilde werde gelenget Zwene tage oder dri oder swaz ez lenger dar über sei: Daz ist doch ein chlaeglich hinevart. nicht des daz le geborn wart. 59J>. Wirt so widerzseme noch der werlt so ungenieme, IVu ginc dar, wip wolgetan, unt schowe deinen lieben man, Unt nim vil vlajizechlichen war 600. wie sein antlutze sei gevar. Wie sein schseitel sei gerichtet, wie sein bar sei geslichtet. Schowe vil ernstl eiche ob er gebar icht vroeleichen, 605. Als er ofTenlichen unt tougen S. 173, a. gegen dir spilte mit den ougen. Nu sich, wa sint seiniu muzige wart da mit er der frowen hohvart Lobete unt sa^ite? 610. nu sich, in wie getaner hseite Diu zunge lige in seinem munde da mit er diu troutliet chunde 581. vertisiltiu herschaft] (» weh, unglückselige Herrlichkeit! 383. armen. a99. vla-izchllchen. 609. Hs. Lohet. 610. hfeite] ahd. Ordnung-, Art. vgl. Mhd. Wör- terb. 656, 29. Kleine Beiträge. Behagenlichen singen ? nune mac si nicht für bringen 615. Weder wort noch die stimme. nu sich, wa ist daz chinne Mit dem niwen barthare? nu sich, wie recht undare Ligen die arme mit den henden 620. da mit er dich in allen enden Troute unt umhe vie. wa sint die fuze da mit er gie Höfslichen mit den frowen? dem muse du diche nach schowen 625. Wie die hosen stunden an dem baeine, die brouchent sich nu Iseider chlseine. Er ist dir nu vil fremde dem du e die seiden in daz hemde Muse in manigen enden weiten. 630. nu schowe in an allen mitten ; Da ist er geblset als ein segel, der hoese smach unt der nebel Der vert uz dem uberdonen unt laet in unlange wonen 635. Mit samt dir uf der erde. owe, dirre chlsegliche sterbe Unt der wirsist aller tode der mant dich mensch deiner broede. Nuo sich enceit umbe, 640. e dich dein jungiste stunde Begreiffe diu dir le ze furchten was. repentina calamitas, Daz sprichet, sorge ze so getanem tode unt sprich mit dem herren .lohe 291 Massm. — 603. S. 173, b. 618. undare] unanselinlich. Vgl. Mhd. Wöiterb. 308, 17. 619. armen 621. Hs. Trout. vffl. zu 441». (V.V.i. uhrrdonrn] flns sind die Tiiclior, in welrtir ilor [.ciciniam i'injjehiillt wird. 4y« Joseph Dieraer. 645. 'Churzlichen vervarent nieiniu jar, Massm. — 634. ich gen einen steic, daz ist war, An den ich nicht chum widere', e dich dein jungistez geligere Begreife an dem bette, 650. ehere dein sehef ze stete Daz dich enniitten uf dem mer die sundern winde hin unt her Denne icht ane bozzen unt du ez nicht ze stade macht gestozzen. 655. So dich begreifTet der siechtuom, so machtu der sunde nicht mer getun , So lazzent dich die sunde unt nicht du siu. nu sage, armer mensch, umbe wiu Wil du den phafFen denne gesprechen? 660. waz wil du deines dinges cechen So du gebuzzen nine macht? du hast dich ze unceit bedacht. Reicher unt edeler jungelinc, merche sengestlichiu dinc 665. Unt ginc zu deines vater grabe, nim den obristen stsein dar abe Unt schowe sein gebaeine, siuffte unt wasine. Du macht wol sprechen ob du wil, 670. ez nimt dir deiner herscheft nicht vi!, 'Lieber vater unt herre, nu sage mir waz dir werre? Ich siehe dein gehsein rozzen daz hat diu erde gar vernozzen, 675. Ez chriuchet boeser wrme vol. ditz stinchunde hol 647. An dem. 648. geligere] das Lager. 649. Begreiff und bete. 6ö3— 638. Wenn dich einmal die Todeskrankheit ergreift, kannst du keine Sünden mehr begehen, da verlassen die Sünden dich und nicht du sie. 633, I. hözen] stossen. 657. nicJit unt. 674. vernozzen^ verniezen, stv. verzehren. Kleine BeitrHg'e. 293 Erzseiget meinem sinne Massm. — 666. einen seislichen waz dar inne; Oueh ist mir inrechlichen swsere, 680. so schoene so du wa^re, Daz du so schier bist erworden. S. 174, a. daz ist ein jsemerlicher orden, Daz e bliit sam diu lilie daz wirt als daz gewant daz die milwe 68S. Beneget unt frizzet: er ist unsaelic der des vergizzet. Du möchtest euch leichte han geredet ob dich der jamer hete beweget Vseterlicher minne. 690. nu gedenche an die sinne, Wie er dir antwurten solde ob ez der natawer rehte verdolde Oder ob sein got wolde verbeugen, ich wil die rede nicht lengen; 695. Ich spriche für in unt mit im, mit rechter andacht du daz vernim Ich wil dir, mein trout suon, des du mich hast gefraget chunt tuon : Meiniu dinc stent mir ungerseite, 700. von der witze grimmechseite Mag ich mich nicht entreiden die ich taeglich muz leiden. Ich han fiwer unt vinster ze der zeswen unt ze der winster 705. Oben unt nidene. funde mein not iemen geschribene Der het immer da von ze sagene, daz han ich, trout sun, dir ze chlagene. 679. Hs. inrehUchen. 692. . ehte. 692. natawer] stm. Ang. 36, 5. div natover. 294 ' Joseph Diemer. Waz bedarfstu aber nu langer spräche? Massm. — 69G. 710. diu cheten der gotes räche Hat mich starche gebunden; ich han haerwen Ion funden Alles des ich ie begie daz ich laeider ungebuzzet He. 715, Aller mazze het ich vergezzen mit trinchen unt mit ezzen, Nu wirde ich betwungen mit durst unt mit hunger. E bran ich an meinem vlseische S. 174, b. 720. mit hurlichem swseizze, Nu brennet mich der gotes zan in dem fiwer daz niemen erleschen chan: Ich leide ser unt ungemach, owe, daz ich dise werlt ie gesach! 72S. Gseitichseit unt hohvart diu zvvsei habent mir verspart Diu tor der innern helle. da sint die swarcen pechwelle Mit den haeizzen fiures flammen. 