Are bi ERFREUT - u: hr DIEZERUE, Be % Fi Pe [7 2 BAR KERN e ERLREKNG BR a BR FR EA IRLER ? PAPER cs er REIZE BR “er DEE En Br le) REED NAH ö ARE dee R Ahr x AR ETE TE war Bern de DER ah tet KERLE RE EN ERLERLRETE SE Lie, ETF N? Te MIHhe LErTH Mh, Dr ne Zee z u uf "a Er = Fr 3 Val AN EN P 0 hi 4 ur, Er Y NE IRA Iun / ' E i h ( { TR NUTı IM ut i } ad I AN ER | M N > Kr NuTe Hi, Y N " LE ji vun RT he m EN RR 40 3 N LEER, URDEIT IA, { i KR Mn) jth re IRA a ME HART } MN IM; 4% } | Ba I ken. ak Aitaen \ un oh m | RN URALK j ' LIMAN ' TANTE | N AN SR e7 SITZUNGSBERICHTE DER 527 2 KÖNIGLICH PREUSSISCHEN T2 2 AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. JAHRGANG 1906. ERSTER HALBBAND. JANUAR BIS JUNI. STÜCK I—XXXI MIT DEM VERZEICHNISS DER MITGLIEDER AM 1. JANUAR 1906. BERLIN 1906. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. u | a u — | f INHALT. Verzeichniss der Mitglieder am 1. Januar 1906 WALDEYER: Gehirne südwestafricanischer Völker . KoENIGSBERGER: Über die Maxwell’schen Gleichungen . E. Baur: Über die infectiöse Chlorose der Malvaceen . Scuorrky: Bemerkung zu meiner Mittheilung: Über den Picard’ en Satz die Bor schen Ungleichungen. (Sitzungsberichte 1904, XLIL) . von WıLamowırz- MOELLENDoORFF: Panionion von Wıramowırz - MOELLENDORFF: Über die ionische lerne Jahresbericht über die Sammlung der griechischen Inschriften Jahresbericht über die Sammlung der lateinischen Inschriften Jahresbericht über die Aristoteles- Commentare Jahresbericht über die Prosopographie der römischen ee —3. Tehrkundert) Jahresbericht über die Politische Correspondenz Frıepricn’s des Grossen Jahresbericht über die Griechischen Münzwerke Jahresbericht über die Acta Borussica Jahresbericht über die Kanr- Ausgabe s Jahresbericht über die Ausgabe des Ibn Saad . Jahresbericht über das Wörterbuch der aegyptischen Shrerhe Jahresbericht über den Index rei militaris imperii Romani Jahresbericht über die Ausgabe des Codex Theodosianus . Jahresbericht über das »Thierreich« Jahresbericht über das »Pflanzenreich« 3 e Jahresbericht über die Geschichte des Kissferohimmele. a: Jahresbericht über die Ausgabe der Werke Wırnerım von Humsorpr's Jahresbericht der Deutschen Commission . : Jahresbericht über die Forschungen zur Geschichte der ehechdentschen Schriftepraehe Jahresbericht der Humsorpr-Stiftung . Jahresbericht der Savıcny - Stiftung Jahresbericht der Borr-Stiftung > Jahresbericht der Hermann und Erise geb. Er Ware Stiftung Jahresbericht der Kirchenväter- Commission Jahresbericht der Commission für das Wörterbuch Are Healenen ee Bericht von Prof. Dr. A. VorLrzkow über seine in den Jahren 1903 —1905 ausgeführte Forschungsreise im westlichen Indischen Ocean Jahresbericht der Akademischen Jubiläumsstiftung der Stadt Ban Übersicht der Personalveränderungen . Mertens: Über die Gestalt der Wurzeln einer lasse aufläsharer leeren. daran Grad eine Primzahlpotenz ist B E E. Frhr. von per Gortz: Unbekannte ee altehristlicher Gemeindeordnungen = B. Grorrauysen: Ein Brief Kanrt’s I. Scuur: Arithmetische Untersuchungen über endiiche he Kncärer. Sikelitutionen Frosentus und I. Scuur: Über die reellen Darstellungen der endlichen Gruppen . Frogentus und I. Schuur: Über die Aequivalenz der Gruppen linearer Substitutionen Inhalt. van'r Horr, P. Farur und J. p’Axs: Untersuchung über die Bildung der oceanischen Salz- ablagerungen. XLVI. Anlıydrit, Syngenit, Glauberit und Pentasalz bei 83° und das Entstehen von Chlorcaleium und Tachhydrit . . » 2 2 2 2 2 2 0a Senurze, F.E.: Beiträge zur Anatomie der Säugethierlungen Tu. Wırsaso: Fünfter vorläufiger Bericht über die von den Königlichen Mesa in , Milet unternommenen Ausgrabungen . h Lasvorr: Untersuchungen über die fraglichen een a Geennmipan ee chemisch sich umsetzender Körper. Zweite Mittheilung 2 Mösıus: Können die Thiere Schönheit wahrnehmen und ErnpEnden? - Adresse zur Silbernen Hochzeit Ihrer Majestäten am 27. Februar 1906 E. Lanpau: Über das Nichtverschwinden einer Dirichlet’schen Reihe . H. Bausinaver: Über die regelmässige Verwachsung von Rutil und Ps Voczr: Über Spiegelteleskope mit relativ kurzer Brrennweite Adresse an Hrn. Franz Bücnerer zum fünfzigjährigen Docorublaun am 2. März 1906 K. Serue: Eine ee Expedition nach dem Libanon im 15. Jahrhundert v. Chr. . Fıscner und K. Raskr: Beitrag zur Stereochemie der 2.5-Diketopiperazine. G. EBErnarRD: Secrdekapiihe Untersuchung der Terbiumpräparate von Dr. G. - van ır Horr und J.p’Ans: Untersuchung über die Se der oceanischen Salzablagerungen. XLVLN. Polyhalit und Krugit bei 53° 2 2 G. Kremm: Bericht über ee an den sogenannten Cocker: ned den meta- morphen Schiefergesteinen der Tessiner Me 111 2 W. Bersr: Das Gabbromassiv im bayrisch-böhmischen ehe in nd 5 Munk: Über die Funetionen des Kleinhirns PıscueL: Das altindische Schattenspiel En Koser: Jahresbericht über die Herausgabe der Moiare Ce aka R Heımerr: Die Grösse der Erde. Erste Mittheilung . a Ni. - E. N. Fıxcx: Zwei Lieder der deutschen Zigeuner . . » 2. n „Em: Nernst: Antrittsrede Drupe: Antrittsrede . A Akademische Preisaufgabe für 1906 Akademische Preisaufgabe für 1909 2 Preisaufgabe aus dem von MıLoszewskt’schen Losal. Preis der CuArLoTTen - Stiftung . Preis der Graf Lousar - Stiftung Stipendium der Epuarn ee ee Be "WR Seite 218 225 249 266 302 312 314 322 332 351 356 371 384 412 420 432 443 482 510 525 544 549 552 556 557 558 559 560 561 a | . _ SITZUNGSBERICHTE KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Eesanımtsitzung am 11. Januar (S. 1) WALDEvER: Gehirne südwestafricanischer Völker (S. 3) na KOENSIGSBERGER: Über die Maxwerx'schen Gleichungen. (S. 9) E. Baur: Über die infektiöse Chlorose der Malvaceeh (S. 11) mEL DEM VERZEIC HNISS DER MITGLIEDER DER ARADEMIE u ee ES AM ED JANUAR’ 1906, | "BERLIN 1906. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. u, 2 Dt A ö| Aus dem Reglement für die Redaction der akademischen Druckschriften. 3 Aus Sl. Die Akademie gibt gemäss $ 41,1 der Statuten zwei fortlaufende Veröffentlichungen heraus: »Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften» und » Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften®. Aus $ 2. Jede zur Aufnahme in die »Sitzungsberichte« oder die »Abhandlungen« bestimmte Mittheilung muss in einer aka- demischen Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel das druckfertige Manuseript zugleich einzuliefern ist. Nicht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. 83. Der Umfang einer aufzunehmenden Mittheilung soll. in der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, bei Nichtmitgliedern 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- lungen nicht übersteigen. Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung der Gesammt-Akademie oder der betreffenden Classe statt- haft, und ist bei Vorlage der Mittheilung ausdrücklich zu beantragen. Lässt’ der Umtang eines Manuscripts ver- muthen, dass diese Zustimmung erforderlich sein werde, so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen muthmasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen. Sa. Sollen einer Mittheilung Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeichnungen, photographische Original- aufnahmen u. s. w.) gleichzeitig mit dem Manuseript, jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen. Die Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschliessen. Ein darauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der be- treffenden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage eines Sachverständigen an den vorsitzenden Secretar zu riehten, dann zunächst im Secretariat vorzuberathen und weiter in der Gesammt- Akademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie. Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist — wenn es sich nicht um wenige einfache Textäguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachverständigen beizufügen. Überschreitet dieser Anschlag für die er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberathung durch das Secretariat geboten. Aus $5. Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manuscripts an den zuständigen Secretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften, und zwar, wenn eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mittheilungen von Verfassern, welche nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen der Regel nach nur in die Sitzungsberichte aufgenommen werden. Beschliesst eine Classe die Aufnahme der Mittheilung eines Niehtmitgliedes in die dazu bestimmte Abtheilung der »Abhandlungen«, so bedarf dieser Beschluss der Bestätigung durch die Gesammt- Akademie I Aus 86. r R| Diean die Druckereiabzuliefernden RER müssen, A wenn es sich nicht bloss um glatten Text handelt, aus- reichende Anweisungen für die Anordnung ‚des Satzes und die Wahl der Schriften enthalten. Bei Einsendun Fremder sind diese Anweisungen von dem Be e Mitgliede vor Einreichung des Manuscripts vorzunehmen. Dasselbe hat sich zu vergewissern, dass der Verfasser { seine Mittheilung als vollkommen druckreif ansieht. 4 Die erste Correetur ihrer Mittheilungen besorgen die | Verfasser. Fremde haben diese erste Correetur an das vorlegende Mitglied einzusenden. Die Correetur soll nach 4 Möglichkeit nicht über die Berichtigung von Druckfehlern. 4 und leichten Schreibversehen hinausgehen. Umfängliche - Correeturen Fremder bedürfen der Genehmigung des redi- girenden Secretars vor der Einsendung an die Druckerei, E| und die Vertasser sind zur Fragung der ‚entstehenden En A kosten werpliehten; „ Aus $ 8. : 14 Von allen in die Sitzungsberichte oder Antigen | aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilungen, Reden, Adressen oder Berichten werden für die Verfasser, von 2 ‚wissenschaftlichen Mittheilungen, wenn deren Umfang i im "Druck 4 Seiten übersteigt, auch fürden Buchhandel Sonder- “5 abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen des be- treffenden Stücks der Sitzungsberichte ausgegeben werden. \ Von Gedächtnissreden werden ebenfalls Sonderabdrucke , für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn die Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden erklären. E 89. < N { ei B) Von den Sonderabdrucken aus den Sterne bannie m; erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 50 Frei | exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf’ Kosten der Akademie weitere Exemplare bis,zur Zahl von noeh 100 und auf seine Kosten noch weitere era zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Seeretar an- E gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt- Akademie oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 50 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Secretar weitere 200 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. Von den Sonderabdrucken aus den Abhandlungen er hält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 30 Frei-_ « exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu. lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Secretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt-Akademie oder der be- ‚ treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 30 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Secretar weitere 100. Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen, Pl 817. BEP, Eine für. die akademischen Schriften be= stimmte wissenschaftliche Mittheilung darf in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jener . Stelle anderweitig, sei es aughi nur auszugs- “ (Fortsetzung auf S. 3 des Umschlags.) n air: SITZUNGSBERICHTE 1906. I. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. ll. Januar. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. Diers. 1. Hr. WarLpevyer las über Gehirne südwestafricanischer Völker. Es wird der Bau von 9 Herero- und 2 Ovambo- Gehirnen besprochen. Es scheinen zwei Typen vorhanden zu sein, eine langgestreckte Form mit reichlicher Windungs- gliederung und eine kürzere breitere mit einfacherem Windungscharakter. 2. Hr. KoEnıGsBERGER, corr. Mitglied, übersendet eine Mittheilung: Über die Maxweır’schen Gleichungen. Die Maxwerr’schen Gleichungen werden auf ein Minimumprineip, und zwar auf das in der Mittheilung vom 19. Oct. 1905 auf beliebig viele unabhängige Variablen aus- gedehnte Hamırron’sche Prineip für ein mehrfaches Integral zurückgeführt. 3. Hr. SchweEnpener legte eine Mittheilung des Privatdocenten Dr. Erwın Baur in Berlin »über die infeetiöse Chlorose der Mal- vaceen« VOT. Der Verfasser berichtet über Versuche, die zeigen, dass diejenigen Arten der »Panachirung«, die von dem einen Pfropfling auf den andern übergehen, höchst eigen- artige Infeetionskrankheiten sind, die mit der Mosaikkrankheit des Tabaks zusammen in eine Gruppe gehören. Das Virus dieser Krankheiten kann kein parasitärer Mikro- organismus sein, sondern ist sehr wahrscheinlich ein Stoffwechselproduet der kranken Pilanze selbst. 4. Hr. Frogenıvs legt eine Arbeit des Hrn. Dr. I. Schur vor: Arith- metische Untersuchungen über endliche Gruppen linearer Substitutionen. (Ersch. später.) Der Verfasser untersucht die Darstellungen einer endlichen Gruppe der Ord- nung A, die in einem gegebenen algebraischen Körper irreducibel sind, und leitet Be- dingungen ab, unter denen eine im Gebiete aller Zahlen irreducible Darstellung einer solchen äquivalent ist, deren Coefficienten durch die Aten Einheitswurzeln rational aus- gedrückt werden können. 5. Folgende Druckschriften wurden vorgelegt: Heft 23 und 24 des akademischen Unternehmens » Das Pflanzenreich «, enthaltend die Ha- lorrhagaceae von A. K. ScHiwpLer und die Aponogetonaceae von K. Krause mit Unterstützung von A. EneLer. Leipzig 1905. 06; W.Dıirruey, Das Sitzungsberichte 1906. 1 2 Gesammtsitzung vom 11. Januar 1906. Erlebnis und die Dichtung. Leipzig 1906; Bucoliei Graeei ed. U.v. Wıra- MOWITZ- MOELLENDORFF. Oxford 1905; U. von WıLamowıTz - MOELLENDORFF, Die Textgeschichte der griechischen Bukoliker. Berlin 1906 (Philolo- gische Untersuchungen. Heft 18.); Ibn Saad. Bd. ı, Th.ı: Biographie Muhammeds bis zur Flucht, hrsg. von Eusen Mırrwocn: Bd. 5. Bio- graphien der Nachfolger in Medina, sowie der Gefährten und der Nach- folger in dem übrigen Arabien, hrsg. von K.V.Zerrersteen. Leiden 1905; Monumenta Germaniae historieca. Seriptores. Tom. 32. Pars 1. Hannoverae 1905; E. Arge, Gesammelte Abhandlungen. Bd. 2. Jena 1906. 6. Zu wissenschaftlichen Unternehmungen hat die Akademie be- willigt durch die physikalisch-mathematische Classe Hrn. Prof. Dr. Karı Horrermann in Berlin zur Drucklegung seines Werkes » Anato- misch-physiologische Untersuchungen in den Tropen« 1250 Mark; durch die philosophisch-historische Classe Hrn. Sacnau zur Heraus- gabe seines Werkes »Syrische Rechtsbücher« 2600 Mark und Hrn. Privatdocenten Dr. BErToLD MAURENBRECHER in Halle a. S. zu einer Reise nach Rom behufs Vergleichung von 4 Handschriften des Sallust 600 Mark. Seine Majestät der Kaiser und König haben durch Allerhöchsten Erlass vom ı2. December 1905 die Wahl des ordentlichen Professors der Physik an der Frieprıcn-Wıirnerms-Universität zu Berlin Dr. Pavur Drupe zum ordentlichen Mitglied der physikalisch -mathematischen Classe der Akademie zu bestätigen geruht. Die Akademie hat in der Sitzung am 14. December 1905 Hrn. Hesrı Le CHATELiER, Professor am College de France in Paris zum correspondirenden Mitglied der physikalisch-mathematischen lasse gewählt. Die Akademie hat das correspondirende Mitglied der philosophisch- historischen Classe Hrn. Frıeprıcn von SPIEGEL in München am 15. De- cember 1905 durch den Tod verloren. D] J Gehirne südwestafrieanischer Völker. Von W. WALDEYER. Auf mein Ansuchen haben durch Vermittelung der Medieinalabtheilung des Königlichen Kriegsministeriums die HH. Stabsärzte und Oberärzte Dr. Dr. DansauvEr, JunGELs, Mayer und ZÖLLNER, welche in den Laza- rethen unserer Colonie Deutsch -Südwestafrica thätig sind, dem Berliner Anatomischen Institute eine Anzahl Gehirne von Eingeborenen, die in den Lazarethen gestorben waren, zugesendet; einige solcher Gehirne erhielt das Institut auch durch Hrn. Dr. LeoxuArp ScHuLtze, Privat- docenten an der Universität Jena, welcher soeben eine anderthalbjährige Forschungsreise in jenem Gebiete glücklich beendet hat. Hr. Dr. ScnuLrtze ist hierbei durch Mittel der Hunsorpr-Stiftung für Naturforschung und Reisen unterstützt worden. Ich berichte heute über elf solcher Gehirne. Unter diesen sind neun Gehirne von Herero-Leuten; zwei stammen von Ovambo-Männern; zwei der Herero-Gehirne gehören Weibern an. Sämmtliche Gehirne waren kunstgerecht aus den betreffenden Schädeln entfernt und meist ausgezeichnet (in Formol und Alkohol) conservirt worden; sie kamen grösstentheils in tadelloser Verfassung hier an. Ich verfehle nicht, den Herren, welche sich der Mühe unterzogen haben, dem Anatomischen Institute diese werthvollen Speceimina zu verschaffen, im Namen dieses Institutes zu danken! Ich schicke der kurzen und vorläufigen Beschreibung, welche ich für diesmal gebe, Einiges über die körperlichen Eigenschaften der Herero und Hottentotten unserer Colonie nach Mittheilungen L. Schurtze’s voraus: »Der männliche Herero ist von hoher, schlanker Gestalt, im Mittel an 180°" messend. Bei jüngeren Männern von 20 bis 40 Jahren ist das Unterhautfettpolster noch nicht so stark entwickelt, als dass man die gleichmässige und mittelkräftige Musculatur nieht gut erkennen könnte. Zuweilen sieht man auch wahrhaft athletische Gestalten, mit plastischer Ausbildung der Muskeln selbst bis in ihre einzelnen Por- tionen hinein, so dass bei harter Arbeit der Betreffenden der elastische Körper mit dem lebendigen offen zu Tage tretenden Muskelspiel die Aufmerksamkeit jedes Beobachters erregt. 1* 4 Gesammtsitzung vom 11. Januar 1906. Der Kopf der Herero erscheint (wie häufig in unserer eigenen Rasse bei langen bartlosen Menschen) vielfach etwas klein im Ver- hältniss zum übrigen Körper. Im Gegensatze zu den Hottentotten erscheint der Skelet- und Muskelbau der Herero mehr für kürzer dauernde starke Anstrengungen, als für Ausdauer und passive Widerstandskraft eingerichtet, nach welchen Richtungen die Hottentotten Ausgezeichnetes leisten. Der zierlichere Bau der Letzteren gegenüber den Herero fällt sofort in die Augen; die Körpergrösse des Mannes — hier, ebenso wie bei den Herero, grösser als die Frau — beträgt nur 170°” im Mittel; Männer von über 175°” sind bei den Hottentotten selten; Hände und Füsse auch der erwachsenen Hottentotten-Männer erscheinen geradezu knabenhaft im Vergleich mit denselben Gliedern der männlichen Herero. Die Musculatur der Hottentotten zeigt auch bei hart arbeitenden Personen keine athletische Ausbildung. Ein psychologischer Vergleich der Herero mit den Hottentotten führt wohl jeden Beobachter, der mit beiden Stämmen in Berührung kam, zu der Überzeugung, dass die Hottentotten intelleetuell höher stehen als die Herero. Charakteristisch für Erstere ist die Schnellig- keit ihrer Ideenassoeiation. Der Herero, der, in fester Hütte, als Hirt sein Leben zubringt, ist nicht entfernt in die Schule der Beobachtungs- schärfe und Listübung gegangen, die den Hottentotten als halb no- madisirenden Jäger und Wanderhirten erzogen hat. Im Einzelnen kommt die Verschiedenheit im Denkprocesse des Herero und des Hottentotten deutlich in der Sprache zum Ausdrucke: die Art der Begriffsbildung und des Urtheilsausdruckes ist bei beiden Rassen ebenso verschieden, wie die phonetische Grundlage ihres Sprach- schatzes. « Ich werde die Gehirne mit den römischen Ziffern I bis XI bezeichnen und, soweit ich die bezüglichen Nachrichten erhalten habe, Angaben über die einstmaligen Träger der Gehirne hinzufügen: I. Herero Hucko g' von 168° Körperlänge, mager. Hirngewicht frisch = 1265®. II. Herero Katjirito J', aus der Capitänschaft Gamana, etwa ı8 Jahre alt, mager, 170°” Körperlänge. Hirngewicht frisch = 1450%. III. Herero Karirombo d', etwa ı2jährig, aus der Capitänschaft Samuel Maherero’s, sehr mager, 150°” Körperlänge. Hirngewicht 1354°. Auf dem dem Gehirne beigelegten Zettel ist das Gewicht des frischen Gehirns zu 15548 angegeben; ich möchte aber glauben, dass es sich um einen Lapsus handelt, denn beim Nachwägen hier ergaben sich 11258, so dass das Gehirn beim Härten 4298 Verlust erlitten haben müsste, was entschieden zu gross ist, zumal wir bei den an- deren Gehirnen fast stets den gleichen Härtungsverlust von 180 bis 2008 feststellen konnten. Oder aber das frische Gehirn müsste sehr ödematös gewesen sein. WALDEYER: Gehirne südwestafricanischer Völker. 5) IV. Herero August dJ', 22 Jahre, Körperlänge 186°”. Körper- gewicht 60“, Gewicht des frischen Gehirns 1390°. V. Herero Simon d', etwa 17 Jahre, Körperlänge 178°”; Capitän- schaft Samuel Maherero’s. Gewicht des frischen Gehirns 1470%. VI. Ovambo Sanzi J', gestorben im Etappenlazareth Omaruru ı5.Mai 1905. Körperlänge 175°”. Gewicht des frischen Gehirns 1335°. VII. Ovambo, 20 Jahre, Körpergewicht 475, Hirngewicht frisch — ı132°. Todesursache: Pleuropneumonie. . VII. Herero Kanakanyara g', etwa 20— 25 Jahre alt; Körper- länge 175°”, sehr schlanke Figur; Körpergewicht 60—62". Hirn- gewicht frisch 12 10°. IX. Herero d', 24 Jahre alt, Körpergewicht 57°%5; Hirngewicht frisch 1250°. Todesursache: Pneumonie und Peritonitis. X. Herero 9, 26 Jahre alt, Körpergewicht 57"; Hirngewicht frisch 1164°. - Cystitis purulenta. XI. Herero 9, 30 Jahre alt, Körpergewicht 40°; Hirngewicht frisch 1162°. Oophoritis und Endometritis. Es sei hierzu bemerkt, dass die Altersangaben meist auf Schätzung beruhen. Die im Vorstehenden aufgeführten Gehirne zeigen zwei verschiedene Typen: Nr. I, U, II, V und VII—XI einschliesslich sind lang, schmal und hoch, die übrigen beiden (IV und VI) kürzer, breiter und flacher. Fassen wir der kürzeren Beschreibung wegen die längeren, schmaleren und höheren Gehirne als Gruppe A, die anderen (IV und VI) als Gruppe B zusammen, so können wir ferner feststellen, dass die Gehirne A meist sehr windungsreich sind, mit vorwiegend schmalen Windungen, also zu den stenogyrencephalen Formen gehören.‘ Die Gehirne B zeigen weniger Unterwindungen, und die vorhandenen Windungen sind breiter. Bemerkenswerth ist ausserdem für Gruppe A die starke Entwicklung eines Olfactoriuswulstes, eines Uncus- deckels und die Grösse des Kleinhirns. Der grössere Windungsreichthum prägt sich unter Anderem recht eindringlich an den Gyri orbitales aus. Während man an den Gehirnen B die H-Grundform der Windungen erkennt, ist dies wegen der vielen Unterwindungen bei A öfters nicht wohl möglich. Dieselben Ver- hältnisse zeigen sich auch deutlich an den Stirnwindungen, insbesondere an der dritten, bei der die Pars triangularis in mehreren Fällen stark gegliedert ist. Dagegen zeigt sich dann die Pars opereularis mehrfach nur klein. Auch die Scheitelwindungen sind mit Nebenfurchen gut ; Vergl. Rerzıus, G.. Das Gehirn des Physikers und Pädagogen Per Apan Sırsesrrös. Biolog. Untersuchungen, Neue Folge, Bd. X. S.14. 1902. Fol. 6 (Gresammtsitzung vom 11. Januar 1906. versehen. Die Temporalfurchen und -windungen finden sich meist deutlich ausgeprägt und abgegrenzt. Besondere Aufmerksamkeit wurde für diese erste Mittheilung ge- widmet der Fissura Sylvii, den Gentralfurchen und -windungen, der Fissura parietooceipitalis und der Fissura calcarina in der Gruppe A, und es soll aus den Befunden hier noch Einiges mitgetheilt werden. Fissura Sylvii. Die neuere anatomische Nomenclatur unterscheidet au dem hierhergehörigen Furchenapparate: die Fossa cerebri lateralis (Sylvii) und die Fissura cerebri lateralis (Sylvii), an letzterer wieder einen Ramus posterior und zwei Rami anteriores, diese als ascendens und horizontalis unterschieden. Ich halte dafür, dass man mit EsBEr- STALLER' am Ramus posterior noch einen Ramus ascendens und des- cendens unterscheiden und benennen sollte, allerdings dann nicht als »Ramus«, sondern als »Pars« ascendens und descendens. Nament- lich ist ein aufsteigender Theil fast stets vorhanden und oft von be- trächtlicher Länge sowie durch Übergänge in andere Furchen aus- gezeichnet. Auch G. Rerzıus in seinem meisterlichen Werke über das Menschenhirn” berücksichtigt diese beiden Ausladungen des Ramus posterior. Bei sämtlichen Herero-Hirnen der Gruppe A sind alle diese Stücke wohl ausgebildet, insbesondere auch die beiden in die dritte Stirnwindung einschneidenden vorderen Äste, so dass die bekannte Dreitheilung dieser Windung fast stets sehr klar hervortritt. Die An- gabe EBERSTALLER’s, dass die linke Fissura Sylvii länger sei als die rechte, fand ich, ebenso wie D. J. Cunnınenam’, bestätigt. Unter »Centralfurchen« verstehe ich den Suleus centralis (Ro- landi), den Sulceus praecentralis und den Sulcus retrocentralis, den ich nicht missen möchte, obwohl ihn die B. N. A. nicht aufge- nommen haben; ich fand ihn wenigstens bei den Herero-Gehirnen meist gut verfolgbar. Alle diese Furchen mit den dazugehörigen Windungen, den Gyri centralis anterior und posterior, erwiesen sich als deutlich und gut ausgeprägt. Auffallend häufig schnitt der Suleus centralis über die Mantelkante hinaus ein, und ebenso einer der Sulei prae- oder retrocentralis in die Sylvische Furche. Bei den Gehirnen der Gruppe B war dies kaum der Fall. Die Parietooceipitalfurche fand sich stets wohl entwickelt; sie trat in allen Gehirnen der Gruppe A 5°”—5°"5 (Fadenmaass) über ! EBERSTALLER, O., Das Stirnhirn. Ein Beitrag zur Anatomie des Grosshirns, S. ır. Wien und Leipzig 1890. Urban und Schwarzenberg. 8. ® Rerzıus, G., Das Menschenhirn. Studien in der makroskopischen Morphologie. 96 Tafeln. Stockholm 1896. Fol. ®° Cunninenam, D. J., The Sylvian fissure and the Island of Reil in the primate Brain. ‚Journ. of Anat. und Physiology Vol. XXV, p. 286. 1891. Warpeyer: Gehirne südwestafricanischer Völker. 7 dem Oceipitalpole auf die äussere Mantelfläche über und verlief fast stets 1°5— 2°” auf dieser lateralwärts; mehrfach ging sie in die Inter- parietalfurche über. Die Spornfurche, Fissura calcarina, zeigte sich in etwa der Hälfte der Fälle insofern weniger ausgebildet, als ihr entweder auf einer oder auf beiden Seiten der hintere T-Schenkel fehlte. Olfaetorius-Wulst (Torus olfactorius). Ich möchte mit diesem Namen eine Bildung bezeichnen, die sich an allen Menschenhirnen findet, jedoch in verschieden deutlicher Ausprägung. Es handelt sich um die beiden orbitalen Windungen jederseits, welche der Fissura longitudinalis cerebri zunächst benachbart sind, d.h. um den Gyrus rectus und den vorn mit ihm bogenförmig zusammenfliessenden nächst- anliegenden orbitalen Gyrus, der zur zweiten (mittleren) Frontalwindung gerechnet wird. Dieser Theil der orbitalen zweiten Stirnwindung ver- läuft meist auch ziemlich gerade, parallel dem Gyrus reetus, und zeigt gewöhnlich nur eine geringe Gliederung. Vorn geht er durch eine kurze quere Bogenwindung in den Gyrus rectus über, von dem er sonst durch den Suleus olfaetorius getrennt ist. Öfter verschmälert er sich nach vorn ähnlich wie der Gyrus rectus; es kommt aber auch vor, dass er vorn breiter ist als hinten (vergl. die Abbildungen auf den Tafeln 58, 60 und 61 bei Rrrzıus, a. a. O.). Diese beiden Win- dungszüge nun, d.h. der Gyrus reetus und der anstossende Zug der zweiten orbitalen Stirnwindung, springen häufig — man sieht das allerdings nur an sorgfältig gehärteten und behandelten Gehirnen — zusammen wie ein mehr oder minder starker Wulst vor. Ich wähle für diesen Wulst, um für weitere Beschreibungen eine bequeme Kürzung zu haben, einen besonderen Namen, und zwar wegen der topographi- schen Beziehung zum Traetus olfaetorius, den des »Torus olfactorius«, Ölfactoriuswulst. Dieser Wulst ist nun bei den Hererogehirnen der Gruppe A vorzüglich deutlich ausgeprägt und entspricht genau einer Configuration des Schädelinnern. Weniger deutlich tritt er bei der Gruppe B hervor; doch sind die Gehirne dieser Gruppe auch weniger gut erhalten. In einem Falle (Gehirn V) war die quere Bogenwindung etwas erhaben ausgebildet, so dass sie krausenartig den Gyrus rectus vorn zu decken schien. Die vordere Verschmälerung des Gyrus rectus war in allen Fällen sehr ausgeprägt, noch mehr als in der Figur 3 Tafel 61 bei Rerzws (a.a.0.). Bekannt ist die erhebliche vordere Verschmälerung des Gyrus reetus bei den Anthropoiden und den übrigen Affen. Will man mir noch — eben aus Rücksicht bequemerer Dar- stellung — einen andern neuen Namen verstatten, so möchte ich als »Hakendeckel« oder Uncusdeckel (Opereulum unei) diejenige Bil- fe) Gesammtsitzung vom 11. Januar 1906. dung bezeichnen, bei der die Windungen des Temporalpoles sich so weit über die Hakenwindung, den Uncus, medianwärts hinüber- geschoben zeigen, dass letzterer fast völlig verdeckt wird. Auch das ist ähnlich so bei den Affengehirnen (vergl. die Bemerkung von Rerzıvs a.a.0O. Text, S. 97); doch ist hier nur von den bereits durch MEYxeErT hervorgehobenen topographischen Beziehungen zwischen der unteren Fläche des Stirnhirns und dem Temporalpole die Rede. Es kommt aber auch zu einem Verstecktwerden des Uncus bei dieser Verschiebung des genannten Poles. Es fiel nun auf, dass dies Verhalten sich fast bei allen Gehirnen der Gruppe A zeigte. In diese Kategorie von Bil- dungen, die an niedere Zustände erinnern mögen, gehört endlich auch die geringe Deckung des Kleinhirns durch die Oceipitallappen, die bei den Hirnen der Herero mehrfach angetroffen wurde; auch erschien mir das Cerebellum fast bei allen recht gross. Das Hirngewicht anlangend, so ist, wie aus den mitgetheilten Zahlen hervorgeht, dasselbe nicht beträchtlich. Nehmen wir die ersten fünf der aufgezählten Hirne, welche fast alle der Gruppe A angehören, dann kommen wir, selbst unter Reduction des Gewichts von II, auf ein gutes Durchsehnittsgewicht von 1386°. Die neuen, auf einem reichen Material basirenden Wägungen MArcnanp’s' ergeben ein mitt- leres Hirngewicht erwachsener g' Deutscher (Hessen) von 1400°; ZiEHEN” berechnet aus den vorhandenen Daten ein mittleres Hirngewicht für Europäer überhaupt von 1353° für Männer und von 1226° für Weiber. Nehmen wir aber die Gewichte der übrigen 9' Gehirne hinzu, so ge- langen wir nur zu 1317°. Übrigens ist auf diese Ziffern, um Durch- sehnittswerthe zu ermitteln, kein besonderer Nachdruck zu legen, da die Zahl der gewogenen Gehirne viel zu gering ist. Als die Untersuchung der im vorstehenden behandelten Gehirne bereits abgeschlossen war, erhielt ich noch weitere von denselben Völkerstämmen; ich werde die genauere Beschreibung nebst Abbildungen in den Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie geben, so- bald mir das gesammte, für jetzt erreichbare Material zur Verfügung steht. ! Marcnanp, F., Über das Hirngewicht des Menschen. Abhandl. der mathe- matisch-physischen Classe der Königl. Sächs. Gesellsch. d. Wissensch. Bd. XX VII. 1902. ®2 Zienen, Te., In: Handbuch der Anatomie des Menschen, herausgegeben von K. v. BArneLegen, Bd. IV, Nervensystem. ‚Jena, Fischer, 1899. Über die Maxwerr’schen Gleichungen. Von Leo KoENIGSBERGER. ee durch eine an mich ergangene Anfrage, welche die Anwend- barkeit der Resultate meiner in den Berichten der Berliner Akademie vom 19. October 1905 veröffentlichten Arbeit »Über die Differential- gleichungen der mathematischen Physik« zum Gegenstand hatte, er- laube ich mir im Folgenden eine kurze Mittheilung vorzulegen, welche die Maxweır'schen Gleichungen auf ein Minimumprineip, und zwar auf das von mir an der angeführten Stelle auf beliebig viele unab- hängige Variable ausgedehnte Hamırron’sche Princip für ein mehr- faches Integral zurückführen und somit der in diesem Sinne erweiterten Mechanik einordnen soll. Die zur Existenz eines kinetischen Potentials H erster Ordnung von 4 abhängigen Variabeln p,, p,,...?, und p unabhängigen Variabeln t,,t,, ... 1, nothwendigen und hinreichenden Bedingungen für u partielle Differentialgleichungen zweiter Ordnung in eben diesen Grössen NEN ra a —Xe) erfordern bekanntlich zunächst, dass diese Gleichungen in den zweiten partiellen Differentialquotienten linear sind, und dass ferner für x, =1,2...u die beiden Gleichungen Be Sue. Sam am. ep di, op” dt, Op! op? und oN, d UNS, d’ oN, ir oN, : +2, ‚B dt,.dts, Op® op,’ worin ist, identisch befriedigt werden. Die Bedingungen nehmen eine sehr einfache Gestalt an, wenn die vorgelegten Gleichungen lineare partielle Differentialgleichungen erster Ordnung mit constanten Coeffiecienten darstellen, welche die ab- 10 Gesammtsitzung vom 11. Januar 1906. hängigen Variabeln nicht explieite enthalten, da in diesem Falle die obigen Beziehungen in die identisch zu befriedigende Gleichung oN, oN, u er I „,‚A=1,2,...M Sirr ron Ip.) übergehen, mit Hülfe deren sich unmittelbar der nachfolgende Satz ergiebt: Das kinetische Potential erster Ordnung der sechs ab- hängigen Variabeln X, Y,Z,L,M, N und der vier unabhängi- gen Variabeln ?,2,y,2, welche die Zeit und den Ort dar- stellen, au ” ren N NE na) ot dt | J rI2 ot di). Lund life at 5,8 aM aM on, aN un, “la 2 Ele, Mn alle) ba I 92 az) liefert für das erweiterte HauınLron sche Prinecip ||| |#arawayas 6 als Hauptgleichungen der Variation die 6 Differentialglei- chungen a N A Er EN di) NaY 02 1,04 i: 92, 708. 0 Ro de 0/02 ot a} 3n _aX_ dr „22 _ am BL Hu de dt my’ welche bei bestimmter Bedeutung der Constanten die be- kannten Maxweır'’schen Gleichungen darstellen, die für beliebige Änderungen der elektrischen und magnetischen Kräfte in Isolatoren gelten, die Constanz der Dielektriei- täts- und Magnetisirungsconstanten vorausgesetzt. 13 Über die infektiöse Chlorose der Malvaceen. Von Erwin Baur in Berlin. (Vorgelegt von Hrn. SchwEnDEnERr.) Beats in meiner ersten kurzen Veröffentlichung über das vorliegende Thema! habe ich darauf hingewiesen, daß alles das, was man unter den Bezeichnungen Panaschierung, Variegatio, Albicatio usw. zusammenfaßt, keineswegs homologe Erscheinungen sind. Zunächst einmal gibt es von einer großen Anzahl Pflanzen aus den verschiedensten Familien Varietäten, die dadurch von ihren Stamm- arten abweichen, daß ihre Blätter stellenweise frei von Chlorophyll und deshalb, je nach der Verteilung der chlorophylifreien Partien weißge- fleckt, -gestreift oder -berandet sind. Derartige buntblätterige Varie- täten sind in verschieden hohem Grade samenbeständig: dagegen geht bei Pfropfungen diese Panaschierung nicht von einem Pfropfling auf den andern über. Völlig verschieden von dieser samenbeständigen Albicatio im en- gern Sinne ist diejenige Art von Buntblätterigkeit, die ich als C’hlorosis infectiosa bezeichnet habe. Diese Buntblätterigkeit ist nicht samenbe- ständig, geht dagegen vom Pfropfreis auf die Unterlage, und umge- kehrt, über. In diesem zweiten Falle ist die Buntblätterigkeit keine der betreffenden Pflanze inhärente Eigenschaft; derartig bunte Pflanzen sind keine Abarten ihrer grünen Stammpflanze, son- dern nur kranke Individuen der betreffenden grünen Arten. Die Buntblätterigkeit ist hier ein krankhafter Zustand, in den jedes Individuum jederzeit gebracht werden kann, und andererseits kann aber auch jederzeit dieser krankhafte Zustand, wie ich im folgenden zeigen werde, durch geeignete Behandlung behoben werden. Weil man bisher diese ganz heterogenen Arten von Panaschierung nicht auseinanderhielt, glaubte man, in den Fällen, wo eine Pana- schierung von einem Pfropfling auf den andern überging, ein Beispiel ! Erwin Baur, Zur Ätiologie der infektiösen Panaschierung. Ber.d.Deutsch.Botan. Gesellsch. 1904, S. 453. 12 Gesammtsitzung vom 11. Januar 1906. von vegetativer Bastardbildung vor sich zu haben. In Wirklichkeit handelt es sich jedoch bei der durch Pfropfung übertragbaren Pana- schierung, wie ich im folgenden darlegen werde, um eine höchst eigen- artige Infektionskrankheit, die, wie schon 1898 Beiserisk' vermutet hatte, mit der Mosaikkrankheit des Tabaks in ein und dieselbe Klasse von Infektionskrankheiten gehört. Die Tatsache, daß manche Panaschierungen beim Pfropfen von dem einen Pfropfling auf den andern übergehen, ist schon seit langem be- kannt. In der gärtnerischen Literatur finden sich seit Ende des 17. Jahr- hunderts bis in die neueste Zeit sehr zahlreiche Angaben über Pana- schierungsübertragungen bei Jasminum, Fraxinus, Castanea u. a. Zu- sammenstellungen der älteren Literatur über diesen Gegenstand haben GÄRTNER”, GörperT” und Linpenurn' gegeben. In neuerer Zeit sind einwandsfreie Untersuchungen und Beob- achtungen, abgesehen vielleicht von Jasminum, an keiner von diesen Pflanzen gemacht worden. Nur die Panaschierungsübertragungen inner- halb der Familie der Malvaceen sind bis in die neueste Zeit von ver- schiedenen Autoren eingehend untersucht worden. Diese infektiöse Chlorose der Malvaceen hat eine eigentümliche Geschichte. Im Jahre 1868 tauchte in der Gärtnerei von Veitch & Sohn in England unter einer Kollektion von aus Westindien bezogenen Abutilon-Pflanzen ein Exemplar von A. striatum Dicks. auf, das anstatt der normalen grünen sehr schön gelb und grün marmorierte Blätter hatte. Die Pflanze wurde eifrig vegetativ vermehrt und als Neuheit unter dem Namen A. Thompsoni in den Handel gebracht. Exemplare davon gelangten auch nach Frankreich, und hier machte im Jahre 1869 Lemome in Nancy die erste Beobachtung über die Übertragbarkeit dieser Buntblätterigkeit auf andere Abutilon-Pilanzen. Lemome’ be- richtet darüber folgendes: En raison de sa raret@ j’ai voulu le multi- plier en greffant sur I’ A.megapotamicum A.Srt.Hır. ou vewillarium E. Morr. et sur une variete de venosum; or A l’automne les deux sujets de ces deux especes bien determinces ont pousse A des distances variant de 2A15 cent. au dessous du point d’application de la greffe plusieurs pousses com- ! M. W. Beıserink, Über ein Contagium vivum fluidum als Ursache der Flecken- krankheit der Tabaksblätter. Verh. d. kon. Akad. van Wetensch. Deel6, Nr. 5, 1898. ®2 Gäruwner, Versuche und Beobachtungen über die Bastarderzeugung im Pflanzen- reiche. Stuttgart 1849. ® Görrerr, Über innere Vorgänge beim Veredeln der Bäume und Sträucher. Cassel 1874. * Linpemurn, Vegetative Bastarderzeugung durch Impfung. Landw. Jahrbücher 1878, Heft 6. ° Lemoıse, Journal de la soeiete impe£riale et centrale d’horticulture de France. 2. ser., tome 3, 1869, S. 47. E. Baur: Über die infektiöse Chlorose der Malvaceen. 13 pletement panach@es. Ähnliche Beobachtungen sind bald danach auch in England und in Belgien gemacht worden. Systematische Untersuchungen sind dann zuerst noch im Jahre ı869 von Morren' und weiterhin besonders von Lixpenutn” angestellt worden. Auf Grund dieser Arbeiten, vor allem derjenigen Linpemurns wissen wir heute über den Verlauf dieser Erscheinung, kurz gefaßt, etwa folgendes. Wenn man mit einer grünblätterigen Malvacee einen Zweig einer bunten Pflanze derselben, oder einer verwandten Spezies hat ver- wachsen lassen, sei es durch Pfropfung, oder irgendeine andere Transplantationsmethode, dann wird nach kurzer Zeit die jetzt mit dem bunten Sproß im Säfteaustausch stehende, bis dahin grünblätterige Pflanze in der Weise affıziert, daß alle Blätter, die sie weiterhin neu bildet, ebenfalls bunt, gelbfleckig werden. Die alten Blätter dagegen, die zur Zeit der Transplantation schon ausgebildet waren, bleiben unverändert, werden nicht noch nachträglich etwa auch gelb- fleckig. Ebenso wie hier vom Pfropfreis auf die Unterlage, geht diese infektiöse Chlorose auch von einer bunten Unterlage auf ein ur- sprünglich grünblätteriges Edelreis über. In blattlosem Zustande trans- plantierte Reiser infizieren erst, wenn sie nachträglich bunte Blätter gebildet haben (Linpenurn). Ebenso wie Reiser infizieren auch einzeln transplantierte Blätter (Morren). Für diese Buntblätterigkeit sind die verschiedenen Malvaceen sehr verschieden empfänglich. Hierüber hat besonders Linpenurn” viel ex- perimentiert. Manche Arten, z. B. Lavatera arborea L., sind ganz unempfänglich, werden nie bunt. Von manchen anderen Arten er- _ weisen sich einzelne Exemplare als empfänglich, andere bleiben grün- blätterig, wenn sie auch noch so lange in Pfropfsymbiose mit bunten Pflanzen gehalten werden. Hierher gehört z. B. Kitaibelia vitifolia Wırzp. Bei einer dritten Gruppe von Arten endlich erweisen sich alle Individuen als gleich empfänglich. Dies gilt z. B. für Abdutilon striatum Diczs., A. Sellowianum Res., A. indieum (L.) Dos. u. a. Die Weise, in der die infektiöse Chlorose sich äußert, ist bei ! Morren, Contagion de la panachure. Bullet. de l’Acad. royale de Belgique. 2.ser., tom. 28, 1869, S. 434. ®2 Linpemurn, Vegetative Bastarderzeugung durch Impfung. Landwirtschaft. Jahrbücher 1878, sowie zahlreiche kleine Aufsätze in Sitzungsber. d. Ges. naturf. Freunde zu Berlin, Juli 1870; Bot. Zeit., 1871, Nr. 8; Sitzungsber. d. Ges. naturf. Freunde zu Berlin, Febr.u.Oktob. 1871; Gartenflora Bd.46, 1897, S.ı; Bd.48. 1899, S.431; Bd.49, 1900; Bd. 50, 1901; Bd. 51, 1902; Bd. 53, 1904. ® Veröffentlicht sind diese Beobachtungen leider nur zum Teil und sehr zer- splittert. Ich bin für manche bezügliche mündliche Mitteilung Hrn. H. Lixoeuurn sehr zu Dank verpflichtet. 14 Gesammtsitzung vom 11. Januar 1906. treten meistens auf den im übrigen rein grünen Blättern nur einzelne große gelbe Flecken auf, bei anderen Arten, z. B. A. Sellowianum Ree., zeigt die Blattfläche eine ganz mosaikartige Zusammensetzung aus rein grünen, rein gelben und grüngelben Feldern in allen möglichen Abstufungen. Bei wieder anderen Arten, z.B. A. indicum (L.) Dox., werden fast die ganzen Blätter bis auf kleine grüne Fleckehen gelb oder weiß und bleiben außerdem klein und runzelig. Bunte Indivi- duen dieser Arten sind meist nicht lebensfähig, sondern gehen ge- wöhnlich, nachdem sie einige Zeit noch kümmerlich vegetiert haben, an der Krankheit zugrunde. Da die Infektion nur auf dem Wege der Pfropfung erfolgt, war es bisher nicht möglich, diese infektiöse Chlorose auch auf andere Pflanzen als auf Malvaceen zu übertragen. Pfropfungen von Malvaceen auf Angehörige anderer Pflanzenfamilien sind bisher nie gelungen. Hat eine bis dahin normal grünblätterige Pflanze A. dadurch, daß man sie mit einer bunten Pflanze hat verwachsen lassen, erst einmal einige bunte Blätter getrieben, dann kann man die Ver- wachsung lösen, und die Pflanze A. wird doch bunt bleiben, weiter- hin nur gelbfleckige Blätter bilden. Man kann jetzt auch von einer so bunt gemachten Pflanze aus andere, bis dahin grüne Exemplare anstecken usw. Von dieser Regel, daß einmal buntgewordene Pflanzen dauernd bunt bleiben, gibt es Ausnahmen. Es kommt vor, daß auf sonst buntblätterigen Exemplaren einzelne Zweige auftreten, die dauernd grün bleiben — worauf dies beruht, werde ich in einer späteren Mitteilung besprechen —; ferner aber gibt es, wie Limpemurn gezeigt hat, einige staudenförmige Malvaceen, wie Althaea rosea (L.) Cav., die zwar, wenn sie einmal infiziert sind, während der betreffenden Vege- tationsperiorde nur noch bunte Blätter produzieren, aber nach der Winterruhe im nächsten Frühjahr rein grün austreiben und grün bleiben. Andere Stauden, z. B. Kitaibelia vitifolia Wıruo., behalten die infektiöse Chlorose auch über die Winterruhe, bleiben also, einmal infiziert, zeitlebens und in ihrer vegetativen Nachkommenschaft bunt- blätterig. Samen von bunten Pflanzen geben nur rein grünblätterige Keim- linge. Die Übertragung der Krankheit erfolgt nur auf dem Wege der Pfropfinfektion; alle die zahllosen gelbfleckigen Malvaceen, die sich heute in den Gärten vorfinden, stammen, soweit man ihr Schicksal noch verfolgen kann, durch Pfropfinfektion von dem einen A. Thompsoni her, der im Jahre 1868 in England aufgetaucht ist. in — E. Baur: Über die infektiöse Chlorose der Malvaceen. 115) Von großem Einfluß auf die Entwickelung der infektiösen Chlorose der Malvaceen ist das Licht. Im Schatten stehende Exemplare zeigen die Buntblätterigkeit viel weniger deutlich, als sonnig stehende. Soviel hier vorläufig einleitend und zur allgemeinen Orientierung über die vielen im Laufe der Jahre gesammelten Beobachtungen frü- herer Autoren. Anatomisch sind Blätter infektiös chlorotischer Malvaceen schon wiederholt untersucht worden, am eingehendsten von ZIMMERMANN', dessen Angaben ich nach eigenen Untersuchungen vollkommen be- stätigen kann. Danach unterscheiden sich mikroskopisch die gelben Blattpartien nur dadurch von den grünen, daß in ihnen die Chloro- phylikörner mehr oder weniger frei von Chlorophyll sind. Die Form der Chromatophoren ist nicht wesentlich verändert, sie sind aber häufig etwas kleiner, als in den grünen Partien. Die gelben Flecke gehen vielfach ganz allmählich in rein grüne über, indem von Zelle zu Zelle die Chromatophoren etwas mehr grüne Farben zeigen; oft ist aber die Grenze auch ziemlich scharf. Häufig wird die Grenze zwischen rein grünen und gelben Partien durch ein Gefäßbündel gebildet. Ab- gesehen von der verschiedenen Färbung der Chromatophoren sind keine durchgehenden Unterschiede zwischen Zellen aus grünen Blättern und Zellen aus gelben Blattpartien festzustellen. Von einem para- sitären Organismus ist nichts zu sehen. Als was ist nun diese Übertragung der Buntblätterigkeit aufzu- fassen? Wenn man zwei verschiedene Pflanzen aufeinanderpfropft, dann zeigt sich ja allerdings sehr häufig, daß die Unterlage auf das Edelreis einen gewissen formativen Einfluß ausüht, und umgekehrt. Ein Birnenzweig (Pirus communis) entwickelt sich auf Birne als Unter- lage ganz anders als auf Quitte (Cydonia vulgaris). Auf P. communis wird der Zweig sich zu einem normalen Baume, auf Cydonia dagegen zu einem Zwergbäumchen auswachsen. Daß zwei Pfropfsymbionten in solcher oder anderer Weise einander mehr oder weniger formativ beeinflussen, ist die Regel, und diese Tatsachen werden von den Gärtnern ja seit Jahrhunderten ausgenutzt. In das Gebiet dieser gegenseitigen formativen Beeinflussung zweier Symbionten hat man vielfach auch die Panaschierungsübertragung gerechnet; aber mit Unrecht, denn hier liegen die Verhältnisse doch in einem sehr wesentlichen Punkte anders. Ein Birnenreis, das auf Quittenunterlage als Zwergbäumchen ge- wachsen ist, behält diesen Zwergwuchs nicht bei, wenn man es wieder ! ZImMERNMANN, Beiträge zur Morphologie und Physiologie der Pflanzenzelle. Heft 2, S.8ı. Tübingen 1891. 16 Gesammtsitzung vom 11. Januar 1906. auf eigene Wurzeln bringt, geschweige denn, daß es jetzt sogar andere Birnbäumehen auf dem Wege der Pfropfinfektion mit dieser Eigen- schaft des Zwergwuchses anstecken könnte. Im Gegensatz hierzu bleiben einmal bunt gewordene Malvaceen auch nach der Trennung der Sym- biose mit der ursprünglich bunten Pflanze dauernd bunt und infizieren ihrerseits wieder andere Pflanzen mit der Buntblätterigkeit. Wenn, um in unserm vorigen Beispiele zu bleiben, ein Birnenreis von der Quittenunterlage formativ beeinflußt wird, so haben wir es hier nur mit der Wirkung veränderter äußerer Bedingungen, vor allem veränderter Ernährung zu tun, mit einer Einwirkung, die völlig homolog derjenigen ist, wie sie verschiedene Bodensorten oder verschiedene Beleuchtung usw. hervorrufen. Es handelt sich hier also nur um eine vorübergehende formative Beeinflussung. Bei der Übertragung der infektiösen Chlorose wird aber die während der Pfropfsymbiose auftretende Buntblätterigkeit zu einer dauernden Eigentümlichkeit für das betreffende Individuum und auch für alle seine vegetativen Nachkommen. Zur Erklärung dieses Umstandes könnten wir zweierlei annehmen. Die eine Hypothese wäre folgende: es könnte die bis dahin grün- blätterige Pflanze während der Dauer ihrer Symbiose mit der bunt- blätterigen nicht bloß formativ beeinflußt werden, sondern sie könnte in der Struktur ihres stofflichen Trägers der erblichen Eigenschaften verändert worden sein, d.h. sie könnte ein neues Merkmal, eben das der Buntblätterigkeit erworben haben. Eine der- artige Auffassung ließe sich hören; aber mit einer solchen Hypothese müßten wir auch — vorläufig wenigstens — auf ein tiefergehendes Verständnis dieser Erscheinung verzichten. Eine derartige leichte Beeinflußbarkeit der Erbsubstanz durch äußere Eingriffe in der Weise, daß ganz nach Belieben des Experi- mentators ein neues »Merkmal« jederzeit geschaffen oder auch wieder hinweggenommen werden könnte, stände jedenfalls ganz einzig da. Viel plausibler ist eine zweite Hypothese: wir können annehmen, daß aus einer bunten Pflanze in die damit verwachsene grüne ein uns vorläufig ganz unbekanntes stoffliches Etwas übergeht, was bewirkt, daß auf der bis dahin gesunden Pflanze die Blätter gelbtleckig ge- bildet werden. Über die Natur dieses Etwas wollen wir uns jetzt noch keinerlei bestimmte Vorstellung machen. Ich werde im weitern Texte dieses Etwas vorläufig als „„Virus‘ bezeichnen. Dieses hypothetische » Virus« muß nun zunächst fraglos die Eigenschaft haben, in kranken Pilanzen an Menge zuzunehmen. Wir können, wie ich schon früher ausgeführt habe, durch Transplantation eines einzigen kranken Blattes eine bis dahin gesunde Pflanze infizieren; diese produziert eine un- IT. E. Baur: Über die infektiöse Chlorose der Malvaceen. 17, begrenzte Menge kranker Blätter; mit jedem einzelnen von diesen Blättern können wir wieder eine ganze andere Pflanze infizieren usf. ad in- finitum. Würde das »Virus« nicht in der kranken Pflanze an Menge zunehmen, so würde es bei jeder Weiterinfektion, ja schon durch das Wachstum der betreffenden Pflanze selbst weiter verdünnt werden, und diese Verdünnungsmöglichkeit wäre natürlich begrenzt. Die jnfektionsmöglichkeit ist nun aber nicht begrenzt; es muß also zweifellos das » Virus« innerhalb der kranken Pflanze an Menge zunehmen. Mit dieser Feststellung, daß das »Virus« in der kranken Pflanze an Menge zunehmen muß, ist schon einiges gewonnen, und wir können hier mit weiteren Fragestellungen einsetzen. Eine heute allgemein gültige Überlegung der Pathalogen lautet, daß in allen Fällen, wo wir finden, daß das Virus einer Krankheit sich vermehrt, d. h. bei allen Infektionskrankheiten, dieses Virus ein parasitärer Organismus sein müsse, und zwar deshalb, weil keine toten Stoffe, keine »rein chemische Substanzen« sich vermehren, » wachsen« könnten. Danach müßte auch unser Virus ein Organismus sein. Dieser Schluß der Pathologen ist aber, wie ich' schon früher betont habe, keineswegs zwingend; denn ein Zunehmen an Menge braucht zunächst einmal nicht bloß auf dem Wege des Wachsens, des Sichvermehrens zu erfolgen. Es könnte z.B. in unserm Falle als Virus auch ein Stoff fungieren, der von der kranken Pflanze selbst erzeugt wird. Es müßte dies dann freilich ein Stoff sein, der auf die embryonalen Blattanlagen einen formativen Reiz ausübte, daß diese sich an Stelle von normalen grünen Blättern zu den fleckigen Mißbildungen entwickelten, zu pa- thologischen Gebilden, die dann diesen selben Stoff wieder neu pro- duzierten usw. Ferner aber ist es nicht so ohne weiteres erwiesen, daß es nicht doch Stoffe geben könnte, die »wachsen«; darauf werde ich später noch zu sprechen kommen. In unserm Falle ist es nicht bloß nicht erwiesen, daß das Virus ein Organismus ist, sondern es kann hier, wie ich! bereits früher aus- geführt habe, ein Organismus gar nicht in Frage kommen. Vielleicht darf ich meine Schlußfolgerungen noch einmal kurz rekapitulieren: Der einzige Weg, auf dem nach jetzt bald 40jähriger Erfahrung der Gärtner die Übertragung der infektiösen Chlorose erfolgt, ist der, daß eine gesunde Pflanze mit einer kranken verwächst. Wenn das Virus der infektiösen Chlorose ein Organismus wäre, dann wäre ja die Exi- ! Erwın Baur, Zur Ätiologie der infektiösen Panaschierung. Ber. d. Deutsch. Botan. Gesellsch. 1904, 8.453: Sitzungsberichte 1906. 2 18 Gesammtsitzung vom 11. Januar 1906. stenzfähigkeit dieses Organismus gebunden an die gelegentlichen von den Gärtnern ausgeführten Transplantationen. Vor 1868 hätte ein derartiger Organismus überhaupt keine Existenzmöglichkeit gehabt; denn Fälle, wo zwei nahe zusammenstehende Exemplare der betreffenden Malva- ceen zufällig einmal streckenweise verwachsen, sind zu selten, als daß sie hier in Betracht kämen. Da nun ferner die infektiöse Chlorose sich durch Samen nicht überträgt — Sämlinge bunter Pflanzen sind immer wieder rein grünblätterig —, die von ihr befallenen Malvaceen sich aber nur durch Samen vermehren, wäre der hypothetische Erreger mit dem Tode der einmal befallenen Wirtspflanze ja zugleich selber ver- nichtet. Er hat ja so gut wie keine Möglichkeit, in eine andere Wirts- pflanze zu kommen bzw. irgendwie geartete Keime dahin gelangen zu lassen. Die Existenz eines Parasiten mit solchen Eigenschaften ist ganz undenkbar. Weiter als bis zu diesem einen negativen Schluß auf die Natur des Virus der infektiösen Chlorose ließ sich mit Hilfe der bekannten Be- obachtungstatsachen nicht kommen, und hier setzten deshalb neue von ınir im Laufe des letzten Sommers ausgeführte Versuche ein. Die Versuche knüpften an an eine zufällige Beobachtung. Ich hatte von einem eingetopften, kräftig wachsenden, stark bunten Bäumchen von Abutilon Thompsoni die Krone abgeschnitten, um sie als .Pfropfreis zu benutzen. Den Topf mit dem völlig blattlosen Stämmchen stellte ich in eine dunkle Ecke meines Gewächshauses. Als mir nach etwa 14 Tagen die Pflanze wieder in die Hände kam, hatte sie einige stark etiolierte Seitentriebe entwickelt. Ich schnitt jetzt diese etiolierten Triebe etwas zurück und stellte den Topf ans Licht. Die Pflanze erholte sich wieder, trieb aber nur rein grüne Blätter und blieb dauernd grün. Ab- leger dieser Pflanze habe ich dann aber später wieder durch Pfropf- infektion buntblätterig gemacht; sie haben also nicht die Empfänglich- keit verloren, sondern das »Virus« war in ihnen zugrunde gegangen. Auf Grund dieser Beobachtung experimentierte ich jetzt weiter. Ich sehnitt eine Anzahl Exemplare soweit zurück, daß sie keine Blätter mehr hatten, und ließ die Hälfte im Licht, die andere Hälfte im Dunkeln ihre neuen Triebe aus Achselknospen entwickeln. Die Pflanzen im Licht trieben nur bunte Triebe. Die dunkel gestellten Exemplare nahm ich nach verschieden langer (14 bis 30 Tage) Verdunkelung ans Licht, indem ich sie zunächst im feuchten Warmhaus im Halbschatten hielt. Die im Dunkeln von ihnen gebildeten Blätter ergrünten jetzt nachträglich, und zwar erwiesen sich die zuerst gebildeten 2 bis 3 Blätter eines jeden Triebes als noch gelbfleckig, die zuletzt gebildeten, mehr apikal an den etiolierten Trieben sitzenden Blätter waren dagegen rein grün. — E. Batr: Über die infektiöse Chlorose der Malvaceen. 19 Bei einem Teile dieser Exemplare entfernte ich jetzt die bunten Blätter, noch ehe sie sich völlig entwickelt hatten; die apikalen, wie gesagt rein grünen Blätter ließ ich sitzen. Diese sämtlichen Pflanzen blieben dauernd grünblätterig. Der andere Teil der Dunkelexemplare dagegen, an deren Trieben die basalen, noch bunt entwickelten neuen Blätter belassen waren, bildeten weiterhin wieder bunte Blätter. Diese Beobachtung brachte mich auf folgende Vermutung: In den bunten Pflanzen entsteht das Virus, das verursacht, daß alle neu entwickelten Blätter gelbfleckig werden, nur im Lichte, und zwar nur in bunten Blättern. In jeder gelbfleckigen Pflanze ist stets nur eine begrenzte Menge des Virus vorhanden, nur soviel ungefähr, als genügt, um etwa 2 bis 3 neu entstehende Blätter bunt zu machen. Diese in der Pflanze vorhandene Virusmenge wird bei der Bildung der neuen Blätter in irgendeiner Weise aufgebraucht, so dass alle weiteren neuen Blätter grün gebildet werden, wenn man nur dafür sorgt, daß kein neues Virus produziert werden kann. Auf Grund dieser Vermutung wurde jetzt systematisch weiter ex- perimentiert. Ich berichte der Reihe nach über die verschiedenen Versuche. 1. Eine Anzahl stark buntblätteriger Thompsoni-Pflanzen wurden so, wie sie waren, also ohne Entfernung der Blätter, dunkel gestellt. Nachdem sie im Dunkeln einige stark etiolierte Sprosse mit je etwa 3 bis 4 Blättehen gebildet hatten, wurden sie wieder langsam, im Verlaufe einiger Tage, erst in gedämpftes und schließlich in volles Tageslicht überführt. Die etiolierten Blättchen ergrünten jetzt, und auch hier er- wiesen sich die ersten zwei oder drei von ihnen als gelbtleckig, die _ späteren waren bis auf einige kleine gelbe Fleckchen rein grün. Bei einigen so behandelten Pflanzen wurden die sämtlichen alten bunten Blätter entfernt, bevor die Pflanzen wieder dem Lichte ausgesetzt wurden, und ebenso die neu gebildeten Blättchen, soweit sie noch bunt waren. Alle diese Pflanzen sind jetzt rein grünblätterig. Bei den Kontroll- pflanzen dagegen, bei welchen die bunten Blätter nicht entfernt worden waren, bevor die Pflanzen wieder ans Licht kamen, wurden alle nach der Wiederbelichtung gebildeten Blätter gelbfleckig. 2. Bei einer Reihe von Pflanzen — ebenfalls wieder nur stark bunten Exemplaren — wurden sämtliche alten Blätter und weiterhin an allen Vegetationspunkten die drei zuerst entstehenden neuen Blätt- chen entfernt, die letzteren stets noch ehe sie sich entfaltet hatten. Die Pflanzen standen dabei dauernd im Lichte. Auch hier waren die weiterhin neu entstehenden Blättehen meistens schon rein grün. Nur ganz vereinzelt traten noch gelbe Flecken auf. Diese gelben Flecken wurden mit der Schere aus der im übrigen rein grünen Spreite heraus- I* 20 Gesammtsitzung vom 11. Januar 1906. geschnitten, sobald sie auf dem jungen Blatte deutlich erkennbar wurden. Alle so behandelten Pflanzen wurden rasch rein grünblätterig. An einer von diesen Pflanzen entfernte ich die eben erwähnten kleinen Fleckehen, die auf einigen der nach der Kupierung entstandenen Blätt- chen noch aufgetreten waren, nicht. Bei dieser Pflanze zeigten die nächsten neuen Blättehen schon wieder einige Flecken mehr, und weiter- hin wurde diese Pflanze wieder völlig buntblätterig. Genau dieselben Resultate ergaben entsprechende Pfropfversuche. 3. Es wurden auf stark bunte Exemplare von Abutilon Thompsoni Reiser von einer grünblätterigen, aber für die infektiöse Chlorose empfänglichen Sippe von A. arboreum aufgepfropft. Bei einem Teile dieser Versuchspflanzen beließ ich an der Thompsoni-Unterlage die Blätter, bei einem andern Teile wurden die Blätter der Unterlage ent- fernt und die Bildung neuer Blätter verhindert. Bei diesen letzteren Versuchspflanzen blieben die Pfropfreiser grün, bei den ersteren wurden sie bunt. An einem von den Exemplaren, an denen die Blätter der Unter- lage entfernt worden und infolgedessen die Edelreiser grün geblieben waren, ließ ich zwei Monate später aus einer Achselknospe der Unter- lage einen — bunten — Zweig austreiben. Drei Wochen später, nach- dem an diesem Zweige die ersten Blätter entwickelt waren, bildete auch das Edelreis bunte Blätter. Über hiermit völlig übereinstimmende Beobachtungen hat übrigens früher Liwpenurn' schon berichtet: »Die Übertragung der Panaschüre des Impflings auf die Unterlage erfolgt nur, wenn an demselben bunte Blätter (bei Okulationen das Tragblatt) erhalten bleiben oder aber erst dann, wenn die blätterlosen Impflinge (oder Augen ohne Tragblätter) bunte Blätter entwickelt haben. « 4. Wenn man an Pflanzen von A. Thompsoni alle alten Blätter ent- fernt und ebenso auch die zunächst neu entstehenden jungen Blätter, ehe sie assimilationsfähig werden, wie es für Versuch 2 nötig war, so leiden natürlich die Versuchspflanzen sehr. Ich habe deshalb den Ver- such folgendermaßen modifiziert. Auf Exemplare von grünem A. striatum oder in anderen Fällen A. arboreum pfropfte ich bunte Thompsoni-Reiser, an denen alle Blätter entfernt waren. Diese dann gewissermaßen auf der grünen Unterlage schmarotzenden Sprosse wurden weiterhin ebenso be- handelt wie in Versuch 2, aber sie überstanden diese Prozedur viel besser. Auch sie waren vom 4. oder 5. Blatte ab rein und dauernd grünblätterig. 5. Eine weitere Modifikation dieser Versuche war folgende. Es wurden auf Pflanzen von A.indieum, der sehr empfänglich für die ! Linpenurn, Vegetative Bastarderzeugung durch Impfung. TLandwirtschaftliche Jahrbücher 1878, lleft 6, S.22 des Separatunıis. nn E. Baur: Über die infektiöse Chlorose der Malvaceen. 21 infektiöse Chlorose ist, Blätter des bunten A. Thompsoni transplantiert. Beließ ich derartige Pflanzen dann im Lichte, so wurden sie regel- mäßig infiziert. Man kann jedoch die Infektion verhindern, wenn man nur die transplantierten bunten Blätter (hinter einer Hülle von braunem Packpapier z.B.) dunkel hält. Im übrigen können dabei diese Indicum- Pflanzen dem vollen Tageslichte ausgesetzt sein. Diese Ergebnisse stimmen alle aufs beste mit den oben als Vermutung ausgesprochenen Sätzen überein. Gelegentlich dieser Versuche machte ich nun eine weitere wichtige Beobachtung. An einer Versuchspflanze, die infolge der in Versuch 2 angewandten Therapie grünblätterig geworden war, trieb unten am Stamm eine bis dahin ruhende Knospe aus, und zwar völlig buntblätterig. Ich brachte danach noch an zwei anderen derartigen, seit einem Monat rein grünen Pflanzen durch starkes Zurückschneiden alte ruhende Knospen zum Austreiben; alle trieben bunt aus, und von diesen bunten Sprossen wurden wieder die ganzen Pflanzen infiziert. Also: Knospen, die zu einer Zeit angelegt werden, in der die Pflanzen bunt sind, entwickeln sich auch später, wenn inzwischen die Pflanzen durch geeignete Behandlung im übrigen völlig grünblätterig geworden sind, zu buntblätterigen Trieben und infizieren dann wieder die ganze Pflanze. Solange diese latent bunten Knospen aber ruhen, infizieren sie nicht. Das paßt gut zu den Resultaten der anderen Ver- suche. Wir haben stets gefunden, daß nur von fertig ausgebildeten, bunten, belichteten Blättern aus neue Blattanlagen infiziert werden. Wir wissen nun ferner, daß die Menge Virus, die in einer Pflanze zu einem gewissen Zeitpunkte vorhanden ist, verbraucht wird, wenn diese Pflanze neue Blätter ausbildet. Entfernt man diese ersten neu entstandenen Blätter oder verdunkelt sie, so werden alle später ent- stehenden Blätter grün. Das ursprünglich in der Pflanze verteilte Virus muß also bei der Bildung junger Blätter in diesen angesammelt und ver- braucht, oder drücken wir uns einmal etwas anders aus: gebunden werden. Wir müssen demnach von dem Virus zweierlei Zustände unter- scheiden: einen freien virulenten Zustand, in dem es allein sich in der Pflanze verbreiten kann, und einen zweiten Zustand, in dem es, in den von ihm affizierten Geweben festgehalten, gebunden vorkommt. Nach dieser Feststellung erscheinen jetzt auch einige andere längst bekannte Erscheinungen in neuem Lichte. So wissen wir, daß die in- fektiöse Chlorose durch Samen nicht übertragen wird. Das hat wahr- scheinlich folgende Ursache. Wir haben gesehen, daß die Menge des zu einem gewissen Zeitpunkte in einer Pflanze vorhandenen Virus sehr klein 22 Gesammtsitzung vom 11. Januar 1906. ist, nur so groß, daß sie ausreicht, um etwa 3 bis 4 neuentstehende Blätter gelbfleckig zu machen. Und bei dieser Infektion der ersten Blätter wird das in der ganzen Pflanze vorhandene Virus restlos aufge- braucht, weil das ursprünglich überall zirkulierende Virus gerade in den jungen Blattanlagen, die ein gewisses Mindestalter erreicht, aber ein anderes maximales Entwickelungsstadium noch nicht überschritten haben, gebunden und dadurch angesammelt wird. Nur dadurch, daß die jungen Blattanlagen dauernd in Stoffaustausch mit dem gesamten übrigen Pflanzenkörper stehen, ist diese Ansammlung möglich. Wir brauchen nun bloß die Annahme zu machen, daß die ältesten jungen Blattanlagen des Embryos im Samen zu der Zeit, in der der Stoffaustausch zwischen Mutterpflanze und Samen aufhört, noch nicht das obenerwähnte Mindestalter erreicht haben. Die Virusmenge, die der Same mitbekommt, wird dann sehr gering sein; sie wird, ober- flächlich geschätzt, zur Gesamtmenge des in der ganzen Pflanze in dem Zeitpunkt der Trennung von Samen und Mutterpflanze vorhandenen freien Virus im gleichen Verhältnis stehen wie das Volumen des Samens zum Volumen der Mutterpflanze. Und diese minimale Menge ist wohl nicht genügend, um später die sich entwickelnde Keimpflanze zu in- fizieren. Unabhängig von diesen eben geschilderten Versuchen, die ja alle in einem gewissen Zusammenhang standen, stellte ich dann noch einige weitere Versuche an. Zunächst war es mir darum zu tun, Material zu sammeln für die Entscheidung der Frage, in welchen Gewebselementen das Virus transportiert wird. 6. Wenn man auf eine bis dahin grüne, aber für die Krankheit empfängliche Malvacee ein buntes Reis aufpfropft, dann werden in je nach der Intensität des Wachstums und auch je nach der Spezies ver- schieden langer Zeit die an der bis dahin grünen Pflanze neugebildeten Blätter bunt. Dabei kann man leicht feststellen, daß an den Vegetations- punkten, die der Pfropfstelle am nächsten liegen, zuerst bunte Blätter entstehen, an den weiter entfernt liegenden aber erst merklich später. So trat z.B. in einem Pfropfversuche mit A. indieum zu einer Zeit, in welcher an einem Vegetationspunkte in etwa 8 cm Abstand von der Pfropfstelle schon 5 bunte Blätter gebildet waren, an einem andern Vegetationspunkte derselben Pflanze, der 40 cm von der Pfropfstelle entfernt war, das erste bunte Blatt auf; es war dies sechs Wochen nach dem Auftreten des ersten bunten Blattes an dem nahegelegenen Vegetations- punkte. Andere Versuche gaben andere Resultate mit innerhalb sehr großer Grenzen schwankenden Zahlen. Immerhin zeigen die Versuche, daß das Virus sich ziemlich langsam, erst im Laufe von mindestens E. Baur: Über die infektiöse Chlorose der Malvaceen. 23 mehreren Tagen, in der infizierten Pflanze ausbreitet. Schon dies eine ließ darauf schließen, daß es wohl nicht mit dem Transpirationsstrom wandere. 7. Auf das gleiche weisen auch Ringelungsversuche hin. Bisher hat in keinem derselben die Chlorose die Ringelungsstelle überschritten. Ich verwendete zu diesen Ringelungen kräftige Pflanzen von Abutilon Avicennae GAERTN.; der Stamm wurde auf eine Strecke von 0.5 cm hin rundum von der leicht abhebbaren Rinde entblößt und dann wurde unterhalb, bzw. in anderen Versuchen oberhalb davon ein buntes Reis von A. Thompsoni aufgepfropft. Der Versuch gelang dreimal, einmal mit dem Pfropfreis oberhalb, zweimal mit dem Pfropfreis unterhalb der Ringelung. In dem erstern Falle erwies sich der Gipfel der Avicennae-Pflanze schon nach zwei Wochen deutlich infiziert; er ent- wiekelte im ganzen danach noch 3 kleine verkümmerte Blätter und starb später vier Wochen nach der Operation ab. Das Stammstück unter der Ringelung trieb, schon ehe der Gipfel abstarb, zwei ruhende Achselknospen aus, die sich im Laufe des Sommers zu kräftigen Zweigen entwickelten. Beide Zweige blieben dauernd grünblätterig. In den an- deren beiden Fällen wuchs ebenfalls das aufgepfropfte Thompsoni-Reis gut an; ich pflanzte vier Wochen nach der Operation die Pflanzen im Garten aus und sie gediehen üppig. Das Stück oberhalb der Ringelung blieb in beiden Fällen gesund grünblätterig, blühte und reifte Früchte. Im August, acht Wochen nach der Operation starb es ab; es war also zwölf Wochen mit dem bunten Thompsoni-Reise verbunden gewesen, ohne infiziert zu werden, während sonst A. Avicennae schon in wenigen Tagen infiziert wird. h Einige weitere Versuche hatten den Zweck, mehr Aufklärung über die von Linpemurn festgestellte Tatsache zu geben, daß manche Arten immun, manche sehr stark empfänglich sind. Eine Immunität kann nach Analogie mit den Verhältnissen bei tie- rischen Infektionskrankheiten verschiedene Ursachen haben. Sie könnte einmal dadurch bedingt sein, daß aus irgendwelchen Gründen das Virus nicht in diese Pflanzen eindringt. Eine zweite Möglichkeit wäre die, daß das Virus zwar eindringt, aber durch eine Art von Antitoxin im weitesten Sinne unwirksam gemacht wird. Drittens schließlich könnte das Virus eindringen, würde auch nicht irgendwie neutralisiert, aber die in Rede stehenden Pflanzen könnten sich ganz indifferent verhalten, so wie z.B. das Huhn gegen Tetanustoxin. Ein einfacher Versuch zeigte, daß die unter 3 genannte Mög- lichkeit hier zutreffend sei. 8. Es wurden im September 1904 auf einige stark bunte Pflanzen von A. Thompsoni Reiser von einer immunen Sippe von A. arboreum 24 Gesammtsitzung vom 11. Januar 1906. aufgepfropft. Die Reiser wuchsen kräftig und blieben rein grün, der als Unterlage dienende A.-Thompsoni-Stamm blieb in allen seinen eigenen Zweigen gleich stark bunt. Auf drei dieser Arboreum-Reiser pfropfte ich im Mai 1905 je einen Zweig des hochempfänglichen A. indicum. Diese Indicum-Zweige standen also durch den immunen A. arboreum hindurch in dauernder Verbindung mit dem A. Thompsoni. — Traf die unter ı oder 2 genannte Möglichkeit zu, so mußten diese Indieum- Reiser grün bleiben; sie wurden aber in allen drei Fällen fast ebenso schnell geflecktblätterig, als wenn ich sie direkt auf Thompsoni- Pflanzen gepfropft hätte. Daraus folgt, daß das Virus der infektiösen Chlorose auch in den immunen A. arboreum eindringt und in diesem auch keineswegs zerstört wird. 9. Die nächste Frage war jetzt die: Vermehrt sich das Virus viel- leicht auch gewissermaßen »latent« in solchen infizierten Arboreum- Pflanzen? Ich machte deshalb folgenden Versuch: zwei Reiser von A. arboreum, die einige Wochen auf A. Thompsoni aufgepfropft gewesen waren, und in die entsprechend Versuch 8 eine gewisse Menge Virus eingedrungen sein mußte, wurden wieder abgeschnitten und auf grünen stark empfänglichen A. striatum aufgepfropft. Die Reiser bewirkten keine Übertragung der infektiösen Chlorose. Das Virus vermehrt sich also nicht etwa latent in infiziertem immunen A. arboreum. Dies stimmt völlig mit der schon durch die Versuche ı bis 5 ermittelten Tatsache, daß auch in empfänglichen Pflanzen das Virus nur in den gelben Blatt- partien sich vermehrt, in den grünen dagegen nicht. Soviel hier über meine Versuche. Auf Grund des durch sie gegebenen Beobachtungsmateriales und der schon früher bekannten Tatsachen können wir jetzt wohl mit ge- nügender Sicherheit folgende Sätze formulieren. In den gelben Partien der Blattspreite der infektiös chlorotischen Malvaceen wird im Lichte ein vorläufig noch ganz unbekanntes Virus produziert. Dieses Virus verbreitet sich von lebender Zelle zu lebender Zelle — nicht mit dem Transpirationsstrom — in der ganzen Pflanze und bewirkt, daß alle in einem gewissen Stadium der Entwickelung befindlichen jungen Blätter später ebenfalls buntfleckig werden. Ein- mal von der infektiösen Chlorose befallene Pilanzen bleiben nur des- wegen dauernd selbst und in ihrer vegetativen Nachkommenschaft bunt- blätterig, weil von den alten bunten Blättern aus die an den Vege- tationspunkten neu entstehenden beständig neu infiziert werden. Wird diese Autoinfektion in geeigneter Weise verhindert, so erlischt die Krankheit. Indem das Virus die jungen Blattanlagen infiziert, wird es in irgendeiner vorläufig noch ganz unbekannten Weise unschädlich gemacht; es wird auf diese Art schließlich die gesamte in einer Pflanze nn ni -— E. Baur: Über die infektiöse Chlorose der Malvaceen. 25 zirkulierende Virusmenge in den jungen Blattanlagen — diese affizie- rend — festgelegt. Wenn man demnach an einer kranken Pflanze die jungen entstehenden Blätter eine Zeitlang systematisch entfernt und gleichzeitig durch Verdunkeln oder Abschneiden der vorhandenen alten bunten Blätter dafür sorgt, daß kein neues Virus gebildet wer- den kann, dann wird diese Pflanze rasch völlig entgiftet und dadurch rein grünblätterig. Ebenso wie die eigenen jungen Blätter einer bunten Pflanze von den alten aus infiziert werden, ebenso werden die neu entstehenden Blätter anderer Pflanzen derselben oder einer anderen Art oder Gattung infiziert, wenn nur dafür gesorgt ist, daß sie einige Zeit mindestens mit einem belichteten, bunten, ausgewachsenen Blatte in unmittelbaren Säfteaustausch von lebender Zelle zu lebender Zelle stehen. Das Virus wandert nicht bloß in Malvaceen über, die für die in- fektiöse Chlorose empfänglich sind, sondern auch in immune Arten. Es ist imstande, von kranken Pflanzen aus durch mit ihnen ver- wachsene immune Pflanzen hindurch in die Zellen empfänglicher Pflan- zen überzugehen, wenn man mit einer immunen Pflanze einerseits eine gesunde empfängliche, andererseits eine kranke Pflanze verwachsen läßt. Die Frage ist jetzt: Welcherart ist dieses eigenartige Virus? Daß es sich hier um keinen parasitären Organismus handeln kann, habe ich bereits auseinandergesetzt. Es heißt fast Eulen nach Athen tragen, noch mehr Gründe dagegen anzuführen. Ich will trotzdem auf einige Ergebnisse der eben geschilderten Versuche kurz hinweisen, die mit der Annahme eines parasitären Organismus nicht gut vereinbar sind. Hierher gehört zunächst die absolute Abhängigkeit der Infizierung vom Lichte. Wir müßten ja sonst annehmen, daß der hypothetische Organismus nur im Lichte infektiöse Keime produzieren könnte! Ferner die Tatsache, daß das Virus durch den Transpirationsstrom nicht ge- leitet wird, sondern, wie die Ringelungsversuche wenigstens sehr wahr- scheinlich machen, nur in den Geweben, die der Leitung der plasti- schen Stoffe dienen. Drittens endlich der Umstand, daß das Virus, bei der Entstehung infizierter Blätter verbraucht, gebunden wird. Aus den Versuchen ı bis 5 folgt ja, daß das Virus, das zu einem gewissen Zeit- punkte in einer Pflanze vorhanden ist, sich in den in einem gewissen Entwickelungsstadium befindlichen Blättern restlos ansammelt und hier festgelegt wird. Wenn wir es hier mit einem Organismus zu tun hätten, dann müßte dieser Organismus zunächst eine Entwickelungsphase durch- laufen, in der er befähigt ist, in der ganzen Pflanze sich zu verbreiten; alle diese wanderungsfähigen Keime müßten dann aber in den gerade vorhandenen embryonalen Blättern sich ansammeln und hier festge- halten werden, die Wanderungsfähigkeit verlieren, und erst in alten Sitzungsberichte 1906. 3 26 Gesammtsitzung vom 11. Januar 1906. Blättern, und zwar nur in gut belichteten Blättern, müßten dann wieder wanderungsfähige, infektiöse Keime dieser Organismen gebildet werden. Für sich allein spricht natürlich keine von allen diesen Beobach- tungen mit absoluter Sicherheit gegen die Annahme eines Parasiten, aber sie alle zusammen schließen im Verein mit der oben S. ı7 kurz rekapitulierten Überlegung die Annahme eines Parasiten doch mit Sicher- heit aus. Wenn wir also die infektiöse Chlorose nicht auf einen parasitären Organismus zurückführen dürfen, was für Möglichkeiten haben wir dann in Betracht zu ziehen? Meines Erachtens kommen vor allem zwei Möglichkeiten in Frage. Die eine habe ich bereits früher schon angedeutet. Es könnte ein Stoffwechselprodukt der kranken Pflanze selbst als Virus fungieren. Es müßte dann aber ein Stoffwechselprodukt sein mit folgenden Eigen- schaften: Es müßten die jungen Blätter, oder präziser ausgedrückt, die jungen Chlorophyllkörner so affizieren, daß sie sich nicht zu normalen Organen entwickeln, sondern zu den oben S. ı5 geschilderten Miß- bildungen, in denen dann, als pathologisches Stoffwechselprodukt, wieder genau dieses gleiche Virus gebildet werden müßte. Diese selbe Hypothese, die ich, wie erwähnt, schon vor etwa einem Jahre ausgesprochen habe, hat vor kurzem Husser' anscheinend ohne Kenntnis meiner Arbeit als »neue Theorie« für die der infektiösen Chlorose sehr ähnliche Mosaikkrankheit des Tabaks aufgestellt. Hunser kleidet seine Hypothese in folgende Worte: »Ich nehme an, daß das Phytotoxin der Mosaikkrankheit, welches primär durch äußere Reize produziert wird, fähig ist, beim Eindringen in normale Zellen eine physiologische Kontaktwirkung auszuüben, mit dem Erfolge, daß sieh dort sekundär dasselbe Toxin bildet.” Mit anderen Worten, die Mosaikkrankheit des Tabaks besitzt die Fähigkeit: physiologisch autokatalytisch zu wirken.« Daß ein Stoff denkbar ist, der auf den Chemismus bestimmter Pflanzenzellen eine derartige Wirkung ausübt, muß wohl zugegeben werden. Mit dieser Möglichkeit, wenn sie auch nicht gerade sehr wahrscheinlich ist, muß immerhin gerechnet werden. Die zweite Hypothese ist die, daß es sich ebenfalls um ein Stoff- wechselprodukt der kranken Pflanze selbst handelt, aber um ein Stoff- wechselprodukt, das in gewissem Sinne die Fähigkeit des » Wachsens« besitzt. Ich nehme an, wir haben in dem Virus einen chemisch hoch organisierten Stoff vor uns. Dieser Stoff wirkt auf bestimmte Molekül- ı F.W.T. Hunger, Neue Theorie zur Ätiologie der Mosaikkrankheit des Tabaks. Ber. d. Deutsch. Botan. Gesellsch. 1905, S. 415. ®2 Von mir gesperrt gedruckt. E. Baur: Über die infektiöse Chlorose der Malvaceen. 2orf gruppen in den embryonalen Blattzellen in analoger Weise ein, d.h. hängt sich an sie, wie nach der Enkuicnschen Theorie' die Toxine sich an die Seitenketten in den von ihnen vergifteten Plasmakom- plexen anhängen. Von den bisher bekannten Toxinen, die damit ihre Wirksamkeit beendet haben, unterscheidet sich das hypothetische Toxin der infektiösen Chlorose nun aber dadurch, daß es imstande ist, unter gewissen Bedingungen zu »wachsen«, d.h. Stoffe, die mit ihm chemisch identisch sind, aus anderen Verbindungen abzuspalten, oder Stoffe dieser Art synthetisch neu aufzubauen. Während nun aber die ursprünglichen Toxinmoleküle in den einmal infizierten Zellen an den Seitenketten der vergifteten Plasmakomplexe festhängen, gebunden sind, sind die in dieser Weise neu entstehenden nicht gebunden, da ja in den alten infizierten Blättern, in denen allein diese Neubildung des Toxins erfolgt, die Seitenketten bereits sämtlich belegt sind. Viel- leicht sind aber auch nicht deshalb keine freie Seitenketten hier vor- handen, weil sie alle mit Toxinmolekülen belegt sind, sondern aus der Tatsache, daß auch alte Blätter gesunder Pflanzen kein » Virus« binden, könnte man schließen, daß die in den embryonalen Blättern eine Zeitlang — solange sie infizierbar sind — vorhandenen freien Seitenketten auch auf andere Weise als durch die Toxinwirkung ver- schwinden, sowie die Blätter ein gewisses Entwickelungsstadium er- reichen. Die neugebildeten Toxinmoleküle wandern daher mit anderen löslichen Stoffen in der ganzen Pflanze umher, bis sie in Zellen konm- men, wo sie unbelegte Seitenketten vorfinden, d.h. bis sie in em- bryonale Blattzellen kommen. Ich glaube nicht, daß die Annahme von in diesem Sinne wachstumsfähigen Stoffen allzu phantastisch ist. Mir selber scheint von den beiden eben skizzierten Hypothesen die letztgenannte die einfachste zu sein, und ich glaube, daß es am zweck- mäßigsten ist, zunächst mit ihr weiterzuarbeiten. Von den bisher bekannten Tatsachen steht keine mit ihr im Wi- derspruch, und manche fürs erste schwer verständliche Erscheinungen werden durch sie sogar sehr gut erklärt. Dies gilt zunächst für die eigentümliche Erscheinung, daß das anfangs in der ganzen Pflanze verbreitete Virus sich in den embryonalen Blattzellen fast restlos an- sammelt. Wir haben eben nur in den embryonalen Blattzellen freie Seitenketten. An diesen Seitenketten bleiben die zirkulierenden Toxin- moleküle haften, müssen hier also schließlich fast restlos angesam- melt werden, hineinkommen können sie, aber nicht wieder heraus. Genau dasselbe Gebundenwerden der Toxinmoleküle in den durch sie ! Eine gute Übersicht über die hierhergehörenden Fragen und Tatsachen gibt Dieuvonne, Immunität, Schutzimpfung und Serumtherapie, Leipzig 1905 (4. Autfl.). 28 Gesammtsitzung vom 11. Januar 1906. gerade affızierten Gewebearten haben wir ja auch bei den sonstigen Toxinen, für die Enrticn seine Theorie aufgestellt hat. Andere plausible Möglichkeiten, die Erscheinungsfolge der infektiösen Chlorose zu erklären, als diese beiden eben genannten, weiß ich nicht. Da das Virus in der kranken Pflanze zunimmt, kommt nur entweder ein Organismus, oder zweitens ein Stoff von der in der ersten der obigen Hypothesen definierten Art, oder drittens ein in gewissem Sinne wachstumsfäbiges Toxin, wie es in der zweiten Hypothese beschrieben ist, in Frage. Um einen Organismus kann es sich nicht handeln. Die erste der andern beiden Hypothesen ist in ihrer jetzigen Fassung viel zu wenig präzisiert, als daß man sie experimentell prüfen könnte. Im Grunde genommen sagen wir doch mit ihr nichts anderes, als es müsse ein Stoff sein, der auf die befallenen Zellen so wirkt, daß diese später genau eben denselben Stoff produzierten, und das ist nichts weiter als eine Umschreibung der bekannten Tatsachen. Auch wenn man, wie Huneer es getan hat, das Bild gebraucht, der Stoff wirke »phy- siologisch autokatalytisch«, ist nicht viel damit gewonnen. Solange diese Hypothese nicht in irgendeiner Richtung weiter ausgebaut ist, kann sie als Arbeitshypothese nicht gebraucht werden. Es käme also vorläufig für unsere weiteren Untersuchungen nur die zweite Hypothese in Betracht, die man in gewissem Sinne ja auch als einen weitern Ausbau der ersten ansehen kann. Diese Hypothese wird also zunächst durch weitere Experimente zu prüfen sein. Bisher bin ich noch gar nicht auf die Frage eingegangen, von wo das Virus in den ersten im Jahre 18683 aufgetretenen bunten Abutilon gelangt sein mag. Darüber lassen sich natürlich nur Vermutungen aussprechen. Es liegt am nächsten, anzunehmen, daß aus uns unbe- kannten inneren Gründen in irgendeinem Blatte dieser betreffenden Pflanze derartiges Virus »primär« entstanden sein muß.‘ Vielleicht stammte allerdings auch dieser erste bunte Abutilon auf dem Wege der vegetativen Fortpflanzung von einer bereits bunten Mutterpflanze ab. Das wäre aber unwesentlich; irgendein Abutilon muß einmal aus anderen Gründen als dureh Infektion von einem ältern Blatte aus primär bunt geworden sein. Darüber, daß seit dem Auftauchen des A. Thompsoni noch ein zweites Mal irgendeine Malvacee primär infektiös chlorotisch geworden sei, ist nichts bekannt. Vielleicht läßt sich in dieser Frage weiter kommen mit der Unter- suchung von infektiösen Chlorosen bei anderen Pflanzen. Wahrschein- lich steeken in dem, was man alles als »Panaschierungen« bezeichnet, noch manche infektiöse Chlorosen und von vielen solchen verdächtigen »panaschierten« Pflanzen kennt man die Entstehungsgeschichte genau. E. Baur: Über die infektiöse Chlorose der Malvaceen. 29 Ich selbst habe in der Richtung mit den Gattungen Evonymus, Labur- num, Ligustrum, Ribes, Cydonia, Pirus, Cornus, Croton u.a. zu experi- mentieren begonnen. Schon in meiner ersten kurzen Veröffentlichung über die infektiöse Chlorose habe ich angedeutet, daß vielleicht auch die Mosaikkrankheit des Tabaks in diese Klasse von Infektionskrankheiten zu rechnen ist. Der einzige wesentliche Unterschied zwischen der Mosaikkrankheit und der infektiösen Chlorose der Malvaceen ist der, daß bei der ersteren die Übertragung der Krankheit auch auf anderm Wege als dem der Pfropfung erfolgt. Es ist also wahrscheinlich das Virus der Mosaik- krankheit viel beständiger als das der infektiösen Chlorose, das ja nach den bisherigen Versuchen zu schließen nur innerhalb der lebenden Zellen der Malvaceen existieren kann. Nach den neuesten Mitteilungen Huneers käme dazu noch ein weiterer Unterschied. Huneer vertritt die Ansicht, daß man auch ohne Infektion eine gesunde Tabakspflanze durch geeignete Behandlung ver- anlassen kann, primär Virus zu bilden, daß also der Vorgang, der sich bisher unseres Wissens für die infektiöse Chlorose der Malvaceen nur einmal abgespielt hat, bei der Mosaikkrankheit sich sehr häufig abspiele. Ein prinzipieller Unterschied wäre das jedoch nicht, nur ein gra- dueller. Ich glaube aber auf Grund eigener Versuche vorläufig noch nicht, daß diese Ansicht Hunsers richtig ist. Mir ist es bisher nicht gelungen, gesunde Tabakspflanzen anders als auf dem Wege der Infektion mosaikkrank zu machen. Ich betone das Wort »gesunde«, weil in einem Versuchsgarten, in dem überhaupt mosaikkranke Tabaks- pflanzen einige Zeit kultiviert wurden, fast alle Tabakspflanzen unbe- absichtigt infiziert sind. Die Krankheit bleibt dabei latent, wenn die Pflanzen unter Bedingungen wachsen, welche der Krankheit entgegen- arbeiten, sie tritt in Erscheinung, wenn man diese scheinbar ganz gesunden Pflanzen unter die Kulturbedingungen bringt, die erfahrungs- gemäß die Mosaikkrankheit begünstigen. Wenn man also nicht mit der peinlichsten Genauigkeit jede Möglichkeit ausschließt, daß die scheinbar gesunden Versuchspflanzen nicht schon latent infiziert sind, darf man daraus, daß eine derartige Pflanze durch geeignete Be- handlung mosaikkrank wird, nicht den Schluß ziehen, daß in dieser Pflanze die Krankheit ohne Infektion primär aufgetreten sei. Es ist selbstverständlich möglich, daß das Virus der Mosaik- krankheit bisher nicht bloß einmal, sondern häufig primär entstanden ist, aber ich halte das vorläufig noch nicht für erwiesen. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei Sitzungsberichte 1906. 4 i h | \ % (2 EIER EIN u. M. SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Sitzung der physikalisch -mathematischen Classe am 13. Januar. (S. 31) Schortky: Bemerkung zu seiner Mittheilung über den Pıcarp’schen Satz und die Borer'schen Ungleichungen. (S. 32 Sitzung der philosophisch-historischen Classe am 18. Januar. (S. 37) von Wıraumowrrz - MoELLENDORFF: Panionion. (S. 38) ” BERLIN 1906. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. | Aus dem Reglement für die Redaction der akademischen Druckschriften. Aus Sl. : Die Akademie gibt gemäss $ 41,1 der Statuten zwei fortlaufende Veröffentlichungen heraus: »Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften« und » Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften«. Aus $ 2, Jede zur Aufnahme in die »Sitzungsberichte« oder die »Abhandlungen« bestimmte Mittheilung muss in einer aka- demiscelhen Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel das druckfertige Manuseript zugleich einzuliefern ist. Nielit- mitglieder haben hierzu die. Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu Amıulaehe $3. Der Umfang einer Kutschen Mitteilung soll in der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, bei Niehtmitgliedern 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- lungen nicht übersteigen. Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung der Gesammt-Akademie oder der betreffenden Olasse statt- haft, und ist bei Vorlage der Mittheilung ausdrücklich zu beantragen. Lässt der Umfang eines Manuseripts ver- muthen, dass diese Zustimmung erforderlich sein werde, so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen von saclıkundiger Seite auf seinen muthmasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen. Sa. Sollen einer Mittheilang Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeichnungen, photographische Original- aufnahmen u. s. w.) gleichzeitig mit dem Manuseript, jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen. Die Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschliessen, Ein darauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der be- treffenden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage eioes Sachverständigen an den vorsitzenden Secretar zu richten, dann zunächst im Seeretariat vorzuberathen und weiter in der Gesammt-Akademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie. Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist — wenn es sich nicht um wenige einfache Textfiguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachverständigen beizufügen. Überschreitet dieser Anschlag für die er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberathung durch das Seeretariat geboten. Aus 85. Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manuseripts an den zuständigen Secretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften, und zwar, wenn eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mittheilungen von Verfassern, welehe nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen der Regel naclı nur in die Sitzungsberichte aufgenommen werden. Beschliesst eine Classe die Aufnahme der Mittheilung eines Nichtmitgliedes in die dazu bestimmte Abtheilung der »Abhandlungen®, so bedarf dieser Beschluss der Bestätigung durch die Gesammt - Akademie, (Fortsetzung auf S, 3 des Umschlags.) en wissenschaftlichen pe % ; Aus $ 6. Dieandie Druckerei abzuliefernden Manuseriptemüss ei wenn es sich nicht bloss um glatten Text handelt, aus reichende Anweisungen für die Anordnung des Sat und die Wahl der Schriften enthalten. Bei Einsendun Fremder sind diese Anweisungen von dem vorlegen 1 Mitgliede vor Einreichung des "Manvseripta vorzunchm r Dasselbe hat sich zu vergewissern, dass der Verfasset seine Mittheilung als vollkommen druckreif ansieht. Die erste Correctur ihrer Mittheilungen ‚besorgen. di Verfasser. Fremde haben diese erste Correetur an v orlegende Mitglied age ‚Die Correctur soll und leichten Bere hinausgehen. Umfängli i Correeturen Fremder bedürfen der Genehmigung des redi Een Secretars vor der Be an ee > Ficoskat SEHE Bas SE Von allen i in die Sitzungaberichte oder Abhandlı Druck 4 Seiten übersteigt, auch für den Buchhandel Sond abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen des treffenden ‚Stücks der Sitzungsberichte ausgegeben we Von Gedächtnissreden werden ebenfalls Sonderaba) für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wen Verfasser sich ausdrücklich damit ern 7 erk 89. Von den Sonderabdrucken aus den Sitzungs 'ichten erhält ein Verfasser, w eleher Mitglied der Akademie is zu DOREEN: Verthieilnng. ohne weiteres. 50 Fı auf Köhen. der Alsdenie weitere Exeinflarpl bis zu | von noch 100 und auf seine Kosten noch weite, 2 - zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu la sofern er diess Fechtzeitig dem redigirenden 'Seere gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten no Ra zur Vertheilung zu erhalten, so bedar Gehänden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 51 > exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei hin r redigirenden Seeretar weitere 200 auf ihre Kosten abziehen wer hält ein Verfasser, ET Mitglied der Akademie i ist zu unentgeltlicher Vertlieilung ohne weiteres 30 Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zweck auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bi bis zur von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere is zur Zahl von Ban (im ganzen also er. abzichen zu lasse m gezeigt hat; ware er auf seine Koran noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es da der Genehmigung der Gesammt- Akademie oder der be treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 30 Fi ie exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Seeretar weitere 100 eh: Fa Kosten abziehen lassen. $ 17. stimmte wissenschaftliche ne. in keinem Falle vor ihrer ae jen 31 SITZUNGSBERICHTE 1906. nl. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 18. Januar. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. 1. Hr. F. E. Scuusze las »Beiträge zur Anatomie der Säuge- thierlungen«. (Ersch. später.) Die von MirLer und Opprr. beschriebenen » Atrien« haben sich nicht als eigenartige Vorräume der Saceuli alveolares nachweisen lassen. — Aus dem Durchmesser und der Zahl der Lungenalveolen wird für mehrere Säugethiere die Grösse der gesammten respirato- rischen Fläche berechnet und gefunden, dass diese nicht nur zur Körpermasse, sondern auch zur Grösse und Intensität des Stoffwechsels in Beziehung steht. — Bei allen Säuge- thieren kommen glattrandige kreisrunde oder ovale Löcher in den Alveolensepten vor, jedoch in sehr verschiedener Menge. Während beim Faulthier nur in wenigen Septen ver- einzelte Löcher zu finden sind, treten sie beim Igel, Maulwurf und bei der Spitzmaus so reichlich auf, dass die Alveolensepta siebartig durchlöchert erscheinen. — Im Gegen- satze zu den sehr engen Bluteapillarnetzen der Alveolensepta erscheinen die Capillarnetze der Alveolenwände, welche an die Pleura, die Bronchien, die gröberen Blutgefässe und an die bindegewebigen Scheidewände der Lungenlappen anstossen, erheblich weitmaschiger. 2. Hr. Schortey machte zu seiner Mittheilung im Sitzungsbericht vom 27. Oetober 1904 »Über den Pıcarn’schen Satz und die Borer’schen Ungleichungen« den umstehend folgenden Zusatz. Es wird die Natur einer Hülfsfunetion erörtert, die in der erwähnten Arbeit auftritt. 3. Hr. F. E. Scuurze überreichte die von den HH. H. SricHEL (Hagen) und Rırrarrn (Berlin) als 22. Lieferung des »Tierreich« be- arbeitete Darstellung der Schmetterlingsfamilie der Heliconüdae sowie den von Hrn. Prof. L. von Grarr bearbeiteten ersten Theil der Turbellaria, die Acoela umfassend, welcher die 23. Lieferung des »Tierreich« aus- macht. Derselbe überreichte ferner seine Arbeit »Über die Xenophyo- phoren, eine besondere Gruppe der Rhizopoden«. Diese mit 3 Tafeln ausgestattete Monographie ist in dem XI. Bande der » Wissenschaft- lichen Ergebnisse der deutschen Tiefsee-Expedition auf dem Dampfer “Valdivia’ 1898 —1899« enthalten. 4. Hr. Ensermanwüberreichteim Auftrage des Herausgebers Hrn. Prof. R. Fıex in Prag den 4. Band der Gesammelten Schriften von Avorr Fick: Vermischte Schriften einschliesslich des Nachlasses. Würzburg 1905. Sitzungsberichte 1906. > 32 Sitzung der physikalisch - mathematischen Classe v. 18. Januar 1906. Bemerkung zu meiner Mittheilung: Über den Pıcarn- schen Satz und die BoreL'schen Ungleichungen. (Sitzungsberichte 1904, XL.) Von F. ScHoTTKY. In einem der Sätze, die in dieser Arbeit aufgestellt waren, tritt der Factor n auf, definirt als der kleinste unter den drei absoluten Werthen der Ausdrücke: 1 u—b a—c —C Dt ef ® c—b 08 Sera 08 aber os 2—b cal Das Zeichen »log« bedeutet hierbei den reducirten Logarithmus, dessen zweite Coordinate kleiner oder gleich #7, aber größer als —r ist; a,b,c sind drei verschiedene Constanten, 2, der Werth der Func- tion 2 im Mittelpunkte «.. Der Werth von nr ist hiermit zwar bestimmt durch den von 2. Um aber sagen zu können, dass n analytisch definirt sei als Function der beiden Coordinaten von 2,, muss man 2, als Veränderliche auf- fassen und für jeden der drei aufgestellten Ausdrücke angeben, in welchem Theile der 2,-Ebene er unter allen dreien den kleinsten ab- soluten Werth hat. Man könnte zunächst vermuthen, dass die Curven, in denen die drei Gebiete sich gegenseitig abgrenzen, transcendente seien. Dies ist jedoch nicht der Fall. Von den drei Ausdrücken hat der erste, zweite oder dritte den kleinsten absoluten Werth, je nachdem in der Identität (,— a) (b— ce) + (us —b) (c— a) + (,— ec) (a—b) = © das erste, zweite oder dritte Glied absolut genommen das kleinste ist. Es sind demnach drei Kreisbogen, die die Begrenzung der drei Gebiete bilden; sie treffen in den Endpunkten unter einem Winkel von 120° zusammen. So einfach dies ist, ist doch ein Beweis nöthig, dass hiermit die Grenzen der Gebiete richtig angegeben sind. Statt a,b,c können wir die speeiellen Werthe 1,0 und oo nehmen; die Veränderliche &% ee on — N Scnowıry: Zum Pıcarn’schen Satz. 383 bezeichnen wir mit u. Zu zeigen ist demnach, dass |log(w)| dann und nur dann der kleinste unter den drei Werthen log ( > ) log ( -.) "\ı—u u ist, wenn |1—u]| der kleinste unter den drei Werthen |ı—u]|, || und 1 ist. log (w)| , ’ Vorauszuschicken ist, dass zwar log (wu) eine unstetige Function ist, der absolute Betrag davon aber eine stetige, auch beim Durch- gang durch die negative Abseissenlinie. Für v=o und v= 0 wird allerdings |log(w)| unendlich gross; aber der reciproke Werth nähert sich stetig dem Werthe o bei der Annäherung an diese Punkte. Es ist ferner ausnahmslos: =) u und auch, wenn x und u’ conjugirte complexe Grössen bedeuten, llog(w’)| = |log(w)|. In allen diesen Beziehungen verhält sich |log (u) | = |log (u) |, N I so, wie z.B. |u+—|. u Das Gebiet @, in welchem |r—u|<[|u| und Y3. Denn es ist: (27 — zu)’ = 3(# — w) (Tr — 3w) + 7°. Hiernach ist g’(w) negativ und g(w) wächst mit abnehmendem Argu- ment. Da g(w)=o0 ist für „= % so ist g(w) positiv für die klei- neren Werthe. Es ergiebt sich wieder: |F(w)| < ı. Dasselbe gilt für die andere Hälfte des Bogens, da zu conju- girten Werthen von u derselbe Werth von |F(w)| gehört. Da demnach weder auf der Grenze von @, noch auf der Strecke von ı bis 2 |F(w)| den Werth ı übersteigt, so ist im Innern überall: |F(uw)|< ı. Das heisst, es ist: log er > ) h I Ersetzt man «u durch —, so folgt, dass genau unter denselben Be- U I 108 (1-4) ist. Im Gebiete @ ist demnach |log(w)| der kleinste von den drei log (=) log ( — 2) : N) . I I ° mi Ersetzen wir u durch — - oder I——, so erhalten wir ein U log(w)| < für u—ı]|<ı, [u—ı]<|u]|. dingungen für u: log (w)| < und Werthen |log (w) |, zweites Gebiet lul<ı, |u|ı, in dem der letzte der kleinste ist. Alle drei Gebiete erfüllen zu- sammen die ganze Ebene. Dadurch ist der Satz, um den es sich handelte, bewiesen. Hr. Vıvantı erwähnt meine Arbeit über den Pıcarv’schen Satz in seinem Buche: »T'heorie der eindeutigen analytischen Funktionen « (S.293, Anm.) und fügt hinzu: »Nach Aussage des Verfassers ist sein Beweis grösstentheils nur eine Umformung des Borer’schen«. Dem gegenüber habe ich zu bemerken, dass durch die Äusserung, auf die 36 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe v. 18. Januar 1906. Hr. Vıvanrı hinweist, der Inhalt meiner Arbeit keineswegs erschöpfend charakterisirt wird. Das Thema meiner Arbeit ist der Beweis des allgemeinen Pıcarv’schen Satzes (vergl. die Inhaltsangabe auf S. 1243 und den Wortlaut des Satzes auf S.ı258 der Sitzungsberichte von 1904). Bekanntlich hat Hr. BoreL nicht dieses für die ganze Ana- lysis fundamentale Theorem bewiesen; sein Beweis bezieht sich nur auf den speciellen Fall der ganzen transcendenten Functionen. Das Problem, den allgemeinen Satz direct zu beweisen, ist vor zehn Jahren von Hrn. Picarn gestellt in unmittelbarem Anschluss an die Borer'sche Mittheilung', und die Vermuthung, die Hr. Pıcarn ausspricht: »dass in diesem Falle eine Analyse von der Art derjenigen des Hrn. BorEL nicht ausreichen werde, um zum Beweise zu gelangen«, wird durch meine Arbeit bestätigt. Denn zu den grundlegenden Borer'schen Ge- danken, deren Wichtigkeit sich auch durch meine Untersuchung auf's Neue ergiebt, muss in $ 3 zum Beweise des allgemeinen Satzes eine zweite Kette von Schlüssen hinzutreten. e ! Remarques sur la communication precedente de M. Borer. Par M. Emıte Pıcarn. Comptes rendus 1896, p. 1048. Ausgegeben am 25. Januar. 37 SITZUNGSBERICHTE La IM. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 18. Januar. Sitzung der philosophisch--historischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. Dies. 1. Hr. Srumepr las über die Eintheilung der Wissenschaften. (Erscheint später.) Um den wesentlichen Eigenthümlichkeiten bestimmter Wissenschaften, wie der Psychologie, der Geschichte, der Mathematik, gerecht zu werden, muss man statt Eines Prineips eine Mehrheit sich kreuzender Eintheilungsgründe benutzen, deren jeder die Mannigfaltigkeit des Wissenschaftssystems von einem besonderen Gesichtspunkt aus beleuchtet. 2. Hr. von Wıramowırz-MoELLENDORFF legte eine Mittheilung vor: »Das Panionion«. Das Centralheiligthum des Bundes der ionischen zwölf Städte ist nicht älter als der Anfang des 7. Jahrhunderts, folglich gehört auch der Bund nicht in die Urzeit, sondern ist unter dem Drucke der Lydergefahr geschlossen. 3. Hr. Dırtary legte eine Mittheilung des Hrn. Dr. GROETHUYSEN in Berlin vor: »Ein Brief Kanr's«. (Ersch. später.) Der von dem Verfasser in Paris aufgefundene Brief Kanr’s an Linoner aus dem Jahre 1759 betrifft den Streit über den Optimismus. 4. Es wird vorgelegt: Deutsche Texte des Mittelalters, hrsg. von der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften. Bd. IH: Johanns von Würzburg Wilhelm von Österreich, hrsg. von E. Reerı. Bd.VI: Das Leben der Schwestern zu Töss, beschrieben von ELsBET STAGEL, hrsg. von F.Vrrrer. Berlin 1906. 38 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 18. Januar 1906. Panionion. Von ULrıcn von WILAMOWITZ- MOELLENDORFF. nz IV ı erzählt über die Entstehung der dorischen Säule folgende Geschichte. Ion, der Sohn des Apollon und der Kreusa, zieht nach Karien, gründet die ionischen Städte, und als man dem Apollon Pa- nionios einen Tempel bauen will, wie er ihn in Achaia gehabt hatte, kommt man auf die kanonischen Verhältnisse der dorischen Säule. Als die ionischen Städte, die Ion gründet, werden nicht bloß die be- kannten zwölf aufgeführt, sondern hinter ihnen eine dreizehnte, Melite. Haec Melite propter civium adrogantiam ab his ciwitatibus bello indicto com- muni consilio est sublata, cuius loco postea regis Attali et Arsinoes beni- ‚ficio Zmyrnaeorum eivitas inter Ionas est recepta. Der merkwürdige Be- richt bezeichnet Myus als aufgegangen in Milet; das war es am An- fange des zweiten Jahrhunderts' noch nicht. Der Apollon Panionios statt des Poseidon” ist wohl eine Flüchtigkeit Vitruvs. Ebenso ist an- erkannt, daß der König Attalos fälschlich genannt ist. Neben Arsinoe fordert man Lysimachos, der so vielfach in die Verhältnisse Ioniens eingegriffen hat und als Gründer Smyrnas diese Bestimmung treffen mußte. Falsch wird auch der Name der Stadt Melite angegeben, denn bei Stephanus steht Menia mönıc Kapiac, "ERATAloc TENEANOTION A, Ö TIOAITHC Menıevc. Damit war solange wenig anzufangen, als dies die einzigen Zeugnisse waren. Nun sind aber zwei Urkunden hinzugekommen, die ! Philipp V. hat es im Jahre 201 auf seinem Plünderungszuge von Karien her den Magneten geschenkt (Polyb. 16, 24); diese haben es eine Weile auch unter den Römern behauptet (Inschr. von Magnesia 93); aber Strabon 636 und dann Pausanias und Plinius kennen es als milesisch. 2 Arıöanon TTAnı@onIoc erscheint in einer attischen Inschrift 1G. Ill ı75, aber hinter KaArıoc in einer Reihe von “Erıikafceic. Man könnte freilich denken, daß Milet den Apoll der Branchiden zum panionischen hätte machen wollen; aber von dem wissen wir genug, um zu versichern, daß so etwas nicht geschehen ist. von Wıramowırz-MOELLENDORFF: Panionion. 39 wenigstens die Hauptsache feststellen und dann weitere Schlüsse von großer Tragweite gestatten. Das eine ist ein Brief des Königs Lysimachos an die Samier aus den letzten Jahren seiner Regierung, der zwar schon im CIG. steht, kopiert von einem Steine, der seit Jahrhunderten in Oxford ist, aber dennoch nicht einmal vollständig gelesen war." Da der Stein in Samos aufgestellt war, sind die Samier mit der Entscheidung des Königs zufrieden gewesen. Das bestätigt sich auch in dem Eingange seines Schreibens, in dem er sagt, er würde die Appellation der Prieneer gar nicht angenommen haben, wenn er hinreichend darüber informiert ge- wesen wäre, daß die Samier das fragliche Gebiet seit so langer Zeit inne hätten; nun wären die Gesandten beider Parteien einmal zur Stelle gewesen, da hätte er die Untersuchung führen müssen. Es folgen die Darlegungen von Priene und von Samos; die letzteren sind zum großen Teile verloren, die Entscheidung des Königs ganz; allein es kann an ihr kein Zweifel sein. Die Prieneer haben auch später das fragliche Gebiet, die Feldmark, die nach einer verschollenen Ortschaft Batinetos hieß, niemals wieder besessen noch beansprucht.” Sie hatten nur gedacht, da der König ihnen vorher gegen Magnesia” günstigen Bescheid gegeben hatte, bei ihm auch mit dieser Revindikation durch- zukommen; aber die Untersuchung, die der König anordnete, hatte den entgegengesetzten Erfolg. Was von den Ausführungen beider Parteien erhalten ist, muß ich mitteilen: ! Borernu ÜlG.2254 nach Cuanpter. Hicks, Greek historical Inscriptions 152 nach eigner sehr fördernder Abschrift. DrrrengErGer, Inser. Orient. 13. Ich habe im Appa- rate der Akademie einen Abklatsch der ersten ı5 Zeilen und eine kleine, aber scharfe Photographie zur Verfügung gehabt. Eine größere, die ich durch Hırrers Ver- mittelung eben noch erhalten habe, ist verschwommen. Der Stein ist rechts vollständig, aber abgerieben. Ich zweifle nieht, daß sich mit viel Geduld alles vor dem Originale feststellen läßt; das wird meinen Text hier und da ändern, aber nicht den Sinn. ® DivrENBERGER sagt zwar, daß das Streitobjekt des folgenden Schiedsspruches, Karion und Dryussa, zur batinetischen Flur gehört hätten, allein das ist mit den An- gaben der Rhodier schlechthin unvereinbar. Dort haben die Samier Z.45 die Batinetis im Eingange ihrer Darlegung erwähnt, offenbar um durch jenen Erfolg ein Präjudiz zu schaffen, und Z. 102 verweisen sie auf diese früher ausgetragenen Händel. Die Prieneer berichten Z. 123 ebenfalls von dem Streite um die Batinetis vor Lysimachos (dessen Zeit hierdurch genauer bestimmt wird), aber nur um darzulegen, daß Samos damals auf das jetzige Streitobjekt keinen Anspruch erhob, sondern in dem Schreiben an Lysimachos sich des Ausdruckes bediente, TTPIHNEIC EXoNTI TÄN AYTÖN XWPAN, was eben dieses Streitobjekt einschloß, die Batinetis nicht. ® Inseript. in the British Museum III, cecer, ccecu, cccex; in der künftigen Ausgabe der Inschriften von Priene 14. 15. 16. 40 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 18. Januar 1906. ol men oFn TTpınneic THM MEN Ez ApxÄc TErENHMENHN AYT[olc Kräcı|n TAc BATINHTIAOC xXWPAC ETIEAEIKNYON EK TE TON IcTorı®n [Kal TON ÄAnlawn MAPTYPIwN Kal aıkaıwmAtwm [me|tA TON E&zerön [crron|a@|n Ycrelpon A& crnwmonörovn AvyraAmewc Erieneöntoc em [tAn| "lw[ni- 15 AN META AY|nAmewc ToYc TE noImoYc Ernimein TUN x@PAn [Kal Clami- oYc EIC THAN n|Acon ATIOXWPÄCAI " TON A& ÄYTAAMIN KATACXÖNTA [- PR ETH AYTOIC m|Anın ATIOAIAÖNAI TÄC AYTÄC KTHCEIC, TOYC [ae TTPiH- neac Yrıoctperlaı" Camion A& OYeenA TIAPATENECBAI TIAPÄTIAN TÖ- Te, TMAAN Ei TIc ETYrxanen TIAP’ AYTOIC TIAPOIKÖN' TOFTON A[E TON 20 ATPÖN TO rIrNöm|enon TIPOcenerKAceAl TTPIHNeFCıN Yrroc[TPEYAN- TAC A& YCTEPON METÄ B:JAc CaAmiovc TIAPERECEAI TÄT XWPAN AYTOlN’ TTeMmoehnAı OYN TIAPA| TIpınneun BiAnTA TIEPI AlanYcewN TOIc Calmioıc TIPECBEYTÄN" TON] A& Alanscal TE TÄC möneıc Kal ToYc olk[o9nTlac A- roxwpAcaı TAc BartlınHTiaoc xWPpAac' TIPÖTEPOMm Men OYN E|oAcaN 25 TA TIPATMATA AYTOIC M|ENEIN EN TOYTOIC KAl MEXPI TO? ECXATOY XPÖ- NOY KPATEIN TÄC xWPlac, NN ae Fizloyn HmAc Kata Tan E|z ArxAc [KTA- CIN ATIOAOYNAI AayYToic] TÄT XWPAN. Oi A& TIAP’ YMÜ@N ÄTIOCTANENTEC TPECBEIC THN KTÄCIN TAN TETENHMENHN AYTOIc TÄc BATINHTIAOC XWPAC EBACAN EK TIPOrÖnoN]| TTAPEINHBENAI" META AEC THN Ayraämleoc 30 EICBOAHN EFAITIEIN CYNWMmo|nöroYNn ÜCTTEP Kal Ol AoITol Kal AYTo|| THN XWPAN, ATIOXWPÄCAI A& eic] THN NÄCON, YCTEPON ale PEN - - - ollkejin xınloyc ...... 11—I3 im wesentlichen ergänzt von Böck#, MeTA Hıcks, ganz sicher, obwohl sprachlich seltsam. 14 YcTepon WILHELM. 14—ı8 der Grund von Hıcxs ge- legt; es scheint wirklich eine Jährsumme genannt gewesen zu sein, denn ein anderes Objekt als KTHceic ist zu KATACXÖNTA nicht zu denken, da AYTolc notwendig ist und für den Satz enklitisch etwas haben muß, woran es sielı lehne. während KATACXöNTA stili- stisch einen Zusatz fordert. 15 gibt Hıcks AYT hinter x&Pan: das kann ich nicht sehen und glaube nicht daran. TIAPATIAN DrrVENBEBGER, der 20 erklärt und das We- sentliche ergänzt hat. 21 YTIOCTPAGENTAC AE TOYC EKTIECÖONTAC CAMioYC DritENBERGER, wo der Akkusativ Camiorc unerträglich ist, dazwischen lag auch eine lauge Zeit, und der Krieg war anzudeuten. 22. 23 im wesentlichen Böckn. oıikoyn gibt ÜHANDLER. 24 am Ende MmenocTic CHANDLER, sicher falsch. 27—31 Hıcks. Da- nach war von 1000 samischen Kleruchen die Rede, wie Mic#er gesehen hat; Ergän- zung wäre Spiel. Für die Erklärung ist gleich noch etwas hinzuzunehmen, was Aristoteles in der Politie der Samier, also aus einer Chronik dieser Stadt, berichtet.‘ Danach haben die Samier und Prieneer lange Krieg geführt; die Prieneer haben in einer großen Schlacht 1000 Samier erschlagen, sind aber im siebenten Jahre danach von den Milesiern ! Aristoteles bei Zenobius VI ı2 und Plutarch Quaest. Graec. 20. Priene hat keinen Lokalschriftsteller gehabt. a u EELTE von Wıramowrrz- MOoELLENDoRFr: Panionion. 41 bei Drys aufs Haupt geschlagen. Bias ist als Gesandter nach Samos gegangen und hat sich große Anerkennung verdient. Die Milesier können nur Bundesgenossen der Samier gewesen sein: diese schreiben sich vor den Rhodiern selbst den Sieg zu. Die Ereignisse sind da- nach so verlaufen. Erst gab es eine &z Arxfc «TAcıc, über die beide Parteien verschiedenes angeben; das wird gestört durch die Invasion des Lygdamis. In dem hat Lexscuau' treffend den Führer der Kim- ınerier erkannt, der gegen die Mitte des 7. Jahrhunderts Magnesia zerstörte und den Tempel von Ephesos verbrannte.” Als der nach kurzem Aufenthalt abzog, trat rechtlich der alte Besitzstand ein, was die Prieneer etwas naiv so ausdrücken, daß der Barbar selbst die Eroberungen an die alten Besitzer zurückgegeben hätte. Aber da- mals sind noch keine Samier in das batinetische Land zurückgekommen, oder doch höchstens als rmAroıkoı, die es immer in Priene sehr viel gab. Danach erst kamen die Samier, und jener Krieg erfolgte, den Bias schlichtete. Indessen gehen die Prieneer über seinen Vertrag rasch hinweg, während sie in der Lage waren, die notwendig ihnen günstigen EzEreic cmonaai aufzuweisen, die nach dem großen Siege geschlossen waren, wie die Vergleichung mit Aristoteles lehrt. Die Samier wollen natürlich gleich zurückgekommen sein: ihre tausend Kleruchen sind identisch mit den tausend, die angeblich von Priene erschlagen wurden, d.h. als Kleruchen nicht mehr existierten. Damit haben die Samier ohne Zweifel recht behalten und gehabt, daß sie die batinetische Flur fortan besaßen; das muß auch von Bias zugestanden sein. Die zweite Urkunde ist der Schiedsspruch der Rhodier” über einen Handel zwischen Priene und Samos, der sich auf das Kastell Karion und die Landschaft Dryussa bezieht, die offenbar nach jener Drys heißt, bei der die Entscheidungsschlacht zu den Zeiten des Bias ge- schlagen war. Über die Zeit des Spruches kann ich nur sagen, daß er vor das Eingreifen der Römer fallen muß, aber unter Antiochos Megas.‘ Wir erfahren hier über die Zeiten des Bias nicht wesentlich mehr, außer daß die Samier die damaligen Abmachungen vorzulegen imstande sind (wohl sicher aus den Historikern, nicht das alte Doku- ! In der sehr tüchtigen Dissertation De rebus Prienensium, Leipziger Studien XII, die viel über diese Dinge zusammengetragen und verarbeitet hat. Es ist aber immer notwendig, eine solche Untersuchung von Grund aus neu zu führen. ®2 Busorr, Gr. Gesch. II 463. ® Inseriptions in the British Museum III N. CCCCHI. In der Sammlung der In- schriften von Priene, die HırLer von GaERTRINGEN bearbeitet, wird es N. 37 sein. Ich lese die Korrektur und bin dadurch auf diese Entdeckung geführt, die vorgelegt sein muß, ehe die Geschichte Prienes geschrieben werden kann. Auf den Text aber gehe ich nur ein, soweit es unvermeidlich ist. * Vgl. die Beilage ı. 42 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 18. Januar 1906. ment selbst): damals ward die Grenze berichtigt oc YaArtwn Poal. Auch die Zeit dieser Abmachung scheint auf das Jahr bekannt gewesen zu sein." Aber die Hauptsache ist die Angabe über die Zeit, die von Lysimachos als die &z ArxAc Kräcıc bezeichnet war. Das ist vor diesem Schiedsgerichte genau dargelegt worden auf Grund alter Chroniken von Ephesos, Chios (hier nur 'Theopomp), Samos” und Milet.” Die Landverteilung ist erfolgt nach dem Menıaköc miönemoc durch das Koınön Ton "lonun, das die ganze Menıkk rA aufteilte. Damals haben die Prieneer Karion und Dryussa erhalten, die Samier Pygela; denn die Angabe des Maiandrios von Milet wird verworfen, .die im Widerspruch zu allen anderen Karion und Dryussa den Samiern zusprach. Bei Maiandrios stand noch etwas über den Besitz der Milesier, die etwas abtraten und Theben und Marathesion erhielten, und den der Kolo- phonier, die Anaia abtraten; mehr ist nicht erhalten und dieses auch mehrdeutig." Aber auch was sich erkennen läßt ist wahrlich merk- ! 2.124 heißt es nach einer Lücke, in der der Stephanephor Makareus von Priene mit Sicherheit ergänzt ist Ekrrecein men KarlioY ETH AlAK]öcıA Kal [- KONTA KATA- CXÖNTAC, KATENBEIN AE Ertl CTESANHEÖ]PoY AYkoyv, dc EcTi Armo MAKAPEwC TETAPTOC (nur die Zahl von mir eingesetzt, das andere von Hırzer geordnet). Das geht etwa von 300 rückwärts. ® Da gibt es drei ältere vor Duris, darunter EYAron. Da erhalten wir die echte Form des Namens, der überall sonst entstellt ist. Cerzamen Hom. et Hes. 1 eY.AION, wo r radiert sein wird, Photios nHic eyTalan, Suidas Aicwrioc EYreiton, Dionys de Thuc. 5 eyreon. Das sind keine zufällig zusammenstimmenden Fehler und bei Theognost. S.29, 3 schreibt Herodian EYrAion vor. Also ist eine einmalige alte Kor- ruptel anzunehmen, so daß r zu ı verlesen war und r als Korrektur dazu gesetzt, was aber an falscher Stelle eindrang. Das Certamen zeigt noch den Übergangszustand. Die Korruptel muß in einem maßgebenden alexandrinischen Buche erfolgt sein. ® Maiandrios wird hier verworfen, weil viele sein Buch für vevAerirpa®oc er- klären. Danach müßte ein echtes daneben bestanden haben oder doch er eine Person gewesen sein, auf deren Namen ınan gern fälschte. Beides ist mißlich. Maiandrios wird häufiger zitiert als irgend ein anderer Chronist von Milet, ohne jede Reserve. Übrigens ist die Beanstandung in dem Falle von Priene schlecht begründet: es würde nur anzunehmen sein, daß Maiandrios den Zustand seiner Zeit in die alte zurück warf. In der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts haben die Samier ohne Zweifel Karion, die Ephesier Pygela besessen. Es könnte seltsam scheinen, daß das Gericht kein anderes milesisches Werk zu Rate zog, auch nicht Hekataios; allein die Parteien waren beide den Milesiern abgeneigt, und das Gericht tagte in Ephesos. Mindestens auf einen Teil der Historiker hatten sich die Prieneer schon vor Lysimachos berufen. * 54—59 schreibt HırLer Erte]aeikn[ron En TAlc MAlAnarlior ToY MinHclovY IcTo- [PlAIC KATAKE])XwPICMEnoN [AIÖTI Kal A] nomA xGPpa Ä MenıÄc [Yrd "IOn®N KoINo]Y AYTolc e[a6eH META TÖMm TIönemon TOM Melniakön, €’ @l nemelcen AYTÄC ...... TIAPÄ MEN MiaHcion Al-- Kal em? Tolle ayroic Ofsac [kai M]araeHcion, Kaeülc Kal TO "IÖNWN Kol- NJon YrIep AY|TOn Erpine] TTaniwnloic [EN cYanörwı] TIAPA AeE Konosonion "AnAlA. Daran ist sehr viel gefällig; aber rraPA kann nur von denen gesagt werden, die etwas ab- geben. Also hatten die Milesier das unbekannte Aı-, die Kolophonier Anaia, traten dies ab, und die Milesier erhielten dafür (AoeAnaı ae Toic AYToic oder ähnlich) Theben und Marathesion, die also nicht zur Melias gehörten, wie bei Theben selbstverständlich ist. Es bleibt auch so dabei, daß die MeaiAc zuerst unter die” lonec aufgeteilt worden ist. u von Wıramowrrz-MoELLENDoORFF: Panionion. 43 würdig genug. Im 8. Jahrhundert hat nördlich von der Mykale, auf deren Vorbergen das »karische Kastell« noch jetzt zu sehen ist!, eine ionische Stadt gelegen, deren Gebiet noch Pygela°’, dicht bei dem da- maligen griechischen Ephesos oder Koressos, umfaßte. Sie hieß mit hellenischen Namen Melia, nach einer Esche, wie später eine ihrer Fluren Arvo?cca nach einer Eiche.” Für jene Zeit war das in der Tat ein gewaltiges Gebiet. Daher haben sich die Ionier zusammen- getan und Melia vernichtet, sein Gebiet aber unter sich aufgeteilt. Das ist geschehen vor dem großen Zuge der Treren, unbestimmt wie lange, also spätestens um 680: allzuweit darüber hinaus wird nicht leicht jemand gehen. Wenn auch keine authentischen Aufzeichnungen über die Verteilung mehr bestanden, so bildete sie doch dauernd (die rechtliche Grundlage für den Landbesitz der einzelnen Städte, und es ist merkwürdig genug, daß das ferne Kolophon einen Platz an dieser Küste hat. Natürlich mußte der Trerenzug starke Veränderungen her- vorrufen, die dann als solehe nicht notiert werden, weil man nur über die Besitzverhältnisse der unmittelbar darauf folgenden Zeit etwas sicheres wußte. So erklärt es sich, daß Magnesia und Ephesos, ob- wohl sie doch unmittelbare Nachbarn von Melia waren, bei der Ver- teilung leer ausgehen und in den späteren Händeln keine Rolle spielen: sie waren eben durch Lygdamis® ganz zu Boden geworfen. Eine Weile nachher beginnt Streit zwischen Priene und Samos, da dieses die Flur von Batinetos besetzt, die sehr ansehnlich gewesen sein muß, wenn sie tausend Kleruehen Raum gewährte. Eine Weile muß der Handel vor Schiedsgerichte gebracht sein’; dann kam es zum Kampfe, und als das Glück zuerst den Prieneern günstig war, verbanden sich die sonst so feindseligen Nachbarn Milet und Samos. Die Schlacht bei Drys warf die Prieneer nieder und Bias hat, wie weise er auch ver- mittelte, seiner Heimat die Flur von Batinetos sicher nicht gerettet, ! Eingetragen auf Karte I in SchrapEer-WırGanps Priene. 2 Vergl. die Karte in den Forschungen in Ephesos I und BEenxvorr 8.73. Unbe- dingt ausgeschlossen ist die früher angenommene Lage etwas mehr südlich nicht. ® Offenbar war Melia zuerst solch ein griechisches Dorf gewesen. Die alten Stadtnamen sind ausnahmslos karisch. Herakleia am Latmos muß eine Gründung des vierten Jahrhunderts sein, die den alten Namen der AArmiı, den die Tributlisten zeigen, verdrängte. Bezeichnend für unsere Unkenntnis, daß wir von der Gründung nichts wissen. * Der Mann kann nieht wohl ein Trere gewesen sein, denn der Name ist karisch: da hat sich wohl ein unternehmender Dynast an die Spitze der führerlosen Barbaren gesetzt. Auch die Leute von Melia sind natürlich vielfach, vielleicht überwiegend, Karer gewesen. 5 Darauf‘ deuten die AIKAIGMATA, deren sich die Prieneer vor Lysimachos bedien- ten, und der Vers des Demodokos von Leros AN TYXHIC KPINDN AIKÄZEY THNTTPIHNE@N AIKHN, der mit Bias nichts zu tun hat, wenn er auch in seiner Biographie steht, Wir wissen nur gar nicht, wann Demodokos lebte, 44 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 18. Januar 1906. das andere schwerlich; aber Priene selbst blieb allerdings bestehen. Wann das war, können wir genau nicht sagen, denn das Leben des Bias haben nicht einmal die Alexandriner, so viel wir wissen, bestimmt. obwohl die alten ionischen Chroniken das Material boten, aber in die erste Hälfte des 6. Jahrhunderts werden wir ihn ansetzen dürfen.‘ Damit ist gesagt, daß hinter Priene in Wahrheit die Lyder standen, die sich schon unter Ardys in Besitz Prienes gesetzt hatten?: das erklärt die Feindschaft der Nachbarn, die nelımen, was noch zu erlangen ist, aber die daran verhindert werden, Priene das Schicksal Melias zu bereiten. Das ist ihm doch auf die Dauer nicht erspart geblieben. Unter Kyros ist es einmal vernichtet, und wenn es an dem Aufstande der Ionier teilnimmt und auch wie Myus ein Talent zum attischen Reiche noch 443 gezahlt hat, so führen doch 441 bereits die Samier und Milesier um Priene Krieg’, und es wird schwer- lich auch nur eine wirkliche Selbständigkeit und Konsistenz wieder erhalten haben‘, ehe Athen um die Mitte des 4. Jahrhunderts sich um seine Neugründung bemüht. Athen, damals Besitzerin von Samos, konnte auf dem Boden des Festlandes unmöglich den samischen Besitz gegen den König auch nur antreten: damals also gab es ihn lieber ! Den Ruhm der Bias begründen die Urteile seiner Nachbarn, der Ephesier Hipponax (der seine Weisheit als Richter rühmt) und Herakleitos (dem der Spruch ol rraeicToI KAkol nach dem Herzen war). In der Novelle von den Sieben Weisen scheint er zuerst den Ehrenplatz gehabt zu haben, so bei Phanodikos von Delos (der vor Theo- phrast schrieb, vgl. Plutarch Sol. 4 mit Diogenes 1, 83): die Weihung des Dreifußes in Theben sieht ursprünglicher aus als die in Delphi. Herodot ı, 170 gibt ein Apo- phthegma, das er 547 auf einer Sitzung in Panionion gegeben haben soll: es ist eine harte Zumutung, das als historisch beglaubigt anzunehmen. Ein anderes, 1, 25, führt ihn am Hofe des Kroisos ein, wird aber auch dem Pittakos beigelegt. Ganz wertlos ist ein Strategem gegen Alyattes, das als autorloses neretal bei Diogenes steht: es braucht nicht aus Hermippos zu sein. Den Namen des Vaters lieferte Heraklit; weil er karisch ist, konnte Duris den Bias zu einem rrAPoIıKkoc machen, was aber auch der Wahrheit entsprochen haben kann. Höchst seltsam ist, daß am Schlusse der Diogenes- vita gesagt wird, das Temenoc, das Priene dem Bias weihte, hätte TeYTAmeion ge- heißen, denn die Steine kennen nur BiAnTeion; das war wohl das schöne Rathaus der Stadt. Das ists, was wir vom weisen Bias außer der Vermittelung in Samos wissen. Ich sehe kein Mittel, seine Zeit zu bestimmen. Hätte Hermippos die samische Chronik aufgeschlagen, so würden wir sie wissen. 2 Herodot 1, ı5 aus milesischer Überlieferung; solchen knappen Angaben traue ich. 3 Herodot ı, 161. 6,8. IG.1I 237 (238 wird er nicht mehr gestanden haben); 37 in der Schätzungsliste ist der Name mit Wahrscheinlichkeit ergänzt, aber das besagt wenig; in den Schätzungslisten der Perser wird Priene auch gestanden haben). Thukyd. r, 115. * Als ein Ort des Mäanderdeltas nennt es Xenophon Hell. Ill 2, 17. IV 8, 17. Aber da steht neben ilın Axianeion, ein milesisches Dorf, wie sielı aus der Quelle Axınnela en MinHto ergibt, die Aristobul (also bei Alexanders Belagerung) erwähnte: Athen. 43d. Achill hat da den Lelegerkönig TPAmsHnoc erschlagen, der nach Lyko- phron 427 mit Scholien, die aus Istros schöpfen, ein Soln des Telamon von einer Troerin ist. von WırLamowrrz- MoELLENDORFF: Panionion. 45 einer neugegründeten hellenischen Stadt als den vertriebenen Samiern, die ihre Ansprüche aufnehmen, sobald sie die athenische Kleruchie los sind. Von diesen Zeiten reden bezeichnenderweise beide Teile kein Wort, weder vor Lysimachos noch vor den Rhodiern. Doch auf die älteste Zeit will ich eigentlich auch hinaus. Gegen Melia, die dreizehnte Stadt des von Ion gestifteten Bundes, schreiten die anderen zwölf ein, weil es übermütig geworden ist, so Vitruv. Auch bei Maiandrios verfügt der Bund der Ionier über die melische Mark. So finden wir um 700 diese Körperschaft politisch tätig, ganz wie im sechsten bei Herodot, und wie damals tagt sie an dem Pan- ionion. Nun liegt dieses aber wenig nördlich von der Mykale bei dem Griechendorfe Tschangly, wie schon LEAKE daraus geschlossen hat, daß dort ein Beschluß der Ionier gefunden ist. Übrigens ge- nügen auch die Küstenbeschreibungen vollkommen zu seiner Fixierung. ' Damit ist gesagt, daß das Panionion im Gebiete von Melia lag, und wer an die Stiftung des Bundes der Ionier in der Urzeit glaubt, mag sich ausdenken, daß Melia sich an dem Heiligtume vergriffen hätte und durch einen heiligen Krieg zerstört wäre wie später Krisa und Kirrha. Wer unbeirrt durch solche Konstruktionen über die Zeit, von der es ein wirkliches Wissen nicht gegeben hat, den melischen Krieg überdenkt, wird ganz anders urteilen. Wenn eine hellenische Stadt zerstört wird, bleiben doch ihre Heiligtümer, und es muß Vorkeh- rung getroffen werden, daß die Götter zu ihrem Rechte kommen. Wenn ein Bund die Feldmark eines Feindes aufteilt, so liegt es in dem neuen Rechtsverhältnis, daß er als Nachfolger der vernichteten Gemeinde ihren Gottesdienst übernimmt. So ist hier die Pflege des Poseidon Helikonios auf Priene übergegangen, aber sein Fest ist das aller Ionier, d.h. des Bundes geworden, der Melia zerstörte und eben durch dieses gemeinsame Heiligtum ein Zentrum gewann. Die drohende ! Ich setze Strabons Worte XIV 639 her, weil sich da etwas Spaßhaftes zu- getragen hat. Er bezeichnet die Küste von der Mykale nordwärts als die TIAPANIA TÖN "Evecion, MEPOC A& TI Exoycin AYTÄc Kal ol CAmiol. TIPÖTON A’ ECTIN EN TÄI TIAPANIAI TÖ TTanı@nıon -- eita NeArtonic, H TIPÖTEPON MEN AN ’Evecion, NYN Ac CAMmioN AIANNAEA- MENDON TIPöOC TO MaAPABHcIoN, TO ErryTerw TIPöc TO ÄTIWTEPW. EitA TIYrena. Dieses Neapel steht auf den Karten, auch auf dem Plan in WıEGAND-SCHRADERS Priene; die Numismatiker weisen ihm Münzen zu (Heap, Doctr. num. 506, aus dem 3. Jahr- hundert n. Chr. mit dem Beinamen Aurelia) und die Periegeten Ruinen. Wirklich scheint sich niemand gewundert zu haben, wo es in den anderen Küstenbeschreibungen steckte, und wie Strabon den Hauptsitz der Samier übergehen konnte, der noch heute seinen Namen bewahrt hat. Und doch hat das alles nur der Byzantiner verschuldet der die Wortabteilung im Strabontexte eingeführt hat. eımaneamonic mußte er EIT “AnAIA TIönıc abteilen. Daß die Inschrift von Anaia, Magnesia 44, nicht magnetisch sein kann, spreche ich nun ganz zuversichtlich aus (Sitzungsber. 1904, 927): sie kann wohl nur samisch sein. 46 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 18. Januar 1906. Lydergefahr legte es den loniern nahe, die Bundesgenossenschaft, die sie zu einem bestimmten Zwecke mit bestem Erfolge geschlossen hatten, zu einer dauernden Institution zu machen. Mit anderen Worten: der Bund und die Panionien sind um 700 erst gestiftet worden, aber da der Bundesgott der von Melia war, mußte dieses freilich als ein ehemaliges Bundesglied betrachtet werden.' Dieser Gott, der Poseidon vom Helikon, wie Aristarch erklärt und die Grammatik allein erträgt, kann an der Mykale nicht befremden, die ihren Namen mit dem böotischen Mykalessos teilt, und an der auch ein Theben liegt. Die inschriftlichen Zeugnisse über den Kult in den ionischen Städten könnten für Filialen des nun panionischen Kultes gelten;* aber Auswanderer aus der Landschaft, die ihren Haupt- gott auf dem Helikon verehrte,® saßen auch anderswo, und die ho- merische Stelle, die den Kult des Helikoniers, aber weder die Mykale noch die Ionier erwähnt, bezeugt seine allgemeine Verbreitung.‘ Die Annahme, daß der Bund der Ionier erst um oder nach 700 gestiftet ist, streitet mit der herkömmlichen Vorstellung von der ionischen Wanderung als einer einmaligen großen Aktion. Darauf will ich sonst nicht eingehen, sondern beschränke mich auf das Panionion. Das ist freilich nach der parischen Chronik oder besser ihrer attischen Quelle wirklich bei jenem Zuge des Neleus 1086/5 v. Chr. gestiftet,’ und ich ! Ein weiterer Schluß ist, daß das Panionion in oder bei Melia gelegen haben wird: wir haben also die Chance, die Reste einer ionischen Niederlassung des 8. Jahr- hunderts zu finden, die seitdem unbewohnt war. Denn wer Stephanos von Byzanz und zumal die Epitome kennt, in der wir ihn haben, den beirrt ein Ausdruck wie TTANIGNION, TEMENOC KAI TIöNIC wenig, und er wird selbst der Ableitung 6 moAiTHe TTanı@nioc nicht trauen, obwohl natürlich ein paar Leute bei dem Heiligtum gewohnt haben müssen. Aber bei den Grammatikern ist mmöAic oft nur Ortschaft, und Derivate erfinden sie gern. TTanıonioc als Eigenname, geboren an den Panionia, in Chios, Herodot 8, 105. ®2 Belege bei Busorr, Gr. Gesch.], 318, PrerLLer-Roserr 579. Bemerkenswert ist der Kult in Sinope, DrrrengErGer, Syll. 603. ® # BolwTıa OAH lepA TTocelaßnoc sagt Aristarch mit Recht in dem wichtigen Artikel Kynric des Et. M. = Schol. B* zu € 422. So nennt denn auch der Poseidonhymnos Homers (22) neben Aigai, das auch das N kennt, den Helikon. * Homer Y 404. Die Scholien BT beziehen das Opfer an den Helikonios auf Neleus und Milet; wenn die schlechtere Fassung AD Milet und Karien nennt, so scheint darin etwas Ursprüngliches bewahrt, und gemeint werden wirklich die Panionien sein, wie im Marmor Parium. Die Subskription # icroPla TTAPA Kaeıtisönrtı ist unverständlich und nutzlos. Das Y ist freilich sehr jung, aber sein geographischer Horizont weist auf Ent- stehung in der ionisierten Äolis. Aber gerade die Äoler sind mit Böotien so nah ver- bunden wie die lonier. ° Epoche 27. Die Parallelen, die Jacopy S.gı verzeichnet und ordnet, erwähnen die Stiftung der Panionien nicht; wir können nicht ohne weiteres annehmen, daß Pherekydes und Hellanikos sie hatten, denn zu ihrer Zeit bestanden sie nicht, während der Parier schreibt, als sie gerade neubelebt sind, von Wıramowırz- MOELLENDORFF: Panionion. 47 zweitle gar nicht daran, daß die damaligen Ionier das geglaubt haben, wenn sie zum Panionion zogen, und daß Eratosthenes selbst daran geglaubt hat, dem der Helikonios von Helike kam. Das verpflichtet uns aber nicht, diesen Glauben zu teilen, aber wohl, seine Entstehung zu erklären. Bei Herodot finden wir die Ratsversammlung der Ionier am Panionion, sowohl als die Perser zuerst nach dem Falle von Sardes drohen, wie vor der Schlacht bei Lade (1, 141. 147. 170. 6,7); es ist also ein politischer Bund, sakral tritt er nicht hervor. Wenn man sich erzählt, der weise Thales hätte geraten, das Zentrum nach Teos zu verlegen, der weise Bias gar, obwohl er aus der Stadt stammt, die den Kult am Panionion versieht, man sollte gemeinsam auswandern, so sind das an sich Sprüche, deren Glaubwürdigkeit so beurteilt werden muß, wie die Sprüche der Weisen überhaupt. Man soll nicht sagen, sie wären von diesen Männern, gar bei diesen Gelegenheiten, gefallen; aber sie geben das wieder, was die Menge den gescheitesten Leuten zutraute, weil sie die Wahrheit erst begriffen hatte, als es zu spät war. Eins aber lehren diese Sprüche: auf die Heiligkeit des Orts kam es nicht an, sondern auf die Zweckmäßigkeit des politischen Bundes. Man denke sich so etwas den delphischen Amphiktyonen proponiert. Das stimmt aber vorzüglich, wenn der Bund von vornherein ein politisches Gebilde gewesen war. Gegen Melia hatte er standge- halten; gegen die Lyder und Perser versagte er. Aber das hat er doch erreicht, daß der Begriff der Ionier, sogar aller Ionier, in einem engeren Sinne an den zwölf Städten haften geblieben ist; eben daher hat er sich selbst in die Urzeit projiziert. Gerade gegen den Anspruch, daß die zwölf Städte alle Ionier repräsentierten, hat Herodot einen wichtigen Exkurs gerichtet, den wir scharf ansehen müssen, und bei seiner umständlichen Art den ganzen Gedankenzusammenhang verfolgen." ı, 141 erzählt er, daß die Ionier sich nach der Eroberung von Sardes am Panionion versammeln. 142 bestimmt er die “Iwnec TON TO TIANIONIön Ecrin als die zwölf Städte und gibt an, daß diese vier verschiedene Dialekte sprechen. 143 kommen wir einen Schritt weiter in der Erzählung; außer Milet lösen sich auch Samos und Chios von dem Bunde. Der nächste Schritt geschieht erst 152, nachdem 149— 152 auch die Äolische Zwölfstadt abgehandelt ist; 144, über die dorische Hexapolis, ist eine weitere Einlage. He- rodot will offenbar eine besondere Bosheit vorbringen, wenn er sagt, daß allein diese lonier der zwölf Städte sich des Ioniernamens nicht geschämt hätten, was doch selbst Athen, die einzige ansehnliche Io- ! Selbstverständlich habe ich E. Meyer, Forschungen zur alten Geschichte I und E. Scuwarız, Quaestiones Ionicae, von neuem nachgelesen; aber nicht mit ihnen will ich mich auseinandersetzen, sondern mit Herodot. {=} Sitzungsberichte 1906. 48 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 18. Januar 1906. nierstadt getan hätte.' Daher hätten sie sich das Panionion gebaut und niemand als Smyrna in den Bund aufgenommen, was übrigens auch niemand weiter verlangte. Dann gibt er als eigene Vermutung, daß sie die Zwölfzahl gewählt hätten, weil sie früher im Peloponnes auch zwölf Städte gehabt hätten. Das wird daraus erschlossen, daß die Achäer, die sie vertrieben hatten, jetzt auch zwölf haben. Übrigens wären die Ionier keineswegs eine reine Rasse, sondern vermischt mit einer ganzen Anzahl anderer Stämme, die namentlich aufgezählt werden.” Und die auf besondere Vornehmheit Anspruch machenden Milesier, die von dem Prytaneion Athens ausgegangen sein wollten, hätten mütter- licherseits durchaus karisches Blut. Und die Könige dieser lonier wären Lykier oder Kaukonen, diese von Kodros her. »Aber wenn sie denn auf den Namen so besonderen Wert legen, so mögen sie die echtbürtigen Ionier sein. eici a& rrAntec "Iwnec Öcoı Art AeHnewn rerönacı Kal ATIATOYPIA ÄroyYcın ÖPTHN’ ÄroYcı A& TIÄNTEC TIAHN "Eseciwn kai Konoewnion, und die haben sie früher auch gehabt.« In den aus- geschriebenen Worten muß stehen, wer denn nun außer den zwölf Städten ionisch ist. Dafür sind die Kriterien Abstammung von Athen und Feier der Apaturien, die Herodot offenbar nicht von ArıATH, son- dern richtig von dem gemeinsamen Vater ableitet. Das muß wohl Ion der Athener sein, der sich in Achaia ein Reich gegründet hat. Wer also Apaturien feiert, der bekennt damit seine Herkunft von Athen implieite. Daß dann beiläufig, ohne die Bosheit, die darin liegt, zu verraten, bemerkt wird, die einzigen scheinbaren Ausnahmen wären zwei der zwölf Städte, macht für den Hauptgedanken nichts aus. Daß Aroycı a& rrAntec in einer Weise, die zuerst mißverständlich ist, an eich a& rrÄntec "Iunec anklingt, ist stilistisches Ungeschick, denn in dem zweiten riäntec steckt rrAntec ol Er’ Aohunewn. Gewiß würden wir gern eine Aufzählung der übrigen Ionier hören, aber die gibt er nicht, da er nur sagen will: »mit ihren Gründen für den Anspruch auf besonders vornehmes Ionierblut kommen die zwölf Städte nicht dureh; was sie zu Ioniern macht, kommt allen andern, die sie als minderwertig ansehen, auch zu; übrigens ist der Name keine große Ehre«. Gedacht hat er natürlich außer an Athen an die Inseln, Euboia ! Das Urteil ist vom Standpunkte seiner Gegenwart aus gefällt und vergißt daher selbst Chalkis und Eretria.. Es ist aber bemerkenswert, daß die Kolonien Euboias sowohl in Thrakien wie im Westen wirklich von dem Ioniernamen keinen Gebrauch machen. 2 Dieser Tendenz dient auch sicher die mit übertriebener Schärfe hervorgehobene Unterscheidung von vier Mundarten. Der Halikarnassier, der selbst Ionisch spricht und schreibt, erkennt die ionische, d, h. milesische Schriftsprache nicht als das normale lonisch an. von Wıramowrrz- MoELLENDORFF: Panionion. 49 an der Spitze, und die ferneren Kolonien.‘ Endlich gibt er die Lage des Panionion an, von dem er ausgegangen war. Es ist ein x@roc KoInhı &zapaıpHmenoc Yrıö "Iunwn Tloceıacwnı "Erikwniwi...., ÄTECKON ÖPTHN TAı oYnoma &sento TTanıonıa. Also Herodot läßt die zwölf Städte das Heiligtum und das Fest stiften, indem sie sich von den anderen loniern absondern. Unmöglich kann er angenommen haben, das wäre gleich bei der Gründung der Städte geschehen, in denen so sehr viele an- dere Stämme neben den Ioniern wohnten. Er redet ja auch nirgend von einer einmaligen Einwanderung. Eine Zeitangabe macht er nicht; aber mit der Gründung nach dem Fall von Melia ist alles sehr wohl vereinbar. Herodot stammt aus einer karischen Stadt, die dorische Besiedelung erfahren, aber das dorische Wesen zugunsten des ionischen abgelegt hatte. Seine genaue Kenntnis von Samos und dessen alter Tradition läßt schließen, daß er die Hera nieht ohne besonderen An- laß im Namen trägt. Aber im Herzen ist er Athener, daher erkennt er diese Mutterstadt rückhaltlos an; aber von Athen stammen alle Ionier in der Weise, wie das Psephisma des Thudippos (IG.137) alle rmöneıc zur Teilnahme an den Panathenäen verpflichtet. Eben daher muß die Anmaßung der asiatischen zwölf Städte bekämpft werden, die den Namen der Ionier für sich in Beschlag nehmen und ihr Fest TTanıonıa nennen. Es ist ganz in der Ordnung, daß es nicht mehr be- steht, wenn Panathenäen begangen werden, die mit besserem Rechte Panionien heißen könnten. Die Panionien bestanden zu Herodots Zeit nicht mehr; es war natürlich, daß Persien einen Bund auflöste, der bei Lade gegen sie gekämpft hatte. Wo Thukydides von dem Feste aller Ionier in Delos redet, vergleicht er sie nicht mit den Panionien, sondern mit den "Eoeceia. Athens Politik hatte von vornherein eine große Anzahl kleiner Orte Ioniens selbständig gemacht, so daß von einer Vertretung loniens durch die zwölf Städte keine Rede sein konnte. Um so merkwürdiger klingt es jetzt, wenn zur Zeit des Agesilaos der Milesier Timotheos wieder von den zwölf Städten redet, aber mit Verleugnung des lonier- namens und Hervorhebung der Abstammung aus Achaia. Es war ganz falsch, daß ich seine Perser an den Panionien aufgeführt dachte: an denen hat es niemals irgendwelche Spiele gegeben, und zur Zeit des ! Vielleicht auch an Kynuria; aber ob dort Apaturien gefeiert wurden, und ob er das wußte? 2 Thukyd. 3, 104. ’Eveceia ist die richtige Form, DirrengerGer Orient. 10, bei Thukydides herzustellen. Steph. Byz. ”Evecoc — Td Eonıkön 'Esecioc, EYPHTAI Kal 'Eoe- ceıa rIAPA Covoknei En AnezAnapoı. Man akzentuiert so, nieht "Evecela; darauf ist kein Verlaß. Das Fest galt doch wohl der *Evecih und hat zuerst ‘Eoecieia, Evecıfia geheißen. Die ’Eoeceia als Nationalfest der lonier setzt Dionys von Halikarnaß IV 25 in die Ur- zeit: so wenig wußte man zu seiner Zeit von dem Panionion. 6* 50 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 18. Januar 1906. Timotheos wurden sie überhaupt nicht gefeiert.‘ Aber kurz vor der Schlacht von Leuktra, als die kurze Herrschaft Spartas längst vorbei war und Athen den neuen Seebund gestiftet hatte, der sich von dem Festland ängstlich fernhalten mußte, hat man an eine Erneuerung ge- dacht. Ephoros berichtet darüber bei Diodor 15, 49 und erhält Be- stätigung durch Herakleides bei Strabon 354. Er redet nur von neun ionischen Städten,’ die früher dem Poseidon Helikonios in der Gegend der Mykale an einer verlassenen Stätte, en &rimoı TönwI, ge- opfert hätten; jetzt hätten sie beabsichtigt dem Gotte in der Gegend von Ephesos ein neues Heiligtum zu bauen und dazu in Helike die Aelapvcıc des dortigen Poseidon nachgesucht. Man glaubte also an den Poseidon von Helike, nicht vom Helikon, und an die Abkunft der Ionier aus Achaia; von Priene, das damals schwerlich bestand, ist keine Rede mehr. Zu dieser Neugründung ist es nicht gekommen; dagegen erstand um die Mitte des Jahrhunderts das alte Panionion zugleich mit Neupriene, dem der Kult des Poseidon wieder zufiel. Wohl schon vor Alexander ist der einzige Beschluß der Ionier gefaßt, der am Panionion gefunden ist, bezeichnenderweise von dem winzigen Lebedos in einer heiligen Sache erwirkt.” Erst das Erscheinen Ale- xanders belebt, wie überhaupt die alten Verbände, so den der lonier, die übrigens auch den Kult des Königs, aber auf der Mimashalbinsel, nicht an der Mykale, von Bundes wegen einrichten.“ Lysimachos, der Smyrna wieder als die dreizehnte Ionierstadt gründet, und andere Könige rechnen mit dem Bunde, der aber nicht den geringsten po- litischen Wert hat.” Der Kult des Poseidon ist rein prienisch; auch er hat keine Bedeutung; auch die Ehre der citucıc En TTanıwonioı ver- ! Tu. Wıesann hat mir meinen Irrtum sofort nachgewiesen und die Aufführung der Perser richtig nach Milet verlegt. Der Schluß gestattet das: MinHToc A& TMIÖNIc NIN Ä @PEYAC’ Ä AYWAEKATEIXEOC AAOY TIPWTEOC EE AxAlßn. Ann’ "EKATABÖNnE TIYel ÄTNAN €neoIc TÄNAE TIÖNIN CYN ÖABOI, TIEMTI@N ATIHMONI AABI TBIA” EIPHNAN. Milet ist Kae TIönic, der AYwAekATeIXxHc ist der Öae nAöc. Der Zusammenhang ist eng und gut. Aber eins muß ich meinen Kritikern zugeben: rıwreoc ist nicht zu halten; gefordert wird der Sinn, den ich mit unzulässigem Künsteln abwies, TIPwTeYoYca. Aber die Emendation ist noch nicht gefunden, und das Versmaß gibt keine Handhabe. Vielleicht gehört noch ex zu dem verdorbenen Nominativ. ® Das ist sehr merkwürdig: so wenig Gewicht legten die neun, die sich damals zusammenfanden, der alten Zwölfzahl bei. Ich verzichte darauf, die zwei zu suchen, die außer Priene fehlten. ®° CIG. 2909 — Bec#rer, Ion. Inschr. 5588. Die Sprache ist noch überwiegend ionisch. * Strabon 644. Den Kult erwähnt der Bundesbeschluß für Antiochos 1., Bull. de corr. Hell. IX 389; die Feier der Alexandreia wechselte zwischen den Städten. An- tiochos selbst sollte sich den Ort wählen, wo er ein Heiligtum erhalten sollte. ° Die sehr bekannten Urkunden sind außer dem eben erwähnten Beschluß für Antiochos der Beschluß für Hippostratos, Mitt. Ah. XXV 102, und der Erlaß des Lysi- wachos über die Sympolitie von Lebedos und Teos, Drrr. Syll. 177: von Wıramowrrz - MOELLENDORFF: Panionion. Dil gibt Priene ganz von sich. Mit seinem Niedergange kommt auch das Panionion herunter; die Sitzungen werden gar nicht mehr immer dort gehalten, sondern in den Bundesstädten', die auch nicht alle mehr bestanden; Myus z. B. ging erst in Magnesia, das nie zutrat, dann in Milet auf. In dem schlimmen ı. Jahrhundert v. Chr. wird die Feier wohl manches Mal unterblieben sein. Aber in der Kaiserzeit gehört sie natürlich zu den archaistischen Spielereien; man prägt sogar Bundes- münzen’, aber an die Mykale geht man nicht mehr, sondern wechselt zwischen den Mitgliedern; noch Philostratos erzählt von einer Feier in Phokaia unter Severus.” Das Ende wird, wie überhaupt dem Leben Ioniens, die Gotenzeit gebracht haben. Dies die Geschichte des Panionions und der Panionien. Sie be- stätigt, daß die Religion diesen Bund nicht zusammengebracht hat, weder die des Gottes, noch die des Ortes. Der Apollon von Delos zeigt, wie es sich sonst gestaltet haben würde: der wendet sich auch wirklich an alle Ionier, während bei den zwölf Städten dieser Name eine Anmaßung ist, die den Herodot wohl ärgern konnte. So ist der Bund denn vielmehr die politische Vereinigung der Ionier an der Küste gewesen und hat sich erstreckt, soweit die gemeinsame Gefahr das Gemeingefühl erzeugte; daher ist jede Stadt ionisch, die eintritt, wenn sie auch ihr Blut so wenig berechtigt wie Chios und Erythrai, und die draußen blieben, wie Iasos, Bargylia, Magnesia‘, gelten auch nicht für ionisch, obwohl ihre Sprache dem Milesischen ähnlicher gewesen sein wird als das Chiische. Aber der Numerus elausus der zwölf Städte ! DirTENBERGER Orient. 763. Der Bund hat seinem Landesherrn Eumenes die Ehren auf einer Sitzung in Milet beschlossen, und dort will auch der König sein Standbild haben. ?2 Heap, Hist. num. 490. Die Inschrift TTanı@nıa TTYeıa deutet darauf, daß das Fest überhaupt gar kein Poseidonfest mehr zu sein brauchte. ® Philostrat. vit. soph. II xe. Im Apolloniosroman IV 5 ist die Feier in Smyrna. Beide Male redet er von einem TTAnı@nIoc KPATHP. Entweder der Sophist oder gar die damaligen Ionier haben da einen argen archaistischen Schnitzer gemacht. Sie kannten den TIANIGNIOC KPATHP aus Hypereides oder besser aus den Lexica, wo wir ihn finden (Athen. X 424e), und ließen unbeachtet, daß er die Panionien der zwölf Städte gar nichts anging, sondern die viel ältere und heiligere Feier von Delos, die schon Homer besungen hatte. Dort war der von Hypereides erwähnte Mischkrug noch jahrhunderte- lang erhalten; eben hat ihn Wiraerat in den delischen Inventaren aufgezeigt. Mitteil. Athen. XXX 219. * Ohne Zweifel heißen die Magneten nach demselben Stamme, der noch auf dem Pelion sitzt; aber darum konnten sie so gut zu Vollblutioniern werden wie die zwölf Städte, denen Herodot vorhält, daß Dryper, Molosser und andere Stämme in ihnen säßen, die den Ioniern nicht näher stehen als die Magneten. In Sprache und Sitte ist Magnesia gewiß zur Lyderzeit schon von den Nachbarn Ephesos und Milet nicht wesentlich verschieden gewesen. Daß es nie als ionisch gegolten hat, erklärt sich allein durch seine Zerstörung durch die Treren, beweist aber auch, wann die zwölf Städte sich als alle Ionier zusammengeschlossen haben. 52 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 18. Januar 1906. ist doch einmal als eine heilige Zahl fixiert und nicht vom Zufall ge- bildet. Gewiß; aber das ist dann geschehen, als nach dem Siege über Melia oder besser, nachdem der Kimmeriersturm vorüber war und die Lydergefahr drohend ward, der erste Bund sich zu einem panionischen auswuchs. die cvmmaxia zu einem koınön. Damals hat man nicht jedem Örtchen, das auf Selbständigkeit Anspruch machte und sie später von Athen zugestanden erhielt, eine Vertretung in der "lonwn BovyaH zuge- standen, sondern die heilige Zahl genommen. Und doch hat man sie bald überschritten, als Smyrna die dreizehnte Stadt ward. Das Datum der antiken Chronologie für die Eroberung des äolischen Smyrna durch die Kolophonier ist verloren, hat aber vor 700 gelegen'; indessen wird dadurch der panionische Bund nicht in noch höhere Zeit ge- rückt, da ein äolischer Ort, den vertriebene Kolophonier erobert hat- ten, der also der mächtigen Nachbarstadt Kolophon” zunächst feind- selig war, wer weiß wie lange bestehen konnte, ehe er in den ioni- schen Bund eintreten mochte und durfte. Mit der Konstituierung der Zwölfzahl um 650 ist das ganz wohl vereinbar. Niemand sagt uns, wie lang oder kurz Smyrna vor seinem Untergange durch Alyattes Mitglied gewesen ist. Phokaia und Klazomenai sind in Wahrheit Kolonien von Teos und Kolophon; daran läßt eine genauere Prüfung der Überlieferung keinen Zweifel, die namentlich über Phokaia reichlicher und daher durchsich- tiger ist. Aber sie werden zur Zeit des Krieges gegen Melia längst selbständig gewesen sein.’ Das wichtigste Zeugnis für das allmähliche Zusammenwachsen des ionischen Bundes liefert Ion von Chios; das ist gleich alt wie Hero- dot und wiegt nicht leichter. Er gibt die Geschichte seiner Heimat so. Chios wird durch Kreter unter Oinopion besiedelt; gleichzeitig kommen Karer und Abanten. Später kommt Amphiklos aus Histiaia und wird König. Sein vierter Nachfolger Hektor verjagt die Karer ! Der Sieger im Faustkampf der 23.Olympiade (688) war Onomastos von Smyrna. Dieser Angabe, die auch Africanus hat, fügt Pausanias V 8, 7 hinzu, Smyrna wäre damals bereits ionisch gewesen. Seine Chronik wird ein festes Datum gegeben haben; Eusebius hat es leider nicht erhalten. Dass die Aufnahme Smyrnas unter die lonier xPpönwı Ycreron erfolgt wäre, sagt Pausanias ausdrücklich VI 5, r. Die Homer- legende kannte nur das äolische Smyrna, was über ihr Alter entscheidet. 2 Kolophon soll nach dem Untergange von Smyrna seine Stimme übernommen haben. Das darf man mindestens als Tradition der törichten Erklärung von TÖN Ko- AOÖNA Ermtisenaı entnehmen, die Lucius von Tarrha ungewiß woher erhalten hat (Schol. Plat. Theaetet 1535, stand bei Zenobius Ath. 8° 1. App. prov. Il ı5, Diogenian VII 36). Kolophon ist nach Herodot 1, 15 schon von Gyges erobert noch vor dem kimmerischen Einfall. Das kann nicht viel bedeutet haben; aber als Alyattes gegen Klazomenai vorgeht, muß er Kolophons ganz Herr sein. 3 Vgl. Beilage 2. u nn nn ee ne nn nn von Wıramowırz-MOoELLENDORFF: Panionion. 53 und Abanten (so daß also die Kreter allein bleiben), und als er Frie- den hat, &sık&cea THNIKAYTA EKToPpı Ec MNÄMHN WC coAc Kal "Iwcı Acoı cYneYein €c TTAnı@nıon‘ TPITTOAA A& ABAON AABEIN AYTON ETT” ÄNAPATABIAI mAPÄ TO? KoINo? eHcı TON lonwn.' Pausanias, dem wir dies wichtige Exzerpt verdanken, wundert sich darüber, daß Ion gar nichts davon gesagt hat, wieso die Chier zu den loniern gehörten, und in der Tat, dieser treue Anhänger Athens, der den Ioniernamen selbst führte, hat von der ionischen Wanderung mindestens für seine Heimat nichts gewußt und keine Besiedelung von Athen aus zugegeben.” Dagegen setzt er voraus, daß der Bund des Panionion bereits bestand, ehe Chios zutrat, und als Beleg kann er einen Dreifuß anführen, der die Ehrung des Königs ausspricht, unter dem Chios zugetreten ist, doch wohl wegen dieses Zutritts. Gibt es irgendeinen Grund, die Existenz dieses Dreifußes und dieser Inschrift zu bezweifeln, deren Fassung wir freilich nur in der Paraphrase des Pausanias kennen? Im Gegenteil; eben dieses alte Ehrendenkmal hat die Tatsache im Gedächtnis er- halten. Dann war das aber nicht in grauer Urzeit geschehen, sondern im 7. Jahrhundert: höher wird ein Besonnener mit einer solchen In- schrift nicht hinaufgehen.” Aber Hektor ist auch der vierte nach Am- phiklos, dem ersten Könige, mit dem die beglaubigte kontinuierliche Reihe begann: daß der um die Mitte des 8. Jahrhunderts fällt, ist wahrlich nicht zu spät. Durch einen glücklichen Zufall wissen wir von »den Tyrannen Amphiklos und Polyteknos von Chios«° aus der Lokalgeschiehte von Erythrai. Sie sind beteiligt bei einer dortigen Revolution, der König Knopos zum Opfer fällt. Die ganze Erzählung trägt mit nichten den Charakter der Urzeit, sondern ist mit den Far- ben ausgemalt, die für die Zeiten des Überganges von dem Königtum zu der tpyeh der Aristokratie üblich sind. Nur daß Knopos bei Pau- ! Pausanias VIl 4, S—ıo. Die Inschrift mit dem vulgären ÄNAPATABIA, das erst im 4. Jahrhundert aus der Formel öTI An#P Arasöc Ecti gebildet ist, bewahrt doch das alte Äenon, wenn das nicht Archaismus des Pausanias ist. ? Der einzige Zusammenhang mit Athen ist, daß Oinopion Sohn der Ariadne von Theseus ist. Ion bei Plutarch Thes. 20. Gerade das ist sekundär: Oinormon sagt es selbst, daß er zu Dionysos gehört. 3 Allerdings hat F. Dümuter den Hektor von Chios ohne weiteres für den ho- merischen oder vielmehr vorhomerischen Hektor erklärt (zuerst in Srupnıczkas Kyrene), und diese Offenbarung hat Gläubige gefunden; es geht jetzt so weit, ‘daß Andromache in dem phthiotischen Theben zu Hause sein soll, also bei Achill. Ich habe mir in anderem Zusammenhange die vielleicht überflüssige Mühe gegeben, die unverantwort- lich flüchtige Arbeit Dümnters zu widerlegen. Das gehört hier nicht her. Es genügt auch, daß er sich die Inschrift des Hektor von Chios gar nicht überlegt hat. * Hippias von Erythrai im zweiten Buche, also nicht bei den Anfängen, Athen. VI 259. Ihm ist Amphiklos Tyrann; das stimmt dazu, daß er bei Ion das Geschlecht des Oinopion in der Herrschaft ablöst. 54 Sitzung der philosophisch - historischen Classe vom 18. Januar 1906. sanias und Strabon Gründer von Erythrai und Kodrossohn ist, ver- schiebt denjenigen das Bild, die von den Kodriden ausgehen, statt anzuerkennen, daß die ältesten Könige, von denen die Ionier wirklich wußten, und die natürlich nicht in das 2. Jahrtausend gehörten und auch nicht alle in dieselbe Zeit, meistenteils zu Kodriden gemacht sind, als man die Eroberung loniens durch eine einheitliche athenische Expedition konstruierte. Von der haben Herodot und Ion noch nichts gewußt. Ion läßt vielmehr die Chier aus Kreta stammen; zu Ioniern macht sie erst der Eintritt in den Bund am Panionion. Beilage ı: Die Zeit des Rhodierschiedsspruchs für Priene. Die Schrift datiert die Urkunde nur ganz im groben um 200; von einem der Richter hat PrEuner nachgewiesen, daß er 180 Pro- xenos von Delphi wurde; die Römer und die Pergamener kommen nicht vor: das schiebt sie vor 190, gestattet aber nicht, allzuweit in das 3. Jahrhundert hinaufzugehen. Dabei kann man sich für Priene beruhigen; aber die Zeilen 124— 157, die von 134 ab nur zur Hälfte erhalten sind, geben eine Darstellung von Ereignissen des 3. Jahr- hunderts, die zu ordnen für die allgemeine Geschichte wichtig ist. Es ist der Beweis der Prieneer, den sich die Richter zu eigen ge- macht haben. »Vor Lysimachos bei dem Handel um die batinetische Mark haben die Samier auf Karion usw. keine Ansprüche erhoben (125—130). Unter Antiochos Theos war wieder Grenzstreit: Karion haben die Samier nicht gefordert (131—133). Im Laodikekrieg, als das und das passierte, [wurden die Prieneer gezwungen] ihre Habe in die Stadt zu bringen --- TON rENÖMEeNoON AIAAOXON TÄC BACIAEIAC $I -- - das Land, das sie besaßen, als sie vertrieben wurden, zurückzugeben (134—139)«. So weit geht ersichtlich ein Bericht, der sich auf die vierziger Jahre bezieht. Ein Feind hat die Prieneer auf die Stadt beschränkt; der »Nachfolger in der Königsherrschaft« setzt sie wieder ein. Der seltsame Ausdruck ist verständlich, sobald man sich er- innert, daß Asien im Besitze des Antiochos Hierax blieb, der die Königsherrschaft ausübte, aber im Sinne der Legitimisten nicht der rechtmäßige König war oder doch nicht blieb. Wenn dies unter Seleukos II. oder Antiochos III. geschrieben ward, ist es nur korrekt. 139 KATENBÖNTEC A& Eic TÄN TIÖNIN NEMECBAI TÄN XxWPAN wird den wieder- hergestellten Besitzstand angehen. Dann zunächst unsichere Zeilen TÄc xWPAc TÄC ÖMöPoYc Äc AYTOI --- Em TAc AÄNTIrÖNOY BAcınelac - ÄMBIC- BATOTYNTAC Toic TIpıanefcın AıöTı TraPoPizontaı; aber man erkennt, daß die Samier wieder Ansprüche erheben. Diese schicken eine Gesandt- schaft an Anti-, der schreibt ihnen, aı6Tı «pineı: alles folgende ist von Wıramowırz-MoELLENDORFF: Panionion. 35 ein Auszug aus diesem Urteilsspruch. 146 AnezAnaroy AIABANTOC eic TÄn Acian Enemonto -- die samischen Gesandten ---- TÄN xW@PAN Kal er’ Anrı[rönoy zu ergänzen aus I41] -- En TAlc Emicronalc TAIC BACIAIKAIC eypeeinaı; nun erklärt der entscheidende König Anti-, was sich aus seinen Akten ergab: unter Lysimachos haben die Samier Karion nicht gefordert = 125 — 130: unter Antiochos ebenfalls = 131—133 -- An- TIoxon TON Yrıo Bacınewc TTTonemaioy TETATMENON -- |YTIer To? oroyPilov oOYeen EIPHKÖTAC, und auch aus allen andern Gründen haben die Prieneer recht. Ohne jeden Zweifel muß sich die Partie, in der ein ptole- mäischer Beamter vorkommt, auf die Ereignisse beziehen, die 134—40 ausführlicher standen, also auf den Aroaikeıoc rrönemoc, zu dem ja auch die Einmischung der Ptolemäer stimmt. Also ist der entscheidende König Anti-, der über das königliche Archiv verfügt, ein Antiochos, also Antiochos II. Er entscheidet, daß recht sein sollte, was 334 recht war; das war nicht unmittelbar klar, aber die späteren Ent- scheidungen wiesen die Samier ab. Der König Antigonos, den die Seleukiden nicht anerkennen, kommt nur vor, wo die Samier fordern, natürlich: sie mußten über die Zeit des Lysimachos hinaufgehen, um Karion zu fordern, das nach ihrer Angabe von den Prieneern zur Zeit ihres Tyrannen Hieron, um 300, okkupiert war (110ff.).. Sie kom- men aber damit nicht durch, obwohl sie vermutlich recht hatten, denn wie es unter Alexander gewesen war, war unklar, und man darf bezweifeln, ob Priene damals Karion behauptete. Doch das ist hier einerlei: der Zusammenhang dieser Urkunde ist tadellos und zweifellos. Wann Antiochos II. so entschieden hat, kann ich nicht sagen; schwer- lich 191, eher aus der Ferne, aber nach dem Sturze des Achaios. BerocH (Gr. Gesch. III 2, 464) hat in dem Antigonos hier den Doson gesehen und gar 2.137 eilaımnon| ergänzt, wo alles mögliche gestan- den haben kann. Das fällt von selbst durch die Interpretation des Textes. Es ist aber auch geschichtlich oder besser geographisch ganz undenkbar. Doson hat notorisch weder Samos noch Ephesos noch Magnesia noch Milet besessen, zwischen denen das unbedeutende hafen- lose Priene mitten inne liegt. Beilage 2: Phokaia und Klazomenai. Pausanias (VII 3, 10. 2, 4) hebt mit Recht hervor, daß diese beiden Städte vor der Besiedelung durch die Ionier nicht bestanden: die Namen bezeugen das. Phokaia wäre von Phokern gegründet. die mit den Athenern ®inorennce und AAmwn kamen; das Land hätten ihnen die Kymäer abgetreten. Zu den Panionien wären sie aber erst später zugelassen, als sie Kodriden zu Königen nahmen, Leoites (Aeoitkc - d Sitzungsberichte 1906. 56 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 18. Januar 1906. ist kein Wort), Perikles und Abartos'; die kamen von Teos und Ery- thrai. Zugestanden ist damit, daß die Stadt im panionischen Bunde jünger als die südlicheren Ionierstädte war. Auf dieselbe Tradition deutet Strabon XIV 633. Die Ableitung aus Phokis kennt Herodot, wenn er unter den Besiedlern Ioniens »swkeec AmoaAcmioı nennt. Daß wir diesen Ausdruck verstehen und überhaupt weiter kommen, liegt an der Erhaltung des betreffenden Abschnittes aus Nikolaos von Da-_ maskus: wieviel würden wir über Asien wissen, wenn sein Buch das 10. Jahrhundert überdauert hätte. Exzerpt ı8 de insidüs (S. ı7 de Boor, Fg.53 Mürter: wenn doch die Ausgabe der Exzerpte Para- graphen abgeteilt hätte!) beginnt dr “lwunec En Tüı mıröc "Orxomenioyc moremwı viele Frauen rauben; mit denen zeugen sie Kinder, die er- wachsen auswandern müssen. Sie gehen nach Thorikos mrocTHcAmeno! Hremönac AYTÖn — die Namen sind ausgefallen, wir ergänzen Damon und Philogenes, und der Vokalismus sagt auch, daß Armwon kein Athener war. So fahren sie Xma Toic "Iucın ab; auch Peloponnesier sind dabei. Wie können die Leute, die selbst “Ionec sind, Ama Toic “Jocın abfahren? Sie besetzen unweit des Hermos eine Insel, dann einen Punkt der Küste. Mennes von Kyme will sie hindern: sein Bruder Uatias schließt mit ihnen emiramian Kal einlan; sie stürzen ver- eint den Mennes: Uatias wird König, 6 a’ eveewc TÄc iröc Pwreoyc cYnekkac Azlov Emrreao®?n. Der Ortsname ®ukaı war noch nicht ge- nannt, seine Ableitung wird nirgend gegeben. Offenbar ist es nicht genug, hier ®ukacac zu setzen, sondern im Eingange ist “lwnec in ®wkeic zu ändern, was gar kein schwerer Lesefehler ist; auch hier liegt ®wreac näher.” Daß ®ukaır von den Phokern stammte, leuchtet gar nicht ein. Den Ortsnamen nennt Skylax auch an der Mykale, und an einer »Robben- insel« ist nichts auszusetzen. Wirklich hat denn auch diese Ableitung bei Aristoteles (Herakleides 67) gestanden, daneben ein Eponym Phokos: damit ergibt sich die Verknüpfung mit den Phokern, einem Stamme der nordgriechischen Einwanderer, der die Robbe zum Totem hatte, als ein altes Autoschediasma. In Wahrheit sind ja auch die Phoker des Nikolaos von Mutterseite Minyer von ÖOrchomenos. Diese sind allgemein die Besiedler von Teos, und aus Teos und Erythrai be- ziehen die Phokäer ihre Könige, um als Ionier zu gelten. Dann waren diese ihre «ricraı; Pausanias liefert die Namen: die Gründung aber ! “AsapToc ist unverständlich, und Eigennamen sind bei Pausanias oft entstellt, aber mit einer bloßen Umdeutung der Zeichen kommt man nicht aus. 2 Noch eine Änderung am Texte ist nötig, S. ı8, 2 de B. o| A& WMOAÖTHCAN® EKEINoc Ag (Ereinoi TE Cod.) Kal TÜN KyYmalun ÖCoYc EAYNATO ArWN ETIEEÄNBEN Ef TON MENNHN (EAYNANTO Kal ETTEEÄNBON). von Wiıramowırz- MOELLENDORFF: Panionion. 57 ging von Teos und Erythrai aus. Ihre Konkurrenten sind AAmwn kal sinorenHhc, wohl sicher »ynorennc!, der Mann des Volkes und der aus der Phyle: man glaubt die Genealogie der Demokratie im Gegensatze zu den Königsnamen mit Händen zu greifen. Und deutlich ist, wie diese Führer erst hinterher zu Athenern werden. Ob die Könige Kodriden waren, hängt davon ab, ob man diese Bezeichnung des Adels für altionisch hält, was ich immer noch glaube, aber zu einem zwingen- den Beweise fehlen die Mittel. So bleibt denn als geschichtlich, daß Teos und Erythrai den günstigen Platz an der Hermosmündung sich von einem Prätendenten von Kyme abtreten lassen unter Gewährung von commercium und conubium mit Kyme. Die kymäischen Namen MennHc und OYariac sind sehr vertrauenerweckend. Auch ein solcher Zug, wie Thorikos statt Athen als Abfahrplatz, ist sehr gut, wenn er auch nur in einer fiktiven Erzählung steht: nach 480 hätte das niemand erfunden; aber im Demeterhymnos 126 soll dort die Göttin ge- landet sein. Von Kaazomenai, »Bruck«’, sagt Pausanias geradezu, daß der Gründer ein Kolophonier war’, und die Ansiedelung erfolgte, nach- dem die Auswanderer erst am Ida, dann an einem Orte des kolopho- nischen Geländes vergebliche Versuche gemacht hatten. Das gibt eine zureichende Vorstellung. Dabei gewesen wären Leute von Phleius und Kleonai, die vor den Dorern flohen. Das können sehr gut auch die Vorfahren derjenigen gewesen sein, die aus Kolophon auswanderten, natürlich auch Zuzügler: auf die Ätiologie ihres Fortganges aus dem Peloponnes wird niemand viel geben. ! In der alten Zeit ist ®yao- ebenso häufig wie ®iro- selten; später dreht sich das um, so daß die Fehler zahlreich werden. Heroinen wie ®yYaonöH, der Arzt ®yaö- Timoc u. a. pflegen falsch benannt zu werden. Auch der Amykläer, der seine Stadt an die Dorer ausliefert, hat ®yaönomoc geheißen, nicht ®inönomoc; er besagt, daß die Aınykläer, weil sie mit den Dorern Vertrag schlossen, eic TÄcC #YnAc ENEmonTo. 2 Der Name lehrt die Präsensbildung «AAzw neben Ka& kennen, die neben EKAACA, KAAceeic erwartet werden darf. Die Uferfelsen bröckelten ab; der Hafen XYTön hatte ein angeschüttetes Kai: das sind Seltenheiten in Hellas. ® TTApsoroc Pausanias; TTAranoc Strabon 633: zwischen den Varianten läßt sich nicht entscheiden. Ausgegeben am 25. Januar. Berlin, gedruckt in der Reichs(ruckerei, D er nah Bi aan BRFZ iu ERBEN Ps un an Te Na 7004 ha RB Or vr le LEE WAL vl Fa hyara ER TI nl HR. RER IRRE Armeen KUREN na I hutnurnghh A 6 Sin er Bu berzia, vertalgeA Nee dual, AA 1; Kerns ALTE PR" Te atrart) 14, ul» af ze Ole LE he ae RE ti | j Sslahkent AL f enh ee) DIET UL Tee ir “ as KE u 1 ’ I [ N vl ‘ AR f i Kier f f { 47 [F 3 1 ’ f j D * E E ‘ N ' as \ Vi IV. KONIELICH PREUSSISCHEN ; etliche Sit: ng an am 25. WERE Wiranowi OELLENDORFF: Über die ionische Wanderung. (S. 59). Se über die akademischen een Stiftungen und Institute. (S. 80) BERLIN 1906. VERLAG DER } KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. r , , +, N COMMISSION BEI GEORG REIMER. En \ Aus Sl. Die Akademie gibt gemäss $ 41,1 der Statuten zwei fortlaufende Veröffentlichungen heraus: »Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften« und »Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften «, Aus $ 2, Jede zur Aufnahme in die »Sitzungsberichte« oder die »Abhandlungen« bestimmte Mittheilung muss in einer aka- demischen Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel das druckfertige Manuseript zugleich einzuliefern ist. Nieht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. $3. Der Umfang einer aufzunehmenden Mittheilung soll in der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, bei Nichtmitgliedern 16 Seiten in der gewöhnlichen Sehritt der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- lungen nicht übersteigen. Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung der Gesammt-Akademie oder der betreffenden Classe statt- haft, und ist bei Vorlage der Mittheilung ausdrücklich zu beantragen. Lässt der Umfang eines Manuscripts ver- muthen, dass diese Zustimmung erforderlich sein werde, so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen muthmasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen. S4. Sollen einer Mittheilung Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeichnungen, photographische Original- aufnahmen u. s.w.) gleichzeitig mit dem Manuseript, u auf getrennten Blättern, einzureichen. Die Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschliessen. Ein darauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der be- treffenden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage eines Sachverständigen an den vorsitzenden Seeretar zu riehten, dann zunächst im Seeretariat vorzuberathen und weiter in der Gesammt- Akademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie. Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist — wenn es sich nicht um wenige einfache Textfiguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachverständigen beizufügen. Überschreitet dieser Anschlag für die er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberiehten 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberathung durch das Seceretariat geboten. Aus $5. Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manuseripts an den zuständigen Seceretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften, und zwar, wenn eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mittlieilungen von Verfassern, welche nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen der Regel nach nur in die Sitzungsberichte aufgenommen werden. Beschliesst eine Classe die Aufnahme der Mittheilung eines Nichtmitgliedes in die dazu bestimmte Abtheilung der »Abhandlungen«, so bedarf dieser Besehluss der Bestätigung dureh die Gesammt - Akademie, (F ortsetzung auf S. 3 des Umschlags.) Aus dem Reglement für die Redaetion der akademischen Druckschriften _ Adressen oder Berichten werden für ‚die Verfasser, vo ji R > Aus $ 6. N Diean die Druckereiabzuliefernden Manuseripte unge wenn es sich nicht bloss um glatten Text handelt, : 1 reichende Anweisungen für die Anordnung des Satze- und die Wahl der Schriften enthalten, Bei Einsendu nge Fremder sind diese Anweisungen von dem vorle; Mitgliede vor Einreichung des Manuseripts vorzunehme Dasselbe hat sich zu vergewissern, dass der Verf: seine Mittheilung als vollkommen druckreif ansieht. Die erste Correctur ihrer Mittheilungen besorgen d Verfasser. Fremde haben diese erste Correetur an d vorlegende Mitglied einzusenden. Die Correetur soll Möglichkeit nieht über die Berichtigung von Druckfehle und leichten Schreibversehen hinausgehen. Umfängli : Corveeturen Fremder bedürfen der Genehmigung des x edli girenden Secretars vor der Einsendung an die Drucke; und die Verfasser sind zur Tragung der entstehenden Meh kosten warpilichtet, & . . Aus $8 h Von allen in die Sieniderheriahe oder Abhandiı zei aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilungen, Reder wissenschaftlichen Mittheilungen , wenn deren Umfan, Mi Druck 4 Seiten übersteigt, auch fürden Buchhandel Sond abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen des be- l en Stücks der Sitzungsberiehte ausgegeben werde Von Gedächtnissreden werden ebentalls ‚Sonderabdrue für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden erklären. ‚ 9 5 EN Von den Snake ucken aus den Sitzungsberichten erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie is zu tunentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 50 ‚Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lassen, | sofern er diess yechtzeitig dem redigirenden Seeretar an- gezeigt hat; wünseht er auf seine Kosten noch mel Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf Dr der Genehmigung der Gesammt- Akademie oder der b treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 50 Fre exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei = redigirenden Secretar weitere 200 Exemplare Auf, A Kosten abziehen lassen. T Von den Sonderabdrucken aus den Aukasahkaen er- hält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertlieilung ohne weiteres 30 ‚Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis | zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem. vedigirenden ‚Seeretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesimmt- Akademie oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 30 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige beid vedigirenden Secretar weitere 100 a: auf ikze Kosten abziehen lassen. Y Ei | 8.17. N F 3 Eine für die Akad aaa Schriften vo stimmte wissenschaftliche Mittheilung darf in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jener | Stelle anderweitig, sei es auch nur auszugs- 59 SITZUNGSBERICHTE 1906. I. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 25. Januar. Öffentliche Sitzung zur Feier des Geburtsfestes Sr. Majestät des Kaisers und Königs und des Jahrestages König Frreprıcn’s I. Vorsitzender Secretar: Hr. Diers. Hr. Diers eröffnete die Sitzung, welcher das Ehrenmitglied der Akademie, Se. Excellenz Hr. Staatsminister Dr. Stupr beiwohnte, mit einer kurzen Ansprache, in der er die Glückwünsche der Akademie für Se. Majestät den regierenden Kaiser und König aussprach und dankbar der Fürsorge FRIEDRICHS DES GROSSEN für seine Akademie ge- dachte. Darauf hielt Hr. von Wıramowırz-MoELLENDoRFF die wissenschaft- liche Festrede: Über die ionische Wanderung. As vor zwei Menschenaltern Karı Lacumann in unserer Akademie die Betrachtungen über die Ilias las, konnte er noch glauben, ihre ur- sprüngliche Gestalt zurückzugewinnen, lediglich indem er mit seinem methodisch geschulten Auge einen modernen Abdruck des Textes be- trachtete, der allerdings seit zweitausend Jahren nicht viele Verän- derungen erfahren hat. Ob der Inhalt Erfindung oder Geschichte wäre, Ilios an den Dardanellen oder im Märchenlande läge, glaubte er nicht fragen zu müssen; es war ihm auch ziemlich gleichgültig. Vor einem Menschenalter begann Hemrıch ScHLiemann auf dem Boden der grie- chischen Stadt Iliion zu wühlen, unbeschwert von jeder sprachlichen oder geschichtlichen Wissenschaft, beflügelt von dem naiven Kinder- glauben, alles was im Homer stünde, müßte real sein. Dabei hat er zwar auch wichtige (und gerade für Homer wichtige) Zeugnisse des Bodens rücksichtslos zerstört; aber er fand unerhörte Schätze, die er sofort mit denen des Priamos identifizierte. Es steht heute außer Frage, daß sie viele Jahrhunderte älter als die Mauern sind, die man jetzt Sitzungsberichte 1906. 8 60 Öffentliche Sitzung vom 25. Januar 1906. mit dem homerischen llios gleichsetzt. Es war nicht mehr als billig, daß die Welt dem Entdecker zujubelte, mindestens verzeihlich, daß die Masse, die geschichtliche Wissenschaft nicht fassen kann, die realen Schätze als Beweis für die Realität der homerischen Erzählung nahm. Die Leute werden nicht aussterben, welche den Todeslauf Hektors auf der Karte einzeichnen, und auch nicht die, welche diesen Glauben in Hissarlik bewahren, unbeirrt durch das Höhenprofil des Geländes. Darüber ereifert man sich nicht; man nimmt es aber auch nicht ernst. Dem Mute und dem Glauben ScHLiemanns gebührt für alle Zeit der wärmste Dank, denn sein Erfolg hat eine Periode der Entdeckungen eröffnet, deren Ende unabsehbar, deren Ergebnisse unschätzbar sind. Schon vor zwanzig Jahren durfte ich aussprechen, daß die Frage nach der Komposition der Ilias zu der nach der Geschichte des Epos und der Geschichte der griechischen Stämme bis zur Bildung des griechischen Volkes geworden wäre. Damals war der Spaten in Kreta noch nicht angesetzt. Heute stellt uns die wunderbare Kultur des zweiten Jahr- tausends v. Chr., deren Zentrum Kreta war, vor die Frage, ob ihre Träger Griechen gewesen sind oder nicht, und wir sehen beide Thesen mit Lebhaftigkeit verfochten, aber ohne jeden Beweis. Die homerische Forschung kann sich hinfort nicht einmal mehr in den Grenzen des Griechischen halten. In Asien selbst sind freilich die Funde aus den Jahrhunderten 9—7, der Zeit des blühenden Epos, immer noch spärlich, und wenn in Hissarlik nur das herausgekommen ist, daß die Stätte während dieser Zeit wüst lag und von Griechen erst unter der Lyder- herrschaft besiedelt ist, so war das nichts, als was die zuverlässige Überlieferung der Griechen uns immer berichtet hatte; was denn die Fanatiker in der einen oder andern Weise zu eludieren suchen, am konsequentesten die, welche Homer schlankweg zum Zeitgenossen der mit seiner Welt identifizierten und achäisch getauften Kultur machen. Daß die Erhaltung seiner Dichtungen dann ein Wunder ist, wird sie nicht weiter beirren. Von den ältesten Besiedlern der Küsten, die später äolisch und ionisch heißen, ist bisher kaum etwas gefunden, es sei denn die Nekropole von Assarlik, das aber in Karien liegt.' Allein der sicherste Weg ist doch immer der, welcher schrittweise zu den dunkelen Zeiten aus den hellen führt, und für diese ist und wird überall reicher und sicherer Ertrag erzielt. Schon daß die to- pographische Forschung die einzelnen Orte zu Individuen macht, ver- scheucht die blassen Allgemeinheiten. Von der Insel Lade aus sieht sich die Geschichte Milets ganz anders an, und die Poesie Homers wird als Poesie ganz anders auf dem ionischen Meere lebendig als in der ! Herusıs, Gött. Nachr. 1896. von Wıramowrrz-MoELLENDORFF: Über die ionische Wanderung. 61 Studierstube. Nur muß man auch in dieser arbeiten, und alles über- lieferte geschichtliche Material mit Verwertung aller Forschungsweisen prüfen, vor allem, wie Lacumann, mit dem wissenschaftlich geschulten Verstande. Die Sprachwissenschaft hatte schon vor einem Menschenalter dem Homertext selbst Aufschlüsse entnommen, die zum Teil schon früh im Altertum geahnt, aber von den Alexandrinern nicht anerkannt waren. Es offenbarte sich nicht nur dieselbe Sprache in verschie- denen Stadien der Entwickelung, ein Beweis, daß das ionische Epos lange Zeit in Fluß gewesen war, ehe es im 7. und 6. Jahrhundert zu der Form erstarrte, die wir besitzen, sondern es kamen auch Formen und Wörter an den Tag, die einer andern Mundart, dem Äolischen, angehörten. Darauf gestützt hat man ein älteres äolisches Epos er- schlossen, und mehrfach ist gar der Versuch gemacht, durch bequemes Umschreiben ins Äolische eine Ur-Ilias zu gewinnen. Nun besaßen die Griechen selbst keine andere äolische Literatur als die Gedichte der Lesbier Alkaios und Sappho aus der Zeit Solons; wir haben selbst von diesen nur geringe Bruchstücke. Gleichwohl entnahm man diesen das Jahrhunderte ältere Äolisch des präsumptiven Homer, und da er nun lesbisch redete, erschloß man ein lesbisches Epos, und ging dann weiter und suchte die historische Grundlage der Ilias in der Vorge- schiehte der Lesbier. Mit all dem entfernte man sich ganz von den Tatsachen. Sappho kennt nur den Homer, den wir haben; die Ver- suche der Lesbier, im Skamandertale Fuß zu fassen, sind kaum älter als ihre Zeit, und keine alte Tradition setzt Homer oder das Epos mit Lesbos in Verbindung. Ich habe den Irrtum selbst geteilt, aber vor der Prüfung der Überlieferung kann er nicht bestehen. Die äolischen Iliaden sind vollends Phantome. Dadurch verlieren die Beobachtungen der Sprachwissenschaft nichts von ihrem Werte. Äoler gab es ganz unabhängig von Lesbos auf dem asiatischen Festlande. Herodot be- richtet, daß sich zwölf kleine Städte südlich von der Kaikosmündung zu einem Bunde zusammenschlossen; es muß noch im 8. Jahrhundert gewesen sein. Die bedeutendsten waren Kyme, wo Hesiods Vater zu Hause war, und Smyrna, nach der allein ernst, aber sehr ernst zu nehmenden antiken Tradition die Heimat Homers. Smyrna ging gegen Ende des 8. Jahrhunderts an die Ionier von Kolophon verloren. Überhaupt aber traten diese schwachen äolischen Ackerstädtchen gegen- über der materiellen und geistigen Macht der ionischen Nachbarn bald ganz in den Schatten. Nach Alexander hat ihr Bund gar keine Erneuerung mehr erfahren, wie es der ionische tat; zum Ersatze ward einer um Ilion gebildet, wo es keine äolischen Spuren gibt. Überhaupt stirbt das Äolische außer Lesbos langsam und unbeachtet ab; wenn man es 8* 62 Öffentliche Sitzung vom 25. Januar 1906. in den Urkunden von Kyme z.B. noch anwendet, lehnt es sich natürlich an das allein ausgebildete Lesbisch. Aber in der Zeit Homers müssen die Griechen in diesen Gegenden sehr viel weiter ins Land gewohnt haben. Die Ilias! kennt schon eine der zwölf Städte mit dem thessalischen Namen Larisa und den aus Thessalien herübergenommenen Volksnamen der Pelasger, freilich als Bundesgenossen der Troer; aber das sind Te- lephos und Eurypylos von Teuthrania und Pergamon auch, und doch sind sie Griechen aus Arkadien. Die Dias kennt aber auch das Land weit den Hermos hinauf, kennt den gygäischen See und den 'Tmolos. Am Sipylos sind nicht nur Tantalos und Niobe angesiedelt, sondern hat immer eine hellenische Enklave, Magnesia, gelegen. Nach Norden, auf den Ida zu, kennt Homer eine Stadt mit dem griechischen Namen Theben, an einem Berge, der wieder griechisch Plakos heißt; ja, sie kennt den Sangarios und den askanischen See, und sie kann das nicht von der Propontis her tun, die ganz im Dunkel liegt, also von der Landseite. Dem entspricht es, daß mitten im Inneren Skepsis und sogar Kebren von Griechen, Äolern und Ioniern, besetzt sind, und Kebrioneus ist der Wagenlenker Hektors. Das sind wieder nur ein paar Inseln, die sich in dem Meere der mysischen und thrakischen Invasion seltsam ausnehmen; aber eben diese Invasion ist eine histo- rische Erscheinung, die wir ebensogut erfassen wie das Vordringen der Phryger und Lyder, deren Kultur sehr stark von diesen Griechen beein- flußt ist (hat doch Homer für einen Midas gedichtet), aber die politische Freiheit und vielfach auch die Sonderart der griechischen Bewohner zerstört hat, die hier so ziemlich als die älteste Schicht erscheinen. Noch stärker wirkte der Vorstoß der griechischen Nachbarn von Siiden her. Den Verlust Smyrnas an Kolophon, das zu Lande angrenzte, ist unvergessen geblieben. Deutlich erkennt man auch in Phokaia und Klazomenai Gründungen der Teier und Kolophonier, die auf äolischem Boden erfolgt sind, wie ich meine, im 8. Jahrhundert.” Und daß auch Erythrai und Chios mindestens zum Teil äolisch gewesen sind, besagt für Chios direkte Überlieferung”, für Erythrai, daß das Kap Argennon, das noch südlicher liegt, einen spezifisch äolischen Namen hat.' Dies hat ! Es ist allerdings wesentlich die erhaltene Bearbeitung der Bücher Y und ®, von denen sich durch den Schiffskatalog beweisen läßt, daß sie in der Ilias, die er vor Augen hatte, anders aussahen. 