1 y er . HARVARD UNIVERSITY. LIBRARY OF THE MUSEUM OF CORDARETTER ZOOLOGY IL yehamgu May ie 1923- Op 5. 1926. 5 7A 7 A ” “ WAY 16 1923 ae Sitzungsberichte der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin. Jahrgang 1920. BERLIN. M KOMMISSION BEI R. FRIEDLÄNDER & SOHN, NW CARLSTRASSE 11. 1921. U Yard | DRIDOHENDDEUNT NEN: v 0 11 R hiü } N UN bu Inhalts-Verzeichnis. ENDERLEIN, G., Neue paläarktische Simuliiden Heymons, R., Über ein Pferd mit zebroider Zeichnung JANENSCH, w. Elaphrosaurus Bambergi und die Mrslorannids aus den ern. Schichten Deutsch-Ostafrikas . i Levy, F., Über verschiedenartige Spermatozoen bei Alkphibien MARCUS, E, Mittelmeer-Bryozoen aus der Sammlung des Zaelogaklien ER zu Berlin . Moser, F., Nordische Binhennphoren. ar E. W., Bastardierungen von Oaviedeni in n Transkaukasien PoHLE, H., Zur Banckiie der Raubtiere - Br J. F., Das angebliche Vorkommen und Wandern dr Parietal- foramens bei Dinosauriern : ‚ Bericht des Vorsitzenden über das Geschäftsjahr 1920 . RE W., Zur Lebensweise von Pseudagenia ’ i on, E., Biologische Beobachtungen an Gorilla ad Shlepanze \ REMANE, A., ehsomalien an Anthropoidenschädeln I . RoMIJN, G., Über zweiseitige mikroskopische Dauerpräparate . Wachs, H., Über Augenoperationen an Amphibienlarven ER R., Lymphocystisstudien . s WILHELMI, H., Biupefinientelle Untersuchungen zur Theorie det Kerhischen aeite III a 5 y a Verzeichnis der im Jahrgang 1920 neu beschriebenen Gattungen und Arten. Reptilia. + Elaphrosaurus, nov. gen., p. 225, JANENSCH. + Elaphrosaurus bambergi, nov. spec., Deutsch-O.-Afrika, p. 225, JANENSCH. Insecta. Dipiera. Onetha heymonsi, nov. spec., Norwegen, Finnland. p. 213, ENDERLEIN. — lapponica, nov. spec., Lappland, p. 213, ENDERLEIN. — trabeata, nov. spec., Italien, p. 214, ENDERLEIN. Nevermannia angustifrons, nov. spec., S.-Frankreich. p. 213, ENDERLEIN. — bulgarica, nov. spec., Bulgar., p. 213, EINDERLEIN. — tristrigata, nov. spec., S.-Spanien, S.-Frankr., p. 213, ENDEREIN. Odagmia angustimanus, nov. spec., Erzgebg. p. 217, ENDERLEIN. — specularifrons, nov. spec., Norweg., p. 217, ENDERLEIN. — wilhelmiana, nov. spec., Erzgebg., p. 217, ENDERLEIN. Schönbaueria, nov. gen., p. 214, ENDERLEIN. Schönbaueri matthiesseni, nov. spec., Berlin, S.-Rußland, p. 215, ENDERLEIN. — peetsi, nov. spec., Berlin, Schwed., p. 216, ENDERLEIN. — tömösvaryi, nov. spec., Württembg., p. 215, ENDERLEIN. Simulium alternans, nov. spec., Tatra, p. 219, ENDERLEIN. — heidenreichi, nov. spec., Deutschld., p. 219, ENDERLEIN. — latimanus, nov. spec., Deutschld., Engld., p. 218, ENDERLEIN. — montanum, nov. Spec., Erzgebg., p. 221, ENDERLEIN. — ochrescentipes, nov. spec., Farutza, p. 224, ENDERLEIN. — parvum, noy. Spec., Europa (ohne näh. Angabe), p. 221, ENDERLEIN. — schönbaueri, nov. spec., Tatra, p. 218, ENDERLEIN. — tenuifrons, nov. spec., Deutschld., p. 222, ENDERLEIN. — tenuimanus, nov. spec., Berlin, Finnld., p. 222, ENDERLEM. — transcaspicum, nov. spec., Transkasp., p. 223, ENDERLEIN. Wilhelmia dahlgrüni, nov. spec., Sardin., p. 214, ENDERLEIN. — jaleula, noy. spec., Berlin, Engld., p. 214, ENDERLEIN. LE Für das Notopfer haben bisher gezahlt: 15 M.: Herr v. Boetticher v. Bülow-Trummer 200 M.: Herren F. u. P. Sarrasin 50 M.: Herr Fick Pompekj 10 M.: Herr Armbruster Reck Bischoff 20 M.: Herr Benecke Bokelmann Biedermann-Imhoot Borchmann Claussen Brahm Collin Brühl - Correns Burkhardt Glaue Deegener Hartmeyer Depdolla Hedicke Dietrich Heider Duysen - Heinroth Frl. Erdmann Herberg Herr Fritsch. Hesse (Bonn) Germershausen Heymons Gothan Hilzheimer Gruner Hintze Gutherz Kolbe Heck .Kükenthal Helfer Kuntzen Frau Hoppe-Moser Lohmann vo. ö Herr Hörich Matschie Hoyer Moser Pappenheim dan Jahn Frl. Pariser Huth Herr Quiel _ Kassner A. Reichenow Keilhack Schellenberg Klatt Schumacher Klinkhardt Spemann Knuth Tornier Koch Wachs Krüger v. Waldeyer-Hartz Kühn N | | en ur: au“ - Na RA; E RAN NEE Be LER? 2 a he At 7, Ve RT he a RN: " , Ra i j EHRT |; #0 BT Nieden Pohle Ramme Rengel Scheibe Frl. Schiemann | Herr Schiemenz 5M.: Herr ER, Schikora | Braun i Schrodt . v. Hanstein Schubotz | Hennig : Schwartz Ze Soergel | ER Zusammen 1621 M. : Hal Der Jahresbeitrag, für den die in nacheide Zeit siederi in vo le Umfang erscheinenden Sitzungsberichte geliefert werden, beide diesem Jahr ab 10 M. (Ladenpreis des Jahrgangs” =. a \ Eh 24 r h j ic r „ ee) £ 4 it) A f a MAY 16 1973 3992 Sitzungsberichte er Raturforschender Freunde zu Berlin. Nr. 1. Januar. 1920. INHALT: Per Biologische Beobachtungen an Gorilla und Schimpanse. Von E. REICHENow 1 Nahtanomalien an Anthropoidenschädeln . Von A. REMANE . ....... 41 Zur Kenntnis der Raubtiere. Von H. PoHLE......2.e.ee.enee 48 Uber zweiseitige mikroskopische Dauerpräparate. Von G. RoMIJN BERLIN, In Kommission BEI R. FRIEDLÄNDER & Sonn, NW CaArustrasse 11. 1920, C, Ausgegeben am’ 15. März 1920. ’ Nr. 1. 1920 Sitzungsbericht der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin vom Januar 1920. Ausgegeben am 15. März 1920. Vorsitzender: Herr PoMmPEcKJ, l. wissenschaftliche Sitzung (13. Januar). Herr- ARMBRUSTER: Meßbare. genotypische und phaenotypische Instinkt- änderungen. Herr REICHENOW: Biologische Beobachtungen an Schimpanse und Gorilla. 2. wissenschaftliche Sitzung (20. Januar). Herr PoHLE: Über die systematische Stellung von Amphictis und Nandinia. Herr REMANE: Nahtanomalien an Anthropoidenschädeln. Herr HILZHEIMER: Anomalien an Bisonschädeln. Biologische Beobachtungen an Gorilla und Schimpanse. Von EpDuARD REICHENOW. Mit Tafel I und einer Textfigur. Biologische Angaben über Gorilla und Schimpanse liegen bereits von seiten zahlreicher Afrikaner vor. Als ich meine Reise nach Kamerun antrat, dachte ich nicht daran, daß ich draußen Gelegenheit finden und Lust bekommen würde, eigene Beobachtungen über das Verhalten der Menschenaffen in der Freiheit anzustellen. Ich be- trachte es als einen Vorteil. daß mir aus diesem Grunde das Schrifttum auf diesem Gebiete damals völlig unbekannt war. Meine Beob- achtungen, die ich in meinen Tagebuchaufzeichnungen niedergelegt habe, sind daher von älteren Angaben unbeeinflußt und sind somit für einen kritischen Vergleich mit diesen Angaben um so geeigneter. Ich habe mich bemüht, die Schriften, in denen biologische Angaben über die afrikanischen. Anthropomorphen enthalten sind, möglichst vollständig zusammenzusuchen, und ich bin hierbei Herrn Prof. MarscHıE für zahlreiche Hinweise zu großem Danke ver- pflichtet. Vieles von dem, was ich selbst beobachten konnte, findet 1 D) E. REICHENOW. sich bereits bei dem einen oder anderen der früheren Berichterstatter erwähnt; doch gibt es kaum eine Angabe eines Reisenden, die nicht von einem anderen bestritten wird. Diese Widersprüche rühren daher, daß nur sehr wenige Forscher auf eigenen Beobachtungen fußen; die meisten verdanken ihre Kenntnisse den Erzählungen der Eingeborenen. Dazu kommt, daß man gerade den besten Gewährs- mann, DU ÖHAILLv, für unglaubwürdig erklärt hat. Diesem Reisenden hat die pathetische Form geschadet, in der er besonders seine Gorillajagden geschildert hat. Die Berichte pu CHaAızuu’s sind bei weitem das Ausführlichste und — abgesehen von wenigen Irrtümern — auch das Zutreffendste, was wir über die Lebensweise des Gorillas besitzen. Nächst ihm haben vor allem so erfahrene Jäger wie v. KoppEnFEus und neuerdings v. ÖERTZEN unsere biologischen Kennt- nisse der afrikanischen Menschenaffen erweitert. Auch die Angaben derjenigen Afrikaner, die sich auf Neger- erzählungen stützen, enthalten neben vielem, was teils sicher falsch, teils nicht nachzuprüfen ist, manches Richtige. Man geht sicher zu weit, wenn man das Befragen der Neger als eine auf alle Fälle unzuverlässige Quelle betrachten will. Nur muß man hierbei zweierlei beachten. Zunächst ist es nicht gleichgültig, wen man fragt. In jeder größeren Dorfgemeinschaft gibt es nur wenige geübte Jäger und Kenner des Busches, und nur diese wenigen sind in der Lage, über die Tierwelt zutreffende Angaben zu machen. Ferner ist es nötig, daß man dem farbigen Gewährsmann länger bekannt ist und daß er Zutrauen zu dem Weißen gewonnen hat. Dem fremden Weißen wird der Neger stets diejenige Antwort geben, von der er glaubt, daß jener sie hören will. Wer nur auf den großen Verkehrsstraßen das Land durchwandert und in den Dörfern, in denen er rastet, die Eingeborenen ausfragt, wird wenig Brauchbares erfahren; wer aber auf zahllosen Jagdzügen in Begleitung eines ge- übten farbigen Jägers den Busch durchkriecht, wird von seinem Jagdgenossen manche wertvolle Ergänzung zu ‚seinen eigenen Beob- achtungen erhalten können. Meine eigenen Erfahrungen über die Lebensweise des Gorillas und Schimpansen habe ich größtenteils am oberen Njong in Kamerun in der weiteren Umgegend des Schlafkrankenlagers Ajoshöhe ge- sammelt. Ajoshöhe lag am rechten Ufer des Flusses ungefähr 40 km oberhalb der Station Akonolinga. Dazu kommen die Beobachtungen an folgenden Plätzen: etwa 30 km von Akonolinga entfernt an der Jaundestraße, östlich der Dume-Station und am oberen Dscha. Über die Artenfrage bei den afrikanischen Anthropoiden herrscht unter den Fachleuten keine Einigkeit. Ich muß es dem Fachmann über- Biologische Beobachtungen an Gorilla und Schimpanse. 3 lassen, an dem von mir am Njong erbeuteten Material zu bestimmen, auf welche Spezies sich meine Beobachtungen beziehen. Nach einer vorläufigen Auskunft von Herrn Prof. Marscaıs handelt es sich dabei um drei Schimpansen- und zwei Gorillaarten. Am Dume und am oberen Dscha habe ich keine Menschenaften erlegt. In biologischer Hinsicht habe ich in den verschiedenen Gegenden keine Unterschiede gefunden. Wir werden aber sehen, daß wir trotzdem nicht berechtigt sind, ein völlig gleichartiges Verhalten der Menschenaffen an allen Orten ihrer Verbreitung anzunehmen. Beispielsweise zeigt uns bezüglich der Art und Weise, wie der Gorilla seine Lagerstätte herrichtet, ein Vergleich meiner Befunde mit den Angaben so zuverlässiger Beobachter wie KoPrPpENFELS und OERTZEn sehr bemerkenswerte Verschiedenheiten. Beziehungen zwischen Gorilla und Schimpanse. Das Vorkommen einer der beiden Anthropoidenarten an einer Örtlichkeit schließt das der anderen nicht aus. Der Schimpanse ist sehr viel allgemeiner verbreitet als der Gorilla, man. beobachtet den ersteren daher in vielen Gegenden, in denen von letzterem keine Spuren zu finden sind. Auch die Eingeborenen haben mir mehrfach in schimpansenreichen Gegenden bestätigt, daß der Gorilla dort niemals aufträte. . Umgekehrt habe ich an allen Orten, an denen ich Gorillas gefunden habe, auch das Vorkommen von Schimpansen festgestellt. Dagegen habe ich beide Arten niemals gleichzeitig an derselben Stelle beobachtet. Die Vorliebe für die gleichen Örtlichkeiten beruht darauf, daß ‚die Nahrungsstofie für beide Affenarten dieselben sind; aber die Gleichheit der Nahrung muß auch ein friedliches Nebeneinander- leben der beiden Arten, ganz besonders im Hinblick auf die großen Mengen von Nahrung, deren sie bedürfen, unmöglich machen. Offenbar weicht der schwächere und flinkere Schimpanse dem stärkeren Verwandten aus. KoPrPEnFELs berichtet allerdings über ‘einen Fall, in dem er ‚beide Anthropoiden zusammen angetroffen hat. Er schreibt. folgendes: „Mehrere Tage hatte ich nun schon vergeblich weite Strecken abgesucht, als eines Morgens das dumpfe Grollen eines Gorillas an mein Ohr schlug, gleich darauf der laut gellende Schrei eines jungen Tieres. Sofort entledigte ich mich aller überflüssigen Gegenstände und schlich mich vorsichtig hinan. Nach einiger Zeit höre ich die Zweige rascheln; das Geräusch nimmt zu, und ich sehe eine große Bande Schimpansen auf hohen Kola- nußbäumen die Früchte pflücken. Näher kommend, bemerke ich etwas entiernter ein Gorillaweibchen; zugieich ertönt abermals 1# 4 E. REICHENOW, das Grollen aus einem dichten Unterholze“ Mir scheint aus dem Berichte hervorzugehen, daß der Jäger gerade dazugekommen ist, wie eine Schimpansenherde durch herannahende Gorillas aufgescheucht worden ist und auf dem Wege durch die Baumkronen, auf dem ihnen der Gorilla nicht folgen kann, das Weite sucht. Die Auf- merksamkeit der Schimpansen war durch die Gorillas so gefesselt, daß ihnen das Nahen des Menschen von der anderen Seite völlig enteing. Für gewöhnlich ist es ausgeschlossen, sich am hellen Tage an eine Schimpansenherde heranschleichen und längere Zeit un- bemerkt bleiben zu können. | Man hat vielfach die Vermutung geäußert, daß unter natürlichen Verhältnissen Kreuzungen zwischen Gorilla und Schimpanse vor- kämen, und man hat Tiere, deren Aussehen von dem gewohnten abwich, für derartige Bastarde gehalten. In physischer Hinsicht wird man bei so nahe verwandten Arten gegen die Möglichkeit derartiger Kreuzungen kaum etwas einwenden können; nach dem, was ich oben über die gegenseitigen Beziehungen zwischen Gorilla und Schimpanse gesagt habe, kann ich mir aber nicht recht vor- stellen, wie diese Kreuzungen zustande kommen sollen. Jede der Arten lebt unter sich gesellig, und die Herden sondern sich gegen- einander ab. Wie soll der schwerfällige Gorilla in eine flüchtende Schimpansenherde einbrechen oder gar ein: Schimpanse in eine Gesellschaft der ihm an Körperkräften weit überlegenen Gorillas? Die Gleichheit der Lebensbedingungen bringt es mit sich, daß. einander so nahestehende Tiere wie Gorilla und Schimpanse in ihrem Verhalten viel Gemeinsames zeigen. Es empfiehlt sich daher, daß wir bei der Schilderung ihrer Gewohnheiten auch beide Tiere gemeinsam behandeln. Die Lagerstätten. Sowohl der Gorilla als auch der Schimpanse richten sich Lager- stätten her, auf denen sie die Nacht verbringen. Ihrem Aussehen nach kann man diese Lagerstätten als Nester bezeichnen. Der Nesterbau ist der für den Beobachter auffälligste Betätigungszweig der Tiere; zudem geben uns die Art der Herstellung, die Ortlichkeit, die Zahl der Nester, die Beziehungen neu errichteter Nester zu alten nicht mehr benutzten zahlreiche Aufschlüsse über die Ge- wohnheiten der Tiere. Wir wollen daher den Nesterbau zum Aus- gangspunkt der Schilderung machen. Merkwürdig widerspruchsvoll sind in dieser Frage die Angaben in der Literatur. Savacz (fide BreHum) beschreibt bereits zutreffend aus eigener Beobachtung die Nester der Schimpansen. Vom Gorilla Biologische Beobachtungen an Gorilla und Schimpanse. 5 gibt er (1847) nach Eingeborenenaussagen an, daß dessen Lager- stätten denen des Schimpansen ähnlich seien. Dagegen hat pu CHaızvu (1861, 1867) niemals Nester des gewöhnlichen Schimpansen gesehen, nur von Troglodytes calvus beschreibt er eigentümliche Regendächer, unter denen dieser die Nacht verbringe. Vom Gorilla haben ihm Eingeborene berichtet, daß dieser sich eine Hütte aus Zweigen baue und auf deren Dache schlafe. Er bezeichnet dies als Fabel und glaubt nach seinen Beobachtungen, daß Weibchen und Junge die Nacht auf einem Baume verbringen, während das männliche Tier am Fuße des Baumes schlafe, den Rücken gegen den Stamm gelehnt. ReAıpe (1868) wiederum gibt zu, daß der Gorilla ein Nest errichte, doch sei dies nur für schwangere Weibchen bestimmt, für gewöhnlich schlafe dieser Affe ohne besonderes Lager auf einem hohen Baum. Auch nach Famerart (1883) verbringt der Gorilla die Nacht auf einem Baume, doch richtet er sich hier- für in einer starken Astgabel ein Blätterlager her. Burton (1876) sah unter einem Baume einen großen Blätterhaufen. Sein farbiger Begleiter erklärte ihm, daß darauf ein männlicher Gorilla geschlafen habe, während dessen Familie auf dem Baume genächtigt habe. Burton ließ sich auch von Eingeborenen Schimpansennester zeigen und gibt davon eine kurze zutreifende Beschreibung. Wichtige Angaben über Gorillanester machen nach eigenen Beobachtungen Korpenreıs (1877) und OrrTzen (1913). ZENKER (bei MatscHıe 1903, S. 367) gibt eine kurze Beschreibung eines Gorillalagers, die sich mit der von KoppEnreLs gegebenen deckt. Auch Scakuzzs (1912) hat ein Gorillanest gesehen und von diesem eine nicht sehr an- schauliche photographische Aufnahme gemacht. Beschreibungen von Schimpansennestern liefern außer den oben erwähnten Forschern (SAVAGE, und Burton) aus eigener Anschauung noch REICHARD (1884), SCHULZE und ÜERTZEN. | SCHWEINFURTH (1874) berichtet aus dem Niamniamgebiete nördlich des oberen Uälle von Eingeborenenerzählungen folgendes: „... auch vom Errichten der Nester war die Rede, welche sich die Schimpansen angeblich aus Laubzweigen in der Höhe der Baumkronen herzustellen bemüht seien, an denen aber nichts Wahres ist“. Diese Behauptung eines Reisenden von der Bedeutung ScHwEINFURTH’S ist äußerst belehrend und zeigt, wie schwer oft die einfachsten Tat- sachen eine Klarstellung erfahren. ScHwEinFurtH hat offenbar gar nicht versucht, sich von der Richtigkeit der Negeraussagen zu über- zeugen; denn wer in einer schimpansenreichen Gegend nur wenige hundert Meter vom Wege ab in das Dickicht dringt, für den gibt es gar nichts Auffälligeres und leichter Festzustellendes als die bh E. REICHENOW. zahllosen Nester dieser Affen in den Baumkronen. Schließlich sei noch erwähnt, daß GarnER (1896) in seinem Buche „Gorillas and Chimpanzees“ angibt, daß er monatelang vergeblich nach Nestern von Schimpansen und Gorillas gesucht habe und daß er daher an deren Vorhandensein nicht glaube. Angesichts dieses Mißerfolges dürfen wir einige Zweifel hegen, wenn der Verfasser mehrfach betont, daß er mehr als jeder andere Weiße von den Menschenaffen gesehen habe. In den vier Gegenden, die ich eingangs erwähnt habe, am Njong, am Dume und am Dscha, habe ich die Gorillanester in übereinstimmender Weise angelegt. gefunden. Niemals habe ich ein Nest auf einem Baume angetroffen, sondern entweder, und zwar meistens, unmittelbar am Erdboden oder in einem niedrigen Gebüsch in einer Höhe von einem bis höchstens anderthalb Meter. Der Gorilla richtet sein Lager in der Weise her, daß er auf einer etwa kreisförmigen Fläche von zwei bis drei Meter Durchmesser die dort stehenden Pflanzen nach der Mitte des Platzes zu oder in mehr seitlicher Richtung umknickt und dieses Gewirr beblätterter Stengel so anordnet und miteinander verflicht, daß ein rundes muldenförmiges Nest von einem bis anderthalb Meter Durchmesser entsteht. Abgerissene und hinzu- getragene Pflanzenteile habe ich nicht beobachtet. Reißt man ein Nest auseinander, so stellt sich heraus, daß alle einzelnen Teile noch am Boden festgewurzelt sind. Angesichts der großen Zahl bedornter Pflanzen, die dem Unterholz überall beigemischt sind, ist es bemerkenswert, wie geschickt die Tiere sich solche Stellen aussuchen, an denen sich keine Dornen vorfinden. Dagegen werden großblättrige Pflanzen und hochstehende Gräser bei der Herstellung. des Nestes bevorzugt. Diejenigen Nester, die etwas erhöht vom Erdboden in einem niedrigen kräftigen Busche angelegt sind, sind in entsprechender Weise verfertigt wie die am Boden befindlichen. Die einzelnen Aste des Busches sind teils anseinandergebogen, teils nach der Mitte zu umgeknickt und miteinander verflochten. Diese erhöhten Nester sind dadurch ausgezeichnet, daß sie eine außerordentlich weiche und nachgiebige Unterlage bilden; man könnte sie mit einer Sprungfedermatratze vergleichen. Figur 1 auf Tafel I zeigt am rechten Rande ein derartiges Nest. Ein zweites Nest, das sich . daneben unmittelbar am Erdboden, zu Füßen des erlegten Gorillas, befindet, ist etwas zertreten. Der Gorilla baut sein Nest gleichgern in waldigem und in baumlosem Gelände; er legt nur Wert auf möglichst dichtes Gestrüpp | Biologische Beobachtungen an Gorilla und Schimpanse. 7 am Boden. Ich habe die Nester sowohl im dichten Urwald als auch in alten verwachsenen Negerfarmen gefunden, in denen sich noch kein stärkerer Baumbestand wieder gebildet hatte. Daß gegen den Regen kein besonderer Schutz angewendet wird, konnte ich bei einer Gelegenheit mit Bestimmtheit feststellen. Am Morgen nach einer Nacht, in der starker Regen gefallen war, stieß ich in nn o% einer alten Farm auf sieben eben verlassene Gorillanester, die sämtlich schutzlos unter freiem Himmel lagen. Hier hätte ich irgendwelche Zweige und Blätter herumliegen sehen müssen, wenn die Tiere sich etwa mit solchen zur Abwehr des Regens zugedeckt hätten. In dieser Hinsicht verhält sich der ostafrikanische Gorilla (@. behringer) vielleicht anders. Von diesem berichtet LönnBERG (1917) nach Angaben von ARRHENIUS: „The gorilla makes a kind of nest among the bamboo and puts on top of this slender twigs of bamboo“; doch ist nicht ersichtlich, ob hier eine eigene Beob- achtung des Reisenden vorliegt. Die Gorillanester werden abends bei Anbruch der Dämmerung angelegt und morgens wieder verlassen; sie werden nur für eine Nacht benutzt. Nicht selten findet man die frisch verlassenen Nester mit dem Kot der Affen beschmutzt; der beste Beweis, dab sie das Nachtlager nicht wieder aufzusuchen gedenken. Infolge des täglichen Lagerwechsels stößt man in gorillareichen Gegenden gar nicht selten auf alte verlassene Lagerstätten; doppelt erstaunlich ist es deshalb, daß so wenig über diese bekannt ist. Die Zahl der Nester, die man an der gleichen Stelle vereinigt findet, ist sehr verschieden. Selten ist der Befund einzelner Nester. Auch zwei bis drei Nester an einem Fleck finden sich nicht häufig. Gewöhnlich liegen sie in größerer Zahl beieinander. Einmal habe ich sieben, mehrfach acht bis zehn gezählt, die größte von mir beobachtete Zahl war dreizehn. Die Nester liegen nicht alle regel- los nebeneinander. Nur einmal habe ich die erwähnten sieben ee © -Q N ester in einer Gruppe vereinigt gefunden. Gewöhnlich bilden zwei bis drei, selten vier dicht beieinander liegende Nester eine Gruppe (vgl. die schematische Darstellung der Textfigur). Die einzelnen Gruppen liegen in Abständen von acht bis fünfzehn Meter von- S E. REICHENOW. einander entfernt. Die breiten Streifen des dichten Unterholzes, * die diese Gruppen voneinander trennen, verleihen jeder von ihnen den Charakter eines in sich abgeschlossenen Lagerplatzes. In dem Falle von dreizehn Nestern verteilten sich diese auf fünf derartige Gruppen. Besteht eine Gruppe aus mehr als zwei Nestern, dann sind die übrigen deutlich kleiner, gehören also halberwachsenen Tieren an. Besonders bemerkenswert ist es nun, wie sich die etwas erhöht in einem Gebüsch angelegten Nester zu den unmittelbar am Erd- boden befindlichen verhalten. Einzeln gelegene Nester habe ich niemals in dieser erhöhten Anlage gefunden. Auch nicht in jeder Gruppe trifft man ein in dieser Form errichtetes Nest. Ist es aber vorhanden, dann zeigt stets nur eines der beiden großen Nester einer Gruppe diese Bauart. In der schematischen Figur habe ich diese Nestform durch einen Stiel kenntlich gemacht. Auf ihre Bedeutung werden wir weiter unten eingehen. Von der hier gegebenen Beschreibung der Gorillanester weichen die Angaben anderer Forscher, die auf eigenen Beob- achtungen fußen, recht erheblich ab. Koppenreus”) berichtet vom Gorilla aus dem Gabungebiet: „Er baut jeden Abend ein neues Nest und errichtet dies auf gesunden, schlank gewachsenen, nicht viel über 0,3 m starken Bäumen in einer Höhe von 5—6 m. Dasselbe ist storchartig in der ersten Abzweigung stärkerer Äste aus grünen Reisern angelegt. Die Jungen und, wenn diese noch der Wärme bedürfen, auch die Mutter pflegen darauf der nächt- lichen Ruhe, wogegen der Vater zusammengekauert am Fuße des Stammes, mit dem Rücken daran gelehnt, die Nacht verbringt und so die Seinigen vor dem Überfalle des Leoparden beschützt“. ÖERTZEN Schreibt folgendes: „An den Ayne-Sümpfen bei Akoafım hatte ich häufig vergeblich auf Gorillas gejagt, bis ich eines Morgens in einer Altfarm an das eben verlassene Lager einer Herde kam. Ich zählte sechzehn Schlafnester, neun davon befanden sich auf dem Boden, sieben in etwa drei bis fünf Meter Höhe in den Zweigen von Schirmbäumen, die Nester waren durchsichtig und verhältnismäßig klein. Wenn man aus der Zahl der Nester auch nicht unbedingt auf die Kopfzahl der Herde schließen kann, da ein oder das andere Tier mehrere Nester baut, bis es zur Ruhe kommt, so ist doch anzunehmen, daß in diesem Falle sich mindestens zehn Tiere beieinander befanden, eine Anzahl, die jedenfalls über *) Da ich mir die Originalarbeit KoPPENFELS’ nicht verschaffen konnte, entnehme ich seine Berichte aus BREHM. Biologische Beobachtungen an Gorilla und Schimpanse. 9 den Rahmen einer Familie hinausgeht. Auch eingeborene Jäger in Nord- und Südkamerun bestätigen mir, daß der Gorilla, ganz wie der Schimpanse, in Herden lebe. Die vielfach vertretene Ansicht, der Gorilla lebe nur in Familien, scheint nicht für alle Gegenden zuzutreften.“ | Wenn wir die klaren Angaben KorrprnFers’ mit dem ver- gleichen, was andere Berichterstatter, zumeist nach Eingeborenen- erzählungen, gleichfalls aus dem Gabungebiete melden und was ich oben kurz erwähnt habe, so finden wir viel Übereinstimmendes. Es geht daraus hervor, daß im Süden tatsächlich nur der männ- liche Gorilla am Boden schläft und daß er sich hierzu offenbar nicht einmal stets ein Lager herrichtet. Sehr wichtig ist die Be- schreibung Orrrzen’s; denn sie zeigt uns einen deutlichen Über- gang zwischen dem Verhalten des Gorillas im Süden und den Ver- hältnissen, die ich im nördlichen Urwaldgebiet angetroffen habe. In der Gegend von Akoafim schläft der Gorilla schon größtenteils auf dem Boden, offenbar nur junge Tiere und vielleicht auch Weibehen mit Säuglingen richten sich ihr Lager in geringer Höhe in den Bäumen her. Die schwach erhöhten Lagerstätten, die ich beobachtet habe, sind wohl noch eine Andeutung der Verhältnisse, die wir weiter im Süden antreffen. Ich glaube, daß diese weichen federnden Lagerstätten in Büschen von Weibchen mit Säuglingen herrühren und werde diese Ansicht weiter unten noch näher begründen. Vielleicht kommen solche in einem niedrigen Gebüsch erbauten. Lagerstätten aber auch im südlichen Urwaldgebiet neben den auf Bäumen errichteten vor. Auf sie könnten sich die von DU CHAILLU berichteten Eingeborenenerzählungen beziehen, daß der Gorilla sich ein Haus baue und auf dem Dache desselben schlafe. Muß der Neger im Freien übernachten, so macht er sich ein primitives Schutzdach gegen einen etwaigen Regenguß zurecht und kriecht darunter. Da er selbst mehr Wert auf einen Schutz gegen die Nässe als auf eine weiche Unterlage legt, fällt ihm natürlich am meisten auf, daß der Gorilla es umgekehrt macht. Eine Erklärung für das verschiedene Verhalten des Gorillas im Süden und im Norden zu geben, ist recht schwierig. Wenn es die Furcht vor dem Angriffe des Leoparden wäre, wie KoPPEnFELS ‚meint, die im Süden die jungen und die weiblichen Tiere auf die Bäume treibt, so wäre nicht zu verstehen, warum diese Furcht im Norden nicht besteht; denn der Leopard fehlt hier gleichfalls nicht. Gerade der Umstand, daß der Gorilla im nördlichen Urwaldgebiet sein Nachtlager am Boden errichtet, beweist, daß er im Gegensatz zum Schimpansen den Leoparden nicht fürchtet. 10 E. REICHENOW. Wenden wir uns jetzt den Schimpansennestern zu, so stimmen hier meine eigenen Feststellungen mit den Angaben früherer Beob- achter zum großen Teil gut überein. Ich gebe daher zunächst die älteren Berichte wieder und füge diesen dann einige ergänzende. Bemerkungen an. | Sıvaaz berichtet aus Niederguinea '): „Ihre Wohnungen, mehr Nester als Hütten, errichten sie auf Bäumen, im allgemeinen nicht hoch über dem Boden. Größere oder kleinere Zweige werden niedergebogen, abgeknickt, gekreuzt und durch einen Ast oder einen Gabelzweig gestützt. Zuweilen findet man ein Nest nahe dem Ende eines dicken blattreichen Astes; 8—12 m über der Erde; doch habe ich auch eins gesehen, welches nicht niedriger als 13 m sein konnte. Selten sieht man mehr als ein oder zwei Nester auf einem und demselben Baume oder sogar in derselben Umgebung. Doch hat man einmal deren fünf gefunden.“ KorrrEnrFeıs schreibt: „Gleich dem Gorilla baut der Schimpanse für seine Jungen ein storchartiges Nest, nur mit dem Unterschiede, daß er dasselbe auf stärkeren Bäumen, in größerer Höhe und etwas kleiner anlegt. Der männliche Gorilla, als mehr auf der Erde lebend,. verbringt, wie schon bemerkt, die Nächte am Fuße des das Nest tragenden Stammes, der Schimpanse hingegen auf dem Baume selbst, in einer Vergabelung von Zweigen, hart unter dem Neste seiner Familie. Dv Crastvu konnte also leicht zu dem Glauben gelangen, dab dieses nur für seine Jungen hergerichtete Nest ein Schutzdach sei.“ ReıcHarp (1884) beschreibt vom Tanganika ein einzelnes Nest, das er 500 m von einem Dorfe entfernt in einem Baume drei Meter über der Erde gefunden hat und das einen Durch- messer von 1—1,2 m besaß, folgendermaßen: „Das Nest war derart hergestellt, daß das Tier die beim Erklettern zunächststehenden Zweige zuerst eingeknickt und dann andere zu sich herangezogen und ebenfalls eingeknickt hatte. Andere abgebrochene Zweige habe ich nicht bemerkt. Nach oben war kein Schutz vorhanden und scheint darauf, wie ich auch späterhin konstatieren konnte, weiter keine Rücksicht genommen zu werden, denn bald findet man Nester unter dichtem Laubdache, bald unter freiem Himmel. Der Sako (Schimpanse) soll ein Nest nur einmal benutzen, doch glaube ich dies bezweifeln zu müssen, da ich unter den späterhin gesehenen Wohnstätten ... stets nur 2—3 neue Nester mit. noch 1) Die Angaben SavagE’s über den Schimpansen gebe ich nach der Dar- stellung bei BREHM wieder, da ich die betreffende Originalarbeit nicht habe feststellen können. Die von mir eingesehene Mitteilung Savagr’s (1847) bezieht sich nur auf den Gorilla. i Biologische Beobachtungen an Gorilla und Schimpanse. 11 grünem Laube gefunden habe und die Sako in Herden von 6 bis 20 Stück zusammenleben. Die späterhin beobachteten Nester be- fanden sich alle 5—10 m über dem Boden und immer auf Bäumen, die nicht über schenkeldick waren. Zuweilen findet man zwei Nester auf einem Baume. Auch sah ich einige kleine Nester.“ ScHuLze (1912) konnte beiSangmelima „feststellen, daß sich im Walde ein Nest dieser Affen neben dem andern befand, so dab es fast den Anschein hatte, als ob diesen klugen Tieren der Nesterbau Spaß mache. Außer vielen anderen, den sonst allgemein üblichen Nestern, d. h. Haufen abgerissener Zweige in einer Astgabel, fand ich auch ein solches, welches auf den Kronen dreier zusammen- gebogener Bäumchen errichtet war, die in einem Dreieck standen. Die Fähigkeit, eine so günstig stehende Baumgruppe gleichlanger und -starker Stämmchen ausfindig zu machen und praktisch deren Schnittpunkt zu konstruieren, verrät hohe Intelligenz und einen fast mathematischen Blick.“ OErTzen (1913) hat in Kamerun den Nestbau selbst beobachtet: „Die Schlafnester der Schimpansen stehen stets auf Bäumen in einer Höhe von fünf bis. zwanzig Metern. Das Bauen des Nestes geschieht, indem mehrere Zweige nach innen’ umgeknickt werden. Das Tier setzt sich auf die um- geknickten Zweige, während die Arme nach neuen Zweigen aus- langen. Trockene Äste oder Blätter werden nie zum Nestbauen benutzt, sondern nur frisches Material, das den Armen erreichbar ist. Nach der Dichtigkeit des Baumes richtet sich auch die Dichtigkeit des Schlafnestes; in den lichten Schirmbäumen sind die Nester recht durchsichtig.“ Wir sehen alle Berichterstatter darin einig, daß sich die Schimpansennester stets auf Bäumen befinden; diese Tatsache stellt den wesentlichsten Unterschied zu den Nestern des Gorillas dar. Im Gegensatz zu den Angaben von KorrEnrFeıs steht es an den Örtlichkeiten, an denen ich beobachtet habe, außer Zweifel, daß jeder Schimpanse, auch die alten Männchen, sich ein Schlafnest herrichtet. Ich habe mehrfach in der Morgenfrühe erwachsene männliche Tiere in ihren Nestern überrascht. Die Nester werden abends bei Anbruch der Dämmerung im Laufe weniger Minuten errichtet. Ich habe einmal die Tiere beim Nestbau beobachtet, habe aber dabei keinen so freien Ausblick gehabt, um Einzelheiten, wie sie OERTZEN mitteilt, festzustellen. Ebenso wie der Gorilla stellt sich der Schimpanse für jede Nacht ein neues Lager her. Auch er sucht von Zeit zu Zeit die gleichen Schlafplätze wieder auf. Stößt man daher auf einen Schlafplatz der letzten Nacht, so findet man gewöhnlich neben den frischen Nestern, oft auf den 12 E. REICHENOW. gleichen Bäumen mit diesen, alte Nester in der Überzahl; sie sind durch ihr vertrocknetes Aussehen vom Boden aus leicht von den frischen zu unterscheiden. Ausnahmslos trifft man bei einem Morgen- besuche die Affen nur in frischgebauten Nestern an, eine Tatsache, deren Kenntnis für den europäischen Jäger von ausschlaggebender Bedeutung für den Jagderfolg ist. Aus den Beschreibungen ReıcHARrD’s und OERTZEN’s haben wir bereits ersehen, daß die Art der Nestanlage sehr derjenigen ähnelt, die ich beim Gorilla gefunden habe. Besonders trifft diese Ähnlich- keit zu bei denjenigen Gorillanestern, die in einem niedrigen Busch verfertigt sind. In welchem Maße beim Bau des Schimpansennestes außer dem Gezweig, das durch Heranbiegen erreichbar ist, noch abgerissenes Material Verwendung findet, ist im Einzelfalle schwer zu entscheiden, da diese Nester nicht so leicht wie die des Gorillas der Untersuchung zugänglich sind. Offenbar richtet sich das in jedem Falle ganz nach den Bedürfnissen; daß bei einem Teil der Nester auch abgerissene Blätter und Zweige verwendet werden, zeigt deutlich das in Fig. 3 auf Tafel I wiedergegebene Nest, das Yings von kahlen Ästen umgeben ist. Ganz naturgemäß bewirkt die Anlage der Nester in Bäumen eine viel größere Mannigfaltigkeit, als sie uns beim Gorilla begegnet. Auch SchuzzE weist ja darauf hin, daß sich der Schimpanse ge- schickt den verschiedenen Verhältnissen anzupassen versteht. Diese sind ja sehr wechselnd je nach der Baumart und je nachdem, ob es sich um junge oder alte Bäume handelt. In der Regel habe ich die Nester auf hohen Bäumen mit Stämmen von einem halben Meter Dicke und mehr gesehen, doch kommen auch solche auf Bäumchen mit kaum mehr als armdicken Stämmen zur Beobachtung. Im letzteren Falle handelt es sich um Nester ähnlich dem von ReıcHarn beschriebenen, die nur drei bis vier Meter vom Erdboden entfernt sind. Ich habe gleichfalls diese Nester stets einzeln an- getroffen; es handelt sich hier also um Lagerstätten alter männ- licher Einzelgänger. Solche Ruheplätze erscheinen für den Leoparden durchaus zugänglich, und diese Anlage scheint mir zu beweisen, daß der alte Schimpanse den Leoparden ebensowenig fürchtet wie der Gorilla. Eine ganz ausgesprochene Vorliebe bekundet der Schimpanse beim Nestbau für die sogenannten Schirmbäume (Musanga smithu). Wo ihm diese zur Verfügung stehen, wird man nur ausnahmsweise ein Nest in einer anderen Baumart finden. Abgesehen von den Fällen der ebenerwähnten Einzelgänger trifft man fast immer zahl- reiche Nester beieinander. Da meist nur ein Tier oder höchstens Biologische Beobachtungen an Gorilla und Schimpanse. 13 zwei Tiere den gleichen Baum zur Ruhestätte wählen, so verteilen sich die Nester über ein ziemlich umfangreiches Gelände. Die Gesamt- zahl ist deshalb nicht mit solcher Genauigkeit wie beim Gorilla festzustellen. 20—30 zusammengehörige Nester sind jedenfalls Keine Seltenheit. Finden sich zwei Nester auf demselben Baume, so gehören sie wohl einem Pärchen an; doch beschränkt sich auch eine Familie keineswegs auf einen Baum. Oft beherbergt ein Baum nur ein einziges Nest, dessen geringe Größe anzeigt, daß es von einem ganz jungen oder einem halberwachsenen Tiere herrührt. Für den Schimpansen, der seinen Weg mit Leichtigkeit durch die Baumwipfel nimmt, stellen diese ja gewissermaßen nur ein einziges Blättermeer dar. Die Nester können unmittelbar am Stamme an der Ursprungs- stelle starker Äste sitzen; meist aber finden sie sich vom Stamme entfernt auf der Gabelung eines starken Astes (Tafel I, Fig. 2) oder auch ohne feste Unterlage kunstvoll aus dünnem Geäst ge- fiochten. So habe ich Nester gefunden, die weit ab vom Stamme an einer Stelle ausgeführt waren, wo sich die äußersten Zweige zweier nebeneinander stehender Bäume überkreuzten. Fig. 3 der Tafel zeigt ein solches aus den Zweigen zweier benachbarter Bäume zusammengeflochtenes Nest; die Aufnahme ist senkrecht von unten gemacht. Während wir beim Gorilla aus der Nestgröße entnehmen können, daß erst halberwachsene Tiere eine eigene Ruhestätte haben, zeigen uns die Schimpansennester, daß diese Tiere sich schon in früher Jugend selbst ihr Nest errichten. Ein junger Schimpanse, der etwa zweijährig in Gefangenschaft geriet und dem es nach einem Jahre gelang, sich für einige Tage die Freiheit zurückzuerobern, hatte im nahen Walde, in dem er sich bis zu seiner Wiederergreifung auf- hielt, jede Nacht ein Nest gebaut. Orrrzen berichtet, daß von zahmen Schimpansen in seinem Besitze schon einjährige Tiere sich in der Herstellung von Nestern versuchten. Im gezähmten Zustande zeigen allerdings auch junge Gorillas vielfach Neigung zur Her- richtung eines Lagers, wie dies FALKENSTEI (1879), Hermes (1892) und GraBowsky (1904) beschreiben. Es handelt sich hierbei wohl um eine Erinnerung an früher in der Freiheit Gesehenes. Angeboren ist der Instinkt des Nesterbaus anscheinend nicht. Ein Schimpansen- säugling, der wenige Wochen, und ein Gorillasäugling, der nur wenige Tage alt in meinen Besitz gelangte, haben späterhin niemals derartige Neigungen verraten. Von einem besonderen Schutzdach gegen den Regen, wie es Du CHaısLnu zweimal (1861 und 1867) in etwa verschiedener Form 14 E. REICHENOW. für eine Schimpansenart beschreibt, habe ich ebensowenig wie andere Beobachter etwas entdecken können. Ich glaube auch nicht, daß hier örtliche Verschiedenheiten in Frage kommen; denn die .über- einstimmenden Berichte aus weit entlegenen Gegenden sprechen dafür, daß sich der Schimpanse in bezug auf den Nestbau überall ziemlich gleichartig verhält. Du CmaAıLLu hat wohl nur, wie dies auch Korrenrers vermutet, den gewöhnlichen Schimpansennestern eine irrtümliche Deutung gegeben. Eingeborene haben mir versichert, daß die Affen sich bei Regen unter ihre Nester begeben. Mir erscheint das nicht unwahrscheinlich; nur ist es nach der Anlage der Nester nicht in allen Fällen ausführbar. Sicher ist, daß der Schimpanse auch versteht, sich bei Regen mit Blätterwerk zuzu- decken. Der oben erwähnte zweijährige Schimpanse wurde, frisch eingefangen, in einer Hütte untergebracht, durch deren vordere Gitter- wand er ins Freie sah. Als bald darauf mit starkem Geprassel ein heftiger Regenguß einsetzte, begann er eifrig, sich Grashalme, die ihm als Unterlage gegeben worden waren, auf den Rücken zu häufen. Er hörte damit bald wieder auf, als die erwartete Nässe ausblieb, und er hat diese Maßnahme später auch nicht wiederholt; denn er hatte schnell begriffen, daß es in seine Behausung nicht hineinregnete. i Herden- und Familienleben. Einzelgänger. Das erste, was wir aus den Nestanlagen der Anthropomorphen entnehmen können, ist die Tatsache, daß sowohl der Schimpanse wie auch der Gorilla, genau so wie alle anderen Affen, gesellig lebende Tiere sind. Über die Größe der Gesellschaften gibt uns die Zahl der Nester Aufschluß. Wir ersehen daraus, daß die Gorillaherden denen des Schimpansen an Kopfzahl nachstehen. Die größte von mir beim Gorilla gefundene Nesterzahl war 13, während ÜERTZEN einmal 16 Nester beobachtet hat. Wenn OERTZEN — wie oben angeführt — vermutet, daß die Zahl der Tiere geringer als die der Nester sei, so kann ich mich dieser Auffassung nicht an- schließen. Man kann es einem Neste am frühen Morgen deutlich ansehen, ob die Nacht hindurch ein. gewichtiges Tier in ihm ge- legen hat, und ich habe unter den Nestern einer Gesellschaft niemals unbenutzte angetroffen. Die Zahl der Tiere ist im Gegenteil etwas gröber als die Zahl der Nester, da die jungen Tiere, wie wir schon erwähnten, erst wenn sie etwas herangewachsen — vielleicht drei- bis vierjährig — sind, eigene Lagerstätten beziehen. Dieses ab- weichende Verhalten gegenüber den jungen Schimpansen ist leicht aus der ungeschützten Lage der Nester zu erklären; solange bis Biologische Beobachtungen an Gorilla nnd Schimpanse. 15 der junge Gorilla sich stark genug fühlt, um das nächtliche Raub- zeug nicht mehr zu fürchten, sucht er Schutz bei den Alten. Wir können also die gewöhnliche Stärke einer Gorillagesellschaft in Kamerun auf etwa 10—20 Köpfe annehmen. Der ostafrikanische Gorilla (@. behringer) scheint in größeren Banden vorzukommen; denn wir finden bei LönnBERG eine Angabe von ARRHENIus, daß ' eine Herde aus 20—30 Tieren besteht. Das gesellige Leben des Gorilla ist vielfach bestritten worden; man hat ihn als einzeln oder höchstens im engeren Familienverbande lebend hingestellt (Korprnrkus). Auch SavacE (1847) schreibt: „My informants all agree in ihe assertion that but one adult male is seen in a band.“ Du Craısuu (1861) hat auf seiner ersten Reise den Gorilla immer nur einzeln oder nur ein Pärchen zusammen angetroffen; auf seiner Reise im Aschangoland (1867) hat er aber seine Ansicht, daß der Gorilla nicht gesellig lebe, geändert. „I have myself seen, on my present expedition two of these bands of gorillas numbering eight or ten, and have had authentic accounts from the natives of other similar bands. It is true that when gorillas become aged, they seem to be more solitary, and to live in pairs, or as in the case of old males, quite alone.“ Da er sich aber von der Meinung, daß der Gorilla nur in Familiengemeinschaft lebe, nicht freimachen kann, glaubt er, daß nur ein männliches Tier in den Banden gewesen sei, was sich natürlich durch die bloße Beobachtung einer Herde gar nicht feststellen läßt. Seltsam ist, was uns FAmELart von dem geselligen Leben des Gorillas erzählt: „Au temps du rut, le mäle appelle les femelles; il en reunit generalement trois & quatre, avec lesquelles il reste jusqu’a la fin des amours.“ Das Merkwürdigste aber berichtet GARNER: „In the beginning of his career, in independent life, the gorilla selects a wife with whom he appears to sustain. the con- jugal relations »thereafter, and preserves a certain degree of marital fidelity. From time to time he adopts a new wife, but does not discard the old one; in this manner he gathers around him a nu- merous family... There do not appear to be any social relations between different families.“. Der Forscher verrät uns nicht, wie es ihm gelungen ist, diesen tiefen Einblick in das Familienleben des Gorillas zu gewinnen. Natürlich kann. sein Bericht nur auf Eingeborenenerzählungen beruhen; was er uns darstellt, ist ganz genau die Laufbahn eines begüterten Negers. Daß das gesellige Leben des Gorillas selbst so guten Beob- achtern wie pu CHamwuu und KorrenFrens ganz oder teilweise entgehen konnte, erklärt sich aus dem Umstande, daß die Tiere 16 E. REICHENOW. tagsüber gewöhnlich nicht auf einem Haufen zusammen sitzen, sondern sich über ein ziemlich weites Gelände verteilen, so daß der Jäger eewöhnlich nur auf ein oder zwei Tiere stößt. Erst gegen Abend versammeln sich die Gorillas, um nahe beieinander ihr Nachtlager aufzuschlagen. Dazu kommt vielleicht, daß im südlichen Urwald- gebiet, wo die Anlage der Nester ja überhaupt abweichend ist, die einzelnen Familien auch zur Nacht weniger eng zusammen- rücken. Zudem haben es die Jäger auch vielfach mit alten Einzel- gängern zu tun gehabt, die bei der Jagd viel leichter zu stellen sind als die gesellig lebenden Tiere. OERTZEN weist bereits zutreffend darauf hin, daß die Zahl der von ihm gesehenen Nester viel zu groß ist, als daß sie alle von einer Familie herrühren könnten. Die Nestanlagen, wie ich sie oben beschrieben habe, zeigen uns nun ganz deutlich, daß innerhalb einer Herde eine scharfe Scheidung in Familien besteht. Jede Nestergruppe, die in sich eng zusammenliegt und von der benachbarten durch einen breiten Zwischenraum getrennt ist, stellt das Nachtlager einer Familie dar. Bis zu fünf Familien habe ich nach den Nestbefunden in einer Schar unterscheiden können. Die Betrachtung der einzelnen Familienlager lehrt uns gerade das Gegenteil von dem, was uns FamerArr berichtet. Mit einer einzigen Ausnahme habe ich immer nur zwei Nester erwachsener Tiere beieinander gefunden. Häufig ist die ganze Familie auf diese beiden Nester beschränkt; ist noch ein drittes oder ausnahmsweise noch ein viertes Nest vorhanden, dann sind diese deutlich kleiner, gehören also halberwachsenen Jungen an. Daraus können wir den - wichtigen Schluß ziehen, daß der Gorilla nicht polygam, sondern monogam lebt und daß sich die Geschlechter nicht nur zur „Brunst- zeit“ vereinigen, sondern daß sie viele Jahre lang zusammen bleiben. Die halbwüchsigen Tiere bleiben offenbar lange in Gemeinschaft mit den Eltern, vielleicht so lange, bis sie eine eigene Familie gründen. Um das, was wir hier über die Familienbeziehungen des Gorillas aus der Anordnung der Lagerstätten geschlossen haben, auch durch die unmittelbare Beobachtung zu bekräftigen, sei anschließend ein Jagderlebnis mitgeteilt. Ich war am Nachmittage von Ajoshöhe zu einer mehrtägigen Streife aufgebrochen und auf der Telephon- straße Akonolinga—Abongmbang nach Osten marschiert. Nach dreistündigem Marsche, es war fünfeinhalb Uhr, wurde mir un- erwartet von Eingeborenen die Mitteilung, daß sich bei einer Farm dicht an der Straße Gorillas befänden. Als ich mich eiligst an die bezeichnete Stelle begab, erblickte ich am Rande einer Erdnußfarm auf niedrigen Bäumen drei Gorillas, die sich bei meinem Näher- 4 new Biologische Beobachtungen an Gorilla und Schimpanse. 17 kommen langsam anschickten, herabzuklettern. Einen der Affen, den ich aus der Entfernung für ein ausgewachsenes Tier hielt, schoß ich herunter. Aus dem nahen Unterholz ertönte Wutgebrüll und ein junger Baumstamm wurde heftig geschüttelt. Die übrigen Gorillas blieben also zur Stelle. Zufällig hatte ich nur einen Schub in der Büchse gehabt, und meine übrige Munition befand sich mit den Trägern an dem dreiviertel Stunden entfernten Lagerplatze. Zudem brach gerade ein Tornado los, und es dämmerte stark. Ich kehrte deshalb zur Straße zurück und wartete in einer Hütte das Ende des Gewitters ab. Inzwischen ließ ich Fackeln anfertigen, und als um sieben Uhr der Regen schwächer wurde, ging ich mit einigen Negern wieder in die Farm, um den geschossenen Gorilla zu holen. Bald vernahm ich vor mir Geräusche, die mir bewiesen, dab die anderen Affen sich immer noch an dem Platze befanden. Ich mußte daher die Fortsetzung auf den nächsten Morgen verschieben und marschierte ins Lager. Als ich bei Tagesanbruch zurückkehrte, sah ich auf den gleichen Bäumen wie gestern wieder zwei Gorillas herumklettern, die sich beim Herannahen der Menschen davonmachten. Der Gorilla, den ich am Abend erlegt hatte, lag etwa zehn Meter von dem Stamme entfernt, an dem er herabgeglitten war. Neben ihm befanden sich zwei frische Nester, das eine unmittelbar am Boden, das andere anderthalb Meter hoch auf einem Baumstumpf, der neu ausgeschlagen hatte, errichtet. Dieses letztere war aus den Trieben des Baum- stumpfes und dem um diesen herumstehenden hohen Grase zusammen- geflochten (Fig. 1 auf Tafel I am rechten Rande). Das erlegte Tier war ein noch nicht völlig ausgewachsenes Männchen, wie man in Fig. 1 aus den Größenverhältnissen leicht ersieht. Das Gebiß zeigte die zweiten Molaren gerade im Durchbruch, was beim Menschen einem Alter von 13—14 Jahren entsprechen würde. Der Schuß hatte außer der Lunge das Rückgrat verletzt; das Tier ist also wahrscheinlich sofort tot, sicher gelähmt gewesen und muß daher von den anderen neben ihre Nester geschleppt worden sein. Ich ließ die nähere Umgebung genau absuchen, doch fanden sich weder weitere Nester noch Spuren, die darauf hätten schließen lassen, daß am Abend noch weitere Gorillas an dieser Stelle ge- wesen waren. Ich hatte hier also zufällig nur eine Familie vor - mir gehabt. Wie aus der Beobachtung der Tiere und den vor- handenen Nestern hervorging, gehörte zu dieser Familie außer einem Paar erwachsener Affen noch ein ziemlich starkes junges Tier _— das von mir erlegte —, das kaum weniger als zehn Jahre 2 18 E. REICHENOW. zählen konnte. Weitere junge Tiere, die noch keine eigenen Lager- stätten bezogen, waren vielleicht der Beobachtung entgangen. Wir werden gleich darauf zurückkommen, daß die Anlage erhöhter Nester auf das Vorhandensein ganz junger Tiere schließen läßt. Die Tatsache, daß ich hier eine Familie allein angetroffen hatte, ein Befund, den ich auch sonst noch einige Male erhoben habe, steht nicht im Widerspruch zu dem, was oben über das ge- sellige Leben des Gorilla gesagt wurde. Wenn wir berücksichtigen, daß sich eine Gorillagesellschaft tagsüber auf der Nahrungssuche weit auseinanderzieht, so erklärt sich solch ein gelegentlicher Befund einfach dadurch, daß einmal eine etwas weiter abgekommene Familie abends nicht mehr zu dem Haupttrupp stößt, sondern allein über- nachtet, um sich wohl am nächsten Tage wieder mit den übrigen zu vereinigen. Die Gorillaherde, die jene Gegend bewohnt, in der sich das berichtete Ereignis abgespielt hat, habe ich bei anderen (Gelegenheiten mehrfach zu Gesicht bekommen und habe mich dabei überzeugen können, daß sie aus einer größeren Zahl von Mitgliedern besteht. Wie erwähnt, habe ich von der Regel, daß eine Nestergruppe nur zwei Lagerstätten erwachsener Tiere enthält, nur einmal eine Ausnahme gefunden. In diesem Falle waren im ganzen sieben Nester vorhanden, die alle dicht beieinander lagen; von diesen gehörten vier erwachsenen, drei jüngeren Tieren an. Oftenbar hatten hier einmal zwei Familien ihr Nachtlager friedlich zusammen aufge- schlagen. Daß es sich dabei um einen männlichen Gorilla mit drei Weibern handeln sollte, erscheint mir ganz unwahrscheinlich. Käme Polygamie beim Gorilla vor, dann müßten doch öfter einmal wenigstens drei Nester erwachsener Tiere in einer Familiengruppe zu finden sein. Ich habe bereits beschrieben, daß eine erhöhte Anlage in einem Busch immer nur eins der Nester in einem Familienlager aufweist und daß auch nicht an jeder Lagerstätte einer Familie ein der- artiges Nest zu finden ist. Daraus geht hervor, daß nur eines der (eschlechter, und zwar auch nicht immer, ein solches Ruhebett errichtet. Die Eingeborenen behaupten, daß der Mann dieses be- queme Nest bewohne. Es ist dies auch wieder solch ein Fall, in dem sie ihre eigenen Anschauungen auf den Gorilla übertragen; denn nach der Auffassung des Negers gebührt natürlich dem Manne der bessere Platz. Es wurde schon darauf hingewiesen, daß diese erhöhten Nester noch eine Andeutung der Verhältnisse darstellen, die aus dem südlichen Urwaldgebiet berichtet werden, wo die weib- lichen Tiere mit ihren Jungen ihr Lager auf einem Baume auf- Biologische Beobachtungen an Gorilla und Schimpanse. 