er DR yee, HARVARD UNIVERSITY. LIBRARY OF THE MUSEUM OF COMPARATIVE ZOOLOGY —— 2 Syekamge 3 May Ib. 1923. 4 9 LE be ww’. HA * Fr} MAY 16 1923 Sitzungsberichte der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin. Jahrgang 1916. BERLIN. In Kommission BEI R. FRIEDLÄNDER & Sonn, NW CaArLSTRAssE ‘11. 1917. say hg re u ‘: er Inhalts-Verzeichnis. APSTEIN, C., Die Larve von Tomopteris . — Basen Änderungen und Zusätze zu Wein, SERIE : «— Bodenuntersuchungen in Ost- und Nordsee ENDERLEIN, @., Bakteriologische Studien I—IIL HARTMANN, M., Die Kernteilung von Chlorogonium elongatum Dane HARTMEYER, R.. Referat über: Geheimnuss-Spiegel, Oder Gantz-neu- Font: deekte Wissenschaften usw. Von RUDOLPH LANG. Augspurg 1739 . — Notiz über Ascidia perfluxa SLUIT: .. — Zur Deutung einiger Alcyonum-Arten Hass, W., Über Metallfarben bei Buprestiden . . HENNIG, E., Zweite Mitteilung über den Stegosauriden vom Tendaguru JACOBI, A., "Über einige sibirische Wühlmäuse, insbesondere Microtus oeco- a JANENSCH, W., u. DIETRICH, w, Nachweis des a Dale an einem A fecken Öherkiefergebiß von Stegodon Airawana MART. .... KNOTTNERUS-MEYER, Beobachtungen aus dem Zoologischen Garten in Rom. 1. Begattung von Schimpansen. Hirschziegenantilope. 2. Umfärbung bei Lemur macaco L. 3. Umfärbung bei Cercopithecus hecki UrTscH. 4. Farbenwechsel der DB: Busbispe das Kastarı- 2... KoTHE K., Über einen bronzezeitlichen Menschenschädel . . »....». LOHMANN, H., Neue Untersuchungen über die Verteilung des Planktons im Ozean MATSCHIE, P., Die von O. FInscH bei Port Moresby in Südostneuguinea mailen Kängurus BIT era ezie e — Das Baumkänguru des Tami-Beckens in Neuguinea ERSTER — Bemerkungen über die Gattung Didelphis L.. . ..». 2... .. — Capreolus zedlitzi spec. nov. und andere europäische Arten des Rehes.. — u. ZUKOWSKY, L., Die als Sigmoceros bezeichnete Gruppe der Kuh- a RÜBSAAMEN, E.H. , Ceeidomyidenstudien V. Revision der lachen a Asphon- RR FRE BR ee i SCHULZE, P., Mitteilungen über märkische Gallen 2 WETTEN ge, ER — Die Galle von Rhopalomyia ptarmicae VALLOT . . » 22.2.0. — Das Abändern der Zeichnung auf den Flügeln der Feuerwanze ( Pyrrho- ltr nes RE SCHUMACHER, F., Autbieten einer Tamariskenzikade in EEE — Über die Cake Stethoconus FLok. . — Pseudococcus vovae NASSONOW, eine für Deutschland neue Schildlaus . SPEMANN, H., Über die Diierminstiön der ersten geesiit des en. &nbryo Seite 69 161 355 395 547 71 159 245 332 175 320 126 iv Seite STERNFELD, R., Reptilien und Amphibien aus Japan und von den Riu-Kiu . 164 — Zwei neue Echsen aus Neukamerun . . 2... .. u 173 Srırz, H., Aus der Geschichte der Gesellschaft naturforschender Freunde (LTTESFEED) In 0 ee VANHÖFFEN, E., Die Anomosiraken. . - . .. 2.» 2 ia 137 — Die Lebensweise der Winkerkrabben . . v2... u. 209 — Mesochra rapiens (SCHMEIL), ein alter Harpactide unter neuem Namen. 215 — Bericht des Vorsitzenden über das Geschäftsjahr 1916. . . . 2. ... 353 — Springende Schmetterlingseocons vom Kapland . . . 2.2.2.2 2... 876: VERHOEFF, K., Das Scapobasale der Coleopteren-Antennen . . . a WERTAH, H,, Die ersten Spuren des fossilen Menschen in Deutsch- Ostafrika 3. WILHELMT, Ay Technische Verfahren zur Anfertigung von Zeichnungen iturwissehschaftlicher Objekte „ . .. 22 Ze ame, SA ne are — Über die biologische Beurteilung des Wassers. Ba ne a a A WITTMACK, L., Nekrolog auf Leopold Kny » » . oe... 0.0. 2 3 2 Verzeichnis der im Jahrgang 1916 neu beschriebenen Gattungen und Arten. Mammalia. Capreolus zedlitzi, nov. spec., Westrußland, p. 290, MATSCHIE. Darcopsulus, nov. subgen., Neuguinea, p. 57, MATSCHIE. Dendrolagus finschi, nov. spee., Neuguinea, p. 163, MATSCHIE. Marmosops, nov. subgen., Südamerika, p. 262. MATSCHIE. Metachirops, nov. subgen., Südamerika, p. 262, MATSCHIE. Monodelphiops, nov. subgen., Südamerika, p. 261, MATSCHIE. Monodelphis lundi, nom. nov. pr. Didelphis tricolor Lund, p. 271, MATSCHIE, — wagneri, nom. nov. pr. Didelphis brachycera Wagner, p. 272, MATSCHIE. Sigmoceros shirensis, p. 194, gorongozae, p. 196, godonga, p. 197, inkulanondo, p-. 197, wiesei, p. 199, senganus, p. 200, basengae, p. 201, konzi, p. 203, niediecki, p. 205 (= niedieckianus nom. nov., p. 295), bangae, p. 206, sämtlich Südostafrika, MATSCHIE u. ZUKOWSKY. Reptilia. Eremias mandjarum, nov. spec,, Neukamerun, p. 173, STERNFELD. Lygosoma (Riopa) houyi, nov. spec., Neukamerun, p. 173, STERNFELD. Insecta. Hymenoptera. Placochela, nov. gen., Palaearkt. Geb., p. 12, RÜBSAAMEN. e vr y Pr | "MAY 16 1993 3932 Sitzungsberichte Gesellschaf Naturlorschender Freunde zu Berlin. Nr.1. Januar 1916. INHALT: Seite Ceeidomyidenstudien V. Revision der deutschen Asphondylarien. Von Ew. ER Dorn BE SR 26 ENDEN a SERIE er Sa 1 Beobachtungen aus dem Zhadugfachen Garten in Rom. Von Dr. KNOTTINERUS- a A ee ee Re es 12 Zweite wissenschaftliche Sitzung am 18. Januar 1916. . . »... 2.2 2 20. 16 BERLIN. In Kommission BEI R. FRIEDLÄNDER & SOHN, NW Carustrasse 11. 1916. AL Nr. 1. 1916 Sitzungsbericht der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin vom 11. Januar 1916. Vorsitzender: Herr E. VANHÖFFEN. Herr OÖ. Hemrot# sprach über Entwicklungsreihen und neue Aufnahmen einheimischer Vögel. Herr H. Vırcaow sprach über die Bewegungsmöglichkeiten der Wirbelsäule von Chelodina. Cecidomyidenstudien V. Revision der deutschen Asphondylarien. Von Ew. H. RüBsAAnmen. Die deutschen Vertreter der Asphondylia-Gruppe gehören nach KIEFFER (G. I. C.) zu den Gattungen Asphondylia, H. Lw., Polystepha Krrr., Schizomyia Krrr. und Kiefferia Mıx. Die Arten der Gattung Aphondylia haben 3 gliedrige Taster und an der Spitze des Basal- gliedes der Zange keine lappenartige Verlängerung, während die Arten der drei anderen Gattungen diese Verläugerung und 4 gliedrige Taster besitzen. Bei der mir nicht bekannten Gattung Polystepha ist nach KıEFFER das 1. Geißelglied nicht mit dem 2. verwachsen, und jedes Glied besitzt 11 bis 12 untereinander verbundene Bogen- wirtel, während bei Schizomyia und Kiefferia die beiden ersten Geißelglieder verwachsen und nur zwei Bogenwirtel vorhanden sind. Schizomyia und Kiefferia sollen sich nach KıEFFER außer durch die Larve und Puppe dadurch unterscheiden, daß bei Schizomyia, mit den deutschen Arten galiorum, ligustri und nigripes, die Legeröhre an der Spitze keine Lamellen trägt, während Kiefferia zwei Lamellen besitzt. | Ich habe schon bei der Beschreibung der in Südafrika lebenden Schizomyia ericae darauf hingewiesen, daß dieses für Kiefferia in Anspruch genommene Merkmal auch ligustri, nigripes und ericae besitzen, bei denen aber wiederum die Larve anders gebildet ist als bei Kiefferia pimpinellae. Der Larve nach 1 2 Ew. H. RÜBSAAMEN. B gehören diese Arten also nach Kırrrer zur Gattung Se izomyia, nach der Bildung der Legeröhre aber zu Kiefferia. Nun unter- scheiden sich aber nigripes und ligustri auch noch durch andere 2 Merkmale von galiorum. Bei letztgenannter Art besitzt der % E 24 Fig. 1. | a die 3 ersten Geißelglieder des $ von Schiz. galiorum, b die beiden ersten Geißelglieder des $ von Placochela nigripes. männliche Fühler eine gewisse Ähnlichkeit mit demjenigen von Asphondylia. Die Geißelglieder sind überall gleich dick. Der Stiel ist kurz und die Bogenwirtel erinnern an Asphondylia. Nach KıErFer |]. c. S. 88 besitzt das J bei Schizomyia zwei Bogenwirtel, die durch zwei Längskommissuren verbunden sind. Das trifft nun bei nigripes und Äigustri, nicht aber bei galiorum, dem Typus ‚der. Cecidomyidenstudien V. Revision der deutschen Asphondylarien. 3 Gattung zu. Bei galiorum ist wohl am Grunde der Geißelglieder noch ein Wirtel vorhanden, wie bei den Oligotropharien und den Arten aus der Verwandtschaft von Contarinia, aber deutliche Haarwirtel in der Mitte und an der Spitze des Gliedes fehlen. Die Haare sind bei dieser Art vielmehr unregelmäßig über das Glied zerstreut und kürzer als die Haare des Basalwirtels. Bei nıgripes sind zwei deutliche Wirtel vorhanden. Die Haare des oberen Wirtels bilden mehrere übereinander stehende Reihen, sie sind ungemein lang und besonders die unteren stark zurückgekrümmt. Zudem sind die Geißelglieder ziemlich lang gestielt und der Stiel ab- weichend von allen mir bekannten Cecidomyiden bis zur Spitze fein behaart. Ferner unterscheidet sich galorum hinsichtlich der Bildung des Klauengliedes der Zange nicht unwesentlich von diesen beiden Arten. Bei galiorum fehlt die Klaue an der Gliedspitze ganz; sie wird ersetzt durch eine Reihe Dornen, die ähnlich wie die Zinken eines Kammes dicht nebeneinander stehen und wie in Fig. 2 annähernd eine am Grunde gebogene Längslinie bilden, und so in der Mitte des Gliedes beginnend und kurz vor der Spitze endigend, die starke Krümmung des Gliedes wiederholen. Beinigripesundligustriist das Klauenglied nicht abnorm gekrümmt, und die Klaue bildet eine annähernd halbmond- förmige Platte mit freier konkaver Seite, die in der Mitte leicht eingebuchtet ist. Über die Bildung der Klaue bei Schizomyia schweigt sich KirFFER aus; seine Angaben über die Bildung der Abdominalspitze des Weibchens sind wieder nicht ganz zutreffend, denn sie ist nicht gebildet wie bei Asphondylia, wie KrErFEr angibt, sondern unter- scheidet sich von dieser Gattung durch das Fehlen der beiden . Lamellen auf der Dorsalseite an der Basis der Legeröhre. ]1* Fig. 2. Oben Zange des $ von Placochela nigripes, unten Zange des 3 von Schizomyia galiorum. 4 Ew. H. RÜBSAAMEN. Die Unterschiede zwischen galiorum einerseits und nigripes und ligustri andererseits sind in der Tat wesentlich größer als zwischen galiorum und Kiefferia pimpinellae, so daß man, will man KÄiefferia als besondere Gattung bestehen lassen, nigripes. und Zigustri und auch ericae nicht mit Schizomyia vereinigen kann, sondern für diese Arten eine besondere Gattung, für welche ich nach der Klaue der Zange den Namen Placochela [1 ia, riaxog (Platte), % ynAn (Klaue)] n. g. vorschlage, einrichten muß. Zum Genus Asphondylia gehören nach KıErrek |]. c. S. 92—95 im ganzen 26 bekannte Arten, von denen von den beiden Meıgen’schen fusea und ribesii die Lebensweise nicht bekannt ist, so daß sie nicht wieder zu erkennen sind. Meine Angaben über Asph. rıbesiz in der Berliner Ent. Zeitschr. 1892, S. 367 beziehen sich nicht auf ein typisches Stück dieser Art, sondern auf das von Herm. Lorw als ribesii bestimmte Tier in der Sammlung des Zoolog. Museumsin Berlin. Daß es sich bei dieser Art um keine echte Asphondylia handelt, ergibt sich ohne weiteres aus der Abbildung der Halte- zange der angeblichen ribesii auf Taf. XI. Fig. 14 meiner oben erwähnten Arbeit. Danach besizt das Basalglied der Haltezange den vorher bei Schizomyia, Kiefferia und Polystepha erwähnten charakterischen Fortsatz an der Spitze. Mit Asphondylia hat das Tier aber die Doppelklaue gemeinsam, wodurch es sich sofort wieder von allen vorher erwähnten Gattungen dieser Gruppe unter- scheidet. Mir ist nur eine deutsche Asphondylie bekannt, bei der sich dieselbe Bildung vorfindet, nämlich Asphondylia Hornigi W ACHTL., die also ebenfalls keine echte Asphondylia nach der heutigen Begrenzung dieser Gattung ist und vielleicht mit ribesii H. Lw. identisch ist. Nach der Krerrer’schen Bestimmungstabelle ]. c. S. 88 steht Hornigı den Gattungen Feltomyia Krrr. und Daphnephila Krrk. nahe, unterscheidet sich aber von beiden durch die Bildung der Abdominalspitze des Weibchens, die bei HZernigi derjenigen von Asphondylia gleicht, bei den beiden genannten Gattungen dagegen wesentlich anders gebildet ist. Hornigı hat, so große Ahnlichkeit mit der von mir neu auf- gestellten brasilianischen Gattung Gisonobasis [75 yeisov (Vorsprung), 7, 3asız (Grundglied)|, daß ich sie vorläufig von ihr nicht zu trennen vermag. Allerdings ist das mir vorliegende Material von Gisonobasis tournefortiae und struthanthi, sehr dürftig und unvollständig, so daß es nicht ausgeschlossen ist, daß später Zornigi wieder von Gisonobasıs getrennt werden muß. Innerhalb der Gattung Asphondylia lassen sich nun wieder zwei Gruppen nach der Bildung der Fußkrallen unterscheiden. u Cecidomyidenstudien V. Revision der deutschen Asphondylarien. 5 Bei der ersten Gruppe beginnt die Krümmung der Kralle unmittelbar an der Krallenbasis, und die Kralle ist bis zur Spitze sanft gebogen. Derartige Krallen besitzen Asph. prunorum, echt, verbasci, scrophu- larıae, rosmarını und pelosa, für welche ich das Genus /schnonyx& [toyvös (dünn), 6 övo& (Kralle)] mit dem Typus verbase: Varı. errichte!), Bei allen anderen auf Papilionaceen lebenden Arten, denen der Gattungsnamen Asphondylia verbleibt, mit dem Typus sarothamni Fig. 3. Fußkrallen des Vorderfußes des @ von a Asphondylia cytisi, e Ischnonyx verbasci, b Asphondylia sarothamni, f Ischnonyx rosmarini, c Asphondylia Jaapi, 9 Ischnonyx& pilosa, d Ischnony& prunorum, h Ischnony& Tavaresi, 312:1. H. Lw. ist die Kralle zunächst gerade nach vorne gestreckt und hier ungemein dick. Dann wird sie, besonders beim ©, plötzlich dünner, biegt scharf nach oben und kurz nachher ebenso scharf nach unten um, so daß die Spitze der Kralle meist wesentlich tiefer liegt als die Sohle des vorderen geraden Stückes der Kralle, das ich als Basalstück bezeichne. Die Form des Basalstückes, die Art der Umbiegung nach oben und die Form und Richtung des !) Auch die nordamerikanische Art diervillae FeLr gehört zum Genus Ischnony«. 6 Ew. H. RÜBSAAMEN. Spitzenstückes scheinen gute Unterscheidungsmerkmale für die sonst überaus ähnlichen Arten abzugeben. % Ob die Er zeuger von Knospen- und Fruchtgallen auf dem- selben Substrate, wie z. B. Asphondylia sarothammi H. Lw. und Asph. Mayeri Liwser, wirklich spezifisch verschieden sind, kann nur durch das Experiment entschieden werden. Bei aller Ähnlichkeit, | die diese Arten untereinander haben, bestehen doch auch kleine plastische Unterschiede. Ob diese immer konstant sind, vermag ich zurzeit nicht anzugeben, da das mir vorliegende Material nicht umfangreich genug ist, um dies zu entscheiden. Zudem scheint es wohl möglich, daß diese Merkmale durch die veränderte Lebensweise bedingt werden. Unter den deutschen Arten der Gattung Asphondylia befinden sich einige, die ohne Kenntnis der Imago nur nach den Larven oder Puppen ohne genügende Beschreibung benannt wurden, z. B. Dufourı Krrr., menthae Krrr. und lupulinae Krrr. Ob es sich bei ihnen um selbständige Arten handelt, ist also fraglich. Bei Asphondylia thymi KFre. und serpylli Krrr. liegen die Verhält- nisse ähnlich. Die KıErrrer’sche Mit- teilung über thymı lautet: oO Cette espece que javais Con- fondue avec A. Hornigi, tant que cette derniere m’etait demeuree inconnue, se reconnait aux trois derniers articles des antennes de la femelle, qui sont par- faitement sessilies et se touchent par leurs bouts, tandis que, chez A. Hormigt, ils sont brievement mais distinetement pedicelles. Dans une deformation de la fleur de Thymus serpyllum (Synopse des Cecidomyies d’Europe et d’Algerie, 1898, 8. 59.) | Die letzten Geißelglieder des o von Fig. 4. Gisonobasis Hornigi sehen nun so aus, Die 5 letzten Geißelglieder wie ich sie nebenstehend in Fig. 2a dar- des 2 von stellte. Daraus ergibt sich wohl zur a Gisonobasis Honig, _ Genüge, daß es mit der Artberechtigung b Placochela nigripes 1761. on Asphondylia thymi schlecht bestellt ist, wenn das angegebene Unterscheidungsmerkmal von Hornigi das einzige ist. Wahrscheinlich handelt es sich bei der Erzeugerin der F Nr “, N Arad n. YA Cecidomyidenstudien V. Revision der deutschen Asphondylarien. 7 Blütengallen auf Thymus serpyllum um eine Gisonobasis-Art, die vielleicht, wie dies schon WacHTr. vermutet (Verh. zool. bot. Ges. Wien, 1881, S. 535, Fußuote) mit Zornigi identisch ist. Jedenfalls hat Kırrrer bisher nicht bewiesen, daß diese Annahme nicht zu- treffend sei. Bei Asph. serpylli zitiert KIEFFER: „Entomol. Nachr. 1892, Bd. 18, S. 77“, wo aber nur die Galle beschrieben wird, und „Synopse 1893, S.20*. Auf Seite 20 der Synopse wird nun an- gegeben, daß serpylli in deformierten Blüten von Thymus serpyllum lebt, und in derselben Arbeit wird auf Seite 59, wie gesagt, die Blüten- deformation auf Thymus serpyllum als Produkt von Asphond. thymi bezeichnet. Offenbar handelt es sich um dieselbe Art, von der KıEFFER auf Seite 59 aber nicht mehr weiß, daß er sie auf Seite 20 Asph. serpylli nannte!). Von beiden Arten fehlt jede Beschreibung, die gewählten Namen sind also ebenso wie Asph. Dufouri, menthae und Zupulinae nur nomina nuda. In seiner Arbeit, Primeir AppendiceaSynopse dasZoocecidias Portuguezas(Brot£ria, Vol. VI, Serie Zoologica, 1907, S. 117) vermutet nun Tavares, daß die unglückselige Asph. serpylli Erzeugerin der von ihm be- schriebenen Blütendeformation auf Lavandula Stoechas sei, was HovArD unter Nr. 4794, S. 837 seiner „Zooc&cidies“ reproduziert. Wieso Tavarzs dazu kommt, den unberechtigten Namen Asph. serpyli auf den Erzeuger der Blüttengallen von Lavandula Stoechas zu beziehen, ist nicht recht verständlich. Vor Jahren sandte mir nun Herr Tavarzs diese Mücken aus deformierten Lavendelblüten mit der Bitte, sie zu untersuchen. Es handelt sich bei dieser Mücke um eine Art mit 3gliedrigen Tastern, bei welcher das Krallenbasalstück und ebenso der Fortsatz an der Spitze des Basalgliedes der Haltezange des JS fehlt, die somit zu Ischnonyx ge- hört und die ich zu Ehren von Herrn Prof. Tavarzs, der sie züchtete, Tavaresiı n. sp. nenne. Farben lassen sich an dem Alkoholmateriale nicht mehr unterscheiden, doch wird sich Tavaresi in dieser Hinsicht von verwandten Arten kaum unterscheiden. Die Fühler sind ı) In seiner für ihn sehr bezeichnenden Arbeit: Contributions ä la connaissance des insectesgallicoles (Bull. Soc. d’Hist. nat. Metz 1909) nennt KIEFFER nun ferner eine Mücke aus deformierten Blüten von Thymus serpyllum Asph. proxima. Es heißt daselbst S. 30: Thymus serpyllum. Corolle gonflöe et ferm&e, calice grossi. Larve rouge... Asphondylia (?) proxima n. sp.“ Züchtet man also aus deformierten Blüten auf Thymus serpyllum eine Asphondylie, so hat man die freie Wahl zwischen den Namen Asph. thymi, serpylli und proxima. Aus diesem Beispiele ergibt sich wohl zur Ge- nüge, welchen Wert die erwähnte Arbeit mit ihren Hunderten von neuen Gall- mückennamen besitzt. Fast alle diese Namen sind nomina nuda, die nicht einmal einer Erwähnung durch andere Autoren wert sind. - Ew. H, RÜBSAAMEN. gebildet wie dei Asphondylia; die 3 ersten und die 3 letzten Geißel- a E glieder des J verhalten sich zueinander wie 20:18: 17: 10: oe und die Verhältnisse der drei ersten Geißelglieder des © sind Ka dieselben wie beim cd. Die Flügel sind schwach an- geraucht, das Radialfeld aber nicht auffallend getrübt. Der Radius mündet vor der halben Flügellänge in den Vorderrand, annähernd dem Gabelpunkt gegenüber. Der Cubitus ist ziemlich gerade, neigt aber nach der Spitze zu leicht nach unten und mündet in die Flügelspitze. Der Gabelpunkt ist vom Cubitus und dem Hinterrande des Flügels annähernd gleich weit entfernt. Die Fig. 5. a Flügel des 9 von Ischnonyx pilosa, b Flügel des 2 von Ischnonyx rosmarini, cFlügeldes 2 vonIschnonyxTavaresil2:1. a a ’ Kur, A, Ban 144 Fig. 6. a Fußkralle von Gisonobasis ignorata, b Fußkralle von Gisonobasis Hornigi 312:% : c Flügel des Ovon@isonobasisignorata, d Flügel des 2 von Gisonobasis Hornigi 13: s e Geißelglied des $ von Gisonobasis Hornigi 176:1, f Geißelglied des $ von Gisonobasis ignorata 176: 1. untere Zinke ist sanft gebogen und ziemlich schief, beim 9 Be noch etwas schiefer als beim 9; ab und be sind annährend gleich groß. x Er I. 12 ur; a a Cecidomyidenstudien V. Revision der deutschen Asphondylarien. g Die sanft gebogenen Krallen sind bei beiden Geschlechtern gleich gebaut, beim © aber wesentlich größer; das Empodium ist wenig kürzer als die Kralle. Zange und Legeröhre wie bei Asphondylia,; der Penis so lang wie das Basalglied der Zange; das Klauenglied und die zweizähnige Kralle verhältnismäßig groß. Die Puppe ist gebaut wie bei Asphondylia. Die Bohrhörnchen (Scheitelstachel) sind kurz, schief nach innen abgestutzt und an der Spitze ohne Zähnchen. Stirnstachel zweiteilig, Bruststachel einfach. Fig. 9f. Von Herrn Prof. Tavarzs erhielt ich vor Jahren aus Portugal auch den Erzeuger der Blütendeformation auf Mentharotundifolia. Wahrscheinlich wird dieses Tier auch Erzeuger derselben Deformation auf Mentha candicans Crtz. sein, die Fr. Löw (Verh. zool. Ges. Wien 1885, S. 506 und ibid. 1888, S. 239) erwähnt und wohl auch auf anderen Mentha-Arten vielleicht auch in Deutschland Blüten- gallen erzeugen. Fr. Löw hält die von ihm aus deformierten Blüten vonMentha candicans gezogenen Tiere für Asphon- dylia Hornigi. In der Tat haben auch die von Tavarzs gezüchteten Mücken mit Hornigi sehr große Ähnlichkeit, unterscheiden sich von dieser Art aber doch in einigen wesentlichen Punkten. Ich nenne sie Gisonobasıs ignorata n. Sp. Diese Art ist in allen mir vorliegenden Exemplaren kleiner als Hornigi. Beim SO stehen die schlangenförmig in der Längsrichtung der Geißelglieder ver- laufenden Haarschlingen nicht so dicht, Fig. 7. _ der Flügellappen springt viel stärker vor, Kopf der Puppe, die Fußkrallen sind auffallend länger « von Gisonobasis ignorata, als bei Hornigi, und bei der Puppe sind ? te ich die Bohrhörnchen (Scheitelstachel) bei San ignorata sehr kurz und oben gerade abgestutzt, während sie bei Hornigi schief nach innen abgeschnitten sind. Auch von der von Kırrkr als Asphondylia pilosa mitgeteilten Art fehlt die Beschreibung. Ich gebe die Kırrrer’sche Mitteilung über diese Art nachfolgend wörtlich wieder: „Semblable A A. sarothamnı mais de moiti& plus petite. Spatule differente La Larve produit a l’aisselle des feuilles de Sarothamnus scoparius une 10 Ew. H. RÜBSAAMEN. alle velue, de forme ovoidale et termine par un long pedicelle.* (Synopse des Üseidomyies d’Europe et d’Algerie. Metz 1898, | S. 50.) Das einzige greifbare Merkmal, das Kıerrer von der k Imago dieser Art angibt, ist also der Hinweis, daß pilosa halb so groß sei als sarothamni, und diese Angabe ist nicht einmal zutreffend. Die drei von mir gezüchteten © von pilosa sind nämlich 31/, mm, die © von sarothamni 4 mm lang. In Wirklichkeit ist also pilosa Krrr. ebenfalls nur ein nomen nudum. | In der Färbung entspricht diese Art, die wegen der Form der Krallen, denen das gerade vorgestreckte Basalstück beim 9 fehlt, zum Genus JIschnonyx gehört, den übrigen NR Asphondylia-Arten. Die Krallen sind viel derber als \\ bei Tavaresi, scerophulariae, verbascı und echt und erinnern mehr an diejenigen von prunorum, doch sind sie bei letztgenannter. Art noch plumper. | Die Taster sind 3gliedrig; die beiden letzten Glieder verhalten sich wie 20:29; die drei ersten Geißelglieder des © wie 20:15: 14. Der Radius liegt in seiner unteren Hälfte dem Cubitus näher als dem Vorderrande des Flügels; er mündet vor der halben Flügellänge in den Vorder- rand, dem Gabelpunkte annähernd gegenüber oder etwas vor demselben. Der Cubitus ist ziemlich gerade, Fig. 8. Ischnonyx piosa, : : & Brustgräte nur an der Spitze sanft nach hinten geneigt und 176:1. mündet in die Spitze des Flügels... Der Gabelpunkt liegt annähernd in der Mitte zwischen dem Cubitus | und dem Hinterrande des Flügels oder ersterem etwas näher und ab ist deutlich größer als be. Bei der Puppe sind die Scheitelstachel stark entwickelt und gebildet wie bei Asphondylia. Der Stirnstachel ist zweiteilig und der Bruststachel einfach, ziemlich groß und gebildet wie in Fig. 9d. Die Brustgräte der Larve ist verhältnismäßig kurz und entspricht der Fig. 8. 3 Soweit ich dies zu beobachten Gelegenheit hatte, bohren sich die Puppen vor der Verwandlung zur Mücke stets an der Spitze der Galle heraus, wobei der lange, schmale Fortsatz, der die Galle krönt, abgeworfen wird. Ich behalte für diese Art den Namen pilosa bei. Die deutschen Gattungen der Ann lassen sich wie folgt unterscheiden: | | Air Cecidomyidenstudien V. Revision der deutschen Asphondylarien. 11 Fig. 9. eh Kopf der Puppe a von Asphond. coronillae, d von Ischnonyx pilosa, b von Asphond, Jaapi, e von Ischnonyx rosmarini, c von Asphond. ulicis, f von Ischnonyx Tavaresi, 37:1. 1 (6) | Taster 3 gliedrig. a 2 (5) Basalglied der Zange an der Spitze ohne lappenartigen Fort- satz. ’ 3 (4) , Fußkrallen, besonders auf- | - fallend beim © ‚anfangs mitgerade 10 (9) 11 (12) 12 (11) KNOTTNERUS-MEYER. ı vorgestrecktem Basalstück, dann hakenförmig scharf umgebogen. Fußkrallen ohne gerades Basal- ‚stück, von der Basis an sanft gebogen, nicht hakenartig. Basalglied der Zange mit einem Fortsatze an der Spitze. Taster 4 gliedrig. 1. und 2. Geißelglied nicht ver- Ba die Geißelglieder des 'Männchens mit 11—12 unter- einander verbundenen Bogen- _wirteln. wachsen; die Bogenwirtel anders. Die Legeröhre des © an der Spitze ohne Lamelle; das Klauen- ' glied der Haltezange des JS stark gekrümmt, an der Spitze ohne Kralle, aber mit einer Längsreihe von Dornen. Legeröhre an der Spitze mit zwei unscheinbaren Lamellen. Die Bogenwirtel bilden beim o ein Netz; Larve auf der Dorsal- ‚seite des ‘vorletzten Segmentes ohne hakenartige Dornen. Die Geißelglieder des © mit zwei Bogenwirteln, die durch 1—2 Längskommisuren verbunden sind. Das 1. und 2. Geißelglied ver- 1. Gatt. Asphondylia H. Lw. Typ. sarothamni H. Lw. 2. Gatt. Ischnonyx. Typ. verbasci VALL. 3. Gatt. Gisonobasis. Typ. tournefortiae Rüps. (Brasilien). 4. Gatt. Polystepha Krrr. Typ. quwercus Krrr. 5. Gatt. Schizomyia KFrr. Typ. galiorum Krrk. 6. Gatt. Kiefferia‘ MıK. Typ. pimpinellae Fr. Lw. 7. Asatt. Placochela n. g. Typ. nigripes Fr. Lw. Beobachtungen aus dem Zoologischen Garten in Rom. Von Dr. KnoTTnERUS-MEYER. 1. Begattung von Schimpansen. Der römische Zoologische Garten besitzt ein schönes Schim- pansenpaar, dessen Männchen weiße Gesichtsfarbe und reichlichen Haarwuchs hat und der Art Anthropopithecus chimpanze L. an- gehört, während das Weibchen ein schwarzes Gesicht und spärliche EEE WB WE Beobachtungen aus dem Zoologischen Garten in Rom. 13 Behaarung, besonders des Oberkopfes hat und der Art A. rarıpılosus ROTHSCHILD zuzurechnen ist. Das Männchen wurde im Jahre 1914 in Le Havre gekauft, das Weibchen 1910 von HAGENBECK in Stellingen, wo es schon längere Zeit im Tierparke lebte. Das Weib- chen stammt aus dem südlichen Kamerun, wahrscheinlich vom Lokundje. | Es ist sehr schwer, das Alter der beiden Tiere richtig zu schätzen, das Männchen ist aber jedenfalls jünger als das Weibchen, das seinerseits wenigstens zehn Jahre alt sein muß, weil es seit 1910 bereits in Rom lebt und kurz nach der Ankunft sich als geschlechtsreif erwies. VON OERTZEN berichtet in seinen hübschen Kameruner Tier- studien!), daß die jungen Schimpansen bis zum dritten Jahre an der Mutterbrust getragen werden. Das Weibchen war ‚zur Zeit seines Stellinger Auf- enthaltes bereits älter als drei Jahre. | - Seit etwa 1!/, Jahren begatten sich die beiden Schimpansen, und diese Beobachtung ist vom wissenschaftlichen Standpunkte aus, weil in der Literatur über den Begattungsakt dieser Tiere sich keine Angaben finden, sehr interessant. Die Begattung ging in der Weise vor sich, daß das Weibchen sich auf den Rücken legte, entweder auf dem Schlafkasten oder auf einem Laufbrette, nicht auf dem Fußboden, während das Männ- chen sich von oben darauf legte und beide Tiere sich umarmten. Der Begattungsakt gleicht also völlig dem menschlichen. Manches Mal legt das Weibchen sich auch mit dem Bauche nach unten, und das Männchen begattet es dann von oben, sich auf den Rücken des Weibchens legend. Niemals steht das Weibchen beim Be- gattungsakt, und niemals geht dieser also so vor sich, wie bei der Mehrzahl der Säugetiere, besonders aych der Affen, mit Ausnahme u. a. der katzenartigen Raubtiere und der TZylopoda. Herr Professor MATscHıE, dem ich bereits brieflich vor Monaten die interessante Beobachtung mitteilte, erklärte in seiner Antwort mit Recht, daß die vorgeschobene Stellung der Scheide beim Schimpansen die oben beschriebene Art der Begattung vermuten liebe. Ob das Weibchen tatsächlich befruchtet ist, erscheint bisher mehr als fraglich, da es immer noch das Männchen, einmal nach längerer Unterbrechung, zur Begattung wieder zuließ, und da andererseits das Männchen zur Zeugung noch reichlich jung er- scheint. Wenn es tatsächlich der Fall wäre, wie zu hoffen ist, 1) JASPER VON OERTZEN, In Wildnis und Gefangenschaft. Berlin 1913 p. 16. 14 KNOTTNERUS-MEYER. so würde dieses wohl der erste Fall der Geburt eines SE in Gefangenschaft sein. 2. Umfärbung bei Lemur macaco L. Eine ebenfalls interessante Beobachtung über den Farbenwechsel an solchen männlichen Tieren, die mit den Farben des weiblichen Geschlechtes geboren werden, ist folgende: Der römische Zoologische Garten besitzt einen dort im Jahre 1911 eborenen männlichen Mohrenmaki (Lemur macaco L.). Dieses Tier hat bereits in den Jahren 1913, 1914 und 1915 Nachkommen- schaft gehabt. Es ist also seit 1913 tatsächlich geschlechtsreif. Aber bis heute hat es noch nicht vollständig die einfarbig schwarze Farbe des Vaters. Nur Kopf, Schwanz und Hände sind vollständig schwarz, während der Körper dunkel-kaffeebraun ist. Die Tatsache beweist, daß bis zum vollständigen Verluste des Jugendkleides viele Jahre erforderlich sind, und daß die Annahme des männlichen Haar- kleides unabhängig von dem Auftreten der Geschlechtsreife ist. 3. Umfärbung bei Uynopithecus hecki MrscH. Wesentlich früher, und auch wieder ganz unabhängig von der Geschlechtsreife, trat die Umfärbung vom Jugend- in das Sommer- kleid bei einem jungen männlichen schwarzen Pavian (Uynop. hecki MrscH.) ein, der im Juni 1914 im Zoologischen Garten zu Rom geboren wurde und von einem hervorragend schönen Paare stammt, das im Jahre 1913 in Triest gekauft worden war. Das kleine Tier hatte in den ersten Lebensmonaten rosafleischfarbenes Gesicht und ebensolche Hände, während es sonst wie die Eltern reich behaart und tiefschwarz war. Auch die Beine waren so gefärbt, noch nicht braun-grau, wie es bei den erwachsenen Tieren dieser Art der Fall ist. Erst nach Ablauf des vierten Monats wurden Gesicht und Hände des Jungen schwarz. Die Umfärbung ging sehr schnell vor sich. Somit war das junge Männchen nun- mehr zum Unterschied von den Eltern am ganzen Körper ein- farbig schwarz. Von den beiden Elterntieren war das Männchen bei der Ankunft in Rom im Juni 1913 bereits ausgefärbt, hatte also graubraune Beine, während das Weibchen, wie das in Rom geborene Junge, einfarbig schwarz war und erst im Herbst 1913 graubraune Beine bekam. Der Farbenton wechselt übrigens auch etwas mit der Jahreszeit. 4. Farbenwechsel der Hirschziegenantilope. Endlich noch einiges über den periodischen Farbenwechsel dr männlichen Hirschziegenantilope (Antilope cervicapra Parras). Ein Er Beobachtungen aus dem Zoologischen Garten in Rom. 15 Bock färbt sich im. Römischen Garten regelmäßig im Herbst schwarz, rechtfertigt also für den Winter seinen englischen Namen Black-buck, während das Tier im Frühjahre allmählich heller wird und schließlich eine Färbung annimmt, die nur ganz wenig dunkler ist als die der Geisen. Bei der Niederschrift dieser Zeilen (im Juni) war das Männchen in der Färbung von den Weibchen kaum verschieden, nur sehr wenig dunkler und satter in den Farben. Auch im Herbst geht der Farbenwechsel nur ganz allmählich vor sich. In der Literatur findet sich, wie mir Herr Professor MATscHIE liebenswürdigerweise auf meine Anfrage hin mitteilte, nur bei R. Lyvekker, The Game Animals of India, Burma, Malaya and Tibet. London 1907, 178, eine Andeutung darüber, daß manche Schwarzböcke im Alter nicht schwarz werden, daß dies namentlich in Südindien der Fall ist und daß nach Major Fırz-Hergerr in manchen Teilen Indiens die Leitböcke in den verschiedenen Jahres- zeiten die Farbe wechseln. Nähere und genauere Angaben fehlen aber. In ScLarer and Tmomas „Book of Antelopes“ finden sich gar keine diesbezüglichen Angaben. In anderen Zoologischen Gärten habe ich nie diesen periodischen Farbenwechsel beobachtet. Die meisten Zoologischen Gärten besitzen eine kleinere Rasse der Hirschziege, und die Männlichen bleiben immer schwarz. Nur in Hannover sah ich einmal einen großen Bock dieser Art, der dauernd die Farben der Geisen behielt. Wahrscheinlich handelt es sich bei diesem Unterbleiben des Farbenwechsels um funktionelle Störungen unter dem Einflusse eines von dem des Heimatlandes sehr verschiedenen Klimas. So konnte ich an einen Atlasvogel (HAypochaera ultramarına Gmen.), den ich seit elf Jahren in Hannover halte, alle Jahre beobachten, daß er nur einmal im Jahre statt alle sechs Monate die Farbe des Ge- fieders wechselt. Er bleibt also ein volles Jahr im Prachtgefieder und ein volles Jahr im sogenannten Übergangs- oder Herbstgefieder. Das milde römische Klima aber ist dem des Heimatlandes des Schwarzbockes nicht so unähnlich, wie das rauhere deutsche. Auf jeden Fall ist das klar ersichtlich, daß die Frage nach Art und Unterarten oder Rassen der Antilope cervicapra PALLAS alles andere eher als gelöst oder einer Lösung nahe ist. Es ist jedenfalls unmöglich, die Hirschziegenantilopen noch fernerhin als einheitliche Art anzusehen. Um das zu erkennen, genügt eine einigermaßen aufmerksame Betrachtung dieser Tiere in den ver- schiedenen Zoologischen Gärten. Mit Sicherheit läßt sich eine größere und eine kleinere Rasse feststellen. Zu jener zählte der immer gelb bleibende Bock in Hannover. Es würde sehr dankens- 16 Zweite wissenschaftliche Sitzung am 18. Januar 1916. wert und wichtig sein, wenn die britischen Jäger und Museen, die von diesen Tieren mehr Material besitzen als alle anderen wissen- schaftlichen Anstalten der Welt, sich. der Lösung dieser Frage widmen würden. ö. Eiablage des Kasuars. Zum Schluß noch eine interessante ornithologische Beobachtung! Es handelt sich um die eines Bennet-Kasuars (Casuarius bennetti Vırırn.) bei der Eiablage. Ein junges Weibchen dieser Art hatte bereits wiederholt Eier gelegt, diese aber immer sofort aufgefressen, so daß sich stets nur wenige Schalenreste vorfanden. Im Juni hingegen gelang es mir, das Tier bei der Eiablage aus nächster Nähe im Stalle zu beobachten und das Ei zu retten. Das Tier hatte sich auf die Hacken im Heu niedergelassen und hielt den Körper wie einen Pfahl senkrecht, steil aufgerichtet. Das Gefieder war gesträubt, und alle Augenblicke schüttelte sich das Tier, augenscheinlich in Schmerzen. Das Ei war bei der Ab- lage hellerün und mit zahlreichen kleinen Arabesken und mit Punkten etwa wie das des Somalistraußes bedeckt, dann wurde es allmählich dunkler im Gegensatze zu dem Ei des Nandus (Ahea americana L.), das bei der Ablage gelb ist und in wenigen Stunden weiß wird. Zweite wissenschaftliche Sitzung am 18. Januar 1916. P. MATSCHIE: 1. Über eine Kiefer- und Zahnerkrankung bei Zycaon. 2. Vorlegung von Beobachtungen von Dr. KNOTTNERUS- MEYER aus dem Zoologischen Garten in Rom (s. Seite 12). A. HASE-Jena: Über Läuse-Bekämpfung und verwandte Fragen. Druck von A. Hopfer iin Burg b. M. Auszug aus den Gesetzen der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin. Die im Jahre 1773 gestiftete Gesellschaft Naturforschender Freunde in Berlin ist eine freundschaftliche Privatverbindung zur Beförderung der Naturwissenschaft, insbesondere der Biontologie. Die Gesellschaft besteht aus ordentlichen, außerordent- lichen und Ehrenmitgliedern. Die ordentlichen Mitglieder, deren Zahl höchstens 20 betragen darf, ergänzen sich durch einstimmige Wahl nach den durch königliche Bestätigung vom 17. September 1789 und 7. Februar 1907 festgestellten Gesetzen. Sie verwalten das Vermögen der Gesellschaft und wählen aus ihrem Kreise die Vorsitzenden und Schatzmeister. Die außerordentlichen Mitglieder, deren Zahl unbeschränkt ist, werden von den ordentlichen Mitgliedern, auf Vorschlag eines ordentlichen Mitgliedes unter eingehender Begründung, gewählt. Für freie Zustellung der. Sitzungsberichte „und Einladungen zu den Sitzungen zahlen die außerordentlichen Mitglieder einen Jahresbeitrag von 5 Mark. Sie können das „Archiv für Biontologie“ und alle von der Gesellschaft unter- stützten Veröffentlichungen zum ermäßigten Preise beziehen. Die wissenschaftlichen Sitzungen finden mit Ausnahme der Monate August und September am 2. und 3. Dienstage jedes Monats bis auf weiteres im Hörsaale VI, bzw. im Konferenzzimmer der Kgl. Landwirtschaftlichen Hochschule, Invalidenstr. 42, abends 7 Uhr, statt. Alle für die Gesellschaft bestimmten Sendungen sind an den Sekretär, Herrn Dr. K. Grünberg, Berlin N 4, Be Invalidenstr. 43, zu richten. MAY 16 1923 3 oılzungsberichte a ch Maturforschender Freunde zu Berlin. Nr. 2. Februar 1916. INHALT: Seite Aus der Geschichte der Gesellschaft naturforschender Freunde (1773—1815). Be Er Ei 17 Die ersten Spuren des fossilen Menschen in Deutsch-Ostafrika. Von E. WERTH 40 Die von OÖ. FınscH bei Port Moresby in Südostneuguinea gesammelten Kängurus. ERW, Te we 43 Das Scapobasale der Coleopteren-Antennen. Von KARL W. VERHOEFF.... 62 Die Larve von. Tomopieris.- Von C.-ABSTEIN . . 2. 2.2... nn. 69 Zweite wissenschaftliche Sitzung am 15. Februar 1916 . . . . 2.22 .2.2.0 71 BERLIN. In Kommission BEI R. FRIEDLÄNDER & SOHN, NW CaArustrasse 11. 1916. rn wr Nr. 2. 1916 Sitzungsbericht der (Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin vom 8. Februar 1916. Vorsitzender: Herr E. VANHÖFFEN. Herr H. STITZ hielt einen Vortrag aus der Geschichte der Gesellschaft natur- forschender Freunde. Ä Herr H. Vırcaow sprach über die Bewegungsmöglichkeiten an der Wirbel- säule bei Tantalus loculator. Herr E. WERTH sprach über einen palaeolithischen Faustkeil vom Tendaguru in Deutsch-Ostafrika. Aus der Geschichte der Gesellschaft naturforsehender Freunde (1773—1815). Von H. Stırz. Alljährlich werden wir mehrere Male auf dem Umschlag der Sitzungsberichte unserer Gesellschaft darauf aufmerksam gemacht, ‚ daß die Ges. N. Fr. im Jahre 1773 als eine freundschaftliche Privat- verbindung zur Beförderung der Naturwissenschaften gegründet wurde, daß die Zahl ihrer ordentlichen Mitglieder nicht mehr als 20 sein darf, daß die außerordentlichen Mitglieder einen Jahresbeitrag von 5 M. zu zahlen haben und einiges mehr. Es dürfte aber wohl von Interesse sein, auch einmal etwas Näheres über die Entstehung der Gesellschaft und deren innere Verhältnisse in den ersten Zeiten ihres Bestehens zu erfahren, und da finden wir die verschiedensten Nachrichten in dieser Be- ziehung in der Reihe jener alten, handschriftlichen Folianten, in denen die Verhandlungen und Angelegenheiten der Vereinigung von Anfang an gewissenhaft zu Protokoll gebracht worden sind. Es gewährt gerade in der jetzigen bewegten Zeit Stunden der Ruhe und Ablenkung, an Sonn- und Feiertagen, wenn hinten weit in der Türkei die Völker aufeinanderschlagen, diese alten Schriftstücke, die auch kulturgeschichtlich vieles bieten, durchzublättern und im Geiste bei den alten Herren zu weilen, die in Zopf, kurzen Bein- kleidern und Schnallenschuhen pünktlich am frühen Nachmittag zu- 2 18 H. Srırz. sammengekommen sind, bis wohin nach ihrer Ansicht jeder seine Amtseeschäfte erledigt haben konnte. Über die Veranlassung zur Gründung der Gesellschaft gibt uns Marrını, der bekannte Konchyliologe, welcher auch die treibende Persönlichkeit in dieser Angelegenheit gewesen ist, auf den ersten Seiten des ersten „Tagebuches“ der Vereinigung ausführliche Aus- kunft und bemerkt dabei gleich zu Anfang: „Bei dem jetzt herrschenden und fast allgemeinen Hang zur Naturgeschichte war es noch immer verwunderlich, daß in einer so großen Stadt, wie unser Berlin ist, noch Kein Mensch auf den Ein- fall gekommen ist oder sich ernstlich bemüht hatte, zu einer solchen gesellschaftlichen Verbindung, wobei die eifrigsten Liebhaber gemein- schaftlich, folglich mit besserem Nachdruck, an Erweiterung ihrer . Einsichten arbeiten könnten, die nötigen Verfügungen zu treffen“ usw. Nachdem die an der Sache interessierten Personen sicher schon zuvor untereinander Besprechungen gehabt hatten, lud Dr. MArTINT, seines Berufes praktischer Arzt, durch Herrn SIEGFRIED, welcher damals Rendant an der kurmärkischen Kammer-Baukasse war und bis an sein Lebensende der Gesellschaft durch seine unermüdliche Tätigkeit von großem Nutzen gewesen ist, zu einer Zusammenkunft in seiner Wohnung am 9. Juli 1773 zehn Personen ein, von denen erschienen: 3 der Kriegsrat Rrımarı, der kgl. Hofstaats-Holzschreiber EBEr, der prakt. Arzt Dr. Broch, der Astronom Bone, der Apotheker REvELT, der Rendant SIEGFRIED. Vier andere Herren hatten sich zunächst entschuldigt, nämlich Herr Dr. Zückert, praktischer Arzt, der wegen seiner Praxis und gelegentlichen Beschäftigungen nicht kommen Konnte, Herr Dr. Braun», ebenfalls Arzt, welcher, wie der Bericht sagt, wegen auswärtiger Zerstreuungen, die seine Gegenwart auf einem neu erkauften Landgut erforderten, verhindert wurde, teilzunehmen, Herr Prof. SPROEGEL, der wegen seiner täglich nachmittags zu haltenden Kollegien *) und praktischen Geschäfte sich zu keiner bestimmten Zeit engagieren konnte, und *) Es wurden damals in Berlin (nach Nıcora1, Beschreibung der königlichen Residenzstädte Berlin und Potsdam, Berlin 1786; Bd. 2 S. 723) „fast über alle Wissenschaften öffentliche Vorlesungen gehalten, welche sowohl jungen Studiren- den Gelegenheit geben, in den ihnen nöthigen Wissenschaften gründlichen Unter- richt zu erhalten, als auch andere Liebhaber der Gelehrsamkeit alles Standes veranlassen, sich mit verschiedenen Wissenschaften zu beschäftigen. Theils sind diese Vorlesungen vom Generaldirektorium veranlaßt, theils werden sie von ver- schiedenen Gelehrten freywillig gehalten“. SPROEGEL wirkte am Königl. medizinisch-chirurgischen Kollegium. Aus der Geschichte der Gesellschaft naturf. Freunde (1773 —1815). 19 =” Herr Baron DE LA MOTTE, welcher sich, aus allzu großer Be- scheidenheit, weil er weder ein beträchtliches Kabinett noch hin- längliche Kenntnis besäße, vor der Hand entschuldigte. Jene sieben Herren kamen also an dem genannten Tag nachmittags um 4 Uhr zusammen und setzten nach einer „langen, aber sehr wohl überlegten Beratschlagung“ die aus 20 Artikeln bestehenden Gesetze fest, die von Herrn Sıesrrıen bereits vorbereitet waren. Nachdem noch als Tag der Zusammenkunft der Dienstag vereinbart worden war, „beschlossen wir“, so heißt es wörtlich, „unsere Sitzung mit einer wohltätigen Entschließung, einem armen Fremdling, der sich hier unter dem Namen MARKWARTH in größter Bedrängnis befand, jeder wöchentlich etwas Gewisses zu seiner notdürftigen Unterstützung zu geben. Der Abend verging unter freundschaftlichen Unterhal- tungen so angenehm, als wir die Nachmittagsstunden ernsthaft und nützlich zugebracht hatten“. Die nächste Versammlung fand dann gleich drei Tage später beim Rendanten EBEL statt, wo auch Herr Dr. ZückErT erschien und als ordentliches Mitglied unter der Bedingung eintrat, daß er nur den Sitzungen beizuwohnen brauchte, abends sich aber entfernen durfte. Herr Dr. Zückerr ist denn auch in der folgenden Zeit recht häufig abwesend, bezeigt aber sein Interesse an der Gesellschaft sehr oft in bester Weise; er ist übrigens der erste gewesen, den sie am 1. Mai 1778 durch den Tod verlor. Doch wir wollen die weitere Tätigkeit unserer Gesellschaft nicht chronologisch betrachten, sondern sie nach einigen Gesichtspunkten verfolgen, und zwar bis zum Ende der Freiheitskriege. Unmöglich ist es natürlich, in kurzem eine allseitige Darstellung zu geben; wir können nur das Wichtigste heranziehen und schließen uns dabei so viel wie möglich dem Wortlaut und der Ausdrucksweise der alten Tagebücher an. In den ersten Jahren fanden die Zusammenkünfte in den Wohnungen der einzelnen Mitglieder statt, deren Reihenfolge durch das Los entschieden wurde, weil auf diese Weise aufs peinlichste jedes Hervortreten von Rang- und Standesunterschied innerhalb der Versammlung vermieden werden sollte. Erst später war es nötig, eine bestimmte Folge festzusetzen. War derjenige, welcher an dem betreffenden Tage daran war, dringend verhindert, so mußte er dies sofort seinem Nachfolger melden, der nun seinerseits die Mitglieder ' zu benachrichtigen und zu sich einzuladen hatte, während man von ersterem erwartete, daß er in der folgenden Woche das Versäumte nachholte. Am 12. September 1773 wurde beschlossen, die Sitzungen schon um 3 Uhr statt um 4 Uhr zu beginnen. An schönen Sommer- » 2% 9) H. Stırz. tagen finden wir die Freunde zuweilen auch im Freien beisammen, in den ersten Jahren im Garten des Rendanten Ezer und des Rendanten RrveEut, einmal in Tegel beim Forstrat v. BuURGSDORF, Wo die Mitglieder nach Tisch sich der strengen Wissenschaftlichkeit entledigten und, laut Tagebuch, durch einige auffallende equilibristische Künste zweier reisenden Juden belustigt wurden, auch mit Scheibenschießen einige Versuche machten. Zuweilen sah der alte botanische Garten die Mitglieder bei sich. Nach MaArrınıs Tod wurden in dem Hause der Frau Krause in der Spandauer Straße zwei Zimmer ge- mietet für jährlich 32 Taler und 3 Groschen vierteljährlich für Müllabfuhr. Am 3. Mai 1780 suchte der Rendant SIEGFRIED durch die Zeitung ein Quartier für Bibliothek und Naturalien, worauf ein solches bei Herrn Döllen gemietet wurde, Ecke Jüden- und Stra- lauer Straße. Am 11. November 1788 versammelte man sich zum ersten Male in den Räumen des neuen, gesellschaftlichen Hauses. In den Jahren 1804—1807 finden die Sitzungen, abgesehen von letzterem und bei den einzelnen Mitgliedern, einmal im „Englischen Haus“, einmal im Hause der Freimaurer „zu den drei Weltkugeln“ statt. Mehrmals treffen wir unsere Gesellschaft in Pankow bei dem Stadt- und Polizeirat LAspEYREs, wohin die Mappe mit den Schrift- stücken wegen Entlegenheit des Ortes nicht herbeigeschafft werden konnte, ein anderes Mal aus demselben Grund ‘keine gesellschaft- lichen Angelegenheiten vorgenommen werden konnten, die Gesell- schaft aber bei dem schönen Wetter den größten Teil des Abends im Freien zubrachte. Ähnlich war es im Juni 1806, wo KARSTEN die (resellschaft in sein Tusculum nach Nieder-Schönhausen eingeladen hatte und sich die Mitglieder bloß dem Genuß eines frohen, ländlichen Vergnügens überließen, worüber sich aber nichts zu protokollieren fand. Nach den politischen Ereignissen im Herbst desselben Jahres aber änderten sich die Verhältnisse, und der damalige Direktor WıLLDEnow machte den Vorschlag, bei den gegenwärtigen, unruhigen Zeiten die Versammlung nicht mehr bei den Mitgliedern abzuhalten, sondern sich bis auf bessere Zeiten — manch einer von ihnen hat sie nicht mehr erlebt — jeden Dienstag im Hause der Gesellschaft einzufinden. Erst im November 1807 war man zum ersten Male wieder bei Laspeyres bei einem frugalen Abendbrot vergnügt zu- sammen. Am 16. Februar 1808 findet sich indessen eine kurze Bemerkung: Wegen Anwesenheit zweier Franzosen — sie führen die urfran- zösischen Namen Neßler und Graffenauer — unterblieb die Ver- lesung des Tagebuches, und am 28. Juni heißt es: Da niemand von Aus der Geschichte der Gesellschaft naturf. Freunde (1773—1815). 21 den Anwesenden die Gesellschaft in seinem Hause aufnehmen konnte, so ward beschlossen, uns wieder im Hause der Gesellschaft zu ver- sammeln. Im Protokoll vom 26. Mai 1812 ist weiter zu lesen, daß in Rücksicht auf die bedrängten Zeiten, wo die Mitglieder oft und unvermutet mit Einquartierung belastet werden, beschlossen wurde, daß die in den Häusern der Mitglieder bisher am letzten Dienstag des Monats jederzeit stattgefundenen Zusammenkünfte auf unbe- stimmte Zeit ausgesetzt werden sollen. Die ordentlichen Mitglieder der Gesellschaft sollen dagegen diesen letzten Dienstag des Monats zu einer besonderen Versamminng im Hause der Gesellschaft be- nutzen, um an diesem Tage die vorhandenen Geschäfte desto un- gestörter, ohne den Eintritt der außerordentlichen oder Ehrenmit- glieder fürchten zu dürfen, abmachen zu Können. Die Verhältnisse lagen übrigens nach den ersten Frühjahrs- ereignissen des Jahres 1813 so mißlich, daß Herr FLörIckE anfragt, ob die Obligationen im Fall eines feindlichen Einfalls und zu be- fürchtender Plünderung nicht etwa vergraben werden sollten, welcher Vorschlag aber nicht genehmigt, sondern dagegen beschlossen wurde, sie unter die Bücher und Papiere der Gesellschaft zu verstecken. Erst 1814 werden im ‚Januar die Zusammenkünfte wieder regel- mäßig aufgenommen. Von vornherein war vereinbart worden, daß die Sitzungen jeden Dienstag nachmittag um 4 Uhr beginnen sollten, damit jeder vorher seine Amtsgeschäfte und andere Verrichtungen vollenden, hernach aber ungestört sich der Gesellschaft widmen könne, und ohne die dringendste Notwendigkeit sollten die Zusammenkünfte niemals aus- gesetzt werden. War jemand nicht zur rechten Zeit anwesend, so daß die bereits Versammelten auf ihn warten mußten, so mußte er als Strafe den doppelten Betrag von dem zahlen, was jedes Mitglied vor jeder Sitzung zu erlegen hatte, also zweimal 2 Groschen. Un- entschuldigtes Fehlen wurde mit dem vierfachen Wochenbeitrag gesühnt. Zuspätkommen scheint aber trotzdem ziemlich häufig vor- gekommen zu sein. In den Tagen zwischen den einzelnen Sitzungen war der Verkehr zwischen den einzelnen Mitgliedern in: Betrefi der Angelegenheiten ihrer Vereinigung, besonders in den ersten Jahren, außerdem ein ziemlich reger. Im Juli 1778 wurde auf Antrag einiger Mitglieder beschlossen, in Anbetracht der kriegerischen Zeiten — des bayrischen Erbfolge- krieges —, die den Lauf der Korrespondenz hemmten und zur Folge hatten, daß die Gesellschaft in den achttägigen Versammlungen 22 H. Sııız. nicht hinlängliche Beschäftigung hatte, die Sitzungen nur alle 2 Wochen abzuhalten. Weil die Zahl der Ehrenmitglieder inzwischen stark zugenommen hatte und es manchem daher in seiner Wohnung an Raum fehlte, so wurde im Dezember 1786 vorgeschlagen, jeden Dienstag im vesellschaftlichen Zimmer zu tagen, danach aber auseinander zu gehen. Das hat indessen nicht den Beifall der Mehrheit gefunden. Man entschied sich dafür, alles beim Alten bleiben zu lassen, aber dafür Sorge zu tragen, daß die gegenwärtige Zahl der ortsanwesen- | den Ehrenmitglieder nicht vermehrt werden sollte, daß aber die von | der Gesellschaft regelmäßig bewirteten Ehrenmitglieder in gewisser Reihenfolge die Mitglieder auch bei sich zu empfangen hätten. Am 11. November 1788 findet die erste Sitzung in dem neuen gesellschaftlichen Hause statt, und vom Sommer 1789 ab soll, so lange nicht geheizt wird, die Versammlung abwechselnd dort und in den Wohnungen zusammenkommen, im Winter dagegen, so lange geheizt werden muß, nur den ersten Dienstag in jedem Monat von 4—7 Uhr. Der 11. März 1794 sieht die Mitglieder zur 1000. Versammlung beieinander: Herr SIEGFRIED hatte das Zimmer in symbolischer Weise im Geschmack der damaligen Zeit ausgeschmückt und erlabte die Freunde noch „mit einer Bohle Punsch“, welche in der unteren Hemisphäre einer Himmelskugel sehr artig angebracht war. Außer- dem erfreute sie der Kollege ZoELLNER mit einem improvisierten und von ihm abgesungenen Lied. Die Feierlichkeit dieses Tages beschlob Madame Kersten mit einigen Arien, welche selbige mit vieler Anmut sang und auf dem Klavier akkompagnierte. Im November 1807 wird abermals beschlossen, daß am 1., 2. und 4. Dienstag im Monat die Versammlungen im gesellschaftlichen Haus, am 3. bei einem ordentlichen Mitglied stattfinden sollen. Wie indessen die Verhältnisse weiterhin in den unglücklichen Jahren bis zum Frühjahr 1813 lagen, wurde vorhin schon Kurz angegeben. Erst im Januar 1814 bestimmt man für künftig wieder den ersten und letzten Dienstag in jedem Monat für die Sitzungen der ordentlichen Mitglieder, während die übrigen Dienstage von 5 Uhr an für die außerordentlichen und Ehrenmitglieder offen stehen. Nach der ursprünglichen Bestimmung führte bei den Versamm- lungen jedesmal derjenige den Vorsitz, bei dem man zusammenge- kommen war. Er hatte in erster Linie persönlich für die wissen- schaftliche Unterhaltung seiner Gäste zu sorgen sowie dafür, dab von den Mitgliedern in guter Ordnung alle diejenigen physikalischen Neuigkeiten vorgetragen wurden, die man von einer Woche zur Aus der Geschichte der Gesellschaft naturf. Freunde (1773—1815). 23 andern entweder durch Briefwechsel mit auswärtigen Kennern der Natur oder durch Lesung neuer ausländischer Werke und Journale gesammelt hatte. So lange jemand in der Gesellschaft mit einer Vorlesung oder mit einem Vortrag beschäftigt war, sollte, wie billig, von allen übrigen Mitgliedern ein aufmerksames Stillschweigen beobachtet werden. Doch muß es hierbei wohl öfter doch an der nötigen Ruhe gefehlt haben, die durch Privatunterhaltungen gestört wurde, und man führte im Herbst 1776 einen Hammer ein, mit dem der Vorsitzende zeitweilig die letzteren unterbrach und zur Auf- merksamkeit aufforderte. Besonders häufig scheint das in den Zeiten 1806 nötig gewesen zu sein, wenn beispielsweise Herr KLAPROTH die Gesellschaft des öfteren mit der Analyse dieses oder jenen Erzes unterhält, und wo den Mitgliedern eingeschärft wird, während des Vortrages aus Achtung für die Gesellschaft die größte Stille selbst dann zu beobachten, wenn sie an der vorgetragenen Sache auch ihrerseits kein Interesse finden. Satzungsgemäß sollte der Vorsitzende darauf sehen, daß jedes Mitglied während der Sitzung Papier und Feder vor sich zu liegen hatte, um seine Zweifel, Erläuterungen oder Einwürfe während der Vorlesung anzumerken und nach deren Endigung vortragen zu können. | 1779 wurde dann bestimmt, daß das Direktorat, wie man es jetzt nannte, von jedem ordentlichen Mitglied in der vom Anfang der Gesellschaft an festgesetzten Reihenfolge „nach der Anciennie- tät“ je einen Monat verwaltet werden sollte. Es erforderte von ihm folgende Obliegenheiten: 1. Die Erbrechung aller an die Gesellschaft gerichteten Briefe und deren Bezeichnung mit dem Präsentate. 2. Das Verlesen solcher Briefe sowie Mitteilung darüber, was in der Zeit von einer Sitzung zur andern vorgefallen war. 3. Die Beantwortung der Briefe, welche die ganze Gesellschaft und das allgemeine Beste derselben betreffen und nicht in das Fach eines einzelnen Mitgliedes gehören. 4. Die Ausfertigung der Diplome. und deren Absendung. 5. Die Beförderung der Umläufe an die Mitglieder, wenn solche zum gemeinschaftlichen Besten nötig sind. 6. Die Besorgung des gesellschaftlichen Archivs, Kabinetts, der Bibliothek und des Inventariums (sowie deren Verzeichnisse). 7. Die Führung des gesellschaftlichen Tagebuchs, worin der Direktor zur Fortsetzung und Erhaltung der gesellschaftlichen Ge- schichte alles gleichmäßig einträgt, was von Tag zu Tag an Büchern, Briefen oder Naturalien eingeht, auch, was sonst die Gesellschaft 94 H. Srtırz. Betreffendes vorfällt. Ferner die kurz bei den wöchentlichen Ver- sammlungen geführten Protokolle über alles, was während der Sitzungen Merkwürdiges vorgelesen, abgehandelt und zum Besten der Gesellschaft beratschlagt worden. Damit aber der Direktor beim Vortrag und in Ausübung seiner übrigen Obliegenheiten nicht gestöret werde, so wird das Protokoll bei den Sitzungen jedesmal von dem in der Direktion im künftigen Monat folgenden Mitglied geführet und nach geendigter Sitzung dem Direktor zum ferneren Gebrauch beim Tagebuch zugestellt. 8. Die zum Tagebuch gehörigen Akten zeichnet der Direktor mit fortlaufenden Nummern und merket solche im Tagebuch selbst an. 9. Bei jeder Sitzung hat der Direktor einen Vortragszettel, worinnen alle an diesem Tage vorkommenden Geschäfte in der Ordnung, wie sie vorgenommen werden sollten, vorher aufgezeichnet werden, desgleichen 10. einen besonderen Bogen über die Deliberanden oder unab- gemachten Sachen. 11. Alle abgehenden Briefe versieht der Direktor mit der ge- sellschaftlichen Signatur und trägt solche vor der Absendung in einem besonders dazu bestimmten Buche ein. 12. Dem Direktor gebühret der Vorsitz und erste Vortrag in den Versammlungen. Er unterschreibt die‘ Diplome zuerst, und es werden bei ihm die gesellschaftlichen Siegel, die Mappen, die bis- herigen Tagebücher und das Bücherverzeichnis aufbewahrt. Uberhaupt verspricht sich die Gesellschaft von dem jedesmaligen Direktor, daß er alles anwenden werde, damit während seines Vor- sitzes so viel Gutes als nur immer zum Besten der Gesellschaft gereichen kann, durch ihn bewirkt, aller Schaden und Nachteil aber abgewendet werde. Man sieht, die Tätigkeit des Direktors, dessen Amtsdauer sich später auf 3 Mönate erstreckte, war eine recht vielseitige. Von der Gründung der Gesellschaft an hat bis zu seinem Tode MarTInı — er war der zweite, der aus dem Freundeskreise schied, am 27. Juni 1778 — die Geschäfte des Schriftführers ausgeübt. Obwohl sehr oft kränklich, hat er mit großer Gewissenhaftigkeit alles protokolliert, den ganzen Briefwechsel der Gesellschaft erledigt, und zwar so lange auf eigene Kosten, bis er sich bei dessen immer mehr wachsendem Umfang in letzterer Beziehung SEE® Be- schränkungen auflegte, und vieles andere getan. Im Herbst 1775 wurde der Geh. Sekretär am königl. General- postamt Otto in die Gesellschaft eingeführt und nahm Marrıxt mit Einwilligung der Gesellschaft einen großen Teil der erwähnten Aus der Geschichte der Gesellschaft naturf. Freunde (1773—1815). 25 Schreibarbeit ab. „Da dieser Orro*“, so schreibt Marrını an der betreffenden Stelle im Tagebuch, „ein rechtschafiener Mann, ein sehr guter, liebreicher Gesellschafter ist und da er auch in keiner ein- zigen für uns bedenklichen Verbindung stehet, so hoffe ich, alle Mitglieder werden mir diesen einzig möglichen Weg einer not- wendigen Erleichterung meiner allzu gehäuften Arbeiten gern und willig bahnen helfen und ohne Rücksicht auf große, physikalische Kenntnisse hier mehr auf andere, uns noch abgehende Fähigkeiten und Umstände sehen, ohne welche die Anfertigung gesellschaftlicher Angelegenheiten unvermeidlich ins Stocken geraten würden.“ Übrigens überreichte man Marrını im Mai 1776 aus Dankbar- keit für seine Bemühungen um das Zustandekommen der gesell- schaftlichen Schriften zum Druck „aus dem Fonds der gesellschaft- lichen Einnahme ein Douceur von 50 Thalern“. Mit Einführung der neuen Satzungen im Jahre 1778, die eben- falls wieder Herr Rendant SIEGFRIED entworfen hatte, hörte dann das ständige Sekretariat auf und ging mit in die Pflichten des Direktors über, wie vorhin angeführt worden ist. Um in die Gesellschaft als ordentliches Mitglied aufgenommen zu werden, genügte es nicht allein, Liebhaber der Natur zu sein und auch schon einige Kenntnis von den Merkwürdigkeiten der- selben zu haben. sondern man mußte auch selbst „natürliche Selten- heiten oder optische und physische Instrumente, Präparate u. dgel., auch dahin gehörige Bücher gesammelt haben und seine Sammlungen nach Möglichkeit zu erweitern suchen“. Aus wohlüberlegten Gründen, sagen die Gesetze, war einmütig beschlossen - worden, die Zahl der ordentlichen Mitglieder nie 12 übersteigen zu lassen, und bei der Wahl, die auch bei den anderen Mitgliedern durch sogenanntes Ballotieren mittels schwarzer und weißer Kugeln erfolgte, von denen jeder in seinem Hause eine Kapsel mit 12 weißen und ebenso vielen schwarzen vorrätig haben mußte, und bei der absolute Stimmenmehrheit den Ausschlag gab, sollte nicht nur auf nutzbare Kenntnisse, sondern auch auf gewisse Vorzüge des Herzens gesehen werden, ohne welche die Annehmlich- keit in den Versammlungen sehr verlieren würde, wie man denn überhaupt immer rechtschaifene Gesinnung, aufrichtige Freundschaft und Beihilfe anderen Mitgliedern gegenüber in seinem betreffenden Fach immer wieder betonte und die nähere Bekanntschaft unter- einander zu fördern suchte. Die ordentlichen Mitglieder waren verpflichtet, das. was über innere Angelegenheiten der Gesellschaft in den Sitzungen verhandelt wurde, sorgfältig geheim zu halten. Durch ein Konklusium vom 96 H. Srırz. 26. Oktober 1773 ward festgesetzt, daß jedes Mitglied heilig darauf halten möchte, von allem, was in den Versammlungen die Gesell- schaft Betreffendes gesprochen, vorgelesen, beratschlagt und be- schlossen wird, weder in Gesellschaft noch unter vermeinten guten Freunden, die der Gesellschaft nicht angehören, besonders auch den auswärtigen Bekanntschaften und Korrespondenzen, gar nichts zu gedenken. — Im Fall jemand mit einer verdächtigen Neubegierde sich nach der Wirklichkeit, Einrichtung, Beschaffenheit oder nach den Mitgliedern der Gesellschaft erkundigen Könnte, diese zwar, da man nun die Resolution des Staatsrats wüßte, allerdings geschehen dürften, daß es hier wirklich eine Privatgesellschaft naturforschender Freunde gebe, daß män sich aber nicht verpflichtet fände, die An- zahl, Namen und Charaktere der Mitglieder usw. bekanntzumachen. Als im Dezember 1786 der Geheime Oberbergrat GERHARD des öfteren zu früh in der Gesellschaft erscheint, ist man darüber sehr unwillige und kommt dahin überein, die Korrespondenzen von den Freunden, besonders derjenigen, die das Naturalienkabinett be- reicherten, vor ihm sorgfältig zu verbergen, überhaupt zum Besten des Instituts gegen alle Ehrenmitglieder dasselbe vorsichtig und genau zu beobachten. Eigenartig berührt auch die Ängstlichkeit, die einige Mitglieder an den Tag legen, indem sie für das Erscheinen der Schriften der Gesellschaft sich weigern, ihre Namen unter die von ihnen ver- faßten Abhandlungen zu setzen, und wovon der Kriegsrat REIMARI durchaus nicht abgeht. In dem Mitgliederverzeichnis im ersten Band der „Beschäftigungen“ finden wir denn auch Herrn SIEGFRIED als Herr F. W. S,, Herrn Reımarı als Herr B. F. R. aufgeführt. Schon in den Gesetzen war vorgesehen, daß einheimische Gäste, die den Zusammenkünften gern beiwohnen wollten, aus wohl über- legten Gründen bloß des Abends um 7 Uhr aufgenommen werden sollten. Doch scheint man in dieser Beziehung keine angenehmen Erfahrungen gemacht zu haben; denn im August 1779 wurde durch Abstimmung, freilich mit ganz geringer Mehrheit, beschlossen, keine hiesigen Fremden als Gäste zuzulassen, wovon indessen von Fall zu Fall durch die Gesellschaft Ausnahmen gemacht werden konnten. Von Anfang an aber hat es im Interesse der Vereinigung gelegen, möglichst mit ortsanwesenden sowie auswärtigen Gelehrten in Ver- bindung zu treten, und zwar nicht nur zum Zweck des Gedanken- austausches, sondern auch mit der Absicht, durch Sendung von Naturalien und Büchern, später auch durch Austausch von solchen, der Gesellschaft Vorteil zu verschaffen, wovon eben auch der aus- gedehnte Briefwechsel die Folge war. Viele von ihnen wurden au Aus der Geschichte der Gesellschaft naturf. Freunde (1773—1815). 27 den Antrag einzelner Mitglieder durch Abstimmung auf dem Wege des Ballotierens zu Ehrenmitgliedern ernannt, unter Übersendung eines anfangs geschriebenen, bald aber gedruckten Diploms, weil man geltend gemacht hatte, daß gedruckte Diplome nicht allein der Gesellschaft rühmlicher, sondern auch für den Sekretär eine große Erleichterung wären. Sie wurden dann mit dem Siegel und den Unterschriften der ordentlichen Mitglieder versehen, und ihre Aus- fertieung nahm in den Sitzungen viel Zeit weg, die aber scheinbar damals noch nicht so kostbar als heute war. Gleichzeitig erhielten die Ehrenmitglieder das Exemplar eines Auszuges der Gesetze zu- geschickt, worin alle ökonomischen Einrichtungen weggelassen waren ”*). Im März 1790 wurde bestimmt, daß wenigstens ?/, der Stimmen bejahend sein müßten, wenn eine in Vorschlag gebrachte Person aufgenommen werden sollte, und daß, wenn jemand von den ordent- lichen Mitgliedern eine verneinende Stimme abgegeben habe, er das Recht habe, seine Gründe dazu anzugeben, worauf zur Erhaltung der Eintracht durchaus Rücksicht genommen werden müßte. Indessen war man mit der Wahl Berliner Ehrenmitglieder sehr vorsichtig, und bereits am 24. August 1773 einigte man sich dahin, daß ihre Zahl möglichst gering sein sollte. Man hatte mit ihnen überhaupt oft seinen lieben Ärger: Häufix kamen sie zu früh und störten die Sitzung, so daß man die inneren Angelegenheiten nicht weiter besprechen konnte, oder sie machten über die Gesellschaft diesem oder jenem unliebsame Mitteilungen und anderes mehr. Als die Gesellschaft erst in ihrem eigenen Heim tagte, wurde für solche Mitglieder eigens das kleine Zimmer geheizt, damit sie sich darin bis zum Schluß der Verhandlungen der ordentlichen Mitglieder aufhalten konnten. Ferner war man bereits in den ersten Wochen der gesellschaft- lichen Versammlungen zu dem Entschluß gekommen, niemanden zum Ehrenmitglied zu wählen, der an Stand und Rang vorzüglich erhaben wäre, weil man dann selten die angenehmsten Folgen zu erwarten habe, und einige Jahre später wird abermals in Erinnerung gebracht, bei der Wahl solcher Personen mit der äußersten Behutsamkeit zu Werke zu gehen. Und doch gab man sich beispielsweise große Mühe, den Erb- prinzen von Rudolstadt, mit dem Marrını in schriftlichen Verkehr getreten war, — er hatte ihm seine Entstehungsgeschichte der Ge- *) Seit 1774 wurden dieser Auszug aus den Gesetzen sowie die Diplome auch in französischer Sprache gedruckt. 28 H. STITz; sellschaft zugeschickt mit vergoldetem Schnitt und in golden Papier gebunden, — zum Ehrenmitglied zu machen, und es sollte ihm zu erkennen gegeben werden, „daß wir von Sr. Durchlaucht die gnädigste Erlaubnis erhalten möchten, durch Anführung seines durchlauchtigen Namens unserer Gesellschaft einen neuen Glanz zu erteilen“. Im April 1775 kam eine Antwort: „Kür das überschickte Traktätchen bin ich Ew. unendlich - ver- bunden. Es ist mir sehr angenehm gewesen. Das Institut macht Deutschland Ehre und besteht aus Männern von großen Verdiensten, an deren Seite mich zu stellen ich billig erröten müßte. Ich bin, wie in vielen andern, besonders in dieser einzigen Lieblingswissen- schaft, ein großer Volonteur, um nicht Ignorant zu sagen. Das Vergnügen an einem Studium macht lange nicht die Kenntnis und Wissenschaft selbst aus. Das ist also der erste Beweggrund, warum ich dero edelmütiges und gesellschaftliches Anerbieten aufs feier- lichste verbitten muß. Ich bin indessen für dero und der Gesell- schaft hierbei gehegten Meinung unendlich dankbar. Ich bin aber wirklich dieser Ehre nicht würdig. Doch werde ich nie unterlassen, für diese Societät so viel Ehrerbietung und Freundschaft zu haben, als wenn ich selbst ein Mitgesellschafter wäre und also, wo ich derselben dienen kann, mir es zur angenehmsten Pflicht machen. Zu dem obigen Grunde kommt noch dieses, daß ich es schon unter- schiedenen anderen Gesellschaften aus Ursachen, die ich nicht schreiben kann oder darf, abschlagen mußte. Nur in die einzige Leipziger kam ich, ohne zu wissen, wie? Der Herr Prof. GoTT- SCHED, welchem ein armseliges Gedichte von mir zu Gesichte ge- kommen war, ernannte mich öffentlich zu einem Mitglied und schickte mir das darüber ausgefertigte Diplom wider meinen Willen und ohne mich vorher darum befragt zu haben. Ew. nehmen diese meine freimütige Äußerung nicht übel, auf der ich übrigens mit wahrer Ergebenheit verharre. 7. April 75. Friedr. Karl Erbprinz von Schwarzburg-Rudolstadt.“ Der Briefwechsel wurde trotzdem fortgesetzt. Der Prinz fragt auch einmal an, wie es wohl zugehe, daß seine Thermometerbeob- achtungen mit denen, die er aus der Zeitung erfahren, gar nicht übereinstimmten. Als Beispiel, wie die Aufnahme eines neuen Mitgliedes vor sich ging, sei diejenige des Herrn AcHarn vom 1. Oktober 1774 ange- führt: „In der heutigen Versammlung war Herr AcHArp mit gegen- wärtig, um unseren Gesetzen gemäß im Beisein aller Mitglieder auf- Aus der Geschichte der Gesellschaft naturf. Freunde (1775—1815). 29 genommen zu werden. Der Anfang der Sitzung wurde mit Vor- lesung unserer Gesetze gemacht, welche Bemühung unser Freund SIEGFRIED übernommen hatte. Nach Endigung derselben wurde Herr Acnırp befragt, ob er wider keinen Artikel derselben etwas ein- zuwenden hätte und sich also bereitwillig fände, jeden Artikel nach Möglichkeit genau zu befolgen. Sobald unser Freund seine voll- ständige Zufriedenheit über unsere ganze Einrichtung bezeiget und allen Mitgliedern für die willige Aufnahme zu einem Ehrenmitgliede höflichst gedankt hatte, wurde von allen das Diplom unterzeichnet und ihm unter der Versicherung übergeben, daß wir alle von seinen Fähigkeiten und physischen Kenntnissen überzeugt wären und ihm sicher zutrauten, er werde das Beste der Gesellschaft allemal und bei aller Gelegenheit so lebhaft als wir alle vor Augen haben. In dieser Hoffnung überreichten wir ihm ein Exemplar unserer Gesetze. Unser neuer Freund aber schenkte ungesäumt, um uns von seiner Aufmerksamkeit gegen unser Institut desto lebhafter zu überzeugen, ein Fredericd’or an unsere Kasse, versprach für unsere Bibliothek nächstens die sämtlichen Bände von den Me&moires der hiesigen Academie des Sciences (ungefähr 20 Quartanten) zu überschicken, und machte sich anheischig, den wöchentlichen Beitrag alle Quar- tale zu erlegen. Als ihm für diese Höflichkeit von allen Mitgliedern gebührender Dank abgestattet worden war, bat er Herrn Dr. ZückErT um die Vorlesung einer von ihm selbst aufgesetzten, wichtigen Ab- handlung. über die Natur der fixen und derjenigen Luft, die aus den Metallen vermöge des Scheidewassers gezogen wird und unter dem Namen der nitrösen Luft bekannt ist... .“ Friedrichs des Großen geringe Wertschätzung der deutschen Wissenschaft ist wohl die Ursache gewesen, daß er von der Gesell- schaft keine Notiz genommen hat. Der 1775 von dem Pagenhof- meister Fuchs gemachte Vorschlag, dem großen Monarchen die Ge- sellschaft etwas bekannter zu machen, um gewisse Privilegien zu - erhalten, fand allgemeinen Beifall, hat aber, wie es scheint, keinerlei Folgen gehabt. Doch war man bemüht, die Protektion des damaligen Kronprinzen zu erlangen, durch Vermittelung des Hofrats GLEDITScH, und gleich einige Tage nach dem Tode des großen Friedrich wird ein von sämtlichen Mitgliedern unterzeichnetes Schriftstück an den neuen König gesandt, des Inhalts, sich ihm von neuem zu empfehlen, - ihm den Endzweck des Instituts bekannt zu machen und unter- tänigste Ansuchung um die allerhöchste Bestätigung zu tun, und die vom König eigenhändig unterschriebene Antwort 2 Tage dar- auf war: „Sr. Königl. Majestät von Preußen unser allergnädigster Herr danken der Gesellschaft naturf. Freunde für die in ihrem “ e.z 7 VRR Beh 30 H. Stırz. Schreiben vom 29. dieses Höchstdemselben bezeigten Wünsche zu dero T'hronbesteigung und versichern solche dagegen dero Huld und (‚nade.“ Auch Friedrich Wilhelm III. sind die Schriften der Gesellschaft zugestellt worden. | Bereits Anfang Januar 1775 hatte übrigens Hofrat GLeDrITIScH den Wunsch geäußert, daß man auch „angesehenen, mit der Kenntnis der Natur beschäftigten Damens“ künftig einen Platz in der Gesell- schaft einräumen möchte. Er schlug zuerst die Gräfin Popewırs in Gusow vor, und Herr Dr. Brock war der Meinung, dann müsse man auch die Prinzessin SapırHA v. JABLOonowska wählen; beide Vorschläge wurden angenommen. Welchen Gang nahm nun eine Sitzung unserer Gesellschaft in der damaligen Zeit? — Im allgemeinen in folgender Weise: Nachdem man sich zu festgesetzter Stunde eingefunden hatte, wurde festge- stellt, wer von den ordentlichen Mitgliedern fehlte, beziehungsweise dessen Entschuldigung bekanntgegeben. Dann, oder auch zuletzt, nahm man, besonders in den ersten Jahren, mit lehrreichem Ver- gnügen die Seltenheiten der Natur und Kunst, die der liebenswürdige Wirt, bei dem man versammelt war, zusammengetragen hatte, in Augenschein, oder seine physikalischen Instrumente. Inzwischen hatte der Schriftführer die in Betracht kommenden Schriftstücke der Mappe entnommen. Es folgte das Vorlesen der von auswärtigen Gelehrten eingelaufenen Briefe sowie der zur Be- antwortung früherer Briefe aufgesetzten Schreiben, Beratungen über innere Angelegenheiten der Gesellschaft, Vorschläge, neue Mitglieder betreffend, die Wahl von solchen, Unterschreiben von Diplomen, Mitteilungen über den Zuwachs der Bibliothek und der Naturalien- sammlung und manches andere, je nachdem das Bedürfnis vorlag, besonders auch Besprechungen finanzieller Verhältnisse. In der zweiten Hälfte des von uns betrachteten Zeitabschnittes wurde auch gelegentlich aus den alten Tagebüchern vorgelesen. Währenddessen war es dunkel geworden; der Diener brachte auf Leuchtern Wachslichte (6 auf das Pfund), und allmählich waren auch Ehrenmitglieder und Gäste eingetroffen. Es folgten Vorträge, in denen Gegenstände aus allen Gebieten der Naturwissenschaften zur Sprache kamen. Häufig wurden eingesandte Aufsätze aus- wärtiger Mitglieder vorgelesen: Herr Konferenzrat MüLLEr gibt Kunde von dem mopsnasigten Zackenfloh; Herr Brinkmann äußert seine Gedanken darüber, wie man das Gift der damals noch weniger verbreiteten Erdäpfel unschädlich macht, u. a. Abwechselung brachte das Vorzeigen mitgebrachter Naturobjekte, woran sich oft ein leb- ö 1 . i Aus der Geschichte der Gesellschaft naturf. Freunde (1773-1815). 31 hafter Meinungsaustausch angeschlossen haben mag. Manches wurde auch vorgebracht, das den Beschäftigungen der Gesellschaft etwas fern lag, wenn z. B. KıaprorrH die Beschreibung eines sehr vor- teilhaft eingerichteten Kochofens aus Wien, für staatliche Anstalten brauchbar, für kleinere Familien aber nicht anwendbar, gab. Den Schluß bildete dann ein Abendessen, zu dem das bewirtende Mitglied auch noch einen Freund einladen konnte, und nach welchem die Mitglieder auseinander gingen, meist, wie es auch die Satzungen angeben, gegen 10 Uhr. Im Anschluß hieran noch einige Bemerkungen: Hervorgehoben wurde schon, daß der Briefwechsel den Schrift- führer sehr belastete, besonders, wenn man die langatmige und kon- ventionelle Ausdrucksweise des damaligen Zeitalters in Betracht zieht. Als Beispiel dafür sei ein Schreiben des Pastors GoEzE in Quedlinburg wiedergegeben: „Ich wünsche nichts mehr, als daß Sie und die vortreftliche (Gesellschaft Ihrer naturforschenden Freunde an meinem übersetzten und vermehrten Bonnet dasjenige finden mögen, was Sie sich davon versprechen. Die Freundschaft siehet oft durchs Mikroskop. Wo- mit habe ich aber ein so unerwartetes Glück verdienet, daß Sie und die teuersten Mitglieder ihrer verehrungswürdigen Gesellschaft mich zu dem Rang eines Ehrenmitgliedes erwählet haben? Sie können sich, meine Herren, die dankbaren Empfindungen unmöglich vorstellen, die mich ganz durchdrungen, und meine Worte ersticken, da ich mir es zur Pflicht machen wollte, Ihnen selbst meine Hoch- achtung und Freude über dero Gesinnungen gegen mich an den Tag zu legen. Nehmen Sie mir das Geschäft ab, mein lieber Marrımı! Ihnen war. es aufgetragen, mir diese Erklärung zu tun, noch mehr, mir sogar das Diplom Ihrer Freundschaft auszufertigen. Erklären Sie mit einer beredtern Zunge der verehrungswürdigen Gesellschaft naturforschender Freunde mein ganzes Herz, Achtung, Dank und Freundschaft. Sagen Sie fürs erste Ihren Freunden, bis ich selbst Gelegenheit haben werde, denenselben meine Hochachtung zu be- zeigen, daß ich durch Ihre Vorschriften meine wenigen Kenntnisse der Natur noch zu bereichern hoffe. O könnte ich doch das per- sönliche Glück genießen, einige Stunden in Ihrer Zusammenkunft gegenwärtig zu sein! Wie leicht würde ich dort lernen, was ich hier mit vielen Kosten erwerben muß... .“ Doch damit schließt der Brief nicht; es folgen nun noch Mitteilungen über naturwissenschaftliche Dinge. Für die Bibliothek der Gesellschaft liefen bereits einige Tage nach der Gründung, am 16. Juli, Beiträge ein, und im Frühjahr 1775 32 H. Sturz. > legte Marrını ein Verzeichnis derselben an, nach 22 „Artikeln“ geordnet. Vermehrt wurde sie noch dadurch, daß man, abgesehen von sonstigen Schenkungen durch Mitglieder, im Mai desselben Jahres empfahl, bei guten Gelegenheiten in hiesigen Auktionen bis- weilen gute klassische, physikalische Schriftsteller aus der Kasse anzuschaffen, und jedes Mitglied erhielt die Erlaubnis, auf Ver- steigerungen olıne weiteres Nachfragen auf diese Weise zur Ver- gröberung der Bibliothek beizutragen. Nach der Nıcorarschen Be- schreibung von Berlin und Potsdam (S. 780) enthielt sie schon 1786 mehr als 1000 Bände. | Auch die Anlage von Naturaliensammlungen war von vorn- herein ins Auge gefabt worden. Da sich die Beobachtungen der Natur — heißt es — an einerlei Ort und Gegend nicht sonderlich hoch treiben lassen, so ist es unumgänglich nötig, in allerlei Gegen- den und Landen Freunde zu haben, die sich unserer Absichten mit gemeinschaftlichem Eifer annehmen und mit Nachrichten und Selten- heiten ihres Vaterlandes und ihrer Kabinette unterstützen und uns in den Stand setzen, unsern Versammlungen mehr Vorteil und Nach- druck zu erteilen. Einen reichlichen Zuwachs versprach man sich von vornherein von den Ehrenmitgliedern, von denen man annahm, daß sie sich ein Vergnügen daraus machen würden, zu guten Stif- tungen das ihrige beizutragen. Mit den ersten Büchereingängen treffen denn auch schon Naturalien ein, und es vergeht nun kaum eine Woche, in der solche ausbleiben. Als Beispiel, was alles zusammengetragen wurde, greife ich einen Bericht von Marrını vom 31. Dezember 1773 heraus: Eine schöne, große Stachelroche, Aaja clavata, getrocknet. Die Säge von einem ziemlich erwachsenen Sägefisch. Ein großes Pisangblatt. Ein langes Zuckerrohr. Eine 31/; Fuß lange Schote vom Johannisbrot oder Cassıa BE Eine aufgeschnittene Kokosnuß mit der äußeren Schale. (Nr. 3—6 wurden auf einer Auktion gekauft.) Aus Kopenhagen waren gekommen: 1. Eine große Walfischrippe. 2. Ein sauberer Kupferfisch, ‚Piseis triangularıs. 3. Das Gebiß von einem jungen Seewolf, Canis Carcharvas. 4. Ein fünfstrahliger Seestern, wobei der neue Auswuchs des einen Aufmerksamkeit ver dient. Einige Spicae vom Sadebaum. : 6. Eine Dublette von einem versteinerten Ang narsel oder Sr kleinem Hering von Grönland. | 8 a a ee eb) Aus der Geschichte der Gesellschaft naturf. Freunde (1773—1815). 33 7. Ein Messer der Alten von Feuerstein,. das in einer Urne gefunden. 8. Eine steinerne Streitaxt oder sogenannter Donnerkeil. 9, Ein Paar isländische Chalcedone, die, wenn sie im Finstern stark aneinander gerieben werden, stark leuchten, Feuer geben und entsetzlich nach Schwefel riechen. 10. Ein ansehnliches Stück von isländischem Spat oder alles verdoppelndem Kristall. 11. Allerlei ostindische Früchte. 12. Ein großes Stück vom Teredine durchbohrtes Schiffsholz. Wir wollen die Entwicklung der Sammlungen nicht weiter ver- folgen. Die Gegenstände häuften sich allmählich so an, daß sie bereits 1774 ein eigenes Zimmer erforderten, nachdem sie bis dahin bei Marrını in Verwahrung gestanden hatten. Dieser bot der Ge- sellschaft einen neben seinem eigenen Naturalienkabinett gelegenen Raum für jährlich 16 Taler an, worauf sie auch einging, und einige Wochen darauf — weiterhin sehr oft — mußten neue Schränke und Kästen angeschafft werden. Bald aber mangelte es abermals an Platz, und im Dezember 1776 wird beschlossen, eine über Marrısts Wohnung belegene Stube und Kammer gegen 20 Taler jährliche Miete für Bibliothek und Sammlungen einzuräumen. Nach dem Tode Marrınt's siedelte man mit beiden in das schon vorhin erwähnte Quartier bei der Madame Doellen über, bis sie dann später in dem Hause der Gesellschaft einstweilen geborgen waren. NıcoLaı hebt in seiner Beschreibung Berlins und Potsdams besonders die Reichhaltigkeit der Mineraliensammlung hervor. Im Februar 1794 wird der Gesellschaft für die aus dem Aus- land kommenden Naturalien Akzisefreiheit gewährt, unter der Be- dingung, vorher anzuzeigen, was jedesmal geschickt wird. Leider müssen im August 1804 Kruc und Groxau zu ihrem und der Gesellschaft größtem Leidwesen dieser mitteilen, daß in dem großen Glasspind im Versammlungszimmer die Motten unter den dort aufgestellten ausgestopften Vögeln großen Schaden ange- richtet haben, und auch mit der Konservierung des Alkoholmaterials sieht es böse aus, so daß dieses dem Verderben nahe ist, und nicht besser steht es 1815 mit dem Herbareum. Im Juli 1814 stellt man ein Verzeichnis der überflüssigen Stücke aus den Sammlungen für den Zweck des Verauktionierens auf; doch werden für die Neueinrichtung des Kabinetts noch Schränke ange- schafft. 3 34 HH STITZ. Im Jahre 1818 wird dann aber allmählich mit dem Verkauf einzelner Teile der Sammlungen, vor allem der defekt gewordenen, begonnen. Auf die wissenschaftlichen Beschäftigungen unserer Gesellschaft in damaliger Zeit einzugehen, müssen wir uns leider versagen, da die Sache eine eingehende Darstellung erfordern würde. Hervorgehoben sei nur, daß man schon in den Jahren 1776 und 1779 Preisaufgaben stellte, von denen zwei ihre Lösung erst in unserer Zeit gefunden haben, die eine: Was ist eigentlich das Epi- demische überhaupt in der Epidemie — die andere: Wie lange die Giftnatur der Viehseuche bösartig und des Ansteckens wegen ge- fährlich sein könne. — Eine dritte vom Januar 1782 harrt wohl noch heute ihrer befriedigenden Beantwortung: Inwiefern gehöret Unterricht in der Naturgeschichte zu der zweckmäßigen Bildung eines T'hronerben ? Betreffs der einzelnen wissenschaftlichen Fächer und der mit ihnen zusammenhängenden Korrespondenz kam man 1779 überein, daß jedes ordentliche Mitglied ein bestimmtes Gebiet übernahm. Herrn Konsistorialrat SILBERSCHLAG wurde außer Physik auch das zugewiesen, „was in die Theologie einschlägt“. Auffallen muß es, daß später in den Tagebüchern nirgends eine Andeutung oder Nachricht zu finden ist, die erkennen läßt, in welcher Beziehung unsere Gesellschaft zu der 1810 gegründeten Berliner Universität gestanden hat, trotzdem Mitglieder ihres Kreises an ihr als Lehrer tätig waren. Betrefis des Druckes ihrer Schriften verhandelte die Gesellschaft Ende Oktober 1774 mit dem Verleger Paurı, mit dem abgemacht wurde, daß er dieselben auf seine Kosten drucken lassen und die Kupfer dazu besorgen solle, der Gesellschaft aber pro honorario für jeden Bogen 3 Taler zu zahlen sowie 15 Exemplare auf Schreib- papier und ebensoviel auf Druckpapier zu liefern habe. Der 1. Band erschien 1775 unter dem Titel: Beschäftigungen der Gesellschaft naturforschender Freunde. Die Aufsätze wurden nicht chronologisch, sondern nach der Ähnlichkeit ihres Inhalts geordnet. Marrınts Entstehungsgeschichte der Gesellschaft leitete den Band ein. Näheres über das Schicksal der gesellschaftlichen Schriften finden wir im Vorwort zu den 1912 nachträglich herausgegebenen Sitzungsberichten von 1839—1859. Wegen des Siegels der Gesellschaft war schon in den ersten Tagen nach ihrer Gründung beschlossen worden, daß man in dessen Hintergrund die Diana Ephesia, wodurch die Natur abgebildet Aus der Geschichte der Gesellschaft naturf. Freunde (1773—1815). 35 oder vorgestellet wird, im Vordergrund aber die Betrachtung in Gestalt eines Frauenzimmers anbringen und um den Rand die Worte setzen lassen wollte: Siegel der Naturforschenden Gesell- schaft. Wegen der vielfältigen Figur verwarf man es aber und wählte unter 6 von Herrn Dr. Broc# vorgelegten Sinnbildern eins für besonders schicklich aus: nämlich einen Altar mit einem auf- geschlagenen Buch mit der Aufschrift „Natur“, darüber ein von einem Strahlenkranz umgebenes Dreieck mit drei Punkten, sowie eine Umschrift: Siegel der Berlin. Naturforschenden Gesellschaft. Doch wurde man gewarnt, dieses Siegel zu benutzen, ehe man irgendeine Protektion erhalten habe, weil man sonst in Gefahr geraten könnte, | zwo Dukaten Strafe erlegen zu müssen. Es sollte nun bis dahin als schwarzer Stempel benutzt werden; doch wurde bekannt, daß man einen solchen noch viel weniger führen dürfe. Den Bemühungen des Herrn Hofrat GLevrTsch und des Herrn Dr. Zückerr gelang es schließlich, die behördliche Genehmigung zur Verwendung des Siegels zu erlangen; doch wurde dabei erinnert, daß man sich auf ' demselben keines Adlers bedienen dürfe. Ende 1774 war es verloren gegangen. Der Jude ABrAHAM jun. fertigt ein neues an, das ungemein wohl geraten ist, und meldet, daß er sichs zur Ehre rechnete, wenn die Gesellschaft es unentgeltlich als einen Beweis der Hochachtung anzunehmen belieben wolle, die er für alle Freunde der Natur hege, und das Protokoll besagt nunmehr von Herrn Apraram, daß es die Höflichkeit des jüdischen Künstlers dankbar annehme. Im August 1779 ist schon wieder ein neuer Stempel erforderlich. Der Gedanke, die Schriften der Gesellschaft mit einer Vignette zu versehen, ging von GLEDITSCH aus. Man benutzte dazu das Bild des Siegels: Die Allegorie sollte bleiben, aber mit Anziehung einiger optischer und astronomischer Instrumente und Anspielungen auf alle Naturreiche versehen werden. Diese Vignette ist auch als Exlibris-Zeicben für die Bücher der gesellschaftlichen Bibliothek verwendet worden. Mit der Ausführung hatte man CHODoWwIEcKI betraut. | Später, 1780 und 87, hat dann Herr Kadettenprediger HERBST eine neue Vignette entworfen, die allgemeinen Beifall fand, über die ich aber augenblicklich nichts Näheres mitteilen kann. Auch von einer Darstellung der Entwicklung der finanziellen Verhältnisse der Gesellschaft müssen wir hier absehen, da sie eine ziemlich eingehende Beschäftigung mit den alten Akten erfordern würde. Es sei hier nur angeführt, daß die Anfänge in dieser Hinsicht ziemlich bescheiden gewesen sind. Die Stifter der Gesell- 3* 36 H. Srıtz. schaft hatten sich, wie es in den Gesetzen von 1778 heißt, zur nötigen Einrichtung allen Zuschuß willig gefallen lassen, und weiter- hin hatte jedes Mitglied wöchentlich 2 Groschen zum gesellschaft- lichen Fonds zu zahlen, ob es in der Versammlung anwesend war oder nicht. 3 Alle künftig eintretenden ordentlichen Mitglieder zahlten beim Eintritt 1 Louisd’or. Häufig kamen auch gelegentlich freiwillige Zuwendungen von Geldbeträgen in die Kasse, die zuweilen ziemlich erschöpft gewesen ist. Wir sahen schon, wie mit dem Wachsen der Gesellschaft, ihrer Sammlungen und ihrer Bibliothek sich die Raumfrage immer stärker geltend machte. Am 27. März 1787 wurde daher endlich auf Vor- schlag des Rendanten SIEGFRIED beschlossen, den König Friedrich Wilhelm II. um Erbauung eines Hauses für die Gesellschaft zu bitten, und zwar dort, wo früher der Wehr — in der Gegend des heutigen Zirkus Busch — gestanden hatte. Eine daraufhin am 5. April eingetroffene Kabinettsorder beantwortete das Gesuch in günstigem Sinn; der damals mächtige Minister v. WOoELLNER stand der Sache gleichfalls wohlwollend gegenüber und ernannte den Baurat BECHERER in dieser Angelegenheit zum Kommissionär. Die Gesellschaft sollte nun einen Platz für den Bau anweisen; aber die 4 von ihr angegebenen Stellen wurden nicht genehmigt, oder ihr Erwerb war mit Schwierigkeiten verbunden. Man empfahl ihr schließlich, ein altes Haus zu kaufen und zweckmäßig einzurichten. 10000 Taler wollte der König alles in allem bewilligen, und Herr BECHERER schlug den Mitgliedern das Nicolasche Haus in der Französischen Straße vor, das aber von ihnen wegen des hohen Preises von 10000 Talern in Friedrichsd’or sowie wegen der kleinen Zimmer darin ausgeschlagen wurde. Es kommen nun im Lauf der folgenden Monate desselben Jahres noch verschiedene andere Grundstücke in Frage: eins in der Neuen Friedrichstraße, ein anderes in der Nähe der Woldeckschen Kaserne; dann wird abermals und nochmals das Nicolasche Haus in Vor- schlag gebracht, aber wieder zurückgewiesen, und die Gesellschaft entschließt sich nun für das Beyersche Haus in der Nähe der Woldeckschen Kaserne*). Abermals nimmt hierauf im September die Hausangelegenheit eine andere Wendung: Herr v. WOoELLNER will kein gebautes Haus kaufen, weil dabei des Königs Absicht, vielen Arbeitern Verdienst zu verschaffen, nicht erfüllt würde. Man soll also nun eine Baustelle oder ein altes Haus von etwa 1500 *) Ihre Lage läßt sich aus NıcoLAr’s Beschreibung nicht ermitteln. a nr Aus der Geschichte der Gesellschaft naturf. Freunde (1773— 1815). 37 Talern im Wert erwerben und vorschlagen, da der Gesellschaft dann ein neues Haus gebaut werden würde. Wieder wird nun das Nicolasche Haus angeboten, jedoch, da der Garten nicht dazu gehören soll, von der Gesellschaft abermals zurückgewiesen. Wieder wird von seiten des Bauamtes darauf bestanden, man solle ein altes, verfallenes Haus ausfindig machen. Der Besitzer eines Ge- bäudes in der Jägerstraße, der in Magdeburg wohnt, bietet dieses für 4200 Taler an. Es hat aber nur 28 Schritt in der Front, eine nur geringe Tiefe, einen kleinen Hof, einen nur mäßigen Garten und etliche schlechte Hintergebäude. Dennoch beschließt man in der Gesellschaft, es zu nehmen, wenn der König neben den Baukosten auch die Kaufgelder zu bewilligen geruhe. Herr Kriegsrat Rrımarı hat inzwischen dem Herrn Baurat „in seiner geraden, derben Art“ gezeigt, daß er ihm für seine Be- mühungen 500 Thaler schenken wolle, welche Zumutung der Herr Baurat zurückweist mit der Bemerkung, daß sein Benehmen gegen die Gesellschaft diesen Gedanken in der Folge gänzlich vertilgen werde. Ein weiterhin angebotener Platz vor dem Stralauer Tor jenseits des Königlichen Holzmarktes wird als zu entlegen aus- geschlagen, und nachdem die Hausangelegenheit der Gesellschaft bereits schon Gegenstand der Besprechung in der Erfurter gelehrten Zeitung gewesen und Herr v. WOoELLNEer durch 9 weiße gegen 1 schwarze Kugel zum Ehrenmitglied der Gesellschaft ernannt worden ist*), setzt Herr SIEGFRIED ein Schreiben an ihn auf, in welchem er ein altmassives Haus in der Schützenstraße zwischen Jerusalemer und Markgrafenstraße in Vorschlag bringt, welches die Besitzerin nebst Hof und Garten für 4500 Taler ablassen will; außerdem handelt es sich noch um ein anderes Haus für 10000 Taler. Gleichzeitig wird von Herrn v. WOoELLNER auf sein Versprechen sowie darauf aufmerksam gemacht, daß selbst Privat- personen solche Summen zum Ankauf eines Hauses geschenkt worden sind. Die Behörde geht nun auf das letzterwähnte Haus ein, welches — das langumstrittene Nicolasche in der Französischen Straße ist. *) Trotz seiner damaligen Beziehungen zu den Rosenkreuzern hatte sich WOELLNER in jüngeren Jahren, als er noch Hauslehrer war, mit naturwissen- schaftlichen Dingen befaßt, worauf ein im Schloß zu Groß-Rietz befindliches Gemälde deutet, auf dem er als jugendlicher Mann, mit einem Mikroskop be- schäftigt, dargestellt ist. (Nach Fontane, Wanderungen Bd.4.) NıcoLaı erwähnt nur, daß er eine auserlesene Bibliothek von juristischen und historischen Büchern habe. (Bd. 2, S. 791.) 38 H. STıTz. Am 22. April 1788*) schließt man den Kaufkontrakt ab, am 18. Juli wird das Kaufgeld gezahlt. Mit dem Umbau des Hauses ist die Gesellschaft sehr ungeduldig, da er zu langsam fortschreitet; doch wird mit dem Umzug bereits am 19. September begonnen, und am 11. November desselben Jahres findet in den neuen Räumen, wie schon erwähnt, die erste Sitzung statt. Noch 1810 ist von Umbauten mit königlichen Baugeldern die Rede. Es wurde für nötig befunden, daß ein Mitglied im unteren. Stockwerk wohnte, um die Aufsicht über das Haus zu führen. Nie- manden fand man dazu besser geeignet als Herrn SIEGFRIED, der sich auch bereit erklärte, aber nur gegen die billige Miete von 80 Talern jährlich, da die Wohnung für ihn und seine Familie nicht sonder- lich räumlich und von der Stadt ziemlich entfernt wäre. Nach seinem Tode bezog die Räume Herr FLOERICKE, der sich noch Jahre nach seinem Weggang von Berlin mit der gesellschaftlichen Kasse auseinanderzusetzen hatte, weiterhin Herr Kuve. Im Hintergebäude erlaubte man dem gesellschaftlichen Boten FrRrEYER eine freie Wohnung unter der Bedingung, die Reinigung und Bewahrung der Zimmer zu übernehmen. Dagegen wurde der sonderbare Antrag einer neu entstandenen „holzsparenden Gesellschaft“, denen das Mitglied unserer Gesell- schaft KLarrortH sowie der vorhin oft genannte Herr BECHERER angehörten, zurückgewiesen, die gegen billige Miete ein oder mehrere Zimmer im Hause für ihre Versammlungen benutzen wollte. Zum Schluß wollen wir noch einer wichtigen Sache gedenken, nämlich der Bewirtungsfrage in den Versammlungen. Nach den Gesetzen der Gesellschaft vom Jahre 1773 war vereinbart worden, daß nachmittags den sich versammelnden Freunden kein Kaifee, dessen Genuß überhaupt einen merklichen Zeitverlust, dem Wirt aber viel Mühe verursachen würde, sondern bloß ein Glas Bier und eine Pfeife Tabak bis zur Eröffnung der Sitzung anzubieten wäre. Des Abends sollte man nichts weiter als ein Butterbrot, etwas kaltes Fleisch oder Brot, ein Glas Wein und Bier vorsetzen. Um einer aus nachahmendem Ehrgeiz entstehenden Verschwendung aber ge- hörig vorzubauen, war auch denen, die ohne Beschwerde mehr tun konnten, gar nicht erlaubt, weiter in der Bewirtung zu gehen. Eine Ausnahme sollte gemacht werden dürfen beim Besuch eines aus- wärtigen Ehrenmitgliedes. *) Nicht 1786, wie REICHERT in der „Festschrift zur Feier des hundert- jährigen Bestehens der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin“ (1873) angibt. Aus der Geschichte der Gesellschaft naturf. Freunde (1773— 1815). 39 Mit der sich mehrenden Zahl der Ehrenmitglieder stellten sich bald gewisse Mißstände ein, so daß im Januar 1787 denjenigen von ihnen, welche die Bewirtung der ordentlichen Mitglieder genießen, zu verstehen gegeben wird, daß man von ihnen ebenfalls eine Be- wirtung der Gesellschaft erwartet. Ebenso wird zur Sprache ge- bracht, daß auf das Gesetz des frugalen Abendbrotes genauer als bisher gehalten werden müßte. Die Mahlzeiten müssen aber trotz- dem noch üppiger und für den Gastgeber erheblich kostspieliger geworden sein; denn im Herbst 1805 beantragt Herr SIEGFRIED, bei den Abendessen nur 2 Gerichte zu geben und sich möglichst um 8 Uhr, nie aber später als 9 Uhr zu Tisch zu setzen. Zeit und Grenzen der Bewirtung werden im kommenden Jahr abermals ein- geschärft. Im Dezember 1810 bewirtet LICHTENSTEIN die am Abend noch anwesenden Mitglieder mit einer Tasse Tee. Auf die Feier des jährlichen Stiftungsfestes legte man großen Wert und bereitete sie sorgfältig. vor. Sie wurde meist im Kemper- hof begangen, der 1857 bei Anlage der Viktoriastraße verschwunden ist, oder bei Taroni, Tiergartenstraße 10—11, 1836 bei Anlage der Bendlerstraße eingegangen. Wir treffen die Gesellschaft auch ein- mal im Garten der Hrcker’schen Realschule im Tiergarten*), im Hofjäger, in der Neuen Welt vor dem Frankfurter Tor, weniger an anderen Stellen. In den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts war man meist bei Kersten im Tiergarten. Zum Stiftungstag konnte jedes Mitglied auf seine ee von . seiner Familie so viel mitbringen als es wollte. Man trank gemein- sam Kaffee, nahm später gemeinschaftlich das Mittagessen ein und gab sich am Nachmittag geselligen Vergnügungen und Spazier- gängen hin, unternahm z. B. 1776 eine Fahrt auf der Spree nach Stralau*) u. a. Daß das Fest auch durch eine wohlgesetzte Rede verschönt wurde, ist wohl kaum zu erwähnen. Die Abend- mahlzeit vereinigte dann die Mitglieder abermals, und um 10 Uhr wurde der Heimweg angetreten. An dem ersten Stiftungsfest finden wir, die Damen eingerechnet, 18 Personen beisammen; 1790 speisen 38 zu Mittag, von denen 20 auch am Abend noch anwesend sind. *) 1750 auf einem Platz angelegt, auf dem vorher die auf dem anatomischen Theater verwendeten Leichen begraben wurden; enthielt sehr viele ausländische Gewächse und Bäume, worunter auch zwei Palmenbäume waren. (Nıcoraı Bd. 2, S. 937.) **) NICOLAI (Bd. 2, S. 951) hebt die bei den Berlinern beliebte Wasser- fahrten nach Stralau, Treptow und Rummelsburg hervor, „auf welcher Fahrt man an beiden Ufern der hier sehr breiten Spree nichts als Wald und angenehme Gegenden siehet“. 40 | E. WERTH, Seit dem Jahre 1803 war dann aber der Tag nicht mehr ge- feiert worden, bis sich nach dem glücklichen Ende der Freiheitskriege am 28. Juli 1815 sogar 59 Personen zu diesem Zweck zusammen- fanden. In froher Stimmung wurden dabei 30 Taler für die ver- wundeten Krieger gesammelt. Die ersten Spuren des fossilen Menschen in Deutsch-Ostafrika. Von E. WeRTH. Sie haben an dieser Stelle wiederholt Berichte entgegen- genommen über den Verlauf und die Ergebnisse der Tendaguru- Expedition. Die gewaltige Größe der Ausbeute an fossilen Riesen- sauriern, die sie mit heimgebracht hat, mag schuld daran sein, daß ein an’ sich durchaus nicht gleichgültiger Fund derselben Expedition jahrelang unbeachtet bleiben konnte. Im letzten Jahre übergab mir Herr Professor JAnEnscH, der Leiter der genannten Expedition, einen kleinen Faustkeil von paläolithischem Gepräge und später auch noch neben einer Reihe von Gesteinsscherben einen sogenannten Diskus, wie sie ebenfalls im europäischen Alt-Paläolithikum, in ähnlicher Form aber auch wieder im Mesolithikum auftreten. Nachdem das Menschenskelet von Oldoway nunmehr wohl endgültig — in des Wortes reinster Be- deutung — als begraben betrachtet werden kann, dürften in den vorliegenden Steinwerkzeugen jetzt die wirklichen ersten Spuren des fossilen Menschen aus unserer ostafrikanischen Kolonie vor- liegen. Wenn zwar es auch keine Knochenreste sind, so ist doch ihre Bedeutung keineswegs zu unterschätzen. Bei der Wichtigkeit der Sache habe ich natürlich nicht ver- säumt, eine Reihe von Spezialfachleuten zur Beurteilung der Fund- stücke heranzuziehen. G. SCHWEINFURTH — Vielleicht gegenwärtig der beste Kenner des außereuropäischen Paläolithikums — bekundete ein besonders großes Interesse an dem Funde und ließ es sich nicht nehmen, persönlich von dem Faustkeile eine äußerst gelungene Zeichnung in drei Ansichten, die alle Einzelheiten der Bearbeitung gewissenhaft und aufs schärfste wiedergeben, herzustellen. Ich muß mich begnügen, dieselbe hier im Lichtbilde vorzuführen und kann sie meinem Berichte nicht beigeben, da ScHwEINFURTH Selbst ihren Abdruck für die Ethnographische Zeitschrift bestimmt hat. Ein Vergleich der Artefakte mit Stücken aus den klassischen Fundstellen Frankreichs (Chelles, St. Acheul usw.) möge zeigen, daß es berechtigt ist, unsere Stücke, zum mindesten aber den Die ersten Spuren des fossilen Menschen in Deutsch-Ostafrika. 41 Faustkeil, nach Formgebung und Arbeitsweise dem Alt- Paläolithikum (,„Chelleo- Mousterien“) — olne die Frage einer Altersgleichheit zunächst zu berühren — zuzurechnen. Was die Fundumstände angeht, so fand sich der Faustkeil auf dem Tendaguru selbst, der Diskus zusammen mit einer Anzahl formloser — aber wohl auch durch Menschenhand entstandener — Scherben, jedoch weiter unterhalb gegen die Mbemkuru-Niederung zu. Der Tendaguru stellt den Erosionsrest einer ausgedehnten, der Mikindaniformation BoRcHARDT’S zuzurechnenden Terrassen- stufe dar, und trägt selbst noch eine Kappe von Schotter. Ob nun der Faustkeil diesem Schotter entstammt und damit in die Bildungszeit der genannten Landstufe gehört oder aber als Oberflächenfund zu betrachten ist, darüber ist Gewißheit einstweilen nicht zu erlangen gewesen. Der Diskus ist seinem Fundorte nach jedenfalls jünger als der Schotter des Tendaguru, da er am Hange des in jene Schotter nachträglich eingesenkten, jüngeren Teiles des Mbemkuru-Tales ge- funden wurde. Wie dem auch sei, besondere Umstände machen es nicht un- wahrscheinlich, daß bei systematischem Nachsuchen und Schürfen in der Gegend des Tendaguru eine größere Ausbeute an mensch- lichen Steinwerkzeugen erlangt werden kann. Das Gestein nämlich, aus welchem die vorliegenden Artefakte geschlagen sind, steht als Newalasandstein in Form verkieselter Bänke und Schichten innerhalb der Kreideplateaus der Umgebung an. Es hat quarzitischen bis jaspisartigen Charakter und dürfte wohl für einen großen Teil der ostafrikanischen Steppenprovinz das einzige Gestein sein, das zur Herstellung von Werkzeugen geeignet ist. Es ist aus diesem Grunde in der immerhin beschränkten — südlich des Matandu be- ginnenden und bis über den Rovuma hinaus in relativ schmalem Streifen hinter dem unmittelbaren Küstenlande sich ausbreitenden — Zone der Kreideplateaus Deutsch-Ostafrikas eine Anreicherung der vor- und urgeschichtlichen Werkplätze und wohl auch Siedelungen zu erwarten. Zugleich aber wird es durch die ausgezeichnete Stufen- gliederung der jüngeren (diluvialen) hier in Betracht kommenden Ablagerungen (Mikindanischichten und jüngere Terrassenbildungen der Täler und an der Küste) ermöglicht, an verschiedenen Stellen etwa gefundene Artefakte chronologisch zu ordnen und so in ihrer Gesamtheit sicherer, als es sonst möglich ist, mit europäischen und anderweitigen Funden zu vergleichen. Aus diesem Grunde scheint es mir besonders notwendig, auf den vorliegenden Fund aufmerksam zu machen und den Wunsch zu äußern, daß, sobald möglich, systematisch nach Steinwerkzeugen in den Schottern und 42 NE. Werth: Die ersten Spuren des fossilen Menschen in Deutsch-Ostafrika. Sanden der verschiedenen Talstufen des Tendagurugebietes gesucht werden möge. Einstweilen stellt der Fund vom Tendaguru den ersten Pfeiler einer Brücke dar zwischen den Altpaläolithfunden Südafrikas (am Orange, Sambesi usw.) und denen des Samalilandes, die wiederum zusammen mit solchen am Nil, in Tunesien, Algerien, Marokko, im Nigergebiet und im Kongobecken bereits ein ganzes Netz über den afrikanischen Kontinent bilden. Wenn auch, ab- gesehen von Europa mitsamt Vorderasien, in den übrigen Erdteilen die bekannten Fundstellen altpaläolithischer Steinwerkzeuge im allgemeinen noch in weiterer Zerstreuung sich finden, so sind doch auch über ganz Asien und sogar über Amerika einzelne Funde bekannt. Es gehen dabei allerdings die in der Literatur vertretenen Meinungen über die Abschätzung der Fundobjekte so auseinander, daß es oft nicht leicht ist, Paläolithisches vom Jüngeren zu trennen. Immerhin steht eine so große Zahl von Fundplätzen als sicher altpaläolithische fest, daß man — abgesehen vielleicht von Amerika — schon jetzt von einer fast erdumspannenden Verbreitung des Menschen in so früher Vorzeit sprechen kann. Mag es selbstverständlich nicht von vornherein sicher sein, daß jede Kulturperiode des Paläolithikums in allen Erdteilen gleichzeitig begonnen und auf- gehört hat, so sind doch, wenn wir das ältere Paläolithikum als Chell&o-Moust6rien im ganzen zusammenfassen, vorderhand auch keinerlei Gründe vorhanden, die uns anzunehmen zwingen, daß diese Gesamtperiode nicht im großen ganzen überall auf der Erde zeitlich zusammengefallen sei. Das würde natürlich auch auf eine un- gefähre Gleichheit der Gesamtmenschheit in jener frühen Zeit schließen lassen. Der gleichen Kulturstufe würde in Europa wie anderswo die gleiche somatische Entwicklungsstufe des Menschen, die gleiche „Rasse“, entsprechen. Das eröffnet uns aber ganz neue oder wenigstens bisher kaum beachtete Gesichtspunkte für die Be- urteilung der Entwicklung der heutigen Menschheit aus der fossilen Neandertalrasse des Chell&o-Mousterien heraus und ihrer Spaltung in die große Rassenmannigfaltigkeit, die wir heute auf der Erdoberfläche beobachten. Möge auch nach dieser Forschungs- richtung hin der Fund auf dem Tendaguru den Anstoß zu neuen Untersuchungen geben. PAUL MATScHIE: Die von O. Finsch bei Port Moresby gesammelten Kängurus. 43 Die von 0O. FINSCH bei Port Moresby in Südostneuguinea ge- sammelten Kängurus. Von PıuL MATscHIE. Mit Beobachtungsangaben von O. Fınsch. Vor 28 Jahren hat OLvr. T#omas in seinem Catalogue of the Marsupialia and Monotremata, London 1888, 42 unter Macropus agilis Gounp drei Namen als gleichartig aufgezählt: Maecropus papuanus Pras. Dor., Halmaturus crassipes Raus. und H. jardıinei DE Vs. M. agilis stammt von Port Essington in Nordaustralien, H. jardinei vom Kap York in Nordqueensland, H. crassıpes von Port Moresby und M. papwanus von der Küste gegenüber der Yule-Insel am Hall-Sund, letztere beide aus Südostneuguinea. Tuomas war es allerdings nicht entgangen, dab 4 von K. Broapgent bei Port Moresby gesammelte Kängurus einige Unterschiede gegenüber solchen aus dem nördlichen Australien be- saßen, aber er hielt diese Merkmale nicht für genügend, um eine artliche Trennung anzuerkennen (l. c. 44). . Dieser Ansicht wurde länger als zwanzig Jahre hindurch nicht widersprochen, und es galt als sichere Überzeugung, daß in Nord- australien und auf Neuguinea eine und dieselbe Form des mittel- großen Kängurus, des großen Wallabies der Engländer, lebe. Für diese Gruppe der Kängurus hat TRoUEssarT in seinem Catalogus Mammalium, Suppl. IV, 1905, 834 den Namen Wallabia ‚vorgeschlagen. JENTINK zählte noch im Jahre 1809 in Nova Guinea: Resultats de l’expedition scientifigque ne&erlandaise & la Nouvelle Guinee, IX. Zool. auf Seite 3 Halmaturus agilis GouLn als einzige größere Känguruart von Neuguinea auf. Erst ein Jahr später suchte E. Schwarz in den Ann. Mag. Nat. Hist. (8) V, 1910, 165 nachzuweisen, daß jardıner und pa- puanus als Subspezies abgetrennt werden müssen, und unterschied Macropus agilis GouLnp vom Arnhemland in Nordaustralien, Maero- pus agilis jardinei Dr Vıs von Nordqueensland und Macropus agılıs papuanus von Südostneuguinea. Außerdem fügte er die Beschrei- bung einer vierten Form: M. agilis aurescens von Nordwest- australien hinzu. Halmaturus erassipes Raums. blieb für Schwarz gleichartig mit pa- puanus, er hat auch nicht versucht, ein Urteil über die Vereinigung beider Formen zu begründen. Das soll nun nachgeholt werden. 44 PAuL MATSCHIE. _ — — nn E. Pıerson Ramsay, der damalige Kurator des Australischen Museums in Sydney, hat in den Proc. Linn. Soc..New South Wales, I, 1876, 162—164 eine Känguru-Art unter dem Namen Halmaturus crassipes neu beschrieben nach einem jungen O, welches BROADBENT und Prrrerv, und einem alten JS, das Gorvıe aus der Umgebung von Port Moresby in Südostneuguinea gesammelt hatten. Über das junge © sagt er u. a. folgendes: General colour, vellowish sandy-brown, deeper on the upper surface where, on the back it is pencilled with black hairs most conspicuously on the dorsal ridge, the hairs being chiefly black at the base and tip, yellow on the central portion; the under surface witish grey; the back of the neck and rump of a yellowish tinge; ears, margined outwardly and tipped with black.... Hairs on the sides, yellowish with black and grey tips. The yellowish-brown of the rump ex- tends conspicuously along the upper part of the tail for about one- third of its length, after which it fades into an ashy-grey; on the sides and under the surface a line extending along the apical third of the tail below and tips blackish. Das 3 wird ähnlich beschrieben. | Für die Ohren gibt er die Maße 1,9:2,9 an, für die Länge des Kopfes 7 Zoll; das Ohr ist also wesentlich kürzer als die Hälfte des Kopfes. Das JS soll braune Schwanzwurzel und schwärzliche Hände und Fübe haben, sonst aber dem o sehr ähnlich sein. Ganz anders klingt, was Prrers und Dorıa in den Ann. Mus. Civ. Genova, VII, 1875, 544 von ihrem Macropus papuanus sagen. M. rhinario brevipiloso, septo narium nudo; auriculis elongatis longitudine dimidii capitis; cauda elongata, basi pilosa, parte reliqua brevi setosa, squamosa, annellata. Supra ochraceus, nigro-adspersus, lateribus pallidioribus; subtus albidus. Auriculis interne pilis sparsis albidis, externe nigris vestitus. Labiis, mento, pedibus caudaeque apice albis. Long. capitis: LO em, Long. auris: 5,6 em; Lat. auris: 3,2 cm. Hab. Extremitas Nova Guinea orientalis, prope insulam Yule (ab indigenis Roro appellatam). In derselben Zeitschrift, XVI, 1881, 684 wird von denselben Verfassern u. a. angegeben, daß die Außenseite der Ohren beinahe ganz mit schwarzen Haaren bedeckt ist, einschließlich des oberen Öhrrandes. Auf Taf. XV und XVI ist das ganze Tier farbig und der Schädel in drei Ansichten dargestellt. | M. papuanus beruht auf einem jungen Q, welches D’ALBERTIS und Tomasmervı dort in der Nähe des Hall-Sundes gesammelt hatten. Die von O. Finsch bei Port Moresby gesammelten Kängurus. 45 Nach diesen Beschreibungen darf man crassipes nicht für gleich- artig mit papuanus halten. M. crassipes ist auf dem Rücken dunkel gelblich sandbraun, in der Wirbelgegend schwarz gestrichelt, auf den Körperseiten gelblich mit schwarzen und grauen Spitzen, hat Kurze, die halbe Kopflänge nicht erreichende Ohren, deren Rand und Spitze nur schwarz sind, und schwarze Haare auf der Unterseite der Schwanz- spitze und auf der Spitze selbst. M. papuanus ist auf dem Rücken ockergelb, schwarz besprengt, auf den Körperseiten blasser, hat lange Ohren, die länger sind als die halbe Kopflänge und deren Außenseite fast ganz schwarz ge- färbt ist, und eine weißliche Schwanzspitze. Aus den Sammlungen von OÖ. Fmsc# hat das Berliner Zoo- logische Museum 3 Tiere der Untergattung Wallabia im Besitz, ein fast ausgewachsenes 9, Nr. 6032, ein junges ©, Nr. 6033, und ein ganz junges ©, Nr. 6054. Die 3 Tiere sind aufgestellt, zu allen sind die Schädel vorhanden. Sie stammen aus der Nähe der Forschungsstelle Humboldtsheim bei dem Dorfe Kohoromuni im Koiäri-Lande, nicht weit von der Einmündung des Goldie-Flusses in den Laroki oder Laloki, der mit dem Vanapa zusammen in die Redscar-Bucht fließt. Das 9 ist dort am 23. Mai 1882, das ältere © am 3. ‚April 1882 erlegt worden. Außer diesen dreien hat O0. Fınsch noch mehrere andere am gleichen Fundorte und näher an Port Moresby heran durch den Sammler Huxsteın erlangt, von denen er zwei in seinen Aufzeichnungen in folgender Weise genauer beschreibt. „Makani“, das d: „Tapari“, das ©: „Miara“. Nr. 251 oO ad. 2. II. 1881. Bei Port Moresby. Es hatte ein Junges im Beutel, das noch nackt, 21 cm lang und düsterfleisch- farbig war. | Vorherrschende Färbung rehbräunlich (ähnlich dem Sommer- kleide des Rehbocks), aber nicht so dunkel, auf dem Hinterrücken und Kreuz am dunkelsten und lebhaftesten, längs dem Rücken mit schwärzlichen Haaren untermischt; Außenseite der Beine heller, schmutzig bräunlich weiß, ebenso die Körperseiten; Kehle und übrige Unterseite noch heller, fast weiß, ebenso die Innenseite der Hinterschenkel, eine Art Spiegel, die Hinterbacken zu beiden Seiten des Afters säumend und die Basis der Schwanzunterseite und ein ungefähr 3° langer, an der Basis ca. 2‘ breiter, mit der Spitze schief nach aufwärts laufender Streif auf der Mitte des ÖOber- schenkels. Vom vorderen Augenrande bis nicht ganz zum Nasen- 46 PAuL MATSCHIE. loche ein dunkelbrauner Streif; unterseits die Kopfseiten weißlich wie die Unterseite; die Backen rehbräunlich und in eine schmale Spitze bis zum Mundwinkel ausgedehnt. Lippen bräunlich, kurz behaart, wie die Oberseite der Zehen; Ohr breit, ca. 8“, schwarz umrandet, innen fast nackt, fleischhell; nur der innere Rand spärlich mit hellen Haaren besetzt; Nasenlochränder und untere Hälfte der Nasenkuppe nackt, schwärzlich; obere Hälfte sehr kurz behaart. Schwanz ca. 5“ an der Basis dichter behaart, im übrigen sehr spärlich, bräunlichweiß, längs des Rückens rehbräunlich; die Spitze scheint 1” lang dunkel; Unterseite des Schwanzes fast nackt; Ohr abgerundet; Sohlen nackt, gelblichfleischfarben; Krallen schwarz; Iris tiefbraun. Die Färbungstöne der Ober- und Unterseite gehen allmählich ineinander über und sind nur längs den Halsseiten und am Spiegel schärfer begrenzt. Ganze Länge von der Nasen- bis zur Schwanzspitze: 170 cm. Kopflänge: 15 cm; von der Nasenspitze zum vorderen Augen- rande: 74 mm; Längsachse des Auges: 21 mm; vom hinteren Augen- rande bis zur Ohrbasis: 44 mm; Ohrlänge: 8 cm; Ohrbreite: 4 cm; Schwanzlänge: 53 cm, Schwanzumfang an der Basis: 14 cm; Leibes- umfang vor dem Beutel: 61, hinter den Vorderbeinen 36; Hals- länge vom Hinterhaupte zur Schultermitte: 8, von der Schultermitte bis zum Kreuz: 34 cm; Länge der Mundspalte: 4; Schulter bis Ellen- bogen: 14; Ellenbogen bis Handfläche: 13 cm; Länge des Unter- schenkels: 24, des Tarsus: 12 cm, Umfang des Unterschenkels: 20 cm. „Makani“, Nr. 253, jung. Rehfarben, hellrostbräunlich, heller als das alte Tier, auf dem Rücken ebenfalls mit dunklen Haaren untermischt, ebenso auf dem Scheitel; das Rostfahle am lebhaftesten und reinsten auf den Halsseiten; Schultern und Schenkel, Außen- seite der Beine und die Kopfseiten heller als die Oberseite; die Innenseite der Beine und die Unterseite noch heller, fast weiß; der schiefe Streif auf dem Hinterschenkel hellrostweißlich, schärfer ausgeprägt als beim alten Tiere und oberseits von einem verwischten dunklen Streif begrenzt; der dunkle Streif vor dem Auge nicht so deutlich wie beim alten ©, kaum hervortretend; Ohr schmaler schwarz gerandet; Schwanz fast nackt, rattenartig; Nase dunkel; die Ränder der Nasenlöcher fleischfarben; Nägel hornbraun mit hellen Spitzen. Ein anderes etwas jüngeres Exemplar ganz wie das vorher- gehende, vielleicht noch etwas heller. Beide Tierchen scheinen noch zu säugen; denn sie saugen ein- ander an den Ohren und verweigern Gras oder anderes Futter. Die von O. Finsch bei Port Moresby gesammelten Kängurus. 