2 Vgl. Sitzber. 1906, 13. Januar; diese Abhandlung setze ich im folgenden voraus. ® Ephoros bei Steph. Bonıccöc: es ist der Sitz Homers in der alten Legende. * Bemerkenswert ist, daß in Erythrai Achilleus, Thetis und die Nereiden einen Staatskult haben (Divrengerser Syll. 600). Zwischen Smyrna und Klazomenai liegen die Aramemnönela aoYTPpA. Spätere Übergriffe in das äolische Gebiet sind Atarneus, das zu Chios, Leukai, das zu Klazomenai gehört. Übrigens nennt Plinius 5, 135 ein Inselehen Argennon auch an der Mykale. u un A von Wıranowrrz-MOoELLENDORFF: Über die ionische Wanderung. 63 sich denn auch in der späteren Mundart von Chios bestätigt, die in be- stimmten Stücken äolisiert. Nun sind es diese Städte, Smyrna, Pho- kaia, Erythrai, Chios und das ganz ionische Kolophon, in denen sich der Homer der alten Legende bewegt, also in eben der Gegend, deren Bevölkerung genau so gemischt war wie die homerische Sprache. Es dürfte doch vorschnell gewesen sein, von Gedichten aus dieser Gegend einen reinen Dialekt zu fordern. Dagegen entspricht es genau den Verhältnissen, daß das Epos sich immer mehr ionisiert und seinen Hauptsitz in Kolophon bis in die hellenistische Zeit gehabt hat. Die Äoler um Kyme und Homer selbst werden aus Thessalien (oder wenig südlicheren Gegenden) abgeleitet; dort hat man auch später eine verwandte Sprache geredet, und Achilleus ist am Sper- cheios zu Hause. An sie schließen sich die ionischen Städte, von denen jede einzelne eine besondere Überlieferung über ihre Herkunft hat; daneben steht die allgemeine Herleitung der Ionier. Schon an sich muß man geneigt sein, den Sonderüberlieferungen höheren Wert beizulegen; daher hilft es nichts, ich muß sie kurz durehnehmen.' Chios hat Kreter zu Besiedlern, die mit der Zeit ihre Mitbewohner, Karer und Abanten, also Festlandsgriechen, abstoßen; erst spät treten sie freiwillig in den ionischen Bund. Dies ist besonders wichtig, da es ein Zeitgenosse Herodots berichtet.” In Erythrai sitzen wieder Kreter mit Lykiern und Pamphylern, die erst spät Zuzug aus allen ionischen Städten erhalten; die existieren also bereits, offenbar eine Anerkennung der späten Gewinnung des Ortes für das Ionertum, so daß Knopos als Sohn des Kodros gar nicht denkbar sein würde, auch wenn wir ihn nicht in viel jüngerer Zeit wiederfänden.” Erst auf der Südseite der Mimashalbinsel gibt es wirklich ionische Orte, und doch leitet sich Teos’ von den Minyern aus Orchomenos ab; wenn Anakreon ! Die Übereinstimmung von Strabon und Pausanias VII liefert uns die histo- rische rmaPAAocıc, den Niederschlag der alexandrinischen Philologie. Bestimmte Ge- währsmänner sind nicht zu nennen, aber das schadet nicht viel. 2 Strabon liefert statt dessen einen Gründer ‘Ereprioc, von dem sonst nichts bekannt ist; das ist also ein Kodride, den wir durch Ion los werden. Er führt aber immer noch CYMMeIKToON TIARBO0C. 3 In derLokalgeschichte des Hippias ist erZeitgenosse des Tyrannen Amphiklos von Chios, und die Tyrannenzeit ist eben nicht die Königszeit. Erythrai hat seinen Namen bewahrt und ist, ohne daß gegraben wäre, reich an Inschriften: da ist eine Untersuchung dringend erforderlich, mindestens eine ständige Überwachung. Dasselbe gilt von Teos. * In der Anordnung der späteren Namen differieren Strabon und Pausanias. Strabon führt zuerst einen Bastard des Kodros ein, Nafkaoc, später zwei Athener Tloikkc und AAmacoc, und einen Böoter FerHn (auf diese Form führten die Codd. mit rAp Än; Hesych rerun Enrtimoc). Bei Pausanias ist der erste “Arroikoc, TETAPTOC ÄTIÖ MenAneoy, der Name falsch hellenisiert aus TToik#c, dann kommen die Kodriden Naö- Kaoc (die ionische Schreibung bewahrt) und Damasos (wie stehen die zu Apoikos?) und der Böoter Ferkc. Wir wissen durch CIG. 3064, daß TToixsc Eponym eines 64 Öffentliche Sitzung vom 25. Januar 1906. seine Heimat athamantisch nennt, so ist das nichts anderes, denn das athamantische Gefilde gehört zu Orchomenos. Später kommen Athe- ner und Böoter; diese sind natürlich dieselben Orchomenier. Kolo- phon, in der ältesten Zeit neben und vor Milet die wichtigste Stadt, liegt zwar bei dem vorgriechischen Apollonorakel von Klaros,' hat aber einen griechischen Namen; seine Bewohner werden aus Kreta und Böotien hergeleitet, daneben nennt der Kolophonier Mimnermos das Pylos des Neleus; wo er das ansetzt, wissen wir nicht, doch sicher an der Westküste des Peloponnes. Weil das Epos in Kolophon blühte, sind hier ganz besonders viele seiner Helden hergezogen, was das Urteil schwierig macht.” Zuletzt erscheinen die Kodriden, die sehr danach aussehen, gleichen Schlages mit Knopos von Erythrai zu sein.” Über Ephesos ist unser Gewährsmann Strabon ausführlicher, rıYproc ist, deren viele bekannt sind mit guten Namen, die in Athen (®inAloc) und Chalkis (Köeoc) wiederkehren, aber auch vielen barbarischen. Eine Phyle, Geleontes, ist bekannt; vor Konstruktionen ins Blaue soll man sich hüten. Die Quasigeschichte ist also aus guter Lokaltradition zusammengebraut, aber willkürlich, sonst wäre nicht der Eponym eines Demos der Archeget der Stadt. Es wird Zufall sein, daß wir keinen Lokalantiquar kennen. Die rıyproı sind natürlich ville, Landhäuser des grund- besitzenden Adels. Das bedeutet das Wort im Hellenistischen und noch heute. Gleich AAmoc braucht es Euripides Phoen. 1706. Für Verbindung mit Athen fehlen alle alten oder besonderen Anhaltspunkte. ! Kolophon scheint ganz verloren zu sein, vgl. Schucnarpr, Ath. Mitt. XI. Das NöTIon (Teixoc), der Hafenplatz des alten, ist ganz und gar das neue Kolophon geworden. Der Apoll von Klaros und Homer gehören zu Kolophon: aber ihre Monumente finden sich auf dem Boden der Hafenstadt, Österr. Jahreshefte VIII 155. Es ist höchst er- freulich, daß das Ottomanische Museum die Erforschung des Bodens nördlich im An- schluß an die österreichische Zentralstation Ephesos unternehmen will. ?2 Besonders wichtig ist, daß in den Nosten, denen auch kolophonischer Ur sprung gegeben wird, Kalchas, Idomeneus, Sthenelos nach Kolophon kommen (Ly- kophron 424—438, wertvoller als Apollodor Epit. 6 usw. und ohne Anstand verwertbar); da haben wir die Kreter und einen der vornehmsten Epigonen, deren Taten von ko- lophonischen und teischen Epikern geschaffen sind. ® Damasichthon (der Name kehrt als König von Plataiai wieder) und Promethos, dessen Grab in einem Dorfe stand. Dies und die Erzählung des Bruderkrieges deutet auf wirkliche Lokalüberlieferung und ihre Ausmalung im Stile der Geschichten von Mennes von Kyme, Knopos von Erythrai, vom Sturze der Neliden Milets. Überhaupt stehe ich nicht an, solche Figuren, die etwas besonderes tun und im Lande Heroen- gräber haben, für mehr zu halten als Hpwec Kricraı, d.h. Eponyme. Dazu gehören auch Amphiklos von Chios und Androklos von Ephesos. Dann sind es aber keine Kodriden des 2. Jahrtausends, sondern Männer nicht allzu ferner Vergangenheit, die zeitlos geworden sind, aber im Gedächtnis leben. Ihre Geschichten tragen die Farben wie die von Pindaros von Ephesos, Thrasybulos von Milet, d.h. sie sind ganz wie jene im 6. Jahrhundert gestaltet. Dagegen die Umformung zu Stadtgründern entstammt der Geschichtskonstruktion. Dieses Schlages ist auch Andraimon, dessen Grab am Wege von Kolophon nach Lebedos lag, nach Mimnermos ein Pylier und Gründer von Kolophon, nach Pausanias Kodride und Gründer von Lebedos, für das Strabon den durchsichtigen Naınen Andropompos gibt. Lebedos (gleichen Stammes nicht nur mit NegAaela, sondern auch mit Aerıetymnoc) war immer ein kümmerlicher Ort und hatte keine besondere Überlieferung. a nn ie nn - von Wıramowitz-MoELLENDORFF: Über die ionische Wanderung. 65 weil er dem Ephesier Artemidoros folgt, und der hat sich die Ver- sion ausgesucht, die für seine Vaterstadt am rühmlichsten war. Er fand sie bei einem Pherekydes, der ein Athener gewesen zu sein scheint. Denn er macht den Gründer von Ephesos, Androklos, zu einem echten Sohne des Kodros und läßt ihn Ephesos als Allkönig der Ionier beherrschen, eine Stellung, von der sonst niemand etwas weiß und die nur auf dem Geschlechtsnamen Basileidai beruht, den ein ephe- sisches Geschlecht geführt hat, zu dem noch Herakleitos gehörte. Man darf dieser Deutung nicht trauen; ein Ahnherr, der König hieß, kann sehr wohl ein ganz anderes Reich als Ephesos oder gar lonien be- herrscht haben." Jedenfalls gibt es eine abweichende Version, und die klingt nicht nur besser, sondern hat den Vorzug, aus der Chronik von Ephesos zu stammen. Danach sind die Samier lange Zeit nicht im- stande gewesen, dort Fuß zu fassen, haben auch die Barbarenstadt am Artemistempel nicht genommen, sondern nur am Koressos eine kleine Stadt gegründet, in der neben einem Athenaheiligtum eine Filiale der Artemis von Ephesos errichtet ward.” Danach stand also Ephesos mit Samos in Verbindung, und das ist sehr glaublich. Man darf sich über- haupt durch die Stadt des Lysimachos und den Glanz der römischen Provinzialhauptstadt nicht verleiten lassen, dem alten Ephesos eine große Bedeutung beizulegen. Die hat es durch die Handelsstraße ins Innere erst erhalten, als es Stützpunkt der Lyder und Perser war. Wir wissen ja durch Herodot, daß die hellenische Gemeinde sich in ! In Priene ist eine Weihung an Bacınevc Kai KoYPHTec gefunden; in Ephesos kennen wir die Kureten als Priesterkolleg: wie sie dämonischen Dienern des Götter- königs entsprachen, kann ihr Obmann jenem sacıneYc entsprochen haben. BacıneiaAl auch in Erythrai, Aristoteles Pol.ızo5b, aber da bilden sie eine Öligarchie wie die Bakchiaden in Korinth. Der Name BacınelaHc ist in Ionien häufig. ®2 Kreophylos bei Athenaeus 361; die Beziehung auf Samos ergibt die Kombi- nation mit Malakos En üroic Cionion Ath. 267, der eine für Ephesos noch viel weniger schmeichelhafte Version bietet. Es ist mir auch nach Bennporrs Forschungen zur Orts- kunde und Stadtgeschichte von Ephesos unmöglich an eine Griechenstadt beim Arte- mision zu glauben, denn das kostet die Preisgabe von Kreophylos, Herodot, überhaupt der ganzen guten Tradition, und gefunden ist ja doch nichts Altionisches, das zu solehen Gewaltakten zwänge. Die Filiale des Artemisions in der Stadt am Koressos ist besonders bezeichnend und kann nicht erfunden sein. Das Athenaheiligtum, der rroxıo?xoc, für die Hellenen (aber keineswegs die Athener) besonders bezeichnend, findet sich in vielen Städten; in Priene kann sie freilich jung und athenisch sein. Daß sie auch in Milet gefunden ist, ist sehr wertvoll. Der Apollon TTYeıoc am Hafen von Ephesos entspricht dem aeAeinion Milets. Pythier wird er später genannt sein, wie die Artemis von Milet XıTönht und “Hremönk war (Kallimachos 3, 225; eine Seltenheit fügt Libanios 5, 36 Försrer hinzu, Artemis führt in Hundsgestalt), aber im Kulte, sogar des Didymeus, Pythierin, das Hellenische gegenüber dem Barbarischen zu markieren. Diese Macht Delphis ist hoch bedeutsam und um 700 bereits in Gel- tung. Hat doch Midas von Phrygien und dann Gyges mit Delphi in Verbindung ge- standen. 66 Öffentliche Sitzung vom 25. Januar 1906. den Schutz der Artemis, also unter die Macht der Priester gebeugt hat. Nirgend war die Rede so durchsetzt mit Fremdwörtern: des ist Hipponax Zeuge. Eine besondere Verbindung mit Athen ist durchaus nieht glaublich.' Über Samos haben wir den Bericht des einheimischen Epikers Asios aus dem 6. Jahrhundert. Da gibt es Götter und geographische Eponyme, von Zuwanderern nichts, und wenn das Volk Leleger heißt, so involviert das an sich nichts Barbarisches: die Lokrer sind ja auch Leleger. Daneben steht die Einwanderung von Epidauriern, und für Herkunft aus der Argolis zeugt der Herakult, der direkt von dort stammt. Die Verbindung mit den Ioniern wird nur so hergestellt, daß Prokles von Epidauros den Ion unter seine Ahnen bekommt.” An der Mykale liegt Priene, dessen Herkunft aus Böotien an- erkannt ist; auf die Athener daneben ist wenig zu geben, da sie mit der Neugründung des 4. Jahrhunderts zusammenhängen können.” Milet beginnt seine Tradition mit Anax: dieser Name bezeichnet immer den Herrn der Unterwelt.‘ Auf ihn folgt Asterios, schon ein kretischer ! Suidas Arictapxoc gibt ein Exzerpt unbekannter Herkunft in einem gekünstelt naiven Stil. Danach soll, als Kyros gegen die Meder zog (also vor dem Zuge gegen Ionien, von dem vermutlich später gehandelt ward) ein Aristarchos aus Athen nach Ephesos geholt sein und die Mmönarxoc EzoyYcia erhalten haben. Es holen ihn seine TIPOCHKONTEC, weil er über sie fünf Jahre &mmenäc TE KAlI CYN KHAEMoNlaı geherrscht hatte. Daraus wird sich niemand einen Vers machen, es sei denn, er entstellt den Sinn der gezierten Phrase. Daß ich die ganze Geschichte für Fiktion erkläre, ge- schieht wegen Strab. 179: da schicken die Ephesier eine Priesterin ArıcTÄpxH nach Massalia, um den Dienst ihrer Göttin einzurichten. Zufall wird die Koinzidenz der bedeutungsvollen Namen schwerlich sein, und ich ziehe vor, beiden zu mißtrauen, statt einen Familienzusammenhang zu erschließen. 2 Daneben spielt bei Strabon u.a. ein älterer Gründer Temsrion eine Rolle, gleichzeitig mit Prokles bei Themistagoras, offenbar ein Barbar. Die beiden Phylen Astypalaia (die Stadt Samos) und Chesia (die Stadt Chesion am Kerketeus) Sitzungsber. 1904, S.931. Auch für Samos selbst und für Ephesos wäre es wichtig zu wissen, wann das thrakische Samos okkupiert ist. Die Stellen in dem großen österreichischen Werke II 106; ich vermag sie aber in keinen Zusammenhang zu bringen, namentlich weil die Zahl v in der Herakleides-Epitome der aristotelischen Politie korrupt ist. Für die Notiz aus Apollodor in Scholion AD zu Ilias N ı2 vermißt man schmerzlich die Beglaubigung der D-Scholien. 3 Philotas von Theben hat Philistos, den Sohn des Perikles, neben sich, der das Heiligtum der Demeter Eleusinia an der Mykale gründet, ein Begleiter des Kodros- sohnes Neleus nach Herodot 9, 97. Da scheint der Kodrossohn Aipytos noch nicht als besonderer Gründer von Priene gegolten zu haben, der später neben Philotas steht. Eine eleusinische Demeter konnte auch für Herodot an sich keine Herkunft aus dem attischen Eleusis bezeichnen: dazu ist der Kultname zu verbreitet. Die von Plataiai steht bei Herodot in demselben Buche. — Myus hat keine besondere Geschichte, nur den Gründer KYarHunoc Köaroy. Ich erinnere mich sicher, Kyarfnıoı als Geschlechts- namen in einer oder mehreren Inschriften gelesen zu haben, ich glaube, auf anderem Sprachgebiet, aber ich kann die Stelle nicht finden. * Wichtig, daß er in Anaia einen Kult hatte, Inschr. v. Magnesia 44. von Wirasowirz-MOoELLENDORFF: Über die ionische Wanderung. 67 Name, dann kommt Miletos mit seinen Kretern, erst viel später Neileos, denn so lautet der Name, der dann mit Neleus gleichgesetzt wird; daher bekommt auch Neileos die Heimat Pylos; Herodotos nennt ihn aber einen Kaukonen, was zu dem Pylos der Odyssee nicht stimmt.' In der Vulgata ist er bekanntlich Sohn des Kodros und kommt aus Athen. Daß die Milesier ihr heiliges Feuer von dem athenischen Staatsherde mitgenommen haben wollten, weiß auch Herodot, und das wiegt so schwer wie die anderen Gründungssagen. Wirklich kennen wir in Athen ein Heiligtum des Neleus und der Basile, aber gerade dadurch gibt uns die mythologische Forschung die Handhabe zu einem ge- schichtlich wichtigen Schlusse. Die Königin, die Neleus neben sich hat, ist in einem anderen athenischen Heiligtum dem Echelos gesellt?, und kein Zweifel, daß diese Königin und ihr Entführer der Unterwelt angehören. Auch Neleus, der Vater Nestors, von dem dieser seine Rosse hat, ist kein anderer; wenn ihm Herakles seine Söhne in Pylos erschlägt, so ist das kein anderer Kampf als der, den er nach der Ilias in Pylos unter den Toten mit Aidoneus zu bestehen hatte. Und wenn Poseidon Vater des Heros Neleus ist, so besagt das wieder nichts anderes, denn Poseidon selbst ist von Hause aus der Herr der Erd- tiefe: erst als Gatte der Erdmutter wird er in seinem wahren Wesen erfaßt. Somit ist Neileos eigentlich derselbe wie Anax von Milet.? Ein Volk aber, das den Herrn der Erdtiefe seinen Ahn nennt, sagt damit nichts über seine Zuwanderung aus, im Gegenteil, das bedeutet dasselbe wie in Athen die Abstammung von Erichthonios oder von ! Da wohnen sie in der Nachbarschaft der Pylier r 366, ein altes ZATHMA. Fest sitzt der Name durch einen Fluß bei Dyme. Die Ratio Herodots ist leider nicht zu erraten; aber 4, 138 setzt er sie etwa nach Triphylien. 2 Kexrure, Berl. Winckelmanns-Programm 65. Das Relief des Echelos steht auf der Rückseite eines Weihreliefs an Hermes und die Nymphen, lediglich um den Ort ihres Kultes zu bezeichnen; es ist auch En ’Exeniaßn gefunden, das Flurname war, keine Gemeinde. Beiläufig, wir betonen in Athen BAclaH, in Ionien jetzt iepf, früher mit den Herodothandschriften iPeilH, iPHIH. Die Regel für das erste steht Stephan. ArAmmela; Theognost S. ııı; Hesych ist korrupt. Aber sie rechnet nicht mit den Be- legen für die Länge der letzten Silbe, die schon Burrmans, Gr. Gr. II? 427 dazu führten, sacaA zu fordern. Wenn wir wagen, von der TrAPAAocıc abzuweichen, müssen wir es in Athen so gut wie in Ionien tun. Ich würde allerdings lieber warten, bis ein Grammatiker mit der rraPAaocıc überhaupt zu Gericht gegangen ist. BAcIAH las man bei Sophokles; bei Euripides Alk. 81 muß man Bacinelan dreisilbig sprechen. ® Eine Prüfung der Ahnherren vieler Städte und Landschaften wird dieselbe Vorstellung von dem Herrn der Erdtiefe ergeben; neben ihm steht der Flußgott, der die Landschaft nährt, dessen Wasser aber auch aus der Erdtiefe stammt. Das ist also dieselbe Grundauffassung, nur spezieller gewandt, in der Richtung, die den Po- seidon am Ende auf einen Gott des Gewässers beschränkt hat. Zahllose Söhne von ihm sind Frevler, die von den zivilisatorischen Heroen erschlagen werden: sie sind eben rHreneic. 68 Öffentliche Sitzung vom 25. Januar 1906. Poseidon Erechtheus. Erst die epische Sage' und dann auch die Er- innerung an die Einwanderung, die neben jener naiven Herleitung der Urbewohner aus der Erde bestand, hat den Neileos vermensch- licht. Das Königshaus, das sich auf ihn zurückführte, wollte wirklich mit dem Boden verwachsen sein. Milet pflegt als die südlichste Stadt Ioniens zu gelten; was weiter kommt, rechnet man zu Karien. Allein karisch ist die eingeborene Bevölkerung auch auf der milesischen Halbinsel und zwischen Ephesos und Priene’, und ionisch geworden ist das südlich anschließende Gebiet ebenfalls und schon sehr früh. Skylax von Karyanda schreibt schon unter Dareios I. Ionisch, Choirilos von Iasos ist ein Dichter in Alexanders Gefolge;® Bargylia will eine Gründung des Achilleus sein, und selbst Mylasa*, die Hauptstadt Kariens, schreibt unter Maussollos seine Ur- kunden ionisch. Dieser selbst ist Sohn des Hekatomnos, dessen Name griechisch ist, obwohl die Zusammensetzung und Bedeutung »Knecht der Hekate« ganz ungriechisch anmutet. Das Grab des Maussollos stand in Halikarnaß. Diese Stadt hatte einmal eine dorische Herren- bevölkerung gehabt und sogar kurze Zeit dem Dorerbunde angehört, und doch schreibt man dort nur ionisch, die Urkunden ebenso wie Herodot. Die Abgrenzung Ioniens ist also zu eng. Woher kommt das? Die Antwort können wir jetzt geben. Der Begriff Ionien ist durch den Bund der Ilonier bestimmt, die an der Mykale im Heilig- tume »aller Ionier« zusammenkamen. Dieser Bund aber war ein poli- tisches Gebilde des 7. Jahrhunderts, und wie er alle Städte, die nicht eintraten, von den Joniern ausschloß, so machte er alle seine Mit- glieder zu gleichberechtigten Ioniern, schuf also den geographischen Begriff Ionien und gab dem Volksbegriff einen neuen Inhalt. Es ist ! Daß sie von außen kam, zeigt die Form NHneYc. P. FrıeprÄnver (Argolica 62) ist durch konsequentes Denken dazu gelangt, das ganze Äolidenstemma der hesiodi- schen Kataloge nach Milet zu verlegen. Ich schließe aus der Gewaltsamkeit und ihrem Erfolge, daß kein anderer als der gewaltsame Verfasser der Theogonie diesen Grund- stock der Kataloge verfaßt hat. 2 Dort liegt z. B. Menik mönıc Kaplac nach Hekataios. ® Nach Polyb. 16, 12 wollen die ’laceic eigentlich aus Argos sein; das ist auf das “lacon “Arroc gebaut; dann einen Sohn des Neleus aus Milet bezogen haben. * xricma TaaYkoy Stephan., also desselben, dessen Geschlecht auch ionischen Städten ihre Könige gab. Mylasa selbst hat einen König Herakleides gehabt, der bei Artemision mitgefochten haben soll. So lehrt das neue Sosylosbruchstück und seine Erläuterung durch Wırcken eben im Hermes 41. Sosylos wird seine Weisheit aus einer Sammlung von CTPATHTHMATA haben, Exzerpten alter Literatur, wie sie damals Alexandreia in Massen lieferte. Dort aber konnte man in der Tat ein Buch von Skylax noch besitzen, das mit dem, was dem Herodot z. B. über Demokedes vorgelegen hat, auf einer Linie steht. Die Bedeutung und den Erfolg des Manövers schlage ich allerdings nicht hoch an; es ist ein Vorzug, daß Herodot die Gefechte bei Artemision nicht als einen Sieg betrachtet. von Wıramowrrz- MOELLENDORFF: Über die ionische Wanderung. 69 weder befremdlich noch unberechtigt, daß der Halikarnassier Hero- dotos diese Ansprüche der zwölf Städte bekämpft. Wir haben keinen Grund anzunehmen, daß es vorher einen Namen gab, der die Be- wohner der Küste vom Mimas bis Didyma einerseits umfaßte, anderer- seits von ihren Nachbarn schied. Erst als sie das Gefühl der poli- tischen Zusammengehörigkeit vereinte, brauchten sie einen Gesamt- namen und haben den der Ionier gewählt. Es konnte nicht ausbleiben, daß sich nun der Glaube an gemein- same Herkunft und gemeinsame Eroberung Asiens bildete und bald entsprechende Geschichten erzeugte, glücklicherweise ohne die älteren Sondertraditionen zu zerstören. Es gibt zwei solche Geschichten; die ältere leitet die Ionier aus Achaia her. Älter muß sie sein, da die Ableitung aus Athen zu allen Zeiten durch billige Hilfsmotive die Ionier oder den Ion! erst noch nach Achaia bringt, schon bei Herodotos. Das Achaia, das wir allein kennen, hat dieselbe Be- völkerung, die auch nördlich vom korinthischen Busen als Ätoler, Lokrer, Phoker usw. wohnt. Sie hat weder mit Äolern noch mit Ioniern irgend etwas zu tun. Keine Sonderüberlieferung irgendeiner asiatischen Stadt führt auf diese Landschaft, die für die Geschichte bis auf Arat keine Bedeutung hat, für die Kultur überhaupt nicht.” Die Ableitung hat also keinen realen Inhalt. In ihrer ausführlichsten Darstellung spielen die aus Sparta vertriebenen Achäer und ein Sohn des Orestes eine Rolle. Söhne des Orestes, zuerst sogar er selbst, sind auch die Führer der sogenannten äolischen Wanderung, und da treten die Stammbäume der Könige von Mytilene und Kyme hinzu. Aber auch die Äoler haben mit den realen Bewohnern von Achaia nichts zu tun. Also liegt auch hier kein realer Inhalt zugrunde, wenigstens nicht, soweit es Achaia angeht. Es handelte sich bei dieser Kombination von Hause aus gar nicht um eine Auswanderung ı So bei Velleius I, 4 und Vitruv IV, ı, bei dem ersten direkt von Athen. Das ist aber doch sekundär, denn der Bericht verfährt mit der Tradition so gewaltsam, daß er die äolische Wanderung später ansetzt. Immerhin ist es kein Irrtum der beiden Lateiner und mochte rationeller erscheinen als ein Umweg, der Ion gar nicht in sein Land gelangen ließ. ?2 Die Frage, woher der alte Achäername in der Landschaft von Helike bis Dyme sich so auf neue Bewohner übertragen hat, wie der ätolische an dem Ufer gegenüber, ist hierfür irrelevant. Vermuten mag man, daß die Bewohner des lang- gestreckten Küstenlandes ihn ebenfalls dem Epos entlehnten, als sie sich zu einem Bunde von ı2 Städten vereinigten und Kolonien nach Italien schickten. Wir wissen ja von ihnen so gut wie nichts. In Sparta hat der Achäername vollends gar keine andere Realität, als daß man Agamemnon von Amyklai das homerische Volk beherrschen ließ. Wäre es anders, so würde es Achäer in Argos geben; aber da lieferte das Epos Arreio. Der Achäername ist genau so leer wie der Hellenenname, außer in Phthia, d.h. dem Phthia Achills. 70 Öffentliche Sitzung vom 25. Januar 1906. von Äolern oder Ioniern, sondern von Griechen: da lag die Einführung des Achäernamens nahe. Achäer heißen ja bei Homer die unter Aga- memnon vereinigten Völker mit einem Gesamtnamen, während Äoler und Ionier noch nicht existieren. Achäer waren also den Hörern Homers Ionier und Äoler, die Bewohner ihrer alten Heimat, deren sie nicht vergessen hatten, ungeachtet aller Einzelstämme. Achaia heißt auch die älteste Hellenenburg auf Rhodos.‘ Es war natürlich, daß der Zug, als den sich ihnen die Eroberung ihrer neuen Sitze nach Analogie der Iliosfahrt Agamemnons darstellte, ein Zug von Achäern war, und daß ein Sohn Agamemnons ihn führte. Die Folge- rung, daß der Zug der Achäer aus dem Lande gekommen war, das nun Achaia hieß, stellte sich ohne weiteres ein, sobald man sich im Mutterlande umsah. So versteht man diese Herleitung ohne Mühe; aber damit verliert sie auch jede reale Bedeutung. Sobald sich jener Gegensatz unter den asiatischen Griechen herausstellte, den die poli- tischen Bünde repräsentieren, mußte man nach neuen Samtnamen greifen, und da haben Kolophon, Samos, Milet und Nachbarn den Ioniernamen gewählt, und vor dem ist der achäische zurückgetreten. Es ist aber einmal eine Zeit gekommen, wo man ihn wieder vor- holte. Das war in den kurzen Jahren der spartanischen Herrschaft; Timotheos von Milet hat es uns gelehrt. Er verleugnet den Namen Ionier, während ein Menschenalter vorher Herodot noch sagen konnte, daß die asiatischen Ionier auf diesen Namen Wert legten, obwohl er damals bei den übrigen Griechen, die Herodot für Ionier hielt, vor allem bei den Athenern, unbeliebt war, weil er den Nebensinn des Verweichlichten und Lasziven angenommen hatte, der dem ionischen Verse und dem ionischen Tanze immer geblieben ist.” Als Athen den asiatischen Griechen das Perserjoch abnahm, be- stand der Bund der zwölf ionischen Städte nicht mehr. Athen ging darauf aus, alle seine Untertanenstädte als Kolonien zu bezeichnen, um dadurch seiner Herrschaft eine innere Berechtigung zu geben. Wir lesen davon in offiziellen Dokumenten. Herodot, der Wahlathener, betrachtet alle Ionier im weitesten Sinne als ausgegangen von Athen: von der ionischen Wanderung als einer einmaligen Expedition athe- nischer Auswanderer unter Führung von Kodrossöhnen weiß er aber noch nichts. Der Pherekydes, der das als erster tut, kann wahrlich nicht gegen ihn aufkommen, und es gibt keine Instanz dagegen, daß Hermes XIV, 457. ® Dafür sollte es genügen, an das AlakAaAn "lonıköc, die "lonıkA AıcmaTa (Timotheos S. 66) in der Komödie und sonst zu erinnern. Aber auch bei Thukydides liegt im Jonischen das manakön, z.B. 8, 25. Noch Platon stellt der Karreria des Sokrates nicht ohne Absicht ein paar lonier zur Seite, Symp. 220d. . . . m von Wıramowrrz-MOELLENDORFF: Über die ionische Wanderung. al diese ionische Wanderung, die spätere Vulgata, ein Reflex des atti- schen Reiches ist. Den Kodros kennt Athen als Neliden von Pylos und König Athens, zuerst die athenische Kodrosschale. Aber wir können von dieser vielumstrittenen Figur absehen, denn ein Athener ist er nie gewesen und in Ionien ist er bisher nicht nachgewiesen.' Ein glaubhafter Zusammenhang besteht nur zwischen Milet und Athen. Aber auch hier haben die Grabungen in Milet eine moderne Annahme zerstört, die ich selbst sogar besonders ausgebildet hatte. Milet hat in alter Zeit nur drei Phylen gehabt, und nur eine von ihnen ist mit einer altattischen identisch. Überhaupt ist nicht mehr daran zu denken, daß die attischen vier irgendwo so bestanden hätten, daß sie für athenische Herkunft Zeugnis ablegten.. Wenn Herodot sie ionisch nennt, so kann das nur besagen, daß sie einzeln hier und da bei Ioniern, nicht nur in Asien, bestanden. Aber seine Angabe mußte uns allerdings irreführen. Dagegen haben die Steine gelehrt, daß Priene bei seiner Neugründung und auch Milet einmal wirklich ihre Phylen aus Athen bezogen haben, aber die des Kleisthenes: da- mals glaubte man an die athenische Herkunft. Der einzige Vers der Ilias (N 685), der die »Jaones in den langen Röcken« nennt, versteht darunter die Athener.” Aber wenn die Athener Ionier sind, wie soll das bezeugen, daß die Ionier Athener seien? Zur Erklärung zieht man passend den anderen Vers des alten Epos heran, der dieselben Iaones nennt. Das geschieht in dem Hymnus auf den delischen Apollon, der schwerlich viel jünger als jene Partie der Ilias ist. Da sind die Ionier die Festgenossen der delischen Pane- gyris, also die Bewohner der Kykladen, Athener, Leute von Euboia; auch die Asiaten werden nicht fehlen, ist doch der Dichter selbst aus Chios. Hier ist also Ionier ein weiter Volksbegriff, die Bezeich- nung einer auf gemeinsamer Sprache, Sitte und Religion beruhenden Volkseinheit, also gar kein politischer Begriff. Wenn Leute von Lesbos und Kos auf der Panegyris waren, wie sie es zweifellos waren, so mußten sie sich gefallen lassen, mit unter die Ionier gerechnet zu werden; so geht es den Äolern ja auch auf den attischen Tribut- ! Ein Grab konnte er dort natürlich nicht haben, da ja seine Söhne erst hin- kommen. Übrigens kann das Sprichwort eyYrenecreroc Köaroy schwerlich athenisch sein, und Lykophron 1389 sagt von der Besiedelung der triopischen Hexapolis oi A’ AY TETAPTOI TÄC AYMmAnTeloY crIoPÄc AAKMONIOI TE KAI KYTinaloI KöAPol. »Die vierten sind die köaroı aus Thessalien und Doris von Dymanengeschlecht«, da wird natürlich mit Kodros gespielt, den er bei der ionischen Wanderung übergangen hat; aber es ist kein Eigenname und auch nicht eYfseic, wie die moderne Erklärung ist (die Scholien irren noch schlimmer), sondern APxaloı, &k TIANAIOY EYreneic. 2 Auf den Athener”lacoc O 337 läßt sich gar nichts bauen; der Name kommt z.B. in Orchomenos vor, gehört zum “lacon “Arroc, und warum nicht zu der Karerstadt ”lacoc’ 72 Öffentliche Sitzung vom 25. Januar 1906. listen, wo sie im "lunıköc ®öroc stehen. War dieser Begriff gegeben, so konnte ein Epiker Asiens, der ja die griechische Besiedelung seiner Heimat und der Inseln ignorieren mußte, die Athener als Ionier be- zeichnen. Genau in demselben Sinne faßt Herodotos den Begriff und läßt alle Ionier aus Athen stammen. In der Amphiktyonie von Delphi haben die Ionier als Volk, &enoc, zwei Stimmen, eine kommt davon auf Athen, die andere auf Euboia: da haben wir dasselbe, und zwar stehen sie neben denselben Stämmen wie bei Homer im N. Dasselbe meint Solon, der Vertreter der Ionier in Delphi gewesen ist, wenn er Athen die vornehmste, meinethalben auch die älteste Stadt Ioniens nennt.' AI das wäre ganz undenkbar, wenn der Name von den zwölf Städten Asiens stammte. Dagegen begreift man ohne weiteres, wie diese ihn gewählt haben, als sie ihren Bund von Äolern und Dorern, Karern und Lydern absondern wollten. Sie wählten ihn, weil sie sich in dem Sinne als Ionier fühlten, wie es die Umwohner des deli- schen Apollon taten, und vielleicht war die Stiftung von Panionien zuerst nicht eine unberechtigte Ausschließung, sondern eine Hoffnung auf künftigen Beitritt der anderen. Der Ioniername hat also im Kultur- kreise von Delos dieselbe Rolle gespielt wie der Achäername bei Homer, wie im Mutterlande, offiziell wohl zuerst in Olympia, der Hellenen- name, der dann den Sieg davongetragen hat. Aber die Orientalen haben für die Griechen immer den Ioniernamen verwandt: nicht von den zwölf Städten, sondern von dem delischen Kulturkreise, zu dem freilich die Küstenstädte Asiens auch gehörten, haben sie ihn über- nommen. Es wäre sehr wichtig, wenn die Orientalisten die Zeit der Übernahme bestimmen könnten. Die Orientalen haben den Namen übernommen, als er noch Iavones lautete. Das ist bei den Griechen ganz vergessen, und nur das Epos hat wenigstens die offene Form literarisch erhalten. Seltsamerweise ist aber die Betonung ganz und gar verschollen, die sich aus der Kontraktion mit Notwendigkeit ergibt. Auch die Nebenformen und Ableitungen” geben Rätsel auf, deren Lösung durch die Sprachwissen- schaft wahrscheinlich bedeutende Konsequenzen für die Geschichte haben ! ırecsYTatoc bedeutet seiner Herkunft nach nichts anderes als rıpecsicroc, also den Vorrang, nicht das Alter. Beruht er auf diesem, so heißt das eigentlich rırec- BYTAToc renefl, Z 24. Die mPecgYTAtH rala "laoniHuc bei Solon kann übrigens wirklich nicht ihren Vorrang aus dem Alter ableiten, denn die Länder sind doch nicht wie Kinder oder Städte hintereinander geboren. 2 “JAc und “lacti gehört zu “lanec mit zwei kurzen Silben bei Aischylos Pers. 949, und "laına, das Meister (Ber. Sächs. Ges. 1894) bei Sophokles Fg. 58 (Hesych “lAanna) hergestellt hat. Wenn Oppian Kyneg. ı, 172 “lonec schreibt, so ist das wohl sein Versehen; die illyrischenlonec, nach denen der “lönioc rröntoc heißt, konnten ihn ver- führen. Aber ob sie nur zufällig anklingen En u nn rn st zung von Wıramowırz-MorLLENDORFF: Über die ionische Wanderung. 73 wird; bisher fehlt selbst den ebenso geistreichen wie ansprechenden Vermutungen unseres PnıLıpp Burtmann die grammatische Begründung, die gerade dieser große Forscher jetzt unbedingt verlangen würde. Nur so viel läßt sich zuversichtlich sagen: die Betonung “lun und “lunec ist nieht in Asien entstanden. 7 Am letzten Ende wird der Ioniername von einem kleinen Stamme herrühren, ebenso wie der der Achäer und Hellenen; der Stamm wird auch wie jene bis nach Thessalien hinauf zu verfolgen sein; aber für die Herkunft der asiatischen Ionier wird das ebensowenig ausmachen wie für die der Athener. Sehen wir nun die obenangeführten Einzeltraditionen an. Da finden wir Leute aus Böotien in Teos, Kolophon, Milet, Priene; aber auch die Lesbier fühlen sich grade den Böotern verwandt. Aus Thessalien kommen Äoler, aber ebensogut Magneten und Triopas von Knidos und Thessalos von Kos. Aus der Argolis kommen Leute nach Samos, Klazomenai, Kos, Halikarnassos, Rhodos. Das sagt genug: die Herkunft aus der oder jener Gegend kann die Unterschiede von Äolern, Ioniern, Dorern nicht bedingen. Schon aus diesen Tradi- tionen, und noch viel deutlicher, wenn man die Namen von Phylen und Geschlechtern hinzunimmt, tritt mit Evidenz hervor, daß alle diese Städte keine planmäßig angelegten Kolonien sind, wie sie später Milet, Phokaia, Rhodos usw. ausgesandt haben, sondern Volkssplitter sind ziemlich überallher überallhin geworfen, und aus ihnen hat sich im Laufe mehrerer Jahrhunderte ein neues Volkstum gebildet. Nur die bitterste Not hat die Auswanderer in dieser Weise durcheinanderwirbeln können. Wäre er nicht überliefert, man müßte den Einbruch fremder - Eroberer erschließen. Und das ganze wunderbare Wesen der asiatischen Griechen, der Ionier zumal, in Poesie, Religion und Wissenschaft, läßt sich nur aus dem Elende eines entwurzelten Abenteurertumes begreifen. Ein Volkselement kommt aber als das älteste fast überall vor, die Kreter, in Chios und Kolophon, in Milet und Rhodos, und gerade Kreter konnten durch keinerlei Beziehungen der späteren Zeit hinein- getragen werden. Genau so steht es auf den griechischen Inseln, bis Keos und Skyros und Ikaros; und da wissen auch Herodotos und Thukydides von einer Seeherrschaft des Minos zu berichten. Die Sonderüberlieferung der Inseln, die ich nicht verfolgen will, bestätigt das auf Schritt und Tritt. Wir haben dem zu geringe Bedeutung beigemessen. Angesichts der kretischen Macht und Pracht, die von den Engländern und Italienern entdeckt ist, gewinnt es eine große Bedeutung, und selbst die Kombinationen der antiken Lokalforscher, die zwischen der Troas und Kreta einen Zusammenhang suchten, er- fordern erneute Prüfung. 74 Öffentliche Sitzung vom 25. Januar 1906. Dazu tritt ein Zweites. Auf den Inseln und an der asiatischen Küste treffen wir unter und neben den Griechen das vorgriechische Volk, das wir meist Karer nennen, nach dem Stamme, der auf den Inseln und in Asien vor den Ioniern weichen muß, aber auch auf dem europäischen Festlande vor und mit den Griechen gesessen hat. Seine Verwandten sind nach Herodot die Lykier, und auch die fehlen nicht, z.B. in Erythrai; in der Troas kennt sie die Ilias. Das Bergland, das die Griechen Lykien nennen, dessen Volk sich aber den Namen Tremilen gab, ist ohne Zweifel von der See aus besetzt, wie auch die Tradition lautet; auch von den Karern muß man geneigt sein, dasselbe anzu- nehmen. Diese Völker haben also genau dasselbe Geschick gehabt wie die griechischen Besiedler Asiens. Man soll sich nicht wundern, wenn man auch ihre Splitter an weit entlegenen Orten antrifft. Auch diese Völker leitet die Tradition aus Kreta her, und wahrlich, das Vorkommen von Namen wie Priene und Milet in Kreta und Karien ist unzweideutig. Solche Übereinstimmungen fehlen aber auch in dem eigentlichen Grie- chenland nieht: Mykale-Mykalessos liegt auch in Böotien und ist ein karischer Name. Ganz ebenso wie eine griechische hat es also eine karisch-]ykische Wanderung gegeben. Und ein Drittes. Keineswegs überall ist das Verhältnis zwischen den Karern oder wie sie heißen und den Griechen feindlich. Ganz unbefangen nennt sie die Tradition von Erythrai unter ihren ältesten Besiedlern, und Samos besteht aus der Griechenphyle Astypalaia und der Karerphyle Chesia. Ja, Herodot erzählt, daß irgendwo ein Doppel- königtum von Lykiern aus dem Stamme des Glaukos und von Griechen bestanden habe, Könige aus Glaukos’ Stamme öfter vorkämen. Die Szene der Ilias, in der Diomedes und Glaukos sich begrüßen und beschenken, reflektiert ein solches Verhältnis. Im Grunde fühlen ja selbst Troer und Achäer keinen Rassengegensatz. Der Stamm der Pamphyler', der freilich den Begriff der Mischung im Namen trägt, ist sowohl hellenisch wie barbarisch. So müssen wir für die Zeit der Wanderung ganz not- wendig den Rassengegensatz ganz anders einschätzen, als seine heutige Übertreibung nahe legt. Und wenn wir von da zurückblicken auf die kretische Kultur und Kunst, so ist vielleicht die scharfe Antithese, Griechen oder Karer, gar nicht zulässig. Vollends in der Wanderzeit mußten beide den Orientalen häufig als dasselbe Volk erscheinen, mochten sie nun als Seeräuber einfallen oder als Reisläufer Dienst suchen. Den Griechen sind 1000 Jahre später die Nordvölker, die sie Skythen nannten, auch alle durcheinander gegangen. Natürlich gibt das Ergebnis einer chaotischen Wanderschaft kein Bild von diesem Chaos. Wie viele Siede- ! Pamphyler außer in Erythrai und Pamphylien besonders als die Urbewohner des Maiandrostales in der Gründungssage von Magnesia. von Wıramowrrz-MoELLENDORFF: Über die ionische Wanderung. 3 lungen werden eine Weile Bestand gehabt haben, die dann später zu- grunde gegangen sind oder deren Spuren uns in der Vereinzelung rätsel- haft bleiben. Auf Kypros, in Pamphylien haben sich die Griechen gehal- ten; die Philister, die doch auch aus Kreta stammen sollen, in Gaza und Azotos. Nordsyrien hat sich der Einwanderer erwehrt; aber Panammu von Sendjirli trägt doch den Karernamen Panamyes, wie mancher Hali- karnassier heißt, der sich als Grieche fühlte, und in dem fruchtbaren Kilikien, Tarsos, Aigeai, Mallos sind nicht alle Spuren griechischer Einwanderung verwischt. Es wird niemals möglich sein, wirklich zu erkennen, warum am Ende aus dem Chaos hier eine lykische oder karische oder griechische Stadt auftaucht, und wenn sie griechisch ist, warum sie äolisch oder ionisch oder dorisch ist. Natürlich liegt sehr viel an den Ingredienzien, die sich in ihr zusammengefunden haben, aber die neue Umgebung, die Nachbarschaft, die Übermacht der Zentra in Politik und Kultur, wirken nicht weniger. Wir entnehmen der Erde die Reste des Hausrates und der Bauten, der bildenden Künste: da braucht sich gar kein nationaler Unterschied fühlbar zu machen. Um so stärker tritt er in der Sprache hervor; aber da wirkt sofort das literarische Vorbild, also die Suprematie eines geistesmächtigen Ortes oder Standes oder Mannes wie Homer aus dem äolisch -ionischen Smyrna, sei er nun Person oder Typus. Sänger sind es, die das Äolische von Lesbos zu einer festen Sprache gemacht haben; Denker haben die ionische Sprache in Milet geformt, und die Sprache und Literatur zwingt zu über- einstimmendem Reden und Denken; sie nivelliert, um zu nationalisieren. Die Einheit ist das Endergebnis des geschichtlichen Prozesses. Es geht nicht an, sie in anderem Sinne in die Urzeit zu projizieren, als wir es " überhaupt mit den Fiktionen der Ursprachen tun. Aber gewiß, daß das Lesbische bei den Hörigen der Thessaler und den Herren der Kyprier so nah verwandte Mundarten findet, Lesbisch und Kyprisch, aber auch Ionisch, in den arkadischen Bergen, muß auch für die Geschichte der Volksstämme verwertet werden. Darum sind doch die Volks- und Sprachindividualitäten Äolisch, Ionisch, Dorisch erst in Asien ent- standen, und die Sprachen des Mutterlandes gehen in diese Dreiheit keineswegs auf. Die relative Zeitbestimmung für die große Wanderung, die ja lange gedauert haben muß, in eine absolute umzusetzen, wird immer nur annähernd gelingen; aber einen wichtigen Punkt gestattet doch die spezifisch archäologische Forschung ohne zu fixieren. DRAGENDORFF hat die Gräber von Thera mit der Fülle ihres Inhaltes bis in das 9. Jahr- hundert hinauf verfolgen können. Nicht sehr viel früher ist also diese Insel von Kreta aus besiedelt, denn diese Herkunft wird niemand bezweifeln, der von dem Burgberge nach der Dikte hinüberschaut. Sitzungsberichte 1906. 9 76 Öffentliche Sitzung vom 25. Januar 1906. Die Einwanderer aber gehörten bereits jenem Stamme an, der eigentlich allein Dorer heißen darf und Kreta, Sparta und Argos besetzt hat, Kreta, wie ich glaube, zuerst. Damit rückt diese letzte Völkerschie- bung, die der ganzen ihren Namen gegeben hat, noch in das 2. Jahr- tausend. Dagegen die dorische, auf die Herakliden von Argos zurück- geführte, und auch wirklich von dort stammende Besetzung von Kos und Rhodos muß später fallen. Sie fand vermutlich nicht viel andere Bevölkerung vor, als damals in dem nachmaligen Ionien saß. Und hier ergibt sich gleich eine Folgerung für Homer. Der Heraklide Tlepo- lemos steht schon in der Ilias, aber in einer Eindichtung unserer Ilias. Die Ahnen der Äoler und Ionier waren zumeist schon, ehe die eigentlichen Dorer kamen, aus ihren Sitzen verdrängt, wenn Verschie- bungen auch immer noch angedauert haben werden." Die Wanderungen der Karer und Lykier, wenn sie von den Griechen gesondert waren, kann man noch nicht einordnen, aber Priene und Miletos hatten ihre kretischen Namen, ehe sie griechische Herren erhielten. Nur muß man sich hüten, was man an einem Orte findet, zu verallgemeinern, und selbst von den Inseln ist manche minder verlockende erst sehr spät von Griechen besetzt, z. B. Ikaros und Amorgos. Das besonders fruchtbare Lemnos bietet die merkwürdige, schwerlich vereinzelte Er- scheinung, daß eine hellenische Position wieder verloren geht. Die Sage hat das Gedächtnis an das AnAmnıon Kakön erhalten. Da blieb das rätselhafte Volk Sieger, das die Griechen Pelasger oder Tyrsener nennen, jetzt vielfach auf Grund einer unverstandenen Inschrift des 6. Jahrhunderts vorschnell mit den Etruskern gleichgesetzt. Die in der Tat singuläre lemnische Kultur wird nun deutlicher werden, da C. Freorıcn, der die Insel im Auftrage unserer Akademie bereist hat, den Inhalt der Nekropolis aufgefunden hat, der auch jene Inschrift angehört: natürlich kann das für die alte Zeit nichts lehren. Von großem Werte ist auch die Entdeckung der Gräber von Delos, die im Jahre 424 von den Athenern nach Rheneia überführt sind, und ihrem hochverdienten Finder und Hersteller SravroruLos sollte recht bald Gelegenheit gegeben werden, die Ergebnisse seiner mühevollen Arbeiten so zu veröffentlichen, wie es den Funden von Thera zuteil geworden ist. Freilich die Beobachtungen, die Thukydides eben an jenen Funden gemacht hat, werden wir nicht kontrollieren können. Er sah an den Beigaben den Unterschied der karischen und griechi- ! Eine solche hat natürlich noch der Einbruch der Dorer in die Täler des Inachos und Eurotas gebracht und später die Eroberung Messeniens durch Sparta. Weil diese die letzten waren, müssen sie sich am leichtesten finden lassen. Also ist hier der Punkt gegeben, wo die Analyse der geschichtlichen Traditionen anzusetzen hat, wie immer Hand in Hand mit der Analyse des Epos und der Heldensage. eo. von Wıramowrrz-MoELLENDORFF: Über die ionische Wanderung. Zt schen Bestattung. Davon ist nichts zu spüren: die Athener haben offenbar den Inhalt der Barbarengräber nicht von neuem beigesetzt. So bleibt gerade der wichtige ethnische Unterschied immer noch zu suchen: es fehlt eine spezifisch karische Nekropolis. Die Funde von Rheneia führen, soweit mir eine flüchtige Betrachtung zeigte, kaum über die von Thera hinauf. Wohl aber tun das die Scherben aus dem Athenaheiligtum von Milet, das außerhalb der späteren Mauern liegt und so bereits lehrt, daß die Stadt nach der Zerstörung von 494 eine starke Verschiebung erfahren hat. Aber wenn die Griechen auch wohl etwa um die Zeit nach Milet gelangt sind, auf welche die Alexandriner geraten haben, so wäre es vorschnell, dasselbe Datum auf Ephesos oder Halikarnassos zu übertragen. Nur die Spezialforschung an jedem Orte kann uns Antwort geben. Die abenteuernden Auswanderer werden zuerst gelebt haben wie die Achäer vor llios, in Blockhütten, die Homer anschaulich beschreibt; wir übersetzenl eider meistens Zelte. Sie nährten sich von dem geraubten Vieh; die Fische verschmähten sie noch. Was sie erstrebten und erreich- ten war, als Herren über frondenden Ackerbauern zu stehen, in Häusern zu wohnen, wie sie Homer schildert, recht bescheidenen, die nur Vor- eingenommenheit mit der Pracht von Knossos und Phaistos vergleichen darf, und zu Wagen, später zu Roß, in den Streit zu ziehen. Dazu haben es die Kolophonier und Magneten gebracht, und noch die herrlichen Sarko- phage von Klazomenai aus dem 6. Jahrhundert zeigen ein solches Leben. Im Mutterlande pflegt diese Ritterherrlichkeit dadurch ein Ende zu nehmen, daß die Bauern, die zinspflichtig oder hörig gewesen oder geworden waren, sich erst Anteil an den politischen Rechten, dann _ die Herrschaft erkämpfen; in den Städten tun es die Handwerker des- gleichen.‘ In Asien lagen die Verhältnisse anders, weil die Hörigen überwiegend Barbaren waren. Wirkliche Bauerndörfer hat es wenigstens bei den Ioniern schwerlich viele gegeben. Das war auf Rhodos und Kos der Fall, auch auf Lesbos, und dessen Pflanzstädte in der Troas, Neandreia z. B. und Assos” sind Ackerbaustädte, die zwar dauerbar sind, aber in ihrer Vereinzelung weder politische Bedeutung gewinnen, noch die Kultur expansiv verbreiten. Dagegen Kolophons Macht ist wie die Magnesias gebrochen, als ihre Ritterschaft von den Lydern ! In Chalkis, Korinth, Aigina hat sich die Aristokratie neben dem Großhandel gehalten; wir können leider weder von der Verfassung noch von den wirtschaftlichen Verhältnissen dieser wichtigen Orte eine Vorstellung gewinnen. 2 Assos (die Athener schreiben Hessos; der Name ist offenbar karisch) sielıt auf der Karte wie eine Seestadt aus. An Ort und Stelle sieht man, daß es den An- siedlern in Wahrheit auf den Ackerbau im Tale des Satnioeis ankam; es fehlt ein Hafen und eine Strandebene. Eine solche äolische Landstadt im altäolischen Asien ist auch Aigai, nach dem man sich die übrigen vorstellen kann. 9* 78 Öffentliche Sitzung vom 25. Januar 1906. und Treren vernichtet ist. Noch aus den Inschriften von Priene sieht man, daß der Zins der meist stammfremden Bebauer des Mäander- - deltas und der alten Mark von Melia die Bürger der Kleinstadt nährt; vermutlich war der Übermut Melias, gegen den die Ionier sich zu ihrem Bunde zusammenschlossen, die Erhebung der Landbevölkerung nördlich von der Mykale, durch die sich alle Nachbarn bedroht fühlten.! Auch Milet hat einmal vorwiegend von dem Ackerbau auf seiner Halb- insel gelebt, den die hörigen Gergither besorgten,” und es hat nicht an wohlmeinenden Politikern gefehlt, die nur in der Landwirtschaft das Heil der Stadt sahen.” Damals waren die wirtschaftlichen Zu- stände denen Spartas gar nicht unähnlich; die Männer lebten von ihren Frauen getrennt in Syssitien,' von denen das Kollegium der moaroi das vornehmste gewesen zu sein scheint, wenn sein Vorstand, der Aisymnetes, zum eponymen Beamten der Stadt geworden ist.° Aber für die Zukunft entscheidend ward es, daß Milet mit allen ritterlichen Idealen brach, die Industrie, vor allem die Wollweberei, an die Stelle des Ackerbaues trat, für den die aufstrebenden Völker des Hinter- landes keine neuen Äcker hergaben. Daher der Aufschwung der Schiff- fahrt zum Vertriebe der Waren und die Errichtung von Faktoreien und Handelskolonien. Daher der Ersatz des Ritterheeres durch die Flotte. Die “‘Immerschiffer’, Acınarraı®, von Milet sind eine Analogie ! Die Samier haben allerdings schon Kleruchen hinübergeschiekt, und in ihrem späteren Besitze Anaia sind dann, freie Bauern; aber sie haben einen Teil der Ernte in natura an die Hera zu liefern. Die hellenistische Zeit beginnt, die römische der ersten Jahrhunderte vollendet die Befreiung der halb- oder ganz hörigen Bevölkerung Asiens; die Hellenisierung ist immer die Vorbedingung. ®2 Herakleides bei Athen. 523. ® Phokylides, Fragm. 7. Das ist auch der Sinn des novellistisch ausgeputzten Schiedsspruchs der Parier, Herodot 5, 28. rala TICTÖN, eAnacca Arııcton, Spruch des Thales bei Demetrios. * Platon, Ges. 6365. Für die Abgeschlossenheit der Frauen gibt schon Herodot ein AlTıon; eben daher die obszönen Späße über ihre cKkYTinH Ermkoypla. Übrigens schildert Andromache im X ein solches Männermahl. ° Dies scheint nach den vorläufigen Mitteilungen über die Eponymenlisten der Fall gewesen zu sein. Dann hat später der Aisymnetes den Kranz des Zevc ‘OAYmrioc erhalten, der in sehr vielen Städten bald nach Alexander (ob nicht durch Alexander?) dem Epo- nymen den Namen CTEsANH®öPoc gibt. Man kann sich den Wechsel kaum anders als durch eine Verordnung von autoritativer Stelle hervorgerufen denken. Übrigens hätte ich die moAriol nicht Sänger, sondern Tänzer nennen sollen; oflenbar bewahrte das Wort die homerische Bedeutung (vgl. Leuss, Aristarch ° 138). Damit werden sie den öPxHCTAI von Thera und Athen ähnlicher; auch die Kuretenkollegien haben sakrale Tänze vollführt. ° Den Peripatetikern war der Sinn ganz verschlossen (Plutarch, Qu. Gr. 32). Be- zeichnenderweise bestehen sie auch in Chalkis, dort neben den inmosötal. Ob die AeınaYTaı bloß die Trierarchen, d.h. die Kapitäne waren, oder auch die Seesoldaten und Ruderer, läßt sich noch nicht sehen. Die Verpflichtung der Bürger, die sich nicht selbst equipieren können, also nicht Hopliten werden, zum Flottendienste ist in Athen das Komplement zur Trierarchie der Reichen; aber die Schiffsoffiziere pflegt doch der Trierarch ne ee EEE nn ne il von WiırLamowrrz-MoELLENDORFF: Über die ionische Wanderung. 79 zu den Naukrarien Athens, sind die Vorläufer der attischen Trier- archie. Die Pflicht, jederzeit auf Befehl des Staates mit einer Galeere in den Krieg zu ziehen, entspricht der alten Hippotrophie, der Pflicht, auf eigenem Pferde als Ritter zu dienen, die uns die Zeit des griechi- schen Adelsstaates so gern mit unserem Mittelalter vergleichen läßt. Von dem Leben der Ritter in Smyrna und Kolophon, das sich ganz um Krieg und Waffenspiel und Weidwerk dreht, hat die Poesie Homers, aber erst des ionischen Homer, ein buntes Bild mit den Erinnerungen an die große wilde Wikingerzeit verwoben. Nicht zwei Jahrhunderte nach dem Abschlusse der Ilias beginnt in Milet, das die Welt vom Phasis bis zum Guadalquivir, vom Don bis zum Nile kennt, die Natur- wissenschaft des Thales. Welch ein Abstand; was müssen diese wenigen Generationen erlebt haben, äußerlich und innerlich. Ob die Poesie oder die Philosophie der Griechen für die Menschheit wertvoller ist, stehe dahin: in Ionien wurzeln beide. Da ist es wohl eine Aufgabe, aller Anstrengung und Hingebung wert, den Boden kennen zu lernen, der diese Früchte ewigen Lebens hat wachsen lassen. Wie ist die Poesie Homers, wie ist die Philo- sophie Anaximanders möglich geworden? Danach fragen, heißt, nach der Geschichte und dem Leben Ioniens in ihrer Zeit fragen. LAacHMmAanNn hat das nicht getan; SCHLEIERMACHER, dessen Abhandlung über Hera- kleitos 1807 das Studium der ionischen Philosophie eröffnet hat, hat es auch nicht getan. Und er wenigstens konnte es auch nicht, weil alle Mittel zur Erkenntnis fehlten. Die Aufgabe zu lösen, ist auch unsere Generation noch außerstande; aber das Ziel kann sie doch aufstellen, und der rechte Weg ist mit der planmäßigen Durchforschung des ionischen Bodens beschritten. Gewiß, den Abschluß dieser Arbeit, die für die eigentlichen Ziele doch nur Vorarbeit ist, wird kein Auge schauen, das heute leuchtet. Aber ein jeder rechte Arbeiter bescheidet sich gern, selbst nur seines Tages Werk zu tun, wenn er den Glauben hat, daß der Tag der Erfüllung kommen werde. Unsere Akademie, der SCHLEIERMACHER und Lacumann, Burrmann und Böcku angehört haben, wird jenen Tag schauen; sie wird würdig sein, ihn zu schauen, wenn sie an dem Werke jedes Arbeitstages rüstig hilft, aber zugleich auch dafür sorgt, daß die Ziele niemals niedriger gehalten werden, als sie die Wissenschaft selber steckt. zu dingen und überhaupt den Sold zu zahlen, wenn er auch aus der Staatskasse kommt. Wie das bei der Reform des Themistokles und gar zur Zeit der Naukrarien war, wissen wir nicht. Man möchte doch die Naukrarie den Aeinauten zunächst vergleichen. 80 Öffentliche Sitzung vom 25. Januar 1906. Alsdann wurden die Jahresberichte über die von der Akademie ge- leiteten wissenschaftlichen Unternehmungen sowie über die ihr ange- gliederten Stiftungen und Institute erstattet. Sammlung der griechischen Inschriften. Bericht des Hrn. von WıLAMOWITZ- MOELLENDORFF. Das wichtigste Ergebniss des abgelaufenen Jahres ist, dass die Akademie denjenigen Teil der delphischen Inschriften, den sie über- nommen hatte, in der Bearbeitung des Hrn. Dr. Ponrow an die fran- zösische Akademie abgeliefert hat, der die Herausgabe zusteht. Beide Akademien waren schon früher übereingekommen, für diese Inschrif- ten von einer Publication in Majuskeln abzusehen. Hr. Dr. Ponrow hat sich hiermit aber nicht einverstanden erklären können, so dass sein Name als Bearbeiter auf dem Titel nicht erscheinen wird. Doch wird seiner sehr mühevollen und weitgreifenden Bearbeitung der vor den französischen Ausgrabungen gefundenen Steine Dank und Aner- kennung nicht fehlen. Auch ist ihm sein Manuscript leihweise zurück- gegeben, nachdem es für die französische Akademie copirt war, und beide Akademien haben ausdrücklich vereinbart, dass er in seiner eigenen freien Weiterarbeit nicht behindert sein soll. Im Drucke befinden sich nur die thessalischen Inschriften, und der Bearbeiter, Hr. Prof. Kerv in Rostock, ist durch die Übernahme der Geschäfte des Oberbibliothekars gezwungen gewesen, den Druck zu unterbrechen. Doch hat er die Fortsetzung in nahe Aussicht gestellt. Mit lebhaftem Bedauern müssen wir aussprechen, dass unser Mitarbeiter Hr. DrrLamAarrE in Paris durch dauernde schwere Krank- heit immer noch verhindert ist, an die Inschriften von Amorgos die letzte Hand zu legen. Aber wir wollen die Hoffnung nicht aufgeben, dass er bereits im nächsten Jahre die Kraft gewinne, sein Manuseript abzuschliessen. Hr. Prof. Hrrzos hat seine Grabungen auf Kos zum Abschluss gebracht und ist nun mit der Verarbeitung der Funde beschäftigt. Dazu gehören die Inschriften, die er schon früher für die Akademie über- nommen hatte. Die Verzögerung kann gegenüber dem Gewinne nicht in Betracht kommen, und die Arbeit ist in rüstigem Fortschritte. Hr. Dr. KorLee, über dessen Reisen in Messenien und Lakonien im vorigen Jahre zu berichten war, hat eine Professur in Rostock übernommen, was einige Verzögerung unvermeidlich macht. Hr. Dr. Frepeıcn hat mit Recht die archäologischen und topogra- phischen Ergebnisse seiner Reisen auf den thrakischen Inseln vor der nn un u Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. s1 Bearbeitung der Inschriften veröffentlichen wollen, da es für sie be- sonders wichtig ist, dass die Eindrücke der geschauten Objeete noch frisch sind. Ausser einem Schulprogramme über Halonnesos sind be- reits mehrere Abhandlungen in den athenischen Mitteilungen gedruckt, denen andere folgen werden. Ganz besonders erfreulich ist, dass ein englischer Gelehrter, Hr. A. J. B. Wacr, der einen Theil der Orte auch besucht hatte, seine Beobachtungen und Aufnahmen Hrn. Freorıcn zur Verfügung gestellt hat. So wird der Wissenschaft am besten gedient, und wenn der epigraphische Ertrag der Reisen, die zunächst den In- schriften galten, hinter anderen Funden zurücksteht, und danach auch in der Veröffentlichung verfahren wird, so könnte das nur unwissen- schaftliche Engherzigkeit bedauern. Die Neubearbeitung der attischen Inschriften der römischen Zeit wird allgemein als besonders dringend empfunden. An dieses schwie- rige Unternehmen hat sich Hr. Prof. Jon. Kırcnuwer gemacht; es ist ihm aber zweifelhaft geworden, ob sich die zeitliche Abgrenzung des alten Corpus Inscriptionum Atticarum aufrecht halten lässt. Daher steht die Entscheidung darüber noch aus, wie weit sich diese Erneue- rung erstrecken wird. Aber die Mitarbeit eines so bewährten For- schers, die für das ganze Unternehmen von grosser Wichtigkeit ist, darf zuversichtlich erhofft werden. Der wissenschaftliche Beamte der Akademie, Freiherr HırLer von GAERTRINGEN, hat seine Hauptkraft auch während dieses Jahres den Inschriften von Priene zugewandt, die er für die Königlichen Museen übernommen hat. Der Abschluss darf in Jahresfrist erwartet werden. Doch hat seine Tätigkeit für das Archiv keineswegs geruht. Die Excerpirung der alten Litteratur und die Beschaffung von gedrucktem Material, das ohne Weiteres den Scheden eingeordnet werden kann, hat ihren Fortgang genommen, und wie sich einerseits die Fälle meh- ren, in denen das Archiv als Auskunftsstelle in Anspruch genommen wird, so darf wieder ein allgemeiner Dank an Viele ausgesprochen werden, die seinen Bestand durch Zuwendung von Abklatschen und Separatabzügen gemehrt haben, und es ist zu hoffen und zu wünschen, dass sich das nach beiden Seiten immer stärker entwickelt. Nicht für jede Gabe kann ausdrücklich hier gedankt werden, und ausser dem Deutschen archäologischen Institute ist auch das Österreichische mit unserem Unternehmen so nah verbunden, dass die gegenseitige Hilfe als selbstverständlich erscheint. Freiherr von OrpEnnem in Kairo und Dr. Lucas in Charlottenburg haben uns eine grosse Anzahl Abklatsche aus Syrien zugewiesen. Von Ausländern danken wir für solehe oder ähnliche Gaben besonders aus Frankreich den HH. Caesar in Paris und Dürrsacn in Toulouse, aus Belgien Hrn. GrAımDor in Hennut, aus 82 Öffentliche Sitzung vom 25. Januar 1906. Holland Hrn. Rureers van DEN Lorrr, aus England Hrn. Top in Ox- ford und Hrn. Haszuck in London. Dieser hat uns durch eigenhän- dige Excerpte aus den Papieren des englischen Reisenden Dr. Cover (17. Jahrhundert) überrascht, der eine grosse Anzahl Steine in Con- stantinopel und an der asiatischen Küste copirt hat, die ausser wichtigen ÖOrtsangaben auch neue Texte liefern. Näheres behalten wir uns vor. So bedeutet der Stillstand in der Publication keinen Stillstand in der Tätigkeit des Unternehmens. Sammlung der lateinischen Inschriften. Bericht des Hrn. Hırscareun. Für den Index auctorum des VI. Bandes (Inschriften der Stadt Rom) hat Hr. Hürsen das Material auf den Bibliotheken in Rom, Paris, Florenz, Mailand, Modena, Turin vervollständigt und revidirt. Die Vorarbeiten für die übrigen Indices sind unter Leitung des Hrn. Dessau so weit vorgeschritten, dass mit ihrer Ausarbeitung im nächsten Jahre wird begonnen werden können. Die Drucklegung der Indices zum XI. Band (Mittelitalien) ist in diesem Jahre nur wenig fortgeschritten. Die Nachträge hat Hr. Bormann auf einer Reise in Mittelitalien vervollständigt. Die Inschriften von Germania inferior (XIII, 2, 2)hatHr.v. Domaszewskı grösstentheils bereits zum Druck gebracht, so dass der Abschluss der- selben nahe bevorsteht. — Die Drucklegung des gallisch - germanischen Instrumentum (XII, 3) hat Hr. Bons in unausgesetzter Arbeit vollendet; die Ausgabe dieses Fascikels, der auch die von Hrn. EspERAnDIEU in Paris bearbeiteten Augenarztstempel enthält, wird demnächst erfolgen. — Der Abschluss des ganzen XIII. Bandes wird jedoch noch einige Jahre in Anspruch nehmen, da die ungeheure Masse der germanischen Ziegelstempel nicht früher fertiggestellt werden kann. Für ihre Be- arbeitung sind, in Verbindung mit der römisch-germanischen Com- mission und unter der Leitung ihres Directors Hrn. DRAGENDORFF, die Vorarbeiten durch Hrn. STEINER in Angriff genommen worden. Ebenso sind für die Indices und die Karten vorbereitende Arbeiten im Gange. Auch in diesem Jahre ist es Hrn. Dresser nicht möglich ge- wesen, den begonnenen Druck der dritten Abtheilung des XV. Bandes (Instrumentum der Stadt Rom) weiterzuführen; für das kommende Jahr stellt er die Wiederaufnahme desselben in Aussicht. Von der Neubearbeitung der republikanischen Inschriften (I?, 2) hat den ersten Abschnitt, die Inseriptiones antiquissimae, Hr. LommAtzsch in München zum Druck gebracht. Um die Vervollständigung des Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. 83 Materials und die Reproductionen der Inschriften hat sich besonders Hr. Hörsen durch zahlreiche Beiträge aus Italien und Paris verdient gemacht. Der Druck der Pompejanischen Inschriften (IV. Supplementband) hat in diesem Jahre gestockt, doch hofft im kommenden Hr. Mau den Band zum Abschluss zu bringen. Dank der thatkräftigen Unterstützung der französischen Collegen, insbesondere der HH. CAsnaT, MERLIN, GAUCKLER, GSELL, ist das Material für die sehr umfangreichen Nachträge zu den Africanischen Inschriften (VII. Supplementband) auch in diesem Jahre erheblich vermehrt und ge- sichtet worden. Für die Bearbeitung der neuerdings in Africa in grosser Zahl gefundenen Devotionstäfelchen ist Hr. AuporLenr in Ölermont- Ferrand, der kürzlich eine vollständige Sammlung dieser Denkmäler ver- öffentlicht hat, durch Hrn. Casnar gewonnen worden; Hr. Wünsch in Giessen hat freundlichst seineMitwirkung bei der Publication zugesagt. Die Herausgeber des Supplementbandes, die HH. Caenar und Dessau, hoffen in kurzer Zeit mit der Drucklegung des 4. Fascikels zu beginnen. Das unter Leitung des Hrn. Dessau stehende epigraphische Archiv in der Kegl. Bibliothek steht am Dienstag von I2—2 Uhr der Be- nutzung offen. Aristoteles - Commentare. Bericht des Hrn. Diers. Von den Commentatoren des Aristoteles ist Band XIII 2, Joannes Philoponus in Analytica Priora, bearbeitet von M. Waries, im ver- - flossenen Jahre veröffentlicht worden. Band VII, Simplieius in Cate- gorias, der im Texte schon mehrere Jahre gedruckt fertiggestellt ist, konnte noch immer nicht ausgegeben werden, da der Bearbeiter, Hr. Prof. Kaugrreiscn, noch weiter behindert war, den Index fertigzustellen. Die beiden noch übrigen Hefte XII 3 und XXIı sind von den be- währten Mitarbeitern Prof. WaAruıes und Geh. Rath Havpuck bereits in Bearbeitung genommen worden. Prosopographie der römischen Kaiserzeit. Bericht des Hrn. Hırsc#reı». Hr. Kırss hat die Redaction der Consularfasten so weit gefördert, dass er den Beginn des Druckes in nahe Aussicht stellen kann. Daran werden sich die Magistratslisten in der Bearbeitung des Hrn. Dessau und die zahlreichen Nachträge zu den bereits erschienenen drei Bänden anschliessen. 84 Öffentliche Sitzung vom 25. Januar 1906. Politische Correspondenz Frırnrıcn's des Grossen. Bericht der HH. Scumorter und Koser. Der 31. Band der Sammlung ist bis auf die Register im Drucke hergestellt und wird binnen Kurzem zur Ausgabe gelangen können. Er begleitet die Verhandlungen wegen der Erwerbung von West- preussen und Ermland von ihrem Ausgangspunkte, der Rückkehr des Prinzen Hemrıcn nach seinem der Kaiserin KATuArına I. abgestatteten Besuche, bis zum Abschlusse des Theilungsvertrages zwischen Preussen und Russland (März 1771 bis einschliesslich Februar 1772). Bezeichnend für die Bedeutung, die König Frıieprıcn diesen Verhandlungen beimass, ist die ungewöhnlich grosse Zahl der eigenhändig von ihm aufgesetzten Weisungen an seinen Vertreter in Petersburg. Zur Seite gehen, auf den Verlauf der Hauptverhandlung fort und fort einwirkend, die Bemühungen der preussischen Politik um die Herbeiführung des Friedens zwischen Russland und der Pforte und um den Ausgleich der russisch -Öösterreichischen Differenzen, welche die Gefahr eines Krieges zwischen den beiden Kaiserhöfen und damit für Preussen als Russlands Verbündeten eine Gefährdung des eigenen Friedens in sich schlossen. Eine wesentliche Ergänzung erhielt das Material unserer Sammlung durch die Ergebnisse der Studienreisen, die Hr. Dr. Vorz für die Zwecke seiner Editionsarbeit im vergangenen Jahre nach Dänemark und Schweden unternahm. Seine Nachforschungen erstreckten sich im Reichsarchiv zu Kopenhagen auf den Briefwechsel Frıeprıcn's II. mit der Königin-Witwe JuLıane Mare von Dänemark; im Reichsarchiv zu Stockholm und auf der Universitätsbibliothek zu Upsala wurden die einschlägigen Bestandtheile des litterarischen Nachlasses der Königin Luise ULRIKE und des Königs Gustav III. von Schweden durchmustert. Ausserdem erhielten wir Abschriften von Briefen Frieprıcr’s II. an Luise Urrıke aus dem Gräflich Kumckowsrtrön’schen Familienarchiv zu Stafsund, als Ergänzungen zu der früher von dem Geheimen Staatsarchiv zu Berlin erworbenen lückenhaften Sammlung dieser Briefe. Griechische Münzwerke. Bericht des Hrn. Dresseı. Alle Theile des griechischen Münzwerkes sind im verflossenen Jahre durch die Bereisung der west- und osteuropäischen Sammlungen bedeutend gefördert worden. Die von den HH. Resuine, Strack und Münzer gemeinschaftlich unternommene Reise in die Balkanländer hatte den Zweck, die für u Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. 85 die zwei ersten Bände des akademischen Münzwerkes (Dacien, Moesien, Thracien) ganz besonders in Betracht kommenden Local- sammlungen des unteren Donaugebietes möglichst vollständig zu ver- werthen, namentlich das seit der ersten Aufnahme durch Hrn. Pıck neu hinzugekommene Material zu beschreiben. Während die Sammlungen in Wien, Budapest und Belgrad eine nur geringe Nachlese ergaben, war in Bukarest, Sofia, Philippopel, Klausenburg (Kolozsvär) und Agram die Ernte über alles Erwarten reich. Als besonders ergiebig für Moesien bezeichnet Hr. RereLme die Specialsammlungen der HH. Sourzo und KnecuteL in Bukarest, in Sofia das Museum und die Sammlungen der HH. Nrupeck und Agranow. Speciell für die Münzen der Stadt Tomis, für die eine wesentliche Bereicherung kaum er- wartet wurde, sind auf dieser Reise etwa 200 neue Nummern zu- sammengekommen, und die Nachträge für die bereits veröffentlichte erste Abtheilung von Band I (Dacien und Moesien) dürften einen Umfang erreichen, der die Ziffern des Stammbandes ungefähr ver- doppelt. Auch die HH. Strack und Münzer heben hervor, dass für die wichtigsten Städte des thracischen Gebietes, abgesehen von der in den dortigen Sammlungen nur spärlich vorhandenen Silber- prägung, erst auf dieser Reise eine sichere Grundlage geschaffen wurde. Dass in verhältnissmässig kurzer Zeit ein so erfreuliches Resultat erzielt werden konnte, wird der bereitwilligen Förderung von Seiten der Museumsvorsteher und Privatsammler verdankt. Ganz besonders sei hier der wirksamen Unterstützung gedacht, die das akademische Unternehmen durch die HH. Sourzo und KneEcHTEL in Bukarest, Dosrusky und Nrupeck in Sofia, Brunsmm in Agram er- halten hat, ebenso des lebhaften Interesses und thätigen Eingreifens des inzwischen verstorbenen Directors der wissenschaftlichen Samm- lungen des Fürsten von Bulgarien, Hrn. Dr. Pau Leverkünn in Sofia. Für die Gebiete von Mysien und Troas wurden von Hrn. von Fritz die wichtigsten Sammlungen Hollands, Belgiens und Dänemarks, in Frankreich das Cabinet des medailles und die Vorräthe der Münzhandlung Rorzıyn et Fevarpent in Paris, in England das Münzcabinet des British Museum, die Sammlung des Sir HERMANN Weser in London sowie die Sammlungen in Cambridge und Oxford, zuletzt die Sammlung des Hrn. Consul Wrger in Hamburg vollständig verwerthet. Die Arbeit wurde überall in entgegenkommender Weise gefördert; ganz besonderer Dank gebührt Hrn. Ernest BAgeLon in Paris für die Hrn. von Frrrze verständnissvoll gewährte Erlaubniss, die nöthigen Siegellackabdrücke selber nehmen zu dürfen, Hrn. BarcLav V. Heap in London für die in grosser Zahl zur Verfügung gestellten Münzabdrücke und Hrn. Dr. Jörsensen in Kopenhagen für die Ver- S6 Öffentliche Sitzung vom 25. Jaunar 1906. längerung der sonst üblichen Arbeitszeit. Auch die aufopfernde Unterstützung, die Reverend Srarze bei der Benutzung der Sammlung Leake im Fitz-William-Museum zu Cambridge gewährte, ist rühmend hervorzuheben. Das Gesammtergebniss der Reise, auf der auch zahl- reiche Desiderata für das thraeische und macedonische Gebiet erledigt werden konnten, ist ein in jeder Weise befriedigendes gewesen. Für den Band der karischen Münzen hat Hr. Kusırschek die bereits im vorigen Jahre beabsichtigte Reise nach Athen nunmehr zur Ausführung gebracht und, ausser den wichtigeren Privatsammlungen, den Bestand des dortigen Münzcabinets aufgenommen. Auch in Athen fand Hr. Kusırschek bereitwilliges Entgegenkommen; zumal die in jeder Beziehung wirksame Förderung seitens des Directors des Münzcabinets Hrn. Svoronxos ist hier mit Dank zu erwähnen. Es ist zu hoffen, dass im Laufe dieses Jahres mit der Drucklegung begonnen werden kann. Von dem schon seit Jahren im Drucke befindlichen macedo- nischen Bande hat Hr. GAEBLER im verflossenen Jahre sechs Bogen fertiggestellt; der Satz ist bis zum ı2. Bogen, Schluss der Koinon- Münzen, vorgeschritten. Die Verzögerung während der letzten zwei Jahre erklärt sich zum Theil durch die vielen nöthig gewordenen Revisionen sowie durch den nicht unbeträchtlichen Zuwachs, der während der Reisen für die übrigen Münzbände auch für den im Drucke befindlichen macedonischen Abschnitt sich ergab und grössten- theils noch in die Correcturabzüge eingefügt werden musste. Acta Borussica. Bericht der HH. ScumorLLer und Koser. Die beiden Bände, die Briefe König Frieprıcn Wiırneım's I. an den Fürsten LeoroLv zu Anhalt-Dessau, bearbeitet von Prof. Dr. KRAUSkKE (Königsberg i.Pr.) und die Acten der inneren Staatsverwaltung, Band VI (Januar 1746 bis Mai 1748), bearbeitet von Prof. Dr. Hınrze (Berlin), lagen nach dem Bericht des Vorjahres (1904) zur Ausgabe bereit und sind im Januar 1905 ausgegeben worden. Über ihren Inhalt ist im letzten Jahresbericht das Nöthige gesagt. Der Band VIII der Acten der inneren Staatsverwaltung (von Prof. Dr. Hıyrze) ist seit October 1905 fertig gedruckt; das Register wurde im December von Hrn. TArsE abgeschlossen. Der Band reicht vom 21. Mai 1748 bis I. August 1750. Die Durchführung der Justizreform, der grosse Kampf zwischen Justiz- und Verwaltungsbehörden um das Ressortreglement von 1749 und die Verfassungsänderung in Östfries- land bilden seinen Hauptinhalt. Von seiner Fortsetzung, Band IX, liegen die Bogen 1— 14 (bis 1. September 1751 reichend) gedruckt vor. ne Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. 87 Von der Fortsetzung der Acten der inneren Staatsverwaltung unter FrrEprıch WıLHErm 1., welche Dr. Storzez bearbeitet, ist Band IV (vom 8. Januar 1723 an) im Druck; 25 Bogen liegen gedruckt vor. Der Band ist wesentlich der Einzelausführung der grossen Verwaltungs- reform vom December 1722 und Januar 1723, welche sich auf die Bildung des Generaldireetoriums und der Kriegs- und Domänenkammern bezieht, gewidmet. Das Manuseript bis 1730 liegt fertig vor. Der zweite Theil der Münzgeschichte (Darstellung und Acten von 1740 bis 1786), von Dr. Frhr. von SCHRÖTTER fertiggestellt, harrt noch der Durchsicht der Commission. Dr. Racaer ist mit der Durchsicht und Bearbeitung der Archi- valien über die Zoll-, Aceise- und Handelsverfassung, hauptsächlich bis 1713, theilweise auch schon über diesen Termin hinaus, be- schäftigt. Dr. Marrın Hass haben wir seit Mitte dieses Jahres als Mit- arbeiter gewonnen; er hat die Bearbeitung der Acten der inneren Staats- verwaltung von Beginn des 7jährigen Krieges an übernommen. Ebenso haben wir endlich für den leider zu früh verstorbenen Prof. Dr. Naup£ einen passenden Nachfolger in Dr. Ausust SKALWEIT gewonnen; er wird vom ı. April 1906 an die Fortführung der Ab- theilung Getreidehandelspolitik und Magazinverwaltung übernehmen. Kant- Ausgabe. Bericht des Hrn. Dırraey. In der Abtheilung der Werke ist Bd.II (Vorkritische Schriften II) erschienen, Bd. V und VII werden in den nächsten Wochen ausge- geben werden. Die Abtheilung des Briefwechsels hat ihren Herausgeber, Hrn. R. Reıck£, durch den Tod verloren, Verhandlungen in Bezug auf die Vollendung von Bd. IV des Briefwechsels finden augenblicklich statt. Der Druck des handschriftlicehen Nachlasses wird nach den Mit- theilungen des Hrn. Anıckes noch in diesem Jahre beginnen können. Ibn. Saad- Ausgabe. Bericht des Hrn. Sacnauv. Über den Fortschritt in der Bearbeitung und Edition des arabischen Geschiehtswerks von Isv Saap, über den Gründer des Islams, Muhammed, seine Mitarbeiter und Mitstreiter und ihre Nachfolger in den ersten zwei Jahrhunderten, ist zu berichten, dass gegen Ende 88 Öffentliche Sitzung vom 25. Januar 1906. des verflossenen Jahres der Vollband V erschienen ist: »Biograplien der Nachfolger in Medina, sowie der Gefährten und der Nachfolger in dem übrigen Arabien. Herausgegeben von Prof. Dr. K. V. ZETTERSTEEN, ordentlichem Professor an der Universität in Upsala.« Zu gleicher Zeit ist Theil ı von Band I ausgegeben, welcher das erste Viertel der Biographie Muhammed’s enthält: »Biographie Mu- hammed’s bis zur Flucht. Herausgegeben von EusEen Mrrrwocn.« Beide Herausgeber, Hr. Prof. Dr. ZETTERSTEEnN in Upsala und Hr. Dr. Mırrwocn, Privatdocent an der Universität Berlin, haben durch ihre selbstlose vieljährige Mitarbeit an diesem Unternehmen die Akademie zu Dank verpflichtet. Wörterbuch der ägypüschen Sprache. Bericht des Hrn. Erman. An der Spitze unseres diesjährigen Berichtes haben wir dank- barst der Gnade zu gedenken, die uns von Allerhöchster Stelle zu Theil geworden ist. Seine Majestät der Kaiser hat unserem Unter- nehmen die Summe von 50000 Mark für die Jahre 1906—ıg1Lı be- willigt und hat es uns damit ermöglicht, unser Werk zu Ende zu führen. Auch für die besondere Aufgabe, die sich mit unserem Unter- nehmen verbindet, die Bearbeitung der Inschriften der griechisch- römischen Epoche, konnte dank einer Bewilligung der Kgl. Akademie weiter gesorgt werden. Für die Zeit der Drucklegung unseres Unternehmens trafen wir Vorsorge, indem wir mit der Firma Wilhelm Engelmann einen Verlags- vertrag abschlossen. Die Hauptaufgabe dieses Jahres war es, die letzten grossen Lücken unseres Materials auszufüllen und damit den Abschluss der Verzettelung vorzubereiten. Vor Allem galt es die grossen Tempel von Theben und die dortigen Privatgräber, die meist nur in ungenügenden Publica- tionen vorliegen, aus den Originalen selbst zu gewinnen. Die Vor- arbeiten zu diesem Unternehmen waren schon im vorigen Berichtjahre fertiggestellt worden, und so gelang es Prof. Serue in den Monaten October bis Mai die Aufeabe in einer Weise zu lösen, die unsere Er- wartungen übertraf. Aus den Tempeln von Karnak, Luxor, Medinet Habu, Gurna und dem Ramesseum fehlt uns nunmehr keine wesent- liche Inschrift mehr, und von den Privatgräbern Thebens liegen uns nicht weniger als 120 in verlässlichen Abschriften vor. Eine will- kommene Ergänzung fand dieses Material in einer Sammlung theba- EEE Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. 89 nischer Abklatsche, die Prof. SrEinDorFF gütigst zur Verfügung stellte. Damit hat unser Werk auch für die grosse Zeit des neuen Reiches eine ebenso feste Basis erhalten, wie seiner Zeit für die älteste Zeit durch die Abklatsche der Pyramidentexte. Kaum minder werthvoll war die Gewinnung der noch ausstehen- den Papyrus des neuen Reiches, die wir vor Allem Hrn. GArDINER verdanken. Er arbeitete zunächst in England und dann während mehrerer Monate in Leiden und Turin, wo er von den HH. Dr. Borser und Director Scuiarareını auf das Liebenswürdigste gefördert wurde, so dass er unserem Unternehmen eine überraschende Menge wichtigen Materials zuführen konnte. An diesen Zuwachs schloss sich dann am Ende des Berichtjahres eine andere wichtige Bereicherung. Hr. GoLENISCHEFF hatte die grosse Güte, uns die werthvollsten Papyrus seiner Sammlung zu bringen und deren Copie zu gestatten. Bei der Bearbeitung des Tempels von Dendera, der die Ab- klatsche des Kgl. Museums zu Grunde liegen, gebrach es uns bislang an jedem Material für die wichtigen Räume des Daches. Zu unserer Freude fanden sich jetzt die hier fehlenden Abklatsche in der Göt- tinger Bibliothek, die sie uns freundlichst zur Verfügung stellte. Auch für den Tempel von Edfu, dessen Verarbeitung im nächsten Jahre beginnen soll, wurde uns dank dem Entgegenkommen des Hrn. Generaldirectors MAasrero und der Familie RocHemonteiıx ein reiches Material von Abklatschen zugänglich gemacht, das sich in Paris be- findet. Hr. Dr. Junker unterwarf dasselbe einer ersten Prüfung; die eigentliche Benutzung wird erst im nächsten Berichtjahre stattfinden. Aus dem Museum von Kairo, dessen Inschriften des alten und mittleren Reiches wir bereits besassen, brachte uns Prof. Serue noch die sämmtlichen Inschriften des neuen Reiches und einen grossen Theil der Inschriften der Spätzeit. Endlich bereicherte Hr. Dr. Wreszmskı unser Material noch in dankenswerther Weise um die Inschriften der Wiener Sammlung und um solche aus kleineren österreichischen und italienischen Museen. Auch den HH. BorcHARDT, CARTER, LEFEBURE, SGULMERO (Museo Civico, Verona), SPIEGELBERG und Frl. Macvonaro (Kings College, Aberdeen) sind wir für Mittheilung einzelner Copien zu Dank verpflichtet. Um eine sichere Grundlage für die Zukunft unseres Unternehmens zu gewinnen, wurde der schon im vorigen Jahre gemachte Versuch, einen einzelnen Abschnitt zu bearbeiten, in grösserem Maassstabe wiederholt; die HH. Ermay und Rorper arbeiteten die Abschnitte Am und /n aus. Obgleich verschiedene unserer Mitarbeiter einen grossen Theil des Jahres mit Collationsarbeiten und mit der eben gedachten Probebear- 90 Öffentliche Sitzung vom 25. Januar 1906. beitung beschäftigt waren, konnten doch 687 5 Stellen verzettelt werden. Alphabetisirt wurden 116072 Zettel. Im Ganzen sind bisher verzettelt 33749 Stellen, die etwa 700000 Zettel ergeben haben, von denen 585757 alphabetisirt sind. Im Einzelnen wurden folgende Texte verarbeitet: Religiöse Litteratur: Das von Graf Scuack begonnene Amduat setzte Hr. Erman bis zur achten Stunde fort. — Das Todtenbuch des neuen Reiches förderte Hr. Rorper bis Capitel 175. — Osirishymnus der Bibliotheque nationale. (Hr. Wreszisskt.) — Grosser Zauberpapyrus in Leiden. (Hr. GArDINER.) Ältere Litteratur: Geschichte des beredten Bauern. (Hr. VosEL- SANG.) Geschäftliche Texte: Die Papyrus Anastasi 8 und 9. (Hr. GARDINER.) Gräberinschriften u.Ä.: Inschriften von Hatnub. (Hr. GARDINER.) — Dendera. (Hr. Rorver.) — Rechmere. (Hr. Garpıxer.) — Theba- nische Gräber. (Hr. Rorper.) : Tempelinschriften: Elephantine. (Hr. Serme.) — Die Thut- mosis-Annalen wurden von Hrn. W reszınskı fertiggestellt. — Inschriften des Mont-em-het. (Hr. Wreszinskr.) — Saftelhenne. (Hr. Roeper.) Tempel der griechisch-römischen Zeit: Der Tempel von Dendera wurde nach mehr als zweijähriger Arbeit von Hrn. Junker fertiggestellt. Einzelne Inschriften und Denkmäler: Petrie, Hawara, Kahun und lIllahun. (Hr. Erman.) — Die HH. Garviner, ROEDER und WRESZINSKI bearbeiteten zahlreiche Stücke der europäischen Museen, zum Theil als Nachträge zu früheren Arbeiten. An der Verzettelung arbeiteten die HH. Erman, GARDINER, JUNKER, ROEDER, SETHE, VOGELSANG und Wereszisskıl. Ein anderer treuer Mit- arbeiter, Hr. Graf Schack-SCHACKENBURG, wurde uns nach langem Leiden durch den Tod entrissen; der Ernst und die Gewissenhaftigkeit, mit der er seine Aufgabe durchführte, wird uns allen unvergesslich bleiben. Index rei militaris imperü BRomani. Bericht des Hrn. Hırscnre». Die von Hrn. Rırreruine fortgeführten Vorarbeiten sind durch Wegberufung des von ihm für dieselben gewonnenen Hülfsarbeiters unterbrochen worden, so dass auf den Beginn der Drucklegung auch im nächsten Jahre kaum zu hoffen ist. rn el m re Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. 91 Codex Theodosianus. Bericht des Hrn. Diers. Der zweite Band der Ausgabe des Theodosianus ist dem ersten auf dem Fusse gefolgt. Im November verflossenen Jahres sind die darin enthaltenen Leges Novellae ad Theodosianum pertinentes in der Bearbeitung des Hrn. Dr. PauL M. Meyer im Buchhandel erschienen. Damit ist das letzte Werk Momnsen’s vollendet. Das Thierreich. Bericht von Hrn. F. E. Scaurze. Im Mai des verflossenen Jahres erschien der erste Theil der Be- arbeitung der Strudelwürmer, Turbellaria, von Hrn. Prof. Lupwıs von Grarr (Graz. Er behandelt die kleine, aber wegen ihrer Organi- sationsverhältnisse ein hervorragendes Interesse beanspruchende Gruppe der Acoela. Als nächste Lieferung wurde im October die von den HH. H. Srıcner (Hagen) und H. Rırrarrn (Berlin) ausgeführte Bearbei- tung der Heliconidae herausgegeben. Begleitet von zahlreichen Ab- bildungen, die nach Photographien der Originale hergestellt sind, bringt diese Lieferung die schwierig zu behandelnde Systematik einer Schmetter- lingsgruppe, welche durch grossen Formenreichthum und weitgehende Variationsfähigkeit ausgezeichnet ist. Dass die schon seit dem vorletzten Jahre im Druck befindliche 21. Lieferung, welche die von Hrn. T. Steseme (Tunbridge Wells) _ ausgeführte Bearbeitung der Crustaceengruppe Amphipoda enthält, noch nicht völlig fertiggestellt ist, hat seinen Grund in deren bedeutendem Umfang von etwa 50 Druckbogen. Doch steht der Abschluss dieses Bandes in kurzem bevor. Im Anschluss an meine im Vorjahre gegebene Darstellung der Thätigkeit, welche die Leitung des Unternehmens der internationalen Regelung der zoologischen Nomenclatur gewidmet hat, nehme ich heute Gelegenheit, über eine Arbeit zu berichten, die in diesem Jahre in Angriff genommen wurde, um den aus den internationalen Beschlüssen sich ergebenden Consequenzen gerecht zu werden, nämlich die Her- stellung eines alphabetisch geordneten Verzeichnisses sämmt- licher Gattungs- und Untergattungsnamen. Durch die end- gültige Codifieirung einiger grundlegenden Bestimmungen über die Be- nennung der Gattungen und Untergattungen ist die Systematik vor eine nicht mehr leicht zu nehmende Aufgabe gestellt, welche durch die Unzulänglichkeit der Hülfsmittel der zoologischen Litteratur be- Sitzungsberichte 1906. 10 92 Öffentliche Sitzung vom 25. Januar 1906. sondere Schwierigkeiten gewinnt. Die Prüfung, ob ein Name im Thierreich schon vergeben ist oder nicht, ebenso wie die Sammlung aller Synonyme erfordert umständliche und zeitraubende Arbeiten, deren Ergebniss überdiess ein noch immer sehr unsicheres bleibt. Die Wichtigkeit der Ermittelung einer unanfechtbaren Benennung schien mir aber so gross zu sein, dass ich mich veranlasst sah, auf Kosten der an sich ja höchst wünschenswerthen Beschleunigung der Heraus- gabe des »Thierreichs« die Anlage eines solchen nomencelatorischen Cataloges in Angriff zu nehmen, welcher bestimmt ist, die schon vorhandenen litterarischen Hülfsmittel der Art in möglichst vollkomme- ner Weise zu ergänzen. Die guten Fortschritte dieses Unternehmens, das ich den Händen des Prof. von MAEHRENTHAL anvertraut habe, be- rechtigen mich zu der Hoffnung, bald über einen erfolgreichen Ab- schluss berichten zu können. Das Pflanzenreich. Bericht der Commission, erstattet in Vertretung des Hrn. EnetLer durch Hrn. Warvever auf Grund von Angaben des Hrn. Dr. Harms. Die Herausgabe des Werkes »Das Pilanzenreich« hat unter der Leitung des Hrn. EneLer regelmässigen Fortgang genommen; es er- schienen im Jahre 1905: Heft 21, A. Eneer: Araceae-Pothoideae;, Heft 22, F. Pax und R. Knurn: Primulaceae; Heft 23, Autos K. Scumprer: Halorrhagaceae; Heft 24, K. Krause: Aponogelonaceae. Von der grossen und morphologisch höchst eigenartigen Familie der Araceae, mit deren Studium der Herausgeber seit vielen Jahren be- schäftigt ist und die er bereits einmal vor längerer Zeit monographisch behandelt hat, wurde hier zunächst die Unterfamilie der Pothoideae in dem 21 Bogen starken Hefte 2ı einer erneuten Darstellung unterworfen; sie enthält u. a. die umfangreiche, an 500 Arten zählende Gattung Anthurium, die im tropischen America, besonders im Gebiete der Anden, reich entwickelt ist und hier eine ganz erstaunliche, kaum zu bewälti- gende Formenfülle entfaltet, so dass fast jede Sammlung andiner Pflanzen uns wieder neue Arten dieses Genus kennen lehrt. — Das 22. Heft (24 Bogen) enthält eine Monographie der Primulaceae von Prof. Dr. F.Pax (Breslau) und Dr. R. Knurn (Berlin). Prof. Dr. Pıx hat den allgemeinen Abschnitt und die unendlich formenreiche Gattung Primula bearbeitet, die bekanntlich in der Vegetation der Gebirge der nördlichen gemässigten Zone eine so bedeutende Rolle spielt; Dr. R. Knurn hat die übrigen Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. 93 21 Gattungen behandelt. Dem Hefte wurden zwei von Prof. Pax ent- worfene Karten beigegeben, die die geographische Verbreitung der Gruppen der Primeln im allgemeinen, und im besondern die der Section Auricula innerhalb der Alpen veranschaulichen helfen. — Die Familie der Halorrhagaceae bedurfte bereits seit längerer Zeit einer zu- sammenfassenden Übersicht. Auf Anregung von Prof. Dr. C. Mrz (Halle) unterzog sich Dr. Anton K. Scuinprer (Halle) dieser Aufgabe, und im 23. Heft (9 Bogen) finden wir die Ergebnisse seiner Studien nieder- gelegt. Da der Verfasser an die Hochschule in Peking berufen wurde, so übernahm Prof. Dr. Mrz die Fertigstellung des im übrigen fast völlig abgeschlossen hinterlassenen Manuscripts und erledigte ausserdem in dankenswerther Weise die Correetur. — Das jüngst erschienene Heft 24 ist nur geringen Umfanges (14 Bogen); es enthält die Aponogetonaceae, die Dr. K. Krause (Berlin) mit Unterstützung von A. Enger bearbeitete; es handelt sich in diesem Falle um eine nur aus einer Gattung be- stehende Familie tropischer Wasserpflanzen, die in Morphologie und Anatomie manches Interessante bietet und zu einer Reihe von Familien gehört, von der bereits früher einige (Scheuchzeriaceae, Alismataceae, Butomaceae, Najadaceae) ihre Bearbeitung im »Pflanzenreich« fanden; es steht zu erwarten, dass diese, Felobiae genannte Reihe in den nächsten Jahren zum Abschluss gelangt, da bereits einige Autoren mit der Be- arbeitung der noch übrigen Familien der Reihe beschäftigt sind. Im Druck befindet sich zur Zeit das 25. Heft; es wird die Juncaceae von Prof. Dr. F. Bucuenau (Bremen) bringen und dürfte, da der Druck bereits weit vorgeschritten ist, in kurzer Frist erscheinen. Demnächst werden die bereits im Manuscript fertig vorliegenden Droseraceae von Dr. L. Ders und die Papaveraceae von Dr. F. Fenpe dem Druck über- geben werden. Geschichte des Fixsternhimmels. Bericht des Hrn. Auwers. Im Berichtsjahr sind rund 100000 Catalogörter auf die Zettel über- tragen worden. Die Eintragungen stehen jetzt bei der Epoche 1837, jedoch bleiben noch einige frühere Cataloge nachzutragen, die aus be- sonderen Gründen einstweilen zurückgestellt wurden. Von dem Fehlerverzeichniss sind weitere 7 Bogen gedruckt, die sämmtlich noch zu der Epoche 1825 gehören; 6 dieser Bogen werden von den neuen Berichtigungen zu den Königsberger Zonen und einer Übersicht über die grösseren Fehler in den Weısse’schen Catalogen ausgefüllt. In dieser Übersicht wurden, damit die Cataloge nach ent- sprechender Berichtigung wenigstens als einigermassen verlässliche In- 10* 94 Öffentliche Sitzung vom 25. Januar 1906. dices zu den Zonenbeobachtungen benutzt werden können, alle Nummern zusammengestellt, bei denen die Rectascensionen Correcturen von 10° oder mehr, die Declinationen solche von 3' oder mehr erhalten haben, etwa 700 an Zahl. Die Gesammtzahl der bis jetzt bekannt gewordenen Fehler in den Weısse’schen Catalogen beläuft sich aber auf weit mehr als das Zehnfache. Nachdem 1433 Berichtigungen bereits in den Listen der Corrigenda bei Ausgabe der beiden Bände angezeigt und weiter 2064 Örter auf Grund des Arceranper’schen Fehlerverzeichnisses zu den Zonen berichtigt worden sind, enthält ein für den Gebrauch bei der »Geschichte des Fixsternhimmels « angelegtes Verzeichniss der weiter auf- gefundenen Fehler nicht weniger als 3255 Nummern des ersten und 2063 des zweiten Catalogs. Wie die Cataloge gedruckt sind, finden sich nach dem gegenwärtigen Stande der Revision: im ersten bei 31085 Sternen 4646 Fehler, im zweiten bei 37862 Örtern, von 31445 Sternen, 3666 Fehler, und dabei ist anzunehmen, dass die Reductionsfeller erst sehr un- vollständig, in der Hauptsache nur die grösseren, bemerkt sein werden. Es kann der Fixsternkunde gewiss nicht zum Vortheil gereichen, wenn so incorreeten Sterncatalogen durch Abklatsche, wie man sie neuerdings beliebt hat, das Leben künstlich verlängert, und eine Neubearbeitung weiter dadurch erschwert und verzögert wird, dass die Empfindung ihrer Nothwendigkeit abgeschwächt oder auf engere Kreise beschränkt wird. Ausgabe der Werke Wıruerm von Huvmskornr's. Bericht des Hrn. Scamipr. Von der Ausgabe der »Gesammelten Schriften« WILHELM voN Humsorpr's ist 1905 Bd. 4 in Lrırzmann’s Bearbeitung erschienen, womit die lange Reihe sprachwissenschaftlicher Arbeiten beginnt, für die ausser den bekannten Drucken ein überreiches, natürlich nicht völlig auszuschöpfendes Material an Handschriften vorliegt. Das Kawi- Werk und kleinere linguistische Einzelstudien werden überhaupt nicht aufgenommen, doch erscheint hier u.a. ein für die Akademie be- stimmter »Versuch einer Analyse der mexikanischen Sprache«. Bd. 5, die Schriften von 1823 bis 1827 umfassend, ist im Druck. Aus dem Nachlass B. GrguArpT's sind dank freundlichem Entgegenkommen seiner Schwester zahlreiche Briefeopien angekauft worden; ein genaues Gut- achten des Hrn. Prof. Dr. Leırzmann hat gezeigt, wie viel noch aus den Archiven nachzutragen bleibt. Korrespondenzen haben beige- steuert Frau Gräfin von DER GRÖBEN in Nassau (an Stem) und Kammer- herr von Morz in Breslau (an seinen Grossvater). LJ Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. 95 Deutsche Commission. Bericht der HH. Burpvacn, RoETHE und Scamipr. Die Deutsche Commission erfüllt freudig eine Pflicht der Dankbar- keit, wenn sie an erster Stelle eines hochherzigen Geschenkes gedenkt, das es ihr ermöglicht hat, ihre Arbeiten in vollem Umfange weiter- zuführen. Hr. Dr. C. A. von Marrıvs hat im Februar 1905 der Aka- demie für die Deutsche Commission die Summe von 15000 Mark zur Verfügung gestellt. Dass ein Mann, dessen eigenes Arbeitsgebiet den Naturwissenschaften angehört, der Erforschung unserer nationalen Gei- stesgeschichte eine so reiche Förderung hat zu Theil werden lassen, ist eine besonders erfreuliche Erscheinung. Für die nächste Zukunft dürfen dank dem verständnissvollen und thätigen Interesse, das sowohl das Cultus- wie das Finanzministerium unseren Plänen entgegenbringen, die Mittel als gesichert gelten, die zu einem gedeihlichen Fortschritt unserer Arbeiten nöthig sind. Besonders reich hat sich im vergangenen Jahre die Inventari- sation der litterarischen deutschen Handschriften entwickelt. Sehr zahlreiche Beschreibungen hat Hr. Prof. Ferpısann VETTER aus den schweizerischen Bibliotheken eingesandt: vertreten sind da Aarau (z. B. mit einer noch unbekannten Handschrift des Barlaam aus der Can- tonsbibliothek), Chur, Einsiedeln, Glarus, Schaffhausen, St. Gallen, Solo- thurn. Hr. Prof. Dr. Rexwarp BrANDsSTETTER hat die Aufnahme der Lu- zerner Stadtbibliothek fortgesetzt. Handschriften des Berner Staats- archivs, die Hr. Staatsarchivar Dr. RupoLr WACKERNAGEL beschrieben hat, bringen u. A. werthvolle Kunde von dem privaten und politi- schen Leben der Schweiz in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts: so die Correspondenz des Baseler Bürgermeisters Joh. Rud. Wettstein und die Autobiographie des Hans Jacob Mentzinger (7 1668) zu Diessen- hofen im Thurgau. Die grössten Schwierigkeiten bereiten naturgemäss einer erschöpfen- den Inventarisation nach unserem Plane die ganz grossen Handschriften- sammlungen. Um so erwünschter ist es, dass für die Handschriften der Wiener Hofbibliothek, deren Aufnahme durch die HH. Dr. V. Junk und Dr. Rogerr F. ArnoLp sowie einzelne gelegentliche Be- schreiber (die HH. Stenmann und Heymann in Berlin) noch in den Anfängen steht, bei der entgegenkommenden Theilnahme des Direc- tors der Hofbibliothek Hrn. Hofrath Prof. Dr. KArABAcER ein guter Fortgang der weitschichtigen Arbeit sich erhoffen lässt. Die Aus- schöpfung der reichsten "und wichtigsten Schatzkammer älterer deut- scher Handschriften, der Hof- und Staatsbibliothek in München, hat 96 Öffentliche Sitzung vom 25. Januar 1906. vor Kurzem deren Director, Hr. Geheimrath Dr. von LAuBMmAnNn, mit rühmlicher Bereitwilligkeit dadurch erleichtert, dass er im Einverständ- niss mit dem Königlich bayerischen Cultusministerium zwei seiner Beamten, die HH. Dr. Leinineer und Dr. Prrzer, ermächtigt hat, bei der ihnen obliegenden amtlichen Neubearbeitung des gedruckten Hand- schriftenkatalogs von allen einschlägigen Handschriften uns Beschrei- bungen nach unseren Grundsätzen zu liefern und so an unserem Unter- nehmen direet mitzuwirken, und dass er gleichzeitig allen unseren eigenen, für die Münchener Staatsbibliothek thätigen Mitarbeitern (bis- her sind es nur Hr. Privatdocent Dr. Fr. von DER Leyen in München und gelegentliche Beschreiber, die HH. Krırsten, ScuArrer, Voigt in Berlin) jede mögliche Unterstützung zugesagt hat. Unmittelbar vor Abschluss dieses Berichts sind von den HH. Dr. Leiviseer und Dr. Prrzer Be- schreibungen 27 wichtiger Münchener Handschriften als ein vielver- sprechender Anfang der Mitarbeit der dortigen Bibliotheksverwaltung bereits bei uns eingegangen. Doch bleibt auch so hier eine besonders grosse und höchst mühevolle Aufgabe für uns bestehen. Auch die zerstreuten Handschriftenbestände der übrigen bayerischen Bibliotheken werden nur bewältigt werden können durch planmässige Bereisung seitens eigens dazu von uns beauftragter Gelehrter. Eine Handschrift der Fürstlichen Hofbibliothek in Donaueschingen hat Hr. Krıesten in Berlin beschrieben. Hr. WaArrtHer DorcH hat die Inventarisirung böhmischer Biblio- theken und Archive (Brüx, Eger, Leitmeritz, Prag, Saaz) sehr leb- haft gefördert: schon 270 Handschriftenbeschreibungen liegen von seiner fleissigen Hand vor. Namentlich die genau eingehenden Analysen vieler Prager Sammelhandschriften sind äusserst förderlich für die Geschichte der geistlichen Litteratur im Zeitalter der böhmisch-schlesischen vor- reformatorischen Bewegungen (z. B. Prag, Universitätsbibliothek XVI G 28: deutsche Gebete, darunter solche von Johann von Neumarkt und Mili& von Kremsier, deren Edition bevorsteht; — ebenda XVI F 8: deutsche erbauliche Tractate, darunter des Matthäus von Krakau »Kampfkrieg der Vernunft und des Gewissens«). Erwähnt sei noch das Herbergsbuch der Seifensieder-Innung zu Brüx aus den Jahren 1652— 1664, mit Handwerkssprüchen, Liebesverslein, mancherlei Volksliedern und Gnomen. Neu eingetreten ist als Mitarbeiter auf die dankenswerthe Ver- mittelung des Hrn. Prof. Dr. Sıess in Breslau Hr. Dr. Josern KrArper: eine beträchtliche Anzahl (82) von Handschriften der Breslauer Univer- sitätsbibliothek hat er bereits inventarisiren können. — Hr. Dr. Eurine in Königsberg hat weitere Handschriften der Fürstlich Dohna’schen Bibliothek in Schlobitten beschrieben. DIEBE WIENER BLU ZI IR 2 Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. 97 Die Handschriften der Königlichen Bibliothek zu Berlin hat Hr. Prof. Dr. Emı, Henrıcı in Bearbeitung genommen und namentlich die Foliohandschriften bereits energisch gefördert: selbst für diese viel- benutzte Sammlung ergiebt die genaue Beschreibung allerorten neue Nachweise. Aus Incunabeln und anderen älteren Drucken der Schöppen- stuhlbibliothek des Königlichen Amtsgerichts und der alten Bibliothek der Katharinenkirche zu Brandenburg a. H. hat Hr. Oberlehrer Grurr Handschriftenbruchstücke und handschriftliche Einträge gesammelt. Zwei Rechtshandschriften der Magistratsbibliothek zu Schwiebus be- schrieb Hr. Dr. Borenume in Göttingen. Hr. Dr. Prönnecke nahm die Handschriften der Magdeburger Bi- bliotheken auf (Städtische Hauptbücherei, Staatsarchiv, Domgymnasium) und stiess dabei auf neue Bruchstücke der Wiggert’schen Psalmen. Die Handschriften der Francke’schen Stiftungen in Halle hat Hr. Oberlehrer Dr. Weıske, die des Mühlhauser Stadtarchivs Hr. Prof. Dr. Enz Kertser, die des Ilfelder Gymnasiums Hr. Prof. Dr. Larr- MANN beschrieben. Unergiebig blieben Nachforschungen, die Hr. Ober- lehrer FrıesLanp in der Bibliothek des alten Capuzinerklosters zu Peine anstellte. Mit den Handschriften des Hennebergischen Gymnasiums zu Schleusingen ist Hr. Dr. Schaares zum Abschluss gelangt. In der Provinz Hessen-Nassau hat Hr. Dr. Leezann die Casseler, Hr. Dr. Wüsr die Wiesbader Handschriften zu bearbeiten begonnen, Hr. Dr. Wıcasp die Bibliothek des Priesterseminars zu Fulda ganz erledigt, die Landesbibliothek ebenda weiter beschrieben. Grössere Fortschritte sind für das Grossherzogthum Hessen zu verzeichnen. Dort hat unser rüstiger Mitarbeiter Hr. Dr. Scnaarrs, der auch im Domarchiv zu Fritzlar seine Arbeiten fortgesetzt hat, das Fürstlich Isenburgische Archiv zu Büdingen beendet und ebenso das Fürstlich Stolbergische Archiv zu Ortenberg vollständig bearbeitet: beide beson- ders reich an Briefen des ı5. und 16., an Dichtungen des 16. und 17. Jahrhunderts, die in das fürstliche Leben der frühen Neuzeit gut einführen. Auch das Fürstlich Stolbergische Archiv zu Gedern hat Dr. Scuaarrs in Angriff genommen. Hr. Dr. Borcenzine hat die Stadt- bibliothek zu Worms (meist Handschriften aus Ürecelius’ Nachlass), die Archive zu Michelstadt und Erbach inventarisirt: in der inter- essanten Erbacher Sammlung fand er u. A. eine von der Gräfin Magda- lena von Nassau-Katzenelnbogen 1617 eigenhändig geschriebene Über- setzung von Campeggi’s Pastorale Filarmindo. Auch im vergangenen Jahre hat Hr. Bibliothekar Dr. Bömer mit dankenswerther Hingabe an der Aufnahme der Handschriften West- falens gearbeitet, diesmal wesentlich unterstützt durch Hrn. Biblio- thekar Dr. Deerrıns. Ihren gemeinsamen Bemühungen ist es gelungen, 98 Öffentliche Sitzung vom 25. Januar 1906. die Bibliothek des Alterthumsvereins zu Münster und die Fürstlich Salm-Salm’sche Bibliothek zu Anholt vollständig abzumachen; die Inventarisation der Universitätsbibliothek zu Münster wurde fortge- setzt. Hr. Dr. Bömer allein hat ausserdem die Pfarrbibliothek zu Borg- horst und die Theodorianische Bibliothek zu Paderborn erledigen können. Alle diese Sammlungen sind besonders reich an niederdeutscher Er- bauungslitteratur, bergen daneben aber auch allerlei Medieinisches und interessante lateinische Miscellaneenhandschriften, die Einblicke in Uni- versitäts- und Jesuitendichtung des 16. und 17. Jahrhunderts gewähren. Ausserdem enthält die Gräflich Fürstenbergische Bibliothek zu Her- dringen, gleichfalls von Dr. Böner beschrieben, allerlei lateinische und deutsche Gelegenheitspoesie, die namentlich zu dem Bischof Ferdinand von Fürstenberg und seinem Hause in Beziehungen steht; auch eine Herdringer niederdeutsche Mystikerhandschrift sei hervorgehoben. — Die Dortmunder Handschriften hat Hr. Prof. STRECKER verzeichnet, der auch einzelne Segen und Recepte aus Einackerholsen und Vorth ver- merkt hat. Die Handschriften der Universitätsbibliothek zu Bonn hat Hr. Prof. DrescHer darzustellen begonnen (darunter eine noch unbenutzte Handschrift von Stricker’s Carl); die Beschreibung einer merkwürdigen und bunten lateinischen Miscellaneenhandschrift aus Düsseldorf hat Hr. Dr. Borcaine beigesteuert. An den Handschriften der Hamburger Stadtbibliothek war Hr. Dr. Burs weiter thätig. Unter den wenigen Stücken aus der Bibliotheque Nationale zu Paris, die Hr. Dr. Wüst bisher als Ertrag einer Ferienreise geliefert hat, befinden sich eingehende Beschreibungen von Mser. allem. 84 (Prachteodex der Übersetzung einer französischen Chronik, die Johann von Morsheim, als pfälzischer Prinzenerzieher an den französischen Hof gekommen, dem König Ludwig XII. dargebracht hat) und 106 (astrologisch - medieinische Sammel - Handschrift). Hr. Prof. PrıesscH ist in der ausführlichen Aufnahme von Handschriften des British Mu- seum zu London fortgefahren; im Einverständniss mit ihm hat Hr. Dr. Scnaarrs die Handschriften der Bodlejana in Oxford nach unseren Grundsätzen zu beschreiben angefangen: namentlich haben ihn die lateinischen Codices Laudiani beschäftigt; auch auf eine interessante Autographensammlung zur neueren deutschen Litteratur (Ms. Montagu d 20) konnte er aufmerksam machen. Hr. Bibliothekar RAruAEL MEYER hat einige Beschreibungen von Handschriften der Universitätsbiblio- thek zu Kopenhagen gesandt. Mittheilungen über mittelhochdeutsche Fragmente aus Upsala und Stockholm gab Hr. Dr. Hs. PsıLanper, unterstützt durch Hrn. Dr. Korzın. Einen bisher noch nicht beach- teten guten und vollständigen Text von Eyb’s Ehebüchlein, der mit Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie 99 der C-Gruppe (nach Max Herrmann’s Bezeichnung) verwandt ist, ent- hält eine Handschrift der Northwestern University Library zu Evan- ston (Illinois), die Prof. HarrıeLp untersucht und ausführlich beschrie- ben hat. Die Archiv- und Arbeitsräume der Deutschen Commission im llause Behrenstrasse 70 sind seit dem 1. October in Benutzung ge- nommen. Sie umfassen vier Räume, darunter ein grösseres Zimmer, in dem die Verzettelungsarbeiten stattfinden. Die Aufsicht darüber führt nach unserer Anleitung der Assistent am Handschriftenarchiv Hr. Dr. Frırz Brnrenn. DBetheiligt haben sich die HH. stud. Berer- MANN, Dr. KOTZENBERG, stud. Arrn. MÜLLER, stud. RankE, Dr. Reıske, stud. STEHMANN, stud. Max Voıst. Der Zettelkatalog umfasst bisher etwa 10000 Zettel; für etwa 250 Handschriften liegen so bereits bequem übersichtliche (alphabetische bez. chronologische) Register der Namen, der Anfänge, der Stoffe und Titel, der Zeitangaben, der Wasser- zeichen und Bilder vor. Die Zahl der vorhandenen Handschriften- beschreibungen überhaupt hat das erste Tausend schon weit über- sehritten. Von den »Deutschen Texten des Mittelalters« sind neu erschienen Bd. II (Rudolfs von Ems Wilhelm von Orlens, aus der Donaueschinger Handschrift herausgegeben von Vıcror Junk), Bd. II (Johanns von Würzburg Wilhelm von Österreich, aus der Gothaer Handschrift herausgegeben von Ersst Reeer), Bd. V (Die Volks- und Gesellschaftslieder des Cod. Palat. 343, herausgegeben von ARTHUR Korr) und Bd. VI (Elsbet Stagel, Das Leben der Schwestern zu Töss, herausgegeben von Ferpınanp VrerTerR). Im Druck nahezu vollendet ist Bd. VII (Die Werke Heinrichs von Neustadt, herausgegeben von S. Sıneer). Im Satze befindet sich Bd. VII (Die Apokalypse Hein- richs von Hesler, aus der Danziger Handschrift herausgegeben von Karı Hreım). Dem Programm der Texte neu eingereiht wurden: der Engelberger Tauler von 1359, mystische Stücke aus Schönau, die Wien-Karlsruher Magdalenenlegende, eine Sammlung von mittelhoch- deutschen Minneallegorien. Nachdem das ausserordentliche Mitglied der Commission Hr. SeurrerT die durch seine Amtsgeschäfte verschobenen »Prolegomena einer WırLannp-Ausgabe« für die Abhandlungen fertiggestellt hat, können nunmehr die Contracte mit dem Verleger und den Mitarbeitern demnächst abgeschlossen werden. Die Copien der im Besitz des Hrn. Orr-Däniker befindlichen Züricher Schülerhefte sind eingetroffen. Zu dem Briefeorpus haben Frau Hrrene Meyer Conx und Hr. Geh. Hof- 100 Öffentliche Sitzung vom 25. Januar 1906. rath SEEGER in Berlin freigebig beigesteuert; auch den hiesigen Anti- quariaten FRENSDORFF und STARGARDT sind wir für liberales Entgegen- kommen verpflichtet, nicht minder Hrn. Prof. Dr. Wırkowskı in Leip- zig für die Abschrift eines bisher unbekannten Gedichts an Anna Amalia. Über den Stand des Rheinischen Wörterbuchs berichtet das ausserordentliche Mitglied der Commission Hr. Franck das Folgende: Der im vorigen Centralbericht angekündigte Plan eines Nieder- rheinischen Idiotikons ist dahin erweitert worden, dass das Unter- nehmen unter dem Titel eines »Rheinischen Wörterbuchs« die Mund- arten der ganzen preussischen Rheinprovinz (abgesehen von einem südöstlichen Streifen ausserhalb der dat-das-Linie) und der nordwest- lichen Ecke der Provinz Hessen-Nassau umfassen soll. Unter Prof. Franck werden sich die HH. Oberlehrer Dr. Jos. MüLLer zu Trier und Dr. PauL Tresnse zu Rheydt an der Leitung betheiligen. Die Werbungen, unterstützt durch die Ausgabe verschiedener kleiner Schriften, haben den Erfolg gehabt, dass sich weit über 400 Mitarbeiter gemeldet haben, ungerechnet eine Anzahl von Gymnasial- und Seminarschülern, die unter Leitung ihrer Lehrer sammeln. Abgesehen von der Frage, wie weit sie sich bewähren, werden diese Kräfte nicht ausreichen, hauptsächlich auch aus dem Grunde, weil sie ungleichmässig über das Gebiet vertheilt sind. Es springt sofort in die Augen, dass Süden und Osten viel schlechter vertreten sind als Norden und Westen. Es muss unser nächstes Augen- merk sein, die Organisation der Hülfskräfte in dieser und anderer Hinsicht zu ergänzen, wofür wohl die Hülfe der Schulbehörden zu erbitten sein wird. Die Ausgabe anregender und belehrender Proben soll fortgesetzt werden. In Frage steht daneben die Herausgabe von regelmässiger erscheinenden Mittheilungen, die etwa auch lexikalische Beiträge aus den Kreisen der Mitarbeiter zur vorläufigen Veröffent- liehung bringen könnten. Es ist schon eine über Erwarten grosse Menge Material von den verschiedensten Seiten eingegangen. Da es nur zum kleinen Theil richtig auf Zetteln eingeliefert ist und bisher die Zeit zum Ordnen fehlte, lässt sich ziffernmässig über den Umfang nichts Genaues an- geben, aber doch so viel sagen, dass es zu den besten Hoffnungen für den glücklichen Fortgang des Unternehmens berechtigt. Ein stän- diger Assistent für Prof. Franck hat sich bis jetzt nicht gefunden. Ein Gesuch bei der Universität zu Bonn um Überlassung eines ge- eigneten Raumes konnte noch nicht beantwortet werden. Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie. 101 Forschungen zur Geschichte der neuhochdeutschen Schrifisprache. Bericht des Hrn. Burvacn. Die Publication der Correspondenz Rienzos mit Karl IV., Johann von Neumarkt, Erzbischof Ernst von Prag (»Quellen und F orschungen zur Vorgeschichte des deutschen Humanismus«, Theil 2) konnte noch nicht abgeschlossen werden, da sie erweitert worden ist zu einer durch wertvolles unbekanntes Material bereicherten Neuausgabe aller er- reichbaren Briefe des Tribunen. Dies schien einmal im allgemeinen wissenschaftlichen Interesse geboten, sodann aber namentlich deshalb, weil die handschriftliche Überlieferung dieser Correspondenz fast aus- schließlich aus Böhmen und Schlesien stammt und so in ihrer Ge- sammtheit ein nachdrückliches Zeugniss ablegt für die in jenen Gegenden wurzelnde erste bahnbrechende Wirkung, welche die Epistolo- graphie der Frührenaissance und ihr neuer lateinischer Stil und Satz- bau auf die lateinische und deutsche Schriftsprache der Kanzleien im östlichen Mitteldeutschland seit der Mitte des 14. Jahrhunderts aus- geübt hat. Bei der absoluten Unzuverlässigkeit der Textabdrucke von PAPENcorDT und GABRIELLI musste die jetzt dem Vaticanischen Archiv gehörende reichste Sammlung von Rienzobriefen, die einstens im Besitz der erzbischöflichen Curie von Prag war, noch in umfänglichen Theilen, die des Referenten Collation vom Jahre 1899, gemäss dem damaligen beschränkteren Editionsplan, nicht berücksichtigt hatte, neu verglichen werden. Während diese Arbeit in den Händen des Hrn. Dr. Pıur lag, trat für die notwendigen rein historischen, besonders auch chrono- logischen Untersuchungen, die hauptsächlich dem der Ausgabe beizu- 'gebenden kurzen Commentar als Grundlage dienen sollen, seit dem November Hr. Dr. Frırz Künn als Gehülfe ein. Auch für die Ausgabe ausgewählter sprachlich, stilistisch oder litterarisch und historisch be- deutsamer Briefe Johanns von Neumarkt und seiner Schüler (» Quellen und Forschungen zur Vorgeschichte des deutschen Humanismus«, Theil 3) wurde die Ergänzung des früher vom Referenten gesammelten Materials durch Dr. Pıur gefördert: es soll mit Benutzung aller bekannten Hand- schriften ein erschöpfendes Gesammtbild der ursprünglichen Gestalt wie aller durch Unterschiede und Wandlungen des Sprachgefühls veranlassten Veränderungen der Überlieferung dieser Texte geboten werden, eine Blütenlese also von Urkunden für den durchgreifenden, besonders syntaktischen Umformungsprocess der deutschen Schrift- sprache in der ältesten und einflussreichsten Prägeanstalt des neu- hochdeutschen Sprachtypus, der Königlichen Kanzlei Böhmens und ihrer Adnexe. — In der Abtheilung »Die Prosalitteratur des Zeitalters der Luxemburger« werden zunächst für den » Ackermann aus Böhmen«, 102 Öffentliche Sitzung vom 25. Januar 1906. das Hauptwerk der vorreformatorischen Periode, vom Referenten eine kritische Neuausgabe, ein umfassender Commentar und sprachlich- litterarische Untersuchungen vorbereitet, unter Mitwirkung des Hrn. Gymnasialprofessors Dr. Aroıs Berxt in Leitmeritz (Böhmen) für die Edition des Textes. — Für die »Texte und Untersuchungen zur Ge- schichte der ostmitteldeutschen Schriftsprache von 1300 bis 1450« hat Hr. Gymnasialoberlehrer Dr. Wırıy Scheer die Sichtung und Redaction des vom Referenten gesammelten Materials aus Breslauer Urkunden, Registern, Stadtbüchern usw. sowie aus einem Schlägler Formelbuch fortgesetzt. — Bei Ergänzung der Materialsammlung zur Weiterführung seiner früher begonnenen »Darstellung der Sprache Goethe’s im Zu- sammenhang mit der deutschen Litteratursprache des 18. Jahrhunderts« hat Referent eine Hülfskraft gefunden in Hrn. Gymnasialoberlehrer Dr. Heısrıcn Anz (Magdeburg), der, durch das höchst dankenswerthe Entgegenkommen des Herrn Ministers während des letzten Sommer- halbjahrs beurlaubt, hier in Berlin seine ganze Zeit der bezeichneten Aufgabe widmen konnte und durch seine soeben zum ı. April ver- fügte Versetzung nach Charlottenburg dauernd die Möglichkeit er- halten hat, in persönlicher Arbeitsgemeinschaft das Werk zum Ab- schluss bringen zu helfen. Hunsorpr- Stiftung. Bericht des Vorsitzenden des Curatoriums Hrn. WALDEYER. Im Jahre 1904 sind aus den Mitteln der Humsorpr-Stiftung be- willigt worden: ı. Hrn. Prof. Dr. Vorz in Breslau 5500 Mark zu geologischen und vulcanologischen Forschungen auf Sumatra. 2. Hrn. Prof. Dr. Bückıne zu Strassburg i. E. 2500 Mark zur geologischen und petrographischen Erforschung des Rhöngebirges. Die Genannten haben ihre Forschungen in Angriff genommen und vorläufige Berichte eingesendet. Im Jahre 1905 wurden bewilligt: ı. Hrn. Dr. LEoxHArD ScHULTZE (Jena) als letzte Rate zu den Kosten seiner biologischen Forschungsreise in Deutsch-Südwestafrica 2000 Mark. 2. Hrn. Prof. Dr. H. KraarscH (Heidelberg) 4000 Mark als Beihülfe zu den Kosten seiner ethnologischen Forschungsreise in Australien und dem hinterindischen Archipel. 3. Hrn. Dr. Passarce (Berlin) 3000 Mark zur Erforschung von Steppen- bildungen in Algerien. Von der Forschungsreise des Hrn. Dr. LEoxuArn ScHurzze in Süd- africa giengen im Jahre 1905 mehrere umfangreiche Sendungen mit zoologischem und botanischem Material ein. Die Unruhen in Deutsch- per a en RL UT EL Em Jahresberichte der Stiftungen und Institute. 103 Südwestafrica trieben den Reisenden zeitweilig über die Grenze in die nördliche Capcolonie und später in die centralen Theile der Kalahari. — Orycteropus, diese bisher nur in einer Art bekannte Charakterform der südafricanischen Säugethierwelt, ist mit 2 Skeleten und Fellen, Männchen und Weibchen angehörig, in einer neuen Art in der Sammlung vertreten. Eine erste Durchmusterung des Spinnen- materials ergab einen unerwarteten Procentsatz neuer Formen. Die übrigen Gruppen wurden noch nicht näher durchgesehen. Besondere Aufmerksamkeit wird der Bearbeitung des Süsswassermaterials aus dem Pfannengebiet zwischen Lehututu und Kanya zuzuwenden sein, da der Reisende hier zur Regenzeit sammelte, und die charakteristi- schen Bewohner dieser periodisch gefüllten Wasserbecken, die Branchio- poden und Copepoden, in der Sammlung reich vertreten sind. Die detaillirte Trennung aller einzelnen Fundorte innerhalb des weiten Sammelgebiets ist für die Abgrenzung thiergeographischer Provinzen willkommen. ; Dr. Schurtze hat am 13. November 1905 seine im Februar 1903 angetretene Forschungsreise abgeschlossen. In Sachen einer zusammen- fassenden Berichterstattung sowie einer Publication der speciellen Ergebnisse sind in persönlicher Rücksprache des Reisenden mit dem Vorsitzenden des Curatoriums die einleitenden Schritte erfolgt. Hr. Prof. Kraarsch war bereits seit 14 Jahren in Australien mit bestem Erfolge thätig; die Unterstützung aus der Hunsorvr- Stiftung wurde ihm besonders zu demZwecke gewährt, vergleichende ethnologische Forschungen in den Australien benachbarten Gebieten der hinter- indischen Inselwelt anstellen zu können. Hrn. Dr. Passaree ist auf sein begründetes Ansuchen gestattet worden, seine Forschungen erst im Laufe des Jahres 1906 in Angriff zu nehmen. Für dieses Jahr 1906 sind voraussichtlich 11000 Mark verfügbar. Sarıenr- Süflung. Bericht des Hrn. Brunner. 1. Über die Neubearbeitung von However’s »Deutschen Rechts- büchern des Mittelalters« berichten die HH. Coxxsp BorcauLıns und JuLiws Gierke, dass die Arbeit an den älteren Nummern des Verzeich- nisses weitere Fortschritte machte, ohne jedoch zu völligem Abschluss gelangt zu sein. Um die Rechtsbücherhandschriften der schlesischen und böhmischen Bibliotheken einer genauen Revision zu unterziehen, soll im Sommer 1906 einer der Mitarbeiter die dortigen Sammlungen 104 Öffentliche Sitzung vom 25. Januar 1906. bereisen. Von neu aufgetauchten Handschriften sind fünf Exemplare des Sachsenspiegels aufgenommen und vollständig beschrieben worden. 2. Für den zweiten Band der Magdeburger Schöffensprüche, den die HH. Vıcror Frıese und ErıcH Liesesang herausgeben, sind die in Aussicht genommenen Schöffensprüche, nämlich jene, die nach dem Erzstift Magdeburg, nach der Altmark, nach der Priegnitz, nach Zerbst (Nachtrag zu Band I), nach der Mittelmark (Brandenburg, Lehnin, Jüterbog, Berlin, Frankfurt, Beeskow), nach Pommern (Stettin) und nach der Niederlausitz ergangen sind, zum grössten Theile abgeschrieben, zum Theil mit Regesten versehen worden. Das Material zu dem Bande ist demnach im Wesentlichen geordnet und vorbereitet, so dass die innere Durcharbeitung und die Vergleichung mit den bekannten sächsischen Quellen beginnen kann. 3. Über den Stand der Arbeiten am Vocabularium Iurisprudentiae Romanae berichtet Hr. Bervuarn KügLer: Vom ersten Hefte des zweiten Bandes (D—G), bearbeitet von Hrn. GrurE in Metz, sind sechs Bogen (damnas-desino) gedruckt. Bogen 7 und 8 stehen im Satz. Von den zwei letzten Bogen ist das Manuscript so weit gefördert, dass die Ausgabe des Heftes in der ersten Hälfte des Jahres 1906 erwartet werden darf. Der Bearbeiter des fünften Bandes (R—Z), Hr. Vorkmar, ist an der Fortsetzung seiner Arbeit durch seine Einberufung zur Staatsanwalt- schaft in Danzig gehindert worden. Nachdem auf Ansuchen der Akademie der Herr Justizminister seine Rückberufung nach Berlin verfügt hatte, konnte er die Arbeit wieder aufnehmen und so weit fördern, dass er im Jahre 1906 mit dem Druck des ersten Heftes wird beginnen können. Bopr- Stiftung. Bericht der vorberathenden Commission. Die Königliche Akademie der Wissenschaften hat am 16. Mai 1905 den Jahresertrag der Borr-Stiftung in zwei Raten verliehen. Die grössere Rate von 900 Mark wurde Hrn. Prof. Dr. Orro SchRADER in Jena zuertheilt zur Fortsetzung seiner Arbeiten auf dem Gebiete der indogermanischen Alterthumskunde, die kleinere Rate von 450 Mark Hrn. Prof. Dr. Hırr in Leipzig in Anerkennung seiner Arbeiten über den indogermanischen Accent. Die Einnahme der Stiftung im Jahre 1905 betrug 2220.24 Mark, die Ausgabe 1984.90 Mark. Das Capital ist von 44900 Mark auf 45500 Mark erhöht worden. - -_ + en. Jahresberichte der Stiftungen und Institute. 105 Hermann und Erise geb. Hrckmann WENTZEL-Stiftung. Bericht des Curatoriums. Die Arbeiten für die Ausgabe der ältesten griechischen christ- lichen Schriftsteller, für die Prosopographie der römischen Kaiserzeit und für das Wörterbuch der deutschen Rechtssprache haben ihren planmässigen Fortgang genommen. Die Leiter dieser Unternehmungen haben darüber die hier als Anl. I und II folgenden Berichte erstattet. Prof. VorLrzkow ist von seiner Forschungsreise im März 1905 zurückgekehrt und hat mit zahlreichen Mitarbeitern die Untersuchung des gesammelten Materials begonnen. Ein zusammenfassender Bericht über die ausgeführte Reise wird hier als Anl. III mitgetheilt. — Aus den im Jahre 1905 verfügbaren Mitteln sind zur Fortsetzung der Unternehmungen der Stiftung bewilligt worden: 4000 M. für die Ausgabe der griechischen Kirchenväter, 3000 M. für die Prosopographie der römischen Kaiserzeit, 6000 M. für das Wörterbuch der deutschen Rechtssprache. Anl. 1. Bericht der Kirchenväter-Commission für 1905. Von Hrn. Harnack. I. Ausgabe der griechischen Kirchenväter. In dem Jahre 1905 sind der ı2. und ı3. Band der Kirchenväter- -Ausgabe erschienen, nämlich: Clemens Alexandrinus, Werke Bd. ı (hrsgeg. von SräÄnuın), Gnostische Schriften in koptischer Sprache (hrsgeg. von K. Scmumr). Im Druck vollendet wurden der 14. und 15. Band, nämlich: Eusebius, Werke Bd. 4 (die Schriften gegen Marcell, hrsgeg. von KLOSTERMANN), Acta Archelai (hrsgeg. von BErson): sie werden in den nächsten Wochen erscheinen. Im Druck befinden sich zwei Bände, nämlich: Eusebius’ Kirchengeschichte, 2. Theil, nebst der Übersetzung Rufin’s (hrsgeg. von Schwartz und Monmnsen 7), Clemens Alexandrinus, Werke Bd. 2 (hrsgeg. von SrÄnuın). Grössere Reiseunterstützungen erhielten von Dosscnürz (Rom), Gresory (Athen, Archipel, Ägypten), K. Scımipr (Ägypten). Die Vor- 106 Öffentliche Sitzung vom 25. Januar 1906. arbeiten für die Herausgabe weiterer Bände sind gefördert worden. Hrn.K. Schnur gelang es, in Ägypten für die Königliche Bibliothek ein koptisches Papyrusbuch des 4. Jahrhunderts zu erwerben, welches, wenn auch nicht ganz vollständig, die achmimische Übersetzung des ı. Clemensbriefes enthält und somit für den Text dieses wichtigen urchristlichen Schreibens von hoher Bedeutung ist. Der Nachricht, welche die Commission vor 13 Monaten erhielt, dass in Armenien eine bisher verloren geglaubte Schrift des Irenäus in armenischer Über- setzung aufgefunden worden sei, ist bisher weiteres nicht gefolgt; wahrscheinlich haben die dortigen schweren Bedrängnisse und Wirren jede wissenschaftliche Thätigkeit unterbunden. Aber die Hoffnung ist begründet, dass noch im Laufe dieses Jahres der Text der mit Spannung erwarteten Schrift zugänglich gemacht werden wird. Die deutsche Übersetzung ihrer » Vorrede« befindet sich in den Händen des Leitenden der Commission. Von dem » Archiv für die Ausgabe der älteren christlichen Schrift- steller« wurden acht Hefte ausgegeben, nämlich: Bd. XIII Heft 2: Korrscnuav, Zur Textkritik von Origenes’ Johannes- Commentar, Harnack, Analeeta zur ältesten Geschichte des Christen- thums in Rom, Krosrermann, Über den Didymus von Alexandrien in epistolas canonicas enarratio; Bd. XIII Heft 3: Rescn, Das Aposteldecret, nach seiner ausser- kanonischen Textgestalt untersucht; Bd. XIII Heft 4: Harnack, Der Vorwurf des Atheismus in den drei ersten Jahrhunderten, Scuurtze, das Martyrium des hl. Abo von Tiflis, Ausar, Die Frau im römischen Christenprocess; Bd. XIV Heft ı: A. Baver, Die Chronik des Hippolytos im Matritensis Graecus 121, nebst einer Abhandlung über den Stadiasmus maris magni von 0. Cuntz; Bd. XIV Heft 2a: von DER GoLtz, Aoroc CWwTHPIAC TIPOC THN TTAPeenon, Eine echte Schrift des Athanasius; Bd. XIV Heft 2b: von ver Gorrz, Tischgebete und Abend- mahlsgebete in der altchristlichen und in der griechischen Kirche; Bd. XIV Heft 3: Leıworpr, Didymus der Blinde von Alexandria; Bd. XIV Heft 4: Berenors, Der slavische Josephus. rn. j Jahresberichte der Stiftungen und Institute. 107 2. Prosopographia imperii Romani saec. IV— VI. Hr. Srrex, der Leiter der profangeschichtlichen Abtheilung, ar- beitet noch an der Datirung der 1600 Briefe des Libanius, hofft die Untersuchung aber nebst der Prosopographie der Adressaten und ihrer gleichzeitigen Homonyme in den nächsten Monaten abzuschliessen. "ür die Excerpte aus den Sammlungen der griechischen und lateini- schen Inschriften wird von mehreren Gelehrten gearbeitet. Hr. TÄugLer hat die gesammte Masse der Papyruspublicationen mit Ausnahme der allerneuesten excerpirt. Hr. Jürıcner, der Leiter der kirchengeschichtlichen Abtheilung, schreibt: »Die Excerpte aus Mıcne’s Patrologia graeca sind nunmehr vollständig eingelaufen; von der Patrologia latina fehlen immer noch ein paar Briefe [H. Bönmer hat Ende November endgültig abgesagt, KorArtscHeck seine Sammlungen noch nicht eingeliefert; Cassıonor (lat. 69. 70) hat wiederholt den Bearbeiter verloren]. Es ist zu hoffen, dass vor Mitte 1906 auch der lateinische Mıecne bis auf den letzten Rest erledigt sein wird. Die sehr umständliche Bearbeitung der Coneilienacten für unsern Zweck, die ich selber übernommen habe, schreitet langsam fort: daneben werden vereinzelte Trümmer kirch- licher Litteratur und Überlieferung, die weder bei Mısse noch bei Mansı Platz gefunden haben, ausgebeutet, insbesondere auch auf mittel- alterliche Gelehrte wie Photius und auf versprengte Notizen in den Catenen und Bibelhandschriften geachtet. Den werthvollsten Gewinn hat das verflossene Jahr dadurch gebracht, dass im Sommer die HH. EuruAarp und PreitscHhirter in Strassburg und Freiburg in dankens- werthester Weise ihre Mitarbeit in Aussicht stellen: unter ihrer An- leitung werden die riesenhaften Massen der Acta Sanctorum und über- haupt die hagiographische Litteratur von geeigneten Mitgliedern der dortigen katholischen theologischen Seminare auf das für die Prosopo- graphie nutzbare Material hin durchgesehen werden: eine Arbeit, die zwar Jahre erfordern, aber dann auch als das Hauptstück eines Per- sonalregisters zu den Heiligen-Acten von bleibendem Nutzen für die Wissenschaft sein wird. Anl. II. Bericht der Commission für das Wörterbuch der deutschen Rechtssprache, für das Jahr 1905. Von Heınrıcn BRUNNER. Die Commission in Sachen des Rechtswörterbuchs war am 21. Sep- tember in Heidelberg versammelt. Sie prüfte im Archiv des Rechts- wörterbuchs die Excerptenzettel und die Verzeichnisse der Rechtswörter Sitzungsberichte 1906. 11 108 Öffentliche Sitzung vom 25. Januar 1906. und der zusammengesetzten Wörter. Der wissenschaftliche Leiter wurde beauftragt, ein nach einheitlichen Gesichtspunkten geordnetes Verzeich- niss der Siglen für abgekürzte Anführung der eitirten Quellen anzu- legen. In Bezug auf die weitere Excerpirungsarbeit wurde beschlossen, zunächst das Material für die Zeit bis etwa 1230 in möglichster Voll- ständigkeit unter vorläufiger Zurückstellung der Profanquellen zu sam- meln. Die am Rechtswörterbuch beschäftigten Assistenten sollen über den Fortgang ihrer Arbeiten vierteljährlich an das geschäftsführende Mitglied der akademischen Commission berichten. Die Commission berieth über das Budget des Geschäftsjahres October 1905 bis Octo- ber 1906 und verhandelte über die nach den unten folgenden »Grund- sätzen über die Ausarbeitung der Wortartikel« umgearbeiteten Probe- artikel. Um sie der öffentlichen Beurtheilung zugänglich zu machen, werden sie in einem Anhang zu diesem Berichte abgedruckt, mit der Bitte, kritische Bemerkungen, zu denen sie Anlass geben sollten, an das geschäftsführende Mitglied der akademisochen Commissin, Prof. Dr. Hemrıcn Brunner, Berlin W.62, Lutherstrasse 36, einzusenden. Berieht des Hrn. ScHroEDer. Am ı. November 1905 hat die Übersiedelung des Wörterbuch- Archives in die neue Universitätsbibliothek stattgefunden. Bis dahin hatte sich das Archiv in einem unheizbaren und zu Arbeiten an Ort und Stelle selbst im Sommer kaum verwendbaren Raum des Erdge- schosses der alten Bibliothek befunden, während die Arbeiten auf einen zwei Stockwerke höher belegenen, äusserst beschränkten Raum ver- wiesen werden mussten. Nunmehr haben wir in dem neuen, präch- tigen Gebäude ein eigenes, behagliches Zimmer mit Luftheizung und elektrischer Beleuchtung, in welchem neben dem Wörterbuch - Archiv und den erforderlichen Arbeitstischen auch eine für die ferneren Ar- beiten in’s Auge zu fassende Handbibliothek der nothwendigsten Wörter- bücher Unterkunft finden kann. Hrn. Oberbibliothekar Wire, der unseren Arbeiten schon in früheren Jahren in den alten Räumen stets die wohl- wollendste Förderung hatte zu Theil werden lassen, gebührt ganz be- sonderer Dank, ebenso wohl für die Bewilligung der neuen, bequemen Räume wie für die Übernahme der nicht unbedeutenden Kosten und Arbeiten der Übersiedelung des Archives. Eine Berechnung des oflen- bar sehr beträchtlichen Zettelzuwachses des Archives seit dem vorigen Berichtsjahre musste diesmal wegen des Umzuges der Bibliothek, der mehrere Monate erforderte, unterbleiben. Die für das Wörterbuch besonders wichtige Bearbeitung des Schwa- benspiegels, die in Erwartung der Rockınger’schen Ausgabe bis dahin aufgeschoben worden war, ist im Laufe des Berichtsjahres in Angriff Eu u Zu Jahresberichte der Stiftungen und Institute. 109 genommen worden, nachdem Hr. von Rockisnser in freundlichstem Entgegenkommen einen für seinen Handgebrauch hergestellten Abdruck des Grundtextes seiner Ausgabe zur Verfügung gestellt hatte. Die Be- arbeitung, die zur Zeit bis Art. ırı des Landrechts gediehen ist, hat einer unserer bestbewährten Excerptoren, Hr. Referendar WırLy Ernst in Berlin, übernommen. Die Varianten werden erst nach völliger Er- ledigung des Grundtextes an der Hand der Rockısser’schen Arbeiten herangezogen werden. Hrn. vox Rockiseer gebührt noch weiterer Dank für die Überlassung seiner werthvollen Collectaneen aus ge- druckten und besonders ungedruckten Materialien, die für die Zwecke des Wörterbuches ausserordentlich inhaltreich waren. Da Hr. vox RockinGEr seine sämmtlichen Notizen stenographirt hatte, so wurden sie von Dr. von KünssBEre für unsere Zwecke umgeschrieben und be- arbeitet. Beiträge aus ungedruckten Materialien wurden ausserdem von Dr. HEERwAGEn, Dr. Menke und Dr. VisEnEer beigesteuert. Für eine nicht minder wichtige Aufgabe, die Bearbeitung der althochdeutschen Glossen, hatte Prof. STEINMEYER sich in entgegen- kommendster Weise bereit erklärt, uns das von ihm hergestellte alpha- betische Verzeichniss der lateinischen Wörter zur Benutzung zu über- lassen. Es hat sich aber die Nothwendigkeit einer eigenen vollstän- digen Durcharbeitung des ganzen Glossenwerkes für die Zwecke unseres Wörterbuches herausgestellt, da auch bei sorgfältigster Durchsicht des lateinischen Verzeichnisses das Übersehen wichtiger deutscher Rechts- ausdrücke zu befürchten sein würde. Die Arbeit soll in Angriff ge- nommen werden, sobald es gelungen ist, einen dafür geeigneten Ex- cerptor zu gewinnen. Von den Volksrechten waren die Leges Visigotorum und Burgun- dionum wegen ihres ostgermanischen Charakters, die Lex Salica wegen der in Aussicht stehenden kritischen Ausgabe von ZEuUNEr und Kranu- MER bisher zurückgestellt gewesen. Die Excerpte aus den beiden ersteren sind nunmehr in das Archiv aufgenommen, und die Bearbeitung der Lex Salica hat Hr. Dr. Kraumer für das Wörterbuch übernommen. Als ständige Hülfsarbeiter blieben auch in diesem Jahre Dr. Lro- roLD Prrers und Dr. Gustav Want in Thätigkeit. Der letztere, der seine Wörterbucharbeit wegen seiner Berufsaufgaben wesentlich ein- schränken musste, widmete sich vornehmlich den mehr philologischen Aufgaben, namentlich der Eindeutschung der angelsächsischen und anderer schwierigerer Wörter. Einen werthvollen Mitarbeiter besassen wir ausserdem während des Sommerhalbjahres an Dr. jur. Eser#arp Freiherrn von Künssgere, und es besteht die Hoffnung, seine bewährte Arbeitskraft demnächst wieder für die Zwecke des Wörterbuches zu gewinnen. Ius 110 Öffentliche Sitzung vom 25. Januar 1906. Umfangreiche Beiträge sind auch im Laufe des vergangenen Jah- res von der unter Hrn. Prof. von Scuwınn stehenden österreichischen Subeommission eingeliefert worden. Ebenso fuhr die schweizerische Subeommission unter Leitung des Hrn. Prof. Eusrn Huger fort, unser Archiv durch weitere werthvolle Ergänzungen zu bereichern. ED nein A Verzeichniss der im Jahre 1905 ausgezogenen Quellen. (Die Beiträge der schweizerischen Commission sind mit *, die der österreichischen mit "* bezeichnet.) Aardenburg, Rechtsbronnen der stad, uitg. d. G. A. Vorsterman van Oyen, Oude vaderl. Rechtsbronnen I, nr. 15. s’Gravenhage 1892: Dr. van Vreuren, München. *Abraham a Santa Clara (Ulrich Megerle), Einzeldrucke: Marır Herzmanskv, Wien. Acta Tirolensia I, Voltelini, Südtiroler Notariats-Imbreviaturen des XIH. Jhs. ı. Teil, Innsbruck 1899 (vollendet): Dr. Esernarp v. Künsszere. Alt. Landes, Das Recht des Alten Landes von ı517, Pufendorf, Observationes IV, App- stat. nr. 2 und 3, S. 40— 50: Paur Kırschner, Berlin. Andreas von Regensburg, Chronik der Fürsten zu Bayern, Quellen und Erörterungen z. bayer. und deutschen Gesch. N.F.I, S. 589 — 655 (begonnen): Dr. Gusrav Want. Archiv f. Unterfranken u. Aschaffenburg Bd. 46: Dr. EseruAarp v. Künssegenc. * Archiv f. schweiz. Geschichte III: stud. jur. WaArter Stuger, Seminar Gmür, Bern. *Archiv d. Vereins f. siebenbürg. Landeskunde, I-XXXI: Ferıx Körrer, rechtsw. Seminar, Wien. Bamberg, Reformation des Gerichts der Dechaney des Thumstifts zu Bamberg, 1463; Ordnung u. Erelerung der Reformation, 1488: Oberlehrer Dr. Scheer, Steglitz. Blankenburg (Thür.), Stadtr. v. 1456 und 1470, Michelsen, Rechtsdenkmale aus Thüringen 234ff.: Dr. van Vreuren, München. “=Blumenegg, Der confirmirte landsbrauch der freien Reichsherrschaft Blumenegg, 1609: 37. Jahresbericht des Vorarlberg. Museums-Vereins, 1898: Rechtskandidat Wiırn. RoTtLeiıtuner, Innsbruck. Brandenburg, Urkundliches Material aus den Brandenburger Schöppenstuhlsakten. Unter Mitwirkung von Deichmann und Friese hrsg. von Adolf Stölzel, 4 Bde., Berlin 1901: Dr. Freiherr v. Scuwerın, München. Bremen, Des Herzogtums Bremen Ritterrecht v. 1577, erneuert und mit Zusätzen versehen, 1738, Pufendorf, Observationes IV, App. stat. nr. ı, S. 3—39: Pau Kırschxer, Berlin. *Briefe des Kaisers Leopold I. an den Grafen Pötting, II. Teil, Font. rer. Austr. II, Bd. 57: Ferıx Körzer, rechtsw. Seminar, Wien. Buttelstedt, Statuten der ‚Stadt (Sachs.-Weimar), Joh. Schmidt, Ältere und neuere Gesetze, Ordnungen und Circularbefehle f. d. Fürstentum Weimar VII (1803), 295ff.: Dr. van Vreuten, München. *y. Chlumecky, Einige Dorfweistümer, Archiv für Kunde österreichischer Geschichts- quellen XVII, ı ff.: N. Terscn. *Codex Austriacus I (Fortsetzung). Gerhabschaftsordnung von 1669: A. Gar. *Codex diplomatieus von Churrätien II, III: Rechtskandidat Unxtzser, Seminar Gmür, Bern. Croeser, Ontwerp-Stadregt van Campen, door H. Croeser, uitg. door Bijsterboo. Zwolle 1892, Werken der Vereeniging tot beoefening der Overijsselsche Regten en Geschiedenis. Overijsselsche Stad-, Dijk- en Markeregten, I. Deel, II. Stuk: Dr. Terrine, Haag. Duderstadt, Urkundenbuch der Stadt, bis zum Jahre 1500, hrsg. von J. Jäger, Hildesheim 1885: Dr. Scnorreuıus, Braunschweig. Ennen, L., und G. Ecekertz, Quellen zur Geschichte der Stadt Köln I— VI, Köln 1860— 79: Prof. Liesegang, Wiesbaden. Erfurt, Freizinsordnung 1495, Michelsen, Rechtsdenkmale aus Thüringen 307 ff.: Dr. van Vreuten, München. Erfurt, Gerichtsordnung 1483, Michelsen, Rechtsd. 345 fl.: Dr. van Vreuren. Erfurt, Ratseid (um 1500), Michelsen, Rechtsd. 527: Dr. vav Vreuren. Jahresberichte der Stiftungen und Institute. dal Erfurt, Ratsgerichtsbuch 1482— 1492, Michelsen, Rechtsd. 356— 412: Dr. van VLEUTEN. Erfurt, Salzmarktsordnung, 16. Jh., Michelsen, Rechtsd. 4ı3ff.: Dr. van Vreuren. Erfurt, Wasserordnung von 1483 und um 1500, Michelsen, Rechtsd. 105 f., 1ogfk.: Dr. van VLeuTEn. Ernst, Herzog, hrsg. von K. Bartsch, Wien 1869: cand. phil. Warruer KotzEngBErg, Charlottenburg. “Exodus, Die altdeutsche, hrsg. von E. Kossmann 1886, Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte Bd. 57: Herrıcn Frısa, Teschen in Schlesien. *Feldkircher Stadtrecht, Zeitschrift f. Gesch. des Oberrheins Bd.2ı: G. Fränker. *Finsterwalder, Practicarum observationum ad consuetudines Archiducatus Austriae Superioris accommodatarum libri duo, auctore Benedicto Finsterwalder: Franz Kanra. *Foffa, Das bündnerische Münsterthal: Rechtskandidat Untzwer, Seminar Gmür, Bern. Frankenthal, Monatsschrift des Frankenthaler Altertumsvereines IX (1901): ScHröDEr und Dr. EperuAarn v. Künssgerc. Freiberger Stadtrecht, hrsg. von Ermisch, Cod. dipl. regni Saxoniei II, Bd. 14, S.ı— 153; Innungsartikel und Zusätze zum Stadtrecht, ebd. S.154— 171; Ver- zählbuch, ebd. S.ı77 — 265: Dr. G. Lenxert, Giessen. *Freiburg i. Üchtl., Übersetzung der Handfeste von 1410, hrsg. von Lehr, 1880 (vollendet): Rechtskandidat Herz, Seminar Gmür, Bern. “Friedrich von Sonnenburg, hrsg. von O. Zingerle, Ältere Tiroler Dichter I, ı. Innsbruck 1878. (12./13. Jh.): Stud. phil. Paur Pırker, Wien. Gelnhäuser Gerichtsbuch von 1411 — 1419 (S.ı7— 25) und Ratsprotokolle von 1476— 1485 (S. 31—35), Euler, Zur Rechtsgeschichte der Reichsstadt Gelnhausen. Frankfurt a. M. ı874 (Neujahrsbl. des Vereins f. Geschichte und Altertumsk. zu Frankf. a. M. für 1874): Rechtspraktikant Gorteın, Heidelberg. *Genesis (Vorauer Handschrift), Deutsche Gedichte des ı1./ı2. Jhs., hrsg. von J. Diemer: Heinrich FrısA. (Gobler?), Gerichtlicher Process, auss Grund der rechten und gemeyner übung zum fleissigsten in drei theil verfasset. Frankfurt 1536: Dr. E. Beure, Berlin. Gobler, Der Rechten Spiegel. Frankfurt 1550: Dr. E. Beurer, Berlin. Gobler, Das Statuten Buch, Besatz, Ordnungen u. Gebräuch, Kaiserlicher, ... Land und Stett Rechten. Frankfurt, Egenolffs Erben, 1558: Dr. E. Brur£, Berlin. Gottfried von Strassburg, Tristan, hrsg. von Reinh. Bechstein. Leipzig 1873. (Unter Heranziehung der Ausgabe von W. Golther, Deutsche Nationallitteratur IV): Stud. Arruur Mürrer, Seminar Roethe, Berlin. Guben, Die Rechtsbücher der Stadt, hrsg. von Sausse, Guben o. J.: Rechtsprak- tikant Gorteıs, Heidelberg. Hach, Das alte Lübische Recht, hrsg. von J. F.Hach, Lübeck 1839 (angefangen): Dr. Rınrezex, Charlottenburg. Hameln, Urkundenbuch von, I. hrsg. von Meinardus (angefangen): Dr. Sorr, Karlsruhe. Hanserezesse, 2.Folge I—-VI, 3. Folge I—VII: Amtsrichter Dr. Bopen, Hamburg. *Hoheneck, Die löbliche herren stände des Ertzhertzogthumb Österreich ab der Enns ... oder genealog- und historische Beschreibung von deroselben ankunfft, stifft ete. zusammengetragen durch dero mitglied Johann Georg Adam Freyherrn von Hoheneck. Passau. I (1727). U (1732). IH (1745): Epw. ZELLWECKER. Homeyer Klenkok, Johannes Klenkok wider den Sachsenspiegel. Von G. Homeyer, Abh. d. Berl. Ak. d. Wiss. 1855, S. 377ff.: Referendar Wırıy Erst, Berlin. “Jansen Enikel, Weltchronik, hrsg. von Strauch, Mon. Germ. hist., Script. vern. lingua usi III, ı: stud. phil. Paur Pırrker, Wien. *Jansen Enikel, Fürstenbuch, hrsg. von Strauch, Mon. Germ. hist., Script. vern. lingua usi III, 2: Pur Pırker. “Jansen Enikel, Das Landbuch von Österreich und Steier. Einleitung zu Jansen Enikels Fürstenbuch, hrsg. von Lampel, Mon. Germ. hist., Seript. vern. lingua usi III, 2, S. 687— 729: PAur Pirker. * Jansen Enikel, Babenbergische genealogie, hrsg. von Strauch, Mon. Germ. hist., Script. vern. lingua usi III, 2, S. 6860— 686: Paur Pırker. Informatio, Über die Informatio ex speculo Saxonum. Von G. Homeyer, Abh. d. Berl. Ak. d. Wiss. 1856, S. 62g9ff.: Referendar Wırry Ernst, Berlin. Öffentliche Sitzung vom 25. Januar 1906. *Joachimsthaler Bergordnungen von ı518 und 1541 und Privileg von 1638, Wagner, Corpus juris metallici: Dr. Eneruarn v. KüxssperG,, Sem. v. Schwind, Wien. “Judith, Die jüngere, Deutsche Gedichte des r11./12. Jhs., hrsg. von J. Diemer: Heisrıcn Frısa. . Klingen, Stadtrecht vom Jahre 1353 an, Michelsen, Rechtsd. ı89ff.: Dr. van Vreuren, München. “"Kuttenberger Bergordnung, 14. Jh., Wagner, Corpus juris metalliei: Dr. Eser- marp v. Künssperg, Sem. v. Schwind, Wien. *Landrecht der Siebenbürger Sachsen von 1583. Hermannstadt 1779: Dr. Eseruarn v. KünssgerG, Sem. v. Schwind, Wien. “*Landsbrauch des Innerbregenzer Waldes, 1774: Rechtskandidat Wıru. Rorrrerruxer, Innsbruck. *Leben des heil. Hieronymus, in der Übers. des Bischofs Johannes von Olmütz, hrsg. von Anton Benedict (um 1370). Prag ı880. (Bibl. der mhıd. Literatur in Böhmen, IU.): Varıy Horner, germ. Sem., Wien. Leges Visigothorum ed. K. Zeumer, Mon. Germ. hist., Leg. seetio I, tom. I. Hann. und Leipz. 1902: Schröner. Limburgsche Wijsdomen, uitg. door Jos. Habets, Oude Vaderlandsche Rechts- bronnen I, nr. ı2. s’Gravenhage 1891: Dr. van Vreurex, München. Lübeck, Urkundenbuch der Stadt, V und VI: Referendar E. Rusex, Berlin. Lüneburg, Stadtrechtsreformation von 1577—1583, Pufendorf, Observationes IV, App- S. 624 — 856: Rechtspraktikant Karı Beexrer, Mannheim. Magdeburg, Laband, Das Magdeburg - Breslauer Systematische Schöffenrecht aus der Mitte des 14. Jhs., Berlin 1863: Dr. Freiherr v. Schwer, München. Magdeburg, Magdeburger Schöffensprüche, Gaupp, Das schlesische Landrecht, Leipzig 1828, S. 255 — 276: Dr. Freiherr v. Schwerin. *Memoires et documents de la Suisse romande, XXIII, Urkunden von Greyerz: Rechtskandidat Sruger, Sem. Gmür, Bern. Mittheilungen der Bad. Hist. Kommission Nr. 1.23 (1901): Dr. Horr in Freiburg i. Br. Monumenta Germaniae historiea, Auct. antiquiss. XIV, 1905: Dr. Leororn Prrers. Monumenta Germaniae historica, Leg. sectio IV, Constitutiones et acta publica impera- torum et regum, tom. I: Dr. Ernst Prrers, Berlin. *Monumenta Hungariae iuridico -historica, Corpus statutorum IV, 2, Statuta Muni- eipalia Hungar. Cisdanub. Budapest 1897: Ferıx Körrer, rechtsw. Seminar, Wien. Monumenta Zollerana, hrsg. von Stillfried und Märcker I. (1852). IL: Dr. Hrer- WAGEN, Nürnberg. *Munieipal-Constitutionen der Siebenbürger (16.—ı8. Jh.), Hermannstadt 1862: Dr. Esernarn v. Künssperg, Seminar v. Schwind, Wien. Münster i. Westf., Die Gewerbe der Stadt, hrsg. von Krumbholtz, 1898, Publi- kationen aus den K. Preussischen Staatsarchiven, Bd. 70: Dr. Kornxe, Berlin. Notariat und Teutsche Rhetorie, Frankfurt a. M. 1538, 1565, 1567, 1585: Dr. VAN VLEUTEN, München. Notariat, Kunst des, Nürnberg 1502: Dr. van Vreuren, München. Peine, Statuten von 1597, Pufendorf, Observationes IV, App. S. 242 — 281: Rechts- praktikant Karı Becker, Mannheim. Pertz, Monumenta Germ. hist., Diplomatum imperii I. ed. K. F. A. Pertz, Hannoverae 1872 fol., ı. Diplomata regum Francorum e stirpe Merowingica. 2. Diplomata maiorum domus e stirpe Arnulforum: Dr. Raucı, Charlottenburg. Pertz, Monumenta Germ. hist., Diplomatum imperiü I. Diplomata spuria: Dr. Raven. “Pfarrer von Kalenberg, Narrenbuch, hrsg. von Bobertag, Deutsche Nationallittera- tur XI: Dr. Dorımaver. *Pupikofer, Geschichte des Thurgaus, Anh. Urkunden I. I.: Rechtskandidat Horger, Seminar Gmür, Bern. Reiehsabschiede, Neue und vollständigere Sammlung der Reichsabschiede, welche von Konrad I bis jetzo auf den Teutschen Reichs-Tägen abgefasset worden. [Hrsg. von Ernst Aug. Koch.] Th. 1—4. Franckfurt a.M. 1747 (angefangen) I: Dr. Fürstenav, Berlin; IL: Dr. Kurr Perers, Kiel. Reichstagsakten, Deutsche, ältere Reihe VII. VII.: Dr. Vısexser, Giessen. Rostock, Älteste Gerichtsordnung, Beiträge zur Geschichte der Stadt Rostock III, 4, S.65f.: Dr. vay Vreuten, München. Bew u u DE De Ed Jahresberichte der Stiftungen und Institute. Il5 Rudolf, Graf, hrsg. von Wilhelm Grimm, Göttingen 1844: cand. phil. Warrmer Korzexgers , Charlottenburg. *Sankt Gallen, Rechtsquellen des Kantons, hrsg. von Gmür, I, ı. 1903, Schweizer Rechtsquellen: Stud. jur. Isexscummp und Rechtskandidat Scnumacner, Seminar Gmür, Bern. Schlesisches Goldrecht (13. Jh.), Gaupp, Das schlesische Landrecht, 1828, S. 229 f.: Dr. LreoroL.n Perers. Schlettstädter Stadtrechtsquellen, hrsg. von J. Geny, Heidelberg 1902, Oberrh. Stadtrechte III. Abteilung. (Nunmehr zum Abschluss gebracht): Schröner, Prof. Lorextzen, Dr. Herrmann, cand. phil. P. Kırscnser, Stud. Josern, Stud. v. Raven, Heidelberg. *Schmeltzl, Wolfgang, Ein Lobspruch der Stadt Wien, 1548, Wien 1849: Hans Sıesrer, Kremsmünster. Schwabenspiegel, Handdruck für Rockingers Schwabenspiegelausgabe nach der Frei- burger Handschrift und der vergleichenden Übersicht ihrer Texteinteilung mit der von Schwsp. L. bei L. v. Rockinger, Zu Handschriften der jüngeren Gestalt des Kaiserlichen Land- u. Lehenrechts, Abh. d. Münch. Ak. d. Wiss. Phil. Kl. Bd. 22, 3. Abt. (Bis Art. ırı [L. 1235] fertig): Referendar Wırry Ernst, Berlin. *Siebenbürger Landrecht, Eigen-Landrecht der Siebenbürger Sachsen, Text nebst Kommentar von Reusner, Wittemberg ı722, Leipzig 1744, Hermannstadt 1780: Ferıx Körrer, rechtsw. Seminar, Wien. Soest-Siegen, Schöffensprüche für Siegen, Wigand, Archiv für die Geschichtskunde Westphalens VII, S. 537—65: Dr. vax Vreuren, München. *Sonnenfels, Briefe über die Wiener Schaubühne, Wien 1768, Wiener Neudrucke 7: Frau Dr. Cnrısrıne Souaıtrox - Ausrirz, germ. Seminar, Wien. *Statuta iurium municipalium der Siebenbürger Sachsen, hrsg. von Schuler von Libloy, Hermannstadt 1853: Ferıx Körrer, rechtsw. Seminar, Wien. *Sterzinger Stadtbuch, Anhang, Geschichtsfreund 1866: G. Fränker. Strassburger Münz- und Hausgenossenrechte, K. Th. Eheberg, Über das ältere deutsche Münzwesen und die Hausgenossenschaften, Leipzig 1879, S. 184 — 208 (Schmoller, Staats- und sozialwissensch. Forschungen V, 2): Dr. Eseruarn v. Künss- BERG und Berruarnı. *Suchenwirt, Peter, Werke, hrsg. von A. Primisser, Wien 1827. (14. Jh.): Pau Pırker, Wien. Turmair’s gen. Aventinus Bayer. Chronik, hrsg. von M. Lexer. Bd. 1, r. 1,2. 2 in Turmair’s sämmtl. Werken hrsg. von d. K. Bair. Akad. d. Wiss. IV, 1.2. V (be- gonnen): Dr. Gustav Wanr. *Urkundenbuch des Landes ob der Enns V (1868): Orro Back. *Urkundio, Solothurn Urkundio IL. I. 1857: Rechtskandidaten Werxer und SrugeEr, Seminar Gmür, Bern. *WValvasor, Die Ehre Krains. Laibach 1689: Karı Kreıster. *Waadt, Der Landschaft Waadt Satzung und Statuten, Bern 1616 (vollendet): En. Stein. Weimar, Stadtbuch 1381—1392, Michelsen, Rechtsd. 267 ff.: Dr. van Vreuren, München. Wigand, Denkwürdigkeiten für deutsche Staats- und Rechtswissenschaft, für Rechts- altertüimer, Sitten und Gewohnheiten des Mittelalters, gesammelt aus dem Archiv des Reichskammergerichts zu Wetzlar, Leipzig ı854: Dr. E. Brurr, Berlin. “Willkür der Sachsen in dem Zips von 1370, Michnay und Lichner, Ofner Stadt- recht, Pressburg 1845: Dr. Erernarn v. Künssperg, Seminar v. Schwind, Wien. Wirnt von Gravenberg, Wigalois, hrsg. von Franz Pfeiffer, Leipzig 1847. (Mit Her- anziehung der Ausgabe von Friedr. Benecke, Berlin 1819): Stud. Arrnur Mürrer, Seminar Roethe, Berlin. Wirtembergisches Urkundenbuch VII (fertig), IX (angefangen). Ausserdem archivalische Materialien aus Stuttgart: Dr. Menrıns, Stuttgart. *Wolfdietrich B, hrsg. von A. Amelung und O. Jänicke, Deutsches Heldenbuch III, Berlin 1871: Max Wınxer, germ. Seminar, Wien. * Zeitschrift f. schweiz. Recht. N. F. VI, 255fl.: stud. jur. Warrer Stuser, Seminar Gmür, Bern. Zeitschrift f. d. Gesch. d. Oberrheins XXXVI N.F. XVI. XVII: Dr. Horr, Freiburg i. Br. 114 Öffentliche Sitzung vom 25. Januar 1906. Zerbst, Neubauer und Siebert, Das älteste Schöffenbuch der Stadt Zerbst, Zerbst 1900 (S.-A. aus den Mitteil. des Vereins für anhalt. Gesch. VIII): Dr. van Vreuten, München. Zivier, Akten und Urkunden zur Geschichte des schlesischen Bergwesens, Kattowitz 1900: Dr. van VLEuUTEn, München. * Zürcher Stadtbücher, hrsg. von Zeller-Werdmüller II (vollendet): Rechtskandidat Len- MANN, Seminar Gmür, Bern. *7Zycha, Adolf, Das böhmische Bergrecht des Mittelalters. 2 Bde., 1900: Stud. ScHRANIL, Seminar Zycha. Belgische Quellen, ausgezogen von Hrn. Prof. bes MaArzz in Brüssel. Foppens, F., Auberti Miraei Opera diplomatica. Lovanii et Bruxelles 1723 — 48. 4 vol. Willems, J. F., Brabantsche Yeesten. Codex diplomaticus. Tomes I. II. Bruxelles 1839 — 43. Coutumes de Belgique. Quartier de Gand. Tomes VI. VIII: Coutumes du Vieux Bourg de Gand, publiees par D. Berten. Bruxelles 1904. Tome IX: Coutumes des seigneuries enclavees dans le Vieux-Bourg de Gand, p. p. D. Berten. Bru- xelles 1904. Tome XI: Coutumes de la Ville et chatellenie de Courtrai par le Cte de Limburg-Stirum. Bruxelles 1905. Coutumes de Belgique. Quartier de Furnes.. Tome IV: Coutumes de la ville et chatellenie de Furnes, par Gilliodts-Van Severen, Brux. 1897. Tome V: Cou- tumes de la ville et du port de Nieuport, par le meme, Bruxelles 1901. Tome VI: Coutumes de Lombardside, Loo et Poperinghe, par le m&me, Bruxelles 1902. Coutumes de Belgique. Coutumes du pays de Looz .... par L. Crahay. 3 vol. Bruxelles 187 1— 1897. Coutumes de Belgique. Coutumes du duche de Limburg et du pays d’Outre Meuse, p- p- C. Casier et L. Crahay. Bruxelles 1889. Coutumes des pays, duche de Luxembourg et comte de Chiny, p. p. Leclerg. 2 vol. et 2 supplements. Bruxelles 1867— 1887. Coutumes de la ville de Maestricht, p. p. L. Crahay. Bruxelle 1876. (Recueil des anc. cout. de Belgique.) Inventaire chronologique des chartes de la ville d’Arras (par Guesnon) s. 1. n. d. Vanderkindere, Deux notes A propos de Ucele, Bull. de l’acad. roy. Belg. 1904. Von der Commission festgestellte Grundsätze für die Ausarbeitung der Wortartikel. Die Reihenfolge der Wortartikel ist streng alphabetisch; die offizielle neuhochdeutsche Orthographie soll dabei maßgebend sein und demgemäß auch f und v im Anlaut auseinandergehalten werden. Dagegen wird bei Verteilung der Artikel unter die Bearbeiter das entscheidende Gewicht auf den Wortstamm gelegt (Schmellersches System). Als Stichwort, unter dem das einzelne Rechtswort nachzuschlagen ist, kommt nur dessen neuhochdeutsche Form, falls vorhanden, in Betracht. Eine solche neuhochdeutsche Form wird für das Stichwort konstruiert, wo der aus der älteren Sprache entlehnte Rechtsausdruck in neuhochdeutsche Lautform umgesetzt verständlich bleibt (z. B. Walraub, nicht aber Weiße — wize). Ist die neuhochdeutsche Lautform nicht anwendbar, so wird eine möglichst junge und dem Neuhochdeutschen möglichst nahestehende Form gewählt (also wize, nicht wite oder gar witi; lieber mhd. als mnd., lieber mnd. als ae.: lieber mhd. als ahd.). Soweit es zur Erleichterung des Auf- findens dient, werden auch abweichende Wortformen an der ihnen alpha- betisch zukommenden Stelle des Wörterbuchs als Stichworte aufgenommen, aber nur mit einem Hinweis auf den Artikel, der sie behandelt, versehen. a rn ee PETE NEE a aan u a - - E Jahresberichte der Stiftungen und Institute. 115 Als Type wird die gerade Antiqua zugrunde gelegt, in ihr werden die Quellentextstellen gedruckt, weil sie in dem Werke den breitesten Raum einnehmen, ebenso das an der Spitze jedes Artikels stehende, dort fett zu druckende Stichwort. Auch für Zahlen und Petitdruck dient die gerade Antiqua. Die Kursive wird verwendet für die eigenen Ausführungen des Verfassers, einschließlich der Bezeichnung der Quellen. In den Zitaten tritt die Angabe der Quelle (Titel, Buch-, Paragraphen-, Seiten-, Zeilenzahl) hinter deren wiedergegebenen Wortlaut, sofern nicht im Einzelfall die Stilisierung ein anderes erheischt. Text und Quellenangabe folgen sich ohne Interpunktionszeichen; nur wo die letztere voransteht, trennt das Kolon. Heimat und Alter einer Quelle, die nicht ganz allgemein bekannt ist, sind jedesmal anzugeben, zumal bei Urkunden und Weistümern. Zur Bezeichnung wiederholter Auflagen von Büchern dient der Exponent. Hierbei sowie bei Zitaten von Bänden der Zeit- und sonstigen fortlaufend erscheinenden Schriften werden arabische Ziffern gebraucht, desgleichen bei Anführung der Seitenzahl.! Römische Ziffern werden verwendet beim Zitieren von Bänden eines in sich geschlossenen Werkes, auch wenn dasselbe noch unvollendet ist. Zwischen die Band- und Seitenzahl tritt, falls die erstere arabisch ist, ein Komma, sonst nichts. Mehrere unmittelbar nebeneinander angeführte Quellenstellen gleicher Bedeutung werden durch Semikolon, bloße Seitenzahlen durch Punkt getrennt. Zur Seitenzahl kommt bei Urkunden- büchern noch die Nummer der Urkunde. Solche Fundstellen, deren Text nicht angeführt wird, sind an der einschlägigen Stelle des Wortartikels hinter den Textzitaten zu verzeichnen. Die Abkürzungen der Büchertitel und Quellenangaben, der grammatischen Termini, der geographischen Namen sind genau nach einem einheitlich aus- gearbeiteten Verzeichnis der Abkürzungen vorzunehmen, das jedem Mit- arbeiter zugehen wird. Für die Disposition innerhalb des einzelnen Artikels gelten folgende Regeln: 1. Der Artikel beginnt mit dem Stichwort und verzeichnet zunächst die verschiedenen Wortformen, unter Ausscheidung rein graphischer Varianten. Das Sprachgebiet, die Wortart, bei Substantiven das Geschlecht, und hier sowie bei Verben die Beugungsart werden durch Sigel bezeichnet?: doch dürfen die Angaben über Wortart, Geschlecht und Flexion bei den einzelnen Wortformen fortfallen, wenn diese sämtlich dieselbe Wortart, dasselbe Ge- schlecht und dieselbe Flexion haben wie das Stichwort, also: Pflege stf., ags. plega, mhd. phlege, mnd. plege; aber wize stf., ahd. wizi stn., as. witi stn., mnd. wite stf. Das Stichwort wird nur am Anfang des Artikels und auch da nur dann mit einem großen Anfangsbuchstaben geschrieben, wenn es als neuhochdeutsches Hauptwort behandelt ist. Vokalqualitäten werden nicht bezeichnet. Dagegen wird das etymologische Längenzeichen (Zirkumflex) bei Angabe der verschiedenen Wortformen und bei einzeln angeführten alt- deutschen Wörtern (also auch beim Stichwort, wenn es nicht nhd. Lautform trägt) gebraucht, nicht aber in den Quellenstellen. Lateinische Bezeichnungen ! Bei Einleitungen mit römischen Seitenzahlen sind römische Ziffern zu verwenden. 2 Als Sigel dienen a., m., n. für alt-, mittel-, neu-; got., n., nd., hd., fr., s., ags., e., für gotisch, nordisch, niederdeutsch, hochdeutsch, friesisch , sächsisch, angelsächsisch, englisch. Also an. — altnordisch. 116 Öffentliche Sitzung vom 25. Januar 1906. für die Wörter werden grundsätzlich nur, wenn sie quellenmäßig sind, gegeben (also in gerader Antiqua). 2. Es folgen kurze Angaben über die Herkunft des Wortes, insoweit sie zum Verständnis der Grundbedeutung wünschenswert sind. 3. Die älteste Wortbedeutung wird mitgeteilt, und kurz ausgeführt wie sich die Bedeutung im gemeinen Sprachgebrauch weiter entwickelte, während im übrigen nur die in der Rechtssprache vorkommenden Bedeutungen berück- sichtigt werden. 4. Gebrauch und Bedeutung des Wortes als Rechtswort wird im einzelnen dargestellt. Dies geschieht in möglichst knapper Fassung, bei welcher vollständige Sätze nicht erforderlich, längere abgerundete Perioden zu vermeiden sind. Polemik ist unzulässig, unbeschadet der Erwähnung abweichender Ansichten. Bei nicht ganz kurzen Artikeln findet eine Glie- derung in Unterabteilungen statt (Schema: ]. 1. a. a. a). Sowohl für das Wort wie für seine verschiedenen Bedeutungen ist die zeitliche und örtliche Verbreitung möglichst anschaulich zu machen. Die Hauptbedeutung jeder Unterabteilung und das Wort selbst in jeder Belegstelle ist durch Sperrdruck auszuzeichnen. Die Texte werden von den Bearbeitern in der Schreibweise der Quelle wiedergegeben; erst bei der Schlußredaktion soll von einer Hand die Orthographie insoweit vereinfacht werden, als unter ihren Aus- wüchsen die Verständlichkeit leiden würde. 5. Die Zusammensetzungen des Stichworts, in denen dieses nicht an erster Stelle steht, werden am Schluß des Artikels in alphabetischer Reihen- folge aufgezählt. Ebenso ist dort und am Schlusse der einzelnen Unter- abteilungen auf bedeutungsverwandte Worte zu verweisen. 6. Angehängt werden Literaturhinweise (in Petit Antiqua), wobei aber die landläufigen Wörterbücher nur angeführt werden, wenn sie dem Wort eine besondere Berücksichtigung widmen. Probeartikel. Die folgenden Probeartikel wollen ein Bild davon geben, welche Einrichtung die Artikel des Rechtswörterbuchs haben sollen; dagegen beanspruchen sie in keiner Weise, das Material zu erschöpfen. zeichnung für denselben Begriff, für Köln I. im 12. Jahrh. bezeugt, in Süd- und West- Makler (Mäkler) stm., gewerbmäßiger | deutschland herrschend, auch nach Mittel- Vermittler von Handelsgeschäften. und Norddeutschland (Braunschweig, Han- I. Verbreitung. Das Wort ist aus | nover, Hildesheim) vorgedrungen, wird in dem Niederdeutschen ins Hochdeutsche seit | Norddeutschland schon im Mittelalter, im dem 17. Jahrh. eingedrungen. Haltaus | übrigen Deutschland seit dem 18. und 19. Glossar (1758) kennt es nicht; Adelung | Jahrh. durch Makler aus dem Gebrauch III (1777) 8. 329 bezeichnet es als in | verdrängt. In der Schweiz ist Makler noch einigen Handelsstädten besonders Nieder- | heute unbekannt. Am frühesten bezeugt ist sachsens üblich. Doch gebraucht es schon | M. in den Niederlanden: 1252 ordinand- die Leipziger Wechselordng. v. 1682; eine | che van den lone van den makelaers Ordnung von Frankfurt a. M. 1685 (Sie- | (Hans. UB. I n. 436 S. 157), eine Ver- gel Corp. jur. camb. 11; Uhl, Forts. v. | ordnung der Gräfin Margarethe v. Flan- Siegel 190), in Frankfurt und Nürnberg | dern für die deutschen Kaufleute. 1291 noch zusammengestellt mit Unterkäufer | Dordrechter Kore für alle, die make- (Roth, Gesch. des Nürnb. Handels IV 332). | lare te wesene beabsichtigen (das.n. 1090 Unterkäufer (s. d. Wort), die ältere Be- | 8. 376). Von e. 1300 ab M. in Lübeck, 2 4 E Jahresberichte der Stiftungen und Institute. Bremen, Hamburg, Wismar, Rostock, Dan- zig. Um 1330 in Braunschweig ein Statut van den underkoperen, in dem einmal der Ausdruck mekellere neben dem sonst | ständig gebrauchten underkoper vorkommt (UB. Il n. 876 S. 516); nachher in den Statuten und Eehtdingen braunschweigs nur mekeler. Diese Form ist die regel- mäßig in den niederdeutschen Städten vor- kommende, während in den niederländi- schen makelaar vorherrscht: mekeler in den Brügger Statuten v. 1348 (Hans. UB. III n. 573). Die Verbreitung des Worts ist offenbar durch den hansischen Handel von den Niederlanden aus über das nörd- liche Deutschland erfolgt, weshalb man es in Sachsen im 17. Jahrh. als ein spezifisch hansisches Wort ansah (Grimm DWB.VI 1489). Aus dem Deutschen ging es in das Dänische maegler und in das Schwedische mäklare über. In e. schwed. Urk. v.1407 maekla oc unskilia, mäkeln und ent- scheiden (Silfverstolpe, Svenskt Diplomat. 1 [1875] ». 801). /m Hochdeutschen fin- den sich nur vereinzelte Spuren: mecheler (s. u.) und macher (s. u.). Latinisiert be- gegnet es als macalarius: prosenetha a) seu makalarius 1360 flandr. Priv. für d. deutschen Kaufleute (Hans. UB. III S. 247 819). Im Fran- zösischen maquignon de chevaux Rop- täuscher, maquereau Äuppler. II. Herkunft. M. ist von dem Ver- -bum makeln swr. gebildet, das sich selbst zu maken stellt wie lächeln zu lachen, streicheln z% streichen, fächeln zu fachen, schmeicheln zu schmeichen (über Verbal- Diminutive vgl. Grimm, Gramm. 1IL [1890] 5. 662). Da maken wie das hochdeutsche machen verwendet wird für: ausmachen, zustande bringen, unterhandeln, vermitteln — (Archenholz, kl. histor. Schriften I [1791] 5. 10, von K. Friedrich Wilhelm 1. und seinen großen Grenadieren sprechend: er nahm sich aller ihrer Angelegenheiten an, führte ihre Prozesse, machte ihre Heiraten .) — so bedeutet makeln (mäkeln) das geschäftige sich Hin- und Herbewegen, auch wohl das hleinliche Bemühen einer Person, zwei Parteien handelseins zu machen, durch Überbringen von Anträgen und Gegenan- trägen zu einer Einigung über Ware und Preis zu bewegen. maeckeln— conciliare, transigere Kilian, Etymologieum Teuto- 17, nicae linguae (1599): den handlern und macher diser sach hand wir geben Urbar des 15. Jahrh. von St. Urban bei Bern, Fontes rer. Bern. 11 8.53. Mack- len und Unterhandeln Frankf. Ordng. der Wechselmakler v. 1799 als Bezeich- nung der Tätigkeit des M. Da zur Tä- tigkeit des M. das Prüfen der zu verkau- fenden Ware gehörte und er gelegentlich deren wahre oder angebliche Mängel rügte, um einen desto wohlfeilern Preis bedingen zu können, so warf man das Wort mit mäkeln ZUSsamımen, das, von dem lat. ma- eula abgeleitet, nichts mit unserm W. zu tun hat. So das Bremische Wörterb. I (1768) 5. 115: mäkeln sollte wohl eigentlich heißen: Mäklerey treiben, wir brauchen es aber nur für: tadeln, Fehler finden. II. Gebrauch. Der M. ist over den cope, over ind ane den cop: er bringt de koplude van beiden ziiden to hope Hans. UB.VIlI n.119 8.92 (Nowgoro- der MO. 1452), er hilft kaufen und ver- kaufen, auch schlechthin: kauft und ver- kauft. Am schärfsten drückt seine Tätig- keit die beliebte Wendung aus: den kop maken d.h. das Handelsgeschäft zustande bringen. Nen mekeler enschal kop maken, he en bringe mund tegen mund Lüb. UB.VI n.784 8.765 (1 9. Jahrh. init.); de mekelere, de den koop ma- keden, bekunden den Preis, den eine Ware zu einer bestimmten Zeit hatte, Hans. UB. IV n.833 5.350 (1385 Braunschwg. Ratsurk.); Greifsw. Zunfturk. I [1901] S.121 (Greifsw. MO. v. 1443). Zu dieser Hilfeleistung beim Handel sind die M. obrigkeitlich bestellt und werden beim An- tritt ihres Amts mit einem Eide belegt; deshalb auch geschworene M. In Brügge und Dordrecht schwören sie: recht ma- kelare te wesene ende sherechticheide derin te seceghene ieghen den copere ende den vercopere Hans. UB. 11 n.154 $ 13 8.67 (1309). Sie sollen demnach unparteüsch und deme armen alse dem riken d.h. jedermann zugänglich sein Zs. des histor. V. für NS. 1876 5.29 (Han- nov. Stat. von ce. 1360). Vermöge seiner Anwesenheit bei dem Kaufgeschäfte kann der M. zugleich als Zeuge fungieren. Daher auch die Zusammenstellung me- cheler und winkaufslüde Lexer I 2068 (1470): overtugen met twen guden 118 copluden eder met mekelers, de darover ghewest hadden Hans. UB. III n.573 (1348). In friesischen Rechtsquellen ein mekere als Zeuge in Streitigkeiten über die Aussteuer (Richthofen WB. Sp. 918). Die M. werden für einzelne Waren- zweige angestellt und fungieren hinsichtlich dieser als Sachverständige. Zu Aus- gang des Mittelalters werden sie auch von den städtischen Obrigkeiten als polizei- liche Organe verwandt, namentlich zu dem Zweck die städtische Aufsicht über ord- nungsmäßigen Verkehr wahrzunehmen und eine Kontrolle im fiskalischen Sinne zu üben. Grimm, DWB. VI 1490. — Schiller u. Lübben, Mittelniederd. WB. III 60.— Verwijs en Verdam, Mittelniederl.WB.IV (1899) S. 1030. — F. Frens- dorff, Der Makler im Hansagebiet (Festgabe der Götting. Juristenfak. f. Regelsberger 1901) S. 256 ff.; hier auch die Belege für die im Vor- stehenden unbelegt gebliebenen Stellen. — K. Lehmann in Z. f. Handelsr. 56 (1905) S. 260. F. Frensdorff. II. Pflege s{., ags. plega, an. plag, mhd. phlege, nd. plege, fr. pliga, plega. Nebenformen: mhd. phläge, nd. pläge. Zu pflegen. Daher im allgemeinen liebe- volle Fürsorge; insbesondere Obhut und Unterhaltsgewährung; aber auch Pflicht, ‚pflichtmäjige Leistung ; ferner andauernde Beschäftigung mit etwas, Gewohnheit. I. Recht und Pflicht der Für- sorge. l. Fürsorge für eine Person. a) Allseitige Fürsorge für Ge- brechliche; Obhut und Verpflegung in Verbindung mit Vormundschaft. So wohl die den Erben auferlegte Fürsorge für den wegen (rebrechen Erbunfähigen in Ssp. 14: uppe altvile unde uppe dverge ne irstirft weder len noch erve, noch uppe kro- pelkint; sve denne de erven sint und ire nesten mage, de solen se halden in irer plage. Ferner die Fürsorge für | den nur von der Verwaltung seines Erbes ausgeschlossenen Gebrechlichen in Rb. n. Dist. 15,10 2.141 —152 Ortloff 24: misselsuchtige lute, stummen blinden, fusselose adder hantlose lude . der sal sich unterwinden or nester vatermag und sal si mit oreme erbe unde | Öffentliche Sitzung vom 25. Januar 1906. in rechter phlage habe, also verne daz gud daz getragen mag .. Wulde sich nu einer der nesten nieht under- winde ... welch denne der neste ist, der sal sich phlege underwinden mit orme gude. b) Vormundschaft. Jedoch, wüäh- rend schon im Deutschensp. und Schwa- bensp. sowie in anderen süddeut. Quellen des M.A. der Vormund technisch Pfleger heißt, verhältnismäßig selten und spät: swann der edel man Heinrich der Reuße ... von unsers lieben suns und fürsten Fridrichs Marggrafen ze Mys- sen pflege varen will, daz er daz dann wol getun mag, swann er will Urk. Ludwigs IV. a. 1338 bei Beckler Stemma Ruthen. p. 57; Joh. Meyer .. hat vor uns geoffnet, daz er dem Hänslin Keller siner müter und sinen fründen von der vorgeseiten pfleg wegen rechnung mein ze geben Zü- rich. Stadtb. a.1399 Zeller 1 337 nr.167; haben wir die... fürsten ... vermocht ... sich... unserer... söhne vormund- schaft und pflege zu unternehmen Urk. a.1573 Sachse Mecklenb. Urk. 291; das übrige gut soll den gehorsamen und ihren kindern under vögtlicher plag belyben Wiedertäufermandat a. 1585 Berner Mand. 17, 14; welche er- wehlten vögt ... zu annemung sol- cher pfläg gezwungen werden mö- gend Berner Stadt- Ger.-Satz.a.1615p.16. Siehe Pfleger, Pflegnis, Pflegschaft, Pflegkind usw., Verpflegen. c) Verpflegung, Gewährung von Kost und Unterhalt. So unter ausdrücklicher Unterscheidung von der Vormundschaft die Verpflegung von Kindern durch die das Beisitzrecht ausübende Mutter und den Stiefvater in Erfurter Stadtr. a. 1306 c. 10 Walch 1,100 ff.: phlage ... an kost an cleidern und an redelicher notdurft (u. ö.). Auch in Magdeb. Fr. I 7,9: eyn kint ... das war stum unde horte ouch nicht, das selbe kint hilt myn wip in hute und in pflegin XVI jar bis an synen tod. Siehe Pflegen. 2. Fürsorge für eine Sache, Be- wahrung und Verwaltung eines Hauses, eines (rutes, eines Vermögens, einer An- | stalt: do het er gar in siner pflege I. dazushusn. und was diu mure umbe .——— Jahresberichte der Stiftungen und Institute. vie Wirnt Wigalois v. 8376; auch hiete ez in siner pflege Sinäi den bere alle wege Deut. Heldenb.1 238 Walb. 35; der zuo der zit von des bischofles wegen daz hüs het in siner phlegen Oest. Rehr. 95994; die mit solcher sache mit gut gewidmet is un ez in phle- gen hat Kl. Kaiserr. 1152 (sc. die Frau, die ein Gut als widemen empfangen hat und von der es ebd. c. 51 heißt: daz wib sal auch des gutes ein phlegerin sin); ich bin gewesen ein leutgeb und het die staet in meiner phleg Erl. Spiele 4, 202: darumb so haben wir Grave Hermann von Henneberg .. zu einem sulchen Pfleger erwelt u. ge- macht, daz zu Latein Coadjutor ge- nant ist, und haben in nach uswisung geystlicher recht in dieselbe phlege gesetzt Schreiben des Bisch. Albert v. Bamberg a. 1413 Schannat, Saml. alter Docum. I 117; item von der heiligen erütz pfleg, das ainem yeden pfleger geben werde 15 sh. für sein müg u. arbeit Stadtr. v. Rottweil 307. Siehe Pflegen, Pfleger, Pfleglich, Pfleg- los, Pilegschaft, Heiligenpflege, a pflege, Spitalpflege, Unpflege, Verpfle- en. 5 3. Fürsorge für Land und Leute, vogteilicher Schutz, Rechtspflege und Verwaltung. a) Amt. Richteramt: ein iglich rich- .ter hat ... alles daz zu rechtfertigen, | daz unter siner phlege ist (Var.: dat is dat in sinem gerichte geschiet) Äl. Kaiserr. 17. Seit dem 14. Jahrh. insbe- sondere die einem königlichen oder lan- desfürstlichen Land- oder Stadtvogt, der seitdem auch Pfleger heißt, anvertraute Amtsgewalt: und haben in ze schirme und ze pflege geben den vesten manne Engelhart von Hirshorn Mos- bacher Stadir. a. 1345 O. St. R. Ile Dr in verstießen von der pfleg Urk, 1349 b. Zellweger Appenz. Urkb. nr. 83. von der pleg und landvogtey der | Stadt Nurnberg und Rothenburg nim- mermehr versetzt ... werden sollen Dipl. Caroli IV a.1360 Falckenstein Cod. | dipl. antig. Nordg. 193; unserm lant- vogte, under des phleg Jedermann | gesessen ist Urk. a. 1370 Basler Urkdb. | 4, 336; der fleige halber in rach- | tunge Mainzer Chronik aus 15. Jahrh., | der Landesherr: | kainem gast unsern rat, 119 Städtechron. 17, 337, Bericht über Kai- serliche nn der plege an die Stadt ebd. 372: wem man bevilcht . pfleg und gericht ©. v. Wolkenstein A Schatz CXVII 294; also bechen ich . das ich solich von gewalt wegen getan hab und nit von 'gerechtigkait des ambtes, der pfleg und gerichts Urk. a. 1446 Indersdf. Diplomatarium 732; erstlich ist wol nit alweg ein klaine purd, neben den pflegen auch gerichtlich verwaltung haben Laysche Anzaigung fol. 3b; gebietten und be- fehlen dorauf allen unsern bergkhof- meistern richtern amptleuten pflegern, den iezigen und zukonftigen, was ampt und pflege die von uns und unsern nochkomen haben und halden werden Wüthe Schles. Bergb. nr. 293 S.140 (a. 1502); Vogtey ... in weit- schichtigerem verstand ... bedeutet . ein jedwederes amt, pflege, wie auch R schirmgerechtigkeit F. J. Greneck Theatrum Jurischetionis Austriacae, Wien 1752, 8. 97 8 90. — Allgemein wurden in Bayern landesfürstliche Pfleger den einzelnen Landgerichtsbezirken als Ver- waltungsbeamte über den Landrichtern oder zugleich als Landrichter vorgesetzt, so daß hier unter Pflege (oder Pflegamt) bald nur ein Verwaltungsamt, bald auch das Richteramt (Pfleggericht, Pflegland- gericht) verstanden wurde. In dem bayr. Freiheitsbriefen S. 104 a. 1458 verspricht auch sollen .. wir mit pfleg noch ambt besetzen; wo wir aber die ha- ben, urlauben. Rosenthal, Geschichte des Gerichtswesens und der Verwaltungsorga- nisation Baierns 1 322 f.; Riezler, Ge- schichte Bayerns IL 175 f., 178 f., 529; Ill 683 f.; Schröder, R. G.! 558, 560, | 572, 609. Siehe Pilegamt, Pflegen, Pfleger, | Pfleggericht, Pfleonis, Pfles weise, | Landpflege, Stadtpflege, V ogtpilege. b) Amtsbezirk. Wie das Wort Amt, wurde auch das Wort Pflege auf den GE | richts- oder Verw altungssprengel eines Pfle- gers übertragen: keumpt der bischoff zu Berncastel oder in die pflege Weist. v. a an der Mosel a. 1315 Grimm, W.1,325; mit der pflege Dattenried Us a. 1366 Basler Urkdb. 4, 307; allen unbeslosten mannen und anderen in 120 diner pflege Schreiben des Kurf. Fried- | neben Schoß: richs LI. an einen Stadtvogt a. 1453 (od. dipl. Sax. Reg. 2,12 nr. 291 S. 202; in der pflege ebd. a. 1468 nr. 375 8. 258; wir manschaft der Doninschen pflege ur rechtis gefröget Oberhofentsch. aus . Jahrh. b. Pen nucben: 1,400 ec. 44, = DIA 262 el 2hrrero das die beyde pflege G. u. H. mnyder gemarck zu Reichenbach ligen Weist. a.1514 Grimm, W. 1, 475; Fischbacher pflege ebd. 1,775 (nachher pflegebezirk). Allgemein heit in Bayern der Bezirk des Pflegers oder Landrichters Pflege; in sves pflege daz geschaech Mon. Wit- telsb. 2 nr. 188 8.6 a. 1293; Salzburg. Taid.127,17. 113,27 u. ö.; Tiroler Weist. 1,42, 17. 3, 318 «. ö. — Amtsbezirk eines Försters: ieklicher förster in seiner plegen Weist. a. 1497 Grimm, W. 2, 67. Siehe Pflegamt, Pflegde. ec) Amtshaus: zur pfleg die nach- zettlen der fremdt einlogierten göst zu liefern Steir. u. Kürnih.. Taid. 457, 35 (17. Jahrh.). Siehe Pfleghaus. Il. Geschuldete Leistung. Neben- Form von pflicht. Besonders gebräuchlich für Abgaben, die auf Grundstücken lasten. Dem Anschein nach vorzugsweise, aber nicht ausschlieplich für Abgaben öffentlich- rechtlicher Herkunft. Im Sachsensp. stets in Verbindung mit tins, zweifelhaft, ob pleonastisch (Homeyer Reg.) oder davon verschieden (Heck Der Sachsenspiegel und die Stände der Freien 419): in s. Bartho- lomeus dage is allerhande tins unde plege verdenet Ssp. 1 58 $1; tins oder plege sal he dar av geven jenen, uppe den it gut irstirft ebd. II 1683; plege noch tins ebd. $4: tin- ses oder plege ebd. $5; dut en man sin lant beseiet ut to tinse oder to plege to besceidenen Seren ebd. 77 $1; tins oder plege ebd. $2. Ebenso im Rb.n. Dist. 123,2 Or off Re 28: zins adder phlege ... zinses ad- der phlege ... ane sotane zinse, ane aller phlege. Offenbar für Zins in Richtst. Lehnr.9 8 6: so vrage de here, oft hie icht panden mote van des man- nes tinslüden: so vindme, (este se dat noch inne hebben van ores herren plege unde anders nicht. Andersıwo unde Öffentliche Sitzung vom 25. Januar ger 1906. vortmer scolen wy en gelden ere redelicke schulde ... dar- vor scolen se ere scot oder ere plege inne beholden von jahre to jahre, bet die schult vergulden si Meckl. Urkdb. 6 nr. 4213 d. a. 1320. Neben Bede: mit aller bede unde plege Meckl. Jahrb. 27,54. Neben Geld: vortmer so hebbe wy em desse... hoven .. lent.. myt alleme inghelde unde pleghe unde afrysinghe. de daraf ee unde val- len mach Meckl. Urkdb. 7 nr. 4612 a. 1325: to rechter plege ne: gelt Urk. a.1395 Cod. Brandenb.3, 1 8.22. Neben Pflicht: vry van aller plicht unde plege Urk. a. 1384 b. Hahn 117,5. Aber Rs: alleinstehend für bäuer Tiche‘ Abgabe: bure die plege geven Fidiein 2, 133; schal dat aut verkopen, eilt hie und einen redlichen beveumann darup brin- gen, die syne plege geven mach Weist. a.1383 b. Wohlbrück, Gesch. des ehemal. Bist. Lebus 1 324 Note. In den Städten abwechselnd mit plieht oder stadplicht für die Gesamtheit der städtischen Lasten: der Graf v. Wernigerode befreit mit Zu- stimmung von Rat und ‚Bürgern einen einer Kapelle gewidmeten Hof von scote, von wachte, von der höde, von gra- venpenningen unde von alle plee he und denste, des men uns unde den borgeren na wicbeldes rechte eder w onheyt daraf plichtig were, auch Rat und Bürger geben den Hof frei aller ee und denste Urk. a.1328 Urkdb. . Wernigerode nr. 80; derselben Kapelle Pe Hufen zugewendet frei von (denste unde von aller plege Urk. a. 1330 ebd. nr. 76; der Erbvogt mag, wenn er Bür- ist, bürgerliche Nahrung treiben ab er recht unde plege do von thut, also do en is unde gewohnlich Magdeb. Fr. 12,7; was man in goczhusere ey- gens W A bringen mit volbort der ge- meine, das schol man also tun, das man volkumlich hin ezu der stat dez eigenz schicke, da man sich der pflege an erholen mae Rb.n. Dist. 116, 2 Ort- /of 124; unde datme de plege des sudes up den verkoper ie mer vor- dere HHamb. Stat. a.1497 gl. G 2 Lappen- berg 236; Bezeugung, daß Jemand Bür- ger ist und deyt all unser stad pleghe unde umphlege Iyk unsen anderen bur- gern Reisepaß des 15. Jahrh. in Z. 7 u nis EEE EEE Jahresberichte der Stiftungen und Institute. Lüb. Gesch. 1. 295; ein iglich inkom- men man mag wol in witpilde erbe und eigin enphain also, dal er rechter phlege dovone tu Eisenach. Rb.1,80 Ortloff 676, Purgolds Rb.c.113; siehe auch ebd. e. 61,63, 112. Auch für die städtische Reichssteuer: dar umb er ihn versazt hat die jährliche pflege ze Lübeck Urk. Kaiser Ludwigs a. 1341 Urkbd. der Stadt Lübeck 2 nr. 790 8.75 Für eine Abgabe an den Waldmeister: wer ein sneiße zeu walde macht und do dem waltmeister gewonliche phlege darvone tue, dem sal nymant uf scha- din in sine vogel gehin Eisenach. Rb. 3, 111 Ortoff 750. E. Mayer Krit. V Schr. 31, 167; Schröder R. G.* 450 f., 610 /.; Heck a. a. O0. 419 f., 455 f. Siehe Pflegen, Pfleghaft, Pflegegeld, Erbpflege, Unpilege, Verpflegen. Pflicht. Il. Gewohnheit. Technisch für Ge- wohnheitsrecht in friesischen Rec htsquellen: ney riochta keysers riocht ende land- riocht ende ney sid ende plyga der fyf delena Urk. a.1374 Richthofen Fries. Rqu. 560, 10; Koninges setma ende lyoda pliga ... Taule pliga fan langher wennichede is alsoe gued so seriven riucht ... Een godlie pliga deer ma to riucht haut ... wenheed jafta pliga .. ald pliga fan netlyker wenheed Allg. Ges. des Westerlamv. Friesl. ebd. 435 (u. ö.); elaghen .. na rechte unde woenheyt und pleghe des lan- des Friede der Friesen mit Hz. Dan a. 1406 Schwartzenberg 1, 355: v. Richt- hofen, Fries. RWB. 979; ten [Eon n- kaat Koolmann Os tfries. WB. 11 727. Siehe Pflegen, Pfleglich, Gepflogen- heit. Haltaus 1481 f. — Grimm DWB. VII 1754 f. — Lexer I 251. — Müller u. Zarncke U 1, 502. — Schiller u. Lübben III 341 f. — Schmel- ler? 13, 448 f. — Staub -Tobler Schweiz. Id. V 1221 £. Pflege ad)., nd. plege, plegen, ple- gende: ‚pflichtig, schuldig: wes de ant- werder daran nicht holden heft, des is he noch plege to holdende Magdeb,. Schöffe nspr. a.1578 c.233 Wasserschleben, Rqu. 76; weme der kinder winste be- horen, unde wat de elderen van wegen erer aflgesunderten kynder edder un- aflgesunderten syn plegende, be- 121 schedet elarer de bursprake FHamb. Stat. a, 1497 gl. ET Lappenberg 218; dat ider burschop umb dat anderde jair dem gogreven pleg ende syn eyn mudde hauern? und ein ider kotter in dem eogerichte gesetten des jairs eyn hoen Landgoding zu Wiedenbrügge a.1544 Grimm, W. 3, 110. Sn u. Lübben III 344. O. Gierke. IH. Walraub, alıd. walaraupa (Plur. von stm. oder stf.?), mhd. walroup stm., ags. wielreaf sin., am. valrof sin. Zusammen- gesetzt aus wal (walu) die im Kampf Gefallenen (vgl. Walhall, Walstatt, Walvater, Walküre; Indogerm. Forsch. 