19 schlagen. Zudem habe ich einzeln liegende Nester niemals in der abweichenden Weise errichtet gefunden, und erfahrungsgemäß sind die Einzelgänger stets männliche Tiere. Ich habe daher keinen Zweifel, daß die weichen federnden Nester von weiblichen Gorillas gebaut werden. Da auch diese sich nicht immer solcher mühsameren Arbeit unterziehen, so dürfen wir wohl mit Recht vermuten, daß sie es nur dann tun, wenn sie Säuglinge besitzen. Sie können in diesen bequemen Ruhebetten das schwachbehaarte, sehr wärme- bedürftige Junge leicht mit ihrem Körper decken, ohne daß es Gefahr läuft, von ihnen im Schlafe erdrückt zu werden. Eine Ausnahme von dem geselligen Leben des Gorilla bilden die Einzelgänger. Sie bewohnen ihr eigenes Revier, wie die Er- fahrungen der Eingeborenen lehren, bei denen ein in ihrer Gegend vorkommender Einzelgänger wohlbekannt und gefürchtet ist, und wie mir auch die Nesterbefunde bestätigt haben. Die einzelnen Lagerstätten habe ich nie in der Nähe der Rastplätze der Gorilla- herden gefunden. Dies beweist, dab es sich hierbei nicht um Tiere handelt, die nur gelegentlich einmal. ihren eigenen Weg - wandeln, sondern um solche, die sich dauernd von ihren Gefährten abgesondert haben. Es ist auch längst bekannt, daß die Einzel- geänger stets sehr alte Tiere sind. Die Angabe der Eingeborenen, die schon Du CHAILLu berichtet, daß diese alten Tiere ganz weißhaarig werden können, ist auch mir in einer Form gemacht worden, daß ich an der Richtigkeit keinen Zweifel habe. Von einem Einzelgänger, dessen Bekanntschaft zu machen mir trotz vieler Bemühungen nicht gelang, erzählten mir eingeborene Jäger, die ihn gesehen hatten, daß er ein uralter Mann sei. Als ich mich erkundigte, woran sie dies erkannt hätten, erwiderten sie, ganz erstaunt über die törichte Frage, dab er ja ganz weiß sei. Nachdem wir zu der Überzeugung gekommen sind, daß das Familienleben des Gorillas einen vieljährigen Bestand hat, werden wir in den alten Einzelgängern solche Tiere sehen, deren Junge herangewachsen sind, die selbst keine sexuellen Bedürfnisse mehr haben und die durch die Auflösung der Familie den Zusammenhang mit den Gefährten verloren haben. Was das gesellige Leben des Schimpansen betrifft, so wird es von Du CHaısLuu (1861) und SCHWEINFURTH (1874) bestritten. PECHUEL-LOESCHE gibt an, daß die Schimpansen in Familien und Banden zusammen leben. Daß Reıcnarp die Herden am Tanganika auf 6—20 Stück schätzt, wurde bereits erwähnt. Nach OERTZEN sind die Herden in Kamerun bis zu 30 Köpfen stark. Auf 20—30 Tiere | 9* 90 E. REICHENOW. habe auch ich nach der Zahl der Nester die Größe der Schimpansen- gesellschaften geschätzt. Über das Familienleben ist naturgemäß aus den Schimpansennestern viel weniger zu erschließen, als aus denen des Gorillas. Daß ganz junge Tiere bei der Mutter über- nachten, ist ja selbstverständlich. OERTZEN hat einmal eine Mutter mit ihrem Jungen in einem Neste beobachtet. Etwas größere, aber noch unselbständige Junge haben ihr Nest nahe an dem mütter- lichen; ich habe, als ich eines Abends Schimpansen bei der Her- richtung ihrer Lagerstätten beobachtete, eine Mutter mit zwei Jungen zum Nestbau einen Baum ersteigen sehen, wobei sie die Jungen vor sich herklettern ließ. | Ob der Schimpanse ebenso wie der Gorilla monogam lebt, muß ich dahingestellt lassen. Wenn GArRnER (1896) behauptet: „the family of the chimpanzee frequently consists of three or four wives and ten or twelve children, with one adult male“, so bleibt er den Beweis hierfür ebenfalls schuldig. Auf der Jagd habe ich nicht den Eindruck gewonnen, daß in einer Herde mehr erwachsene weibliche als männliche Tiere vorhanden waren. Wie beim Gorilla kommen auch beim Schimpansen alte Tiere vor, die Einzelgänger sind. Weiter oben habe ich berichtet, daß Reıcharp das Nest eines solchen. beschrieben und daß ich selbst mehrfach ähnliche Nester gesehen habe. Sie zeichnen sich durch die Sorglosigkeit aus, mit der sie in geringer Höhe vom Erdboden angelegt sind. Auch an Übernachtungsplätzen ganzer Herden kann man einzelne Nester beobachten, die ziemlich niedrig sitzen. Das in Fig. 2 wiedergegebene Nest stämmt von solchem Platze und befand sich in einer Höhe von nur etwa fünf Meter. Solche Nester rühren auch wohl stets von starken männlichen Tieren her. Ernährung und Wanderleben. Ein Hauptunterschied zwischen Gorilla und Schimpanse, der ja auch in der Anlage der Nester zum Ausdruck kommt, besteht darin, daß der letztere weit mehr dem Leben auf den Bäumen angepaßt ist. Der Gorilla ist ein ausgesprochener Bodenbewohner, wenngleich er natürlich befähigt ist, auf der Nahrungsuche einen Baum zu erklettern. Schon pu CHaAısuu :hat diese Eigenschaft sehr richtig beobachtet (nach der französischen Ausgabe 1863): „ll n’est pas exact de dire qu’il vit habituellement sur les arbres, ni m&me qu’il y s&journe jamais. Je l’ai presque toujours trouve & terre, bien qu'il grimpe souvent sur un arbre pour cueillir des baies que des noix; mais quand il les a mang6es, il redescend & terre. Ües enormes animaux ne pourraient pas, en effet, sauter de 3 Biologische Beobachtungen an Gorilla und Schimpanse. 9] branche en branche comme les petits singes.“ „Les singes qui vivent habituellement sur les arbres, comme le chimpanze, ont les doits des mains et des pieds beaucoup plus longs que ceux du gorille, qui se rapprochent bien plus des mains et des pieds de Fhomme; cette conformation rend naturellement ceux-ci moins propres a grimper.“ Die Verschiedenheit der beiden Affenarten kommt am besten in ihrem Verhalten zum Ausdruck, wenn sie, vom Menschen über- rascht, sich auf die Flucht begeben. Der Gorilla, der auf einem Baume sitzend das Herannahen des Menschen bemerkt, steigt stets am gleichen Stamme herunter, wobei er verhältnismäßig langsam und vorsichtig klettert. Der Schimpanse dagegen schwingt sich hoch in den Wipfeln, oft in weiten Sprüngen, akrobatengleich von Baum zu Baum, bis er außer Sehweite ist, und begibt sich dann erst zum Boden, um seine Flucht fortzusetzen. Trotz seiner größeren Klettergewandtheit ist aber auch der Schimpanse kein eigentlicher Baumbewohner, sondern bewegt sich ziemlich viel am Boden, und beide Arten zeigen in ihrer Lebens- weise große Übereinstimmung. Das Verhalten des Schimpansen hat schon PecHväür-LoescHe erkannt: „In der Regel scheinen sich die Schimpansen auf der Erde in dichtem Gebüsche und Seitami- neenbeständen aufzuhalten und Bäume nur behufs der Erlangung von Früchten zu besteigen.“ Gorilla und Schimpanse führen ein Wanderleben. Vom Gorilla geben dies übereinstimmend nu CHartLu, ReaneE, KoPPENFELS, „ ZENKER (bei MarscHıE S. 364) und GARNER an, vom Schimpansen wird es von SAVAGE, REICHARD und GarNeEr berichtet. Du CHAILLU (1863) äußert sich über den Gorilla folgendermaßen: „C'est un animal vagabond et nomade, errant de place en place; on ne le trouve guere deux jours de suite sur les m&mes terrains. (Ce vagabondage provient en partie de la difficult& quwil trouve A se procurer sa nourriture preferee“. Im selben Sinne spricht sich KorppEnFrers aus: „Er treibt sich des großen Verbrauches an Nahrung wegen nomadisierend umher, indem er da nächtigt, wo er sich bei Anbruch der Dunkelheit gerade befindet.“ GARNER schreibt: „The chimpanzee is nomadie in habit, and, like the gorilla, seldom or never passes two nights in the same spot.“ Scheinbar steht es zu obigem im Widerspruch, wenn wir bei ÖERTZEN lesen: „Der Gorilla hält an gewissen Standorten fest ... In dem südlichen Ebolova-Busch gab es in einem etwa zehn Tage- märsche ausgedehnten Walde nur drei kleine Gebiete, in denen sich Gorillas aufhielten. Diese Standorte befanden sich in fast Al r 92 E. REICHENOW. unbewohntem Urwald, nur einer war in der Nähe zahlreicher Ort- schaften gelegen ... Wohl vier bis fünf Tiere waren abgeschossen worden, und doch verließ die Gesellschaft nicht ihren alten Stand- ort.“ Wie gesagt, der Widerspruch ist nur scheinbar. Tatsächlich bewohnt eine Gorilla- oder Schimpansenherde ein ganz bestimmtes begrenztes Revier, das wir auf einen Durchmesser von vielleicht 15 km schätzen können; dieses Gebiet aber wird ständig kreuz und quer durchwandert. Dieses Verhalten hat beim Schimpansen Reıcnarn zutreffend erkannt: „Eine Bande scheint sich lange in einem kleinen Bezirke, stets in der Nähe von Dörfern, aufzuhalten, den sie allein für sich beansprucht. Innerhalb dieses Bezirkes werden die Wohnstätten oft gewechselt.“ Nach meinen eigenen Erfahrungen kann ich sagen, daß die Menschenaffen niemals zwei Nächte hintereinander an der gleichen Stelle zubringen. Wenn man an einem Orte frisch verlassene Lager- stätten aufgefunden hat, wird man am gleichen Abend, und eben- so an den folgenden Abenden, dort vergeblich nach den Tieren suchen. Auch lassen die alten Nester, die man am selben Orte beobachtet, an ihrem ganz vertrockneten Aussehen deutlich er- kennen, daß sie vor längerer Zeit, offenbar vor mehreren Wochen, angefertigt worden sind. Dagegen kann man sicher sein, dab genau an demselben Platze, an dem man Gorilla- oder Schimpansen- nester entdeckt hat, über kurz oder lang die Tiere sich wieder einmal zur Nachtruhe einfinden werden. Sie haben also, über ihr Wohngebiet verstreut, eine gewisse Zahl von Schlafplätzen, die sie immer wieder aufsuchen. Bei einer Gorillagesellschaft habe ich einmal den Zeitraum, der zwischen zwei Besuchen am gleichen Platze verstrich, fest- stellen können. Am linken Njongufer, gegenüber von Ajoshöhe, waren einmal meinem Koch, als er zum Ankauf von Verpflegung ausgegangen war, Gorillas über den Weg gelaufen. Am nächsten Tage suchte ich dort natürlich vergeblich nach den Affen, trug aber dem Häuptling des an gleicher Stelle gelegenen Dörfchens auf, mich zu benachrichtigen, wenn die Tiere wieder in seine Nähe kämen. 17 Tage nach dem erwähnten Zusammentreffen wurde mir abends gemeldet, daß sich bei dem Dorfe eine Gorillagesellschaft eingefunden hätte, und es gelang mir, bei Tagesanbruch die Tiere zu sehen und eins zur Strecke zu bringen. In der Regel scheint aber die Zeit, die bis zur Wiederkehr der Tiere vergeht, länger zu sein. | Das Wanderleben der Menschenaffen steht in engem Zusammen- hange mit ihrer Ernährungsweise, worauf, wie wir gesehen haben, u u > Biologische Beobachtungen an Gorilla und Sehimpanse. 23 bereits Du CHastuu zutreffend hingewiesen hat. Wir wollen daher zunächst die Nahrung der Tiere besprechen. Offenbar ist bei Gorilla und Schimpanse die Ernährung völlig gleichartig, und es muß von vornherein gegenüber anders lautenden Meinungen scharf betont werden, daß beide Arten ausgesprochene Vegetarier sind. Für den Gorilla betont dies schon pu CHaıLnu (1863): „Le gorille, malgr& ses enormes dents canines, malgr& sa force prodigi- euse capable de terrasser et de tuer tous les hötes des forets, est exclusivement frugivore ... Jamais je n’y (im Darm) rien trouve. que des fruits, des graines, des noix, des feuilles d’ananas ou d’autres substances vegetales.“ Dieser Darmbefund bei erlegten Gorillas ist von KoPpEnFELS, FAMELART und Hovy (1913) bestätigt worden; bei zwei Schimpansen machte FALKENSTEIN die gleiche Beobachtung. Ich selbst habe im Darme von vier Gorillas und drei Schimpansen gleichfalls nur Reste pflanzlicher Nahrung gefunden. Wenn trotzdem fmmer wieder die rein pflanzliche Ernährung der afrikanischen Menschenaffen bezweifelt wird, so beruht dies auf der Tatsache, daß zahme Tiere beider Arten Fleischnahrung nicht verschmähen und sie anscheinend zu ihrem Gedeihen sogar benötigen. „Soviel ich zu beobachten Gelegenheit fand,“ schreibt. KoPpreEnFeEus, „lebt der Gorilla von Vegetabilien. Die Jungen zeigen aber in der Gefangenschaft eine ganz besondere Vorliebe für ani- malische Kost; es läßt sich daraus schließen, daß sie auch in der Wildnis Fleisch sowie Eier nicht verschmähen.*“ Ebenso urteilt FALKENsSTEIN: „Für Schimpansen sind Ratten Leckerbissen, die sie gegen alle Gelüste der Genossen energisch verteidigen, und ebenso verlangt der Gorilla nach Fleisch, das er zum guten Gedeihen not- wendig braucht. Im Walde wird er sich, wenn die Jagd ungünstig ist, vielleicht oft mit Früchten begnügen müssen, wenigstens fand ich bei zwei großen erlegten Schimpansen nur vegetabilische Reste im Magen. Doch bin ich überzeugt, daß der Befund ein zufälliger war, und daß man bei anderen Gelegenheiten den Nachweis der animalischen Kost leicht wird führen können.“ Wenn GARNER von den Menschenaffen berichtet: „They devour birds, lizards and small rodents. They rob the birds of their eggs and their young. They make havoce on many kinds of large insects“. — so beruht auch diese Angabe olıne Zweifel lediglich auf der Beobachtung zahmer Tiere. i Es erscheint zunächst wenig einleuchtend, ist aber eine Tat- sache, daß sich in diesem Punkte die der natürlichen Lebensweise entfremdeten Tiere ganz anders verhalten als die in der Freiheit lebenden. Sehr bemerkenswert ist hier die Beobachtung, daß sich 94 E. REıcaexow. ” i eingefangene Tiere nur allmählich an den Fleischgenuß gewöhnen. So schreibt Savase: „Die starke Entwicklung der Eckzähne beim erwachsenen Schimpansen möchte Neigung zu Fleischnahrung an- deuten. Solche zeigt sich jedoch nur, wenn er gezähmt wurde. Anfänglich weist er Fleisch zurück, nach und nach aber verzehrt’ er es mit einer gewissen Vorliebe.“ Ahnlich äußert sich OERTZEN: „In der Wildnis verschmähen Menschenaffen tierische Nahrung wahrscheinlich ganz; frisch gefangene Tiere zeigen sogar Abscheu vor Fleisch. Nach längerer Gefangenschaft aber wird Fleisch mit wahrer Gier genommen, und meine Tiere befanden sich bei vor- wiegend animalischer Kost besser als bei vegetabilischer, auch wenn ich das in der Freiheit bevorzugte Futter reichte.“ Eine Erklärung für die Verschiedenartigkeit der Nahrungs- bedürfnisse habe ich an anderer Stelle (1917, 1920) zu geben ver- sucht, indem ich sie in Zusammenhang mit dem Vorhandensein oder Fehlen gewisser symbiontisch im Darme der Menschenaffen lebender. Protozoen gebracht habe. Ich habe feststellen können, dab im Darme des freilebenden Gorillas und Schimpansen regelmäßig in großen Massen Infusorien vorkommen, die mit denjenigen Infusorien- arten nahe verwandt sind, die im Magen der Wiederkäuer ver- dauungsphysiologisch eine große Rolle spielen. Diese Infusorien . erleichtern ihren Witten durch die von ihnen geleistete Zellulose- verdauung die Ausnutzung der pflanzlichen Nahrungsstoffe, und sie bieten dadurch, daß sie selbst ständig in großer Zahl im Darme zu- grunde gehen und verdaut werden, einen gewissen Ersatz für Fleisch- nahrung. Bei gefangenen Menschenaffen verschwinden diese Infu- sorien nach wenigen Wochen aus dem Darme; es erscheint mir daher nicht allzu kühn, das erwachende Bedürfnis der Tiere nach Fleischnahrung mit diesem Verschwinden in Verbindung zu bringen. Wenn wir auf Grund der Ergebnisse zahlreicher Darmunter- suchungen Gorilla und Schimpanse als ausgesprochene Pflanzen- fresser bezeichnen müssen, so soll damit natürlich die Möglichkeit, daß gelegentlich auch einmal irgendwelche Nahrung tierischer Natur aufgenömmen werden kann, nicht bestritten werden. Jeden- falls würden so geringe Mengen, die bei zahlreichen Untersuchungen des Darminhaltes nicht zur Beobachtung gekommen sind, für die Ernährung des Tieres ohne Bedeutung sein, Ich bin überzeugt, dab Vogeleier ab und zu von den Menschenaffen in der Freiheit verzehrt werden. Wenigstens hat mir der mehrfach erwähnte » Schimpanse, der etwa zweijährig in meinen Besitz gelangte, die Bekanntschaft mit Vogeleiern deutlich bewiesen. Gleich das erste ihm gereichte Hühnerei nahm er vorsichtig in die Hand, stieß an Biologische Beobachtungen an Gorilla und Schimpanse. 25 der Spitze mit den Zähnen ein kleines Loch hinein und schlürfte es dann aus. Was nun die Art der pflanzlichen Nahrung der Menschenaften betrifft, so begegnen wir vielfach der Auffassung, dab sie sich in der Hauptsache aus Früchten zusammensetze. Angaben von PECHUEL-LOESCHE, aus denen diese Ansicht spricht, haben wir bereits mitgeteilt, auch Famerarrt äußert sich im gleichen Sinne. Zutreffender simd die Mitteilungen OERrRTZENSs: „Als beliebteste Nahrung diente die Esun- und Eto&-Frucht, beides nahverwandte Blattgewächse, deren rote längliche Schoten unmittelbar über dem Erdboden stehen (Aframomum-Arten). Auch das Mark. der Stengel wird genossen ... Planten und Bananen werden gelegentlich ver- speist, nie als Hauptnahrung; denn der Geschmack ist mehr auf saure Genüsse abgestimmt. Am meisten sagt das Süße noch in Form von Zuckerrohr und jungen Maiskolben zu; gerne frißt der Gorilla auch diesschwammartige Frucht des Fingerbaumes (Musanga smithi) und die Früchte eines Adjab (Mimusops djave*) genannten Baumes.“ Beziehen sich obige Angaben auf den Gorilla, so wird an anderer Stelle bemerkt, dab die Nahrung des Schimpansen die gleiche ist. Schon pu CHaıru führt als Nahrung des Gorilla außer Früchten Zuckerrohr, die weiße Substanz der Ananasblätter und den Saft einiger Bäume an, und in „Aschangoland“* beschreibt er, wie er in einer Pflanzung Gorillas beobachtet hat, die sich mit den dortigen Pisangstauden zu schaffen machten, „They first grasped the base of the stem. with one of their feet and then with their powerfull arms pulled it down, a mätter of not much diffieulty with so loosely-formed *a stem as that of the plantain. They then set upon the juicy heart of the tree at the bases of the leaves, and devoured it with great voraeity.“ Ähnlich berichtet Reape: „The plantations of the natives are usually at some distance from their villages; the gorilla frequently visits them to eat the plantain and the sugar-cane, especially at morn and eve.“ Diese Vorliebe für die Pisang- und Bananenstauden, die sehr bezeichnend ist, kann ich bestätigen. Mustert man eine von Gorillas heim- gesuchte Pflanzung, so findet man dort umgeknickte Stauden und kann sich leicht überzeugen, daß es der Gorilla hauptsächlich auf das Innere der Stämme, also auf die weichen, saftigen Blattstiele, abgesehen hat. Durchweg bildet den Hauptbestandteil der Nahrung allerlei weiches Pflanzengewebe, insbesondere Blattknospen, junge‘ *) Diese und einige andere Angaben von Pflanzennamen verdanke ich llerrn Dr. MILDBRAED. 25 E. REICHENOW. Blätter und weiche Blattstiele. Auf diese Tatsache ist schon mehr- mals hingewiesen worden. Uber den Gorilla des Breslauer Zoolo- gischen Gartens schreibt GraBowsky (1904): „Als das Tier ankam, fraß es zunächst außer reifen Bananen nur Heu, das ihm gut zu bekommen schien. Auch v. KorpEnFrEs hatte ja beobachtet, und durch PascHhen konnte dies neuerdings bestätigt werden, daß der Mageninhalt der geschossenen Gorillas fast ausschließlich aus einer eewissen Grasart ihrer Heimat bestand.“ Bei einem nordöstlich des Kiwu-Sees erlegten Gorilla zeigte nach Hovy (1913) der Mageninhalt, daß er „vorwiegend die Blätter und Triebe einer l m hohen, unserem Schierling sehr ähnlichen Pflanze gefressen hatte, die überall im Walde häufig wächst. Sie zeichnet sich durch einen penetranten Geruch aus ... Die toten Tiere sollen geradezu unerträglich nach jener Pflanze gestunken haben.“ Wie schon gesagt, stimmt der Schimpanse völlig mit dem Gorilla in der Ernährung überein. Die Zahl der als Nahrung in Betracht kommenden Pflanzen ist offenbar sehr groß. Folgt man im Urwald den Fährten der Affen, so beobachtet man Freßspuren an allen möglichen Pflanzen, die im einzelnen zu benennen mir die botanischen Kenntnisse fehlen. Zwei Pflanzen spielen eine be- sondere Rolle, da sie sich häufig in großen Beständen beisammen- finden, der sogenannte Schirmbaum, Musanga smithii, der den Sekundärwald vielfach ausschließlich zusammensetzt, und ver- schiedene Aframomum-Arten, die gleichfalls vorwiegend im Sekundär- wald einen erheblichen Teil des Unterholzes bilden. Der Sekundär- wald wird daher von den Menschenaffen mit Vorliebe aufgesucht. Bei den Schirmbäumen sind ‘es vor allem die starken Knospen der großen Blätter, die den Affen zur Nahrung dienen. Auf den Bäumen brechen die Tiere die Äste um, um die Knospen zu sich heranzuziehen. Der Gorilla bevorzugt es offenbar, wenn er sich diese Speise am Boden verschaffen kann. -Er sucht deshalb gern in alten verlassenen Farmen nach den jungen Trieben dieser Pflanze. Junge Bäumchen, die in den alten Farmen schon bis zu fünf und sechs Meter Höhe aufgeschossen sind, werden von ihm umgebrochen, um die Blattknospen zu erlangen. Auch die süßschmieckenden Früchte dieses Baumes verschmähen die Menschenaffen natürlich nicht. Unter den Früchten sind zweifellos diejenigen der Aframomum- Arten die beliebtesten; auf den Fährten findet man die leeren roten Fruchtschalen stets recht zahlreich, und die kleinen Kerne sind im Darminhalt und im Kot in großen Mengen zu beobachten. ' Das Fleisch dieser Früchte, das auch die Neger gern verzehren, ZEN Biologische Beobachtungen an Gorilla und Schimpanse. 27 schmeckt sauersüß; die Kerne sind weich und werden sicher zum Teil mit zerkaut, sie haben einen pfefferigen und einen an Gewürz- nelken erinnernden Geschmack. Von sonstigen Früchten werden die großen kugeligen, aus zahlreichen keilförmigen Stücken zu- sammengesetzten Früchte von Myrianthus orboreus besonders bevor- zugt. Die haselnußgroßen Kerne dieser Früchte werden mit verschluckt und bilden einen sehr bezeichnenden Bestandteil des Kotes. Nach den Beobachtungen Korrenrers’ hat der Gorilla für die Früchte des „Ibabaumes“ (Irvingia gabonensis) eine große Vorliebe._> Von Aframomum werden aber auch die jungen Triebe genossen, und die Stengel werden abgeschält und das etwas verholzte Innere | ausgekaut. Auf der Spur der Afien findet man Ban nahezu faustgroße Ballen ausgekauter Pflanzenfasern. Die Bevorzugung junger Pfianzentriebe als Nahrung ist es nun augenscheinlich, was die Menschenafien zum steten Wechsel ihres Aufenthaltes treibt. Wenn sie nach drei bis vier Wochen an die gleiche Stelle zurückkehren, sind wieder frische Triebe und Knospen nachgewachsen. In diesem Zusammenhange wird es auch ver- ständlich, daß Einzelgänger ein wesentlich kleineres Revier als ganze Gesellschaften bewohnen; denn ein einzelnes Tier findet natürlich seinen Unterhalt auch in einem kleineren Gebiet. Wo sich ein Einzelgänger in der Nähe menschlicher Ansiedlungen aufhält, ist er den Eingeborenen als ständiger und oft gesehener Nachbar bekannt. ‚So berichtet auch OrrTtzenx: „Einzelgänger — mißvergnügte alte Männchen — die des Verkehrs mit dem zarten (seschlecht und der obligaten Familienzänkereien überdrüssig ge- worden sind, halten ein sehr enges Revier, nicht selten eine alte Farm, besetzt, die sie dann hartnäckig gegen jeden Eindringling verteidigen.“ HR Übernachtungsplatz wird von den Menschenaffen stets eine Ortlichkeit gewählt, an der auch reichlich Nahrung vorhanden ist. Damit erklärt es sich, daß man die Lagerstätten sowohl des Gorillas wie des Schimpansen oft in überraschender Nähe der Negersied- lungen antrifit, denn die Nachbarschaft der Farmen übt offenbar _ eine große Anziehungskraft aus. An dem gewählten Platze treifen die Tiere vielleicht eine Stunde vor Sonnenuntergang ein. Sie geben sich zunächst einer ausgiebigen Abendmahlzeit hin, ehe sie an die Herrichtung des Nachtlagers gehen. Der Gorilla klettert um diese Zeit bei der Nahrungsuche vielfach auch auf die Bäume, wie uns dies eine früher (S. 16) mitgeteilte Beobachtung gezeigt hat. Am nächsten Morgen scheint der Schimpanse den Lagerplatz, ‚wenigstens wenn dieser sich in der Nähe menschlicher Behausungen 98 E. REICHENOW. befindet, stets bald nach Tagesanbruch zu verlassen. Der Gorilla dareren ist nahe seiner Lagerstätte meist noch mehrere Stunden nach Sonnenaufgang anzutreffen. Er sucht sich dort wie am Abend teils auf dem Boden, teils auf Bäumen die ihm zusagende Nahrung. Ich habe einmal sogar noch um die Mittagszeit Gorillas bei ihren Nestern angetroffen. Jedenfalls bewegen sie sich vormittags nur wenie von der Stelle und verlegen das Wandern hauptsächlich auf, die Nachmittagsstunden. Die Entfernungen, die von einem Lager- platz bis zum nächsten zurückgelegt werden, sind ziemlich beträcht- lich und können sicher acht bis zehn Kilometer betragen. Ich bin mehrfach Gorillafährten mehrere Stunden weit gefolgt, ohne bis an die Lagerstätten zu gelangen. Die Geschwindigkeit des Marsches ist verschieden und scheint davon abzuhängen, wieviel ihnen zusagende Nahrung die Tiere auf ihrem Wege antreffen. Fortwährend wird unterwegs hier ein junger Trieb, dort eine Frucht gepflückt. Durch „reizlose* Gegenden wandern die Gorillas sehr schnell. Wiederholt habe ich nach- mittags im Urwald die Tiere vor mir gehört und habe sie trotz stundenlanger Verfolgung nicht erreichen können. Dabei ist in Betracht zu ziehen, dab man in einigermaßen wegsamem Busch, wenn man sich beeilt, etwa drei Kilometer in der Stunde zurück- legen kann. In einem Gelände, das ihnen reichlich Nahrung bietet, bewegen sich die Gorillas dagegen nur langsam vorwärts. Eines Nachmittags war es mir möglich, mitten in eine Gorillageseilschaft zu gelangen, die gerade eine große, seit mehreren Jahren verlassene Farm durchwanderte. Die Tiere bewegten sich so langsam von der Stelle, daß es trotz des fast undurchdringlichen Gestrüpps leicht war, einzelnen in die Nähe zu kommen. Von den Tieren selbst war allerdings nichts zu erblicken, denn in einer verwachsenen Farm sieht man keine drei Meter weit. Ich beobachtete nur, wie die fünf bis sechs Meter hohen Schirmbäume, die verstreut stehend das hohe Gras etwas überragten, von den Tieren umgebrochen wurden. Das hierbei entstehende Krachen und Poltern, das ich von allen Seiten, zum Teil aus weiter Entfernung, vernahm, vermittelte mir eine gute Vorstellung davon, über wie große Räume sich die Gorillas bei ihrer Wanderung verteilen. Auch der Schimpanse führt seine eigentlichen Wanderungen am Boden aus. Anders als beim Gorilla, scheint eine Herde dieser Affen immer geschlossen, alle Mitglieder in einer Reihe hinter- einander, zu marschieren. In Gegenden, wo Schimpansen häufig sind, beobachtet man richtige Wechsel, ausgetretene Pfade, die manchmal fast die Vermutung aufkommen lassen, man sei auf einen Biologische Beobachtungen an Gorilla und Schimpanse. 29 schmalen Buschpfad der Eingeborenen gestoßen. Schimpansenwechsel hat auch Reıcnart am Tanganika beobachtet: „Die wenig aus- getretenen Wege der Tiere finden sich sehr häufig und ziehen sich meist die Abhänge lang. Durch Busch oder Laubwerk führend sind die Gänge etwa 1 m hoch.“ Wenngleich man ‘beim Gorilla infolge seiner Wanderungsweise und der geringeren Zahl von Tieren, die eine Gesellschaft zusammen- setzen, von eigentlichen Wechseln. nicht reden kann, ist es doch nicht schwer, seine Fährte zu erkennen und ihr zu folgen. Äste, die, um einen Weg zu bahnen, umgeknickt sind, und die Spuren des anscheinend unersättlichen Appetits dieser Affen, wie abge- rissene Zweige, weggeworfene Fruchtschalen und angebissene Früchte, kennzeichnen deutlich den Weg, den der Gorilla genommen hat. In weichem Boden, also besonders in der Umgebung der zahllosen Wasserläufe, sind auch die Fußspuren deutlich. Nach Form und Größe könnte man sie mit menschlichen Spuren verwechseln, wenn sie nicht eine Besonderheit aufwiesen, auf die schon DU CHAILLU sehr zutreffend hinweist: „Les traces de son passage ont quelque chose de singulier: ses pieds de derriere ne laissent pas l’empreinte des doigts sur le sol; la plante du pied et le pouce qui correspond . chez nous au grand orteil paraissent seuls toucher & terre. Il n’y a que les doigts des pieds de devant qui soient marqu6s sur le sol.“ Die Abdrücke der vier Fingerrücken, auf die die Tiere sich beim Laufen stützen, fallen übrigens viel mehr in die Augen als die der Füße, da sie sich viel tiefer in den Boden eindrücken. Man beobachtet Spuren erwachsener und halberwachsener Affen. Die Jungen sind offenbar den Anstrengungen der langen Märsche noch nicht gewachsen und werden getragen. GARNER (1896) berichtet: „I have seen the mother in the forest with her young mounted upon her back, with its arms around her neck and its feet hooked in her armpits.“ Er gibt später (1902) von dieser Beobachtung eine Zeichnung, auf der die Arme des Jungen auf den Schultern der Mutter liegen. Daß die Jungen von der Mutter auf dem Rücken getragen werden, kann ich aus eigener Anschauung bestätigen, wenigstens, wenn sich die Tiere, wie in dem von mir beobachteten Falle, auf eiliger Flucht befinden. Wenn DU CHaıtLu im Gegensatz hierzu erzählt: „lorsque la mere fuit la poursuite du chasseur, le petit s’accroche par les mains autour de ‚son cou, et se suspend A son sein, en lui passant ses petites Jambes autour du corps“, so mag es sich bei seiner Beobachtung wohl um einen Säugling handeln, der sich noch nicht allein festhalten kann und von der Mutter im Arme getragen wird. 30 E. REICHENOW. Man beobachtet gelegentlich auf der Fährte, regelmäßig aber bei den Nestern, die Losung des Gorillas. Sie ist gewöhnlich von leuchtend gelber Farbe und enthält zahlreiche Kerne bis zu Hasel- nußgröße. Die gelbe Farbe ist wohl durch den Genuß gewisser Früchte, insbesondere der gelben Früchte von Musanga und Myri- anthus bedingt. In seltenen Fällen habe ich Kot von brauner Farbe beobachtet, etwa wie Menschenkot, mit dem er aber bei einem Durchmesser der einzelnen Kotballen von fünf bis sechs Zenti- meter nicht verwechselt werden kann. In diesen Fällen enthielt der Kot nur wenige kleine Kerne. Bei der Verfolgung zahlreicher Fährten habe ich niemals beob- achtet, daß größere Flußläufe, die die Tiere zum Schwimmen zwingen würden, durchquert werden. Der Lauf des Njong schien mir stets die Grenze eines Reviers zu sein. Daß aber Flüsse für den Gorilla kein unüberwindliches Hindernis bilden, geht aus nachstehender Beobachtung OERTZEN’S hervor: „Daß Affen nicht unbedingt das Wasser scheuen, habe ich auch unzweifelhaft beim Gorilla fest- gestellt. An den Spuren konnte man deutlich sehen, daß eine acht- köpfige Herde den an jener Stelle etwa sechzig Meter breiten Ayne-Fluß durchschwommen hatte.“ Verhalten gegenüber dem Menschen. Die Vorliebe der Menschenaffen für altes Farmgelände und besonders für den Sekundärwald bringt es mit sich, daß die Tiere recht häufig in die Nähe des Menschen kommen. Als Sekundär- wald bezeichnet man den Waldbestand, der auf verlassenen Farmen zunächst nachwächst, und diese Waldform findet sich naturgemäß in stark bewohnten Gegenden und gerade in der unmittelbaren Umgebung der Ortschaften in größerer Ausdehnung. Das Vorkommen in der Nähe des Menschen wird für den Schimpansen außer von REICHARD, dessen Angabe wir schon (S. 22) erwähnt haben, be- sonders von ÖERTZEN betont. Nach ihm lebt der Schimpanse „lieber in der Nähe von Ansiedlungen als im dichten, unbewohnten Wald. Die alten und neuen Farmen mit ihren Fingerbäumen üben eine grobe Anziehungskraft aus.“ Vom Gorilla gibt pu CHAıueu an: „U vit dans les parties les plus solitaires et les plus sombres des jungles &paisses de l’Afrique“; aber auf seiner späteren Reise be- schreibt er selbst die Beobachtung der Tiere in einer Farm. Von drei Gorillastandorten, die OERTZEn bei Ebolova bekannt waren, befand sich einer gleichfalls in der Nähe zahlreicher Ortschaften (vgl. S. 22). Zutreffend sind in diesem Punkte — abgesehen von der "Bemerkung über die Aframomum-Früchte — die Angaben Be ee: a Er u - ee RO Biologische Beobachtungen an Gorilla und Schimpanse. 31 ScaHuzze’s: „Die Berichte aller Eingeborenen stimmen darin über- ein, daß der Gorilla von allen anderen Plätzen Dickichte von Afra- momum bevorzugt, dessen rote Früchte seine Hauptnahrung bilden, und zwar nicht nur im Urwald, sondern auch, wie ich später selbst an den sichtbaren Spuren feststellen konnte, im Sekundärwald, der ja die Bildung solcher Dickichte besonders begünstigt. Sie be- kundeten ferner durchweg, daß er sich fast immer nur am Boden bewegt, auch die Benutzung der von Menschen angelegten Wege nicht verschmäht und deswegen verhältnismäßig oft gesehen wird.“ | Über das Verhalten des Gorillas gegenüber dem Menschen sind die Angaben der einzelnen Berichterstatter äußerst widersprechend. Offenbar beruhen diese Widersprüche darauf, daß das Benehmen der Tiere je nach den Verhältnissen recht verschieden ist. Einzel- gänger benehmen sich anders als in Herden lebende Tiere. Die Furcht vor dem Menschen wird in solchen Gegenden größer sein, . wo der Gorilla oft vom Menschen angegriffen wird. was nur dort der Fall ist, wo die Eingeborenen über Feuerwaffen verfügen oder wo durch die Gewinnsucht des Weißen farbige Jäger zum Abschuß dieser Affen mit Feuerwafien versehen werden. Schließlich muß der Beobachter auch berücksichtigen, daß der ungewohnte Anblick des Weißen auf so intelligente Tiere nicht ohne Einfluß sein kann. In den Gegender, in denen ich meine Beobachtungen machte, waren schon seit vielen Jahren keine Gorillas mehr erlegt worden, da die Neger infolge des Pulvereinfuhrverbotes in Kamerun ihre Vorderlader. nicht benutzen konnten und sich mit Speeren an die Tiere nicht heranwagten. Die Gorillas waren hier dem Menschen gegenüber auch ziemlich dreist. Ein Beispiel hierfür bietet ja das oben (S. 16) geschilderte Jagderlebnis. In jenem Falle hatten trotz des Angriffs am Abend und des Todes eines der Tiere die anderen an Ort und Stelle, kaum 150 Meter von den Negerhütten entfernt, übernachtet und hatten sich nicht etwa früh am Morgen davon- gemacht, sondern waren auf die gleichen Bäume wie am Abend wieder zum Morgenimbiß gestiegen. Überhaupt hat man den Eindruck, daß sich die Tiere nur zögernd durch den Menschen von einem Vorhaben abbringen lassen. Während es kaum möglich ist, nachmittags, wenn die Gorillas wandern, in ihre Nähe zu gelangen, lassen sie morgens bei der Mahlzeit den Menschen ganz dicht an sich herankommen. Nur von den Bäumen steigen sie herab; denn da sie auf den einen Stamm angewiesen sind, ist es ihnen wohl unbehaglich, ein feindliches Wesen unter sich zu haben. 32 E. REICHENOW. Nähert man sich einer Gorillagesellschaft, so kündet sich die Nähe der Tiere, solange sie nicht beunruhigt sind, durch häufig wiederholte glucksende Geräusche an, die sie offenbar mit den Lippen vollführen. Man kann sie jedenfalis leicht, wenn auch nicht so laut, durch schnelles Öffnen der Lippen nachahmen. Um die gleichen Töne handelt es sich ohne Zweifel, wenn ZEnker (bei MArscHız 1903, S. 367) schreibt: „Wittert er Gefahr, so trommelt er zunächst leise auf die Wangen, indem er den Mund öffnet und mit der Hand dagegen schlägt. Es ist dieses ein Zeichen, um seine Sippschaft zur Flucht aufzufordern.“ Allerdings läßt sich das Geräusch auch in der von ZENKER angegebenen Weise zustande bringen, doch ist es zweifelhaft, ob er diesen Vorgang selbst beobachtet hat, denn manches, was er im gleichen Zusammenhange mitteilt, beruht one auf Negererzählungen. Sicher unrichtig ist die Deutung der glucksen- den Töne als Warnungszeichen. Vonden übrigen Beobachtern erwähnt nur DU UHAILLU (1867) diese eigentümlichen Laute, und seine Auf- fassung stimmt mit meinen Erfahrungen völlig überein: „While eating they made a kind of clucking noise, expressive of contentment.“ Bemerkt der Gorilla die Nähe des Menschen, so stößt er zunächst ein kurzes, meist zweimaliges Gebrüll. aus, das wohl Weibchen und Junge aufmerksam machen soll, denn diese ziehen sich etwas nach deranderenSeitezurück. Gleichzeitig bedeutet dasGebrüll anscheinend eine Warnung für den Ankömmling, denn der Gorilla selbst bleibtdabei ruhig an seinem Platze sitzen. Die Erfahrung hat ihn wohl belehrt, daß dieses Gebrüll in der Regel genügt, um den Menschen zu schleunigem Rückzuge zu veranlassen. Rückt man weiter vorwärts, so weicht er unter stärkerem Gebrüll ein paar Meter zurück, nähert man sich noch mehr, so vernimmt man neben wiederholtem Gebrüll klatschende und trommelnde Geräusche. Ich habe nicht genau beobachten können, wie das Klatschen zustande kommt; meine farbigen Begleiter gaben jedoch mehrfach an, gesehen zu haben, daß es durch das Aneinanderschlagen der Hände geschieht. Der Neger sieht ja im dichten Unterholz sehr viel mehr als der Weiße. Das Schlagen mit den Fäusten gegen die Brust habe ich gleich- falls nicht mit Sicherheit festgestellt, doch ist es ja dadurch ein- wandfrei erwiesen, daß FALKENsTEIN es bei einem zahmen Gorilla beobachtet hat. Bei diesem Tiere wurde es allerdings nicht in der Wut, sondern als Zeichen höchsten Wohlbefindens ausgeführt. Mehr- fach gesehen habe ich nur, daß ein wütender Gorilla mit den Armen auf die Büsche schlug. WE Das Klatschen und Trommeln kündet nach den Angaben der Eingeborenen den bevorstehenden Angriff des Gorillas an. Auch Biologische Beobachtungen an Gorilla und Schimpanse. 33 Du CHaıtıu berichtet ähnliches als eigenes Erlebnis. Ich habe jedoch in keinem Falle einen unmittelbaren Angriff, d. h. in dem Sinne, daß ein Gorilla plötzlich geradeswegs auf mich losgelaufen wäre, erlebt. Vielmehr ergriff das Tier, wenn ich wieder näher rückte, schließlich unter anhaltendem Brüllen die Flucht. Die Flucht geht allerdings meist nicht weit, da der Gorilla mit einer gewissen Hartnäckigkeit an dem einmal gewählten Frühstücks- platze festhält und offenbar in einer gewissen geistigen Schwerfällig- keit plötzliche Programmänderungen nicht liebt. Häufig hält er in einer Entfernung von ein- bis zweihundert Meter wieder an, worauf sich das gleiche Spiel wiederholen kann. Von den Eingeborenen hört man stets die gleiche Geschichte, die ja auch in den Berichten der früheren Reisenden immer wieder auftaucht: Wenn ein Schwarzer mit seinem Buschgewehr dem Gorilla in die Nähe kommt, so läuft der Affe auf ihn zu, zerbricht sein Gewehr und tötet ihn. Auf meine Frage, warum der Gorilla denn aber vor mir davonliefe, heißt es, der „Ngi“ wisse, daß der weiße Mann ein besseres. Gewehr habe, deshalb fürchte er ihn mehr. In der Tat scheint nur der ungewohnte Anblick des Weißen den Gorilla zur Flucht zu veranlassen. Den Eindruck, daß die Tiere, wenn man lange genug wartet, schließlich zum Angriff übergehen können, habe ich einmal auf der Jagd gehabt. Trotzdem der Gorilla morgens den Menschen recht nahe herankommen läßt, ist es doch sehr schwer, ein Tier zur Strecke zu bringen, da man im dichten Unterholz, besonders des Sekundärwaldes, von dem Wild meist zu wenig sieht, um einen einigermaßen sicheren Schuß anzubringen. Ich änderte daher bei einer Gelegenheit die Taktik. Als ich an eine Gorillagesellschaft herankam und plötzliches ee aus nächster Nähe mich belehrte, daß ich entdeckt worden War, blieb ich stehen und verhielt mich abwartend. Ich beugte mich ganz tief zur Erde nieder, da man dicht über dem Boden noch den weitesten Durchblick durch das Unterholz gewinnt. Da erkannte ich die Tiere denn auch als große Schatten, deutlicher, wenn sie sich bewegten, weniger deutlich, wenn sie still saben. Sie saßen ein paar Minuten still und fraßen, liefen dann ziemlich schnell 10—15 Meter zur Seite und setzten sich dort wieder zum Fraße nieder. Augenscheinlich hatte dieses Hin- und Herlaufen den Zweck, mich und meine beiden Begleiter aus verschiedenen Gesichts- winkeln zu betrachten und sich über unsere Zahl zu vergewissern. Während unser erstes Erscheinen die Gorillas sichtlich er- schreckt und zum Ausweichen veranlaßt hatte, war ihnen augen- | 3 34 E. REICHENOW. scheinlich durch unser stilles Verhalten und unsere geringe Anzahl der Mut zurückgekehrt, denn in ihrem Ziekzackkurse kamen sie uns immer näher. In diesem Augenblicke gewann ich den Eindruck, daß die Tiere in kürzester Frist herangelaufen kommen würden. Als sich einer der Affen etwa 15 Meter von mir entfernt gerade so hinsetzte, daß ich ihn durch das Dickicht deutlich zu mir her- überäugen sah, konnte ich einen Brustschuß anbringen. Als der Schuß krachte, ertönte Gebrüll, Asteknacken und Blättergeraschel von verschiedenen Seiten, aber keiner der Affen kam heran. Ich konnte noch beobachten, daß ein Gorilla nach der Stelle hinlief, wo der geschossene gesessen hatte, und darauf schleunigst umkehrte; dann war alles still. Meine Begleiter fingen nun an, mit ihren Haumessern eine Gasse nach der Stelle hin zu schlagen, wo das geschossene Tier liegen mußte. Beim ersten Hieb mit dem Messer ertönte überraschenderweise wieder Gebrüll und Geraschel im Busch, beim zweiten desgleichen, dann war auch der letzte zurückgebliebene Gorilla den übrigen gefolgt. Das erlegte Tier war ein erwachsenes noch jugendliches Männchen. Offenbar hatte einer der Gorillas den gefallenen Kameraden nicht allein seinem Schicksal überlassen wollen, hatte aber doch den Mut zum Angriff nicht gefunden. Es sei betont, daß sich alle meine Beobachtungen auf ganze (Gorillagesellschaften beziehen; es ist mir nie geglückt, einem Einzel- gänger zu begegnen. Sicherlich sind letztere angrifislustiger als die gesellig lebenden. Tiere. Ich zweifle daher nicht, daß die etwas temperamentvollen Schilderungen pu OHAILLu’s von Begegnungen mit Gorillas, die sofort zum Angriffe übergingen, durchaus den Tat- sachen entsprechen. Ich zweifle daran um so weniger, als dieser Reisende in „Aschangoland“ eine Begegnung mit einer Gorilla- gesellschaft in einer Weise beschreibt, die durchaus meinen eigenen Beobachtungen entspricht. In diesem Falle berichtet er, wie die auf Bäumen überraschten Gorillas herabklettern und fliehen, wie ein altes Männchen zunächst beobachtend sitzen bleibt, beim Näher- kommen der Begleiter des Reisenden aber gleichfalls die Flucht ergreift. Mir sind mehrere Fälle zuverlässig bekannt geworden, in denen friedlich des Weges ziehende Eingeborene von Einzelgängern über- fallen und zur Flucht gezwungen worden sind. Einmal übernachtete ich in einem kleinen Dorfe und schickte kurz vor Tagesanbruch einen Jungen nach dem einen lıalben Tagemarsch entfernten AJjos- höhe, um meine Post zu holen. Schon nach einer halben Stunde kam der Junge atemlos zurück und erzählte, daß ihn auf dem Wege ein großer Gorilla angegriffen und zu schleuniger Umkehr ge- Biologische Beobachtungen an Gorilla und Schimpanse. 35 zwungen habe. Natürlich eilte ich, so schnell ich konnte, zu der bezeichneten Stelle; der Gorilla hatte aber nicht gewartet und hatte nur seine frische Spur im weichen Boden hinterlassen. Es gibt zahlreiche beglaubigte Fälle, in denen Eingeborene von Gorillas überfallen und schwer verletzt oder getötet worden sind. Es steht daher außer Zweifel, daß Einzelgänger gelegentlich den Menschen ungereizt angreifen. Ich habe mehrfach die Erfahrung gemacht, daß die Neger Wege, die von Einzelgängern unsicher gemacht werden, nicht allein und unbewaffnet zu begehen wagen. Noch häufiger als auf Wegen kommen Überfälle wohl in Pflanzungen vor, und hier werden vielleicht auch die gesellig lebenden Gorillas manchmal angrifislustig, wenn sie sich in ihrer Absicht, in der Farm ihre Abendmahlzeit einzunehmen, durch ein etwa dort arbeitendes Weib gestört sehen. Wenn in diesen Fällen die Opfer eines Angriffs meist Frauen sind, so liegt das daran, daß die Farm- arbeit eben Frauenarbeit ist. Dem Gorilla ist das Geschlecht des Menschen, den er angreift, ganz gleichgültig, nur das Verhalten des Angegriffenen beeinflußt seine Handlungsweise. Übereinstimmend hört man von eingeborenen Jägern, daß man den Gorilla zum Rück- zug veranlassen kann, wenn man einen blanken Gegenstand, etwa ein Haumesser, drohend in die Luft schwingt. Das alte Märchen vom Frauenraub findet in den tatsächlichen Verhältnissen nicht die geringste Stütze. Seine Glaubwürdigkeit wird ja von den Reisenden auch einstimmig verneint. Die beste Widerlegung dieses Märchens liegt in der Tatsache, daß es unter den Eingeborenen keineswegs überall da bekannt ist, wo der Gorilla vorkommt, daß es im Gegenteil offenbar nur eine sehr geringe Verbreitung hat. Ich bin bei verschiedenen Stämmen am Njong und am Dschah mit meinen Fragen in dieser Richtung stets auf völlige Verständnislosigkeit gestoßen; und von den Mpongwe am Gabunfluß berichtet schon Savas (1847): „The silly stories about their carrying off women from the native towns ... related by voyagers and widely copied into books, are unhesitatingly denied.“ Nach OErRTzEen „betont Lıvınastone ausdrücklich, daß wenigstens der Gorilla von Manjema sich nie an Weibern vergreife.“ Wir werden auf diesen "Punkt im nächsten Abschnitt ‘noch einmal zurückkommen. Ebenso wie der Gorilla schlägt der Schimpanse sein Nacht- lager nicht selten ganz dicht bei den menschlichen Siedlungen _ auf. Man braucht manchmal von einem Dorfe aus nur wenige B Schritte in den Wald zu gehen, um auf die Nester zu stoßen. Mehrfach habe ich Nester unmittelbar über nicht allzu begangenen 3x 36 E. REICHENOW. Wegen gefunden. Dazu verraten sich die Tiere auch durch ihr Geschrei, das sich zu allen Nachtstunden plötzlich erheben Kann. Trotzdem ist der Schimpanse dem Menschen gegenüber weit scheuer als der Gorilla. Ich habe stets die Erfahrung gemacht, daß sich die Tiere, sobald sie des Menschen ansichtig wurden, - stets eiligst davonmachten, und zwar gleich so weit, daß man sie nicht mehr zu Gesicht bekam. Die Jagd des Schimpansen ist daher tagsüber recht schwierig. Mit Leichtigkeit kann man die Tiere dagegen stellen, wenn man am Abend vorher einen Platz ausfindig gemacht hat, an dem sie, ihr Nachtlager aufschlagen, und sich vor Tagesanbruch unter die Nester schleicht. Man kann dann gewöhnlich gutes Büchsenlicht abwarten, denn die Tiere sind morgens sehr träge und verlassen die Nester erst, wenn es ganz hell geworden ist. Die Scheu des Schimpansen vor dens Menschen ist vielleicht nicht in allen Gegenden in gleichem Maße vorhanden. Ich habe über angriffslustige Schimpansen mehrfach von Europäern in Kamerun Berichte erhalten, deren Glaubwürdigkeit ich nicht nach- prüfen kann. ReicHarrt berichtet vom Tanganika, daß die Schim- pansen dort von den Eingeborenen sehr gefürchtet seien, da sie einzelngehende Menschen angriffen. Daß angeschossene Schimpansen gelegentlich den Jäger an- nehmen, ist sicher. In allen Fällen geschieht dies aber nicht. Ich bin einmal einem angeschossenen ausgewachsenen Männchen mehrere Kilometer auf der Schweißspur gefolgt. Das Tier flüchtete sich schließlich, als es nicht mehr weiter konnte, auf einen niedrigen Baum, von dem ich es herunterschoß. Beziehungen der Eingeborenen zu den Menschenaffen. Die Beziehungen der Eingeborenen zu den Menschenaffen sind einmal materieller, sodann religiöser Natur. Gewisse Negerstämme haben eine besondere Vorliebe für das Fleisch dieser Tiere, und zwar sind es ausschließlich solche Stämme, die Anthropophagen sind oder es bis vor kurzem waren und nur unter dem Einflusse des Weißen von dieser Gewohnheit abgekommen sind. Zu den ersteren gehören die Makka am oberen Njong, zu den letzteren die ihnen benachbarten Jebekolle. Die Jaunde dagegen, die offenbar auch in früherer Zeit dem Genuß von Menschenfleisch nicht er- geben waren, verabscheuen auch das Fleisch der Affen. Aus dem Gabungebiet berichtet pu CHaıtıv: „Les naturels de l’interieur aiment beaucoup la chair du gorille ... Les tribus de la cöte n’en mangent pas, et se tiennent pour offensees si on leur offre, Biologische Beobachtungen an Gorilla und Schimpanse. 37 a cause de l’affinit& qu’elles croient trouver entre la nature de cet animal et la leur.“ Sckurze verallgemeinert dagegen seine bei Molundu gemachten Beobachtungen zu sehr, wenn er angibt: „Alle Urwaldneger schätzen das Fleisch dieser Affen hoch, das, wie mir meine N’dzimu-Träger mehrfach gestanden, im Geschmack dem des Menschen ähneln soll.