47 Sie sind sehr langsam in ihren Bewegungen und lassen zu- weilen ein leises Fauchen wie Sche Sche hören. Die Makani-Känguruhs aus O. FisnscH’s Sammlungen stimmen also bis auf einen Punkt sehr gut zu crassipes Rams., der ja aus demselben Gebiete beschrieben worden ist. Nur die Ohrlänge stimmt nicht. Wenn hier kein Schreibfehler vorliegt, so müßte Nr. 251 ebenso lange Ohren haben wie W. parryı.. Das Verhältnis der Länge zur Breite des Ohres ist aber ganz anders angegeben als bei papuanus und crassıpes; das Ohr soll doppelt so lang sein wie breit. Bei diesen beiden Arten ist das Verhältnis aber höchstens wie 1:1,75, nämlich bei dem ganz jungen Typus von papuanus. Bei den 3 hier vorliegenden Kängurus aus derselben Sammlung sind die Ohren der allerdings aufgestellten Tiere viel kürzer; bei dem JS von der Incisura zur Spitze mit dem Taster: 5,3 cm; am Außenrande in der größten Länge mit dem Bandmaße gemessen: 6 cm; bei dem jüngeren oO: 5,6 cm bzw. 6 cm, bei dem 9 pull.: 3,8 bzw. 4,2 cm, während die größte Breite mit dem Bandmaße genommen 4,3, 4,3 und bei dem ganz kleinen 2,8 ist, mit dem Taster gemessen: 3,3; 3,4 und 2,4 cm. Daß ein im Fleische gemessenes Känguru-Ohr nach dem Gerben ‚und Aufstellen, trotzdem es gedehnt war, um 2 cm schrumpfen kann, ohne daß man es am Feuer trocknet, ist sehr unwahrscheinlich. Fissch hat ja, wie seine Mitteilungen lehren, sehr sorgfältige Beobachtungen gemacht; aber trotzdem bleibt zu vermuten, dab hier ein Schreibfehler sich eingeschlichen hat oder daß er nicht von der Incisura oder der Ohrwurzel an gemessen hat. Jedenfalls stimmen die 3 Tiere des Berliner Museums mit der von Fıssch gegebenen und auch mit der Beschreibung von crassipes Rams. sonst sehr gut überein und unterscheiden sich von der Ab- bildung und Beschreibung des Macropus papuanus durch die oben schon angegebenen Merkmale, zu denen noch einige andere kommen. M. crassipes ist nicht gelb, sondern gelbbraun mit schwärz- licher Beimischung, die Körperseiten zeigen eine deutliche graue Beimischung und sind nicht nur blasser als der Rücken; die Vorder- und Hinterbeine, letztere von dem hellen Hüftstriche nach unten, sind viel heller als der Rücken und auch noch viel heller als die Rumpfseiten, aber nicht mit diesen gleichfarbig oder sogar dunkler; die Ohren sind kürzer als die halbe Kopflänge und nur am Innen- rande und an der Spitze schwarz; die äußerste Schwanzspitze trägt ebenso wie die Unterseite der Schwanzspitze schwarze Haare. Aber auch im Schädelbau kann man wesentliche Unterschiede nachweisen. Der Typus von papuanus ist sehr jung; außer den 48 PAUL MATSCHIE. beiden Praemolaren ist nur ein einziger Molar vorhanden; die Alveole für den zweiten ist erst durch einen kleinen Spalt geöffnet; der dritte Schneidezahn ist im Durchbruche begriffen. Von den 3 vorliegenden Schädeln hat Nr. 6034 © pull. 2 Schneide- zähne und 2 Lückenzähne im ÖOberkiefer, und die vordere Kante des ersten Backenzahnes ragt aus der Alveole kaum 1 mm hervor. Bei dem jungen © Nr. 6033- sind im Oberkiefer alle 3 Schneide- zähne, 2 Lückenzähne und 2 Backenzähne im Gebrauche, und der 3. Backenzahn ist in demselben Zustande wie der 1. Backenzahn von 6034. Das S Nr. 6032 hat statt der beiden Lückenzähne einen einzigen, der '/, länger ist als der erste der beiden Jugend-Lückenzähne, und 4 Backenzähne, deren letzter an der Wurzel noch weiße Färbung _ hat, also noch nicht lange im Gebrauch war. Der Typus von papuanus ist älter als 6034 und jünger als 6033. Leider fehlen Maße für diesen Schädel und auf der Taf. XVI ist ebensowenig wie in dem Verzeichnisse der Tafeln auf Seite 707 das Verhältnis der Zeichnung zum Schädel angegeben worden. Alle drei Schädel aus Fınscm’s Sammlungen unterscheiden sich von der Abbildung durch folgende Merkmale: Das Intermaxillare drängt sich in einer schmalen, langen zu- gespitzten Zunge zwischen das Nasenbein und Maxillare ungefähr ebenso weit hinein, wie die geringste Breite des Intermaxillare dicht unter der Sutura naso-intermaxillaris beträgt; bei papuwanus ist nur eine ganz kurze Spitze vorhanden. Die Stirn ist sehr schmal; die geringste Stirnbreite hinter dem Auge beträgt bei dem ganz jungen © nur 0,5 mm mehr als '/, der größten Schädelbreite, bei dem jüngeren oO weit weniger als %/, dieser Breite und bei dem älteren 9 noch viel weniger; bei papuanus ist die Stirn schon 1,5 mm breiter als !/, der größten Breite des Schädels. | ‘ Die vorspringende Kante an der Sutura zygomatico-maxillaris bildet mit der Sutura naso-maxillaris einen Winkel von ungefähr 100°; bei papuanus einen Winkel von 110°. | Die Stirnbeine bilden an der Sutura coronalis einen Winkel, der schon bei 6034 ein rechter ist und mit höherem Alter immer spitzer wird, aber nicht eine fast gerade Linie wie bei papuanus. Also auch der Schädelbau zeigt wesentliche Unterschiede zwischen dem Känguru der Gegend von Port Moresby und demjenigen vom Hall-Sunde. Wallabia papuanus (Prrs. Dor.) und W. crassipes (Rans.) sind zwei verschiedene Arten, so verschieden, daß man sie ruhig mit 2 Namen bezeichnen darf. Wer 3 Namen liebt, muß DD ie a. I = Die von O. Finsch bei Port Moresby gesammelten Kängurus. 49 Macropus agilis papuanus Prrs. Dor. von Macropus agilis erassipes Raus. trennen. Bei dem fast ausgewachsenen JS ist der Hinterfuß, ohne Kralle gemessen, 202 mm lang gegen 218,4 bei dem größten JG, das Ramsay gemessen hat (Proc. Linn. Soc. N.-S.-Wales, IV, 1879, 87), der Schwanz 61 cm lang gegen 68 cm bei dem größten JS des Sydney-Museums. Der Schädel dieses S Nr. 6032 hat folgende Maße: Basallänge: 1245 mm; größte Breite: 72,5; Breite am Hinterrande von 1®: 185; am Außenrande von M?: 40,7; Länge des Palatum: 85; Diastema: 28; größte Länge des Nasale: 56; seine größte Breite: 8,2; seine geringste Breite: 6,2; Breite des Intermaxillare an der Sutura naso-intermaxillaris: 22: seine geringste Breite 3 mm unter- halb dieser Naht: 8,3; geringste Stirnbreite: 14,2; Länge des Lücken- zahnes im Oberkiefer am Alveolenrande: 9; auf der Krone: 10,5 mm; Gesamtlänge der 5 Backenzähne im Oberkiefer: 44 mm; Länge der 3 oberen Schneidezähne zusammen: 16,5 mm. Aus der Nähe von Port Moresby sind noch folgende Kängurus beschrieben worden: Macropus jukesii MıkL.-Macr., M. gracilis Mıkr.-Macr., Dorcopsis beccarii Mıkı.-MacuL., D. macleayı MIKL.- Macr. und Dendrolagus dorianus Rams. Über M. jukesii und graeilis kann hier nur das gesagt werden, was auf Grund der ersten Beschreibungen zu erkennen ist. MIKTLUCHO- Macray sagt selbst, daß beide nur sehr geringe Unterschiede zeigen; das Haar von gracilis sei etwas brauner als das von jukestt, das Verhältnis der Länge von Schwanz und Rumpf und die Verteilung des Haares auf dem Schwanze sei verschieden, jukesti habe keine weiße Schwanzspitze und gracılis besitze eine solche. Da jukesiı auf ein 0, gracılis auf ein JS begründet ist und beide aus den Bergen in der Nähe von Anuabada (Port Moresby) stammen, so läßt sich der Verdacht nicht abweisen, daß beide eine und dieselbe Art bezeichnen. Der Typus von M. jukesii ist, wie die Abbildung des Schädels Fig. 1—6 auf der Taf. 39 der Proc. Linn. Soc. N.-S.-Wales, IX, 1885 zeigt, ein junges Tier. Im Oberkiefer sind erst zwei Molaren außer den beiden Praemolaren entwickelt. MIKkLucHo - Macray sagt (l. c. 891), daß es ein O sei. Der Typus von gracilis ist aber ein JS (l. ce. 894), und wie die ziemlich stark abgekauten Schneidezähne zeigen, ein ziemlich altes Tier. Das 9 ist denn auch viel kleiner als das C. 50 PAUL MATSCHIE. Die Unterschiede in der Schwanzlänge besagen nichts: denn aus Tomas’ Catalogue of Marsupialia, 1888, 51 ersehen wir, daß bei einem J derselben Untergattung Thylogale von den Aru-Inseln der Kopf und Rumpf über 43 cm länger ist als der Schwanz, bei einem Q von demselben Fundorte nur 19,5, ferner (l. c. 56) daß für ein S von Th. tethidis der Schwanz 28 cm länger als der übrige Körper ist, bei dem oO von derselben Insel nur 21 cm. Zwischen jukesii und gracılhıs ist der Unterschied dieser Ver- hältnisse 5,5 em. Auch die Schwanzbehaarung dieser beiden Spezies ist nicht so sehr verschieden. Für M.jukesu wird (l. c. 892) ge- sagt: „Tail slender, on the under side nearly bare, on the upper side covered with short dark hair. No white tip of the tail;* und für gracılıs (l. c. 894): „One third of the upper side covered with dark grey hair, on the other two third hair scarce, on the under side nearly bare. The white tip of the tail is quite distinct.“ Beide Tiere sind aufgestellt; es ist also nicht ausgeschlossen, daß bei der Herrichtung der Schwanz des S etwas kahl geworden ist. Die weiße Schwanzspitze bei dem & bleibt also als einziger wesentlicher Unterschied vorläufig übrig, über dessen Wert nur unmittelbare Vergleichung der Typen entscheiden. kann. Jedenfalls wird es sich empfehlen, M. gracılıs Miıkı.-Macı. vorläufig mit einem ? zu M. jukesiw Mıkı.-Macr. zu stellen. Die Verwendung des Namens gracılıs empfiehlt sich übrigens schon deshalb für diesen Fall nicht, weil es einen Macropus gracilis GoULD (Proc. Zool. Soc. 1844, 103) in derselben Untergattung bereits gibt. M. jukesii ist 3 Seiten früher beschrieben als gracılis; diesen ersteren Namen würde man also annehmen müssen. Über Dendrolagus dorianus Rams. ist in neuerer Zeit eine ausführliche Arbeit von ALBERTINA CArusson in den Zool. Jahrb. Syst. XXXVI, 1914, 547—617, Taf. 20—22 erschienen. Diese Arbeit ist vorwiegend anatomisch und enthält eine große Menge sehr wertvoller Beobachtungen. Deshalb ist es nicht unwichtig, festzustellen, ob die Bestimmung als dorianus wirklich zweifelfrei erscheint. Für diese Prüfung geben die Fig. 3—6 auf der Taf. 20 einen genügenden Anhalt. Die Abbildungen des Schädels weisen auf ein ziemlich junges Tier hin; hinter den beiden Lückenzähnen sind zwei Backenzähne entwickelt, der dritte aber erhebt sich eben über den Rand seiner Alveole. Der Schädel hat eine sehr schlanke Schnauze, stark gewölbte Stirn und am hinteren Ende ziemlich gerade abgeschnittene, schlanke Nasenbeine. Der erste Schneidezahn ragt nur wenig über den Die von O. Finsch bei Port Moresby gesammelten Kängurus. 51 zweiten heraus; er kann auch bei höherem Alter nicht mehr aus der Alveole herauswachsen; sonst würden die Alveolenränder ihn nicht so fest umschließen. Außerdem müßte er auf der hier vor- liegenden Entwicklungsstufe schon sehr viel länger sein. Da der erste Schneidezahn den zweiten nicht wesentlich über- ragt, darf der fragliche Schädel nicht als dorianus angesprochen werden. Denn das ist ja ein sehr bezeichnendes Merkmal für dorianus und auch für nofatus MrscHh. Außerdem stimmen diese beiden Arten in der großen Breite der Nasenbeine überein (vgl. Waıte, Rec. Austr. Mus. II, 85, Taf. XIX). Auch die roten Baum- kängurus bürgersi und flavidior, haben diese breiten und verhältnis- mäßig kurzen Nasenbeine. Zu bennettianus und den grauen Baumkängurus, inustus, sorongensis!), keiensist), darf man das fragliche Stück auch nicht stellen, weil bei ersterer Art die Nasenbeine am hinteren Ende ausgehöhlt sind, bei letzteren spitzwinklig in die Stirn vorspringen. So bleiben von denjenigen Arten, deren Schädel beschrieben oder im:-Berliner Museum vertreten sind, nur ursinus, leucogenys!) und lumholtzi übrig. D. lumholtzi hat viel breitere Intermaxillaria, eine weniger gewölbte Stirn und schmälere Nasenbeine. Mit ursinus und lewcogenys hat der Schädel größere Ähnlichkeit. Bei leucogenys sind aber die Nasenbeine hinten sehr breit und in der vorderen Hälfte sehr verschmälert, der Schädel von ursinus zeigt jedoch, abgesehen von der geringen Wölbung des Scheitels, die allergrößte Ahnlichkeit. Das hat A. Carusson (l. c. 578) auch selbst schon gefunden. Ob nun wirklich ursinus in Frage kommt, was aber wegen der anderen Wölbung der Hirnkapsel fraglich erscheint, oder ob eine bisher noch nicht beschriebene Art vorliegt, läßt sich vorläufig nicht entscheiden. Aus der Gattung Dorcopsis sind 2 Arten von Port Moresby beschrieben worden: D. beecarii MıxnucHo-Macray aus den Bergen in der Nachbarschaft von Hanuabada (Proc. Linn. Soc. N.-S.-Wales, X, 1885, 146, Taf. XX, 1--4) und D. macleayi Mıkı.-MacL. aus dem Hinterlande von Hanuabada (I. e. 149, Taf. XX, 5—9). "Tmomas vereinigt in seinem Catalogue of Marsupialia, 1888, Dorcopsis beccarii und luctuosa und behandelt macleayi als besondere Art. D. beccarii ist sicherlich D. luetuwosa ähnlich, aber ob man beide in eine zusammenziehen darf, müßte doch sorgfältig geprüft werden. 1) Mitt. Zool. Mus. Berlin, 1916, Bd. 8. Heft 2 (im Druck). 4* 52 _ PauL MATSCHIE. D’ALgerrıs hat das Tier, auf welchem die Beschreibung von Halmaturus luetuosus D’Augerris (Proc. Zool. Soc. 1874, 110) be- ruht, von einem Matrosen des Kriegsschiffes Basilisk gekauft und macht darüber u. a. folgende Mitteilungen: The fur is short; its general colour dark ashy brown with a silvery tinge, white at the roots; chin, throat, and chest white, with two horizontal ashy stripes under the pouch; on the top of the head a silvery-white spot; the thighs more grey; feet dark, almost black; the arm white inside; the hand black. The tail moderately strong, of a similar colour to the body, but white and bare of chairs for about an inch at the extremity. The lips are barely covered with fur; the eyebrows are puffed, almost nacked, and provided with eyelids so fine as not be readily at first sight. Habitat. S. E. of New Guinea. P. L. Scrater hat ]. c. 1874, 247, Taf. XLII dieses Tier, das D’ArLserrıs dem Zoologischen Garten in London übergeben hatte, abgebildet und seine schmale verlängerte Schnauze, die kurzen Ohren und die nackte Schwanzspitze hervorgehoben. Das Bild zeigt ein sehr dunkles Tier mit leuchtend weißer Unterseite. GARRoD hat dann (l. ec. 1875, 49—58, Taf. VII—IX) das- selbe Tier, nachdem es über ein halbes Jahr im Londoner Garten gewesen und am 24. XI. 1874 gestorben war, einer genauen Unter- suchung unterzogen und darüber berichtet. Er stellt 4. luetuwosus zur Gattung Dorcopsis, weist nach, daß der silberweiße Fleck auf dem Kopfe nur dann sich zeigt, wenn die Haare gegeneinander gebürstet werden, nennt die Färbung der Oberseite des Rumpfes schwärzlich mit silbernem Schein und sagt, daß vom Kinn bis zur Schwanzwurzel eine breite weiße Binde die ganze Unterseite mit Ausnahme der Gegend zwischen dem Beutel und der Geschlechts- öffnung bedeckt; nur diese Stelle sei schiefergrau. Aus der Abbildung des Schädels ist zu entnehmen, daß die Nasenbeine hinten fast gerade abgeschnitten, ziemlich schmal und nicht viel länger als die Stirnbeine sind, wenn man an der Mittel- naht mißt. Die geringste Höhe des Schädels über dem Diastema ist noch nicht halb so groß wie die geringste Entfernung der Augenhöhle von dem freien Rande des aufsteigenden Astes des Zwischenkiefers. Der Processus coronoideus ist so hoch wie die Länge der Backenzahnreihe. Die Höhe des Unterkiefers am Hinterrande des großen Lücken- zahnes ist ungefähr so groß wie die vereinigte Länge des zweiten und dritten unteren Backenzahnes. Die von O. Finsch bei Port Moresby gesammelten Kängurus. 53 Alle diese Merkmale finden sich bei dem Schädel eines alten JS, das D’Anserris bei Epa in der Nähe des Hall-Sundes gesammelt hat, Nr. 22717, und ein ganz junges C aus derselben Gegend, Nr. 5665/22716, stimmt mit D’ALgerrıs’ Beschreibung sehr gut über- ein; ihm fehlen nur die aschgrauen Streifen unter dem Beutel. Das erklärt sich aber aus seinem Geschlecht. Dagegen paßt die Beschreibung, welche Tromas (l. c. 90) von luctuosa gibt, gar nicht auf dieses Stück: es hat kein braunes Kinn und keine graue Färbung auf der Unterseite, sondern ist dort Ba weiß und hat auch weiße Wangen. Das Bild in den Proceedings 1874, Taf. XLII ist nur viel dunkler. Möglicherweise verlieren diese Tiere mit höherem Alter die helle Bestäubung immer mehr und mehr und werden so dunkler. Das von ScLater abgebildete 9 war ja schon ziemlich erwachsen, der letzte Backenzahn brach gerade durch und der große Lücken- zahn ist schon gewechselt worden. Man darf wohl annehmen, daß bei Epa wirklich Dorcopsis luc- tuosa D’Aus. vorkommt. Dagegen muß bezweifelt werden, daß die D. luetuwosa Tmuomas, Cat. Mars. 1888, 90 von Aleya wirklich zu dieser Art gehört. Den Namen Aleya auf der englischen General- stabskarte von Britisch-Neuguinea zu finden, ist nicht gelungen; nur ein Fluß Lealea bei Port Moresby war verzeichnet. Wahr- scheinlich handelt es sich um diesen. Wenigstens stimmt die von Tmomas gegebene Beschreibung sehr gut bis auf die Einzelheiten auf die 3 Dorcopsis, welche aus den Sammlungen von O. Fınsch im Berliner Museum aufbewahrt werden: SO ad. Nr. 6035/22720, JS juv. mit fertig gewechseltem Lücken- zahne und eben am Alveolenrande erscheinendem vierten Backen- zahne, Nr. 6037/22722 und © juv. mit den beiden Lückenzähnen des Jugendgebisses, zwei fertigen und einem dritten, eben aufsteigen- den Backzahne Nr. 6036/22721; sie sind am 26. und 27. Mai 1882 bei Humboldtsheim am Laloki-Flusse in der Nähe der Mündung des Goldie erlegt worden. Sie unterscheiden sich durch die graue Brust und die dunklen Wangen von der echten luctuosa. Und zu der- selben Art gehören sicher auch 2 von WEIıskE entweder am Camp- Welch-Flusse oder in den Astrolabe-Bergen gesammelte Tiere, ein altes 9, Nr. 11521/22718, und ein ganz junges ©, Nr. 11517/22719. Auch im Schädelbau zeigen alle diese Tiere gegenüber den beiden Stücken von Epa gewisse Abweichungen. Die Nasenbeine sind am hinteren Ende nicht gerade abge- schnitten, sondern schieben sich bogenförmig oder rechtwinklig etwas in die Stirnbeine hinein; sie sind ziemlich breit und bei halb- 54 PAUL MATSCHIE. wüchsigen Schädeln schon 6 mm, bei ausgewachsenen 8-10 mm länger als die Stirnbeine, an der Mittelnaht gemessen. Die Ent- fernung zwischen der freien Spitze der Nasenbeine und der Stelle, wo Stirnbein, Nasenbein und Öberkiefer zusammenstoßen, ist bei Iwetuosa höchstens 1 mm kürzer als die Länge der Nasenbeine an der Sutura nasalis, bei der Port-Moresby-Form mindestens 4 mm kürzer. | Die geringste Höhe des Schädels über dem Diastema ist größer als die Hälfte des geringsten Abstandes zwischen der Augenhöhle und dem freien Rande des aufsteigenden Zwischenkieferastes. Der Hinterrand des Processus coronoideus ist bei älteren Schädeln fast gerade und nicht gebogen wie bei luctuwosa, und dieser Processus ist wesentlich höher als die Länge der Backenzahnreihe. Die Höhe des Unterkiefers am Hinterrande des großen Lückenzahnes ist viel größer als die vereinigte Länge des zweiten und dritten untern Backenzahnes. Die Dorcopsis von Port Moresby scheint also anders auszusehen und einen anderen Schädelbau zu haben als diejenige vom Hall- Sunde. N. von MıxrucHo-Macray hat in den Proc. Linn. Soc. N. S. Wales X, 1885, 146 unter dem Namen Dorcopsis bececarii aus der Nachbarschaft von Hanuabada (Port Moresby) eine Art beschrieben und auf Taf. XX, 1—4 den Schädel eines ausgewachsenen © abge- bildet; sie stimmt mit den hier besprochenen gut überein. Das größte Tier der Berliner Sammlung, das JS von den Astro- labe-Bergen, Nr. 11521/22718, hat eine Gesamtlänge von 160 cm, wovon der Schwanz 67 cm einnimmt. Die Ohren sind 5,2 cm lang, der Hinterfuß ohne Kralle 12 cm, die Kralle der größten Zehe 17 mm. Sehr auffallend ist bei allen vorliegenden Stücken die glänzend weiße Färbung von Kinn, Kehle und Analgegend gegenüber der grauen Färbung der Brust und der oberen Bauchgegend. . Die wesentlichsten Maße der Schädel sind in der folgenden Übersicht zusammengestellt; nur solche Schädel wurden gemessen, die das vollständige Gebiß haben. Hinzugefügt sind die Maße für einen Schädel von D. macleayı, ein © mit vollständigem Gebiß, aber offener Sutura basilaris, Nr. 22726: 6) 2? 2? 6) 22718 |22720 |22717 |22724 [22723 [22726 Basallänge .. . 3 an 109 | 107,1 | 106,5 | 101,4 | 99,8 | 75,6 Größte Breite ‘.. 4:72 eine 57,8 I 53,8 151,2 1 51,5 7 512 7 252 Breite am Hinterrande von J? . .| 14 12,6 | 10,7 12 11.55.3328 Breite am Außenrande von M? . .| 31,8 | 31,8 | 30,4 | 30,6 | 30,1 24 Die von OÖ. Finsch bei Port Moresby gesammelten Kängurus. 55 6) 6) 6) r ? 6) 22718]22 720|22717122724 | 22723 | 22 726 Bange des Palatum: . ... ..:....} 68,5 | 64,9 66 | 63,1 | 62,6 | 47,3 ae 23 24 24 22,5 | 21,5 | 15,2 Länge der Sutura nasalis . . . . 53,2 | 51,5 47 46,5 | 46,7 36 Entfernung der freien Spitze a Nasenbeine vom Berührungspunkte des Nasale, Frontale und Maxillare | 45,3 46 45 41,5 I 49,5 30 Größte Breite der Nasalia . . .]| 15,3 | 16,3 | 12,5 15 13,5 | 10,4 Geringste Breite der Nasalia . . . 10 10,8 9,3 10,5 9 7,9 Breite des Intermaxillare an der Su- tura naso-intermaxillaris ei 19 14,2 15 11,5 Seine geringste Breite 3 em da- Bey. en 93 a 0 Da ae rn ar Geringste Stirnbreite - . . . 16.62.17185.5.232’1:165 | 169 412,9 Länge des oberen Flakanzahnes an der Alveole . . .. . SE AH PERS 13 117 :7.422.78,9 Länge desselben an der Kati ge-| ie tesn ie 12,6 | 12,3 | 13,5 | 12,2 | 12,8 8,6 Länge der 5 oberen Backenzähne zusammen . . .- 5 a 1 9,35 55 36,5 I 27,5 Länge von M» und = zusammen .| 11,4 | 11,2 12 114.%::77,9 g Abstand der Augenhöhle vom vor- deren Ende der Sutura naso-inter- maxillaris . . . 40,3 4l 39,4 1 37,11 38 27,8 Höhe des en: am Eis rande von Pm, . . . 15,2 15 12 1% 18,1 9.9 Geringste Höhe des Schädels über sm Fasten ak 6, 06 202 25 19,4 | 19,8 ı18,8*)] 15 Höhe des Processus ecoronoideus über der Unterseite des Kiefers 41,8 39 | 36 37,5 | 38,7 | ca. 26 N. von MıXtucHo-Macray hat (l. c. 149, Taf. XX, 5—9) aus dem Hinterlande von Hanuabada noch eine zweite Art der Gattung Dorcopsis unter dem Namen Dorcopsis macleayi beschrieben. Sie soll dunkelbräunlichgrau mit etwas hellerer Unterseite sein. Im Gegensatz zu beccarii ist die Muffel in der Mitte nur mit seichter Furche versehen. Die Ohren sind auffallend klein, sie erreichen nur etwas mehr als !;, der Kopflänge, bei den andern Arten von Dorcopsis aber werden sie ungefähr !/;, so lang wie der Kopf. Das Schwanzende ist etwa 10 em nackt, weiß uud an der äußersten Spitze mit Schuppen bedeckt. *) Hat Spuren eines Schusses am Gesicht. 56 PAUL MATSCHIE. Auf dem vorderen Drittel des Rückens und auf der Stelle, wo der Nacken am Hinterhaupt beginnt, befindet sich je ein Haarwirbel, von denen aus die Haare bis zum hinteren Ende des Nackens eereneinander gekämmt erscheinen, so daß dort eine Linie gegen- einander eesträubter Haare entsteht. Von dem Wirbel auf dem Hinterkopfe bis zwischen die Ohren und zungenförmig auf die Stirn vorgeschoben sind die Haare nach vorn gerichtet und stoßen dort in einer spitzbogenförmigen Linie an die nach hinten gerichteten Haare des Gesichtes. Von dem Wirbel auf dem Rücken nach hinten und gegen die Körperseiten, ebenso von der Achsel an auf den Rumpfseiten sind die Haare nach hinten gewendet, so dab auch hier zwischen Achsel und dem Wirbel auf dem Rücken eine schmale aufrechtstehende Haarkrause gebildet wird. Diese Beschreibung entspricht nicht ganz dem von N. v. MIKLUCHO- Macray gegebenen Bilde, sondern beruht auf einem von WeEISKE in den Astrolabe-Bergen gesammelten Balge, 22725/22726, der viele Merkmale mit der Beschreibung von D. macleayı gemeinsam hat. Man dürfte ihn unbedenklich zu dieser Art ziehen, zumal da er ja auch nahezu aus derselben Gegend stammt, wenn die Angaben über die Färbung besser stimmen würden. „Dark brownish grey, a little lishter on the ventral side,‘ kann man ihn wirklich nicht nennen. Die ganze Oberseite ist rußbraun mit tief schamoisfarbigem Glanze. Die Haare sind rußbraun (Taf. 305,1) mit einer schmalen schamois- farbigen (Taf. 325,2) und glänzenden Binde vor der langen rußb- braunen Spitze. Die Kehle ist sehr hell schamoisfarbig, weiß ver- waschen, die Brust und der Bauch hell havannabraun (Taf. 303,1 des Repertoire de Couleurs von A. OBERTHÜR und H. DAUTHENAY). Der Schwanz und die Beine sind ebenso wie der Rücken gefärbt, die Unterseite des Schwanzes, die Innenseite der Hinterbeine und die Wangen etwas heller, die Innenseite der V orderbeine ist schamoisfarbig. Die Schwanzspitze ist 3 cm weit, sehr kurz und spärlich behaart, so dab dort die in regelmäßigen Ringen stehenden kleinen Pflaster- schuppen stark hervortreten. Die Abbildung des Schädels von D. macleayı auf Taf. 20, 5—9' entspricht im allgemeinen sehr gut dem von WeEIskE ge- sammelten Schädel. Dieser ist nur etwas kleiner, in der größten Länge 7 mm kürzer, und dementsprechend etwas schmäler. Der dreieckige Höcker am hinteren Ende des großen Lückenzahnes des Unterkiefers tritt nicht so auffallend hervor. Sonst sind wesent- liche Unterschiede nicht zu finden. Das Tier von den Astrolabe-Bergen mag vorläufig als D. macleayı bezeichnet werden unter der Voraussetzung, daß die Angabe, welche Die von O. Finsch bei Port Moresby gesammelten Kängurus. 57 N. von MıktucHo-Macray über die Färbung gemacht hat, auf irgend- einem Irrtume beruht. Dagegen darf man diese Art künftig nicht den anderen Dorcopsis- Arten gleichwertig an die Seite stellen; denn sie unterscheidet sich von ihnen durch die beiden Haarwirbel auf dem Hinterkopfe und Oberrücken. durch die seichte Furche auf der Muftel, die sehr kleinen Ohren, die angelegt nicht bis an das Auge heranreichen, und durch die viel geringere Körpergröße. Während die übrigen als Vertreter derselben Art in ver- schiedenen Gegenden angesehen werden müssen, lebt macleayi neben einem der vorigen in demselben Gebiete. Hier liegt wieder einer der zahlreichen Fälle vor, wo eine Form in einer großen und in einer kleinen Ausgabe erscheint. Es wird sich empfehlen, die D. macleayiı als besondere Untergattung aufzufassen, für welche der Name Dorcopsulus brauchbar sein wird. Über die von ihm gesammelten Kängurus hat Herr Professor Dr. 0. Fimsc# die Güte gehabt, folgende Beobachtungen aus seinen Tagebüchern zusammenzustellen und ihre Veröffentlichung in der von ihm gewählten Form zu erlauben: Beobachtungen über Kängurus in Neuguinea — schreibt mir Dr. Fisch — werden durch die Art des Aufenthaltes dieser Tiere (Urwald, dichter Busch (scerub), mit Hochgras be- standene Flächen) außerordentlich erschwert, ja, schon der Nach- weis des Vorkommens läßt sich nicht leicht feststellen. Erkundi- gungen bei den Eingeborenen blieben infolge von Unkenntnis der Sprachen und& deren Zersplitterung (z. B. hat die Astrolabebai allein fünf Mundarten oder Sprachen aufzuweisen) erfolglos. Auch die Ethnologie gibt kaum Anhaltspunkte, da der so mannigfache ein- geborene Gewerbefleiß Rohmaterial von diesen Beuteltieren nur ganz vereinzelt benutzt, dessen Ursprung überdies schwer festzu- stellen ist. Am meisten charakteristisch sind Stirnbinden aus auf- gereihten Zähnen des Makani-Kängurus. Sie Kommen aber nur in beschränkten Gebieten der Bergbewohner (Koiäri und Koitapu) an der Südostküste vor und gelten hier mit Recht als kostbarer Schmuck, da nur die zwei unteren Schneidezähne verwendet werden (s. FınscHh, Ethnol. Erfahrungen S. [94], Taf. [6], Fig. 9 und Süd- seearbeiten S. 175, 199, Abb. 274). In denselben Gebieten wird ausnahmsweise ein Querabschnitt vom Känguruschwanz um das Handgelenk getragen, aber nicht als Bogenschutz. Im übrigen bleibt Kängurufell, das noch am leichtesten als solches erkennbar sein 58 PAUL MATSCHIE. | würde, unbenutzt. Dagegen scheint ein Pfriemen aus Känguru- knochen (wohl Fibula) ein weitverbreitetes nützliches Werkzeug. Auf meinen Pionierfahrten mit dem Dampfer Samoa (1884/85), deren Aufgabe mit Landerwerb zur Begründung von Kaiser- Wilhelms-Land erfolgreich gelöst wurde, lernte ich zwar vom Ostkap bis zur Niederländischen Humboldtbai verschiedene Küstenstriche kennen, konnte aber nirgends Sicheres über Kängurus oder Wallabys erfahren. In meinen reichen ethnographischen Sammlungen ist nur Schmuck von Baumbeutlern (Phalanger orventalıs und P. maculatus), darunter ganze Felle, vertreten. Außerdem erhielt ich am Sechstroh- lub (Tami, nahe der Humboldtbai) einen 67 cm langen Fellstreif, der vermutlich einer unbekannten Art Baumkänguru (Dendrolagus) angehören dürfte und sich (unter Nr. 933 meiner Sammlung) viel- leicht noch in den Magazinen des Museums für Völkerkunde (Berlin) vorfindet. Merkwürdigerweise läßt auch NIKOLAUS von MIKLUCHO-MAcLAY, der Erschließer von Astrolabebai, trotz langen Aufenthaltes, in seinen Notizen, auch über Nahrung der Eingeborenen, Kängurus unerwälhnt, wie (an anderer Stelle) in seinen kurzen Bemerkungen über periodische Treibjagden. Und doch handelt es sich dabei auch hier sicherlich hauptsächlich um Erbeutung dieser Beuteltiere (und Wildschweine), die mit Hilfe des angezündeten trockenen (rases betrieben wird. Auch am äußersten Ostende Neuguineas erlangte ich keinen Nachweis über Kängurus, obwohl ich hier, behufs Gründung der ersten Handelsstation, längere Zeit mit den Eingeborenen verkehrte. Aber von MıktLucHo-Macray erhielt (1879) auf Samarai (Dinner Isl.) ein junges Tier’). Auf den nahen, allerdings sehr gebirgigen Inseln der Gruppe d’Entrecasteaux fehlen Kängurus. Dabei mag beiläufig bemerkt sein, daß hier die Vogelwelt u. a. durch eine ausgezeichnete Art Paradiesvogel (Paradisea decora) vertreten ist, die indes nur auf der Insel Fergusson (Moratau) vorkommt. Im Verlauf meiner ersten Südseereisen (1879/82), die lediglich der Natur- und Völkerkunde galten, glückte es mir, mit Neuguinea befriedigend abzuschließen. Nachdem ich in der Torresstraße lange Zeit auf eine Gelegenheit gewartet hatte, bot sich eine solche unerwartet mit dem kleinen Schuner (nur 14 Tonns) des Naturalien- sammlers Anp«kew GorpıE, von Thursday-Isl. nach Port Moresby ') Von ihm als neue Art: Docropsis Chalmersii beschrieben (Proceed. Linnean Soc. of N. S. Wales vol. IX (1884) Part 3 P1. 19), aber wohl aa wertig mit Macropus luctuosus D’ALBERTIS. (FINSCH). | Die von O. Finsch bei Port Moresby gesammelten Kängurus. 59 hinüberzukommen. Seitdem längst Sitz der Regierung von „Papua“ (Britisch-Neuguinea), war dieser Platz damals Hauptstation der Londoner Missionsgesellschaft, die sich seit 1870 in dieser Zentrale des kleinen Sprachstammes der Motu zuerst niederließ. Port Moresby mit drei Pfahldörfern (darunter Anuapata, Hanubada als größtes) zählte an 1000 Bewohner und ist im Eingeborenen-Tauschverkehr noch heute der wichtigste Platz an der ganzen Südostküste, vor allem durch die blühende Töpferei. Als Küstenbewohner sind die Motu vorzugsweise Fischer, während die unter ihnen siedelnden Koitapı, ein aus dem Innern vertriebener, sprachverschiedener Stamm, mehr Jagd betreiben. Man sah sie daher gelegentlich mit Beute — Kängurus — heimkehren, die aber bereits zerlegt und schwach angeröstet ankam. Für Museumszwecke brauchbare Tiere konnte ich daher durch sie nicht erlangen. In der unmittelbaren Nähe des von steinigen Hügeln um- kränzten Port Moresby!) fehlten Kängurus schon damals. Sie kamen aber an dem Fairfaxhafen (Nugu-nugu) genannten westlichen Becken vor. Wenigstens hörte ich hier, im dichten Busch, das beim Hüpfen der Tiere entstehende, charakteristische Aufklappen, das mir aus der Umgegend von Somerset auf der Kap-York-Halb- insel (Queensland) bereits wohlbekannt war. Nach vielen Schwierigkeiten gelang es mir endlich, die nötigen Träger anzuwerben, Bergbewohner des weitverbreiteten Stammes der Koiäri (ebenfalls mit eigener Sprache), die mich nur einige Stunden weit ins Innere zu ihrem Dorfe Kohoromuno brachten. Die wenigen Hütten (auch Baumhütten) waren, der Sicherheit wegen, auf einem Gewirr von Felsblöcken errichtet, an deren Fuß ich mein Standlager Humboldtsheim ?) mit der deutschen Flagge auf- schlug, nicht weit vom Laloki (Laroki, von Cuaumers auch Laroge und Usborne R. bezeichnet), einem reißenden Gebirgsfluß, ähnlich der heimischen Bode. Trotz aller Bemühungen konnte ich aber, wiederum aus Mangel an Trägern, nicht weiter ins Innere als bis zu der verlassenen Missionsstation Mumeri (Mumeli) am Goldiefluß vordringen, einem rechten Nebenfluß des Laloki. Glücklicherweise erwies sich schon Humboldtsheim, mit ab- wechselnd Urwald, Busch und offenem Gelände, als ein reiches Sammelgebiet, in welchem auch Kängurus nicht fehlten. Indes habe ich sie nie „herdenweis“ gesehen, wie CHALMERs, sondern nur in 1) S. LANGHANS, Deutscher Kolonial-Atlas Nr. 27. Schutzgebiet der Neu- guinea-Kompanie Blatt 4. ®) Auf LanGHans’ Karte (s. vorher, Note) verzeichnet, 60 PAUL MATSCHIE. kleinen Trupps von vielleicht einem Dutzend, die in offenem Terrain mit kürzerem Grase, überdies nur gelegentlich und flüchtig auf- tauchten. Sie gehörten zu der größeren, hellrostfahlen Art, dem „Makani“ (Magani) der Eingeborenen (in Motusprache), die außerdem nur noch eine zweite, kleinere, grauschwärzliche Art als „Gowe“ (Gove) unterscheiden. Letztere lebt im Urwalde, bevorzugt hier- besonders die undurchdringlichen Dickichte der stachligen Kletter- palme (Calamus) oder Rotan (Stuhlrohr) und ist schon deshalb kaum zu sehen und schwierig zu erlangen. Auch die Männer von Bohoromuni betrieben Kängurujagd, ließen mich aber nicht daran teilnehmen; wahrscheinlich, weil irgendein berühmter Wahrsager die Anwesenheit des weißen Mannes auf Mißerfolg vorausgesagt hatte. War doch kurz nach meiner Ankunft der einzige weiße Haushahn, der Stolz des Dorfes, eingegangen, dessen Schwanzfedern kostbareren Schmuck als Paradiesvözel lieferten. Das konnte nur der böse Einfluß des Fremdlings verschuldet haben. Ganz richtig! Warum hatte der neugierige Vogel auch Fleisch abgebalgter Tiere gefressen, das mit Arsenikseife in Berührung gekommen war. Da hier, wie im ganzen Südosten von Neuguinea, Pfeil und Bogen unbekannt sind und der Wurfspeer für Jagd kaum in Be- tracht kommt, so bediente man sich weitmaschiger grober Stell- netze, in welche die Tiere getrieben und dann mit Keulen erschlagen werden. Feuer kam dabei als Hilfsmittel schon deshalb nicht in Betracht, weil es in dieser Jahreszeit (Mai) keine trockenen Gras- flächen gab. Übrigens fanden während meines halbmonatigen Aufenthaltes nur zwei Jagden mit wenigen Teilnehmern statt. Die eine verlief ergebnislos.. Bei der zweiten zogen in der Frühe neun Männer aus und kehrten gegen Abend mit 13 Stück Wild heim; darunter zwei alte Makani, die übrigen jüngere Tiere, außerdem eine Gove und eine Wildsau (Sus papuensis!)). Die schnell aus- geweri-leten Tiere wurden zunächst einzeln mit Keulen bearbeitet, dann in der lohenden Flamme schnell entzündeter Feuer abgesengt und, da inzwischen völlige Dunkelheit eingesetzt hatte, zum Schutze gegen die gefräßigen Hunde an Bäumen aufgehangen. Mit Tages- anbruch begann das Zerteilen und Zubereiten des Fleisches, teils durch Kochen in den hier seltenen Töpfen oder zwischen heißen Steinen, wobei ich auch zum ersten Male Wurstmacherei in der Urform kennen lernte. Man drückte nämlich sehr einfach den In- !) Eine zweite von mir entdeckte Art Wildschwein beschrieb ich als Sus niger (Proceed. Zool. Soc. London 1886, S. 217). Die von OÖ. Finsch bei Port Moresby gesammelten Kängurus. 61 halt der Därme aus, stopfte letztere mit Fleischstückchen und ver- zehrte dann das gekochte Erzeugnis als besondere Delikatesse. In ähnlicher Weise wurde Kängurumagen zu Plunzen verarbeitet. Derartige Schmausereien der Männer gehören zu den seltenen Ausnahmen, da die Jagd nur gelegentlich zur Ernährung beiträgt. Während meines Aufenthaltes in Kohoromuni erschienen eines Tages 20 Koitapu aus dem Dorfe Baruni bei Fairfaxhafen, die Känguru- fleisch (4 Säcke voll) gegen Jams eintauschten; jedenfalls Überfluß einer reichen Jagd. Nach meinen Aufzeichnungen erinnert dieses Wildbret an trockenes Hammelfleisch; auch der Schwanz liefert keine bessere Suppe als ein alter Kakadıu. Auch ohne Beteiligung der Eingeborenen konnte ich dem Ber- liner Museum 8 Häute (ein unfertiges Junges- und ein Rohskelett) vom „Makani“ und 5 Häute vom „Gove“2) einsenden, die meist von meinem Begleiter Karı Hunsteım®) erlegt wurden. Dieser unver- gleichliche Sammler gehörte, noch aus der Zeit der ersten Gold- sucher, zu den Pionieren dieses Teiles Neuguineas, in welchem er damals weiter vordrang als irgendein anderer, und war längere Zeit Teilhaber des Sammelunternehmens (+0LDIE’S. Nach den Bestimmungen des Berliner Museums ist die wissen- schaftliche Bezeichnung des „Makani“: Macropus papuanus, PETERS (Halmaturus erassipes, Ramsay), die des „Gove“: Macropus luctuosus, D’Ausertıs. Letzteres wohl gleichartig mit M. Jukesit und M. gra- eılis, die von MiıxtecHo-Macray, hauptsächlich auf geringe Ver- schiedenheiten in der Form der Schneidezähne, nach je einem Stück im Museum William Macleay in Sydney, als neu beschrieb (Proceed. Linnean Soc. of N.S. Wales vol. IX 1884, Part 4, Pl. 39). Beide Stücke stammen von den „hills near Annuabada“ durch Gouoır, also aus demselben Gebiete, in welchem ich sammelte. 2) Außerdem 4 Häute des „Aukin“, der Neu-Pommern und Neu-Mecklen- burg eigentümlichen Känguruart (Macropus lugens ALSTON = M. Brownii, RAMSAY). 3) Ich sicherte diesen ausgezeichneten Kenner von Land und Leuten später für die Neuguinea-Comp., in deren Dienst er bei der großen Flutwelle (im März 1888) an der Küste Neu-Pommerns mit einer ganzen Expedition umkam. 62 KARL W. VERHOEFF. Das Scapobasale der Coleopteren-Antennen. Von Karı W. VERHORFF, Pasing bei München. (Dazu 6 Abbildungen.) Die Antennen der Käfer zerfallen bekanntlich in einen Schaft und eine Geißel. Der Schaft wurde bisher als eingliedrig betrachtet, während die Geißel aus meistens 8—11, seltener einer geringeren Zahl von Gliedern besteht. In typischen Fällen gelten die ganzen Goleopteren-Antennen als elfgliedrig. Der Umstand, daß bei zahlreichen Käfern diese Zählweise mehr oder weniger unrichtig ist, veranlaßt mich zu den nachstehenden Zeilen. Der Grund des Schaftes sitzt bekanntlich in den Antennen- eruben mehr oder weniger tief eingesenkt und wird durch die basalantennale Muskulatur. gedreht. Die Drehung der Antennen ist keineswegs bei allen Käfern dieselbe, vielmehr gibt es einer- seits Formen wie Oarabus, deren Schaft in einem Kugelgelenk sitzt und sich daher allseits frei drehen kann, während anderseits bei Formen wie Lucanus die Drehung eine beschränktere und mehr auf bestimmte Richtungen angewiesene ist. Der Grundabschnitt des Schaftes ist nun in Anpassung an die Antennengrube und gemäb der verschiedenartigen Verwendbarkeit der Antennen bald mehr, bald weniger ausgestaltet und hat bei einer beträchtlichen Zahl von Käfern sich zu einem ganz selbständigen Fühlergliede entwickelt, welches ich als sekundäres Antennengrundglied oder Scapobasale bezeichne. Merkwürdigerweise habe ich in der mir zugänglichen Literatur nirgends etwas über dieses Scapobasale finden können, nur H. J. KorLse gibt es an in seiner „Einführung in die Kenntnis der Insekten in Fig. 79 für Cerambyx und 85 für Pteromalus. Er be- zeichnet es mit „bn“ und nennt es „knopfförmigen Grundteil“ des Schaftes, erwähnt aber sonst nichts darüber und ist auch in seinen neueren Schriften nicht wieder darauf zurückgekommen. Bei denjenigen Käfern, welche wie die Malacodermata und Lymexyloniden auch sonst sich vielfach als primitiv organisiert herausgestellt haben, ist ein Scapobasale nicht vorhanden, viel- mehr sitzt die Schaftbasis in der Gelenkgrube nur wenig tief ein- sefügt. Als Beispiele für die primären Zustände unter den Coleopteren erwähne ich Aylecoetus und Cantharis. | Bei Aylecoetus dermestoides zieht von der Seite des Clypeus eine Leiste gegen die Antennengelenkgrube, setzt sich bis zum inneren Grund der Antennen fort und endigt dicht an dieser als ein kleiner Wulst, der in eine Grube am inneren Grund des Das Scapobasale der Coleopteren- Antennen. 63 Schaftes hineinragt. Das Ende des Wulstes ist durch einen federnden Hebel, der sich nach endwärts an der Innenwand in den Schaft erstreckt, mit diesem verbunden. Der Schaft kann sich vermittels des federnden Hebels passiv um den Wulst drehen. Die Gelenkgruben sind übrigens nur wenig vertieft, daher der Schaft- erund auch nur schwach eingesenkt ist. Fig. 1. Xantholinus linearis. Das 1.—3. (1. 2.) Antennenglied und das angrenzende Stück der Kopfkapsel (ks) von oben gesehen, < 125. Fig. 2. Ocypus similis. Ein scapobasale und der Grund des Schaftgliedes (sca), >< 125. Cantharıs lwvida besitzt große, runde und flache Gelenkgruben. Der Schaft ist vor dem Grunde außen etwas eingeschnürt, ohne daß aber deshalb von einem Scapobasale die Rede sein kann. Er sitzt nur wenig eingesenkt und hängt außen und innen durch einen sehnigen Strang mit der Gelenkgrube zusammen. Der wulstige Rand derselben ist außen durch eine Lücke unter- brochen und vor dieser zu einem Knopf verdickt. Der außen zu einem abgerundeten Zapfen verdickte Schaftgrund greift mit diesem in jene Lücke ein und stützt sich auf den genannten Knopf. Cantharis 64 KARL W. VERHOEFF. sehr ähnlich verhält sich Epilachna argus, welche durch Fig. IV erläutert wird. Der Zapfen am Schaftgrund außen ist recht kräftig entwickelt und greift wieder in die Lücke des Gelenk- grubenrandes. Eine Einschnürung hinter dem Schaftgrund ist wiederum nur außen gegeben. Als sekundäres Verhalten der Antennen ist dasjenige zu betrachten, welches durch äußerlich deutlich eingeschnürtes Ende des Scapobasale angezeigt wird, d. h. dieser Grundabschnitt des Schaftes hängt zwar fest mit ihm zusammen, ist aber durch eine ringartige Einschnürung stark abgesetzt, was im Profil sowohl innen als auch auben bemerklich wird (Fig. 5 u. 6). Dieser Zu- stand, den wir z. B. bei Carabiden und Cerambyciden antreffen, ist unter den Coleopteren überhaupt der vorherrschende Das Scapobasale kann sich ausschließlich nur mit dem Schaft ge- Es RE a s 2 Be ER | Fig. 3. Silpha atrata. Scapobasale (scba) und Grundstück des scapus (sca) der rechten Antenne von oben gesehen, h Stützhöcker, g Gelenkgrube, >< 125. meinsam bewegen. Seine Gestalt ist die einer mehr oder weniger vollkommenen Kugel und daher sitzt diese Schaftbasis in einem Kugelgelenk. Bei Cerambyx und ZLytta z. B. kann sich der Schaft nach den verschiedenen Richtungen so weit drehen, bis sein Grund hinter dem Scapobasale an den wulstigen Rand stößt, der die Antennengelenkgrube umgibt. Innerhalb der phylogenetischen Abstufung der Käfer läßt sich bekanntlich sekundär eine immer vollkommenere Ausbildung ver- tiefter Gelenkgruben für die Beinhüften verfolgen. Dieser Aus- prägung immer ausgedehnterer acetabula gemäß wurden auch für die Aufnahme der Antennenbasis die Gelenkgruben in dem Maße vertieft, wie die Ausbildung eines selbständiger werdenden Scapobasale zunimmt. Das Kugelgelenk ist übrigens nicht einfach zugerundet, sondern sein Rand ragt unten in einen nach oben und vorn gerichteten Das Scapobasale der Coleopteren- Antennen. 65 Buckel oder Stützhöcker vor, der häufig z. B. bei Carabiden noch erheblich kräftiger entwickelt ist als das bei h in Fig. 3 dargestellt wurde. Das Gegenstück zu diesem Stützhöcker bildet eine Ausbuchtung, mit welcher das Scapobasale jenen umfaßt. Der Stützhöcker entspricht dem bei Aylecoetus beschriebenen Wulst und die Ausbuchtung der dort genannten Grube, doch sind im Vergleich mit ZAylecoetus beide Gebilde bei den Carabiden nach unten verschoben worden. Man könnte geneigt sein anzunehmen, daß das in einem Kugel- gelenk sich drehende Scapobasale vollkommen nackt sei. Die Wirklichkeit zeigt uns jedoch das Gegenteil, d. h. man bemerkt am Scapobasale stets irgendwelche, wenn auch noch so kurze Tastbörstehen. Bei Cychrus ist es z. B. so reichlich mit den- selben besetzt, daß sich am ganzen Schaft keine ebenso dicht be- borstete Stelle vorfindet. Die Länge dieser Börstchen nimmt nach endwärts zu, d.h. je mehr sie bei der Drehung des Scapobasale in die Lage kommen, bei der Reibung desselben an der Wand des Kugelgelenkes verdeckt und daher mitgerieben zu werden, um so mehr sind sie auf äußerste Kürze angewiesen. Durth diese Börstchen fühlt der Käfer die Lage seiner eigenen Antennen. Derartige Orientierungsbörstchen treten an den Ge- lenken zahlloser Gliedertiere auf. Zwischen ihnen finden sich auch einzelne Drüsenporen (Fig. 3) und dicht hinter der Basis des Schaftes treten bei Carabiden größere Drüsenporen in charakte- ristischer Zahl auf, z. B. je zwei bei Dromius agilis und quadri- maculatus (Fig. 6), fünf bei Leistus ferrugineus. Wie Fig. 5 für Brontes planatus anzeigt, sind diese wahrscheinlich ein Gelenköl liefernden Drüsen auch bei anderen Käfern anzutreffen. Eine besondere Ausprägung der Schaftbasis, welche ich als Pseudobasale hervorheben will, treffen wir bei Zucanus. Ein Scapobasale im Sinne der Carabiden u. a. ist hier nicht vor- handen, vielmehr ist der Schaftgrund nach innen und hinten um- gebogen und unter fast rechtem Winkel geknickt. Das umgeknickte Pseudobasale dreht sich zwar in einer weiten Grube, aber die Drehung ist beschränkt und vorwiegend auf die Richtung von vorn, außen, oben, nach hinten, innen, unten angewiesen. Ähnlich steht es bei Aydrophilus, wo das unter stumpfem Winkel abge- knickte Pseudobasale von dem übrigen gelblichen Schaft auch durch schwarze Farbe abgesetzt ist. Der Erotylide Megalodacne audowinii, bei welchem das Scapo- basale wieder fest mit dem Schaft verwachsen ist, vermittelt zwischen dem durch Lucanus und Hydrophilus vertretenen Zustand 5 66 KARL W. VERHOEFF. einerseits und dem bei Garabiden vorkommenden anderseits in- sofern, als zwar das Scapobasale unter stumpfem Winkel abge- | kniekt und auch die basale Ausbuchtung so groß ist, daß keine Kugelform zustande kommt, aber trotzdem die Oberfläche vor- wiegend einen Kugelabschnitt darstellt.. Außer zwei Gruppen von Tastbörstehen findet sich eine dichte, feine Wärzchenstruktur, durch welche die Reibung im Gelenk gemildert wird. Ei Die bisher betrachteten Fälle eimer Scapobasale-Bildung eeben keine Veranlassung, die bisher übliche Zählweise der An- N Fig. 4. Epilachna argus. BReuhter Antennenschaft von unten gesehen, g Gelenkgrube, ely Teil des elypeus, >< 125. tennenglieder zu ändern. Anders aber steht es mit denjenigen Formen, bei welchen : 4, dur ch eine Zwischenhaut ein Gelenk zwischen Scapus und Scapobasale gebildet wird und 3 2. dementsprechend auch das Scapobasale selbständig be- weglich ist. Es gehören hierhin in erster Linie zahlreiche Vertreter ERS Staphylinoidea. Bei Ocypus olens z. B. kann man sich, am besten unter einem Binokular, unmittelbar davon überzeugen, daß sich das Scapobasale zwar ebenfalls vorwiegend mit dem Scapus ge- meinsam bewegt, bei stärkerer Auswärtsdrehung aber das ° Scapobasale stehen bleibt und die übrige Antenne sich um dieses mit dem Grund des Scapus weiterdreht. Mithin 7 ist das Scapobasale selbständig gegenüber dem Schafte. 3 Ein solches freies Scapobasale konnte ich nachweisen für. Ocypus, (Quedius, Eulissus und Xantholinus, daher müssen die An- tennen derselben als zwölfgliedrig bezeichnet werden (Fig. I u. 9). Allgemein für die Staphyliniden gilt dies jedoch re denn bei Oxyporus rufus, Lathrimaeum atrocephalum, Prot einus Fe e ur : "a : f; IE Das Scapobasale der Coleopteren- Antennen. 367 brachypterus und Lomechusa strumosa ist das Scapobasale nur durch Einschnürung abgesetzt, aber nicht selbständig beweglich. Außerhalb der Staphyliniden habe ich ein freies Scapo- basale ferner beobachtet bei Silpha atrata (Fig. 3) und bei Brontes planatus (Fig. 5). Im Vergleich mit dem unfreien erscheint das freie Scapo- basale verhältlich breit, weil es den Grund des Scapus um- Fig. 5. Brontes planatus. Grund der rechten Antenne und der angrenzende Bezirk der Kopfkapsel (ks) von oben her dargestellt, a Augen, x 125. Fig. 6. Dromius agilis. Dasselbe, >< 125. fassen muß; übrigens besitzt es unten eine Ausbuchtung (Fig. 3), in welche ein Stützhöcker (h) eingreift, ganz ähnlich wie ich das schon vom unfreien Scapobasale erwähnte. Es ergeben sich somit für die Antennenbasis der Käfer drei phylogenetische Abstufungen: I. Antennenschaft ohne Scapobasale, 5* 68 Karu W. VERHOEFF: Das Scapobasale der Coleopteren- Antennen. Il. am Grunde desselben ein mit ihm in festem Zusammenhang verbliebenes, unfreies Scapobasale, III. ein vom Schafte scharf abgesetzes und daher u bewegliches, also freies Scapobasale. Der Umstand, daß diese drei Ausbildungsweisen als piyib. genetische Stufen betrae htet werden Können, berechtigt noch nicht zu dem Schlusse, daß N. III nur bei den derivatesten Käferformen vorkomme, was ja tatsächlich nicht der Fall ist, denn gerade unter den Staphylinoidea sind noch viele im allgemeinen verhältlich primitive Formen anzutreffen. Für das Auftreten der freien Scapobasalia müssen vielmehr auch biologische Gesichtspunkte herangezogen werden. Es ist nämlich einleuchtend, daß schmalen und meistens in engen Spalten sich bewegenden und gleichzeitig schnellfüßigen Käfern wie den genannten Staphylininen-Gattungen freie Scapo- basalia nützlich sind, weil sie ein passives Anschmiegen der An- tennen an die Körperseiten erleichtern. Ähnliches gilt aber für Ä abgeplattete, in engen Räumen unter Baumrinde sich aufhaltende Käfer wie Drontes planatus. Im Gegensatz hierzu stehen die zahl- reichen Käfer, welche ihre Antennen häufig eingezogen halten und erst bei besonderer Veranlassung sie wie eine Fahne oder wie ein Ruder herausstrecken. Diese Coleopteren, welche im Gegensatz zu jenen die Antennen stets frei tragenden Formen, als Wechsel- halter bezeichnet werden können, haben dementsprechend die schon erwähnte beschränktere Bewegungsweise (Lamellicornia) und be- dürfen daher keiner besonderen basalen Gelenkigkeit. Es kommt ferner die Schwere und die terminale Be- lastung der Antennen in Betracht. Daß viele Cerambyeiden sehr lange und kräftige Antennen besitzen, ist allbekannt. Solche benötigen aber ein starkes Basalgelenk, und in Anpassung an ein solches können sie nur ein unfreies Scapobasale gebrauchen. Dasselbe gilt für jene zahlreichen Käfer, deren Antennen durch die Endkeule belastet sind. Die genannten Staphylinoidea mit freien Scapobasalia können also nur denjenigen Coleopteren gegenüber in dieser Hin- sicht als abgeleitet betrachtet werden, welche wie die Malaco- dermen nach Lebensweise und Bau der Antennen sich unter äin- lichen Verhältnissen befinden. C. APrsTEIN: Die Larve von Tomopteris. 69 Die Larve von Tomopteris. Von Prof. C. Arsteın, Berlin. Tomopteriden gehören im allgemeinen nicht zu den häufigeren Meerestieren, wenn sie auch eine weite Verbreitung haben. Von der Plankton-Expedition wurden sie aber im kalten Wasser des nordwestlichen Atlantischen Ozeans in größerer Zahl angetroffen. Der Fang auf der Neufundlandbank war besonders interessant, da sich dort unter i qm 2200 Jugendformen fanden (Fig. 4, 5), darunter die jüngsten Exemplare, die bis dahin zur Beobachtung gekommen waren. Es waren keine Larven — wie M. ScHwArTz sie später bezeichnete — sondern Jugendformen, die schon die Gestalt der Erwachsenen hatten, wenn auch die einzelnen Organe noch nicht voll ausgebildet waren (z. B. Kopfanhänge, Schwanz). Solche jungen Exemplare wurden bisher auch nur selten beobachtet, zuerst von CARPENTER und UCLAPAREDE (Tr. Linn. Soc. London, 1860 v. 23 p. 59—66 t.7 £. 14) von der Plankton-Expedition (ArstEın in: Ergeb. Plankton-Exp., 1900v.2Hb p. 39 t. 10) und von M. SCHWARTZ (Jena Z., 1905 v. 40 (ser. 2 v. 34) p. 524 t. 18 £. 11, 12). Mir ist es, trotzdem ich Tausende von Planktonproben gleich frisch untersucht habe, auch nur einmal geglückt, eine ältere Larve zu finden, und zwar auf einer Terminfahrt des Forschungsdampfers Poseidon im Skagerrak im November 1906 in einem Oberflächen- fange. Daß es sich um eine Tomopteriden-Larve handelt, geht aus dem Vergleich der Körperanhänge mit denen der Jugendformen hervor (Fig 1 und 5). Die Larve war 0,7 mm lang, die jungen Individuen der Plankon- Expedition waren nur halb so groß, trotzdem sie älter waren; sie hatten aber, als ich sie messen konnte, bereits 3 Jahre in Alkohol und Glyzerin gelegen. Die Jugendform „very early Larva“, die ÜARPENTER und ULAPAREDE beobachteten, maß 0,8 mm; SCHWARTZ gibt keine Maße an. Das Vorderende der Larve (Fig. 1) ist eiförmig, vorn liegt die unbestimmt beobachtete Hirnmasse und die Augen. Ventral mündet der Mund und dahinter befindet sich ein kräftiger Wimperring. An den Seiten sieht man je einen roten Pigmentfleck (a). Hinter dem Wimperring ist die 1. Fühlercirre (ce) mit der feinen Borste, an der Basis ein roter Pigmentfleck zu beobachten. Hinter diesem kopfartigen Teile folgt ein Segment, das ein Ruder trägt mit einem dorsalen konischen Ast (d) und einem mehr zylindrischen ventralen (d'), der zu der großen 2. borstentragenden Cirre wird, während der dorsale Ast mit der weiteren Entwicklung verkümmert (vgl. Fig. 5 £ iR 70 ©. Arstein: Die Larve von Tomopteris. a. ,. und Scuwartz t. 18 f. 12). Der rote Pigmentfleck findet sich wieder ns s Das !. Parapod (Fig. le) besteht aus dem Ruder mit op beiden Kan von denen der eine am Ende ein Büschel feiner Zilien trägt. Im Ruder selbst findet sich ein. großes, gelbes „rosetten- 1. / ES X 2, / v2? f za % be RN We % Bi we u, | 1) .[ lo He , - re | Fi SE ae, —/f°(& @_- Fi == (9 =: L > = IE / Fi N EEE 3 Lcö 4 ” Fig. 1. Tomopteris-Larve von der Bauchseite, 0,7 mm lang. Nov. 1906. 100:1. Fig. 2. 2. Parapod, dorsaler Ast. Fig. 3. Rosettenförmiges Organ (der punktierte Teil gelb). Fig. 4. Bisher jüngstes Tomopteriden-Exemplar des Plankton-Expedition, 0,36 mm lang. Fig. 5. Etwas älteres Fxemplar ebendaher, 0,3 mm Jang. a Rote Pigmentflecke, b Auge, c 1. Fühlereirre, d! 2. Fühlercirre, el. Parapod. f Rosettenförmiges Or förmiges Organ“ (Fig. 3, 1f) und ebenfalls ein roter Pigmentileck | weiter nach der Spitze zu. ii Das 2. Parapod ist ebenso gebildet, nur findet sich am dorsalen Ast ein sehr zarter Flossensaum (Fig. 2), der dem 1. Parapod zu fehlen schien (das schlingernde Schiff ließ keine genaue Unter- suchung bei starker Vergrößerung zu). “AR Zweite wissenschaftliche Sitzung am 15. Februar 1916. 71 Auf der linken Seite des Tieres war ein 3. Parapod mit rotem Pigmentfleck in Bildung begriffen, jedoch nicht deutlich zu erkennen, da das Hinterende der Larve zerdrückt war. Es handelt sich in unserem Falle um eine ältere Larve. Durch diese ist aber erwiesen, daß bei Tomopteris eine Larve vorkommt. Wie die aus dem Ei hervorgehende Larve aussieht, ist noch nicht sicher. Vermutlich wird sie aber aus dem ersten eiförmigen Körper- abschnitt bestehen und daher einer Trochophora entsprechen. Der Kopf der erwachsenen Tomopteris geht aus dem vordersten ei- und dem folgenden segmentförmigen Abschnitt hervor, wie die Fühlereirren zeigen. Zweite wissenschaftliche Sitzung am 15. Februar 1916. 6. APSTEIN: Über die Larve von Tomopteris (s. Seite 69). H. VIRCHOW: !. Bewegungsmöglichkeiten der Wirbelsäule von Megalobatrachus. 2. Über die Halswirbel von Chelodina. F. E. SCHULZE: Vorlegung eines angeblichen Wolfsschädels. R. HARTMEYER: Referat über: Geheimnuss-Spiegel, Oder Gantz- neu-entdeckte Wissenschaften, Enthaltend: Wie ein Pferd zu hoher Herrschafften höchstem Vergnügen zu allerhand raren Künsten in gar kurtzer Zeit kan abgerichtet und ihme über die auf der Reut-Schul gebräuchliche Exercitien viele andere Verwunderungs-würdige Dinge können beygebracht, und mit leichter Mühe erlernet werden. Von Rudolph Lane. Augs- purg. 1739. Das angeblich sehr seltene Buch, welches kürzlich durch die Freundlichkeit von Herrn Gustav GoEBEL (Berlin) in den Besitz des Referenten gelangte, handelt von Pferdedressur, daneben auch noch von Pferdekrankheiten und Gewährsfehlern. Es ist deshalb von besonderem Interesse, weil es in gewissem Sinne ein direkter Vorläufer des „Klugen Hans“ und der Pferde des Herrn KrALı ist. Wir erfahren, daß man schon damals, vor bald 200 Jahren, Pferde dazu abrichtete, zu rechnen, die Zeit von einer Uhr abzulesen u.a. m. Ich sage ausdrücklich „abrichtet“, denn der Verfasser läßt an keiner Stelle des Buches durchblicken, daß es sich bei den Leistungen der Pferde etwa um einen Ausdruck höherer Intelligenz handelt, sondern betrachtet alles lediglich vom Standpunkt der Dressur aus. Auch die Methode ist die gleiche, wie bei den modernen intelligenten Pferden, indem die Lösung der Aufgabe durch Klopfen mit den Hufen erfolgt. Der Verfasser schildert dann 72 Zweite wissenschaftliche Sitzung am 15. Februar 1916. sehr anschaulich, wie man dem Pferde beibringt, die der jeweiligen 2) Aufgabe entsprechende Zahl von Hufschlägen auszuführen. Man stellt sich anfangs mit einer mit Hafer gefüllten Futterschwinge neben das Pferd, schüttelt die Schwinge und kommandiert dazu: Schlag an! Das Pferd wird sofort beginnen, mit dem Hufe zu scharren. Man belohnt es mit einer Hand voll Hafer und wieder- holt die Übung. Nach kurzer Zeit wird das Pferd auf jede Bewegung der Schwinge mit einem Hufschlag antworten. Nun läßt man die Schwinge fort und steckt die mit Hafer gefüllte Hand in die Tasche, worauf das Pferd auf das Kommando „Schlag an“ so lange schlagen wird, bis man die Hand aus der Tasche zieht. Schließlich wird das Pferd so aufmerksam, daß es kaum merkliche Bewegungen der Hand, die für den unbefangenen Zu- schauer so gut wie unsichtbar bleiben, prompt reagiert. Man wird sich erinnern, wie auch beim „Klugen Hans“, besonders wenn er unwillig arbeitete, Mohrrüben und Zucker bei der Lösung der eestellten Aufgabe eine große Rolle spielten. Das Buch enthält ein Dutzend Kupfertafeln. Auf einer sieht man ein Pferd, wie es durch Aufschlagen mit dem rechten Vorderbein auf einem schräg gestellten Brett mit der Lösung einer Aufgabe beschäftigt ist. Daneben steht der Dresseur mit der gefüllten Futterschwinge. | Druck von A. Hopfer in Burg b. M. Auszug aus .den Gesetzen der Gesellschaft Naturforschender Freunde | 4 zu Berlin. Die im Jahre 1773 gestiftete Gesellschaft Naturforschender Freunde in Berlin ist eine freundschaftliche Privatverbindung zur Beförderung der Naturwissenschaft, insbesondere der Biontologie. | Die Gesellschaft besteht aus ordentlichen, außerordent- lichen und Ehrenmitgliedern. Die ordentlichen Mitglieder, deren Zahl höchstens 20 betragen darf, ergänzen sich durch einstimmige Wahl nach den durch königliche Bestätigung vom 17. September 1789 und 7. Februar 1907 festgestellten Gesetzen. Sie verwalten das Vermögen der Gesellschaft und wählen aus ihrem Kreise. die Vorsitzenden und Schatzmeister. Die außerordentlichen Mitglieder, deren Zahl unbeschränkt ist, werden von den ordentlichen Mitgliedern, auf Vorschlag eines ordentlichen Mitgliedes unter eingehender Begründung, gewählt. Für freie Zustellung der Sitzungsberichte und Einladungen zu den Sitzungen zahlen die außerordentlichen Mitglieder einen Jahresbeitrag von 5 Mark. Sie können das „Archiv für Biontologie“ und alle von der Gesellschaft unter--- = stützten Veröffentlichungen zum ermäßigten Preise beziehen. Die wissenschaftlichen Sitzungen finden mit Ausnahme der Monate August und September am 2. und 3. Dienstage jedes Monats bis auf weiteres im Hörsaale VI, bzw. im Konferenzzimmer der Kgl. Landwirtschaftlichen Hochschule, R, Invalidenstr. 42, abends 7 Uhr, statt. Alle für die Gesellschaft bestimmten Sendungen BR | an den Sekretär, Herrn Dr. K. Grünberg, Berlin ai ES d Invalidenstr. 43, zu ‚richten. | “ 4 N) : MAY 16 1923 3932 Sitzungsberichte Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin. Nr. 3. März. | 1916. Neue Untersuchungen über die Verteilung des Planktons im Ozean. Von BIEDHMENN 20. We a re 73 Nachweis des ersten Prämolaren an einem jugendlichen Oberkiefergebiß von Stegodon Airawana. Von W. JANENSCH und W. DIETRICH ....... 126 Mo Anomostraken.- Von.E-VANHÖFFEN : =": ne nenn een 137 Zweite wissenschaftliche Sitzung am 21. März 1916 .. 2.2.2.2 22 2.. 152 BERLIN. In Kommission BEI R. FRIEDBÄNDER & SOHN, NW CaArıstrasse 11. 1916. C Ausgegeben am 1. Juli 1916. Nr. 8. 1916 Sitzungsbericht Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin vom 14. März 1916. Ausgegeben am 1. Juli 1916. Vorsitzender: Herr E. VANHÖFFEN, Herr H. LOHMANN-Hamburg sprach über neue Untersuchungen über die Ver- teilung des Planktons im Ozean. Neue Untersuchungen über die Verteilung des Planktons im Ozean. Von H. Lonmann. Vortrag, gehalten am 14. März 1916 in der Gesellschaft naturforschender Freunde Berlin. (Hierzu 10 Figuren im Text, I Tabelle und Tafel I und II.) Wollen wir über die Verteilung des Planktons im Ozean zu sicheren Ergebnissen gelangen, so bleibt kein anderer Weg frei als der, den die Hydrographen schon seit langen Jahren mit dem größten Erfolge zur Erforschung der physikalisch-chemischen Eigenschaften des Meerwassers beschritten haben, nämlich durch Untersuchungen möglichst vieler, durch die ganze vom Plankton bewohnte Wassermasse verteilten Wasserproben kartographisch genau die Verteilung der verschiedenen Bevölkerungsdichten der wichtigsten Organismen festzustellen und Linien gleicher Volksdichte zu ziehen. Welche einfachen und klaren Bilder über die Verteilung z. B. des Salzgehaltes und der Temperatur die Hydrographen auf diese Weise für ein so ungeheures Gebiet, wie es das Weltmeer ist, bereits erhalten haben, zeigen die schönen Tafeln in ScHortr's Bearbeitung der hydrographischen Beobachtungen der Valdivia- Expedition und in der Geographie des Atlantischen Ozeans. Nachdem durch Hrnsen die quantitative Bestimmung des Planktons fest begründet ist und durch die Einführung der Zentrifugierung die quantitative Untersuchung von Wasserproben aus allen Meerestiefen möglich geworden ist, muß auch der Biologe ähnlich klare Bilder 6 74 H. LOHMANN. für die Verbreitung des Planktons im Ozean gewinnen können. Im Folgenden ist versucht worden, die ersten Schritte zur Erreichung dieses Zieles auszuführen. Als ich mich 1910 entschloß, die Deutsche Antarktische Expe- dition auf ihrer Ausreise bis nach Buenos Aires’ zu begleiten, war für mich der Gedanke ausschlaggebend, daß es Dr. BRENNEcKE auf der Fahrt der Planet (1906—07) gelungen war, durch Serienbeobachtungen im Atlantischen Ozean einen ausgezeichnet klaren hydrographischen Längsschnitt durch den Atlantischen Ozean zu erhalten. War die Verteilung des Planktons im Ozean ebenso gleichmäßig, wie ich sie im Mittelmeer und in der westlichen Ostsee gefunden hatte, so mußte es möglich sein, durch engstes Zusammen- arbeiten mit dem Hydrographen während dieser Ausfahrt einen ebenso klaren biologischen Längsschnitt zu erhalten, der von 50° n. Br. bis zu 40°” s. Br. reichte. Da Dr. Brennecke auch an der Fahrt der Deutschland teilnahm, so war dies Zusammen- arbeiten von vornherein gesichert, und es ist uns tatsächlich gelungen, während der ganzen 4 Monate Paralleluntersuchungen auszuführen. Da Dr. BREnNEcKE aber seine hydrographischen Beobachtungen noch nicht hat veröffentlichen können, weil er nicht wie ich bereits aus Buenos Aires zurückkehrte, sondern die ganze Südpolar-Expedition mitmachte und erst 1913 heimkam, so kann ich hier noch nicht auf alle Einzelheiten der Beziehungen zwischen Hydrographie und Biologie eingehen. Es wird sich aber zeigen, daß das auch bei der Eigenart der biologischen Kurven zunächst gar nicht erforderlich ist. Dank dem freundlichen Entgegenkommen Dr. BRENNEcKE'S habe ich aber bei der ganzen Untersuchung fortwährend seine hydro- graphischen Beobachtungen im vollsten Umfange benutzen können. _ Dafür sei ihm auch hier der herzlichste Dank ausgesprochen. Nennen wir die Linien gleicher hydrographischer Eigenschaften des Meerwassers Isohydren (Isohalinen, Isothermen usw.), so werden wir die Linien gleicher biologischer Eigenschaften zweckmäßig Isobien zu nennen haben. Da hier gegenwärtig nur Plankton- organismen in Frage kommen, bezeichnen wir die Linien gleicher Planktonverhältnisse als Isoplankten. Die Verhältnisse, welche durch die Isoplankten festgelegt werden, können sehr verschiedener Natur sein. Im nachstehenden kommt freilich ausschließlich die Volksdichtein Frage; dieKurven sind demnach Isonephen; es könnten aber natürlich auch die Artenzahl, das Planktonvolumen, die Menge der chemischen Substanzen des Planktons usw. kurvenmäßig fest- gelegt werden; dann handelt es sich nicht um Isonephen. Ich bemerke das nur, um die Einführung der Namen Isoplankte und Neue Untersuchungen über die Verteilung des Planktons im Ozean. 75 Isobie zu rechtfertigen und zu zeigen, daß die folgenden Bemerkungen keineswegs für alle Isoplankten Gültigkeit haben. Isoplankten sind bereits in dem Vortrage, den ich 1912 hier an gleicher Stelle über meine Reiseergebnisse hielt, zuerst von mir vorgeführt und besprochen. Die Ausführung war aber noch sehr unvollkommen, da die Linien nicht in den Meeresraum eingezeichnet waren, sondern alle Beobachtungsstationen unmittelbar ohne Abstand aneinander gereiht wurden. Der Verlauf der Isoplankten war daher sehr stark verzerrt und jede engere Beziehung auf die geo- graphischen Verhältnisse unmöglich. Grade das ist aber für die Verwendbarkeit der Isoplankten von größter Bedeutung. Endlich waren nur 6 Isonephen überhaupt gezogen und nur bei 1 Art: Pontosphaera huzxleyı. Es war also nur ein erster Versuch, und eine gründliche Weiterführung erschien durch- aus notwendig. Jedoch zeigte sich schon damals, daß diese Methode sehr wertvolle Ergebnisse brachte. Die Volksdichte war nicht einfach vertikal geschichtet, sondern trat in verschiedenen Maxima auf, die sich in sehr gesetzmäßiger Weise über das durchfahrene Gebiet verteilten und auf eine obere Wasserschicht von 0—75 m beschränkt waren. Um sie herum waren konzentrisch Gebiete abnehmender Volksdichte gelagert. Das Optimum des Gedeihens lag in 50 m Tiefe; hier hielten sich die größeren Volksdichten am längsten und traten zuerst auf. Die höchste Volksdichte wurde aber erst an der Oberfläche erreicht. Zurückgeführt wurde diese merkwürdige Lage der Maxima in etwa 50 m Tiefe bei einem späteren Vortrage in der Deutschen Zoologischen Gesellschaft (Die Probleme der modernen Planktonforschung, Verhandlungen der Deutschen Zoo- logischen Gesellschaft, 1912, S. 86 und 87) auf die Gebundenheit der optimalen Vermehrungsstärke von Planktonalgen (Diatomeen und Peridineen) an die Nacht und Dämmerung, wogegen sie im Tageslicht erlischt oder auf ein Minimum herabsinkt. Seitdem habe ich die Untersuchungen für nahezu alle beob- achteten Formen fortgeführt und dabei den Wohnraum auf das genaueste berücksichtigt, so daß die Methode der der Hydrographen an Genauigkeit gleichsteht. Eine ausführliche Darstellung der Ergebnisse wird in kurzer Zeit erscheinen. Die Wasserproben, welche zentrifugiert wurden und deren Untersuchung den Stoff für die Feststellung der Volksdichte lieferte, hatten einen Umfang von 300 ccm. Es konnten also nur solche Organismen in ihrem Vorkommen verfolgt werden, die in dieser geringfügigen Wassermenge in wenigstens 1 Individuum vorkamen; 6* 76 H. LOHMANN. zuverlässige Werte werden aber im allgemeinen erst zu erwarten sein, wenn die Häufigkeit wesentlich größer war. Kam nur ein Wesen in dem Zentrifugensediment vor, so ergab die in den Tabellen und Kurven zugrunde gelegte Umrechnung auf 1 Liter oder 1000 ccm 3 Individuen. Dies ist daher die niedrigste Zahl, die vorkommt, und streng genommen hätte daher auch als niedrigste Isonephe diejenige für 3 Organismen im Liter gezeichnet werden müssen. Da jedoch alle Isonephen durch Interpolation zwischen die berechneten Werte eingefügt und nach dem Dezimalsystem gewählt sind, ist auch als niedrigste Isonephe diejenige für 1 Indivi- duum im Liter eingetragen. Dies erschien um so unbedenklicher, als gerade die Grenzisonephe gegen 0 am wenigsten genau zu ziehen ist, denn eine rechnerisch durchgeführte Interpolation ist nur möglich zwischen zwei Zahlenwerten, nicht aber zwischen 0 und einer Zahl. Es ist also von vornherein in der Führung dieser Linie der Schätzung ein gewisser Spielraum gelassen, und das gleiche gilt von allen Isonephen, die zwischen einem positiven Wert und einem Nullbefund gezogen werden müssen. Im ganzen wurden an 52 Stationen 220 Schöpfproben aus den Wasserschichten von 0—400 m untersucht. An 6 derselben konnte nur Oberflächenwasser verarbeitet werden. Auf zukünftigen Reisen wird es sich empfehlen, so häufig wie möglich zwischen den Voll- stationen, an denen das Schiff haltmacht und Beobachtungsreihen ausgeführt werden, vom fahrenden Schiff aus Oberflächenwasser quantitativ zu analysieren, da solche Untersuchungen, wie sich gezeigt hat, das Bild wesentlich ergänzen. Vor allem ist das nötig in Gebieten verwickelter hydrographischer Verhältnisse. Die erbeuteten Organismen gehören im wesentlichen dem Nanno- plankton!) an, doch kommen auch Gewebstiere, z. B. Copepoden und Appendicularien, in einiger Zahl vor. Im ganzen habe ich für die Kurven etwas über 200 verschiedene Formen unterschieden, während auf der Plankton-Expedition in den Fängen mit dem großen Hexnsev’schen Planktonnetz etwas über 600 Formen gesondert gezählt wurden. Charakteristischerweise waren aber in den Netz- fängen nahezu 200 dieser Formen Metazoen, von denen in den Zentrifugenfängen noch nicht 10 (7) vorkamen. Es ist also im 1) Davon verschiedenen Seiten die Ansicht geäußert ist, das Wort müsse Nano- plankton geschrieben werden, will ich hier noch einmal ausdrücklich betonen, daB ich selbstverständlich zu dem griechischen Wort Plankton ein griechisches und kein lateinisches Wort gefügt habe und es also Nannoplankton von yayyos der Zwerg und nicht Nanoplankton von nanus klein heißen muß. Das letztere wäre eine lateinisch-griechische Mischbildung. Neue Untersuchungen über die Verteilung des Planktons im Ozean. DL wesentlichen ein Protistenplankton, in dem außerdem ganz besonders die pflanzlichen und tierischen Flagellaten über- wiegen: Coccolithophoriden, Peridineen, vor allem Gymnodinien und kleine nackte Phyto- und Zooflagellaten bilden die Hauptmasse, außerhalb der Tropen kommen dazu noch Diatomeen. Alle größeren Protisten sind schon selten, Öeratien, Foraminiferen, Radiolarien, Tintinnen erfordern zu einer gründlichen Untersuchung im offenen Ozean bereits größere Wasserproben. Die Gruppen, welche das beste Material für die Zentrifugen- fänge aus !/; Liter Wasser liefern, sind die Coccolithophoriden, Gymnodinien und nackten Flagellaten. Der leichten Unterscheidung der Arten wegen eignen sich zu einer eingehenden Untersuchung sanz besonders die Coccolithophoriden, von denen nicht weniger als 36 Formen beobachtet wurden. Die Kurven sind in der Weise angelegt, daß der Abstand der Beobachtungsstationen nach der flächentreuen Karte des Atlantischen Ozeans von GroLL (Tiefenkarten der Ozeane, Veröftentlichungen des Instituts für Meereskunde, Berlin, Neue Folge, A, Heft 2, Tafel I, 1912) abgemessen wurde und die ganze Fahrtlinie zu einer geraden Linie ausgestreckt wurde. Die Tiefen wurden nur bis 400 m berück- sichtigt, da in größeren Tiefen nur noch ganz vereinzelt lebende Organismen in 300 ccm Wasser gefunden wurden. Um hier noch brauchbare Werte zu erhalten, . müssen ebenfalls größere Weasser- massen untersucht werden. Die Lage der Beobachtungsstationen und ihre Beziehungen zu den Meeresgebieten sind aus der beistehenden Karte zu ersehen (Fig. 1). Es mögen nun zunächst die Isoplankten im Fahrtschnitt be- sprochen werden; daran soll sich dann der Versuch schließen, zunächst aus senkrechten und wagerechten Bildflächen die räumliche Ver- teilung der Dichte eines einzelnen Volkskörpers und endlich die Flächenausbreitung über den Ozean zu erschließen. In diesem Vortrage werde ich mich im wesentlichen an einige Arten halten, die als Typen gelten können und zur kurzen Darlegung der wesentlichen Verhältnisse besonders geeignet erscheinen, vor allem: Pontosphaera huzxleyı und Calyptrosphaera oblonga LoHm. In der ausführlichen Bearbeitung des Zentrifugenplanktons werden auch die übrigen Formen eingehend besprochen werden. Doch will ich auch hier bereits, ehe ich die Isonephen des ganzen Fahrt- schnittes bespreche, einzelne in sich abgeschlossene Kurvenbilder von Teilstrecken des Schnittes vorführen, die auch anderen Organismen- gruppen angehören und sowohl die Zuverlässigkeit der Zahlenwerte 10° 20° 30° 40°- 90° 80° 70° 60° 50° Zaun) - ek 0 4 a = Erklärung: o Positiondh.a.ahne biolog Station e Positiondh.a..mit biolgg, Station —>MarmHasser-Ströme -- > Kalt-Wasser-Ströme — > Prackwasser-Ströme Ausdehnung und Verlaufder in Fig 2- 6 abgelil» deten Schnitte # Kanten der Eck-u.Keul: Schnitte ° B & Ze 0 500 400 = 500 20° 10° nahm ZUIL- MD. Fig. 1. Karte mit Fahrtlinie. Die Vollstationen sind durch schwarze Kreisflächen, die übrigen Tagespositionen durch weiße Kreise gekennzeichnet. Neben der Fahrtlinie geben schwarze Führungs- linien die Ausdehnung und Gestalt der in den Figuren 2—6 be en, ‚bilder an. Neue Untersuchungen über die Verteilung des Planktons im Ozean. 79 und Kurvenbilder wie auch die Wiederkehr der typischen Er- scheinungen in den verschiedensten Meeresgebieten sehr klar vor ‚Augen führen. In Fig. 2 ist der Vertikalschnitt durch die Volksmasse der ‚Coceolithophoride Calyptrosphaera oblonga im Nordäquatorial- Om 1941. ul 191. 2 A a Lesen SS A a ET Fig. 2. Isoplankten von Calyptrosphaera oblonga LoHm. im Nord- äquatorialstrom. (Eekschnitt, die Kante des Schnittes wird durch die Ordinate vom 28. VI. gebildet.) Die Lage des Schnittes ist aus Fig. 1 zu ersehen. strom abgebildet. Das Maximum liegt in 100 m Tiefe am 28. V1. Die Dichtelinie 300?) umläuft diesen Punkt ringförmig, biegt aber sehr bemerkenswert in 50 m Tiefe zungenförmig nach dem linken Schnittrande hin aus. Die Isonephe 100 umschließt in weiterem Bogen das Zentrum, geht dabei links der vorigen Linie vollkommen parallel, während sie sich rechts in gleicher Weise wie links, nur erheb- lich schwächer in 50 m Tiefe zungenartig verschiebt. Die folgenden Dichtelinien 50, 25 und 1 weichen alle in 50 m beiderseits gleich- stark aus, so daß die ganze Volksmasse in 50 m Tiefe die größte Ausdehnung besitzt und zur Oberfläche wie zur Tiefe an horizontaler Ausdehnung ständig abnimmt. Die größte Tiefenerstreckung fällt für die Isonephen 300 und 100 auf den 28. VL, für die Linien 50, 25 und 1 aber auf den 30. VI. Diese Verschiebung unterhalb 2 Soll bedeuten für eine Dichte von 300 Individuen in 1 Liter Wasser. 80 H. LOHMANN. 150 m nach dem rechten Schnittrande ist sehr merkwürdig. Ein Vergleich der Zahlen mit den Linien zeigt sofort, wie genau diese durch jene festgelegt werden und daß eine andere Linienführung ausgeschlossen ist. Die folgende Abbildung (Fig. 3) zeigt die Volksmassen zweier anderer Coceolithophoriden aus dem Südäquatorialstrom. Das untere Kurvenbild für Coceolithophora fragilis hat viel Ähnlichkeit mit dem eben besprochenen. Das Maximum liegt etwas höher, in 75m Tiefe, Basen FERZEP/ATSSNSURNS Praure (00 ER BENBIZ=/ER N] Fig. 3. Isoplankten aus dem Südäquatorialstrom. ' Oben Kurvenbild für Pontosphaera huxleyi LoHMm., unten für Coccolithophora fragilis. Die Fahrt durch das Stromgebiet endete am 26, VII. in Pernambuco; die Beobachtungen am 3. VIII. wurden nach der Abfahrt von dort bereits im Brasilstrom gemacht. Die Durchquerung dauerte also vom 17.—26. VII. (Querschnitte). Neue Untersuchungen über die Verteilung des Planktons im Ozean. 81 und hat etwa gleiche Stärke. Die Isonephen umschließen dasselbe in sehr regelmäßigen konzentrischen Bahnen, die aber wiederum rechts und links ausweichen und bewirken, daß die Volksmasse auch hier in der Tiefe von 75 bis 100 m größere Ausdehnung hat als ober- und unterhalb. Auch hier fehlt nicht eine auffällige Asymmetrie, indem in der linken Schnitthälfte die Kurven nicht nur viel weiter als rechts ausbiegen, sondern sich auch senken. Eine Prüfung der Zahlen ergibt für die rechte Hälfte eine große Sicherheit der Linienführung, während links die Nullen so überwiegen, daß die Kurven nur auf wenigen Linien rechnerisch festzulegen sind. Trotzdem erscheint ihre Zeichnung mit großer Wahrscheinlichkeit richtig. Ein Vergleich mit dem darüber stehenden Kurvenbild von Pontosphaera huxleyi macht dies aber zur Gewißheit. Die Volks- dichte ist hier viel höher, die positiven Befunde daher viel zahl- reicher und die Linienführung auch linksseitig sicherer. Das Maximum überschreitet 2000 Individuen im Liter. Es liegt nicht in der Tiefe, sondern unmittelbar am Meerespiegel und fällt auf die Station am 22. VII. Die Isonephen zeigen eine doppelte Asymmetrie, die deshalb besonders interessant ist, weil sie wiederum über 150 m anders gestaltet ist als unterhalb. Dort weichen die Linien nach rechts und unten aus, während sie hier links sich. keilförmig in die Tiefe hinabsenken. Dieser Verlauf aber zeigt nur im ver- stärkten Grade die linksseitige Bewegung der Kurven von Cocco- hithophora fragilis. Beide Volksmassen erwecken geradezu den Eindruck, als ob sie nur verschiedene Zustände einer Volksverteilung vorstellen, die auseinander hervorgehen, ohne daß man jedoch zu entscheiden vermöchte, welches von beiden der frühere Zustand sein könnte. Ist die untere Figur das frühere Stadium, so würde das Volks- maximum, indem es stärker wurde, aus der Tiefe und vom rechten Rande her zur Oberfläche und zur Schnittmitte aufgestiegen sein, wobei aber die Dichtelinien noch in ihrer Asymmetrie den früheren Zustand andeuteten. Zugieich wären die Isonephen 100—1 steil in die Tiefe hinuntergestiegen. Wenn aber umgekehrt Cocco- Iıthophora fragilis bereits den Niedergang der Volksmasse darstellt, so würde das oberflächlich gelegene Maximum in 22. VII. nach rechts und in die Tiefe gesunken sein, während die Linien niederer Volksstärke sich verkürzt hätten und emporgewandert wären. Wir würden dann folgerichtig weiter schließen müssen, daß auf einem noch früheren Zustande das Maximum in 19. VII. in 50—100 m Tiefe gelegen und also im Laufe der Zeit eine Wanderung von links nach rechts vollzogen habe, wobei es anfangs und schließlich 82 | H. LOHMANN. unter der Oberfläche, zur Zeit der mächtigsten Entwicklung aber an der Oberfläche gelegen wäre. Doch läßt sich vorläufig noch nicht übersehen, ob solchen Denkmöglichkeiten auch wirkliche Vorgänge in der Natur entsprechen. Juli 1999 3 5 ? 410. 42.05 17.19 2 Re. BR. ee teren Ühunchommas marimm. Fig. 4. Isoplankten aus dem Guineastrom. Oben Kurvenbild für eine Euglenide, unten für Rhynchomonas marina LoHM. (Schrägschnitte), Zwischen den beiden Äquatorialströmen liegt, das Ozeanbecken hydrographisch in eine Nord- und Südhälfte trennend, der Guinea- strom. Fig. 4 gibt aus ihm die Volksmasse einer Euglenide und eines Zooflagellaten (Rhynchomonas marina) wieder. Die Euglenide läßt sich leider nicht näher bestimmen, da ich ihre Geißelzahl nicht Neue Untersuchungen über die Verteilung des Planktons im Ozean. 83 festzustellen vermochte. Sie ist ebenso wie der tierische Flagellat von mir abgebildet in den Beiträgen zur Charakterisierung des Tier- und Pflanzenlebens des Atlantischen Ozeans (Internationale Revue der Gesammten Hydrobiologie und Hydrographie, 1912, S. 214, Fig. 4 und Fig. 17). Die Euglenide hatte das Maximum der Volks- dichte etwa in gleicher Höhe wie Calyptrosphaera oblonga und Coceolithophora fragilis (519 Individuen in 1 Liter) in 50 m Tiefe. Die Dichtelinien verliefen in ganz flachem, links und rechts vor- gezogenem Verlauf konzentrisch um den Kern herum und fanden bereits zwischen 100 und 150 m ihre untere Grenze. Auch am Meeresspiegel sank die Volksdichte auf wenige Individuen im Liter herab, und an 2 Punkten unterhalb der Oberfläche (10. und 12. VIL., 25 und 10 m) fand ich sogar gar keine Exemplare im Sediment, obwohl unter- und oberhalb derselben wieder Individuen auftraten. Das sind Unregelmäßigkeiten, wie sie bei so kleinen Zahlen leicht vorkommen können, ohne daß daraus auch auf eine wirkliche Unregelmäßigkeit in der Verteilung im Meer geschlossen werden müßte. Wie die Zahlen 3 und 7 in den Öberflächen-Stationen zeigen, wurden hier bei der Zählung von mir meist nur 1 Individuum, im Höchstfalle 2 Exemplare wirklich im Sediment gesehen; ging also dies eine Exemplar einmal vor der Zählung zugrunde oder entzog sich sonst meinen Blicken, so fand ich nichts. Es ist aber ebensowohl möglich, daß bei solcher Spärlichkeit auch von vorn- herein in der Wasserprobe kein Individuum vorhanden war, da es sich hier nur um die Differenz von 1 Individuum in 300 ccm handelt, während bei allen anderen Isonephen die Zahlenunterschiede weit beträchtlicher sind und 25—1000 und mehr Individuen fordern. Ganz abweichend von den bisher besprochenen Völkern verhält sich Rhynchomonas marına Losnm. Allerdings liegt auch hier das Maximum in der Tiefe, und zwar in 100 m. Es ist nur niedrig (152 Individuen) und fällt schnell nach allen Seiten hin ab. Während aber nach unten hin die Volkszahl sich bis 400 m immer auf niedriger Höhe hält, schwindet sie nach der Oberfläche vollständig, und zwar schon von 100 m an. Nur in der Nähe des Maximums reicht das Volk bis 50 und 25 m an die Oberfläche heran, rechts und links davon aber weicht es bis 100 m Tiefe vom Meeresspiegel zurück. Dieser farblose Flagellat ist also im Guineastrom zur Zeit unserer Fahrt ein ausgesprochenes Dämmerungstier gewesen, und das gleiche Verhalten zeigte es überall in den Tropen. Im Durch- schnitt fanden sich nämlich in Bm. © Ind. 59m: 3,5 84 H. LOHMANN. 100.10:>33 "rd: 200 m: 17 & 400 m: 45 „ Noch merkwürdiger ist endlich das Volk von Syracosphaera pulchra, das in Fig. 5 wiedergegeben ist und im Nordäquatorial- strom beobachtet wurde, also gleichzeitig mit dem in Fig. 2 dar- gestellten Volke von Calyptrosphaera oblonga. Hier finden wir nämlich statt eines Maximums im Kern der Volksmasse ein Minimum! Dieses Minimum liegt genau an derselben Stelle, Juni 199 Juli 18,..21 03 26 :-28...3014 3 5 ? 40 | ger | [850-1 | Be PS ee ee on) | ne ee Fig. 5. Isoplankten von Syracosphaera pulchra LoHMm. im Nord- äquatorialstrom. (Eekschnitt wie bei Calyptrosphaera oblonga.) an der wir bisher das Maximum fanden, in 50 m Tiefe, und konzentrisch um dasselbe herum lagern sich die übrigen Isonephen, die ganz wie bei Calyptrosphaera in 50 m Tiefe nach rechts und links weit seitlich ausgreifen, so daß die Volksmasse hier eine sehr große Ausdehnung erhält. Nur die Grenzisonephe (1 Individuum) macht diese Bewegung nicht mehr mit. Die Gebiete größter Volksstärke umlagern hier bogenförmig.den Kern, in dem gar kein Individuum gefunden wurde. Hierbei ist noch besonders interessant, daß die zentralen Isonephen 1, 10, 25 und 50 ebenso wie die peripheren Isonephen 1, 10 und 25 einen durchaus normalen Verlauf zeigen, während die äußere Dichtelinie 50 mit der gleich- namigen zentralen Linie an 3 Punkten nahe zusammentrifft, so daß beide zusammen 4 gesonderte Gebiete umschließen, in denen die Neue Untersuchungen über die Verteilung des Planktons im Ozean. 85 Volksdichte eine maximale Höhe erreicht, und zwar steigt sie in den der Oberfläche näher gelegenen Gebieten am höchsten (bis über 100). Vergleicht man diese interessante Volksmasse mit dem gleich- zeitig gefundenen Volke von Calyptrosphaera oblonga (Fig. 2), so fällt die Übereinstimmung beider in wichtigen Punkten um so mehr auf, als beide zweifellos völlig verschiedene Volkszustände uns vorführen. Der Volkskern liegt bei Calyptrosphaera in 28. VI. in 100 m, bei Syracosphaera ist er nach links oben (nach 26. VI.) in 50 m verschoben. Die Isonephen 100 und 50 umschließen bei beiden Völkern den Kern in einem schräg nach links verschobenen Ringe, der rechts vom Kern an der Oberfläche sich öffnet. Beide Gebiete entsprechen sich in auffälliger Weise. Endlich zeigt der untere Bogen der Isonephen die gleiche fort- schreitende Verschiebung des unteren Gipfels nach rechts. Die wahrscheinlichste Erklärung scheint mir zu sein, daß wir in Syracosphaera pulchra ein Volk vor uns haben, das den Höhe- punkt seiner Entwicklung überschritten hat und nun entweder in seinen zentralen Teilen in einen anderen Entwicklungszustand übergegangen ist, indem die Individuen hier etwa nackte Schwärmer oder Ruhestadien bilden und damit in der Zählung als Syracosphaera verschwinden, oder aber ein einfaches Absterben und Zugrundegehen, das vom Zentrum aus peripher sich ausbreitet, eingetreten ist. An diese 6 Kurvenbilder, die in sich geschlossene Volks- massen wiedergeben, reihe ich nun noch 2 Bilder an, die eine Mehrzahl von Volksmassen einer Organismengruppe enthalten und uns zur Betrachtung des ganzen Fahrtschnittes mit der Vielheit von Volksschnitten hinüberführen können (Fig. 6). Beide sind dem süd- lichsten Teile der Fahrtlinie entnommen und fallen in das Gebiet des Brasilstromes (15. bis 30. VIII.) und des Falklandstromes (2. bis 4. IX.). Beide Ströme haben entgegengesetzte Richtung und sehr verschiedene Temperaturen. Jener kommt vom Äquator her, hat warmes Wasser und strömt südwärts; dieser kommt aus derWestwindtrift, strömt nordwärts und führt kaltes Wasser. Innerhalb des Fahrtschnittes liegt also der Übergang aus dem einen Stromgebiet in das andere (1. IX). Am 18. August wurde der letzte fliegende Fisch beobachtet, am 19. traten große Mengen Diatomeen auf, und die Wasserfarbe des Meeres, die bisher das reine Blau der Tropenmeere (0) gewesen war, schlug in das unreine Blau (2) höherer Breiten um. Zugleich sank die Oberflächentemperatur unter 20°. Am 30. August zeigten sich die ersten braunen Bänder des Riesentanges Macrocystis im Wasser treibend, und am 2. September traten antarktische Diatomeen 865 H. LOHMANN. (Corethron valdiviae, Dactyliosolen antarctica, Synedra amtarctica, Thalassiothrix antarctica) auf, während die Oberflächentemperatur bis unter 10° hinunterging. August 1949 Sepkembert3ti.Jiefein | 5093 9 1 2325 23 30 134 u le In Ir In belse Bdus, Tu Persien ee ann a EEE... el | Fa En EV, 201) Ei FEREEFRERENAMASKN. EEE NG Bi Ei HZ BE 0 ie I le Toke Taler le Ara 0 Pen .S04 En Par. om y fe} nel alas N. A HT alu ef ige RE NENGP 77,0 BEER BE n 200 PRRRENRIUEIRRIE NER N. = a RE ee ee Ra EEE ER ENE e E oh 15 Lo Il Ad Iskon I Bells I 25 Diakomeun ‚all. Fig. 6. Isoplankten aus dem südlichen Abschnitt des Brasilstromes und durch den Falklandstrom. Oben Kurvenbild für die nackten, Rhodomonas-ähnlichen Phytoflagellaten, unten für die Gesamtzahl aller Diatomeen. (Keilschnitt im Brasilstrom und Querschnitt im Falklandstrom (1.—4. IX.); die Kante des Keilsehnittes wird durch die Ordinate vom 21. VIII. gebildet.) Die Diatomeen zeigen nun folgendes Verhalten. Es treten 2 Maxima auf, um deren jedes eine Volksmasse gelagert ist. Das Maximum des Brasilstroms liegt in 50 m Tiefe am 21. VIII. und erreicht die sehr erhebliche Stärke von über 13000 Individuen im Neue Untersuchungen über die Verteilung des Planktons im Ozean. 87 Liter. Die Isonephe 10000 umschließt das Maximum vollständig, die Dichtelinie 5000 öffnet sich rechtsseitig in geringer Ausdehnung zur Oberfläche, worauf schon die Form der Kernisonephe hinwies; die nachfolgenden Linien sinken steil in die Tiefe von 150—200 m ab und laufen weit bogenförmig geöffnet dem Meeresspiegel zu. Die ganze Volksmasse ist sehr regelmäßig gestaltet und der Linienverlauf sehr sicher, da Nullwerte fast ganz fehlen. Das Maximum im Falklandstrom ist noch stärker (14800) und liegt an der Oberfläche im 2. September. Die Dichtelinien fallen steil kegelförmig in die Tiefe ab. Beide Volksmassen sind durch ein Zwischengebiet geringer Volks- dichte verbunden, das vom 25. VIII. bis 1. IX. reicht. Die Grenz- isonephe 1 wird nur in 400 m einmal (in 23. VIII.) erreicht; sie » liegt hier also sehr tief. Die Dichtelinie 25 schließt sich aber noch ganz den Volksmassen an und geht unterhalb einer jeden gleich- falls unter 400 m hinab, während sie seitlich von ihnen bis 150 und 100 m emporsteigt. Die Volksmassen der Diatomeen in diesem Fahrtabschnitte unterscheiden sich also von den bisher besprochenen Volksmassen dadurch, daß sie ihre größte Entwicklung an der Öber- fläche besitzen, aber zugleich steil in Tiefen bis unter 400 m hinabreichen. Die Stromverhältnisse kommen in ihrer Lage und Ausbildung sehr klar zum Ausdruck. Solange reines Tropenwasser durchfahren wurde (15. bis 17. VIIL), war die Zahl der Diatomeen außerordentlich niedrig (unter 50); mit dem Sinken der Oberflächen- temperatur unter 20° (19. VIII.) aber steigt dieselbe gewaltig empor und erreicht am 21. VIII. ihre größte Höhe. Der zweite Anstieg erfolgte dann bei dem Eintritt in das kalte Wasser des Falkland- stromes (2. September), während in dem Zwischengebiet nur geringe Volkszahlen auftraten. Die vorherrschenden Diatomen in beiden Volksmassen waren übrigens ganz verschieden, im Brasilstrom Chaetoceras, im Falklandstrom Rhizosolenia. Verschieden von den Diatomeen verhielten sich die nackten Phytoflagellaten. Es waren das kleine 6—9 u große Zellen mit rotbraunen Chromatophoren und jedenfalls 1 Schleppgeißel. Wahr- scheinlich waren es Verwandte von der in den nordischen Meeren sehr häufigen Ahodomonas. Sie sind aber äußerst empfindlich, sterben sehr leicht ab und zergehen dann, so daß eine genauere Feststellung ihres Baues während der Fahrt trotz ihrer Häufigkeit nicht gelang. Ihr Auftreten stimmt zunächst mit dem der Diatomeen darin überein, daß die Volksmassen ihre stärkste Flächenentwicklung an der Oberfläche besitzen, und die Isonephen, je größer die Dichte 88 H. LOHMANN. ist, um so steiler in die Tiefe absinken. Abweichend aber ist, daß alle Maxima, die schwächsten wie die stärksten, in O m liegen und daß im Brasilstrom nicht eine Volksmasse, sondern 3 Völker auftreten, die von Norden nach Süden fortschreitend an Höhe und Ausdehnung zunehmen. Außerdem ist die Lage der sämtlichen Maxima eine andere als bei den Diatomeen. Bemerkenswert ist zunächst, daß sie am 17. VIII. überhaupt zuerst auftreten, aber nur- sehr niedrige Volkszahl erreichen (Volksmasse 1); von da ab bleiben sie dauernd nachweisbar im Wasser, steigen am 23. VIII. bis auf 2900 Individuen (Volksmasse 2), in 28. VIII. auf 8000 Individuen (Volksmasse 3) und endlich am 4. IX. auf 33000 Individuen an. Zwischen den verschiedenen Maxima liegen Gebiete niedriger Volks- zahl. Die Trennung von Falklandstrom und Brasilstrom ist auch hier sehr deutlich ausgeprägt, indem zwischen beiden (1. IX.) die Volkszahl an der Oberfläche bis auf 100 sinkt und auch die Tiefenerstreckung der Grenzisonephe 1 im Brasilstrom von Norden nach Süden in genauem Verhältnis zur Größe der Völker stetig wächst, im Falklandstrom dagegen wieder auf 200 und 100 m sich hebt. Diese Flagellaten erreichen also im Brasilstrom erst in den südlichen Stationen das optimale Gedeihen, aber nicht in gleich- mäßigem Ansteigen der Volkszahl, sondern in einem mehrmaligen An- und Abschwellen derselben. Der Verlauf der Isonephen ist auch hier durch die Befunde so gesichert, daß er durchaus zuverlässig erscheint. Bisher haben wir nur den Verlauf der Isonephen in den ver- schiedenen Fahrtteilstrecken betrachtet, ohne die Lage zu berück- sichtigen, welche diese Strecken zu den durchfahrenen Meeresgebieten und vor allem zur Stromrichtung haben (Fig. 1). Gerade das aber ist von großer Bedeutung für,das Verständnis der Kurvenbilder. Den Südäquatorialstrom hat die Fahrtlinie der Deutschland fast genau senkrecht zum Strom durchschnitten. Die Bilder in Fig. 3 für Coccolithophora fragilis und Pontosphaera huzxleyiı geben uns daher reine Querschnitte durch einen Meeresstrom. Es fällt sofort auf, wie scharf die Begrenzung der Volksmasse auf den Querschnitt ist, dessen Grenzen durch die schwarzen Kreisflächen gekennzeichnet sind. Das Maximum liegt in dem einen Falle in der Mitte, das andere Mal nahe dem einen Rande; bei beiden Arten ist der Kurvenverlauf stark asymmetrisch. Der Guineastrom (Fig. 1) wurde in seinem Ursprungsgebiet durchfahren. Der Fahrtschnitt würde daher hiereinen Schrägschnitt (Fig. 4) geben. Die Volksmassen der Euglenide und von Zrhyncho- monas marina zeigen ein ganz Ähnliches Bild wie die Querschnitte. Neue Untersuchungen über die Verteilung des Planktons im Ozean. 89 Bei beiden Arten liegt das Maximum in der Mitte des Schnittes; die Kurven sind nach links stärker ausgezogen als nach rechts. Sehr eigenartig sind die Fahrtschnitte der Figuren 2 und 5, die in den Nordäquatorialstrom fallen; sie sind nämlich in der rechten Hälfte reiner Querschnitt, in der linken dagegen Längs- schnitt. Man muß sich daher, um eine richtige Vorstellung zu . erhalten, die Schnittfläche in der Linie des 28. VI. rechtwinklig umgeknickt denken. Der Längsschnitt ist aber kein Schnitt durch die Stromachse, sondern durch den rechten Stromrand, bei seinem Übergange zur Sargassosee. Daher ist auch der Querschnitt nicht vollständig, denn eben dieses Randgebiet ist durch den Längsschnitt fortgenommen. Daraus wird nun sofort klar, daß die Volksmasse der Calyptrosphaera oblonga sich von der Sargassosee her in den Nordäquatorialstrom mit keilförmig auslaufendem Rande weit in den Strom vorschiebt, ihre Hauptentwicklung aber in der Sargassosee seibst haben muß. Wir wollen derartige Schnitte Eckschnitte nennen. - Syracosphaera pulchra ist in gleicher Weise zu deuten, nur ist die in den Strom vorragende Volksmasse in Auflösung beeiffen, wie weiter oben näher besprochen wurde. Durch Brasilstrom endlich und Falklandstrom ist eine Kette von Schrägschnitten gelegt (Fig. 1), die in ihrer Gesamtheit zwar ungefähr einen Längsschnitt ergeben, aber den Kurvenverlauf derartig beeinfiussen, daß das Bild eines Längsschnittes nur schwer daraus zu erschließen ist (Fig. 6). Das südlichste Ende des Fahrtschnittes (1.—4. IX.) entspricht am besten einem Querschnitt durch den Falklandstrom, dessen rechter Rand der offenen See und dem Brasilstrom, dessen linker Rand der amerikanischen Küste zu- gewandt ist. Streng genommen setzt sich aber dieser Querschnitt trotz seiner geringen Breite aus 2 Schrägschnitten zusammen, die in 2. IX. zusammenstoßen. Doch ist das in diesem Falle wohl ohne wesentliche Bedeutung für den Isonephengang. Der Brasil- strom-Längsschnitt wird aus zwei Schrägschnittpaaren gebildet, die bei dem Cap Frio am 17. VIII. sich berühren; das 1. Paar besteht aus den beiden Schrägschnitten 3.—11. und 11.—17. VII; sie berühren sich in dem küstenfernsten Punkte (11. VIII); das zweite Paar setzen die Schrägschnitte 17.—21. VIII. und 21. VIII. bis 1. IX. zusammen, deren Berührungslinie in dem küstenfernsten Punkte (21. VIIL) liegt. Jeder dieser 4 Schrägschnitte hat also einen Küsten- und einen Hochseerand; ersterer durch- schneidet die Stromfäden des Stromaußenrandes, letzterer dagegen die mehr der Strommitte zu gelegenen Stromfäden. Ob die Strom- mitte von unserer Fahrtlinie in 11. oder 21. VIII. erreicht ist, d —— Nu H. LOHMANN. wage ich nicht zu entscheiden. Diese sehr eigentümlichen Ver- hältnise zeigen nun klar, daß wir in dem Fahrtschnitt zwei große keilförmige Einschnitte in die rechte Stromhälfte vor uns aus- gebreitet finden und daher damit rechnen müssen, daß ein und dasselbe Stromfadenbündel mehrere Male nacheinander schräg» durchschnitten worden ist. Wir wollen diese aus zwei Schräg- schnitten gebildeten Ausschnitte als „Keilschnitte“ bezeichnen. Auf Fig. 6 ist nur der südliche Keilschnitt (vom 17. VIIL.ab) wieder- gegeben und wir sehen nun sofort, daß das Diatomeen-Maximum in die küstenferne, der Stromachse nahe gelegene Schnittkante (21. VILL) fällt, während die Maxima der nackten Phytoflagellaten mehr in dem küstennahen Teile der Schrägschnitte (17., 23., 28. VIIL) liegen. Hiermit stimmt auch das Verhalten der Volksstärken im Falklandstro m-Querschnitt überein. Die größte Zahl der Volks- massen bei den nackten Phytoflagellaten ist ferner keineswegs auf ein An- und Abschwellen der Volksmasse innerhalb der Stromachse zurückzuführen, sondern entweder auf das mehrfache Durchschneiden ein und derselben Volksmasse an verschiedenen Punkten der Strom- erstreckung oder aber darauf, daß im Querschnitt des Stromes nicht eine Volksmasse, sondern mehrere nebeneinander zur Aus- bildung gekommen sind, und bei dem Zickzacklauf der Reiselinie balde diese, bald jene durchschnitten wurde. Solche Zerteilung der Volksmasse in mehrere, neben einander im Strom treibende Völker erscheint in den Mischgebieten kalten und warmen Wassers und bei den Ausläufern von Endströmen. sehr wahrscheinlich, um so mehr, als auch hydrographisch das Auftreten von Wasserstreifen verschiedener Herkunft in solchen Meeresgebieten nachgewiesen ist. Demgegenüber zeigen aber die Querschnittsbilder aus anderen Meeresteilen bisher immer nur eine einzige, meist sehr gut um- schriebene Volksmasse für jede Form. Gehen wir nun zur Betrachtung der auf Tafel I dargestellten Schnittbilder der gesamten Fahrtlinie über, die wir oben als biologische Längsschnitte durch den Atlantischen Ozean bezeichneten, so ist von den 4 ausgewählten Schnitten das Kurvenbild von Ooccolithophora fragilis, deren Verteilung im Südäquatorialstrom bereits oben eingehend besprochen ist, das einfachste Die Art wurde von uns nur in diesem einen Stromgebiet in größerer, zu- sammenhängender Volksmasse gefunden; zerstreut aber kam sie von 16. Mai bis zum 1. August überall vor. Ihre Menge war dabei so gering, daß sie nur an 16 Punkten erbeutet wurde und nur an einer einzigen Stelle (28. VI.) die Dichte von 25 Individuen im Liter erreichte Sie kam trotzdem in jedem Stromgebiet zur Neue Untersuchungen über die Verteilung des Planktons im Ozean. 91 Beobachtung, war aber nördlich vom Äquator viel seltener als im Süden und wurde nur in Tiefen von 100 und 200 m gefunden, während sie im Süden auch an der Oberfläche vorkam. Sehr bemerkenswert war noch, daß auf der Nordhemisphäre nur die flach schalenförmigen weit offenen Gehäuse vorkamen, vom Süd- äquatorialstrom ab dagegen ausschließlich kugelige, rings geschlossene Schalen sich fanden. Kennzeichnend würde für das Schnittbild von Coceolithophora fragilis also sein, daß sie in geschlossener Volksmasse nur in einem einzigen Stromgebiet vorkam und dort eine höchste Dichte von 500 Individuen besaß, dab im ganzen übrigen Gebiete degegen nur zerstreut wenige Individuen gefunden wurden und unter 200 m überhaupt kein Exemplar sich nach- weisen ließ. Ein wesentlich anderes Bild zeigt uns Calyptrosphaera oblonga. Auch sie ist unter 200 m nicht mehr gefunden, und vom Guinea- strom ab südwärts erreicht sie nirgends ein höhere Volkszahl als 51 Individuen im Liter. Nördlich davon ist sie allerdings wesentlich häufiger, doch steigt ihre Volkszahl nur an einer Station (26. V.) über 1000 Individuen an. Bemerkenswerterweise steht nun die Ausbildung zusammenhängender und weit ausgedehnter Volksmassen oder das zerstreute Vorkommen an einzelnen Orten des Schnittes in keinem Verhältnis zur Bevölkerungsdichte Ein zerstreutes Auftreten ist sehr selten. Am 19. Juni und am 10. Juli kamen in 200 und 150 m Tiefe wenige Individuen im Liter vor; . beide Orte liegen unter geschlossenen Volksmassen und sind wohl nur als Absenker von diesen zu betrachten. Ein drittes zerstreutes Auftreten (26. V.) war aber um so merkwürdiger, als es das nörd- lichste Vorkommen betraf und zugleich die größte Volksdichte aufwies, die überhaupt bei dieser Art auf der Fahrt beobachtet wurde (2986 Individuen im Liter); diese Dichte war auf die obersten Wasserschichten beschränkt (0,5 m: 2986; 5 m: 2378), da schon in 25 m nur noch 85 Individuen lebten. Ich möchte annehmen, daß es sich hier um den Schnitt durch einen letzten Ausläufer reichbevölkerter Wassermassen des Randgebietes vom Gedeihgebiete der Art.her handelt (Fig. 9). Die Station liegt nördlich der Azoren im Gebiete der Golfstrom-Ausläufer, die hier, wie auch die Schnitte anderer Arten zeigen, biologisch sehr verwickelte Verhältnisse schaffen, indem zahlreiche Volkskerne neben und zum Teil auch übereinander gelagert erscheinen. Diesem zerstreuten Vorkommen gegenüber stehen nun 3 Volks- massen zusammenhängenden Auftretens. Die kleinste Masse er- streckt sich vom 10. bis 19. VII. und ist auf die obersten 50 m 7# 92 H. LOHMANN. beschränkt, also ganz flach. Die Dichte steigt nicht über 3 Indi- viduen im Liter. Sie greift vom südlichen Guineastrom in den nördlichen Teil des Südäquatorialstroms über. Auf der Südhemisphäre liegt die nächst große Masse, die sich bis 100 m und am 11. VIII. sogar bis 200 m in die Tiefe ausbreitet und deren Dichte sich wenigstens an 2 Orten über 25 Individuen erhebt. Es können danach zwei Volkskerne vermutet werden, deren südlicher (17. VILL) in 50 m, deren nördlicher (5. VIIL) an der Oberfläche liegt. Beide Punkte liegen in der Küstennähe (vor Pernambuco und Cap Frio), aber noch über der Tiefsee. Über dem Schelfrande kam Calyptrosphaera oblonga an der amerikanischen Küste (2. VIII.) nicht vor, und die allgemeine Verbreitung läßt sie als ausgesprochene Hochseeform erscheinen. | Im nordäquatorialen Stromzirkel lag dann die größte und volkreichste Masse, die den südlichen Teil der Golftrift und den Nordäquatorialstrom umfabte. Sie zerfällt deutlich in 2 Teile, die am 21. Juni durch eine schmale Brücke (0—75 m) verbunden sind. Während der südliche Volksteil, der ganz in den Nordäquatorial- strom fällt, nur einen Kern enthält (468 Individuen) und, wie bereits oben näher gezeigt wurde, sehr regelmäßig gebaut ist, ist der nördliche, wesentlich den Ausläufern der Westwindtrift an- gehörende Teil aus 3 Kernen zusammengesetzt, die von Norden nach Süden sich tiefer lagern und an Umfang zuneiimen. Der erste Kern von 250 Individuen Dichte (7. VL) liegt in O m, der zweite (am 12. VI.) in 25m (580 Individuen), der dritte (am 16. VI.) in50m. (505 Individuen). Da der Kern des südlichen Volksteiles in 100 m Tiefe liegt und den größten Umfang besitzt, so haben wir eine vollständige Reihe von Volkskernen vor uns, der sich schließlich jenes Maximum vom 26. V. zwanglos anreiht. Da die Westwind- trift in ihren südlichen Teilen sich schließlich in den Nordäquatorial- strom fortsetzt, so würde diese Folge von Volkskernen also ein stetes Absinken von 0—100 m Tiefe unter gleichzeitiger all- seitiger Ausbreitung der Volksmasse bedeuten. Daß es sich bei den Kernen immer um verschiedene Teile des Zirkelstrom-Querschnittes handelt, geht aus der Karte (Fig. 1) ohne weiteres hervor. Noch viel mannigfacher ist das Kurvenbild von Pontosphaera huzxleyi. Hier ist von zerstreutem Vorkommen überhaupt nicht die Rede, und ebensowenig kommen verschiedene, durch fundloses Wasser getrennte Volksmassen vor. Es erscheint vielmehr nur eine einzige zusammenhängende Volksmasse von einem Ende bis zum anderen reichend. Der Zusammenhang ist aber nur in den oberen 100—150 m vorhanden, unterhalb dieser Tiefen dagegen wechseln Neue Untersuchungen über die Verteilung des Planktons im Ozean. 43 Freigebiete und Fundgebiete miteinander ab und halten sich wohl ungefähr das Gleichgewicht. Aber auch in den oberen Schichten lassen sich an verschiedenen Schnittstellen noch deutlich die Orte erkennen, an denen Volksmassen miteinander verschmolzen sind. Am-auffälligsten ist das am 14. VI, wo das untere Freigebiet sich über 150 m emporhebt und ihm von der Oberfläche her ein oberes Freigebiet entgegenkommt, während zwischen beiden die Volksdichte auf 25 Individuen hinabsinkt. Im Norden und Süden aber von diesem Punkte (12. und 16. VI.) liegen die freien Ränder der hier sich berührenden Volksmassen des Misch- und Tropenwassers. Ahn- liche Verbindungstellen sind am Nord- und am Südrande des Guinea- _ stromes (7. und 10. VIL, 17. VIL) und zwischen Brasil- und Falklandstrom (1. IX.) zu beobachten. Was dieses Kurvenbild von dem vorigen unterscheidet, ist also, dab um die einzelnen Volksmassen, die dort noch getrennt waren, sich mehr oder weniger breite Gebiete niederer Bevölkerungsdichte gelegt haben, die in den oberen 100—150 m eine durchgehende Verbindung herstellen und unter dieser Tiefe lappen- und keilförmig in die Tiefe bis 400 und 600 m absinkende Flächen Wohngebietes schaffen, die das Freigebiet hier mehr und mehr einschränken. Dabei zeigt sich, daß diese Absinlc- gebiete eine vielfach gegen die Oberschicht verschobene Lage und auch abweichenden Kurvenverlauf zeigen. Es ist das also im ver- stärkten Maße dieselbe Erscheinung, die auch schon an den früher betrachteten Teilstrecken-Schnitten nachgewiesen werden Konnte. Wie von vornherein zu erwarten war, erweisen sich die Kurven- bilder der drei Arten trotz einer großen allgemeinen Überstimmung doch als wesentlich voneinander verschieden, worin das Eigen- tümliche jeder Art zum Ausdruck kommt. Für Pontosphaera huzleyv ist die hohe Volksdichte bezeichnend, die sie im kühlen Wasser des Nordens und des Südens erreicht (14. V. 6250; 2. IX. 11500) Sie gedeiht hier also erheblich besser als im warmen Tropenwasser, und es hängt damit auf das engste zusammen, daß die Bevölkerungs- zahl im Brasilstrom von Norden nach Süden hin ständig wächst (1900, 3700, 3800, 4150), obwohl es sich hier doch notwendiger- weise um Völker handelt, die seit Generationen in tropenwarmem Wasser gelebt haben und die daher gar nicht zu vergleichen sind mit den im Falklandstrom (2. +. IX.) auftretenden Völkern, die aus dem kalten Wasser der südlichen Westwindtrift stammen. Ebenso wird die für die Tropen überraschend hohe Bevölkerungs- dichte von 2150 Individuen im Südäquatorialstrom auf die Bei- mischung kalten Wassers zurückzuführen sein, die dieser Strom in dem östlichen Teile seines Laufes erleidet. 94 H. LOHMANN. Trotz dieses Verhaltens, das so sehr von dem der wärme- liebenden Calyptrosphaera oblonga abweicht, zeigt der Kurvenverlauf im Nordäquatorialstrom eine sehr große allgemeine Übereinstimmung. Der Hauptkern der Volksmasse liegt bei beiden Arten am 28. VI. in der Tiefe, bei Calyptrosphaera oblonga in 100, bei Pontosphaera huxleyiw in 50 m. Bei beiden sind die Isonephen weit nach rechts und links in 50 m ausgezogen, bei beiden senken sich die Isonephen bis 150 m in 28. VI., unterhalb dieser Tiefe aber erst bei 30. VI. am tiefsten hinab. Es läßt sich sogar zeigen, daß dem Volkskern von Calyptrosphaera oblonga am 16. VI. (505 Individuen, 50 m) und dem von Pontosphaera huxleyı am 19. VI. (100 m, 350) gleiche Erhebungen der Volksdichte bei der andern Art ent- sprechen. Bemerkenswert ist, daß im östlichen Teile der Volks- masse (16. und 19. VI.) Calyptrosphaera oblonga volksreicher ist, nach Westen hin aber immer mehr Pontosphaera huzxleyi überwiegt. Das kommt auch darin zum Ausdruck, dab im Osten Calyptrosphaera oblonga einen großen Volkskern hat, wo Pontosphaera huxleyı nur 2 kleine, voneinander getrennte aufweist, im Westen aber Ponto- sphaera huxleyı einen neuen Kern ausgebildet hat (3. VII), der Calyptrosphaera oblonga fehlt. Bei dieser großen Übereinstimmung beider Arten in dem Kurvenbilde trotz der verschiedenen Aus- bildung der Bevölkerungsdichte im einzelnen verdient noch besondere Beachtung, daß es sich um 2 Arten handelt, die ganz verschiedene Ansprüche an die hydrographischen Verhältnisse stellen. Das Kurvenbild der Gesamtheit aller Pflanzen ist natürlich nicht streng vergleichbar mit den 3 anderen Kurven- bildern, denn hier sind zahlreiche Arten zusammengeworfen, so daß die Erhebungen und Senkungen der Volkszahl der ein- zelnen Arten sich vielfach gegenseitig aufheben und der Verlauf der Kurven ruhiger werden muß. Aus demselben Grunde wird auch die Beziehung der Kurven zu den hydrographischen Verhältnissen leicht verwischt und verdunkelt werden. Es sind daher im allgemeinen zweifellos Artkurven diesen Gruppen- kurven bei weitem vorzuziehen. Ich habe dennoch diese Kurve gewählt, weil sie ein vorläufiges Bild von der allgemeinen Verteilung der Bevölkerungsdichte des durchfahrenen Gebietes zu geben vermag. Als Pflanzen sind alle Chromatophoren führenden Protisten, aber auch die farblosen Peridineen gerechnet. Es handelt sich also nicht um eine Kurve für die Produzenten, sondern für die systematisch zu den Pflanzen zu stellenden Organismen. Die Zahl der Protozoen tritt so sehr gegenüber der der Pflanzen zurück, daß der Schnitt im allgemeinen als Bevölkerungsbild gelten kann. L] H E 2 4 : $ ir x E r iv fr ; \ N N ı H i il i I. re nen nen Neue Untersuchungen über die Verteilung des Planktons im Ozean. 95 Zu bedenken ist jedoch, daß im Zentrifugenplankton der Zahl nach die Coceolithophoriden und kleinen Peridineenformen (vor allem Gymnodinien), die Diatomeen und nackten pflanzlichen Flagel- laten überwiegen und diese daher den Verlauf der Kurven bestimmen. Es handelt sich auch hier um ein Teil-, nicht um ein Gesamtplankton. Man sieht sofort, daß der allgemeine Charakter des Kurven- bildes der gleiche wie bei Pontosphaera huxleyv ist. Eins aber ist sehr auffallend. Die Volkskerne liegen wie bei allen bisher be- sprochenen Arten in den oberen 100 m, die Absinkgebiete aber gehen soweit in die Tiefe hinab, daß von fundfreiem Wasser kaum irgend etwas übrig bleibt. Nur am 7. und 9. VIII. wurde in 400 m keine Pflanze mehr gefunden. Schon aus dem Verlauf der Isonephen ist zu schließen, daß Pflanzen lebend noch erheblich tiefer als bis 400 m hinabgehen, denn nur an einer anderen Stelle (3. und 5. VI.) tritt die 25-Linie über 400 m empor; überall sonst ist die unterste Isonephe diejenige für 50 und an den beiden Schnittenden im kühlen Wasser sogar erst die Isonephe 100 oder gar 300. In den sieben Schöpfproben aus 600 m Tiefe (14. V., 6., 14, 28. VL, 5., 2. VII, 5. VIII.) wurden nur 2mal keine Pflanzen gefunden, in 6 Fällen aber 3, 16, 21, 67 und 126 Individuen für 1 Liter. Am 7. VII. wurde auch Wasser aus 800 m zentrifugiert; im Sediment waren noch 29 Pflanzen mit gut erhaltenem Zelleib. Bei 3000 m Tiefe (16. V.) wurden begreiflicherweise keine Pflanzen mehr beobachtet. In 600 m wurden noch 5 Coccolithophoriden-Arten, Gymnodinien und 1 kleiner Coseinodiscus gefunden; im 800 m wurden noch eine Coceolithophoride, farblose Gymnodinien und eine KBhizosolenia- Art nachgewiesen. Man wird also wahrscheinlich das Kurvenbild der Pflanzen bis 800 m vertiefen müssen, um das gleiche Bild der fundlosen Wassergebiete zu erhalten wie bei Pontosphaera huzleyi. Daß die Volkskerne trotzdem auf die oberen 100 m beschränkt. bleiben, ist sehr bedeutungsvoll, da es zeigt, daß das ganze Auf- und Abschwellen der Volkszahl in dieser Wasserschicht von 0—100 m abläuft. Dies ist also die Schicht, die für das Verständnis der Volksbewegung von ausschlag- gebender Bedeutung wenigstens bei den Pflanzen ist und in der also auch diejenigen Faktoren zu finden sein müssen, von denen der Wechsel der Volkszahl bestimmt wird. . Ein weiterer Vergleich mit den Artkurven zeigt eine große Übereinstimmung in dem allgemeinen Kurvenverlauf und der Lagerung der Volkskerne. Besonders auffallend ist das in den (+ebieten kühlen Wassers im Norden und Süden. Dabei ist besonders 96 H. LOHMANN. beachtenswert, daß der Unterschied in der Volkszahl ein so gewaltiger ist, daß eine wesentliche Beeinflussung der Pflanzenkurve durch die hier zum Vergleich herangezogenen Artkurven ganz aus- geschlossen ist. Auch bezieht sich die Übereinstimmung keineswegs nur auf die sehr volkreiche Pontosphaera husleyi, sondern auch auf die ganz volkarmen zwei anderen Arten. So tritt sofort hervor, daß in dem Kurvenbilde von Coccolithophora fragilis nicht nur der . Volkskern vom 24. VII. sondern auch der ganz unbedeutende Kern vom 28. VI. den weit größeren Volkskernen derselben Stationen in den 3 anderen Schnitten enstprechen, und ebenso findet man sogleich für die beiden unbedeutenden Volkskerne in der südlichen Volksmasse von Calytrosphaera oblonga die entsprechenden Kerne in den anderen Schnitten wieder. Es ist dabei selbst die Gestalt der Kerne übereinstimmend, obwohl die Maxima der Volksdichte sich wie 2000:500:50 und 13000:4000:25 verhalten. Vor Per- nambuco gehen die Kurven keilförmig in die Tiefe, im südlichen Brasilstrom schieben sich die Kurven von der Oberfläche in 23. VIII. in 50 m Tiefe bis 17. VIII. und darüber hinaus nach Norden vor. Zu einem weiteren Vergleich fordert der Volkskern am 28. VI. auf. Bei Coccolithophora fragılis liegt er in 200 m Tiefe und ist bei sehr geringer Höhe auf diese beschränkt; bei Calyptrosphaera oblonga finden wir ihn an Umfang und Höhe bedeutend gewachsen in 100 m Tiefe; der Volkskern von Pontosphaera liegt endlich bei noch größerer Ausdehnung und etwa doppelter Volkshöhe in 50 m Tiefe. Bei der Gesamtheit der Pflanzen ist er schließlich ganz an die Oberfläche, zugleich aber vom 28. VI. nach 30. VI. verlagert. Der allgemeine Verlauf der Isonephen ist in allen 3 Völkern, besonders auch in der Tiefensenkung der gleiche. Überblicken wir nun noch einmal das Ergebnis dieser Unter- suchung der Streckenbilder wie des ganzen Fahrtschnittes, so ist die durchgehende Gesetzmäßigkeit des Kurvenverlaufes und die Zuverlässigkeit der Methode zunächst das Bemerkenswerteste Vonden Bildern, welche die Isohydren uns geben, weichen die Isobien allerdings grundsätzlich ab, denn das wesent- liche Element, das die biologischen Kurven durchgängig beherrscht, ist das Volk und der Volkskern mit seinem Aufbau aus konzentrisch zum Kern verlaufenden Isonephen ab- oder zunehmender Volksdichte. Dieser Unterschied ist ja auch bei näherer Überlegung notwendig, da die Organismen als Grunderscheinung alles Lebens die Vermehrungs- fähigkeit vor der leblosen Natur voraus haben. Von dem Wechsel der Existenzbedingungen, dem die Organismen im Ozean unterliegen, Neue Untersuchungen über die Verteilung des Planktons im Ozean. 