9, 360) und raub rapina. I Ursprünglich wohl die Ausplünderung eines im Kampf Gefallenen, Wegnahme dessen, was er an und bei sich hat, ins- besondere seines Gewandes und seiner Aus- rüstung; dann allgemein die Ausplünde- rung eines Toten. Nach westnordischem Rechte als Missetat ein Neidingswerk: pat er ok nidingsvere ef madr gerer val- rof Gulapingsl.166 e.178. Auf nor dischem Einfluß beruht das ags. Fragment des Co- dex Roffensis (von c.910 bis c.1060), Lie- berm. Ges. d. Ags. 392: walreaf is ni- | dinges diede. Daraus Quadripartitus 393: wealreaf i.e.mortuum refare est opus nidingi. Den Be bestimmen Leges Henriei primi ec. 83, 4* 8. 600: Weil- ref dieimus, si quis en refabıt armis aut vestibus aut prorsus aliqui- bus aut tumulatum aut tumulandum. Übertragen auf die gewaltsame Weg- nahme des Nachlasses eines Getöteten im “Buch der Könige alter Ehe’, wo von Achab, weil er der Witwe N‘ aboths und deren Kindern den Weingarten und all ihr Gut weggenommen hatie, gesagt wird: er begie den walraub an dem weibe und an chinden Dsp. 5.24 — Land- rechtsbuch bei v. Daniels, Rechtsdenk- mäler 1 p. LIU. Umgedeutet waltraub, Gewaltraub bei Oberlin 1931. So auch in dän. vald- roff Schlyter IX 281 Var. 75 und in schwed. waldroff ebd. IL 53 Var. 9. II Die dem Gefallenen abgenommene Kampfbeute. So wwlreaf Beow. 1207; 122 wales rauba trophaeum Ahd. Gl. IV | 22.29 u.ö. Das dem Toten abgeraubte Gut: De vestitu utrorumque (liberi et servi), quod walaraupa dieimus, si ipse abs- tulerit, qui hos interfeeit, dupli- eiter conponat Lex Baiuw. 19, 4; wat einer rouet edder wech nimpt van einem doden manne, idt sy kleder, wapen, sülver, goldt, geldt (eflte he dat by sick hedde), dat is valroff Niederdeutscher Text des Jydske Lov III 24 (Thorsen S. 233). Siehe Raub, Blutraub, Reraub. Grimm, RA II 192. — Graff I S01. II 358. — Lexer IH 657. — Fritzner III 487. — Hertz- berg, Glossar zu NGL V 654. — Schlyter XII 686. — S. Bugge, Runeindskr. pä Rökstenen 21 f. — Steenstrup, Normannerne, Danel. 258. 346. — Wilda, Strafr. Y5f. — " Brunner, DRG II 683. H. Brunner. IV: wize germ. ahd. wizi stn., mhd. wize stf., as. witi stn., mnd. wite stf., mnl. wite sif., fries. wite stn., ags. wite sin. (sehr selten stf., aber latinisiert wita fem.), an. viti sin. (vgl. got. fraweitan exdızew, fraweit £xöieneıs, Rache): supplieium, poena, tormentum. Wahrscheinlich ver- wandt mit lat. videre (zum Bedeutungs- wechsel vgl. animadvertere »beachten« und »strafen.«). wize ist die germanische Bezeichnung | ursprünglich daher litera- der peinlichen Strafe, wol sacralen Ursprungs; risch besonders für göttliche Strafen (Ver- treibung aus dem Paradies, Sündflut), zu- mal für Hölle (ahd. hellawizi, as. helli- witi, ags. hellewite, an. helviti) und Fegefeuer (Schmeller II 1029. 1059). Seltner für weltliche Strafe: erne vorhte nehain werltlich wize Aaiserchr. 1810; vgl. auch III 1. Aus der hd. Schriftsprache ist wize seit dem 16. Jhdt. verschwunden, lebt aber in einigen hd. Mundarten fort und ist in der Bedeutung » Strafe« (IIL1) nisl., in dem abgeschwächten Sinne » Ta- del« (111 4) nnd., ne., nschwed. I. Peinliches Verfahren, besonders auf hd. Gebiet: dabei tritt l. die Bedeutung Strafvollzug und Strafinstrument in den Vordergrund. Ahd.: leittun themo wize Kreuzigung) (zur Otfr. sie scachara zuene zi | ı nach volgen, Öffentliche Sitzung vom 25. Januar 1906. IV 27, 4: er (Christus) thulta thaz wizi ebd. Il 9, 79; (die Priester) seultun nan in flize in themo selben wize (fast = an dem Kreuz) ebd. IV 30, 20; der werde mit wize anabraht, daz er sin verlougene (puniatur, donee se neget esse Christianum) Notk. Ps. 90, 6. So noch in der spätern oberdeutschen Kechtssprache: swer einen man rüeget, er si ein ketzer ..., mac er den des niht überziugen als reht ist, er muoz di wize liden, di dirre selber solte han erliten Schwabensp. Wack. 258, 29. 2. Folter (synonym mit marter), Folterinstrument. Ags. wita cyn catastarum (— equuleus, reus et strietus aculeis repletus) Wright -Wülker Voe. 372, 31. 509, 19. Ahd. wizi tormentum, extensio Graff I 1118: eculeus suntrie wizi Gl. IL 260, 32; tortiones wiziu Gl. 1 623, ll. Mid. der künie hiez duo mit flize gerihten maniger slahte wize (Folter- werkzeuge), also man in marteren wolte Kaiserchr. 4995; von diu ist vil pillich, daz im (Christo) sine holden mit marter mit 8 und mit ge- twange ebd. 10877 ; ob die zwen also biderbe liute sint. 'daz man in gelou- ben sol, so sol man in die "wize (Folter) an legen, und sint si niht ge- louphafte liute, so sol man in neheine wize an legen Schwabensp. Wack. 337, 7.8; der künie hiez manic wize an- legen, er kunde in (den christlichen Her- | 209) nie von gote bringen: do hiez er ime daz houbet abslahen Buch der Kö- nige alter Ehe CXLVII 43. Siehe wizegen, wizeg:ere, wizenzere. II. Fiskalische Geldstrafe: l. So namentlich im Ags., wo wite das dem Gerichtsherrn zustehende Str af- geld, die Brüche, forisfactura, bedeutet im Gegensatz zu wer, böt (sieheBuße) und healsfang (siehe Halsfang), auch zu dem ver wandten, aber nicht identischen anglo- dän. lahslit, dem Fredus im engeren Sinne: gif hine mon on pam fierste ' geyflige (wenn man den ins ‚Klosterasyl Geflüchteten in der ihm gewährten Frist schädigt) mid slege odde mid bende odde purh wunde, bete para eghwele mid ryhte peodfeipe, ge mid were ge mid wite, and pam hiwum (dem Klo- | sterkonvent) hundtwelftig seill. eiriefri- carcer fer- en ne re ee re nn re Sn a Jahresberichte der Stiftungen und Institute. des to bote A/fr. 2,1 5.48; to rihtandagan erisman ne feece (wenn ein Priester das Chrisma zum rechten Ter- min nicht holt) ., gylde wite mid Englum and mid Denum lahslit, pät is twelf oran KEadw. 3, 2 8.130 (älınl. ebd. 6. 6,1. 7 u. ö.); gif hwa Cristen- dom wyrde (das Christentum verletzt) si sylde swa wer swa wite swa lahslitte. be pam pe syo diede sy ebd. 2 8.130; gif hwa sibleger (Blutschande) gewyrce, gebete pät be sibbe made (nach dem Grade der Verw andtschaft), swa be were swa be wite swa be ealre ehte Unut IL 51 8. 346; oif for godbotan feohbot arised (wenn für Kir- chenbußen Geldstrafe einkommt), ... bät gebyred rihtlice ... to godeundan neo- dan (so soll sie für gei istliche Bedürfnisse verwendet werden), hwilum be wite, hwilum be weregylde, hwilum be hals- fange, hwilum be lahslite, hwilum be are, hwilum be «hte Athelr. 51 5.258: were vel wite vel lahslite noch Leges Henr. primi 34, le 8.565: besonders oft die Ver bindung swa wer swa W ite u 6. Älfr. 7,1 8.54. 19 8.60. 29 S.64. Le- ges Henr. primi 27,1 8.562. Das wite umfaßt auch die vom Verklagten an den hläford zu zahlende wer Cnut Il 30, 3b 8.332 (vgl. Ine 76,2 8.123 und Mann- buße). Für unbeabsichtigte Verletzung zahlt man wer butan wite Alfr. 36 8.68. Das wite beträgt ursprünglich 30 Scelhullinge: Ime 2,3 S. 90. 6 S. 92. Alfr. 128.56. 38,2 8.78 (= 12.0r Naeh 56 5.383): 36 Schillinge Ine 25, S.100: 6 Ör North.10 8.380. Steige- Be 60 Schillinge: gif hwa on eal- dormonnes huse gefeohte odde on odres gethungenes witan (= sagiba- ronis), L,X scill. gebete he au oder LX geselle to wite /ne 6,2 8. 92; namentlich seit Älfred: 9NlES755225 S. 64 (vgl. fulwite). 6,38.92. Adfr. 9,1 S.55. 37,1 8.70. Athelst. 1,5 5.150: diese Summe heit eyninges wite Athelr. 5. 1 >. 264. Cnut 13.2 8.283. Dies wite fällt zu dem König odde pam pe his wites wurde sig (qui habet sace et socne) gif preost | I 813. 120 Schallinge: Ine | Cnut II 30,6 8. 334 (dem hläford | 30, 3b S. 339, Duns. 6,3 8. 379): agife man pät wite pam pe hit age Gut UI 24,1 S. 326. Das halbe Sitzungsberichte 1906. 123 wite erhält der Angeber: Wihtr. 11 Siehe ferner blödwite, fihtwite, ful- wite, fyrdwite, hengwite, legerwite, weardwite, weoroldwi ite, und In ähnlichem Sinne, aber wiel seltener steht an. viti neben fridkaup (Eriks Säl- landske Lov 124); siehe blödwite. Vgl. auch burgund. wittiscaleus. 2. Unbestimmter fries. — Kirchen- strafe: nene lioda uter wita to letane, eer die klagher sin moet hat Fhies. Rechtsg. 460b, 29 (Leeuw. Sentrecht); iefter een minscha in der dekkens wita storwe, nen mara breke to nimane, so hi britzen hat bi sin liwe ebd. 460 b, 328 3. Insbesondere Strafgeld für Unterlassung. So fries.: ik monie 10 ..., dat y dae wird sidze, hwae dat wanwirck wirtsa schel iefta dae wita beta (Strafe für schlechte Wege- reparatur) Fries. Rechtsg.415a, 30. Dieser Sinn ist aber namentlich entwickelt im Altnordischen. So zahlt nach Grag. 147 derjenige VI marka viti, der bei einer Ehe in verbotenem Grade die geselzhch vorgeschriebene Zahlung versäumt hat. Ebenso wird das viti fällig, wenn der Reinigungseid unterbleibt oder mißlingt: ef peim fellr sa eidr, pa fellr til XV marca vitis hvarom peirra (Grulath. I 73 ec. 214. 68 0.187. Zumal trifft das viti diejenigen, die das Ding versäu- men (pingviti Gwlath. 156 c. 131), die die Emladung durch das Kreuz nicht be- ‚fördern und befolgen (krossviti Gulath. Ill ce 19: Frostath. 1 225 ce. 33; sah 1378.1 c.11), die Kriegs- und Wachdienst vernachlässigen, nicht die pflichtigen Mannschaften stellen (leidangıs- viti Gulat. 1 98 c. 298, _leidarviti; vapnaviti Bylov Il 207 ec. 13; vardviti Landslov 11 36 e. 4), die den schwuldigen Tribut nicht entrichten (Westmannal. V 180; vgl. Schlyter IL 97), die ihre Zäune nicht vorschrifismäßig erhalten (gardaviti Westgötal. 1 214: Skänel. IX 170). Die Höhe des viti schwankt bedeutend, je nach der Veranlassung zwischen 1 Or (der kleinsten Dingstrafe Landslov I1 140 e.56: 6 Ör ist pingvitit miela Gulath. 1 63 e. 161) und 15 Mark. Das viti wird in gemessenem, nicht gewogenem Silber entrichtet (pau pingviti ero öll 12 124 silfrmetin Frost. 1 200 ce. 8) und kann | eher erlassen oder herabgesetzt werden als das fridkaup. 4. Mnd. Strafgeld für Versäum- nis oder Verspätung in Versamm- lungen: wirt de stevene gekundiget bi der hogesten wite, we de vor- sumet, de betere X kunen ZLivländ. Urkundenb. Nr. 2730, 5 (Skra von Now- gorod, um 1250): we des uthe blivet, brickt II zwaren, id en sy dat men vorbadet sy by duppelder wite Brem. Wörterb. V 279 (1406). 5. Aus dieser mnd. Bedeutung ent- wickelt sich der Nebensinn: Präsenz- geld, Versammlung, bei der Prä- senzgeld gezahlt wird: wanner de borghermester, dem de wite bord to leggende, ene withe mit sinen heren .. vorramet unde lecht, .. so schal de withehere enen isliken per- sonen, de .. up dem radhuse is, alze men de clocken lud ..., gheven enen witten Bremer Stadtb. (Oelrichs) S. 11 (1424). e Siehe wizeherre, wizebühse, wize- gelt. 6. Auch Strafgelder einer Gilde oder sonstigen Genossenschaft heipen so, namentlich an.: vitum ollum gegna gester iamwell sem ea Shraa der Olafsgilde c. 24 (NGL V 9; vgl. 10 c. 42.43); vgl. auch II 2. — Über wite der Bremer Kramergilde siehe wizeherre. 7. Über ags. wite = Beköstigungs- beitrag für den König Unut 11 69, 2 S. 356, siehe feormfultum. III. Adbgeschwächte und verall- gemeinerte Bedeutungen: 1. Ags. allgemein = Strafe: for psere mildheortnesse he (der gerechte und barmherzige Richter) gemetegad (ermä- ‚Pigt) peere seylde wite Judex 1 8.474; so besonders in den Ehren buton wite | (ineulpabiles) Eadg. 8,1 8. 210 und be pam witam Kadw. 5, 1 Ss 130. So auch an. in taka viti, skapa viti u.ä. Noch allgemeiner an. = Scha- den: nadi Solarl. 19: vgl. Havam. 6, 6. 2. In altwestnord. Prosa nimmt viti (ausgehend von 11 6?) die technische Be- deutung Bierstrafe, Commentstrafe an. Nach Morkinskinna 8. 47 werden zu gott es annars viti hafa at var- Öffentliche Sitzung vom 25. Januar 1906. Weihnachten im Hofgefolge des norweg. Königs (ec. 1050) viti upp sogd, und die Straffülligen mujsten die Strafrationen trinken (skyldu drekka vitin): ya viti bekommt den konkreten Sinn des Straf- horns (vitishorn). — bordaviti heißen Flateyjarb. 1 507 die Strafen einer Tisch- gesellschaft. 3. Mnd. erhält wite, namentlich in den Verbindungen äne. sunder wite we- sen, den allgemeinen Sinn: Schädigung, Belästigung, Anklage: se und al de ore schullen des ane wite bliven und ane schaden und in nene nod komen umme dat vechte Sudendorf II Nr. 11 (1342); umme der teyn mark utghift ... ienghe wit eder ansprake liden ebd. IL Nr. 179 (1346); we darto (bei einem Zwist) lope alse ein scheideman .., de scolde des wol geneiten, also dat he des ane wite unde anededinge bliven scolde unde neine nod darumme liden Urkundenb. d. Stadt Halberstadt I 575 (1370 —1400); eflt se eder ok je- mend van orer wegen darumme de wisen man .. to Honovere ichtes to schuldegende eder in jeniger w dar vmme hedden Sudendorf VIIL Nr. 92 (1396): de wolde darumme ein wan- del don, utgesproken unse borghere unde borgherschen to Brunswik schol- den darmede unbelestet unde ane wite bliven Städtechron. NV1 75 (1414); so en wolde wy unsen borgermester (dar umme in neyner wyte hebben Han- növ. Stadtrecht (Grote) 8.426; noch heute: gen wit fon hebben Doornk.- Koolm. I 365. Siehe nächwize. 4. Noch schwächer: Tadel. NMmnd. se wolden ere wit (Var. vorwit) nicht lenger liden Uhron. d. nordelb. Sassen 103. Ebenso friesisch: so seyt dat riucht: den schada, deer een menscha to compt bij syner ayner schyeld, deer mey hij een orem neen wita om jaen Juris- prud. Fris. 11 216. Siehe wizen, Verweis, verweisen, ite- wiz, an. äviti. Grimm RA II? 225. 255. — Wilda, Straf- recht I 449 ff. — His, Strafrecht der Friesen 172. — Liebermanns Wörterbuch zu den Ge- setzen der Angelsachsen. — Hertzberg, Glossar | zu NGLV722. G. Roethe. wi np rennen er reeeht Jahresberichte der Stiftungen und Institute. 125 Anl. II. Bericht von Prof. Dr. A. Vorırzkomw über seine in den Jahren 1903—1905 ausgeführte Forschungsreise im westlichen Indischen Ocean. Beobachtungen während der mehrfachen Inselfahrten meiner ersten, fast siebenjährigen Reise im westlichen Indischen Ocean, be- sonders während eines längern Besuches der Aldabra-Insel zur Er- langung der nur dort noch in Freiheit lebenden Riesen-Landschildkröten, hatten in mir Zweifel erweckt an der allgemein gültigen Annahme der Entstehung, überhaupt an einem in neuerer Zeit noch stattfindenden Aufbau derartig nur wenig über die Oberfläche des Meeres hervor- ragender flachen Inseln durch die Thätigkeit von Korallen allein oder doch als Hauptbildner. Untersuchungen der Gesteinsproben ergaben nach meiner Rückkehr, wie in meiner Arbeit über den Aufbau und die Entstehung der Aldabra-Insel näher ausgeführt ist, für diese Insel eine Zusammen- setzung des Riffkalks aus den Resten kleinster Lebewesen, so dass hier also die Bildung einer mächtigen Bank vorliegt ohne Beteiligung der Thätigkeit der Korallen. Erst wenn derartige Bänke durch Niveauveränderungen nahe zur Oberfläche des Meeres gelangen, oder wenn derartige, durch Rückzug des Meeres trocken gelegte Bänke durch die Gewalt der Gezeiten bis unter die mittlere Grenze der Flut-Ebbezone abrasirt worden sind, erfahren sie eine Besiedlung mit Korallen, so dass wir also als Grundstock stets eine alte massive Kalkbank, gleichviel welchen Ursprungs und von welcher Zusammensetzung vorfinden, und ihr secundär aufgesetzt eine Rinde lebender Korallen wechselnder Dicke, die aber ein Meter selten übersteigt, also zwei Gebilde, die sowohl in Bezug auf Zusammensetzung wie auf zeitliche Entstehung völlig von einander verschieden sind. Die äussere Ähnlichkeit des Aldabra-Riffs mit den von mir früher besuchten Riffen an der Witu-Küste, auf Sansibar und Madagaskar, von denen ich leider versäumt hatte Handstücke zu entnehmen, da ich sie zu jener Zeit für umgewandelten Korallenkalk hielt, führte mich zu der Vermuthung, dass wir es vielleicht im ganzen Bereich des westlichen Indischen Oceans im wesentlichen mit einer einheit- lichen Bildung grosser Bänke homogenen Kalks durch die Thätigkeit mikroskopischer Organismen zu thun haben könnten, und dass erst durch eine spätere Überrindung jener Bänke durch Korallen u. s. w. während des Emporsteigens nunmehr Korallenriffe vorgetäuscht werden. Im Fall einer Bestätigung dieser Vermuthung einer einheitlichen Bildung für diess weite Gebiet von fast zwanzig Breitengraden musste 12* 126 Öffentliche Sitzung vom 25. Januar 1906. unsere Anschauung über die Entstehung der Riffe jener Gegenden eine Modification erfahren, denn wir würden dann oft zur Erklärung der vorliegenden Riffe nicht wie bisher eine Senkung anzunehmen haben, sondern geradezu gezwungen sein, eine Hebung der Bank bis in den Bereich der riffbildenden Korallen anzunehmen. Ich hielt daher die Feststellung einer eventuellen weiteren Ver- breitung jener Rifformation, wie ich sie auf Aldabra gefunden hatte, für wichtig genug, um sie als Hauptzweck einer zweiten Reise nach Östafrica in Erwägung zu ziehen, und diess führte mich fernerhin zur Aufstellung eines Planes für eine Prüfung dieser Verhältnisse in einem grössern Gebiete, zu dessen Durchführung mir auf Antrag der HH. Mösıus, v. Rıcatnoren. F. E. SchurzE und WALDEYER vom Curatorium der Hrrmann und Euise geb. Hrckmann WENnTzEL-Stiftung der Königl. Preuss. Akademie der Wissenschaften die Mittel bewilligt wurden. Wenngleich in erster Linie eine möglichst eingehende Unter- suchung der die Küsten und Inseln umsäumenden Riffe vorgenommen werden musste, hatte ich doch mir vorbehalten, um die mir gegebene Zeit voll auszunutzen und meine Thätigkeit für die Wissenschaft recht erspriesslich zu gestalten, die Erforschung der zu besuchenden Inseln selbst in naturwissenschaftlicher Hinsicht nicht zu vernachlässigen, also sowohl zoologisch wie botanisch möglichst eingehend zu sammeln, um für später Grundlagen zu gewinnen für vergleichende Unter- suchungen über die geographische Verbreitung und Wanderungen der Thiere und Pflanzen oceanischer Inseln, ferner als Beweisstücke für die Entstehungsgeschichte der Inseln Gesteinsproben, soweit solche aut- findbar, zu entnehmen, und besonders ihre Zersetzungsproducte in’s Auge zu fassen, um auf diese Weise Aufklärung zu erhalten, ob die auf weit von der Küste entfernten Punkten auftretenden Laterite und rothen Erden gebildet seien durch Umwandlung anstehender Gesteine, oder dahergetragen durch den Wind, oder herbeigeführt durch Fluthen und Überdeckung von Schlammmassen zur Zeit eines ehemaligen Zusammen- hanges der Inseln mit dem Festland. Ein Hauptaugenmerk sollte ferner darauf gerichtet sein, diese ver- schiedenen Typen der Riffe, Strandterrassen, überhängende Ufer u. s. w. durch gute Photographien zu belegen, und ich wendete daher der Ausrüstung hierfür grosse Sorgfalt zu. Die Reise konnte im Verlauf von etwas mehr als zwei Jahren vollständig gemäss dem aufgestellten Plan durchgeführt werden. Ich verliess im Januar 1903 Europa, besuchte zuerst die Witu- Inseln Lamu, Manda und Patta, gieng von dort aus über Sansibar nach Mafia und später nach der gesundheitlich so verrufenen Nachbar- insel Sansibars, Pemba. Fast zwei Monate widmete ich dieser in une rt Jahresberichte der Stiftungen und Institute. 127 Folge ihres schlechten Klimas naturwissenschaftlich fast unbekannt ge- bliebenen Insel und verwendete gerade deshalb besondere Sorgfalt auf die Anlegung möglichst eingehender und umfangreicher Sammlungen; denn da die Insel anscheinend niemals mit dem Festland in Verbindung gestanden hat, versprach sie, was sich auch schon jetzt bei flüchtiger Durchsicht der Sammlungen ergeben hat, eine reiche Fülle endemischer Formen zu beherbergen. Mein nächstes Reiseziel war der Archipel der Comoren, dem ich mehr als vier Monate widmen konnte. Da diesen Inseln, mit Ausnahme von Mayotte, ausgedehnte Riffe fehlen, so verlegte ich nach Abschluss der Meeresuntersuchung meine Hauptthätigkeit nach der Hauptinsel der Gruppe, Gross-Comoro, die durch ihren 2500” hohen Vulcan mir die Möglichkeit gewährte, auf einer oceanischen Insel die verti- cale Verbreitung der Flora und Fauna zu studiren. Nach einer Anzahl längerer Touren, die alle Theile der Insel be- rührten, errichtete ich daher in den verschiedenen Höhenzonen Stand- quartiere, unter besonderer Berücksichtigung des Urwaldgebietes, um schliesslich mein Arbeitsgebiet für ı4 Tage an den obern Rand des Urwaldgürtels zu verlegen, in einer Höhe von etwa 1800”, an den Abhang des grossen Vulcans. Von hier aus unternahm ich dann meine Exeursionen in die höheren Regionen und mehrfach auch zum Gipfel des Kraters mit seinem Riesenkessel. Sorgfältige Photographien, auch der Auswurfsöffnung, geben späteren Besuchern die Möglichkeit, da ein paar Wochen nach meiner Abreise eine erneute heftige Eruption einsetzte, die durch diese hervorgerufenen Umänderungen zu studiren. Das nächste Forschungsgebiet bildete nach meinem Reiseplan Madagaskar mit den Riffen seiner Westküste. Da der nördliche Theil der Westküste mir von meiner ersten Reise wohlbekannt war, setzte meine Thätigkeit im äussersten Südwesten ein, und ich besuchte von dort aus auch das weltentlegene kleine Eiland Europa in der Mitte des Kanals von Mozambique, das noch nie von einem Natur- forscher betreten wurde. Die Zutraulichkeit der dortigen Thierwelt ermöglichte es, interessante Aufnahmen lebender Thiere zu erhalten, brütende Vögel, Schildkröten beim Eierlegen, auf dem Wege zum Nest u. a. m. auf der Platte festzuhalten. Um die Riffe der Ostküste zu erreichen, benutzte ich nicht den Seeweg, sondern durchzog in mehr als halbjähriger Wanderung die grosse Insel von SW. nach NO. fast in ihrer ganzen Länge. Ich hatte absichtlich diese Route mir fest- gelegt, um in erster Linie den sterilen Süden, das Land der Mahafaly und Antandroy kennen zu lernen, und gerade in diesen nur selten begangenen Gebieten war es meine Hauptaufgabe, die seltsame Flora dieses weiten wasserarmen Kalksteinplateaus im Bilde zu fixiren. 128 Öffentliche Sitzung vom 25. Januar 1906. Schon von Majunga aus hatte ich den Kinkoni-See in NW.- Madagaskar, den ich während meiner ersten Reise dreimal vergeblich zu erreichen versucht hatte, aufgesucht, und von Tulear aus nach meiner Rückkehr von der Insel Europa den grossen im Mahafaly-Lande gelegenen Salzsee Tsimanampetso, und fand nun durch meine Über- landreise Gelegenheit, auch den Itasy-See auf dem Hochplateau von Imerina und den Alaotra-See im NO. mit dem Öberflächennetz auf ihre feinsten Lebewesen zu untersuchen. Nach längerer Station im Urwalde des Ostabhanges stieg ich zur Küste hinab, verwendete ı$+ Monate zum Besuch der Insel Ste. Marie und ihrer Riffe und wandte mich dann, nachdem mich mein fernerer Weg bis zur Antongil-Bai geführt hatte, südwärts nach Tamatave, dem Haupthafen der Ostküste, von wo aus ich meine Weiterreise nach Osten in die Wege leiten wollte. Ich benutzte meinen Aufenthalt zur eingehenden Untersuchung der langgedehnten Lagunen der Ostküste und erhielt interessante Aufschlüsse über ihre Bildung als Reste einstiger Strandkanäle ge- hobener Riffe. Dabei nahm ich auch Gelegenheit zur Anlegung reicher Sammlungen der Flora und Fauna des dem steilen Ostabhang vor- gelagerten Küstenstreifens. Auf das Studium der Riffe der Insel Mauritius verwendete ich einen vollen Monat und wandte mich dann ostwärts nach Ceylon. Hier war meine Thätigkeit der Durchforschung der Nordspitze mit der Halbinsel Jaffna gewidmet, deren flache Ebenen allerorts alten Meeresboden erkennen lassen. ferner der Untersuchung des Aufbaues der eigenartigen Landverbindung Ceylons mit Indien, der Adams-Brücke und angelagerten Insel Ramesvaram, und gern benutzte ich dann noch eine Gelegenheit zu einem mehrwöchigen Besuch der gerade eröffneten grossartigen Perlfischerei und der altberühmten Perlbänke, ehe ich nach 24jährigem Wanderleben den Weg zur Heimat einschlug. Das Ergebniss der geleisteten Arbeit lässt sich naturgemäss erst nach Jahren vollständig übersehen, da die wissenschaftliche Be- arbeitung der Sammlungen eben erst begonnen hat. Mehr als fünfzig Fachgelehrte sind an der Arbeit, aus den mitgebrachten Sammlungen die Resultate zu ziehen, und eine Anzahl weiterer Specialisten ist im Begriff, die besonders umfangreichen embryologisch-anatomischen Prä- parate der Wissenschaft nutzbar zu verwerthen. Über die Herausgabe eines selbständigen, vorläufig auf fünf starke Bände veranschlagten Werks, in dem die wissenschaftlichen Ergebnisse der Reise gesammelt werden sollen, schweben z. Zt. die Verhandlungen. Einige Ergebnisse von allgemeinem Interesse lassen sich schon Jetzt angeben. u -. Jahresberichte der Stiftungen und Institute. 129 Die dem Reiseplan zu Grunde liegende Vorstellung von dem Aufbau der Inseln des westlichen Indischen Oceans, mit der ich die Reise antrat, hat volle Bestätigung erhalten, indem es nirgends gelungen ist, ein sich aus sich selbst in grösserer Stärke aufbauendes lebendes Korallenriff zu finden. Es erwiesen sich vielmehr die untersuchten Riffe ohne Aus- nahme als Bestandtheile mächtiger massiver Kalkbänke wechselnder Zusammensetzung, die durch eine Niveauverschiebung, hervorgerufen durch einen über den ganzen westlichen Indischen Ocean gleichmässig ausgedehnten Rückzug des Meeres von geringem Betrage, trocken gelegt und durch die Gewalt der Wogen im Lauf der Zeiten bis zur mittleren Flut-Ebbezone abrasirt worden sind. Die auf diesen Riffen aus dem Meer hervorragenden Inselchen liessen sich in allen Fällen als letzte Reste des der Zerstörung anheimgefallenen Mutterrifis nachweisen und bilden mit ihrer Unterlage ein einheitliches Ganzes von gleicher Zu- sammensetzung wie diese. Die an manchen Stellen sich vorfindenden Korallengärten, die ein Korallenriff vortäuschen, zeigten sich bei Prüfung ihres Unter- grundes als secundäre Gebilde, ohne jede nähere Beziehung zu dem Sockel, dem sie aufsitzen. Ferner ist auf allen besuchten Inseln des westlichen Indischen Oceans auch nicht ein einziges Mal ein Fall zur Beobachtung gelangt, in welchem die Bildung einer Insel auf einem wachsenden Riff in Betracht ge- kommen wäre. Stets fanden sich die Inseln, nicht wie bisher an- genommen, aufgebaut durch Anhäufung von Bruchstücken und ab- gerollten und versinterten Bestandtheilen eines lebenden Riffs, sondern in allen Fällen als letzte Reste eines trockengelegten und abgestorbenen und später abrasirten einst viel grössern Riffs, emporstrebend aus der Strandterrasse, ein einheitliches Ganzes mit ihr bildend und am Fusse allmählich in dieselbe übergehend, kleinere isolirte Felsen häufig nur bisher erhalten geblieben in Folge dichterer Zusammensetzung und grösserer Stärke, aber auch sie unweigerlich einst der Zerstörung und dem Zerfall anheimgegeben. Dieser oben erwähnte Rückzug des Meeres muss geologisch vor sehr kurzer Zeit stattgefunden haben, vielleicht noch in historischer Zeit, wie sich aus dem Erhaltungszustand der Korallen und sonstigen kalkbildenden Bewohner dieser trockengelegten Riffe erkennen lässt. Gerade auf das Sammeln dieser recent aussehenden Reste wurde be- sondere Sorgfalt verwendet, und es steht zu hoffen, dass es gelingen wird, durch Vergleich derselben mit den gleichfalls gesammelten lebenden Bewohnern des umgebenden Meeres einen Anhalt zu gewinnen für den Zeitpunkt dieser zwar nicht in Bezug auf die Höhe, wohl aber auf Ausdehnung gewaltigen Niveauverschiebung. 5 130 Öffentliche Sitzung vom 25. Januar 1906. Durch diesen Rückzug des Meeres findet auch die sich längs der Ostküste Madagaskars über etwa 600 km hin erstreckende Lagunen- kette, deren Entstehung man bisher durch den Kampf der Flüsse gegen die Brandung des Meeres und dadurch bewirkte Ablagerung der Se- dimente in Gestalt langgestreckter Barren zu deuten versuchte, eine einfache Erklärung. Es wurden nämlich bei der soeben erwähnten Niveauveränderung die der Küste vorgelagerten Riffe trockengelegt, erfuhren eine Über- lagerung durch Sandwehen und sind in dem Meer und Lagune trennenden Landgürtel erhalten geblieben, während die Lagunen selbst nichts weiter darstellen als den Strandkanal des ehemaligen Küstenrifis. Auch auf Ceylon liess sich für die dortigen Lagunen die gleiche Art der Entstehung nachweisen. Wenn, trotz gleicher Entstehungsweise durch einen Rückzug des Meeres, die Rifie und Inseln in ihren Küstenpartieen häufig ein wechselndes Äusseres besitzen, so ist diess zurückzuführen auf die Ver- schiedenheit der Gezeiten, weil durch diese die Höhe der Steilküste bedingt wird. Bei einem Gezeiten-Unterschied von nur einem Meter, wie auf Mauritius, muss sich natürlich eine andere Form der Steilküste heraus- bilden als bei einem solehen von 5—6 Meter wie im nordwestlichen Theil des Indischen Oceans. Während in ersterm Falle die Ausarbeitung der Steilküste nur eine unbedeutende sein kann, wird im zweiten Falle die Strandterrasse tiefer abrasirt, die Hohlkehle der Steilwand erreicht 3—4 Meter, kurz, die beiden, durch gleiche Ursachen er- zeugten Steilküsten werden ein wesentlich von einander verschiedenes Bild darbieten. Es ist diess ein Punkt, der in Zukunft mehr als bisher geschehen in Betracht zu ziehen ist. Akademische Jubiläums -Stiftung der Stadt Berlin. Bericht des Vorsitzenden des Curatoriums Hrn. WALDEYER. Die Verhandlungen über das in Aussicht genommene Unternehmen konnten bisher noch nicht zu Ende geführt werden; es ist zu erwarten, dass dieselben in den nächsten Wochen ihre Erledigung finden. Die Jahresberichte über die Monumenta Germaniae historica, das Kaiserliche Archaeologische Institut und den Thesaurus linguae latinae werden in den Sitzungsberichten veröffentlicht werden, nachdem die betreffenden Jahressitzungen stattgefunden haben. Jahresberichte der Stiftungen und Institute. Il Schliesslich berichtete der Vorsitzende über die seit dem Frıev- rıcns- Tage 1905 (26. Januar) bis heute unter den Mitgliedern der Akademie eingetretenen Personalveränderungen: Die Akademie verlor durch den Tod das ordentliche Mitglied der physikalisch-mathematischen Classe Ferpınann Frhrn. vov Rıcarnuoren; das auswärtige Mitglied derselben Classe ALBERT von KoELLIKER in Würz- burg; die correspondirenden Mitglieder der physikalisch-mathematischen Classe Ernst Asse in Jena, OTTo von-StruvE in Karlsruhe (Baden), WALTHER Fremmme in Kiel und Sir Joun BURDON-SANDERSoN in Oxford; die correspondirenden Mitglieder der philosophisch-historischen Classe Rıcuarnp HEmmzEL in Wien, Aporr Mussarıa in Wien, Kurt WaAcHsmurtH in Leipzig, Heımeıcn Denıre in Rom, JuLius Oppert in Paris, Hermann Usener in Bonn und FRrIEDRIcH von SPIEGEL in München. In Folge seiner Übersiedelung nach Marburg ist das ordentliche Mitglied der physikalisch-mathematischen Classe Frreprıcn KoHLrAausch in die Reihe der Ehrenmitglieder übergetreten. Neu gewählt wurden zu ordentlichen Mitgliedern der physikalisch- mathematischen Classe WALTHER NErNnsT und Pau Drupe; zum aus- wärtigen Mitglied derselben Classe ApoLr von BAEvYEr in München, bis- her correspondirendes Mitglied; zu correspondirenden Mitgliedern der physikalisch -mathematischen Classe Hexorık Antoon Lorentz in Leiden, Heneky LE COHATELIER in Paris, Hrmrıcn Bruns in Leipzig, Epwarn CHARLES Pıckerıne in Cambridge, Mass. und Hwuco von SEELIGER in München; zu correspondirenden Mitgliedern der philosophisch -histo- rischen Classe Benepictus Nıese in Marburg, Lupwıe Mıtteis in Leipzig “und WiırHELm Mever-Lüske in Wien. Ausgegeben am 1. Februar. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei Sitzungsberichte 1906. 13 u nn et nl Eu Pi. E SITZUNGSBERICHTE DER er KÖNIGLICH PREUSSISCHEN | AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Gesammitsitzung am 1. Februar (S. 133) Mertens: Über die Gestalt der Wurzeln einer Klasse auflösbarer Gleichungen, deren Grad eine Pin: Primzahlpotenz ist. (S. 134) in E.Frhr. v. 2. Gorrz: Unbekannte Fragmente altchristlicher Gemeindeordnungen. (S. 141) Ri B. Grorrnuysex: Ein Brief Kanıs. (S. 158) -B +1. Somur: Arithmetische Untersuchungen über endliche Gruppen linearer Substitutionen. (S. 164) Bi BERLIN 1906. | VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. RES IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Se & Aus dem Reglement für die Redaction der akademischen Aus $1. Die Akademie gibt gemäss $ 41,1 der Statuten zwei fortlaufende Veröffentlichungen heraus: »Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften« und » Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften«. Aus $ 2, Jede zur Aufnahme in die »Sitzungsberichte« oder die »Abhandlungen« bestimmte Mittheilung muss in einer aka- demischen Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel das druckfertige Manuseript zugleich einzuliefern ist. Nicht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. $3. } Der Umfang einer aufzunehmenden Mittheilung soll in der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, bei Niehtmitgliedern 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abkand." lungen nieht übersteigen. Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung ler Gesammt-Akademie oder der betreffenden Classe statt- haft, und ist bei Vorlage der Mittheilung ausdrücklich zu beantragen. Lässt der Umfang eines Manuscripts ver- muthen, dass diese Zustimmung erforderlich sein werde, so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen muthmasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen. SA. Sollen einer Mittheilung Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln heigegeben werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeichnungen, photographische Original- aufnahmen nu. s. w.) gleichzeitig mit dem Manuscript, jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen. Die Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen,, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschliessen. Ein darauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der be- treffenden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage eines Sachverständigen an den vorsitzenden Secretar zu riehten, dann zunächst im Seeretariat vorzuberathen und weiter in der Gesammt- Akademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie. Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist — wenn es sich nielıt um wenige einfache Textfiguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachverständigen beizufügen. Überschreitet dieser Anschlag für die er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberathung durch das Seeretariat geboten. Aus $5. Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manuscripts an den zuständigen Secretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften, und zwar, wenn eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mittheilungen von Verfassern, welche nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen der Regel nach nur in die Sitzungsberichte aufgenommen werden. Beschliesst eine Classe die Aufnahme der Mittheilung eines Niehtmitgliedes in die dazu bestimmte Abtheilung der »Abhandlungen«, so bedarf dieser Beschluss der Bestätigung durch die Gesammt- Akademie, (Fortsetzung auf S, 3 des Umsehlags.) Y ; | erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie? ist, r ee abziehen lassen. 12} Aus S6. N. . Dieandie Druckerei abzuliefernden Manuseripte müssen, wenn es sich nicht bloss um glatten Text handelt, aus- reichende Anweisungen für die Anordnung des Satzes : und die Wahl der Schriften enthalten. Bei Einsendungen Fremder sind diese Anweisungen von dem vorlegend ei Mitgliede vor Einreichung des Manuseripts vorzunehmen. Dasselbe hat sich zu vergewissern, dass der Verfasser seine Mittheilung als vollkommen druckreif ansieht. Die erste Correetur ihrer Mittheilungen besorgen die Verfasser. Fremde haben diese erste "Gemein an dı vorlegende Mitglied einzusenden. Die Correetur soll nach Möglichkeit nicht über die Berichtigung von Druckfehlern und leichten Schreibversehen hinausgehen. Umfängliche Correcturen Fremder bedürfen der Genehmigung des redi- y girenden Secretars vor der Einsendung an die Druckerei, und die Verfasser sind zur Tragung der entstehenden in kosten verpflichtet. 2 2. Aus $S8. a und Von allen in die Sitzungsberichte vie: Abbe aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilungen, Adressen oder Berichten werden für die Verfasser, vor } wissenschaftlichen Mittheilungen, wenn deren Umfang i im Druck 4 Seiten übersteigt, auch fürden Buchhandel Sonder abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen des ben treffenden Stücks der Sitzungsberichte susgesehen Fl Von Gedächtnissreden en ebenfalls Sonderabdrucke für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn die Verfasser sieh ausdrücklich damit einverstanden erklären. 3 < SB er Von den Sonderabdrucken aus den Sitzungsberichten i zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 50 Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch‘ weitere bis zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Secretar an- 3 gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten. noch „es Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt- Akademie oder der b rs treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 50 | exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei redigirenden Secretar weitere 200 Exemplare auf ihr I Von den Sonderabdrucken aus den Abhandlungen Ei hält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 30 Frei exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem auf Kosten der Akalemie weitere Exemplare bis von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere » zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu las sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden a au- n gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt- Akademie oder der be- y treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 30 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei der redigirenden Secretar weitere 100 Exemplare auf ih Kosten abziehen lassen, t BR; sr. ver stimmte wissenschaftliche la Ak 4 in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jener \ Stelle anderweitig, sei es auch nur auszugs- 2" Bir P} 133 SITZUNGSBERICHTE 1906. V. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. l. Februar. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. Dieıs. *]. Hr. Scumipr las über »Die Poesie der Naturvölker«. Er leitete von den Ursprüngen taktmässigen Chorgeschreis und mimischer All- kunst Einzelgattungen der primitiven Lyrik ab, mit Ausblicken auf Drama und Epos. 2. Hr. Mertens, correspondirendes Mitglied, übersandte eine Mit- theilung: Über die Gestalt der Wurzeln einer Classe auflösbarer Gleichungen, deren Grad eine Primzahlpotenz ist. Der Verfasser bestimmt die Gestalt der Wurzeln einer algebraischen Gleichung, die eine in einem Garoıs’schen Felde metacyklische Gruppe besitzt. 3. Hr. Harnack legte eine Abhandlung des Frhrn. von DER GoLTz vor: Unbekannte Fragmente altchristlicher Gemeindeordnungen. In dieser Abhandlung wird auf Grund einer jüngst veröffentlichten äthiopischen Kirchenordnung und anderer Quellen gezeigt, dass die zahlreichen orientalischen Kirchen- Constitutionen wirklich an der Kirchenordnung des Römers Hippolyt eine ihrer Haupt- wurzeln haben und dass Theile dieser Schrift noch nachgewiesen werden können. Auch andere altehristliche liturgische Stücke werden aus späteren Quellen ausgeschieden. 4. Hr. Conze berichtete über die Ausgrabungen des Kaiserlichen Archäologischen Instituts im Spätherbst vorigen Jahres in Pergamon. Der eingehendere Bericht der HH. Dörrrenn, Hrrpıss und anderer Mit- arbeiter wird in den athenischen Mittheilungen des Instituts erscheinen. 5. Von Druckschriften wurden vorgelegt zwei weitere Bände der »Ergebnisse der Plankton-Expedition der HumsoLpr-Stiftung«: P. Scniemenz, Die Pteropoden und A. Borserr, Atlanticellidae. Kiel und Leipzig 1905.06; ferner H. Bruns, Wahrscheinlichkeitsrechnung und Kollektivmasslehre. Leipzig und Berlin 1906. Für die am 2. Juli 1903 ausgeschriebene Preisaufgabe aus dem von Hrn. vos MiLoszewskı gestifteten Legat über die Entwickelungsgeschichte des Heerr’schen Systems (Sitzungsber. 1903 S. 720f.), deren Frist am 31. December 1905 abgelaufen ist, wird eine Verlängerung der Frist bis zum 31. December 1906 unter denselben Bedingungen angeordnet. Sitzungsberichte 1906. 14 134 Gesammtsitzung vom 1. Februar 1906. Über die Gestalt der Wurzeln einer Klasse auf- lösbarer Gleichungen, deren Grad eine Primzahl- potenz ist. Von F. MERTENnS. 1: Be sei p eine gegebene Primzahl, n>ı,P eine nach dem Modul p irreduetibele ganze ganzzahlige Function n“" Grades der Unbestimmten x und ® der Inbegriff aller ganzen ganzzahligen Funetionen E=&+&0+... +50" von x von nicht höherem als dem rn —ı"" Grade, deren Coeffieienten der Zahlenreihe 0, ı,...p— ı angehören. Jede ganze ganzzahlige Func- tion w von x ist nach dem Doppelmodul P,p einer Function £ aus Q congruent und es soll unter [w]; der Coeffieient von X" in £ ver- standen werden. Nach dem Vorgange von GaLoss kann man sich zur Bezeichnung von p" Grössen &,;...,, deren n Stellenzeiger Zahlen der Reihe 0, ı,...p— ı sind, bequem ganzer ganzzahliger Functionen von x bedienen, indem man unter x, die Grösse &,,..., mit den Stellen- zeigern [@]., ll» - - [#]2-. versteht. Es sei ?t ein gegebener Theiler der Zahl p—ı und a eine zu dem Exponenten { nach dem Module P, p gehörende Function. Sind A, u ganze ganzzahlige Functionen von w und bedeutet (£,A-+u£) die Forderung, dass &; durch &,,,; zu ersetzen ist, so ergiebt dieselbe eine Permutation der Grössen x;, wenn # nicht durch das Modul- paar P, p theilbar ist. Es sei Gag und T die Gruppe der ip" Permutationen (BEHNg, welehe allen Functionen A von & und den Werthen 0, I,...{—ı von h entsprechen. _ — Merrens: Über Gleichungen, deren Grad eine Primzahlpotenz ist. 135 Es ist nicht ohne Interesse, die Gestalt der Wurzeln x; einer Gleichung vom Grade p” mit nicht verschwindender Diseriminante zu suchen, deren Üoefficienten einem gegebenen Rationalitätsbereich R angehören und welche die Eigenschaft hat, dass alle rationalen Fune- tionen & ihrer Wurzeln, welche die Permutationen der Gruppe T ver- tragen, rational bestimmbar sind. 3, 0%, Unbestimmte und w eine ganze ganzzahlige Function von x. Unter a7 soll das Potenzproduct Es seien x, & [wo lelr leln—ı I 2 ..edn ’ k—ı unter x der Ausdruck ©?” , unter (2,25: x.)” das Potenzproduet w € Ver Xp... verstanden werden. Bezeichnet man einen Ausdruck von der Form Al? —1)+ B( —1)+...+ Ela? —ı), wo A,B,... E ganze Functionen von %,,%,,...x, sind, allgemein mit NV, so ist ersichtlich et’ +B = +rR. Ist g (@,,%,,...x,) eine ganze Function der Unbestimmten &,, %,, ...%, und « eine primitive p“ Einheitswurzel, so soll unter 9 (w) der Ausdruck 2 GE Bayern); unter g der Ausdruck g(&,1,...ı) verstanden werden. Bezeichnet man die über alle Functionen £ von Q zu erstreckende Summe . u > u" %; mit Z(w), so sind in dem Ausdrucke L(w) alle p’—ı Lasraner’schen Resolventen der Gleichung für &,_....,... enthalten, wenn für w alle Functionen von ausser O gesetzt werden. ZL (0) ist die Wurzelsumme. Man kann eine ganze ganzzahlige Function V=6+62°+... von der Art ermitteln, dass alle Resolventen LwW=%ar" ra) von Null verschieden ausfallen. Denn der Ausdruck > a, a2 14* 136 Gesammtsitzung vom 1. Februar 1906. kanı bei gegebenem w nicht für alle Werthe 0, ı,...p"—ıI von m ver- schwinden, und das über alle Funetionen » von Q ausser O zu er- streckende Product II2:*W+u2,+u.-+. 2) verschwindet infolgedessen nicht identisch in den Unbestimmten %,, %,, ..., so dass ganze Zahlen «,,€,,... gefunden werden können, welche, statt derselben gesetzt, ein von Null verschiedenes Resultat ergeben. Die Permutation (£,&+R) verwandelt L(w), L,(w) in x” L(w) HB = L(w)+-B, die Permutation (£, uf) in Lv) H+® L(wa)+®B, wo #" die Wurzel der Congruenz pz=ı (modd P,p) bezeichnet. Ermittelt man eine ganze rationale Function y der Grössen &;, welche bei allen Permutationen (£.2+?) und nur bei diesen unge- ändert bleibt, so nimmt dieselbe bei den Permutationen 1,9, 9, ...£ verschiedene Werthe Yon Yıs - +» Yıı an, deren cyklische Funetionen alle Permutationen von T' vertragen. Diese Werthe sind daher Wurzeln einer cyklischen Gleichung 2” Grades mit Coefficienten in R, und man darf überdies y so gewählt voraus- setzen, dass die Lasrange’ schen Resolventen und die Wurzelsumme dieser Gleichung oder, was dasselbe ist, die Determinante Yo» Yı» » +» Yı-ı Yı» Ya> »-* Yo Yıı ’ Yo; ..n.'e Ye N von Null verschieden sind. Das Product jeder ganzen Function ® von &, ...o>..., Welche alle Permutationen (£, &+) verträgt, in A? ist als linear-homogene Fune- tion von Y%,, Yı, » - . Yı_, darstellbar, deren Coeffieienten in den Grössen x; ganz sind und alle Permutationen von T vertragen. Dies folgt un- mittelbar aus dem Bau des Ausdrucks stellaun m 6 ar num RL Aa ae me ®,_: ’ Yı-ı ’ Yo unse Y- | u — Mertens: Über Gleichungen, deren Grad eine Primzahlpotenz ist. 157 in welchem u,w,,ü,,... Unbestimmte und v,,v,,... die aus den Permutationen I,g,... hervorgehenden Werthe von v bezeichnen, und aus dem Verschwinden desselben bei der Ersetzung von u, u, %,... GUrEEN 9, Y,.%.::..« 3. Man fasse die Grössen x; als Unbestimmte auf, und es sei 7 ein Potenzproduet der Ausdrücke L(w), Z,(w), welches sich bei den Per- mutationen (£,&+?) nur um einen Bestandtheil ® ändert. Der Rest von T in Bezug auf die Theiler 2 —ı1,22—1ı,...23—ı hat ganze Funetionen von &% ...o,... zu Üoefficienten, welche alle genannten Permutationen zulassen, und man kann infolgedessen T=>yha,%...0)+B Ro, Ureedeer Setzen, wo A’f,,A”f.,... ganze Functionen von %,, 0,5... ...os--- sind und alle Permutationen von T vertragen. Da die Permutation q a und die gleichzeitige Ersetzung von x,,%,,... durch a{,a%,... den Ausdruck T bis auf einen Bestandtheil ® ungeändert lassen, so ist >, yn+:F1(@) = YA) +® oder Inh) TR: wo unter %,, f_, die Functionen %,,f_, zu verstehen sind. In dieser Identität dürfen alle Permutationen 1,9,9’,... ausgeführt werden und es muss demnach So hl) = PB khaoln..ft sein. Hiernach ist T= Byifsla) +8 und daher auch A) >, yaf(wa') + DB. Denkt man sich nun unter &,...o,::- die gesuchten Grössen Ind Beizi 2 =, = l,...=1T, sö.ergiebt. sich Ta) = I, yıF(wa'), wo jetzt f, eine ganze Function von &,,%,,... mit Coefficienten in N bedeutet. 138 Gesammtsitzung vom 1. Februar 1906. 4. Es sei N=TI2® L(1)M(@,, 2...) = 17.9, wo $ alle Functionen von Q ausser O zu durchlaufen hat. N ist eine ganze ganzzahlige Function der Grössen x;, welche alle Permu- tationen von T verträgt, und daher eine Grösse in Rt. Die Potenzproducte 107% Le)] JM we‘) Le, wo das Productzeichen auf alle Functionen » von Q ausser O und die Werthe 0, ı,:..n—ı von %k zu beziehen ist, genügen der bei T gemachten Annahme. Denn dieselben nehmen bei der Permutation (£;,E-+?) bis auf einen Bestandtheil ® die Factoren x’, a; an, wo p= a— AD ua] (D,I— ı) = AH), ww" =o (modd P, p) k,w ist. Man hat daher LP = I yıf8a’) L(S)N’ je I] D. a a F7 Ya a’) 2 wo f,f, ganze Functionen von &,,%,,... mit Coefficienten in NR be- zeichnen und ey 3 [a1 w,k ist. Setzt man DT) und zur Abkürzung > yıf(@a) —— F(&, ) >, y19(a‘) —— G(x,, Ur. 2.) ’ so wird L,(S) = Fr und man hat zur Bestimmung der Grössen x; die Gleichungen AB 6 LN)=G6G SI] F(— Sux*) ? SE VE 3 (c+2 x L S) R n p N wo © zu NR gehört. nn TEE TE EU Ge u ur urn EEE En EEE Mertens: Über Gleichungen, deren Grad eine Primzahlpotenz ist. 139 2. Die gefundene Gestalt der Wurzeln x; ist aber nicht nur noth- wendig, sondern auch hinreichend für die rationale Bestimmbarkeit der Funcetionen &. Denn man nehme für %,,%,,-..%_, die Wurzeln einer beliebigen eyklischen Gleichung £“" Grades mit Coefficienten in WR, für f,g be- liebige ganze Funetionen von n Variablen x,,%&,,... mit ebensolchen Coeffiecienten und für C eine beliebige Grösse aus NW. Zieht man eine ganze Function © von p" Unbestimmten x; in Betracht, welche bei allen Permutationen der Gruppe T identisch un- geändert bleibt, und stellt x; durch ZL(o) und die Resolventen L($) dar, so ergiebt sich für © eine Summe von Ausdrücken vl JL®*; wo ps eine ganze nicht negative Zahl, y(&) eine ganze rationale Function von « und ZL(o) bezeichnen und das Product auf alle Functionen $ von Q zu beziehen ist. Die Summe enthält nur Glieder, in welchen Ip:$ = 0 (modd P, p) ist, wie sofort erhellt, wenn man alle Permutationen (£,&-+A) aus- führt und die Resultate addirt. Vollzieht man die Permutationen 20..2.0: 2% und) setzt [1 78a): = Qie) (+ +. + 0) = AR), so ergiebt die Addition der Resultate e= Iy@)A & Da die Wurzel & in ® nieht vorkommt, so darf dieselbe durch &°,...a’”" ersetzt werden und es erhellt, dass @ linear-homogen durch Aus- drücke von der Form L(0)(a" Aa) + a" Aa’) +... Ha? MA (a?) mit Coeffieienten in NR darstellbar ist. Denkt man sich nun unter x; den oben gefundenen Ausdruck, so ist zu setzen und es wird aa N ia rl ER RE ne 140 Gesammtsitzung vom 1. Februar 1906. Da bei festem $ der Rest von S$w in Bezug auf die Moduln P, p die- selben Functionen wie w durchläuft, so folgt nach Ersetzung von Sw durch w Fi Sur® „ek 8 Fi 97 7° ) IIF- Sur 7 F(—-ua*)?r', SS, wk w, k — Dips [Io]; ist. Die Zahl r ist auf Grund der Congruenz Tz > = le" 37,2], = 0o(modp) 3 durch p theilbar. Setzt man dieselbe = pe,, und H(«, „U, .. .) = II EN, IIFoe*)'” 9 S w, k so ist Qi) = H(a'”). Wird aber der Werth einer Function Y der Wurzeln %, ,% 5.» - Yı-ı, welcher aus einer imaligen cyklischen Vertauschung der letzteren hervor- geht, mit Y, bezeichnet, so ist G8a'-') = G$9), F-wa*a'=') = Fur‘); und daher Q;(e) = Hi), Ale) = ‚#0,+H0),+ El): Hiernach ist A(«) als eyklische Function von y,,y, ... eine ganze rationale Function von &, und alle Ausdrücke L(0) (@” Ale) + &°”" Aa’) + m .) gehören zu W. Dasselbe gilt somit von ©. EEE ir TEE u BZ / 141 Ä Unbekannte Fragmente altchristlicher Gemeinde- ordnungen. Nach 6. Horners englischer Ausgabe des äthiopischen Kirchen- rechtsbuchs. Mitgeteilt von EpuArp Freiherrn von DER GoLTz. (Vorgelegt von Hrn. Harnack.) DD. Untersuchungen über die ältesten Quellen des christlichen Kirchen- rechts haben die Forschung in den letzten Jahrzehnten viel beschäftigt. Besonders seit der Entdeckung der Aıaaxtı TON AwaekAa ÄTIOCTönWN ist man rastlos bemüht gewesen, die Überlieferungsgeschichte der ältesten Kirchenordnungen und Kanones aufzuhellen — nicht ohne Erfolg. »Die apostolische Kirchenordnung« und die »Didaskalia« sind aus unbe- stimmten zu bestimmten Größen geworden, und damit sind, wenn man die Didache und die verschiedenen Rezensionen der »beiden Wege« hinzunimmt, die Quellen für die sieben ersten Bücher der großen Kom- pilation aufgehellt, die unter dem Namen der »apostolischen Kon- ‚stitutionen« bekannt ist. Die Didaskalia ist von H. Acneuıs und J. Fremmse! nach guten syrischen Texten in deutscher Übersetzung weiteren Kreisen zugänglich gemacht, als eine wichtige syrische Ge- meindeordnung des 3. Jahrhunderts, freilich nur von lokaler Be- deutung. Epuunp HauLer gab aus einem Veroneser Palimpsest um- fangreichere lateinische Fragmente, der Didaskalia, der apostolischen und der ägyptischen Kirchenordnung, heraus,” und Wırnerm RıepeL hat die Kirchenrechtsquellen des Patriarchats Alexandrien zusammen- gestellt und zum Teil, besonders die Canones Hippolyti, übersetzt (Leip- zig 1900). Nur an einem sehr wichtigen Punkte blieb der Streit in der Schwebe: In welche Zeit gehören die von H. Acnerıs schon 1891 nach einem arabischen Texte lateinisch edierten sogenannten Canones ı Vgl. Die ältesten Quellen des orientalischen Kirchenrechts II: Die syrische Didaskalia, übersetzt und erklärt von Hans Acnerıs und Jonannes Frennıng. (Leipzig 1904. Texte und Untersuchungen zur altchristlichen Literatur, N.F. X, 2.) 2 Epmunn Hauter, Didascaliae apostolorum fragmenta Veronensia Latina. acce- dunt canonum qui dieuntur apostolorum et aegyptiorum reliquiae. Lipsiae MCM, 142 Gesammtsitzung vom 1. Februar 1906. Hippolyti (C. H.)', und in welchem Verhältnis stehen sie zu dem VII. Buch der apostolischen Konstitutionen (C. A.) und dem zwischen bei- den Quellen stehenden Mittelglied, der sogenannten ägyptischen Kirchen- ordnung (Äg.K.O.)? H. Acneııs nahm in seiner Ausgabe von 1891 die C.H. in der Hauptsache als ein Werk des römischen Presbyters und Gegenbischofs Hippolyt in Anspruch und konstruierte die Reihen- folge: C.H. — Äg.K.O. — C.A.VII. F.X. Funk dagegen erklärte C.H. für ein spätes Exzerpt und behauptete genau die umgekehrte Reihenfolge. Schroff standen sich die Meinungen gegenüber, und eine jede fand ihre Anhänger. In neuen Fluß kam die Diskussion durch die Veröffentlichung des Testamentum Domini nostri lesu Christi (T) seitens des syrischen Erzbischofs Ranmast. Denn in dieser Kirchen- ordnung, ebenfalls ägyptischen Ursprungs, ist das gleiche Material wie in C.H. und C. A. VIII bearbeitet. Funk schrieb über diese Urkunde eine sorgfältige Untersuchung,’ und es gelang ihm in der Tat, an mehre- ren Punkten nachzuweisen, daß C.H. unmöglich die Quelle von ©. A. VII und T sein könne. Dagegen vermochte er auch jetzt nicht ©. A. VII als die älteste Grundlage darzutun, und AcnaeLıs blieb meines Erachtens im Recht, wenn er auf jeden Fall daran festhielt, daß in C.H. wesent- liche Stücke von Hippolyts Kirchenordnung enthalten seien. Nun hatte schon die Rolle, welche die Äg.K.O. in diesem Streite spielte, gezeigt, wieviel auf die alten orientalischen Übersetzungen dieser Quel- len ankommt. Bereits Acaerıs hatte mit Nutzen Fragmente der äthio- pischen Version benutzt, die einst Luporr in seiner Historia Aethio- piaca 1681 mitgeteilt hatte, und mehrfach war der Wunsch ausge- sprochen worden, die arabische, die äthiopische und die saidische Ver- sion des orientalischen Rechtsbuchs vollständig zu kennen. PAuL pe LaGArDeE (Aegyptiaca 1886) und Jon. Leirorpr (T.U. N.F. XIıb) hatten nur einzelne Teile der saidischen Version herausgegeben. So kam es einem dringenden Bedürfnis entgegen, daß ein englischer Geist- licher, G. Horner, der wissenschaftlichen Welt das ganze orientalische Rechtsbuch in äthiopischer (E), arabischer (A) und saidischer (S) Form zugänglich gemacht hat, unter Beigabe einer englischen Übersetzung." Ich habe diese Ausgabe in der Theologischen Literaturzeitung (1905, ! Die ältesten Quellen des orientalischen Kirchenrechts I: Die Canones Hippo- lyti von Dr. Hans Acneuıs. Leipzig ı89r (T. U. VI.4); weiteres auch Zeitschrift für Kirchengeschichte XV, ı (1895) und R.E.®1I, S. 734ff. ?2 Testamentum Domini nostri lesu Christi, ed. Ignatius Ephraum II. Rannanı. Moguntiae 1899. 3 F.X. Funk, Das Testament unseres Herrn und die verwandten Schriften, Mainz 1901. (Forschungen zur christlichen Literatur- und Dogmengeschichte II, 1. 2.) * G. Horner, The Statutes of the Apostles or Canones ecelesiastiei, edited with translation and collation from Ethiopie and Arabie Manuseripts; also a translation of the Saidie and Collation of the Bohairie versions; and Saidie fragments. London 1904. . m ir "WE Pr | EEE ie E. Frhr. v. o. Gor'rz: Unbekannte Fragmente altchristl. Gemeindeordnungen. 143 Nr. 24) angezeigt und darf auf das dort Gesagte verweisen. Nur das sei hier noch einmal hervorgehoben, daß nun ein umfangreiches Material gewonnen ist, um eine Textvergleichung aller Parallelrezen- sionen anzustellen und der Ermittlung der ältesten Form näherzu- kommen. — Hier aber möchte ich die Aufmerksamkeit nicht auf einzelne Rezensionen bekannten Textmaterials richten, sondern auf völlig unbekannte Fragmente, die sich mitten in dem Text der äthio- pischen Kanones eingesprengt finden und von Horner in seiner Ein- leitung zwar kurz notiert, aber keineswegs in ihrer Bedeutung er- kannt und gewürdigt sind. Ich muß mich dabei im wesentlichen auf Horxers englische Übersetzung der Texte verlassen, habe aber an un- sicheren Stellen Hrn. Prof. Dr. JAkog-Barru und Hrn. Lie. Dr. B. Vıorer in Berlin sowie Hrn. Oberbibliothekar Dr. Jon. FLemmme in Bonn zu Rate gezogen, die mir freundlichste Auskunft gaben. Die von Horner benutzten äthiopischen Handschriften sind folgende: a) Brit. Mus. Or. 793 (etwa 1730—1755), 5) Brit. Mus. Or. 794 (saec. XV), c) Brit. Mus. Or. 796 (1730— 1755), d) Berlin 396 (etwa 1758), e) Berlin 398 (saec. XV), V (Vatikan —= Lunorrs Ms.); besonders 5 ist der Beachtung wert. Die bisher unbekannten Stücke im Text des äthiopischen Rechtsbuchs (E) sind folgende: Nr. ı. Der Anfang von Hippolyts Schrift ATTOCTOAIKH TTAPÄAOCIC. Ich beginne mit diesem Fragment, weil es uns den Ausgangs- punkt gewährt für die Beurteilung der übrigen. Es findet sich unter der Bezeichnung: »Statut 40« nach den Bestimmungen über die Witwen- _ mahle (E 39. A 38. S 52) und vor denen über die Erstlinge (E 40. A 39. S 53), trägt also die Nummer, die erst dem folgenden Stück gebührt. Der Einschub enthält zunächst wenige einleitende Sätze, dann ein vollständiges Taufritual. Wir haben zunächst nur mit jenen einleitenden Sätzen zu tun. Sie stimmen der Hauptsache nach überein mit einem herrenlosen lateinischen Fragment, das sich im Cod. Veronensis (ed. Hauser S. 101) nach der Äg. K. O. vor dem Kanon über die Bischofsweihe findet; dies fügt sich zu der Beobachtung, daß der erste Satz wörtlich mit ©. A. VIII, 3 gleichlautet, während VIII, 4 der Ab- schnitt über die Bischofsweihe beginnt. Dieser erste Satz nimmt aber Bezug auf eine vorausgegangene Schrift rrepi xarıcmAton (= C. A. VI, 1.2), welche Acnenıs mit Recht mit der gleichnamigen Schrift auf der Hippolytstatue identifizierte. Auf sie folgt ebendort der Buchtitel: ÄTIOCTOAIKH TIAPAaocıc, eine Gemeindeordnung Hippolyts, die AcneLıs in den ©. H. glaubte gefunden zu haben. C. A. VIIl, 3 konnte freilich sicher nicht als Anfang von Hippolyts Schrift gelten. So hielt Acneuıs den 144 Anfang der arabischen C.H. dafür. Es kann aber nun kein Zweifel sein, daß in den allerdings Hippolytschen Anfangssätzen von ©. H. nur der Anfang der Ordnung selbst vorliegt, im vorliegenden Fragment aber das Proömium. Ich stelle den lateinischen Text bei Havrer, den äthiopischen Text und den Versuch einer deutschen Übersetzung des äthiopischen (nach Dr. Barrns und Dr. Fremmmes Angaben) nebenein- Gesammtsitzung vom 1. Februar 1906. ander!: Cod. Veronensis. ı. Ea quidem, quae verba fuerunt, digne posuimus de donationi- quidem Deus a prineipio secun- bus, quanta dum propriam volun- tatem praestitit | 2. hominibus offe- rens sibi eam imaginem, quae aberraverat 3. nune autem ex caritate qua(m)in omnes | sanctos habuit 4. produeti ad ver-| ticem traditionis, quae | Äthiopischer rear 40. TANN: 9: NAY7 +: PCI: UNT : HchPCcPpt : 1. UNAFT: Pan: CEYG: AhFr : NAY f:29T: om? : 27 07: AM.ANKLC:A N.A7 : AHN,.AU« : 9° ING: 2. Pe : @UN : Adna: AFN: Pen: ANRTEE NEE ne. d: hpARı: 3. DRAN: Er C: DAS: Not : 1neoo- : pP. : 4. m2.hr: aM: Chn:AmPP:ATT: Übersetzung des äthiopischen Textes. [40. Statut. Über die Ordnung der Gabe der Apostel.] ı. Was das Wort be- trifft, in rechter Weise haben wir über die Gna- dengaben geschrieben, so viel Gott unser Herr nach seinem eigenen Willen uns "geschenkt hat. 2. Vordemhhater(es)den Menschen gegeben, indem 'erihnen darbot dem Irrtum 'unterworfene Bilder (oder: ‘indem erzu sich heranbrin- gen wollte die Abbilder, ‘die verdorben waren).? | 3. Jetzt aber (durch?) ‚seinen geliebten Sohn, der in allen Heiligen ist, ' 4. gekommen seiend zu dem Hauptpunkt der Über- catecizat (HTIc Kaenkeı) FRA: dt: ANP lieferung, die sich gebührt ad ecelesias | T:nCAEPST: in den Kirchen, Zu 3* @AS.: (in einer Handschrift statt D&AHA: 4ER. : könnte man DRAN, : NE:PC. : lesen = nune autem ex caritate d. Lat. (Fl.) ! Aus den C. A.VIII, 3 ist zu vergleichen der Anfang: TA Men oYN TIPOTA TOY NÖ- rOY E&ZEOEMEHA TIEPI TÖN XAPICMÄTWN ÖCATIEP Ö BEÖC KAT’ IAIAN BOYAHCIN TIAPECXE ÄN- EPOWOIG HL. ee NYN AE& EMI TO KOPY®AIOTATON TÄC EKKAHCIACTIKÄC AIATYTIOCEWC Ö AÖrOC HMAC Erieirei der Autorität des bischöflichen Amtes. ® Horner übersetzt: while bringing near to him that which had gone astray in type. ÖTIWC KAl TAYTA MABÖNTEC ..... alles übrige ist dort verändert im Sinne De az E. Frhr. v. o. Gorrz: Unbekannte Fragmente altchristl. Gemeindeordnungen. 145 | Äthiopischer Übersetzung des God. Veronensis. | I = flexch. ‚äthiopischen Textes. 5. perreximus ut ii 5. NAh3:haom:w 5. sind wir dazu ge- qui bene ducti (oder: GE: BFamy4.:AFF: langt, daß sie gut unter- docti) sunt eam, quae yA@F- : Adıh: PAll,: richtet sind in der bis- permansit usque nunc annPav-*: ıherbestehenden Überliefe- traditionem rung (oder: daß sie schön | |lernen, was bis jetzt ge- | wesen ist) 6. exponentibus no-, 6. @YE&na-: eg) 6. und, indem sie un- bis eustodiant et agno- Yp7 : DAATZCav- : |sere Ordnungen beachten scentes firmiores mane- gene : 295 : en: und alles erkennen, fest ant | werden (oder: (und) indem sie überliefern und halten unser Gesetz und indem | sie alles wissen, fest sind.) 7: --. propter eum 7. NAT: trann 7. Wegen ihres Zusam- qui nuper inventus est Foo: &AH,: NA,Ph menkommens jetzt in Un- per ignorantiam lapsus | Pe : &49.** : 'wissenheit sind sie ausge- vel error glitten (P). 3. et hos qui igno-| 98. @hAh:A,fha 5. Und diejenigen, die rant praestante sancto =: A7H: &u-N: @®7 nicht wissen, indem der spiritu perfeetam gra- CN: PN: EAP°r: heilige Geist die vollkom- tiam 149: ımene Gnade gibt 9. eis qui reete ere- 9. AhA : NACTd: 09. denen, die recht dunt, ut cognoscant, PA : nao : PAY” glauben, damit sie wissen, quomodo oportet tradi «: AR: mg @-: | wie es sich ziemt, zu über- et ceustodiri omnia '@PD-:@RBÖbN-: liefern und zu bewahren, 10. eos qui ecclesiae 10. Ad:@-Mt: fh 10. (für) diejenigen, die praesunt. T: nCcAt:P$7: &Po- im Hause der Christen ste- gD« x hen (vorstehen?). Zu 6* statt op mPap- : lies PP : — traditionem d. Lat., oder (a)anm, Pgv-: »und indem sie überliefern«. (Fl.) Zu 7°” NAFT : bis &49« : ist unverständlich, durch Emendation enthält man leicht den Text d. Lat.: QYAFF:HTann: Tat: AFH: NA LATE: & 49: = propter—lapsus. (Fl.) So unsicher viele Einzelheiten in diesem Texte sein mögen, der In- halt ist völlig klar. Der Verfasser hat in einem ersten aöroc über xAric- MATA geschrieben. Im alten Bund gab Gott sie(?) in Bildern, die dem Irrtum unterworfen waren. Jetzt aber hat die Offenbarung Jesu 146 Gesammtsitzung vom 1. Februar 1906. Christi völlige Klarheit und Sicherheit geschaffen, so daß jeder wissen und lernen kann, welche Ordnungen in der Kirche gelten sollen. Da nun aber infolge einer Irrung kürzlich viele in der Gemeinde ausge- glitten sind, so will der Verfasser, daß die, welche den Gemeinden vorstehen, die anderen belehren, und zwar sowohl die, welche nicht das Rechte wissen, damit sie die Vollkommenheit der Gnade erlangen als die, welche recht glauben, damit sie erkennen, wie man diese Dinge überliefern und bewahren soll. Es handelt sich also um einen Versuch, eine Gemeindeordnung aufzustellen, weil Irrungen in der Gemeinde dazu nötigten. Der Verfasser muß ein solches Unter- nehmen mit dem Vorstehenden besonders motivieren, und es kann um so weniger zweifelhaft sein, daß wir es mit Hippolyt zu tun haben, als mit der Bearbeitung C. A. VIII, 3/4 in mehreren Handschriften sogar Hippolyts Name überliefert ist (vgl. Acnzuıs, a.a.0. S.243ff.). Es handelt sich also in der Tat um den Anfang von Hippolyts Amocro- rich trAPAAocıc, und Acaeuıs hat Recht behalten, daß unserem Quellen- material Hippolyts Gemeindeordnung zugrunde liegt, wenn ihm auch die weitere Untersuchung nicht Recht geben dürfte, sofern er in C.H. diese Ordnung in wesentlich unversehrter Gestalt wiedergefunden zu haben glaubte. Jedenfalls ist nun der Anfang der ältesten christlichen Gemeindeordnung zum Vorschein gekommen, und diese Ordnung stammt aus Rom. Nr. 2. Die Taufordnung. Unmittelbar an diese Einleitungssätze schließt sich die Tauford- nung an, die eine Kombination sehr alter und auch späterer äthiopi- scher Taufgebete enthält. Sie wird an einem anderen Orte (in der Zeitschr. f. Kirchengeschichte 1906, Heft ı) erscheinen und zugleich wird dort wahrscheinlich gemacht werden, daß der alte Grundstock dieses Taufbuchs in der Tat auf Hippolyt zurückzuführen ist. Der Raum verbietet es in dieser Mitteilung, auf die umfangreiche Urkunde näher einzugehen, dagegen haben wir im folgenden noch andere teils an früherer, teils an späterer Stelle der äthiopischen K. 0. einge- sprengte Stücke mitzuteilen. Nr. 3. Ein Gebet zur Weihe eines Diakonen. Das Veroneser Palimpsest (ed. Haurer, a. a.0. S.ııo) enthält das Fragment eines Diakonenweihegebets', welches in den C.H. (ed. Acnerıs, S. 66) und C. A. VIII, ı6 eine ganz anders lautende Paral- ! Es lautet: Deus, qui omnia ereasti et verbo perordinasti, pater domini nostri lesu Christi, quem misisti ministrare tuam voluntatem et manifestare nobis tuum desi- derium, da spiritum sanctum gratiae et sollieitudinis et industriae in hunc servum tuum quem elegisti ıninistrare ecelesiae tuae et offerre.... E. Frhr. v. o. Gorrz: Unbekannte Fragmente altchristl. Gemeindeordnungen. 147 lelformel besitzt. Der äthiopische Text bietet uns nun in Kanon 24 (Horner, S.145, 13 — 26) den vollständigen Wortlaut dieses inter- essanten Gebets, das in seinem Aufbau (Parallelismus zwischen Dank und Bitte, Christus und dem Diakon) an die Taufgebete Hippolyts erinnert und, vorbehalten einige durch Klammern angedeutete zum Teil auch durch die Textüberlieferung nahegelegte Änderungen, dem Hippolyt zugeschrieben werden darf: »Gott, der du alles geschaffen hast und durch deinen Logos »geordnet hast, Vater unseres Herrn [und Heilands] Jesu Christi, den »du sandtest zu dienen (alakonein) deinem Willen und uns zu offen- »baren deinen [geheimen] Ratschluß, schenke den Geist der (oder: und) »Gnade und Fleiß auf diesen deinen Knecht, den du erwählt hast zu »dienen (arakonein) in unserer Kirche und darzubringen in deinem heili- »gen Heiligtum: das was dir dargebracht wird [durch deine ordi- »nierten Oberpriester] zur Ehre deines Namens; also möge er, wenn »er tadellos gedient hat in reinem Leben, [die Stufen der Weihe] »das Priestertum in der Höhe(?) und deine Ehre erhalten und dich »preisen durch deinen Sohn Jesus Christus unsern Herrn, durch wel- »chen dir sei [samt ihm] Herrlichkeit [und Macht] und Kraft und »Preis [mit dem heiligen Geist jetzt und immerdar usw.].« Nicht nur die subordinatianische Vorstellung von Christus als dem Vorbild der Diakonen, auch die Voraussetzung des Darbringungs- aktes und der ursprünglich jedenfalls eschatologisch gemeinte Schluß sind Kennzeichen hohen Alters. Das Gebet gehörte zu dem Abschnitt mepl xeirotonıön in der Gemeindeordnung Hippolyts. Nr.4. Über die Gaben an die Kranken. In dem Abschnitt der Äg. K.O. über die Mahlzeiten der Gemeinde, für welchen im Veroneser Palimpsest (HAurer S.113) der beste Text erhalten zu sein scheint, bieten die äthiopischen Handschriften am Schluß von E 37 (=A 36 S48) einen umfangreicheren Zusatz (HoRNER 159,19 bis 161, 6), zwei unbekannte Kanones enthaltend, von denen der erstere obige Überschrift trägt und so lautet: »Der Diakon soll in Zeiten der Anfechtung das Siegel den Kranken »geben mit Sorgfalt.!' »Wenn kein Presbyter da ist, um zu geben von dem, das »verteilt worden war, soviel als empfangen werden soll, soll er »(der Diakon) Dank sagen und soll Notiz nehmen von denen, die ! Mit dem Siegel im ersten Satz ist jedenfalls »die Eucharistie« gemeint, welche in Zeiten der Not auch vom Diakonen ausgeteilt werden darf. 148 Gesammtsitzung vom 1. Februar 1906. »es wegtragen, damit sie mit Sorgfalt dienen und die Eulogia » geben." »Wenn ein solcher da ist, der es wegträgt, so laß es tragen »zu Witwen und zu Kranken.’ »Und laß den, der betraut ist mit der Kirche, es wegtragen.? »Wenn er es aber am nächsten Tage nicht wegtrug, so soll er »es wegtragen, nachdem er von dem Seinigen dazu gelegt hat. Denn »es blieb bei ihm liegen als ein Brot der Armen.« Nr.5. Über das Hineinbringen der Lampen beim Abendmahl der Gemeinde. Unmittelbar angeschlossen an das vorige Fragment und auch ent- sprechend dem nächstfolgenden Satz der arabischen C. H. findet sich unter vorstehender Überschrift eine Beschreibung einer altchristlichen Agape, wie wir sie in dieser Genauigkeit bisher nicht kannten. Es handelt sich nicht um die Mahlzeit einer einzelnen Familie, sondern um die Feier der Gemeinde unter Vorsitz des Bischofs. Sie ist ein- geleitet durch eine feierliche Präfatio, nachdem der Diakon ein Licht hineingebracht hat. Dann folgt ein Dankgebet des Bischofs für die Gabe des Lichts — nach der Mahlzeit werden Psalmen und Hymnen gesungen, und dann folgt die Segnung von Wein und Austeilung von Brot (und Wein?) an alle Gläubigen. Der Text lautet: »Wenn der Abend gekommen ist und der Bischof ist da, so soll »der Diakon eine Lampe bringen. Und in der Mitte aller Gläubigen »stehend, im Begriffe das Dankgebet zu sprechen, soll der Bischof »zuerst den Gruß geben, also sprechend: »Der Herr mit euch allen. »Und das Volk soll also antworten: »Mit deinem Geiste. »Und der Bischof soll sagen: »Lasset uns Dank sagen dem Herrn. »Und das Volk soll sagen: »Reeht und würdig ist es. ! Die Verteilung der Gaben der Gemeinde geschieht sonst durch den Presbyter |der Bischof ist also hier nicht erwähnt!]. Ihn soll der Diakon vertreten bei Aus- teilung und Segnung der Gaben und bei der Kontrolle des Abtragens. ? Den Witwen und Kranken sollen die gesegneten Liebesgaben (Eulogien) gebracht werden, nicht andern, die es aus abergläubischen Gründen wünschen möchten. 3 Unter den Diakonen ist einer besonders mit den Externa im kirchlichen Ver- sammlungsraum betraut (»who is occupied with the church« liest Horner, der den Satz im Text aus Versehen wegließ und ihn S.384 nachbringt); dieser übernimmt die Ver- antwortung, daß die Liebesgaben wirklich an die Armen gelangen. u —— Tg Zar E. Frhr. v. vo. Gorrz: Unbekannte Fragmente altchristl. Gemeindeordnungen. 149 »Beides: Größe (meranwcynH) und Erhabenheit (Yroc oder aYnamıc) mit Herrlichkeit (aöza) gebühren ihm. »Und »Erhebet eure Herzen »[sollen sie nicht sagen, weil das gesagt wird zur Zeit des Opfers.] »Und er betet also, sprechend: »Wir sagen dir Dank, Gott, durch deinen Sohn Jesus »Christus unsern Herrn, weil du uns erleuchtet hast, offen- »barend das unvergängliche Licht. »Daher, weil wir beendigt haben die Länge eines Tages »und zum Anfang der Nacht gekommen sind, und weil wir »gesättigt worden sind mit dem Lichte des Tages, welches »du geschaffen hast zu unserer Freude, und wir auch jetzt »nicht ermangelten des Abendlichtes durch deine Gnade, so »heiligen wir dich und preisen dieh durch deinen einzigen »Sohn unsern Herrn Jesus Christus, durch welchen dir sei »[samt ihm] Herrlichkeit und Macht und Ehre [mit dem »heiligen Geist jetzt und immerdar].' »Und ein jeder soll sagen: Amen. »Und wenn man dann aufgestanden ist nach dem Abendessen »und die Kinder und Jungfrauen gebetet haben, sollen sie die Psalmen »sagen. »Und nach dem soll der Diakon, nehmend den gemischten Becher »der Prosphora, den Psalter sagen von dem Psalm an, in welchem »das Halleluja geschrieben ist. »Und danach der Presbyter, von dem, was er (der Bischof??) »befohlen hat und ebenso aus diesen Psalmen. »Und dann soll der Bischof, nachdem er den Becher dargebracht hat, » wie es sich ziemt, für den Becher, den Halleluja- Psalm sagen. Und alle »sollen, wenn er die Psalmen rezitiert, Halleluja sagen, was da ist: »Wir preisen ihn, den Gott, der der Höchste ist. Gepriesen »und gelobt sei der, der gründete die ganze Welt mit einem Wort. »Und gleicherweise, wenn der Psalm vollendet ist, so soll er »Dank geben über dem Becher und soll geben von den Stücken an’ »alle Gläubigen. ! Im griechischen Original mag das Gebet also gelautet haben: EYXAPICTOFMEN Col, Bee, AIA ToY TIAIAÖc coY "IHcoY XPIcToY TOoY KYPloY HMÖN, $TI &obTIcac HMÄC, BANEPÜCAC TO ÄBBAPTON BÖC" AId TENEIWCANTEC TO MÄKOC TÄC HMEPAC Kal Eneöntec Eic TÄC ÄPXÄCc TÄC NYKTÖC Kal XOPTACBENTEC (EMTTAHCBENTEC?) TOY HWTÖC TAC Hmerac, d EKTicac EIC TÄN EYPOCYNHN HMÖN, KAI NYN OY CTEPOYMENOI TOY ECTIEPINOY SWTÖC AIA TÄC XÄPITÖC CoY, ÄFIÄZOMEN CE KAl AOFAZOMEN CE AIÄ TOY MONOFENOYC CoY Yio?, TO? Kyrloy Hmön IHcoY XPIcTof, AI’ 0% coı [CYN AYT@] AözA Kal KPÄTOC Kal TIMH [CYN T& ÄrI@ TINEYMATI] NYN Kal Acl KT... Sitzungsberichte 1906. 15 150 Gesammtsitzung vom 1. Februar 1906. [Und wenn sie ihr Abendmahl nehmen, so sollen die Gläubigen »ein wenig Brot von der Hand des Bischofs nehmen, ehe sie nehmen »von ihrem eigenen Brot, denn es ist Eulogia und nicht Eucharistia, »als von unserm Herrn.]|« Der letzte Satz, eine wörtliche Wiederholung aus dem vorher- gehenden Teil der Äg.K.O., gehört zweifellos nicht zum ursprüng- lichen Kontext. Er soll die Verwechslung solcher Agapefeier mit einer Eucharistiefeier verhüten. Die gleiche Tendenz hat die wahrschein- lich später eingefügte Zwischenbemerkung vor dem Dankgebet, welche das »Erhebet eure Herzen« für die eigentliche Eucharistiefeier reser- vieren will. Wir sehen an diesen Zusätzen späterer Zeit, wie stark man die Ähnlichkeit mit der Eucharistiefeier empfunden hat. Wir haben aber zunächst in der Tat keine Eucharistiebeschreibung vor uns, sondern die Schilderung einer Agape, einer Gemeindemahlzeit am Sabbat, wie sie sich in ähnlicher Weise noch bis in unsere Zeit in der äthiopischen Kirche erhalten hat. Darüber gibt Lunorr in seiner berühmten Geschichte Äthiopiens' Auskunft, und einen noch viel aus- führlicheren, zum Teil wörtlich mit dem hier vorliegenden überein- stimmenden Bericht hat A. Dırımans in den Abhandlungen der Ber- liner Akademie früher mitgeteilt.” Der Vergleich der Texte ergibt. wie ich hier nicht näher ausführen kann, daß die Kirchenordnung Zar a Jakobs, die sich auf uralte Überlieferung des Sennodos beruft, eine erweiterte Gestalt unseres alten Textes darbietet. Die Psalmen sind genau bezeichnet, und was hier Hallelujapsalm genannt wird, ist dort als Responsorium hinter je drei Psalmen wiederholt. Der Satz über das Beten der Kinder und Jungfrauen fehlt aber bei Zar a Jakob charakteristischerweise. Die Möglichkeit einiger Änderungen vorbehalten, entstammt unser Fragment zweifellos einer ganz alten Überlieferung, die schon im Testam. Dom. N. I. Chr. H, ıı (RanmanıS.135, vgl. Drews) vorausgesetzt ist (vgl. besonders die Wendung: psalmos spirituales dieant pueruli et cantica ad accensionem lucernae). Be- zeugt uns nun Luporr die Sitte solcher Gemeindemahle für den Sabbat- abend, so erinnern wir uns einer Notiz bei Sokrates hist. ecel. V, 22: Airymtioı a& reitonec ÖnTec AnezanAPpewNn Kal Oi THN OHBAlAA OIKOYNTEC EN CABBÄTW MEN TIOIOPNTAI CYNÄZEIC, OYx WC Eeoc TOIC XPICTIANOIC TON MYCTHPION METAAAMBÄANOYCI" METÄ TÄP TO EYWXHEÄNAI KAl TTANTOIWN EAECMÄTWN EMGOPHEÄNAI TTEPI ECTEPAN TIPOCHEPONTEC TON MYCTHPIWN METAAAMBÄNOYCI ! Jost Luvorrı, Historia aethiopica 1681 (Commentarius 1691) Ill, 6, 85. 2 A. Dırımans, Über die Regierung, insbesondere die Kirchenordnung Zar a Jakobs in Abhandlungen der Berliner Akadeınie, Philos.-hist. Klasse 1884, Abt. II, S. 54 fl., vgl. auch F. Karrenguscn, Konfessionskunde S. 219 ff., und Drews, Studien und Kritiken 74 (1904) S. 167 fl. E. Frhr. v. vo. Gorrz: Unbekannte Fragmente altchristl. Gemeindeordnungen. 151 Hier werden uns für den Sabbatabend eigentliche Eucharistiefeiern bezeugt, die doch noch den Charakter wirklicher Gemeindemahlzeiten trugen. Solche Eucharistien aber, neben der feierlichen kirchlichen Eucharistie in den Häusern veranstaltet, werden uns auch durch Atha- nasius für die ägyptischen Asketen bezeugt.' In dieser Sitte der Sabbatabend-Eucharistie lebten die Formen urchristlicher Abendmahlsfeier weiter, und es kann uns deshalb nicht wundernehmen, hier die uralte Präfatio des eucharistischen Dank- gebets, die alten Festpsalmen der jüdischen Festabendmahlzeiten und die Darbringung des Bechers und die Austeilung der kaAcmara wieder- zufinden. Jedoch scheint sowohl bei der Schilderung des Psalmen- singens als bei Segnung und Austeilung von Brot und Wein der Text verdorben zu sein. Denn es fehlt die Segnung des Brotes, die nach dem »in gleicher Weise« zu erwarten ist, und es fehlt ebenso die Aus- teilung des Bechers. Auf Einzelheiten kann ich aber in diesem zu- sammenfassenden Bericht nicht mehr eingehen. Nur die Hauptbestand- teile der Feier nach diesem Bericht seien kurz aufgeführt: ı. Das Hineinbringen der Lampen, eine auch von Tertullian für die Agapen bezeugte Sitte, 2. die feierliche Begrüßung und die Einleitung des Dankgebets, 3. die Gestaltung des Dankgebets zu einem Dank sowohl für das erschaffene natürliche Licht als für das Licht, das Jesus Christus der Welt gebracht hat — mit offenbarer Rücksicht auf den Charakter einer Sabbatabendfeier,” 4. die Mahlzeit selbst, 5. die Gebete der Kinder und Jungfrauen, 6. der Psalmengesang”, vom Diakon angestimmt, vom Presbyter (wie es scheint, nach Auswahl des Bischofs) fortgesetzt, vom Bischof unter Darbringung des Bechers abgeschlossen, ! Vgl. meine Abhandlung über »Tischgebete und Abendmahlsgebete« in der alt- christlichen und in der griechischen Kirche (T. N. N. F. XIV, 2b) und meine Ausgabe von Athanasius, rrepi TTAPgenlAc (ebenda XIV, 2a). ®2 Schon die Juden kannten den Lichtsegen »Gelobet sei, der da geschaffen hat ein leuchtendes Licht«, eine Zeremonie am Sabbatanfang und Sabbatschluß. Am Sabbat- abend wurde dabei eine Weinspende auf den Boden gegossen und der Rest den Kin- dern zu trinken gegeben. Aus späterer Zeit sind zu vergleichen die eyxal AYXNIKoY der griechischen Kirche, die sowohl im &crrerinöc als in der AEITOYPriA TÖN TIPOHFIAC- MEN@N gebraucht wurden und sehr ähnliche Formeln enthalten (vgl. Goar, Euchologium Magnum S. 44. 45, und Brissrman, Liturgies eastern and western I S. 346. 347, und die ErtinYxnioc EYxAPIcTia jedes Ecrrerinöc, die schon Basilius (Mıcne P. g. XXXII col. 203) kennt. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß sowohl die Liturgie des £crrerinöc als die TON TIPOHFIACMEN@N in solchen Sabbat-Eucharistiefeiern ihren Ursprung haben. ® Es sind zweifellos die in der K. O. Zar a Jakobs aufgeführten und schon beim Passah üblichen Ps. rır fl. gemeint. 152 Gesammtsitzung vom 1. Februar 1906. 7. das Responsorium des Volks am Schluß der Psalmen: wir preisen Ihn usw.,' 8. Danksagung über dem Becher (ursprünglich dem Brot?) und Austeilung, Außer den kurzen isolierten Eucharistiegebeten der Didache be- saßen wir bisher keinen Bericht, der mit solcher Ausführlichkeit den Verlauf einer altchristlichen Gemeindemahlzeit schilderte. In der Sonntagseucharistie werden die Gedanken der christlichen Er- lösung und der Gegenwart des Herrn mehr in den Vordergrund ge- treten sein. Am Sabbatabend feierte man dagegen die Schöpfung. : So erklärt es sich auch, daß gerade in der ägyptischen Kirchenordnung im Dankgebet der Sonntagseucharistie nur der Dank für die Erlösung zum Ausdruck kommt, nicht, wie sonst, für Schöpfung und Erlösung. Es ist augenscheinlich die Sabbatfeier vorausgesetzt. Ob in irgendeiner Weise auch hier die Gemeindeordnung Hippolyts als Grundlage des Berichts vorauszusetzen ist, läßt sich nicht sagen. Aber es ist das durchaus nicht unwahrscheinlich. Das Lichtgebet hat in seinem Aufbau Ähnlichkeiten mit den Taufgebeten, und der Kon- text, in den sich dieses Fragment eingefügt findet, läßt den Hippolyti- schen Ursprung vermuten. Jedenfalls haben wir eine bis ins zweite Jahrhundert zurückreichende Form der Agapenfeier vor uns, die in ihren Grundbestandteilen die noch viel ältere Eucharistieform veran- schaulicht. Nr.6. Das sogenannte Aposteldekret und Fragmente der Didache. Der dritte Teil des orientalischen Rechtsbuchs wiederholt in andrer Rezension noch einmal dasselbe Material, welches im zweiten Teil, der sogenannten Äg.K.O., schon gegeben war; es ist eine kürzere Form des VIII. Buches der apostolischen Konstitutionen. Hier findet sich nun im äthiopischen Text zwischen C. A. VI, ı. 2 und VIII, 3 ein Einschub mit den obengenannten Stücken, abgeschlossen aber durch den Schlußsatz der Äg.K.O. Man kann also zweifeln, ob die Frag- mente ursprünglich an der Spitze von C. A. VIII, 3 oder am Schluß der Äg.K.O. standen. Der Schlußsatz sowohl wie der Kontext be- weisen das letztere; denn der Schluß der Äg.K.O. in der äthiopi- schen Form (Horner 8.185, 13 ff.) redet von dem Halten der aıaaxk TON Arroctönwn. Dieser Ausdruck war das Stichwort, welches das Ein- schieben der Didachefragmente an dieser Stelle veranlaßte. Auch der ı Das Responsorium erinnert in seinem zweiten Satz an eine jüdische Tisch- segensformel: »Gelobet sei der Herr unser Gott — alles entsteht durch sein Wort.« E. Frhr. v. 0. Gorız: Unbekannte Fragmente altchristl. Gemeindeordnungen. 153 eigentümliche Zusatz, den wir beim Aposteldekret finden, hat in den dort am Schluß stehenden Anordnungen über das Passahlamm eine Anknüpfung. a) Das sogenannte Aposteldekret. Nach Horners englischem Text muß der griechische Wortlaut etwa folgender gewesen sein: Artıexecee AC ATIOÖ TÄC OPHCKEIAC (naTpelac?) TON AAIMÖN@N Kal ATIO EIAWAWN KAl ATIO NEKPÖN ÄTIEXOY KAl AIMATOC Kal TINIKTÖN’ Kal TIANIN ÖCTOYN 0Y CYNTPIBHCETAI. Die reiche Sammlung der Textformen des Aposteldekrets von G. Rescn (Texte und Unters. N. F. XIII, 3) enthält diese Form nicht. Das And eiawnoeyroy der übrigen Texte erscheint hier genauer spezia- lisiert, das Aro nekpön hinzugefügt, und der Satz: öcToYn 0Y CYNTPIBH- ceraı nach Joh. 19, 36 (bzw. Ps. 34, 21. Ex. 12,10. 46. Num. 9, 12) ist in diesem Zusammenhang ganz singulär. Die Form in der Didache VI, 3 ist viel kürzer; dagegen darf Hom. Clem. 7, 8 verglichen wer- den: TPATIEZEC AAIMÖNWN MH METAAAMBANEIN, AETW AH EIAWAOEYTWN, NEKPÜN, TINIKTÖN eHPIAAWTWN. Über den Ursprung dieser jedenfalls sekundären Formel ist niehts auszumachen. Der Zusammenhang mit den Didache- fragmenten, die darauf folgen, ist aber beachtenswert. b) Didache XI—XIUH und VIH. Der Didachetext ist im wesentlichen derselbe wie im Cod. Bryen- nius (M). Ich sehe daher von einem vollständigen Abdruck ab und notiere nur in griechischer Wiedergabe mit der Horserschen Über- setzung folgende Abweichungen des äthiopischen Textes (E): XI, 4 E om.: aexeftw üwc KYrıoc. XI, 5 add.: p. Hmeran: A Tun Anaun und liest dann statt AnAaHNn: TPITHN und schließt mit EAn meinH TIEPICCÖTEPON. XI, 6 fehlt in E. XI, 7 lautet in E: «Al mAc TMPOsÄTHCc 5 nAnON EN TINEYMATI TIEIPACOHTW Kal alakpıettw (doch weichen die äthiopischen Handschriften selbst stark voneinander ab); E om.: AYTH A& AÄMAPTIA OYK ÄBEBHCETAI. XT, ıı lautet in E: Kal TIAc TIPO®ÄTHC AEAOKIMACMENOC AAHBINÖC, ÖC TIOI@N (eic?) cynarwrin (EKKAHCIAN?) ÄNEPÜTIWN TIOIET TTAPANÖMWC, 0Y KPIEH- cetaı K.T.n. (eine Paraphrase des unverstandenen Ausdrucks). XI, ı2 E: xpvycA statt Aprypıa; &An ae Trepi Annon ein ao®naı (oder Aöc) AYTO (Om. YCTEPOYNTWN). 154 Gesammtsitzung vom 1. Februar 1906. XI, ı E: Kal TIANTA EPpxömenon EN. ÖN. T. K. AEXECEE. XII, 2 E om.: 5 Epxömenoc - TIAPÄ THN AAAHN HMEPAN Kal THN TPITHN, OM. EAN H AÄNÄTKH. XI, 3 lautet in E: EAn A& Exh ANÄTKHN Kal BEnH, MENETW TIPÖC YMÄc. ei EXEI TEXNHN INA EPFÄCHTAI, EAN AL MH EPFÄCHTAI 0% BOHBEICEW. XI, 4 E: ei ae oYK Exeı TEXNHN Kal OYK EPFÄZETAI KATÄ THN CYNECIN K.T.A. —= M.; E om. xrıcTianöc. XIN, ı E add. am Schluß: &meıta BoHeeite AYTön. XIH, 2 fehlt in E; vielleicht hat es in der Tat im Urtext gefehlt, da der aıaAckanoc sonst hier nicht erscheint. XII, 6 hinter ro? &naloy fügt E: Kal menıtoc hinzu und liest Toic rrw- xoic statt Toic TIPO@HTAIC. XI, 7 E add.: To? KyPiov p. ENTonHnN. VIN steht hier hinter Kap. XII, vielleicht an ursprünglicher Stelle, weil so die Abschnitte reri sarıticmatoc (VII) und meri eYxarı- criac (IX) dicht aneinanderrücken; auch dem Kontext nach paßt die Fastenbestimmung gut in diesen Kontext. E liest: Your fast also shall not be as the hypocrites statt: Ai a& NHCTEIAI YM@N MN ECTWCAN META TON YrıokpırTan; dann setzt E wunderbarerweise Ecrıepan statt TIAPACKeYÄN voraus. VIN, 2 E om.: ayto? p. eYarreniw. Der Text des Vaterunsers und VII, 3 fehlen. — Dieser Text der Didache wird als der einzige Textzeuge für diese Kapitel neben dem Cod. Bryen- nius weitere Beachtung verdienen. Nr. 7. Anordnungen über die Plätze im Gottesdienst der Gemeinde. Das dritte Fragment entspricht dem XII. Kapitel der syrischen Didas- kalia (ed. Acneuıs-Fremnmne S. 68—70) und dem lateinischen Fragment im Cod. Veronensis (Can. XXIX und XXX ed. Hauer S. 42—43), stimmt aber mit keinem dieser Texte genau überein. Es lautet in deutscher Übersetzung der englischen Übertragung Horners: 1. »Und in Euren Kirchen, Ihr Presbyter und Diakonen, und »bei jeder Belehrung (at all teaching) der Gemeinde des Sabbats, »machet einen Platz für die Brüder, nachdem Ihr darüber Anordnung Zu 1. Der erste Satz ist kürzer gefaßt als der entsprechende Satz der syrischen Didaskalia. Die Anrede »Ihr Presbyter und Diakonen« ist hier hinzugefügt, aber die Sitzordnung für Bischof, Presbyter und Diakonen (Ackkrıs S. 68, 12—27) fehlt voll- ständig, kann aber auch gut entbehrt werden, denn es schließt sich der nächste Satz (2) vorzüglich an das Vorhergehende an. a . E. Frhr. v. on. Gorrz: Unbekannte Fragmente altchristl. Gemeindeordnungen. 155 »getroffen mit allem Fleiß und aller Sorgfalt. 2. Wenn aber einer ge- »funden wird, der außerhalb seiner Ordnung sitzt, so soll er zurecht- »gewiesen werden, weil unser Herr die Kirche verglichen hat mit »seiner Wohnung (b) [oder: weil er entweiht hat die heilige Kirche, die » Wohnung Gottes]. 3. Und es ist das so, als wenn wir die Tiere sehen, »die nicht sprechen, Ochsen und Pferde und Ziegen und Schafe, nach »ihren vorhandenen Arten; wenn sie wach sind, so käuen sie wieder »und trennen sich nicht von ihrer eigenen Gattung. 4. Ebenso auch »in der Kirche sollen die Jünglinge beieinander sitzen, wenn Platz da »ist, und wenn kein Platz ist, sollen sie stehen; und die älteren Leute »sollen für sich sitzen und wenn sie Kinder haben, laß sie die halten »auf ihren Armen. 5. Ferner sollen die Jungfrauen für sich sitzen, wenn »aber kein genügender Raum da ist, sollen sie stehen, vorne, vor den »andern Frauen. Die, welche Kinder bei sich haben und sind ver- »heiratete Frauen, sollen für sich sitzen. Ebenso die Greisinnen (?) »(und die Witwen) sollen für sich sitzen.« 6. »Wenn Brüder oder Schwestern von andern Gemeinden hinein- »kommen, so soll der Diakon kommen und Erkundigung anstellen, »ob eine einen Gatten hat oder ob sie etwa eine Witwe ist: dann »soll er sie eintreten lassen und sie an abgesonderten Plätzen sitzen »]assen. « Zu 2. Die Anordnung ist wieder kürzer gefaßt als die in der syrischen Didaskalia. Der Diakon ist nicht namhaft gemacht und die Begründung lautet jetzt anders. Die Lesart d kommt der in der Didaskalia am nächsten, und weil im folgenden von den Tieren die Rede ist. so mag der syrische Text »mit einer Hürde« auch im Äthiopischen der ursprüngliche gewesen sein. Die oben eingeklammerte Form der jüngeren äthiopischen Handschriften ist als Verdeutlichung erst aus d entstanden. Zu 3. Beachtenswert ist die Hinzufügung der »Pferde« in unserm Text und das Weglassen des zweiten Gleichnisses von den Tieren des Feldes. (Fremnmine S. 69, ı und 2). Zu 4. Nach der Didaskalia sind größere Kinder vorausgesetzt, die bei ihren Eltern stehen; nach E. sollen sie auf, den Arm genommen werden. Zu 5. Nach Horsers Übersetzung hätten die Jungfrauen vorne vor (in front of) den andern Frauen zu stehen, in der Didaskalia hinter ihnen. Im letzten Satz hat Horner zweimal widows und will unter gewöhnlichen Witwen und kirchlichen »Witwen« unterschieden wissen. Hier bietet der syrische Text jedenfalls das Ur- sprüngliche: »Greisinnen und Witwen«. Der Satz über die Pflichten des Diakons (Fremnıne 69, 12—ı8) fehlt wieder vollständig in unserm Text und nimmt sich auch neben 68, 28 als eine überflüssige Wiederholung aus. Zu 6. Der Text erscheint hier entschieden ursprünglicher als der in der Didas- kalia und der im Cod. Veronensis (L) (ed. HaurEr S. 42), der von dieser Stelle an als dritter Textzeuge hinzukommt. Beachtenswert ist, daß nach unserm Text der Diakon nur den »Zivilstand« erfragt aber nichts über den »Glauben«. Dagegen haben L und A nicht nur den Zusatz »eine gläubige«, sondern auch die Frage: si de ecelesia est et non de haeresi. Eine solche Wendung kann nur Zusatz, nicht spätere Auslassung sein So offenbart sich auch hier unser Text als der ältere. 156 Gesammtsitzung von 1. Februar 1906. 7. »Die Presbyter sollen ebenfalls an ihren besonderen Plätzen sitzen. »Und wenn ein anderer Presbyter hineinkommen sollte von den Distrik- »ten, so sollen sie ihn empfangen an dem Platz, der sich für ihn ziemt.« 8. »Und wenn irgendein andrer Mann oder Frau in Laientracht »(zu lesen: in vornehmer Tracht) kommt oder ein Mann von dem »Distrikt oder von anderen Distrikten, die Brüder sind, so sollst du, »o Presbyter, während du das Wort sprichst, das Gott betrifft, oder »während du hörest oder liesest, nicht auf die Person Rücksicht »nehmen, noch deinen Dienst verlassen, um Plätze für sie anzuordnen, »sondern sollst ganz ruhig bleiben; denn die Brüder sollen sie will- »kommen heißen und wenn sie keinen Platz für sie haben, so soll »der, welcher Liebe hat von den Brüdern oder Schwestern, aufstehen »und ihnen Platz machen. 9. »Wenn aber junge Leute da sind, die da sitzen bleiben, wäh- »rend ältere Leute aufstehen, so sollen sie Platz machen. Und wenn »du, o Diakon, unter denen, die sitzen bleiben, einen jungen Mann »oder eine Jungfrau bemerkst, so laß sie aufstehen und laß den Mann »oder die Frau, die ihren Platz verließen, sich niedersetzen und dann, »wenn du sie zum Aufstehen veranlaßt hast, lasse sie außerhalb der »Kirche an der Tür stehen, damit andere sich daran eine Lehre nehmen »und Platz machen für ältere Leute. « 10. »Suche die Kirchen (wörtlich: Häuser) geräumig zu machen.« II. »Und wenn ein armer Mann oder Frau, sei es der Gemeinde, »sei es von einer andern Gemeinde, hineinkommen sollte und kein Zu 7. Hier bringt E mit einem einzigen Satz eine Bestimmung über den Platz der Presbyter, der in A wegen des Vorangegangenen (Frenning 68, 12 ff.) hier fehlt. Der ganze folgende Abschnitt über die Ehrenvorrechte eines Bischofs (Fremmıng 69, 26—35) fehlt. Auch im folgenden kennt unser Text nur den Presbyter, nicht den Bischof. Zu 8. Die Wendung »irgendein andrer« kann nur heißen »der nicht Presbyter ist«. Damit ist wieder der unmittelbare Anschluß dieses Satzes an den Satz über den Pres- byter klar. Horner übersetzt nun »in lay dress«. Ich möchte vermuten, daß hier vielmehr ein Ausdruck stand, der die Vornehmheit der Kleidung hervorhob, also »mit der Toga bekleidet« od. dgl. Nur das gibt im Kontext einen Sinn und stimmt zu der allgemeinen Umschreibung ‚denen Ehre in der Welt gebühret‘ (A) oder: hono- rabilior seecundum saeculum« (L). Der übrige Inhalt der Verordnung ist genau der- selbe wie in der Didaskalia, nur mit dem sehr bedeutsamen Unterschied, daß der Presbyter, nicht der Bischof als Leiter der Gemeinde fungiert. Das spricht für ein hohes Alter dieser Textform. Zu 9. Auch diese Verordnung stimmt wesentlich mit Fremumes Text 70,2—19 überein; nur sollen die Ungefälligen nicht nur hinten, sondern außerhalb des Hauses an der Tür stehen. Zu 10. Dieser interessante Satz fehlt in der Didaskalia ganz. Wir haben es augen- scheinlieh mit einer Zeit zu tun, da Platzmangel sich überall in den kleinen alten Ver- sammlungsräumen geltend machte. Zu ı1. Der Text korrespondiert mit Fremmmnge 70, 19—25 mit geringen Abwei- chungen; nur ist statt des Bischofs wieder der Presbyter angeredet. E. Frhr. v. o. Gorrz: Unbekannte Fragmente altchristl. Gemeindeordnungen. 157 »Platz für sie da ist, so mache du, Presbyter, Platz für sie mit deinem »ganzen Herzen, selbst wenn du auf dem Boden sitzen müßtest, damit »kein Ansehen der Person der Menschen sei, sondern allein Gottes.« 12. »Und wenn wir etwas ausgelassen haben, unsere Brüder, so »wird Gott es den Würdigen offenbaren, denn er steuert die heilige »Kirche zur Ruhe und zum Hafen.« Zu ı2. Der Schlußsatz stimmt wörtlich mit dem der ägyptischen Kirchenordnung überein (vgl. Horner S.186. 266. 332); er scheint ursprünglich auch den Schluß von Hippolyts Kirchenordnung gebildet zu haben, denn er ist in der Äg.K.O. mit polemischen Wendungen verbunden, die auf Hippolyts Situation deuten. Im vorstehenden ist uns also ein Stück einer Kirchenordnung erhalten, die älter zu sein scheint als der entsprechende Passus in der Didaskalia und der sicher viel älter ist als der Abschnitt in den C. A.II,57. Der Vergleich der Textformen ist lehrreich für die kirch- liche Entwicklung, in welcher der Klerus und seine Rangstufen immer maßgebender in den Vordergrund treten. Besonders auffällig ist in der hier gebotenen Textform, daß der Bischof ganz fehlt. Sollten wir es mit Anordnungen Hippolyts zu tun haben, aus der ersten Zeit der Lostrennung vom römischen Bischof, da er als »Presbyter« die Gemeinde- versammlungen leitete? Andernfalls müßten wir in der Datierung bis in das zweite Jahrhundert zurückgehen. Das Zusammenstehen mit den Didachekapiteln läßt ein sehr hohes Alter auch dieser Stücke wahrscheinlich erscheinen. Handelte es sich um eine emıtom# aus der Didaskalia, so müßte sie ganz anders aussehen; der Bischof wäre schwerlich beseitigt worden, ebensowenig der Satz wegen der Zuge- hörigkeit zu einer Häresie. Die Einfügung der Sonderstücke in der Didaskalia ist sehr begreiflich; ihre Auslassung wäre nicht zu erklären. So reiht sich das Fragment würdig den anderen Stücken aus der ältesten Zeit christlicher Kirchenordnungen an. Auf eine alte Homilie über die Pflicht der Christen, Sabbat und Sonntag zu feiern, die sich im äthiopischen Text nach Horner S.211 bis 213 eingeschoben findet, kann ich in diesen Mitteilungen nicht mehr eingehen. 158 Ein Brief Kants. Mitgeteilt von B. GROETHUYSEN in Berlin. (Vorgelegt von Hrn. DıLrury am 18. Januar 1906 [s. oben S. 37].) Kant an LINDNER. Hochedelgebohrner Herr Hochzuehrender Herr Magister Ich bediene mich der Bereitwilligkeit des Herren Behrens Ew: Hochedelgeb: vor die gütige attention die Sie mehrmalen in Ansehung meiner zu äussern beliebt haben meinen verbindlichsten Dank abzu- statten um desto mehr da ich das Glück einen so würdigen u schätz- baren Freund an ihm erlangt zu haben zum Theil der Idee beymesse die Sie wie ich vermuthe nach Ihrer gütigen Art ihm von mir zum voraus werden gegeben haben. Ich erkenne die Empfehlungen der von Riga hieher geschickten Studierenden als eine Verbindlichkeit die mir auferlegt ist von ihrem Betragen Rechenschaft oder Nachricht abzu- statten und kan in ansehung der Herren Schwartz u Willmsen dieses auf eine mir und Ihnen angenehme Art thun indem diese beyde Herren den AnfangsEifer der gemeinhin nicht lange zu dauren pflegt mit so viel regelmässigkeit souteniren dass ich von ihnen die besten Folgen erwarte. Ich wünsche dass ich von Herren Holst auch rühmen könte dass er ausser seiner allgemeinen Gefälligkeit wodurch er sich liebe erwirbt auch durch eben dergleichen Tüchtigkeit in Ansehung der HauptAbsicht seines Hierseyns bedacht wäre Ansprüche auf wahre Hoch- achtung zu machen. Ich weis nicht welche kleine Verleitungen oder entbehrliche Zeitkürzungen ihn abziehen mögen allein meiner Meinung nach würde es etwas zur Abhelfung dieser Hindernisse beytragen wenn man es gut fände dass er in unserer Gesellschaft darin HE Schwartz speisst gleichfals speisen möchte. Denn weil er daselbst alle Tage ex- ponirt wäre mir Rechenschaft zu geben so würden die Ausflüchte bald alle erschöpft seyn. Ich bin recht sehr erfreut von jedermann zu erfahren dass Ew: Hochedelgeb. gewusst haben ihre Verdienste auf einem Schauplatze wo man vermögend ist sie zu schätzen und zu belohnen zu zeigen und dass es Ihnen gelungen ist sich über die elende Buhlereyen um den Beyfall und die abgeschmakte EinschmeichelungsKünste hinweg zu setzen B. Groeravuysen: Ein Brief Kanrs. 159 welche hier grossthuerische kleine Meister die höchstens nur schaden können denen auferlegen welche gerne ihre Belohnung verdienen und nicht erschleichen möchten. Ich meines Theils sitze täglich vor dem Ambos meines Lehrpults und führe den schweeren Hammer sich selbst ähnlicher Vorlesungen in einerley tacte fort. Bisweilen reitzt mich irgendwo eine Neigung edlerer Art mich über diese enge Sphäre etwas auszudehnen allein der Mangel mit Ungestühmer Stimme so gleich gegenwärtig mich anzufallen und immer wahrhaftig in seinen Drohungen treibt mich ohne Verzug zur schweren Arbeit zurück — — intentat angues atque intonat ore. Gleichwohl vor den Ort wo ich mich befinde und die kleine Aus- sichten des Überflusses die ich mir erlaube befriedige ich mich endlich mit dem beyfalle womit man mich begünstigt und mit den Vortheilen die ich daraus ziehe, und träume mein Leben durch. Alhier zeigte sich neulich ein Meteorum auf dem academischen Horizont. Der M. Weymann suchte durch eine ziemlich unordentlich und unverständlich geschriebene dissertation wieder den Optimismus seinen ersten Auftritt auf diesem Theater welches eben so wohl als das Helferdingsche Harlequins hat solenn zu machen. Ich schlug ihm wegen seiner bekannten Unbescheidenheit ab ihm zu opponiren aber in einem programmate welches ich den Tag nach seiner dissertat: austheilen lies und das HE Behrens zusamt einer oder der andern kleinen Piece Ihnen einhändigen wird vertheidigte ich kürzlich den optimismus gegen Crusius ohne an Weymann zu denken. Seine Galle war gleichwohl aufgebracht. Folgenden Sontag kam ein Bogen von ihm heraus darinn er sich gegen meine vermeinten Angriffen vertheidigte und den ich künftig übersenden werde weil ich ihn jetzo nicht bey hand habe, voller Unbescheidenheiten Verdrehung u. d. g. Das Urtheil des Publiei und die sichtbare Unanständigkeit sich mit einem Cyelopen auf Faustschläge einzulassen und überhaupt die Rettung eines Bogens der vielleicht wenn seine Vertheid[ig]Jung herauskomt schon unter die vergessene Dinge gehört geboten mir auf die anständigste Art das ist durch schweigen zu antworten. Das sind unsere grosse Dinge wovon wir kleine Geister uns wundern dass draussen nicht mehr davon gesprochen wird. Herr Freytag Prof: Kypke D. Funck alles was sie kennt und eben darum liebt grüssen sie aufs verbindlichste. Ich wünsche und hoffe dass es Ihnen auf alle Art wohl gehe und bin mit wahrer hochachtung Koenigsb: Ew: Hochedelgeb: den 28. Oct: ergebenster treuer Diener 1759- Kant. 160 Gesammtsitzung vom 1. Februar 1906. — Mittheilung vom 18. Januar. Der vorliegende Brief’, der früheste Brief den wir von Kant be- sitzen, — aus der zeitlich vorausgegangenen Korrespondenz sind nur zwei Begleitschreiben bei Übersendung von Büchern und einige offizielle Schriftstücke gedruckt —, gibt einen schönen Beitrag zur Erkenntnis der Art des jungen Kant und klärt uns auf über die Entstehung von Kants »Versuch einiger Betrachtungen über den Optimismus«. D. Wrymann habilitierte sich am 6. Oktober in Königsberg mit einer Dissertation »De mundo non optimo«. Die Dissertation ist Crusıus gewidmet und vertritt dessen ablehnenden Standpunkt in der Frage des Optimismus. Weymanns Argumente gegen den Optimismus sind im wesentlichen folgende: Die Vollkommenheiten jeder Welt lassen sich ins Unendliche ver- mehren. Daher ist es willkürlich, eine Welt als die vollkommenste zu setzen. Setzt man eine Welt mit einer begrenzten Zahl Voll- kommenheiten als die beste, so gibt man zu, daß es andere Welten geben kann, mit mehr Vollkommenheiten, was der Voraussetzung, daß diese Welt die vollkommenste ist, widerspricht. Argumentiert aber der Gegner, Gott hätte kraft seiner Allweisheit und Allmacht die beste Welt schaffen müssen, so leugnet er damit die Freiheit des göttlichen Willens. Es ist der Einwand Bayıes gegen Leısnız. Am 5. Oktober reichte nun Kant den » Versuch einiger Betrachtungen über den Optimismus« der Zensur ein; sie erschien mit dem Datum des 7. Oktobers. Kant verteidigt darin den Optimismus. Es muß eine Welt geben, über die sich nicht noch eine bessere denken läßt; sonst hat Gott unmöglich die Erkenntnis aller möglichen Welten haben können. Nun könnten aber zwei oder mehrere Welten gleich vollkommen sein. Das ist aber unmöglich. Die absolute Vollkommenheit liegt in dem Grade der Realität. Realität und Realität können nun niemals als solche unterschieden sein. Unterscheiden sich zwei Dinge voneinander, so ist in dem einen etwas, was in dem anderen nicht ist, d. h. also etwas Negatives. Also wird nicht Realität mit Realität verglichen: der Unterschied liegt vielmehr in Negationen, Abwesen- heiten, Schranken, d. h. Realitäten unterscheiden sich nicht in Ansehung ihrer Beschaffenheit, sondern ihrer Größe. Unterschiedene Dinge ! Das Original des Briefes befindet sich in Paris in der Bibliotheque Vıcror Covsın (Direktor: M. Cuauson). Eine Photographie davon wurde auf Veranlassung von M. CuAreraın von der Academie des Sciences Morales et Politiques der Berliner Akademie übermittelt. Bei meinen Recherchen, die zur Auffindung des vorliegenden Briefes führten, wurde ich in zuvorkommenster Weise von Hrn. Emire Bourroux unterstützt. — Der Brief Kawrs ist eine Antwort auf einen Brief Linoxers. Der Brief Lisosers liegt? — wahrscheinlich — gedruckt nicht vor; er wäre einzuschieben zwischen den Briefen Lınoxers Nr. ro und Nr. 12 der Akademieausgabe von Kanrs Schriften. B. Groernuysen: Ein Brief Kanrrs. 161 können also nie einerlei Grad der Realität haben. Es kann also nicht zwei Welten geben, die gleich vollkommen wären.' Nun macht der Gegner aber den Einwand, die vollkommenste aller Welten sei wie die größte aller Zahlen ein widerspreehender Begriff, die Realitäten ließen sich wie die Zahlen immer vermehren. Die angeführte Instanz paßt aber nicht. Im Gegensatz zu einer end- lichen Zahlengröße ist der Grad der möglichen Vollkommenheiten der Welt durchgängig bestimmt. Es ist eine bestimmte Größe festgesetzt, die den Unterschied der unendlichen Realität Gottes und der höchst möglichen Realität der Welt ausmacht. Zum Schluß wendet sich Kant gegen die Annahme einer Freiheit, vermöge deren das höchste Wesen unter viel Besserem das Schlechtere auswählen könnte. Vielleicht ist es ja »ein Zwang des Willens und eine Notwendigkeit, welche die Freiheit aufhebt, nicht umhin zu können, dasjenige zu wählen, was man deutlich und richtig fürs Beste erkennt«. Wenn hier aber auch zwei Scheidewege in einem Labyrinth von Schwierigkeiten sind, so ent- scheidet sich Kar für eine gütige Notwendigkeit und gegen eine Frei- heit, die trotz aller Aussprüche der Weisheit dem Übel gebietet, daß es etwas sei. Auf diese Ausführungen Kants erwidert Weymann in der »Beant- wortung des Versuchs einiger Betrachtungen über den Optimismus«. Die Schrift liegt am 13. Oktober der Zensurbehörde vor und erscheint mit dem Datum des 14. Oktober. Weymann glaubt, Kant habe gegen ihn polemisiert. Er wundert sich darüber, daß Kant »seine wieder- holte Einladung zu einer Öffentlichen und mündlichen Untersuchung so schlechterdings habe abschlagen können«. Er verwahrt sich da- gegen, daß er an Stelle der Vernunft, Gott eine blinde Freiheit zu- geschrieben, und daß Gott nach seiner Meinung eine schlechtere Welt der besseren vorgezogen habe. Er will nur sagen, daß aus der End- lichkeit der Welt notwendig folgt, daß sich der Grad der Realität ! In diesem Teil seiner Ausführungen erwähnt Kanr A. F. REınharnd. 1753 hatte die Berliner Akademie für das Jahr 1755 folgende Preisaufgabe gestellt. On demande l’examen du systeme de Pope contenu dans la proposition: Tout est bien. Gefordert war die Bestimmung des Sinnes dieser Hypothese, ein Vergleich mit Leıs- nızens System des Optimismus, endlich die Anführung von Gründen, die das System Pores stützen oder bekämpfen könnten. A.F. Reınaarps Abhandlung »Le systeme de M. Pore sur la perfection du monde compare ä celui de M. Leısnız avec un examen de l’Optimisme pour satisfaire au probleme propose par l’Acad&mie Royale des Sciences et Belles-Lettres de Berlin pour le Prix de l’Annee 1755« erhielt den Preis. Reınnarn will den Optimismus widerlegen und ein System, das auf der souveränen Freiheit Gottes begründet ist, beweisen. Er bestreitet nun, daß eine einzige Welt in jeder Hinsicht die vollkommenste aller Welten sei. In der einen Welt könnten ja Reali- täten sein, die in der anderen nicht sind, und doch könnten die Summen dieser Reali- täten gleich sein. (Vgl. A. Harnack, Gesch. d. Königl. Preuß. Akad. d. Wiss. I. 404 ff.) 162 Gesammtsitzung vom 1. Februar 1906. — Mittheilung vom 18. Januar. immer vermehren läßt, und Gott daher den Grad der Realitäten nach einem Endzweck freiwillig hat bestimmen müssen. Nach weiteren Aus- führungen über die Freiheit Gottes kommt Weymann auf die eigent- lichen Argumente Kants zu sprechen. Kanr hat behauptet, daß, wenn keine Welt gedacht werden kann, über die sich nicht noch eine bessere denken läßt, Gott unmöglich die Erkenntnis aller möglichen Welten hätte haben können. Dagegen argumentiert WeymAann, daß eine Welt, über die sich keine bessere denken ließe, alle Realitäten habe, d.h. eben unendlich sei. Nach polemischen Ausführungen gegen Kants Definition der Vollkommenheit wendet sich Weymann zu Kants Ein- wand gegen die Annahme zweier gleich vollkommenen Welten: Leugnet man, daß Realitäten als solche unterschieden werden können, so leug- net man alle »essentialiter diversa«; Raum und Zeit fallen dann zu- sammen. Wie nun aus dem Briefe Kants an Linpxer hervorgeht, so hat sich WeEymann in seiner Annahme, Kant habe gegen ihn polemisiert, geirrt. Kant hat den Optimismus gegenüber Crusıus verteidigt. Bei dem engen Anschluß WeEymanns an Ürusıus ist der Irrtum begreiflich. Urusıus hatte behauptet (vgl. Crusivs, Entwurf der notwendigen Ver- nunftwahrheiten, inwiefern sie den zufälligen entgegengesetzt werden. 2. Aufl. Leipzig 1753, $ 386): Jede Welt ist notwendig endlich, folg- lich auch ihre Vollkommenheit; Gott kann also beständig noch mehr Vollkommenheiten hinzusetzen: also ist eine beste Welt, in der alle nur möglichen Vollkommenheiten wären, unmöglich. Wie schon er- wähnt, erwidert Kant darauf, daß sich eben die Vollkommenheit nicht beliebig vermehren ließe, daß hier kein kontinuierlicher Über- gang vom Endlichen zum Unendlichen stattfinde, sondern zwischen Gott und der Welt eine Kluft bestehen muß, und diejenige Welt eben das Vollkommenste unter allem was endlich ist, ist »die sich auf der- jenigen Sprosse von der Leiter der Wesen befindet, wo die Kluft an- hebt, die die unermeßlichen Grade der Vollkommenheit enthält, welche den Ewigen über jedes Geschöpf erheben«. Will man aber, so führt Crusıus (a. a. 0. $ 388) weiterhin aus, zur Begründung des Optimismus behaupten, Gott habe vermöge seiner Allwissenheit und Weisheit not- wendig die beste Welt erschaffen müssen, so ist zunächst darauf zu erwidern, daß dieser Schluß nichts beweist, da es ja nach dem Vor- hergehenden nicht möglich ist, daß eine Welt die beste sei. Abge- sehen davon müßte man diese Behauptung schon deswegen verwer- fen, weil dadurch Gott die libertas eontrarietatis, nach der er eine Handlung so oder anders einrichten kann ($ 307), abgesprochen würde. Kant erwidert darauf, daß, wenn man durchaus unter Irrtümern wäh- len soll, er sich lieber für eine gütige Notwendigkeit entscheide als B. Grorrnuysen: Ein Brief Kanıs. 163 für eine Freiheit, die das Beste unter dem, was zu schaffen möglich war, ins ewige Nichts verbannt. Was Kant zum Verteidiger des Optimismus machte, waren nicht logische Deduktionen. Die Welt war für ihn kein logischer Begriff. Ausgehend von dem naturwissenschaftlich -astronomisch gefaßten Welt- system denkt er sich unermeßliche Räume und Ewigkeiten, die »wohl nur vor dem Auge des Allwissenden die Reichtümer der Schöpfung in ihrem ganzen Umfange eröffnen«. Dieses Ganze ist das Beste, und alles ist um dieses Ganzen willen gut. Der Wert des einzelnen Menschen liegt in seiner Einordnung in diesen Weltenplan. Von diesem Grund- gefühl aus vermag er nicht, wie die anderen, die engen Verhältnisse, die kleinen Ereignisse in seiner Umgebung mit jener schwerfälligen Gewichtigkeit zu betrachten. Mit einer gewissen resignierten Selbst- ironie fügt er sich in die kleinen Verhältnisse. Für diesen leisen Humor, der eben in letzter Linie aus dem Gegensatz entspringt, in den das Bewußtsein, sich als Glied des Kosmos zu fühlen, mit den Kleinig- keiten des Lebens tritt, ist der Brief ein schönes Beispiel. Wie dann das Leben durch die Moral seine ihm eigene transzendente Würde, die gleiche Erhahenheit erhält wie der Sternenhimmel über mir, das liegt auf der großen Entwickelungsreihe in Kants Leben. ı Es sei hier das Urteil Hamanns über den Optimismusstreit erwähnt, wie es uns in einem Brief Hamanns an Lınoner vom 12. Oktober 1759 vorliegt: »Magister Weymann hat hier de mundo non optimo disputiert. Ich habe blos hineingeguckt in seine Dissertation, und die Lust verging mir sie zu lesen; ich ging ins Auditorium, und die Lust verging mir zu hören. Bleib zu Hause, dachte ich, damit Du Dich nicht ärgern darfst, und sich andere an dir nicht ärgern. Herr Mag. Kant ist zu oppo- niren ersucht worden, hat es aber verbeten, und dafür eine Einladungsschrift zu sei- nen Vorlesungen, über den Optimismus, drucken lassen, die ich für Sie aufhebe. Er hat mir auch ein Exemplar davon zugeschickt. Seine Gründe verstehe ich nicht, seine Einfälle aber sind blinde Jungen, die eine eilfertige Hündin geworfen. Wenn es der Mühe lohnte, ihn zu widerlegen, so hätte ich mir wohl die Mühe geben mögen, ihn zu verstehen. « 164 Arithmetische Untersuchungen über endliche Gruppen linearer Substitutionen. Von Dr. Issaı ScHur, Privatdozent an der Universität zu Berlin. (Vorgelegt von Hrn. Frosenıus am 11. Januar 1906 [s. oben S. 1].) Eine endliche Gruppe $ der Ordnung A, deren Elemente in % Klassen konjugierter Elemente zerfallen, besitzt, wie Hr. FrRoBENIUs gezeigt hat, genau %k einfache Gruppencharaktere OR), x U(R), ---, FR). Jedem Charakter %®(R) entspricht eine irreduzible, Darstellung der Gruppe 5 durch lineare Substitutionen (Matrizen), in der die dem Element R von 5 entsprechende Substitution A, die Spur %(R) besitzt. Die verschiedenen unter den A Substitutionen A, bilden eine der Gruppe 5 ein- oder mehrstufig isomorphe Gruppe 5% von li- nearen Substitutionen. Jede andere irreduzible Gruppe von höchstens h linearen Substitutionen, die der Gruppe $ ein- oder mehrstufig iso- morph ist, muß einer der % Gruppen 5 äquivalent, d. h. durch eine Transformation der Variabeln in 5 überführbar sein. Kommt unter den der Gruppe 5 äquivalenten Gruppen eine Gruppe & von linearen Substitutionen vor, deren Koeffizienten sämtlich einem Zahlkörper X angehören, so wollen wir diese Eigenschaft der Gruppe 5% dadurch kennzeichnen, daß wir sagen: 5% ist einer im Körper K rationalen Gruppe äquivalent oder auch SH ist im Körper K rational darstellbar. Nach einem Ergebnis des Hrn. Frogenıus läßt sich der Körper X auch stets als ein algebraischer Körper &(u) wählen; hierbei bedeutet 2 den Bereich der rationalen Zahlen. Es entsteht nun die Aufgabe zu untersuchen, durch welche Eigen- schaften die algebraischen Körper, in denen die Gruppe $® rational darstellbar ist, eharakterisiert sind, und insbesondere den kleinsten in Betracht kommenden Grad eines solchen Körpers zu bestimmen. Diese Aufgabe läßt sich noch etwas verallgemeinern. Es sei P ein gegebener Rationalitätsbereich. Es kann dann gefragt werden, I. Scauur: Arithmetische Untersuchungen über endliche Gruppen. 165 in welchen algebraischen Körpern P(u) über P die Gruppe 5 rational darstellbar ist. Ein soleher Körper P(w) muß zunächst alle Zahlen x(R) ent- halten. Wenn also die k Zahlen %®(R) einen durch die Zahl % bestimmten Körper 2(x%) erzeugen, und % im Körper P einer irredu- ziblen Gleichung des Grades / genügt, so muß der Grad n des Kör- pers P(u) (in bezug auf P) durch / teilbar sein. Ist nun der kleinste in Betracht kommende Grad n gleich ml, so will ich die Zahl m den Index der Gruppe 5® oder auch des Charakters %(R) in bezug auf den Körper P nennen. Die Zahl »n ist als vollständig bestimmt anzusehen, wenn neben dem Körper P und der Kompositionstabelle für die Elemente der Gruppe 9 noch die % Zahlen x®(R) gegeben sind. Die genaue Be- rechnung von m allein unter Benutzung dieser Daten scheint jedoch mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden zu sein. Die vorliegende Arbeit liefert einige Beiträge zur Lösung dieser Aufgabe. Insbesondere wird gezeigt: enthält eine Untergruppe © von 5” einen irreduziblen Bestandteil, der im Körper P rational darstellbar ist, genau r mal, so muß r durch m teilbar sein; speziell ist n ein Divisor der Zahl , = x"(E). Dieser allgemeine Satz enthält als speziellen Fall ein von Hrn. BurssivE' vor kurzem auf anderem Wege gewonnenes wichtiges Re- sultat, das sich folgendermaßen aussprechen läßt: die Gruppe 5” läßt sich stets im Körper der A” Einheitswurzeln rational darstellen, wenn keine ganze Zahl m’>1 existiert, so daß die charakteristische Deter- minante jeder Substitution von 5" die m’'* Potenz einer rationalen Funktion wird. Als weitere Folgerung aus unserem Satz erwähne ich noch hier, daß jede auflösbare Gruppe 9 im Körper der A“ Einheitswurzeln rational darstellbar ist. Der Index »n des Charakters %®(R) in bezug auf den Körper P läßt noch eine andere Deutung zu. Man bezeichne eine im Körper P rationale Gruppe von linearen Substitutionen als in P irreduzibel, wenn sich keine ihr äquivalente, in P rationale Gruppe angeben läßt, deren Substitutionen Koeffizienten- £ A oO i : : matrizen der Form I. | besitzen, wo die den verschiedenen Sub- stitutionen der Gruppe entsprechenden Matrizen A denselben Grad haben sollen. Haben dann die Zahlen m und / für den Charakter ı Proceedings of the London Mathematical Society, Series 2, Vol.3 (1905), S- 239- Sitzungsberichte 1906. 16 166 Gesammtsitzung vom 1. Februar 1906. — Mittheilung vom 11. Januar. yıR) dieselbe Bedeutung wie früher, so entspricht dem Charakter %(R) eine im Körper P irreduzible Gruppe 6 von linearen Suh- stitutionen, die im Bereiche aller Zahlen in m/ irreduzible Bestand- teile zerfällt, von denen je m einander äquivalent sind, während die / einander nicht äquivalenten irreduziblen Bestandteile den Z mit (RR) in bezug auf P konjugierten Charakteren von $ entsprechen. Die An- zahl der verschiedenen (nicht äquivalenten) im Körper P irreduziblen Darstellungen der Gruppe 5 durch lineare Substitutionen ist gleich der Anzahl der in bezug auf den Körper P nicht konjugierten Cha- raktere von 9. IE un Es seien H,, H,, :-- , H,_, die Elemente der gegebenen Gruppe 9, und es sei © eine der Gruppe 9 isomorphe Gruppe von höchstens A linearen Substitutionen. Entspricht dem Element R von 5 in der Gruppe & die Substitution mit der Koeffizientenmatrix A, und be- deuten 24 ‚ix, --,& unabhängige Variable, so wird die Matrix H, H, Hm 88 9 X—=2 Arsr (k=H,,H,,--,3%-)) R eine zu 9 gehörige Gruppenmatrix genannt. Zwei Gruppenmatrizen X und X’ desselben Grades heißen äquivalent, wenn sich eine kon- stante Matrix' P von nicht verschwindender Determinante bestimmen läßt, so daß X’ = P"XP wird. Sind die Koeffizienten aller Matrizen A, Größen eines gegebenen Zahlkörpers P, so soll die Matrix X im Körper P rational heißen. Ferner bezeichnen wir eine (in P rationale) Gruppenmatrix X als in P reduzibel oder irreduzibel, je nachdem die ihr entsprechende Gruppe & in P reduzibel oder irreduzibel ist (vgl. Einleitung). Ist &(R) die Spur der Matrix A,, so nennen wir das System der A Zahlen &(R) den Charakter der Gruppenmatrix X. Es gilt nun der Satz: I. Es seien X und X’ zwei im Körper P irreduzible Gruppenmatrizen der Grade f und f'. Ist dann P eine konstante Matrix mit f Zeilen und f Spalten, deren Koeffizienten dem Körper P angehören, und besteht die Gleichung XPZIPX!, so ist entweder P= 0 oder sind X und X’ äquivalent, und P ist eine quadratische Matriv des Grades f = f' von nicht verschwindender Deter- minante. ! D.h. eine Matrix mit konstanten, von den x, unabhängigen Koeffizienten, J. Scnur: Arithmetische Untersuchungen über endliche Gruppen. 167 Der Beweis dieses Satzes ist in genau derselben Weise zu führen wie für den Satz I meiner Arbeit »Neue Begründung der Theorie der Gruppencharaktere«.' Es sei nämlich r der Rang der Matrix P; man bestimme, was stets möglich ist, zwei Matrizen A und B der Grade f und f’ mit Koeffizienten aus dem Rationalitätsbereiche P, deren Determinanten von Null verschieden sind, so daß die Matrix APB die Gestalt Ic 0 00 annimmt; hierin bedeutet Z, die Einheitsmatrix des Grades r. Dann ergibt sich aus der Gleichung XP = PX’, daß AXA= ie ee RX ( N 0 Any Kynr Kan per wird, wo die X,, und X,, gewisse Matrizen mit & Zeilen und 8 Spalten bedeuten, die offenbar im Körper P rational sind. Die Gruppenmatrizen X und X’sind dann auch (vgl. B., Satz VII) den in P rationalen Gruppen- matrizen Kr ® bzw Kr ® 0 Rent x bi 0 nn, äquivalent. Wäre nun O0, somuß r—=f=f sein; dann ist aber P eine quadratische Matrix von nicht verschwindender Determinante, und die Gruppen- matrizen X und X’ sind wegen P"XP — X’ äquivalent. Aus I folgt: II. Ist X eine im Körper P irreduzible Gruppenmatrix und P eine mit X vertauschbare konstante Matrix, deren Koeffizienten dem Körper P angehören, so muß die charakteristische Determinante | x E- P| der Matrix P Potenz einer in P irreduziblen Funktion $(x) sein und es besteht die Gleichung $(P) =. Es sei nämlich |#E-P| = p(a)pı(@)pe(R) wo (2), d,(2), $(&), --- im Körper P irreduzible Funktionen sind. Dann ist #(P) eine in P rationale Matrix von verschwindender De- terminante, die mit X vertauschbar ist. Folglich muß nach Satz I die Gleichung #(P) = 0 bestehen. Ebenso ist #,(P)=0 4,(P)=0,.... Ist daher » eine Wurzel der Gleichung |aE-P| = 0, so wird #(w) = 0, (lo) =0,d,(w) =0,.... Die in P irreduziblen Funktionen $(2), ! Sitzungsberichte 1905, S. 406. — Im folgenden wird diese Arbeit kurz mit B. zitiert. 16* 168 Gesammtsitzung vom 1. Februar 1906. — Mittheilung vom 11. Januar. P,(&), P,(&),--- sind demnach nicht relativ prim zueinander und müssen folglich einander gleich sein. Um nun zu entscheiden, ob eine vorgelegte im Körper P rationale Gruppenmatrix X = 3A,x, des Grades n im Körper P reduzibel ist R oder nicht, kann man folgendermaßen schließen. Man bestimme die allgemeinste Matrix V = (v,,), die mit allen A Matrizen A, vertauschbar ist." Unter den n” Koeffizienten v,, bleiben gewisse g willkürlich; man kann auch q Parameter v,,v,,---,v, wählen, so daß jede der Größen v,, als lineare homogene Funktion von ®,,®,,.--,®, mit in P rationalen Koeffizienten darstellbar ist. Zieht man nun für die n” Größen v,, oder, was dasselbe ist, für die qg Größen v,, v,, --- ©, nur Zahlen des Körpers P in Betracht, so läßt sich die Gleichung |v,; | = 0 als eine diophantische Gleichung im Körper P mit g Unbekannten %,,dy,.-- ©, ansehen. Ist nun X in P irreduzibel, so läßt sich diese diophantische Gleichung nur durch das System , =0,,=0,...0,=0 befriedigen. Ist dagegen X in P reduzibel, so genügen der Gleichung |d.s| = 0 auch Größen v,,v,, --. v, des Körpers P, die nicht sämtlich 0 sind. Denn ist X der in P rationalen Gruppenmatrix X 0 Se äquivalent, wo X, und X, die Grade r und n—r besitzen, so kann man auch eine in P rationale Matrix Q wählen, so dB X = Q"'XQ wird. Nun ist X’ mit der Matrix also X mit der Matrix Q"P’Q = P vertauschbar. Die Matrix P ist aber in P rational und von der Determinante 0, ohne daß alle Koeffi- zienten von P verschwinden. — Wir sehen also, daß man, um zu entscheiden, ob eine gegebene in P rationale Gruppenmatrix in P reduzibel ist oder nicht, nur eine einzige diophantische Gleichung im Körper P zu untersuchen hat. Es sei nun wieder X = 3 A,2z, eine im Körper P irreduzible R Gruppenmatrix des Grades n. Bezeichnet man die einfachen Cha- raktere der Gruppe 5 mit „O(R),%(R),-.-,%"”(R) und mit Z(R) die Spur der Matrix A,, so wird &(R) = Zr, x (R), wo die r, gewisse nicht negative ganze Zahlen sind. ı Es genügt V—= 83 Ar-ıUAr zu bilden, wo U eine Matrix mit unbestimmten R Koeffizienten ist. Pe ee I. Scuur: Arithmetische Untersuchungen über endliche Gruppen. 169 Es seien nun Yn,Ym»***»Ym_, irgendwelche Größen des Kör- pers P, die nur der Bedingung unterworfen sind, daß stets Yyr = Ys sein soll, wenn R und S konjugierte Elemente der Gruppe 9 sind. Die Matrix vr ArYr R ist dann eine mit X vertauschbare Matrix, deren Koeffizienten sämt- lich dem Körper P angehören. Setzt man ferner 1. = 2x (R)yr, so wird (vgl. Frogentus, Sitzungsberichte 1896, S. 1361) sE-Yj=u («-#)”” IR wo f,=x(E) den Grad des Charakters %”(R) bedeutet. Da nun nach Satz II die Funktion |«E-Y| Potenz einer in P irreduziblen Funktion sein muß, so schließt man leicht, daß diejenigen unter den Zahlen r,, die von Null verschieden sind, einander gleich sein müssen; ist tw =n, =. =n,=m>(0, so müssen außerdem die Größen 1,5, %4> **">%,_, die Wurzeln einer im Körper P irreduziblen Gleichung des Grades / sein. Hierfür können wir auch sagen: es müssen die / Charaktere „®(R),«®(R), ---,y®(R) die sämtlichen zu einem (einfachen) Charakter in Bezug auf P konjugierten Charaktere sein. — Wir setzen zur Abkürzung xIR) = xXR) KR) = x (RR), ak) =x,,(R) so daß S(R)=mix(R)+tx(R)+.-+x_,(R)} wird. Es sei nun DU == > Br&r eine zweite in P irreduzible Gruppenmatrix des Grades n, die der Gruppenmatrix X nicht äquivalent ist. Ist Z(R) die Spur der Matrix Be Sonist E(R) = mix/(R)+x(k)+ +) wo %(R),---,%_,(R) die sämtlichen zu einem gewissen einfachen Charakter X(R) von 9 in bezug auf P konjugierten Charaktere sind. Ist dann U eine Matrix mit n Zeilen und n’ Spalten, deren Koeffizienten unbestimmt bleibende rationale Zahlen sind, so genügt die in P ratio- nale Matrix IP S Ar-ıUBr 170 Gesammtsitzung vom 1. Februar 1906. — Mittheilung vom 11. Januar. den h Gleichungen A,P = PB,, also auch der Gleichung XP = PX”. Da nun X und X’ nieht äquivalent sein sollen, so muß nach Satz I die Matrix P gleich 0 sein. Setzt man nun e,B=1,2,--- Ar = (a); B2 = (bi ’ ae so ergeben sich, weil die Koeffizienten von U beliebige rationale Zahlen bedeuten können, aus P = 0 die Relationen Speziell wird Da nun ER)= Zar , ER)=ZBE ist, so wird also ZERD ER) = 0. Diese Gleichung besagt aber (vgl. B., S.426), daß die /-++/’ Charak- tere SR), (R),W(R), --- %,_,(R) sämtlich untereinander ver- schieden sind. Betrachtet man nun zwei im Körper P rationale Gruppenmatrizen, die einander äquivalent sind, als nicht voneinander verschieden, so erkennt man, daß zu einem einfachen Charakter %(R) von $ nur eine in P irreduzible Gruppenmatrix gehören kann, die, im Bereiche aller Zahlen in irreduzible Bestandteile zerfällt, eine irreduzible Gruppen- matrix Z mit dem Charakter %(R) enthält. Daß nun in der Tat zu jedem einfachen Charakter x(R) eine in P irreduzible Gruppenmatrix gehört, erkennt man folgendermaßen. Man betrachte speziell die reguläre Gruppenmatrix X = (#79-ı) (PQ=H,H,,.,H,_,) des Grades Ai. Der Charakter £(R) dieser Gruppenmatrix ist gleich ER) = Zf.x0R), enthält also jeden einfachen Charakter %®, und zwar genau /,mal. Nun ist X gewiß im Körper P rational. Denkt man sich X im Körper P in irreduzible Bestandteile X, , X, , X; , --- zerlegt, so muß für mindestens eine der Gruppenmatrizen X,,X,,X,, --- der ihr entsprechende Cha- rakter £(R) auch den einfachen Charakter %(R) enthalten. Fassen wir die gewonnenen Resultate zusammen, so erhalten wir den Satz: III. Die Anzahl der verschiedenen (nicht äquivalenten) im Körper P irreduziblen Gruppenmatrizen X,, X, X, :--, die zur Gruppe 9 gehören, u u a Rene u u € ]. Scuur: Arithmetische Untersuchungen über endliche Gruppen. 171 ist gleich der Anzahl der in bezug auf P nicht konjugierten einfachen Cha- raktere von 5. Denkt man sich die Gruppenmatrizen X,, X,,X,,:-- im Bereiche aller Zahlen in irreduzible Bestandteile zerlegt, so enthalten je zwei keinen irreduziblen Bestandteil gemeinsam. Der Charakter einer jeden der Gruppenmatrizen X,, X; X2, -- hat die Form mix(R)+xK(R)+ 4x), wo X(R),%,(R), ---%,(R) die sämtlichen zu einem einfachen Charakter %(R) in bezug auf P konjugierten Charaktere von 9 sind. Die durch den Charakter %(R) und den Körper P eindeutig be- stimmte Zahl m soll nun der Index von %(R) in bezug auf P genannt werden. Offenbar ist m zugleich auch der Index der zu x(R) kon- jJugierten Charaktere X, (R), --- , G_(R). Es gilt nun der Satz: IV. Ist X eine beliebige in P rationale Gruppenmatrix, deren Cha- rakter den einfachen Charakter x(R) genau rmal enthält, so ist r durch den Index m des Charakters y(R) in bezug auf P teilbar. Denn denkt man sich die Gruppenmatrix X im Körper P in ir- reduzible Bestandteile zerlegt, so möge die dem Charakter %(R) ent- sprechende in P irreduzible Gruppenmatrix X genau /mal vorkommen. Da der Charakter %(R) in dem Charakter von X genau mmal ent- halten ist, so muß r = im sein. Wählt man für X wieder die reguläre Gruppenmatrix (279-1), SO ergibt sich: V. Der Index m des Charakters x,(R) ist ein Divisor der Zahl f= x,(E). 82: Es sei wie früher X = 3A,ı2, eine in P irreduzible Gruppen- matrix, deren Charakter gleich mix(E)+x (A) + +x%.R)} ist. Der Grad der Matrix X ist dann gleich m/f, wo f= x(E) ist. Die allgemeinste mit X vertauschbare konstante Matrix V läßt sich dann (vgl. die Anmerkung auf S. ı68) in der Form V= 234Ar-ıUARr R darstellen, wo U= (w,,) eine Matrix des Grades m/f mit unbestimmten Koeffizienten ist. Die charakteristische Determinante |e#-V| von V ist dann (vgl. B. S. 420) die f' Potenz einer ganzen rationalen Funktion des Grades m/, deren Wurzeln untereinander verschieden sind. Man kann daher die Größen w,; auch als rationale Zahlen so wählen, daß 172 Gesammtsitzung vom 1. Februar 1906. — Mittheilung vom 11. Januar. die m! Wurzeln der Gleichung |eE-V| = 0 voneinander verschieden bleiben. Dann wird aber, weil V eine im Körper P rationale mit X vertauschbare Matrix wird, nach Satz II eE-V] = {oa wo &(x) eine im Körper P irreduzible Funktion des Grades ml ist. Da zugleich &(V) = 0 ist, so sind die Elementarteiler der Determinante |xE-V]| sämtlich linear. Ist nun p(x) = ar! — a 01 2. An = (20) (&— Pı) °** (@- Pm-ı) und setzt man a, Ay Az *'* Amı-ı Aml ee di A : ee ee M— a Got DO U te so wird (vgl. Frogentus, CrELLes Journal Bd. 86, S. 146) |eE-M]| — |eE-M]| = p(x). Daher sind die Matrizen M und M einander ähnlich. Ferner ist die Matrix M 0) uch 0) | | 00..M des Grades m/f der Matrix V ähnlich. Man kann daher auch eine in P rationale Matrix Q von nicht verschwindender Determinante wählen, so daß OZROZER wird. Setzt man nun O=X0 X Ein, R so ist jede der Matrizen B, mit T vertauschbar. Es werde nun 5, in der Form 12a (Were) («,ß=1,2,...f) geschrieben, wo B,, eine Matrix des Grades m/ bedeutet. Aus BrQ = QBr folgt dann, daß B,, mit M vertauschbar ist. Da nun die charakte- ristischen Wurzeln von M untereinander verschieden sind, so muß B,; = 9.,(M) sein, wo 9,.(f) eine ganze rationale Funktion des Grades ml-1 von t ist, deren m! Koeffizienten aus linearen Gleichungen mit in P rationalen Koeffizienten zu bestimmen sind, und folglich selbst u re I. Scaur: Arithmetische Untersuchungen über endliche Gruppen. 173 dem Körper P angehören. Da ferner die Matrizen M und M ähnlich sind, so schließt man auch sofort, daß sich eine Matrix Z des Grades mlf von nicht verschwindender Determinante angeben läßt, so daß DBRl — CR — (B) wird, wo B,; = 9,5(M) wird. Bezeichnet man nun die Matrix f“" Grades 19«5 (Hx)} BE 27) mit D®% und setzt z9 —— zDyar, so zerfällt die Matrix L"X’L, wie leicht ersichtlich ist, in die ml Gruppenmatrizen ZW, ZW, ... Ze) des Grades f. Da nun X im Be- reiche aller Zahlen in genau ml irreduzible Bestandteile zerfällt, so müssen die Gruppenmatrizen ZW, Z, ... ZW’) irreduzibel sein; ferner müssen unter ihnen je m einander äquivalent sein, während die / einander nicht äquivalenten den Charakteren %(R),%(R), --- (RR) entsprechen. Es ergibt sich insbesondere, daß die zu dem Charakter %(R) gehörende irreduzible Gruppenmatrix Z des Grades f in einem alge- braischen Körper P(u) des Grades m! über P rational darstellbar ist. Es sei umgekehrt eine zu dem Charakter (AR) gehörende, im Bereiche aller Zahlen irreduzible Gruppenmatrix D= I Dr&r des Grades f bekannt, in der die Koeffizienten der Matrizen D, einem algebraischen Körper P(v) des Grades g über P angehören. Ferner sei Dr = }9.()} GB=1,2,--.f), wo g,5(£) eine gewisse ganze rationale Funktion von ? mit Koeffizienten aus dem Körper P ist. Es sei Yla) = Mbit... —-b,— 0 die in P irreduzible Gleichung, der v genügt. Setzt man dann Da eh, I 002222200 IN EDEN E00 0.) rl so wird Y(N) = 0. Bezeichnet man nun die Matrix 19x (N) \ 174 Gesammtsitzung vom 1. Februar 1906. — Mittheilung vom 11. Januar. des Grades nf mit F,, so wird offenbar, da für je zwei Elemente R und S von 9 die Gleichung D,D; = Dys besteht, auch F,F,; = Frs. Daher ist X > Fror eine zur Gruppe $ gehörige Gruppenmatrix, die im Körper P rational ist. Sind vw,» +-- v,., die Wurzeln der Gleichung (x) = 0 und setzt man I ga (9) = Xa (R), so wird die Spur der Matrix F„ gleich xoR) + XılR)+ + X lR). Da nun die Charaktere %,(R), --- %,_,(R) in bezug auf den Körper P dem Charakter (A) konjugiert sind, so sind die in P irreduziblen Bestandteile, in die die Gruppenmatrix X im Körper P zerfällt, sämt- lich der früher betrachteten Matrix X äquivalent. Daher ist der Grad qf der Matrix X durch den Grad m/f der Matrix X teilbar; folglich ist auch die Zahl g durch die Zahl mi teilbar.' Wir erhalten den Satz: VI. Ist x(R) ein einfacher Charakter der Gruppe 9, dessen Index in bezug auf den Körper P gleich m ist, und ist der durch die h Zahlen %(R) und die Zahlen von P erzeugte Körper P(x), als algebraischer Körper über P betrachtet, vom Grade l, so ist der kleinste Grad eines Körpers P(w) über P, in dem sich die zu x(R) gehörende irreduzible Gruppenmatrix Z des Grades f = x(E) rational darstellen läßt, gleich ml. Läßt sich Z in einem algebraischen Körper P(v) des Grades q über P rational dar- stellen, so muß q durch mi teilbar sein. Es sei noch erwähnt, daß der Körper P(n) des Grades m! keines- wegs eindeutig bestimmt zu sein braucht. Es kann vielmehr Z auch in zwei Körpern P(w) und P(w‘) rational darstellbar sein, die nur den Körper P(x) als gemeinsamen Teiler enthalten. So ist z. B. die durch die Substitutionen 0 (Fi Na, Bi ; a ı) erzeugte Gruppe der Ordnung 8, deren Index in bezug auf den Körper & der rationalen Zahlen gleich 2 ist, nicht nur im Körper Q(i), sondern auch in jedem Körper & (V-n) rational darstellbar, sobald n eine ganze Zahl ist, die einer Summe von drei Quadraten gleich ist. ! Eine ähnliche Betrachtung findet sich in der Abhandlung des Hrn. Dıcxson: On the reducibility of linear groups, Tvansactions of the Amer. Math. Soc. Bd. 4 (1903), S. 434. Das in dieser Arbeit aufgestellte Resultat kann aber, wie leicht zu sehen, nicht allgemein richtig sein. I. Scnuur: Arithmetische Untersuchungen über endliche Gruppen. 175 Aus dem früher bewiesenen Satz IV folgt unmittelbar: VI. Ist P’ ein Zahlkörper, der den Körper P enthält, so ist der Index m des Charakters x,(R) in bezug auf den Körper P durch den Index m’ von %(R) in bezug auf den Körper P’ teilbar. Da insbesondere jeder Körper P den Körper Q enthält, so ist der Index m von %(R) in bezug auf einen beliebigen Körper P ein Divisor des Index m, von %(R) in bezug auf den Körper ©. Es sei nun speziell P’ ein algebraischer Körper P(A) über P, der im Körper P(%) enthalten ist. Genügt A einer in P irreduziblen Gleichung des Grades a, so genügt % im Körper P’ einer irreduziblen Gleichung des Grades L — /‘. Nun läßt sich aber die zu 4(R) gehörende Gruppen- matrix Z des Grades fin einem algebraischen Körper P’(w) des Grades m’’’ über P’ rational darstellen. Als algebraischer Körper über P betrachtet, besitzt aber P’(w) den Grad am’l’ = ml. Nach Satz VI ist daher ml durch m/, also m’ durch m teilbar. Da andererseits m durch m’ teilbar ist, so muß m’ = m sein. VII. Ist P’ ein algebraischer Körper über P, der in dem Körper P(x%,) enthalten ist, so ist der Index des Charakters y(R) in bezug auf P’ gleich dem Index von x(R) in bezug auf P. Insbesondere ist also der Index m, des Charakters %(R) in bezug auf den Körper © zugleich auch der Index von %(R) in bezug auf den Körper 2%). Bemerkenswert ist noch der Fall, daß P der Körper der reellen Zahlen ist. Dann ist die zu (2) gehörende irreduzible Gruppenmatrix Z im Körper P(i), also in einem Körper des Grades 2 über P, rational ‘darstellbar. Daher ist in diesem Falle die Zahl m/ ein Divisor von 2; demnach sind nur drei Fälle möglich: Dr Sin : el, w=2 2 ed. ml, Die im Gebiete der reellen Zahlen irreduziblen Gruppen linearer Substitutionen lassen sich also in drei Arten teilen: ı. solche, die im Gebiete aller Zahlen irreduzibel sind; 2. solche, die im Gebiete aller Zahlen in zwei äquivalente irreduzible Gruppen zerfallen; 3. solche, die im Gebiete aller Zahlen in zwei nicht äquivalente (konjugiert kom- plexe) irreduzible Gruppen zerfallen (vgl. A. Lorwv, Über die Redu- zibilität der reellen Gruppen linearer homogener Substitutionen, Trans- actions of the American Math. Soc. Bd. 4, S. 171). Su Es sei nun © eine Untergruppe der Ordnung s von 9. Ist dann X = > Ar&R R 176 Gesammtsitzung vom 1. Februar 1906. — Mittheilung vom 11. Januar. eine zur Gruppe 5 gehörende Gruppenmatrix, so wird Ya Aszs, Ss wo S alle Elemente der Untergruppe © durchläuft, eine zur Gruppe © gehörige Gruppenmatrix. Sind daher WS), WO(S),--- wa-9(S) die einfachen Charaktere von © und ist Z(R) der Charakter der Gruppen- matrix X, so wird (8) = nuR(8), wo die durch die Gleichungen rn = 328) WO (8) SS bestimmten Zahlen r, nicht negative ganze Zahlen sind. Wir wollen dann der Kürze wegen sagen, der Charakter Z(R) enthalte den Cha- rakter Y®%(S) der Untergruppe r, Mal. Ist ferner Üf= > Bs Us + Ss eine zur Gruppe © gehörige Gruppenmatrix des Grades 5 mit dem Charakter z(S), und setzt man für je zwei Elemente Pund Q von 9 [003 a = > Bs UPSQ-1, so wird, falls 5=-654+6A+:--+64A-ı ("=%) ist, die Matrix re — (Ur, )) hehe «+. An-ı) des Grades bn eine zur Gruppe $) gehörende Gruppenmatrix. Denkt man sich die Gruppenmatrix X im Bereich aller Zahlen in irreduzible Bestandteile zerlegt, so kommt der dem einfachen Charakter %(R) 1 von 9 entsprechende irreduzible Bestandteil genaua = $r,t, vor, falls 1=0 g—1ı g-1 x) =ErWm) , HS) = ERS) i1—=0 = o ist (Frogenius, Sitzungsberichte 1898, S. 501). Wir können nun folgenden allgemeinen Satz beweisen: IX. Es sei P ein gegebener Zahlkörper, es sei m der Index des Charakters %(R) von 9 und m' der Index des Charakters /(S) der Untergruppe © in bezug auf den Körper P. Man bezeichne mit w(S) —= v(8) ’ v(S), Sup Va-ı (8) u. I. Schur: Arithmetische Untersuchungen über endliche Gruppen. 177 die in bezug auf P zu L(S) konjugierten Charaktere von ©. Enthält dann x(R) den Charakter \,(S) von © genau r, Mal, so muß m ein Divisor der Zahl m (r,+r,+---+r.-,) sein. Man wähle nämlich für die oben betrachtete Gruppenmatrix U von © die dem Charakter \L(S) entsprechende im Körper P irredu- zible Gruppenmatrix. Dann wird der Charakter z(S5) von U gleich (8) = mw (S)+ WS) + +WalS)}- Die Gruppenmatrix X ist dann ebenfalls in P rational und die ihr entsprechende Zahl a wird gleich mr, +m'r, +... +mr,.,. Nach Satz IV ist diese Zahl daher durch m teilbar. Sind insbesondere für den Charakter Y(S) die Zahlen m’ und d gleich 1, so muß die Zahlr=r, durch die Zahl »n teilbar sein. IXa. Besitzt der Charakter ‘\(S) der Untergruppe © von 9 die Eigenschaft, daß die ihm entsprechende im Bereiche aller Zahlen irreduzible Gruppenmatrix von © im Körper P rational darstellbar ist, und enthält der Charakter x(R) von 5 den Charakter Y\(S) von © genau r Mal, so ist r durch den Index m von %(R) in bezug auf den Körper P teilbar. Der hier betrachtete Fall tritt insbesondere ein, wenn (SS) den Hauptcharakter von & bedeutet, d.h. wenn als le ıst. Denkt man sich daher für alle Untergruppen © von S die Zahlen 1 Q no 3%(S) gebildet, so müssen diese Zahlen durch den Index m Ss von %(R) in bezug auf jeden Körper P teilbar sein. Insbesondere er- gibt sich für den durch die Zahlen %(R) bestimmten Zahlkörper P= 2X): X. Isty(R) ein einfacher Charakter der Gruppe 9, der den Haupt- charakter einer Untergruppe © genau r Mal enthält, und sind die den verschiedenen Untergruppen © von 9 entsprechenden Zahlen r ohme gemein- samen Divisor, so ist die zu %(R) gehörende im Körper aller Zahlen irreduzible Gruppenmatrix Z im Körper Q(x) rational darstellbar. Dieser Fall tritt insbesondere ein, wenn eine der Zahlen r gleich l ist. Das sich so ergebende spezielle Resultat ist auf anderem Wege von Hrn. Frogenivs (Sitzungsberichte 1903, S. 328) durch Betrachtung der charakteristischen Einheiten der Gruppen gefunden worden. In seiner in der Einleitung zitierten Arbeit hat Hr. Burssiıve dieses Re- sultat, offenbar ohne die Frogensussche Untersuchung zu kennen, von neuem abgeleitet. Um eine Anwendung des Satzes X zu geben, will ich untersuchen, für welche Gruppen 9 es eintreten kann, daß der Index m, eines ein- fachen Charakters %(R) in bezug auf den Körper @, oder was das- selbe ist, in bezug auf den Körper 2(%) den größten zulässigen Wert 178 Gesammtsitzung vom 1. Februar 1906. — Mittheilung vom 11. Januar. f= x(E) annimmt. Hierbei nehme ich an, was keine Beschränkung der Allgemeinheit bedeutet, daß die dem Charakter %(R) entsprechende der Gruppe $ isomorphe Gruppe & von linearen Substitutionen von der Ordnung A sein soll, so daß der zwischen 5 und & bestehende Isomorphismus ein einstufiger wird. Notwendig und hinreichend hier- für ist, daß die Zahl x(R) für jedes von E verschiedene Element R nicht gleich f sein soll. Ist dann © eine Untergruppe der Ordnung s>1von 9, und enthält %(ZR) den Hauptcharakter von © genau r mal, so muß r1 angeben, so daß für alle Sub- stitutionen R von ©. die Funktionen |eE-R| sämtlich m’ Potenzen werden, so muß m = 1 sein; die Gruppe © läßt sich dann also im Körper @(p) rational darstellen. Dies ist das in der Einleitung er- wähnte Resultat des Hrn. Burnsipe. Es verdient noch hervorgehoben zu werden, daß aus dem Vor- handensein einer solehen Zahl m’>1 nicht etwa, wie vermutet werden könnte', die Reduzibilität der Gruppe © folgt. Man betrachte z. B. die durch die Substitutionen 1200 10,0 -1 0 ll 0 Ze N | Oo 00-10 000-1 000-1 01 00 0 0 Pa 6 Ba EB a AT E Dom ı Dar oo oo 110° 10910 erzeugte Gruppe der Ordnung 32. Unter den charakteristischen Deter- minanten der Substitutionen dieser Gruppen kommen nur die Funk- tionen (@-1%, @+1)%, (@-1)%, @+1)? vor, so daß hier m’ = 2 gesetzt werden kann. Die Gruppe ist aber dennoch irreduzibel. Von Interesse ist noch folgender Satz: XII. Der Index m eines Charakters x(R) des Grades f in bezug auf den Körper Q(p) ist ein gemeinsamer Divisor der Zahlen f und 5.2 In der Tat ist offenbar %(R) = m$(R), wo $(R) eine Summe von Z Einheitswurzeln ist. Nun besteht (vgl. B., S. 425) für jedes Ele- ment S von 9 die Relation 4 ll ZxX(SR)x(R) =x(8). R 7 Daher ist : Ss [SR eh Aus) ie p(S). Setzt man nun eg, gleich 1, falls R gleich E ist, und x = (0, falls R von E verschieden ist, so kann man diese Gleichung auch in der Gestalt ART h >= R DAA—— zul) al) en ! Vgl. die in der Einleitung zitierte Arbeit des Hrn. Burssipe (S. 252). 2} ® Ist also m durch die «** Potenz einer Primzahl p teilbar, so muß A durch p?« teilbar sein. Man kann noch zeigen, daß % durch p?«# teilbar sein muß. esr-ıt = 0 I. Scnur: Arithmetische Untersuchungen über endliche Gruppen. 181 schreiben. Da die Zahlen $(R) nicht sämtlich 0 sind, so muß die Determinante Ah" Grades l PRS") = ens- gleich 0 sein. Da nun die Zahlen $(R) ganze algebraische Zahlen sind, so ergibt sich, daß die Zahl m einer Gleichung der Form ++. + —=0 mit ganzen algebraischen Koeffizienten genügt. Folglich ist die Zahl : : { en eine ganze algebraische und also eine ganze rationale Zahl. Zu erwähnen ist noch, daß die Zahl m kleiner als f sein muß, sobald f>1 ist. Denn wäre m = f, so müßte jede der Substitutionen A, nur eine charakteristische Wurzel © besitzen, daher wäre A,=cE. Ist nun f>1, so wäre die Gruppenmatrix Z reduzibel. Es gilt ferner der Satz: XIV. Jede auflösbare Gruppe © von linearen Substitutionen der Ord- nung h ist im Körper der h“" Einheitswurzeln rational darstellbar. Dieser Satz ist eine unmittelbare Folge eines anderen Satzes: XV. Ist & eine irreduzible Gruppe von linearen Substitutionen der Ordnung h und ist © eine invariante Untergruppe der Ordnung 2 von ©, wo n eine Primzahl ist, so ist die Gruppe © entweder im Bereiche aller Zahlen irreduzibel, oder sie zerfällt in n verschiedene (nicht äquivalente) irreduzible Bestandteile desselben Grades. Es mögen nämlich zunächst die irreduziblen Bestandteile von ©, deren Anzahl gleich g sei, einander äquivalent sein. Wir können dann & durch eine äquivalente Gruppe ersetzen, in der jede Substi- tution S von © die Gestalt Sı 0 “ 0 ae 0) (N) ass Sı annimmt, wo die Substitutionen S, eine der Gruppe © isomorphe irreduzible Gruppe ©, bilden. Ist f der Grad der Matrix S, so ist F hierbei die Matrix ©, vom Grade Es sei nun 6=-65+6P+6SP:+-..+&5P-. Dann ist für irgend eine Substitution S von © die Substitution Ss N). 850 oO Se) Psp= = | Vo Sitzungsberichte 1906. 17 182 Gesammtsitzung vom 1. Februar 1906. — Mittheilung vom 11. Januar. wieder in © enthalten, und wir erhalten einen Automorphismus der Gruppe ©,.wenn wir dem Element S das Element $’ zuordnen. Man schreibe nun P in der Form a a I LE! \ wo die P,, gewisse Matrizen des Grades / sind. Dann wird Maren Da nun die Matrizen 8) eine der Gruppe ©, isomorphe irreduzible Gruppe bilden, so müssen sich die Matrizen P,, untereinander nur um konstante Faktoren unterscheiden (vgl. B., S. 414), d.h. es ist PP» [je Konstante ist. Es ist nun unmittelbar zu sehen, daß, wenn #Z, die = (,sQ,, wo Q, eine gewisse Matrix des Grades -—- und c,, eine Einheitsmatrix des Grades £ bedeutet, die Matrix CE: =) en Ca Bı Ehe CaBı mit allen Substitutionen S und auch mit P vertauschbar wird. Daher ist © mit allen Substitutionen der Gruppe © vertauschbar und muß folglich, da & irreduzibel sein soll, die Form c # besitzen; demnach muß 1 une Caa — 0 («=FP) sein. Wäre nun 9>1, so würde © zerfallen. Es möge nun die Gruppe © mindestens zwei einander nicht äqui- valente irreduzible Bestandteile besitzen. Dann läßt sich & durch eine äquivalente Gruppe ersetzen, in der jede Substitution $S die Form S 0.0 DE . . ... . OO SL annimmt, wo die Matrizen S, eine der Gruppe © isomorphe Gruppe ©, bilden, die in einander äquivalente irreduzible Bestandteile zerfällt, wäh- rend von den Gruppen ©, , &©,, ::-, ©, je zwei keinen irreduziblen Be- standteil gemeinsam haben. Ist wieder ‚SS 0--0 y P-ıSP - 8 -| 0) ISH 200 0 0 0:-&8 so bilden auch die Substitutionen S/ eine der Gruppe © isomorphe Gruppe ©,, wobei dem Element $S von © das Element $/ von ©, ent- I. Scauur: Arithmetische Untersuchungen über endliche Gruppen. 183 spricht. Ferner zerfällt offenbar auch $/, in einander äquivalente irre- duzible Bestandteile, und von den Gruppen ©, ©, .- ©; enthalten wieder je zwei keinen irreduziblen Bestandteil gemeinsam. Ist /, der Grad der Matrix $S,, so werde P in der Form 'Pı # Pı | ni Pı 292 Pu geschrieben, wo P,, eine Matrix mit f, Zeilen und f, Spalten ist. Es wird dann wegen SP = PS’ Ser — P,3 Sp. Enthalten nun die Gruppen ©, und ©; keinen irreduziblen Bestandteil gemeinsam, so muß, wie man leicht schließt, P, = 0 sein. Ferner kann für jedes # nur ein 8 = «’ und für ein ß nur ein & = ®” vor- handen sein, so daß P,;+#0 wird. Aus dem Nichtverschwinden der Determinante von P folgt dann, daß P,.. eine quadratische Matrix von nicht verschwindender Determinante sein muß, so daß ©, und ©/. äquivalente Gruppen werden. Der Substitution P entspricht nun eine Permutation Q zwischen t Ziffern 1,2, .-- £, die die Ziffer & in die Ziffer &’ überführt. Man sieht auch sofort ein, daß Q ein Zyklus der Ordnung ? sein muß, da andernfalls die Gruppe © zerfallen würde. Es ist daher P' die erste Potenz von P, die in © enthalten ist; folg- lich muß ?{=n sein. Man kann auch ohne Beschränkung der All- gemeinheit annehmen, daß ,=65,85,=6,-.6-6& ,5=6& ist. — Daß nun die Gruppe ©, und folglich auch die Gruppen ©,, ©,,--- ©, irreduzibel sein müssen, kann man folgendermaßen schließen. Man bezeichne die Spur der Substitution R von © mit x(R), ferner die Spur der Substitution S, mit /,(S). Dann wird für jedes Element 5 von © x(8) = Wı(S) + W(lS)+ + Wn(S). Ferner ist 2 v.(8")va(lS) = 0, («+P) wo die Summation über alle Elemente der Gruppe © zu erstrecken ist. Daher ist ZEHN HE)H + (SWS): Die links stehende Summe ist aber offenbar gleich nal (S)w.(S). 184 Gesammtsitzung vom 1. Februar 1906. — Mittheilung vom 11. Januar. Zerfällt nun ©, in r irreduzible Bestandteile, so wird h . 1 av S)y(S) =? also XS) XLS) = ri. »M Da nun wegen der Irreduzibilität von & AUT )BAH) L R ist, wo R alle Elemente von & durchläuft, so muß r’A]1 führt daher auf einen Widerspruch. Aus dem Vorhergehenden ergibt sich der für die Anwendungen wichtige Satz: XVI. Es sei & eine irreduzible Gruppe linearer Substitutionen der Ordnung h, und es sei © eine Untergruppe von ©, die auflösbar ist, und die einen ihrer irreduziblen Bestandteile genau r mal enthält. Sind dann die den verschiedenen Untergruppen © und den verschiedenen irreduziblen Bestandteilen von © entsprechenden Zahlen r ohne gemeinsamen Teiler, so ist & im Körper der h“" Einheitswurzeln rational darstellbar. Es sei noch erwähnt, daß bis jetzt überhaupt keine Gruppe © linearer Substitutionen der Ordnung 4 bekannt ist, die sich nicht im Körper der A“ Einheitswurzeln rational darstellen läßt. Ausgegeben am 8. Februar. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. nu el nee En —— \ } = ; {r iii ar in 2 an aaa aa FE ea ne Auge (Zr. x.) (r) x) eine positive Form, d. h., wenn x, und «) konjugiert komplexe Größen sind, so ist der Wert von H positiv, und kann nicht verschwinden, wenn nicht die Variabeln x, sämtlich Null sind. Demnach ist, wenn die Variabeln x, als reell angenommen werden, die reelle quadratische Form 23 %,5%,.%; eine positive. Ihre Matrix ist 7+H’ = H+H,. Mithin ist auch, falls % eine positive Konstante ist (vgl. A. Lorwv, Comptes Rendus 1896, S.ı68 und Moorz, Math. Ann. Bd. 50, S. 213), (1.) AA BIB, OO ER eine positive Hermrtesche Form (d. h. die Matrix einer solchen). Ferner ist kA'FA—=E(RAY(RA, = ER B,—=KF, weil RA zugleich mit R die A Matrizen der Gruppe 5 durchläuft. Daher transformiert jede der 4 Substitutionen R der Gruppe 9 die Form F in sich selbst, (2.) RFR—=F. In dem speziellen Falle, wo die Matrizen von 9 alle reell sind, ist (8%) kG=AA+BB+ÜCC+.- =ZR'R eine quadratische Form (symmetrische Matrix), die von den A Sub- stitutionen von 5 in sich transformiert wird. Daß es eine solche Form @ gibt, folgt aber auch direkt aus der Existenz der Invariante F. Denn ist R reell, so lautet die Gleichung (2.) XFR = F. Mithin ist auch, wenn man zu den konjugierten Matrizen übergeht, RFR=F', und folglich, wenn man die positive quadratische Form F+ F’ mit @ ne ee en ne FRoBenzus u. ]. Scnuur: Die reellen Darstellungen der endlichen Gruppen. 159 bezeichnet, RGR = G. Diese positive Form @ läßt sich durch eine reelle Substitution in eine Summe von f Quadraten, also in die Haupt- form E transformieren. Dadurch geht die betrachtete Darstellung von 9 in eine äquivalente Darstellung über, deren Substitutionen ortho- gonale sind. Dieses Ergebnis läßt sich in der folgenden bemerkens- werten Weise umkehren: Jede Darstellung einer endlichen Gruppe durch orthogonale Substi- tutionen ist einer reellen Darstellung (durch orthogonale Substitutionen) äquivalent. Für unseren nächsten Zweck genügt es, den Satz für den Fall zu beweisen, wo die betrachtete Darstellung irreduzibel ist. Auf re- duzible Darstellungen werden wir den Beweis in $ 8 ausdehnen. Ist R eine orthogonale Substitution, so ist (4.) Keil R'=R!, Ist nun F die Hernmıresche Form (1.), so ist (5.) F=RFR, RF=FR, FR=RF, mithin, wenn man die konjugierten Formen nimmt, Ro — RR und folglich R(FF') — (RF)F' — (FR,)F' — F{R,F') — F(F'R) = (FF')R. Eine Matrix FF’ kann aber (Über die Darstellung der endlichen Gruppen durch lineare Substitutionen, $ 6, Sitzungsberichte 1897, S.1008) mit jeder Matrix R einer irreduzibeln Darstellung nur dann vertausch- _ bar sein, wenn sie bis auf einen konstanten Faktor c der Hauptmatrix gleich ist, FF’= cE (dies folgt auch aus dem in $ 3 benutzten Hilfs- satz. Da F'=F, ist, so ist auch FF, —=-cE, und folglich F’FF, —cF’. Mithin ist c eine reelle positive Konstante. Denn F’ ist eine positive Hermitesche Form, und ebenso F’FF, und allgemeiner, wenn P eine Matrix nicht verschwindender Determinante ist, P’FP,. Denn in diese Form geht F durch die Substitution P über. Ersetzt man F durch VeF, so erhält man eine positive, Hermıresche Form, die der Relation (6.) IRRRIE RNRI—eRGR Em ME—=H genügt, also zugleich eine orthogonale Form ist. Da EZ und F zwei positive Hersitesche Formen sind, so ist auch £+ F eine solche, hat also eine von Null verschiedene Determinante. Transformiert man nun jede der A} Matrizen R von 5 durch die Substitution #+F, so bilden die A Matrizen (7.) (E+FY'R(EE+M)=S 190 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe v. 8. Februar 1906. eine der gegebenen äquivalente Darstellung von 5. Nun ist nach (6.) EBEN E+BK Setzt man diesen Ausdruck für F in die Formel (5.) NER — Ser) ein, so erhält man (E+F)"R(E+F)—=(E+RF)"R,(E+P,), und demnach ist jede der Ah transformierten Matrizen $S = 8, reell. Für eine irreduzible reelle Darstellung einer Gruppe muß die Hernıtesche Invariante mit der quadratischen übereinstimmen (weil nicht mehr als eine Form F den h Bedingungen R’FR = F genügen kann). Im vorliegenden Falle ist dies leicht durch die Rechnung zu bestätigen. Denn die quadratische Form Z geht durch die Substitution E+F in (E+F')E(E+F) über und die Hrrmıesche Form F in (E+F')F(E+F) = (E+F')(F+E). Die Matrix G= (E+F’)(E+F) = (E+R)(E+F) ist symmetrisch und wegen der Vertauschbarkeit von F und F, reell, und da @ als Hrrurresche Form mit F äquivalent ist, so ist @ eine positive quadratische Form. Diese kann man durch eine reelle Sub- stitution in die Hauptform E überführen, und so erhält man eine der gegebenen äquivalente Darstellung der Gruppe 5 durch reelle ortho- gonale Substitutionen. Sr Die Methode des Hrn. Auronse unterscheidet sich von dem eben benutzten Beweisverfahren in folgenden Punkten: Während wir die quadratische Invariante @ in die Hauptform transformiert haben, denkt er sich von vornherein die Herurresche Invariante F in E übergeführt. Dann ist (1.) RR=RR=E und (2) RGR=G. Daraus folgt (GR RC (a, ie und mithin VOR Bao, Ist also die Darstellung irreduzibel, so muß @,@ = cE sein. Da E und 6,@ = 6@,@’ positive Hernıtesche Formen sind, so ist e reell und positiv, und wenn man @ durch VeG ersetzt, so ist en u en et Frosenivs u. ]. Scuur: Die reellen Darstellungen der endlichen Gruppen. 191 (3.) H6=6R=E, G=C“. Diese Gleichung, deren Bestehen in dem Beweise des Hrn. Auronse vorausgesetzt wird, ist so zunächst als eine Folge der hier ge- machten Annahmen erwiesen. Wenn nun die Determinante von E+@ von Null verschieden ist, so ist und wenn man dies in GRG" —=R, einsetzt, erhält man (E+ G)RIEE+G)" = (E+G)R(E+ G,)". Dies besonders einfache Verfahren des obigen Beweises ist nun»aber hier nieht allgemein zulässig, und man ist genötigt, einen komplizier- teren Weg einzuschlagen, um @ auf die Form (6) G zer »,(G,) zu bringen, wo ®(r) eine ganze Funktion der Variabeln r ist, und ®,(r) aus ®(r) hervorgeht, indem man jeden Koeffizienten durch die konjugiert komplexe Größe ersetzt. Da die Determinante von @ von Null verschieden ist, so gibt es eine ganze Funktion ®(G) — H, die der Bedingung H’—= G genügt. (Uber die cogredienten Transformationen der bilinearen Formen, Sitzungs- berichte 1896, S. 10.) Als Funktion von @ ist H = H’ ebenfalls sym- metrisch, und da H, = ®,(G,) = ®,(@") auch eine Funktion von @ ist, so ist A mit H, vertauschbar. Daher ist ER ae NE Da HH, = H’H, eine positive Herurresche Form ist, so ist auch HH,-+ E eine solche, hat also eine von Null verschiedene Determi- nante, und mithin folgt aus der Gleichung (7 H, + E) (HH,-E) = 0 die Relation Eikly — ER: Aus nee ln, VIE han ergibt sich demnach, daß im else —= 8 eine reelle Substitution ist. Die quadratische Invariante @ und die Hernıtesche Form E gehen durch die Substitution AH in el WE: BIT == 8: über. Demnach sind die transformierten Substitutionen 5 orthogonale. 192 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe v. 8. Februar 1906. Wendet man dieselbe Methode auf eine irreduzible Darstellung der zweiten Art an, so gelangt man zu einem zwar weniger einfachen, aber doch der Erwähnung werten Ergebnis. In der Gleichung (2.) ist dann, wie wir in$ 3 zeigen werden, @ = -(@ eine alternierende Matrix, deren Grad, da ihre Determinante nicht verschwindet, eine gerade Zahl f= 2n sein muß. Durch Verbindung mit der Gleichung (1.) erhält man bei passender Wahl des konstanten Faktors von @ (4.) GUGE Gn= - Br; und wenn wie oben H’ = G ist, so sind je zwei der Matrizen 7, H’ und H, als Funktionen von @ vertauschbar, und es ist JENE = .3, (aber nicht Z’= H). Durch die Substitution H” geht die alter- nierende Form @ und die Hrrnmiıtesche Form E in BHZGH2 =D, H"EHS —E über. Da @ = H? ist, so ist die alternierende Form == al lel = ill = alleh: sie ist also reell, und genügt der Gleichung zellen e=-: Von den Elementarteilern ihrer charakteristischen Determinante |s£=-L| sind daher n gleich s-i und n gleich s+i. Sei 0 -E (5-) = a wo E in der Klammer die Hauptmatrix des Grades n bezeichnet. Dann ist auch J eine reelle alternierende Form, die der Gleichung J’=-E genügt. Mithin kann Z durch eine reelle orthogonale Substitution in J transformiert werden. (Über die cogredienten Trans- Formationen der bilinearen Formen $ 3, Sitzungsberichte 1896, S. 135.) Eine solche Substitution läßt aber die Heruımtesche Form E ungeän- dert. So erhält man für die Darstellungen der zweiten Art eine Normalform, für welche die Hermitesche Form gleich E und die alternierende Invariante gleich J ist. Ist RR: nn IR s| eine Substitution von 9, so folgt aus JR = R,J, daß C = -B, und D=-A, ist, also R die Form j AB & w IB: 4) hat. Zwischen A und B bestehen dann Beziehungen, die sich aus den Gleichungen — Frosenius u. ]. Scaur: Die reellen Darstellungen der endlichen Gruppen. 193 Bi, — hl IE ergeben. Anmerkung. Die Methode des Herrn Avroxnsz läßt sich auch auf die in $ı gemachten Voraussetzungen anwenden. Sei H=&#(F) eine ganze Funktion von F, die der Gleichung H*’ —= F genügt. Da die charakteristischen Wurzeln a,d,c,... von F alle reell und positiv sind, so sind die Koeffizienten von &(r) alle reell. Mithin ist H’= H, eine Hernıresche Form. Bei der Bestimmung von ®(r) können die Vorzeichen von Ya, Yb, Ve ... beliebig angenommen werden. Wählt man sie alle positiv, so wird H eine positive Form. Dann sind auch 7’ und H’HH, positive Formen, und folglich ist die Determinante von H’+ H’HH, = H(E+HH,), also auch die von E+ HH, von Null verschieden. Daraus ergibt sich wie oben die Gleichung JE = JB): Durch die Substitution # geht F in H'FH=E über, und mithin sind die transformierten Substitutionen Ja Ianlab— Jay lahy, die reell sind, zugleich orthogonal. Sen Si 2ojQ Wenn die Darstellung der Gruppe 9 durch die Matrizen A,B,C, ---, R,... reell ist oder einer reellen äquivalent ist, so ist auch der ihr _ entsprechende Charakter %(R) reell. Denn (1.) x(Rk)=2Arı ist die Summe der Diagonalelemente der Matrix R und hat für äqui- valente Matrizen P"RP denselben Wert. Wenn umgekehrt der Charakter %(R) einer Darstellung reell ist (d.h. wenn die A Werte von %(KR) sämtlich reell sind), so braucht darum keine der ihm entsprechenden Darstellungen reell zu sein. Wenn der Charakter %(R) imaginär ist (d.h. wenn die Werte von %(R) nicht alle reell sind), so kann nach (1.) keine der ihm entsprechenden (unter sich äquivalenten) Darstellungen reell sein. Demnach sind hier drei Fälle zu unterscheiden: I. Eine dem Charakter %(#) entsprechende Darstellung ist reell. II. Der Charakter %(R) ist zwar reell, ihm entspricht aber keine reelle Darstellung. II. %(R) ist imaginär. 194 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe v. 8. Februar 1906. Bilden die A Matrizen (2.) MBH eine Darstellung von S5, so bilden die Matrizen (3.) I a0 Hi BERE ebenfalls eine Darstellung. Denn ist etwa AB=(, so ist auch AB"—(’”". Der Gleichung F"R"F=R, zufolge ist sie der zu (2.) konjugiert komplexen Darstellung A,,B,, C,, --- äquivalent. Ist die eine dieser beiden inversen Darstellungen irreduzibel, so ist es auch die andere. Entspricht der ersten der Charakter %(R), so entspricht der andern der inverse Charakter %(R”) (weil konjugierte Matrizen dieselben Diagonalelemente haben). Nun sind %(#) und %(R”) immer konjugiert komplexe Größen. Ist also %(R) reell, so ist „(#”) = %(R), dem- nach sind die beiden Darstellungen (2.) und (3.) äquivalent. Es gibt also eine Matrix G, deren Determinante nicht verschwindet und die den A Gleichungen GRG" = R’" genügt. Schreibt man diese in der Form (4.) RGR=G6, so kann @ als eine bilineare Form aufgefaßt werden, die von den h Substitutionen R der Gruppe 5 in sich transformiert wird. Wenn es umgekehrt eine bilineare Form @ gibt, die den A Glei- chungen (4.) genügt, so ist GR= RG. Ist die Darstellung (2.) irreduzibel, so muß daher die Determinante von @ von Null ver- schieden sein. Dies folgt aus dem Satze (Neue Begründung der Theorie der Gruppencharaktere $ 2, Sitzungsberichte 1905, S. 409): Es seien X und X’ zwei irreduzible Gruppenmatrizen der Grade f und f. Ist dann P eine konstante Matrix mit f Zeilen und f' Spalten, für die die Gleichung XP — PX’ besteht, so ist entweder P— 0, oder es sind N und X’ äquivalent, und P ist eine quadratische Matrix des Grades f = f von nicht verschwindender Determinante. Daher it GRG"= R"', und folglich ist x(R) = x(R7) ee reeller Charakter. Ist die betrachtete Darstellung irreduzibel, so kann es nicht mehr als eine bilineare Form G@ geben, die den Bedingungen (4.) genügt. Denn ist H= R’HR eine zweite, so ist R(@G"H) = (G"H)R, und mithin ist @'H = cE, wo c eine Konstante ist und 4 =c@G. Nun folgt aber aus den Gleichungen (4.) durch Übergang zu den konju- gierten Matrizen R'G’R= @G'. Daher ist @'=c@G, und wenn man die konjugierten Matrizen nimmt, @=c@’ und mithin G= «6, demnach e= +1. Die Form @ ist also entweder symmetrisch oder alternierend. Ist sie symmetrisch, so kann sie durch eine (vielleicht Frogentus u. I. Scauur: Die reellen Darstellungen der endlichen Gruppen. 195 a imaginäre) Substitution in Z transformiert werden. Nach dem in $ ı entwickelten Satze ist daher die Darstellung (2.) einer reellen äqui- valent. Umgekehrt gibt es, wenn dies der Fall ist, eine quadratische Form @, welche die Substitutionen von 5 zuläßt. Ist also der Cha- rakter %(Z) reell, ohne daß ihm eine reelle Darstellung von 9 ent- spricht, so muß G@ alternierend sein und umgekehrt. Demnach haben wir für das Eintreten eines der drei oben unterschiedenen Fälle das folgende Kriterium: I. Es gibt eine symmetrische bilineare Form, welche die Sub- stitutionen von 9 zuläßt. II. Es gibt eine alternierende Form. II. Es gibt keine Form dieser Art. Wir wollen dem Charaker %(R) eine in der Gleichung @' —=c@ auftretende Konstante e zuordnen, die im ersten Falle gleich +1, im zweitten —1 ist, und die im dritten Falle gleich 0 sein soll. So ent- sprechen den %k Charakteren %”(R) der Gruppe 9 % Konstanten c,. Ist „= -1, so ist der Grad f, stets eine gerade Zahl, weil eine alter- nierende Determinante unpaaren Grades verschwindet. $ 4. Sei U=(u,) eine Matrix, deren f” Elemente w,, unabhängige Variable sind. Dann ist DIRUUN 1G; R eine bilineare Form, welche die } Substitutionen von 9 zuläßt. Denn 22 es ist AGAIN RAND RAN ZISTRIUR — GC = : R Im dritten Falle muß daher @ identisch verschwinden. Folglich ist > Pay Uap Tas — 0 R «,ß und mithin = 0: Nun sind die /” Größen Zr re — Dr die Elemente der Matrix R’. Daher ist Ser or R und weil %(R) die Spur von R ist, Zx(R: = {fi} R In jedem Falle ist @ = c@', folglich N Ba RS MS m arR - - Tay Ua = Cm — Nas Ua Tpy» R «,ß R «,ß 196 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe v. 8. Februar 1906. mithin (1.) Sing 0 Zimzsrpy R R und speziell I EURER R R Nun ist : 2) Zr. =xX(R) ’ I Tal = Ir = X?) * Kr) AA): R R und demnach Es ist aber (2) Zx(R) x) =, und wenn X ein von % verschiedener Charakter ist, (32 ZUR) x(R) = 0. Mithin ist im dritten Falle x ER 0 in den beiden ersten aber EA BAR) In Verbindung mit der obigen Gleichung ergibt sich daher für alle drei Fälle die Relation (4.) Z x(R?) = ch, wodurch die dem Charakter 4, (R) entsprechende Konstante € bestimmt ist. Die Matrix 3 R* ist mit jeder Matrix der Gruppe $ vertauschbar, also gleich (5-) ZR— EB. Denn es ist A(ZR)) A= 8 (AHRA” —ER®, weil A"RA zugleich mit R die A Matrizen der Gruppe 5 durchläuft. Jene Matrix kann sich daher von E nur durch einen konstanten Faktor unterscheiden, dessen Wert sich durch Vergleichung der Spuren ergibt. Aus der Gleichung (5.) folgt | ZAR— "A, R Di und daraus durch Vergleichung der Spuren >h (6.) Zx(ARY) = x(4). R Hl Nimmt man in der Summe 2x (5?) CH Ss un a er rn Frogentus u. 1. Schur: Die reellen Darstellungen der endlichen Gruppen. 197 die Glieder zusammen, für die S® denselben Wert R hat, so erhält man ZE(R)XOR) — ch, R wo £(R) die Anzahl der Matrizen S von 9 ist, die der Gleichung S®—= R genügen. Durch Auflösung dieser Gleichungen ergibt sich, MER) = EelRr).ist; (7-) SR) = Ze). Die Anzahl der Lösungen S der Gleichung S’ —= R ist SR) = Zo.x@(R). In dieser Summe ist c, — 0, wenn %"(R) imaginär ist. Ist aber der Charakter „9(R) reell, so ist c, — +1 oder —1, je nachdem ihm eine reelle Darstellung der Gruppe entspricht oder nicht. Speziell ist die Anzahl m = £(E) der Lösungen der Gleichung S’= E gleich (8.) m— ch, » also gleich dem Überschuß der Summe der Grade der reellen Dar- stellungen über die Summe der Grade der imaginären mit reellem Charakter. Die letztere Summe ist folglich stets kleiner als die erstere. Die Formel (7.) kann man auch aus der Gleichung (6.) ableiten. Allgemeiner ist (9.) > = N die Anzahl der Lösungen der Gleichung (10.) BER Rn, Insbesondere ist (für » = 2) die Anzahl der Lösungen der Gleichung R’ — S’ gleich A mal der Anzahl der reellen Charaktere. En Die im vorigen Paragraphen durchgeführten Rechnungen kann man durch die folgende Überlegung ersetzen (vgl. Mouien, Uber die Invarianten der linearen Substitutionsgruppen, Sitzungsberichte 1897): Ist B777] (1.) en], die lineare Substitution, deren Matrix AR ist, so ist rp— Zrnra 27 a, 198 _ Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe v. 8. Februar 1906. Aus der gegebenen Substitution, wodurch für die f Variabeln x, die f neuen Variabeln y. eingeführt werden, ergibt sich so eine neue Substitution (2.) Va — IS (Karren + Far ar) Yan» wodurch für die ; f(/+1) Variabeln x, = &;. ebenso viele neue Va- riabeln Y.5 = Ya. eingeführt werden. Die Spur dieser Substitution ist (3.) (x(R)x(R) + x(R®)). Wenn es nun eine quadratische Form G = 3 a,,x,x; gibt, welche die Substitution (1.) zuläßt, so ist Za,,@,, eine lineare Form, die von der Substitution (2.) in sich transformiert wird, und umgekehrt. Bilden die 4 Substitutionen (1.) eine Darstellung der Gruppe 9, so bilden auch die % neuen Substitutionen (2.) eine solche Darstellung. In dieser kommt in dem betrachteten Falle die Hauptdarstellung vor, und zwar nur einmal, weil es nicht mehr als eine quadratische Form wie @ gibt. Folglich ist in diesem Falle (4.) I 5 (x{R)x(R) + x(R9) =. Ist ferner 2 — Ta U * die Substitution (1r.), in anderen Variabeln geschrieben, so ist 2 r, ' u S y® ” ” ” N Eu bp 0. — 2 (rt —Tar 16) (Yu —YrYı) - RES Auf diese Weise ergibt sich aus (1.) die Substitution (5.) Veß = >> (Ge Na Nar 1) Yır ”,. vom Grade U). deren Spur ist (6.) (x (Rk)x(R)—-x(R? )r Wenn es nun eine alternierende Form gibt, welche die A Sub- stitutionen R zuläßt, so enthält der (zusammengesetzte) Charakter (6.) den Hauptcharakter einmal und nur einmal, und folglich ist in diesem Falle (7) > 5 KR)xtk)-x(R9) = h. Wenn aber keine bilineare Form @ die Substitutionen von 9 zuläßt, so hat jede der beiden eben berechneten Summen den Wert Null. Demnach ist allgemein (8.) s Sata) Teile er un ur a — Frogenıvs u. I. Schur: Die reellen Darstellungen der endlichen Gruppen. Ks, Daß es nicht mehr als eine bilineare Form @ gibt, die den Bedingungen R’GR —= G genügt, braucht in der obigen Entwicklung nicht benutzt zu werden. Denn ist die Summe (4.) gleich Ap und (7.) gleich hg, so ist p+g = 1, weil Ey (R)x(R) = h ist, und folg- lich ist von den beiden positiven ganzen Zahlen p und g die eine 0 und die andere 1. Das Vorkommen des Falles e=-] ist schon früher direkt (Über eine Klasse von endlichen Gruppen linearer Substitutionen, Sitzungs- berichte 1903, S. 80) an dem Beispiele der Quaternionengruppe ge- zeigt worden. Diese Gruppe der Ordnung A= 58 enthält 2 invariante Elemente EZ und F. Das Quadrat jedes der 6 andern Elemente @ ist @® = F, während F?= E ist. Von den 5 irreduzibeln Darstel- lungen der Gruppe sind 4 linear, die fünfte quadratrisch. Ist % der Charakter der letzteren, so ist s(E) = 2, 4(F) = -2 und %(@) =. Daher ist ze) 2x(E)+6 x M=-8=—h, und mithin entspricht diesem reellen Charakter keine reelle Darstellung. Andere Beispiele liefern die (erweiterten) Gruppen des Tetraeders, Oktaeders und Ikosaeders, deren Charaktere in der Arbeit Über die Composition der Charaktere einer Gruppe, Sitzungsberichte 1899, S. 339 mitgeteilt sind, und zwar tritt der Fall ce= -1 bei der Darstellung (4.) der Tetraedergruppe, den Darstellungen (5.), (6.) und (7.) der Ok- taedergruppe und den Darstellungen (5.), (6.), (7.) und (8.) der Iko- saedergruppe ein. Etwas wesentlich Neues aber liefern diese Beispiele nicht, weil alle diese Gruppen die Quaternionengruppe enthalten. Daß diese Gruppen Darstellungen der zweiten Art enthalten, kann man auch aus dem folgenden leicht zu beweisenden Satze schließen: ‚Jede endliche Gruppe, die nur ein Element der Ordnung 2 enthält, und keinen Charakter der zweiten Art besitzt, ist das direkte Produkt einer zyklischen Gruppe der Ordnung 2" und einer Gruppe ungerader Ordnung. Umgekehrt besitzt eine Gruppe, die ein solches direktes Produkt ist, keine Darstellung der zweiten Art. $ 6. Durchläuft R die 4 Elemente der Gruppe 9, so stellt ATAR die sämtlichen mit A Akonjugierten Elemente dar (und jedes gleich oft). Nun ist (R"AR)” = R"A”R. Sind daher (1.) ABC, >- die Elemente einer Klasse (von konjugierten Elementen), so sind (2.) BEN. or 200 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe v. 8. Februar 1906. ebenfalls die sämtlichen Elemente einer Klasse. Ist ferner u relativ prim zu A, so sind die Elemente (2.) auch untereinander verschieden. In diesem Falle nennen wir die beiden Klassen (1.) und (2.) konjugiert. Sind zwei Klassen einer dritten konjugiert, so sind sie es auch unter- einander. Sind speziell die beiden Klassen (1.) und (2.) einander gleich, so sagen wir, die Klasse (1.) läßt die Substitution (#2, R”) zu. Eine Klasse, welche die Substitution (#, R”') zuläßt, heilt eine zweiseitige Klasse. Ist x relativ prim zu A, so durchläuft R” gleichzeitig mit R die h Elemente von 5, nur in anderer Reihenfolge. Daher unterscheiden sich die 3 Werte %(R*) von den A Werten %(R) eines Charakters % nur durch die Anordnung. Nun ist jeder einzelne Wert %(Z) eine ganze Funktion einer primitiven Ah“ Einheitswurzel w mit ganzzahligen Koeffizienten, und %(Z2*) geht daraus hervor, indem man w durch die (algebraisch) konjugierte Zahl w* ersetzt. Die A Werte %(R) können aber als eine Lösung eines gewissen Systems algebraischer Gleichungen mit rationalen Koeffizienten definiert werden. Demnach genügt %(R") = W(R) den nämlichen Gleiehungen, und ist folglich ein Charakter von 9. Zwei solche Charaktere nennen wir konjugiert. Ist W(R) = x,(R), so sagen wir, der Charakter %(R) läßt die Substitution (R, R*) zu. Dann gilt der Satz: Die Anzahl der Charaktere, welche die Substitution (R, R”) zulassen, ist gleich der Anzahl der Klassen, welche dieselbe Eigenschaft besitzen. Um dies zu beweisen, betrachten wir die Summe = ZEXRKOLRN). Wenn der Charakter 4") die Substitution (R, R*) nicht zuläßt, so ist Y(R”) = w®(R) ein von % verschiedener Charakter, und mithin ist EIERN Wenn aber x" jene Substitution zuläßt, so ist diese Summe gleich . Folglich ist s = hm, wo m die Anzahl der Charaktere ist, welche die Substitution (R, AR“) zulassen. Ferner ist die Summe = KORK (R*) = wenn R und R* nicht konjugiert sind. Sind sie es aber, so ist jene Summe gleich Denselben Wert hat sie für jedes der A, Elemente h hr der Klasse, der R angehört. Diese Klasse läßt die Substitution (R, R*) zu, und wenn man über die A, Elemente dieser Klasse summiert, so u u a u u 5 Frosenivs u. I. Scuur: Die reellen Darstellungen der endlichen Gruppen. 201 I nr = = ’ ’ . erhält man sen —h. Folglich ist s= hm’, wo m’ die Anzahl IR der Klassen ist, welche die Substitution (R, R*) zulassen. Demnach ist m = m’. Speziell gilt der Satz: Die Anzahl der reellen Charaktere einer Gruppe ist gleich der Anzahl der zweiseitigen Klassen. Durchläuft sowohl R wie S die % Elemente von 9, so ist Jim die Anzahl der Lösungen der Gleichung SRS” = R”. Denn diese Gleichung hat nur dann eine Lösung, wenn R einer zweiseitigen Klasse angehört. Ist R eins der Ah, Elemente einer solchen Klasse, so gibt es l = Elemente, die mit R vertauschbar sind, und ebenso viele, die R R in das konjugierte Element R”’ transformieren. Setzt man für R der Reihe nach die A, Elemente einer solchen Klasse, so erhält man h hr im ganzen /ım Lösungen. Ersetzt man R durch RS”, so nimmt jene Gleichung die Gestalt (3.) Be hr = h Lösungen, und demnach hat die Gleichung SRS" = R” an (vgl. $ 4). Wenn man die Anzahl der irreduzibeln Darstellungen von 9, die den drei in $ 3 unterschiedenen Fällen entsprechen, mit k,, k,,k, bezeichnet, so ist kı+ka+ks = Van kk+k=m, wo k die Anzahl der Klassen, m die der zweiseitigen Klassen be- zeichnet. Die Einzelwerte dieser Zahlen haben wir nicht ermitteln ‘ können. Die Zahl A, ist immer gerade, weil jedem imaginären Cha- rakter %(R) der von ihm verschiedene konjugiert imaginär oder in- verse Charakter %(R') entspricht. Die Zahlen %, und %, können ver- schwinden, %, ist immer >0, weil der Hauptcharakter von der ersten Art ist. Ist A ungerade, so ist m=1 und folglich , =1, ,=0, k,=k-I1, d.h. es sind alle Charaktere außer dem Hauptcharakter imaginär. Dies kann man, wie Hr. Burssıne (Proc. of the London Math. Soc. Bd. 33, S.1ı68) bemerkt hat, auch direkt aus der Gleichung E.x(R)= 0 R ableiten, die für jeden Charakter, außer dem Hauptcharakter gilt. Da A ungerade ist, so genügt nur das Hauptelement E der Gleichung R’—= E, sonst aber sind R und R°' verschieden, daher kann man die obige Gleichung in der Form Sitzungsberichte 1906. 19 202 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe v. 8. Februar 1906. x(E) +Z(x(R)+x(R))= 0 s “ 1 schreiben, wo sich die Summe nur über - (A-1) Elemente erstreckt. Wäre nun %(R) reell, so wäre (R") =x(R) und mithin HEN X) == —f. : a: 1 . : > Folglich wäre , f eine ganze algebraische und demnach eine ganze rationale Zahl, während doch f als Divisor von Ah ungerade ist. Ist aber A gerade, so ist 4,>1, es gibt also mindestens eine reelle Darstellung von 9, außer der trivialen, die dem Hauptcharakter entspricht. Dies folgt aus der Relation A=*3 f;.. Teilt man diese Summe in 3 Teile, entsprechend den 3 Arten von Darstellungen, so erhält man W=2Zf.+&f427,: In der dritten Summe sind die Glieder paarweise einander gleich, weil inverse Charaktere denselben Grad haben. In der zweiten ist jede einzelne der Zahlen /; gerade. Daher ist die erste Summe gerade, und da für den Hauptcharakter f, = 1 ist, so muß sie aus mindestens zwei Gliedern bestehen (und es muß außer /, noch mindestens eine der Zahlen f, ungerade sein). Sind %,v,p,'-- mehrere zu / teilerfremde Zahlen, so kann man die Klassen und die Charaktere zählen, welche die Substitutionen (R, R*), (R,R’), (R,R°),--- gleichzeitig zulassen. Ob aber diese beiden Anzahlen übereinstimmen, haben wir nicht ergründen können. Aus dem obigen Satze aber ergibt sich noch eine merkwürdige Folgerung: Durchläuft z die p = &(h) Zahlen, die zu A teilerfremd sind, so sei p, die Anzahl der Substitutionen (R, R*), welche die A Klasse von 9 zuläßt, und g, die Anzahl der Klassen, welche eine bestimmte Substitution (R, R*) zulassen. Dann ist 39, = 39, die Anzahl der Paare (A, u), die man erhält, indem man jedesmal den Index A einer der k Klassen mit der Zahl x kombiniert, falls die A" Klasse die Sub- stitution (R, R*) zuläßt. Ebenso sei p/ die Anzahl der Substitutionen (R, R*), welche der Charakter „®(R) zuläßt, und g/ die Anzahl der Charaktere, welche die Substitution (R, R*) zulassen. Dann ist ebenso Np=X\g.. Nach jenem Satze ist nun g,—=g, und mithin Sp =3p,. Da die A" Klasse p, Substitutionen (R, R*) zuläßt, so ist diese Klasse mit p ? e REN, 5 ; De & verschiedenen Klassen konjugiert, und jede dieser F Klassen läßt r i Pr ebenfalls p, Substitutionen zu. Der auf diese = Klassen bezügliche A nn ne a ee nn nn Frogenivs u. I. Scuur: Die reellen Darstellungen der endlichen Gruppen. 203 Teil der Summe 3p, ist daher gleich = „=. Mithin ist die % ganze Summe gleich p/, wo / die Anzahl der nicht konjugierten Klassen bezeichnet. Ebenso ist 3 p) = p/’, wo !’ die Anzahl der nicht kon- jugierten Charaktere ist. Folglich ist = !. Die Anzahl der nicht konjugierten Klassen ist gleich der Anzahl der nicht konjugierten Charaktere. Diese Anzahl ist gleich der Anzahl der verschiedenen im Körper der rationalen Zahlen irreduzibeln Darstellungen der Gruppe. $ 7- Die bisher erhaltenen Resultate lassen sich verallgemeinern, in- dem man voraussetzt, es gibt eine bilineare Form @, die von den Substitutionen der Gruppe 9 in sich transformiert wird, mit konstanten Faktoren multipliziert. Die in den Gleichungen (im) Rath, — 726 auftretenden Konstanten n, haben die Eigenschaft (2.) NRNs — Nrs> bilden also einen linearen Charakter von 9. Ist die betrachtete Dar- stellung irreduzibel, so muß die Determinante von @ von Null ver- schieden sein, und es kann, wenn der lineare Charakter 7, = n(R) gegeben ist, nicht mehr als eine bilineare Form @ geben, die den Bedingungen (1.) genügt. Diese Form ist demnach entweder sym- metrisch oder alternierend. Auch hier setzen wir, den drei möglichen Fällen entsprechend e= 1, —1 oder 0, so daß @ = cG ist. Ist die Form G@ symmetrisch, so kann sie in die Hauptform trans- formiert werden. Dann ist (3.) RR=RR=1,E, und die Substitution #-+ F führt dann die Matrix R in eine Matrix S über, die der Bedingung (4-) S= 12% 1 genügt. Demnach ist vn, S eine reelle Matrix. R 1 Ist 4,(R) der Charakter der betrachteten Darstellung, so ist Yn -y,(R) R reell und demnach (5.) x(R) = nzx(R9). Wenn umgekehrt diese Bedingung erfüllt ist, so gibt es eine (und nur eine) Form G, die der Bedingung (1.) genügt. Ist diese Form @ 192 204 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe v. 5. Februar 1906. also alternierend, so gibt es keine dem Charakter %(R) entsprechende 1 Darstellung, worin —— R reell ist. Vhr Der Bedingung (1.) genügt die Form (6.) G= Zy(R) R'UR. Ihre Betrachtung führt zu der Formel (7) x n(R) x(R%) = ch für die Konstante c. Sei Z(R) die über die Lösungen S der Gleichung 5° —= R aus- gedehnte Summe (S.) &(R) = 2 n(8) (= KR). Dann ist (9.) SR) = &.x0R). Ist „(R) = S(R)’ = S(R’) das Quadrat eines linearen Charakters, so sind die hier angedeuteten Resultate von den früheren nur un- wesentlich verschieden. Denn dann ist $(R”)x(R) ein Charakter von 9, und die Matrizen S(R”) R bilden eine ihm entsprechende Darstellung. Es gibt aber Beispiele, wo dies nicht der Fall ist, wie der Charakter (4.) der in $ 5 erwähnten Oktaedergruppe, für den @ alternierend ist. 88. Der in $ 3 benutzte Hilfssatz läßt sich in folgender Art verall- gemeinern: Seien X und X’ zwei Gruppenmatrizen der Grade n und n’, und sei P eine konstante Matrix, für welche die Gleichung XP = PX’ besteht. Ist dann r der Rang von P, so werde n-r=sundn’-r=t gesetzt. Man bestimme nun zwei Matrizen A und B der Grade n und n’, deren Determinanten nicht verschwinden, so, daß die Matrix APB=Q die Gestalt EN, = 2 (5 =) annimmt. Setzt man dann ANA ING BIXOBE EX so wird RO Schreibt man nun X, und X/ in den Formen N tr Xp D.@ ee Kr Arı = ee &) Sa (x x) so folet wur Frogextvs u. I. Scuur: Die reellen Darstellungen der endlichen Gruppen. 205 Daher ist zunächst X,= (0 und X/, = 0, und demnach ist sowohl X wie X’ reduzibel, außer wenn r=n=n ist. Ferner aber ist X,.=X,. Da X, =, so ist X, ein Bestandteil von X, und folg- lich haben die beiden Darstellungen einen Bestandteil des Grades r gemeinsam. Ist die Gruppenmatrix X = 3 Rx,, so bilden die A Matrizen R eine Darstellung der Gruppe 9. Ist F eine dazu gehörige positive Hernıtesche Form, so ist RFR, = F. Wenn die Substitutionen R außerdem eine bilineare Form @ von nicht verschwindender Deter- minante in sich transformieren, so ist R'GR = G. Mithin ist "RG — Rund F"RTF=R,, und demnach sind die beiden konjugiert komplexen Darstellungen R und R, äquivalent. Ihre irreduzibeln Be- standteile müssen folglich übereinstimmen, und da für die Bestand- teile von A, die konjugiert komplexen zu denen von Ä genommen werden können, so muß jeder irreduzible Bestandteil der dritten Art ebenso oft vorkommen wie der konjugiert komplexe. Sei S eine irreduzible Darstellung von 9, die in der gegebenen Darttellung (durch die Matrizen R) gmal vorkommt. Ist also S von der dritten Art, so kommt S, darin auch gmal vor. Ferner aber gilt der Satz: Die Zahl g ist gerade, erstens wenn G symmetrisch und S von der zweiten Art ist, zweitens wenn @ alternierend und S von der ersten Art ist. Sei die Form @ symmetrisch, sei die Darstellung R vom Grade n, die darin genau gmal enthaltene irreduzible Darstellung S vom Grade f. Dann ist R einer zerfallenden Darstellung 2% 0Q äquivalent, wo P eine Darstellung des Grades /g ist, die in g mit 5 äquivalente Darstellungen zerfällt und Q eine Darstellung des Grades n-—fg, die S nicht enthält. Ist AseB) on) die quadratische Invariante, in die @ für diese zerfallende Darstellung übergegangen ist, so ist oh ab len): 50 Ei BN x Mithin ist Nun ist die Darstellung P’" der Darstellung P, äquivalent, und folg- lich, wenn S von der zweiten Art ist, auch der Darstellung P. Daher haben die beiden Darstellungen Q und P’" keinen Bestandteil gemein- sam. Jene Gleichung kann daher nach dem oben entwickelten Prinzip 206 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe v. 8. Februar 1906. nicht anders bestehen, als wenn B = O ist. Ebenso ist C= 0. Da- her ist A eine quadratische Form von nicht verschwindender Deter- minante, die der Gleichung PPAP— A zufolge von den Substitutionen P in sich transformiert wird. Die Darstellung P hat die Gestalt Entsprechend sei A 1.0) («,B=1,2,..9), wo L,, eine Matrix des Grades f bezeichnet. Dann ist S’L.3S — Las. Da die Darstellung S irreduzibel ist, so gibt es, von einem konstanten Faktor abgesehen, nur eine bilineare Form M = (m,s) (,3=1,2,.-7 7): die von den Substitutionen $S in sich transformiert wird, und da S von der zweiten Art ist, so ist M = -M’ alternierend. Demnach ist L.; = 1, M. Da aber die Matrix A symmetrisch ist, so ist Z,,— Lis und mithin /;, = -I,,. Nach einem bekannten Satze von KRONECKER ist die Determinante von L IE] = 1% |/Imyl?. Daher ist die alternierende Determinante g‘“ Grades |/,,| von Null ver- schieden, und folglich ist g eine gerade Zahl. Genau in derselben Art kann man den zweiten Teil des obigen Satzes beweisen. Nunmehr läßt sich der im $ ı erhaltene Satz auf reduzible Gruppen ausdehnen: Jede endliche Gruppe orthogonaler Substitutionen ist einer reellen (ortho- gonalen) Gruppe äquivalent. Die Substitutionen R der Gruppe 9 seien orthogonal, oder all- gemeiner, sie mögen eine quadratische Form @ von nicht verschwin- dender Determinante in sich transformieren. Sei S eine irreduzible Darstellung von $, die genau g mal in R enthalten ist. Dann kann $, wenn die Darstellung von der ersten Art ist, als reell vorausgesetzt werden. Ist sie von der zweiten Art, so ist S mit S, äquivalent und g gerade. Daher können diese irreduzibelen Bestandteile von AR so gewählt werden. daß sie sich zu Paaren konjugiert komplexer BE a 1% 0 r=(, El 0 BE - u m u nn ea EEE eine ie ET ie Frogentus u. I. Schur: Die reellen Darstellungen der endlichen Gruppen. 207 zusammenfassen lassen. Dasselbe gilt von den Darstellungen der dritten Art. Setzt man nun entsprechend an iB Ei)’ so wird Ar U -V H"TH= hr | reel. Wählt man $ so, daß $’S, = E ist, so ist auch T’T = E. Da ebenfalls H’H, = E ist, so hat auch H°'TH dieselbe Eigenschaft, ist also, weil es außerdem reell ist, orthogonal. In der nämlichen Weise läßt sich der letzte Satz des $ 2 aus- dehnen. ‚Jede endliche Gruppe von Substitutionen, die eine alternierende Form von nicht verschwindender Determinante in sich transformieren, ist einer Gruppe äquivalent, für welche die Hrrmıtesche Form gleich E und die alternierende gleich J wird. Wir wollen diese Form der Gruppe ihre Normalform nennen. Wir denken uns die Darstellung so transformiert, daß sie in lauter irreduzible Teile 5 zerfällt. Jede dieser irreduziblen Darstellungen S können wir als unitär annehmen, also so, daß 8'S, = E ist, oder daß die zugehörige Hrruıtesche Form die Hauptform E ist. Ferner können wir von den Darstellungen der zweiten Art nach $ 2 annehmen, daß sie bereits die Normalform besitzen. Endlich können wir voraussetzen, daß die Darstellungen der dritten Art paarweise konjugiert komplex, und die der ersten Art reell sind. Wir können dann jedes Paar konju- giert komplexer Darstellungen der dritten Art zu einer Darstellung Be 0 Do vereinigen, und ebenso können wir nach dem zweiten Teile des obigen Satzes mit den Darstellungen der ersten Art verfahren, nur daß dann S, = S ist; für die Darstellungen der zweiten Art setzen wir 7 = 8. Nun ist ik -E\(S 0\ _[%& 0 ® —E BO) WESEN SINN 0 oder JT=TJ und da 727, = H ist INANIE = do Auf diese Weise zerfällt die Darstellung in Bestandteile 7,,T,,T,,---, welche die Formen J,.J,,J,,... in sich transformieren mögen. Die zerlegebare Form 208 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe v. 5. Februar 1906. ME EDERD 010 0.) Ak hat zwar noch nicht genau dieselbe Gestalt wie J, kann aber darauf gebracht werden durch Vertauschung der Zeilen und entsprechende Vertauschung der Spalten, also durch eine reelle orthogonale Sub- stitution, welche die Hrruresche Form £ ungeändert läßt. Wenn die Substitutionen von 59 sowohl eine symmetrische als auch eine alternierende Form in sich transformieren, so tritt in der Darstellung R jeder Bestandteil erster und jeder zweiter Art in einer geraden Anzahl von Malen auf. Die Bestandteile erster Art $ kann man daher paarweise zu T—_ IS 3 0 S vereinigen. Dabei kann man S, also auch 7 als reell und orthogonal annehmen. Jeden Bestandteil der zweiten und dritten Art kann man mit dem konjugiert komplexen zu einer reellen und orthogonalen Matrix UV (67) vereinigen. In beiden Fällen ist dann JT= TI und da T’T=E ist, auch RANDE Demnach gibt es eine der gegebenen äquivalente, reelle und ortho- gonale Gruppe, deren Substitutionen J in sich transformieren. u 209 Über die Äquivalenz der Gruppen linearer Sub- stitutionen. Von G. Frogenıus und I. ScHur. Bin System & von endlich oder unendlich vielen linearen homogenen Substitutionen in n Variabeln soll im folgenden als eine Gruppe be- zeichnet werden, wenn das Produkt von je zwei Substitutionen von & wieder in & enthalten ist. Es wird also nicht verlangt, daß die Determinanten der Substitutionen von Null verschieden seien, und auch nicht, daß in jeder Gruppe ein Einheitselement E vorkommen soll, welches für jede Substitution A der Gruppe den Gleichungen AE=EA=A genügt. Geht & durch eine lineare Transformation der Variabeln (von nicht verschwindender Determinante) in © über, so nennen wir 6 und © äquivalente Systeme. Jedem Element R der Gruppe & möge eine (und nur eine) Sub- stitution A, einer zweiten Gruppe $ entsprechen, und jeder Substi- tution von $ eine oder mehrere Substitutionen von ©. Wenn dann für je zwei Substitutionen R und 5 von © die Gleichung HRrHs —= Hrs besteht, so sagen wir, die Gruppe 95 sei der Gruppe & homomorph. Entspricht insbesondere jeder Substitution von S nur eine Substitution von 6, so bezeichnet man © und 9 als isomorphe Gruppen. Ein System von Substitutionen © heißt reduzibel, wenn sich kein ihm äquivalentes System & angeben läßt, worin die Koeffizienten- matrix jeder Substitution die Gestalt 20 S,T lıat, wo die den verschiedenen Substitutionen von © entsprechenden Matrizen R denselben Grad besitzen. In einer vor kurzem erschienenen Publikation (Proceedings of the London Mathematical Society, Ser. 2, Bd. 3. 1905, S.430) hat Hr. Burssipve folgenden Satz aufgestellt, der für die Theorie der Gruppen linearer Substitutionen von fundamentaler Bedeutung ist: 210 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe v. 8. Februar 1906. »Eine Gruppe von linearen Substitutionen A = (a,;) in n Variabeln ist stets und nur dann irreduzibel, wenn sich keine lineare homogene Relation Stke Bes 0) '1 ba a @,D mit konstanten Koeffizienten A,, angeben läßt, die durch die Koeffi- zienten a,, jeder Substitution A der Gruppe befriedigt wird.« In der vorliegenden Arbeit soll eine wichtige Verallgemeinerung des Burnsipeschen Satzes mitgeteilt werden: I. Es seien 3 r irreduzible Gruppen linearer Substitutionen, die einer gegebenen Gruppe & homomorph sind, und es mögen dem Element R von & in den Gruppen A, DB, 6, --- die Substitutionen Al (des) BD 1 — (bs) ’ = (e) 3 3 entsprechen. Sind dann nicht zwei der Gruppen X, B,C, --- äquivalent, so kann es keine lineare homogene Relation I hope 0.9 + 2 a,b, + 2 Mecln + — (0 2, y,Ö ar EN mit konstanten Koeffizienten h;., I, M,., +: geben, die durch die Koeffi- zienten Q,5, b,, ... von je r zusammengehörigen Substitutionen A, B, C, --- befriedigt wird. 35 € en? 10 un Der besseren Übersicht wegen soll hier zunächst der Beweis des Burnsıpeschen Satzes in etwas abgeänderter Gestalt mitgeteilt werden. Besteht für die Koeffizienten «a,, jeder Substitution (Matrix) A der irreduziblen Gruppe © die Relation (r.) S kgatus = 0, so bezeichne man die Matrix (k,,) mit X. Die Gleichung (1.) besagt dann, daß die Spur der Matrix XA gleich Null ist, also wenn man die Spur einer Matrix P mit %(P) bezeichnet, (2.) x(KA)=0. Es seien nun unter den verschiedenen Matrizen X, die diesen Bedin- gungen genügen, im ganzen s linear unabhängig, etwa A), Ka, -, Ä.. Dann muß sich jede Matrix X, für welche die Gleichungen (2.) bestehen, als lineare homogene Verbindung von Ä,, K,, ---, X, darstellen lassen. Denkt man sich nun das Element A von © festgehalten und versteht unter A’ eine beliebige andere Substitution von &, so wird, weil AA’ ebenfalls in & enthalten ist, auch X(KAAN)=0. u u » Frosenivs u. I. Scuur: Aequivalenz der Gruppen linearer Substitutionen. 211 Daher besitzt die Matrix KA dieselbe Eigenschaft wie die Matrix X Ss und muß daher die Form $r,XÄ, besitzen, wo die s Konstanten GL r,,7,,:r, wegen der Unabhängigkeit der Matrizen X, , K,, :-- K, völlig bestimmte Werte haben. Speziell sei (3.) f RA=2r.K (El, 2er a)l e=1 Setzt man KR, = (k}), so vertreten die s Gleichungen (3.) die sn’ Gleichungen (4.) > k\) Q,g — = Nr kr : 1 "ı Fıa "is 73, Ta2 °"* To Verla tes mit AR und die (rechteckige) Matrix KU) KU... kW) «2 RE) A)... KL) KH, mit P,. Dann lassen sich die Gleichungen (4.) auch in der Form (5-) 122 Ra. schreiben. Wir benutzen nun folgenden Hilfssatz (Neue Begründung der Theorie der Gruppencharaktere, $ 2, Sitzungsberichte 1905, S. 406): »Bilden die Matrizen A des Grades n ein irreduzibles System 6, und ist P eine von Null verschiedene Matrix mit s Zeilen und n Spalten, welche die Eigenschaft besitzt, daß für jede Matrix A von & PARZEIRD. wird, wo R eine gewisse Matrix s"" Grades ist, so ist entweder das durch die Matrizen R gebildete System N reduzibel, oder es ist P eine quadratische Matrix des Grades s=n von nicht verschwindender Determi- nante. Dann sind wegen R= PAP die Systeme R und $ äquivalent. « Für den Fall. daß die Matrizen R sämtlich gleich 0 sind, besagt dieser Satz, daß für die Substitutionen A eines irreduziblen Systems eine Gleichung der Form PA = 0 nicht bestehen kann, ohne daß die Matrix P gleich 0 wird. Ebenso kann auch keine von Null verschiedene Matrix P existieren, die den Gleichungen AP = 0 genügt. 212 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe v. 8. Februar 1906. Es mögen nun zunächst in unserem Fall die Matrizen R = (r,,) eine irreduzible Gruppe R bilden. Da die s Matrizen X,,K,,:--,K, linear unabhängig sind, so können gewiß nicht alle n Matrizen P, gleich 0 sein. Nach unserem Hilfssatz ergibt sich daher aus den Gleichungen (5.), daß NR eine der Gruppe © äquivalente Gruppe sein muß. Bedeuten nun die Größen v, irgendwelche s” Zahlen, die der Bedingung genügen, daß die Determinante |v,| der Matrix V = (v,) von Null verschieden ist, und setzt man und Hi MN = (2) 2 so erkennt man sofort, daß KLA= 2 r.K! cl wird. Daher kann in unserer Betrachtung die Gruppe R durch jede ihr äquivalente Gruppe NR’ ersetzt werden. Wir können mithin auch annehmen, daß die Gruppe R, falls sie irreduzibel ist, mit der ihr äquivalenten Gruppe © übereinstimmt, so daß R= A wird. Die Gleichungen (5.) erhalten dann die ein- fachere Gestalt AREA d.h. P, wird mit A vertauschbar. Nun muß jede Matrix P, die mit allen Substitutionen einer irreduziblen Gruppe vertauschbar ist, die Form kE besitzen, wo E die Einheitsmatrix und % eine Konstante bedeutet. Es sei demnach P, = k,E; dann wird also Ko) a KO, — kuen, wo e, gleich 1 oder gleich 0 wird, je nachdem p = ß oder p+® ist. Da nun für jeden Wert von p 3 ki, — 0 a,ß sein soll, so erhalten wir die n Relationen (6.) I a3 k, = 0. Das Bestehen dieser Relationen würde aber erfordern, daß die n Größen k,,%,,.-:%, gleich 0 sind. Dann bezeichnet man die Matrix kı ka \ An / Frosenıus u. I. Scaur: Aequivalenz der Gruppen linearer Substitutionen. 213 mit F, so wird das System der Gleichungen (6.) identisch mit der Gleichung AF = 0, und folglich muß nach dem früher Gesagten ar 0) Beim. ö Es sei nun die Gruppe WR reduzibele Da man W durch jede äquivalente Gruppe ersetzen kann, so können wir ohne Beschränkung der Allgemeinheit annehmen, daß jede der Matrizen R die Form hat, wo die Matrizen S entweder Null sind oder eine irreduzible Gruppe © erzeugen. Ist nun etwa Sn Sa ST Saı Sa """ Sa S—_ s Sı Sa Su so erhalten die ? ersten der Gleichungen (3.) die Form t K,A 3 Ser K (=1,2,---,d). Sind nun die Größen s,, nicht sämtlich gleich 0, so schließt man in genau derselben Weise wie in dem zuerst behandelten Falle, wo wir die Gruppe R selbst als irreduzibel voraussetzten, daß die £ Matrizen 7 KR, K, ee) K, gleich 0 sein müßten. Dasselbe ergibt sich für den Fall, daß alle Größen s,, verschwinden, direkt aus den Gleichungen Kl, ee ls, Kl: Da nun die Matrizen (7.) linear unabhängig sein sollen, so werden wir in jedem der betrachteten Fälle auf einen Widerspruch geführt. 82. Wir wenden uns nun zu dem Beweis unseres Satzes I. Besteht für die Gruppen X,8,C,... eine Relation (8.) I hg + Zlybyst ZMecnt = 0, a,ß y,6 EN so bezeichne man die Matrizen (kaB) > (dy8) s (Men) » mit X,L,M,.... Dann besagt die Gleichung (8.), daß die Summe der Spuren der Matrizen RA, LB, MC,--- gleich Null sein soll, x(KA)+x(LB) +x(MC)+.—0. 214 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe v. 3. Februar 1906. Diese Gleichung müßte für jedes System von r Substitutionen A,B,C,.-- bestehen, die einem Element R der Gruppe © entsprechen. Es mögen nun die Gleichungen ($.) genau s linear unabhängige Lösungen KO, 19 , md) besitzen. Jede andere Lösung hat dann die Form (el; 25 re) s wird , ,=&r Bezeichnet man die Matrizen R) 9)» (md), -, so wird daher K=Zu,R Dar M=&rM.-:. Ist nun R ein festes Element und R’ ein beliebiges Element von ©, dem in den Gruppen A,8,€,.-- die Substitutionen A’, B’, 0’, .-- entsprechen, so entspricht, da ja die Gruppen X, 8, €, --- der Gruppe 6 homomorph sein sollen, dem Element RR’ von © das System der Substitutionen AA’, BB’, C0C’,--:. Daher muß auch X(KAA’) + x(LBB’)+x(MCC’) + ---— 0 sein. Hieraus folgt aber, daß die Matrizen KA,LB,M(C,.--- dieselbe Eigenschaft besitzen wie die Matrizen X,_L,M,--- selbst. Daher müssen sich auch s? Größen r,. bestimmen lassen, so daß KA=Zr,. KEN, LB=ZEr.D.n, IMO=ar Mn a Zi sei wird. Es mögen nun die Matrizen R = (r,) die Gruppe R erzeugen. Man schließt dann wie in $ ı, daß man die Gruppe N durch jede ihr äquivalente Gruppe ersetzen kann, und daß es keine Beschränkung der Allgemeinheit bedeutet, wenn wir N als irreduzibel annehmen. Aus den Gleichungen RA, 3 Be ergibt sich nun in genau derselben Weise wie früher, daß, wenn die Matrizen X,.K,,-'- X, nicht sämtlich 0 sind, die Gruppe R der Gruppe A äquivalent sein muß. Dasselbe gilt auch für die Gruppen 8,€,-.-.. Da nun unter den Gruppen A,8,€,--- nicht zwei äqui- valent sein sollen, so kann W höchstens einer unter diesen Gruppen äquivalent sein. Es sei dies etwa die Gruppe \. Dann muß also L, se 0 = MR Frosenıus u. I. Scaur: Aequivalenz der Gruppen linearer Substitutionen. 215 sein. Es ergibt sich aber dann, daß die Spur der Matrix AX, für jedes Element A von X gleich 0 wird. Da nun X irreduzibel ist, so muß nach dem Burssipeschen Satze auch X, = 0 sein. 3. Der ebenbewiesene Satz I läßt interessante Folgerungen zu. Es ergibt sich zunächst: II. Zwei isomorphe irreduzible Gruppen A und B sind stets und nur dann äquivalent, wenn je zwei einander entsprechende Substitutionen A und B dieselbe Spur besitzen. Denn ist etwa UR else) € B= (b,), so erhält man für die Spuren %(A) und %(B) von A und B II x(A) = 20 b) x(5B) — > @ Ist daher xA)=x(PB), so besteht zwischen den Koeffizienten von je zwei einander entsprechen- den Substitutionen der beiden Gruppen X und ® eine lineare homogene Relation. Dies ist aber nach Satz I nur möglich, wenn X und B äqui- valent sind. Ist dies aber der Fall, so besteht bekanntlich stets die Gleichung %(A) = x(B). Diese Betrachtung läßt sich noch verallgemeinern. Es seien © und 9 zwei isomorphe Gruppen linearer Substitu- tionen in m und n Variabeln, die in der Beziehung zueinander stehen, daß die Spuren von je zwei einander entsprechenden Substitutionen G und H denselben Wert haben. Man bestimme dann zwei Matrizen P und Q der Grade m und n von nicht verschwindenden Determinanten derart, daß Era rg ee) GP GP Gau Ga 0. 0 el (ET = Hs, Has == 0 Gr Op: Gm An Hs: 9% Taf, wird, wo die den verschiedenen Substitutionen @ und HZ entsprechenden Substitutionen @,, (bzw. H,,) entweder sämtlich 0 sind oder aber, wenn dies nicht der Fall ist, eine irreduzible Gruppe erzeugen. Es mögen auf diese Weise der Gruppe © die irreduziblen Gruppen (9.) OU TFR EN ONE der Gruppe 9 die irreduziblen Gruppen (10.) BD 216 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe v. 8. Februar 1906. entsprechen. Die Gruppen (9.) und (10.) sind dann offenbar der Gruppe 6 homomorph. Gehört ferner zu @’ die Substitution G@, der Gruppe 6, und zu H’ die Substitution 7, der Gruppe $9,, so wird x) = x(6) = 2 xl); ı=l x) Zx(A) 2 xl), Wir behaupten nun, daß r=s sein muß und daß die Gruppen (10.) in einer gewissen Reihenfolge den Gruppen (9.) äquivalent sein müssen. In der Tat seien unter den r+s Gruppen (9.) und (10.) im ganzen k Gruppen. Rı, Ra, Rr vorhanden, von denen je zwei nicht einander äquivalent sind. Es mögen der Gruppe N, unter den Gruppen (9.) genau p,, unter den Gruppen (10.) genau q, äquivalent sein. Entspricht dann dem Ele- ment G@ der Gruppe & in der ihr homomorphen Gruppe N, die Sub- stitution R,, so wird x(@) = > Pp.x(R,) xM=24x(R)- Da nun 4(@) = x%(H) sein soll, so erhalten wir die Relation > (9.-94)x(R)= 0. Wäre nun für einen Index x nicht p,—-g, = 0, so würde sich für die Koeffizienten von je k zusammengehörigen Substitutionen der k Gruppen R,,R,, -- N, eine Relation ergeben, die nach Satz I nicht bestehen kann. Folglich muß stets p, = g, sein, und damit ist unsere Behauptung bewiesen. Die über die Gruppen 6 und 5 gemachten Annahmen treffen jedenfalls zu, wenn 5 = ® wird. Es ergibt sich auf diese Weise in etwas allgemeinerer Form der zuerst von Hrn. Lorwy (Transaections of the American Mathematical Society, Bd. 4, 1903, S. 44) auf anderem Wege bewiesene Satz: »Es sei & eine Gruppe linearer Substitutionen und 6 eine ihr äquivalente Gruppe, in der die Koeffizientenmatrix jeder Substitution die Form xM Kan (W eo (aan (Gran 0720 Ga Ga Ga 0 ‚G ı Opa ps: Gppi hat, wo die den verschiedenen Substitutionen von 6 entsprechenden Matrizen @,, (für ein bestimmtes A) entweder sämtlich 0 sind oder Fropentus u. I. Scaur: Aequivalenz der Gruppen linearer Substitutionen. 217 eine irreduzible Gruppe erzeugen. Es mögen auf diese Weise zu der Gruppe © die irreduziblen Gruppen ©, , &,,:-:@, gehören. Betrachtet man dann zwei äquivalente irreduzible Gruppen als nicht voneinander verschieden, so sind die irreduziblen Gruppen ®,,@&,,--:,®, abge- sehen von der Reihenfolge allein durch die Gruppe & bestimmt und von der Wahl der Gruppe 6 unabhängig.« Die Gruppen ®,,&,,---,®&, werden als die irreduziblen Bestand- teile der Gruppe © bezeichnet. Läßt sich für die Gruppe ® eine ihr äquivalente Gruppe © so wählen, daß für jede ihrer Substitutionen auch die Matrizen Ga, Gem Gz, 2 Gy» GeaH Ges, ux7 gleich 0 werden, so sagt man, © sei eine vollständig reduzible Gruppe. Das von uns gewonnene Resultat läßt sich auch folgendermaßen aussprechen: III. Zwei isomorphe Gruppen von linearen Substitutionen in m und n Variabeln enthalten stets und nur dann dieselben irreduziblen Bestandteile, wenn je zwei einander entsprechende Substitutionen dieselbe Spur besitzen. Ist insbesondere m = n und sind & und 9 vollständig reduzible Gruppen, so folgt aus dem Übereinstimmen ihrer irreduziblen Bestand- teile auch, daß die beiden Gruppen äquivalent sind. Es ergibt sich daher: IV. Zwei vollständig reduzible Gruppen von linearen Substitutionen in n Variabeln sind stets und nur dann äquivalent, wenn je zwei einander entsprechende Substitutionen dieselbe Spur besitzen. Sitzungsberichte 1906. 20 218 Untersuchung über die Bildung der ozeanischen Salzablagerungen. XLVI. Anhydrit, Syngenit, Glauberit und Pentasalz bei 83° und das Entstehen von Chlorcaleium und Tachhydrit. Von J. H. van’t Horr, P. FaArup und J. p’Ans. De eine frühere Untersuchung' sind die löslichen Vorkommnisse in den natürlichen Salzlagerungen, soweit sie aus den Sulfaten und Chloriden von Natrium, Kalium, Magnesium und Caleium aufgebaut sind, für 83° in ein ziemlich einfaches Schema zusammengebracht, das hier zum Ausgang wiedergegeben sei: Fig. 1. P Bischofit L Tachhydrit re Kieserit K Langbeinit Loeweit I Chlorealeium Vanthoffit Glaserit H Na,SO, ! Diese Sitzungsberichte 1905, 913. van'r Horr: Oceanische Salzablagerungen. XLVI. 219 Den Eck- und Schnittpunkten entsprechen die in Betracht kom- menden konstanten Lösungen; sämtliche Paragenesen sind durch Be- rührung der bezüglichen Felder zum Ausdruck gebracht. Die rote Linie AB gibt die Grenze an zwischen den Lösungen links, die mehr Schwefel- säure als Kalk enthalten und schließlich im Endpunkt Z zu Carnallit, Kieserit und Bischofit eintrocknen; rechts ist das Umgekehrte der Fall, und im Endpunkt Y krystallisieren schließlich Carnallit, Tachhydrit und Chlorcaleium aus. Die vorliegende Arbeit, welche wohl die vorletzte auf dem Gebiet der Caleiumvorkommnisse sein dürfte, enthält die Anweisung über das Vorkommen der nicht oder wenig löslichen Kalksalze Anhydrit, Glaube- rit, Syngenit, Pentacaleiumsulfat, Polyhalit und Krugit bei 83°. Zunächst ist diese Aufgabe gelöst für die Umrandung PQJC des obigen Sättigungsfeldes, wo die Tripelsalze mit Caleium, Magnesium und Kalium, Polyhalit und Krugit, ausgeschlossen sind. Vier Grenz- bestimmungen genügten also für die vollständige Lösung. Von vornherein ist ersichtlich, und auch früher für 25° direkt bestimmt', daß Glauberit CaNa, (SO,), in den natriumreichen Lösungen bei © sich vorwiegend bilden wird, die Kaliumverbindungen Syngenit CaK,(SO,),H,0 und Pentasalz Ca,K,(SO,),H,O in den kaliumreichen Lö- sungen bei B, Anhydrit schließlich in den natrium- und kaliumarmen Lösungen bei PQJ. 1. Grenze zwischen Anhydrit und Glauberit (k in Fig. ı). Die Grenze zwischen Anhydrit und Glauberit ist gegen diejenige bei 25° wenig verschoben. Sie lag für diese Temperatur im Magnesium- sulfatheptahydrat; für 83° liegt sie in dessen Entwässerungsprodukt, Kieserit. Nach der oben gemachten Bemerkung ist sie zwischen P, bei Sättigung an Magnesiumchlorid, und C, bei derjenigen an Natrium- sulfat, zu suchen. In der ersten Lösung kann nur Anhydrit, in der letzten nur Glauberit auftreten. Vorversuche zeigten dann, daß in HM und I Glauberit aus Gips bzw. Anhydrit entsteht, in Z dagegen das Umgekehrte stattfindet. Durch entsprechende Versuche mit zwischen Z und I liegenden Lösungen wurden dann die Grenzen weiter eingeschränkt und schließlich Rühr- versuche angesetzt unter Benutzung der Änderung vom Chlorgehalt als Merkmal. So fand Hr. Fırur, daß die Grenze zwischen einer 16.56 und 18.48 Prozent Chlor haltenden Lösung liegt, also unweit ÄX (mit 17.36 Prozent Chlor). ! Diese Sitzungsberichte 1903, 1000. 20° 220 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe v. 8. Februar 1906. Bei Fortsetzung der Versuche mit Hrn. p’Ans wurde dann von Lösung K ausgegangen und diese mit Chlornatrium, Glauberit und Gips gerührt ; der Chlorgehalt stieg dabei (unter Verwandlung des Gipses in Glauberit) bis 17.52 Prozent an. Die gesuchte Grenze liegt also oberhalb X im Kieserit; letzterer wurde also zugesetzt und zur Be- schleunigung allmählich Magnesiumchlorid zugegeben, bis die Grenze überschritten war. Dies zeigte sich bei einem Chlorgehalt von 17.71 Pro- zent; derselbe sank dann auf 17.54 Prozent, und so war die Grenze von zwei Seiten erreicht, allerdings nach einem 175 stündigen Rühr- versuch. Zur endgültigen Analyse der Lösung wurde das Chlor nochmals in einer größeren Probe bestimmt, mit dem Resultat 17.538 Prozent; Magnesium und Schwefelsäure (SO,) ergaben sich auf bzw. 5.65 bzw. 5.09 Prozent. Das Caleium ist durch Zunahme der Schwefelsäure- konzentration bestimmt, welche sich zeigte, falls eine caleiumfreie Lösung von der betreffenden Zusammensetzung mit Anhydrit gesättigt wurde; auf Caleiumsulfat berechnet, betrug dasselbe 0.15 Prozent. Daraus ergibt sich für die Zusammensetzung der Lösung: 1000H,0 17.9Na,Cl, 47.3 MgCl, 13.7 MgSO, 0.28CaSO,, was, auf halbe Moleküle abgerundet, folgendem entspricht: 1000H,0 ı8Na,Cl, 47.5 MgCl, 13.5 MgSO, 0.28 CaSO,. 2. Grenze zwischen Glauberit und Syngenit (g in Fig. ı). Bei den noch von Farur durchgeführten Versuchen zur Bestimmung der Grenze zwischen Glauberit und Syngenit zeigte sich in erster Linie, daß während bei 25° dieselbe zwischen C und @ (im Thenardit) liegt, sie sich bei 83° über @ hinaus sogar stark gegen F verschoben hat, also im Glaserit liegt. Zwei Rührversuche bzw. ausgehend von den Lösungen F und @ mit Chlornatrium, Glaserit, Glauberit und Syngenit als Bodenkörpern ergaben einen Chlorgehalt, der einerseits von 19.2 auf 18.5 Prozent sank, anderseits von 16.4 auf 18.1 Prozent stieg. Das daraus genommene Mittel, 18.3 Prozent, entspricht, nach Interpolation, einer Lösung: 1000H,0 40.7 Na,Cl, 33.4K,C1, 6.7 Na,SO,, also auf halbe Moleküle abgerundet: 1000H,0 40.5 Na,Cl, 33.5 K,Cl, 6.5 Na, SO,. Der Caleiumgehalt ist ein sehr geringer und betrug für 25° in F und @ bzw. 0.03 und 0.02CaSO, auf 1000H,0.' ! Diese Sitzungsberichte 1905, 714. van'r Horr: Öceanische Salzablagerungen. XLVI. 221 3. Grenze zwischen Syngenit und Pentasalz (fin Fig. ı). Die beiderseitige Begrenzung des Pentasalzes ist gemeinschaftlich mit Hrn. n’Ans verfolgt. Einerseits, an Syngenit, stößt Pentasalz zwischen B und F an. Die genaue Grenzlage wurde ermittelt unter Ausgehen von einer Lösung B, Zusatz von Chlornatrium, Chlorkalium, Syngenit und Pentasalz und Rühren bis zur Sulfatkonstanz. Die Be- stimmung von Schwefelsäure (SO,), Chlor, Kalium und Caleium ergab dann bzw.: 0.72 Prozent SO,, 19.4 Prozent Cl, 10.4 Prozent K und 0.025 Prozent Ca, entsprechend: 1000H,0 40.5 Na,Cl, 38.3 K,Cl, 2Na,SO, 0.18CaSO, , also auf halbe Moleküle abgerundet: 1000H,0 40.5 Na,Cl, 38.5 K,Cl, 2Na, SO, 0.18 CaSO,. 4. Grenze zwischen Pentasalz und Anhydrit, Bildung von Chlorealeium (b in Fig. ı). Die Bestimmung der Grenze zwischen Pentasalz und Anhydrit führte zu einem für die ganze Untersuchung wichtigen Ergebnis. Längeres Rühren (der ganze Versuch nahm zwei Monate in Anspruch) der Lösung B mit Chlornatrium, Chlorkalium und den erwähnten Caleiumverbindungen zeigte, daß die Lösung sich an Chlorcaleium an- reicherte, durch doppelte Zersetzung also von Anhydrit und Chlor- kalium unter Bildung von Pentasalz: 6CaSO,+ 2KC1+H,0 = Ca,K, (SO,) H,O + Call,. Sobald diese Tatsache festgestellt war, wurde, um die Grenze schneller zu erreichen, bei immer überschüssigem Anhydrit Chlor- caleium zugesetzt, solange noch dessen Menge in der Lösung anstieg. Schließlich fing dieselbe dann zu sinken an, und so war die Grenze von beiden Seiten erreicht bei 2.9 Prozent Calcium. Das mikrosko- pische Bild bestätigte diese Einstellung. Nunmehr wurde eine frische Lösung mit einer etwas kleineren Caleiummenge, Chlornatrium, Chlor- kalium, Anhydrit und Pentasalz angesetzt, in der das Caleium bis zum selben Grenzwert anstieg. Die Analyse ergab: 20.6 Prozent Cl, 8.41 Prozent K, 0.024 Prozent SO, entsprechend: 1000H,0 32.2Na,Cl, 30.8K,Cl, 20.6CaCl, 0.07CaSO, und auf halbe Moleküle abgerundet: 1000H,0 32Na,Cl, 31K,Cl, 20.5CaCl, 0.07CaSO,. 222 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe v. 8. Februar 1906. Es sei erwähnt, daß Dirte' einen ähnlichen Fall von doppelter Umsetzung beobachtete in der Einwirkung von Gips auf Chlorkalium unter Syngenitbildung. Diese Umwandlung geht indessen nicht weit und führt bei 21° nur zu 3 Mol. CaCl, auf 1000H,0. Die Anwesenheit von Chlornatrium scheint diese Umwandlung zu verhindern. Die gefundene Chlorcaleiumbildung ist für unsere Untersuchung wichtig, weil sie eine Möglichkeit darstellt, das Tachhydritgebiet (rechts von der roten Grenzlinie in Fig. I) zu erreichen, welches die Lösungen umfaßt, die schließlich im Endpunkt Y unter Ausscheidung von Tach- hydrit eintrocknen. Allerdings enthält die obige Lösung nicht das dazu nötige Magnesium, aber beim Vorhandensein desselben wird zweifelsohne die beschriebene doppelte Zersetzung unter Chlorcaleium- bildung stattfinden, bei genügendem Magnesiumgehalt allerdings unter Bildung von Krugit und Polyhalit statt Pentasalz, was für die doppelte Zersetzung ein begünstigendes Moment sein dürfte. Indem hier wohl zum letztenmal in dieser Untersuchung der Tachhydrit erörtert wird, sei auf eine anfangs gemachte Vermutung zurückgekommen, daß Tachhydrit als letztes Produkt der primären Meeresausscheidung aufzufassen sei”. Hr. Precur wies mit Recht auf die Unhaltbarkeit dieser Auffassung hin°, und Fig. ı zeigt auch, daß Einengung nur zum Endpunkt Z führt, ohne Gelegenheit zur Über- schreitung der roten Grenzlinie. Demselben verdanke ich auch die Mitteilung über das Vorkommen von chlorealeiumhaltigen Lösungen, welche bis zu 27 Mol. CaCl, auf 10o00H,O haben. Diese Mitteilung möge im Anschluß an Öbiges hier wörtlich folgen. »An der Grenze von Anhydrit und Salzton in einer Tiefe von etwa 300”, wo der Carnallit in den sekundären Kainit übergeht, sind seit mehr als ıo Jahren an verschiedenen Stellen geringe Mengen chlorcealeiumhaltige Laugen beobachtet worden, welche einen Gehalt von etwa 7 Prozent Chlorealeium zeigten. Im Jahre 1904 fand ein Laugenausfluß bei 300” Tiefe ebenfalls auf der Grenze von Anhydrit und Salzton statt, welcher vom Mai bis November anhielt und in verschiedenen Zeitabschnitten untersucht wurde. Die Untersuchungen ergaben, daß der Chlorealeiumgehalt anfangs 5.9 und zuletzt 12.5 Pro- zent betrug. Von mehreren vollständig ausgeführten Analysen mögen die folgenden an dieser Stelle Aufnahme finden: ! Compt. vend. 126, 694. Das gebildete Doppelsulfat erhält hier die Formel CaK,(SO,),4H,0; Wiederholung des Versuchs zeigte jedoch, daß hier Syngenit, also ein Doppelsalz mit zwei Wassermolekülen, entsteht. 2 Diese Sitzungsberichte 1897, 508. 3 Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure 1898, 677. van’r Horr: Oceanische Salzablagerungen. XLVI. 223 25. Juni 17. August 28. September 1904. 1904. 1904. Chlorkalium 2.6 Prozent 2.3 Prozent 2.7 Prozent Chlornatrium 8.0: ...,>» 6.1 » 5 » Chlormagnesium 10.3 » 6.2 » AUTan ha Caleiumsulfat 9.07.» 0.03 » Spuren Chlorealeium 5.0, ;» 9.9 » 12.5 Prozent Die Analysen ergeben, daß der Gehalt an Chloralkalien mit zu- nehmendem Chlorcaleiumgehalt nahezu gleichgeblieben, der Chlor- magnesiumgehalt mit zunehmendem Chlorcaleiumgehalt aber von 10.3 auf 4.0 Prozent gesunken ist. Es ist anzunehmen, daß diese Laugen 224 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe v. 8. Februar 1906. in feinen Klüften in verschiedener Höhe des Anhydrits und des Salztons verteilt waren und die Bildung des Chlorcaleiums vorzugs- weise in den oberen Schichten erfolgt ist, wo der Kainit in ein Konglomerat von Polyhalit und Krugit übergeht. In der Fig. 2 ist die Ausflußstelle mit A bezeichnet, die Grenze vom Carnallit und Kainit durch einen kräftigen Strich markiert und angedeutet, daß über dem Kainit ein Konglomerat von Salzton, Polyhalit und Krugit vorkommt. Dieses Konglomerat ist nur an einzelnen Stellen bergmännisch aufgeschlossen worden, da man im allgemeinen das Ausgehende der Kalisalzlagerstätten in Rücksicht auf die Wasser- gefahr bergmännisch nicht gern untersucht. Syngenit konnte in dem konglomeratartigen Gestein bisher nicht nachgewiesen werden. An den Stellen, wo der Anhydrit durch die Erhebungen der Erdschichten auf der Erdoberfläche angetroffen wird, ist er in Gips übergegangen. Bei Tiefbohrungen und beim Abteufen von Schächten hat sich an verschiedenen Stellen, z. B. in Leopoldshall auf dem herzoglich an- haltischen Salzwerke gezeigt, daß der Anhydrit, wo er zutage tritt, auf einer Tiefe von etwa 30” in Gips übergegangen ist. In diesen oberen Erdschichten bildete sich natürlich eine gesättigte Gipslösung, welche in tieferliegende Schichten eindrang und dort vielleicht zur Kainitbildung beitrug. Bei der Umwandlung des Carnallitlagers in ein Kainitlager mußte zunächst das Chlormagnesium und der größte Teil des Kristallwassers des Carnallits durch Auslaugen entfernt werden, wodurch eine Vo- lumenverminderung von etwa 50 Prozent stattfand. Das im Carnallit als Kieserit vorhandene Magnesiumsulfat war zur Kainitbildung nicht in ausreichender Menge vorhanden und es mußte daher Schwefelsäure in Form einer Lösung von Magnesiumsulfat und als Caleiumsulfat- lösungen aus den oberen Schichten hinzugeführt werden, um ein Kainitlager von dergleichen Mächtigkeit, wie der Carnallit vorkommt, zu bilden. Aus den geologischen Beobachtungen ergibt sich, daß das im Kainit vorhandene Kali im wesentlichen auf ursprünglicher Lager- stätte geblieben ist, daß aber von dem vorhandenen Magnesiumsulfat ein großer Teil in Lösungen zugeführt worden ist.« 225 Beiträge zur Anatomie der Säugetierlungen. Von Franz EILHARD SCHULZE. (Vorgetragen am 18. Januar 1906 [s. oben S. 31).) Der dem Gasaustausch dienende — respiratorische — Teil der Lunge unterscheidet sich von dem luftleitenden Röhrensystem — dem Bron- chialbaum — wesentlich durch das an der Innenfläche seiner Hohl- räume flach ausgebreitete, sehr engmaschige Kapillargefäßnetz und ein ganz eigenartiges, dünnes Deckepithel. Während die älteren Angaben über den Bau dieses respiratori- schen Teiles der Lunge und seine Verbindung mit dem ausschließlich luftleitenden Röhrensystem mannigfach differierten, fand um die Mitte des vorigen Jahrhunderts die am klarsten in Köruikers »Mikroskopische Anatomie«, Bd. 2, II. ı, Respirationsorgane, 1852 dargelegte Vor- stellung nahezu allgemeine Annahme, daß jedes der als »bronchioli« bezeichneten letzten schmalen Endröhrchen des luftleitenden Bronchial- baumes in einen annähernd trichterförmigen blinden Endsack (seit RossısnorL »infundibulum« genannt) übergehe, welcher selbst allseitig mit kleinen polyedrischen nischenförmigen Aussackungen, den »alveoli«, besetzt sei. Gegen diese Auffassung habe ich mich im Jahre 1871 mit meiner Darstellung des Säugetierlungenbaues in Strickers »Handbuch der Lehre von den Geweben des Menschen und der Tiere« gewandt, wo ich (a.a.0. S. 464—476) ein baumartig verzweigtes Kanalsystem beschrieb, dessen »ringsum mit Alveolen besetzte Gänge«, die »Alveolengänge«, wie ich sie nannte, mit den infundibula KöLuikers (= air-sacs WATeERs) als ihren letzten blinden sackförmigen Endästchen enden. Meine Darstellung fand zwar bald Anerkennung, wurde aber im Jahre 1881 von KöLLıker' insofern noch etwas erweitert, als er nach- "wies, daß (beim Menschen) die der Luftleitung ausschließlich dienenden bronchioli nicht unmittelbar und unvermittelt in die baumartig ver- zweigten Alveolengänge übergehen, sondern mittels eines Übergangs- ! Verhandl. der Phys.- Mediz. Ges. in Würzburg, Bd. XVI, S. 1—25. 226 Sitzung der phys.-math. Classe v. 8. Febr. 1906. — Mittheilung v. 18. Jan. stückes, welches nicht mehr vollständig, sondern nur teilweise von nichtrespiratorischem Deckepithel ausgekleidet, vielmehr schon hier und da mit einzelnen Alveolen oder Alveolenkomplexen besetzt ist. Solche vom Ende eines echten bronchiolus zum Alveolengangsystem überführenden, einfachen oder schwach verzweigten Röhrenabschnitte hat Köruıker »bronchioli respiratorii« genannt; welche Bezeichnung allerdings (wegen des im Namen selbst enthaltenen Gegensatzes oder Widerspruchs) leicht zu Mißverständnissen Veranlassung geben kann. Gegen meine, durch Köruiker noch etwas erweiterte Lehre von dem Alveolengangsystem wandte sich im Jahre 1892 der amerikanische Anatom A. Mırwer', indem er an dem aus je einem echten bronchiolus hervorgehenden System respiratorischer Lufträume der Säugetierlunge folgende 7 verschiedene Abteilungen als typische Teile unterschied: ı. bronchus III (gleich Körzikers bronchiolus respiratorius), 2. terminal bronchus, 3. vestibulum, 4. atrium, 5. faux, 6. peristylum, 7. eubicula = air- cells. Die fünf ersten dieser größtenteils nach den aufeinanderfolgenden Regionen eines pompejanischen Hauses benannten Abteilungen tragen nach Mister sämtlich air-cells, d. i. Alveolen. Später” (1900) hat MızLer von den genannten sieben Abschnitten zwei, nämlich »vestibulum« und »faux s. air-sac passage«, ganz zurück- gezogen, »da sie nur Öffnungen zwischen Lufträumen bezeichnen sollten, selbst aber keine Lufträume umschließen«. Für seinen Ausdruck »terminal bronchus« braucht er nun die Bezeich- nung duetulusalveolarisdesB.N.A., für »peristylum« die bekannteren Bezeichnungen infundibulum oder air-sac, d. i. sacculus alveolaris des B.N. A., und für »eubiculum« den Namen alveolus oder air-cell. Er stellt daher für die respiratorischen Lufträume jetzt nur noch folgende fünf (an die echten bronchioli sich anschließenden) typischen Abteilungen auf: 1. bronchioli respiratorii, duetuli alveolares, atria, sacculi alveolares, np wv alveoli pulmonis. ! Anat. Anzeiger, Jahrg. VII, S. 18r—ıgo und Journ. of Morphol., Vol. VIII, S. 165— 188. 2 Arch. f. Anat. u. Entwickl. Anatom. Teil. Jahrg. 1900, S. 197—224. F. E. Scaurze: Beiträge zur Anatomie der Säugethierlungen. 227 Man sieht, daß Mirver nunmehr zu den bis dahin angenommenen Regionen des respiratorischen Hohlräumesystems nur noch die atria als etwas Besonderes hinzufügen will. Er sagt 1900 a. a. 0. 8.223: »Das Atrium ähnelt in keiner Weise dem Alveolargang von ScHUuLzE oder KöLuıker und ist ein bisher unbekannter Abschnitt des Re- spirationstraktes« und ebendort S. 222: »Die Atrien sind ungefähr kugelige Hohlräume, welche unmittelbar einerseits mit dem Alveolar- gang, andrerseits mit den Luftsäckehen zusammenhängen. Jedes Atrium steht mit zwei oder mehr Luftsäckehen in Zusammenhang und ist außerdem mit Alveolen besetzt, die sich in das Atrium öffnen.« Da Mırrer meine Darstellung und Charakteristik der Alveolengänge in Strickers Handbuch »unklar« fand, so hatte er sich, bevor er seinen im Jahre 1900 erschienenen Artikel schrieb, durch Vermittelung des Hrn. Prof. Sparrenorz mit dem Ersuchen an mich gewandt, eine ge- nauere Definition zu geben. Ich schrieb damals in der Annahme, daß es sich um die Abgrenzung der Alveolargänge gegen die bronchioli respiratorii Köruikers handele, Hrn. Prof. Sparrenorz: »daß ich unter Alveolargängen nur solche Kanal- oder Gangbildungen verstanden habe oder verstehe, welche ringsum mit. Alveolen besetzt sind. Ich bin der Überzeugung, daß gelegentlich, aber nicht immer, einzelne Alveolen oder Alveolenkomplexe auch schon vor den Alveolengängen an einem Bronchiolus auftreten können; dadurch würde aber der letztere noch nicht zu einem Alveolengange.« Da ich in Srtrickers Handbuch S. 465 schon die seitlichen und terminalen Endausläufer meiner Alveolengänge den infundibula KöLLkers gleichgesetzt und sie auch so bezeichnet hatte, war es klar, daß ich unter »Alveolengängen« die allseitig mit Alveolen besetzten, meist baumartig verzweigten Gänge verstehe, welche von «den bronchioli respiratorii KÖLLıkers ausgehen und in den infundibula oder air-sacs als ihren blinden Endästen enden. Immerhin ist es zweckmäßig, diese letzten blinden Endausläufer, obwohl sie im wesentlichen von dem gleichen Bau sind, wie die Alveolengänge, mit einem besonderen Namen zu bezeichnen. Die von dem B.N.A. gewählte Benennung »saceuli alveolares« oder kurz sacculi scheint mir als eine internationale Be- zeichnung ganz glücklich gewählt. Ich werde sie daher gern an- nehmen und möchte im allgemeinen, um jeden möglichen Zweifel von vornherein auszuschließen, folgende Bezeichnungen empfehlen. Für ein baumartig verzweigtes System, welches aus einem bron- chiolus verus hervorgeht, schlage ich den Namen arbor alveolaris — Alveolarbäumehen — vor. Ein solches Alveolarbäumchen besteht also aus dem (gewöhnlich vorhandenen) bronchiolus respiratorius oder einem Alveolargangstamm als Basalstück, den darauf folgenden mehr 228 Sitzung der phys.-math. Classe v. 8. Febr. 1906. — Mittheilung v. 18. Jan. oder weniger reich verzweigten ductuli alveolares oder Alveolar- gängen'! und deren letzten blindsackförmigen Ausläufern, den saceuli alveolares oder Alveolarsäckchen. Daß MıLters » Atrien« keine »neuen, bisher unbekannten« Räume, sondern eben nur diejenigen Teile der Alveolargänge darstellen, in welche die sacculi münden, ist klar, selbst für den Fall, daß sich die Atrien als distinkte, eigenartige und scharf zu charakterisierende Abschnitte der Alveolargänge erweisen sollten. Doch kann ich letzteres ebensowenig zugeben wie BERDAL?, Lasuesse°, MERKEL‘, V. von Esner’ u.a. Ich selbst habe mich schon in den Sitzungsberichten unserer Akademie. vom 7. Januar 1904 8.35 in einer kurzen Notiz gegen die von MiırLer angenommenen Atrien als eigenartige Bildungen ausgesprochen, und werde hier die Er- gebnisse weiterer auf diesen Punkt gerichteter Untersuchungen mit- teilen. Durch lange fortgesetzte Studien an Lungen verschiedener Säugetiere habe ich mich davon überzeugt, daß die beste Einsicht in die Figuration des respiratorischen Hohlraumsystems der Lunge ge- wonnen wird durch eine vorsichtige vollständige Füllung der frischen Lunge mit Paraffin, nach vorgängiger Entwässerung mittels suk- zessiver Einfüllung von Alkohol in steigender (von 60 Prozent bis Aleohol absolutus) Konzentration, sodann einer Mischung von Alcohol absolutus und Xylol und endlich von reinem Xylol unter schwachem Druck von der Trachea aus. Das Xylol wird darauf im Thermostaten durch Einfüllen flüssigen Paraffins (ebenfalls unter schwachem Druck) verdrängt. Nach der Erstarrung des Paraffins werden von den jetzt solide Blöcke darstellenden Lungen einzelne Stücke nach verschiedenen Richtungen in mehr oder minder dünne Schnitte oder Schnittserien zerlegt und die Schnitte nach Aufkleben und Ausziehen des Paraffins in mannigfacher Weise tingiert. Von den so erhaltenen, in Dammar- harz konservierten mikroskopischen Schnitten oder besonderen Teilen derselben lassen sich leicht photographisch Doppelbilder für stereo- skopische Betrachtung als Diapositive herstellen, welche eine sehr deutliche Vorstellung von den Höhlen- und Gangverhältnissen des betreffenden Stückes geben. ı Wenn ich hier statt des früher von mir gebrauchten Ausdruckes » Alveolen- gang« jetzt die latinisierte Bezeichnung »Alveolargang« anwende, so geschieht dies keineswegs deshalb, weil ich etwa »Alveolengang« für falsch oder undeutsch halte. Sagt man doch auch »Laubengang« für einen mit Lauben besetzten Gang. Vielmehr möchte ich mit dem latinisierten Ausdruck dem Verständnis nichtdeutscher Leser entgegenkommen. 2 Nouveaux &lements d’histologie 1894. 4° edition. ® Lasuesse et n’Harpıvirtes in Comptes rend. du 5 congres frangais de Med. Lille 1900 und Comptes rend. de l’association des anatomistes. 1899. * Handbuch der Anatomie des Menschen 1902, Bd. VI, I. Abt., S. 1o2. 5 Körrıers Handbuch der Gewebelehre des Menschen 1902, Bd. III, S. 300-303. F. E. Schurze: Beiträge zur Anatomie der Säugethierlungen. 229 Andererseits habe ich auch gute Ansichten von den Hohlraum- verhältnissen des respiratorischen Teils der Lunge an Ausgüssen der zuvor mehr oder minder vollständig entlufteten Lunge mit leicht- flüssigen Metallgemischen gewonnen, welche entweder überall oder doch in einzelnen Regionen eine vollständige Füllung aller Luft- räume bis in die Alveolen zeigen. Ich will zunächst auf die von Köruiker als bronchioli respiratorii bezeichneten Gänge eingehen, welche (in der Regel vorhanden) sich als Übergangsstücke von den nur der Luftleitung dienenden echten bronchioli zu den rein respiratorischen Räumen darstellen. Nach Köuuikers eigener, im Jahre 188ı in den Würzb. Verh. N. F. Bd. XVI S. ıı gegebener Darstellung erscheinen die bronchioli respiratorii »in zwei verschiedenen Formen, einmal als Röhren mit gleichmäßigem zylindrischen Flimmerepithel, und zweitens als Bronchiolen mit zweierlei Epithel, nämlich einmal Zylinder- oder kleinen Pflaster- zellen und zweitens großen polygonalen Platten. Beide diese Röhren, von denen die letzteren die unmittelbaren Fortsetzungen der ersteren sind, tragen wandständige kleine Alveolen in mäßiger Menge und gleichen insofern den auf sie folgenden Alveolengängen. « Wenn ich auch für manche Säugetiere diese von KÖLLIKER im Jahre ı881ı zunächst speziell für die menschliche Lunge gegebene Darstellung im wesentlichen bestätigen kann, muß ich doch hervor- heben, daß die Verhältnisse keineswegs bei allen Säugetieren die nämlichen sind und auch selbst in ein und derselben Lunge erheblich variieren können. Dasselbe geht auch aus der viele Säugetiergattungen und -Arten umfassenden Beschreibung hervor, welche OPrrer jüngst 1905 in seinem Lehrbuch der vergl. Anat. der Wirbelt. VI. Atmungs- apparat S. 686—752 gegeben hat. Indem ich mir eine ausführliche Darstellung der speziellen Ergebnisse meiner eigenen Untersuchungen für eine spätere Arbeit vorbehalte, will ich hier zunächst nur darauf hin- weisen, daß die bronchioli respiratorii in einzelnen Fällen ganz aus- fallen können, indem sich an einen bronchiolus verus gleich echte Alveolargänge schließen können, teils als ein seitlich einmündendes Röhrensystem (Bäumchen), teils als terminales Endbäumehen. Auch andere Forscher sind schon zu dem gleichen Resultat gekommen. So schreibt z. B. Justesen im Archiv f. mikr. Anat. Bd. 56 S. 640: »Der Übergang vom luftleitenden zum respirierenden System vollzieht sich beim Ochsen ganz plötzlich; mit einem Schlage ist der bronchiolus dieht mit Alveolen besetzt und nur von respiratorischem Epithel ausge- kleidet.« Wenn Justesen später (ebendort S. 641) sagt: »Ein bronchiolus simplex bildet dichotomisch zwei bronchioli respiratorii; diese dicho- tomieren; in jedem der so gebildeten bronchioli respiratorii zweiter 230 Sitzung der phys.-math. Classe v. 8. Febr. 1906. — Mittheilung v. 18. Jan. Ordnung entsteht eine Kavität, die wir mit Mirrer Atrium nennen werden, und von hier gehen wieder kurze Schläuche aus, die wir mit demselben Verfasser sacci aerii nennen« —, so geht aus dieser seiner Darstellung allerdings hervor, daß er unter seinen bronchioli respiratorii etwas ganz anderes als KöLuieer, nämlich meine Alveolen- gänge, versteht. Er will also sagen, daß beim Ochsen der bronchiolus verus gleich in Alveolargänge übergeht, ohne das Übergangsstück eines bronchiolus respiratorius. Besonders möchte ich noch betonen, das in die bronchioli re- spiratorii nicht nur einfache Alveolen (wie Köruier angibt), sondern auch schon sacculi und selbst ganze Alveolarbäumchen seitlich ein- münden können. So scharf nun auch die Alveolargänge durch den Umstand, daß sie ringsum mit Alveolen besetzt sind, charakterisiert erscheinen, so groß ist doch ihre Variabilität bei den verschiedenen Säugetieren und auch innerhalb ein und derselben Lunge — hinsichtlich der Art und besonders nach der Reichlichkeit ihrer Verzweigung. Ohne mich hier auf alle Einzelheiten in der Ausbildung der Alveo- larbäumchen bei den verschiedenen systematischen Gruppen und selbst einzelnen Arten einzulassen (was einer späteren ausführlichen Arbeit vorbehalten bleibt), will ich einstweilen nur folgende Differenzen hervorheben. Während es Säugetiere gibt, bei welchen, wie z. B. beim Delphin (Phocaena phocaena) die Alveolarbäumchen ganz kurz (etwa 0.6 mm) bleiben und nur aus wenigen, ein- oder zweimal geteilten Ästen be- stehen, erscheinen sie bei anderen, und zwar gewöhnlich gerade bei den kleinen Formen, so bei den meisten Nagern, z. B. der Maus, bei den Chiropteren, sehr reich verästelt und verhältnismäßig groß (z. B. bei der Ratte etwa 2 mm und darüber). Die Art der Verzweigung ist sehr verschieden sowohl bei den einzelnen Tierformen als auch in ein und derselben Lunge. Häufig findet sich eine nahezu dichotomische Teilung mit gleich großen oder mehr oder minder ungleichen Teilästen, in anderen Fällen gehen die Äste an beliebigen Stellen seitlich von einem größeren Stamm ab; seltener geschieht es, daß von einer Stelle mehrere Äste zugleich ausgehen. Im allgemeinen wird man also die Verzweigung als un- regelmäßig zu bezeichnen haben. Auch die Winkel, unter welchen die Gänge sich teilen, variieren oft in einer Lunge beträchtlich, von ganz spitzen bis zu nahezu 160°. Gewöhnlich beträgt der Teilungs- winkel 30°— 50°. Dasselbe gilt nun auch von der Art und Weise, wie die letzten blinden Endausläufer der Alveolargänge, die saceuli, durch Endteilung F. E. Scnurze: Beiträge zur Anatomie der Säugethierlungen. 231 oder als Seitenzweige dieser ihnen ja im wesentlichen hinsichtlich des Baues gleichenden Gänge entstehen. Gewöhnlich teilt sich ein Alveolargang terminal spitzwinklig in zwei, seltener in mehrere sacculi, die übrigen stehen als seitliche Ausläufer verschiedener Länge von den Zweigen verschiedener Ordnung unter ver- Fig. 1. schiedenen, meist spitzen Winkeln distad ab. Die Alveolargänge zeigen im allgemeinen einen rundlichen, gewöhnlich sogar einen etwa kreis- förmigen Querschnitt und stellen meistens nahezu gerade, gleichmäßig weite Röhrenab- schnitte dar. Ihre Weite differiert erheblich je nach der Tierart, kann aber auch je nach dem augenblicklichen Kontraktionszustand ihrer Muskulatur während des Todes des Tieres ver- schieden sein und wird ferner durch den Grad der Füllung mit Luft oder mit der Injektions- Einige Alveolarbäumchen von Cer- copithecus Juliginosus (GEoFFROY, gefüllt mit einer leichtflüssigen masse nicht unerheblich alteriert. Gewöhnlich SE EEE findet man jedoch nur geringe Unterschiede in Direkte Wiedergabe der Phois. dem Durchmesser der verschiedenen Zweige graphie. ein und’ desselben Bäumehens. In gewissen Teilen der Lunge, so in den schmalen Rand- partien und besonders in den frei vorragenden Zipfeln mancher Lungen kleiner Tiere pflegen die Gänge auch bei sonst gesunden Exemplaren auffällig (wahrscheinlich abnorm) erweitert zu sein, während sie anderer- seits im Innern der Lunge meistens etwas enger sind als in der Nähe der Oberfläche. In der Regel münden alle die Wand eines Alveolarganges bilden- den Alveolen mit ihrer Ausgangsöffnung in dessen Lumen ein, so daß sie also selbst als vertiefte Wandnischen oder richtiger Divertikel erscheinen. Gar nicht selten haben sich aber auch hier und da eine oder mehrere Alveolen eines unmittelbar benachbarten Ganges oder sacculus so zwischen die Alveolen des ersteren gedrängt, daß hier seine Seitenwand teilweise von der Oberfläche jener Nachbaralveolen gebildet wird, also nicht ausgebuchtet erscheint. Auf diesen Punkt komme ich weiter unten bei Besprechung der Blutgefäßverhältnisse noch einmal zurück. Einen von MirLer vor dem Übergang der Alveolargänge in die saceuli »entdeckten« eigenartigen Hohlraum, welcher, »nicht röhren- förmig, sondern von mehr oder weniger deutlich kugeliger Gestalt«, außer mit Alveolen mit einer Anzahl in ihn einmündender saceuli besetzt sein soll, kann ich als einen eigenen typischen Abschnitt des respiratorischen Apparates der Säugetierlungen daher nicht anerkennen. 232 Sitzung der phys.-math. Classe v. 8. Febr. 1906. — Mittheilung v. 18. Jan. So wenig, wie man an einem sich unregelmäßig verzweigenden Baumast diejenigen Stellen, wo sich ein Ast in zwei oder auch mehrere End- äste teilt, als besondere typische Stellen charakterisieren und mit einem eigenen Namen, sondern einfach als Teilungsstellen zu bezeichnen pflegt, so wenig scheint mir in dem respiratorischen Gangsystem der Lunge die Auszeichnung dieser Stellen durch eine besondere Benennung (»Atrium«) erforderlich oder auch nur zweckmäßig zu sein. Mirzers “ Atrium ist eben das letzte Fig 2. Ende eines Alveolarganges vor seinem Übergang in die terminalen sacceuli und ver- hält sich auch seinem Bau nach nicht anders als an- dere Regionen der Alveolar- gänge, in welche die seit- lich ansitzenden saceculi ein- münden. Ebenso wie die Gestalt und Größe der Alveolar- bäumchen und ihrer Alveo- largänge zeigt auch Gestalt und Größe der Alveolar- säckchen, dersacculi, große Verschiedenheiten, sowohlin ein und derselben Lunge als besonders bei verschiedenen Tieren. Oft stellen sie nur von wenigen Alveolen ge- Schnitt aus einer mit Alkohol, Xylol und schliesslich mit Paraffin gefüllten Lunge von Cavia cobaja SchREBER. Vergrösse- 1/ rııy7 fa . Fe Tor bildete kurze sackförmige rung! =» Direkte Wiedergabe der Photographie. Ausbauchungen von kaum !/ıomm Länge dar, zuweilen dagegen mehr schlauchförmige Gebilde von ımm Länge und darüber. Wenn man die Form der bis zur Pleura reichenden sacculi an Schnitten oder Metallausgüssen studiert, begreift man, wie die früheren Untersucher zu dem in den meisten Fällen allerdings wenig zutreffen- den Namen »infundibulum« gekommen sind; denn gerade hier er- halten die mit ihrem Fundus an der Pleura sich etwas abplattenden und verbreiternden terminalen Alveolarsäckchen nicht selten eine wahre Trichterform, während sie inmitten des respiratorischen Parenchymes fast stets nur die einfache Sackgestalt haben. Kurz und gedrungen erscheinen die saceuli, ähnlich wie die Alveolargänge überhaupt beim Delphin, langgestreckt und oft mehr schlauchförmig bei den meisten nJ nJ y . ” Re . bu2 F. E. Scnurze: Beiträge zur Anatomie der Säugethierlungen. 233 Nagern und Chiropteren. Zuweilen erscheint die Einmündungsstelle (in den betreffenden Alveolengang oder den bronchiolus respiratorius) dem übrigen Lumen gegenüber etwas verengt, doch ist dies keines- wegsallgemeine Regel. Nicht Fig. 3. selten zeigt ihre Axe eine ge- ringe Biegung. Oft wird auch durch stärkeres V ortreten des einen oder anderen ÄAlveolen- septums eine Teilung in zwei oder einige Unterabteilungen angedeutet. Große Verschiedenheit findet sich in der Gestalt und Größe der Alveolen. Aus- gehend von der ursprünglich als etwa !/,- bis 3/,-kuge- lig zu denkenden Grundform können sie durch den von den umliegenden Gebilden, besonders von den benach- barten Alveolen ausgeübten Druck leicht polyedrische Formen mannigfacher Artan- nehmen, welche auch selbst wieder durch den Grad der Anfüllung der Lunge mit Luft und mit Blut noch geringer Schnitt aus einer mit Alkohol, Xylol und schließlich mit Änderungen fähig ist. Durch Paraffin gefüllten Lunge von Bradypus tridactylus Wir. Ver- das Aneinanderstoßen seit c r. c ‚i» z x In 6 größerung: 3 Direkte Wiedergabe der Photographie. licher und terminaler Ver- schmelzung der Wände be- nachbarter Alveolen werden jedoch, ähnlich wie bei einem Blasen- schaum, nahezu ebene Grenzflächen hergestellt. Die Zahl solcher übri- gens sehr verschieden gestalteten, annähernd ebenen Grenzflächen einer Alveole variiert natürlich, dürfte aber meist zwischen 5 und ı2 schwanken und nur selten mehr betragen. Das Netz elastischer Fasern, welches jede Alveolenwand durch- zieht und sich an dem Mündungsrande zur Bildung eines mehr oder minder derben Randsaumes verdichtet, kann auch außerdem hier und da zur Bildung einspringender Wandleisten Veranlassung geben. Be- sonders an dem mit der Pleura verwachsenen Fundus der oberfläch- lichsten subpleuralen Alveolenwand kommt es bei starker Luftanfüllung Sitzungsberichte 1906. 21 234 Sitzung der phys.-math. Classe v. 8. Febr. 1906. — Mittheilung v. 18. Jan. oder praller Injektion zwischen einem solchen einspringenden Leisten- netz zu sekundären nischenartigen Ausbauchungen der sonst fast ebenen pleuralen Alveolenwand. II. Größe der Alveolen bei verschiedenen Säugetieren. Obwohl über die Dimensionen der Lungenalveolen bei verschiedenen Säugetieren bereits von mehreren Autoren Angaben vorliegen und auch speziell für den Menschen die Weite der Alveolen in verschiedenen Lebensaltern sowie für die einzelnen Regionen der Lunge studiert ist, halte ich es doch nicht für überflüssig, hier noch einige meiner eigenen Untersuchungsergebnisse mitzuteilen. Zunächst kann ich die schon von Anderen mehrfach angegebene Tatsache bestätigen, daß die in Form und Größe sehr variabeln Al- veolen keineswegs in allen Regionen ein und derselben Lunge gleiche Durchschnittsgröße haben, vielmehr an der Oberfläche und besonders an den zugeschärften Randteilen und vorragendenZipfeln durchschnittlich erheblich größer sind als im Innern der Lunge; daß ferner die Aus- dehnung der Alveolen mit dem Alter nicht unbeträchtlich zunimmt; und daß endlich im allgemeinen die größeren Säugetiere auch größere Alveolen haben als die kleineren. Aber gerade in letzterer Hinsicht muß ich auf gewisse Abweichungen von dieser Regel hinweisen, welche mir aufgestoßen sind, und werde eine Erklärung dieser Ausnahmen versuchen. Die größten Alveolen finde ich unter den von mir untersuchten Säuge- tieren beim Faultier, Bradypus tridactylus WıEp, dessen Körper an Umfang etwa dem einer Hauskatze entspricht. Durchschnittlich haben bei dem von mir untersuchten Faultierexemplar die Lungenalveolen einen Durch- messer von 4004, während sie bei einer etwa gleichgroßen Hauskatze nur etwa IOoo4u, bei dem wohl zehnmal größeren Delphin (Phocaena phocaena) dagegen auch nur etwa 150 u und beim Menschen nach älteren Bestimmungen etwa 2004 messen. Die kleinsten von mir gemessenen Alveolen finden sich bei der Zwergspitzmaus, Sorex minutus, welche übrigens auch das kleinste deutsche Säugetier darstellt. Hier beträgt die durchschnittliche Alveolenbreite nur etwa 25 u, bei der nur wenig größeren Fledermaus, Vesperugo pipistrellus, dagegen schon durch- schnittlich 30 u. IN. Anzahl der Alveolen und Größe der gesamten respiratorischen Fläche. Aus meinen sämtlichen Alveolenmessungen (deren genauere Mit- teilung ich mir für später vorbehalte) habe ich den Eindruck gewonnen, daß außer der Körpergröße auch noch verschiedene andere Faktoren, F. E. Scauzze: Beiträge zur Anatomie der Säugethierlungen. 235 so besonders die Lebensweise und speziell die Stärke und Dauer der Muskelaktion, für die Zahl und Größe der Alveolen in Betracht kommt. Dies dürfte auch wohl von vornherein deshalb als wahrscheinlich an- zunehmen sein, weil ja von der Größe und Zahl der Alveolen die Ausdehnung der respiratorischen Gesamtfläche abhängt, und damit wieder die Intensität des Stoffwechsels in Beziehung steht, welche bei Tieren mit kräftiger Muskelaktion viel bedeutender ist als bei solchen mit träger Bewegung. Um dies zunächst an einem Beispiel zu erläutern, will ich die respiratorische Gesamtfläche bei den schon genannten beiden nahezu gleichgroßen Tieren, dem dreizehigen Faultier und der Hauskatze, in Betracht ziehen. Bei jedem dieser beiden Tiere schätze ich das Volumen der Lunge auf etwa500Kubikzentimeter, und nehme an, daß für die Luftwege, Gefäße und dasZwischengewebe ungefähr 20 Prozent des Gesamtvolumens abzuziehen ist, um das Volumen des ausschließlich aus Alveolen be- stehenden rein respiratorischen Parenchymes zu erhalten. Es bleibt also für letzteres ein Volumen von 400Kubikzentimeter übrig. Aus diesen durch Schätzung gefundenen Volumen des Alveolenparen- chymes und aus der durch direkte Messung zu 100 u bestimmten Alve- olenbreite läßt sich nun zunächst die Anzahl der Alveolen und so- dann auch dieGröße der respiratorischen Gesamtfläche berechnen. Der einfacheren Rechnung wegen nehme ich die Gestalt der polyedrischen Alveolen als Hohlwürfel an. Der Kubikinhalt einer einzelnen 100 u breiten Katzenalveole ist demnach 100° Kubikmikren oder 1000000 ecbu. Da nun das Volumen des ganzen respiratorischen Parenchymes auf 400 ccm angenommen wurde, und da ı cem = 10” chu ist, so beträgt das Volumen des ganzen respiratorischen Parenchymes 400.10” cbu. Dividiert man, um die Anzahl der Alveolen zu erfahren, diese Zahl durch das einzelne Aveolenlumen = 100°, so erhält man Be oder re — 460.10. — 4.10, .d. 1. 400000000. 100° de) Eine Katzenlunge enthält also etwa 400 Millionen Alveolen. Da wir uns nun die einzelne Alveole als einen an einer Seite offenen Hohlwürfel von 100 u Seitenlänge gedacht haben, so enthält er 5 respiratorische Flächen von je 100° qu, d.h. 5-100° oder, was dasselbe ist, 5-1o*qu. Es werden demnach sämtliche 4-10’ Alveo- len zusammen eine respiratorische Fläche von 5-10*-4-10° qu oder 20-10" qu haben oder, da 10” qu = ı qm ist, eine Fläche von etwa 20 Quadratmeter darstellen. Führt man unter gleichen Voraussetzungen und in gleicher Weise die Rechnung für die Lunge des dreizehigen Faultiers aus, dessen 21* 236 Sitzung der phys.-math. Classe v. 8. Febr. 1906. — Mittheilung v. 18. Jan. respiratorisches Parenchym auf dasselbe Volumen von 400 cem ge- schätzt wurde, so ergibt sich folgendes: Volumen des respiratorischen Parenchyms = 400 eem =4.x 10" chu; Volumen einer einzelnen 400 u breiten Alveole = 400° = 4°x 10° cbu; also Anzahl der Alveolen rare 0] TR Ferner die respiratorische Innenfläche einer Alveole 5X400 u =5xX4uxı0=5xX2'xX 10? = 2’X 10 gu; folglich die gesamte respiratorische Fläche der Lunge XI X2’XIO—= 5X 2’X10’—=5xX10” qu—=5 Quadratmeter. Demnach ergibt sich, daß die respiratorische Fläche der Katzenlunge etwa viermal größer ist als die der Faultier- lunge. Ich bin geneigt, diesen auffälligen Unterschied darauf zu beziehen, daß die Katze als springendes Raubtier eine sehr kräftige Muskelaktion ausübt, daher einen besonders regen Stoffwechsel hat und somit eine große Respirationsfläche braucht, während das mit seinen sichelför- migen Krallen an Baumzweigen hängende und ohne jegliche Anstren- gung Blätter verzehrende träge Faultier nur wenig Bewegungen ausführt und daher einen viel weniger lebhaften Stoffwechsel hat als die Katze, somit auch eine weit geringere Respirationsfläche gebraucht als jene. Eine gleiche Berechnung habe ich ausgeführt für den Menschen und einen ihm etwa an Maße gleichen Delphin, Phocaena phocaena (L). Für den Menschen liegen zwar schon ähnliche Bestimmungen vor, so z. B. die von Arsy in seinem bekannten Buche »Der Bronchial- baum« 1880 S. 90 ausgeführte Berechnung des Gesamtvolumens der Lunge, der Zahl der (»Lungenbläschen«) Alveolen und der respira- torischen Wandfläche unter Annahme des Alveolendurehmessers von 200 4. — Indessen kann ich mich mit dem Endergebnis Arsys hin- sichtlich der von ihm auf 404500000 beim Manne und 322500000 beim Weibe berechneten Alveolenzahl und der davon abhängigen gesamten Respirationsfläche von 50450400 qmm beim Manne und 40248000 qmm beim Weibe wegen einzelner mir unzulässig scheinender Voraussetzungen nicht einverstanden erklären. Um so lieber will ich aber seine auf zahlreichen genauen Messungen beruhenden Angaben über das Gesamtlungenvolumen meiner eigenen Berechnung zugrunde legen. Arsy fand für den Mann = 1617 cem, für das Weib =1290 cem Lungenvolumen. Ich will hier für die Lunge eines mäßig großen er- wachsenen Menschen ein Volumen von 1500 Kubikzentimeter und das gleiche für die Delphinlunge annehmen und zunächst die Rechnung für die Menschenlunge ausführen. = 625 x 10' = 6250000. F. E. Scnurze: Beiträge zur Anatomie der Säugethierlungen. 237 Als Volumen des respiratorischen Parenchymes, nach Abzug von 20 Prozent, nehme ich an 1200 Kubikzentimeter oder = 12 x 10" cbu. Das Volumen einer einzelnen, 200 u breiten ß } 12x 10" Alveole beträgt 200° cbu; also die Zahl der Alveolen = Zuge 1 12X 10° I — 1500sepae: Demnach hätte der erwachsene Mensch etwa 150 Millionen Alveolen. Ferner ist die respiratorische Innenfläche einer Alveole = 5X 200° qu = 5X 2’X10* qu = 20X 10° gu; folglich die gesamte respiratorische Fläche = 20X10°X15X 10’ qu = 300X 10” qu, — 3X 10” qu — etwa 30 Quadratmeter. Für den Delphin rechne ich ebenfalls das Volumen des re- spiratorischen Parenchyms, nach Abzug von 20 Prozent des Lungenvolumens, = 1200 cem = 12x10" Kubikmikren. Das Volumen einer einzelnen, etwa 140 u breiten Delphin- lungenalveole beträgt = 140° cbu = 14°x 10° cbu; folglich ist die Anzahl der Alveolen 2 LO 31. T2X,TON 72,%10, ZIXZKIXKZHXION 15X107 TUE eo ST 27 ae: 15x 10” = —— = etwa 7000000. 3E3 5 Also hat die Delphinlunge etwa 437 Millionen Alveolen. Die respiratorische Innenfläche einer Alveole ist SXTAO: gu = 5X 19600 gu =,5 X 196 X 10°; also hat die ganze Lunge eine respiratorische Innenfläche von 12x10" 2 X yor 12X.10"xX5xX 10’ — U = 14°’x 10° are wu 14 x Io?’ 30x10" 7 Daß der besonders muskelstarke, zum beständigen Durchdrängen durch das (großen Widerstand leistende) Meereswasser genötigte Delphin auch einen starken Stoffwechsel haben wird und infolgedessen eine besonders große Respirationsfläche braucht, ist wohl einleuchtend; aber daß in dieser Hinsicht die Differenz zwischen ihm und dem etwa gleich großen Menschen so erheblich sei, hatte ich nicht erwartet. 238 Sitzung der phys.-math. Classe v. 8. Febr. 1906. — Mittheilung v. 18. Jan. IV. Löcher in der Scheidewand der Alveolen. Ob in den dünnen Scheidewänden aneinanderstoßender Alveo- len normalerweise (d.h. in gesunden Lungen) bei Säugetieren Löcher vorkommen, ist eine gerade in den letzten Dezennien sehr verschieden beantwortete Frage. Während manche Forscher, wie PırrsoL (1895), W.S. Mırrer (1894), Lasuesse (IgOI) und Orrer (1905) zu dem Re- sultat gekommen sind, daß Alveolenwandporen bei Säugern nicht als normale Strukturen betrachtet werden dürfen, haben andere, wie HAv- sER (1893), Hansemann (1895), K. W. Zimmermann (1898), NicoLas (1898) und MerkeL (1902) die Existenz solcher Löcher, zunächst für den Menschen, dann aber auch für einige andere Säugetiere, wie Katze, Hund usw., mit Entschiedenheit behauptet. Besonders Davın Hansemann hat in den Sitzungsberichten der Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. 1895 S. 999— 1001 das Vorkommen von Alveolarwandporen eingehend beschrieben und sowohl beim Menschen als auch bei mehreren Säuge- tieren (Orang-Utan, Schimpanse, Pavian, Hund, Kaninchen, Meer- schweinchen, Ratte und Maus) in der Weise zur Anschauung gebracht, daß er eine injizierte gefärbte Leimmasse durch Alkoholeinwirkung nachträglich zum Schrumpfen brachte und dabei ein deutliches Durch- treten anastomotischer Leimfäden durch die Alveolenscheidewände nach- gewiesen hat. Obwohl von anderen Anatomen, wie von EBNER, ÄAIGNER, W. S. Mitzer und Orrer, gegen Hansemanns Angaben, und speziell ge- gen die Beweiskraft solcher Leiminjektionen, Bedenken erhoben sind, hat Hansemann doch wiederholt seine Angaben aufrecht erhalten und das Vorhandensein der Löcher auch ohne die erwähnte Methode an einfach mit Spiritus gefüllten Lungen beobachtet. Trotzdem hat OrrEL noch im vorigen Jahre, 1905, in seinem großen Lehrbuch der ver- gleichenden Anatomie der Wirbeltiere S. 647 berichtet, daß er weder bei höheren noch bei irgendeinem der von ihm untersuchten niede- ren Säugetiere Alveolenporen im Sinne HansEemanns nachzuweisen ver- mochte. Ich habe dagegen glattrandige, kreisförmige oder ovale Löcher in den Alveolensepten aller von mir studierten Säugetierlungen gefunden, und zwar nicht nur bei alten, sondern auch bei ausgewachsenen jungen gesunden Tieren. Doch ist die Anzahl und Größe dieser Löcher bei den verschiedenen Formen außerordentlich verschieden. Auch variiert die Zahl und Verteilung der Poren bei ein und demselben Individuum in den einzelnen Lungenregionen ebenso wie ihre Anordnung und Menge in den einzelnen Alveolensepten erheblich. F. E. Scauurze: Beiträge zur Anatomie der Säugethierlungen. 239 Sehr spärlich finde ich die Alveolenwandporen bei den durch die Größe ihrer Lungenalveolen ausgezeichneten Edentaten, Bradypus und Myrmecophaga. Hier kommen sie nur ganz vereinzelt und klein in einigen Alveolensepten vor, während die meisten Septa überhaupt keine Lücken besitzen. Mäßig häufig, aber immer ganz unregelmäßig zerstreut, finden sie sich in den Alveolensepten des Men- schen und der meisten größe- ren oder mittelgroßen Haus- säugetiere, reichlicher schon bei den Nagern, speziell bei der Ratte und der Maus, noch zahlreicher bei den Fleder- mäusen, und zwar besonders bei den kleineren Formen der Gattung Vesperugo. Fig. 5. Alveolenscheidewand von KErina- Alveolenscheidewand. Bradypus tridaetylus. Vergrößerung: aueh 2 zo I sL. Vergröß ze A e ceus europaeus L. Vergroberung: —.. Nach einer Zeichnung. P Er 8:7 Nach einer Zeichnung. Am reichlichsten aber habe ich die Löcher in den Alveolenscheide- wänden einiger Insektivoren, so besonders des Zaunigels, des Maulwurfs und der Spitzmäuse, vor allen der kleinsten deutschen Spitzmaus (Sorex minutus) gefunden. Bei allen diesen Insektivoren stellen die Alveolensepten ein von verschieden großen rundlichen Löchern durchbrochenes Gitterwerk dar, so daß es unter Umständen schwer ist, an Schnitten die Abgrenzung der einzelnen Alveolen zu erkennen, und man ein spongiöses Balken- gerüst vor sich zu haben glaubt. Jedoch gelingt es in der Regel bald, sich zu orientieren, zumal mittels guter, für das Stereoskop an- gefertigter Diapositive. 240 Sitzung der phys.-math. Classe v. 8. Febr. 1906. — Mittheilung v. 18. Jan. Die Weite der Löcher hängt zum Teil von dem Füllungsgrade der Kapillarnetze ab. Bei ganz von Blut entleerten Lungen erscheinen die Poren viel weiter (s. Fig. 6) als bei prall injizierten. Auffällig war es mir, daß die Alveolensepta des auf Madagaskar lebenden »Tanrek«, Centetes ecaudatus, eines nahen Verwandten unseres Zaunigels, zwar auch zahlreiche Lücken in den Alveolensepten zeigen, RT 4 Schnitt aus einer mit Alkohol, Xylol /{und’schließlich mit Paraffın gefüllten Mi P 3 . . Lunge von Erınaceus europaeus L. Vergrößerung: Direkte Wiedergabe der Photographie. Nach völliger Entleerung der betreffenden Lunge von Blut sind die Kapillaren zum großen Teil kollabiert und dadurch die Löcher in den Scheidewänden der Alveolen teilsweise etwas erweitert. aber keineswegs so reichlich durchbrochen sind, wie bei unseren ein- heimischen Insektivoren. Selbstverständlich muß eine so weitgetriebene Perforation der Alveolensepta von großer Bedeutung für die Erhöhung des Gasaus- tausches sein, da hierbei die nur mit dünner Hülle umkleideten Kapil- laren fast allseitig von Luft umspült sind, während sie in den wenig durchbohrten Septen anderer Säugetiere nur an zwei gegenüberliegenden Seiten mit der Luft in Berührung kommen. Daß diese erhöhte Respirationsgelegenheit grade Tieren mit be- sonders intensivem Stoffwechsel zukommt, erscheint begreiflich. Bedarf F. E. Scaurze: Beiträge zur Anatomie der Säugethierlungen. 241 doch der Maulwurf täglich etwa soviel tierischer Nahrung wie sein eigenes Gewicht beträgt. Ebenso gehören die Spitzmäuse, wie be- kannt, zu den gefräßigsten Säugetieren. Lenz mußte einer gefangen gehaltenen Spitzmaus (Sorex vulgaris) täglich eine Maus oder einen Vogel ihrer eigenen Größe geben. Läßt man sie im geringsten Hunger leiden, so sterben sie. V. Die Kapillarnetze der Alveolen. Von allen Untersuchern ist die Enge der Maschen des Blut- gefäßkapillarnetzes hervorgehoben, welches sich an der Alveoleninnen- fläche, bzw. in den Septen der Alveolen ausbreitet. »Das Kapillargefäßnetz der Alveolen gehört zu den feinsten, dichte- sten und gleichförmigsten«, sagt Henze 1866 in seinem Handbuch der Anatomie des Menschen Bd. II S.283; und W.S. Mırrer bemerkt im Ana- tomischen Anzeiger 1892 S.189: »Lying between the pulmonary artery and vein we have the richest capillary network in the whole body«, fügt dann aber hinzu: »This network is much coarser and the capil- laries are wider just beneath the pleura than it is in the deeper portions ofthe lung«. Diese Angabe kann ich für alle von mir injizierten Säuge- tierlungen bestätigen, wenngleich die Differenz der Netzmaschen keines- wegs bei allen Arten gleich groß ist. In den meisten Fällen finde ich die Maschenweite des mit der Pleura verwachsenen Alveolenfundus drei- bis viermal so groß als in den übrigen, dünnen Alveolen- septen entsprechenden Alveolenwänden, wo die Kapillarmaschenlücken durchschnittlich nicht breiter sind als der Durchmesser der sie um- schließenden Kapillaren. Doch sind die Maschen des subpleuralen Kapillarnetzes der Lunge des Zaunigels beispielsweise etwa nur doppelt so weit als die des septalen. Ich kann diese Entdeckung Mirrers bestätigen und noch dahin erweitern, daß nach meinen Beobachtungen nicht nur die Kapillar- netze der pleuralen Alveolenwandfläche, sondern aller derjenigen Alveolenflächen erheblich weitere Maschen haben (als die septalen), welche nicht an andere Alveolen grenzen. Dahin gehören ı. sämtliche Alveolenwände, welche an jene mehr oder minder dicken Bindegewebssepta anstoßen, durch welche die größeren oder kleineren Lungenlappen voneinander geschieden sind, 2. alle Alveolenwände, welche an die luftleitenden Bronchien ver- schiedenster Größe angrenzen, und 3. diejenigen Alveolenwand- teile, welche mit den über ein gewisses Kaliber hinausgehenden Blut- gefäßen (Arterien oder Venen) verwachsen sind. Sitzungsberichte 1906. 22 242 Sitzung der phys.-math. Classe v. 8. Febr. 1906. — Mittheilung v. 18. Jan. Es ist also das engmaschige Alveolenkapillarnetz stets nur auf jene dünnen Scheidewände beschränkt, welche entweder zwischen unmittelbar benachbarten Alveolen ausgespannt sind oder zwischen den mit dünnem respiratorischen Epithel gedeckten Regionen der bronchiolirespiratoriiund dendiesenanliegenden Al- veolen benachbarten Al- veolargänge, bzw. deren saceuli, vorkommen. An den bronchioli respi- ratorii finden sich nicht nur ein- fache Alveolen vor, welche als ihnen selbst zugehörige seit- liche Divertikel in ihr übrigens röhrenförmiges Lumen einmün- den, sondern es gibt auch hier Schnitt aus einer injizierten Longe von Mymecophaga tetra- und da einzelne Regionen oder ganze Strecken der bronchioli daetyla L. Vergrößerung: - . Auf der schräg ange- schnittenen Wand eines größeren Blutgefäßes sind die Kapillarnetze der anliegenden Alveolenwände weitmaschi- respiratorii 5 welche von den ger als die Kapillarnetze der Alveolensepte. Direkte x x Wiedergabe der Photographie. dünnen Wänden benachbar- ter Alveolen anderer Gang- systeme gebildet werden, ohne daß die zugehörigen Alveolen in das Lumen der bronchioli respiratorii selbst münden, vielmehr diesem ihre Außenfläche zukehren. Die in solchen Scheidewänden befindlichen Kapillarnetze gehören stets auch zu den engmaschigen, sind also rein respiratorisch. Dies ganze Verhältnis begreift sich leicht, wenn man bedenkt, daß entwicklungsgeschichtlich die sämtlichen respiratorischen Flächen der Lunge zunächst nach Art der Innenfläche einer traubigen Drüse gegen eine bindegewebige Grundlage und in diese hinein auswachsen, also alle an ihrer Innenfläche überall zunächst nur ein einfaches re- spiratorisches Kapillarnetz mit mäßig weiten Maschen haben. Über- all nun, wo zwei solche mit respiratorischem Kapillarnetz versehene Flächen sich erreichend aneinanderstoßen und sich gegeneinander abplatten, entsteht zwischen ihnen eine gemeinsame dünne Scheide- wand, welche durch Verwachsung und vielfache Anastomose ihrer beiderseitigen Kapillarnetze ein zunächst mindestens doppelt so enges Kapillarnetz erhalten muß, als jene Wandflächen, welche gegen eine derbe, auf der anderen Seite kein respiratorisches Kapillarnetz aufweisende Wand (wie die Pleura, die gröberen Bronchien und die größeren Blutgefäße) treffen und hier natürlich ihr einfaches Kapillarnetz behalten. F. E. Scaurze: Beiträge zur Anatomie der Säugethierlungen. 243 Hieraus begreift sich auch der von mir schon im Jahre 1871 in Strickers Handbuch der Lehre von den Geweben usw. S.473 hervorgehobene Umstand, daß in den Alveolensepten zwar nur ein einfaches Kapillarnetz enthalten ist, daß dies aber nicht ganz plan in einer Ebene ausgespannt ist, sondern daß sich seine Kapillarbalken bald mehr in die eine, bald mehr in die andere der beiden benach- barten Alveolen vorbauchen (vgl. a.a.0. S.473 und Fig. ı3ı). Je nach der Ausdehnung und dem Spannungszustande der Alveolen- wand werden diese Vorbauchungen der Kapillarnetzteile mehr oder minder weit in die betreffende Alveolenhöhle vorragen, ohne jedoch jemals ganz aus deren Wand herauszutreten. Einen bedeutenden Einfluß auf die Erleichterung des Gasaus- tausches müssen die Lücken in den Alveolensepten besonders dann gewinnen, wenn sie zahlreich werden und in vielen Kapillarmaschen, die Wand durchbrechend, schließlich einen fast allseitigen Zutritt der Luft zur Oberfläche der Kapillaren gestatten, wie dies beispielsweise bei dem Igel, dem Maulwurf und den Spitzmäusen der Fall ist. Hier sind die Kapillarnetze, wie oben hervorgehoben ist, nahezu frei in der Luft aufgehängt und fast allseitig von dieser umspült. Ausgegeben am 15. Februar. HE, ENM I 4 “re u DE A ur ER 2 u f 2 EM ENT ren Fans | nd eh er BETTER FT2) se er j a RE a; voran Tl um kt Saul RRTEGERRE Sun ii. Aiks Pan a | ’ A ande wilaaH, RINE DE Eu ne eisin Mr A rt nie Tran alu A DI hr + Ar Ir EN an, dl Liu Ge Mh De, KA Dialer jınli Br ne uf Rt ER ” lee Re era % Zn D hr a f al ale, Dirari 17) SEN e Ber NODUE. In dwe, u k | i LE TREE Al ipe EN IE T van ‚Bnltele An wa rn Def (Hi waren! ut ME PAS PirDD ES Kalı EEE 2 x - ii It u { v7 u Vila Tu HN eur Pa+32 277 ut u 4 2 ss m 5 ge a N . irTeut if NAT NET AR TI \ y ll Ur" 30) ST RTIR Lo Ba HR: LTE 2) . NE } ’ RT TITEL EU TIE TER sarddı al N Re wies um wrI rs ur AR Ua. ai DEP AM an 73 En Te SeLIEeRit:. I: oo 2 ws b er. E 245 SITZUNGSBERICHTE 1906. vn. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 8. Februar. Sitzung der philosophisch--historischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. DiELs. *]. Hr. Erman las über »die angebliche Änderungdes Klimas von Aegypten«. Noch im dritten Jahrtausend besass Aegypten auch in seinem oberen Theile sumpfige Strecken; die östliche Wüste barg in ihren Thälern grössere Bestände an Bäumen und Büschen und in Folge dessen auch einen grösseren Reichthum an Wild. In beiden Fällen ist die seither eingetretene Veränderung aber das Werk des Menschen und nicht des Klimas. Über die westliche Wüste ist nichts sicheres festzustellen; die starke Versandung, die in der Gegend von Memphis gegen Ende des dritten Jahr- tausends einsetzt, hat vielleicht nur locale Ursachen. 2. Hr. Harnack legte einen neu erschienenen Band der mit Mitteln der Hermann und Euise geb. Heckmann WENTZEL- Stiftung unternommenen Ausgabe der griechischen Kirchenväter vor: Eusebius Werke. Band 4. Hrsg. von Prof. E. Krostermann. Leipzig 1906. 3. Hr. TogLer legte das von der Akademie unterstützte Werk vor: Lo Codi. Eine Summa Codieis in provenzalischer Sprache hrsg. von H. Fırrıns und H. Sucnater. Theil ı. Halle a.S. 1906. 4. Hr. Eruan legte vor: Arch&ological Survey of Egypt. Memoir 15. The Rock Tombs of el Amarna. Part 3. By N. pe G. Davies. London 1905. Ausgegeben am 15. Februar. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei Sitzungsberichte 1906. 23 a a er — 1906. | VIH. SITZUNGSBERICHTE KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Gesammtsitzung am 15. Februar. (S. 247) Ti. Wıesaso: Fünfter vorläufiger Bericht über die von den Königlichen Museen in Milet unter- nommenen Ausgrabungen. (S. 249) Lasporr: Untersuchungen über die fraglichen Änderungen des Gesammtgewichtes chemisch sich umsetzender Körper. (S. 266) BERLIN 1906. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Aus dem Reglement für die Redaction der akademischen erers 5 Aus Sl. un Die Akademie gibt gemäss $ 41,1 der Statuten zwei fortlaufende Veröffentlichungen heraus: »Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften « und » Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften«. Aus $2. Jede zur Aufnahme in die »Sitzungsberichte« oder die »Abhandlungen« bestimmte Mittheilung muss in einer aka- demischen Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel das druckfertige Manuscript zugleich einzuliefern ist. Nieht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. SB Der Umfang einer aufzunehmenden Mittheilung soll in der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, bei Niehtmitgliedern 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- lungen nieht übersteigen. Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung ler Gesammt-Akademie oder der betreffenden Classe statt- haft, und ist-bei Vorlage der Mittheilung ausdrücklich zu ° beantragen. Lässt der Umfang eines Manuscripts ver- muthen, dass diese Zustimmung erforderlich sein werde, so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen muthmasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen. , SA. f Sollen einer Mittheilung Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeichnungen, photographische Original- aufnahmen u. s. w.) gleichzeitig mit dem Manuscript, jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen. Die Kosten der Herstellung: der Vorlagen De in der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung besclıliessen. Ein darauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der be- treffenden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage eines Sachverständigen an den vorsitzenden Seeretar zu riebten, dann zunächst im Seeretariat vorzuberathen und weiter in der Gesammt-Akademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie. Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist — wenn es sich nielıt um wenige einfache Textfiguren handelt — der Kostenanschlag beizufügen. Überschreitet dieser Anschlag für die er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberiehten 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberathung durch das Seeretariat geboten. Aus $5. Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manuseripts an den zuständigen Secretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften, und zwar, wenn eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mittheilungen von Verfassern, welche nicht Mitglieder der Akademie. sind, sollen der Regel nach nur in die Sitzungsberichte aufgenommen werden. Beschliesst eine Classe die Aufnahme der Mittheilung eines Nichtmitgliedes in die dazu bestimmte Abtheilung der » Abhandlungen«, so bedarf dieser Beschluss der Bestätigung durch die Gesammt- Akademie. eines Sachveıiständigen | | I (Fortsetzung. auf-S. 3. des Umschlags.- we a nah un nina nn me - vorlegende Mitglied 'einzusenden. ‚und leichten Schreibversehen hinausgehen. Umfängliche 4 Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden erkläre IE erhält ein Verfasser, weleher Mitglied der. Akademie ist, “ sofern er diess echiediü, dem redigirenden Secretar an- "redigirenden Secretar weitere on Exemplare an LEE Ä ‚hält ein Verfasser, welcher Mitglied der "Akademie ist, ; Aus $ 6, 4 Diean die Druckerei abzuliefernden Mannzctipte müssen, 2 wenn es sich nicht bloss um glatten Text handelt, aus- # reichende Anweisungen für die Anordnung des Satzes und die Wahl der Schriften enthalten. BeiEinsendungen I" Fremder sind diese Anweisungen | von dem vorlegenden Mitgliede vor Einreichung des Manuseripts vorzunehmen. Dasselbe hat sich zu vergewissern, dass der Verfasser - seine Mittheilung als vollkommen dıuckreif ansieht. { 7 Die erste Correetur ihrer Mittheilungen besorgen die Verfasser. Fremde haben diese erste Correctur an das £ Die Correetur soll nach 4 Möglichkeit nieht über die Berichtigung von Druckfehlern r Correeturen Fremder bedürfen der Genehmigung des redi- girenden Secretars vor der Einsendung an die Druckerei, und die Verfasser sind zur Tragung der fntstehenden Mehr- kosten verpflichtet. Ä N er. - ah! Ans 88. p :% a Von allen in die Sitzungsberichte oder Abhandlungen aufgenommenen Srissenschaftichen Mittheilungen, Reden, Airesien oder Berichten werden für die ' Verfasser, \ von wissenschaftlichen ‚Mittheilungen, wenn deren Umfang i im 2 Druck 4 Seiten übersteigt, ER fürden Buchhandel Sonder- y; 4 abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen des be- treffenden Stücks der Sitzungsberichte ausgegeben ı werden. Von Gedächtnissreden werden ebenfalls Sonderabdrucke für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, ı ‚wenn die e 3,8, ’ RE a ? v. on den Sonderabdrucken aus den Sitzungsbe chten a zu unentgeltlicher Verteilung ohne weiteres 50 Ey s exemplare; er ist indess berechtigt , ‚zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere: Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf, seine Kosten noch weitere a zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lassen, gezeigt hat;. wünscht er auf seine Kosten noch mehr Bi Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu 0 der Genehmigung der Gesammt- Akademie oder der Be treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 50 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige a \ Kosten abziehen lassen. "ET Von den Sonderabdrucken aus den Abkandinge em zu unentgeltlicher Vertheilung ER w eiteres 30] Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zı ı gleichem Zwecke r auf Kosten der Akademie weitere Exemplare | bis zur "Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 100 (im ganzen ‚also 230) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Seoretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt- Akademie oder der ber treffenden Classe. — _ Niehtmitglieder erhalten 30 Frei- exemplare und dürfen nach. rechtzeitiger Anzeige bei dem. vedigirenden . Secretar weitere 100 en of zZ Y Kosten abziehen lassen, ö $ 172 . r R . Eine. für die element en Schriften be= stimmte wissenschaftliche- Mittheilung dank in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jener Stelle anderweitig, sei es auch nur a ’ % 247 SITZUNGSBERICHTE 1906. VIH. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 15. Februar. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. Dieıs. l. Hr. Kreis las: Studien über Meteoriten, vorgenommen auf GrunddesMaterialsderSammlung der Universität Berlin. (Abh.) Es wird dargethan, dass die Structur und der Bestand der Meteoreisen dem entspricht, was die Technik künstlich darstellt, und der weitere Nachweis geführt, dass die Meteorsteine in Structur und Bestand den irdischen Gebilden gleichen, in Sonderheit, dass der Aufbau der seither als excentrisch strahlig angesehenen Chon- dren ein radialstrahliger wie bei den Sphärolithen der irdischen Gesteine ist. Hieraus geht hervor, dass die Materie auf der Erde und ausserhalb derselben denselben Ge- setzen der Bildung und Zusammenfügung unterworfen ist. 2. Hr. Scuorrky legte eine Mittheilung von Prof. Dr. E. Lanpau in Berlin vor: »Über das Nichtverschwinden einer DirıcHLEr- schen Reihe.« (Ersch. später.) Der Verfasser theilt zwei neue Beweisanordnungen für den zuerst von Dirıchter bewiesenen Satz mit: Wenn %,(r) ein vom Hauptcharakter verschiedener reeller Cha- rakter der Gruppe der zu % theilerfremden Restelassen ist, so ist der Werth der < %(r) i Summe X NO Null verschieden. n=ı 3. Hr. KekuLe von Stravonızz legte den von Hrn. Direetor Tueopor Wıesann eingesandten fünften vorläufigen Bericht über die Aus- grabungen der Königlichen Museen zu Milet vor. 4. Folgende Druckschriften wurden vorgelegt: R. KekuLe von STrA- ponıtz, Die griechische Skulptur. Berlin 1906 aus der Reihe der Hand- bücher der Königlichen Museen; E. Horn, Danmark-Norges Historie fra den store nordiske Krigs Slutning til Rigernes Adskillelse (1720 bis 1814). Bind 5. Kjobenhavn 1906 und Vol.3 der unterstützten Aus- gabe der Werke des Libanius von R. Forrster. Lipsiae 1906. Die Akademie hat in der Sitzung am ıı. Januar den Professor der Astronomie an der Universität Leipzig Geheimen Hofrath Dr. Sitzungsberichte 1906. 24 348 Gesammtsitzung vom 15. Februar 1906. Heimrıcn Bruns, den Director der Sternwarte der Harvard University EowArD CnArtes Pıckerıng in Cambridge, Mass., und den Professor der Astronomie an der Universität München Dr. Hueo von SEELIGER zu correspondirenden Mitgliedern der physikalisch -mathematischen Classe gewählt. Fünfter vorläufiger Bericht über die von den Königlichen Museen in Milet unternommenen Ausgrabungen. Von Direktor Dr. TuEopor WIEGAND in Konstantinopel. (Vorgelegt von Hrn. KekuLz von STRADONITZ.) Dieser Bericht umfaßt die Ausgrabungstätigkeit des Jahres 1905. Dem geneigten Entgegenkommen Sr. Exzellenz des Kgl. Bayrischen Kul- tusministers, Hrn. Dr. von WEnuner, verdanken wir es, daß Hr. Dr. ALBERT Reum aus München in der Weiterbearbeitung der Inschriften auch diesmal Hilfe leisten konnte. Als Architekten waren wiederum Hr. Regierungsbaumeister Hugert Knackrusz und Hr. GEORG KAwERAU tätig; als Volontäre wirkten zeitweilig Hr. Architekt A. Zwreums, Sti- pendiat der M. WaAsser-Stiftung aus Würzburg, und Hr. Dr. E. Steier aus Xanten, Stipendiat des Kaiserl. Archäologischen Instituts. Im Früh- jahr erfreuten wir uns der epigraphischen Unterstützung HırLers von GAERTRINGEN, der sich aus Anlaß der von ihm nach H. von Prorrs Tode übernommenen Bearbeitung der Inschriften von Priene zugleich mit der Topographie der Mykale beschäftigte. Am ı1. Mai wurden die Ausgrabungen durch einen Besuch des Kaiserlichen Botschafters, Hrn. Staatsministers Freiherrn MArscHALL von BIEBERSTEIN, geehrt, welcher mit Sr.M. Spezialschiff »Loreley« (Kommandant Kapitänleutnant Brünıng- nAaus) den Panormoshafen bei Didyma anlief und am gleichen Tage unsere künftige Arbeit dort mit dem ersten Hackenschlag eröffnete. Für die bevorstehende Ausgrabung des Didymeion mußten nahezu sechzig Gebäude des heutigen Griechendorfes Jeronta enteignet und demoliert werden, da sie unmittelbar auf und am Tempel standen. Daß wir mit dieser kostspieligen und mühevollen Vorbereitung schon jetzt zu Ende sind, verdanken wir außerordentlicher Hilfsbereitschaft und bedeutender materieller Unterstützung von seiten einer großen An- zahl von Altertumsfreunden. Wenn ich mir auch versagen muß, hier alle zu nennen, denen unser warmer Dank gilt, so sei doch gestattet, 24* 250 Gesammtsitzung vom 15. Februar 1906. der besonderen Mitwirkung des Verwaltungsrates des Norddeutschen Lloyd und seines Generaldirektors Hrn. Dr. H. Wıreanp zu gedenken, ferner des Geheimen Kommerzienrates Hrn. E. Arsuorp in Berlin, des Hrn. Karı Schürre und der Frau Max Horrmann in Bremen, des Hrn. Gustav H. Scuwag in Neuyork, der Frau Erısz vox Sırnens und des \ Hrn. Dr. Max ÖOechHernäuser in Berlin. Die Freilegung des Apollo- tempels kann nun ungestört im Frühjahr 1906 beginnen. Die mile- sischen Grabungen werden dadurch eine Unterbrechung nicht erleiden. Bei den neuen Ergebnissen zu Milet ist zunächst des Theaters zu gedenken, wo es bei der Niederlegung der 5m dicken, über die Bühne laufenden byzantinischen Festungsmauer Hrn. Knackrusz gelang, Ta. Wıesann: Ausgrabungen in Milet. V. 251 die fast vollständig erhaltene Bühnenvorderwand der ersten römischen Bauperiode herauszuschälen. Sie besteht aus einer 54 em dieken Marmor- wand mit drei in den Unterraum des Spielplatzes führenden Durch- gängen (Fig. 2). Vor ihr stand, in einem Abstand von nur 27 cm, eine dekorative Säulenstellung von dorischen Pfeilersäulchen mit Zahn- schnittgebälk und Simaprofil darüber. Derjenige Teil, welcher zwi- schen den beiden äußeren Türen lag, trat um die Tiefe der Säulen- Fig. 2. stellung in den Orchestraraum vor. Dadurch entstanden zu beiden Seiten Winkel, die man zur Anlage zweier achtstufiger, die Orchestra mit dem Zuschauerraum verbindender Marmortreppchen benutzt hat. Sehr merkwürdig sind die Säulen durch ihr Material: der untere glatte Teil ist aus rotem, der kannelierte obere Teil aus schwarzem Marmor, Kapi- tell und Gebälk sind von weißem Marmor. Hier haben wir also in echtem Material einmal ein Beispiel jener farbigen Architekturen, die uns bisher nur von Stuckarbeiten und Gemälden Pompejis bekannt waren. Die Säulen stehen auf weißen, in der Ebene des Orchestra- 2,52 Gesammtsitzung vom 15. Februar 1906. bodens liegenden Marmorplatten. Die Buntheit wird erst verständlich, wenn man den in den herrlichsten farbigen Marmorsorten ausgelegten Fußboden der Orchestra mit in Betracht zieht. Gerade vor der Säulen- stellung z. B. zieht sich ein breiter roter Marmorstreif her, und auch die konzentrischen Teilungen des Fußbodens sind aus rotem Marmor. Die Höhe des Spielplatzes mit 2.03 m übertrifft nicht unerheblich das von Vitruv V,6,2 vorgeschriebene Maß von höchstens 5 Fuß. Aber die Bühne liegt genau in derselben Höhe wie der Fuß der untersten Sitzreihe. Den Gebäuden an der Löwenbucht galt auch diesmal der Haupt- teil der Arbeit. Der ganze Nordmarkt wurde vom Schutte befreit. Eine starke Abräumung des Oberbaues war schon vor der Ausgrabung festgestellt worden; trotzdem mußte die Aufgabe durchgeführt werden, da sonst in dem so übersichtlich gewordenen Plan eines antiken Ha- fens eine bedauerliche Unklarheit geblieben wäre. Wir wurden denn auch durch ein vollständiges Bild der Anlage (Fig. 3) belohnt. Der Nordmarkt hat zwei Epochen durchgemacht. In der älteren, hel- lenistischen bildete er einen rechteckigen Hof, deran drei Seiten von zwei- stöckigen Marmorhallen umgeben war. Davon hatte die Südhalle keine Kammern, die Nordhalle zwölf, die Westhalle zwanzig. Die vierte, öst- liche Seite schloß mit einer einfachen Quadermauer ohne Kammern ab; in der Mitte lag ein Propylaion. Ein dreifach größerer Torbau führte dureh die Mitte der Westhalle. Dort bemerkt man, daß hellenistische Fundamente und Quadermauern unter dem Torbau herlaufen. Sie ge- hören älteren Gebäuden an, die durch die rechtwinklig von der hei- ligen Straße zum Markt abzweigende Gasse unter sich getrennt wer- den. Diese Gebäude sind noch nicht völlig ausgegraben. Man er- kennt aber auf der Nordseite der Gasse einen sich nach Norden öffnen- den Hallengrundriß, auf der Südseite außerdem eine Parallelgasse zur heiligen Straße mit auffällig kleinen Verkaufsläden. Da in einem von ihnen eine größere Anzahl geschnitzter Griffel aus Knochen zutage kamen, so liegt der Gedanke an jene kleinen Schreiberbuden nahe, wie sie noch heute im Orient allenthalben üblich sind. Die Schmuck- formen der älteren Periode des Marktes gehören der jüngeren helle- nistischen Zeit an; streng dorisch war der untere Stock ausgestaltet, der obere schloß mit einem weit ausladenden, schön gezeichneten Kon- solgesims ab. Auf dem freien Platz fanden wir die Unterbauten meh- rerer Denkmäler. Eines davon ist schräg zum Markt orientiert und zeigt auch nach dem Niveau, daß es einer weiter zurückliegenden Epoche angehört. Es besteht aus einem Gneisfundament und verklam- mertem Marmorsockel aus zwei Blöcken darüber, auf dem sich ein Zapfenloch für eine jetzt fehlende Stele befindet. Auf der Südseite nn ee 253 Ta. Wıesann: Ausgrabungen in Milet. V. Fig. 3. Zn R > . = Sr m . > zz . ||| { ® m ||| = e z Sk S ISUVYWANON ar : LAISHISNI = w . m | 2 uwarye | } . ZÜHDRHE > CET = | | » S| No1kdoNd pp 17 GEN ; | IR een un EHE I : ui | . - IN : ZEIEBNERRNEE n ji nmnungunı e I L m, _ Er re Io 254 Gesammtsitzung vom 15. Februar 1906. des Sockels (Höhe 37 em, Breite 81 em) steht folgende, dem 5. Jahr- hundert v.Chr. angehörige, die Blutschuld flüchtiger Bürger betreffende Inschrift (Renm, dem die Abschrift verdankt wird, bemerkt, daß auf Z. 7 (erkratec), 9 (Kreinociın), II und 12 (beidemal ıı völlig deutlich) Ver- schreibungen vorgekommen sind). [@)} z & A de [rlö[nN|yvmoaPpurtora Ankılmon(?)] MiKleecoöntunfröjnCrratanartocserrentändwatn[ar Yran|kaiavröclkaliekrönoc,KAlÖCÄNTINATOYTWTKATIA- TEINnH|,EKATön[cTaTAPAcAYTÖITENECcSAIÄMOTÖN PHMAlTUnTOnNYmloAPHlTo.TöOcaEemımHNioc,Kemüonäneneuwc DIENTE DE TFS IKATA|KTEINANTEIC,ATOAÖNAITOAPTYPIONÄNAEMHAYTO velinen.AnaeAmönılcälrkPpaT&ecr&enHTAlLKATAKTENAI YToocrocemımnniocllmaonännaesewcınÄNAEMHKATA- Tleinocın,öseinenelk]acTonmentTAKoNTACTATAÄPAC. ÖNAETIMÄNION,ÄMMÄTTPOBÄLEKATÖNCTATÄPACÖBEINEIN THNECIÖCANEMIMHNIHNANTTOIENKATÄTOYHEICMA' I5 8 AI DIESE NACEMH,THNAYTHNOWINNÖBEINEN. Die Inschrift ist cToıx#aön, aber unter Vermeidung der Wort- trennung außer bei Zusammensetzung mit Präpositionen geschrieben. Da sich hierdurch ungleiche Zeilenlängen ergeben, hat der Schreiber in einigen Fällen schließende Buchstaben auf die (rechte) Nebenseite gesetzt; im Druck bedeutet der senkrechte Strich die Kante. Die Schrift will Reum wegen des weit geöffneten „, des lediglich aus zwei Bogenlinien gebildeten Y und des p mit großem, manchmal länglich gestaltetem Bogen ins 5. Jahrlıundert v. Chr. setzen, und zwar ziemlich hoch hinauf. »Da man schwerlich auf Z.ı Raum hat, ein Präskript, von dem die folgenden Infinitive abhängen könnten, zu ergänzen, wird nichts übrig bleiben, als anzunehmen, der Steinmetz habe auf der Stele selbst für das Ende des Psephisma nicht mehr Platz gefunden und deshalb die Inschrift auf dem Fuß weiterlaufen lassen. Die zu Anfang genannten Personen, welche nach meiner Er- gänzung eine Blutschuld auf sich geladen haben (Z. 2 steht auf dem Stein aw//), sind uns alle unbekannt. In Z. 2 erwartet man Töc statt Ton Crratonaktoc: doch ist n durch die rechte Hasta gesichert (Ver- schreibung?). Das Folgende, die Aussetzung eines Preises, der aus dem Vermögen des einen Übeltäters (oder seines Vaters) bezahlt wer- den soll, auf den Kopf jedes der Verurteilten, ist verständlich, ebenso die Weisung bezüglich der Auszahlung und weiter die Anordnung für den Fall, daß die Missetäter lebend in die Gewalt der Behörde kom- men, und die Strafandrohung für diese Behörde im Fall der Pflicht- mm li u En Tu. Wıesann: Ausgrabungen in Milet. V. 255 versäumnis (Z.3 bis 9). Der Name dieser Polizeibehörde ist sonst meines Wissens für Milet nicht bezeugt. Nicht klar sind die drei letzten Zeilen. Da erscheint ein &m- mAnıoc statt des Kollegiums, und was seine, nach der hohen Strafe zu schließen, verantwortungsvolle Funktion ist, ist mir nicht recht verständlich; nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch hat man anzu- nehmen, daß es sich um Vorlage eines Beratungsgegenstandes in einer Versammlung handelt. Darüber mußte dann etwas in dem verlorenen Teil des Psephisma stehen, auf den ausdrücklich Bezug genommen wird. Zusammensetzung und Funktion der Behörde mag man sich nach der Analogie von CIG. 3137, 30 (Smyrna) und Ditt. Syll.” 325, 2 (Istropolis; vgl. dazu die Note Dirrengereers und seine Bemerkung zu 140, 6, Delphi) vorstellen.«' In römischer Zeit ist der Nordmarkt bedeutend verändert wor- den. Münzen aus Domitians Zeit bewiesen durch ihre Fundumstände, daß die Umgestaltung schon vor diesem Herrscher stattfand, von dem auch eine (eradierte) Ehrenbasis gefunden wurde. Man legte die Hinterwand und alle Kammerwände der Südhälfte der Westhalle nieder und erbaute geräumige Zimmer, aus denen durch die neue Hinterwand zahlreiche kleine Türen in andere Gelasse führen. Alle diese Zimmer haben farbigen Wandstuck und Mosaikfußböden. Unverändert blieben Nord- und Südhalle, dagegen wurde die hellenistische Abschlußmauer nebst Propylaion im Osten abgerissen. Statt ihrer errichtete man eine große Halle aus Mörtelwerk, durch welche der freie Marktplatz um 6m verschmälert wurde. Zwei Zimmerfluchten legte man hier hinter- einander. Da sich in keiner der Kammern eine Tür erhalten hat, so erkennt man nicht sofort, wohin die Räume sich öffneten. Es kann aber kein Zweifel sein, daß die größeren Kammern sich nach Osten öffneten, weil sich hier, entlang der Rückwand der Halle, eine sieben- stufige Treppe hinzieht, die sinnlos wäre, wenn sie nicht zu solchen Räumen geführt hätte. In einer Länge von etwa 140 m begleitet dieser Stufenbau die Westseite der 30 m breiten Prachtstraße, die vom Hafen zum Platz ! [Vermutlich entsprechen diese ermAnioı den in Priene mehrfach bezeugten em- MÄNIOI TON CTPATHTÖN. Die drei letzten Zeilen bedrohen den einzelnen Epimenios mit Strafe, wenn er seine Pflicht versäumt; er soll 100 Statere bezahlen Kai THN EcIöcan ETTIMHNIHN ÄMTIOIÄN, d.h. zur Strafe den nächsten Monat nachdienen. Von Haus aus hatte jeder EmimAnioc dem Namen nach nur einen Monat die Kosten und Lasten des Amtes zu tragen; die- sem wird ein zweiter Monat auferlegt. ewih dreisilbig ist die bei Archilochos Fragm. 109 überlieferte und bei Homer 8 192 N 669 von Nauck und Kaiser hergestellte Form, vgl. U. Banntse, Quaestiones Archilocheae (diss. Gotting. 1900) 57.71. Zu ewiif vgl. ömolloc. HırLer VON GAERTRINGEN.] 256 Gesammtsitzung vom 15. Februar 1906. vor dem Rathaus führt. Sie ist mit großen Marmorplatten belegt, der Damm ist von der Mitte aus, wo ein gedeckter Kanal läuft, nach beiden Seiten stark abgeböscht, die Gangsteige sind 5.75 m breit. An der Ostseite ist vermutlich eine durchlaufende Halle anzunehmen, hinter welcher die Räume eines großen Bades oder eines Gymnasion, das mit Bädern verbunden war, liegen. Von dort stammen große mar- morne Architravfragmente, deren einer den Inschriftrest -ı0c CwsAnhc KA-, der andere -TI0OC TO BAnANElon An&enHken enthält. Wer durch das verschließbare, 21 m breite, von 16 Säulen ge- tragene Hafentor beim Delphinion trat und nach Süden ging, sah schon auf Stadionlänge das Propylaion des Rathauses und das Süd- marktportal, das ich im vorigen Bericht nur kurz erwähnen konnte, das wir aber durch H. Knackrusz’ Studien jetzt genau kennen. Die Breite beträgt rund 29 m. Der durch drei Tore durchbrochenen Markt- wand sind an der Nordseite vier zweistöckige Tabernakelbauten vor- gelagert, deren äußere noch einmal besonders vorgelagerte Taber- nakel zeigen. Diese Architektur ruht auf einem dreistufigen, niedrigen Orthostatensockel. Die Tabernakel des Unterstockes haben attische Säulenbasen und Kompositkapitelle.. Besonders reich und gut ist das Friesrankenwerk gestaltet. Über dem Zahnschnittgeison und dem Anthemion lief eine niedrige, durchgehende Basis, die sich als flaches Schattendach auch über die Eingänge legte. Darauf erhoben sich die korinthischen Säulen der oberen Tabernakel mit akanthusgeschmückten Basen. Besonders merkwürdig und an syrische Bauten (z. B. die Grab- fassade von Petra, Srunxıczka, Tropaeum Traiani S. 66, Fig. 33) er- innernd ist die Giebellösung. Während nämlich die äußeren Taber- nakel Vollgiebel hatten, krönten Halbgiebel die inneren Tabernakel, indem sie die hohen Seiten einander zukehrten. Im Hintergrund je- doch zog sich der Giebel herum, um sich auf der Marktwand zu einem vollen Dreieck zusammenzuschließen. Jedem der bogenförmig ab- schließenden Durchgänge entsprach im Oberstock eine von korinthi- schen Säulen getragene Blendnische mit bogenförmigem Abschluß. Trotzdem der ganze Bau aus großen Quadern errichtet ist, erkennt man überall die Verwendung von Mörtel. An figürlichem Schmuck, der vielleicht zu den Blendnischen gehört, haben sich gefunden eine überlebensgroße Maske vom Typus des Zeus von ÖOtrieoli und der über- lebensgroße Torso eines nackten, jugendlichen Gottes. Ein mit Früchten gefülltes Horn lehnt an dem Stamm, der der Figur als Stütze dient. Endlich fand sich dort der überlebensgroße Marmortorso eines römischen Kaisers, dessen Panzer mit zwei Sphinxen geschmückt ist und dem zu Füßen ein gefesselter Barbar hockt. Der jugendliche Gott stand auf der um- gedreht wieder verwendeten Basis (Höhe 45 em, Breite 130 cm) eines De " Tu. Wıesannp: Ausgrabungen in Milet. V. 257 Kolossalbildes des Cn. Pompeius, das an anderer Stelle gestanden haben muß und jedenfalls schon in demselben Jahr (35 v. Chr.) beseitigt wor- den ist, in welchem sein Sohn Sextus zu Milet durch M. Titius er- mordet wurde (Appian de bell. eiv. 144): "O AAmoc Fnalon TTomrmion ['naloyv Yiöon MErAN AYTOKPÄATOPA TO TPITON TON TIÄATPWNA KAl EYEPFETHN — der Dank der Handelsstadt für den Seeräuberkrieg. Zuletzt brachte das Markttor uns noch einen äußerst wichtigen Aufschluß über das Alter jener späten Stadtmauer, welche wir bisher vorläufig als Gotenmauer bezeichnet hatten. Es hat nämlich vom Sommer des Jahres 538 n. Chr. ab als Festungstor gedient, auf dem folgende von Reum kopierte Inschrift stand. Rückseite eines 3.10 m hohen Türgewändes aus einem Stück. Der Block war, als Türsturz verwendet, der Länge nach gelegt; die Schauseite zeigt oben eine 17 cm, unten eine ıı cm hohe ursprüng- liche Stoßfläche; dazwischen ist ein Streifen von 43 cm Höhe vertieft. Die Oberfläche ist durchweg rauh gelassen. Die obere Stoßfläche trägt Z.1ı—4 der Inschrift, der mittlere Streifen Z. 5— 10: „ T Arıoc eeöc, ArIOC ICXYPöc, Krıoc Ae[AlnAToc, EREHCON HMAC. +" s “Erelnelto H möPTA Bacınlac TON eYcess B’s HMON AECTIOTÜN ons enls| lovcrinıano? Kal OeoawPpac TON #InoXxPICTWN Erove 18" Kal YTIATIAC ons "IwÄNNoY TO? ENAözS YITÄPXS TON IEPÖN TIPETOPS TO B' KS TIATPIKS Ks APXONTOC NÖNNOY TOY METANOTIPETIS KÖM Ks Yrrar[s] TO 7’, Emickoriosntoc "YaRiNeoY TO? ÄrIWTS HMÖN ÄPXIETTICK Ks TTATEPEYONTOC ıo "|WÄNNOY TO? AAMTIPS KÖMS, INAIK, A» 9..Yxs 7 Wir kennen den Bischof Hyakinthos aus Patriarchatsakten vom Jahre 536, in dem er bei der Synode zu Konstantinopel anwesend war. Untrennbar von der byzantinischen Toranlage ist nun der west- lich angebaute, nach Süden vorspringende Turm; dieser aber liegt im Zuge der großen, späten Stadtmauer, welche den Südmarkt von der Stadt ausschloß und nahe der heiligen Straße bei den Thermen ein zweites Tor besaß. So müssen wir denn von jetzt ab das ganze Verteidigungswerk als justinianische Stadtmauer bezeichnen. Auf der Rückseite der justinianischen Bauinschrift fanden sich zwei römische Orakelinschriften. In der ersten fragt der als gottes- fürchtiger Mann schon aus früheren Inschriften (vgl. II. Bericht über die Ausgrabungen in Milet, Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1904, II, S. 87) wohlbekannte Karpos, ob ihm Apollo die Verehrung des 258 Gesammtsitzung vom 15. Februar 1906. Serapis gestatte. Die Frage kennzeichnet die dominierende Stellung des didymäischen Orakels nicht weniger als die würdevolle Antwort: KArrioc EpwTA, ei, KAe@Cc TIPO- HPHTAI, TIPOCBIAEC ECTIN TO CepAmı TAN EYXHN TEAEIN' AsAnNATOI XAIPOYCI BPOTON 5 EYEPFECI TEIMAIC. Die zweite Anfrage lautet: Aneeiun EpwrA d Kal HPwnAc Anezanapeyc' "Errei MÄANTOTE 0i TE TIÄTPIOI BE0I AYTOY TTAPICTANTAI KAl CY AYTöc, En & ArrArı (so — ArAreı oder [Hır- EPrw, AlIA TOFTO AEITAI COY, AECTOTA, LER] An ArH) 5 El ENAÖEWC TIÄNTOTE ATIAANÄZEI EN TE TOIC AKPONYXOIC KAl TH TAYPOAIAA- ZIA KAl El ENAÖEWC YTIHPETHCEI. "O AıavymeYc Ee£ctiicen" ®oison Kal 800N ÖMMA CAPÄTIIAOC APPHTOIO 10 Kai Nemecın CTAAIOICIN ETTICKOTION AleaHTäon? Aıccömenoc BOYAAICI TEAIC ETTAPHTÖNAC EEEIC. Die Akpönvxa scheinen sich auf bestimmte, zu Anfang der Nacht übliche sakrale Begehungen zu beziehen. »Man denkt unwillkürlich an die modernen Vigilien« schreibt Hr. R. Wünsch, der mich auf das Theokritfragment bei Ath. VII, S. 2384A ceAzwn AKPÖNYXocC TAYTH 8E® iepön ixeyn aufmerksam machte. Bei raypoaıaazıa, das nicht belegt ist, »möchte man beinahe eine Breviloquenz für TAyromaxoalarzia annehmen, so daß es die Vorbereitung für ein Stiergefecht wäre«. Hrn. Wünscn verdanke ich weiter den Hinweis auf Lyd. de mens., S. 6, 20 seiner Ausgabe, für Nemesis als Göttin von Wettkämpfen (vgl. dazu Philol. LII, 1894, S. 400—415). An demselben Platz vor dem Rathause, wenige Schritte östlich vom Markttor, entdeckten wir in dem Raum zwischen Südmarkt und Nymphäum ein anderes, reich geschmücktes Marmorpropylaion, das aus der späteren Römerzeit stammt, aber sehr gut ausgeführt ist. Der soeben erst freigelegte, aber in den Übersichtsplan (Fig. 1) schon ein- gezeichnete, etwa Io m breite Bau erhob sich auf fünf Stufen, auf denen vier korinthische Säulen standen. Der Architrav ist über den seitlichen Interkolumnien gerade, geht aber über dem Mittelinterkolum- nium in einen Bogen über in der Art der Grabdenkmäler, die HEBERDEY und Wirgers aus Termessos bekanntgemacht haben (Jahreshefte 1900, S. 198 ff). Der mit Rankenwerk dekorierte Fries und die mit dem sogenannten Pfeifenornament geschmückte Hängeplatte machen diesen Ti. Wırsanp: Ausgrabungen in Milet. V. 259 Bogen mit. Das Ganze überdeckte ein Giebeldach. Pläne und eine genauere Beschreibung wird der nächste Bericht bringen. Da zu ver- muten war, daß ein so außerordentlich ansehnlicher Eingang zu einem bedeutenden Bezirk führe, wurde die Grabung in östlicher Richtung fortgesetzt. Dabei ergab sich zunächst eine altchristliche Basilika mit zahlreichen Anbauten in einer Länge von mehr als 8o m und über 40 m Breite. Sie hat zwei Vorhöfe mit Säulenperistylen, die so an- gelegt sind, daß das römische Tor zwischen beiden stand. Ein kleiner Zentralbau, vermutlich die Taufkirche, schloß sich im Norden an. Hier, wo sich eine der römischen Bogenwasserleitung parallel laufende römische Quadermauer erhalten hat, fanden wir, in den Eckpfeilern ver- baut, die Blöcke der Ante eines Marmorbaues mit folgender, den Verkauf des Priestertums des Asklepios betreffender Inschrift römischer Zeit: Araehı TYxHi. Of CTPATHrOI TÄC TIWnE- ewc (so) Tı. Kanyaıoc Atonvcöawrpoc, NeYki- oc "loynıoc "PoFeoc, Tı. Kaayaroc Arnonnw- nioc, BeömnHToc OeomnHtov, Eicion s 'Erırönoy, EYtyYxoc "ErepActoy TIWw- AOFNTEC TEPOCYNHN ÄCKAHTIIO? TIPÖ TIÖNE- WC KAl TON ENTEMENIWN AYTOY BEWN TIAN- TWN, XWPIC EI TI TIPOTIETIPATAI YTIÖO TOY AH- MOY, NÖMON TIBENTAI TÄ TIPACI TÖNAE, €o Ö 10 Ö TIPIAMENOC IEPEW AÄTIOFPAYEI TTAPAXPHMA TIPÖC TOYC TAMIAC KAl BAcInic, Ö AE ATIOTPA- olc TepAceTaı EIC ETH TIENTHKONTA, AYTOC A 0i aıAaoxoı AYToF, Teneceic Aıl Tenec- OYPFÖIl, ®OPÖN ECEÄTA, OIAN AN AYTOC soY[aH- ss [TAI Es fehlt wenigstens ein Block (14 Zeilen) 6] 30 APO®ÖPOC KAl Ö TIAPABYAAE EKACTOC AYTÜN oIN Äpcena. eYErtwcaln) A& Kal Oi TIAIAONÖMOI YTePp TÄC Yriac TON TIAIAWN EN TAI AYTÄı H- MEPAI OIN KAl AIAETWCAN TÖI TEPEI CTINÄTXNA, NE®PÖN, CKONIÖON, IEPÄN MOIPAN, FAWCAN, CKEAOC 35 AECEION EIC KOTYAHAONA TETMHMENON Kal THN AOPÄN Kal TÄ AOITÄ TEPA. BYETWCAN AL Ö- Mo!wc KAl Ol AFTONO@ETAI KAl Ö CTESANHKÖPOC, ÖMOolWC A& Kal Al TÄ AOXIA EKTTOPEYÖMENAI KAl ZWNNYMENAI. EAN A& TIC MN BYCcHI H BYcAc 0 MN AD TÄ lEPA, ATIOTICEI TW IEPEI APA- XMÄC AECKAAYW. 260 Gesammtsitzung vom 15. Februar 1906. Wenn das hier erwähnte Heiligtum des » Asklepios vor dem Tor« an dieser Stelle liegt, so muß es in so hohe Zeiten hinaufreichen, daß damals dieser Teil der Halbinsel noch außerhalb der Stadt lag. Vielleicht handelt es sich aber um ein anderes in römischer Zeit vor den Toren liegendes Asklepieion, das von einem städtischen Tempel abhing, der hier lag. Ein großer Marmortempel dorischen Stils aus hellenistischer Zeit ist jedenfalls in dem neugefundenen Bezirk vor- handen gewesen. Das beweisen nicht nur diese Antenblöcke, sondern auch die im Baptisterium und dem benachbarten Justiniansturm ver- bauten Säulentrommeln, Triglyphenfriesblöcke (Höhe 67.5 cm, Breite 41.5 cm, Metopenbreite 60.5 cm), Hängeplatten mit Mutuli und Simen- fragmente mit großen Löwenköpfen. Tiefgrabungen werden im nächsten Jahr vielleicht mehr davon bringen. Am Delphinion haben unter Kawrraus besonderer Aufsicht Auf- räumungsarbeiten und Nachtragsgrabungen stattgefunden, bei welchen sich noch eine Reihe von Innensäulen der hellenistischen Hallen er- gaben sowie eine größere Anzahl von Hallenwandblöcken mit Neu- bürgerlisten. Auf einigen erkannte Remm die Tätigkeit der Ansiede- lungskommission für die Flüchtlinge, die um das Jahr 180 v. Chr. von Kreta gekommen waren. Als erster der Ansiedlungskommissare wird der uns von der wichtigen Ehrenbasis im Rathaus her bekannte Staatsmann Lichas, Sohn des Hermophantos, genannt (vgl. diese Sitzungsberichte 1901, XXXVII, S. 905). Ferner ergab sich, daß die frühere Annahme, auf dem kreisrunden Fundament in der Mitte des Delphinion habe ein großer Dreifußbau gestanden, irrtümlich ist. Dieses Fundament ist nämlich nicht, wie es dann gefordert werden müßte, gleichmäßig durchgeschichtet, sondern es ist nur ein Ringfundament, so daß angenommen werden muß, daß ein regelrechter, innen zu- gänglicher Rundbau, den wir in seinem Oberbau nicht kennen, auf dem Ring gestanden hat. Die Annahme, daß es sich um einen vollen Kernbau handele, war dadurch mit veranlaßt worden, daß der Ring über dem Fundament einer älteren Exedra errichtet ist, die jedoch nur halbkreisförmig war. Besondere Erwähnung verdient eine beim Delphinion gefundene griechisch-nabatäische Bilingue. In nabatäischer Schrift sind die beiden ersten Zeilen geschrieben, die nach einer Hrn. Generalkonsul Dr. Morpr- MANN in Smyrna verdankten hebräischen Transkription folgendermaßen lauten: \umasmna xobans "DD P/ na] | vo mya sobsanmay on Sy mm ? | .. klü, Bruder des Königs, Sohn des Taim|u ee für das Heil des Königs Obodat, im Monat Tebet] ...... Tu. Wırsanp: Ausgrabungen in Milet. V. 261 »Der König Obodat, bei Steph. Byz. s. v. “OsoaA “Osöanc, der erste dieses Namens, wird Anfang des ı. Jahrhunderts v. Chr. ange- setzt, womit die griechische Inschrift hinsichtlich ihres epigraphischen Charakters stimmt (B,E,k).« Der griechische Text lautet: -Aloc Anensöc Bacınleuc - - aneenken All Aoyl- - Hierzu bemerkt Hr. Dr. Morvruann: »AIOZ zu Anfang enthält den Rest eines nabatäischen Eigen- namens, vielleicht z.B. ZABBAIOS— ST Das Ende der zweiten Zeile ist wohl zu ergänzen AIIAOY[ZAPEI denn Dusares ist der Nationalgott der Nabatäer. Die Stellen über Dusares aus den alten Schriftstellern, Münzen (z.B. Bostra, Germa, Adraa) und Inschriften habe ich in der Zeitschr. der Deutschen Morg. Gesellschaft Bd. 29, S. 99— 106 zusammengestellt. Neues ist nicht dazugekommen. Wir kennen Inschriften nabatäischer Kaufleute in Puteoli aus der gleichen Epoche.« Zum Schluß ist der Grabungen in den großen Thermen zu gedenken, die sich als ein sehr unregelmäßiges Grundrißgebilde (Fig. 4) in den Zwickel schieben, den die heilige Straße mit dem östlichen Uferstaden des Theaterhafens bildetee Am südlichen, abgestumpften Ende des Winkels lag der Eingang in den Saal A, dessen Hypokaustenanlagen vortrefflich erhalten sind. Er bildet nur den Vorsaal zu B, dem größten Raum der Anlage, welcher noch nicht völlig ausgegraben ist. Die Umfassungsmauern dieses Raumes stehen in einer Höhe von über ı5 m aufrecht, die seitlichen Gemächer harren noch der Ausleerung. In D erkennt man ein Badebassin. Die Hauptfassade der Anlage lag am Theaterhafen und wurde durch eine wohl über Ioo m lange, ein- stöckige Säulenhalle gebildet, deren korinthische Marmorsäulen auf altarförmigen Basen stehen. Nicht alle Säle der hinter dieser Halle liegenden Flucht dienten Badezwecken: der im Frühjahr 1905 frei- gelegte nördlichste Apsidensaal © war ein Vorlesungsraum, ein Museion. Ein Pulpitum für die Vortragenden, das man später in die Apsis ein- baute, hat von beiden Seiten kleine Aufgangstreppcehen; diese be- ginnen in zwei kleinen Seitenzimmern, die von dem Hauptsaal durch eine Tür zugänglich sind. Die Langwände des Saales enthielten jeder- seits fünf Bildnischen, drei befinden sich in der Apsis. Zahlreiche Reste dieses Schmuckes haben sich in Gestalt lebensgroßer Marmor- Gesammtsitzung vom 15. Februar 1906. Fig. d. 262 um (TE SIEITTTITSTEEETEITESTETTOTRTTITTTITTTN DERLRTTRLLLERT; VTRZZEE DEE SEES WELL, VD / 7 L AAAL ASSÄNRAOFTTEGUFGENDUNOTTUSTHONSTTTHTIHGLTTTGGUSCHUFTATTTESTONTTN DE, A R Ga IS S RZ Z I N —d—— 9 Vm7an7 1 =- au 40, rem MRLIEEIGG, S S| PRZZZZZZZEEZER VD DIESES EI DS ÄZS_- -- ------- ---.... en x > = & 2 56% CH} Se AN I = : Zap Te. Wırsannp: Ausgrabungen in Milet. V. 263 statuen wiedergefunden: der Panzertorso eines römischen Kaisers mit Medusa- und Greifendekoration, ein spätrömischer, nicht hierzu passen- der bärtiger Porträtkopf; der Torso einer weiblichen, sogenannten Fig. 5. Gürtelfigur (vgl. E. Hrrkex- RATH, Athen. Mitt. 1905, S. 245 ff.), die vermutlich eine Porträtstatue war, end- lich ein männlicher Torso in einfachem Chiton, zu dem der erwähnte Porträtkopf ebenfalls nicht paßt. Ein Aphroditetorso vom Typus der theräischen Statuette (s. Remacn, Repertoire II S. 334, Nr.7) lag am süd- lichen Vorsaal A, sei aber gleich hier miterwähnt. Von größerer Wichtigkeit ist die im Saal C erfolgte Auf- findung einer Apollostatue und von sechs Musen. Apollo ist leierspielend, in praxitelischer Weise sich an einen schlanken Altar lehnend, dargestellt. Bis auf die Hände und die Nasenspitze ist die Statue wohl erhalten. Der rechte Arm ruht über dem Kopf, welcher eine entschiedene Verwandtschaft mit dem des Praxitelischen Satyr hat; die Haltung älınelt am meisten der des Apollo von Kyrene (Reinach, a. a. O.S. 96, Nr. 5). Unter den Musen erkennt man die meisten Typen wieder, welche das Relief des Archelaos von Priene (WArtzıngrr, 63. Berliner WınckeLmanss Programm, Taf. I) und die Musenbasis von Kni- dos (ebenda Taf. II) aufweisen. Diesen beiden gemeinsam ist die hier abge- bildete Figur der Terpsichore (Fig. 5). Gefunden ist ferner die sitzende, deklamierende Muse des Archelaosreliefs (Warzınser, Taf. I, links oben), Sitzungsberichte 1906. DE 49] 264 Gesammtsitzung vom 15. Februar 1906. dann Urania und die stehende Muse mit der Schriftrolle in der erhobenen Rechten (Warzıseer S.6, Nr. 3). Eine stehende Figur, deren Kopf zwar erhalten ist, deren Unterarme jedoch fehlen, findet ihre Erklä- rung auf der knidischen Basis durch die Muse mit der Flöte in der Linken bei Warzinger, S.7, Nr. 5ff. Keinem Typus der beiden Reliefs entspricht die milesische Melpomene: sie hält die tragische Maske in der herabhängenden Linken, der rechte Arm ist emporgehoben. Seit- dem durch W. Auerunes Beobachtung feststeht, daß uns die beiden Reliefs Musentypen des rhodischen Künstlers Philiskos überliefern, ge- winnen die milesischen Statuen eine erhöhte Bedeutung. Als Rund- skulpturen ermöglichen sie z. B. sofort die Feststellung, daß bei der Übertragung der Typen auf die Fläche der genannten Reliefs die Be- wegungsmotive mehrfach erheblich verändert worden sind. Den Wert der Kopien wird es kaum vermindern, daß sie erst in der Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. entstanden sein dürften. Denn damals erst sind die Thermen, als Stiftung einer der beiden Kaiserinnen Faustina, erbaut worden. Wir wissen das aus zwei Gedichten, deren erstes auf dem rechten Eingangspfeiler des großen korinthischen Bogentores stand, das in den Musensaal führte. Die Abschrift stammt von Freiherrn HırLer Von GAERTRINGEN, einige Ergänzungen hat Reun beigesteuert: [Evrvxöc] MaxäAlrlıoc, [arlıwn AlArın AnezAmenoc] ÄNAPOSÖN@N" TO AL KFaolc En [Anerwroicı MerıcTon '] 5 ÄNT” ÄCIAPXIHC AOYTPON Erelvze neon]. EyrTyxöc. Ofrtoc 5 Makapioıo trenwpıoc EneAae Köcmolc], ON KAMEN H TIÄTPH @PETITPA XAPIZÖMENOC, ANT ÄCIAPXIHC YTTATON KAEOC ÄCTEI TEYEAC 10 EYxAPiHc An6xoY TAIC ATANO@POCYNAIC. Eyrvxüc. MaxAPIOC TO AOETPON EC ÄPXAION BETO KÄNNOC @AYCTEINHC KAMATWN ale]YTeroc ÄBAOBETHC TATIANÖC A& TIONOIO AIKACTIOAOC EYPATO TEPMA 15 TÄC NYM®AC KANEWN t[alc TIYPl MICTOMENAC ÄCTEI A WTITACE KÖCMON, ENAYPIZOYCI AC MÖXEWN TÄNTEc, avcımönoıc xev[macı T|epTIoMmenoxc). DAYcTinhc TO TANAIÖN Em|onvmon| Hcea AOETPOY, Anna ce Makapiov NIN Kalacceı mratplıa, 20 OYNneK’ Aveıaficac KTeAn|wn] meranavxelnı e]vm@ rAPAc ArıozYcac AaYeılc Eenke Neon. nn. rt TEE. ee Ta. Wırsann: Ausgrabungen in Milet. V. 265 Der Schrifteharakter weist in das späte 3. Jahrhundert n. Chr. Die Mittel zur Renovation sind von Eucharia, der Gattin des Maka- rios, gegeben; aber ihm soll der Ruhm zufallen, denn Z. 19. 20 wird das Bad apostrophiert: früher hießest du das Bad der Faustina, jetzt aber wirst du nach Makarios benannt. Daß die jüngere Faustina ge- meint ist, darf aus der kurzen Lebenszeit der Gemahlin des Antoninus Pius vermutet werden, ausgeschlossen ist aber auch diese nicht; wohl aber erscheint mir ausgeschlossen, daß die Musenfiguren erst zur Zeit des Makarios hinzugefügt worden sind, denn dafür würde man eine schlech- tere Arbeit erwarten. — Die zweite Inschrift ist vor der Südseite der Thermen gefunden worden; sie steht auf einer Marmorsäule, die schon vor Beginn der Ausgrabung bekannt war (Athen. Mitt. 1880 S. 336, dort unvollständig): Araeh TYxn. “Heyxioy T6A’ ÄranMA, TO A AITION 0Y MIA MOYNH TIPÄEIC, ONH A ECTIN TIATPIAOC ATAAIH' Kiun YYITenhc Öx&wNn BACIAHIAA MOPSHN 5 PAYCTINHC, AOETPÖN, NHÖC ÄTTEIPECIOC, Kai noeTPo? TIonYc ÖnBoc, ÖN ÄPTITTATOTC ATIO TAIHC ÖrTAceN, Fa’ Önkol Kannıpölon| YaAtuln]. EyrvYxöc. Da Hesychios der Faustina ein Denkmal errichtete, so ist er frü- her als Makarios anzusetzen, dessen Verherrlichung den Tod der Kai- serin voraussetzt. Die Inschrift zeigt aber auch, daß die kaiserliche Spende für den Riesenbau bei weitem nicht ausgereicht haben kann. 266 Untersuchungen über die fraglichen Änderungen des Gesammtgewichtes chemisch sich umsetzender Körper. Von H. Lanporr. Zweite Mittheilung. (Vorgetragen am 26. März und 11. December 1902, 3. December 1903, 24. No- in Jahre 1893 hatte ich in diesen Berichten' eine experimentelle Arbeit über die Frage veröffentlicht, ob bei chemischen Umsetzungen das Gesammtgewicht der betheiligten Körper ganz unverändert bleibt, oder ob kleine Abweichungen erkennbar sind. Die Möglichkeit solcher konnte entweder in dem Umstande vermuthet werden, dass die Schwer- kraft auf verschiedene Körper nicht mit völlig gleicher Intensität wirkt, oder dass die Gesammtmasse eine Vermehrung bez. Verminderung erfahren hat. Das letztere war damals denkbar zufolge einer von LoTHArR Mever aufgestellten Hypothese, nach welcher in die Zusammen- setzung der chemischen Atome neben den Theilchen der Urmaterie auch der vielleicht nicht ganz gewichtlose Äther eingeht, dessen Menge sich bei der Reaction möglicherweise ändert und der durch die Gefäss- wandung hindurchtreten kann. Die Versuche erstreckten sich auf Reactionen, welche in wässeriger Lösung vor sich gehen. Die betreffenden Substanzen wurden getrennt in die beiden Schenkel N-förmiger Glasgefässe gebracht, deren Einfüll- öffnungen man nachher zuschmolz, und zwar stellte man stets zwei solcher Apparate (A und BD) von nahezu gleichem Gewicht und überein- stimmendem äussern Volum her, welche auf die beiden Schalen der Wage zu stehen kamen. Es wurde nunmehr die Gewichtsdifferenz derselben bestimmt: ı. im anfänglichen Zustande, 2. nach Vornahme der Reaction in Apparat A, und 3. in 5, wodurch doppelte Aus- führung jedes Versuchs stattfand. ! Sitzungsber. 1893, S. 301—334. Lanporr: Gesammtgewicht chemisch sich umsetzender Körper. 267 Die Untersuchung betraf folgende Umsetzungen, bei welchen der zweitgenannte Körper immer im Überschuss vorhanden war: Ag,SO, + 2FeSO, = 2Ag-+Fe, (SO,), HJO, + 5HJ = 6J + 3H,0 2J + 2Na,SO, = 2NaJ +Na,S,0, C,C1,H,0,+KOH = CHCI, + CHKO, + H,0 C,C1,H,0, + Wasser (Lösungsvorgang) np wu - In der nachstehenden Tabelle enthält: Col. IT Angaben über die an der Reaction betheiligten Mengen Substanz, Col. V die beobachtete Gewichtsänderung in Milligramm, Col. VI den anhaftenden mittlern Wägungsfehler.' Wägungs- fehler Beobachtete | Gewichts- | änderung I. Silbersulfat Abge- er | I 4A —0.167 mg | 0.021 mg und schiedenes 2 B —0.131 0.030 Ferrosulfat Silber 60 » | 3 B —0.130 0.017 e 4 A —0.047 0.022 = 499 | B —0.11 3 I. Jodsäure Abge- : A = 25 Sn und schiedenes 80.0 .) B Baer Se Jodwasserstoff Tod 2 „ ; e bi | —0.177 | 0.012 ua | 6) B | -o.oıı | 0.013 Ver | 10 A +0.105 | 0.008 II. Jod und 1 2 9 11 B —0.031 | 0.017 Natriumsulfit | cenes 2a A 0.002 | 0.020 Jod IIO» | 13 | B —0.127 | 0.017 IV. Chloralhydrat| Angewandtes | A und Chloral- 150 o| | = B 0017 | 4 Kaliumhydroxyd hydrat es ze | >53 V. Chloralhydrat |Chloralhydrat 312 2 I | A see RE und Wasser | Wasser 104» Wie aus der Tabelle ersichtlich, waren bei den zwei erstgenannten Reactionen stets Gewichtsveränderungen eingetreten, und zwar von Beträgen, welche die Wägungsfehler meist weit überschritten. Da es sich jedoch gezeigt hatte, dass erstens von den sechs Versuchen mit Jodsäure und Jodwasserstoff zwei (Nr. 4 und 9) fast gar keine Ab- weichungen ergaben, zweitens bei der Umsetzung zwischen Jod und ! In der früheren Abhandlung war nicht der mittlere, sondern der wahrscheinliche Fehler angegeben, welcher $ des erstern beträgt. 268 Gesammtsitzung v. 15. Febr. 1906. — Mitth. aus den Jahren 1902— 1905. Natriumsulfit (Nr. 10—13) sowohl positive wie negative Zahlen auftraten, und endlich keine bestimmte Proportionalität zwischen Reactionsmasse und Gewichtsänderung erkennbar war, so konnte immer noch die Vermuthung aufkommen, dass vielleicht Versuchsfehler äusserer Art das Eintreten der völligen Gewichtsconstanz verhindert haben. Ich erklärte daher die Abweichungen für nicht bestimmt er- wiesen, fügte aber am Schlusse der Abhandlung hinzu, dass es wohl Interesse bieten würde, die wiederholt aufgetretenen Gewichtsabnahmen, welche sich bei der Reduction von Silber und Jod gezeigt haben, durch eine Reihe weiterer Versuche auf ihr wirkliches Bestehen zu prüfen, weil immerhin keine vollständige Sicherheit darüber herrsche, dass dieselben sämmtlich auf Beobachtungsfehlern beruhen. Bezüglich der obigen Versuchsergebnisse wies R. v. Liegen! darauf hin, dass sie möglicherweise in Beziehung stehen können zu der bei den Reactionen auftretenden Änderung der Dissoeiationsverhältnisse, bez. dem Auftreten oder Verschwinden von Elektronen. Nachdem bereits auf anderen Wegen (Kathodenstrahlen) nachgewiesen worden ist, dass ihnen eine bestimmte Masse zukommt, musste bei der in der Tabelle erwähnten Umsetzung Il sowie auch I, wo ein Zurück- drängen der Gesammtdissociation stattfindet, Gewichtsabnahme statt- finden, dagegen Zunahme bei III, wie es auch bei Versuch Nr. 10 beobachtet wurde. Die Vorgänge IV und V lassen wegen der äusserst geringen Dissociation keine Gewichtsänderung erwarten, was mit den Beobachtungen übereinstimmt. Zu dieser Hypothese kann jetzt schon bemerkt werden, dass die nachfolgend angeführten Versuche von HEYDWEILLER sowie von mir, welche beim Lösen von Salzen statt der vorauszusetzenden Gewichtszunahme eine Abnahme ergaben, nicht mit ihr im Einklang stehen. Versuche anderer Beobachter. Wie schon in der ersten Ab- handlung bemerkt, hatte bereits im Jahre 1891 KrEIcHGAUER in Berlin versucht, ob bei der chemischen Vereinigung von Quecksilber mit Brom oder Jod im geschlossenen Gefäss das Gesammtgewicht sich ändert, und dabei nur minimale Differenzen erhalten. Nach dem Er- scheinen meiner Arbeit wurde sodann der Gegenstand von einer An- zahl weiterer Beobachter verfolgt, und zwar liegen bis jetzt nach- stehende Untersuchungen vor: a) F. Sanrorn und L. E. Ray” prüften 1897 die Reaction zwischen ammoniakalischer Lösung von Silbernitrat und Traubenzucker unter Bei- behaltung der von mir angewandten Methoden, jedoch mit geringerer ! Physikalische Zeitschrift von Rırcke und Sımon, Jahrg. I, S. 237 (1900). ®2 Physical Review vol. V, p. 247 (1897). Lanporr: Gesammtgewicht chemisch sich umsetzender Körper. 269 Genauigkeit der Wägungen. Bei der Reduction von etwa 60 g Silber ergaben 5 Versuche die Zahlen: Versuch Nr. I 2 3 4 5 Beobachtete Gewichts- Anderung... 2.2.0; —0.05 —0.05 —0.03 +0.04 +0.08 mg Wahrscheinlicher Feh- ler der Wägung... =£0.07 =£0.05 0.07 50.04 =0.04 mg Es traten somit positive und negative Abweichungen auf, und zwar von derselben Grössenordnung wie die Wägungsfehler. b) Im Jahre 1901 veröffentlichte A. HrypwEizter eine ausführliche Arbeit! über Gewichtsänderungen bei chemischen und physikalischen Umsetzungen. Die Versuche sind ebenfalls unter Anwendung zweier N-Röhren und mit Beachtung aller Vorsichtsmaassregeln ausgeführt worden. Eine Abweichung von meinem Verfahren bestand nur darin, dass die Gefässe nicht durch Zusatzkörper gleichvolumig gemacht, sondern ihre Volumdifferenz ermittelt und der ungleiche Auftrieb beim Wägen mittels Bestimmung der jeweiligen Luftdichte corrigirt wurde. Das Gewicht eines fertiggestellten Apparates belief sich auf etwa 300 9, und dasjenige der eingefüllten Substanzen + Wasser auf etwa 200 g. — Der wahrscheinliche Fehler des Mittelwerthes der Wägungen beträgt nach HEYDwWEILLER 0.01 mg, und er nimmt an, dass Gewichtsände- rungen, welche den Betrag von 0.04 mg überschreiten, nicht mehr auf Versuchsfehler zurückzuführen sind. Es wurden die in der folgenden Tabelle angegebenen Versuche ausgeführt. Beobachtete Gewichts- änderung Beschiekung der beiden Schenkel der Gefässe I. Eisen und Kupfersulfat. a) Lösung neutral. (13.96 9 Fe) (63.3 9 CuSO,.5aqg+100g Wasser) .................. —0.026 my 2 | (13.96 9 Fe) (63.19 CuSO,.5aq-+100 g Wasser) ..........2.0000..- +0.019 b) Lösung alkalisch. 3 | (15 g Fe) (79.9 9 CuSO,.5aq+ 130 g Wasser mit Spur NaOH)...... —0.217 4 | (15 9 Fe) (69.69 CuSO,.5aq+115 g Wasser mit 0.13 9 NaOH) .... —0.161 5 | (18.39 Fe) (98.09 CuSO,.5aq-+103 9 Wasser mit 0.23 9 NaOH)... —0.176 e) Lösung sauer. 6 | (159 Fe) (69.6 9 CuSO,.5aq-+114.2 g Wasser mit 0.36 9 H,SO,) .. —0.097 7 —0.158 (18.3 9 Fe) (103.29 CuSO,.5aq +92 g Wasser mit 0.06 9 H,SO,) .. ! Drupe’s Ann. d. Physik 5, S. 394 (rg9or). Vorläufige Mitth. in der Physikal. Zeitschrift ı, S. 527 (1900). 270 Gesammtsitzung v. 15. Febr. 1906. — Mitth. aus den Jahren 1902 — 1905. Beobachtete Gewichts- änderung Beschickung der beiden Schenkel der Gefässe II. Lösen von Kupfervitriol in Wasser. 8 | (62 g aus alkalischer Lösung krystallisirtes Salz) (151 g Wasser)....... —0.029 9 (62 9 gewöhnliches Kupfervitriol) (147 g Wasser) .........z2sueee2 2. —0.126 10 | (5o g gewöhnliches Salz) (150 9 Wasser enthaltend 7.3 9 H,SO,) ..... —0.081 II (50 g gewöhnliches Salz) (150 g Wasser enthaltend 3.7 9 H,SO,) ..... —0.072 III. Mischen von Rupfersulfatlösung mit verdünnter Schwefelsäure. ı2 | (389g CuSO,.5aq-+11og Wasser) (2.37 y H»SO,+10g Wasser) .... +0.014 IV. Mischen von Kupfersulfatlösung mit Kalilauge. (38 g CuSO,.5aq-+rıog Wasser) (2.25 9 KOH-+ 10 g Wasser) 13 nach halbem Zusatz der Kalilauge... 0. un. —0.037 14 nach ganzem Zusatz der Kalilauge. ............00cueeeesene —0.092 (33 g CuSO,.5aq+ 92 g Wasser) (10.04 9 KOH-+ 40 9 Wasser) 15 nach vollständiger Vermischung in Gefäss A ........ceeeeceeo —0.068 16 nach halber Vermischung in Gefäss B..............2erc22000» —0.059 17 nach ganzer Vermischung in Gefäss B ...........2ee2erceeccnn —0.080 18 | (34.4 9 CuSO,.5.aq-+ 99.5 g Wasser) (13.4 9 KOH-+15 g Wasser) ... —0.045 V. Essigsäure und Ammoniak. 19 (49.7 9 C;H40,+ 87.5 g Wasser) (15.3 9 NH3+123.7 9 Wasser) ..... —0.034 20 | (50.49 0,H},02+88.5 g Wasser) (15.69 NH3+125.9 9 Wasser) ..... —0.026 VI. Baryumchlorid und Schwefelsäure. 21 | (20.0 BaClz-+100 g Wasser) (9.7 9 HzSO,+40.3 9 Wasser) .......-. —0.016 Was in der Tabelle zunächst in die Augen fällt, ist das ganz über- wiegende Auftreten des — Zeichens, und es sind daher die Resultate ähnlich wie die von mir erhaltenen, welche ebenfalls grösstentheils Ge- wichtsabnahmen ergeben hatten. In Bezug auf die einzelnen Vorgänge zeigt sich Folgendes: I. Die Umsetzung zwischen Fe und CuSO, verlief ohne nachweis- bare Gewichtsänderung, wenn der angewandte Kupfervitriol säurefrei war (Vers. I, 2), dagegen trat eine weit über die Versuchsfehler (0.04 mg) hinausgehende Abnahme ein, wenn die Lösung nur eine sehr kleine Menge Alkali (Vers. 3, 4, 5) oder Schwefelsäure (Vers. 6, 7) enthielt. Die Wirkung dieser Substanzen ist räthselhaft. II. Beim Lösen von säurefreiem Kupfervitriol in Wasser zeigt sich abermals kaum eine Verminderung (Vers. 8), wohl aber eine starke bei Anwendung von gewöhnlichem Salz (Vers. 9) oder nach Zusatz von Schwefelsäure (Vers. IO, II). III. Beim Mischen von Kupfersulfatlösung mit verdünnter Sch wefel- säure fand keine Gewichtsänderung statt (Vers. 12). Lanporr: Gesammtgewicht chemisch sich umsetzender Körper. 271 IV. Die Zersetzung von Kupfersulfat durch Kalilauge (Vers. 13 bis 18) war immer von einer Gewichtsabnahme begleitet, welche bei theilweiser Vermischung der Flüssigkeiten kleiner ist als bei voll- ständiger (Vers. 13, 14 und 16, 17). V. Die kleine Gewichtsänderung, welche beim Neutralisiren von Essigsäure mit Ammoniak auftrat (Vers. 19, 20), bleibt innerhalb der Versuchsfehler (0.04 mg). VI. Bei der Zersetzung von BaCl], durch H,SO, ist dasselbe der Fall. Wie HrvypweizLer hervorhebt, lässt sich gar kein Zusammenhang der'Gewichtsänderungen mit andern bei der Reaction auftretenden phy- sikalischen und chemischen Vorgängen auffinden, sie zeigen sich so- wohl bei Vermehrung (Gruppe II) wie Verminderung (IV, VI) der elektro- lytischen Dissoeiation, Dichte (II, VI), und magnetischen Permeabilität (N). Zu den Versuchen Hrvypweızter’s machte Lord Ravreıen' die Be- merkung, dass in den Gefässen vor der Umwandlung nicht immer ein Gleichgewichtszustand vorhanden gewesen sei, so z. B. bei Gruppe II, wo in dem einen Schenkel fester Kupfervitriol, im andern Wasser sich befand. Es konnten hierbei durch fortwährendes Überdestilliren des Wassers Temperaturänderungen eintreten, welche die Gewichts- bestimmung möglicherweise beeinflussen. In einer Entgegnung Hrvp- WEILLER’sS” weist derselbe darauf hin, dass, wenn hierin die Ursache des bei den Versuchen 9 bis 11 beobachteten Gewichtsabnahmen läge, die Wirkung sich dann auch bei Vers. 8 hätte zeigen müssen, wo aber keine wesentliche Änderung auftrat. c) J. JoLy? in Dublin hat 1903 auf ganz andere Weise versucht, ob beim Lösungsvorgang von Kupfervitriol in Wasser eine Änderung der Masse zu beobachten ist. Kurz angedeutet, bestand das Verfahren darin, dass an einem Ende einer Drehwaage ein die beiden Substanzen anfangs getrennt enthaltendes Glasgefäss aufgehängt und, wenn Mit- tags oder Mitternachts die Arme senkrecht zur Richtung der Erdbe- wegung standen, die Lösung vollzogen wurde. Es musste Beschleunigung eintreten, wenn Masse verschwand, und umgekehrt. Von 14 Beob- achtungen sprachen 8 entschieden und 3 weniger deutlich für Massen- abnahme, 2 waren dagegen und die letzte zweifelhaft. d) In das Jahr 1903 fallen noch einige von G. Kanısaum” aus- geführte Versuche, betreffend die Frage, ob bei der Umwandlung der grauen Modification des Zinns in die weisse und umgekehrt eine Ge- ! Nature 64, 181 (1901). ?2 Physikal. Zeitschrift 3, 425 (1902). ® On the Conservation of mass. Royal Dublin Soc. Trans. Ser. Il, Vol. 8, p. 23 bis 52 (1903). * Verhandl. d. Naturforsch. Gesellsch. zu Basel 16, 441 (1903). 272 Gesammtsitzung v. 15. Febr. 1906. — Mitth. aus den Jahren 1902 — 1905. wichtsänderung bemerkbar ist. Die Wägungen liessen eine solche nicht erkennen. e) Von A. Lo Surpo' in Messina ist 1904 eine sorgfältige Unter- suchung der Reaction zwischen Eisen und Kupfersulfat ausgeführt worden. Er wandte N-Gefässe aus Thüringer Glas an, welche, wie bei Heypweirzer’s Versuchen, einestheils etwa 15 g Eisenpulver enthielten, anderntheils etwa 80 g Kupfervitriol und 200— 250 9 Wasser, welches mit einer kleinen Menge Ätznatron versetzt war. Das durch Zusatz- körper auf 0.004—0.023 ccm ausgeglichene äussere Volum der Ap- parate wurde vor und nach der Reaction bestimmt, wobei sich die nachstehend unter b verzeichneten Änderungen ergaben. Die Wägungen geschahen mittels einer mit Spiegelablesung versehenen Waage von Sar- torius in Göttingen (Empfindlichkeit 20— 30 Scalentheile pro Milli- gramm), welche die Einrichtung besass, dass die Gefässe nicht nur umgewechselt, sondern auch geneigt werden konnten, wodurch sich die Reaction innerhalb des Waagekastens ausführen liess, ohne Be- rührung des Glases. Der wahrscheinliche Fehler des Mittels aus 6 bis 7 Einzelwägungen betrug = 0.003 bis & 0.007 mg, in einem Falle =E 0.012 mg. Fünf Versuche ergaben folgende Resultate: Versuch Nr. I 2 3 4 5 a) Gewichtsänderung +0.008 —0.008 —0.008 -+0.013 0.003 mg b) Volumänderung -+0.0I1 0.002 -+0.008 + 0.003 —0.006 ccm Da die Versuchsfehler im Ganzen auf höchstens 0.02 mg zu schätzen sind, so liegen die Gewichtsänderungen vollständig innerhalb dieser Grenze, und sie würden sich auch durch Anbringung einer durch die Volumänderung der Gefässe bedingten Correction nur unwesentlich ändern. Lo Surpo zieht daher den Schluss, dass bei chemischen Re- actionen keine merkbaren Verschiedenheiten des Gesammtgewichts eintreten. Hierbei ist aber zu bemerken, dass sich dieser Ausspruch nur auf die Umsetzung zwischen Eisen und Kupfersulfat bezieht. Angesichts der von verschiedenen Beobachtern erhaltenen wieder- sprechenden Resultate war eine erneute Untersuchung des Problems zur dringenden Nothwendigkeit geworden. Es musste endlich mit Be- stimmtheit entschieden werden, ob die von Hrn. HrypwEILLErR und mir bei mehrfachen Reactionen ganz vorherrschend gefundenen Gewichts- ! Nuovo Cimento Ser. V, Vol. 8 (1904). u TEE. Lanporr: Gesammtgewicht chemisch sich umsetzender Körper. 273 verminderungen nur auf Versuchsfehlern beruhen, hervorgebracht durch rein äusserliche, wenig Interesse bietende Ursachen, oder ob sie im Zusammenhang mit der Substanzänderung stehen. Da nach den bisherigen Erfahrungen' eine etwa vorhandene un- gleiche Wirkung der Schwerkraft auf verschiedene Körper verschwindend klein ist, so kann, gestützt auf das Axiom von der Erhaltung der Materie, die Ursache der beobachteten Gewichtsabnahmen nur in einer Verminderung der Masse gesucht werden. In meiner ersten Mittheilung war an das Vorhandensein von entweder in den Atomen selbst ent- haltenem (LorTHAr Meyer) oder um dieselben stark verdichtetem Aether (C. Näseuı) gedacht worden, welcher bei der Reaction theilweise ent- weicht. Ferner wurde schon oben die von Liegen’sche Ansicht er- wähnt, dass die Gewichtsänderungen vielleicht mit dem Auftreten oder Verschwinden von Elektronen in Beziehung stehen. Endlich lässt sich aber in dem gegenwärtigen Zeitalter der Radioactivität, wo die frei- willige Veränderlichkeit der Atome mehrerer Elemente erkannt worden ist, die Vermuthung aussprechen, dass in Folge der heftigen Er- schütterung, welche die Atome bei chemischen Reactionen erleiden, auch bei andern Elementen als den radioactiven eine Abspaltung eines kleinen Theiles ihrer Masse vorkommen kann. Hält man es für möglich, dass die losgelösten Theilchen bei ihrer Kleinheit durch die Gefässwandung hindurchgehen, so würden hiernach bei chemischen Umsetzungen Gewichtsabnahmen eintreten können, aber keine Gewichtszunahmen. Als ich mich entschloss, den Gegenstand von Neuem aufzunehmen, liessen die früher in den Jahren 1390— 1892 gemachten Erfahrungen eine sehr zeitraubende und mühsame Arbeit voraussehen. Es hatte sich gezeigt, dass die aufgetretenen Gewichtsänderungen nie den Betrag von 0.17 mg überschritten, ja meist sich nur in den Hundertstel Milligrammen bewegten, einem Gebiete, in welchem bei der Wägung von Glasgefässen mehrfache Fehlerquellen ins Spiel treten können. Hoffnung auf das Erlangen sicherer Resultate war nur vorhanden, wenn die Genauigkeit des Versuchsverfahrens sowie besonders der Wägungen gegen früher noch erheblich gesteigert werden konnte. Glück- licherweise liess sich dies ermöglichen durch sehr dankenswerthe Unter- stützungen seitens der Akademie der Wissenschaften und des Kgl. Cultus- ! Nach den bereits in der ersten Abhandlung mitgetheilten Beobachtungen von R. von Eörvös sowie D. KreıchsAuER ist anzunehmen, dass, wenn überhaupt eine Differenz in der Schwere von Körpern gleicher Masse, aber verschiedener Substanz vorhanden ist, diese weniger als ein Zwanzigmilliontel der gemessenen Grösse beträgt. Für eine Reactionsmasse von 100 bis 200 g, wie sie bei den hier bezüglichen Versuchen in Anwendung kam, würde der Unterschied 0.005—0.010 mg betragen, also in die Ver- suchsfehler fallen. 274 Gesammtsitzung v. 15. Febr. 1906. — Mitth. aus den Jahren 1902 — 1905. ministeriums, welche mich in den Besitz einer neuen vorzüglichen Waage nebst andern nöthigen Instrumenten brachten. Ende des Jahres 1901 wurde mit den Versuchen begonnen; sie lieferten bei verschiedenen Reactionen wie früher fast stets Gewichtsabnahmen, aber es blieben doch häufig Zweifel bestehen, ob dieselben nicht auf äussere Einflüsse zurückzuführen waren. Zutrauen zu den Resultaten konnte ich erst gewinnen, nachdem eine ausgedehnte Versuchsreihe beendigt worden war, bei welchen die Gefässe mit nicht reactionsfähigen Substanzen beschickt und dann genau in gleicher Weise behandelt wurden, wie es bei den Versuchen mit chemisch sich umsetzenden Körpern geschah. Hierbei ergaben sich sowohl Gewichtszunahmen wie -abnahmen in fast gleicher Zahl, und ferner von einer Grösse, welche erheblich unter der bei Reactionen auftretenden lag. Wie später ausführlich dargelegt, konnte als grösster Fehler, welche dem ganzen Versuchsverfahren einschl. der Wägung anhaftet, der Betrag von &0.03 mg festgesetzt werden. In der vorliegenden Mittheilung muss ich mich auf die Angabe der Resultate und eine kurze Erörterung der Methoden beschränken. Das Beobachtungsmaterial im Einzelnen ist sehr umfangreich, und ich bin daher genöthigt, über die ganze Arbeit noch einen ausführlichen Bericht zu erstatten, welchen ich für die Abhandlungen der Akademie einreichen werde. Verfahrungsweisen. Die Versuche sind im Wesentlichen auf die gleiche Weise wie die frühern ausgeführt worden. Über die Einzelheiten der ange- wandten Methoden mögen hier nachstehende Angaben folgen. 1. Reactionsgefässe. Zu den meisten Versuchen dienten N-för- mige Röhren aus Jenaer Gerätheglas mit ıo cm langen und 5 cm weiten Schenkeln. An dem obern gebogenen Verbindungsstück von 8 cm Länge und 2 cm Durchmesser sassen die beiden kurzen Einfüll- röhren von 0.7 cm Weite. Gewicht der gefüllten Apparate 360—450 9, äusseres Volum 400—450 cem. Äussere Glasoberfläche 370—400 gem. Eingefüllte Substanzen inclusive Wasser 250— 350 9. Die N-Röhren waren kleiner als die bei den alten Versuchen gebrauchten, welche das Gewicht von 700—980 g und das Volum von etwa 900 cem be- sessen hatten. Eine zweite Art von Apparaten, in der Folge mit 0 bezeichnet, bestand aus einem ı2 cm hohen und 7 cm weiten Glascylinder A, am Boden geschlossen und oben in eine Einfüllröhre ausgehend. Im Innern von A, und zwar am Boden, war ein oben offener Glasbecher B von 8 cm Höhe und 5 cm Weite angeschmolzen, wodurch ein ring- förmiger Zwischenraum entstand, in welchen die eine der Reactions- Lanporr: Gesammtgewicht chemisch sich umsetzender Körper. 275 substanzen eingefüllt wurde, während die andere in das Innere des Bechers B kam. Schliesslich umgab den Cylinder A noch ein grösserer geschlossener Dewar’scher Glasmantel C von ı3 cm Höhe und 3 cm Durchmesser, mit luftleer gepumptem Raum zwischen A und C. Hier- bei blieb das Volum des äussern Gefässes C unberührt von den Volum- änderungen, welche das Gefäss A in Folge der Reactionswärme er- leiden konnte. Gewicht der gefüllten Apparate 450—550 9 (Füllung 170— 260 g), äusseres Volum etwa 600 cem, äussere Glasfläche etwa 350 gem. Drittens habe ich zu einigen Versuchen M-förmige Gefässe aus Quarzglas benutzt, welche von Hrn. Hrrarus in Hanau hergestellt worden waren. Sie hatten dieselbe Grösse wie die N-Röhren aus Glas, besassen aber nur eine Einfüllöffnung an der obersten Stelle des Bo- gens. Diese wurde anfänglich mit einer gesehmolzenen Mischung aus 3 Theilen Kolophonium und ı Theil Wachs, später durch Zuschmelzen im Knallgasgebläse geschlossen. Die Gefässe sind bis jetzt nur wenig benutzt worden, weil wegen ihrer sehr dünnen Wandung die Befürch- tung entstand, dass eine Druckänderung im Innern von Einfluss auf ihr Volum sein könne. Endlich kamen auch N-Röhren aus Glas in Anwendung, deren innere Wandung mit einer Schicht von festem Paraffin überzogen wor- den war. Veranlassung hierzu hatte der schon bei den alten Versuchen sowie auch neuerdings beobachtete Übelstand gegeben, dass Glasgefässe sich bisweilen als nicht vollständig dicht erweisen, entweder in Folge eines kleinen Sprunges oder einer durchgehenden Luftblase im Glase. Man merkt die Anwesenheit solcher Stellen bei Vornahme der ersten Wägungsreihe, wenn die Gewichtsdifferenz beider Gefässe von Tag zu Tag eine kleine Änderung in gleichem Sinne erfährt.‘ Derartige Undichtheiten, welche viel Zeitverlust verursachen, sind auch von HevpweıLLer wahrgenommen worden. Sämmtliche Glasgefässe wurden vor dem Gebrauch, um ihre äusserste Schicht alkaliärmer und dadurch weniger hygroskopisch zu machen, mehrere Tage in verdünnter Schwefelsäure und nachher in Ammoniak liegen gelassen. 2. Beschiekung und Ausgleichung der Gefässe. Beim Einfüllen der Substanzen in die N-Röhren wurde Sorge getragen, beide Schenkel in gleicher Weise zu belasten. War dies nicht möglich, wie z.B. bei den Lösungsversuchen von Salzen in Wasser, so geschah die Ausgleichung durch Zusatz indifferenter Körper, wie böhmischer Gra- naten oder Iserinkörner. — Ferner wurde in den meisten Fällen die ! Beispiele solcher stetiger Änderungen finden sich in der ersten Abhandlung S. 314. 276 Gesammtsitzung v. 15. Febr. 1906. — Mitth. aus den Jahren 1902 — 1905. Flüssigkeitsoberfläche in einem oder auch beiden Schenkeln der N-Röhren mit einer Schicht Paraffinöl bedeckt, um Verdampfung zu verhüten. Nach dem Zuschmelzen der beiden Reactionsgefässe bestimmte man mittels einer Kilogrammwaage, welche ı mg angab, das Gewicht und durch Wägung unter Wasser von gleicher Temperatur das Volum derselben. Sodann wurde zu dem kleinern und leichtern Gefäss aus dünnwandigen Glasröhren von 5 mm Durchmesser ein geschlossener Zusatzkörper angefertigt und dessen Volum vermittels Eintauchen in eine theilweise mit Wasser gefüllte Messröhre, welche 0.02 ccm ab- lesen liess, so lange geändert, bis Ausgleichung der beiden Gefässe auf weniger als 0.04 cem erreicht war. Der durch die Schwankungen des Luftgewichtes zwischen den Grenzen 1.15 und 1.25 mg pro I ccm verursachte Auftriebsfehler lag sodann unterhalb 0.004 mg. Die Ge- wichtsausgleichung auf einige Milligramm geschah theils durch Ein- füllen von Sand in den Zusatzkörper, theils durch Anhängen von Platindraht.' Zur Wägung kamen die N- sowie O-Apparate in passende gleich schwere Stative aus vergoldetem Messing zu stehen, wodurch die Belastung der Waageschale auf etwa 490 g bez. 550 g stieg. Beim Transport der Gefässe wurde jede Berührung mit der Hand vermieden; es diente hierzu ein gabelartiges Instrument aus polirtem Stahl. Be- hufs Ausführung der Reaction setzte man den Apparat in ein passend construirtes Messingstativ, welches den erstern nur an wenigen Stellen berührte, und vollzog die Mischung der Substanzen durch allmähliches Neigen der ganzen Vorrichtung. 3. Waage. Das benutzte Instrument war in der für Construction von Präeisionswaagen rühmlichst bekannten Werkstatt von Aus. Rurp- RECHT in Wien angefertigt worden.” Tragfähigkeit 600 9, Länge des Messingbalkens 150 mm, Verbindung der Endpfannen mittels zweier ! Ein Beispiel zweier ausgeglichener Apparate ist Folgendes: Gefäss A Gewicht Volum Ursprüngliches Gefäss........ 352.585 9 393.133 ccm Blatindrahtiser er re, 0.159 0.007 352.744 9 393.140 ccm Gefäss B Gewicht Volum Ursprüngliches Gefäss ....... 345-019 9 390.459 ccm Zusatzkorpen-e en en ann. 7.566 2.678 Blatindrahte me. 0.155 0.007 352.740 9 SERBUSISLAALC Gewichtsdifferenz 0.004 mg — Volumdifferenz 0.013 ccm. 2 Dasselbe ist abgebildet in dem Preisverzeichnisse dieser Firma vom Jahre 1902, S. 29, Nr. 48. Ze u Zu ee * . . - ler Lanporr: Gesammtgewicht chemisch sich umsetzender Körper. 277 gekreuzter Schneiden mit dem Schalengehänge, Auflegung von 120, 121, 122, 140, 155.5, 160 ng schweren Platin Diff. Gewichten auf die Gehänge von aussen, Spiegel und Fernrohrablesung auf 3 m Distanz, ferner durch Gestänge von der gleichen Länge automatische Um- wechselung der Belastungen, Transport derselben auf die Schalen, endlich Auslösung des Balkens und der Schalen. Empfindlichkeit für ımg bei 500 g Belastung anfänglich 400 ablesbare Scalentheile (Zehntel- Millimeter), nach 4Jjährigem Gebrauch allmählich auf 280 zurückgehend. Halbe Schwingungsdauer 35 Sec. Die Waage war in einem Zimmer des frühern II. Chemischen Instituts der Universität aufgestellt und Erschütterungen von der Strasse her wenig ausgesetzt, wohl aber von solehen aus dem Innern des Gebäudes, welche sich jedoch fern- halten liessen. Die Heizung des Raumes geschah durch einen immer- fort brennenden Gasofen mit Chloräthylregulator, der eine vorzügliche Constanthaltung der Temperatur erlaubte. Die Bestimmung des Gewichtsunterschiedes der beiden Gefässe wurden nach dem in der ersten Abhandlung S. 310 angegebenen Gauss’schen Verfahren mit zweimaliger Umwechselung der Belastungen und viermaliger Empfindlichkeitsbestimmung ausgeführt. Hierbei waren im Ganzen 4 Schwingungspunkte zu ermitteln, und zwar jeder durch 3 bis 5 Auslösungen des Balkens. Die Einzelheiten des Verfahrens werden in der künftigen ausführlichen Abhandlung erörtert werden; hier beschränke ich mich auf einige Angaben über die Leistungen der Waage. a) Indem zwei cylindrische Messinggewichtsstücke von 400 9, welche um etwa 4 mg von einander abwichen, in völlig gleicher Lage auf die Schalen gebracht und an verschiedenen Tagen gewogen wurden, ergaben sich für den genauen Gewichtsunterschied die Zahlen: 4.2588 — 4.2591 — 4.2589 — 4.2584 — 4.2576 mg Mittel: 4.2586 #0.0003 mg (mittlerer Fehler'). Grösste Wägungsdifferenz: 0.0015 mg. b) Bei anderen Wägungsreihen derselben Gewichte fielen jedoch die Abweichungen erheblich grösser aus; z. B.: 4.273 — 4.260 — 4.250 — 4.242 — 4.260 mg. Mittel: 4.257 &0.005 mg. Grösste Wägungsdifferenz: 0.031 mg. c) Die Bestimmungen des Gewichtsunterschiedes der gläsernen Reactionsapparate ergaben beispielsweise folgende Resultate: ! Es ist in der Folge stets der mittlere Fehler, nicht der wahrscheinliche, be- rechnet worden. 278 Gesammtsitzung v. 15. Febr. 1906. — Mitth. aus den Jahren 1902— 1905. 1. 3.964 — 3.972 — 3.958 — 3.971 — 3.966 mg. Mittel: 3.966 0.004 mg. Grösste Wägungsdifferenz: 0.014 mg. I. 5.816 — 5.804 — 5.793 — 5.839 — 5.827 mg. Mittel: 5.316 0.008 mg. Grösste Wägungsdifferenz: 0.046 mg. 4. Wägungsfehler. Dieselben entstanden hauptsächlich durch folgende Einflüsse. a) Verschiedene Temperatur der beiden Balkenarme. Zur annähernden Erkennung derselben waren durch die aus Kupfer her- gestellte Deckplatte der Waage zwei Thermometer eingeführt, deren grosse Quecksilbergefässe bis zur Mitte jeder Balkenhälfte führten und einige Millimeter davon abstanden. Die oben herausragenden Scalen wurden durch ein Fernrohr abgelesen und dazu temporär von hinten durch Glühlampen beleuchtet. Die Thermometer, welche !/o0° schätzen liessen, zeigten sehr gut übereinstimmenden Gang, und man konnte während der Dauer einer Wägung nie eine Abweichung der- selben beobachten. Dessenungeachtet waren vielleicht Differenzen von tausendstel Graden vorhanden, und wie die Rechnung ergiebt, muss, wenn die Länge des Balkenarmes ı50 mm, die Belastung 500 g und der Ausdehnungscoefficient des Messings 0.000019 beträgt, ein Tem- peraturunterschied von 0.001° das Wägungsresultat schon um bei- nahe 0.01 mg ändern. Behufs gleichmässiger Wärmevertheilung war übrigens im Innern der Waage an der Rückwand eine dicke Kupfer- platte aufgestellt und überdies das Gehäuse mit Schirmen umgeben. b) Gleichmässige Änderung der Temperatur beider Bal- kenarme. Wurden die nämlichen Belastungskörper an verschiedenen Tagen bei abweichenden Temperaturen gewogen, so zeigte sich immer, dass Wärmezunahme eine erhebliche Verschiebung aller Schwingungs- punkte nach rechts bewirkte, und zwar betrug derselbe für 1° etwa 10 ganze = 100 ablesbare Scalentheile. Die linke Balkenhälfte musste sich also stärker ausdehnen als die rechte. Vielfache Gewichtsbestim- mungen bei abweichenden, aber während der Wägung constant bleiben- den Temperaturen ergaben jedoch gut übereinstimmende Resultate. Da indess das ganze Wägeverfahren die Zeit von ı bis I$ Stunden in Anspruch nahm, so liess sich bisweilen nicht vermeiden, dass die beiden Thermometer gleichmässig um einige hundertstel Grade stiegen oder fielen. In diesem Falle wird bei Anwendung der Gauss’schen Methode mit hin- und rückläufiger Ausführung der Theilwägungen der Wärme- einfluss compensirt; immerhin verursachten die kleinen Temperatur- änderungen schon eine beginnende Unruhe der Waage, in Folge deren sicher . . ” r" “7 Lanporr: Gesammtgewicht chemisch sich umsetzender Körper. 279 bei wiederholten Auslösungen grössere Differenzen in den Gleichge- wiehtslagen auftraten. ec) Ungleiche Lage der Belastungen aufden Waageschalen. Wenn die aufgelegte Last nicht vollkommen gleichmässig um die von der Endschneide des Balkens ausgehende Schwerpunktlinie vertheilt ist, so wird beim Auslösen der Waage eine Verschiebung der Schale mit ihrem Gehänge stattfinden, wodurch Neigung der Pfanne gegen die nicht absolut scharfe Schneide und somit eine minimale Änderung der Balkenlänge eintreten kann. Beträgt diese nur 0.0001 mm, so entsteht bei der Balkenlänge 150 mm und der Belastung von 500 9 auf das Wägungsresultat bereits ein Einfluss von 0.333 mg. Bei der Rurprecuht’schen Waage wird zwar diesem Übelstand durch die Ein- schaltung zweier gekreuzter Schneiden zwischen dem Pfannengehänge und dem Schalenbügel grösstentheils vorgebeugt, aber immerhin war eine möglichst vollkommene Centrirung der Belastungsmasse, d.h. des Reactionsgefässes mit seinem Stativ nothwendiges Erforderniss. Hierzu diente ein besonderes Instrument, bestehend aus einer vertical dreh- baren, cardanisch aufgehängten Waageschale, welche auf der untern Seite eine Iocm lange Spitze besass, die gegenüber einer am Fuss- gestell der Vorriehtung befindlichen zweiten Spitze einspielte. Nach- dem der Apparat vermittels Führungszapfen immer in gleicher centrischer Lage auf die Schale gesetzt worden war, musste entweder durch Ver- schiebung des Glasgefässes auf seinem Stativ, oder nach vollbrachter Reaction durch Umgiessen der Flüssigkeit in den Schenkeln der N-Röhren die Masse so vertheilt werden, dass bei der Drehung der Schale die beiden Spitzen stets zusammenfielen. Sodann wurden die beiden Ap- parate in die Waage gebracht, wobei der Mechanismus derselben be- wirkte, dass sie immer auf die gleiche Stelle der Waageschalen sich aufsetzten. Ferner konnten sie in die um 180° gedrehte Lage gebracht werden. War die Centrirung gut gelungen, so fielen die in beiden Stellungen vorgenommenen Wägungen sehr übereinstimmend aus. Bei unsymmetrischer Massenvertheilung konnten dagegen Differenzen bis nahezu 0.1 mg eintreten; in diesem Falle erreichte man aber befrie- digende Resultate, wenn die beiden Apparate in jeder der zwei Lagen aufgesetzt, und dann das Mittel der 4 Wägungen genommen wurde. Die ausführliche Abhandlung wird das Nähere hierüber bringen. Weitere Einflüsse, wie elektrische oder magnetische, kamen bei den Wägungen nicht in Betracht. 5. Durch die Reactionsgefässe bewirkte Versuchsfehler. Dieselben können durch folgende Ursachen entstehen: a) Erwärmung des Gefässes bei Ausführung der Reaction. Die Vermischung der Substanzen wurde nie plötzlich, sondern während Sitzungsberichte 1906. 26 280 Gesammtsitzung v. 15. Febr. 1906. — Mitth. aus den Jahren 1902— 1905. zwei Tagen in kleinen Portionen vorgenommen, wobei aber zeitweise eine Erwärmung um 5°—7° nicht zu vermeiden war. Hierdurch konnte gleichzeitig eintreten: erstens eine Vergrösserung des Volums des Gefässes, welche bei der Abkühlung möglicherweise nicht wieder auf den frühern Betrag zurückging, und zweitens eine Verminderung der Wasserhaut an der äusseren Glasfläche. Da durch beide Ursachen das Gefäss an Gewicht verliert, so lag hierin vielleicht der einfache Grund für die vielen Gewichtsabnahmen, welche bei den chemischen Reactionen beobachtet worden sind, und es musste deshalb der Ein- tluss der Erwärmung genau untersucht werden. Zu diesem Zwecke wurde von zwei mehrfach gewogenen Apparaten der eine + bis ı Stunde in ein auf 30°—40° erhitztes Luftbad gesetzt und dann nach Ablauf von zwei Tagen wiederholt der Wägung unterworfen. Vielfache schon bei meiner frühern Arbeit und auch jetzt wieder vorgenommene Ver- suche zeigten aber immer, dass selbst bei dieser viel stärkern Erwär- mung keine wesentliche Gewichtsänderung constatirt werden konnte. Die Belege folgen in der ausführlichen Abhandlung. Auch Hr. Hryp- WEILLER' hat dieselbe Erfahrung gemacht. Was die sogenannte Wasserhaut an der äussern Glasfläche be- trifft, welche aus Glaslösung, condensirten Öldämpfen aus den ma- schinellen Theilen der Waage und Staubpartikeln besteht, so schwankt das Gewicht derselben auf der 370 cm” betragenden Oberfläche der N-Gefässe zwischen 0.133 und 0.182 mg. Bei den gleich grossen, aber viel weniger hygroskopischen Quarzgefässen betrug es nur 0.037 bis 0.082 mg. DieseZahlen ergaben sich aus dem Gewichtsverlust, welchen ein mehrere Wochen in der Waage verbliebener Apparat erlitt, wenn er mittels eines mit Alkohol befeuchteten Batisttuches abgewaschen wurde. Da bei den Reactionsversuchen immer zwei Gefässe von völlig gleicher Oberfläche in Anwendung kamen, so konnte das Gewicht der Wasser- haut keine wesentliche Verschiedenheit besitzen, und dass auch die Änderung desselben durch wechselnden Feuchtigkeitsgehalt der Luft in gleicher Weise erfolgte, ergab sich aus dem Constantbleiben des Gewichts bei wochenlang fortgesetzten Wägungen derselben Apparate. b) Volumänderung der Gefässe durch Druckänderungen im Innern. Die vorgenommenen chemischen Reactionen sind immer von einer Volumänderung der Gesammtmasse begleitet, welche in einer Abnahme besteht, wenn aus flüssigen Körpern sich feste abscheiden und umgekehrt. So tritt z. B. bei der Umsetzung zwischen Silbersulfat und Ferrosulfat in wässerigen Lösungen von den angewandten Concen- trationen eine Verminderung des Volums der Flüssigkeitsmasse um ! Drupe, Ann. d. Phys. 5, 402, 403. u Lanporr: Gesammtgewicht chemisch sich umsetzender Körper. 281 1.67 Procent ein." Besitzt die in einen Apparat eingefüllte Menge der Substanzen nebst dem Wasser das Volum von 300 ccm, so hat sich dieses bei der Reaction auf 295 cem vermindert, und wenn über der Flüssigkeit sich 100 ccm Luft vom Drucke 760 mm befanden, muss letzterer auf 724 mm sinken. Um zu prüfen, welchen Einfluss solche Druckänderungen auf die Wandungen der N-Röhren, welche die Dieke von 0.75 bis 0.8 mm besassen, ausübt, wurde ein besonderer Apparat aus dem nämlichen Glase hergestellt. Derselbe bestand im Wesentlichen aus einem geschlossenen eylindrischen Gefäss von 400 cem Inhalt, um- geben von einem mit Wasser gefüllten Glasmantel, welcher in eine enge graduirte Röhre auslief. Indem man die Luft im innern Cylinder verdichtete oder verdünnte, liess sich an der Verschiebung des Wasser- standes in der Röhre deutlich die Volumänderung feststellen, und mehr- fache Versuchsweisen ergaben, dass für je 100 mm Zu- oder Abnahme des Druckes das ursprüngliche Volum von 400 ccm sich um 0.0036 cem vermehrte oder verminderte. Da bei den Reactionsversuchen die Druck- variation niemals IOO mm erreichte, so änderte sich somit das Volum der Gefässe in so geringem Grade, dass kein wesentlicher Auftriebs- fehler bei der Wägung zu befürchten war. Einige weitere Ursachen möglicher Versuchsfehler, welche der Prüfung unterworfen wurden, mögen hier nur kurz erwähnt werden. So gab der Umstand, dass bekanntlich auf galvanisch vergoldeten Messingflächen durch Oxydation eyankaliumhaltiger Stellen bisweilen Flecken entstehen, Veranlassung, die zur Aufstellung der U-Gefässe benutzten vergoldeten Stative auf Unveränderlichkeit ihres Gewichts zu untersuchen. Es zeigte sich, dass dieses völlig constant blieb. — Da ferner, wie früher schon bemerkt, einige mit Reactionsflüssigkeiten beschickte Apparate bei fortgesetzten Wägungen Gewichtsabnahmen zeigten, ohne dass der Grund aufzufinden war, wurde geprüft, ob vielleicht ein langsames Durchwandern von Wassertheilchen durch die dünne Glaswand erfolgen kann. Zu diesem Zwecke füllte man von zwei N-Apparaten den einen mit Wasser, den andern mit Paraffinöl und bestimmte ihre Gewichtsdifferenz während drei Monaten. Es fand kein Leichterwerden des wasserhaltigen Gefässes statt. Fast alle der genannten Fehlerquellen haben auf die schliesslichen Wägungsresultate mehr oder weniger Einfluss, aber sie lassen sich nicht einzeln in Rechnung ziehen. Um über ihre Gesammtwirkung ein Urtheil zu erhalten, war eine besondere Beobachtungsreihe nöthig, darin be- stehend, dass man je zwei Apparate mit gänzlich indifferenten Sub- ! Berechnet aus den Dichten der festen Körper und Lösungen vor und nach der Umsetzung. 26° 282 Gesammtsitzung v. 15. Febr. 1906. — Mitth. aus den Jahren 1902— 1905. stanzen beschiekte und dieselben dann den gleichen Operationen und Wägungen unterwarf, wie die mit reagirenden Körpern gefüllten. Hierdurch musste sich der dem ganzen Versuchsverfahren anhaftende Fehler ergeben. Die Feststellung desselben bildet die erste Gruppe der nachfolgenden Beobachtungsresultate. Beobachtungsergebnisse. Wie früher schon bemerkt, können in dieser Abhandlung hur die Endresultate, d.h. die bei den Versuchen erhaltenen Gewichts- änderungen, mitgetheilt werden. Dieselben leiten sich ab aus der Gewichtsdifferenz der beiden Apparate A und B: bei Wägungsreihe I: Vor der Reaction. » » II: Nach der Reaction in Apparat A. » » III: Nach der Reaction in Apparat B. Jede Reihe bestand aus 4 bis 8 Einzelwägungen, und der mitt- lere Fehler des Mittels derselben schwankte zwischen =0.002 und +0.008 mg. Indem man mit A stets das schwerere Gefäss bezeich- nete, bedeutete Abnahme von II gegen I Gewichtsverminderung, Zu- nahme dagegen Gewichtsvermehrung von A. Nach der Reaction in B musste Wägung III wieder nahe mit I übereinstimmen. Die Tabellen enthalten noch den Wägungsfehler des Resultats, berechnet durch Summirung der mittlern Fehler der beiden betheiligten Wägungs- reihen, z. B.: Be Resultat Tao Eu = “ A — _—_——{— — . —— ® “suls° differenz nn Ei Gewichts- Wägungs- reihe Ar Fehler Gefäss indemmk fehler > I 3.588 mg=E 0.00 Y 39 g R a. | A —0.076 mg= 0.009 3.512 » °O. > \B —0.58 » #0.011 Hl’, 3.576 »72E9:005 I. Bestimmung des Gesammtversuchsfehlers durch Beschickung der Gefässe mit nicht reactionsfähigen Substanzen. Die beiden Abtheilungen der Reactionsgefässe wurden entweder mit der gleichen oder auch zwei verschiedenen indifferenten Flüssig- keiten beladen (Versuch Nr. ı—7). In andern Fällen (Versuch Nr. 8 bis 19) benutzte man die Apparate, in welchen bereits eine Reaction ausgeführt worden war, und wiederholte mit der darin enthaltenen nunmehr gleichförmigen Masse die früher vorgenommenen Manipula- Lanporr: Gesammtgewicht chemisch sich umsetzender Körper. 283 tionen nochmals. Um die fehlende Reactionswärme zu ersetzen, wurde bei mehreren Versuchen (Nr.4, 5; 10, ıı) das Gefäss einige Zeit in Die Ergebnisse sind in ein auf 30°—40° erhitztes Luftbad gesetzt. der folgenden Tabelle zusammengestellt. Pamzkmjeem DIRT meeNG an VI Füllung Vers. Zeit der Gewicht | 6 Beobachtete E der Sl Aus: Art der Gefässe der | En Gewichts- | Wem Gefässe Nr. führung Füllung | "°° | änderun g genen | Wasser 1903 N Jenaer —0.003 mg | 0.012 mg Januar | Gerätheglas Wasser 1903 N Jenaer +0.005 0.015 Februar Gerätheglas ++-0.007 0.014 Wasser 1903 N Jenaer +0.002 mg | =+0.011 mg Paraffinöl Juni Gerätheglas —0.007 0.013 Wasser 1903 N -Röhren —0.008 mg | =#0.009 mg Quecksilber März Quarzglas —0.017 0.004 m au 1904 N Jenaer +0.014 mg | =#0.009 mg = a Jan.- Febr. Gerätheglas +0.012 0.008 sulfatlösung Kupfer 1904 N Jenaer +0.015 mg | -+0.008 my ara März Gerätheglas —0.010 0.015 Ferrosulfat- 1904 N Jenaer —0.023 0.006 lösung December Gerätheglas —0.024 0.010 Sil 1905 O-Gefäss mit —0.009 mg | =+0,008 mg i ke Februar Vacuummantel +0.006 0.011 un | Ferrisulfat- | 16 1905 N Jenaer Geräthe-| 300 A —0.002 0.014 lösung 17 März glas mit » B —0.001 0.015 | Paraffinschicht Uranylnitrat- | 18 1905 N Jenaer 3679 A | +0.006 mg | _ lösung 19 October Gerätheglas » B —0.003 —_ Die obigen 19 Versuche führen zu folgendem Ergebniss: Die in Col. VII angegebenen Gewichtsänderungen, welche die ge- sammten bei einem Versuche auftretenden Fehler einschliessen, sind so- wohl zunehmend wie abnehmend, und zwar tritt 8 Mal das +Zeichen, ıı Mal das —Zeichen auf. Die Mittel aus den Summen der beider- seitigen Abweichungen betragen: + 0.008 und — 0.010 mg. Von den 19 Versuchen haben 17 eine Gewichtsänderung ergeben, welche unter 0.017 mg bleibt. Nur in zwei Fällen (Nr.ı2, 13) ist derselbe auf 0.023 und 0.024 mg gestiegen, und man kann die letzte Zahl als den Maximalfehler bezeichnen, welcher dem Verfahren an- haftet. Rückt man die Grenze noch etwas weiter, und zwar bis zu 0.03 mg, 284 Gesammtsitzung v. 15. Febr. 1906. — Mitth. aus den Jahren 1902 — 1905. so liegt wohl vollständige Sicherheit vor, dass, wenn bei einem Ver- such eine diesen Betrag überschreitende Gewichtsänderung beobachtet wird, diese nicht mehr von Beobachtungsfehlern herrühren kann. Die Zahlen der Col. VII umfassen: a) die Einflüsse, denen die Gefässe bei der ganzen Behandlung ausgesetzt sind und die von verschiedener Feuchtigkeitsschicht auf der äussern Glasfläche, nicht ganz gleichem Volum der beiden Ge- fässe, Volumänderung in Folge der Reactionswärme, Berührung mit den Transportvorrichtungen, Staubablagerung u. s.w. herrühren können; b) die Fehler der Waage und des Wägungsverfahrens. Der diesen zukommende Betrag ist in Col. VIII angegeben, und wie ersichtlich, bewegt sich derselbe zwischen den Grenzen 0.006 und = 0.015 mg, bleibt also immer erheblich kleiner als der Gesammtfehler. Der oben angegebene Maximalfehler von 0.03 mg bezieht sich auf die Versuche, welche seit IgoI mit der neuen Rurrrecnr'schen Waage ausgeführt worden sind. Was die alten Versuche von den Jahren 1890— 1892 und 1899 betrifft, zu welchen die SrückrAra’sche und alte Rurpreenr’sche Waage diente und wobei grössere Gefässe benutzt wurden, so betrug, wie aus der ersten Abhandlung ersicht- lich, der mittlere Fehler des Mittels einer Wägungsreihe hier = 0.004 bis #0.014 mg. Der Gesammtversuchsfehler ist früher nicht bestimmt worden, dürfte aber 0.05 mg keinesfalls übersteigen. Hr. Hrypweıtter'! schätzt den seinen Beobachtungen anhaftenden grössten Fehler auf 0.04 mg. II. Versuche mit reactionsfähigen Substanzen. Erste Reaction. Silbersulfat oder Silbernitrat und Ferrosulfai. Ag,SO,+2FeSO, = 2Ag-+-Fe,(SO,), oder 3AgNO,+3FeSO, = 3Ag+Fe,(SO,), + Fe(NO,), Die beiden Substanzen wurden in solehem Verhältniss genommen, dass der Eisenvitriol in erheblichem Überschusse blieb. Trotzdem fand, wie besondere Versuche zeigten, nie eine vollständige Reduetion der beiden Silbersalze statt, sondern es schieden sich nur 94—95 Pro- cent des ganzen Silbergehaltes ab. Bei Anwendung von Silbersulfat fand wegen seiner Schwerlöslichkeit die Reduction grösstentheils im festen Zustande statt. ! Drupe, Ann. d. Physik Bd. 5, S. 404 (1901). 285 Die Versuche. theilen sich nach der Zeit ihrer Ausführung in drei Gruppen: Lanoorr: Gesammtgewicht chemisch sich umsetzender Körper. a) Nr.ı, 2, 3. Alte schon in der ersten Abhandlung beschriebene Versuche aus den Jahren 1890 und 1892. Alte Rvrrreenr'sche und Srückrarn'sche Waage. Grosse N-Gefässe. Gewicht im gefüllten Zu- stande etwa 925 9. Abgeschiedenes Silber 40 und 609g. Wägungs- fehler bis = 0.030 mg. b) Nr. 9, Io, ıı. Versuche vom Jahre 1899 und 1900. Stück- rarn'sche Waage. Grosse M-Gefässe im Gewicht von etwa 8209. Abgeschiedenes Silber 63.5 9. Wägungsfehler bis zu = 0.030 mg. c) Nr. 4— 8; 12, 13. Neue Rurrrecnr’sche Waage. Kleine N- oder O-Gefässe. Gewicht im gefüllten Zustande 400— 540g. Ab- geschiedenes Silber 16.5 — 24 — 319g. Wägungsfehler bis zu = 0.010 mg. | Zeit d | Abge- | React.| Beobachtete wa Nr. A nn © | Art der Gefässe | schiedenes | in Gewichts- Sehne Rnsrubrung | Silber |Gefäss| änderung fchler = Silbersulfat und Ferrosulfat. o r 7 I 1890 N-Röhren, gross, 40.09 | 4 —0.167 mg | 0.021 mg 2 2 October Thüringer Glas | B —0.131I 0.030 - 3 1892 | ebenso 60.0 B —0.130 0.017 | Jan.-Febr. | | 1903 | N-Röhren, klein, 3-2 A —0.085 0.009 Oct.- Nov. Thüringer Glas | 1905 | O-Gefäss mit 24.2 A —0.103 0.009 6 Jan.- Febr. Vacuummantel » b —0.068 0.010 ei 7 | 1905 | N- Röhren, klein, | 24.2 A —0.042 | 0.009 us. Se März ‚ Jenaer Gerätheglas | » Bb —0.029 0.009 2 | | mit Paraffinschicht © re Silbernitrat und Ferrosulfat. = 9 1899 | N-Röhren, gross, 63.59 ee! —0.199 0.030 10 | Oct.-Nov. Thüringer Glas » B —0.137 0.028 1 11 1900 ebenso 63.5 A —0.079 0.013 | 12 1902 | N-Röhren, klein, 16.5 A +0.003 0.004 3 | April-Mai | Jenaer Gerätheglas B —0.003 0.009 | mit Paraffinschicht Aus der Tabelle lässt sich Folgendes ersehen: 1. Die vorherrschende Erscheinung ist die Gewichtsabnahme, und zwar übersteigt dieselbe bei 9 Versuchen (Nr. 1—6 und 9—1ı1) meist in so erheblichem Grade den maximalen Beobachtungsfehler, dass sie durch diesen nicht erklärt werden kann. 286 Gesammtsitzung v. 15. Febr. 1906. — Mitth. aus den Jahren 1902— 1905. 2. Im Allgemeinen scheint mit der Vermehrung der angewandten Reactionsmasse bez. der Menge des abgeschiedenen Silbers auch die Gewichtsverminderung grösser zu werden. Berechnet man die letztere in Bezug auf 100 9 Silber, so ergeben sich bei den erwähnten 9 Ver- suchen die Zahlen: Versuch Nr. sewichtsabnahme Versuch Nr. Gewichtsabnahme I 0.42 mg 6 0.28 mg 2 0.33 » 9 0.311» 3 0.22 » IO O.22 » 4 0.27 » 11 0.12 » 5 0.43 » Wenn hiernach auch keine strenge Proportionalität zu Tage tritt, so ist doch eine Annäherung an dieselbe vorhanden. Das Mittel würde 0.29 mg Abnahme für je 100g Silber sein. 3. Eine Ausnahme machen die Versuche Nr. 7, 8 und 12, 13, bei welchen N-Gefässe Anwendung fanden, deren innere Glasfläche mit einer Schicht von festem Paraffın überzogen war. In den zwei erstern Fällen übersteigen die Gewichtsabnahmen wenig den maximalen Ver- suchsfehler von 0.03 mg, und in den beiden letztern ist sogar das Gewicht vollständig unverändert geblieben. Zweite Reaction. Eisen- und Kupfersulfat. Fe + CuSO, — Cu-+FeSO,. Wie schon in der Einleitung erwähnt, ist diese Reaction von H£yDwEittErR untersucht worden, unter Anwendung von N-Röhren, deren einer Schenkel mit 14—ı39g Eisenpulver, der andere mit einer über- schüssigen Menge Kupfervitriol nebst Wasser gefüllt war. Es zeigten sich dabei folgende Verschiedenheiten: a) Bei Anwendung von säurefreiem Kupfersulfat (aus mit etwas Natronlauge versetzter Lösung auskrystallisirt) ergaben zwei Versuche die Abweichungen — 0.026 und + 0.019 mg, somit gar keine Gewichts- änderung. b) Wurde das Wasser, welches zum Lösen des Kupfervitriols diente, mit einer kleinen Menge Alkali zersetzt, so traten bei drei Versuchen die erheblichen Gewichtsabnahmen : — 0.217, — 0.161, — 0.176 mg ein, welche den von HrYDwEILLER angenommenen maximalen Versuchsfehler von 0.04 mg stark überschreiten. — Fast gleich grosse Änderungen, nämlich — 0.097 und — 0.158 mg ergaben sich bei Zusatz einer kleinen Menge Schwefelsäure zu der Kupfersalzlösung. Lanporr: Gesammtgewicht chemisch sich umsetzender Körper. 