730. ich beere da grisgrammen Waeinen unt wffen, vil chlsBglich ruffen Die, di des habent dehseinen trost daz si immer werden erlost 735. Uz dem abgrunde. ach, daz ich ie des lebt gefrumde Da mit ich ir genoz werden muoz! möcht mir des immer werden buoz 712. Ion. 714. heider mir. 717. Hs. wiird. 728. IIs. pechvelle. 729. Hs. fivre. 738 — 42. Kiinnt' ich doch einstens dessen entledi<>;t werden, was mir so wohl thun würde, dass ich nicht stets den Teufel ansehen miisste und seinem Anhiicke einmal entgehen könnte, wie selig wäre ich. Kleine Beiträgre. 295 Daz mir so wol gescbaehe Massm. — 728. 740. daz ich den tivel iclit an sselie Unt sein antlutze verbsere, wie vro ich des wsere. Mein chlage ich nu ce spate tuon; iedoch rat ich dir, lieber suon, 74S. Daz du mich ze einem bilde habest unt der werlt so nicht muotvagest. Du endenchest die not die ih besezzen han oder ez muz dir alsam mir ergan. Mu sage mir, mein trout sun, TöO. waz hilfet aller mein reichfum Unt manic unsseliger gewin? ich wolde allen meinen sin le dar an erzaeigen daz ich choufte leben unt aeigen, 75S. Bürge meirhof uut huobe unt ander herschaft genuoge: Dar umbe ist nu mein sei gevseilet. S. 17!;, a. wie hastu daz mit mir getseilet Seit ich hie von dir schiet? 700. des ist Iseider vil lutzel oder nicht, Wa sint nu diu almuosen diu du begast? wa sint die dürftigen die du getröstet hast? Wenne gedaechte du mein mit den messen ? du hast mein gar vergezzen 765. Sam ich nie geborn wurde. ach, daz ich so getane bürde Durch dich uf mich han gevazzet! dar umbe ich nu bin gehazzet Von dem rechtem richtaere. 770. verfluchet sei der tac der mih gebaere. 740. muolvHf/cst] vffl. nraniin. 'l, liHi, sieli innerlich crffiil/.en. 74S. Ms. mit /«//•• 7Ö7. (/evceileil\ feil jjehoten. 7(J1. alntvst'7i\ 702. Hs. (jctrüstcst. 296 JosephDiemep. Manige gewinnunge Massm. — 758. die ich ane barmurige Nam von witwen unt von waeisen, die lazzent mih nicht uz den frseisen. 77S. Nu schowe, mein vll lieber suon, daz ist war, du macht ez gern tuen Wie mich mein sin habe gelsßitet unt dar uof gearbseitet Daz du bist reich unt her, 780. Wie ich laeide angest unt ser. Du sitzest in grozen wirtschefften, ih Iseider in des iivels zoumhefften, Man lobt dich weiten in dem lande, dar umbe laeide ich die grozen schände: 785. Doch w8Br ich nicht gar verdampnet, het ih dir den reichtum iiiht gesamnet Da mit du nu Isesterlichen lebest. swie harte du wider got strebest, Als ein diep begreiffet dih der jungiste tac; 790. dein guot dich nicht gefristen mac. V¥i\ du nu wizzen war ich dich lade? daz tuen ih dar, da du von tage ze tage In daz inner abgrunde vellest; des bechere dich ob du wellest. 795. Nu gib ich meinem vlsBische s. 17S, b. die vil unssBligen gehaeizze. So ich ez an dem jungistem tage wider nim, so muz diu arme sei mit sampt im Chomen zuo dem todlichem lebene; 800. do stet mich nicht vergebene 780. ohne Wie. 782. Ebenso Litan. 222, 33. 787. Hs. Mit du nu. 789. jungiste iac\ hier der Todestag. 793. inner abgrunde] ebenso Litan. 221, 12. 793—801. Der Sinn ist: Nun gebe ich meinem Leibe (Fleische) die unselige Versicherung, dass, wenn ich ihn an dem jüngsten Tage wieder annehme, die arme Seele mit ihm vereint zu tödt- lichem Lehen gelangen muss [nämlich durch die Auferstehung], Litan. 23.*), 20. dnts er imer muz totlichen leben. 800. Hs. so stet micht. Kleine Beiträge. -6*7 7 Swaz mir ze vreuden le geschah. Massm. — 788. ach, daz ich dise werlt ie gesach! Seine chestenunge möcht nimmer dehaein zunge 805. Ze rechte für bringen, daz ich nu bin ane den gedingen Daz ich got nimmer gesehen sol wan denne, so ich sein urtseil dol. Het ich dehsein ander not, 810. daz wser doch mein ewiger tot. Nu becher dich enceit, mein trout chint. alle die geirisch in dirre werlt sint, Genist der einer, daz ist wunder. den ist der ewige chumber 815. Mit samt dem reichen erlaeilet; der hat sich also lebentige gessBÜet Mit seiner geirischseite beien; da si immer muzzen heien In der fivers flamme griulicher esse. 820. owe! der die grozze not wesse Diu den reichen ist gesatzt, der muse dirre werlt immer wesen ein gast. Swer an dem reichtum begrilTen wirt den im diu geirischasit gebirt, 825. Dem ist daz himelreich vor bislozzen. so hat er übel genozzen Swaz er guotes ie gewan, also hat uns der gotes sun chunt gitan. Er sprichet olTenleichen daz 830. ein olbende muge baz 807. IFs. Daz ich nu f/ot nimmer. 81ä. reichen] fehlt in der Hs. Olinc diese Er- gänzung-ist iii(^ Stelle vollkoitinien nnkliir. Der Sinn ist : Wird Einer von iillen liahsiieh- tigen (lieser Weil selig, so ist dies ein Wunder. Ihnen wird so wie diMn lieiehen der ewige Kummer zu Theil , denn dieser imt sich ehenfiills im flehen in die Sehliiigen des Geizes verstriekt, mit denen heide immer in der gräulichen Esse der feurigen Flammen brennen müssen. 819. In der. 820. grozzcn. H'M). olbende. 298 J osepli Üi e Hier. Durch einer nadel cere gevarn Massm. — 818. denne der reiche chcem in abrahames barn. Swer mit dem reichtum wil genesen, s. 176, a. der frage die phaffen, waz si lesen : 835. 