97 wird aber die Vermehrungsstärke in erster Linie beeinflußt, und so entstehen für jedes Gebiet besondere Völker und Volkszentren. Ehe jedoch auf diese grundlegenden Verhältnisse näher ein- gegangen wird, mag an Calyptrosphaera oblonga das Verhältnis untersucht werden, in dem die Isohydren und Isoplankten zu- einander stehen. Mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Brennecke habe ich in das Kurvenbild dieser Art die in Frage kommenden Isohydren (mit roter Farbe) eingetragen. Von vornherein ist nach dem Vorhergehenden klar, daß für ein Verständnis der biologischen Verhältnisse nur solche hydrographischen Eigenschaften von Bedeutung sein können, deren Wechsel in die oberen 100—150 m fällt, da hier allein der Wechsel der Völker und Volkskerne stattfindet. Bei der Abhängigkeit des Pflanzenlebens vom Lichte und der Tiere wiederum von den Pflanzen liegt es ferner nahe, in der Belichtungsstärke und Belichtungsdauer der verschiedenen Wasserschichten und Meeresteile einen Hauptfaktor für die wechselnde Gestaltung der Volksdichte zu suchen. Dies ist um so sicherer, als nachgewiesen ist, dab bei Peridineen und Diatomeen des Planktons gerade die für die Volksdichte maßgebenden Vermehrungsvorgänge vom Licht abhängig sind, aber in ganz anderer Weise als die vegetativen Vorgänge des Stoffwechsels. Während diese durch kräftige Belichtung gefördert werden, gehen jene am besten im Dunkel der Nacht oder in der ersten Dämmerung vor sich. Aber leider sind wir bisher noch nicht in der Lage, über diese Belichtungsverhältnisse exakte Beobachtungsreihen oder gar Isokurven heranziehen zu können. Das gleiche gilt von der Verteilung der im Meerwasser vorhandenen anorganischen Pflanzen- nährstoffe. Die Eigenschaften aber, welche regelmäßig von den Hydrographen untersucht zu werden pflegen: Temperatur, Salz- gehalt, Dichte, Sauerstoffgehalt sind für die biologischen Kurven- bilder des Zentrifugenplanktons im allgemeinen von geringerer Be- deutung, sobald man über die ganz allgemeinen und hinreichend bekannten Unterscheidungen von Formen des kühlen und des Tropenwassers, des stark- und des schwachsalzigen Wassers hin- ausgehen und strengere Beziehungen zwischen Isoplankten und Isohydren zu finden sucht. Calyptrosphaera oblonga jedoch zeigt solche Beziehungen in sehr klarer Weise und ihr reihen sich andere Arten an, auf die hier indes nicht weiter eingegangen werden soll. Von den 3 Volksmassen, die im Fahrtschnitt auftreten, sind die beiden großen südlich und nördlich vom Guineastrom gelegenen in den oberen 100 m eng an die Linie für 36 °/,, Salzgehalt gebunden. 98 H. LOHMANN. Im Norden wird von ihr auch noch das isoliert gelegene Maximum vom 26. V. eingeschlossen, im Süden fallen nur 2 Funde vom 23. VIII. außerhalb dieser Linie. Der Salzgehalt beträgt hier aber noch. nahezu 36 °/,. (35,96 und 35,82 °/,,). Auf der Südhemisphäre senkt die lIsohaline sich nur bis 200 m Tiefe hinab und genau soweit dehnt sich auch die Volksmasse aus. Im Norden dagegen, wo das schwachsalzige von den hohen Breiten her äquatorwärts vordringende Tiefenwasser fehlt, geht die gleiche Linie unter 400 m hinab, und die Volksmasse füllt bei weitem nicht das von der Isohaline um- schriebene Gebiet aus. Nach der Verbreitung während der Fahrt der Deutschland erfordert die Art also zum Gedeihen einen Salzgehalt, der 36 °/,, erreicht oder übersteigt. Außerhalb dieses salzreichen Gebietes kommt sie zwar auch noch vor, wie die kleine Volksmasse im Guinea- und Südäquatorialstrom zeigt, die bei 34,79—35,55°/,. Sich hält, aber auch nur eine überaus schwache Entwicklung zeigt. Alle 3 Volksmassen werden ferner umschlossen von der Temperaturkurve für 15° C. Auffällig ist dabei, wie genau der Verlauf dieser Isotherme sich der unteren Randlinie der Volks- massen parallel hält und in dem mittieren Gebiete sich ebenso wie diese aus der Tiefe emporhebt. Hier im Gebiete der hohen Oberflächentemperaturen drängen sich daher die Isothermen auf das engste aneinander und die Abnahme mit der Tiefe erreicht eine solche Stärke, dab schon auf 25 m Tiefenabstand ein Temperatur- abtall von 2° und darüber erfolgt. Die Tiefen, in denen, von der Oberfläche gerechnet, zuerst ein solcher Temperatursprung sich fand, sind durch rote Kreise gekennzeichnet. Man sieht daraus zunächst, daß solche starken Teemperaturstürze auch noch nördlich (5. und /. VIL) und südlich (22. VII.—7. VIIL) der mittleren Volks- masse vorgekommen sind, und es fällt ferner sofort in die Augen, wie genau sich alle drei Volksmassen im Gebiet dieser Sprungschicht oberhalb derselben halten. Ausnahmsweise kommen gleichstarke Wärmeunterschiede auch in anderen Teilen des Ozeans nahe der Oberfläche vor, und es ist sehr bemerkenswert, daß an den 2 Punkten (29. V. und 19. VI.), die während unserer Fahrt diese Abnormität zeigten, Ualyptrosphaera oblonga gleichfalls nicht gefunden wurde, obwohl sie in ihr Verbreitungsgebiet hineinfallen. Das Mittelgebiet ist aber ferner noch dadurch ausgezeichnet, daß in der Tiefenzone zwischen 50 und 150 m, in der die Sprung- schicht liegt, außerdem noch die obere Grenze der beiden sauer- stoffarmen Gebiete des Ozeans fällt, die durch die Vertikalzirkulation des Ozeanwassers geschaffen werden und auf dem Schnitt durch die Isokurve für Wasser von 3 cem Sauerstoff (im Liter) um- LE a b 2 £ 3 Fe r I - pn. “ ee = n ur ’ Se re er rer rare een ne Id tunen sn nn nn a srl wine Surman ar yo nn nn nn Neue Untersuchungen über die Verteilung des Planktons im Ozean. 99 schrieben sind. Innerhalb beider Flächen sinkt der Gehalt im Fahrtschnitt bis unter 2 ccm herunter. Nur einmal wurden im äußersten Rande dieses Gebietes bei 2,8 ccm Sauerstoff noch wenige Individuen gefunden; sonst gehen auch diese Kurven dem unteren Rande der drei Volksmassen parallel. Endlich kommt noch eine Dichtelinie (Isopykne für 1,026) für das Verständnis des zwischen den beiden großen Volksmassen liegenden, so schwach bevölkerten Mittelgebietes in Betracht. Sie zeigt, daß Calyptrosphaera zum guten Gedeihen ein Wasser verlangt, ‘das eine höhere Dichte als 1,026 besitzt. Wir würden also zusammenfassend sagen können, Calyptrosphaera oblonga wird in der Gesamtverbreitung ihres Wohngebietes durch die Isotherme von 15° C begrenzt. Innerhalb dieses Raumes gedeiht sie nur in Wasser, dessen Temperatur in vertikaler Richtung keine der Sprungschicht gleichwertige Wärmesprünge zeigt, das 36°/,, Salzgehalt oder mehr hat, und dessen Sauerstofigehalt über 3 ccm im Liter beträgt. Sie erfordert schließlich zu gutem Gedeihen Wasser von mehr als 1,026 Dichte. Innerhalb des Wohngebietes aber, das sich durch diese Isohydren umgrenzen läßt, ist die Ausbildung der Volks- massen und insbesondere auch der Volkskerne ganz un- abhängig von den uns bis jetzt bekannten Isohydren. Vergleichen wir nun die anderen Schnittbilder mit den eben besprochenen Isohydren, so zeigt sich sofort, daß für sie diese hydrographischen Verhältnisse nur ganz im allgemeinen von Be- deutung sein können und auf keinen Fall für die Absinkmassen in Frage kommen. Diese gehen vielmehr, wie der Südäquatorial- stromquerschnitt zeigt, mitten durch die sauerstoffarme Region hindurch und schneiden Isothermen, Isohalinen und Isopyknen. Nur die Entfaltungsmöglichkeit der Volkskerne nach der Tiefe zeigt sich in dem Mittelgebiet entschieden erheblich beeinträchtigt durch den plötzlichen Wechsel der hydrographischen Eigenschaften des Wassers in 50—150 m Tiefe, und der auffällig wagerechte Verlauf der Isoplankten in dieser Zone dürfte hiermit zusammen- hängen. Dagegenist die Lage der Volkskerne in der Schicht zwischen 0 und 150 m ganz sicher von diesen Verhältnissen gänzlich unabhängig, denn sie bleibt auch im ganzen übrigen Gebiet bis in die hohen Breiten hinein unverändert die gleiche. Wir dürfen nach alle dem überhaupt nicht erwarten, eine große Abhängigkeit der Isoplankten von den bisher 100 H. LOHMANN. ‚uns bekannten Isohydren zu finden. Es ist aber dringend notwendig, daß jetzt die planmäßige Untersuchung solcher Eigenschaften des Meerwassers, die für das Gedeihen der Organismen entscheidend sind, also vor allem der Be- lichtungsstärke und Belichtungsdauer, der Lichtbe- schaffenheit und der Menge der verschiedenen Pflanzen- nährstoffesoweitgefördert wird, dab auch fürsielsohydren gezogen werden können, und zwar voralleminder Schicht von 0—150 m Tiefe. Ehe wir weiter gehen ist noch eine Überlegung wichtig. Die (renzisonephe 1, welche das Fundgebiet von dem Freigebiet trennt, ist in weitem Umfange von der Methode abhängig. Hätte ich statt 300 ccm nur 30 ccm zentrifugiert, so würde ich natürlich vielmehr Nullbefunde gehabt haben als jetzt; es wäre für Oalyp- trosphaera oblonga z. B. die kleine mittlere Volksmasse ganz unent- deckt geblieben; von der südlichen großen Volksmasse wäre wahr- scheinlich nur das eine Maximum am 3. VIII. gefunden und die nördliche Volksmasse wäre sicherlich um das Randgebiet mit 1—25 und selbst 50 Individuen verkleinert. Bei Coccolithophora fragılıs würden wahrscheinlich alle oder doch die meisten zerstreuten Funde fehlen und die Volksmasse selbst um 1 oder 2 Isonephenbreiten verkleinert sein. Weniger einschneidend würde die Wirkung bei den anderen Bildern sein, doch würde die jetzige 25. Linie wahr- scheinlich als Grenzlinie erscheinen. Der Verlauf der Isoplankten würde allerdings theoretisch genommen, derselbe bleiben müssen. Da aber die Zuverlässigkeit der Einzelwerte mit der Herabsetzung des Untersuchungsmaterials auf !/,, der jetzigen Menge erheblich sänke, so würde natürlich auch die Linienführung im ganzen viel unsicherer werden. } Das gleiche gilt natürlich, nur in umgekehrtem Sinne, wenn = wir den Fall setzen, wir wären in der Lage, statt 300 ccm jetzt 3 Liter für jede Untersuchung zu verwenden. Dann würde die Grenzisonephe in allen Fällen, wo sie nicht schon jetzt ihre endgültige Lage hat, weiter in das Freigebiet vorgeschoben werden und die Sicherheit der Linienführung erheblich wachsen, also Fehler, die jetzt unerkannt in den Schnitten sein mögen, vermieden werden. Im allgemeinen wird man daher sagen können, die Unsicherheit der Kurven betrifft wesentlich die Grenzisonephe und die ihr sich anschließenden nächsten Dichtelinien von 25 und 50, deren Festlegung auf sehr niedrigen Zahlenbefunden beruht. Bei allen Linien aber wächst die Zuverlässigkeit mit der Höhe des Dichtigkeitsgrades, den sie angeben. Neue Untersuchungen über die Verteilung des Planktons im Ozean. 101 Wie jedoch schon auf der Plankton-Expedition sich zeigte, geben oft auch ganz niedrige Werte so klare Verbreitungsbilder, dab ihre Vernachlässigung durchaus unberechtigt sein würde. Sie sind aber kritischer zu betrachten als die höheren Werte. Durch Vergrößerung der einzelnen Wasserproben und der Raumeinheit, auf die die Zahlen für die Kurven verrechnet werden, würde natürlich eine genauere kurvenmäßige Analyse der jetzigen Randgebiete ermöglicht werden und es würde in vielen Fällen die Grenzisonephe sehr viel weiter vorgeschoben werden. Es ist aber klar, daß bei den hier gegebenen 4 Kurvenbildern, in denen die Volkskerne bereits jetzt klar zur Darstellung gelangen, dadurch nur eine genauere Umgrenzung der Absinkmassen und ein Nachweis derselben da, wo diese jetzt noch nicht zur Erscheinung kommen, geschaffen werden würde. Das ist natürlich wichtig, aber von viel größerer Bedeutung sind jedenfalls die Volkskerne. Es bleibt nun noch die Beziehung der Isoplankten zur Zeit und zur Fortbewegung der Planktonten im Strom zu untersuchen übrig. Bisher haben wir die Kurvenbilder betrachtet, als ob die Volkszahl der Planktonten an jedem geographischen Orte der Fahrtlinie während. der ganzen Fahrtdauer unveränderlich sei. In Wirklichkeit ist aber nicht nur ein zeitlicher Wechsel sicher anzunehmen, sondern es sind auch die Organismen, deren Volkszahl untersucht wird, in dem bewegten Wasser der Meeres- strömungen einem fortwährenden Ortswechsel unterworfen. Wir wollen zuerst den Einfluß der Zeitunterschiede prüfen, die zwischen den verschiedenen Teilen des Fahrtschnittes bestehen. Es ist möglich, das ganze Kurvenbild einfach als Zeitkurve zu lesen, indem man den Ortswechsel außer acht läßt und nur die Zeitangaben in Betracht zieht. Wir würden dann ohne Schwierig- keit feststellen, daß z. B. Coccolithophora fragilis in der 2. Hälfte des Juli eine Wucherungsperiode hätte, die am 24. ihren Höhepunkt erreicht und am 3. August bereits zu Ende ist. Bei Calyptrosphaera würden wir im Nordsommer und Südwinter je 1 Wucherungsperiode finden, jede aus mehreren Hoch- und Tiefzeiten zusammengesetzt und endlich würden Pontosphaera huxleyi und die Pflanzen in rascher Folge von 4 Monaten mindestens 5 größere und 2 kleine Wucherungsperioden durchmachen. Für jede Periode würde ein Entstehen, Anwachsen, Kulminieren und wieder Absinken sich ergeben. Zwischen den verschiedenen Hochzeiten sänke die Volks- zahl auf eine mittlere Höhe oder ginge so tief herab, daß nur noch dann und wann ein Nachweis gelänge oder die Art überhaupt ganz aus dem Kurvenbilde entschwände. Es würde dann z. B. die 102 H. LOHMANN. Hochzeit von Coccolithophora fragilis etwa 9 Tage (18.—26. VIL), die im Nordäquatorialstrom ablaufende Periode von Calyptrosphaera oblonga (21. VL.—6. VII.) etwa 16 Tage und die im Brasilstrom bei Pontosphaera auftretende Wucherung (11.—28. VIIL) etwa 18 Tage währen. Das wäre im Vergleich zur Dauer solcher Wucherungsperioden in den nordischen Meeren ein über alles Erwarten schneller Ablauf, denn bei Kiel umfaßten sie immer eine Reihe von Wochen, selten 4—6 Wochen (farblose Gymnodinien und ‚Heterocapsa trıquetra), oft 2 Monate (Anabaena, Eutreptia) oder über ein Vierteljahr (Chaetoceras, Pontosphaera husxleyi, farbige (Gymnodinien). Vor allem aber wäre gar kein Verständnis für diesen schnellen Wechsel zu gewinnen, da die jahreszeitlichen Änderungen der Existenzbedingungen außerordentlich gering und jedenfalls viel kleiner sind als in der Kieler Bucht. Demgegenüber zeigen die vom Ort abhängigen Existenzbedingungen während der Fahrt eine solche Parallelität mit den Änderungen des Kurvenbildes, daß die Ursache des biologischen Wechsels unbedingt nur in diesem vom Ort bedingten Wechsel der hydro- eraphischen Verhältnisse liegen kann. Überall treten auf den Fahrtschnitten die Beziehungen der Volksmassen und ihrer Kerne zu den einzelnen durchfahrenen Meeresgebieten (Westwindtrift, Nord-Äquatorialstrom, Guineastrom, Süd-Äquatorialstrom, Brasilstrom und Falklandstrom), zu der Richtung, in der sie durchschnitten werden (Querschnitte, Längsschnitte, Schrägschnitte, Kanten- und Keilschnitte) und demgemäß auch zu den Knickungen der Fahrt- linie, die die Schnittrichtung änderten (vor allem 28. VL), auf das deutlichste hervor. Dieser Einfluß des Ortes überwiegt also den der Zeit vollständig, so daß der letztere für uns vor- läufig überhaupt nicht als solcher erkennbarist. Sicherlich wäre das Kurvenbild wesentlich anders, vor allem im äußersten Norden und Süden, ausgefallen, wenn alle Beobachtungen zu gleicher Zeit ge- macht worden wären. Im Norden waren wir im Vorsommer (2. Hälfte = des Mai), im Süden Ende August und Anfang September also im Süd- winter, unserem Februar und März entsprechend. Im Südäquatorial- strom trafen wir ferner gerade die Zeit seiner größten Stromstärke und = niedrigsten Temperatur. Der Einfluß des kühlen Wassers im Osten des Stromzirkels wird daher besonders kräftig gewesen sein. Im einzelnen werden wir aber die Zeitdauer bei der Erklärung der Kurven, ohne erhebliche Fehler zu begehen, außer acht lassen dürfen?). 3) Man könnte daran denken, daß der Wechsel von Tag und Nacht die n Vertikalverteilung der Planktonten änderte und die dadurch hervorgerufenen vertikalen Wanderungen die Lage der Volkskerne verschöbe. Zunächst Neue Untersuchungen über die Verteilung des Planktons im Ozean. 103 Etwas anders liegt es hingegen mit der Strombewegung des die Planktonten enthaltenden Wassers. Nach den neueren Anschauungen über die Meeresströmungen haben wir bekanntlich nicht nur mit einer in geometrischer Progression mit der Tiefe fortschreitenden Abnahme der Stärke der Tiefenströme zu rechnen, sondern gleichzeitig mit einer Anderung der Strom- richtung, die dahin führt, daß der Winkel zwischen Oberflächen- strom und Tiefenstrom fortwährend wächst und in der sogenannten Reibungstiefe 180° erreicht, die Richtung also hier der der Oberfläche entgegengesetzt ist. Diese Reibungstiefe liegt nach Krümmel in 8° Breite etwas über 150 m, in 15 und 20° Breite bei rund 100 m und in 40° Breite bei etwa 70 m Tiefe. Es ist das also im allgemeinen zugleich die Tiefe, über der die Volkskerne und damit die Stätte der Auf- und Abbewegungen der Volksdichte des Zentrifugenplanktons liegen, während darunter die Randteile und die Absinkgebiete sich finden. Daher ist es auch bemerkenswert, daß sich, wie bei Besprechung der Teilbilder schon hervorgehoben wurde, mehrfach eine deutliche Verschiebung der tieferen Kurven- teile gegenüber den höher gelegenen bemerkbar macht und die Grenze zwischen beiden im Tropengebiet in 150 m Tiefe liegt (Calyptrosphaera oblonga und Coccolithophora fragilis, 28. VI. und 30. VI. und 19.—24. VII). Während der Reise übertraf die Fahrt des Schiffes die Strömung durchschnittlich um das 2—8fache®), und zwar war sie in der Westwindtrift (Golftrift) 8 mal, im Nordäquatorialstrom und Brasil- - strom 4—7 mal, im Guineastrom 4mal und im Südäquatorialstrom 2—3mal größer. Dort war demnach die Stromstärke am schwächsten, hier am größten. Das Schiff war also stets dem Strom weit voraus, selbst wenn die Fahrt wie im Brasilstrom gleiche Richtung mit dem Strom hatte. Fahrt direkt gegen den Strom ist nicht aus- geführt, dagegen oft Kreuzen der Stromrichtung in schräger oder querer Richtung. Da die Durchquerung z. B. des Südäquatorial- stroms (v. 17.—26. VII.) 10 Tage währte, so mußten natürlich an jeder folgenden Station Wasserfäden angetroffen werden, die zur Zeit der vorigen Beobachtung noch beträchtlich oberhalb trieben (man Kann, um eine ungefähre Vorstellung zu gewinnen, für 1 Tag sind aber die Untersuchungen stets zu gleicher Tageszeit (vormittags von 8 Uhr ab) gemacht, und dann können die hier in Frage stehenden Planktonten entweder überhaupt nicht wandern oder legen im Maximum (geradlinige Bewegung voraus- gesetzt!) in 12 Stunden kaum 2 m zurück! *) Dabei sind die Zeiten des Stilliegens an den Beobachtungspunkten der Fahrt mitgerechnet! 104 H. LOHMANN, etwa 50 km Abstand rechnen) und nach 10 Tagen würde dieser Abstand recht beträchtlich geworden sein (etwa 500 km). Das erscheint sehr viel; vergleicht man diese Entfernung aber mit der Breite des Stromes, die 1400 km beträgt, so stellt sie sich doch als sehr unbedeutend heraus, und es ist nicht wahrscheinlich, dab dadurch irgendwelche Verschiebungen der Kurvenbilder bedingt sein sollten. Wiehtiger ist, daß im Querschnitt des Südäquatorialstromes sehr erhebliche Verschiedenheiten in der Schnelligkeit vorkommen, die in ihrem jahreszeitlichen und örtlichen Verhalten genau untersucht sind und für die Zeit unserer Durchquerung (VII.) folgendes Bild geben (KRÜMMEL, Ozeanographie, Bd. II, S. 550): Geographische Breite | Stromstärke im Juni, Juli 4— 20% nördlicher Breite 25 Seemeilen in 24 Stunden 2 — 09 „ N 3l „ ” ” ” 0— 2° südlicher Breite 21 x on 2 2 — 4° ”„ ” 26 ’ ” „ , 4— B ” ” 22 ” „ ) ” h— 8 n „ 20 ” ’ ” ’ gr00 A% Ber; Das sind sehr Kstane. Verhältnisse, da das ganze Jahr hin- durch in 2—0° n. Br. und 2—4° s. Br. die größten, in 6—10° s. Br. aber die niedrigsten Werte beobachtet werden. Diese Verschieden- heit kann aber auf den biologischen Zustand der einzelnen Strom- = fäden von Einfluß sein, indem der Weg von Osten nach Westen in verschiedener Zeit zurückgelegt wird. Da sowieso die Außenteile, die Mitte und die Innenteile eines jeden Stromquerschnittes von- einander abweichende Reiseschicksale haben müssen, so wird durch diese Unterschiede in der Stromschnelligkeit diese Verschiedenheit noch gesteigert, und das muß allerdings im Kurvenverlauf zum Ausdruck kommen. Auch hier fehlt uns aber bisher jedes Mittel, diesen Einfluß sicher zu erkennen. Die Kurvenbilder der Fahrtschnitte geben naturgemäß nur ein sehr unvollkommenes Bild von der wirklichen Verbreitung der Volks- diehte im Ozean. Es ist, als wenn man von einem noch nicht näher bekannten Organismus nichts weiter als einen einzigen Längsschnitt hätte und daraus Schlüsse auf den Bau des Tieres ziehen wollte. Wie aber der allgemeine Bauplan aller Gewebstiere dem kundigen Zoologen trotz der Dürftigkeit der Grundlagen manche wertvolle Schlüsse gestatten würde, so gibt auch uns, das was wir von den allgemeinen hydrogr aphischen Verhältnissen des Wohnraumes und den biologischen Eigenschaften der betreffenden Arten wissen, wichtige Hinweise 4 i Neue Untersuchungen über die Verteilung des Planktons im Ozean. 105 darauf, wie wir diese Schnittbilder in Wirklichkeit zu ergänzen haben, um das körperliche Bild der Volksverbreitung dieser kleinen Planktonorganismen im Ozean zu £rschließen. Wir sehen, daß der Fahrtschnitt sich aus Quer-, Längs- und Schrägschnitten durch die Stromgebiete zusammensetzt. Könnten wir nun eine Reihe von Querschnitten durch ein solches Gebiet ausfindig machen, so würde es leicht sein, aus ihnen alle erforderlichen Längs- und Flachschnitte herzustellen und so ein genaues körper- liches Bild zu gewinnen. Leider enthält aber unser Fahrtschnitt immer nur 1 Querschnitt durch ein Meeresgebiet; zwei derselben sind außerdem ganz unvollständig (Nordäquatorialstrom und Falklandstrom), ein dritter (Südäquatorialstrom) ist allerdings in jeder Beziehung tadellos. Längsschnitte sind noch dürftiger im Schnitt vertreten; im Nordäquatorialstrom ist nur das äußerste Randgebiet getroffen, im Brasilstrom setzt es sich aus 4 Quer- schnitten ziekzackförmig zusammen. Das Material reicht mithin nicht aus, um für irgendeine Art oder Gruppe einen Volkskörper aufzubauen. Um nun doch zu einem vorläufigen Bilde zu gelangen, habe ich aus dem Südäquatorialstrom 7 Coccolithophoriden-Arten aus- gewählt, deren Kurvenbilder verschieden starke Volksmassen zeigen, und diese in gleichen, aber natürlich ganz willkürlichen Abständen hintereinander aufgestellt, und als Ausgangspunkt für diesen ersten Versuch genommen. Das Bild, das so gewonnen wird, ist also ganz hypothetisch, hat aber gegenüber einer rein schematischen Konstruktion den Vorteil, daß die Elemente den wirklichen Ver- hältnissen entnommen sind. Unter den Schnittbildern fanden sich einige, deren Volkskern nach dem Südrande, andere, bei denen er nach Norden verschoben war, während er bei dem größten Volke (Pontosphaera huzleyi) in der Strommitte lag. Ich habe jene Schnittbilder so geordnet, daß das stärkste Volk in die Mitte der Reihe kommt, die Schnitte mit nördlich liegendem Kern strom- abwärts, die mit südlich gelegenem Kerne stromaufwärts liegen, und nach beiden Enden die Volkszahl abnimmt. Da im Strom das Volk aufgefaßt werden muß als ein sich bildendes, einen Höchst- stand erreichendes und dann wieder schwindendes, so bleibt diese Anordnung die wahrscheinlichste. Die Breite der Querschnitte ist ungefähr 1400 km, die Höhe 400 m. Der Abstand der Schnitte voneinander ist, wie schon gesagt, vollständig willkürlich; ich wählte 875 km lediglich, weil dieser Maßstab für die Darstellung geeignet erschien. Es wird im übrigen zweckmäßig sein, sich vorzustellen, daß die Querschnitte in jede beliebige Entfernung voneinander ge- 8 en 2a fi 106 H. LOHMANN. bracht werden und das ganze Volk also von großer Länge, aber auch von großer Kürze und der Kern beliebig vor- und rückwärts verlagert gedacht werden kann. Die 7 Querschnitte, der Längsschnitt durch die Strommitte und der Flachschnitt im Meerespiegel sind auf Tafel II wiedergegeben; aufgezeichnet wurden aber 5 Längsschnitte, 9 Flachschnitte sowie eine größere Zahl von Schrägschnitten. . Was lehren uns nun diese Konstruktionen ? Zunächst, daß dieselben ein einfaches und klares Bild liefern, das als Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen durchaus geeignet _ erscheint. Der Längsschnitt durch die Strommitte zeigt die Lagerung des Volkskernes oberhalb 150 m, den Beginn der Volkszunahme in 75 m Tiefe und die allmähliche Ausbreitung zur Oberfläche, sowie das Ausharren der höheren Werte in derselben Tiefe beim Nieder- gange, endlich die flache Wölbung der Volksunterfläche. Das ganze Volk hängt mit lang gestreckter Fläche am Meeresspiegel; an der Stelle des Stromes, wo die höchste Volkszahl erreicht wird, füllt es die ganze Breite aus, vorher und nachher wird es schmäler, doch breiten sich nach beiden Enden hin die Gebiete niedriger Dichte weit seitwärts aus. Unterhalb des Maximums senkt sich eine Masse biszu 400 m Tiefe nieder. Das Anwachsen der Volks- zahl erfolgt weit langsamer als der Niedergang; das dürfte in der Natur nach den Erfahrungen an Planktonten der Kieler Bucht verschieden sein. Bei Anabaena, Chaetoceras und Exuviaella war hier der Aufstieg schnell, der Abfall langsam, während bei HZeterocapsa und Zutreptia ein langsamer Aufstieg und kurzer steiler Abfall beobachtet wurde. Pontosphaera huxleyı schloß sich hier der ersten Gruppe an. Es ist jedoch in der Kieler Bucht, bei. solchen Arten, die wie Pontosphaera nur in einer kurzen Zeit des Jahres vorkommen, sehr wahrscheinlich, daß sie von außen in die Bucht hineingetrieben werden und daher der Wucherungsbeginn überhaupt nicht beobachtet wird. Jedenfalls kann in unserer Konstruktion jedes Ende der Volksmasse als das vordere angesehen werden. Sehr klar tritt hervor, wie die Verschiedenheit der vertikalen Verbreitung in der Längserstreckung zustande kommt. Die Volksmasse wird jedoch nur in einem so scharf um- schriebenen und konstanten Strom, wie es der Südäquatorialstrom im äquatorialen Gebiete des Atlantischen Ozeans ist, diese Gestalt haben können. Sie wird eine andere erhalten, sobald der Strom, wie etwa der Golfstrom in der Westwindtrift, aus dem Strom- kreislauf als Endstrom heraustritt und über ein immer ausgedehnteres Gebiet sich verbreitet; und ebenso wird siein den stromlosen Halostasen wie z. B. in der Sargassosee, eine andere Gestalt annehmen. Neue Untersuchungen über die Verteiiung des Planktons im Ozean. 107 Bevor wir aber hierauf näher eingehen, ist es nötig, sich über die wirklichen Größenverhältnisse der Völkermassen, die der Fahrtschnitt uns zeigt, völlige Klarheit zu verschaffen. Das wird am einfachsten gelingen, wenn man die Länge der einzelnen in den Figuren 2 bis 6 abgebildeten Streckenschnitte auf die Fahrt- linie in der Karte (Fig. 1) überträgt und deren Ausdehnung mit den Küsten der angrenzenden Erdteile vergleicht, oder auch sich vergegenwärtigt, daß die Fahrt durch diese Teilstrecken je 11/, bis 3 Wochen währte. Dann mildert sich auch der Eindruck der Unruhe und starken Bewegtheit der Kurven, und es erscheint in dem Gesamtschnitte die ganze Kette der Volksmassen und ihrer Absinkgebiete nicht mehr verwirrend, wie beim ersten Anblick, sondern über alles Erwarten einfach. Denn diese Strecke dehnt sich über fast 90 Breitengrade aus und die Fahrt währte, wenn man den Landaufenthalt abrechnet, genau 100 Tage. Es ergibt sich hieraus zugleich, daß die Flächenausdehnung der Kurven in Wirklichkeit im Vergleich zur Höhe des Schnittes viel größer ist als auf unseren Figuren und Tafeln. Das ist ein allen derartigen Kurven eigener Fehler, da es unmöglich ist, bei geographischen Verhältnissen die senkrechten Abmaße in gleichem Maßstabe einzutragen wie die horizontalen. In den hier gegebenen Kurven ist z. B. die Tiefe 10000fach verkleinert, die Abstände der Stationen aber voneinander 31 000000 fach verkürzt, oder die letzteren müßten über 3000 mal vergrößert werden, um in das natürliche Ver- hältnis zu den Tiefenabständen zu gelangen. Dasheißtalso, daß wir die Gesamtkurve, die jetzt 38 cm lang ist, auf 1km Länge auszustrecken hätten oder aber die Tiefe von 0—400 m, die jetzt 4 cm Abstand hat, auf 0,013 mm zu reduzieren wäre, wenn das wirkliche Verhältnis zwischen Tiefe und Länge hergestellt werden sollte. In Fig. 7 ist ferner für einen Teil der Fahrtlinie das Kurvenbild von Pontosphaera huxleyi im gleichen Maßstabe der übrigen Kurven derartig nach unten fortgeführt, dab die ganze Wassermasse bis zum Meeresboden zur Darstellung kommt. Am 17. und 18. August und 4. September näherte sich das Schift der brasilianischen und argentinischen Küste. Daher steigt hier der Meeresboden bis fast 2000 m und 1000 m empor, während er sonst 4000—4500 m tief liegt. Man sieht, daß die von den Volks- massen erfüllte Wasserschicht von 0—100 und 150 m Tiefe, die als die eigentlich schaffende Werkstätte des Meereslebens der Hochsee zu betrachten ist, nur eine ganz dünne Lage im Ozean ausmacht, und selbst die ganze von Pflanzen erfüllte Schicht von 0 bis 400 oder 600 m hinab auch nur einen sehr kleinen Teil der 8* | I 1 zen 1) 1 17107 zelan] oe } FT TE TE CE a EEE PRIERRRENRERRREI I am NI—— INS | [ST ASDL/Nt$ 0 FT Kr] 200 I LEN | Sohn El REDEN EEE N ET ER A EEE EEE ARE IE DER VA ER DE N BT RR N x EN N / | Di BER ‘ nl all \.e ” Fig. 7. Isoplankten von Pontosphaera huxleyi LoHM. im Fahrt- schnitt vom 17. VII. bis zum 4. IX. im Südäquatorial-, Brasil- und Falklandstrom unter Eintragung der ganzen Meerestiefe bis zum Meeresboden. Neue Untersuchungen über die Verteilung des Planktons im Ozean. 109 Wassermasse bildet. Eine ähnlich große Wassermasse wäre unter dem ganzen Fahrtschnitt ausgebreitet zu denken. Versucht man nun nach dieser Orientierung über die Größen- masse unserer Schnittbilder in der Natur ein Bild von der Ver- breitung der Volksmassen im Atlantischen Ozean für die beiden Arten: Pontosphaera huzxleyi und Calyptrosphaera oblonga zu ge- winnen, so kommt man zu folgender, allerdings gleichfalls vorerst noch durchaus hypothetischen Vorstellung, die ich auf den beiden Karten in Fig. 8 und 9 skizzenhaft einzuzeichnen ver- sucht habe. Pontosphaera huxleyi LoHm. trat in der Kieler Bucht erst in der 2. Hälfte des August auf, nachdem die Wassertemperatur unter 18° gesunken war und erreichte ihre höchste Volksstärke sogar erst bei 15—16" Wasserwärme. Als die Temperatur auf weniger als 7° gefallen war, schwand sie vollständig. Sie ist daher in der Ostsee eine Art, die stark erwärmtes Wasser ebenso meidet wie kaltes Wasser und ihr optimales Gedeihen bei 15—16° findet. Die Bevölkerungsdichte stieg übrigens auf 119000 Zellen im Liter. Gran fand die Art im Christianiafjord im Sommer 1911 in solch gewaltiger Menge, daß das Wasser durch sie milchig verfärbt war und nicht weniger als 5—6 Millionen Zellen im Liter vorkamen. Da die höchste auf der Hochsee von mir beobachtete Volksdichte 11500 Zellen im Liter waren, war das Maximum bei Kiel 10 mal, das im Fjord aber fast 500mal so groß als das des offenen Ozeans. Mit diesen Beobachtungen stimmen die während der Fahrt gemachten recht gut überein. Pontosphaera huxleyı war nur im äußersten Norden und Süden, wo kühles oder kaltes Wasser durch- fahren wurde, in großer Zahl vorhanden und nahm im südlichen Teile des. Brasilstroms an Volkszahl zu, je mehr die Temperatur sank. Umgekehrt nahm die Menge in der Westwindtrift immer mehr ab, je höher die Wasserwärme stieg, und in der Umgebung der Azoren und südlich davon weicht der ganze Volkskern in sehr auffälliger Weise durch Untertauchen in 100 m Tiefe dem hocherwärmten Wasser der oberen Schichten aus, wie dasauf dem Kurvenbilde der Tafel I sehr klar hervortritt. Innerhalb der Tropen gewinnt die Art eine Volksstärke von über 1000 Individuen, abgesehen von dem Mischgebiet des Brasilstromes, nur im Shdänatorialstr om; dieser Strom entstammt aber in der nördlichen Hälfte seiner Breite, die hier ausschließlich in Frage kommt, dem kühlen Wasser des Benguelastromes: und gerade in der Zeit, als wir ihn durchfuhren, dringt dieses Wasser am weitesten äquator- wärts vor. Auch. hier also ist zweifellos die hohe Volkszahl auf ul 3 H. LoHMANN. %° 80° 70° 60° 650° 409 F > PR » VW. FA Z LA EL ol PEN 0% NN \ IT TR IE RENT TIL N wu TER NÄN NT RN EN TIER a "Ss N N IN RAU EZ (2% NN > NN IN en NS, NUN, SS N => x Ss RÜRR N RN Ss IN N nn N ‘ Be NS Erklärung: 48 Ss: IE o Position®h.a.,ahne biolog.Station e Positiondh.a..mit biolog. Station r —>NHarmHasserStröme Pr) --> Äalt-Wasser-Ströme > ‚ { N N ——>Prackwasser-Ströme A N N Ss va NE N FIN 17-700 Zellen in T.Liter — N NS N} I RUN N £ II X x Y SINN NR NS N NNW-000 , .. » WR IN, Ss IN Ss IS SIIITTAU Ss an ss rn N KIN /00Dumehr,». > STÄTKUN, N N SL TÜR N RN N NSS RN Ee N >= Ss IR > Entwurf einer Verbreitung: N SSHSSE N N N Karte von Fontosphaera HN Aurleyi N s® NN 90° 80° 500 nn ara 30° 200 ag: -Ausreise.der „Deutschland ZVIL- 7ÄA.1. Fig. 88 Entwurf einer Dichte-Verbreitungskarte von Pontosphaera huxleyi LomM. auf Grund der Isoplankten-Kurven. Mr ? 20° 30° 40° 90° nn nn nen Neue Untersuchungen über die Verteilung des Planktons im Ozean. 111 kühle Temperaturen zurückzuführen, deren günstige Nachwirkung bis in das hocherwärmte Tropengebiet (über 25° C an der Ober- fläche) sich bemerkbar macht. Tragen wir nun auf die Fahrtlinie die verschiedene Volksdichte des Oberflächenwassers ein und unterscheiden 3 Grade von 1—100, 100—1000 und über 1000 Zellen im Liter, die wir durch kurze Striche, Querstreifung und gekreuzte Streifung zum Ausdruck bringen, so gewinnen wir die tatsächliche Grundlage, von der aus wirnun hypothetisch auf Grund des eben nachgewiesenen biologischen Verhaltens und des Verlaufs der Strömungen die Verbreitungsskizze (Fig. 7) entwerfen können. In dem kühlen Wasser der Golitrift wird auf der Nordhemisphäre das beste Gedeihen der Art zu vermuten sein; mit ihr verbreitet sich Pontosphaera weit nach Nordosten und dringt in Nord- und Ostsee ein, wo sie in Buchten und Brackwasser eine starke Entwicklung erreichen kann. Mit der Trift werden die Zellen aber auch südwestwärts geführt in warmes Wasser; ihre Menge sinkt dabei immer tiefer herab, hält sich jedoch im Nordäquatorialstrom selbst in 45° w. L. noch immer zwischen 100 und 1000 Individuen, während sie am Rande zur Sargassosee unter 100 Individuen hinabgeht und in der Halostase selbst wahrscheinlich noch seltener wird. Darauf läßt das Fehlen im ÖOberflächenwasser des 19. VI. schließen. Im Golfstrom wird dann in ähnlicher Weise wie im Brasilstrom ein neues Ansteigen der Volkszahl eintreten, das schließlich in der Trift von neuem seinen Höhepunkt erreicht. Auf der Südhemisphäre würde das beste Gedeihen von Ponto- sphaera huzxleyi in den nördlichen Ausläufern des Falklandstromes und den südlichen Teilen des Stromzirkels, zu dem der Brasilstrom in 40° Breite umbiegt, anzunehmen sein. Wie wir sahen, hält hier im Juli die Wirkung dieses Gedeihens im Süden so lange an, daß noch unter dem Äquator die Volkszahl sich über 1000 Indi. viduen hält. Wir werden schließen müssen, daß auch hier die Menge nach der Halostase zu bedeutend abnimmt. Zwischen beiden Stromkreisen im Guineastrom ist die Zahl sehr herabgesetzt. Wir würden demnach zu einem sehr einfachen Verbreitungsbilde gelangen. Auf jeder Hemisphäre läge das „Gedeihgebiet“, wie das Gebiet der höchsten Volksdichte benannt sein soll, am polaren Außenrande des Stromzirkels, das „Kümmergebiet“, womit das am ärmsten bevölkerte Gebiet bezeichnet sein mag, in der.Halostase. Wir hätten eigentlich nur 4 Volksmassen zu unterscheiden: die beiden Völker des nördlichen und des südlichen Stromzirkels, das 08. | H. LOHMANN. unbedeutende Volk des Guineastroms, das starke des Falkland- stromes. Der Anfang der Gedeihzone des südlichen Hauptvolkes haben wir auf der Fahrt im Brasilstrom getroffen, das letzte Ende aber voraussichtlich im Südäquatorialstrom; das Volk selbst aber würde den ganzen Stromzirkel bevölkern, ebenso wie das Hauptvolk der Nordhemisphäre, dessen Gedeihzone offenbar einen viel kürzeren Teil des Stromzirkels umfaßt, dafür aber in der Golftrift eine außerordentliche Verbreitung dem Pole zu erfährt. Ein wesentlich anderes Bild läßt uns Calyptrosphaera Be entstehen, wenn wir auf sie die gleiche Betrachtungsweise anwenden (Fig. 9). : Die Beziehungen dieser Art zu den hydrographischen Verhältnissen sind weiter oben besprochen. Sie meidet im Gegensatz zu Pontosphaera huzleyi alles Wasser von weniger .als 15° C und gedeiht in dem tropisch warmen Wasser von über 20° C ausge- zeichnet. Sie tritt in 2 Hauptvölkern auf, für jede Hemisphäre eins, die in ihrer Verbreitung wesentlich von einem Salzgehalt des Wassers von 36°/,, und mehr bestimmt werden. Im Südäquatorial- strom ist sie ganz selten, was vielleicht auf die Herkunft des Wassers aus kühlen Gebieten zurückzuführen ist. Nach der Sargassosee hin nimmt die Volkszahl im Nordäquatorialstrom zu. Wir können daher. schließen, daß das Gedeihgebiet dieser Tropenwärme und hohen. Salzgehalt liebenden Art in den Halostasen gesucht werden muß. Im: Guineastrom ist sie nur selten, woran der niedrige Salzgehalt, und die geringe Dichte des Wassers Schuld sein dürfte. | Wir erhalten hier daher zwei große Volksmassen, deren Ränder im allgemeinen durch die Isohalinen von 36 °/,, bezeichnet werden und deren Gedeihgebiet in den Halostasen liegt. Peripher nimmt, die Volkszahl ab. Im Guinea- und Südäquatorialstrom ist die Menge sehr gering; vermutlich bezeichnen-sie dastropische Kümmer- gebiet, während ein zweites und drittes Kümmergebiet: am polaren Rande jedes. Stromzirkels liegen mußb.-- Ä Auf der Verbreitungsskizze in Eie. 9. Re ich mike eng 'an die Isohaline von 36°/,, gehalten, obwohl das Vorkommen der Art im. Guineastrom ja beweist, daß sie auch in- schwächer salzigem Wasser noch vorkommt. Auch liegt auf der Hand, daß die Süd- grenze des Wohngebietes unmöglich dauernd die Begrenzung haben kann, wie. sie auf der: Karte angegeben ist... Offenbar muß Calyptro- sphaera, oblonga auch noch im südatlantischen Abschnitt des süd- atlantischen Stromzirkels wenigstens zeitweise zu leben vermögen. Zwar liegt im August die Isotherme von. 15° C, wie die Karte zeigt, ‚sehr nahe..der eingezeichneten Grenze; aber im Südsommer (Februar) geht sie. weit nach Süden- bis. jenseits des 40. Breiten- Neue Untersuchungen über die Verteilung des Planktons im Ozean. 113 0° 80° 700° E00 50% 0° 30° 20° 10° 0° 10° 200 L GE IN En N \ NN IN ÜN IN RU N II ı N IE \ SS Sr = % | Ä >00 ZSERNN i Kae “ £ N IE | Be, | 10% 0°- an Ss un .< RR - 20 dä g: | HL: SS RÜN NR | 900 3 4 \ 23 X NÜU IR o Positiondh.a.ahne 7 N N N N N NO biolog Station RN 390 e Posiliondh.a.mit bi . Station arm HasserStröme Eure Kalt Wasser-Ströme —> Brackmasser-Ströme 40° 7-700 Zeilen in LLiter ON w-ow, RS 7000 u.mesr . ae Bw = 3 / '5 0_ ee ee EHE Pr Keyı .s | 90° 80° ° go we 1 30° 20° 10° 0° 10° 200 ‚Ausreise der. Deu Deutschland F VIk=- 7.1. Fig.. 9, Mn ame einer Dichte- Verbreitungskarte von Calyptro- sphaera oblonga LoHM. anf.Grund der Isoplankten-Kurven. 114 H. LoHMAnnN. grades zurück, und dann wird die Alge nicht nur die ganze Halostase, sondern auch den ganzen Stromzirkel bevölkern, wenn sie auch im südlichsten Teile desselben auf die innersten Stromfäden beschränkt sein dürfte. Wir würden hier also mit einer sehr. starken jahreszeitlichen Ausdehnung und Einschränkung des Wohngebietes rechnen müssen, und auf der Fahrt der Deutschland hätten wir den winterlichen Zustand angetroffen, in dem das Gebiet auf den kleinsten Raum beschränkt und im Süden scharf abgeschnitten ist). Aber noch nach einer anderen Richtung hin ist Calyptrosphaera oblonga von großem Interesse. Bei Pontosphaera huzxleyi hat die Fahrtlinie wiederholt die Gedeihgebiete der Art durchschnitten und überhaupt Gebiete der verschiedensten Bevölkerungsdichte ge- troffen. Bei dieser Art hingegen ist das eigentliche Gedeihgebiet immer zur Seite und meist in erheblicher Entfernung liegen ge- blieben. Nur in einer Station ist ein Ausläufer desselben eben berührt. Selbst die Gebiete mit 100—1000 Individuen im Liter Oberflächenwassers sind nur an wenigen Orten und nur auf der nördlichen Halbkugel durchfahren; sonst. traf das Schiff nur solche Teile des Wohngebietes, an denen die Volkszahl unter 100 Individuen betrug. Mit anderen Worten, wir haben nur Randgebiete dieser Art durchfahren, und zwar im Süden ausschließ- licher alsim Norden. So erklärt sich auch ungezwungen, weshalb auf dem Fahrtschnitt die Südhemisphäre viel ärmer bevölkert erscheint als die Nordhemisphäre. Es rührt das ausschließlich von der Fahrtrichtung her und steht mit dem Bevölkerungsgrade beider Meeresteile in gar keinem Zusammenhange. Die Reise gibt uns daher auch nur einen sehr ungenügenden Aufschluß über das Ver- halten der Art in den stärker bevölkerten Teilen ihres Wohngebietes und nur die enge Beziehung zu den hydrographischen Verhältnissen, die Calyptrosphaera oblonga auszeichnet, hat es möglich gemacht, eine Verbreitungsskizze zu entwerfen. Was hier aber für diese Art gilt, wird in gleicher Weise für andere Planktonten Geltung haben, und es ist daher wichtig, bei jeder Art zu prüfen, welche Teile des Wohngebietes von der Fahrtlinie durchschnitten wordensind. | Kommen wir nun noch einmal auf die Frage nach der Form der ozeanischen Volksmassen zurück, die wir vorher aufwarfen, so würde 5) Natürlich muß die Südgrenze des Wohngebietes auf der Karte streng genommen eine allmähliche Abnahme der Volkszahl zeigen und also überall von gestreiften und gestrichelten Zonen umschlossen sein. Ich habe absichtlich in Fig. 9 diese Ausführung unterlassen, um das Unvollständige der Darstellung des südlichen Wohngebietes sofort hervortreten zu lassen. PR Dart er Mr - 3 re * “ rl ERRETT TER TTE ri A PA En u. 2 er a 2 ern en ee T\ Neue Untersuchungen über die Verteilung des Planktons im Ozean. 115 dieselbe offenbar bei beiden Arten sehr verschieden sein. Wo das Ge- deihgebiet im Strom liegt, ist es langgestreckt bandförmig, wo es aber in der Halostase liegt, inselartig, in beiden Fällen aber von gewaltiger Ausdehnung. Das Ergebnis aller bisherigen Untersuchungen ist, daß die Individuenmenge der einzelnen Planktonarten sich im Ozean in große Volksmassen sondert, deren jede ihr Gedeihgebiet und ihren Volkskern besitzt und sich mit ihrem Randgebiet abnehmender Bevölkerungsdichte mehr oder weniger weit nach Fläche und Tiefe peripher ausbreitet. Läßt sich nach diesen Erfahrungen noch von einer Gleichmäßigkeit der Verbreitung sprechen oder nicht? Um diese Frage zu entscheiden, scheint mir das Zweckmäßigste, - an einen Vergleich anzuknüpfen, den Hrnsex in seinem Werk „Das Leben im Ozean“ (Ergebnisse der Plankton-Expedition, 1911, S. 19) angewandt hat, um die Verteilung des Planktons im Meere an- schaulich zu machen. Er sagt dort nämlich, die Planktonten pflegten „wolkenartig verteilt zu sein“ ... „so wie an einem rings bezogenen Himmel doch die hoch schwebenden Nebelmassen etwas ungleich- mäßig dicht verteilt sind“. Nach dem Verlauf der Isonephen trifft dieser Vergleich mit den Wolken noch genauer zu, als bisher vermutet werden konnte, denn jede Volksmasse läßt sich samt ihrem Kern und ihrem Absinkgebiete unmittelbar als Wolke betrachten, wenn wir uns auf den Boden des Ozeans versetzt denken, die Wasser- masse des Meeres der Atmosphäre vergleichen und die in derselben verteilten Planktonten als die Wolkenbildner ansehen. Dann breitet sich in der Tat, so weit wir wandern mögen, eine ununterbrochene Wolkenschicht 3—5000 m über uns unter dem Wasserspiegel aus, die zwar hier und da sich dichter zusammenballt, dort lichter erscheint und bald etwas tiefer sich herabsenkt, bald höher zurück- weicht, aber doch überall im wesentlichen die obersten 400 m erfüllt. Wir würden, wenn uns das Auge gestattete, mit einem Blick den ganzen Wasserspiegel vom Süden zum Norden und vom Osten zum Westen zu umfassen, nur wenige große Wolken erblicken, die als mächtig breite Wolkenstreifen oder gewaltige Wolkenmassen über uns schwebten und deren Ausmaße ihrer Größenordnung nach durchaus den großen Gliederungen der Ländermassen gleichständen. Ich glaube, es würde der Eindruck der Ruhe und Gleichmäßigkeit dieser Bewölkung ein ganz überwältigender sein, der auch dadurch nicht beeinträchtigt werden würde, daß im Laufe von Wochen und Monaten sich diese großen Wolkenmassen langsam gegeneinander verschöben, an einzelnen Stellen verdichteten und an anderen auf- hellten. Im Gegenteil die Zeit, die nötig sein würde, solche Ver- 116 H. LOHMANN. änderungen wahrzunehmen, würde den Eindruck noch ganz gewaltig steigern und als Bild der räumlichen und zeitlichen Größe dieReB Naturgeschehens sich der Seele unvergeßlich einprägen. Dies Bild gilt uneingeschränkt, solange man die Gesamtheit aller Pflanzen oder aller Schaffer (Produzenten) im Auge hat; es paßt auch für alle allgemein verbreiteten und häufiger auftretenden Pflanzen. .Je mehr sich aber das Vorkommen auf bestimmte Gebiete beschränkt, um so mehr nähert sich dann die Verteilung derjenigen einzelner Wolken, so z. B. diejenige von Coccolithophora fragilis oder der Euglenide des Guineastroms. Auch bei diesen Formen aber bleibt die Erstreckung über weite Flächen und die ruhige, langsam erfolgende Form- und Dichtewandlung bestehen. Ja, es gleichen die Volksmassen der Planktonten auch darin Wolken, dab sie wie diese oft ihren Ort bewahren, obwohl das Medium und die Wolkenbildner, die Planktonten, in steter Wanderung begriffen sind. So strömt das Wasser des südäquatorialen Stromzirkels ständig weiter und führt die in ihm lebenden Planktonten mit sich fort; aber erst mit dem Eintritt der höheren Breiten, in denen das Wasser des Stromes sich abkühlt, verdichtet sich unter dem fördern- den Einflusse dieser Temperaturabnahme die Volksmenge von Pontosphaera huxleyı mehr und mehr, erreicht ihre größte Dichte während der weiteren Reise und sinkt wieder auf den Durchschnitt herab, wenn die Wasserwärme im äquatorialen Gebiete tropische Höhe erreicht. In jeder nachfolgenden Wassermasse spielt sich der gleiche Verdichtungsvorgang seiner Bevölkerung ab, und so bewahrt, von den jahreszeitlichen Verschiebungen abgesehen, das Gebiet größter Volksdichte stets die gleiche Lage, obwohl Wasser und Bewohner fortwährend wechseln; ganz wie die Wolkenmassen, die an der Windseite eines Gebirgskammes hängen und doch stetig. von neuen Luftmassen neu gebildet werden. Schwieriger wird die Antwort auf unsere Frage, wenn man sich nicht mit der allgemeinen Verteilung der Volksmassen im Ozean begnügt, sondern die Verteilung innerhalb einer solchen Masse betrachtet. Hexsen hat die Gleichmäßigkeit in erster Linie auf die horizontale Verbreitung bezogen; daß mit der Tiefe ein sehr schneller Wechsel der Volkszahl eintreten muß, geht schon, allein aus dem schnellen Wechsel hervor, dem Belichtung und Wärme in dieser Richtung unterworfen sind. Tatsächlich folgen sich hier denn auch die Isoplankten dicht aufeinander, und die ganze Linien- folge von der höchsten bis zur niedrigsten Volkszahl drängt sich auf den kleinen Abstand von 100—200 m zusammen. Von einer gleichmäßigen Verteilung im eigentlichen Sinne des Wortes. kann: h - x; Le: rl x t 4 » Ir P er. .- rag HE Sea ur EEE REERSDEEESTENS ER EHE ES ee ei = sn aan ig nn ae Neue Untersuchungen über die Verteilung des Planktons im Ozean. 117 hier also unmöglich gesprochen werden, und doch sind die Be- dingungen, von denen die Dichteverteilung hier abhängt, genau dieselben wie in horizontaler Richtung. Hensen hat bereits in der ersten Arbeit, in der er die quan- titative Forschungsmethode 1884 begründete ®), diese Bedingungen 6) Ich führe hier aus der ersten Arbeit HENSEN’Ss, in der er diese Fragen behandelt (Vorkommen und Menge treibender Fischeier, 1884 in: IV. Ber. Kommiss. Unters. Deutsch. Meere i. Kiel), nachstehende Stellen an: „Für die schwimmenden Eier kommt in Betracht, daß dieselben allmählich gleichmäßig in dem ihnen frei stehenden Meeresraum sich verteilen werden, wenn ihnen dafür genügende Zeit verbleibt! Ich muB gestehen, dab ich diesen Satz als selbstverständlich betrachtet habe und es daher unterließ, experimentelle Daten zusammeln... Die Mechanik der Verteilung solcher Körper durch Schütteln habe ich nicht abgehandelt gefunden, jedoch steht ja die empirische Tatsache felsenfest, daB Schütteln und Rühren eine gleichmäßige Verteilung sowohl verschiedener fester Körper unter sich (z. B. Getreidekörner) als auch festerer Körper in Flüssigkeiten (z. B. zu Emulsionen) bewirken“ (S. 310 und 311). „Sobald die Stöße unregelmäßig in allen Richtungen gehen, werden die Eier sich trennen. Jeder Radius des einzelnen Eies hat die gleiche Chance, getroffen zu werden, und’ da die Stöße in verschiedenen Richtungen gehen, werden sie auch die einzelnen Eier verschieden treffen. Je mehr die einzelnen Eier sich voneinander entfernen, desto mehr nimmt, und zwar proportional dem Kubus der Entfernungen, die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit ab, daß sie sich in meßbarer Zeit wieder treffen könnten“ (S. 311). Eine experimentelle Feststellung der Zerstreuungsschnelligkeit wäre sehr ‘ wünschenswert, ist aber für den Ozean schwer ausführbar. HENSEN führt an, daß 3 gläserne Schwimmkörper. die nach Art der Aräometer nur wenig aus dem Wasser tauchten, bei sehr unbedeutenden Wellen, aber ziemlich starkem Westwind im Kieler Hafen in 10 Minuten 3 m auseinander gingen, das wären in 1 Stunde 18 m und in 24 Stunden 432 m, also noch nicht 0,5 km. HENSEN hat diesen Versuch später mit 10 Glaskugeln wiederholt und das gleiche Ergebnis erhalten. Das ist aber alles, was wir bisher wissen. In einer 1912 erschienenen Arbeit (Feststellung der Unregelmäßigkeiten in der Verteilung der Planktonten, Wissenschaftliche Meeresuntersuchungen, Neue Folge, Abteilung Kiel, Bd. 14, S. 202) sagt HENSEN ferner: „Es war mir ein recht großes Ereignis, als ich fand, daß die Planktonten gleichmäßig verteilt seien. Erst später erkannte ich, daß sie gleichmäßig verteilt sein müßten; wie man ja alle Konsequenzen aufgefundener Gleichungen auch nicht sogleich zu erkennen pflegt. Die weitere Konsequenz, die jetzt erst gezogen werden kann, ist die Aufgabe, zu erklären, wie die Ungleichmäßigkeiten entstehen müssen. Diese Ungleichmäßigkeiten sind z. T. mehr lokaler Art, z. T. scheiden sie größere Regionen voneinander. Die Ursachen können im Salzgehalt, Temperaturen, Wassertiefen und Strömungen, dem Einfluß des Ufers und so manchen anderen Verhältnissen gefunden werden; das läßt sich zurzeit kaum übersehen. Der Kern solcher Ungleichmäßigkeiten liegt aber in den biologischen Eigenschaften der Organismen, die mit den physischen Verhältnissen in Wechselwirkung treten. Die in den verschiedensten Richtungen ausgebildeten Eigentümlichkeiten der Lebewesen sind es doch, die die außerordentliche Mannig- faltigkeit der Gestalten und der Lebensweise hervorgerufen haben dürften.“ 118 H. LOHMANN, klar bezeichnet. Es sind die beiden grundlegenden Unterschiede der Lebensbedingungen im freien Wasser des Ozeans gegenüber denen des Landes: die Einförmigkeit und Beständigkeit der wenigen Lebensbezirke im Meer gegenüber dem steten Wechsel zahlloser Lebeusgebiete auf dem Lande und der fortwährende Ausgleich, den die zerstreuende Kraft des stets bewegten Wassers allen zu- fälligen und vorübergehenden Störungen der Bevölkerungsdichte im Meere gegenüber bewirkt, während auf dem Lande jeder solche Ausgleich fehlt. Muß schon die Gleichheit der Existenzbedingungen und ihr streng gesetzmäßiger Wechsel in jedem Ozeanbecken die Besiedelung des Wassers sehr gleichartig gestalten, so schafft nun die stete Bewegung des Wassers eine derartig gleichmäßige Ver- teilung der einzelnen Individuen an jedem Ort, daß eine einzelne Stichprobe mit Netz oder Schöpfapparat dem Meere entnommen im allgemeinen eine zuverlässige Auskunft über die Besiedelungsart und Besiedelungsstärke desjenigen Lebensbezirkes liefert, dem die Probe entnommen ist. Mit anderen Worten, die Bevölkerung einer Wasserprobe im Ozean ist für den Ort und die Zeit, an dem sie entnommen wurde, bezeichnend und nicht zufällig. Diese Eigen- schaft des Planktongehaltes einer Wasserprobe, ebenso genau der biologische Ausdruck für die Eigenart des Untersuchungs- gebietes zu Sein, wie die chemisch-physikalischen Eigenschaften derselben den hydrographischen Charakter des Gebietes zum Aus- druck bringen, ist das für die Forschung Bedeutsame, und überall, wo Planktonproben diese Eigenschaft besitzen, ist die Verteilung der Planktonten im Meer „gleichmäßig genug“, um quantitativer Forschung als Grundlage zu dienen. | Kehren wir nun zu der Verbreitung der Volksdichte in den einzelnen Volksmassen zurück. Von einem Sichgleichbleiben der Volkszahl ist hier streng genommen räumlich und wahrscheinlich auch zeitlich keine Rede. Liegt der Kern in der Tiefe, so sinkt vielmehr die Dichte peripherwärts fortschreitend stetig bis zum Nullpunkt hinab, in vertikaler Richtung schneller, in horizontaler langsamer, aber nach allen Seiten in gleichem Sinne. Ist im Meeres- spiegel die Volksdichte am stärksten, so sinkt die Zahl nur nach den Seiten und nach der Tiefe hin ab, aber der stetig fortschreitende Wechsel ist der gleiche wie dort. Trotzdem ist jede Wasserprobe, die wir dem Wohngebiet der Volksmasse entnehmen, wie alle hier besprochenen Untersuchungen beweisen, durchaus bezeichnend für den Teil der Volksmasse, dem sie entnommen wurde. Folglich ist auch hier die Verteilung in jedem Teile der Siedelung so gleichmäßig und frei von zufälligen Störungen, daß eine einzelne 22 Neue Untersuchungen über die Verteilung des Planktons im Ozean. 119 Probe zur Feststellung der eigenartigen Bevölkerungsdichte aus- reicht. Das Gefüge der Volksmassen, wie es in den Kurvenbildern und vor allem in den Querschnitten uns entgegentritt, ruft leicht den Eindruck hervor, als ob der Volkskern der Ausgangspunkt einer örtlich beschränkten starken Vermehrung gewesen wäre und nun von hier aus eine immer weiter vordringende Zerstreuung der im Überschuß erzeugten Individuen nach allen Seiten hin ein- gesetzt habe. Ein solcher Vorgang ist aber von vornherein ans- geschlossen, weil die Zerstreuungsgebiete viel zu groß sind, um von den uns bekannten zerstreuenden Kräften bewältigt werden zu können. Die Planktonten entbehren zum Teil, wie die Mehrzahl der Diatomeen, völlig einer eigenen Bewegung. und bei den be- weglichen Formen, wie den Coccolithophoriden und Peridineen, ist die Kraft dieser Bewegung so gering, daß sie in 24 Stunden bei ununterbrochen geradliniger Fortbewegung nur einige Meter würden zurücklegen : können. Da die Bahn aber normalerweise eine Spirallinie darstellt, würde die tatsächliche Leistung noch weit geringer sein. Für die zerstreuende Kraft des bewegten Wassers hat Hessen eine Leistung von noch nicht 0,5 km in 24 Stunden experimentell nachgewiesen. Sie mag unter Umständen sehr viel größer sein. Zur Erklärung der Verbreitung der Volksdichte in den Volksmassen würde sie auch dann nicht ausreichen. Damit fällt auch die Möglichkeit fort, sie in der peripheren Ausbreitung gelöster, die Vermehrung steigernder Stoffe vom Volkskern aus zu finden, und es bleibt einzig und allein die Wirkung der Existenz- bedingungen, unter denen die Planktonten an jedem Ort ihres Wohngebietes stehen, zur Erklärung übrig. Das wird noch einleuchtender, wenn man die konstruierten Kurvenbilder in Gedanken in den Ozean überträgt, so daß Längen- und Tiefenmaße in das richtige Verhältnis zueinander kommen. Dann schwindet die Ähnlich- keit der Bilder mit Zerstreuungsvorgängen vollständig, weil nun die Tiefenausdehnung ganz und gar gegenüber der Flächener- streckung zurücktritt, und die ganz verschiedene Bedeutung der wagerechten und senkrechten Abschnitte der Iso- _ plankten offenbar wird. Jene werden durch den Wechsel der Existenzbedingung bestimmt, der mit den Tiefenunterschieden ver- knüpft ist, diese dagegen bringen den Wechsel zum Ausdruck, der in der Flächenerstreckung des Wohngebietes durch die Abgrenzung der hıydrographischen Gebiete gegeben ist. Wären die Beziehungen zwischen den hydrographischen Eigen- schaften des Meerwassers und der Volksdichte der Planktonten 120 H. LoHMANnN. einfacher Natur, so müßte es möglich sein, einen zahlenmäßigen Ausdruck dafür zu finden. Natürlich würde für jede Art ein be- sonderer Wert zu suchen sein, da ja eine jede ein anderes Verhältnis zu den einzelnen chemischen und physikalischen Eigenschaften hat. Nun ist aber die Volksdichte das Ergebnis aus zwei biologischen Vorgängen, die zwar in mancherlei Wechselbeziehungen stehen, aber im Grunde doch unabhängig voneinander sind: Vermehrung und Vernichtung, Entstehen und Vergehen, Geburt und Tod. Nur das Entstehen ist ausschließlich in den Lebensvorgängen der be- treffenden Art begründet, deren Kurvenbild wir untersuchen, das Vergehen hängt dagegen zum großen Teile von anderen Organismen ab, die von dieser Art als Fresser oder als Parasiten sich nähren. Dazu kommt, dab die Vermehrungsfähigkeit eine sehr verschieden große ist. Kurzlebige und einzellige Organismen vermehren sich im allgemeinen sehr viel schneller und stärker als langlebige und vielzellige Wesen. Daher sind die Nannoplanktonten in der Lage, viel schneller Schädigungen durch Fresser wieder auszugleichen als größere Formen und viel schneller allen Änderungen der Lebens- bedingungen durch Steigerung oder Minderung der Vermehrung zu folgen. Bei ihnen muß es daher am ersten möglich sein, festzu- stellen, in welchem Verhältnis beide zueinander stehen. Es ist aber von vornherein unwahrscheinlich, daß die Volksdichte in direkter Abhängigkeit von bestimmten chemischen oder phy- sikalischen Faktoren steht, da sie keine einzelne Leistung des Organismus ist, sondern selbst erst aus dem Zusammenwirken ver- schiedener Kräfte hervorgeht. Damit stimmt auch das Ergebnis der hier vorgelegten Untersuchungen überein. Es kommt hinzu, daß auch die Vermehrungsstärke nicht nur von äußeren Ver- hältnissen, sondern auch von Zuständen des Organismus selbst abhängig ist. Die gleiche Änderung der äußeren Existenz- bedingungen wird also, je nach dem das Vorleben des Organismus ein verschiedenes ist, ganz verschiedene Folgen haben. Zum Schlusse bleibt noch die Frage übrig, wie die zahlreichen Arten von Planktonten, die gleichzeitig dieselbe Wassermasse be- wohnen, sich zueinander verhalten, also vor allem, ob etwa die Volksmassen und ihre Kerne die gleiche oder ähnliche Lagerung zur Tiefe und Flächenausdehnung haben oder ob sie von Art zu Art ver- schiedene Lagerung und Größe aufweisen, Die sieben Arten von Coecolithophoriden, deren Kurvenbilder aus dem Querschnitt des Südäquatorialstromes zur Gewinnung der räumlichen Vorstellung der Volksmasse verwendet wurden, geben hierüber bereits Aufschluß; denn sie stehen bei beträchtlicher Übereinstimmung in der Lagerung and » 07 2 N DR ne Dee an EHER Ruin 16, Da nah. ra ac Le und ac | Neue Untersuchungen über die Verteilung des Planktons im Ozean. 121 auf sehr verschiedenen Dichtigkeits- und Größenstufen, und die Verbreitungsskizzen von Pontosphaera huzxleyi und Calyptrosphaera oblonga machen es deutlich, daß dies auch gar nicht anders sein kann, so lange die einzelnen Arten sich den einzelnen Existenz- ur der Maxima, im Kurmkuitt re Amalstremer. | j —— >> | Be — | 150 m 13 en ia m H Fig. 10. Verteilung der Volksdiehte-Maxima von 43 Planktonten im Querschnitt des Südäquatorialstromes. Die Zahl der um jeden Beobachtungs- punkt gezogenen Ringe gibt die Zahl der dort gefundenen Maxima an. y be) 122 H. LOHMANN. bedingungen gegenüber verschieden verhalten. Es wäre aber denkbar, daß aus mechanischen Gründen die größte Volksdichte innerhalb eines Stromquerschnittes sich an bestimmten Stellen desselben ausbilden müßte, etwa in der Stromachse oder am Außenrande. Etwas Derartiges läßt sich jedoch nicht nachweisen. In Figur 10 habe ich für den Süd- äquatorialstrom die Lage der größten Volksdichte für 43 verschiedene Planktonten eingetragen, und zwar in der Weise, daß jede zweite, dritte und folgende Beobachtung an einem Punkte durch eine neue Ringlinie um diesen ausgedrückt ist, die Zahl der Ringe also die Zahl der Arten ergibt, welche hier ihr Maximum hatten. Es zeigt sich nun, daß von den 43 Maxima nur 2 auf die Tiefen von 100 und mehr Metern und nicht mehr als 6 auf den Meeresspiegel kamen, alle anderen 35 dagegen auf die Tiefen zwischen 0 und 100 m fielen. Das stimmt mit dem allgemeinen Verhalten der Volkskerne auf den Fahrtschnitten der weiter oben näher be- sprochenen Arten überein und zeigt, daß dasselbe auch für andere Formen in gleicher Weise gilt. Außerdem aber ergibt sich, daß innerhalb dieser Tiefenlage die Strommitte 13, die südliche Stromhälfte 10 und die nördliche Stromhälfte 12 Maxima besaß, also entschieden eine gleichmäßige Verteilung der Volkskerne über dem Stromquerschnitt statt hat. An den Grenz- stationen allerdings fanden sich gar keine Maxima; aber streng- genommen sind sowohl der 17. VII. wie der 3. VIII. bereits zum Guineastrom und Brasilstrom zu rechnen, gehören also anderen Stromgebieten an. B Diese Verbreitung ist verständlich. Die Tiefenlage der Volks- kerne ist von ganz allgemein gültigen Verhältnissen abhängig, unter denen die Belichtung und die Lage der Sprungschicht und der Reibungstiefe sicher von großer Bedeutung sein werden. Die „Breitenlage“ aber wird durch das verschiedene Geschick bestimmt, dem die einzelnen Stromfäden auf ihrer Bahn unterworfen sind. Im Südäquatorialstrom z. B. sind die südlich gelegenen Stromfäden mehr dem Einfluß niedriger Temperaturen entzogen als die der nördlich liegenden Gebiete. Dazu kommen die Unterschiede in der Stromschnelligkeit, auf die oben hingewiesen wurde. DasmußzurFolge haben, daß ein Teil der Arten vielleicht nur im nördlichen (etwa wärme- empfindliche Formen) oder südlichen (z. B. kälteempfindliche Arten) Teile gedeihen und bei überall im Querschnitt gedeihenden Arten die Maxima zuerst in der einen Quer schnitthälfbeze auftreten und dann allmählich durch die Mitte hindurch _ 2 zur anderen Seite hinüberwandern. Es ist anzunehmen, tab ya GEL, rn > g a a FE Yun a WE ul a Din 27 anal nr Zi Neue Untersuchungen über die Verteilung des Planktons im Ozean. 123 im Kurvenverlauf eine derartige Verlagerung des Volkskernes zum Ausdruck kommen würde, und ich erinnere daran, daß sich uns bei der Besprechung der Kurvenbilder in Fig. 3 tatsächlich aus dem eigenartigen Verlauf der Isoplankten eine derartige Kernwanderung nahe legte (Seite 81). Im allgemeinen scheint jede Art im Stromquer- schnitt nur einen Volkskern zu bilden, abgesehen von den Gebieten, in denen auch hydrographisch eine Aufteilung des Stromes in verschiedene Bänder erfolgt, wie bei dem Begegnen von Brasil- und Falklandstrom im Süden und der Ausbreitung der Golftrift i im Westen Europas. Unsere Untersuchungen haben die Verwendbarkeit der Iso- kurven für die Planktonforschung erwiesen und zugleich gezeigt, daß ihre Anwendung zu sehr bemerkenswerten Ergebnissen führt. Um die Verbreitung irgendwelcher biologischer Verhältnisse im Raum klar und wissenschaftlich genau darzustellen, sind sie zweifellos auch für die Biologie die geeignetste Kurvenform, und wo eine Vergleichung mit meteorologischen und hydrographischen Isokurven notwendig. wird, sind Isobien sogar für eine streng wissenschaft- liche Untersuchung unmittelbar zu fordern. Wie schon in der Ein- leitung betont wurde, sind hier nur Kurven gleicher Volksdichte behandelt, während alle anderen Isobien zunächst unberücksichtigt gelassen sind. Die Methode ist daher noch außerordentlich er- weiterungsfähig, und esistnicht unwahrscheinlich, daß die Gleichheits- kurven in der Hydrobiologie allmählich eine ebensolche Bedeutung gewinnen werden wie in der Hydrographie. Bezeichnend für die Isonephen des Özeanplanktons ist die Gliederung in geschlossene Systeme für gesonderte Volksmassen, innerhalb deren sie konzentrisch um einen Kern angeordnet sind, und die Gebundenheit dieser Massen andiedurch die Oberflächenströme unterschiedenen großen Meeresgebiete, die im wesentlichen auf die oberen 150 m beschränkt sind. Selbstverständlich kann dies letztere nicht für die eigentlichen Tiefenformen gelten, auf die meine Untersuchungen sich bisher nicht erstrecken. Die einzelnen Volksmassen haben im Ozean gewaltige Aus- dehnung. In den Mittelmeeren id Randmeeren werden die Gliederungen bereits sehr viel geringeren Umfang haben, und am kleinsten werden _ sie naturgemäß in den Süßwasserbecken sein. Ob sie aber überhaupt außerhalb der Ozeane so scharf ausgebildet vorkommen, kann erst durch besondere Untersuchung erkannt werden. Ebenso muß vorerst y* 124 H. LOHMANN. ungewib bleiben, inwieweit auch in den Seen und Teichen solche h Sonderungen von Volksmassen eintreten, da in ihnen die Zirkulation und die Durchschüttelung des Wassers eine steigende Bedeutung erhält und in den kleinsten Wasserbecken selbst die Eigenbewegung der Planktonten Einfluß gewinnen kann. Auf jeden Fall wird mit abnehmender Größe der Wasserräume auch die Beständigkeit der Massenordnungen abnehmen und im Süßwasser der jahreszeitliche Wechsel in der vertikalen Wärmeverteilung von großem Einfluß sein. Endlich werden bei den engen räumlichen Ausmaßen örtliche Einflüsse sich immer mehr geltend machen und in den Flüssen, vor allem in den den Gezeiten unterworfenen Mündungsgebieten, ganz überwiegen. Die klarsten Bilder und den größten Gewinn werden die Isonephen daher aller Voraussicht nach im Ozean ergeben, und künftige Forschungsreisen würden die Beobachtungen für sie zu liefern haben. Nach meiner Erfahrung wird es nun möglich sein, die Kurven bereits während der Fahrt selbst zu entwerfen, wenn hierzu auch nur einige besonders geeignete Planktonten auszuwählen sein werden. Allerdings setzt das die Zählung lebenden Planktons voraus, die aber zum Erforschen der vielen wichtigen, skelettlosen Flagellaten des Kleinplanktons von vornherein gar nicht zu umgehen ist. Dafür wird man nach den Ergebnissen der Untersuchung unter Umständen einen bestimmten Meeresteil besonders eingehend untersuchen oder auch die Fahrtlinie ändern können, um die Volks- kerne oder Volksgrenzen aufzusuchen. Besonders wichtig würde es sein, die Fahrtlinie von vornherein so zu wählen, daß wenigstens einer der großen ozeanischen Stromzirkel in zwei aufeinander senkrecht stehenden Linien der ganzen Ausdehnung nach durch- schnitten würde, so daß sowohl durch die Halostase wie durch die umkreisenden Ströme gute Schnitte in größerer Zahl und an Punkten möglichst verschiedenen Oharakters erhalten würden. Es wäre ferner dahin zu streben, daß die der Untersuchung dienende Wassermenge so gesteigert würde, daß sämtliche Protisten- gruppen, insbesondere auch die Globigerinen, Radiolarien und Tintinnen, sowie die größeren Diatomeen und Peridineen-Formen (Ceratien, Peridinium, Rhizosolenien usw.) mit ausreichender Ge- nauigkeit in ihrem Auftreten verfolgt werden können. Dazu würde wahrscheinlich eine Erhöhung der Wassermenge auf 3 Liter schon genügen. Es würde dadurch zugleich eine erfolgreiche Untersuchung der größeren Tiefen ermöglicht werden, die bisher an der Kleinheit der Wasserproben scheitert. Rn Für die Lehre von der Verbreitung der Arten im Meer verspricht die Verwendung der Isoplankten schließlich dadurch von BER: 2 Neue Untersuchungen über die Verteilung des Planktons im Ozean. 125 deutung zu werden, daß durch sie die Wichtigkeit der Gliederung des ganzen Wohngebietes in Volksmassen, Gedeih- und Kümmer- gebiete klar herausgestellt wird, während zugleich die Unsicherheit der äußersten Umgrenzung des Wohngebietes sich bei der Zeichnung ‘ der Kurven auf Schritt und Tritt bemerkbar macht. Vor allem aber zwingen die Isokurven, da sie in ein Abbild des Lebensraumes hineingezeichnet werden, zur strengsten Beachtung der geugraphischen Verhältnisse und gestatten zugleich eine durchaus anschauliche Darstellung in Karten und Schnittbildern, die den einfachen Zahlen- tabellen an Gehalt und Benutzungsmöglichkeit weit überlegen sind. Doch bleibt selbstverständlich die Beigabe der Tabellen als Grund- lage der Zeichnungen und um eine Nachprüfung jederzeit zu er- möglichen, durchaus notwendig. Indem aber so die äußere Umgrenzung und die innere Gliederung der Wohngebiete in gleich zuverlässiger, objektiver Weise fest- gestellt werden, tritt sofort klar hervor, daß die Kennzeichnung der einzelnen Formen als Warmwasser-, Kaltwasser- und 'Kühl- wasser-Formen usw. nur erfolgen darf nach der Lage der Gedeih- gebiete, während die Grenzen des Wohngebietes zum allergrößten Teil von den Zirkulationsverhältnissen des Meeresbeckens, daneben natürlich auch von der Enge oder Weite der Existenzmöglichkeiten der betreffenden Organismen abhängen. Doch spielt hierbei die Schnelligkeit, mit der bei der Ausbreitung die Lebensbedingungen sich ändern, eine große Rolle, außerdem die Größe und Häufigkeit der Einwanderungen in die Grenzgebiete. Eine Art kann in allen Özeanen und in allen Breiten leben, trotzdem aber nur im warmen - Wasser gedeihen. Nach den Gedeihgebieten werden immer biologisch klare Gruppen von Organismen (Tropen-, Polar-, Mischgebiet-, Hochsee-, Küsten-, Brackwasser-Formen usw.) zu unterscheiden sein, während die Grenzlinien ihrer Wohngebiete, je umfangreicher und - genauer die Beobachtungen werden, um so mehr ineinander über- gehen und sich schneiden werden, so daß das Verbreitungsbild _ immer unverständlicher wird. Ganz besonders wertvoll aber wird es sein, die Beziehungen zu untersuchen, die zwischen der Aus- » | * . r A 5 3 £ | - bildung von Unterarten und der Gliederung der Völker bestehen. Erklärung der Tafeln und Tabellen. Tafel Il. Isoplankten des Fahrtschnittes der Deutschland für die Gesamt- zahl der Pflanzen und einige Coceolithophoriden-Arten aus dem Zentrifugen- Be des Atlantischen Ozeans von der Westwindtrift in 47° n. Br. bis zum - Falklandstrom in 40° s. Br. — In den Fahrtschnitt für Calyptrosphaera oblonga ‚sind außerdem die für das Vorkommen dieser Art wichtigsten lsohydren ein- gezeichnet. 126 W. JANENSCH und W, DIETRICH. N Tafel II. Kurvenbilder zur Feststellung der Gestalt eines Volkskörpenl in einer ozeanischen Strömung. — 1. Die 7 durch Beobachtung gewonnenen Querschnittbilder, die zur Grundlage der Feststellung dienten. — 2. Konstruierter Längsschnitt durch die Strommitte. — 3. Konstruierter Flachschnitt in der Ober- fläche des Stromes. — Der Abstand der Querschnitte voneinander ist des Raumes wegen viel zu eng genommen und muß als vielfach größer angenommen werden. Tabelle: Zahlenwerte für die Fahrtschnitte auf Tafel I. Alle Zahlen gelten für 1 Liter Wasser und sind durch Zentrifugierung von je 300 cem geschöpften Wassers und sofortige Zählung der im Sediment enthaltenen lebenden] Organismen während der Fahrt gewonnen. Nachweis des ersten Prämolaren an einem jugendlichen Ober- kiefergebiß von Stegodon Airawana MART. Von W. Janensc#!) und W. DIETRICH. Mit Tafel 111. Bei einer Durchsicht der Materialien der Serenka’schen Aus- grabungen in den diluvialen Pithekanthropusschichten von Trinil auf Java fand sich eine bisher der Untersuchung entgangene kleine rundlich-kuppige Zahnkrone, die bei einem von uns (JANENSCH) SO- gleich den Verdacht erweckte, daß sie zu St. Arrawana, der einzigen Stegodon-Art2) der Trinilschichten (—Kendengschichten), gehöre. Bei näherem Zusehen ergab sich, daß dieser Zahn sehr gut über die Zahnwurzelhöhle paßt, die sich an einem jugendlichen rechten Ober- 1) Die vorliegende Arbeit stellt einen Nachtrag zu meiner Abhandlung über die Stegodonschädel von Trinil dar. (W. Janensch, Die Proboseidier-Schädel der Trinil-Expeditions-Sammlung. In M. LenorE SELENKA und M. BLANCKENHORN, Die Pithecanthropusschichten auf Java. Leipzig 1911, S. 151—195.) Im Interesse der Sache begrüße ich es mit Freude, daß mein Mitarbeiter seine Erfahrung auf dem Gebiete fossiler Proboseidier dieser Untersuehung einer schwierigen aber zugleich auch interessanten Frage zugute kommen ließ. Ich benutze die Gelegen- heit, einige Druckfehler in der genannten Arbeit richtigzustellen, die dem Um- He zuzuschreiben sind, daß ich während der Drucklegung infolge Teilnahme an der Tendaguru-Expedition abwesend war. J. Rt Taf. XXIL, Fig. 3 ist M, (statt Mm,). E Taf. XXIIL, Fig. 1—3 ist oberer rechter Mm, (statt unterer). Auf Taf. XXV, im Text und in der Tafelerklärung sind „Fig. 2“ und „Fig. zu : zu vertauschen. Die Abbildungen auf Taf. XXV sind nicht nat. Gr., sondern verkleinert. Fig. 2 und 3 in !/, n. Gr., Fig. 1 und 4 sind stärker ver S. 194 Zeile 5 von oben ist zu lesen: Padang statt Gendinjan. 2) Stegodon trigonocephalus MArTın, die zweite aus den Kendengschichten. angegebene Art, läßt sich nicht aufrechterhalten, sondern ist mit St. Airawa: zu vereinigen, wie besonders das von ELBERT gesammelte, von W. SoERGEL (Stego- donten aus den Kendengschichten auf Java. Palaeontographica. Supplement IV V, Stuttgart 1913) beschriebene Material, aber auch das Studium der Marrın’ sche on Veröffentlichungen lehrt.. (Anm, von DiETRIcH.) I y r u PT UOTE NE re Aare Nachweis des ersten Prämolaren am Oberkiefergebiß von Stegodon Airawana. 127 kieferbruchstück vor dem in situ befindlichen zweiten Milchmolaren?) befindet. Der Ausguß dieser Wurzelhöhle, der ein etwas vergröbertes Abbild der Zahnwurzel liefert, stimmt ausgezeichnet zu der isolierten Zahnkrone; beide lassen sich genau aneinanderfügen. Ist es darum schon in hohem Grade wahrscheinlich, daß diese abgebrochene Zahn- krone zu dem ÖOberkieferstück eines Stegodontenkalbes gehört, so wird dies völlig gewiß dadurch, daß ihr Hinterrand und der Vorder- rand des im Kiefer sitzenden Milchzahnes an einer kleinen Druck- stelle vollkommen aneinanderpassen. Beide Zähne weisen überein- stimmende sog. „Pressionsmarken“ auf und der größere (hintere) Zahn läßt die Druckwirkungen (sog. „Pressionseliekte“) in dem gestörten Aufbau seiner zwei vordersten Querjoche ausgezeichnet erkennen. An der Zugehörigkeit der knopfförmigen Zahnkrone zu dem Kieferstück kann somit kein Zweifel bestehen; Tafel III zeigt die Zahnreihe, wie sie ursprünglich vorlag, von der Kaufläche und von der lingualen Seite. Wie man sieht, liegt der vorderste Zahn _ bezw. die Zahnhöhle an der Innenseite; vor der Höhle zieht sich in der Verlängerung der Alveolenränder ein Grat nach vorn bis zur Abbruchstelle; er begrenzt das Gaumendach. Es fragt sich, wie der vorderste Zahn zu deuten ist und welche Bedeutung dem ganzen Befund zukommt. Beschreibung des vordersten Zahnes. Der Umriß der Zahnkrone ist abgerundet dreieckig, die kürzeste Seite ist die Hinterseite. Die Seitenwände und die Vorderseite neigen sich unter Verrundung zusammen, so daß die Zahnkrone ein knospen- oder rundknopfförmiges Aussehen hat. Sie besteht aus drei Jochen, wovon das mittlere am deutlichsten als Querjoch mit 3 Zahnspitzen ausgebildet ist, während das vordere zwei Spitzen zeigt, die nach unten sehr rasch in einen einzigen verbreiterten, nach hinten über- geneigten Höcker zusammenfließen; das hintere Joch kommt wenig deutlich zur Geltung, da es infolge der „Pression“ platt- und dem mittleren Joch angedrückt ist. Die Zahnspitzen besitzen denselben dicken Schmelz, wie die Joche der nachfolgenden Zähne. Nur das Vorderjoch zeigt Spuren der Abnützung, ob es sich um Abkauung oder Ätzung nach der Einbettung in den vulkanischen Tuff handelt, ist schwer entscheidbar; die Spuren sind so gering, daß man den Zahn praktisch als so gut wie unangekaut bezeichnen kann. Die Tälchen zwischen den Jochen sind mit einem bräunlichen, schmelz- artigen Zement bis oben und selbst überquellend aufgefüllt; das 3) Siehe JanenscH, Die Proboseidierschädel der Trinil-Expeditionssammlung T. 22 F. 2 S. 164; der zugehörige letzte Milchmolar T. 23 F. 1—3 S. 167. 128 W. JANENSCH und W. DIETRICH. Hinterjoch ist außerdem hinten innen von einem dicken Zement belag überdeckt. vi Die Wurzel ist vorn am Zahn ziemlich genau am Kronenhale) abgebrochen, nach hinten zu ist der Übergang der Krone in die 3 x Wurzel erhalten und durch eine leichte Einschnürung angedeutet. Im Innern ist die Krone (bezw. die hohle Wurzel, soviel davon er- halten ist) mit der grünlichen, stark schwefelkieshaltigen Tuffmasse der Trinilschichten ausgefüllt; wir haben den Tuff nicht entiernt, um den Zahnsockel freizulegen, weil der Aufbau des Zahnes aus & 3 Querjochen auch von oben deutlich genug erkennbar ist. Die A Wurzel bezw. der Abguß der Wurzelhöhle ist einfach, verbreitert und nach hinten durchgebogen; auf der Vorderseite ist sie durch eine tiefe Mittelfurche (siehe Taf. III) geteilt. Da auf der Hinter- seite eine entsprechende Furche gänzlich fehlt, so ist die Wurzel tatsächlich einheitlich und besteht nicht aus zwei ursprünglich ge- trennten, später verwachsenen, nebeneinanderstehenden Ästen. Die Wurzelspitze dürfte nahezu geschlossen, das Wachstum also beendigt gewesen sein. | Den Maßen der Zähne unseres Stückes setzen wir zur Ver- gleichung die der nächststehenden Art St. insignis bei und fügen ferner eine Tabelle der Längen (in mm) der oberen Milchzähne einer Reihe von Proboscidiern an. d hinter den einzelnen Zahlen bedeutet „Durchschnittswert“, die übrigen Zahlen sind jeweils. zusammen- gehörige Einzelwerte. Die Werte beruhen teils auf eigenen Messungen eines von uns (DIETRICH), teils sind sie der Literatur entnommen. St. Airawana St. insignis Maße i _ | Zweiter | Dritter RETTEN VORÖERS.] Milch Ren ster Zahn | molar Aa mi m? m3 (rößte Länge d. Zahnkrone 18 54 90 — 68.6 | 121,9 Größte Breite d. Zahnkrone 15 al 48 25—27| 40,6 54 Größte Höhe der Zahnkrone| ca. 10 20 28 —_ — — Anzahl der Joche 3 6 ><7><.1 2+ 6 17% Länge der Wurzel ca. 22 — ur = = et Breite d. Wurzel(am Ansatz)| ca. 13 — 3 ER > RER Bei der Deutung des vordersten Zahnes, der bisher von keinem Stegodonten in ähnlicher Ausbildung bekannt zu sein scheint, H ist zu beachten, daß wir es in Stegodon Airawana mit einer Gipfel- form und dem Schlußglied der Stegodonreihe, mit dem sie im Dilu- vium erloschen ist, zu tun haben; bei solchen terminalen Formen 3 ist aber bekanntlich mit Gebißunregelmäßigkeiten im Bereich der > —_ Nachweis des ersten Prämolaren am Oberkiefergebiß von Stegodon Airawana. 129 Tabelle der Zahnlängen des Oberkiefer-Milchgebisses. Von mi | m? m? Biegodon Airawana : : . ..: ... | u | 54 | 90 he BEE NE >18 | 68,6 121,9 ! a REN a Be Er 70,7 | 124.4 astodon latidens. . . . ........ BOB ler BR Bez: DEREN ER AN EEE, 33 | Ex | > 2 siwalensis: - . 2... 0] EN | 66 | 81,3 ARdR.2FETEHE EB ALA 1 5B,P A) 1.78. (d) pentelici 1.00 5.2 5) = A arvernemsis . -» - - NK“ 95 46 | 75 EB Re 30 | 44 | longirostris . - - BEN RR 25 50 76 angustidens . EN 28 | 41 | 65 Nun ET 1 De ae ee 215(d) | 53,5(d) | .125(d) re en rn.) AB | ©1000 primigenius. - .- | 177(d) | 5834(d) | 105,5 (d) „ antiquus Taubach . : - - :., 209(d) | 79,5 (d) | 120,7 (d) 4 h te DO) ' 68,8 (d) | — meridionalis - . Sa 22,6(d) | 63,7 (d) Ill(d) , e“ ee, 20): 71 | 100,2 (d) eomastodon "2... ........} 24 | 29 | 4U a A >? 9; | 26 | = im Laufe der schichte unterdrückten und verschwinden- den Zähne — hier der vordersten Backenzähne — zu rechnen. Deswegen ist nicht bloß zu entscheiden, ob der vorderste. (erste) Milchmolar (m!) oder ein Prämolar vorliegt, und das Ergebnis darf, nicht ohne weiteres verallgemeinert werden, sondern es erheben sich folgende Fragen: Handelt es sich um a) den regelmäßig normalerweise auftretenden ersten Milch- zahn? (der natürlich dann keinen Nachfolger gehabt hat), b) den Ersatzzahn des ersten Milchmolaren, also um P! einesdPt, c) tritt dieser gewöhnlich auf oder handelt es sich um einen außergewöhnlichen Fall, einen Rückschlag in einen Zustand wie bei den Vorfahren? d) hat der Zahn einen Antagonisten gehabt oder nicht? Erschwert wird die Homologisierung unseres Zahns dadurch, daß wir von den älteren Stegodonten Vorderindiens kein der artiges Engendliches (Gebiß, ja nicht einmal einen guten ersten Milchzahn des Oberkiefers kennen und daß die Verhältnisse, die wir bei den - Gipfelformen der Elefanten- und Mastodonstämme treffen, nicht zuın 130 MW. JANENSCH und W. DIETRICH: Maßstab der ihre ganz absonderlichen Wege gegangenen Stegodonter en dienen können. E: Deutung als erster Milehmolar*). Unter dieser re liegenden Annahme stellt sich der Befund folgendermaßen dar: Wir haben ein vollständiges Milchgebiß mit 3 fertigen Milchzähnen, von denen nur der mittlere mit 3 Lamellen angekaut ist, während der letzte als fertiger Keim stumpfwinkelig zu m? steht, der m! da- gegen etwas über die Kaufläche des m? emporragt, aber trotzdem unangekaut ist. Keiner der 3 Zähne hat einen Ersatzzahn gehabt, m? und m* rücken auf einem Kreisbogen von hinten oben in die Gebrauchsstellung vor. Sie haben mehrere starke gespreizte Wurzeln ° wie bei Mastodon, m! dagegen ist einwurzelig. Auch nach Größe und Aufbau der Yalınd ist die Zahnreihe nicht einheitlich: zwischen 3 m! und m? besteht ein Sprung, die knospenförmige Krone des m! steht im Gegensatz zu dem molariformen Jochbau der hinteren zwei Milchzähne. Die starke Störung (Stauchung) der zwei vordersten Joche und die Einbuchtung des Außenrandes des m? beweist, dab seine Joche im Keim durch den Vorderzahn behindert wurden. Da dieser letztere an der Berührungsstelle ebenfalls Druckwirkungen in Gestalt einer breiten Pressionsnarbe und eines konkaven Hinter- randes zeigt, so folgt daraus, daß beide Zähne zwar im Gebiet der Berührungsstellen gleichzeitig wuchsen, der Vorderzahn aber in seinem übrigen Teil bereits fertig und starr war, so daß er die Joche des m? in der Bildung stärker behindern konnte als diese ihn. Dabei blieb er offenbar, da er nicht angekaut ist, vom Zahnfleisch bedeckt, während der Hinterzahn bis zum vierten Joch durchge- . brochen, oder richtiger gesagt, in die Gebrauchsstellung vorgeschoben 4 ist. Bei weiterer Schiebung des m?, die das fünfte Joch in Kau- stellung befördert, wäre das Vor derzähnchen hinausgedrückt worden. . Wie an einem anderen von JanenscH abgebildeten jugendlichen Schädel mit gänzlich durchgekautem m? und zur Hälfte abgekautem m3 zu sehen ist (l. e. t. 21 f. 1, t. 22 f. 1), ist in diesem Stadium jede Spur der Wurzelhöhe des ausgestoßenen Vorderzahnes bereits verwischt. E Wenn wir nun die Verhältnisse im Milchgebiß von Elephas, % insbesondere von E. ındicus zugrunde legen, wonach m! wenige u 4) Wir legen ein döneree Gebiß mit 3 Milchmolaren, 3 Prämolare n und 3 Molaren in jeder Kieferhälfte, wie es Möritherium besitzt, zugrunde zählen die Zähne von vorn nach hinten. Die Milehmolaren bezeichnen wir dP,, dP,, dP,, wenn sie ersetzt werden, mit m,, m;, m;, wenn sie, wie ( der Gang der Entwicklung bei den Elefantiden mit sich bringt, deaklnn tition wie die bleibenden Molaren M,, M,, M, angehören. 5 Nachweis des ersten Prämolaren am Oberkiefergebiß von Stegodon Airawana. 131 Tage nach der Geburt, m? viel später, im zweiten Jahr, durchbricht und berücksichtigen, daß in unserem Öberkiefer auch m? bereits fertig vorhanden und eben am Vorschieben ist, dann müssen wir annehmen, daß unser Stegodon zwischen 2 und 3 Jahren alt war. ‚ Die erwähnten gegenseitigen Störungen lassen- sich dann durch die Annahme erklären, daß entweder das Vorderzähnchen ungewöhnlich spät durchbrach, sehr lang festsaß (wobei es unangekaut blieb), oder daß der Hinterzahn (m?) abnorm früh seine definitive Ausbildung erlangte und dabei durch den Vorderzahn deformiert wurde oder endlich, daß das erste Zähnchen nicht derselben Schmelzleiste an- gehört wie m? und m?, d. h. gar kein m! ist. Die beiden ersten Annahmen sind unwahrscheinlich, einmal weil wir in zwei von drei bekannten Fällen®) dasselbe abnorme Durchbrechen des Milchge- bisses beobachtet hätten; sodann spricht gegen die erste Möglichkeit der Umstand, dab das kleine Zähnchen, obwohl fertig ausgebildet, doch im Zahnfleisch verborgen geblieben wäre, der Kaureiz also keine Wirkung auf es ausgeübt haben könnte. Und gegen die zweite Annahme sprechen die allgemeinen Größenverhältnisse und die Festigkeit der Schädelknochen, die einem nur einige Monate alten Tier nicht angehört haben können. Es bleibt sonach die dritte Möglichkeit, daß wir in dem Vorderzahn keinen Milchmolaren, sondern einen Ersatzzahn zu erblicken haben, als die wahrschein- lichste übrig. Diese Auffassung möchten wir im nachfolgenden zu begründen versuchen. Wie schon erwähnt, besteht zwischen dem angeblichen m! und m? ein starkes Mißverhältnis in der Größe. Das Längenverhältnis beider Zähne ist: | 5 mi 18 m? 54 Ein derartiges Verhältnis findet sich nur bei der Gattung Elephas, insbesondere bei £. antiguus von Mauer, wo beispielsweise gemessen wurde: PET TOTER: #38 (ee " Y f m! 26 m? 78 Einen etwas kleineren Wert hat dieser Bruch bei #. indieus und primigenvus, einen größeren bei X. africanus, E. meridionalis und E. planifrons, ferner bei allen Mastodonarten (siehe die Tabelle!). 5) Den dritten Schädel hat K. Marrın, Fossile Säugetiere von Java und Japan. Samml. Geol. Reichsmus. Leiden 4, 2, 1887, t. 2 und t. 3, Fig. 170 als St. trigonocephalus beschrieben. Der vorn bereits abgekaute m? dieses Schädels zeigt am Außenrand keine Einbuchtung, was nach unserer Auffassung bedeutet, . daß vor ihm kein dem unseren ähnlicher knopfförmiger Vorderzahn stand. 132 W, JANENSCH und W. DIETRICH. Dabei weisen nur die beiden erstgenannten gelegentlich für mı absolut kleinere Werte (unter 18 mm) auf, während bei allen übrigen Elefantenarten die Länge für m! nicht unter 20 mm herunterzu- gehen scheint. Wenn wir unseren Zahn also als vordersten Milch- molaren deuten, müssen wir auf Grund dieses Verhältnisses sagen, dab Stegodon Airawaha, mindestens die gleiche Reduktionshöhe zeigt wie der altdiluviale &. antiguus von Mauer®). Es fragt sich, ob dieses Ergebnis im Einklang steht mit den Verhältnissen innerhalb der Stegodontenreihe selbst. Als nächster Vorgänger von Stegodon Arrawana kommt nur Stegodon imsignis aus den tieferen Schichten der „Oberen Siwaliks“ (Oberpliozän) und den altdiluvialen Schottern des Nerbudatales in Betracht. Es ist in der Literatur nur ein einziges Milchgebiß bekannt, nämlich das von FALconer und Caurrey in der Fauna Antiqua Siwalensis, t. 19, f. 1, 1a, 2, 2a abgebildete Kieferstück. Hier ist der erste Milchmolar (m!) unzweifelhaft noch erhalten; er ist stark abgekaut, erkennbar sind noch die Reste zweier Joche. Die Länge des erhaltenen Restes beträgt nach der Figur 1 und 1a 18—21 mm, die Breite 25—27 mm. Die Maße des m? und m? finden sich in der Tabelle S. 128. Es wäre sehr merkwürdig, wenn der Zahn breiter als lang gewesen wäre; das ist nicht möglich, sondern der Zahn ist durch die Abkauung beträchtlich verkürzt. Wie lang er ursprünglich gewesen ist, läßt sich nicht mit Sicher- in Er LEBT. Eng en ©, TR u. ice 1 6) W. SorrgEL (Badische Säugetiere, S. 86) spricht dem Verhältnis Aut m 2 größere Bedeutung für phylogenetische Fragen ab, da es „selbst bei verschiedenen Individuen einer Art durchaus inkonstant“ sei. Nach meinen Erfahrungen kann ich dies nicht bestätigen, das Verhältnis ist vielmehr — an zusammengehörenden Zähnen festgestellt — recht konstant. Man muß sich nur hüten, isolierte Zähne und namentlich untere und obere zueinander in Beziehung zu setzen. Schwankend ist dagegen das Verhältnis von n am hinteren Ende der Zahnreihe und zu- dem viel schwerer feststellbar, da beide Zähne an ein und demselben Kiefer kaum jemals gleichzeitig in ihrer wahren Länge entwickelt sind. Der Entwick- lungsgang des Elefantidengebißes ist bekanntlich der, daß die Mahlzahnreihe vorn abgebaut, hinten aufgebaut wird. Während aber die Reduktionserscheinungen im Bereich der vorderen Prämolaren und Molaren das Längenverhältnis der Zähne weniger stark beeinflussen, wird dieses Verhältnis durch die Vermehrung der Jochzahl am Hinterende des M3 sehr beträchtlich beeinflußt und die Berechnung des Verhältnisses = wird daher leicht mit viel größeren Fehlern behaftet sein 1 M2 als das Verhältnis zn Und gerade das schwankende Verhältnis ji; bevorzugt m SOERGEL zur Feststellung der Entwieklungshöhe! (Anm. von Dierkich.) Nachweis des ersten Prämolaren am Oberkiefergebiß von Stegodon Airawana. 133 heit ermitteln, da auch kein unterer m, von St. insignis bekannt ist. Nach dem Verhältnis Länge: Breite des m? berechnet sich für m! eine Länge von etwa 43 mm; er hätte dann 4 Joche besessen”). Bei Annahme von 3 Jochen wäre der Zahn etwa 30 mm lang und immerhin noch bedeutend länger und vor allem molariformer gebaut als der Arrawana-Zahn. So dürftig dieser Befund bei Stegodon insignis ist, so zeigt er doch so viel, daß die Auffassung unseres Arrawana-Zahnes als m! nur möglich ist bei Annahme einer außerordentlich starken Rückbildung, zumal da sich dabei das Längenverhältnis von m?:m? beider Arten nicht geändert hat. St. Airawana hat m? von 90—101 mm (JAnenscH 1. c., S. 166); seine Zähne sind nur absolut kleiner als die der festländischen Arten, er ist gegenüber dem gewaltigen St. insignis und bombifrons ein Tier von schwächlicher Natur?). Sehr wichtig zur weiteren Beurteilung ist die Wurzel. Wie schon gesagt, ist der Zahn einwurzelig, und zwar ist von einer Verschmelzung aus zwei Wurzelästen, wie das bei den geologisch älteren X. antıquus an den m, noch beobachtet wird (s. z. B. SoERGEL, Die diluvialen Säugetiere Badens I. Mitt. Bad. Geol. Landesanst. 9, 1, 1914, S. 73 und auch t. #4, f. lc), keine Spur nachweisbar. Bei keinem lebenden oder fossilen Elefanten, Stegodonten und Mastodonten ist bisher Einwurzeligkeit des oberen m! nachgewiesen; alle haben zweiwurzelige vorderste Milchmolaren?). St. Arrawana wäre die einzige Aus- nahme. | Die Kleinheit der Zahnkrone kann die Einwurzeligkeit nicht bedingen, denn E. indicus und E. primigenius haben zuweilen noch kleinere m!, und trotzdem ist deren Wurzel in zwei starke Äste gespalten. Wir kommen demnach zu einer Ablehnung der Auffassung als Milchzahn, wofür wir zusammenfassend folgende Gründe anführen: l. Die Einheitlichkeit der Zahnreihe wäre nach Form und Maß stark gestört. -Kein Elephas, Stegodon und Mastodon zeigt beides zusammen in ähnlichem Maße. Der Zahn ist als Milchzahn nicht groß und nicht molariform genug. ?) LYDEKKER, Cat. foss. Mamm. Brit. Mus. 4 1886, S. 89 nimmt für m! und m, 2 Joche an; eine Begründung fehlt; vermutlich liegt dieser Angabe der er- . wähnte m!-Stummel zugrunde, dann ist sie unrichtig. 8) SOERGEL, Stegodonten, S. 20, erblickt darin die Wirkung insularer Ab- schließung. 9) Von Stegodon insignis gibt FALcoxer, Pal. Mem. I. S. 109 an, daß der untere m, in zwei Wurzelhöhlen gesteckt habe; er war also zweiwurzelig. Da- gegen sagt er über die Wurzeln der oberen m! nichts aus. 134 W,. JANENSCH und W. DIETRICH. 2. Die rundknopfförmige Ausbildung der Zahnkrone wird selbst bei den am stärksten reduzierten m! der jüngsten Elefanten, 2. B. E. primigenius und E. indieus nicht beobachtet. Der Jochbau bleibt bei letzteren deutlicher gewahrt. Unser Zahn sieht einem vordersten Milchzahn von Mastodon viel ähn- licher als einem Milchzahn von Stegodon oder Elephas. 3. Die Einwurzeligkeit, siehe oben. 4. Die Beschaffenheit des Kieferknochens (schwammig, mit Ein- senkungen) vor dem m? läßt immerhin vermuten, daß hier ein in frühester Jugend verbrauchter mehrwurzeliger Zahn gesessen hat, unter dem unser knopfförmiger Zahn sich als Ersatz bildete. Durch Knochenneubildung sind die Alveolen völlig geschlossen. Alle diese Erwägungen führen zu der Deutung unseres Zahns als Ersatzzahn des vordersten Milchzalıns, d. h. als P1, Richtige Deutung als Prämolar. Wenn wir unseren Zahn als Prämolar auffassen, so kann es sich nur um P! handeln. Bei dieser Deutung fällt sofort die große Übereinstimmung mit dem Kieferstück von Zlephas planifrons (Fauna Antiqua Siwalensis t. 6, f.5) auf, das einen ebensolchen unangekauten knopfförmigen vordersten Zahn, einen angekauten Milchmolaren und einen dahinter befindlichen noch unangekauten weiteren Mahlzahn zeigt. Der Unterschied beider (ebisse besteht darin, daß wir haben: | bei Stegodon Arrawana: Pt, m2, m$, B „ Zlephas planifrons: P?, m?, M! und die Übereinstimmung darin, daß jeweils nur der mittlere Zahn im Gebrauch und der davorstehende ungebraucht ist. Bei E. plani- frons ist der mittlere Prämolar P, auch im Unterkiefer nachge- wiesen (F. A. S., t. 12, F. 8 und 9) und ferner der letzte, P, (dieser nur im Unterkiefer. Man sollte erwarten, daß die zahlreichen jugendlichen Gebisse von Stegodon insignis und bombifrons ebenfalls den Nachweis von Prämolaren erlaubt haben. Dem ist nicht so: sie lassen Prämolaren neben oder unter den’Milchzähnen durchaus vermissen und LYDERKER (Üatalogue 4, S. 99) und nach ihm andere haben daraus bekanntlich geschlossen, daß Zlephas planifrons kein direkter Nachfahr von St. insignis oder bombifrons sein könne. # Ob der älteste Stegodon, St. Olifti, Prämolaren besitzt, ist nicht ganz sicher. Es wird ein linker P3 von Hasnor im Pendschab (Dhok Pathanzone der mittleren Siwalikschichten bei Pla 10) T'he Correlation of the Siwaliks with Marl Horizons of Hurope. Bi . Rec. Geol. Surv. India 43, 1913, S. 264—326. Br I ad m ut Basar a 5 FE "a ne m ana u Aa il be Fr “T var; aa a R > ie Mn a Ze Nachweis des ersten Prämolaren am Oberkiefergebiß von Stegodon Arrawana. 135 angegeben, der wie der zugehörige m? wegen der deutlichen Längs- teilung der Joche sehr mastodontid ist und daher ebenso gut zu Mastodon latidens, dem zeitgenössischen Mastodonten in den Perim- schiehten und den mittleren Siwaliks gerechnet werden kann. — Wir können also nur sagen, daß die ältesten Stegodonten oder ihre unmittelbaren Vorfahren noch Reste des Prämolarengebisses, näm- lich P®, aufweisen, d. h. die Prämolaren schon weitgehend unter- drückt zeigen, genau so wie die jüngsten und jüngeren Masto- donten. Erst bei den älteren Mastodonten z. B. M. angustidens treffen wir im Oberkiefer noch die volle ursprüngliche Zahl von 3 Prämolaren. Daß wir bei St. Airawana nur den vordersten Prämolar an- treffen, darf nicht überraschen, denn ähnliche Ausnahmen in der von vorn nach hinten fortschreitenden Unterdrückung der Prämo- laren sind auch in anderen Fällen bekannt, z. B. bei M. longıi- rostris, wo nur P2, nicht aber auch P® nachgewiesen ist. Da die beiden hinteren P an unserem Kiefer und dem von JAnkEnsch ab- gebildeten jugendlichen Schädel nicht angelegt sind, so nötigt unser Befund zu folgenden Deutungen: 1. Es handelt sich um eine Ab- normität, hervorgerufen entweder durch innere Ursachen (patholo- gischer Fall) oder durch äußere Gebißverletzungen, die das Tier in frühester ‚Jugend erlitten hat. Bei anderen jungen Stegodonten wäre dann unser Zahn nicht zu beobachten, sondern das Gebib würde normalerweise nur die 3 Milchmolaren zeigen. 2. Der Be- fund ist phylogenetisch zu bewerten: Es handelt sich gleichsam um ein Aufflackern alter, längst abgetaner Zustände bei einer im Er- löschen begriffenen Form. Es sei in diesem Zusammenhang an die diluvialen Mastodonten M. americanus und M. andium erinnert, wo bekanntlich häufig im Unterkiefer gleichsam als Reminiszenz ver- kümmerte Stoßzähne erscheinen. Zu 1 sei bemerkt, daß es sich jedenfalls nicht um den selb- ständig gewordenen vorderen Teil des m? handeln kann, um den durch Verletzungen der Zahnleiste abgesprengten vordersten Ab- schnitt des m?; denn die Jochzahl unseres m? ist normal. Und den Zahn pathologisch aus irgendwelchen Hemmungen in der An- lage zu erklären, hat auch nicht viel Wahrscheinlichkeit für sich, und zwar um so weniger, als wir bei einem zweiten Fall, dem mehr- fach erwähnten jugendlichen Schädel, dieselben Zahnverhältnisse annehmen müssen, denn die beiden m? zeigen dort dieselbe charak- teristische Einschnürung des vorderen Kronenteils, die also auch wohl dieselbe Ursache, nämlich eben einen kleinen knopfförmigen Vorderzahn gehabt haben wird. Zugleich darf daraus geschlossen 136 W. JANENSCH und W. DIETRICH: Nachweis des ersten Prämolaren usw. werden, daß dieser kleine knopfförmige Zahn links und rechts im Oberkiefer entwickelt war. Zu erwägen ist noch, ob auch im Unterkiefer ein entsprechen- der Gegenzahn vorhanden war. Von Fundstücken liegt zur Ent- scheidung dieser Frage nichts vor. Wollten wir unseren Zahn als ersten Milchmolaren m! auffassen, dann spräche der Umstand, dab er unangekaut ist, sowie die hochgradige Reduktion durchaus gegen die Anwesenheit eines (vordersten unteren) m. #t. Airawana wäre ° dann der einzige Elefantide, dessen Milchgebiß nur aus zwei Zähnen bestände, eine verhängnisvolle Reduktion für das jugendliche Tier, denn der m! des Oberkiefers würde durch das Fehlen eines Anta- gonisten natürlich funktionslos.. Als Ersatzzahn des m! gedeutet, läßt sich nicht entscheiden, ob im Unterkiefer ein entsprechender Zahn zur Entwicklung gelangte, denn die allgemeine Regel, daß die Unterkieferzähne früher unterdrückt werden als die Oberkieferzähne, ist für einen solchen Fall wie den unseren nicht beweiskräftig. Die Deutung als P! verlangt dagegen die Annahme sowohl von dP! als dP.. Wir kommen somit zu dem Ergebnis, für Stegodon Airawana im Oberkiefer folgende Zahnformel anzunehmen: dJ2(?) AP! J? Pt m? m? M!:M2 M2. Die Wahrscheinlichkeit, daß diese Formel zutrifft, beträgt 2/,, denn wir trafen sie in 3 Fällen zweimal. Sie erhöht sich noch, wenn wir bedenken, daß das nur gelegentliche Auftreten über- zähliger Zähne bei weitem seltener ist und erst an einer großen Zahl von Schädeln nachgewiesen werden kann. (Vgl. z. B. A. BRAUER, Zur Kenntnis des Gebisses von Procavia, diese Sitzber. 1913, S. 118.) Tafelerklärung. Oberes Bild: Milchgebiß von Stegodon Airawana Mart. Ansicht senkrecht auf die Kaufläche des zweiten Milchmolaren, etwas verkleinert. Unteres Bild: Ansicht der Zahnreihe von der Gaumenseite. Unter m2 erkennt man den Wurzelsack des vorderen Wurzelastes von m2. Der Knochen ist mit anhaftendem Tuff, der Braunkohlenstückchen enthält, bedeckt. Etwas verkleinert. £ Rechts daneben: Ausguß der Wurzelhöhle des Pl, von vorn, etwas verkleinert. y i 24 Be v en E. VANHÖFFEN: Die Anomostraken. 137 Die Anomostraken. Von E. VAnHÖFFEn, Berlin. Die Crustaceenordnung Anomostraka, im Jahre 1910 von GROBBEN aufgestellt, wird zwar in neueren Lehrbüchern der Zoologie erwähnt, ist aber wenig bekannt. Nächst den Leptostraken oder Nebalien, die schon im Cambrium auftreten, ist sie die älteste Urustaceen- ordnung, die noch lebende Vertreter hat, da sie in carbonischen Schichten erscheint. In jüngeren Formationen ist keine Spur von ihr erhalten und ganz unvermittelt taucht sie in der Jetztzeit wieder auf. Sie nimmt eine Zwischenstellung zwischen den Panzerkrebsen oder den Thoracostraken und den Ringelkrebsen oder Arthrostraken ein, hat einen vollständig segmentierten Körper wie die letzteren, aber kein Rückenschild, wie es den ersteren zukommt, hat z. T. gestielte Augen wie diese, z. T. sitzende wie die letzteren, oder die Tiere sind augenlos.. An den 7—8 freien Thoraxsegmenten finden sich Spaltfüße wie bei Schizopoden und den niedrigsten Decapoden oder manchen Larven derselben. Doch werden auch fossile Formen mit einfachen Beinen wie bei Amphipoden und Isopoden dazu ge- rechnet. Abdominalfüße sind mehr oder weniger zahlreich entwickelt und das Telson, die Schwanzplatte mit den beiden Uropoden, ist wie bei Decapoden und Schizopoden bei einigen Gattungen, bei anderen mehr amphipodenartig gebildet. Zum Teil finden sich Statocysten in- den Antennen wie bei Decapoden, z. T. in den Uropodenästen wie bei Schizopoden und z.T. fehlen dieselben ganz. Bei einigen Arten sind auch Spermatotheken wie bei primitiven Decapoden beobachtet. Die lebenden sowohl wie die fossilen Arten sind bzw. waren Süßwasserbewohner. Aus dieser etwas unbestimmten Diagnose scheint sich zu ergeben, daß die Ordnung keine natürliche ist, dab wohl ähnliche, aber nicht wirklich nahe verwandte Formen in ihr vereinigt wurden. Es gehören dazu 4 lebende und 8 fossile Gattungen mit nur wenigen Arten, was ja meist auch für andere Tiergruppen gilt, die sich aus der Vorwelt herübergerettet haben. Nun sind die fossilen Arten meist nicht ganz vollständig bekannt und daher kommt es, daß die Frage nach der Verwandtschaft der Fo:men nicht endgültig festgestellt werden kann. Aber trotz der Verschiedenheit der Glieder dieser Reihe ist es andererseits nicht möglich, die einen den Thoracostraken die anderen den Arthrostraken zuzuteilen, weil sie doch untereinander und in manchen Merkmalen mit der einen, in anderen mit der anderen Abteilung Übereinstimmung ' zeigen. Denn das Hauptmerkmal für den Habitus, das Fehlen des Rücken- schildes und die vollständige Gliederung des Körpers genügt nicht 10 138 E. VANHÖFFEN. | M. zum Anschluß dieser Tiere an die Arthrostraken, es ist unwesentlich, wie die Ordnung der Phyllopoden zeigt, in der wir Formen mit und ohne Rückenschild vereinigt finden. | Wenn ich auch nichts Neues zu ihrer Kenntnis beitragen kann, so scheint es mir doch zweckmäßig, eine Übersicht über diese sehr merkwürdigen Formen zu geben, einmal weil keine zusammen- hängende Darstellung dieser Vorläufer unserer höheren Krebse und Mischtypen der großen Ordnungen existiert und zweitens um zur Nachforschung nach einer noch lebenden und wohl weit ver- breiteten Art in alten Brunnen anzuregen. Sie gab mir Veranlassung, mich mit diesen Tieren zu beschäftigen, da ich vor kurzem einige Exemplare aus der Schweiz zugesandt erhielt, und mit ihr will ich . die Besprechung der Arten beginnen, in der erst die lebenden, dann die fossilen behandelt werden sollen. Die lebenden Arten. 1. Bathynella natans Vs. war bereits im Jahre 1880 von Professor VEJDowsky in Prag entdeckt und 1882 in seinem Bericht über „Thierische Organismen der Brunnengewässer von Prag“ be- schrieben, aber das einzige in Canadabalsam aufgehobene und ge- schrumpfte Stück reichte für eingehende Untersuchung nicht aus. Als nun das Tier bereits für sagenhaft und verschollen galt, gelang es nach 33 Jahren im August 1913 Herrn P. A. Cuappvis dasselbe in einem alten Brunnen bei Basel wiederzufinden und eine ausführliche Beschreibung des seltenen Tieres zu geben. Wiederum lag die Gefahr vor, dab Dathynella verschwinden könnte, da der Brunnen, NUR NN NN N y > E— IS N 7 Al A fl ARM A > Sog er | u ff = —a ZU | >) [| == 7 7 H7 Hg 4 Fig. 1. Bathynella VEJD.><34 nach ÜHAPPUIS. der sie geliefert hatte, eines Tages plötzlich zugeschüttet war, aber im Begleitschreiben zu seiner Sendung, für die ich ihm auch hier herzlich danke, teilte mir Herr Cuarpvis freundlichst mit, daß er 140 E. VANHÖFFEN. 3. Paranaspides lacustris Smit#, die dritte Art, entdeckte GEOFFREY SMITH 1908 im großen See auf Tasmanien etwa 1200 m über dem Meeresspiegel. Sie ist 45 mm lang, durchsichtig, von grünlich gelber Farbe und mit feinen schwarzen Pünktchen- bestreut. Sie hat einen Buckel am ersten Abdominalsegment, langes Abdomen mit breitem Schwanzfächer und erinnert stark an einen Schizopoden. Die Schwanzplatte trägt hinten in der Mitte 6 kürzere Spitzen, dann seitlich je zwei längere, die mit einer kürzeren abwechseln. Die Antennen sind lang, mit großer Antennenschuppe versehen, die Augen gestielt. 8 Paare Thorakalfüße sind vorhanden, von denen Fig. 3. Paranaspides lacustris SMITH >< 1,5 nach SMITH. | die 6 ersten einen gegliederten Außenast und Kiemenblättchen tragen, während der 7. Fuß nur einen kleinen ungegliederten Anhang hat, welcher dem 8. fehlt (Fig. 3). (Quarterly Journal of Microsc. Science vol 53, 1909). 4. Anaspides tasmaniae Tuomson wurde 1893 auf dem Wellington- berg in Tasmanien in einem hochgelegenen Tümpel gefunden und als primitiver Schizopode des Süßwassers von THomson beschrieben. Die Art ist 50 mm lang, von bräunlicher Farbe mit 2 dunklen Längsstreifen auf dem Rücken. Lange, bewimperte Fühler, Stiel- augen, Spaltfüße und fächerartiges Telson, das hinten mit gleich- artisen Zähnen besetzt ist, geben dem Tier trotz des fehlenden Rückenschildes das Ansehen eines Schizopoden. CAauman aber er- kannte 1896 die Beziehungen dieser Art zu einigen fossilen Formen, die von Packarv als Syncarıda zusammengefaßt waren und reihte die lebende Form diesen ein. Anaspides tasmaniae lebt am Boden des flachen Gewässers und läuft dort auf den Innenästen der Beine umher, während die Außenäste anscheinend zur Unterstützung der an den Basen der Beine angehefteten Kiemensäckchen schwingende Bewegungen ausführen (Fig. 4). (Transactions of the Linnean Soc. (2) vol. VI 1893). Die Anomostraken. 141 Die fossilen Arten. Den 4 lebenden Arten schließt sich eine ganze Reihe fossiler an. Zunächst sind die Gattungen Palaeocarıs und Praeanaspides zu nennen, die nach PAckArp und WoopwArD Spaltfüße besaßen, was Fritsch allerdings anzweifelt, und ein wohl ausgebildetes I I 70 Er AN IN III N N! N | NS EN SINN ll EN 4 N S NO \f IN URN IN NEIN N 0 \ SL ) EN h 6 Be, ji Il / 7 > 5 \ RT SL Fig. 4. Anaspides tasmaniae THOMSON ><1 nach SMITH und THoMson. Telson, aber entweder blind waren oder sitzende Augen hatten. Sie stehen sicher einander sehr nahe und werden auch zu einer Gattung zusammengezogen, doch scheint es mir zweckmäßig vor- läufig beide auseinander zu halten. 5. Palaeocaris typus MERK & WorTHen fand sich 1868 in der Kohle von Mazon Creek bei Morris in Illinois und wurde 1884 von Packarr, wie Abb. 5 zeigt, rekonstruiert. Die Tiere sind etwa 20 mm lang, 142 E. VANHÖFFEN. haben kurze Fühler mit Antennenschuppe, 8 Thorakalsegmente mit 6 Paar Spaltbeinen, welche allerdings die ersten Autoren MEER & WORTHEN nicht erwähnen, 6 Abdominalsegmente, von denen nur die 5 ersten Pleopoden tragen, und ein kleines Telson, das kürzer wie das letzte Abdominalsegment ist. Die Greiffüße der beiden Fig. 5. Palaeocaris typus M. u. W.><3 nach SMITH. ersten Thorakalsegmente sind nicht erhalten; der Kopf, an dem keine Augen erkennbar sind, ist etwa so lang wie das letzte Abdominal- segment (Fig. 5). 6. Palaeocaris burnetti WooDwARD, eine zweite Art dieser Gattung, aus der produktiven Kohle von River Sections bei Irwell in Lancashire, erreicht über 30 mm Länge. Davon kommen auf den gerundeten Kopf 3 mm, dann folgen 14 Segmente von je fast 2 mm und eine linearlanzettliche Schwanzplatte von 5 mm. Jedes Segment zeigt 8—10 parallele Querstreifen und am Kopf nahe an dem Stirnrand finden sich zwei kleine gerundete Schuppen, die vielleicht als Augen zu deuten sind. Von Beinen und Fühlern ist nichts vorhanden. Der schmälere Kopf, die quergestreiften, gleich breiten Rumpfsegmente, die schmäleren Abdominalsegmente mit schwach vortretenden Pleuren unterscheiden diese von der vorigen Art. 7. Praeanaspides procursor WooDwArD stammt aus der Kohle von Ilkestone in Derbyshire. Diese Art erreicht eine Länge von Fig. 6. Praeanaspides procursor WOODWARD><1,5 nach SMITH. 57 mm, hat kurze Fühler mit einer Nebengeißel an der ersten und eine Schuppe an der zweiten Antenne. Augen sind nicht nachzu- EEE ED « a EEE ET TEE EEETTEET CE PET FERTET N WR DENE nr re a eh ee £ la j a Die Anomostraken. 143 weisen. Der Kopf ist ebenso lang wie das letzte Abdominalsegment. 8 Rumpfsegmente und 6 Abdominalsegmente sind vorhanden. Das erste Segment ist sehr kurz, am zweiten findet sich ein kurzer, kräftiger Maxillarfuß. Das 3.—5. Segment tragen Spaltfüße, während den 3 folgenden Beinen der Außenast zu fehlen scheint. 5 große Pleopoden sind vorhanden und das Telson ist länger als das letzte Abdominalsegment (Fig. 6). Während sich diese beiden Gattungen eher an Kununga an- schließen lassen, erinnern die Gattungen Gampsonychus und Gasocaris durch gestielte Augen, lange Fühler und kräftiges Telson mehr an Anaspides und Praeanaspides, nur ist es sehr wahrscheinlich, daß sie einfache Beine besaßen. Sie bilden daher eine eigene Gruppe. 8. Gampsonychus fimbriatus JORDAN und v. MEYER wurde 1847 im Sphaerosiderit von Lebach, der obersten Schicht der Saarbrückener Kohlenlager gefunden und von JoRDAN und v. MryEr beschrieben (Verhandl. des naturhist. Vereines der preußischen Rheinlande €3 PS { Zum | Ge —- Fig. 8. Gampsonynchus fimbriatus J. u.v. M. 7 nach SMITH ><2. 8 nach FRITSCH >< 3. Jahrg. 4, 1847). Eine ausführliche Abhandlung darüber folgte 1856. (Uber die Steinkohlenformation von Saarbrücken, Palaeontographica Bd. 4). Da der ursprüngliche Name Gampsonyx bereits für einen Vogel vergeben war, schlug Broxx für die Gattung die Namen 144 E. VANHÖFFEN. Uronectes und Carcınurus vor, aber der von BURMEISTER im An- klang an den ersten gegebene Name Gampsonychus hat sich erhalten. Die Art soll später auch im Murchtal bei Sulzbach und bei Schwarzen- bach in der Steinkohle von Birkenfeld beobachtet sein. Die größten Exemplare messen 25—30 mm, doch wurden auch häufig erheblich kleinere gefunden. Schon den Entdeckern fiel die eigentümliche Stellung dieser Tiere in der Crustaceenwelt auf und sie bezeichneten dieselben als Amphipoden mit Eigentümlichkeiten der Macruren, als Vorläufer der eigentlichen Decapoden, welche erst in der Trias häufiger erscheinen. Fxrırsch veröffentlichte 1901 neue Unter- suchungen über Gampsonychus und kam in manchen Punkten zu etwas abweichenden Ergebnissen, was aus den beiden Rekonstruk- tionen hervorgeht (Fig. 7 und 8) (Fauna der Gaskohle und der Kalksteine der Permformation Böhmens Bd. IV Heft 3). Übereinstimmend bei beiden ist, daß Gampsonychus kurz- gestielte Augen hat und einen mächtigen Greiffuß vor den 5 langen, dünnen Gangbeinen besitzt. Die vorderen Fühler haben langen, dreigliedrigen Schaft und zwei kurze Geißeln, die nur so lang wie die beiden letzten Schaftglieder sind. Die hinteren Antennnen mit langer Geißel reichen bis über das erste Abdominalsegment hinaus und tragen eine Schuppe am Basalglied. 5 Pleopoden, die nach Fritsch löffelförmig sein sollen, und ein großes Telson sind vor- handen. Im Innenast der Uropoden soll ähnlich wie bei Schizopoden ein Statocyst auftreten. Unterschiede in der Bewehrung der Greiffüße bei verschiedenen Exemplaren beruhen wahrscheinlich auf Geschlechts- dimorphismus und verschiedenem Alter der Individuen. 15 Segmente sind vorhanden, von denen 8 auf den Rumpf, 7 auf das Abdomen kommen. 9. Gasocaris krejew FRITSCH wurde eine verwandte Art be- nannt, welche Frıtsch erst in vorläufiger Notiz, Lotos 1859, dann 1870 aus dem Kohlenrotliegenden, der permischen Kohle von Nyran in Böhmen kurz beschrieben (Sitzungsberichte der k. k. Gesell- schaft der Wissenschaften Wien 1870) und 1875 als Gampsonychus krejeiw in einem böhmischen Lehrbuch abgebildet hat. (Zoologie für die höheren Gymnasien und Realschulen) Ein ausführliche Darstellung folgte dann 1901 in der Bearbeitung der Fauna der Gaskohle und der Kalksteine der Permformation Böhmens, Bd. IV, Heft 3. Die Tiere sind 12—20 mm lang und haben kleinen Kopf, der lange Antennen und deutlich gestielte Augen trägt. Das doppelte Flagellum der vorderen Fühler ist etwa viermal so lang als der Schaft, kürzer wie das einfache der hinteren Antenne, die eine Antennenschuppe trägt. Die 7 Rumpfbeine erscheinen kurz und Die Anomostraken. 145 plump und am Abdomen treten außer den Uropoden 5—7 Pleopoden auf, deren vorderer Ast bewimpert ist. Das große Telson besteht aus der Schwanzplatte, die bewimpert ist, nach Fritsch hinten noch zwei starke Zähne trägt, und zwei breiten bewimperten Uropoden Fig. 9. Gasocaris krejeii FRITSCH >< 4 nach FRITSCH. mit Statocysten wie bei Schizopoden (Fig. 9). STROMER von REICHENBACH gibt eine etwasabweichende Darstellung, und nach dieser, die mit zahlreichen auf einer Platte des Berliner geologischen Museums verkiesten Exemplaren übereinstimmt, wurde Fig. 10 gezeichnet. Mit Gampsonychus und Gasocaris vereinigt dann Frırsch noch die Gattungen Nectotelson, w Palaeorchestia und Acanthotelson wegen der | einfachen Beine zur Unterordnung Simplieipoda. Allerdings hatten diese 3 Gattungen nicht Stiel- augen wie die ersteren, sondern sitzende oder waren blind, bilden also auch eine eigene Gruppe. 10. Nectotelson rocher BroccHı, ein nur sehr unvollständig erhaltener Krebs wurde 1879 im Braunauer Horizont des Perm, der die Lebacher Schichten überlagert, bei Autun gefunden. Die Tiere sind klein, nur 7—8 mm lang, haben 7 Thorakalglieder mit gleichartigen, einfachen N ) Beinen, am Abdomen mindestens 4 Paar kurze ı Pleopoden und ein wohl ausgebildetes, breites N, Telson mit blattartiger, hinten abgerundeter way Schwanzplatte und ebenso geformten Uropoden- Ki 3 ästen. Durch dieses vollkommen zum Schwimmen FAR) ausgebildete Telson ebenso wie durch die ein- fachen Beine schließt sich Neetotelson an Gamp- ie» AD. ..<. . R 2 Gasocaris krejeii sonychus und Gasocaris an. Für eine Rekon- person ><2 nach struktion genügen die erhaltenen Reste nicht. SrromEr und Fritsch. am eu | m 146 E. VANHÖFFEN. 11. Palaeorchestia parallela Frırscn wurde in der Steinkohlen- mulde von Beraun in einem verhältnismäßig gut erhaltenen 18 mm langen Exemplar gefunden und 1874 beschrieben. Der Kopf ist gerundet und zeigt oben symmetrisch gelegene, rauhe Stellen, die auf große, sitzende Augen schließen lassen. Die inneren Fühler scheinen nur ein einfaches Flagellum zu haben und die äußeren tragen am Ende des dritten Schaftgliedes einen starken, langen, anliegenden Dorn, der wie eine kleine Nebengeißel erscheint. Am Basalglied findet sich eine Antennenschuppe Die Füße, nur in geringen Resten vorhanden, sind einfach, das erste Paar ist am kleinsten. Abdominalfüße sindim Präparat nicht erkennbar. 