287 Ich habe die Versuche wiederholt unter Benutzung von N-Röhren aus Jenaer Gerätheglas, welche enthielten: a) bei den Versuchen Nr. ı und 2: im einen Schenkel: 15.09 Klaviersaitendraht + 120 g reines Wasser, im andern Schenkel: 70.09 CuSO,.5.aq.-+65 9 reines Wasser; b) bei den Versuchen Nr. 3 und 4: im einen Schenkel: 15.0 g_Limatura ferri+ 125 g\ Wasser mit einigen im andern Schenkel: 70.09 CuSO,.5 ag. + 70.9) Tropfen Natronlauge. (Stöchiometrisch erforderlich 67.0 9 CuSO,. 5 aq.) Es wurden mit Hülfe der neuen Rurprecnt'schen Waage folgende Resultate erhalten: Eisen und Abge- Rene Beobachtete Nr. | Kupfersulfat- rt der \schiedenes in Gewichts- ers lösung usiuarung | Kupfer | App. | Änderung ehler ı |ohne Zusatz von] 1902 [Mer orgE A —0.004 mg | -+.0.006 my 2 Alkali | Oct.-Nov. | » | B —0.022 | 0.007 3 | mit Zusatz von | 1904 17.09 A —0.024 mg 0.008 mg 4 Alkali | Febr.-März | » | 2 —0.041 0.009 Somit haben sich in allen vier Fällen Gewichtsabnahmen bemerkbar gemacht. Dieselben sind aber bei Nr.ı und 2 so klein, dass sie, wenn auch die Wägungsfehler (bei Nr.2) überschreitend, doch unterhalb des maximalen Versuchsfehlers von 0.03 mg bleiben. In Übereinstimmung mit HrypweEiILLer ist somit zu erklären, dass bei Anwendung von säure- freiem Kupfersulfat keine Gewichtsänderung stattfindet, ein Resultat, zu welchem, wie früher angeführt, auch Lo Surpo gekommen ist. Die Versuche Nr. 3 und 4 mit Alkalizusatz haben nicht die grosse Gewichtsverminderung ergeben, welche HrypwEızzer beobachtet hatte. Bei Nr. 3 liegt sie innerhalb des maximalen Versuchsfehlers von 0.03 mg, und bei Nr.4 findet nur eine schwache Überschreitung statt. Es kann also das Stattfinden einer Gewichtsabnahme nicht mit Sicherheit be- hauptet werden. Zur völligen Entscheidung würden noch weitere Ver- suche, auch solche mit Zusatz von Schwefelsäure, erforderlich sein. Dritte Reaction. Goldchlorid und Eisenchlorür. AuCl,+ 3FeCl, = Au+ 3FeQl, Zu dem Versuch dienten N-Röhren aus Jenaer Gerätheglas. Der eine Schenkel wurde beschiekt mit 122 y einer aus 12.032 9 Gold hergestellten Lösung von Goldchlorid, enthaltend 18.5219 AuCl,; der andere mit 122 g Eisenchlorürlösung, welche durch Behandlung von 12.00 g reinem Eisen mit Salzsäure bereitet worden war und 27.20 9 2SS Gesammtsitzung v. 15. Febr. 1906. — Mitth. aus den Jahren 1902 — 1905. FeÜl, enthielt. Die stöchiometrisch erforderliche Menge hätte 23.21 FeCl, betragen. Die Ausfällung des Goldes war vollständig, bei der Reaction zeigte sich nur eine sehr schwache Wärmeentwickelung. Neue RurrrecHt'sche Waage. Der Versuch musste auf das Gefäss A beschränkt werden, da B später eine Beschädigung erlitt. Zei | = | Beobachtete r: eit Ausgefälltes | en Wägungs- der Ausführung Gold IE fehler , änderung | 1903 Januar | 12.032 9 | —0.009 my | 0.010 mg Hiernach hat sich bei dieser Reaction keine nachweisbare Gewichts- änderung gezeigt. Dabei ist aber zu bemerken, dass der Versuch nur mit kleinen Substanzmengen ausgeführt wurde. Vierte Reaction. Jodsäure und Jodwasserstof: HJO,+5HJ = 6J + 3H,O Wie bei den frühern Versuchen, wurde in den einen Schenkel nicht wässerige Jodwasserstoffsäure, sondern eine Lösung von Jod- kalium gebracht, in den andern ausser der Jodsäurelösung eine hin- reichende Menge Schwefelsäure. Hierdurch war ein vorzeitiger Beginn der Reaction dureh Übertreten von Jodwasserstoffgas vermieden. Die Jodsäure ist stets im Überschuss angewandt worden. Die folgende Tabelle enthält ausser 6 alten Versuchen 7 neu ausgeführte. I MZÄRch | Abge- | IR Beobachtete | w3 Nr. | Er 2 Art der Gefässe | schiedenes P= | Gewichts- | a | Ausführung | | al parat änderung ehler | 1890 | N-Röhren, gross, 64.99 | A —0.047 mg | 0.022 mg = 2 |\Jan.-Febr.-Mz.| altes Thüringer Glas » B on 0.013 3 | 2 3 | 1891 | ebenso | 80.0 A —0.103 0.022 r 4 Febr.-März » » me: —0.102 0.016 © =: 5 | 1891 ebenso 60.0 —0.177 0.012 6 Mai-Juni | » » I a — 0.011 0.013 | 1901 | N-Röhren, klein, 43-3 A —0.120 0.009 8 October | Jenaer Gerätheglas | » In Ja —0.098 0.009 © | = 9 1904 | ebenso | 64.9 A —0.004 0.005 na | | 5 \ Jan.-Febr. | > | | | | * 10 | 1904 | N-Quarzglas, 64.9 | A —0.019 0.004 3 ıı | October | Harzverschluss [22 —0.033 0.014 4 | 127 1905 | N-Röhren, ‚klein, 54.0 A —0.083 0.019 13 | December | Jenaer Gerätheglas » i:B —0.053 0.020 Lanvorr: Gesammtgewicht chemisch sich umsetzender Körper. 289 Aus der Tabelle zeigt sich zunächst, dass bei sämmtlichen 13 Ver- suchen eine Gewichtsverminderung eingetreten ist. In 8 Fällen (Nr. 2, 3, 4, 5, 7, 8, 12, 13) übersteigt dieselbe die Beobachtungsfehler (alte Versuche 0.05 mg, neue 0.03 mg) in sehr erheblichem Grade; in 5 Fällen (Nr. ı, 6, 9, 10, ıı) bleibt sie dagegen innerhalb der Fehlergrenze. Fünfte Reaction. Jod und Natriumsulfit. Diese Reaction kann wie die vorhergehende zur Prüfung der Frage dienen, ob die Gewichtsänderungen im Zusammenhang mit den Disso- ciationsvorgängen stehen. Bei der Zersetzung zwischen Jodsäure und Jodwasserstoff unter Abscheidung von Jod tritt Verschwinden von Elektronen ein, während im vorliegenden Falle solche auftreten; man müsste also entgegengesetzte Wirkungen erwarten. Meine früher aus- geführten 4 Prüfungen der Reaction hatten jedoch ganz widersprechende Gewichtsänderungen, sowohl dem Sinne als der Grösse nach, ergeben; die Frage war daher ungelöst geblieben. Bis jetzt war es mir nur möglich, zwei neue Versuche anzustellen, und zwar wurden bei denselben Jod und Natriumhydrosulfit (im Über- schuss) gemäss der Gleichung 2J+NaHS0O,+H,0 = 2HJ+NaHSO, auf einander wirken gelassen. Bei den alten Versuchen ist Jod und neutrales Sulfit im Verhältniss von 2): Na,SO, angewandt worden. Die sämmtlichen vorliegenden Beobachtungen sind folgende: | Zei | | Ver- N Beobachtete | Wi Nr. R = er | Art der Gefässe | schwun- | 19= Gewichts- Sn Beuel denes Jod | Parat änderung ers 2| ! | 1890 N-Röhren, altes 90 g A +0.105 mg | =+0.008 mg Se 2 Juli- Aug. Thüringer Glas » B —0.031 0.017 = Q are 1891 ebenso 110 | A +0.002 0.020 | | I 4 | Aug.-Dee. » | » | B —0.127 0.017 — | | el 5 | 1901 | N Jenaer 50 | A —0.021 0.008 5 : | Oct.-Nov. | Gerätheglas | 2 S 6 | 1902 ebenso so A —0.034 0.009 | Febr.-März | | Bei den Versuchen Nr. 5 und 6 wurde durch Unfälle die Prüfung der Gewichtsänderung in Apparat B verhindert. Von den 6 Versuchen haben vier (Nr. 2, 3, 5, 6) ein innerhalb der Versuchsfehler liegendes Resultat ergeben, und es scheint somit, dass bei der betreffenden Reaction überhaupt keine nachweisbare Ge- wiehtsänderung eintritt. Bemerkenswerth ist aber, dass dieselbe in 290 Gesammtsitzung v. 15. Febr. 1906. — Mitth. aus den Jahren 1902— 1905. drei Fällen wieder in einer Abnahme besteht. Was die Versuche Nr. ı und 4 betrifft, so müssen bei diesen wahrscheinlich störende Einflüsse in’s Spiel gekommen sein. Sechste Reaction. Uranylnitrat und Kaliumhydrosyd. 2UO,(NO,),+ 6KOH = K,U,0,-+4KNO, + 3H,0 Der Versuch ist vorgenommen worden, um zu prüfen, ob vielleicht bei Anwendung eines Elements von hohem Atomgewicht eine stärkere Gewichtsänderung bemerkbar wird. Der eine Schenkel der N-Röhren wurde mit 63.7 9 UO,.(NO,), ++ 6H,0 (= 50 g wasserfreiem Salz) ge- löst: in 96.3 9 Wasser beschickt, der andere mit 25 g Ätzkali (stöchio- metrisch erforderlich 21.35 9) und 135 g Wasser. Das Ergebniss war folgendes: Beobachtete } | | Gefälltes | A " Nr. zur | Art der Gefässe | Kalium- P- | Gewichts- SL der Ausführung | | anne) nparat.l derung | fehler 42.28 9 | A +-0.006 mg | 0.009 mg +0.002 | 0.0I0 | N\ Jenaer | Gerätheglas Es zeigte sich also völlige Constanz des Gewichts. Dabei ist zu bemerken, dass die Reaction unter sehr schwacher Wärmeentwicklung verläuft. Siebente Reaction. Chloralhydrat und Kaliumhydrozyd. C,C1,.H,0,+KOH = CC1L,H-+CHKO, +H,0 Der bereits in der ersten Abhandlung beschriebene Versuch, wel- cher hier nur der Vollständigkeit wegen anzuführen ist, hatte bei der Jmwandlung von 150 g Chloralhydrat in 108 g Chloroform zu dem Ergebniss + 0.012 50.024 mg geführt, wonach keine Gewichtsänderung eingetreten ist. Achte Reaction. Elektrolyse einer wässerigen Lösung von Jodcadmium mittels Wechselstroms. Der auf Vorschlag meines Collegen Hrn. Nersst unternommene Versuch sollte Aufschluss geben, ob bei vielfach wiederholtem Über- gang eines Elements aus dem gewöhnlichen Zustand in den ionisirten und umgekehrt eine Gewichtsänderung sich bemerkbar macht. Lanvorr: Gesammtgewicht chemisch sich umsetzender Körper. 291 Der angewandte elektrolytische Apparat bestand aus einem vor der Lampe geblasenen Glascylinder von 12 cm Höhe und 4 em Durch- messer, am Boden geschlossen und oben in eine Spitze ausgehend. Im Innern waren in eoncentrischer Stellung zwei ringförmig gebogene Platinbleche von 9 cm Höhe und 3.5 bez. 2.5 cm Durchmesser befestigt, von welchen Platindrähte durch die Glaswandung nach aussen führten. Die einander zugekehrten Oberflächen der beiden Elektroden betrugen 99 und 71 gem. Es wurden zwei ganz gleiche Apparate hergestellt, die man mit einer concentrirten Lösung von Jodeadmium, enthaltend 40 g desselben in 100 cem, anfüllte. Der Lösung war ab- sichtlich noch eine kleine Menge freies Jod zugesetzt worden. Nach Ausgleichung des Gewichtes und äussern Volums beider Gefässe zeigten dieselben noch folgende kleine Unterschiede: Gewicht Volum Apparat A: 380.158 g 236.718 ccm » B: 380.155 » 236.702 » Differenz: 0.003 » 0.016 » Zur Wägung stellte man die Apparate in zwei gleich schwere (86.650 g) Stative aus polirtem Messing, wodurch die Schalenbelastung auf etwa 466.8 g stieg. Zur Stromerzeugung diente ein zweipoliger Gleichstrommotor, von dessen Überwieklung zwei Punkte mit zwei Schleifringen verbunden waren, an denen der Wechselstrom abgenommen wurde; die Zahl der Umdrehungen betrug etwa 1500 pro Minute. Die Stromintensität redueirte man stets auf 3 Amp. Der Vorgang, welcher sich bei der Einwirkung des Wechselstroms auf eine etwas freies Jod enthaltende Lösung von Jodeadmium ab- spielt, besteht darin, dass das Cadmium als complexes Jodid in der Flüssigkeit bleibt, während ein Theil des Jods an beiden Elektroden abwechselnd aus dem ionisirten Zustand in den metalloiden, und um- gekehrt, übergeht. Hiermit ist möglicherweise eine beträchtliche Er- schütterung des Jodatoms verbunden. Da ein Strom von I Amp. in ı Stunde 4.025 9g Ag = 4.7319 Jod abscheidet, so muss der Vorgang bei 3 Amp. und 4ostündiger Einwirkung, welche Verhältnisse bei den folgenden Versuchen in Anwendung kamen, sich auf 567.7 9 Jod er- streckt haben. Bei den ersten Versuchen zeigte der dem Wechselstrom 40 Stunden lang ausgesetzte Apparat B eine Gewichtsverminderung von 0.069 mg und nach abermals 40 Stunden noch eine weitere Abnahme um 0.027 mg. Es lag jedoch der Verdacht vor, dass diese Änderungen hervorgebracht sein konnten durch die Verminderung der Wasserhaut an der Aussen- 292 Gesammtsitzung v. 15. Febr. 1906. — Mitth. aus den Jahren 1902— 1905. fläche des Gefässes, indem bei der Elektrolyse die Temperatur bis etwa 30° oder 35° stieg. Die beiden Gefässe waren nämlich nach ihrer Herstellung nicht mit verdünnter Schwefelsäure behandelt worden, wie es sonst bei allen anderen Apparaten geschah, und die Wasserhaut konnte demnach beträchtlich sein. Es wurden nunmehr die Gefässe eine Woche lang in 12 procentige Schwefelsäure gelegt, hierauf einige Tage in verdünntes wässeriges Ammoniak und zuletzt längere Zeit unter einer Glocke neben Chlorcaleium stehen gelassen. Jetzt zeigte die Gewichtsdifferenz A—B der beiden Apparate, nachdem A 40 Stunden (erst 30 Stunden, dann nach 14stündiger Unter- brechung nochmals ıo Stunden) der Einwirkung des Wechselstromes (3 Amp.) ausgesetzt worden war, folgende Werthe, welche das Mittel aus 4 Einzelwägungen darstellen: Zeit der Mittlerer Ausführung 4A—b Wägungsfehler 1906 Jan. Vor der Elektrolyse 3.145 =E0.004 mg » » Nach » » 3.7410. (ZE0:005» Änderung: 0.004 0.009 » Somit hat die Wechselstromanalyse keine Gewichtsänderung hervor- gebracht, denn die aufgetretene Differenz von 0.004 mg ist so klein, dass sie in die Wägungsfehler fällt. Die Besprechung dieses Resultats erfolgt im letzten Capitel der Abhandlung. III. Lösungsvorgänge. Hr. Hrypweırver hatte bei seinen Versuchen gefunden, dass beim blossen Lösen von Kupfervitriol in Wasser Gewichtsverminderung ein- trat, besonders wenn kleine Mengen Schwefelsäure zugesetzt wurden. Die betreffenden Beobachtungen sind in der früher (siehe Einleitung) gegebenen Tabelle mitgetheilt, aus derselben ist ersichtlich, dass in 5 Fällen Abnahme im Betrage von 0.029—0.126 mg stattfand, und nur in einem Falle eine innerhalb der Fehlergrenze liegende Zunahme. Meine Versuche erstrecken sich auf den Lösungsprocess von Chlor- ammonium, Bromkalium und Uranylnitrat, wobei das Gewichtsver- hältniss zwischen Salz und Wasser immer so bemessen wurde, dass bei gewöhnlicher Temperatur vollständige Lösung der erstern erfolgte. Die Resultate, welche wenig untereinander übereinstimmen, sind in folgender Tabelle enthalten. ' ' In die Tabelle ist ferner noch ein alter, in meiner ersten Abhandlung be- schriebener Versuch mit Chloralhydrat aufgenommen. Lanvorr: Gesammtgewicht chemisch sich umsetzender Körper. 293 Beob- achtete | Wägungs- Zeit der Angewandtes ‚Salzgehalt Ge Aus- | Art der Gefäse | = der | Lösung Wasser | > Nr. 5 fäss| Gewichts- fehler führung | Sb | änderung Chlorammonium. 1 ı902 | f-Röhren. Altes 37-5 9| 150.0 g| 20.0Proe.| A | —0.024 ımg| =0.019 mg 2 INovember)ı Thüringer Glas | » | ” | B | -0.002 | 0.006 3 1902 | O-Gefässe mit | 23.7 131.6 | 15.25 A | -+0.008 0.006 4 |Mai-Juni, Vacuummantel ” | » | ı B| -+0.005 | 0.009 5 1902 N Jenaer 44.0 | 115.4 | 27.6 A | +0.078 ? 0.009 6 Juni | Gerätheglas | n | n Ms B | -+0.017 | 0.10 7 1903 In -Quarzgefässe, | 60.0 | 160.0 | 27.3 | A | —0.008 0.008 8 IJuni-Juli | Harzverschluss | » | » » | B | +0.019 0.014 9 1903 | ebenso | 510 | 134.0 | 27.6 B | —0.033 0.010 November | | Bromkalium. I 1902 N Jenaer nz: 145.0 | 33.3 4A | —0.038 0.007 Februar | Gerätheglas Uranylnitrat + 6.agq. I 1905 | N Jenaer | 136.0 136.0 | 50.0 | A ] +0.009 0.014 2 Juni | Gerätheglas | » » | » | B | —0.010 0.013 | | 3 1905 | ebenso | 136.0 | 136.0 | 50.0 B | —0.004 | 0.017 Juli | | | | Chloralhydrat. I 1891 ' NM Thüringer Glas 312.0 | 104.0 | 75.0 | A] —0.0038 | 0.013 April | | | Die 9 Versuche mit Chlorammonium lassen schliessen, dass der Lösungsvorgang dieses Salzes mit keiner Gewichtsänderung verbunden ist. Es traten sowohl Zunahmen wie Abnahmen ein, welche in 7 Fällen unter der Fehlergrenze von 0.03 mg liegen. Die wiederholt erhaltenen Vermehrungen, besonders die bedeutende bei Nr. 5, können davon her- rühren, dass durch die Abkühlung, welche das Gefäss beim Lösungsprocess erfährt, eine erhebliche Verstärkung der Wasserhaut an der äusseren Glasfläche stattfand, die vielleicht nicht immer vollständig zurükging. Die Gewichtsänderung bei Bromkalium übersteigt sehr wenig die Fehlergrenze, und bei Uranylnitrat sowie Chloralhydrat kann eine völlige Constanz des Gewichtes behauptet werden. Kupfersulfatlösung und Alkohol. Im Anschluss an die obigen Versuche habe ich noch den Fall geprüft, wo die Ionen eines Salzes aus der Lösung verschwinden. In den einen Schenkel der N-Röhren wurden 116.5 g absoluter Alkohol, in den andern 294 Gesammtsitzung v. 15. Febr. 1906. — Mitth. aus den Jahren 1902— 1905. 107.3 9 Kupfervitriollösung, enthaltend 25.0 9 CuSO,+ 5H,0 nebst 8.7 9 Paraffinöl eingefüllt. Wie ein besonderer Versuch zeigte, werden beim Mischen dieser Flüssigkeiten 24.75 9 CuSO, + 5H,0 = 99 Procent krystallinisch ausgefällt. Beobachtete us Abgeschiedenes | Gefäss Zeit | = > ® Art der Gefässe % | Gewichts- der Ausführung | Cu SO,, 5 HzO | änderung fehler I 1902 N Jenaer | 24.75 9 —0.017 mg | =+0.009 mg 2 Jan.- Febr. Gerätheglas » +0.016 0.012 Die beiden Versuche zeigen, dass beim Übergang eines disso- eiirten Salzes in den festen Zustand keine Gewichtsänderung eintritt, ebenso wenig wie dies auch bei der Spaltung in Ionen der Fall war. Resultate. I. Überbliekt man die gesammte Zahl der erhaltenen Gewichts- änderungen, so fällt vor Allem auf, dass dieselben ganz überwiegend in Abnahmen bestehen; auch die neuen Versuche bieten im Allge- meinen wieder dasselbe Bild, wie meine frühern sowie die von Heyp- WEILLER ausgeführten. Es sind angestellt worden: I. von mir: 54 Vers., wovon 42 mit —, 12 mit + Änderung, 2. von HEYDWEILLER: 2I » , uNFLg, in, 724.8 e » Im Ganzen haben also von 75 Versuchen, welche sich auf 14 ver- schiedene Reactionen erstrecken, 61, entsprechend Sı Procent eine Ge- wichtsabnahme ergeben. Diese Erscheinung kann im Hinblick auf die Versuche mit indifferenten Substanzen, wo die erhaltenen + und — Änderungen (8 und ı1) fast völlig gleich waren, nicht auf Beob- achtungsfehlern beruhen. 2. Die verschiedenen Reactionen gaben sehr ungleich starke Ver- minderungen. Bezüglich meiner Versuche zeigten sich: a) Starke Abnahmen bei den Reactionen: ı. Silbersulfat oder Nitrat und Ferrosulfat (— 0.068 bis —0.199 mg bei g Versuchen); 2. Jodsäure und Jodwasserstoff (— 0.047 bis — 0.177 mg bei 9 Versuchen). b) Schwache, den Versuchsfehler von 0.03 mg kaum übersteigende oder darunter befindliche Änderungen traten auf bei den Um- setzungen zwischen: ı. Eisen und Kupfersulfat (— 0.004 bis — 0.041 mg); 2. Goldehlorid und Ferrochlorid (— 0.009 mg); Lanporr: Gesammtgewicht chemisch sich umsetzender Körper. 295 3. Jod und Natriumsulfit (—0.021 und — 0.034 mg bei den 2 neuen Versuchen, während die 4 alten + und — Resul- tate ergeben hatten); 4. Uranylnitrat und Kaliumhydroxyd (+ 0.006 und + 0.002 mg); . Chloralhydrat und Kaliumhydroxyd (+ 0.012 mg); . Chlorammonium und Wasser (— 0.002 bis — 0.033 mg und + 0.005 bis + 0.019 mg); 7. Bromkalium und Wasser (— 0.038 mg); 8. Uranylnitrat und Wasser (— 0.004, — 0.010 und + 0.009 mg); 9. Chloralhydrat und Wasser (— 0.003 mg); 10. Kupfersulfatlösung und Alkohol (— 0.017 und + 0.016 mg). HeypweıtLer hatte erhalten: oa a a) Starke Gewichtsverminderungen: ı. Bei der Reaction zwischen Eisen und saurer oder alkalischer Kupfersulfatlösung (— 0.097 bis —0.217 mg); 2. beim Lösen von Kupfervitriol in schwefelsäurehaltigem Wasser (— 0.072 bis — 0.126 mg); 3. beim Mischen von Kupfersulfatlösung und Kalilauge (— 0.045 bis — 0.092 mg). b) Schwache unterhalb des Versuchsfehlers von 0.04 mg liegende Abnahmen bei: ı. der Neutralisation von Essigsäure mit Ammoniak (— 0.026 und — 0.034 mg); 2. der Umsetzung zwischen Baryumchlorid und Schwefelsäure (— 0.016 mg). 3. Wenn bei den Reactionen eine Gewichtsvermehrung eintrat, so war dieselbe immer nur von geringerer Grösse (+ 0.002 bis + 0.019 ng) und innerhalb der Versuchsfehler (0.03 mg) liegend. Es stellt da- her die Gewiehtsabnahme die normale Erscheinung dar, und man wird in den Fällen, wo jene nur klein war, nicht mit Sicher- heit den Schluss ziehen können, dass das Gewicht völlig constant ge- blieben sei. 4. Ein Zusammenhang der Gewichtsänderung mit dem Auftreten oder Verschwinden von Elektronen hat sich nicht zu erkennen gegeben. Siehe die in Cap. II angegebenen Versuche. 5. Es fragt sich nun, wie die Gewichtsabnahmen sich erklären lassen. Man kann erstens den Verdacht aussprechen, dass immerhin noch eine äussere bis jetzt nicht aufgefundene Ursache vorliegt, aber bei der Sorgfalt, mit welcher alle Möglichkeiten untersucht worden Sitzungsberichte 1906. 27 296 Gesammtsitzung v. 15. Febr. 1906. — Mitth. aus den Jahren 1902— 1905. sind, dürfte diese Ansicht wenig Wahrscheinlichkeit haben. Dagegen deutet der Umstand, dass die Änderung nur bei gewissen Reactionen, wie der Reduction von Silber und Jod, in starkem Grade auftritt, und bei andern gering ist oder ganz ausbleibt, entschieden auf eine Be- ziehung zu dem chemischen Vorgang. Da die Erklärung derartig sein muss, dass sie nur Gewichtsab- nahmen und niemals Vermehrungen voraussetzen lässt, scheint keine andere Hypothese übrig zu bleiben, als die schon in der Einleitung erwähnte, nach welcher die Erscheinung auf dem Ablösen kleiner Masse- theilchen aus den chemischen Atomen beruhen soll. Bei den radio- activen Elementen nimmt bekanntlich die von RUTHERFORD und Soppy aufgestellte und wohlbegründete Hypothese an, dass die Ursache ihrer Umwandlungen in einem stufenweisen Zerfall der Atome beruhe, weleher sich aber nur auf einen geringen Bruchtheil der Gesammtmasse erstreckt und freiwillig eintritt. Finden chemische Reactionen zwischen zwei Substanzen statt, so dürfte die Vorstellung, dass in Folge der starken Erschütterung, welche die Atome erleiden, auch hier ein kleiner Theil ihrer Masse absplittert, nicht als unmöglich erscheinen. Dies besonders im Hinblick auf die beträchtliche Abnahme der potentiellen Atomenergie, welche bei von selbst erfolgenden und unter starker Wärmeentwickelung verlaufenden Umsetzungen stattfindet. Ob dabei ein weitgehender Zerfall weniger Atome stattfindet, wie bei den radioactiven Substanzen, oder ob alle betheiligten Atome einen kleinen Verlust erleiden, bleibt unent- schieden. Aber auch in dem letztern Falle wäre es denkbar, dass die angegriffenen Atome, indem sie nur eine minimale Änderung ihrer Zu- sammensetzung erfuhren, doch im Wesentlichen ihre ursprünglichen Eigenschaften noch beibehalten haben. Welcher Art endlich die ab- gelösten Atombruchstücke sind, muss dahingestellt bleiben. Elektronen scheinen bei chemischen Umsetzungen nicht frei zu werden, wenigstens fand Marriseinı', dass beim Auflösen von Kupfersulfat in schwefel- säurehaltigem Wasser, oder von Kaliumbichromat in Wasser, sowie bei der Reduction von Silbersulfat durch Ferrosulfat keine Ionisirung der die Substanzen umgebenden Luft bemerkbar ist. Dieselbe Beob- achtung machte M.R. Campgerr.” Mit der Ansicht vom partiellen Atomzerfall stimmt bis jetzt nicht überein die Beobachtung, dass bei der Elektrolyse einer Jodeadmium- lösung mittels Wechselstroms keine Gewichtsabnahme auftrat, trotzdem der Vorgang der abwechselnden Bindung und Abtrennung von Elek- ' Atti R. Acad. dei Lincei [5] ı3 ll, 217 (1904). — Chem. Centralbl. 1904 ll, 1096. ® Phil. Mag. [6] 9, 545 (1905). — Könıs, Beibl. 1905. 1070. Lanvorr: Gesammtgewicht chemisch sich umsetzender Körper. 29 tronen am Jodatom sich auf etwa 568 9 Jod erstreckt hatte. Doch bleibt es immerhin denkbar, dass diese Reaction, obgleich sie mit einer er- heblichen Änderung der Eigenschaften des Elements verbunden ist, doch keine so heftige Erschütterung des Jodatoms verursacht, wie die Umsetzung zwischen Jodsäure und Jodwasserstoff, wo aus dem ersten Körper 3 At.O und ı At.H, aus dem zweiten ı At.H vom Jod ab- gerissen wird. — Ferner ist es vielleicht möglich, dass bei dem Ver- such der Stromwechsel im Verhältniss zur Zeitdauer der Reaction zu rasch erfolgte; hierüber würde eine Wiederholung mit einem in ge- eigneten Intervallen eommutirten Gleichstrom entscheiden können. Schliesslieh kommt noch folgender Punkt zur Erwägung: Die Gewichtsverminderungen bei den Reactionen werden stets nur dann erklärlich sein, wenn man annimmt, dass ein Theil der Masse durch die Wandung des Glasgefässes austritt. Die Möglichkeit hiervon ist wegen der Unkenntniss der durchgehenden Theilchen schwer zu be- urtheilen, doch lässt sich wohl vermuthen, dass ihre Grösse, da sie Atombruchstücke sind, weit unter derjenigen gewöhnlicher Moleküle bleibt. Immerhin kann daran erinnert werden, dass Kohlendioxyd langsam durch Glas hindurchwandert (Bunsen'), ferner letzteres, frei- lich erst bei Temperaturen von etwa 600° an, für Wasserstoff sowie Luft in nicht unerheblichem Grade durchlässig ist (BerrueLor” u. A.), ebenso glühende Quarzwände für Helium (JAQvEroD und Perror’). Ferner scheint Helium schon bei gewöhnlicher Temperatur in Glas einzudringen, und zwar in verschieden starkem Grade (Rausay und Soppr‘). An- derseits sind Glasröhren von 8 mm Durchmesser und 1.5 mm Wand- stärke für Wasserstoff von 40— 126 Atm. Druck völlig dicht befunden worden (Quiscke’). — Wenn ein Durchgang stattfindet, muss die Be- schaffenheit der Glaswandung unzweifelhaft Einfluss besitzen. Da- für spricht bereits die bei der Reaction zwischen Silbersalzen und Ferrosulfat gemachte Erfahrung, dass die Gewichtsabnahme fast völlig ausblieb, als die Innenseite der Gefässe behufs Diehtung mit einer Schieht von Paraffin überzogen wurde (Vers. 7, 8 und 12, 13). Die Dicke der Wandung sowie die Zusammensetzung des Glases werden in Betracht kommen, und es ist künftig eine besondere Versuchsweise nöthig, bei welcher ein und dieselbe Reaction in Glasgefässen von sehr abweichender Beschaffenheit geprüft wird. Die Nichtüberein- stimmung der Resultate, welche sich bei Ausführung der nämlichen \ Wien. Ann. 20, 558 (1883). i Compt. rend. 140, 817, 821, 1253 (1905). Compt. rend. 139, 789 (1904). Zeitschr. f. physik. Chem. 48, 693 (1904). ’ Pose. Ann. 160, 118 (1877). » oo» 298 Gesammtsitzung v. 15. Febr. 1906. — Mitth. aus den Jahren 1902 — 1905. Reaction (z. B. Eisen- und Kupfersulfat) durch verschiedene Beobachter gezeigt hat, dürfte vielleicht in der Ungleichheit der Gläser ihren Grund haben. Gegenwärtig bin ich genöthigt, die Versuche zu unterbrechen und die bisher gemachten Beobachtungen in dieser noch unfertigen Form zu veröffentlichen. Künftig hoffe ich in der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt, welehe mir in sehr dankenswerther Weise Unterkunft gewähren wird, die Arbeit fortsetzen zu können. Ausgegeben am 22. Februar. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei SITZUNGSBERICHTE 4 eng DER Bi KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. } Be 7 E 3 Sitzung der philosophisch-historischen Classe am 22. Februar. (S. 299) u ed Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe am 22. Februar (S. 301) ’ Mösıvs: Können die Thiere Schönheit wahrnehmen und empfinden? (S. 302) 1 Gier Fe e s22 EL. >= j BERLIN 1906. 3 VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. ‘ In Ar . Kr In: IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Ein: y Hj a 2, 3 F R "Ges = Se5os2asasases 2 BT. Br. Br A Ir , Aus dem Reglement für die Redaction der akademischen Druckschriften. Aus $ 1. Die Akademie gibt gemäss $ 41,1 der Statuten zwei fortlaufende Veröffentlichungen heraus: »Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften« und » Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaftene. Aus $ 2. Jede zur Aufnahme in die »Sitzungsberichte« oder die »Ahhandlungen« bestimmte Mittheilung muss in einer aka- demisehen Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel das druckfertige Manuseript zugleich einzuliefern ist. Nicht- mitelieler haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. 83. Der Umfang einer aufzunehmenden Mittheilung soll in der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, bei Nichtmitgliedern 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Sehrift der Abhand- lungen nieht übersteigen. "Überschreitung Bier Grenzen ist nur mit Zustimmung der Gesammt-Akademie oder der betreffenden Classe statt- haft, und ist bei Vorlage der Mittheilung ausdrücklich zu beantragen. Lässt der Umfang eines Manuseripts ver- muthen, dass diese Zustimmung erforderlich sein werde, so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen muthmasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen. SA. Sollen einer Mittheilung Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeichnungen, photographische Original- aufnahmen u. s. w.) gleichzeitig mit dem Manusecript, jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen. Die Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese‘, Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so _ kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschliessen. Ein darauf geriehteter Antrag ist vor der Herstellung der be- treffenden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage eines Sachverständigen an den vorsitzenden Seeretar zu richten, dann zunächst im Secretariat vorzuberathen und weiter in der Gesammt- Akademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie. Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist — wenn es sich nicht um wenige einfache Textfiguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachverständigen beizufügen. Überschreitet dieser Anschlag für die er- forderlicehe Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberathung durch das Seeretariat geboten. Aus $5. Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manuseripts an den zuständigen Secretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften, und zwar, wenn eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mittheilungen von Verfassern, welche nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen der Regel nach nur in die Sitzungsberichte aufgenommen werden. Beschliesst eine Olasse die Aufnahme der Mittheilung eines Nichtmitgliedes in die dazu bestimmte Abtheilung der » Abhandlungen«, so bedarf dieser Beschluss der Bestätigung durch die Gesammt- Akademie, Aus 86. Diean die Druckerei abzuliefernden Maı ER müssen, wenn es sich nicht bloss um glatten Text handelt, aus- reichende Anweisungen für die Anordnung des Satzes und die Wahl der Schriften enthalten. Bei Einsendungen Fremder sind diese Anweisungen von dem vorlegenden ‚Mitgliede vor Einreichung des "Manuseripts vorzunehmen. Dasselbe hat sich zu vergewissern, dass der Verfasser seine Mittheilung als vollkommen druckreit ansieht. - Die erste Correetur ihrer Mittheilungen besorgen. die Verfasser. Fremde haben diese erste Correetur an das vorlegende Mitglied einzusenden. Die Correetur soll nach. Möglichkeit nicht über die Berichtigung von Druckfehlern ned: leichten Schreibversehen hinausgehen. Umfängliche Correeturen Fremder bedürfen der Genehmigung des redi- ‚girenden Secretars vor der Einsendung an die Druckerei, und die Verfasser sind zur Traeune der entstehenden eu kosten verpflichtet. ER Aus $8. ? : » Von allen in die Sitzungsberichte ar Aueh aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilungen, Reden, Adressen oder Berichten werden für die Verfasser, von wissenschaftlichen Mittheilungen, wenn deren Umfang im Druck 4 Seiten übersteigt, Stich fürden Buchhandel Sonder- abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen des be- ‚treffenden Stücks der Sitzungsberichte ausgegeben werden. . Von Gedächtnissreden werden ebenfalls ‚ Sonderabdrucke für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann. is wenn die j Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden. ‚erklären. 89. tu. Von de Sonderabdrucken aus den Simbach erhält ein Verfasser, welcher Mitglied‘ der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung® ohne weiteres 50 Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem! Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noeh weitere bis zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Seeretar. ‚an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt- Akademie oder er be- ‚treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 50 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei, dem redigirenden Secretar weitere 200 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. Fr ‘Von den Sonderabdrucken aus den Abhandlungen « er- hält ein Verfasser, weleher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 30 Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Seeretar an- ‚gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt-Akademie oder der be- . treffenden Claske, — Nichtmitglieder erhalten 30 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Seeretar weitere 100 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. , $17. 2 Eine für die akademischen Schriften var stimmte wissenschaftliche Mittheilung. darf in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jener Stelle anderweitig, sei es auch nur AUaRggR- (Fortsetzung auf S. 3 des Paashlase) SITZUNGSBERICHTE 1906. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 22. Februar. Sitzung der philosophisch - historischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. Diers. *Hr. Koser las »Über handschriftliche Bemerkungen Vor- TAIRE’S zu den (Euvres du philosophe de Sanssouci«. In dem Handexemplar Frıeprıca’s des Grossen von der dreibändigen Original- auflage (1750) der (Euvres du philosophe de Sanssouci sind Bd. II und III Blatt für Blatt mit eigenhändigen Randbemerkungen Vor’raıre’s versehen. Der Vortragende kennzeichnete diese Glossen nach ihren verschiedenen Gegenständen (Grammatik, Vers- bau und Reim, Sprachgebrauch, Scheidung des poetischen und prosaischen Ausdrucks, des getragenen und des komisch -niederen Stils, Wahl der Epitheta und Metaphern und der mythologischen Staffage, Sachkritik) und erörterte ihr Verhältniss zu dem Texte des 1752 veranstalteten Neudrucks des zweiten Bandes. Ausgegeben am 1. März. Sitzungsberichte 1906. 28 30] SITZUNGSBERICHTE 1906. X. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 22. Februar. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. Hr. Mögıvs las über die Frage: Können die Thiere Schön- heit wahrnehmen und empfinden? Um sich die auffallende Schönheit männlicher Vögel, Insecten und anderer 'Thiere im Vergleich mit ihren nicht schönen Weibchen zu erklären, hat Cu. Darwın angenommen, dass von den Weibchen die schönsten Männchen zur Paarung ausge- wählt werden. Dieser Ansicht gegenüber wird auseinandergesetzt, dass wir den Thieren nach ihren sonstigen psychischen Eigenschaften ästhetischen Geschmack nicht zuschreiben dürfen. Sie können wohl verschiedene Farben, Formen und Bewegungen genau unter- scheiden, sind aber nieht fähig, das darin erscheinende Gesetzmässige, worauf gerade die Schönheit beruht, wahrzunehmen. 28* 302 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe v. 22. Februar 1906. Können die Tiere Schönheit wahrnehmen und empfinden?- Von K. Mösıus. Fir jemand, der nach den Gründen sucht, warum wir viele Tiere schön finden, manche nicht schön oder häßlich, liegt es nahe, zu fragen, ob auch die Tiere fähig sind, das Schöne in ihrer Um- gebung wahrzunehmen. Einer der größten Biologen des 19. Jahr- hunderts, On. Darwın, bejaht diese Frage in einer seiner inhaltreichsten und anziehendsten Schriften, in dem zweibändigen 1871 erschienenen Werke: Die Abstammung des Menschen und die geschlecht- liche Zuchtwahl. Hier sagt er: »Das Gefühl für Schönheit ist für ein dem Menschen eigentümliches erklärt worden. Wenn wir aber sehen, wie männliche Vögel mit Vorbedacht ihr Gefieder und dessen prächtige Farben vor dem Weibchen entfalten, während andere nicht in derselben Weise geschmückte Vögel keine solche Vorstellung geben können, so läßt sich unmöglich zweifeln, daß die Weibehen die Schönheit ihrer männlichen Genossen be- wundern.«' »Geschlechtliche Zucehtwahl setzt voraus, daß die anzie- henden Insekten von dem andern Geschlecht vorgezogen werden, und da es bei den Insekten, wenn die Geschlechter voneinander abweichen, das Männchen ist, welches mit seltenen Ausnahmen am meisten geziert ist und welches am meisten von dem Typus, zu welchem die Art gehört, abweicht, und da es das Männchen ist, welches begierig das Weibchen aufsucht, so müssen wir annehmen, daß gewöhnlich oder gelegentlich das Weibehen die schöneren Männchen vorzieht und daß diese hierdurch ihre Schönheit erlangt haben. «” »Die Männchen der Vögel entfalten ihre Reize mit aus- gesuchter Sorgfalt und zu ihrer besten Wirkung; und dies geschieht in Gegenwart der Weibehen. Anzunehmen, daß die Weib- ! Cuartes Darwın, Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zucht- wahl. Aus dem Englischen übersetzt von J. Vıcror Carus, Stuttgart 1871, I, S. 53. Besonders beachtenswerte Worte sind hier erst gesperrt gedruckt worden. A302 1,S.375: Mösıus: Können die Thiere Schönheit wahrnehmen und empfinden? 303 chen die Schönheit der Männchen nicht würdigen, hieße der Meinung sein, daß ihre glänzenden Dekorationen, alle ihre Pracht und Entfaltung nutzlos sind; und dies ist nicht glaublich. Vögel haben ein feines Unterscheidungsvermögen, und in einigen wenigen Fällen läßt sich zeigen, daß sie einen Geschmack für das Schöne haben. «' »Der männliche Argusfasan erlangte seine Schönheit all- mählich, und zwar dadurch, daß die Weibchen viele Generationen hindurch die in höherm Grade geschmückten Männchen vor- zogen, während die ästhetische Fähigkeit der Weibchen durch Übung und Gewohnheit in derselben Weise, wie unser Ge- schmack allmählich veredelt wird, allmählich fortgeschritten ist.«” »Der Fall bei dem männlichen Argusfasan ist außerordentlich interessant, weil er einen guten Beleg dafür bietet, daß die raffi- nierteste Schönheit nur als Reizmittel für das Weibchen dienen kann und zu keinem andern Zweck.«® »Obgleich viele Fasanen und verwandte hühnerartige Vögel sorg- fältig ihr schönes Gefieder vor den Weibchen entfalten, so ist es doch merkwürdig, daß dies bei den trübe gefärbten Ohren- und Warricnschen Fasanen (Crossoptilon auritum und Phasianus Wallichüi) nicht der Fall ist; es scheinen daher diese Vögel sich dessen be- wußt zu sein, daß sie wenig Schönheit zu entfalten im- stande sind.«° »Ein jeder, welcher das Prinzip der Entwicklung annimmt und doch große Schwierigkeit empfindet, zuzugeben, daß weibliche Säuge- tiere, Vögel, Reptilien und Fische den hohen Grad von Geschmack erlangt haben, welcher wegen der Schönheit der Männchen voraus- zusetzen ist und welcher im allgemeinen mit unserm eigenen Geschmack übereinstimmt, muß bedenken, daß in jedem Gliede der Wirbeltierreihe die Nervenzellen des Gehirns die direkten Abkömm- linge derjenigen sind, welche der gemeinsame Urerzeuger der ganzen Gruppe besessen hat.«° In diesen Sätzen schreibt Darwın den Wirbeltieren und Insekten weit höhere geistige Fähigkeiten zu, als sie sonst durch ihr Verhalten infolge empfangener Sinnesreize zu erkennen geben. Da wir uns in das Seelenleben der Tiere nur dadurch hinein- denken können, daß wir ihnen ähnliche geistige Zustände zu- schreiben, wie wir in uns selbst erleben, so hätte Darwın sich oa, .O ,‚ S. 205. le 353- 2198 80. 353- 2.0205 a.0. II, a. 0: Ul, a» ® m» - Fre>s> nnnmnı 304 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe v. 22. Februar 1906. fragen und klar machen sollen, in welchem geistigen Zustande wir uns befinden, wenn wir eine von uns wahrgenommene Er- scheinung schön finden, ehe er aus rein hypothetischen Grün- den Tieren Wahrnehmung des Schönen und ästhetischen Geschmack zuschrieb. Das hat er nicht getan, und auch die besten mir bekannten Darsteller seiner Lehren haben diese wichtige Erörterung unterlassen. Was nennen wir schön? Nach Heyse ist das Wort schön eine passive Adjektivbildung von dem Verbum schauen'. Ursprünglich bezeichnet es auffallende Eigenschaften von Menschen, Tieren, Pflanzen und anderen sicht- baren Gegenständen: in weiterer Bedeutung wird es auch für gut, angenehm, behaglich, zierlich gebraucht und auch auf Empfin- dungen durch andere Sinne als durch das Auge bezogen. Man spricht von schöner Musik, schönem Geruch, schönem Geschmack einer Speise; in mehr vergeistigter Bedeutung von schönen Gedanken, schönen Taten. Wenn Darwı von der Schönheit männlicher Tiere spricht, wenn er annimmt, daß die Weibehen die Schönheit ihrer männlichen Genossen bewundern und die schöneren Männchen zur Paarung vorziehen, so kann er den Begriff schön nur in der engeren- ästheti- schen Bedeutung auffassen. Das Schöne fällt auf, es versetzt den, der es sieht oder hört, in eine angenehme Stimmung, es gefällt ihm; es hat für ihn einen ihn fesselnden und beruhigenden Lustwert. Unsere Freude am Schönen der Natur und Kunst entspringt aus Gesichts- und Gehörsempfindungen. Reizungen des Geruchs-, Geschmacks- und Tastsinnes können uns auch sehr angenehme Empfin- dungen bereiten, aber in rein ästhetische Stimmungen versetzen sie uns nicht. Wir fühlen sie stets deutlich an bestimmten Körperstellen. Wenn wir Schönes sehen, Schönes hören, haben wir keine wohligen Körpergefühle in den Augen und Ohren. Wahrnehmungen des Schönen durch diese Sinne sind weit mehr vergeistigt, als Geruchs-, Geschmacks- und Tastempfindungen. Die Schönheit angeschauter Formen entspringt daraus, daß wir sie als ein von ihrer Umgebung abgesondertes Ganzes auffassen, welches Teile enthält, deren Zahl, Größe, Begrenzung und Anordnung die mühelose Erfassung des Ganzen erleichtern. Die Schönheit der Farben hängt ab von ihrer Verteilung auf der betrachteten Körperform, von dem Grade ihrer Helligkeit und dem Verhalten der verschiedenen Farben zueinander; ob sie grell zusammen- treffen, allmählich ineinander übergehen oder als Ergänzungsfarben angenehm zusammenstimmen. ' M. IIryse, Deutsches Wörterbuch, Leipzig 1890— 1895, Ill, S. 455. Mösıus: Können die Thiere Schönheit wahrnehmen und empfinden? 305 Bewegungen angeschauter Formen erscheinen uns schön, wenn sie sich regelmäßig wiederholen, wenn sie den Niederzug der Schwere überwinden oder ihm gesetzmäßig folgen. Schönheit der Töne entspringt daraus, daß sie gesetzmäßig aufeinanderfolgen und zusammenklingen. An und für sich sind Formen, Farben, Bewegungen und Töne nicht schön. Schönes hat außer seinem objektiven Inhalt stets auch noch subjektiven Wert. Es versetzt den, der es wahrnimmt, in einen angenehmen Bewußtseinszustand. Aus dem anschaulichen mühe- losen Erkennen des Gesetzmäßigen in Formen, Farben, Bewe- gungen oder Tönen entspringt die Freude am Schönen, der ästhetische Genuß. Voll verwirklicht ist das Schöne erst in dem, der es empfindet und genießt. Nach der ersten Empfindung der schönen Erscheinung, die unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht, erwarten wir ihre weitere gesetzmäßig fortgehende Wirkung: indem wir diese wahr- nehmen, erleben wir die Harmonie unseres Empfindens und Denkens mit der schönen Wirklichkeit. Aus diesem Erlebnis entspringt der Schönheitsgenuß. In diesem Zustande haben wir den angeschauten schönen Gegenstand so völlig in uns vergeistigt, daß uns kein Ver- langen, ihn noch anders zu benutzen oder noch weiter zu ergründen, als wir ihn schon kennen, von dem reinen ästhetischen Genusse ab- lenkt, ihn stört oder beunruhigt. Sobald das Verlangen nach anderer Lust an dem angeschauten Gegenstande auftritt und Platz gewinnt, verschwindet der reine ästhetische Genuß an seiner Schönheit. Dürfen wir aus dem Verhalten der Tiere gegen ihre Umgebung, gegen ihre Artgenossen, gegen uns schließen, daß sie ähnliche solche psychische Zustände erleben, wenn sie Formen, Farben und Bewegungen sehen oder Töne hören? Die Augen und Ohren der Säugetiere und Vögel sind denen des Menschen so ähnlich gebaut, daß Licht- und Schallreize in ihnen sehr wahrscheinlich ähnliche Gesichts- und Gehörsempfindungen erregen, wie wir wahrnehmen, wenn wir dieselben Erscheinungen sehen und hören. Wir dürfen das aus den Bewegungen schließen, die sie auf bestimmte Lieht- und Schallreize ausführen. Sie erkennen ihre Wohn- stätten, ihre Nahrung an deren Gestalt, Farbe und Geruch, ihre Art- genossen und andere Tiere auch an ihren Bewegungen, also durch ganz bestimmte Sinnesreize, die von diesen Erscheinungen ausgehen. Insekten werden durch die von ihrer Umgebung abweichenden Formen und Farben der Blumen gereizt, Honig in ihnen zu suchen. Auch alle anderen wirbellosen Tiere werden durch von außen kommende 306 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe v. 22. Februar 1906. Sinnesreize veranlaßt, ihre Bedürfnisse nach Nahrung und Zeu- gung erhaltungsmäßig zu befriedigen. Aus den Empfindungen und Gefühlen, die mit der Ausführung dieser wichtigen Lebenstätigkeiten der Tiere verbunden sind, besteht der ganze Inhalt ihres Selbstgefühls, ihres Lebensgenusses. Helle Farben von Blumen, von Früchten und Beutetieren reizen sehende Tiere, die nach ihnen suchen, um ihr Nahrungsbedürfnis zu befriedigen, offenbar stärker als dunklere und mattere Farben. Die Raubtiere suchen die von ihnen erblickten Beutetiere möglichst schnell zu bewältigen. Die Pflanzenfresser reißen Früchte, Blätter und andere Pflanzenteile ab und verschlingen sie. Die honigsuchenden Insekten kriechen schnell in die Blumen hinein zu den Nektarien. Keins dieser Tiere benimmt sich so, daß wir annehmen dürfen, der Anblick der Formen und Farben ihrer Nahrungsmittel fessele ihre Aufmerksamkeit und gefalle ihnen als etwas Schönes. Die sie an- lockenden Formen, Farben und Bewegungen können ihnen kein ästhe- tisches Wohlgefallen bereiten, weil sie unfähig sind, das Gesetz- mäßige in den Naturerscheinungen wahrzunehmen. Aus dem wiederholten Erleben von Tag und Nacht, von Sommer und Winter schließt kein Tier auf die regelmäßige Wiederkehr der Tages- und Jahreszeiten, auch solche Tiere nicht, die Nahrungsvor- räte einsammeln, wie z.B. die Bienen und Hamster, wenn sie durch vorhandenen Überfluß von Nährstoffen gereizt werden, mehr davon anzuhäufen, als sie zur Zeit verbrauchen können. Daß sie später die neben ihnen liegenden Vorräte verzehren, wenn sie in ihrer Umgebung keine Nahrung finden, ist ein sehr natürlicher Vorgang; sie wußten aber nicht voraus, daß diese später dazu dienen sollten, sie vor dem Verhungern zu schützen. Auch die Zugvögel werden nicht durch die Kenntnis des gesetzmäßigen Wechsels der nahrungsreichen und der nahrungsarmen Jahreszeiten veranlaßt, aus dem einen Teile ihrer großen Wohnge- biete in den andern zu wandern, sondern stets nur durch klimatische Veränderungen in ihrer Umgebung, also durchWahrnehmung gegen- wärtiger Naturerscheinungen, nicht durch Vorauswissen oder Voraus- fühlen zukünftiger Zustände in den entfernten Teilen ihres großen Wohngebietes. tine große Zahl Störche, Kiebitze, Lerchen, Bachstelzen, Stare und Steinschmätzer, die aus dem wärmern Süden in Pommern angekommen waren, gingen infolge ungewöhnlich später Schneefälle vom 7. bis zum 6.Aprilı837 zugrunde.‘ Sie mußten verhungern, weil sie keine Nahrung ! E. F. v. Homever, Die Wanderungen der Vögel. Leipzig 1881. S. 210. Mösıus: Können die Thiere Schönheit wahrnehmen und empfinden? 307 fanden. Wenn sie den Schneefall vorausgesehen, vorausgefühlt hätten, so würden sie länger in südlicheren schneefreien Gegenden geblieben sein. Daß nordeuropäische Zugvögel ihre Wohnungen, ihre Geburts- stätten wiederfinden, müssen wir uns dadurch erklären, daß sie durch gegenwärtige Sinnesreize an frühere ähnliche Sinnesreize erinnert werden. Indem Erinnerungen an früher Wahrgenommenes in ihnen auftauchen, machen sie Erfahrungen und benehmen sich diesen ge- mäß bei der Befriedigung ihrer Bedürfnisse. Der Anblick der Berge, Wälder, Wiesenflächen, Flüsse, Seen, Meere, über welche sie in der Herbstwanderung nach Süden hinweggeflogen sind, leitet sie gleich einem Ariadnefaden nach ihrer nordischen Heimat zurück. Die Tiere wissen nicht, daß sie durch die Befriedigung ihres Hungers und Durstes ihr Leben erhalten. Jede Kenntnis des hohen Wertes ihrer geschlechtlichen Vereinigung fehlt ihnen. Die Säuge- tiere, Vögel, Reptilien, Amphibien und Fische, welche Nester für ihre Brut bauen, diese nähren und schützen. wissen nicht. daß diese Tätigkeiten, denen sie sich ganz hingeben, die wichtige Folge ihrer vorher ausgeführten Begattung sind. Das ganze psychische Verhalten der Wirbeltiere bis zu den hoch- ausgebildeten Säugetieren und Vögeln hinauf steht also im Widerspruch mit der Meinung Darwıns, daß die Männchen ihre Reize mit ausge- suchter Sorgfalt und zu ihrer besten Wirkung entfalten, und daß die Weibchen von den sie umwerbenden Männchen die in höherm Grade geschmückten zur Paarung auswählen. Er traut den Tieren Einsichten in die Ursachen und Folgen ihres Empfindens und Tuns zu, deren sie nicht fähig sind. Lebende Wesen, die ihre Schönheit, ihre Reize mit ausgesuchter Sorgfalt entfalten sollen, müssen diese kennen. Darwm sagt aber nichts darüber, auf welche Weise schöne Männchen Kenntnis von ihrer eigenen Schönheit erlangen könnten. Schwerlich durch die Betrach- tung und Bewunderung ihrer Spiegelbilder in ruhigen Wassertlächen. Auch nicht durch den Anblick anderer schöner Männchen ihrer Art, die mit ihnen als Nebenbuhler vor einem umworbenen Weibchen er- scheinen. Denn die Gegenwart schöner Nebenbuhler versetzt sie nicht in ruhige Bewunderung ihrer auffallenden Stellungen und Farben, sondern erfüllt sie mit Abscheu, Haß und Kampflust. Die auffallenden Farben, Stellungen und Bewegungen männlicher Tiere in der Paarungszeit sind lediglich der Ausdruck lebhafter Haut- und Muskeltätigkeit und behaglichen Kraftgefühls, das ihren ganzen Körper in der Zeit geschlechtlicher Erregung durchdringt. Wiederholt hat man beobachtet, daß gefangene Vogelmännchen balzen, ohne daß Weibchen gegenwärtig sind. Zwei männliche Paradies- Sitzungsberichte 1906. 29 308 Sitzung der physikalisch -matheinatischen Classe v. 22. Februar 1906. vögel der Spezies Paradisea apoda L. von den Aru-Inseln, die im Herbst 1905 in großen Glaskäfigen des Zoologischen Gartens in Berlin zu sehen waren, entfalteten ihre Reize, obgleich keine Weibchen zu- gegen waren. Ebenso verhielten sich früher daselbst auch unbeweibte männliche Büffelweber Tewtor albirostris Sws. und Seidenstare Poliopsar sericeus Gm. Die Stute gibt sich dem Hengste nicht hin aus Wohlgefallen an seiner schönen Gestalt und Farbe, sondern infolge des vollkräftigen Zustandes ihrer Geschlechtsorgane und des dadurch erweckten Paarungs- bedürfnisses, das freilich durch den Geruch, das Wiehern und den Anblick eines kraftvollen brünstigen Hengstes noch gesteigert werden wird. Die Hirschkuh wird wahrscheinlich ein starker, laut schreiender Hirsch mit großem Geweih geschlechtlich mehr reizen als ein Hirsch mit dünnen Stangen und wenigen Enden. Da sie aber das Gesetz- liche in der Geweihbildung nicht erkennt, so kann sie sich auch nicht darüber freuen, kann sie auch keine Vergleiche zwischen den verschiedenen Graden der Schönheit der sie umwerbenden Hirsche anstellen, um sich schließlich demjenigen hinzugeben, der sie ästhe- tisch am meisten befriedigt hat. Der hochgehobene ausgebreitete Schwanz eines balzenden Pfau- hahnes wird wahrscheinlich nicht nur der Pfauhenne, sondern auch anderen Tieren, die ihn erblicken, als etwas Ungewöhnliches auffallen; aber daß sie an der fächerförmig symmetrischen Stellung der Federn und der regelmäßigen Bildung und Anordnung der Augenflecken Ge- fallen haben könnten, wie wir, das dürfen wir ihren geistigen Fähig- keiten nicht zutrauen. Die Pfauhenne habe ich oft neben dem balzenden Hahn, gleichgültig gegen dessen Reize, nach Futter suchen und picken gesehen. Die uns entzückende Schönheit des Pfauenschwanzes hat für die Henne höchstens einen ähnlichen Reizwert wie der Duft des Moschusbocks für das weibliche Moschustier und der Bockgeruch für (die Ziege. Die weiblichen Schmetterlinge werden ihre Männchen an deren Bewegungen, Farben und Düften erkennen. Die von diesen ver- schiedenen männlichen Eigenschaften ausgehenden Sinnesreize werden wahrscheinlich ihr geschlechtliches Lustgefühl steigern, aber ihnen keinen ästhetischen Genuß bereiten, der sie bestimmen könnte, sich endlich dem schönsten Männchen zu überlassen. Nach den Beobachtungen von ScuiLpE gelangen die prächtigen Männchen der sogenannten Feuerfalter: Polyommatus virgaureae, aleiphron, hippothoö, der Schillerfalter: Apatura iris, ilia, des Aurora- falters Anthocharis cardamines, gewöhnlich mehr oder weniger abge- flogen, beschädigt und unscheinbar, zur Kopulation mit ihren, später Mösıus: Können die Thiere Schönheit wahrnehmen und empfinden? 309 als sie der Puppe entsteigenden Weibchen." Die schönen Farben und Zeichnungen und der prachtvolle Glanz der Flügel männlicher Schmetter- linge können also für die Weibchen nicht den hohen Reizwert haben, welchen ihnen Darwın zuschreibt. A.R. Warrace, der ausgezeichnete Mitbegründer der Abstam- mungslehre, prüft und beurteilt in dem zehnten Kapitel seiner Schrift: »Darwinism« die Hypothese der geschlechtlichen Zuchtwahl und kommt zu dem Schlusse, »daß wir keinen Grund haben, weiblichen Vögeln Geschmack für feine Unterschiede in der Form, Farbe und Zeichnungen ihrer Männchen zuzuschreiben. Die uns schön erschei- nenden Eigenschaften derselben seien der äußere Ausdruck ihrer Reife und Kraft. Wenn die schönsten Männchen nicht auch die gesündesten und kräftigsten seien, so wären sie sicherlich auch nicht am meisten geeignet, ihre Eigenschaften zu vererben. Die Theorie der weiblichen Auslese habe die Aufmerksamkeit auf ein höchst merkwürdiges und anregendes Gebiet von Erscheinungen hingelenkt; sie sei aber nicht länger haltbar.«° Da wir jetzt wissen, daß die Farben und Zeichnungen der Schmetterlinge abgeändert werden durch die Beschaffenheit der Raupen- nahrung, durch die Wärmegrade und den Sauerstoffgehalt der Luft in der Umgebung der Raupen und Puppen während ihrer Entwickelung, so darf der Ausbildung schöner Schmetterlingsflügel durch sexuelle Zuchtwahl kein Einfluß mehr zugeschrieben werden.” Gegenüber den Einwirkungen der schwankenden äußeren Lebensbedingungen würde schwerlich auch der feinste ästhetische Geschmack der weiblichen Schmetterlinge bemerkbare Verschönerungen ihrer Männchen hervor- bringen, auch dann nicht, wenn er in Hunderten von Generationen in gleicher Richtung tätig wäre. Schon vor WarracE haben Wıcann' und von Baer’, nachher auch WeEısmann", PLATE', GUENTHER” u.a. wichtige Gründe gegen die Hypo- ! Jon. SchiLpe, Berliner Entomologische Zeitschrift. Bd. 34. Berlin 1890. 8.171. A.R. Warraice, Darwinism. An exposition of the theorie of natural selection with some of its applications. London 1889. S. 294— 295. ® Dr. M. Gräfin von Lınven, Physiologische Untersuchungen an Schmetterlingen. Zeitschr. f. wiss. Zoologie, Bd. 82, 1905, S. 411 —444. * A. Wıcann, Der Darwinismus und die Naturforschung Newrons und Cuviers. Braunschweig 1874. S. 150— 186. ° K.E. von Baer, Studien aus dem Gebiete der Naturwissenschaften. Peters- burg 1876. S. 346 — 355. 2 A.WEISMAnNn, Vorträge über Deszendenztheorie. 2. Aufl. Jena 1904. S.171— 195. L. Prare, Über die Bedeutung des Darwınschen Selektionsprinzips und die Probleme der Artbildung. 2. Aufl. Leipzig 1903. S. 106 —139. ° K. GvEntRER, Zur geschlechtlichen Zuchtwahl. Archiv für Rassen- und Gesell- schafts-Biologie. Jahrgang II. Berlin 1905. S. 321— 335. 7 310 Sitzung der physikalisch-matlıematischen Classe v. 22. Februar 1906. these der geschlechtlichen Zuchtwahl geltend gemacht. Keiner ihrer Darsteller und Beurteiler spricht sich aber klar und deutlich darüber aus, ob die Fähigkeit der Tiere, verschiedene Formen, Farben und Bewegungen wahrzunehmen und scharf zu unterscheiden, auch zu- gleich das Vermögen einschließe, deren Schönheit zu erkennen, daran Gefallen zu finden und diesem entsprechend zu handeln. Ich habe versucht nachzuweisen, daß wir den Tieren das Ver- mögen, Schönheit wahrzunehmen, deshalb nicht zuschreiben dürfen, weil sie nicht imstande sind, das Gesetzmäßige in den auf sie ein- wirkenden Naturerscheinungen zu erkennen. Unsere Kinder sind in ihren ersten Lebensjahren auch noch nicht fähig, in den von ihnen wahrgenommenen Farben, Formen und Bewe- gungen die Schönheit zu erkennen. In der ersten geistigen Auf- fassung dieser Erscheinungen verhalten sie sich nicht anders als die höheren Tiere. Sie entwickeln sich aber über diese notwendige grund- legende Vorstufe der Erkenntnis des Schönen hinaus, indem sie in der Gliederung der Gestalten, in der Anordnung und den Helligkeits- stufen der Farben und Zeichnungen, in der Richtung und Geschwindig- keit der Bewegungen das Gesetzmäßige anfangs nur dunkel und un- klar, allmälig aber immer deutlicher wahrnehmen. Viele Menschen bleiben immer auf einer kindlichen Stufe der Auffassung des Schönen stehen; den meisten kommt es niemals in den Sinn, nach den psychologischen Gründen ihrer Freude an dem Schönen zu fragen. Ausgegeben am 1. März. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei 5 Aa ” "iR ‘ a re B r 2 \ De EN a y % EN XI. SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN i Pen am. Mack 8. 247) dresse zur Silbernen Hochzeit Ihrer Majestäten am 27. Februar 1906. (S. 312) “ E Baar Auer das Nichtverschwinden einer Dirichlet'schen Reihe. (S. 314) EEE. BERLIN 1906. N. i VERLAG Der KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. A ER IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. 2 TE Aus dem Reglement für die Redaetion der akademischen Druckschriften. Aus $1. Die Akademie gibt gemäss $ 41,1 der Statuten zwei fortlaufende Veröffentlichungen heraus: der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften« und » Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften«.. 7 Aus $2. Jede zur Aufnahme in die » Sitzungsberichte« oder die »Abhandlungen« bestimmte Mittheilung muss in einer aka- demischen Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel das druckfertige Manuseript zugleich einzuliefern ist. Nicht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. 83. Der Umfang einer aufzunehmenden Mittheilung soll in der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, bei Nichtmitgliedern 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- lungen nicht übersteigen. Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung der Gesammt- Akademie oder der betreffenden Classe statt- haft, und ist bei Vorlage der Mittheilung ausdrücklich zu beantragen. Lässt der Umfang eines Manuseripts ver- muthen, dass diese Zustimmung erforderlich sein werde, so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen muthmasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen. SA. Sollen einer Mittheilung Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeiehnungen, photographische Original- _ aufnahmen u.s. w.) gleichzeitig mit dem Manuseript, jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen. Die Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in der Regel die Verfasser zu tragen. aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschliessen. Ein darauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der be- treffenden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage eines Sachverständigen an den vorsitzenden Seceretar zu richten, dann zunächst im Seeretariat vorzuberathen und weiter in der Gesammt- Akademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie. Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist — wenn es sich nicht um wenige einfache Textfiguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachverständigen beizufügen. Überschreitet dieser Anschlag für die er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberathung durch das Seeretariat geboten. Aus $5. Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manuseripts an den zuständigen Secretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften, und zwar, wenn eines der anwesenden’ Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mittheilungen von Verfassern, welehe nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen der Regel nach nur in die Sitzungsberichte aufgenommen werden. Beschliesst eine Classe die Aufnahme der Mittheilung eines Nichtmitgliedes in die dazu bestimmte Abtheilung der » Abhandlungen «, so bedarf dieser Beschluss der Bestätigung durch die Gesammt- Akademie. »Sitzungsberichte Sind diese Kosten treffenden Classe. Aus $6. a Diean die Druckerei abzuliefernden Manuseripte müssen, wenn es sich nicht bloss um glatten Text handelt, aus- reichende Anweisungen für die Anordnung des Satzes und die Wahl der Schriften enthalten. Bei Einsendungen Fremder sind diese Anweisungen von dem "vorlegenden Mitgliede vor Einreichung des Manuseripts vorzunehmen. Dasselbe hat sieh zu vergewissern, dass der Verfasser seine Mittheilung als vollkommen druckreif ansieht. Die erste Correetur ihrer Mittheilungen besorgen die Verfasser. Fremde haben diese erste Correetur an das vorlegende Mitglied einzusenden. Die Correetur soll nach "Möglichkeit r nicht über die Berichtigung von Druckfehlern und leiehten Schreibversehen hinausgehen. Umfängliche Correcturen Fremder bedürfen der Genehmigung des redi- girenden Seeretars vor der Einsendung an die Druckerei, und Jie Verfasser sind zur Tragung der entstehenden 5, kosten verpflichtet. Aus $ 38. Von allen in die Sitzungsberichte oder Abende aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilungen, Reden, Adressen oder Berichten werden für die Verfasser, von “vissenschaftlichen Mittheilungen, wenn deren Umfang im Druck 4 Seiten übersteigt, auch für den Buchhandel Sonder- abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen des be- treffenden Stücks der Sitzungsberichte ausgegeben werden. ‚Von Gedächtnissreden werden ebenfalls Sonderabdruecke für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn die Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden erklären. $ a nr Von den Sonderabdrucken aus den Sitzungsberichten erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der. Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung olıne weiteres ‚50 Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu ‚gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere . Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 200 (img ganzen also 350) abziehen zu lassen, g sofern er diess rechtzeitig dem reuligirenden Secretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung ‚der Gene: Akademie oder“ der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 50 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Seeretar weitere 200 Exemplare auf“ ihre Kosten abziehen lassen. 1 Von den Sonderabdrucken aus den Akne er- hält ein Verfasser, welcher Mitglied ‚der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 30 Frei- Exemplare: er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere E semplare bis. zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Seeretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr. Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf” es. ‚dazu der Genehmigung der Gesammt- Akademie oder der be- .— Nichtmitglieder erhalten 30 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem vedigirenden Seeretar weitere 100 Exemplare. auf ihre Kosten abziehen lassen. $ 17. Eine für die akademischen Schriften be- stimmte wissenschaftliche Mittheilung darf in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jener Stelle anderweitig, sei es auch nur auszugs- (Fortsetzung auf S. 3 des Umschlags.) | | A | SITZUNGSBERICHTE 1906. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 1. März. Gesammtsitzung. Vorsitzender Seceretar: Hr. Diers. *]. Hr. Lenz las über die Entstehung der Promotionsbe- stimmungen der Berliner Universität und den Verlauf ihrer ersten Promotionen. Den Anstoss zur Ausarbeitung der Promotionsbestimmungen gab ein Promemoria, welches ScHLEIERMACHER am 24. October 1810 ausarbeitete, in genauem Anschluss an seine »Gelegentlichen Gedanken über Universitäten«. Am 4. November wurde dies als ministerielle Verfügung der theologischen, der juristischen und der philosophischen Faeul- tät vorgelegt. Die Gegenentwürfe der drei Facultäten, von denen die juristische und mehr noch die philosophische die Vorlage stark veränderten, wurden von der Regierung meist gebilligt und dienten bis zur Publication der Statuten (1817) zur Grundlage der Promotionen. Die medieinische Faeultät erhielt in Folge ihrer besonderen Verhältnisse (Vorbildung ihrer Studenten und gesetzliche Promotion vor dem Staatsexamen) beson- dere Bestimmungen. 2. Die Akademie hat in der Sitzung am 15. Februar beschlossen, dem aus den Akademien und Gesellschaften der Wissenschaften zu Göttingen, Leipzig, München und Wien bestehenden Verbande deut- scher wissenschaftlicher Körperschaften beizutreten. Die Akademie hat Ihren Majestäten dem Kaiser und der Kaiserin zur Silbernen Hochzeit am 27. Februar eine Adresse dureh die Seere- tare überreichen lassen, deren Wortlaut unten folgt. Sitzungsberichte 1906. 30 312 Gesammtsitzung vom 1. März 1906. Adresse zur Silbernen Hochzeit Ihrer Majestäten am 27. Februar 1906. Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster Kaiser und König, Allergnädigster Kaiser, König und Herr! Allerdurchlauchtigste, Großmächtigste Kaiserin und Königin, Allergnädigste Kaiserin, Königin und Frau! Fihrösrchisvoll und in freudiger Bewegung zugleich bittet Euere Ma- jestäten die Königliche Akademie der Wissenschaften, ihre treugehor- samsten Glückwünsche zum heutigen Tage aussprechen zu dürfen. Als die Akademie vor fünfundzwanzig Jahren sich glückwünschend nahte, richteten sich ihre Worte an den jugendlichen Prinzen des Hohen- zollernhauses, auf den sich die Hoffnungen für die Zukunft Preußens und des Deutschen Reiches in weiter Ferne gründeten, und an die Tochter der Elbherzogtümer an seiner Seite, die ihm eben angetraute erlauchte Gemahlin im bräutlichen Schmucke. Heute kann sie ilıre Wünsche einem der machtvollsten Herrscher der Welt, dem Deutschen Kaiser und König von Preußen, durch dessen hohes Walten alle jene Hoffnungen reich erfüllt sind, darbringen und seiner Kaiserlichen und Königlichen Gemahlin, der von allen verehrten hohen und edlen Frau, geschmückt mit dem Silberkranze. Die Königliche Akademie mag es sich nicht versagen, vor allem derjenigen Empfindung Ausdruck zu geben, die sie am heutigen Tage besonders ergreift und beseelt — und nicht nur sie, sondern die ganze Welt —, der Empfindung, daß das deutsche Kaiserpaar in seinem Ehebunde vorbildlich dasteht vor allen! Wenn die Familie die Grund- lage des Staates ist, so können wir für Preußen und Deutschland keinen glückverheißenderen Wunsch hegen als den, daß für alle Zu- kunft deren Familienbande dem hohen Bunde folgen, zu dessen erster Jubelfeier wir uns heute vereinigen. Unsere Wünsche klangen vor fünfundzwanzig Jahren aus in die Worte: »So möge der junge Ehebund für Herd und Haus wie für Staat und Reich eine Quelle des Glückes und Segens werden, und Gott verleihe unsern treuen Segenswünschen die reichste Erfüllung!« Adresse zur Silbernen Hochzeit Ihrer Majestäten. 313 Buchstäblich, wir dürfen es in heller Freude sagen, ist dieser Wunsch in Erfüllung gegangen: Segen für Herd und Heim, für Staat und Reich) ist Tag für Tag aus dem viertelhundertjährigen Bunde Euerer Majestäten hervorgegangen; sieben blühende Kinder, sechs Söhne und eine Tochter, schenkte des Himmels Gnade; sehon im verwichenen Jahre konnten wir die Eueren Majestäten vor fünf Lustren gewidmeten Wünsche Ihren Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten dem Kronprinzlichen Paare wiederholen und dürfen wiederum am heutigen Tage glückerfüllt bitten, Euere Kaiserliche Majestät wolle geruhen, uns zu gestatten, gleich- zeitig Seiner Königlichen Hoheit dem Prinzen Eitel Friedrich und seiner hohen Gemahlin unsere Segenswünsche aussprechen zu dürfen. Wenn dereinst — gnädig wolle es der Himmel gewähren! — Eueren Majestäten zum goldenen Hochzeitstage die Akademie ihre Glückwunschadresse überreicht, so werden zumeist andere Namen unter- zeichnet stehen: aber wer immer die Männer sein werden, die unsere wissenschaftliche Anstalt dann verkörpern, die Akademie des großen Friedrich, die auch Euerer Majestät Königlicher Huld — und wiederum aus jüngster Zeit — so viel verdankt, daß Dero Allerhöchster Name für alle Zeiten mit ihr verknüpft bleibt, sie alle werden mit gleicher Ergebenheit und Treue wie wir heute vor Euerer Majestät Thron treten und mit derselben Herzenswärme rufen, wie wir: Gott erhalte, schütze und segne Euere Kaiserlichen und Königlichen Majestäten und das Kaiserliche und Königliche Haus immerdar! Königliche Akademie der Wissenschaften. 30* 314 Über das Nichtverschwinden einer Diriehletschen Reihe. Von Prof. Dr. Enpmunp LAndAU in Berlin. (Vorgelegt von Hrn. Scnuorrky am 15. Februar 1906 [s. oben S. 247].) Einleitung. B&i DiricnLers berühmtem Beweise des Satzes von der arithmetischen Progression' besteht die Hauptschwierigkeit darin, zu zeigen, daß eine gewisse unendliche Reihe mit reellen Gliedern eine von Null verschiedene Summe besitzt. Es ist dies die Reihe UNE: EIER) —%X(n) (1) a an 7 in welcher für (n, A)>ı (rn) = oO ist und für (n,k)=ı x(n) einen vom Hauptcharakter verschiedenen reellen Charakter der Gruppe der zu % teilerfremden Restklassen modulo % bezeichnet.” DirichLer überwand jene Schwierigkeit auf dem Umwege über die Theorie der Klassenzahl binärer quadratischer Formen. Es sind später mehrere direkte Beweise’ für das Nichtverschwinden der Reihe (1) ge- funden worden; die einfachsten unter ihnen verdankt man den Herren Mertens’ und pe LA VALLEE Poussm’. Diese beiden Beweise beruhen ‘ „Beweis des Satzes, dass jede unbegrenzte arithmetische Progression, deren erstes Glied und Differenz ganze Zahlen ohne gemeinschaftlichen Factor sind, unendlich viele Primzahlen enthält«, Abhandlungen der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1837, S.45—71; Werke, Band I, 1889, S. 313—342. ? (n,k) bezeichnet den größten gemeinsamen Teiler von n und A. ® Literaturangaben s. in meiner Arbeit »Über die Primzahlen einer arithmetischen Progression«, Sitzungsberichte der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien, mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse, Bd.ıı2, Abt.2a, 1903, S. 509. * „Eine asymptotische Aufgabe«, ebenda, Bd.ro8, Abt.2a, 1899, S. 32—37- 5 »Demonstration simplifiee du th&eoreme de Diricnter sur la progression arith- metique«, Memoires couronnes et autres memoires publies par l’Academie royale de Belgique, Bd. 53, 1896, S. 24— 29. (4) E. Lanpau: Über das Nichtverschwinden einer Dirichlet’schen Reihe. 315 auf verschiedenen Grundlagen. Der Merresssche ist völlig elementar und gelangt durch geschicktes Rechnen mit endlichen Summen zum Ziel. Der pe La Varzer Poussinsche Beweis vermeidet Rechnungen fast völlig, setzt jedoch die Elemente der Theorie der Funktionen komplexen Argumentes als bekannt voraus. Es ist mir nun gelungen, jeden dieser beiden Beweise noch zu vereinfachen. Ich willin $ ı des Folgenden diejenige elementare Beweis- ordnung angeben, auf welche mich das Studium der Merrexsschen Abhandlung geführt hat; in $ 2 werde ich — teilweise im Anschluß an Herrn pe La Varıee Poussın — den Satz mit funktionentheoretischen Hilfsmitteln auf möglichst einfachem Wege beweisen. un Ir Die zahlentheoretische Funktion %(r) hat die Eigenschaften: 2 "Ws. ish fur (m, K>1 xIn) = 0, %(n) =ı oder —ı. ZNSSISt (nr, R,) = x%(n,)x(n.). 3. Es ist (2) >x@)=o, falls n ein vollständiges Restsystem modulo % durchläuft. Aus (2) ergibt sich, wenn >,xn) = Si) n=X gesetzt wird, daß für alle Z (3) ist. Ss)| N 1 Aus (3) folgt ferner in Verbindung mit der Identität >,nx(n) U I—X t—ı t =»n(S(m) — S(n—ı)) = daß für alle >ı (6) >= S(n)(n— (n+ 1))+1S(d), t > ny,(n)| < 2Al nz» ist. Es werde fin) =Yx() sin gesetzt, wo v alle Teiler von 2 durchläuft; dann ist für (n,,n,)=1ı Fun, = > x) = Ir) Arte = fin)fn), Ylmı?z vol?r v2|R2 also, wenn n = p% ... p% die Zerlegung von n in Primzahlpotenzen ist, In) = fer) f(p>) .--fpR). Ferner ist für eine Primzahlpotenz fo) =xÜUÜ)+xP)-+ ..-+%(P°); also im Falle (p,))=p fp) =ı+0+...+0 und für (p,)=ı il I IEIFEF PETERS REN) daher ist stets IDEL und für gerades & Fr): Folglich ist stets (7) fn)=zo und für alle quadratischen x = m’ (8) DE Es werde nunmehr für &>ı x n=ı Ola) = > 2(e—n) fin) E. Lanoau: Über das Nichtverschwinden einer Dirichlet’schen Reihe. 317 gesetzt; dann ist! nach (7) und (8) x Vz ah re OW> zum) m> Yale )=: W ’ m=I RX m —ı also für alle x von einer gewissen Stelle an? I u (9) (a) > Z® Ve: Andererseits ist al) =>, em 2x0) =D 2(@—r)x(), DEE „|n A,v wo A,v alle Paare positiver ganzer Zahlen durchlaufen, deren Pro- dukt Av < w ist. Diese Paare zähle ich folgendermaßen” ab. Erstens durehlaufe A die Werte 1,2,..., E] und v für jedes A die Werte 2 Ab e : = Bor zweitens sei WE 2... =] und entsprechend \ A=1,2,...,|-|; drittens sind die — bisher doppelt berücksich- y 1 tigten — Paare in Abreehnung zu bringen, für welche A 2(© — 7)%,(v) , BE > 2(2 —?Mv)y%(v), (11) Ar VI 2 . v—ı A—=r Kae = = > 2 (@ — Av)%,(v) Kt PR ist. ' Eine Summe mit nicht ganzzahligen Summationsgrenzen soll hier und im fol- senden bedeuten, daß der Summationsbuchstabe alle dem betreffenden Intervall an- gehörigen ganzen Zahlen durchläuft. 2 2.B. ist für alle &> 36 Iv:| = >> : Ve—ı> Ve. ® Hierin liegt meine Vereinfachung des Merrensschen Beweises, an welchen ich mich bisher angeschlossen habe. 318 Gesammtsitzung vom 1. März 1906. — Mittheilung vom 15. Februar. Unter Benutzung von (3) und (6) erhält man I / x ı (12) Ber. I (zer 2a. 2) I" BE > > Oku — 6kw E je Ferner ist 23 z n 2 EN L X B= 2x0) > 2.6 — 2Av) = »0(2e| || -.| |). also, wenn gesetzt wird, 23 az 23 23 23 < a a ; X) S N Pr = >,xl) \ -489)) — = 2, : Tax) > RE 2 — %(v) S \ < Q Q — I —ı > mr u) +, ser — I) RE ® 5 7 daher ist nach (3) und (5) ak „= 2 2 (13) B< La’ + a +ka+Yv12 >54) W—2%r- SoyW)> ara (—k)—2- 2: (0 +1 er we 2 et Fe - 2 4 4 = — uk — 2ke 2 — 6kas . Aus (10), (11), (12), (13), (14) folgt für alle 221 4 4 4 4 (a) <6krs + La? + akas + 6kas = La? + 16Kus ; E. Lanpau: Über das Nichtverschwinden einer Dirichlet'schen Reihe. 319 dies liefert in Verbindung mit (9), daß für alle hinreichend großen x EL gr — g2 16krs ist; daher ist I5=E:0% was zu beweisen war. $ 2 Die unendliche Reihe co “ %(R) (15) 3 n n=ı konvergiert, wie leicht einzusehen ist, für alle komplexen s, deren reeller Teil >o ist, und sie stellt in dieser Halbebene eine reguläre analytische Funktion von s dar. Auf Grund der bekannten Eigen- schaften Dirıcauterscher Reihen braucht hierzu! nur gezeigt zu werden, daß die Reihe für reelle s>o konvergiert, und dies folgt aus a Ver en ) Sun), wm RSG, n’ en n" (n+1)' u (o+ 1) nzu nzu nz Ss in Verbindung mit (3). Ich betrachte nun diejenige analytische Funktion X (s), welche für N(S)>ı durch die Gleichungen RE %(v) Ye) = a > —yE Sa nzı n Be n’ er n n=ı n“ definiert ist. Bekanntlich hat die für N(s)>ı durch die Reihe definierte Funktion im Punkte s=ı einen Pol erster Ordnung und ist für o ı gültigen Identität ! Hr. pe ra Varter Poussın (a.a.0. S. 8S—ı1) beweist direkt auf einfache Weise, daß die Reihe (15) in jedem endlichen innerhalb der Halbebene R(s) > o gelegenen Gebiete gleichmäßig konvergiert, also für N(s) > o eine reguläre Funktion darstellt. Sitzungsberichte 1906. sl 320 Gesammtsitzung vom 1. März 1906. — Mittheilung vom 15. Februar. I I I 2 I I I I-— +— — —+...=|[1-—)[|1ı+—- + +-+...]; ae 2° N deren linke Seite für s>o konvergiert, also für N(s)>o konvergiert und eine reguläre analytische Funktion darstellt. Wäre nun so wäre die Funktion Y(s) für o m deren Koeffizienten f{n)>Zo sind, sei für R(s)>o konvergent, und die durch die Reihe definierte analytische Funktion sei für ,c, konvergent.« Im vorlie- genden Fall wäre also die Reihe (16), welche ‘Y(s) definiert, für I NR(s)>o, also speziell für s— = konvergent. Dies steht im Wider- spruch damit, daß nach (7) und (8) n)zo,ftm) > ı ist. Da die Reihe tatsächlich divergiert, ist 1b, == 6) ! „Über einen Satz von Tschesyscuer«, Mathematische Annalen, Bd. 61, 1906, S. 537- Ausgegeben am 8. März. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerel. 1906. | Xu. XI. SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN | AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN Sitzung der physikalisch -mathematischen Classe am 3. März. (S. 321) H. BaumnAver: Über die regelmässige Verwachsung von Rutil und Eisenglanz. (S. 322). Sitzung der philosophisch-historischen Classe am 8. März. (S. 329) BERLIN 1906. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Aus dem Reglement für die Redaction der akademischen Druckschriften. | Aus $ 1. Die Akademie gibt gemäss $ 41,1 der Statuten zwei fortlaufende Veröffentlichungen heraus: » Sitzungsberichte der Königlieh Preussischen Akademie der Wissenschaften und »Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften«, Aus $ 2. Jede zur Aufnahme in die »Sitzungsberichte« oder die »Abhandlungen« bestimmte Mittheilung muss in einer aka- demischen Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel das druckfertige Manuscript zugleich einzuliefern ist. Nicht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. 83. Der Umfang einer aufzunehmenden Mittheilung soll in der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, bei Nichtmitgliedern 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- lungen nicht übersteigen. Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung der Gesammt-Akademie oder der betreffenden Classe statt- haft, und ist bei Vorlage der Mittheilung ausdrücklich zu beantragen. Lässt der Umfang eines Manuscripts ver- muthen, dass diese Zustimmung erforderlich sein werde, so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen muthmasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen. Ne ® Sollen einer Mittheilung Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeichnungen, photographische Original- aufnahmen u. s. w.) gleichzeitig mit dem Manusecript, jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen. Die Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschliessen. Ein darauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der be- treffenden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage eines Sachverständigen an den vorsitzenden Secretar zu riehten, dann zunächst im Secretariat vorzuberathen und weiter in der Gesammt- Akademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie. Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist — wenn es sich nicht um wenige einfache Textfiguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachverständigen beizufügen. Überschreitet dieser Anschlag für die er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberathung durch das Seeretariat geboten. Aus $5. Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manusceripts an den zuständigen Secretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften, und zwar, wenn eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mittheilungen von Verfassern, welche nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen der Regel nach nur in die Sitzungsberichte aufgenommen werden. Beschliesst eine Classe die Aufnahme der Mittheilung eines Nichtmitgliedes in die dazu bestimmte Abtheilung der » Abhandlungen«, so bedarf dieser Beschluss der Bestätigung durch die Gesammt- Akademie. 1 ' exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei "Aus $6. Diean die Druckerei abzuliefernden Manuseripte müssen, wenn es sich nieht bloss um glatten Text handelt, aus- reichende Anweisungen für die Anordnung des Satzes und die Wahl der Schriften enthalten. Bei Einsendungen Fremder sind diese Anweisungen von dem vorlegenden Mitgliede vor Einreiehung des Manuseripts vorzunehmen. Dasselbe hat sich zu vergewissern, dass der Verfasser seine Mittheilung als vollkommen druckreif ansieht. Die erste Correetur ihrer Mittheilungen besorgen die Verfasser. Fremde haben diese erste ‚Correetur an das vorlegende Mitglied einzusenden. Die Correetur soll nach Möglichkeit nicht über die Berichtigung von Druckfehlern und leichten Schreibversehen hinausgehen. Umfängliche Correeturen Fremder bedürfen der Genehmigung des redi- girenden Secretars vor der Einsendung an die Druckerei, und die Verfasser sind zur Tragung der entstehenden Mehr- kosten verpflichtet. Aus $ 8. Von allen in die Sitzungsberichte oder Altandiunggn aufgenommenen asensnhäftichen Mittheilungen, ‚Reden, Adressen oder Berichten werden für die Verfasser, von wissenschaftlichen Mittheilungen, wenn deren Umfang im Druck 4 Seiten übersteigt, auch für den Buchhandel Sonder- abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen des be- treffenden Stücks der Sitzungsberichte ausgegeben werden. ” Von Gedächtnissreden werden ebenfalls Sonderabdrucke 3 für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn die Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden erklären. 2 89. Von den Sonderabdrucken aus den Sitzungsberichten erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 50 Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lassen, sofern er diess vechtzeitig dem vedigirenden Secretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt- Akademie oder der be- d r | “ treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten“ 50 ! ‚Frei- ' dem redigirenden Secretar weitere 200 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. BE: Von den Sonderabdrucken aus den Abhandlung en hält ein Verfasser, welcher Mitglied der ‚Akndeniie Su zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 30 exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl j von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis | zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Seeretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt- Akademie oder der be- | treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 30 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Secretar weitere 100 Exemplare auf Ale r Kosten abziehen lassen. } “ 817. Tr Eine für die akademischen Schriften bs stimmte wissenschaftliche Mittheilung darf | in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jener 14 ] Stelle anderweitig, sei es auch nur auszugs- ii | (Fortsetzung auf S. 3 des Umschlags.) 321 SITZUNGSBERICHTE 1906. xH. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 8. März. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. Hr. Kreın legte eine Mittheilung des Professors an der Univer- sität Freiburg (Schweiz) Hrn. Dr. H. Baumnaver vor: Über die regel- mässige Verwachsung von Rutil und Eisenglanz. Während bisher allgemein angenommen wurde, dass die Verwachsung von Rutil mit Eisenglanz bei den: prächtigen Vorkommen vom Cavradi in der Weise stattfinde, dass die Hauptachsen der Rutilkrystalle den Zwischenachsen des Eisenglanzes parallel gehen, zeigt Verf., dass diess nicht der Fall sei, dass vielmehr die Rutilprismen mit jenen Achsenrichtungen einen, wie es scheint, constanten spitzen Winkel (von: 2° 10') einschliessen. In Folge dessen gibt es, anstatt der bisher angenommenen drei, sechs Stellungen, in welchen die Rutile mit Eisenglanz verbunden sind. Diese Stellungen lassen sich nicht genau krystallonomisch definiren, deuten aber darauf hin, dass der Rutil gleichsam einer doppelten Anziehung von Seiten des Eisenglanzes unterliegt, in Folge dessen er eine mittlere Lage einnimmt zwischen der bisher angenommenen und einer anderen, bei welcher jedesmal eine Polkante von P}ııı{ einer Zwischenachse _ des Eisenglanzes parallel geht. v2 [503 Sitzungsberichte 1906. 322 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe v. 8. März 1906. Über die regelmässige Verwachsung von Rutil und Eisenglanz. Von Prof. Dr. H. BAumHAUER in Freiburg (Schweiz). (Vorgelegt von Hrn. Kreım.) Ines der schönsten und interessantesten Beispiele einer regelmässigen Verwachsung zweier verschiedenartiger Mineralien liefern bekanntlich die prächtigen Eisenglanztafeln vom Cavradi im Tavetsch (Canton Grau- bünden), mit welchen Krystalle von fuchsrothem Rutil verbunden sind. Diese Verbindung kann — bei gleichbleibender gegenseitiger Stellung — in verschiedener Weise stattfinden. Es können kleinere oder grössere Rutilkrystalle auf den Basisflächen des Eisenglanzes einzeln verstreut auf- liegen oder sie können Strahlen bilden, welche sich, oft von einem Punkte ausgehend, nach verschiedenen Richtungen erstrecken. Der Rutil kann auch in den Eisenglanz eingesenkt und anscheinend gleich- zeitig mit demselben entstanden sein, indem er gewissermassen die Substanz des Eisenglanzes beim Wachsthum des Krystallgebildes vertritt. Endlich kann, wie mir insbesondere neuerdings erhaltene Stufen zeigen, der Rutil in Form flacher Strahlen oder Platten ganz ähnlich erscheinen, wie er sich strahlenförmig auf den Eisenglanztafeln findet, ohne dass Jedoch noch eine Spur von letzteren zu erkennen ist. Man muss in diesem Falle wohl annehmen, dass zunächst ein, wenn auch kleiner Krystall von Eisenglanz die Anlagerung des Rutils veranlasste, dann aber später durch irgend einen Vorgang der Verwitterung oder Auf- lösung vollständig weggeführt wurde, während der Rutil zurückblieb bez. weiter wuchs. Die gesetzmässige Stellung der Rutilkrystalle bei dieser Verwach- sung wurde von BrEITHAuPT und HAıpınGER, insbesondere von vom RATH studirt. Dabei gelangte man zu der jetzt allgemein herrschenden An- nahme, dass eine Fläche des Deuteroprismas ooPx (100) des Rutils der betreffenden Basisfläche oR (0001) des Eisenglanzes parallel gehe und dass die Hauptachse des erstern in die Richtung einer Zwischenachse des letztern falle, also auf einer Kante der Basis zum Grundrhomboeder H. BaumuAvEr: Rutil- Eisenglanz -Verwachsung. 323 oder dem Protoprisma senkrecht stehe. Dabei würde dann eine Fläche Pxo(101) des Rutils annähernd in das Niveau einer Rhomboederfläche R(1011) des Eisenglanzes fallen (ooPoo(100):Poo(101) = 122°474', oR(0001):R(1o1 1)=122°23'). Auch nähert sich die Neigung oR (0001): 4P2 (2243) = 118°47' beim Eisenglanz derjenigen ©Poo(100):P(111)= 118°26' beim Rutil, wenngleich bei der angenommenen Stellung diese beiden Kanten etwas (um 2°47$') in ihrer Richtung differiren. Das bezeichnete Gesetz der Verwachsung wird in der minera- logischen Litteratur allgemein angegeben und durch entsprechende Zeichnungen illustrirt. Um so mehr war ich überrascht, als ich bei der genauen Betrachtung bez. Ausmessung besonders schöner Exem- plare, welche der hiesigen Universitäts- und Cantonssammlung an- gehören, fand, dass die Verwachsung in Wirklichkeit nicht diesem, sondern einem andern Gesetze folgt. Zuerst wurde ich auf diesen Umstand aufmerksam durch die Be- trachtung einer prächtigen Eisenglanztafel von etwa 9”” Durchmesser, auf welcher zwei ungewöhnlich grosse Rutilkrystalle von 5—6 mm Länge aufliegen und welche fast genau in Fig. ı wiedergegeben ist. Die beiden Rutilkrystalle a, Fig. 1. und 5, werden von den Flächen ooP3 (310) und (310) sowie von je zwei Flächen P(i1sı)und(r11) bez.P(ı1ı) und (Iıı) begrenzt und zei- gen dadurch einen an das mo- nokline System erinnernden Habitus, wobei ooPoo (100) die Rolle des Klinopinakoids coPoo (010) spielen würde. Beide liegen zu einander sym- metrisch, aber ihre Haupt- achsen sind nicht parallel und normal zur Kante oR(o001):R(r011)desEisen- glanzes gerichtet, sondern divergiren deutlich und schliessen dabei einen sehr spitzen Winkel von beiläufig 4°20' ein. An dieser Tafel konnten Messungen jenes Winkels nicht wohl ausgeführt werden, weil es zu schwierig war, dieselbe unver- letzt von der Stufe zu entfernen, doch wurden an anderen Krystallen zahlreiche Messungen angestellt (s. u.). Wendet man die Tafel um, so bemerkt man auf der anderen Seite fast ganz in gleicher Weise aus- gebildet und angeordnet ebenfalls zwei Rutile, welche wahrscheinlich 32* (0001) 324 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe v. 8. März 1906. mit den vorn gelegenen in direkter Verbindung stehen bez. deren Fortsetzung bilden. Es sind also in die Eisenglanztafel zwei Rutil- krystalle in der bezeichneten Stellung gleichsam eingesetzt. Indem ich nun eine Anzahl anderer Eisenglanzkrystalle desselben Fundortes prüfte und dabei mit Hülfe des Mikroskops die Lage der gestreiften Prismen- flächen bez. der Prismenkante des Rutils zu den Umgrenzungskanten der Eisenglanztafeln ermittelte, fand ich, dass in der That die Hauptachse der Rutilprismen niemals normal zu einer Kante oR Joooı} :R{ıoı1{ des Eisenglanzes liegt, sondern gegen dieselbe unter einem Winkel von etwa 87°50' geneigt ist. Diess gilt sowohl für einzelne verstreut liegende Krystalle wie auch von den oft sich kreuzenden bez. von einem Punkte nach verschiedenen Richtungen ausgehenden Strahlen von Rutil. Hieraus folgt aber, dass es nicht. wie man bisher annahm, nur drei unter 60° sich schneidende Richtungen gibt, nach welchen die Rutilprismen angeordnet sind, sondern sechs verschiedene Richtungen. Bezeichnet man je zwei in derselben Stellung, wie sie Fig. ı wiedergibt, zu einander angeordnete Rutilkrystalle mit a,,b,,—a,,b,,—a,,b,, so ergibt sich, dass — unter Annahme des spitzen Winkels zu 4°20' — zu einander geneigt sind: Ar:Q2:G3 sowie dr:b2:bz unter 120° bez. 60°, Br Dan RQ2 Dr, KO EDa NR 120° — 4°20' = 115°40' bez. 64°20', G1:02..1102: 031, Gy 2Dr -reccenn 120°+4°20'= 124°20' » 55°g40'. Die Neigung der Rutilprismen bez. ihrer Hauptachsen zu den von der Basis und dem Grundrhomboeder des Eisenglanzes gebildeten Kanten e,,e,,e, berechnet sich zu 87°50', 32°10' und 27°50'. Die Messung solcher Winkel geschah mit Hülfe des Mikroskops, wobei vielfach anstatt auf eine Kante des Eisenglanzes auf die Streifung der Basis desselben nach jenen Kanten eingestellt werden musste. Im Folgenden sind einige der erhaltenen Werthe angeführt: Platte I. 43: bı = 55° 32' br: &: = 87°47' G3e Dar — Aral Q3 :&ı = 32° 15' br: bz3 = 59° 56' b3:eı = 27°51' Platte I. ar :b2 = 55° 46' a3:b3='4°20' b2:b3 = 59° 58' a3 :b2 = 64° ı8'. Hier gab die Messung der Lage der Rutilprismen zur Streifung nach e, keine gut stimmenden Resultate, doch wich auch die Ein- stellung auf diese Streifung von derjenigen auf die Kante e, selbst um 25'ab. Ich fand so z.B. b,: e, (Streifung) = 88°26', b,:e, (Rand- kante) = 85° ı' (ber. 87° 50'). H. BaumnaAver: Rutil-Eisenglanz -Verwachsung. 325 Platte II. Gr: dr 49201; Qı:6ı = 87°45'; br:e&ı = 87°5;'. Ausser diesen mikroskopischen Messungen konnten dann an einzelnen Tafeln, bei welchen die Rutilprismen soweit nach der Peri- pherie hin sich erstrecken, dass dort Flächen derselben von Poo |ı01| hinreichend frei liegen, goniometrische Messungen vorgenommen werden, um die Lage des Rutils zu bestimmen. Es wurde die Neigung der Flächen jener Deuteropyramide zu den Flächen des Deuteroprismas coP2 }1120) des Eisenglanzes ermittelt, wobei ich folgende Resultate erhielt: Platte IV. Px (oT1) von a: : ooP2 (2110) = 119° 23' Poo (o11) von dr: ooP2 (2110) = 179° 19'— 179°26' (Mittel 179°22') Po (oT1) von ar: Px (o11) von br = 118° 42'— 49' (Mittel 118°454'). Hieraus folgt für den von den beiden Hauptachsen des Rutils gebildeten Winkel 4°21' bez. 4°20'; für a,:e, ergibt sich 87°49#', ku D.se, 37° 50.. Platten V-VIM. Poo (o11) von Br: ooP2 (2110) = 179°294', 224’, 25', 24". Endlich wurde an der in Fig.2 dargestellten Verbindung zweier Rutilkrystalle, welche auf Bergkrystall aufsitzend keine Spur von Eisenglanz mehr erkennen lässt, der von Poo(o11)a, und Po (o11)b, gebildete Winkel gemessen und zu 124°19' (ber. 124°20') gefunden (weiteres über diese kleine, nur etwa 3”” messende Verwachsung s. unten). Nach den angeführten Zahlen wird man annehmen dürfen, dass in der That je zwei Rutilkrystalle a, 5 so zu einander gelagert sind, dass ihre Hauptachsen einen Winkel von 4°20' mit einander bilden. Immerhin könnte es auch sein, dass dieser Winkel sich innerhalb enger Grenzen um jenen Werth herum bewegt. Die Gesetzmässigkeit der Anordnung kann jedoch nicht zweifelhaft sein. Denn die mikro- skopische Betrachtung (verbunden mit der durch die Streifung er- leichterten Einstellung der verschiedenen Rutilkrystalle auf das Faden- kreuz und der allmählichen Parallelverschiebung des Objektes) zeigt auffällig, dass bei verschiedenen Individuen gewisse Stellungen wieder- kehren. Manchmal ist auch zwischen den dickeren Strahlen eine sehr dünne Rutilnadel in etwas anderer Stellung eingelagert, bildet aber dann stets mit jenen einen Winkel von genau oder nahe 4°20'. Diese Regelmässigkeit bis in’s zarteste Detail ist geradezu überraschend. Die beschriebene Stellung des Rutils zum FEisenglanz ist aber merkwürdiger Weise keine krystallonomische, wenn auch eine solche, 326 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe v. 8. März 1906. die einer durch krystallonomische Elemente bestimmten sehr nahe kommt. Je eine Fläche der Deuteropyramide Poo{ıo1} des Rutils fällt nahezu mit einer Fläche des Deuteroprismas des Eisenglanzes zusammen (eine Polkante der Protopyramide P/ı1rı} also nahezu in die Richtung einer Zwischenachse des Eisenglanzes), der berechnete Winkel beträgt 179°224'. Wäre die Coincidenz beider eine voll- komniene, so würde daraus folgen, dass der Winkel a:b = 5°35' wäre (anstatt 4°20'), und dass sich a, zu b,, a, zu 5b, und a, zu b, in Zwillingsstellung nach der jedesmaligen Fläche der Deuteropyra- mide befänden, welche je zwei Flächen des Deuteroprismas des Eisen- glanzes parallel gienge. Diess ist jedoch nicht der Fall, sondern ihre Hauptachsen bilden statt des durch jenes Zwillingsgesetz geforderten Winkels von 65°35' einen solchen von 64°20'. Wäre der von den Hauptachsen je zweier Individuen a und b ge- bildete Winkel = 5°16', so bildeten die Hauptachsen von a, und b,, a, und b,, a, und b, je einen Winkel von 125°16' bez. 54°44'; die betreffenden Paare befänden sich dann jedesmal zu einander in Zwillingsstellung nach einer Fläche von 3Poo}301\. Allein auch diese Stellung wird nicht erreicht, obgleich manchmal zwei Rutile auf dem Eisenglanz so mit einander verwachsen, dass man glaubt, einen Zwilling nach dem genannten Gesetze vor sich zu haben. Diess gilt auch von der in Fig. 2 dargestellten Verwachsung. Da hier der Eisenglanz völlig fehlt, glaubte ich zuerst, es handle sich um einen solchen Zwilling, bis die Messung lehrte, dass die beiden Hauptachsen sich nicht unter 54°44', sondern unter 55°41' kreuzen. Wie man sieht, ist eine krystallonomische Bestimmung der Lage der Rutilkrystalle zum Eisenglanz nicht möglich, wenigstens konnte ich eine solehe nicht auffinden. Zwar liegt der Rutil mit einer Fläche des Deuteroprismas auf der Basis des Eisenglanzes auf — eine Thatsache, welche ich durch Messung bestätigen konnte —, aber das zweite krystallonomische Element der Lagenbestimmung fehlt. Man kann also nur sagen, dass die Hauptachsen von a und d nach beiden Richtungen gegen die betreffende Kante OR (0001): R(1011) unter einem Winkel von 87°50' geneigt sind, also mit der betreffenden Zwischen- achse des Eisenglanzes einen Winkel von 2°ı0' (und unter einander einen solehen von 4°20') bilden, dass ferner eine Fläche der Deutero- pyramide des Rutils zu einer solchen des Deuteroprismas des Eisen- H. BaumsAuer: Rutil-Eisenglanz -Verwachsung. 327 glanzes unter einem sehr stumpfen Winkel von 179° 224' geneigt ist. Man wird daraus schliessen dürfen, dass die Rutilkrystalle einer zwei- fachen Anziehung von Seiten des Eisenglanzes unterlagen und sich da- nach gleichsam zu orientiren strebten: einerseits so, dass ihre Haupt- achse einer Zwischenachse des Eisenglanzes und andererseits so, dass eine Polkante der Protopyramide P}rır! einer solchen Zwischenachse sich parallel zu stellen suchte. Im erstern Falle hätte man, wie bis- her irrthümlich angenommen wurde, nur drei verschiedene, sich unter 60° kreuzende Stellungen, im zweiten Falle zwar sechs Stellungen, je- doch würden, wie oben bemerkt, die Hauptachsen je zweier Rutil- krystalle a und 5 einen Winkel von 5°35' mit einander bilden, und es würden sich je zwei Individuen zu einander in Zwillingsstellung nach Poo}ıoı} befinden. Indem weder die eine, noch die andere Stellung erreicht wird, nehmen die Rutilkrystalle eine mittlere Lage ein, jedoch so, dass sie sich weit mehr der erwähnten zweiten als der ersten Stellung nähern. Es findet ein Schweben zwischen zwei krystallonomischen Lagen statt, und es ist interessant zu sehen, wie dabei nicht eine auffallend schwankende, sondern eine anscheinend constante Stellung eingenommen wird, welche zu dem Neigungswinkel je zweier Hauptachsen von genau oder fast genau 4°20' führt. Ich möchte hierin eine ähnliche Erscheinung erblicken, wie in dem von mir als »Concurrenz zweier Zwillingsgesetze« bezeichneten Verhältnisse, welches ich am Kupferkies beobachtete (Zeitschrift für Krystallographie, 31, 274). Dabei sind zwei miteinander verwachsene Krystalle gleicher Art so verbunden, dass der eine von ihnen gleichsam zwischen zwei, im Verhältniss zum andern nahezu gleichen Stellungen, die aber ver- schiedenen Zwillingsgesetzen entsprechen, schwebt und so eine mittlere Lage einnimmt. Ausgegeben am 15. März. NEN? Mm Bu}, air we \ (KE u‘ 1 in R N oe } 1,7 # rat \ u /R Ye arAN u Y }\ j Fr j NDEr ur i Fu \ i ENYA 4 m ce - Ei ' F 5 )e h, 1.) i I 2 4 u 2 ‘ Al MM u - % $, FR . - - © Se 329 SITZUNGSBERICHTE 1906 XI. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 8. März. Sitzung der philosophisch -historischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. Dieıs. *]. Hr. Kreuze von Sıranvonırz sprach über die Kunst in der Epoche der Antonine. Im Einzelnen wurden die Künstlerinschriften mit der Heimatsbezeichnung Aphro- disias, Löwy 364 bis 373 und 549 besprochen und der Kreis der durch die Bildhauer Aristeas und Papias bekannten Kunstart zu erweitern versucht. 2. Es wurde vorgelegt Corpus inscriptionum Latinarum Vol. XI. Inseriptiones trium Galliarum et Germaniarum latinae. Pars 3. Instru- mentum domesticum ed. Oscar Bonn. Fasc. 2. Berolini 1906. Ausgegeben am 15. März. Berlin, gedruckt in der Reiclsdruckerei Sitzungsberichte 1906. 33 INDPPP IA a Zee BILP Rn ee: I STE VRR ZT I), tanken a Pe) a . (A FAR DETLASTUN ,, N RR Tate a De A vs «13 RR TEE AN LEHRT I NT ARTE ET Er I RIED . ng syguh IF re air hl see WIR Berti N“ isn old u: ir B 1177 . ‚Mut er Ir 2 ev, ABER Ki j Lara In ir atakl gıniz Ti En j AP eine ARBEITEN Senn 5 -i ° 0 rd Speer 1900 ER XIV. SITZUNGSBERICHTE | KÖNIGLICH PREUSSISCHEN N _ AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. RE REES TEEN ee v wein ® N 2 z ru We ” N e: Gesammtsitzung am 15. März. ($. 331) hr VoseL: Über Spiegelteleskope mit relativ kurzer Brennweite. (S. 332) 4 _ Adresse an Hın. Fraxz Buec#£rer zum fünfzigjährigen Doctorjubiläum am 13. März 1906. (S. 351) 3 e EB , BERLIN 1906. _ VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Aus dem Reglement für die Redaction der akademischen Druckschriften. Aus $1. Die Akademie gibt gemäss $ 41,1] der Statuten zwei fortlaufende Veröffentlichungen heraus: »Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften« und » Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften«. Aus $ 2. Jede zur Aufnahme in die »Sitzungsberiehte« oder die »Abhandlungen« bestimmte Mittheilung muss in einer aka- demischen Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel das druckfertige Manuscript zugleich einzuliefern ist. Nicht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentliehen Mitgliedes zu benutzen. 83. Der Umfang einer aufzunehmenden Mittheilung soll in der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, bei Nichtmitgliedern 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- lungen nicht übersteigen. Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung der Gesammt-Akademie oder der betreffenden Classe statt- haft, und ist bei Vorlage der Mittheilung ausdrücklich zu beantragen. Lässt der Umfang eines Manuscripts ver- muthen, dass diese Zustimmung erforderlich sein werde, so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen muthmasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen. SA. Sollen einer Mittheilung Abbildungen im Text ER auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeichnungen, photographische Original- aufnahmen u. s. w.) gleichzeitig mit dem Manuscript, jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen. Die Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu verauschlagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschliessen. Ein darauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der be- treffenden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage eines Sachverständigen an den vorsitzenden Secretar zu richten, dann zunächst im Secretariat vorzuberathen und weiter in der Gesammt-Akademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie. Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist — wenn es sich nicht um wenige einfache Textfiguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachverständigen beizufügen. Überschreitet dieser Anschlag für die er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberathung durch das Secretariat geboten. Aus $5. Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manuseripts an den zuständigen Secretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften, und zwar, wenn eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mittheilungen von Verfassern, welche nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen der Regel nach nur in die Sitzungsberichte aufgenommen werden. Beschliesst eine Classe die Aufnahme der Mittheilung eines Nichtmitgliedes in die dazu bestimmte Abtheilung der »Abhandlungen«, so bedarf dieser Beschluss der Bestätigung durch die 'Gesammt- Akademie, ER IT {Fortsetzung auf 8,3 des Umschlägs.).t Pr | Fremder sind diese Anweisungen von dem vorlegenden Aus $ 6. s Diean die Druckereiabzuliefernden Manuscriptemüssen, wenn es sich nieht bloss um glatten Text handelt, aus- reichende Anweisungen für die Anordnung des Satzes und die Wahl der Schriften enthalten. Bei Einsendungen , Mitgliede vor Einreichung des Manuscripts vorzunehinen, 3 Dasselbe hat sich zu vergewissern, dass der Verfasser seine Mittheilung als vollkommen druckreif ansieht. Die erste Correctur ihrer Mittheilungen besorgen die Verfasser. Fremde haben diese erste Correetur an das vorlegende Mitglied einzusenden. Die Correetur soll nach Möglichkeit nicht über die Berichtigung. von Druckfehlern und leichten Schreibversehen hinausgehen. Umfängliche r Correeturen Fremder bedürfen der Genehmigung des redi- | j ; j j girenden Seeretars vor der Einsendung an die Druckerei, und die Verfasser sind zur Tragung der entstehenden Mehr- "r kosten verpflichtet. Aus$8, E 5 Von allen in die Sitzungsberichte oder Abhandlungen 2 aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilungen, Reden, E Adressen oder Berichten werden für die V erfassen. undg Be wissenschaftlichen Mittheilungen, wenn deren Umfansim Druck 4 Seiten übersteigt, auch für den Buchhandel Sonder- = abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen des be- x treffenden Stücks der Sitzungsberichte ausgegeben werden. Von Gedächtnissreden werden ebenfalls Sonderabdrucke EL 3 für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn die DE rd Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden ‚erklären. > en Von den Sonderabdrucken aus den Sitemgebeneinl ö erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Veitheilung ohne weiteres 50 _ Frei- A exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zalıl 3 von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lassen, a sofern er diess rechtzeitig dem ‚redigirenden Secretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu g der Genehmigung der Gesammt- Akademie oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 50° Frei- 4 exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem # | redigirenden Secretar weitere 200 Exemplare auf ihre j' Kosten abziehen lassen. a | Von den Sonderabdrucken aus den Abhandlungen er- hält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ‘ohne weiteres 30 ‚Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere - Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis | zur Zahl von 100. (im ganzen also 230) abziehen zu lassen, . sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Secretar an- | gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch. mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu 4 3 4 ‚der Genehmigung der Gesammt- Akademie oder der be- treffenden Classe.. — Nichtmitglieder erhalten. ‚30 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger re: bei dem redigirenden Secretar weitere 100 Exemplare auf, ihre Kosten abziehen lassen. j $ 17. f RE Eine für die ER NL Schriften be- ? stimmte wissenschaftliche Mittheilung. dart in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jener Stelle Enden mBchlE, sei es auch nur auszugs- ee are ge r- ea ru. f ’ £ ü 331 SITZUNGSBERICHTE 1906. XIV. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 15. März. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. Dieıs. l. Hr. Voszr las über Spiegelteleskope mit relativ kurzer Brennweite. Der Verfasser berichtete über eingehende Untersuchungen und über die sehr be- friedigenden Leistungen eines Spiegels von 4ım Öffnung und nur 93°@ Brennweite, der von Hrn. B. Schmidt in Mittweida in Sachsen hergestellt wurde, und legte einige der mit diesem Spiegel auf dem Astrophysikalischen Observatorium zu Potsdam erlangten Aufnahmen vor. 2. Die Akademie hat ihrem auswärtigen Mitglied Hrn. Franz BücheLer in Bonn zu seinem fünfzigjährigen Doctorjubiläum am 13. März eine Adresse überreicht, deren Wortlaut unten folgt. 3. Die Akademie hat durch die physikalisch-mathematische Classe Hrn. Prof. Dr. Ernst Gaupp in Freiburg i. B. zu einem Aufenthalt auf der Zoologischen Station in Neapel behufs einer entwickelungsgeschicht- lichen Durcharbeitung des Kopfskelets der Haie und Rochen 500 Mark bewilligt. Sitzungsberichte 1906. 34 332 Gesammtsitzung vom 15. März 1906. Über Spiegelteleskope mit relativ kurzer Brennweite. Von H. C. Vocerı. Wie schon seit den frühesten Zeiten eine Art von Wettstreit zwischen Refractor und Reflector Platz gegriffen hatte und eine Errungenschaft auf dem einen Gebiete bald auch auf dem anderen erreicht oder über- troffen wurde, so ist man auch in neuerer Zeit, nachdem mit der Her- stellung grosser Refractoren vor einem Jahrzehnt wohl der Gipfelpunkt der Vollendung erreicht worden war, mit grossem Erfolg an die Ver- vollkommnung der Spiegelteleskope gegangen, und Refractor und Re- fleetor stehen heute als gleichwerthig neben einander. Wesentliche Vervollkommnungen dürften bei keinem der so verschiedenartigen In- strumente mehr zu erwarten sein, und so wird man dazu gedrängt, jedem der beiden Instrumente ein Arbeitsfeld zuzuweisen, für das es ganz besonders geeignet ist. So werden die Refractoren von langer Brennweite voraussichtlich die Oberhand behalten, wenn es sich um Erlangung eines möglichst grossen brauchbaren Gesichtsfeldes handelt. Diejenigen Refractoren, deren Objeetive aus mehr als zwei Linsen be- stehen, und welche infolge der relativ kurzen Brennweite, die man ihnen geben kann, besonders geeignet sind, mit Anwendung der Photo- graphie grössere Theile des Himmels abzubilden und ausgedehntere Nebelmassen zu fixiren, werden bleibend zur Ausführung von Durch- musterungen, zur Aufsuchung von Cometen und kleinen Planeten Ver- wendung finden. Dagegen haben die Spiegelteleskope für die Beob- achtung der Nebelflecke und Sternhaufen von geringerer Ausdehnung gegenwärtig einen enormen Vorsprung erlangt, den sie unzweifelhaft dauernd werden behaupten können, da er mit in den Eigenthümlich- keiten des Spiegels begründet ist. Als Beispiel möge hier der bekannte Ringnebel in der Leier dienen. Er erscheint in einem grossen Refractor als elliptischer Ring, dessen ungleich vertheilte Helligkeit und ungleiche Schärfe der Begrenzung, namentlich an den Enden der grossen Axe der Ellipse, leicht auffällt. Voser: Über Spiegelteleskope mit relativ kurzer Brennweite. 333 Ein ganz besonders gutes Auge glaubt auch noch zeitweilig einige hellere, sternartige Stellen in dem Ringe und vielleicht ein Sternchen in der Mitte des Nebels erkennen zu können, aber mit Sicherheit ver- mag es nicht diese Details festzuhalten. Eine ein- bis zweistündige photographische Aufnahme mit einem Refractor, dessen Objectiv für die chemisch wirksamsten Strahlen achromatisirt ist, gibt schon mehr. Im Inneren des Nebels ist ein ziemlich heller Centralstern zu erkennen, der einen matten, etwas verwaschenen Begleiter hat. Die Abschattirungen in dem Nebelring sind sehr deutlich wahrnehmbar. Auf einer photo- graphischen Aufnahme mit einem der neueren Spiegelteleskope tritt je- doch bereits bei 10 Minuten Expositionszeit eine Überlichtung des Nebel- ringes ein. Als weiteres Beispiel sei der Orionnebel angeführt. Die zarten Details in den Ausläufern dieses Nebels, die man bei direeten Beob- achtungen in einem grösseren Fernrohr nur eben erkennt, und die sich nicht so sicher auffassen lassen, dass man eine Zeichnung davon anzufertigen vermag, werden zwar auf der photographischen Platte mit dem Refractor fixirt, doch nur in einer Zeit, in welcher unter vergleichbaren Grössenverhältnissen zwischen Refractor und Reflector bei letzterem der Orionnebel schon als eine geschlossene, nahezu kreis- runde Nebelmasse erscheint. Diese Verhältnisse sind ganz besonders dadurch bedingt, dass in dem Brennpunktsbilde des Spiegels alle Farben vollkommen vereinigt werden, während die Achromasie eines Fernrohres mit zweilinsigem Objeetiv immer viel zu wünschen übrig lassen wird und, da die Durchmesser der chromatischen Abweichungskreise bekanntlich mit der Focallänge des Refractors wachsen, die Fehler der unvollkommenen Achromasie bald alle anderen Fehler des Objectivs übertreffen. Bei Nebeln, welche das typische Nebelspectrum geben, wie die beiden, die ich soeben als Beispiele anführte, tritt dieser Übelstand des Re- fractors besonders hervor. Ich möchte hier noch specieller darauf auf- merksam machen, dass wenn in den in einem Refractor entstehenden Bildern die ultravioletten Strahlen des uns von einem Nebel mit discon- tinuirlichem Speetrum zugehenden Lichtes durch Absorption im Ob- jeetivglas mehr oder minder verloren gehen, es vorkommen kann, dass die photographisch fixirten Bilder im Reflector anders aussehen. Besonders deutlich tritt das hervor, wenn in den verschiedenen Partien ein und desselben Objeets die Intensitätsvertheilung der Speectrallinien eine verschiedene ist, wie das Mıtcner auf dem Yerkes-Observatorium und Harrmann' auf dem Potsdamer Observatorium im Orionnebel nach- ! Diese Berichte 1905, XVI, S. 360. 334 Gesammtsitzung vom 15. März 1906. gewiesen haben. Hier sind an einigen Stellen des Nebels die bekannten Nebellinien (im Grün) äusserst schwach, während die Linie im Ultra- violett (A 3727) im ganzen Nebel relativ stark ist, und damit lassen sich die leicht wahrnehmbaren Unterschiede der photographischen Auf- nahmen mit Refraetor und Refleetor erklären. Es ist weiter zu be- achten und als ein Nachtheil der Refractoren von längerer Brennweite zu empfinden, dass man bei direeten Beobachtungen von Gasnebeln und den in der Nähe befindlichen Sternen infolge der mangelhaften Achromasie auf Schwierigkeiten stösst. Für ein normales Auge ist die grösste Intensität im continuirlichen Spectrum eines Sternes zwischen A 560 uu und A570 uu gelegen, während im Nebelspeetrum die hellsten Linien die Wellenlängen 501, 496 und 486 uu haben. In einem Fern- rohr bis etwa zu 4 m Focallänge werden nun die Unterschiede der Ver- einigungsweiten für diese Wellenlängen, in der optischen Axe gemessen, kaum mehr als ımm betragen; bei grösseren Focallängen wachsen sie aber auf mehrere Millimeter an, und das Auge vermag dann nicht mehr sich so zu accommodiren, dass Sterne und Nebel gleichzeitig scharf erscheinen. Die erstaunlichen Fortschritte, welche durch die Spiegelteleskope in neuerer Zeit in Bezug auf unsere Kenntniss der Nebelflecke ge- macht wurden, sind zunächst in der Anwendung der Photographie begründet. Man kann sagen, dass durch sie für diesen so interessanten Wissenszweig eine neue Aera eröffnet worden ist. Objecte, die früher nur mit den grössten Instrumenten sichtbar waren, lassen sich mit kleinen Spiegelteleskopen leicht photographiren, und zwar geben die Bilder einen Detailreichthum, den man bei direeter Beobachtung kaum ahnen kann. Ein weiterer Erfolg ist durch die Bestrebungen erreicht worden, die Spiegelflächen vollkommener herzustellen und ihnen die Gestalt eines Rotationsparaboloids anstatt einer Kugelfläche zu geben. Hierdurch wird wenigstens in der Axe eine möglichst vollkommene und in der Nähe derselben eine bessere Vereinigung der Strahlen er- zielt als bei der Kugelfläche, bei welcher selbst in der Axe infolge der sphärischen Aberration kein fehlerfreies Bild entstehen kann. Man ist auch erst hierdurch in den Stand gesetzt worden, das Verhältniss von Öffnung zu Brennweite zu vergrössern und dadurch eine enorme Stei- gerung der Lichtstärke der Bilder sowohl ausgedehnter cölestischer Objecte als auch von den punktartigen Fixsternen (bei letzteren besonders durch Verringerung des Einflusses der Luftunruhe) her- beizuführen. Während die älteren Refleetoren von Herscner, Lord Rosse, Lassert, Drarer u. A. nicht über das Öffnungsverhältniss 1:9 hinausgehen, trifft man in neuerer Zeit für dieses Verhältniss die Werthe an: Voger: Über Spiegelteleskope mit relativ kurzer Brennweite. 335 Öffnung, Brennweite TE NOWEE BarıSen ee en. IIg cm 72m 1:5.8 Lick Obs. (Crossley-Refl.) g9I » So Tan COmTEE Sn 5,0 eher 152 » 8.2 TEE OBER. Oo Denise ee 5I» 2% 1:4 VerkeslÜbs Auer. nn 60 » 2.4 1=732 7, Schaeberlenkr a. 2... 30 » IL 123 Meudoufer leer 100 » 2.00% 1.22 Common: 52 EU» EEE sueSchaeberleren 33» 0.51» Mit der Vervollkommnung in der Herstellung der Spiegel sind auch die Fehler, welche denselben von Natur aus noch anhaften, aufgefallen und eingehender untersucht worden. Ich führe hier die wichtigsten sich darauf beziehenden Abhandlungen, so weit sie mir bekannt geworden sind, an! und möchte besonders noch auf zwei sehr interessante Abhandlungen von SCHWARZSCHILD, die unter dem Titel » Untersuchungen zur geometrischen Optik« im vorigen Jahre erschienen sind”, aufmerksam machen. In den- selben sind die Verhältnisse bei Spiegelteleskopen in sehr klarer und durch Einführung des Bruns’schen Eikonalbegriffs in höchst eleganter Weise zur Darstellung gebracht worden. Hrn. SchwarzschiLp’s Untersuchungen im I. Theil seiner Abhandlung haben sogar zu der Ansicht geführt, dass es gelingen kann, durch Anwendung zweier Spiegel ein bis zu einigen Graden Durchmesser vollkommenes Bild herzustellen. Der prak- tischen Ausführung seiner Vorschläge dürften meiner Erfahrung nach zwar noch sehr grosse mechanische und constructive Schwierigkeiten im Wege stehen. Die Errungenschaft, ein einigermaassen grosses apla- ! Monthly Notices of theR.A.S. Vol. XLVII, Nr. 5: J. F. Tennanı, Notes on Reflecting Telescopes. Vol. XLVII, Nr.7: McLaren, On the Images formed by Re- fleeting Mirrors, and their Aberration. Vol. LXI, Nr. 5: H. C. Prunmer, On the Images formed by a Parabolie Mirror. Astronomical Journal. Vol. XVI, Nr. 364: J. M. ScuaeEBerLe, Derivation of Fundamental Formulas for the Cassegrain (and Gregory) Telescopes. Vol. XVII, Nr. 413: J. M. ScHAEBERLE, On a fundamental Optical Defeet in the Images formed by a Parabolic Reflector. Vol. XVIII, Nr. 420: Cu. L. Poor, The Aberration of Parabolie Mirrors. Vol. XVIII, Nr.423: J. M. ScHAEBErRLE, On the Aberration of Parabolie Mirrors. Vol. XIX, Nr. 435: J.M. ScuäggErte, General Theory of the Aberration in the Focal Plane of a Parabolice Reflector. Vol. XIX, Nr. 435: H.C. Prunmer, On the Star-Image formed by a Parabolie Mirror. Astrophysical Journal. Vol. VII, p. ır4: Ca. L. Poor, The Aberration of Parabolice Mirrors. Vol. VII, p. 362: C. W. Crockerr, The Parabolic Mirror. Vol. XII, p. 219: S. C. Reese, Field of the Reflecting Telescope. Popular Astronomy. Vol. V, p. 518: F. L. O. Wapsworrn, A Note on a new Form of Mirror for a Reflecting Telescope. Vol. VI, p. 33: J. M. SchAEBERLE, On the Definition and Intensity of a Star’s Image in the Field of View of a Parabolie Reflecting Telescope. Vol. VI, p. 39: J.M. ScHAEtertLEe, On the Aberration of Para- bolie Mirrors. 2 Astron. Mitteilungen der Königl. Sternwarte zu Göttingen, 9. und 10. Teil. 336 Gesammtsitzung vom 15. März 1906. natisches Bild mit den sonstigen guten Eigenschaften der Spiegelbilder in einem Spiegelteleskop von grossem Öffnungsverhältniss zu erhalten (denn darauf beziehen sich ganz speciell diese Untersuchungen), wäre aber von so hervorragender Bedeutung, dass dadurch ein ganz erheb- licher Müheaufwand aufgewogen würde. Freilich beträgt die Licht- schwächung, allein durch Beschattung des Hauptspiegels von dem zweiten Spiegel, der in dem in der Abhandlung angeführten Beispiel die Hälfte des Durchmessers des grossen Spiegels besitzt, schon ein Viertel des Ge- sammtlichtes. Die Schwierigkeiten, die ich bei der Ausführung befürchte, liegen nicht in der Herstellung der Spiegel, sondern wesentlich in der festen Verbindung beider Spiegel und der feinen Justirung derselben gegen einander und gegen die photographische Platte, die selbst bei einem Spiegelinstrument einfachster Form —- Spiegel und photographi- sche Platte im Focus — Mühe macht. Da man nun gegenwärtig all- gemein Glasspiegel mit versilberter Oberfläche verwendet und in einiger Zeit diese Silberschicht einer Erneuerung bedarf, hat man die mühevolle Justirung öfters auszuführen. Gegenwärtig müssen wir uns begnügen, Spiegel mit grossem Öff- nungsverhältniss mit den ihnen anhaftenden Fehlern zu verwenden. Diese bestehen, wie schon angedeutet, darin, dass man in einem voll- kommenen parabolischen Spiegel nur in der optischen Axe ein voll- kommen gutes rundes Bild eines Sterns, ausserhalb der Axe aber von einem Stern nur Bilder erhalten kann, welehe mit dem Comafehler behaftet sind. Das in einer senkrecht zur optischen Axe des Spiegels gelegenen Ebene (photographische Platte) entstehende Bild nimmt eine birnförmige Gestalt an, die um so deutlicher hervortritt, je weiter der abgebildete Stern von der Axe absteht. Die Lichtvertheilung in diesen Bildern ist eine ungleiche; die grösste Intensität liegt in der Spitze. Durch eine veränderte Einstellung der Platte ist man nun nicht im Stande, von einem ausserhalb der Mitte gelegenen Stern ein rundes Bild zu erhalten. Man kann daher nicht, wie bei einem zusammengesetzten Objectiv, in Bezug auf die Einstellung der Platte eine Art Compromiss machen, um eine über eine grössere Fläche sich erstreckende gleich- mässige geringste Unschärfe zu erzielen. Die Bildwölbung, die auch beim Spiegel als Fehler auftritt, bringt noch eine weitere Deformation der nicht in der Axe gelegenen Bilder hervor, die aber erst bei grösserem Abstand von der Mitte der Einwirkung der Coma gleich- kommt. Aus der nachstehenden Tabelle, die ich der Abhandlung Scuwarz- scHp's (Theil II, S.ı1) entnommen habe, ist zu ersehen, wie gross die Fehler bei verschiedenen Öffnungsverhältnissen und bei verschie- dener Grösse des Gesichtsfeldes werden. Voser: Über Spiegelteleskope mit relativ kurzer Brennweite. 337 Öffnungs- | Gesichtsfeld- | Streuung durch, Streuung verhältniss | durchmesser Bildwölbung durch Coma 4° | 0:4 | a7 2:10 ! ‚er | 3.4 2 6.3 | 6.8 4 25.2 13.6 4° | 113 187 B3 1 | 5.0 37-4 2 20.0 74-9 | 4 83.8 149.8 I Es geht aus dieser Zusammenstellung hervor, dass bei Teleskopen vom Öffnungsverhältniss ı: 3 das brauchbare Gesichtsfeld nur 30' bis 40' Durchmesser haben wird. Wenn man aber bedenkt, dass die Aus- dehnung einer sehr grossen Anzahl von Nebelflecken 20' nicht über- steigt, so ist ein reiches Arbeitsfeld auch für einen Spiegel von dem genannten Öffnungsverhältniss gesichert. Vorauszusetzen ist hierbei, dass es gelingt, durch vollkommene Herstellung des Spiegels die rela- tiv zur Öffnung desselben kleinen Bilder, die wiederum den Vortheil grosser Lichtstärke gewähren, so detailreich zu erhalten, dass sie mit den Aufnahmen in Spiegelteleskopen mit grösserer Brennweite ver- gleichbar bleiben. Ich möchte noch darauf aufmerksam machen, dass man bei grösserer Ausdehnung des Objects sich mit der Abbildung einzelner Theile helfen kann, dass man bei genügender Lichtstärke eines solehen Objects aber auch ein brauchbares Bild von grösserer Ausdehnung durch Abblendung des Spiegels jeder Zeit erlangen kann. Die Grösse des brauchbaren Gesichtsfeldes nimmt ausserdem mit der Abnahme des Öffnungsverhältnisses sehr rasch zu. Für speetrographische Beobachtungen von Nebeln und schwachen Sternen bietet ein Spiegelteleskop mit grossem Öffnungsverhältniss, wie leicht einzusehen, erhebliche Vortheile. Die Intensität der Flächen- einheit wächst nämlich mit der Verringerung der Ausdehnung der Bilder von Nebeln im quadratischen Verhältniss. Da auch die durch die Luft- unruhe auf der photographischen Platte erzeugten Sternscheibehen bei kürzerer Brennweite kleiner werden als bei längerer, so werden bei In- strumenten von kurzer Brennweite noch alle die schwachen Sterne auf der Platte erhalten werden, welche bei längerer Brennweite wegen der zu geringen Intensität der durch Luftunruhe entstandenen und infolge der längeren Brennweite stärker vergrösserten Scheibehen das Bromsilber nicht mehr affieiren können. Diese Überlegung gab vor einigen Jahren Prof. Scueiser Veranlassung, dahin gehende Versuche mit einem provi- sorisch zusammengebauten Instrument (Spiegel von 32 cm Durchmesser und 96 cm Brennweite) auf dem Astrophysikalischen Observatorium anzu- 338 Gesammtsitzung vom 15. März 1906. stellen. Da aber der Spiegel sphärisch war und die Sternscheibehen infolge dessen selbst in der Axe erhebliche Dimensionen haben mussten, entsprachen die Resultate keineswegs den Erwartungen. Die hochinteressante und für die Ergründung der Natur neuer Sterne vor einigen Jahren gemachte wichtige Entdeckung eines Nebels um die verblassende Nova Persei spornte mich an, erneute Versuche mit Spiegeln von kurzer Brennweite auf dem Observatorium ausführen zu lassen, um dadurch eventuell im Allgemeinen den Arbeitsplan des Observatoriums nach dieser Richtung hin zu erweitern und im Speciellen dasselbe in den Stand zu setzen, derartige wichtige Beobachtungen, zu denen ein Spiegelteleskop besonders geeignet erscheint, auszuführen, die bisher dem Auslande überlassen werden mussten.' Im Jahre 1904 erhielt ich von SrEisHEL in München einen Spiegel von 30 cm Durchmesser, dessen Oberfläche jedoch nur bis zu 24 em Durch- messer vom Optiker bearbeitet worden war. Die Brennweite betrug gocm, das Öffnungsverhältniss demnach ı: 3.3. Eine Untersuchung des Spiegels mittelst extrafocaler Aufnahmen (Methode Hartmann) hat Dr. EBERHARD ausgeführt; sie ergab Folgendes: Abweichung u in der Axe Radius gemessen mm | mm 54 | +0.28 69 + 0.13 84 | + 0.09 100 | 0.14 114 | — 0.40 Nach Abschluss dieser Untersuchung liess ich dem Spiegel eine möglichst sichere Montirung geben, bei der besonders Gewicht auf die Stabilität und auf die Möglichkeit einer feinen Justirung der Platte gegen die optische Axe des Spiegels gelegt wurde. Nach den genauen Angaben von mir und Dr. Eseruarn haben die Mechaniker O. ToEPFER & Sons in Potsdam die Montirung ausgeführt, und nachdem Dr. EsEr- HARD im Verein mit Dr. Lupennorrr die etwas mühsame Justirung des Teleskops, das mit dem oftgenannten photographischen Refractor von 32.5 cm Öffnung in Verbindung gebracht worden war, auf das Sorgfältigste vorgenommen hatten, konnten von den genannten Herren recht schöne ' Bisher ist in Deutschland kein Spiegelteleskop von kurzer Brennweite in Ge- brauch. Dass Woı.r in Heidelberg dem von Miss Bruck überwiesenen Fernrohr, mit welchem er seine schönen Stern- und Nebelaufnahmen macht, den Namen Bruce - Tele- skop beilegte, hat wiederholt zu dem Missverständniss, dass es sich um ein Spiegel- teleskop handle, geführt. Vocer: Über Spiegelteleskope mit relativ kurzer Brennweite. 339 Aufnahmen von den bekanntesten Objeeten (Orionnebel, Spiralnebel in den Jagdhunden, Dumbbell-Nebel u. A.m.) im Winter 1904/5 herge- stellt werden, die den Beweis lieferten, dass auch bei so geringen Dimen- sionen des Instruments sich sehr brauchbare Resultate erhalten lassen. Inzwischen hatte ich von Hrn. B. Schmior in Mittweida (Sachsen), von dessen besonderen Leistungen in der Herstellung parabolischer Spiegelflächen ich gehört hatte, einen Spiegel von 40cm Durchmesser und 2m Brennweite zur Ansicht und Prüfung zugeschickt erhalten. Eine Untersuchung dieses Spiegels durch Dr. Esermarn liess eine so grosse Vollkommenheit in der Vereinigung der von verschiedenen Zonen des Spiegels kommenden Strahlen erkennen, dass ich bei Hrn. Schmipr anfragte, ob er sich wohl der sehr mühsamen Arbeit, einen Spiegel vom Öffnungsverhältniss von ungefähr ı: 2.5 herzustellen, unterziehen wolle. Wir einigten uns nach erfolgter Zusage dahin, dass der Spiegel 4ocm brauchbare Öffnung und 93 cm Brennweite erhalten solle, und dass die Abweichungen der Vereinigung der Strahlen im Brennpunkt, in der optischen Axe gemessen, &o.1ı mm nicht übersteigen dürften. Wie Hr. Scuuipr diese Bedingungen erfüllt hat, wird aus dem Nachstehenden erhellen. Ich bemerke noch, dass die Lieferungszeit von nur drei Mo- naten nach der definitiven Bestellung streng innegehalten worden ist. Meinen anfänglichen Wunsch, diesem Spiegel eine eigene Mon- tirung zu geben, habe ich zunächst aufgeben müssen, da die Aus- führung derselben in ausreichender Weise grössere Kosten und vor Allem längere Zeit erfordert hätte und mein Wunsch, den Spiegel so- bald als möglich durch Beobachtungen am Himmel zu prüfen, um mindestens ein Jahr hätte hinausgeschoben werden müssen, da für die neue Montirung auch die Herstellung eines geeigneten Beobach- tungsraumes vorzusehen war. Ich habe daher auch diesen Spiegel durch die HH. O. Torrrer & Sonn ähnlich montiren lassen, wie den früher erwähnten von 30 cm Durchmesser, und das Spiegelteleskop mit dem Rohre des kleinen photographischen Refraetors fest in Verbindung bringen lassen. Zur Vermeidung zu grosser Belastung dieses Instru- ments ist der optische Theil und der Ocularansatz des photographischen Rohres abgenommen worden. Das optische Leitrohr des Refraetors von 23 cm Öffnung hat als Leitrohr bei den Aufnahmen mit dem Spiegel gedient. Eine weitere Entlastung geschah durch die Verwendung von ? Nickelaluminium für die Fassung des Spiegels und für die Träger der D> fe) fe) Cassette. Der Durchmesser des 53 mm dicken Spiegels beträgt 44 em, die brauchbare Fläche hat 41 cm Durchmesser, die Brennweite ist 92.7 cm. Das aus dünnem Stahlblech hergestellte Rohr hat eine lichte Weite von 47.8cm, an dem einen Ende ist in einer sehr stabilen Fassung, auf einem Ringe von 30cm Durchmesser lagernd, der Spiegel angebracht, am an- ip) {o) ’ I 'S fo) 340 Gesammtsitzung vom 15. März 1906. deren Ende ist das Stahlrohr durch einen Ring verstärkt, dessen lichte Weite 45.8cm beträgt. Von ihm gehen drei Streben von 8 mm Stärke aus, die den kreisförmigen Mitteltheil von gomm Durchmesser, der die Cassette trägt, halten. Die Vorrichtung zur genauen Einstellung der photographischen Platte in den Brennpunkt sowie zur Neigung der- selben zur optischen Axe und einer geringen seitlichen Verschiebung der Platte ist von der Montirung des 30 cem-Spiegels übernommen worden, da sie sich sehr gut bewährt hatte. Die Plattengrösse ist 5X 5 cm. Zur Einstellung der Platte in den Brennpunkt ist eine Scala mit Nonius angebracht, die durch mikroskopische Ablesung es ermöglicht, bis auf 0.05 mm genau einzustellen. Eine nur 0.1 mm unrichtige Einstel- lung ist im Stande, das Bild wesentlich zu verschlechtern. Bisher hat sich ein Einfluss der Temperatur auf die Einstellung in den Brennpunkt zwischen den Temperaturen + 5° und — 6°5 © nicht nachweisen lassen. Nach sorgfältiger Justirung des Teleskops durch Dr. EBERHARD und Dr. Lupenporrr sind von ihnen von Ende October 1905 ab bei jeder günstigen Gelegenheit Aufnahmen ceölestischer Objeete gemacht worden, deren Anzahl leider infolge der ausnahmsweise schlechten Witterung in diesem Winter keine sehr grosse geworden ist. Trotzdem glaube ich aussprechen zu können, dass ich unser Instrument für eines der vollkommensten seiner Art halte, die zur Zeit existiren. Ich wende mich nun nach diesen allgemeinen Betrachtungen zu den Angaben der Details des Scuuwr’schen Spiegelteleskops vom Öff- nungsverhältniss I: 2.26. ı. Bei den Zonenuntersuchungen ergaben sich für die ver- schiedenen Zonen des Spiegels nach den Messungen von Dr. EBERHARD (E.) und von B. Schumipr (Scn.) für die Vereinigungspunkte der Strahlen folgende Abweichungen, in der optischen Axe gemessen: Zone | Abweichung E. | Sca. Zone Abweichung Radius | E. Sch. mm | mm | mın mm | mm mm 40 — | 0.00 147 | #0.01 | — 657 || Um. 0:00 ee FE er 70 non 160 — —0.03 80 +0.03 — 165 —0.03 —— 90 — | +0.02 170 — —0.03 100 | +0.03 | —_ 180 - —0.04 or | — | +0.03 185 | —0.10 - 115 +0.07 — 190 _ —0.04 125 == +0.01 195 —0.09 | E= 135 0.00 -— 200 . | —0.0I 140 2 —0.005 205 -+0.01 VosEL: Über Spiegelteleskope mit relativ kurzer Brennweite. 341 Die Werthe von EBERHARD sind etwas grösser als die Scnmipr’schen, die letzteren sind aber zuverlässiger. Die Egrrnarn’schen Messungen liegen nämlich an der Grenze dessen, was sich mit der Methode extra- focaler Bilder erreichen lässt, während Scumipr durch Beobachtungen der Interferenzbilder im Brennpunkt weiter kommen konnte. Bei beiden Bestimmungen ist auch die Lage und die Breite der Zonen, wie aus der Zusammenstellung ersichtlich, eine verschiedene gewesen, was nicht ohne Einfluss auf das Resultat geblieben sein wird. Der Verlauf einer durch die mittelst Beobachtung bestimmten Vereinigungspunkte ge- legten Curve spricht sich aber in beiden Beobachtungsreihen sehr deut- lich aus. Man hat die in der Axe gemessenen Abweichungen mit dem Öffnungsverhältniss der in Betracht kommenden Zonen zu multiplieiren, wenn man die Durchmesser der Bildscheibehen finden will. Für den Maximalwerth ergeben sich bei voller Öffnung des Spiegels Werthe, welche in guter Übereinstimmung mit denjenigen Werthen sind, die aus direeten Messungen von Sternbildchen abgeleitet werden. 2. Die kleinsten Bilder von Sternen in der Nähe der Axe habe ich auf verschiedenen Platten und an sehr vielen Sternchen aus- gemessen und gefunden, dass die kleinsten, nicht mehr ganz regel- mässig erscheinenden, etwas matten Pünktchen 0.015 mm, entsprechend 3"3, gross sind, für den Durchmesser runder, gleichmässig gesch wärzter Sternpünktehen ergab sich 0.033 mm oder 7'3.' 3. Extrafocale Bilder, bei voller Öffnung des Spiegels ange- fertigt und unter dem Mikroskop angesehen, sind bei dem Schuipr- schen Spiegel von grosser Regelmässigkeit und lassen durch die Gleichmässigkeit der Lichtvertheilung auf äusserst geringe Zonenfehler "schliessen. Es ist ferner interessant, in denselben ein Schattenbild des Plattenhalters mit den drei Streben zu erblicken. Ich halte das für ein vorzügliches Kriterium für die ausserordentliche Güte des Spiegels, da ein solches Bild nur zu Stande kommen kann, wenn die einzelnen Zonen ein und demselben Rotationsparaboloid angehören. Wenn die Axen der einzelnen Zonen nicht genau zusammenfallen, oder wenn die Parabel, welche der Schnittfläche des Paraboloids in der Axe entspricht, nicht gleichmässig verläuft, sondern leichte Wellen bildet, können die Brennpunkte der einzelnen Zonen wohl denselben Abstand vom Scheitel des Paraboloids (wie sich durch Zonenprüfung ergibt) haben, ohne thatsächlich zusammenzufallen. Sie liegen dann in einer Fläche neben einander. Die Sterne können in so einem Falle im Brennpunkt läng- lich erscheinen (astigmatischer Fehler) oder auch rund, nur von grösserer ! Für das Instrument mit 92.7 cm Brennweite bestehen folgende Verhältnisse zwischen linearer Ausdehnung im Brennpunkt und Winkelwerth: ı mm entspricht 3:71 = 222.5; I'= 0.27 mm. 342 Gesammtsitzung vom 15. März 1906. Fig. 1. Fig. 2. Ausdehnung und unregelmässiger begrenzt als in einem vollkommeneren Spiegel. Ich glaube, dass die vorstehenden Abbildungen, die ich von extra- focalen Sternaufnahmen angefertigt habe, für die Besitzer von Spiegel- teleskopen von Interesse sein werden. Figur ı ist das extrafocale Bild eines in der Axe befindlichen Sternes, Figur 2 das eines Sternes in einiger Entfernung von der Axe. Beide Figuren beziehen sich auf den Scnamipr’schen Spiegel. Die Figuren 3 und 4 sind extrafocale Aufnahmen von Sternen in der Axe bezw. in geringem Abstande von der Axe in einem weniger vollkom- menen Spiegel. 4. Coma. Ich hielt es von Interesse, etwas genauere Messungen an den Bildern auszuführen, die bei der Plattenlage im Brennpunkt in verschiedenen Abständen von der Spiegelaxe bei voller Öffnung des Spiegels, also bei dem Öffnungsverhältniss ı: 2.26 entstehen. Zu dem Zweck ist eine Platte angefertigt worden, auf welcher öOrionis in der Axe und in Abständen von 10' zu 10' mit gleicher Expositionszeit (eine Minute) aufgenommen worden ist. Da die Gegend des Himmels stern- reich ist, ist eine sehr grosse Anzahl schwächerer Sterne auf der Platte enthalten, so dass auch an diesen zahlreiche Messungen aus- geführt werden konnten, deren Resultate ich hier mittheilen will. Voser: Über Spiegelteleskope mit relativ kurzer Brennweite. 343 Abstand | Coma von der Axe Längsausdehnung o' | 0.000 mm 0.0 16) | 0.040 » | 8.9 20 korrız 3 | 525.1 30 | 0.188 » | 418 40 | 0.278 » | 61.9 50 | 0.375 >» 83.4 60 0.483030, Broy. 70 | 0.595 » | 132.4 Die Messungen sind an sieben Bildern von Ö Orionis bis zum Ab- stand von 60' von der Axe ausgeführt worden, sowie an 23 Bildern von schwächeren Sternen bis zum Abstand von 67'. Die Resultate derselben lassen sich sehr gut durch eine Curve verbinden, aus welcher die Werthe für die Längsausdehnung des Sternbildes für die Abstände von IO', 20' u.s. f. von der Axe entnommen wurden, die in der Tabelle angegeben sind. Ich habe dann noch aus Messungen an mehreren Sternen auf zwei Platten die Grösse der Coma im Abstande von 56' von der Axe bestimmt bei einer Abblendung des Spiegels auf 24 cm, einem Öffnungs- verhältniss von 1: 3.86 entsprechend, und die Längsausdehnung der Bilder = 0.135 mm oder = 30" gefunden. Eine Vergleichung dieser Messungsresultate mit den Angaben der oben angeführten Tabelle von SCHWARZSCHILD lässt erkennen, dass die Streuung sich geringer ergibt, als nach der Berechnung zu erwarten war. j Ferner habe ich an zahlreichen Sternbildchen das Verhältniss zwischen Längsausdehnung und grösster Breite ermittelt. Dasselbe ist sehr genau 3:2. Weiter ergab sich der Winkel, welchen die durch Coma veränderten Sternbildchen an ihrer Spitze bilden, zu genau 60° und die Entfernung der Senkrechten auf die Längsaxe der Figur, welche der grössten Breite entspricht, von der Spitze zu 3 der Längsaxe. Zeiehnet man in einen Winkel von 60° Kreise in der Weise ein, dass die Peripherien derselben die Schenkel des Winkels berühren (Fig. 5), so erhält man genau die Figur der Zerstreuungsbilder der Sterne ausserhalb der Axe. Die Lichtvertheilung in denselben habe ich in Figur 6 darzustellen versucht. Bei genügender Lichtstärke wird die ganze Figur so schwarz (im Negativ), dass man keine Abstufung mehr wahrnehmen kann. Es tritt eine geringe Einschnürung vor der Spitze deutlicher hervor, als bei den Bildern schwächerer Sterne, was wohl in dem Auswachsen der intensivsten Stelle in der photographischen Schicht an der Spitze der Figur seinen Grund haben mag. Bei ganz schwachen 344 Gesammtsitzung vom 15. März 1906. Fig. 5. Fig. 6. TEN mE EL u EEE 1 LH 3 7 | | | | | | | | i Sternchen erscheint die Figur nicht geschlossen; es ist vielmehr nur ein Winkel zu erkennen, dessen Schenkel nach der Spitze zu nach innen geschweift und verbreitert, nach aussen aber vollkommen gerad- linig begrenzt erscheinen. Der in der Figur 6 angedeutete Bogen tritt häufig auf, auch erscheinen nicht selten die Sternbildehen mit einem feinen Längsstrich versehen — das Schattenbild eines der Stege, die die Cassette halten —, wenn die Längsausdehnung des Bildehens mit der Richtung eines der Stege zufällig zusammenfällt. 5. Leistungen des Scnuipr’schen Spiegels im Vergleich zu anderen Instrumenten. Über die Leistungen von Spiegeln mit sehr grossem Öffnungs- verhältniss liegen nur wenige Daten vor. Mit dem Spiegel der Stern- warte zu Meudon (Im:3m) sind von M. Rasourvın Aufnahmen einiger der bekannteren Nebel gemacht worden, über die M. Janssen in den Comptes Rendus T. 126 und T. 128 berichtet hat. Aus den nicht weiter in’s Detail gehenden Beschreibungen lässt sich kein Anhalt da- für gewinnen, dass das benutzte Instrument hervorragende Eigen- schaften besässe und ein Fortschritt anderen Instrumenten gegenüber zu constatiren sei. Im Gegentheil geben die wenigen, allerdings nicht sehr gut reprodueirten Abbildungen in den Comptes Rendus T. 128 nur Zeugniss davon, dass entweder die Focussirung der Platte unge- nügend gewesen oder dass der Spiegel nicht fehlerfrei ist. Besonders in den Bildern vom Sternhaufen im Hercules, die bei verschiedenen Expositionszeiten hergestellt worden sind, erscheinen die Sterne nicht als Scheibehen, sondern als unregelmässig elliptische Ringe mit oder ohne sternartigen Kern. Der höchst interessante Versuch ScHAEBERLE’s', einen Spiegel im Öffnungsverhältniss ı:1.54 herzustellen, scheint zwar gelungen zu sein, doch konnten aus der geringen Anzahl von Aufnahmen bisher die ! Astronom. Journal. Vol. XXIII, Nr. 539: J. M. SchAEBERLE, On the Photo- graphic Efficieney of a 13-inch Retlector of 2o-inches Focus. VoseEr: Über Spiegelteleskope mit relativ kurzer Brennweite. 345 Vortheile meiner Ansicht nach nicht sicher genug festgestellt werden. Der eitirten Abhandlung. ist eine photographische Abbildung des Ring- nebels in der Leier beigefügt, die jedoch nichts Auffallendes zeigt. Die wohl schon zu starke Vergrösserung (75 mal) der vom Verfasser zur Veröffentlichung beigegebenen Photographie ist durch die Heraus- geber leider noch auf das Doppelte gebracht worden, so dass in Folge des stark hervortretenden Silberkorns fast jedes Detail und jeder An- halt, sich über die Feinheit der Zeichnung des Spiegels eine Vor- stellung zu machen, verloren geht. In zwei weiteren Abhandlungen! hat SCHAEBERLE nochmals Beobachtungen über den erwähnten Ringnebel und über den Dumbbell-Nebel mitgetheilt. Auch hier sind die Bilder stark vergrössert worden, 22 mal bezw. ı5mal. Von dem Vorhandensein einer spiraligen Structur, die bei längerer Exposition in den äusseren Theilen dieser Nebel, sowie auch bei den Nebeln in der Nähe von yCassiopejae und bei der Gruppirung der Sterne im Sternhaufen des Hercules hervortreten soll, habe ich mich nach den Photographien nicht überzeugen können. Leider war es in Folge der ungünstigen Witterung im vergangenen Herbst nicht möglich, hier Aufnahmen vom Ringnebel in der Leier und vom Dumbbell-Nebel zu erhalten. Die Nebel um YCassiopejae sind auf unseren Aufnahmen in vollkommener Übereinstimmung mit denen auf den Aufnahmen von Roßerrs.” Das, was SCHAEBERLE über die auffallend grosse Lichtstärke seines Instruments in Bezug auf Abbildungen schwacher Sterne sagt, wird jedoch durch die hier gemachten Beobachtungen, wie ich weiter unten zeigen werde, bestätigt. Da mir sonst nichts weiter über Spiegel mit relativ sehr kurzer Brennweite bekannt ist, bleibt nur übrig, die hier in Potsdam bisher erhaltenen Resultate mit denen von RoBERTs mit einem Spiegel von 51cm Durchmesser und dem Öffnungsverhältniss 1: 5 auf seinem Privat- observatorium und denen von KrELErR mit dem Crosstey-Reflector mit einem Spiegel von 9ı em Durchmesser und dem Öffnungsverhältniss 1:6 auf dem Lick-Observatorium gewonnenen zu vergleichen. Der Scumipr’sche 41 em-Spiegel gibt bei voller Öffnung schon bei zwei Minuten Exposition von den Plejadennebeln die hellsten Partien. Bei 30 Minuten Expositionsdauer tritt alles Detail hervor, welches auf den Aufnahmen von KeeLer mit dem Crosstey-Reflector in vier Stunden ! Astronom. Journal. Vol. XXIII, Nr. 547: The Ring-Nebula in Lyra, and the Dumb-Bell-Nebula in Vulpecula, as great Spirals. Nr. 552: On the Spiral Character of the Nebulosities surrounding y Cassiopejae. ® Selection of Photographs of Stars, Star Clusters and Nebul®, Bd. II, S. 159, Taf. 25. 346 Gesammtsitzung vom 15. März 1906. erhalten wurde, und etwas mehr, als die vierstündige Aufnahme von Roserrs' gibt. Das brauchbare Gesichtsfeld ist jedoch bei dem 41cm-Spiegel mit voller Öffnung zu klein, um die Plejaden auf einer Platte darzustellen, wie es mit Teleskopen von geringerem Öffnungs- verhältniss möglich ist. Die Nebel um yCassiopejae sind bei voller Öffnung in 40 Minuten so deutlich erschienen als bei den Aufnahmen von RogErts 1895 Oct. 25 (Bd. HU, S. 159, Taf. 25) in go Minuten. Hınv’s variabler Nebel bei TTauri, den KEELErR” mit dem Cross- reY-Reflector durch vier Stunden lange Exposition erhalten hat, ist auf einer Aufnahme mit dem Scnmr’schen Spiegel von nur zwei Stunden Expositionsdauer deutlich zu erkennen. Eine zweistündige Auf- Fig. 7. nahme des Crab-Nebels Fr ; 3 (N.G.0.1952,h 357) über- Fe trifft die von RoBerts® in . R drei Stunden erhaltene. a 5 Dem phantastischen Bilde . des Nebels, welches nach . . 52 dem Anblick im grossen : Reflecetor (183 em Öffnung) RE # . . von Lord Rosse entworfen . worden ist, und dem der 3 Nebel den Namen Crab- \ we Nebel verdankt, gleichen .. ED die Photographien nicht. ne ; h Der hellere Theil des Ne- ! ; bels hat die Gestalt eines Rhombus; die äussere Be- grenzung ist zwar unregel- mässig und zeigt an einer 2 Stelle eine sehr starke Ein- er buchtung, Ausläufer in . : ER der Art der erwähnten Zeichnung sind jedoch ö EL, nicht zu erkennen. Die ' zahlreichen Sterne in der Nähe des Nebels, welche Nebel bei G’Orionis. die Aufnahme von RoBERTS zeigt, sind alle auf der 1 a0, Bann Ss ars later: ® Monthly Notices LX, S. 424. Ta Or BAT, 75358 alar: Ta. Voser: Über Spiegelteleskope mit relativ kurzer Brennweite. 347 hiesigen Aufnahme zu finden, ja es sind noch einige mehr vorhanden; der Nebel erstreckt sich etwas weiter als auf der Aufnahme von Rogerrs. Die sehr interessanten Nebel um (Orionis (N.G.C.2023 und 2024), selbst auch der matte Nebelstreifen, der an einer Stelle ganz scharf geradlinig begrenzt und mit einem kreisförmigen, scharf begrenzten Ausschnitt versehen ist, sind schon auf einer 10 Minuten lang expo- nirten Platte sichtbar. Von diesen Nebeln ist mir nur eine schöne Aufnahme von Hrn. v. Gornarnp, die mit einem Spiegelteleskop von ge- ringerem Öffnungsverhältniss in eirca acht Stunden erhalten wurde, zur Hand. Die vorstehende Skizze (Fig. 7) hat Dr. Münch nach einer zwei- stündigen Aufnahme mit dem Scnmmr’schen Spiegel bei einer Abblen- dung desselben auf 31 cm angefertigt. Nur in der Nähe der Nebel- partien sind auch die schwächsten Sterne mit angegeben worden." Um ein grösseres Gesichtsfeld zu erhalten, ist bei Aufnahmen ver- schiedener Objecte von grösserer Ausdehnung der 41 em-Spiegel auf 24 cm abgeblendet worden. Das Öffnungsverhältniss ist dann 1:3.86. Nach Abzug der von der Vorrichtung zum Halten der Platte beschatteten Spiegeltheile ergibt sich für den Durchmesser der zur Verwendung kommenden Spiegelfläche nur 21.7 cm. Auf einer einstündigen Aufnahme des Orionnebels sind nun alle Details im Nebel zu erkennen, welche die Aufnahme von RosErrs” bei 3 Stunden 25 Minuten langer Exposition enthält, auch sind alle Sterne gekommen, die auf der genannten Aufnahme sichtbar sind. Die mittleren helleren Theile des Nebels, die auf der einstündigen Auf- nahme etwas überlichtet waren, konnten auf feinkörnigen, weniger empfindlichen Platten bei ıo Minuten bezw. 30 Minuten Belichtung vortrefflich dargestellt werden. Von dem interessanten Spiralnebel M. 33 im Triangulum (N.G.C. 598, hızı) ist bei zweistündiger Exposition mit dem Öffnungsverhältniss 1:3.86 ein sehr schönes Bild angefertigt worden, das jedoch in Folge seiner geringen linearen Ausdehnung in Bezug auf feinstes Detail nicht ganz die in 34 Stunden erhaltene Aufnahme mit dem Crossrry-Re- fleetor an Güte erreicht, aber doch sehr nahe kommt. Der Aufnahme von Rogerrs von 24 Stunden Expositionsdauer (a.a.O., Bd. II, S. 65, Taf. 10) steht die Potsdamer Aufnahme nicht nach. Im Hereules-Sternhaufen sind bei der Abblendung auf 24 em in 5 Minuten so viel Sterne gekommen, als auf einer Aufnahme von 60 ! Die Zeichnung und noch besser das Original stimmen gut mit der Photographie von Rogerrs (Astrophys. Journal Vol. XVII, Pl. IV) überein, auf welche ich während des Drucks dieser Abhandlung aufmerksam gemacht wurde. Angaben über die Expo- sitionsdauer hat Roserrs nicht gemacht. aan a0 Bd2l, S. 59, Tal.ız. Sitzungsberichte 1906. 36 [371 348 Gesammtsitzung vom 15. März 1906. bis 120 Minuten mit dem 32.5 em-Objeetiv des Potsdamer photographi- schen Refractors. Eine Aufnahme der ausserordentlich sternreichen Gegend um y Cassio- pejae zeigt bei 60 Minuten Exposition viel mehr Sterne, als die von Rogerrs auf Taf. 4 wiedergegebene Abbildung seiner Aufnahme vom 17. Januar 1890 (a.a.O., Bd.I, S.33) bei 90 Minuten, auch sind die Nebel in der Nähe des Sternes sehr deutlich zu erkennen, die auf dieser Rogerrs’schen Aufnahme nicht erschienen sind. Diese Beispiele werden genügen, bei richtiger Beachtung der Grössenverhältnisse der Instrumente, mit deren Leistungen die des Scauipr’schen Spiegels verglichen wurden, die Leistungsfähigkeit dieses Spiegels, die einestheils in dem grossen Öffnungsverhältniss, andern- theils aber in der vollendeten Form desselben begründet ist, dar- zuthun. Über die Lichtstärke in Bezug auf die Abbildung schwacher Sterne möge aber noch Folgendes mitgetheilt werden. Es sind von Hrn. R. H. Tucker! auf dem Lick-Observatorium von verschiedenen Theilen des Himmels kleine Karten angefertigt worden, auf denen alle Sterne, die mit dem grossen Refractor von 91.5 cm Öft- nung bei guter Luft nur eben sichtbar waren, eingezeichnet sind. Wir haben bisher nur eines dieser Kärtchen (Karte III, Gegend bei e Orionis) prüfen können und das erfreuliche Resultat erhalten, dass bei einer Exposition von nur 10 Minuten bei voller Öffnung des Schmidt’schen Spiegels nicht nur alle die schwächsten Sterne 16-17. Grösse, die in dem mächtigen Lick-Instrumente sichtbar sind, erhalten wurden, son- dern dass die Zahl der schwachen Sterne eine erheblich grössere ist, obgleich zur Zeit der Aufnahme die Versilberung des Spiegels, die oft erneuert werden muss, schon merkbar gelitten hatte. Dr. Müncn hat auf Grund einer Ausmessung dieser von Dr. EBEr- HARD und Dr. Lupenporrr gemachten Aufnahme ein Kärtchen angefer- tigt, auf dem alle Sterne, die deutlich als solche zu erkennen waren, eingetragen sind. Dabei konnten auch einige Ungenauigkeiten in der Tucrer’schen Zeichnung berichtigt werden, und ich glaube, dass die Wiedergabe dieser Karte (Fig. 8) von Interesse sein wird. Die Karte er- streckt sich in Declination etwas weiter als die Tucker’sche, dagegen umfasst sie in Rectascension nur etwa die Hälfte derselben. Auf gleichen Theilen der Tucker’schen Zeichnung und der hier angefertigten Photo- graphie befinden sich auf ersterer 44 Sterne schwächer als 12. Grösse, während die Photographie 61 Sterne unter dieser Grössenclasse er- kennen lässt. ! Publicat. of the Astron. Society of the Pacific. Vol. VIII, p. 95. 349 Voser: Über Spiegelteleskope mit relativ kurzer Brennweite. "LE Er ı- 15 EE S 00061 (066 ı- ag) #3 gg „es OL .I— „gP SE ne 0'0061 (Fooı .I— II) 84,9 'pu9SjoF SIuolıQa ne uognuım # ‘pueson ayaıeıuıaıg 350 Gesammtsitzung vom 15. März 1906. Ich hoffe, dass mit dem schönen Spiegel noch interessante Re- sultate zu Tage gefördert werden, besonders auch, wenn eine Ver- bindung des Spiegels mit einem geeigneten Specetrographen gelingt. Die Aussicht hierzu liegt allerdings noch etwas fern, da zunächst das Spiegelteleskop eine eigene Montirung erhalten muss, um damit un- gestört längere Beobachtungsreihen durchführen zu können, was jetzt. in der provisorischen Verbindung des Instruments mit dem photographi- schen Refractor, nicht möglich ist; zudem kann dieses vortreffliche Instrument auch nur vorübergehend in dem theilweise demontirten Zu- stand belassen werden. Ferner ist die Construction eines Spectro- graphen, dessen optische Theile aus Bergkrystall herzustellen sein würden, noch zu ersinnen und in praktische Formen zu kleiden. Dann ist ein geeignetes Schutzhäuschen zu beschaffen, das ich so einzu- richten gedenke, dass es leicht transportabel ist, in der Hoffnung, das kleine vorzügliche Teleskop an einer geeigneteren Stelle als in Deutschland und besonders in der Potsdamer wasserreichen Gegend aufstellen zu können, um dasselbe voll auszunutzen. In erster Linie werden aber die Kosten für die sehr wünschenswerthe und auf jeden Fall sicheren Erfolg versprechende Erweiterung der instrumentellen Mittel des Observatoriums aufzubringen sein. 351 Adresse an Hrn. Franz BUECHELER zum fünfzig- jährigen Doetorjubiläum am 13. März 1906. Hochgeehrter Herr College! Bir Wiederkehr des Tages, an dem Sie vor 50 Jahren an der Rhei- nischen Hochschule den Doctorhut erwarben, entbietet Ihnen die König- lich Preussische Akademie der Wissenschaften Gruss und Glückwunsch. Die seltene Feier weckt die Erinnerung an Ihre Erstlingsschrift, eine grammatische Untersuchung subtilster Art, ausgeführt an einem epigraphischen Stoff, die hervorgegangen aus den glänzenden Zeiten der Bonner Schule, die an Rırscenz’s Namen sich knüpfte, selbst. ein beredtes Zeugniss ist von dem Betriebe philologischer Wissenschaft, den Rırscar's Geist und Energie befruchtete und lenkte. Ihrem Werke hat der Meister selbst das Geleit gegeben und Sie und Ihre Schrift in Beziehung gesetzt zu dem damals unter Momusen’s Aegide reifenden grossen Unternehmen einer Sammlung der Römischen Inschriften. Das gab für lange einem Theile Ihrer wissenschaftlichen Arbeit Ziel und Richtung, und wer heute auf die Anfänge zurückblickt, darf bekennen, dass alle Hoffnungen, die Sie bei dem ersten Schritt auf der Bahn der Wissenschaft erregten, sich in reichem Maasse erfüllt haben. Nicht zu reden von den zahllosen immer scharfsinnigen, immer fördernden Einzelbeiträgen zu diesem Gebiet, Sie haben Ihren Namen der epi- graphischen Litteratur auf immer eingezeichnet durch das viele Jahre sorgsam gepflegte, mit bewundernswerther Einsicht und Umsicht aus- geführte Werk der Anthologia epigraphica. Und als die Akademie un- längst Hand anlegte an die Erneuerung von Mommsen’s erstem Bande des Corpus inseriptionum Latinarum, fand sie, da den Begründer die Erde deckt, bei Ihnen als dem bewährtesten Kenner und berufensten Beurtheiler inschriftlicher Tradition den Rath und die Unterstützung, die sie begehrte. Von den lateinischen Inschriften führte Sie frühzeitig der Weg zu den Denkmälern der verwandten italischen Dialecte, deren Erfor- schung Ihnen um so besser gelang, je mehr sie mit der Erkenntniss des alten und ältesten Latein sich verband. Es ist leicht ersichtlich, wie viel die Iguvinischen Tafeln und die Reste der oseischen Mundart 352 Gesammtsitzung vom 15. März 1906. Ihrem methodischen Sinne zu danken haben, mit dem Sie die doppelte Aufgabe lösten, die Räthsel der sprachlichen Form zu entziffern und den Gedankengehalt auszuschöpfen und zur Aufklärung antiker Sitte zu verwerthen. Aber nicht bloss was in Stein oder Erz gegraben, hat Ihren Forschertrieb gereizt, Sie haben nicht minder der Schriftstellersprache Ihre Aufmerksamkeit zugewendet, und die Entwickelung des Latein von Plautus bis Petronius und noch tiefer hinab mit feinem Verständ- niss verfolgt, haben was Dichterlaune schafft oder der Volksmund in unbewusster Schöpfung erzeugt zu deuten gewusst und die Mannich- faltigkeit lateinischer Formbildung an Einem Theile wenigstens in dem belehrenden Büchlein über die lateinische Declination zur Anschauung gebracht. Zwar sind alle Ihre Leistungen getragen von dem hellen Ver- stande des Kritikers, der keinen Schritt thut, ohne sich Rechenschaft zu geben, und Voraussetzungen scharfen Auges prüft, bevor er Schlüsse zieht; aber den ausgebreitetsten Boden fand die Bethätigung dieses Talentes an den Werken der antiken Litteratur, und griechische wie römische Schriftsteller aller Zeiten und aller Gattungen, handschrift- lich überlieferte wie in Herculanensischen Rollen aufbewahrte, weisen neidenswerthe Proben Ihres glücklichen Scharfsinnes auf. Wer, um Weniges zu nennen, Ihre wiederholte Bearbeitung von Petronius Sa- tirae nebst den Überresten Varronischer Satire, des Persius und Iu- venalis mehrmals erneuerte, immer eindringlicher die Quellen aus- beutende und mit glänzenden Berichtigungen ausgestattete Textes- gestaltung, Ihre zuerst das Verständniss eröffnende Edition der neu aufgefundenen Mimiamben des Herondas prüft und betrachtet, kann sich leicht überzeugen, was philologische Kritik zu leisten und welche Triumphe sie unter Ihren Händen gefeiert hat, kann auch das er- kennen, dass Ihre Handhabung derselben dem Ideal entspricht, das Sie einst in einer unvergessenen Rede gezeichnet haben. In gerechter Würdigung Ihrer hohen Verdienste um die philo- logische Wissenschaft hat die Akademie Sie schon 1882 den corre- spondirenden, im Jahre 1900 den auswärtigen Mitgliedern ihrer philo- sophisch-historischen Classe zugewählt und freut sich heute mit inniger Theilnahme, Ihr schönes Jubelfest zu begleiten, das Ihnen an dem- selben Orte zu begehen vergönnt ist, an welchem Sie die nun ein halbes Jahrhundert alte ehrenvolle /aurea empfangen haben. Von Bonn als Jüngling ausgegangen, nach Bonn als reifer Mann zurückgekehrt, haben Sie, nach zwei vorangegangenen Epochen ausgezeichneter philo- logischer Wirksamkeit, deren Eigenart Sie jüngst selbst beschrieben, eine dritte inaugurirt und in Gemeinschaft mit dem zu früh dahin- Adresse an Hrn. Franz BuECHELER. 353 geschiedenen Usener viele Jahre den Ruf der vornehmsten philologi- schen Bildungsstätte hochgehalten, indem Sie mit ihm eine Schule begründeten, aus der wie einst aus Isocrates /udus tamquam ew equo Troiano meri principes hervorgegangen sind. Wenn Sie jetzt, des Lehramtes müde, von der akademischen Thätigkeit sich zurückziehen, so nehmen wir gern an, dass Sie um so eifriger wissenschaftlicher Production sich hinzugeben beabsichtigen. Möge Ihnen dazu noch lange Kraft und geistige Frische verbleiben. Die Königlich Preussische Akademie der Wissenschaften. Ausgegeben am 22. März. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei a TR | ‚ Re en la ı u} vr ee ur, Fra 200 rer vrai N Prilr, PR SENFIRIBRD | RAT I AN EN Te ir Rare en 2 A ln j) weh .‘ Er N 3 u Pre er 5 Ahr nme Fi MR AT 7 t ik Urn Frakı), ii NE Aerı,® | 1906. | IN. XVI I SITZUNGSBERICHTE KÖNIGLICH PREUSSISCHEN _ AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. ni & W x - > 4] Sitzung der philosophisch-historischen Classe am 22. März. (S. 355) K.Serur: Eine ägyptische Expedition nach dem Libanon im 15. Jahrhundert v. Chr. (S. 356) : Sitzung der physikalisch -mathematischen Classe am 22. März. (S. 365) BERLIN 1906. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Aus dem Reglement für die Redaetion d der akademischen Druckschriften. 4 £ = Aus $6. } En | Aus $ 1. Die Akademie gibt gemäss $ 41,1 der Statuten zwei fortlaufende Veröffentlichungen heraus: »Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften« und » Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften«. Aus $ 2. Jede zur Aufnahme in die „Sitzungsberichte« oder die »Abhandlungen« bestimmte Mittheilung muss in einer aka- demischen Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel das druckfertige Manuseript zugleich einzuliefern ist. Nicht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentliehen Mitgliedes zu benutzen. 83. Der Umfang einer aufzunehmenden Mittheilung soll in der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, bei Nichtmitgliedern 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberiehte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- lungen nicht übersteigen. Überschreitung Ber Grenzen ist nur mit Zustimmung der Gesammt-Akademie oder der betreffenden Classe statt- haft, und ist bei Vorlage der Mittheilung ausdrücklich zu beantragen Lässt der Umfang eines Manuseripts ver- muthen, dass diese Zustimmung erforderlich sein werde, so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen muthmasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen. N Sollen einer Mittheilung Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeiehnungen, photographische Original- aufnahmen u. s. w.) gleichzeitig mit dem Manuseript, jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen. Die Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschliessen. Ein darauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der be- treffenden Vorlagen mit dem schriftlie!.en Kostenanschlage eines Sachverständigen an den vorsitzenden Seeretar zu richten, dann zunächst im Secretariat vorzuberathen und weiter in der Gesammt-Akademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie. ist — wenn es sich nicht um wenige einfache Textfiguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachverständigen beizufügen. Überschreitet dieser Anschlag für die er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberathung durch das Seeretariat geboten. Aus $5. Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manuscripts an den zuständigen Secretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften, und zwar, wenn eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mittheilungen von Verfassern, welche nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen der Regel nach nur in die Sitzungsberiechte aufgenommen werden. Beschliesst eine Classe die Aufnahme der Mittheilung eines Nichtmitgliedes in die dazu bestimmte Abtheilung der » Abhandlungen «, so bedarf dieser Beschluss der Bestätigung durch die Gesammt- Akademie. (Fortsetzung auf S. 3 des Umschlags.) Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten - } | | | | Diean dieDruckereiabzuliefernden Manuscripte müssen, wenn es sich nicht bloss um glatten Text handelt, aus- Ei R) reichende Anweisungen für die Anordnung des Satzes und die Wahl der Schriften enthalten. Fremder sind diese Anweisungen von dem vorlegenden Mitgliede vor Einreichung des "Manuseripts vorzunehmen, Dasselbe hat sich zu vergewissern, dass der Verfasser seine Mittheilung als vollkommen druckreif ansieht. g Die erste Correetur ihrer Mittheilungen besorgen die Verfasser. Möglichkeit nicht über die Berichtigung von Druckfehlern _ und leichten Sehreibversehen hinausgehen. Correeturen Fremder bedürfen der Genehmigung des vedi- girenden Secretars vor der Einsendung an die Druckerei, und die Verfasser sind zur Tragung der entstehenden Bi - $ kosten verpflichtet. y Aus $8. Von allen in die Sitzungsberichte oder rn aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilungen , Reden, Adressen oder Berichten werden für die Verfasser, von. wissenschaftlichen Mittheilungen , wenn deren Umfang im Druck 4 Seiten übersteigt,auch fürden Buchhandel Sonder- _ abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen des be- treffenden Stücks der Sitzungsberichte ausgegeben werden. | Von Gedächtnissreden werden ebenfalls Sonderabdrucke | für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden u LEITET - A Von den Sonderabdrucken aus den Sitzungaberichien erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, i zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 50 ‚Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem | Zwecke “A auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) A zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Seererar a 2 gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch che‘; der Genehmigung der Gesammt- Akademie oder der treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 50 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei em redigirenden Secretar weitere 200 PrempPeds auf * ihre Kosten abziehen lassen. I > Von den Sonderabdrucken aus den Abhandinzgenl er- ‚hält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 30. Frei- > exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere , Exemplare I bis zur von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 100 (im, ganzen also 230) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Seeretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten .noc ‚ mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es d der Genehmigung der Gesammt- Akademie. oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten ‚30 Fe exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei ( ‚lem redigirenden Secretar weitere 100 EEE auf ihre Kosten abziehen lassen. sır. B Eine für die akademischen Schriften bt- stimmte wissensehaftliche Mittheilung dart in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jener * Stelle anderweitig, sei es auch nur besuhr. u F ER | “ E # %* > Foes an Bei Einsendungen I Fremde haben diese erste Correctur an das vorlegende Mitglied einzusenden. Die Correctur soll nach Umfängliche Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu. 1 ' 355 SITZUNGSBERICHTE 1906. XV. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 22. März. Sitzung der philosophisch -historischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. DıELs. *]. Hr. von WıLamowıtz-MOELLENDORFF trug vor über neue Bruch- stücke griechischer Dichter aus der ägyptischen Abtheilung der Königlichen Museen. Es sind Reste von Rollen und Büchern; sie enthalten Bruchstücke der hesio- dischen Kataloge (mindestens zwei), von Soplokles (Achäerversammlung), Euripides (Phaethon, Kreter), von zwei attischen Komödien, einem hellenistischen Epos, von seltsamen Anapästen (Kassandra spricht), von Gedichten auf den Tod von Rhetoren der Schule von Berytos aus dem 4. Jahrhundert. Von erhaltenen Schriften sind be- sonders die Reste einer Aristophaneshandschrift (namentlich Acharner) und einer des Nonnos (Buch 14 und 15) bemerkenswert. 2. Hr. Erman legte eine Abhandlung des Hrn. Prof. Kurr SETHE in Göttingen vor: Eine ägyptische Expedition nach dem Li- banon im ı5. Jahrhundert v.Chr. Sen-nufe, ein Schatzmeister König Thutmosis’ III. (um 1500 v. Chr.), berichtet in seinem Grabe, dass er nach Byblos in Phönieien gesandt wurde und dort auf dem Gebirge Cedern fällen liess. Sitzungsberichte 1906. 36 356 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 22. März 1906. Eine ägyptische Expedition nach dem Libanon im 15. Jahrhundert v. Chr. Von Prof. Dr. Kurr SETHE in Göttingen. (Vorgelegt von Hrn. Erman.) Seit den ältesten Zeiten finden wir bei den Ägyptern das Holz der —ı] Zeder, ägypt. cs!, und das »Öl« dieses Baumes (Ast nt €s) in ausgedehntem Maße verwendet. Für größere und prächtige Bauten, für Schiffe und Geräte, die höheren Ansprüchen genügen sollten, fehlte es in Ägypten an passendem Bau- und Nutzholz. Der Bestand an Bäumen war schon damals augenscheinlich außerordentlich schwach und das Holz, das die knorrigen Akazien und Sykomoren des Landes lieferten, war zu besseren Tischler- und Zimmerarbeiten nicht zu ge- brauchen. Die Quelle, aus der die Ägypter das für ihre großen Bauten un- entbehrliche Zedernholz bezogen, war der Libanon. Als solche be- gegnet er uns unter seinem Namen Rmnn” nur selten in den ägypti- schen Inschriften.” Gewöhnlich wird die Heimat -des Zedernholzes schlechtweg als Atjw »Treppe« (genau Atjw nw €$ »Zederntreppe«) be- zeichnet, ein Ausdruck, den man auch für die Küstengebirge des »Malachitlandes« (Atjw Mfkst, d. i. die Sinaihalbinsel) und des Weih- rauchlandes (Atyw ntjw nw Pwnt »Myrrhentreppe von Punt«, wohl an der Somaliküste) gebraucht. Daneben kommt endlich auch oft die ! Daß c$ die Zeder bedeutet, wird trotz der Ausführungen von BrREASTED (in Ss. New chapter) noch immer von Manchen mit Unrecht bezweifelt. Die in Anm. 3 mit- geteilte Bezeichnung (8 n Rmnn widerlegt diese Zweifel wohl endgültig. 2 r bezeichnet wie gewöhnlich das fehlende /; für die Verwendung von m für b vgl. mein Verbum I $$ 210. 220. 3 c$n Rmnn (Var. Rmnwns) findet sich z. B. in der Bauinschrift Amenophis II. am Sockel des von ihm erbauten Tempels von Luksor; aber auch sonst. — Es sei hierbei auch an die bekannte Darstellung in den Reliefs von Sethos I. zu Karnak er- innert, wo die »Großen von Rmnn« Zedern fällen. K. Serne: Eine ägypt. Expedition nach dem Libanon im 15. Jahrh. v. Chr. 357 Bezeichnung Anis »Wald« (eigentlich Garten) vor', und zwar schon im alten Reich.” Als Ausgangspunkt für die Ausfuhr des Zedernholzes nach Ägypten wird man nach der oben erwähnten Erzählung des Un-amun die Stadt Byblos, ägypt. KÄpn), ansehen dürfen. Sie muß nach manchen An- zeichen in uralten Beziehungen zum Niltal gestanden haben’; davon legt ja auch schon die Tatsache Zeugnis ab, daß die Ägypter ihre großen Seeschiffe ganz allgemein, auch wenn sie nach ganz anderen Küsten (z. B. nach Punt) gingen, als Apnwt »Byblosfahrer« bezeich- neten.* So lebhaft nach alledem der Verkehr zwischen Ägypten und dem Libanon seit alters gewesen sein muß, so besitzen wir doch nur wenige direkte Nachrichten darüber. Außer der von BreAsten erkannten lakoni- schen Angabe des Palermosteines, daß unter Snefru (3. Dynastie) ein- mal »40 Schiffe voll Zedernholz gebracht« worden seien und der be- kannten abenteuerlichen Geschichte des Un-amun, der im Auftrag des Hri-hor Zedernholz für die Götterbarke des thebanischen Amon holen sollte, fehlte es an jeder weiteren Nachricht über diesen Gegenstand. Bei den Arbeiten, die ich im Winter 1904/05 im Auftrage der Akademischen Kommission für das Wörterbuch der ägyptischen Sprache in den Ruinen Thebens auszuführen hatte, hatte ich die Freude, in einem Grabe des Hügels von Schech Abd el Gurna, das bisher nur von einem Reisenden besucht° und von Niemandem näher unter- sucht worden zu sein scheint, Bilder und Inschriften aufzufinden, die eine Expedition nach dem Libanon unter König Thutmosis II. (15. Jahrhundert v. Chr.) betrafen. Das Grab gehörte einem gewissen Sen-nufe (IN). der unter König Thutmosis IIL” das einflußreiche Amt eines Oberschatzmeisters (0) bekleidete und uns auch durch | andere Denkmäler, darunter eines auf der Sinaihalbinsel, wohl bekannt ist.” Wie die meisten thebanischen Privatgräber, die seit längerer Zeit offen stehen und von Fellachen bewohnt werden, befindet sich ! Im neuen Reich z. B. öfter, in den Inschriften neben den Nischen für die Flaggenmaste, die die Pylonen der Tempel schmückten (Karnak, Medinet Habu). 2 Davıes, Deir el Gebr. II ı3. Eine vierte Bezeichnung für den Libanon ist wohl in dem Ausdruck int p3 c$ »Zederngebirge« (vgl. saıır-aoeım »Ölberg«) des Papyrus d’Orbiney zu erkennen. ° Es sei hierfür auf Ermans Ausführungen in ÄZ. 42, Heft 2 verwiesen. Urkund. d. ägypt. Altert. IV, 323. Vgl. Newserry, Proc. Soc. bibl. arch. 22, 61. Der Name des Königs steht über der Türe, die aus dem ersten Saale zu den hinteren Räumen des Grabes führt. ” Sie werden im 7. Hefte der Urkund. d. ägypt. Alt. IV zusammen mit den wichtigeren Inschriften des Grabes veröffentlicht werden. 4 5 36* 358 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 22. März 1906. auch dieses Grab in einem traurigen Zustande der Zerstörung. Es sind eigentlich nur noch kleine Fetzen von Inschriften in ihm erhalten, die uns gerade noch ahnen lassen, welche merkwürdigen Nachrichten uns durch die Zerstörung dieser Texte unwiederbringlich verloren gegangen sind. Die Expedition, die Sen-nufe im Auftrage seines Königs nach dem Libanon unternahm, muß ein Hauptereignis seines Lebens ge- wesen sein. Die Darstellungen, die sie verewigten, nahmen die ganze hintere Längswand des großen Quersaales der Grabanlage (a, b in der Skizze) ein, eine Stelle, die in den Gräbern jener Zeit regelmäßig für die Staatsereignisse aus dem Leben des Verstorbenen vorbehalten ist, vermutlich weil sie dem Eintretenden zuerst in die Augen fällt. Fast überall sehen wir an dieser Wand zu beiden Seiten der Türe, die zu den hinteren Räumen führt, der Türe zu- nächst und ihr den Rücken zuwendend den regierenden König unter seinem Tronhimmel sitzend dargestellt. Vor ihm tritt dann einmal von rechts, das andere Mal von links her der Verstorbene. So auch hier. Das Bild links von der Türe (bei a) stellte die Audienz dar, in der der König dem Sen-nufe den Auftrag zu der Reise erteilte. Unter den spärlichen Resten, die sich von der Rede des Herrschers” erhalten haben, erkennen wir in den Zeichen Bil die Angabe des Reisezieles, die Ayjw sps[w nw €] »herrliche Treppe der Zedern«, die gewöhnliche Bezeichnung für den Libanon, von der oben die Rede war. Die grüne Farbe, in der das Zeichen der Treppe gemalt ist, läßt keinen Zweifel, daß wir es mit der Ortsbezeichnung für Küstengebirge zu tun haben. Auf die Worte des Königs antwortete Sen-nufe mit einer längeren Rede, in der er, wie es sich für einen Ägypter geziemte, den König, seine Weisheit und Güte pries. Was davon erhalten ist (es ist freilich auch nicht viel), nimmt auf den Auftrag des Königs nicht direkt Bezug. Daß es dieser Auftrag ist, für den er seinem Herrn dankt und dessen sorgfältige Ausführung er ihm zusagt, müssen wir jetzt — und mußte man vielleicht auch einst schon — zwischen den Zeilen lesen. Wenden wir uns nun dem zweiten Bilde zu, das rechts von der Türe (bei 5) dargestellt ist. Hier sehen wir den Verstorbenen von seiner Reise zum König zurückkehrend. Ihm folgen die Soldaten, ohne die eine solehe Unternehmung natürlich nicht ausgeführt werden ı Eine lange Inschrift beschrieb die amtliche Laufbahn des Sen-nufe; andere Beischriften zu Bildern schilderten seine Amtstätigkeit und die Ehren, die ihm der König erwiesen hatte. ?2 Sie war rückläufig geschrieben. K. Serue: Eine ägypt. Expedition naclı dem Libanon im 15. Jahrh. v.Chr. 359 konnte, und die Leute, die die Beute der Expedition auf Schleifen und mit Stangen herbeibrachten. Woraus diese Beute bestand, ist aus dem Bilde leider nicht mehr zu erkennen. Über Sen-nufe selbst stand nun der Bericht, den er dem König erstattete. Auch er ist, wie die anderen Inschriften stark verstümmelt; immerhin sind doch die Anfänge der ersten zwei und der letzten neun Zeilen, zum Teil in größeren Stücken erhalten, und nur drei Zeilen (3—5) dazwischen sind ganz verloren. Der Text lautet mit den Ergänzungen, die sich aus dem Zusammenhange ergeben, so: N EERANTINSAPNZE N ah=z IS ERS NER SR: es gg GG GG Ba Be Ren ahNZ] a N | 1 nz Ku —n A EL ROE A-0 | DEIN 12 nn Alp, ' Im Original ist —> durch das | durchgelegt. ? So öfter in dieser Zeit für das Pronomen st. 360 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 22. März 1906. MLSFATU ITS MEN - 3 —_ 1 ——— URS ae rn —> A en er, ar Der Text beginnt zunächst mit einer objektiven Einleitung in 3. Person: »1Der Fürst und Edle [der einzige Freund des Königs Sen- nufe ist glücklich heimgekehrt, nachdem er gefahren war auf dem] Meere 2(und) gelandet war [in ...... ]«”. Die folgenden Sätze, die die Ankunft des Sen-nufe am Königshof meldeten und ihn das Wort nehmen ließen, sind in der großen Lücke, die zwischen Zeile 2 und 6 klafft, verloren. Was von dem folgenden Bericht, den Sen-nufe in ı. Person abstattet, erhalten ist, lautet in Übersetzung also: ge 60eschehen(?) an meinem Aufenthaltsorte. Es ward hell das Gesicht [meiner Leute]’....... TIch ging zu diesem meinem Zelte(P)". ...% 8über den Wolken. Ich trat ein in den Wald..... [Ich]®brachte ihr dar ein Opfer von unendlich vielen Dingen für das [Wohl deiner Majestät]..... 10 darunter (inter ea). Byblos hat sie (plur.) gegeben seinem’ Lieblingshorus® (dem Könige). Es(?) gibt. ....... yon den Auserlesensten davon. Ich brachte (welche von) 60° Ellen ı Ö für den Genitivexponenten mw findet sich auch sonst im Grabe des Sen-nufe ® Die Ergänzungen ergeben sich aus Zeile 13/14. > hd hr bedeutet nach den Belegen, die das Berliner Wörterbuch-Material bietet, etwas wie »froh sein«. * Das zerstörte männliche Wort, das hier steht, wird nach den Zeichenresten gewiß »Zelt« sein. ° Suffix 3 fem. sing., bezüglich auf Kpnj »Byblos«, das wie alle Ortsnamen als Feminimum behandelt ist. ° Oder bedeutet n 2st ?b-s hier etwa »wegen seines (des Ortes) Herzenswunsches«, d.i. »aus eigenem AÄntriebe«? ” Die Zahl 60 schien mir am Original wegen der Anordnung der drei erhaltenen N sicher. K.Serne: Eine ägypt. Expedition nach dem Libanon im 15. Jahrh. v. Chr. 361 Tange.s4..... 12Sie waren ....... Ihre Spitze war diek ....... BIch [brachte] sie (plur.) [herab]” über das Gebirge des Gotteslandes.’ Man gelangte zum Rande des Waldes ....... [Ich fuhr auf dem] l4Meere mit gutem Segelwind und landete [in Ägypten] ........ « Diese stark fragmentierte Erzählung bedarf einiger Worte der Erklärung. Wo der Bericht des Sen-nufe jetzt beginnt, treffen wir die ägyptische Expedition bereits auf phönizischem Boden, und zwar wie das folgende »dieses mein Zelt(?)« wahrscheinlich macht, in ihrem Zeltlager. Irgend etwas hat sich ereignet, das die Leute des Sen-nufe froh machte. In Zeile 7 lesen wir dann, daß sich Sen-nufe zu seinem Zelte begab. Die nach der Lücke dann folgenden Worte in Zeile 8 »über den Wolken« beziehen sich offenbar auf die Höhen des Ge- birges, das sich über die Wolken erhob. Für einen Ägypter wird das ein großartiges Naturwunder gewesen sein und man könnte so- gar auf den Gedanken kommen, das frohe Ereignis, von dem vorher die Rede war, damit in Verbindung zu bringen. In den unmittelbar folgenden Worten »ich trat ein in den Wald« liegt dasselbe Wort für »Wald« (Anis) vor, das oben als Bezeichnung für die Heimat des Zedernholzes erwähnt wurde. Es kehrt weiterhin (in Zeile 13) noch einmal wieder und ist dort nicht in dem engen Sinne von Gehölz (silva), sondern in dem weiteren von »Waldgebirge« (saltus) aufzu- fassen. Es ist daher möglich, daß es auch hier ebenso zu fassen ist und daß die Ägypter also erst jetzt das Gebirge betreten und daß sich, was vorher erzählt wurde, also noch an der Küste abgespielt hätte. Im Gebirge angelangt suchen sich die Ägypter erst des Wohl- wollens der Gottheit des Ortes zu vergewissern. Ehe sie mit dem Fällen der Bäume beginnen, wird ihr, einer Göttin, ein großes Opfer zum Wohle des Königs dargebracht. Genau ebenso war man auch unter Hatschepsowet bei der großen Expedition nach dem Weihrauch- la: de Punkt, die im Tempel von Der el bahri dargestellt ist, ver- ! spd r wsm ein häufiger Ausdruck, der irgend eine gute Eigenschaft bezeichnet und sich mehrfach im Zusammenhang mit »wahr handeln« gebraucht findet. Die ge- naue Bedeutung ist aus den Stellen, die das Berliner Wörterbuch - Material dafür bisher aufweist, nieht zu ermitteln. Das Wort wsm wird dabei bald mit dem Vogelkopf, bald mit der Pflanze, bald mit /\, bald mit Sage i geschrieben. ® shsj »herabbringen« ist der gewöhnliche Ausdruck für das Fortschaffen von Steinen aus der arabischen Wüste zum Niltal. ® Das »Gottesland« als Bezeichnung für Syrien ist bekanntlich auch in den Dar- stellungen der Pflanzen, die Thutmosis III. aus Rinw brachte, belegt. — So ist es wohl gebraucht in einer Inschrift des Ken-amun zu Schech Abd el gurna (Zeit: Amenophis 11.), wo es von einem kostbaren Wagen heißt, das Holz dazu sei »aus dem Gotteslande, aus dem Lande Nhrn« geholt worden. 