“ Was Schurze über den Geschmack des Fleisches angibt, stimmt mit dem überein, was auch mir mit- geteilt wurde; Kenner haben mir versichert, dab das Fett der Menschenaffen im Geschmack von dem des Menschen nicht zu unterscheiden sei. Die Gorillajagd wird von den Eingeborenen in ähnlicher Weise, wie auf anderes Wild, insbesondere Antilopen und Wildschweine, durch Umstellen ausgeübt. OErTzEx hat bereits die Anwendung dieser Methode auf den Gorilla beschrieben. In der Nacht werden aus den umliegenden Dörfern ein paar hundert Männer zusammen- getrommelt, die ein Gorillalager vor Tagesanbruch einkreisen, rings- herum Netze spannen und das Unterholz abschlagen. Wo die Neger über keine Feuerwaiien verfügen, wird die Jagd aber kaum ausgeführt, da sie zu gefährlich ist. Da man in den Besitz junger Gorillas nur mit dieser Jagd- methode gelangen kann, habe ich sie im Jebekollegebiet bei Ajos- höhe mehrmals ausführen lassen und habe mich dabei überzeugen können, daß die Leute keine Übung in der Gorillajagd besaßen. Zweimal mißlang das ‘Unternehmen; denn die Schwarzen nahmen, als die Gorillas nach einer Seite vorstürmten, schleunigst Reibaus und ließen die Tiere ausbrechen. Die Netze bilden kein Hindernis, da sie von den alten Tieren mühelos zerrissen werden. Auch beim dritten Versuch brachen die männlichen Tiere durch, doch gelang es, die Weibchen mit ihren Jungen zurückzuhalten. Bei dieser Gelegenheit erbeutete ich zwei junge Gorillas, von denen einer ein wenige Tage altes Tier war. Über dessen Entwicklung, die ich zehn Monate lang verfolgen konnte, werde ich in einer späteren Arbeit berichten. Die Tatsache, daß das Fleisch der Menschenaffen nur von Menschenfressern genossen wird, ist ein recht deutlicher Beweis, daß die Urwaldneger die Vor stellung einer gewissen Verwandtschaft dieser Affen mit dem Menschen haben. Ähnliche Erfahrungen, wie DU CHAILLU nach seiner oben wiedergegebenen Bemerkung mit den Küstenstämmen in Gabun, habe ich mit Jaundeleuten gemacht; - auch diese wiesen ihnen gebotenes Gorilla- oder Schimpansenfleisch entrüstet mit der Bemerkung, das sei doch Menschenfleisch, zurück. Die Anschauungen der Eingeborenen in diesem Punkte kommen 38 E. REICHENOW. vielleicht am besten in den religiösen Vorstellungen zum Ausdruck. In einer Pangwe-Erzählung, die uns Tessmann (1913, Bd. II, Kap. XT) berichtet, bilden die Menschenaffen mit samt dem Pygmäen gleich- sam den Übergang zwischen Mensch und Tier: „Essamniamböge, (Gott) hatte nun 7 Söhne, der 1. hieß Mode a Sama (Mensch), der 2. Küi a Sama (Pygmäe), der 3. Ngi Sama (Gorilla), der 4. Oaa Sama (Schimpanse), der 5. Scho a Sama (Elefant), der 6. Ekute oder Akute Sama (dumm) und der 7. Ngomwenio (Name nicht zu erklären).“ Schimpanse und Gorilla spielen auch in den religiösen Kulten der Pangwe eine große Rolle; über diese Beziehungen hat uns Tessmann in seiner Monographie aufgeklärt. Der Schimpanse dient als Symbol im Kult des Bösen, der Gorilla tritt in dem Kult des reinigenden Feuers als Symbol des Guten auf. Die Gründe für die verschiedene Bewertung der: beiden Menschenaffenarten sieht Tessmann in der Verschiedenheit des Benehmens und des Charakters der Tiere, von der auch die Neger eine gute Vorstellung haben. Wer Hörde Arten nicht nur an zahmen Tieren, sondern auch in der Wildnis beobachtet. hat, kann dem nur zustimmen. Recht treffend ist eine Charakteristik, die OERTZEn von Schimpanse und Gorilla gibt: „Hier bedächtige Ruhe, auch im Spiel eine gewisse Schwerfälligkeit, ein Hang ins Grüblerische, dort Übermut und Unstetigkeit, ein Geschöpf, das dem Augenblick lebt.“ Sehr beachtenswert ist, wenn Trssmann weiter berichtet, dab nach Meinung der Eingeborenen auch der Geschlechtstrieb des Gorilla weniger ausgeprägt sei: „Daher wird das Gerücht kommen, daß er unter seinen Verfolgern denjenigen am Geruche herauskennt und zuerst angreift, welcher sich vorher mit einem Weibe abgegeben hat.“ Beim Lesen dieser Zeilen wurde ich lebhaft an einen Zwischen- fall bei der oben erwähnten Jagd mit Hilfe der Neger erinnert. Alsich mich an die eingekreisten Gorillas heranmachen wollte, wurde es mir schwer, zwei Leute zu finden, die mich begleiteten, um mir durch Abschlagen des Unterholzes einen Weg zu bahnen. Jeder, der aufgefordert wurde, erhob einen anderen Einwand, und einer erklärte, daß er in der letzten Nacht geschlechtlich verkehrt habe, was mir damals als eine besonders faule Ausrede erschien. Die Auffassung der Eingeborenen von dem besonders geringen geschlechtlichen Bedürfnis des Gorillas ist besonders bemerkenswert, wenn wir sie mit dem Märchen vom Frauenraub vergleichen. Ein Tier, das es auf die Negerinnen abgesehen hätte, würde wohl kaum in den Ruf besonderer Enthaltsamkeit geraten. Übrigens glaube ich, daß diese Meinung der Neger durchaus zutreffend ist; denn Biologische Beobachtungen an Gorilla und Schimpanse. 39 beim Gorilla fällt einem die außerordentlich schwache Ausbildung der Hoden auf, während diese beim Schimpansen um ein Vielfaches größer sind. Wo bei den Eingeborenen Erzählungen von frauenraubenden Gorillas auftauchen. mögen, gehen sie ohne Zweifel auf einen Vor- stellungskreis zurück, der mit tatsächlichen Beobachtungen nicht das geringste zu tun hat. Zahlreiche Negerstämme glauben, daß Zauberer sich in Gorillas, Leoparden oder Elefanten verwandeln können oder daß deren Seele in Gestalt solcher Tiere umgehe. Diesen Fabelwesen, die natürlich auch nach Meinung der Neger gar keine echten Gorillas, Leoparden oder Elefanten sind, mag neben vielem anderen Schabernack, den sie dem Menschen zu- fügen, gelegentlich auch der Raub von Weibern zur Last gelegt werden. Zum Schluß noch einige Bemerkungen über die wirtschaftliche Bedeutung der Menschenaffen. Wir haben erfahren, daß die Tiere nicht selten die Pflanzungen der Eingeborenen heimsuchen. Der Gorilla richtet darin mehr Schaden an als der Schimpanse; doch habe ich die vorgekommenen Zerstörungen niemals sehr erheblich gefunden. Sie reichen nicht an den Schaden heran, der etwa von ein paar Büffeln verursacht wird, von den Verheerungen, die eine Elefantenherde anrichtet, ganz zu schweigen. Ein Vernichtungs- feldzug gegen die Affen ließe sich durch diesen Schaden nicht rechtfertigen. Die Gefahr, die an manchen Orten für den Menschen durch Angriffe seitens des Gorillas besteht, geht fast ausschließlich von Einzelgängern aus. Sie läßt sich durch den amtlichen Abschuß solcher einzelner Tiere, die sich unliebsam bemerkbar machen, be- seitigen, und durch den Abschuß dieser alten Männer wird ja der Bestand des Gorillas nicht gefährdet. Ich habe schon früher (1917) berichtet, daß ich die Erreger der Malaria des Menschen, die man bis dahin auf den Menschen beschränkt glaubte, auch im Blute des Gorillas und Schimpansen festgestellt habe. Solange aber noch jeder Neger ein Träger dieser Parasiten ist, ist deren-Vorkommen bei den Menschenaffen für die Tropenhygiene praktisch von geringer Bedeutung. Nicht nur der Schimpanse, sondern auch der Gorilla ist heute noch zahlreich genug, daß es der Mensch in der Hand hat, durch Schutzmaßnahmen diese beiden für die Wissenschaft so ungeheuer wichtigen Tierformen vor dem Aussterben zu bewahren. Diese Schlußbemerkungen praktischer Art erscheinen heute nicht sehr zeitgemäß, da sich unsere Schutzgebiete zurzeit in Feindes- 40 E. Reıcuzenow: Biologische Beobachtungen an Gorilla und Schimpanse.- hand befinden; ich habe sie gemacht in der Zuversicht, daß unser geraubtes Eigentum in absehbarer Zeit wieder in unseren Besitz gelangen möge. Literaturverzeichnis, BREHM’s Tierleben, Säugetiere, 1. Bd. (Benutzt wurde die 3. Auflage, 1890.) BURTON, R. F. (1876): Two trips to gorilla land. 2. Bde. London. CHAILLU, P. du (1861): Expeditions and explorations in Equatorial Afrika. — (1868): Voyages et aventures dans l’Afrique @quatoriale. Paris, Michel Levy freres. — (1867): A journey to Ashango-Land. London. FAMELART, L. (1883): Observations sur un jeune gorille. Bull. Soc. Zool. France, Bd. 8, S. 149. FALKENSTEIN, J. (1879): Die Loango-Expedition, II. Abt. Leipzig. (ARNER, L. R. (1896): Gorillas and Chimpanzees. London. — (1902/08): Monkey Land. Animal Life, Bd. 1. (GRABOWSKY, F. 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Die Nahtanomalien der Affen sind schon mehrfach Gegenstand der Bearbeitung gewesen und im Anschluß daran haben besonders RANKE, SCHwALBE und BoLk Fragen von großer anatomischer Be- deutung aufgeworfen. Die meisten Autoren betonen aber stets die Dürftigkeit des bisher vorliegenden Materials, speziell bei den Anthropoiden, und deshalb unterzog ich mich der Aufgabe, die reichhaltige Sammlung an Anthropoidenschädeln im Berliner Zo- ologischen Museum auf derartige Nahtanomalien zu untersuchen. Weiterhin konnte ich die Schädel des Anatomischen Instituts der Universität Berlin und die des Zoologischen Museums zu Breslau besichtigen, so daß die Gesamtzahl der untersuchten Schädel sich auf 463 beläuft, wovon 199 auf den Gorilla, 76 auf den Orang und 188 auf den Schimpansen entfallen. Die folgenden Zeilen enthalten einen Bericht der gemachten Befunde, und zwar will ich mich in dieser Abhandlung auf die im Bereiche des Scheitelbeins bei den eben genannten Anthropoiden- gattungen beobachteten Nahtanomalien beschränken. Die wichtigste dieser Nähte ist die Sutura parietalis, die eine vollkommene Teilung des Scheitelbeins bewirkt. Wegen ihrer außerordentlichen Selten- heit beim Menschen und ihres fast ausschließlichen Vorkommens bei den Primaten (Ausnahme: Monotremata (?) und einige von HRDLICKA 1%, 11) und van Deiss#*% 5 beschriebene Fälle bei anderen Säugetieren) hat sie von jeher die Aufmerksamkeit der Anatomen auf sich gezogen und eine ausgedehnte Literatur hervorgerufen, ohne daß aber bisher eine völlige Einigung über ihre Entstehungs- ursache und Bewertung erzielt worden wäre. Bei den Anthropoiden kommt die Scheitelnaht nach den bis- herigen Beobachtungen, mit denen auch die meinen übereinstimmen, häufiger vor als beim Menschen; doch besagt bei der großen Selten- heit dieser Bildung beim Menschen das „häufigere“ Vorkommen bei den Anthropoiden keineswegs Häufigkeit. Es sind bisher meines Wissens nur 8 Anthropoidenschädel mit vollständiger Scheitelnaht beschrieben worden, wovon 5 auf den Orang und 3 auf den Schim- pansen entfallen. Allerdings hege ich noch einige Zweifel, ob alle beim Schimpansen beschriebenen Nähte echte Scheitelnähte sind, denn der von HRDLICKA !% erwähnte und abgebildete Schädel stammt von einem Individuum, das lange Zeit in Gefangenschaft gelebt hat. An derartigen Schädeln treten aber oft nahtähnliche Gebilde 42 A. REMANE. auf, die ihre Entstehung früheren Verletzungen verdanken, und so muß auch für HroLıcrka’s Fall die Möglichkeit einer solchen Ent- stehung der betreffenden Nähte vorläufig offen bleiben. Beim Gorilla ist bisher eine derartige Anomalie noch nicht beobachtet worden. Diese Lücke kann nunmehr ausgefüllt werden, denn das Berliner Zoologische Museum birgt einen Gorillaschädel mit einem einseitig durch eine Sutura parietalis horizontalis voll- kommen geteilten Scheitelbein. Er gehört einem Weibchen von Gorilla beringei MrscH. (Nr. 24835) an, das Dr. STEMMERMANN am Sabinyo in 2800 m Höhe erlegte (Fig. 1). Das Tier war noch ziemlich jung, die dritten Molaren sind gerade durchgebrochen, die Schädelnähte größtenteils noch offen, nur die Sutura basilaris ist seltsamerweise bereits verstrichen. Die Schläfenwülste haben sich noch nicht vereinigt, doch beträgt ihr geringster Abstand nur noch 1,5 em. Das linke Scheitelbein dieses Schädels ist durch eine horizontale Scheitelnaht in zwei nahezu gleich große Knochen ge- | teilt. Die Sutura sagittalis ist reich gezähnt, sie verläuft jedoch nicht in der Medianebene, sondern ist ein Stück auf die rechte Seite verschoben, so daß die Schädelseite mit Scheitelnaht stärker ausgebildet erscheint als die andere, wie es ja auch an menschlichen Schädeln mit derselben Anomalie der Fall zu sein pflegt. Der linke Schenkel der Sutura coronalis bildet einen nach vorn offenen Bogen und ist nur in seinem oberen Teile reicher gewunden; an der Ur- sprungsstelle der Sutura. parietalis springt nur ein verhältnismäßig ‚sehr kleiner Fortsatz in das Scheitelbein vor. Der unterhalb dieses Fortsatzes liegende Teil der Sutura coronalis ist 42 mm, der oberhalb liegende Teil 32 mm lang. Die Schuppennaht verläuft ziemlich gerad- linig, die Lambdanaht ist nur noch in ihrem oberen Teil zu erkennen. Die Sutura parietalis selbst ist an der Außenseite des Schädels größtenteils verstrichen, an der Innenseite aber in ihrer ganzen Ausdehnung deutlich zu erkennen. Sie verläuft von dem eben er- A W Bee Nahtanomalien an Anthropoidenschädeln I. 43 wähnten Fortsatz des Stirnbeins in einem nach oben offenen Bogen horizontal nach hinten und mündet in der oberen Hälfte der Lambda- ‘naht. Infolge dieses Verlaufs ist der untere Teil des Scheitelbeins dem Volumen nach etwas kleiner als der obere, obwohl er an der Nahtumrandung des gesamten Scheitelbeins größeren Anteil hat. Die Zackung der Scheitelnaht ist an der Außenseite mäßig, an der Innenseite noch geringer; in ihrem ausgeprägt horizontalen Verlauf stimmt diese Scheitelnaht mit den meisten der beim Menschen beob- achteten Fälle überein. | An demselben Schädel findet sich noch eine zweite interessante Anomalie, die ich hier erwähnen möchte, obwohl sie die dieser Ab- handlung gesteckten Grenzen überschreitet. An der rechten Pterion- E73 III ET \ DIN, NN NV un IR ‘ °, A i / { /Hf RR un vi 5 DE mi. lt, NER V IQ A 1 n CART (DARM Fig. 2. gegend geht das Jugale mit dem Squamosum eine Nahtverbindung ein, die allerdings nur wenige Millimeter lang ist. Diese Verbindung entsteht durch zwei schmale Fortsätze, die jeder der genannten Knochen über die Ala magna hinweg entsendet, so daß die Ala magna von einer Verbindung mit dem Frontale ausgeschlossen ist. Genau dieselbe Anomalie findet sich merkwürdigerweise an dem Schädel des erwachsenen Männchens von Gorilla beringer MTScH., doch hier beiderseits, links aber undeutlich. Unter den untersuchten Orangschädeln befand sich gleichfalls ein Schädel mit vollständiger Scheitelnaht, die in diesem Falle aber auf beiden Seiten auftritt und auch in ihrem Verlauf von dem eben be- schriebenen Fallstark abweicht. Der Schädel stammt von einem jungen ‚Tier mit vollständigem Milchgebiß (Nr. 6976 Berl. Zool. Mus., Fig. 2), 44 A. REMANE. die Sutura condylosquamosa ist in ihrer äußeren Hälfte noch offen. Der Verlauf der Scheitelnaht ist auf beiden Seiten auffallend ähnlich. Das unterste Fünftel der Kranznaht springt etwa 15 mm recht-. eckig in das Stirnbein vor; dies wird dadurch bewirkt, daß das untere Teilstück des Scheitelbeins gegen das obere um den genannten Betrag vorgeschoben erscheint. Die Sutura coronalis wird dadurch in zwei ungleiche Teile zerlegt, denn die obere Begrenzungsnaht des rechteckig vorspringenden Fortsatzes muß als zur Sutura parietalis gehörig betrachtet werden, da sie nur als deren Verlängerung er- scheint und die gleiche Zähnungsart aufweist. Die Sutura parietalis verläuft in ihrem vorderen Teil etwas ansteigend, senkt sich dann aber wieder auf ihre ursprüngliche Höhe; darauf biegt sie rechtwinklig nach unten um und mündet gegen Ende des zweiten Drittels der Schuppennaht in diese. Der eben geschilderte Verlauf gilt für die Scheitelnaht beider Seiten; die Übereinstimmung erstreckt sich sogar auf die Nahtzackung, denn beiderseits ist der vordere Abschnitt wenig, der hintere reich gezackt. Demgegenüber sind die Unter- schiede zwischen den rechten und linken Scheitelbeinteilstücken recht geringfügig. Das rechte untere Scheitelbein ist etwas niedriger, seine Ecken spitzer als das entsprechende linke; ferner tritt es mit der Ala magna in Nahtverbindung, während diese auf der linken Seite unterbleibtt. Um so beträchtlicher sind die Form- und Größenunterschiede zwischen oberem und unterem Scheitelbein; ersteres übertrifft das untere etwa um das Sieben- fache an Größe. - An demselben Schädel findet sich im Bereiche des Scheitelbeins noch ein kurzer Nahtrest, der vom hintersten Teile der Schuppen- naht, ungefähr 10 mm vor dem Asterion entspringt und schräg nach hinten verläuft. Seine Länge beträgt nur etwa 5 mm; auf- fallend ist jedoch, daß der Nahtrest auf beiden Seiten des Schädels in gleicher Lage, Richtung und Länge auftritt und auch an der Innenseite deutlich zu erkennen ist. Vielleicht handelt es sich um eine unvollständige Abgrenzung eines Asterienfontanellknochens, der sich ja beim Orang häufig in dieser Schädelgegend findet. — Hiermit ist aber die Zahl der Nahtanomalien, die dieser interessante Schädel aufweist, noch nicht erschöpft. Wie auf Fig. 2 ersichtlich ist, ist das linke Jochbein durch eine Quernaht, die vom mittleren Teil der Sutura zygomatico-maxillaris zum oberen Teil der Sutura zygomatico-squamosalis verläuft, in zwei Knochen zerlegt. Vergleicht man diesen Schädel mit den fünf beschriebenen Fällen einer Scheitelnaht am Orangschädel, so ergibt sich eine weit- gehende Übereinstimmung mit vier von diesen; der von RankE!”), Nahtanomalien an Anthropoidenschädeln TI. 45 die beiden von Bor«?) und besonders der von PATTEN!®*) beschriebene Schädel stimmen mit ihm in der geringen Größe des unteren Scheitel- . beins, dem ins Stirnbein vorspringenden Fortsatz und der Mündung der Scheitelnaht in die Schuppennaht überein. Diesen fünf Schädeln steht der von Frass£rtro® beschriebene gegenüber. An ihm verläuft die Scheitelnaht von der Mitte der Kronennaht zu einem wenige Millimeter unterhalb des Lambda gelegenen Punkte der Lambdanaht. Diesem Fall entspricht wiederum die rechte Seite des einen BoLk- schen Schädels, an dem die Scheitelnaht jedoch nur als Rest vor- handen ist; doch reicht dieser vollkommen aus, um die Ähnlichkeit mit Fraserro’s Fall deutlich erkennen zu können. Man könnte demnach versucht sein, zwei verschiedene Typen der Scheitelnaht beim Orang anzunehmen. In dem einen Fall verläuft die Scheitel- naht schräg nach oben und mündet in der Lambdanaht, in dem anderen, viel häufigeren Falle biegt sie nach unten um und mündet in der Schuppennaht. Doch ist das vorliegende Material noch viel zu gering, um in dieser Hinsicht mehr als eine bloße Vermutung aussprechen zu können. Daß aber beim Orang das untere Scheitel- bein, bzw. dessen ÖOssifikationszentrum zum Aufbau des gesamten Scheitelbeins in der Regel viel weniger beiträgt als das obere, scheint mir ziemlich sichergestellt. Darauf deuten einmal die meisten der bisher beobachteten unvollständigen Scheitelnähte hin, dann aber auch die Tatsache, daß sich auch an Orangschädeln, die keinerlei Spur einer Scheitelnaht zeigen, fast ausnahmslos der mehr- fach erwähnte Vorsprung der unteren Scheitelbeinpartie in das Stirnbein findet und dieser Vorsprung in der Regel im unteren Drittel des Kranznahtschenkels liegt. — Das ziemlich konstante Vorkommen dieses Vorsprungs, dessen Zusammenhang mit der Teilung des Scheitelbeins ganz unverkennbar ist, bildet eine starke Stütze für die Annahme Ranke’s, daß bei den Primaten die Ver- knöcherung des Scheitelbeins von zwei Ossifikationspunkten aus die Regel sei und nicht eine bisweilen auftretende abnorme Er- scheinung. Im Gegensatz zum Orang scheint beim Schimpansen das obere Scheitelbein an Größe hinter dem unteren zurückzustehen. Bei den beiden beschriebenen Schimpansenschädeln mit Parietale „bipartitum“ biegt die Scheitelnaht nach oben um und mündet in der Sutura sagittalis. Diesen beiden Fällen reiht sich vielleicht noch ein weiterer an. . Ich meine den von SELEnka® in: Menschenaffen, *) Die Übereinstimmung dieses Schädels mit dem eben beschriebenen ist sehr weitgehend, so ist der Scheitelnahtverlauf bei beiden fast vollkommen gleich. 46 ‚4 REMANE. ———— BED Bd. II. Fig. 180 abgebildeten Schimpansenschädel. SELENKA selbst bezeichnet allerdings die beiden oberen Knochen als „Schaltknochen“; doch schreibt er: „Zwei Schaltknochen haben sich von den Parietalia gelöst.“ In Anbetracht der Tatsache, daß die Sutura parietalis beim Schimpansen eine Neigung zur Mündung in der Sutura sagittalis zu besitzen scheint, halte ich die Deutung dieses Falles als Parietale bipartitum mit starker Reduktion des oberen Scheitelbeins für ebenso berechtigt wie die als Schaltknochen, zumal da eine Ähnlichkeit der betreffenden Naht mit der von HRDLIÖKA beschriebenen nicht zu verkennen ist. Auf die große Schwierigkeit, geteilte Scheitelbeine von Fontanell- knochenbildungen scharf zu trennen, hat bereits Bor 1912 hin- gewiesen, und zwar an Hand eines Orangschädels, bei dem das untere Scheitelbein stark reduziert und somit einem Os epiptericum ähnlich war. Die Frage nach Resten der Scheitelnaht ist sehr kompliziert, da die an den Begrenzungsnähten des Scheitelbeins auftretenden Nahtreste ganz verschiedenen Ursprungs sein können. Sie können. ihre Entstehung dem Naht- oder Fontanellverschluß verdanken, durch „eigentümliche Krümmungsverhältnisse beim Wachstum der embryonalen Scheitelbeine* (BoLk 1912)? hervorgerufen werden und schließlich Reste der embryonalen Trennung der beiden Scheitel- beine darstellen. Diese genetisch scharf geschiedenen Typen lassen sich morphologisch jedoch nicht auseinanderhalten; es ist vielmehr ein stetiger Übergang von dem nur 1 mm langen bis zu dem weit ins Scheitelbein hineinreichenden Nahtrest vorhanden. Deshalb ist auch die Deutung der Nahtreste bei den einzelnen Autoren sehr verschieden. Am ehesten kommen als Reste der Sutura parietalis die von einer Knickungsstelle der Sutura coronalis ausgehenden Nähte in Betracht. Derartige Nahtreste habe ich seltener gefunden, als ich es nach den Veröffentlichungen Rankzs!” über diesen Punkt erwartet hatte. Nur an zwei Orangschädeln konnte ich sie beob-. achten, und zwar traten sie in dem einen Falle beiderseits auf. und erreichten eine Länge von etwa 10 mm, in dem andern Falle nur auf der einen Seite. Ganz kurze Reste (etwa 1 mm) habe ich. wegen der Schwierigkeit, diese von scharfen Nahtzacken zu unter- scheiden, von der Betrachtung ausgeschlossen. Bei Gorilla und Schimpanse fand ich keinen Schädel mit. sicherem Scheitelnahtrest, auch tritt bei ihnen die Knickung der Sutura coronalis, die ich beim Orang nur in 4 Fällen vermißte, seltener auf. Beim Gorilla ist sie mitunter zu beobachten, am häufigsten in der Mitte der Sutura coronalis; beim Schimpansen bo) RER ENEE EN, Nahtanomalien an Anthropoidenschädeln I. 47 dagegen fehlte sie fast stets und war nur in fünf Fällen in ge- ringer Ausprägung festzustellen. Zusammenfassend läßt sich folgendes sagen: Die vollständige Scheitelnaht kommt bei allen drei Anthropoidengattungen vor; beim Orang am häufigsten, beim Gorilla am seltensten. — Von prozen- tualen Angaben des Häufigkeitswertes soll noch abgesehen werden, da die bisherigen Beobachtungen zu große Differenzen aufweisen: RankeE!” fand sie unter 246 Orangschädeln einmal, BonLk® unter 21 Schädeln zweimal und ich unter 76 Schädeln einmal. — In ihrem Verlauf ist die Scheitelnaht mehr oder weniger horizontal, entspricht also mehr den am menschlichen Schädel beobachteten Fällen, als denen der niederen Affen, bei denen der vertikale Ver- lauf häufiger sein soll. Nachtrag: In der meinem Vortrage folgenden Diskussion machte mich Herr Prof. MATscHıE auf verschiedene Unregelmäßig- keiten an dem vorhin beschriebenen Schädel von Gorilla beringei aufmerksam, die einem von der linken Seite auf den Schädel aus- geübten Druck ihre Entstehung verdanken. Im Anschluß daran sprach Prof. MatscHıE die Ansicht aus, daß die Sutura parietalis mit dieser zu irgendeiner (wahrscheinlich sehr frühen) Zeit vorhandenen Druckwirkung in ursächlichem Zusammenhang stehe. Auch Herr Prof. Tornıer, dem ich den Schädel vorlegte, war der- selben Meinung und führte gleichfalls die Unregelmäßigkeiten des Schädels einschließlich der Sutura parietalis auf einen während des embryonalen Lebens von außen wirkenden Druck zurück. Die bei der Entstehung der Sutura parietalis wirksam gewesenen Ur- sachen lassen sich dabei noch näher präzisieren. Im Bereiche des oberen linken Scheitelbeins ist nämlich an einer Stelle dicht vor der Mitte desselben durch eine flache Grube die Ansatzstelle der von außen wirkenden Kraft zu erkennen. Auch die Richtung des Druckes läßt sich aus der Form der Grube bestimmen: da deren Innenseite aufgewulstet erscheint, muß die Kraft also von links gewirkt haben. Dadurch wurde eine Verschiebung der oberen Scheitelbeinpartie nach rechts bewirkt, die zu der vorhin erwähnten Verlagerung der Sutura sagittalis nach rechts führte. Auf die Gegend unterhalb der Stelle, die dem direkten Druck ausgesetzt war, wurde ein entsprechender Zug ausgeübt, der die normale Vereinigung der beiden primären Ossifikationszentren des Scheitel- beins verhinderte oder, falls dieselbe bereits stattgefunden hatte, eine erneute Spaltung desselben hervorrief. Letztere Ansicht halte ich allerdings für unwahrscheinlich. Schließlich wird der Zusammen- hang zwischen Druckstelle und Sutura parietalis noch dadurch 48 H. POHLE. wahrscheinlich gemacht, daß die Naht sich in bogenförmigem Ver- lauf um dieselbe hinzieht. Alle diese geschilderten Vorgänge müssen sich abgespielt haben, bevor eine feste Vereinigung der einzelnen Knochen erfolgt war, also intrauterinär, da Stirnbein und Hinterhauptsschuppe bei der Verschiebung des Scheitelbeins kaum in Mitleidenschaft ge- zogen wurden. - Es scheint also hier ein Schädel vorzuliegen, an dem die Ursachen für die Entstehung der Sutura parietalis noch deutlich erkennbar sind, und so bezeichnete ihn Prof. Torvıer auch als einen der „mechanisch durchsichtigsten Fälle“. Das Literaturverzeichnis folgt am Ende des 3. Teils. Zur Kenntnis der Baubtiere. Von Hermann POHLe. II. Die Stellung der Gattungen Amphictis und Nandınia“). Zu den Gattungen, deren Stellung im System stets eine recht unklare und veränderliche - gewesen ist, gehören Amphictis und Nandinia. Besonders die erstere mit ihrer Familie Amphictidae hat viel Verwirrung hervorgerufen; ist doch das Verhältnis dieser Familie zu den andern Raubtierfamilien kaum festgelegt. Diese Tatsache erschwert sehr das Studium dieser Formen und ist be- sonders unangenehm, weil Amphictis zu den häufigst zitierten Gattungen gehört. Ich halte es deshalb für sehr nützlich, die Stellung der beiden Gattungen durch einen Vergleich mit den andern in Betracht kommenden festzulegen. Amphictis (aus den Phosphoriten, Oligocän) mit den Arten A. ambiguus GERVAIS, antigquus Pomeu, leptorhynchus PomEL und lemanensis Pomeu wurde 1853. von Pomen als Mitglied der Familie der Mustelidae beschrieben. Bekannt waren von ihr nur Unter- kiefer. Auch ScHLosser 1888 stellte sie zu der genannten Familie. GerRVvAISs und FınHon dagegen faßten sie als Viverride auf. Ein besonderes Interesse gewann die Gattung aber erst, als 1895 WInGE, der auch zuerst den Öberschädel beschrieb, sie mit Nandinia, Miacis, Didymictis und Daphaenus zu einer Familie „Amphietidae“ vereinigte, die er als den Ursprung aller rezenten Raubtiere hin- *) Als Nr. I ist die unter Nr. 18 des Literaturverzeichnisses angegebene Arbeit aufzufassen. ac + ee v 0 = Ep . Zur Kenntnis der Raubtiere. 49 stellte. Seitdem ist Amphictis nicht wieder bearbeitet worden. Die andern zur Familie Amphictidae gestellten Gattungen sind in- zwischen sämtlich in andere Familien gestellt worden, so daß die Familie Amphictidae heute eigentlich nur aus der Gattung Amphiectis besteht. Ob daher diese Familie aufrecht zu erhalten ist, soll untersucht werden. Die bei Wınse mit Amphictis zusammenstehenden Gattungen Miacis und Didymictis bildeten bis dahin die Familie Miacidae, die 1884 von Cor benannt wurde. Es ist daher nicht recht ein- zusehen, weshalb Wmee den alten Namen verwarf und einen neuen einführte. Ich vermute, es geschah aus zwei Gründen, nämlich erstens, weil Amphictis ihm viel besser bekannt war als die beiden andern Gattungen, und zweitens, weil er seibst nicht ganz sicher war — es wird dies ja auch durch ein Fragezeichen angedeutet —, ob die Gattungen überhaupt in eine Familie zusammengehörten. Inzwischen sind aber, besonders durch die Arbeiten von MATTHEw, von diesen Gattungen fast die ganzen Skelette bekannt geworden, die Familie Miacidae ist eine der bestgekannten unter den fossilen, und der erste Grund ist daher hinfällig. Der zweite Grund enthält ja das Problem der Zusammengehörigkeit von Amphiectis mit andern Gattungen überhaupt, das nur jetzt nicht mehr zu fassen ist: Ge- hören Miacis und Didymictis zur Familie Amphictidae? sondern vielmehr: „Gehört Amphictis zu den Miacidae?”“ Im letzteren Falle wäre ja die Familie Amphictidae überflüssig. Die Miacidae wurden von Copz beschrieben wie folgt: In this family we have the point of nearest approximation of the Creodonta and Carnivora. This is indicated by the fact, that the sectorials of this family are true sectorial both in position and form, such as are not elsewhere met with in the Creodonta. The genera might readily be taken for members of the Canidae and Viverridae but for the structure of the astragalus, which is thoroughly Creodont. There is no trochlear groove of the tibial face and in Didymictis it is so oblique that the internal malleolar face looks partly upwards. In diese Familie fielen damals nur die beiden Gattungen Miaeis und Didymıctis. Amphictis wurde von Cope nicht berück- sichtigt, wahrscheinlich weil man ihn ja damals nach reinen Zahn- merkmalen zu den Musteliden stellte Inzwischen haben wir eingesehen, dab die feinen Zahnunterschiede wohl für Art- und Gattungsgrenzen gut brauchbar, für Familiencharaktere aber selten verwendbar sind. So definierte denn MArrHrw, der die letzte und genaueste Diagnose der Miacidae gab, seine Familie nur nach 4 50 H. POoHLeE. Skelettmerkmalen. Nach seiner Beschreibung gehören viel mehr Gattungen hierher, in der Hauptsache allerdings solche, die zu CGore’s Zeiten noch unbekannt waren. Amphictis wurde auch von ihm nicht genannt. Der Grund dazu liegt wohl vor allem darin, daß 1898 Rıscss einen Raubtierschädel als Amphietis beschrieb und abbildete, der, wie ich schon a. a. OÖ. nachgewiesen habe, keiner war, daher also eine ganz falsche Vorstellung von Amphictis erweckte. Vergleichen wir nun den Amphichs mit den Miacidae Cope- Mırruew. Bei diesem Vergleich können wir nur die Schädel- merkmale verwenden, weil von Amphictis eben nur der Schädel bekannt ist. Miacidae. Amphietis. 1. Brain small. ?, wahrscheinlich auch klein, denn Wınsze sagt: Hoved- skallens Form er v&senlig som hos Stypolophus [Sinopa]. . Tympanic bulla not ossified. Bulla knorpelig. 3. P4, MI carnissials as in P4 und Mı sind Reißzähne. modern carnivora. BE 4. Metacone smaller than proto- Protocon groß und von einem cone. starken basalen Cingunm um- geben. 5. Foramen condyloideum ge- Ebenso”). trennt vom For. iac. posterius. 6. M2 mindestens zweiwurzelig.. M2 zweiwurzelig. Das letzte Merkmal wurde von MArrHew nicht genannt; ich füge es hier bei, weil es seinerzeit zur Aufstellung der Gattung Amphictis führte. Wie die Tabelle zeigt, stimmt Amphietis mit den Miacidae in allen Merkmalen überein. Der Vereinigung mit dieser Familie steht daher nichts im Wege, und die Familie Amphictidae wird damit überflüssig. Es fragt sich nur noch, an welche Stelle in der Familie die Gattung zu stehen kommen muß. Diese Frage soll aber erst weiter unten, nach der Betrachtung ur Nandinia, beantwurtet werden. Ne) Ähnlich wie mit Amphictis war es auch mit der Gattung Nundinia mit den Arten oder Unterarten N. binotata Gray, N. gerardi Tromas und N. arborea Hrıuzer. Die erste Art wurde 1830 als *) Diese Angabe verdanke ich der Freundlichkeit des Herrn 3 Prof. Wınee, dem ich dafür auch noch an dieser Bel meinen herzlichen Dank aussprechen möchte. Zur Kenntnis der Raubtiere. 51 Viverra binotata von GrarY beschrieben und dann 1832 bei Ge- legenheit einer genaueren Untersuchung der Gattung Paradozurus nach den Charakteren des Fußbaues in diese übernommen. Später stellte Grar eine besondere Gattung Nandinia auf, die er 1843 zum ersten Male nennt, 1864 aber erst beschreibt. Sie blieb aber trotz der ganz bedeutenden Abweichungen lange Zeit im System neben Paradoxurus stehen. Eine recht abweichende, aber wohl auch nicht begründete Ansicht drückte dann Noack 1889 aus, in- dem er ein bei Nandinia vorhandenes Prägenitalorgan in Gestalt eines unbehaarten Hautfeldes als einen Rest des Beuteltierstadiums deutete. Wie aber Carısson und BRINKMANN nachwiesen, handelt es sich hier um ein Hautdrüsenorgan, das mit den Mammar- organen nichts zu tun hat, vielmehr beim Männchen stärker ist als beim Weibchen. Allerdings steht Nandinta durch den Besitz dieses Organs völlig isoliert unter allen Raubtieren da. Der erste, der die abweichenden Merkmale der Nandinia voll und ganz würdigte, war WısGe, der sie nach den Schädelmerk- malen 1896 mit Amphictis zu der von ihm aufgestellten Familie Amphietidae vereinigte. Wie ich oben nachgewiesen habe, ist aber diese Familie nicht aufrecht zu erhalten; vielmehr ist Amphictis zu den Miacidae Cope zu stellen, und es ist nun zu untersuchen, ob Nandinia auch in diese Familie gehört. Dies soll weiter unten geschehen. Nach WınsEe war es Carısson, die 1900 eine Untersuchung der Stellung dieser Gattung weihte. Im Verlauf dieser Arbeit gelangt sie zu der Ansicht, daß Nandınia eine — zwar ab- weichende — Form der Viverriden sei. Diese Schlußfolgerung der so schönen, genauen Arbeit kann ich nicht anerkennen. Die Gründe dafür werde ich unten anführen. Seit dem Erscheinen der Arbeit von CArLsson ist die Gattung nicht mehr bearbeitet worden. 1913 hat BıruLa eine Bestimmungstabelle für die Gattungen der Vi- verriden nach Schädelmerkmalen aufgestellt, in der auch Nandinia erscheint, und zwar hat BıruLa für die Gattung eine besondere Unterfamilie Nandiniinae aufgestellt. Leider ist die Arbeit russisch geschrieben, so daß sie mir zum größeren Teil unverständlich ge- blieben ist. — Eigentümlich ist, daß fast keiner der Bearbeiter die Charaktere der Gattung Nandinia wirklich mit den Charakteren der Familien, in die sie die Gattung stellen, verglichen hat; dann wären sie wohl zu einem anderen Resultat gekommen. Ich möchte nun zunächst die Carusson’sche Arbeit besprechen, da sie die einzige Monographie ist; die andern Arbeiten berück- sichtigen ja Nandinia-nur nebensächlich. Carıssox hat die Er- gebnisse ihrer Arbeit am Schluß in zehn Punkte zusammengefaßt, 4" 52 f H. PoHLE. von denen die beiden ersten — allerdings auch nach ihrer Meinung — nicht für eine Zusammenfassung von Nandinia mit den Viverriden sprechen. Die einzelnen Punkte heißen (ich setze immer den Carusson’schen Text auf die linke, meine Bemerkungen auf die rechte Hälfte der Seite): 1. In der weichen Beschaf- fenheit der Bulla ossea und der Form des Processus parocecipi- talis stimmt Nandınıa — wie Wine nachgewiesen — mit der Familie Amphictidae überein. 2. Der vorderste Molar so- wohl im Ober- als im Unterkiefer bietet große Ähnlichkeit mit dem entsprechenden Zahn bei Am- phretis dar. Die hinteren Molaren sind reduziert in ähnlicher Weise wie bei Prionodon und Arctictis. 3. Präscrotaldrüsen nicht vorhanden. Vor der Vulva findet sich ein Drüsenfeld, dessen Struk- tur talgdrüsenähnlich ist. Zwei Analdrüsen sind vorhanden. 4. Die Mm. praeputio-abdo- minalis entwickelt, erreichen den Humerus. 5. Die Muskulatur verhält sich in den meisten Fällen wie bei den Viverridae. WINDLE und Parsons haben 13 myologische Kennzeichen der "Familie Viver- ridae aufgestellt. An Stelle Amphictidae muß man nun setzen: Miacidae. Zahnreduktionen kommen in allen möglichen Raubtierfamilien (auch bei den Miaciden) vor. Sie besagen daher nichts über die Familienzugehörigkeit, sondern höchstensetwasüber die Gattungs- zugehörigkeit. Präscrotaldrüsen finden sich nur bei der Unterfamile Viverri- nae, sind also erst innerhalb der Entwicklung dieser erworben. Allen übrigen Raubtieren fehlen sie. Das Drüsenfeld vor der Vulva besitzt unter allen Raub- tieren Nandinia allein. Analdrüsen kommen bei fünf der sieben Raubtierfamilien vor. Ähnliche Muskeln finden sich bei den O der Feliden. CARLSSON fand sie beim Q von Nandınva. Beim S wurden sie nur gefunden bei Felis pardus, Genetta, Nan- dinia. Dieser Muskel sagt also gar nichts über die systematische Stellung. Um den Wert dieser Muskel- charaktere zu zeigen, stelle ich hier neben die myologischen Kennzeichen der Viverridae und der Nandinia dieder Procyonidae nach WınpLe und PArsons. | Diese sind: 1 The sterno-ma- stoids of opposite sides seldom fuse. 2 The omo-hyoid is seldom present. 1. 3 The rhomboideus capitis is seldom seen. 1I. 4 The subelavius is sometimespresent.III. 5 The cephalo-hu- meral usually reaches the forearm. 0 The flexor longus eubiti biceps has al- most always one head. IV. 6 The pronator radii teres is inserted into the middle of the radius. 7 There may be a palmaris longus ex- ternus, internus or both. V. 8 The pronator quadratus is very va- riable. 9 The supinator longus is present. VI. 10 The flexor bre- vis digitorum manus s often present. VII. Zur Kenntnis der Raubtiere. Bei Nandinia ver- halten sich die frag- lichen Muskeln fol- gendermaßen: Die beiden Mm. sterno-mastoidei sind miteinander verbun- den. Der Musculus omo- hyoides fehlt. Der M.rhomboideus erreicht das Oceiput nicht. Der M. subelavius ist nicht vorhanden. Der M. cephalo-hu- meralis heftet sich an den Humerus an. Der M. biceps cu- biti besitzt nur den langen Kopf. Der .M. pronator radii teres ist zwei- köpfig und befestigt sich an der distalen Hälfte des Radius wie bei Uryptoprocta, Vi- verra und Hemigalea. Sowohl der palma- ris longus externus als auch internus sind vorhanden. Der M. pronator quadratus verhält sich wie bei Herpestes und Viverrieula. Der M. supinator longus ist vorhanden. Der M.flexor brevis digitorum ist vorhan- den. 53 % Myologische Cha- raktere der Procyo- nidae: 0 Sterno-mastoids often fusing in mid- line. I. 1 The omo-hyoid is usually absent. II. 3 The rhomboideus capitis is always pre- sent. O0 The subelavius is absent. III. 4 The cephalo-hu- meral is inserted into the humerus. IV. 5 The flexor longus cubiti biceps is some- times bicipital. 6 The pronator radii teres is usually inserted into thelower end of the radius. 7 Both palmaris longus externus and internus are usually present. V. 8 The pronator quadratus is variable. Bei Procyon auch zu- weilen wie bei Her- pestes und Viverricula. 9 The supinator longus is present. VI. 10 The flexor bre- vis digitorum manus is usually present.VIl. 64 > 11 The caudo-fe- moralis is inserted in the lower third of the femur. VIII. 12 The ilio-tibialis sartorius may be sing- le or double. 13 The semitendi- nosus always has a caudal head. IX. H. PoaLe. Der Ansatz des M. caudo-femoralis findet sich am distalen Ende des Femur. Der M. ilio-tibialis sartorius ist einfach. Der M. semitendi- nosus wird durch einen kaudalen Kopf verstärkt. 11 The caudo-fe- moralis may be pre- sent or absent. Wenn vorhanden, so liegt der Ansatz im unteren Teil des Femur. 12 The ilio-tibialis is usually single. 13 The semitendi- nosus always has a caudal head. IX. Ich habe die Familiencharaktere, mit denen Nandinia überein- stimmt, immer mit einer römischen Ziffer versehen. Es zeigt sich, daß Nandınıamit den Procyoniden in ebensoviel Punkten übereinstimmt wie mit den Viverriden. Daraus erhellt sich am besten der Wert dieser myologischen Familienkennzeichen für die Entscheidung über die syste- matische Stellung der Gattung. Überhauptsind ja Familiencharaktere, die fast immer durch seldom, usually u. dgl. eingeschränkt sind, wertlos. 6. Der Magen ist demjenigen - bei Arctictis binturong sehr ähn- lich. 7. Eine Coecumbildung fehlt, wie bisweilen bei Arctietis. 8. Die Leber bietet nichts Abweichendes von derjenigen der Vwerridae dar. 9. Das Gehirn schließt sich an dasjenige der Viverridae an und stellt ein Übergangsglied zwischen den zwei Gehirnformen dar, welche innerhalb dieser Fa- milie auftreten. Arctietis ist selbst ein so weit vom Typus der Viverriden ent- ferntes Tier, daß wir es eigent- lich nur noch als Viverride ver- stehen können, weil die Paguma- Arten eine Brücke bilden. Wenn daher Nandinia mit ihm in einem oder dem anderen Merkmal über- einstimmt, in dem Arctictis sich selbst von den übrigen Mitglie- dern der Familie unterscheidet (und so ist es mit dem Magen und dem Blinddarm), so kann man daraus keine Verwandtschaft zwischen Nandinia und den Vi- verriden schließen. Wenn das Gehirn von Nan- dınıa ein Bindeglied zwischen den Gehirnformen der Viverrinae und der Herpestinae darstellt, so ist das ein Zeichen, dab Nan- dinia älter ist als diese beiden Zur Kenntnis der Raubtiere. 55 10. Der Kehlkopf stimmt mit demjenigen bei HZerpestes in dem Fehlen eines Taschenbandes und dem Vorkommen einer Plica muscularis überein. Gruppen und zu keiner von beiden gehört. Das Taschenband kommt bei Viverrieula vor. Dagegen hat die Epiglottis bei Nandinia eine sehr spitze Form, während sie bei den Vi- verriden mehr abgerundet ist. Wie man sieht, ist unter den zehn Ergebnissen kein einziges, das wirklich für eine Angliederung von Nandinia an die Viver- riden spricht, wenn auch gewisse Ähnlichkeiten nicht abzuleugnen | ip Rn OS 7 \ 177 ) Nee > Ei «Q -.- US EN Fig. 5. Nandinia. Schädel Nr. 30374 des Fig. 6. B. 2. M. Heimat: Vietoria, Kamerun. Vulpavus profectus MATTHEW. Junges Tier. Die Tympanica sind in Stellung, Schädel. *; nat. Gr. Nach die knorpelige Bulla ist teilweise erhalten. MATTHEW. (Lit.-Verz. Nr. 15.) 6/, nat. Gr. sind. Sicher ist, daß Nandinia in vielen Beziehungen primitiver ist als die Viverridae, was sich besonders aus der Tatsache ergibt, daß sie in ihren Eigenschaften des öfteren Charaktere der beiden Unterfamilien der Viverriden vereinigt. Wenn wir nun zusammenstellen, so findet sich, daß in neuerer Zeit Nandinia entweder zu den Viverriden oder den Amphictidae | 56 H. PouHLr. (Miacidae) gestellt wurde. Wollen wir nun Nandınia mit den beiden Familien vergleichen, so dürfen wir für den Vergleich nur die Skelettmerkmale benutzen. Der Grund dafür liegt darin, dab diese von den Miacidae allein bekannt sind. Die weiche Anatomie ist ja wegen ihrer viel größeren Variabilität — die oben genannten Muskelmerkmale geben dafür ein Beispiel — überhaupt weniger zum Aufstellen von Familienmerkmalen brauchbar. Dazu kommt noch, daß wir die Miacidae als die Vorfahren der Viverriden an- sehen müssen, daß also anzunehmen ist, daß die weiche Anatomie der beiden Familien in vielen Beziehungen die gleiche ist. Wenn daher Nandınıa mit den Viverriden in der weichen Anatomie mancherlei gemeinsam hat, so ist das noch nicht genügend Grund, sie von der Miacıdae zu trennen und als Viverride anzusehen. Vergleichen wir daher die Skelettmerkmale. Ich will dabei nur die systematisch wichtigen Charaktere herausgreifen und mich daher an die von MATTHew für die Miacıdae und an die von WEBER für die Vwerridae gegebenen Diagnosen halten. , Das Gehirn von Nandinia ist zwar kaum größer als das der Miacidae, doch scheinen die Frontalia an seiner Bedeckung etwas stärker beteiligt. Dies liegt nun zwar nicht außerhalb der in der A. B. G; Fig. 7. Schädelunterseiten. A. von Viverricula (nach MATTHEW). B. von Nandinia. C. von Viverravus (nach MATTHEW. Auf der linken Seite wurde die Fenestra rotunda und das Foramen postglenoideum nicht eingezeichnet). Verschieden verkleinert. Reihe der Miacidae angedeuteten Entwicklung, aber die Viverriden stehen hierin auf derselben Stufe wie, Nandinia. Im übrigen ist die Schädelbildung der Nandinia ganz die der Miaciden. Dies zeigt sich besonders in der Oticalregion des Schädels und an den Zähnen. Das Os tympanicum ist ringförmig wie bei den Viwerridae. Bei den Miaeidae ist es bisher nicht gesehen worden, es dürfte aber auch hier vorhanden gewesen sein, doch war es nicht fest mit dem Schädel verwachsen; es hat sich dann beim Fossilisierungs- prozeß abgelöst in derselben Art, wie dies bei der Mazeration der Zur Kenntnis der Raubtiere. 57 Nandinia-Schädel geschieht. So hat z. B. von den etwa 40 Nandinia- Schädeln des B. Z. M. nur ungefähr die Hälfte noch die Tympanica Die Fossa mesotympanica, in der ja das Tympanicum sitzt, ha. jedenfalls z. B. bei Viverravus fast dieselbe Form wie bei Nandinia Die Trommelhöhle ist bei Nandinia einheitlich (ebenso dürfte sie bei den Miaciden gewesen sein), während bei den Viverriden, wie auch bei den Feliden und ähnlich bei den Hyaeriden, der vom Tympanicum umschlossene Teil von dem von der Bulla umschlossenen durch eine hohe Scheidewand fast vollkommen getrennt ist. Der Processus paroceipitalis liegt bei den Viverriden und Hyaeniden (ähnlich auch bei manchen Feliden) der Bulla an und ist blatt- förmig verbreitert. Bei Nandinia dagegen ist der Fortsatz nicht verbreitert, sondern steht ebenso wie bei den Miaciden frei und ist kaudalwärts gerichtet. Auch die knorpelige Bulla wird von ihm nicht berührt. — Auch in der Lage der Basicranialforamina zeigt sich — siehe Abbildungen 7 — einegroße Übereinstimmung zwischen Nandinia und den Miacidae. Zunächst liegt das For. condyloideum bei Nandinia getrennt vom For. lac. posterius in der Art, wie wir es bei den Miaciden und den Arctoidea finden. Die Carotis tritt (nach Pocock 1916) etwas vor dem For. lac. post. in die knorpelige Bulla ein und läuft dann in einer Rinne des Petrosum bis zum For. lac. anterius. Ganz ähnlich scheint es bei den Miacidae gewesen zu sein, wenigstens läßt die Photographie MATTHEw’S (Tafel XLIII, Fig. 1) etwas wie eine Rinne an der in Betracht kommenden Stelle erkennen. Ein Alisphenoidkanal ist bei Nandinia vorhanden, ebenso bei den Miaciden und den meisten Viverridae. | Vorder- und Eckzahn zeigen nichts Besonderes. Sie sind ja auch bei den Viverriden und Miaciden gleich. Dasselbe gilt von Zahl und Anordnung der Backenzähne: Es sind vier Prämolaren (der erste kann bei den Viverriden reduziert werden) und zwei Molaren (eine Unterfamilie der Miacidae hat drei Molaren) vor- handen; P4 und MI sind Reißzähne, die hinter den Reißzähnen stehenden Molaren sind Höckerzähne, der Metaconus ist kleiner als der Protoconus. Die Molaren von Nandinia sind rückgebildet und infolgedessen für vergleichende Untersuchungen nicht zu benutzen, kann doch — wie schon erwähnt — dergleichen in fast allen Raubtierfamilien vorkommen. Der M2 ist ein Stiftzahn, der leicht ausfällt. Am M1 ist auffällig, daß er ein sehr großes Parastyl besitzt, das wir ja auch bei vielen Miaciden finden, das aber auch bei manchen Fissipedia vorhanden ist. Die Reißzähne sind zwar nicht besonders groß, aber scharfspitzig.. Diese Tatsache bildet 58 H. PoHLE. ein scharfes Unterscheidungsmerkmal gegen die Paradoxuri, jenem Tribus der Viverriden, zu dem ja die Nandınia immer gestellt wurde, denn bei diesen sind die Zähne — wie bei allen Frucht- fressern — abgerundet. Nandınia dürfte sich fast ausschließlich von Fleisch ernähren und nur ausnahmsweise — süße — Früchte zu sich nehmen. Die wenigen Naturbeobachtungen darin wider- sprechen sich vollkommen, und die Beobachtungen an gefangenen Tieren sind wertlos. Wie falsch die Ernährung in der Gefangen- schaft ist, beweist ein Schädel des B. Z. M., der von einem Tiere stammt, das im Berl. Zool. Garten gehalten wurde. Bei ihm ist Fig. 8. Femura von Miacidac. A. von Didymictis (nach MATTHEW, Lit.-Verz. Nr. 14) vergrößert und teilweise rekonstruiert. B. von Vulpavus (nach MATTHFW Lit.-Verz‘ Nr. 15) verkleinert. C. von Nandinia. Verkleinert. weder ein Zahn, noch eine Alveole, noch eine Spur einer solchen zu finden, der Knochen selbst ist dünn und zerbrechlich. — Der Mi zeigt zwar viel niedrigere Spitzen als bei den Miaciden, seine Form erinnert aber sehr an die des Zahnes bei jenen (wo- rauf zuerst Wınge hinwies), und zwar besonders durch das Über- wiegen des Trigonids. Das Talonid ist winzig mit kaum erkenn- barem Höckerchen. Auch durch die Tatsache, daß die Zähne vom ersten Prämolaren bis zum Reißzahn gleichmäßig an Größe zu- nehmen, erinnert Nandinia an die Miaciden. Schließlich sind noch die Pl sowohl im Oberkiefer wie im Unterkiefer zu erwähnen. Beide sind zweiwurzelig wie bei vielen Miaciden. Bei den Viver- riden kommt dergleichen nicht mehr vor. | nd u 4 v wi na 2 Zur Kenntnis der Raubtiere. 