'Als er nicht enhabe, alsus sol er haben, und enbiut im daz niemen sagen Ob er in niezen sol eine; mache in allen den gemseine Die sein gern in got'. 840. sant pauliis der gotes bot Sprichet, ditzes reichtumes geirischseit sei der abgot schalchaeit, Daz ist an den geirischen wol gewsere: für ir schephsBre 845. Nement si daz er geschaffen hat, ez sei golt silber oder wat Oder icht des iemen gewan, ez muz allez hinder im bistan. Als ein diep begreiffet dich der jungist tac, 850. dein guot dich nicht gefriden mac. Du IsBst ez allez hinder dein. so ist dein riwe chupherein, Lutzel hilfet dein beichte: euch erget daz vil leichte 855. Ob du ez e hast versmaehet daz uns der tot undervsehet. Wie irerne du denne weidest, daz du enmaht die weile dir got verleihe die macht, Daz du bceser dinge wol hast 860. swaz du guoter dinge verlast. 833 — 839. enbit] die Hs. der Sinn ist: Wer mit dem Reichthuni selig- weiden will, frag;e die GeisUicIien, was sie lesen: Als habe er nichts, so soll er haben, nnd belielil, dass ihm Niemand sag-e,' er dürfe ihn allein geniessen; er theile ihn mit allen die ihn darum bitten um (iottes Willen. 841. Ils. reichtum. 842. ahgot] g^enet. pl. Coloss. 3, H. 840. \'^\. V. 78!(. 833. versnuehct] wenis^-ei- beaelitet hast, dass uns der Tod oft überrascht. 859. bcder. 8G0. begast. Kleine Beiträge. 299 Ein phenninch frumt dir mere Massm. — 849. den du selbe geist iimbe dein sele Denne tousent pluint nach deinem leibe, nicht gihalt ez deinem weihe: 865. Ir ist lutzel die der triwen phlegen , wanchel unt unstsete ist ir leben. Versunde dih nicht durh deine chint: der leben ist ouch als ein wint, Ir gemute ist untugentleich, 870. Ze allem laster gebrouchleich, Ze der frumchseit ungehorsam; S. 176, b. unt gemachest aber du sei lobesam Daz gestet dich nicht vergebene, ih bete vil mit dir ze redene, 87S. Daz niuz ich versweigen , wan ob du groz not wellest vermeiden. So bedenche dich enceit. ovve, wie lutzel dir diu helle vergeit, Geschihest du ir zerbarmen! 880. die enlazze dih got nimmer erarnen'. Die dro solher warte die mustu, armer mensch, harte Immer erfurchten unt verstau wie ez dir her nach sul ergan. 885. Nu sage mir mensch wer du bist, wie, ob unser herre christ Mit dir reden begunde unt spraech uz sein selbes munde Mein liebistiu hantgitat, 890. war umbe verwürfe du den rat Den dir mein lera?r taten 862. Hs. denne. 809. Us. unf/oiitUe. 873. vcrf/ehene] vgl. Vers 80. duz lünt si nietnen vcrf/ehen sdin ; V. 800. .So stet mich nicht vcrcjehene, .swaz mir ze vreuden ie fieschnh, auch V. «i),'; uihI rnliil. Wdilcihiicli von W. Müller, 8.^06, 35. 88'i. Hs. mustv dv. 889. haiilgilal] cln^nso Aiig-. 28, Uli. Kitan. M. 187. dUU Joseph Di einer. unt dich ze dem himelreich ladten? Massm. — 878. Dune wellest dirz enblanden swie tiwer ez mir sei gestanden 89S. Daz ich dirz han wider gewannen, ich wil dir sein nicht gunnen. Wil du laesterlichen leben unt der ungehorsam phlegen Als deine vordem taten e, 900. ouch habe des dehaein sorge me Daz ich dir dar umbe icht welle vertseilen zu der helle; Ist dir daz nicht ein grozze unere? mich selben gesihestu nimmer mere, 90S. Ist dir lieber werltlicher gemach den niemen lange gehaben mach Denne diu himelische ere. ich sage dir nicht mere: Der gewinnestu nimmer taeil, S. 177, a. 910. anders furchte dehaein unhseil'. Hastu die rede nu wo\ vernomen? die la nicht uz deinem hercen chomen Unt habe ditz ze einem spelle daz der tivel oder diu helle 915. Uns nach disem leibe icht mugen geschaden. wie gitane freude mac der haben Der got nimmer gesehen muoz ? wenne wirt im ungenaden buoz Wurde er gesundert von seiner mitwist 920. an dem dehsein vreude ist? 893. enblanden] vgl. Mlid. Wörterbuch S. 198 ff. 897—903. Ist dies nicht eine grosse Schmach für dich, wenn du lasterhaft leben und keine Sorge mehr haben willst, dass...? 898. der ungehorsam] stf. gen. 913. spelle] Spei, Ilede, Erziihliing, Mährchen, Lüge. Der Sinn ist: Hast du nun die Rede wohl veriionimen, so lass sie nicht aus deinem Iler/.eii kommen, und halte es | fortan noch, wenn du willsl,] für ein blosses Lügenmährchcn , dass uns der Teufel oder die IlöUe nach diesem Leben noch irgend schaden könne. Kleine Beiträge. 301 Nu gesweige wir der grozzen not Massm. — 908. diu den verworchten ist gedrot, Die si in der helle muzzen leiden unt lazzen die rede nu beleiben. 92J>. Wie möcht in immer wirs geschehen die got nimmer sulen gesehen. Er wger imsselich geborn über den der gotes zorn Unt sein räche wirt ertsBÜet. 930. swer sein leip hat gemseilet Mit maniger slachte sunden, sol den der tivel nicht gebunden Werffen in daz ewige eilende, da immer ane ende 93o. Muz ruffen ach unt we ? da sein schuntaer ob im ste Mit griulichem antlutze, da die unerfulte butze Des abgrundes uz tiezzen, 940. unt da er sehe vliezzen Die bechwelligen bache unt der fiver schober ehrache, Unt anderthalb da engegene, wie sich der helle vrost megene 943. Unt ob hundert perge ßurin sein temprunge solden sein. Sine möchten in nicht erlawen, S. 177, b. unt die tivel mit fiurin chlawen Schuorten in solhes weters sous. 950. entriwen, daz ist ein übel chuel hous. 922. IIs. dar den. 92S. in nimmer. 028. Hs. wie aber der uher den der. 0.38. hulzc] Hruiin, Pfütze. Vgl. mii(J. WörlerL. 