362 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 22. März 1906. fahren; auch dort war der Landesgöttin »Hathor von Punt« ein großes Opfer dargebracht worden. Nach der nächsten Lücke ist dann in Zeile 10 unseres Textes be- reits von den Bäumen die Rede, die die Ägypter fällen. Es heißt von ihnen: »Byblos hat sie seinem Lieblingskönige (resp. seinem Könige aus eigenem Antrieb?) gegeben«'. Es ist das ein Satz, der aus dem Tenor der Erzählung so sehr herausfällt, daß man in ihm eine Rede (der Göttin des Ortes oder des Sen-nufe?) vermuten möchte. Oder aber es müßte gerade vorher ein besonderes Ereignis erzählt worden sein, das die Arbeit der Ägypter in so unerwarteter Weise förderte, daß sich Sen-nufe zu einer solchen hochtrabenden Phrase veranlaßt fühlte. Auffallend ist dabei auch das Auftreten des Ortes Byblos, der hier geradezu als Eigentümerin des Waldes erscheint. Es bestätigt das einerseits die oben Eingangs ausgesprochene Vermutung, daß die Ägypter gerade diesen Hafenplatz als Zugang zum Libanon benutzt haben werden, andererseits erlaubt es uns auch zu vermuten, wer die Göttin war, der die Ägypter, nachdem sie das Waldgebirge be- treten hatten, ein Opfer darbrachten. Es wird die unter dem Namen »Herrin von Byblos« von den Ägyptern oft genannte, später mit der Hathor indentifizierte Göttin der genannten Hafenstadt gewesen sein”. In Zeile ıı und ı2 erfahren wir dann einiges über die Eigenschaften der von den Ägyptern gefällten Baumstämme. Sie gehörten zu den » Auserlesensten«, die sie dort fanden: welehe von ihnen hatten die achtunggebietende Höhe von 60 ägyptischen Ellen, das ist etwa 31 Metern, und wiesen selbst noch in ihren Spitzen eine gewisse Dicke auf. Nach vollbrachter Arbeit werden die Stämme über das Gebirge hinabgeschafft, bis sie zum Rande des Waldgebirges gelangen. Von da werden sie, wir müssen das ergänzen, auf Schleifen bis zum Hafen von Byblos geschleppt und in die Schiffe verladen worden sein. Mit günstigem Winde, so schließt der Bericht, wurde die Heimfahrt auf dem Wege ausgeführt und die Expedition landete wieder glücklich in der Heimat. Auf den Bericht des Sen-nufe ergriff nun wiederum der König das Wort?, gewiß um dem getreuen Diener seine Anerkennung für das Geleistete auszusprechen. Die wenigen Worte, die von seiner Rede erhalten sind, sind indessen belanglos: nur bei einem einzigen müssen DU DD. D AU wir für seine Erhaltung dankbar sein: es ist das Wort L1Z DD mit ı 0 ist Part. act. perf; das Part. act. imperf hat in den Inschriften jener Zeit ee, weg 0 I 2 Näheres über diese Göttin siehe in Ermans Aufsatz in der Ä.Z. 42, Heft 2. 3 Seine Rede war wieder rückläufig geschrieben. noch seine korrekte Form K.Serne: Eine ägypt. Expedition nach dem Libanon im 15. Jahrh. v.Chr. 363 dem die erste erhaltene Zeile der Königsrede beginnt. Es ist ohne . =. . n es . EG Zweifel zu Il >| zu ergänzen, das Wort für die riesigen Flaggen- A| masten an den Pylonen der Tempel des neuen Reiches. Diese Masten pflegten in der Tat, wie die erhaltenen Inschriften neben den für sie bestimmten Nischen in Karnak und Medinet Habu lehren, aus »Zedern- holz vom Walde« oder »von der Treppe«, das ist vom Libanon her- gestellt zu sein. Es waren also unter anderem solche Flaggenmasten, die Sen-nufe für die Tempelbauten seines Herrn zu holen hatte. So trümmerhaft auch die im Vorstehenden mitgeteilten Nach- richten über die Libanonexpedition des Sen-nufe unter Thutmosis III. sind, so sind sie doch nicht nur wegen der Tatsache, von der sie uns Kunde geben, und wegen der Details, die sie bieten, von Inter- esse, sondern auch als Gegenstück zu dem Bericht des Un-amun, der etwa 400 Jahre später nach dem Libanon reiste. Vergleicht man die beiden Berichte, so läßt sich wohl kaum ein größerer Gegensatz denken. Hier der weitschweifige Bericht des Un-amun, der eigentlich nur von den Ränken der kleinen syrischen Fürsten, von ihren Erpressungs- versuchen, von Diebstählen in den Häfen und anderen von Menschen verursachten Widerwärtigkeiten redet, die sich dem bedauernswerten Un-amun immer wieder in den Weg stellen und ihn nicht vom Fleck kommen lassen. Dort dagegen der kurze, beinahe stolz klingende Bericht des Sen-nufe, dessen Expedition ohne Hindernisse glatt ihre Aufgaben lösen konnte. Und noch in einem anderen Punkte unter- scheiden sich beide Berichte wesentlich. Sen-nufe und seine Leute holen sich die Zedernstämme, die sie brauchen, selbst aus dem Ge- birge; Un-amun dagegen muß sich damit begnügen, was ihm der Fürst von Byblos zum Hafen schaffen läßt, für teures Geld zu kaufen. Die Zeiten haben sich eben von Grund aus geändert. Unter Thut- mosis III. war Syrien ein ägyptischer Vasall, der von »seinem Horus« mit starker Hand in seinem Abhängigkeitsverhältnis gehalten wurde. Zur Zeit des Hri-hor war die ägyptische Macht gebrochen, der Ein- fluß Ägyptens in Syrien auf Null herabgesunken. Ausgegeben am 29. März. Sitzungsberichte 1906. 37 V ii 1 Ban, ; ni in IE a om Aha m! “ “Asset 15 "Wysh u a 2 ji AAN Fr er RL N u Day! N v INK = 5 BE 2 drug are OL N IE f ( ö . ’ - - N . . Ba f + iin =; sb > N, 3 2 ni = - Ev h 9 | : “ jur a u v e uf) u 5 365 SITZUNGSBERICHTE 1906. XVI. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 22. März. Sitzung der physikalisch-mathematischen Qlasse. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. l. Hr. Scuwarz las: Ein Kreisbogen als Lösung einer von Deraunavzuerstbehandelten Aufgabe derVariationsrechnung. Sind A,B zwei einander nicht diametral gegenüberliegende Punkte des Um- fanges eines Kreises, dessen Radius die Länge 52 hat, und bezeichnet (AB), den kür- zeren, (AB), den längeren der beiden Kreisbogen, in welche der Umfang des Kreises dureh die beiden Punkte A und B getheilt wird, so gelten folgende Sätze. I. Unter allen Raumeurven der constanten Krümmung 1:9, welche die Punkte A und B mit einander verbinden und welche mit allen ihren Punkten dem Kreisbogen (AB), be- nachbart sind, besitzt der Kreisbogen (AB), ein Maximum der Bogenlänge. II. Unter allen Raumeurven der constanten Krümmung 1:9, welche die Punkte A und 5 mit einander verbinden und welche mit allen ihren Punkten dem Kreisbogen (AB), be- nachbart sind, besitzt der Kreisbogen (AB), ein Minimum der Bogenlänge. III. Es gibt keine die Punkte A und B mit einander verbindende Raumeurve der constanten Krümmung 1:9, deren Bogenlänge zwischen den Bogenlängen der beiden Kreisbogen (AB), und (AB), liegt. IV. Alle Raumeurven der constanten Krümmung 1:2, welche die Punkte A und B mit einander verbinden und deren Bogenlänge kürzer ist als die Bogenlänge des Kreisbogens (AB),, liegen (mit Ausnahme ihrer Endpunkte) inner- halb eines spindelförmigen Theiles des Raumes, dessen Oberfläche durch Rotation des Kreisbogens (AB), um seine Sehne AB als Axe entsteht, und erfüllen diesen Raumtheil. 2. Die folgenden, als Berichte über Arbeiten, die mit akademi- scher Unterstützung ausgeführt worden sind, eingesandten Druck- schriften wurden vorgelegt: Franz Kreisen: Die äussere Körperform und der Entwickelungsgrad der Organe bei Affenembryonen (9. Lie- ferung von E. SerenkAa, Menschenaffen). Wiesbaden 1906. — Zur Em- bryologie des Menschen, der Affen und der Halbaffen. S.-A. 1905: Orro SchnieDERNEcHT: Opuscula Ichneumologica. Fase. XII. Blanken- burg i. Th. 1906; Juuius Tarer: 6 S.-A. über elektrolytische Reduction. 1903— 1906. Ausgegeben am 29. März. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. STEILE ET IRA TER FUIRPANE NERIET ran In er ABIT ERR nur. Bene) 11 N) N vi j RU mon Yan ” I Bet NE 2 | ESP EIEEN OP OR Yu # ir u ni MER DEE 2 2 } i PERuUETIF, InbE N valkans ty zn u en i i Ar in = via AldT TR SNG Wi Bere: HT, Uikyan Ay r & a Sn OT LT a ra A lin/ ı A N MBRRE IToT Mil v a Sis, hin TEN, 7 IN r Ba! an TE ol a We Min AAN, Br kerkuutly 0 Warn 1 ir et m a Y l Ak um Hut kn Fi ie „ iin) un 2 Da yadlu DIT} en hi i Ei) ; van vlnr Ak ri A { 7 am: Pr N IENE »; ar in ; Da | f D JuEeER Et UT v MB u Met | AR: wilf my Hua IT vet al MEINER a SER Herbie N R ih y n 1 IE We j ß r - N a UNE. Eat j Hit “)) u Ze De) Warn BIy/T Y | i u Tage 1 ’ j ! ut # BI; In fe 1 zul Ben? , nF j o ea ) 3 EN "EPRTIN A i Ve RE XVII. XVII. XIX. SITZUNGSBERICHTE KÖNIGLICH PREU Pe _ AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Rn asp am 29. März. (S. 367) 4 Sitzung der physikalisch - mathematischen Classe am 5. April. (S. 369) Fısoner. und K. Raser: Beitrag zur Stereochemie der 2.5-Diketopiperazine, (S. 371) G. EpernArn: Spectroskopische Untersuchung der Terbiumpräparate von Dr. 6. Urea. (S. 384) Io ‚der Pepe historischen Classe am 5. April. (S. 405) BERLIN. 1906. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Aus dem Reglement für die Redaetion der akademischen Druckschriften. zer Aus $ 1. Die Akademie gibt gemäss $ 41,1 der Statuten zwei. fortlaufende Veröffentlichungen heraus: »Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften und » Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften«, Aus $2. Jede zur Aufnahme in die »Sitzungsberichte« oder die »Abhandlungen« bestimmte Mittheilung muss in einer aka- demischen Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel das druckfertige Manuseript zugleich einzuliefern ist. Nicht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. 53. Der Umfang einer aufzunehmenden Mittheilung soll in der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, bei Nichtmitgliedern 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- lungen nicht übersteigen. Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung der Gesammt-Akademie oder der betreffenden Classe statt- haft, und ist bei Vorlage der Mittheilung ausdrücklich zu beantragen. Lässt der Umfang eines Manuscripts ver- muthen, dass diese Zustimmung erforderlich sein werde, so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen "von sachkundiger Seite auf seinen muthmasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen. SA. Sollen einer Mittheilung Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeichnungen, photographische Original- aufnahmen u. s.w.) gleichzeitig mit dem Manuseript, jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen. Die Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschliessen. Ein darauf geriehteter Antrag ist vor der Herstellung der be- treffenden Vorlagen mit dem schriftlie!.en Kostenanschlage eines Sachverständigen an den vorsitzenden Secretar zu riehten, dann zunächst im Seeretariat vorzuberathen und weiter in der Gesammt- Akademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie. Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist — wenn es sich nicht um wenige einfache Textfiguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachverständigen beizufügen. Überschreitet dieser Anschlag für die er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberiehten 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberathung durch das Seeretariat geboten. Aus $5. Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manuseripts an den zuständigen Secretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften, und zwar, wenn eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mittheilungen von Verfassern, welche nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen der Regel nach nur in die Sitzungsberichte aufgenommen werden. Beschliesst eine Classe die Aufnahme der Mittheilung eines Nichtmitgliedes in die dazu bestimmte Abtheilung der » Abhandlungen «, so bedarf dieser Beschluss der Bestätigung durch die Gesammt- Akademie. (Fortsetzung auf $. 3 des Umschlags.) ; aufgenommenen wissenschattlichen Mittheilungen, Reden, wissenschaftlichen Mittheilungen, wenn deren Umfang i im Aus $6. Diean die Druckereiabzuliefernden Mannseripte müssen, { wenn es sich nicht bloss um glatten Text handelt, aus- reichende Anweisungen für die Anordnung des Satzes und die Wahl der Schriften enthalten. Bei Einsendungen Fremder sind diese Anweisungen von dem vorlegenden Mitgliede vor Einreichung des Manuseripts vorzunehmen. Dasselbe hat sieh zu vergewissern , dass der Verfasser seine Mittheilung als vollkommen druckreif ansieht. Die erste Correetur ihrer Mittheilungen besorgen die Verfasser. Fremde haben diese erste Correetur an das vorlegende Mitglied einzusenden. Die Correetur soll nach Möglichkeit nicht über die Berichtigung von Druckfehlern ä und leichten Schreibversehen hinausgehen. Umfängliche ; Correeturen Fremder bedürfen der Genehmigung des redi- “4 girenden Secretars vor der Einsendung an die Druckerei, ” i and die Verfasser sind zur Tragung der entstehenden Mehr- { kosten verpflichtet. } Aus $ 8. 7 Von allen in ‚die Sitzungsberichte oder BR | 3 Adressen oder Berichten werden für die Verfasser, von Druck 4 Seiten übersteigt, auch fürden Buchhandel Sonder- abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen des be- treffenden Stücks der Sitzungsberichte ausgegeben werden. Br = Von Gedächtnissreden werden ebenfalls Sonderabdrucke N für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn die “e "Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden erklären, ; 1 9. Bn Von den Sonderabdrucken aus den Sieungherichten nl erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akadeı zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 50 Fre a exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke H auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lassen, ze | sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Secretar an- d | gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu 4 i der Genehmigung der Gesammt- Akademie oder der bes. | treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 50. Frei- 4 1 exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Secretar weitere 200 Exemplare auf ihre Kosten. abziehen lassen. Von den Sonderabdimeken aus den ce er hält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie is zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 30 Frei, ” exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur | Zahl von noch 100 und anf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu lassen, n sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Seeretar an- ] gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu . der Genehmigung der Gesammt-Akademie oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 30 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Secretar weitere 100 Exemplare auf ihre, = Kosten abziehen lassen. 1 sır. NE | Eine für die akademischen Schriften be- 2 stimmte wissenschaftliche Mittheilung dart. 2 in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an ‚jener 4 Stelle anderweitig, sei es auch nur Be] SITZUNGSBERICHTE 1906. XV. DER „ KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 29. März. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. Dies. *1]. Hr. Zıumer las über die Bearbeitungen elassischer Stoffe in derälteren irischen Litteratur und ihre Einflüsse auf die volksthümliche Sagenlitteratur Irlands. Erzählungen von der “Zerstörung Trojas’ und von ‘Alexander dem Sohne Phi- lipp’s’ gehörten in’s Repertoire eines irischen Sagenerzählers aus zweiter Hälfte des ro. Jahrhunderts; solche Texte sind uns aus etwas jüngerer Zeit erhalten, ferner irische Erzählungen von dem “Umherirren des Ulixes’ sowie von den Fahrten des Aeneas (nach Virgil). Die irischen Behandlungen der Ilias und Odyssee setzen keine directe Kenntniss Homer’s voraus, sondern sind Bearbeitungen lateinischer Texte aus der Zeit des ausgehenden Alterthums. Die Einflüsse der nach Art der nationalen Stoffe erzählten celassischen auf die volksthümliche Sagenlitteratur sind mannigfacher Art: Helden der irischen Sage werden in einzelnen Episoden mit solchen aus genannten classischen Stoffen zusammengebracht (Cuchulinn mit Hercules) oder nach ihnen theil- weise umgestaltet; Motive aus den classischen Stoffen werden nachgeahmt, und die Compositionen derselben dienen als Vorbild bei der Vereinigung einzelner irischer Episoden zu grösseren epischen Ganzen. 2. Vorgelegt wurden folgende Veröffentlichungen des Königlich Preussischen Meteorologischen Instituts: Ergebnisse der Magnetischen Beobachtungen in Potsdam im Jahre 1901. Von An. Schmivr; Ergeb- nisse der Meteorologischen Beobachtungen in Potsdam im Jahre 1902. Von A. Sprune; Ergebnisse der Niederschlags-Beobachtungen im Jahre 1902. Von G. Herımann. Berlin 1905. Ausgegeben am'19. April. Sitzungsberichte 1906. 38 I" A W Pe r Ä ET ee 369 SITZUNGSBERICHTE _ 1906 xXVvMm. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 5. April. Sitzung der physikalisch-mathematischen Qlasse. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. l. Hr. Fıscuer las einen »Beitrag zur Stereochemie der 2.5-Diketopiperazine« auf Grund einer gemeinschaftlich mit Dr. Kar RaskE ausgeführten Untersuchung. In Übereinstimmung mit der Theorie wurden bei dem Anhydrid der «-Amino- buttersäure zwei inactive Stereoisomere beobachtet, die den beiden racemischen Di- peptiden entsprechen. Ferner gab das stark drehende l-Alanyl-d-Alanin ein optisch ganz inactives Anhydrid, das ebenfalls im Einklang mit der Theorie als die Trans- form anzusehen ist. 2. Hr. van’r Horr machte eine weitere Mittheilung über seine Untersuchung der Bildung der oceanischen Salzablagerun- gen: XLVI. Auftreten von Polyhalit und Krugit bei 83°. (Ersch. später.) Gemeinschaftlieh mit Hrn. p’Ans wird die Untersuchung über die Bildung von Caleiumchlorid und Tachhydrit, bei der auch das Entstehen von Polyhalit und Krugit eine Rolle spielt, zum Abschluss gebracht. Damit ist gleichzeitig die gestellte Aufgabe, soweit sie sich auf die natürlichen Caleiumvorkommnisse bezieht, gelöst, und es bleibt nunmehr nur noch die Bearbeitung der Borate zu erledigen. 3. Hr. Kreis legte vor: »Bericht über Untersuchungen an den sogenannten »»Gneissen«« und den metamorphen Schie- fergesteinen der Tessiner Alpen« von Prof. G. Kremm in Darm- stadt. III. Theil. (Ersch. später.) Verf. bespricht zunächst die Beziehungen zwischen den Tessiner Graniten und denen des Gotthardgebietes unter Zugrundelegung chemischer Analysen und theilt so- dann die Resultate von ÖOrientirungstouren an der Südgrenze des Tessiner Granit- massivs mit, besonders in der bei Bellinzona gut aufgeschlossenen, von Granit stark injieirten Zone der Amphibolite von Ivrea. 4. Hr. Kıeıy legte ferner vor: Das Gabbromassiv im bay- risch-böhmischen Grenzgebirge. II. Der böhmische Theil. Von Prof. Dr. W. Berer in Leipzig. (Ersch. später.) Die Fortsetzung der Gabbrogesteine des Hohen Bogens nach Böhmen, ein öst- o- be} >- licher, 30" und ein westlicher, gokm langer Zug, besteht ebenfalls vorwiegend aus 38* 370 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe v. 5. April 1906. Gabbrogesteinen, Gabbro, Olivingabbro, Norit, Flaser- und Schiefergabbro, Serpentin nebst Pyroxengranulit (hier neu), dessen Zugehörigkeit zum Gabbro hier deutlich ist. Die Bezeichnungen »Amphibolit« und »Hornblendeformatione sind ungeeignet und durch Gabbromasse zu ersetzen. Diese ist eruptiv und hat die in ihrem Gebiet liegenden Schieferschollen und die angrenzenden Sedimentformationen eontaetmetamorph verändert. Die {lasrigen und schiefrigen Gabbroarten sind wahrscheinlich nicht nach- träglich entstandene, sondern ursprüngliche Ausbildungen des Gabbros. 5. Hr. VoseL legte eine Abhandlung des Hrn. Dr. G. EreruAarn in Potsdam vor: Spectroskopische Untersuchungen der Ter- biumpräparate von Dr. G. Ursarn. Durch diese Untersuchungen wird nachgewiesen, dass das vor 60 Jahren ent- deckte Terbium, dessen Existenz vielfach angezweifelt wurde, thatsächlich als Element vorhanden ist. Gleichzeitig konnten Tabellen der Linien des Bogenspectrums des Terbiums aufgestellt werden. Durch die Lösung der Terbiumfrage ist ein bedeutungs- voller Fortschritt in der Erforschung der Yittererden gemacht worden, und es wird nun erst möglich sein, die Bearbeitung der weiteren Elemente dieser Gruppe erfolg- reich in Angriff zu nehmen. 371 Beitrag zur Stereochemie der 2.5-Diketopiperazine. Von Emır Fischer und Karı Raske. Fr die Diketopiperazine von der allgemeinen Formel CO.NH R.CH SCH.R NH.CO mit zwei gleichen Substituenten läßt die Theorie bekanntlich wie bei der Weinsäure vier Formen voraussehen, nämlich zwei optisch aktive Antipoden nebst dem entsprechenden Racemkörper und eine inaktive nieht spaltbare Mesoverbindung, in welcher die Substituenten Trans- stellung haben.' Optisch aktive Diketopiperazine sind erst in neuester Zeit von einem von uns aus aktiven Aminosäuren gewonnen worden.” Dagegen haben ©. A. Bıscnorr und seine Mitarbeiter bei den Gliedern der Klasse, die sich von aromatischen Basen ableiten, öfters die beiden optisch inaktiven Formen beobachtet. Eine Zusammenstellung der Fälle findet man in Werners Lehrbuch der Stereochemie S.ı20. Bei den Ab- kömmlingen der aliphatischen Aminosäuren ist die Existenz der beiden inaktiven Formen bisher nieht beobachtet worden, und als wir vor einiger Zeit die zwei stereoisomeren Dipeptide der a- Aminobuttersäure in die entsprechenden Anhydride zu verwandeln suchten, erhielten wir Produkte, die in keiner Beziehung einen Unterschied erkennen ließen.’ Da aber die Reaktion durch Schmelzung bei höherer Temperatur aus- geführt war, so lag die Möglichkeit vor, daß hier eine molekulare Um- lagerung stattgefunden hat. Da ferner die Diketopiperazine aufs engste mit den wichtigen Dipeptiden theoretisch und experimentell verknüpft sind, so hielten wir uns für verpflichtet, diesen Fall einer eingehenden Untersuchung zu unterwerfen. ı Vel. Bıscuorr, Ber. d. D. Chem. Ges. 22, 23 und 25; ferner Lanenzurg, ebenda, 28, 1995 (1395). 2 ? Eine Zusammenstellung der Beobachtungen findet sich Ber. d. D. Chem. Ges. 39. 574 (1906). ® Liesıss Annalen der Chemie 340, 180 (1905). 372 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 5. April 1906. Anstatt durch Schmelzung haben wir deshalb die beiden Dipeptide durch Behandlung der Ester mit alkoholischem Ammoniak in die An- hydride verwandelt, und so in der Tat zwei verschiedene Produkte erhalten, die wir ebenso wie die Dipeptide vorläufig durch die Buch- staben A und B unterscheiden wollen. Ein Vergleich dieser beiden reinen Körper mit dem Präparat, das wir früher durch Schmelzung der Dipeptide erhielten, hat es nun ziem- lich wahrscheinlich gemacht, daß letzteres ein Gemisch ist, daß also bei der Schmelzung eine gegenseitige Umwandlung der Isomeren statt- findet, die zu einem Gleichgewichtszustand führt. Wir haben ferner versucht, die beiden Diketopiperazine durch Aufspaltung mit verdünntem wäßrigen Alkali wieder in die isomeren Dipeptide zurückzuverwandeln. Dabei findet aber auch, wenigstens in einem Falle, eine Umlagerung statt, denn beide Diketopiperazine geben das gleiche Dipeptid A. Welches von den beiden Anhydriden die racemische eis-Form ist, muß vorläufig unentschieden bleiben, wird sich aber jedenfalls durch die Untersuchung der aktiven Dipeptide und ihrer Umwandlung in Anhydrid feststellen lassen. Diese Versuche sind indessen bei den Derivaten des Alanins, das in aktiver Form leichter zugänglich ist, bequemer auszuführen. Be- kannt ist hier schon eine aktive Form, das d-Alaninanhydrid, welches aus dem d-Alanyl-d-Alanin mittels des Esters gewonnen wurde. Viel älter ist ein inaktives Anhydrid, das schon vor 40 Jahren von PrEU aus Alanin und später von E. Fischer aus dem Ester dargestellt wurde, und aus welchem durch Aufspaltung mit Alkali ein optisch inaktives Alanyl-Alanin gewonnen wurde." Da manche Beobachtungen darauf hin- zuweisen scheinen, daß dieses inaktive Alaninanhydrid die Racemform ist, so haben wir zur Gewinnung der isomeren nicht spaltbaren Meso- form folgenden Weg eingeschlagen. Durch Kuppelung der links drehenden a@-Brompropionsäure mit aktivem d-Alanin und nachträgliche Behandlung des Produktes mit Ammoniak wurde das bisher unbekannte stark nach links drehende l-Alanyl-d-Alanin bereitet und dieses dann mittels des Esters bei niederer Temperatur in Anhydrid verwandelt. Wie die Theorie voraus- sehen ließ, in letzteres optisch gänzlich inaktiv. Die Fälle, in denen ein optisch aktives System durch einfache chemische Verwandlung in eine nicht spaltbare inaktive Mesoform mit der gleichen Anzahl von asymmetrischen Kohlenstoffatomen übergeht, sind nicht zahlreich. Sie beschränken sich unseres Wissens auf die Zucker- ! E. Fıscner und K. Kavızsch, Ber. d. D. Chem. Ges. 38, 2395 (1905). Fischer u. K. Raske: Beitrag zur Stereochemie der 2.5-Diketopiperazine. 373 gruppe, und das am sorgfältigsten studierte Beispiel bildet die Ent- stehung der Schleimsäure aus d- und l-Galaktose, sowie ihre Rück- verwandlung durch Reduktion in racemische Galaktonsäure. Daß eine solche Vernichtung der optischen Aktivität auch durch Ringschluß erfolgen kann, scheint bisher nicht beobachtet worden zu sein. Daß es sich im vorliegenden Falle nicht um eine zufällige In- aktivität handelt, geht aus der Aufspaltung des Anhydrids durch Alkali zum Dipeptid hervor, denn auch hierbei resultieren völlig inaktive Produkte. Von Alanin sind also jetzt bekannt zwei optisch aktive Dipeptide: d-Alanyl-d-Alanin und l- Alanyl-d-Alanin, ferner ein inaktives Produkt, welches aus dem alten inaktiven Anhydrid durch Aufspaltung mit Alkali entsteht. Da es von Pankreassaft partiell hydrolysiert wird und diese Eigenschaft nur bei dem ersten der beiden aktiven Isomeren beobachtet wurde,' so ist es, falls überhaupt einheitlich, wahrscheinlich die Racem- verbindung von d-Alanyl-d-Alanin und l-Alanyl-l-Alanin. Zur sicheren Entscheidung der Frage soll seine Synthese aus den beiden aktiven Formen versucht werden. Ferner kennt man vom Anhydrid des Alanins die reine aktive d-Verbindung, dann die reine inaktive trans-Verbindung und endlich das alte inaktive Anhydrid, welches in der Hitze aus Alanin oder seinem Ester entsteht. Obschon dieses Produkt schöne Eigenschaften hat und äußerlich den Eindruck einer einheitlichen Substanz macht, so erscheint uns doch nach den Erfahrungen mit den Anhydriden der Aminobutter- säure seine Homogenität nicht ganz sicher und wir halten eine be- sondere Untersuchung darüber für nötig. Dasselbe gilt natürlich für alle Diketopiperazine, die direkt aus den racemischen @- Aminosäuren oder deren Estern bei hoher Temperatur erhalten wurden. a-Aminobutyryl-a-Aminobuttersäure. Die beiden Isomeren A und B sind bereits ausführlich beschrieben.? Wir heben aber nochmals die Unterschiede hervor, die bei sonst recht großer Ähnlichkeit zwischen ihnen bestehen. ı. Schmelzpunkt. Die Schmelzung findet in beiden Fällen unter Abspaltung von Wasser und Bildung von Anhydrid statt; infolge- dessen schwankt der Schmelzpunkt mit der Art des Erhitzens. Trotz- dem beobachteten wir bei vergleichenden Versuchen konstant zwischen beiden Körpern eine Differenz von 12°— 13°. Wir haben früher für die ! Nach Versuchen, die ich gemeinschaftlich mit Hrn. E. ABDERHALDEN ausführte. Fıs { 2 Liesıss Annal. Chem. 340, 180. ISCHER 374 Sitzung der physikalisch - mathematischen Classe vom 5. April 1906. Verbindung A den ungefähren Schmelzpunkt 265° und für B ungefähr 250° angegeben. Bei den neueren Bestimmungen, bei denen besonders sorgfältig gereinigte Präparate zur Anwendung kamen, fanden wir ihn bei raschem Erhitzen etwas höher, und zwar für die Verbindung A 265°— 268° (korr. 272°—275°) und für die Verbindung B 253°— 255° (korr. 260°— 262°). 2. Kristallform. Aus warmer, wäßriger Lösung mit Alkohol gefällt, bildet A stets feine glänzende Blättchen und B derbe kurze, zum Teil schräg abgeschnittene primatische Nadeln. 3. Kupfersalz. Das Derivat von A ist in kaltem Wasser ziemlich schwer löslich und scheidet sich aus heißem Wasser in kleinen, ziemlich derben, flächenreichen, dunkelblauen Kristallen ab. Das Salz B ist auch in kaltem Wasser leicht löslich und kristallisiert daraus in mi- kroskopisch kleinen kurzen Prismen. 4. Löslichkeit in Wasser. Für ihre Bestimmung wurden die feingepulverten Dipeptide mit einer ungenügenden Menge Wasser in einem geschlossenen Rohr aus Jenenser Resistenzglas 20 Stunden im Thermostaten in drehender Bewegung erhalten. 100 g Wasser von 24° lösten vom Dipeptid A 5.4 8 Ioo » » » Du » » » B 29.0 » a-Aminobuttersäureanhydrid (Diäthyl-diketopiperazin). Die Darstellung aus den beiden Dipeptiden ist für beide Isomere die gleiche. Wir beschreiben sie deshalb ausführlich nur für die Ver- bindung A. ı5 g der a-Aminobutyryl-@-Aminobuttersäure A wurden mit 300 cem absolutem Alkohol übergossen und durch Einleiten von trocknem Salzsäuregas ohne Abkühlung verestert. Nachdem in etwa ı5 Minuten Lösung eingetreten war, wurde das Einleiten von Salzsäuregas noch ıo Minuten fortgesetzt und dann sofort der überschüssige Alkohol und die Salzsäure bei sehr kleinem Druck unterhalb 30° abdestilliert. Um die freie Salzsäure möglichst vollkommen zu entfernen, wurde der Rückstand in etwa 200 cem absolutem Alkohol gelöst, nochmals im Vakuum eingedampft, dann in eine Schale umgegossen und zwei Tage im Vakuumexsikkator über Natronkalk stehen gelassen. Das so erhaltene Esterchlorhydrat bildet einen farblosen Sirup. Man kann daraus nach dem Auflösen in wenig Wasser durch Kalium- karbonat und Natronlauge unter starker Abkühlung den Ester in Freiheit setzen und mit Essigäther von den Salzen trennen. Nach dem Ver- dunsten des Essigäthers bleibt der freie Ester als farbloser Sirup zurück. Läßt man ihn längere Zeit (etwa 14 Tage) i. V. über Chlorcaleium stehen, Fischer u. K. Raser: Beitrag zur Stereochemie der 2.5 -Diketopiperazine. 375 so geht er in das Anhydrid über. Viel rascher erfolgt diese Um- wandlung durch alkoholisches Ammoniak. Das aus 15 gDipeptid A erhaltene @«- Aminobutyryl-@-Aminobutter- säureäthylester-chlorhydrat wird mit einigen Kubikzentimetern absolutem Alkohol verdünnt und in 400 cem alkoholisches Ammoniak, welches stark gekühlt ist, langsam eingetragen. Die anfangs entstehende Trübung löst sich zuerst beim Umschütteln wieder auf, bleibt aber schließlich bestehen und verschwindet dann erst auf Zusatz von weiterem alko- holischem Ammoniak (etwa 100 cem). Die klare Lösung wird jetzt bei gewöhnlicher Temperatur aufbewahrt. Nach einigen Stunden beginnt die Kristallisation des Anhydrids und ist nach 24 Stunden beendet. Es wird abgesaugt und mit wenig kaltem Wasser gewaschen. Die Ausbeute beträgt etwa 7 g. Durch Eindampfen der alkoholischen Mutter- lauge i. V.und Umkristallisieren des Rückstandes aus heißem Wasser erhält man eine weitere Menge des Anhydrids. Die Gesamtausbeute schwankte bei den einzelnen Versuchen zwischen 60 und 70 Prozent der Theorie, berechnet auf das angewandte Dipeptid. Zur weiteren Reinigung wird das Präparat aus etwa der 40fachen Menge heißem Wasser umkristallisiert. Anhydrid A. Das aus dem alkoholischen Ammoniak ausge- fallene Anhydrid besteht häufig aus zentimeterlangen, schmalen, schräg abgeschnittenen Tafeln, welche meist büschelförmig angeordnet sind. Beim langsamen Auskristallisieren aus Wasser bildet es zarte Blätt- chen, welche teilweise rhombenähnlich und öfters unregelmäßig ver- wachsen sind. Es schmilzt bei 2 70°— 27 1° (korrigiert 27 7°— 278°) zu einer schwach “ bräunlichen Flüssigkeit und hat einen schwach bitteren Nachgeschmack. Für die Analyse wurde bei 110° getrocknet. \0.1900 g Subst. gaben 0.3943 g CO, und 0.1455 g H,O, 10.2653 » » > 2738.2, cemN (16°, Br-753, mm): II 0.1889 » » 22.0.3013. 0.002 und 0.7430 8-HL0. Berechnet für Gefunden C;H,,N,0, (Mol.-Gew. 170) I u C 56.47 Prozent C 56.60 56.49 Prozent H= .8:24 » Br 8.57 8.47 » NAT » N 16.67 Die Löslichkeit in Wasser wurde genau so wie bei den Dipeptiden bestimmt. 100 g Wasser lösten bei 20° 0.32 g Anhydrid A, » » » » » DAS 0.33 » » 376 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 5. April 1906. Anhydrid B. Darstellung und Ausbeute sind die gleichen wie bei Verbindung A. Aus dem alkoholischen Ammoniak fällt es häufig in zentimeterlangen, dünnen, schräg abgeschnittenen Prismen, die aber meist schlecht ausgebildet sind. Beim langsamen Kristallisieren aus Wasser bildet es büschel- und sternförmig verwachsene Nadeln. Es schmilzt bei 259°— 260° (korrigiert 266°—267°) zu einer schwach bräun- lichen Flüssigkeit. Es ist zwar auch noch schwer löslich in Wasser, aber doch wesentlich leichter wie A. 100 g Wasser lösten bei 20° 0.91 g Anhydrid B, » » » » » 24° ©) 3 » » Für die Analyse wurde bei 110° getrocknet. 0.1889 g Subst. gaben 0.3914 g CO, und 0.1394 g H,O, 0.1934» » 2 927:0.cem. Nor nBerisz): Berechnet für C;H,,N,0, (Mol.-Gew. 170) Gefunden C 56.47 Prozent C 56.51 Prozent Hr 58:24 » 7 783,26 » N 16.47 » N 16.40 » Auf Grund dieser zwar nicht großen, aber konstant bleibenden Unterschiede in Schmelzpunkt, Löslichkeit und Aussehen der Kristalle halten wir die Anhydride für verschiedene Körper. Anders liegt die Sache bei den beiden durch Schmelzung der Dipeptide entstandenen Präparaten. Den früher bei 260° angegebenen! Schmelzpunkt fanden wir jetzt gewöhnlich bei 261°—262° (korrigiert 268°—269°) für beide Körper, und in der Art der Kristallisation war kein Unterschied zu erkennen. Wir haben neuerdings auch die Löslichkeit in Wasser bestimmt und in beiden Fällen fast gleich gefunden. Von dem Präparat aus Di- peptid A lösten 100 g Wasser bei 24° 0.67 und von dem Präparat aus Dipeptid B 0.62 g. Diese Zahlen liegen in der Mitte zwischen den Werten für die Löslichkeit der reinen Anhydride A und B. Wir vermuten deshalb, daß es sich hier um ein Gemisch der- selben handelt. In Übereinstimmung damit würde die ganz undeut- liche Form der Kristalle stehen und die weitere Beobachtung, daß ein Gemisch von gleichen Teilen der beiden reinen Anhbydride A und B ungefähr bei derselben Temperatur 261°— 262° schmilzt. Endlich haben wir gefunden, daß die reinen Anhydride beim Schmelzen beide die ! Liesıss Annalen d. Chemie 340, S.ı8o. Die Bestimmung der Schmelzpunkte nach der üblichen Methode ist bei dieser hohen Temperatur bekanntlich nicht sehr genau. Wir haben deshalb alle in dieser Abhandlung angegebenen Schmelzpunkte durch direkten Vergleich der verschiedenen Präparate ermittelt. Fischer u. K. Raske: Beitrag zur Stereochemie der 2.5-Diketopiperazine. 377 gleiche Veränderung erleiden. Reinigt man nämlich die geschmolzene bräunlich gefärbte Masse durch Umlösen aus heißem Wasser unter Zusatz von Tierkohle, so zeigt das Produkt in beiden Fällen den- selben Schmelzpunkt 261°—262° und die undeutliche Kristallform wie das aus den Dipeptiden durch Schmelzung erhaltene Präparat. Aufspaltung der beiden Anlıydride in Dipeptid durch Alkali. Die Aufspaltung der Diketopiperazine durch wäßriges Alkali zum Dipeptid erfolgt beim Glyeinanhydrid außerordentlich leicht, bei dem Alaninanhydrid schon etwas langsamer, und bei dem Leueinanhydrid ist sie bisher noch nicht gelungen. Es war deshalb zu erwarten, daß die Derivate der Aminobuttersäure auch ziemlich schwer von dem Alkali angegriffen werden. In der Tat tritt die Reaktion bei gewöhnlicher Temperatur so langsam ein, daß wir die Versuche bei 37° ausgeführt haben. Die Bedingungen waren für beide Isomeren genau die gleichen. Wir be- schreiben deshalb die Operation nur für die Verbindung A. 2 g sehr fein gepulvertes Anhydrid A wurde mit 13.2 cem n-Natron- lauge und 30 cem Wasser im Brutraum mit einer Maschine geschüttelt. Nach zwei Tagen war der allergrößte Teil gelöst und nach drei Tagen war klare Lösung entstanden. Sie wurde jetzt mit der dem Alkali entsprechenden Menge Jodwasserstoff versetzt, bei sehr geringem Druck zur Trockne verdampft und der Rückstand zur Entfernung von Jod- natrium und etwas unverändertem Anhydrid mehrmals mit absolutem Alkohol ausgekocht. Der ungelöste Teil war das Dipeptid; seine Menge betrug 1.5 g oder 63 Prozent der Theorie. Zur völligen Reinigung wurde "es in wenig Wasser gelöst und durch Alkohol wieder abgeschieden. Das reine Präparat, dessen Menge 1.3 g betrug, zeigte alle Eigenschaften des Dipeptids A. Der Schmelz- punkt lag bei 267°—268° (korrigiert 274°— 275°). Es kristallisierte in feinen Blättchen, gab das charakteristische, ziemlich schwer lösliche Kupfersalz und zeigte fast die gleiche Löslichkeit in Wasser (5.3; 5.2; 5.1 auf 100 Teile von 24° für drei verschiedene Präparate). Genau derselbe Versuch mit dem Anhydrid B ausgeführt gab das gleiche Resultat, auch in bezug auf Ausbeute, und das Produkt zeigte wieder alle Eigenschaften des Dipeptids A. Die Löslichkeit in 100 Teilen Wasser von 24° wurde für die verschiedenen Präparate ge- funden 5.46; 5.2; 5.1. Zweifellos entsteht also aus beiden Anhydriden durch die Wirkung des Alkalis in reichlicher Menge das Dipeptid A. Sein Isomeres haben wir nicht gefunden, halten es aber für möglich, daß kleine Mengen desselben sich der Beobachtung entzogen haben. 378 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 5. April 1906. Zum Schluß geben wir zur bequemen Orientierung eine tabellarische Übersicht über die Unterschiede bei den beiden Dipeptiden und ihren Anhydriden. | Durch Auf- | Durch Auf- Dipeptid Dipeptid Anhydrid Anhydrid | spalten von | spalten von | IN B AN B Anhydrid A | Anhydrid B erh. Dipeptid | erh. Dipeptid SenelrB: Re 2°—275° | 260°— 262° | 277°— 278° | 266°— 267° | 274°— 275° | 274°. 2 (korrig.) 12 — 275 202 == | 74 75 14 —275 kurze derbe : büschel- und =E feine z. T. schräg |unregelmäßig EEE 2% R Kristall- E = & 2 sternförmig feine glänzende : slänzende abge- verwachsene = form S : 2 verwachsene Blättchen Blättchen schnittene Blättchen Nadeln Nadeln in kaltem A in kaltem Wasser w ; leicht RE N asser leich : ziemlich et ä | in kaltem Wasser schwer löslich, mi- Kupfersalz löslich, derbe flächenreiche schwer löslich, derbe | ann Kristalle E e kleine kurze | flächenreiche De Kristalle | ; | 100 & | Wasser 26 ° 18 5.2 5.25 lösen bei 2; u = = (Mittel) (Mittel) 24° | | Man ersieht daraus, daß sowohl beim Aufspalten von Anhydrid A wie von B dasselbe Dipeptid resultiert, daß also beim Sprengen des Piperazinrings eine sterische Umlagerung stattfindet, und daß man somit imstande ist, das Peptid B auf dem Wege über das Anhydrid in das Isomere zu verwandeln. l-Brompropionyl-d-alanin. Die für diese Versuche erforderliche 1-Brompropionsäure wurde in der früher angegebenen Weise' aus d-Alanin mit Hilfe des all- gemeinen Verfahrens von WaArnen dargestellt. Es erwies sich aber vorteilhaft, den Rest des überschüssigen Broms, der nach dem Durch- blasen von Luft noch in der Flüssigkeit zurückbleibt, nicht mit Queck- silber, sondern mit schwefliger Säure zu entfernen, und die ätherische Lösung der Brompropionsäure nicht mit Natriumsulfat, sondern mit Chlorcaleium zu trocknen. Die Ausbeute war dann etwas besser; sie ı E. Fıscnher und OÖ. WarßgurG, Liesıss Annalen d. Chemie 340, 171. / Fıscner u. K. Raske: Beitrag zur Stereochemie der 2.5-Diketopiperazine. 379 betrug 75 Prozent der Theorie. Der Drehungswinkel « des Präparates war bei Verwendung von reinstem Alanin — 39° für 20° und Natrium- licht. Bei etwas unreinerem Ausgangsmaterial betrugen die Drehun- gen 38.6° und 36.7°, während die reinste bisher bekannte 1-Brom- propionsäure im ı-dem-Rohr den Drehungswinkel —45.64° zeigte. Trotz dem Gehalt an optischem Antipoden, der zwischen 7.5 und 10 Prozent schwankt, ist diese aktive Brompropionsäure für die Syn- these aktiver Dipeptide recht brauchbar. Ihre Umwandlung in das Chlorid geschah in der früher angegebenen Weise' durch Erwärmen mit Thionylchlorid. 7.3 g reines d-Alanin werden in 82 ccm n-Natronlauge (1 Mol.) gelöst und zu der bis zum beginnenden Gefrieren abgekühlten Lösung 14 g l-Brompropionylchlorid (1 Mol.) und 100 ccm gekühlte n-Natron- lauge abwechselnd in kleinen Portionen unter kräftigem Schütteln ein- getragen. Das Chlorid verschwindet rasch und die Operation kann in 20 bis 25 Minuten beendet sein. Zum Schluß versetzt man mit 37 ccm fünffach Normalsalzsäure, verdampft die Flüssigkeit unter stark vermindertem Druck zur Trockne und extrahiert den Rückstand mit etwa 200 cem Äther einige Stunden im Soxuterschen Apparat. Schon beim Abkühlen des Äthers scheidet sich ein Teil des Kupplungs- produktes aus; der Rest wird durch Verdunsten erhalten. Beigemengte Brompropionsäure, die sich durch ihren starken Geruch verrät, ent- fernt man am besten durch Verreiben und Waschen mit Petroläther. Die Ausbeute betrug 15 g oder 80 Prozent der Theorie. Zur Reini- gung wird das Rohprodukt in der vierfachen Menge heißem Wasser gelöst. Beim Abkühlen auf 0° fällt ungefähr die Hälfte wieder kri- stallinisch aus und durch Verarbeiten der Mutterlauge, die aber nur unter stark vermindertem Druck eingedampft werden darf, gewinnt man noch 4.5 8. Das so erhaltene Produkt war nicht ganz rein, denn wir haben bei verschiedenen Präparaten auch nach mehrmaligem Umkristallisie- ren stets zu wenig (0.8—0.9 Prozent) Brom gefunden. Auch die spezifische Drehung in etwa fünfprozentiger wäßriger Lösung bei 20° schwankte zwischen — 60.4 und — 63.6. Wir haben deshalb auf weitere Reinigungsversuche verzichtet, weil das entsprechende Dipeptid viel leichter rein zu erhalten ist. Unser Präparat schmolz nicht ganz konstant gegen 165° unter lebhafter Gasentwicklung und Bräunung. Es war sehr leicht löslich in Methylalkohol, etwas schwerer in Äthyl- alkohol und Aceton, dann sukzessive schwerer in Essigäther, Äther und fast unlöslich in Petroläther. ! A, 2.0. 380 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 5. April 1906. l-Alanyl-d-Alanin. NH,.CH(CH,).CO.NH.CH(CH,)COOH Werden 7 g 1-Brompropionyl-d-Alanin in 35 cem wäßrigem Am- moniak (25 Prozent) gelöst und 4 Tage im Thermostaten bei 25° auf- bewahrt, so ist die Abspaltung des Broms beendet und beim Ver- dampfen der Flüssigkeit unter 10°—15 mm Druck bleibt eine schwach gelbe sirupöse Masse zurück. Diese löst sich leicht in absolutem Alkohol. Wird aber die Lösung in einer Platinschale auf dem Wasser- bade verdampft, der Rückstand mit absolutem Alkohol verrieben und wieder verdampft und diese Operation, wenn nötig, wiederholt, so erhält man bald eine farblose, in Alkohol fast unlösliche Kristallmasse. Es findet hier also die schon verschiedentlich beobachtete Ver- wandlung der in Alkohol löslichen Form des Polypeptids in die un- lösliche Form statt. Wie es scheint, handelt es sich in solchen Fällen um leicht verwandelbare Isomere. Die unlöslich gewordene Masse des Dipeptids wird mit etwa 50 cem kaltem Alkohol ausgelaugt, um das Bromammonium zu entfernen. Die Ausbeute betrug dann 3.5 g oder 70 Prozent der Theorie. Zur Reinigung wurde das Dipeptid in der gleichen Menge warmem Wasser gelöst und diese Lösung mit der zehn- fachen Menge Alkohol versetzt. Beim Reiben begann bald die Kri- stallisation des Dipeptids, das nach zweistündigem Stehen bei 0° filtriert wurde. Leider tritt beim Kristallisieren ein erheblicher Ver- lust ein, denn aus 3.5 g Rohprodukt wurden nur 1.5 g reines Prä- parat erhalten, hauptsächlich, weil wieder ein Teil des Peptids in die leicht lösliche Form übergeht. Sie bleibt beim Verdampfen der Mutter- lauge als Sirup zurück, kann aber durch wiederholtes Abdampfen mit Alkohol wieder in die unlösliche Form umgewandelt werden. Das l-Alanyl-d-Alanin kristallisiert unter den oben angegebenen Bedingungen in schmalen, an beiden Enden lanzettförmig zugespitzten Blättchen, die teilweise sternförmig verwachsen sind. Es schmilzt bei 262°— 263° (korr. 269°— 270°) unter geringer Gasentwicklung zu einer schwach gelben Flüssigkeit, nachdem es einige Grade vorher gesintert ist. Zweifellos verwandelt es sich dabei in ein Anhydrid. Es ist sehr leicht löslich in Wasser, dagegen sehr schwer in Alkohol und fast unlöslich in Äther und Petroläther. Es ist fast geschmacklos. Die wäßrige Lösung reagiert schwach sauer und löst Kupferoxyd mit tiefblauer Farbe. Das Kupfersalz bleibt beim Verdampfen der Lösung als Sirup zurück, erstarrt aber beim längeren Stehen kristallinisch. Es ist nicht allein in Wasser sehr leicht löslich, sondern wird auch von heißem Alkohol in erheblicher Menge aufgenommen und aus dieser Lösung durch Äther als eine hellblaue amerphe Masse gefällt. Die Fiscner u. K. Raser: Beitrag zur Stereochemie der 2.5-Diketopiperazine. 381 alkalische Lösung des Dipeptids färbt sich auf Zusatz von Kupfer- salzen rein blau. Die im Vakuum über Chlorealeium getrocknete Substanz erleidet im Vakuum bei 80° keinen Gewichtsverlust. 0.2076 g Subst. gaben 0.3415 g CO, und 0.1407 g H,O, 0.1895» » » 20.1.cem N (17°, B 750 mm): Berechnet für ‚ CsH,.N,0, (Mol.-Gew. 160). Gefunden C 45.0 Prozent C 44.56 Prozent H 7-5 » H 7.58 en INNEL7ES » N 277.62 » Eine Lösung vom Gewicht 3.3089 g, welche 0.3299 g Substanz enthielt und das spezifische Gewicht 1.0265 hatte, drehte im ı dem- Rohr bei 20° Natriumlicht 6.09° nach links. Also ° [«] Di — 63.5 30.4. Durch nochmaliges Umkristallisieren änderte sich die Drehung kaum. Eine Lösung vom Gewicht 4.2480 g, welche 0.3107 & zweimal umkristallisiertes Dipeptid enthielt und das spezifische Gewicht 1.0222 hatte, drehte im ı dem-Rohr Natriumlicht 5.10° nach links. Also ° [e] n — 68.22 0.4. Trans-Alaninanhydrid. EN CONTI CH c\ AR CH, NH-CO H ı g 1l-Alanyl-d-Alanin wurde mit 10 ccm absolutem Alkohol über- gossen und unter Kühlung durch kaltes Wasser Salzsäuregas eingeleitet. Schon nach 4-5 Minuten war das Dipeptid gelöst. Nach ro Minuten wurde der Alkohol im Vakuum abdestilliert und der Rückstand nochmals in der gleichen Weise mit Alkohol und Salzsäure behandelt, um die Veresterung möglichst zu vervollständigen. Beim Verdampfen der alkoholischen Lösung unter geringem Druck blieb nun das Hydrochlorat des l-Alanyl-d-Alanin-Äthylester als Sirup zurück. Es wurde in einigen Kubikzentimetern Alkohol gelöst und langsam in 15 cem bei 0° gesättigtes alkoholisches Ammoniak, welches durch eine Kältemischung gekühlt 3 EIER war, eingetragen. Der dabei entstehende Niederschlag löste sich zu- 382 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 5. April 1906. erst beim Umschütteln, blieb aber gegen Ende bestehen, und es waren noch Io cem alkoholisches Ammoniak erforderlich, um eine klare Lösung zu erhalten. Beim 2ostündigen Stehen bei gewöhnlicher Tem- peratur schied sich daraus das Anhydrid in hübschen Kristallen ab und war nach dem Absaugen und Waschen mit wenig eiskaltem Wasser fast rein. Die Ausbeute betrug 0.7 g. Aus der Mutterlauge konnte noch 0.1 g erhalten werden, so daß die Gesamtausbeute 90 Prozent der Theorie betrug. Zur Reinigung genügt einmaliges Umkristallisieren aus heißem Wasser. Es scheidet sich daraus in feinen, meist sechseckigen glänzenden Blättehen ab. Beim langsamen Verdunsten einer wäßrigen Lösung erreichen die Kristalle eine beträchtliche Größe, bis zu ı am Durchmesser. Wir verdanken Herrn Dr. F. von Worrr, Privatdozenten der Mine- ralogie an hiesiger Universität folgende Angaben: »Kristallsystem: rhombisch - holoödrisch. Die Kristalle bilden dünne sechsseitige Tafeln mit Zuschärfungen der Kanten durch Domen und Pyramiden. Genauere goniometrische Messungen ließen sich an dem erhaltenen Material nicht anstellen. Auf der Tafelfläche steht die negative Mittellinie senkrecht. Der Achsenwinkel ist groß. Er be- trägt 2 HaNa = 89°45’ in Cassiaöl gemessen, Dispersion der Achsen p J A J A J 2992.09 | I 3102.66 | 5 96.12 | I 12 I 03.10 | 5 „Io I 99.18 | 3 Gd .2o(5) 09.27 | 2 .28 I 3004.71 | 2 .70 I 09.93 | 2 .90 4 ? Dy .89 (6) 05.65 | 4 .66 I 12.53 | I 09.44 | 4 .42 I Gd .47 (1) 12.68 | ı 10.7114 .70 I 13.72 | 4 12.18 | ı | 14.56 | I 13.07 | I | 17.37 | 2 Sol 81 I 18.01 | 2 .02 2 | Gd.o7(1), Dy .04(4) 16.36 | 5 36 dp.1,1 19.73 | 4 SR I 10:2 E3 27 I 2.557 En I 20.47 | 4 44 I 22.06 | 3 .07 I 22.10 | 1 22.93 | 3 2325718, 03 23.16|4 17 I 23.88 | ı 24.12 | 2 Gd .ı6 (3) 27.46 | 4 44 I 24.65 | I 29.38 | ı 29.00 | I Se 7 25 73 I 30.78 |ıbr 84.22.1172 Gd .20 (8) 31.48 | 3 35.00 | I 34.37 | 4 39 I ST-TAN X 13 Zar) ssar | 72 Dy .51 (6) 38.37 | I .40 3 Dy .43 (6) 37-40 | 2 38.81 | 2 8o I as5 X Gd .81 (1) 43.74 | ı br 39.77 | 6 .74 I 45.08 | 5 06 I 40.18 | 4 .15 I 47-11 | ı 43.56 | ı 51.24 | 5 44.56 | I 60 I 52.34 | I 45.33 | 4 | -31 2 | Dy.32(3) 53.41 | 2 | 46.35 | 2 53.71 | 6 .71 2 | Gd.70(3) 46.83 | 2 61.96 | ı | 47-07 | 4 02 I 62.90 | ı 47-27 | 4 25 64.20 | 4 15 I 48.834 | 4 85 I 64.69 | ı 67 I 54.855 | I : 65232210 77 28 I 55.220 1 65.82 | ı 55.74 | 3 66.02 | ı 57.28. 0 30 ı | Dy.3ı (2) 67.37 | 5 30 I 57.62 | ı 64 I Dy .66 (2) 69.14 | 6 ıı (dp.ı,ı 58.20 | ı 70.19 | 7 17 2 58.80 | 2 Gd.75 (1) 72.79 | 5 | 82 | ı || Gd.74(3) 59.35 | 2 76.18 | 2 59.52 | 2 79.01 | 6 99 2 O2S50 2 80.27 | I 63.02 | 4 81.68 | 2 63.95 | 3 | 82.17 | ı .20 ı | ? Gd .ı5(1o) 64.21 | 3 .22 I 82.53 | 5 52 I 64.88 | 3 83.94 | ı 65.86 | 5 «87 L 86.14 | ı 67.62 | 4 .60 2 86.91 | 2 68.42 | 5 87.66 | ı | Dy .67 (2) 68.71 | ı .74 ı || Dy .76 (2) 88.55 ‚6br | .52 1 69.93 | 5 89.25 | ı .I9 ı || Gd.z3ı (1) 71.30 | 2 8970| 5 66 2 72.04 | I 91.80 | I 73.34 | 4 92.13 | ı Gd.ı5 (2) 7394| ı .90 2 93.06 | I 747085 RTe} I 93.32 | ı Dy .25 (3) 7555| 1 | 93.55 | I 56 I Dy .63 (1) 76.90 | ı 93.96 | I .95 | 2 ZT er 96.97 | 2 | .oo 1 Gd .92 (1) 77.61 |ıbr|| .66 I Dy .63 (2) 97.53 | I -52 II 79.94 | I G. EgeruArn: Speetroskopische Untersuchung der Terbiumpräparate. 395 Exner EBEREARD u. HAscHer A J A J 6 .72 I I I 3 34 I 3 3 „OL I 2 2 6 .39 2 6 ‚18 I 2 1 .92 T 2 br|| .8o I I I .09 I 2 4 5 I 7 .65 I 3 I 2 2 3 23 2 4 3 3 I 3 3 { 19.04 | 8 .05 2 20.09 | 6 „Io 2 20.34 | I 23.10 3 24.84 | I 25.63 | ı 27-10 | I 27.61 | ı 29.30 | 2 29.81 ıbr 30.13 | 4 | 30.85 | ı ? 31.18 | 3 17, I 31.59 | ı H 32.16 | 2 # 33.69 | ı 34.62 | 2 | 35-88 | 3 | 36.29 | 2 39.39 | I R 39.74 2br| .69 I p 40.11 | 5 .I4 I 3 40.78 | 4 b 42.06 | I % 43.32 | 3 44.74 | I 1 45.31 | 3 45.52 | I 46.64 | ı 47.32 | ı Bemerkungen Dy .32 (3) Dy .90 (2) Dy .76 (2) Y.75(3) Gd .67 (1) ? Dy .25 (6) Gd .57(2) Dy .25 (5) EBERHARD J TUR ABDW HD HUNWUBDHPRRHN HH OR HH HN. - = - POT NAH wm DW n A —- - > 4 DH HHBRH BU BRARNDBLR A .42 .45 .36 .5I .84 ‚Io .03 .I2 .52 .20 .66 .48 87 -45 .40 .55 .27 .16 .30 67 .68 .18 .50 34 .76 .Ig -45 .09 .86 Exner u. HascHEr J mn nn DH. Bemerkungen Dy .41(7) Dy .ı2(6) Dy .83(4) Gd .30(1) Dy .92 (2) Gd .2ı (2) 396 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 5. April 1906. EBERHARD A 3314.45 15.17 17.71 18.17 19.31 19.93 21.02 21.25 22.38 23.52 24.03 24.54 25.64 27.24 29.20 33-33 34.07 34-47 34.62 35-56 36.87 38.18 39.15 39.75 43.10 43.71 43.90 45.00 46.49 47-41 48.25 48.43 48.70 49.57 50.64 51,58 53.05 57.50 59-47 59.99 60.39 62.32 64.33 64.48 65.01 65.42 66.31 67.31 63.67 79.73 71.65 72.50 72.85 74.56 75.18 76.51 76.79 77-80 78.86 79.02 79.32 80.78 81.01 - DP-PRL OD" PO WD HH WD WITH BU DD FHWWD - DB OD HDD HH nm DUO DD HH DD DD Du gm mm min J ”s - Exner u. Hascher A J 23 I .40 I .06 I .56 4 64 I .20 2 .20 I .30 I .56 I 90 I .14 I .14 I .69 2 .45 I .36 I .20 I .70 I .54 I oI I 33 I .30 I .70 I .65 I .50 I .g0 5 .16 I +47 I .74 I | „00 2 | 70 ® ı Gd Dy Dy Dy Gd | Gd. Dy. Ga. Bemerkungen .19 (1) .02 (5) .56(1) .65 (1) .22(1) EBERHARD J DO HH HH DU WW HH HH HH BD H HH BD HH HB HATT DD FH HH FH DD BRD DD FH RD HDD DH NH WU HH Rh Exner u. HAscHEk ‚91 I .48 I .1o 1 .97 I .45 I .62 I .oI I .30 2 .85 2 .92 5 .46 1 .26 2 „26 I 40 I .5I .06 I Bemerkungen Dy .70 (3) 4 Gd .45 Gd .76 (2), Dy .71(7) Gd.z5(h) Gd .ı2 (3) Dy .31 (2) Dy .94 (7) Gd .07 (5) Gd .08 (3) Gd .46 (2) Dy .50 (6) Dy .07 (1) j | j Te nn nn U ULULLLLUULUUUULUUU LU G. Eseruarn: Spectroskopische Untersuchung der Terbiumpräparate. 397 EBERHARD 3439.22 39.87 40.55 41.84 44.06 44-74 44.91 46.52 49.02 49.61 52.56 53.01 53.60 54.24 55-55 56.15 56.71 57.18 58.77 60.57 61.14 62.68 62.98 63.12 64.76 66.13 67.03 68.17 68.55 69.34 70.01 79.52 71.87 712.52 72-95 73.18 73-94 75-46 76.28 76.45 79.40 80.33 80.63 81.69 82.98 83.20 83.85 84.86 87.43 87.78 88.96 89.65 89.91 90.42 91.41 91.94 92.13 92.69 93.14 94.39 95-53 96.43 98.90 - 5 - "»-HNDDWOTG- DH RAM DW TWUDDAFFHNR DT DOW DD HH HUN DDR ZI DB HH RED DD HD FH DW H HN DB HUT HD HD - + - 5 er Exner u. HascHek A J A .86 55 .70 .46 13 .68 .13 .54 ‚Io .46 .82 Gd Gd e) ES Bemerkungen -93 (3) .92 (2) .10 (6) y .86 (3) sehr breit) EBERHARD A 3499-47 3500.20 00.42 00.99 04.18 04-91 05.26 06.05 07.58 09.32 10.25 11.21 12.73 13.24 14.01 14.31 15.16 15.64 16.31 16.79 19.91 20.95 23.10 23.33 23.82 25.27 25.79 26.02 26.91 29.93 30.57 32.00 32.84 33.79 33-99 36.51 37.32 37.88 38.03 39.05 39-97 40.41 43-38 44.03 44.54 46.64 51.14 52.12 55.42 55-87 56.24 56.39 58.91 59.39 59.54 59.88 61.88 63.05 65.87 66.25 67.50 67.99 63.64 | se] - - - on wu Tun SI m mwmwu En mn BO H HU BONO NDHNHHWWUSITHHNREHR DU HM HEN HN Om HD mini m ExNER u. HAscHEr A .96 .24 .60 .30 .22 ALS .70 .20 | .16 .96 .02 .8I 227 „SI -57 .4I ST: .83 J DHL mW Bemerkun gen Vielleicht Doppellinie Gd .26 (1), Dy .28 (2) Gd .66 (4), Dy.70 (3) Dy .o2 (2) Gd ..28 (1) ? Dy.57 (1) Dy .83 (2) 398 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 5. April 1906. Exner Exner Enerzarn || 5, Hasonz Bemerkungen Ünzezarn || 1 Hasomex Bemerkungen N ae Se hi 3599.11 | 5 | .14 | 2 3633.43 | 6 Dy ..41 (2) 71.49 | I 35.58 | 3 72.2502 .28 I 38.59 | 4 .58 I Dy .64 (3) 75.77 |1dp 39.06 | ı .03 I Dy .05 (1) 76.03 | 2 39.95 | 4 | .99 | r || Dy.oo(2) 76.78 | ı .74 I 40.91 | I -95 I Dy .97 (3) TERN 41.80 | 6 = I 79.36 | 5 238 I Dy .27 (2) 42.19 | I 85.24 | 2 2I 5 Dy .22 (3) 42.502 87.60 | 3 .56 I 2.820103 87.86 | I .90 I Y.86 (r) 43-43 | 2 89.74 | I 43.90 | I 91.55 | 2 .58 4 |? Gd.56 (2), Dy .57 44.28 | 2 91.78 | 2 L(6) 45.96 | 3 | .96 | ı || Dy.oo(5) 93.23 |3br || .29 I 46.28 | ı Gd .36 (15) 93.88 | 2 .85 I 46.58 | I 9441| 2 | 42 | ı 47.19 | 4 94:73 | I -75 I 47.87 | 4 95.12 | 3 Dy .20 (5) 49.51 | LI 96.52 | 5 | .52.| ı 50.55 | 7 | .sı | 3 || Dy.57(2br) 96.97 | ı Gd .99 (1) 51.08 | 3 .Io ı || Gd.og (2) 97.96 | ı 52.0803 .0o I 98.21 | 3 52.43 | 2 ‚41 I 3600.19 | 2 Bra 00.55 | 6 .50 4 || Dy.56(4) 54.02 | 2 .00 I ? Dy .o2 (2) 00.94 | I So 5 .99 2 || Dy.o2(3) 01.68 | I .65 I 56.63 | ı Dy .58 (1) 01.86 | 2 56.90 | I 02,64 | I 58.42 | 2 Gd .35 (tr) 05.04 | 4 .04 I Gd .oo (4), Dy .04 (1) 59.01 |6dp | .oo 3 06.14 | 2 59.58 | 3 06.31 | 3 .26 5 Dy .28 (6) 60.62 | 2 07.66 | ı | 60.89 | 3 .85 I 08.00 | I | Gd.oı (1) 63.2741 5 .25 I 08.35 | ı 64.45 | I 09.20 | I IR 09.70 |ı dp 68.14 | I II I 10.00 | I | 68.64 | ı .66 I Dy .69 (1) ra2 03 69.79 | ı .79 I 11.673 70.80 | I | | KOT 2 Dy .22 (3) Tran 2 | rt | Dy .45 (6) 13.8723 .80 I 5.9022 14.79 | 3 Sn I Dy .86 (2) 76.52 | 8 .48 3 Dy .58 (1) 15.58 | I 78.04 | 3 15.77 |abr|| .76 I 78.94 | 2 Lo 4 .70 2} 81.62 | ı 18.01 | 5 .98 ı | Dy.95 (3) 82.45 | 7 .45 2 Tara 82 .25 2 || Dy.23 (4) 83.44 | I 19.86 | 4 .85 I 84.99 | 2 ‚00 1 22.27 | 2 .25 I 73a ar 24.02 | 4 88.32 | 5 .30 I 24.89 | 3 89.28 | 4 .24 I Dy.ı8 (1) 25.66 | 6 .64 2 89.88 | 2 26.27 | 1 91.32 |7br|| .32 2 26.63 | 5 „61 I 92a 1 27.01 | 2 || @d.o2 (1) 93.00 | 4 28.31 |3br|| .35 I e 93.74 | 2 | .73 I Gd .76 (1) 28.87 | ı Y.85 (4) 94.837 | ı | 29.59 |4br ı Gd.66(2), Dy.s7 (S)| 96.45 | 3 | go | ı 30.40 | 3 | .35 | 5 || Gd.39(r), Dy..39(6)| 97.03 | 4 | .o5 | 2 31.20 | 2 | Dy.zo(r) 9791| ı | ? Gd .89 (5) 31.64 | 4 | 995014 | G. Eseruarn: Spectroskopische Untersuchung der Terbiumpräparate. 399 Exner Exner Enzenaen | 1. Hasomex Bemerkungen Eoranaen |) Hasonee Bemerkungen aller 5 A I|ı X J 3700.28 | ı 3779.36 | 2 Dy .32 (2) 00.47 | I 80.14 | I 01.47 | I 81.80 | I 03.01 | 8 99 4 83.62 | 3 Dy .67 (5) 03.64 | I 85.52 | I .54 3 | ® Dy .54(3) 04.05 | 8 .05 3 87.35 | 4 Nea(2) 05.25 | 2 89.20 | I 06.54 | 4 .53 I 89.86 | ı 08.93 | 3 90.06 | 2 09.517 | 4 92.35 | I 11.92 |8br| .90 2 || Dy .81 (5) 93.69 | 3 .70 2 14.56 |ı br 94.50 |ıbr|| .5ı1 I 16.24 | 2 98.01 | I 16.58 | 2 .54 ı || Gd.52 (5) 98.66 3 .70 I 17.07 | I .05 2 Dy .10 (3) 99.09 | I 17.64 | 3 Gd .60 (4) 99.72 | 3 18.06 | I 3801.96 | 2 18.65 | 2 02.33 | 2 19.62 | 3 Gd .63 (10) [op u | Dy .47 (4) 20.46 | I 07.00 | 3 .00 2 20.59 | I 17.820 02 22.79 | 2 79 I 12.840 02 .83 I 23,26. 3 13.28 | I Dy .27 (2) 2ER 2 16.33 |ıbr|| .31 3 || Dy.35 (3) 25.59 |2br .59 I Gd .63 (3), Dy .62 (1) 20.26 | I 28.83 | 2 .88 I 20.55 | I 29.12 | 3 20.93 | 2 30.07 | 5 .05 I Saas || ao X 24.51 | 2 .50 2 32.00 | I 42.61 | 4 32.54 | 5 53 I 43.16 | 3 34.88 | 2 44.39 | I Ssıuı | 2 ? 48.91 | 4 38.57 |ıbr 52.02 | I 39.06 | 2 74.30 | 6 .25 10 | Dy.34(4) 40.51 | 3 85.27 | I 23 I 41.35 | 4 .32 2 86.18 | ı 2 87.00 | 3 .96 I 42.04 | 3 .02 I Gd.os (1), Dy .o2 (2) 87.85 | 2 Gd .87 (1) 43.27, 03 .21 ı || Dy.24 (2) 88.40 | 2 .37 I 45.20 | 3 .17 2 90.03 | I 46.72 | 3 93.52 | 3 41-33 | 4 | -33 I 94.73 |1dp 47-52 | 6 .48 I 96.16 3 48.97 | 1 96.74 | 4 78 I 49.47 | I 97.45 | 1 49.88 | ı 98.03 | 3 .OI I 51.81 |ıbr 99.34 | 8 32 3 52.37 |ıbr Gd .42 (1) 99.72 | 3 77 I 53.74 | 2 3900.92 | I 55.38 | 6 235 2 || Gd.38 (1) oa 3 .47 2 57.58 | 3 Dy .52 (6) 01.79 | ı 58.06 4 02.14 \ıbr | 58.46 | ı ? Gd.46 (5) 03.29 | ı | Dy .23 (1) 59.53 |3br| .5o | ı 04.33 | ı | .35 | 2 || Dy.38(3) 60.34 | I 04.72 |ıbr 61.25 | ı 05.72| ı 13 3 || ? Si.69 (10), Dy .69 62.88 | ı .89 I 06.71 | ı [() 65.26 | 6 .28 2 08.23 | 3| -17 I 67.65 | 3 Dy .74 (2) 08.82 | 2 | 75.41 | 2 09.30 | Aalle.28 I 76.62 | 7 09.69 4 BT I 77.63 | 2 .57 2 || Dy.59 (3) 10.31 2 .28 ı || Dy..24 (1) Sitzungsberichte 1906. 40 400 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 5. April 1906. EBERHARD | Exner EBERHARD Exner u. Hascnuer Bemerkungen u. Hascaer Bemerkungen =. 1 ER J A | 3910.56 | I 3972.22 2 24 I 10.78.| ı | Dy .70 (1) 73.07 | ı Dy .ı8 (1) nor 0222| 74-41 4 «47 I 12.422 | 1 | 74-84 2 .86 2 12.93 \2dp, | Dy .oo (2) 76.99 | 10 00 5 13:624102 | 80.41 I | Gd .92 (1) 81.29 | 5 | .32 I 14.72 | 2 82.02 | 10 | .og 8 | Dy.ıo(7) 15.54 | 5 -57 I 82.47 | 1 | .47 I 17.II I 84.00 3 17-45 | 2 | -48 3 Dy .49 (2) 84.18 | 3 LS. 2 | 84.96 1 19.67 | 7r .64 1 85.22 2 20.1.2. | 72 86.48 | 3 .49 I 20.88 | 4 87.84 I .78 I SAN WET 89.63 1 DEE | Ser 3 22.2300 5 .25 I OT ET 22.88 | 5 .92 1 92.33 I 23130 ET 93.00 | ı 24.53 | 2 Dy .60 (2) 93.67 | 4 Dy .71 (2) 24.95 | 2 | 95.27 | ı 25.57) 7 | -57 2 95.93 | I 94 | r || Dy.gı(ı) 29.94 |2dp Dy .86 (1) g7.520 23 30.95 | 3 98.24 T 20 2 Dy .2o(1) 32.50 2br 98.53 | 3 35.38 | ır 35 | 2 99.03 2 .05 I 37.30 | ı .30 ı || Dy ..32(ı) 9950| 4 | .55 I 37-77 2 .74 I 4000.13 4 .13 I 39.68 | 8 | .68 2 01.40 | I .45 I Gd .40 (3) 2.3201 03 .34 I 02.30 |5br| .zı I Dy .35 (r) AT-530| N 02.70 7 12 2 42.34 | 3 .34 I o30rL 2 .92 I 43.07 | ı 04.03 | ı .00 I 43.31 | 2 04.64 2 .59 1 | 05.62 | 8 .64 3 45.07 |2br 06.07 | 3 Dy .o1 (1) 47-02 | 6 .05 3 | Dy.og (5) o7szueı 28 Dy .30 (1) 48.45 | 4 .46 I 07.86 I 89 I Dy .91 (3) 49.67 | I 09.34 | 2 || .30o | ı || Gd.35 (2) 50.05 | I 09.65 3 50.27 | 2 10.18 | 2 21 2 || Dy.23 (3) 50.55 | 3 Y .52 (10), Dy .52 (5) 12.94 | 5 | .92 | 2 | Dy.97(1) 50.91 ı 13.300123 40 I 52.02 | I 15.66 | ıbr 54.18 | 4 17 ı || 16.09 |1dp 55.89 |ıbr|| .83 1 16.44 |ıbr 56.29 | 3 | 17.01 1 .0O I Dy .06 (1) 57-49 | 2 | 17.99 | ıbr Dy .92 (2) 58.111 4 1 2 Dy .19(4) 18.51 |ıdp 58.49 | 6 | .52 | 19.28 | 5 .25 I 58.76 | ı 20.60 | 5 .62 3 60.28 |ıbr Gd .27 (1) | > 60.84 | 2 || | 23.02 | 3 .03 I 62.12 | ı | 23.87 | 2 | .85 2 | Dy.sg(3) 62.76 | ı .75 2 || Dy.74 (2) 2421 | 3 | 63.06 | ı || 24.38 3 || 65.25 | 2 .25 I Dy .26 (1) 25.84 | 4 | Dy .78 (2) 66.09 4 | | I 27.54 |ıbr 67.36 | 3 | 28.13 I 67.80 | 2 1 28.42 5 .45 3 Dy .51 (5) 70.35 | 4 36 | r ji 30.11 | ı | 71.90 | 3 ‚90 ı \ Gd .91 (4) ST. 7 OA ENTE 3 | ' G. Esernarn: Speetroskopische Untersuchung der Terbiumpräparate. 401 Dee Exner 4 Exxer ÜBERHARD H nr j EBERHARD H j In ERS Bemerkungen | U. BASCHEK | Bemerkungen Da SIE Sa | 4032.45 | 5 .48 2 4104.09 | 6 | Dy ..o0(4) 33.18 | 7 .20 3 05.54 | 3 5o [|| 36.35 | ı 06.17 | ı 12 I J 36.57 | ı | Dy.5ı (4) 07.90 \ı br 38.98 | 2 Dy .01 (2) 09.70 | ı | 39:35: 82 12.66 | 3 .68 I | 39.64 | 2 .63 ı || Gd.63 (1) 13.05 | 3 | Dy.ı8 (1) 40.26 | ı | 14.27 | 3 21 2 | Dy .23 (2) 40.56 | 3 15.49 |2br 46 ı || Gd.54(1) 42.00 | I Dy .ı2 (5) 16.68 | ı } 42.47 | 2 17.40 | ı 43.81 |2br Gd .55 (1) 20.09 | 3 12 I 41-32 | 3 | | 20.69 | 2 48.97 | ı .96 1 21.192 ET 51.65 | ı | 22.38 | ı 51.95 | 4 | -95 | 2 || Dy.95(2) 22.66 2 52.56 | I 23.93 | ı Dy .88 (1) 52.99 | 6 .96 1 | 26.90 | I | 54.22 | 3 | 27-44 | 3 Sy] op: | 30.32 | I 58.59 | 2 | 31.28| ı Dy .18 (3) 60.54 | 4 .53 ı | da | © .65 ı || Gd.65 (3) 61.01 | 5 .00 | 331010 02 .03 2 Dy .o2 (2) 61.74 | 5 .70 2 Dy .69 (1) 35.553 EG I Gd .60 (1) 62.36 | ı | 38.79 | ı Dy .70 (1) 62.94 | I | 39:22 72 ' 6402 |4 | 97 | ı | 39.94 | 3 66.33 | 5 33 1 40.93 | ı 95 I 70.25 | 3 2 I Dy .24 (1) 41.7114 .67 4 || Dy .67 (6) 70.69 | 2 42.61 I 71.36 | 2 43.76 | 3 12.44 | 2 Dy .46 (1) 44.55 | 8 581 73 72.84 | 4 Dy .76 (1) ara 13.88 | 3 86 I Gd .99 (10) 48.34 | I 74.12 | ı 13 2 Dy ..14 (2) 49.30 | 3 2 | 74.22 |1dp | 50.71 | 2 75.32 | 3 32 Da 5.280 T .26 3 rg | 53.65 | ı | Gd .69 (2) 73.59 | 2 Gd .60 (6) 56.44 | 3 80.94 | I | 58.46 | ı 81.38 | 4 .38 2 58.70 | 2 82.37 | 2 61.64 ıbr 82.95 | 2 | 66.69 | I 83.35 | 2 Dy .26 (1) 69.27 | 3 83.81 | 2 I Gd .87 (2), Dy. 75 (1) 69.50 | ı .45 I Dy .40 (2) a 84.40 | 2 .40 ı || Dy.43 (1) 70.07, | I z 84.99 | 2 | 70.65 | 2 .71 I { 86.77 | 3 DIS ET ea || ©) i 87.85 | 2 | @d .85 (3), Dy .94 (2) 71.945 Y .gı (2), Gd .86 (2) a 89.48 | 3 .50 1 7277| 3 | 89.66 | 2 .64 1 73.00 | ı f 91.49 | I 73.64 | 4 f 92.34 | 3 .34 | 76.04 | 1 h Er | 79.14 | 2 f 94.58 | 6 79.97 | 1 | | 2 96.09 | 1 | Dy .25 (2) 80.54 | 4 | . 97.56 dp, 81.03 | 3 .07 ı || Gd.os (2) % 99.32 | 1 | | 81.50 | 3 hl 99.62 | 2 | | 84.49 | 2 Gd .48 (10) 4101.08 |5br 85.10 | 2 be 01.82 | 4 86.38 | 2 02.67 | 3 87.33 | 3 4 Dy .48 (9) 88.27 | 2 Gd .2o (2) 4 03.60 i 40* No} "um m Du Im ON DND- DH HD HDD RD N TWDD HDD DH HARD DH HH RODND HB HOT nn in = - = .83 .55 .32 .06 .58 .54 Exner u. Hascner | ? Gd ..ı3(6), Dy .30 (6 Dy .07 | G@d .70 [67 Bemerkungen .75 (2), Dy .81 (3) | Gd .29 (1) 70 (6) Dy .76 (2) (5) Y .43 (1) Dy .ı8 (5) .33 (1) .01 (5) Gd.90 (10), Dy.94(1) '+75(1) EBERHARD A 4369.87 71.73 72.44 73-38 15-39 76.91 11-93 78.71 80.67 81.48 85.30 85.92 86.29 87.06 89.89 94.53 95.50 96.49 98.55 4300.08 Or.II 03.12 04.17 07.38 08.85 10.61 11.17 11.74 12.26 13.40 15.87 19.05 20.45 22.39 23.04 23.83 26.00 26.64 29.10 30.53 32.30 34-84 36.66 37-79 38.62 40.79 42.70 48.49 49.78 50.92 51.80 53.39 56.28 57.01 60.31 66.18 67.67 12.22 76.59 81.47 82.60 84.24 85.85 [e) wohnen = - ° - run yo nu "uns pO ALDRNT-OSOT ab Hm SDWDUDn HOUR, DNWDDHPRSQIODBDPHMPUVH"T HT BO HH hun m r Exxer u. HascHer A .05 .61 J Bemerkungen Dy .33 (2) Dy .88 (4) ? Gd .69 (8) Gd .96 (2) | @d .26 (2) Dy .82 (7) Gd .ı4 (2), Dy .ı8 (1) Dy.ı5(1) Gd .35 (2), Dy .37 (1) Dy .95 (2) Dy .58 (2) Gd .06 (1), Dy .08 (4) Dy .52 (1) Dy .36 (2) Y.zo(1) eur G. Eseruarn: Spectroskopische Untersuchung der Terbiumpräparate. 403 - — — EBERHARD an % EBERHARD | Exner R U. LLASCHER: | Bemerkungen In HascHEx Bemerkungen A J |) E SR 4386.24 5 4473-87 | I 88.42 | 4 85.85 OL 89.20 | ı 88.33 2 9110| 5 89.93 2 94.20 | 2 90.84 | ı | 96.75 | 5 91.19 | ı | 4400.97 | I 93.25 | 7 | .26 ı | om72 13 4501.47 | I | Dy .44(1) 23:3 65 03.75 | I | Dy .79 (1) 05.5 5 | 04.72 | ı | 09.68 | gbr Dy 55 (8) 09.20 | 5 | 16.43 | 5 11.68 | 5 | a 2 13.1200 3 | Sl El 24.04 I | .07 I 2 | 19.92 ıdp 28.50 | ı | | 24.52 | ı | 30.27 |ıbr|| | 25.14 | I | 30.88 | r || Gd .82 (5) 26.08 | ı || | e 3 | | 29.03 | 1 || 34.63 | 5 | | 29.91 | 2 | Asa 2 | ? Ca 301 1 | 33.13 | 3 | 31.9 I | 36.27 | 5 | .24 | ı 34.33 | 2 | 3912|4 | 37.10 | 4 | Gd.ıı (1) 39.53 | 2 | 37.38 | 3 | 41.42 | ı | Dy ..35 (1) 40.74 | I 41.67 We, | 46.63 | ı 48.20 | 3 | as I 51.79 | 2 | 48.52 | ı 52.96 |2br | 49.26 | 3 | 53.31 | I || „ 49.90 | 3 55.07 | ı | 2. Ca 50.61 | 3 58.65 | ı | 5110| I .06 ı || Gd.ız (1) 2231 3 | 56.65 | 3 .63 I Dy .66 (2) 1.43 | I Sykchial| >: 62.38 | ıbr | 57.45 | I 65.88 | ı | 62.41 | 4 67.87 | 2 | 63.37 | 6 | ee 165 65.04 | ı 9.56 | ı 13-34 | 2 69.90 | ıbr 78.88 | 6 .88 I 71.34 | ı „31 1 80.55 | 2 71.89 | 2 85.01 | 2 73.00 | I 91.73 | 2 73.46 | I Gd .45 (1) Das Studium des Verhaltens der einzelnen Linien ergab mir noch folgende allgemeinen Resultate: 1. Anzeichen für eine Zerlegbarkeit des Gadoliniums sind nicht vorhanden. 2. Zwischen dem Gadolinium und Terbium Ursamschen Präparaten kein weiteres Element vorhanden zu sein. 3. Das von Ursam hergestellte Terbium scheint ein einheitlicher, durch ein charakteristisches Spektrum wohl definierter Körper, ein Element zu sein, da keine Anzeichen einer Zerlegbarkeit gefunden werden konnten. seheint nach den 404 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 5. April 1906. 4. Die von Dr. Ursam hergestellten Präparate (besonders ZÖ, und Zö,) sind soweit rein, daß eine mit ihnen durchgeführte Atom- gewichtsbestimmung einen recht nahe richtigen Wert für diese Kon- stante geben muß. 5. Diejenigen Linien, welche sowohl nach der Seite des Gado- liniums als auch nach der des Dysprosiums am weitesten zu verfolgen sind: 3523.82, 3676.52, 3703.01, 3704.05, 4005.62, 4278.71 können dazu dienen, Terbium in Mineralien und Rohmaterialien nachzuweisen. In der Tat konnte ich mit Hilfe derselben in Samarskitoxyden, in cer- und thorfreien Monazitoxyden, in Gadolinityttererden Terbium auffinden. 6. Terbiumlinien sind im Sonnenspektrum nicht oder wenigstens nicht mit merklicher. Intensität vorhanden. Durch die definitive Lösung der Terbiumfrage ist ein bedeutungs- voller Schritt in der Erforschung der Yttererden gemacht worden, und nun erst wird es möglich sein, die Bearbeitung der weiteren Erden dieser Gruppe, Dysprosium und Neoholmium, erfolgreich in Angriff zu nehmen. Ich hoffe in nicht ferner Zeit, wiederum nach Präparaten von Dr. Ursaım, auch für das erstere dieser Elemente vollständige Wellenlängentabellen geben zu können. Ausgegeben am 19. April. 405 SITZUNGSBERICHTE 1906. XIX. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 5. April, Sitzung der Dhulosenhikeh- -historischen Ülasse. Vorsitzender Secretar: Hr. Diers. Hr. DeesseL las über die Echtheit der bei Abukir gefun- denen Goldmedaillons mit Alexanderdarstellungen (vergl. Sitzungsberichte 1904 S. 751). (Abh.) Die Medaillons sind antik nach ihrer Technik und nach ihrem Inhalte, wegen der tadellosen Form ihrer Schrift, wegen der echten Alexanderbildung, wegen der zum Theil ganz neuen Alexanderbildnisse und wegen der Auffassung des Sternbildes der Zwillinge als Herakles und 'Theseus; den sichersten Beweis für ihre Echtheit liefert ein römischer Contorniat im Berliner Münzeabinet, der die antike Copie eines zu der Medaillonserie von Abukir gehörenden Goldmedaillons ist. Ausgegeben am 19. April. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei MN. eg h ‘ .r 17 u; } PER ar Pi pi ee 1906. "RX XXL - SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN _ AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Gesammisitzung am 19. April. (S. 407) Sitzung der philosophisch -historischen Classe am 26. April. (S. 409) | _ Sitzung der physikalisch -mathematischen Classe am 26. April. (S. 411) N] _ vas’r Horr und J. p'Ans: Untersuchung über ‘die Bildung der oceanischen Salzablagen ungen, h £ XLVIH. Auftreten von Polyhalit und Krugit bei 53°. (S. 412) N °G. Kurs: Bericht über Untersuchungen an den sogenannten » ‚Gneissen« und den metamorphen ı @ Schiefergesteinen der Tessiner Alpen. (S. 420) ’ 1 - W. BErGrT: Dr Gabbromassiv im bayrisch- böhmischen Grenzgebirge, IL. Der böhmische Theil. I (S. 432) ‘Mus: Über ih Funetionen des Kleinhims. @. 443) BERLIN 1906. "VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. [2 - IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Aus dem Reglement für die Redaction der akademischen Druckschriften. Aus $ 1. Die Akademie gibt gemäss $ 41,1 der Statuten zwei fortlaufende Veröffentlichungen heraus: »Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften « und »Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften. Aus $ 2. Jede zur Aufnahme in die »Sitzungsberichte« oder die »Abhandlungen« bestimmte Mittheilung muss in einer aka- demischen Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel das druckfertige Manuseript zugleich einzuliefern ist. Nicht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehiörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. 83. Der Umfang einer aufzunehmenden Mittheilung soll in der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, bei Nichtmitgliedern 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- lungen nieht übersteigen. Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung der Gesammt-Akademie oder der betreffenden Classe statt- haft, und ist bei Vorlage der Mittheilung ausdrücklich zu beantragen. Lässt der Umfang eines Manuseripts ver- muthen, dass diese Zustimmung erforderlich sein werde, so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen muthmasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen. SA. Sollen einer Mittheilung Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeichnungen, photographische Original- aufnahmen u. s. w.) gleichzeitig mit dem Manuscript, jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen. Die Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung besclıliessen. Ein darauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der be- treffenden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage eines Sachverständigen an den vorsitzenden Seeretar zu richten, dann zunächst im Seeretariat vorzuberatlien und weiter in der Gesammt-Akademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie. Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist — wenn es sich nicht um wenige einfache Textfiguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachverständigen beizufügen. Überschreitet dieser Anschlag für die er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei den Ablıandlungen 300 Mark, so ist Vorberathung durch das Seeretariat geboten. Aus $5. Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manuscripts an den zuständigen Secretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften, und zwar, wenn eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mittlieilungen von Verfassen, welche nicht Mitglieder der Akademie sind, sölleri der Regel nach nur in die Sitzungsberichte aufgenommen werden. Beschliesst eine Classe die Aufnahme der Mittheilung eines Nichtmitgliedes in die dazu bestimmte Abtheilung der » Abhandlungen», so bedarf dieser Beschluss der Bestätigung durch die Gesammt- Akademie, Aus $6. >) Diean die Druckerei abzuliefernden Manuseripte müsseı wenn es sich nicht bloss um glatten Text handelt, aus- reichende Anweisungen für die Anordnung des Satzes und die Wahl der Schriften enthalten. Bei Einsendungen Fremder sind diese Anweisungen von dem vorlegenden Mitgliede vor Einreichung des Manuseripts vorzunehmen. Dasselbe bat sich zu vergewissern, dass der Verfasser seine Mittheilung als vollkommen druckreif ansieht, Die erste Correetur ihrer Mittheilungen besorgen die Verfasser. Fremde haben diese erste Correetur an das vorlegende Mitglied einzusenden. Die Correetur soll nach Möglichkeit nieht über die Berichtigung von Druckfehlern und leichten Schreibversehen hinausgehen. Umfängliche Correeturen Fıemder bedürfen der Genehmigung des redi- girenden Secretars vor der Einsendung an die Druckerei, und die Verfasser sind zur Tragung der entstehenderi Dam kosten verpflichtet. Aus $8. Von allen in die Sitzungsberichte oder Ahbandluken aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilungen, Reden. Adressen oder Berichten werden für die Verfasser, von wissenschaftlichen Mittheilungen, wenn deren Umfang im Druck 4 Seiten übersteigt, auch fürden Buchhandel Sonder- abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen des be- treffenden Stücks der Sitzungsberichte ausgegeben werden. Von Gedächtnissreden werden ebenfalls Sonderabdrucke für den Buchliandel hergestellt, indess nur dann, wenn die Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden erklären. 89. Von den Sonderabdrucken aus den Sitzungsberichten erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der. Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 50 Frei- en er ist indess berechtigt , auf Kosten der Akademie weitere , Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Seeretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt- Akademie oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 50 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Secretar weitere 200 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. Von den Sonderabdrucken aus den Abhandlungen er- hält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 30 Frei- euplire; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke. auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noclı 100 und -auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Secretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch melır Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt-Akademie oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 30 Frei-, exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Secretar weitere 100 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. \ 817. Eine für die akademischen Schriften be- stimmte wissenschaftliche Mittheilung dart in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jener Stelle anderweitig, sei es atah nur ADEhURET “ (Fortsetzung auf S, 3 des Umschlags.)_ zu gleichem Zwecke i SITZUNGSBERICHTE 1906. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 19. April. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. Diers. *]. Hr. Scuwarz trug vor über die Stelle Pappus VI 16. Der Ausdruck trAPYTITIoc im Gegensatze zu Yrırioc »eben« bedeutet »nichteben«. Zu den Worten Yrıriov A rrapyrıTioy ist cxA4mATtoc hinzuzudenken; YrTion cxfimAa bedeutet eine geometrische Figur von der Eigenschaft, dass alle Punkte und alle Geraden, welche die Figur bilden, derselben Ebene angehören, TIAPYTITION CXAmA eine geo- metrische Figur, bei der dies nicht der Fall ist. Die Übersetzer des Pappus sind bis- her, soweit es dem Vortragenden bekannt geworden ist, einer anderen, von Roperr Sınson herrührenden Erklärung der besprochenen Stelle gefolgt; diese Erklärung kann aber nicht als eine völlig befriedigende bezeichnet werden. 2. Hr. Deesser theilte mit, dass die Sammlung griechischer Münzen ’ O des Hrn. Arrnur Lößgecke in Braunschweig nunmehr in den Besitz des Königlichen Münzcabinets übergegangen ist. Auf dem Gebiete der griechischen Münzen ist damit das Berliner Cabinet an die Spitze aller Münzsammlungen getreten. 3. Folgende Druckschriften wurden vorgelegt: En. Mrver, Die Israeliten und ihre Nachbarstämme. Halle a. S. 1906, Ibn Qutaiba’s “Ujüin al abbär. Hrsg. von Carı, Brockermann. Tl. 3. Strassburg 1906 und W. Crönert, Kolotes und Menedemos, Texte und Untersuchungen zur Philosophen- und Literaturgeschichte. Leipzig 1906, letztere beiden mit Unterstützung der Akademie gedruckt oder bearbeitet. 4. Die Akademie hat durch die philosophisch -historische Classe Hrn. Dırıs zum Abschluss des Unternehmens der Ausgabe des Codex Theodosianus 218 Mark 79 Pf. bewilligt. Ausgegeben am 3. Mai. Sitzungsberichte 1906. 41 an er Dr a eh N = de 1 be a a De ® 2 EEE En L ae 4) Aa DZ an = E z ..? ZT 2 k TE I “© ZN zu Ham . “An A H & PORN. - 4 rw il a 7 u. 4 2 409 SITZUNGSBERICHTE 1906. XXI. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 26. April. Sitzung der philosophisch -historischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. Dies. l. Hr. Burvacn las über den Eingang des Parzival. (Ersch. später.) Nach einer Analyse des Gedankengangs, welche die Zusammensetzung der Vor- rede aus verschiedenen, nicht gleichzeitig entstandenen Theilen erweist, werden die Beziehungen auf Gottfried’s Angriff im Tristan, die einen polemisch replieirenden Charakter tragen, dargelegt. 2. Hr. Rortur legte vor: Deutsche Texte des Mittelalters, herausgegeben von der Königlich Preussischen Akademie der Wissen- schaften, Bd. VII: Heinrich’s von Neustadt “Apollonius von Tyrland', “Gottes Zukunft” und “Visio Philiberti’, herausgegeben von S. SınGEr. Berlin 1906. 3. Hr. Harnack überreichte das Werk des Bibliothekars an der Kgl. Bibliothek, Dr. Ernst VourLıeme: Die Incunabeln der König- lichen Bibliothek und der anderen Berliner Sammlungen. Leipzig 1906. Ausgegeben aın 3. Mai. 41* 411 SEITZUNGSBERICHTE * 2908 xx. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 26. April. Sitzung der physikalisch-mathematischen Olasse. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers. *Hr. Pranck las über seine Untersuchungen zur Theorie der Wärmestrahlung. Hr. Pranck wird die Ergebnisse dieser Untersuchungen demnächst in zusammen- fassender Form veröffentlichen. Besonders hervorzuheben sind darunter die Ableitung des Gesetzes der Energievertheilung im Normalspeetrum und die Bestimmung der Strahlungstemperatur im absoluten Maasse, woraus sich u.a. eine Methode zu einer exacten Berechnung der Masse der chemischen Atome ergibt. 412 Sitzung der phys.-math. Classe v. 26. April 1906. — Mittheilung v. 5. April. Untersuchung über die Bildung der ozeanischen Salzablagerungen. XLVI. Polyhalit und Krugit bei 83°. Von J. H. van’r Horr und J. pv’Ans. (Vorgetragen am 5. April 1906 [s. oben S. 369].) sen Abschluß der Untersuchung von den natürlichen Caleiumvorkomm- nissen bleibt noch die Mitberücksichtigung der Tripelsulfate (Polyhalit und Krugit, Ca,K,Mg(SO,),2H,O und Ca,K,Mg(SO,), 2H,0) bei 83° übrig. Es sei diesen Bestimmungen das Schema zugrunde gelegt, das die Re- sultate der Untersuchung bei 83° ohne Berücksichtigung dieser Tripel- | sulfate enthält: ' | Fig. 1. 4A M P Bischofit L - D + Tachhydrit 3 Carnalit XO—— k Kieserit Q V E Y K R Langbeinit | Loeweit w P | I V | cIK Chlorealeium Vanthoffit Glaserit H S | Na, SO, Ü —————— 9 Oo ge. / G g F f B b N ! Diese Sitzungsberichte 1906, 218. van’r Horr: Oceanische Salzablagerungen. XLVII. 413 Dieses Schema weist durch die Grenzpunkte am Rande db, f, 9 und k aus, wo sich Pentasalz Ca,K,(SO,),H,O, Syngenit CaK,(SO,),H,O, Glauberit CaNa,(SO,), und Anhydrit CaSO, treffen. Für die sechzehn Randpunkte ist damit festgestellt, welche Caleiumverbindung die dort beständige ist, und zwar Pentasalz von b bis f, Syngenit von f bis g, Glauberit von g bis k, Anhydrit von %k bis b. Es blieb nunmehr übrig, zu ermitteln, welche die stabile Caleium- form in jedem der Punkte innerhalb der Umrandung ist, und anzu- geben, wo dieselben sich begrenzen. Die erstere Frage läßt sich beantworten, indem die in obigem Schema durch Punkte angegebenen konstanten Lösungen mit irgend- einer Caleiumform in Berührung gebracht werden, und bei 83° verfolgt wird, in welche sie sich verwandeln. Als Caleiumform ist meistens das aus Alabastergips erhaltene Caleiumsulfat benutzt, weil dasselbe sich leicht verwandelt. Verzichtet ist dabei auf den Unterschied zwischen Polyhalit und Krugit, weil derselbe sich qualitativ nicht so leicht zeigt und doch bei Bekanntsein des Polyhalitfeldes das Krugitgebiet als schmaler Streifen zwischen ersterem und Anhydrit gegeben ist. Das Resultat dieser Voruntersuchung war folgendes: ı. Anhydrit ist stabil in D, E, T, U, X und Z. 2. In S und Q war in der betreffenden Weise keine Entscheidung zu erzielen. In S blieben Glauberit und Polyhalit, in Q Anhydrit und Krugit ungeändert. 3. In den übrigen Lösungen V, W, Y, P und R entstand Polyhalit. Dieses Resultat läßt sich durch die Feldverteilung in nachstehender Figur zum Ausdruck bringen, in welcher aus nachher zu erörternden Gründen angenommen ist, daß in S Polyhalit, in Q Anhydrit die sta- bilen Caleiumformen sind. Diese Figur zeigt gleichzeitig, um welche Grenzbestimmungen es sich handelt. Zunächst sind vier Lösungen vorhanden, in denen drei Caleium- salze zusammentreffen: 5’, f, g’ und A’; dann ist an sechs Stellen die Lage der Grenze zu ermitteln. Kaum lohnte es sich, alle diese Bestimmungen direkt zu machen, was immerhin eine langwierige Operation bedeutet, und so sind von den zehn in Betracht kommenden Fällen fünf direkt verfolgt, woraus das Ganze sich auf indirektem Wege mit genügender Sicherheit ergibt. Das Auffällige im obigen Bilde, beim Vergleich mit demjenigen für 25°, ist die große Ausdehnung des Tripelsulfatgebietes, von Poly- halit und Krugit, besonders nach unten und nach rechts. Unten liegt die Grenze sehr nahe am Rande, was eine wesentliche Vereinfachung bedeutet; rechts überschreitet die Grenze die rote Linie, bringt also 414 Sitzung der phys.-math. Classe v. 26. April 1906. — Mittheilung v. 5. April. Fig. 2. M Pr Bischofit Ey: D Tachhydrit Carnalit XO K Kieserit k'’ Q E U k anüngäsngisnnenin nr spmmenganinneränennanusanesnesnnennannntäntene Bro > BER SER En ns K i 7 = R Langbeinit Loewet ww pP 1 v ; Chlorealeium CIR Vant hoffit Glaserit RS ” H s : ! L @ g' F' hi N i En Na,SO, ö e G g ee N u) Polyhalit und Krugit in das Gebiet der chlorcaleiumhaltigen Lösungen, was mineralogisch wichtig ist. In den nachfolgenden Detailangaben ist mit den direkten Be- stimmungen angefangen, zunächst der wenig wichtigen links oben in Fig.2; dann kommt die untere Tripelsalzgrenze; daran reihen sich die am meisten interessierenden chlorcaleiumhaltigen Lösungen, die, sich fortsetzend bis zur oberen Tripelsalzgrenze, den Abschluß bilden und sich indirekt fassen lassen. I. Direkte Bestimmungen. 1. Grenzpunkt Glauberit-Polyhalit auf XY in X. Ausgehend von der Lösung F: 1000H,0 1ı6Na,C], 10.5K,C1,42MgCl, 14MgSO, , wurde mit Chlornatrium, Loeweit, Kieserit und Glauberit bei 83° ge- rührt, bis sich nach neun Tagen unter Polyhalitbildung die Chlor- konstanz einstellte.e. Die Analyse ergab dann: 17.88 Prozent (Cl, 5.36 Prozent SO,, 2.63 Prozent K und 5.14 Prozent Mg, also: 1000H,0 17.3Na,C1,9.2K,42.3MgCl, 15.2MgSO,, auf halbe Moleküle abgerundet: 1000H,0 17.5Na,C1, 9K,01,42.5MgCl, ı5MgSO,. van’r Horr: Oceanische Salzablagerungen. XLVI1. 415 2. Grenzpunkt Glauberit-Polyhalit in @’ bei 8. Ganz wie bei 25° liegt bei 83° die Glauberitgrenze so dicht an 8, daß die Analyse kaum eine Differenz zu konstatieren erlaubt. Aus- gehend von der Lösung 8: 1000H,043Na,C], 22.5K,C1,7.5MgSO, 5.5Na,SO, , wurde mit Glauberit, Polyhalit, Chlornatrium und Glaserit gerührt, immer bei 83°. Als dann der Magnesiumgehalt sank und die Zu- sammensetzung der Lösung sich also derjenigen in @ näherte, wurde noch Natriumsulfat zugesetzt und bis zur Konstanz im Magnesium- gehalt (vierzehn Tage) gerührt. Die Analyse ergab dann: 16.66 Prozent Cl, 4.41 Prozent SO,, 6.47 Prozent K, 0.65 Prozent Mg und 0.01 Prozent Ca, also: 1000H,0 43Na,Cl, 23.3K,C1,7.5MgSO, 5.3Na,SO,0.08CaSO, , auf halbe Moleküle abgerundet: 1000H,043Na,Cl, 23.5K,01,7.5MgSO, 5.5Na,SO,0.080aS0, . 3. Zusammentreffen von Glauberit, Polyhalit und Syngenit in g im Glaseritfelde. Auf Grund von anderweitigen Bestimmungen wurde hier von einer Lösung 1000H,040Na,Cl, 30K,C1,4MgSO, 6Na, SO, ausgegangen und mit den im Titel erwähnten Körpern sowie Chlor- natrium gerührt bis zur Chlorkonstanz, was neun Tage forderte. Die Analyse ergab dann: 18.26 Prozent Cl, 2.38 Prozent SO,, 8.76 Prozent K, 0.36 Prozent Mg und 0.02 Prozent Ca, also: 1000H,041.6Na,Cl, 32K,C1,4.2MgSO, 2.7Na,SO,0.14CaSO, , auf halbe Moleküle abgerundet: 1000H,041.5Na,Cl, 32K,C1,4MgSO, 2.5Na,SO,0.140aSO,. 4. Grenzpunkt Syngenit-Polyhalit auf FP in F“. Ein fünfzehntägiger Rührversuch, ausgehend von einer Lösung 1000H,0 37Na,Cl, 36K,C1, 5MgCl,7MgSO, , halbwegs zwischen P und F, mit Syngenit, Polyhalit, Chlornatrium, Chlorkalium und Glaserit als Bodenkörper, Chlorkonstanz als Merk- mal, ergab: 416 Sitzung der phys.-math. Classe v. 26. April 1906. — Mittheilung v. 5. April. 18.95 Prozent Cl, 1.76 Prozent SO,, 9.99 Prozent K, 0.26 Prozent Mg und 0.02 Prozent (a, also: 1000H,0 40.5Na,C1, 36.9K,C1, 3.1MgSO, 2Na,SO,0.14CaSO,, auf halbe Moleküle abgerundet: 1000H,040.5Na,Cl, 37K,Cl, 3MgSO, 2Na,SO,0.14CaSO, . 5. Zusammentreffen von Syngenit, Polyhalit und Pentasalz in f im Chlorkaliumfelde. Auf’ Grund von anderweitigen Bestimmungen wurde hier von einer Lösung: 1000H,040Na,0l, 30K,Cl, 3MgSO, 2Na,SO, ausgegangen. Ein vierzehntägiger Rührversuch mit den im Titel er- wähnten Salzen und Chlornatrium als Bodenkörpern, Chlorkonstanz als Merkmal, ergab: 19.31 Prozent Cl, 1.06 Prozent SO,, 10.37 Prozent K, 0.23 Prozent Mg und 0.02 Prozent Ca, also: 1000H,0 40.3Na,Cl, 38.2K,0Cl, 2.7MgSO,0.3Na,SO,0.14CaSO, , auf halbe Moleküle abgerundet: 1000H,0 40.5Na,Cl, 38K,C], 2.5MgSO,0.5Na,SO,0.14CaSO, .. I. Indirekte Bestimmungen. ı. Anwendung der Wırsonschen Regel. Vor mehreren Jahren! wurde von Wırson eine einfache Regel auf- gestellt für die Zusammensetzung der Lösungen, welche bei 25° an Chlornatrium und Chlorkalium gesättigt sind. Dieselbe sagt aus, daß ein Molekül MgCl, ein fünftel Molekül K,Cl, verdrängt, also: K,Cl,+'/;MgCl, = konst. Diese etwa 19 (damals ı8 bis 20) betragende Konstante zeigte sich in den ıı damals untersuchten Lösungen. Seitdem hat sich die Anzahl dieser Lösungen vermehrt, und die Regel stimmt noch etwas besser, ist auch rationeller, falls Na,SO, als negatives MgÜl, in Rechnung ge- zogen wird. Es seien von diesen Lösungen nur die für die Haupt- untersuchung maßgebenden mit Rücksicht auf diese so formulierte Beziehung zusammengestellt: ! Diese Sitzungsberichte 1899, 954- van'r Horr: Oceanische Salzablagerungen. XLVII. 417 Sättigung an ClNa, OIRK und: K,Cl, MgCl, K,Cl,+ 1/,MgCl, Olmerweiteres Mean. 19.5 — 19.5 Garnallite een. 5.5 70.5 19.6 Glaseritern. ce. ers e Sure 20.0 —4.5 19.1 Glaserit und Schönit!.......... 15.0 20.0 19.0 Schönit und Leonib . .....2..2..r. 14-5 2525 19.6 Beonttzund- Kamıter een 9.5 47.0 18.9 Kainıt und Carnallie 20.2.2... 6.0 68.0 19.6 Diese Zahlen schwanken also nur zwischen 18.9 und 19.6. Eine ähnliche Beziehung zeigt sich bei den für 83° an Chlor- kalium und Chlornatrium gesättigten Lösungen und sei hier angeführt, weil sie für die Zusammensetzung der chlorcaleiumbaltigen Lösungen maßgebend ist; als Divisor ist jetzt 3.4 statt 5 zu nehmen: Sättigung an NaCl, KCl und: K,Cl, MgCl, R,C1,+1/,4MgCl, Autor Ohne weiteres. ............. 37.0 — AS Sacus STE 10.0 92.0 7-1 SAcHs LEE Ar 39.0 4.5 37.7 SACHS Glaserit und Langbeinit....... a125 13.0 9723 Bıacn Carnallit und Kieserit........ 12.0 86.5 BIN BıacH Langbeinit und Kieserit...... 15.0 76.0 37-5 BıacH Glaseritz Syngenit und Polyhalit 37.0 —2.0 36.4 D’Ans Syngenit und Pentasalz ...... 33.5 —2.0 37-9 D’ Ans Syngenit, Pentasalz und Polyhalit 383.0 —0.5 37:8 D Ans Diese Beziehung bietet einerseits eine gegenseitige Bestätigung der zu verschiedenen Zeiten von verschiedenen Autoren gemachten Bestimmungen, gibt aber auch einen wertvollen Einblick in die Zu- sammensetzung der chlorcaleiumhaltigen Lösungen, wie sich nunmehr zeigen wird. 2. Zusammensetzung der chlorcaleiumhaltigen Lösungen. Die früher gemachte, ungemein zeitraubende Bestimmung”, welche für die Chlorealeiumbildung in den Salzlagern grundlegend war und sich auf die Ermittelung der Lösung bezog, welche bei Sättigung an Chlornatrium und Chlorkalium bei 83° mit Pentasalz und Anhydrit in Gleichgewicht ist: 1000H,0 32Na,Cl, 31K,C1, 20.5CaC1,0.07CaSO, , ! Diese Sitzungsberichte 1898, 819 und 1903, 369. Ebenda 1906, 221. 418 Sitzung der phys.-math. Classe v. 26. April 1906. — Mittheilung v. 5. April. fügt sich ebenfalls der Wırsonschen Regel. Nur hat man das Chlor- 'aleium statt Chlormagnesium in Rechnung zu ziehen und bekommt dann die frühere Konstante: 31 + 5, = 37- Da nun aber auch der Chlornatriumgehalt mit demjenigen der entsprechenden Chlormagnesiumlösung stimmt, wie Interpolation zwi- schen B und E ergibt: 1000H,0 3 1Na,Cl, 31K,C1, 20.5MgC], , sind sämtliche hierin Betracht kommenden Chlorcaleiumlösungen, welche gleichzeitig an Chlorkalium und Chlornatrium gesättigt sind, der Zu- sammensetzung nach bekannt. Es sind die durch Interpolation zwi- schen B und E erhaltbaren, unter Ersatz von Chlormagnesium durch Chlorcaleium in molekularem Verhältnis. 3. Zusammentreffen von Polyhalit (Krugit), Pentasalz und Anhydrit im Chlorkaliumfelde. Tensimetrische Grenzbestimmung. Eine für die natürliche Chlorcaleium- und Tachhydritbildung wich- tige Frage blieb noch durch eine letzte Grenzbestimmung zu beant- worten übrig, und zwar ob auch Polyhalit und Krugit in das Chlor- caleciumgebiet rechts der roten Linie in Fig.2 hinübergreifen und wieweit. Damit hängt die Möglichkeit zusammen, daß aus Carnallit entstandene magnesium- und kaliumchloridhaltige Laugen unter Poly- halit- und Krugitbildung zu Chlorcaleium und Tachhydrit führen, nach der Gleichung (ohne Berücksichtigung des Wassers): MgCl, + 2KC1-+6CaSO, = Ca,MgK,(SO,),+ 2CaCl,.. Die für diese Verhältnisse maßgebende Lösung ist diejenige, in der sich Krugit, Pentasalz und Anhydrit im Chlorkaliumfelde treffen. Sie muß unweit b liegen, da die untere Abgrenzung des Tripelsalzgebiets von links nach rechts in der Fig. 2 sich immer mehr dem unteren Rand CJ nähert und in @’ noch 7, 5, in g’ noch 4, in F’ nur 3 und in f’ nur 2.5Mg auf 1000H,0 enthalten sind. Zur Prüfung dieser Vermutung ist eine neue Methode der Grenz- bestimmung angewandt, die eine unerwartet schnelle Feststellung er- laubte und vermutlich bei der letzten schwierigen Boratbearbeitung mit Erfolg anzuwenden ist. Die Tensionsbestimmung erlaubt nämlich zu kontrollieren, ob zwei Lösungen einander nahe liegen, wie hier ver- mutet wird, und auch deren ungefähre Zusammensetzung zu verfolgen. Die Lösungen db und E wurden als Vergleichslösungen benutzt und verfolgt, wo sich die Tension der gesuchten Lösung b’ zwischen beiden — van'r Horr: ÖOceanische Salzablagerungen. XLVI. 419 einschiebt. Die Tension in Z war nach Früherem 186 mm'; in 5b zeigte sich dieselbe in zwei Differentialtensimetern 1.9 und 2.1 mm tiefer als in B (mit 273 mm'), also 271 mm. Nunmehr wurde im Tensimeter einerseits die konstante Lösung B in bekannter Weise mit Bodenkörpern in Überschuß gebracht, anderer- seits eine halbwegs zwischen E und b liegende Lösung (0.5 cem) mit 3 g Pentasalz, je ı g Chlorkalium und Chlornatrium, etwas Anhydrit und Krugit, fein verrieben und gemischt. Die allmähliche Krugit- bildung unter Festlegung des Chlormagnesiums nach Gleichung (unter Fortlassung des Wassers): 2Ca,K,(SO,), + MgCl, = Ca,MgK,(SO,);+ 6CaSO, + 2KCl zeigte sich in einer Tensionszunahme seitens dieser Lösung, deren Minderbetrag von 43 auf 29 sank. Ein weiterer Versuch mit dieser so entstandenen Lösung führte zu 18 und von dieser ausgehend zu 6 mm. Als so die vermutete Lage der gesuchten Lösung nahe bei b bestätigt war, wurde im entscheidenden Versuch von b ausgegangen und 0.5 g davon überschüttet mit 2.5 g Krugit, 1.5 g Anhydrit und etwas Chlornatrium, Chlorkalium und Pentasalz. Gegen B stellte sich nun ein Minderdruck von 4 mm ein im Mittel von 6 Versuchen, und b' hätte eine Tension, die nur 2 mm von derjenigen in b differiert. Deren Zusammensetzung ließe sich also durch Interpolation ermitteln. Bemerkt sei noch, daß hiermit eine Reihe von Lösungen ange- deutet ist, aus der sich der schwer darstellbare Krugit erhalten ließe. Die schon anfangs erwähnte nahe Lage von der obigen Krugitgrenze und Q wurde ebenfalls durch Tensionsversuche festgestellt. Sowohl von Z wie von R ausgehend, stellte sich die Tension so dicht bei der- jenigen in Q ein, daß wohl unweit 83° die betreffende Grenze gerade an Q vorüberschreitet. Einfachheitshalber ist in Fig. 2 noch an- genommen, daß die Grenze unterhalb liegt, wie bei 25°. ! Diese Sitzungsberichte 1904, 520. 420 Bericht über Untersuchungen an den sogenannten „erneissen“ und den metamorphen Schiefergesteinen der Tessiner Alpen. Von Prof. Dr. G. KrLemm in Darmstadt. (Vorgelegt von Hrn. Kreıs am 5. April 1906 [s. oben S. 369].) Il. Ba der Abfassung des zweiten Theiles seiner Berichte! über die mit Unterstützung durch die Königlich Preussische Akademie der Wissen- schaften zu Berlin und das Grossherzoglich Hessische Ministerium des Innern unternommenen geologischen Untersuchungen in den Tessiner Alpen hatte dem Verfasser der Text des von A. BALTzEr auf dem inter- nationalen Geologencongress zu Wien gehaltenen Vortrages über die »granitischen lakkolithenartigen Intrusionsmassen des Aarmassivs«° noch nicht vorgelegen. In diesem Vortrage findet sich (S. 794) die Ansicht ausgesprochen, dass nicht nur im Aarmassiv, sondern auch im Gotthardmassiv gra- nitische Intrusionsmassen auftreten und »es erscheint nicht unmöglich, dass der Gotthardlakkolith nur eine Dependenz des Aarmassivs ist, d.h. diese beiden Granite unterirdisch zusammenhängen«. Weiter sagt BaLtzer (a. a.0. S. 795): »Der Protogyngranit ist für mich ein wenig veränderter intrusiver Granit; der charakteristische Wechsel des- selben mit sogenanntem Gneissgranit und Augengneiss beruht, wie ich schon früher aussprach, wesentlich auf primären Verschiedenheiten, Pressungen im noch nicht verfestigten Magma, Schlierenbildung, Quet- schungen 2 ee meine diesbezüglichen Ansichten bewegen sich in der Riehtung derer von Brösser über Protoklase und WeEInscHEnk über Piezokrystallisation. Die Umwandlung am Festen (Dynamometamor- ! Diese Berichte 1905, S. 442 — 453. ® Comptes Rendus, IX. Congres g£ol. internat. de Vienne 1903, S.787— 798. nn ner a ne G. Kremm: Über die »Gneisse« und die Schiefer der Tessiner Alpen. 421 phose) bewirkte dann noch Kataklase gewisser Gemengtheile wie Biotit und andere Structurveränderungen. Mit der Feststellung der Intrusion fällt auch die Vorstellung von der Schichtung des Granites, jedoch bleibt die Möglichkeit, dass diese Intrusivmassen als Ganzes nach Art der Decken und Ströme gefaltet werden.« Mit den in diesen Sätzen entwickelten Anschauungen BALTzEr’'s stimmen in vieler Hinsicht die Ansichten des Verfassers dieser Berichte überein, der in den beiden schon veröffentlichten Theilen' derselben die Structur der Tessiner Granite und derjenigen der Gotthardgruppe als protoklastisch gedeutet und einen Zusammenhang zwischen beiden angenommen hatte. Dagegen kann der Verfasser keineswegs an eine nachträgliche Faltung der erstarrten Granitmassen glauben, da er nirgendswo in den betreffenden Gebieten Gesteinsstructuren finden konnte, wie sie solchen Massen eigen sind, die im starren Zustande gefaltet worden sind. Wenn man am Vierwaldstätter See an der Axen- strasse die stark gefalteten eretacäischen und eocänen Kalke betrachtet, sieht man innerhalb derselben an zahlreichen Stellen bedeutende Ver- werfungen und bis in’s Kleinste gehende Zertrümmerungen der Schichten, die beweisen, dass selbst so plastische Gesteine wie diese Kalke stets die deutlichsten Zeichen auf sie ausgeübten Gebirgsdruckes erkennen lassen. In wieviel höherem Maasse dies so spröde Gesteine wie Granite thun, zeigt sich da, wo sie an nachweisbaren tektonischen Linien ge- legen sind, wie z. B. bei Erstfeld oder bei Innertkirchen. Zugleich lassen auch die genannten drei Profile in klarster Weise erkennen, dass durch Dynamometamorphose nur Zerstörungen ursprüng- lich krystalliner Structuren erzeugt werden, niemals aber solche Strueturformen entstehen, die eine Ähnlichkeit mit denen »krystalliner Schiefer« besitzen. Die eruptive Natur eines grossen Theiles der »Gotthardgneisse« wird auch in der Dissertation von P. WaAmpziok, »Petrographische Untersuchungen an Gneissen des St. Gotthard«°, anerkannt. Es wird in derselben auch eine Injection der als »Guspis- und Soreseia-Gneisse « bezeichneten metamorphen Sedimente durch die »Granitgneisse« zu- gegeben. Trotzdem aber wird die Metamorphose dieser Sedimente auf dynamometamorphe, nicht aber — oder doch nur zu einem ganz kleinen Theil auf contactmetamorphe Beeinflussung zurückgeführt, und es wird auch die Structur der Granite als kataklastisch bezeichnet. ! Diese Berichte I 1904, S. 46—62; II 1905, S. 442—453- ?2 Inaugural-Dissertation der Universität Zürich. 1906. Durch die Freundlichkeit des Hrn. Waınpzior, der dem Verfasser die Correeturbogen seiner Arbeit zur Verfügung stellte, war es möglich, hier auf dieselbe einzugehen. 422 Sitzung der phys.-math. Classe v. 26. April 1906. — Mittheilung v. 5. April. Die Gründe, aus denen der Verfasser vorliegenden Berichtes sich den dynamometamorphen Anschauungen nicht anzuschliessen vermag, die Wampzıor im Sinne GRUBENMANN’S in seiner sorgfältigen und ein- gehenden Arbeit entwickelt hat, ergeben sich schon aus den im zweiten Theile dieser Berichte gegebenen Darlegungen, und sie sollen später bei der zusammenfassenden petrographischen Bearbeitung der Gesteine der Tessiner Alpen ausführlicher besprochen werden. Der Zusammenhang zwischen dem Gotthardgranit und dem der Tessiner Alpen scheint vielleicht auf den ersten Blick bei einer Über- schreitung des Gotthards auf der Passstrasse nicht unmittelbar ein- leuchtend, da auf diesem Wege beide durch eine mächtige Schiefer- zone getrennt sind. Das nachstehende Profil, das vom Sellasee (in der Luftlinie etwa 2'”5 NO. vom Gotthardhospiz gelegen) über die Alpe Seipsius nach Madrano (etwa 1“”5 O. von Airolo) verläuft, giebt einen Begriff von der Mächtigkeit der Schiefermasse an jener Stelle. Das Profil schneidet die in den früheren Berichten des Verfassers mehr- fach erwähnte Schlucht »Ronco di Berri«e in ihrem unteren Theil und es verläuft fast genau senkrecht zum Streichen der Schichten, das ungefähr N. 30° OÖ. beträgt bei einem NW.-Einfallen von etwa 40°— 50°. Es setzt an im Gotthardgranit, dessen Liegendes die im Ausstrich etwa 1000” mächtigen »Soreseia-Gmneisse« bilden, die, ebenso wie die sie unterlagernden Amphibolite, die im Val Tremola an der Gotthardstrasse so gut aufgeschlossen sind, starke granitische Injeetionen enthalten. Die Mächtigkeit dieser Amphibolschiefer beträgt über 300”. Nun folgt eine überaus wechselvolle Zone von meist granatreichen lange Hornblendebüschel garbenschieferartig ausgebildet erscheinen. Das Ausgehende dieser cm Glimmerschiefern, die oft durch bis 10 Glimmerschieferzone, in der auch Amphibolitschiefer häufig vorkom- men, misst etwas über 2000”. Ihr Liegendes wird gebildet durch einen Complex von drei, oft nur durch schwache Zwischenmittel von phyllitischen Schiefern getrennten Horizonten von Dolomit, Caleit- glimmerschiefer und Gyps, deren Mächtigkeit gegen 500” beträgt. Das Einfallen der Schichten wird in den unteren Theilen des Profils immer steiler, und die bei Madrano auf dem Südgehänge des Val Ca- naria anstehenden Schichten haben fast saigere Stellung. Es sind dies dieselben von Granit reichlich injieirten Glimmerschiefer und Quarzit- schiefer, welche in der Stalvedroschlucht bei Airolo vorzügliche Auf- schlüsse darbieten. Im Gegensatz zu diesen liegendsten und zu den hangendsten Theilen des Schichtenprofils lassen sich in dessen mäch- tiger Mittelzone granitische Intrusionen nirgends nachweisen. Verfolgt man diese sedimentäre Zone im Val Canaria nach NO., so sieht man, wie sich ihr Streichen allmählich nach NW. wendet; G. Kremm: Über die »Gneisse« und die Schiefer der Tessiner Alpen. 423 = S o Ü IC} a 1, o £ I} [6] EIN «EB RS IRge SR SEI R WEI o SQ o ’ {=} ge 2 Go [1 SS ER ISES Sn 08 So x EN a % © Tg SI & So SS Fig. 1. Alpe Scipsius Mafsstab der Höhen und Längen 1 Profil vom Sella See über Alpe Scipsius nach Madrano. Glimmerschiefer 2.1. Garbenschiefer. Ü < ® —n o [93 I o S [ Q 3 N o “ & IS 2 ® S : N Se S o \ © E3 on = Sitzungsberichte 1906. 42 424 Sitzung der phys.-ınath. Classe v. 26. April 1906. — Mittheilung v. 5. April. bei der Alpe Froda und am Pian Bornengo wurde dasselbe zu N. 65° W. gemessen; das Einfallen ist auch hier mit durchschnittlich 40°— 50° nach N. gerichtet. In einem Profil vom Pian Bornengo über die Cima di Camoghe und den Fongio bei Piora nach dem Tessinthal etwas oberhalb von Piotta gemessen, beträgt hier die Mächtigkeit der meta- morphen Sedimente etwas über 5000”, also noch mehr als in dem erstbeschriebenen. Sie nimmt aber weiter nach O. zu rasch ab, so dass sie am Passo del Uomo im Val Termine nur noch etwa 2000” erreicht. Im weiteren südöstlichen Verlauf ihres Streichens löst sich dann die Schieferzone in einzelne durch Granit getrennte Streifen auf, wie dies auch von Frrrscn’s Karte erkennen lässt, so z. B. in der Gegend des von Faido in’s Brennothal führenden Predelppasses. Hier ist es also ganz unmöglich, eine Trennung zwischen dem Granit der Tessiner und dem der Monte Sobrio-Masse durchzuführen. Man erhält hier den sicheren Eindruck, dass die Schiefermassen, welche die so- genannte »Bedrettomulde« bilden, nichts sind als eine gewaltige, bis in unbekannte Tiefe in den Granit eingetauchte Scholle, die nur ober- flächlich eine Trennung der Granitmassen des Gotthards von denen der Tessiner Masse und ihrer benachbarten Massen bewirkt. Die Zusammengehörigkeit und Einheitlichkeit dieser Granite ergiebt sich auch aus ihrer chemischen Zusammensetzung. Dieselbe möge ver- anschaulicht werden durch einige ältere und neuere Analysen, auf deren genauere Discussion erst nach Abschluss der petrographischen Detailuntersuchungen eingegangen werden kann. a. Gotthardgranite. I. Pizzo Rotondo. I. Pizzo Lucendro. III. Alpe Caceiola. IV. Tremolaschlucht. V. Sellabrücke. . Perdatsch. VII. Fibbia-Gneiss, granitische Varietät. VII. Fibbia-Gneiss, gneissige Varietät. IX. Tremola-Granit. X. Gamsboden-Gneiss. I—VI analysirt von U. GrUBENMANN, ceitirt bei Osann, Beiträge zur chemischen Petrographie II, S. 10—ı1, Nr. 99— 104; VII—X mit- getheilt von P. Wampziox a. a.O.; VII und VII Analytiker A. Scnmip; IX Analytiker K. Jene; X Analytiker Waınpzıox. G. Kresım: Über die »Gneisse« und die Schiefer der Tessiner Alpen. 425 I u II IV Vv Procent Procent Procent Procent Procent Si0z 73.26 73.40 72.81 71.84 HISST TiO; _ _ _ _ Al.O; 16.61 16.10 16.27 16.71 16.91 Fe, O0; 0.62 1.47 2.27 1.67 0.47 FeO 1.60 0.63 1.43 2.19 0.78 CaO 1.09 0.97 0.46 0.49 1.22 MsO 0.41 0.44 0.70 0.42 0.46 K:0 3.80 3.18 3.58 3.82 3.79 Na;0 4-37 4.19 3.06 4-44 5.56 H2O unter 110° lo.o05 Se eh 327 Pr H2O über 1 10° ; k " E i Summe 101.81 100.48 100.92 101.95 101.05 VI VI VII IX x< Procent Procent Procent Procent Procent SiOz A133 71.57 71.91 73-23 73.62 TiO> —_ —_ _ — 0.33 Al,O; 16.03 16.91 16.65 11.46 12.96 Fe. 0; 0.98 0.47 0.23 2.44 2.25 FeO 2.02 0.78 3.05 1.15 0.75 CaO 2.28 1.22 1.68 0.51 1.81 MgO 0.48 0.46 0.88 0.63 0.45 R.0 17.90 3.79 2.73 5-33 3.92 Na>0 5.56 4.07 4.12 3.24 H2O unter ı 10° 0.14 0.08 H2O über ı ro° jo ee u 0.44 0.68 Summe 101.43 101.05 101.59 99.45 100.09 b. Tessiner Granite. XI. Fast massiger Granit von Claro bei Bellinzona. XI. Fluidalstreifiger Granit, Dazio Grande bei Rodi. XII. Fluidalstreifiger Granit, Polmengobrücke bei Faido. XIV. Dunkler, fluidaler Granit, Cornone bei Faido. Die Analysen XI—XIV wurden unter Leitung von Prof. Dr.W. Sonne in der Grossherzoglich chemischen Prüfungsstation für die Gewerbe durch Dr. Burzsacn ausgeführt. XI XU XII XIV Procent Procent Procent Procent SiO; 72-33 13-23 73-42 73-52 TiO; 0.14 0.25 0.28 0.21 AlO; 16.26 13.75 13.87 14.24 Fe20; 0.29 0.99 0.46 1.12 FeO 0.64 0.83 1.37 0.64 CaO 3.16 1.79 1.49 0.99 MgO 0.35 0.43 0.69 0.37 KO 1.30 4.34 3.54 5-34 Na>0 4.89 2.61 3.06 2.29 P:0; 0.32 0.36 0.24 0.28 FeS; 0.22 0.24 0.60 0.30 [0107 0.15 0.11 0.55 0.82 H2O über ı 10° 0.07 0.82 0.56 0.13 H;O unter 110° —_ —_ —_ 0.12 Summe 100.12 99.75 100.13 100.37 42* 426 Sitzung der phys.-math. Classe v. 26. April 1906. — Mittheilung v. 5. April. Unter diesen Graniten zeigt namentlich der von Claro grosse Über- einstimmung mit den Varietäten des Gotthardgranites, die ihren massigen Charakter am reinsten bewahrt haben und am einschlussärmsten sind, also mit den auch auf v. Frırscn's Karte durch Granitfarbe abge- grenzten Gesteinen vom Pizzo Rotondo, Pizzo Lucendro, aus der Tre- molaschlucht und mit dem »Fibbia-Gneiss«. Die Übereinstimmung ist bei der Kieselsäure und der Thonerde eine fast vollständige, und auch das Überwiegen des Natrons über das Kali tritt in den massigen Gotthardgraniten deutlich hervor, wenn schon nicht so stark als im Granit von Claro, der etwas ärmer an Eisen, dafür aber wieder etwas reicher an Kalk ist als jene. Vergleicht man nun die fluidalen Tessiner Granite mit den mehr »gneissartigen« vom Gotthard, speciell mit dem »Gamsbodengneiss«, so fällt in beiden Gruppen der um mehrere Procente niedrigere Thon- erdegehalt den massigen Gliedern der Reihe gegenüber auf und die Umkehrung des Verhältnisses der Alkalien. Die unter XII—XIV analysirten Tessiner Granite sind zweifel- lose Mischgesteine, deren Zusammensetzung durch mehr oder weniger reichliche Resorption von Schiefermaterial beeinflusst ist, und das Gleiche gilt auch vom »Gamsboden-Gneiss« und für manche der »Tre- mola-Granitgneisse«. Der Verfasser wird diese Beziehungen zwischen den rein granitischen und den durch Resorption veränderten Magmen des Tessiner Gebietes durch genauere petrographische und chemische Untersuchungen der massigen und der von Resorption betroffenen sedi- mentären Gesteine noch weiter klarzustellen suchen. Das Granitgestein, dessen Analyse unter Nr. XIV mitgetheilt ist, stammt aus einem interessanten Profil, das in den Jahren 1904 und 1905 durch den Neubau der Strasse Prato-Cornone geschaffen wurde. Dieses Profil lieferte einen guten Einblick in den Aufbau derjenigen Schiefergruppe, welche am Monte Piottino zwischen Faido und Rodi das unmittelbare Hangende des stark fluidalen Granites bildet. Diese Schichten zeigen durch ihr constantes Einfallen nach S. bez. SW. ihre Zugehörigkeit zu dem Südflügel des Tessiner Sattels an’ und werden überlagert von dem untersten Dolomithorizont, der mehrfach zwischen Dalpe, Cornone und Prato aufgeschlossen ist. Sie entsprechen, dieser Auffassung zu Folge, denjenigen Schichten, die im Nordflügel des Sattels am Stalvedro bei Airolo anstehen und lassen in der That auch in petrographischer Hinsicht grosse Ähnlichkeit mit ihnen er- kennen. Vor allem zeigt sich dies in dem häufigen Auftreten heller, ! Vergl. hierüber die Ausführungen des Verfassers in diesen Berichten (I), 1904, 8.16. N EEE G. Kremm: Über die »Gneisse« und die Schiefer der Tessiner Alpen. 427 zum Theil glimmerreicher Quarzitschiefer, die, ganz wie im Stalvedro, in Quarzitglimmerschiefer übergehen. Sie wechsellagern mit recht ver- schiedenartigen, meist dunkelgefärbten Glimmerschiefern. Das Profil weicht aber insofern von dem Stalvedroprofil ab, als in diesem letz- teren granitische Intrusionen in den Schiefern häufig auftreten, recht selten dagegen im Strassenprofil Prato-Cornone, wo sie sich eigent- lich nur nahe seinem höchsten Punkte finden, in den Schichten, welche das directe Liegende des Dolomites bilden. Das entgegengesetzte Ver- halten zeigen — wie a.a.O. I S.ı2 geschildert wurde — diese Schichten im weiteren, nach SO. gerichteten Verlaufe ihres Streichens in der Piumognaschlucht, in der ihre Injeetion durch zahllose Granitlagen vorzüglich aufgeschlossen ist. Diese Beobachtungen bestätigen somit die in anderen Gebieten derartiger krystalliner Gesteine gesammelten Erfahrungen, dass nämlich Injectionszonen von granitischen oder an- deren Intrusivgesteinen in contactmetamorphen Sedimenten durchaus nicht an allen Stellen der Grenze zwischen beiden Gesteinsarten auf- treten, so dass man wohl annehmen darf, dass es nur lokale, gegen- wärtig wohl nur in den seltensten Fällen zu ergründende tektonische Ursachen waren, welche das Zustandekommen solcher Mischgesteins- zonen veranlassten. Übrigens fehlen aber in dem Monte Piottino-Profil an der Strasse Prato-Cornone auch, abgesehen von den erwähnten Granitinjectionen, andere Hinweise auf die Nähe der granitischen Massen nicht völlig. Es werden nämlich an zahlreichen Stellen die Sedimente von hellen Quarzadern durchtrümert, die oft auch museovitreich aber feldspath- arm sind. In diesen Trümern ist zum Theil sehr viel Pyrit ausge- schieden, daneben auch andere Sulfide, besonders Zinkblende, ferner nicht selten ein hessonitähnlicher Granat. Auch das Nebengestein ist vielfach stark mit Pyrit imprägnirt. Ähnliche Quarzadern durchsetzen auch die Granite bei Faido u.s. w. in reichem Maasse, und sie wurden vom Verfasser (a. a.0. I S.56) als quarzreiche Pegmatite angesprochen. Der Granit von Claro, dessen Analyse auf S.425 unter XI mit- getheilt wurde, ist ein mittelkörniges Gestein, das an vielen Stellen der grossen Steinbrüche nördlich vom Dorfe auf den ersten Blick rein massiges Gefüge zu haben scheint. Erst bei näherem Zusehen erkennt man, dass auch hier doch noch eine unter wechselndem Winkel nach S. einfallende Parallelstruetur ausgebildet ist. Ihr entspricht eine dick- bankige Absonderung des Granites, welche die Gewinnung gewaltiger Gesteinsblöcke ermöglicht. Man bemerkt ferner, dass die Gesteins- masse keineswegs ganz gleichförmig zusammengesetzt ist, sondern aus zahlreichen, innig mit einander verflössten helleren und dunkleren Schlieren besteht, die oft starke Windungen erkennen lassen. Ein- t 428 Sitzung der phys.-math. Classe v. 26. April 1906. — Mittheilung v. 5. April. zelne Ablösungsflächen tragen bis zu mehreren Centimetern dicke Be- stege von Biotitblättchen, die wohl ebenso wie die dunkleren Schlieren auf resorbirtes Schiefermaterial zurückzuführen sind. Solche dunkle, sehr biotitreiche, im Dünnschliff typische Hornfelsstructur zeigende Schieferfragmente sind auch nicht allzu selten noch erhalten geblieben. Des weiteren fallen zahlreiche helle aplitische und pegmatische, fest mit dem Granit verwachsene Trümer auf, die seine Parallelstruetur unter allen möglichen Winkeln durchsetzen. Am Berggehänge von Claro aus weiter südostwärts wandernd sieht man sich die Parallelstructur des Gesteins immer steiler auf- richten und zugleich an Deutlichkeit zunehmen. Wenn man dann in die Schlucht gelangt, in der auf einem steilen Bergvorsprunge das Nonnenkloster Sta. Maria liegt, sieht man im Granit zahlreiche Glimmer- schieferschollen auftreten, die steil nach S. einfallen und im stärksten Maasse injieirt sind. Trotz der Steilheit der Gehänge findet man an denselben wenig gute Aufschlüsse, weil gewaltige Abhangsschutt- massen Alles bedecken. Erst über den auf dem Südgehänge in etwa 8300” Meereshöhe gelegenen Alphütten tritt festes Gestein mehr zu- sammenhängend zu Tage. Es sind da Granite, die hier denselben unerschöpflichen Reichthum an den verschiedensten Strueturformen zeigen, den man in der Tessinschlucht und an den Berggehängen bei Faido bewundern kann. Die Parallelstructur bildet dieselben complicirten Faltungen, Stauchungen und scheinbaren Verwerfungen, wie sie der Verfasser (a. a. ©. I., S. 3—6) besprochen und abgebildet hat. Bald ist der Fluidalgranit gleichmässig mittelkörnig, bald aus- gesprochen porphyrisch durch bis 10° lange Quarz-Feldspath- Augen, bald hell und glimmerarm, bald ausserordentlich biotitreich und dunkel, und alle diese zahllosen Abarten gehen ganz allmählich in einander über. Nirgends findet sich auch nur eine Spur von Quetschzonen. Wir haben somit hier an der Südgrenze des Tessiner Granitmassivs genau dieselben Structurformen wie an seiner Nordgrenze zwischen Faido und Airolo. Kurz vor der Einmündung des Moesathales bei Castione treten die bis dahin durch Granit getrennten Schieferschollen zu geschlossenen, immer aber noch reichlich von Granit injieirten Massen zusammen mit steil nach S. einfallender Schichtung. Es sind vorwiegend dunkle Glimmerschiefer, wechsellagernd mit schieferigen Amphiboliten, Cipol- linen und körnigen Kalken, die bei Castione in mehreren Steinbrüchen abgebaut werden. Man findet dort auch echten, reinen Marmor, der aber fortwährend mit Caleitglimmerschiefern und Kalksilicathornfelsen wechsellagert, kurz eine höchst abwechslungsvolle Gesteinsserie, die der Verfasser aber bei den am Ende der vorjährigen Aufnahmeperiode FREE zn G. Kremm: Über die »Gneisse« und die Schiefer der Tessiner Alpen. 429 ausgeführten Orientirungstouren in der Gegend von Bellinzona noch nicht specieller untersuchen konnte. Nach dieser Stadt zu wird das Profil auf dem linken Tessinufer durch den breiten Thalboden der Moesa unterbrochen, während es auf dem rechten Ufer in ununterbrochener Folge anzustehen scheint. Die nächste Umgebung von Bellinzona bietet eine Reihe pracht- voller Aufschlüsse in den Schichten, welche die bei Castione anstehen- den Schiefergesteine und Kalke überlagern und zu dem »Amphibolit- zug von Ivrea« gerechnet werden. Eigentliche Amphibolite stehen besonders an dem Castello San Michele an, dem untersten der drei Schlösser von Bellinzona. Nament- lich der zu dieser Burg führende Fahrweg hat die steil gestellten Hornblendeschieferschichten quer zu ihrem Streichen angeschnitten und lässt in ihnen einen sehr deutlichen Wechsel von helleren und dunkleren, fein- bis mittelkörnigen Schichten erkennen. Mit den dunklen, hornblendereichen Lagen alterniren helle, quarzreiche, häufig durch Epidot lichtgrün gefärbt, so dass kein Zweifel obwalten kann, dass hier sedimentäre, aber durchaus umkrystallisirte Massen vorliegen. Zahllose Granitgänge, theils von normaler, theils von pegmatitischer Structur setzen in ihnen auf, häufig parallel zur Schichtung, häufig aber auch unter allen möglichen Winkeln durch sie hindurch. Auf dem Wege nach der obersten Burg, dem Castello Grande, trifft man Ähnliche Schichten; hier sind aber, besonders in den obersten Theilen des Profils, die granitischen Injectionen noch zahlreicher. Den besten bis jetzt vom Verfasser untersuchten Aufschluss bei Bellinzona bietet aber ein grosser Steinbruch an der Strasse nach Locarno, unmittelbar jenseits der Tessinbrücke. Dieser umfangreiche Bruch bietet im grossen dasselbe Bild dar wie Fig. 2 im kleinen. Dunkle, steil gestellte Schiefergesteine werden von zahllosen Granitgängen durchschwärmt, die sich von jenen aufs deutlichste ab- heben, bald sich linsenförmig ausbauchend, bald sich ganz zusammen- ziehend, bald parallel, bald schräg zur Schichtung der Schiefer. Auch hier finden sich sowohl normale Granite wie Pegmatite. Unter den Schiefern herrschen dunkle, feingeschichtete Biotit- schiefer vor, an deren Zusammensetzung sich auch reichlicher Feld- spath betheiligt. Manche führen accessorisch Granat. Alle aber zeigen typische Hornfelsstructur. Sie gehen ganz allmählich über in schieferige Amphibolite, in denen der Feldspath zum Theil noch eine grössere Rolle spielt als in ersteren. Sehr schwankend ist in den Amphiboliten die Betheili- gung des Biotites, der vielfach auch ganz fehlt. Neben der Horn- 430 Sitzung der phys.-math. Classe v. 26. April 1906. — Mittheilung v. 5. April. Biotitschiefer mit zahlreichen granitischen Injectionen. Steinbruch an der Strasse von Bellinzona nach Locarno. blende tritt oft noch viel Epidot auf, auch ein lichtgrüner diopsid- artiger Augit. Titanit ist fast in allen reichlich anwesend. Die in solehen Amphiboliten aufsetzenden Pegmatite zeigen häufig schöne Resorptionserscheinungen. Sie führen nämlich oft grosse Horn- blendekrystalle, deren Substanz sie augenscheinlich aus dem Neben- gestein aufgenommen und wieder ausgeschieden haben (vergl. Fig. 3). Die Abstammung der grossen Hornblenden aus dem Neben- gestein wird dadurch bewiesen, dass sie nur in solchen Gängen auf- treten, die im Amphibolit aufsetzen, nicht aber in solchen im Biotit- schiefer. Die Amphibolschiefer gehen wiederum allmählich in Kalksilicat- hornfelse über, die zum Theil genau dasselbe Aussehen und dieselbe Zusammensetzung haben wie die im Odenwalde als Einlagerungen in den contactmetamorphen Schieferhornfelsen auftretenden, und die Kalk- silieathornfelse sind eng verknüpft mit unreinen, silicatreichen Kalken. 431 "OUIIOTT YDeu BUoZumpag UOA 9SsenNS Top ur YOnIqupIS Q "uojjegsÄumopuafquiogg UOIQLOSAL doyoıyospogiyduny. u9jz49sy2.ınp wep sne “uosso1d u ouer) JOydsıpue.nd) G. Kremm: Über die »Gneisse« und die Schiefer der Tessiner Alpen. steine und ge« hofft der [«b} Sm, -— u fe] Ö = te OT o=! 20% m u Sn a ENT IR ga ea © Ara 5 Aus =) E 255 Er ns 5338 2R#2 © a 28 ei 533 = | = CEO ES“ = SEE Sorein N Fi Free Q 5% u) ap Das Gabbromassiv im bayrisch-böhmischen Grenz- gebirge. Von Prof. Dr. W. Berer in Leipzig. (Vorgelegt von Hrn. Kreıy am 5. April 1906 [s. oben S. 369].) 2. Der böhmische Teil des Gabbromassivs. Mi Unterstützung der Königlich Preußischen Akademie der Wissen- schaften und des Königlich Sächsischen Kultusministeriums setzte ich im Jahre 1905 die Untersuchungen in der großen Gabbromasse des bayrisch-böhmischen Grenzgebirges fort. Nachdem ich zum Vergleiche das Gabbro-Amphibolitgebiet von Erbendorf-Neustadt im bayrischen Westrandgebirge kurz begangen hatte, begann ich die Arbeit im böh- mischen Teile der Gabbromasse. Durch das sehr ungünstige Wetter, durch anhaltende Regengüsse im Spätsommer und zum Beginn des Herbstes, ging von der“für das große, mannigfaltige und schwierige Gebiet ohnehin knapp bemessenen Zeit eine Anzahl kostbarer Tage der Feldarbeit verloren. Es mußte daher die Begehung eines Teiles des Gebietes und die Weiterverfolgung wichtiger Fragen auf ein anderes Jahr verschoben werden. Das hier für die Gabbrogesteine in Betracht kommende böhmi- sche Gebiet ist Anfang der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts von der österreichischen geologischen Reichsanstalt aufgenommen und hauptsächlich von Hochsterter' und von v. Lip” eingehend darge- stellt worden. Ihre ausgezeichneten Arbeiten bilden auch heute noch die wesentliche Grundlage bei der Herstellung der handkolorierten österreichischen geologischen Spezialkarte. Seit 1893 hat G. Lause® das bayrisch-böhmische Grenzgebirge begangen und die Karten der ı F. Hocasrerrer, Geognostische Studien aus dem Böhmerwalde. Jahrb. d. Geol. Reichsanst. Wien, 4, 1854, I—67, 567— 586; 5, 1855, I0--29, 749—810. ®2 v. Lion, Beiträge zur geognostischen Kenntnis des südwestlichen Böhmen. Ebenda 5, 1855, 580—619. ® Verhandl. d. Geol. Reichsanst. Wien 1893, 22; 1894, 2I; 1897, 25. W. Berer: Das Gabbromassiv im bayrisch-böhmischen Grenzgebirge. 433 älteren Aufnahme revidiert. Eingehendere petrographische Bearbei- tungen sind seitdem nur in einzelnen kleinen Teilen und meist mit Beschränkung auf bestimmte Gesteine vorgenommen worden. So hat H. B. Parrox' 1838 die Serpentine und Amphibolgesteine nördlich von Marienbad, F. Marrın” 1897 die Gabbrogesteine in der Umgebung von Ronsperg und 1901 die Aufschlüsse der Bahnstrecke Karlsbad- Marienbad sowie der angrenzenden Gebiete, F. Peuıxan” 1900 und 1901 den Gabbro von Wischkowitz behandelt. Im übrigen gilt noch, was Karzer' 1892 für das mittelböhmische Urschiefergebirge sagt: »Leider ist das große Gebirge in petrographischer Hinsicht soviel wie unbe- kannt. « Wie in meinem vorjährigen Berichte° ausgeführt wurde, erscheinen die Augit-Hornblendgesteine auf bayrischer Seite oberflächlich als eine einheitliche und geschlossene Masse ungefähr mit dreieckiger Umgren- zung, indem die Spitze des Dreiecks nach Südwesten gerichtet und Bayern zugewendet ist, die Grundlinie mit der bayrisch -böhmischen Grenze zusammenfällt. Diese Gesteinsmasse greift nun in einer Breite von 17 nach Böhmen über, verbreitert sich dort noch auf 22”, wird dann aber bald durch die gewissermaßen von Norden her keilförmig vordringende Phyllitpartie von Stankau, Bischofteinitz, Kollautschen, Taus in zwei Züge zerlegt. In der Mitte zwischen beiden liegt der Marktflecken Neumark. Der östliche breiteste Zug erstreckt sich in nordnordöstlicher Richtung mit schneller Zuspitzung »über Neugedein zwischen Kollautschen und Chudenitz hindurch bis Merklin und ver- schwindet hier, an seinem Ende von größeren Granitmassen begleitet, unter Tonschiefern und Steinkohlenformation« (HocHsTETTErR). Seine Länge beträgt etwa 30. Der westliche, viel schmälere, aber be- deutend längere Zug verläuft mit sehr wechselnder Breite, stellenweise wie ein dünner Streifen zwischen Granitmassen eingeklemmt, ander- wärts bedeutend anschwellend, so zwischen Ronsperg und Bischof- teinitz und in der Gegend von Marienbad und Tepl, »aus der Ein- buchtung von Neumark fort am Fuße des Böhmerwaldes hin gegen Norden und biegt erst in der Gegend von Plan und Marienbad, fast am Ende des Böhmerwaldes, da wo in den Gebirgsschichten schon die Streichungsrichtung des Erzgebirges beginnt, an der Zentralgranit- masse des Karlsbader Gebirges nordöstlich um in das Karlsbader Ge- ! TscHERMAR, Mineral. u. petrogr. Mitt., 9, 1888, 89 — 145. 2 Ebenda 16, 1897, 105—ı32 und Jahrb. d. Geol. Reichsanst. Wien, 50, 1901, 419 bis 468. ® Sitzungsber. d. deutsch. naturw.- medizin. Ver. Böhmen »Lotos« 1900 und Igor. * Geologie von Böhmen, S. 621. 5 W.Berer, Das Gabbromassiv im bayr.- böhın. Grenzgebirge. Diese Sitzungsber. 1905 395405» 434 Sitzung der phys.-math. Classe v. 26. April 1906. — Mittheilung v. 5. April. birge, wo das der Masse nach größte Serpentingebiet Böhmens, die Serpentine bei Einsiedel, noch denselben Hornblendegesteinen ange- hört, in denen auch die Serpentine am Hohenbogen in Bayern, die Serpentine bei Ronsperg und die bei Tachau eingelagert sind« (Hoca- STETTER 1855, 752). Die Länge dieses westlichen Zuges beträgt, von der bayrischen Grenze an in der Luftlinie gemessen, etwa 90“, in Wirklichkeit wegen der bedeutenden Ausbiegung nach Westen noch mehr. HocnsteErters Worte veranschaulichen zugleich dessen einheitliche Auffassung der ganzen Hornblendegesteinsmasse. Nach ihm ist die Reihenfolge der übereinanderliegenden Schichten von Westen nach Osten: »Gneis, Hornblendeschiefer, Urtonschiefer, die Hornblendege- steine also an der Stelle des Glimmerschiefers«. Diese Schichtenfolge hält er zugleich für eine Altersfolge. v. Lip teilt die Hornblendegesteine, die er ebenso wie Hoch- STETTER in voller Erkenntnis ihrer Zusammengehörigkeit als »Horn- blendeformation« bezeichnet, in schiefrige = Hornblendeschiefer und körnige = Amphibolite und Diorite. »Das Hauptglied dieser Formation, die Hornblendeschiefer, bilden geschichtete Massen, deren Schichtungsrichtungen durch die zahlreichen, ihnen, wie es scheint, eingelagerten Stöcke von körnigen Hornblendegesteinen vielfach ge- stört wird. Beide Gesteinsarten sind dabei in einem so innigen Zu- sammenhange, daß eine Trennung derselben auf der Karte nicht tun- lich war« (v. Liv, S. 588). Es handelt sich dabei freilich um den Maßstab 1: 144000. HocHsTETTER gliedert ebenso in schiefrige und massige Hornblende- gesteine, indem er aber noch eine glimmerfreie und eine glimmerhaltige Gruppe ausscheidet. Er kommt so zu den glimmerfreien Amphibol- schiefern und körnigen Amphiboliten und zu dem glimmerführenden schiefrigen Hornblendegneis und körnigen Syenit. Auch HocasTETTER betont ausdrücklich ihre Einheitlichkeit: »Alle diese Gesteine (ein- schließlich Eklogit und Gabbro) erscheinen am Fuße des Böhmerwaldes durchaus als gleichzeitige Bildungen. Zumal Amphibolschiefer und Amphibolit wechseln so häufig miteinander und sind durch Gesteins- übergänge so eng verbunden, daß es eine vergebliche Mühe ist, die- selben auf der geognostischen Karte zu trennen« (1855, 775). Angesichts des häufigen Auftretens von Augitgesteinen, besonders auch von typischem grobkörnigem Gabbro, in dem Gebiete erscheint es fast rätselhaft, daß Gabbro von v. Lip gar nicht, von HocHsTETTER nur bei Ronsperg erwähnt wird, um so rätselhafter, als dieser hier zahlreiche Vorkommnisse in Blöcken und anstehend aufführt, die »aufs engste an die Amphibolite gebunden« sind. Außerdem wird nur noch EEE W. Berer: Das Gabbromassiv im bayrisch-böhmischen Grenzgebirg. 435 einmal »blättriger Augit (wohl Hypersthen) als Gemengteil eines Am- phibolits« bei Neumark genannt (S. 777). Über diese »Hornblendeformation« in Böhmen kann nun folgen- des festgestellt werden. Augitgesteine haben innerhalb der »Hornblendeformation« eine ganz allgemeine, ausgedehnte Verbreitung. Ein sehr großer Teil dessen, was man bisher Amphi- bolschiefer und Amphibolit nannte, ist Augitgestein und zwar Gab- bro. Er findet sich, ebenso wie in Bayern über das ganze Gebiet verteilt. Die typischen grob- und mittelkörnigen Gabbros sind, be- sonders wenn die Feldspäte die bekannte milchweiße Farbe und trübe Beschaffenheit aufweisen, leicht zu erkennen. Schwieriger lassen sich mit bloßem Auge die frischen klein- und feinkörnigen Ausbildungen feststellen. Ähnlich wie Rongstock ist das der bayrischen Grenze nahe gelegene Neumark ein Gabbromittelpunkt. Am Südostende des Dorfes ist ein Steinbruch im Gabbro angelegt, der östlich gelegene Rücken des Steinriegels besteht oben aus Gabbro, ebenso der Höhen- zug westlich von Neumark nach Kaltenbrunn zu. Die Bewohner der Dörfer nennen den Gabbro wegen seiner Zähigkeit und schweren Be- arbeitbarkeit Eisenstein, und man hat deswegen den Abbruchversuch im Wald auf dem Steinriegel aufgegeben. Einige weitere Vorkomm- nisse sind die Umgebung des Grenzortes Jägershof, des Ortes Bären- loch und des Zollhauses Luft, der Branschauer Wald u. a. Sehr verbreitet findet sich auch Olivingabbro, ausgezeichnet durch seine Frische und dunkelblauschwarze Farbe, seltener Norit. Ich fand jenen an mehreren Punkten um Neumark herum. Von Rons- perg war er schon durch Marrın bekannt. Von besonderer Wichtigkeit ist das Auftreten von feinkörnigen bis dichten dunkelfarbigen Augitgesteinen, die vollständig makro- und mikroskopisch den sächsischen Pyroxengranuliten entsprechen. Ich konnte sie bis jetzt an folgenden Orten feststellen: Anstehende Felsen an der Ruine Herrnstein bei Neugedein. Lesesteine an der Straße von Neumark nach Plöß und zwar vor dem Dorfe Plöß. Am Südostabhang des Steinriegels bei Neumark auf Feldwegen, die vom Dorfe Hirschau hinaufführen. Große Felsmasse am Fußweg von Hirschau nach Neumark ziemlich oben am Wiesenabhang anstehend; das Gestein gleicht makro- und mikroskopisch am meisten dem dunklen sächsischen Pyroxengranulit, es klingt beim Anschlagen und springt in Scherben ab, besitzt wie jener in ausgezeichneter Weise die Bossier- fähigkeit. Am Wege von Neugedein nach Dorf Branschau Blöcke oben im Walde. Am Weg von Plöß nach Fuchsberg in Lesesteinen. An der Bahn westlich von Lautschim anstehend. Am Gemeindeweg Ronsperg- Schüttwa Lesesteine im Felde. Am Dublowitz südlich von Ronsperg. 436 Sitzung der phys.-math. Classe v. 26. April 1906. — Mittheilung v. 5. April. Am Weg von Ronsperg nach Hoslau. Eine Anzahl von ähnlichen Vorkommnissen sind noch nicht präpariert und untersucht. Damit wird die Angabe Lenmanns' gewissermaßen bestätigt, wenn sie bei dessen ausgezeichneter Kenntnis der Granulite überhaupt der Be- stätigung bedarf, daß im Krumauer Granulitgebiet Pyroxengranulite vorkommen, während sie HockstETTEr nirgends gefunden, auch CANERLANDER” im Gebiet von Prachatitz nicht wahrgenommen hat.’ Das Auftreten der Pyroxengranulite hier ist von großer Be- deutung. Ihr Vorkommen in dem reinen Gabbrogebiete bei vollstän- diger Abwesenheit des sogenannten normalen Granulits, das Vor- handensein von Übergängen im Korn und in der Struktur zum ty- pischen Gabbro beweist auch für die sächsischen Pyroxengranulite, daß dieses Gestein zum Gabbro gehört, nichts anderes als ein Gabbro ist, was ja schon unzweideutig aus seiner mineralischen und chemischen Zusammensetzung hervorgeht.‘ Der Name Granulit ist für ihn ebenso ungeeignet, wie man für den Gabbro wegen dessen gelegentlicher Verknüpfung mit dem Granit die Bezeichnung Diallag- granit oder Pyroxengranit als unpassend ansehen würde. Ich be- trachte also den Pyroxengranulit als einen feinkörnigen bis dichten Gabbro von etwas eigenartiger Ausbildung, die aber aus dem Rahmen der sonstigen petrographischen Man- nigfaltigkeit der Gabbrogesteine nicht heraustritt. Wegen der ausgedehnten Beteiligung von Augitgesteinen an der »Hornblendeformation« kann die Bezeichnung »Hornblendegesteine« und »Hornblendeformation« also auch in Böhmen nicht beibehalten werden. Die Verhältnisse liegen aber für den Gabbro noch bedeutend gün- stiger. In unserem Gebiete sind weitere Ausbildungen des Gabbros allgemein verbreitet, in denen das Augitmineral in allen Verhältnissen teilweise oder ganz durch Hornblende vertreten ist, wobei diese hornblendeführenden Augit- oder reinen Hornblendegesteine genau die gleiche sonstige Beschaffenheit, genau die gleiche Struktur, genau die gleiche Mineralzusammensetzung aufweisen wie die reinen Augitgesteine. Es wäre also unrichtig und unzweckmäßig, ihnen den Na- men Gabbro zu nehmen.’ Ich bezeichne sie deshalb je nachdem als Hornblendediallaggabbro, Hornblendegabbro, Uralitgabbro. ! Untersuchungen über die Entstehung der altkristall. Schiefergesteine, 1884, 240. Jahrb. d. Geol. Reichsanst. Wien, 37, 1887, 141. F. Kırzer, Geologie von Böhmen, 1892, 142. Vgl. A. Srterzwer, Neues Jahrb. f. Min. 1871, 245. — R. Lersıus, Geologie von Deutschland, II, 1903, 146 u. 147. 5 Vgl. W. Bere, Zur Einteilung und Benennung der Gabbrogesteine. Zentralbl. f. Min. 1906, Nr.1, T0—12. 3 4 nn W. Berer: Das Gabbromassiv im bayrisch-böhmischen Grenzgebirg.. 437 Mit den reinkörnigmassigen Gabbrogesteinen sind ebenso wie im bayrischen Teil und in vielen anderen Gabbrogebieten flaserige Aus- bildungen eng verbunden. Grob- und dickflaserige Strukturen führen zu lang- und breitflaserigen, schließlich zu gebänderten und Lagen- strukturen, in denen eine eigentliche Schieferung fehlt oder auch ent- wickelt sein kann. Dabei treten Veränderungen im Mineralbestand und in der Mikrostruktur ein. Endlich findet man außerordentlich verbreitet fein- bis sehr feinkörnige, aus Augit oder Hornblende und basischem Feldspat gemengte Arten, die massige Struktur oder eine geringe bis deutliche Parallelstruktur ohne eigentliche Schieferung auf- weisen, die sogenannten Amphibolite. Es sind feinkörnige, zum Teil parallelstruierte Gabbros, deren Querschnitt sehr häufig die eigentüm- liche Gabbrostruktur schon dem unbewaffneten Auge zeigt. Auch die als Pyroxengranulite bezeichneten Gabbros enthalten teilweise außer dem Pyroxen Hornblende und gehen in Hornblendegra- nulite über, die ebenfalls im sächsischen Granulitgebirge vorkommen. Für einen Teil der hier als Gabbro erkannten Gesteine wurde früher die Bezeichnung »Diorit« gebraucht. Das beruht zumeist dar- auf, daß man damals nicht die genauen petrographischen Bestimmungs- methoden und deshalb ein anderes petrographisches System hatte. Wenn man jetzt noch rein mineralogisch Diorit jedes massige Gestein nennt, das aus Hornblende und irgendeinem Plagioklas gleichviel unter welchen sonstigen Verhältnissen besteht, dann müßte man allerdings fast von einer großen Dioritmasse sprechen. Hier wurden aber alle Gesteine, die mit dem typischen Gabbro innig ver- bunden, diesem sonst gleich, an Stelle des Augitminerales teilweise oder ganz Hornblende (primäre oder »sekundäre«) enthalten, ebenfalls Gabbro genannt, ein Verfahren, das auch anderwärts angewendet wird.' Wie schon oben angedeutet wurde, fehlen für den größten Teil des Gebietes petrographische Untersuchungen. Es bedarf daher zu- nächst bei der großen Oberflächenausdehnung und bei der Mannig- faltigkeit der Gesteine sehr umfangreicher Einzeluntersuchungen allein für die Feststellung der Natur der beteiligten Gesteine. Diorit- ähnliche Gesteine, auch mit Quarz und Glimmergehalt, wurden in dem Gabbrogebiet mehrfach angetroffen. Es muß aber dann in Jedem einzelnen Falle untersucht werden, ob wirklich ein Diorit vor- liegt. Denn ein »Anorthitdiorit« in einem Gabbro- oder sogenannten Amphibolitgebiet erweckt den Verdacht, ein Hornblendegabbro zu sein. Aber selbst das Vorhandensein einiger echter Diorite, vielleicht in ! Vgl.u. a. H. Rosensusch, Elemente, 1901, S.ı61, Hornblendegabbro. 438 Sitzung der phys.-math. Classe v. 26. April 1906. — Mittheilung v. 5. April. Gangform oder als örtliche Ausbildung des Gabbros ändert nichts an der Tatsache: Wegen der allgemeinen Verbreitung von Au- gitgesteinen vorwiegend vom Typus des Gabbros und wegen der Zugehörigkeit eines sehr großen, wahrscheinlich des größten Teiles der Hornblendegesteine zum Gabbro ent- spricht die Bezeichnung »Hornblendegesteine« und »Horn- blendeformation« für das Ganze nicht den tatsächlichen Verhältnissen. Der richtige petrographische und geologi- sche Name für die einheitliche Masse ist Gabbro. In dem vorjährigen Berichte wurde bereits kurz die Frage er- örtert: Sind die Augithornblendegesteine, nach meiner Auffassung, ist der Gabbro des bayrisch-böhmischen Grenzgebirges eruptiv oder nicht? HOCHSTETTER, v. LiDL, ZEPHAROVICH, JoKELY hielten die Eruptivität für ausgeschlossen und stellten die Gesteine zu den kristallinen Schiefern, primitiven, durch die Diagenese kristallin niedergeschlagenen Sedi- menten gleich dem Gneis, Glimmerschiefer u. a. Die genannten For- scher vertraten dem Plutonismus Naumanns' gegenüber einen extremen Neptunismus. Ist doch nach ihnen »selbst die Hauptgranitmasse des Böhmerwaldes nicht eruptiv«.” Diese ultraneptunistische Richtung hat schließlich den Sieg davongetragen und viele Jahrzehnte geherrscht. Nur langsam vermochte sich die Geologie ihr zu entwinden und zu einer plutonistischen Anschauung zurückzukehren. Schon F. KATzEr ver- tritt in seiner Geologie von Böhmen gegenüber den neptunistischen Vorgängern im Böhmerwald einen kritischen, mehr plutonistischen Standpunkt, der sich bei den neueren Arbeiten in dem Gebiet noch weiter ausprägt. So sind nach Parrox (vgl. oben) die Muttergesteine des Serpentins von Marienbad, die Periodotite, eruptiv und die Ent- wicklung der Hornblendegesteine aus ursprünglich massigen Gesteinen hält er für wahrscheinlich. Marrın (vgl. oben) spricht die Gabbros von Ronsperg und 1900 auch die Amphibolite der Gegend von Tepl für eruptiv an. Nach F.E. Surss® sind die mannigfachen Hornblende- gesteine des bayrisch-böhmischen Grenzgebirges wahrscheinlich ebenso wie die Amphibolite des Tepler Gebirges als große Eruptivmasse auf- zufassen. In meinem vorjährigen Berichte habe ich schon zu der Frage der Entstehung Stellung genommen und mich entschieden zu einer plu- tonistischen Auffassung bekannt. Der beschränkte Raum verbietet nochmaliges Eingehen darauf. Es gibt keinen einzigen überzeugenden ! Jahrb. d. Geol. Reichsanst. Wien, 7, 1856, 766. 2 Ebenda 6, 1855, 784. 3 Bau und Bild der böhmischen Masse. In »Bau und Bild Österreichs«. Wien, Leipzig 1903, S. I1L. W. Bere: Das Gabbromassiv im bayrisch-böhmischen Grenzgebirge. 439 Beweis gegen die Eruptivität des Gabbros in unserem Gebiete. In keinem Teile der sogenannten archäischen kristallinen Schiefer- formationen fehlt so sehr der Anhalt für ehemals horizontal liegende, in Falten gelegte oder einseitig aufgerichtete Schichten, den Haupt- apparat des Neptunismus. Die spärlich vorhandene und unregelmäßige Schieferung und Schichtung, deren »Richtung durch die zahlreichen, wie es scheint, eingelagerten Stöcke von körnigen Hornblendegesteinen vielfach gestört wird« (vgl. oben), bereitete offenbar schon der neptu- nistischen Auffassung Schwierigkeiten. Alle Erscheinungen lassen sich besser durch die Eruptivität des Gabbros erklären. Den im vorjährigen Berichte angedeuteten Hinweisen auf eine vom Gabbro ausgegangene Kontaktmetamorphose der durchbroche- nen Sedimentgesteine lassen sich hier weitere anfügen. Auf einer Anhöhe westlich von Neumark! ist ein Bruch in einem feinkörnigen schuppig-schiefrigen gneisartigen Gestein angelegt. Die Untersuchung ergab einen sillimannithaltigen Paragneis. Seine winzigen braunen frischen Biotitschuppchen, seine typische Hornfelsstruktur lassen das kontaktmetamorphe Sediment erkennen. Begleitet wird dieses Gestein von einem ebenfalls merkwürdig beschaffenen graublauen, sehr feinkörnigen Schiefer, der zerstreute große, oft quergestellte Muskovit- blätter und mikroskopisch geringe Mengen von Graphitflitter enthält. Diese mitten in dem Gabbrogebiet liegenden Gesteine müssen also als Schollen kontaktmetamorpher Sedimente aufgefaßt werden. An der Straße von Lipkau nach Lautschim steht rechts an der Brücke über einen kleinen Grund gerade an der Grenze der Phyllitformation und der »Hornblendegesteine« ein dichtes Gestein an, das sich ma- kroskopisch und mikroskopisch als ein typischer Biotithornfels, also ebenfalls als ein Kontakterzeugnis erweist. Andere ähnliche Vor- kommnisse bedürfen noch der Untersuchung. Das Verhältnis der großen Gabbromasse zu dem westlich an- grenzenden Gneisgranitgebiet kann auch hier noch nicht erörtert werden. Dagegen sind noch zwei andere wichtige Fragen zu streifen: Welches Alter besitzt die Gabbromasse, und wie verhalten sich die verschie- denen Abarten des Gabbros hinsichtlich ihrer Entstehung zum nor- malen körnigen Diallaggabbro? Auch noch nach neueren Darstellungen’, die allerdings in bezug auf den Böhmerwald auf den älteren Arbeiten beruhen, sollen die »Hornblendegesteine« in die Phyllite übergehen. Wenn die »Horn- blendegesteine« eruptive Gabbros sind, dann ist ein Übergang in dem Sinne wie von Glimmerschiefer zu Phyllit und von diesem in Ton- ! Blatt Taus und Klattau, Zone 8 col. VIII der österreichischen Karte 1:75000. 2 Karzer, a.a.0. S.632 und Fr. E. Suess, a. a.0. S.ıır. Sitzungsberichte 1906. 43 440) Sitzung der phys.-math. Classe v. 26. April 1906. — Mittheilung v. 5. April. schiefer überhaupt nicht möglich, dagegen in dem Sinne, daß der durchbrochene Schiefer sich mit dem eruptiven Material gemischt hätte, daß jener von diesem imprägniert und dadurch eine Übergangzone geschaffen worden wäre. Tatsächlich bereitet die Unterscheidung der schiefrigen feinkörnigen Hornblendegabbrogesteine von den hornblende- haltigen Gliedern der angrenzenden Sedimentformationen anfangs einige Schwierigkeiten, aber nicht deshalb, weil die Gabbrogesteine in die Phyllite und Tonschiefer übergingen, sondern weil in den Sediment- formationen ebenfalls körnige und schiefrige Hornblendegesteine ent- halten sind, nämlich Gang- und Lagerdiabase mit amphibolisiertem Augit und Diabastuffe und Tuffschiefer, die in Grünschiefer, in Horn- blende- und Epidotgrünschiefer umgewandelt sind. Es liegen also ganz ähnliche Verhältnisse vor wie am Rand des sächsischen Granu- litgebirges. Besonders der von Taus nach Süden eingreifende Phyllit- zipfel enthält ganz gleiche Gesteine wie das sogenannte Hainichener Grünschiefersystem am sächsischen Granulitgebirge. Bei eingehendem Studium gelingt schon makroskopisch die Trennung der eruptiven Gabbrogesteine und der Glieder der Phyllitformation. Der eruptive Gabbro hat nach meiner Auffassung den Glimmer- schiefer, wo er vorhanden ist, und den Phyllit durchbrochen, muß also jünger als diese sein. Bis vor kurzem war damit auch die Alters- frage beantwortet, indem man das in den Worten selbst liegende archäische Alter der beiden Formationen nicht anzuzweifeln wagte. Die Entwicklung der letzten Jahre hat immer deutlicher gezeigt, daß Gneis-, Glimmerschiefer- und Phyllitformation mancherorts keine geo- logischen Formationen von bestimmtem, nämlich archäischem Alter mehr sind, sondern nur noch petrographische Formationen dar- stellen. Es ist darnach auch hier die Altersfrage berechtigt, ja not- wendig. In dem vorjährigen Berichte hoffte ich, die den angrenzenden Schieferformationen massenhaft eingelagerten Kieselschiefer könnten, wenn auch nur durch mikroskopische Radiolarien, einen Anhalt bieten. Die Untersuchung von zwanzig Kieselschiefer- und Kohle- quarzitproben aus der Gegend von Lautschim, Auborsko, Lipkau, Schwihau, Chudenitz, Polin, Putzerried ergab bisher keine Spur von Radiolarien und Organismen. Es wäre aber durchaus falsch, dies als einen Beweis überhaupt gegen das Vorhandensein von Organismen in diesen Gesteinen und Schichten anzusehen. Erfahrungsgemäß sind Fossilien ganz allgemein an bestimmte Gesteine gebunden und in diesen oft auf ganz gewisse dünne Lagen beschränkt. Jahrzehntelang haben sie sich selbst in vieldurchsuchten Gegenden der Beobachtung ent- zogen, bis ein glücklicher Zufall sie einem kundigen Auge entdeckte. W. Berer: Das Gabbromassiv im bayrisch-böhmischen Grenzgebirge.. 441 Aber selbst wenn so charakterlose Reste wie die Radiolarien hier ge- funden würden, könnte bei den im mittelböhmischen Urschiefergebirge waltenden schwierigen Lagerungsverhältnissen die Altersfrage nicht in den kleinen südwestlichsten Zipfeln des großen Gebietes entschieden werden. Dieser Gegenstand ist also vorläufig fallen zu lassen. Die zweite wichtige Frage nach der Entstehung der verschie- denen Abarten des Gabbros, besonders der flasrigen und schiefrigen Hornblende- und Uralitgabbros erfordert zu ihrer Entscheidung die gleichmäßige Berücksichtigung des gesamten Ge- bietes und eingehende Untersuchung der verschiedenen Gesteine. Die vom äußersten Südpunkt in Bayern bis zur nördlichsten Spitze in Böhmen über 100%“ messende Zone der Augit- und Hornblendegesteine zeigt in ihren Teilen verschiedene Ausbildung. Im Süden sind Flaser- gabbros stark entwickelt, in den mittleren Teilen weniger, in den nördlichen, mir noch nicht genügend bekannten Gebieten treten granat- reiche Amphibolite und Eklogite sehr in den Vordergrund, während im Süden und in der Mitte Granat zwar nicht ganz fehlt, aber in so verschwindender Menge auftritt, daß er bisher in den eigentlichen »Amphibolgesteinen« gar nicht bekannt war. Dagegen ist der Ser- pentin, der stete Begleiter des Gabbros, scheinbar ziemlich gleich- mäßig über das ganze Gebiet verteilt. Diese und noch manche andere Verhältnisse gilt es genau zu studieren, ehe ein Urteil über die Ent- stehung der Flaserung, der Schieferung, über die Entstehung der Eklogite aus dem Gabbro usw. abgegeben werden kann. Aus den bisherigen Untersuchungen und Beobachtungen scheint wenigstens hervorzugehen: Erscheinungen, die rein mechanisch, durch Druck auf das starre Gestein hervorgebracht wurden, sind rein örtlich in beschränktestem Maße vorhanden. Zuihnen gehören aber nicht die Flaser- und Schieferstruktur der in Betracht kommenden Gesteine. Diese Strukturen machen in ihren mikroskopischen Einzelheiten so sehr den Eindruck der Ungestörtheit, der Ursprünglichkeit, daß man geneigt ist, sie als erstarrte Flußbewegungen oder als Wirkungen eines noch vor der Erstarrung tätigen Druckes anzusehen. Jedenfalls geht aus den bisherigen Erörterungen hervor, daß die einheitliche Masse von Gabbrogesteinen im bayrisch -böhmischen Grenz- gebirge zu den größten bekannten Vorkommnissen überhaupt gehört, daß sie wegen der großen Mannigfaltigkeit in der Ausbildung einer noch sehr verkannten Gesteinsgruppe wertvolle Aufschlüsse zu bieten geeignet ist. Sie ist aber nicht das einzige Vorkommnis von Gabbrogesteinen im Westrand des »böhmischen Urgebirgswürfels« (Günser). Nach 43° 442 Sitzung der phys.-math. Classe v. 26. April 1906. — Mittheilung v. 5. April. Süden zu treffen wir zahlreiche kleinere bis Hauzenberg bei Passau. Und genau in der nördlichen Fortsetzung der großen 100%" langen Zone stoßen wir auf dem Kamm des Erzgebirges auf die petrogra- phisch außerordentlich interessanten und mannigfaltigen, ebenfalls zum Gabbro gehörigen »Amphibolit- und Eklogitlinsen« von Kupfer- berg und Schmiedeberg. Ihnen folgen zahlreiche weitere, im sächsi- schen Erz- und Granulitgebirge bis nach Roßwein, wo ganz gleiche Verhältnisse herrschen wie am südlichsten Punkt unserer großen ein- heitlichen Masse, am Hohenbogen, indem an beiden Stellen Flaser- gabbros ausgezeichnet entwickelt sind. Wenn man berücksichtigt, daß zu beiden Seiten dieses über 200°” langen Streifens — Hauzen- berg bei Passau, Hoher Bogen, Kupferberg, Roßwein — östlich und westlich von ihm Gabbrogesteine, Gabbro, Amphibolit, Eklogit, Pyroxengranulit, Serpentin noch zahlreiche, zum Teil recht ausge- dehnte Gebiete bilden, dann erhält man eine richtige und anschau- liche Vorstellung von der Bedeutung des Gabbros für die Zusammen- setzung der Erdrinde. Es braucht nicht weiter darauf hingewiesen zu werden, daß diese Erkenntnis erst möglich ist, wenn die Zuge- hörigkeit der Gesteine zum Gabbro feststeht und die enge Zusammen- gehörigkeit nicht durch unnötige Namenzersplitterung unanschaulich gemacht oder verschleiert wird. 443 Über die Functionen des Kleinhirns. Von HERMANN Mun«k. (Vorgetragen den 17. November 1904 und den 26. October 1905.) 1: R meiner letzten Mittheilung' habe ich die Folgen behandelt, die der Verlust der Sensibilität eines Körpertheiles für dessen Motilität mit sich bringt. An der Extremität, die aller Sensibilität beraubt ist, bleiben nicht nur alle eigenen reflectorischen Bewegungen der Extremität, ihre Gemeinreflexe und ihre Rindenreflexe, für die Dauer aus, sondern sind auch alle übrigen Bewegungen der Extremität ge- schädigt: sie sind alle andauernd erschwert, und die geordneten oder eoordinirten Bewegungen der Extremität sind überdies noch in ihrem Ablaufe gestört, die ererbten unter diesen Bewegungen bleibend, die erlernten vorübergehend. Als die Ursache der Schädigung ergab sich die veränderte Einstellung der die Bewegungen der Extremität her- beiführenden centralen Organe: die Muskelcentren und die aus Muskel- centren zusammengesetzten Markcentren der Extremität, wie auch die motorischen centralen Elemente der zugeordneten Extremitätenregion der Grosshirnrinde sind in ihrer Erregbarkeit herabgesetzt, weil ihnen nicht mehr von der Extremität her auf den sensiblen Bahnen beständig Erregungen zufliessen, wie es in der Norm infolge der die Extremität treffenden äusseren Reize und der durch Haut-, Muskel-, Gelenkspan- nungen u. Ss. w. gegebenen inneren Reize der Fall ist. Man hätte, sagte ich dort zum Schlusse, auch noch für die an- deren centralen Organe, an die sensible Bahnen von der Extremität herantreten und von denen motorische Bahnen zu der Extremität führen, die veränderte Einstellung nach dem Sensibilitätsverluste der Extre- mität anzunehmen, so für die Prineipaleentren und die motorischen eentralen Elemente des Kleinhirns. Dass das Gehen, das Laufen, das Klettern u. s. w. lediglich durch die mangelhafte Betheiligung der be- troffenen Extremität beeinträchtigt, aber im ganzen nicht erschwert ! Diese Berichte 1903. 1038. 444 Sitzung d. phys.-math. Classe v. 26. April 1906. — Mitth. a. d. Jahren 1904/5. gefunden wurden, wäre daraus begreiflich, dass zu den Prineipalcen- tren, von denen die coordinirten Bewegungen einer ganzen Reihe von Körpertheilen angeregt werden, auch sensible Bahnen von vielen Körper- theilen her gelangen und daher der Fortfall der von einer einzelnen Extremität stammenden Bahnen nicht eine solche Herabsetzung der Erregbarkeit der Prineipalcentren bewirkte, dass sie für uns bemerk- lich wurde. Was das Kleinhirn betrifft, so müsste ich glauben, dass unter der gefundenen Herabsetzung, welche die Erregbarkeit der Mark- und Muskelcentren der Extremität durch deren Sensibilitätsverlust erfährt, ein vom Kleinhirn herrührender Antheil versteckt sich be- finde, indem in der Norm die mittels der sensiblen Bahnen der Ex- tremität schwach erregten motorischen centralen Elemente des Klein- hirns in derselben Weise eine Erhöhung der Erregbarkeit jener Centren herbeiführen, wie es seitens der motorischen centralen Elemente der zugeordneten Extremitätenregion geschieht. Diese Folgerung für das Kleinhirn traf sichtlich mit Hrn. Lucıant's Ermittelungen am Kleinhirn selbst zusammen, mit Ergebnissen gerade derjenigen Untersuchung, die unter den zahlreichen Bestrebungen des vorigen Jahrhunderts, die Functionen des Kleinhirns aufzuhellen, nach Art und Umfang bei weitem die erste Stelle einnimmt. In den Jahren 1852 — 91 durchgeführt und ausführlich in dem Buche »Il Cervelletto« ' dargelegt, hat die Untersuchung gewissermaassen ihre Fortsetzung oder ihre Ergänzung bis auf die Gegenwart in dem jüngst erschienenen Artikel »Das Kleinhirn«” erhalten, in dem Hr. Lucıası auch den neueren Veröffentlichungen Rechnung trägt. Es waren hauptsächlich die Folgen der Exstirpation einer late- ralen Hälfte des Kleinhirns, ferner des Wurms und endlich des ganzen oder fast des ganzen Kleinhirns, denen Hr. Lucranı nachging, und zwar bei Hunden und Affen, die nach solehen Verstümmelungen lange am Leben zu erhalten Hrn. Lucıanı zuerst gelang. Nach seinen Er- fahrungen weist Hr. Lucranı” die Theorien zurück, die das Kleinhirn zum Centrum der Erhaltung des Gleichgewichts und der Orientirung des Körpers im Raume machen, ebenso die Theorien, die das Klein- hirn als das Organ der Coordination der willkürlichen Bewegungen betrachten. Ihm ist das Kleinhirn das Organ eines Unterbewusstseins oder unbewusster Empfindungen, welches langsam, ruhig und conti- nuirlich eine verstärkende Wirkung auf die Thätigkeit der übrigen Nervencentren ausübt, ein kleines, relativ unabhängiges und kein ! Firenze 1891. (In den folgenden Citaten abgekürzt »Cerv.«.) 2 Ergebnisse der Physiologie, herausgeg. von ÄAszer u. Spıro, 3. Jahrg. Abth. Il. Wiesbaden 1904. (In den folgenden Citaten abgekürzt »Klh.«.) ® Klh. 318, 319, 325, 326, 334—7. — Ceıv. 301, 302, 306 —7. — nn u Mvus&: Über die Functionen des Kleinhirns. 445 eigenes, d.h. ausschliesslich ihm vorbehaltenes Wirkungsfeld besitzendes Hilfs- oder Verstärkungssystem des grossen Cerebrospinalsystems. Und der unterstützende oder verstärkende Einfluss des Kleinhirns äussert sich in einer complieirten Wirkung, infolge deren ı) der Grad der Spannung wächst, in der sich die neuro-musculären Apparate des animalen Lebens während der Functionspause oder der Ruhe befinden (tonische Wirkung); 2) die Energie zunimmt, welche die Apparate bei den verschiedenen willkürlichen, automatischen und refleetorischen Thätigkeiten aufwenden (sthenische Wirkung): 3) der Rhythmus der Einzelimpulse beschleunigt wird, durch welchen diese Thätigkeiten zusammenwirken und die normale Verschmelzung und die regelmässige Continuität derselben zustande kommt (statische Wirkung). Denn die wesentlichen Folgen des Ausfalls der Kleinhirnfunction sieht Hr. Lvcıası einfach in atonischen, asthenischen und astatischen neuro-musculären Erscheinungen bestehen, die nicht auf die beim Stehen, Gehen u. dgl. thätigen Muskeln beschränkt sind, sondern sich auf alle willkürlichen Muskeln erstrecken, sehr überwiegend jedoch auf die Muskeln der unteren oder hinteren Extremitäten und auf die Muskeln, welche die Wirbelsäule fixiren. Wo Hr. Lverssı im »Il Cervelletto« seine Ergebnisse zusammen- fasst, führt er zum Schlusse noch aus, dass die ecomplieirte physio- logische Wirksamkeit des Kleinhirns nicht eine specifische, eigenartige Wirksamkeit, sondern eine allgemeine und deshalb fundamentale des ganzen Nervensystems als solchen sei.‘ Die im Organismus zerstreuten peripherischen Ganglien, die insgesammt das sympathische System aus- machen. haben im grunde dieselbe physiologische Bedeutung für die vegetativen Processe, wie das Kleinhirn für die animalen Processe. Das zeige sich hinsichts der trophischen Funetion und der Verstärkungs- funetion — die höchstwahrscheinlich zwei (innere und äussere) Seiten oder verschiedene Anblicke desselben, seinem Wesen nach unbekannten physiologischen Vorganges repräsentiren® — bei den Intervertebral- ganglien einerseits und dem Kleinhirn andererseits. Für die trophische Function zeugen® die Degenerationen und Sklerosen im Nervensystem, die Muskeldegenerationen u.s. w.. die auf die Abtragungen folgen. Bezüglich der anderen Funetion weist er‘, fussend auf den Cyox’schen Versuchen an den Wurzeln der Rückenmarksnerven, auf die vollkom- mene Analogie zwischen der Verstärkungsfunetion des Kleinhirns und der der Intervertebralganglien hin. indem er in der von den hinteren Wurzeln ausgehenden Verstärkung der Erregbarkeit der vorderen Wurzeln oder motorischen Nerven einen synthetischen Ausdruck sieht, ı Cerv. 307. 310 Anmerk. 2 Cerv. 305. 3 Cerv. 306, 308. (Klh. 337.) % Cerv. 310. 446 Sitzung d. phys.-math. Classe v. 26. April 1906. — Mitth. a. d. Jahren 1904/5. der deutlich einschliesst eine sthenische, tonische und statische Wirkung, übertragen von den Intervertebralganglien auf das Mark, vom Mark auf die motorischen Nerven und von diesen auf die Muskeln. In der Richtung stellt er auch weitere Untersuchungen in Aussicht. Aber solehe sind nicht zur Veröffentlichung gekommen, und es ist auch in Hrn. Lucıant’s jüngstem Artikel von jenem Parallelismus zwischen den Intervertebralganglien und dem Kleinhirn nicht mehr die Rede. Ledig- lich das kehrt wieder‘, dass der trophische und der tonische ver- stärkende Einfluss des Kleinhirns offenbar die beiden Seiten des näm- lichen physiologischen Processes darstellen; und wir hören, dass sie »in eontinuirlicher Weise von den directen oder indireeten Bahnen angeregt sind, die von den Organen des Hautmuskelsinnes und des Labyrinths centripetalwärts zum Kleinhirn führen. Von diesen afferenten Bahnen, welche die Thätigkeit des Kleinhirns unterstützen, muss man eine besondere Bedeutung den vom Nervus vestibularis dargestellten zusprechen«. Auf welche experimentellen Erfahrungen sich Hr. Lucıant dabei stützt, dass die Verstärkungsfunetion des Kleinhirns durch die von den Organen des Hautmuskelsinnes centripetalwärts zum Klein- hirn führenden Bahnen, also durch die hinteren Wurzeln der Rücken- marksnerven angeregt oder, wie es bald darauf heisst, unterstützt werden soll, darüber giebt der Artikel keine Auskunft. Als ein »Hilfs- oder Verstärkungssystem des grossen Cerebrospinal- systems« liess sich nun auch nach meiner Folgerung das Kleinhirn an- sprechen, indem von seinen motorischen centralen Elementen aus eine Erhöhung der Erregbarkeit der Mark- und Muskelcentren herbeigeführt sein sollte. Und noch mehr musste mein Zusammentreffen mit Hrn. Lucıanı in die Augen springen, da, wie jene Leistung der motorischen Elemente des Kleinhirns sich von einer Erregung seitens der hinteren Wurzeln der Rückenmarksnerven herleitete, so auch Hr. Lucıanı seine Verstärkungsfunction des Kleinhirns durch die Hautmuskelsinn-Nerven angeregt oder unterstützt sein lässt. Man konnte darnach meinen, dass die Erweiterung, die Hr. Lucranı einstmals seiner Kleinhirn - Unter- suchung noch durch die Untersuchung der Intervertebralganglien oder die Durchschneidung der hinteren Wurzeln der Rückenmarksnerven hatte geben wollen, nunmehr durch meine Versuche an den hinteren Wurzeln zur Ausführung gekommen war und für die Wirksamkeit des Kleinhirns zur Bestätigung der am Kleinhirn selbst gewonnenen Er- gebnisse geführt hatte. Indess stellte sich bei näherer Betrachtung die Sachlage nicht so günstig dar. Denn nach Hrn. Lucrıanı war der continuirliche ver- ! Klh. 337—8. Munk: Über die Funetionen des Kleinhirns. 447 stärkende Einfluss des Kleinhirns auf die Thätigkeit der übrigen Nervencentren die Function kart’ €£oynv des Organes im Bewegungs- apparate des Thieres und hatte weiter das Kleinhirn »kein eigenes, d. h. ausschliesslich ihm vorbehaltenes Wirkungsfeld«, mit anderen Worten, hatte das Kleinhirn nicht noch »stürmisch, disceontinuirlich und variabel nach den äusseren Umständen«! eine besondere Aufgabe für das Zustandebringen von Bewegungen zu erfüllen, wie sie den anderen zum Bewegungsapparate gehörigen Centralorganen, dem Gross- hirn, dem Mittelhirn u. s. w., bei den Refilex- und Willkürbewegungen zukommt. Dagegen war nach meinen Ergebnissen der verstärkende Einfluss des Kleinhirns nicht seine Function kat’ &£oynv im Bewegungs- apparate des Thieres, sondern eine Function, die das Kleinhirn mit der Grosshirnrinde, den Prineipaleentren, den Markcentren gemein hat, und war es nicht ausgeschlossen, im Gegentheil sogar wahrscheinlich, dass das Kleinhirn ausserdem noch ein eigenes Wirkungsfeld besitzt, ebenso noch eine specifische Function für das Zustandebringen von Be- wegungen hat, wie es bei der Grosshirnrinde, den Prineipaleentren, den Markeentren der Fall ist. Ferner sollte nach meiner Folgerung die Verstärkungsfunction des Kleinhirns, um Hrn. Lucrant's kurze Aus- drucksweise zu benutzen, lediglich in tonischer und sthenischer Wir- kung zum Ausdruck kommen, nicht aber in statischer Wirkung; denn solche Störungen, wie sie von Hrn. Lucıanı als astatische neuro -mus- euläre Erscheinungen infolge der Verstümmelung des Kleinhirns be- schrieben und zusammengefasst waren, hatten sich nicht als Folgen des Sensibilitätsverlustes eines Körpertheiles gezeigt. Mochte sich da an sich auch annehmen lassen, dass solche Störungen aus irgend welchem Grunde mir entgangen waren, so war doch, wenn man die letztere Ab- weichung mit der ersteren zusammenhielt, viel mehr an die Möglich- keit zu denken, dass Hr. Lucıası zu Unrecht die statischen Wirkungen mit den tonischen und sthenischen verkoppelt hatte, und dass in den statischen Wirkungen gerade die specifische Leistung des Kleinhirns zu Tage trat. Dass älteren Vorstellungen über die Verrichtungen des Kleinhirns, die Hr. Lucıanı ganz verworfen hatte, und die trotzdem — auch nach den klinischen Erfahrungen am Menschen — immer wiederkehrten, so doch noch eine Berechtigung zukommen konnte, war nur geeignet, den Gedanken zu unterstützen. Auf grund dieser Erwägungen erschien mir die Prüfung geboten, ob Hrn. Lucrant’s Theorie des Kleinhirns zureichend war oder ob sie der Abänderung in den Grundzügen bedurfte. Die Folgen der Durch- schneidung von hinteren Rückenmarksnerven-Wurzeln in grösserer Zahl, ! Cerv. 307. 448 Sitzung d. phys.-math. Classe v. 26. April 1906. — Mitth. a. d. Jahren 1904/5. die Folgen partieller Durchschneidungen des Rückenmarks, so dass zum Kleinhirn ziehende sensible Bahnen ausgeschaltet wurden, die Folgen von eng begrenzten Zerstörungen und von Reizungen des Klein- hirns liessen die erwünschte Aufklärung nicht gewinnen. Es blieb nichts übrig, als zu versuchen, auf demselben Wege, auf dem Hr. Lucrası zu seiner Theorie geführt war, mittels ebenso ausgedehnter Kleinhirn-Exstirpationen zur Entscheidung zu gelangen. Was dabei sich ergab, will ich im folgenden darlegen. 2. Als die reichste und klarste Quelle der wissenschaftlichen Kennt- nisse über die Physiologie des Kleinhirns hat Hr. Lucıanı' die Er- gebnisse der vollständigen Exstirpation einer seitlichen Kleinhirnhälfte bei Hunden und Affen betrachtet, weil jede solche Kleinhirnhälfte bei weitem überwiegende Verbindungen mit den Theilen der entsprechenden Körperhälfte habe und deshalb im gegebenen Falle der Vergleich der Muskelfunctionen der beiden Körperhälften gleichwerthig sei mit dem Ver- gleiche zweier Thiere von gleicher Rasse, gleichem Alter und gleicher Constitution, von denen das eine in fast vollständigem Besitze der cerebellaren Innervation, das andere ihrer fast vollständig beraubt ist. Und wie Hr. Lvcranı, sind auch in der Folge Hr. Rısıen Russeı?, Hr. Tuomas® und Hr. Lewanpowskv' von der halbseitigen Exstirpation bei ihren Untersuchungen und Betrachtungen ausgegangen und haben die Exstirpation des ganzen Kleinhirns mehr anhangsweise behandelt. Indess ist der Vortheil jenes Vergleiches zunächst nur von unter- geordneter Bedeutung und tritt weit zurück gegen den Vortheil, den die völlige Exstirpation des Kleinhirns bietet, dass die zur Beobachtung kommenden Folgen frei von den Verwickelungen sind, die im anderen Falle das weitere Wirken der erhaltenen Kleinhirnhälfte herbeiführt. Hinzukommt, was in Bezug auf die Zuverlässigkeit der Ergebnisse nicht gering zu veranschlagen ist, dass, was an den Folgen des Ein- eriffs auf ungehörigen Verletzungen oder Schädigungen der nervösen Nachbarorgane beruht, bei der völligen Exstirpation oft ohne weiteres durch das ungleiche Verhalten der beiden seitlichen Hälften des Thieres sich zu erkennen giebt, während es bei der halbseitigen Exstirpation erst durch eine genaue anatomische Untersuchung aufgedeckt und manehmal auch durch diese nicht sicher festgestellt werden kann. ! Klh. 282. 2 Phil. Transact. R. Soc. Lond. 185 (1894), B, 819. 3 Le Cervelet. Paris 1897- * Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1903. 129. er en Munk: Über die Functionen des Kleinhirns. 449 Wir wollen deshalb die Totalexstirpation unserer Untersuchung zu- “grunde legen; und wir halten uns an die einzeitige Totalexstirpation, weil die Folgen des Kleinhirnverlustes schon durch vorher eingetretene Compensationen seitens anderer Theile des Centralnervensystems ver- dunkelt sind, wo man erst durch mehrmaliges Exstirpiren bis zur Totalexstirpation vorschreitet. Wo es von Nutzen für die Untersuchung sein kann, werden wir die halbseitige Exstirpation mit heranziehen. Bisher liegen nur wenige Fälle vor, in denen man den Folgen der Totalexstirpation beim Hunde und beim Affen nachgehen konnte', ! Unter den 6 Fällen »unvollkommener und vollkommener beiderseitiger Abtra- sung des Kleinhirns«, die Lucıanı vorgeführt hat (Cerv. 1220 —4ı und Linee generali della Fisiologia del Cervelletto, Firenze 1834), sind die besten Fälle Affe A, der ı7 Tage lebte, und Affe Q, der erst nach 19 Monaten starb. Hund Y, dessen Rlein- hirn vollkommen exstirpirt war, hatte am Tage der Operation epileptische Anfälle und starb schon in der zweiten Nacht. Beim Hunde Z, bei dem die mit der Operation verbundene Blutung verhindert hatte, sich der Totalexstirpation zu vergewissern, und der nach einem Jahre infolge des missglückten Versuches, durch eine neue Operation die Exstirpation zu vervollkommnen, zugrunde ging, fanden sich am Pons zwei kleine symmetrische Massen von Kleinhirnsubstanz, und alle sonstigen Reste des RKleinhirns waren vom Narbengewebe umhüllt und zusammengeballt, so dass man unversehrte Substanz nicht entdeckte; aber die zur Gangrichtung schiefe Körperhaltung, die der Hund stets zeigte, weist darauf hin, dass doch unter dem Narbengewebe unversehrte Substanz entweder nur auf der einen Seite oder auf beiden Seiten, und zwar auf der einen Seite in grösserer Ausdehnung als auf der anderen, zurückgeblieben war und sich der Constatirung entzogen hat. Aın Hunde F, der die dreizeitige Exstirpation 13 ‚Jahre überlebte, zeigte sich rechterseits »ein wenig bedeutender Rest«, linkerseits aber »die ganze untere äussere Portion des Kleinhirns« erhalten. Und ebenso war die Exstirpation unzureichend am Hunde A, der trotz septischer Infeetion acht Monate am Leben blieb. Bei der Section wurde beiderseits die Flocke unversehrt gefunden, und erschien der Rest der »Uvula oder des Vorderwurms« degenerirt; aber bei diesem ersten am Leben erhaltenen Hunde war die tiefste, den 4. Ventrikel überwölbende Schicht des Wurms zurückgelassen und nur mit einem Häkchen zerfetzt worden, und Lucranı sagt später selber (Cerv. 3), »die Erfahrung habe ihn belehrt, dass man durch solches Operiren nicht dazu gelangt, die vollkommene Degeneration der Uvula oder des Vorderwurms zu erhalten«. Auch bei den 3 Affen von FErRIER und TUurNER (Phil. Transaet. R. Soc. Lond. 185 [1894], B, 722) war ausser Stummeln der Flocke ein Fragment des »unteren Wurmfortsatzes, der sich über einen Theil ‘des 4. Ventrikels wölbt,« stehen geblieben; die Reste waren bei dem Affen, der nur 3 Tage lebte, am kleinsten und grösser bei den Affen, die am 5. Tage, bezw. nach 24 Monaten starben, so dass hier ausser den Vierhügeln nur der Calamus seriptorius freigelegt war; am längst- lebigen Affen bestand die Deckschicht hauptsächlich aus degenerirtem und Narben- sewebe. Wie es mit Russerr's 4 Hunden steht, welche die theils ein- theils zwei- zeitige Totalexstirpation überlebten (a. a. O. 852 —4) lässt sich aus den wenigen Worten über das Verhalten der Thiere nicht entnehmen. Bei Tuomas’ 3 Hunden H,T, J, die 45, 88, 75 Tage lebten (a. a. O. 252—62), soll bloss die Flocke erhalten gewesen sein, aber die Abbildungen der Hirne und das Rollen der Thiere lehren, dass wesent- lieh mehr vom Kleinhirn zurückgeblieben war, wie es auch bei der zu schmalen Schädelöffnung (232—3) nicht wohl anders sein konnte; in zwei Fällen waren die Vierhügel verletzt. Endlich hat Lewanpowsky, der 3 hierher gehörige Hunde beob- achtet zu haben scheint, bei dem einen Hunde, der über 5 Monate am Leben blieb, »totales Fehlen des Kleinhirns, Nebenverletzung des rechten Acusticus« als Seetions- 450 Sitzung d. phys.-math. Classe v. 26. April 1906. — Mitth. a. d. Jahren 1904/5. und soweit sich die Fälle übersehen lassen, entsprachen sie meist nicht den zu stellenden Anforderungen. Es handelt sich aber auch um eine recht schwierige Operation, da, weil die Sinus transversi geschont werden müssen, nur eine verhältnissmässig kleine Öffnung im Schädeldache am hinteren Ende des Kleinhirns sich herstellen lässt und durch diese Öff- nung das ganze Kleinhirn unter Durchtrennung seiner Stiele und Zer- reissung der Marksegel zu entfernen ist, ohne dass die dicht vor, unter und hinter ihm gelegenen, sämmtlich functionell bedeutsamen Organe auch nur durch Zug oder Druck geschädigt werden. Ich fand es da- für nöthig, von Hrn. Lvcıanı’s Verfahren' so abzuweichen, dass ich nach der Freilegung des Kleinhirns vor jeder Inangriffnahme des Wurms die Hemisphären beseitigte, so dass für die Behandlung des Wurms Raum geschafft war, und von der Benutzung des scharfen Löffels ebenso, wie sonst bei meinen Gehirnoperationen, absah. Mit einem feinen Messer ging ich den seitlichen Rand des Wurms entlang an der hinteren Seite des Tentoriums bis zu dessen Ende vor und trennte durch einen bis zur Höhe des Kleinhirnstieles senkrecht zur Oberfläche, danach ein wenig schief nach unten aussen geführten Schnitt die Hemisphäre ab. An der Schnittstelle schob ich ein ebenso dünnes, doch breiteres Stäbehen ein und drückte mit ihm die Hemisphäre nach aussen und hinten, wo- durch sie, gewöhnlich als ein Ganzes, am seitlichen Rande der Schädel- öffnung herausbefördert wurde. Nachdem mit der zweiten Hemisphäre ebenso verfahren war, ging ich auf der Convexität des Wurms mit zwei Stäbehen von hinten nach vorn so vor, dass ich regelmässig abwechselnd mit dem einen flach angelegten Stäbchen fixirte und einen leiehten Zug nach hinten ausübte, während ich das andere Stäbchen etwas weiter vorn ebenso zur Anlagerung brachte, bis ich das inzwischen etwas zurückgebogene vordere obere Ende des Wurms erreicht hatte und ein oder beide Stäbchen an dessen vordere Fläche legen konnte. Auf einen allmählich verstärkten, aber immer nur schwachen Druck nach hinten oben gab alsdann plötzlich ein Widerstand nach — das vordere Marksegel war zerrissen — und liess sich der ganze vordere Theil des Wurms nach hinten und etwas zur Seite zurückschlagen und mit der Scheere abtrennen. Endlich schob ich nach Zerreissung der Tela chorioidea in- ferior ein Stäbchen dicht an der unteren Fläche des hinteren Theils des Wurms, diesen emporhebend und mit der Scheere beiderseits den Rest ergebniss erhalten (a. a. 0. 189). »Eine ideale Totalexstirpation ohne Rest«, sagt noch LewAanpowsky (139). »ist mir einmal gelungen bei einer ı4tägigen Katze, welche die Operation 3 Wochen überlebte; von dieser Katze ist jedoch nur mitgetheilt, dass sie eine halbe Stunde nach der Operation wieder an den Zitzen der Mutter lag und an- standslos schluckte (175). ı Cerv. 2 fl. wo Munk: Über die Functionen des Kleinhirns. 451 des Kleinhirnstieles etwas schief nach aussen oben durchschneidend, weiter und weiter vor, bis sich der ganze hintere Theil des Wurms umschlagen und beseitigen liess. Die Vierhügel mit der Mündung des Aquaeduetus Sylvii und der ganze Boden des vierten Ventrikels mit den Stümpfen der durchtrennten Kleinhirnschenkel waren freiliegend zu sehen, und das Kleinhirn war bis auf ein jederseitiges Stück der Flocke exstirpirt. In Anbetracht der Schwierigkeit der Operation brauche ich kaum zu sagen, dass selbst noch, als ich im Verfahren geübt war, mir reichlich Versuche misslangen, weil einmal diese, einmal jene der feinen Manipulationen nicht nach Erfordern zur Ausführung kam. Nicht minder grosse Verluste verursachten die Blutungen, die mit der Exstirpation verbunden waren. Manchmal allerdings liessen sich die Blutungen — beim Affen öfter als beim Hunde — durch Tamponiren und Torquiren so gut beherrschen, dass ich das Operationsfeld blut- frei zurücklassen konnte, wenn ich die Wunde schloss. Anderemal aber waren sie nicht anders zu stillen, als dass dünnere oder diekere Lagen geronnenen Blutes auf den freigelegten Centralorganen und zu ihren Seiten verblieben; und dann war ein Theil der Versuche ver- unglückt, weil das Blut den Bulbus umflossen oder zu weit nach vorn oder hinten sich verbreitet hatte und Organe, die beim Operiren un- versehrt geblieben waren, später doch geschädigt sich erwiesen. Ich bin deshalb nicht im Zweifel, dass hinsichtlich der Zahl der Verluste mein Verfahren dem Lucrant’schen nachsteht. Aber es hat dafür den Vorzug, auf den es ankommt, dass, wo es glücklich durchgeführt wurde, nicht nur das Zurückbleiben wirksamer Reste vom Kleinhirn verhütet ist, sondern auch die angrenzenden nervösen Organe unver- sehrt erhalten sind. Nicht einmal in der so empfindlichen Athmung brachte hier die Exstirpation eine Veränderung mit sich, während doch die epileptischen Krämpfe, die Hr. Lucıanı öfters nach Aufdeckung des Sinus rhomboidalis mit Chloral bekämpfen musste, wie die Brech- bewegungen, die Athemstörungen und die Muskelactionen, die sonst noch die Experimentatoren bei der Operation beobachteten, schon grob die Verletzung von Nachbarorganen zu erkennen gaben. Und ebenso wenig stellten sich hier nach der Operation Strabismus oder Nystagmus ein oder beim Hunde eine Störung in der Nahrungsauf- nahme: diese sonst fast regelmässig gefundenen Abnormitäten traten nur bei Versuchen auf, die durch Nebenverletzungen oder Blutungen misslungen waren. Den Flockenrest habe ich mit Vorsatz zurückgelassen, um den anliegenden Nervus acusticus nicht zu gefährden, der durchaus unver- sehrt bleiben muss. Der Vollkommenheit der Exstirpation konnte da- mit nicht über den äusseren Anschein hinaus Eintrag geschehen, da 452 Sitzung d. phys.-math. Classe v. 26. April 1906. — Mitth. a. d. Jahren 1904/5. der Flockenstiel durchtrennt war: und dafür habe ich auch die that- sächlichen Belege erhalten. Denn bei manchen Versuchen ist es wider meine Absicht zur Exstirpation auch der Flocke gekommen, und unter diesen Versuchen haben ein paar Fälle, in denen auf Einer Seite, wie ein Fall, in dem auf beiden Seiten die Flocke gänzlich mit entfernt war, weil hier zufällig nicht die Acustici verletzt waren, in den Er- gebnissen keine Abweichungen von den Versuchen, bei denen die Flockenreste erhalten waren, gezeigt. Wie zu erwarten, haben sich auch keine Abweichungen von den sonstigen Ergebnissen dort heraus- gestellt, wo bei der Abtragung des vorderen Theiles des Wurms das vordere Marksegel nicht glatt zerrissen und ein wenig Kleinhirnsub- stanz als kurze dünne Deckscheibe des vorderen Endes des Ventrikels zurückgeblieben war. Einem solchen Übelstande lässt sich sehr wohl noch bei der Operation abhelfen, indem man den verbliebenen Rest zugleich mit dem hinteren Theile des Wurms entfernt. Aber immer- hin läuft man dabei Gefahr, die Partie unter den Vierhügeln zu ver- letzen, und man kann nach meinen Erfahrungen den kleinen Rest auch stehen lassen, ohne dass der Versuch dadurch an Werth verliert. Für die halbseitige Exstirpation ging ich so vor, dass ich — nach Eröffnung des Schädels über dem Wurm und einer Hemisphäre — in derselben Weise, wie bei der Totalexstirpation, die eine Hemi- sphäre entfernte und vom hinteren Ende des Wurms her den Rest des gleichseitigen Kleinhirnstieles durchschnitt. Bei einer Reihe der Versuche habe ich es dabei bewenden lassen. Bei der anderen Reihe fügte ich noch die Exstirpation der gleichseitigen Hälfte des Wurms hinzu, indem ich diesen von der Convexität aus in der Medianebene gegen das an seine untere Fläche angelegte Stäbchen hin glatt durch- sehnitt, und zwar zunächst in seinem hinteren Theile und nach Los- lösung des beiderseits frei gewordenen Stückes auch in seinem, mit dem Messer etwas nach hinten gezogenen vorderen Theile. Es hat mir aber nicht gelingen wollen, die Durchschneidung am vorderen Theile gänzlich durchzuführen, olıne dass ich Nebenverletzungen machte, und ich habe mich deshalb dazu verstehen müssen, das vor- derste unterste Stück des Wurms ungetheilt zurückzulassen. Schwer- lich ist dadurch die Ungenauigkeit, die diesen halbseitigen Exstirpa- tionen ohnedies schon infolge der groben Halbirung des Wurms und der wechselnden Schädigung seiner zu erhaltenden Hälfte anhaftete, wesentlich erhöht worden. Die operirten Thiere' Käfigen und Kisten, auch frei im Zimmer und soweit als möglich unter habe ich ohne besondere Vorkehrungen in ! Die Hunde waren mittelgross, ea. ı Jahr alt und ca. 6 kg schwer; die Aflen waren ansehnlich grosse und recht kräftige Makaken (Rhesus). u TE nn nn en Munk: Über die Functionen des Kleinhirns. 453 meinen Augen gehalten und in einer ansehnlichen Zahl durch mehrere Wochen, in einer kleineren Zahl durch mehrere Monate (bis zu 16 Mo- naten) beobachtet. Die kurzlebigen Thiere gingen meist dadurch zu- grunde, dass sie, während sie von selber nur selten und wenig sich bewegten, für die Zwecke der Untersuchung zu grösseren und län- geren Bewegungen veranlasst wurden. Infolge ihrer Ungeschicktheit schlugen sie beim Fallen und Stürzen früher oder später einmal so heftig mit dem Kopfe auf, dass Hirnblutungen und epileptische An- fälle oder chockartige Zufälle die Folgen waren; seltener erschienen sie nur übermässig aufgeregt und angestrengt, liessen in der Nahrungs- aufnahme nach und verfielen auffällig rasch. 2—3 Wochen nach der Operation war die Wunde per primam verheilt. Nach der Totalex- stirpation war die Dura mit dem Bindegewebe an der unteren Seite der die Schädelöffnung bedeckenden Nackenmuskeln verwachsen, und so war über den freigelegten Hirntheilen, die das normale Aussehen darboten, eine geschlossene enge, nur ein wenig Cerebrospinalflüssig- keit enthaltende Höhle hergestellt. In den Fällen halbseitiger Exstir- pation war die erhaltene Kleinhirnhälfte nach der Exstirpationsseite hin versehoben und die schief gestellte Schnittfläche des Wurms mehr oder weniger mit der duralen Narbe verwachsen. 