59 Der Humerus trägt wie bei den Miaciden und den Viverriden ein For. entepicondyloideum. Ein Foramen supratrochleare fehlt den Miaciden, Nandinia und den meisten Viverriden. Die Deltoid- crista ist bei Nandinia nicht hoch oder abgeflacht, sondern wulstig. Das Scaphoideum, Lunare und Centrale sind bei Nandinia ebenso wie bei den Viverriden verwachsen. Bei den Miaciden sind sie gewöhnlich getrennt, doch finden wir bei einer Art von Vulpavus (profectus) dieselbe Verwachsung, bei Palaearctonyz aber eine des Scaphoi- deums mit dem Centrale Es sind vorn und hinten fünf Zehen vorhanden, ebenso bei den Miaciden und meist bei den Viverriden. Die Symmetrie der Zehen ist paraxonisch, die Krallenphalangen sind seitlich zusammengedrückt und nicht gespalten. Diese Merkmale gelten ebenso für die Miaciden und die Viverriden. Der Femur zeigt einen ganz schwachen dritten Trochanter, der aber nicht schwächer ist als bei Vulpavus und kaum stärker ist als bei den Viverriden (siehe Figur 8). Zuletzt sei noch der Habitus der Nandinia erwähnt, der ab- solut nicht Viverra-ähnlich ist, sondern mehr an Makis erinnert. Die Nandinia ist plantigrad. Ebenso sind es die Paradoxurı, und dieses Merkmal ist der einzige Grund, weshalb Nandinia zu diesen Formen gestellt werden sollte. Die ganze Unterfamilie der Miacınae ist aber auch plantigrad, Nandinia kann also ebensogut zu ihnen gehören. Nandinia ist ferner ein Baumtier, wie es ja die Para- doxurı sind, wie es aber auch die Miacidae (nach MarrHEw) waren. Wenn wir nun kurz zusammenfassen, so finden wir große Über- einstimmung zwischen Nandinia und den Miaciden im Schädelbau, wenige dagegen im Fußbau. Dieser stimmt vielmehr besser mit den Viverriden überein, von deren Schädel sich aber der von Nan- dinia scharf unterscheidet. Es wird sich nun also die Frage er- heben, welches Merkmal man für das wichtigere hält. Stellt man den Fußbau voran, so müßte Nandinia und auch VYulpavus pro- fectus zu den Viverriden gestellt werden, die Diagnose dieser Familie müßte aber für diese beiden Formen besondere Ausnahmen aufzählen, und Palaearctonyc wäre dann ein Zwittergebilde, das weder zur einen noch zur andern Familie gestellt werden Könnte. Hält man dagegen die vielen Merkmale des Schädelbaues für die ausschlaggebenden, so fällt Nandinia, Vulpavus profectus und Palae- arctonyc zu den Miaciden, die Diagnose dieser Familie braucht nicht verändert zu werden, und die Diagnose der Viverriden bleibt fest. Da ist es wohl kaum eine Frage, wie die Entscheidung zu treffen ist, besonders da alle Bearbeiter bisher in der Versicherung übereinstimmten, daß Nandinia primitiver sei als alle lebenden 60 H. PoHLE. Viverriden. Nandinia gehört eben zu den letzten Vor- läufern der Raubtiere, den Miacidae. Sie ist ein — ver- ändertes — Relikt der Ordnung der CÖreodonta. Das Ver- dienst, diese Tatsache zuerst richtig erkannt zu haben, gebührt Wiınee. Der gegen diese Anordnung gemachte Vorwurf, daß der Anschluß der Nandinia an Formen, die sonst seit dem Alttertiär nicht bekannt sind, schon aus diesem Grunde unwahrscheinlich sei, erledigt sich ohne weiteres durch den Hinweis auf Sphenodon, deren jüngste bekannte Verwandten im Jura lebten. Es erhebt sich nun noch die Frage: An welche Stelle in der Familie der Miacidae sind Nandınıa und Amphictis zu stellen. Die genannte Familie besteht aus zwei Unterfamilien, den Viwerravinae und den Miacinae, die beide von MATTHEw aufgestellt wurden. Bei dem Vergleich mit den Diagnosen dieses Autors ergibt sich nun, dab Nandınia teils mit der einen, teils mit der andern über- einstimmt. So ist die Zahl der Molaren, das Verhalten des P4, das untere Fibulaende gleich dem der Viverravinae, während das Ver- hältnis von Länge und Breite des Schädels, die Plantigradie und der Femur wie bei den Miacinae sind. Im Bau des Humerus und des Astragalus nimmt sie eine mehr vermittelnde Stellung ein. Nandınia kann daher weder zur einen noch zur andern Unter- familie ohne Schwierigkeiten gestellt werden, und deshalb empfiehlt es sich wohl, für diese Gattung eine besondere Unterfamilie beizu- behalten, die den von Bıruna vorgeschlagenen Namen „Nandintinae“ tragen müßte. Die Gattung Amphictis stimmt in vielen Beziehungen sowohl mit der Nandintinae als auch mit der Viverravinae überein, die ja beide gerade in den von Amphictis allein bekannten Schädel- merkmalen einander sehr ähnlich sind. Bei den Viverravinae sind die Zähne sehr hoch, bei Amphietis dagegen sind sie niedrig wie bei Nandinia. Nach diesem Merkmal wäre man geneigt, Amphictis zu den Nandiniinae zu stellen. Dem widerspricht aber das Vor- handensein des starken hinteren Nebenhöckers am P4 und der sehr langgestreckte Schädel (nach Wıner). Außerdem sind auch die Zähne höher als bei Nandinia, wenn sie auch natürlich die Höhe derer der Viverravinae nicht erreichen. Da nun im allgemeinen die Höhe der Zähne wohl — als biologisch bedingt und leicht veränderlich — für weniger wichtig gehalten werden muß, so sind die andern Merkmale ausschlaggebend, und Amphietis ist zu den V?- verravinae zu Stellen. Zur Kenntnis der Raubtiere. 61 Die Diagnosen der Miacidae sind nunmehr die folgenden: Familie Miacidae. Gehirn klein, aber größer als bei den übrigen Üreodonta. Bulla nicht verknöchert. Anordnung der Basicranialforamina pri- mitivv. P4 und Mı sind Reißzähne. Die hinter dem Reißzahn stehenden Zähne sind tuberkulär. Der Metaconus ist kleiner als der Protoconus. Die Krallenphalangen sind zusammengedrückt, an der Spitze nicht gespalten. Die Symmetrie der Finger ist paraxo- nisch. Scaphoideum, Lunare und Centrale sind meist getrennt (ganz oder teilweise verwachsen bei Vulpavus profectus, Palae- arctonyx, Nandinia). Der Femur trägt einen mehr oder weniger starken dritten Trochanter. Humerus mit Foramen entepicondyloi- deum, ohne Foramen supratrochleare. 1. Unterfamilie: Miacıinae. Molaren 3. Parastyl des P4 und hintere Nebenspitze des P+ rudimentär oder fehlend. Schädel kurz oder von mäßiger Länge. Füße gespreizt, plantigrad. Humerus mit hoher gefurchter Deltoid. crista. Tuberculum majus ist niedriger als der Kopf des Humerus. Femur mit niedrigem breitem dritten Trochanter und breiter, kurzer Facies patellaris. Astragalus mit breitem flachem Kopf, seine Trochlea flach ohne inneren Kiel. An der Fibula keine Facette für den Calcaneus. Gattungen: Miacis, Uintacyon, Vassacyon, Oodectes, Vulpavus, Palaearctonyx. 2. Unterfamilie: Nandıiniinae. Molaren 2. Parastyl des P4 und hintere Nebenspitze des P4 klein. Schädel von mäßiger Länge. Füße plantigrad. Humerus mit niedriger wulstiger Deltoiderista. Tuberculum majus ebenso hoch wie der Kopf des Humerus. Femur mit niedrigem breitem Trochanter und breiter langer Facies patellaris. Astragalus mit schmalem schrägem Kopf, seine Trochlea wenig ausgehöhlt, ohne inneren Kiel. An der Fibula eine Facette für den Calcaneus. Gattung: Nandinia. | 3. Unterfamilie: Viverravinae. Molaren 2. Parastyl des P4 und hintere Nebenspitze des P4 groß. Schädel sehr lang. Fuß kompakt, digitigrad. Humerus mit abgeflachter Deltoiderista und einem Tuberculum majus, das höher als der Kopf ist. Femur mit kleinem, aber stark vorspringendem dritten Trochanter und langer, schmaler Facies patellaris. Astra- galus mit schwachem, schrägem Kopf, seine Trochlea mehr oder weniger ausgebuchtet, mit gut entwickelten äußeren und inneren _ Kielen. 'Fibula mit einer Facette für den Calcaneus. Gattungen: Viverravus, Didymictıs, Amphictis. H. PoHLE: Zur Kenntnis der Raubtiere, Literaturverzeichnis. BIRULA, Oontributions & la elassific. et ä& la distrib. d. mammiferes IV. Tableau analyt. d. genres d. 1. famille d, Viverridae d’apr£&s l. caract. eraniol. Ann. Mus. zool. Ac. St. Petersb. v. 18 p. 125—144. 1913. A. BRINKMANN, Über die Hautdrüsenorgane, die bei den Viverriden an den Geschlechtsapparat geknüpft sind. Mindeskrift for Japetus Steenstrup. Kopenhagen 1913. A. CARLSSON, Über die systematische Stellung der Nandinia binotata, Zool. Jahrb. Syst. XIIL. p. 509—528. tb. 36. 1900. E. D. Core, The Creodonta. Amer. Nat. XVII. p. 255—267; 344— 353; 478—485. 1884. M.H. Fırnor, Etude sur les mammiferes fossiles de Saint-Gerand-le-Puy, Allier. Ann. Se. G6ol. X. p. 171. tb. 24. fig. 1, 2. 1879. GERVAIS, Zoologie et Pal&eontologie francaises I. p. 114. II, XXVI bis XXVIIl p. 11. Ill. tb. 28. fig. 1, 2. 1848-52. —, Journal de Zoologie l. p. 265—266. 1872. —, Zoologie et Paleontologie generales II. p.51. tb. XIII. fig. 10. 1876. I. E. GRAY, Spieilegia Zoologiea. 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In dieser Zeitschrift, A. 2, 1901, S. 6, hat Dan eine Methode beschrieben, um von schwerdurchsichtigen Gegenständen mikrosko- pische Dauerpräparate herzustellen, die beiderseits mit den stärksten Systemen untersucht werden können. Da ich beim Anlegen einer Sammlung von Hydracocinen- Dauerpräparaten das gleiche Bedürfnis fühlte, habe ich in den letzten Jahren, ohne die Arbeit von Dar, welche ich in diesem Jahre erst zufälligerweise zu Gesicht bekam, zu kennen, eine solche Methode ausgearbeitet. Da ich hierbei die Präparate in dem gewöhnlichen Maße von 26 X 76 mm angefertigt und einen einiger- maßen anderen Weg als Dan eingeschlagen habe, glaube ich meine Methode am besten hier bekanntzugeben, da ich ganz wie er das Einschließen der Objekte zwischen zwei Deckgläschen aufs wärmste empfehlen kann. Als Deckgläschen verwende ich die in runder Form von 18 mm Durchmesser und etwa O,ll mm Dicke und als Einschlußmittel fast nur mit Thymol konservierte Glyzeringelatine. Die Hydracocinen werden, wenn sie genügend flach sind, nach dem Abtöten in Essigsäure unter Deckglas in verdünnte glyzerin- haltige Essigsäure gebracht und diese durch vorsichtiges Ab- dunsten unter zeitweiliger Nachfüllung von verdünntem Glyzerin so langsam in starkes Glyzerin übergeführt, daß die Beine in ‚ausgestreckter Lage verharren. Dann werden die Tiere mit einem kleinen Stückehen vorher geschmolzener Glyzeringelatine auf ein Deckglas geklebt, abgekühlt und, wenn man mehrere Tiere auf ein Deckglas zusammenbringt, mit Formoldämpfen gehärtet. In letzterem Fall muß man darauf acht geben, daß die Gelatine- schicht so flach und eben wie möglich ist. Dann schmilzt man auf einem zweiten Deckgläschen ein entsprechend großes Stück Glyzeringelatine und legt vorsichtig das mit dem Material beschickte Deckglas mit der Beschickung nach unten gekehrt auf den Tropfen. Durch vorsichtiges Anpochen, Erwärmen oder auf andere Weise entfernt man die unverhoffterweise mit eingeschlossenen Luftbläschen und bringt, wenn nötig, die Gläschen durch Verschieben zur gegen- seitigen Deckung. Wenn die Gallerte erhärtet ist, reinigt man das Präparat, das nun schon für die Untersuchung verwendet werden kann. Um es als Dauerpräparat aufheben zu können, wird es mit drei Karton- streifen von Objektträgergröße montiert. Zwei dieser Streifen sind 64 6. RomIs: Über zweiseitige mikroskopische Dauerpräparate. aus möglichst dünnem, aber hartem und undurchsichtigem weißen Karton hergestellt. In diese Streifen werden runde Löcher von 17 mm Durchmesser genau in der Mitte geschlagen. Diese Streifen dienen als Deckstreifen. Zwischen diese Deckstreifen kommen Stützstreifen, die man von verschiedener Dicke vorrätig halten muß, um jedesmal einen zu wählen, der der Dicke des Präparats entspricht. In der Mitte dieser Streifen werden Löcher von 19—20 mm Durchmesser aus- geschlagen. Das Präparat wird nun mit Verschlußlack gerade über der Öffnung auf einem Deckstreifen festgeklebt, nachdem man vorher auf der Unterseite desselben die nötigen Angaben verzeichnet hat. Nun wird ein genügender Verschluß hergestellt, wofür man bei dicken Präparaten den Lack mehrmals auftragen muß. Dann wird erst der Stützstreifen und nachher der zweite Deckstreifen auf- geklebt, wobei das Präparat in der Mitte des in den Stützstreifen geschlagenen Loches zu liegen kommt. Hierauf läßt man das Präparat unter leichtem Druck trocknen. Für das Verkleben der Papierstreifen ist ein gut klebender Lack besser geeignet als ein wässeriges Klebemittel, da die hier- mit angefertigten Präparate sich leicht krummziehen. Das Einschließen zwischen zwei Deckgläschen hat so große Vorteile vor der üblichen Methode des Auflegens auf Objektträger, daß ich es auf stets weitere Tiergruppen ausdehne. So ist es bei Oligochaeten, vor allem Naisarten, fast unmöglich, den Bau der Borsten zu beobachten, wenn dieselben beim Einschließen unter das Tier geraten sind. Bei Anwendung meiner Methode braucht man das Präparat nur umzuwenden, um dieselben sofort unbedene® zu Gesicht zu bekommen. Selbstverständlich ist auf diese Weise nur die Anwendung von Trockensystemen möglich, da das Immersionsöl den Papier- streifen zu stark verunreinigen würde. Vielleicht kann man aber auch die Präparate nach der völligen Trocknung beiderseits voll- ständig mit Zaponlack abdichten und sie so auch für Beobachtung mit Immersionsobjektiven geeignet machen. Druck von A. Hopfer in Burg b. M. [ v “ i D ». h} « ya L b ir’ 4 I 4 l 7 t a4 b 4 D Y u » # M « \ 4 Ar ME = + 5 4 ; jahrr* m 4 ö f are) ei u Fr ‘ srP i ’ f 1 t, Y eyrrdG | ' Pe | . ‚ ‚ u ? ! De: AR, on. PT We ; 3 „ a, j) L . “ n 1 Zar ; ee Fr ahi 2 E R Li d h bu} Br 7 j Au 3 Kin je | AB Er P} a a Te A a FR ee AP Ih PAR Pa! h . f ME ä erw I. » j t N TR h Py' Auszug aus den Gesetzen der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin. Die im Jahre 1773 gestiftete Gesellschaft Naturforschender Freunde in Berlin ist eine freundschaftliche Privatverbindung zur Beförderung der Naturwissenschaft, insbesondere der Biontologie. Die Gesellschaft besteht aus ordentlichen, außerordent- lichen und Ehrenmitgliedern. Die ordentlichen Mitglieder, deren Zahl höchstens 20 betragen darf, ergänzen sich durch einstimmige Wahl nach den durch königliche Bestätigung vom 17. September 1789 und 7. Februar 1907 festgestellten Gesetzen. Sie verwalten das Vermögen der Gesellschaft und wählen aus ihrem Kreise die Vorsitzenden und Schatzmeister. Die außerordentlichen Mitglieder, deren Zahl unbeschränkt ist, werden von den ordentlichen Mitgliedern, auf Vorschlag eines ordentlichen Mitgliedes unter eingehender Begründung, gewählte Für freie Zustellung der Sitzungsberichte und Einladungen zu den Sitzungen zahlen die außerordentlichen Mitglieder einen Jahresbeitrag von 5 Mark. Sie können das „Archiv für Biontologie“ und alle von der Gesellschaft unter- stützten Veröffentlichungen zum ermäßigten Preise beziehen. Die wissenschaftlichen Sitzungen finden mit Ausnahme der Monate August und September am 2. und 3. Dienstage jedes Monats bis auf weiteres im Hörsaale VI, bzw. im Konferenzzimmer der Kgl. Landwirtschaftlichen Hochschule, Invalidenstr. 42, abends 7 Uhr, statt. Alle für die Gesellschaft bestimmten Sendungen sind an deren Sekretär, Herrn H. Stitz, Berlin N 4, Invaliden- straße 43, zu richten. D > u hi Ä . a . 2 ? “ | 4 | , | - i - vr. x Pa MAY 16 1923 313% Slzungsberichte Gesellschäl Naturforschender Freunde zu Berlin. Nr. 2. u. 3. Februar—März. 1920. INHALT: Seite Nr. 2. Mittelmeer-Bryozoen aus der Sammlung des Zoologischen Museums zu Berlin. Eee 65 Nr. 3. Das angebliche Vorkommen und Wandern des Parietalforamens bei Dinosauriern. Nana BOMBBORI a ee een 109 ' Zur Lebensweise von Pseudäagenia (Hym.) Von W. RAMME. .. 2.2... 130 BERLIN. In Kommission BEI R. FRIEDLÄNDER & SOHN, NW Carustrasse 11. 1920. 97 Ausgegeben am 6. Mai 1920. er. 2 1920 » Sitzungsbericht der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin vom Februar 1920. Ausgegeben am 6. Mai 1920. % Vorsitzender: Herr PoMmPeEckJ. 1. wissenschaftliche Sitzung (10. Februar). Herr WacHs: Über Augenoperationen an Amphibien. Herr Marcus: Historische Systematik der Bryozoengattung Adeona. 2. wissenschaftliche Sitzung (17. Februar). Herr JANENSCH: Der Anteil der Theropoden an der Dinosaurierfauna des Tendaguru. Herr HILZHEIMER: Die Halswirbelsäule von Ur und Wisent. Herr PomPEcKJ: Das angebliche Vorkommen und Wandern des Parietalforamens bei Dinosauriern. Herr MATSCHIE: Vorlegung eines verbildeten Rehschädels. Mittelmeer-Bryozoen aus der Sammlung des Zoologischen Museums zu Berlin. Von Ernst Marcvs-Berlin. Im Anschluß an "neine Bemerkungen über einige arktische und nordeuropäissue Bryozoen (45) wandte ich mich den mediterranen Formen zu und teile die Ergebnisse dieser Studien wiederum in der Absicht mit, einmal durch Veröffentlichung genauer Fundorte die Festlegung der Artverbreitungsgrenzen zu erleichtern, dann aber besonders, um den Vorarbeiten zu einem natürlichen System der Bryozoen die Wege ebnen zu helfen, ohne das ja jeder tier- geographischen Erörterung der Rückhalt fehlt. Gegenüber einzelnen Bestrebungen, das Wenige, was heute an Grundlagen zu einem System der Bryozoen vorhanden ist, durch weitgehende Zerspaltung, besonders der Gattungen, preiszugeben, wird hier noch eine ab- wartende Haltung deshalb eingenommen, weil der Wert solcher Aufspaltung so lange zweifelhaft bleiben muß, als es möglich ist, Klarheit in Einzelfragen unter Beibehaltung der alten, für die 5 66 Ernst Marcus, Gruppierung europäischer Formen wenigstens zuverlässigen Basis zu schaffen. Auf Grund dieser Erwägungen blieb Hiıncks’ „A History of the British Marine Polyzoa“ für das System maß- gebend*). Unsere Kenntnisse von den Bryozoen des Mittelmeers sind, besonders was die Osthälfte anlangt, recht dürftig. Die Arbeiten von Heruer (25) mit den Hincxs’schen Ergänzungen (30), von Warzrs (63) und Cauver (11—13 und 36) wären als wichtigste Quellen zu nennen, jedoch fehlt eine zusammenfassende Darstellung. Die alten Diagnosen von PALLAs, LAMOUROUX, LAMARCK U. a. gehen sehr oft auf mediterrane Exemplare zurück, weshalb auch die Klärung zweifelhafter Arten weit mehr, als dies augenscheinlich bisher zu geschehen pflegte, von aus dem Mittelmeer stammenden Stücken wird ausgehen müssen. Ein Verzeichnis der benutzten Literatur findet sich am Schluß dieser Arbeit; im übrigen sei auf das ältere Literaturverzeichnis bei Hıncks (28), das sehr ausführ- liche bei JELLY (32) und das moderne, eine Auswahl des Wichtigsten bietende bei JULLIEN-CALvET (36) verwiesen. Um bei Gelegenheit einer Revision oder sonstigen späteren Verwendung die Identität der hier. mitgeteilten. Arten feststellen zu können, wurde jedem Stück die Katalognummer [Kat.-Nr.] des Hauptkatalogs der sammlung des Zool. Museums zu Berlin beigefügt. Vor der nachstehenden Mitteilung der Fundorte und einiger Bemerkungen zu dem vorliegenden Material sei es mir gestattet, Herrn Prof. Dr. R. HARTMEYER für sein gütiges Interesse und die dauernde Hilfe und Anregung, die er bei meiner Arbeit mir täglich zuteil werden ließ, in Ehrfurcht meinen herzlichsten Dank zu sagen. Ordo-I.. Cheilostomata Busk | Fam. Aeteidae. Gen. Aetea LAMOUROUX Aetea angwina (L.). ‚Fundort: Triest (Slg. Triest), Kat.-Nr. 697. ” Die vorliegende Liste war bereits druckfertig, A mir Ba die große Freundlichkeit des Herrn Prof. O0. NORDGAARD (Trondhjem), dem ich außerdem noch zu Dank verpflichtet bin für brieflich erteilte Ratschläge bezüglich der Technik, LEVINSEN’s moderne Arbeit „Morphological and Systematie Studies on the Cheilostomatous Bryozoa“ zur Verfügung gestellt wurde. Eine Nachunter- suchung seiner die Systematik der Cheilostomata z. T. in ganz neue Bahnen lenkenden Ergebnisse hätte die Veröffentlichung der ohnehin schon seit einem halben Jahr abgeschlossenen Arbeit zu sehr verzögert, so daß ich erst in späteren Bryozoen-Arbeiten die Verwertung der LEVInSEN’schen Forschungsresultate zum Ausdruck bringen kann. N Be a Mittelmeer-Bryozoen aus der Sammlung des Zoolog. Museums zu Berlin. 67 Soweit bathymetrische Angaben überhaupt vorliegen, scheinen sie Cauver's (11, p. 8) Notiz zu bestätigen, daß diese kosmopolitische Form dem flachen Litoral angehört und überhaupt nur bis zu 30 m hinuntergehend, dort entschieden weniger häufig, als in der Tiefe von 1—15 m auftritt. Die Verbreitung dieser an annähernd allen in Europa überhaupt bekannten Sammelstellen gefundenen und .auber- dem aus dem Indischen Ozean, von Natal, Sansibar und Tasmanien bis ins antarktische Polarmeer erwähnten Art muß wohl als kosmo- politisch angesehen werden. Fam. Chlidoniidae. Gen. Chlidonia Sıvıcny Chlidonia cordieri (Au».). Fundorte: Triest (v. Rırter), Kat.-Nr. 701; Algier ne Kat.-Nr. 368; Mittelmeer (Rıc#ıarpı), Kat.-Nr. "287. Die alte Bezeichnung des Stückes 287 „Eucratea puriformis BeErToL.“ gibt Veranlassung zu einem kurzen Hinweis auf diese bei JELLy unerwähnt gebliebene Art. Die Originaldiagnose der Cellaria piriformis BERTOL. (BERTOLoNI fide Carus 14, p.:2) gibt nur ganz all- gemeine, das Zoarium kennzeichnende Charaktere an. ‚Carus (14, p. 2) läßt erkennen, daß Rıckrarvı in lit. die Art zu Eueratea gestellt hat. Wenn nicht überhaupt als Species dubia anzusehen, wird die Bemerkung: „affinis .C. vesiculosae- Lam.“, eine- in der Originaldiaenose (40, p. 190) als dem Gen. Catenicella BramsyILLe nahestehend bezeichnete Form (vgl. Jerry, Cat. margaritacea Busk 32, p. 38), die Einordnung der ‚Cellaria piriformis. BERTOL: in die Synonymie der Eucratea lafontii Au». als der nächstverwandten, an italienischen Küsten häufigsten Form "berechtigt erscheinen lassen, Über die eigentümlichen Strukturverhältnisse der Chlidonia cordieri macht Carver (11, p. 14—16) ausführliche Angaben; was die Ver- breitung betrifft, ist Algier insofern- ein bemerkenswerter Fundort, als die Art, wie Carver (13, p. 373) anführt, sonst stets von der Nordküste des Mittelmeers bekannt geworden ist; die Verbreitung lm übrigen ist bisher, wohl durch das Fehlen von Zwischenfund- orten, scheinbar noch recht diskontinuierlich, die Art ist außer von den Kanarischen Inseln, dem Mittelmeer und dem Roten Meer noch von: Australien und der Baffins-Bai erwähnt worden. Die Not- wendigkeit, die Autorennamen für Gattung und Art verschieden, und : zwar 50, wie oben angegeben, zu schreiben, wird dureh Besk 8 p. 8) begründet. 5*+ 68 Ernst Marcus. Fam. Cellariidae. Gen. Serupocellaria van BENEDEN Serupocellaria seruposa (L.). Fundorte: Neapel (Zool. Station), Kat.-Nr. 436; ibid. (G. v. Martens) 16; Pirano (Slg. Triest), Kat.-Nr. 703; Triest (v. RrrrEr), Kat.-Nr. 1863. Schon habituell durch das stämmige und dichotom verästelte Zoarium mit 7—11 Zooecien in jedem Zwischenknotenstück kenntlich, sind es vor allem das Fehlen von Operculum und Avicularien der Vorderseite, die mehr als die Hälfte der Vorderseite einnehmende elliptische Apertur, die beiden schlanken, oft sehr langen Dornen jederseits oberhalb des zarten Randes und die hochgereckten Avi- cularien, welche die Art hinreichend kennzeichnen. Von flachem Wasser bis in Tiefen von über 100 m hinuntergehend, kommt die Form im Atlantischen Ozean der nördl. gemäßigten Zone vor, die Hovrrov’schen Angaben aus Neuseeland gründen sich auf unrichtige Determination. Scrupocellaria scrupea Busk Funaort: Brioni (v. Rırrer), Kat.-Nr. 1864. Unter den mit einem ÖOperculum versehenen Serupoecellaria- Arten steht diese der vorigen in vieler Beziehung am nächsten, wie Waters (69, p. 7—8) in seiner gerade für die Cellariidae des Mittelmeeres maßgebenden Arbeit ausführt. Auch für das vorliegende Stück kann Ciarver’s Angabe (11, p. 18) bestätigt werden, daß ebensowenig wie an jeder Gabelungsstelle immer die Vibracularien konstant auftreten, so auch die Zahl der Randdornen bis auf einen jederseits reduziert sein kann. Von der Nordsee, dem Kanal, dn Azoren, aus dem Mittelmeer und schließlich aus Singapur und von den australischen Küsten wird die Art mitgeteilt; ob es sich viel- leicht aber bei diesen von dem eigentlichen nordatlantisch-gemäßigten Heimatsgebiet so weit entfernt liegenden Fundorten um gelegentlich verschleppte oder um etwas abweichend gestaltete Formen handelt, kann erst bei Anwendung wirklich kritischer Bestimmungsmethoden unter Berücksichtigung möglichst großen australischen Materials entschieden werden. Serupocellaria reptans (L.). Fundorte: Triest (Sig. Triest), Kat.-Nr. 705; ibid. (Döntzz), Kat.-Nr. 758; ibid. (v. Rırter), Kat.-Nr. 1865. Waruns- reiht die ursprünglich (60, p. 240 t. 11 f 3) als Aca- marchis bertholletii Au. beschriebene, von Hıncks (30, p. 258 t. 9 ARE en RESELSN Mittelmeer- Bryozoen aus der Sammlung des Zoolog. Museums zu Berlin. 69 f. 1—2) als selbständige Serupocellaria-Art aufgefaßte Form, die sich nur durch ein schwächer entwickeltes „Scutum“ (oder Fornix) unterscheidet, als Varietät unter die Art S. reptans L. (69, p. 6—7). Auch dies kann, wie die variable Entwicklung des Fornix an Zooecien desselben Zoariums (Suez, ScHImPErR, Kat.-Nr. 19) beweist, unter- bleiben, und S. bertholletiw Aup. mit der ihr bei JEeLLyY (p. 239) synonym gesetzten S. capreolus HELLER (25, p. 87 t. 1f. 1) ist demnach völlig unter die Synonymie der $S. reptans L. zu stellen, ein Vorgehen, dem gegenüber auch die späteren von WATErs (73, p. 133) für Beibehaltung des Species-Namens bertholletii Au». geltend gemachten Gründe nicht stichhaltig sind. Wie groß die Variabilität der 5. reptans, zumal hinsichtlich des Modus der Ausbildung der Festheftungsfäden je nach dem als Ansiedlungsstelle gewählten Substrat ist, führt Hmeks (28, p. 55, 56), der die Art für eine der höchst spezialisierten Cheilostomen-Formen überhaupt hält, aus- führlich an. Von allen europäischen Küsten bekannt, scheint die Art auf die Nordhemisphäre beschränkt zu sein. Fam. Bicellariidae. Gen. Bugula OkEn Bugula neritina (L.). Fundorte: Neapel (S. vacat), Kat.-Nr. 1866; Cartagena (Exped Prinz Adalbert), Kat.-Nr. 637, 806; Triest (v. Rrtter), Kat.-Nr. 1863 Triest (v.Rırter), Kat.-Nr.714; Dalmatien (Mrxeeamı), Kat.-Nr.1169; Smyrna (FLEISCHER), 28. Biseriale, alternierende Anordnung der Zooecien und die durch Vorhandensein eines grünlich-gelben bis tief rotbraunen Pigments verursachte Färbung charakterisieren hinreichend die Art, .deren Mittelmeer-Stücke allgemein keine Avicularien an den Zooecien zeigen, und denen auch stets die von JULLIEN-CALvET als Ausnahme erwähnten (36, p. 380) zwei oralen Dornen an den oberen Ecken der häutigen Apertur fehlen. Waters, der auch wertvolle Er- gänzungen zu der JEeLLy’schen Synonymie dieser Art gibt (73, p. 136), weist auf die Ähnlichkeit der Ovicellen mit denen einiger Bicellaria- Arten hin, was vor übertriebener und ausschließlicher Verwendung nur eines Merkmals, und wenn es ein so wichtiges und brauchbares wie das Ooecium wäre, in der Systematik der Bryozoen warnen sollte. Die Verbreitung dieser Litoralform (das Fangergebnis des „Talisman“ aus 1060 m Tiefe wird von CAuver selbst mit äußeren Fehlerquellen erklärt) ist nicht eigentlich, wie vielfach angegeben wird, kosmopolitisch, sondern zirkumtropisch und zirkumsubtropisch, 70 ÜRNST Marcus. tndeneen wenn auch n’Orzıcny’s Bemerkung von der häufigen Verschleppung der Art (54, p. 10) zweifellos berechtigt ist; auch Busk (4, p. 375) erwähnt die weite Verbreitung der Art auf beiden Hemisphären. Bugula avieularıa (L.). Fundort: Neapel (S. vacat), Kat.-Nr. 1867. Es ist Cauver's Verdienst, die Bugula-Arten des Mittelmeeres revidiert und unterschieden zu haben, und ich habe mich seinen Ausführungen (10, p. 22—26) vollständig anzuschließen, um so mehr als mir aus der Roten-Meer-Ausbeute von HARTMEYER ein von Warers angefertigtes als Bugula avicularia (L.) bezeichnetes Prä- parat (Kat.-Nr. 1165) vorliegt, das die Identifizierung des vorliegen- den Stückes unbedingt sicher erscheinen läßt. Auch ältere Ab- bildungen, wie z. B. die bei Jouxston (33, t. 63 f. 7—8), recht- fertigen durchaus die Abgrenzung der Art im Sinne ÜALvEr's. Inwieweit allerdings seine Angaben über die Verbreitung (11, p. 22), die zusammen mit den Warers’schen Ergänzungen (73, p. 135) ihr Vorkommen kosmopolitisch erscheinen lassen, gültig bleiben werden, hängt von dem Ergebnis der in allen Sammlungen notwendigen Nachbestimmung des gesamten avicularıa-Materials ab. Bugula sabatieri CALver. Fundorte: Triest (J. MüLLer), Kat.-Nr. 752; Rovigno (Mößıvs), Kat.-Nr. 1868. Die Art, deren Abgrenzung gegenüber der vorigen durch die multiseriale Anordnung der Zooecien gesichert ist, während sie andererseits durch das Fehlen der kleinen Avicularien von B. tur- binata, calathus und flabellata sich unterscheidet (vgl. CALver 10, p. 23), scheint tatsächlich der Abbildung, die Smrrr (61, p. 290 t. 18 f. 11) von der B. avicularıa forma flabellata gibt, zugrunde gelegen zu haben. Diese Form wird aus den skandinavischen Meeren erwähnt, wie weit aber im übrigen die Verbreitung der Bugula sabatieri geht, ist aus der älteren Literatur, in der häufig diese Art mit turbinata und qavicularıa verwechselt wurde, nicht zu ersehen, weshalb die Aufmerksamkeit der Sammler auch 'an unsern Küsten ausdrücklich auf die Gattung Dugula hinge- wiesen sei. Bugula turbinata ALDER. ‘“ Fundorte: Neapel (Zool. Station), Kat.-Nr, 429; ibid. (S. vacat), ‚ Kat.-Nr, 1869, Ä u u en a a En a id nen a u 2 u ed ee vr we | L Mittelmeer-Bryozoen aus der Sammlung des Zoolog. Museums zu Berlin. 71 An der Basis eines jeden Zweiges ist die Anordnung der Zooecien biserial, und ihre Zahl steigt nach den Zweigenden hin an, wo bis zu sechs Zooecien in einer Reihe liegend auftreten können. Trotz der in der Gestaltung der großen Avicularien vor- handenen Unterschiede halte ich die Art für sehr nahe mit der folgenden verwandt, doch reicht, hinsichtlich der Zahl der Fund- orte, mein Material nicht aus, um zu entscheiden, ob sie vielleicht als Forma ihr unterzuordnen sein wird. ÜALver irrt, wenn er meint, die Art zum ersten Male aus dem Mittelmeer zu erwähnen (10, p. 27), da sie bereits früher in den Preislisten der Zoolog. Station zu Neapel aufgeführt wird (vgl. 4. Preis-Verzeichnis der conservierten Seethiere, 1894, p. 6). Das oben erwähnte Stück (Kat.-Nr. 429) wurde auf Grund einer solchen Preisliste gekauft und gehört, wie ich unter Zugrundelegung von Hıscks’ ausführlicher Diagnose (28, p. 77—79) und in Übereinstimmung mit Kuugz, der nach einem Vermerk im Hauptkatalog der Berliner Sammlung das Stück s. Zt. revidiert hat, feststellen konnte, zu der Species B. tur- binata Auper. Andere, bisher bekannt gewordene Fundorte der Art liegen an den Küsten Englands und der Normandie. _Bugula flabellata (THomes.). Fundorte: Neapel (S. vacat), Kat.-Nr. 1870; Dalmatien (MExe- GHını), Kat.-Nr. 180, 336; Smyrna (FLEISCHErR), Kat.-Nr. 181. Durch die nur zum kleinsten Teil berechtigte und im übrigen verwirrende Einbeziehung der B. avicularıa, forma 2, B. flabellata Sur (l. ec.) kann die neuere Literatur über die Art ebensowenig ein klares Bild geben, wie die ältere, in der Cellularıa avieularıa Pırr. und viele andere bei Smirtt aufgezählte und meist auf die heutige B. avieularia (L.) bezügliche Arten mit in die Angaben über flabellata Tauomes., deren Manuskript-Name übrigens nur durch Aufnahme in die Liste der „Nomina conservanda“ zu erhalten sein wird, einbezogen wurden. Demgegenüber steht die Diagnose Lamarck’s (40, p. 222) der Flustra angustiloba, wo die Unterschiede zwischen dieser Art und avicwlarıa deutlich hervorgehoben werden, und so in der älteren Literatur die Grundlage für die richtige Auffassung der Art geschaffen wird; von den späteren Diagnosen scheint mir dann noch die von Busk (5, p. 44) besonders klar und deshalb mit einigen Ergänzungen hier zur Wiedergabe geeignet zu sein: Das Zoarium besteht aus fächerförmig oder auch im Kreis angeordneten, dichotom sich in zahlreiche, abgestutzte Aste spaltenden Zweigen, die oft ähnlich, wenn auch nicht in dem Maße wie bei turbinata, zusammengewickelt sind, was in den Abbildungen bei 72 ErNsT Marcus. JoHNnsTon (33, t. 63 f. 3) und Busk (5, t. 51 f. 1) leidlich gut wiedergegeben ist. Die Anordnung der länglichen, oben abgestutzten, mit einem oder meist zwei übereinander liegenden Dornen an jeder oberen Ecke versehenen Zooecien ist multiserial, die Apertur ist durchgängig über die ganze Vorderwand der Zellen bis zum Boden ausgedehnt, die Avicularien sitzen seitlich den Zooecien etwas unterhalb der oberen Kante an, die Spitze ihres mittellangen Schnabels krümmt sich plötzlich und kräftig um. Die annähernd halbkreisförmigen Ooecien sind ziemlich klein, glatt und besitzen eine sehr weite Öffnung. Die Verbreitung der Art scheint auf die Nordhälfte des gemäßigten Atlantischen Ozeans beschränkt zu sein; die Berliner Sammlung enthält außer den oben genannten noch ein weiteres Stück aus der Nordsee-Ausbeute der „Sophie“ von Helgo- land von unzweifelhafter Zugehörigkeit zu der vorliegenden Art (Kat.-Nr. 497), daß aber eine von KIRCHENPAUER (fide Hiıncks 28, p. 81) vom Kap der Guten Hoffnung erwähnte B. flabellata nicht mit unserer Form, sondern mit B. dentata (Lmx.) identisch ist, halte ich nach dem Fundort für sehr wahrscheinlich. | Bugula plumosa (PALL.). Fundorte: Venedig (G. v. Martens), Kat.-Nr. 516; Dalmatien MexeseHnnı), Kat.-Nr. 1168; Triest (v. Rırter), Kat.-Nr. 715, 712. Diese von Erııs mit dem passenden Namen „The Soft-Feathered Coralline“ bezeichnete Art hat eine stämmigere, weniger zarte Wachstumsform, die von Hıncks (30, p. 261—262 t. 9 £. 6) als f. aperta beschrieben wurde, und die auch gewisse, wenn auch ganz geringfügige Unterschiede im Bau der Zooecien besitzt. Ihr wäre das oben an letzter Stelle aufgeführte Stück zuzurechnen. Wenn man annehmen kann, daß GrArFrFE die von ihm genannten Arten richtig bestimmt hat, was bei Bugula immerhin wahrscheinlich ist, sind seine Bemerkungen über Fundorte und Erscheinungszeit (23, p. 2—3) von größtem Interesse; es wäre dann D. flabellata z. B. als eine Form des tieferen, BD. avicularıa des seichteren Wassers anzusehen, und von B. plumosa erwähnt er, daß während der ganzen wärmeren Jahreszeit die rundlichen Ooecien und die ausschwärmen- den Cyphonauten an den Kolonien, die auch im Winter, wenn auch nur schwach entwickelt und seltener auftreten, zu finden sind. Wie die meisten mediterranen Bugula-Arten gehört auch die vorliegende Form noch den gemäßigten nordatlantischen Küsten Europas und Amerikas (PAckArp) an, meidet aber, obwohl sie noch mit am weitesten nach Norden hinaufgeht, die eigent- liche Arktis, | Mittelmeer-Bryozoen aus der Sammlung des Zoolog. Museums zu Berlin. m. 3 Gen. Beania JoHNSTON Beania magellanica (Busk). Fundorte: Triest (v. RırrTer), Kat.-Nr. 1871; Rovigno (Möpres), Kat.-Nr. 1872. Die Originaldiagnose der ersten bekannt gewordenen, mit der vorliegenden nahe verwandten Art, der B. cerotali (Busk), führte zur Aufstellung des neuen, zwischen Flustra und Membranipora eingereihten Genus Diachoris Busk (4, p. 382 t. 1 £. 10—12): Die Zellen sind getrennt, jede mit sechs anderen durch kurze Röhren verbunden, in der Horizontalebene flach ausgebreitet, ein zusammen- hängendes, unregelmäßiges, freies oder teilweise festhaftendes Netz- ‚werk bildend. Später (5, p. 53), wo auch die vorliegende Species beschrieben und abgebildet (t. 67 f. 1—3) wird, hat sich Busk für die Einreihung unter die Flustridae entschieden und sagt im Hin- blick auf das Zoarium, es sei eine Flustra, deren Zooecien wie zerschnitten und in ihrem Verbande gelockert seien. Im Anschluß .an Hiıncxs’ Bemerkungen (28, p. 95—96) brach sich dann die Erkenntnis, und zwar zunächst bei australischen Autoren (Mac- GILLIVRAY U. a.) von der Zusammengehörigkeit der vielen bis dahin beschriebenen Diachoris-Arten mit dem Gen. Beania, ‘das zu den Bicellariidae gehört, Bahn. In OrTMmann’s zur Orientierung treftlich geeigneten „Übersicht der Gattungen“ (56) ist dann bereits unter kurzer Charakteristik der Organisation dem Gen. Diachoseris (err. pro Diachoris) ein natürlicher Systematik entsprechender Platz angewiesen; die besten Abbildungen der vorliegenden Art geben Warers (63, t. 12 f. 1) und Juuuıen (35, t. 11 f. 1-3, t. 12 £. 3). Von der Verbreitung der Art läßt sich vorläufig nur sagen, daß sie in den nördlichen Meeren durchweg fehlt und bisher von der Süd- spitze Amerikas, von Neuseeland, Australien, Mauritius, dann im Atlantischen Ozean von den Kapverden und von verschiedenen Stellen der europäischen Küsten des westlichen Mittelmeers bekannt geworden ist. Beania hirtissima (HELLER) f. cylindrıca (Hıncks). Fundort: Triest (v. Rırter), Kat.-Nr. 1873. Habituell in der Wachstumsform einer Flustra recht ähnlich, zeichnet sich diese sehr seltene von Hincks (30, p. 263—264) zuerst beschriebene Form dadurch aus, daß die bei der f. fypica HELLER und den anderen Varietäten die Ausbreitung und Fest- heftung des Zoariums auf seiner horizontalen Unterlage bewirken- den Fäden hier aufwärts wachsen und reihenweise zusammenlaufend 74: Ernst Marcus. sich zur Bildung eines aufgerichteten, im weiteren Verlauf auch verzweigten Zylinders vereinigen, dessen Außenwand dann von den ihren Haftfäden aufsitzenden Zooecien gebildet wird. Außer den von Hiscks (l. e.) publizierten, aus der Pırpzr’schen Adria-Sammlung stammenden Stücken, auf die sich auch die Bemerkung bei Carus (14, p. 10) bezieht, und von denen der Autor sagt, hier habe man eine Vincularia unter den Bicellariidae vor sich, die als gutes Bei- spiel dafür dienen könne, wie wenig Wert für das natürliche System die habituellen Wachstumseigentümlichkeiten besäßen, sind solche nur vereinzelt in der Literatur genannt worden. Das erstemal erwähnt . Busk unter Beifügung der einzigen überhaupt vorhandenen Ab- bildung (7, p.241—242 t. 36 f. 12—16) vom Kap der Guten Hoffnung ° die Art als Chaunosia hirtissima, und später erscheint sie noch als Listenname bei KiRcKPATRIcK (38, p. 611) von der Torresstraße und bei WATERS (69, p. 6 Anm.) in einer Nachtragliste von Formen aus Neapel. Über die typische Form und eine andere, weniger charakteristische Varietät, die var. robusta (Hıscks), finden sich Angaben bei WATers (69, p. 7) und Cauver (11, p. 25). Hinsichtlich der Verbreitung scheinen ähnliche Verhältnisse wie bei der vorigen Art vorzuliegen, denn Beania hirtissima wird von Australien, Süd- afrika, den Kapverden und dem Mittelmeer erwähnt, fehlt aber gleichfalls den nördlichen Meeren. Fam. Cellariidae. Gen. Cellaria LAMOUROUX Cellaria fistulosa (L.). Fundort: Triest (Slg. Triest), Kat.-Nr. 700. Bezüglich der Ausschaltung des Gattungsnamens Salicornaria CuvIEr zugunsten des oben genannten sind mir die bei Smıtt (6], p. 383—384) und Hrmcks (28, p. 104—105) angeführten. Gründe maßgebend. Der Busx’sche „Catalogue“ (p. 16—18) versagt für das Genus vollständig und verwechselt z. B. auch die vorliegende mit der folgenden Art, die unter der alten Sammelspecies CO. far- ciminoides Erz. Son. gemeinsam aufgeführt werden. Nur unter | Zugrundelegung der von Hıncks (28, p. 1U6—109) gemachten Aus- | führungen wird die Möglichkeit gegeben, wenigstens was die auf rezente Formen bezüglichen Angaben betrifft, sich durch die JELLY- sche Synonymie (p. 40—43) durchzufinden. Danach stellt sich die Verbreitung der von Cauver (13, p. 401) als 200 m nach der Tiefe zu nicht überschreitende Küstenform bezeichneten Art als über.alle Mittelmeer-Bryozoen aus der Sammlung des Zoolog. Museums zu Berlin. 75 warmen und gemäßigten Meere ausgedehnt dar; dagegen tritt in der Arktis vikariierend C. borealis (Busk) auf. Cellaria sinuosa (HassaLL). Fundorte: Mittelmeer (Eysen#arpr), Kat.-Nr. 47; Rovigno (Möpıvs), Kat.-Nr. 1874. Die aus der Zeit vor Hıncks’ scharfer Abgrenzung dieser und der vorigen Art stammenden Fundortsnotizen sind völlig unsicher, weshalb für die Festlegung der Verbreitung dieser Form unter Benutzung der Fangergebnisse des „Caudan“ (9, p. 255), der „Hiron- delle“ (36, p. 46—47) und des „Travailleur“ (13, p. 400) und der alten von Hımcks selber kritisch gesichteten Angaben (28, p. 110) sich bisher nur die europäisch-atlantische Küste von den etwa die Nordgrenze darstellenden Shetland-Inseln südwärts und das west- liche Mittelmeer, einschließlich der hier zuerst durch einen sicheren Fundort vertretenen Adria, ergibt. Cellaria salicornoides Lmx. Fundorte: Zara (Krecrar), Kat.-Nr. 79; Neapel (S. vacat), -Kat.-Nr. 1875. Mit Recht wird die bei Hıncks (28, p. 112 t. 13 f. 9—12) geschilderte CO. johmsoni (Busk) der alten Art von Lamovrovx (41, p. 127) synonym gesetzt, und dasselbe hat auch mit der bei HELLER (25, p. 85) und Busk (8, p. 86) erwähnten gracilis Costa, auf die vielleicht auch die unter Verwechslung des Autornamens gewählte alte Bezeichnung des einen Berliner Stückes (Kat.-Nr. 79) zurück- zuführen ist, zu geschehen. Cellaria gracılis (Busk) dagegen ist eine, wenn auch der vorliegenden sehr nahestehende, so doch auf Grund der Diagnosen von Busk (8, p. 93) und Warers (66, p. 92) wohl zu unterscheidende australische Form, wie auch das von MEISSNER (47, p. 730) erwähnte, mir vorliegende Stück von Thursday Island aus der Semon’schen Ausbeute (Kat.-Nr. 599) bestätigt. Nur hätte ein anderer Name als wiederum graeilis gewählt werden sollen. JELLY (32, p. 44) gegenüber ist Busk’s Auffassung, Savıcny's ©. salicornoides (60, t. 6 f. 7) seiner gracilis und nicht der salt- cornoides Lmx. synonym zu setzen, allein berechtigt und dem- entsprechend ist in allen modernen Angaben über das Verbreitungs- - gebiet der oben genannten Art „Rotes Meer“ zu streichen, und nur die europäischen Küsten des Atlantischen Ozeans, südwärts von den Shetland-Inseln und bis auf die Höhe von Marokko und Madeira sowie die Nord- und Südküste des Mittelmeeres bis einschließlich zur Adria nach Osten sind als festgestellte Fundorte anzuführen, 76 Ernst Marcus. Fam. Tubucellariidae. Gen. Tubucellaria D’ÖRBIGNY Tubucellaria opuntioides (PALL.). Fundorte: Neapel (Zool. Station), Kat.-Nr. 585; Adria (WesseL), Kat.-Nr. 124. Wıarers (63, p. 118) macht darauf aufmerksam, daß nicht nur eine der hornigen Röhren zur Bildung jedes neuen Zweiges gehört, sondern daß zuweilen, wie das auch an den vorliegenden Stücken zu sehen ist, mehrere Röhren von den Aperturen benachbarter Zooecien auswachsen und von ihnen die Basalzellen eines neuen Zweiges gebildet werden. Die Art ist zweifellos selten, aber sehr weit verbreitet. Eingehende Bemerkungen, sowohl über die Cha- raktere des Genus wie der vorliegenden Art, finden sich bei Busk (8, p. 99, 100) und dann besonders in der eingehenden T’ubucellarien- Arbeit von Warers (72), bezüglich deren an dieser Stelle neben einem Hinweis auf die grundlegende Bedeutung für die gesamte Familie nur noch als Notiz hinzugefügt sei, daß dort die vorliegende Art als T. cereoides (Eur. Sor.) aufgeführt wird, was WATErs dann später (73, p. 142) irrtümlich in T. cereoides (Pauxzas) änderte. Meiner Ansicht nach handelt es sich bei den Mittelmeerformen nicht um eine abzutrennende Species, doch werde ich das erst bei Behandlung australischen Materials im einzelnen begründen können. Bei Busk ist auch bereits der in der neueren Literatur (WATERS, CALVET) dann übersehene Fundort Südafrika, den übrigens ein Stück vom Kap der Guten Hoffnung in der Berliner Sammlung (Kat.-Nr. 803) bestätigt, angeführt. Außerdem ist die Art von den St.-Pauls- Felsen im nördlichen Atlantischen Ozean, vom Mittelmeer, dem Roten Meer, Indochinesischen Meer, von wo sie von Paunas (57, p. 61) beschrieben wurde und von Australien (von der Torresstraße bis nach Neuseeland und Tasmanien) bisher bekannt geworden, als neuer Fundort, der erste von der europäischen Kontinentalküste, kann hier noch Biarritz (G. v. Marrens), Kat.-Nr. 519, mitgeteilt werden. Fam. Flustridae. Gen. Flustra Lins& Flustra papyracea Eıu. SoL. Fundort: Rovigno (Mögıus), Kat.-Nr. 1876. Das bei Hicks (28, p. 119) allerdings auch schon als fraglich bezeichnete Fehlen der Avicularien hat sich seit Cauver's Beob- achtungen (11, p. 29) als nicht charakteristisch für die Art erwiesen, Mittelmeer-Bryozoen aus der Sammlung des Zoolog. Museums zu Berlin. 77 weshalb die Diagnose mit Rücksicht auf diese Organe erweitert werden muß: Avicularien zerstreut über das Zoarium und die beiden Ränder der Vorderseite, die Mandibeln bei denen an der Vorder- seite aufwärts, bei denen an den Seiten auswärts gerichtet. Daß die bei Waters (63, p. 119) erwähnte Flustra truncata L. der vorliegenden Species zuzurechnen ist, halte ich trotz des Vorhanden-. seins zweier, übrigens sehr kleiner, nur auf mikroskopischen Schnitten wahrgenommener oraler Dornen und ihrer als in der Diagonale verlaufend bezeichneten Anordnung der Avicularien für nicht er- wiesen und kann daher auch der von CAuver (]. c.) vorgenommenen Korrektur der Jerzy'schen Synonymie (32, p. 105), in der jene truncata der im folgenden betrachteten securifrons (PaLL.) synonym gesetzt wird, nicht zustimmen. Zu den in der Literatur allgemein genannten Fundorten aus dem Atlantischen Ozean, südwärts von Schottland, dem Kanal, der französischen Küste und dem Mittel- meer ist der von ORTMANN (56, p. 27) aus Japan erwähnte, nach der Abbildung (t. 1 f. 10) auf ein Stück von zweifelloser Zuge- hörigkeit zur vorliegenden Species bezügliche Fundort „Kochi“ hin- zuzufügen. Flustra securifrons (PALL.). Fundorte: Neapel (Zool. Station), Kat.-Nr. 570; Pirano (Sig. Triest), Kat.-Nr. 704. Carver hat das Bestreben, aus dem Mittelmeer angeführte Stücke dieser Art, wie z. B. das oben genannte Warzzs'sche, als ihr nicht zugehörig zu bezeichnen und sagt, er selbst habe keine mediterranen Exemplare in seiner Sammlung. Dem sei hier unter Hinweis auf das mir vorliegende Material und die Literatur ent- gegengetreten und zunächst einmal als Ergebnis eines Vergleichs eines Stückes von Spitzbergen (Kat.-Nr. 654), aus der Nordsee (Kat.-Nr. 679) und dem Mittelmeer (Kat.-Nr. 704) deren Überein- stimmung bezüglich der Organisation unter Zugrundelegung der Hıncgs’schen Ausführungen (28, p. 120—122) festgestellt. Die Warzrs’sche Notiz (l. ec.) ist wenig eingehend, aber was Hiıncks (30, p. 264) über Adria-Stücke dieser Art angibt und was auch für einen Teil meiner Stücke durchaus paßt, kann vielleicht die mediterranen Stücke dieser von Parzas (57, p. 56) auch schon aus dem englischen und dem Mittelmeer gleichzeitig erwähnten Art als eine Forma, deren Merkmale in Dornen und Avicularien-Anord- - nung jedoch durchaus variabel, selbst innerhalb desselben Zoariums, auftreten, nicht aber als besondere Species oder gar als Synonym _ zur papyracea Eu. Sou. erscheinen lassen. An dem Vorkommen a | Ernst Marcus. von Panvas’ „Eschara securifrons“ im Mittelmeer ist nicht zu zweifeln, wenn auch als eigentliche Heimat der Art mit Hıncks die nordischen Meere angesehen werden müssen und die Abtrennung einer mediterranen Forma, deren Benennung jedoch bis zum end- gültigen Nachweis konstanten Auftretens besonders der oralen Dornen unterbleiben mag, vielleicht zu erwägen sein wird; auch die neuerdings von FrıEpL (22, p. 232) wieder erwähnte var. tenella Hcxs. paßt nur zum Teil hierher. Vorläufig jedenfalls ist die gleich- zeitige Anführung dieser und der vorigen Art von ein und dem- selben Fundort aus dem Mittelmeer, was z. B. auch bei GRAEFFE (23, p. 3) geschieht, sofern nur Determination und ee der Arten richtig sind, durchaus berechtigt. Flustra papyrea (PAL1.). Fundorte: Neapel (Zool. Station), Kat.-Nr. 432; ibid. (8. vacat), Kat.-Nr. 1877. | Warers (68, p. 287) ist grundlegend für die Auffassung der Art, die selbst durch die auf Kırcaknpaver’s Bemerkungen (37, p. 177) bezügliche Fußnote von Hıncks (28, p. 124—125), wie durch jede nur auf die Form der Zooecien gegründete Diagnose nicht scharf von ihrer nächstverwandten Form, von Flustra carbasea Err. Sor., getrennt wird. Um Verwirrungen oder irrtümliche Be- schreibungen in Zukunft nach Möglichkeit auszuschalten, sei hier ausdrücklich ‚darauf hingewiesen, daß bei Busk (5) die Nummern der Tafeln fälschlich vertauscht sind und nach Tafel 47, 48 die Tafel 50 [„XLIX“] und dann 49 [,„XLVII“] folgt. Die vorliegende Art, auf die sich auch Carus’ Notiz (14, p. 9) über Flustra papy- racea (L.) (mit einem Schreibfehler in der Synonymie: „Zschara papyracea Pııu.“ err. pro „Eschara papyrea PaıuL.“) bezieht, ist als auf das Mittelmeer lokalisiert zu betrachten, wenigstens ist sie bis jetzt sonst nirgends gefunden worden. Fam. Membraniporidae. Membranipora BLAINVILLE. Membranipora pilosa (L.) £. vertieillata (Sou.). Fundort: Algier (Schimper), Kat.-Nr. 820. | Einer Revision möge der Nachweis der Notmendigkanl: des Genus Membranipora aufzuspalten, vorbehalten bleiben, diese Be- strebungen finden sich schon in der nicht ganz neuen Literatur, z. B. bei Busk (8, p. 78) auf Lamovrovx (41, p. 120) zurück- greifend und dann in der neusten Mittelmeer-Literatur (FrıEpr), Mittelmeer-Bryozoen aus der Sammlung des Zoolog. Museums zu Berlin. 79 allerdings ohre rechte Begründung und wohl nur in möglicher- “ weise berechtigter Anlehnnng an NORDGAARD und LEVINsEN durch- geführt. Demgegenüber sei hier nur darauf hiugewiesen, daß die Vorarbeiten von Warzrs (69a), welche die Membraniporiden der ganzen Welt berücksichtigen, jeder nur ein Faunengebiet, gleich- gültig welches, berücksichtigenden Betrachtung vorzuziehen sein werden, und im übrigen, Carver folgend, in dieser Liste einst- weilen der alte Himcxs’sche Standpunkt beibehalten wird. Die vorliegende Form, die bei Rısso (59, p. 316-—-317) u. a. älteren Autoren gern als selbständige Species aufgefaßt wird, ist seit Surrr (61, p. 369—370) in ihrer engen Zusammengehörigkeit zu pilosa erkannt worden. Für diese Art, bei deren Fundortsangaben die Autoren augenscheinlich die einzelnen Formen nicht unter- scheiden, ist außer dem Mittelmeer noch der ganze gemäßigte At- lantische Ozean als Verbreitungsgebiet bekannt geworden, die kurze Notiz von Warers (63, p. 121) läßt vermuten, daß er verticıllata aus Australien gehabt hat. Bei der Häufigkeit der Art in Europa liegt der Gedanke an eine Verschleppung: nahe. Membranipora rosseliv (Aun.). Fundort: Triest (Sig. Triest), Kat.-Nr. 717. Diese in die Reihe der stärker verkalkten Membraniporiden gehörige Art mit ihrer fein gekörnten, mehr als die Hälfte der häutigen Area ausfüllenden Kalkplatte ist seit ihrer ersten Er- wähnung (60, p. 240) aus dem Roten Meer von dort nicht mehr bekannt geworden, sie ist im Mittelmeer weit verbreitet und geht auch in den boreal gemäßigten Teil des Atlantischen Ozeans bis nach den Orkney-Inseln hinauf; den von Carus (14, p. 13) ohne Angabe deg Gewährsmannes Hıscks (29, p. 465) aus dem nörd- lichen Pazifik erwähnten Fundort Königin-Charlotte-Inseln glaube ich, trotz der Zusammenhangslosigkeit mit dem übrigen Wohngebiet, mit Rücksicht auf den Autor nicht bezweifeln zu dürfen. Fam. Cridrilinidae. Gen. Oribrilina GRAY £ Cribrilina radıata (MoLL.). Euhdört: Neapel (G. v. Martens), Kat.-Nr. 1878. Dieser Art gehört auch die von HELLER (25, p. 109) erwähnte Lepralia annulata an; die eigentliche Oribrilina annulata (FABr.) ist als ausgesprochen arktische Form, die ihre Südgrenze in der ‚nördlichen Nordsee erreicht, anzusehen. Das mir vorliegende Stück 80 Ernst Marcos. gehört zu der von Hincks (28, t. 25 f. 3) abgebildeten radiata- Form. Es ist anzunehmen, daß Busk (5, p. 76-77) bei seinen Nordsee-Stücken von Lepralia annulata neben der echten annulata (Fapr.) auch radiata (Mor), die er nicht besonders aufführt, vor sich gehabt und beide gemeinsam beschrieben hat, wodurch dann die von Frreou (22, p. 236) erwähnte, sonderbare Übereinstimmung eines Teils von Hrrrer’s Material mit Busk’s annulata erklärt wäre. Fundorte aus dem Atlantischen Ozean, wie Schottland, Hebriden, Nordsee, Kanal, Golf von Gascogne, Mittelmeer, Madeira, Azoren und Florida, kennzeichnen das Verbreitungsgebiet der Art. Der von WHITELEGGE (fide CALvEr, 13, p. 398) erwähnte Fundort Port Jackson steht vorläufig noch isoliert, und die von dort gesammelten Stücke bedürfen zweifellos noch der Nachprüfung. Oribrilina punctata (HassaLL). Fundorte: Neapel (G. v. Martens), Kat.-Nr. 381; Nisida (8. vacat), Kat.