7 Thorakal- glieder und 6 Abdominalsegmente scheinen vorhanden zu sein. Das Telson ist groß, die breite Schwanzplatte trägt am Hinterrand Fig. 11. Palaeorchestia parallela FRITSCH >< 3,5 nach FRITSCH. 16 gleich große Zähne; die Uropoden, ebenfalls breit, sind bewimpert und lassen keine Statocysten erkennen (Fig. 11). (Fauna der Steinkohlenformation Böhmens, Archiv für naturw. LaniüeedmoP | von Böhmen Bd. II 1874.) s 12. Acanthotelson stimpsoni MEEX & WORTHEN ist bereits seit 1865 aus der Kohle von Illinois bekannt, wo noch drei andere Arten derselben Gattung zusammen mit Palaeocaris typus gefunden ıy sind. Die Länge des Tieres beträgt etwa 40 mm. Die ober Antenne ist etwa so lang wie der Kopf und die 5 ersten Rumpf- Die Anomostraken 147 segmente, die untere reicht bis zum Abdomen. Die 7 Rumpf- segmente tragen lange, einfache Beine, von denen die beiden ersten Paare als Greiffüße mit scharfen Dornen entwickelt sind. Das vorderste Paar ist um 1!/, länger als die übrigen und erheblich kräftiger noch als das zweite. Die 5 ersten Abdominalsegmente sind mit langen Pleopoden ausgestattet, deren breite Ruderplatten bewimpert sind. Das letzte Segment trägt eine schmale und spitze, bewimperte Schwanzplatte und ein Paar Uropoden, deren Aste dieselbe Gestalt und Bewimperung wie die Schwanzplatte zeigen. Fig. 12. Acanthotelson stimpsoni M. u. W.><1,5 nach SMITH. Die langen, schmalen Teilstücke des Telsons sind für die Gattung charakteristisch, von der noch 3 andere Arten in denselben Schichten vorkommen, wenn nicht die Unterschiede nur auf verschiedener Erhaltung der Originalstücke und verschiedener Deutung derselben beruhen (Fig. 12). 13. Acanthotelson inaequalis MEER & WOoRrTHEN ist kleiner als die vorige Art, mißt 22,5 mm. Sie unterscheidet sich von A. stimp- son? dadurch, daß das vorletzte Abdominalsegment fast doppelt so lang wie die übrigen ist, daß das 4. Thorakalsegment kürzer, das 5. und 6. aber länger als-die übrigen sind. Auch ist das vordere Bein- paar noch kräftiger als bei dieser. Zusammen mit voriger 1865 in der Kohle von Illinois gefunden. 14. Acanthotelson eveni MıLne-Epwarps hat nach ZıTTeL eine Länge von 60 mm und die für die Gattung eigentümliche Form des Telsons.. Von den anderen Arten unterscheidet sich diese be- sonders durch das erste Beinpaar, das kürzer wie bei A. stimpsoni ist und dessen 4 Endglieder mit kräftigen gekrümmten Stacheln _ bewehrt sind. Das 3. und 4. Glied dieser Greiffüße tragen je 3, das 5. einen seitlichen Stachel, während am Ende des sechsten _ 6Stacheln fingerartig abstehen. Auch diese interessante Art stammt _ aus der Kohle von Illinois (Fig. 13a u. b). 148 E. VANHÖFFEN. 1 15. Acanthotelson sp. Kndlich bildet Frrrsch noch eine Rekonstruktion eines Acanthotelson von demselben Fundort wie die übrigen Arten ab, die eigentümliche Form zeigt, aber keinen eigenen Namen erhielt. Die Länge desselben beträgt etwa 50 mm. Fig. 13. Acanthotelson eveni M.-Epw. a><0.75, b Kopf nach ZITTEL. Abweichend von den anderen Arten scheint die lange große Antenne, welche fast bis zum Telson zurückreicht, die Ausbildung der Greif- füße, die geringe Entwicklung der Pleopoden und die abweichende Gestalt des Telson zu sein (Fig. 14). | NSS pe Er O N \ ERS TETTETTETITEETSSTTTT Dit nr Fig. 14. Acanthotelson sp. FRITSCH >< 1,5 nach FRITScH. 16. Pleurocaris annulatus Cauman wurde erst 1911 aus der englischen Kohle von Coseley bei Dudley bekannt. Sie steht wegen der spitzen Schwanzplatte und der langen schmalen Uropodenäste Acanthotelson nahe. Das Tier mißt etwa 14 mm. Der Kopf ist > BOT ER WEREERRA 2 Hd u DE WE Die Anomostraken. 149 nicht vollständig erhalten. Auffallend ist ein Stachelbesatz am ersten Glied der großen Antenne. 7 Thoraxsegmente mit 7 einfachen Beinpaaren lassen ebenso wie die beiden ersten Abdominalsegmente deutliche Pleuralplatten erkennen. Dadurch erinnert die Art an Isopoden. Das Abdomen ist etwas länger als der Thorax und besteht aus 6 Segmenten. Pleopoden sind nicht sichtbar. Das letzte Segment trägt die spitze, lange, an den Seiten mit wenigen Zähnchen verzierte Schwanzplatte, welche deutlich abgesetzt, nicht wie bei Isopoden mit dem Abdomen ver- wachsen ist, und ein Uropodenpaar mit langen sehr schmalen und mit Seitenzähnchen versehenen Ästen (Fig. 15). (Geological Magazine [Decade 5] vol. 8, 1911). Die systematische Gruppierung dieser Gattungen macht Schwierigkeit, besonders weil die Deutung der fossilen Formen trotz guter Erhaltung wegen der geringen Größe manchmal nicht ganz sicher ist. GEOFFREY SMITH teilte 1909 die Anomo- straken GROBBENS (= Syncarida Hasen) in 3 Familien: 1. Anaspididae mit 7 Thorakalgliedern und Hp, 15. : ; Pleurocaris gestielten Augen. > annulatus CALMAN 2. Kunungidae wit 7 Thorakalgliedern und s<4,5 nach Carman. sitzenden Augen. 3. Gampsonychidae mit 8 Thorakalgliedern und gestielten Augen und Statocysten im Telson. GROBBEN, der nur die lebenden Arten berücksichtigte, nahm 1910 nur 2 Familien Anaspididae und Bathynellidae an. Das Gemein- same bei den Anaspididen ist das Vorhandensein von 7 Thorakal- gliedern, eines Statocysten in der Basis der ersten Antenne und eines Schwanzfächers. Dazu gehören Anaspides und Kununga, während Bathynella allein die zweite Familie bildet, bei der 8 Thorakal- glieder vorhanden sind, während Statocysten und Schwanzfächer fehlen. | P. A. Cuappuss legte zunächst besonderen Wert auf die Aus- bildung der Pleopoden und stellte die beiden Familien Pleopodophora mit Pleopoden an allen Abdominalsegmenten und Apleopodophora mit der einzigen Gattung Bathynella auf, bei der nur das erste Abdominalsegment Pleopoden trägt, dann aber folgte er dem Vor- schlage Carmans, der Einteilung die Zahl der Rumpfsegmente zu- grunde zu legen. So soll die Ordnung der Anomostraka zerfallen 150 E. VANHÖFFEN. in die Unterordnungen Anaspidacea mit 7 und Bathynellacea mit 8 Thoraxsegmenten, von denen die erstere die lebenden Familien Anaspididae und Kunungidae und die fossilen Pleurocaridae, die letztere die lebenden Bathynellidae und die fossilen Gampsonychidae umfaßt. Mir scheint die Zählung der Thorakalsegmente nicht sicher genug, um darauf die Gliederung der Ordnung aufzubauen. Für charakteristischer halte ich die Gestalt der Beine, den Bau der Augen, die ja auch sonst bei Crustaceen hohe systematische Be- deutung. haben, die Körperform und die Ausbildung des letzten Abdominalsegments. Zieht man diese Merkmale in erster Linie in Betracht, so wird das System von OHmarpuvis trotzdem nicht wesent- lich geändert, was für die Berechtigung desselben spricht. Es kommt nur noch eine kleine Gruppe mit 2 Gattungen hinzu. Demnach ergäbe sich folgende systematische Übersicht für die fossilen und lebenden Gattungen der Ordnung: Anomostraka. I. Dupliecipoda mit Spaltfüßen. A. Anaspididae (Tromson) mit Stielaugen und Telson. a) Anaspides tasmanıae Tmomson. Körper gleichmäßig ge- gliedert, Schwanzplatte hinten gerundet und mit gleich- artigen nach hinten etwas an Größe zunehmenden Zähnen besetzt. Lebend in Tasmanien. b) Paranaspides lacustrıs SmıtH. Körper mit Buckel am: ersten Abdominalsegment, Schwanzplatte hinten mit langen und kurzen Zähnen abwechselnd besetzt. Lebend in Tasmanien. B. Kunungidae (Sayck) mit sitzenden Augen und Telson.. a) Kununga cursor Sayce. Telson kurz, halb so lang wie die Uropoden, fast halbkreisförmig mit kurzen Borsten besetzt. Lebend in Australien. b) Praeanaspides procursor WOODWARD. Schwanzplatte so- lang wie die Uropoden, hinten abgestutzt mit 2 starken Enddornen und an den Seiten bewimpert. Fossil, Kohle von England. c) Palaeccaris. Schwanzplatte halb so lang wie die Uro- poden, zungenförmig hinten gerundet und an den Seiten. und hinten gleichmäßig bewimpert. c,) Palaeocaris typus Merk und WoRTHEn. Rumpfseg- mente glatt. Fossil, Kohle von Illinois. E c,) Palaeocaris burnettı WoopwArnD. Rumpisegmente _ quergestreift. Fossil, Kohle von England. “ ’ 4 u ne De can 7 % 2 / . B . > an # - “ = e ER EERF E - ER. EL DE Era ME ir Ed Ana nn Die Anomostraken. 151 C. Bathynellidae (GRroBBEN). Ohne Augen und ohne Telson. a) Bathynella natans Vespowsky. Lebend bei Prag und Basel gefunden. II. Simplicipoda (Fritsch) mit einfachen Beinen. A. Gampsonychidae (PackARrvD) mit Stielaugen, gerundeter, breiter Schwanzplatte und breiten Uropodenästen. a) Gammsonychus fimbriatus Jordan und v. MEyErR mit 3 Greiffüßen. Fossil im Perm von Saarbrücken. b) Gasocaris krejeii Frırsch mit 7 gleichartigen Beinen. Fossil im Perm von Böhmen. . Nectotelsonidae (BroccHı) mit sitzenden Augen, gerundeter Schwanzplatte und breiten Uropodenästen. a) Nectotelson rocher BroccHı. Augen klein, Körper kurz, gedrungen. Fossil im Perm von Autun, Frankreich. b) Palaeorchestia parallela Fritsch. Augen groß, Körper schlank. Fossil, Kohle von Böhmen. C. Pleurocarıdae (CaaPpuss) mit sitzenden Augen oder blind mit spitzer Schwanzplatte und spitzen Uropoden. a) Acanthotelson Merk und Worrtkuen. Schwanzplatte und Uropoden lanzettlich, ganzrandig, einfach bewimpert und ungefähr gleich lang. a,) Acanthotelson stimpsonn MrEX und WOoRTHEN. 4) mm groß, Körpersegmente ziemlich gleich lang. Fossil, Kohle von Illinois. a,) Acanthotelson ınaequalis MEEK und WORTHEN. 22 mm groß, Körpersegmente ungleich. Fossil, Kohle von Illinois. a3) Acanthotelson even M.-Enw. 60 mm groß, mit Stachelbesatz an den 4 letzten Gliedern des l. Greiffußes. Fossil, Kohle von Illinois. a4) Acanthotelson sp. Frrrsch. 45 mm lang mit un- bewehrten Greiffüßen und bis zum nicht bewimperten Telson zurückreichender 2. Antenne. Fossil, Kohle von Illinois. b) Pleurocaris annulatus CauLman mit spitzer, an den Seiten etwas gezähnter Schwanzplatte und längeren linealischen, gezähnten Uropoden. Fossil, Kohle von England. Diese Einteilung dürfte im allgemeinen genügen, obwohl Ver- _ schiebungen eintreten, können, da mir nicht in allen Fällen bei den fossilen Arten sicher gestellt zu sein scheint, ob wirklich - Spaltfüße oder nur einfache Gangbeine auftreten. Denn die Unter- 5 . EDER EG RETNE 152 Zweite wissenschaftliche Sitzung am 21. März 1916. suchung der völlig plattgedrückten oder nur im Abdruck erhaltenen Tiere ist schwierig, da leicht bei den 14 Beinen Überlagerungen das Vorkommen von Spaltbeinen vortäuschen, andererseits die zarten Außenäste zerstört sein können. Daß bei den lebenden t Arten der Ordnung Spaltbeine auftreten, beweist nichts für die fossilen Anomostraken, da die letzteren seit dem Perm ihre Rolle ausgespielt haben und keinen direkten Zusammenhang mit den heute lebenden, die gewissermaßen als neue Ausgabe erscheinen, erkennen lassen. Zweite wissenschaftliche Sitzung am 21. März 1916. E. WERTH: Ein Negerkiefer mit 3 Schneidezähnen. L. WITTMACK: Zur Geschichte der Familie Orth. E. VANHÖFFEN: Die Anomostraken (s. Seite 137). A. BRAUER: Referat über C. Hess: Messende Untersuchung des Lichtsinnes der Biene. Druck von A. Hopfer in Burg b. M. Auszug aus den Gesetzen der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin. Die im Jahre 1773 gestiftete Gesellschaft Naturforschender Freunde in Berlin ist eine freundschaftliche Privatverbindung zur Beförderung der Naturwissenschaft, insbesondere der Biontologie. Die Gesellschaft besteht aus ordentlichen, außerordent- lichen und Ehrenmitgliedern. Die ordentlichen Mitglieder, deren Zahl höchstens 20° betragen darf, ergänzen sich durch einstimmige Wahl nach den durch königliche Bestätigung vom 17. September 1789 und 7. Februar 1907 festgestellten Gesetzen. Sie verwalten | das Vermögen der Gesellschaft und wählen aus ihrem Kreise die Vorsitzenden und Schatzmeister. Die außerordentlichen Mitglieder, deren Zahl unbeschränkt ist, werden von den ordentlichen Mitgliedern, auf Vorschlag eines ordentlichen Mitgliedes unter eingehender Begründung, gewählte Für freie Zustellung der Sitzungsberichte und - Einladungen zu den Sitzungen zahlen die außerordentlichen Mitglieder einen Jahresbeitrag von 5 Mark. Sie können das „Archiv für Biontologie* und alle von der Gesellschaft unter- stützten Veröffentlichungen zum ermäßigten Preise beziehen. < 5 F Die wissenschaftlichen Sitzungen finden mit Ausnahme der Monate August und September am 2. und 3. Dienstage jedes Monats bis auf weiteres im Hörsaale VI, bzw. im Konferenzzimmer der Kgl. Landwirtschaftlichen Hochschule, Invalidenstr. 42, abends 7 Uhr, statt. Alle für die Gesellschaft bestimmten Sendungen sind an den Sekretär, Herrn Dr. K. Grünberg, Berlin N 4 Invalidenstr. 43, zu richten. Pe 1 a u NEN a ak er y an # ” 4 u „ MAY 16 1923 are Sitzungsberichte r Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin. Nr. 4 u 5. April—Mai. 1916. INHALT: Seite Nr. 4, Technische Hilfsverfahren zur Anfertigung von Zeichnungen naturwissenschaft- Beer Objekte. - Von JULIUS, WILHRBLMLE. N ER Ne en 153 Notiz über Ascidia perfluxa SLuIt. Von R. HARTMEYER . . x... 200. 159 Korrekturen, Anderungen und Zusätze zu „Nomina conservanda“. Von Prof. BE ee N Et ER A la 161 Das Baumkänguru des Tami-Beckens in Neuguinea. Von PAUL MATSCHIE . . 162 Zweite wissenschaftliche Sitzung am 18. April 1916 . .... 2.2.2.2... 163 Nr. 5. - Reptilien und Amphibien aus Japan und von den Riu-Kiu. Von RICHARD E lee? 164 Zwei neue Echsen aus Neukamerun. Von RICHARD STERNFELD. . . 2... 173 Zweite wissenschaftliche Sitzung am 16. Mai 1916 . .. 2.22.22 2.200 174 BERLIN. In Kommission BeI R. FRIEDLÄNDER & SOHN, NW CaArustrasse 11. 1916. C ” — Ausgegeben am 15. September 1916. Nr. 4. 1916 ET Sitzungebericht | der ur Gesellschaft naturforschender- Freunde zu Berlin vom 17. April 1916. Ausgegeben am 15. September 1916. Vorsitzender: Herr E. VANHÖFFEN, Herr A. BRAUER sprach über die Verbreitung der Hyracoiden. Herr J. WILHELMI sprach über technische Hilfsverfahren zur BEIDE UEHGIE: von Zeichnungen naturwissenschaftlicher Objekte. "Technische Hilfsverfahren zur Anfertigung von Zeichnungen naturwissenschaftlicher Objekte. Von JuLius WILHELMI, Berlin-Dahlem. Die Abbildungen in naturwissenschaftlichen Veröffentlichungen lassen vielfach zu wünschen übrig. Dies gilt in gleicher Weise für Abbildungen in Zeitschriften, Lehr- und Handbüchern, Praktika usw. Oft muß man selbst in namhaften Werken eine mehr oder minder große Zahl mangelhafter Abbildungen mit Bedauern feststellen. Gewiß wird der Autor zuweilen sich bewußt gewesen sein, daß manche seiner eignen oder kopierten Zeichnungen schlecht oder unschön waren, hat aber doch nicht auf ihre Wiedergabe verzichten wollen. Man kann nun einwenden, daß nicht jeder Zoologe oder Naturwissenschafter eo ipso Zeichenkünstler sein kann. Nicht immer liegt aber die Ursache schlechter Abbildungen in den mangelnden zeichnerischen Fähigkeiten des Autors, sondern oft auch in der Wahl eines ungeeigneten Reproduktionsverfahrens. Einen wesent- lichen Fortschritt bedeutet es daher, daß der Verlag G. Fischer, Jena, einen „Führer und Ratgeber!) durch das Gebiet des Illu- strationswesens unter Berücksichtigung der für die Wiedergabe bestimmten Originale gemeinverständlich dargestellt“ herausgegeben hat. Leider scheint das brauchbare Büchlein nicht genügend bekannt 1) MoSLER, L.‘P., Die moderne graphische Reproduktion. Jena, G. Fischer, 1911, 52 S., mit 5 Textfiguren und 14 teils farbigen Tafeln. 11 154 JULIUS WILHELMI. zu sein. Sehen wir nun von den mangelnden Fähigkeiten des zum Zeichnen gezwungenen Autors, die wir an der unsicheren Linien- führung usw. erkennen, ganz ab, so bleibt besonders das Ver- fahren zu beanstanden, Photographien, die für eine Re- produktion nicht scharf genug sind, durch Autotypie, womöglich auf gewöhnlichem Druckpapier wiederzugeben. Solche Bilder, die wohl von dem berechtigten Standpunkt aus geboten werden, daß die retouchefreie Photographie den Stempel der Natur- treue trägt, lassen oft das, was gezeigt werden soll, gar nicht mehr erkennen und verfehlen also vollkommen ihren Zweck. Eine deutliche Handzeichnung würde da viel wertvoller sein. Im folgenden soll nun zunächst ein altes, in naturwissenschaft- lichen Kreisen aber kaum bekanntes Hilfsverfahren zur Erzielung guter zur Reproduktion geeigneter Zeichnungen nach seiner An- wendbarkeit und nach seinem Wert erläutert werden. Das Verfahren besteht in der Zuhilfenahme der photographischen Blaukopie, die mit Vorteil als Unterlage für makro- und mikro- skopische Tusche- und Bleistiftzeichnungen benutzt werden kann. Wie wir im weiteren sehen werden, ist das Verfahren auch dann geeignet, wenn eine photographische Aufnahme für eine Textfigur nicht genügend scharf ist oder neben dem eigentlichen Objekt (Gegenstände zeigt, deren Wiedergabe unerwünscht ist. In dem oben erwähnten Büchlein (S. 7, 30) kommt das Verfahren etwas zu kurz mit folgender knapper Darstellung, die den Wert derselben für den Zoologen und Naturwissenschafter nicht genug erkennen läßt: „Wir nehmen an, die Photographie eines steinernen Wappens — eine Relief-Bildhauerarbeit — solle eine entsprechende Wiedergabe in Linientechnik erfahren. Ist das photographische Negativ er- hältlich, um so besser; anderenfalls fertigt man ein neues Negativ nach der vorhandenen Photographie an. Für unseren Zweck ist es ziemlich belanglos, ob dieses Negativ eine sehr hervorragende Qualität besitzt. da es, wie wir sogleich sehen werden, nur als Zwischenstufe für unsere Arbeit dient. Wir kopieren nun dieses Negativ auf gewöhnliches Blaueisenpapier (in jeder einschlägigen Handlung erhältlich). Die Dauer des Kopierprozesses ist 20 bis 30 Minuten, in der Sonne ca. 5—6 Minuten. Das Papier wird dann etwa 5 Minuten in reines Wasser gelegt und hierauf ge- trocknet. Das Resultat ist eine Zeichnung von schöner blauer Farbe. Diese zieht man mit Tusche und Feder nach. Bei der photographischen Reproduktion kommt der blaue Ton in Fortfall, so daß nur die eigentliche Zeichnung zur Wiedergabe gelangt. Wie man sieht, ist die Benutzung des Blaupausen-Prozesses ein überaus Techn. Hilfsverfahren zur Anfertigung von Zeichnungen naturw. Objekte. 155 wichtiges und bequemes Hilfsmittel, das auch nicht versagt, wenn man über eine elegante Zeichentechnik nicht verfügt. Zu einer direkten Wohltat wird dies Verfahren aber, wenn es sich darum handelt, nach körperlichen, also plastischen Gegenständen eine bildliche Darstellung in Linienmanier zu schaffen.“ Ich lernte dies Verfahren während meines mehrjährigen Auf- enthaltes an der zoologischen Station zu Neapel (1904—1908) flüchtig kenner. Später (7. III. 1914) teilte mir auf meine Anfrage Herr Abb. 1. Astropecten bispinosus; Totalpräparat im Vierkantglas etwas verkleinert photographiert, in Autotypie auf 3/, natürliche Größe reproduziert). ‚Prof. R. Donrn, Neapel, folgende Angaben des Herrn Dr. ScHöskL, Neapel, mit: „Es handelt sich um eins der gewöhnlichen Lichtpausverfahren, und zwar um den Eisenblauprozeß oder Cyanotypie. Das Papier ist käuflich. Vorschriften zum Selbstpräparieren des Papieres finden ?) Bei der Reproduktion der Photographien (Abb. 1 und 3) ist ein tief- schwarzer Untergrund künstlich hergestellt, wodurch hier eine weit schärfere Abhebung des Objektes als auf den Originalphotographien entstanden ist. 11* 156 | JULIUS WILHELM, sich in jedem Lehrbuch der Photographie. Man kopiert entsprechend dunkel, wäscht gut in Wasser aus und trocknet. Dann überzeichnet 5 E man mit unverwaschbarer Tusche die gewünschten Linien und bleicht alles Blau ’mit einer Lösung von oxalsaurem Kali weg“ Will man nun von einem Objekt, dessen zeichnerische Wiedergabe infolge vieler Feinheiten schwierig ist, z. B. von einem Seestern, der in einem vierkantigen Präparatenglase aufgestellt ist, eine gut reproduzierbare Zeichnung haben, so macht man von dem Objekt (samt Glas) eine möglichst große photographische Aufnahme, wenn möglich übernatürliche Größe®). Das Negativ kopiert man (vgl. S.154) Abb. 2. Astropecten bispinosus; Totalpräparat im Vierkantglas etwas verkleinert photographiert, auf Blaukopie mit Tusche gezeichnet, in Zinkätzung auf ®/, natür- liche Größe reproduziert. auf Blaueisenpapier, und zwar ziemlich dunkel. Diese Blaukopie wässert man, bis die Kontraste zwischen blauen und weißen Tönen möglichst stark sind, wozu im allgemeinen eine Zeit von 5 bis 15 Minuten genügt. Dann setzt man dem Wasser einen Schuß Salzsäure (etwa 25%ige) zu und trocknet die Blaukopie. Auf der Blaukopie zeichnet man nun, indem man gleichzeitig das Objekt 3) Dabei ist es natürlich günstig, wenn man über ein Objektiv mit großer Brennweite verfügt. Mir stand nur ein Objektiv von 190 mm Brennweite (Busch- Doppel-Leukar-Anastigmat F: 6,8) zu Gebote. “ Techn. Hilfsverfahren zur Anfertigung von Zeichnungen naturw. Objekte. 157 als Vorlage vor sich stehen hat, mit Tusche oder Bleistift. Ist die Zeichnung fertig, so erwärmt man eine konzentrierte wässerige Lösung von oxalsaurem Kali stark und legt die Zeichnung in dieselbe. Sobald der letzte Rest Blaufärbung geschwunden ist — was meist in wenigen Minuten erfolgt —, wässert man die Zeichnung einige Minuten in fließendem oder mehrmals erneuertem Wasser und trocknet sie. Als Beispiel sei hier eine auf diesem Wege hergestellte. Zeichnung von Astropecten bispinosus wiedergegeben ®). Kleinere Objekte, die nur wenige Zentimeter Länge und Breite aufweisen, nimmt man in etwas mehr als natürlicher Größe auf Abb. 3. Gehäuse von Lymnaea stagnalis. Photographie in Abb. 4. Blaukopie von dem .. 1!/efacher Vergrößerung des Negativ (von Abb. 3); auf Objektes, in Autotypie reproduziert nat. Größe des Objektes in natürlicher Größe des verkleinert. Objektes 5). und läßt dann die Nachzeichnung der Blaukopie bei der Repro- duktion auf die natürliche Größe des Objektes verkleinern. *) Die der vorliegenden Mitteilung zugrunde liegenden Arbeiten wurden in der Königl. Landesanstalt für Wasserhygiene zu Berlin-Dahlem ausgeführt. Die benutzten Tierpräparate gehören der Schausammlung genannter Anstalt an. Bei der Anfertigung der Photographien und Zeichnungen, von denen in der _ vorliegenden Mitteilung nur ein kleiner Teil wiedergegeben werden kann, wurde ich durch Herrn Dr. HELFER freundlichst unterstützt. 5) Diese ausreichend scharfe Photographie eignet sich, wie die Abbildung zeigt, zur direkten Reproduktion, doch soll durch diese und die folgenden Abbildungen (4—6) nur das Blaukopierverfahren selbst erläutert werden. 158 JuLius WILHELMI: Techn. Hilfsverfahren z. Anfertigung v. Zeichnungen usw. Es liegt auf der Hand, daß sich das Verfahren mit Vorteil auch für die Reproduktion von Abbildungen aus Büchern anwenden läßt. Schließlich dürfte das Verfahren in pädagogischer‘ Hinsicht von nicht zu unterschätzendem Werte sein, indem man durch seine Anwendung in zoologischen und anderen naturwissenschaftlichen oder anatomischen Kursen für Studierende die Erlernung des Zeichnens leicht fördern könnte. Gibt man in Kursen dem Prakti- kanten bei der Bearbeitung bestimmter Objekte auf photo- graphischem Wege hergestellte Blaukopien derselben, so wird es i er ELEND TEE ER TEE , *. 2 % 4 5 4 . $, 4 » Abb. 5. Bleistiftzeiehnung auf Abb. 6. Tuschezeichnung auf der der Blaukopie (Abb. 4); in Auto- Blaukopie (Abb. 4); in Auto- typie auf natürliche Größe des typie auf natürliche Größe des Objektes verkleinert. Objektes verkleinert ®). selbst dem zeichnerisch Unbegabten nicht sehr schwer fallen, an der Hand der Blaukopie eine ziemlich brauchbare Zeichnung herzustellen. Nach dieser Vorstudie wird eine zweite Zeichnung des gleichen Objektes ohne Blaukopie aus freier Hand dem Praktikanten bedeutend leichter fallen. Als einfachstes Objekt könnte zunächst beispielsweise ein Schneckengehäuse gewählt werden. Je eine Zeichnung wäre an der Hand von Blaukopien mit Bleistift und mit Tusche auszuführen. Später könnten dann kompliziertere Objekte, z. B. Segmentation des Flußkrebses, Situspräparat des Frosches u. a. folgen. Da die photographischen Aufnahmen von Präparaten in 6) Diese Abbildung ist irrtümlich (und ungeeigneter Weise) in Autotypie, statt, wie gewünscht, in Zinkotypie reproduziert worden. R. HARTMEYER: Notiz über Ascidia perfluxa Sluit. 159 . jedem Institut ausgeführt und von den Negativen eine größere Zahl Blaukopien mit nur geringem Zeitaufwand (bei Sonnenlicht) und für wenig Geld hergestellt werden können, so bieten sich der Anwendung des Ver- fahrens in Kursen keine Schwierigkeiten. Unter Umständen dürfte ein zweites Verfahren, auf das ich zufällig gekommen bin, ein wertvolles Hilfsmittel darstellen. Aufeiner mit gewöhnlichem photographischen Papier hergestellten noch ungetonten Kopie eines Negativs fertigt man bei künstlichem Licht oder gedämpftem Tageslicht die Zeich- nung des Objektes mit hartem Bleistift an und legt dieselbe in stark erwärmte, kon- zentrierte wässerige Lösung von unter- schwefligsaurem Natron (Fixiernatron). Sobald — meist nach ganz kurzer Zeit — der Reduktionsprozeß beendet und nur noch die Bleistiftzeichnung auf dem Papier zu sehen ist, spült man die Zeichnung kurz in Wasser ab und trocknet sie. Dann zeichnet man mit weicheren Bleistiften nach Be- dürfnis nach. Als Beispiel gebe ich hier eine auf diesem Wege hergestellte Zeichnung Abb. 7. Pholas dactylus. von Pholas dactylus nach der photo- Totalpräparat im Vier- graphischen Aufnahme eines Totalpräpa- Kantglas etwas verkleinert rates im Vierkantglase. u ze z Zum Schlusse möchte ick nochmals Kopie mit Bleistift nach. darauf hinweisen, daß ich die beiden Ver- gezeichnet, in Auto- fahren nicht allgemein, sondern als Hilfs- typie auf ®/, natürliche verfahren in den besonderen, oben auf- eds Pbjektes geführten Fällen empfehle. zer Notiz über Ascidia perfluxa SLUIT. Von R. HArTMEYER. Mit 1 Figur. Ascidia perfluxa wurde von der „Siboga“ in 4 Exemplaren in der Java-See, nördlich der Insel Sumbava, in 274 m Tiefe gesammelt und von SLuUITER als neue Art beschrieben. Durch die Freundlichkeit des Autors hatte ich Gelegenheit, eines der Original- exemplare zu untersuchen und will bei dieser Gelegenheit die 160 R. HARTMEYER: Notiz über Ascidia perfluxa Sluit. Diagnose in einigen Punkten ergänzen.’ Ich will vorausschicken, daß das Berliner Museum ein von Schöne im Friedrich-Wilhelm- Hafen (Deutsch-Neuguinea) gesammeltes Exemplar einer‘ Ascidia- Art besitzt, welches zweifellos "zu Ascıdia perfluxa gehört. Ebenso rechne ich das früher (Abh. Senckenb. Ges., v. 25. 1900) von mir als A. bifissa Suvır. bestimmte Exemplar von Ternate, sowie ein zweites, seinerzeit nicht erwähntes kleineres Tier von derselben Lokalität dieser Art zu. Das Original von A. bifissa zu untersuchen habe ich bisher noch keine Gelegenheit gefunden. Da die Gatt. Ascidia im ganzen zentralen Pazifik einschließ- lich der Küsten Neuguineas und Neuseelands bisher nicht nachgewiesen war, bietet das Exemplar von D.-Neuguinea immerhin einiges tiergeographische Interesse, wenn auch das Vorkommen daselbst an sich keineswegs über- » raschend ist, um so weniger, als durch den ' Nachweis bei Ternate eine Verbindung mit: der Originallokalität hergestellt wird. Da so- wohl das Stück von Neuguinea, wie die von Ternate in geringer Tiefe gesammelt wurden, gehört die Art, wie nach dem Siboga-Material anzunehmen war, nicht etwa ausschließlich dem tieferen Wasser an. In ihren äußeren Merkmalen zeigt die Art, wie SLUITER treffend bemerkt, eine unverkennbare Ähnlichkeit mit Ascidia. perfluxa SLUIT. 4, mentula, aber die innere Anatomie weist so Weichkörper. Orig. (us. „nepliche Unterschiede auf, daß an eine nähere Amsterdam). Nat. Gr. \ ’ \ Verwandtschaft nicht zu denken ist. Den Zellu- losemantel bezeichnet SuLu1ter als gallertig. Das ist er bei dem Stück von Neuguinea und dem kleinen Tier von Ternate. Bei dem großen Stück von Ternate und auch bei dem mir vorliegenden Original möchte ich ihn dagegen lieber als weich knorpelig bezeichnen. Mein Original mißt basoapikal. 77 mm, dorsoventral (hinter der Körpermitte) 35 mm, das Neuguinea-Stück entsprechend 60:27 mm, das kleine Stück von Ternate nur 45:19 mm, das große dagegen 100:34 mm. Letzteres ist somit noch länger, als das größte der vier Originalexemplare, aber schlanker. Das Flimmerorgan ist bei dem Stück von Neuguinea hufeisenförmig, die Schenkel sind weder nach innen, noch nach außen gekrümmt. Bei dem Original ent- spricht es den Angaben Sıurter’s. Die Entfernung des Ganglions vom Flimmerorgan beträgt 1/;—!/, der Länge des Weichkörpers. Die genauen Maße betragen bei meinem Original 58 mm (Weich- ©. APsTEIN: Korrekturen, Änderungen u. Zusätze z. „Nomina conservanda“. 161 körper):8 mm (Entfernung des Ganglions), bei dem Tier von Neu- guinea entsprechend 48:9 mm, bei dem kleinen Tier von. Ternate 40:85 mm. Der Kiemensack setzt sich ein ansehnliches Stück über den Darm hinaus fort.. Sonst gibt er keinen Anlaß zu Bemerkungen. Ich will nur erwähnen, daß die kleineren Papillen nur in Verbindung mit parastigmatischen Quergefäßen auftreten, daß letztere aber auch vorkommen, ohne daß Papillen bereits zur Ausbildung gelangt wären. Die kurzen Angaben SLuIter’s über den Darm bedürfen einer Ergänzung. Der Verlauf des Darmes ist sehr charakteristich, gleichzeitig aber recht verschieden von dem der A. mentula. Der Ösophagus mündet etwas hinter der Körpermitte in den Kiemensack ein. Er ist ziemlich weit, nur schwach-gebogen und nach hinten gerichtet. Der Magen ist geräumig, langgestreckt, horizontal gelagert und äußerlich mit schwacher Streifung versehen. Der Mitteldarm bildet eine stark gebogene Doppelschlinge. Die erste Darmschlinge ist sehr eng und fast vollständig geschlossen. Der absteigende Ast der ersten Darmschlinge ist in bemerkenswerter Weise flaschenförmig aufgetrieben. Die zweite Darmschlinge ist kürzer und vollständig geschlossen. Der After liegt etwas tiefer als der Wendepol derersten Darmschlinge. Der Afterrand ist glatt. Korrekturen, Änderungen und Zusätze zu „Nomina conservanda“., Von Prof. C. Arsteın, Berlin. Es muß heißen: S. 121. Tuscarora tetraödra Murr. 1885. „ 122. Pyrocystis. „ 123. Entodinium. Zoothamnium. „ 136. FRAıponr. „ 139. Oligochaeten Lit.: Die 1) muß bei PıcveEr stehen. „ 145. Jaera marina 0. FABR. „ 166. Hypoderma Lartr. 1818. „167. Abraxas. ei „ 168. Charaeas. Drepana falcataria. Hepialus humuli. „ 182. Capulus MonTr. „ 183. Paludina vivipara. Proserpina nitida GrAy. „ 193. Physignathus. Tupinambis teguixin. 162 PAUL MATSCHIE: Das Baumkänguru des Tami-Beckens in Neuguinea. Änderungen: 8. 154. Caenis halterata SterH. 1836 statt ©. Juctuosa. Clo&on LeAacH 1815 statt Clo& Burm. 1839. Heptagenia flavescens WaAusH 1862 statt H. venosa. „ 202. Vespertilio murinus ist zu streichen. Zusätze: S. 166. Oscinis Larr. 1805 frit L. 1761. „ 182. Bithinia Gray 1821 tentaculata L. 1758. Carinaria Lm. 1801 mediterranea Sow. 1820/25. „ 184. Eledone LracHh 1817 moschata Lu. 1799. „ 188. Laemargus J. Müur.& Hrsıe 1837 borealis ScorzsBy 1820. „ 200. Halicore Iur. 1811 Dugong Gm. 1788. Das Baumkänguru des Tami-Beckens in Neuguinea, Von Pau MATScHTE. 0. Fınscah erwähnt in den Sitzb. Ges. Naturf. Freunde, Berlin, 1916, 58 ein Stück Fell, das er am Sechsstroh-Flusse, dem Tami, an der Humboldt-Bucht erhalten hatte; er spricht die Vermutung aus, dab dieser Fellstreif einer unbekannten Art des Baumkänguru angehöre. Durch die Güte das Herrn Dr. Eıc#Horn ist es möglich ge- wesen, dieses im Kgl. Museum für Völkerkunde zu Berlin unter Nr. VI, 9227 anfbewahrte Stück, welches Herr Prof. Dr. OÖ. FınscH unter Nr. 933 gesammelt hat, einer genaueren Umborsuptiungg zu unterziehen. Es handelt sich um den Schwanz eines Baumkängurus, Den- drolagus. Die Wirbelsäule ist herausgezogen; die Spitze ist voll- ständig erhalten, und von der Wurzel fehlt nur wenig. Die Länge ist, bis zur Spitze der Wirbelsäule gemessen, 64,5 cm, bis zur Spitze der längsten Haare 67,5 cm. Die Behaarung besteht aus ziemlich starren, sehr dicht ge- lagerten, meistens 1,5 cm langen, auf den Seiten und der Unterseite grauweißen, auf dem Schwanzrücken an der Spitze hell sandfarbigen Haaren (zwischen Taf. 36, 1 und 2 des Maisgelb im Repertoire de Couleurs von R. OBERTHÜR und H. DAuTHEnAY), zwischen denen zahlreiche dunkelbraune Haare verstreut sind. Diese treten aber nur an den Seiten des Schwanzes nach der Schwanzwurzel zu stärker in die Erscheinung und verursachen nur dort einen merklich dunkleren Schein. Über der Mitte der Unterseite ist eine ganz schmale Längsbinde von hell maisgelber Färbung angedeutet. Die Zweite wissenschaftliche Sitzung am 18. April 1916. 163 Schwanzspitze zeigt keine besondere Färbung, auch gegen die Wurzel hin ist der maisgelbe Ton auf der Oberseite deutlich. Eine dunkle Ringelung ist nicht angedeutet. Unter den bisher beschriebenen Arten von Dendrolagus hat eine ähnliche Schwanz- färbung nur sorongensis MrscH., aber ohne die maisgelbe Beimischung, und bei dieser Art sind die Haare viel länger, der Schwanz ist bei ihr etwas buschig. Wir haben es also offenbar mit dem Schwanze eines neuen Baumkängurus zu tun, das man später nach dem Entdecker Dendrolagus finschi nennen könnte mit der Diagnose: cauda subtus griseoalba, supra ochroleuca. Zweite wissenschaftliche Sitzung am 18. April 1916. S. TORNIER: Über Annäherungsversuche an Salamandra maculosa. E. VANHÖFFEN: Über die Insel Ascension. 0. HEINROTH: Besprechung des Fisch- und Insektenbandes der vierten Auflage von Brehms Tierleben. L. WITTMACK: Über Stachys affinis. Nr. 5. | | 1916 Sitzungsbericht | Di | ma ER a Gesellschaft naturforschender Freunde | zu Berlin vom 9. Mai 1916. Ausgegeben am 15. September 1916. Vorsitzender: Herr E. VANHÖFFEN. Herr ED. JAHN sprach über das Plasmodium. | Herr R. HARTMEYER sprach über eigenartige und riesige Ascidien. Reptilien und Amphibien aus Japan und von den Riu-Kiu. Von RICHARD STERNFELD, Frankfurt a. M. Eine größere Sammlung Reptilien und Amphibien, die von Herrn Oberstabsarzt Professor Dr. E. Marx, Frankfurt a. M., bei dem Händler des zoologischen Instituts in Tokio käuflich erworben und im Jahre 1913 dem Senckenbergischen Museum überwiesen wurden, erschien mir wertvoll genug, um einige nähere Angaben darüber zu machen. Neue Arten sind freilich nicht darunter, wohl aber, vor allem von den Riu-Kiu, eine Reihe recht seltener Formen, die zum Teil von den betreffenden Fundorten noch nicht nach- gewiesen waren. keptilia. Trionys sinensis jJaponicus TEMMINCK U. SCHLEGEL. 3 halbwüchsige Exemplare (Japan). Takydromus tachydromoides SCHLEG. (Japanischer Name: Kanaheb:.) 5 erwachsene (3 Cd, 2 © und 3 halbwüchsige Exemplare), Musashi (Japan). Zeichnung bei allen wenig deutlich, außer an den Seiten von Kopf und Hals. Dunkle Rückenpunkte nur bei einigen deutlich. — Länge des größten d 50-130 mm, des größten 0 54-- 130 mm. ET ee Alles, We Reptilien und Amphibien aus Japan und von den Riu-Kiu. 165 Takydromus septentrionalis GTER. 2. erwachsene Exemplare (S + 9), Riu-Kiu. Beide vollkommen typisch; beim 9 eine Kleine Schuppe zwischen den Praefrontalen.-— Von den Riu-Kiu noch nicht bekannt. Takydromus sauteri van DENBURGH. 1 erwachsenes Exemplar (9), Riu-Kiu. Rückenschuppen groß, in regelmäßigen Reihen; in der Rücken- mitte 1—2 Längsreihen kleinerer Schuppen. Kopf ungemein schlank; Schnauze spitz; 4 Paar Submentalia; Rostrale vom Frontonasale getrennt; Nasenloch rundlich, zwischen zwei Nasalen, dem Rostrale und dem 1. Labiale; 2 Lorealia, das hintere größer als das vordere, vom vorderen Supraoculare durch eine kleine Schuppe getrennt; eine Serie winzig kleiner Schüppchen zwischen den beiden großen Supraocularen und den Supraciliaren; 6 große Supralabialen, das 5. unter. dem Auge; Temporalschuppen schwach gekielt; eine einzige Inguinalpore jederseits. — Oberseite graublau (im Leben vermutlich grün), Oberlippe und Unterseite rötlichweiß. — Länge 60 140 +? mm; Kopf 14 mm; Kopfbreite 6 mm. Mir scheint diese Art 7. smaragdınus Buer. am nächsten zu stehen. Mit ihr hat sie den schlanken Habitus gemeinsam und weicht auch in der Kopfbeschuppung nur wenig ab. T. smaragdinus hat aber stets nur 3 Paar Submentalia, auch soll beim o' die Analplatte gewöhnlich geteilt sein, während sie bei dem 'mir vor- ‚liegenden Exemplar einfach ist. Die Zahl der großen Rücken- schuppenreihen (3 jederseits) und die der Bauchlängsreihen (6) stimmt überein. Wenn ich nur 6 Labialen zähle, während sonst 9 angegeben werden, so kommt dieser Unterschied vielleicht dadurch zustande, daß andere auch die letzten, sehr kleinen mitzählen. Bei dem vorliegenden Exemplar würde man allerdings mehr als 7 wohl nicht gut zählen können. Bumeces latiscutatus Haırzow. (Japanischer Name: Tokage.) 15 erwachsene Exemplare, Musashi (Japan). Typische Form. Schuppen in 24—26, einmal in 28 Reihen. Länge des größten Exemplars 63 115 mm. Exemplare von 55 mm Kopf-Rumpf-Länge sind noch ausgesprochen längsgestreift. Der Mittelstreifen verschwindet zuerst. Die seitlichen Streifen sind auch bei Exemplaren von über 60 mm noch sehr deutlich, ver- schwinden aber schließlich auch. Das Postmentale ist bei allen ungeteilt, das Postnasale regelmäßig vorhanden. 166 RICHARD STERNFELD. Tropidonotus vibakari Boıe. (Japanischer Name: Hibakari.) 6 erwachsene und halbwüchsige Exemplare, Musashi (Japan). Die Variation ist gering, T=1-+1 oder 1-2; gewöhn- lich 7, ausnahmsweise einseitig, 8 Supralabialen, durch Vermehrung der vorderen. Das größte Exemplar mißt 590 mm. Tropidonotus tigrinus Bo1E. (Japanischer Name: Yamahagashi; nach STEINEGER Yama Gamishi.) 5 Exemplare (3ad., 2 juv.), Musashi (Japan). 1 Exemplar (juv.), Sagamıi. Von den ostasiatischen Tropidonotus-Arten steht offenbar diese und nicht 7. vibakarı der T. natrıx besonders nahe, obwohl man nach der Anordnung bei BOULENGER das Gegenteil vermuten könnte. Auf die plötzliche Vergrößerung der letzten Maxillarzähne darf wohl kaum allzuviel Gewicht gelegt werden. Iropidonotus pryeri Bıer. (Japanischer Name: Miyama.) 4 Exemplare (ad.), Riu-Kiu-Inseln. St 1 N Ba ?; 1 Praeoc.; 3 Postoc.; T=2-+1. „==19; gr N ea = N 3 en 9: ” — 19: „= 181; „=2; „— 124 Sa ” a, ” ; „=2+1l. „=19; „=182;) „=-2;} „=1199 ;1 8.00. ar Das längste Exemplar mißt 1040 mm, "wovon auf den Schwanz 335 mm kommen. Die Art wird noch etwas größer als bisher an- gegeben. Ein Stück mit nicht ganz tadellosem Schwanz hat eine Rumpflänge von 720 mm, was etwa 1070 mm Gesamtlänge ent- sprechen würde. Eines der Tiere ist auffallend heliÄ, nahezu albinotisch. Dinodon semicarinatum CopE. 1 Exemplar (halbwüchsig), Oshima. Sq = 17; V=230; A= 1; Sc = 100; 1. Praeoculare, 2 Postocu- laria; 2 + 2 Temporalia; das 3.,4. und 5. Labiale am Auge. 39 dunkle Querbinden auf dem Rumpfe und etwa 18 auf dem Schwanze. — Länge 385 + 117 mm. Der Kopf des vorliegenden Exemplars weicht von der Abbildung, die StEsnEGER (Bullet. 58, Unit. St. Mus., p. 368) gibt, beträchtlich ab. Er zeigt bei weitem nicht so ausgesprochen den Charakter einer Wühlschlange, wie er sich dort in der meißel- förmigen Schnauze und dem kleinen Auge ausprägt. Auch ist das Frontale länger, nämlich so lang wie sein Abstand vom Schnauzen- ende, was aber BouLEnGEr auch angibt. Vielleicht hängen diese Abweichungen mit der Jugend des Tieres zusammen. Reptilien und Amphibien aus Japan und von den Riu-Kiu. 167 Dinodon orientale HILGENDORF. (Japanischer Name: Shiromadara-heb:.) 1 Exemplar (halbwüchsig), Musashi (Japan). me Hr 2199; X =2;,8ce—=71: T— 24-3 (links) und’ 24-2 (rechts); das 4. und 5. Labiale am Auge. 40 dunkle Quer- binden auf dem Rumpfe und 12 auf dem Schwanze. ]1 Exemplar (erwachsenes Q ), Shuluga. Sq= 17; V = 208; A=2; Sc=71; T=2-+-53; links stoßen das 3.—5., rechts nur das 4. und 5. Labiale ans Auge. 40 Quer- binden auf dem Rumpfe und 18 auf dem Schwanze. Im Magen Reste eines Tachydromus. Coluber conspicillatus Bo1E. (Japanischer Name: Jimuguri; nach STEINEGER Djimeguri.) 3 Exemplare (2 erwachsene, 1 junges); Shimosa (Japan). Ssq=21 ; V=210; A=2; Sc=72; T=1-+2 ; 7 Supralabialia. „—=21—-23; „=216,; „2; „ =70;,=1+2 (8); 7 ” „2 ea, ea „eh; ,„ =i-+2 27 Bei dem jungen Exemplar ist die Grundfarbe hell rötlich- braun, und die schwarzen Abzeichen treten sehr lebhaft hervor. Das mittlere ist hell rötlichgrau, das größte bedeutend dunkler, olivengrau. Das größte ist ein ungewöhnlich: starkes Exemplar von 930 mm Länge, wovon 168 mm auf den Schwanz kommen. Auch das zweite mißt noch 900 mm. Im Magen des Jungen mehrere junge Mäuse. 2 Exemplare (jung); Musashi (J a 8qg= 21; V= 211; A—=2; Sc=72; T=1--2; 7 Supralabialia. „—2l, „—=2ll: „—=2; „68; „142; 7 I) Coluber elimacophorus BorE. (Japanischer Name: Aodaisho.) 6 Exemplare (halbwüchsig), Musashi (Japan). Sy 25: V— 233: A—2: Sc— 97. „ —23; „ — 232; RE ROHR ? „=23; „ — 299; „=2; „ —=108. er ee OL ne2, 2239; „2; „= .99. 2,3, 2, ,—-n ” : In zwei Fällen fehlt. das Suboculare beiderseits, in einem Falle ist es auf einer Seite ganz winzig klein. Bei einem Exemplar ist einseitig eine Verschmelzung von Postnasale und Loreale ein- getreten. Auffallend ist die ungemein geringe Variationsbreite der Ventralenzahl. Das größte Exemplar mißt nur ‘90 mm, wovon 168 RICHARD STERNFELD. 173 mm auf den Schwanz kommen. Im Magen des kleinsten be- finden sich zwei Laubfrösche. Coluber quadrivirgatus BoLr. (Japanischer Name: Namera, nach STEINEGER Shimalbei) 6 Exemplare (halbwüchsig und jung); Musashi (Japan). Sq—=19; V= 204; A—=2; Sc—= 176. ) —= 19; :,„ —= 203; „2,8, „=19; „201; „=2; ;—81l „ =19; „=19; „2; „—®8b. 19: 0a a N — — 900: I — . 2, Die Zahl der Temporalen ist mehrfach einseitig 2 +3, ge- | legentlich auch auf beiden Seiten. { Dendrophis pictus GMEL. 1 Exemplar (jung); Oshima. su — 415: Vi rT: A=2; ea schwarze a an den Schläfen nicht sehr dei Von den Riu-Kiu-Inseln noch nicht bekannt. Ablabes semicarinatus HALLoWw. (Japanischer Name: Kauarakurumakıno.) 1 Exemplar-(erwachsen); Riu-Kiu. Sq = 15; V-- 198: A — 2; SC = Vier dunkelbraune Längsstreifen au dem Rücken sind deut- lich erkennbar. — Länge 875 mm, davon Schwanz 170 mm. 4 Empydocephalus ijimae STEINEGER. (Japanischer Name: Yerabu-unagi.) 1 Exemplar, erwachsenes O0, Riu-Kiu. Sg: Vo 12a 2 rn Die Labialen dieses Exemplares neigen zu noch stärkere Verschmelzung als gewöhnlich. Das große Supralabiale ist beider- seits von dem dahinter liegenden nur durch eine unvollkommene Naht getrennt, ebenso sind nur 2 untere Labialen vorhanden. Der‘ Bauchkiel beginnt bereits etwa auf der 20. Ventralschuppe. Länge 770 mm, davon Schwänz 90 mm. Trächtig mit drei großen Eiern, in denen noch keine Eimbryone 1 entwicklung erkennbar ist (Fangzeit August). x Reptilien und Amphibien aus Japan und von den Riu-Kiu. 169 Laticauda semifasciata REINWw. (Japanischer Name: Yerabu-unagt.) 1 Exemplar, erwachsenes 9, Riu-Kiu. BE V 3E 20 Ae2id — a0: 36 dunkle Querbinden auf dem Rumpfe, 6 auf dem Schwanze. — Länge 960 mm, wovon 120 mm auf den Schwanz entfallen. 1 Exemplar (erwachsenes 0), Riu-Kiu. Sg 35, IB AB Se 35. 33 Querbinden auf dem Rumpfe, 5 auf dem Schwanze — Länge 830 mm, Schwanz 100 mm. Hemibungarus japonicus GTHR. 3 Exemplare (halbwüchsig), Amami-Oshima (Riu-Kin). Sq=13; V= 207; A=2; Sc—= 29. „=13; „=202; „—2; „ —=28. BT 13; Te 200; Te 2; „ =. Bei dem kleinsten Exemplar (195 mm) sind nur drei Längs- ‘streifen deutlich erkennbar, und zwar alle drei gleich deutlich aus- geprägt. Ebenso verhält sich das eine der beiden größeren (290 mm), während bei dem anderen (300 mm) der Mittelstreifen besonders kräftig ist und die beiden äußeren jederseits zwar deutlich, aber sehr viel schwächer ausgeprägt sind. Die Kopfbeschuppung ist bei allen dreien ganz normal. Naja naja atra ÜCANTOoR. 1 Exemplar (erwachsen); Yayeyama (neuer Fundort). Sq = 21, auf dem Halse 25; V=170; Sc = 44. Das Anale ist ungeteilt wie gewöhnlich; die Angabe „anal divided“ bei STEINEGER (p. 396) beruht wohl auf einem Irrtum, falls nicht eine Anomalie vorliegen sollte. Das Exemplar paßt im übrigen recht gut zu der Charakterisierung der Subspezies atra, wie STEJNEGER sie gibt, wenn auch in der Kopfbeschuppung einige Abweichungen festzustellen sind. Normalerweise scheinen 3 Post- ocularen vorhanden zu sein, es können aber die beiden oberen ver- schmelzen (Formosa-Ex., British Mus.) oder auch die beiden unteren (linke Seite bei vorliegendem Ex.). Die große Schuppe am hinteren ‚Außenrande der Parietalen kann man auch als Temporale auffassen, deren Formel dann mit 2-+-2 anzugeben wäre. Oberseite dunkel olivenbraun mit einer größeren Anzahl schmaler, gelblichweißer, gewinkelter Querbinden, als deren erste die Brille angesehen werden kann. Die Brillenzeichnung ist sehr lebhaft, einem nach | 12 170 RICHARD STERNFELD. dem Kopf zu offenen U-Bogen ähnlich. Die beiden Schenkel fassen je einen schwarzen Fleck ein und stehen seitlich mit der hellen Farbe der Halsunterseite in breiter Verbindung. Die ganze Zeichnung ist vorn und hinten tiefschwarz gesäumt. Unterseite von Kopf und Hals bis etwa zur 14. Ventrale gelblichweiß, auf der 8. und 9. Ventrale jederseits ein großer schwarzbrauner Fleck. Die 19. Ventrale ist ebenfalls hell gefärbt, sonst ist der ganze Bauch dunkel, und erst am Schwanze greifen die hellen Querbinden wieder auf die Unterseite über. — Länge 1140 mm, davon Schwanz 170 mm. Die Brillenschlange war bisher von den Riu-Kiu noch un- bekannt. Der äußerste bekannte Fundort in dieser Richtung war Formosa, wo am Südkap ein junges Exemplar der gleichen Form gefunden war. Immerhin kann das Vorkommen von Naja naja auf den südlichen Riu-Kiu nicht überraschen. Agkistrodon blomhoffi blomhoffi Bo1E. | (Japanischer Name: Mamusht.) 3 Exemplare (2 erwachsene, 1 halbwüchsiges); Shimosa (Japan). Sg ea TEUER ur „=2l; „14; ,„—1l) „52 „=2l; „=14l; „=1b „=9It1. 2 Exemplare (erwachsen und halbwüchsig); Musashi (Japan). Sg - DI VE u A en „.—2 ee SEE a EARN a 3 Exemplare (erwachsen); Amami-Oshima. Sg=21; V zB; A 1.86 2 % 21; en 142; D..3r 1; „ —4T. =53, —2l; „=138; „—1; 2.1028 10.477, 17 ” 2 (?) Agkistrodon blomhoffi affinis GRAY. 1 Exemplar (erwachsen), Amami-Oshima. Sg = 21,9 148. A PB | Durch die blasse Zeichnung der Oberseite und die helle, nur schwach dunkel gesprenkelte Unterseite kennzeichnet sich dieses Exemplar als A. b. affinis. Wie die vorher erwähnten Exemplare zeigen, liegt jedoch A. b. blomhoffi vom gleichen Fundorte vor. Wenn man sich streng auf den Standpunkt stellen will, daß zwei Subspezies nirgends nebeneinander vorkommen dürfen, so wäre dann allerdings „affınis“ als Subspezies nicht haltbar. Ich möchte diese Anschauung aber nicht vertreten, sondern vermute, daß auf den Reptilien und Amphibien aus Japan und von den Rüu-Kinu. T7L nördlichen Riu-Kiu die Verbreitungsgebiete der beiden Formen zusammenstoßen. Lachesis flavoviridis Hırnzow. (Japanischer Name: Habu.) 4 Exemplare (1 erwachsenes, 3 junge); Riu-Kiu. Se Veit, A ed. kei, 35; ee 233; we 1; AT 89. en; 35; a 230; nF :: Be 34. ——— 35; „= 224; „zz 1% a. TI Ph] Die Zahl der Labialen ist 8—9, einmal 10; das 3. Supra- labiale ist zweimal in Kontakt mit dem Suboculare, zweimal davon getrennt. Der Zahl der Schuppenreihen zwischen den Supraocularen schwankt zwischen 12 und 14. Das größte Exemplar mißt 100U mm, wovon auf den Schwanz 170 mm kommen. Lachesis okinawensis BLER. 3 Exemplare (erwachsen); Yayeyama (neuer Fundort). u —- 23V = 139% Amel: Bel. „ey = Bl; „eh „46. a eBniyebii.e 44 Die Zahl der Labialen beträgt einmal einseitig 7, sonst stets 8. Die Subocularen sind mehrfach zu einer oder zu zwei länglichen Schuppen verschmolzen. Die Farbe der Oberseite ist heller oder dunkler braun; bei helleren Stücken ist der Kopf seitlich nicht dunkel, sondern es hebt sich von heller Grundfarbe ein breites dunkelbraunes Schläfenband ab. Ventralen hellbraun gesprenkelt. Länge des größten 575 mm, davon Schwanz 100 mm. Eine un- gemein plump gebaute ZLachesis, im Habitus etwa an eine Cerastes erinnernd. Die Art war von den südlichen Riu-Kiu nocht nicht bekannt. Amphibia. . kana esculenta japonica Maack. (Japanischer Name: Tonosama gayeru.) 14 erwachsene Exemplare, Shimosa (Japan). Ich möchte diesen Frosch trotz der Gründe, die STEJNEGER anführt, artlich nicht als verschieden von R. esculenta ansehen. Seine enge Zusammengehörigkeit mit diesem ist klar, und die Be- zeichnung R. nigromaculata würde den Zusammenhang eben zer- reißen, während die ternäre Benennung ihn betont. Mir scheint das auf alle Fälle das Bessere zu sein. 12% 172 RICHARD STERNFELD: Reptilien u. Amphibien aus Japan u. v. d. Riu-Kiu. Rana agilis japonica GTur. (Japanischer Name: Akagayeru.) 15 erwachsene und jüngere Exemplare, Musashi (Japan). Was eben für R. eseulenta japonica gesagt wurde, gilt in noch höherem Grade für’ R. japonica GrHur. Eine scharfe Trennung dieser Form — wie auch der nordamerikanischen R. sylvatica Lsconte — ist nach meiner Ansicht nicht möglich. Mir liegen augenblicklich zwei Exemplare von A. agılıs Tuomas aus der Nälıe von Frankfurt a. M. vor,-von denen das eine sehr deutlich äußere Metatarsalhöcker hat, während sie bei dem anderen genau So wenig sichtbar sind wie bei vielen Exemplaren von R. japonica. Andererseits zeigen eine ganze Anzahl Stücke von BR. japonica den äußeren Metatarsalhöcker sehr deutlich. Der Unterschied in der Größe des Trommelfells ist gleichfalls variabel, wenn auch nicht bestritten werden soll, daß tatsächlich das Tympanum bei R. japonica in der Regel etwas kleiner und infolgedessen etwas weiter vom Auge getrennt ist. Weder dieser noch sonstige Unterschiede scheinen mir ausreichend, um eine artliche Trennung zu rechtfertigen. Es gibt zahlreiche Exemplare von A. japonica, die ohne weiteres für mitteleuropäische Individuen von AR. agılıs gehalten werden könnten, während eine Verwechslung mit einem der anderen mittel- europäischen Braunfrösche schlechterdings unmöglich ist. Rana rugosa ScHLEGEL. (Japanischer Name: Tsuehigayeru.) 11 Exemplare (halbwüchsig und erwachsen), Musashi (Japan). Polypedates schlegeli GTHR. 7 erwachsene Exemplare, Musashi (Japan). -Der japanische Name ist der gleiche wie der für Ayla arborea. Bufo formosus BL6R. 10 Exemplare (9 erwachsene, 1 junges), Japan. Hyla arborea japonica SCHLEGEL. (Japanischer Name: Amagayeru.) 20 junge und ältere Exemplare, Musashi (Japan). Hynobius nebulosus ScHLEGEL. (Japanischer Name: Hatakedozo.) 4 Exemplare (erwachsen), Shimozuke. 15 Exemplare (erwachsen), Tsushima. Molge pyrrhogaster Bor. (Japanischer Name: Yimori.) 14 erwachsene Exemplare, Shimosa (Japan). R. STERNFELD: Zwei neue Echsen aus Neukamerun. 173 Die Unterseite ist sehr verschieden gezeichnet. Bald über- wiegt das Schwarz, wobei die schwarzen Flecke und Quer- und auch Längsverbindungen zusammenhängen, bald ist die ganze Bauchmitte gelb, und die schwarzen Flecke sind auf die Bauch- seiten beschränkt. Zwei neue Echsen aus Neukamerun. Von R. STERNFELD, Frankfurt a. M. Die beiden hier beschriebenen Echsen stammen aus der Aus- beute des verstorbenen Sammlers Dr. Rogert Hoty und sind mir vom Berliner Museum zur näheren Untersuchung übergeben worden, da sie neu zu sein schienen. Diese Annahme hat sich bestätigt. Eremias mandjarum nov. Spec. Nasalia kaum angeschwollen; 2 kleinere vordere Supraocularia, das vordere in Kontakt mit dem Loreale; Interparietale undeutlich pentagonal; kein Oceipitale; zwei Schuppen am Außenrande der Parietalen, die vordere davon sehr lang; keine deutlich durch- scheinende Scheibe im unteren Augenlide. 50 Schuppenreihen quer über den Rücken; 31 Querreihen am Bauche; eine Reihe großer und drei Reihen kleiner Subtibialplatten; 16 Femoralporen. Sonst wie E. guttulata Licht. — ÜOberseite braun; zu jeder Seite des Rückens ein schwarzbrauner Längsstreifen, wodurch drei hellbraune Zonen entstehen. Daran anschließend außen dunkle, wolkige Flecke, unterbrochen durch eine scharf ausgeprägte helle Linie, die auf dem oberen Augenrande beginnt. Darunter eine fast weiße Längslinie vom Auge über den oberen Rand des Ohres zur Schwanzwurzel ziehend. Seiten nach dem Bauche zu dunkel gefleckt mit Spuren bläu- licher Ozellen. Unterseite rein weiß. — Länge 57 mm 4 97 — ? mm. Kopf 13,5 mm, Vorderbein 13 mm, Hinterbein 29 mm. 1 Exemplar (9), Uamfluß (3. III. 1913.) Lygosoma (Riopa) houyi nov. spec. Rumpf niedergedrückt, kantig. Beine kurz, das Hinterbein kaum länger als die Entfernung vom Auge zum Vorderbeine; der Abstand von der Schnauze zum Vorderbein etwa 1?/, mal in der Länge von der Achsel bis zur Hüfte enthalten. Schnauze stumpf zugespitzt, Canthus rostralis angedeutet; unteres Augenlid mit durchsichtiger Scheibe. Supranasalia vorhanden, breit vonein- ander getrennt; Frontonasale breiter als lang, eben in Berührung mit dem Frontale; Praefrontalia ziemlich groß; Frontale etwas 174 Zweite wissenschaftliche Sitzung am 16. Mai 1916. kürzer als die Frontoparietalen und Parietalen zusammen, in Kontakt mit den beiden ersten der 4 Supraocularen; 7—8 Supraciliaren; Interparietale etwas kleiner als die beiden Frontoparietalen ; Parietalen in Kontakt miteinander; 1 Paar Nuchalia; das 5. und 6. Labiale | unter dem Auge, das 5. am größten. Ohröffnung mittelgroß, kleiner | als die Augenöfinung, mit 3—4 kleinen Läppchen am Vorderrande. ! Schuppen in 30 Reihen, annähernd gleichgroß, glatt. Praeanalia kaum vergrößert. Die angelegten Beine erreichen sich nicht; 12 Lamellen unter der 4. Zehe; Schwanz dick. Oberseite braun, Seitenzone etwas dunkler, besonders am Halse. Nach dem Bauche zu an den Seiten braun längsgestrichelt; Labialsuturen braun gefleckt. Unterseite einfarbig gelblichweiß. — Länge 52 mm +45 4? mm. Kopf 9,5 mm, Vorderbein 11,5 mm, Hinterbein 15 mm. 1 Exemplar, zwischen Bossum und dem Pamafluß. Zweite wissenschaftliche Sitzung am 16. Mai 1916. K. GRÜNBERG: Neue Beobachtungen an Oestriden des Wildes. L. WITTMACKk: 1. Über Nesselfasern. 2. Über Rhizomorpha subterranea (?) in Nestern der Uferschwalbe. 3. Nekrolog auf SORAUER. E. VANHÖFFEN: Über Arrhenaterum bulbosum. Druck von A. Hopfer in Burg o. M. Auszug aus den Gesetzen der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin. Die im Jahre 1773 gestiftete Gesellschaft Naturforschender Freunde in Berlin ist eine freundschaftliche Privatverbindung zur Beförderung der Naturwissenschaft, insbesondere der Biontologie. Die Gesellschaft besteht aus ordentlichen, außerordent- lichen und Ehrenmitgliedern. Die ordentlichen Mitglieder, deren Zahl höchstens 20 betragen darf, ergänzen: sich durch einstimmige Wahl nach den durch königliche Bestätigung vom 17. September 1789 und 7. Februar 1907 festgestellten Gesetzen. Sie verwalten das Vermögen der Gesellschaft und wählen aus ihrem Kreise die Vorsitzenden und Schatzmeister. Die außerordentlichen Mitglieder, deren Zahl unbeschränkt ist, werden von den ordentlichen Mitgliedern, auf Vorschlag eines ordentlichen Mitgliedes unter eingehender Begründung, gewählt. Für freie Zustellung der Sitzungsberichte und. Einladungen zu den Sitzungen zahlen die außerordentlichen Mitglieder einen Jahresbeitrag von 5 Mark. Sie können das „Archiv für Biontologie* und alle von der Gesellschaft unter- stützten Veröffentlichungen zum ermäßigten Preise beziehen. Die wissenschaftlichen Sitzungen finden mit Ausnahme der Monate August und September am 2. und 3. Dienstage jedes Monats bis auf weiteres im Hörsaale VI, bzw. im Konferenzzimmer der Kgl. Landwirtschaftlichen Hochschule, Invalidenstr. 42, abends 7 Uhr, statt. Alle für die Gesellschaft bestimmten Sendungen sind an den Sekretär, Herrn Dr. K. Grünberg, Berlin N 4, Invalidenstr. 43, zu richten. | ’ MAY 16 1923 3992 Sitzungsberichie Gaselcha Naturforschender Freunde zu Berlin. Nr.6u 7. Juni— Juli 1916. INHALT: Seite Nr. 6. Zweite Mitteilung über den Stegosauriden vom Tendaguru. Von Epw. HEnnIe 175 Nr; 7 Nekrolog auf LEOPOLD Kny. Von L. WITTMACK . 22.2 2:2 220.2 183 - Die als Sigmoceros bezeichnete Gruppe der Kuhantilopen. Von PAUL MATSCHIE / DEE ICH EIEONBRS. Se ee er ee ee ei 188 1 Über einen bronzezeitlichen Menschenschädel. Von Dr. H. KOTHBE...... 208 - Die Lebensweise der Winkerkrabben. Von E. VANHÖFFEN . . 2. .... 209 \ Mesochra rapiens (SCHMEIL), ein alter Harpactide unter neuem Namen. Von DE EEE RE ee ee 215 Zweite wissenschaftliche Sitzung am 18. Juli 19316 . .. . . 2.2.2 22.0. . 216 BERLIN. In Kommission BEI R. FRIEDLÄNDER & SOHN, NW CaArLSTRASSsE 11. 1916. ö, Ausgegeben am 30. September 1916. SA Rn REN a ER EEE DE WERT Ges. naturf. Freunde. Berlin 1915, S. 219—247. EINE. 6. Er 1916 Sitzungsbericht der (‚esellschaft naturforschender Freunde zu Berlin vom 20. Juni 1916. Ausgegeben am 30. September 1916. Vorsitzender: Herr E. VANHÖFFEN, Herr E. HENNIG hielt einen Demonstrations-Vortrag über ostafrikanische Stegosaurier und Iguanodontiden. Zweite Mitteilung über den Stegosauriden vom Tendaguru. Von Epw. Hexnie. Mit Tafel IV. Die allgemeine Störung des kulturellen Lebens durch den Krieg muß mir auch im Kleinen zur Entschuldigung dienen, wenn ich mich genötigt sehe, anstatt der ausführlichen Bearbeitung des deutsch- ostafrikanischen Stegosaurier-Materials nochmals nur einen kleinen Vorbericht zu veröffentlichen. Die militärische Dienstleistung muß, was ich noch mehr bedauere, sogar einige Ungenauigkeiten in der ersten Mitteilung!) erklärlich machen, die diese zweite hauptsächlich veranlassen und die bei regelrechter Erledigung der textlichen und illustrativen Korrektur wohl hätten vermieden werden können. Es sei also zunächst folgendes berichtigt: Auf S. 244 stimmen die Angaben der Textfigur 13 ind der zugehörigen Maßtabelle für die Seitenansicht des Schädels nicht überein. Die Länge ist als d—e, die Höhe als a—c nach der dortigen Zeichnung zu bezeichnen, wie wohl der Zusammenhang selbst ergibt. Fig. 14 (Rechte Scapula und Coracoid St 687/8) hat nichts _ mit dem dort im Text behandelten Skelett bb, also auch nichts mit der als Kentrosaurus sp.? gekennzeichneten besonderen Art zu 1) Kentrosaurus aethiopicus der Stegosauride des Tendaguru. Sitz.-Ber. 13 176 Epw. HENNIG. —— ———— [ns tun. Demnach ist auch der Hinweis auf diese Abbildung auf S. 246 irreführend. In Fig. 9 konnte ein mit auf die Platte gekommenes Schädel- stück nicht mehr rechtzeitig entfernt werden. Es wurde deshalb nur der erklärende Zusatz zur Unterschrift hinzugefügt. Uber- | haupt hätte ich manche Abbildung klarer gewünscht. Es ließ sich aber ein Überzeichnen in meiner Abwesenheit vom Institut nicht mehr durchführen. Endlich muß ich aber selbst den Namen der Gattung abändern. Von verschiedenen Seiten bin ich darauf aufmerksam gemacht worden, daß es einen Ceratopsiden ÜCentrosaurus LamgBE 1904 aus der oberen Kreide (Judith-river-Schichten, vom Red-deer-River in Alberta) bereits gibt und demnach die Bildung Kentrosaurus nicht mehr zulässig sei. Die Latinisierung hatte mich an eine Ableitung von Centrum denken lassen, zumal ja Stacheln (xkevrpov) den Ceratopsiern gänzlich fremd sind. Übrigens ist es ja auch nicht ganz genau, ein Nasenhorn als Stachel zu bezeichnen und der Unterschied gegenüber Monoclonius, von dem die Gattung abgetrennt wird, liegt im Parietale, nicht im Nasenhorn, so daß die Be- zeichnung nichts weniger als typisch ist. Ich muß aber das Mib- liche so gleichartiger Benennung, die mir zunächst gar nicht zum Bewußtsein gekommen war, selbstverständlich anerkennen und sehe mich zu einem neuen Vorschlag genötigt. An den einmal gegebenen Namen möchte ich mich dabei möglichst eng anlehnen, die Wortbildung nicht allzusehr überlasten und doch von Centrosaurus genügend abweichen, zugleich aber auch eine wichtige und typische Erscheinung zum Ausdruck bringen. Ich nenne die neue Gattung vom Tendaguru deshalb Mentrurosaurus, Stachelschwanzsaurier. Denn es ist durch inzwischen neu präpariertes Material erneut volle Gewißheit gewonnen worden, daß die Stacheln tatsächlich auch in diesem Falle, ganz wie bei Stegosaurus selbst, in erster Linie dem Schwanze aufgesessen haben. Zwischen Stacheln und Plattenkämmen haben sich seither auch aus dem Graben St weitere in sehr interessanter Weise vermittelnde Übergangsformen gewinnen lassen. Die Basalschilder, von denen ich sprach, finden sich, wie ich nunmehr festzustellen in der Lage bin, nur an den Stacheln mit rundem Querschnitt. Das wird uns über ihre Stellung am Körper noch Aufklärung verschaffen können. In Anbetracht der oft nicht geringen Fläche dieser Basalteile und der Rundung des Schwanzes können sie jedenfalls allzu weit hinten nicht gesessen haben. Und in der Tat sehen wir überall da, wo eine ursprüngliche Lage zum ei ee Zweite Mitteilung über den Stegosauriden vom Tendaguru. 127 Körper noch erkennbar ist — es liegen mir jetzt einige aus- gezeichnete Fälle dieser Art vor —, daß mindestens der. hintere Teil des Schwanzes nur die zweikantigen Stacheln getragen hat. Ich sehe jetzt, daß solche Gebilde selbst dem letzten nur noch dünnen Schwanzende aufgesessen haben. Der bereits mitgeteilte Fall eines platten Hautschildes auf der Unterseite in dieser Region kann also nicht ohne weiteres verallgemeinert werden. Es darf meines Erachtens nicht irremachen, daß die betreffenden hintersten Stacheln unverhältnismäßig groß für die schwachen Schwanzendwirbel erscheinen. Wir haben festzustellen, was wir finden; es nützt nichts, der Natur künstlich Vorschriften zu machen. Wollte man etwa aus dem Mißverhältnis eine postmortale Platzverschiebung herleiten, so wäre außerdem verwunderlich, daß beide Stacheln ihre enge Berührung miteinander, die der natürlichen Gegenstellung noch durchaus entspricht, nicht verloren haben. Mir drängt sich der Vergleich mit den seltsamen, mächtigen Stacheln am Schwanz gewisser Rochen (Masticura oder Centrobatidae) auf. Doch möchte ich gleich der Ansicht Luur’s entgegen- treten, der mit Anderen für Stegosaurus einen Gebrauch des Schwanzes als defensive Schlagwaffe behauptet. Eine dazu erforderliche Be- weglichkeit fehlte dem Schwanze des Kentrurosaurus unbedingt. Den Gelenkbildungen nach erscheint der Schwanz sogar ganz be- sonders steif. Auch liegen mir jetzt mehrfach 2 oder 3 völlig miteinander verschmolzene Schwanzwirbel vor, eine Erscheinung, die ja schon vom Diplodocus her bekannt ist. Bei einer Abwehr- waffe von einiger Beweglichkeit wäre das kaum verständlich. Denn wenn Aseı (Palaeobiologie, S. 90 und 591) die Verwachsungen des Diplodocus-Schwanzes gerade mit dem Gebrauch desselben als Schlagpeitsche erklären will, indem er die betreffenden Stellen für gebrochen und nachträglich abnorm verheilt erklärt, so kann ich mich dem mindestens für die mir vorliegenden Fälle durchaus nicht anschließen. Es sind Bandverknöcherungen, wie wir ja auch Sehnenverknöcherungen bei Dinosaurier-Wirbelsäulen so häufig finden, die hier die Versteifung zustande bringen. Die Verwachsung der betreffenden Wirbelkörper selbst scheint erst hinterher zu er- folgen. Eine gewisse Starrheit des Schwanzes findet somit in der Verknöcherung ihren höchsten Ausdruck, nicht aber ist sie erst deren Folge. Freilich bleibt die Eigenheit in der Gestaltung der Dorn- fortsätze noch zu erläutern und zu deuten. Einen andern Anlaß für die höchst seltsame Antiklinie im Schwanz als das Gewicht der Stacheln vermag ich nicht zu erkennen. Die Einzelheiten des Problems sind aber damit noch bei weitem nicht geklärt. Zunächst 13* Wr » n FF. , DZ Ph Fi > 178 Epw. HENNIG. muß nochmals betont werden, daß Stegosaurus trotz der erstaun- lichen Verwandtschaft im Bau und besonders ähnlicher Verhältnisse im Hautpanzer gerade des Schwanzendes keinerlei Andeutungen einer solchen Umwandlung der Dornfortsätze aufweist. GILMORE gibt in seiner Stegosaurus-Monographie von 1914 auf Tafel 4 die ersten 17 Schwanzwirbel und auf Tafel 15 das Ende eines Stegosaurus-Schwanzes. Da ist nichts von Antiklinie zu entdecken, auch im Texte weder von ihm noch von früheren Autoren irgend Derartiges erwähnt. Bei unserem Material dagegen läßt sich die Erscheinung in ihrer regelmäßigen Wiederkehr nicht nur an zahlreichen Einzelwirbeln feststellen, sondern auch an zwei im Zusammenhang befindlichen Schwanzwirbelsäulen und Teilen anderer (Tafel IV). Wir haben also tatsächlich in dieser Beziehung eine sehr weitgehende anatomische Abweichung zweier im übrigen einander ungemein nahestehenden Gattungen festzustellen. Ohne hier schon auf die Deutung der Antiklinie in unserem Falle genauer einzugehen, möchte ich doch zu dem Problem so weit Stellung nelımen, wie es auf Grund bisheriger Literatur er- forderlich ist. Im Jahre 1914 veröffentlichte HepwıG GOoTTLIEB- Wien?) eine Studie über die Antiklinie der Wirbelsäule, die den Umfang der Frage in dankenswerter Weise klarlegt und das nötige Material zur Beurteilung an die Hand gibt. v. Pıa hat erfreulicher- weise durch ein Referat im „Neuen Jahrb. f. Min. usw.“®) die - Aufmerksamkeit auch der paläontologischen Kreise auf diese Arbeit gelenkt, für die sie entschieden von Bedeutung ist. Es sei als Ergebnis hier nur kurz herausgegriffen, dab die Erscheinung der Antiklinie, die übrigens nicht auf die Stellung der Dorntortsätze beschränkt ist, im allgemeinen im Rumpfteil solcher Säugetiere zu finden ist, bei denen schnelle und plötzliche Bewegungen einen Widerstand des Rückgrats gegen Durchbiegungen nach unten er-. forderlich machen. Im Jugendstadium findet sich die Bildung noch kaum. Der Widerstand wird zunächst durch Muskulatur ausgeübt, die erst allmählich durch permanente elastische Bandmassen in ihrer Funktion abgelöst wird. Die Dornfortsätze stellen sich in der Richtung des Zuges gegeneinander ein. Dazu möchte ich indessen folgendes bemerken: Das Durch- biegen eines bogenförmig gekrümmten Wirbelsäulenteils wird durch „Antiklinie* der Wirbelkörper selbst bzw. ihrer End- 2) „Die Antiklinie der Wirbelsäule der Säugetiere“, Morpholog. Jahrb. Bd. 49, 1914, S. 179—219, Taf. 8—13. ») Jahrg. 1916, Bd. I, S. 261—268. en e> x e., Zweite Mitteilung über den Stegosauriden vom Tendaguru. 179. flächen wirksam verhindert, indem keilförmig gebaute Wirbel sich an der höchsten Stelle des Gewölbes einstellen. Die Muskel- und Bandwirkung an den Dornfortsätzen kann aber im Gegenteil nur eine Verfestigung in dem Sinne zur Folge haben, daß ein Übermaß von Einkrümmung nach oben, eine allzu starke Annäherung der beiden Schenkel des (abgerundeten) Winkels vermieden wird. Die Komplexität des Problems, die zahlreichen Kombinationen zur Erscheinung der Antiklinie gehöriger Einzelheiten im Bau der Wirbel sind von H. GorTLıEB hinreichend dargestellt. Es fehlt aber die natürliche Folgerung, daß nicht eine einfache Funktion, sondern das gegenseitige Durchdringen und Bedingen mehrerer zu lösender Aufgaben sich in diesem mannigfachen Wechsel ausspricht. In unserem Falle, beim Schwanz des Kentrurosaurus, ist Keine Anti- klinie der Wirbelkörper vorhanden, sondern lediglich die Gegen- stellung der Dornfortsätze. Das wird bei der Deutung zu berück- sichtigen sein. Bemerkenswert ist nun, daß nach H. GorrLizg bei lebenden und fossilen Reptilien eine Antiklinie im Rumpfe überhaupt nicht hat festgestellt werden können. Sie ist für diesen Abschnitt der Wirbelsäule eine Erwerbung der Säuger. Dagegen ist sie im Hals bei Dinosauriern und im Schwanz bei Mixosaurus (Trias- Sauropterygier) und @eosaurus (Jura-Meereskrokodil) bereits beob- ‚achtet worden. Auf ersteren Fall hat Tornıer *) gelegentlich .der Diskussion der Kopfhaltung von Diplodocus, auf letzteren ABEL in seiner Paläobiologie”) hingewiesen. Für unsere Stegosaurier ist daraus freilich nicht allzuviel Positives zu unternehmen. Bei den marinen Reptilien des Mosozoikums nämlich steht die Bildung in klarstem Zusammenhange mit der Knickung der Schwanz- wirbelsäule nach unten und mit der Entwicklung des mächtigen Flossensegels. Druckeinwirkungen wie bei heftigen Schwimmschlag- bewegungen kommen in unserem Falle nicht in Frage, zum mindesten hätten sie sich unter so andersartigen Bedingungen in der Biegung des Schwanzes und der Lebensweise außerhalb des Wassers ganz anders äußern müssen. Es ist zu bedenken, daß sich die Antiklinie hier auch nicht innerhalb des nach oben offenen Krümmungsbogens 4) „Über und gegen neue Diplodocus-Arbeiten“ Abschn. 3 (über Bau und Haltung des Halses und der Rumpfwirbelsäule) Zeitschr. deutsch. geol. (res. Bd. 62, 1910, S. 551—563. Wenn dort auf ähnliche Erscheinungen im Rumpf und Becken des Diplodocus hingewiesen wird, so sind sie doch nur außerordentlich schwach angedeutet, so daß das oben über Reptilien Gesagte dadurch nicht um- geworfen wird. 5) O. ABEL: Paläobiologie. Stutteart 1912, S. 118—121. 180 Epw.. HENNIG, einstellt, sondern schon in dem ersten steif und gerade gestreckten Schwanzteile. Auch ist es eine Eigentümlichkeit, daß nicht ein be- stimmter Wirbel als Antiklinalzentrum bezeichnet werden kann, vielmehr stehen mehrere senkrecht gerichtete Dornfortsätze zwischen den nach hinten bzw. nach vorn übergeneigten. Endlich droht ein Durchbiegen oder Einkrümmen nach unten ja im Schwanze deshalb weniger, weil er nicht wie der Rumpf vorn und hinten von Extremitätenpaaren nach Art einer Hänge- brücke getragen wird, sondern einseitig aufgehängt ist und sich im allgemeinen in beliebiger Kurve den eigenen Gewichtsverhältnissen wird anpassen können. Es müssen also besondere Umstände an- genommen werden, die bei unserem Stegosauriden eine Anspannung der Muskeln bzw. Bänder in entsprechendem Sinne verlangten und schließlich in einen Dauerzustand überführten. Ein gewisser Dauerzustand herrscht ja bei allen Wirbeltieren in der Halsmuskulatur. Hier ist ein an einem Punkte aufgehängter Hebelarm entgegen dem Schwergewicht in mannigfach abgeänderter Weise nach oben zu halten. Je länger der Hals, desto ausgeprägter die Aufgabe. Aus der Antiklinie im Hals des Diplodocus, von der TORNIER eine (eingestandenermaßen und absichtlich) weit übertriebene Abbildung gibt, folgert er nun interessanterweise eine steil auf- gerichtete, S-förmige Tragweise, also eine nach oben konkave Biegung des betreffenden Abschnitts. Man kann dem nur beistimmen, denn das Prinzip der Muskel- und Bandwirkung wäre hier durchaus das gleiche wie bei einem gewölbeartig ventralwärts eingebogenen Rumpf- abschnitt: die Normalstellung gegen Einwirkungen auf die beiden antiklinen Schenkel des Wirbelsäulenabschnittes im Sinne einer Beugung nach unten zu sichern, mögen diese Einwirkungen nun sonstigen Bewegungsbedürfnissen des Körpers, wie im Rumpf bei den Katzen, oder einfach der Schwerkraft entspringen, wie im Hals des Diplodocus. Die Muskeln und Bänder fassen über dem Anti- klinalwinkel sozusagen die Verspannungsdrähte in einem Zentrum kräftig zusammen. Die Lage dieses Zentrums ist nun sehr beachtens- wert: nicht im Aufhängepunkt des Halses, am Widerrist, findet sich die Umkehr der Zugwirkung, sondern wesentlich weiter vorn. Auch dies wird bei einem Versuch, die Eigenheiten des Kentrurosaurus- Schwanzes dem Verständnis näherzubringen, in Betracht gezogen werden müssen, wenn man auch nicht die Verhältnisse, wie sie im Halse mit seinen besonderen Bewegungsfunktionen herrschen, schematisch auf den Schwanz übertragen kann. Seit dem vorigen Jahre sind dank eifrigster und sorgfältigster Präparation auch an Knochen der Schulter- und Beckengürtel sowie as ar, - er Zweite Mitteilung über den Stegosauriden vom Tendaguru. 181 der Extremitäten ausgezeichnete neue Stücke fertig geworden. Sie helfen meine damals (auf S. 221) gegebene Übersicht schon wieder erweitern, ohne daß indes auch jetzt noch das ganze vorhandene Material aus Graben St erschöpft wäre. Das Verhältnis rechter und linker Skeletteile ist jedenfalls dadurch teilweise schon etwas günstiger und natürlicher geworden. Ich verfüge zurzeit (Juni 1916) allein aus Graben St über folgende paarigen Skeletteile. rechts links Femur 15 20 Sa. 35 Tibia 15 12 27 Fibula 21 5 576 Humerus 17 8 „25 Ulna 10 8 718 Radius 5 7 1 Scapula 14 10 394 Coracoid 6 5 Sr Ilium 32 31 FR ae Pubis 12 16 Bip: Ischium 4 9 13 Die Anzahl der Sacra beträgt bisher 10; davon sind 4 mit beiden Dia, 2 nur mit dem rechten Ilium versehen, 4 ohne Ilia erhalten. (Diese Zahlen sind jetzt in der vorstehenden Aufzählung mit verrechnet worden.) Die Anzahl der vertretenen Stegosaurier- Individuen muß, nach den Ilia zu urteilen, also 30 überstiegen haben. Im ganzen ergibt die Aufstellung aber doch allerhand durch die Er- - haltung bedingte Unstimmigkeiten. Zu schlechte Funde wurden an Ort und Stelle zurückgelassen, sind also hier nicht mit aufgezählt und auch bei der rüstig fortschreitenden Präparation nicht mehr zu erwarten. Sonderbar erscheint die Bevorzugung der Ilia bei der fossilen Über- lieferung, die sich doch durch kompakten Bau vor anderen Knochen durchaus nicht auszeichnen. Viel eher hätte man das von den Sacra erwarten sollen, die als unpaares Element auch den geeignetsten Hinweis auf die Zahl der Individuen hätten liefern können. Bei so reichem Material ist auch das starke Zurücktreten anderer Teile von Bedeutung. Daß sich bisher nur 2 Hinterhaupts- stücke aus Graben St und 1 aus Graben Ki haben auffinden lassen, ging schon aus der früheren Mitteilung hervor. Nahezu unverständlich ist das vollständige Fehlen aller Unterkieferspuren und ebenso das Vorhandensein nur eines einzigen kleinen Zahnes. Erstere sind so kräftig gebaut, letztere so zahlreich, daß man doch irgendwo weitere vollständige Reste hätte erwarten dürfen. Die Art der Material- gewinnung hauptsächlich durch Schwarze kann bestimmt nicht für u je‘ ys er \.) ur i 08 182 Eow. HENNIG: Zweite Mitteilung über den Stegosauriden vom Tendaguru. # den Mangel verantwortlich gemacht werden. Denn die noch winzigeren Zähne des Iguanodontiden liegen in Masse vor, und häufig genug waren die Beweise für sorgfältiges Sammeln der Beute an zahlreichen anderen Stellen und kleinsten Objekten. Eine gewisse Beleuchtung erfährt die Frage durch die Verteilung von Fußknochen. Es finden sich nämlich in Graben St bisher deren 121/,, Graben Ki 21/,, Graben r 1, dagegen in Graben X, wo sonst nicht allzuviel und meist schlechtes Material zu erhalten war, über 100 Stück. Es ist in diesem Falle Janensc#’s Ansicht vollauf zu bestätigen, daß infolge der Art des Umkommens und der besonderen Sedimentations- vorgänge die peripheren Teile der Kadaver leicht durch Abfaulen an anderen Stellen eingebettet wurden als die Hauptmasse des Leibes selbst. Tafelerklärung. Tafel IV. Die Antiklinie der Dornfortsätze des Schwanzes von Kentrurosaurus aethiopicus: 5. bis 7. (Fig. 2) und 22. bis 24. (Fig. 1) Wirbel aus einem in situ (dorsal eingekrümmt) gefundenen Schwanze. Größenverh.: 1: 2,4. ESSENER AN EEEne I AREEESTT FERREHEER Nr. %. | 1916 Sitzungsbericht der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin vom 11. Juli 1916. Ausgegeben am 30. September 1916. Vorsitzender: Herr E. VANHÖFFEN. Herr L. WITTMACK widmete dem verstorbenen ordentlichen Mitglied L. KyyY einen Nachruf. Herr OÖ. JorLos sprach über die Fortpflanzung der Infusorien und die „potentielle Unsterblichkeit“. Herr M. HARTMANN sprach über physiologische Untersuchungen über die Fortpflanzung und Entwicklung einiger Volvocineen. Herr H. VIRCHoWw sprach über die. Mechanik des Beines bei den Vögeln. Nekrolog auf Leopold Kny. Von L. WITTMmAck. Hochgeehrte Versammlung! “ Unsere Gesellschaft hat einen schweren Verlust erlitten: der ältestes ordentliches Mitglied, Geh. Regierungsrat Dr. LeopoLp Kxr, ordentlicher Honorarprofessor an der Universität und bis 1911 zu- gleich etatsmäßiger Professor an der Landwirtschaftlichen Hoch- schule, ist am 26. Juni nach langem Leiden verschieden. Am 29. Juni hat eine würdige Trauerfeier in der Villa des Entschlafenen stattgefunden, und dann ist die Leiche nach Breslau übergeführt und dort am 30. Juni im Erbbegräbnis beigesetzt worden. Viele von Ihnen haben an der Trauerfeier teilgenommen, an Ihrer Spitze unser Vorsitzender, Herr VANHÖFFEn, und dieser hat mich beauftragt, auch an dieser Stelle dem Entschlafenen einige Worte der Erinnerung zu weihen, wie ich das auf Ersuchen der Familie schon am Sarge tun durfte. Mit Knv’s Hinscheiden hat ein langes und, abgesehen von den . letzten Jahren, schönes Leben seinen Abschluß gefunden. LeopoLp Kxy wurde am 6. Juli 1841 in Breslau geboren. Er widmete sich erst dem Kaufmannsstande, wohl auf Wunsch ‘ 184 L. WITTMAcK. seines Vaters, der Kaufmann war, gab das aber bald auf und widmete sich dann ganz der Botanik. Ausgebildet von 1859—63 unter GÖPPERRT und FErDINAnD Conn in Breslau, v. NÄsceLı in München und unserm allverehrten ALexAnper BrAun, promovierte er 1863 hier in Berlin mit einer Arbeit über die Entwicklungs- geschichte unbeblätterter Lebermoose, ging dann aber mehrere Jahre nach dem Süden, nach Sizilien, nach Madeira, um seine Lunge zu kräftigen, und wahrlich, man kann sagen, er hat Hvre- vanD’s „Kunst, das menschliche Leben zu verlängern,“ in trefflichster Weise ausgeübt und so das Alter des Psalmisten erreicht. Im Jahre 1867 habilitierte er sich an der Berliner Universität und wurde im Oktober 1868 als Nachfolger des nach Wien berufenen Prof. Dr. HERMANN Karsten zugleich Leiter des „Physiologischen Laboratoriums der Landwirtschaftlichen Lehranstalt“ in Berlin. Dieses Physiologische Laboratorium war ein ganz kleines In- stitut, in Mietsräumen untergebracht, unter Karsten in der jetzt nicht mehr bestehenden Cantianstraße, auf der sogenannten Museums- insel (die heutige Cantianstraße ist eine ganz andere,” im Norden von Berlin), unter Knyin dessen Privatwohnung, Ecke der Dorotheen- und Charlottenstraße. Im Jahre 1873 wurde Kny zum außerordent- lichen Professor und Direktor des neubegründeten Pflanzenphysio- logischen Instituts der Universität ernannt, das in denselben Räumen Unterkunft fand. Als das Landwirtschaftliche Lehrinstitut 1880/81 ein eigenes schönes Gebäude, Invalidenstraße 42, erhielt und zur Landwirtschaft- lichen Hochschule erhoben wurde, beschlossen der Minister der geistlichen und Unterrichtsangenlegeheiten und der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten das Pflanzenphysiologische Institut der Universität mit dem Botanischen Institut der Land- wirtschaftlichen Hochschule zu vereinigen. Kxy hatte schon vor- her, dies rechtzeitig berücksichtigend, beim Bau der Hochschule darauf Gewicht gelegt, dab für seine Zwecke recht ausreichende Räume mit höchst praktischen Einrichtungen geschaffen wurden. — In der Leitung dieses Instituts, das nun zugleich Pflanzenphysio- logisches Institut der Universität“ und „Botanisches Institut der Landwirtschaftlichen Hochschule“ hieß, ging Kxy ganz auf. Von früh vormittags bis in den späten Nachmittag arbeitete er hier und bildete zahlreiche dankbare Schüler aus. Und als der Besuch der Hochschule immer mehr zunahm, | machte Kny den kühnen Vorschlag, das Dach auf der Nordkante der Südseite heben und aus den früheren Bodenräumen einen ge- Nekrolog auf Leopold Kny. 185 waltigen Mikroskopiersaal von 43,75 m Länge, 5 m Breite, mit Nordlicht machen zu lassen, mit Plätzen für 67 Praktikanten. Im Jahre 1881 wurde Kxy etatsmäßiger Professor an der Landwirtschaflichen Hochschule, und 1891—1893 war er Rektor der Hochschule. Unter seinem Rektorat wurden die ersten Studienpläne der Hochschule ausgearbeitet und der erste gedruckte Jahresbericht veröffentlicht. Im Jahre 1900 wurde er zum Geh. Regierungsrat und 1908 zum ordentlichen Honorarprofessor ernannt. In unsere Gesellschaft trat er schon 1867 als außerordent- liches Mitglied, oder, wie es damals hieß, Ehrenmitglied ein; 1376, ein Jahr vor ALEXANDER Braun’s Tode, wurde er zum ordentlichen Miteliede erwählt und hat als solches sehr anregend gewirkt. Er war es, der schon am 21. Oktober 1890 einen Verkauf des Hauses Französische Straße 29 vorschlug, was damals freilich noch abgelehnt wurde und erst 1905 zur Ausführung gelangte, nachdem inzwischen ein neues Stockwerk aufgesetzt worden war. Er war es auch, der in derselben Sitzung einen Verkauf der Bibliothek anriet, die dann erst viel später unter die wissenschaft- lichen Institute verteilt wurde. Er war es endlich, der am 11. September 1896 einen Antrag stellte, daß allmonatlich abwechselnd den verschiedenen Fächern der Naturwissenschaften entnommene, umfassende und über den gegenwärtigen Zustand referierende Vorträge eingerichtet werden möchten (verhandelt 20. Oktober 1896). In dieser ausgedehnten Weise konnten die ordentlichen Mitglieder zwar nicht zustimmen, aber Herr Geh. Rat Franz EILHARD SCHULZE schlug statt dessen vor, Referierabende aus dem Gebiete der biologischen Wissen- schaften zu veranstalten, und so sind unsere Referierabende ent- standen, die jetzt den Namen Zweite wissenschaftliche Sitzung führen. Es ist hier nicht der Ort, alle Arbeiten Kxy’s aufzuführen, aber auf seine Botanischen Wandtafeln möchte ich doch hinweisen, die bis in die fernsten Weltteile verbreitet sind und Kxry’s Namen überall bekannt gemacht lıaben. Der Zufall fügt es, daß heute Abend hier eine der Kxr’schen Tafeln aushängt: die Stephano- sphaera pluwvialis Corn, eine Volvocaceae, über die uns Herr Dr. Hartmann nachher berichten wird. Wie diese Tafeln, so zeichnen sich alle Arbeiten Kxy’s durch die größte Genauigkeit aus und werden deshalb stets zu Rate gezogen. Nicht minder ersprießlich war seine Tätigkeit als Lehrer, und war er deshalb bei seinen Schülern sehr beliebt. Alle aber, ob alt, ob jung, schätzten ihn ganz besonders wegen seines edlen N A Em man Zn Eee er E27 en 186 L. WITTMACcK. Charakters und seines bescheidenen Wesens. Ihrer Wertschätzung haben sie alle Ausdruck gegeben durch die Überreichung seiner Marmorbüste gelegentlich seines 70. Geburtstages. (Die Über- reichung fand erst am 25. Juli 1911 statt.) Seit jener Zeit haben wir Kny nur noch selten in unserer Gesell- schaft gesehen. Ein Schlaganfall, der ihn betroffen, machte sich in seinen Folgen immer mehr bemerkbar, und am 26. Juni d. J. wurde er. von seinen Leiden erlöst. Wir aber wollen sein Gedächtnis stets in Ehren halten, und ich bitte Sie, sich zum Zeichen des Dankes und des Andenkens von Ihren Plätzen zu erheben. (Geschieht.) Ansprache am Sarge von LeoporLp Kny (7 26. Juni) bei der Trauerfeier im Sterbehause, den 29. Juni 1916. Von L. WırTmack. Nach der warmempfundenen Rede des Geistlichen hielt L. Wırrmack folgende Ansprache: Hochverehrte Trauerversammlung! Gestatten Sie mir, als wohl dem ältesten Kollegen und Freunde des Entschlafenen, auch einige Worte der Erinnerung. Wenn wir einen unserer Lieben verloren haben, so ruft man uns oft die Worte zu: „Auf das Verlieren folgt das Vermissen, und das Vermissen ist noch schwerer.“ — Ja! Das Vermissen ist noch schwerer. Wir aber hatten unsern lieben, Kollegen und Freund noch nicht verloren, und doch hatten wir ihn schon lange vermißt. — Seit ein tragisches Geschick ihn in seinen körperlichen Bewegungen und in seiner Sehkraft störte, vermißte man ihn in unseren Versammlungen, vor allem in denen der Deutschen bota- nischen Gesellschaft, in deren Namen ich noch ‘besonders beauf- tragt bin, zu sprechen. War er doch ein Mitbegründer dieser (sesellschaft im Jahre 1883 und ein volles Vierteljahrhundert Mit- glied des Vorstandes, viele Jahre sogar 1. Vorsitzender. Wir vermißten ihn in der Gesellschaft der naturforschenden Freunde zu Berlin, deren ältestes ordentliches Mitglied er war, wir vermißten ihn in der Gesellschaft für Erdkunde, im Botanischen Verein der Provinz Brandenburg, in der Deutschen Gartenbau- Gesellschaft und namentlich auch in der Deutschen Gesellschaft für volkstümliche Naturkunde, in welcher er 10 Jahre lang 1. Vor- sitzender war und dann aus Dankbarkeit für sein unermüdliches Streben zur Hebung der Gesellschaft zum Ehrenvorsitzenden er- nannt wurde. Wir vermißten ihn als Lehrer und Forscher und nicht minder in allen geselligen Kreisen, in denen er sonst so gern a gesehen wurde. en ge Te ZA nn un Zn de Zu Nekrolog auf Leopold Kny. 187 Unser lieber Kxy glich in den letzten Jahren dem frommen Hiob. Wie dieser mußte auch er unverdient leiden, und sicherlich mag unser so gottergebener Freund doch mitunter ausgerufen haben wie Hiob: „Bin ich denn gottlos? Warum leide ich denn solche vergeb- liche Plage?“ (Hiob 9, V. 29.) Seit jenen Tagen ward es still im Hause Kxv, in diesem Zauberschloß, in welchem früher alle sich durch die herzliche Gast- lichkeit des Hausherrn und seiner verehrten Frau Gemahlin so gefesselt fühlten. Nur einmal noch fand sich hier ein großer Kreis von Freunden und Schülern zusammen; das war gelegentlich seines 70. Geburts- tages, wo ihm seine Marmorbüste, von Manthes Meisterhand trefi- lich geformt, überreicht und so zahlreiche andere Aufmerksamkeiten erwiesen wurden. An jenem Tage ist von den berufensten Seiten hervorgehoben, welch außerordentlicher Hochschätzung und Ver- ehrung Kny sich allerseits erfreute. Was war es denn, was wir an ihm so schätzten? Es war seine gründliche Forschertätigkeit, seine ausgezeichnete Lehrweise, sein Organisationstalent und vor allem sein edler Charakter. Streng gegen sich selbst, milde gegen andere. Das war sein Grundsatz. Und dazu kam noch seine große Bescheidenheit. (eschult unter den tüchtigsten Botanikern, unter (GÖPPERT, FERDINAND CoHn, v. NÄGELI und ALEXANDER BraAvn, hat unser Kny dann selber als Leiter des Pflanzenphysiologischen Instituts der Universität, das damals in der Landwirtschaftlichen Hochschule untergebracht war, und als etatsmäßiger Professor an der Land- wirtschaftlichen Hochschule eine große Zahl dankbarer Schüler herangebildet, von denen manche die geachtetsten Stellungen ein- nehmen. Aus seinem Institute sind trefiliche Arbeiten hervor- gegangen, viele davon von ihm selbst, und diese zeugen von der peinlichsten Genauigkeit. Seine mikroskopischen Präparate sind noch heute mustergültig; war er doch ein Meister in der Hand- habung des Messers, eine Kunst, die der jüngeren Generation fast droht verloren zu gehen, da sie lieber zum Mikrotom greift. Nicht minder geschickt war er in der Führung des Zeichen- stiftes, und dies setzte ihn in den Stand, seine botanischen Wand- tafeln herauszugeben. Durch diese über das ganze Erdenrund ver- breiteten Tafeln hat er dem Unterricht in der allgemeinen Botanik ein wichtiges Hilfsmittel an die Hand gegeben. Alle diese Leistungen sind mit ehernem Griffel in die Geschichte der Botanik eingetragen, und kein künftiger Forscher darf an Kxyv's Arbeiten vorübergehen. 188 P. MarscHiE u. L. ZUKOWSKY: Die als Sigmoceros bez. Kuhantilopen. E So ist es denn nicht Trauer allein, die uns erfüllt, sondern auch tiefe Dankbarkeit für all das, was er uns einzelnen, für all das, was er der Wissenschaft im ganzen gewesen ist. Wir wollen das Andenken dieses edlen Mannes stets in Ehren halten; wir wollen uns bestreben, es ihm nachzutun in der echten Liebe zur Wissenschaft, in der Sorgfalt bei unseren Arbeiten, in der Herzens- güte der Gesinnung und vor allem auch in der Bescheidenheit. Sein Leben war in den letzten Jahren wie von einem Schleier verhüllt. So wollen wir ihn nicht im Gedächtnis behalten. Lüften wir den Schleier, schauen wir unsern lieben Freund in der Voll- kraft seiner Jahre, das soll uns eine schöne Erinnerung sein. Sein Körper kehrt nun zurück zu seiner schlesischen Heimat; aber wenn wir auch von seiner irdischen Hülle Abschied nehmen, im Herzen bleibt er uns stets nalı. Fahre wohl. du teurer Freund. Sei dir die Erde leicht! Dein Geist aber bleibe bei uns immerdar! Das walte Gott! Die als Sögmoceros bezeichnete Gruppe der Kuhantilopen. Von Pau MarscHIE und LUDWIG ZUKOWSKY. (Mit Tafel V--VII.) I. Die südlichen Formen. EpmunD HELLER hat im Jahre 1912 in den Smithsonian Mis- cellaneous Collections, Band 60, Nr. 8, Seite 4 eine neue Gattung Sıgmoceros von Bubalis abgetrennt; sie beruht auf Bubalis lichten- steınv Prrs. und soll sich von Bubalis in folgender Weise unter- scheiden: Die Stirn ist hinter den Augen kurz und breit, nicht lang und schmal, vom Hinterrande der Augenhöhle bis zur Hornwurzel ungefähr so breit wie an der Hornwurzel, die über und nicht hinter dem Hinterrande der Condyli liegt. An der Sutura sagittalis ist eine wulstige Erhebung des Stirnbeines vorhanden. Die Hörner haben breite und flache Wurzeln und sind S- oder Z-förmig gebogen. Von diesen Merkmalen ist kein einziges durchgreifend; denn bei alten Bullen von Bubalis der cocki-Gruppe (Taf. VI, Fig. 3 und 8) aus dem Nordwesten des Kilima Ndjaro ist die Stirn etwas breiter als die Entfernung der Hornwurzel von dem Hinterrande der Augenhöhle, und die Hornwurzel liegt ungefähr über dem Hinterrande der Condyli; die wulstige Erhebung an der Sutura 7 sagittalis fehlt vielen Formen von Sigmoceros gänzlich, manche Kuhantilopen der cocki-Gruppe, z. B. vom oberen Pangani, haben 7 j j r Die als Sigmoceros bezeichnete Gruppe der Kuhantilopen. 189 sehr flache und breite Hornwurzeln, und bei manchen Sigmoceros- Formen, z. B. aus dem (rebiet des nördlichen Nyassa, sind die Hörner nicht so stark S-förmig gebogen als bei manchen Kuhantilopen der cocki-Gruppe, z. B. vom Jipe-See am Kilima Ndjaro. Trotzdem darf man aber die zwischen der Delagoa-Bucht und der Massai-Steppe lebenden Kuhantilopen als besondere Gruppe zusammenfassen, weil auch diejenigen Formen, die gewisse Kenn- zeichen der weiter nördlich lebenden aufweisen, doch wieder durch andere Merkmale mit den übrigen als Sigmoceros bezeichneten über- einstimmen. Es gibt in den von echten Kuhantilopen bewohnten Ländern Afrikas nur eine einzige Form in jeder Gegend, abgesehen von ge- wissen Grenzgebieten, wo ein Ubergreifen anderer Formen möglich ist. In Süd- und Südwestafrika sind sie Bubalis caama ähnlich, in vielen Teilen von Westafrika B. major, im Zambese-Gebiet und im südlichen Teile von Deutsch-Ostafrika B. lichtensteini, in den Massai- Ländern B. cokei, in den zum Nil abwässernden Gebieten 2. lelwel, in den Galla- und Somali-Ländern D. swayne:i, in Abessinien 2. tora, in Nordafrika B. bubalıs; am oberen Oranje leben Damaliscus albifrons und pygargus, von der Kalahari bis zum Ngami-See D. lunata, vom oberen Tanganyika bis zum Vietoria-See und im mittleren Sudan bis zum Senegal und dem Hinterlande von Kamerun Damaliscus jimela und ähnliche Formen und an der Galla-Küste Beatragus hunteri. Bubalis, Sigmoceros, Damalıscus und Beatragus sind gleich- wertig den z. B. bei Pavianen unterscheidbaren Gruppen, den Bärenpavianen der porcarıus-Gruppe, den Babuinen der cynocephalus- Gruppe, den grünen Pavianen der anubis-Gruppe, den grauen Pavianen der totk-Gruppe, den Mantelpavianen der hamadryas- (Gruppe und den roten Pavianen der papio- oder rubescens-Gruppe. Im Berliner Zoologischen Museum befinden sich 22 Decken, 136 Gehörne und 108 Schädel von Kuhantilopen der Sigmoceros- Gruppe aus sehr verschiedenen Gegenden; außer diesen konnten noch über 70 Gehörne und 12 Schädel aus dem Besitze von Afrika- Reisenden zum Vergleich herangezogen werden und außerdem die in zoologischen und Reisewerken abgebildeten Beutestücke, so daß insgesamt 22 Decken, über 200 Gehörne und über 120 Schädel untersucht worden sind. Dabei hat es sich ergeben, daß die Stigmoceros-Kuhantilopen je nach der Gegend gewisse gut feststellbare Unterschiede auf- - weisen, die eine Festlegung von zahlreichen Stämmen ermöglichen. Ivy eb a u Jeder dieser Stämme hat seine besonderen, in einer kurzen Be- 190 PAUL MATSCHIE und LUDWIG ZUKOWSKY. schreibung klar ausdrückbaren Merkmale. Übergänge zwischen je zwei Formen sind nicht vorhanden, nur einzelne Stücke haben Kennzeichen zweier verschiedener Formen gemischt; diese leben aber in Grenzgebieten und sind offenbar als Mischlinge aus Gegenden aufzufassen, wo die Verbreitungsgebiete zweier Formen sich berühren. Für die Beschreibung der Gehörne wird es nützlich sein, einige kurze Bezeichnungen einzuführen: Als Hornwurzel soll der untere Teil des Hornes von der Wurzel bis zu dem ersten Knick, dem Wurzelknick, bezeichnet werden, als Hornspitze der obere Teil des Hornes von der Spitze bis zu dem oberen Knick, dem Spitzenknick. Der zwischen beiden Knicken befindliche Teil des Hornes soll Stammteil heißen. Die Winkel, welche von den Achsen der Spitzen, der Stamm- teile und den Außenrändern der Wurzelteile gebildet werden, sollen als Spitzen-, Stamm- und äußere Wurzelwinkel bezeichnet werden, der Winkel, den die Innenkanten der Wurzelteile miteinander bilden, als innerer Wurzelwinkel. Die Entfernung der äußersten Spitzen von- einander heiße Spitzenabstand, die lichte Weite am oberen Knick Stammweite, diejenige am unteren Knick lichte Weite; die Ent- fernung des vordersten Punktes der Hornwurzel von dem Spitzen- knick heiße Stammsehne, diejenige desselben Punktes von der Spitze aber Spitzensehne. Es sind bis jetzt folgende Formen der Sigmoceros-Gruppe be- schrieben und benannt worden: 1. W. Prrers hat in seinem Werke: Naturwissenschaftliche Reise nach Mossambique. Zoologie. I. Säugethiere. Berlin 1852, 190—192, Taf. XLIII und XLIV eine neue Art von Kuhantilopen unter dem Namen Antilope Lichtensterinii beschrieben und abge- bildet. Eine vorläufige Mitteilung hierüber ist am 23. XII. 1849, in der Spenerschen Zeitung erschienen (vgl. Sitzungsberichte der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin 1839—1859. Berlin 1912, 90); sie lautet: f: „Dagegen hatte er Gelegenheit (nämlich Prreas), eine andere große, neue Art, die von ihm A. Lichtensteinii benannt wurde, in den verschiedensten Altersstufen zu beobachten. Sie gehört der | Untergattung Bubalis an, nähert sich unter den hierunter ange- führten Arten durch die geknickte Form der Hörner am meisten der Caama-Antilope, ist aber von dieser letzteren durch die viel 7 größere Breite und Kürze, den weiteren Abstand der Basis der 7 Die als Sigmoceros bezeichnete Gruppe der Kuhantilopen. 191 Hörner und die Färbung, namentlich durch den Mangel des schwarzen, von der Stirn zur Schnauze herablaufenden Streifens leicht zu unterscheiden.“ PErTers bildet einen männlichen Schädel in drei Stellungen und das Ende des Unterkiefers auf der Tafel XLIII ab und gibt ein farbiges Bild einer weiblichen Kuhantilope in ganzer Gestalt auf der Tafel XLIV. Diese beiden Bilder zeigen zwei sehr verschiedene Gehörnbildungen. Bei dem Bullen sind die Hornspitzen stark aus- wärts gebogen im spitzen Winkel zu den mittleren Teilen des Gehörnes, und diese mittleren Teile sind scharf gegeneinander ge- wendet, so daß sie miteinander einen sehr stumpfen Winkel bilden. Bei der Kuh haben beide Hornspitzen dieselbe Richtung und sind in rechtem Winkel zu den mittleren Teilen des Gehörnes ge- bogen: diese mittleren Teile stehen gegeneinander ungefähr im Winkel von 110°. PrTers hat nicht angegeben, woher die beiden Tiere stammen; er sagt nur: „Diese Antilope ist mir nur einzeln bei Sena, in Inhacuexa und im Boror vorgekommen“ und gibt auf Seite 190 außer -Sena und Boror noch Tette als Wohngebiet an. Von seiner Reise hat er nur den Schädel eines Bullen, und zwar den auf Tafel XLIII abgebildeten, der die Fundortsbezeichnung Tette trägt, und das Gehörn einer Kuh, welches auf der Tafel XLIV benutzt worden ist, nach Berlin gebracht. Der Schädel war früher unter der Nr. 15207 im Anatomischen Museum aufbewahrt und . ist im Jahre 1887 dem Zoologischen Museum eingereiht worden unter Nr. 8671, das Gehörn ist unter Nr. 6375 in diesem Museum zu finden. F Aus dem von Prrers geführten Tagebuche hat sich nun er- mitteln lassen, daß dieses Gehörn von einer bei Inhacu6xa am 25. Oktober 1845 erbeuteten Kuh stammt, und daß die dort auf- gezeichnete Beschreibung der Färbung im wesentlichen wörtlich mit der im Reisewerke wiedergegebenen übereinstimmt. Inhacuexa liegt in der Nähe von Sena im Boror. Peters hat keinen Typus für seine Bubalis Lichtensteinii angegeben, wir wollen den Schädel Nr..8671 als solchen betrachten. Daß die Kuh von Inhacuexa nicht derselben Rasse wie der Bulle von Tette angehören kann, beweisen die im Berliner Zoologi- schen Museum vorhandenen Reihen von verhältnismäßig sehr gleich- mäßig gebauten Gehörnen, die aus einer und derselben Gegend stammen. Solche Verschiedenheiten, wie sie diese beiden Gehörne zeigen, kommen nicht bei derselben Form vor. Wie später nach- gewiesen werden soll, finden sich sehr ähnliche Gehörnbildungen 14 192 PAUL MATSCHIE und LUDWIG ZUKOWSKY. wie bei der Kuh von Inhacuexa bei den westlich von Chinde am unteren Zambese gesammelten Kuhantilopen, während ein dem Tette-Schädel sehr ähnlicher aus der Gegend zwischen Tette und Chifumbazi stammt. Chifumbazi liegt zwischen dem Kapotche und Luia. | 2. In den Sitzungsberichten der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin, 1892, 137—138 findet sich die Beschreibung von Bubalis leucoprymnus MTscH. MartscHiz hatte dort darauf aufmerksam gemacht, daß die von Rıcharp Bönm in seinen leider niemals veröffentlichten Aquarellen dargestellten Kuhantilopen aus den Gegenden zwischen Tabora und der Boga Katani bei Karema in Deutsch-Ostafrika wesentlich von der Prrzrs’schen Abbildung Taf. XLIV abweichen. Sie zeichnen sich durch einen weißen Spiegel, hellgelbe Rumpffärbung ohne deutlichen Sattel und schwärzliche Färbung in der Schultergegend, aber Fehlen der schwärzlichen Färbung an den Läufen aus. Damals war noch nicht bekannt, daß die Kuhantilopen nur zeitweilig die dunkle Schulterfärbung annehmen, nachdem sie sich an den nach den Grasbränden verkohlten Stämmen der Bäume gerieben haben. Immerhin genügte die sonst abweichende Färbung der Decke für die Überzeugung, daß hier eine besondere Form von Bubalis vorliege. Im Berliner Zoologischen Museum waren zu dieser Zeit mehrere Gehörne und Schädel aus Deutsch-Ostafrika vorhanden, welche gleichmäßig sich von der durch Prrers abgebildeten durch viel längere Gehörnspitzen und durch das Vorhandensein einer wulstigen Verdickung auf den Scheitelbeinen auszeichneten. Auf der Seite 137 sind die Maße zweier von Lırper im Quellgebiete des Kingani in Ukami gesammelten Schädel angegeben. Eines dieser Gehörne ist bei der Abbildung in P. MaArsc#ıe: Die Säuge- thiere Deutsch-Ostafrikas, Berlin 1895, 109 verwendet worden. Die Zeichnung des Tieres stimmt mit der von BÖHM angegebenen überein. Die Beschreibung von B. leucoprymnus beruht auf Kuh- antilopen verschiedener Formen. Um einen Typus festzulegen, soll der Begriff von BD. leucoprymnus beschränkt werden auf das im Jahre 1895 in dem Werke: Die Säugethiere Deutsch-Ostafrikas abgebildete Gehörn, d. h. auf den Schädel Nr. 6488 des Berliner Zoologischen Museums, den LIEDER in Ukami gesammelt hat. 3. Im Zoolog. Beobachter, LI, 1910, 260 u. f. hat L. Zukowsky = kurz einige der später genauer zu beschreibenden Formen ge- Die als Sigmoceros bezeichnete Gruppe der Kuhantilepen. 193 schildert: Bubalis lichtensteini rukwae MrscHh. & ZuK., B. |. ufipae MrscaH. & Zux., B. I. shirensis MrtscHh. & Zux., DB. |. basengae MTscH. & Zux., B. I. gombensis Mrsch. & Zur. und B. !. ugallae MrscH. & Zux.; sie sind bisher in den zoologischen Schriften nicht weiter erwähnt worden. Zukowsky hat (l. c. 377) eine Berichtigung veröffentlicht und darin den Namen shirensis nicht auf das rechte, sondern auf das linke Horn des von ihm abgebildeten Mischlings-Schädels bezogen. Was er auf Seite 261 shirensis nannte, hielt er später für lichten- steini. Der Name basengae muß aber bleiben, weil lichtensteini davon verschieden ist, und weil Zuvkowsky den Namen shirensis nicht nachträglich auf eine andere Form derselben Gattung über- tragen durfte. Es soll nunmehr eine kurze Beschreibung derjenigen Arten von Sigmoceros gegeben werden, die sich durch brauchbare Merk- male gut unterscheiden lassen. Oben auf Seite 191 ist schon darauf hingewiesen worden, dab PETERS zwei verschiedene Formen der Kuhantilope vor sich ge- habt hat, als er seine Bubalis lichtensteini beschrieb. Diese beiden Formen müssen zunächst einmal getrennt werden: Da die Beschreibung auf beide Arten paßt, so müssen wir uns an die Abbildungen halten. Der männliche Schädel ist auf der Tafel XLIII, das weibliche Tier auf Tafel XLIV dargestellt worden. Der Name Bubalıs hichtensteinis soll also für die zuerst abgebildete Form, für Tafel XLIII, gelten. Sigmoceros lichtensteini Pras. Bubalis Lichtensteiemii W. PrTErs. Naturwissenschaftliche Reise nach Mossambique. Zoologie. I. Säugethiere. Berlin 1852. Taf. XLIII. Schädel. SO Schädel. Nr. 8671 des Berliner Museums. Tette. PETERS coll. Abbildung: Taf. XLII in W. Prrers Werke. Typus der Rasse. oO Schädel. A.20,04, 11 des Berliner Museums. Ohne genauen Fundort, aber aus der Gegend zwischen Tette, dem Kapotche und dem Luia. . Abbildung des Schädels: © Nr. 8671 auf Tafel V, Fig. 3; © Nr. A. 20, 04, 11 auf Tafel V, Fig. 8. Die in P. L. ScLater und Oupr. Tromas, The Book of An- tilopes, p. 49 enthaltene, unter der Aufsicht von SR VıcrTor BROOKE hergestellte Abbildung eines männlichen Schädels, die auch W. L. 14* 194 PauL MATSoRIE und LUDWIG ZUKOWSKY. ScLarzer!) benutzt hat, stimmt recht gut mit derjenigen des Typus von B. lichtensteinw überein. Gehörn: Die Spitzen sind kräftig nach außen gerichtet, und zwar so stark, daß sie bei dem J einen Winkel von 65°, bei dem © einen solchen von 83” miteinander bilden und an den äußersten Enden 24,5 bzw. 20,5 cm voneinander entfernt sind; sie sind kurz, 13,5 bzw. 10,5 cm lang. Die mittleren Teile der Hörner, die Stammteile, sind scharf gegeneinander gebogen und bilden an ihrer Innenfläche miteinander einen Winkel von 140 bzw. 135°, mit den Spitzen einen Winkel von 60 bzw. 385°. Die Spitze des Horns ist von dem vordersten Punkte in der Mitte der Horn- wurzel 26,1 bzw. 20,2 cm entfernt, die Länge des Horns im Bogen gemessen ist 43 bzw. 30,7 cm, also 16,9 bzw. 10,5 cm größer als das erste Maß. Wenn man von dem vordersten -Punkte der Horn- wurzel bis zu dem nächsten Punkte der Oberfläche des Hornes an der Stelle, wo die Spitze abbiegt, eine Sehne zieht, so ist das Lot von dem Wurzelknicke, der innersten Stelle des Knickes zwischen der Hornwurzel und dem Stammteile, auf diese Sehne bei dem © 6,5 cm lang. Die Hornwurzeln haben eine geringste Entfernung voneinander bei dem S von 4 cm, bei dem O von 4,4 cm. Der Schädel zeigt keine Aufwulstung neben der Sutura sagittalis, trotzdem bei beiden vorliegenden Stücken das Gebiß stark angekaut ist, beide also erwachsen sind. Die Breite der Stirn ist gering, bei dem C nur 12,7 cm, mit dem Bandmaße gemessen nur 14,8 cm. Die Hinterwände der Orbita bilden von oben gesehen bei dem S einen Winkel von 106°, bei dem © von 93°. Die Entfernung des Gnathion vom Vorderrande der Orbita ist bei dem Q' 31 cm, bei dem oO 29,5 cm, des Gnathion bis zum Nasion bei dem JS 29,4, bei dem © 26,7 cm. Der Abstand der Sutura maxillo-palatina vom Vorderrande des Hamulus ptery- goideus beträgt bei dem JS 6,3 cm, bei dem © 7 cm, die Entfernung des Foramen infraorbitale bis zum Rande der Orbita bei dem Cd ' 14,8, bei dem @ 14,75 cm. Über die Fär bung des Felles ist vorlaufig nichts eg. Einheimischer Name: „G@Gondo“. Ähnliche Gehörne kommen zwischen Kisaki und Tabora in Deutsch-Ostafrika vor (Tafel V, Fig. 1 und 2). Sigmoceros shirensis n0M. NOV. Bubalis Lichtensteinii W. Psrers. 1. c. TafelXLIV. Ganzes Tier. ') W. L. SCLATER, The Fauna of South Africa. Mammalia. I. 1900, 130. Die als Sigmoceros bezeichnete Gruppe der Kuhantilopen. 195 Bubalis lichtenstewnv shirensis Mrsch. & Zuk. ZUKOWSKY, Zool. Beobachter, 1910, 261, rechtes Horn des vom Beschauer rechten Schädels auf Seite 260. — B. lichtensteini lichtensteimi ZUKOWSKY, |]. €. 377. oO Nr. 6375. Zwei auf Gips aufgesetzte Hörner einer bei Inhacuexa in der Nähe von Sena am Zambese am 25. Oktober 1845 von Prrers erleeten Kuhantilope, deren Beschreibung (l. ce. 190) auf den Tagebuchblättern des Reisenden beruht. Typus. S ad. A. 20, 04, 1. Schädel. Am unteren Zambese zwischen Chinde und Sena von HrUFER gesammelt und von CARL WiIEsE geschenkt. Jg ad. A.110, 1; 9 ad.A.1, 10, 2, Schädel ebendaher; © ad. A. 20, 04, 9, Gehörn ebendaher. Abbildung des Tieres: W. PrTErs, ]l. c. Taf. XLIV. Abbildung des Schädels: 9 Taf. VIIL, Fig. 6; o Taf. VIII, Fig. 8. @ehörn: Die Spitzen verlaufen in gleicher Richtung und sind bei den SS 15 cm, bei den 09 10—11 cm lang, kürzer als die Entfernung der Vorderkante der Gehörnwurzel von der Stelle, wo die Spitze abbiegt; die Stammteile sind nicht so scharf gegen- einander gebogen wie bei lichtensteini, sondern mehr nach oben und hinten; sie bilden miteinander bei den © Q einen Winkel von 105—115°, bei den oo von 90—112”, mit den Spitzen einen Winkel von 80° bei den SS, von 100° bei den 09. Die Spitze des Hornes ist von dem vordersten Punkte in der Mitte der Horn- wurzel 35,5 bzw. 26,7 cm entfernt, die Länge des Hornes im Bogen gemessen ist 44 bzw. 31,4 cm, also 9,5 bzw. 4,7 cm länger als das erste Maß. Die Hornwurzeln stehen bei den SG 3,5 cm, bei den o9 4,4 cm in der geringsten Entfernung voneinander. Die vom innersten Punkt der Hornwurzel an dem innersten Punkt des Spitzen- knicks gelegene Tangente ist zwischen diesen beiden Punkten länger als ihre größte Entfernung von dem äußersten Punkte des Stammknickes. Der Schädel hat eine niedrige Wulst auf der Stirn, die ziem- lich breit ist, bei den SS 13,9—14,4, bei den 00 13,5—14 cm breit, mit dem Bandmaße gemessen bei den SC 18,1—18,4, bei den 00 14,1 em. Die Hinterwände der Orbita bilden von oben gesehen einen Winkel bei den SS von 80°, bei den 00 von 83°. Die Ent- fernung des Gnathion vom Vorderrande der Orbita beträgt bei den SG 29,4—30,8 cm, bei den 00 28,4 cm, des Gmnathion vom Nasion bei den SS 29,1 cm, bei den oo 30,4 em. Der Abstand der Sutura maxillo-palatina von Hamulus pterygoideus beträgt bei den SS 7,5 em, bei den oo 7,1 cm, die Entfernung des Foramen 196 PauL MATSCHIE und LUDWIG ZUKOWSKY. infraorbitale bis zum Rande der Orbita bei den SS 13 7149, cm, bei den 09 15,9 cm. Beschreibung des Felles nach Prrers: Die Oberseite des Tieres von den Hörnern an bis zur Schwanzbasis ist glänzend zimmetbraun, sattelförmig abgegrenzt von der rötlichgelben nach unten ins Isabellgelbe übergehenden Färbung, welche den übrigen Körper auszeichnet. Die Stirn und der Nasenrücken sind von der- selben Farbe wie die Körperseiten, nur gesättigter, das äußerste Ende der Schnauze, Ober- und Unterlippe und eine Binde, welche von den Hufen an der vorderen Seite der Beine bis zum Unterarm und bis zum Schienbein hinaufsteigt, sind schwarz. Die Ohren sind an der Außenseite zimmetbraun, an der inneren Seite mit Längs- reihen weißer Haare bekleidet. Die Bauchseite ist von der Farbe der Körperseiten, jedoch etwas blasser, nur die Gegend zwischen den Gliedmaßen erscheint weiß. Der Schwanz ist anfangs oben mit gelbbraunen, an den Seiten mit bräunlichgelben, von der Mitte an aber bis zum Ende mit schwarzen, an Länge zunehmenden Haaren bekleidet; die Unterseite des Schwanzes ist nackt, teilweise mit kurzen weißen Haaren bekleidet. Die Augen sind schwärzlich rotbraun, die Hörner und Hufe glänzendschwarz. Verbreitung: Sena und östlich davon am unteren Zambese. Ein ähnliches Gehörn kommt am oberen Ruaha in Deutsch- Ostafrika vor (Taf. VII, Fig. 7). Sigmoceros gorongozae spec. NOV. Typus: S ad. Kopf mit Gehörn. Im Besitz des Herrn Pavı NıEDizecK. 60km westlich vom Urema-Flusse im Norden des Gorongoza- (Gebietes am 14. Oktober 1899 erlegt. Abbildung: P. Nıepreck. Mit der Büchse in fünf Weltteilen. Berlin 1905, 165; MartscHhır: Weidwerk in Wort und Bild XIV, 1905, Nr. 11, 203 unterste Reihe, links; Mavecran: Wild Game in Zambesia, 1914, Tafel hinter Seite 134 und 316. Diese Kuhantilope ist lichtensteins im Gehörn ähnlich, hat wie diese weit nach außen gerichtete Spitzen und kräftig gegeneinander geknickte Stammteile, unterscheidet sich aber dadurch, daß diese letzteren mehr nach oben und hinten sich erheben und nur einen Winkel von etwa 125° miteinander bilden, daß die Spitzen weiter nach außen zeigen und miteinander bei den SI etwa einen rechten Winkel bilden. Der von Nıksvrsck geschossene Bulle zeichnete sich durch scharf abgesetzte Augenbrauenbinde und dunkle Stirn- und Nasen- färbung aus. Die als Sigmoceros bezeichnete Gruppe der Kuhantilopen. 197 MauGHan sagt 1. c. 133, daß die Kühe ockergelb, die Bullen hell rotbraun gefärbt sind. Die Unterseite sei Be rahmfarbig, bei den Kühen fast weiß. Obwohl nur ein Gehörn zur Untersuchung vorhanden war, scheint doch der Beweis erbracht zu sein, daß hier eine neue Form vorliegt. Sigmoceros godonga Spec. NOV. Abbildungen: S Kopf. F. R. NosLe FmpLay. Big Game Shooting and Travel in South-East Africa. London, 1903, 69 vom Urema-Flusse, einem Nebenflusse des Pungwe, im Cheringoma- Distrikte. oO 2 Köpfe. Fmnpuay, 1. c. 164 von Sitenga am mittleren Pungwe. S, ganzes Tier. GUILLAUME Vasse, Trois Annees de Chasses au Mozambique. Paris 1909, 70, Taf. 9 unten von Guengere, west- lich von Sitenga am mittleren Pungwe. o, ganzes Tier. Vasse, 1. c. 64, Taf. 3 ebendaher. „G@odonga“ nach Vassz, l. c. 68, „Godonko“ oder „Skaketeera“ nach Fınpray, 1. c. 75. Färbung: Rötlichgelb, mit schwarzem Ring um die Hufwurzel (die Bullen dunkler), ohne Sattel, aber mit schwarzer Rückenlinie {nach Vasse, 1. c. 68). Auf den Bildern ist eine helle Augenbrauen- binde sehr deutlich. Gehörn: Der Winkel, den die zusammenstrebenden Mittelteile des Gehörns miteinander bilden, ist bei dem JS etwa 95"; die Spitzen verlaufen in gleicher Richtung und sind ungefähr so lang wie die größte Entfernung der Vorderkante der Gehörnwurzel von der Stelle, wo die Spitze abbiegt. Die Spitzen bilden mit dem mittleren Teile des Gehörns einen sehr stumpfen Winkel. Die mittleren Teile sind weniger nach innen als nach oben gerichtet. Diese Kuhantilopen haben ein ähnliches Gehörn wie petersi, unterscheiden sich aber durch längere Hornspitzen, die mit dem Stangenteile einen sehr stumpfen Winkel bilden, und durch wesent- lich andere Färbung. Einheimischer Name: „@odonga*. Sigmoceros inkulanondo spec. noV. Typus: Sad. Unzeilas Reich, oberer Sabi, Südost-Maschunaland. Von Serous gesammelt und im Museum in Kapstadt aufgestellt. Eingeborenen-Bezeichnung am oberen Sabi: „Inkulanonrdo*. 198 PAUL MATSCHIE und LUDWIG ZUKOWSKY. Das Gehörn ist demjenigen von petersi ähnlich, unterscheidet sich aber durch kurze Spitzen und sehr langen Wurzelteil. W. L. Scrater hat in The Fauna of South Africa, Mammalia I, 1900, 135 eine Beschreibung und Abbildung dieser Form gegeben; sie ist auch in P. L. ScLarzer und Oupr. Tuomas: The Book of Antilopes 1894, I Taf. V nach einem im British Museum vom gleichen Fundorte aufgestellten Tiere farbig dargestellt worden. Allerdings stimmt die letztere Abbildung nicht ganz mit ScLarter’s Beschreibung 1. c. 135 überein, aber nach einer freundlichen Mit- teilung von Oupr. Tomas scheinen die Abweichungen auf un- richtiger Betätigung des Malers zu beruhen. Das von SeLovus aus derselben Gegend, wie das in Kapstadt befindliche, dem British Museum überwiesene Tier ist nicht ganz richtig dargestellt worden. Die Rumpfseiten sind nicht so deutlich gelblich und die Stammteile der Hörner biegen sich nicht so sehr nach innen, wie es sein müßte. Die Spitzen des Gehörnes sind kürzer als die Entfernung der Vorderkante der Gehörnwurzel von der Stelle, wo die Spitze ab- biegt, nur °/, dieser Länge; sie bilden mit dem mittleren Teile des Hornes einen Winkel von etwa 85°. Der Wurzelteil ist verhältnis- mäßig lang. Die Spitzen verlaufen in gleicher Richtung neben- einander, sie bilden mit dem mittleren Teile, dem Stammteile, nur einen Winkel von etwa 78°. Die Stammteile bilden miteinander einen sehr stumpfen Winkel. | W. L. ScLATER gibt folgende Beschreibung: MS (General colour above a brigth rufous, brigther than in the other species, paler on the sides, nearly white below; fact a little darker along the line of the nose but not black, chin black, upper forehead and oceiput between the horns and ears also black, nose and ears as in the other species; no antorbital tuft, no black patch on the shoulder, though sometimes a patch of grey shows itself a few inches behind the shoulders; along the front of the legs both fore and hind, a well-marked line of black extending to the hoofs; rump pale, almost white contrasting with the back; tail with the proximal quarter with smooth short hairs, beyond this point begins the posteriorly directed black fringe present in the other species. | ScLarer hat hier wahrscheinlich eine Bemerkung von SrLous über die grauen Flecke in der Schultergegend aus den Proc. Zool. Soc. 1881, 764 übernommen. Srrovs hat solche bei Kuhantilopen des Manika-Hochlandes am oberen Zambese gefunden. Vielleicht sind diese Flecke durch Scheuern an verkohlten Baumstämmen ent- standen. | SE Die als Sigmoceros bezeichnete Gruppe der Kuhantilopen. 