287, 44. 942. xini fim-r oliiio der. 943 — 946. und andererseits wieder, wie der Frost der lliilie immer stärker wird , dass wenn hundert feurige Berge zu dessen Abkühlung vorhanden wiiren, sie ihn doch nicht I.TU rniichcii könnten. 949. in] I. ini'f Sitzh. d. |)hil.-hist. Cl. XVIII. Bd. II. iUt. 20 302 JosephDiemer. Da wirt iu ruomsBren gelonet, Massm. — 938. da wert ir übel gehoenet, Du da hie ein hurser bist, da hsBizze icht deinen trugelist 9SS. Unt deine bonehust besebirmen, da muzet ir rednaere gehirmen. Da wert ir unrechtes gewert, da zucbet iuriu swert, Wert iueh ob ir meget, 960. da wert ir scbeltaere gideget, Ir da dehsein ander raebe suchet niwan daz ir fluchet. Da muzzen die mansleken schowen wie man siu an swert mac verhowen, 965. Da muzzen si schreien unt chlagen unt den gewalt dem tivel vertragen. Diebe unt roubsere, wie ungeloubicb ez wsere. Der in daz möchte für gerechen 970. wie man siu beginnet zechen Mit bechwelliger hitze. ez ist ein groz unwitze: Der daz nicht bedenchet Der muoz immer sein geschrenchet 975. In der ewigen notschranne, unt chumt ouch nimmer danne Als wir da vor haben gesprochen. wser dem tivel sein recht an uns zebrochen Daz er uns nicht möchte geschaden, 980. so solde wir doch die minne haben 952. Hs. da toirt ein übel. Da werdet ihr tief gedemüthiget 934. da hceizze ich 9K6. ffehirmen] ablassen , ruhen. 957. Da wert er. 958. IIs. iriv. 960. gedeget ir]. Da werdet ihr Spötter zum Schweigen gebracht. 903. mansJekcti] Todschläger. 900. Pfaffl. 379. ir willen muoz man in vertragen. 974. gesckenchet. 973. schrange. 978. an im. Kleine Beiträffe. 303 Zuo dem obristem reiche Massm. — 970. unt solden siufften tsegleiclie Uz disem eilenden wuofftal zuo dem himelisehem sal. 985. Da ist elliu chlage fremde S. 178, a. under dem himelisehem sende. Da sint die gedanch alle vrei, dane waeiz niemen waz angest sei. Mer vreuden mugen si da jehen 990. denne lemen habe gehoert oder gesehen Oder lemen gedenchen chunne. ir aller mseiste wnne Daz ist gotes antlutze, daz ^eit die sselde an urdrutze 995. Unt fride ane läge, genade an ungenade. Ir vreude ist immer ane eil, da ist wnne also vil Daz sei niemen ercellen mac, 1000. da sint tousent jar sam ein tac. Er ist sselic unt weise der daz ewige paradeise Unser erbe in seinem mute hat, owe, wie unhohe den gestat 1005. Swaz uf dirre erde beschaffen ist! er furchtet ez nicht mere denne einen mist. Er gedenchet in seinem gemute daz diu gotes gute Mit grozzer weishseite 1010. hat geschaffen mit antraeite Diu gewrchte seiner hteiligen. ouch ist uns offenbar geschribeu 983. Hs. eilende. 986. Sen(\ sende, senatus, Versammlung. 993. läge}, Nach- stellung. 1011. gewrchte} vgl. Di einer, Oeutsche Gedichte, 9, 14; 231, 12; 246,21 und Graffs Sprachsch. 1, 97ö. merilum, ein sehr altes Wort das schon im 20 ' 304 Joseph Diemer. Daz paradeis sei ufF dirre erde, Massm. — 1000. daz besliezen die hohisten berge 1015. Die dehaein ouge mag über raeichen, da got diu tougenlichen zseichen Seinen trouten hat verborgen. daz reich ist immer ane sorgen. Doch diu himelische ere 1020. sei ze loben michel mere, Wan aller menschen zungen die disen leip ie gewunnen, Wolden die sunderlingen etwaz für bringen 1025. Der genaden diu ce himel ist; dennoch msecht uns diu minnist Nimmer werden für gebrseitet. er ist sselich der dar gearbseitet. Dar bringe du got here 1030. durch deiner muter ere Unt durch aller deiner haeiligen recht hseinrichen deinen armen chnecht Unt den abt erchennen fride, den habe du herre in deinem fride 1035. Unt alle die dirs getrowen daz wir mit samt dir bowen Daz frone himelreiche, daz wir tsegleiche Mit der engel vollfeiste 1040. in dem haeiligem gaeiste Loben den vater unt den sun in secuta seculorum. Amen. 12. Jalirli. in dieser Bedeutung' nicht mehr vorkommt. Das jüng'ere Lehen Jesu hei Hoffm-niin, Fundgruben I, IG'l, li, setzt dafür itereils qehurde. Der Sinn ist: Gott hat in seiner Weisheit nach der Stufenfolffe die Thaten oder Verdienste seiner Heilisren und die Belohnungen dafür in das Leben gerufen. lO'iO. IIs. michel ere. Kleine Beiträge. 303 Das Gedicht welches ich hier den Freunden der deutschen Literatur in einem neuen Abdrucke vorlege, hat durch die einzige Überlieferung der wir es verdanken, sehr viel gelitten. Der Schreiber ist nichts weniger als zuverlässig und genau. Sehr häußg hat er Worte offenbar falsch geschrieben, andere ganz ausgelassen, oder für solche die er nicht mehr verstanden zu haben scheint, eigene gesetzt die kaum einen Sinn geben; wie z. B. bei beherete V. 28, wofür er hischerte, bei envorden V. 56, wofür er worden schreibt. Zu diesen Fehlern gesellten sich noch andere die aus der Ungenauigkeit des bisherigen Abdruckes entstunden. Rechnet man hierzu noch, dass dem Texte weder Unterscheidungszeichen, noch irgend eine Anmer- kung oder Verbesserung beigegeben wurden, so wird es begreiflich, dass dadurch das richtige Verständniss und der volle Genuss dieser schönen Dichtung in vielen Stellen getrübt oder fast unmöglich werden musste. Das edle Metall das an so vielen Orten aus den Schlacken noch immer hervorblickte, konnte jedoch nicht ganz unbeachtet bleiben, wesshalb auch in den