-Nr. 783. | Daß Heızer’s OÖ. cribrosa sich wird. als Species aufrecht- erhalten lassen, glaube ich nicht. Dem, was Heer (25, p. 109) beschrieben hat, entspricht durchaus die von Hıncks (30, p. 266 t.9 £.9) als var. von punctata erwähnte Form. Diese ist zweifellos nichts anderes wie eine Varietät. Wenn nun FrıEpı (22, p. 236) auf Grund von Punktierung der Ooecien zur eribrosa noch glaubt, eine var. nov. perforata aufstellen zu müssen, so ist das deshalb unangebracht, weil schon die alte Hıncxs’sche Diagnose (28, p. 191) sagt! „Ooecia ... sometimes destitute of the rib and keel, and thickely punctured“, also Raum läßt auch für Stücke mit punk- tierten Ooecien. Insofern nur ist Frıepr’s Angabe wertvoll, als er meint, HELLER habe diese Poren an den Ovicellen versehentlich in Abbildung und Beschreibung fortgelassen, denn damit läge ein Grund mehr vor, die eribrosa fallen zu lassen. FRrı=EDL sagt: „ich fand die typische von HELLER beschriebene Art nicht“ usw., und das soll wohl, da er selbst sein Material nicht gesammelt hat (p. 227—228), heißen, er habe die Hrızer’schen Typen nicht mehr auffinden können. Bei der großen, von Hıncks (28, p. 191—192) im einzelnen dargelegten Variationsbreite der Art sind Modifika- tionen in der Oberflächenskulptur, wie die genannten und wie die von Hıscks (30, 1. c.) abgebildeten, auch innerhalb der Species, wohl möglich. C©. punctata ist nicht nur im Mittelmeer und den auch bei der vorigen Art genannten Stellen des Atlantischen Ozeans, sondern auch weiter nordwärts, bis ins Karische Meer hinein ver- breitet. Mittelmeer-Bryozoen aus der Sammlung des Zoolog. Museums zu Berlin. 81 Fam. Myriozoidae. Gen. Schizoporella Hıncks Schizoporella unicornis (JOHNST.). Fundorte: Rovigno (WELTNErR), Kat.-Nr. 564; Triest (Slg. Triest); Rovigno (Mögıus), Kat.-Nr. 1879; ibid. (WELTNEr), Kat.- Nr. 1880; Triest (v. Rırrer), Kat.-Nr. 1881. Sowohl was die Avicularien, die bei dem mir vorliegenden Material übrigens häufiger in der Einzahl als jederseits vom Ori- fieium auftreten, als auch ganz besonders was den unterhalb des Mundrandes gelegenen Vorsprung („the pointed mucro“*) betriät, ist die Art so variabel, daß mir nicht einmal die Aufrechterhaltung der Form ansata (Joaxst.) berechtigt erscheint; in meinem Material wenigstens mache ich keinen Unterschied in der Bezeichnungsweise. Hincxs (30, p. 266—267) geht in der Benennung der Varietäten entschieden zu weit, doch ist es immerhin viel besser, wenn ab- weichende Formen, selbst unter Beifügung eines neuen Namens, beschrieben, als wenn sie unterdrückt werden, wodurch die Diagnose, weil im Umfang zu eng, für viele Stücke immer zur Determination unbrauchbar bliebe, was dann schließlich in dem Versuch, durch unnatürliche Abtrennung neuer Species die Fesseln der einengenden Diagnose zu sprengen, sich rächt. Dem, der eine Bestimmung von Bryozoen vornimmt, wird vielmehr das, was Hıncks bei jeder Art unter „Range of Variation“ anführt, sehr willkommen sein, und beispielsweise bei der vorliegenden Art die Identifizierung solcher Stücke, bei denen der Zapfen rudimentär ist und die Avi- cularien gänzlich fehlen, überhaupt ermöglichen. Die Verbreitung der Sch. unicornis scheint annähernd kosmopolitisch zu sein; es liegen außer zahlreichen mediterranen und atlantischen, nordwärts bis nach Grönland reichenden Fundorten auch aus den chinesischen, japanischen, südafrikanischen und nordamerikanischen Meeren An- gaben über ihr Auftreten vor. Schizoporella linearis (Hass.). Fundort: Alexandrien (Harrmann), Kat.-Nr. 1882. Die sehr schönen, mir vorliegenden Zoarien entsprechen meist der Hınczs’schen Abbildung (28, t. 38 f. 6), die älteren Teile der Kolonie z. T. auch der f. 7. Sie gehören der typischen Form an, bei der die Avicularien klein sind, und jederseits vom Orificium, mit dessen Unterrand in gleicher Linie stehend, sich erheben; zwischen ihnen erscheint auch gelegentlich ein mittlerer Zapfen (a central mucro.. Als Habitusbilder sind auch die von Busk 6 3 e 3 82 Ernst Marcus. (5, t. 89 besonders f. 1 und 2) gegebenen recht gut getroffen. Nachdem Hıncks (28, p. 250) die Varietät nılida als speziell mediterran bezeichnet, CAuver (11, p. 42) die var. hastata, WATERS (63, p. 38) hastata, typica und secundaria anführt, und schließlich hier wieder iypieca erwähnt wird, dürfte das gleichmäßige Vor- kommen der verschiedenen Formen der Art im Mittelmeer er- wiesen sein. Was Carver (13, p. 418) anregt, nämlich die var. mamillata Hcxs. von der Art linearis als besondere Spezies ab- zutrennen, erscheint im Hinblick auf die Diagnose sehr berechtigt, da es sich bei mamillata um eine Form mit bauchigen, unregel- mäßig angeordneten Zooecien, deren einziges Avicularium mit gerade nach außen gerichteter Mandibel unmittelbar unter dem oralen Sinus auf einem zapfenartigen Vorsprung der Vorderwand aufsitzt, also mit von der dZinearis durchaus abweichenden Charakteren handelt. sSchizoporella linearis gehört außer dem Mittelmeer noch beiden Küsten des nördlichen Atlantischen Ozeans an, bis in die Arktis (Franz-Josephs-Land, CAver, 13, p. 418) hineingehend. Schizoporella sanguinea (NORMAN). Fundort: Cartagena (Expedition Prinz Adalbert), Kat.-Nr. 805. Bei dieser Art wurde zur Determination wieder die Hıncks’sche Diagnose zugrunde gelegt (28, p. 252 t. 39 f. 6, 7), aber richtig ist auch Smıtr’s die verwandten Formen mit berücksichtigende Beschreibung (61, p. 54, 55) und vor allem die sehr guten Ab- bildungen (t. 8 f. 164—165), auf denen die bei Hıncks wohl ein wenig extrem gezeichnete Form des Orificiums sowie die Verschiebung der regelmäßigen Zooecienreihen durch Wachstum des Zoariums und die variable Lage der Avicularien, bezüglich deren auch ‚das bei Hıncks (28, p. 266—68) über Sch. sinuosa (Busk) Gesagte gilt, charakteristisch wiedergegeben ist. Was nun Frırpr’s Be- merkungen (22, p. 269) über die nahen Beziehungen zwischen dieser Art und Lepralia pertusa (Esper) betrifft, so sind vorläufig wenig Gründe für eine Zusammenziehung beider Spezies geltend zu machen. Zunächst ist nicht sicher, was er annimmt, daß Busk beide Arten als Einheit betrachtet hat. Aus der Diagnose (5, p. 80—81) geht das nicht hervor, denn „mouth orbicular, even or sligthly sinuated below“, oder gar die Schlußbemerkung: „the figures given in this Catalogue will convey some idea of the multiplicity of forms assumed by this protean species“ reichen nicht aus, um die Charaktere von Sch. sanguinea erkennen zu lassen; und von den Abbildungen sind t. 78 f. 3 und t. 79 f. 1, 2 unbedingt nur auf Mittelmeer-Bryozoen aus der Sammlung des Zoolog. Museums zu Berlin. 83 Lepralia pertusa bezüglich, während allerdings t. 78 f. 1 und 2 unsicher bleiben, und schließlich auch stark verkalkte Zoarien von Sch. sanguinea mit fehlenden Avicularien darstellen könnten [vgl. SMITT 62, p. 55]. GRAEFFE's Auffassung (23, p. 6) von der Identität der Lepralia spinifera var. aculeata HELLER (25, p. 104) mit der vorliegenden Art, die Frrıepı gleichfalls anführt, ist irrig und eigentlich schon durch den Heruer’schen Hinweis auf Busk (5, t. 76 £. 2—3), also auf dieses Autors „Sammelart“ Lepralia spint- fera (Hassaur) [?!], die bekanntlich zu Unrecht Schizoporella uni- cornis (JoHNsT.) einschließt, ausgeschlossen. WATErRs (63, p. 31) führt allerdings unter ZL. pertusa EspEr eine var. sinuata an, die bei Manzont (44, p. 79 t.2f.5 u. 6) als ZL. pertusa JoHnsT. er- schien, und die nun in Wirklichkeit mit Sch. sanguinea (NoRM.) identisch ist und nicht, wie Carver (13, p. 416) das tut, auf die von ihm als „Schizoporella pertusa (EspEr)“ bezeichnete Form be- . zogen werden kann. Auch für diese Ausführungen muß Hmecks (28, p. 305—306), der für Lepralia pertusa (EspER) eine genaue Diagnose gibt, maßgebend für denjenigen Systematiker bleiben, dem das Genus Lepralia nicht wie FrRıEDL (p. 271) eine „Sammel- gattung von Arten unsicherer systematischer Stellung“ bedeutet, sondern diejenige Gruppe der alten Smitr'schen Familie der Escharidae (61, p. 122), welche. im Gegensatz zu Porella und Smittina das einfache, primäre Orificium besitzen. Auf dieser Grundlage scheint mir die scharfe Trennung auch der Genera Lepralia und sSchizoporella, als Repräsentanten verschiedener Familien, nicht nur durch das Bedürfnis systematischer Anordnung, sondern auch, soweit ich das nach dem Studinm europäischer Formeln beurteilen kann, durch natürliche Grenzen zunächst noch berechtigt. Die von Waters (63, p. 39 t. 10 f. 5) genannte Lepralia errata, Stadium Hemeschara, die außer bei Carus (14, p. 29) nur noch bei CaLver (12, p. 23) erwähnt wird, könnte, soweit die recht skizzenhafte Abbildung eine genauere Identifizierung zuläßt, diejenige Wachstumsform von Schizoporella sanguinea sein, von der NORMAN (53, p. 222) sagt: „rising in frill-formed, free expansions, consisting of a single series of cells“. ‘Die Art ist an beiden Küsten des gemäßigten Atlantischen Ozeans verbreitet und aus dem Mittel- ‚meer von verschiedenen Stellen bekannt REN Fundort: Mittelmeer (G. v. Martens), Kat.-Nr. 518; Isole . Schizoporella auriculata (Hassan). grosse, Zara (Kuecsar), Kat.-Nr. 77. .2” 6* . 84 Ernst Marcus. Bei der Determination der trockenen und in ihrem Erhaltungs- zustand etwas reduzierten Zoarien von Kat.-Nr. 518 mit dem alten Etikette Eschara spongites ParL. war Frıeor’s Bemerkung, HELLER habe unter seiner Lepralia spinifera var. spongites (25, p. 104), hinsichtlich deren er sich Lamouvrovx (42, t. 41 f. 3) angeschlossen hatte, die vorliegende Art verstanden, von umso größerem Wert, als die Zschara spongites Pau. (57, p. 45), die vom Mittelmeer und von Amerika mitgeteilt wurde, heute eine sehr zweifelhafte Art darstellt. Smert (6211, p. 42, t. 8 f. 161--163) glaubt, daß seine Hıppothoa spongites mit der alten Art von Paruas und Mor identisch sei, was Hmcxs (31, p. 124—125) bezweifelt. Es wäre demnach die auf Mouu bezügliche Angabe bei JELLY (32, p. 234) unter Schizoporella unicornis (Jonssr.) zu setzen, während Hıncks’ Abbildung (l. e. t. 12 £. 67), wie ein Vergleich mit der (28, t. 29 f. 3—9) gegebenen lehrt, und wohl auch die Smitr’sche Form auf Sch. auriculata (Hass.) bezogen werden können. Hiscks mißt ja bereits bei dieser Art keinen spezifischen Wert mehr den Ver- schiedenheiten in der Stellung des Aviculariums bei, und CaLvEr (11, p. 44) betont, daß die Form dieser Organe vom halbkreis- förmigen bis zum langgestreckten, spatelförmigen Aussehen alle Übergänge durchläuft. Die mit zunehmendem Alter der Kolonie ständig fortschreitende Verkalkung, die bei den anderen, sicher zu determinierenden Stücken (Kat.-Nr. 77) sich erkennen läßt, bedingt gerade bei dieser Art einen sehr variabeln Habitus (28, p. 261— 262). Wie die Ooecien in die kalkige Kruste eingesenkt liegen, zeigt treffend Warers’ Abbildung (63, t. 9 £. 5), und dort findet sich auch (p. 32) die bei der Determination äußerst wichtige Bemerkung, daß nur bei den jungen Zooecien, also am Rande der Kolonie — und, wie ich hinzufügen möchte, auch da nicht immer —, die kleinen, zahnartigen, oralen Dornen zu sehen sind. Von Spitz- bergen, Grönland und dem Golf des St.-Lorenz-Stromes im Norden, südwärts von Florida, Madeira und dem Mittelmeer sowie im übrigen auch aus der Nordsee mitgeteilt, wird die Art auch von den australischen Küsten von KIRKPATRICK und WEITELEGGR erwähnt. Schizoporella hyalına (L.). Fundort: Venedig (G. v. Martens), Kat.-Nr. 520. Carus (14, p. 32) weist bereits auf die Verschiedenheit der Herrer’schen Abbildung (25, t. 2 f. 9) von dem hin, was Busk (ö, t. 82 f. 1—3, t. 95 £. 3—5, t. 101: f. 1—2) und Hinoxs (28, t. 18 f. 8—10, . 45 f. 2—3) unter dieser Art verstanden haben. - Mittelmeer-Bryozoen aus der Sammlung des Zoolog. Museums zu Berlin. 85 FrıEnL (22, p. 238), der die Hrırer’schen Zoarien mit den erhabenen Randlinien und dem medianen Porus der Zooecien gesehen hat, bezieht sie, zweifellos richtig, auf Microporella impressa (Aun.), meint aber im übrigen (p. 229), Lepralia hyalına L., wie er sie nennt, müsse aus der adriatischen Bryozoenliste gestrichen werden, demgegenüber hier das Vorkommen dieser kosmopolitischen Art, auch in der Adria, ausdrücklich wieder festgestellt sei. Gen. Myriozoum DosAamı. Myriozoum truncatum (Pau1.). Fundorte: Triest (Slg. Triest), Kat.-Nr. 706; Isole grosse, Zara (Krecrar), Kat.-Nr. 78; Rovigno (Möpıvs), Kat. -Nr. 1883; Algier (SCHLIEFFEN), Kat.-Nr. 49. Diese auffallende Art, eine der wenigen spezifisch mediterranen Bryozoen mit sonst nur wenigen Fundstellen aus in gleicher Breite mit dem Mittelmeer liegenden atlantischen Gewässern, ist bereits in der alten Literatur (ImprrATo, Marsısrı) erwähnt und abgebildet worden. Obwohl HELLER (25, p. 126) von einem Deckel der Zellen- mündungen spricht, stellt er die Art doch unter die Üyclostomata, was dann bei Warers (63, p. 201), der auch eine kurze Übersicht über die ältere Literatur der Art gibt, endgültig berichtigt wurde, Fam. Escharidae. Gen. Lepralia JOHNSTON Lepralia foliacea (Eur. Sor.) var. fascialis (PALL.) et var. bispina CALVvET. Fundorte: Isole grosse, Zara (Kıecıax), Kat.-Nr. 75; Triest (SELER), Kat.-Nr. 1884; Rovigno (Mögıus), Kat.-Nr. 1885; Brioni (v. RırtTer), Kat.-Nr. 1886; Rovigno .(BuLLemer), Kat.-Nr. 1887 [var. bispina CAauver|. Mit Recht sagt Frıeoı (22, p. 273), daß fascialis mit dem bandartigen Wuchs der Zoarien, diese hauptsächlich mediterrane Form, den Typus und foliacea die Varietät darstellen könnte, denn Erzıs’ Werk von 1755 ist nicht binär. Die Entscheidung, was nun als Art, was als Varietät aufzufassen sei, ist bei dieser Art übrigens, da beide Formen als eng zusammengehörig immer erkannt wurden [vgl. Parras (57, p. 42) und Krünız (39, p. 78)]|, von um so geringerer Bedeutung, als auf Grund dessen, was WATERSs (63, p. 33 und 124—125) sagt, die Berechtigung, getrennte Namen für das latifolia- und angustifolia-Stadium beizubehalten, überhaupt gering geworden ist, Bezüglich der Variabilität in Stellung und 86 Ernst Marcus. Form der Avicularien erinnert die Art, von der auch ORTMANN (56, p. 39) neben dem kleinen, gerundeten ein großes, spatel- förmiges Avicularium unter der geraden „Unterlippe“ erwähnt, an Sch. aurieulata (Hass.). Außer den bekannten, in ihrer Unter- scheidung auf die grundlegenden Untersuchungen von MiuxeE Epwarns (49, p. 38—44) zurückgehenden Varietäten beschreibt Carver (11, p. 50—51) die Varietät bispina, der auf Grund des Besitzes zweier, in der aus der Abbildung (l. c., t. 1 £.5) ersicht- lichen Weise auftretender, oraler Dornen die oben genannten Stücke zuzurechnen sind. Die Art ist auf die Nordhemisphäre beschränkt, dort aber weit verbreitet und von der Nordsee, vielen Stellen der europäischen Westküsten und des Mittelmeeres, dem Indischen Ozean und den Küsten von Japan und Alaska mit- geteilt worden. Lepralia pallasıana (MouL) var. projecta WATERS. Fundort: Neapel (S. vacat), Kat.-Nr. 1888. Warers (63, p. 42) erwähnt bereits, daß bei seiner Form vermutlich eine Synonymie zu Zschara ottomuelleriana MoLL vor- liegt; FrıepL (22, p. 273) nimmt das-als sicher an, und es ist auch kein dagegen sprechender Grund vorhanden. Wenn trotzdem hier der spätere Name beibehalten wurde, so geschah das, um die erst in der Wırers’schen Diagnose genau charakterisierte Art als der Lepralia pallasıana (Mor) sehr nahestehend zu kennzeichnen. Diese ist an beiden Küsten des Atlantischen Ozeans und im Mittel- meer verbreitet, während Lepralia ottomuelleriana (Mo) bisher nur aus dem Mittelmeer mitgeteilt wurde. Lepralia pertusa (EsPpEr). Fundorte: Triest (Sig. Triest), Kat.-Nr. 718; Ägina (Harr- MEYER), 1889. | Die zahlreichen Irrtümer in der Determination des angeblich und wirklich zu dieser Art gehörigen Materials lassen die aus fast allen Meeren mitgeteilten Fundorte recht unsicher erscheinen, weshalb von deren Zusammenstellung hier abgesehen und vielmehr ausdrücklich auf Hmmcks’ Bemerkung am Schluß der Diagnose (28, p. 307) verwiesen sei. Es weicht demnach die Form des Orificiums bei dieser Art in gewisser Weise vom allgemeinen Gattungs-Typus ab, indem zwei seitliche Vorsprünge das Orificium selbst etwas ein- engend, unmittelbar dem unteren Mündungsrande anliegen, der seinerseits nach außen etwas überklappend, nun eine Verdickung erkennen läßt, die den Anlaß zu Verwechslungen mit dem bei den EEE WEN Mittelmeer- Bryozoen aus der Sammlung des Zoolog. Museums zu Berlin. 87 Myriozoidae auftretenden oralen Sinus gegeben haben mag. CArver’s Einbeziehung der Art in das Genus Schizoporella, dem er im übrigen nur wirklich hineingehörige Arten zuzählt (13, p. 416), und zwar nicht etwa sie mit Sch. sanguinea (Norm.) zusammen- ziehend, sondern sie selbständig belassend, kann ich weder ver- stehen noch mich ihm anschließen, zumal er das Genus Lepralia (l. c., p. 409—413) anerkennt auch in den „Resultats“ (36, p. 69 und 134) noch die Art als Lepralia pertusa (Esper) anführt und besonders in der Corsica-Arbeit (12, p. 27) mit voller Klarheit hinsichtlich der Gattungsunterschiede die Art gegen Sch. sanguinea abgegrenzt hat. Lepralia adpressa Busk. Fundort: Rovigno (Werrner), Kat.-Nr. 1881 [mit Schizoporella . unicornis (JoHNsT.) zusammen. Die Art ist noch durchaus nicht sicher gegen > lata Busx und ZL. kirchenpaueri HELLER in ihren Grenzen festgelegt. Hmmcks (28, p. 307—308) faßt die von Busk (5, t. 102 f. 3 u. 4) und die von HrıLeR (25, p. 105 t. 2 f. 11) erwähnte Art zusammen, beläßt aber, und zwar sicher mit vollem Recht, die südamerikanischen Stücke mit ihren radiär vom unteren Mundrand ausgehenden Rillen als gesonderte Varietät, was in Cauver's Verbreitungsangaben (11, p. 52) nicht mehr zum Ausdruck kommt. Im übrigen ist CALvEr (12, p. 27) für Zusammenfassung im Sinne von Hıscks anzuführen. Bedeutungslos ist das geographische Moment für die gleichfalls mediterrane L. kirchenpaueri, die FrıepL (22, p. 271) auf Grund abweichender Gestalt der Ooecien und des Besitzes von zwei seit- lichen Avicularien als besondere Spezies anerkennt. Manzont (44, t. 3 f. 2 u. 3) bestätigt gleichfalls die weite, Hmcxs’sche Auf- fassung der Art und läßt für ZL. kirchenpaueri den Rillen jener Busx’schen südamerikanischen Stücke, deren Nachuntersuchung erst - endgültige Klarheit über Umfang und Variationsbreite der Z. per- tusa geben kann, ähnliche Punktreihen erkennen. Fundorte von der englischen Küste als nördlichste und sonst mediterrane . sind als sicher für die vorliegende Art anzusehen. Gen. Smittina Norman (= Smittia Hmcrs 1880 praeocc. durch HorLmsren 1874, Diptera). Smittina reticulata (J. Mace.). Fundort: Alexandrien (Harrmann), Kat.-Nr. 1890. Diese bei Surrr (61, p. 10—11 und 81-86 t. 24 f. 47—52) als Escharella legentilii (Au».) angeführte, seit Hınoxs (28, p. 346) 88 Ersst Marcus. aber allgemein unter dem oben angewandten Namen erwähnte Art ist nach Alter, Lokalität wie Substrat recht variabel, besonders was die Ausbildung der Randlinien der Zooecien betrifft. Während die Anordnung der Zellen bei einem Teil der vorliegenden, ein Holzstück inkrustierenden Kolonie in regelmäßigen Reihen verläuft (28, t. 48 f. 2), sind an anderen Stellen die Zooecien dicht und unregelmäßig in Lagen übereinander gehäuft, wie das oft bei der folgenden Art zu sehen ist (28, t. 49 f. 6). Daß die Erhebung des Mundrandes nicht gar so unbedeutend ist, wie das nach der Hıncs’schen Diagnose scheinen könnte, beweisen die Abbildungen (28, t. 48 f. 5) und Busk (5, t. 90 f. 1). Trotz der bedeutenden Variationsbreite der Art glaube ich mit Cauver (13, p. 433) für die Abtrennung der var. ophidiana WATERS (63, p. 40—41 1.9. 1) .als selbständige Spezies eintreten zu müssen [vgl. auch WaArers, 71, p. 66 Anmerkung zu Sm. conspicua WATERS t. 4 f.3 — (synonym zu ophidiana?)]. Die von Jan Mayen, dem Karischen Meer und im Atlantischen Ozean von Norwegen bis Frankreich und aus dem Mittelmeer angegebenen Fundorte der Art sind sicher, wogegen die von KırkrArtrkıck (fide CALvEr, 13, p. 432) aus der Torres- Straße erwähnten und von OrTMmAnN (56, p. 44—45 t. 3 f. 24) z. T. aus der Literatur zusammengestellten Fundorte nicht mit völliger Sicherheit auf die vorliegende Spezies bezogen werden können. Smittina trispinosa (JOHNST.). Fundorte: Brioni (v. Rırter), Kat.-Nr. 1891; Rovigno (Mögıvs), Kat.-Nr. 1892. Weder der Himcks’schen Unterscheidung (30, p. 304—306 t. 9 f. 3, a, b, c) noch der Frırepr’schen Betonung (22, p. 272) des prävalierenden Auftretens der var. spathulata Hcxs. kann ich mich auf Grund des mir vorliegenden Materials anschließen, muß viel- mehr im Anschluß an Carver (11, p. 56) darauf hinweisen, dab Form und Anordnung der Avicularien, sogar in ein und demselben Zoarium, verschieden sein können. Ein habitueller Unterschied zwischen Stücken aus nördlichen Meeren und mediterranen, ähnlich wie das auch Hıncks (l. c.), allerdings in bezug auf die Farbe der Kolonien doch wohl nicht ganz mit Recht, andeutet, ist zweifellos vorhanden, und zwar machen die Zooecien der nördlichen Stücke einen derberen, kräftigeren, gewissermaßen „besser entwickelten“ Eindruck als die mediterranen. Allerdings müßten genaue Unter- suchungen vielen Materials das nicht bloß Zufällige des hier mit- geteilten, Befundes ergeben, bevor an die Abtrennung einer medi- Dun. = 1 5 Gi Mittelmeer- Bryozoen aus der Sammlung des Zoolog. Museums zu Berlin. 89 terranen Varietät dieser kosmopolitischen Art und damit den ersten Schritt auf dem Wege zum Verständnis von Verbreitungs- grenzen und Rassen dieser wegen der zahlreichen, bekannten Fund- orte und des gesammelten großen Materials als Paradigma der Behandlung solcher Fragen bei Bryozoen vielleicht gut geeigneten Form gedacht werden könnte. Smittina cervicormis (PALı.). Fundorte: Sardinien (Sig. Martens), Kat.-Nr. 1318; Zara - (Kuegıar), Kat.-Nr. 74; Rovigno (WELTNER), Kat.-Nr. 1893. Die besonders durch die ältere Literatur äußerst verwirrte Synonymie dieser Art, auf die Abbildungen von ImrErATo und Bonnanı bereits bezogen werden, soll hier nicht behandelt, viel- mehr auf das bei CALver (9, p. 260) Gesagte verwiesen werden. Bei Busk (5, p. 92) herrscht z. B., trotzdem damals die von MıtLnE Epwarps geschaffene Grundlage (49, p. 19—32 t.1u.t.2f. 1—la) bereits vorlag, noch völlige Unklarheit über diese Form, von der ein Zoarium im leidlichen Habitusbild (l. c., t. 109 f. 1), dagegen nur mit Mühe auf cervicornis zu beziehende Zooecien (l. c., t. 119 f. 1) dargestellt werden. Himcxs (30, p. 316) hat dann erst die Zugehörigkeit der Art zu seinem Genus Smittia erkannt. Ab- gesehen von Carus (14, p. 24) und GRAFFFE (23, p. 5), wo die Art als Porella cervicornis WATERs aufgeführt wird, erscheint sie dann in der Folge unter der Hincxs’schen Bezeichnung. Die beste moderne Diagnose der Art gibt Cauver (9, p. 259), wo als Smittia Koehleriw zweifellos nichts anderes als die vorliegende Art be- schrieben und abgebildet wird (t. 7 f. 4—8). Hrızer’s Varietät tubulifera (25, p. 114), ursprünglich als selbständige Art beschrieben, glaube ich, weiter als Frıenn (22, p. 273) gehend, als auf junge Kolonien gegründet, völlig einziehen und der Art cervicornis synonym setzen zu müssen. Mit Rücksicht auf die unsichere Synonymie der Art können vorläufig nur die aus dem Golf von Gascogne, den Kapverden und dem Mittelmeer angeführten Fundorte der Literatur als sicher gelten. Gen. Retepora ImPERATO Retepora cellulosa (L.). Fundorte: Rovigno (Möpıvs), Kat.-Nr. 567; ibid. (Sig. Triest), ‚Kat.-Nr. 698; Zara (Kıecrar), Kat.-Nr. 72; Ägina (Harrmeyer), Kat.-Nr. 563. Man kann Carver (12, p. 34) nur zustimmen, wenn er sagt, daß trotz der Warers’schen Revision (67) der mediterranen KRetepora- 90 Ernst Marcus. Arten die Auffassung, besonders hinsichtlich der in der älteren Literatur erwähnten Formen, noch keineswegs festgelegt ist. Es mag das in erster Linie daran. liegen, daß der Typus des Genus, nämlich die vorliegende Spezies, bei Lmwn& recht wenig scharf charakterisiert wird. Das auf dem erhöhten Peristom liegende Avicularium, der Besitz zweier, jederseits vom Orificium gelegener Dornen sowie die gefensterte Wachstumsform kommen vielen Retiporiden zu. Von der alten ImperAto-Lisw&’schen Gattung bleibt wenig übrig, wenn JULLIEN-CALvET (36, p. 62), nur die Form des Orificiums und kaum zu Determinationszwecken ver- wendbare Ooecien-Charaktere berücksichtigend, nur R. cellulosa Smıtr und R. Grimaldi Jun. Cauv. in dem nun Smırr’schen Genus beläßt. Dem steht der von WATErRs in seiner hier zu- grunde gelegten Revision eingenommene Standpunkt gegenüber, bei dem auch innerhalb der im alten Umfang belassenen Gattung eine Determination der Arten ermöglicht wird. Da übrigens eine „unzureichende“ Diagnose keinen Grund zu willkürlichem Über- gehen eines Autors bietet, muß Frıenpr’s hierauf bezügliche Be- merkung (22, p. 239) rektifiziert werden, und die weder sachlich noch nomenklatorisch zu rechtfertigende Verbindung des Autor- namens. von Cavouist (15, p. 29—30) mit der vorliegenden Art bei GRAEFFE (23, p. 4) vollends zurückgewiesen werden. Die von Sumitt (61, p. 34—35 und 203—204 t. 28 f. 222—225) unter Retepora cellulosa (Limw.) charakterisierten beiden Formen, die 1. Forma beaniana (Kına) als var. borealis und die 2. Forma cellulosa (L.) sind in ihrer Organisation kaum verschieden, weshalb auch im Anschluß an Carver bei den Fundortsangaben über Retepora cellulosa (L.) die arktischen von Grönland, Spitzbergen, die borealen der Nordsee und der übrigen europäischen Westküste mit den subtropischen von den Azoren und dem Mittelmeer zu- sammen genannt seien. | Retepora couchit Hincks. Fundort: Brioni (v. Rırrer), Kat.-Nr. 1894. | Die Originaldiagnose von Hıncks (27, p. 355—356 t. 18 f. 1—6) grenzt die Art bereits gegen die nächstverwandten Formen durch Betonung der in Warzzs’ Tabelle (67, p. 261—262) zum Ausdruck gebrachten Unterschiede ab. Bereits Waters (63, p. 200—201 t. 15 f. 3—6) hat darauf hingewiesen, daß ein Fehlen der auf dem hervorspringenden Rostrum gelegenen Avicularien die Diagnose mancher Autoren zur Identifizierung mit R. cellulosa (L.) verleitet hat, so Manzonı (43, IV p. 341-342 t. 5 f. 26—28). Frıepı Mittelmeer-Bryozoen aus der Sammlung des Zoolog. Museums zu Berlin. 91 (22, p. 240) sagt nichts darüber, ob seine Stücke etwa zum Teil den von Warters (67, p. 262—263) beschriebenen Varietäten an- gehören und Canver's Bemerkung (11, p. 63) bezüglich der var. biaviculata War. läßt vermuten, daß eine auch nur leidlich sichere Abgrenzung, besonders dieser Varietät, der typischen Form gegen- über, nicht möglich ist. Im Verbreitungsgebiet stimmt die Art mit der vorigen vom Süden bis zur Nordsee überein, erreicht aber mit der englischen Küste ihre Nordgrenze und fehlt der Arktis. Retepora mediterranea (SMITT). Fundort: Neapel (v. OLrers), Kat.-Nr. 40, 41. Diese durch ihr auf das Mittelmeer beschränktes Vorkommen den Spezies-Namen rechtfertigende Art gründete Warzrs (67, p. 263—264 t. 6 f. 14—16) auf Smitt's Ketepora cellulosa (L.) forma Beaniana (Kıns) var. mediterranea. Abgesehen von eigenen Bemerkungen bezieht sich Wartzrs (l. c.) auf Mınne Epwarps (16, p. 142 t.87 f. 1a-e), läßt dagegen die bei Smitr vermerkte Notiz über van BENEDENn (1, t. [1] £. 11), wo nur ein kaum vergrößertes Zoarium von R. cellulosa abgebildet, und wohl einiges über die Gattung, dagegen wenig über die vorliegende Art als zur Identi- fizierung völlig ungeeignet, ja mit Rücksicht auf die Erwähnung der hochgerichteten Avicularien gar nicht hierher gehörig, fort. Wenn auch nicht richtig benannt, wird dagegen die Form in der Neapel-Arbeit (63, p. 199 t. 15 f. 1 u. 2) richtig beschrieben, doch werden aus der Literatur irrtümlich auf R. cellulosa bezügliche Fundortsangaben mit übernommen. Einwandfrei ist die Art bisher von Bastia, Neapel und Capri mitgeteilt worden. Fam. Celleporidae. Gen. Cellepora FaABRıcıus Cellepora pumicosa L. Fundorte: Neapel (G. v. Martens), Kat.-Nr. 375; Cartagena (Exped. Prinz Anauserr), Kat.-Nr. 312; Alexandrien (Hartmann), Kat.-Nr. 1895. | Nicht nur die Unterscheidung der Spezies, sondern auch die Synonymie ist bei keiner Bryozoen-Gattung schwieriger als bei Cellepora. Seit Warers (63, p. 192—199) zuerst für eine Reihe - von Arten die Vorarbeiten zu einer Klärung veröffentlichte, sind zwar weitere Versuche, die Gattung nach der historisch-literarischen - im Verein mit der systematischen Richtung zu revidieren, gemacht worden, aber eine Hıscks’ höchstens für Determinationszwecke aus- 99 Ernst Marcos. reichende, im Sinne natürlicher Systematik dagegen zweifellos in mancher Hinsicht unzulängliche Zusammenfassung ausschaltende Arbeit liegt mir bisher nicht vor, weshalb diese hier als Grundlage benutzt werden mußte*). Schwierigkeiten allerdings ergaben sich schon bei der vorliegenden, von Fızrıcıus als Typus gewählten Art insofern, als sie eigentlich hier wie bei Hmcks den Autor- namen Linnt (ed. 12, p. 1286) zu Unrecht trägt. Da aber in der neueren Literatur diese Schreibweise allgemein üblich ist, und kein 7/weifel darüber besteht, daß die so benannte Form jene von JULLIEN-ÜALVET (36, p. 108—109) wegen ihres kreisförmigen Orifieiums als COyelopora puwmicosa bezeichnete Art ist, zu deren Identifizierung am besten Busk (5, t. 110 f. 2 u. 3) herangezogen wird, so sei in der Benennung einstweilen nichts geändert. Korrekt, aber nicht im Interesse der Forschung liegend, wäre eine Neu- benennung der von Busk zu Unrecht mit dem für eine andere Art bereits vergebenen Namen pumicosa belegten Form. Hinsichtlich der Verbreitung sind sowohl die Ausführungen von Hıncks (28, p. 399) als auch die von Cauver (13, p. 441), dessen irrige, wiederum auf Lrıxn& weisende Synonymie-Angabe auf eine un- richtige Auffassung der Art schließen läßt, nicht sicher; der Nach- weis kosmopolitischer Verbreitung ist für die Art noch nicht erbracht, und mit vollem Recht führt Carus (14, p. 35) außer dem Mittelmeer nur den Atlantischen Ozean bis zur englischen und norwegischen Küste als sicheres Verbreitungsgebiet dieser Spezies an. Cellepora ramulosa L. Fundorte: Neapel (Dönıtz) Kat.-Nr. 140, ibid. (G. v. MARTENS), Kat.-Nr. 374, ibid. (S. vacat), Kat.-Nr. 792 und 1896, ibid. (Zool. Station), Kat.-Nr. 430. Hierher gehören aus dem mir vorliegenden und zweifellos auch aus dem in anderen Sammlungen befindlichen Material verzweigte Zoarien der als CO. incrassata Lamarck (40, p. 256—257) be- zeichneten „Sammelart“, die in der nordischen Bryozoen-Literatur einen wirklichen Artinhalt erst durch Smıtt (61, p. 33 u. 198—200 t. 28 f. 212—216) erhalten hat, während sie als mediterrane Art ein leerer Begriff geblieben ist, und mit ihrem Namen bezeichnete Stücke, wie z. B. die von JuLzızn bestimmten (vgl. CALver, 13, p. 441), stets nachträglich als zu anderen Arten gehörig sich herausstellen, weshalb auch Carus (14, p. 37) die incrassata des Mittelmeeres unter den species non certo determinandae aufführt. *) Vgl. Anmerkung p. 66. Mittelmeer- Bryozoen aus der Sammlung des Zoolog. Museums zu Berlin. 93 Bei dem vorliegenden Material sind gelegentlich die Ooecien, was nach Hıscks (28, p. 401) selten auftritt, punktiert. Im übrigen bereitet die Determination unter Zugrundelegung der Hiıncks’schen Diagnose (28, p. 401—403 t. 52 f. 7—9) bei dieser auch in ihrer Synonymie nur bei Pauras (57, p. 254—256), wo sie mit einer in- krustierenden Form [anscheinend mit ©. coronopus S. Woon]| ver- bunden wird, und sonst Komplikationen nicht aufweisenden Art keine Schwierigkeiten, weshalb auch in die vom Nordkap bis Madeira aus dem Atlantischen Ozean und der Nordsee sowie aus dem Mittelmeer erwähnten Fundorte kein Zweifel gesetzt zu werden braucht. Cellepora coronopus S. Woon. Fundorte: Algier (G. v. Martens), Kat.-Nr. 524; Neapel (S. vacat), Kat.-Nr. 1897; Triest (v. Ritter), Kat.-Nr. 1898; Pirano (v. Rırrter), Kat.-Nr. 1899. Das Zoarium tritt verzweigt und als Kruste auf, die Zooecien haben glatte, dieke Wände und unmittelbar unter dem Orificium oder mehr lateral einen hochgereckten, ein kleines Avicularium tragenden Fortsatz; zwischen den Zooecien liegen außerdem recht große Avicularien zerstreut. Die Ooecien haben Poren und treten deutlich hervor. Mit dieser WArers’schen Diagnose (63, p. 192—193) ist die Art scharf charakterisiert. Als Grundlage diente Busk (6, p. 57 u. 60—61 t. 9 f. 1 u. 3, 8 u. 10, besonders 10b). Weniger für den Habitus des Zoariums im allgemeinen als besonders für den oralen Sinus der Zooecien charakteristisch ist Manzoxts Ab- bildung (43, IV t. 4 f. 25). Die Art scheint im Mittelmeer häufig zu sein, und zwar nicht nur, wie Warers (l. c.) annahm, in der verzweigten bei Marsıcıı (46, t. 31 f. 149, t. 32 f. 150—152) ab- gebildeten Form. Die übrigen bekannt gewordenen Fundorte ge- hören dem borealen gemäßigten Atlantischen Ozean an, und an der Süd- und Westküste Englands scheint die nördliche Verbreitungs- grenze der Art zu liegen. Cellepora armata Hıncks. Fundorte: Neapel (G. v. Martens), Kat.-Nr. 390; Algier (G. v. Martens), Kat.-Nr. 525; ibid. (Schimper), Kat.-Nr. 1900. Mit den Worten „This is a large celled species“ hat Hmcxs (28, p. 410411, t. 54 f. 10—13) einen auf den ersten Blick sich darbietenden und äußerst prägnanten Charakter bezeichnet, während die auf das Zoarium bezügliche Bemerkung: „Forming a rather thin cerust“ für die als in stämmige Zweige sich ausbreitender 94 Ernst Marcus. Klumpen einer Schneckenschale aufsitzende Kolonie (Kat.-Nr. 390) so wenig paßt, daß ausschließlich auf Grund von Zooecien-Charakteren die Determination erfolgen konnte. Nun hat aber der Autor bei Aufstellung seiner Art zweifellos wenig Material vor sich gehabt, was sowohl aus der Zahl der angegebenen Fundorte wie auch daraus hervorgeht, daß Cauver (11, p. 64—0b5) in mehreren Merk- malen abweichende Stücke beschreibt und so eine Erweiterung der Diagnose bewirkt, wie sie (12, p. 38—39) auch für ©. sardonica Warers gerade im Hinblick auf das dort zum ersten Male mit- geteilte verzweigte Wachstum für die Wuchsform vorgenommen werden muß. In der Verbreitung ähnelt die vom Golf v. Gascogne und dem Mittelmeer erwähnte Art der vorigen, was die von Warers (66a, p. 36 t.3 f. 4 und 41—43) beschriebene var. erecta von der chilenischen Küste eigentlich darstellt, ist aus der Diagnose kaum zu ersehen, die Abbildung (f. 4) läßt in den Rahmen einer _ Varietät nicht mehr passende bedeutende Verschiedenheiten von der europäischen Form erkennen. Cellepora costazıı (AuD.). Fundorte: Triest (Slg. Triest), Kat.-Nr. 716; Rovigno (Möpıvs), Kat.-Nr. 1901; Brioni (v. Rırter), Kat.-Nr. 1902; Sardinien (MÜLLER), Kat.-Nr. 801 [var. tubulosa Hexs.]. | Diese Form wurde bei Warers (73, p. 174) als Lagenipora costazit (Aun.) aufgeführt, also in ein Genus gestellt, das von Hınors (28, ,p. 235—236) am Schluß der Porinidae genannt wird. Schon vorher hatte Warers (70, p. 13) innerhalb der Celleporidae den richtigen Platz für dieses, bei FRiEDL (22, p. 274) als Sini- opelta Levinsen 1909 bezeichnete Genus festgelegt und als wichtigste Gattungscharaktere angeführt: Ein nahezu rundes Operculum, fast röhrenförmige Zooecien . mit halbkugeligen Ovicellen über der Mund- öffnung, das Peristom überragt im allgemeinen die Ooecien, diese zeigen eine Area, die deutlich durch längliche oder kreisförmige‘ Poren, die sie umgeben, abgegrenzt wird, vielfach fehlen die Avicularien. Die Speziescharaktere der vorliegenden Art sind aus der Hıscks’schen Diagnose (28, p. 411—413 t. 55 f. 11—14) zu ersehen; der in der neueren Literatur überhaupt nicht mehr er- wähnten ©. boryi (Au».), die Warzrs (63, p. 195) als auf dem- selben Stück Tang wie costaziı gewachsen erwähnt, kann kaum noch der Rang einer Varietät zugesprochen werden, und die bei Busk, Hıncks, Manzonı, SMITT u. a. genannte (©. hassalii JoHNsT. wird mit Recht schon bei JELLY (p. 49—50) der (©. costazii synonym gesetzt. Die seltene (vgl. CALver, 11, p. 66) var. tubulosa Hocxs. Mittelmeer- Bryozoen aus der Sammlung des Zoolog. Museums zu Berlin. 95 dagegen, steht mit ihrem stärker entwickelten Peristom, das einen annähernd röhrenförmigen Kragen der Zelle bildet und an seiner Basis eine grubenartige Vertiefung erkennen läßt, zweifellos etwas für sich. Die Art ist von den skandinavischen Küsten, von der Nordsee und vielen Stellen der europäischen Westküste, aus dem Mittelmeer, dem Roten Meer, den chinesischen und südaustralischen Gewässern mitgeteilt werden. Die von Carver (13, p. 442—443) erwähnten Stücke zeigen so erhebliche Abweichungen vom Typus der Art und lassen andererseits, da die Ooecien fehlen, so wichtige Charaktere vermissen, daß sie, mit ihrem für die Feststellung der atlantischen Südgrenze interessanten Fundort: Azoren, nur unter Vorbehalt zur vorliegenden Art gestellt werden können. Ordo II. Cyelostomata Busk Fam. Crisiidae. Gen. Crisia LAMOUROUX Crisia denticulata Lack. Fundort: Brioni (v. Rırrer), Kat.-Nr. 1903. MENnEGHINI (48, p. 62) und Mıune Eowarps (51, p. 194 t. 7 f. 1, a—c), als die beiden, für die Gtg. Orisia grundlegenden Autoren, erwähnen diese von LamaArck (40, p. 182—183) deshalb als Cellaire dentelee (Cellularıa denticulata) bezeichnete Form, weil die eng miteinander verwachsenen Zellen, deren Mündungen seitlich gewandt nach außen vorspringen, das Zoarium einheitlich gewachsen und am Rand gezähnelt erscheinen lassen. GRAFFFE (3, p. 6) teilt mit, daß die Art bei Triest zwar etwas seltener wie O. eburnea (L.), aber wie diese zu jeder Jahreszeit auftritt, was sonst bei Bryozoen im allgemeinen nicht vorkommt. Die Fundortsangaben der Art erstrecken sich über weite Gebiete: von Spitzbergen südwärts von allen Küsten West- und Südeuropas, im Atlantischen Ozean südwärts bis nach Südafrika und der Magalhaens-Straße sowie von den Königin-Charlotte-Inseln an der Nordwestküste Nordamerikas ist ‚sie mitgeteilt worden, doch ist, wie Waters (74, p. 232 t. 24 f. 1—3 und t. 25 f. 11) ausführt, bei vielen dieser Fundorte die Determination des zugrunde liegenden Materials ganz unsicher. Crisia elongata M. E. Fundort: Dalmatien (MrxeenHnmt), Kat.-Nr. 1070. \ Waters (63, p. 209 t. 23 f. 1) ist wohl im Recht, wenn er dieser bei MıLne Epwarps charakterisierten (öl, p. 202—203 $ 6 t. 7 f. 2) Art die Heuver’sche C. attenuata (25, p. 117—118 t. 4 96 Ernst Marcus. f. 1—2) synonym setzt. Ebensowenig wie für diese die Indenti- fizierung mit einer anderen Art in Frage kommt, scheint mir Carvers Versuch (11, p. 74), die Selbständigkeit dieser Art gegen- über der elongata durch den Hinweis auf die stärker gekrümmten Zooecien und die weniger deutlichen Einschnürungen der Knoten zu sichern, geglückt zu sein, da die Zellen auch in MıLne Epwarns’ Abbildungen verschieden stark gekrümmt, zum Teil überhaupt gerade gezeichnet sind, und der zweite Charakter nur in graduell und nicht prinzipiell verschiedener Weise in beider Autoren Abbildungen zum Ausdruck kommt. Die Art gehört dem Mittelmeer an, der ohne Angabe des Sammlers auf Grund mündlicher Mitteilung bei Mınne Epwarps genannte Fundort Rotes Meer bleibt unsicher, doch behalte ich mir mit Rücksicht auf HArmer (24 p. 96ff.) eine entschiedene Stellungnahme hinsichtlich der Verbreitung der Art bis zum Studium australischer Arten vor. Die im „Catalogue“ (da, p. 5) von der Algoa Bay erwähnten Stücke lassen nach den Ab- bildungen (t. 4 f. 5 u. 6) doch gewisse Verschiedenheiten mit der typischen Form erkennen, während die bei Busk (8a, p.5 t.1 f. 3) von den Neu-Hebriden mitgeteilten Exemplare zweifellos als zu elongata gehörig angesehen werden müssen, wenn auch der Fundort so sehr isoliert dasteht. | / Fam. Tubuliporidae. Gen. Tubulipora LAMARCK Tubulivora flabellarıs (FABR.). Fundort: Venedig (G. v. Martens), Kat.-Nr. 545. Harmer’s Ausführungen (24, p. 122—123) sind wohl geeignet, eine Grundlage für die Auffassung dieser Gattung darzustellen, und wie eng die Beziehungen zu dem Genus /dmonea sind, erhellt | aus der Beschreibung von Stücken, wie sie Carver (12, p. 41) gehabt hat. In der Arbeit von MenecHımı (48) ist die Unter- scheidung der Wachstumsformen der vorliegenden Art als selb- ständig koordinierte Spezies noch weitgehend durchgeführt, während heute sich die bei FrıEnpL (22, p. 277) geäußerte Ansicht allgemein durchgesetzt hat, daß diese in den verschiedensten Wuchsformen auftretende Art, deren Synonymie eben durch den oft so ver- schiedenen Habitus recht verwickelt geworden ist (vgl. JELLY 32, p. 264—265), sich nicht in auch nur einigermaßen Konstant zu charakterisierende Unterarten spalten läßt. Daß bei Jeıry (l. c.) mit Recht Hrıner’s verrucaria (25, p. 124) der vorliegenden Art synonym gesetzt wurde, wird, nachdem es Carus (14, p. 18 Mittelmeer-Bryozoen aus der Sammlung des Zoolog. Museums zu Berlin. 97 fraglich erschienen war, nunmehr durch Frıepr (l. c.) endgültig ' bestätigt. Faßt man, der heutigen Anschauung von dem weiten Umfang der Art folgend, die Fundorte zusammen, so ergibt sich eine atlantische Verbreitung von .den Falkland-Inseln bis nach Süd-Labrador, Grönland, Spitzbergen und dazwischen eine große Zahl von Fundorten von den europäischen West- und Mittelmeer-Küsten. Gen. Idmonea LAMoUROUX Idmonea serpens (L.). Fundort: Venedig (G. v. Martens), Kat.-Nr. 377. | Himmcxs’ Diagnose und Abbildung (28, p. 453—454 t. 60 f. 2 und t, 61 f. 2—3) sind aus der Fülle der Literatur über diese, infolge ihres variabeln Auftretens auch vielfach verschieden benannte Art als zur Determination besonders geeignet zu nennen, während der Text bei Mıtne Epwarns (öl, p. 214—219) zur größeren Klarheit kaum beitragen und man bei Busk nur die in dem von GüntHER herausgegebenen Teil (5a) besonders guten - Abbildungen benutzen wird. Auch bei dieser Art wendet sich Frmeon (22, p. 276) mit Recht dagegen, daß die inkonstanten Aberrationen, mit Ausnahme vielleicht der mit freien Ästen sich ausbreitenden transversa Luck. (vgl. Mine Epwarps, 51, p. 217 bis 218), benannt werden, wogegen CauyeEr (11, p. 81), um abweichende Charaktere auch literarisch festzulegen, an der Benennung festhält. Die Verbreitung der Art ist, infolge der Zugehörigkeit vielen in. der Determination unzuverlässigen Materials zu ihr, nicht sicher festzustellen; CatLver (13, p. 463) gibt im Norden Spitzbergen, weiter die europäischen Westküsten, das Mittelmeer, die Azoren, die Magaihaens-Straße sowie die Küsten von Australien und Neu- seeland an, doch bedarf zweifellos, nach vorausgegangener Revision der Diagnose, noch yiel von dem diesen Kundorten zugrunde liegenden Material der Nachuntersuchung. Jdmonea gracılis MENEGH. Fundort: Neapel (8. vacat), Kat.-Nr. 1904. Die Hrrrer’sche Bestimmungstabelle (25, p. 119) führt bei dem vorliegenden Stück zwar zu /. meneghimm HELLER, doch setzt Frıepı, der das Hrurer’sche Material gesehen hat, diese Art der /. gracilis synonym und gibt auch der Z. triforis HELLER, bei denen die Querreihen nur noch aus drei Zellen bestehen, und die Äste infolgedessen noch mehr verschmälert erscheinen, nur - noch den Rang einer Varietät von gracilis, was auch im Hinblick _ auf die Mrneenintsche Originaldiagnose (48, p. 68) berechtigt 7 98 Ernst Marcus. erscheint. Carver hält allerdings ebenso wie Warrrs an dem Herver'schen Namen fest, aber beide Autoren erwähnen den Namen graeilis nicht, werden also unter ihrem Material wohl nur eine Form, der dann nach den Regeln der Priorität der Mrxe- uıntsche Name gebührt, gehabt haben. Bei Busk (5a, p. 14) und Carus (14, p. 43) werden zwar gracilis und meneghimii neben- einander erwähnt, aber bei beiden Autoren nur in literarischen Zusammenstellungen. Die Verbreitung der Art ist rein mediterran. Fam. Horneridae. Gen. Hornea LAMOUROUX Hornera frondiculata (Lmx.). Fundorte: Messina (HAeEckEL), Kat.-Nr. 67; Zara (Kuecıak), Kat.-Nr. 73; Sieilien (Schuutz), Kat.-Nr. 566. Die Verwirrung in der Synonymie dieser Art rührt besonders davon her, daß Parras (57, p. 245—246) eine Millepora lichenoides auf Grund mediterranen Materials beschreibt und Fundorte aus den nordeuropäischen Meeren auf die Autorität seines Gewährs- mannes Brünnıch hin beifügt. Von den Parras’schen Zitaten nun sind zwei, nämlich die auf MazsıscLı und SesBA bezüglichen, nicht mit Sicherheit auf frondiculata zu beziehen, das Limxt-Zitat be- zieht sich auf die heute als Zornera lichenoides (L.) bezeichnete Art, und Eırıs (19, t. 35 f. b. B.) ist die Grundlage für frondi- culata (Lmx.). Seit der scharfen Gegenüberstellung beider Arten bei Busk (5a, p. 17 t.20 f. 1—6 und t. 18 f. 5—6) sind die Arten, für die auch auf die Crag-Monographie (6, p. 102—103, t. 15 f. 1—2 und t: 16 f. 6) verwiesen sei [die dort erwähnte borealis Busk ist synonym der lichenoides (L.)], endgültig zu trennen, und für die vorliegende, für die Lamourouvx’ Originaldiagnose (42, p. 41 t. 74 f. 7—9) auch noch Kamtschatka, indische und australische Meere nennt, was alles noch zu revidieren sein wird, dürfen nur die in der modernen Literatur angegebenen Fundorte aus dem subtropisch-borealen Atlantischen Ozean und dem Mittelmeer als sicher gelten. Fam. Lichenoporidae. (Gen. Lichenopora DEFRANCE Lichenopora radiata (Aun.). Fundorte: Neapel (Zool. Station), Kat.-Nr. 431; Neapel (G. v. Martens), Kat.-Nr. 523; Cagliari (G. v. Martens) 522. Hırmer (24, p. 153—155) gibt eine wertvolle Zusammen- stellung der Literatur dieser Gattung. Heıter’s Discosparsa Mittelmeer-Bryozoen aus der Sammlung des Zoolog. Museums zu Berlin. 99 patina (25, p. 122) wurde bei Hmexs (28, p. 458) irrtümlich mit der zu der Tubuliporidae gehörigen Diastopora patına (Lmck.) identifiziert, sie ist, wie Frrepz (22, p. 278) angibt, und wie auch aus Hıscks’ späterer Bemerkung (30, p. 307) hervorgeht, mit der vorliegenden Art identisch, was übrigens auch aus der guten Hrruer'schen Diagnose erhellt. Aus dem Golf v. Gascogne (13, p. 464), verschiedenen Stellen des Mittelmeeres, aus Suez sowie aus Japan (Orrtmann, 56, p. 64 t. 4 f. 23) wird die Art erwähnt, da- gegen glaube ich, daß die bei Kırkrarrıck (38, p. 612) mit dem Listennamen der vorliegenden Spezies von der Torres-Straße an- geführte Form mit einer der von Harmer (24, p. 155—165) be- schriebenen Siboga-Formen zu identifizieren sein wird, wenn auch wiederum ORTMAnN (]. c.) aus dem Straßburger Museum Stücke von den Samoa-Inseln mitteilt. Fam. Frondiporidae. Gen. Frondipora ImPERATO Frondipora verrucosa (Lamx.). | Fundorte: Neapel (Zool. Station), Kat.-Nr. 433; Zara (KuEcıak), Kat.-Nr. 76. Nachdem bis in die neueste Literatur (Cauver, 13, p. 477) hinein die bei Lamouvroux (42, p. 41 t. 74 f. 10—13) erwähnten Fundorte: Kamtschatka, Ostindien, Australien sowie der von D’ORBIGNY (55, p. 677) genannte: Spitzbergen für diese Art mit angeführt werden, ist Frrepr’s Bemerkung (£2, p. 278) vielleicht geeignet, die Aufmerksamkeit auf die Beziehungen dieser Art zu F.reticulata (Braısv.) zulenken. Mein Material ist zur Entscheidung nicht ausreichend, ob Smirtr’s Unterscheidung (61, p. 407) in eine arktische, vielleicht eircumpolare Form verrucosa und eine südliche (mediterran-indoaustralische) Form reticulata berechtigt ist, oder ob, wie Hıscks (30, p. 308) ausführt, beide Arten identisch sind; und so sei, unter gleichzeitigem Hinweis auf die von Busk (5a, p. 39) an den Lamourovx’schen Fundorten geübte Kritik, auf der anscheinend Carus (14, p. 47) fußt, die Art einstweilen unter dem bisherigen Sammlungsnamen hier mitgeteilt. Ordo II. Ctenostomata Busk Fam. Aleyoniidae. Gen. Pherusa LamouURoUX Pherusa tubulosa (Eun. Sor.). Fundorte: Neapel (Zool. Station), Kat.-Nr. 435; Algier . (Schıuper), Kat.-Nr. 203; Dalmatien (Meneeninı), Kat.-Nr. 304. ; - 7* 100 Ernst Marcos. EEE EEE — ——— —. Diese bei Erzıs und SoLANDER (20, p. 17—18) als Flustra tubulosa von der Antillen-Insel Dominica erwälhnte Form erhielt die Gattungsdiagnose bei LAmourovx (41, p. 117—119) und wurde bei Warers (63, p. 279—280 t. 24 f. 13—14) modern beschrieben. Die aus der alten Literatur bekannten Fundorte: Dominica, Brasilien und China bedürfen noch der Bestätigung, dagegen sind die in allen neueren Arbeiten von vielen Stellen des Mittelmeers gemachten Angaben sicher. Fam. Vesiculariidae. Gen. Amathia LAMOUROUX Amathia lendigera (L.). Fundort: Neapel (S. vacat), Kat.-Nr. 1905. Zu dieser Art scheint Amathia unilateralis Lmx. ein Synonym zu sein. Die kurze ÖOriginaldiagnose dieser aus dem Mittelmeer zuerst mitgeteilten Form von Lamourovx (41, p. 160): „ramis arcuatis conglomerationibus cellularum approximatis, unilaterali- busque“ wird fast unverändert bei Lamarck (40, p. 170) wieder- gegeben und dort auch Bramviırre’s Ansicht (2, p. 476), es sei diese Form zu den Campanularıen gehörig, entschieden entgegen- getreten. In der neueren Mittelmeer-Literatur wird die Art, von literarischen Zusammenstellungen, wie die von Carus (14, p. 49), abgesehen, überhaupt nicht mehr genannt, und da bei einer Reihe der in meinem Material befindlichen Zoarien die Zooecien in nahe beieinander stehenden Gruppen und alle auf einer Seite liegen, so trage ich kein Bedenken, dabei gleichzeitig eine der vielen älteren, unsicheren Mittelmeer-Bryozoen placierend, die A. unilateralis Lmx. der A. lendigera (L.), für deren Identifizierung die Hincks’sche Diagnose (28, p. 516—518 t. 74 f. 7—10) zugrunde gelegt wurde, synonym zu setzen. Diese Art ist im Atlantischen Ozean von den Bermudas bis nach England, aber nicht mehr bis zu den Shetland- Inseln oder der skandinavischen Küste verbreitet und ist im Mittel- meer an vielen Stellen als sehr häufige Form gefunden worden. Amathra semiconvoluta Lmx. Fundort: Rovigno (BuLtemer), Kat.-Nr. 1906. Unter Berufung auf Lamarck’s kurze, aber sehr präzise Er- örterung dieser Art (40, p. 171) konnten die vorliegenden Zoarien bestimmt werden, trotzdem sie sich von der bei HELLER (25, p. 127 t.5 f. 1—2) erwähnten, die um den Stamm sich windende, fortlaufende Zooecienreihen besitzt, durch die mit beträchtlichen Zwischenräumen Mittelmeer- Bryozoen aus der Sammlung des Zoolog. Museums zu Berlin. 