199 Das Fell von S. inkulanondo ist durch einen deutlichen, bis zum hinteren Teile des Halses sich ausdehnenden Sattel von rötlich lederbrauner Farbe und dadurch ausgezeichnet, daß die Läufe dicht über den Hufen auch auf der Hinterseite schwärzlich sind. F. & Buckzey hat in den Proceedings of the Zoological Society of London, 1877, 454—455 mitgeteilt, daß Kuhantilopen bis zur Mündung des Limpopo nach Süden verbreitet sind. Er erwähnt, daß sein Reisegefährte Du Boıs etwas nördlich von der Delagoa-Bai diese Form, die dort „Nondo“ genannt wird, an- getroffen habe, gibt aber keine Beschreibung. Aus dem oberen Limpopo-Becken hat J. G. MınLLa1s in A Breath from the Veldt, London, 1895, 124 die Abbildung einer solchen Antilope gegeben. Sie zeichnet sich durch auffallend lange, in gleicher Richtung nebeneinander verlaufende Gehörnspitzen aus. Ein dunkler Sattel, der bis an die Schultern reicht, ist deutlich sichtbar; die Vorderläufe sind bis weit über das Fußgelenk mit einer schwarzen Binde versehen, die Hinterläufe nur bis zum Fuß- gelenk; ein sehr breiter heller Spiegel ist vorhanden. MitrArs erwähnt die Kuhantilope von Gongs Rant in der Nähe des Bubye-Flusses, der in den Limpopo fließt, und westlich des Nuanetsi, etwas östlich vom Bubye, ferner nördlich davon am Ober- laufe des Lundi, der in den Sabi fließt. Die am Lundi lebende Rasse ist wahrscheinlich von der am Bubye und Nuanetsi vor- kommenden verschieden. Welche er abgebildet hat, kann vorläufig nicht festgestellt werden. Sigmoceros wiesei spec. NOV. Typus: 9 ad. Schädel. A. 20, 04, 8. Aus der Gegend westlich von Chifumbazi am Luia, einem Nebenflusse des Kapotche, der in den Zambese fließt. von CArL Wıerse am 18. Mai 1903 dem Berliner Zoologischen Museum geschenkt. oo ad. 2 Schädel. A.20, 04, 6 und 7. Ebendaher von dem- selben. Abbildungen: C Taf. V, Fig. 7; o Taf. V, Fig. 6. Abbildungen des Gehörns: Foa, Chasses aux grandes fauves, Paris 1899, Tafel hinter Seite 62 vom oberen Kapotche im Lande der Mpeseni. Die Spitzen des Gehörnes sind kurz und dick und fast in gleicher Richtung, nur wenig einwärts gewendet; ihre Länge ist bei dem 9 14 cm, bei den oo 8—11 em. Die Stammteile sind nach oben und innen gebogen und bilden miteinander einen Winkel 200 PAUL MATSCHIE und LUDWIG ZUKOWSKY. von ungefähr 75°, mit den Spitzen einen solchen von 90° bei dem JS, von 100° bei den 09. Die Hörner haben der Rundung nach gemessen bei dem J eine Länge von 32,5 cm, bei den 09 von 27—29,7 cm, geradlinig gemessen von 24,5 cm bei dem JG, 21,5 bis 22,9 cm bei den 09. Der Unterschied beider Maße ist 10,7 cm bei dem 9, 4—8 cm bei den 00. Der Schädel des J ist an der Sutura sagittalis etwas An gewulstet, die weiblichen Schädel haben eine glatte Stirn. Das Frontale mißt in seiner geringsten Breite mit dem Bandmaße ge- messen 17,3 cm, mit dem Taster gemessen 13,5 cm, bei den 00 13,3—14,1 bzw. 10,75—11,9 cm. Die Hinterflächen der Augenhöhlen bilden miteinander einen Winkel von ungefähr 90°, das Palatum ist sehr schmal, die Ent- fernung zwischen den Pm! beträgt nur 3,9 cm bei dem J, 4,5 bis 5 cm bei den 09. Die Entfernung des Gnathion vom Nasion be- trägt bei dem JS 29,6 cm, bei den 09 26,4—27,5 cm. Die Basal- länge des Schädels beträgt bei dem JS 39,4 cm, bei den 00 37,2 bis 38 cm, die größte Breite an den Orbita bei dem J 16,8 cm, bei den oo 16—16,1 cm. Felle dieser Form sind noch nicht bekannt. Ein weiblicher Schädel, A. 20, 04, 5, den CarL Wıesz in Chifumbazi erhalten hat, zeigt eigentümliche Verhältnisse. Das linke Horn, dessen Spitze abgebrochen ist, hat offensichtlich die (sestalt des Hornes von S. wiesei; das rechte Horn erinnert an das von S. shirensis, unterscheidet sich aber durch die sehr kurze Spitze, die vom Stammteile im Winkel von 105° abbiegt, durch den sehr schlanken, wenig breiten und sehr langen Wurzelteil. Diese Kuh ist ziemlich alt. Vielleicht haben wir es hier mit einem Mischling von S. wiesei und einer bisher nicht bekannten Form, wahrscheip- lich derjenigen, die das Macanga-Land bewohnt, zu tun. Sigmoceros senganus Spec. NOV. Typus: J’ ad. Schädel. A.20, 04, 12. Zwischen dem Loangwa und den Kebrabassa-Fällen am Zambese bei Mussenda Luz von CARL WıesE gesammelt und am 18. Mai 1903 dem Berliner Zoologischen Museum geschenkt. o ad. Schädel. A. 20,04, 10. Ebendaher und von demselben. Abbildungen: 9 Taf. VI, Fig. 1; o Taf. VI, Fig. 2. Das Gehörn zeichnet sich durch lange, schlanke, in flachem Bogen nach außen gewendete Spitzen und kräftig aufwärts und einwärts gebogene Stammteile und ziemlich schmale Hornwurzeln 12, Zu Die als Sigmoceros bezeichnete Gruppe der Kuhantilopen. 201 aus. Es unterscheidet sich von den beiden, bisher besprochenen Formen mit auswärts gerichteten Hornspitzen, S. lichtensteini und S. gorongozae, dadurch, daß die Stammteile nicht so kräftig gegen- einander geknickt sind. Die Spitzen sind sehr dünn und lang, bei dem JS 17 cm, bei dem © 10 cm lang und bilden miteinander einen Winkel von 35° bei dem 9, von 65° bei dem ©, die Stammteile miteinander einen Winkel von ungefähr 95° bei dem 9, von 105° bei dem O,von oben gesehen, mit den Spitzen aber bei dem J einen Winkel von 100°, bei dem © von 85°. Die Hörner sind in der Rundung ge- messen bei dem C 42,7 cm, bei dem o 33,4 cm lang, geradlinig gemessen 33 bzw. 21,3 cm. Der Untersehied beider Maße ist 9,7 cm bzw. 12,1 cm. Das JS ist noch nicht sehr alt, die Backenzähne sind wenig abgekaut, das © ist sehr alt. Es ist anzunehmen, daß bei sehr alten Bullen die Hornspitzen ebenso weit nach außen sich drehen wie beim 0. Beide Geschlechter haben eine wulstige Auftreibung des Stirnbeins an der Naht, die beim JS sehr kräftig ist. Das Frontale mißt mit dem Bandmaße gemessen bei dem C 17,9, bei dem © 13,2 cm, mit dem Taster 14,2 bzw. 11,35 cm. Die Hinterflächen der Augenhöhlen bilden miteinander einen Winkel von 63° bei dem JS, von 73° bei dem 0. Das Palatum ist breit; die Entfernung zwischen dem Pm'! beträgt 5 cm bei dem © und ©. Die Entfernung des Gnathion vom Nasion ist bei dem © 29,7 cm, bei dem © 27 cm. Die Basallänge des Schädels beträgt bei dem J 39,9, bei dem © 37,3 cm, die größte Breite des Schädels bei dem 9 17,3, bei dem © 15,7 cm. Das Gesicht ist dicht vor den Augen sehr breit, an der Sutura zygomatico-lacrymalis neben der Satura zygomatico-maxillaris bei dem J 6,8 cm, bei dem oO 6,3 cm. Felle dieser Form sind noch nicht bekannt. Sigmoceros basengae spec. NOV. Typus: d ad. Schädel. A. 20, 04, 2. Von Car Wızse am 6. Oktober 1904 dem Berliner Zoologischen Museum übergeben als Geschenk des Herrn Hrurer aus der Gegend zwischen Sena und Tette. > ad. Schädel. A. 20, 04,3. Ebendaher und von demselben. Abbildungen: 9 Taf. V, Fig. 5; © Taf. VIII, Fig. 5. Bubahrs lichtensteini basengae MrscHh. & Zuk., ZUKOWSKY, Zo0ol. Beobachter, 1910, 261, linkes Horn des vom Beschauer 202 PauL MATSCHIE und LupwIG ZUKOWSKY. rechten Schädels auf Seite 260. — B. lichtensteini shirensis ZUKOWSKY, 1. c. 377. | Leider ist ein unpassender Name gewählt worden. Basenga liegt nicht innerhalb des Verbreitungsgebietes _dieser Art; der Name heuferı würde besser sein, könnte aber nur durch Y Pros barung zum Gebrauche zugelassen werden. Das Gehörn hat kräftige und lange, nicht ganz gerade, sondern etwas gebogene Spitzen, die schwach auswärts gerichtet sind; die Stammteile sind scharf nach innen gegeneinander gebogen, die Hornwurzeln sind am Vorderrande sehr breit. Von 8. lichtensteinı und gorongozae unterscheidet sich diese Form durch die auffallend langen, in sich etwas gebogenen Horn- spitzen, die mit den Stammteilen einen Winkel von etwa 70°, mit- einander einen Winkel von ungefähr 30° bilden. Die Spitzen sind bei dem S 20 cm, bei dem © 16 cm lang; die Stammteile bilden miteinander einen Winkel von weit über 150°, Die Hörner sind geradlinig gemessen bei dem © 32,4 cm, bei dem © 22,8 cm lang, in der Krümmung gemessen bei dem S 49,7 cm, bei dem © 39 em lang; der Unterschied beider Maße ist bei dem 9 17,3 cm, bei dem © 16,2 cm, also auffallend groß. Beide Schädel haben ein vollständiges, aber noch nicht stark abgekautes Gebib. Bei dem CS ist ein kräftiger Stirnbuckel vorhanden, bei dem Q fehlt er. Das Frontale ist bei dem S mit dem Bandmaße gemessen 19,1 cm, mit dem Taster gemessen 14,5 cm breit, beidem © 13,5 bzw. 11,7 cm. Die Hinterflächen der Augenhöhlen bilden miteinander einen Winkel von ungefähr 85°. Das Palatum ist breit, bei dem d am Pm! 5,1, bei dem 2 4,7 cm. Die Entfernung des Gnathion vom Nasion beträgt bei dem © 30,4 em, bei dem © ist das Maß nicht genau festzustellen. Die Basallänge des Schädels beträgt bei dem SO 41,2 cm, die größte Breite 17,9 cm bei dem d, ungefähr 15,7 cm bei dem ©. Das Gesicht ist dicht vor den Augen 6,1 cm breit, gemessen 2 cm unter der Sutura fronto-lacrymalis. Felle dieser Art sind nicht bekannt. Ein Gehörn, das ebenfalls von Carı Wiese geschenkt worden ist und aus dem Gebiete der portugiesischen Zambese-Gesellschaft stammt, ein Q A. 20, 04, 4, ist auf Taf. V, Fig. 4 dargestellt 5 worden, weil es auf der rechten Seite des Gehörnes eine wesentlich | andere Bildung zeigt als auf der linken Seite. Das rechte Horn = stimmt in seinem Aufbau mit solchen von S. shirensis genau über- 4 > Die als Sigmoceros bezeichnete Gruppe der Kuhantilopen. 203 ein, wie ein Vergleich mit Taf. VIII, Fig. 8 lehrt. Aber das linke Horn hat eine ganz andere Bildung; der stark einwärts gebogene Stammteil und die im rechten Winkel nach hinten abgeknickte Spitze deuten auf S. basengae. Nach den bisher gewonnenen Er- fahrungen besteht für uns kein Zweifel, daß wir es hier mit einem Mischling zweier Arten zu tun haben, von denen die eine sicherlich die bei Sena am Zambese lebende Form, 8. shirensis, die andere aber wahrscheinlich 8. basengae ist. Die bei Tette lebende Art, S. lichtensteint, sieht wesentlich anders aus, weil bei ihr die Spitzen weit nach außen zeigen. Der vorliegende Mischling ist sehr alt, hat stark abgekaute Zähne und verwachsene Schädelnähte. Die Pe hat also ihre weiteste Auswachsstellung erreicht. Dieser Mischling stammt sicher aus portugiesischem Gebiete und muß an der Grenze des Verbreitungsbereiches von 8. shirensis erlegt worden sein; denn nur dort ist eine Mischung mit einer anderen Form möglich. Wahrscheinlich stammt er aus den Gegenden zwischen dem unteren Schire und Sena. Sigmoceros konzi spec. NOV. Typus. © ad. Schädel mit Kopfdecke. Nr. 102. Im Besitze des Herrn Pauu Nirvieck. 50 km südlich von Broken Hill an der Bahn von Rhodesia nach Katanga, nördlich des mittleren Kafue in der Nähe des oberen Chongwe erlegt. Abbildung: Taf. VII, Fig. 6, wahrscheinlich auch bei SeLovs, A Hunters Wanderings in Africa, 1871, Seite 309 (Schädel eines nicht ganz alten 9, Taf. VII, Fig. 3 und 4, Kopf von vorn und von der Seite; nach Tieren, die westlich von Chorumanes Town am oberen Chongwe auf der Wasserscheide zwischen den Quellflüssen des Chongwe und denen der Kafue-Zuflüsse erlegt worden sind). Das Gehörn erinnert an dasjenige von S. shürensis, ist aber schwächer gewunden, sehr weit ausgelegt, länger und schlanker. Die geraden Spitzen wenden sich bei dem sehr alten Typus, dessen Backenzähne schon stark abgekaut sind, etwas nach außen, sie verlaufen bei jungen Bullen noch in gleicher Richtung; sie sind auffallend dünn, 17 cm lang und stehen am Stammknicke über halbmal so breit auseinander, wie die größte lichte Weite beträgt. Die Stammteile bilden miteinander einen Winkel von 115°, mit den Spitzen einen solchen von 78°, wenn man das Horn so von der Seite betrachtet, daß die eine Spitze die andere deckt. Das Horn ist in der Rundung der Länge nach gemessen 49,5 cm lang 204 PauL MATSCHIE und LUDWIG ZUKOWSKY. und 14,6 cm länger als die Entfernung der Spitze von dem vor- dersten Teil der Wurzel. Die Hornwurzeln stehen nur 2,5 cm voneinander entfernt. Die lichte Weite des Gehörns ist sehr groß und beträgt 25,2 cm. Die Wurzelteile sind schmäler und länger als bei shirensis. Der Schädel ist verhältnismäßig kurz, in der Basallänge ge- messen nur 39,5 cm lang, die Entfernung des Nasion vom Gnathion beträgt nur 98,7 cm. Dagegen ist der Schädel verhältnismäßig breit, an den Orbita 18,55 em, und die geringste Stirnbreite beträgt mit dem Taster gemessen 15,1 cm, mit dem Bandmaße gemessen aber 18,4 cm; auch das Gesicht ist breit, an dem Punkte, wo das Maxillare, Zygomaticum und Lacrymale zusammenstoßen, 5,5 cm breit, an dem Punkte, wo die Crista die Sutura maxillo-jugularis schneidet. 9,6 cm breit. Das Palatum ist an Pm! innen gemessen 4,7 cm breit. Die hinteren Außenränder der Orbita bilden mit- einander einen Winkel von nur 82°. Die Aufwölbung der Sutura sagittalis ist nur als schwacher Buckel zu erkennen. Der Gesichts- teil des Schädels ist an den Orbita stark verjüngt, der Unterschied der größten Breite an der Orbita von derjenigen an dem Treff- punkte des Jochbeines, Tränenbeines und. Oberkieferbeines be- trägt 13 cm. Die Färbung der Kopfdecke ist ziemlich dunkel. Die Stirn und der Nasenrücken sind braunschwarz, der Taf. 344, 2 des Re- pertoire entsprechend, vor den Nasenlöchern lebhaft braun, Taf. 304, 2 mit einem Scheine von Taf. 307,4. Dieselbe Färbung hat die Außen- seite des Ohres. Das Kinn ist mit langen schwarzen Haaren dicht bedeckt. Der Hals ist oben lebhaft rotbraun, Taf. 304, 1—2, an den Seiten dunkler, Taf. 324, zwischen 2 und. 3. Der dunkel schwar zbraune Ohrfleck (Taf. 344, 12) ist an der Innenkante 9,7 cm, an der Außenkante 8 ‚> em lang und reicht in der Mitte 3,5 cm herab. Das Ohr hat von der Ineisura intertragica bis zur Spitze gemessen eine Länge von 19 cm. Seuous hat nicht weit von der Stelle, wo NIEDIEcK Seine Kuh- antilope erlegte, mehrere Sigmoceros geschossen. Die Abbildungen der Gehörne deuten darauf hin, daß es sich um dieselbe Form, die hier beschrieben worden ist, handelt. In den Proc. Zool. Soc. 1881, 763 gibt er eine Beschreibung der Färbung. „The colour is of = an uniform light red. The tail, knees and front of all four legs being black. On the rump a pale yellow patch; the insides of the thighs and belly are also of a very pale yellow. One old bull that I shot was of a very rich dark red colour all along the back and the upper part of the sides.“ | EEE ni u Den. ne ia vet Tut an nnn nn ah. a 2 Die als Sigmoceros bezeichnete Gruppe der Kuhantilopen. 205 Weiter erwähnt er einen dunkelgrauen Fleck auf jeder Schulter bei einem Bullen und einer Kuh; anderen von ihm erlegten Kuh- antilopen fehlte er. Diese Flecke werden durch Scheuern an ver- kohlten Stämmen nach Grasbränden verursacht. Die Masubia nennen diese Form der Kuhantilope „Konzi“. Sigmoceros spec. A. St. H. GiBsons in Africa from South to North trough Marotseland, 1904, II, 184 bildet den Kopf von J' und Q einer Kuhantilope ab und berichtet über sie auf den Seiten 192—193. Er hat sie im Becken des unteren Luena, eines östlichen Neben- flusses des oberen Zambese bei Nunkoya am Knicke dieses Flusses, bei Lialui an der Einmündung des Liangunga in den Zambese und bei Bamaschascho erlegt. Diese Form erinnert in der Gestalt des Gehörns an $. wieser durch die einwärts gerichteten Spitzen und die geringe Knickung der Hörner, ist aber im Wurzelteile auffallend breit und niedrig und nicht so gedrungen, sondern zierlich gebaut. Sigmoceros niediecki spec. noV. S ad. A. 372, 11, 30. Schädel. Von Pavun Nmeviecr bei Baunza nördlich vom mittleren Kafue, etwa 33 km östlich von der Stelle, wo der Fluß sich nach Osten wendet, im Maschukulumbwe- Lande nördlich von den Vietoria-Fällen des Zambese, am 18. August 1911 erlegt. Typus der Art. S ad. Nr. 39. Schädel. Von derselben Stelle. Im Besitz des Herrn Nıevieck; am 27. August 1911 erlegt. SO jun. ad. Schädel. A. 372, 11, 50. Etwas weiter östlich, nordwestlich von Banga am 7. September 1911 von demselben erlegt. Abbildung des Typus: Taf. VII, Fig. 2; des 9 Nr. 50 Taf. VII, Fig. 5. Das Gehörn ist demjenigen von S. shirensis ähnlich, aber stärker mit den Stammteilen gegeneinander geknickt, so daß die vom innersten Punkt der Wurzel an den innersten Punkt des Spitzenknickes gelegte Tangente zwischen diesen beiden Punkten ungefähr so lang ist wie ihre größte Entfernung von dem äußersten Punkte des Stammknicks und gleich der Hälfte der größten lichten Weite des Gehörnes. Die Spitzen sind länger als bei petersi, länger als die Entfernung des Spitzenknickes von der Vorderkante der Wurzel. Die Hornspitzen sind bei ganz alten Stücken sehr wenig nach außen gedreht, bei jüngeren in gleicher Richtung. Die Länge der Hornspitzen ist 19 em. Die gegeneinander strebenden Mittelteile bilden "miteinander einen Winkel von 135°, die Seelenachse der \ rat 206 PauL MATSCHIE und ‚Lupw 1G ZUKOWSKY. — — 2 WERHER m Spitzen zu derjenigen der Mittelteile, von der Seite betrachtet, “ einen Winkel von etwa 75°, Das Horn in der Rundung gemessen hat eine Länge von 44,6—49,5 cm, geradlinig eine solche von 29,6—34 em. Der Unter- schied beider Maße ist 15—18,5 cm. Die lichte Weite am Über- gange des Wurzelteiles in den Mittelteil beträgt 21—22,8 cm. Der Schädel ist etwas breiter als bei shirensis, er ist am Zwischenkiefer 65 mm breit gegen 62 mm bei shirensis, an den Orbita 180—186 mm gegen 175 bei shirensis. Die geringste Breite des Frontale ist mit dem Taster gemessen 13,9—14,6 cm, mit dem Bandmaße gemessen 17—17,5 cm. Das Palatum ist breit, an der Innenseite von Pm' gemessen 5,2—5,5 cm breit. Der Schädel A. 372, 11, 30 hat sehr stark abgekaute Zähne, derjenige von Nr. 39 ist etwas jünger, derjenige von A. 372, 11, 50 hat noch wenig abgekaute Zähne. Sigmoceros bangae spec. NOV. S ad. A. 372, 11, 43. Fell mit Schädel. Von PAuL NIEDIECK bei Banga, etwas südöstlich von Baunza, aber noch nördlich vom Kafue am 1. September 1911 erlegt. Typus der Art. > jun. A. 372, 11, 42. Fell mit Schädel. Von demselben ° ebendaher, am gleichen Tage erlegt. Abbildung des Typus: Taf. VII, Fig. 1. Das Gehörn ist demjenigen von niediecki sehr ähnlich, unter- scheidet sich aber durch fast in gleicher Richtung bei sehr alten Bullen verlaufende, gedrungene und kurze Gehörnspitzen, etwas kräftiger gegeneinander gerichtete Stammteile des Gehörnes und die im rechten Winkel gegen den Stammteil abgebogenen Spitzen, die bei niedieckt nur einen Winkel von etwa 75° mit den Stamm- teil bilden. Die vom innersten Punkt der Wurzel an den innersten Punkt des Spitzenknickes gelegte Tangente ist zwischen diesen beiden Punkten ungefähr so lang wie ihre größte Entfernung von dem äußersten Punkte des Stammknickes, aber länger als die Hälite der größten lichten Weite des Gehörnes. Das Horn ist vom Spitzenknick bis zum vordersten Teile der Wurzel gemessen nur 17,5 cm lang gegen 20,4—21 cm bei niediecki. Der Schädel von 8. bangae zeichnet sich durch auffallende Zierlichkeit und Kürze aus. Der Typus ist älter als der Typus von niediecki, seine Sutura frontolacrymalis ist in der oberen Hälfte bereits verwachsen, bei jenem noch offen. Der Schnauzenteil ist an der schmalsten Stelle nur 59 mm breit gegen 63—67 mm bei niediecki; die Entfernung der Spina nasalis bis zum Gnathion be- 7 Er De EN DRS 2 EERO nn nen Werchrn. - BRe 2 OR ee Ka As ee: EEERLTENN x 2 7 Las en ZOREES NEO En ar. ARE Du L EEBERY Die als Sigmoceros bezeichnete Gruppe der Kuhantilopen. 207 trägt bei bangae 9 23,6 cm gegen 24,2 bei niediecki, die Entfernung des Pm! vom Gnathion 138 mm gegen 149—151 mm bei niediecki, die Gesichtslänge vom Gnathion bis zum Nasion ist nur 7,2 mm kürzer als die Entfernung des Nasion vom Condylus, bei niedieckt aber schon bei dem jungen © 9,2, bei dem älteren 10—12,5 cm. Das Palatum ist am inneren Rande der Alveole von Pm! gemessen nur 4,5 cm breit bei bangae gegen 5,2—5,5 bei niedieck:. Das Foramen oceipitale hat eine lichte Weite von 40 mm bei dem S, von 36 mm bei dem jungen O0 gegen 3l:mm bei dem jüngeren dS und 34 mm bei den alten 9 JS von niediecki. Das junge Q zeigt M? im Aufsteigen, ist also wohl erst 2 Jahre alt. Die Sutura sagittalis hat bei beiden Schädeln eine breite Wulst, bei niedieckt eine Schnurwulst. Die Decke des JS ist viel leb- hafter gefärbt als diejenige des jungen 9. Die schwarzen Längs- streifen an der Vorderseite der Läufe sind länger als bei jenem. Der Rückensattel ist dunkel fahlbraun, der Tafel 308, 4 des Re- pertoire von OBERTHÜR und DAUTHENAY entsprechend, in der Mitte mit Taf. 339, 2—3 gemischt, während bei dem © eine Beimischung von Oranocker, Taf. 322, 4, vorhanden ist. Die Körperseiten sind bei dem J zimmetbraun, Taf. 323, 1—4, bei dem 0 mehr haselnußbraun, Taf. 324, 1, nach dem Bauche zu heller, maisgelb, Taf. 36, 2—4 bei dem |, Taf. 36, 4 bei dem 9. Der Spiegel ist zimmetfarbig, Taf. 323, 1—2 bei dem 9, maisgelb, Taf. 36, 2—3 bei dem ©. Die Stirn zeigt dem Alter entsprechend bei dem JS eine Bei- mischung von weißen Haaren. Das Kinn ist schwarzbraun behaart - bei dem JS, schwarz bei dem ©. Zwischen den Nasenlöchern und der Oberlippe zeigen sich dunkelbraune Haare. Die Außenseite der Ohren ist bei beiden lebhaft braun, Taf. 343, 2--3. Die Nase ist neben der dunklen Binde des Nasenrückens isabellfarbig, Taf. 309, 1 mit einem Ton von Taf. 310, 1. Der Hals ist oben haselnußbraun, Taf. 324, 3 bei dem 9 und an den Seiten der Färbung auf Taf. 324, 1 ähnlich, bei dem J oben zimmetfarbig, Taf. 323, 4, an den Seiten heller. Der dunkle Rückensattel hat bei dem JS eine größte Breite von 42 cm, vorn von 34 cm. Der dunkle Fleck an der Spitze des Ohres ist bei dem o schokoladebraun, Taf. 343, 2—3, am Innen- rande 7,5 cm, in der Mitte 3,5 cm, am Außenrande 7 cm lang, bei dem © ungefähr eben so lang. Das Ohr ist bei dem 9 17 cm, bei dem © 15 cm lang, von der Ineisura intertragica an gemessen. Länge der Decke von dem hinteren Rande des Nasenloches bis zum Anus: 0 240 cm, 9 214 cm; Länge der Schwanzrübe: 9 42 cm, oO 39 cm; bis zur Spitze der längsten Haare: 9 53 cm, 9 54 cm. En 15 908 K. KoTHB: Über einen bronzezeitlichen Menschenschädel. Über einen bronzezeitlichen Menschenschädel. Von Dr. K. KorHrr. (Mit Tafel IX.) In der Sammlung der Historischen Gesellschaft zu Bromberg, die in der Hauptsache vorgeschichtliche Funde umfaßt, befinden sich einige bronzezeitliche menschliche Schädel, von denen der hier besprochene meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Von dem Schädel ist das Stirnbein und ein Teil des Scheitel- beins vorhanden, am Stirnbein die Augenbrauenbögen, die Nasen- wurzel und das Augenhöhlendach. Der Schädelteil stammt aus einem bronzezeitlichen Gräberfelde von Balzweiler im Kreise Hohensalza und ist, den Beigaben bei der Bestattung nach zu schließen, ungefähr in die Zeit 1500 v. Chr. zu Setzen. Er trägt die Sammlungsnummer 1224e. Wie die wohlgelungenen Aufnahmen, die ich meinem Bruder verdanke, zeigen, sind fliehende Stirn und starke Augenbrauenwülste in so weitgehendem Maße ausgeprägt, daß der Schädel von Balz- weiler hierin den fossilen Schädeln der Neandertalrasse näherkommt, als den heutigen Europäerschädeln, bei denen diese Merkmale zwar mehr oder weniger hervortretend auch vorhanden, aber wohl kaum in so ausgesprochenem Maße auftreten dürften. Deshalb wollte ich den Schädel nicht unbeachtet beiseite legen und gebe einige Auf- nahmen wieder, die die angedeuteten Merkmale zeigen. Anschließen möchte ich, daß im Kaiser-Friedrich-Museum in Posen sich unter Nr. 2119 und 2120 gleichfalls menschliche Schädel von Balzweiler befinden, die jedenfalls demselben Gräberfelde ent- nommen sind. Einer der Schädel ist auch trepaniert, aber nicht, wie der Schädel der Bromberger Sammlung, im Stirnbein, sondern am Hinterhaupt zeigt sich eine sehr große runde Trepanation. Die auf Tafel IX gegebenen 4 Photographien führe ich mit kurzem Text an. Fig. 1 zeigt den Schädelteil von vorn, für die Aufnahme flach aufgelegt, um die starken Augenbrauenwülste sichtbar zu machen. Aus der Stellung des Daches der Augenhöhlen kann seine Lage erkannt werden. Fig. 2 und 3 stellen den Schädelteil von oben und von innen gesehen dar. In Fig. 2 sind die Schädelnähte deutlich erkennbar, desgleichen, daß es sich um einen Langschädel handelt. Fig. 3 zeigt am Bruchrand die Dicke des Knochens. Fig. 4 gibt eine seitliche Ansicht. Die sichtbare Naht er- möglicht Schlüsse bezüglich der Haltung des Kopfes. Besondere u u A. 25 2 A m de E. VANHÖFFEN: Die Lebensweise der Winkerkrabben. 209 ‚Beachtung verdienten die stark fliehende Stirn und die starken Augenwülste. Das auf den drei letzten Figuren sichtbare runde Loch rührt von einer Trepanation her, wie sie sich bei vielen Völkern in ver- schiedenen Zeiten findet. Die Breite des Stirnbeins, mit dem Taster von der Spitze eines .‚Jochbeinfortsatzes zu der des anderen gemessen, beträgt 9,6 cm (Fig. 1). Die Länge des Stirnbeins von der Stirnbein-Scheitelbeinnaht bis zum oberen Rande der Verwachsungsstelle der Augenbrauen- bogen über der Nasenwurzel, mit dem Taster gemessen, beträgt 12 cm (Fig. 2). Die Lebensweise der Winkerkrabben. Von E. VANHÖFFEN. Die Winkerkrabben, früher als Gattung @Gelasımus bekannt, jetzt als Uca bezeichnet, gehören zu den Brachyuren oder Taschen- krebsen und unter diesen zu den Viereckkrabben oder Catametopen, d. h. jenen Taschenkrebsen, die durch vierseitigen Körper mit meist breitem, geradlinigem Vorderrand und unterständiger Stirn charakterisiert sind. Sie haben sehr lange Augenstiele mit kurzer Cornea und werden daher mit einigen anderen Gattungen zur Familie Macrophthalmidae zusammengefaßt. Von diesen anderen Gattungen unterscheiden sie sich besonders dadurch, daß bei ihnen ein auffallender Geschlechtsdimorphismus auftritt. Beim Männchen nämlich sind die Scheren ungleich entwickelt, die eine ist klein, wie beide Scheren des Weibchens gebildet, während die andere Schere den Körper des Tieres selbst erheblich an Größe übertrifit. Die übrigen Beine sind verhältnismäßig kurz und mit spitzen Krallen versehen. Die Lebensweise der so gekennzeichneten Tiere soll nach dem Bericht eines Amerikaners A. S. Prarse, der die Tiere an den Küsten von Massachusetts, auf den Philippinen und in Kolumbien beobachten konnte !), ergänzt durch frühere Mitteilungen anderer Autoren, beschrieben werden. Die Winkerkrabben bewohnen die bei Ebbe trockenlaufenden Schlammbänke der Ästuarien, Flußmündungen und Mangrovesümpfe in großen Scharen, in denen die schön gefärbten Männchen in _ erheblicher Überzahl aufzutreten pflegen. Als Aucock, der bekannte 2) Annual Report Smithsonian Inst. Washington 1914. 15* 210 E. VANHÖFFEN. indische Zoologe, sich einer solchen Schlammbank näherte, war er erstaunt über die Menge kleiner roter Körper, die in der Sonne glänzten und immer wie Irrlichter verschwanden, wenn er näher kam, aber hell aufleuchteten, soweit das Auge reichte. Als er eine Zeitlang völlig still stand, konnte er bemerken, daß das Aufleuchten durch das Schwingen der großen Schere von männlichen Krabben verursacht wurde °). Die Tiere erscheinen bei Tage, gelegentlich auch bei hellem . Mondschein, mit fallender Flut auf den Schlammbänken, um ihre Nahrung zu suchen, die, nach dem Mageninhalt zu urteilen, wesent- lich aus vegetabilischen Stoffen besteht. Doch werden sie wohl alles fressen, was sie ausgeworfen im Mud finden, und die Vegetabilien herrschen vielleicht im Mageninhalt nur vor, weil sie weniger leicht verdaulich sind und sich besser erkennen lassen. Die Nahrung wird in Gestalt von Mud mittels der löffelförmigen Scherenfinger dem Munde zugeführt, wobei die Weibchen beide, die Männchen nur die kleinen Scheren benutzen. Die Mundteile sortieren den Schlamm und lassen das Unbrauchbare fortfallen, das zum Teil durch einen der Maxillarfübe entfernt wird. Trotz der langen Augenstiele können die Augen nicht die kleine Schere sehen, wenn sie zum Munde geführt wird, und die Nahrung prüfen. Bei der Nahrungsaufnahme sind die Krabben sehr vorsichtig, achten auf alles, was sich bewegt, da sie von Waschbären, Vögeln, Schlangen, Skinken, Fröschen, Kröten und Fischen, die den Strand absuchen, verfolgt werden. Aber auch vor sonderbaren kleinen Tieren fliehen sie, wie z. B. vor kleinen Einsiedlerkrebsen, die mit ihren Schneckenhäusern herumspazieren. Bei ruhigem Stehen bleibt ein Mensch anscheinend auf wenige Schritt unbemerkt, Annäherung aber treibt die Krebse bei 15 m Entfernung schon zu eiliger Flucht. Sie verschwinden dann plötzlich in den von ihnen selbst gegrabenen, senkrecht herabsteigenden Löchern, die oben etwas verengert, dann zylindrisch und 16—75 cm tief sind, sich unten etwas erweitern und horizontal stellen. An den tiefsten Stellen steht Wasser in ihnen, auch sollen Algen in der Endkammer angetroffen sein. Die Höhlen werden mit den Gangbeinen beiderseits gegraben. Erst wird ein Schlammstück durch Unterwühlen losgebrochen und zwischen Bein und Schere gefaßt und fortgetragen. Die große Schere des d wird dabei nicht benutzt. Immer neue Stücke werden herausgeholt und vom d mit den 3 ersten Beinen auf der Seite der kleinen Schere oder seltener auch mit den 2 Beinen hinter der ?) A naturalist in Indian Seas. London 1902. Die Lebensweise der Winkerkrabben. 211 großen Schere herausgebracht. Der herausgeschaffte Schlamm wird an besonderer Stelle zu kleinen Haufen, 10—15 cm von der Höhle entfernt, abgelagert. Im Durchschnitt dauert das Herausschaffen ‘einer Ladung '/)„—3 Minuten. Wenn bei herannahender Flut das Wasser die Höhle zu erreichen droht, wird diese durch ein Schlamm- stück geschlossen. Vorher wird die Offinung durch Auflegen von Schlammstücken gerundet und verengert, dann wird ein passendes Stück gesucht und herbeigetragen (Fig. 1). Ist der Schlamm außen zu weich, wird ein passendes Stück aus dem Innern heraufgebracht, und nach Verengung der Mündung durch Herankratzen von Mud diese von Fig. 1. Weibehen den Höhlendeckel tragend. Nat. Gr. innen verschlossen. Beim Öffnen zieht dann die Krabbe die Tür nach innen. Während der Flut bleibt die Höhle, selbst bei Hoch- flut mehrere Tage, verschlossen. Auch nachts sind die Tiere, außer bei hellem Mondschein, bis Sonnenaufgang in ihrer Höhle. Nach dem Bau oder auch sonst häufig werden Augen und Augenstiele mit den Beinen und kleinen Scheren besonders gereinigt, wobei die Augen wie beim Einsteigen angelegt werden. Zum Einsteigen laufen sie seitlich heran, und die Männchen haben dabei die große Schere zuletzt draußen. Beim Herauskommen, wenn die Flut zurücktritt, richten sich die Augen hoch auf und beobachten jede Bewegung in der Land- schaft. Wenn alles sicher erscheint, kommen die Tiere ganz heraus, entfernen sich aber nicht mehr als 1—2 m von ihrem Loch, in das sie stets einzuschlüpfen bereit sind. Nur wenn sie sich zu weit entfernt haben, wird eine neue Höhle gegraben. Schon bei 2,4 m Entfernung verzichtete eine Krabbe darauf, die alte Höhlung, die sonst meist beibehalten wird, wieder aufzusuchen, eine andere fand 219 E. VANHÖFFEN. in 4,5 m Entfernung nicht zurück, aber gelegentlich gelang es einer Krabbe, auch aus 12 m Entfernung ihr Heim aufzufinden. Bei dichter Besiedlung des Gebiets pflegen sich die verschiedenen Arten nach der Beschaffenheit des Schlammes in Zonen zu ordnen. So traten an der Küste von Massachusetts 2 Arten auf, von denen Uca pugnax die feuchteren Schlammgebiete, Uca pugilator die trockneren, sandigen Gebiete bewohnt. Auf den Philippinen wurden 3 Zonen unter schieden, in welche sich die Arten in der Weise teilten, daß Uea foreipata an den Rändern der Ästuarien lebte, darunter Uca rathbunae auftrat, und in dem weichsten Schlamm Uca marıionis Fig. 2. Kämpfende Männchen. erschien. An den Küsten von Kolumbien legte Uca mordax ihre Höhlen im Ton der Flußmündungen, Uca minax im weichen Schlamm zwischen Mangrovewurzeln an. Je dichter die Besiedlung des Gebiets ist, um so schwerer wird es der Krabbe gemacht, bei weiterer Entfernung ihre Höhle zu finden. Denn überall, so wie sie sich einem fremden Loch nähert, wird sie angegriffen. In fremder Umgebung ist sie scheu und furchtsam, aber das Feld um ihre Höhle, das sie auf Nahrung regelmäßig absucht, verteidigt sie gegen jeden Eindringling. Dabei Die Lebensweise der Winkerkrabben. 213 kämpfen meist S gegen 9, häufig auch © gegen 0, selten gegen 0. Am Kampf mit erheblich kleinerem JS zeigt das größere wenig Interesse und zieht sich bald zurück, selbst wenn es vom kleineren verfolgt wird, aber trotzdem wird das kleinere S vom größeren stets verjagt, wenn es in das von diesem bewohnte Gebiet kommt. Im Kampf stellen sich die Männchen einander gegenüber, tanzen erreet auf den Zehenspitzen und schwingen wie rasend die kleine Schere; die großen Scheren greifen ineinander ein, wobei versucht wird, die Scherenfänger des Gegners durch plötzlichen Ruck aus- zubrechen (Fig. 2). Nicht selten sieht man solche ausgebrochenen Gliedmaßen herumliegen. Wenn einer der Kämpen den Halt verliert, bevor er die Schere frei hat, so kann er 1 m weit nach rückwärts fortgeschleudert werden. Daß die große Schere zum Schlagen benutzt wird, wie behauptet wurde, konnte PEARsE nicht bestätigen, dagegen dient sie als Schild. Im Notfall zieht sich das unter- liegende JS in seine Höhle zurück und streckt nur die Schere heraus, gewöhnlich aber enden die Kämpfe unentschieden. Ist ein 9 zu- fällig in die Höhle eines anderen eingedrungen, so wartet dieses, bis der Eindringling herauskommt und jagt ihn dann fort, oder es dringt mit vorgestreckter Schere ein und sucht ihn zu beunruhigen. Wenn es dann herausklettert, folgt gewöhnlich der Fremdling und flüchtet. Zur Paarungszeit zeigt sich große Erregung unter den Männchen, die meist zahlreicher als die Weibchen sind. Bei Annäherung eines o richtet sich das d hoch auf den Zehenspitzen der hinteren Beine auf und winkt mit der großen Schere in schneller Bewegung. Diese Tätigkeit hat den Tieren den deutschen Namen Winkerkrabbe ein- getragen, während die Amerikaner sie Fiedlerkrabben (Fiddler-crabs) nennen, da ihre Bewegungen an die eines eifrigen Geigenspielers erinnern. Von derselben Bewegung führt die Krabbe den japanischen Namen „Siho maneki“, d.h. „sie winkt den Wellen, zurückzukommen“. Das näher kommende Weibchen wird von dem Männchen nach seiner Höhle gedrängt, dieses geht aber recht vorsichtig dabei zu Werke. Wenn es ihm nicht gelingt, das Weibchen dort einzufangen, stellt es sich bewegungslos auf den Zehenspitzen hoch aufgerichtet auf, mit ausgestreckter, hochgehobener Schere und verharrt in dieser Pose 10—20 Minuten (Fig. 3). Danach schleicht das 9 vorsichtig heran und versucht wieder, das © in die Höhle zu drängen. Dieses weicht zunächst aus, geht schließlich aber in die Höhle hinein, wo die Begattung erfolgt. Man hat sie nie im Freien, dagegen im Glase mit wenig Wasser bei eingefangenen Tieren beobachtet, wobei fest- 214 E. VANHÖFFEN: Die Lebensweise der Winkerkrabben. gestellt wurde, daß die große Schere nicht zum Festhalten des © benutzt wird. Die große Schere des 5 wurde seit Darwın als auffallendes Beispiel von Geschlechtsselektion erwähnt, aber die Rolle, welche sie beim Kämpfen und Werben spielt, kann kaum Anlaß zur Aus- bildung eines solchen schwerfälligen, mehr hindernden als nützlichen Organs gegeben haben. Eher dürfte anzunehmen sein, daß sie einst zum Abschluß der Höhle und zum Schutz des eingefangenen Weib- chens gegen andere Männchen gedient hat, in ähnlicher Weise, wie Fig. 3. Werbendes Männchen. Nat. Gr. noch heute die Einsiedlerkrebse ihre Gehäuse mit der er oßen Schere verschließen. Obwohl die Tiere stets in großen Gesellschaften vorkommen, lebt doch jedes Individuum für sich, die Intelligenz reicht für (senossenschafts- oder Staatenbildung nicht aus. Die Sinne sind wenig entwickelt, am besten Gesicht und Gefühl. Geräusche wie Pfeifen, Händeklatschen, selbst Flintenschüsse erregten keine deut- liche Wirkung. Bei der Auswahl der Nahrung scheint aber der (seruchssinn besondere Bedeutung zu haben, da die Augen ja, wie erwähnt, dabei nicht mithelfen können. E. VANHÖFFEN: Mesochra rapiens (Schmeil). 215 Mesochra rapiens (ScHımEiL), ein alter Harpaectide unter neuem | Namen. Von E. VANXHÖFFEN. In manchen Tiergruppen sind mehr Arten beschrieben als in Wirklichkeit existieren, und es dauert dann je nach der Genauig- keit der Beschreibung längere oder kürzere Zeit, bis es gelingt, solche Arten als identisch mit anderen nachzuweisen. Sie werden zunächst als selten hingestellt, dann als Ballast mitgeschleppt und schließlich ausgeschieden. Ich bin nun in der Lage, wieder einmal eine über- flüssige Art auszumerzen, in diesem Falle zwei Arten unter dem Gattungsnamen der einen und dem Artnamen ‘der anderen zu vereinigen. Im Jahre 1894 fand Arsteın im Barsbecker See, einem Brackwassertümpel bei Stein an der Kieler Bucht, einige Harpaktiden, die er zur Untersuchung an SchmeiL sandte. Dieser entdeckte dabei eine neue Form, welche er als Apsteinia rapiens kurz be- schrieb, ohne nähere Angaben über die Gattungsmerkmale zu machen. Van Dovuwe erwähnte die Art 1909 unter den Copepoden in der von BRAUER herausgebenen Süßwasserfauna Deutschlands, hatte zwar die Tiere selbst nicht gesehen, konnte aber Abbildungen davon geben, welche ihm SchmeiL für diesen Zweck zur Verfügung ge- stellt hatte. Bei meinen Untersuchungen der Brackwasserfauna des Frischen Haffs fand ich diese Art wieder auf und erkannte dabei, daß sich in van DouwE's Gattungsdiagnose keine Unterschiede von der Gattung Mesochra finden ließen, und dab Apsteinia rapiens in fast allen Punkten mit Mesochra hirticornis Scorr übereinstimmte. Nur beim Nebenast der zweiten Antenne wurden für Apsteinia 2 Endborsten statt 3 bei M. hirticornis angegeben. Bei der geringen Größe der Tiere von 0,5 mm und der versteckten Lage dieses Organs ist es schwer, diese Borsten genau zu erkennen, und so halte ich es für sicher, daß Apsteinia rapiens, die seit ihrer Entdeckung sonst nicht wiedergefunden war, als identisch mit Mesochra hirticormis betrachtet werden muß. Srtorr hatte diese erst 1895, ein Jahr nach dem Erscheinen der Apsteinia rapiens, aus den schottischen Gewässern beschrieben. r Die Gattung Mesochra war bereits 1864 durch BoEck von Canthocamptus abgetrennt. Obwohl nun ScHMmEIL und EREERG gegen diese Abtrennung Einspruch erhoben haben, halte ich sie bei der großen Zahl der Arten von Canthocamptus und auch von Mesochra in Übereinstimmung - mit G. O. Sars aus praktischen Gründen für gerechtfertigt. Apsteinia 1 2 916 Zweite wissenschaftliche Sitzung am 18. Juli 1916. rapiens und Mesochra hirticornis werden daher unter dem Namen Mesochra rapiens (SCHMEIL) zusammengefaßt. Nach Sars beruht der Hauptunterschied zwischen Canthocamptus und Mesochra auf der Reduktion der Glieder der ersten Antenne Während diese bei Canthocamptus S gliedrig ist, finden sich bei Mesochra nur 7 oder weniger Glieder. Allerdings wird zu Canthocamptus auch eine Art mit 7gliedriger Antenne gerechnet, ©. wierzejskti MRAZEK, doch ist es wohl besser, sie an Mesochra anzugliedern, da sie sich auch in ihrer Lebensweise von den übrigen Arten von Canthocamptus unterscheidet. Mesochra rapiens ist von den übrigen Arten der Gattung besonders durch den kurzen 3 gliedrigen Innenast des ersten Beinpaares zu unterscheiden, der nur ebenso lang ist wie das erste Glied des 3 gliedrigen Außenastes. Die Innenäste der übrigen Beinpaare sind 2 gliedrig. Neuerdings wurde M. rapiens unter dem Namen M. hirticornis von KLre aus der Wesermündung erwähnt, so dab ihr Verbreitungs- gebiet sich nun von Schottland über die Wesermündung und das (Gebiet an der Kieler Bucht bis zur Küste der östlichen Ostsee bei Pillau erstreckt. Sie ist eine echte Brackwasserform, und auch die meisten übrigen Arten von Mesochra gehören dem Brackwasser oder dem Meere an. Zweite wissenschaftliche Sitzung am 18. Juli 1916. H. VIRCHOW: Die Wirbelsäule eines mit Senkrücken behafteten Pferdes, nach Form aufgestellt. R. HEYMONS: Demonstration lebender Proturen. F. DUYSEN: Über sogenanntes Meteorpapier (Cladophora fracta). E. VANHÖFFEN: 1. Über die Lebensweise der Winkerkrabben (s. Seite 209). 2. Mesochra rapiens (SCHMEIL), ein alter Harpactide unter neuem Namen (s. Seite 215). Druck von A. Hopfer in Burg b. M. u er I, RER Auszug aus den Gesetzen der Gesellschaft Naturforschender Freunde a zu Berlin. Die im Jahre 1773 gestiftete Gesellschaft Naturforschender Freunde in Berlin ist eine freundschaftliche Privatverbindung zur Beförderung der Naturwissenschaft, insbesondere der Biontologie. Die Gesellschaft besteht aus ordentlichen, außerordent- lichen und Ehrenmitgliedern. Die ordentlichen Mitglieder, deren Zahl höchstens 20 betragen darf, ergänzen sich durch einstimmige Wahl nach den durch königliche Bestätigung vom 17. September 1789 und 7. Februar 1907 festgestellten Gesetzen. Sie verwalten. das Vermögen der Gesellschaft und wählen aus ihrem Kreise die Vorsitzenden und Schatzmeister. Die außerordentlichen Mitglieder, deren Zahl unbeschränkt ist, werden von den ordentlichen Mitgliedern, auf Vorschlag eines ordentlichen Mitgliedes unter eingehender Begründung, gewählt. Für freie Zustellung der Sitzungsberichte und Einladungen zu den Sitzungen zahlen die außerordentlichen Mitglieder einen Jahresbeitrag von 5 Mark. Sie können das „Archiv für Biontologie“ und alle von der Gesellschaft unter- stützten Veröffentlichungen zum ermäßigten Preise beziehen. Die wissenschaftlichen Sitzungen finden mit Ausnahme der Monate August und September am 2. und 3. Dienstage jedes Monats bis auf weiteres im Hörsaale VI, bzw. im Konferenzzimmer der Kgl. Landwirtschaftlichen Hochschule, a Invalidenstr. 42, abends 7 Uhr, statt. Alle für die Gesellschaft bestimmten Sendungen sind an den Sekretär, Herrn Dr. K. Grunbers, Bern N 4, Ze: Invalidenstr. 43, zu richten. ARTEN ıR x Sn a _ \ Schau A J 2 er . .* SEITE F.ıf, I: MAY 16 1923 9 \ Sitzungsberichte E en u... Gesellschaft : - Raturlorschender Freunde = h a Neuen. zu Berlin. BERLIN. In Kommission BEI R. FRIEDLÄNDER & SOHN, EN de NW Cartsrrasse 11. | 1916. u Ausgegeben am 15. Dezember 1916... Oktober 1916. "INHALT: Seite Mitteilungen über märkische Gallen. Von P. Schüsze . .... a ral7 Auftreten einer 'Tamariskenzikade in.Brandenburg. Von F. Bern 241 ar Deutung einiger Alcyonium- Arten. Von R. HARTMEYER. . 245 Ber emerkungen über die Gattung Didelphis L. Von P. MarscHir . 2,959 Cap eolus zedlitzi n. spec. und andere Arten des Rehes. "Yon BE Marsone un. RR EN BR A RER; ie richtige Benennung der Kühaaklone von Baunza. Von P. MATScHIB . . ... 295 weite wissenschaftliche Ber am.+7.- Oktober: 1916 el. 295 Ar. 8. 1916 Sitzungsbericht der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin vom 10. Oktober 1916. Ausgegeben.am 15. Dezember 1916. Vorsitzender: Herr E. VANHÖrFFEN. Herr J. WILHELMI sprach über die biologische Analyse des Wassers. (S. Nr. 9.) Mitteilungen über märkische Gallen. Von PıvL Schurze, Berlin. Mit 20 Abbildungen. l. Charthophorus populi L. (Aph.) in Blattdüten auf Populus tremula 1. Im Juni dieses Jahres fand ich bei Strausberg (Heeger- mühle) an 2 etwa armdicken nebeneinander stehenden Stämmen von Populus tremula L. eigentümliche, mir unbekannte Blattdüten, die an ganz dünnen Blattstielen hingen (Fig. 1), und zwar einzeln, nur einmal 2 in gegenständiger’ Stellung; die Blattstiele waren auch stets kürzer als die der normalen Blätter. Die Länge der Düten schwankte zwischen 1 und 1,5 cm. Aus den normalen Blättern ließen sie sich wie folgt ableiten: Der untere Teil des Blattes war vollständig zu einer nahtlosen, kegelförmigen Düte zusammengewachsen, über deren Hinterwand der Spitzenteil der Blattspreite hinausragte, während er auf der gegenüberliegenden Seite einen halbringförmigen, mehr wagerechten Wulst bildete. Die Aderung war erhalten geblieben. Es handelte sich also um jene Verbildungen, die von den Botanikern als „Ascidien“ bezeichnet werden, entsprechend etwa der Rubrik 2 auf p. 48 bei Masters: „Kappen- oder hutförmige Krüge durch vollständige Vereinigung der Ränder entstanden und durch einen transversalen Riß abfallend.“ Für die Zitterpappel führen aber weder er noch Prxzıea ähnliche Bildungen auf. Im ganzen fand ich, soweit ich das Laub von der Erde aus übersehen konnte, etwa ein Dutzend solcher „Aseidien“. "16 218 EB SCHULZE. Sämtliche Düten waren mit 5-12 Blattläusen besetzt und wiesen deutliche von diesen bewirkte Saugstellen auf * Form von rundlichen oder unregelmäßigen, entfärbten Pusteln On 2 (Fig. 2 und 3A bei Sa). Tiere, die sich etwa auf dem freien Teil der Düte aufhielten, zogen sich bei Beunruhigung in den Grund derselben zurück. Außerhalb dieser Gebilde wurden keine Aphiden >.” ir Fig. 1. Populus tremula L. Sproß mit Blattdüte. Natürl. Größe. angetroffen, mit einer einzigen Ausnahme, wo sie sich in einer E Blattrolle aufhielten, ähnlich der von Chaith. leucomelas KocHh an den Zitterpappelblättern erzeugten aber Pan stärkere re oder Entfärbung. Die Blätter der Pappel waren zahlreich mit den Gallen von n Harmandia cavernosa Rüzs. (Cecidom.) besetzt, auch auf eine 1? ee _ Trieben von Pflaumenbäumen beobachtet haben. Mitteilungen über märkische Gallen. 219 Düte fand sich eine Bildung, die ich für ein verkümmertes Zezidium dieser Art halten möchte (Fig. 3 Ha). Herr F. SchumacHzr, Charlottenburg, hatte die Güte, mir die Aphide zu bestimmen: es handelt sich um Chaithophorus populi L. (nach VAn DER GoorT —= Aphis salichh Schrank —= Chaithophorus tremulae Koch — Üh. populi Koch —= Ch. salicti Pass = Arctaphis populi WALKER). Die Art ist bisher gallbildend noch nicht aufgetreten. Über ihre Lebensweise äußert sich Kautengach p. 126/127 folgendermaßen: „Diese Blattlaus lebt unter den Blättern und an den Zweigspitzen verschiedener Pappelarten (Populus tremula, dilatata, nigra) in zahlreichen Fig. 3. Populus tremula 1. Blattdüte 2:1, A von vorn, B von Fig. 2. Populus tremula L. hinten. Sa Saugstellen von Chaitho- Blattdüte 3:1, Sa Saugstellen von phorus populi L. Ha Galle von Chaithophorus populi L. Harmandia cavernosa RüÜBs.? Horden. Doch zieht sie die Spitzen der Wurzelschosse meist den übrigen Teilen vor. Juni und Juli;* und neuerdings VA DER GooT p. 365: „Die obige Art lebt während des ganzen Jahres in ziemlich kleinen Kolonien an der Ober- und Unterseite der Blätter von Pappeln (anscheinend fast ausschließlich Populus tremula) sowie von verschiedenen Weidenarten (Saliz amygdalina, S. babylonica _ usw.)... Die Eiablage habe ich nur auf Populus tremula beobachtet; 5 sie findet dort in den Borkenrissen der älteren Zweige, an- - scheinend nicht in der Nähe der Knospen statt“ '). 1) BucKToN (p. 142) will sie im Juni auch auf Blättern und jungen 16* 220 P. SCHULZE. Es erhebt sich nun die Frage, sind die Düten durch die Ein- wirkung der Aphiden entstanden?) oder haben diese nur von den durch die Pflanze „aus inneren Gründen“ hervorgebrachten tera- tologischen Bildungen Besitz ergriffen und darin Schutz gesucht. Die Frage kann erst durch weitere Beobachtungen entschieden werden. Wenn hier wirklich echte Gallbildungen vorliegen, so kann es sich nur um sogenannte „ÜOeeidies facultatives“, um Gelegen- heitsgallen, handeln, wie sie uns etwa durch MoLLıarnp für den Käfer Dorytomus bekannt geworden sind, dessen Einwirkung auf den männlichen Blütenstand von Salız caprea bisweilen Gallen er- zeugt, bisweilen nicht, ohne daß der Käfer in seiner Entwicklung dadurch beeinträchtigt wurde. Es wäre ja möglich, daß die Blatt- läuse durch Eiablage an Knospen, die ja nach van DER GoorT gewöhnlich nicht stattfinden soll, und durch das Saugen der schlüpfenden Tiere an denselben an den sich entwickelnden Blättern die Verbildung hervorgerufen hat. Sollte es sich um reine Teratologien handeln, dann wäre bemerkenswert, daß sämtliche Düten ausnahms- los von den sonst frei auf den Blättern lebenden Läusen besiedelt wurden. (Ziemlich sicher aber scheint mir der ganzen Bildung nach, daß wenigstens die oben erwähnte Rollgalle von Ch. populi erzeugt wurde.) | Es sei noch bemerkt, daß nach freundlicher Mitteilung Herr Dr. H. H. Wunpsc# die besprochenen Düten an Zitterpappel auch bei Fürstenberg i. M. fand; leider hat er nicht festgestellt, ob . sich Aphiden darin aufhielten. 2. Blütenstandgallen an Salix glabra Scoe. In der D. E. Z. 1916 p. 356 habe ich schon eine interessante Kätzchengalle abgebildet, die ich von einerin Dahlem angepflanzten Salix glabra erhielt (am 20. 4. 16 gesammelt). Es handelte sich um einen ca. 6 cm langen weiblichen Blütenstand, bei dem die Fruchtknoten zum größten Teil in Laubblätter umgebildet waren. Im Juni bekam ich von dem selben Strauch eine weit größere Galle (ca. 11 cm lang). Bei ihr ist die Phyllomanie nicht so stark aus- geprägt, nur gegen die Spitze hin hat Vergrünung eingesetzt; da- gegen zeigt das Kätzchen weitgehende Cladomanie, da überall zwischen den Karpellen Knospen aufgetreten sind (Fig. 4). Während die normalen Fruchtstände schon längst vertrocknet waren, war A m ER SEIEN 2) RÜBSAAMEN (Z. f. w. Insektenbiol. 8 p. 878, 1912) berichtet von den durch den Käfer Apion columbinum GERM. erzeugten Rollungen der Fieder- blättchen von Lathyrus siWwester L., daß deren Ränder oft verwachsen. Mitteilungen über märkische Gallen. 221 der vorliegende Blütenstand vollständig grün und machte einen besonders lebenskräftigen Eindruck. Wieder ein Beispiel für die - Erkenntnis: „Organe, die im normalen Entwicklungsgang der be- treffenden Pflanzen nur kurze Zeit am Leben bleiben, können durch Gall- infektionen bestimmter Art zu sehr viel längerem Leben befähigt werden“ (Küster p. 133). Außer den beiden Exemplaren fand sich auch eine Laub- trieb-Deformation an dem Strauch. An dem zweiten Exemplar konnte ich der Frage nach dem Erzeuger der Galle nähertreten. F Es hielten sich zwischen den Knospen und Blättchen zahlreiche Blatt- läuse (Aphis amenticola Kaur.) auf und ebenso zahlreich winzige Milben, die _ Ihrer Form nach aber keine Zriophyiden sein konnten. Herr Professor NALEPA hatte die Güte, sich die Tiere anzu- _ sehen; er schrieb mir darüber: „Die eingesandten Milben sind mit einer förm- lichen Kruste von Amylumkörnern be- deckt, so daß ein klares Bild von Einzel- heiten nicht zu erlangen ist. Sehr wahr- scheinlich handelt es sich um einen Tyroglyphus“. E Es ist ja leider immer noch un- _ entschieden, ob Blattläuse oder Prio- _ phyiden die Erzeuger der Weiden- _ wirrzöpfe sind. Die Äußerungen von Hreroxyamus p. 88 dürften das Richtige treffen, daß beide dazu in der Lage sind und daß die Gallmilben die Wirksam- _ keit der Aphiden verstärken dürften. „Die Wirrzöpfe werden nach dem Vor- ä Fig. 4. Salic glabra ScoP. ‚gange des ausgezeichneten Cecidologen Kätzchengalle von Aphis amenti- -F. Tuomas (Zeitschr. f. ges. Natur- cola Kart. Natürl. Größe. wissensch. Halle, XLIX 1877 p. 375) unter den durch Milben erzeugten Deformationen aufgeführt, obgleich es anderen Beobachtern, so F. Lorw (vgl. Verh. der z001.-bot. Ges. XXXI 1881 Abh. S. 6) und D. v. SCHLECHTENDAL 222 P. SCHULZE. (vgl. Jahresber. des Vereins für Naturk. Zwickau 1882 S. 56), nicht immer gelang, wirklich Milben aufzufinden. Mir ist es wiederholt ebenso gegangen; besonders konnte ich an den aus den Kätzchen entstandenen und als solche noch deutlich erkennbaren Jugend- zuständen durchaus keine Milben auffinden, dagegen stets grüne Blattläuse Aphis amenticola Kaur. (Pflanzenfeinde S. 586), welche DöBner zuerst bei Aschaffenburg entdeckte. Letzterer beschrieb auch die Kätzchen und Laubtrieb-Deformation. Aphis amenticola Kart. dürfte nun auch wirklich die Erzeugerin der Wirrzöpfe sein, die Milben aber in einem späteren Entwicklungszustande einwandernde Einmietler. Jedoch ist anzunehmen,. daß diese die Weiterentwicklung der Wirrzöpfe besorgen, nachdem die Blattläuse (bereits im Juni) dieselben verlassen haben.“ In unserem Falle handelt es sich wohl ebenfalls um eine Aphiden-Galle; der T’yro- glyphus ist nur als Inquiline anzusehen, in welcher Eigenschaft ja Naurra (p. 199) die Gattung schon nachgewiesen hat. 3. Mischgallen (Epicecidien). a) Mischgallen von Eriophyes tıliae Nau.. und Er. tiliae lvosoma NaAL. Auf in Finkenkrug gesammelten Blättern von Tika parvi- folia EHrn. fielen mir neben den gewöhnlichen hornförmigen Gallen von Eriophyes tılnae Nau. auch solche auf, die lang weißlich oder rötlich behaart waren und dadurch einen fremdartigen Eindruck boten. Oft erhoben sich diese Gallen aus dem Filz von Er. tıliae liosoma Na. (auf einem solchen Blatte hatten die neben den be- haarten Hörnchen vorhandenen normalen Gallen von Er. tiliae typ. 2. T. sehr eigentümliche Form wie etwa die auf Fig. 5 abgebildete). Eine U Fig. 5. Tilia parvifolia EHRH. Abnorme Formder Galle von Eriophnes tiliae NAL. 3:1. genauere Untersuchung zeigte, daß es sich um Mischgallen zwischen der typischen Unterart und der erineumbildenden Hiliae lıosoma handelte. Besonders bei einem Blatt trat der Zusammenhang sehr deutlich hervor. Auf der Oberseite fanden sich an den Adern vereinzelte Flecken des liosoma-Erineums (Fig. 6), zwischen 2 Adern stand ein einzelnes normales Exemplar (T) einer tiliae- Hörnchengalle; in seiner Nachbarschaft ein zweites rötlichweiß behaartes dicht an einer Ader (M). Die Haargallen von Eriophyes | Mitteilungen über märkische Gallen. 223 tiliae liosoma reichten gerade bis an den Fuß dieses Ceratoneons _ heran, dessen Haare völlig mit denen von liosoma übereinstimmten _ (Fig. 6H). Sie sind cylindrisch an der Spitze abgerundet und zeigen an den rötlichen Stellen an ihrer Spitze eine dunkelrote stark lichtbrechende Kappe (von fettem Ö1?). ; : team Fr # Ph Fr Ei /, j @ | IH / £ Fig. 6. Tilia parvifolia Euru. T Galle von Eriophyes tiliae Nat. M Misch- Esalle zwischen Er. tiliae und Er. tiliae liosooma NAL. Natürl. Größe. H Die = Spitzen der Haare der Mischgalle, stark vergr. 2 Man könnte bei flüchtiger Betrachtung zu der Ansicht kommen, ® daß solche Mischgallen nicht besonders auffällig wären. „Der Haar- Bi ist eben auf das Hörnchen heraufgewachsen. “ Dies wäre richtig, wenn es sich bei den Haaren etwa um ein Pilzmycel handelte; ‚hier liegt die Sache aber doch anders. Ein und dasselbe Blatt- stückchen muß beide Bildungen hervorbringen. Es können für die Entstehung drei Möglichkeiten in Betracht | kommen: er a WE EL 224 P. SCHULZE, Il. Die tiliae-Galle ist erst entstanden, als das liosoma-Erineum schon gebildet war und hat dieses bei ihrer Emporfaltung mit hochgehoben. Dem steht in unserem Falle gegenüber, daß der Filz nur an einer Stelle mit ganz geringen Spuren bis zu der Ansatzstelle der Mischgalle reicht, während sonst die Umgebung erineumfrei ist. 7. Die losoma-Milben sind auf die schon vorhandenen tiliae- Gallen hinaufgeklettert und haben das Gallgewebe wie sonst normale Blatteile zur Haarbildung angeregt; wie mir scheint, das Wahr- scheinlichste, also echte Zpicecidie im Sinne Hxvıckr’s (8). 3. Die Mischgalle entstand durch gemeinsame ungefähr gleich- zeitiere Einwirkung von Zrioph. tılnae auf der Blattunterseite und Er. tilvae lnosoma auf der Blattoberseite. Endlich könnte noch vielleicht an eine andere Möglichkeit gedacht werden, die aber nicht gerade sehr wahrscheinlich ist. Nachdem neuerdings NALEPA (p. 208) nachgewiesen hat, dab die verschiedene Gallen erzeugenden Briophyes-Arten auf Acer campestre L. in den Formenkreis ein und derselben Art gehören, ist es sehr gut möglich, daß auch zwischen den Subspezies der Lindengallmilbe Übergänge vorkommen. Theoretisch wäre es dann ja möglich, daß eine Form, die morphologische Eigenschaften ‚beider Unterarten enthielte, auch in biologischer Beziehung eine Mittelstellung einnehmen und Mischgallen hervorbringen könnte. Jedenfalls wollte ich auf diese bemerkenswerten Bildungen hingewiesen haben. ERIESMEE ERTE n b) Epieecidien von Eriophyes salicinus Na. auf Gallen von Pontanıia capreae L. (proxıma Le».). Auf: einer Salıx alba, die außer Wirrzöpfen und den weiter unten unter 12, 2—4 angeführten Milbengallen zahlreiche Gallen von Pontania capreae L. (proxima Lep.) auf ihren Blättern trug, beob- achtete ich mehrfach Mischgallen zwischen den Blattwespengallen und den Knöpfchen von Eriophyrs salieinus Nar. Auf der Unter- seite saßen der capreae-Galle mehrere gewöhnlich nicht ganz zur Entwicklung gelangte salicınus-Gallen auf. Bisweilen war dort aber nur eines dieser Gebilde vorhanden, das dann aber besonders stattlich war, größer als die gewöhnlichen salicinus-Gallen und = vor allem nicht so knopf-, sondern mehr hörnchenförmig (Fig. 14 M). 4. Behaarte Gallen von Eriophyes macrorhynchus NaAL. R Gebilde, die den unter 3a besprochenen sehr ähnelten, fand ich ebenfalls in Finkenkrug auf Acer pseudoplatanus L.; ich hielt sie zunächst für Mischgallen zwischen Er. macrorhynchus Nar. und 2 -. Te A v: uw Mitteilungen über märkische Gallen. 225 = Er . macrochelus Nar. Es handelt sich gleichfalls um stark be- haarte Ceratoneen, die gewöhnlich in Gruppen zusammenstehen .7V). Ein Erineum von Er. mucrochelus fand sich nicht auf Bien Blättern, auf denen die behaarten Horngallen saßen. In keinem | Falle, ob nun der Haarfilz vun macrochelus vorhanden war oder nicht, = ig. . Be Poewdoplatanus L. Gallen von Eriophyes macrorhynchus NAL. f ıtürl. ee: "a T. abnorm behaart; diese bei V vergr. H Haare, stark Be vergrößert; 9296 P. SCHULZE, zeigten die Haare der Galle die für dessen Elemente charakteristische unregelmäßige Hutpilzform, sondern waren bandförmig, schlank eylindrisch und zugespitzt; sie stimmten völlig mit den unterseitigen Verschlußhaaren der macrorhynchus-Galle überein (Fig. 7H). Von Er. macrochelus megalony& Nau. sind von Acer campestre L. be- haarte Ceratoneen als Ausstülpungen der Nervenwinkel nach oben bekannt geworden; aber weder Gestalt noch Lage, noch endlich die Form der Haare, die bei megalonyx viel kürzer und dicker sind, stimmen mit den von mir beobachteten Verhältnissen überein (cf. SCHLECHTENDAL Taf. XV Fig. 3, 4), so daß es sich wohl sicher nicht um Gallen dieser Form, sondern um solche von Er. macro- rhynchus handelt; vielleicht ist aber noch eine andere Gallmilbe außer dem Zriophyes an der Bildung beteiligt gewesen, etwa eine Phyllocoptes-Art. 5. Auf die Blattunterseite verlagerte Gallen von Erivophyes macrorhynchus Nau. Auf Acer pseudoplatanus L. kommen bisweilen sehr interessante macrorhynchus-Gallen vor. Auf der Blattoberseite sieht man nur kleine trichterförmige, blindendende Einsenkungen, die von einem seichten Wall umgeben sind. Die eigentliche Galle ist eingestülpt und ragt als kleiner Cylinder auf der Blattunterseite hervor. Sie ist völlig mit Verschlußhaaren bekleidet und trägt an ihrer Spitze die normale unterseitige Offnung. 6. Eine anscheinend neue Kriophyiden-Galle auf Salıxz. aurita L. Eigentümliche Ceratoneon-ähnliche Blattgallen, über die ich in der Literatur nichts habe finden können, sammelte ich in Straus- berg auf Salıxz aurita. Es handelt sich um fast halbkuglige, bis- weilen auf einem kurzen dicken Stiel sitzende Beutelgallen, die durch ihre lange seidenglänzende Behaarung auffallen. Ofter sind mehrere miteinander verschmolzen. Sehr gerne stehen sie am Blattrande oder in unmittelbarer Nähe desselben. Sie erheben sich gewöhnlich aus einem ebenfalls silbrigen, erineumartigen Haarflaum. Die ziemlich große, ovale unterseitige Offnung ist n = ihrer ganzen Umgebung ebenfalls von dem Flaum umgeben. Junge Blätter sind oft ganz in silbrige Haarmassen, die schwache bucklige Erhebungen zeigen, verwandelt (Fig. 8). ' Die Haare sind lang, flacheylindrisch, etwas zugespitzt und zum Teil deutlich mehrzellig, gerade, gedreht oder schwach ge- Mitteilungen über märkische Gallen. 227 bogen (Fig. SH). Der Hohlraum der Galle ist gewöhnlich un- behaart, weist aber im Innern scharf umgrenzte, papillenartige Vorsprünge auf; die untere Öffnung ist weit; von hier aus ragen zahlreiche Haare in das Lumen hinein und ver schließen es (Fig. 88). DIE N Ki NM I, N. AN, ha N = | | | | I] > \ £ z sn 72 L—__ \ III EI — — 2 N Fig. 8. Salix aurita L. Gallen von Eriophyes sp. Natürl. Größe U ein Blatt mit Gallen von der Unterseite. S eine Galle im Durchschnitt, vergr. E H Haare, stark vergrößert. 3 Ich fand aber auch einige Gallen auf denselben Blättern, die im ganzen Innern stark behaart waren, aber der Papillen entbehrten. - 7. Die Neuroterus lentieularis-Gallen bei Berlin 1916. Im Frühjahr 1916 waren an den Eichen in der Umgebung Berlins die Gallen von Neuroterus quercus-baccarum L. ganz besonders häufig. Es stand zu erwarten, daß dies im Herbst für die agame Generation Neurot. lenticularis Ouıv. gleichfalls zu- treffen würde Aber ganz das Gegenteil war der Fall; nur sehr vereinzelt fanden sich die sonst so häufigen Gallen. In Finken- krug habe ich auf die betreffenden Verhältnisse besonders ge- achtet. Merkwürdigerweise waren an den jungen Bäumchen ge- _ wöhnlich einige wenige Blätter sehr stark befallen und dadurch ganz verzerrt, während alle übrigen Blätter frei waren. Ich zählte bis zu 50 vollentwickelte Gallen auf der Blattunterseite. So stark besetzte Blätter, wie sie Cameron (IV p. 131) beobachtete, _ der über 150 Gallen auf einem Blatte zählte, sah ich allerdings nicht. Vereinzelte Exemplare kamen auch auf der Oberseite vor °); B Ar; 3) In Bezug auf die Frage der Artzugehörigkeit der oberseitigen (rallen oval Deutsche Entom. Zeitschr. 1916 p. 355. 2 nn & 298 P. SCHULZE. an einem Strauch fand ich als einzige Galle ein Stück auf einer Blattoberseite. Ich hatte zunächst die Vermutung, daß die geringe Häufigkeit mit dem diesjährigen sehr starken Auftreten des Eichen- mehltaus (Phyllactinia guttata Lxv.) in Beziehung stehen könnte; aber in einem anderen Waldteil, in dem der Pilz nicht in die Erscheinung trat, fand sich N. lenticularis ebenfalls nur spärlich. Hier schienen allerdings die vorhandenen Gallen über die Blätter einer Pflanze etwas regelmäßiger verteilt zu sein. Bei einem Strauch, von Quercus pedunculata EHRHARDT, der leicht zu über- sehen war, konstatierte ich folgendes: Im Ganzen waren 20 Blätter befallen, die auf Ober- und Unterseite folgende Anzahl von Gallen trugen: 1. oberseits 1, unterseits 2 11. oberseits 1, unterseits 6 2. ” l, I) we: 12. ” 1, 2) > 3. „ Sa „ 2 13. ” 1, ” 2 4. ” Ba ” 1 14. ” 2, ” 2 ER a x RR EE 3 N spass 1, h 5 6. ” nr „ 1 16. ” 1, ” 2 T. „ a ” 3 BE; ” 3, ” # 8. ” Ds ” 5 18. „ va ” 3 Yen 1, z ERST Re = 12 dert >; % { 1. EB er 1, Ä l - Blätter 20 oberseits 16, unterseits 69 Gallen — ca. 23% auf der Blattoberseite. Es scheint also in der Tat, wie HrvıckeE (9) neuerdings her- vorhob, das Vorkommmen auf der Blattoberseite — wenigstens wohl in gewissen Jahren — ein regelmäßigeres zu sein, als man nach den Literaturangaben hätte vermuten sollen. Ja, die von ihm für unsere Eichen angegebene Zahl von ca. 3% kann also unter Umständen erheblich überschritten werden. Die oberseitigen Gallen waren sämtlich spärlicher behaart als die auf der Unter- R seite, manche auch ganz kahl; in der Mehrzahl waren sie tief rot, z. T. aber auch bleich gelblich-grün gefärbt; auch die größten unter ihnen erreichten nicht die Größe der ausgewachsenen = Gallen auf der Blattunterseite, die meisten aber waren viel kleiner und machten einen kKümmerlichen Eindruck, so daß ich nach wie vor, trotz des gelegentlich häufigen Auftretens, die Gallen auf der Blattoberseite für abnorme Bildungen halten möchte, die wahrscheinlich auch in den wenigsten Fällen die We zur Ent- wicklung gelangen lassen werden. $ m Mitteilungen über märkische Gallen. 299 . Drei interessante Fliegengallen. (Rhabdophaga sp. an Salıx purpurea L., Dasyneura cerataegi Wınn., Das. capitigena BreEmı.) a) Anfang August 1916 fand ich an Salız purpurea L. bei Groß Aupa im Böhm. Riesengebirge eigentümliche ananas- ähnliche „Weidenrosen“, die sich auffällig von den gewöhnlichen durch Rhabdophaga rosaria Low erzeugten unterschieden. Ähnliche Bildungen erhielt ich dann auch von Herrn KerrkmBeir- Berlin aus Oderberg i. M. Die Galle ist von fester Konsistenz, ähnlich einem Tannenzapfen, da die einzelnen Blättchen zunächst dicht aufeinander liegen. Sie werden bald braun und holzig; dann biegen sich die Ne oberen Blättchen etwasnach Be außen. Die Blätter sind 7 zu eigentümlichen, queren ei ” u Lamellen umgebildet, die IE BE ur an den Seiten zipflig aus- EN gezogen, in der Mitte eine oder mehrere Einkerbungen zeigen (Fig. 8). Gegen die Spitze hin und besonders an den sich deckenden Blatt- teilen findet sich eine flau- mige Behaarung, die be- sonders auf einem Längs- schnitt deutlich hervortritt. _ Im Durchschnitt (Fig. 9 S) hat die Galle eine auf- ‚fallende Ähnlichkeit mit der von Andricus fecundator Hre. auf Eichen; nur feblt die Innengalle. In der Mitte / befindet sich eine schlot- j förmige Höhlung; in ihr Fig. 9. Salix purpurea L. Galle von Rhab- fand ich Ende September dophaga sp. S im Durchschnitt, natürl. Größe. bei zwei aufgeschnittenen Gallen nur Parasitenlarven, wahrscheinlich Pteromalinen, in einer 7 kleinere in dünnen Gespinsten, in der anderen eine größere in einer dünnen pergamentigen Hülle. Ein klares Bild der Galle geben die beigefügten Figuren. N T „30 P. SCHULZE. Hoffentlich gelingt es, nach der Überwinterung die Mücke zu ziehen, damit die Artzugehörigkeit festgestellt werden kann. Die von Kırrrer auf Taf. 34 Fig. 1 abgebildete Galle dürfte zu gleicher Art gehören, vielleicht auch Bremr’s Cecidomyia „strobilina“, doch haben die die auf Taf. 2 Fig. 23 abgebildete Galle zusammen- setzenden Blättchen sämtlich noch die Blattspitze, was bei unserer (alle nur sehr selten der Fall ist. Ob hierher auch Hieronymus Nr. 541 aus Frankfurt a. ©. gehört? b) Aus Finkenkrug liegt mir ein eigentümliches Gallentrio von Dasyneura crataegt Wınn. auf Orataegus oxyacantha L. vor. Der Sproß ist durch eine Galle in zwei Trieben von 14 und 17 cm Länge hindurchgewachsen, die beide wiederum an ihrer Spitze eine Galle der gleichen Art tragen. c) Ebenfalls aus Finkenkrug stammt eine interessante Gruppe von Das. capitigena-Gallen an Euphorbia cyparissias L. Nicht nur Fig. 10. Euphorbia ceyparissias L. Gruppe von Gallen von Dasyneura capitigena BREMI, Natürl. Größe. der Mitteltrieb sondern auch 5 abgehende Seitenästchen beherbergen auf ganz kurzen Stielen je eine Galle (s. Fig. 10). Eine solche Anhäufung von Einzelgallen, die normalerweise z. B. bei den Gallen von Rhabdophaga clavifex Kırrr. an Salız vorkommt, könnte man durch die Vorsilbe syn. .. kennzeichnen und in unserem Falle von einem Synacron sprechen. 9. Gallen von G@ymnetron villosulum GYLL. und Gymnetron (Rhinusa) anthirrhini Payk. a) Ich fand die charakteristischen Fruchtgallen von @. villosulum auf Veronica anagallıis aquatica Bern#. an einem Tümpel bei Finkenkrug Anfang September. Ein Teil der Gallen wies schon Schlupflöcher auf. Die mitgenommenen Gallen enthielten z. T. erwachsene Larven und Puppen, während aus den anderen in den Tagen darauf die Käfer schlüpften, nachdem sie in die stark : Mitteilungen über märkische Gallen. 231 geschwollenen Kapseln ein kreisrundes Loch genagt hatten, an dem ge- wöhnlich noch ein paar Fetzen der harten Oberhaut hingen (Fig. 11). Nach dem Schlüpfen fraßen die Käfer außen von dem Gallen- fleisch. Meine Beobachtungen stehen im Gegensatz zu den Angaben im CALWER-SCHAUFUSs, der bei den Gymnetron-Gallen p. 1159 angibt: „Die Käfer bohren sich keine Fluglöcher, sondern warten, bis die Samenkapsel sich von selbst öffnet“. Reitter (V p. 227) sagt von dem Käfer: „Die ganze Unterseite des Körpers ist sehr dicht kreideartig beschuppt“. Die Beschuppung reicht bei meinen Tieren nur bis zum Anfang des 2. Bauchsternits, von da an setzt dichte lange Behaarung ein. Aber bei ganz frischen Stücken finden sich einige wenige Schuppen auch an den Seitenrändern der übrigen Seg- mente zwischen den Haaren. Ich fand auf den Pflanzen 2 Exemplare von G@ymnetron beccabungae L. f. nigra Warr., die bisher nur einmal in Brandenburg beob- achtet wurde (Entom. Mitt. V p- 162 1916), und Herr - Engert-Halensee, dem ich von den gesammelten Gallen geschickt hatte, mehrere Stücke der f. veronicae GERM. Ob diese @. beccabungae L. sich etwa aus kleineren Gallen an derselben Pflanze Fig. 12. Linaria vulgaris ].. Fruchtgallen von Fig. 11. Veronica anagallis aqguatica BERNH. Fruchtgallen von Gym-* entwickelt haben, muß dahin- Gymnetron netron villosulum Gyır. gestellt bleiben. Ich fand in anthirrhini PAYR. Natürl. Größe. den kleineren Fruchtgallen Natürl. Größe. 3 auch nur kleine villosulum. b) Anfang August stieß ich auf die Gallen von @. anthir- rhini an Linaria vulgaris L. bei Friedrichshagen. Die Samen- _ kapseln sind kaum verändert, von normaler Größe, die befallenen -_ nur daran zu erkennen, daß sich auf den Kapseln einige spitze Protuberanzen befinden. (Ähnliche Vorsprünge finden sich, wenn auch selten, an der schon erwähnten Veronica-Galle und den dazu - gehörigen Kelchblättern.) Die Käfer verließen auch hier die Galle _ durch ein Schlupfloch (Fig. 12). | 232 rs SCHULZE. 10. Vorschläge zur Benennung einiger Gallentypen für systematische Zwecke. Myelocecidien, Myelon (von wveids das Mark), Markgallen. Beisfiek thabdophaga Karschi Kırrr. an Salix. Phloeoceeidien, Phloeon (von gAorss Rinde), Rindengallen. Beispiel: Eriophyes pini Nar. an Pinus. Kalyeocecidien, Kalyecon (von x»aAöxos Knospe), Knospengallen. Beispiel: Eriophyes avellanae Nau. an Corylus. Trochilioceeidien, Trochtilion (von Tpoyılta Rolle), Rollgallen. a) Ohalarotrochilion (yahazcs locker), Lockere Rollgallen. Beispiel: Dasyneura persicariae L. an Polygonum. b) Stenotrochilion (orevos eng), feste und enge Rollgalle. Bei- # spiel: Phyllocoptes magnarostris Nar. an Salız; oder bei Zusammensetzung mit dem alten Pilznamen für der- artige Bildungen — Legnon — Chalaro — und Stenolegnon. Ptychocecidien, Ptychon (rruyr Falte), Faltengallen. Beispiel: Eriophyes macrotrichus Nav. an (Carpinus. Lepocecidien, Lepon (kzros Hülse), Hülsengallen. Beispiel: Dasy- neura trıfolr Lorw an Trifolium. Paryphocecidien, Paryphon, (rapogr Saum am Kleid), Blattrandwulst- gallen. Beispiel: Kriophyes zyloster Can. an Lonicera. Erio- phyes sp. an Salix (Fig. 16). Patagiocecidien, Patagion (raraystov Umschlag am Kleid), Unischlag- gallen. Beispiel: Pontania leucaspıs TıschpB. an Salız. Carpocecidien, Carpon (kaprös Frucht), Fruchtgallen. Beispiel: Gymnetron villosulum GytL. an Veronica (Fig. 11). Hierzu kämen dann noch die schon gebräuchlichen Namen Erwmeum für Filzgallen, Ceratoneon für Hörnchen, Cephaloneon für Beutelgallen und Acrocecidien (Acron) für Sproßspitzen- (Schopf-) gallen. Tromas führte ferner die Namen Tympanocecidien — Tym- panon —, Spannhautgallen (Beispiel: Oystiphora sonchi Low auf Sonchus) und Grübchengallen Bothriocecidien — Bothrion —, (Beispiel: Oligotrophus coryli Kırrr.) ein; zur letzteren Gruppe könnte man auch die Pustelgallen mancher Milben, wie etwa die von Phyllocoptes populi Nar. an Pappel stellen. 11. Nachträge und Ergänzungen zu: HEDICKz, Gallenfauna der Mark Brandenburg. I. Die Hymenopterengallen. Die mit einem Stern bezeichneten Gallen sind bei HrvıckE noch nicht für die Mark angegeben, die mit zwei Sternen be- zeichneten anscheinend gänzlich neu oder auf neuen Substraten; a TE # 1 } 8 # w (wiedergefunden) bedeutet, daß für die Galle bei Hzpıcke nur Fund- i | | ‘ ST 2, 4 + Mitteilungen über märkische Gallen. 233 orte vor 1890 angegeben sind. Die Bezeichnungen H., R., Schl. mit folgender Zahl beziehen sich auf die Nummern der betreffenden Gallen bei HouvArv, Ross und SCHLECHTENDAL. Populus nigra L. 1. *Trichiocampus vımınalıs Farren. H. 6363, R. 1279. Schmachtenhagen bei Oranienburg. Populus tremula L. 2. * Trichiocampus viıminalıs FauLen. H. 6359, R. 1279. Finken- krug, Strausberg. Salız alba L. 3. *Euura testaceipes Brischke. H. 625, R. —. Lichterfelde (Dr. ZELLER). Salz fragilis L. x alba L. (russeiana SMITH). 4. ** Pontania capreae L. (proxima Ler.). Garten der tierärzt- i - liehen Hochschule, Berlin. Salız purpurea L. 5. w. Pontania viminalis L. (salieis Carıst.) H. 708. Mariendorf. 6. * Pontania (leucaspis TıscH».) Patagion, Oderberg. Sahıx aurıta L. 7. *Euura venusta Zap». H. 852, R. 1687. Finkenkrug. 8. ** Pontania capreae L. Finkenkrug. Salız caprea L. 9. Pontania capreae L. H. 814. Schlachtensee (Dr. ZELLER leg.). Salıx repens L. 10. Pontania viminalis L. H. 922. Finkenkrug. Hier auch eine interessante Doppelgalle (s. Fig. 13a und b). a b Fig. 13. Salix repens L. Doppelgalle von Pontania viminalis L. Natürl. Größe. b Die Scheibe, schwach vergrößert. 11. Pontania pedunculi Hre.? Flaumig behaart, aber nicht so stark wie folgende, etwa nur junge viminalis? (Die Zucht hat Herr Dr. Ensuiv freundlichst übernommen.) Finkenkrug. 17 234 P. SCHULZE. Salız rosmarinifolia Koch. 12. w. Pontania pedumeuli Hrs. Grunewaldfenn (F. SchumacHEr weg) Papaver rhoeas LU. | 13. ee papaveris L. H. 2477. Finkenkrug, Sachsenhausen. Rubus caesius L. (?). ja 14. w. Dina rubi Hre. H. 2032, R. 1617. cf. D. EZ 1916. p. 223/24, Fig. a—c. Finkenkrug, Jungfernheide (Bollow). 12. Nachträge und Ergänzungen zu: HEDICKE, Gallenfauna der Mark Brandenburg. II. Die Milbengallen. Populus tremula L. | 1. * Eriophyes varıus Nar. H. 515, R. 1304, Scaı. 76b. Finken- krug, Strausberg usw. Um Berlin sehr verbreitet, gewöhn- lich in Gemeinschaft mit Phyllocoptes populi NAL. Ye Salıxz alba L. I 2. + Enioplges salicinus Nar. (mit Er. triradiatus Na; und Er. tetanothrix Na. (Fig. 14 bei A). H. 632, R. —, Schr. 100. Z & . y b Pr w. EEE ZEÄE HERNE 5 Fig. 14. Salix alba L. O Blatt von der Oberseite, U von der Unterasitas Natürl, Größe. A Gallen von Eriophyes salicinus NAL. $ im Pürchaahnit vergrößert. B und C von Eriophyes sp. M Mischgallen zwischen Pontania” capreae L. und Eriophyes salicinus NAL. 3 rs, ee Mitteilungen über märkische Gallen. 235 . . Der: unterseitige Eingang der Gallen ist außerordentlich eng, 5, und gewöhnlich auf Schnitten kaum zu: entdecken (Fig. 148). Groß-Lichterfelde (Dr. ZELLER leg.). 3. *Eriophyes sp. (Fig. 14B). H. 631, R. —, Scar. 99b. „Taschenförmige Deformation des Blattrandes. Der Blattrand “ ist auf kurze Strecken 2—4 mm stark nach außen gezogen " und dann nach oben umgestülpt.“ Scuu. Fbenda. 4 res sp. (Fig. 14C). H.?, R. —, Scaz. 99e. Ebenda. e | Salıx vitellina L. . Abo (salieinus Nau.?, triradiatus Nau.?). H. 6383? E..- Gallen wie Nr. 2, aber unbehaart, lebhaft rot, wie mit Lack 2 überzogen. Fbenda. or Salız fragılis L. 6. Phyllocoptes magnırostris Na. (+ Epitrimerus salieinus NaL.). H. 3578, R. —, Scau. 91. Wirrzopf. Bei Hrpvicke als Erio- phyes sp. unter Nr. 177. aufgeführt. Fürstenbrunn. 7. FPhyllocoptes magnirostris Na. H. 591, R. —, Schr. 93. Stenotrochilion. Bei Hrvıcke als Zriophyes sp. unter Nr. 178 7 aufgeführt. Finkenkrug, Sachsenhausen. Salix fragilis L. x alba L. (russeliana Suite). 8. * Eriophyes (triradiatus NauL.?).. H. 605, R. —, Schau. 94. Wirrzopf I. Lichterfelde (Dr. ZELLER leg.). 9. *Eriophyes (saliceınus Nau.?). H. 6375, R. —, Scan. 96. Cephaloneon-artige Blattgallen, auch unterseits. Fbenda. Salız babylonıca L. Eriophyes triradiatus Nau. (mit Phyllocoptes phyllocoptordes Nar.). H. 635, R. 1645, Schr. 101. Wirrzopf I. Bis Kinds- kopfgroße Massen. Berlin, an fast allen Trauerweiden, z. B. im Garten des Zool. Inst., des Lessing-Theaters, der Hoch- schule für Musik usw. Salıxz purpurea L. * Phyllocoptes phyllocoptoides Nau. (mit Ph. magnirostris NAL., Ph. parvus Nau. und Eriophyes triradiatus Nau.). H. 679, R. 1646, Schr. 150. Wirrzopf I. Mariendorf. Eriophyes (truncatus Nau.?) (Fig. 15). Neben Randwülsten, wie dem auf Fig. 14 C für Salix alba abgebildeten, traten noch andere Gallen auf, die völlig den bei SCHLECHTENDAL unter ..99d ebenfalls für 5. alba beschriebenen glichen: „Ausstülpung - - der Blattspreite nach oben ... mit weit offener Höhlung, 17* 236 P. SCHULZE. deren Innenwände meist uneben sind, im Durchmesser bis 2 mm“. Hier zeigten sich auf den Gallen noch eigentümliche Kiele. Oderberg. Salz vimwmalıs L. x purpurea L. 13. ** Eriophyes sp. (Fig. 16). H. 711? Knorplig verdickte Rand- rollung nach unten (Paryphon). Lichterfelde (Dr. ZeLLer leg.). Salıx nigrıcans SMITH. ] 14. Eriophyes (salicınus Nau.—+ salicobius Nau?) (Fig. 17). H. 926, R. —, Schr. 116. Wirrzöpfe an weiblichen Blütenständen. Fig. 15. Salix purpurea L. Galle von Eriophyes sp. 3:1 Fig. 16. Salix viminalis L. a > Fig. 19. Syringa vulgaris L. "Kalycon erzeugt von Eriophyes loewi NAL. Be: » u, ‘ Natürl. Größe. $ jr ER ä % ehr y ig. 20. Serratula tinetoria L. Galle von Phyllocoptes rigidus NaL. (an der ıttspitze die Fiedern rechts durch Insektenfraß beschädigt). Natürl. Größe. x * . * 240 P. Scuurzs: Mitteilungen über märkische Gallen. (Westend). Es waren keinerlei hexenbesenartige Gebilde vor- handen, dagegen fanden sich Kalyconen; die Knospen waren stark vergrößert, die einzelnen Blättchen derselben stark verdickt und nicht fest anliegend (cf. SCHLECHTENDAL p. 440). Lysimachia vulgarıs L. 36. Eriophyes laticinetus Na. H. 4619, R. 1088, Schar. :480. Finkenkrug, Lichterfelde (Dr. ZELLER). Frazinus eselsior L. 37. * Phyllocoptes epiphyllus Nan. H. 4645/46, R. 695, Schu. 484. Finkenkrug. Thymus chamaedrys FRıES. 38. *Eriophyes thoması Nau. H. 4941, R. 1909, Scar. 529. Finkenkrug. Sambucus niger L. 39. ZEpitrimerus trilobus NaL. H. 5333, R. 1719, Scan. 623. Strausberg, Berlin NW (Vorgarten), Schlachtensee (Dr. ZELLER). Serratula tinctoria L. 40. * Phyllocoptes rigidus Nar. (Fig. 20). H. 5939, R. 1790, ScaL. 691. Finkenkrug; an einer eng begrenzten Stelle. Literaturverzeichnis. ı. BREMI, J. J., Beiträge zu einer Monogr. der Gallmücken. Üecidomyia MEIG. Neue Druckschr. allg. Schweiz. Ges. f. d. ges. Naturwissensch. IX 1847. . BucKTon, @. B., Monograph of the British Aphides III. London 1879. . CALWER-SCHAUFUSS, Käferbuch. 6. Aufl. II. Stuttgart 1916. : . CAMERON, P., Monograph of the British Phytoph. Hymen. IV. London 1893. . VAN DER GOOT, P., Beiträge zur Kenntnis der holländischen Blattläuse. Haarlem und Berlin 1915. 6. HEDICKE, H., Beiträge zur allenfauna der Mark Brandenburg. I. Die Hymenopterengallen. Zeitschr. f. wiss. Insektenbiol. XI. 1915. 7. HEDICKE, H., Ibid. II. Die Milbengallen. Ibid. XI. u. XII. 1915/16. 8. HEDICKE, H., Zur Kenntnis abnormer Gallbildungen. Sitzungsber. Ges. naturf. 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H., Die Zoozecidien — durch Tiere erzeugten Pflanzen- gallen Deutschl. und ihre Bewohner. Stuttgart. Zoologica 61, 1 u. 2. 1911 u. 1916. 20. SCHLECHTENDAL, D. H. R. v., Eriophyidoceeidien in: RÜBSAAMEN II. 21. TuoMmas, Fr. A. W., Beobachtungen über Mückengallen. Wissensch. Beilage zum Programm des Gymnasium Gleichense zu Ohrdruf. Gotha 1892. Auftreten einer Tamariskenzikade in Brandenburg. Von F. SCHUMACHER, Charlottenburg. Im südlichen Europa, nördlichen Afrika, auf den Kanaren treten auf Tamariskensträuchern kleine Zikaden aus der Familie der Jassiden oft in ungeheuren Massen auf. Solch Massenvorkommen - konnte ich zu. wiederholten Malen an den Küsten Dalmatiens selbst feststellen und daselbst dieselbe Erscheinung beobachten, welche R. und H. Hrymons in der neuen Auflage von Brenm’s Tierleben (1915, S. 155) mit den folgenden Worten anschaulich beschreiben. „Auf Teneriffa hatten wir Gelegenheit, die im südlichen Europa sehr verbreitete und häufige Tamariskenzikade, Athysanus stactogalus Am., zu beobachten, eine kleine, graugrüne Zikadenart, die dort 7 _ milliardenweise die zierlich gefiederten Zweige ihrer Nährpflanzen bevölkerte und auf sämtlichen Tamarix-Bäumen bei Orotava zu - finden war. Bei jeder Störung, beim Berühren eines Zweiges oder schon beim Näherkommen hüpften Hunderte von den kleinen - Springern davon, während sie, in Ruhe gelassen, ihre Stechapparate _ einsenkten, um die Pflanzensäfte zu trinken. Die natürliche Folge der fast unablässigen Saugtätigkeit besteht darin, daß die Tierchen auch ein ziemlich reichliches Quantum von flüssigen Exkrementen - ausscheiden müssen, was in der Weise vor sich geht, daß die Zikade von Zeit zu Zeit einen gewöhnlich wasserklaren klebrigen Flüssig- - keitstropfen aus ihrem After spritzt. In dem eben erwähnten Falle _ der Tamariskenzikade ging die Absonderung in so ergiebigem Maße - vonstatten, daß die buschigen Tamariskenzweige vor Nässe buch- stäblich trieften und im Bereiche dieser Pflanzen der Erdboden wie mit Wasser bespritzt erschien.“ Die zartlaubigen Tamariskensträucher werden in Deutschland in > $ mehreren Arten und Formen als Zierstäucher verwendet und in Parks 242 . SCHUMACHER. en 1 und Vorgärten gelegentlich angepflanzt. Im Oktober des Jahres 1915 sah ich einige dieser Sträucher in Berlin- Wilmersdorf im Preußenpark am Fehrbelliner Platz und fand sie zu meiner Überraschung bei näherem Zusehen mit unzähligen Tamariskenzikaden bevölkert. Auch vom August 1916 ab habe ich sie daselbst wieder in Menge beobachtet. Sie gehörten einer Form an, welche als Opsius Heydeni Fırser zu bezeichnen ist. | Im ganzen sind bisher sechs Arten solcher Zikaden beschrieben, nämlich stactogalus, scutellarıs, tigrıpes, Pallası, Heydeni und jueundus, deren Unterscheidung recht schwierig ist. Sie wurden bis in die neueste Zeit in die Gattung Athysanus gestellt. Sie bilden aber eine morphologisch und auch biologisch abgegrenzte Gruppe. Bereits 1866 stellte Fıeger (Verh. zool. Ges. Wien, 1866, S. 505) die Gattung Opsius mit der Gattungstype stactogalus AmyoT auf und reihte die ihm bekannten 5 Arten 1872 (Kat. europ. Ciead. S. 11) in diese Gattung ein. Nach Lerkmerry 1874 (Pet. nouv. ent. VI, 112, S. 449) hatte FIEBER in seinem leider nur unvollkommen nach seinem Tode veröffentlichten Manuskript die Arten wieder in die Gattung Opsius gestellt und 1876 spricht sich LETRIERRY erneut (Ann. Soc. ent. France (5. s.), VI, S. 51), später auch Evwarps (1902), für die Abtrennung von Athysanus aus. Es sollte somit der Gattungsname ÖOpsius FıEBer wieder in Kraft treten. Hinsichtlich der Arten stactogalus und Heydenı herrscht noch einige Verwirrung. Erstere Art wurde 1847 von Amvor als „Stactogala“ (Ahr Soc. ent. France (2. s.), V, S. 217; Sep. Meth. mon. 1848, S. 413) aus Frankreich beschrieben. Dieser Name entspricht aber nicht den Forderungen der binären Nomenklatur und ist deshalb hinfällig, aber FızBger hat 1866 (1. c.) gerade diese Art zur Gattungstype erhoben und außerdem auf Taf. VII Fig. 19 dargestellt. Er nennt die Art Opsius stactogalus und hat sie damit in die binäre Nomen- klatur eingereiht. Sie ist also als Opsius stactogalus FIEBER zu bezeichnen. Nun zur anderen Art, zu der die Stücke aus Brandenburg gehören. Sie wurde zuerst von KırschBAum 1868 (Jahrb. Nassau. Ver. f. Naturkde, XXI—XXI, pro 1867—1869, 1868; Sep. Cicad. Wiesbaden, 1868, $. 90) als Jassus (Thamnotettix) Tamaricıs aus der Gegend von Wiesbaden (wohl von KırscHBaum selbst gesammelt) und von Frankfurt a. M. (von Hrvoen) beschrieben und wurde in Parkanlagen im September und Oktober auf Tamarix gefunden. Dieser Name ist aber ungültig (homonym), da bereits 1867 BECKER Auftreten einer Tamariskenzikade in Brandenburg. 243 (allerdings sehr kurz) einen Jassus Tamarieis (Bull. Soc. Nat. Moscou, 1864, I, S. 490) aus Sarepta (Südrußland) beschrieben hat, der nicht unsere Art ist. In den Jahren 1866—186/ bemühte sich FIEBER bei der Bearbeitung der europäischen Zikaden wieder- holt ohne Erfolg, von Kırschusaum dessen Art zum Vergleich zu erhalten. Er gelangte aber durch G. Mayr, Mınk und L. v. HEYDEN in: den Besitz von Exemplaren, welche Kırschsaum als Jassus Tamarieıs bestimmt hatte. Darnach (cf. Verh. zool.-bot. Ges. Wien, 1872, S. 31) steckten unter diesem Namen zwei Arten, die Ex. von Mayr und Mrıxk gehören zu stactogalus und die Ex. von v. Hrypen bilden eine neue Art, welche Firger Athysanus (Opsius) Heydeni FieBer benennt (l. c.).. Dazu ist nun zu bemerken, dab KırscHpaum ‚bei seiner Beschreibung nur Exemplare von Wiesbaden und Frankfurt a. M. benutzt hat. Erstere stammen wohl von ihm, letztere hat v. Hrypen gesammelt. Material von Mayr und Mınk ist nicht verwertet. Wenn letztere nach Fırser’s Feststellung zu 4. stactogalus gehören, so tut dies nichts zur Sache, da sie gewiß aus ganz anderen Gegenden stammen. Übrigens wäre FIEBER’S neuer Namen vollkommen überflüssig gewesen. Da aber zufällig der Name Tamarieis wie oben bemerkt vergeben ist, was FIEBER nicht gewußt hat, so muß sein Name eintreten und die Art ist als Opsius Heydeni FiEsEr zu bezeichnen. Freser’s Irrtum findet sich 1872 (Kat. europ. Cicad. S. 11) wieder. Dieser Autor kam nicht mehr dazu, die Art näher zu beschreiben. Im Jahre 1876 veröffentlichte Leraterry (Ann. Soc. France (5. s.), VI, S. 51) eine Beschreibung unter gleichzeitiger Beifügung der Firser’schen Originalzeichnung (l. ce. Taf. 2 Fig. II). Der Athysanus stactogalus MELICHAR (Üicad. RE: 1896, S. 258 u. 261) scheint mir eine Mischart zu sein, in der Hauptsache aus Opsius Heydeni bestehend. Auch den Zimotettix stactogalus J. Epwarps (Ent. Monthl. Mag. (2. s.), XI, 1902, S. 215)-halte ich für O. Heydeni. Es ergibt sich demnach folgende Synonymie: Opsius Heydeni FiEBER. 0 1868. Jassus (Thamnotettix) Tamaricis KIRSCHBAUM (nec BEcKER). (l. c.) n.n. 1872. Athysanus (Opsius) Heydeni Fırser (nomen novum). 1.76.) 1872. Athysanus Heydeni Fısser. (l. €.) 1875. Athysanus Heydeni Purox. (Cat. pal. Hem. ed. 11.) 1876. Athysanus Heydeni Leruierry U. FIEBER. (l. ec.) 1886. Athysanus Heydeni Puron. (Cat. pal. Hem. ed. III.) 944 F. SCHUMACHER: Auftreten einer Tamariskenzikade in Brandenburg. 1396. Athysanus stactogalus MELICHAR. (prt.). (1. c.) 1899. Althysanus Heydeni Puron. (Cat. pal. Hem. ed. IV.) 1902. Limotettix stactogalus J. Epwarps. (l. c.) 1904. Athysanus Heyden Hürser. (Cat. Crcad. Deutschld. 1906. Athysanus Heyden Osmanın. (Cat. pal. Hem. 11.) Der Opsius Heydent ist aus Deutschland nunmehr von folgenden Orten bekannt geworden: Wiesbaden, KırscHBAUM; Frankfurt a. M., v. Hrypen; Straßburg, Reiser; Thüringen, Berlin, SchumacHeEr. Er dürfte über ganz Deutschland verbreitet sein und sich bei näherem Zusehen auch anderwärts vorfinden. Die Art ist auch in Deutschland einheimisch, da sie Reıger bei Straßburg auf der Rheininsel (Tlle du Rhin) und auf den Rheinauen auf der einheimischen Myricarıa germanica (ebenfalls eine Tamaricacee) gefunden hat. Da dieser Strauch am Bodensee, ferner an Flußufern in Württemberg und Bayern ferner auch in Oberschlesien einheimisch ist, so könnte die Zikade auch dort erwartet werden. Andererseits findet sie sich auf den nur angepflanzt vorkommenden Tamarız-Arten. Auch aus England sind neuerdings einige Fundstellen (gleichfalls Tamarıxz) bekannt gegeben: aus der Umgebung von Hastings in S. W. Sussex und von der Insel Wight. (Vgl. darüber die Arbeiten: J. Enwarps, On a Cicadine new to Britain, in Ent. Monthl. Mag. (n. s.) XIII, 1902, S. 215; E. A. Butter, Additional localities for Limotettix stactogala Am., 1. ce. S. 248; C. Morıey, Limotethix stactogala, Free., at Ryde, 1. c. XVI, 1905, S. 47; E. A. Butter, in: A guide to the Natural History of the Isle of Wight, 1909, S. 469; E. A. Buruer, The Hemiptera of the Hastings Distriet. Part II. Homoptera, in: Hastings and East Sussex Naturalist, I, 2, 1907, S. 53.) Die Art tritt erst im Hoch- sommer auf. Bei mildem Wetter hält sie sich auf der Pflanze bis in -» den November. Larven wurden von mir vereinzelt bisin den September bemerkt. Wegen der süßen Ausscheidungen werden die von den Zikaden bevölkerten Zweige gern von der Ameise . Lasius niger besucht. In ihrer Gesellschaft fand sich die ameisenähnliche Hemiptere Pilophorus clavatus L., die ebenso wie eine Raubwanze Nabis ferus L. und die Larve einer Chrysopa den Larven nach- stellte. Andere Tamariskeninsekten wurden nicht bemerkt. x x B a” 'g L Y -4 It. HARTMEYER: Zur Deutung einiger Alcyonium-Arten. ..945 Zur Deutung einiger Aleyonium-Arten. Von R. HArTMEYER. In einer kürzlich erschienenen Abhandlung über die Gattung Aleyomıum (Arch. Naturg., v. 80 A 10. 1915) gibt LürTrTschwAGER auch eine Zusammenstellung der ursprünglich als Aleyonium be- schriebenen, aber nicht in diese Gattung gehörenden Arten. Nach dem Ausscheiden von 13 Arten, von denen überhaupt nicht zu sagen ist, um was es sich handelt, bleibt immer noch die überaus stattliche Zahl von 102 (A. pulmonaria ist von LÜTTSCHWAGER doppelt gezählt worden) Arten übrig, für welche der Autor eine Deutung zu geben versucht. Es befinden sich darunter, neben zahlreichen jetzt in andere Alcyonarien-Gattungen gestellten Arten: Algen, Spongien, Actinien, Gorgoniden, Penna- tuliden, Bryozoen, und vor allem eine ansehnliche Zahl von Ascidien. Letzteres erklärt sich damit, daß die Mehrzahl der am längsten bekannten koloniebildenden Ascidien ursprünglich als Alcyonium-Arten beschrieben worden sind. LÜTTSCHWAGER stellt die Ascidien mit einigen Ausnahmen an das Ende seiner Liste unter Berufung auf eine Zusammenstellung in Bronn’s Klassen und Ordnungen des Tierreichs. Diese Zusammenstellung stammt aber nicht, wie LÜürtscHwAGEr irrtümlich annimmt, von SEELIGER, sondern von mir. Da diese Liste, welche ich seinerzeit anfertigen mußte, ohne daß mir genügende Literatur zur Verfügung stand, einiger Ergänzungen und Berichtigungen bedarf, habe ich die Ge- legenheit benutzt, nochmals alle Aleyonium-Arten, welche als Ascidien zu deuten sind, kritisch durchzugehen. Im folgenden erörtere ich die Arten in alphabetischer Reihenfolge. Es sind insgesamt 25 Arten, darunter verschiedene Synonyma, auch einige nicht binär benannte Arten. Während ein Teil der Arten sichere, gut bekannte Formen darstellt, muß sich bei anderen die Deutung auf die Gattung oder selbst die Familie beschränken. In einem Falle ist es überhaupt fraglich, ob es sich um eine Aseidie handelt. Mit einer einzigen Ausnahme kommen nur koloniebildende Arten in Frage. Aleyonium album ÜAvoL. 1853 „Alcionio bianco“, Alcyonium album, CHIAJE, Mem. post. Oavolini, p. 36, 58, 321, 389 1.3 £. 2, 3. Die Deutung dieser von Cnıas: veröffentlichten Art Cavouınt's beschränkt sich darauf, daß es sich wahrscheinlich um eine Didem- nide handelt. Eine Aufklärung dieser Art wird kaum möglich sein, da die Abbildung keinerlei Einzelheiten erkennen läßt. CHıayE 246 . R. HARTMEYER, führt als Synonyme Didemnum album Sav., Didemnum candidum E CHrasE (p. 321) und Aplidium album Sav. (p. 339) auf. Savıonz hat weder ein Didemnum album, noch ein Aplidium album jemals aufgestellt, wohl aber ein Didemnum candidum. Dieses ist aber * bisher aus dem Mittelmeer nicht bekannt, sondern nur aus. dem Golf von Suez. Ob Case dem von ihm zitierten D. candidum nur irrtümlich seinen Namen als Autor beigefügt, oder eine neue, mit SavısnyY’s Art gleichlautende Art hat aufstellen wollen, ist nicht zu entscheiden *). ’ Aleyonium ascidioides PıLı. | 1774 Aleyonium ascidioides, PALLAS, Spie. zool., fasc. 10 p. 35, 40 t. 4 f. 7, 7a. 1791.A. a.. J. F. GMELIN, Syst. Nat., v. 1 VI p. 3816. 1792 A. a., G. OL1VI, Zool. Adriat., p. 236. 1806 A. A., J. F. GMELIN (TURToN), Syst. Nat., v. 4 p. 656. 1807 A. a., TuRron, Brit. Fauna, v. 1 p. 208. 1835 Distomus a., OKEN, Allg. Naturg., v. 2 Ip. 9. [1840] Alcyonum (err.) Ascidioides, COMTE, Rögne An., t. 28. 1912 Alcyonium ascidoides (err.), HOPKINSON in: Kia & Hancock, Brit. Tun., v. 3 p. 106. Diese Art ist synonym mit Distomus variolosus GAERTN. Gleiche zeitig mit der Veröffentlichung dieses GAErRTNer’schen Manuskript- namens gab PArzas der Art den Namen Alcyonium ascidioides. (GMELIn behielt den Namen von Pauras bei und führt GAERTNER'S Art als Synonym auf. Lamarck (1816) gibt GAERTNER’s Namen den Vorzug und führt Pauras’ Art als Synonym auf. ‘Das ist zweifellos der richtige Standpunkt, denn die Diagnose rührt ebenfalls von GAERTNER her. Paruas hat sie lediglich veröffentlicht und der Art aus nicht weiter ersichtlichen Gründen einen zweiten Namen gegeben. OkEN stellt die Art in die Gattung Distomus. “ Al Alcyonium borlasii TURT. f 1758 Alcyonium ?, BORLASE, Nat. Hist. Cornwall, p. 254 t. 25 f. II, IV. non Sn 1897 A. Borlasii, TURTON, Brit. Fauna, v. 1 p. 207. 1820 Botryllus Borlassii (err.), J. FLEMING in: Edinb. Ence., v. 14 Br 681. 1822 B. Borlasii. J. FLEMING, Phil. Zool., v. 2 p. 515. ‚ 1909 B. (Aleyonium) borlasei (err.) (Sp. dub. ), HARTMEYER in: Bronn’s ‚El. Ordn.., v. 3 suppl. p. 1379, 1481. F 1912 Alcyonium borlassii (err.), HOPKINSON in: Alder & Hancock, Brit. Tun, v. 8 p. 106. Diese Art wurde von Fremme als ein Botryllus erkannt. Sie ist ungenügend gekennzeichnet, dürfte aber mit großer Wahr- scheinlichkeit dem Botryllus schlosseri (PaLL.) als Synonym ZUZU- ordnen sein. *) Vgl. HARTMEYER in: SB. Ges. Fr. Berlin, 1915 p. 423. 1916. e “er u En Ka Kr Fr EEE Zur Deutuny einiger Alcyonium- Arten. 247 Aleyonium carnosum ».. Euuiıs. 1757 Alcyonium carnosum asteriscis, radiis obtusis, ornatum, J. ELLIS in: Phil, Tr., v. 49 II p. 451 t. 14 f. A-C. non bin. Diese Art ist identisch mit Botryllus schlosseri (Paur.). j Aleyonium eineraceum ÜAVvoL. 1853 „Alcionio cineraceo 0 cinereo“, Alcyonium cinerascens, CHIAJE, Mem. post. _ Cavolini, p. 32, 57, 821, 339 t. 2 f. 8. Es dürfte kaum zweifelhaft sein, daß diese von CHIAJE ver- öffentlichte Art Cavorınts ein Botryllide ist. Cmıse führt als Synonym das von ihm früher beschriebene Polyelynum _ stellatum an. Daß diese Art vermutlich ebenfalls ein Botryllide ist, hat schon DELLA VALLE ausgesprochen. Eine etwaige Deutung der Art ist nicht möglich, um so weniger, als die Botryllus-Arten des Mittelmeeres in keiner Weise genügend unterschieden und gekenn- zeichnet sind. | Aleyonium ceinerascens ÜCAvoL. 1853 „Alcionio cinerascente“, Aleyonium cinerascens, CHIAJE, Mem. post. Cavolini, p: 33, 58, 821, 3389 £. 3 £. 4, 5. ‚Diese von Chase veröffentlichte Art Cavouııs darf wohl unbedenklich als Didemnide gedeutet werden, eine weitere Auf- klärung wird aber kaum zu erwarten sein. Als Synonym fügt Carase Leptoclynum [sic!| durum Epw. hinzu. Das würde die Annahme bestätigen, daß es sich um eine Didemnide handelt. Die Identität mit D. durum (M.-E.), dessen Artberechtigung selbst noch nicht klargestellt ist, bleibt natürlich ganz problematisch. Alcyonium coerulescens ÜAVOoL. 1853 „Alcionio ceruleo o cilestre“, Alcyonium coerulescens, ÜHIAJE, Mem. post. Cavolini, p. 34, 58, 321, 339 t. 2 f. 10. 1915 Alcyonium cerulescens (err.). LÜTISCHWAGER in: Arch. Naturg., v. 80 A 10 p- 20. “ Nach der Abbildung ist diese von CHraseE veröffentlichte Art Cavouıst’s nicht zu deuten. Auch die Beschreibung gibt keinen gsenügenden Anhalt. Cavorını bemerkt zu dieser Art (p. 321): „an A. Schlosseri? Pıuı.“, und CHrase fügt hinzu. daß sie tatsäch-. lich keine besonders bemerkenswerten Unterschiede zeigt. Danach könnte man annehmen, daß es sich um einen Botryllus handelt. Nun führt aber CHıase (p. 339) Aplidium lobatum Sav. als fragliches Synonym an. Diese Art ist bei Crrase aber identisch mit Oystodytes dellechiaiae, und so darf man wohl auch diese Art wie das A. schlosseri Cavor. als einen Oystodytes deuten, wofür übrigens auch die im Artnamen zum Ausdruck gebrachte blaue Farbe sprechen würde. a a ha 9 Br 248 R. HARTMEYER. Aleyonium conicuwm OLıvı. 1792 Alcyonium conicum, @. OLIVI, Zool. Adriat., p. 240. 1847 Amaroueium (Alcyonium) e., MENEGHINI in: Renier, Osserv. Zool. Aulriat., p: 16 1.714. Diese Art ist synonym mit Amaroueium pyramidale (Bruc.). Alcyonium constellatum Tvurr. 1758 Alcyonium?, BORLASE, Nat. Hist. Cormwall, p- 254 t. 25 f. V, VI. non bin. 1807 A. constellatum, TURTON, Brit. Fauna, v. 1 p. 207. 1828 A. c. (Sp. dub.), J. FLEMING, list. Brit. An., p. 470. 1848 A. c. (Sp. dub.), E. FORBES in: E. Forbes & Hanley, Brit. Moll., v. 1 p. 21 nota. ?1865 Botryllus Constellatus, E. HESSE in: Ann Sei. nat., ser. 5 v.4 p. 223. Turron gibt diesem unbenannt gebliebenen Aleyonium von Borrase den Namen A. constellatum. Fuemına führt die Art als zweifelhafte Form in der Gattung Dotrylius auf, ohne sie aber ausdrücklich als Botryllus zu bezeichnen. ForBes bezeichnet sie als unsichere Art. Ob Hkxsse mit seinem 1865 ohne Autor auf- geführten Dotrylius Canstellatus Turrox's Art gemeint hat, ist nicht zu entscheiden. Damit erschöpft sich die mir bekannte Literatur über diese Form. Was ihre Deutung anbelangt, so dürfte es sich auch in diesem Falle, wie bei den beiden anderen Aleyonium-Arten des BorLASE um einen Dotryllus handeln. Aleyonium erustaceum ... GRON. 1781 Alcyonium erustaceum pulposum fuscum, flosculis fulvis adnatis, petasis pertusis (Schlossert), L. Ih. GRONOVIUs, Zoophyl., p. 374. non bin. Diese Art ist identisch mit Botryllus schlosserı (Paur.). Alcyonium ceydonium GAVvOL. 1853 „Alcionio cidonio“, Alcyonium cydonium, CHIAJE, Mem. post. Cavolini, p. 30, 57, 320, 889 t. 2 £. 8-6. Diese von CHrase veröffentlichte Art Cavoursts läßt sich nach der Abbildung deuten. Es ist zweifelios eine Synoicide, wie aus dem in f. 4 abgebildeten Einzeltier hervorgeht, und zwar anscheinend ein Amaroueium. Über die Art sich zu äußern, erscheint verfrüht, solange nicht die mediterranen Arten der Gatt. Amaroucrum und Aplidium genügend bekannt sind, was zurzeit noch nicht der Fall ist. Als Synonym fügt Cuıase Didemnum gelatinosum Epw. hinzu. Man kann daraus sehen, mit welcher Vorsicht derartige Synonyma CHiaJeE’s zu verwenden sind, dessen Ascidien-Arbeiten wohl zu den unzulänglichsten gehören, die jemals veröffentlicht wurden. Cavouisı führt sein „Alcionio cidonio* auf eine Art zurück, die von Donarı (Stor. nat. adriat., p. 56 t. 9 f. A) als. „Aleionio Ay! Zur Deutung einiger Alcyonium- Arten. 249 primo di Dioscoride“ beschrieben worden ist. Das ist ein Irrtum. Denn Donatr's Art ist, wie aus der Abbildung zweifellos hervor- geht, eine Spongie, und zwar vermutlich eine Geodia. Linxt: (Syst. - Nat., ed. 12.v. I II p. 1295. 1767) gibt der Art Doxarr's als erster einen binären Namen und nennt sie Alcyonium Cydonium. Mithin -ist Liws&, und nicht MÜLLER, wie LÜTTSCHWAGER es annimmt, der Autor von A. cydonıum. Als Synonym von A. cydonium führt Lısn& das Aleyonıum cotoneum Parı. (Elench. Zooph., p. 359. 1760) auf. Ob beide Arten tatsächlich identisch sind, vermag ich nicht zu entscheiden, interessiert hier auch nicht, da A. cotoneum sicher- lich keine Ascidie ist. Auch MüÜLLErRs A. cydonium (Zool. Dan., v.3p. 1t. 81 f. 3-5. 1789) kommt hier nicht in Betracht, da es ein echtes Alcyonium ist und irrtümlich mit Lrwn&’s Art identi- fiziert wurde. Was nun das A. cydonium Cavouınıs anbetrifft, darf man aus dem Umstande, daß CAavoLisı nur von Donarrs Art spricht, Liwn& als Autor aber nicht erwähnt, an einer Stelle (p. 320) die Art sogar mit seinem eigenen Namen als Autor aufführt, meines Erachtens den Schluß ziehen, daß Cavorını den Artnamen eydonıum unabhängig von Lrxx& neu gebildet hat. Der Vergleich einer Geodia sowohl wie gewisser Amaroucium-Arten mit einer Quitte liegt ja auch so nahe, daß schon dieser Umstand für meine An- nahme spricht. | Alcyonium distomum Brus. 1789 Aleyonium distomum, BRUGUIKRE in: Ene. möth., Vera, v. 1 p. 28. 1802; 27 A. d., Bosc, Hist. Vers., v. 3 p. 132; ed. 2 v. 3 p. 159. 1816 A. Distomum, LAMOUROUX, Hist. Polyp., p. 352. BRUGUIERE hat ohne nähere Begründung den neuen Namen A. distomum eingeführt, dem er D. variolosus GAERTN. und A. ascidioides Pırr. als Synonyme zuordnet. Die Art ist somit synonym mit D. variolosus. Brucurkre's Name kommt in der Literatur nur ganz vereinzelt vor. Aleyonium epipatrum ÜavoL. 1853 Alcionio epipatro o epipetro, Alcyonium epipatrum, CHIAJE, Mem. post. Cavolini, p. 33, 321, 339. Da CHıasE als Synonym dieser durch ihn veröffentlichten Art Cavouınts Botryllus stellatus Gaertn. (p. 321) aufführt, so dürfen wie annehmen, daß es sich um einen Botrylius handelt. Die von Case als B. stellatus Gaerrn. bezeichnete Form entspricht zweifel- los der bisher als Polycyelus renieri Lm. unterschiedenen Art. Eine Abbildung, die weitere Aufklärung geben könnte, findet sich - bei CGAvoLinı nicht. a 18 »50 R. HARTMEYER. Aleyonium ficus PALL. 1766 Aleyonium Ficus, PALLAS, Elench. Zooph., p. 356. Unter diesem Namen hat Parvas eine Spongie und eine Ascidie zusammen geworfen. Die Spongie ist Freulina fieus (Pırr.), die Ascidie muß Macrochnum pulmonaria (Eurıs SOLAND.) heißen (vgl. auch unter Alcyonwum pulmonaria). Ein mehrfach in der Literatur aus dem Mittelmeer erwähntes Alcyonium fieus kann schon des Fundortes wegen nicht zu M. pulmonarıa gehören und ist vielleicht identisch mit Amarouerum pyramıdale (Bruc.). Aleyonium gelatinosum L. 1761 Alcyonium gelatinosum, LINN£, Yauna Svec., ed. 2 p. 538. ?1811 A. g., JAMESON in: Mem. Werner. Soe., v. 1 ann. 1808—10 p. 563. 1909 A. g., HARTMEYER in: Bronn’s Kl. Ordn., v. 3 suppl. p. 1481. Es ist durchaus zweifelhaft, ob es sich bei dieser Art um eine Ascidie handelt. Sollte diese Deutung zutreffen, so könnte man am ehesten vielleicht an einen Dotryllus oder ein Diplosoma denken. Ob das von Jameson aufgeführte A. gelatinosum (ein Listenname!) mit Linn&’s Art identisch, ist natürlich nicht zu entscheiden. Aleyonium phusca FoRsk. 1775 Alcyonium phusca, FORSKAL, Deser. An., p. 129. 1776 A. Phusca, FORSKÄL, Icon. Rer. nat., t. 27 f. D. 1791 Ascidia P., J. F. GMELIN, Syst. Nat., v. L VI p. 3127. ?1815 A. phusca, G. CUVIER in: Mem. Mus. Paris, v. 2 p.29t.1f. 7—9, t. 2f.8. 1816 A. p., (?part, non CUVIER 1815), LAMARCK, Hist. An. s. Vert., p. 122, 1816 A. phusa (err.), ARISTOTELES (STRACK), Naturg. Thiere, p. 613. ?1820 A. phasca (err.), A. F. SCHWEIGGER, Handb. Naturg., p. 697. 1822 A. Phasca (err.), G. CUVIER (SCHINZ), Thierr., v. 2 p. 775. (non 1822 Pirena Phusca, J. FLEMING, Phil. Zool., v. 2 p. 512.) (non 1822 Ascidia phusca, CHIAJE, Mem. Stor. Nat., atl. t. 45 f. 18, 21; t. 46 f. 2, 10.) (non 1828 Ascidia fusca, CHIAJE, Mem. Stor. Not., v. 8 p. 196.) ?1833 Ascidia phusca, VALENCIENNES in: N. Ann. Mus, Paris, v. 2 p. 501. ?1833 Phallusia p., HOEVEN, Handb. Dierk., v. 2 p. 33. 1837 Ascidia p. (part.), DUJARDIN in: Lamarck, Hist. An. s. Vert., ed.3 v. 1 p. 583. (non 1837 Pirena p., J. FLEMING in: Ene. Brit., ed. 7 v. 15 p. 370.) (non 1837 Pirena p., J. FLEMING, Moll. An., p. 210.) 1840 Ascidia p. (part.), DUJARDIN in: Lamarck, Hist. An. s. Vert., ed. 2 v.3 p. 526. (non 1841 Ascidia phusca, CHIAJE, Deser. An. Sicilia, v. 6 t. 80 f. 18; t. 81 f. 2, 10; 1. 88 £ 1, 9.) | ?1846 Phallusia fusca (err.), VERANY, Cat. an. invert., p. 12. 1855 Ascidia phusa (err.), J. B. MEYER, Aristoteles Thierk., p. 179. ?1858 Ascidia fusca (err.), DESMAREST in: Ene. Hist. nat., Crust. p. 246. ?1859 A. f. (err.), DESMAREST in: Enc. Hist. nat. Tab). gön., Crust. p. 24. 303 (non 1864 A. f. (err.), GRUBE, LUSsIn, p. 52.) . 2% —— en me BEE erei 3 5 im { R £ 4 . x en b, DB E ei ee a a in ee na al 2 un EL a Benin JE Zur Deutung einiger Alcyonium- Arten. 951 ?1878 Phallusia phusea (eır.) [s. sulcata], Ussow in: T’rav. Soc. St.-Pötersb., ” 9° p.: 15: ? 1897 Ascidia fusca, A. M. NORMAN, Mus. Norman, cat. 9 p. 6. 1909 Phallusia phusca (Sp. dub.), HARTMEYER in: Bronn’s Kl. Ordn., v. 3 suppl. p. 1405, 1487. 1912 P. phusea (err.), SCHEPOTIEFF in: Arch. Naturg., v. 77 VI 1 p. 28. Forskiu beschrieb im Jahre 1775 aus dem Meere zwischen Smyrna und Konstantinopel ein Aleyonium phusca und gab im folgenden Jahre eine Abbildung dieser Art. Diese Abbildung zeigt ein Tier, das meines Erachtens nur als eine Ascidia oder Phallusia gedeutet werden kann. In der sehr allgemein gehaltenen Be- schreibung wird die Farbe des Mantels wie auch des Innenkörpers als rot angegeben, die Oberfläche als glatt bezeichnet. Man könnte danach an Ascıdia mentula denken, zumal auch die angegebenen Maße auf diese Art passen. Der Artname phusca (= dunkelbraun, schwärzlich) würde dagegen auf Phallusia fumigata passen. Vielleicht hat ForskÄu beide Arten, die sich äußerlich ja immerhin einiger- maßen ähnlich sehen, zusammengeworfen. Beide Arten sind auch im östlichen Mittelmeere heimisch. Ich selbst habe beide in größerer Zahl bei Agina gesammelt. Besonders P. fumigata scheint dort häufig zu sein und findet sich vornehmlich auf großen schwarzen Spongien der Gattung Hhrcinia festsitzend. In der älteren Literatur findet sich ForskÄr's Art wiederholt erwähnt, in manchen Fällen handelt es sich aber sicher nicht um dieselbe Art, in anderen ist es zum mindesten fraglich. Auch der Autorname wechselt mehrfach. Neben ForskÄu erscheint die Art mit CuvIer, Linn&t und Savıceny als Autor. GmELIN hat zuerst ihre Aseidiennatur erkannt und sie in seine große Sammelgattung Ascidia gestellt. Als nächster hat Cuvıer (1815) eine Art als Ascidia phusca beschrieben, die er, wenn auch mit einigen Zweifeln, mit ForskÄr’s Art glaubt identifizieren zu sollen. Ich halte die Identität beider Arten für durchaus fraglich, wenn nicht ganz unwahrscheinlich. Allerdings ist Cuvıer’s Beschreibung zu kurz, um seine Art deuten zu können. Die Körperform, insbesondere die langen, von deutlichen Längsfurchen durchzogenen Siphonen, stimmen nicht mit ForskÄr’s Abbildung überein. Auch können diese Merkmale, ebensowenig wie der abgebildete Darmverlauf, weder auf A. mentula noch auf P. fumigata bezogen werden. Mehr Wahrscheinlichkeit hat die Annahme für sich, daß Cuvızr’s Art mit Savıcny's Phallusia sulcata identisch ist. Savıcny (1816) - ordnet seiner Art ebenfalls das Aleyonium phusca ForskÄr's als Synonym zu. Das ist nun sicher ein Irrtum, denn Savıcny's Art stammt aus dem Golf von Suez und fehlt im Mittelmeer, kann | | 18* 252 R. HARTMEYER. also schon aus diesem Grunde nicht mit ForskÄr's Art identisch sein. Ich habe diese Art, welche Ascidia cannelata (Ok.) heißen mnB, im vorigen Heft dieser Zeitschrift eingehend behandelt und verweise darauf. | Die Mehrzahl der übrigen Zitate erscheinen in Hand- und Lehrbüchern und haben um so weniger Interesse, als sie keinerlei Deutung zulassen. Soweit diese Zitate die Art mit CuvıeEr als Autor aufführen, habe ich sie in der Synonymieliste mit einem ? versehen. Lamarck (1816) betrachtet ForskÄr’s und Cuvıer’s Art als synonym. Dusarvın (1837, 1840) fügt noch Savıcny’s Art als Synonym hinzu und überdies noch einige andere Arten, die alle nichts miteinander zu tun haben. J. Fremıng (1822) erhebt in seiner Philosophy of Zoology die Art zum Typus seiner Gattung Pirena, welche sich mit dem Tribus Phallusiae Pirenae SAvIGNnY'S deckt, mit den Worten: „P. Phusca of Forskael is the type to which Savigny has added thıree other species“. Er meint also offenbar Sıvıanys Ph. swleata und verwendet lediglich den von SavıcnY in die Synonymie aufgenommenen älteren Artnamen phusca, so dab dies Zitat nicht in die Literatur von A. phusca, sondern von Ascidia cannelata (Ox.) gehört. FrLemine’s „Molluscous Animals“ von 1837, sowie sein Artikel „Mollusca“ in der ed. 7 der Enc. Brit., worin Pirena Phusca wiederum erscheint, ist, von wenigen Änderungen abgesehen, lediglich ein Abdruck aus der „Philosophy of Zoology“. VeranyY (1846) führt als Listennamen eine Phallusia fusca Sav. aus dem Golf von Genua und von Nizza auf, die nicht zu deuten ist. Das gleiche gilt für die Ascidia fusca L. bei DESMAREST (1858—59). GruBE (1864) beschreibt unter dem Namen Aseidia fusca Cuv. eine Art von Lussın, die schwer zu deuten ist, allem Anschein nach aber überhaupt keine Ascidia, sondern vielleicht eine Molgulide ist. Jedenfalls hat sie nichts mit ForskÄr's Art zu tun. Um eine irrtümliche Identifizierung handelt es sich auch bei CHıAsE, vorausgesetzt, daß seine Ascidia phusca, die ohne Autor erscheint, nicht etwa eine von ihm neu benannte Art darstellt. Die Ascidia phusca von 1822 und die Ascidia fusca von 1823 entsprechen dem Microcosmus sulcatus, die Ascidia phusca von 1841 ist dagegen teilweises Synonym von M. sulcatus (t. 80 u. t. 81) und von Styela plicata (t. 83). Über die von Ussow (1878) aus dem Schwarzen Meere als Listenname aufgeführte Phallusıa phusca s. sulcata läßt sich nichts aussagen. Bemerken will ich nur, daß weder A. mentula noch P. fumigata bisher aus dem Schwarzen Meere bekannt geworden ist. Von Ascidiidae kenne ich von dort 7 nur Aseidiella aspersa. Die von SERNoFF (1913) nach einer Be- 7 Zur Deutung einiger Alcyonium-Arten. 253 stimmung REDIKORZEw’S aufgeführte Ascidia ingeria (Trausr.) ist ebenfalls A. aspersa, wie ich mich an einem eingesandten Belegstück überzeugen konnte. Aus der neueren Literatur ist die Art so gut wie vollständig verschwunden. Aleyonium pulmonaria EıLıs SOLAND. 1786 Alcyonium Pulmonaria, J. ELLIS & SOLANDER, Zooph., p. 175. Diese Art bildet den Typus der Gattung Macroclinum und muß somit Macrochinum pulmonarıa (Euvıs SoLanD.) heißen. Die sehr verwickelte Synonymie und umfangreiche Literatur dieser Art habe ich erst kürzlich in einer besonderen Arbeit (J. mar. biol. Ass., n. ser. v. 10 p. 262. 1914) behandelt und zusammengestellt und kann wegen aller Einzelheiten darauf verweisen. Alcyomum fieus Par. ist ein partielles Synonym. Aleyonium pulmonis instar lobatum Euuiıs. 1755 Alcyonium pulmonis instar lobatum, J. ELLIs, Corallin., p.82t. 17 f. b, 3 B, C, D. non bin. E Diese Art ist identisch mit Aleyonium pulmonaria Euuıs SoLAND. —= Macroclinum pulmonaria (ELLIS SOLAND.). Aleyonium pyramidale Bruc. 1789 Alcyonium pyramidale, BRUGUIERE in: Enc. meth., Vers, v. 1 p. 26. - 1802; 27 A. p., Bosc, Hist. Vers,-v. 3 p. 183; ed. 2 v. 3 p. 160. 1816 A. P., LAuoUrRotvx, Hist. Polyp., p. 341. 1824 A. p., LAMOUROUX in: Enc. meth., Zooph., p. 27. 1826 Alcyon pyramidatum (err.), BLAINVILLE in: Diet. Sei. nat., v. 42 p. 315 (als Synonym von Polycitor departimentatus). Diese Art ist ein Amaroueium und muß somit Amarouerum pyramidale (Bruc.) heißen. Synonym ist Aleyonium conicum OLıvı und Aleyomium rubrum ... Puancvs. Aleyonium rapa CAvoL. 1853 „Aleionio rapa“, Aleyonium rapa, CHIAJE, Mem. post. Cavolini, p. 29, 57, 320, 339.2. 1, 2. Ein Blick auf die Abbildung macht es zweifellos, dab diese von CHıAse veröffentlichte Art Cavouını's mit Diazona violacea Av. identisch ist. Als Synonym führt Crmse sein Polyelinum viride auf, welches ebenfalls Diazona violacea entspricht. . Aleyonium roseum ÜAvoL. 1853 „Aleionio rosso“, Aleyonium roseum, ÜHIAJE, Mem. post. Cavolini, p. 34, 57, 321, 339 t. 2 f. 9. 254 R. HARTMEYER. Betrefis der Deutung dieser von CHrAsE veröffentlichten Art JAVOLIN!S muß man sich damit begnügen, sie für eine Didemnide zu erklären. UnHrase führt als Synonym sein Didemnum roseum — der Artname ist von beiden Autoren offenbar unabhängig gewählt worden — an, eine ebenfalls problematische Art, und ordnet beiden das Leptoclynum fulgidum |err. pro: fulgens] M.-E. zu. Vielleicht handelt es sich bei Alcyomum roseum um Polysyncraton lacazei (GIARD). Aleyonium rubrum, pulposum, conicum PLaxcus. 1760 Alcyonium rubrum, pulposum, conicum, PLANCUS, Conch. min. not., ed. 2 p- 113 app. t. 10 f. B, ©, D. non bin. Diese Art ist wohl zweifellos identisch mit Amaroueium pyramidale (Bruc.). Ich will bemerken, daß Parras das A. rubrum Prancus als Synonym zu seinem Alcyonium cotoneum (Elench. Zooph., p. 359) aufführt. A. cotoneum ist aber sicherlich keine Ascidie, vermutlich eine Spongie (? @eodia), womit diese Synonymie hinfällig wird. Savıeny (1816) führt die Art des Prancus als Synonym seines Distoma rubrum auf. Das ist ein Irrtum. Savıeny’s Art ist ein echter Polyeitor, vermutlich eine tropische, sicherlich keine nordwesteuropäische Art, auf die ich in anderem Zusammen- hang zurückkommen werde. Alceyonium rubrum L. 1761 Alcyonium rubrum, LINN&, Fauna Svee., ed. 2 p. 538. Die Aseidiennatur dieser ganz problematischen Art ist durch nichts erwiesen. Ich führe sie nur deshalb auf, weil ich bei früherer Gelegenheit (Bronn’s Kl. Ordn., v. 3 suppl. p. 1481) auf die Möglich- keit einer Identität mit Distoma rubrum Sav. hingewiesen habe. Diese Identität ist völlig ausgeschlossen, da Linn&’s Art von Norwegen stammt, Savıany's Art dagegen vermutlich tropisch, jedenfalls nicht nordwesteuropäisch ist. Alcyonium schlosseri PALL. 1757 Alcyonium?, SCHLOSSER in: Phil. Tr., v. 49 II p. 450. non bin. 1757 Alcyonium carnosum asteriscis, radiis obtusis, ornatum, J. ELL1S in: Phil. Tr., v. 49 II p. 451 t. 14 f. A—C. non bin. 1758 Alcyonium?, BORLASE, Nat. Hist. Cornwall, p. 254 t. 25 f. I, II. non bin. 1766 A. Schlosseri, PALLAS, Elench. Zooph., p. 355. 1767 A. S., LINN£, Syst. Nat‘, ed. 12 v. 1 II p. 1294. 1767 Alcionium (err.) S., LINN£, Syst. Nat, ed. 13 v. 1 II p. 1294. 1768 Alcyonium s., BODDAERT, Plant-Dier, p. 440 t. 11 f.2 A, B. 1769 A. S., BERKENHOUT, Outl. Hist. Great Brit., p. 210. 1772 A. S., Linn# [HouTsuyN], Naturl. Hist., pars I v. 17 p. 398. a an a m ala nl a nu T 2 . - RE a ee Zur Deutung einiger Alcyonium-Arten. 255 1774 Botryllus stellatus, C. F. GAERTNER in: Pallas, Spice. zool., fasc, 10 p. 37 et 1-5, 1775 Alcyonium Schlosseri, LINN£ (St. Müller), Natursyst., v. 6 II p. 782. 1781 A. crustaceum pulposum ... (Schlosseri), L. TH. GRONoVvIUs, Zoophyl., p. 374. non bin. 1786 A. $., J. ELLIS & SOLANDER, Zooph., p. 177. 1787 A. S., Parzas (WILKENS & J. F. W. HerBst), Thierpfl., v. 2 p. 188 .18:.1..62 A, DB. 1789 A. $8.?, KARSTEN, Mus. Leskean., v. 1 p. 317. 1789 Botryllus stellatus + A. s., BRUGUIERE in: Enc. me£th., Vers., v. 1 p- 187; 280. 1789; 95 A. $., BERKENHOUT, Syn. Hist. Great Brit., ed. 2 v. 1 p. 213; ed. 3 v. 1 p. 213. 1791 A. S., J. F. GMELIN, Syst. Nat., v. 1 VI p. 3812. 1792 A. S$., G. OLıvı, Zool. Adriat., p. 239. 1801 A. S. (Botryllus stellatus), PALLAS, Reise Statthaltersch. Russ., v. 2 p. 476. 1806 A. S., G. SHAw, Nat. Misc. v. 18 t. 748. 1806 A. $., EsPER, Pflanzenth., v. 3 fasc. 2 p. 25 t. Ale. 6 £. 1, 2. 1806 A. S., J. F. GMELIN.(Turton), Syst. Nat., v. 4 p. 653. 1807 A. S., TURTON, Brit. Fauna, v. 1 p. 207. 1811 A. s., JAMESON in: Mem. Werner. Soc., v. 1 p. 562. 1816 Botryllus schlosseri, SAVIGNY in: M&m. An. s. Vert., v. 2 p. 200 t. 20 £. 5. Aleyonvum schlosserı ist der Typus der Gattung Botryllus, da es zweifellos synonym mit Botryllus stellatus C. F. GAERTN. ist. Es ist eine der in der alten Ascidien-Literatur am häufigsten zitierten Arten. Ich habe vorstehend alle mir bekannten Literatur- stellen zusammengestellt, an denen die Art als Aleyonium schlosseri aufgeführt wird. Erst seit dem Jahre 1811 verschwindet der Gattungsname Alcyonium endgültig. Aleyonium schlosseri CAVOL. 