deutschen Lesebüchern besonders jene Stücke ausgehoben wurden welche durch die Vermittelung weniger gelitten zu haben scheinen und leichter verständlich sind. Allein unge- achtet dessen und der stets günstigen Beurtheilung welche diese Dichtung in den besten Literaturgeschichten erfahren hatte, versuchte, was wirklich auffallend ist, innerhalb der fast zwanzig Jahre die seit seiner ersten Veröffentlichung verflossen sind, es Niemand, sie von dem iifiklebenden Unrathe zu reinigen. Auch ich beabsichtigte ur- sprünglich als i(;h die vorausgehende Abhandlung darüber schrieb, nicht im g(M'ingsten , den Text zu berichtigen oder neu heraus zu geben. Als ich aber durch so vielfältige Anstände im Verstehen desselben veranlasst, die Urschrift selbst genau verglichen hatte, konnte ich, abgesehen von manchen Aufforderungen hierzu, unmöglich mehr lange zögern es zu thun. Zudem war mir, wie man es sich leicht vorstellen kann, vorzüglich daran gelegen, die ganze Dichtung nun auch für weitere Kreise, besonders für Geschichtsforscher, zu- gänglich und genussbarer zu machen. Zu diesem Behufe suchte ich denn jene Unebenheiten möglichst zu entfernen, den urkundlichen Text der Handschrift genau fest zu 306 Joseph Die in er. stellen, ihn, wo er mir offenbar verderbt schien, zu verbessern und da, wo mich dessen Verständniss für den minder Geübten zu schwierig dünkte, durch kurze Anmerkungen zu erläutern. Ob und wie ferne mir die Lösung dieser Aufgabe gelungen sei, müssen Sachkundige entscheiden, und ich glaube um so mehr auf ihr billiges Urtheil rechnen zu dürfen , als ihnen die grossen Schwierigkeiten welche eine solche Arbeit, besonders bei einer so jungen Handschrift, in der Regel begleiten, nicht unbekannt sind. Was nun den gelieferten Text selbst anbetrifft, so dürften viel- leicht Manche mit mir rechten, dass ich ihn nicht genau so wie er in der Urschrift vorliegt, wieder gegeben, oder dass ich meine vorgeschlagenen Verbesserungen gleich dahin aufgenommen habe. Darauf muss ich erwiedern, dass ich mich aus vielfältiger Erfahrung überzeugte, wie sehr einem Jeden der ein Gedicht nur überhaupt lesen und nicht kritisch durchnehmen und bearbeiten will, der Genuss desselben durch das letztere Verfahren verleidet wird. Man müht sich bei solchen Texten oft lange vergeblich ab, den Sinn mancher dunklen Stelle zu enträthseln, bis man zu den Noten seine Zuflucht nimmt, und oft habe ich mir desshalb die vom Herausgeber gemachten Verbesserungen gleich an der betreffenden Stelle eingetragen, um bei der wiederholten Lesung nicht stets wieder unangenehm gestört zu werden. Darum glaubte ich auch meine Verbesserungsvorschläge, wenn sie mir nicht zu gewagt vorkamen, gleich in den Text selbst aufnehmen zu sollen. Der Mann des Faches der ihre Stichhältigkeit prüfen will , findet jede Abweichung von der Urschrift unten auf das gewissenhafteste angemerkt und kann in jenen Fällen, in denen er mit meinen Vorschlägen nicht einverstanden ist, die ursprüngliche oder eine bessere Leseart leicht wieder im Texte herstellen oder eintragen. Dass ich bei diesem Verfahren auch von der geheimen Voraussetzung und dem Wunsehe ausging, dass solcher Fälle doch nicht allzu viele sein dürften, wird man schon einigem Selbstvertrauen, vielleicht auch meiner Eigenliebe zu Gute halten müssen. Nicht angezeigt wurden die Unterscheidungszeichen der Hand- schrift, die in der Regel ohnehin nur in einem Puncte am Ende eines jeden Verses bestehen und zum Verständniss nichts beitragen. Dafür setzte ich die meinigen, und ich mache keinen Hehl daraus, dass mir ihre Wahl und Stellung oft sehr schwer fiel, was Jeder der dieses Gedicht mit seinen vielen Zwischensätzen und oft verwickeltem Kleine Beiträge. 307 Periodenbau im bisherigen Abdrucke liest, sehr leicht erklärbar finden wird. Nicht angedeutet habe ich ferner die langen f, welche im Origi- nale fast durchoehends, selbst im Auslaute, vorkommen, weil man dies überhaupt nur zu wissen braucht, um daraus zum Theil auf die Vorlage einer viel älteren Handschrift zu schliessen, und kein anderer Vortheil mit ihrer Beibehaltung im Drucke verbunden ist. Ich setzte daher dafür durchaus ein kurzes s, was auch in der Druckerei niemals fehlt. Ebenso habe ich auch die v für u oder die u für v im Drucke nicht aufgenommen, weil sie den Leser der an dieselben nicht gewohnt ist, oft stören und irre führen und wegen ihres unregel- mässigen Vorkommens keinen Anhaltspunct für die Kritik gewähren. Es ist daher jedesmal der betreffende Selbst- oder Mitlaut gesetzt worden, nur muss ich bemerken, dass ich im Originale nie wie in älteren Handschriften ein uu für w vorfand. Den Selbstlaut e, der bei dem o häufig darüber geschrieben wird, nämlich o, habe ich je nach der Länge oder Kürze der Sylbe in oe oder ö umgeändert, die bei dem u und o darüber gesetzten o und v aber dem untern Buch- staben nachgestellt, ebenso statt des i inv j, dieses, wo es hingehörte, geschrieben. Das ce, lei glaubte ich als in den älteren Handschriften begründet, nicht in e oder ae und ei umändern zu dürfen, auch habe ich die späteren e^=^ beibehalten, um das Gepräge der jüngeren Überlieferung nicht gar zu sehr zu verwischen, denn sonst