101 angeordneten Gruppen von allerdings auch spiralig um den Stamm sewundenen Zooecien unterscheidet. Mit der „Serialasre ü demi contournee“ halte ich sie aber doch für identisch. Die Verbreitung der Art ist auf das Mittelmeer beschränkt, und auch dort ist sie selten. Gen. Zoobotryon EHRENBERG Zoobotryon pellucidum Eure. Fundorte: Neapel (G. v. Martens), Kat.-Nr. 65; ibid. (DoHrx), Kat.-Nr. 206; ibid. (Dönıtz), Kat.-Nr. 791; Triest (Slg. Triest), Kat.- Nr. 694; ibid. (REıcrerr), Kat.-Nr. 444. Ohne auf die umfangreiche Spezialliteratur über diese Form, . deren monographische Behandlung durch Reichert (58) allgemein bekannt geworden ist, einzugehen, sei hier nur ein Hinweis auf die vorzügliche Originalabbildung bei HEmPrIcH-EHRENBERG (Symb. physic. Zoolog. II, Phytozoa III 10°*) und die interessanten Aus- führungen bei Warers (74, p. 243—248 t. 24 f. 12 u. 15) ge- stattet, wie auch daran erinnert, daß WATERs von dieser Art und von Amathia tortuosa Tenıson-Woonps berichtet, daß sie im Dock von Suez an einem Schiff festsitzend gesammelt wurde, so daß bei den vielen tropischen und subtropischen Fundorten der Alten Welt und Australiens für diese Formen die passive Verbreitung durch Verschleppung als erwiesen betrachtet werden muß. Gen. Bowerbankia FARRE Bowerbankia imbricata (ADams). Fundort: Triest (v. Rırtter), Kat.-Nr. 695. Warers betrachtet in seiner vergleichend-anatomischen Dar- stellung der Ctenostomata (74, p. 240) dies Genus als ein Synonym zu Zoobotryon, während HArMmER (24, p. 70), dem hier gefolgt wurde, die Charaktere der Zoarien für zur Unterscheidung von zwei Gattungen genügend abweichend hält. Die Zooecien der vorliegen- den Stücke überziehen das Substrat in fast kontinuierlicher An- ordnung; es ist dies eine der vielen von WaArers (l. c., p. 248—249 und besonders 250) besprochenen Wachstumsmodifikationen dieser Art. Zu den dort genannten Fundorten: Arktis, europäische West- und Südküste, Kaspisches Meer, Rotes Meer und nordamerikanische Westküste von Kalifornien bis zu den Königin-Charlotte-Inseln kommen Harmer’s Siboga-Fundorte aus dem Malaiischen Archipel, ferner der auf die von ihm als wahrscheinlich mit der vorliegenden Art identisch bezeichnete Amathia distans Busk (8a, p. 33.7 f.1) bezügliche Fundort Bahia und schließlich das Yokohama-Material 102 Ernst Marcus. des Berliner Museums, wodurch das Bild kosmopolitischer Verbreitung dieser Spezies vervollständigt wird. Bowerbankia pustulosa (Eun. Son.). Fundorte: Mittelmeer (Rıcaıarpı), Kat.-Nr. 289; Triest (Sig. Triest), Kat.-Nr. 707; Adria (Wesser), Kat.-Nr. 125. In der Originaldiagnose (20, p. 54) wurde die Art treffend als „Pimpled Coralline“ bezeichnet, verbreitet ist sie besonders im Mittel- meer, geht aber auch im Atlantischen Ozean nordwärts, aber nicht über England hinaus; auch an der Artzugehörigkeit der Stücke aus Yokohama (G. v. Martens), Kat.-Nr. 382, ist nicht zu zweifeln. Fam. Oylindroeciidae. Gen. Cylindroecium Hıxcks Oylindroecium giganteum (Busk). Fundort: Triest (Sig. Triest), Kat.-Nr. 702. Die Hmmcxs’sche Nomenklatur wurde nur deshalb hier bei- behalten, weil das Harmer’sche System noch nicht so abgeschlossen ist, wie es für die Grundlage einer Übersichtsliste, wie die vor- liegende, erforderlich ist, aber berechtigt ist Harmer’s Erweiterung des Genus Nolella Gossz (vgl. auch Hıncks, 28, p. 540) zu einer auch Oylindroecvum umfassenden Gattung unbedingt. Hinsichtlich genauer Abbildungen der Zooecien-Charaktere verweist er auf Carver (10, t. 7 £. 13 und besonders 12, ferner t. 9 £. 10 u. 11). Die Art ist weit verbreitet, wenn auch heute die Fundorte noch recht zusammenhangslos erscheinen: Englische Küste, Mittelmeer, Rotes Meer, Indischer Ozean (Brit. O.-Afr., Mergui-Archipel, Ceylon) und Königin-Charlotte-Inseln an der pazifisch-nordamerikanischen Küste. Aus der Adria ist die Art bisher erst einmal, ohne nähere Fundortsangabe, von Hıncks (30, p. 311) mitgeteilt worden. Fam. Triticellidae. Gen. Triticella DALYELL Triticella korenii ©. SARs. Fundort: Triest (Slg. Triest), Kat.-Nr. 711. Durch Hrrrer’s Valkeria verticillata (25, p. 129), die Hıncks bei seiner Revision (30, p. 311) unter das Genus Hippuraria Busk stellt, wird, wenn es sich tatsächlich um eine Triticella (siehe unten) handelt, vielleicht der Weg gezeigt, auf dem die auch bei HarmeErR (24, p. 90—92) noch nicht fixierte Stellung dieser, von Hıncks (28, p. 548) mit den Worten: „Aippuraria appear to be Mittelmeer-Bryozoen aus der Sammlung des Zoolog. Museums zu Berlin. 103 a clustered Triticella“ treffend gekennzeichneten Gattung festgelegt werden könnte Sie wird sich dann vielleicht als Synonym zu Triticella erweisen und manche der unter ihrem Namen beschriebenen Spezies (vgl. HArmEr, 24, p. 92) an Mimosella und Buskia abgeben. Für die vorliegende Art scheint das Vorkommen auf dem Carapax, den Scheren, Pedes maxillares oder Caudalanhängen von Crustaceen charakteristisch zu sein; gefunden wurde sie an skandinavischen Küsten und im Mittelmeer. Fam. Valkeriidae. Gen. Valkeria FLEmmG Valkeria wa (L.) var. tuberosa (HELLER). Fundorte: Rovigno (Mögrvs), Kat.-Nr. 1907; Neapel (S. vacat), Kat.-Nr. 1908; ibid. (VAnHÖrFEn), Kat.-Nr. 1909, Während noch Warers (74, p. 250) die Hrurer’sche Valkeria tuberosa (25, p. 129 t. 6 f. 3) der Valkeria uva (L.) synonym ge- setzt hatte, wird sie von HarmEr (24, p. 76—-78 t. 6 f. 13—20) als selbständige Art wieder aufgefaßt, und auch Frırpı (22, p. 280) hält daran fest, daß V. uva, von der er sagt, daß sie in der Adria nicht vorkomme, verschieden von V. tuberosa sei, gibt dieser aber nur den Rang einer Varietät. Es scheint mir dies auch völlig ausreichend, um die in der Diagnose zum Ausdruck gebrachten Unterschiede, die zumal bei der erheblichen Variationsbreite von V. uva nichts Besonderes darstellen, festzulegen. Auch in der Ver- breitung ist, wenigstens auf Grund der bisherigen Angaben, keine Grenze zu ziehen, wenn auch die aus dem Mittelmeer und dem Malaiischen Archipel erwähnte var. tuberosa nicht so weit nach Norden zu gehen scheint wie die typische Form, die bis zur nor- wegischen Küste hinauf gefunden wurde. Andere, von Autoren, die zwischen den Formen keine Unterschiede machen, mitgeteilte Fundorte sind: die europäischen Meere, einschließlich der Ostsee, Mittelmeer, Rotes Meer, Indischer Ozean und die chinesischen Meere. Auch bei dieser Art erscheint der Gedanke an eine Ver- schleppung naheliegend. Fam. Mimosellidae. Gen. Mimosella Hincks Mimosella gracilis Hors. Fundorte: Rovigno (Werrtser), Kat.-Nr. 562; Mittelmeer (Rıcasarpı), Kat.-Nr, 288; Triest (SIg. Triest), Kat.-Nr, 713; Adria 104 Ersst Marcus. (Wisser), Kat.-Nr. 123; Dalmatien (MeneeHmı), Kat.-Nr. 170, ITA,LTD, Es ist schwer .verständlich, daß HArmeEr (24, p. 81—83 t. 7 f. 8—10) in Hruuer’s Valkeria vertieillata eine Mimosella sieht, mit der nun Sundastücke identifiziert werden, und sehr ungern vermißt man eine Entscheidung, ob diese oder die hier als Grund- lage verwandte Hınoxs’sche Auffassung (30, p. 311—312) die richtige sei, bei Frıenz, dem allein das Hruver’sche Material vorgelegen hat. Von MnaaıınT als Typen bezeichnet, und mit den als M.S.- Namen gekennzeichneten Namen Cuscutaria erucrata, ©. glumacea und ©. oppositiramea versehen, liegen mir drei trockene, infolge sehr sorgfältiger Konservierung gerade noch zu erkennende Zoarien vor, auf die sich der folgende, mitaufbewahrte Originalzettel KırcHkx- paver’s bezieht: „Als Hrıuer 1867 mir die Bryozoen des Triester Museum schickte, machte ich ihn auf die ihm damals unbekannte Abhandlung von Hiıncks (gemeint ist: 26) aufmerksam, daß seine Mimosella gracilis mit der von MEnEGHImNT als Ouscutaria eruciata benannten Species identisch schien. Er muß das bestätigt gefunden haben, denn in seinem Buch, p. 52 (gemeint ist p. 128 der Ver- handl.) führt er bei M. gracilis sowohl MenkeHınt’s Ouse. eruciata, als auch die Cusc. oppositiramea MEnecH. als Synonyme auf. Das Letztere ist wahrscheinlich auch richtig, wenn man annimmt, dab sämtliche Zooecien abgefallen sind. Außerdem aber scheint mir die Ouscutaria glumacea MrnecH. auch nichts Anderes zu sein.“ Cuscutarıa verticillata MEnecH. i. lit. wird nun als Synonym bei Valkeria verticillata von HELLER aufgeführt, und deshalb könnte allerdings Harmer’s Auffassung, die Hrrver’sche Art sei eine Mimosella, berechtigt erscheinen. Wird aber nicht diesem als in lit.-Namen doch immer ein nomen nudum bleibenden Gattungsbegrift Cuscutaria gegenüber größeres Gewicht auf Hiıncks’ Angaben zu legen sein, daß die Vertralseite der Zooecien von einer häutigen Area eingenommen wird, wodurch die Zugehörigkeit zur Gattung Hippuraria, also zu den Triticellidae, erwiesen wäre? Die Ent- scheidung kann nur das Hrurer’sche Material bringen. Einstweilen muß das mir vorliegende Material als Mimosella gracilis bezeichnet und als Verbreitungsgebiet dieser Art das Mittelmeer und der boreal-gemäßigte Atlantische Ozean, über England nach Norden nicht hinausgehend, angegeben werden. Verzeichnis der benutzten Literatur. 1. 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Und dieses Wenige lautet teils unsicher, teils unwahr- scheinlich und widersprechend. Auffallend verschieden sind die Angaben über die Lage, welche das Parietalforamen selbst bei einer Gattung von Dinosauriern einnehmer soll. So gab v. Hvex& (1907, S. 68, 69) nach einem lose gefundenen und damals als linkes Frontale gedeuteten Knochen an, daß der Theropode Plateosaurus Engelhardti H. v. M. im hinteren Teile der Frontalia!) ein Parietalforamen be- sessen habe. JarkeEL (1913, S. 173) will bei derselben Gattung, bei Plateosaurus longiceps Jazx., das Parietalforamen — die „Epidyse“, die „eine sehr große Epiphyse?) enthielt“ — hinter den Scheitel- 1) Nach freundlicher brieflicher Mitteilung sprieht v. HUENE diesen Knochen jetzt als Nasale an. Die Angabe über das Vorkommen eines Parietalforamens im Bereich dieses Knochens fällt damit selbstverständlich fort. 2) Es ist mindestens sehr unexakt, wenn JAEKEL die Epiphyse mit dem im Parietalforamen liegenden Parietalorgan identifiziert. Die von vielen gebrauchte Gleichstellung des Parietal- und Pinealorgans oder -auges ist nicht zu empfehlen. Der Pinealsack und das parietale „Auge“ des Epiphysenkomplexes sind eben zwei verschiedene Dinge; nur für das letztere wende ich den Ausdruck Parietal- ‚organ oder -auge an. 110 J. F. Pompeöxs. beinen gefunden haben, zwischen diesen und dem Supraoceipitale, also in einer Lage, wie sie „noch niemals bei Wirbeltieren so weit rückwärts beobachtet wurde“. Unter Berufung auf Orepxer’s Beob- achtungen an den Schädeln verschieden alter Tiere von Branchiosaurus (1886, S. 592) und auf das — übrigens schon von PAnper (1860, S. 10, Taf. I, Fig. 1—5) bei Osteolepis gezeichnete — Vorkommen des Parietalforamens in den Stirnbeinen mancher altertümlichen Fische sieht JAEKEL in dem Rückwärtswandern des Scheitelloches ein Anzeichen für vorschreitende Spezialisierung: „Auch hierin würden sich also die „Hyperosaurier“?) als die spezialisiertesten der Reptilien beweisen.“ Was wissen wir überhaupt von dem Auftreten eines Parietal- foramens bei den Dinosauriern? JAEKEL sagt 1913, daß eine „Epidyse“ bzw. Epiphyse bei Dinosauriern bis dahin noch nicht nachgewiesen sei. Aber schon 10 Jahre vorher (1903, S. 33) hat er selbst in einer Tabelle das Vorkommen eines kleinen Scheitelloches bei Dinosauriern angegeben, und zwar, wenn ich seine Tabelle richtig verstehe, bei altjurassischen Formen. Es könnte sich dabei wohl nur um den liasischen Scelido- saurus handeln, für den Owen allerdings das Vorkommen eines Parietalforamens verneint. Man müßte vielleicht auch noch an die Gattung Megalosaurus denken, bei welcher aber von einem Parietal- foramen nichts bekannt ist. Doch sonst sind manche Angaben über das Vorkommen des Scheitelloches bei jungjurassischen und kretazischen Dinosauriern lange vor JAEKEL gemacht worden; sie stehen nur auf ebenso schwachen Füßen wie JArkEr’s Entdeckung. Prüfen wir die bisherigen Angaben auf ihren Wert. Die eingangs wiedergegebene Bemerkung v. Hurne’s über das Parietalforamen im Frontale von Plateosaurus kommt nach neuerer Deutung, desselben Autors in Wegfall. 0. C. MazsH (1896, S. 175, 176, Taf. 25, Fig. 3) fand an einem Schädel von Diplodocus longus, dessen Abbildung mehrfach von Anderen wiederholt wird, in der hinteren Hälfte des Schädeldachs eine verhältnismäßig große Öffnung. Er spricht sie als „small unossified tract“, als Fontanelle an, hält das Loch für eine individuelle Eigentümlichkeit und sagt ausdrücklich, daß Diplodocus kein echtes „Pinealforamen“ besitzt. F. BroıLı (1918, S. 321) nimmt, indem er die Seltenheit des Vorkommens eines Parietalforamens bei Dino- sauriern betont, anscheinend auf Grund der Marsn’schen Abbildung 3) So nennt JAEKEL überflüssigerweise die Dinosauria, Pseudosuchia, Parasuchia, Crocodilia und Pterosauria. Das angebl. Vorkommen und Wandern d. Parietalforamens bei Dinosauriern 111 an, daß Diplodocus ein Parietalforamen besessen habe. W.J. HOLLAND hat (1905, S. 243, 244) fünf Diplodocus-Schädel untersucht. Einer von ihnen (a. a. O. Taf. 28, Fig. 1) zeigt im sehr gut erhaltenen Schädeldach überhaupt kein Loch. Jeder der vier anderen Schädel aber hat in der Mittellinie des Daches ein Loch. Doch die Ränder dieser Löcher sind offenbar von Brüchen‘) um- grenzt; in einem Falle sind sie „zum großen Teile künstlich“, in einem anderen Falle (MarsH’s Original) „entweder zufällig oder durch ein Instrument“ — also dann bei der Präparation? — her- vorgerufen. Bei einem Schädel (Marse’s 2. Original) sieht man, daß durch das Loch vom Hirnraum her Gesteinssubstanz ausgetreten ist; Fetzen des hier größtenteils zerstörten Knochens sind nach außen gerückt, emporgehoben. Nach seinen Beobachtungen folgert Horzann: Es ist kein Anhalt dafür zu finden, daß Diplodocus ein sog. Parietalauge besessen hat; es ist möglich, daß bei Jugendformen der Gattung das Schädeldach von einer Öffnung durchsetzt war, im Alter aber war diese Öffnung geschlossen. Im wesentlichen kommt Horzann also auf Marsm’s Bemerkung zurück: Diplodocus möge eine — im Alter geschlossene — Fontanelle im Schädeldach besessen haben. Eine Fontanelle im normalen Sinne ist an die Grenzen von noch unvollständig entwickelten Schädelknochen ge- bunden. Hier müßte sie zwischen den Parietalien oder zwischen diesen und den Frontalien liegen. Auf der Zeichnung von Marsh, nach welcher die „Fontanelle“ in der Tat etwa an der Vordergrenze der bei Diplodocus ganz kurzen Parietalia liegen könnte, sind keine entsprechenden Nähte sichtbar. Houzanp sagt über die Beziehungen der von ihm geprüften Löcher zu Nähten nichts. Der Gedanke an eine nachträglich erweiterte Fontanelle liegt nahe; aber das Fort- dauern einer solchen bis zur Größe der von MarsH# und HorLanD beschriebenen Diplodocus-Schädel ist ungewöhnlich, nicht gerade sehr wahrscheinlich, letzteres um so weniger, als bei etwa gleicher Schädelgröße die F ontanelle viermal vorhanden sein soll, einmal fehlt. Ubrigens betont Marst#, daß das Schädeldach dort, wo die „Fontanelle“ liegt, ganz besonders dünn ist; er hat das auch an anderen Sauropodenschädeln gefunden. Da wäre es durchaus möglich, daß die scheinbare Fontanelle vielleicht die Spur einer tödlichen Verletzung ist, welche in mehreren Fällen durch Präparation, in einem Falle durch Austreten des einbettenden Gesteinsmaterials sekundär erweitert wurde. Leider ist über die Fundumstände der #) Die Ränder des Parietalforamens sind bei Reptilien naturgemäß stets glatt ‘und von oben-außen her abgerundet. 112 J. FE. Pompeckt. Schädel und über die Beschaffenheit des Gesteins keine nähere An- gabe gemacht worden. Gipsbildungen — blähend wirkend — könnten z. B. ein durch Verletzung geschaffenes Loch erweitert haben. Brüche, welche die Schädelknochen in großer Zahl durchsetzen (Houvan, 1906, Taf. 28, Fig. 2) Können bei der Präparation künstlich zu einer scheinbaren Fontanelle erweitert sein. Die allerdings große Merkwürdigkeit, daß von fünf Diplodocus-Schädeln vier an gleicher Stelle ein Loch im Schädeldach zeigen, findet wenigstens darin eine leidliche Erklärung, daß die Mitte des Schädeldaches eben ganz auffallend dünn und darum besonders leicht verletzbar ist. Neuer- lich gibt Ossorn (1912, S. 20, Fig. 16B) bei Diplodocus longus wieder eine „large (?) pineal Fenestra“ an. Nach der Zeichnung liegt sie hinter den Frontalia und greift anscheinend weit nach hinten zwischen oder in die Parietalia ein. Erläuternde Angaben fehlen; es ist im Text nur ein ? beigefügt, und ein paar Zeilen weiter wird das Fehlen des „pinealen Fensters“ als Unterschied zwischen dem T'heropoden T’yrannosaurus und den Sauropoden be- zeichnet. Der Zeichnung nach könnten die Ränder glatt sein, aber ist die Zeichnung genau? Nach dem ? hinter „large“ zweifelt ÖsBorn entweder an der natürlichen Umrandung des Loches oder an seiner Deutung. Auf Grund der Beobachtungen HoLLAnD’s halte ich es allenfalls für möglich, hier wieder an eine vielleicht künstlich erweiterte Fontanelle zu denken; die Deutung als EE foramen erscheint mir. völlig ausgeschlossen. Wie auch immer das bei der Mehrzahl der Schädel von Diplodocus beobachtete, viermal deutlich von Bruchrändern umgrenzte Loch ent- standen sein mag, eins ist sicher: Das Loch kann kein Parietal- foramen gewesen sein. In der Nachbildung des Diplodocus- Skeletts, welches CarnecıEe S. M. unserem Kaiser WILHELM 11 schenkte, ist das Schädeldach demgemäß undurchlöchert dargestellt. MarsH (1896, S. 176) fand in derselben Lage wie bei Diplodocus einmal auch bei einem anderen Sauropoden ein Schädelloch: Bei Morosaurus (nach GILMORE — 1907, 8. 156 — wohl Morosaurus | grandis). Er hielt auch dieses Loch augenscheinlich für eine Fon- tanelle. V. Hvene zeichnet in der Skizze eines anderen Morosaurus (1914, Taf. 8, Fig. 1a) eine auffallend große, vierseitige, quere Öffnung im Schädeldach, ganz nahe am Hinterrande der Parietalia. Über dieses Loch äußerte v. Hvene sich brieflich: „Es ist in seiner Umrandung nicht natürlich, ist aber wahrscheinlich bei der Prä- paration durch Ausbrechen des natürlichen Randes des Foramen parietale entstanden, denn es befindet sich an dessen Stelle.“ Dieses Loch im Schädeldach von Morosaurus kann natürlich nicht ) 2 # & 2 Das angebl. Vorkommen und Wandern d. Parietalforamens bei Dinosauriern. 113 anders bewertet werden als das Loch, die re oder Verletzung, bei Diplodocus. Bei der Beschreibung und Zeichnung eines Schädels von Moro- saurus agilis betont GILMORE (1907, S. 156), daß hier kein Parietal- foramen vorhanden war; Parietale und Frontalia sind undurchbohrt gezeichnet. Aber unter Berufung auf OsBorx fügt GTILMORE sofort hinzu, daß bei Morosaurus grandıs das Vorkommen eines „Pineal- foramens“ endgültig bewiesen sei. OsBorn (1906, 8. 283, 284) hat drei Schädel dieser Art untersucht. Als ganz besonders wichtig betont er es, daß alle drei Stücke an der höchsten Stelle des Schädels („on the top of the skull“) eine röhrenförmige Öffnung („tubular opening“, „bony tube“) mit glatten Knochenrändern zeigen, ‚die unmittelbar in den Hirnraum führt. „Es ist wahrscheinlich, daß die Öffnung ein großes Pinealauge beherbergte“, sagt OsBorn, und er spricht deshalb hier von einem Parietal- oder Pinealforamen. Zugleich betont er, daß ein solches den karnivoren Dinosauriern fehle. Leider gibt Oszorv keine erklärende Abbildung. Er be- schreibt nur die Lage seines Parietalforamens. Einmal läßt er es — unmöglicherweise — zwischen den Parietalia und:.den Paroccipitalia liegen, dann aber schreibt er, daß es seitlich von den Parietalien, hinten vom Supraoccipitale umgrenzt ist. Nur in letzterer Lage kann er das Loch gefunden haben°’). Das ist nun dieselbe Lage, in welcher Jarken das angebliche Parietalforamen bei Plateosaurus longiceps beobachtete. OsBorn hat also vor JAEKEL bei Dinosauriern ein postparietal liegendes Foramen entdeckt und es als Parietal- foramen verzollt. Es könnte anmaßend erscheinen, Be so erfahrenen Beobachter wie OsBorn eines Irrtums zeihen zu wollen, doch ich muß es er- klären: Das postparietale Loch in den drei Schädeln von Morosaurus grandis ist kein Parietalforamen; Morosaurus besitzt überhaupt kein solches. Von dem triadischen Theropoden Plateosaurus longiceps verfügt das Berliner Museum über ein schönes, von JAEKEL gefertigtes Modell des Schädels. Median liegt zwischen Supraoccipitale und den ungeteilten und undurchbohrten Parietalia, von diesen wulstig ‚überwallt, ein etwas quergezogenes Loch, welches nach seiner ‚Stellung zur Schädelachse fast unmittelbar nach hinten schaut. Das 5) VERSLUYS, der bei der Beschäftigung mit dem Streptostylieproblem bei Dinosauriern auch das Original zu OsBORN’s Abbildungen wieder untersucht hat (1910, S. 214—216), erwähnt an dem „immerhin wesentlich restaurierten Schädel“ das postparietale Loch nicht, obwohl das Loch für die Behandlung der Frage, ob der Morosaurus- egael meta- oder mesokinetisch war, von Wichtigkeit sein müßte. 8 114 J. F. PompeckyJ. ist eben das Parietalforamen in JAEKEL’s Deutung, welche bei Broızı (1918, S. 321) Annahme gefunden hat. Im Schädeldach selbst trägt dieses Modell kein Foramen®). Ebenso wie für Morosaurus, läßt sich für Plateosaurus beweisen, daß das postparietale Loch kein Parietal- foramen ist, daß Plateosaurus überhaupt kein Parietalforamen besaß — der Beweis folgt unten. Sonst ist meines Wissens bisher nur noch bei den in bezug auf den Schädelbau am stärksten spezialisierten Dinosauriern, bei den Ceratopsiden der jüngeren Kreidezeit das Vorkommen eines Parietalforamens erörtert worden. Es gibt eine stattliche Anzahl von Arten — z. B. Torosaurus gladius Mars#; Diceratops Hatcheri Luur; Triceratops serratus, prorsus, sulcatus, flabellatus, calicornis Fig. 1. Triceratops (2) elatus. Obere, stark verkleinerte Ansicht des Schädels, nach v. HUENE (1912, S. 155, Fig. 2). DSo Dermosupraoceipitale, H Stirnzapfen, L Lacrymale, N Nasale, ?P ver- mutliches Parietale, Pf Postfrontale, PfF Postfrontalforamen, R Rostrale, Sq Squamosum, St obere Schläfengrube. Marsh, (?) elatus Marsh (v. HurnE); Styracosaurus albertensis LamßBE —, bei denen ein Parietalforamen wenigstens vorgetäuscht 6) Auf meine Bitte war Herr Professor M. SCHMIDT so freundlich, die Plateosaurus-Schädel aus dem süddeutschen Keuper in der Stuttgarter N tue Sammlung darauf hin zu prüfen, ob bei ihnen Öffnungen vorkommen, welche dem Parietalforamen oder dem postparietalen Loche entsprechen. Ich vordanks seiner liebenswürdigen Hilfe die folgenden Mitteilungen: Bei Plat. Reiningeri ist die Mitte des Parietale grubig eingesenkt; augenscheinlich ist die Grube nicht tief und kein Durchbruch des Knochens vorhanden. (Auch das Parietale von Plat.longiceps ist nach dem JAEKEL’schen Modelle in der Mitte eingesenkt, aber nicht durchbohrt.) Hinter dem Parietale ist sowohl bei Plat. Reiningeri wie trossingensis eine Grube zu erkennen; ob diese unmittelbar in den Hirn- raum führt — dann also ganz dem postparietalen Foramen JAEKEL’S entspricht —, muß erst durch weitere Präparation festgestellt werden. -» Das angebl. Vorkommen und Wandern d. Parietalforamens bei Dinosauriern. 115 wird. In der Mittellinie der äußeren Schädeldecke, hinter den hier medial zusammenstoßenden Postfrontalia, liegt eine bei manchen Formen recht stattliche Öffnung, deren Hinterrand durch den mittleren Teil der Halskrause (bei einigen Arten das Parietale, bei anderen das Dermosupraoccipitale — v. Hvrne —) gebildet wird (pff und FEB Fig. 1 u. 2). Marsa (1896, S. 215, Fig. 54, S. 364, Taf. 60, Fig. 3) bezeichnete dieses Loch mit mehr oder weniger Vorbehalt als Parietalforamen. Fig. 2. Triceratops flabellatus MARSH. Längsschnitt durch den Schädel, sehr verkleinert, nach MARSH aus HATCHER und LULL (1907, S. 38 Fig. 33). Die Durcehschnitte durch Knochen sind punktiert, der Hirnraum schwarz. Be- zeichnungen etwas abgeändert. bo Tuber basioceipitalis, d Unterkiefer, ds Dermosupraoceipitale, exo Exocei- pitale, h Stirnzapfen, la+4fr Lacrymale und Frontale (die Nähte zwischen beiden, zwischen Frontale und Parietale sind nicht angegeben), mx Maxillare, nas Nasale, nh nasaler Hornzapfen, no Nasenöffnung, oc Hinterhauptsceondylus, pd Praedentale, pf Postfrontale, pff Postfrontalforamen, pl Palatinum, pmx Zwischen- kiefer, q Quadratum, r Rostrale, so+pa Supraoceipitale und Parietale (die Grenze zwischen beiden nicht angegeben, das durchschnittene Knochenstück unter pff ist vermutlich ein dorsaler, rückwärtiger Fortsatz des Parietale), sq Squamosum, xx subtegminale Hohlräume im Schädeldach. HarcHer und Luz (1907, S. 24, 35 usw.) sprechen von einem „postfrontalen Foramen“ oder einer „postfrontalen Fontanelle“. _V. Hvene (1912, S. 154, 155) gebraucht die Bezeichnung „Pseudo- pinealforamen“. Den Ausdruck Fontanelle vermeide ich; er ist hier 8*+ 116 J: F. Pomrecks. — men nn nn gewiß nicht zutreffend. Die unverbindliche Bezeichnung „Post- frontalforamen“ erscheint mir als die vorzuziehende. | | Das postfrontale Loch im äußeren Schädeldach der Ceratopsiden führt nicht in den Hirnraum, sondern zu den großen Hohlräumen, welche unter den Postfrontalia -—- zwischen diesen und dem eigent- lichen Dach des Hirnraums, den tief „versenkten“ Frontalia und Teilen der Parietalia mit dem Supraoceipitale — liegen. Die Dar- stellungen bei HarcHer und Luurn (1907, S. 38, Fig. 33) und: bei v. Huene (1912, S. 149ff.) legen diese Verhältnisse klar. Sie zeigen, daß zwischen dem Hirnraum und dem Postfrontalforamen überhaupt keine Verbindung bestand. Hay (1909, S. 98) meint nach einer Bemerkung Harcazr’s (1907, S. 151) über Torosaurus latus, daß das Postfrontalforamen nach unten durch eine Knochen- brücke des Parietale immer zweigeteilt sei, und das es nichts anderes darstelle als die oberen Schläfengruben anderer Reptilien. Diese Deutung ist zu ergänzen: Das Postfrontalforamen der Ceräatopsiden kann aufgefaßt werden als die unter Umständen nur durch mehr oder weniger oberflächliche, offene Rinnen bewerkstelligte mediale Vereinigung derübrigensrecht verschieden gestaltetenoberen Schläfen- gruben (Fig. 1). Durch das Postfrontalforamen wurde eine (immer? zweigeteilte) Verbindung zwischen den oberen Schläfengruben und den subtegminalen, auch unter den Stirnzapfen hinziehenden, Höhlungen des Schädeldaches hergestellt (Fig.2). Daß hier der Durchtritt von Ge- fäßen statthatte, die über den Knochen der Halskrause und zu den Hörnern hinzogen (HATcHErR 1907, S. 24), ist durchaus anzunehmen. Auch Nerven können hier durchgetreten sein; das waren dann aber ganz sicher keine unmittelbaren Abzweigungen der Hirnmasse. Zur ' Beherbergung eines Parietalorgans kann das Postfrontalforamen unmöglich gedient haben, da ihm jede unmittelbare Verbindung mit dem Hirnraum fehlte. Ein äußerlich sichtbares Parietal- foramen fehlt also den Ceratopsiden. | | | Unter Berufung auf Hay nimmt nun aber v. Hvenxe (1912, S. 154) doch ein „kleines echtes Foramen parietale“ bei Triceratops an, und zwar soll es „tief unter der Schädelhülle versteckt“, von außen also nicht sichtbar sein. Die Unterlage für diese Annahme kann nur folgende sein: | | Hay führte eine Neuuntersuchung des Hirnraums von Triceratops serratus und sulcatus durch (1909, S. 95—105, 107, Taf. 1-3). Er fand: Die Hirnhöhle greift mit zwei nebeneinander liegenden, nach den Seiten divergierenden „Fortsätzen“ an der Grenze zwischen Supraoceipitale und Parietale in das innere, eigentliche Schädeldach ein. Der linke Fortsatz „scheint“ bei Triceratops serratus die Das angebl. Vorkommen und Wandern d. Parietalforamens bei Dinosauriern. 117 Hirnschale in einem „Cerebellarforamen“ — „foramen? at extremity of a cerebellar process“ — durchbohrt zu haben; für den rechten ließ sich das nicht feststellen. In die so gegebenen zwei kleinen Höhlungen auf der Unterseite der Hirnschale drangen nach Hay wohl Fortsätze des Hirns. Sie sollen von der Grenze zwischen Cerebellum und den Lobi optiei ausgegangen sein und werden als vermutliche „Cerebellarfortsätze“ bezeichnet (Fig. 3). Die Verbindung dieser Fortsätze mit dem Parietalorgan hat Hay gar nicht in Betracht gezogen; er spricht infolgedessen hier auch nicht von einem Parietal- = or - IT ment NER, = <\ \ | | . BY, Er pi T Fig. 3. Ausgüsse der Hirnschädel: A von Triceratops serratus (von oben), B von Triceratops sulcatus (von der Seite). Nach Hay (1919, Taf. 3, Fig. 1, 4). XII—I Hirnnerven, car Eintritt der Carotis in die Hypophysengrube, ceb.p „Carebellar“fortsätze, cer.h Hemisphären des Vorderhirns, l.opt. Lage der Lobi optiei, med Medulla, v Venenaustritte aus dem Hirnraum. foramen. Erst v. HuEne ging so weit. Seine Bemerkung über das „kleine echte Parietalforamen“ kann sich ja offenbar nur auf den möglichen und möglicherweise zweigeteilten Durchtritt der > „Oerebellartortsätze durch das eigentliche Schädeldach beziehen. 3. Muß oder kann es sich bei den „Cerebellarforamina“ Har’'s um eine als Parietalforamen zu deutende Bildung handeln? Nein. 118 J. F. Pompeck). Zunächst liegen diese „Öerebellarforamina“ ebenso wie das von OsBorn bei Morosaurus grandiıs und von JAEKEL bei Plateosaurus longiceps gesehene Postparietalforamen an der Grenze zwischen Parietale und Supraoceipitale. Ein an dieser Stelle liegendes Foramen ist aus den unten gegebenen Gründen kein Parietalforamen. Die eventuelle Zweizahl der Foramina und ihre Lage neben, nicht in der Mittellinie spricht gegen die Deutung als Parietalforamen. Ferner: Am Schädel von Triceratops suleatus glaubt Hay eine „offene Sutur“ zwischen Supraoceipitale und Parietale zu sehen. V. Hvene zeichnet an gleicher Stelle eine „klaffende Naht“ (also keine Naht, sondern einen Spalt) bei Triceratops flabellatus (1912, S. 147, Fig. 1). Bei diesen beiden Arten handelt es sich demnach also um einen queren Spalt — so kann kein Parietalforamen aussehen. Ihrer Lage nach — über den .Austritten des Trigeminus — könnten die angeblichen Cerebellarfortsätze bei T'riceratops wohl vom Cerebellum ausgehen. Es müßte dann allerdings der Schädel- raum so hoch nach oben mit Hirnmasse ausgefüllt gewesen sein. Das wird jedoch mindestens unwahrscheinlich, wenn man z. B. an Alligator oder an Sphenodon denkt, wo die Hirnmasse keineswegs den ganzen Schädelraum erfüllt, sondern wo die dura mater mit mächtigem, wenn auch sehr zartem, subduralem Gewebe einen auf- fallend großen Teil des dorsalen Schädelraums einnimmt. Setzen wir aber einmal mit Hay den Fall, es habe sich bei TZriceratops wirklich um dorsale Fortsätze des Cerebellums gehandelt. Dann dürfte man jedoch nicht an eine Epiphyse und an ein Parietalorgan denken, welche durch diese Fortsätze dargestellt seien — selbst dann nicht, wenn man eine ursprünglich symmetrische Anlage der Epiphyse annehmen wollte. Ebensowenig dürfte man an ein mit diesen Fortsätzen verbundenes Parietalforamen denken. Die Epiphyse der Reptilien zweigt bedeutend weiter vorne vom Zwischenhirn ab, vor den Lobi optiei, zwischen diesen und den Hemisphären des Vorderhirns. Diese Stelle liest nach den zutreffenden Deutungen Hayv’s im Hirn von Triceratops ganz erheblich weiter vorne als die „Cerebellarfortsätze“. Erst bei den Vögeln liegt die Epiphyse nahe dem Cerebellum, zwischen diesen und den Hemisphären, da die Lobi optici hier lateral stark abgedrängt sind. Die Hirnräume der Dinosaurier stimmen nun im Prinzip so völlig mit denen der übrigen Reptilien, z. B. der Krokodiliden, überein, sie weichen so weit von denen der Vögel ab, daß es wirklich unmöglich ist, die angeblichen Öerebellarfortsätze mit einer Epiphyse zu homologisieren. Man müßte dann schon seine Zuflucht nehmen zu einer unbeweisbaren, sehr starken Rückwärtsverlagerung einer riesigen und hier zweiteiligen E Das angebl. Vorkommen und Wandern d. Parietalforamens bei Dinosauriern. 119 Epiphyse und der distalen Enden eines hier zweiteiligen Parietal- organs oder zu dem Nebeneinander des Vorderendes des Pinealsackes und des Parietalorgans. Aber das wären lauter Unwahrscheinlich- keiten, ja Unmöglichkeiten. Die „Cerebellarfortsätze“ oder mindestens ihre größeren proximalen Teile können nur durch die dura mater und subdurales Gewebe gebildet worden sein, nicht aber durch Hirn- masse”). Durch die unten gegebenen Klarstellungen an Tupinambiıs und Varanus griseus läßt es sich dann noch weiter einwandfrei beweisen, daß die angeblichen „Cerebellarfortsätze“, die „Cerebellarforamina“ und der klaffende postparietale Spalt bei Triceratops mit einem Parietalorgan und einem Parietalforamen nicht das mindeste zu tun haben. Diese Bildungen stehen überhaupt in keiner Verbindung mit dem Hirn, mit der Hirnsubstanz. GILMORE (1914, S. 30, Fig. 28, 29) zeichnet zwei Stücke von Stegosaurus stenops? Neben dem Supraoceipitale, zwischen ihm und dem Parietale, liegt rechts und links je eine Öffnung. Hier sollen nach GILMoRE Blutgefäße durch die Schädelwand getreten sein, da Nerven in dieser Lage nicht vom Hirn abzweigen können. Im wesentlichen bietet Stegos. stenops? dasselbe, was Hay bei Triceratops serratus beobachtete: scheinbare „Cerebellarforamina“, diehierallerdings weiter voneinander abstehen und durch ihre Lage an die dorsalen seitlichen Fortsätze der dura mater bei Tyrannosaurus (s. u. Anm. 7) gemahnen. Zur endgültigen Beurteilung der postparietalen Lücke oder Lücken bei Dinosauriern sowie zur Beantwortung der Frage nach dem Parietalforamen bei diesen Reptiltypen verhilft einmal prächtiges Material von jungjurassischen Dinosauriern vom Tendaguru in Deutschostafrika und Material rezenter Lazertilier. Zwei Hirnschädel von Sauropoden, der eine zur Gattung Dieraeo- saurus Jan.°), der andere zu einem noch unbenannten Typus ge- hörend, und mehrere Hirnschädel einer neuen Ornithopodidengattung ?) Ein von OsSBORN (1912, S. 21, Fig. 17, Taf. 3 u.4) beschriebener Schädel- ausguß des Theropoden Tyrannosaurus rex zeigt dorsal vom Cerebellum mächtige Fortsätze des Schädelraums, einen winkligen queren, daneben je einen hornförmigen schlanken. Diese Fortsätze zwängen sich an der Grenze Parietale-Supraoceipitale ins Schädeldach ein, ohne es zu durchsetzen. OSBORN spricht sie und noch einige in die Seitenwände des Schädels eintretende Fortsätze als solche der dura mater an. Die dorsal liegenden Fortsätze sind den „Cerebellarfortsätzen“ Hay’s und einer etwaigen Ausfüllung des queren Spaltes bei Triceratops homolog. 8) JANENSCH (1914, S. 98-110). Herr Professor JANENSCH, welcher die Theropoden und Sauropoden der Tendaguru-Expedition untersucht, war so freundlich, mir für die vorliegenden Bemerkungen die zwei Schädel zur Ver- fügung zu stellen. 120 J. F. Pompeoxo. Dysalotosaurus ?) zeigen wie Plateosaurus longiceps und wie die drei Osgorn’schen Schädel von Morosaurus grandıs eine mediane Lücke zwischen Parietale und Supraoccipitale ein postparietales Foramen. Die beiden Sauropodenschädel weisen aber je auch noch davor ein Loch im Schädeldach auf, welche Erscheinung zunächst noch einige Worte erheischt. Das Scheitelloch im Dieraeosaurus-Schädel (X in Fig. 4) ist sehr groß, es mißt in der Breite 4,5 cm, in der Länge 2,8 cm; es ist erheblich weiter als das 3 cm breite Foramen magnum. Sn 7 a N Eh N [A SI Un: 7 NS 7 RD u = GR Wan se Fig. 4. Dicraeosaurus sp. Mittlere Saurierschicht, Kimeridge; Tendaguru, Deutschostafrika. Von hinten-oben gesehen. 1/; nat. Größe. Bo Basioceipitale mit Condylus, Fm Foramen magnum, Fr Frontale, Pa Parietale, Pf Postfrontale, Po Paroccipitalfortsatz, PpF postparietale Lücke, durch die man den dieken Oberrand des Supraoceipitale und die Medianrinne auf der Innenseite dieses Knochens sieht, So Supraoceipitale, X Lücke im Schädeldach. Es ist unregelmäßig dreizipflig umgrenzt; seine rauhen Ränder sind stark aufwärts gebogen, von den Seiten gegen die Mitte etwas 9) Dysalotosaurus n, g. (dvoaAwrogs = schwer zu fassen). Kleinwüchsiger, bipeder Ornithopode, der in manchen Charakteren der Gattung Hypsilophodon, in anderen Camptosaurus nahesteht. Im schlanken, vorne verjüngten Schädel sind die Frontalia lang, wie bei Hypsilophodon, die Orbitae sehr groß, viel größer als bei Aypsilophodon, mit schlanker langer supraorbitaler Spange. Maxillaria, ähnlich denen von Camptosaurus, vorne nicht wie bei Hypsilophodon erhöht. Das angebl. Vorkommen und Wandern d. Parietalforamens bei Dinosauriern. 121 vorspringend. Größe, Form und die aufgebogenen, rauhen Ränder des Loches sprechen gegen die Deutung als Parietalforamen. Man ist versucht, nach der Lage des Loches an der Grenze zwischen Frontalia und Parietalia, mit einem zwischen die Parietalia und gegen eine stumpfe, mediane, vielleicht durch seitlichen Schub ent- standene Parietalkante greifenden hinteren Zipfel die Deutung als Fontanelle vorzunehmen. Aber der Schädel ist recht groß, seine Breite — über die Parietalia gemessen — beträgt 20 em; die Nähte der Hirnkapsel sind fest verwachsen; nur die Nasalia sind — wie meistens — an der Stirn-Nasennaht weggefallen. Auch eine andere Vermutung liegt nahe: daß hier an einer verletzten Stelle Gesteins- material aus dem Hirnraum hinausgedrungen ist, wobei die Knochen- ränder aufgebogen wurden (vgl. HouLzLann’s Bemerkung zu dem einen Schädel von Diplodocus). An eine Verletzung muß man auch deshalb denken, weil die Naht Frontale-Parietale wie gestaucht erheblich erhöht ist,. und weil an der rechten Seite ein Knochensplitter wieder in das Loch hineingedrückt erscheint. Schließlich könnte das Loch auch bei der Präparation an Brüchen künstlich erweitert oder erst geschaffen sein; durch die Schädelknochen setzen eben sehr zahl- reiche, durch Gipsausscheidungen verkittete Risse. Nasalia und Praemaxillare unbekannt; letztere nach isoliert gefundenen Kegel- zähnchen vielleicht wie bei Hypsilophodon bezahnt. Quadratum weniger gebogen wie bei Camptosaurus. Unterkiefer Camptosaurus - ähnlich mit unbezahntem Praedentale. Kieferbezahnung wie bei Camptosaurus. 9 Halswirbel; 16 Rumpf- wirbel, der letzte als Sacrodorsalis funktionell dem Sacrum einverleibt; 4 echte Sacralwirbel mit groben Sacralrippen. Erster Caudalis zum Sacrum gezogen. Die Wirbelzahl des offenbar sehr langen Schwanzes unbekannt. Über dem Sacrum - und Rumpf (und im vorderen "Teil des Schwanzes?) starke verknöcherte Sehnen. Schultergürtel mit zwei großen Sternalplatten (wie Aypsilophodon). Vorder- extremität kurz, schwach, weniger als die Hälfte der Hinterextremität messend; Hand sehr schwach, alle Knochen verkürzt, reduziert. Becken ähnlich Campto- saurus, mit sehr langem vorderen schlanken Fortsatz des Ilium. Hinterextremität stark, hoch. Humerus leicht gebogen mit stark abgesetztem Gelenkkopf, mit großem scharfem Trochanter quartus. Tibia etwas länger als Femur. Fuß vierzehig, aber wie bei Camptosaurus funktionell dreizehig, doch erheblich schlanker; hierin dem funktionell vierzehigen Hypsilophodon ähnlich. Die erste Zehe ist auf ein _ Minimum, viel mehr als bei Camptosaurus, reduziert, nach hinten abgedreht, ihr sehr schwaches Metatarsale ist doppelt gebogen. Die Rumpfgröße der vorliegenden Individuen schwankt zwischen der etwa einer Katze und eines recht großen Hundes. Einzige bis jetzt festzustellende Art: Dysalotosaurus Lettow- Vorbecki. Der unbesiegte Verteidiger Deutschostafrikas, General VON LETTOW- VORBECK, erlaubte es mir, ihm diese Art zu widmen. Ich danke ihm dafür mit ganz be- sonderer Freude. Vorkommen: Kindope NNO vom Tendaguru, Deutschostafrika. Alter: Mittlerer Sauriermergel der Tendaguruschichten, vermutlich Kimeridge. 122 J. F. Pompeorv. Der zweite ostafrikanische Sauropodenschädel (Fig. 5) zeigt in dem hier breit eingesenkten Schädeldach eine große 2—2,2 cm messende, fast kreisrunde, mediane Offnung ziemlich nahe dem Hinterrande der Parietalia, doch so, daß die undeutlich erkennbare Kranznaht das Loch von den Seiten her noch trifft. Zahllose wieder durch Gipsausscheidungen verkittete Sprünge setzen besonders in der Umgebung des Loches durch das in der Mitte ganz auffallend dünne, hier etwa nur 1 mm dicke, Schädeldach. Form und Lage des Loches könnten für ein — auffallend großes!) — Parietalforamen sprechen, aber die Ränder sind nicht glatt, sondern rauh, sie sind also nicht ursprünglich. Die jetzt sichtbare Form schließt eine Fontanelle aus — es sei denn, daß eine solche bei der Präparation jr = U Fig. 5. Sauropodorum n. gen. n. sp. Mittlere Sauriersehicht, Kimmeridge; Tendaguru, Deutschostafrika. Schädelkapsel von hinten-oben gesehen, ?/; nat. Gr. Bezeichnungen wie in Fig. 4. Die Lücke X im eingesenkten Schädeldach erscheint hier verkürzt, sie ist nahezu völlig kreisrund. In der postparietalen Lücke PpF, die oben in einen Querspalt übergeht, sieht man, wie in Fig. 4, den sehr dieken, durch die mediane Rinne der Innenseite gekerbt erscheinenden Oberrand des Supraoceipitale. künstlich vergrößert und umgestaltet wurde. Das kleinklüftige Bruchmosaik des Schädeldaches zeigt manche rundlich umgrenzte Knochenschollen; eine solche könnte bei der Präparation entfernt sein. Leider wurden beide Sauropodenschädel während des Krieges ohne fachmännische Aufsicht präpariert; man kann heute darum 10) Ungewöhnlich große Parietalforamina sind hin und wieder bei fossilen Reptilien gefunden worden: Stephanospondylus, Telerpeton, Koiloskiosaurus, Elginia, Udenodon; aber nie ist ein solches Verhältnis zur Weite des Foramen magnum beobachtet worden wie bei den beiden ostafrikanischen Sauropoden. | Das angebl. Vorkommen und Wandern d. Parietalforamens bei Dinosauriern. 123 über den ursprünglichen Befund der betreffenden Stellen nichts aussagen. Nur das eine ist bestimmt: Die Form der Löcher in beiden Schädeln kann keine ursprüngliche sein. Nach Horuanp’s Erfahrungen an Diplodocus erscheint es mir auch bei dem zweiten Schädel ganz ausgeschlossen, daß das Loch im Schädeldach ein Parietalforamen ist. Ich kann die rauhrandigen Stirnlöcher bei beiden afrikanischen Sauropoden kaum sicher für nachträglich erweiterte Fontanellen, eher nur für mehr oder weniger zufällige Öffnungen halten, für Verwundungen, oder nachträgliche, künstliche, bei der Präparation entstandene oder erweiterte Löcher. Des sehr Merkwürdigen, dab diese Löcher gerade in der Mediane des Schädeldaches entstanden sind, und daß sie bei den Ostafrikanern an der gleichen Stelle sich Fig. 6. Fig. 7. Dysalotosaurus Lettow-Vorbecki Pomp. Mittlere Saurierschicht, Kimeridge; Kindope, NNO. vom Tendaguru, Deutschostafrika. Fig. 6. Hirnschädel eines kleineren Individuums mit ungeteilter, Fig. 7 eines größeren Exemplares mit geteilter, postparietaler Lücke PpF. Beide von hinten oben gesehen, ?/; nat. Größe. Al sogen. Alisphenoid, Bo Basioceipitale, Exo Exoccipitale, Fm Foramen magnum, Fr Frontale, Pa Parietale, Paı accessorischer Fortsatz des Parietale, Pf Postfrontale, Po Paroceipitalfortsätze (unvollständig erhalten), PpF Postparietal- lücke, Pro Prootieum, So Supraoceipitale. finden wie bei den Nordamerikanern Diplodocus und Morosaurus, bin ich mir wohl bewußt. Aber die ganz auffallend geringe Knochen- dicke gerade in der Mitte des Schädeldaches muß eine tödliche Verletzung oder eine solche bei der Präparation wesentlich er- leichtern. Sollte vielleicht gar ein gewitzigter Räuber, vielleicht ein Aasfresser, ein Feinschmecker durch Aufhacken des Schädel- dachs sich den Leckerbissen des Hirns zu Gemüte geführt haben? _ Vielleicht ein spitzschnabliger Theropode oder gar ein.Flieger? 124 J. F. Pompecxy. In dem recht dicken, nahtlosen Parietale von Dysalotosaurus glaubte ich wenigstens die Spur eines Parietalforamens, die Erinnerung an ein solches zu finden: In der Mittellinie der Oberseite, nahe der Vordergrenze des Knochens, zeigen mehrere Stücke eine grob-nadel- stichförmige, nicht durch den Knochen setzende Vertiefung (Fig. 6). Die Lage ist dieselbe wie die des Parietalforamens z. B. bei Varanus. Ich fand dann aber später bei mehreren anderen Stücken nicht nur ein solches Grübchen, sondern deren mehrere (Fig.7). Die Vermutung, hier läge eine letzte Erinnerung an den Besitz eines Parietalforamens bei Dinosauriern vor, mußte ich fallen lassen. Alle mir vorliegenden Hirnschädel von Dysalotosaurus, ebenso die beiden ostafrikanischen Sauropoden-Schädel zeigen nun auch ein postparietales Loch, dieselbe Erscheinung wie bei Morosaurus grandıs und Plateosaurus longiceps. Die Form dieser postparietalen Fig. 8. Dysalotosaurus Lettow-Vorbecki PomP. Mittlere Saurierschicht, Kime- ridge; Kindope NNO. vom Tendaguru, Deutschostafrika. Schädeldaeh von der Innenseite, 2/3 nat. Größe. Fr Frontale, L Lacrymale, Pa Parietale, Pf Postfrontale, y Unterhöhlung des hinteren Parietalrandes. Lücke ist verschieden. Auch bei den einzelnen Individuen von Dysalotosaurus, auf die ich allein hier näher eingehe, ist die Form variabel. Der vom Supraoceipitale gebildete quere Hinterrand ist fast gerade, der Vorderrand des Supraoccipitale ist dick. glatt. Die vom Parietale und seinen hinteren Fortsätzen gebildeten Vorder- und Seitenränder umrahmen das Loch in verschieden starkem bis parabolischem Bogen (Fig. 6). In drei Fällen ist das Loch durch einen dreiseitigen schlanken Fortsatz, der ans Parietale anschließt und sich mit seiner hinteren Spitze auf das Supraoceipitale legt, zwei- geteilt (Fig.7). Wo die Zweiteilung fehlt, ist der unregelmäßig gezackt P m we Zr Br Das angebl. Vorkommen und Wandern d. Parietalforamens bei Dinosauriern. 125 ad erhaltene, quere, mediale Hinterrand des Parietale dünn und von unten her bis zu einer bei den verschiedenen Stücken verschieden stark ausgeprägten Grenze unterhöhlt (Fig. 8, y). Bei Dicraeosaurus sp. (Fig. 4) ist die postparietale Lücke ge- rundet dreiseitig, 2,5 em breit, 2 cm lang. Am Schädel des anderen ostafrikanischen Sauropoden (Fig. 5) ist das Loch parabolisch um- randet, 0,7 cm lang, 1 cm breit (bei einer Breite des Schädels von ‚etwa 15,5 cm zwischen den Orbitae); seine Form gibt hier etwa den Querschnitt der medianen Rinne auf der Innenseite des Supraoeccipitale wieder. Durch das etwas abstehende Parietale wird vor dem Loch noch ein querer Schlitz zwischen Parietale und Supraocecipitale ‚hervorgerufen. ja Zur Erklärung des postparietalen Loches, welches seiner Lage nach dem OsBorn- und JarkEL’schen Parietalforamen entspricht, greife ich auf VersLuys zurück. Ein von ihm beschriebenes und Fig. 9. Varanus griseus. Hirnschädel, schräg von hinten-oben gesehen, nat. Gr. Bo Basioccipitale, Fm Foramen magnum, Pa Parietale mit kleinem Parietal- foramen, Pf Postfrontale, Po Paroceipitalfortsatz, PpF mit Knorpel ausgefüllte Postparietallücke, Qu Quadratum, So Supraoecipitale, Sq Squamosum, St Supra- temporale. abgebildetes (1910, S. 195, 196, Taf. 12, Fig. 6, 7) Schädeldach von Tupinambis zeigt in der Lage des postparietalen Foramens von Dysalotosaurus, zwischen Supraoceipitale und Parietale eine mit Knorpel gefüllte Lücke''). Den hyalinen Knorpel deutet 11) Es ist das die Stelle, an welcher übrigens bei mehreren Eidechsen keine starre Nahtverbindung zwischen dem oceipitalen und parietalen Segment zu beob- achten ist. Herr Professor TORNIER war so liebenswürdig, mich auf einige Eidechsenschädel aufmerksam zu machen, welche in dieser Beziehung ganz be- sonders auffallende Verhältnisse zeigen. Am Schädel der Agamide Goniocephalus liegt zwischen Parietale und Supraoceipitale ein breitgezogener querer und ziemlich hoher, mit Knorpel erfüllter Spalt, in den ein stumpfer medianer Sporn des Supraoceipitale hineingreift. Bei der australischen Seineide Eygernia 126 J. FE. Pompeck). Versuuys als Proc. ascend. tecti synotici, also bei dem Alter des abgebildeten Stückes als einen medialen Rest oder Zeugen der primordialen, die Gehörregionen verbindenden Knorpeldecke des Hirns. Vor mir liegt ein ausgewachsener Schädel von Varanus griseus. Fr zeigt zwischen Parietale und Supraoceipitale eine drei- seitige, in der Form sehr gut mit jener von Dysalotosaurus und auch von Dieraeosaurus sp. übereinstimmende Lücke (Fig. 9). Die Lücke ist mit Knorpel ausgefüllt '?).. Und der Knorpel greift wie bei Tupinambis:. auf der Innenseite des Schädels etwas nach hinten und vorne vor, erscheint innen also größer als außen. Die Unterseite des Parietale von Dysalotosaurus ist gehöhlt; das muß einen Grund gehabt haben. Ohne jeden Zweifel war das postparietale Foramen auch bei Dysaloto- saurus mit Knorpel gefüllt, und der Knorpel griff auf der Unter- seite des Parietale ein Stück weit nach vorne vor. Die Verhältnisse können hier gar nicht anders gelegen haben als bei Tupinambis und Varanus griseus. Hier hat, wenn man sich nicht an unbeweis- bare Behauptungen klammern will, kein Parietalorgan in die post- parietale Lücke hineingegrifien, hier liegt kein Parietalforamen vor. Die rezenten Stücke und die Schädel von Dysalotosaurus be- weisen es ganz klar, daß das postparietale Loch bei Plateo- saurus longiceps, bei Morosaurus grandis und bei den beiden ostafrikanischen Sauropoden, Dicraeosaurus sp. und n. gen., n.sp., kein Parietalforamen sein kann; auch dort handelt es sich ohne Zweifel um eine von Knorpel, und zwar vom Processus ascendens tecti synotici, ausgefüllt gewesene Lücke. R. S. Lusn (1911, 8. 192, Taf. 15, Fig. 3) beobachtete am Vorderende des Supraocecipitale von Pleurocoelus nanus'?) einen glatten nahtlosen Rand. Er schließt auf die’ Verbindung des Knochens mit Knorpel, auf eine Fontanelle zwischen dem Supra- occeipitale und Parietale eines vielleicht jugendlichen Tieres; den (Gedanken an ein Parietalforamen in dieser Lage lehnt er bestimmt ist der größte Teil der Hirnkapsel unter dem Parietale, zwischen diesem, der Basis, dem Prooticum und dem Supraoceipitale knorplig. Das Parietale hat mit dem Hinterhauptssegment überhaupt keine knöcherne Verbindung; mit der Basis wird sie nur durch dünne Columellae bewerkstelligt, die auf kräftige Epipterygoide übergreifen. Basiliscus hat einen ganz niederen Spalt zwischen Parietale und Supraoceipitale. 