3. Wie nach den älteren Erfahrungen zu erwarten stand, erwies sich auf den Gesichtssinn, den Gehörssinn, den Geschmackssinn, den Ge- ruchssinn und weiter die psychischen Functionen der Verlust des Klein- hirns ohne Einfluss, ebenso auf die vegetativen Functionen, und fielen lediglich in den Bereich der Motilität und Sensibilität die Störungen, die an den Thieren zur Beobachtung kamen. Doch geben die vor- liegenden Angaben und Versuchsprotokolle weder ein überall zutreffen- des noch insbesondere ein zureichendes Bild von den Störungen, und ich will deshalb zunächst das Verhalten der Thiere schildern, wie es nach glücklich durchgeführter Totalexstirpation in regelmässiger Wieder- kehr und bei Hund und Affen in grosser Übereinstimmung sich zeigte. Der für die Operation mit Aether narkotisirte Affe machte, sobald die Narkose sich verlor, mit anfangs langen, später kürzeren Pausen oft wiederholte Versuche, sich aus der Seitenlage zu erheben, mittels kurzer, zunächst schwacher, dann stärkerer Bewegungen von Kopf, Rumpf und Extremitäten. Doch was man sonst, auch nach grossen Eingriffen, bald folgen sieht, dass der Affe zum Sitzen kommt und sitzen bleibt, trat hier nicht ein. Zunächst fiel der Affe immer wieder in die Seitenlage zurück, ehe es ihm gelang, sich in die Brustbauch- 454 Sitzung d. phys.-math. Classe v. 26. April 1906. — Mitth. a. d. Jahren 1904/5. lage zu bringen und darin sich zu behaupten; wenn er in der Folge auf den Armen sich erhob, fiel er alsbald wieder in die Brustbauch- oder Brustbeckenlage nieder; und stellte er sich weiterhin vorn auf die Arme und setzte er die Beine in Bewegung, so fiel er sogleich nach der einen oder anderen Seite um, zuweilen auch schief hinten- über auf die Seite, so dass der Kopf, der vorher vorn sich befand, hinten zu liegen kam und umgekehrt. Auch wenn zum Beginn der Bewegung die Hand einen Gitterstab erfasst hatte, war es ebenso; die Hand ging mit dem Rumpfe abwärts. Früher oder später liessen dann die vergeblichen Aufstehversuche nach, und der Affe verblieb in der vollen oder mehr zur Seite geneigten Brustbauch- oder Brust- beckenlage bei normaler Haltung der Körpertheile.. So fand man ihn wieder am Morgen nach der Operation und immer wieder in den fol- genden Tagen, wenn er sich selbst überlassen blieb. Er bewegte nur öfters den Kopf oder eine Extremität und veränderte hin und wieder seine Lage derart, dass er zwischen der vollen und der mehr nach rechts und der mehr nach links geneigten Brustbauch- und Brust- beckenlage wechselte und sich auf dem Boden hierhin oder dorthin etwas verschob, besonders um die vorgelegte Nahrung mit den Händen fassen zu können. Den Lagewechsel vollführte er dabei nach rechts, indem er in der Regel ein Stück rechtsherum, selten linksherum rollte', und nach links, indem er in der Regel ein Stück linksherum, selten rechtsherum rollte. Aber zu grösseren Bewegungen kam es jedesmal, wenn der Affe, weil er sich bedroht sah oder glaubte, in Angst oder Zorn gerieth. Manchmal schon, wenn erst 6—8 Stunden seit der Operation ver- flossen waren, brachte er sich aus der Lage am Boden, unter einer kleinen Drehung um die Längsachse nach dieser oder jener Seite, in die Sitzstellung, entweder auf einen Ruck oder unter raschem Hin- und Hersehwanken von Rumpf und Kopf, so dass der Kopf heftig an die Wand schlug; selten einmal stellte er sich blitzschnell auf den vier Extremitäten auf. Regelmässig schlug er dann, kaum dass er stand, nach der Seite um oder in die Brustbauchlage nieder; und manchmal fiel er auch, kaum dass er sass, nach hinten oder vorn oder zur Seite auf den Boden. Hatte er jedoch, indem er sich zum Sitzen erhob, wie es meist geschah, zugleich mit einer oder beiden Händen das Gitter erfasst oder die Anlehnung eines Rumpf- theiles an eine Wand des Käfigs gefunden, so blieb er für kurze Zeit in der Sitzstellung mit convexem Rücken und gesenktem Kopfe ! Die Richtung des Rollens, der mit einer Drehung um die Längsachse ver- bundenen Locomotion, bezeiehne ich nach der Seite des Thieres, nach der hin die Bewegung erfolgt, wenn man auf den Rücken des Thieres sieht. “u —— nn nn © Musk: Über die Functionen des Kleinhirns. 455 und fiel erst, wenn er sich bewegte oder die Hand vom Gitter liess, plötzlich um oder sank allmählich in sich zusammen und auf den Boden herab. Am Tage nach der Operation konnte unter denselben Umständen der Affe schon länger in der Sitzstellung sich halten. Auch stellte er sich am Gitter, die Stäbe hoch oben mit den Händen umfassend, auf den Beinen auf oder kletterte an den Stäben auf- und abwärts, gewöhnlich mit Kopf und Rumpf stark schwankend und mit dem Kopfe an das Gitter schlagend. Öfters, war er so em- porgeklettert, trat er vom Gitter auf die Querstange des Käfigs über, bewegte sich auf ihr verschiedentlich und kletterte wieder am Gitter herunter oder legte sich auf die Stange und liess sich von ihr herab, mit den Händen sich an der Stange haltend, bis die Füsse auf dem Boden waren. Dass er nach Affenart vom Boden auf die Stange und umgekehrt sprang, kam nicht vor. Auf den Fussboden des Zimmers gelegt, brachte er sich sofort auf die Extremitäten und be- gann zu gehen; und er ging höchst ungeschickt, halbhoch oder — vorn und hinten oder nur vorn — hoch den Rumpf tragend, die Extremitäten in abnormer Reihenfolge und mit abnormen Pausen vor- bewegend und mannigfach verschieden aufsetzend, bei jedem Schritte umfallend und sich sogleich wieder erhebend, bis er die Zimmerecke oder die Rückseite der Käfige, wo er sich sicher glauben konnte, er- reicht hatte und sich in Brustbauchlage niederliess. War er vorher an einen Tischfuss oder ein Gitter gelangt, so fasste er an und stellte sich auf, kletterte auch zuweilen, ging jedoch bald gleichfalls zur Brustbauchlage am Boden über. Der Affe konnte bei solchem Gehen ein paar Meter zurücklegen; aber bei so langem Wege unterbrach er mehrmals das Gehen, indem er, nachdem er gefallen, für kurze Zeit in Brustbauchlage blieb, und war er schliesslich sehr erschöpft: seine Bedrohung hatte jetzt zunächst nicht mehr zur Folge, als dass er sich erhob, ein paar Beine setzte und umgesunken liegen blieb, und führte erst nach längerer Zeit ein neues Gehen herbei. An den fol- genden Tagen gewannen die Bewegungen des Affen an Grösse und Geschwindigkeit. Aus dem ungeschickten Gehen wurde ein unge- schicktes, schwankendes, hüpfendes oder sprungweises Laufen, wobei der Affe, nachdem er die Beine nach vorn gebracht hatte, für einen Moment zum Sitzen kam, ehe er die Arme vorstreckte; und das Um- fallen und das Pausiren in Brustbauchlage wurden seltener, wenn sie auch immer noch häufig erfolgten. Gerieth der Affe bei seinem Laufen an die Wand, den Schrank, den Käfig, so blieb er angelehnt längere Zeit sitzen, bis ihn eine Bewegung, die er machte, umfallen liess. Aus solehem Sitzen, aber auch inmitten des Laufens, versuchte er zuweilen mit einem mächtigen Hochsprunge auf den Schrank, den Sitzungsberichte 1906. 44 456 Sitzung d. phys.-math. Classe v. 26. April 1906. — Mitth. a. d. Jahren 1904/5. Stuhl, das Fensterbrett zu kommen, aber obwohl er hoch genug sprang, erreichte er nie sein Ziel und stürzte davor oder daneben zu Boden. Etwa ıo Tage nach der Operation wurde der Affe, der bis dahin nie von selber aus der Lage am Boden sich erhoben hatte, frei im Käfig sitzend gefunden, auf einen oder beide Arme gestützt, und fortan verblieb er in der Sitzstellung, in der er bald auch jeder Unterstützung seitens der Arme entbehren konnte. Allerdings schwankte er manch- mal vorübergehend hin und her; und gelegentlich fiel er auch um, zuerst öfter, dann seltener, aber jedesmal kehrte er sogleich vom Boden in die Sitzstellung zurück. Er liess sich auch auf den Boden herab, um Milch aus dem Napfe dort zu trinken, aber nachdem er getrunken hatte, war er alsbald wieder in der Sitzstellung. Nur wenn er durch das Laufen im Zimmer übermüdet in den Käfig zurückgesetzt war, behielt er längere Zeit die Brustbauchlage bei, ehe er sich aufsetzte. Und ähnlich wie in seiner früheren Lage am Boden, war sein Ver- halten in der neuen Sitzstellung: sich selbst überlassen, bewegte er öfters den Kopf und die Extremitäten, hin und wieder den Rumpf, verschob sich auch auf seinem Platze ein wenig, aber grössere Be- wegungen machte er nicht; und nur wenn er sich bedroht sah und so lange er in Angst war, stellte er sich am Gitter auf, kletterte er u. s.w. Um dieselbe Zeit, wie im Käfig, trat beim Gehen und Laufen im Zimmer als Ruhestellung an die Stelle der Brustbauchlage die Sitz- stellung: in den kurzen Pausen, die er während eines längeren Weges machte, wie zum Schlusse des Gehens blieb jetzt der Affe frei sitzen. Fiel er um, so setzte er sich sogleich wieder auf; aber ohne Noth machte er noch keinen Schritt. Selbst die Lieblingsspeise am Boden in etwas grösserer Entfernung, als dass er sie mit der Hand erreichen konnte, vermochte ihn vorerst nicht zum Gehen zu verlocken; es geschah dann nur, dass der Affe sich in Brustbauchlage niederliess, sich soweit als nur möglich streckte und auch mit den Beinen etwas vorwärts schob, um das Stück zu gewinnen. Doch schon an einem der nächsten Tage bewog ihn die Mohrrübe, einen oder ein paar Schritte zu gehen; immerhin prägte sich, wie schwer ihm das Gehen wurde, darin aus, dass er nicht an das Stück heranging, bis er es bequem mit der Hand fassen konnte, sondern, sobald er einigermaassen in die Nähe ge- kommen war, sich wieder niederliess, sich aufs äusserste streckte und den Arm reckte, bis er das Stück knapp mit der Hand erreichte. Waren etwa ı5 Tage seit der Operation verflossen, so holte sich der Affe mit schwankendem Gange, ohne zu pausiren, die Mohrrüben- stücke schon aus 2—3 Meter Abstand, und jetzt kam es auch ge- legentlich einmal vor, dass er einige Schritte ohne erkennbaren äusseren Anlass ging. Munk: Über die Functionen des Kleinhirns. 457 Der in der Morphium-Aether-Narkose operirte Hund verblieb, wenn er nicht gestört wurde, am Tage nach der Operation schlaff auf der Seite liegend in ruhigem Schlafe oder machte nach Ablauf der Aethernarkose zeitweilig unter Wimmern kurze Bewegungen derart, dass der Kopf nach dem Nacken zurückging und die Beine sich streck- ten, zuweilen auch die Hinterbeine wie beim Gehen abwechselnd sich beugten und streekten. Äusserst selten geschah es, dass er auch in den Pausen zwischen diesen Bewegungen einmal den Kopf hob und drehte oder ein Vorder- oder Hinterbein beugte und streckte. Am nächsten Tage aber, wenn auch die Morphiumnarkose sich verloren hatte, machte er regelmässig, manchmal unter Winseln und Schreien, Versuche, sich aus der Seitenlage zu bringen und zu erheben, spär- liche oder häufigere, doch auch im letzteren Falle nicht gerade zahl- reiche, dabei in unregelmässigem Wechsel schwache und kräftige Ver- suche, die alle erfolglos waren. Und diese Versuche setzte er durch die folgenden Tage mit längeren, oft viele Stunden langen Pausen fort. Es war alles ebenso, wenn er auf der rechten Seite lag, wie wenn er sich in der linken Seitenlage befand, nur dass in der Richtung der Bewegungen immer rechts mit links und links mit rechts ver- tauscht waren; und wir wollen ihn in der linken Seitenlage annehmen, um seine Bewegungen zu übersehen. Die Regel war, dass er den Kopf hoch nach rechts und mehr oder weniger weit nach hinten nahm und danach Rumpf und Beine in Bewegung setzte. Entweder hob er auf den schief nach vorn gestellten Vorderbeinen die Brust empor und zog schliesslich, mit oder ohne Drehung des Beckens rechtsherum, die Hinterbeine unter den Bauch; oder, was selten geschah, er brachte zuerst die Hinterbeine unter den Bauch und suchte zuletzt sich vorn aufzustellen. Immer schlug er dann bei der letzten Bein-Bewegung um und fiel entweder in die linke Seitenlage zurück oder, rechtsherum rollend, in die rechte Seitenlage über oder hin und wieder auch, wenn er sich vorn ansehnlich hoch erhoben hatte, rücklings hintenüber in die eine oder die andere Seitenlage. Wo er ausnahmsweise den Kopf am Boden liess oder nur wenig hob, war es das Häufigste, dass er bei etwas nach vorn verstellten Vorderbeinen oder an den Bauch ge- zogenen Hinterbeinen, mit den Beinen strampelnd, sich im Kreise um die linke Beckenseite ein Stück rückwärts am Boden verschob. An- derenfalls drehte er den Kopf etwas nach links, brachte die Vorder- beine nach vorn, zog, unter Drehung des Beckens rechtsherum, die Hinterbeine unter den Bauch und fiel sogleich, rechtsherum rollend, in die rechte Seitenlage über. Neben alledem kam es vereinzelt vor, besonders am Tage nach der Operation, dass er zuerst den Kopf etwas nach rechts drehte, dann den Rumpf etwas linksherum drehte, so 44* 458 Sitzung d. phys.-math. Classe v. 26. April 1906. — Mitth. a. d. Jahren 1904/5. dass der Bauch mehr oder weniger nach oben sah, und mit den Beinen in der Luft strampelnd, linksherum in die rechte Seitenlage rollte. Erst 1'/,—2 Wochen nach der Operation kam der Hund dahin, dass er sich für die Dauer in der normalen Brustbauch- oder Brust- beckenlage, nur zeitweise etwas hin und her schwankend, behaupten und von ihr aus weitere Versuche unternehmen konnte. Aufregungen des Hundes verfrühten nicht merklich den Termin, wenn auch, so- bald der Hund in Angst oder Zorn gerieth — was in den ersten Tagen nach der Operation schon Anfassen, zuweilen schon das blosse Beobachten des Hundes, später bei der Zahmheit des Thieres erst Kneipen des Schwanzes u. dergl. herbeiführten —, jedesmal die Be- wegungen rascher und grösser waren und manchmal mehrere Be- wegungen gleicher oder ungleicher Art sich eng an einander reihten. Fortan aber beschleunigten Aufregungen und Anregungen sichtlich den Fortschritt. Zunächst allerdings schlug der Hund, kaum dass er sich auf die Beine gestellt hatte, um. Nur wenn er sich so erhob, dass er sich mit einer Rumpfseite an die Wand, den Schrank u. dergl. lehnte, konnte er eine Weile stehen oder sitzen, bis eine Bewegung, die er machte, ihn umfallen liess. Aber bald verband er unmittelbar mit der Hebung die Vorwärtsbewegung des Rumpfes; und nachdem er einigemal auf den Dorsalseiten der Vorderfüsse oder auf den Vorder- armen gerutscht war, machte er mit Vorder- und Hinterbeinen einen ersten ungeschickten Schritt. Er fiel sogleich um und verharrte lange in der Brustbauch- oder Brustbeckenlage. Doch liess er sich durch zerstreute Fleischstücke am Boden zu immer neuen Schritten bewegen, wofern er die Stücke nicht auf die Weise erreichen konnte, die er bevorzugte, dass er sich auf dem Boden lang ausstreckte und reckte und nöthigenfalls noch mit den Hinterbeinen vorwärtsschob. Und mit der Zeit beschleunigten sich die Schritte, die auch hüpfend oder sprungartig sich gestalteten, und schlossen sie sich mehr an einander, so dass es weniger oft zum Umfallen kam; zugleich wurden die Pausen, die mit dem Umfallen verknüpft waren, immer kürzer, bis nur noch nach einer Anzahl von Schritten der Hund einige Zeit liegen bleiben musste, ehe er wieder zu gehen imstande war. Wenn 3—4 Wochen seit der Operation verflossen waren, konnte der Hund rasch 2—3 Meter nach dem Fleischstücke oder nach dem gewohnten Ruheplatze gehen, schwankend und wiederholt umfallend —- allermeist zur Seite, hin und wieder kopf- oder hintenüber —, aber sofort sich wieder auf- richtend, mit Abnormitäten in der Haltung des Rumpfes wie im Vor- bewegen und Aufsetzen der Beine. Des weiteren besserten sich Gehen und Laufen, gleichmässig beim Hunde und beim Affen, indem es immer seltener zu einem wirk- Munk: Über die Functionen des Kleinhirns. 459 lichen Umfallen kam. Die Thiere fielen wohl noch nach rechts und nach links über, aber sie schlugen dabei zunächst nicht mehr regel- mässig in die Seitenlage um, sondern berührten meist nur für einen Moment mit der Schulter oder dem Becken den Boden, ehe sie sich erhoben, und später erreichte der fallende Rumpf sogar meist gar nicht mehr den Boden, sondern kehrte schon, wenn er sich diesem mehr oder weniger genähert hatte, in die Höhe zurück. Der anfängliche schwankende Gang mit häufigem Umfallen wandelte sich so in einen torkelnden oder taumelnden Gang mit seltenem Umfallen um, der dem des Betrunkenen ähnelte. Zu gleicher Zeit nahmen die Ruhe- pausen, die bei einem längeren Wege der Hund in der Brustbauch- lage, der Affe in der Sitzstellung machte, mehr und mehr an Zahl und Dauer ab. Auch setzten sich die Thiere öfter in Bewegung und bewegten sich ungezwungener. Die Hunde suchten einander auf, um zu spielen, und gingen beriechend und beleckend der eine um den anderen herum. Sie stellten sich in und an den hohen Kisten, die ihnen als Lager dienten, mit einem Ruck hoch auf den gestreckten Hinterbeinen auf, legten die Vorderbeine auf den Rand der Kiste und warfen sich heraus oder hinein; war einem Hunde die Kiste zu hoch, so kletterte er noch oder strampelte er sich mit den Beinen empor, bis er sich hinüberwerfen konnte. Die Affen liefen zu den Käfigen der Genossen, um sitzend oder am Gitter hängend sich krauen zu lassen, und veränderten viel ihre Stellung, drehten und wanden sich, gerade wie es noth that, um immer neue Stellen ihres Pelzes unter die reinigenden Hände zu bringen. Und dergleichen mehr. Aber die Besserung, die in der ersten Woche rasch fortschritt, verlangsamte sich auch rasch in den nächsten Wochen und war beim Affen etwa 5 Wochen, beim Hunde 7— 10 Wochen nach der Operation im wesent- lichen abgeschlossen. Die Thiere blieben, auch wenn sie noch viele Monate länger lebten, mit unversehrten verglichen, weniger beweglich: nicht nur nahmen sie seltener Ortsveränderungen vor, sondern sie be- wegten auch in der Ruhestellung, der Affe im Sitzen, der Hund in der Brustbauch- oder Brustbeckenlage, mit Ausnahme des Kopfes weniger die Körpertheile. Gelegentlich schwankten sie in der Ruhe- stellung hin und her, und es kam sogar vor, dass der Affe aus dem Sitzen zu Boden fiel. Zum freien Stehen kam es beim Affen nicht, da er sich immer sogleich setzte, und beim Hunde nur in sel- tenen Fällen, wenn gerade alle seine Beine in starker Abduction auf dem Boden standen, aber dann auch meist nur für kurze Zeit, indem das drohende Fallen ihn zum Gehen antrieb: mit einer Seite des Rumpfes gegen die Wand, den Schrank gelehnt, könnte der Hund länger stehen und sitzen, doch kam er früher oder später ins Schwanken 460 Sitzung d. phys.-math. Classe v. 26. April 1906. — Mitth. a. d. Jahren 1904/5. und setzte sich in Bewegung. Der Gang der Thiere blieb taumelnd und in der Haltung des Rumpfes wie in der Bewegung der Beine ungeschickt und unregelmässig. In raschem Gehen oder Laufen konnten die Thiere ununterbrochen mehrere Zimmer durchmessen, aber ge- wöhnlich nahmen sie schon nach kürzeren Wegen, wenigstens für eine Weile, wieder die Ruhestellung ein — der Hund, indem er sich in die Brustbauchlage nicht niederlegte, sondern niederfallen liess —, oder fielen sie sogar, der Hund häufiger als der Affe, um. Unter passender Anregung liessen sie sich durch 10—15 Minuten mit kurzen Ruhe- pausen im Gange erhalten, aber je später, je mehr taumelten sie, und desto häufiger fielen sie um, und schliesslich waren sie erschöpft. Liefen sie in Aufregung sehr rasch, so stellten sich das häufige Um- fallen und die Erschöpfung schon früher ein. Das Umfallen erfolgte gerade so, wie von Anfang an, allermeist zur Seite, manchmal hinten- über, hin und wieder vornüber, und oft schlugen die Thiere heftig auf den Boden auf; fielen sie so zur Seite, z.B. nach links um, dass sie über die linke Seitenlage hinaus einigermaassen auf dem Rücken zu liegen kamen, die Beine schief nach oben in der Luft, so brachten sie sich meist durch Rollung rechtsherum in die linke Seitenlage, zu- weilen aber auch durch Rollung linksherum in die rechte Seitenlage, ehe sie sich erhoben. Waren den Hunden die Augen verbunden und hatten sie sich über den Verband beruhigt, so war ihr Verhalten nicht weiter verändert, als dass sie langsamer gingen und nicht lange dieselbe Richtung einhielten, sondern in Bögen rechtsum und linksum sich bewegten. Liess man die frei im Zimmer gehaltenen Hunde längere Zeit im engen Käfig verbleiben, in dem sie so gut wie immer lagen, so war ihr Gang danach zunächst schlechter als zuvor, unge- schiekter und stärker taumelnd, und besserte sich wieder mit der Zeit. 4. Die Störungen, die sich an den kleinhirnlosen Thieren fanden, sind damit nicht erschöpfend dargelegt, es wird vielmehr in der Folge noch vielerlei beizubringen sein, aber mit dem geschilderten Verhalten der Thiere ist eine passende Grundlage für die weitere Untersuchung und Betrachtung gewonnen. Seitdem MaAsennıE die Säugethiere nach Verstümmelungen des Kleinhirns sich überschlagen, rollen u. s.w. sah, sind den Physiologen »Zwangsbewegungen« und Kleinhirn in der Vorstellung eng verbunden geblieben; und auf den Zwangsbewegungen, die wegen des baldigen Todes der Thiere allein zur Beobachtung gekommen waren, haben sich sogar Theorien der Function des Kleinhirns aufgebaut. Dem ent- m - Munk: Über die Functionen des Kleinhirns. 461 gegen hat die Lucıant'sche Untersuchung an langlebigen Hunden und Affen den Zwangsbewegungen für die Erkenntniss der Kleinhirnfunetion erst die zweite Stelle hinter den Erscheinungen, die nach ihrem Ab- laufe sich darbieten, zugewiesen. In diesen späteren Erscheinungen erkannte Hr. Lvcranı' die wahren Ausfallserscheinungen, d.h. die Er- scheinungen, die den Defeet oder Ausfall der Kleinhirnfunetion zum Ausdruck bringen, — in Verbindung mit bald hinzutretenden com- pensatorischen Erscheinungen infolge einer organischen Compensation seitens der unversehrt gebliebenen Kleinhirntheile, bestehend in einer allmählichen Abschwächung der Ausfallserscheinungen, oder infolge einer funetionellen Compensation seitens anderer Gehirncentren, be- stehend in abnormen, den Ausfallserscheinungen begegnenden und sie theilweise ausgleichenden Bewegungen. Und in den Erscheinungen, die in der ersten kurzen Zeit nach der Verstümmelung den Ausfalls- erscheinungen vorausgehen, sah er Reizerscheinungen, d.h. Erschei- nungen, in denen die Kleinhirnfunction gesteigert zum Ausdruck kommt infolge der Reizung des Kleinhirnstieles durch den operativen Angriff und die demnächstige Entzündung. Mit Hrn. Lucıant’s Bewerthung der späteren Erscheinungen stimm- ten die nachfolgenden Untersucher überein. Aber mit guten Gründen, schon mit der langen Dauer der Zwangsbewegungen, bestritten Hr. FERRIER’, Hr. Tuomas und Hr. Lewannpowsky, dass es sich bei diesen Erscheinungen um die Folgen einer Reizung handele, und Hr. Lucrası erkannte auch den Widerspruch soweit als berechtigt an, dass er seine »Reizerscheinungen« neuerdings nach Hrn. Frrrıer’s Vorschlag mehr objeetiv als »dynamische Erscheinungen« bezeichnete. In welcher Art diese Erscheinungen zustande kommen, darüber hat Hr. Frrrıer eine Erklärung zu geben nicht versuchen mögen. Hr. Tuomas” hat sie kurzer Hand gerade so wie das Fallen und Schwanken dem Ausfall der In- nervation seitens des das Gleichgewicht erhaltenden Centrums, als das er das Kleinhirn ansieht, zugeschrieben. Hr. Lewanpowsky' hat sie gleichfalls als Ausfallserscheinungen angesprochen, aber die Tmomas- sche Auffassung unzureichend und unverständlich gefunden; er hat die Zwangsbewegungen als einen Symptomencomplex eigener Ordnung, den er beim Affen zum Schwindel in Beziehung brachte, von den übrigen Erscheinungen nach Kleinhirnverletzungen abgetrennt und bei seiner Theorie der Kleinhirnfunction nicht weiter berücksichtigt. End- lich hat Hr. Lucranı’ nach Erwägung von allem Vorgebrachten den Schwindel als Ursache der Zwangsbewegungen und überhaupt der dy- ı Cerv.17, 166. — Klh. 281, 284. 2 Brain, 17. 1894. 7. DATA O0: 325—06. * A.a. 0. 145—8, 151—4. 5 Klh. 287—9. (Vgl. Cerv. 176—8.) 462 Sitzung d. phys.-math. Classe v. 26. April 1906. — Mitth. a. d. Jahren 1904/5. namischen Erscheinungen hingestellt und damit geschlossen, dass die Entstehung der dynamischen Erscheinungen noch in ein Geheimniss gehüllt sei, und dass es sehr zweifelhaft sei, bis zu welchem Grade sie von dem Reizzustande oder von der Lähmung der Faserbündel der Kleinhirnstiele abhängen. Die Schwierigkeiten, welche die Zwangsbewegungen so lange be- reitet haben, hat man sich aber selber geschaffen, indem man die Zwangsbewegungen unmittelbar von den Verstümmelungen abhängig sein liess. Nach Hrn. Lucrast' sind die dynamischen Erscheinungen nach der Totalexstirpation des Kleinhirns: Erregung, Unruhe und Schreien des Thieres; Opisthotonus, d.h. Krümmung der Wirbelsäule, beson- ders des Halses und des Kopfes nach rückwärts; beim Hunde toni- sche Streckung, beim Affen tonische Beugung der beiden vorderen Extremitäten mit abwechselnden klonischen Bewegungen der hinteren Gliedmaassen; beiderseitige Convergenz der Augäpfel; Neigung rück- wärts zu gehen, zu fallen und nach hinten zu stürzen. Und diese Erscheinungen verschwinden nach und nach, beim Hunde im Mittel in 8—ıo Tagen, beim Affen, bei dem sie auch von geringerer In- tensität sind, in noch kürzerer Zeit. Aber diese Angaben bedürfen der Berichtigung. Nur Thiere, bei denen sich schon anderweitig zu erkennen giebt, dass Nachbarorgane des Kleinhirns geschädigt sind, zeigen eine Störung in der Stellung und Bewegung der Augen, wie denn auch die HH. Ferrrer und Turner” und Hr. Russen” bei ihren Affen weder Strabismus noch Nystagmus gesehen haben und Hr. Lucrant selber nur manchmal’ die Convergenz beobachtet hat. Ferner stellt sich, wie bereits Hr. Frrrıier hervorhob, tonische Beugung der Arme beim Affen nicht ein; es ist mir überhaupt bei allen meinen mannig- faltigen Kleinhirn-Versuchen an Affen nur ein einziges Mal, wo nach beiderseitiger Verstümmelung Brechbewegungen anzeigten, dass Neben- verletzungen stattgehabt hatten, eine tonische Beugung des einen Armes für etwa 4 Stunde Dauer unmittelbar nach der Operation vorgekommen. Ebenso wenig findet sich der Opisthotonus beim Affen. Und Erre- gung, Unruhe und — beim Hunde — Schreien treten an den Thieren, wenn man sie nicht stört und reizt, lediglich in einer ersten, kürzeren oder längeren Zeit bei und nach ihrem Erwachen aus der Narkose auf, wenn sie sich zu erheben suchen, und nicht anders als bei solchen Thieren, die infolge einer ganz andersartigen Verstümmelung ihres Centralnervensystems ebenso vergebens sich bemühen, aus ihrer un- natürlichen Seitenlage herauszukommen; später verhalten sich unsere ! Klh. 283—4. — Cerv. 168, 170. 2A a ON Tan, 722% SIR BOB HT: %* Cerv.168. Munk: Über die Functionen des Kleinhirns. 463 Thiere sogar auffallend ruhig. Zu den dynamischen Erscheinungen, die danach übrig bleiben, dem ÖOpisthotonus und der tonischen Streckung der Vorderbeine beim Hunde, der Neigung rückwärts zu gehen, zu fallen und nach hinten zu stürzen beim Hunde und beim Affen, tritt dann aber noch das Rollen hinzu. Dass für den Fall der Totalexstirpation Hr. Lucranı das Rollen nicht vermerkt, Hr. Russerr' sogar sein Fehlen betont hat, ist selbst bei der kleinen Zahl ihrer Versuche nur verständlich, wenn sie unter dem Rollen des Thieres bloss eine solehe Drehung um seine Längsachse verstanden, bei wel- cher der Bauch nach oben kam; denn so ist es allerdings nur selten beim Hunde und noch seltener beim Affen zu sehen, wenn man nicht die Thiere in den ersten Tagen nach der Operation reizt. Doch kommt das Rollen eben auch in dieser Weise vor und nur häufiger in der anderen, bei welcher der Rücken des Thieres oben bleibt, wie meine Schilderung zeigt; und es kann dem Verdachte, die Folge asymmetrischer Exstirpation zu sein, bei meinen Erfahrungen nicht bloss wegen der Vollkommenheit der Exstirpation, sondern auch des- halb nicht unterliegen, weil es bei demselben Thiere ebensowohl rechts- herum wie linksherum erfolgte. An sieh können nun wohl Rollen, Hintenüberstürzen, Rückwärts- gehen und tonisches Strecken von Wirbelsäule und Vorderextremitäten, die nach einer Schädigung des Centralnervensystems auftreten, den Eindruek von abnormen Bewegungen machen, die den gegebenen Fall charakterisiren; und unter diesem Eindrucke hat man sich bisher mit den »Zwangsbewegungen« befasst und sie ihrer Eigenart entsprechende Reizungen oder Lähmungen anzeigen oder auch auf Schwindel und besondere Triebe hinweisen lassen. Aber in ihrem wahren Werthe geben sich die Zwangsbewegungen erst in Verbindung mit den ande- ren Abnormitäten zu erkennen, und deshalb habe ich oben für unse- ren Fall die genauere Schilderung der Vorgänge gegeben. Da sieht man das Thier, wenn es aus der Narkose erwacht, naturgemäss ver- suchen, aufzustehen und zu gehen oder wenigstens aus der unerträg- lichen Seitenlage in die gewohnte Ruhestellung überzugehen; und da ihm dies nicht alsbald gelingt, kann es nicht mehr im Vollbesitze der zweckmässigen Mittel sein, die es vorher dafür besass. Im Bestreben, doch sein Ziel zu erreichen, verwendet nun das Thier in mannig- faltiger Weise ausser dem Reste der zweckmässigen auch andere mehr oder weniger unzweckmässige und überhaupt alle Mittel, die ihm noch zu Gebote stehen: und so stellen sich vielerlei ungeschickte und un- gewöhnliche Bewegungen ein, unter ihnen im bunten Wechsel und ı A.a. O. S. 860, 852. 464 Sitzung d. phys.-math. Classe v. 26. April 1906. — Mitth. a. d. Jahren 1904/5. ohne engeren Zusammenhang mit einander die Zwangsbewegungen. Nur mittelbare Folgen der Verstümmelung sind also die Zwangs- bewegungen, und so wenig bringen sie an sich die vorliegenden Störungen zum Ausdruck, dass sie vielmehr gerade umgekehrt an- zeigen, was ungestört geblieben ist. Nehmen wir die auffälligste unter den Zwangsbewegungen, das Rollen. Ich gab oben S. 451 für das Operiren vor, dass beim Empor- heben des hinteren Theiles des Wurms beiderseits der Rest des Klein- hirnstieles etwas schief nach aussen oben zu durchschneiden ist. Ver- fährt man nicht demgemäss und führt man die Schnitte horizontal, so missglückt der Versuch, weil man die seitlichen Theile der Me- dulla oblongata oberflächlich verletzt; und man erhält Thiere, die sich von den beschriebenen wesentlich dadurch unterscheiden, dass sie nach der Verstümmelung gar nicht mehr oder nur wenig und schlecht sich vom Boden zu erheben und erst recht nicht sich auf den Beinen zu erhalten vermögen.‘ Zeitlebens — ich habe es beim Affen durch mehr als 4 Wochen beobachten können — drehen sich diese Thiere, am Boden liegend, wenn sie sich in eine andere Lage, aus der Seitenlage in die Brustbauchlage oder in die andere Seitenlage, bringen wollen oder wenn sie sich fortbewegen wollen und nicht durch Stram- peln mit den Extremitäten sich am Boden verschieben, im Bogen, im Halbkreise, im Kreise oder mehrmals nach einander im Kreise um ihre Längsachse, einmal rechtsherum, ein andermal linksherum. Will man, so kann man von den Thieren zur Schilderung ihres Ver- haltens sagen, dass sie Zwang oder Neigung zum Rollen zeigen. Aber falsch wäre es, zu meinen, dass ein Zwang oder eine Neigung zum Rollen wirklich die unmittelbar durch den Eingriff gesetzte Störung sei, dass eine Reizung von Vorrichtungen, die in der Norm das Rollen veranlassen, oder eine Lähmung von Vorrichtungen, die in der Norm dem Rollen entgegentreten, oder auch abnorme centrale Vorgänge, wie Schwindel, bestehen. Denn was man ohne weiteres sieht, dass die Fähigkeit, sich am Boden zu verschieben und zu rollen, erhalten, die Fähigkeit zu stehen, zu sitzen, zu gehen und überhaupt zu allen anderen Gesammtkörperbewegungen aufgehoben ist, macht es auch so- gleich verständlich, dass die Thiere in ihrem Drange, sich zu be- wegen, oftmals rollen; und deshalb ist nicht in Beziehung zum Rollen, sondern ausser jeder solehen Beziehung im Verluste der Fähigkeit zu stehen, zu gehen u.s. w. das Wesen der Abnormität der Thiere zu ı Eigens darauf gerichtete Versuche haben mir die Verletzung nicht der Cor- pora restiformia, sondern der Derrers’schen (und Beenrerew’schen) Kerne hier von Bedeutung erscheinen lassen; doch wird erst die mikroskopische Untersuchung der Präparate einen zuverlässigen Aufschluss gewähren können. vo Munk: Über die Functionen des Kleinhirns. 465 erkennen. Ebenso aber, wie diese Thiere zeitlebens, verhalten sich unsere Thiere, bei denen die Totalexstirpation fehlerlos durchgeführt ist, in der ersten, beim Hunde längeren, beim Affen kürzeren Zeit nach der Exstirpation. Sie können zunächst gar nicht oder nur schwer vom Boden sich erheben, und sie rollen‘, einmal rechtsherum, ein andermal linksherum, wenn sie sich bewegen wollen; regt man sie stark auf, den Affen noch am Tage der Operation, den Hund in den ersten 2—3 Tagen, so kann man sie mehrmals nach einander im Kreise um ihre Längsachse sich drehen sehen.‘ Und in dem Maasse wie die Thiere mit der Zeit sich immer mehr und besser aufzurichten vermögen, tritt immer seltener bei ihnen das Rollen auf. Wir werden später (Kap. 9) sehen, wie auch das Rollen in immer derselben Rich- tung nach halbseitiger Exstirpation des Kleinhirns die Richtigkeit der Auffassung verbürgt. Dasselbe, was vom Rollen, gilt vom Rückwärtsgehen, wie es zuweilen nach der Totalexstirpation zur Beobachtung kommt’: an dem in der Brustbeckenlage oder in der zur Seite geneigten Brust- bauchlage befindlichen Thiere führen die Gehbewegungen der Extre- mitäten durch die Unwirksamkeit der unten liegenden Hinterextre- mität und durch die Richtung, in der die anderen Extremitäten mit ihrer Streckung den Rumpf fortstossen, eine Verschiebung des Thieres rückwärts im Kreise um die nach unten sehende Beckenseite herbei. Und so erledigt sich auch einfach das Hintenüberstürzen’, da es wiederum sichtlich auf der Unfähigkeit des Thieres, sich normal auf- zurichten, beruht: indem durch die Verschiebung der Vorderextremi- täten nach vorn und ihre Streckung der Vorderkörper in der Rich- tung nach oben und hinten geführt wird und der Hinterkörper den Schwerpunkt nicht nur nicht durch Erheben vom Boden wieder nach vorn zurückbringt, sondern sogar noch dadurch, dass die in allen Gelenken gebeugten Hinterbeine vorbewegt und unter den Bauch ge- bracht werden, selber nach hinten verlagert, muss das Thier nach hinten umschlagen. Nur die Streckung von Wirbelsäule und Extremitäten beim Hunde verlangt noch eine besondere Betrachtung. Normale Affen und Hunde, die plötzlich in Zorn gerathen, oder die erschrecken und nicht sogleich ihr Heil in der Flucht suchen, werfen den Kopf nach dem Nacken zurück und steifen Rücken und Extremitäten; sassen oder lagen sie, so nehmen sie die Haltung an, nachdem sie sich blitzschnell auf die Beine gestellt haben. Dieses ! Die derart aufgeregten Thiere sind ohne Ausnahme in den nächsten 2 Tagen zugrunde gegangen, und sie sind deshalb bei der Schilderung S. 453 nicht mit berück- sichtigt. 2 S. oben S. 457. 3 S. oben S.454 u. 457- 466 Sitzung d. phys.-math. Classe v. 26. April 1906. — Mitth. a. d. Jahren 1904/5. auch dem Menschen eigenthümliche » Auffahren« sieht man gelegent- lich einmal ebenso bei dem kleinhirnlosen Affen: wenn er, wie ich es S.454 beschrieb, erregt sich noch am Tage der Operation auf- stellt, geht zugleich der Kopf nach hinten und wird der Rücken steif. Und nichts anderes als solches Auffahren haben der Opisthotonus und die tonische Streekung der Extremitäten zu bedeuten, die am Hunde nach der Totalexstirpation des Kleinhirns in der nächsten Zeit, nicht wesentlich länger als die Überwindung der Morphiumnarkose dauert, nach Berührungen, Geräuschen und anderen leichten Störungen zur Beobachtung kommen; sie treten nur öfter, als beim normalen Thiere, und in der Seitenlage auf, weil der Hund derzeit einerseits besonders empfindlich gegen Störungen ist, andererseits mit Aufstehbewegungen und Ortsveränderungen noch nicht oder erst auf starke Reizungen zu reagiren vermag. Dass dabei zuweilen die Hinterbeine abwechselnd sich beugen und strecken, dürfte als das erste Anzeichen von Be- wegungen der letzteren Art anzusehen sein. Bewegt der Hund, wie es meist noch im Laufe des zweiten Tages der Fall ist, ganz frei den Kopf, hebt und dreht er ihn nach dem Beobachter, so kommt es nicht mehr zu Opisthotonus, nur noch zu tonischer Streckung der Vorderbeine. Fortan trifft man durch mehrere Tage, bis der Hund die Seiten- lage mit der Brustbauch- oder Brustbeckenlage vertauscht hat, nur selten und vorübergehend das eine oder das andere Vorderbein, noch seltener beide Vorderbeine gebeugt an; gewöhnlich stellen sich die Vorderbeine wie steife Stöcke in rechtem Winkel zum Rumpfe dar, nieht nur von Ansehen, sondern auch, wenn man nachfühlt, durch den grossen und oft nicht zu überwindenden Widerstand, den sie der Beugung in den grossen Gelenken entgegensetzen. Aber genaueres Zu- sehen lehrt, dass die Vorderbeine erst derart gestreckt werden und sich etwas verlängern, wenn der Beobachter herantritt, und nach einiger Zeit unter deutlicher Beugung der Glieder wieder etwas an Länge ab- nehmen, wenn der Beobachter sich ruhig verhält. Berühren des Hundes führt wie jedes sonstige Aufstören von neuem die tonische Streckung der Vorderbeine herbei. Trotzdem kann man, so oft man den Hund, nachdem man ihn eine Zeitlang ruhig beobachtet hat, gewissermaassen mit dem Ergreifen seines Fusses überrascht, sich überzeugen, dass das Vorderbein gewöhnlich in allen Gelenken leicht zu beugen ist, und die Streckung erst unter der Hand sich entwickeln fühlen. Macht der Hund einen Aufstehversuch, so strecken sich regelmässig die Vorder- beine, und steif werden sie zur Hebung des Vorderkörpers in einem Zuge oder strampelnd nach vorn verstellt. Es kann darnach sein, dass überall, wo es sich nicht um ein Auffahren handelt, die tonische — re nn San Mvnk: Über die Functionen des Kleinhirns. 467 Streckung der Vorderbeine mit dem Versuche des Thieres, sich zu erheben, in natürlichem Zusammenhange steht. Jedenfalls aber ist die Stellung, in der die Vorderbeine sich gewöhnlich befinden, wenn sie sich auch als Streckstellung bezeichnen lässt, nicht schon eine tonische Streekung, wofür man sie gehalten hat, d.h. nicht schon eine teta- nische Contraction der Beinmusculatur, — was ja auch durch ihre lange Dauer ausgeschlossen ist. Vielmehr ist sie die Ruhestellung der Vorderbeine an dem in der Seitenlage befindlichen Hunde, nachdem eine tonische Streckung der Vorderbeine ihr Ende gefunden hat, d.h. die Stellung, bei der sich nunmehr die elastischen Spannungen der ruhenden Beuge- und Streckmuskeln das Gleichgewicht halten. Dass die Vorderbeine dann lange in dieser Stellung verharren, findet darin seine Erklärung, dass derzeit nur höchst selten isolirte willkürliche Bewegungen der Vorderbeine vorkommen und die in langen Pausen auftretenden Gemeinschaftsbewegungen der Vorderbeine in der Regel dureh Aufstehversuche veranlasst sind. Wenn der Hund sich aus der Seitenlage bringt, ohne dass er sich zu erheben sucht, so jedesmal wenn er derart rollt, dass der Bauch nach oben kommt, und oft wenn er sich am Boden verschiebt, sieht man die Vorderbeine sich ansehn- lich beugen und strecken. Und ist es einmal in isolirter willkürlicher Bewegung zu einer grösseren Beugung des Vorderbeines gekommen, so sieht man auch das Vorderbein so lange in der Beugung bleiben, bis ein neuer Aufstehversuch von neuem die Streckstellung herbeiführt. Die Erscheinungen, die man als dynamische oder als Zwangs- bewegungen bezeichnet hat, sind also nichts weiter als die natürlichen Folgen der Unfähigkeit des Thieres, sich wie in der Norm aufzu- stellen und zu gehen, ja sogar seine gewohnte Ruhestellung einzu- nehmen, und lediglich diese Unfähigkeit hat für die erste Zeit nach der Totalexstirpation als deren Folge in Betracht zu kommen. Schon innerhalb der Zeit aber erfährt die Unfähigkeit eine Abnahme, 1'/, bis 2 Wochen nach der Exstirpation hält das Thier seine gewohnte Ruhe- stellung ein, und in den folgenden Wochen schreitet die Besserung weiter und weiter fort, bis das Thier mit einer gewissen Unvoll- kommenheit und Ungeschiektheit gehen und laufen und auch, wenig- stens für kurze Zeit, stehen kann. So sehen wir hier dasselbe wieder, das wir so häufig nach dem Fortfall eines Theiles des Centralnerven- systems finden, dass der Verlust, den das Thier durch den Fortfall an seiner normalen Leistungsfähigkeit erlitten hat, durch die ver- mehrte und veränderte Thätigkeit der unversehrt erhaltenen Theile des Systems mit der Zeit immer mehr und soweit als möglich aus- geglichen wird. Wann diese functionelle Compensation, wie sie Hr. Lucranı passend genannt hat, anhebt, ist nicht ausgemacht, jedoch 468 Sitzung d. phys.-math. Classe v. 26. April 1906. — Mitth. a. d. Jahren 1904/5. erscheint es nur naturgemäss und liegt kein Grund dagegen vor, dass sie alsbald nach dem Fortfall einsetzt. Gleichwohl dürfen wir nicht die ganze Besserung, die sich zeigt, der funetionellen Compensation zuschreiben. Denn weiter finden wir sonst nach jeder Exstirpation eines Theiles des Centralnervensystems, dass infolge der Schnitte, die wir zum Zwecke der Abtrennung durch die nervöse Substanz führen, die Nachbarschaft des exstirpirten Theiles und wo wir motorische Bahnen treffen, die vom exstirpirten Theile zu niedereren motorischen Centren ziehen, auch diese Centren zunächst in ihrem Functioniren wesentlich beeinträchtigt sind und nur allmählich in etwa 14 Tagen zur Norm zurückkehren‘: und so wird es auch nach der Totalexstirpation des Kleinhirns sein, da die Kleinhirnstiele durchschnitten werden. Demgemäss bieten sich im Verhalten des Thieres etwa um die Zeit, da das Thier sich wieder in der gewohnten Ruhestellung zu behaupten vermag, die Folgen des Kleinhirnverlustes am reinsten dar, nur wenig erst gemildert durch die functionelle Compensation und kaum mehr getrübt durch die Folgen des operativen Angriffs; in der kurzen Vor- periode treten, je mehr wir uns der Zeit der Exstirpation nähern, desto mehr zurück der Einfluss der Compensation, desto mehr hervor die Folgen des operativen Angriffs; und in der längeren Nachperiode zeigen sich die Folgen des Kleinhirnverlustes, je später, je mehr ge- bessert durch die Compensation. d: Die Schilderung S. 453— 460 lässt alsdann als Folgen des Klein- hirnverlustes das Fallen und Schwanken und das erschwerte und un- geschickte Gehen des Thieres erkennen, die in der Nachperiode, beim Affen — bei dem die Compensation, wie schon Hr. Lucıanı bemerkte, im ganzen rascher erfolgt auch schon in der Vorperiode eine fort- schreitende Besserung erfahren. Und als Folge des operativen An- griffs stellt sich die Unfähigkeit des Thieres dar, die in der Vorperiode sich verliert, die Unfähigkeit, sich aufzustellen und die gewohnte Ruhestellung einzunehmen, allerdings nur soweit, als sie nicht durch die Folgen des Kleinhirnverlustes ihre Erklärung findet. Das Fallen des Thieres auf sein schlechtes Gehen zurückzuführen, geht schon deshalb nicht an, weil der Affe auch aus dem Sitzen um- fällt. Eher könnte umgekehrt das schlechte Gehen vom Fallen ab- zuleiten sein, und wir müssen deshalb zunächst das Fallen und Schwanken ins Auge fassen. ! Vgl. diese Berichte 1892. 694 fl. Munk: Über die Functionen des Kleinhirns. 469 In den ersten Tagen nach der Totalexstirpation schlägt der Affe, wenn er sich in die freie Sitzstellung gebracht hat, sofort um, und wenn er unter Festhalten am Gitter oder Anlehnung an die Wand länger sitzen bleibt, so sind seine Haltung und insbesondere die Stel- lung der Beine öfters nicht die der normalen Sitzstellung. Aber nach- dem 2— 3 Tage vergangen sind, sieht man den Affen, wenn er erregt im Käfig oder beim Gehen zum Sitzen kommt, immer in der nor- malen Sitzstellung, auf beide Arme oder häufiger auf einen Arm ge- stützt, nur manchmal ein wenig nach vorn geneigt, weil die stützenden Arme etwas weiter nach vorn gestellt sind; und er verweilt dann, frei oder mit einer Rücken- oder Flankenpartie leicht angelehnt, lange genug in der Sitzstellung, dass man das Folgende beobachten kann. Gelegentlich neigt er, ohne dass er eine Bewegung macht, langsam mit dem Körper mehr und mehr, doch nur eben deutlich merklich, nach der Seite über, und plötzlich fällt er nach dieser Seite um. Oft dreht er den Kopf wiederholt ein Stück nach rechts und nach links, ohne dass sonst eine Veränderung an ihm sichtbar ist, und dann dreht er einmal den Kopf etwas weiter oder Kopf und Vorderrumpf zugleich zur Seite, und sofort stürzt er nach der Seite zu Boden. Hin und wieder zeigt sich am Kopfe, wenn er ihn dreht, ein schwaches Os- eilliren nach rechts und links; und regelmässig ist dies der Fall, ja das Oseilliren kann noch stärker und zugleich am Rumpfe sichtbar sein, wenn der Affe, sich ängstlich umschauend, die Drehungen des Kopfes in raschem Wechsel vollführt. Ist der Affe nach aufgeregtem Laufen erst jüngst zum Sitzen gekommen, so ist zuweilen auch, ohne dass der Affe eine Bewegung macht, ein deutliches Oseilliren von Kopf und Rumpf nach vorn und hinten und nach rechts und links zu beobachten. In allen diesen Fällen findet, wenn der Affe nicht eher zur Seite umfällt, das Oseilliren bald, meist in noch nicht einer Minute, sein Ende, so dass der Affe danach ganz ruhig sitzt. Geht man auf den schon eine Weile ruhig im Zimmer sitzenden Affen ge- rade von vorn zu, so nimmt der Affe Rumpf und Kopf rasch mehr und mehr, aber im ganzen nur wenig nach hinten und fällt plötzlich hintenüber; nähert man sich dem Affen ebenso von hinten her, und läuft er nicht fort, so neigt er nach kleiner Drehung des Kopfes rasch ebenso ein wenig nach vorn über und fällt plötzlich kopfüber hin. Bei alledem schlägt der Affe zunächst immer wie ein Holzklotz, wie ein lebloser Körper zu Boden. Das ändert sich aber bald früher bald später, spätestens etwa von der Mitte der zweiten Woche nach der Operation an. Wohl fällt der Affe noch ebenso um, aber zunehmend seltener. Er schützt sich oft vor dem Hinstürzen, indem er rasch den Arm auf der Seite der Gefahr vorstreckt und mit der Hand gegen 470 Sitzung d. phys.-math. Classe v. 26. April 1906. — Mitth. a. d. Jahren 1904/5. den Boden stemmt; andermal wirft er, wenn er zu fallen beginnt, den Rumpf rasch nach der entgegengesetzten Richtung, nach vorn, wenn er hintenüber, nach links, wenn er nach rechts zu stürzen droht, u.s.w. Und er beugt sogar bald auch dem Fallen vor, wenn jetzt, wo er während des längeren Sitzens mehr sich bewegt, Kopf und Aftergegend kratzt, Gesicht und Bauch kraut, Kopf und Rumpf stärker hin und her dreht u. s. w., infolge dessen grössere Oseillationen von Kopf und Rumpf auftreten. Er zieht den zweiten Arm zum Stützen heran; er bringt die stützenden Arme, einen nach dem anderen um ein kleines Stück nach hinten verstellend, näher an das Becken und setzt diesen oder jenen Arm oder beide mehr abdueirt auf; er setzt sich geradezu zurecht, indem er die eine oder die andere Beckenhälfte ein wenig verschiebt. So kommt es dahin, dass, nachdem 3 Wochen seit der Operation verflossen sind, der Affe stundenlang sitzt, zeit- weise sogar jeder Unterstützung durch einen Arm entbehrend, und mancherlei Bewegungen im Sitzen macht, ohne dass mehr als ge- legentlich und rasch vorübergehend ein schwaches oder etwas stärkeres Öseilliren von Kopf und Rumpf zu bemerken ist. Ist jedoch der Affe aufgeregt, ist er in Angst versetzt, oder ist er durch vieles Laufen ermüdet, so stellt es sich in der Folge immer noch einmal ein, dass er gerade so, wie zu Anfang, nach einem kleinen all- mählichen Überneigen oder nach stärkerem Oscilliren plötzlich wie ein Klotz nach der Seite oder nach vorn oder nach hinten zu Boden stürzt. Entsprechende Beobachtungen macht man am Hunde. Wenn er in der dritten Woche nach der Operation sich dicht an der Wand so aufstellt, dass er mit seiner, sagen wir, rechten Rumpfseite an die Wand lehnt, kann er minutenlang normal stehen oder, nachdem er den Hinterrumpf zu Boden gesenkt hat, normal sitzen. Aber er neigt einmal, nachdem er bis dahin keinerlei Bewegung gezeigt hat, all- mählich etwas nach links über, und plötzlich fällt er auf die Seite um. Ein andermal nimmt er den Kopf hoch und nach hinten und fällt sogleich hintenüber. Das Häufigste ist, dass er, um sich umzu- schauen, den Kopf nach links dreht, und so lange er ihn so nur mässig hin und her bewegt, wird nur dann und wann ein schwaches Öscilliren des Kopfes bemerklich; aber wenn er ihn einmal weiter nach links dreht, schlägt er plötzlich zur Seite um. Dreht er Kopf und Vorderrumpf zugleich nach links, so osecilliren immer Kopf und Rumpf und kommt es bald zum Sturze. Überall schlägt dabei der Hund wie ein Klotz zu Boden. Im zweiten Monate setzt sich der Hund, der wieder zu gehen vermag, regelmässig mit den Beinen in Bewegung, ehe es zum Fallen kommt. Später kann der Hund lange u _— m Munk: Über die Functionen des Kleinhirns. 47] angelehnt stehen oder sitzen, ohne gefährdet zu sein, da 'er den Kopf immer nur mässig bewegt; höchstens zeigt der Kopf vorübergehend schwache Öseillationen. Entfernt er einmal den Rumpf von der Wand, so schwankt er mit Rumpf und Kopf und bewahrt sich vor dem Fall, indem er den Rumpf gegen die Wand wirft. Auch im Liegen zeigen sich an den Thieren hierhergehörige Er- scheinungen. So lange Affe und Hund zunächst nach der Operation sich in der Seitenlage befinden und später mit Brust und Bauch oder Becken fest dem Boden oder den unterliegenden Extremitäten auf- ruhen, ist, auch wenn das Thier den Kopf lange Zeit hochhält und dreht, nur äusserst selten und rasch vorübergehend ein schwaches Öseilliren des Kopfes zu bemerken. Aber sobald weiterhin das Thier in der Brustbauch- oder Brustbeckenlage die Brust auf den etwas ge- streckten Vorderextremitäten ein wenig abgehoben vom Boden hält, tritt das Oseilliren öfter auf, wenn das Thier den hochgehaltenen Kopf dreht oder eine kleine Lageveränderung durch Bewegung von Rumpf oder Extremitäten vornimmt; und es oseillirt alsdann, bald schwächer bald stärker, nicht bloss der Kopf, sondern meist auch der Vorderrumpf und manchmal der ganze Rumpf. Meist geht auch hier das Öscilliren rasch vorüber; zuweilen aber dauert es länger an und hört erst auf, wenn das Thier den Kopf auf den Boden oder die Vorderextremität auflegt, oder wenn es mit einer kleinen Bewe- gung von Rumpf und Extremitäten sich in eine etwas andere Lage bringt. Und in soleher Weise erhält sich das Oseilliren beim Hunde, der das Liegen als Ruhestellung beibehält, durch seine ganze Lebens- zeit. Wo sich der Hund beim Gehen hat in die Brustbauchlage niederfallen lassen, kann man es unmittelbar danach fast regelmässig sehen und nicht selten auch, dass es sein Ende durch eine kleine Lageveränderung findet. Nehmen wir dazu noch, was wir früher sahen, dass Hund und Affe, wenn sie gehen und laufen, zunächst bei jedem Schritte um- fallen und dann zwar mit der Zeit mehr und mehr das Hinstürzen vermeiden, aber immer schwanken und taumeln, so lehren die Be- obachtungen insgesammt, dass durch den Kleinhirnverlust das Thier, ob es sitzt, liegt, steht, geht oder läuft, in der Fähigkeit, sein Gleich- gewicht zu erhalten, eigenartig geschädigt ist. Gänzlich verloren ist die Fähigkeit nicht, wenn es auch zu Anfang so erscheint; denn sie ist bald wieder vorhanden. Aber sie zeigt sich doch nur in der Weise erhalten, dass, nachdem durch eine schlechte Haltung oder eine Be- wegung des Thieres sein Gleichgewicht soweit gestört ist, dass Fallen eintritt oder droht, neue Bewegungen des Thieres unwillkürlich oder willkürlich zustande kommen, um die schlimme Folge der eingetretenen Sitzungsberichte 1906. 45 3 472 Sitzung d. phys.-math. Classe v. 26. April 1906. — Mitth. a. d. Jahren 1904/5. Störung abzuwenden und das Gleichgewicht wiederherzustellen. Da- gegen bleibt verloren die feinere Art der Gleichgewichtserhaltung, die beim normalen Thiere ausserdem noch besteht und nach den Erfahrungen an uns selber unbewusst sich vollzieht, dass, wie auch das Thier in den Grenzen der Norm sich hält und bewegt, immer zugleich für sein Gleichgewicht Sorge getragen ist, derart dass selbst während der Be- wegung es gar nicht erst zu einer gefährlichen Störung des Gleich- gewichtes kommt und mit dem Abschlusse der Bewegung sogleich wieder das Gleichgewicht besteht. Diese feinere Art der Gleichge- wichtserhaltung beim Sitzen, Liegen, Stehen, Gehen u. s. w. ergiebt sich also als vom Funetioniren des Kleinhirns abhängig, während die andere, gröbere Art der Gleichgewichtserhaltung von anderen Hirn- theilen geleistet wird. Dass die gröbere Art der Gleichgewichtser- haltung nach dem Untergange der feineren Art mit der Zeit immer mehr funetionell compensirend wirkt, entspricht ganz dem, was nach den sonstigen Erfahrungen am Centralnervensystem zu erwarten stand; es darf nur auffallen, dass sie nicht sogleich nach der Exstirpation, sondern erst nach einer gewissen Zeit sich bemerklich macht, obwohl die Hirntheile, auf deren Wirken sie beruht, unversehrt sind. 6. Ich sagte, dass die feinere Art der Gleichgewichtserhaltung beim Sitzen, Stehen, Gehen u. s. w. vom Functioniren des Kleinhirns ab- hängig ist, und nicht, dass sie eine Funetion des Kleinhirns ist. Denn wir stehen vor zwei Möglichkeiten, zwischen denen zu entscheiden ist. Das Kleinhirn kann ein mit jener feineren Art der Gleichgewichts- erhaltung besonders betrauter, dafür in sensibler und motorischer Hin- sicht eigens eingerichteter und die Bewegungen von Wirbelsäule und Extremitäten passend beherrschender Hirntheil sein, so dass wir eine cerebellare Gleichgewichtsregulirung und eine von den anderen Hirn- theilen geleistete accessorische Gleichgewichtsregulirung zu unterschei- den haben. Es kann aber auch sein, dass alle Gleichgewichtserhal- tung eine Function der anderen Hirntheile ist und nur durch den Verlust des Kleinhirns solche allgemeine Störungen der Sensibilität und Motilität des Thieres herbeigeführt werden, dass jene Hirntheile nicht mehr imstande sind, für die feinere Art der Gleichgewichtser- haltung ihre Aufgabe zu erfüllen. Nach den vorliegenden Angaben würde die letztere Möglichkeit zutreffen. Denn nach Hrn. Lvcıanı soll der Kleinhirnverlust die ner- vöse Asthenie, Atonie und Astasie aller willkürlichen Muskeln zur er u EEE Er u rn ne in Er 1‘ GE Munk: Über die Functionen des Kleinhirns. 473 Folge haben'; und nach Hrn. Lewanpowsky” sollen »wir beim Thiere als Folge der Kleinhirnverletzung eine Ataxie jeder willkürlichen Be- wegung sehen« oder Störungen »aller willkürlichen Verrichtungen, welche einer zweckmässigen Abstufung fähig sind«: so dass allgemeine Störungen der Motilität und Sensibilität bestehen würden. Aber den Angaben widerspricht, was wir an den kleinhirnlosen Thieren, wenn sie ruhig liegen oder sitzen, bei der Verfolgung der isolirten willkür- liehen Bewegungen beobachten. Da sehen wir Hund und Affen, nachdem die Narkose abgelaufen ist, normal den Kopf heben und senken und nach rechts und links drehen, normal auch die Augen bewegen. Der Hund spitzt normal die Ohren und wedelt normal mit dem Schwanze. Der Affe fletscht normal die Zähne und lässt normal (als Ausdruck der Freude oder Unterwürfigkeit) Kiefer und Lippen wiederholt auf und ab gehen. Normal beleckt der Hund das nahe dem Munde vorgehaltene Fleisch- stück, fasst es und bringt es nach hinten, um es zu schlucken. Nor- mal fasst und frisst der Affe das in der Nähe seiner Hand liegende Mohrrübenstück: er bringt es mit der Hand an den Mund, beisst ab, entfernt die Hand vom Munde, kaut, führt zu neuem Abbeissen wie- der die Hand an den Mund u. s. w. Ebenso fasst und frisst er nor- mal das Stück gekochten Reises, abbeissend oder mehr mit den Fin- gern den Reis in den Mund stopfend; hat er das Stück verzehrt, so leckt er — immer normal — von der Vola der Hand unter Proniren und Supiniren der Hand und Ab- und Addueiren, wie Beugen und Strecken der Finger die kleben gebliebenen Reiskörner der Reihe nach ab, und sind beim Abbeissen einzelne Reiskörner auf den Boden ge- fallen, so nimmt er sie eines nach dem anderen mit den Fingern auf und bringt sie zum Munde. Nahrung, die nicht sogleich verschluckt, sondern in den Backentaschen verblieben ist, holt er nachträglich nor- mal aus den Taschen heraus, ohne Hülfe der Hand oder indem er mit der Hand auf die Tasche drückt. Schon während der Hund auf der Seite liegt, beugt und streckt er normal oder verlagert er normal nach vorn oder hinten dieses oder jenes einzelne Bein, Vorderbein oder Hinterbein, und zieht er normal mit dem Vorderbein das Fleisch- stück an den Mund heran; später kratzt er auch normal mit Vorder- wie Hinterbein und entfernt normal mit dem Vorderbein den die Augen verschliessenden Verband. Ebenso bewegt und verlagert der Affe nor- mal schon in der Brustbauchlage eine einzelne Extremität; und sobald er sitzt, macht er noch mit diesem oder jenem Arme die normalen ! Siehe oben S. 445. SERFEAOSTSZILTE: 45* 474 Sitzung d. phys.-math. Classe v. 26. April 1906. — Mitth. a. d. Jahren 1904/5. Bewegungen, um Kopf und Aftergegend zu kratzen, Gesicht, Arm, Bein, Bauch zu krauen, die Fingernägel nach dem Kratzen oder Krauen mit den Zähnen zu putzen, Fliegen auf seinem Körper abzufangen. Auch Beugungen und Streckungen, wie Drehungen der Rumpfwirbel- säule vollführt der Affe dann normal, um sich Rücken und Flanken überall von den Genossen krauen zu lassen oder ein am Boden gele- genes Mohrrübenstück erreichen zu können. Nur wenn die Nahrung nicht nahe der Hand des Affen sich be- findet, sondern so weit von ihr entfernt ist, dass der Affe den ganzen Arm ausstreecken muss, um sie zu fassen, tritt beim Greifen eine schon von Hrn. Lucranı, Hrn. FERRIER und Hrn. Lewanpowsky bemerkte Abnormität auf. Der Affe streckt den Arm brüsker oder stürmischer als in der Norm vor und trifft ein kleines Object, z.B. ein Mohr- rübenstück, in der Regel auch nicht gut, sondern kommt mit der Hand daneben an. Ist die Hand zu nahe aufgesetzt, so wird sie rasch vorgeschoben und, wenn das Objeet dabei nicht zu weit fort- gestossen ist, nochmals gehoben und hinter dem Objecte aufgesetzt, und nunmehr wird das Objeet unter Zurückziehen der Hand gefasst; ist die Hand, wie es meist der Fall ist, zu weit nach vorn und, sagen wir, nach links angelangt, so wird das Objeet unter Zurück- ziehen der Hand gefasst, höchstens dass zuvor die Hand nochmals gehoben und etwa ebenso weit nach vorn, aber nach rechts aufge- setzt wird. Recht auffällig am Tage nach der Operation, schwächt sich die Abnormität in den nächsten Wochen so ab, dass für die Dauer nur ein eben erkennbarer Rest verbleibt, gewöhnlich der Art, dass die greifende Hand ein wenig über das kleine Objeet hinaus- geht und beim Zurückgehen es erfasst. Eine grosse Zahl isolirter willkürlicher Bewegungen kommt also wie in der Norm zur Ausführung, und nicht etwa ausnahmsweise einmal, sondern oft und immer wieder sieht man sie sich vollziehen, ohne dass eine Spur von Asthenie, Atonie, Astasie oder von Ataxie an ihnen bemerklich wird. Dabei erstrecken sich die normalen Be- wegungen auf alle Körpertheile, auch auf die Wirbelsäule und die Extremitäten, an denen man noch am ehesten sie nicht zu finden erwarten konnte. Es kann daher von allgemeinen Störungen der Mo- tilität und Sensibilität nicht die Rede sein; und so muss die Ent- scheidung dahin fallen, dass die feinere Art der Gleichgewichtserhal- tung eine Function des Kleinhirns ist. Aber man wird fragen, wie denn der Glaube an allgemeine Störungen der Sensibilität und Motilität hat entstehen können, und ich muss klarlegen, auf welchen Stützen der Glaube sich aufge- baut hat. Zn — 1 000.0: Munk: Über die Funetionen des Kleinhirns. 475 Hr. Lewanpowsky' hat sichtlich auf den Nachweis von Störungen ausser dem Bereiche von Wirbelsäule und Extremitäten Werth gelegt und deren zwei ausfindig gemacht; aber beide lassen sich nicht be- stätigen. Bei einem Hunde, der durch Monate bei der Fütterung mit Schilddrüsentabletten dem Auseinandersperren der Kiefer erheblichen Widerstand entgegengesetzt und seinem Unbehagen lebhaften Aus- druck gegeben hatte, bemerkte er, als er 3 Wochen nach einer mässig ausgedehnten Wurmverletzung die Fütterung wieder aufnahm, einen »ganz frappanten Unterschied« und sah darin die Folge der Atonie der Kiefermuskeln. Indess hat die spätere Willfährigkeit dieses Hundes sicher einen ganz anderen Grund gehabt; denn meine Hunde haben nach der Totalexstirpation ohne Ausnahme dem gewaltsamen Öffnen des Maules gerade so wie in der Norm sich widersetzt. Zweitens fand Hr. Lewanpowsky nach grösseren Verstümmelungen oder Total- exstirpation Störungen in der Stimmgebung: während die Hunde früher über alle Modulationen des Bellens von dem Gekläff der freudi- gen Erwartung bis zum wüthenden Streitruf verfügten, klang jetzt das Bellen eintönig, war explosiv, meist höher als früher, gewöhnlich ein einmaliger Tonstoss, der nur selten wiederholt wurde. Jedoch liegt auch hier nur ein Missgeschick in der Beobachtung vor, leicht daraus erklärlich, dass die Hunde später seltener und weniger ihre Stimme hören liessen, wie man es allgemein bei Hunden findet, die nach grösseren Operationen durch längere Zeit der Beobachtung unter- liegen. Ich habe nach der Totalexstirpation nicht nur bei den Hunden das Bellen in verschiedenen Modulationen, sondern auch bei den Affen all das Knurren, Grunzen, Locken, Rufen, Schreien, wie man es von den normalen Thieren hört, unverändert wiedergefunden. Dass bei der den Schluckakt einleitenden willkürlichen Bewegung die Stö- rungen fehlten, ist Hrn. Lewanpowsky nicht entgangen; auch sind ihm die Störungen der Augenbewegung »auffallend gering« erschienen, — wenn er auch nach Ablauf der Zwangsbewegungen oft eine ge- wisse Unsicherheit des Blickes glaubte feststellen zu können, jeden- falls bestehen, sagt er, keine groben Abnormitäten —. Aber über die Widersprüche, die so seinem Glauben erwuchsen, ist er mit den Be- merkungen hinweggegangen, dass die den Schluckakt einleitende Be- wegung »nicht abstufbar« und die Augenbewegung »ja auch in der That mehr Synergie, als zweckmässig abgestufte Bewegung im Sinne der Extremitätenbewegung ist«, -— Bemerkungen, deren Unrichtigkeit doch handgreiflich ist. ı A.a. 0. 157, 174—5- 476 Sitzung d. phys.-math. Classe v. 26. April 1906. — Mitth. a. d. Jahren 1904/5. Anders war schon vorher bei Hrn. Lucrant' der Glaube entstanden unter der Ausbildung seiner Lehre von der »Astasie«, womit er die abnorme Art, in der die Muskelcontractionen vor sich gehen sollen, und die dadurch veranlassten Erscheinungen bezeichnet hat. Während »die von den Muskeln ausgeführten Bewegungen der Gliedmaassen nor- malerweise allmählich und einheitlich, d.h. ohne Störung der Conti- nuität, ohne Zittern und Schwanken, mit vollständiger Verschmel- zung der Elementarimpulse, aus denen sie sich zusammensetzen, erfolgen«, sei dies nicht mehr der Fall nach der Kleinhirnverstüm- melung. Am liegenden Hunde zeige der Kopf ein leichtes und fast ununterbrochenes Zittern. Stehe der Hund, so sei das Zittern auch über den ganzen Rumpf verbreitet, der in querer oder in schräger oder diagonaler Richtung leicht schwanke. Gehe der Hund langsam, so verstärke sich die Erscheinung, so dass Zögern oder Unsicherheit der Bewegung resultire; in den Bewegungen der Gliedmaassen und der Wirbelsäule beinerke man einen charakteristischen Mangel an Con- tinuität, beziehungsweise an Festigkeit, davon abhängig, dass die Con- traetionen in zitternder Weise erfolgen, wie dies bei unvollkommener Summation der Einzelimpulse auftritt. Beim beschleunigten Gehen verschwinde die Erscheinung. Umgekehrt sei die Erscheinung des Zitterns verstärkt und nehme den Charakter rhythmischer Schwan- kungen an, wenn das T'hier mit grosser Gier fresse. Beim Affen sei die Astasie, die in dem Zittern, dem Zögern, den rhythmischen Schwan- kungen zum Ausdruck komme, noch stärker ausgeprägt. Die Er- scheinungen der Astasie treten deutlicher in den Muskeln des Halses hervor, erstrecken sich aber mehr oder minder auf alle Muskeln, was durch das deutliche leichte Zittern der (vorderen oder hinteren) Ex- tremität bewiesen werde, das immer dann auftrete, wenn der Affe sie zu einzelnen Handlungen verwende, z.B. um Früchte zum Munde zu führen, um die Insekten, die in seinem Felle nisten, zu fangen u. s. w. Hier hat man es unverkennbar mit einer unbegründeten Verall- gemeinerung zu thun: Hr. Lucıası hat ohne weiteres auf alle Muskeln ausgedehnt, was höchstens für Wirbelsäule- und Extremitäten- Muskeln geltend sich ergab. Und nicht einmal in der Beschränkung auf die letzteren Muskeln lassen sich seine Angaben, soweit sie nicht mit den meinigen im Einklang sind, als zutreffend anerkennen. Wir haben oben S. 474 das abnorme Verhalten kennen gelernt, das der kleinhirnlose Affe beim Greifen von Objeeten zeigt. Das hat auch schon Hr. Lucıanı beobachtet und die »Unsicherheit der Bewe- gungen« oder, wie es in dem anderen Protokolle heisst, die »dis- ! Cerv. 193—4, 196, 198, 203. — Klh. 297—9, 302, 306. u Tr —— Munk: Über die Funetionen des Kleinhirns. 477 eontinuirlichen, choreaartigen Bewegungen, die der Affe beim Vorstrecken des Armes, um die Nahrung zu fassen, vollführt, bevor er zum Ziele gelangt,«! als Erscheinung der Astasie aufgefasst. Sichtlich liegt da aber, wie meine Schilderung lehrt, nichts anderes vor, als dass der Affe die Nahrung nicht gut trifft und den Fehlgriff mit neuen Be- wegungen corrigirt: ein unregelmässiges Herumtappen also des Affen mit dem Arme, wie man es ebenso und auch noch in öfterer Wieder- holung und größerer Ausbildung beim Affen findet, der nur aus irgend welchem Grunde schlecht sieht, oder dessen hintere Rückenmarks- nerven-Wurzeln für den Arm durchschnitten sind. Man kann daher, wie Hr. Lewanpowskv, von einer Ataxie beim Greifen sprechen, nicht aber, wie es Hr. Lucıası bei der Zusammenfassung seiner Erfahrungen thut, von einem Zittern, weder nach dem gewöhnlichen Sprachge- brauche noch nach dem wissenschaftlichen (Tremor). Dies vorweg genommen, erweist sich die ganze Angabe, für die ich weitere Belege in Hrn. Lucranr's Protokollen nicht finde, dass ein deutliches leichtes Zittern der Extremität immer dann auftrete, wenn der Affe sie zu einzelnen Handlungen verwende, als thatsächlich un- richtig und dermaassen unrichtig, dass ich gerade das Gegentheil oben S. 473 anzuführen hatte. Wohl können im Laufe der Untersuchung infolge von Schädigungen, die neben der Kleinhirnverstümmelung bestehen, Bewegungen der Extremität zur Beobachtung kommen, bei denen die Contractionen in zitternder Weise erfolgen: so habe ich sie gelegentlich einmal vor Ablauf der Aethernarkose gesehen, ferner in einem späten Stadium der Sepsis, bei hochgradiger Abmagerung in der letzten Zeit vor dem Tode, auch in Fällen grober Verletzung von Nachbarorganen des Kleinhirns. Aber wo solche Schädigungen nicht vorliegen, wo lediglich die Folgen der Kleinhirnverstümmelung sich darstellen, zeigt sich niemals ein derartiges Zittern bei einer Bewegung der Extremität, weder beim Hunde noch beim Affen, und nicht nur nicht bei den isolirten, sondern auch nicht bei den Gemeinschafts- bewegungen der Extremität, beim Stehen, Gehen, Klettern u. s. w. Oder, um jede Zweideutigkeit des Ausdrucks auszuschliessen, niemals zeigt sich bei den Bewegungen, welche die Extremitäten ausführen, eine Abweichung von der Norm, die zu vermuthen gestattete, dass die Muskeleontractionen, auf denen die Bewegungen beruhen, in zit- ternder Weise erfolgen, die Elementarimpulse, aus denen die Con- tractionen sich zusammensetzen, unvollständig verschmelzen oder die Einzelimpulse eine unvollkommene Summation erfahren. Dasselbe gilt auch für die isolirten und die Gemeinschaftsbewegungen des Kopfes 1 Cerv. 136, 138. 478 Sitzung d. phys.-math. Classe v. 26. April 1906. — Mitth. a. d. Jahren 1904/5. und des Rumpfes. Es treten nur zu Zeiten am Kopfe und am Rumpfe bei gewissen Lagen oder Stellungen des Thieres und in ausschliess- licher Abhängigkeit von diesen die schwächeren oder stärkeren Os- eillationen auf, die uns oben S. 469—471 mit dazu verholfen haben, den Verlust der feineren Art der Gleichgewichtserhaltung festzustellen. Und zu den Zeiten, zu welehen Kopf und Rumpf so oscilliren, können durch die Oseillationen die Extremitäten passiv mit hin und her ge- führt werden, sowohl wenn sie in Ruhe sind, wie wenn sie ihre eigenen normalen Bewegungen machen, und können neben den Os- eillationen die normalen isolirten und Gemeinschaftsbewegungen von Kopf und Rumpf einhergehen. In Ansehung der OÖseillationen konnte Hr. Lucıası von einem Zittern und Schwanken von Kopf und Rumpf sprechen und daran denken, dass die Ursache in zitterigen Contraetionen, in unvollständiger Ver- schmelzung der Elementarimpulse gelegen sei, — worüber wir später werden weiter zu verhandeln haben. Aber ein folgenschwerer Irrthum war es, dass er die Oseillationen mit den willkürlichen Bewegungen zusammenwarf und auf die letzteren die vermeintliche Charakteristik der ersteren übertrug. Der wahre Sachverhalt ist gar nicht zu ver- kennen. sobald man die Thiere aufmerksam verfolgt. Denn man sieht einerseits die Oseillationen, ohne dass das Thier zu gleicher Zeit eine Bewegung ausführt; man sieht andererseits das Thier den Kopf, den Rumpf, die Extremität normal bewegen, ohne dass zu gleicher Zeit Oseillationen bestehen; und man sieht endlich die Oseillationen und jene Bewegungen zeitlich zusammenfallen und sich, so zu sagen, al- gebraisch summiren. Lediglich unzureichender Beobachtung ist es da- her zuzuschreiben, dass der Irrthum entstand und durch die Nachfolger von Hrn. Lucıanı nicht aufgeklärt wurde. Zur Illustration kann sehr gut gerade das Fressen der 'Thiere dienen mit seinen Sonderbarkeiten, die jedem Untersucher aufgefallen sind, und die Hrn. Lucıanı's Angaben veranlasst haben, dass, wenn das Thier mit grosser Gier fresse, die Erscheinung des Zitterns ver- stärkt sei und den Charakter rhythmischer Schwankungen annehme, und dass der Arm des Affen zittere, wenn er Früchte zum Munde führe. Ich sagte oben S. 473, dass der Affe das mit der Hand ge- fasste Mohrrübenstück normal an den Mund bringt und frisst. So sieht man es nach dem Ablaufe der Narkose und an den folgenden Tagen regelmässig wieder, ob der Affe liegt oder angelehnt oder frei sitzt: auch wenn er den Kopf dabei dreht oder beugt, ist höchstens einmal ein schwaches Oseilliren des Kopfes bemerkbar. Aber plötz- lich, bei wilden Affen früher, bei zahmen später, meist wenn der Affe schon seit einiger Zeit frei sitzt und infolge der Bewegungen, Munk: Über die Functionen des Kleinhirns. 479 die er im Sitzen macht, gelegentlich auch grössere Oscillationen zeigt, verändert sich das Bild. Der Affe, der bis dahin ruhig sitzend die Hand an den Mund herankommen liess, führt jetzt den Kopf rasch ein Stück Weges der sich nähernden Hand entgegen. Sofort setzen grössere Oscillationen von Kopf und Rumpf ein, die den Arm mit hin und her gehen lassen, und die Hand verfehlt ihr Ziel; Arm und Kopf machen passende neue normale Bewegungen, um Hand und Mund zusammenzubringen, und wieder verhindern dies die Oseillationen, die mittlerweile sich noch verstärkt haben können; und so setzt es sich fort, bis endlich doch das Mohrrübenstück ungeschickt vom Munde gefasst wird oder, wie es auch zuweilen vorkommt, der Affe das ver- gebliche Mühen aufgiebt; im einen wie im anderen Falle nehmen so- gleich die Oscillationen ab und sind Kopf und Rumpf bald in Ruhe. Man kann den Vorgang mehrmals nach einander, auch in einer Reihe von Tagen sehen, und jedesmal unterlässt es schliesslich der Affe, mit dem Kopfe der Hand entgegenzugehen; er unterlässt es mit der Zeit immer eher, und endlich wird das anfängliche Verhalten wieder das bleibende, so dass unser Vorgang höchstens noch ausnahmsweise einmal und auch nur in abgekürzter und abgeschwächter Form zu beobachten ist. Entsprechend verläuft beim Hunde, wenn er zuerst, auf der Seite liegend, nahe dem Munde vorgehaltene Fleischstücke oder, in der Brustbauch- oder Brustbeckenlage gut aufruhend, un- mittelbar vor ihm am Boden befindliche Fleischstücke aufnimmt, so- viel er auch den Kopf dafür bewegt, alles normal, nur hin und wieder sieht man ein schwaches Osecilliren des Kopfes. Aber anders ist es, wenn der Hund später im Liegen nicht mehr fest mit dem Rumpfe aufruht und wenn er gar sich streckt und strampelt, vollends wenn er geht und steht. Dann kommt es, sobald er den Kopf nach den Fleischstücken abwärts führt, zu grösseren Oseillationen von Kopf und Rumpf, die den Kopf vom Ziele ablenken und die Schnauze heftig gegen den Boden stossen machen und dieses Missgeschick, trotzdem dass der Hund dem Kopfe beim wiederholten Senken andere passende Richtungen zu geben bemüht ist, öfters wiederkehren lassen, weil mit den willkürlichen Kopfbewegungen auch die Öseillationen in der Richtung wechseln. Zeitlebens lässt der Hund dasselbe beob- achten, jedesmal dass er mit Gier auf das Fleisch losgeht; doch wenn er nicht so gierig ist, legt er sich späterhin vor oder alsbald nach dem Beginn des Fressens, mit der Schnauze nahe dem Fleische, auf den Boden, verbessert auch wenn nöthig noch nachträglich seine Lage, so dass alle oder wenigstens die grösseren Oseillationen von Kopf und Rumpf ausbleiben, und frisst wieder so normal wie zu Anfang. Sitzungsberichte 1906. 46 AS0 Sitzung d. phys.-math. Classe v. 26. April 1906. — Mitth. a. d. Jahren 1904/5. . Der Glaube an allgemeine Störungen der Motilität und Sensibilität hat also gar keine haltbare Unterlage gehabt. Im Gegentheil erweisen sich die Störungen nicht nur auf den Bereich von Wirbelsäule und Extremitäten beschränkt, sondern auch in diesem Bereiche noch enger begrenzt. Die Vermuthung liegt deshalb nahe, dass ihr Umfang zur feineren Art der Gleichgewiechtserhaltung, die sich als Function des Kleinhirns ergeben hat, in enger Beziehung steht; aber das wird sich erst beurtheilen lassen, wenn wir unsere Kenntniss von den Störungen infolge des Kleinhirnverlustes vervollkommnet haben. Ausgegeben am 3. Mai. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. ni nr BEN STETS TS ET STETS TS TS[T TI 1906. SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Gesammtsitzung am 3. Mai. (S. 481) Pısc#er: Das altindische Schattenspiel. (S. 482) BERLIN 1906. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. 2525252525252 50525 V OCT 6 1906. “ a Hy, SHsonan DErIT Aus dem Reglement für die Redaction der akademischen Druckschriften. Aus Sl. Die Akademie gibt gemäss $ 41,1 der Statuten zwei fortlaufende Veröffentlichungen heraus: »Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften« und » Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften«. Aus $ 2. Jede zur Aufnahme in die »Sitzungsberichte« oder die »Abbandlungen« bestimmte Mittheilung muss in einer aka- demischen Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel das druckfertige Manuscript zugleich einzuliefern ist. Nicht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. 83. Der Umfang einer aufzunehmenden Mittheilung soll in der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, bei Nichtmitgliedern 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- lungen nieht übersteigen. Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung der Gesammt-Akademie oder der betreffenden Classe statt- haft, und ist bei Vorlage der Mittheilung ‚ausdrücklich zu beantragen. Lässt der Umfang eines Manuseripts ver- muthen, dass diese Zustimmung erforderlich sein werde, so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen muthmasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen. S SA. Sollen einer Mittheilung Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeichnungen, photographische Original- aufnahmen u. s. w.) gleichzeitig mit dem Manuscript, jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen. Die Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschiagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschliessen. Ein darauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der be- treffenden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage eines Sachverständigen an den vorsitzenden Secretar zu richten, dann zunächst im Secretariat vorzuberathen und weiter in der Gesammt- Akademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie. Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist — wenn es sich nicht um wenige einfache Textfiguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachverständigen beizufügen. Überschreitet dieser Anschlag für die er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberathung durch das Secretariat geboten. Aus 85. Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manuscripts an den zuständigen Secretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften, und zwar, wenn eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mittheilungen von Verfassern, welche nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen der Regel nach nur in die Sitzungsberiehte aufgenommen werden. Beschliesst eine Classe die Aufnahme der Mittheilung eines Nichtmitgliedes in die dazu bestimmte Abtheilung der »Abhandlungen«, so bedarf dieser Beschluss der Bestätigung durch die Gesammt- Akademie, Aus $6. Diean die Druckerei abzuliefernden Manuseriptemüssen, wenn es sich nicht bloss um glatten Text handelt, aus- reichende Anweisungen für die Anordnung des Satzes und die Wahl der Schriften enthalten. Bei Einsendungen Fremder sind diese Anweisungen von dem vorlegenden Mitgliede vor Einreichung des Manuseripts vorzunehmen, Dasselbe hat sich zu vergewissern, dass der Verfasser seine Mittheilung als vollkommen druckreif ansieht. Die erste Correetur ihrer Mittheilungen besorgen die Verfasser. Fremde haben diese erste Correetur an das vorlegende Mitglied einzusenden. Die Correctur soll nach Möglichkeit nicht über die Berichtigung von Druckfehlern und leichten Schreibversehen hinausgehen. Umfängliche Correeturen Fremder bedürfen der Genehmigung des redi- girenden Seeretars vor der Einsendung an die Druckerei, und die Verfasser sind zur Tragung der entstehenden Mehr- \ kosten verpflichtet. ; i Aus $8. FE Von allen in die Sitzungsberichte oder Abhandlungen aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilungen, Reden, Adressen oder Berichten werden für die Ve von | wissenschaftlichen Mittheilungen, wenn deren Umfang im Druck 4 Seiten übersteigt, auch für den Buchhandel Sonder- | abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen des be- treffenden Stücks der Sitzungsberichte ausgegeben werden. Von Gedächtnissreden werden ebenfalls Sonderabdrucke für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn die Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden erklären. 89. es | Von den Sonderabdrucken aus den Sitzungsberichten erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 50 Frei- exemplare; ; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Seeretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt- Akademie oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 50 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Secretar weitere 200 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. x Von den Sonderabdrucken aus den Abhandlungen er- hält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 30 Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Secretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt- Akademie oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 30 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Secretar weitere 100 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. $ 17. Eine für die akademischen Schriften be- stimmte wissenschaftliche Mittheilung dart in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jener Stelle anderweitig, sei es auch nur auszugs- (Fortsetzung auf S. 3 des Umschlags.) 481 SITZUNGSBERICHTE 1906. XXIH DER i KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 3. Mai. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. Auwess 1.V. l. Hr. Pıscner las über das altindische Schattenspiel. Es wurde nachgewiesen, wann das Schattenspiel zuerst in der indischen Litteratur erwähnt wird, und welchen Namen es ursprünglich führte. Das classische Chäyänä- taka ergab sich als litterarische Fortbildung des alten, volksthümlichen Schattenspiels. Es wurde ferner gezeigt, dass das angeblich griechische Theater in einer Höhle des Rämgarh Hill in Sarguja in Wahrheit streng nach den Vorschriften des ältesten in- dischen Lehrbuchs der Dramatik eingerichtet ist. Eine der Höhleninschriften wurde entziffert. 2. Hr. Diers legte im Namen der Commission zur Herstellung eines Catalogus mediecorum antiquorum den zweiten Theil dieses die griechischen Ärzte ausser Hippokrates und Galenos umfassenden Katalogs vor. (Abh.). 3. Hr. SchmoLzer überreichte einen eben erschienenen weitern Band der Acta Borussica: Die Behördenorganisation und die allgemeine Staatsverwaltung Preussens im 18. Jahrhundert. Achter Band. Acten 1748—-1750. 4. Hr. Prancx überreichte seinWerk: Vorlesungen über die Theorie der Wärmestrahlung. Leipzig 1906. Sitzungsberichte 1906. 47 482 Gesammtsitzung vom 3. Mai 1906. Das altindische Schattenspiel. Von R. Pischer. IR der ZDMG. 58, 455 ff. hat Tu. Brocn Mitteilung von einem grie- chischen Theater gemacht, das er in Indien entdeckt hat. Es befindet sich in einer Höhle des Ramgarhı Hill in Sarguja, dem größten der Tributary States of Chota Nagpur. Diese Höhle, die sogenannte Sita- benga-Höhle, enthält auch eine Inschrift, die zuerst von Bar im Indian Antiquary 1873, p. 243 veröffentlicht worden ist, dann nach Photographien und Papierabklatschen, die BreLar im Dezember 1875 angefertigt hatte, von Cunsıngnam im Corpus Inseriptionum Indicarum I, Plate XV (Caleutta 1877). Dem Anfange nach zu schließen, ist die Inschrift im Aryametrum verfaßt. Der Anfang ist von Broca richtig gelesen und gedeutet wor- den als adipayamti hadayam sabhavagarukavayo (Rest unsicher) »Es ent- flammen das Herz die von Natur verehrungswürdigen Dichter«. Der zweite Teil der Inschrift ist noch nicht gedeutet. Broch hat eine aus- führliche Beschreibung der Höhle in Aussicht gestellt', wobei er auch ein besseres Faksimile der Inschrift geben dürfte, als Cunnıneuan bie- tet. Es ist daher ratsam, vorläufig alle Deutungsversuche zu unter- lassen. Brocn nimmt mit Recht an, daß, wenn ein derartiger Lobpreis der Dichtkunst an der Wand einer künstlich aus dem Felsen gehaue- nen Höhle sich findet, er nur deshalb dort angebracht sein kann, weil die Höhle dazu diente, um Werke der Diehtkunst einem größe- ren Publikum vorzutragen. Wie Broch dann weiter berichtet, eignet sich dazu die Anlage vortrefflich.” Im Halbkreis, terrassenförmig über- einander, sind eine Reihe Sitze eingehauen, die durch strahlenförmige Linien wieder abgeteilt sind, ganz nach Art des griechischen Thea- ters. Von jedem dieser Plätze hatte man einen bequemen Überblick ‘ Zunächst vergleiche man Rısrey bei Hunver, A Statistical Account of Bengal, Vol. XVII (London 1877), p. 238 f. ® Darron hielt die Nischen für Privatgemächer der Frauen, Rısrey für Ver- stecke der Frauen und Schätze der herrschenden Familie während der Einfälle der Maräthen. Pıscner: Das altindische Schattenspiel. 483 über eine unterhalb gelegene natürliche Plattform, die Platz genug bot, eine kleine Bühne aufzuschlagen. Das Theater bot Raum für etwa 30 Zuschauer. Am Eingange der Höhle finden sich tiefe Löcher im Steinboden, in die man die Balken fügte, die den Vorhang biel- ten, durch den man die kalte Luft abschloß. Die Anlage nach klas- sisehem Muster läßt sich, wie Broch meint, nicht verkennen. Wäre das richtig, so müßten wir annehmen, daß der griechische Einfluß auf Indien sehr bedeutend gewesen ist. Daß sich nach Gründung des griechisch -indischen Reiches, vom 2. Jahrhundert v. Chr. an, im nord- westlichen Indien griechisches und indisches Wesen berührt und aus- getauscht haben, ist zweifellos. Die indische Kunst zeigt in den Gan- dhara-Skulpturen von der Zeit um Christi Geburt an deutlich grie- chische Züge. Daß aber griechische Einflüsse sich bis weit in den Osten Indiens, in einem Lande geltend gemacht haben sollten, dessen Geschichte wir erst von 1758 an kennen und das infolge seiner geo- graphischen Lage schwer zugänglich ist!, ist ganz neu und verdient eine Prüfung. Lüpers hat ZDMG. 58, 867 f. aus der Kunstdichtung und der epi- graphischen Literatur eine Reihe von Stellen nachgewiesen, in denen von der Benutzung von Höhlen zu dem gleichen oder einem ähnlichen Zwecke wie in der Sitabenga-Höhle die Rede ist. Kalidasa spricht bei der Beschreibung des Himalaya im Kumarasambhava (1, 10. 14) von »Höhlenhäusern « (darigrha), in denen die Waldbewohner mit ihren Freundinnen beim Scheine von selbstleuchtenden Kräutern der Liebe pflegen und wo die Wolken vor den Eingängen die Stelle des Vor- hangs vertreten, hinter dem sich die Frauen der Kimpurusa scham- haft verbergen, wenn ihnen ihre Liebhaber die Kleider ausgezogen haben. Im Meghadüta (1, 25) erwähnt er die »Steinhäuser« ($iläves- man) des Berges Nicais bei Vidisa, die den Liebesduft der Hetären ausströmen. Lüpers hat ferner auf eine der älteren Jainainschriften in Mathura aufmerksam gemacht, in der ein Verzeichnis der Schenkungen der Hetäre Nada aufgeführt wird. Nada bezeichnet sich als Tochter der Hetäre Damda, der »Höhlenschauspielerin« (lemasobhika). Haricandra nennt Dharmasarmabhyudaya 10, 9 das Land auf dem Gipfel des Vindhya mit Lauben und Bühnen versehen (g@am ni- kunjarahgam). Dandin, Dasakumäracarita 148, 4 ed. Godabole and Paraba (Bombay 1883) = 46,7 ed. Prrersox nennt den Sonnengott einen Schauspieler, der auf dem Gipfel des Goldberges als einer Bühne ! Hunter, The Imperial Gazetteer of India XII? 266: Sarglıja may be described in general terms as a secluded basin, walled in on the north-east and south by mas- sive hill-barriers, and proteeted from approach on the west by the forest-elad tract of Korea. 484 Gesammtsitzung vom 3. Mai 1906. seine graziösen Tänze aufführt. Ebendort 108, 14 ed. Godabole and Paraba = 10, 23 ed. Prrerson erwähnt Dandin ein großes unter- irdisches Gewölbe, in dem sich ein künstlicher Berg befindet, in dessen Innerem viele Lauben und Schauspielhäuser ausgehöhlt sind (mahati bhüamigrhe krtrimasailagarbhotkirnanaänamandapapreksägrhe; vgl. nikunja- ranga bei Haricandra a.a.0.). Das stimmt, wie ich bereits DLZ. 1905, S. 541 hervorgehoben habe, zu der Angabe des Bharatıyanatyasastra 2,69 ed. Bombay. — 2, 84 ed. Grosser, daß das lange Schauspiel- haus! die Gestalt einer Berghöhle haben und zweistöckig sein soll: käryah sallaguhakaro dvibhümir natyamandapah. Aus dieser bestimmten Vorschrift des ältesten uns erhaltenen indischen Lehrbuchs der Dra- matik dürfen wir schließen, daß die Aufführungen in den Höhlen der Berge uns in die Anfänge der indischen Schauspielkunst zurückführen. Es wäre sonst nicht abzusehen, weshalb man gerade für das größte Schauspielhaus die Gestalt einer Höhle wählte. Die Akustik allein, auf die das Lehrbuch großes Gewicht legt, kann nicht die Ursache gewesen sein, da es auch viereckige und dreieckige Schauspielhäuser gab. Aus der Höhlenform ergab sich auch ganz von selbst die ter- rassenförmige Anlage, die die Höhle im Ramgarh Hill aufweist. Sie schreibt ja auch das Lehrbuch vor, indem es zwei Stockwerke for- dert. Die Anlage hat also nichts spezifisch Griechisches an sich. Daß man die Berge für Aufführungen wählte, erklärt sich sehr ein- fach daraus, daß sie den besten Schutz gegen die Hitze gewährten. Die Kunstdichter erwähnen oft, daß in den Lauben auf den Abhän- gen der Berge die Liebespaare sich zum Stelldichein einfanden und auf den Plateaus lustwandelten (Sisupälavadha 4, 27. 40.42. 51; Kma- tarjuniya 5, 5.19. 23. 28). Bei solchen Gelegenheiten besuchte man dann auch die Aufführungen in den Höhlen, die naturgemäß nur wenige Zuschauer fassen konnten. Die Stücke, die dort gespielt wur- den, waren gewiß nur kurz, der szenische Apparat der denkbar ein- fachste. Was Wırson und Borzensen über die Dürftigkeit desselben vermutet hatten, hat durch das Bharatıyanatyasastra seine volle Be- stätigung gefunden, wie ich schon 1891 hervorgehoben habe (GGA. 1891, 361ff.; vgl. jetzt Bharatıyan. 9, ıff.). Das ist der Apparat, wie er in den im Mahabhasya erwähnten Stücken von der Tötung des Kamsa und der Fesselung des Bali, die die sobhikäs aufführten, ver- wendet worden sein wird, ebenso in den Höhlentheatern. Ja, es ist sehr wahrscheinlich, daß den Raum- und Lichtverhältnissen und dem ! Es werden drei Arten des Schauspielhauses unterschieden: das lange oder weite (vikrsia), das viereckige (caturasra) und das dreieckige (iryasra) (Bhäratiyan. 2,9 (8 ed. Grosser). Daß die Sitabenga-Höhle zu den »langen« gehört, ergibt sich aus ihren Maßen: 44 Fuß lang, ıo Fuß breit, etwa 6 Fuß hoch. PıscueL: Das altindische Schattenspiel. 485 Publikum entsprechend dort vor allem volkstümliche Stücke aufge- führt wurden: Puppenspiele und Schattenspiele.e. Shankar Pandurang Pandit hat hervorgehoben, daß bis heute Vorstellungen mit Puppen und Papierfiguren die einzigen dramatischen Aufführungen sind, die die Landbevölkerung Indiens kennt', und ich habe versucht, zu zeigen, daß das klassische indische Drama auf die Puppenspiele zurückgeht und noch deutliche Spuren dieser Herkunft verrät.” In der Kette des Beweises fehlte bisher noch ein Glied: das Schattenspiel, das mit dem Puppenspiel aufs engste verknüpft ist. Wir kennen zwar längst ein Drama, das sich Chayanataka »Schattenschauspiel« nennt. Aber dieses Chayanataka schien sich von den übrigen Arten des indischen Dramas nur wenig in der Form, gar nicht in der Weise der Aufführung zu unterscheiden. Es blieb bis jetzt ein Rätsel. Auch ließ sich bisher nicht der Beweis führen, daß das Schattenspiel in der Gestalt, die es im übrigen Orient hat, auch im alten Indien vorhanden gewesen ist. Heute glaube ich nachweisen zu können, daß das Schattenspiel in Indien schon in sehr alter Zeit bekannt war, und daß das Chaya- nataka eine literarische Weiterbildung des alten, volkstümlichen Schat- tenspiels ist. Überall, wo das Schattenspiel sich findet”, ist der Apparat ziem- lich der gleiche. Er besteht aus einer spanischen Wand, in der sich ein mit Leinwand überspannter Ausschnitt befindet, oder einem mit weißer Leinwand überzogenen Schirm. Dahinter wird eine Lampe angezündet, hinter der der Schattenspieler allein oder mit Gehilfen sitzt und die Figuren, die aus Leder, Pappe oder Papier geschnitten und meist bemalt sind, bewegt. Er spricht dabei die den Figuren in den Mund gelegten Worte und singt auch Lieder. Für Indien fehlte bisher der Nachweis dieses Schattenspiels. Im Mahabharata 12, 294, 5. 6 lesen wir: rahgavataranam caiva talha rüpopajiwanam | madyamamsopajwyam ca vikrayam lohacarmanoh || 5 |) apurvina na kartavyam karma loke vigarhitam | kriapürvam tu tyajato mahan dharma iti Srutih \| 6 \ »Das Auftreten auf der Bühne, ferner das r@popajivana, das Er- werben des Lebensunterhalts (durch Verkauf von) berauschenden Ge- ! Vikramorvasıya, Notes p. 4. ?2 Die Heimat des Puppenspiels, Halle a. S. 1900; ins Englische übersetzt von Mildred C. Tawney (Mrs. R. N. Vyvyan), The Home of the Puppet-Play, London 1902. ® Ich begnüge mich hier, auf zwei Arbeiten von GEORG JAcoR zu verweisen, der sich die größten Verdienste um die Geschichte des Schattentheaters erworben hat: Das Schattentheater in seiner Wanderung vom Morgenland zum Abendland (Berlin 1901) und Erwähnungen des Schattentheaters in der Weltliteratur (Berlin 1906). Dort findet sich die übrige Literatur verzeichnet. 486 Gesammtsitzung vom 3. Mai 1906. tränken und Fleisch, den Verkauf von Metall und Leder, (diese) für die Menschen verwerflichen Geschäfte, soll niemand ausüben, der es früher nicht getan hat [d.h. dessen durch die Kaste ererbter Beruf es nicht ist]. Wer es aber aufgibt, nachdem er es früher getan hat, der erwirbt sich, so lehrt die Heilige Schrift, ein großes religiöses Verdienst. « Ferner bei Varahamihira, Brhatsamhita 5, 74: Caitre tu citrakaralekhakageyasaklan rüpopajiwinigamajnahiranyapanyan | PaundrAudraKaikayajanan atha cASmakams ca lapah sprsaty amarapo "Ira vieitravarst || 74 | Kern, JRAS., New Series, Vol. IV (1870), p.467 übersetzt dies: »By an eclipse in Caitra, grief is caused to the painters, writers, singers, to those whose beauty is venal, to Vaidie scholars, gold mer- chants, the Pundras, Orissees, Kekayas, and Acmakas; in the same year the Rain-god will distribute the rain unequally.« Böntuisex s. v. r&@popajiana erklärt das Wort mit: »Das Gewinnen des Lebensunterhalts durch seine schöne Körperform, das Auftreten in nackter oder leicht verhüllter Gestalt als Broterwerb« und r@po- pajwin »durch seine schöne Körperform den Lebensunterhalt gewin- nend«. Kern fügt zu seiner Übersetzung von räpopajiin mit »those whose beauty is venal« die Bemerkung hinzu: »the expression in the text reminds one of the Latin corpore quaestum faciens«. Kern folgt hierin dem Scholiasten, der r@popajtvin mit vesyajanah »Hure« erklärt. Die von BönruLinek und Kerry gegebenen Erklärungen sind bisher unwidersprochen geblieben. Sie liegen auch außerordentlich nahe, da rupajwä »die von ihrer (schönen) Gestalt Lebende« ein häufiges Wort für »Hure« ist, das im Pali auch rapapajiwini lautet (CuiLDers Ss. v.; Milindapaüha 122, 3), also genau entsprechend dem Sanskrit rizpopa- Jin. Neben @jwa und win wird am Ende von Kompositen häufig auch upajiin gebraucht im Sinne von »seinen Lebensunterhalt ge- winnend durch etwas«, »lebend von«. So finden wir in der Auf- zählung der Gewerbetreibenden von Dvaraka im Jaiminiya- Asvamedha- parvan 10, 4ı1fl. die kamsyopajiinah, die sarvavarnopajivinah, die bhu- paksurakarmopajtvinah neben den trapujiinah, varatambulajwikah, car- majtvinah, mrgayajwinah, jalaukajwinah. Visnupurana 2, 6, 21 wird rahgopajtvr vom Scholiasten mit natamalladivrttih erklärt. In der Mrecha- katika 37, 2 fragt Madanika den Masseur: kam va vittim ajjo uvajiadi? und er antwortet 4: hagge Samvahakassa vittim ucayrami. 38, 16 sagt er, jetzt lebe er vom Würfelspiel: yudovayiwi smi samvutte. Im Saura- puräna 11,18 sagt Siva, eine der acht Arten der bhakti zu ihm sei: yas ca mäm nopajteati, das klassische Gegenstück zu dem vedischen Pıscmer: Das altindische Schattenspiel. 487 Beispiele der Pajras, die von Brhaspati lebten (upajivanti RV. 1,190, 5), indem sie ihn wie einen armen Ochsen plagten.' Vgl. auch Ksemendra, Kavikanthabharana 2, 1. Daß also rzpopajivana und r@popajwin die ihnen von BöHTLınek und Kern beigelegte Bedeutung haben können, ist zweifellos. Der Zusammenhang spricht aber an beiden Stellen nicht dafür. Im MBh. steht rizpopajivana unmittelbar hinter rang@vatarana » Auftreten auf der Bühne«, in der Brhatsamhita räpopajwin unmittelbar hinter geyasakta »Sänger«. Es ist daher von vornherein möglich, daß es sich auch bei rzpopajiana um einen Beruf handelt, der dem der Schauspieler und Sänger nahe stand. Und das beweist Nılakantha, dessen Er- klärung Böntuiseck mißverstanden hat. Er sagt: r@popajianam jala- mandapiketi daksinätyesu prasiddham | yatra süksmavastram vyavadhaya carmamayair akärai rajJamätyadınam cary@ pradarsyate »rüpopajiwana ist bei den Südländern als jalamandapik@ bekannt. Dabei wird, nachdem man ein dünnes Tuch aufgespannt hat, durch Figuren aus Leder das Treiben der Könige, Minister usw. vor Augen geführt«. Arjunamisra erklärt das Wort ganz allgemein mit süpadi »Kunst usw.«. Leider ist ein Wort jalamandapika in keiner südlichen arischen oder einer dravidischen Sprache nachweisbar.” Doch mag Marathı jalapa »the images arising in sleep out of the oceupations or thoughts of the past day« damit zusammenhängen. Jedenfalls ist ganz klar, daß Nılakantha unter r@popajivana die Kunst des Schattenspielers ver- steht. Wir erfahren durch ihn, daß zwischen das Publikum und den Schattenspieler ein dünnes Tuch aufgespannt wurde, und daß die Figuren aus Leder waren. Das stimmt ganz zu dem, was wir sonst von dem Schattenspiel wissen. Nılakanthas Erklärung ist ohne Zweifel richtig” Es gab also zur Zeit, als das zwölfte Buch des Mahabharata verfaßt wurde, in Indien ein Schattenspiel, und dies lebte fort zur Zeit des Varähamihira, also im 6. Jahrhundert n. Chr. ! PischeL, GGA. 1894, S. 430. ? Die Sprache der Däksinätya erwähnt Nilakantha z.B. auch zu MBh. 7, 57,4: purnakaih svarnacadaih damkulata iti Daksinätyaprasiddhaih. An anderen Stellen zitiert er aus der Sprache der Mahärästra (z.B. zu 3, 69, 5; 5, 143. 25; 6, 46, 14; Harivamsa T, 20, 125), der Vaidarbha (zu 7, 61, 8), der Karnäta (zu 3. 188, 42), des Vindhya- waldes (zu 6, 46, ıı), der Dravida (zu 14, 9, 29). Was er mit Däksinätya meint, ist also ganz unklar. Er selbst schrieb in Benares. Vgl. Horızuann, Das Mahäbhärata und seine Teile III, 88f. (unvollständig). 3 Erst nachdem diese Untersuchung bereits abgeschlossen war, fand ich, daß Protäp Chandra Roy in seiner Übersetzung des Mahäbhärata, die ich nicht selbst besitze, schon der Wahrheit sehr nahe gekommen ist. Er übersetzt, gewiß im An- schluß an Nilakantha, rüpopajwana mit »disguising oneself in various forms, ex- hibition of puppets«, gibt also zwei Übersetzungen für dasselbe Wort. Vgl. was unten über bahurüpr bemerkt ist. Um Puppenspiele handelt es sich hier aber nicht. 488 Gesammtsitzung vom 3. Mai 1906. Viel höher hinauf als die Erwähnung im Mahabharata führt uns eine Stelle in den sehr alten buddhistischen Therigatha 394. Es wird dort 366ffl. erzählt, daß die Nonne Subha auf einem Spaziergange im Mangohaine des Jıvaka von einem Taugenichts belästigt wurde. Sie wies seine Liebesanträge ab. Um ihm das Törichte seines Ver- langens klar zu machen, gebrauchte sie unter anderen Bildern und Gleichnissen auch das folgende (394): mäayam viya aggato katam supinante va suvannapadapam | upadhävasi andha rittakam janamayjhe-r-iva rupparüpakam | Der Kommentator Dhammapala erläutert p. 258f. ed. E. Mürrer die letzten Worte mit: janamajjhe-r-iva rupparüpakan ti mäyakarena mahajanamajjhe dassitam rüpiyarapasadisam asaram saram upatthahan tam! | asaran ti attho K. E. Neumann übersetzt”: »Als ob du Trug für wahres Werk, Den goldnen Baum des Traumes hieltest echt, Als Blinder bist du nur genarrt, Packst unter Menschen bloß die Puppen an«, und bemerkt, rittakam gehöre natürlich zu rupparapakam, und es sei wohl eine Art Blindekuhspiel gemeint. Das ist alles ganz irrtümlich. Von Puppen ist hier keine Rede.” Ich übersetze: »Du stürzest dich, o Blinder, auf etwas Nichtiges, gleichsam auf ein Blendwerk, das vor dir aufge- führt wird, auf einen goldenen Baum im Traume, auf ein Schatten- spiel im Menschengedränge.« Es werden drei Dinge genannt, die nur scheinbare Realität haben: ein Blendwerk, das ein Gaukler vorführt, ein goldener Baum, den man im Traume sieht und für echt hält’, ein Schattenspiel, dessen Personen in Wirklichkeit nicht vorhanden sind. Pali rupparüpaka ist — Sanskrit rapyarapaka. In der Sprache der Rhetoriker ist rzpya das, was bildlich bezeichnet wird, the thing figured, rüpaka das, was bildlich bezeichnet, the thing figuring. So ist in dem Beispiel fimiramsuka »Mantel der Finsternis«, d.h. eine Finsternis, die sich um uns wie ein Mantel legt, das Wort timira »Finsternis« das rapya und amsuka »Mantel« das räpaka (Sahityadarpana 308, 3 ff.). In mukhendu »Gesichtsmond«, d.h. ein Gesicht, das dem Monde gleicht, ist mukha »Gesicht« das räpya und indu »Mond« das rüpaka (Kavyadarsa 2, 68; Kuvalayananda ed. Bombay. samvat 1952, p. 29ff.). Diese rhetorische Figur, wo Eigenschaften eines Dinges auf ein anderes übertragen (@ro- paya-) werden, heißt rapaka »Metapher«, »Tropus«, und wird von den ! So ist vielleicht der Text zu lesen; upatthahan — "ham ist also Nom. Sing. Part. Praes. Parasmaip., und tam — twam zu fassen, das erste saram in asaram zu ändern. ?2 Die Lieder der Mönche und Nonnen Gotamo Buddho’s (Berlin 1899) S. 358. ® Dagegen ist 374 tapanıyakata va dhitika — »wie eine goldene Puppe« zu über- setzen und die Stelle in »Die Heimat des Puppenspiels« S.7 hinzuzufügen. Vgl. auch Jätaka 3, 394, 25 kancanarüpaka. * Torkıns, AJPh.XX, 24. Vgl. auch MBh. 12, 321, 44. Pıscnet: Das altindische Schattenspiel. 489 Rhetorikern ausführlich behandelt und zergliedert. In der Dramatik ist rüpaka der allgemeinste Name für dramatische Aufführung, Schauspiel. Dhanamjaya, DaSarupa 1,7 sagt, es sei so genannt worden » wegen der Übertragung« (samäropät), d.h. wie der Scholiast Dhanika, Dhanam- Jayas Bruder, erläutert, weil dem Schauspieler der Charakter der Person beigelegt wird, die er darstellt, wie z.B. des Rama (nate Ramäadyavastha- ropena vartamanaltväd rüpakam), und Dhanika führt als Parallele an mukhacandra »Gesichtsmond«, also die rhetorische Figur räöpaka. In dem Falle also, wo ein Schauspieler die Rolle des Rama spielt, wäre Rama das rzpya, der Schauspieler das rapaka. An der ältesten Stelle, an der rüpaka erscheint, AV. 11, 11,15 = 11,9,15 ed. Rornu, bezeichnet es Gespenster, die in angenommener Gestalt auftreten. In der Münzkunde ist rapya geprägtes Geld, auf dem Figuren, wie die des Siva usw., sich befinden.‘ räpyarüpaka ist also »ein mit Figuren gespieltes Stück «. Die Bezeichnungen r@popajwana und raüpopajvwin und der Zusammen- hang in den Therigatha machen es wahrscheinlich, daß es sich nicht um Puppenspiele, sondern um Schattenspiele handelt. In den heute in Indien gesprochenen arischen Sprachen ist ba- hurüpt (Maräthi, Gujaratı) oder bahurapiya (Hindi, Hindustanı) »an in- dividual of a class of people, that are dancers, actors, maskers, mi- mes, merry Andrews« (Moreswortn). GRIERSONn, dem ich den Hin- weis darauf verdanke, sagte mir, daß die ganze Kunst dieser Leute oft nur darin besteht, daß sie in Verkleidung erscheinen, salam sagen und wieder abtreten, um nach kürzerer oder längerer Pause sich in neuer Verkleidung wieder zu zeigen. Daher ihr Name bahurupr » viel- gestaltig«e. Ihre Kunst heißt bahurup. Wenn also das Wort rapa einen so wichtigen Bestandteil in den Bezeichnungen für »Schattenspiel« bildet, so liegt es nahe, in dem Worte lupadakhe — lüpadakkhe — rüpadaksah den Namen für »Schattenspieler« zu suchen. Z/upadakhe findet sich in einer Inschrift in der Jogimara-Höhle, der zweiten der von Brocu besprochenen Höhlen im Ramgarh Hill. Die Decke dieser Höhle ist mit Resten von Malerei bedeckt, die Brocn für über 2 000 Jahre alt erklärt hat. Das Alter bestätigen die Charaktere der Inschrift, die so lautet?: Sutanuka nama | devadasikyi | tam kamayitha balunaseye | Devadine nama | lupadakhe | Die Silbe Ayi der ersten Zeile steht samt dem Abteilungsstrich tiefer und etwas seitlich rechts, was offenbar die Raumverhältnisse ! Dies bezeugt von den Nänas Prthvidhara zu Mrechakatikä 10, 23 ed. StenzLer —= 29, 251 ed. Godabole. Von rzpya stammt bekanntlich Rupee. ® ('orpus Inseriptionum Indicarum I, Plate XV. Siehe S. 494. 490 Gesammtsitzung vom 3. Mai 1906. erforderten. Über der ersten Zeile steht in kleinerer Schrift noch einmal: Sutanuka nama devadasikyi Die Sprache der Inschrift ist der Lat-Dialekt, und die Inschrift handelt von einer Tempeldienerin Sutanuka und einem Devadinna, der /upadakhe genannt wird. Brocn meint, Devadinna sei der Name des Malers der Höhle, lupadakhe bedeute also »Maler«. Das ist aber unmöglich. »Maler« könnte höchstens durch citadakhe — citradaksah ausgedrückt werden. In der hübschen Geschichte Kathasaritsagara 37, ı ff. = Brhatkatha- manjarı 14, I50ff. heißt bei Somadeva der Maler 37, 8 cärakrt, der Steinmetz oder Bildhauer 37, 8 räpakrt und 37, 9 rapakara, bei Ksemendra 14, 156 der Maler citrakära, der Bildhauer rüpakära. Wäre Devadinna etwa Steinmetz oder Bildhauer gewesen, so würde er sich in der Inschrift gewiß Zupakale — rüpakarah genannt haben, wie dies die Steinmetzen in den Inschriften ja bekanntlich tun, z. B. El. I, 42: prasastih .... utkornma rüpakarena Sämpuleneyam ädarat (vgl. 49,3); VII, 117: rüpakäraprakamdasya Sthakasyamgajanmana prasastir iyam ulkirnna Rämadevena silpin@; Pracinalekhamala II, ıor: utkirna ceyam rü|pakäjra.... Als Tadbhava findet sich rwari = rüpakärin im Kanaresischen EI. U, 198; vgl. 207, Anm. 8.' lupa- dakhe könnte also höchstens »Steinmetz«, »Bildhauer« bedeuten. Aber es bedeutet weder dies noch »Schattenspieler«. Unter den Bedeutungen, die\ die indischen Lexikographen” dem Worte rzpa geben, findet sich auch die von granthävrtti, ein Aus- druck, der sehr unklar ist. Wırson erklärt es mit: »acquiring fa- miliarity with any book or authority by frequent perusal, learning by heart or rote«. Ihm folgt Arrr: »acquiring familiarity with any book by learning it by heart or by frequent reeitation«. ÜPPERT, Vaijayantı p.732 nimmt als Bedeutung an »re-reading a book«. Bönr- LINGK meint, eher bedeute es »Zitat«. Mahendra zu Hemacandra, Anekärthasamgraha 2, 294 (p.46 ed. ZacnArıae) gibt als Beispiel für die Bedeutung: ayugmaih sampathed rüpaik, offenbar nach Mankha zu 533: ayugmaih sampathed rupair yugmaih raksasagami tu (so!). Das wird im zweiten Teile zu korrigieren sein: yugmair aksarag@mi tu, und der Sinn wird sein: »Man kollationiere mit ungleichen Abschriften, mit gleichen aber Buchstabe für Buchstabe.« »Ungleiche Abschriften« sind Abschriften von einer anderen Handschrift als das eigene Exemplar, ' Vgl. auch Bünrer, Indische Palaeographie $ 39. ® B.-R. s.v. p.423m). Auch Mankha 533; Säsvata 82; Yädavaprakäsa 220, 55. Pıscuer: Das altindische Schattenspiel. 49] »gleiche« von derselben. granthävrtti, wörtlich » Wiederholung des Buches«, ist also = »Abschrift«, »Kopie«. Das bestätigt auch die Erzählung Mahavagga I, 49. Dort wird berichtet, daß die Eltern eines gewissen Upali beratschlagten, wie sie wohl ihrem Sohne nach ihrem Tode das Leben recht bequem ge- stalten könnten. Wenn er die Schreibkunst (l/ekha) erlerne, so würden ihn die Finger schmerzen, wenn die Rechenkunst (gananäa), die Brust, wenn das rüpa, die Augen. Deswegen ließen sie ihn buddhistischer Mönch werden, weil die Mönche herrlich und in Freuden lebten. rzpa muß also einen Beruf oder eine Beschäftigung bedeuten, die die Augen angreifen. Die Schreibkunst kann nicht gemeint sein, da diese ja schon vorher genannt ist, ebensowenig die Kunst des Lesens, da dafür der feststehende Ausdruck pafhana ist. p’Anwıs' hat r@pa mit »drawing« »Zeichnen« übersetzt, was CnıLvers s. v. ohne weitere Bemerkung an- führt. Das wäre denkbar. Zusammengehalten aber mit der von den Lexikographen angegebenen Bedeutung wird man vielmehr rz@pa mit »Kopieren«, »Abschreiben«, »Beruf des Kopisten« übersetzen. Mit diesem Beruf war zugleich der des Korrektors verbunden, wie sich gleich zeigen wird. Daß dieser Beruf die Augen noch bedeutend mehr anstrengt als das Zeichnen, liegt auf der Hand. Nun wird auch r@padakkha klar, das sich Milindapanha 344, 10 findet: evarap@ kho maharaja bhikkhü Bhagavato dhammanagare rupa- dakkha ti vuccanti. In der sehr interessanten Stelle Milindapanha 341, 26ff., wo eine Schilderung der Bewohner der »Heiligen Stadt des Er- habenen« gegeben wird, werden 343, 9ff. verschiedene Klassen von Mönchen unterschieden: Feldherrn des Glaubens (dhammasenäpatino), Hauspriester (purohit@), Richter (akkhadassa), Lichtmacher (jotaka), Schützer des Glaubens (oder der Ordnung) (dhammarakkha), die rüpa- dakkh@, Blumenhändler (pupphäpanika), Fruchthändler (phalapanika), Händler mit Wohlgerüchen (gandhapanika), Branntweintrinker (sönda- pipasa)’, Stadtwächter (nagaraguttika), Händler mit dem Gesetz (dham- mäpanika), Gildemeister des Gesetzes (dhammasetthino), berühmte Ge- setzkundige (vissutadhammika). Die rüupadakkh@ stehen zwischen den dhammarakkh@ und den pupphäpanika@. Ruys Davıns übersetzt rüpa- dakkh@ nicht und bemerkt dazu’: »Literally ‘skilled in form, shape, beauty’. The Simhalese repeats this ambiguous expression, adding the qualification amätyayo, 'ministers, offieials'. One would think ! An Introduetion to Kachchäyana’s Grammar of the Päli Language (Colombo 1863), p. IOT. ? TRENCKNER schreibt sönd@ pipas@ in zwei Wörtern, und Ruys Davıps über- setzt demgemäß »thirsty and drunkards«. Offenbar ist aber söndapipas@ zu schreiben. 3 SBE. 36, 236, note 6. 492 Gesammtsitzung vom 3. Mai 1906. that these would have been the judges, but our author has already made the Arahats the judges in his Dhamma-nagara. This only leaves him some minor official post to give away to those learned in Canon Law, and he has chosen one as unintelligible in Ceylon as it is to me.« Prüft man, was von den rüpadakkha ausgesagt wird, so sieht man leicht, daß es sich nicht um Beamte nach Art der Richter handelt. Die Stelle lautet: ye pana te mahäraja bhikkhü vinayannı vinayakovida nidanapathanakusala apattianapattigarukalahukasatekiechaate- kicchavutthänadesananiggahapatikammaosärananissaranapatisaranakusalä vi- naye paramim gata evarüpa kho maharaja bhikkhu Bhagavato dhamma- nagare rupadakkha ti vuccanti. »Die Mönche aber, o Großkönig, die der Disziplin kundig sind, in der Disziplin erfahren, geschickt in der Angabe der Grundursache (eines Vergehens gegen die Disziplin), geschiekt (in der Entscheidung darüber, ob) ein Vergehen vorliegt oder nicht, ob (das Vergehen) schwer oder leicht ist, ob es gesühnt werden kann oder nicht, wie es wieder gutgemacht, dargelegt, be- seitigt, geheilt, entfernt, hinausgeschafft, gemildert werden kann, die in der Disziplin Meister geworden sind, solche Mönche, o Groß- könig, werden in der Heiligen Stadt des Erhabenen die Rüpadakkha genannt. « Die entscheidenden Worte des Grundtextes sind nidanapathana- kusal@. Von den Mönchen, die der Disziplin kundig sind, bedeuten sie: »geschickt in der Angabe der Grundursache«. Außerhalb des Zusammenhanges aber würde man nur übersetzen: »geschiekt im Lesen des Originals«. Das zeigt, das sie absichtlich gebraucht sind, um den Doppelsinn hervortreten zu lassen. Im folgenden braucht man an die Stelle von »Versehen« nur zu setzen »Fehler« und an die Stelle von »gesühnt« etwa »ausgemerzt«, was der Wortlaut ebenso- gut gestattet, so paßt alles ganz vorzüglich auch auf die Kopisten. Sie waren, wie schon angedeutet, zugleich Korrektoren des Origi- nals, und wir begreifen nun, daß unsere Handschriften sooft » Ver- besserungen« aufweisen, die schließlich bis zu ganz verschiedenen Rezensionen desselben Textes führten. Für die Geschichte der Textüberlieferung ist diese Stelle des Milindapaüha von großer Wichtigkeit. Sie ist bei Bünrer, Indische Palaeographie $ 36E zugleich mit dem Zupadakhe unserer Inschrift hinzuzufügen. lupadakhe — Pali rüpadakkho —= Sanskrit rüpadaksah bedeutet also »Kopist«, »Korrektor«. Brocn hat die Vermutung ausgesprochen, daß die zweite Zeile der Inschrift sich entweder darauf beziehe, daß Sutanuka die Höhle stiftete, oder daß sie die über der Inschrift gemalten Szenen erkläre. Pıscnuer: Das altindische Schattenspiel. 493 Ich glaube, daß die Inschrift einen sehr viel einfacheren Inhalt hat. Akamayitha ist offenbar — kamayittha und dies Aorist zu kamaya-.' balunaseye aber ist deutlich ein auf -eya oder -Äyya gebildetes Ad- jektivum. Solche Adjektiva werden auch von Namen von Örtlichkeiten abgeleitet, wie Varanaseya, Kausämbeya, Srävasteya „ oder von Flüssen, wie von nadt selbst nadeya, ferner Gaängeya, Apageya. Ihnen gesellt sich Balunaseya hinzu, das = *Bärnäseya ist. Constage's Hand Atlas of India verzeichnet fünf Flüsse namens Banas. Darunter ist einer, der in Rewa, Baghelkand fließt und auf Karte 28, B, d eingezeichnet ist. Hunter, The Imperial Gazetteer of India II”, 45 berichtet über ihn folgendes: »Banäas. — River of Chutia Nagpur, Bengal. Rises in the range of hills which separates Chang Bhakär from Korea State; flows in a westerly direction through Chäng Bhakär until it takes a bend to the north, following the boundary line of the State, which it leaves at its north-west corner, and passes into Rewa. It is a hill stream, with rocky bed and frequent rapids; there is no traffie.« Das ist der heimatliche Strom von Devadinna, nordwestlich vom Ramgarh Hill, in dem die Höhle mit der Inschrift sich befindet. Die älteste nach- weisbare Form des Namens Banäs ist Barnäs@ in Nr. ı0 der Nasik- Höhleninschriften, die jüngere Banäsa d.h. Bannäs@, in Nr. ı3 der Karle- und Nr. 14 der Näsik-Höhleninschriften.” Aus Bärnäs@ wird im Lät-Dialekt ganz regelrecht Bahımasa oder Bahmas@ mit Teilvokal «.' Zu Balhmäasa@ ist dann das Adjektiv Bahınaseya in der eben erwähnten Weise gebildet worden. Daß der Heimatsstrom, nicht die Heimats- stadt oder das Heimatsdorf, genannt wird, ist etwas sehr Altertüm- liches. Das tun durchweg die Verfasser der Dänastuti im Rgveda, wenn sie den Spender nennen, und bei der Zeremonie des Sımanton- nayana, die der Opferer während der ersten Schwangerschaft seiner Frau vollzieht, läßt er nach den Grhyasutra von Lautenspielern einen Vers singen, in dem der Fluß rühmend erwähnt wird, an dem das Ehepaar wohnt.” Übrigens wäre es nicht unmöglich, daß ein Dorf ! E.Kvnn, Beiträge zur Päligrammatik S.ı13; Pıscaer, Grammatik der Präkrit- sprachen $ 517; Senarr, Les Inseriptions de Piyadasi Il, 401; Mahävastu I, 378. 2 Vel. Benrey, Vollständige Grammatik der Sanskritsprache $ 494 nach Räsikä zu P.4, 2, 97. Im Päli und den Sänci-Inschriften ist -&yyaka, -eyaka gebräuchlicher: JPTS. 1888, p. 32, 40, 55, 95, 97; EI. II, 407f. Vgl. aber auch Päli Lumbineyya, JPTS. 1883, p. 80. 8 SENART, EI. 7, 58; 8, 78, 86. * Pıscner, Grammatik der Präkritsprachen $ 256, 229, 139, 140. Die «- Färbung des Teilvokals bestimmte das . Der Nasal schwankt in den Inschriften bekanntlich außerordentlich; $ 224. Die Sanskritform des Flußnamens ist vielleicht als * Dvarnasa anzusetzen. - 5 OLvEnBERG, ZDMG. 39, 88; Hırvesranot, Ritual-Litteratur $ ır. 494 Gesammtsitzung vom 3. Mai 1906. denselben Namen geführt hätte wie der Fluß, an dem es lag. Hunter a. a. OÖ. erwähnt ein Dorf Banasa in Garhwäl. Mit Einsetzung der Längen und der verdoppelt geschriebenen Konsonanten lautet also die Inschrift: Sutanuka nama | devadasikyt | tam kamayittha Bälunäseye Devadinne näma | lüpadakkhe Und die Übersetzung ist: »Die Tempeldienerin namens Sutanuka. Sie liebte der von der Barnasa stammende Kopist namens Devadinna.« Die schöne Sutanuka scheint noch andere Männer begeistert zu haben, wie die über der ersten Zeile stehenden wiederholten Worte in kleinerer Schrift zeigen. Jedenfalls ist diese aus spätestens der Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. stammende, wahrscheinlich aber viel ältere Inschrift das älteste indische Zeugnis für die Sitte, die sich bis auf die Bänke unserer Auditorien fortgepflanzt hat, den Namen der Geliebten durch Einschneiden in Holz oder Einmeißeln in Stein zu ver- ewigen. Devadinna hat seine geliebte Sutanuka dauernder verherrlicht, als wenn er ihren Namen in »alle Rinden« eingeschnitten hätte. Von den alten volkstümlichen Schattenspielen ist uns nichts er- halten. Die Dramatiker überliefern eine große Anzahl Namen von uns bis jetzt ganz unbekannten Gattungen von Dramen und geben eine kurze Beschreibung. Das Schattenspiel ist nicht darunter. Erst spät erscheinen in der Literatur Stücke, die sich Chayanataka »Schatten- schauspiel« nennen, also mit einem ganz anderen Namen als dem des alten Schattenspiels. Eine Beschreibung eines dieser Chayanataka, des Diütähgada des Dichters Subhata, hat zuerst Wırson gegeben." Wırson deutet Chayanataka als »the shade or outline of a drama« und meint »the composition was perhaps intended to introduce a spectacle of the battle and procession, as it is otherwise diffieult to eonceive what ! Seleet Speeimens of the Theatre of the Hindus 113, 390. u Pıscuen: Das altindische Schattenspiel. 495 object its extreme coneiseness could have effected«. Aurrecut bemerkt': »Chayanätakae vocabulo quid significetur, non constat.« Syvaın L£vi, der zuerst die ganze Gattung im Zusammenhange behandelt hat?, sagt: »Leur nom est obscur; on serait tent@ de l’expliquer par 'ombre de drame’ si les regles de la grammaire ne s’opposaient & cette analyse du compos® chayanataka. Elles admettent du moins une explication voisine et presque identique: “drame A l’etat d’ombre’.« Ich selbst habe bisher das Wort an Marathı chaya »an imperfect representation«, »an adumbration« angeknüpft, als »Schatten von einem Spiel« oder »halbes Drama« gedeutet und jeden Zusammenhang mit dem Schatten- spiel geleugnet.” Außer dem Dutangada hat L£vı noch Analysen gegeben von dem Haridyüta® eines unbekannten Verfassers und dem Ramäbhyudaya und Subhadraparinayana des Vyasa Sri-Rämadeva, der Spezialist in Cha- yanatakas gewesen zu sein scheint, da er noch ein drittes Stück dieser Art verfaßt hat, das Pändavabhyudaya® Ramadeva schrieb unter einem Könige Haribrahmadeva, von dem wir Inschriften aus den Jahren 1402 und 1415 haben®, und dessen Enkel Vıra Ranamalla- deva’. Die Stücke des Ramadeva unterscheiden sich in nichts von den üblichen Machwerken der späteren Dramenfabrikanten. Weshalb sie Chayanataka genannt worden sind, ist bei ihnen so wenig abzusehen, wie bei dem Savärzcaritra, das Samkaraläla 1883 in 7 Akten verfaßt hat.” Das Haridyata, das L£vı unter die Chayanataka rechnet, be- zeichnet sich selbst nirgends so, sondern nur als Nataka. Es trägt unzweifelhaft ein volkstümliches Gepräge, erinnert auch in seiner An- lage an das Dutangada. Ob es aber als Chayanataka anzusehen ist, bleibt doch zweifelhaft. Nichts Näheres erfahren wir über das Cha- yanataka, das Rajendralala Mitra anführt als handelnd: »on the history of the Adil Shahi dynasty«.’ ı Catalogus codieum manuscriptorum Sanscriticorum postvedieorum quotquot in Bibliotheca Bodleiana adservantur I, 139. ?2 Le theatre indien (Paris 1890), p. 241f. 3 GGA.1891, S. 358 f.; DL.1902, 403. * Daß dies, nicht Hariduta, wie Lxvı angibt, der Titel des Stückes ist, hat BenvparL bemerkt: Catalogue of the Sanskrit Manuscripts in the British Museum (London 1902), p.I0o6, n. 3. ° Esseving, Catalogue of the Sanskrit Manuseripts in the Library of the India Office, Part VII, p.1ı602, No. 4187. 6% Benparr, JRAS.1898, p. 231; Catalogue, p.106. ? EesELing, a.a.0. 5 Vel. Levı, a.a.0. p.241. Die dem Buche beigegebenen Bilder könnten höch- stens den Gedanken an ein Schattenspiel erwecken. So reichhaltig war aber die Aus- stattung des Schattenspiels wohl nicht. ° Levı, a.a.O. Appendice p. 46. 496 Gesammtsitzung vom 3. Mai 1906. So bleibt für eine Untersuchung über das Chayanataka auch heute noch allein das Dütaängada des Subhata übrig, das von Durgäpra- sad und Kasınatlı Pandurang Parab, Bombay 1891 (= Kävya- mala 28.) herausgegeben ist. Subhata ist ein später Schriftsteller. Die Herausgeber des Dutangada nehmen an, daß er unter Kumära- pala lebte, dem Gönner des großen Polyhistor Hemacandra, der ihn in einem eigenen Gedicht in Prakrit, dem Aumäarapälacarita, ver- herrlicht hat. Von Kumarapala besitzen wir Inschriften aus den Jahren 1145—1169'; er wurde gekrönt im Jahre 1142.” Bernparı hat dagegen bemerkt, daß Subhata vielmehr unter Tribhuvana- pala schrieb, dem fünften Nachfolger Kumarapalas, von dem wir eine Inschrift aus dem Jahre 1242 besitzen’, und daß das Dütangada bei einer Gedächtnisfeier des Kumärapala verfaßt wurde.“ Das ist zwar von Keırn bezweifelt worden’, aber unzweifelhaft richtig. Die Stelle lautet in der Ausgabe p.2,5ff.: mahargjyadhir@jasrimatTribhu- vanapäladevasya parisadajpnay@ prabandhavisesam aham upakramamano 'smi \, bho bhoh samajikah srmulta savadhanah yad adya vasantotsave de- vasriKumäarapäladevasya yatrayam padavakyapramanaparamgatena mahä- kavina srtSubhatena vinirmilam Dütähgadam nama cchayanätakam a- bhinetavyam || » Auf Befehl der Versammlung des Oberkönigs der Groß- könige, des erhabenen Tribhuvanapaladeva, stehe ich im Begriff, an die Ausführung eines bestimmten literarischen Werkes zu gehn. He, he, ihr Zuschauer! Höret aufmerksam zu! Heut am Frühlings- fest bei dem Aufzuge zu Ehren des göttlichen‘, erhabenen Kumaäara- paladeva soll das Schattenspiel Dutangada aufgeführt werden, ver- faßt von dem großen Dichter Subhata, der die höchste Autorität im Gebrauche der Worte und Sätze ist.« Daß die Worte devasri- Kumärapäladevasya yatrayam nur übersetzt werden können: »bei dem Aufzuge zu Ehren des göttlichen erhabenen Kumarapaladeva«, wie ich getan habe, zeigen zahlreiche Parallelen aus anderen Werken. Man vergleiche: Mahaviracarita 2, 2 ed. Bombay. 1902 = Uttararama- :arita 1,6 ed. Cale. 1870 bhagavatah Kälapriyanäthasya yätrayam; Ma- latimadhava 8, 2 ed. Bhandarkar bhagavatah Kalapriyanäthasya yätrapra- ! Kıernorn, A List of the Insceriptions of Northern India, Supplement p.14 (= LINI. S). ®2 Bünter, Über das Leben des Jaina-Mönches Hemachandra (Wien 1889), S.76. 3 TKIELHORN, a.a. 0. * JRAS. 1898, p. 229 f.; Catalogue of the Sanskrit Manuseripts in the British Museum (London 1902), p-. 105 f. 5 A Catalogue of the Sanskrit and Präkrit MSS. in the Indian Institute Library Oxford (Oxford 1903), p. 81. 6 deva fehlt in einigen Handschriften. Andere Abweichungen, die mit der hier berührten Frage nichts zu tun haben, bleiben hier unerwähnt. u u de 7 Pıscner: Das altindische Schattenspiel. 497 sahgena, Prasannaraghava 2,2 bhagavatah Samkarasya yälrayam; Anar- gharaghava 6, 4 bhagavatah Purusottamasya yatrayam; Caitanyacandro- daya 1,14 bhagavatah SriPurusotiamasya Gundicayatrayam;, Karnasun- darı 3, 2 bhagavato Näbheyasya yäträmahotsare, Rasasadanabhana 3, 16 sriBhadrakalikayah keliyatrayam; Hitopadesa 85, ı2 ed. ScnLeerL-Lassen = 95,11 ed. PrrErson bhagavato Garudasya yätraprasangena usw. Daß Tribhuvanapala seinem Ahnen Kumärapala göttliche Ehre erwies, ist von großem Interesse. Subhatas Zeit läßt sich also genau be- stimmen. Da Tribhuvanapala nur kurze Zeit regiert hat, muß das Ditangada um 1242 geschrieben sein. Dazu stimmt die Erwäh- nung des Subhata durch seinen Zeitgenossen Somesvara in der Kırtikaumudı ı, 24, worauf bereits Durgaprasad und Parab hin- gewiesen haben. Somesvara ist Verfasser von inschriftlichen Pra- sastis, deren früheste ins Jahr 1230, die späteste ins Jahr 1253 fällt.‘ Daß Zeitgenossen sich gegenseitig preisen, ist aus dem Bei- spiele des Rajasekhara bekannt, der Lobsprüche des Aparäjita, Krsnasamkarasarman oder Samkaravarman und Daivajüa er- wähnt.? Da Subhata ein so später Schriftsteller ist, sollte man erwarten, daß sein Dütangada gut überliefert worden ist. Das ist aber nicht der Fall. Im Gegenteil, es gibt fast ebenso viele Dxtangadas als es Handschriften gibt. Zunächst heben sich zwei Bearbeitungen scharf voneinander ab, eine kürzere und eine längere, die aber in sich nicht etwa eine geschlossene Handschriftengruppe bilden. Die Aus- gabe in der Kavyamala stellt die kürzere Bearbeitung dar. Sie ent- hält nur 56 Strophen und wenig Prosa. Derselben Bearbeitung ge- hören auch die MSS. A = British Museum, Benparı Nr. 269, B= India Office Library, Eeerrıns Nr. 4188, C und D = Bodleian Library, AUFRECHT Nr. 276. 277 an. A hat nach seiner eigenen Zählung 72 Stro- phen, B48, C 53, in D zähle ich nur 33. Von der längeren Bear- beitung dagegen hat E = India Office Library, Eseruıne Nr. 4189 nach eigener Zählung 138 Strophen. Die Zählungen der MSS. sind aber ungenau; E ist außerdem von fol. 9 an ganz in Unordnung, während es vorher ganz ausgezeichnet ist. Die ganze Anordnung des Stückes ist aber in den Handschriften sehr verschieden, nicht bloß die Textabweichungen im einzelnen. So fehlen z.B. in A von der Ausgabe p. I, 12—2, II; 2, I4-—-I9; 3, 5—10; 21; 4, 3—8. ! Kırreorn, LINI., Nr. 210. 212n. 222. Subhata, der Verfasser der In- schriften aus der Zeit des Udayasimhadeva und Cäciga aus den Jahren 1273. 1276 und 1277 (Kırrnorn, a. a. OÖ. Nr.700— 702) ist mit unserem Subhata schwer- lich identisch. ® Konow, Räjasekhara’s Karpüramanjari, p. 196 f. Sitzungsberichte 1906. 48 498 Gesammtsitzung voın 3. Mai 1906. Hinter 4,10 schiebt A die folgenden zwei Strophen rein erzählenden Inhalts ein: itirayitv@ vibudhan apasyat tais tustuve kantakitair vapurbhih | tato "calad Valisutah svayuthat samsthäpya tatraiva mahasahayam || 10 || navamsuvaklramsuviSalamaulir jvalann ubhäbhyam manikundalabhyam | vivesa vidyadharavarttmanareh purtm niruddhabhinavorumargam || ı 1 || Ravano Mandodarım prati | Unmittelbar dahinter folgt dann die Strophe 14 = p. 5, 8.9 der Ausgabe (es fehlt also hier p. 4,11— 5,7), auf die vier Strophen folgen, die in der Ausgabe ganz fehlen, zum Teil sich aber in andern Handschriften finden, wenn auch an anderer Stelle. An die letzte der vier Strophen schließt sich in A an Strophe ı8 = p. 6, 2 ff. der Aus- gabe. Es fehlt also p. 5,10— 6,1 einschließlich. Und so geht es fort. Dasselbe wiederholt sich in den anderen Handschriften. Die kürzeste Bearbeitung enthält D.' Subhata gibt Strophe 56 selbst an, daß nicht alle Strophen von ihm selbst herrühren, sondern daß er einiges »von älteren, vortreff- lichen Dichterfürsten« genommen habe. Damit scheint er einzuge- stehen, daß die Dichtung an sich ihm nicht die Hauptsache war, sondern daß sie ihm nur als Unterlage für eine Vorführung der Per- sonen diente. Zugleich war damit für alle Rupadaksas die Möglich- keit zu Einschiebungen in weitem Umfange gegeben. Soweit ich bis Jetzt die Quellen der kürzeren Bearbeitung feststellen konnte, befinden sich darunter Murari, Rajasekhara, angeblich Bhavabhuti, und vor allem das Hanumannätaka oder Mahändtaka, das ja in seinen ver- schiedenen Rezensionen ebenfalls Strophen älterer Dichter enthält.” Vergleicht man das Dütängada in seinen handschriftlichen Fassungen mit dem Hanuman- oder Mahanätaka, so wird man sich sofort über- zeugen, daß beide derselben Klasse der Dramen angehören. Das Hanumannälaka behandelt den ganzen Stoff des Ramayana, das Datan- gada nur eine kurze, einzelne Episode. Rama schickt den Affen Angada zu Ravana, um die Sıta zurückzufordern. Rävana schlägt die Rückgabe ab und schreitet zum Kampfe. Am Schlusse treten zwei Gandharven auf, die durch die Luft wandeln und sich über den Tod des Ravana unterhalten. Hinter der Bühne werden Strophen rezitiert, die die Freude über den Tod des Ravana ausdrücken und ! Die Bezeichnungen der Handschriften sind hier nur provisorisch, da ich noch nicht das ganze Material beisammen habe. ® Ich begnüge mich hier auf Anundoram Borooah, Bhavabhüti and his Place in Sanskrit Literature (Caleutta 1878) p. 5ff. zu verweisen. Vgl. auch GGA. 1835, 760, Anm. ı. Besonders in der längeren Rezension des Dütängada sind viele Strophen aus dem Mahänätaka. u Pıscner: Das altindische Schattenspiel. 499 das Auftreten des Rama ankündigen. Dieser erscheint auf seinem Wagen mit Sıta und schildert ihr das Schlachtfeld in einer Strophe, die aus Rajasekharas Balaramayana 10, 20 genommen ist, auch im Mahänataka steht und oft von den Rhetorikern zitiert wird. Darauf folgt das Bharatavakya und die eben erwähnte Strophe 56. Nur an ganz wenigen Stellen, die aber nicht einmal in allen Handschriften stehen, findet sich ein kurzer Dialog. Meist werden nur Verse ge- geben und auch der Fortgang der Handlung in Versen geschildert, wie in den mitgeteilten Strophen ıo und ıı der Handschrift A. Genau so verfährt das Mahänätaka. Und wie in diesem jedes Pra- krit fehlt, so auch in mehreren Handschriften des Diztängada. Max Mürter hat bereits 1846 die Vermutung ausgesprochen'!, daß wir in dem Mahandataka mehr eine epische, als eine dramatische Dichtung zu sehen haben. In den Grundbestandteilen des Werkes glaubte er die Überreste einer alten epischen Dichtung, oder die ersten Ver- suche dramatischer Kunst erblicken zu müssen. Daß dieses Urteil durchaus zutreffend ist, habe ich schon 1885 bemerkt.” Auch Levı rechnet das Mahänätaka unter die Stücke, die einen Zustand des Theaters widerspiegeln, der lange vor Kalidasa liegt, und kommt zu demselben Resultate wie Max Mürter.” Ohne Zweifel ist das Maha- nataka in seinen Grundlinien ein sehr altes Stück oder das Abbild eines solchen. Darauf weist auch die bekannte Legende hin, wo- nach Hanumant es auf einen Felsen eingegraben, nachher aber Val- miki zuliebe diesen Felsen ins Meer gestürzt habe. Zur Zeit des Bhoja, also im ır. Jahrhundert, seien Bruchstücke zum Vorschein ge- kommen, die Bhoja durch die Dichter Damodaramisra oder Madhu- sudanamisra zusammensetzen und ergänzen ließ." Daß ganze Dra- men auf Steinplatten geschrieben wurden, ist ja erwiesen.” Die Le- gende zeigt jedenfalls, daß man eine Tradition über ein älteres Ma- hänätaka hatte°, das sich vielleicht zu dem jetzt vorhandenen ähnlich verhielt, wie die kürzere Rezension des Dütängada zu der längeren. ! Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik 1846, I, S. 472 ff. 2 GGA. 1885, S. 760, Anm. 1. ® Le theatre indien p. 156. 244. * Levi, a.a. 0.8. 243. Ich möchte schon hier darauf hinweisen, daß die Bho- japrabandha (ed. Paras, Bombay 1896) p. 70 und Prabandhacintämani p. 98f. erwähnte Strophe ayi khalu visamah usw. sich nicht bloß in beiden Rezensionen des Mahänätaka findet (14,49 der längeren, 9,97 der kürzeren Rezension), sondern auch im Dütängada, Strophe 49, ebenfalls in beiden Rezensionen. In der Särhgadharapaddhati 4005 wird sie anonym (kasyapi) angeführt. Näheres behalte ich mir für die Ausgabe des Dütängada vor. 5 Kıerrsorn, Bruchstücke indischer Schauspiele in Inschriften zu Ajmere in Festschrift zur Feier des ısojährigen Bestehens der Königl. Gesellschaft der Wissen- schaften zu Göttingen, Berlin 1901. $ Vgl. auch Levı, a.a. O., Appendice p. 46. 500 Gesammtsitzung vom 3. Mai 1906. Daß aber das Mahänätaka und das Dülängada in irgend einer Weise mit dem alten Schattenspiele zusammenhängen, möchte ich jetzt, nachdem ich die Handschriften des Dütängada kennen gelernt habe, für sehr wahrscheinlich halten. Vom Mahänätaka sagt Levi sehr treffend': »Un grand nombre de personnages traversent l’action, paraissent, parlent et s’evanouissent en quelque sorte dans le r£eit.« Im Diütängada ist die Zahl der auftretenden Personen natürlich ge- ringer, da es ja nur einem Akte des Mahänätaka entspricht. Immer- hin ist sie im Verhältnis zum Umfange des Stückes recht groß. Es treten in dem gedruckten Texte auf: Rama, Laksmana, Angada, Sugriva, Ravana, Mandodarı, Vibhisana, Mälyavant, Prahasta, eine falsche Sita, eine Raksası, viele Raksasa, die Gandharven Hemangada und Citrangada, hinter der Bühne ein Barde, und als stumme Person Sıta. Auch sonst wurde dem Auge, namentlich am Schlusse, viel geboten, so daß Wırson®” und L£vı” gemeint haben, daß der Haupt- effekt dieses und aller ähnlichen Stücke in der Ausstattung gelegen habe. Denkt man sich alles ursprünglich mit Schattenbildern vor- geführt, so wird die ganze Art der Stücke verständlich. An die Puppenspiele erinnert, daß im Mahänätaka und Dütangada Angada und Ravana, im Haridyüta Krsna und Duryodhana als große Bramarbasse geschildert werden. Ein Vidusaka fehlt. In den volks- tümlichen Schattenspielen war gewiß der Dialog nur teilweise aus- geführt und der Improvisation weiter Spielraum gelassen, ‚wie das ja das charakteristische Merkmal des ältesten indischen Dramas ist.‘ Diese Eigentümlichkeit ist auf das Chäyanäataka übertragen worden. Ob man aus dem in der Handschrift C gebrauchten Ausdruck Dütängadam nama cchayanatakam abhinayasangibhir unmilayisyami »ich werde das Schattenspiel Dutangada in einer Reihe von Darstellungen vor Augen führen« auf bildliche Vorführung schließen darf, ist nicht sicher. Immerhin ist der Gebrauch von unmilaya- in diesem Zusammen- hange ganz ungewöhnlich. Er erinnert an unmilita »eingraviert«, das in den Säsana auf Kupfertafeln gebraucht wird und mit utkırna »aus- geschnitten«, »eingegraben«, »eingeritzt« wechselt’, könnte sich also auf eine bildliche Wiedergabe beziehen. Mag das Chayanataka zur Zeit des Subhata mit Schattenspiel- A.a. OÖ. p. 244. ® Theatre of the Hindus p. 390: the composition was perhaps intended to in- troduce a spectacle of the battle and procession. ® A.a.0. S. 242: toutes ces pieces ..... semblent des ouvrages de ceirconstance, destines A amener un spectacle final, & justifier un grand d&ploiement de mise en scene. * GGA. 1891, S. 357f. ° Bünter, Indische Palaeographie $ 39, S.95, 12 v.u. Pıschuer: Das altindische Schattenspiel. 501 scheint sicher zu sein, daß es eine literarische Fortbildung des alten volkstümlichen Schattenspiels ist. Das beweisen vor allem auch die Proben des siamesischen Schattenspiels Phra: raxäniphön Ramäkien, die F.W.K. Mürzer herausgegeben hat." Wie das Mahanätaka und Da- tähgada, behandelt auch dieses Schattenspiel eine Episode aus dem Ramäyana in ganz derselben epischen Weise.” Die gereimten Verse werden in kurzen Zwischenräumen durch Anweisungen für die Musiker oder den Regisseur unterbrochen. Indrajit, Hanumant, Sugriva sprechen in demselben renommierenden Tone wie die Helden der Sanskritdramen, und die ganze Sprache ist ebenso blumenreich und schwülstig wie in diesen. Der Charakter des Schattenspiels tritt so wenig hervor, daß man, wie MürtLer S.4 bemerkt, versucht sein könnte, diese Bücher für Textbücher zu einem Drama zu halten, wenn nicht in der einen der beiden Handschriften ausdrücklich an den Rand geschrieben wäre näng (Lederfiguren). Mit den Karagözstücken hat diese Art der Schatten- spiele nichts gemein. An jene erinnern vielmehr Volksstücke, wie die in Almor aufgeführten®, teilweise auch die Bhana. Die indischen und siamesischen Stücke sind eben literarische Nachbildungen. Jacog hatte aber das richtige Gefühl, als er in den Inhaltsskizzen der Chayanataka »deutlich die charakteristischen Züge der wirklichen Schattenbühne« zu erkennen glaubte.” Chayanataka bedeutet in der Tat das, was die wörtliche Übersetzung an die Hand gibt: »Schattenspiel«e. Wann dieser Name aufgekommen ist und warum er den alten Namen Rüpyarupaka verdrängt hat, ist augenblicklich noch nicht zu sagen. Durch den Nachweis des Schattenspiels in alter Zeit ist die letzte Lücke in der Entwicklung des indischen Dramas ausgefüllt. Ich will hier nicht noch einmal alles zusammenstellen, was L£vı und ich selbst gegen den griechischen Einfluß auf das indische Theater ausgeführt haben. Selbst der eifrigste Verfechter des griechischen Einflusses, Vincent A. Smtn, muß zugestehen, daß Alexanders Feldzug »left upon India no mark save the horrid scars of bloody war ..... She continued to live her life of ‘splendid isolation’, and soon forgot the passing ! Internationales Archiv für Ethnographie, Band VII (Leiden 1894), Supplement. Auf Tafel IV findet sich eine Abbildung des Angada. 2 Ganz epische Form mit eingelegten Strophen aus dem Drama zeigt die Hand- schrift F = Bodleian Library, Aurrecr'r Nr. 278. Hier heißen die Abschnitte Sarga, das Ganze aber am Schlusse trotzdem Ch@yanataka. Diese Handschrift erfordert eine eigene Bearbeitung. ® Eine deutsche Übersetzung der Abhandlung von Mınasev wird im Anhange zur Übersetzung der Indischen Märchen und Legenden aus Kamaon demnächst Frl. Orsa Nıesvur veröffentlichen. * Das Schattentheater in seiner Wanderung vom Morgenland zum Abendland, S.4. Die Herkunft des siamesischen Schattenspiels vom javanischen und die Ursprüng- lichkeit des javanischen wird durch den Nachweis des indischen sehr in Frage gestellt. Sitzungsberichte 1906. 49 502 Gesammtsitzung vom 3. Mai 1906. of the Macedonian storm«.' Liest man dagegen die Fragmente der Scriptores de rebus Alexandri Magni, so sieht man, welchen Eindruck auf die Griechen Indien gemacht hat, obwohl sie das eigentliche Indien überhaupt nicht kennen lernten. Und im Milindapaüha, der uns in die Zeit des Griechisch-Indischen Reiches versetzt, ist es nicht der Inder, der dem griechischen Einflusse unterliegt, sondern der griechische König Menander tritt zum Buddhismus über.” Schon Sophokles hat in der Antigone 905-—-913 im Anschluß an Herodot III, ı9 ein zweifel- los orientalisches Motiv verwertet, mag ‚es ursprünglich indisch oder persisch gewesen sein.’ Die von GrENFELL und Hunt aus den Oxyrhynchus Papyri 1903 veröffentlichte Farce spielt an der indischen Küste, und die darin auf- tretenden Inder werden in ihrer Sprache redend eingeführt. Das ist durchaus ungriechisch, aber ein charakteristischer Zug der orientali- schen Komödien.‘ Wir sind so sehr gewohnt, überall, wo griechisches und orientalisches Wesen sich berühren, ohne weiteres den Griechen den Vorzug einzuräumen, daß man noch gar nicht ernstlich die Frage erwogen hat, was denn die Griechen dem Orient verdanken. Man vergißt auch völlig, daß die Inder bereits längst die Höhe einer eigen- artigen, hohen Kultur erreicht hatten, als die Griechen sie kennen lernten, und daß man nicht immer mit Athen operieren darf, sondern daß auch die Kolonien ein Wort mitzureden haben. Die Frage, ob der griechische Mimus einen Einfluß auf den Orient gehabt hat?, ist für Indien rundweg zu verneinen. Hat eine gegenseitige Beeinflussung statt- gefunden, so sind die Griechen die Entlehner. Vorläufig brauchen wir »die indischen Ansprüche noch nicht bedeutend zugunsten der griechi- schen herabzusetzen«° und altindische Erzeugnisse darauf zu prüfen, ob sie etwa den Stempel zeigen: »Made in Greece.« The Early History of India (Oxford 1904) p. ro5. Ich stimme ganz GArBE, Deutsche Rundschau 28, 267f. bei. HErnmEs 28, 465fl., 29, 155f. Jacos, TürkischeLitteraturgeschichte in Einzeldarstellungen I, 2gff. (Berlin 1900). Reıcn, Der Mimus I, 616ff.; DLZ. 1903, S. 2682ff. Zum Wandern der indi- schen Schauspieler will ich hier außer auf den Ausdruck carana nur auf die Erzählung von Sämä, Jätaka III, 5gff. — Mahävastu II, 168 ff. und auf Harivamsa 2, gı, 2gf. — 8578f. ed. Cale. verweisen. Das Avadänasataka verlegt die dramatische Kunst bereits in die Zeit des Buddha Krakuechanda. Ein Lehrer der Schauspieler (natacarya) kommt aus dem Dekhan nach Sobhävati und führt mit seinen Schauspielern ein buddhistisches Stück auf (S. v. ÖLpengurg, Zapiski IV, 393f.). ° Horovırz, Spuren griechischer Mimen im Orient (Berlin 1905), S. 96. Po» a Ausgegeben am 10. Mai. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. 5 Pegeeegegegese esesesage! nn 7 Gsese Sespsesasas =1-7=] 1906. XXIV. XXV. XXVI. SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe am 10. Mai. (S. 503) Sitzung der philosophisch-historischen Classe am 10. Mai. (S. 505) Gesammtsitzung am 17. Mai. (S. 507) Koser: Jahresbericht über die Herausgabe der Monumenta Germaniae historica. (S. 510) BERLIN 1906. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER, | Aus dem Reglement für die Redaetion der akademischen Druckschriften. Aus $1. Die Akademie gibt gemäss $ 41,1 der Statuten zwei fortlaufende Veröffentlichungen heraus: »Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften« und » Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften«, Aus $ 2. Jede zur Aufnahme in die »Sitzungsberichte« oder die »Abhandlungen« bestimmte Mittheilung muss in einer aka- demischen Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel das druckfertige Manuseript zugleich einzuliefern ist. Nicht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. 83. Der Umfang einer aufzunehmenden Mittheilung soll in der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, bei Nichtmitgliederu 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- lungen nicht übersteigen. Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung der Gesammt-Akademie oder der betreffenden Classe statt- haft, und ist bei Vorlage der Mittheilung ausdrücklich zu beantragen. Lässt der Umfang eines Manuscripts ver- mutben, dass diese Zustimmung erforderlich sein werde, so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen muthmasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen. $4. Sollen einer Mittheilung Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeichnungen, photographische Original- aufnahmen u. s. w.) gleichzeitig mit dem Manuscript, jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen. Die Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschliessen, Ein darauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der be- treffenden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage eines Sachverständigen an den vorsitzenden Secretar zu richten, dann zunächst im Seeretariat vorzuberathen und weiter in der Gesammt-Akademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie. Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist — wenn es sich nicht um wenige einfache Textfiguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachverständigen beizufügen. Überschreitet dieser Anschlag für die er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberathung durch das Seeretariat geboten. Aus $5. Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manuseripts an den zuständigen Secretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften, und zwar, wenn eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mittheilungen von Verfassern, welche nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen der Regel nach nur in die Sitzungsberichte aufgenommen werden. Beschliesst eine Classe die Aufnahme der Mittheilung eines Nichtmitgliedes in die dazu bestimmte Abtheilung der »Abhandlungen«, so bedarf dieser Beschluss der Bestätigung durch die Gesammt- Akademie, Aus $6. Diean die Druckerei abzuliefernden Manuseriptemüssen, wenn es sich nicht bloss um glatten Text handelt, aus- reichende Anweisungen für die Anordnung des Satzes und die Wahl der Schriften enthalten. Bei Einsendungen Fremder sind diese Anweisungen von dem vorlegenden Mitgliede vor Einreichung des Manuscripts vorzunehmen. Dasselbe hat sich zu vergewissern, dass der Verfasser seine Mittheilung als vollkommen druckreif ansieht. Die erste Correctur ihrer Mittheilungen besorgen die Verfasser. Fremde haben diese erste Correetur an das vorlegende Mitglied einzusenden. Die Correetur soll nach Möglichkeit nicht über die Berichtigung von Druckfehlern und leichten Schreibversehen hinausgehen. Umfängliche Correceturen Fremder bedürfen der Genehmigung des redi- girenden Secretars vor der Einsendung an die Druckerei, und die Verfasser sind zur Tragung der entstelienden Mehr- kosten verpflichtet. P Aus $8. Von allen in die Sitzungsberichte oder Abhandlungen aufgenommenen wissenschaitlichen Mittheilungen, Reden, Adressen oder Berichten werden für die Verfasser, von wissenschaftlichen Mittheilungen, wenn deren Umfang im Druck 4 Seiten übersteigt, auch für den Buchhandel Sonder- abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen des be- treffenden Stücks der Sitzungsberichte ausgegeben werden. Von Gedächtnissreden werden ebenfalls Sonderabdrucke für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn die Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden erklären. $9. Von den Sonderabdrucken aus den Sitzungsberichten erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 50 Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Seeretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt- Akademie oder der be- trefienden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 50 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Secretar weitere 200 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. Von den Sonderabdrucken aus den Abhandlungen er- hält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 30 Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Seeretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt-Akademie oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 30 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Secretar weitere 100 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen, $ 17. Ti Eine für die akademischen Schriften be- stimmte wissenschaftliche Mittheilung Jart in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jener Stelle anderweitig, sei es auch nur auszugs- r (Fortsetzung auf S. 3 des Umschlags.) - 503 SITZUNGSBERICHTE 1906. XXIV. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 10. Mai. Sitzung der physikalisch-mathematischen Olasse. Vorsitzender Secretar: Hr. WALDEYER. Hr. Hrrrwıe las »über den Krebs der Mäuse und über die Übertragung desselben durch Transplantation« nach gemein- sam mit Dr. Por ausgeführten Untersuchungen. Die Transplantation von kleinen Stücken des Krebsgewebes wurde unter Anderem auch in der Absicht vorgenommen, von Tag zu Tag an conservirtem Material die eintretenden histologischen Veränderungen genauer zu verfolgen. Während die Mitte des Transplantates regelmässig abstirbt, bleiben Nester und Stränge von Krebszellen in der Rinde erhalten, von denen aus die Regeneration des Tumors unter vollständiger Beibehaltung seines Typus rasch erfolgt. Unter den untersuchten Primärtumoren be- fand sich einer, welcher sich von den bisher bekannt gewordenen durch ausgebreitete Verhornungen der centralen Partien (dicke Stränge und Nester verhornter Zellen, die durch Metamorphose oberflächlich gelegener Stränge protoplasmatischer Geschwulst zellen entstehen) unterscheidet. Ausgegeben am 31. Mai. Sitzungsberichte 1906. 50 r. » , KISTEN UNI [7 2 Carbin Dr a . j R 7 « (IE gr D ® na Aare Liela H j N eh f Ua HR) Win AR Le; a N Ren Pe 7 Ba Tu ln = UR AR N Te TU er Be: ) ALERT TECH Hal) N ar Aircy De 5 ;; ' f iin ’ A Y- TR Ka 505 SITZUNGSBERICHTE 1906. xXXV. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 10. Mai. Sitzung der philosophisch -historischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. VAHtEn. *1. Hr. Scnärer sprach über die Sundzollreehnungen. Die Drucklegung der Schiffslisten ist bis 1620 vorgeschritten. Der ausserordent- liche Werth dieser nun sich eröffnenden Geschichtsquelle für die Kenntniss der nord- europäischen Entwiekelung wurde nach den Hauptrichtungen erörtert. *2. Hr. Koser las »Über eine Sammlung von Originalbriefen Frienprıcn'’s des Grossen an VOLTAIRE«. Die bisher unbekannte, soeben in Frankreich aus Privatbesitz für das Berliner (Geheime Staatsarchiv angekaufte Sammlung umfasst 184 Briefe aus den Jahren 1740 bis 1777. Mehr noch als in der verhältnissmässig kleinen Zahl von noch ungedruekten Stücken liegt der Werth der Erwerbung darin, dass gegenüber den durch Auslassungen, Einschiebungen und sonstige Änderungen sowie durch zahlreiche falsche Daten ent- stellten Texten sämmtlicher Ausgaben jetzt auf Grund dieser Originale und einiger kleinerer in den letzten Jahren angekauften Sammlungen zum ersten Male die Vor- legung eines völlig gesicherten Textes ermöglicht wird. Die authentische neue Aus- gabe wird für die »Publikationen aus den Preussischen Staatsarchiven« vorbereitet. Ausgegeben am 31. Mai. Du* a8 F z bül 5 ya 5 BR 67 Fi B% j ıH F a z\ Kae es 78 Fr I rs De MAR Nr ” 8 A ! 1 2 The PR 'Yy U A) & En! ’ VERA WR) f e: N I 1 ’ A Al 2 Pin ” P 13% 2 me} i Pi B ya: ii DAMERIZETN h y . g a I ALL a LE IE re a - Y R f f s ri, \ Mi ‘ L i & 2” rn u D , 5 \ u 5 ‚ “ ? 507 SITZUNGSBERICHTE 1708 xXXVl. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 17. Mai. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. WALDEYER. *]. Hr. Wargure las über die Ozonisirung des Sauerstoffs und der atmosphärischen Luft, nach Versuchen in Gemeinschaft mit Hrn. Dr. LertHÄuser. Bei der stillen Entladung aus kleinen negativen Metallkugeln wurden aus atmo- sphärischer Luft bei einer Concentration von 8—93 Ozon im Kubikmeter 308 Ozon pro Kilowattstunde erhalten. Nitrose Gase werden in Gegenwart von Ozon leicht von verdünnter Natronlauge absorbirt. Wasserdampf setzt die Ozonbildung herab, mehr in atmosphärischer Luft als in Sauerstoff, um so mehr, auf eine um so grössere Ent- fernung von der Elektrode hin das Gas zum Leuchten kommt. 2. Hr. Koser überreichte den Jahresbericht über die Her- ausgabe der Monumenta Germaniae historica. 3. Hr. von Wıramowırz- MoELLENnDoRFF machte Mittheilung von einigen Ergebnissen der Grabungen, die die Königlichen Museen in Hermupolis und Elephantine auf Papyri veranstaltet haben. Das Merk- würdigste sind Reste von zwei Gedichten der Korinna und ein Blatt aus der ältesten Ptolemäerzeit mit einer Anzahl poetischer Sprüche. 4. Hr. Pıscner machte Mittheilung aus einem Briefe des Leiters der Königlich Preussischen Expedition nach Chinesisch - Turkestan, Prof. GrÜünwEDEL, datirt aus Kumtura bei Kutscha vom 21. Februar 1906. Danach war die Ausbeute an Manuseripten in den Ming Oi- Höhlen bei Kumtura nicht sehr bedeutend, da im Frühjahr 1903 die Japaner die Höhlen ausgeräumt hatten. Um so bedeutender waren die archäologischen Funde. Besonders merkwürdig sind die Typen der Stifter der Höhlentempel: Leute, die einem rothhaarigen, blau- äugigen Volke angehören, in unzweifelhaft iranischer Tracht, mit ganz ungeheuren eisernen Schwertern. Ferner sind figurenreiche bud- dhistische Fresken gefunden worden, die ein ganz eigenartiges bud- dhistisches Pantheon aufweisen. Durch die Bemühungen des Hrn. 508 ; Gesammtsitzung vom 17. Mai 1906. von LecogQ ist ferner eine ausgezeichnete ethnographische Sammlung zusammengebracht worden, wie sie kein Museum der Erde besitzt und in dieser Vollständigkeit nie mehr zusammenbringen kann. Die eigenartige alterthümliche Keramik des Landes und zahlreiche Sticke- reien in alttürkischen Mustern, die in Turkestan selbst schon Selten- heiten sind, sind vornehmlich gesammelt worden. Grosse Verdienste hat sich um die Sammlungen der Expedition auch der energische und unermüdliche Hilfsarbeiter Hr. Barrus erworben. 5. Hr. Zimmermann überreichte das von ihm herausgegebene Werk: Der Eisenbahnbau. Bd.2. Berechnung, Konstruktion, Ausführung und Unterhaltung des Oberbaues. 2. Aufl. Leipzig 1906. 6. Zu wissenschaftlichen Unternehmungen hat die Akademie bewilligt durch die physikalisch - mathematische Classe: Hrn. F. E. Scauzze zur An- schaffung eines Apparats für Mikrophotographie mittels ultravioletten Liehts behufs Fortführung seiner Untersuchungen über den Bau der Wirbelthierlungen 2578 Mark; Hrn. Prof. Dr. JuLıus Bauscninger in Berlin zur Bearbeitung einer achtstelligen logarithmisch -trigonometrischen Tafel als zweite Rate 3500 Mark; Hrn. Prof. Dr. Reınnarn Brauns in Kiel zum Abschluss seiner Untersuchung der zur Diabasgruppe ge- hörenden Gesteine des rheinischen Schiefergebirges 1000 Mark; Hrn. Dr. WaArrer Gornan in Berlin zu Untersuchungen über die Anatomie der Gagathölzer sowie über die Jura-Flora von Whitby (Nord-England) 700 Mark; Hrn. Ingenieur WırueLm HERRMANN in Weissensee bei Berlin als Zuschuss zu den Kosten einer Expedition in das argentinisch-bo- livianische Grenzgebiet zum Zweck der geographischen Erforschung desselben 2000 Mark; Hrn. Dr. Orro Kauıscner in Berlin zu einer Unter- suchung über die Beziehungen des Schläfentheils des Grosshirns zum Höract 700 Mark; Hrn. Prof. Dr. Gustav Kremm in Darmstadt zum Abschluss seiner Untersuchungen über die krystallinen Gesteine der Tessiner Alpen 250 Mark; Hrn. Prof. Dr. Wırıy KükentHraL in Breslau zu einer Reise nach Westindien behufs Studiums der dortigen Korallen 4500 Mark; Hrn. Prof. Dr. Oskar Scnurrze in Würzburg zu Unter- suchungen über die Histologie des Nervensystems 1000 Mark; Hrn. ALgerT Scnurz in Busch bei Dahl (Kreis Paderborn) zum Abschluss einer Monographie der Trigonaloiden 325 Mark; Hrn. Dr. Fruıx TaAnn- HÄUSER in Berlin zu einer mineralogisch-petrographischen und geolo- gischen Untersuchung des Gabbrogebietes von Neurode (Schlesien) 540 Mark; Hrn. Dr. J. Wırnernı aus Marburg zu einer Monographie der marinen Trieladen 600 Mark; durch die philosophisch -historische Olasse: Hrn. Diers zur Fort- führung der Arbeiten an einem Katalog der Handschriften der antiken Gesammtsitzung vom 17. Mai 1906. 509 Ärzte 3000 Mark; Hrn. Koser zur Fortführung der Herausgabe der Politischen Correspondenz Frıeprıcn's des Grossen 6000 Mark; Hrn. von WıLAMowWIıTz- MOELLENDORFF zur Fortführung der Sammlung der grie- chischen Inschriften 5000 Mark; der Deutschen Commission zur Fort- führung ihrer Unternehmungen 3000 Mark; für die Bearbeitung des Thesaurus linguae Latinae über den etatsmässigen Beitrag von 5000 Mark hinaus noch 1000 Mark und zur Bearbeitung der hieroglyphischen In- schriften der griechisch-römischen Epoche für das Wörterbuch der aegyptischen Sprache 1500 Mark. 7. Die Akademie hat auf den Vorschlag der vorberathenden Gom- mission der Borr-Stiftung den Jahresertrag der Stiftung im Betrage von 1350 Mark dem Directorial-Assistenten am Museum für Völker- kunde in Berlin Hrn. Prof. Dr. Frıeprıcn Wırnerm Karı MürLter in An- erkennung seiner scharfsinnigen und folgenreichen Entzifferung der in Chinesisch - Turkestän gefundenen manichäischen Schriftwerke zuerkannt. Die Akademie hat das correspondirende Mitglied der philoso- phisch -historischen Ulasse Hrn. Oskar von GEBHARDT in Leipzig am 10. Mai durch den Tod verloren. 510 Gesammtsitzung vom 17. Mai 1906. Jahresbericht über die Herausgabe der Monumenta Germaniae historica. Von R. Koser. Di. zweiunddreissigste ordentliche Plenarversammlung der Central- direction der Monumenta Germaniae historica wurde in den Tagen vom 23.bis 25. April hier abgehalten. Zur Theilnahme an den Sitzungen waren erschienen die HH. Geh. Justizrath Prof. Brunser und der kom- missarische Vorsitzende Geh. Ober-Regierungsrath Koser von hier, Ar- chivrath Kruscn aus Breslau, Hofrath Prof. Luscnın Ritter von EBEN- GREUTH aus Graz, Prof. von OTTENTHAL und Prof. Repuicım aus Wien, Geh. Rath Prof. von RırzLer aus München, Geh. Rath Prof. ScuÄrer, Prof. Taner, der das Protokoll führte, und Prof. Zrumer von hier. An der Betheiligung verhindert waren Hr. Prof. BressLau in Strass- burg durch Universitätsgeschäfte, Hr. Geh. Regierungrath Prof. Horper- Esser von hier durch seine im Auftrage der Centraldirection unter- nommene Forschungsreise nach Italien, Hr. Geh. Hofrath Prof. Sreın- MEYER in Erlangen durch die Vorbereitungen zu einer zu wissenschaft- lichen Zweeken anzutretenden längeren Urlaubsreise. Nach Präsentation durch die Centraldireetion ist durch den Herrn Reichskanzler dem Verfasser dieses Berichts die Stellung des Vorsitzen- den mit dem ı. Juni 1905 zunächst auftragsweise übertragen worden. Die statutenmäßige Ernennung wurde bis zu der noch nicht erfolgten gesetzlichen Feststellung des Reichshaushalts- Etats für 1906 vorbehalten. Da bis auf weiteres jetzt der Vorsitz in der Centraldireetion und die allgemeine Geschäftsführung von der früher damit verbundenen Leitung einer Abtheilung und von der Mitarbeit an deren Editionen getrennt bleiben werden, so hat die vorgeordnete Reichsbehörde aus den künfti- gen Ersparnissen beim etatsmässigen Gehalt des Vorsitzenden Mittel zur Einberufung eines mit den Obliegenheiten eines Abtheilungsleiters zu betrauenden Gelehrten zur Verfügung gestellt. Der langjährige Mit- arbeiter der Monumenta Germaniae, Hr. Prof. Dr. ALBerrt WERMINGHOFF, Privatdocent an der Universität Greifswald. hat sich zur Annahme des an ihn gerichteten Rufes bereit gefunden. Hr. Wernınsuorr gedenkt Koser: Monumenta Germaniae historica. Jahresbericht. Hl am Schlusse dieses Sommersemesters mit Urlaub von der König- lich Preussischen Unterrichtsverwaltung auf befristete Zeit nach Berlin überzusiedeln; er hat inzwischen die ihm durch Beschluss der ÜCentraldirection überwiesene Leitung der Abtheilung Zpistolae bereits übernommen und ist somit nach den Bestimmungen des Statuts für die Dauer dieses Auftrags Mitglied der Centraldireetion geworden. Die Centraldireetion weiss sich Hrn. Geh. Regierungsrath Prof. Dr. HoıLver-EeeeEr für die nahezu drei Jahre vertretungsweise von ihm wahrgenommene Leitung des Unternehmens, durch die der regel- mässige Fortgang der Arbeiten ermöglicht worden ist, zu lebhaftem Danke verpflichtet. Seit dem Erscheinen des letzten Jahresberichts sind folgende Bände ausgegeben worden: In der Abtheilung Seriptores: Scriptorum Tomus XXXIl pars prior (enthaltend die erste Hälfte der Chronik des Minoriten Salimbene de Adam, herausgegeben von O. HoLper-Eserr). Scriptores rerum Germanicarum: Annales Mettenses Priores. Primum recognovit B. pe Sımson. Accedunt Additamenta Annalium Mettensium Posteriorum. — Vitae Saneti Bonifatii Archiepiscopi Moguntini. Recognovit Wırurrmus Levison. — Einhardi Vita Karoli Magni. Editio quinta. In der Abtheilung .Leges: Constitutiones et acta publica. Tomi Ill pars altera (1292 — 1298) Tomi IV pars prior (1298—1310). Recognovit JacoBUS SCHWALM. In der Abtheilung Diplomata: Urkunden der Karolinger Bd. I (751— 814) unter Mitwirkung von A. Dorsen, J. Lechner und M. Tancu bearbeitet von E. MüntsaAcher. In der Abtheilung Antiquitates: Necrologia Germaniae Tomus Ill. Dioeceses Brixenensis Frisingensis Ratisbonensis. Edidit Francıseus Lupovicus BAUMANN. Vom Neuen Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Ge- schiehtskunde: Bd. XXX, Heft3 und Bd. XXXI, Heft ı und 2. Im Druck befinden sich fünf Quart- und zwei Octavbände. Für die Scriptores Merovingicarum hat Hr. Archivrath Dr. Kruscn in Breslau während der drei Monate, auf die er aus dem im letzten Berichte angegebenen Grunde seine diesjährige Thätigkeit beschrän- ken musste, die Ausgabe der Vita Salabergae zum Abschluss gebracht und für die gleichfalls druckfertig hergestellte Vita Remacli die histo- rische Einleitung ausgearbeitet, in der es das Bild des Gründers der 512 Gesammtsitzung vom 17. Mai 1906. Klöster Malmedy und Stavelot von tausendjähriger legendarischer Aus- schmückung zu säubern galt. Bei erneuter Untersuchung der Urkun- den von Corbie glaubt Hr. Kruscn die Echtheit des wichtigen Privi- legs des Bischofs Berthefrid endgültig dargethan zu haben. Für die- selbe Serie erledigte unter Leitung des Hrn. Kruscn Hr. Privatdocent Dr. Leviıson in Bonn die ihm zur Bearbeitung überwiesenen Texte der für Bd. V bestimmten Vitae Nivardi episcopi Remensis, Vincentiani con- ‚fessoris Avolcensis und Menelei abbatis Menatensis, und, für den VI. Band, der Vitae Rigoberti episcopi Bemensis, Severini episcopi Burdegalensis, Germani episcopı Autissiodonensis und Solemnis episcopi Carnoteni, sowie des Libellus de ecclesüis Claromontanis. Nur die Bearbeitung der Historia Wambae regis des Julian von Toledo musste noch aufgeschoben wer- den, weil Collationen zur Zeit nicht zu beschaffen waren. Nach diesem vorläufigen Abschluss seiner Arbeiten für die Mero- wingerserie ist Hr. Levıson an die von ihm übernommene, an die Aus- gabe von Turopor Momnsen anzuschliessende Bearbeitung der Fort- setzung des Liber pontificalis (seit 715) in der Weise herangegangen, dass er zunächst die Menge der vorliegenden älteren Collationen in einander zu fügen sich bemühte; anschliessen wird sich die Heran- ziehung der bisher noch nicht oder nur ungenügend benutzten Codi- ces, vor Allem der Handschrift von Lucca. In der Hauptserie der Abtheilung Seriptores erschien versprochener- maassen noch vor Ablauf des alten Jahres, von dem Abtheilungsleiter Geheimen Regierungsrath Prof. Dr. HorLper-Eesrr bearbeitet, die erste Hälfte der Chronik des Minoriten Salimbene de Adam von Parma als Halbband des XXXI. Bandes. Da der Druck des zweiten Halbbandes nach nur kurzer Unterbrechung regelmässig weitergeht, wird der Text der Chronik zu Ende dieses Jahres vollständig gedruckt sein und nach Fertigstellung der umfangreichen Vorrede und der Register mit einem Anhange, der den irrthümlich dem Bernardus de Bessa zugeschriebenen Catalogus ministrorum generalium ordinis Minorum enthalten soll, im Jahre 1907 zur Ausgabe gelangen. Sobald sich der Druck des XXI. Ban- des dem Ende nähert, gedenkt der Herausgeber sich den Arbeiten für die noch ausstehende zweite Hälfte des XXX. Bandes, des letzten der Folianten der Seriptores-Serie, wieder zuzuwenden; von den für diesen Halbband bestimmten, zumeist bereits druckfertigen Supple- menten vom 8. bis 13. Jahrhundert bedürfen einzelne, wie die Mira- cula S. Benedieti von Desiderius und die Vita Anselmi von Rangerius noch der Bearbeitung oder der Revision. Für die Fortsetzung der Samm- lung der Italiener des 13. Jahrhunderts hat der ständige Mitarbeiter, Hr. Dr. ScnmeipLer, der auch bei der Correetur des XXX. Bandes Hülfe leistete, über die von ihm abgeschlossene Bearbeitung der Cro- Koser: Monumenta Germaniae historica. Jahresbericht. 513 nica S. Mariae de Ferraria im Neuen Archiv Bd. XXX berichtet und nunmehr die Jahrbücher des Tolomeus von Lucca in Angriff genom- men, deren in Lucca und Florenz befindliche Handschriften und Unter- lagen er augenblicklich an Ort und Stelle prüft; gleichzeitig hat der Herr Leiter der Abtheilung seine seit längerer Zeit geplante abermalige Reise nach Italien angetreten, um in Verona, Padua, Bologna, Pistoia, Florenz, Rom und Gubbio Forschungen für die Weiterführung anzu- stellen. Von den Handausgaben der Seriptores rerum Germanicarum wer- den sich den an der Spitze dieses Berichtes aufgeführten drei Heften (Vitae Bonifatüi ed. Levison; Annales Mettenses priores ed. Simson; Ein- hardi Vita Karoli M. ed. V., rec. HoLper- Esser) zunächst die Neubearbei- tung der Historiae des Nithard und die Annales Marbacenses, beide be- reits unter der Presse, anschliessen. Für den Herausgeber des Nit- hard, Hrn. Dr. Ersst MüLzer, hat Hr. Les£eur in Paris die dortige Handschrift gütigst noch einmal collationirt; dem Bearbeiter der Mar- bacher und der: ihnen anzuschliessenden kleineren Elsässischen An- nalen, Hrn. Prof. Dr. Broch in Rostock, lieferte der Bollandist Hr. ALBERT PonceELET S. I., der uns schon so vielfach in freundlichster Weise unterstützte, werthvolles einschlägiges Material aus Handschriften. Die Vergleichung der jüngeren Handschriften der Chronik des Cosmas von Prag hat für die von ihm übernommene neue Ausgabe Hr. Landes- archivar Dr. Brernorz in Brünn zu Ende geführt; im Zusammenhang seiner Untersuchungen und im Anschluss an seinen Bericht im Neuen Archiv Bd. XXIX veröffentlichte er (gegen den von Prof. Pecak in Prag unternommenen Versuch einer Rettung der schon von Dosner und Dongrowsky als Fälschung bezeichneten Wenzelslegende des sogenannten Mönches Christian) eine Abhandlung »Zur Lösung der Christianfrage«. Bei seinen Vorarbeiten für die Ausgabe der Annales Austriae hat Hr. Prof. Untırz in Graz während eines Besuchs in Melk, wo er durch den hochwürdigsten Hrn. Prälaten ArLexanper Karı, den Stiftsbibliothekar Hrn. Dr. Rupour ScHachinger und den Stiftsarchivar Hrn. Dr. EnuvArn KarscutuALer von Neuem freundliche Aufnahme und wirksamste Hülfe fand, die Textgrundlage für die Annales Mellicenses endgültig festge- stellt; eine durch Hrn. Prof. Dr. Reınıneer in entgegenkommendster Weise unterstützte Nachschau in St. Pölten ergab mit voller Sicher- heit, dass dort für die Zwecke der Edition nichts vorhanden sei. Die Neubearbeitung der Chronik des Bischofs Otto von Freising hat der ständige Mitarbeiter Hr. Dr. Hormeıster durch eine umfassende, im Wesentlichen zu Ende geführte Quellenuntersuchung und durch die Collationirung einer grossen Anzahl von Handschriften so weit vorbereitet, dass vor Festlegung des Textes nur noch die Vergleichung 514 Gesammtsitzung vom 17. Mai 1906. der Jenaer Handschrift und der Codices der österreichischen Klöster Admont, Reun, Zwettl und Heiligenkreuz und die Prüfung der an eine Handschrift des British Museum anknüpfenden Überlieferung zu bewirken ist; die Collation der Züricher Handschrift aus der Mitte des 13. Jahrhunderts steuerte Hr. Dr. ScıhmeiıpLer bei. Das Manu- script für den Text des Liber certarum historiarum des Abtes Johann von Vietring hat Hr. Dr. Fepor Scuneiver in Rom nunmehr vollständig vorgelegt. Den in Aussicht genommenen Druck der Monumenta Rein- hardsbrunnensia hat der Abtheilungsleiter Hr. HotLper- Esser mit Rück- sicht auf andre Arbeiten einstweilen hinausgeschoben; dagegen hat er für das Programm der Seriptores rerum Germanicarum die Neu- bearbeitung der Annales Placentini Gibellini selber in die Hand ge- nommen und gedenkt den Druck der bisher unedirten Chronik des Abtes Albert de Bezanis von Cremona, nachdem er auf seiner italie- nischen Reise die römische Handschrift verglichen haben wird, bal- digst beginnen zu lassen. Der Serie der Deutschen Chroniken wird sich demnächst als erste Hälfte des VI. Bandes der bereits vollständig abgesetzte Text der Österreichischen Chronik von den 95 Herrschaften (des sogenannten Hagen) und ihrer Fortsetzungen in der Bearbeitung des Hrn. Prof. Dr. SEEMÜLLER einreihen: ein weiterer Anhang (Wiener Annalen), Vorrede und Register sollen im zweiten Halbbande nachgeliefert werden. Hr. Privatdocent Dr. Grsuarpr in Erlangen gedenkt den ersten der über- nommenen Beiträge zu den Thüringischen Quellen deutscher Zunge, das Gedicht von der Kreuzfahrt des Landgrafen Ludwig Ill., in we- nigen Wochen druckfertig vorzulegen; mit den Arbeiten für das Leben Ludwig’s IV. hat er begonnen. Während das von Hrn. Privatdocenten Dr. Heıskıch MryEr in Göttingen der Centraldireetion zugesagte Manuscript für eine bis zum Jahre 1300 zu führende Ausgabe der historischen Lieder noch nicht eingereicht werden konnte, ist für eine Ausgabe der Dichtungen des Peter Suchenwirt zur Zeitgeschichte des 14. Jahrhunderts dadurch eine Grundlage gewonnen worden, dass die in langjähriger Beschäftigung mit dem Gegenstande entstandenen Vorarbeiten des zu Wien verstor- benen Prof. Krarocnwır käuflich erworben werden konnten, nachdem die HH. Prof. Dr. Sermünver in Wien und Dr. Rorrarz hierselbst freund- liehst ihre Gutachten über diesen litterarischen Nachlass abgegeben hatten. Innerhalb der Abtheilung Leges sind einmal die der Leitung des Hrn. Geheimraths Prof. Dr. Brunser unterstellten Arbeiten durch die HH. Prof. Dr. Freiherr von Scnuwinp, Prof. Dr. Szcker und Prof. Dr. Tansı weiter gefördert worden. Der Erstere veröffentlichte als Vor- Koser: Monumenta Germaniae historiea. Jahresbericht. 515 arbeit zu der Ausgabe der Lex Baiuwariorum im XXXI. Bande des Neuen Archivs kritische Studien über das Verhältniss dieses Volksrechtes zu dem verwandten Gesetzestexte und gedenkt, dem voraussichtlich im laufenden Geschäftsjahre zu beginnenden Druck der Ausgabe noch eine Untersuchung über die Handschriften vorauszuschicken. Hr. SECKEL hat im XXXI. Bande des Neuen Archivs in einer sechsten Studie zu Benedictus Levita die Quellen des ersten Buches behandelt, eine entspre- chende siebente Studie über das zweite Buch bis auf die Vergleichung einer Münchener Handschrift vollendet und auch die Vorarbeiten über die Grundlagen des dritten Buches und der Additiones dem Abschluss entgegengeführt. Hr. Taner durchmusterte für die Ausgabe der frän- kischen Placita die bayrischen Traditionsbücher theils bei einem Be- suche in München, theils, dank dem Entgegenkommen des Münchener Reichsarchivs, auf der Königl. Bibliothek in Berlin, hier unter Mit- wirkung des Hrn. Dr. jur. Raven; in Prades, Gerona und Vich hielt Hr. Dr. Krammer eine ergiebige Nachlese, die u. A. elf bisher unge- druckte Geriehtsurkunden aus dem Ende des 9. und dem Beginn des 10. Jahrhunderts zu Tage förderte. Die Sammlung der handschrift- lichen Überlieferungen ist damit beendigt; der Druck der Ausgabe kann im Herbst d. J. beginnen. Zu besonderem Dank ist die Central- direetion Hrn. Prof. Dr. Hüsser in Rostock verpflichtet, der für diese Ausgabe den von ihm und Anderen gesammelten grossen Apparat von Berichtigungen und Nachträgen zu seinen »Fränkischen Gerichts- urkunden« zur Verfügung gestellt hat. Unter Leitung des Hrn. Prof. Dr. Zrumer hat in derselben Ab- theilung zunächst Hr. Dr. Krammer seine Arbeiten für die Ausgabe der Lex Salica fortgesetzt und eine Anzahl Handschriften, die nach Berlin versendet werden konnten, hier verglichen, die zahlreichen Pariser Handschriften an Ort und Stelle zum allergrössten Theil er- ledigt und in Ivrea die dort befindliche Recension eingesehen; die sonstige italienischen Handschriften verglich Hr. Dr. Prrrrs. Den Druck des Bandes II der Concilia hat Hr. Prof. Dr. WERMINeHorF in Greifswald wiederaufgenommen und bis zum 66. Bogen gefördert. Von den durch Hrn. Dr. Scnuwarm in Hamburg bearbeiteten Consti- tuliones gelangen zwei Halbbände gleichzeitig mit dem vorliegenden Berichte zur Veröffentlichung: Bd. III 2 (mit Namenregister von dem Herausgeber, Wort- und Sachregister von Hrn. Dr. Sresseer) enthält die Akten König Adolf’s, Bd. VI ı die Albrecht's, die Wahlakten von 1308 und die Constitutionen Heinrich’s VII. bis gegen Ende 1310. Auf einer Reise im Sommer 1905 hat Hr. Dr. Scnuwarn für die Zwecke seiner Ausgabe und ihrer Fortsetzung bis 1347 in München, Modena, Rom, Sarzana, Parma, Mailand, Luzern, Bern und Freiburg i. U. gear- 516 Gesammtsitzung vom 17. Mai 1906. beitet. In der Vorbereitung der Sammlung der Constitutionen Karl’s IV. ist dadurch eine wesentliche Veränderung eingetreten, dass Hr. Dr. STENGEL im Laufe des vorigen Winters von dieser Aufgabe und über- haupt von der Mitarbeiterschaft an den Monumenta Germaniae mit Rücksicht auf die Förderung seiner eigenen Arbeiten zurückgetreten ist. Seit geraumer Zeit mit Studien über die Goldene Bulle beschäftigt und somit in die Zeit Karl’s IV. gründlich eingearbeitet, hat sich nun der Abtheilungsleiter Hr. Prof. Zeumer entschlossen, die Herausgabe der Constitutionen Karl’s IV. selber in die Hand zu nehmen; als ständiger Mitarbeiter ist ihm für diese Aufgabe Hr. Dr. Reınnarn Lüpıcke zur Seite getreten; weitere Hülfsleistungen, wie sie zum Theil durch das schwere Augenleiden des Hrn. Prof. Zrumer erfordert wurden, übernahm sein Schüler Hr. stud. jur. Kern. Wesentliche Förderung, für die hier der Dank ausgesprochen sei, erfuhren die von Hrn. ZEUMER geleiteten Serien der Zeges durch Hrn. Prof. Dr. Fınkz in Frei- burg, der an Hrn. Dr. Schwarm werthvolle Abschriften überliess, den Direetor des Ernestinischen Gesammtarchivs zu Weimar Hrn. Dr. Burknarpr, die HH. H. Omont und Lesievr zu Paris, Hrn. Archi- var Dr. Scnaus zu Wiesbaden, Hrn. Dr. Vısenzr zu Giessen, sowie durch die Vorstände der staatlichen Archive zu Coblenz, Dresden, Düsseldorf, Karlsruhe, München und Wien. Von den Diplomala Karolina gelangt der I. Band gleichzeitig mit diesem Berichte zur Ausgabe, nachdem bei Bearbeitung des Glossars sieh für einzelne Gruppen die Nothwendigkeit erneuter Untersuchung ergeben hatte, deren Ergebnisse der jetzige Leiter der Abtheilung, Hr. Prof. Taneı in Berlin, in den Berichtigungen und Nachträgen nieder- gelegt hat. Die Überführung des Apparats dieser zuvor von dem 1904 verstorbenen Prof. Müntsacner in Wien geleiteten Abtheilung von dort nach Berlin ist im Sommer und Herbst des vorigen Jahres erfolgt. Der Stand der übernommenen Vorarbeiten erforderte eine Nachprüfung der Urkunden für St. Gallen und Ellwangen, der sich Hr. Prof. Tanet, im Anschluss an seine für die Plaeita ausgeführte Münchener Reise, in St. Gallen und in Stuttgart unterzog. Die zur Bearbeitung der grossen Urkunde Ludwig’s des Frommen für die römische Kirche er- forderliche nochmalige Sichtung der Anselm- und Bonizo-Handschriften wurde in der Weise bewirkt, dass der Abtheilungsleiter die Bonizo- Handschrift der Wiener Jesuitenbibliothek, Hr. Dr. Prrers auf seiner zunächst für die Abtheilung Zpisiolae unternommenen italienischen Reise die einschlägigen Codices in Brescia, Mantua, Florenz und Rom prüfte. Dem vielleicht noch gegen Ende des Rechnungsjahres 1906 zu be- ginnenden Druck der ersten Gruppe der Urkunden Ludwig’s des From- men (bis 817) wird Hr. Prof. TaneL im laufenden Jahre eine den tiro- Koser: Monumenta Germaniae historica. Jahresbericht. Su, nischen Noten in sämmtlichen Karolingerurkunden gewidmete zusammen- fassende Abhanlung voranschicken. Als Mitarbeiter waren seit dem 1. Juli Hr. Archivassistent Dr. Ernst MüLrLer, und seit dem ı. November Hr. Dr. jur. Karı Raucn thätig, vorübergehend, bis zu seinem Übertritt zu der Abteilung Zeges, auch Hr. Dr. Lüpıcke. Der Leiter der Abtheilung Diplomata saec. XI, Hr. Prof. BresstLau in Strassburg, hat den Druck des IV. Bandes bis zum 26. Bogen fort- geführt, so dass der Text dieses die ganze Regierungszeit Konrad’s II. umfassenden Bandes im laufenden Geschäftsjahr gedruckt vorliegen wird; die Ausgabe des Bandes wird, nach Herstellung der Register, im Jahre 1907 erfolgen können. Unter den ihm anzufügenden Nach- trägen zu Bd. III wird sich ein Neudruck des Diploms H. II 305 (für Kloster Fruttuaria) befinden, dessen bisher unbekannten Schluss nebst vollständiger Datirung (Pavia 1014 Mai 6) Hr. BressLau bei einem Besuch in Montpellier auf der Bibliothek der Keole de medecine unter den für die Monumenta früher noch nicht benutzten Papieren Guichenons fand. Für den V. Band (Heinrich III.), dessen Druck bald nach Ausgabe von Bd. IV wird beginnen können, hat der Abtheilungs- leiter auf einer Schweizer Reise die letzten der ausländischen Archive, deren Urkunden nicht nach Strassburg versandt werden konnten, ausge- beutet und an seinem Wohnsitz in Verbindung mit den ständigen Mit- arbeitern HH. Dr. Wiser und Dr. Hesser die Originale der Archive zu München, Coblenz, Hannover und Münster, sowie einige aus Luzern über- sandte Stücke, bearbeitet bez. photographirt. Einige kleinere Arbeiten für die Abtheilung hat Hr. Dr. Hrsser in Italien auf einer zum Zwecke seiner eigenen Studien angetretenen Urlaubsreise ausgeführt. Für die Diplomata saec. XII hat Hr. Prof. von OrTrEntHAL in Wien die Vorarbeiten nach den im letzten Berichte vorgezeichneten Richtungen fortgesetzt; doch schied von seinen beiden aus der Abtheilung Diplo- mata Karolina übernommenen Mitarbeitern Hr. Dr. Lecaser bereits am 15. November aus, um einem Rufe als ausserordentlicher Professor nach Innsbruck zu folgen. Hr. Dr. Hırscn hat die Sammlungen zu München, Einsiedeln und Zürich an Ort und Stelle durehforseht und im Anschluss an die schon im Vorjahre erfolgte Durcharbeitung der Urkunden Lothar’s IH. für Bamberg und Prüfening die Bamberger Schreibschule und die Prüfeninger Fälschungen noch näher untersucht. Neu aufgearbeitet wurden sämmtliche Originale Lothar’s aus den Ar- chiven zu München, Sigmaringen, Karlsruhe, Bern, Einsiedeln, Frauen- feld, so dass von süddeutschen Archiven allein Pfäffers noch aussteht. In die Bearbeitung der Diplome Lothar’s waren in vollster Ausdeh- nung die Konrad’s II. und je nach der Sachlage auch bereits die Friedrich's I. und Heinrich's VL., sowie bei den besonderen Zuständen 518 Gesammtsitzung vom 17. Mai 1906. in der Königlichen Kanzlei jener Zeiten mehrfach auch Papst- und Privaturkunden einzubeziehen. Dank einer Zusage des Direetoriums der preussischen Staatsarchive wird das in diesen befindliche ein- schlägige norddeutsche Urkundenmaterial zur Versendung nach Wien gelangen, um hier mit Hülfe eines noch anzunehmenden weiteren Mit- arbeiters im Laufe des Jahres 1906 erledigt zu werden, während eine Forschungsreise nach Italien für den Frühling 1907 in Aussicht ge- nommen wird. Für den bibliographischen Apparat wurde das um- fassende Verzeichniss der Drucke von Kaiserurkunden fortgesetzt. Durch Zusendung von Archivalien verpflichteten sich der Abtheilung zu Dank das Reichsarchiv zu München, das Generallandesarchiv zu Karlsruhe, das Hausarchiv zu Sigmaringen und das Staatsarchiv zu Bern; gleich entgegen- kommend zeigte sich der Hr. Archivar des Stiftes Einsiedeln, P. Rıne- morz, der dem Hrn. Dr. Hırscn bei Bearbeitung und Reproduction der Urkunden das grösste Entgegenkommen bewies und den Hrn. Buch- händler Benzieer zu dankenswerthester Mitwirkung beim Photogra- phiren veranlasste. In Wien selbst haben der Director des k. u. k. Haus-, Hof- und Staatsarchivs, Hr. Hofrath Dr. Wmwrer und der Con- eipist Hr. Dr. Krarocnwır auch in diesem Jahre das photographische Atelier des Archivs den Zwecken der Monumenta in liberalster Weise zur Verfügung gestellt. In der Abtheilung Zpistolae hat Hr. Dr. Prrers während seines längeren Aufenthaltes in Italien das dortige Material für die Ausgabe der Briefe des Papstes Nicolaus I. ausgebeutet, zumal durch Colla- tion der grossen Sammlung der Biblioteca Vallicellana zu Rom und durch Prüfung anderer Handschriften derselben Bibliothek, sowie durch Nachforschungen in Montecassino. Nach Berlin zurückgekehrt, hat Hr. Dr. Perers, von dem bisherigen stellvertretenden Abtheilungsleiter, Hrn. Prof. Dr. Tanner, berathen, mit der Herstellung des Textes für die Briefe Nicolaus I. und Hadrians I. (für diese unter Heranziehung des nach Berlin gesandten wichtigen Codex der Pariser Nationalbi- bliothek) begonnen und gedenkt ihn binnen Jahresfrist zum Druck zu liefern. Vorschlägen des nunmehrigen Abtheilungsleiters, Hrn. Prof. Dr. Werminenorr, für die Weiterführung der Zpistolae sieht die Cen- traldireetion entgegen. Auch der Betrieb der Abtheilung Antiquitates dürfte nach der nothgedrungenen Unterbrechung einiger ihrer Arbeiten nunmehr in geregelten Gang zurückkehren, da sich endlich die Aussicht eröffnet, für die von dem verstorbenen Prof. von WınrerrerLn hinterlassenen Aufgaben berufene Fortsetzer zu gewinnen. Auf den Ratlı der HH. Prof. Dr. Wıruzrm Mever in Göttingen und Prof. Dr. GrroL» MrEvEr von Knonau in Zürich hat Hr. Geheimrath HorLver- Esser, dessen Händen Koser: Monumenta Germaniae historiea. Jahresbericht. 