hätte ich ■gleich einen ordentlich hergestellten Text geben müssen, wozu es mir jetzt noch nicht an der Zeit schien. Dass ich die Striche welche im 13. Jahrhundert über dem i statt des jetzigen Punctes schon häufiger werden, nicht mit aufnabm, wird mir wohl Niemand zum Tadel anrechnen. Die wenigen Abkürzungen des ^ in d^ aU\ n in «, e u. dgl. habe ich gewöhnlich aufgelöst und statt der häufigen uri stets unt gesetzt. Dass ich die meistens will- kürlich verbundenen oder getrennten Wörter der Handschrift im Drucke ordentlich abzutheilen suchte, zeigt der letztere ohnehin. Was nun meine versuchten Verbesserungen oder die hin und wieder beigegebene Übersetzung schwieriger Stellen anbetrifft, so bin ich weit entfernt sie irgend Jemand aufdrängen zu wollen oder zu glauben, überall das Rechte getroffen zu haben. Die besten unter den erstem dürften wohl die sein welche als ganz natürlich und von 308 Joseph Diemer. selbst verständlich erscheinen. Wer aber derlei Versuche jemals selbst gemacht hat, weiss davon zu erzählen, wie lange bei einer verdorbenen Stelle oft dieses Natürliche auf sich warten lässt und wird da gerne Nachsicht üben, wo ihm die Änderung nicht auch als Verbesserung erscheint. Auch muss ich für solche Fälle darauf auf- merksam machen, dass diese Vorschläge so wie die Anmerkungen nur erst während des Druckes gemacht worden sind und dass ich, durch die Zeit gedrängt, nicht erst alle Hilfsmittel zu Rathe ziehen konnte, um über jede einzelne gleiche ßerubigung zu erlangen. Wenn ich manchmal vielleicht zu kühn verfuhr, so mag dies in der Unzu- verlässlichkeit der Handschrift oder wohl auch in dem lockenden Reiz, eine wesentliche Verbesserung anbringen zu können, seine Entschuldigung finden. Sollte dieser mein Versuch die Feuerprobe sachkundiger Kritik bestehen und die Theilnahme für diese Dichtung einen weitern Umfang gewinnen, so wird es, da der urkundliche Text einmal genau vorliegt, an der Zeit sein, eine neue nach den Grundsätzen der Kritik ordent- lich hergestellte Ausgabe mit Benützung der über meine Vorschläge allenfalls gemachten kritischen Bemerkungen und mit den noch etwa nöthigen Erläuterungen zu veranstalten. Dass sich die in meiner Abhandlung angeführten Stellen auf die beiden Heinriche beziehen, dürfte selbst der unbefangenste Forseber kaum in Abrede stellen: dass das Gedicht aber wirklich in der Absicht verfasst worden sei, den jungen König Heinrich V. von seiner ein- gescblagenen Laufbahn die ihm die Herzen seiner besten Freunde entfremden musste, abzubringen, lässt sich nach den beigebrachten Belegen wohl mit vieler Wahrscheinlichkeit vermuthen, ein Beweis dafür der über jeden Zweifel erhaben wäre, wird aber kaum jemals möglich sein. Hierzu fehlt uns die genaue Kenntniss der persönlicben Verhältnisse des Verfassers und seiner Zeit. Dann liegt es in der Natur des Gedichtes selbst, dass jede unmittelbare für alle erkennbare Beziehung auf diesen Zweck absichtlich vermieden werden musste, eben um ihn desto sicherer zu erreichen. Es mag nun diese Absicht ursprünglich vorhanden gewesen sein oder nicht, die Dichtung an sich verliert dadurch nicht das Geringste von ihrem Werthe, ja dieser wird im letztern Falle gewissermassen noch mehr erhöht, indem eine solche Anschaulichkeit in der Darstellung durch Einführung handelnder Personen, ohne bestimmte vor Augen Kleine Beiträge. 309 gehabt zu haben, den schöpferischen Geist des Dichters nur noch mehr beurkundet. Allein eine Art moralischer oder subjectiver Überzeugung von dem Dasein einer solchen Absicht dürfte sich bei einer genauen Würdigung aller Umstände bei manchem minder strengen Forscher doch einstellen. Die Innigkeit mit welcher die ganze Scene am Grabe des Vaters behandelt wird, das offenbare angelegentliche Streben, ja Alles geltend zu machen was geeignet sein könnte, einen jungen Mann der eine verfehlte sündhafte Laufbahn eingeschlagen, davon wieder abzubringen, und die tief ergreifenden herzlichen Worte welche der Dichter am Schliisse dem Erlöser selbst in den Mund legt, um ihn vom drohenden Verderben zu retten; alles dieses lässt wohl auf eine mehr als gewöhnliche Zuneigung für den jungen König uiul den innersten Drang des Dichters schliessen, alles M'as in seiner Macht stund, aufzubieten, um ihn wieder auf den rechten Weg zurück zu führen. Welche andere Gründe konnte der Verfasser wohl haben, die verderblichen Folgen gerade jener Laster deren sich Heinrich schuldig machte, nämlich der Habgier und Herrschsucht, mit so lebendigen Farben und solchen gerade auf ihn und seinen Vater passenden Zügen zu schildern, wenn er dabei nur im Allgemeinen die Absicht gehabt hätte, die Menschen überhaupt von diesen Fehlern abzuleiten? Würde er da nicht auch mehr im Allgemeinen, wie z. B. in jener Stelle V. 267 tT. WerltUche richtwre etc. gesprochen haben? Ich kann mir wenigstens keinen Dichter der damaligen Zeit denken der zu diesem Zwecke allein auf jene äusserst feine und gewandte Art, wie diese Scene am Grabe ist, verfallen wäre. Diese wird aber vollkommen begreiflich und natürlich, wenn wir jene bestimmte Absicht voraussetzen. Der Dichter hielt es in seiner untergeordneten Stellung offenbar für unziemlich, dem