12) Einem anderen kleineren Schädel der gleichen Art fehlt die Lücke; das Supraoceipitale ist durch einen kaum merklichen, feinen Spalt vom Parietale getrennt. Dem Vorkommen der postparietalen Lücke ist bei rezenten Eidechsen also kein artunterscheidender Wert beizumessen. | 13) Nach GILMORE (1914, S. 30) eher Dryosaurus; der Knochen gleicht in der Tat sehr dem eines Ornithopodiden, z. B. Dysalotosaurus oder Camptosaurus. Das angebl. Vorkommen und Wandern d. Parietalforamens bei Dinosauriern. 127 ab. Wenn wir die unsichere Altersfrage des Individuums außer acht lassen und hinzufügen, daß eine Fontanelle im gewöhnlichen Sinne des Wortes nicht gut am Rande eines fertig ausgebildeten Knochens vorkommen kann, so haben wir hier wesentlich dieselbe Deutung, welche der postparietalen Lücke bei Dysalotosaurus, Moro- saurus, Plateosaurus, Dicraeosaurus zu geben ist. Zweimal ist, wie oben gesagt, das postparietale Loch bei Dysalotosaurus, und damit war es auch der postparietale Knorpel, durch ein Knochenstück — welches sich vielleicht als Homologon eines Interparietäle herausstellen wird — zweigeteilt (ob das ein Altersmerkmal ist?). Der Ausguß eines dieser Schädel ergibt zwei nebeneinander liegende, dorsale, nach oben-außen etwas divergierende Fortsätze des Schädelraums zwischen Parietale und Supraoceipitale. Das ist nahezu ganz das gleiche Bild, wie es Hay von den Schädel- ausgüssen von T’riceratops gab. Wir sehen hier die angeblichen „Cerebellarfortsätze“ und die „Cerebellarforamina“ wieder. Aber die bei Dysalotosaurus auch zweigeteilt vorkommende postparietale Schädellücke hat mit Fortsätzen des Cerebellum ganz sicher nichts zu tun. Sie war — ob einfach oder zweigeteilt — durch Knorpel geschlossen. Zum Teil drang in sie von unten her noch eine größere oder kleinere Menge von Substanz der dura mater mit subduralem Gewebe. Die postparietale Lücke stand in keiner Abhängigkeit vom Hirn. Der Befund bei Dysalotosaurus zwingt zur weiteren Bekräftigung des bereits oben (S. 119) gezogenen Schlusses: Auch Triceratops besaß kein — von v. HvEne angenommenes — „kleines echtes, tief unter der Schädelhülle versteckt liegendes Foramen parietale“. Triceratops hatte vielmehr eine entweder spaltförmige quere, oder — wie die zwei oben genannten Schädel von Dysaloto- saurus — eine zweigeteilte postparietale Lücke für die Aufnahme von Resten des primordialen Knorpeldaches des Schädels und von Fortsätzen der dura mater. Alle Angaben über das Vorkommen des Parietal- foramens bei Dinosauriern entbehren jeder sicheren und beweisenden Grundlage. Die einen beziehen sich auf mehr oder weniger unregelmäßige, rauhrandige Öffnungen im Schädel- dach (Diplodocus, Morosaurus), welche — wie auch bei Dicraeo- saurus Sp. und n. gen., n. sp. — entweder aus Verletzungen und Präparationsfehlern hervorgingen oder allenfalls auf künstlich um- gestaltete Fontanellen zurückgeführt werden können. Andere Angaben, bei den Ceratopsidae, beruhen auf dem Vorkommen eines postfrontalen Foramens, welches in Verbindung mit den oberen Schläfengruben und mit großen Hohlräumen der Schädeldecke steht, 128 ; J. F. PompecrVo. a e- BEER m _ ee Messe = das aber gar keine Beziehungen zum Hirn hat. Und schließlich ist von ÖOsBorRN und JAEKEL eine postparietale Lücke — bei Morosaurus und FPlateosaurus — fälschlich als Parietalforamen gedeutet worden. Diese postparietale Lücke, welche einheitlich — bei Plateosaurus, Morosaurus, Dieraeosaurus, n. gen.,n. sp., Dysaloto- saurus — oder zweiteilig ist — bei Dysalotosaurus, Triceratops, Stegosaurus — oder als querer Spalt — bei Triceratops, Anchi- saurus, Hypsilophodon, Plewrocoelus? — ausgebildet sein kann, diente zur Aufnahme von Knorpel und stand mit dem Hirn in ° keiner Verbindung. Das wird bewiesen durch das Vorkommen und ° Verhalten der gleichen Lücke bei lebenden Eidechsen. Die Dinosaurier besaßen kein Parietalforamen. Mit dieser Feststellung fällt auch JaArker’s Spekulation über die Be- deutung des Wanderns des Parietalforamens bei Dinosauriern als haltlos in sich selbst zusammen '?). Da die vermutlich als Ahnen der Dinosaurier anzusprechenden Pseudosuchra mindestens in erwachsenem Zustande eines Parietal- foramens entbehren !?), so wäre die Annahme des Wiederauftretens eines solchen Loches im Schädeldach von: Dinosauriern schon von vornherein als durchaus unwahrscheinlich abzulehnen gewesen. Der Stammteil der Reptilien, aus welchem die Dinosaurier sproßten, hat das alte Stegocephalenerbteil des Parietalforamens schon früh- zeitig abgestreift. Auf die Bedeutung der postparietalen Lücke für die Kinetik des Schädels der betreffenden Dinosaurier will ich hier nicht ein- gehen. Ich verweise auf VersLuys, welcher diese Frage ja ein- gehend behandelt hat. 14) Ob und wie die verschiedene Lage des Pürietalforamens bei ver- schiedenen Reptiltypen phyletisch zu bewerten ist, muß erst durch besondere Untersuchungen festgestellt werden. Dem von JAEKEL betonten „Wandern“ kann ich bei Reptilien keinen besonderen Wert beimessen: Liegt doch das Parietalforamen bei Eidechsen — abgesehen davon, daß es nicht allen zukommt — entweder im Parietale (z. B. Varanus) oder im Frontale (z. B. bei Basiliscus und manchen Arten von Agama). Die verschiedene Eintrittsstelle des Parietal- organs in das Schädeldach der Reptilien beruht augenscheinlich weniger auf einem Wandern des Parietalorgans gegenüber der Abzweigungsstelle der Epiphyse vom Hirn als auf einer bei verschiedenen T'ypen verschiedenartigen Beeinflussung der Hirnkapsel durch die sich in kaudaler Richtung verschiebenden Knochen des Gesichtsschädels. 15) Herr v. HUENE erkannte (nach brieflicher Mitteilung) bei kleineren Schädeln des mit den Dinosauriern in keiner unmittelbaren Verbindung stehenden Pseudosuchiers Aötosaurus ein Parietalforamen, größeren Schädeln fehlt es. J. F. Pompzcrs: Das angebl. Vorkommen und Wandern d. Parietalforamens. 129 Literatur. . BroıLı, F. (1913), „Reptilia“ in K. A. von ZITTEL, Gründzüge der Palae- ontologie, II. Abt. Vertebrata, 3. Aufl. CREDNER, H. (1866), Die Stegocephalen und Saurier aus dem Rotliegenden des Plauen’schen Grundes bei Dresden. VI. T. Zeitschr. der Deutsch. .Geol. Gesellsch., Jahrg. 1886. S. 592—5986. GILMORE, Ch. W. (1907), The type of the jurassie reptile Morosaurus agilis 'redescribed, with a note on Camptosaurus. Proceed. U. S. Nat. Mus. Bd. 32. S. 151—165. — (1914), Osteology of the armoured Dinosauria in the U. S. Nat. Mus., with special reference to the genus Stegosaurus. U. S. Nat. Mus. Bull. 89. HATCHER, J. B., (MarsHu, O. C.), Luiz, R. S. (1907), The Ceratopsia. U. S. Geol. 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Museum), aus 7” Kammern bestehend, und versuchte bei dieser Gelegenheit, etwas näheren Aufschlußb über die Entwicklung von Pseudagenia zu er- halten; gleichzeitig photographierte ich einzelne Entwicklungsstadien. Meine in dieser Zeit plötzlich erfolgende Einberufung zum Heeres- dienst ließ mich die Entwicklung allerdings nur bis zur verpuppungs- reifen Larve verfolgen, verhinderte auch eingehendere Literatur- studien. Dennoch glaube ich meine Beobachtungen wiedergeben zu sollen, da sie mir einige bemerkenswerte Gesichtspunkte zu bringen scheinen*). Die Kammern des aufgefundenen Baues (Fig. 1) hatten eine durchschnittliche Größe von 1,10 cm. Die eine derselben war be- schädigt, zwei noch nicht mit Spinnen beschickt. In 4 Kammern fand sich je eine Spinne, und zwar 3 Clubiona holosericea Dre. und 1 Philodromus aureolus Cu. Einer Spinne waren sämtliche Beine, zwei anderen je 6 und der vierten 3 Beine abgebissen. Die Schlupf- wespe scheint also in dieser Beziehung ganz willkürlich vorzugehen je nach der Behinderung, die sie durch die Beine der Spinne beim Einbringen in die Tonne erfährt. | Alle Spinnen hatten betrefis der Mundteile und der ihnen ver- bliebenen Gliedmaßen Bewegungsfähigkeit, die aber etwas reduziert erschien. Ich möchte unbedingt eine Lähmung der Spinne durch die Wespe annehmen, denn andernfalls wäre wohl ein Tier wie das in Fig. 4 abgebildete, das nur 3 Beine eingebüßt hatte, fähig gewesen, sich aus der Rückenlage umzudrehen und, wenn. auch unbeholfen, davonzulaufen. Alle Tiere machten aber, aus der Kammer heraus- genommen, nicht einmal den Versuch, sich aus der Rückenlage zu befreien. Ferner scheint mir für eine vorausgegangene Lähmung *) Niedergeschrieben Ende 1915. Zur Lebensweise von Pseudagenia (Hym.). . 131 der Umstand zu sprechen, daß die in Fig. 3 und 4 abgebildeten Tiere 4, bzw. 5 Wochen am Leben blieben (die Larven schlüpfen bei diesen beiden nicht aus den auf ihnen abgelegten Eiern). Eine nicht gelähmte Spinne, die eine derart lange Zeit ohne Nahrung geblieben wäre, wäre höchstwahrscheinlich viel eher zugrunde ge- “ gangen, da der Abzehrungsprozeß wohl ein viel intensiverer gewesen wäre als bei einem gelähmten Tier. Zwei Spinnen, die in Fig. 3 und 4 abgebildeten, waren mit je einem Ei behaftet. Es fiel sofort auf, daß die Anheftung in beiden Fällen an der gleichen Stelle des Spinnenkörpers erfolgt war, und zwar an der oberen linken Hälfte der Bauchseite. Voraus- gesetzt nun, daß die Wahl dieses Punktes die Regel ist, wofür auch die Stellung der auf den beiden anderen Spinnen befindlichen bereits ausgeschlüpften Larve spricht, (woraufich noch zurückkomme), so mag dies einesteils mit der Stellung der die Spinne überwältigenden Wespe zusammenhängen. Die Wespe brauchte nämlich nach er- folgtem Lähmungsstich, zu dessen Anbringung sie ja ihren Hinter- leib auf die Bauchseite des Spinnenabdomens dirigieren muß, diesen nur ein wenig weiter vorzustrecken, um das Ei an die genannte Stelle bringen zu können. Anderseits spricht, wie bereits ange- deutet, auch die Lage der Larven am Spinnenkörper für eine Regel- mäßigkeit in der Wahl der Anheftungsstelle des Eies. Die Larve braucht nämlich nach dem Ausschlüpfen nur in der Längsrichtung des Eies (auf die Oberseite des Spinnenleibes hin) ein wenig weiter- zukriechen, um mit den Mundteilen gerade die Stelle zu erreichen, an der sich die (in Fig. 5 und 6 abgebildeten) bereits ausgeschlüpft _ vorgefundenen Larven eingebohrt haben. Auch die beiden Larven zeigen also eine genau übereinstimmende Stellung und Verankerung - am Hinterleib der Spinne, so daß auch dadurch die oben ausge- ; sprochene Vermutung Nahrung erhält, zumal sich die Vorteile dieser - Stellung leicht erkennen lassen. Sie bestehen einmal in einer möglichst praktischen Ausnutzung des kleinen Raumes der Brutkammern, in ‚der Hauptsache aber wohl darin, daß die Larve vor den Mandibeln ‘der Spinne unter allen Umständen geschützt ist. Denn so ist es _ für die letztere in der Tat ganz unmöglich, von ihren Mundwerk- zeugen, die trotz möglicherweise vorausgegangener Lähmung ihre Beweglichkeit nicht eingebüßt haben, Gebrauch zu machen. Wie bereits bemerkt, waren nur 2 Larven den Eiern ent- schlüpft und wurden in diesem Zustande bereits von mir vorge- den. Deutlich sieht man in Fig. 5 und 6, wie das Abdomen der pinne durch die Nahrungsaufnahme der Larve bereits entleert zu erden und zu kollabieren beginnt. Die Larven wuchsen sehr 9* 132 Wırty RammE: Zur Lebensweise von Pseudagenia (Hym ). schnell heran; nach 24 Stunden (von dem in Fig. 5 und 6 abge- bildeten Stadium an) war bereits das Abdomen der Spinne verzehrt und das in Fig. 7 abgebildete Stadium erreicht. Nach weiteren 24 Stunden war die Spinne völlig aufgezehrt und die Larve verpuppungsreif (Fig. 8). Diese restlose Aufzehrung namentlich des mit viel härterem Chitin, als es das Abdomen besitzt, bekleideten ° Vorderkörpers der Spinne mitsamt den noch vorhandenen Beinen und Mundteilen mußte ganz rätselhaft erscheinen, wenn man die äußerst schwachen Mundwerkzeuge der zarten Larve in Betracht zieht. Die zweite nicht abgebildete Larve jedoch, die der anderen nur etwa einen halben Tag in der Entwicklung nachhinkte, gab den erwünschten Aufschluß: der Vorderkörper der Spinne zeigte sich vor dem Beginn der völligen Autzehrung vollkommen über- gossen mit einem Ferment, das eine stark chitinerweichende Wirkung besitzt und der Larve eine mühelose Aufnahme des rest- lichen Spinnenkörpers ermöglicht. Welcher Natur in chemischer Beziehung dies Ferment ist und aus welchem Organ des Larven- körpers es stammt, mub. einer späteren Untersuchung. vorbehalten bleiben, die erst durch Auffindung weiterer Brutkammern von Pseudagenia ermöglicht werden und vielleicht auch weitere Auf- schlüsse über die noch strittigen Punkte geben wird. Druck von A. Hopfer in Burgb.M. _ 4 A Soeben erschien: Archiv für Biontologie IV. Band 3. Heft. Inhalt: Lohmann, Die Bevölkerung des Ozeans mit Plankton nach den Ergebnissen der Zentrifugenfänge während der Ausreise der „Deutschland‘“ 1911. 617 Seiten, 16 Tafeln. Preis 240 M., für Mitglieder der Gesell- schaft die Hälfte. Die wissenschaftlichen Sitzungen finden mit Ausnahme der Monate August und September am 2. und 3. Dienstage jedes Monats bis auf weiteres im Hörsaale VI, bzw. im Konferenzzimmer der Kgl. Landwirtschaftlichen Hochschule, Invalidenstr. 42, abends 7 Uhr, statt. Alle für die Gesellschaft bestimmten Sendungen sind an deren Sekretär, Herrn H. Stitz, Berlin N 4, Invaliden- straße 43, zu richten. | ER. EM 16 1903 | 3932 Nr. 4—%. 1920 Sitzungsbericht der . Gesellschaft naturforschender Freunüe zu Berlin vom Äpril— Juli 1920. Ausgegeben am 20. Dezember 1920. Vorsitzender: Herr POMPECKJ, Inhalt: Wachs, H., Über Augenoperationen an Amphibienlarven. PFIZENMAYER, E. W., Bastardierungen von Cavicorniern in Transkaukasien. Moser, F., Nordische Siphonophoren. Über Augenoperationen an Amphibienlarven. Von Horst Wachs, Rostock. Im nachfolgenden möchte ich die hauptsächlichsten Tatsachen und Gedankengänge, über die ich in einem am 10. Februar 1920 - gehaltenen Vortrage berichtete, kurz darstellen. Ich werde dabei die beiden Teile des Vortrages, die über die Regeneration der Linse von der oberen Iris und die Neubildung der Retina handelten, möglichst knapp fassen, da über jene Untersuchungen unter dem - Titel „Neue Versuche zur Wourr’schen Linsenregeneration“ im - Archiv für Entwicklungs-Mechanik Bd. 39, 1914 und über diese im gleichen Archiv 1920 unter dem Titel „Restitution des Auges nach Exstirpation von Retina und Linse bei Tritonen“ ausführlich berichtet wurde. - Doch möchte ich schon bei dieser Gelegenheit in gleicher Weise wie beim Vortrag einige Bemerkungen und Hin- weise einflechten, die in Rücksicht auf einige Erscheinungen der neueren Literatur angebracht erscheinen. An anderer Stelle wird hierauf ausführlicher eingegangen werden. Eingehender will ich die Ausführungen des letzten Teiles darstellen, die über neue, noch unveröffentlichte Untersuchungen handelten. Der ganze Vortrag schloß sich an eine größere Anzahl von Lichtbildern nach Mikro- photogrammen der Präparate an. ‘Zunächst wurde kurz eingegangen auf die normale » Bildung des Auges. Vom primären Hirnbläschen bilden sich die primär en 10 - Zei nn Ed KT Be — 134 HoRST Wachs. Augenblasen als seitliche Ausstülpungen, berühren die Has Be falten sich dann zu einem zweiwandigen Becher ein, dessen distale Wand zur Retina, dessen proximale zum Pigmentepithel wird (Fig. 1-4). An der Berührungsstelle bildet sich von der Haut aus die Linse. Aus diesen Befunden der rein deskriptiven Unter- suchung konnte und wurde tatsächlich der Schluß gezogen, daß das aus der Haut vorwachsende Linsenbläschen ursächlich die eben erwähnte Einstülpung der primären Augenblasen bedinge. Dieser Schluß erwies sich auf Grund experimenteller Untersuchungen als irrig. Es zeigte sich vielmehr, daß die Augenblase in sich selbst die Fähigkeit besitzt, diese Einstülpung zu vollziehen. Wird / Pr Aug: MH. Fig. 1—4. Schemata der normalen Bildung von Auge und Linse. H = Hirn, Pr. Aug. = Primäre Augenblase, M.H.-= Mundhöhle, T. = Tapetum nigrum = Pigmentepithel, R = Retina, L. Anl. = N L = Linse, H.H. = Horahaat, BER ran Da te Ei die Anlage der Augenblase aus der noch offenen Mednllarplaite Fi herausgeschnitten und verpflanzt oder so gedreht, daß sie die ‘ Haut nicht berührt, so entsteht aus ihr ein Auge ohne Linse, das abgesehen von diesem Mangel einem normalen Auge gleicht und anatomisch und histologisch die Verhältnisse eines normalen Auges aufweist. Dieser leicht anzustellende Versuch wurde nach dem Vorgang früherer Untersucher auch von mir selbst in zahlreichen ji Fällen ausgeführt. # Durch ähnliche Versuche, die von SpEMANN und anderen aus- | | geführt wurden (vgl. die in Heft 13 der „Naturwissenschaften“ ” unter dem Titel „Zur Entwicklungsphysiologie des Auges der Wirbeltiere. 1. Die Linsenbildung aus der Haut“. Bd. 17, 1919 zZ. "7% ı& ww Pr UT TV" Über Augenoperationen an Amphibienlarven. 135 gegebene Zusammenfassung), wurde vielmehr erwiesen, daß die - zwischen Auge und Linse bestehende Entwicklungs-Korrelation - gerade umgekehrt sich so darstellt, daß der Augenbecher seiner- seits die Haut zur Linsenbildung veranlaßt. Es würde zu weit führen, auf diese Versuche hier näher einzugehen. f Wird aus dem fertig gebildeten Auge die Linse entfernt, so steht, wenn anders der Verlust ersetzt werden soll, der normale - Mutterboden der Linse, die jugendliche Haut, nicht mehr zur Ver- fügung. Unter diesem Gedankengange und um den Organismus womöglich vor eine neue, ihm noch niemals gestellte Aufgabe zu stellen, nahm Gustav WoLrr (1894) die Staroperation an Tritonen _ vor. Es zeigte sich, daß der Verlust ersetzt wurde, und zwar der- gestalt, daß die Linse von der oberen Iris aus regenerierte (Fig. 5—8). AYD AR OP 7,7 N Fig. 5—8. Schemata der regenerativen Bildung der Linse. - Fig. 5: Erste Anlage des „Linsenbläschens“. Fig. 6: An der inneren Wand _ bilden sich die ersten Linsenfasern, ein „Fasernhügel“. Fig. 7: Fasern zum _ „Fasernkern“ ausgewachsen; oben zwei Klümpchen ausgestoßenen Pigments. Fig. 8: Die eben fertige, losgelöste Linse; oben die neuen Zonalafasern. Originale nach eigenen Präparaten. Aus diesem Befund ergeben sich mehrere beachtenswerte Fragen. Einmal sehen wir hier einen verlorenen Teil von einem Gewebe (der Iris) regeneriert werden, der mit seiner normalen "Bildung nichts zu tun hat. Zweitens sehen wir an eben diesem Gewebe diese Neubildung entstehen, ohne daß eine Wundstelle, ‚die doch sonst bei regenerativem Geschehen als Ursprungsstelle ‚des neu zu Bildenden zu bestehen pflegt, vorhanden ist oder vor- handen zu sein scheint. Schließlich ist es auffällig, daß an einem Gewebe, das, wie die Iris, histologisch im ganzen Umkreise gleich- rtig zu sein scheint und daher als gleichpotentiell erscheint, eine 10# 136 Horst Wachs. ganz bestimmte Partie, jeweils der obere Teil, allein zur Linsen- | regeneration schreitet. Dem Verständnis der hier vorliegenden Probleme näher zu kommen, ist das Ziel von Untersuchungen, die mich seit 1912 be- schäftigen. Um auf alle Fälle eine Verwundung der Iris zu vermeiden, wurde mit verfeinerter Methode gearbeitet, mit Glasnadeln an sehr jungen Larven. Es zeigte sich, daß trotzdem nach Entfernung der Linse in bekannter Weise regeneriert wurde. Als Nebenergebnis zeigte sich, daß ältere Larven, kurz vor der Metamorphose, bedeutend schneller regenerieren als jüngere Tiere. Das bei ihnen nach viel kürzerer Zeit zur Loslösung kommende Regenerat ist außerdem zur Zeit der Loslösung weiter entwickelt als bei jenen. Dieses Ergebnis ist insofern von Inter- esse, als gewöhnlich beobachtet wird, daß die Regenerationsfähigkeit mit dem Alter des Tieres stetig abnimmt. Im Gegensatz zu dieser immer wieder beobachteten Tatsache sehen wir hier zunächst ein allmähliches Ansteigen’ der Regenerationsfähigkeit. Es bleibt die Frage offen, ob dieser Tatsache eine biologische Bedeutung zu- kommt. Wir behalten die Frage im Auge und kommen weiter unten darauf zurück Die weiteren Untersuchungen sollten Kasteuift darüber geben, was bei dem Wegfall der Linse (infolge eben ihrer Entfernung aus dem Auge) das Wesentliche sei. Einerseits ist vorstellbar, daß die Iris durch die in der Pupillaröffnung liegende Linse in einem Tonus gehalten wird und daß der Weefall dieses „Druckes“, dieser „Wachstumshemmung“ es ist, was die Iris nun zum Wachs- tum veranlaßt. Andrerseits ist vorstellbar, daß die lebende Linse durch ihren Stoffwechsel einen derartigen inneren Zustand (des Gleichgewichts) im Auge herstellt bzw. bei Vorhandensein der ° lebenden Linse ein derartiger Zustand besteht, daß die im Auge ° (gleichsam schußbereit) liegende Fähigkeit und Tendenz der Linsen- neubildung nicht in die Erscheinung tritt. Um den Stoffwechsel der lebenden Linse auszuschalten, den „Druck“ aber wirken zu lassen, wurde in das der Linse bemainla Auge eine abgetötete Linse reimplantiert. Zur Verwendung kamen einerseits Linsen, die nur in Alkohol abgetötet waren (und danach wieder gewässert), andrerseits, da diese Linsen nach der Re- implantation zerfielen, abgetötete, mit Paraffin durchtränkte Linsen. Es zeigte sich, daß die Regeneration durch den von einer solchen toten Linse ausgeübten „Druck“ beeinflußt, verzögert, ‚nicht aber vollkommen unterdrückt wurde. | | SA et a ii a nn Über Augenoperationen an Amphibienlarven. 137 Um den Einfluß des Linsenstoffwechsels, tunlichst unter Aus- schaltung einer Hemmung durch Druck, zu prüfen, wurde in das linsenlose Auge eine kleinere Linse, einem jüngeren Tiere ent- nommen, reimplantiert. Durch eine solche lebende Linse wurde auf die Regeneration ein hemmender, verzögernder Einfluß ausgeübt, wenn sie, wie das geschah, eine Weile im Auge lag und dann im Auge zerfiel. Blieb sie aber im Auge erhalten und heilte sie ein, so wurde hierdurch die Neubildung einer Linse von der Iris aus vollkommen unterdrückt! Das heißt mit anderen Worten: das Auge, das infolge der an ihm vorgenommenen Staroperation alle etwa mit dieser Operation verbundenen Schädigungen erlitten hatte, bildete keine neue Linse, wenn eine kleinere, lebende Linse reimplantiert,wurde und einheilte! Dieses Ergebnis spricht sehr dafür, daß das Wesentliche bei der Staroperation der Wegfall des Stoffwechsels der lebenden Linse ist! Wir werden sehen, daß dieser Schluß, der hier immer- hin schon mit großer Wahrscheinlichkeit gezogen werden kann, durch andere, unten mitzuteilende Versuche einwandfrei als richtig - erwiesen wurde. Diese Tatsache übersieht URLENAUTR vollkommen, la wenn er (Arch. f. Entw.-Mech. 1919, S. 498 ff.) auf Grund) seiner sonst sehr schönen Untersuchungen zu dem Schluß kommt, daß der Anlaß zu dem ersten, die Linsenregeneration einleitenden Vor- gang, der Ausstoßung des Pigments aus den Iriszellen, darin zu suchen sei, daß bei der Linsenexstirpation ein die Iris ringsum abschließender „Irissack“, d.h. eine die Iris im unverletzten Auge vor dem Kontakt mit dem Humor aqueus bewahrende membranöse Bildung zerrissen werde! Ich komme hierauf ebenfalls weiter unten zurück. Als Nebenergebnis zeigte sich, daß auf eine kleinere Linse, die in einen älteren Organismus implantiert wurde, ein nachweis- barer Einfluß von diesem älteren Organismus ausgeübt wurde. ‚Eine solche aus einem jüngeren Tier stammende Linse erfuhr in dem älteren Organismus eine Beeinflussung im Sinne einer Wachstumsbeschleunigung. Ich konnte diese Tatsache im Bilde (nach den entsprechenden Präparaten) nachweisen durch den Vergleich der transplantierten Linse mit ihrer im kleineren Tier zurückgelassenen „Schwesterlinse“ des linken Auges. Die trans- plantierte Linse war innerhalb der gleichen Zeit bedeutend stärker gewachsen als die nicht transplantierte, im kleineren Tiere be- lassene Linse. | | Leider ist dieser so sehr klare Fall einer Beeinflussung des Transplantates durch die Unterlage weder von BArFURrTH in seinem nn 138 Horst Wachs. großen „Rückblick auf die Ergebnisse fünfundzwanzigjähriger Forschung“, Regeneration und Transplantation (Anatomische Hefte, 2. Abteil. „Ergebnisse“ 22, 1916) bei Besprechung solcher Ein- flüsse (S. 579 ff.) erwähnt noch von DÜrkEN in seiner „Einführung in die ‚Experimentalzoologie“ an entsprechender Stelle (S. 208 ff.) als Beispiel herangezogen worden. In Rücksicht auf die Klarheit der hier vorliegenden Verhältnisse und ihre leichte Darstellbarkeit dürfte sich dieser Fall einer Beeinflussung des Transplantates durch die Unterlage besonders als Lehrbeispiel eignen! War somit im Fortfall der lebenden Linse der Fortfall einer Hemmung zum mindesten wahrscheinlich geworden, so mußte es Ziel weiterer Untersuchungen sein, nach den zur Regeneration treibenden Momenten zu suchen. In Verfolg dieser Gedankengänge wurde zunächst geprüft, ob die obere Iris zur Regeneration veranlaßt. wird durch Einflüsse, die vom Auge oder von sonstwo ausgehend in sie hineingelangen auf dem Wege einer, ja normalerweise stets bestehenden, zelligen Verbindung der Iris mit dem Auge. j Der Versuch bestand darin, diese Verbindung zu lösen, die ° Iris bzw. ein Stück der oberen Iris abzuschneiden und unter Be- lassung im Auge nicht mehr in zelluläre Verbindung mit dem Auge treten zu lassen. Zu diesem Zweck wurde ein abgeschnittenes Stück der oberen Iris entweder im gleichen Auge tunlichst in den Glaskörperraum verlagert oder ein solches Stück wurde in ein anderes, der Linse beraubtes Auge implantiert. Es zeigte sich, daß das Stück, ohne wieder anzuheilen, frei im Glaskörperraum liegend, an sich aus seinem Material eine Linse hervorbringen kann. Diese Linse läßt mit größter Deutlich- keit erkennen, daß sie hervorgegangen ist aus einem Linsenbläschen genau in der gleichen Art, wie bei der gewöhnlichen normalen wie regenerativen ‚Bildung! Sie sitzt den Teilen des isoliert liegenden Stückes an, die nicht zur Linsenregeneration verbraucht worden sind. Diese Tatsachen, die aus den Abbildungen 39 und 40 sowie 56, Arch. Entw. Mech. Bd. 39, 1914, in denen die an einem solchen Stück gebildete Linse bzw. Linse und implantiertes Stück dar- gestellt sind, mit aller Deutlichkeit zu entnehmen sind, werden von UHLENHUTH übersehen, wenn er sagt, daß solche Stücke nicht sowohl regenerierten, als vielmehr sich in eine Linse umwandeln. Er sagt S. 555: „Im ersteren Falle, bei Implantation eines Iris- stückes ins Augeninnere, liegt überhaupt gar kein Regenerations- prozeß, sondern bloß ein Formbildungsprozeß vor“. Man wolle hierzu a‘ Über Augenoperationen an Amphibienlarven. 139 besagte Abbildungen und den hier wiedergegebenen Schnitt (Fig. 9) betrachten, und man sieht ohne weiteres, daß diese Darstellung nicht den Tatsachen entspricht: an dem Stück ist eine Linse regeneriert, die vom Stück nachbleibenden Teile sind noch dicht mit Pigment erfüllt! Warum blieben diese aus den Abbildungen ersichtlichen Tatsachen, die sich mit UrLenaure’s Auffassung nicht vereinbaren lassen, unberücksichtigt bzw. weshalb erfuhren die Er- gebnisse dieser Versuche eine Ausdeutung, die sich mit den dar- gestellten Befunden nicht vereinbaren läßt? Fig. 9. Die Tatsache der Linsenbildung an einem frei in der hinteren Kammer liegenden Stück zeigt jedenfalls klar, daß die Zellen der oberen Iris zur Linsenregeneration nicht eines zellulären Zusammen- hanges bedürfen und daß sonach alle an einen solchen Zusammen- hang gebundenen Einwirkungen (nervöse oder von Zelle zu Zelle sich ausbreitende) nicht mehr in Frage kommen. Sonach besitzt entweder ein solches Stück in sich selbst alle nötigen Potenzen, oder etwaige Einflüsse des Auges sind derartige, daß sie sich frei durch den Glaskörperraum auszubreiten vermögen. 140 HoRST Wachs. Als Nebenergebnis zeigte sich, daß bei Berührung der an Iris und Irisstück entstehenden Regenerationsanlagen diese Regene- rationsanlagen sich zur Bildung einer einzigen Linse vereinigen können, die ihren doppelten Ursprung dann aber meist an einer eigenartig „doppelzentrischen Schichtung“ ihrer Fasern erkennen läßt. Um die oben gestellte Alternative zu entscheiden, um zu sehen, ob ein Stück der oberen Iris, getrennt von Einflüssen des Auges, fähig sei, eine Linse zu bilden, wurden solche Irisstücke abseits vom Auge implantiert. Als geeigneter Platz erwies sich die Labyrinthgegend. Die Operationen wurden an sehr kleinen Larven ausgeführt, :die die Eihüllen oft noch nicht verlassen hatten. Da das ganze Tier nur wenige Millimeter mißt, ist das Auge ent- sprechend klein. Doch bieten diese Tiere den Vorteil, daß sich bei ihnen im Labyrinthteil leicht der nötige Raum für das zu implantierende Stück schaffen läßt. | Es zeigte sich, daß das transplantierte Stück verschieden groß ausfiel und daß davon das verschiedenartige Ergebnis abhing. Kleine Stücke erhielten sich zwar, bildeten aber keine Linsen- fasern, größere Stücke, mit denen vielleicht Retina-Anlagezellen mitgekommen waren, bildeten sich zu einem vollkommenen kleinen Auge um (Fig. 10) und erzeugten auch eine Linse oder Linsen- fasern ähnliche Bildungen, Lentoide. Solche Lentoide fanden sich in 5 Fällen, kleine Linsen in 2 Fällen. Nur zwei Transplantate mit „viel“ Retina (Nr. 25, S. 425 und Nr. 26, S. 427) entwickelten keine Linsenfasern. Ich habe die sieben Fälle der Linsenfaser- bildung auf S. 428 zusammengestellt. Warum sagt UHLENHUTH dann, daß (S. 554) „den beiden (?) positiven Versuchen mit Linsenregeneration sieben negative Versuche entgegenstehen“ (unter den letzteren zwei Fälle von FiıscHer). Ist Lentoidbildung denn nicht Linsenfaserbildung? Nach dem mitgeteilten Ergebnis dieser Versuche ist es nahe- liegend, anzunehmen, daß Irisstücke ohne retinale Partien nicht imstande sind, Linsenfasern zu bilden, diese Fähigkeit somit nicht in den Stücken selbst liegt. Vielmehr erhält die Iris diese Fähig- keit erst bzw. erhält einen zur Aktivierung dieser Fähigkeit nötigen Anstoß von der retinalen Partie oder Teilen der retinalen Partie des Auges. Diese Anregung oder Beeinflussung muß dann aber eine derartige sein, die die Fähigkeit hat, sieh ohne zellu- lären Zusammenhang auszubreiten. Dabei bleibt diese chemische Beeinflussung auf das Auge selbst beschränkt und vermag sich nicht im Körper auszubreiten. Diese Folgerung ergab sich aus folgenden Versuchen: Wurde dem Über Augenoperationen an Amphibienlarven. 141 Tiere, in dessen Labyrinth ein Irisstück implantiert war, die Linse des (rechten) Auges herausgenommen, so daß die angenommene Wirkung der retinalen Partie des Auges einsetzte, so blieb das im Labyrinth liegende Irisstück von dieser Wirkung unbeeinflußt. « Als bemerkenswertes Nebenergebnis zeigte sich, daß ein solches in die Labyrinthregion implantiertes Augenfragment die angrenzende anliegende Kopfhaut in typischer Weise beeinflussen kann. In einem Falle bildete sich aus Zellen solcher Kopfhaut, R Fig. 10. - die in unmittelbare Nachbarschaft des transplantierten Augen- - fragments gekommen waren, Linsenfasern; in einem anderen Falle F bildete sich eine richtige kleine Cornea an der Berührungsstelle ® des Transplantates mit der Haut, eine Cornea, die, im Leben schön durchsichtig, eine Betrachtung des Implantates ermöglichte und _ histologisch die Merkmale der Cornea trug (Fig. 10). n F3 - Fassen wir die Ergebnisse der mitgeteilten Untersuchungen - zusammen, so läßt sich sagen, daß der Anlaß zur Regeneration nicht in einer Reizung oder Verletzung der Iris gefunden werden J 142 Horst Wachs. kann, sondern daß bei der Staroperation das Wesentliche der : Wegfall des Stoffwechsels der lebenden Linse ist. 2 Das zur Regeneration treibende Moment scheint in der Retina zu liegen, doch sind die Feststellungen, die hierauf hinweisen, nicht so eindeutig, daß dieser Schluß als unbedingt sicher bewiesen gelten muß. Die Annahme, daß das Wesentliche bei der Staroperation der Wegfall des Stoffwechsels der lebenden Linse sei, wurde nochmals durch ein Experimentum crucis geprüft. Der angestellte Versuch war der folgende; ein Stück der oberen Iris wurde abgeschnitten und in ein Auge mit Linse implantiert. Entsprach obige An- nahme den- Tatsachen, so mußte an einem solchen Stück jegliche Regeneration unterbleiben, wenn die Linse im Auge erhalten und lebend blieb. Würde die Linse eines solchen Auges aber etwa noch nach Implantation des fremden Irisstückes zerfallen, so müßte an dem implantierten Stück wie auch an der oberen Iris eines solchen Auges Regeneration auftreten. [ Das Ergebnis entsprach in allen Fällen genau diesen Forde- rungen; an dem implantierten Stück unterblieb jegliche Regeneration, ° es blieb unverändert und ohne sein Pigment auszustoßen in der hinteren Kammer bzw. dem Glaskörperraum liegen, wenn die Linse des betreffenden Auges erhalten und am Leben blieb; zerfiel die Linse, so trat. unverzüglich Regeneration ein. | Es ist hier der Ort, nochmals auf die Versuche ÜBLENHUTH’S und seine Schlüsse zu sprechen zu kommen. UHLENAHUTR stellte fest, daß an Stücken der Iris von Salamandra maeulosa eine Aus- stobung des Pigments stattfand, wenn sie (durch Explantation) in ° Kontakt mit flüssigen Medien gebracht wurden. Er stellte weiter fest, daß bei der gleichen Tierart die Iris des Auges von einer bindegewebigen Membran umgeben ist, die zusammen mit dem der Iris anliegenden Teil der Linse den „membranösen Irissack“ darstellt. Er nimmt an, daß diese Membran die Zellen der Iris vor dem Kontakt mit dem Humor aqueus bewahrt. Weil bei jeder Linsenextraktion dieser „Irissack“ zerrissen werden muß und zerrissen wird, und weil dadurch als erste Folge jeder Linsenextraktion die Zellen der Iris mit einem flüssigen Medium in Kontakt kommen, deshalb, schließt UaLex- HUTH, sehen wir nach jeder Linsenextraktion die Entpigmentierung der Iriszellen, das Ausstoßen des Pigments, vor sich gehen. Wie würde sich, frage ich, mit diesen Anschauungen die Tatsache vertragen, daß nicht nur, wie oben ausgeführt, nach vollzogener Linsenextraktion (und sonach zerrissenem Irissack) eine Regeneration unterbleibt, wenn eine andere Linse reimplamtiert wird und einheilt, sondern daß ein Stück der oberen Iris mitten { . j m v_ Über Augenoperationen an Amphibienlarven. 143 drin in flüssiger Umgebung liegen kann, ohne im geringsten sein Pigment auszustoßen, wie wir solches bei der Implantation von Irisstücken in ein Auge mit Linse beobachten? Wenn wir uns im ersten Falle vorstellen könnten, daß durch die reimplantierte Linse der Defekt wieder ausgeglichen, die-Wirkung' der Zerreißung des Irissackes aufgehoben würde (wenngleich der Humor aqueus, wenn er einmal an die Iriszellen herangetreten ist, doch eigentlich nicht ohne weiteres wieder beseitigt werden könnte!), so ist bei dem anderen Versuch für eine solche Ausdeutung keine Möglichkeit mehr gegeben! Das implantierte Irisstück liegt zweifellos in dauerndem Kontakt :mit einem nicht festen Medium und behält sein Pigment doch! Hier müssen sonach andere Ursachen wirken, und sie wirken in der Tat, wie gezeigt, als Stoffwechsel der lebenden Linse., In einer besonderen Erwiderung auf ÜBLENBHUTH’S Einwände wird hierauf noch näher eingegangen werden. Um es noch einmal unmißverständlich auszudrücken: solange der Stoffwechsel der lebenden Linse im Auge besteht, befindet sich das Auge (chemisch oder chemisch-physikalisch) in einem stabilen, in einem Gleichgewichtszustand*). Wird dieses Gleichgewicht gestört, - dadurch, daß dieser Stoffwechsel der lebenden Linse ausfällt, so reagieren die Zellen der oberen Iris auf diesen veränderten Zustand durch die Bildung einer Linse. Damit tun diese Zellen nichts anderes als das, was die Hautzellen normalerweise in der Onto- genese jedes Individuums tun, wenn der Einfluß des Augenbechers sie trifft. Für die Ontogenese hat sich gezeigt, daß bei manchen Formen auch Bauchhaut oder Kopfhaut auf diesen Einfluß des Augen- bechers, den wir, so unbekannt er uns seinem Wesen nach sein mag, als „linsenauslösenden Einfluß“ bezeichnen müssen, zu reagieren im- stande sind. Das Problem, wie jener Einfluß wirkt und wieso diese verschiedenen Zellen auf seinen Einfluß in gleicher Weise zu reagieren vermögen, ist für die Ontogenese und für die Regeneration das gleiche und das gleiche für die Zellen der Haut, des Kopfes, des Bauches und der oberen Iris! Vorerst ist hierüber noch nichts ermittelt worden. Wie oben die Erkenntnis, daß der Wegfall des Stoffwechsels der lebenden Linse das Wesentliche ist, durch ein Experimentum *) Im Arch. Entw. Mech. Bd. 47, S. 239 ff., teilt PETERSEN-Heidelberg die Bildung einer kleinen Linse im Anuren-Auge mit. Sie fand statt in einem Auge mit erhaltener Linse, nach Implantation einer Epiphyse, am Wundrand. Durch diesen Befund ist nicht, wie PETERSEN. meint, die Sekretions- und Antisekretions- hypothese hinfällig geworden (S. 246); denn offensichtlich wird doch gerade durch die Implantation der Epiphyse der „Gleichgewichtszustand“ gestört! Und das ist das Wesentliche! Zusatz am 26. XI. 1920. 144 HORST WAcHs. crucis abermals geprüft wurde, so sollte auch die Annahme, daß das treibende Moment in einem vom Augenbecher ausgehenden Einfluß liege, nochmals experimentell geprüft werden, zumal diese Annahme ja nicht bindend hatte bewiesen werden können. Die Aufgabe war sonach, die Zellen der Iris durch eine andere als die schon gewählte Versuchsanordnung von eventuellen Einflüssen des Augenbechers zu trennen. Zu diesem Zweck wurde außer der Linse auch die Retina aus dem Auge entfernt und die Iris an ihrem Platze belassen. Hätten solche retinalose Augen eine Linse regeneriert, so wäre der oben gezogene Schluß als Trugschluß erwiesen und der Wissenschaft damit ebenfalls gedient gewesen. Das Ergebnis dieses Versuches war jedoch ein ganz unerwar- tetes: das Auge ersetzte erst die verlorene Retina und dann die Linse. Da hierüber schon eine vorläufige Mitteilung in den Ab- handlungen ‘der naturforschenden Gesellschaft zu Rostock (Bd. 7, 1919) vorliegt, und neue Tatsachen oder Meinungen zu diesen Befunden mir bisher nicht bekannt wurden, die ausführliche Mit- teilung auch in aller Kürze, wie erwähnt, im Arch. f. Ent.-Mech. mit einer ganzen Anzahl von Abbildungen erscheint, möchte ich über diesen im Vortrag naturgemäß ausführlich behandelten Teil nur mit wenigen Worten berichten. | Die Entfernung der Linse und der Retina geschieht durch eine hinter dem Auge gesetzte Öffnung, durch die an den Bulbus herange- gangen wird. Linse und Retina kommen zusammen heraus. Nach dieser Operation verkleinert sich das Auge und scheint zu degenerieren. Etwa um den 14. Tag ist der Tiefstand erreicht. Dann tritt zusehends eine Wiederherstellung ein, und nach etwa 7 Wochen besitzt das Tier wieder ein Auge, das sich von dem normalen Auge der anderen Seite kaum unterscheidet. Dies die Beobachtung am Lebenden. Die Schnittuntersuchung zeigt, daß als Grundlage für den „Entwurf“ der neuen Retina Zellen vom inneren Blatte der Iris vorrücken, natürlich unter lebhafter Zellvermehrung. Außer von hier erhält die neue Retina bzw. ihre Anlage aber noch Zuwachs. von dem „Pigmentepithel“ aus, das bei dieser Operation im Auge zurückbleibt. Es wurde an Hand der Bilder und der Original- präparate gezeigt, daß diese Feststellung den Tatsachen entspricht, und außer Zweifel steht. Auf das besondere Interesse, daß dieser Feststellung im Zusammenhang und Vergleich mit anderen Er- mittlungen zukommt, soll hier nicht näher eingegangen werden. Wenn sich so die Anlage, der „Entwurf“ der neuen Retina gebildet hat, beginnt an der oberen Iris die Regeneration der Über Augenoperationen an Amphibienlarven. 145 Linse und schreitet dann in der bekannten Weise fort. Zu dieser Zeit braucht in der Retinaanlage noch keine histologisch nach- weisbare Differenzierung der nervösen Elemente stattgefunden zu haben. - Diese dann allmählich stattfindende Differenzierung beginnt rings im Umkreis des Auges und schreitet von da zum Hinter- grunde des Auges fort. Nachdem sich der zwischen Retinaanlage und Pigmentepithel naturgemäß eine Zeitlang bestehende Zu- sammenhang wieder gelöst hat und die Differenzierung -der neuen Retina vollendet, schließlich auch die Linse wieder hergestellt ist, gleicht das regenerierte Auge wieder vollkommen einem normalen. Auch die Reste des Pigmentes, die sich lange Zeit noch in der neuen Retina, teils in ihren Zellen, teils in Gestalt von Pigment- klumpen zwischen den Zellen, finden, sind schließlich beseitigt. Was sagt nun dieser Verlauf des Versuches aus über die Fragestellung, unter der er in Angriff genommen wurde? Da die Absicht, die Zellen der Iris dauernd von den Einflüssen der Retina zu isolieren, nicht erreicht wurde, insofern sich eine neue Retina bildete, ist die durch den Versuch gegebene Antwort weder ein „Nein“ noch ein „Ja“. Immerhin zeigte sich, daß die Neu- bildung der Linse erst einsetzte, nachdem das Anlagematerial für die Retina gebildet worden war. Natürlich sagt die rein zeitliche Aufeinanderfolge dieser beiden Vorgänge nichts über einen ur- sächlichen Zusammenhang zwischen ihnen aus. Wäre die zeitliche Folge aber eine umgekehrte gewesen, dergestalt, daß sich erst die Linse und dann die Retina gebildet hätte, so hätte das erste Geschehen, die Linsenbildung, nicht unter einem Einflusse der Retina stehen können. Nach Ausgang des Experimentes bleibt diese Möglichkeit also unwiderlegt. | Die mitgeteilten Versuche haben noch nichts darüber aus- gesagt, wie es kommt, daß es jeweils der oben im Auge gelegene Teil der Iris ist; von dem aus die Bildung der Linse vor sich geht. Da histologisch kein Unterschied zwischen oberer und unterer bzw. seitlich gelegener Iris zu finden ist (abgesehen von den be- - sonderen Bildungen im mittleren unteren Teil der Iris, die mit dem fötalen Augenspalt in Beziehung stehen), ist nicht einzusehen, wieso ein potentieller Unterschied zwischen diesen Teilen bestehen soll. Daß er trotzdem bestehen kann, ist nach anderen Erfahrungen ohne weiteres klar. Immerhin wäre es naheliegender, das Be- stimmende in diesem Falle nicht in einer Verschiedenheit der Potenz. zu suchen, sondern in der Verschiedenheit der Lage dieser Tai 146 HorsT Wachs, Zellen. Inwiefern, ist zu fragen, befinden sich die Zellen der oberen Iris in einem für die Regeneration günstigeren Lage- verhältnis als die Zellen der unteren Irispartien oder die seitlich liegenden Teile? Es ist naheliegend, bei Beantwortung dieser Frage an Einflüsse der Schwerkraft zu denken. Wourr prüfte diesen Einfluß der Schwerkraft, der ja bei normaler Lage des Tieres die obere Iris in anderer Weise trifft als die Zellen der unteren. Er brachte die Tiere nach der Staroperation in Rücken- lage. So befanden sich die Zellen der unteren Iris jetzt, in bezug auf die Schwerkraft, im gleichen Zustande wie vordem die obere Iris. Er stellte fest, daß auch bei diesen Tieren, in dauernder Rückenlage, die Linse von der „oberen“ Iris (jetzt unten liegend), also entgegen der Schwerkraft gebildet wurde. Sonach war gezeigt daß die Schwerkraft nicht das Entscheidende ist. Ist das Entscheidende nicht die Lage der Zellen im Verhältnis zur Schwerkraft, so könnte es ihre verschiedene Lage im Ver- hältnis zum Tier sein. Auch diese Möglichkeit ist einer experimen- tellen Prüfung zugänglich. Zu diesem Zweck stellte ich folgenden Versuch an. Ich löste den Bulbus ringsum, ohne aber den Opticus zu zerreißen, und drehte nun das ganze Auge um 160° dergestalt, daß die obere Iris nun im Tier unten lag und umgekehrt. Es zeigte sich, daß die Operation ohne besondere Schwierigkeiten gelang und das gedrehte Auge wieder einheilte.e Nun konnte, nach beliebig kürzerer oder längerer Zeit, aus dem gedrehten Auge die Linse entfernt werden. Das klare Ergebnis des Versuches war, daß die Linse am sedrehten Auge vom gleichen Material wie gewöhnlich gebildet wurde, also von dem nun im Tier „unten“ liegenden Irisrand. Sonach ist auch die Lage der Zellen im Tier nicht das Ent- scheidende. Es bleibt, soweit ich bisher sehe, nur die Annahme einer Verschiedenheit der Potenz). Auch diese Möglichkeit wurde, und zwar schon 1912 und 1913, experimentell untersucht. Die Aufgabe muß sein, Material der unteren Iris in Verhältnisse zu bringen, die sich in nichts unter- scheiden von Verhältnissen, unter denen Stücke der oberen Iris regenerieren. Diese Möglichkeit besteht. Es war gezeigt worden, daß abgeschnittene Stücke oberer Iris eine Linse bilden, wenn sie in den Glaskörperraum eines linsenlosen Auges implantiert werden. 1) Die Photogramme zu diesen Versuchen, Bilder des lebenden Tieres sowie Schnittbilder, sind veröffentlicht in dem bei TH. FiscEr-Freiburg i. Br. er- scheinenden „Bild-Archiv“. Über Augenoverationen an Amphibienlarven. | 147 \s Es ist ohne weiteres klar, daß der gleiche Versuch mit Stücken der unteren Irispartien gemacht werden kann. Ich stellte diesen Versuch 1912 und 1913 an einer größeren Anzahl von Tieren an, und es zeigte sich, daß solche Stücke unterer Iris in keinem Falle zur Linsenbildung schritten, während gleichermaßen implantierte Stücke oberer Iris stets Linsenfasern bildeten. Sonach scheint mir bewiesen, daß ein potentieller Unterschied zwischen den Zellen der oberen und denen der unteren Partien der Iris besteht. Es hatte sich bei den oben mitgeteilten Untersuchungen er- geben, daß ältere Larven, solche, die der Metamorphose nahe sind, schneller regenerieren als jüngere Tiere. Es war die Frage auf- geworfen worden, ob dieser Tatsache eine biologische Bedeutung zukommt. | In diesem Zusammenhang müssen wir uns der Gedankengänge erinnern, die zur Anstellung der ersten diesbezüglichen Unter- suchungen durch Wourr führten: Der Organismus sollte tunlichst vor eine ihm neue Aufgabe gestellt werden, vor eine neue Auf- gabe, die er mit neuen Mitteln lösen solltee Das heißt mit - anderen Worten: es wird angenommen, daß in Freiheit, im gewöhn- - lichen Leben dieser Tiere, nicht der Fall eintreten wird, daß das Tier die Augenlinse verliert und sie regenerieren muß. Diese Annahme schien berechtigt, solange Voraussetzung zur - Regeneration der Linse eine (schwierig auszuführende und daher - in der freien Natur nicht vorkommende) Staroperation war. Nach- - dem jedoch gezeigt ist, daß Wiederherstellung des Auges mit Regeneration der Linse erfolgt auch nach schwerer Schädigung des Auges, ist der Spielraum für „Augenverletzung in Freiheit“ ein viel größerer! Noch größer als zunächst anzunehmen wird dieser Spielraum dadurch, daß gezeigt werden konnte, daß die Linse nicht nur nach Verletzung des Bulbus, also zusammen mit mehr oder weniger großer Schädigung des ganzen Auges, zugrunde geht, sondern daß sie zugrunde gehen kann (nicht muß) schon nach einem Einstich oder sehr starken Druck auf das Auge. Wenn sonach die Möglichkeiten des Zugrundegehens der Linse sich in einem viel weiteren Spielraum bewegen, so ist auch die Möglichkeit ihres Ersatzes, die Möglichkeit für das „Vorkommen - der Linsenregeneration in Freiheit“ eine viel größere, als zunächst _ angenommen werden konnte! Besteht sonach, rein in logischer Ausdeutung der bekannt ge- wordenen Tatsachen, kein Grund mehr, an einem Vorkommen der 148 Horst Wachs. \ © e 3 Linsenregeneration in Freiheit zu zweifeln, so konnte, alle diese Erwägungen in den Schatten stellend, rein empirisch das Vor- kommen von Linsenregeneration in Freiheit nachgewiesen werden. Eine 1912 gefangene Larve von Triton cristatus besaß ein ver- letztes Auge, und in diesem verletzten Auge befand sich, wie die Schnittuntersuchung zeigte, die Linse in Regeneration in genau der gleichen Weise, wie oben für die operierten Tiere dargestellt! Ich konnte auch dieses Präparat im Bilde und im Original vor- legen als dasjenige, an dem unter allen bisher erhaltenen ent- sprechenden Präparaten die Regeneration am schönsten zu sehen ist! Welche Ursachen, ist zu fragen, werden in Freiheit zu Ver- letzungen des Auges (in deren Gefolge dann Regeneration eintritt) führen und in welchem Alter bzw. Entwicklungsstadium werden die Tiere am häufigsten solche Verletzungen erleiden? Hierzu ist zu sagen, daß mir tatsächliche Beobachtungen zur Frage „Augenverletzungen“ noch nicht vorliegen. Wohl aber sind allgemein bekannt die Ursachen einer anderen, ungemein häufigen Verletzung, nämlich die Ursachen für Verletzung und Verlust der Extremitäten. Wie durch Beobachtung im Aquarium und wie durch eigene Untersuchungen frisch eingefangener Tiere leicht feststellbar, erleiden die Larven außerordentlich häufig Ver- letzungen der Extremitäten dadurch, daß sie sich . gegenseitig beißen! Infolge dieser Bisse geht das betreffende Bein zugrunde, und zwar auf besondere Art, über die ich Ermittlungen anstellen konnte, die jedoch an anderer Stelle &usführlich dargestellt werden sollen. Jedenfalls kennen wir den Grund: gegenseitige Bisse. Es ist naheliegend anzunehmen, daß infolge der gleichen Ursache auch Verletzungen der Augen zustande kommen können. | Doch besteht gerade für Augenverletzungen noch eine zweite Möglichkeit: sie können zustande kommen durch die Nachstellungen 3 | der Larven der Wasserkäfer, denen die Tritonlarven ebenfalls nachgewiesenermaßen ausgesetzt sind und nicht selten erliegen. = Der Anstich durch die Zangen dieser Larven kann das Zugrunde- = gehen der Linse bedingen. | Mir scheint, daß sonach füglich nicht bezweifelt werden kann, dab Möglichkeiten der Augenverletzung in Freiheit bestehen. Un- logisch wäre es, anzunehmen, daß in jedem Frühjahre alle Larven diesen Gefahren unversehrt entgingen: ebenso unlogisch aber, an- zunehmen, daß alle in solch akute Gefahr geratenen Larven sämtlich | dem Angriff erlägen. Wie vielmehr die Beobachtung der Kämpfe und der damit verbundenen Beinverletzungen zeigt, rettet das Tier meist sein Leben, trägt aber eine Wunde davon. | Über Augenoperationen an Amphibienlarven. 