1853 „Alcionio Schlosseriano (Schlosserano)“, Alcyonium Schlosseri, CHIAJE, Mem. post. Uavolini, p. 31, 57, 320, 339 t. 2 £. 7. Es muß zweifelhaft bleiben, ob CAavoLını mit seinem, von CHIaJE veröffentlichten Aleyonium Schlosseri eine neue Art hat aufstellen wollen oder auf die gleichlautende Art des Pauuas Bezug nehmen wollte. Der Name PıArrLas wird zwar nirgends erwähnt, an einer Stelle (p. 320) erscheint die Art sogar mit Cavouinı als Autor, aber daß ihm das A. schlosserı des Pauuas nicht unbekannt gewesen ist, geht aus einer anderen Stelle (p. 321) hervor, wo Cavo- LInI diese Art als fragliches Synonym seines Aleyonium coerulescens anführt. Mag dem sein, wie es will, jedenfalls haben Cavorınr's und Parras’ Art nichts miteinander zu tun. Vielmehr geht aus der Beschreibung bei Cavouını mit Sicherheit hervor, daß es sich um eine Cystodytes-Art — er hat die Kalkscheiben richtig er- kannt — handelt. Da überdies CaıaJe sein irrtümlich mit Savıcny's Art identifiziertes Aplidium lobatum, welches mit COystodytes delle- 256 R. HARTMEYER. Een N.) 2. £ a4 FT. chiaiae (D. VALLE) identisch ist, als Synonym von Alcyonium schlosserı CavoL. anführt, so darf auch diese Art wohl ohne Be- denken als identisch mit ©. dellechiaiae angesehen werden. Aleyonium Synoicum Gm. 1791 Alcyonium Synoicum, J. F. GMELIN, Syst. Nat., v. 1 VI p. 3816. 1805 A. S$., J. F. GMELIN (TURTON), Syst. Nat., v. 4 p. 656. 1817 A. Synovium (err.), [Anonym] in: Ene. Brit., ed. 5 v. 10 p. 358, 1835 Synoicum synoicum, OKEN, Allg. Naturg., v. 2 I p. 96. GMmELIn hat das von Phrıprs (1774) beschriebene Synoicum turgens in die Gattung Alcyonwum gestellt unter Verwendung des Gattungsnamens Synorcum als Artnamen, der in diesem Falle natürlich GMmELIn und nicht etwa Pnıprs als Autor erhält. Die wenigen mir bekannten Literaturstellen, an denen die Art sonst noch als Alcyonium aufgeführt wird, habe ich oben zusammen- gestellt. Irrtümlich als Ascidien angesprochen worden sind folgende als Alcyonıum beschriebene Arten: Aleyonium corniculatum GM. 1773 „Het Zee-raderdiertje met vier radertjes“, BOMM& in: Verh. Genootsch. Wetensch. Vlissingen, v. 3 p. 307 t. f. 6. 1791 Aleyonium corniculatum, J. F. GMELIN, Syst. Nat., v. 1 VI p. 3817. 1816 A. Corniculatum, LAMOUROUX, Hist. Polyp., p. 353. Lamovrovx hat diese Art als koloniebildende Ascidie gedeutet, allerdings, wie er selbst bemerkt, lediglich auf Grund der Diagnose GMELINs, da ihm die Arbeit Bomm&’s nieht zugänglich gewesen sei. Auch LüÜTTscHwAGER dürfte mit seiner Deutung „Ascidie“ lediglich auf Lamouroux Bezug nehmen, den er irrtümlich als Autor aufführt, und in die Arbeit von Bommzk kaum Einsicht ge- nommen haben. Aus der Abbildung bei Bommk geht nämlich mit überzeugender Gewißheit hervor, daß es sich nicht um eine Ascidie handeln kann, sondern daß die Art mit großer Wahrscheinlichkeit tatsächlich ein marines Rotator, wahrscheinlich aus der Gattung Synchaeta ist. Aleyonium stellatum Gm. 1773 „Het Zee- raderdiertje met twee radertjes“, BOMM& in: Verh. Genootsch. Wetensch. Vlissingen, v. 3 p. 806 t. f.5 A, B. 1791 Alcyonium stellatum, J. F. GMELIN, Syst. Nat., v. 1 VI p. 3817. 1816 A. Stellatum, LAMOUROUX, Hist. Polyp, p. 353. Für diese Art gelten dieselben Bemerkungen, wie für A. corni- culatum. Zur Deutung einiger Alcyonium-Arten. 257 Nicht als Alcyonium zum ersten Male beschrieben, aber von einzelnen Autoren vorübergehend in diese Gattung gestellt ist folgende Art: Botryllus conglomeratus (C. F. GAERTN. 1774 Botryllus conglomeratus, C. F. GAERTNER in: Pallas, Spie. zool., fase. 10° p- 39 t. [4] £.6 a, b. 1789 B. Conglomeratus, BRUGUIERE in: Ene me£th., Vers, v. 1 p. 188, 1791 Aleyonium conglomeratum, J. F. GMELIN, Syst. Nat., v. 1 VI p. 3816. 1802; 27 Botryllus fasciculatus (err. pro: conglomeratus), Bosc, Hist. Vers., v. 3 p. 125; ed. 2 vo. 3 p. 151. 1806 Alcyonium Conglomeratum, ‚|. F. GMELIN (TURTON), Syst. Nat., v. 4 p. 655. 1807 A. conglomeratum, TURTON, Brit. Fauna, v. 1 p. 207. 1828 Botryllus conglomeratus (Sp. dub.), J. FLEMING, Hist. Brit. An., p. 470. ' 1848 B. c. (Sp. dub.), E. FORBES in: E. Forbes & Hanley, Brit. Moll., v. 1 p- 21 nota. 1-52 B. c., W. E. LeacH, Moll. Brit. Syn., p. 243. 1912 ?B. c., ALDER & Hancock, Brit. Fun., v. 3 p. 87 f. 135. 1915 Alcyonium glomeratum (err.). LÜTTSCHWAGER in: Arch. Naturg., v. 79 A 10 p. 19. ” Die Art findet sich ferner zitiert bei Lamarck (1815; Hist. - An. s. Vert. 1816, 1837, 1840), Savıcny (1816), G. Cuvirr (Regne an. 1817, 1830, 1836, [|1842]), Lamouroux (1824) und einigen an- deren älteren Autoren. FLemme (1828) bezeichnet sie als unsichere - Art, Forses (1848) bezweifelt sogar ihre Ascidiennatur. Zum letzten Male wird sie bei Leac# (1852) zitiert, seitdem ist sie voll- ständig aus der Literatur verschwunden. Nur in dem nachge- lassenen Werke von ALDER & Hancock wird sie wieder aufgeführt, aber auch als unsichere Art. Ich halte die Art überhaupt nicht für eine Ascidie, weiß allerdings auch keine andere Deutung dafür. LÜTTSCHWAGER schreibt irrtümlich A. glomeratum statt con- glomeratum. | | Vorübergehend in die Gatt. Synoicum gestellt wurde folgende Art: Aleyonium pelasgieum. 1802 Alcyonium pelasgicum, BoSc, Hist. Vers., v. 3 p. 131 t. 30 f£. 6, 7. 1813 Synoicum pelagicum (err.), LAMARCK in: Ann. Mus. Paris, v. 20 p. 304. 1816 Telesto pelasgica, LAMOUROUX, Hist. Polyp.. p. 235. E Die Art wird heute als unsichere Art in die Alcyonarien- Gattung Telesto eingereiht. 3 Endlich sei noch berichtigend bemerkt, daß das Amaroueium pellucidum (Ley) von Ley ursprünglich nicht als Aleyonium, sondern als Alcyonidium beschrieben wurde. Die Art war von mir in Bronx’s Kl. Ordn. (p. 1481) irrtümlich unter Aleyonium 9258 eingereiht worden, doch wurde dies Versehen später von mir be- richtigt (l. c. p. 1738). LÜüTrTtscHwAGER hat die Berichtigung offenbar übersehen, denn bei ihm (p. 20) erscheint die Art wieder als R. HARTMEYER: Zur Deutung einiger Alcyonium-Arten. Aleyomium pelluerdum. Übersicht der behandelten Arten. Aleyonvum album CAvOL. 2 7 aserdiordes PALL. borlastı TüuRrT. carnosum ... ELLIS. cineraceum ÜAVOL. cinerascens CAVOL. coerulescens CAVOL. conieum OLIvI. constellatum -TuURT. erustaceum ©». FRON. cydonium CAVOL. distomum Bauc. epıpatrum CAVOoL ficus PALL. gelatinosum L. phusca FoORSsK. pulmonarıa EuLis SOLAND. pulmonis... EuLuis. pyramidale Bruc. rapa ÜCAvoL. —— —— „Didemnide*. Distomus varıolosus 0. F. (KAERTN. Botryllus borlasvi (T'urr.), ver- mutlich synonym mit 2. schlossert (PALL.). Botryllus schlosseri (PALL.). Botryllus sp. „Didemnide“. | ?Öystodytes dellechimae (D. VALLE). ee Amarouceium pyramidale (BrUc.). Botryllus sp. Botrylius schlosseri (PALL.). „Synoicide“; ? Amaroucerum sp. Distomus varıiolosus C. F. (fAERTN. Botryllus sp. Macroclinum pulmonaria (Euuıs Sorann.) + Fieulina fieus (PıLı.). ?? Ascidie; ?? Botryllus oder Diplosoma. Ascidia mentula Mir. und (oder) Phallusia fumigata (GRUBE). | Macroclinum pulmonarva (ELLIS SOLAND). ’ Macroclinum pulmonaria (Eıuıs SOLAND). | Amaroucium pyramidale (Brus.) “ Diazona violacea SAv. e" P. MATSCHIE: Bemerkungen über die Gattung Didelphis L. 359 nn Aleyonium roseum ÜAVoL. — „Didemnide*; ? Polysyneraton PB. lacaziı (GIARD). $ rubrum.... Prancus. — Amaroueium pyramidale (Brue.). = schlosseri PAaLL. — Botryllus schlosseri (Paun.) » . schlosseri UAvoL. — (ystodytes dellechiaiae (». t VALLE). 7 synowcum (GM. — Synoicum turgens Phrpps. Bemerkungen über die Gattung Didelphis L. Von PıuL MATSCHIE. Mit 3 Tafeln. Die Gattung Didelphis L. Syst. Nat. 10. Ausgabe I, 54—55 aus dem Jahre 1758 umfaßt folgende Arten: ..D. marsupialis, philander, opossum, murina und dorsigera. E Im Jahre 1821 hat Gray in London Med. Repos. XV, 308 für D. murina L. den Gattungsnamen Marmosa vorgeschlagen. | Aus dem Jahre 1830 stammt Monodelphis BurxeEtt für M. dorsigerens und brachyura. Da D. dorsigera L. der D. murina L. sehr ähnlich ist, diese aber 9 Jahre früher zur Gattung Marmosa gestellt - worden war, so muß der Name Monodelphis für D. brachyura gebraucht werden. — Lesson hat im Jahre 1842 in Nouv. Tableau Regne Animal. Mamm. 186—187 die Beutelratten in drei Gattungen getrennt. Er _ beschränkte die Gattung Didelphis auf die Arten marsupiahs, _ virginiana, azarae, quica, opossum, nudicaudata, philander und grisea und beschrieb zwei neue Gattungen: 'Peramys mit den Arten brachyurus, erassicaudata, trıistriata _ und pusilla und Micoureus mit den Arten: cinereus, dorsigeru, _ murinus, tricolor, lanıgera, elegans, Californicus und breviceps. Für D. brachyura und die ihr ähnliche D. tricolor ist bereits _ die Gattung Monodelphis vorhanden; D. californicus und breviceps - gehören zur Gattung Didelphis im engeren Sinne, D. murina und dorsigera sind unter dem Namen Marmosa abgetrennt worden. Es bleiben also vorläufig unter Peramys Less. die Arten crassicaudata ‚tristriata und pusilla, unter Micoureus die Arten cinereus, lanigera und elegans. Im Jahre 1843 ist von Gray in der List Spec. Mamm. Brit. Mus. XXIII, 101 für D. elegans der Gattungsname T’hylamys aut- gestellt worden. Es verbleiben demnach bei Micoureus nur die Arten cinereus und lanigera. Er Er 260 PaAuL MATScHIE. BURMEISTER hat im Jahre 1854 in seinem Werke: Syst. Übersicht T'hiere Brasiliens I. Säugethiere, 135—137 eine neue Einteilung der Beutelratten gegeben. Er beschränkte den Namen Didelphys auf die großen Beutelratten cancrivora und aurita der marsupialis- Gruppe, führte den Namen Metachirus für myosurus TEMMm., quica Temm., cinerea Tsmm. und incana Lux ein und den Namen Gry- maeomys für D. murına 1., agılıs Burm., pusilla Desm., tristriata Irn., brachyura SCHREB., und velutina Wan. Metachirus soll nur den Anfang des Schwanzes auf eine kurze Strecke dicht behaart haben. Diese Beschreibung stimmt für cinerea, paßt aber nicht auf D. lanıgera.. Deshalb muß aus Lesson’s Gattung Micoureus D. cinerea, die BURMEISTER zu Meta- chhrus stellt, ausgeschieden werden; es bleibt der. Name Micowreus Less. allein für D. lanigera übrig. Von Lesson’s Peramys gehören tristiata und pusilla zu Bur- MEISTER’S G’rymaeomys, der Name Peramys bleibt also für D. erassi- caudata bestehen, und der von Tmomas in Ann. Mag. Nat. Hist. (8) V, 1910, 247 aufgestellte Name ZLutreolina für D. erassicaudata muß zugunsten von Peramys verworfen werden. Im Jahre 1856 hat BurMmEISTER in Erläuterungen zur Fauna Brasiliens, 74—77 unter dem Namen Philander die Arten D. cayopollin und dichurus vereinigt. Philander ist aber von TiEpEmAnN in seiner Zoologie, I. 1808 126—428 schon in dem Sinne von Linx#’s Didelphis ge- braucht worden, darf also für eine Unterabteilung nicht mehr verwendet werden. Aus seiner Gattung Grymaeomys hat Bur- MEISTER damals die Arten: tristriata, tricolor, brachyura, velutina, domestica, unistriata und alboguttata unter dem Namen Mierodelphys (l. ec. ec. 83—87) ausgeschieden. Es bleiben also in der Gattung GFrymaeomys noch murina, agılis und pusilla, und in seiner Gattung Metachirus, nachdem er im Jahre 1856 D. incana und cimeren zu Grymaeomys gestellt hatte, nur die Arten D. myosurus und quica, zu denen er im Jahre 1856 noch D. opossum gestellt hat. Aus der Gattung Grymaeomys war früher schon D. murma unter dem Namen Marmosa ausgeschieden worden; demnach ver- bleibt der Name Grymaeomys für D. agilıs und pusilla. Da für D. tricolor und brachyura der Name Monodelphis besteht, so wird der Name Microdelphys auf D. tristiata, velutina, unistriata und alboguttata beschränkt, nachdem man auch D. do- mestica als zur brachyura-Gruppe gehörig, unter Monodelphis aus- geschieden hat. 4 Asagis s. Notagogus GLoGER (Hand- und Hilfsbuch der Natur- geschichte, I, 1841, 82) bezeichnet diejenigen Beutelratten, welche’ £ ke Fe Pr a ne ee 22 M 2 r wur Une ie Fe nn a nn ae " PR e Bemerkungen über die Gattung Didelphis L. 361 glatte, einfache Behaarung, aber keinen vollständigen Beutel haben, und ihre Jungen auf dem Rücken tragen. Die Aeneasratte, D. mu- rina, ist als Beispiel genannt. Für diese besteht aber schon der Name Marmosa Gray. Cuica Lisıs (Climats G&ol. Faune et Geogr. Botanique, Bresil 1871. 323—330) umfaßt die Arten, deren Beutel unvollständig ist und deren Haare von einer Art sind, ist also mit Asagıs gleichbedeutend. Gamba Lius (1. c. 322—330) ist für die Arten mit vollständigem Beutel und zweierlei Haar, für Chironectes, einige echte Didelphis, D. opossum und philander aufgestellt worden und kann deshalb unberücksichtigt bleiben, weil für alle diese Arten schon vor 1872 Untergattungsnamen vor- handen sind. Sarıgua Muirhead in Brewster’'s Edinburgh Encyclopaedia, 1819, XIII, 429 umfaßt denselben Begriff wie Didelphis L. | Hemiurus GERVAIS in Exp. CAstEenLnau dans l’Amerique du - Sud, 1855, I, 101—102 beruht auf D. hunteri Gerv. nec Waterh., einer brachyura ähnlichen Form, und bedeutet also dasselbe wie Monodelphis. Der Name Hemiurus ist überdies schon im Jahre 1809 für einen Trematoden durch Rudolphi vergeben worden. ! Unter den Arten von Monodelphis zeichnet sich sorex HExsEL durch geringe Größe, lange und spitze Schnauze und einen rötlichen Fleck über dem Auge aus; es’ empfiehlt sich deshalb, diese Art in - einer besonderen Gruppe, die man Monodelphiops nennen Könnte, abzusondern. i Im Jahre 1900 hat Auten in Bull. Am. Mus. Nat. Hist. New _ York, XIII, 189—190 für den von Tromas in seinem Catalogue of the Marsupialia. 1888, 318 in BurMmEISTErR'S Sinne verwendeten _ Namen Philander die Bezeichnung Caluromys vorgeschlagen; sie - umfaßt nur Arten, die entweder philander oder lanigera ähnlich sind. Da für die lanigera-Gruppe der Name Micoureus Geltung haben muß, so bleibt für die philander-Gruppe der Name Caluromys. Die Gattung Metachirus enthält bis jetzt D. myosurus, quica, _ einerea und incana. BURMEISTER hat selbst D. einerea und incana im Jahre 1856 aus der Metachirus-Gruppe entfernt und D. opossum _ dazugestellt. M. cinerea gehört zur Philander-Gruppe, die ‚später _ Caluromys genannt worden ist. 3 D. incana unterscheidet sich durch den schmalen Schädel, die schmalen, nach hinten spitz ausgezogenen Nasenbeine und das Fehlen jeder Spur von Postorbitalverbreiterungen von den Beutelratten er murina- und einerea-philander-Gruppe und bedarf der Abtrennung. F Für die incana-Gruppe, zu der D. fuscata, caucae, sobrina, impa- + :78 262 PAauL MATScHIE. vida, madescens, dorothew und scapwlata gehören, möge der Name Marmosops gebraucht werden. D. myosurus und qwica unterscheiden sich sehr Wesens D. myosurus hat nur wenige Millimeter der Schwanzwurzel dicht behaart, die Weibchen haben keinen entwickelten Beutel, der Schädel zeigt kaum Spuren von Postorbitalfortsätzen und die Füße sind um die Hälfte länger als die Schnauze bis zum Auge. Bei D. gqwica ist die Schwanzwurzel mindestens 5 mm weit behaart, die Weibchen haben einen Beutel, der Schädel hat deutliche Postorbitalfortsätze und die Füße sind nur wenige Millimeter länger als die Schnauze bis zum Auge. | Tromas hat in seinem Oatalogue auf Seite 329 als Typus von Metachirus D. nudicaudata, eine D. myosurus ähnliche Art vor- geschlagen. Die quica-Gruppe müßte abgetrennt werden; für sie möge der Name Metachirops gelten. Burmeıster’s Microdelphys umfaßt D. tristiata, velutina, unt- strıata und alboguttata. Von den drei anderen unterscheidet sich D. velutina durch das Fehlen der Streifenzeichnung, durch die schmalen, am hinteren Ende nicht verbreiterten Nasenbeine, die längeren Stirnbeine, welche viel länger als die Scheitelbeine sind, und den verhältnismäßig längeren Schwanz, der sehr viel länger als die Hälfte der übrigen Körperlänge ist. D. velutina gehört also nicht zu Microdelphys. Von sonstigen ähnlichen Arten kommen nur diejenigen der incana- und der elegans-Gruppe in Frage, also Marmosops und Thylamys. Zu Marmosops darf man velutina deshalb nicht stellen, weil die Nasenbeine nach hinten nur in eine kurze Spitze ausgezogen sind, die kaum über die Höhe des Vorderendes des Tränenbeines nach hinten reicht, weil die Sutura frontalis nur wenig länger. als die Sutura nasalis ist und die Sutura lambdoidea in der Mitte fast geradlinig verläuft. Bei Marmosops sind die Nasenbeine nach hinten zu einer langen Spitze ausgezogen und reichen weit über die Höhe des vorderen Randes des Tränenbeines nach hinten; die Sutura frontalis ist fast doppelt so lang wie die Sutura nasalis, und die Sutura = lambdoidea ist in der Mitte stark bogenförmig gekrümmt. Mit Thylamys hat velutina größere Ähnlichkeit. Allerdings hat elegans auffallend große Ohren, die länger als die Schnauze bis zum Ohr und auch länger als Hör Hinterfuß sind; der Schwanz ist viel länger als der übrige Körper, und der Rand des Ohres : Ri ir % r = AR. ya hr \ Di N =; a ”. a: + R7 f. f h zu N 3 % = ” iR Bi “ Er R i a ‚ 4 4 En 3 A # er a fe nl ee Bemerkungen über die Gattung Didelphis L. 263 hat neben der Incisura intertragica nicht einen solchen großen Lappen, wie er sich bei velutina findet. Da aber der Schädel von velutina demjenigen von elegans selır ähnlich ist, so möge D. velutina vorläufig zu Thylamys gestellt werden. Grymaeomys scapulatus BURMEISTER, Erläuterungen, 79 ist von BURMEISTER Mit cinerea und murina verglichen worden. Tuomas hat diese Art in seinem Catalogue of Marsupials vom Jahre 1888, 342 zu cınerea gestellt. Der Typus steht im Berliner Zoologischen Museum unter Nr. 2330 und ist von Herrn v. OLrers aus Minas Geraes eingesandt worden; der Schädel hat jetzt die Nr. 26000. Eine Abbildung des Schädels in drei Ansichten (Fig. 1 auf allen drei Tafeln) beweist, daß diese Art zur Untergattung Marmosops gehört und mit Caluromys nichts zu tun hat. Die Sutura nasalis ist viel länger als die Sutura frontalis und parietalis zusammengenommen, und die Nasenbeine sind hinten kaum breiter als vorn. Die Stirnbeine haben keinen vorspringenden Rand; die Sutura coronalis ist sehr stark gebogen; der Hinterrand des aufsteigenden Unterkieferastes ist ausgehöhlt; der Processus condyloideus springt weit über den Processus angularis vor, und der vorletzte Praemolar des Oberkiefers ist ungefähr so lang wie der letzte obere Praemolar, wenn man am Alveolenrande mißt. D. impavida Tscauvı (Fauna Peruana, 1844, 149, Taf. IX) ist im Berliner Museum unter Nr. 3375 durch ein aufgestelltes Tier vertreten, das aus den Sammlungen Tscauvr's stammt und dieselbe Stellung wie die Tafel IX zeigt. Vielleicht ist es der Typus dieser Art. Der Schädel, der unter Nr. 24771 aufbewahrt wird, hat alle Merkmale von Marmosa. Die Nasenbeine sind hinten etwas verbreitert, die Stirnbeine haben am freien Rande eine in der Mitte schwach vorspringende scharfe Kante. Die Sutura nasalis ist ungefähr so lang als die Sutura frontalis und parietalis zusammen- genommen; die Sutura coronalis ist sehr schwach gebogen; der Hinterrand des aufsteigenden Unterkieferastes verläuft fast gerad- linig; der Processus condyloideus springt nicht über den Processus - angularis vor, und der vorletzte Praemolar des Oberkiefers ist, an dem Alveolenrande gemessen, viel länger als der letzte obere Praemolar. Die Abbildungen (Fig. 2 auf allen drei Tafeln) beweisen die - Zugehörigkeit dieser Art zu Marmosa, wie es Tomas (l. c. 345) schon vermutet hat. D. dichura Narr. (WAGNER, Arch. f. Naturg. VIII, 1842, 358, - Burmeister, Erläut. Fauna Brasil. 1856, 76. Taf. XIII) beruht auf 264 PauL MATscHIk. einem jüngeren Tiere der ecinerea-Gruppe, wie die hier veröffentlichte Abbildung des Schädels Nr. 25306 des im Berliner Museum auf- bewahrten Typus Nr. 2329 auf Fig. 3 aller drei Tafeln zeigt. Die Nasenbeine sind hinten stark verbreitert; die Stirnbeine haben einen Processus orbitalis, und die oberen Molaren sind am Innenrande abgerundet. Der Typus von D. musculus Cab. (Schomburgk. Brit. Guiana, III, 1848, 778) wird im Berliner Museum unter Nr. 2331 aufbewahrt. Sein Schädel, Nr. 24797, der in Fig. 4 aller drei Tafeln dargestellt ist, zeigt die Merkmale eines jüngeren Tieres. Der letzte Backenzahn fehlt noch und der Lückenzahn ist noch nicht gewechselt. Der Schädel gehört zur Untergattung Marmosa. Marmosa dryas Tmos. von Culata, Merida, Venezuela (Ann. Mag. Nat. Hist. (7) I, 1898, 456) scheint zu Grymaemys zu gehören; sie hat die spitzwinklige Gestalt der Backenzähne wie bei dieser Untergattung. Dies zeigt die Abbildung des Schädels Nr. 24805, der zu dem Balge Nr. 24804 gehört, welchen BrıcEno auf den Bergen der Sierra in der Provinz Merida in Venezuela gesammelt hat. Vgl. Fig. 5 aller drei Tafeln. | Die Gattung Didelphis L. umfaßt nach dem heutigen Stande der Kenntnis 15 Untergattungen, nämlich Didelphis s. str., Meta- chırus Burm., Metachirops MıscH., Peramys Less., Micoureus Less., Caluromys Aunen, Marmosa GRAY, Grymaeomys Burm., Marmosops MrscH., Thylamys Gray, Dromiciops Taos., Glironia Tuos., Mono- delphis Burnxert, Monodelphiops MrscH. und Mierodelphys Burm. Von diesen hat Didelphis die weiteste Verbreitung, nämlich von Virginia im östlichen Nordamerika bis Paraguay und Nord- argentinien. Zu ihr treten in den heißen Teilen der Ost- und Westküste von Mexiko: Metachirops, Micoureus, Caluromys und Marmosa; von Panama nach Süden erscheinen dann neben ihnen noch Metachirus, Marmosops und Monodelphis, von Columbien an: Grymaeomys und Thylamys, in Guiana und dem Amazonas-Gebiet ferner: Peramys und Microdelphys. Glironia ist vorläufig nur aus den Quellgebieten der Amazonas-Zuflüsse in Peru und Bolivia be- kannt, Dromiciops nur aus Chile. | Nach Süden reicht Thylamys bis Chile, Didelphis, Peramys, 7 Micoureus, Grymaeomys und Monodelphis sind bis Paraguay ver- breitet; die übrigen dringen nicht über das Amazonas-Gebiet und 7 San Paulo nach Süden vor. | Bemerkungen über die Gattung Didelphis L. 265 Man kennt bis jetzt von keiner Gegend mehr als eine Form jeder Untergattung, nur aus der Nähe von Merida sind 2 Grymaeomys bekannt, marıca und dryas, deren Verbreitungsgebiete sich vielleicht dort berühren. Aus verschiedenen Teilen Brasiliens sind bis jetzt 9 Monodelphis und 6 Didelphis beschreiben worden, aus Columbia je 3 Marmosa und Micoureus, aus Ecuador je 3 Micoureus und Caluromys usw. Daraus darf man wohl schließen, daß die Verbreitungsgebiete der einzelnen Formen sehr beschränkt sind. Wahrscheinlich wird man im Laufe der Zeit noch eine große Menge anderer Formen be- schreiben müssen. Da jede Untergattung in jedem Teile ihres Verbreitungsge- bietes nur durch eine einzige Form vertreten ist, so genügt es, wenn man jede Form mit 2 Namen, dem Untergattungs- und dem Artnamen bezeichnet. Am artenreichsten ist das obere Amazonas-Becken, wo in Peru und Bolivia 12 Untergattungen nebeneinander vorkommen, also 12 Didelphis-Arten in jeder Gegend zu erwarten sind. Im übrigen Amazonas-Gebiete und in Guiana findet man 11 nebeneinander; in Minas Geraes sind nur 10 festgestellt worden, weil Metachirus von dort noch nicht bekannt geworden ist. Von Panama und San Paulo kennt man je 8, von Rio Grande do Sul 7, von Uruguay und Paraguay je 6, von Costarica und den heißen Ländern Mexikos - je 5, von Trinidad und Veracruz je 4, von Sinaloa in Mexiko, ® Argentinien und Chile je 2 und nur 1 von Nordamerika. R Aus diesen Tatsachen ergibt sich die Unwahrscheinlichkeit - derjenigen Annahmen, welche die Entstehung der heutigen Didelphis- - Arten entweder aus den in Argentinien oder den in Nordamerika - aus früheren Erdzeiten nachgewiesenen Formen herleiten wollen. Die größte Mannigfaltigkeit der Formen findet sich im Amazonas- Gebiete, aus dem Reste von fossilen Arten noch nicht bekannt sind. Nach Süden und Norden nimmt die Zahl der nebeneinander - vorkommenden Untergattungen wesentlich ab und ist heute sehr gering in den Gegenden, aus welchen die Mehrzahl der fossilen beschrieben worden ist. _ Für die Entwicklungslehre bietet die Gattung Didelphis keine Bestätigung. | Die Palaeontologen werden eine nützliche Arbeit leisten, wenn ‚sie die Reste der bisher beschriebenen fossilen Didelphis-Arten 8 genau mit den bis jetzt bekannten Untergattungen heute lebender - eutelratten vergleichen. Dann wird es sich ergeben, dab V vielleicht einzelne Arten zu denselben Untergattungen wie die 7 lebenden gehören, wodurch BRIBESIEIRRN. würde, daß diese früher 19 266 PAUL MATSCHIE, weiter verbreitet waren als jetzt; andere aber werden als Vertreter neuer Untergattungen, die Teilen von Nordamerika und Argentinien eigentümlich waren, festgestellt werden. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß im Süden und Norden noch je eine eigentümliche Didelphis-Welt vorhanden gewesen ist; denn außer dem Herde im Amazonas-Gebiet kennen wir ja schon. aus Chile eine sonst nirgend vertretene Untergattung Dromiciops. Die altweltlichen fossilen Didelphis haben mit den neuweltlichen wenig zu tun; sie sind als Gattung FPeratherium wegen ihres abweichenden Gebisses abgesondert worden. Alles in allem sind bis jetzt 164*) lebende Didelphis-Arten beschrieben worden, nämlich 29 Didelphis s. str, 7 Metachirus, 9 Metachvrops, 2 Peramys, 15 Micoureus, 23 Oaluromys, 24 Marmosa, 6 Grymaeomys, 11 Marmosops, 11 Thylamys, 2 Dromiciops, 1 @lironia, 18 Monodelphis, 1 Monodelphiops und 4 Microdelphys. Viele Arten sind nur nach Beschreibungen ohne unmittelbare Vergleichung in die Untergattungen eingereiht worden; manche werden vielleicht nicht richtig angesprochen worden sein. Immer- hin bietet die nachfolgende Zusammenstellung hoffentlich eine An- regung zu genauerer Untersuchung der bisher mangelhaft be- kannten Arten und zur Festlegung der Abänderungsweite aller einzelnen Untergattungen. Bei jeder Art ist der Fundort des Typus angegeben worden. Übersicht der Untergattungen von Didelphis. Schwanz fast so lang oder länger als der Kopf und Rumpf zusammen. Ohren sehr kurz, dicht behaart; Schwanz bis zur Spitze dicht behaart, Schwanzwurzel verdickt: Kopf und Rumpf länger als 15 cm; 5. Zehe kürzer als die 3 mittleren; Eckzähne lang: Peramys. Kopf und Rumpf kürzer als 15 cm; 4. Zehe länger als die 5., die so lang wie die 4. ist; Eckzähne kurz: Dromiciops. Ohren nackt: Schwanz bis zur Wurzel dicht behaart: Schwanz bis zur Spitze buschig: Glironia. Schwanz bis zur Spitze kurzhaarig; an der Wurzel ver- dickt: Thylamys. Schwanz nur an der Wurzel dicht behaart, sonst nackt oder - sehr spärlich behaart: *) Die Beschreibung einer von J. A. ALLEN im Bull. Am. Mus. New York (35) 83—87 neu benannten Art von Metachirus habe ich bisher nicht ver- gleichen können. 2 u e Pe Bemerkungen über die Gattung Didelphis L. 267 Längere Grannenhaare zwischen den weichen Haaren; Hinter- fuß bei erwachsenen Tieren über 9 cm lang: Didelphis. (Grannenhaare nicht länger als die übrigen Haare: Hinter- fuß kürzer als 8 cm. Uber jedem Auge ein heller Fleck; 5. Hinterzehe viel kürzer als die unter sich ziemlich gleichlangen drei mittleren Zehen: Haare mindestens an den Rumpfseiten wollig mit silbergrauen Spitzen; Schwanzwurzel 5 cm weit dicht behaart; Processus orbitalis des Frontale spitz vor- springend: Metachirops. Haare glatt ohne silbergraue Spitzen; Schwanzwurzel i höchstens 3 cm weit dicht behaart; kein deutlicher Processus orbitalis des Frontale: Metachirus. Kein heller Fleck über dem Auge; 5. Zehe ungefähr | ebenso lang wie die drei mittleren Zehen: d Schwanzwurzel mindestens 3 cm weit dicht und wollig behaart; Fell wollig: Schwanz fast zur Hälfte wollig behaart; Hinterfuß über 30 mm lang: Micoureus. Schwanz nur 4cm weit wollig behaart; Hinterfuß kürzer als 28 mm lang: Caluromys. Schwanzwurzel höchstens 2 cm lang dicht behaart; Fell glatt: 4. Zehe so lang wie die 3.; Hinterfuß mit 6 Ballen: Marmosops. 4. Zehe länger als die 3.; Hinterfuß mit 6 Ballen, 19—10 mm lang: & > es 52 REN? Kt, ERTARTE 2 ae Nr Zu. Marmosa. Hinterfuß mit 5 Ballen, höchstens 16 mm lang: $ Grymaeomys. Schwanz höchstens zwei Drittel so lang wie Kopf und Rumpf zusammen. Rücken gestreift: Miecrodelphys. Rücken nicht gestreift: | Hinterfuß länger als 14 mm: Monodelphis. Hinterfuß kürzer als 13 mm: Monodelphiops. Didelphis L. wirgimiana Kerr Virginia. _ Allinensis Lime. Illinois. pigra Banss Oak. —Lodge, Bravard Co. Florida. pilosissima Link ohne Fundortsangabe. texensis Auen. Brownsville Texas. 19* 268 PAUL MATSCHIR. --—- m | 2— m mm nn nn m calıfornica Benn. Nordmexico, nahe Californien. prurnosa Wacn. Mexico. breviceps Brenn. Sinaloa? tabascensis ALLEN. Teapa, Tabasco. Mexico. yucatanensis ALLEN. ÜChinchenitza. Yucatan. cogumelae MeErrram. Cozumel, Insel bei Yucatan. richmondi Auen. Greytown. Nicaragua. battyı Tmos. Coiba, Insel bei Panama. meridensis AuLLen. Merida. Venezuela. insularıs Auen. Caparo. Trinidad. colombica Auzen. Santa Marta. Columbia. caucae Auzzn. Cali am Cauca. Südwest-Columbia. andına Auuen. Loja. Ecuador. etensis ALven. Eten. Piura. Peru. pernigra ALten. Inca Minen. Piura. Peru. marsupialıs L. Surinam. Typus. cancrıvora Gm. Cayenne. aurıta Wırp. Villa Vicoza, Perahype. Brasilien. poecilotis Wacn. Cuyaba. Brasilien. leucoprymnus MrTscHh. Cabo Frio. Brasilien. albiwentris Lund. Lagoa Santa. Brasilien. koseritzi Inerıng. Norden von Rio Grande do Sul. lecheı Inerıng. Rio Grande do Sul. azarae Temm. Asuncion. Paraguay. Re en Di al ad ER SE DE 2ER ZEee Metachirops MrschH. pallidus Auen. Orizaba. Vera Cruz. Mexico. fuscogriseus Auen. Greytown? Nicaragua. grisescens ALLEN. Cauca. Columbia. melanurus Tmos. Paramba. Rio Mira. Ecuador. opossum L. Paramaribo. Surinam. canus Oscoond. Moyobamba. Peru. andersonv Oscoopd. Yurimaguas. Peru. quica Temm. Sapitiba bei Rio Janeiro. Brasilien. Typus. frenata Lent. Bahia. Brasilien. Metachirus Burn. | dentaneus GOLDMAN. Gatun. Panama. ‚ columbianus AuLnLen. Denamo. Santa Marta. Columbia. phaeurus Traos. St. Javier, Cachavi. Ecuador. tschudiı Aunen. Guayabamba. Peru. bolwwianus AuLzen. Chulumani. Yungas. Bolivia. myosurus TemMm. Brasilien ohne genaue Fundortsangabe. Typus. nudicaudatus GEOFFR. ‚Kayanna te . “uhl) Y Bemerkungen über die Gattung Didelphis L. 269 j Peramys Less. (Lutreolina Tuos.) crassicaudata Desm. Assuncion. Paraguay. Typus. turneri Grar. Demerara. Surinam. Micoureus Less. aztecus THos. S. Juan de la Punta. Vera Cruz. fervidus Tmos. Guatemala. centralis Horuıster. Talamanca. Costarica. pallidus Tuos. Bogava, Chiriqui. Panama. derbianus WATERH. Ohne genaue Fundortsangabe. nauticus Tuos. Gobernador, Insel westlich von Panama. pietus Tuos. Rio Apia, Cauca. Columbia. pyrrhus Tuos. Rio Oscuro. Cali. Cauca. Columbia. cicur Banss. Pueblo Viejo. Columbia. jwaro Tnmos. Sarajacu. Pastasa. Ecuador. senec T#os. Mindo. Quito. Ecuador. guayanus Tuos. Guayas, Balzar Berge. Ecuador. ornatus Tscaupı. Quellgebiet des Ucayali. Peru. ochropus Narr. Barra do Rio Negro. Brasilien. lanıger Desm. Caazapa, Asuncion. Paraguay. Typus. Caluromys ALLEN sinaloae Auuen. Sinaloa. Mexico. insularis Merrıam. Maria Madre Insel bei Mexico. cayopollin ScHREB. Südmexico. oaxacae MERRIAm. Oaxaca. Mexico. eanescens ALLEen. Tehuantepec. Mexico. gaumerti Oscoopd. Yaxcaba. Chichenitza. Yucatan. nicaraguae Tmos. Bluefields. Nicaragua. alstoni Auuzn. Tres Rios. Costarica. trinitatis Tmos. Princestown. Trinidad. leucura Taos. Maripa. Orinoco. Venezuela. venezuelae Tuos. Ypure. Cumana. Venezuela. regina THos. West Cundinamarca. Bogota. Columbia. simonsi Tmos. . Puna-Insel. Puna. Ecuador. germana Taos. Sarayacu. Ecuador. | waterhousei Tomzs. Gualaquiza. Azuay. Ecuador. musicola Osaood. Moyobamba. Peru. rapposa Tros. Vilcanota. Cuzco. Peru. demerarae Tuos. Comackka. Demerara. Guiana. philander L. Surinam. Typus. dichura Wacn. Ypanema. San Paulo. Brasilien. _ einerea Desm. Ostbrasilien. 370 PAUL MATSCHIE. constantiae Tmos. Chapada. Matto Grosso. Brasilien. affınıs Narr. Cuyaba. Matto Grosso. Brasilien. Marmosa GRAY. mexvcana Merrıam. Iuquila. Oaxaca. Mexico. mayensıs Oscoopd. Yzamal. Yucatan. - zeledonı GouLpMmAn. Navarro. Costarica. ruatanıca GoLpMAN. huatan Inseln bei Honduras. fulvwenter Banss. San Miguel, Insel bei Panama. isthmica GoLpMAn. Rio Indio. Gatun. Panama. chapmannı ALLEN = nesaea Tros. Caura. Trinidad. grenadae Tmos. Grenada. tobagı Tuos. Tobago. robınsonı Banas. Margarita-Insel.e Venezuela. casta Tuos. San Esteban. Carabobo. Venezuela. phaea Tmuos. San Pablo. Columbia. pallhdwentris Oscoopd. EI Guayabal. Cucuta. Columbia. mitıs Banss. Pueblo Viejo. Columbia. polıta CABRERA. Mündung des Coca in den Napo. Ecuador. vwmpavida Tscaupı. Quellgebiete des Ucayali. Peru. neglecta Oscoop. Yurimaguas. Peru. /epıda Tros. Santa Cruz. Huallagas. Peru. quichua Tuos. Ocabamba. Cuzco. Peru. musculus Cap. Arrai. Pomeroon. Gruiana. murına L. Surinam. Typus. maderrensis OAaBR. (macrotarsus Narr.) Unterer Rio Madeira. Brasilien. parata Tuos. Igarape--Assu. Para. Brasilien. macrotarsus Natt. Ypanema. San Paulo. Brasilien. Grymaeomys BURMEISTER. marıca Tuos. Rio Abbaregas. Merida. Venezuela. dryas Tmos. Culata. Merida. Venezuela. beatrıx Tuos. Ipu. Ceara. Brasilien. emihae Tuos. Para. Brasilien. agılıs Burm. Lagoa Santa. Brasilien. . pusılla Desm. Asuncion. Paraguay. Typus. Marmosops Mrsca. invicta GOLDMAN. Uana. Ost-Panama. fuscata Tuos. Rio Abbaregas. Merida. Venezuela klagesı Auen. El Llagual. Venezuela. caucae THos. Rio Cauqueta. Cali. Columbia. sobrina Tros. Mindo. Quito. Eeuador. 14 . Bemerkungen über die Gattung Didelphis L. 271 noctwaga Tschupı. Quellgebiet des Ucayali. Peru. madescens Osaoopd. Tambo Ventija. Molinopampa. Peru. dorothea Taos. Rio Solocami. Bolivia. chloe Tuos. Georgetown. Demerara. Guiana. ıincana Lunp. Lagoa Santa. Brasilien. Typus. scapulata Burm. Porto Alegre. Minas Geraes. Brasilien. Thylamys GRAY. carrı Auten, Chapman. Trinidad. keaysvi Auven. Juliaca. Peru. venusta Tmos. Surco. Lima. Peru. pallidior Taos. Challapata. Bolivia. purui MıwLer. Hyntanaham. Purus. Brasilien. velutina Wacn. San Paulo. Brasilien. grisea Desm. (marmota Oxen). Asuncion. Paraguay. citella Taos. Goya. Corrientes. Argentinien. cinderella Tuos. Tucuman. Argentinien. australis Psıvıper, Llanquihua. Valdivia. Chile. elegans WATERH. Valparaiso. Chile. Typus. Dromiciops Tos. gliroides Tmos. Huite, Chiloe Insel. Chile. Typus. sorteina Paızuıppı. Valdivia. Chile. Glironia Tuos. venusta Tros. Pozuzu. Peru. Typus. Monodelphis BURNETT. melanops GoLDman. Cana. Ost— Panama. dorsalis AuLnLen. Ciudad Bolivar. Venezuela. orınocı Tuos.: Caicara. Orinoco. Venezuela. palliolatus Oscoopd. San Juan de Colon. Tachira. Venezuela. adustus Tmos. Cundinamarca. Columbia. perwvianus Oscood. Moyobamba. Peru. brevicaudatus ERxL. — brachyurus SchreB. Surinam. Typus. touan BEcHSsT. — tricolor GEOFFR. Cayenne. glirina Wasn. Cachoeira de Pau. Rio Marmori. Brasilien. emiliae Tumors. Boim. Rio Tapajoz. Brasilien. concolor Gerv. Goyaz. Brasilien. ‚rubidus Tmos. Bahia. Brasilien. henseli Tuos. Taquara. Rio Grande do Sul. Brasilien. lundi Mrısca. nov. nom. für D. trieolor Lunp, Danske Vid. Sels. naturv. Abh. IX 1842, 135, VIII, 1841, 236. Lagoa Santa. Brasilien. scalops Tmos. Brasilien, ohne genaue Fundortsangabe. 2723 PAUL MATSCHIE., domestica Narr. Cuyaba. Brasilien. dimidiata Wan. Maldonado. Uruguay. wagneri MrscH. nov. nom. für D. brachyura Wan. (Azara’s Micour6 a queue courte). Die Säugthiere. Leipzig. 1855, 252. Paraguay. Monodelphiops MrscH. sorex HrnseL. Rio Grande do Sul. Typus. Microdelphys BURMEISTER. americana Müur. = tristriata Il. Brasilien. Typus. alboguttatus Burm. Brasilien (Aus dem Museum in Rio Janeiro). umistriata Wan. Ytarare. Brasilien. iheringı Tros. Taquara. Rio Grande do Sul. Brasilien. Erklärung der Tafeln. l. Grymaeomys scapulatus BURM, Nr. 2330. Schädel Nr. 26000. Minas Geraes, v. OLFERS coll. 2. Didelphys impavida TsCHUDI. Nr.3375. Schädel Nr. 24771. Peru. TSCHUDI soll 3. Didelphys dichura NATT. Nr. 2329. Schädel Nr. 25806. Bahia. KÜHne coll. 4. Didelphys musculus OAB. Nr. 2331. Schädel Nr. 24797. Arrai. Pomeroon, Guiana. SCHOMBURGK coll. | 5. Marmosa dryas THos. Nr. 24804. Schädel Nr. 24805. Montes de la Sierra. Merida. Venezuela. BRICENO coll. Capreolus zedlitzi spec. nov. und andere europäische Arten des Behes. Von Pıusn MATSCHIE. Mit 19 Abbildungen. Bis zum Jahre 1907 sind nur zwei Arten heute lebender Rehe aus Europa unterschieden worden: Cervus capreolus L. und C. pygargus PALL. | Lınx& beschreibt in Systema Naturae I ed. X. 1758, 68 das Reh folgendermaßen: | Cervus Capreolus. C. cornibus ramosis teretibus erectis: summitate bifida. Faun. suec. 41. Syst. nat 13. n. 6. Capra, Capreolus, Dorcas. Gesn.quadr. 64. Jonst. quadr. 33 1.33. Caprea plimii, Capreolus. Aldr. bisulc. 738. Raj. quadr. 89. Habitat in Europa, Asia. In der Fauna Suecica. 1746. 14—15 findet sich dieselbe Be- schreibung ohne die Worte: „summitate bifida“, die Hinweise sind in anderer Reihenfolge gegeben, und außer ihnen ist noch „Charl. onom. 9. Dorcas“ und bei Jonston Capreolus marinus. t. 33 Capriolus Capreolus zedlitzi spec. nov. und andere europäische Arten des Rehes. 973 erwähnt worden. Ferner finden sich die Angaben: Suecis Rädiur. Habitat in sylvis rarior hodie, quam olim. Man muß also Cervus capreolus auf ein Reh aus Schweden beziehen. Möglicherweise sind aber die schwedischen Rehe nicht in allen Teilen ihres Verbreitungsgebietes gleichartig; vielleicht wird es sich einmal herausstellen, daß die Rehe von Blekinga und Laland in manchen Merkmalen von denen von Skäne sich unterscheiden. Wer die. Abbildungen in Das Weidwerk in Wort und Bild, X, 1901, 153, Fig. 35, l. c. XII, 1903, 167, Fig. 39 und l. e. XV, 1906, 225, Fig. 30 miteinander vergleicht, wird erkennen, daß die Rehkrone von Bjersjöladugard in Malmöhus, Skäne gegenüber den bei Skeen in Laland erlegten durch die stark nach innen gebogenen Vordersprossen und die weit voneinander stehenden Rosenstöcke abweicht. Deshalb ist es heute schon zweckmäßig, den Lixw&’schen Namen auf eine bestimmte Form zu beschränken. Cervus capreolus L. in engerem Sinne soll das Reh von Südwest-Skäne heißen, dessen Kennzeichen übereinstimmen mit denjenigen des Schädels Nr. 26119 im Berliner Zoologischen Museum, bei Snogeholm in der Nähe von Söfdeborg in Malmöhus, Skäne von Herrn Max PrAGER gesammelt und als Geschenk dargeboten. Dieser Schädel gehört einem Bocke an, der im 15. Monat stand; der letzte Backenzahn ist an den Seiten noch fast bis zur Krone weiß. Das Geweih hat 6 Enden, von denen die Vorder- und Hintersprossen nur sehr kurz sind, aber doch alle wesentlichen Merkmale zeigen. Weiter unten werden die Kennzeichen dieser Art beschrieben werden. Be Die zweite Form des Rehes hat Pauras in seiner Reise durch die verschiedenen Provinzen des Russischen Reiches. 1771, 97 und 453 beschrieben. Er nannte sie Üervus pygargus; sie stammt von Bakaika am Sok, einem Nebenflusse der Wolga, hart nördlich von - Samara. Auf der Seite 198 wird dieses Reh für die Gegend zwischen Alexjejewsk und Borsk an der Samara erwähnt. In den Veröffent- - lichungen des Instituts für Jagdkunde, Neudamm, II. 1913, Heft 4, 150, Fig. 61, ist die an zweiter Stelle von oben abgebildete, von Herrn Fritz Buey in der Nähe von Krasnobor gesammelte Reh- _ krone der von Parras mitgeteilten, in Schrebers Säugethiere, Tafel - CCLII, abgebildeten sehr ähnlich. In St. Hubertus, 30. Jahrgang, Nr. 35 vom 30. August 1912, 546, Fig. 5, ist sie noch einmal dar- gestellt worden. (ervus pygargus ist also eine im östlichen Rußland lebende _ Art. Aus Sibirien und dem mittleren Asien hat man bis jetzt 274 PAUL MATSCHIE. noch keine Rehkrone mit den für pygargus bezeichnenden Merk- malen finden können. In der später folgenden Zusammenstellung werden diese Merk- male angegeben werden. Im Jahre 1907 habe ich in Das Weidwerk in Wort und Bild, XVI, 224, Fig. 49—50 von Bana auf der rumänischen Seite der transsylvanischen Alpen eine neue Form unter dem Namen Capreolus capreolus transsylvanıcus beschrieben und abgebildet. Auf die Bezeichnung mit drei Namen kann deswegen verzichtet werden, weil die Untergattung Capreolus in jedem Teile ihres Verbreitungsgebietes nur durch je eine Art vertreten ist und nirgendwo, außer an den Grenzen der Verbreitungsbezirke zweier Formen oder in den nach der Eiszeit neu besiedelten Gegenden, in die zwei Arten von verschiedenen Seiten her eingedrungen sind, zwei Formen nebeneinander leben. Überdies besitzen alle bisher beschriebenen scharf ausgeprägte Unterschiede und gehen nicht durch Übergänge ineinander über. GERRIT MILGER hat in seinem Catalogue of the Mammals of Western Europe, London, 1912, 972, vier Rehe aus dem Padola- Tale in Cadore, Nordost-Italien zu transsylvanicus gestellt. Ver- mutlich ist diese Annahme unrichtig; denn es ist wenig wahrscheinlich, dab Rehe aus dem südlichen Teile der Alpenkette dieselben Kenn- zeichen wie nördlich von der Donau haben. MitrLer behandelt außer capreolus und transsylvanicus noch zwei Formen: ©. capreolus thotti Lönngere (Ann. Mag. Nat. Hist. (8) VI, 1910, 297) von Morayshire in Schottland und C. capreolus canus MILLER (l. ec. (8) VI, 1910, 460) aus der Nähe von Burgos in Spanien. Drei andere, die vor dem Jahre 1912 beschrieben worden sind, erwähnt er nicht: Capreolus capreolus balticus MarscHır, Das Weidwerk in Wort und Bild XIX, 1910, 263, l. c. XVII, 1908, 196 Fig. 18; 207 Fig. 33, später beschränkt auf Fig. 42—43 in Deutsche Jäger-Zeitung, Band 58, 802 von Wichertshof in Ostpreußen; Copreolus capreolus albieus MATSCHIE, 1. c. 263, l. c. XVII, 1908, 191, Fig. 12 und 207, Fig. 36 aus Jesziorki in Posen und Capreolus capreolus rhenanus MATSCHIE, 1. c. 263, 1. c. XVII, 1908, 204, Fig. 28 und 207, Fig. 34*) von Aufach im Oberelsab. Später sind noch folgende Formen beschrieben worden: Oapreolus er warthae MATSORIE, Deutsche Jäger-Zeitung, Band 58, % Bier. sind die Unterschriften der Fig. 84 und 35 miteinander Verka Was als rhenanus in Veröffentlichungen des Instituts für Jagdkunde Band I, 1913, 138, Fig. 38 und 39 und 141 angesprochen worden ist, gehört nicht hier her, oa zu einer neuen noch zu beschreibenden Art. “ a: 4 & 3 & “ in un a NEE ne Capreolus zedlitzi spec. nov. und andere europäische Arten des Rehes. 975 1912, 801, Fig. 60 und 61 von Dombrowa, unweit der oberschlesischen Grenze in. Polen; Cervus (Capreolus) capreolus eistaumicus MATSCHLE, Veröffentlichungen des Instituts für Jagdkunde, Neudamm, Band II, 1913, 139 Fig. 40 und 41 von Dünnwald in der Rheinprovinz und Cervus (Capreolus) capreolus transvosagicus MATScHIE, 1. c. 139, Fig. 42 und 43 von Staufen in den Vogesen. Ehe auf die Unterschiede dieser Formen, die hier mit je zwei Namen bezeichnet werden mögen, eingegangen wird, sollen der Kürze halber einige besondere Bezeichnungen eingeführt werden. Der zwischen dem Rosenstock und der Vordersprosse gelegene Teil der Stange möge „Stamm“ heißen und der zwischen der Vorder- und Hintersprosse gelegene „Mittelstange“. Um die Richtung des Stammes, der Mittelstange und der Spitze in ihrem Verhältnis zur Augenhöhle oder zu einer durch die untere Fläche der Rose gedachten Ebene festzulegen, legen wir durch diese Teile die Seelenachsen und beobachten die Punkte, wo diese die Ebene oder die Augenhöhle treffen. Dabei soll „Stamm schneidet - Auge“ kurz bedeuten, daß die durch den zwischen dem Rosenstock und der Vordersprosse befindlichen Teil der Stange gelegte Seelen- achse in ihrer Verlängerung nach unten ungefähr die Mitte der Augenhöhle durchschneiden würde. In ähnlicher Weise würden die Ausdrücke „Mittelstange schneidet Hinterrand der Rose“, „Spitze weit hinter Rose“ usw. zu erklären sein. Bei der seitlichen Betrachtung wird die Stange so gehalten, daß die Wurzel der Vorder- und Hintersprosse ungefähr in einer senkrechten Ebene liegen. Die bisher aus Europa beschriebenen Arten von Üapreolus unterscheiden sich in der Geweihbildung folgendermaßen: Capreolus capreolus L. Snogeholm bei Söfdeborg, Skäne, Schweden. Vordersprosse stark gekrümmt, von der Wurzel an einwärts gerichtet; Hintersprosse stark nach innen; Spitze stark einwärts gebogen; Stamm schneidet Auge; Mittelstange weit vor der Rose; Spitze hinter der Rose. Winkel zwischen dem Stamm und der Mittelstange: 144°. Capreolus pygargus Pazu. Bakaika am Sok, Gouv. Samara, Rußland. Vordersprosse stark gekrümmt, von der Wurzel an einwärts gerichtet; Hintersprosse nach hinten, wenig einwärts gerichtet; Spitze nur etwas einwärts gebogen; Stamm durch den Hinterrand des Auges; Mittelstange dicht an der Rose; Spitze dicht vor der Rose. Stangenwinkel: 156°. 276 PAUL MATSCHIE. Capreolus transsylvamıcus Mrsch. Bana. Transsylvanische Alpen. Rumänien. ur he Anl teren HoF Di. > La Feen a Fa ee A N Bee I I Pen, Z \ Mılzm 4 ans hund Ati kälfı 4 y Adam A #4 57 Kuhn “ . Fig. 1. Seitenansicht. [Aus „Das Weidwerk in Wort und Bild“ 16. Bd. 1907 Nr. 12 Seite 224 Fig. 49 und 50 mit (Genehmigung der Verlagsbuchhandlung von | J. NEUMANN in Neudamm entnommen.] Fig. 2. Vorderansicht. Von Herrn FREIHERR VON HAMMERSTEIN-GESMOLD in der Wildbahn Seiner Königlichen Hoheit des Prinzthronfolgers FERDINAND VON RUMÄNIEN, PRINZEN VON HOHENZOLLERN bei Bana in den Transsylvanischen Alpen am 23. Oktober 1906 erbeutet. 0 Vordersprosse stark gekrümmt, aber nach oben gerichtet, Hinter- sprosse nach hinten und etwas nach außen gewendet; Spitze gerade; Stamm schneidet Auge; Mittelstange weit vor der Rose; Spitze schneidet Hinterrand der Rose. Stangenwinkel: 144°. % VAREL Er FRE ER w ”, > pr RL er . u” - - 2 Be: ji Capreolus zedlitzi spec. nov. und andere europäische Arten des Rehes. 277 Capreolus balticus MrscH. Be Fig. 3. Seitenansicht. Fig. 4. Vorderansicht. _ [Aus „Deutsche Jäger-Zeitung“ 58. Bd. 1912 Nr. 49 Seite 773 mit Genehmigung der Verlagsbuchhandlung von J. NEUMANN in Neudamm entnommen.] E: a Von Herrn Oberförster PFLANZ in der Königlichen Oberförsterei Wichertshof in Ost- Preußen am 1. Juni 1911 erbeutet. Größte Stangenlänge geradlinig gemessen: 27,7 em. Capreolus balticus Mrsca., in Deutsche Jäger-Zeitung, Band 58, 809, Fig. 42 —43, beschränkt auf eine Rehkrone aus der Oberförster ei - Wichertshof zwischen Allenstein und Heilsberg in Ostpreußen*). Vordersprosse stark gekrümmt, aber nach oben und vorn ge- bogen; Hintersprosse ziemlich stark einwärts gewendet; Spitze fast gerade; Stamm schneidet den Hinterrand des Auges; Mittelstange weit vor der Rose; Spitze schneidet die Rose nahe der Mitte. Stangenwinkel: 144°. *) Die in Fig. 33, Seite 207, Weidwerk XVII, 1908 wiedergegebene Abbildung stellt eine Rehkrone derselben Art dar. Die in Deutsche Jäger- Zeitung Band 58, 1912, 802 geäußerte abweichende Ansicht ist falsch und durch Fehler der Photographie verursacht. 275 PAUL MATSCHIE. Capreolus albicus M'rscHh. Jesziorki bei Lissa in Posen. Fig. 5. Seitenansicht. Fig. 6. Vorderansicht. [Aus „Das Weidwerk in Wort und Bild“ 17. Bd. 1908 Nr. 12 Seite 191 Fig. 12 und Seite 207 Fig. 36 mit Genehmigung der Verlagsbuchhandlung von J. NEUMANN in Neudamm entnommen.] Von Herrn Oberleutnant von TROTHA in der Wildbahn des Herrn Ritterguts- besitzers HASCHE bei Jesziorki in der Nähe von Lissa in Posen am 16. Mai 1907 erlegt. Vordersprosse gerade, nach oben und vorn gerichtet; Hinter- sprosse nach hinten; Spitze gerade; Stamm schneidet den Hinter- rand des Auges; Mittelstange dicht am Vorderrande der Rose; Spitze weit hinter der Rose. Stangenwinkel: 156°. I ui Von er 5 z R Br EEge Capreolus zedlitzi spec. nov. und andere europäische Arten des Rehes. 279 Capreolus warthae Mrsch. Dombrowa östlich von Beuthen. Polen. j Fig. 7. Seitenansicht. Fig. 8. Vorderansicht. [Aus „Deutsche Jäger-Zeitung“ 58. Bd. 1912 Nr. 51 Seite 801 mit Genehmigung der Verlagsbuchhandlung von J. NEUMANN in Neudamm entnommen.) Von Herrn CARL VON SCHEIBLER in seiner Wildbahn bei Dombrowa östlich we Be Pr D ji von Beuthen in Polen am 10. August 1911 erbeutet. R) gi 3 E- Vordersprosse gerade, nach oben- und vorn gerichtet; Hinter- - sprosse nach hinten, wenig einwärts gewendet; Spitze nach innen gebogen; Stamm schneidet das Auge; Mittelstange weit vor der Rose; Spitze schneidet die Rose nahe dem Hinterrande. Stangen- winkel: 144°, 280 PAUL MATSCHIE. Capreolus eistaunicus Mrsch. Dünnwald nördlich von Cöln, Rheinland. Fig. 9. Seitenansicht. Fig. 10. Vorderansicht. [Aus „Veröffentliehungen des Instituts für Jagdkunde, Neudamm“, 2. Bd. 1913 Heft 4 Seite 139 Fig. 40 und 41 mit Genehmigung der Verlagsbuchhandlung von J. NEUMANN in Neudamm entnommen.] Von Herrn FREIHERR VON DIERGARDT in seiner Wildbahn bei Dünnwald nördlich von Cöln a. Rh. am 17. Mai 1912 erbeutet. Vordersprosse nur schwach gebogen, nach oben und vorn ge- richtet; Hintersprosse nach hinten, sehr wenig einwärts gewendet; Spitze gerade; Stamm schneidet das Auge; Mittelstange dicht vor der Rose; Spitze schneidet gerade noch den Hinterrand der Rose. Stangenwinkel: 156°. Capreolus zedlitzi spec. nov. und andere europälsche Ar ten des Rehes. 281 Capreolus transvosagicus MrscHh. Staufen, Vogesen, Elsaß. Fig. 11. Seitenansicht. Fig. 12. Vorderansicht. [Aus „Veröffentlichungen des Instituts für Jagdkunde, Neudamm“, 2. Bd. 1913 £ Heft 4 Seite 139 Fig. 42 und 43 mit Genehmigung der Verlagsbuchhandlung B, von J. NEUMANN in Neudamm, entnommen.] Von Herrn Major NEUMANN in der Wildbahn der J agdvereinigung des Dragoner- giments Nr. 14 und des Jäger-Bataillons Nr. 14 bei Staufen in den Vogesen am 29. Juni 1912 erbeutet. Vordersprosse gerade, nur mit der Spitze schwach einwärts gebogen; Hintersprosse stark einwärts gerichtet; Spitze stark ein- wärts gekrümmt; Stamm schneidet das Auge; Mittelstange dicht der Rose; Spitze schneidet die Rose. Stangenwinkel: 156°. 20 989 PAUL MATSCHIE: Fig. 13. Seitenansicht. | Fig. 14. Vorderansicht. [Aus „Das Weidwerk in Wort und Bild“ 17. Bd. 1908 Nr. 12 Seite 204 Fig. 28 und Seite 207 Fig. 34 mit Genehmigung der Verlagsbuchhandlung von J. NEUMANN in Neudamm entnommen.] Von Herrn ARMAND SCHILLING in seiner Wildbahn bei Rufach in den Hoch- vogesen am 25. Juli 1907 erbeutet. Größte Stangenhöhe: 25,2 cm; weiteste Auslage: 9,2 em; Breite der Rosen: 4,3 em + 4,2 em; äußerer Abstand der Rosenstöcke: 5,8 em. 8 Vordersprosse gekrümmt, nach vorn und oben gerichtet; Hintersprosse nicht einwärts gewendet; Spitze gerade; Stamm schneidet das Auge; Mittelstange weit vor der Rose; Spitze schneidet den Hinterrand der Rose nicht. Stangenwinkel: 144°. S Capreolus zedlitzi spec. nov. und andere europäische Arten des Rehes. 283 Capreolus canus Miuzer. ‚Quintanar de la Sierra. Burgos. Spanien. [Geweih nicht beschrieben oder abgebildet.] Capreolus thotti Lönxs. Arndilly, Craig Ellachie, Morayshire, Schottland. [Geweih nicht beschrieben oder abgebildet. ] Über Unterschiede in der Färbung und Zeichnung ist folgendes bekannt: Capreolus capreolus L. Winterkleid: Decke aschgrau mit gelbbraunen oder gelbgrauen _Haarspitzen. Über die Nase und Oberlippe durch den Mundwinkel bis zur Unterlippe ein schwarzer Strich. Unterkiefer sonst weiß. Ohrrand schwärzlich. Kehle weißgrau. Bauch schmutzig weißgelb. Läufe braungelb. Steiß mit scharf abgesetztem weißen Fleck. |Nach Nilsson. Skandinavisk Fauna. 1847, 520.| Sommerkleid: Rotbräunlich, nach unten zu, an den unteren Teilen der Läufe, an den Kopfseiten, über und hinter den Augen ‚gelbbräunlich. [Nach Lilljeborg. Sveriges och Norges Ryggradsdjur. I. 1874, 806.) Capreolus pygargus PALL. Winterkleid: Grau mit braunen Haarspitzen. Seiten und Beine gelblicher. Läufe gelblichrot. Bauch weiß. Brust graulichweiß.. Steiß mit großem weißen Fleck, der auf den Rücken übergreift. Kopf oben graulich, dunkelbraun überlaufen, an den Seiten gelblich, mit einem halbmondförmigen rotgelben Fleck über den Augen. Umfang der Nase und die Seiten der Unterlippe schwärzlich. Die Spitze des Kinns weiß. 2 Sommerkleid: Rötlichbraun, am Kopf und Hals blaßer. Unter- seite und Innenseite der Beine weiß. Gegend um die Nase und len Mund dunkelbraun, Spitzen der Lippen weiß. [Nach Schrebers jäugethiere V, 1836, 1120—1121.] Oapreolus transsylvanıcus MrscH. _ Winterkleid: Auf der Oberlippe ein sehr kleiner weißer Fleck. nterippe nur am vorderen Teil hell, nur der vorderste Teil des inns hell. Neben dem Auge keine helle Zeichnung. Eine breite e Binde über die Kehle bis zum Kinnwinkel. Eine noch breitere E liche Binde auf dem Vorderhalse. (Der Typus war ein Kopf 2 dem Geweih.) Bi" 90% 284 PAUL MATSCHIE. Über die Färbung der Arten, die aus Polen und Deutschland beschrieben worden sind, liegen bis jetzt keine genauen Angaben vor. Capreolus canus MILLER. Der helle Kehlfleck ist im Winterkleide nur angedeutet. Das | graue Winterkleid hat keinen entschieden gelblichen Ton. Capreolus thotti LöNnne. Dunkler als andere Arten. Gesicht dunkler als der Rumpf. Herr Rittmeister O. GRAF ZEDLITZ-TRÜTZSCHLER hat dem Berliner Zoologischen Museum 13 Felle und Schädel von Rehen aus dem westlichen Rußland zum Geschenk gemacht und 4 weitere Schädel zur Untersuchung anvertraut. Sie sind Östlich und süd- östlich von Slonim im nördlichen Teile des Gouvernements Grodno im Gebiete der mittleren Schtschara, eines Nebenflusses des Njemen, erlegt worden, und zwar 3—15 km von Slonim entfernt. Außerdem liegen zur Vergleichung vor 3 Felle von Rehen, die Herr Korpshygieniker Dr. Bürgers bei Hutka Michailowka, 14 km östlich von Slonim erbeutet und dem Museum geschenkt hat. Ferner haben wesentlichen Nutzen für die Bestimmung der Art 5 Umrisse von Rehstangen geleistet, die Herr GRAF ZEDLITZ- TRÜTZSCHLFR gütigst zur Verfügung gestellt hat. .‘ 6 Schädel tragen Geweile, 5 haben abgeworfen, 6 gehören Ricken an. # Das an der mittleren Schtschara lebende Reh zeichnet sich durch seine beträchtliche Größe aus. Die erwachsenen Böcke sind von den Nasenlöchern bis zur Schwanzwurzel gemessen 118—126 cm lang, ihr Hinterfuß hat eine Länge von 36—37 cm einschließlich des Hufes, das Ohr ist von der Incisura zur Spitze 9,5—10 cm lang. Die erwachsenen Ricken haben eine Länge von 107—113 cm, ihr Hinterfuß von 35—38 cm, ihr Ohr von 9,5--10,5 em. = Die größte Schädellänge beträgt bei beiden Geschlechtern 19,6—20,9 cm, die größte Schädelbreite an der Orbita 8,5—9,1 em. 7 Die Schädel unter 20 cm Länge gehören Kümmerlingen an. Die Alveolarlänge der oberen Molarenreihe beträgt 53,5-—61,9 mm, die größte Breite des letzten oberen Molaren ist 11,3—13,9 mm, seine Höhe über dem Alveolenrande 8,2—10,8 mm. Die größte lichte Weite der Choanen beträgt 15,5—20 mm. Der Unterkiefer ist an dem aufsteigenden Aste 85— 99 mm hoch, am hinteren Ende des ersten Praemolaren 15,6—20,7 mm, bei zweijährigen Stücken über 16 mm. TIERE TE Bu u 0 Capreolus zedlitzi spec. nov. und andere europäische Arten des Rehes. 285 Die Gesichtslänge vom Gnathion zur Orbita beträgt 100.5 bis 106,3 mm. | Das Geweih zeigt folgende Eigentümlichkeiten: ii ba Zu Capreolus zedlitzi MTScH. Fig. 15. Seitenansicht. Fig. 16. Vorderansicht. Von Herrn Rittmeister OÖ. GRAF ZEDLITZ-TRÜTZSCHLER bei Slonim in West- E rußland am 26. Mai 1916 erlegt. _ Vordersprosse gerade, nach oben und wenig einwärts gerichtet; Hintersprosse ‚nach hinten; Spitze gerade; Stamm schneidet den Hinterrand des Auges; Mittel- "stange weit vor der Rose; Spitze schneidet die Rose nicht; Stangenwinkel 144°. _ —, Die Vordersprosse ist gerade, nach oben und einwärts gerichtet ‚und zeigt sich, von vorn gesehen, auf der inneren Seite der Stange. Die Hintersprosse ist nach hinten gewendet und nur sehr wenig gebogen. Die Spitze ist gerade. Der Stamm schneidet den Hinter- 286 PAUL MATSCHIE. ZZ, ——,=ö$R@ÖöÖöö@ ee — u En nn me 0 — 3 en rand der Augenhöhle. Die Mittelstange verläuft in der Verlängerung weit vor der Rose. Die Spitzenachse trifft in der Verlängerung die Rose nicht und verläuft weit davon. Capreolus zedlitzi MTSCH. Fig. 17. Seitenansicht. Fig. 18. Vorderansicht. Bei zwei Geweihen ist je eine Stange an der Spitze schwach einwärts gebogen *). *) Diese Einwärtsbiegung der Stangenspitze, die das in Fig. 18 abgebildete Geweih zeigt, ist durch eine Verletzung des Bastkolbens während der Entwicklung hervorgerufen. Man sieht auf dem Bilde an der Innenseite der rechten Stange dicht über der Rose eine hervortretende Wulst, welche die Überwallung der damals entstandenen Wunde darstellt. In dem anderen Falle sieht man auf der Gabelwurzel über der Hintersprosse ein ziemlich tiefes Loch, also die Wirkung einer äußeren Beeinflussung der Spitzenriehtung. | Br Capreolus zedlitzi spec. nov. und andere europäische Arten des Rehes. 287 Diese Geweihe sind in der Spitzenbiegung nur mit albieus zu vergleichen, unterscheiden sich aber durch den Stangenwinkel von 144°, der sich dadurch ausdrückt, daß die Verlängerung der Spitzen- _ achse nach unten weit hinter der Rose verläuft, und ferner dadurch, - daß die Vordersprossen einwärts von der Stange gebogen sind. Unter den Arten mit dem Stangenwinkel von 144° hat nur capreolus die aus der Richtung der Mittelstange stark heraus- gebogene Spitze, unterscheidet sich aber durch die stark nach _ innen gekrümmte Vordersprosse und Spitze und dadurch, daß die Stammachse in der Richtung des Querdurchmessers des Auges verläuft. In Fig. 17 und 18 ist noch ein Schädel dieser Art dargestellt. Als Typus gilt Nr. 21296/21297. i Das Sommerkleid ist auf dem Rücken und den Rumpfseiten - föhrenholzbraun, der Tafel 310, 2—3 des R£pertoire de Couleurs von - R. OBerteür und H. Davruenay entsprechend. Die Unterseite ist - maisgelb (Taf. 36, 1—3), aber mit einem Schein von sehr hellem - Föhrenholzbraun. Die Farbe entspricht ungefähr dem „Warm Buff“ in Ridgways Color Standards, Taf. XV, d. 17 Das Sommerkleid tragen 2 Felle, das eines dreijährigen Bockes, Nr. 24777, dessen Schädel im Besitze des Herrn Graf Zepuitz sich befindet, und dasjenige eines einjährigen Bockes - Nr. 24324, das zum Schädel 24325 gehört. Der junge Bock hat den Rand der Oberlippe weiß, und zwar so, daß die weiße Färbung neben der nackten Muffel 8 mm breit P ist und nach hinten immer schmäler wird; sie reicht etwas über die halbe Länge der Oberlippe. Ein ganz schmaler schwarzbrauner Strich beginnt am Mundwinkel, begrenzt 2 cm lang den Rand der der Oberlippe und verbreitert sich dann gegen die Mufiel mehr und - mehr, bis er an dieser eine Breite von 2 cm erreicht; diese Färbung - greift von einer zur anderen Seite über den Nasenrücken als 1 cm ‚breite Binde über. Der Nasenrücken ist hinter dieser Binde zu- nächst lebhaft hellgrau, nach hinten mehr und mehr mit dunkel- braun gemischt, und kurz vor der Höhe des vorderen Augenwinkels leicht gelblich getönt. Die Stirn ist schwarzbraun, mit einzelnen he ellgrauen Strichelchen, die durch die 1 mm langen hellen Spitzen 1 der Haare hervorgerufen werden. Über den Augen ist eine breite, ‚hell föhrenholzbraune Binde, die auf dem oberen Augenlid sehr ab wird. Das untere Augenlid ist grau. Diese Färbung geht mählich in diejenige der Wangen über zu einem sehr hellen Mais- gelb (Taf. 36,1). Die Unterlippe ist rein weiß, mit einem kleinen schwärzlichen Flecke am Mundwinkel und einer sehr blaß mais- + er Pu 288 PAUL MATSCHIE, gelben, 6 mm breiten, mittleren Längsbinde, die hinter dem Mundwinkel sich gabelt und in die Färbung der Wangen übergeht. Hinter ihr ist auf der Mitte des Kinnes ein weißer, sehr schwach gelb getönter Fleck, der aber nicht auf den Rand des Kinnes oder die Halsseiten übergreift. Zwischen den Ohren hat der Hals dieselbe Färbung wie die Wangen, nach der Kehle zu, die keinen weißen Fleck zeigt, wird die blaßgelbe Färbung mehr und mehr mit Föhrenholzbraun durch- mischt und schließlich auf der Brust hellföhrenholzbraun (Taf. 310,1). Die Außenseite der Ohren ist graubraun; die Haare sind schwarzbraun mit schmutzig maisgelben Haarspitzen. An beiden Rändern ist auf der Innenseite bis 5 cm, auf der Außenseite bis +4 cm von der Spitze eine nicht scharf begrenzte schwarzbraune Umsäumung zu erkennen. Die Innenseite der Ohren ist schneeweiß. Der Scheitel hat dieselbe Färbung wie die Außenseite der Ohren, ist nur etwas dunkler und stellenweise mit lebhafterem Gelb. Dieses Föhrenholzbraun überwiegt nach dem Hinterkopfe zu und bedeckt, immer dunkler werdend, den Halsrücken und den ganzen Rücken. Dieser ist dunkler als Taf. 310,4, weil alle Haare 1 mm lange schwarzbraune Spitzen haben. Ein rötlicher Schein fehlt, Nach den Körperseiten zu wird die Färbung immer heller bis Tafel 310,2 und nahe der Unterseite des Rumpfes ganz hell föhren- holzbraun wie Taf. 310,1. Die Weichen und Achseln sind weißlich, ebenso die ganze Unterseite; nur die Brust ist sehr hell föhrenholzbraun. Die Schultern und Hüften haben dieselbe hellföhrenholzbraune Färbung wie der untere Teil der Körperseiten. Die Vorder- und Hinterbeine sind hell maisgelb (Taf. 36 zwischen 2 und 3), vor den Zehen blasser, auf der Vorderseite wesentlich dunkler als an den Seiten. Auf der Hinterseite des Fußes zeigt sich eine etwas lebhaftere Färbung; auf der Bürste des Tarsus haben die Haare kurze schwarze Spitzen, die einen schwärzlichen Fleck verursachen. Dieser junge Bock trug auf der linken Seite einen mit guter Rose versehenen, bis 4 cm Höhe stark geperlten, 13,5 cm langen Spieß, rechts einen kürzeren, nur 8 cm langen, der eine nicht so breite Rose wie der linke hat, über ihr eine geringe Verbiegung zeigt und 3 cm über dem unteren Rosenrande eine 11,5 mm breite, flache wie eine Konsole hervortretende Perlenwucherung an der Innenfläche hervorgebracht hat. Alle Haare auf dem Rumpfe sind an der Wurzel dunkel rauch- 4 farbig (Taf. 363, 3—4). Ba Kal 20 REF R h Zu x ie e e er u) . ; . a TE RRHURERL TEN EEERLEUD RL 0, £ e Capreolus zedlitzi spec. nov. und andere europäische Arten des Rehes. 289 Das Fell des alten Bockes unterscheidet sich nur durch folgende Merkmale: Die schwarze Binde um die Muffel ist etwas breiter, neben dem Nasenloche 24 mm breit; hinter der schwarzen Querbinde auf der Nase ist ein fast weißer Fleck, der zu beiden Seiten in die schwarze Binde eingreift. Die Stirn hat ungefähr dieselbe Färbung wie die Ohren, wirkt aber lebhafter, weil alle Haare tief schwarzbraune Wurzeln haben. Die Ohren sind etwas gelblicher als bei dem jungen Bocke. Der Kinnfleck fehlt fast vollständig. Der Hals ist lebhaft mit Föhrenholzbraun getönt. Der Rücken ist heller als bei dem jungen Bocke, ungefähr wie Taf. 310,3; die Schultern sind wie die Rumpfseiten ziemlich hell föhrenholzbraun, die Hüften etwas wärmer im Tone. Die Unterseite ist lebhaft maisgelb (Taf. 36, 3). Die Beine sind einen Schein bräunlicher als bei dem jungen Bocke. Das Winterkleid zeichnet sich durch einen lebhaft gelb- braunen Ton auf dem Hinterrücken und den Hüften, bei manchen auch an der Kehle und den Achseln und Weichen aus. Das Kinn und die Kehle haben bei allen Fellen je einen weißen Fleck, der nicht auf die Halsseiten übergreift; aber die Größe dieser beiden Flecke ist sehr verschieden nach dem Alter. Bei jungen Tieren ist der Kehlfleck nur angedeutet; bei älteren ist er oft ausgedehnter als der Kinnfleck; bei einem Felle, dem o 22424, das noch nicht zwei Jahre alt ist, befindet sich zwischen beiden Flecken nur eine schmale dunklere Binde, so daß der ganze Hals weiß mit einer grauen Querbinde ist. | Aus der Zusammenstellung der Maße ergibt sich, daß diese ‘ Ricke im Schädelbau mit einer zweiten zusammen wesentlich geringere Maße als die übrigen zeigt; sie ist ein Schwächling, bei welchem Mangel an Farbstoffen in den Haaren wohl zu vermuten ist. Die andere schwächliche Ricke hat sehr deutliche, spitz auf- ragende Stirnfortsätze und zeigt sich dadurch als abweichend vom regelmäßigen Bau. Von den beiden erwachsenen Männchen, deren Schädel kürzer als 200 mm ist, hat 24325 ein sehr kümmerliches Sechser-Geweih, dem an der linken Stange die Hintersprosse fehlt, und 22265 hat krumme Rosenstöcke. Beide sind Kümmerlinge. Über den Augen ist eine helle, weißliche Binde. Dem Kinn fehlt die gelbliche Mittelbinde; es ist rein weiß mit dem schwärzlichen Fleck am Mundwinkel. Die Gesichtsseiten sind grau mit nur ge- - ringem gelben Schein. Sonst ist der Rücken deutlich, aber schwach - föhrenholzbraun überflogen. Alle Haare sind dunkel rauchgrau 290 PAUL MATSCHIE. (Taf. 363, 4), am Grunde etwas heller, mit einer 1,5—2 mm breiten ganz hell isabellfarbigen Binde (Taf. 309, etwas heller wie Ton 1). Die Rückenmitte ist dunkler als die Rumpfseiten. Die Unter- seite ist blaß maisgelb. Der Hals ist, abgesehen von den weißen Flecken, vorn grau mit leichtem gelbbr aunem Anfluge. Die Ohren .und der Scheitel sind wie im Sommerkleide gefärbt, aber ohne jeden gelblichen Anflug. Die Hüften sind deutlich gelber als die Rumpfseiten und die Schultern. Die Beine sind ebenso wie im Sommerkleide gefärbt. Herr ©. GRAF ZEDLITZ-TRÜTZSCHLER hat einige Rehkronen, die ihm von anderen Herren zur Verfügung gestellt worden sind, auf Papier umrissen und diese Zeichnungen eingeschickt. Aus ihnen ergibt sich, daß folgende zu derselben Art wie die bei Slonim er- legten gehören: Ein am 3. Mai 1916 bei Kossowo, ungefähr 30 km südlich von Slonim am Rande des großen Sumpfes durch Herrn Rittmeister PAscHKE erlegter Bock, der aufgebrochen ohne Schädel und Geweih 32 kg wog. Er hatte eine Spitzenauslage von 16 cm, an den Vordersprossen eine Auslage von 13 cm und an den Hintersprossen von 10,5 em. Ein am 6. Mai 1916 unweit des Lachoswa-Baches, 20 km östlich von Slonim durch Herrn Hauptmann LügBeErr erlegter Bock, der ungefähr 20 kg wog und eine geringe Auslage hatte, nur Il cm an den Spitzen, 5 cm an den Vordersprossen und 7 cm an den Hintersprossen. Ein am 26. Mai 1916 in derselben Wildbahn, wie die oben besprochenen, von Herrn Rittmeister PascHhkeE erleger Bock, der 22,5 kg wog und dessen Geweihauslage an den Spitzen 13 cm und an den Vordersprossen 11,5 betrug. Die linke Hintersprosse fehlte. Ein am 29. Mai 1916 in derselben Wildbahn erlegter Bock, der ohne Kopf 22,5 kg wog und an den Spitzen 12 cm, an den Vorder- sprossen 11,5 cm und an den Hintersprossen 9,5 cm Auslage hatte. Von den früher erwähnten wog der am 27. Mai 1916 im trockenen Walde östlich von Slonim erlegte ohne Geweih 20 kg und hatte einen Spitzenabstand von 10,5 cm, an den Vordersprossen 6 cm, an den Hintersprossen 8 cm Auslage. Der am 15. Mai 1916 erlegte Bock wog 25 kg und hatte an den Spitzen 14,5 cm, an den Vordersprossen 4 cm, an den Hinter- sprossen 11,5 cm Auslage. Für die oben beschriebene und unterschiedene Form des Rehes sei hier der Name Capreolus zedlitzi vorgeschlagen in dankbarer se u Be - ; n e) | er e ’ - ’ N TE NEE Te 2 # # hi 2 : | | Ri Ei 2 Capreolus zedlitzi spec. nov. und andere europäische Arten des Rehes. 29] Erinnerung an die tatkräftige und zielbewußte Unterstützung, die Herr GRAF ZEDLITZ-TRÜTZSCHLER für die Erforschung der west- russischen Säugetiere durch seine umfangreiche Sammeltätigkeit geleistet hat. Möge sein Beispiel zur Nacheiferung anregen! Herr O. Grar v. ZepLItz-TrÜTzscHLeR hat die Güte gehabt, folgende Beobachtungen über die Lebensweise des Rehes, welches östlich von Slonim lebt, zur Verfügung zu stellen: Der erste Bock, der gefegt hatte, wurde am 12. April fest- gestellt, des Verfärben der starken Böcke war erst am 16. Mai beendet, dasjenige der geringen Böcke und der Ricken erst gegen das Ende des Mai. Kitzricken verfärbten erst im Juni. Einzelne tragende Ricken wurden noch am Ende des Juni beobachtet, die letzte am 1. Juli. Die ersten Kitze wurden am 3. Juni gesehen; am 1. Juni hatte die erste beobachtete Ricke gesetzt. Der erste Bock sprang am 3. August, später wurden oft suchende Böcke beobachtet. Am 8. August wurde ein treibender Bock festgestellt, noch am 23. August ein Bock mit der Ricke gesehen. Dieser Bock zog vorn und war sehr lässig. Die Ricken haben häufiger, etwa 60%, nur ein Kitz, und niemals wurden 3 Kitze beobachtet. Die Rehe behaupten ein sehr begrenztes Gebiet und entfernen sich nicht weit von ihrem Standorte; sie stehen zumeist Im dichtesten - Bruchwalde, treten im Winter bei sonnigem Wetter auf die Wald- blößen heraus, im Frühjahr immer seltener und sind im Sommer ganz unsichtbar. Sie lieben wie die Hasen und Elche die Drat- verhaue, um das dort wachsende frische Grün zu äsen. In einem Briefe vom 23. Mai 1916 schrieb Herr GRAF ZEDLITZ- TRÜTZSCHLER, daß an der oberen Schtschara und zwischen deni Wygonowskoje-See und Bobrowitschkoje-See, soweit der eigentliche Sumpf reicht, ein anderes stärkeres Reh lebe, dessen zweijährige Böcke schon 30 kg und darüber wiegen. Er hat den Umriß des Geweihes eines am 20. April 1916 im Sumpfwalde westlich des Wygonowskoje-Sees von Herrn Rittmeister Düvpary erlegten Bockes, das vollständig gefegt war, eingeschickt. Diese Zeichnung weist auf eine ganz andere Art des Rehes hin. Die Vordersprosse ist schwach gekrümmt und nach innen gebogen; die Hintersprosse ist nach hinten gerichtet, die Spitze gerade. Die Mittelstange verläuft in der Verlängerung weit vor der Rose; die Spitze schneidet in der Verlängerung die Mitte der Rose und ist von der Mittelstange abgebogen. 292 PAUL MATSCHIE. Nummer Geschlecht 22140 24385] 0 Nummer jae1olssaes| |21297|21058|22865 ZMEBEZEITT!: 7 13 | 14 rin Monten | 7 [13 | 1 [165 [175 | 195° 6. a 7. VIIL| 20. X.|20. X1.] 19. T. 16 15 15 ee Eee Alter in Monaten Tag der Erlegung 4.1.16 186 178 151 200 | 204 | 196 | 202 | 197 188 191 187 191 190 168 170 160 | 162 | 162 Größte Schädellänge . . . Condylobasal-Länge Oceipitonasal-Länge » . . 2... Sutura lambdoidea bis zur Spitze der Nasenbeine - .\.. ngaree [22140] 0 Gesshlecht 0 (ja jr uf Alter in Monaten | 7 [15 | 10 [sms |105 .| 140 153 159 149 145 150 Sutura lambdoidea bis zum Gnathion | 174 189 198 186 187 188 Sutura lambdoidea bis zum Nasion . | 87 93 106 87 95 95 Geringste Entfernung der Pro- tuberantia oceipitalis externa von der Orbita . Gnathion bis zur Orbita (Größte Schädelbreite an der N maxillo-intermaxillaris Größte Schädelbreite am ONCE der Orbita . Größte Schädelbreite am hen Größte Schädelbreite am Processus eondyloideus 75 Sa Dan 80,3 92,3 87 | 85 | 821 | 823,6 | 825 101,8 | 105,5 | 103,2 | 105,9 | 100,5 27 26 27,5 27 26 87 88 83 90 90 85 84 8l 86 85 Alveolarlänge der oberen Molaren- reihe . . Größte Breite des oberen m? an der Alveole gemessen (Größte Länge des oberen m? an der Alveole gemessen (Größte Höhe des oberen m? über dem Rande der Alveole Größte Breite des oberen pm? an der : 4.8,9 b) Alveole gemessen Größte Länge des oberen pm? an = Alveole gemessen . »... 9,5 Größte Höhe des oberen pm? über dem Rande der Alveole Größte lichte Weite der Choanen . Höhe des Unterkiefers . . .... Länge des Unterkiefersohne Schneide- zähne 17,7 1:18,87 10% 155 17,2 80,6 | 88,8 87 86,3 | 91,8 92 153 | 152 | 155 164 | 160 Höhe des Unterkiefers am hinteren Ende von pm!.. 16,5 | 16,8 | 15,6 1 15,8 17 17,3 Capreolus zedlitzi spec. nov. und andere europäische Arten des Rehes. 293 Rehschädel. 2 12206 192055 2003 [23495 [22007] 72207,21909 Breis|Ie TeTetLeTe8 Le 93,5 | 2+ | 31 | 38 | + | ı85 | 18,5 | 20,5 | 30,5 | 32 | 41,5 15. v.|26. V.|, [ gl]. vu] 1. 11. [17.xu.|17.xır.|21. 7. |24.x1r| 1. I1. [20. xt. 16 2 16 16 15 15 16 | 15 16 15 | | 1ı93+|189+| 208 | 205 | 209 | ı99 | 209 | ı98 | 206 | 208 | 205 180+lısı+| 195 | 196 | 202 | ı89 | 192 | ı87 | 196 | 196 | 195 175 | ıwı | 176 | ı72 | 176 | 162 | 175 | ı61 | 170 I 171 | 168 163 I ı58 | 162 | 158 | 163 | 151 | 162 | 150 | 155 | 159 | 153 178+1173+| 196 | 194 | 197 | ı90 | 200 | ı89 | ı93 | 200 | 193 95 | 101 | 108 | 98 | 96 97 99 99 | 9 | 96 | 9 90,5 | 885 | sı2 | s6 | 90,5 | sı,ı | 90,4 | 78 | 86,1 | 86,3 | 85.2 85+ | ss+ | 1043| 105 | 106,1 | 104,8 | 108,3 | 102,6 | 105,7 | 106,3 | 105 32 | 30 | 8 29 33 27 29 28 | 31 30 | 29 3 I 9 94 | 96 | 98 91 91 si | 93 | 9 91 91 90 | 93 | 9 85 88 so Ile | 98 | 8 38 | 415 | 39 | 41,3 | 43 | 36,4 | 38,2 | 36,1 | 36,5 | 38,1 | 86,4 57,3 | 59,3 | 58,4 | 53,5 | 58,3 | 55,2 | 57,5 | 58,5 | 58,9 | 56,6 | 61,5 125 | ı24 | 131 | ı22 | 13,8 | 12,2 | 12,3 | 12,2 | 12,5 | 12,5 | 13,9 10,7 | 10,5 | 10,6 | 92 | 10,8 | 9,6 9,9 10 | 10,1 | 9,6 | 11,5 10 | s5 |s9 | 92 | 96 | 87 98 | 82 | 87 | 88 | 92 wii 98197 1031 98 | 35 | 95 10 Jıo5s|o3 | u 104 | 99 | 93 | ıo1ı | 938 | 75 | 85 | 88 | 82 | 85 | 96 BB. 85-7975 9,3 8,5 a I 9 2011166 | ı8 | ı68 | ı84 | 19 20 | ı65 | 174 | 17,9 | 16,9 972 | 922 | 944 | 91,3 | 96,8 | 85 | 86,7 | 87,2 | 89,5 | 9,1 | 8 166 | 166 | ı62 | ı61 | ı65 | 155 | ı63 | 158 | 164 | 166 | 167 181 | ısı | ız3 | 195 | 207 | 153 | ıs 75 165 | 177 y Im 994 Paus MATSCHIE: (apreolus zedlitzi n. sp. und andere Arten des Rehes. \ Ein glücklicher Zufall ließ Herrn Leutnant Marx, Assistent bei der Biologischen Anstalt auf Helgoland, an dem Schnittpunkt der großen Moskauer Straße mit der Schtschara eine Abwurfstange finden, die er dem Berliner Zoologischen Museum als Geschenk dargeboten hat. Sie ist unter Nr. 26202 dort aufbewahrt worden und entspricht vollständig den Merkmalen, welche die Dupar’sche Rehkrone zeigt (Fig. 19). Fig. 19. Capreolus spec. Rehgeweihstange von Herrn Leutnant MARX an dem Schnittpunkte der großen Moskauer Straße mit der Schtschara gefunden. Nr. 26202 des Berliner Zoologischen Museums. Es besteht die Wahrscheinlichkeit, daß vom oberen Pripet- (rebiet bis zur oberen Schtschara eine besondere Art des Rehes verbreitet ist, deren wissenschaftliche Beschreibung sehr erwünscht sein wird. Mögen bald aus dem Sumpfgebiet dieser Gegenden weitere Vergleichsstücke zur Untersuchung gebracht werden! PAUL MATSCHIE: Die richtige Benennung der Kuhantilope von Baunza. 2995 Die richtige Benennung der Kuhantilope von Baunza. Von Paun MATSscHIE. In dieser Zeitschrift, Nr. 7 Jahrgang 1916 Seite 205, ist die Kuhantilope von Baunza am Kafue Sigmoceros niediecki genannt worden. Hier hat ein Schreibfehler Verwirrung angerichtet. Herrn Professor O. Neumann verdanke ich den Hinweis darauf. Es sollte Sigmoceros niedieckianus heißen. Eine Bubalis niediecki ist von OÖ. Neumann im Jahre 1905 beschrieben worden. Wenn einmal, wie es in meiner Arbeit auf der Seite 189 angedeutet war, die 4 jetzt unterschiedenen Gattungen von Kuh- antilopen Bubalıs, Damaliscus, Beatragus und Sigmoceros unter dem ältesten Namen Bubalis vereinigt werden sollten, so dürfte die Bezeichnung niediecki für die Baunza-Kuhantilope nicht bestehen bleiben. Deshalb muß man sie anders nennen; dafür war die Bezeichnung niedieckianus gewählt worden. Ferner ist auf Tafel VIII Fig. 2 statt B. deckenı Q zu lesen B. schillingsı MTscH. & Zuk. und auf Tafel VIII Fig. 4 statt B. schillingsi MrscH. & Zux. 9 zu lesen B. deckeni ©. Zweite wissenschaftliche Sitzung am 17. Oktober 1916. P. MATSCHIE: Capreolus zedlitzi n. spec. und andere europäische Arten des Rehes (s. S. 272). 0. HEINROTH: 1. Vorlage des 4. Säugetierbandes der 4. Auflage von Brehms Tierleben. 2. Besprechung der „hyaenologischen Studien“ von H. GRIMPE. E. VANHÖFFEN: Vorlage einer Schmetterlingssammlung aus 486 Naturselbstdrucken. Druck von A. Hopfer iin Burg b. M. Auszug. aus den Gesetz der N \ Fu (Gesellschaft Natu rforschender Ds b zu Berlin. Die im Jahre 1773 gestiftete Gesellschaft Naturforscher y i = Freunde in Berlin ist eine freundschaftliche Privatverbindung zur Beförderung der Naturwissenschaft, insbesondere der Y Biontologie. _, | N Die Gesellschaft besteht aus ordentlichen, außerordent- lichen und Ehrenmitgliedern. 5 $ Die ordentlichen Mitglieder, deren Zahl höchstens 20 betragen darf, ergänzen sich durch einstimmige. Wahl. nach - den durch Kinizliche Bestätigung vom 17. September 1789 und 7. Februar 1907 festgestellten Gesetzen. Sie verwalten # 3 das Vermögen der Gesellschaft und wählen aus ihrem Kreise‘ a die Vorsitzenden und: Schatzmeister. | > Die außerordentlichen Mitglieder, deren Zahl uinheschranle ist, werden von den ordentlichen Mitgliedern, auf, Vorschlag eines ordentlichen Mitgliedes unter eingehender Begründung, 7 gewählt. Für freie Zustellung der Sitzungsberichte und Einladungen zu den Sitzungen. zahlen die außerordentlichen Mitglieder einen Jahresbeitrag von 5 Mark. Sie können das „Archiv für Biontologie* und alle von der Gesellschaft unter- stützten Veröffentlichungen zum ermäßigten er ne ; “ Die Snsenschahkaliee Sitzungen Anden, mit Asa 7 der Monate August und September am 2. und 3. Diensge jedes Monats bis auf weiteres im Hörsaale VI, bzw. im Konferenzzimmer der Kgl. Landwirtschaftlichen Hochschule, BU AR IEDENN 42, abends 7 Uhr, statt. ar, Alle für die Gesellschaft Höskininaien ee “ n an den Sekretär, Herrn H. on: Berlin N: a, Invalic ia str. 43, zu Tichtek: BR ea ER MAY 16 1993 _ Sitzungsberichte F Rn, Gesellschaft 4 Nlaturforschender Freunde 3 zu Berlin. November 1916. INHALT: Seite 2 Übers über die Maisliche Beurteilung des Wassers. Von J. WILHELMI . 297 - Über Transplantationen an Amphibienembryonen im Gastrulastadium. Von 2ER Eee ee ET en une 306 A) ber ‚einige sibirische Wühlmäuse, insbesondere Microtus oeconomus (AUCT.). e E: ee a N 320 Über Metallfarben bei Buprestiden. Von W. HASS ..:. 2... 220.0. 332 -Üb der die Gattung Stethoconus FLoR. Von F. SCHUMACHER... .... 344 Pseudococeus- vovae NASSONOW, eine für Deutschland neue Schildlaus. Von Be EN ee es 346 E Die Kernteilung von COhlorogonium elongatum Dane. Von M. HARTMANN .„. . 347 weite wissenschaftliche Sitzung am 21. November 1916 ..... v2.» 351 wi gfr u 5 rn hs "BERLIN. €; In Kommission BEI R. FRIEDLÄNDER & SOHN, | "NW Currsreasse 11. i 1916. 5 : Q. ‚Ausgegeben am 10. Februar 1917. Pa Nr. 9. | 1916 Sitzungsbericht der (resellschaft naturforschender Freunde zu Berlin vom 14. November 1916. Ausgegeben am 10. Februar 1917. Vorsitzender: Herr E. VANHÖFFEN. j) Je ———— Herr H. SPEMANN sprach über '[ransplantationen an Amphibienemvryunen im Gastrulastadium. Herr M. HARTMANN sprach über die Kernteilung von Chlorogonium elongatum. Übersicht über die biologische Beurteilung des Wassers*). Von JuLivs WILHELMI, Berlin-Dahlem. Begriff der biologischen Analyse des Wassers (1). — Zweck derselben (2). -- Geschichtliches (3). — Natürliche Selbstverunreinigung und Selbstreinigung des Wassers: Stoffhaushalt (4). -—— Verhalten des Süßwassers zu künstlicher Verunreinigung (5). — Das Saprobiensystem (6). — Methoden und Apparate der Untersuchung (7). — Belebte und unbelebte Schwebestofte des Wassers: Plankton und Tripton in weiterem Sinne (8). — Euplankton und Eutripton (9). — Pseudoplankton und Pseudotripton (10). — Hemiplankton und Peritripton (11). — Einleitung von Abwässern in das Meer; technische Schwierigkeiten (12). — Die beschleunigte Sedimentation im Meerwasser (13). — Hygienisches (14). — Wirtschaftliches (15). — Eintritt von Süßwasser in das Meer und seine bio- logische Bedeutung (16). — Marine Saprobien (17). — Die biologischen Vor- gänge bei der künstlichen Abwasserreinigung (18). — Abwasserbeseitigung und Fliegen- und Mückenplage (19). — Biologische Trinkwasserbeurteilung (20). — Wert der biologischen Analyse des Wassers für die gesamte Wasserbeur- teilung (21). (1) Unter der biologischen Analyse des Wassers verstehen wir die Beurteilung der Beschaffenheit des Wassers auf Grund der Bestimmung der im Wasser vorhandenen mikro- und makro- skopischen Fauna und Flora, die in einem unmittelbaren Ab- hängigkeitsverhältnis zur chemischen und physikalischen Beschaffen- heit des Wassers stehen. *) Gekürzte Darstellung des Vortrages vom 10. Okt. 1916 in ‚Form von Leitsätzen. Spezielle Literatur ef. J. WILHELMI, Kompendium der biologischen Beurteilung des Wassers. G. FISCHER, Jena, 1915. 21 298 JULIUS WILHELMI. (2) Indem die biologische Analyse des Wassers zugleich mit bakteriologischen, chemischen und physikalischen bzw. wasser- technischen Untersuchungsmethoden Unterlagen für die Mıßnahmen zur Reinhaltung der Gewässer erbringt, stellt sie ein Teilgebiet der Hygiene, und zwar der Wasserhygiene, dar; sie dient zugleich auch der Wasserwirtschaft, Industrie und Fischerei. (3) Die ersten Versuche einer biologischen Beurteilung des Wassers (FERDINAND CoHn, Breslau) reichen bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts zurück. Durch Mez (1898) erfolgte die erste zusammenfassende Bearbeitung der biologischen Weasseranalyse. Durch Horer (1900) weitergefördert, wurde sie (von 1901 an) durch die Arbeiten von KoLkwItz und MaArssonx zur vollen Entwicklung ge- bracht und durch ScHIEmEnz namentlich in bezug auf makroskopische Wasserbewohner und in fischereilicher Hinsicht erweitert. Von den Autoren der namentlich in den letzten Jahren zahlreicher erfolgten Einzeluntersuchungen sind weiterhin noch VoLk und THIENEMANN hervorzuheben. (4) Der Stoffhaushalt der (mormalen) Oberflächengewässer wird bedingt durch die natürliche Selbstverunreinigung derselben und die vorwiegend auf biologischem Wege erfolgende Selbst- reinigung. Eı beruht also im wesentlichen auf einer Gleichgewichts- regulierung der progressiven und regressiven Metamorphose der organischen Substanzen des Wassers (Marsson). (5) Bei künstlicher Verunreinigung von fließenden Gewässern durch organische Abwässer tritt eine stufenweise Anordnung der Organismen des Wassers auf, die in bezug auf die chemische Be- schaffenheit besonders zum Sauerstoffgehalt des Wassers in enger Beziehung steht. Die Wirkung anorganischer Abwässer ist spezifisch, kann aber auch das gleiche Bild der Verunreinigung wie eine durch organische Abwässer hervorgerufene Verunreinigung als sekundäre Erscheinung zeigen. (6) Auf umfangreiche Beobachtungen und Untersicaei hierüber gründet sich das Saprobiensystem von Korkwırz und Marsson (1908 und 1909), in dem Poly-, Meso- und Oligosaprobien unterschieden werden. Das System kann nicht schematisch an- gewandt werden; vielmehr ist bei Berücksichtigung des biologischen Gesamtbildes das zahlreiche Auftreten bzw. das Fehlen be- stimmter Organismen für die Wasserbeurteilung maßgebend; an stehende und fließende Gewässer ist gemäß ihrer normalen bio- logischen Verschiedenheit ein verschiedener Maßstab anzulegen. (7) Bei der biologischen Wasseruntersuchung, die am besten in Verbindung mit der chemischen, physikalischen und bakterio- . Er Übersicht über die biologische Beurteilung des Wassers. 299 logischen Wasserprüfung erfolgt, sind 1..die belebten und unbelebten Schwebestoffe des Wassers (Plankton und Tripton) quantitativ und qualitativ zu ermitteln, 2. die makroskopische und mikroskopische Ufer- und Grundbeschaffenheit festzustellen. Außer biologischen Untersuchungen ist unerläßlich die Bestimmung der Sichttiefe, der Wassertemperatur, der Wasserbewegung und des Sauerstoffgehalts bzw. der Sauerstoifzehrung. Zur Untersuchung dienen hauptsäch- lich Apparate zur Planktongewinnung, Pfahlkratzer, Dretsche und Schlammsieb. (8) Zum „Plankton im weiteren Sinne“ (belebte Schwebe- stoffe) sind alle Organismen zu rechnen, die im Wasser treibend mit einer die stärkere Strömung nicht überwindenden Eigenbewegung angetroffen werden. Zum Tripton (unbelebte Schwebestoffe) rechnen wir alle im Wasser schwebend vorkommenden leblosen oder ab- gestorbenen festen Bestandteile, ohne Rücksicht darauf, ob sie dem Wasser selbst entstammen, oder ob sie vom Lande her, aus der Luft oder durch Abwässer in natürliche Gewässer gelangt sind. Zwischen dem Plankton und Tripton bestehen in mehrfacher Hin- - sicht Parallelen, so daß wir je drei im wesentlichen korrespon- - dierende Gruppen unterscheiden können: | I. Euplankton und Eutripton, II. Pseudoplankton und Pseudotripton, III. Hemiplankton und Peritripton. (9) Dem Euplankton, dem alle Organismen gehören, die im Wasser freischwebend, bei Strömung willenlos treibend ihre Existenz- bedingungen haben (Korxwırz), entspricht das Eutripton, das sich aus Resten des abgestorbenen Hydrobios, Fäkalien der Hydrofauna und vom Ufer oder Grund abgerissenen anorganischen Bestand- teilen zusammensetzt. Das Eutripton zeigt in gleicher Weise wie das Euplankton eine dem Charakter der Gewässer entsprechende Beschaffenheit, die je nach Wasserbewegung bzw. -strömung, Salz- F gehalt, Jahreszeit, Temperatur usw. verschieden ist. Hinsichtlich der - Größenverhältnisse besteht zwischen dem Euplankton und Eutripton - vollständige Analogie. Auch das klarste Wasser ist ebensowenig - frei von Nannoplankton (z. B. Bakterien) wie von Nannotripton. (10) Von großer Bedeutung für die biologische Wasser- - beurteilung sind Pseudoplankton und Pseudotripton. Unter ersteren verstehen wir alle Organismen, die wohl im Wasser treibend an- getroffen werden, aber in diesem Zustande nicht ihre eigentlichen Existenzbedingungen finden, z. B. Organismen, die vom Ufer oder _ Grund losgerissen, kürzere oder längere Zeit im Wasser treibend _ weiterleben, ferner Organismen, die auf Euplanktonten festsitzend 91* 300 JULIUS WILHELMI. leben und schließlich treibende Organismen, die aus Abwässern stammen oder durch sie zu besonderer Entwicklung gelangen (Saproplankton). Das Pseudotripton, dem alle unbelebten Schwebe- stoffe angehören, die vom Lande oder aus der Luft und namentlich durch Abwässer in die Gewässer gelangen, gibt wesentliche Auf- schlüsse über Art, Stärke und Wirkungsbereich der Verunreinigung. Spezifisch für Wasserverunreinigung durch häusliche (städtische) Abwässer ist das Auftreten der aus Fäkalien stammenden Muskel- fasern, sowie Stärkekörner, Kartoffelzellen, Waschblau, Papierfasern usw. Ilm Gegensatz zu diesem polymixten Pseudotripton aus städtischen Abwässern finden sich bei Wasserverunreinigung durch gewerbliche Abwässer meist ein dem Fabrikbetriebe entsprechendes monotones Tripton oder wenigstens prävalente Triptonformen, z. B. Stoffasern der Textilindustrie, Zellstoff der Papierfabriken usw. (11) Das Hemiplankton setzt sich aus Organismen zusammen, die nur zeitweilig (Meroplankton) oder während eines Abschnittes ihrer Entwicklung (larvales Plankton) wie echte Planktonten leben. Ihm entspricht das Peritripton, dem alle bis zur Unbestimmbarkeitzer- fallenen festen Stoffe, sowie kolloidale, bzw. pseudogelöste Substanzen angehören. Zu nennen sind hier auch gelöste Substanzen, die z. T. gewissermaßen „unbelebte Schwebestoffe in statu nascendi* dar- stellen, so z. B. Ferrobikarbonat, das bei Durchlüftung des Wassers (bei schnellerer Strömung) zu kristallinischem oder flockigem Eisen- oxydhydrat ausgefällt wird. Zu erwähnen ist auch die die Sedi- mentation der Schwebestoffe fördernde Wirkung der im Wasser gelösten Salze (z. B. der des Meerwassers und auch der Kali- abwässer). (12) Die Einleitung von Abwässern in das Meer gestaltet sich bezüglich der Selbstreinigung im allgemeinen ungünstiger als die Zuführung von Abwässern in das Süßwasser, und zwar infolge der physikalischen Eigenschaften des Salzwassers. Ungereinigte Abwässer lassen sich dem Meere daher nur unter besonderen Um- ständen ohne Nachteil zuleiten, z. B. an weithin unbewohnten Küsten, an Stellen mit steilabfallendem, strandlosem Ufer (Ostküste von Helgoland) und schließlich an vorspringenden Küstenpunkten, an denen die Abwässer durch eine vorherrschende Strömung ab- geleitet werden (Cumae bei Neapel). Mit Vorteil kann man an Küsten, die den Gezeiten ausgesetzt sind, durch nur zeitweisen Auslaßb der Abwässer von der ableitenden und vermischenden Wirkung der Ebbe Gebrauch machen (Boston, Mass.); auch weit ins Meer hinausführende Abwasserauslässe sind vorteilhaft, jeden in der Anlage und Unterhaltung kostspielig. i j | | ‚ | | | | Übersicht über die biologische Beurteilung des Wassers. 301 Diese technischen Schwierigkeiten werden dadurch noch ver- mehrt, daß einerseits der Zement durch Seewasser angegriffen wird, und daß andererseits auch Holzwerk und Zement von Organismen, unter denen besonders die Weichtiere Teredo navalis, Lithodomus Iithophagus und Pholas dactylus zu nennen sind, geschädigt oder vernichtet werden können. Sind in einem Meeresabschnitt die chemischen, physikalischen oder biologischen Verhältnisse oder besondere Umstände (Muschel- zucht, Strandbäder) derart, daß die Einleitung von Abwässern Schwierigkeiten begegnet, so empfiehlt sich die Zwischenschaltung eines Süßwasservorfluters, soweit ein solcher zur Verfügung steht (Schmachter See bei Binz auf Rügen, Swine bei Swinemünde). (13) Die beschleunigte Sedimentation von unbelebten Schwebe- stoffen im Meerwasser führt besonders in gezeitenlosen Meeren leicht zu Verschlammungen des Grundes in der Nähe der Ein- mündungsstelle der Abwässer (Stralsund; Kristiania). Nicht nur Ab- wasserbestandteile, sondern auch die belebten nud unbelebten Schwebestoffe der Flüsse kommen im Meerwasser zur beschleunigten Sedimentation; ebenso sterben die meisten der vom Meere in die Mischungszone der Süß- und Salzwasser herangeführten Planktonten schneli ab und sinken unter (Delta- und Marschenbildung). (14) Verunreinigungen von Häfen, Buchten oder Küsten ge- zeitenloser Meere können eine Massenentwicklung des sogenannten Meeressalates (Ulva lactuca) durch Stickstoffanreicherung hervor- rufen (Belfast Lough; Helsingfors). Durch Fäulnis der Ulven kann dann sekundär eine neue Verunreinigung und Geruchsbelästigung erfolgen. Gegenmaßnahmen dürften nur durch entsprechende Ab- wasserreinigung möglich sein, da alle Versuche, der Ulvenkalamität auf anderem Wege Herr zu werden, erfolglos waren. Gröbere Abwasserbestandteile, wie z. B. Fäkalbrocken und fettige Substanzen, werden noch in !/;s km Entfernung von der _ Abwassermündung an der Wasseroberfläche angetroffen, feinere Abwasserbestandteile, z. B. Papier-, Stoft- und Muskelfasern, die auch als Infektionsträger in Betracht kommen, zuweilen sogar in _ mehreren Kilometern Entfernung. Bei ruhiger See kann in gezeitenlosen Meeren auch eine "Schichtung des Wassers stattfinden. Auf diese Weise können die spezifisch leichteren Abwässer sich weithin auf der Meeresobertläche verbreiten; die Zerstreuung der darin etwa enthaltenen Krankheits- keime (z. B. Typhusbazillen im Urin) auf diese Weise erscheint nicht ausgeschlossen. Die Möglichkeit der Verbreitung von Krankheits- keimen, die in gelösten und an ungelösten Abwasserbestandteilen ira ı 8 8 nr 7° ITRRR BP 2 DE & N = 302 JULIUS WILHELMI. vorkommen können, an der Meeresoberfläche, läßt es ratsam er- scheinen, Abwässermündungen nur in mehreren Kilometern Ent- fernung von Seebädern zu dulden, zumal da feststeht, daß mancherlei Krankheitserreger (z. B. Typhus- und Cholerabazillen) auch im Meerwasser wochenlang lebensfähig bleiben. Zum menschlichen Genuß dienende Muscheltiere können bei Verunreinigung ihres Standortes zu Erkrankungen des Menschen Veranlassung geben. Miesmuscheln vermögen in verschmutztem Meerwasser im Abwasser präformierte Gifte zu speichern und zu schweren, tödlichen Vergiftungen des Menschen nach Genuß der- selben zu führen; auch andere Gifte speichern die Miesmuscheln, wie experimentell gezeigt wurde, ohne eignen Nachteil und können durch Zucht in reinem Wasser wieder entgiftet werden. Mies- muscheln und Austern können auch pathogene Keime, wie für Typhusbazillen gezeigt worden ist, aufnehmen und so, sobald sie als menschliche Nahrung dienen, zu Infektionskrankheiten Ver- anlassung bieten. In der Umgebung von Abwassermündungen dürfen ° daher Muscheltiere nicht zur menschlichen Ernährung erbeutet werden. (15) Verunreinigung von Meeresabschnitten durch häusliche und industrielle Abwässer geben leicht zur Schädigung und Ver- nichtung von Austern-, Hummer- und Fischzucht Veranlassung (z. B. im Hafen von Triest nach Srrver). Schädigung oder Ein- sehen von Zuchten darf aber nicht ohne weiteres auf Abwasser- wirkung zurückgeführt werden, da diesen auch natürliche Schlamm- ablagerungen nachteilig werden können, wie z.B. für die Austern- kulturen in natürlich isolierten Buchten (sog. Pollern) in Norwegen durch HrrLLann-Hansen festgestellt worden ist. (16) Die günstigen biologischen Verhältnisse von Meeres- abschnitten bieten auch die günstigsten Bedingungen für die Ein- leitung von Abwässern bezüglich der biologischen Selbstreinigung. ° Da Brackwasser mit wechselndem Salzgehalt keine günstigen bio- logischen Verhältnisse aufweist, eignet es sich im allgemeinen auch nicht zur Aufnahme von Abwässern. Dies gilt besonders für Ab- schnitte, in denen zeitweilige Schichtungen des Wassers nach dem Salzgehalt vorkommen, z. B. an Flußmündungen, in Haffen und ” Kanälen, die mit dem Meere kommunizieren (Kaiser-Wilhelm-Kanal). 7 Ist ein Brackwasser durch Gleichmäßigkeit des Salzgehaltes charak- terisiert, so entwickelt es auch einen beträchtlichen Organismen- reichtum und eignet sich dann auch als Vorfluter für Abwässer (Selliner See auf Rügen). (17) Für das Meerwasser läßt sich mit Rücksicht auf den ver- schiedenen Salzgehalt der Meere bzw. Meeresabschnitte kein ganı RETTET ET Übersicht über die biologische Beurteilung des Wassers. 303 einheitliches Saprobiensystem aufstellen. Ein vom Grade des Salz- gehalts des Meerwassers offenbar wenig abhängiger polysaprober Organismus ist der Fadenpilz Chlamydothrixz longissima, der als rasenförmiger Uferbesatz, ähnlich wie öphaerotilus und Leptomitus im verunreinigten Süßwasser, schon grobsinnlich wahrnehmbar ist und somit einen guten Indikator für verunreinigtes Meerwasser darstellt (Triest, Kiel, Stralsund, Saßnitz); auch als Pseudoplanktont verrät er die Nähe eines Verunreinigungsherdes. Auch andere Fadenbakterien, die durch Verunreinigung von Meerwasser zur Wassenentwicklung kommen können, z. B. Beggiatoa- und Thiothrix- Arten, stellen gute Verunreinigungskennzeichen dar. Unter den fäulnisliebenden tierischen Bewohnern des stärker salzhaltigen Meerwassers (Mittelmeer) sind in erster Linie die Polychaeten Spio fuliginosus und Capitella capıtata zu nennen. Diese Würmer haben für die Beurteilung des verunreinigten Meer- wassers etwa die gleiche Bedeutung wie gewisse Tubifex-Arten für die Süßwasserbeurteilung. Im mäßig verunreinigten Meerwasser (Mittelmeer) treffen wir ferner in größeren Mengen die Würmer Plagiostoma girardı, Arenicola claparedeı und gruber, Hydroıdes pectinata und uncinata, Spirographis splalanzamı, Staurocephalus rudolphi, Sternaspis thalassimoides, den Seestern Asterias tenuispina, die Weichtiere Bornia corbuloides, Capsa fragilis, Tapes aureus, Bulla striata, Dirois verrucosa, Spurilla neapolitana, die Bryozoen Bugula avicularia, calathus und purpurotincta, die Krustaceen Nebalia galatea und Brachynotus sexdentatus und die Tunicaten Cione ıntestinalis und Botryllus aurolineatus an. Zahlreiche Tiere fast aller Gruppen kommen in leicht bis mäßig verunreinigtem Meerwasser vor, sind aber zum Teil nur fakultative Saprobien; unter ihnen sind besonders Muscheln (z. B. Mytilus edulis) und der sog. Schmutzfisch Box salpa zu nennen. Spezifische Reinwasserbewohner sind das Lanzettfischehen Amphioxus lanceolatus und die mit ihm zusammenlebenden Tiere. In minder salzhaltigen Meeren (Ostsee) sind als Bewohner des verunreinigten Wassers die Anneliden Enchytraeus moebit, Nereis diversicolor, Clitellio ater, Capitella capitata und der Nematod Oncholaimus vulgaris, ferner die Lamellibranchier Tellina baltica, Seorbieularia piperata und Mya arenaria, ferner der Kruster Coro- phium longicorne zu nennen; zu diesen gesellen sich eine Anzahl - Mudbewohner, unter denen Muscheltiere vorherrschen. Für die Beurteilung ganz schwach salzhaltigen Brackwassers (z. B. östliche Ostsee) kommt auch das Süßwasser-Saprobiensystem in Betracht, da sich hier zahlreiche Süßwasserorganismen, als - Mesosaprobien z. B. zahlreiche Blaualgen, vorfinden. 304 JULIUS WILHELMI. Besondere Berücksichtigung verdienen gegen Verunreinigung indifferente Meeresbewohner, unter denen namentlich die Muscheln Mytilus edulis, Cardıum edule und manche Kruster der Gattung Balanus und unter den Pflanzen Zinteromorpha- und Ulvwa-Arten zu nennen sind. Letztere dürften fakultative Saprobien sein, indem bei Wasserverunreinigung sich loslösende Migrationsformen . im stickstoffreichen Wasser auf schlammigen Grund (Triest nach ScHILLER) zu starker Entwicklung kommen. | (18) Die Erfahrungen über die biologische Selbstreinigung des Süßwassers brachten uns die Erkenntnis, dab auch bei gewissen Verfahren der künstlichen Abwasserreinigung, die dem Abwasser die Fäulnisfähigkeit zu nehmen sucht, vorwiegend biologische Vor- eänge zugrunde liegen. Bei den für größere Vorfluter oder wenig konzentrierte Abwässer ausreichenden sog. mechanischen und chemischen Verfahren der Abwasserreinigung durch Absitzbecken, Siebe und Rechen oder Zusatz von chemischen Klärmitteln (Kohlebrei, Aluminiumsulfate u. a.) spielen biologische Vorgänge eine ganz un- bedeutende Rolle. Bei der Abwasserreinigung durch „intermittierende Boden- filtration“ und durch Rieselfelder sind biologische Vorgänge schon in etwas höherem Maße beteiligt. Da sie aber keine völlige Be- seitigung der gelösten organischen Substanzen des Abwassers zu bewirken vermögen, so verursachen derart gereinigte Abwässer in kleineren fließenden Vorflutern doch noch einen rasenförmigen Uferbesatz von sog. Abwasserpilzen (Sphaerotilus u. a.), der dann bei Loslösung und späterer Sedimentation anderenorts wieder zu sekundären Verunreinigungen Veranlassung geben kann. Diesem Mißstand begegnet man durch unmittelbare Einleitung gerieselten Abwässer in künstliche angelegte Fischteiche, in denen bei dem weiteren Abbau der organischen Substanzen infolge der geringen Wasserbewegung ein stärkeres Auftreten von Abwasserpilzen un- möglich ist, während andererseits die Förderung des Limnobios in den Fischteichen durch die Abwässer die natürliche Nahrung der Fische vermehrt. Bei der Abwasserreinigung durch feinkörnige Schlackenbeete (sog. Füllkörper) oder durch hochgebaute Körper aus grober Schlacke (sog. Tropfkörper) haben biologische Vorgänge einen so vorwiegenden Anteil, daß man diese Art der Abwasserreinigung direkt als „bio- logisches Verfahren“ bezeichnet. In den Tropfkörpern finden wir einen großen Teil der poly- und mesosaproben Flora und Fauna — und zwar außer einem starken Bakterienbewuchs der Schlacken- stücke zahlreiche Ciliaten und Flagellaten, ferner in enormen Mengen Übersicht über die biologische Beurteilung des Wassers. 305 stets die Larven der Schmetterlingsfliege Psychoda und oft massen- haft Tubificiden — in so ungeheuren Mengen zusammengedrängt, daß es uns nicht wunder nimmt, zu sehen, daß ein normales städtisches Abwasser bei der Passage dieser Körper seine Fäulnisfähigkeit verliert. Das Horer’sche Verfahren der Abwasserreinigung durch Fisch- teiche stellt eine Erweiterung des oben dargelegten Fischteich- verfahrens dar, indem die Abwässer nur einer Vorbehandlung, die - weniger weit geht als das Rieselverfahren, unterzogen werden. (19) Die Fliegen- und Mückenplage steht mit der Abwässer- beseitigung nur wenig in Beziehung. Durch Abwässer werden in Gewässer gewisse Chironomidenlarven in der Entwicklung be- - günstigt, so daß wir sie, gleich wie die Larve der Schlammfliegen Eristalis als Verunreinigungsindikatoren verwerten. Bei genannten - Dipteren handelt es sich jedoch um Arten, die dem Menschen nicht lästige sind. Auf Kläranlagen entwickeln sich an Schlammtrocknungs- plätzen zahlreich die Fäkalfliege Scatophaga stercorarıa und in Tropf- körpern massenhaft Psychodiden; doch sind auch diese Arten dem Menschen weder lästig, noch entfernen sie sich freiwillig von ihren Standorten. Ihrer Verwehung durch Wind läßt sich mit Vorteil durch Umpflanzungen der Abwasserbeseitigungsanlagen begegnen. Die Stubenfliege Musca domestica steht in keiner Beziehung zur Abwasserbeseitigung, wird aber in der Entwicklung namentlich - durch die mangelnde Beseitigung fester Abfallstoffe gefördert. Be- züglich des Auftretens der Stechmücken Culex, Anopheles, Sımulvum . konnte bisher kein Nachweis für die Förderung ihrer Entwicklung durch Gewässerverunreinigung erbracht werden; soweit es sich um die im ruhigen Wasser zur Entwicklung kommenden Stechmücken- larven handelt, dürfte mangelnde Kultivierung von Sumpfland - (nach Grüngere) als Hauptursache für ihre Massenentwicklung _ anzusprechen sein. (20) Die biologische Beurteilung des Trinkwassers bzw. der 2 Trinkwasserversorgungsanlagen erfolgt nach den gleichen Grund- _ sätzen wie die der Oberflächengewässer. Die dabei in Betracht "kommenden Organismen sind zwar im allgemeinen geringer an Zahl und wechseln je nach Art der Versorgungsanlage. Sie bieten eu % _ eine beträchtliche Mannigfaltigkeit bei Brunnenwasser, namentlich mangelhafte Brunnenanlagen, um mit der Heranziehung der Ober- - flächengewässer (Flüsse, Seeen, Thalsperren) als Wasservorsorgungs- _ anlagen zur allgemeinen Hydrobiologie überzuleiten. Eine bedeutende Rolle bei der mikroskopischen Beurteilung _ des Trinkwassers spielen die bereits oben besprochenen unbelebten RE Ze BEER La .i r 306 H. SPEMANN. Schwebestofie (cf. 9—11). Der Eisengehalt, der bei einem Trink- wasser 0,2—0,3 mg pro Liter nicht übersteigen soll, läßt sich mikroskopisch meistens noch bei Mengen von 0,1 mg pro Liter mikroskopisch feststellen. Auch mikrochemische Reaktionen (Jod- reaktion bei Stärke, Salzsäure-Blutlaugensalz bei Eisenverbindungen, Chlorzinkjod oder Jodschwefelsäure für Zellulose u. a.) können mit Vorteil zugezogen werden. | (21) Die biologische Analyse bietet eine wertvolle Ergänzung der chemischen, physikalischen und bakteriologischen Wasser- beurteilung. Ihre Ergebnisse gehen an Wert sogar teilweise über den der genannten Untersuchungsarten hinaus, da die biologischen Verhältnisse besonders der Ufer- und Grundbeschaffenheit nicht die zur Zeit der Untersuchung bestehende Wasserbeschaffenheit offenbaren, sondern einen Zustand erkennen lassen, der nur durch eine längere Zeit hindurch bestehenden Wasserbeschaffenheit her- vorgerufen worden ist. Über Transplantationen an Amphibienembryonen im Gastrulastadium. (Vorläufige Mitteilung.) Von H. Spemann, Dahlem. IE ner Verschiedene Gründe sprechen dafür, daß bei den Amphibien- embryonen durch die Gastrulation nicht nur Ektoderm und Entoderm sichtbar geschieden, sondern daß während dieser merkwürdigen Umlagerungsvorgänge schon, wenn auch zunächst noch nicht äußer- 7 lich erkennbar, die Anlagen der Hauptorgane des’ Körpers mehr oder 7 weniger fest bestimmt, determiniert werden. In den Experimenten, über die ich im folgenden berichten will, wurde nun versucht, diese Determination nach der Zeit ihres Eintretens, dem Ort ihres Anhebens und der Art ihrer Ausbreitung genauer zu erforschen. Zu diesem 7 Zwecke wurden größere oder kleinere Teile der ganz jungen Keime verlagert, dadurch dem Einfluß ihrer alten normalen Umgebung entrückt und unter den Einfluß einer neuen abnormen Umgebung gebracht, und zwar in verschiedenen Stadien der Entwicklung, vom ersten Beginn der Gastrulation an bis zum Sichtbarwerden der Medullarplatte. Material. Operationstechnik. Die Versuche wurden an den Eiern von Triton taeniatus aus- geführt. Diese sind auffallend verschieden gefärbt, und zwar BR RN 2 + N. = Tr N > u ji Fr e 3 % I. u [3 “ ? Über Transplantationen an Amphibienembryonen im Gastrulastadium. 307 schwankt nicht nur der Grad der Helligkeit von fast weiß bis tief dunkel, sondern auch der Farbton. Es lassen sich zwei Reihen unterscheiden, die eine von hellgelb bis tief rotbraun, die andere von hellgrau oder hellsepiabraun bis fast schwarz. Da diese Unter- schiede sich lange erhalten, so bilden sie ein äußerst wertvolles Mittel, um das transplantierte Stück, welches sonst spurlos in der neuen Umgebung verschwinden würde, noch in späteren Entwicklungs- stadien zu erkennen. Vor der Operation werden die äußeren Hüllen entfernt, am besten auf zweimal, Klebschicht und äußere Kapsel gleich nach der Eiablage oder kurz nach der künstlichen Befruchtung, solange sie noch ganz weich sind, das Dotterhäutchen erst unmittelbar vor der Operation. | Zur Ausführung der beabsichtigten Experimente mußte zunächst die Operationstechnik weiter ausgebildet, vor allem eine Methode ausgearbeitet werden, die es ermöglicht, dem ganz jungen und ent- sprechend weichen, empfindlichen Keim sehr kleine Stückchen von regelmäßiger Form zu entnehmen und durch gleichgeformte Stück- chen eines anderen Keims zu ersetzen. Ich verwendete dazu eine besonders konstruierte Pipette. Die Spitze einer solchen wird kapillar ausgezogen, leicht gekrümmt und sehr genau quer abgeschnitten; seitlich wird ein großes Loch angeblasen und durch einen überge- zogenen dünnen Gummischlauch verschlossen, am oberen Ende das - gewöhnliche Saughütchen aufgesetzt. Vor dem Gebrauch wird diese Transplantationspipette erst mit der Flüssigkeit, in der man operiert — Wasser oder 0,2 %ige NaCl-Lösung — zum Teil ge- füllt, dann mit der rechten Hand gehalten wie eine Feder beim Schreiben, wobei der Daumen auf der gespannten Gummimembran der seitlichen Öffnung liegt. Ein leichter Druck, der sehr genau bemessen werden kann, genügt nun, um eine minimale Menge Flüssig- keit auszupressen, die bei Nachlassen des Drucks wieder eingesogen wird. Zur Operation wird die Mündung der Pipette auf die zu entnehmende Stelle des Keims aufgesetzt; dann wird leicht an- gesaugt und die sich vorwölbende Papille mit einem in der Fläche gebogenen Lanzettmesserchen abgeschnitten, dem scharfen Rand der Pipettenöffnung entlang abgeschert. Man erhält ein rundes Gewebsscheibchen, nach innen konisch verjüngt, welches leicht gegen ein anderes gleich geformtes aus einer anderen Gegend oder von einem anderen Keim ausgetauscht werden kann. Im übrigen wurden wieder die schon früher von mir beschriebenen Glasnadeln, Haarschlingen und Glasbrücken verwendet. 308 H. SPEMANN. I. Experiment: Vertauschung der Anlagen von Hirn- Rückenmark und Epidermis. Zu Beginn der Gastrulation wurde einem Keim mit der Trans- plantationspipette ein rundes Scheibchen reines (späteres) Ektoderm entnommen, median in mäßiger Entfernung über dem Urmund, aus einer (regend also, wo sich nach anderweitigen Feststellungen später Medullarplatte bilden würde, einem anderen, gleich alten Keim ein eben solches Stückchen reines Ektoderm von der Seite gegenüber, welches zu Epidermis der Bauchseite geworden wäre; dann wurden beide Stichproben ausgetauscht und wieder eingeheilt. Da die Farbe der Keime möglichst verschieden gewählt wurde, waren die transplantierten Stücke noch unterscheidbar, nachdem sich die Medullarplatte deutlich mit Wülsten gegen die umgebende Epidermis abgegrenzt hatte, und jedes von ihnen zeigte zugleich die Stelle an, von der das andere stammte. Damit wird man von allen ander- weitigen Feststellungen unabhängig und gegen jeden Zweifel über die Herkunft der Stückchen gesichert. Dieses Experiment ergab nun, daß ein Stückchen Ektoderm, welches an seinem ursprünglichen Ort Epidermis geliefert hätte, zu Medullarplatte und später zu Gehirn oder Rückenmark wird, wenn es in den Bereich verpflanzt worden ist, aus welchem später diese Organe entstehen, während umgekehrt das Stückchen, welches aus diesem Bereich stammt, im Zusammenhang der Epidermis sich ebenfalls zu Epidermis ausbildet. So konnte z. B. der dunklere Keim vorn in der Medullarplatte einen scharf begrenzten helleren Fleck haben, und der hellere Keim hinwiederum vorn in der Haut, ventral vor der Medullarplatte, einen deutlichen dunkleren Fleck, und aus jedem der beiden Keime wurde ein normaler Embryo. Hebt sich das fremde Stück dunkel in der helleren Medullarplatte ab, so sieht man später das betreffende Stück des Grehirns deutlich dunkel durch die Epidermis hindurchschimmern, in einem derartigen Falle z. B. die rechte primäre Augenblase und das Vorderhirn. Die Unter- suchung auf Schnitten ergab eine normale Entwicklung der ursprüng- lich ortsfremden Teile. Daraus lassen sich die folgenden Schlüsse ziehen. Zu Beginn der Gastrulation ist das Keimmaterial, aus welchem später Medullarplatte und in der Folge Gehirn und Rückenmark werden, und dasjenige, welches später Epidermis bildet, noch nicht oder wenigstens noch nicht fest zu diesem seinem Schicksal bestimmt. Ob es noch ganz indifferent ist, das läßt sich nach diesem Experiment nicht entscheiden und müßte auf anderem Wege geprüft werden, a irn en a Über Transplantationen an Amphibienembryonen im Gastrulastadium. 309 z. B. durch völlig isolierte Aufzucht einer solchen Stichprobe in einer Nährlösung (HArkrıson) oder in einer indifferenten Körpergegend (Lewis). Aber jedenfalls ist das Material noch in hohem Maße umbildungsfähig; es kann noch sowohl zu Gehirn wie zu Epidermis werden. In dem Bereich, welcher zu Medullarplatte und später zu Gehirn und Rückenmark wird, muß irgendein Einfluß herrschen, welcher das hierher transplantierte Material veranlaßt, nicht Epidermis zu werden, sondern Gehirn und Rückenmark; dasselbe gilt wahr- scheinlich auch für die Epidermis, in deren Bereich transplantiert „Hirnmaterial“, wenn man kurz so sagen darf, zu Epidermis wird. Auf dieselbe Weise wie die Indifferenz oder Umbildungsfähigkeit des Ektoderms zu Beginn der Gastrulation läßt sich auch seine Determination nachweisen, die mit dem Ablauf der Gastrulation und dem Sichtbarwerden der Medullarplatte rasch fortschreitet und immer mehr ins einzelne geht. Während der späteren Stadien der Gastrulation transplantiert., fügt sich ein solches präsumptives Stück Epidermis nicht mehr so vollkommen in die umgebende Medullarplatte ein, was um so mehr auf- fällt, als es zunächst ganz glatt verheilt; es kann aber nochzu einem normalen Teil des Gehirns, z. B. zu einem Auge, verarbeitet werden. Ein präsumptives Stück Medullarplatte, nach Schluß der Gastrulation in die spätere Epidermis verpflanzt, wird unter Umständen nicht mehr zu Epidermis, sondern zu Medullarplatte. Wenn gar die Medullar- platte erst einmal sichtbar geworden ist, so sind auch ihre Teile schon ziemlich bis ins einzelne bestimmt und ebenso die Epidermis. Ein Stück Epidermis, in die Medullarplatte verpflanzt, heilt zwar a a a ee auch noch ein, wird aber später wieder ausgestoßen; ob regelmäßig, bleibt noch zu prüfen. Ein Stück Medullarplatte, in die Epidermis verpflanzt, heilt ebenfalls zunächst ganz glatt ein; dann aber wird es, ähnlich wie die normale Medullarplatte, von der Epidermis über- wachsen und in die Tiefe versenkt. Es scheint also, daß sich in einem bestimmten Entwicklungsstadium der Zusammenhang zwischen Epidermis und Medullarplatte lösen muß, nicht nur an der typischen Stelle längs des normalen Randes, sondern wo immer beide zusammen- stoßen. Sehr hübsch wird dies dadurch erläutert, daß ein Stück vom Rand, welches Medullarplatte und Epidermis enthält, in Epi- dermis eingeheilt nicht ganz in die Tiefe versinkt, sondern nur mit seinem Medullarplattenanteil. — Das überwachsene Stück entwickelt sich nun im Bindegewebe unter der Haut weiter, zu demselben Teil des Gehirns, den es an seinem normalen Ort gebildet hätte. Ein Stückchen z. B. vorn seitlich entnommen, bildet in der Hauptsache RT 310 H. SPEMANN. ein Auge. Überschreitet dieses Stückchen die Medullarplatte und greift damit auf die Anlage der Riechgrube über, so bleibt diese letztere im Zusammenhang der Epidermis, etwa auf der rechten Seite des Tiers über der Vorniere, und unter ihr im Bindegewebe liegen Teile des Gehirns und das Auge. In der weit offenen Medullar- platte sind also schon die einzelnen Teile des Gehirns bestimmt; wie weit die Determination ins einzelne geht, bleibt noch fest- zustellen. Wie mag nun diese Determination zustande kommen? Ergreift sie das ganze Material gleichzeitig, oder geht sie von einer begrenzten Stelle aus und pflanzt sich dann in bestimmter Richtnng fort? Auch zur experimentellen Beantwortung dieser Frage liegt wenigstens ein Anfang vor. In mehreren Fällen nämlich, wo das Stück zu Beginn der Gastru- lation sehr nahe über der Urmundeinstülpung entnommen wurde, entwickelte es sich in der Epidermis eines anderen Keims nicht zu Epidermis, sondern zu Medullarplatte. Wäre in diesem Entwicklungs- stadium das Stück in größerer Entfernung über dem Urmund, aber auch noch innerhalb der späteren Medullarplatte, entnommen worden, so hätte es nach den eben mitgeteilten Erfahrungen, in Epidermis verpflanzt, Epidermis geliefert. Diese Tatsache läßt zwei Erklärungen zu. Endweder ist das Ektoderm in der Nähe des Urmunds schon weiter differenziert als in größerer Entfernung von ihm; oder aber ist zwar das Ektoderm noch indifferent, aber das transplantierte Stück enthielt außer dem Ektoderm noch etwas, was später dessen Differenzierung zu Medullar- platte bewirkt; das müßte die tiefe Schicht sein, welche das Dach des Urdarms bildet und im Bereich der Urmundlippe eng mit der oberflächlichen Ektodermschicht zusammenhängt. In beiden Fällen ist auf eine von hinten nach vorn fortschreitende Differenzierung des Ektoderms zu Medullarplatte zu schließen; aber im ersteren Fall würde sie sich innerhalb des Ektoderms fortpflanzen; im zweiten dagegen würde sie durch die von hinten nach vorn fortschreitende Unterlagerung des Ektoderms mit Ento-Mesoderm während der (Gastrulation bedingt. Eine Entscheidung zwischen diesen beiden Möglichkeiten muß durch neue Experimente gesucht werden. C2 u ee re ee ee RE EI ET EEE II. Experiment: Änderung der Orientierung des Materials für Gehirn und Rückenmark. Angenommen, das Ektoderm der oberen Urmundlippe trage 5 schon zu Anfang der Gastrulation, wenn das übrige Ektoderm noch indifferent ist, die Bestimmung zur Bildung von Medullarplatte i in = nn Er > ’ Über Trausplantationen an Amphibienembryonen im Gastrulastadium. 