jungen König der da im Voll- besitze der Herrschaft lebte, seine unangenehmen Mahnungen und Lehren unmittelbar zu sagen. Er wählte hiezu aber den einfachsten Ausweg und legte sie dem Vater in den Mund von welchem der Sohn jede selbst die ernstlichste Rüge hinnehmen konnte. Ohne diese Absicht unseres Dichters die wenigstens im letzteren Theile neben der allgemeinen, die Menschen vor dem Verderben und Unheil das ihnen nach dem Tode droht, zu warnen, meines Erach- tens oflenbar einhergeht, würden jene eindringlichen Schilderungen wohl bedeutend kälter und allgemeiner gefasst worden sein. Haben olU Joseph Diemer. Kleine Beiträge. wir ihnen doch ausser im Alexanderliede , wenigstens in dieser Zeit, nichts Ähnliches entgegen zu setzen. Und diesem möchte ich auch unser Gedicht an die Seite stellen. So wie an jenem die alte und mittlere Zeit, der Orient und Occident mitwirkte, so ward auch Tod und Unsterblichkeit, Himmel und Hölle ein Vorwurf, an dem sich die Dichter fast aller Völker und Zeiten betheiligten, und so wie die alte deutsche Dichtung für den erstem im Alexanderliede das Höchste geleistet haben dürfte, so kann man füglich sagen, dass uns im Gehugde das Vollendetste und Ausgezeich- netste vorliegt, was uns das ganze Mittelalter über den letztern Stoff überliefert hat. Möge das Wenige was ich hier zu seinem Verständnisse bei- zutragen versuchte, eine freundliche Aufnahme finden und dem Dichter jene Anerkennung und gerechte Würdigung sichern, welche er gewiss in vollem Maasse verdient. Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. 311 VERZEICHMSS DER EINGEGANGENEN DRUCKSCHRIFTEN. (DECEMBER.) Academie R. Relgique. Annuaire. 1855. — Bibliographie Academique 1854. — Bulletins. T. 21, P. 2; T. 22, P. 1. — Compte rentlu des seances de la Commission R. d'histoire. T. VI, P. 1, 2; VII, 1. — Memoires Complem. au T. XVI. — Memoires couronnes. T. 26. — Memoires couronnes. Collect, in 8«, T. VI, P. 2. Academi e d'Archeologie de Belgique. Annales T. XII, P. 3 (in duplo). Academy, american, of arts and sciences. Memoirs Vol. 1, 2. — Proceedings. Vol. III, no. 14—23. Academy of natural sciences of Philadelphia. Journal, Vol.III, no. 1. — Proceedings. Vol. VII, no. 2 — 7. Accademia di science etc. di Padova, Revista periodica dei lavori, no. 6, 7, 8. Akademie, k. baierische, Abhandlungen d. bist. Classe. Bd. VII, Nr. 3. — ^In^etgen, getel^rte, 3Sb. 40. Akademie, kön. preussische , Monatsbericht, 10, 11, October, November 1855. Annalen d. Chemie, Bd. 96, Nr. 1. Annales des mines. Vol. VII, no. 1. 312 Verzeichniss Annales of tlie Astronomical observatory of Harvard College. Vol. I, P. 2, Cambridge 1855; 4«- Aschbach, Jos., Geschichte der Grafen von Werthheim. 2 Bde. Frankfurt a. M. 1843; 8o- — ®efd)td)te ^aifer ©fgmunb'g. 3 SSbe. ^am6ur3 1838—1841; 8o- aSär, ^ermann, 25fplomat. ®efd)td)te ber 5t6tet (Sbergbad) am (S^on= gau. Gearbeitet üon ^. ©. |)abel; ^eft 4. Beckwith, E.G., Report of exploration of a route for the pacific railroad etc. Washington 1855; 8"- Branconi, Jos., Repertorio italiano per la storia naturale. Vol. 2, Bonon. 1854; S»- Brodhead, John, Romeyn, Documents relative to the Colonial history of the State of New- York. Vol. 3, 4, Albany 1853; 4o- Cibrario, Luigi, Origini e progresso delle instituzioni della nionar- chia di Savoia. P. 2. Torino 1855; 8o- — Storie minori. 3. ed. Torino 1855; S«- Colla, A., Sopra i piccoli pianeti Euterpe, Bellona ed Anfitrite etc. Parma 1854; 8"- — Suir Ozono atmosferico. Parma 1855; 8^- — Sopra la 3 e 4 cometa del 1854. Parma 1854; 8o- — Intorno alle scoperte di 4 pianeti della famiglia degli Asteroi'di Fano 1855; 8o- Cornet, Enrico, Giornale dell' Assedio di Costantinopoli 1453 di Nicolo Barbaro. Vienna 1856; 8»- Cos mos, livr. 22 — 25. Crahay, Jacques, Disconrs pour le repos de V ame de — par de Ram. Louvain 1855; 8o- ©red)öter, 3tbot:p^, Slftrotogifc^e SSortrdge ixiv (Sinfür^rung in baä SSerftänbnip beö (S^ftemg unb ber ®ef(^tc6te ber ^Iftrclogie. 3)re^' ben 1855; S»- — 5Dte «PerfonII(^feit ©otteg unb beg mn\djen , begrifflid) beftimmt unb (xU not^tüenbige 5inna^me barget^n. 3)regben 1856; 8o- ^örfter, (Sr^rift. griebr., Mgemeine iöauseitung, Sai^rgang 1854, unb von 1855 ^eft 9, 10. Francis, James, Lowell hydraulic experiments being a selection from experiments on hydraulic motors. Boston 1855; 4o- Gachard, Retraite et mort de Charles-quint au monastere de Juste. Tom. 2. der eingegangenen Druckschriften. 313 ®efenf(f)aft, fc^Iefffc^e, für üatertänbifc^e Sultur. Sa^reg6erid)t für 1854; Sre^Iau 1855; 4». ©efetlf(^aft, l t, ber ^trjtc ju SDBten. 3eitf(^nft, »rgang XI, ^\t. 11, 12. Gesellschaft, k., der Wissenschaften zu Göttingen. Ahhandlungen, Bd. VI. Gesellschaft, oberhessische, f. Natur- und Heilkunde. 