519 die Leitung dieser Abtheilung bis auf Weiteres anvertraut bleibt, von dem durch seine Notker-Studien bekannten Züricher Bibliothekar, Hrn. Dr. Jacog WERNER, um ein Gutachten über die umfassenden Samm- lungen von WINTERFELD’s für die Ausgabe der Sequenzen erbeten, das der Centraldirection jetzt vorliegt und uns hoffen lässt, mit dem Herrn Verfasser zu einer Verständigung über Umfang und Gesichtspunkte der von ihm zu übernehmenden Weiterführung der grossen Arbeit zu gelangen. Beide Theile begegnen sich dabei in der Auffassung, dass es geboten ist, gegen die Entwürfe des früheren Bearbeiters eine we- sentliche Beschränkung der Aufgabe eintreten zu lassen. Über Ver- handlungen mit einem für die Fortsetzung der sonstigen in’s Stocken gerathenen Arbeiten an den Poetae Latini des zehnten und elften Jahr- hunderts vorzugsweise in Betracht kommenden Gelehrten wird hof- fentlich im nächsten Jahresbericht eine befriedigende Mittheilung ge- macht werden können. Inzwischen hat Hr. Prof. Enwaıp in Gotha für die dem IV. Band der Poetae Latini anzuschliessende Ausgabe der Gedichte Aldhelm’s von Sherborne von einer Forschungsreise nach Oxford, Cheltenham, Cambridge, London, Valenciennes und Paris reiches Material heimgebracht und damit, sowie durch Vergleichung einer Wolfenbütteler und einer Petersburger Handschrift, die Grund- lage für die Textgestaltung gewonnen. Von den Neerologia hat Hr. Reichsarchivdireector Dr. Baumann den III. Band vollendet und aus- geben lassen, der die Todtenbücher der Diöcesen Brixen, Freising und Regensburg enthält. Aus dem nunmehrigen Abschluss der von dem hochverdienten Herausgeber für die Monumenta Germaniae geleisteten hingebenden und entsagungsvollen Arbeit nimmt die Centraldirection willkommenen Anlass, Hrn. Baumanv den ihm schuldigen Dank auf das Wärmste noch einmal auszusprechen. Der Bearbeiter der Necrologia der Diöcese Passau, der erzbischöfliche Bibliothekar Hr. Dr. FAstLinsEr in München, ist leider durch schwere Erkrankung im grössten Theile des letzten Jahres in der Arbeit behindert worden und hat sich auf die Bearbeitung eines ungedruckten Nekrologs von St. Florian bei Linz und eines schon bekannten von Kremsmünster beschränken müssen. Der Herr Leiter der Abtheilung Antiquitates hat angeregt, die bio- graphischen Schriften verschiedener mittelalterlicher Verfasser (de seriptoribus ecelesiastieis, de viris illustribus, de luminibus ecelesiae u. s. w.) in einem handlichen Bande vereinigt herauszugeben und ist von der Centraldireetion um nähere Vorschläge für die Ausführung ersucht worden. Von dem Neuen Archiv ist Heft 3 des XXX. Bandes noch unter der Schriftleitung von Hrn. Geheimen Hofrath Prof. Dr. Steınuever in Sitzungsberichte 1906. Sl 520 Gesammtsitzung vom 17. Mai 1906. Erlangen erschienen; Bd. XXXI, von dem Heft ı und 2 vorliegen, Heft 3 sich im Druck befindet, wurde auf die im Vorjahre an ihn gerichtete Bitte der Centraldireetion von Hrn. Geheimrath Prof. Dr. HoLDer - EGGER redigirt. Die Centraldireetion hat ihren ständigen Berliner Ortsausschuss beauftragt, ihr Vorschläge für eine grundsätzliche Abgrenzung des Arbeitsgebiets der Monumenta Germaniae gegenüber der mit unseren Aufgaben sich berührenden Editionsthätigkeit der deutschen histo- rischen Commissionen und grösseren Geschichtsgesellschaften zu machen. Durch die Fürsorge der Reichsregierung sind der Centraldireetion im Januar 1906 als Arbeitsräume und zur Aufstellung unserer Sammlungen, statt der bisherigen Unterkunft im Sockelgeschoss des Reichsversiche- rungsamtes, zwei Säle des Reichsdienstgebäudes Luisenstrasse 33/34 (Berlin NW.6) überwiesen worden. Wie alljährlich haben wir auch in diesem Berichte den hohen Reichsbehörden, den Beamten der Handschriftenabtheilung und des Zeitschriftenzimmers der Berliner Königl. Bibliothek, dem Königlich Preussischen Historischen Institut zu Rom und zahlreichen Archiven und Bibliotheken des In- und Auslandes unseren aufrichtigen Dank für die den .Aufgaben der Monumenta Germaniae gewährte Förderung auszusprechen, insonderheit, anlässlich der vorjährigen Forschungs- reisen unserer Mitarbeiter HH. Dr. Kranmmer und Dr. Prreis, der Nationalbibliothek und dem Nationalarchiv zu Paris, den Archives de la Commune zu Prades, dem bischöflichen und dem Kapitelarchiv zu Gerona, dem bischöflichen Archiv zu Vich, der Biblioteca Aposto- lica Vatiecana, der Biblioteca Casanatense und der Biblioteca Valli- cellana zu Rom, der Biblioteca Laurentiana, Biblioteca Marucelliana und Biblioteea Riecardiana zu Florenz, der Biblioteca Ambrosiana zu Mailand, der Kapitelsbibliothek zu Jvrea, der Biblioteca communale zu Mantua, dem Capitelarchiv zu Brescia und dem Archiv zu Monte- "assino. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckeref 1906. er XXVI. XXVII. SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Sitzung der philosophisch-historischen Classe am 31. Mai. (S. 521) Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe am 31. Mai. (S. 523) Hernert: Die Grösse der Erde. (S. 525) BERLIN 1906. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER, Aus dem Reglement für die Redaetion der akademischen Drucksehriften. Aus $l. Die Akademie gibt gemäss $ 41,1 der Statuten zwei fortlaufende Veröffentlichungen heraus: »Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaftene und » Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften «, Aus $ 2. Jede zur Aufnahme in die »Sitzungsberichte« oder die »Ahhandlungen« bestimmte Mittheilung muss in einer aka- demischen Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel das druckfertige Manuseript zugleich einzuliefern ist, Nicht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. $3. Der Umfang einer aufzunehmenden Mittheilung soll in der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, bei Niehtmitgliedern 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- lungen nieht übersteigen. Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung der Gesammt-Akademie oder der betreffenden Classe statt- haft, und ist bei Vorlage der Mittheilung ausdrücklich zu beantragen. Lässt der Umfang eines Manuscripts ver- muthen, dass diese Zustimmung erforderlich sein werde, so bat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen muthmasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen. NE ® Sollen einer Mittheilung Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeichnungen, photographische Original- aufnahmen u. s. w.) gleichzeitig mit dem Manuseript, jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen. Die Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in der Regel die Verfasser zu fragen. Sind diese, Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschliessen. Ein darauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der be- treffenden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage eines Sachverständigen an den vorsitzenden Secretar zu richten, dann zunächst im Secretariat vorzuberathen und weiter in der Gesammt-Akademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie. Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist — wenn es sich nieht um wenige einfache Textfiguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachveıständigen beizufügen. Überschreitet dieser Anschlag für die er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberathung durch das Secretariat geboten. Aus $5. Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manuseripts an den zuständigen Seeretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften, und zwar, wenn eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mittheilungen von Verfassern, welche nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen der Regel nach nur in die Sitzungsberichte aufgenommen werden. Beschliesst eine Classe die Aufnahme der Mittheilung eines Niehtmitgliedes in die dazu bestimmte Abtheilung der » Abhandlungen «, so bedarf dieser Beschluss der Bestätigung durch die Gesammt- Akademie, Aus $ 6. Diean die Druckerei abzuliefernden Manuseripte müssen, wenn es sich nicht bloss um glatten Text handelt, aus- reichende Anweisungen für die Anordnung des Satzes und die Wahl der Schriften enthalten. Bei Einsendungen Fremder sind diese Anweisungen von «dem vorlegenden Mitgliede vor Einreichung des Manuseripts vorzunehmen. Dasselbe hat sieh zu vergewissern, dass (er Verfasser seine Mittheilung als vollkommen druckreif ansieht. Die erste Correetur ihrer Mittheilungen besorgen die Verfasser. Fremde haben diese erste Correetur an das vorlegende Mitglied einzusenden. Die Correetur soll nach Möglichkeit nicht über die Berichtigung von Druckfehlern und leichten Schreibversehen hinausgehen. Umfängliche Correeturen Fremder bedürfen der Genehmigung des redi- girenlen Secretars vor der Einsendung an die Druckerei, und die Verfasser sind zur Tragung der entstelienden Mehr- kosten verpflichtet. Aus $ 8. a. Von allen in die Sitzungsberichte oder Abhandlungen aufgenommenen wissenschaftliclien Mittheilungen, Reden, Adressen oder Berichten werden für die Verfasser, von wissenschaftlichen Mittheilungen, wenn deren Umfang im Druck 4 Seiten übersteigt, auch für den Buchhandel Sonder- abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen des be- treffenden Stücks der Sitzungsberichte ausgegeben werden. Von Gedächtnissreden werden ebenfalls Sonderabdrucke für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn die Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden erklären, 89. Von den Sonderabdrucken aus den Sitzungsberichten erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 50 Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Seeretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt- Akademie oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 50 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Secretar weitere 200 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. Von den Sonderabdrucken aus den Abhandlungen er- hält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 30 Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Seeretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt- Akademie oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 30 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Secretar weitere 100 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. $ 17. - Eine für die akademischen Schriften be- stimmte wissenschaftliche Mittheilung dart in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jener Stelle anderweitig, sei es auch nur auszugs- (Fortsetzung auf S. 3 des Umschlags.) SITZUNGSBERICHTE 1906. XXVH. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 31. Mai. Sitzung der philosophisch-historischen Qlasse. Vorsitzender Secretar: Hr. VAHLEn. Hr. Rorrne sprach über Nibelungias und Waltharius. (Ersch. später.) Die Nachricht der Klage, ein Meister Konrad habe gegen Ende des 10. Jahr- hunderts den Untergang der Nibelungen lateinisch aufgezeichnet, wird aus inneren Gründen für glaubwürdig erklärt. Wahrscheinlich handelt es sich um ein lateinisches Epos in der Art des Waltharius, das sogar unter dem Einfluss der Dichtung Ecke- hart’s gestanden haben wird. Ein Vergleich des Nibelungenliedes mit dem Waltha- vius (unter Berücksichtigung der entsprechenden Partien der Klage und der Thidrek- saga) lässt in Composition und Motivirung sowie in manchen Details Übereinstimmun- gen erkennen, die vielleieht ein Licht auf Konrad's Diehtung werfen: sie würde nur etwa den Inhalt der Lacnmann’schen Lieder XNIV—XX gehabt haben. Ausgegeben am 14. Juni. (37) [592 Sitzungsberichte 1906. a, " f en 155 au a ar i SITZUNGSBERICHTE 1906. XXVIH. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 3l. Mai. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. ScHWENDENER (1. V.). l. Hr. Heinmerr las über die Grösse der Erde. Dieselbe wird bezeichnet durch die grosse Halbachse der Meridianellipse, d.i. der Radius des Aequators, nachdem die Messungen der Schwerkraft dargethan haben, dass die mathematische Erdgestalt sehr nahe die Form eines abgeplatteten Umdrehungs- ellipsoids besitzt, mit der schon von Besser zu 1:299 abgeleiteten Abplattung. Es werden zunächst nur die grossen europäischen Gradmessungen, welche auf eine Ver- srösserung des von BeEsseL gefundenen Werthes für die grosse Halbachse um etwa 750 n hinweisen, besprochen. Dieser Werth besitzt jedoch nicht die Genauigkeit, die ınan erwarten sollte, da sich ausgedehnte regionale Anomalien in den Krümmungen der Meridiane und Parallelen zeigen. 2. Hr. Srruve legte eine Mittheilung von Prof. J. Franz in Breslau vor: »Über die Vertheilung der Meere auf der Mondober- fläche.« (Ersch. später.) Es wird gezeigt, dass die Meere auf dem Monde einen Gürtel bilden, der sich einem grössten Kreise anschliesst. Die Lage dieses grössten Kreises lässt sich durch Ausmessung der Schwerpunkte der einzelnen Meeresflächen näherungsweise angeben. 3. Hr. von Bezorp legte vor und besprach ein von dem Abthei- lungsvorsteher im Meteorologischen Institut Geheimen Regierungsrath G. Herrmann im amtlichen Auftrag herausgegebenes Werk, das unter dem Titel: »Die Niederschläge in den norddeutschen Stromgebieten « bei @. Reimer in Berlin 1906 3 Bde. Lexikonformat erschienen ist. Das Werk ist unter der Leitung von Hrn. Hrrımann an dem Institut in 15 jähriger Thätigkeit fertiggestellt worden. Es umfasst sämmtliche zugängliche Niederschlagsbeobachtungen vom Beginn derselben bis in die neueste Zeit für die ganzen Einzugsgebiete der Norddeutschland durchfliessenden Ströme bis zur Mündung bzw. bis zum Verlassen der deutschen Grenzen. Die Ergebnisse der Messungen sind mit der äusser- sten Kritik bearbeitet und unter den verschiedensten Gesichtspunkten zusammengestellt. Eine nach den Beobachtungen von 3000 Stationen 52* 524 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 31. Mai 1906. auf den gleichzeitigen Zeitraum von ı0 Jahren redueirte Karte giebt ein anschauliches, mit grösstmöglicher Zuverlässigkeit entworfenes Bild der Niederschlagsverteilung in Deutschland. Diese Karte ist unter dem Titel »Regenkarte von Deutschland« auch getrennt im Buchhandel erschienen. 4. Hr. Fıscuer überreichte das von ihm verfasste Werk: Unter- suchungen über Aminosäuren, Polypeptide und Proteine (1399 — 1906), Berlin 1906. Die Größe der Erde. Von F.R. Heınerr. Erste Mitteilung. . den Sitzungsberichten von 1901, März, habe ich die Abplattung der Erde aus den Messungsergebnissen für die Schwerkraft zu 1: 298.3 abge- leitet. Der mittlere Fehler des Nenners dieser Zahl ist nur & 1.1. Sie erscheint dadurch besonders gesichert, daß Küstenstationen und Fest- landsstationen je für sich ganz zu demselben Werte führen. Seitdem ist durch Hecxers Bestimmung der Schwerkraft auf dem Atlantischen Ozean die Größe der Schwere daselbst als gut entsprechend der Fest- landsformel für die Änderung der Schwerkraft mit der geographischen Breite erkannt worden (Sitzungsberichte von 1902, Februar). Ich glaube (darin eine weitere Bestätigung des Abplattungswertes 1:299.3 erblicken zu können, insofern dadurch die Existenz der elliptischen Gestalt ge- sicherter geworden ist. Jedenfalls dürfte derselbe erheblich genauer sein als derjenige, den man aus den Gradmessungen ableiten kann, trotz- dem dieselben in den letzten Jahrzehnten außerordentlich an Um- fang zugenommen haben. Die Gradmessungen werden aber wohl immer das bevorzugteste Mittel abgeben, um die Größe der Erde zu bestimmen. Es ist der Gegenstand mehrjähriger Untersuchungen des Zentralbureaus der Inter- nationalen Erdmessung in Potsdam gewesen, aus den ausschlaggeben- den ausgedehnten Gradmessungen einen Wert dafür abzuleiten und seinen Fehler zu schätzen. Schließlich wurde auch der Versuch ge- macht, die Abplattung zu berechnen, wobei von vornherein ein grö- ßerer m. F. zu erwarten war. Zunächst soll mitgeteilt werden, welche Werte die einzelnen großen Gradmessungen für die Äquatorialhalbachse @ der Erde geben, diese als Rotationsellipsoid mit dem Besserschen Abplattungswert 1:299.15 betrachtet, welcher aus praktischen Gründen beibehalten wurde, da ! Vgl. auch O. Hecker, Bestimmung der Schwerkraft auf dem Atlantischen Ozean usw. Berlin 1903 (Veröffentlichung des Kgl. Preuß. Geodätischen Instituts, N. F. Nr. ır). 526 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe vom 31. Mai 1906. er von dem oben angegebenen nur innerhalb der mittleren Fehler- grenzen abweicht. Die Einzelbetrachtung der großen Gradmessungen und die Vergleichung ihrer Ergebnisse miteinander läßt die syste- matischen Einflüsse besser hervortreten als das übliche Verfahren der Gesamtausgleichung; man kann auf diesem Wege auch mit einigem Erfolg anstreben, den einzelnen Gradmessungen für die Gesamtaus- gleichung die ihnen wirklich zukommenden Gewichte zu erteilen. Die Berechnungen, auf welche ich mich stütze, sind zum größten Teile von Hrn. Prof. Dr. Scnuumann, jetzt Professor an der Technischen Hochschule in Aachen, früher ständigem Mitarbeiter im Kgl. Preuß. Geodätischen Institut, ausgeführt worden. In erster Linie ist zu nennen die große russisch -skandinavische Breitengradmessung, welche in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf Anregung und unter hervorragender Mitwirkung von F. G. W. Srruve ausgeführt wurde. Er ließ hierüber in den Jahren 1857 bis 1860 ein großes zweibändiges Werk erscheinen.' Nach Hrn. Schumann ist gegen den Wert der großen Halbachse der Meridianellipse @« = 6377397 m bei Besseıs Erdellipsoid eine Zu- nahme von über 1000 m vorhanden, indem sich findet: Aa=-+1058m=127m (m. F.). Zugrunde liegen 13 Breitenstationen (13 Fehlergleichungen), die sich über 25°3 Amplitude verteilen (von 45° 20' bis 70° 40') und einen mittleren Anschlußfehler von =# 2"ı zeigen.” Schon General Bonsvorrr hat in der Zeitschrift Fennia, Bd. I 1889, diejenige Ellipse berechnet, welche sich am besten anschließt, und erhalten: a= 3272563‘37 mit der Abplattung "/298.592- Schumann findet wesentlich dieselben Zahlen. Diese Gradmessung führt also sehr nabe zu demjenigen Werte der Abplattung, den die Schweremessungen geben. Der regelmäßige Verlauf der Krümmung äußert sich auch in dem Gang der Unterschiede der beobachteten und berechneten Breiten: Während die Quadratsumme der Abweichungen 47 ist, wird die halbe Quadratsumme der Unterschiede der Nachbarwerte (einschl. des Unterschiedes des letzten und ersten) gleich 65. Bei zufälligem Cha- ! Arc du meridien de 25° 20' entre le Danube et la mer glaciale mesure depuis 1816 jusqu’en 1850, sous la direction de C. pz Tenner, N. I. SerAnDer, Ünr. HAnstEEN et F. G.W. Srruve. Saint- Petersbourg. 2 Der oben gegebene Wert von Aa stimmt überein mit einer Rechnung von Wrrrram und A. Börsch aus den Jahren 1885/86; vgl. die » Verhandlungen der Per- manenten Kommission der Internationalen Erdmessung in Nizza 1887«; Bericht über Lotabweichungen von F. R. Hermerr. Hermerr: Die Grösse der Erde. . rakter der Abweichungen ist die mittlere Differenz beider Werte etwa +13. Daß der zweite Wert größer als der erste ist, und zwar um ı3 Einheiten, beruht hauptsächlich auf dem Umstand, daß Tornea 3:7 Abweichung zeigt, also einen im Vergleich zu den anderen Ab- weichungen großen Betrag. Systematische Einflüsse können nur von rasch veränderlichem Charakter vorhanden sein. Auch bei Tornea handelt es sich um eine mehr lokale Störung, die sich auch in der Größe der Schwerkraft zeigt. Mit Rücksicht auf dieses Verhalten der Abweichungen kann man den oben angegebenen m. F. #127 m als reell ansehen; allerdings wird er von der Unsicherheit betroffen, die in der Bestimmung des m.F. =+2\ı einer Gleichung steckt und die hier etwa 20 Prozent beträgt. Außerdem enthält er selbstverständlich nicht eine etwa vorhandene regionale Anomalie, wenn sie sich über das ganze Gebiet des Bogens erstreckt. (Beiläufig sei bemerkt, daß für die Bonsporrrsche Ellipse Aa gegen Besser gleich 1047 m wird, wie man sieht, wenn die Toisen mit dem Verwandlungslogarithmus 0.2898199 + 0.0000068 = 0.2898267 entsprechend dem bei der Gradmessung benutzten Normalmaß auf inter- nationale Meter reduziert werden; der Unterschied mit Aa = 1058m ist gering, einesteils weil die Abplattung nur wenig anders ist, an- dernteils weil in der Mittelbreite des Meridianbogens der Krümmungs- radius nahezu gleich a selbst wird.) Günstig für die Krümmung des russisch-skandinavischen Meri- dianstreifens ist ohne Zweifel der Umstand, daß er sich durchaus in ebenen Gegenden fern von Gebirgen hält, und daß auch das an das nördliche Bogenende angrenzende Eismeer auf mehrere hundert Kilometer Entfernung nur die geringe Tiefe von etwa 300 m aufweist.” Entsprechend ist die Lotabweichung im nördlichsten Punkt (in der Nähe des Nordkaps gelegen) nur o!I, was auch mit dem Umstand stimmt, daß in jener Gegend die Größe der Schwerkraft normal zu sein scheint. Zerlegt der russisch-skandinavische Meridianbogen das europäische Festland in zwei Teile von annähernd gleicher Ausdehnung in geo- graphischer Länge, so hat der bekannte große westeuropäische Bogen nahe dem Pariser Meridian mit seinen Verlängerungen nach Norden durch England und Schottland bis zu den Shetlandsinseln, und nach Süden durch Spanien und Algerien eine wesentlich andere Lage, in- dem er sich dem westlichen Abfall der kontinentalen Küste am At- I Sie wurde in Breite durch 2 Nachbarstationen untersucht, Fennia I Nr. ır. ?2 Fripwsor Nansen, The Norwegian North Polar Expedition 13893 —ı896. IV. 528 Sitzung der physikalisch-ınathematischen Classe vom 31. Mai 1906. lantischen Ozean auf 100— 1000 km (sehr wechselnd) nähert (vgl. das Kärtchen). Auch hat die physische Erdoberfläche im Gebiete dieses Bogens eine weit weniger günstige Gestaltung, namentlich in der süd- lichen Hälfte, infolgedessen auch der Anschluß der berechneten Breiten an die beobachteten ungünstiger ausfällt. Die Messungen für diesen, gegenwärtig auf 27° Amplitude (von 33° 48' bis 60° 50') ausgedehnten Bogen erstrecken sich über mehr als ein Jahrhundert bis zur Gegenwart. Der englisch-schottische Teil findet seine Darstellung in dem Hauptwerk der englischen Landesver- messung.' Die Verbindung mit dem Kontinent ist wiederholt erfolgt, zu- letzt ums Jahr 1861, sowohl von französischer wie von englischer Seite. Eine eingehende Bearbeitung derselben wurde schon früher aus An- laß der Berechnung der Längengradmessung in 52° Br. im Zentral- bureau bewirkt.” Hiernach wurde die Verbindung von Hrn. Scnumann rechnerisch durchgeführt. Für den Teil des Meridianbogens, der in Frankreich selbst liegt, sind die neuesten Dreiecksmessungen nach den Veröffentlichungen des Service geographique angewandt.” Die astronomischen Angaben verdanke ich gefälliger handschriftlicher Mit- teilung der genannten Behörde. Für den spanischen Teil, welcher der unter Oberleitung von General IBanez ausgeführten Triangulation entnommen werden konnte," wurden auf etwa zwei Drittel der Länge zur Kontrolle zwei Drei- ecksketten benutzt, die, an das südliche Ende des französischen Bogens anschließend, nur wenig bis zu ihrer Wiedervereinigung auseinander- laufen und befriedigend übereinstimmen. Der Übergang nach Nordafrika wird durch das bekannte lang- gestreckte Viereck bewirkt, das General Isanzz und General PERRIER vor beinahe drei Jahrzehnten vermaßen.° Von dieser Stelle bis zur Stadt Aleier führt eine Kette längs der Küste und dann weiter südlich eine Kette bis Laghouat, dem vorläufigen Endpunkt. Für diesen Teil konnten handsehriftliche Mitteilungen des Service geographique benutzt werden. Die geodätischen Linien zwischen den aufeinanderfolgenden astro- nomischen Punkten innerhalb Frankreichs und Spaniens einschließlich des Verbindungsvierecks wurden unter Leitung von Hrn. Prof. Dr. ! Ördnance trigonometrical survey of Great Britain and Ireland. Prineipal tri- sulation. By Captain A.R. Crarke. 1858. ® F.R.Heıverr, Die Europäische Längengradmessung in 52° Breite; I. Heft. 1893. 3 General Bassor, Memorial du Depöt general de la Guerre; t.X1l. Nouvelle meridienne de France. zm® fasc. Paris 1902. * Memorias del Instituto Geogräfico y Estadistico, t.I—VII. Madrid 1875 — 1838. Veröffentlicht in Bd. VII der Memorias sowie in dem Werke: Jonction ge&od. et astr. de l’Algerie avee l’Espagne, exteutee en commun en 1879, sous la direction de M. le General Isanez et M.le Colonel Prrrıer. Paris 1886. Hermerr: Die Grösse der Erde. Ä Arksteuzop.- afrik. = Saxavord S Bates PRreile ngzad messung. Fantheone Ohevry . Saligny b U. Arphamilles “ Tuy de Dome . oder . Ca 1cassonndg Ava bias . Lauda Montolar 2 Je vahon „ iu TE Ar mania Is- Guslt Std . Lagkonal P) 530 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 31. Mai 1906. Börsen im Zentralbureau berechnet; die anderen Berechnungen be- wirkte Hr. Prof. Dr. Schumann. Es wurde sowohl der ganze Streifen behandelt, wie auch der nördliche Teil und der südliche Teil einzeln. Die beiden Teile ließ man 2° ı2' in einander übergreifen. Das Ganze liefert gegen Besseıs @: Aa=+533m=#ı55m, wobei 38 Breitenstationen mit 38 Fehlergleichungen benutzt sind, welche die mittlere Abweichung =#4'4 zeigen. Die Einzelwerte sind in Spalte I folgender Tabelle enthalten. Verlängerter französischer Meridianstreifen. Unterschiede E = Astronomische — geodätische Breiten. Name Breite I II III Saxavord 60° 49:6 — 40 —2"6 Balta 60 45.0 — 6.1 —4.7 Ben Hutig 58 33.1 + 0.3 +1.4 Cowhythe 57 41.ı + 7-3 +83.2 Great Stirling 57 27-8 _ 2 —1.3 Kellie Law 56 14.9 — 3.7 —2.9 Calton Hill 55 57-4 + 3.5 +4.3 Durham 54 46.1 — 0.9 —0.3 Burleigh Moor 54303 + 2.1 +2.6 Clifton Beacon Bawars + 1.3 +1.7 Arbury Hill 52 13.4 — 3.0 —2.8 Greenwich 51 28.6 —_ 2. —2.4 Nieuport 51 7.8 — 0.4 —0.4 E Rosenda&l SI 2% — 0.9 —0.9 — 314 Lihons 49 49.9 + 0.5 +0.4 — 1.7 Pantheon 48 50.8 — 0.0 —0.3 — 2.0 Chevry 48 05 + 2.2 + 0.4 Saligny le Vif A 2% + 3.0 + 1.4 Arpheuille 46 13.7 + 6.3 + 4.9 Puy de Döme 45 46.5 + 7.0 + 5.6 Rodez ar 21.4 + 1.7 + 0.7 Carcassonne 43273.8 + 0.7 — 0.0 Rivesaltes 22 45.2 — 0.7 168 Montolar 41 38.5 + 3.6 + 3.2 Lerida 41 37.0 — 0.2 — 0.6 Javalon 40 13.8 — 0.2 — 0.2 Desierto 40 5.0 — 45 — 4.6 Chinehilla a + 2.2 + 2.4 Mola de Formentera 38 39-9 — 1.2 : — 0.9 Tetiea 37 15.2 + 3.5 ; + 4.0 Roldan 36 56.6 — 6.0 R — 5.3 Conjuros 36 44.4 — 12.6 h —I1.9 M’Sabiha 35 39.6 + 6.5 + 7-4 Nemours 35 5.8 + 7-4 5 + 8.5 Bouzarcah 36 48.0 + 2.9 ß + 3.5 Alger (Voirol) 36 45.1 — 9.1 — 8.4 Guelt &s Stel SB A728 — 1.0 i -+ 0,0 Laghonat 33 48.0 — 2.8 \ —_ 14 lleLmert: Die Grösse der Erde. So Der nördliche Teil gibt aus 16 Gleichungen Aa=+7883m+400m mit einem mittleren Anschlußfehler von =# 3\3. Der südliche Teil gibt aus 25 Gleichungen Aa=+145m=E330nm mit einem mittleren Anschlußfehler von #4!8. Die einzelnen Abweichungen sind in den Spalten II und II enthalten. Hiernach besitzen die beiden Teile einen beträchtlichen Unter- schied im mittleren Krümmungsradius, nämlich 643 m, dessen m. F. aber rund #500 m ist. Die Realität der Bestimmung ist also nicht besonders sicher. Dem ebenerwähnten großen Unterschied der Aa entspricht nun auch eine stark abweichende Sonderabplattung des Streifens. Aus den von ScHumanN aufgestellten Normalgleichungen finde ich 1:281.4: der Nenner hat aber einen m. F. von &ı2 Einheiten. (Der stark vergrößerten Ab- plattung entsprechend ergibt sich für a ein Zuwachs von 1078 m gegen Besser.) Die Quadratsumme der Abweichungen der 38 Gleichungen geht dureh Einführung der Abplattung als Unbekannten von 709 auf 663 herab; der m. F. einer Gleichung wird #4'4, kaum o!ı kleiner als früher. Mithin hat es für die Güte der Darstellung der beobachteten Breiten wenig Bedeutung, die Abplattung als Unbekannte einzuführen. Betrachtet man die Reihe der 33 Abweichungen im einzelnen, so fallen Vorzeichenanhäufungen nur bei Greenwich sowie südlich von Paris auf, im letzteren Falle erscheint das Hochland der Auvergne als Ursache. Im ganzen entspricht die Vorzeichenverteilung ziemlich gut dem Gesetz zufälliger Fehler. Die Quadratsumme der Abweichungen ist aber 709, die halbe Quadratsumme der Unterschiede der Nachbar- werte (einschließlich der Differenz von letzter und erster Abweichung) 601: der letztere Betrag ist also kleiner, was auf die Anwesenheit systematischer Einflüsse hinweist.‘ Allerdings ist der mittlere zufällige Unterschied beider Zahlen etwa & 120, so daß die systematischen Ein- flüsse wenig verbürgt erscheinen: andererseits ist klar, daß einige be- sonders große Abweichungen mehr zufälligen Charakters diese Einflüsse verdunkeln. Einzelne der Abweichungen verdienen noch eine Bemerkung. Im Norden fällt bei Saxavord und Balta auf den Shetlandsinseln das negative Vorzeichen auf, während der Küstencharakter nach der üb- ' In der Tabelle sind die Abweichungen auf Zehntelsekunden abgerundet; ge- rechnet ist mit einer Stelle mehr. 532 Sitzung der physikalisch - mathematischen Classe vom 31. Mai 1906. lichen Anschauung hier ein positives Vorzeichen erwarten läßt. Aber die Schweremessungen zeigen eine positive Störung; ist diese nicht lokal, sondern die übliche Küstenstörung, so würde das negative Vor- zeichen der Lotabweichungen damit stimmen. Bei Cowhythe erklärt sich die Abweichung zum großen Teil aus lokalen Ursachen, ebenso bei Calton Hill; auch bei Kellie Law, Burleigh Moor und Clifton ist wenigstens gleicher Sinn der lokalen Störung und der Abweichungen vorhanden. Das Hauptwerk der englischen Landesvermessung, in welchem für die genannten Stationen Lokalanziehungen abgeleitet sind, weist eingehend nach, daß nächst den sichtbaren Massenstörungen auch unsichtbare zur Wirkung gelangen. Weiterhin fällt die systematische Störung südlich von Paris ins Auge, die mit dem Hochland der Auvergne, wie schon bemerkt, in Verbindung steht. In Spanien ist die größere Störung an der Ostküste bei Desierto dem Vorzeichen nach in Übereinstimmung mit dem Küstenabfall und dem Gebirge. Bemerkenswert ist die Abweichung auf dem Punkt Mola de Formentera, mitten im westlichen Teil des Mittelmeeres, dureh ihren geringen Betrag: dies ist plausibel. Die großen Werte der südspanischen Küstenpunkte Roldan und Conjuros entsprechen ebenso wie diejenigen der nordafrikanischen Küstenpunkte M’Sabiha und Nemours dem Sinn nach der Lage; da- gegen zeigen die Punkte Bouzareah und Alger (Colonne Voirol) auf- fallendes Verhalten. Das gegenseitige Verhältnis dieser beiden Punkte gab dem Ser- viee geogr. Anlaß zu einer eingehenderen Studie, in welche noch drei andere Punkte der weiteren Umgebung der Stadt Algier einbezogen wurden.' Die Punkte Bouzarecah und Colonne Voirol liegen nur 7 km voneinander ab. Die starke Lokalabweiechung von 12" erklärt sich nach dem Bericht dureh Schichten von kristallinischem Schiefer und von Kalk mit der Diehtigkeit 2.3—-3 unterhalb von Bouzareah, während Colonne Voirol auf Schichten von der Dichte 2—2.2 ruht. Auch die starke positive Schwerestörung in Algier läßt starke Lotabweichungen erwarten. Die negative Abweichung am vorläufigen südlichen Endpunkt Laghouat ist nicht weiter auffallend, da nördlich Gebirgsketten liegen. Nach den vorstehenden Bemerkungen treten mehrfach in den Ergeb- nissen der westeuropäisch -afrikanischen Breitengradmessung systema- tische Einflüsse hervor. Derm. F. & 155m des Ergebnisses Aa=+538m kann also recht wohl noch unterschätzt sein. Die Genauigkeit des Ge- Rapport sur les travaux exCceutcs en 1904, S. 5—7- HErmEerT: Die Grösse der Erde. 533 samtresultats dieser Messung wird sich aber steigern, wenn dieselbe erst weiter südlich fortgeführt sein wird; für zwei Breitengrade ist die Verlängerung schon im wesentlichen beendet. Vergleicht man nun die Ergebnisse für Aa (des russisch -skandi- navischen Meridianbogens und des westeuropäisch-afrikanischen Meridian- streifens miteinander, so fällt der große Unterschied auf: 1058 gegen 538, der die rechnungsmäßige Unsicherheit von rund = 200 m er- heblich überschreitet und einen wirklichen Unterschied in der mittleren Krümmung der betreffenden meridionalen Gebiete darstellen dürfte. Der Unterschied von 520 m verliert allerdings etwas von seinem über- ‚aschenden Charakter, wenn man bedenkt, daß schon der westliche Streifen in sich einen Unterschied von noch größerem Betrage zwischen den Aa der nördlichen und südlichen Hälfte aufweist. Es handelt sich hier um Einflüsse geotektonischer Massenstörungen kontinentalen Charakters; schon 13589 wurde eine solche durch die Be- rechnung der geodätischen Verbindung beider Meridianbogen erkannt, welche die HH. Börscn Vater und Sohn im Zentralbureau der Inter- nationalen Erdmessung ausführten, wobei sich zeigte, daß der russische Bogen (dureh 4" Zuwachs) lauter positive Lotabweichungen erhält, wenn man vom englisch-französischen Bogen (in derälteren Ausdehnung) aus- geht. Dies konnte ich damals (1590) so deuten, daß von der kontinen- talen Masse Europas ein gewisser kleiner Teil nicht von der unter- irdischen Kompensation, die die »Gleichgewichtstheorie« der Erdkruste voraussetzt, betroffen wird und also zur Wirkung gelangt. Die Variation von Aa längs eines Streifens, der der Küste überall ungefähr gleich naheliegt, wie in Westeuropa-Nordafrika, zeigt aber, daß Massen- störungen gleichen Betrages wie jene Kompensationsmängel doch auch noch auf andere Art entstanden sein mögen. Zu einer Untersuchung derselben auf Grund der Schwerestörungen fehlt es an Material: aus- gedehnte regionale Anomalien (die schon bei geringem Betrage für die Figur der Erde bedeutungsvoll sind) können nicht ohne ein- gehende Untersuchungen von den lokalen und wenig ausgedehnten Anomalien regionalen Charakters getrennt werden. Für die generelle Kompensation spricht aber jedenfalls die Tatsache, daß im allgemeinen an den Küsten die Schwere eine positive Störung besitzt. Von großem Interesse ist nun die Betrachtung der Ergebnisse der ausgedehnten europäischen Längengradmessung in 52° Br. Sie umfaßt beinahe 69 Längengrade, was etwa 42 Breitengraden entspricht. Da das von dieser Messung berührte Gebiet mit Ausnahme der deutschen Mittelgebirge und der Gegenden in Wales und Südwestirland als nahezu eben anzusehen ist, so müßte man interessante Aufschlüsse erwarten. 534 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe vom 31. Mai 1906. Leider ist die Genauigkeit der östlichen Hälfte der Vermessung nicht befriedigend. Auch die europäische Längengradmessung in 52° Breite wurde auf Anregung von W. SrruvE unternommen; da er aber zu dieser Zeit, im Jahre 1857, schon hoch betagt war, mußte er das weitere Betreiben der Sache seinem Sohne Orro StruvE überlassen, dem es auch gelang, die Regierungen der in Betracht kommenden Länder zur Ausführung der erforderlichen Arbeiten zu bewegen. In Preußen übernahm General BAEvEr die Vermessung. Der ganze westliche Teil von Irland bis Warschau wurde im Zentralbureau zusammenfassend bearbeitet. Hr. Schumann stützte sich bei seinen Rechnungen auf die in dem betreffenden Werke gegebenen Lotabweichungsgleichungen, die von Westen her bis Warschau reichen; von da bis Bobruisk wurden diese Gleichungen gemäß einer Bearbeitung durch Hrn. Prof. A. Börsen angenommen. Bei dieser Bearbeitung hatte sich u. a. gezeigt, dal der russischerseits abgeleitete Parallelbogen Czenstochau (Mirow)- Warschau um 55 m vergrößert werden mußte, um ihn in Warschau auf den Punkt zu beziehen, von dem aus der nächste Bogen Warschau- Grodno berechnet worden war. Für den Teil östlich von Bobruisk liegen zur Zeit nur die un- mittelbaren Angaben russischerseits zunächst in den Bänden 47 und 50 der Denkschriften (Zapiski) der Militärtopographischen Abteilung des russischen Generalstabes vor (1891 und 1893). Die übermäßig große relative Lotabweichung in Länge, welche danach der östliche End- punkt Orsk gegen den vorhergehenden Punkt Orenburg haben sollte, nämlich etwa 36", veranlaßte eine Erneuerung der astronomischen Bestimmung des geographischen Längenunterschieds beider Punkte und eine Revision der geodätischen Punktlage in Orenburg, wodurch nach Bd. 5ı (1894) der Zapiski die 36" auf etwa 15" herabgingen. Bedenklich bleibt immer noch der schlechte Zusammenschluß der fünf Grundlinien dieses Teiles durch das Dreiecksnetz hindurch; besonders verdächtig ist der letzte Teil Orenberg-Orsk (ob dies in Bd. 51 besser geworden ist, konnte noch nicht festgestellt werden). Aus der Gesamtheit des Bogens mit 28 Stationen und 25 Fehler- gleichungen folgt Ada=+594m=&ıo5m; / ohne Orsk würde +450m=06m folgen. ' Außer dem bereits erwähnten I. Heft ist zu vergleichen: A. Börsen und L. Krüger, Die Europäische Längengradmessung in 52° Breite; 11. Heft. 1896. ® Vgl. die Europ. Längengradmessung, I, S. 30. en Ze HerLmErT: Die Grösse der Erde. 535 Der westliche Teil gibt aus 19 Gleichungen Aa=+475mX+166m, der östliche Teil aus 7 Gleichungen Aa=+1236m=#3505m. Läßt man aber Orsk weg, so wird im letzten Falle Aa nur + 680 m. Die Abweichungen im Sinne astronomischer Länge — geodätischer Länge, aber reduziert auf den Bogen 7 größten Kreises, sind in den Spalten I, I und III der folgenden Übersicht enthalten. Europäische Längengradmessung in 52° Br. Östliche Abweichungen n des astronomischen Zenits. Name Länge I I III Feaghmain —ı10°21' — 3.3 —.2!2 Haverfordwest — 458 +1.6 +2.4 Greenwich oo +1.5 +2.1 Rosenda@l-Nieuport + 2 35 —1.7 —.l Bonn +76 —4.4 —4.0 Göttingen +9 57 —.2. —2.2 Brocken +10 37 +2.3 +2.5 Leipzig +12 2 +2.7 +2.8 Rauenberg- Berlin +13 23 +1.7 +1.8 Großenhain +13 33 —2 —2.8 Sehneekoppe +15 45 +0.1 +0.1I Springberg +16 37 +0.8 -+0.7 Breslau-Rosenthal +17 2 +3-5 +3.4 Troekenberg +18 53 —0.5 —0.7 Schönsee +18 54 —2.9 —3.1 Mirow +19 11 +2.2 +2.0 Warschau +21 2 +1.9 +1.6 Grodno +23 50 —2.8 3.2 3 Bobruisk +29 14 +0.5 —o.1 —3!3 Orel +36 4 +4-4 5 +2.I Lipetzk +39 36 +0.2 ; —1.4 Ssaratow +46 3 +6.4 - +6.3 Ssamara +50 5 —2.6 f —1.9 Orenburg +55 7 +1.7 - +3.7 Orsk +58 34 —8.0 F —5.2 Die Anzahl der Stationen ist etwas größer als diejenige der Gleichungen, weil in drei Fällen je zwei Nachbarstationen nahezu dieselbe Abweichung des Lotes zeigten, weshalb die Gleichungen ein- fach gemittelt wurden (ohne Erhöhung des Gewichts).' Die Abweichungen 7 zeigen einen Verlauf, der nichts Systema- tisches als Ursache erwarten läßt. Bildet man nämlich die Quadrat- \ Wie nötig dies ist, erkennt man an folgendem Falle. Man denke sich die Anzahl der astronomischen Stationen verdoppelt; dann verdoppeln sich die Gewichte der Endergebnisse; liegen aber die Stationen paarweise zusammen und haben sie nahezu gleiche Abweichungen, so ist die wirkliche Genauigkeit nicht vergrößert. 536 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 31. Mai 1906. summe der y und die halbe Quadratsumme der Unterschiede der Nach- barwerte. (einschl. der Differenz der äußersten zwei Werte), so folgt einerseits 239, andererseits 238, also besteht fast völlige Überein- stimmung. Auch die Verteilung der Vorzeichen entspricht sehr nahe dem Charakter zufälliger Fehler. Die mittlere Abweichung einer Gleichung ist in den drei Fällen: I u III =E 312 ar E48S: Der m. F. &10o5m an dem Ergebnis Aa= 594m aus dem ganzen Bogen erscheint nun ziemlich gesichert; aber es ist noch eine Ver- größerung von rund 70 m an Aa infolge neuerer Messungen erforderlich. Nachdem nämlich die Rechnungen fertiggestellt waren, wurde der geographische Längenunterschied Potsdam-Greenwich im Jahre 1903 von Ausrecht und Wanach astronomisch neu bestimmt." Da auch inzwischen der Längenunterschied Paris-Greenwich endgültig festgestellt worden war und einige andere Längenunterschiede in Nordeuropa bekannt wurden, ergab sich die Nützlichkeit einer Neu- ausgleichung des geographischen Längennetzes im nördlichen Europa.” Durch diese erleiden die drei Stationen Greenwich, Haverfordwest und Feaghmain eine Annäherung an den Kontinent von etwa 1:5 in Länge, oder ı" im größten Kreise. Trägt man dem Rechnung, so wird Aa um rund 30m größer. Außerdem wurde neuerdings von den Engländern am westlichen Bogenende eine neue astronomisch-geodätische Station Killorglin an- gelegt, welche am Kopfe der Dingle Bay 2" 13° östlich von Feaghmain liegt und in bezug auf Küste und Gebirge weit weniger lokale Lotab- weichung als Feaghmain erwarten läßt, wo die östlich gelegenen Berge einen negativen Beitrag zu n liefern. Nach diesen Bestimmungen’ ist «=, + 6'1. Ersetzt man in den Rechnungen Feaghmain durch Killorglin, so würde Aa um etwa 80” größer. Indessen ist es fraglich, ob dies der Sachlage entspricht, und ob es nicht angemessener ist, beide Stationen beizubehalten. Geschieht dies und wird der vorher angeführten Vergrößerung Rechnung getragen, so wird das Gesamt- ergebnis etwa Aa=+660mHıosm. Betrachtet man den Unterschied der beiden Aa für die westliche und östliche Strecke des Bogens im Betrage von über 700 m, so scheint ! Veröffentlichungen des Kgl. Preuß. Geod. Instituts, Neue Folge, Nr. 15. ® Atusreent, Astr. Nachr. 3993/94- ° Sir W. H.M. Curisrie, Telegraphie determinations of longitude made in the years 1888 to 1902. Edinburgh 1906; S. VII. HELMERT: Die Grösse der Erde. Ha eine starke systematische Beeinflussung vorhanden zu sein, die mit der vorher besprochenen Erscheinung stimmt, daß Aa aus der russisch- skandinavischen Breitengradmessung größer als aus der westeuropäi- schen folgt. Allein einerseits ist der Unterschied der Aa beider Bogen- teile sehr unsicher bestimmt, vgl. oben Aa bei Weglassung von Orsk, und andererseits gibt eine in Südrußland in 474° Br. ausgeführte Längengradmessung keine Bestätigung für die Existenz eines großen Aa im europäischen Rußland, freilich auch nur mit geringer Sicherheit. Diese Längengradmessung bildet den Anfang einer solchen, die sich durch ganz Europa erstrecken sollte, von der aber der westliche Teil noch verschiedene Lücken aufweist. Über den russischen Teil berichten Bd. 49 und 50 der erwähnten Zapiski. Hier liegen nur 6 astronomische Stationen vor, die Endpunkte sind Kischinew und Astrachan mit 19° ı2' geographischem Längenunterschied. Es wird Aa=—47m#&650m; die mittlere östliche Lotabweichung 7 ist & 4!1. Die Einzelwerte + 34, — 2!7, —1!9, —2!I, +5.8 und — 2:4 sind zu wenig zahlreich, um systematische Einflüsse sicher erkennen zu lassen. Der m. F. von Aa ist jedenfalls infolge der Kürze des Bogens so groß, daß der Wert von Aa auf das Ergebnis einer Zusammenfassung mit den Aa aus den ausgedehnteren Gradmessungen kaum Einfluß erlangt. Über die Messungen in Nordamerika und Indien, wo auch noch ausgedehnte Bogen vorliegen, hoffe ich demnächst weitere Mitteilungen machen zu können. Ausgegeben am 14. Juni. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. Sitzungsberichte 1906. 53 vr ie ‚lo Al ROTE { Fr ‚Tıafi am ı MT Y, H ra OR RN re NN Bauuvan. 17%, \Hee BIN ub N Be , ] Y ; OD, { HALL j“ eu EARTH NL un rn ut: Den ind BL, ni; vb) aawllik) Abe sa PN ya voll A ! I " j 113 ar ir e BR ae ne Aen ut A HeS l va 1 TE at, PTR au ir ‚mul; N Pe ARE vr RE Alam An 14 air v2 Hai AR ya r ons S Kyle j | u f al | m Mn 14 Yard A0SK 07 2 ii 1) zZ lat =" PR A SE Ru KH fi Ä NIS LTITAUD IE BD u) Et nr Pa KIN aa ai in Ana WE Bu Ku Sehe > N Tel BR ae TEILEN: AT KO | 222 rer en 1 v m Jar Ban AREEBEE LE Fa 9 f if rr 144 ae Aare u ul 4, be ei ! Ink 8 BUN N rar AmRuK- ne ME rn TrD ak IRRE KIEL f rt ER BT ie BL Dr u vo Aa j N .: ie, a, vi % Fi ie Zu u wen “ MM " Ba; ” Be E IT u De iT, 1906. XXIX. XXX. XXX SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Gesammtsitzung am 14. Juni. (S. 539) Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe am 21. Juni. (S. 541) Sitzung der philosophisch-historischen Classe am 21. Juni. (S. 543) F.N. Fıncx: Zwei Lieder der deutschen Zigeuner. (S. 544) A BERLIN 1906. Be” VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER, OCT 6 1901 N FHSONIAN pe Aus dem Reglement für die Redaction der akademischen Druckschriften. Aus Sl, Die Akademie gibt gemäss $ 41,1 der Statuten zwei fortlaufende Veröffentlichungen heraus: »Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften« und » Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften«. Aus $ 2. Jede zur Aufnahme in die »Sitzungsberichte« oder die »Abhandlungen« bestimmte Mittheilung muss in einer aka- demischen Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel das druckfertige Manuseript zugleich einzuliefern ist. Nicht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. 83. Der Umfang einer aufzunehmenden Mittheilung soll in der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, bei Niehtmitgliedern 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- lungen nicht übersteigen. Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung der Gesammt-Akademie oder der betreffenden Classe statt- haft, und ist bei Vorlage der Mittheilung ausdrücklich zu beantragen. Lässt der Umfang eines Manuseripts ver- muthen, dass diese Zustimmung erforderlich sein werde, so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen muthmasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen. S4. Sollen einer Mittheilung Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeichnungen, photographische Original- aufnahmen u. s. w.) gleichzeitig mit dem Manusecript, jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen. Die Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschliessen. Ein darauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der be- treffenden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage eines Sachverständigen an den vorsitzenden Secretar zu richten, dann zunächst im Secretariat vorzuberathen und weiter in der Gesammt-Akademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie. Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist — wenn es sich nicht um wenige einfache Textfiguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachverständigen beizufügen. Überschreitet dieser Anschlag für die er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberathung durch das Secretariat geboten. Aus $5. Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manuscripts an den zuständigen Secretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften, und zwar, wenn eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mittheilungen von Verfassern, welche nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen der Regel nach nur in die Sitzungsberichte aufgenommen werden. Beschliesst eine Classe die Aufnahme der Mittheilung eines Nichtmitgliedes in die dazu bestimmte Abtheilung der »Abhandlungen«, so bedarf dieser Beschluss der Bestätigung durch die Gesammt- Akademie. Aus $6. k Diean die Druckerei abzuliefernden Manuseripte müssen, u wenn es sich nicht bloss um glatten Text handelt, aus- reichende Anweisungen für die Anordnung des Satzes und die Wahl der Schriften enthalten. Bei Einsendungen Fremder sind diese Anweisungen von dem vorlegenden Mitgliede vor Einreichung des Manuscripts vorzunehmen. Dasselbe hat sich zu vergewissern, dass der Verfasser | \ j } B seine Mittheilung als vollkommen druckreif ansieht. Die erste Correctur ihrer Mittheilungen besorgen die Verfasser. Fremde haben diese erste Correetur an das vorlegende Mitglied einzusenden. Die Correetur soll nach Möglichkeit nieht über die Berichtigung von Druckfehlern und leichten Schreibversehen hinausgehen. Umfängliche Correeturen Fremder bedürfen der Genehmigung des redi- girenden Secretars vor der Einsendung an die Druckerei, und die Verfasser sind zur Tragung der entstehenden Mehr- kosten verpflichtet. Aus $8. Von allen in die Sitzungsberichte oder Abhandlungen . aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilungen, Reden, N Adressen oder Berichten werden für die Verfasser, von wissenschaftlichen Mittheilungen, wenn deren Umfang im Druck 4 Seiten übersteigt, auch fürden Buchhandel Sonder- abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen des be- treffenden Stücks der Sitzungsberichte ausgegeben werden. Von Gedächtnissreden werden ebenfalls Sonderabdrucke für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn die Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden erklären. 89. Von den Sonderabdrucken aus den Sitzungsberichten erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 50 Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Seeretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt- Akademie oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 50 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Secretar weitere 200 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. x Von den Sonderabdrucken aus den Abhandlungen er- hält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 30 Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Seeretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt-Akademie oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 30 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Seeretar weitere 100 Exemplare auf ibre Kosten abziehen lassen. $ 17. Eine für die akademischen Schriften be- stimmte wissenschaftliche Mittheilung dart in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jener Stelle anderweitig, sei es auch nur auszugs- zo we (Fortsetzung auf S. 3 des Umschlags.) 539 SITZUNGSBERICHTE 1906. XXIX. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 14. Juni. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. WALDEYER. 1. Hr. Ev. Meyer las über Sumerier und Semiten in Baby- lonien. (Ersch. später.) Die ältesten Denkmäler Babyloniens zeigen, dass die Sumerier und die Semiten Babyloniens scharf geschiedene Volkstypen repräsentiren. Die Sumerier sind aber nur in Südbabylonien nachweisbar, und ihre Götter zeigen nicht sumerischen , sondern semi- tischen Typus; sie müssen dieselben mithin den Semiten entlehnt haben. Somit scheint es, dass die älteste Bevölkerung Babyloniens semitisch war und dass die Sumerier er- obernd in den Süden des Landes eingedrungen sind. Sie haben, vor Allem durch die Erfindung und Ausbildung der Schrift, für die Culturentwickelung Babyloniens die grösste Bedeutung gehabt, stehen aber auch umgekehrt von Anfang an unter semi- tischem Einfluss. 2. Hr. Waıoever legte den von dem General-Secretar Prof. Dr. Orro Puchstei erstatteten Jahresbericht über die Thätigkeit des Kaiserlich Deutschen Archäologischen Instituts vor. (Ersch. später.) 3. Folgende Druckschriften wurden vorgelegt: Heft 25 des aka- demischen Unternehmens »Das Pflanzenreich«, enthaltend die Juncaceae von Fr. BucHenav. Leipzig 1906: Lief. 377—43 des mit Unterstützung der Akademie bearbeiteten Werkes P. AscHerson und P. GRAEBNER, Syn- opsis der mitteleuropäischen Flora. Leipzig 1905 —06; Herr Moıssan, Traite de chimie minerale. Tome 5. Paris 1906. Sitzungsberichte 1906. 54 j 5 Pk is Ne K: ‘ j Le “ N D 541 SITZUNGSBERICHTE 1906. San XXX. KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 21. Juni. Sitzung der physikalisch-mathematischen Ülasse. Vorsitzender Secretar: Hr. WALDEYER. Hr. EneeLmann las: »Über den causalen Zusammenhang zwischen Contractilität und Doppelbrechungsvermögen«. (Ersch. später.) Es wird ein neues Modell zur Veranschaulichung der von dem Vortragenden früher aufgestellten Theorie der Muskeleontraaction demonstrirt. In diesem Modell wird die thermische Verkürzung einer gequollenen Violinsaite nicht wie in dem älteren Modell durch Erwärmung von aussen, mittels einer galvanisch erhitzten Drahtspirale, sondern durch Induetionsströme bewirkt, welche durch die Saite selbst hindurchgeleitet werden. Auf diese Weise lassen sich leicht Verkürzungen erhalten, deren Geschwindigkeit die der schnellsten Zuckungen willkürlicher Muskeln erreicht. Viele der an letzteren zu beobachtenden Erscheinungen können, wie durch vorgelegte Curven belegt wird, in sehr vollkommener Weise nachgeahmt werden. Dasselbe Saitenfragment kann tausende von Zuckungen rasch hintereinander ausführen, ohne geschädigt zu werden. 54* 543 SITZUNGSBERICHTE 1906. | DER XXXI. KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 21. Juni. Sitzung der philosophisch -historischen Ulasse. Vorsitzender Secretar: Hr. VAHLen. *1. Hr. Tosrer besprach die ihm bisher bekannt gewordenen Her- leitungen des französischen Wortes difette und kam zu dem Ergebniss, dass die von Frecnı vor mehr als 20 Jahren ausgesprochene, nämlich von decepta (altgenues. deweta), die am ehesten zu billigende sei, wenn auch für das ö des französischen Wortes eine Erklärung zu suchen bleibe, wofern man sie nicht in einer volksetymologischen Annäherung an den altfranzösischen Ausdruck esitre a dire »fehlen« finden wolle. Er knüpfte daran Bemerkungen über einen merkwürdigen Sinneswandel von tant pis (tanto peius), das neufranzösisch sehr oft »einerlei, gleich- viel« bedeutet. 2. Hr. Pıscner legte eine Abhandlung des Hrn. Dr. Fımex in Berlin vor: Zwei Lieder der deutschen Zigeuner. Das eine Lied ist ein Kinderlied. Der Anfang des zweiten war bereits aus einem von R. Pıscrer früher veröffentlichten Liede bekannt. Das vollständige zu dieser Zeile gehörige Lied ist noch nicht gefunden worden. Die von eineın betrunkenen Zigeuner ihm mitgetheilte, hier veröffentlichte Fassung hält Hr. Dr. Fıncx für freie Erfindung. 3. Hr. Toster überreichte das von ihm herausgegebene Werk » Vermischte Beiträge zur Französischen Grammatik.« Zweite Reihe. Zweite Auflage. Leipzig 1906. 544 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 21. Juni 1906. Zwei Lieder der deutschen Zigeuner. Von Dr. F. N. Fınck in Berlin. (Vorgelegt von Hrn. Pıscrer.) D:. geringe Zahl der allgemein zugänglich gemachten Lieder bzw. Liederfragmente deutscher Zigeuner rechtfertigt selbst Ergänzungen be- scheidenster Art. So seien denn auch die folgenden, freilich ziemlich unbedeutenden Proben einer allem Anschein nach überhaupt recht ver- kümmerten Volksdichtung der Öffentlichkeit übergeben. Ich habe die beiden Lieder schon vor Jahren aufgezeichnet, sie aber zunächst zurückbehalten, weil ich die Hoffnung nicht aufgeben wollte, über einige offenbar verderbte Stellen durch wiederholte Er- kundigungen bessere Auskunft zu erlangen. Meine hierauf zielenden Bemühungen haben nun aber bis jetzt trotz der langen Zeit nur einen äußerst geringen Erfolg erzielt; und da sich mir nun aller Wahrschein- lichkeit nach in Zukunft noch weniger Gelegenheit bieten wird, neues, der Wiederherstellung des ursprünglichen Textes dienendes Material herbeizuschaffen, so ist es wohl richtiger, das von mir Festgestellte trotz aller Unvollkommenheit bekanntzumachen und die Nachprüfung und Ergänzung denen zu überlassen, die eher in die Lage kommen, mit Zigeunern in Verkehr treten zu können. Die erste meiner beiden Aufzeichnungen ist ein Kinderlied, dessen Niederschrift ich vornehmen konnte, ohne von der die Verse absin- genden jungen Mutter beachtet zu werden, ein Umstand, dem viel- leicht in erster Linie die verhältnismäßig gute Überlieferung des Textes zu danken ist. Allerdings läßt sich der Wert der vorliegenden Fassung mangels zum Vergleich dienender Versionen nur nach dem allgemeinen Eindruck bestimmen, den die Verse auf den unbefangenen Hörer ausüben. Nach diesem allgemeinen Eindruck dürfte das Lied- chen jedoch bis auf einen einzigen, aus dem Zusammenhang zu er- weisenden Fehler als entschieden gut erhalten angesehen werden. Da- bei muß es dahingestellt bleiben, ob das eine störende Wort der Auf- zeichnung auf einem Versprechen oder einem Verhören beruht. Denn F. N. Fınex: Zwei Lieder der deutschen Zigeuner. 545 trotz vielfacher Bemühung habe ich nie mehr Gelegenheit gefunden, das Liedehen noch einmal singen zu hören. Der von mir verzeichnete Text nimmt in der Schreibung, die ich in meinem Lehrbuch des Dialekts der deutschen Zigeuner (Marburg 1903) durchgeführt habe, folgende Gestalt an: his man je dad, un his kek dai. un lakro dad gjas an o föro. kinela lakre grai. anela ke(k) grai. ho rup te sonakaäi, bisol Üsikro un bisal weka anela läkro dad glaig, d. h. Wort für Wort: »War mir ein Vater, und war keine Mutter. Und ihr Vater ging in die Stadt. Er kauft ihr Pferd. Er bringt kein Pferd. Etwas Silber und Gold, ein bißchen Zucker und ein bißchen Weck bringt ihr Vater gleich.« Wie der Zusammenhang zeigt, ist man »mir« nicht am Platz und sicherlich für {a »ihr« eingetreten. Alles andere kann dagegen wenigstens die ursprüngliche Fassung darstellen und wird es auch wohl tun, wobei aber natürlich als selbstverständlich anzunehmen ist, daß die weiblichen Pronominalformen /a und /akro nach Bedarf auch dureh die entsprechenden männlichen, also les bzw. lskro ersetzt werden. Statt grai wäre freilich eigentlich grajes zu erwarten. Aber einmal gelten die in meiner Grammatik aufgestellten Regeln wohl überhaupt nieht durchaus ausnahmslos, und dann kommt im vor- liegenden Falle wohl noch der Umstand in Betracht, daß dai und sonakai leicht reimbildend auf den vorausgehenden Satz eingewirkt haben können. Das Lied hat also wahrscheinlich folgende Gestalt gehabt: his la je däd, un his kek dai. un lakro däd gjas an o föro kinela lakre grai. anela ke(k) grai, ho rup te sonakai, bisol Usukro un bisol weka anela lakro dad glaig, d.h. in etwas freierer Übertragung: »Sie hatte einen Vater Und hatte keine Mutter. Und ihr Vater Ging in die Stadt, Ihr ein Pferd zu kaufen. Er bringt kein Pferd; Etwas Silber und Gold, Ein bißehen Zucker und ein bißchen Weck: Das bringt ihr Vater gleich.« 546 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 21. Juni 1906. Die zweite meiner Aufzeichnungen scheint eine Vereinigung ein- zelner Verse aus zwei Liedern zu sein. Der Text lautet: ai bäro dewal, ho me kerdom ! hoi man nsax dsäla ! kek p'ral kek p’en. hoi man n»w dsalar! ai baro dewol, ho me kerdom ! »O großer Gott, was hab’ ich getan! Wie wird mir’s noch ergehn! Kein Bruder, keine Schwester —. Wie wird mir’s noch ergehn! OÖ großer Gott, was hab’ ich getan!« Die erste Zeile bildet auch den Anfang eines von Ü. MEINHOF aufgezeichneten, von R. Pıscner veröffentlichten und erklärten Liedes (Apophoreton, 47. Versammlung deutscher Philologen und Scehul- männer, 131), das ich hier zum Vergleich hinstelle, und zwar der Gleichmäßigkeit wegen in meiner Schreibung: ai baro dewal, ho me kerdom ! romeske romnja me lejom. ma dar! ma dar! mare efta p’ral me ham dole rom, me keräh les wri. Der Sinn ist nach R. Pıscners Deutung: »O großer Gott, was habe ich getan! Einem Manne habe ich die Frau genommen. Fürchte dich nieht! Fürchte dieh nicht! Wir sieben Brüder, Wir sind solehe Männer, wir machen das aus.« Die dritte Zeile entstammt dagegen vielleicht einem Lied, von dem das von A. F. Porr (Die Zigeuner in Europa und Asien I, 326) nach GrAFFUNDERS Manuskript veröffentlichte Bruchstück Zeugnis gibt, das sich in meiner Schreibung wie folgt ausnimmt: kai telal hi Süker 1Sai. hi la kek dad, kek dai; hi la kek p’räl, kek p’en, dan® »Da drunten ist ein schönes Mädchen. Das hat keinen Vater, keine Mutter. Das hat keinen Bruder, keine Schwester. « iner vielen Zigeunern geäu n Bitte, mir das ai bäro dewal z Meine len Zigeunern | Berten Bitte, mir das ai baro dewal usw beginnende Lied vollständig mitzuteilen, ist nun nur ein einziges Mal F. N. Fıncx: Zwei Lieder der deutschen Zigeuner. 547 und auch in diesem Falle nur scheinbar entsprochen worden. Dieser eine Zigeuner, der seine Bekanntschaft mit dem gewünschten Liede nicht wie seine Stammesgenossen einfach leugnete, war offenbar ent- schlossen, mich irrezuführen. Seine hochgradige Betrunkenheit ver- leitete ihn jedoch, in seine schnell improvisierte Dichtung fragwürdiger Art einige Erinnerungen aus ihm bekannten Liedern einzumischen, um deretwillen ich den sonst wertlosen Text ganz veröffentliche, die eventuell in Betracht kommenden Stellen durch gesperrten Druck her- vorhebend: ax baro d£Ewal, hoi m& kerdom! mukltom miri sonya un mire tSäwen. hoi man laid dela, kai hunde röwap. den me hom jäke waig, kai nasela man miro dsi ketane. man hi kek p’en un kek p’räl; abar miro dewal forlasswela man nic. Jake muken man mire sinte. jake dsandw nic, hoi te kerap. hunde wäizolwap man an o wello trujal. dbar miro dewal forlasswela man nig. den man hi kek dad un kek dai. miro dad gjas an o föro un kinela man tSomöni drin. man hi bari bok‘, abaor man hi now miro dad un miri dai. kinela man an o foro te xäl, mas un got. un piah mene je wäli lowina. dela man miro dad un miro dewal sastspen, te dsuvdp rdha bersa. »O großer Gott, was hab’ ich getan! Ich habe meinen Stall und meine Kinder verlassen. Wie mir (das) leid tut, Daß ich weinen muß. Denn ich bin so weich, Daß mir mein Herz zusammenläuft. Ich habe keine Schwester Und keinen Bruder. Aber mein Gott verläßt mich nicht, Sitzungsberichte 1906. 55 548 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 21. Juni 1906. Wie mich meine Mitzigeuner verlassen. So weiß ich nicht, was ich tun (soll). Ich muß mich wie verwaist in der Welt umhertreiben. Aber mein Gott verläßt mich nicht. Denn ich habe keinen Vater Und keine Mutter, Mein Vater ist in die Stadt gegangen Und kauft mir etwas darin. Ich habe großen Hunger. Aber ich habe noch meinen Vater und meine Mutter. Sie kauft mir in der Stadt zu essen, Fleisch und Wurst. Und wir trinken (uns) ein Glas Bier. = Es gibt mir mein Vater und mein Gott Gesundheit, Daß ich lebe lange Jahre.« Ausgegeben am 28. Juni. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. I =7=lsj=lsTelstleT= Tr TS ST=lsT2elsTelT= 1906. XXXIL. SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Öffentliche Sitzung am 28. Juni. Antrittsrede des Hrn. Nerssr. (S. 549) Antrittsrede des Hrn. Drupe. (S. 552) Preisertheilungen und Preisausschreibungen. ($. 556) BERLIN 1906. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER, \ „OCT @ 1906. 7 “ STHYSONIAN DEI 7 Aus dem Reglement für die Redaetion der akademischen Druckschriften. Aus $1l. j Die Akademie gibt gemäss $ 41,1 der Statuten zwei fortlaufende Veröffentlichungen heraus: »Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften« und » Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften«. Aus $2. Jede zur Aufnahme in die »Sitzungsberichte« oder die » Abhandlungen« bestimmte Mittheilung muss in einer aka- demischen Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel das druckfertige Manuseript zugleich einzuliefern ist. Nicht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. $ 3. : Der Umfang einer aufzunehmenden Mittheilung soll in der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, bei Niehtmitgliedern 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberiehte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- lungen nicht übersteigen. Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung der Gesammt-Akademie oder der betreffenden Classe statt- haft, und ist bei Vorlage der Mittheilung ausdrücklich zu beantragen. Lässt der Umfang eines Manuscripts ver- muthen, dass diese Zustimmung erforderlich sein werde, so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen muthmasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen. SA. Sollen einer Mittheilung Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeichnungen, photographische Original- aufnahmen u. s. w.) gleichzeitig mit dem Manuscript, jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen. Die Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschliessen. Ein darauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der be- trefienden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage eines Sachverständigen an den vorsitzenden Secretar zu riehten, dann zunächst im Secretariat vorzuberathen und weiter in der Gesammt-Akademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie. Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist — wenn es sich nicht um wenige einfache Textfiguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachverständigen beizufügen. Überschreitet dieser Anschlag für die er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberathung durch das Secretariat geboten. Aus 85. Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manusceripts an den zuständigen Seeretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Sclwiften, und zwar, wenn eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mittlieilungen von Verfassern, welche nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen der Regel nach nur in die Sitzungsberichte aufgenommen werden. Beschliesst eine Classe die Aufnahme der Mittheilung eines Nichtmitgliedes in die dazu bestimmte Abtheilung der » Abhandlungen«, so bedarf dieser Beschluss der Bestätigung durch die Gesammt- Akademie. Aus $ 6. Dieandie Druckerei abzuliefernden Manuseripte müssen, _ wenn es sich nicht bloss um glatten Text handelt, aus- reichende Anweisungen für die Anordnung des Satzes und die Wahl der Schriften enthalten. Bei Einsendungen Fremder sind diese Anweisungen von dem vorlegenden Mitgliede vor Einreichung des Manuseripts vorzunehmen. Dasselbe hat sich zu vergewissern, dass der Verfasser seine Mittheilung als vollkommen druckreif ansieht. Die erste Correetur ihrer Mittheilungen besorgen die Verfasser. Fremde haben diese erste Correetur an das vorlegende Mitglied einzusenden. Die Correetur soll nach Möglichkeit nicht über die-Berichtigung von Druckfehlern und leichten Schreibversehen hinausgehen. Umfängliche Correeturen Fremder bedürfen der Genehmigung des redi- girenden Secretars vor der Einsendung an die Druckerei, und die Verfasser sind zur Tragung der entstehenden Mehr- kosten verpflichtet. a Aus $S. Von allen in die Sitzungsberichte oder Abhandlungen aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilungen, Reden, Adressen oder Berichten werden für die Verfasser, von wissenschaftlichen Mittheilungen, wenn deren Umfang im Druck 4 Seiten übersteigt, auch für den Buchhandel Sonder- abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen des be- treffenden Stücks der Sitzungsberichte ausgegeben werden, Von Gedächtnissreden werden ebenfalls Sonderabdrucke für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn die Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden erklären. 89. Von den Sonderabdrucken aus den Sitzungsberichten erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 50 Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Secretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt- Akademie oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 50 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Seeretar weitere 200 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. j Von den Sonderabdrucken aus den Abhandlungen er- hält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 30 Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Seeretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt-Akademie oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 30 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Secretar weitere 100 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. ' $ 17. Eine für die akademischen Schriften be- stimmte wissenschaftliche Mittheilung dart in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jener Stelle anderweitig, sei es auch nur auszugs- (Fortsetzung auf S. 3 des Umschlags.) 549 SIRZUNGSBERICHTE: 71906 XXX. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 28. Juni. Öffentliche Sitzung zur Feier des Leisnizischen Jahrestages. Vorsitzender Secretar: Hr. WALDEYER. Der Vorsitzende eröffnete die Sitzung, welcher der vorgeordnete Minister, Se. Excellenz Hr. Dr. Stupr, beiwohnte, mit einer Ansprache, worin er insbesondere der Gründung von Hirnforschungs-Instituten durch die vereinigten Akademien gedachte, Bezug nehmend auf die in Winsrow’s Handbuch mitgetheilte Rede von Nıers Stensen in Paris 1668, Darauf folgten die Antrittsreden der HH. Nernst und Drupe, welehe von Hrn. Auwers beantwortet wurden. Antriltsreden. Antrittsrede des Hrn. NErnsr. Für die hohe Auszeichnung, die mir durch die Aufnahme in die Akademie zuteil wurde, darf ich heute meinen Dank öffentlich aus- sprechen; ich möchte aber auch zugleich dankbar des freundlichen Geschickes gedenken, welches mich einem Fache zuführte, auf dem gerade in unserer Zeit, wie man wohl sagen darf, mit besonderer Lust und Freude gearbeitet wurde. } Es sind etwa zwei Jahrzehnte verflossen, als plötzlich das Grenz- gebiet zwischen Physik und Chemie reiche und mannigfaltige Früchte zu tragen begann. Auf dem Gebiete jener beiden Disziplinen kommt es ja von Zeit zu Zeit vor, daß unvermutet irgendwo reiche Gold- lager entdeckt werden, und auch die gewöhnlichen Begleiterscheinungen solcher Funde fehlen dann in der Regel nicht; zunächst eine Art Gold- fieber, welches in entsprechend idealisierter Form weite Forscherkreise ergreift, die sich dann eiligst in die hoffnungsvollen Gefilde begeben. Sitzungsberichte 1906. 56 550 Öffentliche Sitzung vom 28. Juni 1906. Dann aber erschöpfen sich meistens solche Lager nach einiger Zeit, und anstatt des mühelosen Einsammelns des fast offen zutage liegenden Erzes muß dann wieder die angestrengte methodische Arbeit einsetzen, die, wenn auch langsamer, so doch dafür um so sicherer zu weiterer Bereicherung unseres Wissens führt. Dem Umstande, daß ich gerade zur rechten Zeit, ebenfalls vor etwa zwanzig Jahren, meine Studien soweit beendigt hatte, um an eigenen Arbeiten mich versuchen zu können, und daß ein glücklicher Zufall mich an die rechten Stellen führte, verdanke ich es wohl in erster Linie, wenn ich heute in Ihrem Kreise über meine wissen- schaftlichen Ziele Rechnung ablegen darf. Von Anfang an erschien es mir als die wichtigste Aufgabe der physikalischen Chemie, die Methoden der theoretischen Physik zur Behandlung chemischer Probleme zu verwenden, und in dieser Rich- tung bemühte ich mich denn auch, zu arbeiten. Neben den Gleich- gewichtserscheinungen in Lösungen, speziell den Gesetzen der Lös- lichkeit und der Verteilung von Substanzen zwischen verschiedenen Medien, waren es insbesondere die Probleme der Diffusion und der elektromotorischen Wirksamkeit verdünnter Lösungen, dann aber die Theorie der galvanischen Elemente und der Elektrolyse überhaupt, welche mir einer Behandlung von obigen Gesichtspunkten aus ein- ladend erschienen. Stets habe ich mich bemüht, theoretische Spekulationen in der Weise zu führen, daß sie im engsten Kontakte mit den Ergebnissen des Experimentes blieben, und da in der Regel die vorhandenen Beob- achtungen zu einer sicheren Prüfung der theoretischen Betrachtungen nicht ausreichten und sich häufig durch letztere auch Anregungen zu neuen experimentellen Anordnungen ergaben, so habe ich, meistens gemeinsam mit meinen Schülern, eine Reihe von Experimentalunter- suchungen ausgeführt, zu denen mir hauptsächlich das Göttinger Institut für physikalische Chemie, das ich begründen und zelın Jahre leiten durfte, die Gelegenheit gab. Zu denjenigen Problemen, die nicht nur Physik und Chemie, sondern die gesamte Naturforschung beschäftigen, gehört wohl in erster Linie das Verhältnis von Kraft und Stoff oder, wie man sich auf Grund der klassischen Thermodynamik genauer auszudrücken weiß, die Beziehung zwischen den stofflichen Veränderungen und den sie begleitenden Wandlungen der Energie. Vielleicht trügt die Hoffnung nicht, daß gerade die nähere Betrachtung des von der physikalischen Uhemie erbrachten Tatsachenmaterials unser Auge hinreichend schärfen wird, um tiefere Einblicke in jene allgemeinen Fragen zu gewinnen, als es bisher mit Hilfe der beiden Wärmesätze möglich war. Ins- Antrittsreden. Sa besondere glaube ich von den experimentellen Arbeiten über die chemischen Gleichgewichte bei hohen Temperaturen, die ich seit einigen Jahren gemeinsam mit meinen Schülern zu untersuchen begonnen habe, eine Verwertung in der angedeuteten Richtung mir versprechen zu dürfen. Die Arbeitsweise gelehrter Körperschaften ist mir nicht voll- kommen neu; eine Reihe von Jahren durfte ich bereits im Kreise der Göttinger Sozietät als ordentliches Mitglied tätig sein. Dies gibt mir den Mut, über meine Auffassung von den Zielen gelehrter Gesell- schaften einige Worte hinzuzufügen. Daß man hier häufig ein wenig skeptischen Auffassungen begegnet, weiß jeder von uns; um so mehr möchte ich meiner Überzeugung Ausdruck geben, daß gerade in unserer Zeit die Akademien neben der Pflege der wissenschaftlichen Einzelforschung Aufgaben allgemeinerer Art im Leben der Nation zu erfüllen haben. Unsere Zeit strebt offenbar nach der entgegengesetzten Richtung hin, als es vor gerade hundert Jahren der Fall war. Während damals, um an ein gelegentlich von Hermnorrz gebrauchtes Bild an- zuknüpfen, viele auserlesene Geister, abgestoßen von der trüben politi- schen Umgebung, sich teils auf die Zauberinseln der Poesie flüchteten, teils sich in das einsame Hochgebirge der Philosophie mit seinen träume- rischen, aber auch häufig trügerischen Fernblicken zurückzogen, ruht das Auge des Deutschen heute vielleicht mit gar zu viel Wohlgefallen auf wogenden Kornfeldern oder auf schmucken Fabrikanlagen; das ehemalige Volk der Träumer und Denker beginnt in das andere Extrem einer wohl häufig zu starken Betonung unmittelbar praktischer Ge- sichtspunkte zu fallen. Dem mächtigen Strome der Zeit gegenüber ist der Einzelne ohne Einfluß; wohl aber scheinen die in ganz Deutsch- land zerstreuten Akademien in ihrer Gesamtheit berufen zu sein, hier, wo es nötig und nützlich sein sollte, regulierend einzugreifen. Freilich werden die Akademien den veränderten Zeiten auch ihrerseits Rech- nung tragen müssen, wenn sie ihren Einfluß behalten und stärken wollen; in dieser Hinsicht darf ich wohl an die Bestrebungen meines früheren Kollegen Feuıx Kreiv erinnern, der so oft gezeigt hat, wie ein starker, wissenschaftlicher Idealismus, wenn er sich mit prakti- schem Blicke vereinigt, weite Kreise für die besten Ziele zu erwärmen weiß, die eine gelehrte Körperschaft sich stecken kann. Mit mehreren älteren Mitgliedern unserer Korporation verknüpfen mich seit langem enge wissenschaftliche Beziehungen. Mein Vor- gänger in meinem hiesigen Amte war zugleich mein erster Lehrer in der Chemie. Ebenfalls in unserer Mitte befindet sich der Forscher, an dessen grundlegende Arbeiten über den osmotischen Druck ich bei meinen eigenen physiko-chemischen und elektrochemischen Arbeiten 56* 552 Öffentliche Sitzung vom 28. Juni 1906. am häufigsten anzuknüpfen hatte. Vor kurzem erst zog sich mein früherer Lehrer der Physik von hier nach Marburg zurück, dessen Arbeiten über die Leitfähigkeit verdünnter Lösungen für die neuere Elektrochemie von so großer Bedeutung geworden sind. Der Wiener theoretische Physiker schließlich, dessen Art, die Probleme plastisch und tief, dabei aber stets mit dem prüfenden Blicke des Experimen- tators zu sehen, mir, als seinem Schüler, stets das erste Vorbild war, befindet sich in der Liste unserer Ehrenmitglieder; mit den Arbeiten unseres hiesigen theoretischen Physikers habe ich vielfach die engsten Berührungspunkte gewonnen, indem wir wiederholt die gleichen Pro- bleme behandelten und dabei uns gegenseitig, wie ich hoffe, geför- dert haben. An Pathen in Ihrem Kreise fehlt es dem Neuankömm- ling also nicht; ihnen nachstrebend will ich mich bemühen, ein nütz- liches Mitglied unserer Gesellschaft zu werden. Antrittsrede des Hrn. Drvude. Daß mir die hohe Ehre zuteil geworden ist, in verhältnismäßig jungen Jahren der Akademie der Wissenschaften als Mitglied ange- hören zu dürfen, verdanke ich, wie ich mir wohl bewußt bin, einer zufälligen Verkettung von Umständen, die mich auf den verantwortungs- vollen Posten des Experimental-Physikers an der hiesigen Universität stellte. Wenn ich mir dabei das Bild meiner großen Vorgänger zum Be- wußtsein bringe, den universalen Riesengeist, der in dem Prinzip von der Erhaltung der Kraft der physikalischen und allgemein naturwissenschaft- lichen Forschung eine ganz neue Ära von ungeahntem Fortschritt gegeben hat, den genialen Experimentator, der zugleich durch seine ganze Persön- lichkeit das von Masnus begonnene Werk der Bildung einer physikali- schen Schule in glänzender Weise fortsetzte und erweiterte, und die rastlose Tätigkeit und erfolgreiche Wirksamkeit meines unmittelbaren Vorgängers, mit der er seine Kräfte einerseits in den Dienst seiner zahl- reichen Schüler, andererseits seiner eigenen Forschungsarbeit stellte, die in glücklichster Weise experimentelles Geschick mit theoretischer Beherr- schung verbindet, so muß ich das Gefühl der Beklemmung empfinden, ob ich durch Anspannung aller meiner Kräfte den an mich gestellten Aufgaben gewachsen bin. In der Wahl zum Mitglied der Königlichen Akademie erblicke ich Ihr Vertrauen für Leistungen in der Zukunft, und dafür möchte ich meinen Dank aussprechen mit der Versicherung, daß ich stets handeln werde im Bewußtsein dessen, was man von mir erwartet. Mein Bildungsgang war zunächst mehr ein theoretisch-physika- lischer, angeregt durch die meisterhaften Vorlesungen von G. Kırcn- Antrittsreden. 553 norr hier in Berlin und besonders dann durch Vorlesungen und Übungen von W.Vorsr in Göttingen, bei dem ich dann auch viele Jahre als Assistent tätig war. Seine Richtung, die Theorie mit ei- genen Experimenten zu verknüpfen, ist auch für mich bestimmend gewesen; ich kann mich daher durchaus als einen Schüler von W. Voısr bezeichnen, besonders bei meinen ersten im Gebiet der Optik liegenden Arbeiten, die von Voısr angeregt wurden. Als dann die glänzenden Herrzschen Arbeiten ihren Siegeslauf hielten, wurde ich sowohl durch meine Lehraufgabe als Dozent, als auch aus innerem Drang, meinen Gesichtskreis zu erweitern, dazu geführt, mich näher mit der modernen Elektrizitätslehre zu beschäf- tigen, wodurch ich einerseits weiter zu experimenteller Arbeit an- geregt wurde, andererseits auch zur Verknüpfung der optischen Unter- suchungen, deren Theorie vor Herrz wesentlich auf der Mechanik basierte, mit der elektromagnetischen modernen Theorie. Diese beiden Seiten der physikalischen Forschung haben in neuerer Zeit ungeahnte Erweiterungen ihrer Wichtigkeit und Anwendbarkeit er- fahren, die einerseits auf dem Gebiete der drahtlosen Telegraphie, andererseits in der modernen Elektronentheorie liegen. Gerade durch letztere, die durch die Entdeckungen Röntseens und BECQUERELS an- geregt, nicht nur im Gebiete der Gasentladungen auf einmal Klar- heit und Übersicht in das früher sinnverwirrende Detail der Er- scheinungen zu bringen verspricht, sondern für die ganze Auffassung der Materie von fundamental umwälzender Bedeutung wurde, ist ja in neuerer Zeit ein derartig rapider Fortschritt in der ganzen Physik und eine stetige Reihenfolge der interessantesten und uner- warteten Entdeckungen hervorgerufen, wie er seit Einführung des Energieprinzips sicher nicht, vielleicht aber überhaupt nicht, da- gewesen ist. Und andererseits zeigen die glänzenden Erfolge der drahtlosen Telegraphie so deutlich, wie wohl fast nie zuvor in der Physik, daß auch die subtilste, aus rein wissenschaftlichen Zwecken und nur mit den feinsten Hilfsmitteln unternommene Untersuchung sich in unserem Zeitalter der Technik und Naturwissenschaft zu einer außerordentlich wichtigen und praktischen Bedeutung entwickeln kann. Wie es auch die größte Freude macht, in solchem Zeitpunkt des intensivsten Aufschwungs der eigenen wissenschaftlichen Disziplin zu leben, wo es eine Überfülle von Aufgaben gibt, die sich der Bear- beitung darbieten, so wird dadurch doch eine Hast in der wissen- schaftlichen Forschung provoziert, welche der beschaulichen Ruhe, mit der noch vor wenigen Jahrzehnten mancher Gelehrte seine Pro- bleme im Laboratorium, am Schreibtisch und in freier Natur ausreifen lassen konnte, diametral entgegensteht, nicht immer zum Vorteil der 554 Öffentliche Sitzung vom 28. Juni 1906. Bearbeitung, und jeder, der an dieser Entwicklung auch nur zu kleinem Teil helfen will, muß sich die ernste Frage vorlegen, an welcher Ecke des Gebäudes er selbst Hand anlegen kann, falls es nutzbringend zu werden versprechen soll. Die Antwort auf diese Frage für meine Person, soweit ich sie für die nächsten Jahre übersehen kann, darf ich nun im folgenden wohl kurz skizzieren: Die drahtlose Telegraphie erfordert, wie bisher kein anderes Gebiet der Physik, das intensivste Zusammenarbeiten von Technik und Wissenschaft. Nur die Basis der Hrrrzschen Ver- suche und der Maxweııschen Elektrizitätslehre kann für die Behand- lung der hier auftretenden mannigfaltigen Probleme Förderungen er- hoffen lassen, während die Probleme selbst und die notwendige und wesentliche Korrektur der Laboratoriumsversuche in der Praxis durch die Technik geliefert werden. Es würde zu weit führen, wenn ich angeben wollte, um welche Probleme es sich dabei im einzelnen handelt und wie ich mir dabei ein nützliches Mitwirken des Experi- mentalphysikers denke; nur möchte ich eines kurz berühren: Der ganze Erfolg der Hrrrzschen Versuche beruht auf der Eigenschaft des elektrischen Funkens, eine elektrische Oszillation zustande kommen zu lassen. Jede Änderung in der Anordnung, die diese Oszillation reiner, d. h. ungedämpfter auftreten läßt, muß als Verbesserung in der Praxis der drahtlosen Telegraphie willkommen sein. Doch nicht nur dort, sondern auch bei rein physikalischen, wissenschaftlichen Untersuchungen. Die Hrerrzschen Versuche haben ihre große Bedeu- tung nicht nur zur Untersuchung der Eigenschaften des Äthers, son- dern auch der Materie. Wie verhalten sich die verschiedenen Körper gegenüber schnellen Schwingungen von wechselnder Periode? Die Exaktheit der Beantwortung auch dieser Frage hängt wesentlich ab von der möglichst geringen Dämpfung der hergestellten elektrischen Schwingungen, und andrerseits erscheint diese Beantwortung in hohem Grade interessant und wichtig, weil sie sowohl Zusammenhänge mit der chemischen Konstitution der Körper ergibt, als auch eine Fort- setzung darstellt der Untersuchung der Dispersionserscheinungen der Körper für optisch wirksame über ultrarote bis zu kurzen elektrischen Wellen hin. Von diesem Gesichtspunkte aus ergibt sich also ein enger Zu- sammenhang dieser Arbeiten über elektrische Schwingungen mit der optischen Untersuchung der Körper. Auch diese bietet gerade vom Standpunkte der Elektronenlehre jetzt neues Interesse, indem die hier zu beantwortenden Fragen wesentlicher an die Dispersionskonstanten anknüpfen, nicht wie früher vor einigen Jahrzehnten an die mathe- matisch-formale Darstellung des Dispersionsverlaufes, welche Aufgabe Antrittsreden. 555 jetzt im wesentlichen als erledigt zu betrachten ist. Der Gang der Ent- wicklung, den hierbei die Optik gegangen ist, ist meines Erachtens typisch für alle Disziplinen, die als ihre letzte Aufgabe nicht allein die erschöpfende Zusammenfassung ihres Spezialgebietes hinstellen, sondern darüber hinaus durch Untersuchung der inneren, mehr versteckten Eigenschaften der Körper den Zusammenhang mit Nachbardisziplinen und dadurch die Vereinheitlichung der Wissenschaft suchen. Und dabei ist eine wechselseitige Ergänzung von Experiment und Theorie unerläßlich. So mußte, um an das Einfachste anzuknüpfen, zunächst das Snerrivssche Brechungsgesetz eine bequeme Zusammenfassung der Beobachtungsdetails geben. Was soll man aber weiter mit der Kenntnis der Brechungsexponenten der verschiedenen Körper an- fangen? Abgesehen von ihrer Bedeutung für die praktische Optik, d. h. die Konstruktion optischer Instrumente, liefert eine vervoll- ständigte Theorie, die auch die Abhängigkeit des Brechungsexpo- nenten von der Farbe der Beobachtung entsprechend darstellt, einen Aufschluß über Atom- bzw. Moleküleigenschaften des breehenden Körpers, die sich vom Standpunkte der Elektronenlehre besonders an- schaulich deuten läßt und dabei auf den Zusammenhang mit chemischen Eigenschaften, wie z. B. der Valenz, hinweist, die nicht nur theoretisch interessant sind, sondern auch für rein chemische Zwecke von Be- deutung zu werden verspricht, wenn es sich z. B. darum handelt, je nach verschieden gewählten Wellenlängen durch Bestrahlung einen chemischen Prozeß in einem Körper in einem oder in anderem Sinne zu leiten. Diese chemisch wirksamen Wellenlängen hängen mit den aus der Dispersionskurve ermittelten Eigenschwingungen der Körper zusammen. Wie also bisher die Temperaturerhöhung, d.h. die Ver- mehrung der kinetischen Energie aller schwingungsfähigen Teilchen eines Körpers das wirksamste Hilfsmittel zur Einleitung chemischer Reaktionen bildete, so kann die Bestrahlung mit bestimmten Wellen einige bestimmte Teilchen des Körpers in besonderer Weise lockern und dadurch besondere Reaktionen auslösen. Ob sich zu derartigen Zwecken dauernd das Bild der Elektronenlehre bewähren wird, kann natürlich niemand vorhersagen; jedenfalls ist aber in letzter Zeit die Bedeutung der optischen Untersuchungen wesentlich dadurch erhöht, daß aus ihnen, wie z.B. aus dem Zermannschen Phänomen und der magnetischen Rotationsdispersion, dieselben universellen Elektronen- konstanten gewonnen werden können, wie aus den Gasentladungen und den Radiumstrahlen. Die experimentellen und theoretischen Hilfs- mittel sind wesentlich zu erweitern, wenn es sich um die Erforschung der Metalleigenschaften handelt. Hier müssen die optischen Unter- suchungen, um zu einer Eindeutigkeit und zur Zusammenfassung aller 556 Öffentliche Sitzung vom 28. Juni 1906. Eigenschaften zu führen, verknüpft werden mit allen anderen, der Untersuchung überhaupt gut zugänglichen Eigenschaften, wie der elektrischen und Wärmeleitfähigkeit und ihrer Modifikationen im Ma- gnetfelde (Halleffekt usw.). Daß schließlich zur Erforschung der inneren Eigenschaften der Körper ihre Strahlung bei Temperaturerhöhung und das von ihnen entsandte Spektrum von größter Bedeutung sein muß, ist wohl für jeden Physiker volle Überzeugung, ebenso aber auch die Schwierigkeit der Aufgabe, da durch Temperaturerhöhung die Körper- eigenschaften wesentlich komplizierter werden. Wenn sich so in der jetzigen Zeit rapiden Fortschritts jedem Physiker eine Fülle von Aufgaben zur Bearbeitung darbieten, so stellt sich damit zugleich auch die Sorge ein, daß die eigene Fähigkeit und Arbeitskraft nur einen zu kleinen Bruchteil des Wünschenswerten zu erreichen erlaubt. In der Tat würde dieser Bruchteil im allgemeinen ein verschwindender sein, wenn nicht durch die Organisation unserer Uni- versitäten einerseits das Zusammenwirken mit Kollegen, die da raten, wo die eigene Kraft versagt, andrerseits die Heranbildung jüngerer Kräfte zur wissenschaftlichen Mitarbeit helfend eingriffe. In beiden Punkten ist gerade an unserer Universität bzw. Akademie die beste Gelegenheit geboten, und daß in der schwierigen Lösung der Doppelaufgabe des deutschen Professors als Forscher und Lehrer gerade die beste Ge- währ für wissenschaftliche Erfolge liegen kann, ist durch meine Vor- gänger mir so deutlich gezeigt, daß ich diesen Vorbildern nach Kräften nachzustreben mich bemühen werde und niemals die Wichtigkeit gerade auch meiner Lehraufgabe vergessen werde. Nur so kann ich hoffen, mich des Vertrauens würdig zu erweisen, das die Akademie der Wissenschaften bei meiner Wahl in mich gesetzt hat. Schliesslich erfolgten Mittheilungen, betreffend die Akademische Preisaufgabe für 1906 sowie für 1909, die Preisaufgabe aus dem von Mınoszewskr'schen Legat, den Preis der CHARLOTTEN- Stiftung, den Preis der Louvsar-Stiftung, das Stipendium der EpuAarn GERHARD-Stiftung. Akademische Preisaufzabe für 1906. Me] u Die Akademie hat in der Leisnız-Sitzung des Jahres 1902 eine bereits in den Jahren 1894 und 1898 gestellte akademische Preisauf- gabe in abgeänderter, weniger eingeschränkter Form folgendermaassen von Neuem gestellt: Preisertheilungen und Preisausschreibungen. 557 »Die Akademie wünscht, dass die Theorie der Functionen mehrerer Veränderlichen, welche lineare Substitutionen zulassen, in ihren wesentlichen Theilen durch bedeutsame Fortschritte ge- fördert werde. « Auch diesmal ist keine Bewerbungsschrift eingelaufen. Unter diesen Umständen macht die Akademie von ihrer Befugniss Gebrauch, dem Verfasser einer innerhalb des Zeitraums 1903 — 1906 veröffentlich- ten wissenschaftlich hervorragenden Arbeit die Preissumme als Ehren- gabe zu bewilligen. Sie überweist den ausgesetzten Betrag von Fünftausend Mark ihrem eorrespondirenden Mitgliede Hrn. Dr. Franz Mertens, Professor der Mathe- matik an der Universität Wien, für seine ausgezeichnete Arbeit über eyklische Gleichungen. In dieser Arbeit hat Hr. Mertens für den Beweis des berühmten Kronecker’schen Satzes, dass die Wurzeln jeder rationalzahligen cy- klischen Gleichung rationale Verbindungen von Einheitswurzeln sind, wesentliche Vereinfachungen entwickelt und damit das Eindringen in dieses Grenzgebiet der Algebra und Zahlentheorie in analoger Weise er- leichtert, wie schon früher das Eindringen in andere der am schwersten zugänglichen Gebiete der Arithmetik. Akademische Preisaufgabe für 1909. Die Akademie stellt für das Jahr 1909 folgende Preisaufgabe: »Es sollen die Typen und Symbole der altorientalischen Kunst kritisch untersucht und ihre Verbreitung in Vorderasien und im Be- reich der mykenischen und der phönikischen Kunst verfolgt werden. « »Eine Beschränkung auf eine Anzahl der wichtigsten Symbole (z. B. geflügelte Sonnenscheibe, Sonne und Mond, Henkelkreuz, ge- krönte Gottheiten, Sphinx, Greif und die zahlreichen anderen Misch- wesen und Flügelgestalten, Gottheiten, die auf Bergen oder Thieren stehen, wappenartige Anordnung von Thieren, nackte und bekleidete Göttin u.ä.) ist zulässig. Auch wird eine erschöpfende Sammlung alles in den Museen zerstreuten Materials nicht gefordert, wohl aber eine kritische Sichtung und Ordnung der wichtigsten Denkmäler, bei der die Umgestaltungen und die Verbreitung der Typen dargelegt, die Frage, welche Bedeutung sie bei den einzelnen Völkern gehabt haben, geprüft und ihr Ursprung nach Möglichkeit aufgehellt werden soll. « Der ausgesetzte Preis beträgt Fünftausend Mark. Die Bewerbungsschriften können in deutscher, lateinischer, franzö- sischer, englischer oder italiänischer Sprache abgefasst sein. Schriften, die in störender Weise unleserlich geschrieben sind, können durch Sitzungsberichte 1906. 57 558 Öffentliche Sitzung vom 28. Juni 1906. Beschluss der zuständigen Classe von der Bewerbung ausgeschlossen werden. Jede Bewerbungsschrift ist mit einem Spruchwort zu bezeichnen und dieses auf einem beizufügenden versiegelten, innerlich den Namen und die Adresse des Verfassers angebenden Zettel äusserlich zu wieder- holen. Schriften, welche den Namen des Verfassers nennen oder deut- lich ergeben, werden von der Bewerbung ausgeschlossen. Zurück- ziehung einer eingelieferten Preisschrift ist nicht gestattet. Die Bewerbungsschriften sind bis zum 31. December 1908 im Bureau der Akademie, Berlin W 35, Potsdamer Strasse 120, einzu- liefern. Die Verkündigung des Urtheils erfolgt in der Leissız-Sitzung des Jahres 1909. Sämmtliche bei der Akademie zum Behuf der Preisbewerbung eingegangenen Arbeiten nebst den dazu gehörigen Zetteln werden ein Jahr lang von dem Tage der Urtheilsverkündigung ab von der Aka- demie für die Verfasser aufbewahrt. Nach Ablauf der bezeichneten Frist steht es der Akademie frei, die nicht abgeforderten Schriften und Zettel zu vernichten. Preisaufgabe aus dem von Mıroszewskischen Legat. In der Leısnız-Sitzung des Jahres 1903 hat die Akademie für das laufende Jahr folgende Preisaufgabe aus dem von Hrn. von MıLoszEwsKI gestifteten Legat für philosophische Preisfragen wiederholt gestellt: »Die Entwickelungsgeschichte des Hreer’schen Systems soll mit Benutzung der auf der Königlichen Bibliothek zu Berlin befindlichen Manuscripte Hzerr’s dargestellt und historisch verständlich gemacht werden. Hierbei soll insbesondere berücksichtigt werden die Aus- bildung seines Pantheismus, seiner dialektischen Methode, der An- ordnung der Kategorien in der Logik und seines Verfahrens, die ı Gestalten des geschichtlichen Lebens in einen philosophischen Zu- sammenhang zu bringen. « Es war rechtzeitig eine Bewerbungsschrift eingelaufen, die indess unvollendet war, und die Akademie hat es deshalb für zweckmässig gehalten, den Termin der Ablieferung für Bewerbungen um ein Jahr hinauszuschieben, und diesen Beschluss bereits in dem Sitzungsbericht vom 1. Februar 1906 veröffentlicht. Im Übrigen bleiben die Bedin- gungen des Preisausschreibens unverändert. Der ausgesetzte Preis beträgt Zweitausend Mark. Die Bewerbungsschriften können in deutscher, lateinischer, franzö- sischer, englischer oder italiänischer Sprache abgefasst sein. Schriften, die in störender Weise unleserlich geschrieben sind, können durch Preisertheilungen und Preisausschreibungen. 55) Beschluss der zuständigen Classe von der Bewerbung ausgeschlossen werden. Jede Bewerbungsschrift ist mit einem Spruchwort zu bezeichnen und dieses auf einem beizufügenden versiegelten, innerlich den Namen und die Adresse des Verfassers angebenden Zettel äusserlich zu wieder- holen. Schriften, welche den Namen des Verfassers nennen oder deut- lich ergeben, werden von der Bewerbung ausgeschlossen. Zurück- ziehung einer eingelieferten Preisschrift ist nicht gestattet. Die Bewerbungsschriften sind bis zum 31. December 1906 im Bureau der Akademie, Berlin W 35, Potsdamer Strasse 120, einzu- liefern. Die Verkündigung des Urtheils erfolgt in der Leisnız -Sitzung des Jahres 1907. Sämmtliche bei der Akademie zum Behuf der Preisbewerbung eingegangenen Arbeiten nebst den dazu gehörigen Zetteln werden ein Jahr lang von dem Tage der Urtheilsverkündigung ab von der Aka- demie für die Verfasser aufbewahrt. Nach Ablauf der bezeichneten Frist steht es der Akademie frei, die nicht abgeforderten Schriften und Zettel zu vernichten. Preis der CHARLOTTEN - Stiftung. Gemäss dem Statut der Charlotten-Stiftung für Philologie hat die Akademie in der Leisxız-Sitzung am 29. Juni 1905 die folgende ungenügend beantwortete Preisaufgabe wiederholt: »Als erste Vorarbeit zu einer kritischen Ausgabe der Biogra- phien Plutareh’s soll die Geschichte und Überlieferung derselben vom Alterthum ab so weit verfolgt werden, dass die Bildung der ein- zelnen Sammlungen und die Zuverlässigkeit des Textes so weit kenntlich wird, um zu bestimmen, welche Handschriften vornehm- lich zu vergleichen sind. Es genügt, wenn das für die einzelnen Gruppen an Stichproben gezeigt wird.« »Ausser dem gedruckten Materiale, das in Ausgaben, Einzel- schriften und Katalogen vorliegt, hat Hr. Stadtschulrath Dr. Mı- cuarrıs den von ihm zusammengebrachten Apparat freundlich zur Verfügung gestellt. Er kann auf dem Lesezimmer der Königlichen Bibliothek benutzt werden.« Darauf sind nun vier Bewerbungsschriften rechtzeitig eingegan- gen. Aber eine von ihnen, die mit dem Motto ek merovc rÄP FINWCKO- men bezeichnet ist, sagt im Vorworte selbst, dass sie »keine soliden Untersuchungen«, sondern nur »lose an einander gereihte Einfälle « giebt, und kann demnach keinen Anspruch auf Berücksichtigung erheben. 560 Öffentliche Sitzung vom 28. Juni 1906. Der Verfasser der Arbeit mit dem Motto vireseit volnere virtus hat sich bemüht, neues Material zu beschaffen, und beweist in der Beur- theilung der einzelnen Lesarten und Handschriften Scharfsinn und Ur- theil; aber er haftet am Einzelnen und hilft sich dann mit vorschnellem Generalisiren; das eigentliche Problem, die Textgeschichte, hat er dagegen kaum angegriffen. So kann er die Concurrenz mit den beiden folgenden Arbeiten nicht aushalten, wenn er auch vielleicht einige wich- tige Punkte richtiger beurtheilt hat. Die Arbeit mit dem Motto vita brevis, ars longa hat ebenfalls neues Material herangezogen und dadurch einige schöne Ergebnisse erzielt. Sie hat die Verwandtschaftsverhältnisse der erhaltenen Handschriften und der durch sie repräsentirten Sammlungen mit grösstem Fleisse untersucht und geordnet, auch die antiken Citate gebührend heran- gezogen, so dass sie als eine durchaus tüchtige Leistung und des Preises an sich vollkommen würdig erscheint. Allein die Arbeit mit dem Motto @c Ecomenoyc WweniMmoYc TOYC NÖ- MOYC TIBEMESA EIC TÖN ETTEITA XPÖNON, die in einem sehr lesbaren Latein abgefasst ist, hat schon als schriftstellerische Leistung einen bedeu- tenden Vorzug. Sie verfolgt wirklich die Geschichte der Sammlungen und des Textes von der Niederschrift durch den Verfasser bis auf die modernen Ausgaben, so dass sowohl innerhalb des Alterthums Pro- bleme behandelt werden, die von den anderen Bearbeitern kaum be- rührt sind, wie auch mit Glück die handschriftlichen Vorlagen der modernen Ausgaben festgestellt werden. Schärfer als selbst in der Arbeit vita brevis ist auch der praktische Zweck im Auge behalten, die wirklich brauchbaren Handschriften auszusondern, während aller- dings in der Beurtheilung der einzelnen die Arbeit vita brevis manche Vorzüge besitzt. Demnach erkennt die Akademie dem Verfasser der Arbeit mit dem Motto üc &comenovc @eenimovc u.s.w. den vollen Preis zu, dem Verfasser der Arbeit mit dem Motto vita brevis aber einen Nebenpreis in Höhe einer einjährigen Rate des Hauptpreises, das sind Eintausendundfünfzig Mark. Die nach Verkündung des vorstehenden Urteils vorgenommene Eröffnung der Namenszettel ergab als Verfasser der mit dem vollen Preise ausgezeichneten Arbeit Hrn. Dr. phil. Jonanses MewArpr in Berlin und als Verfasser der durch den Nebenpreis anerkannten Arbeit Hrn. Dr. phil. Konkar ZıeeLer in Breslau. Preis der Graf‘ Lovzar- Stiftung. Die Akademie hat auf Vorschlag ihrer Commission für die Graf Lousar-Stiftung beschlossen, den für dieses Jahr ausgeschriebenen Zn ce ee Preisertheilungen und Preisausschreibungen. 561 Preis derselben von 3000 Mark Hrn. Dr. phil. h. ce. Herrmann STREBEL in Hamburg für sein Werk: »Über Ornamente auf Thongefässen aus Alt-Mexico«, Hamburg 1904, zuzuerkennen. Stipendium der Epvard GERHARD- Stiftung. Das Stipendium der Epvarp GErHARD-Stiftung war in der Leızsız- Sitzung des Jahres 1905 für das laufende Jahr mit dem Betrage von 2400 Mark ausgeschrieben. Von dieser Summe sind 1200 Mark Hrn. Prof. Dr. Fernımann Noack in Kiel zur Vollendung seiner Aufnahme antiker Städteruinen in Akarnanien und Aetolien zuerkannt worden. Der Rest von 1200 Mark soll auf den nächsten Bewerbungstermin über- tragen werden. Demgemäss wird das Stipendium für das Jahr 1907 mit dem Betrage von 3600 Mark ausgeschrieben. Bewerbungen sind vor dem 1. Januar 1907 der Akademie einzureichen. Nach $4 des Statuts der Stiftung ist zur Bewerbung erforderlich: 1. Nachweis der Reichsangehörigkeit des Bewerbers; 2. Angabe eines von dem Petenten beabsichtigten durch Reisen bedingten archäologischen Planes, wobei der Kreis der archäo- logischen Wissenschaft in demselben Sinn verstanden und an- zuwenden ist, wie dies bei dem von dem Testator begründeten Archäologischen Institut geschieht. Die Angabe des Planes muss verbunden sein mit einem ungefähren sowohl die Reisegelder wie die weiteren Ausführungsarbeiten einschliessenden Kosten- anschlag. Falls der Petent für die Publication der von ihm be- absichtigten Arbeiten Zuschuss erforderlich erachtet, so hat er den voraussichtlichen Betrag in den Kostenanschlag aufzuneh- men, eventuell nach ungefährem Überschlag dafür eine ange- messene Summe in denselben einzustellen. Gesuche, die auf die Modalitäten und die Kosten der Veröffent- lichung der beabsichtigten Forschungen nicht eingehen, bleiben un- berücksichtigt. Ferner hat der Petent sich in seinem Gesuch zu ver- pflichten: ı. vor dem 31. December des auf das Jahr der Verleihung fol- genden Jahres über den Stand der betreffenden Arbeit sowie nach Abschluss der Arbeit über deren Verlauf und Ergebniss an die Akademie zu berichten; 2. falls er während des Genusses des Stipendiums an einem der Palilientage (21. April) in Rom verweilen sollte, in der öffent- lichen Sitzung des Deutschen Instituts, sofern dies gewünscht wird, einen auf sein Unternehmen bezüglichen Vortrag zu halten; Sitzungsberichte 1906. 58 562 Öffentliche Sitzung vom 28. Juni 1906. 3. jede durch dieses Stipendium geförderte Publication auf dem Titel zu bezeichnen als herausgegeben mit Beihülfe des Enuarn GerHArn-Stipendiums der Königlichen Akademie der Wissen- schaften ; 4. drei Exemplare jeder derartigen Publication der Akademie ein- zureichen. Ausgegeben am 5. Juli. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. XXX. XXXIV. XXXV. SITZUNGSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 'Gesammisitzung am 5. Juli. (S. 563) Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe am 12. Juli. (S. 565) van’t Horr: Untersuchung über die Bildung der oceanischen Salzablagerungen. XLVII. Existenz- gebiet und Spaltung von Boronatrocaleit, Tricaleiumpentaborat und die künstliche Dar- stellung von Pandermit. (S. 566) J. Franz: Die Vertheilung der Meere auf der Mondoberfläche (hierzu Taf. D). (S. 575) Sitzung der philosophisch-historischen Classe am 12. Juli. (S. 585) MIT TAEEL I. BERLIN 1906. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER, Aus dem Reglement für die Redaetion der akademischen Druckschriften. Aus $1l. Die Akademie gibt gemäss $ 41,1 der Statuten zwei fortlaufende Veröffentlichungen heraus: »Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften « und » Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften«. Aus $2. Jede zur Aufnahme in die »Sitzungsberichte« oder die »Abhandlungen« bestimmte Mittheilung muss in einer aka- demischen Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel das druckfertige Manuseript zugleich einzuliefern ist. Nicht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. 83. Der Umfang einer aufzunehmenden Mittheilung soll in der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, bei Niehtmitgliedern 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- lungen nicht übersteigen. ? "Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung der Gesammt-Akademie oder der betreffenden Classe statt- haft, und ist bei Vorlage der Mittheilung ausdrücklich zu beantragen. Lässt der Umfang eines Manuseripts ver- muthen, dass diese Zustimmung erforderlich sein werde, so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen muthmasslichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen. $4. Sollen einer Mittheilung Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeichnungen, photographische Original- aufnahmen u. s. w.) gleichzeitig mit dem Manuseript, jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen. Die Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese ‘Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschliessen. Ein darauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der be- treffenden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage eines Sachverständigen an den vorsitzenden Secretar zu richten, dann zunächst im Seeretariat vorzuberathen und weiter in der Gesammt- Akademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie. Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist — wenn es sich nieht um wenige einfache Textfiguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachverständigen beizufügen. Überschreitet dieser Anschlag für die er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberathung durch das Secretariat geboten. Aus $5. Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manusceripts an den zuständigen Secretar,oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mittheilung in die akademischen Schriften, und zwar, wenn eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mittheilungen von Verfassern, welche nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen der Regel nach nur in die Sitzungsberiehte aufgenommen werden. Beschliesst eine Classe die Aufnahme der Mittheilung eines Niehtmitgliedes in die dazu bestimmte Abtheilung der » Abhandlungen «, so bedarf dieser Beschluss der Bestätigung durch die Gesammt- Akademie, | r Aus $ 6. Diean die Druckerei abzuliefernden Manuseripte müssen, wenn es sich nicht bloss um glatten Text handelt, aus- reichende Anweisungen für die Anordnung des Satzes und die Wahl der Schriften enthalten. Bei Einsendungen Fremder sind diese Anweisungen von dem vorlegenden Mitgliede vor Einreichung des Manuseripts vorzunehmen. Dasselbe hat sich zu vergewissern, dass der Verfasser seine Mittheilung als vollkommen druckreif ansieht. Die erste Correctur ihrer Mittheilungen besorgen die Verfasser. Fremde haben diese erste ‚Correetur an das vorlegende Mitglied einzusenden. Die Correcetur soll nach Möglichkeit nicht über die Berichtigung von Druckfehlern und leichten Schreibversehen hinausgehen. Umfängliche Correeturen Fremder bedürfen der Genehmigung. des redi- girenden Seeretars vor der Einsendung an die Druckerei, und die Verfasser sind zur Tragung der entstelienden Mehr- kosten verpfliclitet. : & Aus $S. Von allen in die Sitzungsberichte oder Abhandlungen aufgenommenen wissenschaftlichen Mittheilungen, Reden, na oder Berichten werden für die Verfasser, von wissenschaftlichen Mittheilungen, wenn deren Umfang im Druck 4 Seiten übersteigt,auch für den Buchhandel Sonder- abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen des be- treffenden Stücks der Sitzungsberichte ausgegeben werden. Von Gedächtnissreden werden ebenfalls Sonderabdrucke für den Buchhandel hergestellt, indess nur dann, wenn die Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden erklären. 89. Von den Sonderabdrucken ans den Sitkinpabertäbian erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 50 Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und anf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Secretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt- Akademie oder ‚der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 50 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Secretar weitere 200 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. . Von den Sonderabdrucken aus den Abhandlungen er- gr er hält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ish _ zu unentgeltlicher Vertheilung ohne weiteres 30 Frei- exemplare; er ist indess berechtigt, zu gleichem. Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu lassen, sofern er diess rechtzeitig dem redigirenden Seeretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Vertheilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesammt-Akademie oder der be- treffenden Classe. — Nichtmitglieder erhalten 30 Frei- exemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redigirenden Secretar weitere 100 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen, $ 17. Eine für die akademischen Schriften be- stimmte wissenschaftliche Mittheilung dart in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jener Stelle anderweitig, sei es auch nur auszugs- (Fortsetzung auf S. 3 des Umschlags.) 563 SITZUNGSBERICHTE 77°8 XXX. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 5. Juli. Gesammtsitzung. Vorsitzender Secretar: Hr. WALDEYER. 1. Hr. Branco las über die Anwendung der Röntgenstrah- len in der Paläontologie. (Abh.) Es wird gezeigt, dass in dieser Beziehung günstige Ergebnisse sich erzielen lassen und bei weiterem Ausbau noch in erhöhtem Maasse erwartet werden können. 2. Derselbe legte vor eine Arbeit des Hrn. Prof. Dr. Drrckk in Greifswald: Der Strelasund und Rügen. Eine tektonische Studie. (Ersch. später.) Es wird in derselben an der Hand von Aufschlüssen und Bohrungen nachge- wiesen, dass die Insel Rügen in eine Anzahl von Kreideschollen zerfällt, deren Bruch- linien in SO-NW-Richtung verlaufen, aber auch noch nach S, auf dem pommerschen Festlande, und ebenso nach N sich verfolgen lassen. 3. Folgende Druckschriften wurden vorgelegt: W. WALDEYER, ALBERT v. KoELLIKER zum Gedächtnis. Sep.-Abdr. aus dem Anato- mischen Anzeiger. Bd. 28. Jena 1906; A. Gaupry, Fossiles de Pata- gonie. Etude sur une portion du monde antaretique. Sep.-Abdr. aus den Annales de Paleontologie. Tome ı. Paris 1906; Monumenta Ger- maniae historica. Legum Sectio IV. Constitutiones et acta publica imperatorum et regum. Tom. 3. Pars 2., Tom. 4. Pars 1. Scriptores qui vernacula lingua usi sunt. Tom. 6. Pars ı. Hannoverae et Lipsiae 1906 und der von der Akademie unterstützte Band 4 des Werkes F. Römer und F. Scuaupınn, Fauna Arctica. Jena 1906. Die Akademie hat das ordentliche Mitglied der physikalisch- mathematischen Classe Hrn. PauL Drupe am 5. Juli und das correspon- dirende Mitglied der philosophisch-historischen Classe Hrn. ALBERT SorREL in Paris am 29. Juni durch den Tod verloren. Ausgegeben am 19. Juli. Sitzungsberichte 1906. 59 565 SITZUNGSBERICHTE 1906. XXXIV. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 12. Juli. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe. Vorsitzender Secretar: Hr. WALDEYER. 1. Hr. van'r Horr las: »Über die Bildungsverhältnisse der oceanischen Salzablagerungen.« XLVII. Existenzgebiet und Spaltung von Boronatrocaleit. Triealeiumpentaborat und die künst- liche Darstellung von Pandermit. Boronatrocaleit spaltet sich in die Einzelborate unweit 85° und dessen natür- liche Bildung ist dadurch bis 70° beschränkt. Bei dieser Spaltung entstehen unter geeigneten Umständen die natürlichen Caleiumborate, und so wurde zum ersten Mal Pandermit künstlich erhalten. Die Untersuchung veranlasste nebenbei zur Aufstellung einer Beziehung zwischen Druck und Reactionsgeschwindigkeit von der Form Ak/p — AM, Sm. 2. Vorgelegt wurden ein neu erschienener Band der Ergebnisse der Plankton-Expedition der Humboldt-Stiftung: K. Branprt, Die Tin- tinnodeen. Atlas und Tafelerklärungen. Kiel und Leipzig 1906, so- wie H. Mürrer-Brestau, Erddruck auf Stützmauern. Stuttgart 1906. 59* 566 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 12. Juli 1906. Untersuchung über die Bildung der ozeanischen XLVII. Existenzgebiet und Spaltung von Boronatrocaleit, Triealeiumpentaborat und die künstliche Darstellung von Pandermit. Von J. H. van’r Horr. Die Verfolgung der natürlichen Borate, welche den Abschluß der ganzen Untersuchung bildet, ist nunmehr nach einem bestimmten Plan durchführbar, der zunächst hier vorgelegt wird. Die elf in Frage kommenden natürlichen Verbindungen lassen sich nach der Schwierigkeit, welche voraussichtlich deren Untersuchung mit sich bringt, anordnen. Dazu kann eben die früher aufgestellte Regel verwendet werden, wonach die Verzögerung, welche die wesent- liche Schwierigkeit bildet, zunimmt von den Salzen (der Salzsäure, CIH, zu denjenigen der Schwefelsäure, SO,H,, und von diesen wiederum zu denjenigen der Borsäure, BO,H,. Ebenso steigt sie von den Kali- und Natronsalzen, (K, Na)OH, zu denjenigen von Kalk und Magnesia, (Ca, Me) O,H,, an. Dementsprechend sind die Borate in folgenden drei Gruppen unterzubringen: ı. Borate mit einwertigem Ion: A. Tinkal N2,B,0,, 105.0; B. Oktaedrischer Borax Na,B,0,.5H,0. 2. Doppelborate von Caleium und Magnesium mit einwertigem Ion: A. Boronatrocaleit NaCaB,O,.8H,O, B. Kaliborit KMg,B,,O,,: 9H,0, C. Boraeit Mg,C1,B.0,.- Zee ee ee Ep van'r Horr: Oceanische Salzablagerungen. XLVIl. 567 3. Caleium- und Magnesiumborate ohne einwertiges Ion: A. Pandermit Ca,B,O,.15H,0, B. Colemanit Ca,B;O,,.5H,0, ’. Borocaleit CaB,O,.4H,O, D. Pinnoit MgB,O,. 3H,O, E. Ascharit Mg,B,0,.2H,0, F. Sulfoborit Mg,S,0,,B;0,,.12H,O. Von sämtlichen Vorkommnissen sind Darstellungsweise und Gebiets- umschränkung zu ermitteln. Die von Gruppe zu Gruppe ansteigende Schwierigkeit zeigt sich nun schon am Stadium, in dem sich die betreffende Untersuchung be- findet. Die Untersuchung der ersteren Gruppe ist vollständig erledigt durch eine frühere Arbeit.' In der zweiten Gruppe ist die Aufgabe bis zur Hälfte gelöst, indem sämtliche dahingehörigen Körper künstlich erhalten wurden; der Boraeit schon vor längerer Zeit durch Schmelzversuche,’ erst viel später in Lösungen.” Boronatrocaleit wurde vor nicht langer Zeit durch pE Scnurte erhalten‘; Darstellung von Kaliborit ist in diesen Be- richten beschrieben.” Die Gebietsumgrenzung der drei Körper bleibt jedoch noch festzustellen. In der dritten Gruppe ist noch das wenigste erst getan, indem bis jetzt nur einer der darin vorkommenden Körper, nämlich Pinnoit, künstlich dargestellt werden konnte.“ Die hier vorliegende Arbeit enthält die Gebietsumgrenzung des Boronatrocaleits, welche die künstliche Darstellung des Pandermits mit sich brachte, sowie ein neues Caleiumborat, das als Mineral noch nicht aufgefunden wurde, doch als solches möglicherweise vorkommt. 1. Spaltung und Bildung von Boronatrocaleit. Dessen Fortfallen bei 70°. Indem die Feststellung des Gebiets von Boronatrocaleit bei den extremen Temperaturen von 25° und 53° zu verfolgen war, bot sich eine nicht unwesentliche Vereinfachung in der Tatsache, daß bei der letzteren Temperatur Boronatrocaleit durch Spaltung in die Einzel- borate gänzlich fortgefallen ist. Diese Sitzungsberichte 1905, 1086. Heınrz und Rıckrer, Pogg. Ann. 90, 613. DE GramonT, Compt. rend. III, 43. Ebendaselbst 132, 1576. Diese Sitzungsberichte 1902, 1008. Ebendaselbst 1902, 805. ao a »0 08. 568 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe vom 12. Juli 1906. Dieses Ergebnis ging daraus hervor, daß, während sich Boro- natrocaleit bei 25° in den verschiedensten Lösungen bildete, dies bei 83° ausblieb, auch dort, wo dasselbe am ersten zu erwarten wäre. Die Gegenprobe, Verfolgung von Boronatrocaleit als solchem, ergab, in Übereinstimmung mit obigem, Anzeige des Zerfalls, unter Aus- scheidung eines Dicaleiumtriborats Ca,B,O,,.7H,0, sogar bei Anwesen- heit von Borax, und so lag die Schlußfolgerung nahe, daß es sich handelt um eine Spaltung in Caleiumborat und oktaedrischem Borax nach der Gleichung: 2NaCaB,O,.8H,0 = Na,B,0,.5H,0 + Ca,B;0,,.7H,0+ 4H,0. Nachdem die qualitative Natur der Zersetzung durch Isolierung der Produkte festgestellt war, wurde die Umwandlungstemperatur di- latometrisch verfolgt. Die betreffende Spaltung tritt bei Boronatro- caleit ohne weiteres erst oberhalb 100° ein, und auf die genaue Er- mittelung der Temperatur mußte verzichtet werden, da unter der Hand ein neues Borat auftritt, das sofort zu beschreiben ist und die Spaltungstemperatur erniedrigt. Nur sei noch hinzugefügt, daß die umgekehrte Reaktion verfolgt wurde und zu einer überaus bequemen Darstellung des Boronatrocaleits führte, die hier zu erwähnen ist. Darstellung von Boronatrocaleit. Wiewohl schon von DE ScHuLTE eine Darstellungsweise von Boronatrocaleit angegeben ist, sei doch im nachfolgenden ein Verfahren beschrieben zur Erhaltung dieses Minerals, welches für die ganze Boratuntersuchung sehr wertvoll war. Zunächst wurde im Anschluß an die obige Gleichung Borax und Dicaleiumtriborat genommen, letzteres jedoch mit neun Molekülen Kristallwasser, also Ca,B;O,,.9H,0O. Zur Beschleunigung wurde in ge- sättigter Chlornatriumlösung gearbeitet, und z. B. 600°” hiervon mit 60° des erwähnten Borats und 50° Borax bei gewöhnlicher Tem- peratur zusammengebracht. Wegen des Zusammenbackens ist Schütteln erwünscht, und nach ein paar Tagen, unter Einimpfung mit Boro- natrocaleit, zeigt die mikroskopische Beobachtung, daß sich die Um- wandlung vollzogen hat. Noch leichter gestaltet sich die Darstellung, falls man vom leicht erhältlichen Monoborat ausgeht,' und z. B. 110° von diesem (CaB,0,.6H,O) mit 40° Borsäure, 100% Borax, 450° Chlor- natrium und 2500°" mit Wasser, dann mit 5oprozentigem, schließlich mit gewöhnlichem Wasser behandelt in obiger Weise. Auswaschen Alkohol liefert nach Trocknen ein analysenreines Produkt. Das Tricaleiumpentaborat. Wie schon erwähnt, bildet sich bei der Spaltung von Boronatrocaleit anfangs Dicaleiumtriborat, das ! MEYERHOFFER und van'r Horr, Liesens Jubiläumsheft. De van'r Horr: ÖOceanische Salzablagerungen. XLVI. 569 nach einiger Zeit von einem neuen Borat gefolgt wird. Dies entsteht sofort nach Einimpfen, und so läßt es sich aus Boronatrocaleit durch Erhitzen in Boraxlösung erhalten. Auch der nach obigem dargestellte Boronatrocaleit läßt sich ohne vorhergehende Abtrennung durch Er- hitzen in der Flüssigkeit, in der die Bildung stattfand, in die neue Verbindung überführen. Die Analyse! ergab: B,0, CaO H,O 59,2 24,4 = 57 24,1 28,1 51,4 24,7 23,9 (Ca,B,.O,;. 9H,O) Die Verbindung sieht fast aus wie Boronatrocaleit, feine Nadeln, jedoch etwas kompakter und dadurch deutlicher doppelbrechend und nicht so fähig, eine große Flüssigkeitsmenge zu verfilzen. Soviel be- kannt, ist dies Caleiumborat noch nicht natürlich angetroffen; als, wie es scheint, stabiles Spaltprodukt von Boronatrocaleit muß jedoch vor der Hand mit dem Auftreten gerechnet werden. Spaltungstemperatur von Boronatrocaleit. Nach dieser Beschreibung des Spaltprodukts seien die Versuche zur Bestimmung der Umwandlungstemperatur erwähnt, und zwar in der Reihenfolge, wie sie angestellt wurden. Ein Dilatometer wurde beschiekt mit Boronatrocaleit, etwas Borax und Caleiumborat Ca,B,0,..7H,0, Petroleum als Füllflüssigkeit. Durch Erwärmen auf 65° vollzog sich unter Ausdehnung die Bildung von oktaedrischem Borax. Weiteres Erhitzen bei 100° gab während zwei Tagen keine Andeutung von Veränderung: am dritten Tage starker Anstieg (offenbar durch neu aufgetretenem Tricaleiumpentaborat), der sich auch noch bei 90° und bei 85° zeigte. Inzwischen hatte sich die Umwandlung ganz vollzogen, Rückverwandlung ließ sich nicht beob- achten, und das Dilatometer enthielt das neue Pentaborat. Schon unterhalb 85° fällt also Boronatrocaleit ohne weiteres ab, und da Anwesenheit von Chlornatrium in den Salzbildungen derartige Wasserspaltungen um etwa 20° erniedrigt, fällt Boronatrocaleit bei 83° aus der Untersuchung ganz fort. Anschließend wurde bestimmt. welche die höchste Temperatur des natürlichen Auftretens von Boronatroealeit ist, die Temperatur also, bei der sich dieses Mineral in Anwesenheit von Chlornatrium spaltet. Dazu wurde ein Dilatometer mit demselben (6°), Chlornatrium (38), Borax und. Pentaborat (je 0°8) beschickt. Nachdem sich bei 65° die ! Das ganz einfache analytische Verfahren ist in der S. 568 erwähnten Arbeit beschrieben. 570 Sitzung der physikalisch -mathematischen Classe vom 12. Juli 1906. Bildung von oktaedrischem Borax vollzogen hatte, trat bei 83° ein allmähliches Steigen sofort ein, was den vermuteten Fortfall von Boro- natrocaleit bei dieser Temperatur bestätigte. Das Steigen hielt bei 80°, 75° und 70° an, bei 65° trat Konstanz ein, wiewohl die Verwandlung sich noch nicht ganz vollzogen hatte; Rückbildung erfolgte im Dilato- meter, sogar bei gewöhnlicher Temperatur, kaum merkbar. Dieselbe ließ sich dagegen verfolgen in einem Rührversuch mit Boronatroealeit und einer an Borax und Chlornatrium gesättigten Lösung, beide im Überschuß. Nach Spaltung des Boronatrocaleits bei 83° wurde abge- kühlt, auf 80° zunächst und dann jeden Tag um 5°, immer unter Rühren. Bei 65° erstarrte das Ganze allmählich unter Bildung von Boronatrocaleit, der, wie erwähnt, eine große Flüssigkeitsmenge ver- filzt. Die natürliche Boronatrocaleitbildung ist also bis rund 70° möglich. 2. Existenzgebiet von Boronatrocaleit bei 25°. Um den jetzt nur noch nötigen Einblick in das Existenzgebiet bei 25° zu erleichtern, sei das Schema für diese Temperatur hier wiedergegeben, welches das Auftreten von Borax mit umfaßt; offen- bar handelt es sich ja, da Boronatroealeit eine Doppelverbindung von Natriumborat ist, in erster Linie um boraxhaltige Lösungen. A Bischofit Carnallit Kieserit MgS0, -6H:0 Kainit MgSO, - 7H, 0 Leonit Sehönit Astrakanit van'r Horr: Oceanische Salzablagerungen. XLVIl. 571 Die rote Linie begrenzt die unterhalb liegenden Lösungen, welche Borax enthalten und magnesiumfrei sind; oberhalb liegen die mag- nesiumhaltigen und boraxfreien. Wegen der geringen Löslichkeit der Magnesiumborate ist das Nebeneinandervorkommen von Borax und Magnesiumsalzen praktisch ausgeschlossen. Es handelt sich nun um Feststellung der Lösungen, welche bei 25° mit Boronatrocaleit im Gleichgewicht sind, aus denen sich also dieses Mineral bilden kann. Im einfachsten Fall, bei Sättigung an Chlornatrium allein, zeigte sich bei 25° die große Neigung zur Boronatrocaleitbildung durch eine doppelte Zersetzung von Caleiumborat und Chlornatrium unter Bildung von Chlorcaleium. Sowohl das künstliche Monoborat CaB,O,.6H,O wie der natürliche Colemanit Ca,B,O,,.5H,O verwandelten sich in dieser Weise in Boronatrocaleit. Hiermit ist gleichzeitig eine zweite natürliche Bildungsweise von Chlorcaleium gegeben.' Die erwähnte Beobachtung schließt die Tatsache in sich, daß auch in den Lösungen, die in Fig. ı mit 0, C, G, F und B bezeichnet sind und neben Chlornatrium noch Sättigung an Borax aufweisen, die Caleiumborate sich in Boronatrocaleit verwandeln werden. Für B und © wurde dies direkt festgestellt und auch gefunden, daß Gips in den- selben sich in Boronatrocaleit verwandelt. Auch in den Lösungen H, S, M und E liegen die Verhältnisse einfach, indem Boronatrocaleit sich in denselben bei 25° alsbald ver- wandelt. In H,S und M bilden sich Sulfoborate, in E hält sich das genannte Mineral noch am längsten: nach Einimpfung mit Pinnoit und Kaliborit entwickeln sich aber diese unter Aufzehrung des Boro- natrocaleits. Auf der Grenzlinie B,C, scheint auch ungefähr die Grenze der Boronatrocaleitbildung zu liegen. Zwar ist noch Chlornatrium vorhanden, aber die anderen mitanwesenden Salze erschweren durch ihre wasseranziehende Wirkung das Entstehen von Boronatrocaleit, das ja von Wasseraufnahme begleitet ist. Dies muß sich im End- punkt F, am meisten geltend machen. Festgestellt wurde, daß in C, und B, Boronatrocaleit entsteht. In ersterer Lösung wurde dies beobachtet bei Berührung mit den sta- bilsten künstlichen Boraten (die stabile Modifikation von CaB,O,.4H,O und das Triborat CaB,O,,.4H,0); ebenfalls mit dem natürlichen Co- lemanit und Borocaleit, welch ersterer von beiden am schnellsten sich verwandelte. In B, änderten diese Mineralien sich ebenfalls in glei- chem Sinne; auch wurde in dieser Lösung das Entstehen von Boronatro- ealeit aus Kaliborit und Gips beobachtet. ! Diese Sitzungsberichte 1906, 412. 572 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe vom 12. Juli 1906. In F,, der entscheidenden Lösung, wurden die Verhältnisse be- sonders verfolgt und diese Lösung in Berührung gebracht mit Cole- manit, Borocaleit, Pandermit und Boronatrocaleit. Man scheint hier gerade auf der Grenze zu sein: Boronatrocaleit bildet sich nicht, scheint sich aber auch nicht weiter zu verwandeln, nachdem etwas Syngenit gebildet ist. Colemanit, Borocaleit und Pandermit bilden zunächst Syngenit, und zwar mit einer Leichtigkeit nach erwähnter Reihenfolge; dann aber entsteht noch eine zweite Verbindung, deren Natur noch nicht festgestellt wurde, und die eingebrachten CGaleiumborate ver- schwinden. Wenn also B,C, der ungefähren Grenze der Boronatroealeitbildung entspricht. ist auch die Paragenese vollständig festgestellt. Das be- treffende Mineral kann, außer mit seinen Bestandteilen, Borax und Caleiumborat, vorkommen mit Chlornatrium, Natriumsulfat, Glaserit, Chlorkalium, Glauberit, Syngenit, Pentasulfat, Gips und Anhydrit. 3. Künstliche Darstellung von Pandermit. Daß so einfache Verbindungen wie Pandermit, Colemanit und Boroealeit, drei saure Caleiumborate, noch nicht künstlich dargestellt sind, hängt mit der mehrfach erwähnten Verzögerung zusammen, welche man bei Boraten zweiwertiger Metalle auf Schritt und Tritt begegnet. Schon die einfachere Aufgabe, Caleiumborate kristallinisch zu erhalten, ohne noch dabei besonders die natürlichen zu berücksichtigen, ist nicht so ganz leicht. Sie wurde von Dirre bis zu einer gewissen Höhe gelöst." Auf diese Arbeit wurde dann weiter fortgebaut, auf gewöhnlich chemischem Wege zunächst, in der Richtung der natürlichen Borate, die sich dabei buchstäblich verbarrikadiert zeigen durch andere weniger stabile. An anderer Stelle” habe ich das Resultat dieser letzten, ge- meinschaftlich mit MEvErHorrer ausgeführten Untersuchung veröffent- licht. Die natürlichen Caleiumborate bekommt man in dieser Weise nicht oder ungemein schwierig. Günstiger gestalteten sich die Resultate, als statt des einfachen chemischen Verfahrens auf geologischer Grundlage mit den Flüssig- keiten gearbeitet wurde, aus denen die natürlichen Borate entstanden sein müssen, und diese sind jetzt bekannt. Um dabei weniger stabile Formen möglichst auszuschließen, ist es zweckmäßig, von einem Natur- produkt auszugehen; dann muß aber geeignet gewählt werden, weil ! Ann. de Chim. et de Phys. (5) 30, 248. 2 Siehe S. 568. van'r Horr: Öceanische Salzablagerungen. XLVII. 5753 mitunter eine unbesiegbare Resistenz alle Verwandlung ausschließt. Hier zeigte sich nun der künstliche Boronatrocaleit besonders geeignet, und war für die Untersuchung der Caleiumborate was der so leicht verwandelbare Gips aus Alabastergips und Wasser für die Verfolgung der natürlichen Anhydritbildung war. Ursache ist in beiden Fällen offenbar die feinfaserige Struktur, welche eine Oberflächenausdehnung mit sich bringt, die durch Verreiben kaum erreichbar sein dürfte, und sich in der mehrfach erwähnten Fähigkeit äußert, große Flüssigkeits- mengen zu verfilzen. Die Bildung von Pandermit erfolgte dann durch Zerfall von Boro- natrocaleit in der an Chlorkalium und Chlornatrium gesättigten Lö- sung B, der Fig. ı. Allerdings findet sie langsam statt, so daß man am besten beim Siedepunkt der betreffenden Lösung arbeitet. Boro- natrocaleit ist dann sofort verwandelt in ein Produkt, dessen Analyse auf Pandermit stimmt; die kristallinische Ausbildung, begleitet von auftretender Doppelbrechung. entwickelt sich aber erst sehr allmählich und nimmt drei bis vier Tage in Anspruch. In dieser Weise gaben z.B. 5° Boronatrocaleit in einer Lösung von‘45° NaCl und 55° KCl in ı80° H,O etwas mehr als 2° Pandermit, was der Theorie entspricht. Die Analyse des ausgewaschenen Produkts, das kaum noch eine Chlor- reaktion zeigte, ergab folgendes: 31.4 Prozent CaO, 48.9 Prozent B,O,, 18.9 Prozent H,O. Über die Zusammensetzung des (in Begleitung von Gips aufge- fundenen) Pandermits (Priceits) liegen verschiedene Angaben vor.! Einerseits wird das Verhältnis zwischen CaO und B,O, als 2:3, an- dererseits als 4:5 angegeben. Die neueren Analysen stimmen auf letzteres. Die Analyse eines natürlichen Pandermits ergab mir: 31.7 Prozent CaO, 49.8 Prozent B,O,, 18.4 Prozent H,O in vollständiger Übereinstimmung mit der letztvorliegenden Analyse von Kraut: 32.3 Prozent CaO, 49.9 Prozent B,O,, 18.2 Prozent H,O. Sämtliche Analysen stimmen also auf 4:5 für das Verhältnis zwischen CaO und B,O,. Was den Vorzug anbelangt, welchen das Arbeiten mit natürlichen Lösungen statt des gewöhnlichen chemischen Weges hat, so ist dies wohl ! Jahresbericht über die Fortschritte der Chemie, vom Raın, 1878, 1220; RANNELSBERG, 1884, 1926; WurrerieLn, 1887, 450; GiLsert, 1893; Kraur, Zeitschr. für anal. Chemie 36, 165. 574 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe von 12. Juli 1906. darauf zurückzuführen, daß die im ersten Fall vorhandenen Chloride die Bildungstemperaturen erniedrigen, das Arbeiten bei etwas höheren Siedepunkten gestatten, und schließlich, indem sie Caleiumborat etwas lösen, die Verwandlungen beschleunigen. Natürlich wäre auch auf chemischem Wege, durch Arbeiten im Einschmelzrohr mehr erreichbar, doch dann entfernt man sich von den natürlichen Vorgängen, welche die Untersuchung eben verfolgt. 575 Die Verteilung der Meere auf der Mondoberfläche. Von Prof. J. Franz in Breslau. (Vorgelegt von Hrn. Srruve am 31. Mai 1906 |s. oben S. 523].) Hierzu Taf. 1. Die Himmelskörper, auf deren Oberfläche wir Einzelheiten wahr- nehmen können, zeigen in den Äquatorgegenden andere Gebilde als an den Polen. Die Sonnenflecke treten in zwei Zonen nördlich und südlich vom Äquator auf. Die dunklen Wolkengürtel des Jupiter sind dem Äquator parallel. Der Mars hat weiße Polarkappen, Polarmeere und einen Landgürtel um den Äquator. Auch die Erde hat weiße Polarkappen und Polarmeere. Die Küsten in den Äquatorgegenden sind glatt, die der Polargegenden sind durch die Tätigkeit der Gletscher zer- rissen und in Skären gegliedert. Nur auf dem Monde scheinen auf den ersten Anblick die Äquator- gegenden sich von den Polargegenden nicht wesentlich zu unterscheiden. Es kann dies insofern unerwartet sein, als die genannten Zonen unter sehr verschiedenen Bedingungen stehen. Die Umgegend des Äquators empfängt, zumal bei dem Fehlen einer merklichen Mond- atmosphäre, von der Sonne durch Strahlung eine viel erheblichere Wärmezufuhr und steht bei der unbehinderten Ausstrahlung unter viel stärkeren Wärmeschwankungen als die Pole. Ferner ist anzunehmen, daß der Mond, bevor er durch die Reibung der Flut gezwungen wurde, der Erde immer dieselbe Seite zuzukehren, sich schneller um seine Achse drehte als heute. Er muß also mehr abgeplattet gewesen sein. Aber auch wenn man voraus- ‚setzen will, daß er uns stets dieselbe Seite gezeigt hätte, folgt aus der erheblich kürzeren Umlaufzeit, die der Mond früher nach GEORGE Darwın hatte, eine ehemals schnellere Rotation. Er muß also früher merklich abgeplattet gewesen sein, während sich jetzt seine Abplat- tung als unmerklich zeigt. Die Polargegenden müssen sich später gehoben haben, vielleicht unter vulkanischen Eruptionen, die die Bildung von Kratern begünstigten. Die Äquatorgegenden müssen später eingesunken sein, und zwar um den halben Betrag der Erhebung 576 Sitzung der phys.-math. Classe v. 12. Juli 1906. — Mittheilung v. 31. Mai. der Pole. Auch aus diesem Grunde könnte man eine Verschieden- heit des Aussehens beider Gebiete erwarten. Die auffälligsten Unterschiede, die jetzt die Mondoberfläche zeigt, bestehen in dem Gegensatz zwischen den kraterreichen hellen Gebirgs- gegenden und den kraterarmen dunklen Flächen, den sogenannten Meeren. Die Meere bilden meist Flächen, die einander von außen berühren. Sie bilden also eine Reihe nebeneinanderliegender Flächen. Lorwy und Puiseux haben darauf aufmerksam gemacht, daß oft in den Meeren, besonders in den ausgedehnten auf der Ostseite des Mondes, teilweise versunkene Krater vorkommen. Außer den großen Meeres- flächen kommen einzelne Krater vor, deren Inneres mit dunkler Meeresfarbe angefüllt ist. Mäpter bezeichnet diese als »Kratermeere«. Von solchen finden sich auf der Osthälfte nur Plato , Billy, und Krüger. Sie sind aber nahe dem Westrand sehr häufig. Hier besteht, wie man bei günstiger Libration sieht, das Mare Spumans, Mare Undarum, Mare Anguis und ein kleines hammerförmiges Meer um A + 44°, + 33° ganz aus Kratermeeren, das Mare Australe fast ganz, das Mare Marginis zum Teil. Hanno, Oken, Marinus d, Abel, Apollonius, Fir- micus, Neper, Timoleon, Plutarch, Seneca, Franklin und Endymion sind wegen ihrer dunklen Binnenfarbe gleichfalls zu den Kratermeeren zu zählen. Außerdem treten Krater auf, deren Inneres nur zum Teil mit dunkler Meeresfarbe bedeckt ist. Von solchen partiellen Krater- meeren hat die Ostseite des Mondes Schikard, Grimaldi und Riecioli, die Westseite W. Humboldt, Condorcet, Hercules und das Mare Hum- boldtianum. Letzteres liegt in einer großen kraterähnlichen Depression, die weit über den Mondrand hinübergeht. Wenn man die Meere durch ihre dunkle Farbe definiert, so muß man auch die Kratermeere zu ihnen rechnen. Sie schließen sich auch ihrer Lage nach den Flächen der Maria so an, daß sie die Reihe der Flächen erweitern und vervollständigen. Frei von Meeren ist dagegen ein großer Teil der Südhälfte des Mondes. Aber auch sein Nordrand in dem ausgedehnten und nur durch die orthographische Projektion perspektivisch verkürzten Ge- biete jenseits des Mare Frigoris und des Sinus Roris zeigt sich völlig frei von Meeren. Wären solche dort vorhanden, so würden sie eben- so deutlich sichtbar werden wie beispielsweise das Mare Smythii am Mondrand im Äquator. Denn bei Vollmond stehen alle Randgegenden unter gleichen Bedingungen der Sichtbarkeit. Man kann also die sichtbaren Umgebungen beider Pole als Teile von Polarkappen betrachten, die eine Zone nebeneinanderliegender Meere umgeben. Daß ein soleher Gürtel der Meere wirklich vorhanden ist, er- kennt man leicht, wenn man den Mond wie in der beigegebenen J. Franz: Die Vertheilung der Meere auf der Mondoberfläche. 57% Figur winkeltreu in stereographischer Projektion zeichnet. Er zeigt sich richtiger und deutlicher auf einem Mondglobus. Noch mehr aber freilich übertrieben deutlich würde er in Mercators Projektion er- scheinen. Nur die orthographische Projektion hat die Existenz des Gürtels der Meere bisher dadurch verschleiert, daß sie die Meere des Nordens und Nordostens zu nahe an den Rand brachte. Der Gürtel ist keineswegs regelmäßig. Er ist vielfach unter- brochen und wird an seiner Nord- und Südseite von mehr oder minder isolierten Meeren begleitet. Er liegt auf der sichtbaren Seite des Mondes mehr nördlich als südlich vom Äquator. Seine Realität wird noch mehr verbürgt durch die Auffindung von Meeren in den Äquatorgegenden des Mondrandes und in den benachbarten Teilen der Rückseite des Mondes, die in Breslau dem Verfasser bei der Ausmessung der Randpartien bei günstiger Libration mit dem von der Königlich Preußischen Akademie ihm bewilligten Ausmesser gelang. Denn diese Meere setzen den Gürtel beiderseits weiter fort. Sie mußten auf unserer Figur, soweit ihre Längen # 90° überschreiten, über den Rand des Gradnetzes hinaus gezeichnet werden. Erwähnt seien hier mit vorläufigen oder neuen Bezeichnungen ein Mare Marginis zwischen +9°0 und + 18°2 selenographischer Breite und von -+75° bis über +95° Länge hinaus, ein Mare trans Hahn zwischen +30°5 und +33°6 Breite, welches südlich bei + 92°5 und nördlich hinter +96°5 Länge beginnt. Am Östrande liegt ein großes sehr dunkles Mare Orientale zwischen —24°3 und — 1297 Breite, das an seiner Südseite erst hinter — 90°4 Länge, an seiner ’ Se: Nordseite noch weiterhin beginnt. Es ist von Wichtigkeit, zu untersuchen, wo sich die durehschnitt- liche Lage des Gürtels der Meere hinzieht, und wo seine Pole liegen, ferner ob der Gürtel einen größten oder einen kleinen Kugelkreis umgibt. Hierzu habe ich die Mondoberfläche in rechtwinklige Trapeze von je 20° Länge und 20° Breite geteilt, die von den Längen- und Breitengraden von & 10°, 30°, 50°, 70° begrenzt werden, und schätzte nach Prozenten der Trapeze die in ihnen enthaltenen Meerestlächen sowie ihren Schwerpunkt. Die Schätzungen geschahen mit Hilfe von geeigneten mit Gradnetz versehenen Mondkarten auf Photogrammen des Mondes, indem ich anfangs die Vierecke auf den Photogrammen durch Papierstreifen abgrenzte, und später, indem ich das Gradnetz in die Photogramme einzeichnete. Sie bereiteten einige Schwierigkeit dort, wo die Meere nicht scharf begrenzt sind, wo halbdunkle Meere wie die Paludes auftraten und in Gegenden wie westlich von Langrenus, die nach manchen Karten noch Meere sind, nach anderen nicht. Um ein 578 Sitzung der phys.-math. Classe v. 12. Juli 1906. — Mittheilung v. 31. Mai. einfaches Kriterium zu haben, wendete ich nur die sogenannte Farbe, also die Dunkelheit als solches an, und so erhielten die weniger dunklen Flächen bei den Schätzungen von vornherein weniger Ge- wicht, so wurden helle Krater in den Meeren (wie Kopernikus, Kepler und Aristarch) nicht zu den Meeren gerechnet, ebensowenig ihre hellen Umstrahlungen, obwohl diese als über den Meeren liegend offenbar später entstanden sind. Aber dieses Moment ist für das Gesamtresultat ohne er- heblichen Einfluß, weil die Umstrahlungen nahezu in der Mitte des Gürtels liegen. Für die Meere, die am Mondrande liegen oder jenseits derselben, wurden die Zeichnung in Band II der Breslauer Mitteilungen und die noch unveröffentlichten Breslauer Messungen zu Hilfe gezogen. Die genannten Schätzungen wurden wiederholt ausgeführt, so daß im ganzen 5 Reihen von Schätzungen sich über den Mond er- strecken. In der folgenden Tabelle finden sich die Mittelwerte aller 5 Beobachtungsreihen so angeordnet, wie der Mond im Fernrohr er- scheint, also Süd oben, Nord unten, West links, Ost rechts. Die obere der 3 Zahlen gibt das Verhältnis m der Meeresfläche eines Trapezes zum ganzen Trapez, die beiden darunter folgenden Zahlen in Graden die selenographische Länge A und Breite 8 ihres Schwer- m punktes in dem Trapez an, nach dem Schema |% ß 0.282 0.018 +81.4 — 44.8 —54.8 —54.8 0.147 | \ 0.046 0.062 0.080 +73.6 | | —25.0 —40.4 —58.4 BeAAtO | | 33.0 36.9 | —41.8 r 2 7 here Ga Erpr | | 0.088 0.300 | 0.262 0.026 0.101 0.729 0.6534 | 0.098 | 0.236 +79.0 +57-4 | +36.4 +28.2 — 8.9 | —ı18.2 —38.8 —55 | 000 —20.4 —16.8 | —16.4 —12.7 —18.2 | —19.0 —20.6 —13.8 — 20.6 0.241 0.556 0.658 0.472 0.214 | 0.583 0.890 0.790 0.054 +86.3 +57-8 +41.8 +23.8 — 3.0 | —20.8 —40.9 —583.2 — 76.0 — 2.2 — 2.0 + 1.4 + 2.3 + 2.8 — 2.3 — 1.7 + 0.8 — 2.2 0.216 0.586 0.278 0.836 | 0.650 | 0.772 | 0.902 | 0.962 \ 0.461 +85.4 +59.4 +37-3 +21.4 04 | 202.12 - 902 —595 | —74-4 +14.2 +17.0 +15.6 +21.6 | +19.6 | +22.8 +20.4 +19.8 +22.2 er Fu2 2. Be an a Te N Er Fe ee I 0.043 0.023 0.158 0.436 0.690 0.918 | 0.638 0.947 0.472 +91.4 +63.8 +35.4 +19.6 — 1.0 —19.4 | —383.2 —59.8 —73-7 +35.6 +43.8 | +37.6 +35.2 +33.4 392 337-4 +40.6 | +38.0 — —n a | Zu Te Ve ii —— — 0.128 0.032 0.166 | 0.406 | 0.394 0.380 | 0.270 0.172 0.020 +79.6 +56.2 | +338 | +19.6 | 0.0 —18.6 | —41.8 —58.8 — 172.2 +58.2 +53.8 | +54.0 +54.6 | +552 +57.8 +55.2 +54.2 +51.4 J. Franz: Die Vertheilung der Meere auf der Mondoberfläche. 579 In den leeren Fächern sowie zwischen 70° und 90° nördlicher und südlicher Breite fanden sich keine Meeresspuren. Der durch- sehnittliche Fehler einer Flächenschätzung berechnete sich auf 3.65 oder kurz auf 4 Prozent im Mittel. Die Schwerpunktskoordinaten A und 3 stimmten meist auf ı bis 2 Grad überein. Die Lage des Gürtels der Meere wird am einfachsten definiert durch die Angabe der Koordinaten A,%, seines auf der sichtbaren Mondoberfläche liegenden Südpols. Ist d die südliche zoneographische Breite eines Meeresteils bezogen auf die Mitte des Gürtels als Grund- kreis, so ergibt sich aus dem sphärischen Dreieck mit den Ecken 1ß, 1,8, und dem Südpol des Mondes sind = sin ß sin &,+cosß cos ß, eos ( —A.). Nun sind A, und &, so zu bestimmen, daß 3 psin’d ein Minimum wird. Es ist p= meos® und hier 8 die selenographische Breite der Mitte des Trapezes. Denn um die in den einzelnen Trapezen geschätzten Meeresflächen m auf gleiche Flächeneinheit zu beziehen, müssen sie mit cos® multipliziert werden, um das erforderliche »Gewicht« p jeder Beobachtung zu geben. Man könnte unter Annahme von Näherungs- werten für A, und ®, die Aufgabe nach der Methode der kleinsten Qua- drate behandeln. Doch würden mehrere Näherungen erforderlich sein. Deshalb machte mich Hr. Herrmann StruveE in dankenswerter Weise freundlichst darauf aufmerksam, daß die Aufgabe auf direktem Wege ohne Näherungen gelöst werden kann durch Bestimmung der Haupt- achsen des Trägheitsellipsoids, welches der gegebenen Verteilung der Massen p auf der Kugel entspricht. Für die Achse durch die Pole des Gürtels muß nämlich Zpcos’d ein Maximum sein, und diese Be- dingung führt durch Differentiation auf dasselbe Resultat wie die ent- sprechende obige. Sind also A und ® die in obiger Tabelle ange- gebenen Koordinaten der Schwerpunkte der Meeresteile und setzt man x = cosß cosA E= cosß, cos?, y= cosß sinA n = cosß,sinA, z=sinß & = sın ©, und zur Abkürzung EP He b = Zpyy >22 VE je h = 3pay so führt die Gleichung 3 pcos®’d = I p(x& + yn + z£)’ = Maximum, unter der Bedingung ?+Y+2°= 1, auf die Gleichungen (a—u)E+ hıy+ 9 &=o h E+(l—wW)ı+ f &=o el a IE HE Sitzungsberichte 1906. 60 580 Sitzung der phys.-math. Classe v. 12. Juli 1906. — Mittheilung v. 31. Mai. a—u Äh 9 Die Determinante h b—-u ff |=o gesetzt 9 U oder ausgeschrieben w—(a+b+ 0) +[ab+be+ca—(f’+g’+M)]u—abe+af’+bg’+ch’”— 2fgh = © gibt dann als Wurzeln die drei Werte des Parameters », während die Koordinaten oder Richtungs-Üosinus 2 7. £ den Unterdeterminanten proportional sind, und zwar HS = a —— Ne — Nee A. = bu) (e— u) —f® A,=gh—f(la—u) A,, = (e—p) (a— u) —g? As = hf— g(b— u) a = (a—p) (b— u) — a = fg—h(e—u) sind. Damit ist die vorgelegte Aufgabe streng gelöst. In unserem Falle wurde gefunden: a= +7.76525 b= + 5.99971 C= + 3.04128 f = —9.90495 = 221572 h= —1.36729 Die Determinante ergab die Gleichung dritten Grades u? — 16.80824 u’ + 80.875264 — 105.72346 = O Diese Gleichung, nach Fortschaffung des quadratischen Gliedes trigonometrisch gelöst, ergab als Wurzeln A 2.132308, 5.272084, GAOZOAA Darauf wurden die Unterdeterminanten gebildet und aus ihnen die Richtungen der Hauptträgheitsachsen abgeleitet. Dieselben treffen die siehtbare Mondoberfläche in folgenden Punkten: Pol des Gürtels Verdünnung des Gürtels .=—15°464 &=—69°4:7, ,=+64° 13:9 , =+3°47:7 Anschwellung des Gürtels v=-27 117 & =+ 200825 Der Pol des Gürtels liegt also zwischen Moretus, Gruemberger und Klapproth. Der Gürtel ist 20°55'!3 gegen den Äquator geneigt und sein aufsteigender Knoten auf dem Äquator liegt in 74°13!6 Länge bei Maclaurin, östlich vom Mare Smythii. Die Verdünnung des Gürtels liegt im Mare Spumans, südwestlich von Apollonius. Seine Anschwel- lung liegt zwischen Euler und Mayer im Oceanus Procellarum. Jedoch sind die beiden letzten Stellen unter der Bedingung bestimmt, daß sie 90° voneinander abstehen. J. Franz: Die Vertheilung der Meere auf der Mondoberfläche. 581 Das Trägheitsmoment um die Achse durch die Pole des Gürtels ist die Summe der zweiten und dritten Wurzel der kubischen Gleichung = 14.676028. Es ist zugleich das größte aller Achsen durch den Schwerpunkt des Mondes. Das Trägheitsmoment um die Achse durch die Verdünnung des Gürtels ist entsprechend = 11.535352. Das um die Achse durch die Anschwellung des Gürtels ist = 7.405292. Es ist zugleich das kleinste aller möglichen Achsen durch den Mond- schwerpunkt. Um das erhaltene Resultat noch anderweitig zu prüfen, wurde die Lage des Pols des Gürtels noch nach der Methode der kleinsten Quadrate berechnet, wobei die oben angegebenen Werte von A, und £, als Näherungswerte angesehen wurden. Berechnet man mit diesen für jeden Meeresteil (A, £) sin d, = sin ß sin ®,+ cos 8 cos ß, cos (A—A,) so ist nach dem Taylorschen Satze sind—=sind,+aAX), +bAß,-+ --- wo a= cosß eos ß, sin (A—R,) b = sinß eos ß,— eos ß sin ß, eos (A—A,) die Differentialquotienten von sind, nach A, und ®, sind. Stellt man nun die Bedingung auf, daß die Summe der sin’d ein Minimum werden soll, so erhält man mit Übergehung der höheren Potenzen von AA, und A@, 5ı Fehlergleichungen von der Form aA, +bAß, +sind,—=6 mit dem Gewichte p= mcos®ß und die Normalgleichungen [pea] AR, + [pab] AR, + |pa sind,] = o [pab] AR, + [p56] A&,+ [pd sin d,]| = 0 oder in Zahlen I ° 0.691 A21,— 0.271Aß,— 0.002 —0.271A7,+ 9.268 A, + 0.023 = oO Die Lösungen ergeben sich in Teilen des Radius und werden, in Bogen verwandelt, A, = +0°01, A%, = —0°14, also beide bis auf nicht zu verbürgende Größen = 0. Hierdurch wird der erhaltene Ort des Pols bestätigt und sind, = sind. Zugleich fand sich die übrigbleibende Fehlersumme [pvv] = 2.119 in Teilen des Radius, der wahrscheinliche Fehler einer Beobachtung vom Gewicht ı = # 13972. Der wahrscheinliche Fehler von A,cosß, wird #5°93, von ®, #4°53. Dieser gibt die Sicherheit der Bestimmung des Pols an, und sein 60* 582 Sitzung der phys.-math. Classe v. 12. Juli 1906. — Mittheilung v. 31. Mai. verhältnismäßig geringer Wert von etwa 5° in beiden Richtungen spricht für die Realität des Gürtels der Meere. Ferner findet sich die Summe [p sind] = + 0.604, |p] = 18.808. Setzt man den Quotient beider Größen 0.3211 = sin D, so ist D= 1° 50:4 der südliche Abstand des Gürtels der Meere von dem ihm parallelen größten Kreise. Der Gürtel der Meere ist also ein kleiner Kugelkreis, 88° 9:6 vom Südpol des Gürtels also wenig vom größten Kugelkreis entfernt. Von Interesse ist noch die Frage nach der gesamten Meeres- fläche auf der in mittlerer Libration der Erde zugekehrten Hälfte der Mondoberfläche. Diese berechnete ich aus den beiden ersten Be- obachtungsreihen, da bei ihnen die Grenzen #90° der Länge nicht überschritten wurden, zu 32.205 Prozent. Dieser Betrag ist die Summe aller Meere, Seen und Kratermeere und enthält zum Teil die halb- dunklen Paludes. Hiernach kann man sagen, die sichtbare Mond- oberfläche enthält ein Drittel dunkle Meeresfläche und zwei Drittel helles, kraterreiches Gebirgsland oder Hochland. Die Zone der Meere ist also durchschnittlich 38° 56:5 breit und erstreckt sich von 21° 19' südlicher bis zu 17° 38' nördlicher zoneographischer Breite. Doch liegen ebensoviel Meeresteile außerhalb dieses Gebietes wie helle Flächen innerhalb derselben. Wie wir für den Gürtel der Meere der sichtbaren Seite des Mondes eine Anschwellung und eine Verdünnung fanden, so scheinen solche auch auf der Rückseite des Mondes zu bestehen. Eine An- schwellung ist dort wahrscheinlich jenseits des Westrandes, besonders wenn die dort beginnenden Meere sich zu einem Ozean vereinen sollten. Andererseits wird der Gürtel am östlichen Mondrande schmal. Denn der Oceanus Procellarum erreicht, wie die stereographische Projektion zeigt, diesen Rand bei weitem nicht, und jenseits dieses Ozeans beginnt ein ausgedehntes helles Gebirgsland, das sich nach- weislich weit über — 90° Länge fortsetzt. Die Meere liegen nach der Untersuchung »Die Figur des Mondes« in Bd. 33 der Beobachtungen auf der Königsberger Sternwarte durch- schnittlich tiefer als das helle Gebirgsland. In ihnen, besonders im Oceanus Procellarum finden sieh viele halbversunkene oder, wenn man es so nennen will, überschwemmte Krater. Am Strande erscheinen sie als Bogen, die nach der Meerseite geöffnet sind, und deuten klar darauf hin, daß das Meer selbst eine eingesunkene Fläche ist. Sie haben dann die Gestalt von Meerbusen wie der bedeutende Sinus Iridum am Nordrande des Mare Imbrium. Von weiteren Kraterresten liegt auch Pico, A—9° 8 +45°, im Mare Imbrium. Im Oceanus Pro- cellarum finden wir Harbinger, A —42° 8 + 26°, als Halbkrater, Stadius, J. Franz: Die Vertheilung der Meere auf der Mondoberfläche. 583 ?—1ı3° 8 +10°, fast ganz versunken, Fra Mauro, A —ı7° B=68 größtenteils; die Riphaeen, A—27° 8 —6°, sind Reste von 3 Kratern, Bonpland, A —ı7° & —S°, ist an der Südseite versunken, in A — 52° 8 —4°, 2» —44° ß — 3° und A — 39° 8 — 7° liegen halb versunkene unbenannte Krater, von Letronne, A —42° 8 — ı2°, ist die Nordseite versunken, in A— 17 8 — 17° liegen drei Halbkrater. Am Rande des Mare Humorum sind Agatharchides, Hippalus, Lee und Doppelmayer Kraterreste, im Mare Tranquillitatis die Umgebung von Jansen, am Mare Serenitatis Le Monnier. Die Meere selbst machen den Eindruck ausgedehnter Einbruchs- gebiete, zum großen Teil mit stehengebliebenen Hochrändern. Bei der eingangs erwähnten Abnahme der Abplattung des Mondes müssen die Äquatorgebiete eingesunken sein. Wenn die Zone der Meere einst im Äquator gelegen hat, so kann sie durch das Gleiten der Kruste über dem flüssigen Innern später in die jetzige Lage gekommen sein, und zur Erhaltung des ursprünglichen Drehungsmoments müßte man dann annehmen, daß das Magma im Innern Strömungen in umgekehrter Richtung ausgeführt habe. Bei Untersuchungen über die Bildung des Mondes wird man das Vorhandensein eines Gürtels der Meere nicht unberücksichtigt lassen dürfen. Ausgegeben am 19. Juli. 585 SITZUNGSBERICHTE 190 XXXV. DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 12. Juli. Sitzung der philosophisch -historischen lasse. T U | Vorsitzender Secretar: Hr. VAHLEn. l. Hr. Brasor sprach über die Scenenführung bei Shake- speare. (Ersch. später.) Er verfolgt namentlich die Stimmungs- und Entschliessungsscenen in Shakespeares Tragödien, vergleicht sie mit denen der griechischen Dramatiker und unterscheidet von deren Nachwirkung die Elemente, die aus den altenglischen Spielen zu Shakespeare gelangten, sowie dessen eigene Fortschritte über alle Vorgänger hinaus. 2. Hr. von Wıramowırz- MOELLENDORFF legte neue Bruchstücke des Euphorion vor. Bei den jüngsten Grabungen in Hermupolis ist ein Pergamentfetzen gefunden, der Reste von zwei Gedichten des Euphorion enthält. Der Stil ist sehr charakteristisch, ‚Nachahmung des Kallimachos. Ausgegeben am 19. Juli. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei, VERZEICHNISS DER MITGLIEDER DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN AM 1. JANUAR 1906. I. BESTÄNDIGE SECRETARE. Hr. Auwers - Vallen . -" Dies . . - Waldeyer . I. ORDENTLICHE MITGLIEDER der physikalisch -mathematischen Classe Hr. Arthur Auwers . - Simon Schwendener - Hermann Munk . - Hans Landolt - Wilhelm Waldeyer . - Franz Eilhard Schulze - Wilhelm von Bezold ———— Gewählt von der phys.-math. Classe . phil. -hist. - phil. -hist. - phys.-math. - Hr. Adolf Kirchhoff der philosophisch-historischen Classe —— Johannes Vahlen Eberhard Schrader Alexander Conze . Adolf Tobler Herınann Diels Heinrich Brunner . Otto Hirschfeld Eduard Sachau Gustav Schmoller . Wilhelm Dilthey . Datum der Königl. Bestätigung 1878 1893 Datum der Königlichen Bestätigung 1560 1866 1874 1875 1877 1879 1880 18581 1881 1881 1884 1884 1884 1885 1886 1387 1857 1857 1 März Juni April Juli März April Juni März April Jan. Jan. Jan. II Ordentliche Mitglieder der physikalisch - mathematischen der philosophisch -historischen Classe Classe — :, Karl Klein Karl Möbius . Adolf Engler ER EE EN Hr. Adolf Harnack Hermann Karl Vogel . er AR Hermann Amandus Schwarz Georg Frobenius Emil Fischer Oskar Hertwig Max Planck . DE - Karl Stumpf . - Erich Schmidt . - Adolf Erman . Emil Warburg Fl Es We ler Jakob Heinrich van’t Hof N - Reinhold Koser - Max Lenz . Theodor Wilhelm Emgemam. . 2» . x... 2 m 2... - Reinhard Kekule von Stra- donitz RE - Ulrich von Wilamowitz- Moellendorff . Wilhelm Branco VE Robert Helmert . R Heinrich Müller-Breslau . NER RR \ - Heinrich Zimmer . - Heinrich Dressel . - Konrad Burdach . - Richard Pischel Friedrich Schottky . RE - Gustav Roethe . - Dietrich Schäfer - Eduard Meyer . - Wilhelm Schulze - Alois Brandl Robert Koch . Hermann Struve Hermann Zimmermann Adolf Martens Walther Nernst . Paul Drude . a EM A (Die Adressen der Mitglieder s. S. VIII.) Datum der Königlichen Bestätigung April 6. 1857 1888 1890 1890 1892 1892 1893 1893 1893 1894 1895 1895 1895 1895 1896 1896 1896 1898 1898 1899 1899 1900 1901 1902 1902 1902 1902 1903 1905 1905 1903 1903 1904 1904 1904 1904 1904 1905 1905 April Jan. Febr. März Dee. Jan. Febr. April Juni Febr. Febr. Febr. Aug. Febr. Juli Dec. Febr. Juni Aug. Dec. Jan. Jan. Jan. Mai Mai Juli Jan. Jan. Aug. Aug. Nov. April Juni Aug. Aug. Aug. 2 Nov. Dee. 30. 29. 10. 30. 192 14. 6. Irre 11. II. AUSWÄRTIGE MITGLIEDER der philosophisch - historischen der physikalisch-mathematischen Classe Classe nen? — —ı Hr. Eduard Zeller in Stuttgart - Theodor Nöldeke in Strass- burg - Friedrich ee Be in Winterthur . - Theodor von Sickel in Meran - Pasquale Villari in Florenz . - Franz Bücheler in Bonn Hr. Wilhelm Hittorf in Münster i.W. . Lord Kelvin in Netherhall, Largs Hr. Marcelin Berthelot in Paris . - Eduard Suess in Wien - Eduard Pflüger in Bonn ne Sy Me ee Rochus Frhr. von Lilieneron in Schleswig 3 r. Leopold Delisle in Bas { Sir Joseph Dalton Hooker in Sunningdale ; Hr. Giovanni Virginio Schiaparelli in Mailand - Adolf von Baeyer in een IV. EHREN-MITGLIEDER. Earl of Crawford and Balcarres in Haigh Hall, Wigan Hr. Max Lehmann in Göttingen NEN - Ludwig Boltzmann in Wien - Friedrich Kohlrausch in Marburg . Se. Majestät Oskar II., König von She een) Hugo Graf von und zu Lerchenfeld in Berlin Hr. Friedrich Althof in Berlin , - Richard Schöne in Berlin Frau Elise Wentzel geb. Heckmann in lin Hr. Konrad Studt in Berlin . - Andrew Dickson White in Ithaca, N Y. III Datum der Königlichen Bestätigung — 1895 Jan. 14 1900 März 5. 1901 Jan. 14. 1902 Nov. 1904 Mai 1904 Oct. 17. 1905 Aug. 12. Datum der Königlichen Bestätigung 1883 Juli 1887 Jan. 24. 1888 Juni 1895 Aug. 13. 1897 Sept. 14. 1900 März 5. 1900 März 1900 März 5 1900 März 5. 1900 März 17 1900 Dee. a IV Hr. V. CORRESPONDIRENDE MITGLIEDER. Physikalisch-mathematische Classe. Alexander Agassiz in Cambridge, Mass. Henri Becquerel in Paris : 5 Friedrich Beilstein in St. Pe Ernst Wilhelm Benecke in Strassburg Eduard van Beneden ın Lüttich . Oskar Brefeld in Charlottenburg . Otto Bütschli in Heidelberg Stanislao Cannizzaro in Rom Karl Chun in Leipzig Gaston Darboux in Paris ; Richard Dedekind im Braunschweig . ls Christofer Duner in Upsala Ernst Ehlers in Göttingen . Rudolf Fitig in Strassburg Max Fürbringer in Heidelberg Albert Gaudry in Paris . Archibald Geikie in London . Wolcott Gibbs in Newport, R. 1. David Gil, Kgl. Sternwarte am Ge der Erich Dane . Paul En in Erlangen Ludwig von Graf in Car Gottlieb Haberlandt in Graz . Julius Hann in Wien Victor Hensen in Kiel Richard Hertwig in München . William Huggins in London \ . Adolf von Koenen in Göttingen Leo Koenigsberger in Hadebes ; Henry Le Chatelier in Paris Michel Levy in Paris. Franz von Leydig in Benni 0. A T.. Gabriel Lippmann in Paris FR Moritz Loewy in Paris . Hendrik Antoon Lorentz in Teiden MMubert Ludwig ın Bonn . Datum der Wahl 1895 Juli 18. 1904 Febr. 18. 1888 Dee. 6. 1900 Febr. 8. 1887 Nov. 3. 1899 Jan. 19. 1897 März 11. 1888 Dee. 6. 1900 Jan. 18. 1897 Febr. 11. 1880 März 11. 1900 Febr. 22. 1897 Jan. 21. 1896 Oct. 29. 1900 Febr. 22. 1900 Febr. 8. 1889 Febr. 21. 1885 Jan. 29 1890 Juni 5. 1900 Febr. 22. 1900 Febr. 8 1899 Juni 8. 1589 Febr. 21. 1898 Febr. 24. 1898 April 28. 1895 Dec. 12. 1904 Mai 5. 1893 Mai 4. 1905 Dec. 14. 1898 Juli 28. 1857 Jan. 20. 1900 Febr. 22. 1895 Dec. 12. 1905 Mai 4. 1898 Juli 14. Physikalisch-mathematische Classe. Hr. Eleuthere Mascart in Paris . - Dmitri) Mendelejew in St. Be - Franz Mertens in Wien . - Henrik Mohn in Christiania - Henri Moissan in Paris . - Alfred Gabriel Nathorst in Stockholm - Karl Neumann in Leipzig - Georg von Neumayer in Neustadt a. ii en - Simon Newcomb in Washington . - Max Noether in Erlangen - Wilhelm Ostwald in Leipzig - Wilhelm Pfeffer in Leipzig . - Ernst Pfitzer in Heidelberg . - Emile Picard in Paris - Henri Poincare in Paris . ; - Georg Quincke in Heidelberg . - Ludwig Radikofer in München Sir William Ramsay in London Lord Rayleigh in Witham, Essex . s Hr. Friedrich von Recklinghausen in Straschunk - Gustaf Retzius in Stockholm - Wilhelm Konrad Röntgen in München - Heinrich Rosenbusch in Heidelberg - Georg Ossian Sars in Christiania - Friedrich Schmidt in St. Petersburg . IM, Hermann Graf zu Solms- Laubach in Strassburg . Hr. Johann Wilhelm Spengel in Giessen . - Eduard Strasburger in Bonn - Johannes Strüver in Rom - Julius Thomsen in Kopenhagen - August Toepler in Dresden . - Melchior Treub in Buitenzorg . - Gustav Tschermak in Wien . Sir William Turner in Edinburg Hr. Woldemar Voigt in Göttingen . - Karl von Voit ın München n ’ - Johannes Diderik van der Waals ın dein 5 - Eugenius Warming in Kopenhagen - Heinrich Weber in Strassburg . - August Weismann in Ba 17 BR: - Julius Wiesner in Wien . - Adolf Wüllner in Aachen - Ferdinand Zirkel in Leipzig Datum der Wahl 1895 1900 1900 1900 1905 1900 1893 1896 1883 1896 1905 1889 1899 1898 1896 1879 1900 1896 1896 1885 1893 1896 1857 1895 1900 1599 1900 1889 1900 1900 1579 1900 1881 1898 1900 1898 1900 1899 1896 1897 1899 1889 1887 Juli Febr. Febr. Febr. Jan. Febr. Mai Febr. Juni Jan. Jan. Dec. Jan. Febr. Jan. März Febr. Oct. Oct. Febr. Juni März Oct. Febr. Febr. Juni Jan. Dee. Febr. Febr. März Febr. März März März Febr. Febr. Jan. Jan. März Juni März Oct. 18. 8. 22. 22. 12. DD w Doo® D wo Bars N wow m mm je VI Hr. Philosophisch-historische Classe. Wilhelm Ahlwardt ın Greifswald . Karl von Amira in München . Graziadio Isaia Ascoli in Mailand Theodor Aufrecht in Bonn . . Ernst Immanuel Bekker ın Hadabes. Otto Benndorf in Wien . HE Friedrich Blass in Halle a.S. . Eugen Bormann in Wien Ingram Bywater in Oxford Rene Cagnat in Paris . Antonio Maria Ceriani in Mailand Wilhelm Dittenberger m Halle a. S Louis Duchesne in Rom . Benno Erdmann in Bonn Kuno Fischer in Heidelberg Paul Foucart in Paris Ludwig Friedländer in ae Oskar von Gebhardt in Leipzig Theodor Gomperz in Wien . Franeis Llewellyn Griffith in Ashton a Tase Gustav Gröber in Strassburg Ignazio Guidi in Rom Wilhelm von Hartel in Wien Georgios N. Hatzidakis in Athen . Albert Hauck in Leipzig 5 Johan Ludvig Heiberg in Ropee 3 Karl Theodor von Heigel in München . Max Heinze in Leipzig . 5 Antoine Heron de Villefosse in rt : Leon Heuzey in Paris : Edvard Holm in Kopenhagen Theophile Homolle in Paris . Vatroslav Jagie in Wien. A William James in Cambridge, Mass. Karl Theodor von Inama- Se in Innsbruck . Ferdinand Justi in Marburg Karl Justi in Bonn Panagiotis Kabbadias in Kane Frederic George Kenyon in London . Franz KRielhorn in Göttingen . Georg Friedrich Knapp in Strassburg Basil Latyschew in St. Petersburg Datum der Wahl 1888 Febr. 2. 1900” Jan. 18 1887 März 10 1864 Febr. 11 1897 Juli 29 1893 Nov. 30 1900 Jan. 18 1902 Juli 24 1887 Nov. 17 1904 Nov. 3 1869 Nov. 4 1882 Juni 15 1893 Juli 20 1903 Jan. 15 1885 Jan. 29 1884 Juli 17 1900 Jan. 18 1903 Juli 9 1893 Oct. 19 1900 Jan. 18 1900 Jan. 18 1904 Dec. 15 1893 Oct. 19 1900 Jan. 18 1900 Jan. 18 1896 März 12 1904 Nov. 3 1900 Jan. 18 1893 Febr. 2 1900 Jan. 18 1904 Nov. 3 1887 Nov. 17 1880 Dec. 16 1900 Jan. 18 1900 Jan. 18 1898 Juli 14 1893 Nov. 30 1887 Nov. 17 1900 Jan. 18 1580 Dec. 16 1893 Dec. 14 1891 Juni 4 Hr. Philosophisch-historische Classe. August Leskien in Leipzig . Emile Levasseur in Paris Friedrich Loofs in Halle a. S.. Giacomo Lumbroso in Rom Arnold Luschin von Ebengreuth in er John Pentland Mahaffy in Dublin Frederic William Maitland in Cambridge Gaston Maspero in Paris Wilhelm Meyer- Lübke in Wien Adolf Michaelis in Strassburg . Ludwig Mitteis in Leipzig . Benedictus Niese in Marburg . Heinrich Nissen in Bonn (reorges Perrot in Paris . Wilhelm Radloff in St. nk Vietor Baron Rosen in St. Petersburg . Richard Schroeder in Heidelberg . Emil Schürer in Göttingen . Emile Senart in Paris Eduard Sievers in Leipzig . Albert Sorel in Paris . Henry Sweet in Oxford . ; - Edward Maunde Thompson in en 5 . Vilhelm Thomsen in Kopenhagen . Girolamo Vitelli in Florenz . Heinrich Weil in Paris ‚Julius Wellhausen in Göttingen Ludvig Wimmer in Kopenhagen . Wilhelm Windelband in Heidelberg Wilhelm Wundt in Leipzig . BEAMTE DER AKADEMIE. Bibliothekar und Archivar: Dr. Köhnke. Wissenschaftliche Beamte: Dr. Dessau, Prof. — Dr. Ristenpart: — Dr. Harms. — Dr. Czeschka Edler von Maehrenthal, Prof. — Dr. von Fritze. — Dr. Karl Schmidt, Prof. — Dr. Frhr. Hiller von Gaertringen, Prof. vn Datum der Wahl 1900 1900 1904 1874 1904 1900 1900 1897 1905 1888 1905 1905 1900 1884 1895 1900 1900 1893 1900 1900 1900 1901 1895 1900 1897 1896 1900 1891 1903 1900 Jan. 18. Jan. 18. Noy. 3: Noy. 12. Juli 21. Jan. 18 Jan. 18. Juli 15. Juli 6. Juni 21. Febr. 16. Febr. 16. Jan. 18. Juli 17. Janssl0. Jan. 18. Jan. 18. Juli 20. Nanllse Jans als: Janzzels: Juni 6. I? Jan. 18. Juli 15. März 12. Jan. 18. Juni 4. Febr. 5. Jan. 18. VIII WOHNUNGEN DER ORDENTLICHEN MITGLIEDER Hr. Dr. UND DER BEAMTEN. Auwers, Prof., Geh. Ober-Regierungs-Rath, Lindenstr. 91. SW 68. von Bezold, Prof., Geh. Ober-Regierungs-Rath, Lützowstr. 72. W 35. Branco, Prof., Geh. Bergrath, Maassenstr. 35. W 62. Brandl, Professor, Kaiserin Augustastr. 73. W 10. Brunner, Prof., Geh. Justiz-Rath, Lutherstr. 36. W 62. Burdach, Professor, Grunewald, Humboldtstr. 40, vom 1. April ab Grunewald, Schleinitzstr. 6. Conze, Professor, Grunewald, Wangenheimstr. 17. Diels, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Kleiststr. 21. W 62. Dilthey, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Burggrafenstr. 4. W 62. Dressel, Professor, Charlottenburg, Uhlandstr. 193. Drude, Professor, Neue Wilhelmstr. 16. NW 7. Engelmann, Prof., Geh. Medicinal-Rath, Neue Wilhelmstr. 15. NW 7. Engler, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Steglitz, Neuer Botanischer Garten. Erman, Professor, Steglitz, Friedrichstr. 10/11. Fischer, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Hessische Strasse 1—4. N 4. Frobenius, Professor, Charlottenburg, Leibnizstr. 70. Harnack, Professor, Fasanenstr. 33. W 15. Helmert, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Potsdam, Geodätisches Institut. Hertwig,, Prof., Geh. Medieinal-Rath, Grunewald, Wangenheimstr. 28. Hirschfeld, Prof., Geh. Regierungs-Rath , Charlottenburg, Carmerstr. 3. van’t Hoff, Professor, Lietzenburgerstr. 54. W 15. Kekule von Stradonitz, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Landgrafen- str. 19. W 62. Kirchhoff, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Matthaeikirchstr. 23. W 10. Klein, Prof., Geh. Bergrath, Charlottenburg, Joachimsthalerstr. 39/40. Koch, Prof., Geh. Medicinal-Rath, Kurfürstendamm 52. W 15. Koser, Geh. Ober - Regierungs-Rath, Charlottenburg, Carmerstr. 9. Landolt, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Albrechtstr. 14. NW 6, vom l. April ab Kaiser- Allee 222. W 15. Lenz, Professor, Augsburgerstr. 52. W 50. Martens, Prof., Geh. Regierungs- Rath, Gross-Lichterfelde West, Fontanestr. 22. ie Meyer, Professor, Gross-Lichterfelde West, Mommsenstr. 7/8. Möbius, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Sigismundstr. 8. W 10. Müller-Breslau, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Grunewald, Kurmär- kerstr. 8. Munk, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Matthaeikirchstr. 4. W 10. Nernst, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Moltkestr. 1. NW 40. Pischel, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Halensee, Joachim Friedrich- str. 47. Planck, Professor, Grunewald, Wangenheimstr. 21. Roethe, Professor, Westend, Ahorn-Allee 30. Sachau, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Wormserstr. 12. W 62. Schäfer, Prof., Grossherzogl. Badischer Geh. Rath, Steglitz, Fried- richstr. 7. Schmidt, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Augsburgerstr. 57/58. W 50. Schmoller, Professor, Wormserstr. 13. W 62. Schottky, Professor, Steglitz, Fichtestr. 12a. Schrader, Prof., Geh. Regierungs-Ratlı, Kronprinzen -Ufer 20. NW 40. Schulze, Franz Eilhard, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Invalidenstr. 43. N4. Schulze, Wilhelm, Professor, Kaiserin Augustastr. 72. W 10. Schwarz, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Grunewald, Humboldtstr. 33. Schwendener, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Matthaeikirchstr. 28. W 10. Struve, Professor, Enckeplatz 3a. SW 48. Stumpf, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Augsburgerstr. 61. W 50. Tobler, Professor, Kurfürstendamm 25. W 15. Vahlen, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Genthinerstr. 22. W 35. Vogel, Prof., Geh. Ober-Regierungs-Rath, Potsdam, Astrophysikali- sches Observatorium. Waldeyer, Prof., Geh. Medieinal-Rath, Lutherstr. 35. W 62. Warburg, Professor, Charlottenburg, Marchstr. 25b. von Wilamowitz- Moellendorff, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Westend, Eichen- Allee 12. Zimmer, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Halensee, Auguste Victoriastr. 3. Zimmermann, Wirkl. Geh. Ober-Baurath, Calvinstr. 4. NW 52. Czeschka Edler von Maehrenthal, Professor, W issenschaftlicher Beamter, Stendalerstr. 3. NW 5. Dessau, Professor, Wissenschaftlicher Beamter, Charlottenburg, Car- merstr. 8. von Fritze, Wissenschaftlicher Beamter, Courbierestr. 14. W 62. Harms, Wissenschaftlicher Beamter, Schöneberg, Erdmannstr. 3. Freiherr Filler von Gaertringen, Professor, Wissenschaftlicher Beamter, Courbierestr. 15. W 62. Köhnke, Bibliothekar und Archivar, Charlottenburg, Goethestr. 6. Ristenpart, Wissensch? ‘tlicher Beamter, Oldenburgerstr. 42. NW 21. Schmidt, Karl, Professor, Wissenschaftlicher Beamter, Bayreuther- str. 20. W 62. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. 2 Ne h f vr { f R, iR N) Fan ® ur hi {3 ke ur j Ws Me 2 Jan a Ei EISEN ES RE Be DNA matt ENT; 7 De u RN, { Pack . ar HE, u 5 gi PN r i j 1 } i N ii a A DR Er an; 2 d f S w # =; z N Br; u \ m LENy 03 DERFETTZT _ weise oder auch in weiterer Ausführung, in deutscher Sprache veröffentlicht sein oder werden. Sollte eine dem zuwiderlaufende Veröffent- lichung dem redigirenden Secretar vor der Ausgabe in den akademischen Schriften zur Kenntniss kommen, so hat er die Mittheilung aus diesen zu entfernen. Wenn der Verfasser einer aufgenommenen wissen- schaftlichen Mittlieilung dieselbe anderweitig früher zu veröffentlichen beabsichtigt, als ihm dies nach den gel- tenden Rechtsregeln zusteht, so bedarf er dazu der Ein- willigung der Gesammt- Akademie. Gedächtnissreden anderweitig zu veröffentlichen ist den Verfassern unbeschränkt gestattet- Aus $ 2]. Die Sitzungsberichte erscheinen in einzelnen Stücken in der Regel Donnerstags aclıt Tage nach jeder Sitzung. Aus $ 22. "Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mitthei- lungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten ge- schäftlichen Angelegenheiten. Hinter den Titeln der wissenschaftlichen Mittheilungen folgen in dieser Übersicht kurze Inhaltsangaben derselben, welche die Verfasser einreichen, und für welche sie ver- antwortlich sind. Diese Inhaltsangaben sollen sich in der Regel auf 5—6 Druckzeilen beschränken, keinesfalls 10 Zeilen überschreiten. : Die nicht in den Schriften der Akademie erscheinenden Mittheilungen werden mit vorgesetztem Stern bezeichnet, bei den für die Abhandlungen bestimmten wird »(Abh.)« zugefügt. * “ Wissenschaftliche Mittheilungen fremder Verfasser werden in dem Bericht über diejenige Sitzung aufgeführt, in welcher deren Aufnahme in die akademischen Schriften endgültig beschlossen wird. Aus $ 27. Das Manuseript einer in einer akademischen Sitzung am Donnerstag zur Aufnahme in die Sitzungsberichte. zu- gelassenen Mittheilung, welche am nächsten Donnerstag gedruckt erscheinen soll, muss der Regel nach in der Sitzung selber, spätestens bis Freitag 10 Uhr Morgens dem redigirenden Seeretar oder der Reiehsdruckerei druck- fertig zugestellt werden. Später eingereichte Manuscripte werden, mit dem Präsentationsvermeik des redigirenden Secretars oder des Archivars versehen, für ein. späteres Stück zurückgelegt. Dasselbe kann von vorn lıerein mit Mittheilungen ge- schehen, deren Satz aus irgenı welchen Gründen be- sondere Schwicriekeiten erwarten lässt, oder welche den in $$3 und 4 enthaltenen Bestimmungen nieht entsprechen. Die Reichsdruckerei versendet spätestens am Montag Abend die Correeturen an die hier wohnenden oder an- wesenden Verfasser, oder an die Mitglieder, welche die Mittheilung vorgelegt haben, mit der Angabe, dass sie dieselben am Dienstag Abend wieder abholen lassen werde; wünscht jedoch die mit der Correetur betraute Person Revision zu lesen, so muss sie die Correetur bereits Dienstag früh an die Druckerei zurückliefern. Wird die Correetur länger als bis Dienstag Abend von der damit be- trauten Person behalten, so hät diese es zu verantworten, wenn die Mittheilung in einem spätern Stück erscheint. Nach auswärts werden Correcturen nur auf Verlangen versandt; die Verfasser verzichten damit auf Erscheinen ihrer Mittheilung nach acht Tagen Fremden Verfassern, deren Correeturen erst noclı dem vorlegenden Mitgliede zur Reyision unterbreitet werden müssen, kann das Er- scheinen am nächsten Ausgabetage überhaupt nicht zuge- sichert werden. Aus $ 37. Die Akademie behält sich das Recht vor, von einer ver- griffenen Abhandlung eine zweite Auflage zu veranstalten. Abhandlungen der Akademie. Abhandlungen aus dem Jahre 1904. . . . Daraus: Mathematische Abhandlungen . ” Physikalische Abhandlungen x ” au und historische Abhandlungen EEE NE SUR Einzelne KERN aus den Jahren 1904, 1905 und 1906. Hırscnrrun: Gedächtnissrede auf Tnzovor Momnsex Diers: Latereuli Alexandrini aus einem Papyrus ptoleniäischer "Zeit . Meyer: Aegyptische Chronologie . . . ScHÄrer: Zur Beurteilung des Wormser Konkordats . STRUVE: Bebechuugen von Flecken auf dem Planeten Jupiter am Refractor der Königsberger Sternwarte or Re - Mirzeis: Über drei neue Handschriften des syr isch-römischen Rechtsbuchs . . » = = 2...» 250 Branco und E. Fraas: Das kryptovuleanische Becken von Steinlieim . . "3,50 Kızıy: Studien über Meteoriten, a auf Grund des Materials der Sammlung der Uni- versität Berlin R EEE ai a Eh TEEN TE ee RE R. Krause und S. Kırmpxer: Untersuchungen über den Bau des Centralnervensystems der Affen. Das Nachhirn vom Orang Utan . . a ee ee ae Mi G. Farrscn: Die Retinaelemente und die Dreifarbentheorie . . -» 1.50 O. Franke: Beiträge aus chinesischen Quellen zur Kenntnis der Türkvölker und“ Skythen Zentral Br asiens . . aA, R. Krause und S. Kırwesen: Untersuchungen über den Bau des Centralnervensystems der Affen. Das Hinter- und Mittelhirn vom Orang Utan . . » 4,50 J. Rosısere: Über die chemische Zusammensetzung der "_ Eruptivgesteine in den Gebieten von Predazzo und Monzoni . .... 2.2 .x% I EN FH B. Seurrert: Prolegomena zu.einer Wıerann-Ausgabe . . e F.W.K. Mürrer: Handschriften-Reste in Estraugelo- Schrift aus 13 Tarfan, Chinesisch- Turkistan, I. K. Hausmann: Maguetische Messungen im Ries und dessen nEBrlE ee re a ee P. Rırter: Neue Leibniz-Funde . J. Sıeser: Untersuchungen über die Ätiologie der Pocken und der Maul- und Klauenseuche . c J. Sıeser: Untersuchungen über die Ätiologie des Scharlachs . . . » 2. 2... 0a J. Sıeser: Untersuchungen über die Ätiologie der Syphilis . . . 2... J. Hırscusere: Die arabischen Lehrbücher der Augenheilkunde O. Karıscner: Das Grosshirn der Papageien in anatomischer und physiologischer Beziehung . M. Sauter: Die geographische Verbreitung von Mysis relicta, Pallasiella quadrispinosa, ln = affınis in Deutschland als Erklärungsversuch ihrer Herkunft . 2... Er B. Seurrert: Prolegomena zu einer Wiırrasp-Ausgabe. IL. IV. . 2. 2 2 2 2 0 20008 Sitzungsberichte der Akademie. Preis/des@Jahrpanesı , ua Se Mena nee tel Bee abe nr 0 oe lan Toner Free Sonderabdrucke. I. Halbjahr 1906. Waupeyer: Gehimme südwestafricanischer Völker . . ». 2...» E. Baur: über die infektiöse Chlorose der Malvaceen . Scaortrky: Bemerkung zu meiner Mittheilung »Über den Pıicanp'schen Satz und die Borer’schen Ungleichungen« . IR: vox Wıramowırz- Mosrzesvonrr: Panionion 2 vox Wırasowitz- MoELLENDORFF: über die ionische "Wanderung MERTENsS: über die Gestalt der Wurzeln einer Klasse auflösbarer Gleichungen, deren Grad eine Primzahlpotenz ist . 5 ec E. Frhr. v. op. Gorrz: unbekannte Fragmente altehristlicher Gemeindeordnungen - B. Grorrauuysen: ein Brief Kants ; I. Scaur: arithmetische Untersuchungen über endliche Gr uppen linearer Substitutionen Frosenıus und I. Schur: über die reellen Darstellungen der endlichen Gruppen Fropenıus und I. Schur: über die Äquivalenz der Gruppen linearer Substitutionen ZINE, van’r Horr: Untersuchungen über die Bildung der oceanischen Seen XLVI. Mit P. Farup und J. D’Ass . > SR - Schuze, F.E.: Beiträge zur Anatomie der Säugethierlun en . Tu. Wıreasp: Fünfter vorläufiger Bericht über “die von den Königlichen Museen in Milet unter- nommenen Ausgrabungen Lasporrt: Untersuchungen über die fraglichen Änderungen "des Gesamutgewichtes chemisch N umsetzender Kör) WON R Mösıvs: können die Thiere Schönheit wahrnehmen und empfinden? . E. Lanpau: über das Nichtverschwinden einer Dirichlet’schen Reihe ES H. BaumnAuer: über die regelmässige Verwachsung von Rutil und Eisenglanz . Voser: über Spiegelteleskope mit relativ kurzer Brennweite : K. Serne: eine ägyptische Expedition nach dem Libanon im 15. Jahrhundert v. Chr. . Fischer und K. Raske: Beitrag zur Stereochemie der 2.5 -Diketopiperazine ; G. Eseruarn: Spectroskopische Untersuchungen der Terbiumpräparate von Dr. G. Una . van’r Horr und J. p’Ans: Untersuchung über die Bildung der oceanischen Balzablagemingpe XLVI. Auftreten von Polyhalit und Kr ugit bei 83° . G. Kızsıu: Bericht über Untersuchungen an den sogenannten "„Gneissen« und den metamorphen Schiefergesteinen der Tessiner "Alpen 3 W. Bert: das Gabbromassiv im bayrisch - böhmischen Grenzgebirge, ir Der böhnische Theil . Muxk:' Über die Functionen des Kleinhirns . ... 2... 2.0. ru anal man U. Wer se ar u | ” 2 BIT DIN N j 1% % N Vet N N N; N “ Ei au N \ TEN IF, ei \ f BEN ER . ' ru NARBEN Ft il Kl r N PP MELLE N \ N RN ra 1 iX bi h X} PR WON vis mn N ö N, nf, SR l W }, u f A | I 6 a L Ye h Mu we “ a al) ww” i N A panel N N KIA I g AN f ak N Par ar Wi Ra REN N MIR 3 ARRANG 51a N DANN ah Ka AR ' } ER N SB a R { rg N f \ FEUER [ER ei 2 | Se ” ? U San IN y na ö A f 4 wi Al, Ü ' Y Da ek Wal WE RB EL. UNI NRIR FRA, N) 1 4 N 7 E N N Ru)" wi VAN, BY AA TIL KETTE EN WERT KA W Kur F\ EHI ni A ir IRRE 4 4b ANAL | VAR EEO D a 1 4 a 3 I srl, 92 Y ae [ Mh \ { } Pr et) N Aare N ’ A| b Fi y AU) IR % Ku N PR ae IL v du 5 [eV r N Jun SR, j u A | AN pi Ver Fall Are‘ T ws, N ) N D h RE TR u Kb KT In nn Yan EEE { DE ER IL 088 01298 9661