31] 2 - sich, und diese Bestimmung verbreite sich rein im Ektoderm nach vorn und wohl auch etwas nach den Seiten, so müssen wir wohl in den nacheinander in die Differenzierung eintretenden Zellen irgendeine innere Orientierung voraussetzen, durch welche die - Ausbreitung des differenzierenden Einflusses geleitet wird; denn es ist doch unwahrscheinlich, daß ein solcher langsam fortschreitender - Einfluß — denken wir ihn als Diffusion eines Stoffes — ein Beharrungs- vermögen besitzt, durch welches er sich in einem isotropen Material - in einer einmal eingeschlagenen Richtung weiter bewegt; und selbst - indiesem Fall müßten wir werigstens für den Anfang der Ausbreitung _ des differenzierenden Agens eine vorbestimmte Bahn annehmen. - Dann ist aber zu erwarten, daß durch eine Störung in der Orien- tierung der Ektodermzellen, aus denen Medullarplatte werden soll, - auch die Ausbreitung des Einflusses und damit die Bildung einer Medullarplatte von normaler Form und Ausdehnung gehindert oder gestört wird. Eine solche Störung einer etwaigen Orientierung — würde nun bewirkt durch das folgende Experiment, über welches ich schon vor Jahren (1906) kurz berichtet habe. | Transplantierte kleine runde Scheibchen des Ektoderms lassen sich naturgemäß nicht orientieren; sie sehen ringsum gleich aus. - Deshalb wurde die ganze animale Hälfte des Keims zu Beginn der — Gastrulation abgeschnitten und. um 90° oder 180° gedreht, wieder aufgeheilt. Das Experiment wird in folgender Weise ausgefühıit. Man befreit den Keim im gewünschten Entwicklungsstadium aus dem Dotterhäutchen und wälzt ihn so lange auf dem Wachsboden ‚des Schälchens, bis der Urmund genau symmetrisch liegt, nach oben ‚gerichtet, nach der vegetativen Hälfte hin verschoben. Dann schneidet man mit der Glasnadel die animale Kappe ab. Die Abplattung des breiweichen Keims und der quetschende Druck der Nadel bringen ‘es mit sich, daß der freie Schnittrand nicht rund, sondern länglich ‘oval ist; dadurch wird es möglich, die beiden Stücke sehr genau um 90° oder 180° gegeneinander zu drehen und in dieser Lage zur Verheilung zu bringen. Verwendet man auberdem zu dem Experiment nicht einen Keim, sondern zwei von verschiedener Farbe, deren Kappen man unter Vornahme der gewünschten Drehung austauscht, so kann man sich zugleich überzeugen, daß die Medullar- platte sich wirklich aus beiden Stücken zusammensetzt und nicht etwa nur an dem unteren sich bildet, welches den Urmund enthält. Das Ergebnis des Versuchs ist überraschend. Trotz der tief- greifenden Desorientierung der animalen Kappe entsteht eine normale Medullarplatte, deren vorderer Teil deutlich aus dem gedrehten Stück gebildet worden ist; und zwar findet diese normale Entwicklung ELLE TEN Po r es 312 H. SPEMANN. nicht nur nach Drehung um 180° statt, sondern auch nach einer solchen um 90°, also nicht nur dann, wenn bloß vorn und hinten vertauscht worden ist, die sagittale Richtung der Zellplatte dagegen nicht oder nur wenig geändert, sondern auch dann, wenn das vordere Stück der präsumptiven Medullarplatte gradezu quer zum hinteren liegt. Einen solchen Embryo habe ich konserviert und geschnitten, als er stark verzweigte Kiemen und die erste Andeutung von (Gabelung an den Vorderbeinchen hatte; ich konnte keine Ab- normität irgendwelcher Art an ihm auffinden. Die Medianebene des Tieres richtet sich nach dem unteren Stück, welches den Urmund enthielt; von dem unteren Stück also geht die Bestimmung des oberen aus. Daß sie sich von der oberen Urmundlippe her durchs Ektoderm ausbreitet, ist im Fall des Experi- ments sehr unwahrscheinlich; denn das würde, wie oben ausgeführt, eine innere Orientierung der Ektodermzellen in der animalen Kappe zur typisch geregelten Ausbreitung des differenzierenden Einflusses voraussetzen, und diese Orientierung wäre ja gerade durch die Drehung, namentlich die um 90°, in durchgreifender Weise gestört worden. Nun könnte man allerdings annehmen, daß zuerst die innere Orientierung des oberen Stücks vom unteren aus wieder her- gestellt wird; aber da dieses sogar größer sein kann als das untere, so hat diese Annahme wenig Wahrscheinlichkeit. Dann bliebe aber nur die Annahme eines differenzierenden Einflusses von seiten des Ento-Mesoderms, welches sich bei der Gastrulation unter das Ektoderm schiebt. Eine Entscheidung könnte vielleicht erreicht werden, wenn man die Verlagerung erst in späteren Stadien der Gastrularion vor- nähme und beide Schichten der Rückenplatte zusammen drehte, und zwar um 90°, so daß die präsumtive -Medullarplatte und das darunter liegende Stück Dach des Urdarms quer zum übrigen Keim / stände. Dieses Experiment habe ich noch nicht ausgeführt, wohl aber die Drehung eines großen Stücks der Rückenplatte um 180%, — bei kreisförmigem Urmund und ziemlich kleinem Dotterpfopf. Das Experiment beweist in unserer Frage nicht viel, ist aber in anderer Hinsicht interessant. Si Führt man eine solche Umdrehung später aus, nach Sichtbar- werden der Medullarplatte, so entsteht bekanntlich Situs inversus viscerum et cordis (SPEMANN 1906, PRESSLER 1911, Meyer 1913), den ich darauf zurückführte, daß das ausgeschnittene Stück des Urdarmdaches schon eine bestimmte Krümmungstendenz hat, durch die es den ganzen Situs determinieren kann, nach seiner Inversion in inversem Sinn. Da diese Krümmungstendenz eine typisch 3 a U EN in Ex Are re a4 U Über Transplantationen an Amphibienembryonen im Gastrulastadium. 313 ist, so muß sie auch auf typische Verhältnisse in früheren Ent- wicklungsstadien als Ursachen zurückgehen. Es ist daher zu er- warten, daß auch in jenem früheren Entwicklungsstadium gleich nach Ablauf der Gastrulation die Inversion eines mittleren Teils des Darmdachs eine Inversion des ganzen Situs viscerum zur Folge hat, und das ist in der Tat der Fall. Während aber bei jenen früheren Experiment die Teile des umgedrehten Stücks schon so fest determiniert sind, daß sie sich in der einmal eingeschlagenen Richtung unbeirrt weiter entwickeln, sind sie hier, wie aus den oben ge- schilderten Experimenten hervorgeht, noch in hohem Maße um- bildungsfählig. An keinem der Organe, deren Bildungsmaterial aus dem alten Zusammenhang getrennt und in einen neuen gebracht worden war, sind Spuren davon zu bemerken, weder am Zentral- nervensystem, noch an Chorda und Muskulatur, noch am Darm; der Embryo ist völlig normal und lebensfähig, weil alles sich aus- gleichen konnte. Nur die typisch asymmetrische Wachstumstendenz des gedrehten Dachstückes des Urdarms konnte sich verständlicher- weise nicht ändern, und so war Situs inversus die Folge. Der betreffende Embryo wurde mit stark verzweigten Kiemen und schwach gegabelten Vorderbeinchen konserviert und auf Horizontalschnitten untersucht; alle Verhältnisse sind völlig klar und eindeutig. III. Experiment: Vereinigung gleichseitiger Hälften zweier verschiedener Keime. Es erhebt sich nun die Frage, ob sich der bestimmende oder umstimmende Einfluß auch nach der Seite hin verbreiten kann. Zur Lösung dieser Frage müßte man eine seitliche Hälfte der be- ginnenden Gastrula mit einem Keimmaterial in Verbindung bringen, welchem bei normaler Entwicklung ein ganz anderes Schicksal bevor- stände. Das läßt sich auf folgende einfache Weise erreichen. = Man wählt zwei gleich große und gleich alte Keime, im ersten Beginn der Gastrulation stehend, spaltet sie genau median, was _ sich mit einer feinen Glasnadel sehr exakt ausführen läßt, und tauscht die Hälften aus, nun aber nicht so, daß man wieder links mit rechts und rechts mit links zu je einem normalen Embryo ver- bindet, sondern so, daß rechts mit rechts und links mit links ver- einigt wird, wobei die durch den oberen und unteren Pol der Keim- hälften gelegten Achsen gleich gerichtet sind und annähernd zusammenfallen. Dann grenzt also das Material, welches später _ etwa die linke Hälfte der Medullarplatte zu bilden hätte, an solches, dessen normales Schicksal die Bildung von Bauchhaut der linken Seite wäre. 22 314 H. SPEMANN, Das Ergebnis des Experiments ist ein ganz klares. Jede Hälfte des Urmunds ergänzt sich zunächst aus dem anstoßenden Material zu einem ganzen Urmund, und dann geht die Entwicklung allem Anschein nach weiter wie normal. An jedem der beiden kom- binierten Keime entstehen zwei Medullarplatten, auf entgegen- gesetzten Seiten gelegen, die zum Teil der einen, zum Teil der anderen Komponente angehören, zum Teil also aus Material sich bilden, welches auch normalerweise zu Medullarplatte und später zu Gehirn und Rückenmark geworden wäre: wir können das die primäre Hälfte nennen, zum Teil dagegen aus Material entstehen, welches ohne den seitlichen Einfluß des angeheilten Partners Bauch- haut geliefert hätte: das ist die sekundäre Hälfte der Platte. Sehr schön sind die beiden Bestandteile zu unterscheiden, wenn man auch zu diesem Experiment verschieden gefärbte Keimhälften ver- wendet. Man sieht dann auch, daß die Grenze zwischen den beiden Hälften von verschiedener Herkunft keineswegs genau der Median- linie der Medullarplatte entspricht. Die beiden Medullarplatten eines jeden Keimes stoßen mit ihrem Hinterende zusammen, anfangs immer durch den querspaltförmigen Urmund getrennt. Die Vorderenden können ineinander übergehen, so daß der Keim von einem Ring von Medullarsubstanz umzogen ist, oder können sie einander genau opponiert sein; am häufigsten aber wachsen sie aneinander vorbei. Die sekundären Hälften sind nämlich meistens etwas schwächer entwickelt als die primären, die Platten daher auf der sekundären Seite eingebogen; nach dieser sekundären Seite hin weichen dann die Köpfe einander aus. Bei dem Keim „rechts—rechts“ z. B. sind an beiden Medullarplatten die rechten Hälften die primären, die linken die sekundären; die Platten sind nach der schwächer entwickelten sekundären Seite, also nach links, ein- oder umgebogen, und’ nach dieser Seite hin weichen ihre Vorderenden und nachher die Köpfe beim Längen- wachstum einander aus. Es sieht aus, als umarmten sich die Embryonen und jeder sähe dabei über die rechte Schulter des anderen. — Häufig, vielleicht meistens, kommt dieses regelmäßige System später aus dem Gleichgewicht, indem sich die Medullarrohre auf der einen Seite einander nähern; ihre Hinterenden drängen den After nach der andern Seite heraus und wachsen dann, teilweise verschmolzen, zusammen weiter. Doch soll hierauf erst in der ausführlichen Darstellung eingegangen werden. | Damit ist gezeigt, daß der fragliche Einfluß, welcher indifferentes- Ektoderm zu Medullarplatte umbildet oder wenigstens die Vor- bedingung dazu schafft, sich auch nach der Seite hin fortpflanzen Über Transplantationen an Amphibienem bryonen im Gastrulastadium. 315 kann. Aller Wahrscheinlichkeit nach gibt die Seite, welche die primäre Urmundhälfte besitzt, der anderen Seite nur den Anstoß zur Gastrulation, und dann erfolgt die weitere Differenzierung von dem ergänzten Urmund aus. Denn würde zuerst die primäre Hälfte ‘von hinten nach vorn fortschreitend differenziert, und griffe die Determinierung erst von da aus auf die andere Hälfte über, so müßte man erwarten, daß diese in der Entwicklung etwas zurück- bliebe, was, wie wir gleich sehen werden, keineswegs der Fall sein braucht. In einigen Fällen war nämlich die eine seitliche Hälfte der zusammengesetzten Keime von Anfang an ein wenig älter als die "andere. Diese Hälfte übt nun nicht nur denselben differenzierenden Einfluß auf ihren jüngeren Partner aus, wie eine gleichaltrige Hälfte, sondern sie erleidet auch von ihm denselben Einfluß; d. h. es ent- stehen auch in diesem Fall die beschriebenen zusammengesetzten Medullarplatten. Daraus folgt zunächst, daß die Möglichkeit zu einer solchen differenzierenden Wirkung einen gewissen zeitlichen ‚Spielraum hat. Das Interessante ist nun aber, daß das ältere Stück ‚den anfänglichen Vorsprung in der Entwicklung beibehält. Es ist nämlich die Medullarplatte auf der Seite des älteren Partners weiter entwickelt als auf der Seite des jüngeren, und zwar nicht etwa nur da, wo die primäre Hälfte der Medullarplatte vom älteren Partner gebildet wird, sondern auch auf der gegenüberliegenden Seite, wo die ältere Hälfte erst nachträglich durch die anstoßende jüngere zur Bildung von Medullarplatte veranlabt worden ist. Daraus lassen sich mit Wahrscheinlichkeit zwei Schlüsse ziehen. Einmal soeben erwähnte und begründete, daß der differenzierende Einfluß ler primären Urmundhälfte zunächst nur deren Ergänzung aus dem angeheilten Ektodermmaterial bewirkt, und daß dann von diesem ganzen Urmund aus die Differenzierung der Medullarplatte erfolgt, ohne Rücksicht auf die Herkunft des Bildungsmaterials. Sodann andere Schluß, daß das Material, aus welchem die sekundäre dälfte der Medullarplatte entsteht, wirklich noch indifferentes Ek oderm ist, d. h. noch nicht in der speziellen Richtung auf Epi- le mis hin differenziert. Denn hätte es schon den Punkt, wo die Ere zu Medullarplatte und Epidermis sich trennen, in der Richtung uf Epidermis hin überschritten, so müßte sich ER der Umweg, len das in der Richtung auf Medullarplatte bedeutet, in einer Ver- pi tung der Entwicklung bemerkbar machen. Daß aus dem älteren tü Er unter Einfluß des jüngeren eine weiter entwickelte Medullar- älfte entstanden ist, weist darauf hin, daß es vor der differenzierenden Eirkung in der Zeit, um die es älter ist, Vorstufen durchgemacht 29% : E: & ü 316 H. SpEMAnNN. hat, die sowohl für Medullarplatte wie für Epidermis unerläßlich und beiden gemeinsam sind. IV. Experiment: Erzeugung von Janusbildungen. Die Vorstellung, welche wir uns auf Grund der geschilderten Experimente gebildet haben, hat nun auch schon eine Probe bestanden, indem sich aus ihr ein Versuchsergebnis ableiten ließ, welches dann tatsächlich eintraf. i Wenn man an zwei Keimen die animalen Kappen abschneidet und dann die unteren Hälften in gleicher Orientierung zur Verheilung bringt, so müssen die von den beiden oberen Urmundlippen aus- gehenden „Differenzierungsströme“ nach einiger Zeit aufeinander- prallen und dann nach beiden Seiten anseinanderweichen, bis sie sich erschöpft haben, bis das für die Keimart spezifische Gleichgewicht zwischen Epidermis und Medullarplatte erreicht ist. Mit anderen Worten, es ist bei dem Experiment die Entstehung jener Art von Doppelbildung zu erwarten, welche Janus genannt wird. Und diese entstand in der Tat in mehreren Fällen, wo die Strecken über den oberen Urmundlippen genügend rerklirzt waren. Freilich ließe sich 1 dieses Ergebnis des Experiments auch von einer anderen Voraus- } setzung ‚aus erklären, als von derjenigen, von welcher es abgeleitet worden war, nämlich aus einer Aufstauung des Ektodermmaterials der präsumptiven Medullarplatte, welche in einer gewissen Ent- wicklungsperiode stärker in die Länge wächst als die präsumptive Epidermis. Jedoch konnte ich trotz besonders auf diesen Punkt gerichteter Aufmerksamkeit im Ektoderm kein Anzeichen einer solchen Aufstauung beobachten; auch spricht die sehr regelmäßige Ausbildung der beiden Vorderenden gegen diese Erklärung. Da- gegen muß wohl im Innern ein Zusammenstoß und eine Aufstauung 3 der beiden aufeinander zuwachsenden Vorderenden des Urdarms stattfinden, dessen Material ja nicht verringert worden war, und das würde wieder sekundär die entsprechende Differenzierung der | Medullarplatte nach sich ziehen. Zusammenfassung. Neue Möglichkeiten. Jedes der mitgeteilten Experimente fordert zu seiner Erklärung” die Annahme bestimmter Zustände in den einzelnen Teilen des Keims, bestimmter Arten des Geschehens bei ihrer Entwicklung es liegt nahe, sich aus ihnen den normalen Entwicklungsprozel aufzubauen. Ektoderm in gewisser Entfernung vom Urmund kan je nach Umständen zu Medullarplatte oder zu Epidermis werder der nächstliegende Schluß scheint zu sein, daß es noch indiffereı 3 Über Transplantationen an Amphibienembryonen im Gastrulastadium. 317 [4 _ ist, und auch normalerweise den Anstoß zu spezifischer Entwicklung ä von anderen Keimteilen her erhält. Es werden das die Teile der nächsten Umgebung sein; aber da diese sich in jenem frühen Ent- _ wieklungsstadium als gleich bestimmbar erweisen, so werden sie entweder selbst erst von weiter entfernten Teilen fortschreitend 7 bestimmt werden, oder aber werden ursprünglich entfernte Teile _ durch Materialverlagerungen in die Nähe gebracht werden. In jenen _ entfernteren Teilen wird man also die Ursache zur Differenzierung : suchen müssen. Nun zeigt sich, daß schon in jenem frühen Stadium _ das Keimmaterial näher dem Rand der oberen Urmundlippe nicht _ mehr indifferent ist; es ist also die gegebene Annahme, daß von Be die Differenzierung ausgeht. Diese Annahme schien auch am = besten den Tatsachen gerecht zu werden, welche die gemeinsame _ Entwicklung zusammengeheilter gleichnamiger Gastrulahälften ergab. Nachdem sich der Urmund, wie sich beobachten läßt, aus dem angeheilten Stück ergänzt hat, scheint sich die Differenzierung ohne jede Rücksicht auf die verschiedene Herkunft des Bildungsmaterials von hinten nach vorn auszubreiten. — Diese Ausbreitung erfolgt 3 nun entweder rein im Ektoderm fortschreitend oder durch Vermittlung des sich unterlagernden Ento-Mesoderms. Die erstere Möglichkeit, die Ausbreitung rein im Ektoderm, scheint so gut wie ausgeschlossen zu jenem Experiment, bei welchem die animale Kappe der Gastrula um 90° gedreht wurde. Es müßte also die Differenzierung unter & Vermittlung des Urdarmdaches, auf welche man in diesem Falle verwiesen wird, dem Keime zum mindesten möglich sein. Zu dieser Auffassung der Entwicklung stimmt auch die Erklärung, welche die geschilderte Erzeugung des Janus nahelegt. Aber wenn auch die experimentell nachgewiesenen oder wahr- scheinlich gemachten „Fähigkeiten“ des Keims völlig hinreichen, normale Entwicklung nun auch wirklich im Geleise dieser unter _ abnormen Verhältnissen enthüllten Fähigkeiten verläuft. So müßte erst geprüft werden, wozu sich Material der präsumptiven Medullar- _ platte, welches in Epidermis verpflanzt noch zu Epidermis werden kann, entwickelt, wenn esin ein Medium gebracht wird, von welchem _ keine differenzierende Wirkung ausgehen kann. W enn es auch da nicht etwa zu Medullarplatte, sondern zu Epidermis wird oder ganz indifferent bleibt, wenn also ein äußerer Einfluß für seine Differenzierung zu Medullarplatte unerläßlich ist, so fragt es sich, b dieser Einfluß sich nicht doch rein im Ektoderm ausbreiten ann und vielleicht sogar bei der normalen Entwicklung so aus- 318 H. SPEMANN. breitet, obgleich sich experimentell ein Fall erzielen läßt, wo die Ausbreitung aller Wahrscheinlichkeit nach nicht in dieser Weise stattfindet. Denn es ist wohl denkbar, daß beim Experiment ein Einfluß von seiten des Ento-Mesoderms aushilfsweise einspringen kann, wenn der etwaige normale Einfluß von seiten des weiter hinten gelegenen Ektoderms unterbrochen oder gestört ist. ‚Wenn es ferner bei der Entwicklung zusammengefügter gleichnamiger Gastrulahälften sehr wahrscheinlich ist, daß der bestimmende Ein- fluß von seiten der primären Hälfte sich auf die Ergänzung des Urmunds beschränkt und daß die Bestimmung der Medullarplatte rein von hinten nach vorn von dem ergänzten Urmund aus fort- schreitet, so ist damit keineswegs gesagt, daß dieser Einfluß nicht ”° unter anderen Bedingungen auch rein im Ektoderm in seitlicher Richtung fortschreiten könnte, wie es z. B. Rovx für gewisse Fälle seiner Postgeneration annimmt. Wenn nun auch die Fähigkeiten des werdenden Organismus, die sich uns unter gewissen abnormen Bedingungen enthüllen, noch nicht notwendig zugleich die Faktoren sind, welche die normale Entwicklung beherrschen, so sind sie darum nicht weniger vor- handen und nicht weniger interessant, ist darum vor allem ihre Kenntnis nicht weniger wichtig als methodische Voraussetzung tieferen Eindringens. Darüber zum Schluß noch einige Worte. + Die Vervollkommnung der Operationstechnik durch die oben | geschilderten Methoden läßt manche neuen Versuche ausführbar er- scheinen, die bisher aussichtslos waren. So hat die Kleinheit der transplantierten Stücke in verschiedener Hinsicht ihre eigenen Vor- teile. Der nächstliegende ist der, daß eben verhältnismäßig kleine Keimbezirke auf ihr Schicksal und ihre selbständige Entwicklungs- fähigkeit hin geprüft werden können. So habe ich damit begonnen, die Medullarplatte ganz systematisch auf die Lokalisation ihrer ” Anlagen zu prüfen, in der oben schon angedeuteten Weise, daß am einen Embryo der Defekt festgestellt wird, den das entnommene Stück hinterläßt, am andern die Entwicklung eben dieses durch Transplantation isolierten Stücks unter der Haut. Wenn man einmal auf diese Weise eine topographische Karte der Hirnregionen in der Medullarplatte hergestellt hat, so kann man später einzelne Anlagen nach Belieben ausschalten oder durch andere ersetzen. Wenn man die Keime von verschiedener Farbe wählt, so können die kleinen, transplantierten Stücke als Marken für Material- verschiebungen und Wachstumsverschiedenheiten dienen, und zwar sowohl das Stück als Ganzes, als auch die Form seines Umrisses, So behält ein Stück Ektoderm im vorderen Teil der Medullarplatte e. = „Wa Über Transplantationen an Amphibienembryonen im Gastrulastadium. 319 seinen anfänglich runden Umriß nahezu unverändert bei, während es sich weiter hinten zu einem langen, schmalen Streifen auszieht, ein sicheres Zeichen dafür, daß vom Beginn der Gastrulation bis zur Ausbildung der Medullarplatte iu deren hinterem Teil ein aus- giebiges Längenwachstum stattfindet, im vorderen Teil dagegen nicht. Bisher hat man solche Marken immer durch Anstich erzielt; die neue Methode kann als Ergänzung dienen und hat in manchen Fällen ihre eigenen Vorzüge. Wenn solche Marken ins Innere des Keims verlagert werden, z. B. bei der Gastrulation, so entziehen sie sich der weiteren Beobachtung während des Lebens, und wenn es sich um Defektmarken handelt, wohl auch meist der späteren Feststellung auf Schnitten. Dem letzteren ließe sich abhelfen, wenn es gelänge, solche transplantierte Stücke als Marken zu verwenden, welche dauernd einen histologischen Unterschied bewahren; das heißt also, wenn es gelänge, artfremdes Material zu transplantieren. Das wäre auch in anderer Hinsicht wertvoll. Über die Einheilung und Erhaltung artfremden Materiales liegen schon seit Borns ersten Versuchen Erfahrungen vor. Ich selbst habe durch Ersatz des rechten Vorderendes der Medullar- platte von Rana esculenta durch das entsprechende Stück von Bombinator ein Auge erzeugt, dessen Retina Bombinator angehörte, während die Linse von Rana geliefert war. Eine weitere Aus- dehnung solcher Versuche scheint mir einmal dadurch möglich, daß man sehr kleine Stücke transplantiert, welche vielleicht weniger schädigend wirken, und dann dadurch, daß man möglichst nahe- stehende Formen kombiniert. Das wären nach den Rassen, deren Gewebe wohl nicht unterscheidbar sein. werden, vor allem die Bastardformen, namentlich solche mit derselben Art als Mutter, welche also das Eiprotoplasma gemeinsam haben, z. B. Keim- teile von Triton eristatus 9 x Triton taeniatus 9 in Triton taenıatus. Das Experiment der Vereinigung ganzer Gastrulahälften läßt mehrere Variationen zu. Die nächstliegende und dabei vielleicht interessanteste ist die, daß man von zwei gleich alten Keimen die gleichen Seiten austauscht, also die linke Hälfte des Keimes A mit der rechten Hälfte des Keimes B und umgekehrt zu zwei neuen, normalen Keimen vereinigt. Dabei könnten halbseitige Zwitter entstehen, welche bei Amphibien besonders interessant wären, weil hier die Geschlechtsdrüsen einen Einfluß auf die sekundären Sexual- charaktere zu haben scheinen. Das Experiment geht; es fehlte mir bloß die Zeit, es in größerem Umfang auszuführen und die Embryonen lang genug aufzuziehen. 320 A. JAcoBI. Der wichtigste methodische Fortschritt liegt aber vielleicht in der jetzt gegebenen Möglichkeit, in so frühem Stadium zu operieren, daß das Keimmaterial zum Teil wenigstens noch ganz indifferent oder umbildungsfähig ist. Man kann also gewissermaßen dem Keim fremdes Material zur Verarbeitung darbieten, welches inirgend- einem Punkt abnorm ist. Als Beispiel mag die Umdrehung eines { Stücks der Rückenplatte dienen, das eine Mal kurz vor Beendigung der Gastrulation, das andere Mal nach Sichtbarwerden der Medullar- platte vorgenommen. Beide Male entsteht Situs inversus viscerum. Aber während im einen Fall die von der Umdrehung betroffenen Teile schon so fest determiniert sind, daß die Spuren des Eingriffs nicht mehr verwischt werden können und die Entstehung eines normalen Embryos unmöglich ist, können sich-im anderen Fall noch alle etwaigen Unstimmigkeiten ausgleichen; nur die dem Darmdach innewohnende asymmetrische Wachstumstendenz kann sich nicht ändern, und so entsteht ein im übrigen ganz normal gebauter, lebens- fähiger Embryo mit Situs inversus. Als noch größer würde sich der eben erwähnte Vorteil der früh- zeitigen Operation heraus stellen, wenn der Keim imstande sein sollte, auch artfremdes Material zu verarbeiten. Ich will ein bestimmtes Beispiel herausgreifen. Ein Stück Ektoderm, gleichgültig.aus welcher Gegend, in das Gebiet der späteren Epidermis gebracht, liefert Epidermis, welche sich nach meinen bisherigen Erfahrungen weiter genau so verhält, als wäre sie von Anfang an für diesen ihren neuen Ort bestimmt gewesen. Sollte sich nun ein Stück Ektoderm einer anderen Art ebenso verhalten, so könnte man zusammengesetzte Organe erzeugen, etwa ein Beinchen, dessen Skelett, Muskulatur, Bindegewebe dem Triton taeniatus angehört, die Epidermis dagegen Triton ceristatus oder dem Bastard.. Aus solchen Kombinationen ließen sich dann wertvolle Schlüsse ziehen auf die Rolle, welche die einzelnen Gewebsarten, z. B. die Epidermis, bei der Formgebung spielen. Auch für das Gelingen dieses Experiments habe ich schon bestimmte Anhaltspunkte. ER N Er ._ RR ern ee Über einige sibirische Wühlmäuse, insbesondere hicrotus ovoeconomus (Avcr.). Von A. JaAcoBIı. Eine Sammlung kleiner Säugetiere, die von K. und OÖ. Frırsche 1908 in der Landschaft Kultuk an der Südwestecke des Baikalsees angelegt worden war, ist im Kgl. Zoologischen Museum in Dresden verwahrt und gibt mir Anlaß zu den folgenden Bemerkungen. Über einige sibirische Wühlmäuse, insbesondere Microtus oeconomus Auct. 39] Leider waren nicht die vollständigen Tiere in Spiritus erhalten, sondern nur die Häute mit Schädeln, so daß der Skelettbau, im besonderen die Wirbelzahl nicht untersucht werden konnte. Auch die Schädel wareu mehrfach stark beschädigt. 1. Mierotus agrestis (L.). a) Kultuk am Baikalsee VIII (B 4625). Bien ’ > V (B 5374). c) 2 2 P VIII (B 4641); juv. Die erwachsenen Stücke sind auf der Oberseite ein wenig röt- - licher gefärbt als ein mitteldeutscher Balg vom März, jedoch in verschiedenem Grade nach der Jahreszeit. Die Bauchseite ist nicht _ grauweiß gefärbt wie bei unserer Erdmaus, sondern ausgesprochen graugelb, und zwar bei 5 stärker als bei «. Solche verschiedene Sehattierung der Unterseite ist aber bei Wühlmäusen aus ein und - derselben Gegend nichts Seltenes. Auch bei der folgenden Art werden - wir erfahren, daß die Unterseite in starken individuellen Schwankungen — zwischen weiß und gelb abändert. 7 Bei der Maus 5b ist die Oberlippe in einem breiten Streifen _ unterhalb der Schnurrhaare blaß ockergelb. Das sehr junge Tier c hat Ober- und Unterseite wesentlich - düsterer gefärbt als die Alten, was der Angabe von Buasıus!) für dieselbe Alterstufe des europäischen M. agrestis entspricht. Angesichts der Veränderlichkeit, die uns schon bei den zwei Erwachsenen entgegentritt, möchte ich den geschilderten Ab- _ weichungen der ostsibirischen Tiere von den unserigen kein syste- _ matisch verwertbares Gewicht beilegen; in Größe und Zahnbau ist kein Unterschied wahrnehmbar, während sich über den Schädel, ‚insbesondere die Bullae, nichts sagen läßt, weil nur die Gesichts- teile übrig geblieben sind. Auch M. agrestis mongol Tuos. weicht nur in der Größe der Ohrblasen ab. / In faunistischer Hinsicht ist zunächst festzustellen, daß die Art Microtus agrestis L. in Rußland viel weiter nach Osten reicht ‚als bisher angegeben. Trouzssarrt?), der Brasıus®) wiederholt, läbt ihr Verbreitungsgebiet sich bis nach Nordrußland erstrecken. Ob ‚sie schon im mittleren Rußland beobachtet worden ist, kann ich aus der mir zugänglichen russischen Literatur nicht entnehmen. e Aus dem Südosten und aus Ciskaukasien wird sie weder von Tu ET LTE ERTTEE a er 1) 1857 Fauna Wirbelth. Deutschl. p. 371. ®) 1898/99 CGatalogus v. 1 p. 558. ») 1857 p. 373. 322 A. JACoBI. M. BoGpanow‘*) noch von SATUNIK in seinen verschiedenen Schriften genannt. Wenn die Art aber in Ostsibirien vorkommt, ist es un- wahrscheinlich, daß sie im dazwischenliegenden Teile des borealen Waldgebiets fehlen sollte; ist doch nur etwas weiter südwestlich, aus dem Tannu-ola-Gebirge, die Unterart M. a. mongol Tos.?) bekannt geworden. | 2. Microtus oeconomus (PALL.). Die 1841 von Kryseruıne und Brasıus in Nordrußland ent- deckte und als Arvicola ratticeps Krxs.-Bu. beschriebene große Wühl- maus soll nach Buasıus®) eine ausgedehnte Verbreitung über den ganzen Norden Europas und Asiens bis Kamtschatka haben. Später wurde sie in den Niederlanden von JENTIsck und durch die Be- mühungen von NEHRInG und namentlich Rörıc für das ganze nord- östliche Deutschland nachgewiesen. Die diluvialen Fossilfunde ergaben ihre einstige weit größere Verbreitung in Mitteleuropa, doch war sich NEHRING ’) unsicher geworden, ob diese Reste bei der Ähnlichkeit mit dem sibirischen Microtus oeconomus Paız. — genauer gesagt mit einer Wühlmausart, die man bisher für oeconomus hielt — nicht letzterer zuzurechnen seien; damit wurde die artliche Selbständigkeit von M. ratticeps gegen oeconomus überhaupt an- gezweifelt°). Dieser Frage hat Rörıc?) eine ausführliche Untersuchung gewidmet, durch die wir über Färbung und Veränderlichkeit, Schädel- bau, Zahnbildung und Verbreitung des deutschen M. ratticeps vor- züglich unterrichtet worden sind. Dagegen bedürfen seine Angaben über das außerdeutsche Vergleichsmaterial und namentlich über M. oeconomus einiger Berichtigungen, die ich hiermit liefere.. Un- berührt davon bleibt Rörıs’s Ergebnis, daß M. ratticeps Krvs.-Bu. keinesfalls ein Synonym zu M. oeconomus (Avcr.), sondern eine nach Bau und Lebensweise wohlgesonderte Art ist. ; Was ratticeps anlangt, so hat Rörıc '") in das von ihm benutzte außerdeutsche Material ein Tier einbezogen, das nicht hierher gehört, es ist die unter Nr. 5 aufgeführte Maus vom Ussuri (Zool. Mus. ur A TE A in. Dune ei R #) In: NEHRING 1891 Zschr. Ges. Erdk. v. 26 p. 321. 5) 1911 Ann. Nat. Hist. (8) v. 8 p. 759. 6) 1857 p. 368. , °), 1888 in: SB. Ges. naturf. Fr. Berlin p. 90; 1889 in: Neu. Jahrb. Miner. v. 1 p. 74. B 8) TROUESSART p. 559. ®) 1910 in: Arb. Kais. Biol. Anst. Land- und Forstw. v. 7 p. 430—472; Tab. 6—8. m 10) p. 455. | ‘ 4 i | 1 Über einige sibirische Wühlmäuse, insbesondere Microtus oeconomus Auct. 323 Berlin 6411), welche ich neben andern in Betracht kommenden Belegstücken dank dem Entgegenkommen der Direktion des Berliner Museums und namentlich MArscHıe’s nachuntersuchen konnte. RöRIıG sagt: „Von der Nase nach den Augen verläuft ein deutlicher, dunklerer Streifen.“ Auf der farbigen Abbildung Taf. 6 Fig. 5 ist dieser Streifen sogar übertrieben herausgekommen. In Wirklichkeit kann man ihn nur auf der rechten Gesichtsseite wahrnehmen, und auch da ist er gar kein natürliches Merkmal, sondern ein Erzeugnis des Zufalls, bei der Präparation des Balges dadurch entstanden, daß die kastanienbraunen Schnurrhaare nach oben hin gegen das Auge verdrückt worden sind und das eigentliche Haarkleid verdecken. Auf der andern, linken Seite, wo die Gesichtshaut richtig liegt, ist keine Spur eines solchen Streifens zu sehen. Im übrigen ist die Behaarung dieser Maus so außerordentlich lang und vliessig, wie sie bei keiner andern sibirischen Art zu finden ist oder berichtet wird, auch die Schmelzfaltenbildung des M, zeigt nach Rörıe’s Abb. 36 im vordern Abschnitte beträchtliche Abweichung von der typischen bei M. ratticeps. Das fragliche Stück darf nicht benutzt werden, um den Abänderungsspielraum letzterer Art darzutun, sondern ge- hört jedenfalls zu einer ganz selbständigen Spezies, wahrscheinlich ist sie sogar ein Topotyp von Microtus pelliceus Tuos.''), welche Art nach einem Exemplare von demselben Fundorte und Sammler (DoERRIEs) aufgestellt worden ist. In das Verbreitungsgebiet von M. ratticeps außerhalb Deutsch- lands, wie es Rörıc !?) auf Grund seines Materials und der Angaben von Brasıus'®) bestimmt, darfalso das Ussuriland nicht einbezogen werden. In der Tat scheint diese Wühlmaus dem ganzen Stromgebiete des Amur zu fehlen, dagegen im Sajangebirge und in Transbaikalien zu Hause zu sein, denn die entsprechenden Angaben Ranpe’s'*), die er für „Arvicola oeconomus Par.“ macht, sind allem Anschein nach auf M. ratticeps zu beziehen. Bestätigt wird diese meine Vermutung durch - PoLsaxow ?), der die irrigerweise mit oeconomus (Avcr.) vereinigte Art vom Baikal aufzählt, außerdem von der Obmündung und aus dem Altai. Was nun M. oeconomus Paur. selber belangt, so ist diese Art seit ihrer Bekanntmachung durch Parrzas !°) kaum systematisch- 1b) 1911 in: Ann. nat. Hist. (8) v. 7 p. 383. 42): 95 461. 18) 1857 p. 368. | 14) 1862 Reisen usw. v. 1 p. 190. 15) 1883/84 in: Ann. Mus. Genova v. 20 p. 256, 275. 16) Als Ort der Originalbeschreibung wird fälschlich angegeben: PALLAS 1778 Novae Sp. Glirium p. 225; in Wirklichkeit erschien eine kurze Diagnose sehon 1776 Reise usw. v. 3 p. 692. 394 A. JACOBI. wissenschaftlich behandelt worden, denn was MipDENDoRFF !*), Raıppe und PoLsakow als diese Art ansehen, ist allem Anschein nach M. ratticep. Meines Wissens hat erst Rörıs in seiner erwähnten Abhandlung den Versuch gemacht, die Unterschiede beider Arten festzustellen, doch ist ihm das wegen des spär- lichen Untersuchungsstoffes und wegen einiger Versehen nicht benutzten zwei Bälge erwachsener Tiere aus dem Berliner Museum ganz gelungen. Dagegen lagen mir nicht nur die von Rörıc !?) von der Ostküste Sibiriens (Nr. 1811, 1812) vor, sondern noch sechzehn Bälge der eingangs erwähnten Herkunft (B 4621—4624, 4626 —4630, 5368—5373, 5375). Nach Jahreszeit und Größe, dem- entsprechend auch nach der Behaarung und Färbung, lassen sie sich in zwei Gruppen teilen, die jedoch ineinander übergehen. Von allen sind die Gebisse, von den jüngeren zumeist die Schädel, von den älteren diese zum wenigsten in Bruchstücken erhalten. Die folgende Tabelle gibt nur die für den vorliegenden Zweck nötigen Balgmaße, da die osteologischen Gesichtspunkte als erledigt gelten können. Nr. 4621—30 sind im August, die übrigen im Mai ge- sammelt worden. Verhältnis der Schwanz- Nr. G ts Kö 15 Schwanz mit B VERRBANER RIESE Bindhasren länge zur Körperlänge 4621 IT RER; ss | 3,8 4622 183 143 40 3,6 4623 176 138 38 3,6 4624 170 130 40 3,3 4626 146 111 35 3,2 4627 160 122 38 3,2 4628 172 132 40 3,3 4629 162 128 — — 4630 juv. 123 94 29 3,8 5368 129 106 23 4,6 5369 140 113 27 4,2 5370 116 102 24 | 4,3 5371 125 99 26 4,0 5372 134 109 25 4,1 5373 119 94 25 3,8 5375 140 116 24 5,0 Um meine Messungen der Schwanzlänge mit denen Rörıs's vergleichbar zu machen, habe ich sie nach seinem Verfahren ge- nommen, nämlich als Anfang des Schwanzes die Stelle benutzt, wo die Rumpfhaare endigen. Dem haftet leicht etwas Ungenaues 17) 1853 Reise usw. v. 2 II, p. 112. 18) RÖRIG p. 464. u A 1 NEN RAN 7 Über einige sibirische Wühlmäuse, insbesondere Microtus oeconomus Auct. 325 an, während die eigentliche Schwanzwurzel selbst am trocknen Balge unschwer und deutlich von der erweiterten Rumpfhaut ab- zutasten ist, besonders auf der Unterseite. Verfährt man in der letztern Weise, so wird die Schwanzlänge bis zu 9 mm größer ge- messen. Als sicher bestimmtes Balgmaterial von M. oeconomus lagen Rörıs '®) drei Bälge des Berliner Museums, seine Nr. 1—3 ( = Nr. 1811—13) vor, von denen ich die ersten beiden Erwachsenen aus Port Ajan am Öchotzkischen Meere nachuntersuchen konnte. Sie sind von mehreren Stücken meiner Reihe aus Cisbaikalien nicht zu unterscheiden. Danach hat Rörıc Recht, daß zwischen ratticeps und oeconomus im Gebiß, in der Lage und Zahl der Sohlenwülste kein Unterschied ist, aber ich kann mich nicht zu seiner Auffassung bekennen, „daß die vorliegenden Exemplare mit der von Parzas gegebenen Beschreibung ziemlich gut überein- stimmen“, was ich später begründen werde. Weiterhin glaubt er zwei Unterscheidungsmerkmale dieser Arten aufgefunden zu haben. M. oeconomus soll einen ziemlich deutlichen braunen Streifen jeder- seits von der Nase bis an das Auge haben, ähnlich dem oben be- reits besprochenen vermeintlichen M. rattiıceps vom Ussuri, und einen nur etwa bis zur Hälfte zweifarbigen Schwanz, so daß sein - Ende oben und unten gleichmäßig braun sei. Die erste vermeint- liche Besonderheit hält jedoch der Nachuntersuchung ebensowenig Stich wie die zweite Was Rörıc dafür angesprochen hat, ist ebenso wie bei der Ussurimaus Nr. 6411 eine Zufälligkeit, ent- standen durch Verschiebung von Haarstreifen beim Zusammen- trocknen der Kopfhaut, die sich auch hier und da bei meinen Bälgen findet. Unerklärlich ist mir dagegen Rörıs’s Befund, wonach der Schwanz „wenigstens am letzten Drittel“ einfarbig braun, oder wie er sich wieder einschränkend sagt, „etwas dunkler wie nach der Wurzel zu“ sei. In Wirklichkeit ist er bei jenen beiden Stücken bis zu den Endhaaren hin ausgesprochen zweifarbig, d. h. oben dunkelbraun, unten schmutzig gelbweiß, und darin verhalten sie sich ganz so wie die 16 Mäuse aus Kultuk. Wodurch aber unterscheiden sich ratticeps und oeconomus in Wirklichkeit? Ich weiß nichts anderes anzugeben als die recht verschiedeneSchwanzlänge, die beiratticeps etwa '/s, bei oeconomus i. A. !/, bis !/, der Körperlänge ausmacht. Wenn in der Maßtabelle dies Verhältnis nur bei den jüngeren Tieren (Nr. 5368— 5375) festgehalten ist, bei den älteren dagegen in das von ratticeps über- 19, p. 455. 326 A. JACOBI. geht, so ist letztere Abweichung nur scheinbar, verschuldet durch die bedenkliche Art des Schwanzmessens, in der ich Rörıc folgen mußte. Bei den jüngeren Tieren ist nämlich das Rumpfhaar länger, bedeckt also mehr von der Schwanzwurzel und läßt weniger von der Schwanzstrecke frei; bei den andern ist’s umgekehrt. Sieht man aber gleichgroße Bälge beider Arten nebeneinander, so ist der Unterschied der Schwanzlänge auffallend und beständig. Das Merkmal entspricht der verschiedenen Anzahl der Schwanzwirbel: bei ratticeps sind es 18—19, bei oeconomus nur 14—15°°). Ob das Ohr beider Arten verschieden lang ist, kann man an den trocknen Bälgen nicht sicher feststellen; aber mir scheint kein Unterschied da zu sein. Was die Färbung belangt, so scheiden also die Merkmale der besondern Zeichnung an Kopf und Schwanz von oecomomus, die Rörıc angab, aus. Zur Bestimmung des übrigen Kolorits dienten mir drei der von ihm?!) untersuchten M. ratticeps des Berliner Museums, die unter sich nur geringe Verschiedenheiten in dem braunen Farbtone der Oberseite und in dem Gelbgrau der Bauch- seite aufweisen. Dieser Färbung der nordischen Wühlmaus kommen die meisten oeconomus völlig gleich; selbst die weiteste Schwankung führt in Übergängen zur Gleichheit hin. Die ganze Erscheinung ist hier wie dort von jenem unbestimmten dunkeln Erdbraun, das in wenig hellerer Tönung auch M. agrestis eigen ist; aber auch bei dieser Art kommen Stücke vor, die sich im Farbentone gar nicht von oeconomus unterscheiden. Zusammenfassend kann man nur sagen: Die Oberseite nähert sich einerseits der Rostfarbe von Arvicola amphibius (var. amphabrus s. str.), anderseits jenem Erdbraun. Dabei sind die jüngern, aber doch wohl vorjährigen Tiere aus dem Mai, die noch das lange Winterhaar ohne Abreibung tragen, die helleren, die großen vom August im abgenutzten Sommerpelz die dunkleren; aber auch ein ganz junges Tier aus diesem Monat ist dunkel. Von der erstern Phase ist ein Stück (B 5368) so hell wie die mitteldeutschen M. arvalıs. Die Bauchseite schwankt zwischen Aschgrau und (selblichweiß, der Schwanz ist stets in seiner ganzen Länge oben dunkelbraun, unten scharf abgesetzt weib. An den beiden M. oeconomus von Port Ajan finde ich nichts, das sie von den eisbaikalischen Mäusen unterschiede. | Auf den Zahnbau muß ich wegen einer andern Beziehung kurz zurückkommen. Bekanntlich hat der M°? von ratticeps an der 20) RÖRIG p. 466. 2!) n..455 Nr’ 4.6.8 Über einige sibirische Wühlmäuse, insbesondere Microtus oeconomus Auct. 397 Außenseite öfters noch eine vierte Kante, die freilich zum Ver- schwinden neigt. Bei meinen oeconomus ist sie ebenso oft vor- handen wie sie fehlt: an 27 Zähnen ist sie l4mal ganz oder ziemlich deutlich, 13 mal undeutlich oder nicht vorhanden, an ; 4 Schädeln nur einseitig entwickelt. Dabei springt die Kante ge- legentlich so weit vor, daß ein viertes Schmelzprisma zustande kommt, an Größe den drei vordern wenig nachstehend. Diese Tatsachen helfen zur Beurteilung der von KascHTscHEnko??) auf- gestellten Subspezies „Microtus oeconomus Paıunas var. daurica“. Als Merkmal gibt er in der russischen Beschreibung an, daß der M° außen nur drei Kanten hätte gegen vier bei dem typischen oeconomus. In der Überzeugung, daß alle über die Veränderlichkeit der Außenzacken dieses Zahnes von M. ratticeps und oeconomus von Rörıc und mir gemachten Erfahrungen den Ausschlag geben, muß ich die KascHTscHEnKo’sche Unterart für ein reines Synonym erklären. Brasıus’ Ausspruch ??) über jenen Punkt hätte von vorn- herein Beachtung verdient! Bisher habe ich die Annahme gelten lassen, daß die Wühlmaus, welche von den Systematikern gewöhnlich?®*) für Mus oeconomus des Pırras gehalten worden ist, auch wirklich ein und dieselbe Art mit dieser bilde. - Jetzt aber muß ich die Überzeugung äußern und begründen, daß sich unter Pauzas’ Benennung und Beschreibung ein ganz anderes Tier verbirgt. Der Nachweis hierfür läßt sich - leider nicht unmittelbar liefern, durch Vergleichung mit den Typen, denn die Sammlungen des großen Naturforschers sind bekanntlich - vom Zahne der Zeit ganz zerstört worden??). Man kann also nur seine Beschreibung und Abbildung”) heranziehen, die ja wie alle - seine Arbeiten für die damalige Zeit musterhaft sind, und muß zu _ ermitteln suchen, wo die Terra Typica des Mus oeconomus Paur. liegt. Zunächst scheint deren genauere Bestimmung unmöglich; denn — Pauvas gibt als Wohngebiet fast das ganze Sibirien an, vom Ischim, _ einem Nebenfluß des Irtysch, bis Kamtschatka?”). Indessen sagt er ET TEAERN we ner Im ERBEN RIUNSLLO ATES UNO Don Jake in 22) 10 in: Annuaire Mus. St.-Pötersb. v. 15 p. 293. — Der Name „daurica“ ist hier nicht gut gewählt und irreführend, denn KASCHTSCHENKO’s 4 Typen stammen gar nicht aus Daurien, d. h. dem Stromgebiete des Amur östlich der großen Jablonnoi-Wasserscheide (PALLAs, Reise), sondern sämtlich von den Zu- lüssen des Baikal, aus Transbaikalien. 23) 1857, p. 368, die beiden vorletzten Sätze. 24) Einige haben sicherlich M. ratticeps damit verwechselt. ! 25) STRAUCH 1889, Das Zoolog. Museum d. Kais. Ak. d. Wiss. zu St.- Petersburg ‚P- 63, 146. 26) Ausführlich in den Novae Spec. Glir. p. 234f., Tab. XIV A. 27) ebenda p. 225, 229. 328 A. JAcoBI. ausdrücklich (p. 225): „maxime vero circa Baikalem et in Dauria transalpina (ubi maxime mores et habitacula eorum scrutatus sum) observavi“. Das „ubi* bezieht sich nicht etwa nur auf das östlich des hohen Jablonnoigebirges gelegene Daurien, sondern schließt die Landschaften um den Baikalsee ein, denn der Forscher nennt kurz danach 2°) wieder die einheimischen Bewohner Dauriens und Baikaliens als seine Gewährsmänner für die Lebensgewohnheiten der Wühlmaus. Demnach ist man berechtigt, die Gegenden, wo Paıras das Tier am eingehendsten beobachtet hat, nämlich Ostsibirien von der unteren Angara bis zur Schilka, auch als Terra Typica für seine Beschreibung anzusehen. Da meine Balgreihe genau aus dem westlichen Teile des Gebiets stammt, so muß sie auf unmitteibare Vergleichbarkeit mit jener Anspruch erheben. Was ergibt sich aus dem Vergleiche von Pauras’ und meinen Feststellungen? 4 Die Körperlänge soll, aus dem Pariser Zoll umgerechnet, 88—119 mm betragen, ausnahmsweise 122 mm erreichen, die Schwanzlänge 23,5—32 mm. Wenn man von den hiesigen Bälgen ° Nr. 4621 sogar wegen seiner besonderen Größe außer Betracht läßt, so ergeben sich mit 94—143 mm für die Körperlänge und 27—47 mm ??) für die Schwanzlänge ganz beträchtlich höherliegende Grenzwerte, die mit Parras’ Angaben nur das Verhältnis von Schwanz- und Körperlänge = !/, gemeinsam haben. Von der Farbe sagt Paıuas, daß sie derjenigen von M. arvalıs gleich”) oder noch gelblicher sei, nur auf dem Rücken dunkler®'). Dem ganz entspreehend zeigt die kolorierte Abbildung bei ScHrREBER®?) ein Tier, das unserer Feld- j maus sehr ähnlich sieht. Diese Tafel ist mit vielen anderen ein Abzug von den Kupferplatten des Paıuuas’schen Nagetierwerks; ob aber das Kolorit von der Natur genommen ist auf Grund von Parcas & gesammelter Bälge oder ob es nur dessen Beschreibung sozu- x sagen nachempfunden ist, muß dahingestellt bleiben; da SCHREBER ein sehr gewissenhafter Naturforscher war, möchte man doch das erstere glauben. Übrigens sagen auch Kryseruıng & Brasıus®) von M. oeconomus: „Oberseite hell gelblichgrau“ und Pazzas wieder- holt an anderer Stelle »*), daß zwischen M. arvalis und oeconomus” | die größte Ähnlichkeit sei. 28) p. 230. 22) Wirkliche Länge, ohne die S. 324 bewährte Fehlerquelle. ») 1776 Reise v. 8 p. 693; hier Mus terrestris genannt, waS nach ag p. 78 = arvalıs. ’ 31) Glir. p. 235. 32) Säuget. v. 4 tab. 190. #3) 1845 in: Mem. Ac. St.-Petersb. v. 4 p. 331. 34) Glir. p. 238. , Über einige sibirische Wühlmäuse, insbesondere Microtus oeconomus Auct. 329 Danach liegt auf der Hand, daß Parzas als Mus oeconomus eine ganz andere Wühlmaus beschrieben hat, als wie man sie - sich bisher unter diesem Artnamen vorgestellt hat. Meine voraus- _ gegangenen Auseinandersetzungen betreffen deshalb einen Mierotus oeconomus (Aucr.)nec Par. Was Paruas vorlag, ist anscheinend eine - in der Erscheinung und in den Lebensgewohnheiten arvalis-ähnliche _ Feldmaus, die letztere östlich des Irtysch ersetzt. Seitdem ist sie - entweder den Naturforschern aus den Augen gekommen oder unter anderem Namen neu beschrieben worden, vielleicht als M. middendorffi - Pous. (= obseurus Mio». nec Ev.) oder M. michnoi Kaschr. oder ılaeus THos.? Freilich ist auch der oeconomus (Aucr.) nicht auf eine einzige Art von Microtus zu beziehen. So hat MIpDENDoRFF’’) an- scheinend gewisse Stücke von ratticeps für oeconomus PauL. ge- _ halten; PoLsakow ”") vermengte beide Arten von vornherein, ebenso - Raıppe?’). M. oeconomus LicHr., Eversm.?°) nec. Paur. ist schon - von PoLsakow als M. eversmannı neu benannt worden. Wenn also noch andere Schıriftsteller?”) den Namen anwenden, ohne weitere Hinweise oder Beschreibung zu geben, so ist es gleichfalls unsicher, _ welche Spezies sie vor sich hatten. Dagegen muß nachgeforscht werden, ob unser „pseudeconomus“ nicht schon unter anderem Namen inkognito gegangen ist. Um etwas - vorwegzunehmen, so scheint mir der M. fortis Büchs. in den Körper- _ verhältnissen, in der Färbung und im Zahnbau unserer Art (nicht dem M. ratticeps, wie BÜCHNER meint) äußerst nahe zu stehen; aber . in der Größe übertrifft er sie so beträchtlich, daß man gegen die Ab- trennung nichts einwenden kann. Auch M. thianschaniceus Büchn. *") gehört nicht hierher, sondern hat den abweichenden Schädelbau des Subg. Stenocranius KAscHT. Es bliebe noch die Form oder Unterart oder Art zu besprechen, dereu Panvas*!) als der „varietas Kamtschatica muris oeconomi“ ‚ausdrücklich Erwähnung tut. Sie soll in Größe und Körperver- ‚hältnissen nichts Abweichendes haben, aber etwas heller gefärbt 35) 1853 Reise usw. v. 2, IL, p. 112. 36) LATASTE p. 274—27, 37, 1862 Reisen usw, v.1 p. 189— 19%. 38) POLJAKOW, TROUESSART und BÜCHNER zitieren irrigerweise EVERSMANN 1850 für dieses Synonym, während es auf LICHTENSTEIN 1823 (in EVERSMANN, Reise usw.) zurückgeht. 39) z. B. O. Tuomas 1912 in: Ann. nat, Hist. (8) v.9 p. 398, 40) TROUESSART macht daraus immer „thianschianus“ (v.1 p. 559; Suppl. p. 450). 41) 1778 p. 233. 23 330 2 A. JacoBI. sein als die sibirische Stammform, freilich mit der Einschränkung, daß diese in Westsibirien wieder der Kamtschatkischen ähnlich sieht. PoLsakow*?) hat auf diese Panvas’sche Angabe hin eine \Vühlmaus. aus Kamtschatka Arvicola kamtsehatica, richtig kamtschaticus benannt, wofür er, nicht Paruas der Autor ist‘®). Während die Färbung dem oeconomus im Sinne PoLsakow’s, in Wirklichkeit M. ratticeps entspricht, die angeblichen Abweichungen im Zahnbau aber nicht haltbar sind**), zeigt die Schwanzlänge, daß es sich wieder um nichts anderes als um M. ratticeps handelt, die ja u Brasıvus schon aus Kamtschatka erhalten hatte. Endlich hat Auzen‘’) diese PoLsarow’sche Art auf Grund reichen Materials aus allen Jahreszeiten und Lebensaltern untersucht und ganz dieselbe Veränderlichkeit in Länge und Farbe des Haar- kleides gefunden, wie ich sie an dem sogenannten oeconomus vom Baikal feststellen mußte und wie es von ratticeps bekannt ist. Wenn er auch Schwankungen in der Schwanzlänge hervorhebt, so kann man doch aus seinen Messungen nichts anderes herauslesen, als ein Verhältnis zur Körperlänge von 1 zu höchstens 3. Damit kommen wir aber wieder auf M. ratticeps zurück, mit dem also Auven’s Material, sowohl aus Kamtschatka wie aus dem Tschuktschenlande, artlich zusammenfällt. Wenn ich in diesen und den vorausgegangenen Auseinander- setzungen die spezifische Einheit mehrerer Arten innerhalb der ganzen paläoborealen Zone behaupte, so wird dies Widerspruch bei denjenigen finden, die mit MarscHıE einen umgestaltenden Einfluß des engeren, natürlich begrenzten Wohngebiets auf die Tierformen, mit dem Erfolge örtlicher Bildung von Unterarten annehmen und ausnahmslos nachweisen zu können glauben. Dafür trete ich, ob- gleich weniger dogmatisch, ebenfalls ein; aber ich verzichte darauf, dort Unterschiede finden zu wollen, wo der Abänderungspielraum einer natürlichen Art an den entlegensten Punkten ihres Vorkommens ganz die gleiche Weite zeigt wie an einem einzelnen Vorkommen. Daß solche Verhältnisse bei den hier behandelten Arten Mierotus agrestis, ratticeps und „oeconomus“ herrschen, läßt sich mit Sicherheit nachweisen, und daraus muß man folgern, daß die mehr oder weniger unterirdisch lebenden Wühlmäuse den Einflüssen der geographischen Lage und Umgebung, die das Äußere anderer Tiere umgestalten, kaum unterliegen. 42) p. 273. #3) ALLEN 1903 in: Bull. Am. Mus. Nat. Hist. v. 19 p. 149. #4) LATASTE bei POLIAKOW p. 274. 4°) 1903 p. 149—150. Über einige sibirische Wühlmäuse, insbesondere Microtus oeconomus Auct. 331 Noch immer ist indessen die Frage nicht beantwortet, welcher wissenschaftliche Name derjenigen Art zukommt, die bisher nach meiner Meinung mit Unrecht für M. oeconomus Pau. angesehen wurde. Da diese Bezeichnung einer andern, vorläufig versteckten Art zukommt und keine andere vorhandene Artkennzeichnung zweifelsfrei - auf jenes Tier paßt, so muß man die Spezies „oeconomus (Aucr.)“ als - unbenannt ansehen. Gleichwohl zögere ich, ihr einen neuen wissen- schaftlichen Namen beizulegen, weil ich anderen die Nachprüfung _ und — fast möchte ich sagen hoffentlich — die Widerlegung meiner Behauptung freilassen und Vermehrung der Synonymik vorbeugen - will. Sollte sich jedoch meine Ansicht als richtig erweisen, so wäre - es wohl am Platze, die Spezies nach J. H. Brasıus zu benennen, - zu Ehren desjenigen Zoologen, der für die schwierige Unterscheidung - der Wühlmäuse zuerst Gesichtspunkte gefunden hat, die allen späteren _ Untersuchungen zur Grundlage gedient und allen Einwendungen *°) standgehalten haben. Es wird nicht überflüssig sein, die im Texte gemachten Be- - riehtigungen zur Synonymik abschließend zusamm enzustellen. 1. Mierotus ratticeps Keys. & B1. | Arvicola oeconomus nec. ParL.: 1853 MIDDENDORFF, Reise v. 2, — MHp. 112; 1862 Rapper, Reisen v. 1 p. 190; 1884 PoLsarow in: Ann. Mus. Genova v. 20 p. 274. $ Arvicola kamtschatica Po1.s.: ib. p. 272. Microtus kamtschatieus Pors. apud Arzex 1903 in: Bull. Am. Mus. N. H. v. 19 p. 149. 2. Mierotus Sp. Arvicola oeconomus (Aucr.) nec. PALL. 1910 Rörıs in: Arb. Kais. Biol. Anst. E 7 „ v.7T yp. 455. ee Microtus oeconomus Pauı. var. daurica Kascrhr. 1910 in: Annuaire Mus. St.-Petersb. v. 15 p. 293. 3. Miecrotus pelliceus Taos. Arvicola ratticeps Kexs. & Br. 1910 Rörıc part. in: Arb. Kais. Biol. Anst. v. 7 p. 455. Dresden, Königliches Zoologisches Museum, im November 1316. P 46) LATASTE p. 257—258. 23# 339 W. Hass. - Über Metallfarben bei Buprestiden. Von Dr. W. Hass, Berlin. Mit 5 Photogrammen. Da ich mich eingehender mit dem Studium der Chitinstrukturen bei Arthropoden beschäftigt hatte, wurden mir die hier behandelten afrikanischen Duprestiden von Herrn Dr. Kuntzen freundlichst zur Verfügung gestellt, um möglicherweise durch Untersuchung des feineren Baues ihrer Flügeldecken einiges über die Variabilität der Färbung in Erfahrung zu bringen. Das Material wurde mir im Juni 1914 übergeben und sofort zur Untersuchung vorbereitet. Doch konnte ich erst gelegentlich eines Urlaubes im Oktober 1916 an die Bearbeitung gehen. Die Chitinteille haben so über zwei Jahre in der Chitinspaltungs- flüssigkeit nach P. ScHULzE gelegen. Trotzdem war das Material noch hart und spröde. Eine Lösung oder anderweitig chemische Umsetzung ist, so weit erkennbar, nicht eingetreten. Chitin und nichtchitinige Teile reagierten in typischer Weise. Die Spaltungs- flüssiekeit war tiefschwarz gefärbt und hatte einen höchst aroma- tischen Geruch. Näher untersucht wurden fast ausschließlich die Elytren, die 1. die vollendetste Ausbildung der Strukturen zeigen, 2. sich für die Präparation am besten eignen, 3. bei anderen Coleopteren genauer studiert worden sind und daher ein günstiges Vergleichsmaterial bilden. Andere Teile des Integumentes wurden nach Möglichkeit zur Kontrolle herangezogen. Das von allen Muskelmassen sorgfältig gereinigte Skelett wurde in I—11/, gem große Stücke zerschnitten und mit der Chitinspaltungsflüssigkeit nach P. Schuzze (2 Teile 80 %igen Alkohols—+ 1 Teil Glyzerin; auf 100 Teile dieses Gemisches 3 Teile 25 %ige HCl) im Thermostaten bei ca. 580%, behandelt. Daneben kam zu anderen Zwecken Kalilauge und Salpetersäure zur Anwendung. Schnitte (10—30 pp) gelangen nur unter Zuhilfenahme von Mastixkollodium. Eine Färbung erübrigte sich, da alle Teile teils durch eigenes Pigment, teils durch ihr starkes Lichtbrechungs- vermögen gut zu erkennen waren. | Für die Untersuchung standen mir Tiere folgender Spezies zur Verfügung. g I. Sternocera goetzeana KoLsE aus D.-O.-Afrika, Kidugala. “ orıssa Bug. subsp. Süd-Afrika, Betschuanaland. x boucardı Sauxsp. D.-O.-Afrika, Daressalam. 5 wahlbergiı Bo#u. S.-W.-Afrika, Okahandja. s eschscholtzı Tuoms. D.-O.-Afrika, Klimatinde. ” or u DD Über Metallfarben bei Buprestiden. 333 6. Sternocera castanea Druryiı Warru. S.-Tschad See. n 3 orissa funeraria Kerr. S.-W.-Afrika. Die ersten drei Tiere zeichnen sich durch einen prächtigen Metallglanz aus, wahlbergi zeigt auf einem hellbraunen Unter- _ grunde einen zarten, himmelblauen Schmelz, eschscholtzi und castanea haben auf einer braunen Grundfarbe starken Lackelanz, während orissa funeraria ein stumpfes Schwarz mit schwachem Glanz aufweist. Ähnliche Fälle der Variabilität der Farben kommen bei Käfern sehr zahlreich vor. In ein und derselben Art besonders schön ausgeprägt z. B. bei Carabus auronitens F. Nach Bere (3) kann die Farbe der Flügeldecken schwanken zwischen Kupferrot, Grün, - Blau und Violett bis zu mattem Braun und Schwarz. KRUCKENBERG (12) glaubt, „dab derartige Verschiedenheiten wohl auf Textur-* _ änderungen an der Oberfläche der chitinösen Hülle beruhen“, hat aber selbst keine Untersuchungen darüber angestellt. Bei fort- schreitendem Alter wird bei Carabus die Färbung im allgemeinen stumpfer und dunkler. | Wenden wir uns nun zur Betrachtung des Baues der Elytren. - Eine Zusammenfassung der Literatur erübrigt sich hier, da in den - Arbeiten von BIEDERMANN (6) und mir (9), eine eingehende Dar- stellung zu finden ist. Die Flügeldecken der untersuchten Buprestiden bestehen, wie _ gewöhnlich aus einer dorsalen und einer ventralen Decke, die ihrerseits wieder aus sehr zahlreichen Einzellagen zusammengesetzt sind. Die dorsale und ventrale Decke sind miteinander durch Säulchen (Columnae) verbunden, die in großer Anzahl oft in regel- mäßiger Anordnung vorhanden sind. Die interkolumnären Hohl- _ räume sind klein und mit Chitin angefüllt. Der Bau der einzelnen Chitinlamellen ist der typische. Jede Lamelle besteht aus „Balken“ mit „Zwischensubstanz“. Die Verlaufsänderung der Balken in ‚aufeinanderfolgenden Lamellen geschieht in spitzen, fast rechten Winkeln, so daß die Gesamtheit der Chitinschichten die charak- ‚teristische Kreuzstreifigkeit aufweist. Die obersten Schichten der _ Dorsallage zeigen vielfach noch die Umrisse der Chitinbildungszellen. Alle Lagen sind braun pigmentiert. Die intakte Decke ist völlig ‘schwarz und lichtundurchlässie. Die Ventrallage trägt spitze, ziemlich große Dornen. Die Dorsallage besitzt auf der Außenfläche eine kompakte, meist dunkelbraune Schicht von wechselnder Mächtig- ‚keit, die durchschnittlich '/,, der Gesamtlagen ausmacht. Zahl- r siche, mit der gleichen braunen Masse verstopften Kanäle führen y ırch die chitinigen Lagen an diese oberste Schicht (Fig. 1). —— 2 — En [" An 2 4 334 | W. Hass. Behandelt man die Elytren mit Kalilauge, so löst sich in kochender starker Lauge in etwa 12 Stunden, in verdünnter im Thermostaten bei ca. 58° nach mehreren Tagen die braune Sehicht sowie die Pfropfen in den Gängen restlos auf. Alkalilauge hat gleichzeitig die Eigenschaft, stark entpigmentierend auf die Flügel- decken zu wirken. Das Pigment läßt sich aus den Chitinlagen viel leichter entfernen als aus der Sekretschicht. Schon die SCcHULZE'sche Spaltungsflüssigkeit vermag Pigment aus dem Chitin zu ziehen. Kalilauge entpigmentiert in kurzer Zeit die Chitinlagen. während die oberste braune Schicht noch gar nicht angegriffen ist. Entzieht man nach kurzer Behandlungsdauer die Decken der Ein- wirkung der Lauge, so kann man an den nunmehr entpigmentierten Fig. 1. Sternocera boucardi SAUND. Ein Sekretgang angeschnitten. In seiner Mündung ein Sekretpfropf. 1000:1. Teilen mit Hilfe der Chitosanreaktion chitinige und nichtehitinige Teile unterscheiden. Man verfährt am besten so, daß man ca. 30 pu. dicke Schnitte anfertigt und diese (natürlich nach Entfernung des Paraffins) mit heißer, starker KOH behandelt. Eine vollständige Umwandlung des Chitins in Chitosan soll nach Wester (20) allerdings erst bei höherer Temperatur (im Ölbad) vor sich gehen. Doch genügt für unsere Zwecke das abgekürzte Verfahren, da die Farben- reaktion prompt eintrifft. Die vorbehandelten Schnitte werden in Jodlösung, danach in verdünnte H,SO, gebracht. Die ursprünglich chitinigen Teile zeigen eine violette Färbung; die übrigen, in unserem Falle die oberste Lage, nehmen die Farbe der J-Lösung, nämlich braun an; sie bestehen also nicht aus Chitin. Wir haben es zweifellos mit einem — Sekr et zu tun, wie es von P. Scnuzze bei Oicindelen, Feuteliden und Chrysididen und von mir bei Brachyceriden beschrieben wurde. Die mit einem Sekretpfropfen verstopften Kanäle sind die | Ausführungsgänge der das Sekret liefernden Drüsen. TE Über Metallfarben bei Buprestiden. 335 Betrachtet man eine vom Sekret befreite und durch Alkalilauge entpigmentierte Decke, so fallen die zahlreichen, als konzentrische Ringe sich darstellende Säulchen auf, die alle zentral eine helle Öffnung haben. Weitere zahlreiche, hellerscheinende Poren, die auch in dichten Haufen beisammen stehen können, sind über die ganze Decke verstreut. Es sind dies die Ausmündungen der - Sekretkanäle (Fig. 2). Fig. 2. Sternocera goetzeana KOLBE. Aufsicht auf eine Decke. Columna, Gruppe von Sekretporen. 150:1. | An Querschnitten findet man, daß Sekretmassen bisweilen in — den Hohlräumen zwischen der Dorsal- und Ventraldecke oder auch zwischen den eigentlichen Chitinlamellen lagern. Offenbar ist hier das den ausführenden Kanal auskleidende Chitin gerissen, und das Sekret wurde zwischen die noch weichen, in der Umbildung be- griffenen Chitinlamellen gepreßt. Sehr merkwürdig ist, daß auch - die Ventraldecke an der Außenseite eine braun pigmentierte Schicht _ zeigt, die der Sekretlage sehr ähnlich, z. B. auch in KOH löslich _ ist. Dunkelgefärbte Chitinlamellen der Ventraldecke kommen öfter _ vor, z. B. bei Gryllotalpa (Hass). Aber es handelt sich dann um Pigmente im Chitin. ‚Hier scheint aber eine echte Sekretlage vor- — zuliegen. Die Ventralseite der Elytren zeigt nämlich oft einen | _ deutlichen Glanz, bei Sternocera goetzeana, längs der Ränder sogar _ prächtigen Metallglanz. Fig. 3 zeigt das Vorhandensein von Sekret auf beiden Seiten der Flügeldecke. Ein starker Sekret- 336 W. Hass. i pfropf erstreckt sich quer durch die ganze Decke. Hier hat offenbar eine Drüse beide Seiten mit Sekret versorgt. Nähere histologische Einzelheiten sind noch zu ermitteln. Oft sind die Dörnchen der Ventrallage ganz vom Sekret überflutet, so daß nur die Spitzen heraussehen. Die Dörnchen selbst bestehen aus Chitin, sind aber meist stark pigmentiert. Bisher war das Vorkommen einer Sekret- Pe wre. fe ee ei Fig. 3. Sternocera castaneı Druryi WATRH. Schnitt durch eine Columna mit zentralen, die ganze Decke durchsetzenden Sekretgang. 280:1. $ lage auf der Ventraldecke unbekannt, wenn nicht etwa die Bemerkung von OHaus (Berl. Ent. Zeitschr. 58, 1913 p. (9)), daß südamerikanische Rutehhden auf der Unterseite der Flügeldecken eine dicke gelbe Schicht besäßen, auf ein ähnliches Vorkommnis zu beziehen ist. Die Sekretschicht scheint keine einheitliche, kompakte Masse darzustellen, sondern auch aus einzelnen Lagen zu bestehen. Beim Schneiden weichen sie bisweilen auseinander, und an Bruchstellen lassen sich an sehr günstigen Präparaten 3—4 Lagen erkennen. P. Scauuze (18) berichtet, daß es ihm bei manchen Carabus-Arten und bei Ruteliden gelungen ist, die Sekretschicht in einzelne Blättchen zu zerspalten, die anscheinend nacheinander entstanden sind. Die Lagen unterscheiden sich hier in bezug auf die Struktur in keiner Weise. Sie sind völlig gleich gebaut. Nur der Pigmentgehalt wechselt bisweilen, so daß die obere Masse oft etwas heller er- scheint, bisweilen aber auch die untere. Jedenfalls sind so weit- gehende Differenzierungen wie ein Stäbchen- oder Grenzsaum niemals & dr N u A ER en A ERRER Über Metallfarben bei Buprestiden. 337 vorhanden. Dies bestätigt auch P. Schuize für die Sekretlagen bei Käfern und Goldwespen und Hass (8), für die der Brachyceriden. Das Gegenteil behauptet BIEDERMANN (4, 5), der bei Sternocera sterni- cornis und Chrysodema fuscata einen gut ausgebildeten Alveolar- + Grenzsaum gefunden haben will. Eine Grenzlamelle auf den Chitin- lagen ist in typischer Ausbildung z. B. bei Melasoma XX-punctatum Scor. als ein glasheller, strukturloser, doppelt konturierter Saum vorhanden, der offenbar ein Sekret besonderer Drüsen ist. ZLucanus cervus L. zeichnet sich durch das Vorhandensein eines Alveolar- —+ Grenzsaumes aus, die auf den Chitinlamellen liegen (P. Schuzze 15). Nach BIEDERMANnN wären also die Flügeldecken der Buprestiden — im besonderen von Öternocera — nach dem für den Hirschkäfer be- schriebenen Typ gebaut. So weit bisher bekannt, sind aber die Elytren gleicher Gattungen auch nach demselben Schema gebildet, so daß sicherlich auch bei S2.sternieornisund wohl auch bei Chrysodema Sekret- lagen vorhanden sind. Die Beobachtungen Bıepzermanss beruhen vielleicht auf Täuschungen, hervorgerufen durch eine unzureichende chemische Behandlung und mikroskopische Untersuchung. Auffällig ist, daß BIEDERMANN S. 1923 seiner Abhandlung über „Farbe und Zeichnung der Insekten“ in Wintersteins Handbuch d. vergl. Phys. ausdrücklich erklärt: „In der großen Mehrzahl der Fälle aber erweist sich die Schillerfarbe auch beim Kochen in Kali- oder Natronlauge als völlig unzerstörbar (Sternocera)“. Diese Beobachtung ist mir unerklärlich, da die Decken durch Behandlung mit warmer KOH schon nach einiger Zeit den Metallglanz verlieren. Ferner- hat BIEDERMANnN die Präparate, an denen der Alveolar- + Grenzsaum beobachtet wurde, durch Mazeration mit Salpetersäure erhalten. Mir ist dieses Verfahren nicht gegiückt, da ich aus der Säure nur Chitinfetzen zurückgewinnen konnte. Isolierte Sekretlagen, mit heißer HNO, behandelt, entfärbten sich nach einiger Zeit, um ei endlich ganz zu verschwinden. Vielleicht war die Behandlungs- dauer zu lange. BIEDERMAnN gibt selbst zu, daß eine unzureichende Konservierung es ihm unmöglich gemacht habe, Schnittpräparate anzufertigen. An Umschlagsrädern von Totalpräparaten tritt nach seinen Angaben „im Profil eine Stäbchenstruktur“ hervor. Schon bei mittlerer Vergrößerung zeigen sich in der ganzen Sekretlage eigentümliche, rundliche Körnchen, die bei verschiedener Einstellung des Mikroskops bald dunkel, bald heller erscheinen. In einer beiden einzelnen Arten verschiedenen, meist bräunlich gefärbten, homogenen strukturlosen Grundmasse liegen zahlreiche rundliche, pigmentierte Körnchen dicht beieinander, ohnesich jedoch zu berühren. Jedes Körnchen ist durch einen mehr oder weniger breiten Wall wi Be ea 338 W. Hass. von Grundsubstanz von seinen Nachbarn getrennt (Fig. 4 und 5). Eine besondere Struktur ließ sich in den Körnchen nicht erkennen. Sie durehsetzen die ganze Sekretlage in unregelmäßiger Anordnung. Entpigmentiert man das Sekret mit KOH, so bleiben die Körnchen erhalten, sind aber dann oft schwer nachzuweisen. Nicht immer ist die Pigmentierung der Körnchen stärker als die der Grund- masse. Sternocera goetzeana hat eine Sekretlage, die im durchfallen- den Licht hell bis mittel rötlichbraun erscheint. Sie ist sehr licht- Fig. 4 u. 5. Sternocera castanea Druryi WATRH. Pigmentkörnchen in der Sekretlage. 300:1. durchlässig. Die Körnchen besitzen keine stärkere Pigmentierung als die Grundmasse und treten daher nur wenig in die Erscheinung. An geeigneten Stellen bei günstiger Abblendung erkennt man aber deutlich eine Art Mosaik. Ich vermeide den Ausdruck Waben, wie ihn BIEDERMANN für ähnliche Beobachtungen gebraucht. Man könnte sonst meinen, es handle sich tatsächlich um ein erstarrtes Wabenwerk. Ich möchte es vielmehr auch hier für Einlagerungen solider Körperchen halten. Bei Sternocera orissa und wahlbergi liegen die Verhältnisse ähnlich, wie bei der eben beschriebenen goetzeana. Die Sekretlage von orissa zeigt im durchfallenden Licht ein sehr helles Braun, die von wahlbergi ein helles Gelbbraun. Beide sind äußerst licht- durchlässig. Die Körnchen treten sehr wenig hervor. Alle drei Tiere zeichnen sich durch Metallglanz aus, der allerdings bei wahlbergi nur wie ein zarter Schmelz über einer kastanienbraunen Grund- farbe liegt. d MEY „= = Über Metallfarben bei Buprestiden. 339 Dagegen zeigt Sternocera boucardi, gleichfalls mit kräftigem Metallglanz, ganz entgegengesetzte Verhältnisse. Das Sekret ist bei durchfallendem Licht schwarzbraun gefärbt und überhaupt sehr "wenig durchgängig für Lichtstrahlen. Daher sind auch die Körnchen wegen der ungünstigen Lichtverhältnisse nicht zu beobachten. Es fiel mir auf, daß sich die durchsichtigen Sekretlagen der ersten drei Tiere ohne Schwierigkeiten in größeren Fetzen abheben, während die der übrigen sich nur in kleinen Brocken und meist mit anhaftendem Chitin gewinnen ließen. St. eschscholtzi zeichnet sich durch ein dunkelbraunes, wenig lichtdurchlässiges Sekret aus. Die Körnchen sind stark pigmentiert, treten allerdings wenig hervor wegen der geringen Lichtdurch- lässigkeit der Decke. Der Käfer hat eine schokoladenbraune Farbe mit einem glänzenden Lacküberzug; bei mikroskopischer Betrachtung bei auffallendem Sonnenlicht tritt aber Metallelanz auf; die Befunde stimmen mit den von P. SCHULZE bei normalerweise braunen Crcindelen gefundenen überein (15 p. 191). Eine trockene, unbehandelte Elytre (Ok. 1 Obj. A. Zeıss) wird so betrachtet, daß Sonuenstrahlen von oben und seitwärts auf das Präparat fallen. Die Decke erstrahlt nunin den schönsten Metall- farben. Das Bild ist aber nicht einheitlich, sondern erscheint wie ein Mosaik aus kleinen metallisch glänzenden Stückchen zusammen- gesetzt. Jedes Mosaikstückchen hat eine einheitliche Farbe, ent- weder grün oder violett oder rot usw., und die Größe entspricht ungefähr der der oben beschriebenen Körnchen. Ubrigens zeigt oxy- dierter, polierter Stahl die gleichen Erscheinungen, die ich ferner an schwarzem Gummi mit einer rauhen Oberfläche beobachtet habe. Körper mit Deckfarben, wie ein lackierter Bleistift usw., blieben stumpf. Gewöhnliches Tages- und künstliches Licht genügt nicht, diese Farben hervorzurufen. Schlüsse irgendwelcher Art möchte ich aus meinen Beobachtungen nicht ziehen, da sie noch sehr weiterer Untersuchungen und Aufklärung bedürfen. Die Sekretschicht von St. castanea ist im durchfallenden Licht grauschwarz und sehr wenig pigmentiert. Dagegen sind die Körnchen stark gefärbt, fast schwarz. Die Schicht ist gut lichtdurchlässig; die Körnchen treten scharf hervor (Fig. 4 und 5). Merkwürdig ist, daß die Elytren hellbraun gefärbt sind, während die die Färbung hervorrufende Schicht grau ist. Vielleicht ist hier ein Teil des Pigmentes bei der Behandlung mit der Spaltungsflüssigkeit in Lösung gegangen. Schließlich zeigte die Sekretschicht eines schwarzen, wenig glänzenden Tieres, wie die von orissa funeraria im durchfallenden 340 W. Hass. Lichte auch eine fast schwarze Färbung und ist ns licht- durchlässig. Über die Entstehung der Metall- oder Schillerfarben der Käfer bestehen zwei Meinungen. BIEDERMANnN und MALLock (4, 5, 13) vertreten die Auffassung, daß es sich um Farben dünner Blättchen handele, während von Physikern, wie B. WArTter (19) und MIcHELSON (14), die Ansicht ausgesprochen wurde, daß die Ursachen dieser Farben in stark absorbierenden Farbstoffen zu suchen seien, die in der Chitinsubstanz gelöst sind (vgl. Handwörterb. der Naturw., p. 836 ff., Lief. 38). Als erster hatte der Zoologe Bersk eine ähnliche Ansicht geäußert wie WALTER. Er glaubte, daß nicht eine besondere Struktur, sondern eine eigenartige Substanz in der Cuticula die Metallfarben zustande bringe. B. Warrter hält die Entstehung der Schillerfarben bei vielen Vögeln und Insekten an die Anwesenheit besonderer stark ab- sorbierender Pigmente gebunden. Die besonders kräftig absorbierten Strahlen des auffallenden Lichtes werden sehr stark reflektiert, die übrigen dagegen sehr schwach; aus dieser verschiedenartigen Reflexion entstehen dann die Schillerfarben. Es läßt sich wohl die goldgrüne Oberflächenfarbe des Fuchsins mit dem grünlichen Metallglanz vieler Käfer vergleichen. P. Schuzze, der das metallglänzende Skelett von Coleopteren studiert hat, schreibt die Entstehung der Metallfarben nur der Sekretlage zu. Er sagt darüber: „Kommen Metallfarben bei Käfern vor, so ist nicht das Chitin, sondern nur diese Schicht die Trägerin derselben“ (17 p. 247). Da die von ihm in der Sekretlage ge- fundenen Schichtungen stets zu diek und unregelmäßig sind, um als Erreger von Farben dünner Blättchen in Betracht zu kommen, so scheint ihm die Warrter’sche Ansicht die wahrscheinlichste Bei Cetonia würden die primären Metallfarben durch die verschieden stark pigmentierte darunterliegende Lederschicht in verschiedener Weise hervorgehoben, was eine Nuancierung derselben zur Folge habe. Das satte Grün scheine einen besonders dunkel gear Untergrund zu erfordern (18). BIEDERMAnN vertritt die Gegenansicht, daß die Oberflächen- farben nach dem Prinzip der Farben dünner Blättchen zustande kämen. Wie wir sahen, will BrEDERMAnN bei allen von ihm unter- suchten Tieren einen Grenz- 4 Alveolarsaum gefunden haben. Dieser Grenzsaum soll das dünne, farbenerzeugende Blättchen sein. Die Stäbchenschicht ist nur insoweit beteiligt, als sie zur Erzeugung optischen Blaues (als trübes Medium) mit beiträgt und anderer- VE € Über Metallfarben bei Buprestiden. 341 seits durch ihr starkes Reflexionsvermögen den Glanz der Farben wesentlich erhöht. Die starke Pigmentierung darunterliegender Schichten soll nur den Zweck einer dunklen Folie haben. Zur Erzeugung von Metallfarben etwa nach der Art von Glimmerplättchen ist es notwendig, daß die Flächen der Blättchen absolut parallel laufen. Der Grenzsaum müßte also ein mathematisch genaues Gebilde sein. So weit bisher bekannt, bestehen die Grenz- säume nicht aus Chitin, sondern aus einem Sekret. In einem späten Stadium, wenn die Chitinlamellen fast ausgebildet sind, ergießt sich aus besonders vorgebildeten Poren ein Sekret über die Decke, das ‘nach der Erhärtung den Grenzsaum darstellt. P. Schurze (15) beschreibt Fälle von Melasoma XX-punctatum Scop., und Lucanus cervus L. Hass von Gryllotalpa und Gryllus. Warum tritt, wenn der Grenzsaum allein die Oberflächenfarben erzeugt, denn bei diesen Tieren kein Metallglanz auf? Gerade der Hirschkäfer ist ein klassisches Beispiel für die Ausbildung eines Emails, wie BIEDERMANN Alveolar- 4 Grenzsaum nennt. Und andererseits besitzen Tiere mit so prächtigen Schillerfarben wie etwa Caraben überhaupt keinen Grenzsaum (nach P. SCHULZE). Wie ich bereits beschrieb, fehlt auch den von mir untersuchten Sternocera-Arten das Email. Anderer- seits will BIEDERMAnN bei Sternocera sternicornıs das Email in schönster Ausbildung gesehen haben. Auf Grund eingehendster Untersuchungen muß ich feststellen, daß sSternocera nur eine pigmentierte Sekretschicht zukommt, wie es etwa von den Üicindelen. Caraben, Ruteliden, Brachyceriden usw. bereits bekannt ist. Auch hat, wie erwähnt, neuerdings P. Schuze für Cetonia aurata die gleichen Verhältnisse festgestellt. Was BIEDERMANnN bewogen hat, hier das Vorhandensein eines Grenz- oder Alveolarsaums anzu- nehmen, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich habe pigmentierte und — entpigmentierte Sekretschichten geschnitten und zerzupft und bin stets zu demselben Resultat gelangt. Ich glaube also sagen zu _ können, das Email fehlt auch in den von BIEDERMANN beschriebenen Fällen. Gegen die ganzen Untersuchungen BIEDERMAnN’s spricht schon allein die Tatsache, daß ihm die Löslichkeit der Sekret- schichten in Kalilauge entgangen ist. Er sagt ausdrücklich, daß - der Metallglanz von Sternocera durch Kochen im KOH unzerstörbar _ sei. Durch Behandlung mit Lauge wurden Präparate gewonnen, _ an denen er seine Beobachtungen gemacht hat. In Wirklichkeit _ löst sich die die Metallfarbe gebende Schicht in Alkalilauge. Es ist klar, daß die Beobachtungen Bıepermanv’s damit hinfällig sind. 4 Hebt man von einer metallglänzenden Decke die obersten Schichten ab, so verschwindet damit auch der Glanz und ein ET VEN ER EHRE N ED ENTE en = 42 W. Hass. stumpfes Schwarz tritt zutage. Auf Querschnitten erkennt man, dab die Sekretlage entfernt worden ist. Es ist also das- Sekret der Erreger der Oberflächenfarben. Im durchfallenden Lichte oder bei einer hellen Unterlage erscheint die Sekrelage z. B. bei goetzeana hellbraun mit einem Stich ins Rötliche. Je mehr der Untergrund verdunkelt wird, um so mehr tritt ein grünlicher Glanz auf, der sich bei völlig schwarzer Unterlage bis zu dem ursprünglich satten grünen Metallglanz steigert. Es ist dabei gleichgültig, von welcher Seite man die Sekretlage be- trachtet, ob die Außenfläche oder die dem Chitin aufgelagerte Seite dem Beobachter zugekehrt ist. Auch dadurch ist erwiesen, daß nicht besondere Strukturen, die natürlich nur an der Außenseite vorhanden sein könnten, die Oberflächenfarben hervorrufen. Das Chitin spielt nur die Rolle einer schwarzen Folie. | Nach dem „Heidingerschen Gesetz“ soll sich die Ober- flächenfarbe zu der Farbe, die der Körper im durchgehenden Lichte. ‚zeigt, komplementär verhalten. Fuchsin hat eine glänzend gold- grüne Oberflächenfarbe, während rotes Licht durchgeht. Ein ähnliches Verhalten zeigen die Sekretschichten mancher Käfer. So hat goetzeana einen grünlich metallischen Glanz, im durchfallenden Lichte eine rotbraune Farbe. Smaragdistes africana schillert hellgrün mit atlasartigem Glanze, im durchfallenden Lichte intensiv gelbrot. Doch kommen auch von diesem Gesetze starke Abweichungen vor. Im allgemeinen trifft es zu, da die Hauptmetallfarbe grün ist, während die Sekrete im durchfallenden Lichte meist rotbraun erscheinen. Entpigmentiert man eine isolierte Sekretschicht langsam ver- mittels KOH, so verschwindet der Metallglanz in gleichem Maße, wie das Pigment aus dem Häutchen. Weder durch Säure noch durch Auswässern läßt sich der alte Glanz wieder herstellen, wenn das Pigment verschwunden ist. Diese Beobachtungen hat auch BIEDERMANN gemacht, wenn er Elytren mit Alkalilauge behandelte; nur will er nicht zugeben, daß stets das Pigment die Mallfärbung erzeugt. Die entpigmentierten Stellen erscheinen himmelblau; die selben Partien geben dagegen noch Metallglanz. Eine völlig ent- färbte Decke ist noch rein himmelblau. Er sagt ausdrücklich, daß dieses Himmelblau keine Schillerfarbe ist. Hat er seine Präparate durch Behandlung mit Salpetersäure gewonnen, so sind diegewonnenen Plättchen noch gelblich gefärbt und geben Schillerfarben. Die Geld- färbung schreibt er aber der Einwirkung der Säure zu. In Wirklich- keit war es eben zurückgebliebenes Pigment, welches den Metall- glanz verursachte. Daraus geht hervor, daß entpigmentierte Decken keine Metallfarben geben, dab also das FagBeHt Träger der Ober- flächenfarben ist. Über Metallfarben bei Buprestiden. 343 Zusammenfassung. Die Metallfarben der untersuchten Käfer sind so- genannte Oberflächenfarben. Sie werden nicht durch besondere Strukturen, sondern durch Körnchen stark ab- sorbierender Pigmente hervorgerufen, die in einem nicht- chitinigen Oberflächensekret eingelagert sind. Die dar- unterliegenden Chitinschichten sind verschieden stark pigmentiert und lichtundurchlässig; sie dienen zur Hervor- hebung und zur Modifizierung der primären Schillerfarben. Literaturverzeichnis. 1. BERGE, M., Über die Metallfarben bei den Insekten. Ann. de la Soc. entom. de Belgique, T. 31 (1887), p. 315. 2. — Notes sur la coloration des teguments chez les insectes et specialement chez les col&opteres. Bull. de la Soc. entom. de Belgique (4/1880, 63 u. 64). 3. — Des varietes du Carabus auronitus au point de la coloration. — Ebenda 1885. 4. BIEDERMANN, W., Die Schillerfarben der Insekten und Vögel. Festschr. zu HAaEcKEL’s 70. Geburtstag; auch in Denkschr. d. med.-nat. Ges. zu Jena, Bd. 11 (1904). 5. — Farbe und Zeiehnung der Insekten. WINTERSTEIN’S Handbuch d. vergl. Physiol. III. Bd., II. Teil, 1914. 6. WINTERSTEIN’S, H., Lehrb. d. vergl. Physiol., Bd. III, p. 814—-887. 7. BRÜCKE, E. , Physiologie der Farben, 2. Aufl. 1887; und Über den Metallglanz. Sitz. BE d. Wien. Akad., Bd. 53, 2. Abt. 8. Hass, W., Über das nen der Flügeldeckenskulptur einiger Brachy- ceriden. Sitz.-Ber. d. Ges. nat. Freunde, Berlin, Jahrg. 1914, Nr. 7. 9. — Über die Struktur des Chitins bei Arthropoden. Inaug.-Diss. Phil. Fak. Berlin 1915 (erscheint mit Abb. im Arch. f. Anat. und Phys.). 10. KaPzov, S., Untersuchungen über den feineren Bau der Cutieula bei Insekten. Zeitschr, f. wiss. Zool., Bd. 98 (1911). . KRÜGER, E., Über die Entwicklung der Flügel der Insekten, bes. der Deck- flügel der Käfer. Inaug.-Diss. Göttingen, 1898. . KRUCKENBERG, C. 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Zoelogischen Museum zu Berlin ) Beim Durchsehen der in Gifu, ‚Japan, erscheinenden Zeitschrift „Ihe Insect World“ fielmir im Jahrgang XIV nr. 8,1910 [15. VII. 1910] S. [6—8] ein Artikel von Nawa auf, der einen Feind von Tingis pyrioides ScoTT, einem Verwandten der europäischen „Birnenwanze“ !), behandelt. Das betreffende Insekt, das auf Taf. XVI in dem zitierten Heft abgebildet ist, wird von Nawa als Capsus sp. bezeichnet. ‘Aus der Abbildung geht hervor, daß es einen Vertreter der Gattung Stethoconus vorstellt, den ich unter Bezugnahme auf den japanisch ge- schriebenen Artikel von Nawa und die zitierte Abbildung Stetho- conus japonicus nennen möchte Aus der Gattung war bisher nur eine europäische Art bekannt, sStethoconus cyrtopeltis FLoR, welche ganz vereinzelt in Südfrankreich, Italien, Ungarn, Rußland, Livland und Kaukasien gefunden wurde. Im folgenden gebe ich die Synonymie der beiden Arten an: Stethoconus FLor. !1861 Stethoconus FLoR, Rhynch. Livland. II. 1861 8. 615. 1863 Stethoconus FIEBER, Wien. Ent. Monatschrift. VII. 2. 1863 S. 58. 1864 Stethoconus FIEBER, Wien. Ent. Monatschrift. VILL. 3. 1864 S. 79 [Neu- beschreibung. ] — 1869 Acropelta MELLA, Bull. Soc. Ent. Ital. I. 1869 S. 202. 1875 Stethoconus REUTER, Bih. Svensk. Vet. Akad. Handl. IIl. 1. 1875 S. 21. 1875 Stethoconus REUTER, Rev. eritic. Caps. I. 1875 S. 84. 1896 Stethoconus REUTER, Hem,. Gymn. Europ. V. 18968. 8; Taf. I. Fig. 2a—c 1898 Stethoconus HÜEBER, Jahreshefte. Ver. vaterl. Naturkde. Württemberg, Stuttgart, 54. 1898. S. 235; Sep. Synops. deutsch. Blindwanzen. I. 2. 1898 S. 79. 1910 Stethoconus REUTER, Acta Soc. Seient. Fenn. XXXVII. 3. 1910. S! 121 und 152. l. Stethoconus eyrtopeltis FLoRr. 1860 Capsus (Capsus) cyrtopeltis FLoR, Rhynch. Livland. I. 1860 S. 628. = 1861 Capsus mamillosus FLOR, Rhynch. Livland. II. 1861 S. 614. [Unbegründete Namensänderung. ] 1861 Stethoconus mamillosus FLOR, Rhynch. Livland. II. 1861 S. 615. 1863 Stethoconus cyrtopeltis FIEBER, Wien. Ent. Monatschrift. VII. 2. 1863 5.1: 1864 Stethoconus mamillosus FIEBER, Wien. Fnt. Monatschrift. VIII. 5. 1864. S. 80; Taf. VIIIa—k. 1) Stephanitis Pyri F. [Tingis Pyri Auvcr.], „Tingide del pero“ der ita- lienischen, „Tigre“ der französischen phytopathologischen Literatur. (Über diesen’ bekannten Schädling besteht bereits eine recht umfangreiche Literatur.) Über die Gattung Stethoconus Flor. (Hem. Het. Caps.). 345 —=1869 Acropelta pyri MELLA, Bull. Soc. Ent. Ital. I. 1869 S. 203; Taf. IV. > Fig. 2A—E. 1896 Stethoconus mamillosus REUTER, Hem. Gymnoe. Europ. V. 1896 8. 9; Taf. 1 Fig. a—c. 1909 Stethoconus mamillosus OSHANIN, Verz. pal. Hem. I. 3. 1909 S. 817. 1912 Stethoconus cyrtopeltis RRUTER, Öfvs. Finska Vetensk. Soc. Förh. LIV. A. 7. 1912 S. 46. 2. Stethoconus japonicus SCHUMACHER. o1910 Capsus sp. NAwA, Insect World. XIV. 8. 1910 S. [6-8]; Taf. XVL Fig. 1—12. 1917 Stethoconus japonicus SCHUMACHER, Sitzber. Ges. naturf. Freunde. — — — [nom. nov.] Stethoconus cyrtopeltis ist, wie bereits bemerkt, bisher nur an _ wenigen Orten gefunden worden, und zwar mit einer Ausnahme, auf - die besonders zurückgekommen wird, auf Birnbäumen | Pirus communis] und Apfelbäumen [Pirus malus]|, und es verdient besondere Beachtung, - daß sich seine Verbreitung im allgemeinen mit der von Stephanitis - Pyri, der gefürchteten Birnenwanze, deckt. So bemerkt auch MELna, - der die Art unter neuem Namen aus Oberitalien beschrieb, daß er - sie in einem Garten auf einer Birnensorte beobachtet habe. Es ist - somit die Vermutung gewiß berechtigt, daß irgendeine biologische - Beziehung zwischen beiden Wanzenarten bestehen werde, und dieser - Zusammenhang wird durch die Feststellung Nawa’s verständlich: _ Die Stethoconus-Arten sind Feinde gewisser Stephanitis- Arten. Bereits 1881 hat C. Rey in einer wenig beachteten Notiz?) „Note sur. le Stethoconus mamillosus Flor“ auf diesen Zusammen- hang hingewiesen. Er fand im Juli 1869 einige Exemplare in Süd- frankreich auf Apfelbäumen in Gesellschaft der Birnenwanze und - konnte seine Beobachtung in den folgenden Jahren bestätigen. Rey bemerkt noch ausdrücklich, daß die Larve von Stethoconus in ihrem "Aussehen, ihrer Färbung und ihren Bewegungen außerordentlich der Larve von Stephanitis ähnelt, ja er erklärt sie geradezu für "mimetisch. Nawıa hat, ohne die kurze Arbeit von Rer zu kennen, bei der japanischen Art ein gleiches Resultat erhalten. In letzterem - Falle ist der Stethoconus der Feind einer ähnlichen Stephanitis-Art, die er als Tingis pyrioides Scott bezeichnet?). Nawa bildet eine ‚ arve ab, welche mit dem Aussaugen einer Stephanitis-Larve be- ‚schäftigt ist, und es fällt wieder die Ähnlichkeit beider Tiere auf. 2) Ann. Soe. Linn. Lyon XXIX. 1881 S. 385—386; Sep. Lyon 1881. 8°. 28. Ir 3) Tingis pyrioides der japanischen Autoren = Stephanitis ambigua HORVÄTH; während der echte T. pyrioides Scott = Stephanitis Azaleae HORVÄTE ist [cf. Ann. ) Ius. Nat. Hung. X. 1913 S. 319—339). 24 346 F. SCHUMACHER: Pseudococcus vovae Nassonow, eine neue Schildlaus. Unsere europäische Art Stephanitis Pyrı ist nun nicht auf Birnen- und Apfelbäume beschränkt, sondern sie ist auch auf Aprikosen |Prunus Armenvaca], Pfirsich |Prunus Persica], Prwnus Lusitanica, ja selbst auf Walnuß [Juglans regia] gefunden worden, so dab sie einen weit verbreiteten Schädling vorstellt. In unserm Vaterlande ist diese schädliche Art jedoch auf die wärmeren Teile von Süd- und Mitteldeutschland beschränkt. Ganz unverständlich erscheint nun das Vorkommen von Stethoconus cyrtopeltis in Livland, von wo Fror das Tier zuerst beschrieb. Er fand die Art bei Lodenhof im August unter „Grähnenbäumen“* [= Pinus Abies. Dort fehlt natürlich ötephanitis Pyri, aber es kommt nun daselbst eine andere Stephanitis-Art ziemlich häufig vor, nämlich die Stephanitis Oberti Kolenati, und FLor bemerkt von letzterer Art, daß er sie vom Juli bis September in Menge von „Strickbeerbüscheln“ [= Vaceinium vitis idaea| geschöpft habe, und vermerkt ausdrücklich den Fund- ort Lodenhof. Ich glaube mit meiner Vermutung recht zu haben, wenn ich annehme, daß in diesem Falle der Stethoconus sich von St. Oberti ernährt. Ich möchte empfehlen, daß sich irgendeine süddeutsche phytopathologische Station näher mit dem Studium des Stethoconus cyrtopeltis beschäftigen möge; denn eine in- direkte Bekämpfung der gefürchteten Birnenwanze hätte hohen praktischen Wert. Den same % Be Aemeace EEOr SEITE Par ei Ale Pseudococceus vovae Nassonow, eine für Deutschland neue Schildlaus. Von F. ScHUMACHER, Charlottenburg. Die oben genannte Schildlaus wurde von mir am 20. August 1916 in Brandenburg bei Wilhelmshagen (Kr. Nieder-Barnim) auf den Püttbergen entdeckt. Obwohl ihre Nahrungspflanze, der Wacholder, Juniperus communis, in vielen Gegenden der Mark eine häufige Erscheinung ist und gelegentlich in Kiefernwäldern massenhaft auf- tritt (z. B. Erkner, Fangschleuse, Birkenwerder usw.), habe ich die 7 Schildlaus dort niemals bemerkt. An dem genannten Fundort waren | die Aste eines freistehenden etwa !/, m hohen kümmerlichen Busches 7 über und über mit Läusen besetzt, so daß dieselben wegen ihres” kalkigweißen Aussehens schon von weitem auffielen. Die Püttberge bilden eine der bedeutendsten märkischen Binnendünen, die an den höchsten Punkten eine Höhe von 50 m erreichen und werden bei geologischen Ausflügen häufig aufgesucht. In naturwissenschaftlicher Hinsicht bieten sie jetzt weniger Interesse. Die Fauna und Flora Max HARTMANN: Die Kernteilung von Chlorogonium elongatum Dang. 347 (z. B. Aretostaphylus, Pulsatilla vernalis und patens usw.) sind seit v. CHamısso’s Zeiten stark zurückgegangen, besonders seitdem auch diese Gegend „erschlossen“ ist. Immerhin sind noch einige Stellen mit schönen Beständen von Juniperus und viel Calluna besuchens- wert und bieten besonders Ende August ein schönes Heidebild. Pseudococcus vovae ist erst im Jahre 1909 von Nassoxow aus Polen von Skolimow (Gouv. Warschau) beschrieben worden. Er wurde daselbst im Juni 1906 auf Juniperus communis entdeckt. Seitdem ist diese Art meines Wissens nur noch einmal gefunden worden, und zwar von OÖ. Jaapin Dalmatien bei Traü am 28. Mai 1914 auf dem unserm Wacholder recht ähnlichen Juniperus oxycedrus. Sie wurde von dem genannten Sammler in dessen Coceiden-Sammlung im Faszikel XVII unter Nr. 194 ausgegeben. ‘'Für Deutschland ist das Tier somit neu. Die Synonymie der Art ist folgende: 1909 Pseudococcus (Dactylopius) vovae NASSONOW, Ann. Mus. Zool. Imp. Se. St.-Petersbourg XIII. 1908 4. (1909) S. 484, Fig. 20—27, Taf. IV Fig. 6. 1912 Pseudococcus vovae LINDINGER, Schildläuse Europas. 1912, S. 191. 1915 Pseudococcus Vovai JAAP, Coceiden-Sammlung, Fasc. XVII Nr. 194. Die Schildlaus ist leicht kenntlich. Sie ist von allen auf Juniperus _ vorkommenden Arten die einzige, welche kein Schild besitzt und frei beweglich ist. Die Farbe des Tieres ist gelbbraun, die Größe 2—3 mm. - Die Tiere sind von weißen Wachsfäden dicht bedekt. Beim Ein- - sammeln waren noch alle Tiere lebend und ausgewachsen, dagegen starben sie mit dem Austrocknen des Zweiges schnell ab und ver- trockneten. Nun fanden sich in den weißen Wachsklümpchen (Ei- säcken) zahlreiche orangefarbene Eier, welche nach wenigen Tagen schon zahlreiche unbekleidete orangerote Larven lieferten, die ziemlich - beweglich massenhaft an dem vertrocknenden Zweige umherkletterten. Die Kernteilung von Chlorogonium elongatum Dane. Vorläufige Mitteilung von Max HarTMann. Hierzu 8 Textfiguren. Seit dem Sommer 1915 züchten wir eine Anzahl von ver- ‚schiedenen Phytoflagellaten in Reinkulturen (Einzellkulturen), die uns in erster Linie zu experimentellen Untersuchungen über die Physiologie der Fortpflanzung, Befruchtung und Entwicklung dienen ‚sollten. Über einige Resultate dieser Versuche habe ich Ihnen bereits im Juli kurzen Bericht gegeben. Das massenhafte Material, besonders die Formen, die sich auf festen Nährböden züchten ließen (Agar-Nährböden von bestimmter Zusammensetzung, über die in ‘der ausführlichen Arbeit genauere Mitteilung folgen soll), boten 24* 348 MAX HARTMANN. nun äußerst günstige Bedingungen zur zytologischen Untersuchung. Das Studium der agamen Teilung bei Chlorogonium elongatum Dane. ist abgeschlossen; andere Formen, wie Chlamydomonas und Gonium scheinen sich nach den bisherigen Beobachtungen bezüglich der Kernteilung im Prinzip gleich zu verhalten. Über die wichtigsten Stadien der Kernteilung von Chlorogonium sei daher hier kurz berichtet. Chlorogonium elongatum ist ein sehr schlankes, spindelförmiges Flagellat mit grünem Chromatophor, welches vor und hinter dem Kern je ein Pyrenoid aufweist. Am Vorderende entspringen aus einem doppelten Basalkorn 2 gleichlange Geißeln. Genaueres über die Organisation der Zelle und die Zellteilung der agamen Ver- mehrung soll ebenfalls die ausführliche Arbeit bringen. Die Kern- teilung der breiteren Art Ohlorogomium euchlorum”) ist schon von DaAnGEARD ziemlich eingehend geschildert worden. Meine Beob- achtungen bestätigen zum Teil diese Angaben, zum Teil ergänzen oder berichtigen sie dieselben, wie später dargelegt werden soll. Der ruhende Kern enthält einen stark färbbaren Binnenkörper und schwach färbbares körniges Außenkernmaterial (Fig. 1). Bei Safraninlichtgrünfärbung erscheint ersterer tief rot, letzteres grün. Vor der Teilung wird der Kern größer, das Außenchromatin stärker färbbar, und es bildet sich eine größere Anzahl (10—20) roter (bei Safraninlichtgrünfärbung) oder schwarzer (bei Eisenhämatoxylin- färbung) Körner. Dieselben verschmelzen in den Prophasen meist zu 10 Chromosomen (Fig. 2 u. 3) wie ich in Übereinstimmung mit DanseaArn feststellen konnte. Der Binnenkörper ist in der Regel bis zuletzt erhalten und verschwindet erst mit dem Moment der ° Spindelbildung. | Die Chromosomen gehen somit ausschließlich aus dem Außen- kern hervor, wie DAnGEARD zuerst beobachtet, später REICHENOW für Näma toccus und DorLzeın soeben für Polytonella bestätigt haben. Zwischen einem jetzt bemerkbar werdenden Korn an der Kernmembran und den Chromosomen andrerseits entsteht nun zu- nächst eine Halbspindel, wozu vielleicht das Material des gleich- ÜBEN ein are ir ee en *) In dem Lehrbuch von DOFLEIN ist die von mir untersuchte Form noch nach StEın (1878), der sie mit der breiteren Art zusammengefaßt hatte, als Chlorogonium euchlorum bezeichnet; die späteren Arbeiten von DANGEARD (1888 und 1899) und FRANck (1897), die mit Recht 2 Arten unterschieden, sind nicht berücksichtigt. Ferner ist die agame Vermehrung, die StEin Makrogonidien- bildung nannte, irrtümlicherweise von DOFLEIN als Makrogametenbildung be- schrieben, während schon STEIN richtig erkannt hatte, daß Ohlorogon. isogame (Gmeten bildet, was besonders DANGEARD (1899) später eingehend bestätigt ı und auch zytologisch beschrieben hat. +74 X Die Kernteilung von Chlorogonium elongatum Dang. 349 _ zeitig verschwindenden Binnenkörpers Verwendung findet (Fig. 3). Das Korn, ein, wie der weitere Verlauf zeigt, typisches Centriol konnte ich im Ruhekern bisher nicht nachweisen: dagegen hat DanezAarp in einem Fall auch im Ruhekern zentrenartige Körner ' an der Kernmembran beobachtet. In Eisen-Hämatoxylin-Präparaten ist es meist nur zu beobachten, wenn das Plasma der Chromato- _ phoren nicht völlig ausdifferenziert wird, so daß noch die Stroma- stärke teilweise gefärbt ist (Fig. 5). Das Centriol teilt sich, und - das eine Tochterzentrum rückt, der Kernmembran entlang, unter Fig. 1-8. Kernteilung von Chlorogonium elongatum Dang. Nach in Subl.-Alk. _ oder Flem.-Flüss. fixierten und mit Eisenhämatoxylin (1—3, 5-8) oder Safranin- lichtgrün (4) gefärbten Präparaten. Obj. 2 mm, Oc 12, Vergr. ca. 1950. 1 Ruhekern, 2-4 Prophasen, 5 Metaphase, 6—8 Telopharen. Bildung einer zweiten Halbspindel, auf die gegenüberliegende Seite (Fig. 4), und erst dann bildet sich eine Ganzspindel, und es ordnen ‘sich die Chromosomen zur Äquatorialplatte. Diese merkwürdige Entstehung der Spindel aus zwei Halbspindeln ist meines Wissens unter den Protozoen bisher nur von Gregarinen bekannt geworden, während sie bei Metazoen häufiger vorkommt. Während der Meta- phase ist meist noch die Kernmembran erkennlar, die als feine Grenze eine helle ovale Zone umschließt, innerhalb der die Spindel mit den zwei punktförmigen Zentren sich scharf abhebt. Die intranudeäre % .. . 350 Max HARTMANN: Die Kernteilung von Chlorogonium elongatum Dang. Kernspindel liegt bei nicht zu starker Entdifferenzierung in einer körnchenfreien, wabigen Plasmazone, die ihrerseits von dunkler gefärbter, reichlich Körner und Stränge enthaltender Plasmapartie, dem Chromatophor, umgeben ist (Fig. 5). Differenziert man so weit, dab das Chromatophorenplasma völlig entfärbt ist, dann sind meist auch die Zentren nicht mehr sichtbar. Das mag manche negative Angabe von Zentren bei Phytoflagellaten in der Literatur erklären. Der Umstand aber, daß auch mit Safraninlichtgrün- färbung Zentren nachweisbar sind, sowie Bilder, deren eines in Fig. 5 wiedergegeben ist, müssen wohl jeden Zweifel an deren Vorhandensein beheben. Die Zahl der Chromosomen kann in der Metaphase bei Seitenansicht nicht mit Sicherheit angegeben werden. In der Polansicht konnten 10 Chromosomen gezählt werden, die oft, aber nicht immer paarweise angeordnet (gekoppelt) waren. Solche Koppelungen hat auch G. Extz jun. bei Polytoma, neuerdings Dorveıs bei Polytomella beobachtet. Nun spalten sich die Chromo- somen und die Tochterplatten rücken unter Streckung der Spindel auseinander. e: i Ne et Kuaisde Ci TREUE TUE FEN E_ ie 2 ur ee re ee . Fe Von Interesse sind die späteren Telophasen. Vielfach sieht man hier die Chromosomen innerhalb eines hellen Hofes noch getrennt (Fig. 6); meist verbacken sie jedoch schon in den Anaphasen. Schließlich trifft man zwei, von je einem hellen Hof umgebene Tochterkerne, in denen das ganze färbbare Material, also die Chromo- somen, wie bei primitiven Protozoenkernen in einem großen Binnen- körper vereinigt ist (Fig. 7). Diese Binnenkörper haben jedoch eine andere Bedeutung wie die der Ruhekerne. Denn nachträglich zerfallen sie teilweise (Fig. 8) und geben chromatische Brocken ab, die anfangs nach Safraninlichtgrün rot erscheinen, später fein- körniger werden und dann in Grün umschlagen, während ein echter, dauernd rot bleibender, anfangs kleiner Binnenkörper zurückbleibt. Erst auf diesem Umwege wird in der Regel das Stadium des Ruhe- kernes wieder erreicht. Nur ausnahmsweise unterblieb der Zu- 7 sammenschluß der Chromosomen in den jungen Tochterkernen, und 7 es entstand ohne weiteres ein gesonderter -Binnenkörper, während die Chromosomen direkt in der Kernsaftzone sich fein verteilten. 7° Hervorgehoben sei noch, daß bei diesem Flagellat die Basal- körner samt den Geißeln im Verlauf der agamen und gametischen Fortpflanzung zugrunde gehen, also bei der Kernteilung in keiner Weise beteiligt sind. Auf die interessante Art der Neubildung des‘ Geißelapparates soll später eingegangen werden. B Die Kerne von Chlorogonium elongatum sind nach der obigen Schilderung mithin typische Centronuclei mit intranukleärer Mitose. Zweite wissenschaftliche Sitzung am 21. November 1916. 351 Die generative Kernkomponente ist im Ruhekern dauernd im Außen- kern lokalisiert; nur in den Telophasen kann sie zeitweise mit dem Binnenkörper verbunden sein. Die lokomotorische ist im Ruhekern meist nicht zu verfolgen; doch spricht die Beobachtung DangEARD’s dafür, daß das Centriol auch hier der Kernmembran dicht anliegt, _ wie das auch von andern Protozoen (Flagellaten, Gregarinen) und Algen bekannt ist. Jedenfalls lehrt der Verlauf der Teilung das Vorhandensein der beiden Kernkomponenten. Zweite wisssenschaftliche Sitzung am 21. November 1916. Herr W. Hass: Über Metallfarben bei Buprestiden. _ Herr R. HEYMONS: Über einen Fall von Hermaphroditismus bei Rana fusca. - Herr P. MATSCHIE: Eine merkwürdige Maus aus Norddeutschland. - Herr P. SCHULZE: 1. Neue Arbeiten über tierische Carotine. | 2. Vorlage einiger Gallen. Druck von A. Hopfer in Burg b. M. N ij A j Y | - 5 Er, v FILTERN > re 5 I Fe % 0 + „ x ae END, END TE N ae a “ , y F ey “ = “ . > ” Eric 7 » . 1} = “ ü - Be - 5 » E ' „ F . | . o»\ ı $ ee . _ . \ R u. ‚ « 7 2 . L x Pe F- er a - P4 Da » y“ . i Br a s in 4 . r.»? ner ”- f « r A y 7 ng re Si»? Pan 6 y x u. ” .Yy % h TEN Kr ve = u - 2 - £ h_ E * hr p ı x . e .. y - “ » £ = . Tr 2 Te “ « . d —_ 2 | L Pa Y n, t near“ x [2 r ’ a ’ > - Y 4 Eu — r B u” wi x x 3 En r = Me Fe „> c EA. a‘ an | . ei De r u ps er Herrn ae . ” ser > ken wu - - 2. ar En Fy ke “22 >} an, ee = - PH «, 277 .” 5. jr . En u au „, ERS . . u a» 125% | % ee es i . m #- r ö & x _ " Ft 4.) gr ’ d ne a ’ 2 bi ; + rc L T y „r DREH. 7 n 2; : x s . Ee. % E 2 x Ze. ” PR er f Er N 2 > re EL. N a #r 4 NET en > r Pr a ms < ur > u | ü n N, ec er b 3 n rn, = ” I Pr 2 » = . % - > & md Fer . az £ F a j Aa > pP Dr a a" Zen. i pn * ed „nr > % 4 ” - >» Ü r r k L a IE SA IT kn An 3% ans 4 > Eiwe 97 a De .: Ye w; f a e* - « 2 Lille . [2 u ee AT u ; zn f gi ii f A B JE a N A 2 E -. Br w f y .r, Se X N Ya - ka x * w Na . Y a 4 f a - ! „i en h en f Nr > 1 R e E » nu: n z.“ ; A PR: - Pin f < y ” N AN N TR g% » yo "FE | | RW j x EN | "2 a ee Be Re rn DAHER en ae ® A - ü F ! ‚ 2 “ i ‘ , N ee cl # v; = af ui wT 5 - > Se ’ AN Auszug aus den Gesetzen der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin. Die im Jahre 1773 gestiftete Gesellschaft Naturforschender 7 Freunde in Berlin ist eine freundschaftliche Privatverbindung zur Beförderung der Naturwissenschaft, insbesondere der. e: Biontologie. k Die Gesellschaft besteht aus ordentlichen, außerordent- 5 lichen und Ehrenmitgliedern. Die ordentlichen Mitglieder, derän Zahl höchstens 20 betragen darf, ergänzen sich durch einstimmige Wahl nach ° den durch königliche Bestätigung vom 17. September 1789 und 7. Februar 1907 festgestellten Gesetzen. Sie verwalten das Vermögen der Gesellschaft und wählen aus ihrem Kreise die Vorsitzenden und Schatzmeister. Die außerordentlichen Mitglieder, deren Zahl unbeschränkt ist, werden von den ordentlichen Mitgliedern, auf Vorschlag 24 4 eines ordentlichen Mitgliedes unter eingehender Besriu dung | gewählt. Für freie Zustellung der Sitzungsberichte und Einladungen zu den Sitzungen zahlen die außerordentlichen Mitglieder einen Jahresbeitrag von 5 Mark. Sie können das „Archiv für Biontologie“ und alle von der Gesellschaft unter- stützten Veröffentlichungen zum ermäßigten Preise ne KÜ ER Die wissenschaftlichen Sitzungen finden. mit, Ausnahme 3 der Monate August und September am 2. und. 3. Dienstage jedes Monats bis auf weiteres im Hörsaale VI, bzw. im Konferenzzimmer der Kgl. Landwirtschaftlichen Hochschule, Invalidenstr. 42, abends 7 Uhr, statt. Ä A Alle für die Gesellschaft bitten Sahdihieen: sind an den Sekretär, Herrn H. Stitz, PER N 4, Ialen on; eh str. 43, zu richten. % DER Ta & Bus, © 42 NZ 16 1908. IR y Ne VE I 2 ANFRT E \ gr . B; INHALT: SE ee Yoga en B, VANHOEFFEN über das Geschäftsjahr 1916. Gar jet und d Nordsee. Von’C. ABTEIS u ah e Vaıor. "Von P. SCHULZE EN I auf. ten Flügeln der‘ Feuerwanze (Purrhocori 3 Senn . a RN . 0 LE “ = . . tr Bu ar BE Er Eu Ze sche‘ FR iphertenrlger Erkrankungen. ‘Von x ARE Jr f' {A il R ke en u $ \ £ h chenden More und Big ar Bakterien. AN: I ie Pal a N. Ar hr N z . an + ) 1 . . 4 vr N $ a4, ' r \ „x . [ 7 u 'E e \ ’ ben am a8 Mrz 191. ; ke . 4; 5 - 4 » I . x ae u . > be 4 4 L s . gi 5 . ) 7 r a * } \ 3 z IR =; 1916. Seite 353 355 376 381 Nr. 10. | | 1916 F | Sitzungsbericht ; der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin vom 12. Dezember 1916. Ausgegeben am 31. März 1917. Vorsitzender: Herr E. VANHÖFFEN, _ Herr E. VANHÖFFEN erstattete Bericht über das Geschäftsjahr 1916. ‘ Herr C. APSTEIN sprach über Bodenuntersuchungen in Ost- und Nordsee. . Bericht des Vorsitzenden über das Geschäftsjahr 1916. Nach den Satzungen habe ich in der heutigen Jahresver- sammlung über das 143. Geschäftsjahr unserer Gesellschaft Bericht zu erstatten und, falls es gewünscht wird, Anträge der außerordent- ‚lichen Mitglieder entgegenzunehmen. Das Jahr 1916 war vielleicht etwas stiller als andere Jahre. - brachte jedoch trotz der langen Kriegsdauer und obwohl einigt ordentliche und zahlreiche außerordentliche Mitglieder im Heere. stehen, keine Unterbrechung unserer Sitzungen, sondern bot noclı _ eine solche Anzahl interessanter und manniefaltiger Vorträge, dab - wir befriedigt darauf zurückblicken können. Es fanden 6 Geschäfts- "sitzungen statt. In den 19 allgemeinen Sitzungen, da eine - am 13. Juni wegen der Pfingstfeiertage ausfiel, waren im Maximum 39. im Minimum 11 Besucher anwesend. Dabei wurden 53 Vorträge gehalten, 21 größere und 32 kleinere Mitteilungen, die in den "Sitzungsberichten zum Teil nur als Titel erwähnt sind, da über ‚22 derselben keine Manuskripte eingingen. Dagegen wurden 15 Mit- teilungen eingesandt, über welche in den Sitzungen nicht vor- ‚getragen ist. b Vom Archiv für Biontologie ist im Laufe dieses Jahres das erste Heft des vierten Bandes erschienen. Es bringt aus den 'wissenschaftlichen Ergebnissen der Oldoway-Expedition von 1913 eine Abhandlung von Dierzıca über „Zlephas antiquus recki aus dem Diluvium Deutsch-Ostafrikas“, dann die Beobachtungen von Arno Schutze über „die Charaxiden und Apaturiden der Kolonie K- 25 I 354 E. VANHÖFFEN: Bericht des Vorsitzenden über das Geschäftsjahr 1916. Kamerun“ mit schönen vom Autor selbst gezeichneten, farbigen Abbildungen der Raupen und Schmetterlinge, ferner Ergänzungen zu den Ergebnissen der Tendaguru-Expedition, nämlich von BRAncA „über das sogenannte Sakralhirn der Dinosaurier“ und „über einen fraglichen Säugetierunterkiefer“, endlich von SrTREMME „über die durch Bandverknöcherung hervorgerufene proximale Verschmelzung zweier Mittelhand- oder Mittelfußknochen eines Reptils“. Für das zweite Heft des vierten Bandes vom Archiv für Biontologie sind dann bereits zwei Arbeiten angenommen: „Die Papilioniden von Kamerun“ von ARNOLD SCHULTZE und „Die Be- völkerung des Atlantischen Ozeans mit Plankton nach den Ergeb- nissen der Zentrifugenfänge während der Ausreise der Deutschland 1911“ von H. LoHmann. Sonstige Unternehmungen konnten des Krieges wegen nicht ausgeführt werden; die dafür vorgesehenen Beträge wurden daher in Kriegsanleihe angelegt. Die Sitzungsberichte wurden an 175 Mitglieder und 204 wissenschaftliche Gesellschaften und Instituteabgegeben. Das Archiv erhielten 86 Gesellschaften und Institute sowie die ordentlichen und Ehrenmitglieder. Manche Sendungen von Sitzungsberichten an außer ordentliche Mitglieder kamen auffallenderweise zurück, obgleich die Adressaten wohl auffindbar sein mußten; daher bitte ich alle außerordentliche Mitglieder, durch eine Karte dem Sekretär der Gesellschaft, Herrn H. Stırz, Berlin, Invalidenstr. 43, mitzuteilen, ob sie die Zusendung der Berichte wünschen oder nicht, und vor dem nächsten Mitglieder- verzeichnis ihre Adresse anzugeben, falls irgendwelche Änderungen von Titel und Wohnort nötig sind. Die Zahl unserer Mitglieder beträgt 257, wovon 6 Ehren- mitglieder, 17 ordentliche und 235 außerordentliche Mitglieder sind. Wir verloren durch den Tod Herrn Geheimrat Professor Dr. LEopoLD Kxy, der vor fast 50 Jahren als außerordentliches Mitglied auf- senommen wurde und 40 Jahre lang der Gesellschaft als ordent- liches Mitglied angehört hat; seine Verdienste um die botanische Wissenschaft und um unsere Gesellschaft sind von berufener Seite in der Sitzung vom 11. Juli gewürdigt worden; ferner verloren wir Herrn Professor Dr. T#Eopor Liege aus Magdeburg-Werder, seit 20 Jahren, und Herrn Hotrat Professor Dr. JuLıus von WIESNER, Direktor des botanischen Instituts der Universität Wien, seit 35 Jahren außerordentliches Mitglied unserer Gesellschaft. Endlich müssen wir wohl auch als tot beklagen Herrn Dr. Hans MEnzEL, Bezirksgeologe an der kgl. geologischen Landesanstalt, außerordent- 1 nn rn u RE # ah De C. APSTEIN: Bodenuntersuchungen in Ost- und Nordsee. 355 liches Mitglied seit 1911, der nach sicherer Nachricht Anfang September 1914 schwer verwundet war und von dem man seit jener Zeit nichts wieder gehört hat. Ich bitte Sie, das Andenken der Toten in üblicher Weise durch Erheben von den Sitzen zu ehren. Gegenüber diesen Verlusten wurden 3 neue außerordentliche Mitglieder aufgenommen, nämlich die Herren Dr. GÜNTHER QUIEL, Assistent am Kgl. Institut für Binnenfischerei in Friedrichshagen, Regierungsrat Dr. HERMANN ZELLER, Mitglied des kaiserlichen Gesundheitsamts in Lichterfelde und Professor Dr. Hans SpEMmaAnNn, zweiter Direktor am Kaiser-Wilhelm-Institut für experimentelle Biologie in Dahlem. Eine Ergänzung der or dentlichen Mitglieder konnte nicht stattfinden, weil Herr SCHUBERG, der vor Beginn des Krieges nach Ostafrika ging, jetzt nicht erreichbar war, also eine gültige Wahl, für die Einstimmigkeit und Einholen aller Stimmen der ordentlichen Mitglieder vorgeschrieben ist, nicht möglich war. Ferner ist noch zu erwähnen, daß Herr von WALDEYER-HArTz, welcher der Gesell- schaft seit 32 Jahren als ordentliches Mitglied angehört, zu seinem 80. Geburtstage eine Glückwunschadresse vom Vorstand erhielt. Zum Schluß habe ich noch den Vorstand für das kommende Jahr bekannt zu geben. Es sind gewählt bzw. wiedergewählt die Herren Heımskorta als erster Vorsitzender, VANHÖFFEN als erster und Hrymons als zweiter Stellvertreter desselben, REICHEnow als Schatzmeister und MarscHıE als stellvertretender Schatzmeister. Möge es dem neuen Vorsitzenden vergönnt sein, die Reihe der. Friedenssitzungen zu eröfinen. Bodenuntersuchungen in Ost- und Nordsee. Von (Ü. Arsteın, Berlin. Im Jahre 1877 wurde von Schweden unter Leitung von F. L. Exman (5) eine hydrographische Untersuchung der Ostsee und der Gewässer bis zum Skagerak unternommen. Das eine Expeditionsschiff Klindt übernahm die Untersuchung von dem nörd- _ lichen Ende des Bottnischen Meerbusens bis Gotland, das andere Schiff Alfhild fuhr vom Skagerrak bis ebenfalls nördlich Gotland. - Die auf dieser Expedition gesammelten Bodenproben wurden von H. MvxteeE (13) bearbeitet. Von einem Teile der Proben gibt MüntHeE auch Organismenreste an; in der Hauptsache kam es ihm _ auf die geologischen Verhältnisse an, namentlich auf die Einwirkung ‚der Eiszeit. Die Diatomeen der Grundproben hat Cueve (4) bestimmt. 25% 356 C. APSTEIN. Seit dem Jahre 19vVi haben dann die zur Internationalen Meeresforschung gehörigen Staaten Schweden, Finland, Deutschland, Dänemark diese Gebiete durchforscht; über Grundproben ist bisher außer zwei später zu erwähnenden Arbeiten von SpETHMANnN und Kürpers nichts veröffentlicht worden. N Im Jahre 1907 erhielt das Kieler Laboratorium für Inter-- nationale Meeresforschung den Auftrag, mit dem Forschungsdampfer Poseidon die Schwedischen Untersuchungen vom Jahre 1877 zu wiederholen. Die Expedition verließ Kiel am 20. Juli 1907 und besuchte dieselben Stationen wie die Schwedische Expedition bis zu der Linie Dagö— Stockholm (16. August), kehrte dann nach Kiel zurück (22. August) und ging durch Kattegat, Skagerrak und Nordsee bis Stavanger, wo während der Fahrt die üblichen Terminfahrtstationen aufgesucht wurden. Am 11. September kehrte die Expedition über Helgoland nach Kiel zurück. Unser Programm war bedeutend weiter als das von 1877 gefaßte. Außer den hydrographischen Unter- suchungen wurden biologische Forschungen von dem ankernden und fahrenden Schiffe in ausgedehntem Maße betrieben. Plankton wurde an jeder Station gefischt sowohl quantitativ als qualitativ, konserviert und sofort frisch untersucht. Eine Publikation von MERrRKLE (11) ist darüber erschienen. Die Bodenfauna und -Flora wurde mit Dretschen und Fischnetzen gewonnen und Bodenproben mit dem Schlammstecher und der Bodenzange (Sondeur ä drague von Leger) herauf gebracht. Bei der Klassifikation der Bodenproben ergaben sich Schwierigkeiten, namentlich bei den Proben, die aus Ton oder Mudd oder einem (Gemenge beider bestanden. Daher unternahm ich eine Untersuchung der Proben an Bord (Fig. 1). Ein abgemessener Teil der Grundprobe wurde in einem Zylinder mit Wasser fein verteilt und dann durch Handfiltratoren, die mit Seidengaze verschiedener Maschenweite bespannt waren, gesiebt, so daß ich Korngrößen von 5--2; 2—1; 1—0,6; 0,6—0,3; 0,3—0,1; 5 0,1—0,05 m trennen konnte; durch Gaze 20 ging das Material unter 0,05 mm hindurch, und schätzungsweise ließen sich noch 7 2 Stufen unterscheiden 0,05—0,025 und unter 0,025 mm. Die in 7 den einzelnen Handfiltratoren zurückbleibenden Teile werden dem Volumen nach bestimmt und auf Organismenreste mit bloßem Auge resp. unter dem Mikroskop geprüft. Außerdem wurden von jeder Station größere Teile der Proben getrocknet und von vielen Stationen Material in Alkohol mit nach Hause gebracht. Teile der getrockneten Proben wurden dann in Kiel noch einmal von SperHmann untersucht, und er hat über seine Resultate Bodenuntersuchungen in Ost- und Nordsee. 357 vom geologischen Standpunkte (22) berichtet. Er unterscheidet Sand und Ton; in seiner Tabelle führt er außerdem die Zahlen für organische Substanz nach meinen Untersuchungen an. Für meine biologische Betrachtung kommt aber gerade der letztere, der Mudd, besonders in der Ostsee in Betracht. Bodenuntersuchungen sind bisher in unseren Meeren sehr wenig ausgeführt. Mir sind nur die folgenden Arbeiten bekannt ge- worden. BEHRENS (3) untersuchte die Proben der Pommerania- Expedition, GÜMBEL (6) diejenigen des Kanonenbotes Drache in der Nordsee, Ü. G. Joh. PETERsEn (16) Proben aus Kattegat und Skagerrak, MuntHE (12) die der oben genannten schwedischen Expeditionen und Kürpers (10) Proben von den Terminfahrtstationen aus Ost- und Nordsee. Diese Untersuchungen sind meist chemisch- geologischer Natur; PETERSEN dagegen hat hauptsächlich die Boden- besiedlung mit Tieren im Auge gehabt und ihre Verbreitung und Abhängigkeit vom Boden. Meist werden auch Bodenablagerungen erwähnt, aber ohne daß eine zusammenhängende Schilderung der- selben gegeben wird. Ich halte es daher nicht für überflüssig, meinen kleinen Beitrag zu veröffentlichen. Könnten wir den Boden unserer Meere direkt betrachten, so würden uns drei Arten desselben auffallen: Sand, Ton, Mudd (Fig. 2). Der Sand ist durch seine gelbliche Farbe sofort von den beiden anderen Arten zu unterscheiden. Er besteht aus kleinen Gesteins- trümmern, die bis zu allerfeinstem Korn 0,05 mm und darunter heruntergehen. Hierzu ist auch gröberer Sand, der als Kies und Grand bezeichnet wird, zu rechnen sowie die zahlreichen bis faust- und kopfgroßen Steine. Der Ton ist braun, schokoladenbraun bis rotbraun. Er besteht aus wasserhaltigen Tonerdesilikaten, die durch Eisenverbindungen gefärbt sind und mancherlei Verunreinigungen enthalten. Er ist - bündig, knetbar und zusammengesetzt aus allerfeinsten Teilchen. | Der Mudd ist schwarz. Er besteht aus allerfeinsten bis gröberen - Organismenresten, die in Zersetzung begriffen sind. ; Die Bezeichnung Sand ist eindeutig, ebenso Ton (Prrexsex: _Slik, ler, Muxtae: lera, Murray & Renarp: clay, KRÜMMEL & GÜMBEL: - Schlick.) Dagegen wird das Wort Mudd nicht allseitig gebraucht. _ Murray & Renarp (14), denen wir eine erste Klassifikation der Bodenablagerungen verdanken, sprechen von mud oder blue mud, Krümmern (9 p. 165) nennt diese „Verwesungsreste“ Moder oder Mud, sagt dann aber (p. 171), daß er das englische Wort mud 4 — Modde) mit Schlick übersetzt. WALTtHErR (24), FUTTERER und — ale 4 AU au dor ei \ı ; \ Ki en li II 8> " ( j! A R Mg | I q Ih l «4 u Karte über die Untersuchungsfahrt 1907. Fig. 1. -(Oydr1593) ppanm ‘(uossejod gem) vo ‘orypund) puwg uoA JungrepiaA °5 IL 360 ! C. APSTEIN. andere*) sprechen von Schlamm, Murray und PaıLıppi (15) von Schlick, MvntHr (15) von bläsort slam, Prrersen (16) von Mudder (sort, stinkende, merk) oder Dynd, WEBER (25) von vase (bleue). Ich habe das Wort Mudd (12) gewählt, weil man auch in unserer See- bevölkerung von Mudde spricht, und schreibe es daher auch mit zwei d (siehe auch 12). Zu diesem Mudd gehört auch die Art der Ablagerung, die von Murray und Renarn (14) als ooze be- zeichnet wird. Darunter sind Organismenablagerungen in der Tiefsee zu verstehen, bei denen der Verwesungsprozeß so weit fortgeschritten ist, daß nur noch kalkige resp. kieselige Reste er- halten sind und die daher nicht dunkel aussehen, wie die mehr küstennahen Ablagerungen, sondern die eine helle Färbung bis weiß aufweisen, sofern die Farbe nicht durch den roten Ton über- deckt wird (siehe Anhang). Das Wort ooze wird meist mit Schlamm übersetzt (KRÜMMEL, Murray und PrıLıppi und andere), dagegen mit Schlick von WALTHER, mit Erde von FUTTERER*) und anderen, mit slab von A. Acassız*). Ich verwende für ähnliche Bildungen das Wort Schlamm. Mit Schlick möchte ich mit Krünmmen (9 p. 163) — wie es auch an unserer Nordseeküste geschieht — die aus fein verteiltem Ton und vielen organischen Resten gemengte Ablagerung im Wattenmeer bezeichnen, für die bei der Marscherde die Bezeichnungen Klei und Knick in Gebrauch sind. Der Schlick würde danach eine Abart des Mudd und auch des Tones sein. Über die drei Bodenformen ließe sich folgende Unterscheidungs- tabelle aufstellen. Tabelle 1. : | Mudd ° | Ton | Sand Farbe | grau bis schwarz braun (grau-schokolade-| gelb (in versch, rot Tönen) Geruch nach H, S(?) riechend| geruchlos (höchstens geruchlos Tongeruch) | Beschaffenheit Feiner, flockiger Feinste Zersetzungspro-|größere Gesteins- Detritus mit Methyl- dukte von Tonerde- trümmer | grün leicht färbbar silikaten locker, leicht ausrühr-| fest liegend, knetbar, körnig bar Beim Trocknen hart sehr hart locker Wassergehalt 81 (Ostsee St 2) 50 (Nordsee 8) 15 (Kieler afen) Hygroskopizität 11—15 6—10 0,1—1,5 Herkunft | Örganisch | Anorganisch Anorganisch *, Nach KRÜMMEL (9) zitiert. Ex Bodenuntersuchungen in Ost- und Nordsee. 