5. Bericht. Greene, J. B., Fouilles executees ä Thebes dans l'annee 1855. Paris 1855; fol. Humphreys, A. A. et Warren, an examination by direction of the Jefferson Davis etc. of the reports of exploration for railroad routes from de Mississippi to the pacific. Washington 1855; 8«- Institution R. of Great Britain. Notices of the Meetings of the members etc. Part 5 et Vol. 1. — The charter, Act of Parliament endowments and bye laws. London 1855; 8o- Journal, anierican, of sciences and arts, No. 52 — 57. Itzigsohn, Hermann, Skizzen zu einer Lebensgeschichte des Hapalosiphon Braunii. Breslau 1855; 4<** Klar, P., Libussa. Jahrbuch f. 1856. Prag 1855; 12«' Lancet, Nederlandsch, Vol. IV, 8—12; Vol. V, 1, 2. Lee, Report and charte of the cruise of the U. S. ßrig Dolphin Washington 1854; So- Parke, Ino G., Report of exploration etc. of a raihvay route bet- ween the Rio Grande an the Gila. Washington 1854; S"- Plotini Enneades cum Marsilii Ficini interpretatione castigata ite- rum ediderunt Fried. Creuzer et Georg Hcnr. Moser; primum accedunt Porphyrii et Prodi institutiones etPrisciani Philosophi solutiones ex codice Sangcrmanensi ed etc. Fr. Dubner. Parisiis 1854; 8o- Pope, John, Report of an exploration of a route for the pacific rail- road etc. from the Red River to the Rio Grande. Washington 1854; S»- afleben, ^rei^err. ©ie je|tge Qlufgabe ber «Statiftif in ©ejfefyung jur (Staatöuertüaltuiu]. (51(8 9)Janufcript gebvucft.) ^^vanff. a. 9)?. 1853; 8«- — ©ie (5ifen6af>nen 5Dcutfd)Ianb§. @upp(em. 1—5. 93erttn 1847, 8«- 314 Verzeichniss Sieben, ßeitfc^nft be§ 9Seretnä f. beutf(^e «Statiftif. ^a^rg. I, ^ft. 1_3^ 8—12; II, 1—12. — Deutschland und das übrige Europa. Wiesbaden 1854; 8^- — Die Türkei und Griechenland in ihrer Entwickelungs-Fähigkeit. Frankfurt a. M. 1856; 8o- — 3tIIgemetne toergleid). |)anbe(ö' unb ©en)er6g==®eogra:p^{e unb @ta* tiftif. mti)nl 1, 2. aserlin 1844; 8»- — Vergleichende Cultur-Statistik der Gebiets- und Bevölkerungs- Verhältnisse der Gross-Staaten Europas. Berlin 1856; 80' Sfleid)enba(f), ^i*. öon, 2Öer ift fenfttit), mv nt(^t? 3ßien 1856; S«' S(letc^ganftaa, !. f. geologtfc^e, ^a^rbucf). VI, ^x. 2. Report of the Commissioner of patents 1853, P. 2; 1854, P. 1. Report, annual, of the board of agriculture of the State of Ohio. 1854; 8«- Report, of the Superintendent of the 7. census. Washingt.l854;8o• Report of the State Engineer and Surveyor on the railroads of the State ofNew-York. 1855; 8o- Report annuel of theCanal Commissioners of thestate of New- York. 1855; 80- Report of the state Engineer and Surveyor on the Canals of the State of New-York. 1855; 8o- Report of the Commitee appointed to examine and reportthe causes of railroad accidents. 1855; 8*'* Report of the Superintendent of the Banking Departement of the State ofN. York. 1855; S»- Report, annual, of the Commissioners of Emigration of the State of New-York. 1855; 8«- Report, annual, of the governors of the Alms House. New-York 1855; 80- Report of the secretary of war on the several pacifie railroad explo- rations. Washington 1855; 8*>' Report of Explorations and surveys to ascertain the most practicable and economical Route for a Railroad from the Mississippi River to the pacifie Ocean. Vol. 1. Washingt. 1855; 4o- sftiebtralb, ^ax »., 5tltgemetne poIitifd)e ©eograp^ie. Sief. 11—13. Romanin, S., Storia documentata di Venezia. Tom. IV, P. 1. Societas scientiarum Upsaliensis, Nova acta. Series III, Vol. I. Societe geologique de France. Bulletin, Vol. XII, 33—50. der eingegangenen Druckschriften. 315 Societe Imp. des Naturalistes de Moscoii. Bulletins, 18SS, Nr. 3. Society, State, agrieultural (Michigan). Transactions, 1853. Lan- sing 1854; So- Society, American, geographica! and Statistical. Bulletin, Vol. I, P. 3. New-York 1854; 8"- Society, American, philosophical. Proceedings Nr. 51, 52. Society, Asiatic of Bengal. Journal, 1855, Nr. 3, 4. Society, Boston, of natural history. Journal, Vol. VI, Nr. 3. — Proceedings, Vol. IV, V, Nr. 1—16. Smiths onian Institution, Contributions to Knowledge, Vol. VII. — Annual Report of the Board of regents. 1854. — Report on the Construction of Catalogues. Stevens, J., Report of explorat. of a route for the pacific railroad. Washingt. 1854; 8o- SSerein b. g^reunbe b. SfJaturgefd)tc^te in 'SHedkninxQ. 3(rc^tö, ^ft. 9. aSerein f. ^efftf^e ®efc^i(J)te unb Sanbesfunbe. @u^p(em. VI. 95 er ein, ^tftor., f. b. ©ro^^erjo^t^um |)e[fen, SSb. 8, $ft. 2. aSeretn, ^iftor., f. SfJieber&atevn, 95erf)anb(ungen, ©anb IV, 1, 2. aSerein, naturtt?tffenfcf)., f. ©ac^fen u. 3:^ürlngen. ßeitfc^rift, 1855. aSerein jur ßrforfc^ung ber rl^einifc^en &tfd)id)U unb 5tltertl)iimer. ^eft 6. Vukotinovic, Ludwig von Parkas, Die Botanik nach dem natur- historischen System. Agram 1855; 8»; 2. Ex. Wagner, Mor. und Scherz er Karl, Die Republik Costa Rica in Central-Amerika. Leipzig 1856; 8"* Walles, B., Report on the Agriculture and Geology of Mississippi, Lipincott 1854; S"- Whipple, A.W., Report of explorations for a railway route etc. from the Mississippi river to the pacific Ocean. Washingt. 1854; S^' W i 1 1 i a m s 0 n , R. S., Report of a reconnaissance and survey in Cali- fornia. Washingt. 1854; S«- VERBESSERUNGEN. Seite 197 Zeile 14 von oben lies: nicht reden. „ 212 „ 13 „ unten ist statt ? ein . zu setzen. „ 214 „ 7—9 von oben vgl. S. 300 Note zu 913. n — »3 von unten lies: leichte. „ 223 „ 9 „ „ bleibt nicht weg. 0 1 BlNOr / Akademie der ^^^^^^'^^''^^llll Vienna. Philo sophi sc h-histo ^53 Tische Klasse ^ IS Sitzungsberichte ^ 142 PLEASE DO NOT REMOVE CARDS OR SLIPS FROM THIS POCKET UNIVERSITY OF TORONTO LIBRARY