361 Natürlich gilt die Tabelle in ihrer ganzen Ausdehnung nur dann, wenn jede Bodenform ganz rein vorkäme. Meist findet man Mischungen in verschiedenen Graden. i Mudd kommt, wenn auch in geringem Grade, in jeder Boden- probe vor, wie wir unten sehen werden. So findet man fast reinen Sand, muddigen Sand bis sandigen Mudd. Als Mudd habe ich die - Bodenform weiterhin bezeichnet, wenn sie ungefähr 50°, und melır Mudd enthielt. Ebenso haben wir tonigen Sand und sandigen Ton und ebenso tonigen Mudd und muddigen Ton. Der Mudd ist nie ganz rein; er ist stets gemengt mit feinen Tonteilen und feinsten Sandkörnchen; letztere sind meist so klein, daß sie unter 0,025 mm bleiben und durch Müllergaze 20, die ich zum Sieben benutzte, hin- durchgehen und vom Mudd auf diese Weise nicht zu trennen sind — ich habe diesen Sand bei meiner Untersuchung als Staubsand be- zeichnet. Da ich diesen Staubsand zuerst nicht vom Mudd scheiden konnte, so sind die Zahlen in Tabelle 2 bei den zuerst untersuchten Stationen A 65—65 zu hoch. Später schätzte ich unter dem Mikro- skop den Anteil an Staubsand ab, bis ich schließlich die Probe mit - Methylgrün färbte. Der Mudd färbte sich schnell grün; allerdings nahmen die Sandkörnchen allmählich oberflächlich auch die grüne Farbe . an.. Durch den Farbenunterschied war dann die Schätzung erleichtert. Zu der Übersicht hemerke ich noch folgendes: Die Hygroskopizität ist ein Ausdruck für die Summe der Oberflächen der einzelnen festen Teile, bezogen auf Gewichtsprozent Wasser, die zu ihrer Benetzung nötig sind. Je größer die einzelnen. Teile sind, desto geringer ist die Wassermenge, wie beim Sand; je feiner die Teile sind, deste größer muß die Wassermenge sein, wie beim - Mudd. Durch diese physikalische Bestimmungsmethode bekommt man einen genauen Wert für die Korngröße einer Bodenprobe. Küprers (10) hat für einige Ost- und Nordseeproben die Unter- ‚suchung durchgeführt; meine Zahlen sind aus seiner Arbeit über- _ nommen. Allerdings habe ich an seiner Tabelle etwas geändert, in sofern ich seine Zahlen für Station OÖ 8 nicht zu Mudd stelle. Ich fand dort muddigen Ton mit 45°, Mudd, so daß die Zahlen mehr unter Ton als Mudd stehen müssen. Von seiner Station O Il, die wir auf unserer Fahrt nicht besuchten, gilt dasselbe: es war dort eine Mischuug von Ton und Mudd. Ich bekomme daher für 'Mudd eine höhere Zahl als für Ton, d. h. die Korngröße für Mudd- teile ist geringer als für Tonteilchen. Krümmer (9) führt allerdings ‚an, daß strenger Ton von Java eine Hygroskopizität von 23,8 hat. Den Wassergehalt von Mudd und Ton habe ich nur je einmal bestimmt. - Ich benutzte dazu eine typische Muddprobe aus der 362 C. APSTEIN. Beltsee (0 2), dann eine Tonprobe aus der Nordsee (N 8) und eine solche aus dem Kieler Hafen, wo wir einmal in der Höhe von Möltenort — abweichend von sonstigen Befunden — eine sehr reine Tonprobe erhielten. Die Proben ließ ich zuerst einige Zeit bei Zimmertemperatur liegen und wog sie täglich bis das Gewicht konstant war; dann war Herr Prof. Rasen so freundlich sie weiter zu behandeln. { j Sie wurden pulverisiert und im Trockenschrank bei 100° C weiter erwärmt und der Gewichtsverlust, der in mechanisch gebundenem Wasser bestand, bestimmt. 60 g Mudd trockneten bei 16° C Lufttemperatur in 19 Tagen zu 12,7 g zusammen, dann blieb das Gewicht konstant, im Trockenschrank :trocknete die Probe bis auf 11,36 g ein, verlor also 81,06°/, Wasser. Die Tonprobe (mit 5°/, Mudd) von N 8, also aus der Nor- wegischen Rinne, wog 100 g frisch, nach 19 Tagen bei 16° Luft- temperatur 53,3 g und blieb dann konstant. Im Trockenschrank trocknete sie noch bis zu 49,64 g ein, verlor also 50,36 °/, Wasser. Von einem sehr zähen, reinen Ton von Möltenort im Kieler Hafen wurden 100 g abgewogen; nach 9 Tagen wog die Probe bei 22° Lufttemperatur 85,1 g und verlor auch im Trockenschrank und beim Erhitzen kein weiteres Wasser, so daß der Wassergehalt sich zu 14,9°/, ergab. Der Ton war zu einem steinharten Stück zusammengetrocknet. Der Wassergehalt ist also bei dem lockeren Mudd bedeutend höher als bei dem dichteren Ton, wie zu vermuten war. Herkunft des Mudd. Die Hauptmenge des Mudd wird von absterbenden resp. abgestorbenen Pflanzen gebildet. In der Ost- see (20) finden wir, außer den im Boden wurzelenden Seegräsern, die auf Steinen oder gröberem Sande haftenden, aber nicht aus dem Boden sondern aus dem umgebenden Wasser ihre Nahrungs- stoffe beziehenden Algen an allen Küsten und bei den meist flach abfallenden Ufern in breiter Zone vor. Der Assimilation wegen können die Algen nicht in tieferes (als ca. 50 m) Wasser gehen, und so ist der Sandboden in seinem größten Teile steril; nur wo er sich zu zahlreichen flachen Bänken, wie Mittelbank, Hoborg- bank erhebt, ist er mit Algenwuchs bedeckt. In der Nordsee ist der Algenwuchs sehr spärlich (19). Durch die Gezeiten wird der Boden der flacheren Nordsee, der allein für Pflanzenwuchs in Be- tracht kommt, in Bewegung gehalten, und daher werden die Algen- schwärmer verhindert, sich am Boden festzusetzen resp. beim Umher- rollen des Sandes vernichtet (21). Nur wo feste Uferbauten oder ruhigeres Wasser in Lee von Inseln sich finden oder wo der Fels a se ee ee. Bodenuntersuchungen in Ost- und Nordsee. 36 3 von Helgoland oder die felsige Küste Norwegens geeigneten festen Boden liefert, finden sich Algen. Diese Seegräser und Algen reißen sich bei stürmischem Wetter los, treiben vielleicht noch einige Zeit im Wasser und fallen dann auf den Boden. Dort zerfallen und vermodern sie. In der Ostsee spielt der Pflanzenwuchs eine bedeutende Rolle, da die reich- gegliederte Küste der freien Wasserfläche gegenüber sehr groß ist; für die Nordsee ist der Pflanzenwuchs verschwindend, da die Be- wachsung an den Küsten gegenüber der freien Fläche der Nordsee . gering ist. Für die dänischen Gewässer geben C. G. Joh. PETERsEN und B. Jensen (17) an, daß Zostera !/. der Bodenfläche einnimmt. In diesen engen Gewässern ist der Wert dieser Pflanzen für Er- nährung der Bodentiere und für die Zusammensetzung des Detritus (Mudd) von ganz besonderer Bedeutung. Eine weitere Quelle des Mudd fließt aus den absterbenden Bodentieren, die den Boden unserer Meere in größerer oder ge- ringerer Dichte bevölkern. Oft findet man von ihnen größere Reste, namentlich Epidermisfetzen von Muscheln, Schalenstücke von Echino- dermen, Nadeln von Schwämmen, Panzerstücke von Krebsen, also Hartgebilde, während der übrige Körper bald in Fäulnis übergeht. Hinzu kommen als nicht unwesentlicher Bestandteil die Exkremente von Tieren. Einen weiteren Beitrag liefert das Plankton. Plankton findet sich überall im Meere; planktonfreies Oberflächenwasser gibt es- nicht. Das Plankton stirbt ab und sinkt zu Boden, zeitweise in recht bedeutendem Maße, z. B. wenn die Vegetationsperiode der Diatomeen ihr Ende erreicht hat. Ich erinnere nur an die ge- waltigen Mengen von Chaetoceras, die im Frühjahr in der Ost- see erzeugt werden, die sehr schnell erscheinen aber auch ebenso schnell aus dem Plankton verschwinden; dasselbe gilt für die Ceratienvegetationsperiode. Diese Organismen, sofern sie nicht von Planktontieren gefressen sind, sinken zu Boden. Ihres geringen spezifischen Gewichtes wegen geht dieser Sinkprozeß sehr langsam vonstatten. Ich (1) habe nach Versuchen berechnet, daß um 100 m zu sinken abgestorbene Enseiaßeras si... ur vu 1720 ; Tage an. 0 a PaREHE Pe ER 8s—11 E Coseinodiseus . - » =». . . 19-39 Stunden De. er 1419 $ DIE NE 27 5067 L ae N Te! 22 4ifg—blfe n 364 C©. APSTEIN. brauchen, je nach Schwere des Wassers und unter der Voraussetzung, dab keine Störungen z. B. durch vertikale Strömungen vorhanden sind. \ Ebenso habe ich Versuche über die Schnelligkeit der Fäulnis veröffentlicht. Sie zeigten, daß z. B. Copepoden und Daphniden noch nach 5 resp. 7 Tagen nach dem Tode frisch erschienen, je nach der Temperatur des Wassers. In dem kalten Tiefenwasser der Ozeane geht die Fäulnis wegen Abwesenheit von Bakterien oder doch geringer Lebenstätig- keit derselben äußerst langsam vor sich, so daß Planktonorganismen den Boden des Meeres erreichen, den dort lebenden Tieren zur Nahrung dienen können oder auf dem Boden liegend sich dem Mudd zugesellen. Von wie großer Bedeutung dieser „Planktonregen“ ist, hat Hensen (8) gezeigt. In der Nordsee, wo, wie wir gesehen haben, der Pflanzenwuchs eine minimale Rolle spielt, ist das Plankton die Hauptquelle für die Ernährung der Bodentiere. Auffallend ist es daher, wenn man Bodenproben untersucht, dab man so wenige Reste von Planktonorganismen darin findet. Meist sind es nur die allergröbsten Diatomeen wie ÜCoseinodisceen, während die zarten Formen wie Chaetocereen und ähnliche voll- ständig fehlen. Die feinen Kieselpanzer lösen sich sehr schnell im Wasser auf. Ebenso wenig findet man Peridineen, deren aus Cellulose be- stehende Panzer leicht zugrunde gehen. Von Radiolarien bleiben besonders Nassellarien und Sphaeroideen, während Acantharienstachel leicht löslich sind, da ihre Kieselsäure besondere Zusammensetzung (Acanthin) hat. Phaeodarien habe ich in Bodenproben fast ganz vermißt. Die kalkhaltigen Schalen von Foraminiferen werden in Bodenproben vielfach gefunden, ebenso die Chitin- und Kalkteile der Krebse, Mollusken und anderer Tiere. Schließlich wird dem Meere ein nicht unbeträchtlicher Teil Stoffe durch die Flüsse zugeführt. Namentlich bei großen Flüssen kann man ihre Einwirkung weit von der Küste feststellen, so nach Krünmmsr (9) beim Kongo bis 100 sogar 150 Seemeilen von der Küste. Die Flüsse führen eine große Menge organischer Substanzen mit, die im Meere zur Ablagerung gelangt. Ansammlung des Mudd. Dieser Detritus, soweit er aus der pelagischen Region stammt, von WırHELmı (26) mit Tripton be- zeichnet, muß sich, wie seine Herkunft zeigt, überall auf dem Boden der Ost- und Nordsee finden; aber doch ist die Menge des Mudd an den einzelnen Stellen sehr verschieden (siehe Tabelle 2). Wir finden ihn in größerer Mächtigkeit nur in den Tiefen oder auch in engbegrenzten Mulden und Löchern, während er auf flacherem, bodenuntersuchungen in Ost- und Nordsee. 365 Tabelle 2. | Tiefe | Mudd ‚Organism. | Tiefe Mudd Organisnı. Station | | Reste Station | = | Reste Be | m | % | % Kl. 85 52 4 Be - Ta er a R Mr ARRTE190 24,6 0,9 ra ERSTE; ? „88 80 0,1 0,1 71 | 34 8 ? 89 8 | 4 3,6 9 | 4| 0 0 Bi © 70 | 65,6 1,6 Bel ch a (99,2) 0,8 „9 80 | 10 2,5 187 85 (98,2) 1,8 „..98 a RE 0 PM (99,4) 0,6 er. 1108 88,2 1,8 „65 53 (43) ? » 96 | 100 0,5 0,05 0. St 96 66,1 0,9 » % |148 89,1 0,8 u. 45 32,0 2,5 „9 |405 90 1,7 ER: un 3,5 ee 58 30,0 0,05 gr 22 49 1,5 me | 5 | 180 3.0 u ea er rt 85 72,5 1:7 BER aler 80 1,055 „ 110 | 168 49,2 1,2 al 07 1.88 „ 109 | 102 l = Be a 05 | 05 „ 108 88 > a wen 24 | 6 RE: NR. Ejke Wiek| 11 4 4 ir 3 | 85 3,5 Kl. 107 | 55 12 1,7 A 50 94 0,8 06 | 110 2,5 2,5 Ba; 57 20 0.4 105 1136 | 48,6 2,85 re 0,68 0,1 14 | 134 ADB... 5:0,8 et 2,4 0,8 „ 103 47 — = PEN | 70 18,6 0,45 1108 63 15 3,3 e ERRTTEEN TE 6,5 A. 96 | 218 94,1 0,74 +30 | 203 20 2 9 | 73 15 1,7 N. 9 149 10 220,1 „ 9+.| 161 66,4 0,4 „10 |20 | 4 1 „93.6165 95,8 0,2 2337 50 2 0,3 Aihbl:ie 59 10 1,04 49 30 | 5 0,1 „90 | 109 90 0,6 „18 55 0,6 0,1 „. 89 60 0,6 2 + 700 0 « 44:87 40 0 0 Fee BIN; 5 0,25 38 59 2,5 2,4 =. 821,849 5 | 0,02 : ER 97 66,2 0,94 Bu 8 | - 0,85 @ „ 83 | 120 87,4 2,8 „17 | 290 4 | 83 j PER}: 38 2,4 0,3 ae, : N T7.21- BIT 2,5 A a N = PU 90 89,7 0,28 a a a Po WEITE 8 36 EERIH 0,1 D.4238.1-105. |; -88 1,8 un 40 | 10 0,1 Er 2,0 2,0 >75 24 | 03 0,1 ala 7 a ae £ 0,9 Ü. 19 | %6 0,8 Rare}; 5| 38 0 A. 10 | 15 0,5 Be a RT ? | | $ küstennahem Boden oder auf Bänken nur eine feine Schicht bildet, _ die aus jungem d. h. frisch gebildetem Mudd besteht. Der leicht bewegliche Mudd wird überall nach den tiefsten, _ erreichbaren Stellen geschwemmt, durch Bewegungen im Wasser, die verschiedener Art sein können. 366 C. APSTEIN. Meeresströmungen, wie in der Nordsee der eintretende Ast des Golfstromes, der Jütlandstrom, die im Großen Belt sehr starke Strömung meist von Norden, der durch den Sund ausgehende, salzarme Oberflächenstrom befördern die feinen Bodenteile von flachem Wasser in tieferes. In der südlichen Nordsee läßt der gewaltige (Grezeitenstrom den Boden nicht zur Ruhe kommen und bewegt nicht nur die feinen Muddteile, sondern auch den Sand. Bei starken Stürmen wird das Wasser bis zu großer Tiefe auf- gerührt, und Tiefenwasser dringt bei solchen Gelegenheiten über Bodenschwellen hinweg bis weit in die Ostsee vor, wie Sauer- stoffuntersuchungen in der Tiefe der Danziger Bucht gezeigt haben. Temperaturdifferenzen zwischen Oberflächen- und Tiefenwasser verursachen Strömungen, durch die das Wasser und damit auch Muddteile in Bewegung erhalten werden. Aber auch schwacher, auflandiger Wind wirkt durch den Soog am Boden, um den Mudd von flachen Stellen in die Tiefen zu führen. Schließlich hat Mögıvs (12) gezeigt, wie die bodenbewohnenden Tiere durch ihre Bewegung den Mudd aufrühren, der dann bei abschüssigem Boden immer tiefer sinkt. So bewegt sich der Mudd tiefer und tiefer, bis er endlich zur Ruhe kommt und nun mächtige Lager bilden kann. So sollin der Landsorttiefe, die bis 463 m mißt, der Mudd in der größten Tiefe eine Mächtigkeit von 5 m erreichen. Verbreitung des Mudd (siehe Fig. 2 und Tabelle 2). In der östlichen Ostsee bis zur Danziger Bucht haben wir ein großes, zusammenhängendes Gebiet, dessen Boden unter 100 m liegt. Dort finden wir auch das ausgedehnteste Muddlager. Es erstreckte sich bis direkt an die Linie Dagö-Stockholm, ganz im Westen auch über diese Linie nach Norden hinaus. Überall sehen wir die Tiefen von ungefähr 100 m an mit Mudd erfüllt. Besonders gut war er in der Landsorttiefe (Station Kl 94 mit 405 m) und in der Gotland- tiefe (Station A 93 mit 165 m) ausgebildet. Das Gebiet zieht sich von Norden zwischen Gotland und Schweden in geringer Breite bis ungefähr zur Höhe der Südspitze Gotlands hin; zwischen Gotland und Kurland erreicht der Mudd außerdem eine große west-östliche Ausdehnung und zieht so bis zur Danziger Bucht hin, wo er auf Station OÖ 12 in 105 m ebenfalls typisch ausgebildet ist. Westlich steigt der Meeresboden etwas an (Station A 71—-77); damit geht der Mudd ganz zurück. Erst nach Bornholm zu finden 7 wir wieder ein größeres Muddgebiet, dessen Zentrum die Bornholm- 7 tiefe mit 96 m ist (Station O S*). Das Gebiet erstreckt sich bis zu den tiefen Stationen auf dem Schnitt A 64—70. Die Zahlen Bodenuntersuchungen in Ost- und Nordsee. 367 in der Tabelle sind, da sie zu hoch sind (s. oben S. 361), ein- geklammert. Dieses Muddgebiet zieht sich in schmaler Rinne um Bornholm bis zur Tiefenstation OÖ S mit 45 m zwischen Rügen und Schweden hin. In der Beltsee finden wir kein größeres Muddgebiet. Hier sind kleinere Rinnen oder Mulden mit Mudd erfüllt. Solche kleinen Gebiete finden sich z. B. außer in den mehr abgeschlossenen Buchten in der Neustädter Bucht, im Fehmarnbelt, Eckerförder Bucht, vor Scheimünde, zwischen Aerö und Alsen. Im Kattegat fand ich gut ausgebildeten Mudd nur auf Station K 2 südwestlich von Samsö. Die nur 24 m tiefe Station lag in einem toten Winkel, bis zu dem die Wasserzirkulation, die durch (Großen Belt und Sund geht, nicht reicht. Hier kann der Mudd sich in ruhigerem Wasser niederschlagen. Geringere Muddgebiete waren auf K 3 und 5 in 33 und 57 m Tiefe zu finden, wo der Mudd ungefähr 20"), des Bodens ausmachte. Im Skagerrak trat der Mudd auf den tieferen Stationen K 8— 10 und N 10 mehr in den Vordergrund, auf den ersteren Stationen - mit ungefähr 20°, auf der letzten mit 45°/,. Auf der tiefsten Station N 9 mit 450 m habe ich nur 10°, Mudd notiert. Das ist auffällig; ich vermag aber nicht, meine Angabe, da ich das Material nicht mehr in Händen habe, nachzuuntersuchen, ob viel- leicht nur ein Irrtum vorliegt. In der Norwegischen Rinne war die Beimengung von Mudd ganz gering. In der Nordsee war Mudd auf den westlichen Stationen N 4, 5 etwas häufiger, während die flacheren Stationen N 5 15, 15 _ reinen Sand aufwiesen. Dann fand sich dicht vor der Elbe auf - St. ©. A. der Boden mit muddigem Sand bedeckt. 2 Der Grad der Zersetzung des Mudd — das Alter — ist ein verschiedener. Da, wo Muddablagerungen nahe der Küste sich finden, wie in der Beltsee, werden sich neben stark zersetzten auch noch ziemlich frische Pflanzenteile finden, da die Zeit der Loslösung _ von ihrer Unterlage erst eine sehr kurze ist. Je weiter von der # Küste entfernt, desto stärker ist die Zersetzung der Pflanzen. So fand ich in der schmalen Beltsee regelmäßig Stücke von Seegras E und Bodenalgen, die noch frisch erhalten waren oder geringere Spuren von Zersetzung zeigten, in der ausgedehnteren östlichen Ostsee dagegen solche nur auf landnahen Stationen. Für die tierischen _ Reste gilt dieses nicht, da Tiere überall im Meere vorkommen und nicht wegen der Assimilation an flaches Wasser gebunden sind. Man wird sie daher überall in allen Zersetzungsstadien finden, am u 368 U. APSTEIN: zahlreichsten natürlich aus den oben angeführten Gründen in den Tiefen. | In folgendem sollen nun nicht die Organismen, die den Boden, namentlich Mudd, bewohnen, geschildert werden, sondern die Or- ganismenreste, die sich als Ablagerungen auf dem Boden finden. Ihre Häufigkeit ist natürlich in der Region des Mudd aus ange- führten Gründen am größten. Stellenweise sind Anhäufungen von Resten einer Tierart oder Tiergruppe so stark, daß sie dem Mudd ein besonderes Gepräge geben. Beginnen wir mit der östlichen Ostsee, so finden wir dort Bosminaschalen in solchen Mengen. daß wir von einem Bosminaschlamm (t. 13 f. 1) sprechen können. Schon MvntH£ (13) erwähnt in seiner Bearbeitung der Bodenproben von der schwedischen Expedition das Vorkommen dieser Schalen, ohne näher darauf einzugehen, was auch nicht in dem Plane seiner Unter- suchung lag. (Ich wähle für diese Organismenablagerungen den Ausdruck „Schlamm“, da wir auch von Radiolarin-Globigerinen- schlamm sprechen. Im Anhange werde ich letztere noch kurz zu einem Vergleich erwähnen.) Bosmina maritima P. E. Müun. ist eine in der östlichen Ostsee im Oberflächenwasser sehr häufige Daphnide (2). Sie findet sich von Mai—November, hauptsächlich im August. Im Finnischen Meer- busen tritt sie zuerst auf und breitet sich dann später bis zur Beltsee aus, wo sie aber stets spärlich ist. Mit dem ausgehenden, salzarmen Ostseestrom gelangt sie bisweilen durch den Sund bis zum Skagerrak. Im September, Oktober finden sich neben den Weibchen auch Männchen. Wie Bosmina den Winter überdauert, ist mir nicht bekannt; ob sie Dauereier oder Ephippien produziert, ist noch nicht beobachtet. Die zarten Panzer der abgestorbenen Bosmina sinken zu Boden und finden sich dort meist in zwei Stücke zerfallen, in den Kopf- teil mit den rüsselartigen Antennen und den Körperpanzer, der an seinen kleinen am unteren Ende des Hinterrandes befindlichen Spitzen leicht kenntlich ist. | Aus Tabelle 3 geht hervor, daß sich die Bosminaablagerungen durch die ganze östliche Ostsee finden und in der südlichen Ostsee bis in die Rinne zwischen Rügen und Schweden vordringen. Die größte Dichte des Vorkommens ist im nördlichen Teile der östlichen Ostsee, also bis Gotland hin, wo auf allen Mudd-Stationen Bosmina- schalen festgestellt sind. Das Maximum des Vorkommens beträgt 2,24 Volumenprozent; also fast der 40. Teil der oberflächlichen 7 Bodenprobe bestand aus diesen winzigen, zarten Panzern. Meist blieb die Menge unter 1°, zurück und da, wo in der Tabelle in” dem betreffenden Gebiet keine notiert sind, werden sich natürlich | Bodenuntersuchungen in Ost- und Nordsee. 269 Tabelle 3. ee oT Te 1er ee per [ ae mm uajeyr: VERLARNE ss SA ao1o1one(] fi era P le EP a EB AEREIEE z ıqueunrspoumyppH I E # r Be Er dA EZ 7 ar RR = z ujppeuwmuemydsS EN + + a ++ er #: ++++ m U9AOFLUTUIB.IO + + A ee +too&&+e +9 zZoooßo MOLNULH T Er 4 Sm ++ + oyongsyonıquozusyg | RER Be PH TE ++Fr++ -+- +. #r+ + aosjjodudojory ur BE ee FR Se u FE EMIRD a FE SE N a ae Fe U99TUOFBLCT ey u a TE a a ae RL win ha ein ++++++ BER BAISBEBEEZLO a EEE FI ERS 118] ER ah Bu De EA aaa ee te Se LE —————————————e ISB7qoFsFs1BByulsIg ++ + +rtr++r a + PA 12 em 0 1m ıQ ee en) Bl: el gg om man no non, Do a a: am ca = a, ach S5o55 SoS959 99 ae NOHAOS _ mi Peyerehtte + 4 ass £ + -IquounopouLyor] a ns rn — U9OAHFLULUIBIOT eo BAR Ar zZ SB E ET EN EB EEREEEEIE FE FEIN ayongsyanıquozurgg E2 + + N uojjoduaejoryy + + +++++ ++ ++ + ER UOUNLOD0N. UHSWOYBI(T ++ ++ ++r+ ++ + Pr ee 24 = BRrDOSOAMSEHRNTORR LLEOEHR-HSEEHRHTODLEEHNTOROND HD Hıo F BKRBRRRSSRRTAIAASSEISOSSSSHRFPERSLREDÄERSTTAÄTTTN 5 Hmmm len ÄHnnmn 5 per % ne a a ee 7 a SE 2 De FR > id A ,DeR RR Is ea} auch einig e vorgefunden haben, aber der geringen Anzahl wegen Das massenhafte Vorkommen — ‚der Beobachtung entgangen sein. 26 370 GC. APSTEIN. dabei war die Hoch-Zeit der Bosminaentwicklung noch nicht ge- kommen — zeigt, daß es sich bei diesen Ablagerungen nicht um solche der jetzigen Vegetationsperiode handeln kann, sondern daß die chitinösen Schalen sich seit längeren Zeiten aufgespeichert haben müssen. Dauereier von Podon sind allerdings nicht zu den Ab- lagerungen zu rechnen; da es mir aber auf unserer Fahrt zum ersten Male gelang, über ihren Verbleib Auskunft zu erhalten, so möchte ich den Befund hier besprechen (2). In der Ostsee kommen 3 Podonarten vor: P. polyphemoides Lruck., P. intermedius LiLLz., P. Leuckarti Sırs. Letztere beiden erscheinen im Plankton im April, erstere etwas später. Im Oktober verschwinden sie wieder; allerdings traf ich P. intermedius auch im Winter in vereinzelten Exemplaren an. Im Juli-August habe ich Exemplare mit großen, braunen Dauereiern gefunden. Eventuell käme auch Zvadne Nord- mannı Love in Betracht, die zur selben Zeit lebt, sich auch im Winter in vereinzelten Exemplaren findet und im Juni—November Dauereier produziert, in der östlichen Ostsee allerdings erst im Oktober-November, soweit unsere Kenntnisse reichen. Diese Dauereibildung ist wohlbekannt; aber über den Verbleib der Eier wußte man nichts. Man nahm an, daß sie auf den Boden sinken und dort zur Erhaltung der Art über die ungünstige — kalte — Jahreszeit verhelfen. Auf den beiden Stationen Kl. 87 und A. 96 fand ich nun die wohlerhaltenen Dauereier auf dem Boden, also in der östlichen Ostsee in Tiefen von 120 und 218 m. Im Früh- jahr werden die Eier sich entwickeln und eine neue Vegetations- periode einleiten zusammen mit den den Winter überdauernden spärlichen Exemplaren. Leere Eihüllen fanden sich von der Ost- bis zur Nordsee. In ersterer kamen sie in solchen Mengen vor, daß sie neben Bosmina einen wesentlichen Bestandteil der Ablagerungen bildeten. Sie hatten die Größe von Copepodeneiern, werden aber nicht nur von diesen Krebsen stammen, sondern auch von bodenbewohnenden Tieren (13 622). Diatomeen fanden sich in der Ostsee in meist geringerer Menge, so daß sie in der Tabelle als auffälligerer Bestandteil des Bodens nur einige Male notiert sind. Auf Station Kl. 85 traten sie mehr hervor, so daß ihr Vorkommen dort als häufig bezeichnet werden kann. Vereinzelter fanden sie sich natürlich auf allen Stationen auch außerhalb der Muddregion. Wie ich schon oben hervorhob, handelt es sich um festere Formen wie Üoscinodisceen, Melosineen, während die zarten Formen sämtlich gelöst waren, trotz- ud > re) er Bodenuntersuchungen in Ost- und Nordsee. 371 dem die Chaetoceras-Vegetationsperiode im Frühling doch erst kurz vorüber war. Im nördlichen Teile der östlichen Ostsee kamen regelmäßiger und häufiger leere „Sternhaarstatoblasten“ zur Beobachtung. Diese zarten Formen — deren Natur noch unbekannt ist — wurden von Hrnsen (7) zuerst im Plankton der Ostsee gefunden, sind aber nie in größeren Mengen daselbst beobachtet worden. Algenbruchstücke fanden sich nur vereinzelt vor auf mehr küstennahen Stationen. Oben bei Besprechung des Pflanzenwuchses habe ich schon hervorgehoben, daß auf mehr küstenfernen Stationen die nur in flacherem Wasser lebenden Algen während ihres Trans- portes zur Tiefe sich zersetzen und dann als Detritus in der Mudd- region zu finden sind. Bruchstücke gehören vorwiegend zu dem festeren Fucus. Auf mehreren Stationen waren Panzerbruchstücke höherer Krebse sowie Epidermisfetzen von Muschelschalen festzustellen. Ein eigentümliches Vorkommen, das einen Organismus, der nicht zum Meere gehört, betrifft, muß ich noch erwähnen. Bei allen Plankton-Untersuchungen in der östlichen Ostsee finden sich zierliche Formen, wie in Fig. 3 abgebildet. Es sind Pollenkörner Fig. 3. Pollen der Kiefer ?%/, (nach STRASSBURGER). von Kiefern (Pinus silvestris (23) p. 470 Fig. 149 D.) Ebenso fanden sie sich in den Bodenablagerungen, besonders häufig in der östlichen Ostsee, kamen aber auch noch bis zur Bornholmtiefe vor. Durch den Wind werden die Pollen weit auf See getrieben und gehen dort zugrunde. Im südlichen Teile der Ostsee, also von der Danziger Bucht bis zur Darsser Schwelle (OÖ 12 bis O 8 der Tabelle), sind die Ver- hältnisse ganz ähnlich wie in der östlichen Ostsee, namentlich in der Bornholmtiefe (0 S°). In der Beltsee (O 5 bis K 1 der Tabelle), die keine allseitig ausgedehnte Wasserfläche besitzt, finden wir kein größeres Mudd- gebiet. Der Mudd ist hier in Rinnen, Mulden und in mehr oder - weniger großen Löchern angesammelt, die räumlieh voneinander - getrennt sind. Der Küstennähe wegen finden sich häufig Seegras- _ und Algenbruchstücke in verschiedener Erhaltung. Ein besonderes - Hervortreten einer Organismenart habe ich nicht beobachten können. _— Bosminaschalen fehlen ganz, ebenso Eihüllen, Sternhaarstatoblasten, 26* . * * a a .. ' . ; be ar Hi EL |: Be | ?: 372 C. APSTEIN. dafür scheinen Diatomeen etwas häufiger aufzutreten, und im west- lichen und nördlichen Teile kommen zuerst Schwammnadeln vor, da Schwämme über die Beltsee nach Osten nicht hinausgehen. Auf Station K 1 im Großen Belt fanden sich spärlich Foraminiferen, die auch weiterhin in der Beltsee vorharden sind, aber nicht so häufig, daß sie in kleinen Bodenproben sicher zur Beobachtung gelangen, ferner Diatomeen. Die Station K 1 war dadurch interessant, daß durch den starken meist südlich setzenden Strom der Boden von feinem Material ganz rein gefegt war, so daß nur spezifisch schwerere Organismenreste, wie die genannten, auf dem Boden liegen blieben. Im Kattegat (K 1—8 der Tabelle) fanden sich überall Pflanzenbruchstücke vor, die von den nahen Küsten und dem flachen Boden im westlichen Teile stammten. Das Bild der Ablagerungen hat sich geändert. Zuerst fallen Foraminiferen verschiedener Art auf, die am Boden leben (t. 13 £. 3). Doch ist ihre Menge nicht sehr bedeutend; nur einmal fand ich sie in 1°/, des Bodens im südlichen Kattegat. Dann finden sich Reste von Echinodermen und Schwamm- nadeln häufiger vor. Diatomeen wie Üoscinodisceen, Üocconeis, Pleurosigma, Epithemia, Fragilarıa treten mehr in den Vordergrund. Im Skagerrak (K 9—N 12 der Tabelle) treten in der Tiefe die Pflanzenbruchstücke ganz zurück, während sie auf den flacheren Stationen (siehe Tabelle 2) noch regelmäßig zu finden waren. Bruch- stücke von Molluskenschalen waren häufiger. | Regelmäßig treten hier aber Foraminiferen auf. Meist sind sie mit Stücken von Echinodermenpanzern und Schwammnadeln ver- gesellschaftet und ließen sich auch nicht in den gesiebten Proben von diesen mechanisch trennen, so daß die Zahlen in der Tabelle zu - hoch sind; ich habe sie daher eingeklammert. Auf Station N 10 fanden sie sich zu 1°/,; auf den übrigen Stationen blieben sie an Menge da- hinter zurück. Auf den flacheren Stationen N 11, 12 waren sie wenig vorhanden, seltsamerweise auch auf der Station N 9, die 450 m tief ist. Die Foraminiferen waren in verschiedenen Arten zu finden, die ich nicht bestimmt habe, da es die Zwecke der Unter- suchung nicht erforderten. Coseinodisceen fanden sich regelmäßig, Echinoderien stücke mehr auf den östlichen Stationen; spärlich waren Schwamm- nadeln. Häufiger waren aber leere Eihüllen, die von der südlichen Ostsee an spärlich zu finden gewesen waren. Inder Norwegischen 7 Rinne (N 6—8, 16—18 der Tabelle) finden wir ähnliche Verhältnisse - wieimSkagerrak. Hervortretend und regelmäßig waren Foraminiferen. Namentlich auf Station N 17 westlich von Stavanger kamen sie in großer Zahl — 2% — und in größerer Mannigfaltigkeit vor ” % Bodenuntersuchungen in Ost- und Nordsee. 373 (t.13 1.4.5). GÜünmsen (6) erwähnt dieses Vorkommen schon, hat unter den Arten namentlich Uvigerina pygmaea gefunden, so daß er von einem Uvigerinaschlamm spricht. Ich habe Uvigerina nicht hervor- tretend gefunden, sondern besonders Textularia variabilis, Bulimina und andere, möchte aber die Ablagerung nicht nach einer Art, sondern im allgemeinen als Foraminiferenschlamm bezeichnen. Neben den Foraminifern' kamen häufig Schwammnadeln, seltener Echino- dermenbruchstücke vor. Diatomeen und Eihüllen waren nicht so häufig. Zum ersten Male sah ich in den Bodenproben häufiger Coceolithen, die Kalkplättchen der Coccolithophoriden, winzigen zu ‚den Chrysomonadinen gehörige Flagellaten, deren Membran mit zierlichen Kalkplättchen besetzt sind. In tropischen Meeren sind diese Plättehen in Ablagerungen sehr häufig. Aus Nordseeboden- proben erwähnt sie schon BEHRENS (3). Ich hatte sie schon auf Station N 9 und 10 als vereinzelt vorkommend notiert. Es ist möglich, daß sie schon früher aufgetreten, aber ihrer Kleinheit wegen meiner Beobachtung entgangen waren. Sie sind zwischen den feinen Bestandteilen des Mudd, der in den tiefen nördlichen Teilen der Nordsee mit Ton stark gemischt ist, sehr schwer zu sehen. Der Mudd spielt hier ja nicht die große Rolle, da er viel weniger ausgebildet ist wegen Fehlens der Hauptquelle nämlich der Pflanzen. Wenn wir auch die felsige Küste Norwegens, namentlich die flachen Teile der zahlreichen Buchten mit Pflanzen bedeckt sehen, so ist diese Pflanzendecke doch gering gegenüber der großen Wassermasse der Nordsee. Die Algen sinken dort am Küstensaum auch nicht direkt in die Tiefe, sondern werden von der starken Strömung, die wir im Skagerrak zu unserem Leidwesen oft kennen gelernt haben, weiter fortgeführt, während sie innerhalb der ruhigen Buchten v er- anlassung zur Bildung von Muddlagern geben. Südlich der tiefen Norwegischen Rinne erstreckt sich die grobe Fischerbank, die nach Süden an Tiefe abnimmt und hier anders be- nannte Bänke bildet. (N 13, 4—1, 15) Mudd tritt hier stark zurück; _ überall findet man Sand vorherschend. Der starke Gezeitenstrom läßt - den feinen Detritus, dem ja auch der Zustrom aus einem Pflanzen- - bestande an der Küste fehlt, nicht so leicht zum Absetzen kommen. Dafür findet man auf dem Boden spezifisch schwerere Reste; so _ waren Bruchstücke von Molluskenschalen auf verschiedenen Stationen - anzutreffen. Vorwiegend waren Diatomeen (t. 13 f.6) zu finden, neben Coseinodiseus auch Paralia, Actinoptychus und andere festere Formen; namentlich auf Station N 3, 4 waren sie häufig, doch ihrer geringen Größe wegen nicht einen wesentlichen, volumetrisch meßbaren Be- standteil des Bodens ausmachend. Coccolithen fanden sich mehrmals. # 374 C. APSTEIN. Foraminiferen waren wenig vorhanden, ebenso Schammnadeln und Echinodermenbruchstücke. Eihüllen fanden sich mehrmals und auf N 3 sogar in größerer Zahl. | - Die beiden Stationen C und A liegen dicht vor der Elbemündung. Auf der einen Station fielen die Foraminiferen (t. 14 f. 7) durch ihre verhältnismäßig große Häufigkeit auf. Außerdem fanden sich Ei- hüllen und Bruchstücke von Pflanzen und Echinodermen. Diatomeen fand ich nur vereinzelt; sie kommen hier in dem starken Strome der Elbe und der Gezeiten nicht zum Absetzen. Aus Untersuchungen von PresteLn (nach 9 p. 163) wissen wir, daß im Hafen von Emden die Diatomeen in den Bodenablagerungen jeder Ebbezeit so häufig sind, daß sie 60°, der Masse ausmachen; aber nur in ruhigerem Wasser können sie zu Boden sinken. | Oben habe ich hervorgehoben, daß in der Ostsee der Bosmina- schlamm bis 2,24 °/, und in der Norwegischen Rinne der Foraminiferen- schlamm bis 2°/, der betreffenden Organismenreste enthält. Der Prozentsatz ist bedeutend geringer als bei ähnlichen ozeanischen Ablagerungen. Trotzdem möchte ich die Benennungen beibehalten, weil es sich um charakteristisches Vorkommen handelt. Für Globige- rinenschlamm geben Murray & PrıLıppi (15) als untere Grenze 30°/,, für Radiolarienschlamm 20°/, an. Allerdings haben sie die Boden- probe 183 der Deutschen Tiefsee-Expedition aus dem Indischen Ozean auch — und mit Recht — als Radiolarienschlamm bezeichnet, trotzdem sie den Gehalt an Kieselorganismen, namentlich Radiolarien, auf nicht mehr als 15°/, schätzten. Diese letztere Probe schien, als sie am 19. Januar 1899 aus 5248 m nördöstlich der Cocosinseln heraufkam, roter Ton zu sein, wo wir Radiolarienschlamm erwartet hatten. Erst, nachdem ein Teil des Materials durch Seidengaze 20 gesiebt war, fanden sich die Radiolarienskelette vor. Es waren 3,5°/, große Radiolarien, 8,5°, kleine Radiolarien noch mit etwas Ton gemengt und 88,7°/, roter Ton vorhanden. Zu dem Irrtum hatten die Abbildungen der Tiefseeablagerungen Veranlassung ge- geben. Diese zeigen z. B. für Radiolarienschlamm eine Fülle der schönsten Formen, so daß man den Eindruck hat, als ob diese Ab- lagerungen ausschließlich aus Resten von Radiolarien beständen. Dasselbe gilt für den Globigerinenschlamm. So fanden wir auf St. 240 der Deutschen Tiefsee-Expedition solch einen Schlamn, bestehend aus 16,7 °/, großer Globigerinen und Bruchstücke solcher, 5,5°/, kleiner und Bruchstücke und 77,8°/, Ton. Nur der im Süden in mächtiger Ausdehnung vorkommende Diatomeenschlamm enthält 60-—-99°/, Diatomeenpanzer und Bruchstücke derselben; vollständig gut erhaltene Panzer treten auch hier in den Hintergrund. ‚A Bodenuntersuchungen in Ost- und Nordsee. 375 MvErAY & PHıLıppr (13) geben im Text stets den Anteil der ÖOrganismenreste in den Bodenproben an; auf den Tafeln und in ‚allen Abbildungen müßte es heißen: „Radiolarien aus Radiolarien- schlamm“ usw. Ich gebe auf t. 14 f. 8—12 daher Abbildungen vom Originalschlamm, dazu ein Bild, wie üblich, mit den abgesiebten Organismen. In Fig. 9 sieht man die feinkörnige, zum Teil etwas klumpige Tonmasse bei weitem überwiegend. Darin sind eingebettet einige kleinere Radiolarien, die bei Lupenbetrachtung auf der Tafel gut sichtbar sind. Die eine große Radiolarie (Discoidee) habe ich ab- sichtlich in das Gesichtsfeld hineingeschoben, um einen Vergleich mit Fig. 10 zu ermöglichen, in der dieselbe Form vorhanden ist. In Fig. 10 sind die ausgesiebten größeren Radiolarien in Fülle zu sehen. Fig. 11 zeigt Globigerinenschlamm im Original. Meist sind es wieder Tonteile, die auffallen, darin kleine Foraminiferen und Bruchstücke von größeren. Fig. 12 ist nach Murray & PHrrLıppı (15) in Verkleinerung hergestellt. | Fig. 8 gibt Diatomeenschlamm wieder, in dem die vielen Bruch- stücke der Kieselschalen auffallen. Ob die Bruchstücke immer so - sehr überwiegen, vermag ich nicht zu sagen, da mir nur eine Probe _ zur Verfügung stand. Benutzte Literatur. . APSTEIN in: Int. Rev. Hydrob., Abh. v. 3 p. 17—33. 1910. . — in: Bull. trimestr., Res. Plankton pars 1 p. 39—51. 1910. BEHRENS in: Ber. Komm. D, Meere, v. 1 p. 57—63. 1873. CLEVE in: Svenska Ak. Handl., v. 27 nr. 2. 1894. EKMAN und PETTERSSON in: Svenska Ak. 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Meeres- unters., Kiel v. 2 p. 99—101. 1897; v.3 p.17—23. 1898; v. 4 p. 207 bis 212, 1899; v. 5ır p. 1—6. 1901. 20a. REINCKE in: Ber. Komm. D. Meere, v. 611 p. 139—140. 1890, 21. — ibid. v. 6ıı p. 187—188. 1893. 22. SPETHMANN in: Wiss. Meeresunters., Kiel v. 12 p. 303—314. 1911. 23. STRASSBURGER, Botan. Pract., Jena 1884. 24. WALTHER, Einl. Geol., v. 1—3. 1893 —1894. 25. WEBER in: Siboga-Exp. I. 1902. 26. WILHELMI in: Arch. Hydrob. Planktonk., v. 11 p. 113—150. 1916. Tafelerklärung. Tafel XIII und XIV. (Bei Lupenbetrachtung sind die angegebenen Organismen deutlich zu er- kennen.) Fig. 1. Bosmina aus Bosminaschlamm, Ostsee. Station A. 66 (?®/ı). Fig. 2. Eihüllen, Diatomeen. Ostsee. Station Kl. 96 (?%/ı). Fig. 3. Organismen aus Bodenproben Kattegat. Station K. 8 (2°/ı). Fig. 4, 5. Organismen aus Bodenprobe Norwegische Rinne. Station N 17 (?%1). Foraminiferen und Schwammnadeln. Fig. 6. Diatomeen aus Bodenprobe. Nordsee (?%)ı). Fig. 7. Organismen aus Bodenprobe. Vor der Elbe. Station N. CO. (26),). In der Mitte die Diatomee (Aptinoptychus). | Fig. 8. Diatomeenschlamm als Antarktis. Deutsche Tiefsee-Expedition (?%/,). Fig. 9. Radialarienschlamm ungesiebt. Deutsche Tiefsee-Expediton Station 183 P*h)- Fig. 10. Radialarien aus Radialarienschlamm. Fundort wie Fig. 9. Fig. 11. Globigerinenschlamm. Deutsche Tiefsee-Expedition Station 240 (?®/,). Kleine Globigerinen, Bruchstücke größerer dazwischen fein verteilter zum Teil noch Top in Klumpen. Fig. 12. Globigerinen aus Globigerinenschlamm. Nach MURRAY & PHILIPPI. _ Springende Schmetterlingseocons vom Kapland. Von E. VANHÖFFEN. Als sich die deutsche Südpolarexpedition bei der Ausreise in Kapstadt befand, wurden mir am 4. Dezember 1901 von Herrn 7 Burm#ster, dem Sohn eines dortigen angesehenen ‚Juweliers, so- senannte springende Eier gebracht, die er am Tafelberg gesammelt hatte. Da ich nicht an Bord war und wir am 7. Dezember schon die Fahrt fortsetzten, konnte ich keine weitere Auskunft darüber erhalten. Die Tiere mußten in einer Glasschale sorgfältig bedeckt gehalten werden, da sie etwa 20 cm hohe und weite Sprünge machten und sich sonst über den Rand des Gefäßes fortgeschnellt hätten. Beim Öffnen solcher „Eier“ zeigte sich darin je eine Insektenlarve, so daß sie also als Cocons betrachtet werden müssen. Springende Schmetterlingscocons vom Kapland. 377 97 Über springende Cocons ist auch in unserer Gesellschaft bereits mehrfach berichtet. H. Derwırz erwähnt 1879 (S. 31), daß die Raupe einer Pyralide Conchylodes diphtheralis Hüsser nach — Gunpuach auf Cuba die Blätter eines Baumes, Cordia callosoma, - zusammenziehe, diesen Teil der Blätter abnage und mit der Hülle zu Boden falle. Beim Verpuppen wird die Hülle durch Zusammen- ziehen der Fäden völlig geschlossen, und die Puppe kann sich dann _ mit dem Cocon mehrere Zoll emporschleudern. Ferner teilte PaascH (8. 81) im Anschluß daran mit, daß er an der Panke bei’ Moabit - in Berlin ein sich fortschnellendes Cocon gefunden hätte, welches _ einen ausgebildeten Cryptus enthielt. Im Jahrgang 1895 (S. 1) berichtete dann Mögıus über die Raupe eines Schmetterlings Oarpo- eapsa saltıtans WEsTwooD, welche in den Früchten der sogenannten mexikanischen Springbohne, den Teilfrüchten einer Euphorbiacee, Sebastiania pavoniana, lebt. Ferner wurden von Tomas in den _ Sitzungsberichten Jahrg. 1897 (S. 47) Neuroterus saltans GıR.") und Oynips quercus saltatorıus Edw.?) zwei Gallwespen- erwähnt, deren Gallen springen. Bereits 1882 waren nach Bıexweun (Entomologist vol. 28 S. 82—83) als „jumping beans“, springende Bohnen, die Larven von Limneria kriechbaumeri, Cocons eines Ichneumoniden, eines Parasiten der Raupe von Taeniocampa stabilis, von -BRIDGMAN - beschrieben worden und Cnrısty erwähnt 1895 (Entomologist vol. 28 e S. 159) einen ebensolchen Parasiten aus den Raupen von Taenio- campa gracilis. Diese Larven lassen sich, wenn sie aus den Raupen auskriechen. an einem Faden herab, spinnen sich am Ende desselben 4 ein und fallen nach Reißen des Fadens, was durch den Wind oder - durch Eigenbewegung der Larven bald erfolgt, zur Erde, wo sie ' durch Fortschnellen sich ausbreiten und Verstecke suchen " “z af E 1) Neuroterus saliens KoT.L. nach ER TORRE und KIEFFER, Tierreich - Bd, 24 1910. 2) Cynips saltatorius RILEY ebenda. 3) Herr Dr. PAUL SCHULZE war so freundlich, mir noch weitere Eiterstur über „springende Eier“ zur Verfügung zu stellen, wofür ich ihm auch hier - herzlichen Dank sage. Ihre Zusammenstellung kann vielleicht für spätere Unter- _sucher dieser interessanten Erscheinung nützlich sein: PAUL ASCHERSON, Die springenden Tamariskenfrüchte und Eichengallen. Abhandl. naturw. Verein Bremen Bd. XII 1891 S. 53—58. VINncENZ KOLLAR, Über springende Cynipsgallen auf Quercus cerris. Ver- handl. zool.-bot, Gesellschaft Wien Bd. XII 1857 S. 518—516. J. JABLONOWSKI, Springende Fruchtgallen (ungarisch). Termt. Közl. Budapest Ba, XXXVII 1905 S. 20—32. - © Daß auch echte Insekteneier springen, beweist eine Mitteilung von H. A. JONKL, „Springende Eier“. Intern. Entomol, Zeitsch. III N.50 1910. Danach sprangen die Eier von Saturnia pyri, die kurz vor dem Ausschlüpfen der Räupchen waren, ‚15 em hoch über die Seitenwand eines Kästchens. j \ 378 E. VANHÖFFEN. Über die springenden Cocons vom Kapland berichtete zunächst 1895 CATHERINE Hopuey im Entomologist (vol.28 S. 52), daß zwischen Blättern des Taai-bush (einer Rhus-Art, die ihren Namen den zähen, schwer zerbrechlichen Ästen verdankt, von „tough-bush“) sich gallen- artige Cocons fänden, die, wenn die Blätter trocken werden, herab- fallen und sich etwa 1 Fuß hoch und weit fortschnellen könnten. Beim Öffnen fände sich eine Larve darin, die nach TRımEn einer Käferlarve ähnlich sähe. In einem zweiten Artikel von 1895 (Ento- mologist 28 S. 159) erwähnt dann ©. Horuey eine briefliche Mit- teilung Trımens in Erwiderung auf die Vermutung von BiıGneLı, daß auch diese Larven einem Parasiten aus der Gruppe der Ichneumoniden angehören werden: TRımen glaube nicht, daß ein Parasit das Springen der Cocons verursache, weil immer dieselbe Larve darin angetroffen werde und keine Reste eines früheren Bewohners zu finden seien. Doch wäre es nicht sicher, ob es sich um eine Hymenoptere oder eine Käferlarve handelte. Das letztere wäre wahrscheinlicher und würde auch von P£RINGUEY und WATERHOUSE angenommen. - Im Jahre 1896 beschäftigt sich D. Smarr ebenfalls mit den springenden ÜÖocons, die Mr. Rıckırn bei Sharks River, 3 Meilen westlich von Port Elizabeth gesammelt und nach England gebracht hatte. Rıckarp wußte davon nur, daß die Cocons zu einer „Fliege* gehörten, die ihre geschlossenen Flügel dachförmig trug. SHARP schreibt, daß er in den 5 mm langen Cocons eine eigentümliche, an Micropteryx erinnernde, aber von ihr verschiedene Puppe gefunden habe, die vielleicht einem mit Adela verwandten Schmetterlingangehöre (The Entomologist vol. 29 S.325). Weitere Nachrichten habe ich über die Cocons, die ohne Zweifel mit meinen identisch sind, nicht gefunden. Von den mir übergebenen, gelblich weißen Cocons, die nun in Alkohol gebräunt sind, und an denen sich noch die lederartigen Springende Schmetterlingscocons vom Kapland. 379 Blätter einer Ahus-Art, wahrscheinlich von der am Cap nicht seltenen Rhus glauca fanden, öffnete ich einige und erhielt Larven daraus (Fig. 1), die durch kleinen Kopf, große und breite Thorakalsegmente ‚anscheinend ohne Beine und plötzlich verengerten Hinterleib auf- fielen, also in ihrer Form an gewisse Buprestidenlarven erinnerten. Das erste Abdominalsegment trägt einen großen Höcker, und auf der Unterseite der Thorakalsegmente lassen sich als rundliche, wenig hervortretende Scheiben die zurückgezogenen oder rudimentären Füßchen erkennen (Fig. 1a). Die stark chitinisierten Mundteile sind in Fig. 2 dargestellt. Die übrigen Cocons nahm ich nach der Gauss- ‚station mit und versuchte sie dort bis zum Ausschlüpfen zu halten. Ich ‚wußte damals noch nicht, daß solche Züchtungsversuche ihre Schwierig- keit hatten, TRımex und Anderen am Cap nicht gelungen waren. Am 10. Dezember 1901 sprangen die Cocons noch; dann blieben ‚sie liegen, und nachdem sie sich inzwischen beruhigt hatten, öffnete Fig. 2. ‚ich am 1. Juli, 14. August und 27. Oktober 1902 je eins der Cocons und fand noch lebende, sich bewegende Puppen darin, die an Schmetter- ‚lingspuppen erinnerten, aber durch freiliegende Flügel, Fühler und Füße, durch lange 32 gliedrige Fühler, die über das Abdomen heraus- ‚ragten, stark chitinisiertes Stirnhorn zum Absprengen einer Kappe des Cocons und Hakenreihen auf dem Rücken des Abdomens längs der Gelenke auffielen (Fig. 3). Später hatten einige Cocons sich dunkler zu färben begonnen und schimmelten etwas, so daß es schien, als ob die letzten ver- lerben wollten. Daher tötete ich sie am 3. Dezember 1902 ab, nachdem sie 1 Jahr bei mir gelegen hatten und fand dabei noch eine brauchbare Puppe, die wahrscheinlich bald einen Schmetterling ergeben hätte. Außerdem erhielt ich einige kleine Puppen von 1,5—2 mm Länge mit äußerlich geringelter Hülle, die sonst nichts besonderes zeigten und wohl Parasiten, Schlupfwespen, angehören. 380 E. VANHÖFFEN: Springende Schmetterlingscocons vom Kapland. Leider war also ein volles Jahr nicht ausreichend, aus der schon eingesponnenen Raupe den Schmetterling zu erziehen und daher kann k ich Gattung und Art ebensowenig wie meine Vorgänger feststellen und muß auf die obige Angabe von SHARP verweisen. Allerdings möchte. ich noch erwähnen, daß Beziehungen zu Limacodes wegen des festen runden Cocons und zu Microsetia (nach Westwoop: An Introduction to the modern Classification of Insects vol. II London 1840 S. 408) wegen der anscheinend beinlosen Larve und des in x ‘den Prothorax zurückziehbaren Kopfes vorhanden zu sein scheinen. Die Abbildungen der Raupe und Puppe können vielleicht erfahrene { Lepidopterologen auf die richtige Spur bringen. Die erst gelblich- Fig. 3. weißen, jetzt in Alkohol bräunlichen Cocons der Puppe zeigen einen hellen Ring an der Stelle, wo der Deckel beim Schlüpfen des Imago abspringt. Bei der Heimreise im Juli 1903 habe ich mich dann noch bei dem Entomologen des Südafrika Museums Herrn PERINGUEY nach den springenden Cocons erkundigt. Er konnte mir aber nur aus ihnen ausgekommene Schlupfwespen zeigen. Auch verschiedene deutsche Entomologen, an die ich mich wandte, haben die Larven und Puppen zwar angesehen, sind aber zu keinem Resultat gekommen und gaben sie mir ohne Auskunft zurück. So blieb mir nichts übrig, als mich selbst mit dem interessanten Material zu beschäftigen und es ab- zubilden, um es weiteren Kreisen zugänglich zu machen. Vielleicht gelingt es auf diese Weise, noch etwas Genaueres darüber zu erfahrer PAUL SCHULZE: Die Galle von Rhopalomyia ptarmicae Vallot. 381 Die Galle von Rhopalomyia ptarmicae VALLOT. 4 ‘ Von PAuL SCHULZE, Berlin. 3 Mit 5 Abbildungen. Die durch die Gallmücke Rrhopalomyıa ptarmicae VALLOT er- zeugte Blütenstanddeformation an Achillea ptarmica L. war in diesem Jahre im Spätsommer und Herbst in der Nähe von Wald- "heim bei Finkenkrug ungewöhnlich häufig; nur mit Mühe gelang es, eine normale Pflanze zu finden. Dies gab mir Veranlassung, _ mich etwas näher mit ihr zu beschäftigen, um so mehr, als ich eine Anzahl abweichender Formen fand und auch der gewöhnliche Typus in der Literatur nur recht summarisch behandelt wird. Die aus- führlichste mir bekannte Beschreibung gibt neuerdings Ross (p. 5); er beschreibt das Zecidium folgendermaßen: „Sproßspitze der jungen - Blütenstände, seltener auch Seitenknospen, gehemmt und zu einer -schwammigen, meist weißlichen, unregelmäßigen oder rundlichen bis 30 mm großen, behaarten, vielkammerigen Galle umgebildet, - die von zahlreichen + gehemmten Laubblättern umgeben ist. Larven - zahlreich.“ Genauere Angaben als diese habe ich nicht finden können. Die Beschreibungen von VALLOT (p. 89), JuUCHBALD (p. 164), LIEBEL (p. 534), Hıeroxyuus (p. 121), SCHLECHTENDAL (p. 104), Rosrrup ‚(p. 55), Kıerrer (p. 243), LAGERHEIM (p. 13), Hovarn (p. 984) und - Ross — 7 — (p. 85) sind noch kürzer. - Die häufigste Gallenform ist das weißgrau- oder rötlichfilzige, auf Fig. 1C dargestellte halbkuglige Gebilde, dessen Bau am besten . N | A \\ \ \\ \ N ei El \\\ | If n \\L N N \} j A Fig. 1. auf einem Längsschnitt klar wird (Fig. 2). Das von Hovarn in Fig. 1294 gegebene Durchschnittsbild gibt keine richtige An- schauungen von den betreffenden Verhältnissen. Die orangeroten Larven resp. die Puppen liegen im Fruchtboden, je eine in den an- geschwollenen Achänen; diesen sitzen apikal längliche Schuppen auf, welche ihrerseits die äußerlich so in die Augen fallende filzige Be- haarung tragen (Fig. 2). Da sich die Filzmasse aus einzelnen 382 PAUL SCHULZE, Komponenten zusammensetzt, so besitzt das Zecidium keine ganz glatte Oberfläche; einzelne unbehaarte oder länger behaarte Schuppen- spitzen ragen gewöhnlich darüber hinaus. Das hier durch die Ver- gallung entstandene Bild erinnert im Schnitt ganz auffallend an den normalen Fruchtboden anderer Kompositen, deren Früchtchen ° den bei Achillea fehlenden Federkelch (Pappus) besitzen. Diese gewöhnlich aus feinsten Härchen bestehende Pappuskrone ist z. B. bei Galinsoga aus einzelnen behaarten Schuppen zusammengesetzt, die auch bisweilen verwachsen Können. Man vergleiche die Abbildungen 3A und B miteinander, die eine Einzelgalle von Zrh. ptarmicae und ein Früchtchen von @alin- soga parviflora Cav. darstellen. Die Ähnlichkeit ist überraschend. Fig, 2. Nicht immer sind die Schuppen in den Gallen so deutlich getrennt wie in dem abgebildeten Falle; oft wachsen sie zu einer mehr ein- heitlichen Masse ohne deutliche Grenzen zusammen. Die Beschaffen- heit und Anordnung der eigentlichen Einzelgallen ist aber in solchen | Bildungen die gleiche wie die oben beschriebene. Nach meinen Befunden stellt also die Sproßspitzenverbildung an der Bertrams- sarbe nicht eine vielkammerige Galle, ein Polyoekon*), wie man diese Gallenform nennen könnte, dar, wie in der Literatur angegeben ° wird, sondern eine Anhäufung einzelner Fruchtgallen, nach meiner Nomenklatur (P. Scauuze p. 230 und 232) würde ich eine solche ” Bildung als Synearpon bezeichnen. Dieses Syncarpon wird nun eingehüllt von einem Kranz sehr verschieden großer, bald sehr deutlich gezähnter, bald fast ungezähnter Laubblätter, die bisweilen *) Als Ergänzung zu dem ]. ec. gegebenen Gallenbezeichnungen möchte ich hier noch aufügen: Einkammergalle = Monoekon, Blattstielgalle = Pelmaton, Mittelpuppengalle = Rhacheon, Wurzelgalle = Bhizon, Kräuselgalle (z. B. die von Eriophyes euphorbiae NaL.) = Bostrychon, Blütenvergrünung = Chloranthon. Die Galle von Rhopalomyia ptarmicae Vallot. 383 auch ganz ungewöhnliche Form annehmen wie etwa bei der in Fig. 4 abgebildeten Galle. Bei ihr sind außerdem neben der auch hier vorhandenen aber sehr kleinen Filzmasse (G) aus der Sproßspitze - mehrere Triebe herausgewachsen. Das ganze Gebilde macht einen so abweichenden Eindruck, daß | man sieerst bei genauer Unter- - suchung als ptarmicae-Galle _ erkennen konnte, Neben dem öben beschriebenen häufigsten Typus der Galle kamen andere _ vor, die sich besonders an schwächeren Pflanzen fanden. Die nicht sehr zahlreichen ö Einzelgallen treten stärker " hervor, dadurch, daß die - _ pappusähnlichen Schuppen ganz fehlen; hier sind die Gallen selbst behaart. Das ganze Gebilde ist klein und _ wenig in die Augen fallend (Fig. 1A). Auffälliger ist das _ in Fig. 1B dargestellte Zeci- dium, bei dem die Carpone in der Mitte stark angeschwollen sind und infolgedessen sehr _ hervortreten. Schuppen und Behaarung fehlen gänzlich. Ein wesentlich anderes _ Bild in bezug auf den Bau der Galle bot die Untersuchung einiger der Galle von Rh. ptarmicae ent- sprechender Zecidien an der Schafgarbe (Achillea millefolium L.), von der durch Zucht noch nicht sicher festgestellt ist, ob sie von derselben Gallmückenart erzeugt wird. Ich fand sie im September in Westend und Finkenkrug; leider waren sie von den Gall- - bildnern schon verlassen. Äußerlich ist das Habitusbild ein ganz ähnliches, auch in diesem Falle eine halbkuglige, hier mit einigen _ kleinen Buckeln versehene Filzmasse; die Haare liegen aber fester und gleichmäßiger an, das ganze ist sammtartiger. Das Durch- schnittsbild (Fig. 5) ist gegenüber den Gallen auf Achillea ptarmica _ aber wesentlich anders. Scharf abgegrenzte Früchtcheneinzelgallen 384 Paus Schutze: Die Galle von Rhopalomiya ptarmicae Vallot. gangartige Larvenkammern finden. In einem Fall ließ sich eine Galle in 3 Teile spalten; es zeigte sich, daß sie aus 3 Sproßenden entstanden war; in die Verfilzung waren außerdem einige Laub- ‘ blättchen mit hineingezogen. Hier haben wir also tatsächlich eine vielkammerige Sprobspitzengalle, ein Acron, vor uns. : Die Puppe der Mücke ist wie schon Vaınor (p. 98) hervor- hebt, sehr beweglich und schiebt sich vor dem Schlüpfen zwischen den Schuppen empor; die Exuvie sieht man dann aus dem Filz hervorragen (Fig. 1C P.). In den Carponen auf Achillea ptarmıca fand ich auch die ebenfalls schon von VAauror (p. 89) erwähnten Chaleidier. Seine Puppen lagen in den Gallen in einem Tönnchen eingeschlossen; — ein weiteres Beispiel für die bemerkenswerte Erscheinung, dab CÜecidomyiden-Larven, die normalerweise keine Puppentönnchen bilden, dies unter Einwirkung der Schlupfwespen tun (cf. auch Rüssamen p. 225). } Weiteren Untersuchungen muß vorbehalten bleiben, zu unter- suchen, ob die hier geschilderten Verhältnisse die normalen sind, und ob sie schon nach Örtlichkeit, Zeit usw. variieren. | Schließlich müßte aus sämtlichen Gallformen der Erzeuger ge- zogen werden; um sicher festzustellen, ob sie alle von Zrhopalomyva ptarmicae VALLoT hervorgerufen werden, in bezug auf die Zecidien auf Achilles ptarmica L. scheint es mir wohl sicher zu sein. Figurenerklärung. Fig. 1. Achillea ptarmica L. Verschiedene Gallenformen von Rhopalomyia ptarmicae VALLOT. Natürl. Größe. Fig. 2. Achillea ptarmica L. Schnitt durch die Galle von Rhopalomyia ptarmicae VALLOT. Natürl. Größe. Fig. 3. A. Einzelgalle (Carpon) von Rhopalomyia ptarmicae VALLOT auf Achillea ptarmica L. B. Einzelnes Früchtehen von Galinsoga parviflora CAV. Fig. 4. Achillea ptarmica L. Abweichende Galle von Rhopalomyia ptarmicae VALLOT. Natürl. Größe. Fig. 5. Achillea millafolium Z. Galle von Rhopalomyia ptarmicae VALLOTFE S. Schnitt durch dieselbe. Natürl. Größe. PAUL SCHULZE: Das Abändern der Zeichnung auf den Flügen. 385 Literaturverzeichnis. l. HIERONYMUS, G., Beiträge zur Kenntnis der europ. Zoocecidien usw. Er- gänzungsh. 68. Jahresber. Schles. Ges, vaterl. Cultur. 1890, 2. HOUARD, C., Les Zooeecidies de l’Europe et du Bassin de la Mediterrane II. Paris 1909. 3. JUCHBALD, P., Gall-gnats (Cecidomyia). The Entom. Weekl. Intellig. 1860. 4. KIEFFER, J.J., Synopse des Zooeecidies ete. Ann. Soc. Ent. France 70, 1901. 5. LAGERHEIM, G., Baltiska Zooceeidier Arkiv för Botanik 4, 1905. 6. 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Noch im Jahre 1888 konnte HorvAarH von einem so häufigen und in Mengen auftretenden Tier wie Pyrrhocoris apterus L. sagen: „On ne connaissait jusqu’a present aucune variet& de cette espece des plus communes. Cependant M. le professeur THALHAMMER en a trouve en Hongrie centrale (Kalocsa) deux exemplaires chez lesquels les deux taches noires des cories sont r&eunies“ (Rev. d’Ent. VII 1887 p. 176.) Allerdings waren ihm 2 alte Publikationen entgangen, in denen schon je eine abweichende Form der Art, be- schrieben wurde*). Eben gerade die von ihm erwähnte Varietät wird von SULZER nach einem Züricher Stück abgebildet (Gesch. der Insekten 1776 Taf. 10 Fig. 14) und Hausmann (Mag. für Insekten- _ kunde I, 1802, p. 2 B 2) gedenkt einer weiteren Abart bei der _ „die beiden schwarzen Flecke auf den Halbdecken so erweitert sind, daß das Rote auf denselben beinahe ganz schwindet“. Trotzdem bleibt die Tatsache bestehen, daß Abänderungen der *) Herr F. SCHUMACHER hatte die Freundlichkeit, mich auf diese Arbeiten aufmerksam zu machen. 27 1 R EN \ x x Bo) Dura gm Das Abändern der Zeichnung auf den Flügeln der Feuerwanze. 387 Feuerwanze im (Gregensatz zu vielen anderen Insekten unverhältnis- mäßig selten sind. 1895 beschrieb dann Horvara aber als erster eine stärker abweichende Form, und zwar die dunkelste der bisher bekannt gewordenen (aus Landes, Südfrankreich) unter dem Namen var. carbonarıus: „Supra subtusque niger, fera totus unicolor; limbo postico segmentorum pectoris, limbo etiam autico prostethii, maculis pectoris, ad coxas conuexivoque sordide et obsoleta rufescentibus, hemelytris abbreviatis 9“ (Rev. d’Ent. IV 1895 p. 159). An gleicher Stelle erwähnt er dann noch p. 160 ein großes O aus Zentral- ungarn, bei dem der Fleck an der Basis des Coriums fehlt. | Ohne genauere Beschreibung zu geben, berichtet dann 1890 Löxs (Entom. Nachr. 16 p. 11), daß er 1885 in Münster in wenigen Tagen !2 sehr auffallende „zum Teil ganz abenteuerliche Färbungs- varietäten“ gefunden habe, „deren Abänderung bei zwei Stücken soweit vorgeschritten war, daß die rote Farbe bis auf wenige Fleckchen verdrängt war“; er hebt aber besonders hervor, was von Wichtigkeit ist, daß sich unter den abweichenden Stücken viele mit verkrüppelten Flügeln befunden hätten. Während man sonst jahrelang suchen kann, ehe man einiger abweichender Feuerwanzen habhaft wird, fanden sich solche 1916 in ganz ungewöhnlicher Menge in Finkenkrug, so daß ich in der Lage bin, zum ersten Male eine Übersicht über die Zeichnungs- veränderlichkeit der Art zu geben. Sorgfältig untersucht wurden etwa 20 größere Genossenschaften mit mehreren Tausend Indi- viduen, die etwa 80 abweichende Exemplare lieferten. Die Ursachen der hier zu schildernden nigristischen Varia- bilität liegen offenbar in Witterungseinflüssen, die während der Anlage des Chromogens in den Flügeldecken wirken; im allgemeinen scheinen sie daher auch nicht erheblich zu sein. Unter den Nach- kommen dieser Tiere, die ich nach vollzogener Verwandlung im Spätherbst auf ihre Variabilität hin durchsah, war der Prozentsatz abweichender Stücke anscheinend ein sehr viel geringerer; von stärker abirrenden Exemplaren fand ich nur ein Stück, wie das in Fig. 5 abgebildete, sowie mehrere Stücke der weiter unten zu be- schreibenden f. cor. Eine genaue Feststellung wird sich allerdings erst im Frühjahr machen lassen, wenn die Tiere nach der UÜber- winterung wieder freier in größeren Gesellschaften leben. — Die Zeichnungen der Texttafel wurden nach Beobachtung mit einer l6fachen Lupe angefertigt; bei direkter Betrachtung gewinnt man leicht ein falsches Bild über die wahre Verteilung des Schwarz. So werden oft Fleckenverschmelzungen vorgetäuscht, die in Wirk- 27* 388 | PAUL SCHULZE. lichkeit nicht vorbanden sind. Oft erscheinen auch die ganzen Tiere schmutzig geschwärzt, ohne daß eine dunklere Pigmentierung vorliegt. Es handelt sich allem Anschein nach um alte oder kranke Stücke, bei denen Veränderungen der Gewebe vor sich gegangen Co Fig. 26. sind. — Die Hemielytra (Fig. 26) setzt sich bekanntlich aus 3 Teilen zusammen, dem lederartigen Hauptteil, dem Corium (Co), dem streifenförmigen Clavus (Ca) längs des Schildchens und der hier mehr oder weniger reduzierten Membranula (M) am Apex des Das Abändern der Zeichnung auf den Flügeln der Feuerwanze. 389 Coriums. Das Zeichnungsmuster auf den Vorderflügeln der Feuer- wanze ist ein sehr einfaches. Ein länglicher dreieckiger oder kommaförmiger Fleck in der Schultergegend an der Basis des Coriums, ein größerer runder in der Mitte und je ein schwarzer Saum längs dem Schildchen, dem Clavus entsprechend und als Begrenzung gegen die Membranula hin. Letzterer ist unregelmäßig und geht von einem Flecken am Außenrand aus, der bisweilen auch nur allein vorhanden ist. Die Grundfarbe variiert von gelbrot bis tief ziegelrot und wird mißfarbig bei alten und kranken Tieren. Die Färbung wird- erzeugt durch feine, rötliche Granulationen in den Epidermiszellen, die aber nicht einem Körper der Carotingruppe angehören, wie man der Farbe nach vermuten könnte (J. KruxEr, Beitr. zur Histol. der Coleopt. Inaug.-Diss. Phil. Fak. Univ. Berlin 1914 p. 41); daneben aber finden sich bei zahlreichen Exemplaren in der Hämolymphe in großer Zahl fettfreie, colloidale Carotinoid- brocken, besonders häufig längs der Adern (P. SCHULZE, S. B. Ges. nat. Freunde 1914 p.-404). Die in bezug auf Schwarz am stärksten aufgehellte Decke stellt die von Horvara erwähnte dar, bei welcher der Humeral- fleck ganz fehlt; ich habe diese Form nicht zu Gesicht bekommen. Häufiger aber sind Tiere, bei denen er verkleinert ist (Fig. 1). In seltenen Fällen ist diese Makel ungewöhnlich vergrößert (Fig. 2). Der Mittelfleck ändert besonders in zweifacher Hinsicht ab: 1. kann er sich bei erhaltener Kreisform vergrößern (Fig. 3), — bisweilen auch bei gleichzeitiger Vergrößerung des Schulterfleckes (Fig. 4), hierher auch die Hausmann’sche Form f. crassıpuneta n. f. — während eine auffällige Verkleinerung nicht beobachtet wurde, 2. er nimmt mehr oder weniger ausgesprochene Herzform an (Fig. 5 Formenkreis des f.cor.n.f.). Schulter- und Mittelfleck können dann miteinander in Verbindung treten (Formenkreis der f. strıgata n. f. Fig. 6—8), und zwar verlängert sich immer die äußere Seite der dreieckigen Humeralmakel und verbindet sich mit dem Mittelfleck (Fig. 5—7). Bisweilen wird auch der Raum zwischen der inneren Längsseite des Basalpunktes und dem Mittelpunkt mehr oder weniger ‘ durch körniges schwarzes Pigment ausgefüllt, wobei sich dieser geschwärzte Bezirk gleichzeitig in gradliniger Verlängerung bis zum Apikalsaum erstreckt (Fig. 8). Eine vollkommen gleichmäßig pig- mentierte Verbindung zwischen Schulter- und Mittelfleck beobachete - ich nur einmal asymmetrisch auf einer Flügeldecke (Fig. 9). Wir _ kommen jetzt zu Formen, bei denen unregelmäßig fast immer _ asymmetrisch in der Hauptsache radiär zum Mittelpunkt schwarze Striche oder Streifen in sehr verschiedener Lage auftreten (Formen- 390 PAUL SCHULZE. kreis der f. radiata n. f., Fig. 10 (in Verbindung mit der vorigen), 11, 12, 13, besonders schön ausgebildet in Fig. 16). In anderen u Fällen verbinden etwas bogige Linien die Spitze des Clavus mit der inneren Coriumspitze (Fig. 14—15). Als Beispiele für das Auftreten überzähliger asymmetrischer Flecken, das recht häufig ist, mögen die Fig. 17 und !8 dienen. Bei allen bisher besprochenen Abweichungen — auch bei. der asymmetrischen — handelte es sich um solche, auf deren Flügeln keine Spuren irgendeiner äußerlichen Verletzung sichtbar waren. Findet eine solche statt, entweder unblutiger Art durch Druck senkrecht zur Flügelebene oder blutiger Art durch Verletzung des Coriums, so ist damit wie gewöhnlich auch bei unserer Art eine Änderung der Zeichnungen verbunden, offenbar verursacht durch Auseinanderquetschen der Chromogen- anlage des normalen Zeichnungsmusters*) oder aber ein Auftreten von überzähligen schwarzen Flecken dadurch hervorgerufen, daß das Blut oder auch Gewebeelemente unter Einfluß der Tyrosinase am Luftsauerstoff oxydieren (cf. z. B. Dewırz, Naturw. Zeitschr. für Forst- u. Landwirtschaft 1912, p. 547). Etwas sehr Auffälliges, worauf ich an anderer Stelle und in anderem Zusammenhang noch zurückzukommen gedenke, ist die Erscheinung, daß oft auf der un- verletzten Decke, ja selbst auf dem Halsschilde (Fig. 20) gleich- falls überzählige Zeichnungselemente erscheinen (cf. Fig. 19 und ZU, die Verletzungsstelle durch Schraffierung gekennzeichnet). Ich war besonders bemüht, festzustellen, ob eine Beziehung zwischen den Abänderungen und dem Aderverlauf zu konstatieren sei, eine Erscheinung, die wir z. B. bei Lepidopteren häufiger antreffen. Das Flügelgeäder der Hemielytren bei Pyrrhocoris ist aber sehr stark reduziert, bei vielen Tieren ganz undeutlich und dazu variabel, so daß die genaue Feststellung des Geäderverlaufes großen Schwierigkeiten begegnete. % Die einzige mir aus der Literatur bekannte Abbildung einer. 7 Pyrrhocoris mit der Aderung bei TascHenBere (Was da kriecht 7 und fliegt, Berlin 1861 p. 565) ist sehr unvollkommen und ungenau. Da ich eine sichere Homologisierung der einzelnen Adern mit den entsprechenden anderer Ordnungen nicht vornehmen kann, bezeichne *) Nach den Untersuchungen GÄRTNERS (Americ. Natur. 43 1911 p. 754) entsteht bei den Coleoptoren das schwarze Pigment infolge der Oxydation eines Chromogens durch ein Enzym der Tyrosinase. Diese ist überall in der Hämo- Iymphe vorhanden, während das Chromogen an bestimmten Stellen lokalisiert ist. Bei Käfern nid die Ablagerung des Ühromogens schon sehr frühzeitig im Pampenaiaiäinnn erfolgen (P. SCHULZE, Verh. deutsch. zool. Ges. 1913, p. 189), % Das Abändern der Zeichnung auf den Flügeln der Feuerwanze. 391 ich die einzelnen Adern mit Nummern. Der häufigste Typus scheint der in Fig. 21 dargestellte zu sein. In eine. Ader begrenzt die Längsseite den Clavus (], 2), eine dritte (3) verläuft ihnen parallel auf dem Corium, biegt am Apex um und zieht an der Grenze der Membranula entlang, nachdem sie meist-an der Umbiegungsstelle einen Ast in die Membranula geschickt hat. Von der Flügelbasis her zieht an der äußeren Längsseite des Humeralfleckes entlang eine Ader etwa durch die Mitte des Coriums bis an den Mittelfleck hin oder dringt etwas in ihn ein. Unweit ihres blinden Endes geht nach innen ein im weiteren Verlauf der Hauptader paralleler Ast ab, der bis zur Membranula geht; endlich ist noch eine fünfte Ader (5) vorhanden, die mehr im äußeren Drittel des Coriums dieses der Länge nach durchläuft. Oft zweigt nach außen von der Ader 4 ebenfalls ein Ast ab (Fig. 22); der innere ist aber in der Regel deutlicher ausgeprägt. (Dieser Typus stimmt ziemlich genau mit dem von ENDERLEIN in: BREHMER, Fauna von Deutsch- land p. 349 von Podisus luceidus L. abgebildeten Geäder überein.) Seltener verläuft Ader 4 durchgehend bis an die Membranula (deren Geädernetz übrigens bei jedem Tier, besonders auch bei den ge- flügelten, verschieden ist) und gibt im schwarzen Mittelfleck einen Ast nach innen ab; außerdem können noch andere überzählige Adern auftreten (Fig. 13 u. 24). Von den Hauptadern ist Ader 4 wenigstens bis zum Mittelfleck scharf begrenzt und :(leutlich, ebenso gewöhnlich Ader 2; in anderen Fällen ist diese aber auch fast ganz geschwunden. Wenig deutlich ist in der Regel Ader 5 aus- geprägt. Ader 3 ist im Querschnitt etwa 3mal so diek wie die anderen mit sehr wenig scharf abgesetzten Wänden; bisweilen wird in ihr eine besonders starke, unregelmäßig gekrümmte Trachee sichtbar. Welche der abweichenden Formen stehen nun mit dem beschriebenen Aderverlauf in Verbindung? Der dreieckige Basal- fleck wird, wie gesagt, an seiner äußeren Längsseite immer von Ader 4 begrenzt, tritt er in Verbindung mit dem Mittelpunkt, so folgt diese Verbindungslinie genau dem Aderverlauf. Bei der in Fig. 8 dargestellten Form (beobachteter Geäder- verlauf wie in Fig. 22 und 24 ohne Gabelung von 3 im Mittel- fleck) wird die Schwärzung der Mittelstriemen nach innen noch durch die Ader 3 begrenzt, ihr über die Zentralmakel hinaus- gehender Teil ebenfalls von dieser und dem inneren von Ader + 7 abgehenden Ast. Bei-der f. cor wird die Mitte der Kerbe genau von Ader 4 durchschnitten; überhaupt sieht man häufig unter dem - Mikroskop, daß der Mittelfleck kleine Aus- oder Einbuchtungen zeigt, an den Stellen, wo ihn die Adern schneiden. Bei den Tieren 392 PAUL SCHULZE. des Formenkreises radıata habe ich irgendwelche Beziehungen zwischen Aderung und Zeichnungsänderung nicht auffinden: können; besonders war hier auch keine abnorme Queraderung vorhanden, wie man vielleicht hätte vermuten können; immerhin wäre die Möglichkeit vorhanden, daß die Strahlen schon vorhandener, »icht leicht sichtbaren, feineren Tracheen folgten, was mir aber nach ihrem Verlauf nicht gerade wahrscheinlich dünkt. Von den übrigen Körperteilen variiert besonders das Halsschild ziemlich beträchtlich. Die schwarze Zeichnung desselben aus 2 aufeinander stehenden, an der einen Längsseite verschmolzenen Trapezen, die aber ziemlich variable, oft auch asymmetrische Gestalt haben können; außerdem tritt bisweilen auf dem roten Teil noch unregelmäßig körniges Pigment auf (Fig. 8). Bei vielen Stücken besteht die Neigung, diese Figur durch Auftreten der Grundfarbe in den Mittellinien in 2 oder gar 4 Teile zu zerlegen. (Man vergleiche die Abbildungen.) Das hellste Hals- schild, das ich beobachtete (Fig. 25), zeigt neben dem oberen Viereck als Rest des anderen nur 2 körnig pigmentierte Flecken. | Bei der oben erwähnten Abbildung Surzer’s ist das Halsschild in | zwei quere, parallele Balken zerlegt. Eine Trennung in 4 Flecken, | die ja sicherlich auch vorkommen wird, habe ich nicht gesehen. | Einen Zusammenhang zwischen verdunkeltem Halsschild und ver- mehrter Coriumfärbung konnte ich im allgemeinen nicht konstatieren | (cf. aber Fig. 8). Verdunklungen an den roten Teilen der Ventral- | seite wurden nicht beobachtet, ebensowenig eine Beschränkung | der einen oder anderen Form auf ein bestimmtes Geschlecht. Die | f. cor fand sich in besonders schönen Stücken und verhältnismäßig häufig in einer bestimmten Kolonie. Betrachten wir die Zeich- nungsanlage der Art als Ganzes, so fällt besonders die häufige, mehr oder weniger starke Asymmetrie derselben auf. Diese Erscheinung ist bei Tieren mit sehr zahlreichen einzelnen Zeich- nungskomponenten, wie etwa dem Stachelbeerspanner (Abrazxas grossulariata L.) mit etwa 100 Einzelflecken nach dem von HazckEL (Monographie der Medusen II, p. 133 1881) ausgesprochenen Grund- satz — je höher die Grundzahl steigt, desto unbeständiger wird sie, desto ungleicher bei den verschiedenen Individuen einer Spezies — nicht allzu verwunderlich, wenn sie auch bei anderen ähnlich gefleckten Spannern z. B. keineswegs auch nur annähernd so häufig ist; bei der sehr variablen Chrysomelide Melasoma XX-punctatum Scor. mit 20 Punkten ist Asymmetrie viel weniger häufig; bei einem im allgemeinen nicht häufig abändernden Tier mit so ein- facher Zeichnungsanlage wie der Feuerwanze ist sie jedenfalls 4 Das Abändern der Zeichnung auf den Flügeln der Feuerwanze. 393 recht bemerkenswert. Es ist weiter auffallend, daß kein breites Zusammenfließen der beiden Mittelflecke beobachtet wurde (ab- gesehen von’ dem etwas anders gezeichneten Stück auf Fig. 13), wie wir es so häufig etwa bei Goccinelliden und Chrysome- liden finden und auch bei der nahen Verwandten von Pyrrhocoris, der tropischen Gattung Dysdercus. Ferner sind Stücke, wie das in Fig. 16, mit strahlig von einem Flecken ausgehenden Pigmentstreifen sehr merkwürdig. Bei anderen Insekten ist mir eine Variabilität in dieser Richtung noch nicht bekannt geworden. Ein eigentümliches | | | Fig. 27. - Chitingebilde fand ich an der Unterseite des Vorderflügels an der - Grenze zwischen dem distalen Clavusrande und dem Corium. Es handelt sich um einen flachen, kuppenförmigen Chitinwulst mit - gegenüberliegendem Chitinkamm (Fig. 26 K), dessen Form aus dem bei 500facher Vergrößerung hergestellten Photogramm 27 hervor- ‘geht. Der Wulst selbst wie der Raum zwischen Wulst und Clavus- rand zeigen eine schuppenartige Chagrinierung. Über die Bedeutung des Organes bin ich nicht ins Reine gekommen; ebensowenig weib ‚ich, ob es schon in der Literatur irgendwo erwähnt wurde. Bei zum Vergleich herangezogenen Tharapha hyoscyami L. fand ich es. ng) un." Te ae a TEE ETW N u u a PO TER 394 Paur Schuizu: Das Abändern der Zeichnung auf den Flügeln. L 3 ebenfalls an der beschriebenen Stelle; die Zinken des Kommas waren aber gegenüber Pyrrhocoris in etwa doppelter Zahl vor handen Me schlanker und länger. | Zum Schluß noch einige Bemerkungen über reilügelte Exer plare von Pyrrhocoris (f. pennata Westnu., cf. 12. Jahresber. West stf. Prov. f. Wiss. u. Kunst pro 1883, Müustet 1384, p. 38). Ich habe bei den beobachteten Tieren im Höchstfalle 10 geflügelte gesehen, was ungefähr der von Mayer (Arch. f. Anat. u. Phys. 1874, p. 3) angegebenen Zahl von ',—1% entsprechen würde In manchen Jahren allerdings kann dieser Prozentsatz ein beträchtlich höherer werden (sogar bis zu etwa 50%) Löxs ].c. p. 10, P. ScHULZE und QuIEL u. Wanach Berl. Ent. Zeitschr. 56, 1913 p. 27). Ob’der normale Prozentsatz geflügelter im Süden wirklich höher ist, wie Burmeister (Handbuch der Entom. II, p. 286 1839) angibt, muß ich dahingestellt sein lassen. Unterschiede im Aufenthaltsort zwischen den normalen Tieren und der f. pennata habe ich nicht feststellen können. Löns bemerkt p. 10, daß er u. a. die Ge- flügelten an den Spitzen von Grashalmen und auf Tanacetum häufig fand, während die Flügellosen am Grunde der Lindenbäume saßen. 7 Gelegentlich kommen auch anscheinend durch Mosaikvererbung ent- standene Exemplare vor, bei denen eine Seite (bald die linke, bald 7 die rechte) eine Hemielytra mit vollständiger Membranula und einen ” kleinen Hinterflügelrest trägt, die andere dagegen ein normales ” Corium und einen vollständigen Hinterflügel (P. Schusze, Berl. Ent. Zeitschr. 58, p. 240 1913 und Reichert, D. E. Z. 1916, Sitzung vom 4. 9.). Über ein Stück mit asymmetrischen Vorderflügeln be- richtet auch Hausmann |. c. p. 491: „... es hat an der einen Halb- decke einen kurzen Hautansaiz ...an der anderen hingegen einen langen, den Hinterleib ganz bedeckenden Flügelansatz.“ — Keiner der Beobachter hat die f. pennata fliegen sehen (TAsSCHENBERG 1. €. p. 567, Mayer ]. c. p. 3, Löns l. e. p. 11, P. Scohurze ]. c. 240) Die f. membranacea Westn. (l. c.), bei der die Vorderflügel voll- ständig sind, die Alea aber vollständig fehlen, habe ich bis jetzt nicht zu Gesicht bekommen; dagegen fand Löns einige Stücke “ Münster. — Die Frage der Überwinterung der Feuerwanze ist noe! nicht völlig geklärt. Während TaAscHENBERG ].c. p. 568 angibt, daß Pyrrhocoris in sämtlichen Stadien überwintern könne, habe ich bisher nur das vollkommen ausgebildete Insekt überwinternd an- getroffen (D. E. Z. 1916, p. 356), ebenso SCHUMACHER (ibidem) un Reichert (D. E. Z. 1916 Sitzung vom 16. 10.). Nun fand ich End Oktober bei einer Kolonie, die sich eben zur Winterruhe zurü ol (GÜNTHER ENDERLEIN: Einige neue Bakterien aus der Verwandtschaft. 395 gezogen hatte, auch 5 Larven, 2 vor der dritten, 3 vor der letzten Häutung. Unter gewissen Umständen scheint also ein kleiner Teil der Tiere im Herbst nicht mehr zum Imagostande zu gelangen; ob solche Exemplare aber den Winter überstehen, muß erst noch festgestellt werden. Uber ähnliche Fälle berichtet Hausmann |. c. p. 236: „Im Jahre 1799 fand ich am 16. April die ersten und im Anfange des Septembers die letzten in der Begattung...“ „Daher kommt es, daß man vom Monate Julius zum Oktober oft an einem Baume Eier, unvollkommene und vollkommene Wanzen beieinander antrifit.“ Über eigentliche gemeinsame Eiablage zahlreicher Pärchen . von Pyrrhocoris in alten Baumstämmen, in deren Mulm Eimassen bis zur Größe eines kleinen Hühnereies lagen, habe ich in der D. E. Z. 1916, p. 347 berichtet. - Einige neue Bakterien aus der Verwandtschaft des Diphtherie- Erregers. [Bakteriologische Studien 1.] Von GÜNTHER ENDERLEIN, Stettin. Über einige noch unbekannte Bakterien aus der Diphtherie- - Gruppe gebe ich folgende Mitteilung. Mit Culminante ist der Höhepunkt der Entwicklung bezeichnet. In den Bakteriologischen Studien III und an anderer Stelle wird auf diese und andere - Nomenklatur weiter eingegangen werden. Cladascus ExDerr. nov. gen. Typus: ©. furcabilis EnDERL. noV. spec. Culminante: Synascit mit Gabelungen. Cystit und Arthro- theeit kann an den Enden und an jeder anderen Stelle des Ascites _ auftreten. Auch beim Aseit treten Gabelungen auf. Die Gabelungen treten meist schon auf 2tägigen Kulturen auf. In diese Gattung gehört noch der Erreger des Rotz: Cladascus _ malleı (LörrL. 1886). ! Cladascus furcabilis ENDERL. NOV. Spec. Ascit meist mit 1—3 Cystiten oder Arthrotheeiten, am häufigsten mit 1 und 2, die am Ende oder‘ an jedem anderen Punkte liegen "können. Das Aseit ist von dem Cystit oder Arthrotheeit öfter nicht scharf abgesetzt, wie bei dem typischen Diphtherie-Erreger, sondern ‘mehr übergehend, so daß die Trophosome häufig nach diesem Ge- 396 } (GÜNTHER ENDERLEIN. bilde zu immer größer sind. Das Ascit (Cystaseit) ist besonders, wenn es länger ist, häufig mehr oder weniger S-förmig gebogen. Daneben finden sich auch viele Stäbchen mit der typischen Wachs- form des Diphtherie-Erregers; die Formen in ltägigen Kulturen sind meist nicht von demselben zu unterscheiden. Schon in 8tägigen Agar-Kulturen sind die großen Kolonien ziemlich fest zusammenhaltend, so daß sie leicht im ganzen ver- schoben werden können. In 3 Wochen alten Kulturen fast aus- schließlich Dimychite und Didimychite. Sonst sind die Kulturen auf Agar und Serum nicht vom typischen Diphtherie-Erreger zu unterscheiden, bilden aber viel leichter und schneller Sekundärkolonien. Aus Tonsillenabstrichen Diphtherie-Verdächtiger. Die ein- tägigen ÖOriginal-Serumkulturen enthalten entweder Cystascite (Keulenstäbchen) oder Phytite (Kurzstäbchen). Erstere wurden bis- her mit dem echten Diphtherie-Erreger, letztere mit dem ©. pseudo- diphtheriticum (HoFrım.-WELLENH. 1887) verwechselt. Zygoplagia ENDERL. NOV. gen. Typus: Z. alternans ENnDERL. nov. spec. Culminante: Synascit ohne Gabelungen, meist schon am zweiten Tage der Kultur. Cystit und Arthrotheeit kann an den Enden und an jeder anderen Stelle des Ascites auftreten, oft dicht hintereinandeı aufgereiht. Zygoplagia alternans ENDERL. NOV. Spec. Ebenfalls in ltägigen Serum-Kulturen meist vom echten Diphtherie-Erreger nicht zu unterscheiden. Nur die besonders starken Keulenbildungen machen sie verdächtig auf Zygoplagıa oder Cladascus. Cystit und Arthrotheeit kann bis zu ganz besonderer (aröße anwachsen. Wie bei Cladascus können einzelne größere Kolonien in ca. Stägigen Agar-Kulturen infolge ihrer festen Konsistenz im ganzen verschoben werden. Kulturen auf Agar und Serum sind sonst nicht von denen des echten Diphtherie-Erregers zu unterscheiden, bilden aber wie Ola- dascus leichter Sekundärkolonien. Bereits in 8—10tägigen Kulturen häufig das Phytitstadium. Aus auf Diphtherie verdächtigen Tonsillenabstrichen isoliert. | Einige neue Bakterien aus der Verwandtschaft des Diphtherie-Erregers. 397 Heterocystia ENDERL. nov. gen. Typus: H. multiformis ENDERL. nov. spec. Synascit selten. Die Cystite und Arthrothecite sind groß und können an verschiedenen Stellen des Aseites liegen, sind aber meist, nur in einer Anzahl von 1, 2 oder 3, selten 4 vorhanden und liegen nicht oder nur selten nebeneinander. Keine Gabelung. Bildet zu- weilen sehr lange Fäden, bis zu 12 uw lang und mehr. Heterocystia multiformis ENDERL. noV. spec. Die im Sputum enthaltenen Stäbchen sind den Cystasciten des echten Diphtherie-Erregers sehr ähnlich, nur etwas zarter. In Kulturen sind neben diesen sehr mannigfaltig variierende Formen. Häufig liegen die Cystite und Arthrotheeite nicht bloß an den Enden, sondern an den verschiedensten Punkten des Ascites. | Die hyaline Itägige Agar-Kolonie ist durchschnittlich viel kleiner als die des Diphtherie-Erregers, und zwar mit 1/,,—!/,, mm Durchmesser. Kulturelles Verhalten sonst wie beim echten Diphtherie- Erreger. | Das reine Phytitstadium wurde nicht beobachtet. Die Primär- kolonien vergrößern sich im Gegensatze zu Cladascus, Zygoplagia und Corynobacterium bei Zimmertemperatur nur sehr wenig, dagegen wachsen einzelne der sich bald zahlreich bildenden Sekundärkolonien nach längerer Zeit (1—3 Monate) zu großen, stark gewölbten weißlichen Kolonien an. Aus Sputum gezüchtet, doch dürften auch diphtherieähnliche aus Tonsillenabstrichen auf Diphtherie Verdächtiger isolierte Formen hierher zu rechnen sein. Corynobacterium (Lerm. et Neum. 1904) emend. Typus: ©. diphtheriae (LörrL. 1884). Cystite und Arthrotheeite ungewöhnlich groß, mit seltenen Ausnahmen an beiden Enden des Asecites, selten nur an einem - Ende. Synaseitbildung nur als Arthrothecit. Gabelung nicht vor- kommend. | | In diese Gattung gehören: C. diphtheriae (LörrL. 1884), (.xerosis (Neıss. et KuscH2. 1883), C. pseudodiphtheriticum (Horrm.- WELLEN. 1887), O. multipolare (WAur. 1912), C. bipolare (War. 1912), ©. monopolare (War. 1912) und folgende noch unbekannte Arten, die bisher teils mit dem echten Diphtherie-Erreger, teils mit _ dem Cor. pseudodiphtheriticum verwechselt worden sind: ©. diffindens ExDeErL., ©. mochloticum ExDeErL., 0. clavatum ENDERL. 398 GÜNTHER ENDERLEIN. Corynobacterium difjindens nov. spec. Oystascite (Keulenstäbe) etwas zarter' als beim echten Diphtherie- Erreger. Diese als Primärkolonien auf Agar und Serum in Aus- sehen und Größe sich wie der Diphtherie-Erreger verhaltend. Der Unterschied von diesem ist der, daß siclı meist schon am zweiten Tage im Innern, am Rande oder auf der Oberfläche der zarten hyalinen Primärkolonie (auf Agar) zunächst kleine, diehtere, un- durchsichtige und üppig wachsende, gelblichweiße Sekundärkolonien bilden, die sehr schnell heranwachsen und die Primärkolonie immer mehr überwuchern. Sie finden sich in Anzahl von 1, 2 bis zahlreich an einer Primärkolonie, vorherrschend sind es aber einzelne. Die Sekundärkolonien enthalten nur Phytite (Kurzstäbe), also Dimychite und Didimychite. Unter günstigen Verhältnissen über- wuchern die Sekundärkolonien die Primärkolonien so, daß zuweilen schon nach 2—3 Wochen keine Cystascite mehr in den Kulturen vorhanden sind. Vielleicht sind auch dann die Cystascite in diesem Zeitraume durch die Bildung von Gonidien und Cystiten verbraucht. Isolierte Phytite der Sekundärkolonien ergeben immer nur die üppig wachsenden, ausschließlich Phytite enthaltenden gelblichweiben Kolonien; auch in sehr alten solchen Kolonien bildet sich niemals wieder das Cystascit, selbst nach mehreren Monaten; nur finden sich bei gleichzeitiger schwacher Aufhellung der Farbe der Kolonie in Anzahl sehr kurze Ascite, die aber auch nie Cystascite ergeben, sondern bei Neuaussaat immer wieder Phytite erzeugen. Es liegt hier somit eine außerordentlich starke Mochlose vor. Man ist daher, will man das Cystascitstadium nicht verlieren, gezwungen, Kolonien mit diesem Stadium, die noch relativ geringe Bildung von Sekundärkolonien aufweisen, alle 2—4 Wochen neu 7 abzuimpfen und falls nur einzelne der Cystascitkolonien sich bei der Neuaussaat finden, eine solche gleich wieder weiter auszusäen, © damit immer Kulturen mit zahlreichen Cystaseitkolonien vorrätig sind und so die Wahrscheinlichkeit des Verlustes des Cystascit- stadiums um so geringer wird. Hält man solche Kulturen kühl und dunkel, so tritt die Gonidienbildung resp. Cystitbildung selır viel langsamer ein, und aus solchen Kulturen gelingt es zuweilen noch nach einigen Monaten einzelne Cystascite zu isolieren. Hält man gleichzeitig eine Reihe verschieden alteriger Cystascitkulturen, so wird die Sicherheit der Konservierung des Üystascites um s0- größer. Es kommt nämlich zuweilen vor, daß einzelne Reinkulturen des Öystascites schon in 2—3 Wochen sich vollständig zu Phytiten transformieren, so daß in solchem Falle die Gefahr des Verlustes des Cystascitstadiums eintreten kann. a Einige neue Bakterien aus der Verwandtschaft des Diphtherie-Erregerss 399 Aus auf diphtherieverdächtigem Tonsillenabstrich isoliert und seit Dezember 1915 kulturell beobachtet. Com ynobacterium celavatum 10V. spec. Eintägige Serumkulturen mit den für die echte Diphtheria charakteristischen Cystasciten und auch in deren Kolonieform (Durchmesser ca. 1 mm). Nur einzeln finden sich stärkere An- häufungen von Cystiten hintereinander. An den folgenden Tagen vermehren sich diese etwas, ohne jedoch die für Öladascus und Zygoplagia charakteristische Arthrotheeitbildung dann aufzuweisen. In älteren Serumkulturen herrschen vor allem gewöhnliche Aseite in mittellanger bis langer Gestalt. In 1Itägiger Agarkultur finden sich vorherrschend Phytite und weniger sehr kurze Ascite. In älteren Agarkulturen finden sich außer den Phytiten auch Basite und nur noch einzelne sehr kurze Ascite. Die ltägige Agarkolonie ist kreisrund, zart, flach, hyalin, der Durchmesser ca. !1/„—!/, mm; sie wächst auch an den folgenden Tagen nur wenig nach; ältere Kolonien, jedoch durchaus nicht alle, schieben vom Rande einen schmalen, äußerst feinen und dünnen Randsaum hervor, der die Primärkolonie umgibt und einen fein- wellıgen oder feinzackigen Rand besitzt. Ausgesprochene Sekundär- kolonien beginnen erst nach einigen Wochen sich zu bilden. Bei älteren Agarkolonien, die isolierter liegen, verändert sich die Primär- kolonie häufig in ihrer ganzen Masse zur Sekundärkolonie, indem sie fast halbkugelig anschwillt und eine dichte gelblichweiße Masse darstellt. Der Randsaum bleibt dann unverändert oder bildet einzelne ebenfalls weißliche Sekundärkolonien; die Veränderung der Primär- kolonie tritt auch wallartig auf, so dab ein unverändertes Zentrum übrig bleibt. Je mehr sich dieser Wall ausdehnt, um so mehr nimmt die Kolonie dann ein kraterartiges Aussehen an. Zuweilen stehen _ auch zwei weibliche Kolonien stufenartig übereinander, die dann pyramidenartig aussehen. f Sowohl die Sekundärkolonien als auch die Phytite und Basite - der Agarkulturen bilden auf Serum sogleich wieder typische Cystascite (Keulenstäbchen). Aus diphtherieverdächtigem Tonsillenabstrich isoliert und seit Februar 1916 kulturell beobachtet. Corynobacterium mochlotieum nov. Spec. In .1tägigen Serumkulturen besitzt diese Spezies, die für den ‚echten Diphtherie-Erreger typischen Cystascite und deren Kolonie- form. Einzelne Stäbchen sind nur stärker verlängert, und die 400 GÜNTHER ENDERLEIN. Trophosome sind im allgemeinen kleiner und zarter, wie überhaupt die Stäbchen durchschnittlich etwas zarter sind. Ein ganz auf- fälliges und charakteristisches Verhalten zeigt diese Spezies auf dem Serumnährboden: bereits nach 10—12 Tagen enthalten die Kolonien ausschließlich nur noch Anabasite (viel Dimychite und wenig Mychite). Die Agarkultur ist zart, hyalin, flach, klein. Sie bildet im allgemeinen sehr langsam winzige hyaline Sekundärkolonien auf der Oberfläche und am Rande, und ist häufig ganz übersät davon. Die Sekundärkolonie enthält Ascite und Cystascite, später auch Arthrothecite. Auf Agar bildet sich nicht das Basitstadium, weder nach 10—12 Tagen noch in viel älteren Kulturen. Immer zeigt das Individuenmaterial der Agarkolonien die typischen Cystascite. Aus auf diphtherieverdächtigem Tonsillenabstrich isoliert und seit Mai 1916 kulturell beobachtet. Corynobacterien basiticum nov. spec. Kolonien auf Serum dem des echten Diphtherie-Erregers ähnlich. Sie enthalten stets nur Phytite, die aber oft etwas gebogen oder keulig angeschwollen sind. Ascite wurden nicht beobachtet. Auf Agar bilden sich zarte, flache, hyaline Kolonien, die aus- schließlich Basite enthalten, und zwar Probasite, also mit zahlreichen Mychiten und wenig zahlreichen Dimychiten. Bei Ketten (Desmen) von Mychiten entstehen die Teilungen nicht selten senkrecht zur ursprünglichen Längsachse unter gleichzeitigem Zerfall der Kette. Diese Spezies hat manche Ähnlichkeit mit C. pseudodiphtheri- ticum, unterscheidet sich aber leicht von ihr durch das zarte Wachstum auf Agar und durch die sofortige Bildung des Basit- stadıums auf Agar. Aus diphtherieverdächtigem Tonsillenabstrich mehrfach ge- züchtet und kulturell beobachtet. Stettin, 15. 8. 1916. Über polyätiologische Auffassung diphtherieartiger Erkrankungen. [Bakteriologische Studien IL] Von GÜNTHER ENDERLEIN, Stettin. Im folgenden gebe ich zur Klärung der Diphtheriefrage eine Reihe von Notizen, auf die ich an anderer Stelle weiter eingehen ” werde. An dieser Stelle wird auch die bisherige Literatur Berück- Über polyätiologische Auffassung diphtherieartiger Erkrankungen. 401 - siehtigung finden. Die angewendete vergleichend-morphologische - Nomenklatur ist in den Bakteriologischen Studien III in den wesent- liehen Zügen zu finden, die zum Verständnis der nachstehenden Ausführungen erforderlich sind. Die üblichen Differenzierungen zwischen dem Pseudodiphtherie- _ Erreger und dem echten Diphtherie-Erreger, nach welcher Auffassung _ ersterer als kurzes plumpes Stäbchen ohne ausgesprochene Polkörner _ charakterisiert wird und auf Agar üppig wächst, letzterer als - schlankes keuliges Stäbchen mit differenter Körnchenbildung und - am Ende mit Polkörnern geschildert wird und auf Agar nur in sehr zarten Kolonien wächst, treffen den Kern der Diphtheriefrage keineswegs. E Es bildet nämlich der echte Diphtherie- -Erreger, worauf schon - Hewuert und KniısHt hingewiesen haben, unter bestimmten Um- ständen auf den menschlichen Tonsillen ausschließlich Kurzstäbchen - (als Dimychit und Didimychit), ja zuweilen Dimychite und Mychite, behält sogar nach eintägiger Serumkultur diese Wuchsform bei und erst nach einer weiteren Kultur von einem Tage auf Löfflerserum tritt die typische Form in Erscheinung. Von einschneidender Bedeutung jedoch ist die Tatsache, daß es eine ganze Reihe von Spezies gibt, die durchaus die Formen des typischen Diphtherie-Erregers wiederholen und auf Agar so zarte oder sogar noch zartere Kolonien wie der echte Diphtherie- _ Erreger bilden und doch keinesfalls mit dem Diphtherie-Erreger zu identifizieren sind, sondern ausgesprochen distinkte Arten darstellen. Auch diese Arten verbalten sich in der Körperform wie der echte - Diphtherie-Erreger, sie können als lange Keulenstäbchen oder als - Kurzstäbchen in Erscheinung treten. Während jedoch in künst- * lichen Kulturen des echten Diphtherie-Erregers aus den typischen Keulenstäbchen durch keinerlei Einflüsse Reinkulturen des Kurz- stäbchens erzeugt werden können, ‚tritt dies bei den erwähnten - Arten sehr leicht ein. Die Folgerung aus dem Gesagten ist: 1. Die bisher als Pseudodiphtherie- -Erreger aufgefaßten Kurz- stäbchen können dreierlei sein: a) Pseudodiphtherie-Erreger, b) die Kurzstäbchen -Wuchsform des echten Diphtherie- Erregers, c) die Kurzstäbchen-Wuchsform der erwähnten BamRane: verwandten Arten. 2. Die bisher als echte Diphtherie-Erreger aufgefaßten langen Keulenstäbehen können sein: 28 403 GUNTHER ENDERLEIN. a) echte Diphtherie-Erreger, b) differente verwandte Organismen. Letztere sind bisher in eintägigen Serumkulturen durchgängig | mit dem echten Diphtherie-Erreger verwechselt worden, und in solchen Fällen ist die Diagnose auf echte Diphtherie gestellt worden, wo diese gar nicht vorlag. Ebenso sind die Kurzstäbchenformen des echten Diphtherie-Erregers bisher durchgängig als Pseudo- + diphtherie aufgefaßt worden. Ä Hiermit ist der Beweis erbracht, daß nach der bisher angewendeten Methodik der Untersuchung auf Grund der bakteriellen Befunde nicht nur echte Diphtherie zuweilen als Pseudodiphtherie aufgefaßt, sondern auch morpho- logisch verwandte Arten fälschlich als echte Diphtherie- Erreger angesprochen worden sind. = Bei diphtherieartigen Erkrankungen handelt es sich somit um: eine Gruppe von Organismen, die nach ihrem morphologischen und biologischen Verhalten in 3 Abteilungen zerteilt werden kann: 1. Formen, die nur Kurzstäbe bilden (also nicht das Didimychit oder das ganz kurze Ascit überschreiten). Hierher gehören: Corynobacterıum pseudodiphtheritieum (Horrm.-WeELtENnH. 1887), Cor. basiticum Enxperu. 1917. Cor. bipolare (Waur. 1912) und Cor. monopolare (Waur. 1912), 2. Formen, die bald Kurzstäbe, ‚bald Keulenstäbe entweder gleichzeitig oder durch Sekundärkolonie oder in älteren Kulturen oder durch geeignete Kultur bilden. Hierher gehören: Heteroeystia multiformis Enperr. 1917 *), Oladascus furcabilis Enpern. 1917, Zygoplagia alternans Enperr. 1917, Corynobacterıum multipolare (Waur. 1912), Cor. diffindens EnverL. 1917, Cor. mochlotieum EnperL. 1917 und Cor. elavatum Enpern. 1917. 3. Formen, die aus Kulturen als Keulenstäbe nie Reinkulturen von Kurzstäben bilden, sondern stets lange Keulenstäbchen reichlich enthalten. Sind sie der Tonsille als Kurzstäbe entnommen, so bilden sich spätestens auf der zweiten Kultur (also am zweiten Tage) auf Serum typische Keulenstäbe. Hierher gehört nur: Corynobacterium _diphtheriae (Lörru. 1884). | Nach der bisherigen Untersuchungsmethodik sind die Arten der AR 2 und 3 je nach ihrer Erscheinungsform bald als *) Diese und die übrigen bisher noch unbekannten Arten und Gattungen sind beschrieben in: „Bakteriologische Studien I“, Grundelemente der vergleichenden Morphologie und Biologie der Bakterien. 403 Organismus der Diphtherie, bald als solcher der Pseudodiphtherie aufgefaßt worden. Von den bisher noch unbekannten Spezies können in 1tägigen Serumkulturen das typische Bild des Diphtherie-Erregers darstellen: Oladascus furcabilis Experu. 1917, Zygoplagia alternans Expert. 1917, Heterocystia multiformis Envern. 1917, Cor. diffindens -Enperr. 1917, Cor. elavatum Experı. 1917 und Cor. mochloticum Enperr. 1917. Dagegen bildet Cor. basiticum Experr. nur das typische Bild des ‚Cor, pseudodiphthericum (HoFFu.- WELLENR.). Stettin, 19. 8. 1916. -G&rundelemente der vergleichenden Morphologie und Biologie der Bakterien. [Bakteriologische Studien ILL] Von GÜNTHER ENDERLEIN, Stettin. An dieser Stelle werden die Hauptgesichtspunkte der ver- gleichenden Morphologie und Biologie in knappster Form zu- sammengestellt, die zum Verständnis der vorstehenden Ausführungen in den Bakteriologischen Studien I und II erforderlich sind. Näheres über diese Fragen und über die bisherige Literatur wird an anderer Stelle*) ausgeführt. a) Vergleichende Morphologie. Die morphologische Grundeinheit der Bakterien ist das Mychit, das eine Kugel darstellt. Es besitzt einen einzigen Kernapparat, das wandständige Mych, das der Ureinheit des Kernes entspricht und so den Urkern darstellt. Der Durchmesser des Mych beträgt 0,1—0,25 u. Das Mych selbst ist im allgemeinen nur äußerst schwer sichtbar zu machen, färbt sich am besten mit Fuchsin (Karbolfuchsin) und ist nur im freien Mychit (Gonidie, etc.) deutlich sichtbar zu machen. Gewöhnlich ist es von Nährstoffpartikelchen (Tropho- _ conien) mehr oder weniger dicht umhüllt. Hierdurch entsteht ein _ kräftig färbbares kernartiges Gebilde von größerem (Trophosom) - oder kleinerem Umfange (Trophosomelle). Ein Bakterienindividuum ohne Trophoconien ist ein Atrophit. _Die Teilung des Mych wird - durch eine Streckung und Zerschnürung in zwei Mych vollstreckt (Mychomitose). Der Mychomitose folgt die Teilung und Trennung ...*) Diese Abhandlung (ca. 22 Bogen und 330 Figuren umfassend) wird 2. a. O. erscheinen, ; 28* 404 GÜNTHER ENDERLEIN, der beiden entstandenen Mychite. Bleiben letztere in engerem Ver- bande zusammen hängen, so entsteht ein Diplomychit. Erfolgt nach der Mychomitose die Teilung des Zellelementes nicht, so bleibt ein Gebilde (Dimychit) mit 2 Mychiten bestehen, die sich an die beiden Pole des Kurzstäbchens stellen. Das Dimychit ist die morphologische Einheit im Aufbau aller höheren Bakterien. Im Körper längerer Bakterienfäden sind die Dimychite in den Verbänden als Dimychosen zu bezeichnen. Die Länge des Stäbchens ist die Achsenlänge. Der Abstand der beiden Mychite (Mychostase) kann kürzer (stenostat) oder länger (eurystat) sein. Im Dimychit kann die Mychomitose beider Mych gleichzeitig (Isozygie) oder ungleichzeitig (Protozygie) eintreten. | Ein Verband von 2 Dimychiten ist das Didimychit, ein etwas längeres Stäbchen. Hier können die Mych in der Achsenlinie (catatact) oder unregelmäßig angeordnet (syntact) sein. Beim Syndimychit.(Langstäbchen) sind mehr als 2 Dimychosen catatact oder syntact vereinigt. Das Syndimychit kann zuweilen Ver- zweigungen oder Gabelungen bilden. Wächst ein Mych in einem Mychit zu größerer Wertigkeit an, ohne sich zu teilen, so entsteht ein Symmychon (ein polydynames Mych); ein Zellgebilde mit einem Symmychon ist ein Symmychit (vergl. Zoit und Oystit). Ein Mych, das sich durch Mychomitose teilt, ohne dabei eme | höhere Wertigkeit zu erhalten, zerfällt in 2 halbe Kernelemente (Mychomer), von denen jedes nur die halbe Wertigkeit eines Mych besitzt. Ein Zellgebilde mit einem Mychomer ist ein Mychomerit. Die Fortpflanzung der Bakterien kann durch einfache Teilung (Monogonie und Arthrogonie) sowie auf geschlechtlichem Wege von Statten gehen. Die Monogonie im Anschluß an Mychomitose tritt nur bei den aus einem Mych bestehenden kugelförmigen Bakterien auf. Die Arthrogonie ist der Zerfall höherer Zell- verbände, die nicht an Mychomitose gebunden zu sein braucht. Bei der Arthrogonie können die Produkte gleichwertig (isomorphe A.) oder ungleichwertig (heteromorphe A.) sein. Die isomorphe Arthrogonie ist die gewöhnliche ungeschlechtliche Fortpflanzung. Die heteromorphe Arthrogonie erzeugt Fruktifikationen, Em- bryonenbildungen und Teilstückbildungen. Die Fruktifikationen bestehen aus der morphologischen Einheit, und zwar entweder aus dem Mychit (als Fruktifikation: Gonidie) oder aus dem Symmychit (als Fruktifikation: Oystit). Der Embryo bildet sich aus dem Cystit, 7 und zwar als Schnürstück an einem Syndimychit (Arthrotheeit) oder im Innern von syntacten Syndimychiten (Endothecit). Als he PR 20 y J Grundelemente der vergleichenden Morphologie und Biologie. der Bakterien. 405 Teilstückbildungen kommen in Betracht: a) Abschnürungen von Dimychiten (Oidien) von längeren Fäden; hierher gehört auch das Sporit, die sog. Bakterienspore; b) das Pseudothecit, ein arthro- thecitähnliches, aber nicht aus einem Cystit entstandenes catatactes Syndimychit. Bei der geschlechtlichen Fortpflanzung entstehen Gonite, die Mychomerite darstellen und aus denen männliche stark begeißelte und sehr lebhafte Spermite und weibliche, sehr schwach begeißelte und sehr wenig bewegliche Oite entstehen. Bei letzterem steht das wandständige Mychomer am Geißelpol und von der kugelförmigen Zelle etwas warzenförmig ab. Die Kopulation erfolst an dem dem Mychomer gegenüberliegenden Pole des Oites. Die Gonite sind ohne erfolgte Kopulation nicht mehr lebensfähig. b) Cyelogenie. Die Cyclogenie der Bakterien ist der auf eine meist ungeheuer große Zahl von Generationen verteilte Kreislauf der morphologischen Entwicklung von der morphologischen Einheit bis zum mor- phologischen Höhepunkt und wieder bis zur morphologischen Einheit. Die beiden Koordinaten der Entwicklung innerhalb der Cyclogenie sind: Vermehrung durch Teilung (Auxanogenie) und fortschreitende Entwicklung (Probaenogenie). Die einzelnen morphologischen Stufen (Stadien) der Entwicklung (des Aufbaues und Abbaues) sind die Cyclostadien. Hemmungen des Probaenogenie (Mochlose) können ein Fortschreiten der Cyclogenie verhindern, die Lösung dieser Hemmungen ist die Mochlolyse. Der Höhepunkt des Auf- baues ist die Culmination, das Cyclostadium in der Culmination die Culminante. Die Summe aller Cycelostadien — aufsteigend (progressiv) und absteigend (degressiv) — bis zum Ausgangs- punkt zurück ist dieCyelode. Die einzelnen Cyclostadien werden durch einen meist sehr lang fortdauernden Wechsel zweier Wuchs- formen dargestellt. Die Cyclostadien der progressiven Oyelode sind besonders folgende: Das Basit ist der Wechsel von Mychit und Dimychit, das Phytit der Wechsel von Dimychit und Didimychit‘ das Ascit der Wechsel höherer Dimychosenverbände Die Ascite zerfallen in zwei Gruppen, die catatacten Ascite und die syntacten Ascite. Zu ersteren gehören folgende: das Phytascit (der dünne Faden) kann sich bis zum langen Faden (Mycascit) verlängern; das Sporascit bildet Sporite, das Gonasecit Gonidien, das Cystascit Cystite und das Thecascit Theecite. Zu den syntacten Aseiten gehört: das Synascit, dessen Mych sich auch quer zur Längsachse teilen können, sowie die beiden schon erwähnten Embryonenbildungen: Endothecit und Arthrotheecit, In der 406 Zweite wissenschaftliche Sitzung am 19. Dezember 1916. degressiven Cyelode ist das Plastit das Cyclostadium, bei dem Dimychit und Mychit alternieren. Das Zoit ist schließlich ein (selten auftretendes) Symmychit, dessen Körperform willkürlich verändert werden kann und aus dem sich durch riesig schnell fort- gesetzte Mychomitose lange Fäden (Pseudascit) bilden, die in kurzer Zeit zu Ketten (Desmen) von Phytiten zerfallen. Bei pathogenen Bakterien ist die Virulenz meist an ein be- sonderes COyclostadium gebunden (das Virostadium), das je nach Art des Organismus an irgend einer Stelle der Cyclode gelegen sein kann. Innerhalb jedes Cyelostadiums treten noch mannigfaltig weitere durch morphologische, physiologische oder biologische Verschieden- heiten begründete Erscheinungsformen auf, die Formanten. Die einzelnen Faktoren (morphologischer, physiolögischer und biologischer Natur) der Cyclostadien und Formanten sind die Der Stettin, 19. 8. 1916. Zweite wisssenschaftliche Sitzung am 19. Dezember 1916. Herr E. VANHOEFFEN: Über springende Cocons vom Kapland. Herr L. WITTMACK: Über Pastinake. Herr P. SCHULZE: 1. Variabilität von Pyrrhocoris. 2. Referat über: Hase, Antifermente bei Coe- lenteraten. Herr % JAHN: Über einen seltenen Myxomyceten von der Front in der Champagne. Druckfehler-Verbesserung. Seite 266. 8. Zeile v. u. Statt 4 lies 3. „266. 6. „ vw. u Statt Wurzel lies Spitze, „. 267. 21. „ v.u. Das Wort „lang“ ist zu streichen. „ 267. 15: „ : vw. Statt’ I0-hes 20; „269. 9. „ v.o. Hinter: Ohne genaue Fundortsangabe setze: Vom Rio Oscuro. Cali. Cauca. Columbia nachgewiesen, gleich pyrrhus Tuos. und pietus Tos. | 269. 11. „ v. o. Streiche die Worte pietus bis Columbia. „269. 12. „ v.o. Streiche die Worte pyrrhus bis Columbia. Druck von A. Hopfer in Burg b. M. pn R I a a ur Ku -B, N Ta N al wi > r "Var ea / + en Wh 44 4 R Fr“ ar nr . ve} Trail 4 BB ul a N a) Kos! ( br " j . Y 2 a Beni] ! Mine al ‘ #4 PR ar 208) I H Al, Are RN. AN Nie Auszug aus. den. . BR : Al \Y der. nN | Gesellschaft Naturforschendor] | HEN un" N zu 1 Berlin. nn Mu Rs | PTR 0, RR Ark RRNNEN! Die; im. J BR 1773 getiftete Gesellschaft Naturfofschenda Freunde in Berlin ist eine freundschaftliche Privatverbi ndu i 2 "zur ‚Beförderung der N BUEWISERENG,. der Biontologie TARA. Be “u. Die Gesellschaft beitäht aus ordentlichen, außerorde ant- N und Ehrenmitgliedern | N: | Die ordentlichen Mitglieder, Recon "Zahl "höchstens 20 | betraken darf, ergänzen sich‘ durch einstimmige Wahl na ‚den durch königliche ‚Bestätigung. vom 17. September. 89: und 7. Fehruar 1907 festg stellten Gesetzen. ' Sie ver u an das. Vermögen der Gesellschaft und wählen. aus ihrem K & ' die Vorsitzenden und Schatzmeister. REN . Die außerordentlichen Mitglieder, difen Zahl’unb SC ist, werden von ..den ordentlichen Mitg gliedern, auf. Vors ' eines ‚ordentlichen. Mitgliede unter! e eingehender. grün i gewählt, Für freie Zustellung ‚der. ‚Sitzungs Y: we Einladungen zu den ‚Sitzungen. zahlen. die’ 3 Di Mitglieder einen Jahresbeitrag. ish 5 es h sr „Archiv für. ‚Biontologie“ ‚und. a 'yon der-6 ER stützten, ‚Verö a | HUN x der Mona An jedes Monats EN Ms Konferenzzimmer der K | e Eu rad je ER abends f Eh r N Krahe | rEN N . R ANA y san de A EN N A. 4, Rn RR } BRLER RR N De Ye. N Ban) a RAN, j" 1% | ER RS IR 4@1C1 1, Bevölkerungsschnitte ar das Centröfugenplankton des Atlantischen ntischen Ozeans e von der Westwindtrijt i in #FF°Nd.Br. biszum Falklandstrom in39°Sd.Br kunoen der ee: @ % Geographische Br. DTIEETRTÜEET FT B a7. : = en 2030 30%50° Zyigp' 39915’ 38°43 Sd.Br. Lage: Lg! West: 995° 151° _20°7 2321 216 28°8 30°21 3a Hu! Zst Ka 30?" 28°33' 29059" 34°3' ya er] 4 430° 4Be20' 527 S432W.Lg- | AMeeresgebiete und Westwindtrift E53 Westwindtrift Nord- Aguatorialskrom Nord- -Äguatorialstrom Quineastrom Süd-Äguatorialstrom E- Brasilstrom nördlich £ Brasilstrom südlich von S = = Schnitrichtung: Nördlich vonden Azoren = n Südlichv.d.Azoren Sängsschnitt Querschnitt Wurzelgebiet AMERSCHNUER es von Cap Frio & CapFrio S=5 Schrägschnitte oT Schrägschnitte am Rande zur Sargasso-Set inetwa 45°W.Lge- Schrägschnitt in 29bis 32° W. Se. ae 1 Schras.d 5 Schras. erfr 8% y Beitder Unter. Ber an ee Sentembertrilifein 14 16 1? 19 90 23 2528 99 p x 27 1 21 9 26 301 EEE ! on Ss _ N 9 4 325 2030 |1 8 4 _Metem Pe EN Une I er Dee Zee . (re pe BEuEREe SanSEE sur Sara ee N NAURU SE ara Sy EEE a ID an > a ter 9 N ER UERI IV Se BESSER N IIN HEIee AUY ° BE | HIESS EBEN ee IR EU ENT I NUDE ZI ZEN, 2 Eraser m eo ea 0 er DEI EREDD ERS SEIZS \ 2 —250 T / 7 IL 2 Brzen 272 Sa Ver elrrzeivTeerserzeuae vzele 2 Pa a 3 Nu an a EN SZ Zu SE a zaumaNlır/ = Same Zul nm au” wel „Zoran Sy ee | Sa See DA an ee a Be | = ee) ee |, aan mE ern Fe. Ze ms UL Se ur um ST Vetter. | EEE SELENS NEN DER NDJEREIH a syn. ma 5), ZN ae A eis Sf ZE>SSn EEE Zen au a 5 VENETIEN WINE N Au ISIS 7/2 nase ON a HERE DZ a BE a NSS ann ae er: Bee ERrz er m 182 SI RNITII ZRH: COS >22 rer eezer 2 i 2 lei = Seen Se a ea er Tarzuıe ya %- 3% KL ZEFRERE x om a Saturn ISBN: zes s Ban F m DE r 2 Fo RB x 7 bo Br au 100 >27 aD ang I DS bez Am ee og a Do Go en er ze ee em FH=H-FoH.® Frese Bere leneene 2 ee EEE RE ee FE 3. 5 Isopykne für 26,000, Auf 25m Jiefenabstand Sn Pe en eh nen Pre ? ms sl 1o 12 14 > 2 FE rs ee B - Om | Bi Sue Zeh Zeus mama £ HEERES Et HH nie Sue mise Tee Ho SLOT HS I ee ee a I ee Il ww a, \z ee Dan 5 SE I He a er zu >> een Ma m a u Ba Da GB 200 300 Da u u Os rer ie ee NL - 2 IE a a u Du eo ee 35 ln I an BE Tesumaezese || I 300 ren Fe Fass Zee le Lyoo ” I insert Ss Sen jez 00 : Sitzungsber. Ges. naturf. Freunde Berlin 1916. Mafel IT. T. Die beobachteten Querschnitte ausdem Südäguatorialstrom. E.Coccolithoph fragilis. FE Umbilicosph.mirabilis.! | Q. er pulchra HE T. Konstruierter Längsschnitt, Strommitte. IT. Honstruierter Flachschnitt i.d, Oberflache. TE Tafel III. Sitzungsber. Ges. naturf. Freunde Berlin 1916. 2 Ne A Sitzungsber. Ges. naturf. Freunde Berlin 1916. Tafel IV. Ba A A a 02 Zi ur A Sitzungsber. Ges. Naturf. Freunde Berlin 1916. Tafel V. MTScH. & ZuK. Nr. 8406. Bezirk Tabora. ZICKENDRAHT coll. er i AL 5. lichtensteini _S.shirensis>< rukwae (linkes Horn). A. 122, 09, 298. Kinani, Rukwa-Becken FRoMM coll. 5. TSCHIE und ZUKOWSKY, Sigmoceros. Sitzungsber. Ges. Naturf. Freunde Berlin 1916. Gurui, Massailand. OÖ. NEUMANN coll. Tafel VI. B. oscarı 2. Zwischeu Kapalata und Saranda, Süd-Turu. Dr. CLAus coll. 3. 4 Bubalis oscari. Typus d. 0 S. shirensis (rechtes Horn) > Sitzungsber. Ges. Naturf. Freunde Berlin 1916. Tafel IX. er WIENER vr ya Sitzungsber. Ges. naturf. Freunde Berlin 1916. Sitzungsber. Ges. naturf. Freunde Berlin 1916. Sitzungsber. Ges. naturf. Freunde Berlin 1916. Tafel XII. Sitzungsber. Ges. naturf. Fr. Berlin 1916. Tafel XIII. Tafel XIV. Sitzungsber. Ges. naturf. Fr. Berlin 1916. n 1% EN m x een zum rm — . 2.5 ee reererut EUER T Amar K a en En a a ee a mu u a n a Bun _ Zahlenwerte für die Fahrtschnitte aut Tafel I. (Alle Zahlen gelten für 1 Liter Wasser.) mm nn Meeresgebiete ER I Westwinddrift ee) 4 II Nordäquatorialstrom III Guineastrom |IVSüdaquat.-Str. V Brasilstrom VI Falklandstr. © 7 | be] See) | nD N SS Warmesır süd Wasser Nähere Be- Kühles Wasser nördlich der Azoren (weniger als |, = lich © 3 Südrand der , Wurzelgebiet d Warmes Wasser (200 = 2 _ L : ns i 50 geblet des || . arm ser (20° C und mehr | Kühles Wasser (weniger |tem erat stimmungen 20°C in 0 m; Minimum 12°) Su 200 an in Sargasso-See | in 45% w. Lg. Stromes in 300 w. Lg. in 0 m) als 200 C a m). 1a auf 5800 3 in 0 m sinkend ap 8 [) Art des Schnittes Schrägschnitt 1 | Schrägschnitt \ Längsschnitt Querschnitt Schrägschnitt Querschnitt Schrägschnitt 1 | 2 | 2 Schrägschnitt 4 Schrägschnitt Geogr. |n. Br.47029° 4609 45°25° 42724 36050! | 24055 24057! 2503' joe) BER oe BERN Bros: 150 15021' 21044' 26030’ 30°50° 34°26° |39°15° 38°43'|s. Br. Lage \w. Lg.|9° 15‘ 1501‘ 2007! 28027' vr 27°6' 30°21' 36°26' 44949! I 4507' 43944! 3607' 28033° 29059! a 3403: 3709° 4108! 43°0' 48° 20' 52°]' 54°32'|w. Lg. V 1911 Zeit | 14 | 16 | 17 19 | 20 | 23 26 28 29 7 10 | 1216 | 19 | 21 | 23 | 26 | 28 | 30 | 1 3|5 7\0|2|14|7|19|2|24|3 5 7,9 |ı1 |15| 17 |19 | 21 | 23 | 25 | 28 | 30 1 4 ll DL NT 1. Gesamtheit aller Protophyten (Pflanzen). Tiefe inm: 0 [42820 1807/12646 6960|2110|31224 *)|2443 |21500]3146 165713631760 1385| 727 | 829 |284211576/3207[1871/3196| 982 |8670|1935|2598|1489| 939 |1873]3323|2784[1252|1312]1169|1539|1741! 907 |2022|8586| 5580 |13475|3062 9566 13191|1080[75973|43999| 0 25 1498| 15821 9788 [8530 2322046) 1733 1613 1248 25 5 5 12925 4324 6244 468!1836/112011212)1053|1485/3161|1795 2337|1091]1089 3633/1833 210114024 1916,133911017|1232 248212560 5638|15344| 4129 3854 7927| 2600 [2144 12522! 3531 | 50 ns | 1863 1968 2339 4750| 540 | | 75 7 13098 n 238 |157 920 710 | 673 532537 |1626| 886 | 405 1123322471230 663 | 594 | 377 377 | 673 | 39 | 747 | 477 1027| 231 | 668 11623] 698 \11368|1231| 4620 | 1513 | 697 2970| 2630 5578 | 1454| 100 1 a 127 118 375 104 | 149 150 | 27 | > 10757 158 | 57 | 348 | 202 116/13 | 29 | 89 | 58 | 141 | 297 | 796 | 55 | 98 | 168 89 | 28 | 81 |210 173 |417 133 151 |301 |391 |186 | 73 | 183 | 329 | sı [222 | 982 247 | 153 | 200 400 253 | 25 | 108 7C 26 6 85 29 | 72 89 13.1 29 | 29 | 19 | 70 | 279 | 64 |107 | 239 62 3 400 | | 2. Pontosphaera huxleyi Loum E Tiefe inm: 0 ]|6256 508 | 3036 | 911 |1872) 2580*) | 3910 | 5364 | 987 | 304 | 40.25 | 0 | 38 | 63 |468 | 164 | 367 [253 [127 | 152 | 63 | 76 |114| 0 | 51 |1139]2162|1316] 354 | 266 253 |455 |834 519 135412846| 1758 | 3795 [1240| 797 | 4149 [582 |11536| 2505| 0 "95 2586 11898 171127 430 76 206 | | A| | 25 0 ee ni 1442 55.101 | 89 |228 | 215 | 266 | 921 | 291 545 | 228 | 38 291 | 354 860 1643 493 | 240 |545 | 670 ,1898|1341,3706| 1366 | 2479 121511126) 683 | 911 | 4364 | 1746| 50 ” © 89 455 1101/1670] 139 75 13 = 228 25 | 5l 304 228 | 253 31325 |366 |215 | 92 | 215 |304 | 177 194 |215 | 76 38 | 89 | 0 | 164 |127 190 | 25 |316 | 911 443 | 810 | 253 | 1063 | 961 | 228 | 380 | 633 1417 | 860 2 0 38 : 38 25 | 25 b) an 525 13 | 5 5 5113 | 0 | 28 38 | 101 | 200 G 5 10270572 0 | 38 |139 | 171 0 |13 | 13 02202202 5392150 15 | 25 | 13 | 25 | 89 |266 | 51 | 38 | 63 | 215 | 13 0 An 1% 0 3 n = s o 2 0 0 25 013 0 Oo IE 0. 25 | 76 | 0 | 25 | 76 0.0 | 400 | 1 | 0100011 3. Calyptrosphaera oblonga Loum. Tiefe inm: 0 0 (0) 0 0 0 |2986* | 0 0 1253| 51 | 517 0 3 710 | 51 143° 57 1139) 7 | 01 0 ® 0) 3 : 0 | 0 0 13051 | 3 | ae v3 8 0) 2521.05120 (0) 0) 0 0 er 3 | 202 10 262 127 IE | 2 > l.o n % 31 20.505 | 164 | 114 | 47 | 316 | 327 | 137 393|710 0,0 13 0 als 27|3|20 0/38 8|5|3 0olo|o|jo| oo &ü 0 0 ö | | > | 0 | 100 x (0) ö 00 0 0 ) 7610 3%, ) 2 103 \ 468 | 127 3.0) | W 5 0)0/0|!0|0 oelee SE 202 2102 2102 205 B0E EOS 0, 0 0|0 0) {0) 0 150 & 010 0500220220520 02 002 502702 2381202205 50 0 0 0 | © 0 0 0 0 200 an 2 0) 2 q 2 ° 0 x S | 2 2 h = 2 {) 0 0 0 () DET 0 0 Bj, @® | -® 0 0 0 0 0 0 0 400 400 ———— 1001001000101 m A Eee ee DE | re ee ee 4. Coccolithophora fragilis LoHm. I 0 0|0 3 () 3220 0 0 0 0 0 ne 0\ 0 N) 0|0o 0%) fi) fi) ©0001] 0/010)01010|0j0]|0] © N 0/0 a 0 j127)19] 0 |253|0/|0|0]|0 0% 25 0 ® 02 ah : 0/0 0 1222| Om Now 02 Nor Kos E3u wo or Kon Fon Mo 23220520250 || 0 ö N) ) 050. 02.0.0. 07.010 100 | ale 3 ” Ir 2 0 0 0/0 0 | 3/0 |51|6 ® | | Do © | © 0 0 02150 0 0 0 100 100 14 010 0 {0) {) 0502 202 202 20220220220 0 0 la 150 (0) 0 37 | s : 0 0 200 | | 13 | 0 o'23101810!0|10|01010/0|0|8 200 0| | 010 010 702 SE 205 E02 E75 2252 210 1 ® N 2 0) 2 | 5 ty 0 ; =010/10)0|@@)0.o|®| 0 | 0 | 0 | 400 400 0) | 0 0 0 0 | | i | | *) 0,5 m tief, “bb; ap Mi N A) ar® au { | j } ; — un a a Er “Arts j =” 4 f 0 Pu m ar RL Ze Fe BB RENTE aan | Ka ee FR - Fr 1 ar y , wur Me