149 Fragen wir uns nun, in welchem Lebensalter die Wahrschein- lichkeit, nur mit einer Wunde, einem „blauen Auge“ davonzu- kommen, am größten ist, so ist anzunehmen, daß die Tiere zur Zeit, wo sie am kräftigsten sind, am ehesten ihr Leben retten werden. Dies ist die Zeit kurz vor der Metamorphose. In diesem Altersstadium also werden die Tiere am öftesten regenerieren müssen. In diesem Altersstadium aber sahen wir die Regeneration am schnellsten ablaufen. Sollte zwischen diesen beiden Erscheinungen, von denen die eine durch vergleichende Beobachtung festgestellt, die andere erschlossen ist, nicht ein ursächlicher Zusammenhang bestehen? Es unterliegt dem Urteil des einzelnen, diesen ursächlichen Zusammenhang anzunehmen oder abzulehnen. \Wenn wir ihn annehmen, wird durch diese Annahme die auf- fällige Tatsache verständlich, wie es kommt, daß hier ältere Tiere schneller regenerieren als jüngere: in diesem Altersstadium arbeitet der Mechanismus der Regeneration (ohne auf den Ausdruck „Mecha- . nismus“ in diesem Zusammenhange besonderen Wert zu legen!) am schnellsten, weil er in diesem Altersstadium jeweils am häufigsten in Tätigkeit trat! Im einzelnen verweise ich auf die in der aus- - führlichen Arbeit (1920) gemachten Ausführungen. | Ist die Linsenregeneration ein Privileg der geschwänzten Amphibien? Es scheint nicht so. Für die Fische glaubt GROCHMALICKT Linsenregeneration nachgewiesen zu haben, doch wäre eine Nachuntersuchung erwünscht. Diesbezügliche, Frühjahr 1919 im Zoologischen Institut zu Rostock angestellte Versuche blieben bisher noch ergebnislos. Für die Larven der Anuren, für Kaulquappen also, machte ich selbst in diesem Frühjahr (1919) entsprechende Versuche. Bei Larven von Rana esculenta wurde auf jungem Stadium (Schwänzchen vorgewachsen, Kiemen in Bildung) die über dem Augenbecher ge- legene Haut mitsamt der Linse und einem Teile des Augenbechers entfernt. Nach Verlust dieser in Bildung begriffenen Linse bildeten die Tiere doch ein Auge mit Linse aus. Der Ursprung dieser zweiten Linse ist noch klarzustellen, sie kann aus der Iris, sie kann aber auch aus der noch jugendlichen Haut ihren Ursprung genommen haben. Von Pelobates, der Knoblauchskröte, kamen ältere Tiere zur Operation. Es wurden solchen Larven aus dem fertig gebildeten Auge kleinere oder größere Teile mitsamt der Linse entfernt. Trotzdem stellte sich auch bei diesen älteren Tieren das Auge 11 150 HOoRST Wachs, . wieder her und besaß. dann an Stelle der verlorenen eine neue Linset). Diese Linse kann nicht aus der Haut ihren Ursprung genommen haben, sie muß aus Material des Auges gebildet worden sein. Ein zelliger Zusammenhang der neuen Linse konnte deshalb nicht nachgewiesen werden, weil die Tiere bis zur völligen Wieder- herstellung des Auges, für jene Untersuchung also viel zu lange, am Leben gelassen werden sollten. Außerdem wurde bei derselben Art auch die Linse allein aus dem fertigen Auge entfernt. Bei dieser Operation zeigte sich die bemerkenswerte Tatsache, daß bei den Kaulquappen das Auge, d. h. der Bulbus mit seiner Hornhaut, geborgen liegt unter einer harten, festen, epidermoidalen Haut! Diese Haut, die wohl ge- meiniglich für die Hornhaut gehalten werden mag, ist auber- ordentlich zähe und fest, wogegen die zum Bulbus gehörige, mit diesem unter jener Haut frei bewegliche Hornhaut sehr zart ist und so leicht eröfinet werden kann. Die Operation wurde folgendermaßen ausgeführt: Die feste äußere Haut wurde eröffnet durch einen etwa halbkreisförmigen Schnitt. Dann wurde die Haut zurückgeschoben, so daß der Bulbus hervorglitt: Nun wurde die Hornhaut eröffnet (sie ist, wie gesagt, sehr zart!) und die Linse entfernt. Diese Linsenexstirpation ist aber bei den Anurenlarven mit ganz anderen Schwierigkeiten ver- bunden als bei den Larven der Urodelen: während sie bei den Tritonen ohne weiteres mit der Glasnadel, dem üblichen Instrument bei diesen Operationen, herausgehoben werden kann, muß sie hier erst ringsum gelöst werden. . Offenbar besteht ringsum eine Vorrichtung, die dieLinserecht nachhaltig festhält(Zonula-Fasern). Diese Loslösung der Linse gestaltet die Operation recht mühsam. Trotzdem gelang die Operation schließlich an einer. ganzen Anzahl von Tieren recht gut. Nach vollzogener Operation wurde der. Bulbus wieder unter die erst zurückgeschobene äußere Haut untergebracht bzw. diese über ihn herübergezogen. So lag das operierte Auge dann recht sicher verwahrt unter dem Schutze dieser derben, durchsichtigen Haut. In dieser Art wurden, wie gesagt, Larven von Pelobates und auch solche von Hyla, dem Laubfrosch, operiert. Die Tiere wurden zum Teil viele Wochen am Leben erhalten, einige machten die Metamorphose durch und wanderten ins Laubfroschglas. Der Bulbus verkleinerte sich stark, die Pupille blieb aber deutlich. In einigen Fällen sah das Auge recht VertranpieT WS 1) Die Photogramme dieser Tiere sind veröffentlicht im „Bild- he; TH. FiscEr-Freiburg. FTE VOREENGBEN 0 Über Augenoperationen an Amphibienlarven. 151 aus. Leider stieß einem nach dem anderen dieser mit viel Liebe gepflegten Tiere ein Unfall zu, der sie zu Tode brachte. Einige wurden fixiert und harren der weiteren Untersuchung, der beste kleine Laubfrosch starb infolge Sonnenbestrahlung und wurde so zur Untersuchung unbrauchbar. So ergaben diese Versuche, die fortzusetzen Aufgabe des nächsten Jahres sein wird, bisher noch kein sicheres Resultat. Doch wurde, wie gesagt, für Pelobates- larven die Tatsache der Wiederherstellung von Auge und Linse nach Verlust größerer Teile mitsamt der Linse des fertiggebildeten Auges festgestellt. Bessere, erfreulichere Ergebnisse hatten Untersuchungen, die unter folgendem Gedankengang angestellt wurden und zu denen ich ebenfalls einige Lichtbilder vorwies. Entfernt man aus der _Medullarplatte die Anlage des Auges, so wird dieser Verlust nicht ersetzt. Entfernt man nur einen Teil dieser Anlage, so bildet der Rest ein kleineres Auge. In diesem kleineren Auge kann ein Miß- verhältnis zwischen Retina und Pigmentepithel bestehen, wenn von den Anlagezellen dieser Teile unverhältnismäßig große resp. kleine Reste nachblieben. Ich hatte mir nun zur Aufgabe gesetzt, festzustellen, ob solch kleinere, aus einer auf dem Medullarplattenstadium verkleinerten Anlage hervorgegangene Augen schließlich doch noch normale Größe erreichen, oder ob sie dauernd kleiner als das aus dem unversehrten Material gebildete Auge blieben. Ich entfernte also auf dem Medullarplattenstadium einen Teil der Augenanlage. Der Rest bildete dann, wie mir selbst aus eigenen Versuchen genugsam bekannt, zunächst ein kleineres Auge. Die Tiere wurden nun weiter am Leben erhalten, und es zeigte sich, daß ganz allmählich der Größenunterschied zwischen den beiden Augen immer geringer wurde. Schließlich hatte, wenn auch erst nach 10 Wochen, das operierte Auge die gleiche Größe und die gleiche Ausbildung erreicht wie das normale. Auch diese Ver- hältnisse wurden durch photographische Aufnahmen der lebenden Tiere im Bilde festgehalten '). Das klare Ergebnis dieser Untersuchungen ist die Tatsache, daß bei Anuren aus einer verkleinerten Anlage zwar zunächst ein kleineres Auge hervorgeht, daß dies kleinere Auge aber den Größen- unterschied auszugleichen vermag und so schließlich auch aus einer verkleinerten Anlage ein normales Auge resultiert. 1) Photogramme ebenfalls im „Bild-Archiv“ erschienen, 13? 152 HoRST Wachs. In der Diskussion zu dem Vortrag frug Herr Hausemann, ob es, biologisch betrachtet, nicht auffallend sei, daß das kleine Auge, das im Labyrinth aus einem transplantierten Stück gebildet wurde, die „Hornhaut“ an seiner retinalen Partie erzeugte, einer Stelle also, wo sie offenbar kaum einen Nutzen gewähren konnte. Das Auge selbst schaute ja, merkwürdiger- und sonderbarerweise, nach innen ins Tier hinein. Hierzu bemerkte der Vortragende: Wie würden wir die Ver- hältnisse ausdeuten, wenn dieses Auglein nicht nach innen, sondern nach außen geschaut hätte und sich eine über der ja ebenfalls entstandenen Linse gelegene Hornhaut erzeugt hätte? Wir wären geneigt zu sagen, daß hier ein offensichtlich höchst zweckdienliches Geschehen beobachtet wurde. Was lehrt uns nun die Tatsache, daß das kleine Äuglein anders lag, so, daß es sicher kein Bild sehen, höchstens eine schwache Empfindung von Licht haben konnte? Sie lehrt uns, daß die Lage des aus transplantiertem Material entstandenen Äugleins eine vom Zufall, d. h. in unserem Falle von der Implantation abhängige war. Jener hypothetische Fall, daß das Äuglein gerade nach außen geschaut hätte, wäre sonach ebenfalls eine (zufällige) Möglichkeit unter vielen anderen gewesen. Eine in jenem Falle berechtigt scheinende Deutung unter biologischen Gesichtspunkten wäre also ein Trugschluß gewesen. Dieser Fall zeigt einerseits,. daß der Organismus nicht alles kann, nicht auf Eingriffe, wie sie ihm 'niemals zu begegnen pflegen, so zu reagieren vermag, daß unter allen Umständen etwas Brauch- bares herauskommen muß. Andrerseits zeigt uns unser angenommener Fall, wie leicht wir einem Trugschluß in dieser Beziehung zum Opfer fallen können und wie vorsichtig in der Auslegung solcher Befunde zuwege gegangen werden muß. Weiter bemerkte Herr Hansemann, daß für die Tatsache der Regeneration aus der oberen Iris eine Erklärung vielleicht darin gefunden werden könne, daß bei der normalen ontogenetischen Bildung der Linse Linsenbildungszellen von der Linsenanlage an die obere Iris abgegeben würden. Der Vortragende bemerkte hierzu, daß, soweit ihm bekannt, dieser Gedanke vollkommen neu sei und durchaus erwägenswert E erschiene. Ob eine solche evtl. stattfindende Abgabe von Linsen- bildungszellen durch irgendeine Untersuchung erwiesen werden kann, ist zurzeit noch nicht zu sagen. Wenn sie stattfände, schiene . allerdings nicht einzusehen, wieso allein in den oberen Rand des Über Augenoperationen an Amphibienlarven. 153 Augenbechers solche Linsenbildungszellen hineingelangen sollten. Doch entziehen sich diese Verhältnisse, zumal der ganze Gedanke neu ist, noch unserer Beurteilung. Vom Vortragenden wurde aber eine andere Erklärung für die durch die neuesten Untersuchungen wahrscheinlich gewordene „potentielle Differenz“ zwischen den Zellen der oberen und denen der unteren Iris erwogen. Denkt man sich die Augenanlage hinein- projeziert in den (schematisierten) Schnitt durch ein Stadium, auf dem die Medullarfalten sich zu schließen beginnen, so zeigt sich, daß die Zellen der oberen Iris den normalen Linsenbildungszellen verhältnismäßig am nächsten liegen. Zwar liegen Augenteile, die zum Pigmentepithel werden, jenen primären Linsenbildungszellen der Haut ‘noch näher, kommen aber infolge der Lage, die sie später im Auge einnehmen, für die Regeneration nicht in Betracht. - In diesem „nachbarlichen Lageverhältnis“ den Grund für einen potentiellen Unterschied oder, in bezug auf die primären Linsen- bildungszellen, den Grund für eine potentielle Ähnlichkeit zu suchen, ist nach Feststellungen, die an Hautzellen in bezug auf ihre linsenbildenden Fähigkeiten gemacht wurden, durchaus nahe- liegend. Es zeigte sich durch Untersuchungen, bei denen einerseits Hautstücke über die Augenblase, andrerseits die Augenblase unter andere Haut (Kopfhaut bzw. Bauchhaut) verpflanzt wurde (siehe die oben erwähnte Zusammenstellung in Heft 18 der Naturwissen- schaften, 1919), daß bei Bombinator ein ganz entsprechender potentieller Unterschied in bezug auf Linsenbildungsfähigkeit be- steht zwischen Zellen der Haut, die den primären Linsenbildungs- zellen benachbart sind (Kopfhaut) und solchen, die diesen Zellen nicht benachbart sind (Bauchhaut). Diese vermag unter dem Ein- fluß eines Augenbechers keine Linse zu bilden, jene vermag es. Allgemeiner gesprochen heißt das, daß die Fähigkeiten zu be- sonderen Bildungen im Organismus an besondere Zellgruppen ge- bunden sind, daß solche „begabte“ (mit irgendeiner Potenz begabte) Zellen sich aber nicht durch eine scharfe Grenzlinie gegen „unbegabte“ abzugrenzen bzw. an solche anzugrenzen brauchen, sondern daß, im räumlichen Sinne, ein „allmähliches Abklingen“, ein allmählicher Übergang von besonders begabten evtl. pluripotenten Zellen zu unipotenten Zellen besteht. Die Linsenbildungsfähigkeit würde sonach auf jungen Stadien einem größeren Bezirke zukommen, einem Bezirke, der sich von den primären Linsenbildungszellen bis zu den Anlagezellen der oberen Iris erstreckt: in diesem Bezirk, kann - man annehmen, liegen vielleicht zwei Zentren besonders hoher 154 E. W. PFIZENMAYER, Potenz (zur Linsenbildung), das eine bei den primären Linsen- bildungszellen, das andere bei den Bildungszellen der oberen Iris. Diese zunächst nur hypothetische Auffassung schließt sich jedenfalls am besten an andere experimentell erwiesene Tatsachen an. Sie ebenfalls durch Experimente zu prüfen, wird Sache weiterer Untersuchungen sein. Bastardierungen von Cavicorniern in Transkaukasien. (Mit Tafel III—V.) Von E. W. PFIZENMAYER. Wildlebende Angehörige der Familie der Hohlhörner und ihre vom Menschen domestizierten Verwandten paaren sich nicht selten und erzeugen auch fortpflanzungsfähige Nachkommen. Dar- über enthält die einschlägige Literatur eine Reihe von Nachweisen. Schon die Alten wußten, daß das auf Sardinien und Korsika lebende Wildschaf, der Mufflon (Ovis musimon SCHREB), mit dem Hausschaf (Ovis arıes L.) fortpflanzungsfähige Nachkommen erzeugt, und nannten diese Bastarde umbrı'). Aus neuerer Zeit sind zahl- reiche Kreuzungsversuche zwischen Mufflon und Hausschaf bekannt. In den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts ließ ein gewisser Durızuv aus Korsika Mufflonschafe kommen und sie von einem Hausschafwidder belegen ?). Im Jahre 1871 wurde aus einer gleichen Verbindung (also Ovis aries 9 und Ovis musimon 9) im Zoologischen Garten in London ein Bastard erzielt ?). je Bei Wiener-Neustadt wurde Mitte der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts mittels importierter Mufflonwidder eine Mufflon- bastardzucht angelegt *). Gleiche Züchtungen wiederholte mit Erfolg der Leiter des Landwirtschaftlichen Instituts der Universität Halle Professor Künn und berichtet darüber folgendes: „In dem Haupttiergarten des landwirtschaftlichen Instituts der Universität Halle wurden von mir seit einer längeren Reihe von Jahren Paarungsversuche mit Hausschaf und Mufflon, ovis musimon, dem Wildschafe von Corsika und Sardinien ausgeführt. Die Ergebnisse waren bei der Verwendung der differentesten europäischen wie asiatischen und ı) PLınıus, Hist. nat. L, VIII C. 48, 75. ?) „Journ. gener. des sociötes et an scientif. de la France“ 1839 Nr. 251. Ferner: „Isis“ 1839 S. 387. . Ben 3) „Zoolog. Garten“ 1873 S. 36. 2 4 4) „Natur“ 1878 S. 299. r Bastardierungen von Cavicorniern in Transkaukasien. _ 155 afrikanischen Rassen des Hausschafs gleich günstig; sie waren auch gleich erfolgreich, mochte der Mufflonbock mit Muttertieren des Hausschafs gepaart, oder mochte umgekehrt verfahren werden. Die Nachkommen zeigten sich in beiden Fällen unter sich fruchtbar; auch bei blutsverwandten Tieren und selbst bei Paarungen von Zwillingen miteinander war dies in ungeschwächtem Maße der Fall. Gegenwärtig werden Lämmer dieser Kreuzungsprodukte ge- boren, welche bei ausschließlicher Paarung der letzteren unter sich bereits der vierten Generation angehören“ °). Auch zwischen einem nahen Verwandten des Mufilon, dem Guem’schen Wildschaf (Ovis orientalis Paut.), das auf russischem Gebiet im Eriwanschen und .Elisawetpolschen Gouvernement vorkommt, und dem Hausschaf sind Kreuzungen bekannt, und zwar sowohl mit Ovis orientalis wie auch mit Ovis aries als Vater, wie wir aus dem Folgenden ersehen werden. Auch mit diesem Wildschaf und dem Hausschaf stellte der oben erwähnte Prof. Kür in Halle erfolgreiche Kreuzungsversuche an. Im November 1884 hatte der bekannte Paläontologe PoRLıs von seiner Reise nach Persien dem Landwirtschaftlichen Institut zwei Exemplare von Ovis orientalis mitgebracht. Künn gelang die Kreuzung des Muttertieres von Ovis orientalis mit einem Rambouilletschafbock. Seit einer Reihe von Jahren befaßt sich A. K. MrLıx Acamayow in Eriwan mit Kreuzungsversuchen zwischen dem dortigen Haus- schaf (Ovis aries steatopyga Par.) und dem Gmeuim’schen Wild- schaf, von welch letzterem er sich mehrere Exemplare, 9 und 0, aus dem Nachitschewaner Kreis des Eriwanschen Gouvernements schon wiederholt verschaiite. Er kreuzte sowohl Ovis orientalis © mit Ovis aries 8 als später auch umgekehrt einen reinen Wildschaf- bock mit Hausschafmuttertieren. Die hybriden Nachkommen sind in beiden Fällen unter sich (auch blutsverwandte Tiere) in un- vermindertem Maße weiter fruchtbar. Ich sah und photographierte bei Herrn Acamarow Mitte November 1913 einen 9jährigen Kreuzungsbock, der sowohl in Figur und Färbung des Fells als im Gehörn fast vollkommen Wildschaftypus hat. Vater und Mutter sind schon Kreuzungen, während Großvater Hausschafbock, die Großmutter reines Wildschaf war. Zwei weibliche Tiere, Zwillinge, die ebenfalls Kreuzungsprodukte sind, zeigen in ihrem Äußern fast ganz Hausschaftypus. Sie sind schwarz und weiß gezeichnet, und nur der Fettsteiß ist bei ihnen fast gar nicht entwickelt. Von 5) Frankfurter Zeitung Nr. 102, Extrabeilage vom 12. IV. 1885. 156 E. W. PFIZENMAYER. - den Eltern war der Vater Hausschafbock, die Mutter Kreuzungs- produkt; die Großeltern beide Kreuzungsprodukte. Der Urgroßvater j war Wildschafbock, die Ur großmutter Hausschaf. 3 Im Januar 1914 erhielt das Kaukasische Museum von Herrn 3 Acımarow einen 3 Monate alten Embryo, dessen Eltern der eben ; erwähnte 9jährige Kreuzungsbock und das eine der beiden $ Kreuzungsschafe sind. Das zweite dieser Kreuzungesschafe setzte im April zwei Junge, deren Vater ebenfalls der 9 jährige Kreuzungs- ! bock ist. Je nach Blutbeimischung von der einen oder andern Stamm- form, also von Wild- oder Hausschaf, ist das Äußere der Aca- MALOW’Schen Hybriden in den ersten Generationen mehr oder weniger wildschaf- respektive hausschafähnlich, doch verhalten sich darin die Nachkommen in den späteren Generationen ziemlich labil. Es ist interessant, bei diesen sich untereinander weiter fort- pflanzenden Kreuzungsprodukten von Ovis orientalis und Ovis aries zu beobachten, daß nach mehreren Generationen diese Hybriden sich in ihrem ganzen Äußern wieder der einen oder andern Stamm- form nähern, von der sie ausgingen. Sobald ich hinreichendes Gehörn- und Schädelmaterial habe, das vergleichende Messungen mit den beiden Stammformen ge- stattet, werde ich Näheres über die interessanten Hybridationen Herrn Acamarow’s mitteilen. Daß sich die Bezoarziege (Capra aegagrus GmeEL.) mit der Hausziege (Capra hircus L.) kreuzt und die Bastarde aus solchen Verbindungen in ungeschwächtem Maße weiter fortpflanzungsfähig sind, ist ebenso bekannt wie die Bastardierungen zwischen dem europäischen Alpensteinbock (Capra ibex L.) und der Hausziege,, von welch letzteren in der Literatur eine Reihe von Mitteilungen sich befinden °). &. Rapp berichtet über Bastarde zwischen dem Bezoar und der Hausziege und führt zwei Fälle an, die er auf seinen Reisen im Kaukasischen Hochgebirge beobachtete. Im Daghestan, an den Quellen des Awarischen Koissu, sah er solche Bastarde, die ihm durch ihre charakteristische bezoarartige Färbung und Zeichnung auffielen. Den zweiten Fall einer gleichen Bastardierung beob- achtete RaAppe im Swanetischen Hochgebirge bei dortigen Haus- ziegen und sagt darüber: „An diesen Ziegen Konnte man sehr ws 6) 7. B. GRAVENHORST, „Über Bastarderzeugung“ in „Voigts Magazin“ XI, 3 S. 4. 1806. — WATTEWYL, „Bibliotheka universa“ 1832, 49. Bd. S. 43. — BREHM, Bd. III S. 305. — GIRTANNER, „Der Alpensteinbock, in „Natur“ 1879; usw. DE Ze En re Fr 8. 457. Bastardierungen von Cavicorniern in Transkaukasien. 157 deutlich die Tatsache wahrnehmen, daß sie bei einer Lebensweise, welche derjenigen des Stammtieres der Hausziege, Capra aegagrus, nahezu gleichkommt, besonders dazu hinneigen, zur Stammart zurück- zuschlagen. Das läßt sich von der Gestalt sowohl, wie auch be- sonders von der Zeichnung und Färbung behaupten. Nie aber fehlt den Hörnern dieser Hausziegen die nach außen gerichtete Schweifung der Spitzenden“ ‘). In einer Schafherde auf den Negramer Bergen am Arax (Gouv. Eriwan), wo die Bezoarziege noch ziemlich häufig vor- kommt, sah ich im Spätherbst 1912 unter den die Herde begleitenden Hausziegen mehrere Exemplare, welche in erster, zweiter und teil- weise schon dritter Generation von einem Bezoarbock abstammten, der von dem tatarischen Besitzer der Herde aufgezogen worden war und mehrere Ziegen seiner Herde beschlagen hatte°). Die vom Bezoarbock stammenden Ziegen der Herde, sowohl männliche als weibliche Tiere, mehr als ein Dutzend an der Zahl, waren leicht von den gewöhnlichen Hausziegen zu unterscheiden, unter denen sie sich befanden, durch ihre höheren Beine und das ihren wilden Verwandten in Zeichnung und Farbe ähnliche Haarkleid. Am auffallendsten zeigte ein 5jähriger, in erster Generation von dem Bezoar stammender Bock den charakteristischen Bezoar- habitus in Färbung, Zeichnung und Gehörn. Die bis zu zwei Dritteln ihrer Gesamtlänge je in einer Ebene liegenden, nach den Spitzen zu etwas divergierenden Hörner zeigten die charakteristischen, knotenartig verdickten Höcker, und zwar vier auf jedem Horn. Die - Gesamtfärbung dieses Bockes war ein helles Gelbgrau. Von der Brustspitze über das Schulterblatt und zum Widerrist verlaufend war bei dem Bock das schwarze Haarband, das dem erwachsenen männlichen Bezoar eigen ist, sehr deutlich erkennbar. Weitaus die interessantesten Kreuzungen von Cavicorniern in Transkaukasien, die mir bekannt geworden, repräsentieren die Bastarde zwischen Turen und Bezoaren, welche in dem großfürst- lichen Jagdgebiet zu Borschom (Gouv. Tiflis) vorkommen. In dieses Jagdgebiet, in dem Capra aegagrus von jeher heimisch ist, wurden vom Jahre 1888 bis 1890 eine Anzahl Ture, sowohl von der Spezies Capra caucasica GüLnp. aus Swanetien als auch von Capra eylindricornis BLyrta. vom Kasbek, importiert und in einem ”) „Allgemeine Encyklopädie für Forst- und Jagdwissenschaften“ Bd. VIII 8) Schließlich hatte dieser Bezoarbock getötet werden müssen, da er bös- artig geworden war und besonders in der Brunftzeit ohne weiteres Menschen. attackierte. 158 E. W. PFIZENMAYER.. % mit Drahtgitter umgebenen, 3000 Desjatinen (1 Desj. = 109,25 Ar) großen bergigen, teils bewaldeten, teils von Felspartien durchzogenen Gelände ausgesetzt, in dem sich auch ein kleiner Bestand von Bezoaren befand. | In der Folge kreuzten sich nicht nur die in dieses ausgedehnte umzäunte Gehege übergeführten beiden Turarten untereinander, das beweist eine Reihe von Gehörnen dieser Mischrasse, welche sich teils in dem großfürstlichen Jagdschlosse in Borschom, teils in der: Sammlung des Kaukasischen Museums befinden, sondern es Kreuzten sich auch mit den Turen, resp. Turbastarden, die in diesem um- zäunten Gebiet miteingeschlossenen Bezoare. Den Beweis dieser letzteren Kreuzungen zwischen Tur und Bezoar liefern mehrere in der Jagdtrophäensammlung des alten Borschomer Schlosses befind- liche Gehörne sowie zwei Schädel, die das Kaukasische Museum im Herbst 1911 aus Borschom erhielt. Den einen dieser Bastard- böcke (Nr. 110—11 A) erlegte der Großfürst NIKOLAI MICHATLOWITSCH, den andern (Nr. 110—11B) einer seiner Jagdgäste. Ich nenne diese Borschomer Bastarde darum besonders inter- essant, weil sie meines Wissens die ersten einwandfrei nachgewiesenen Kreuzungsprodukte zwischen Tur. und Bezoar sind. Rapp sagt zwar in der vorerwähnten Encyklopädie für Forst- und Jagd- wissenschaften: „Es liegen neuerdings mir Beispiele von Kreuzungen * zwischen Capra ceylindricornis 8 und Capra aegagrus Q Vor“ ?). Aber er fügt keinerlei nähere “Angaben über diese seine Beob- achtungen bei. Beachtenswert sind diese Tur- bzw. Tur-Bezoar- Kreuzungen aber auch noch aus einem andern Grund, auf den ich am Schlusse dieser Arbeit hinweisen möchte. Wie schon erwähnt, ist Capra aegagrus einheimisch auf den Bergzügen in der weiteren Umgebung Borschoms, die, Aus- läufer der Adscharo-Imeretischen und Trialetischen Berge sind. Doch ging, wie mir der ‚großfürstliche Jagdleiter K. W. Rımm sagte, in den letzten 10 bis 15 Jahren der Bestand an Bezoaren zurück, besonders seit dem Jahre 1907, wo ein Teil des Draht- gitters beseitigt wurde, so daß die Bezoare die Möglichkeit haben, wegzuziehen. Hierzu haben sie offenbar weit mehr Neigung als die schwerfälligeren Ture bzw. die Bastardnachkommen. Ein starker, reinrassiger, zehnjähriger Bezoarbock mit an den Spitzen . sich kreuzenden Hörnern wurde noch 1897 vom Großfürsten NıKoraı MiıcHAsLowItscH erlegt. Der Schädel dieses Bockes be- findet sich in der Sammlung des Museums (Nr. 141n). 9) Seite 457. en Pr Bastardierungen von Cavicorniern in Transkaukasien. 159 Während der Brunftzeit, die ja bekanntlich bei diesen beiden Angehörigen der Cavicornierfamilie fast gleichzeitig statthat (je nach der Witterung‘ zwischen 15. November und 10. Dezember), wenden sich in Borschom, je nachdem bei der einen oder andern Art Mangel an Geißen der eigenen Spezies statthat, sowohl Bezoar- wie Turböcke den vorhandenen Geißen zu, auch wenn sie der andern Art angehören oder schon Kreuzungsprodukte sind, und das Resultat dieser fortgesetzten „Mesalliancen“ sind die Bastarde, von denen ich im folgenden einige typische Repräsentanten näher beschreiben will. Die sehr charakteristischen drei Borschomer Gehörne von sämtlich älteren Böcken an. Leider sind aber bei allen dreien von den Schädeln nur Teile der Stirn- und Hinterhauptknochen vorhanden, weshalb ich mich auf Angabe der Gehörnmaße be- schränken muß; diese befinden sich auf der Gehörnmaßtabelle am Schluß meiner Arbeit. ! Am meisten Bezoarcharakter von allen drei Gehörnen zeigt Nr. 1, etwa i2jährig, erlegt 1902. Jedes der beiden Hörner hat an der Basis nur 7,6 cm Querdurchmesser, während an derselben u ie 7 Bere) LS Klin a. Zu bil ar Laer CI 3 ii ev a a : u ı n ° , k ” ’ Stelle der Längsdurchmesser 9,8 cm beträgt. Wie die Abbildung (Nr. 1) dieses Gehörnes zeigt, ist die auf seiner. Oberseite von der Basis bis zur Spitze laufende scharfe Vorderkante weit aus- gebildeter als bei Nr. 2 (Abb. 2), etwa 10 jährig, erlegt 1902 von Großfürst GeoRGI MicHAILoWwITscH, und endlich bei Nr. 3 (Abbildung Nr. 3), etwa 12jährig, erlegt ebenfalls 1902 von Großfürst GEORGI MicHArLowitscHh. Aber auch diese letzteren beiden Gehörne, be- sonders Nr. 3, bekommen am meisten durch die, auch bei ihnen sofort in die Augen springenden, gegen die Spitzen hin immer deutlicher hervortretenden Vorderkanten ihr bezoarartiges Aussehen. Die Jahreshöcker, wie Bezoargehörne solche auf der Vorder- ‘ kante jedes Horns tragen, sind bei diesen Gehörnen, und zwar am meisten bei Nr. 3, gegen die Spitze zu, angedeutet, aber wenig ausgebildet. Doch ist ja auch bei Bezoargehörnen, deren Träger im Alter dieser drei Bastardböcke stehen, also zwischen 10- und ‚12jährig, häufig von den Jahreshöckern wenig mehr zu sehen, da - dieselben abgeschliffen sind. Bei dem Gehörn Nr. 1 erinnert seine Biegung an die Verwandtschaft seines Trägers mit Capra eylindri- cornis, für welche Turart diese Gehörnform, eine von der Basis bis zur Spitze sich verjüngende, langgezogene Spirale, charakteristisch _ ist. Bei Nr. 2 und 3 dagegen liegen die Hörner fast ganz, von - Basis bis Spitze, je in einer Ebene. Nur die Spitzen konver- Tur-Bezoar-Bastarden, die ich photographierte (Abb. 1—3), gehören 160 E. W. PFIZENMAYER. gieren in geringem Maße. Sie ähneln dadurch dem Gehörn der Turspezies caucasica. Wie auf den Abbildungen ersichtlich, ist bei allen drei Gehörnen das Stirnbein stark aufgetrieben, was be- kanntlich bei dem erwachsenen d von Capra aegagrus ebenfalls in hervorragendem Maße der Fall ist, während alle Turarten eine flache, ja etwas eingesenkte Stirne haben. Wenn ich bei den eben beschriebenen drei Gehörnen, da die Schädel bei ihnen fehlen, mich auf Angabe der Gehörnmaße be- .schränken muß und wenn auch die Form dieser drei Gehörne ohne weiteres meine Angabe rechtfertigt, daß es sich bei ihnen um Bastarde zwischen Bezoaren und Turen handelt, so kann ich die- selbe Angabe bei den im weiteren zu beschreibenden beiden Borschomer Bastarden, bei denen mir außer den Gehörnen auch die ganzen Schädel zur Verfügung stehen, durch vergleichende Schädelmaße noch überzeugender beweisen. Ebenso wie bei den obigen drei @ehörnen Nr. 1 mehr Bezoar- charakter hat als Nr. 2 und 3, die turartiger sind, so unterscheiden sich in derselben. Weise sowohl Gehörne als auch Schädel von Nr. 110—11A und Ii10—11 B voneinander. Nr. 110—11 A (Abb. 6) hat ausgesprochenen Bezoartypus, was sowohl im Gehörn als fast mehr noch im Schädel zum Ausdruck kommt. Die sehr flachen Hörner mit einem Querdurchmesser von 6 cm und Längsdurchmesser von 8,4 cm an der Basis zeigen bei diesem sieben Jahre alten Bock auf der von der Basis ausgehenden und gegen die Spitzen zu immer schärfer werdenden Vorderkante wulstige Jahreshöcker. Die sichelförmig gebogenen Hörner liegen bis zu fast */, ihrer Länge in einer Ebene, und nur die Spitzen konvergieren etwas. Durch .alle diese, eben aufgezählten Merkmale wird dies Gehörn in so hohem Maße bezoarartig, daß man auf den „ersten Blick in ihm ein Gehörn von Capra aegagrus vor Sich zu haben glaubt. € Der Schädel dieses Exemplars steht in Form, Ausmaßen un | Größe dem von mir zu seinem Vergleich herangezogenen Schädel eines 7 jährigen Bezoarbockes Nr. 11—14 (Abb. Nr. 7) weit näher als den zum selben Zweck gemessenen Schädeln eines 6 jährigen Bocks der Spezies Capra ceylindricornis Nr. 69—12 (Abb. Nr. 8) und eines 8jährigen Bocks der Spezies Capra caucasica Nr. LA (Abb. Nr. 4). Trotzdem der Schädel von Capra ceylindricornis einem um ein Jahr jüngeren Exemplar angehört, übertrifft er an Basallänge den Bastardschädel um volle 2, an Totallänge sogar um fast volle 4 cm, und ebenso ist der, von einem nur um ein Jahr älteren Tier stammende Schädel von Capra caucasica um 2,4 cm 3 Bastardierungen von Cavicorniern in Transkaukasien. 161 in der Basislinie und um 4,3 cm in der Totallinie länger als der Schädel des Bastardbocks. . Gehörn und Schädel des zweiten Bastardbocks Nr. 110—11B (Abb. Nr. 5) zeigt sowohl in der Gehörnform als in den Schädel- maßen wesentlich mehr Turtypus als der eben beschriebene Bastard- bock 110—11A, und zwar erinnert er in der Gehörnform stark an Capra caucasica, welche Turspezies ja, wie vorstehend von mir erwähnt ‘wurde, in den Borschomer Tierpark ebenfalls importiert wurde. - Als besonders beachtenswert, weil sie den hybriden Charakter dieser beiden Bastardböcke illustrieren, weise ich auf die nach- stehende Schädelmaßtabelle hin und bitte, die Schädelmaße von Nr. 110—11 A und B mit den entsprechenden Maßen der beiden 'Tur- und des Bezoarschädels zu vergleichen. Bezüglich der Gehörnmaße der eben beschriebenen beiden Bastardböcke verweise ich wieder auf die vorerwähnte Gelörn- maßtabelle. Die hybride Form der beiden Gehörne wirkt besonders in die Augen fallend, wenn man sie vergleicht mit dem normalen Gehörn des Bezoarschädels Nr. 11—14 sowie den Gehörnen der Turschädel Nr. 69—12, bzw. 1A. Die Köpfe der Bastarde 110—11 A sowie auch 110—11B wurden ausgestopft und besitzen ihre echten Hornscheiden, während die dem Museum überlassenen Schädel dieser beiden Bastarde die genauen, aus Papiermach& gefertigten Abgüsse der Hornscheiden tragen. | In seiner Form kommt der Kopf des ersteren Bastards, wie das Kopfskelett dies»bedingt, dem eines Bezoarbockes weit näher als dem eines Tur, während der weit plumpere Kopf des zweiten Bastards turähnlicher ist. In ihrer Färbung zeigt die Behaarung beider Köpfe ziemliche Ubereinstimmung. Sie ist um die Augen, an den Ohren und auf ‘den Wangen hell-graugelb; am Kinn, auf der Nase, an der Kehle und der Unterseite des Halses dunkelbraun; die Nackenpartie zeigt dieselbe Färbung in dunklerer Nuancierung. Auffallend lang ist bei 110—11 A der Bart. Seine längsten Haare messen 131, cm, während die längsten zum Vergleich ge- messenen Barthaare eines reinrassigen, 12jährigen, also 5 Jahre ‚älteren Turbockes der Spezies cylindricornis nur 8'/, cm messen. In der Farbe ähnelt der Bart dem eines Bezoars, denn er zeigt ein tiefes Schwarzbraun, während der des Turs ein helles Grau- braun hat, das sich nicht unterscheidet von dem gleichfarbigen 162 E. W. PFIZENMAYER. Kolorit der Wangen. In der Form aber ist der Bart dieses Bastards, wenn auch länger, so doch dem eines Turs ähnlicher als dem eines Bezoars, denn er umrahmt die Kinnbacken rundum, während der Bezoarbock nur den bekannten, mehr auf die Unter- kieferspitze konzentrierten Bocksbart trägt. Der Bastardbock 110—11B ist in der Färbung, wie schon gesagt, dem vorher- gehenden durchaus ähnlich, sein Bart aber ist nur durch die dunklere Färbung ‘von dem eines gewöhnlichen Turs verschieden; die Länge der Haare entspricht der normalen eines Turs. Es kommt also die Blutmischung bei jedem dieser beiden Bastarde wie in der Form der Gehörne und in den Schädelmaßen so auch im ganzen übrigen Habitus zum Ausdruck und vervoll- ständigt somit das Bild ihres hybriden Äußern. Kurz vor Abschluß meiner Arbeit machte ich zufällig auf einem Gang über den Bazar in Tiflis bei einem grusinischen Geweihhändler eine für mich wichtige Entdeckung. Unter einer Anzahl von Gehörnen von Capra eylındricornis und aegagrus, die dieser Händler einige Tage zuvor von einem seiner ständigen Lieferanten aus dem Dorfe Orozchali an der chewsurischen Aragwa (südöstlich vom Kasbek) erhalten hatte, fiel mir ein abnorm aus- sehendes Gehörn auf. Bei näherem Betrachten war mir bald klar, daß ich in diesem Gehörn, dessen in seinen Basalteilen leider un- vollständiger Schädel noch mit frischer, behaarter Kopfhaut bedeckt war, wieder ein Kreuzungsproüukt von Bezoar und Tur vor mir hatte. Der Aufkäufer dieser Gehörne hatte angegeben, daß deren Träger im letzten Herbst und Winter in den Bergen an der Grenze des Tionetischen Kreises des Tifliser Gouvernements von Jägern aus Orozchali erlegt worden seien. Auf jenen Südabhängen des kaukasischen Hauptgebirges kommt sowohl, wenn auch nicht mehr zahlreich, der Tur, und zwar Capra eylindricornis, noch vor, als auch steht in diesem selben Gebiet der Bezoar. Dieser 9 Jahre alte Bastardbock zeigt sowohl in Gehörn wie Schädel die charakteristische Mischung seıner Abstammung. Er ist halb Bezoar, halb Tur. Das Gehörn ist allerdings weit mehr bezoarartig in der Form, verrät jedoch in seiner, schon vor der Mitte beginnenden, wenn auch nur leicht angedeuteten spiralen Biegung die Blutmischung seines einstigen Trägers mit Capra cylindricornis. Außerdem ist es durch seine, im Verhältnis zum Alter des Bockes auffallende Kürze und Plumpheit von einem normalen Gehörn eines Yjährigen Bezoars auch bei oberflächlichem Vergleich sofort zu unterscheiden. Zwei von mir gemessene, je Yjährige Bezoargehörne des Kaukasischen Museums, das eine vom a ne a he til Eee u Bastardierungen von Cavicorniern in Transkaukasien. 163 Arax, das andere vöm Murowdagh stammend, haben 94 bzw. 94,7 cm Frontalkurvenlänge, die ja auch bei dem nur 7 jährigen Bezoarbock Nr. 11—14 schon 83,4 cm beträgt. Bei dem Bastardbock Nr. 89—14 beträgt die Frontalkurvenlänge nur 82 em. Die Maßangaben auf der Gehörnmaßtabelle sowie die Abbildungen (Nr. 9 u. 10) illustrieren im übrigen am besten das über die hybriden Eigenschaften dieses Gehörns von mir Angegebene. Die infolge der Unvollständigkeit des Schädels unzureichenden Schädelmaße geben zwar wenig Daten für seine Hybridität, doch ist z. B. aus der Kürze der Entfernung zwischen Gnathion und Nasion, die bei diesem jährigen Bastardbock nur 14,6 cm beträgt, während dasselbe Maß bei dem 6jährigen reinen Capra cylındri- cornıs 8 (69—12) 17,3 cm beträgt, seine Zwitterstellung schon deutlich ersichtlich. Dasselbe Resultat ergibt sich bei einem Vergleich der Maße der Gesichtslänge, des Durchmessers am hinteren Orbitalrand sowie der Länge der Nasalia an der Medialnaht bei dem Bastardbock und dem Tur- bzw. Bezoarschädel. Die stark aufgetriebenen, dadurch ganz bezoarartig wirkenden Stirnbeine kontrastieren auffallend gegen den verhältnismäßig großen Schädeldurchmesser an den Orbitalrändern, der dem eines erwachsenen Turs nahekommt. Wie oben gesagt, war auf diesem Schädel noch die frische Haut mit Winterbehaarung vorhanden. In ihrer Färbung unter- scheidet sich diese Behaarung in nichts von derjenigen eines ge- wöhnlichen 'Furs der Spezies cylindricornis. Sie zeigt ein fast überall gleichfarbiges Hellbraun, das an manchen Stellen, wie auf der Nase, auf den Wangen und unter dem Kinn in Dunkelbraun übergeht. Ein erwachsener Bezoarbock dagegen hat bekanntlich im Winterkleid eine tiefschwarze Kopfbehaarung, die über dem Nasenrücken und seitwärts gegen die Mundwinkel herab in Schwarzbraun übergeht. Der Bart fehlte dieser Kopfhaut. Da dieser Bastardbock ein Kreuzungsprodukt zwischen Bezoar ‚und Tur darstellt, das durch keinerlei Zutun des Menschen ent- standen ist, so ist es gerade darum besonders beachtenswert und beweist das, wie ich glaube sagen zu können, nicht allzu seltene Vorkommen solcher Bastarde auch in freier Wildbahn. Wenn es mir im vorstehenden gelungen ist, zu beweisen, daß nicht nur verwandtschaftlich so nahestehende Vertreter der Cavi- cornierfamilie wie Ovis orientalis und Ovis aries sowie Capra aegagrus und Capra hircus sich kreuzen, sondern daß auch solche Angehörige dieser Familie, die sich systematisch weit weniger 164 F. W. PFIZENMAYER. nahestehen, wie Capra aegagrus und Capra caucasica bzw. eylindricornis, durch Kreuzung fortpflanzungsfähige Nachkommen erzielen, so liegt der Gedanke nahe, daß die kaukasischen T’urarten unter sich an den Grenzen ihrer Verbreitungsgebiete ebenfalls Kreuzungen eingehen und in jenen Gegenden also Bastarde zweier verschiedener Spezies vorkommen können. Diesbezügliche Angaben macht bekanntlich Rappe bei Be- schreibung von Capra caucasica und eylındricornis und gibt zur Begründung seiner Mitteilung auch einige Photographien solcher angeblicher Bastardgehörne '°). Rappe brachte diese Gehörne aus Swanetien, aus an den Ingurquellen gelegenen Ortschaften, wo sie nach swanischer Sitte in Kapellen aufbewahrt gewesen waren. Diese Ortschaften liegen nach seinen Angaben in geringer Ent- fernung etwas östlich vom Meridian des Dychtau (60° 52’ 54 * v. F.), also unmittelbar auf der Grenzscheide beider Turarten (eylindricornis und caucasica). Im Prinzip stimme ich der Ansieht RAınppr’s, daß unter den einzelnen Turarten unter günstigen Vorbedingungen in freier Wild- bahn Bastardierungen vorkommen, auf Grund meiner Feststellungen von verschiedenerlei Bastardierungen zwischen Cavicornierarten vollständig bei. Aber es ist jedenfalls notwendig, zur sicheren Konstatierung solcher hybrider Ture zuverlässigeres und voll- ständigeres Material zu beschaffen, als es dasjenige ist, auf das sich Rapnpe bei seinen Angaben über Turbastarde stützt. Kurzerhand Mitteilungen wie diejenigen -Rappe’s über Tur- bastarde als unbegründet, ja unmöglich von der Hand zu weisen, wie von verschiedenen Seiten geschehen, ist sicherlich ebensowenig ratsam, wie andererseits die Kreierung neuer Spezies dieses Be- wohners des Kaukasischen Hochgebirges auf Grund nicht ein- wandfreier Fundortdaten und unzureichenden Fell- und Schädel- materials. Es ist wünschenswert, ja notwendig, daß ein tüchtiger Spezialist unter Benutzung eines in allen Teilen des Kaukasus, in denen Ture vorkommen, einwandfrei gesammelten Fell- und Schädelmaterials die kaukasischen Turarten eingehend untersucht und neu beschreibt. [ch bin der Ansicht, daß naclı Beendigung dieser Arbeit die eine oder andere jetzt in der zoologischen Systematik als besondere Spezies figurierende Turart dann einfach als Lokalrasse oder Über- sangsform festgestellt werden wird. { 10) RADDE, „Museum Caucasicum“ Bd, I S. 110 und Taf. XIII. rn ı- © £..4 uleländienn die ui 3 { f a 7 7 = 2 R: R in Bastardierungen von Cavicorniern in Transkaukasien. 165 ae =. .E8S SSH. a 2 ,[® s #lsalsjezj82l Se |8 SlS ISIS IS I ISIS IS“ & SE [IS SeISseleg2[Se|s SIIS SAP SID .„[S/[ SE Schädelmaßtabelle salSl8 ;]8|8,.18|.85[:S83| IS“ s.szls| 2] |S° IS; = SH % ” Ö SHIT SZ Sz Se ZIS ie = [8 | ° 18 [8 Se I FR: S, Q Br 75 1. Totallänge: vom Gnathion (dem vor- u deren Intermaxillarende) bis zum ent- ferntesten Punkte des Supraoceipitale . 125,8] 25,5 | 27,4 | — 12)]29,3 29,8 2. Basallänge: vom Gnathion zum Basion (dem mittelsten Punkte des Vorderrandes des Foramen magnum) . 23,3] 23,4 | 23,8 — 125,4] 25,8 3. Vom Gnathion bis zum Nasion (Treff- punkt der Sutura nasalis, frontalis und naso-frontalis) . - . » ... . .[13,9| 15,1 | 15,1 | 14,6 [17,8] 17,9 4. Die Entfernung vom Gnathion bis zum | Treffpunkt des Orbitarandes mit der Su- tura naso-frontalis (Gesichtslänge) . . . [15,1| 15,6 | 17,5 | 16 18,9] 19,1 5. Von der Hinterfläche des Condylus occipitalis bis zum Treffpunkt des Orbita- randes mit der Sutura naso-frontalis (Hinterkopflänge) . . . 15,1} 15,1 | 15 — [15,8] 16 6. Vom Nasion bis zur Hinterfläche des Condylus oceipitalis . . . 15,2] 15,7 | 16,1 — 114,7] 14,9 7. Vom Hinterende der Sutura palatina (an der Fossä REIN, bis zum Basion . . 10,3] 9,8 9,3 — 10,91 1141 8. Vom ieh bis zur ‘vorderen Mlves: larkante des pm! . ..'... 6,5] 7 7,5 — 7,4| 7,6 9. Vom Basion bis zur hinteren Airäbles: kante des mt ,, .[10,1] 9,7 9,8 — [10,5] 10,8 10. Vom Gnathion ir zum. "nächsten Punkte der Bulla tympani . .. 20 | 20,6 — — 122,4] 22,7 1l. Vom Gnathion bis zum oberen Bande des Foramen infraorbitale. . . . .1- 8,3] 8,3 y,2 8,1 | 9,3] 9,6 12. Vom oberen Rande des Foramen ee orbitale bis zum Treffpunkt des Orbita- randes mit der Sutura naso-frontalis . . | 8,5] 7.8 8,8 82 | 9,7] 9,8 13. Vom Foramen palatinum posterius bis R zum Foramen lacerum posterius . . . .j10,4] 10,2 | 10 ga: 08 14. Länge der Backenzahnreihe . .. .| 7,1] 72 7,7 7.8 11) „Je nachdem jeder der beschriebenen Bastarde (Nr). 1,2, 8.110011 A und B und endlich 80—114) mehr oder weniger die as Ber Spezies C. aegagrus, cylindricornis oder caucasica im Gehörn bzw. den Sehädelmaßen aufweist, habe ich ihn benannt und die Artnamen vor- und nachgesetzit. 12) Thlskes von Schußverletzungen können diese Maße an den Schädeln Nr. 110—11 B sowie Nr. 89—14 nicht gemessen werden. 12 » 1.2 RUE 22 S & - 2 sz |e SS ı8=l82|S#|S [8 = SE Fr E8;58-: 8,7972 — [11 111,4 20. Durchmesser des Schädels schön Nasion und dem Hinterrande der Sutura palatina (an der Fossa mesopterygoidea) | 7,4| 7,7 8,1 21. Durchmesser des Schädels zwischen | - dem Basion und dem entferntesten Punkte der Frontalia (an der Sutura sagittalis, zwischen den Hörnern gemessen) . . . 115,5] 14,9 | 15,3 22. Geringster Durchmesser der Einschnü- rung am Collum des Condylus occipitalis | 2,5] 2,5 2,6 23. Breite des Pallatum durum am Rande der Alveolen von m!": (vorne gemessen) | 4,2] 4,2 4,6 24. Breite des Pallatum durum am Rande der Alveolen von pm"! (vorne gemessen) | 2,6] 3 3,5 25. Breite der Pars facialis am Treffpunkt der Sutura maxillo-jugularis mit der Maxillojugularcerista .. . 81| 7,2 7,9 26. Breite der Nasalia gegenüber. den oberen Enden der Intermaxzillaria . . .| 2,5] 2,8 3 27. Breite der Nasalia (gemessen am Treff- punkt des Nasale und Frontale (gegen- über dem Lacrimale) . 3,41 3.1 3,7 4,1 | 4,3] 44 28. Entfernung des Gnsshie vom Hanshos 5 des Processus pterygoideus . . . . 115,8] 15,6 — — [171[17,8 29. Entfernung vom Gnathion bis. zum Be Ventralrand der Fossa ectopterygoidea . |13,3| 13,4 30. Länge der Bulla tympani. . .. . .1 421 3.8 31. . Größte Condylarbreite » . . . : 4 8.617.763 32. Höhe des Oceiput vom Basion bis zum . Mittelpunkt. der Linea nuchae superior . | 6,1| 5,3 83 Breite des Schädels zwischen den Mastoides.. 4.1...) Sale Saas 9,41 9,4 a4. Längendarchmesser. der Orbita 7.1 441345 35. Breite des Schädels an den Enden des Processus zygomaticus jugularis . . [10,8] 10,4 FAnNY MOSER: Nordische Siphonophoren. 167 S .R ] .R \ K7 2 | .e.j2|. [El | [18 fe 1 S IS Ss ıS IS ss [sis |s/s |e [s1s-]jS 8218 S=|5 |$ SIorlSsiselSsis- IS 12.5 [ISIS TIS|S I|S 1% D.3 IS S.ISIS.IDO- JS SIIS|I| DI IS Ss| Fa] S ISIS STEIN SEIST IS SSIS/SeIS SS T | S< 5 SEI RR a ES Be el I Gehörnmaßtabelle |< RS SI18 |SIS |S=[S|1S5[IS|S, as IH MI s [&| f& sl 8” =] |2 |S=]| „2 S S S Ss” S S| 3 sr S En >| > | N SI8l 1815 I 18 Isl: I 8 18 18 OÖ Sı S IS S 3 = o Se 5: S S En S S- S S S er Sr a Frontalkurvenlänge . | 82,5 | 73 79 183,4] 61,4 | 63 82 |61 164 Direkte Länge vom Hinterrande d. Horn- basis bis zur Horn- BBIEZE.. 4. => 43 37 42,6 141,5] 32,4 | 36 53 30 136 Abstand zwißchen den Spitzen... . 32,5 | 50,5 | 50.5 126,7] 40,5 | 45,5 | 44,5 |44 |60 Umfang an der Basis | 26 25,5 | 27,5 |20,51 21,8 | 25 25,5 |28.8] 23 Querdurchmesser an | der Basis (in d. Mitte) | 7,6 8,2 82 | 5,11 6 7,1 7,2 | 9,6] 7,5 euer; an der Basis . . 9,8 8 10 8,71 8,4 8,7 9,6 | 8,81 7,3 Größter Abstand zwi- schen d. Hörnern (von Innenseite zu Innen- ’ seite gemessen) - . | 50,5 | 58,3 | 562 ]30,7| 47 47,5 | 46,4 [51 ]|52,2 Nordische Siphonophoren. 3 Von FanwyY Moser. Die vorliegende kleine Kollektion erhielt ich von Professor MorRTENsEn aus dem Kopenhagener Museum. Sie stammt von den fünf Expeditionen: MıcHarL Sars, THOR, TJALFE, InGoLr und der Ostgrönländischen Expedition von 1900 und ist daher wertvoll zur Vervollständigung unserer noch immer sehr geringen Kenntnisse der Siphonophoren des hohen Nordens und zur Nachprüfung meiner ‘ früheren (Gauss) Angaben über deren Beziehungen zur Fauna der warmen und gemäßigten Zonen. Das damals gewonnene Bild der horizontalen und vertikalen Verbreitung der Siphonophoren und ihrer verschiedenen Arten ist dadurch in keiner Weise geändert worden, sondern hat im Gegenteil nur eine kleine Ergänzung in der von mir vorausgesagten Richtung erfahren, und zwar durch die spezielle Zusammensetzung des Materiales in Verbindung mit - seiner auffallenden Dürftigkeit: es enthält nur elf Arten, darunter nicht eine einzige neue. So erscheint es nunmehr kaum noch 12* 168 FANNY MosER. zweifelhaft, daß die Arktis und Subarktis eine eigene Siphonophoren- fauna nicht besitzen, im Gegensatz zu den Angaben namentlich von CHun, Römer und BıszLow. Das arktische Gebiet unterscheidet sich somit ausgesprochen von dem antarktischen, das gegen alles Erwarten, nach den Ergebnissen des GAuss, eine erstaunlich reiche und mannigfaltige Siphonophorenfauna mit vielen hochorganisierten Arten aufweist. Hier wie dort fehlen dabei die primitiveren Arten anscheinend gänzlich, so vor allem die Monophyiden, ferner auch die meisten Galeolarien. Das Entwicklungszentrum der Siphono- phoren kann daher wohl nur in den warmen Zonen gelegen haben. Jedenfalls sind von den bisher als arktisch bezeichneten vier Arten: Galeolaria biloba (Sars), Dimophyes (Diphyes) arctica (CHun), Cupulita (Nanomia) cara (Acassız) und Diphyes sveboldi KÖLLIKER, die beiden ersteren, die nach einstimmiger Angabe besonders emp- findlich gegen Temperaturerniedrigung seien und daher in den warmen Stromgebieten gänzlich fehlen sollten, Kosmopoliten im weitesten Sinne des Wortes. Sie sind also absolut unempfindlich geren Temperatur und leben unterschiedslos im kalten Wasser der Arktis und im warmen Öberflächenwasser der Tropen, denn @. biloba, deren früher von mir festgestellte Identität mit @. australis LesvEeur auch die jetzige Untersuchung unbedingt bestätigt — sie ist fünfmal in größerer Anzahl in diesem Material vertreten —, wurde vom Gauss ohne Unterbrechung bis hinunter zum 36.° s. Br. gefunden, und Dim. arctica, von der ebenfalls viele Oberglocken von sechs Stationen vorliegen, sogar noch in der Antarktis. Um- gekehrt kommt D. sieboldi im hohen Norden offenbar überhaupt nicht vor; bei dem von Römer (1901) angeführten nordischen Fund KÜKENTHAL und WALTER’s, dem einzigen bisher aus diesen Gegenden, konnte es sich gar nicht um diese Art handeln nach den betreffen- den Angaben. Niemals hat D. sieboldi „zahnartige Vorsprünge an dem unteren Schirmrand“ wie die beiden von Chun und RÖMER merkwürdigerweise als solche bestimmten, problematischen Glocken; zudem ist die von ihnen hervorgehobene „außerordentliche Größe“ und die „spitze Form“ durchaus nicht charakteristisch für diese Art, sondern kommt auch anderen, im Norden heimischen Arten zu, so namentlich der ähnlichen @. truncata (Sars). Und zu letzterer werden wohl die Eudoxien gehören, die Cuun unvermittelt im ° Grenzgebiet des Golfstromes und der Irminger See während der ” Plankton-Expedition unter dem 60.” n. Br. in einem Schließnetzfang aus 800—1000 m fand und ohne weiteres D, sieboldi zuschrieb. Jedenfalls ist @. truncata in diesen Breiten sehr gemein, nach allen Untersuchungen, auch den vorliegenden — sie wurde an fünf j NEE te ee 4 Nordische Siphonophoren. 169 Stationen zahlreich gefangen —, und besitzt ferner Eudoxien, eine Tatsache, die Caun bestritten hat und daher bei Bestimmung seiner Eudoxien nicht in Betracht zog. Ihre Ablösung von der Kolonie hat Sars selbst seinerzeit genau beobachtet und beschrieben, und ich habe beide in großer Anzahl in Villefranche und Neapel ge- funden und ihre Zusammengehörigkeit dabei nachweisen Können. Im Einklang hiermit war D. sieboldi ähnlich wie Ap. pentagona nur mit einer einzigen Glocke in dem vorliegenden Material ver- treten, die obendrein in der Nähe Südfrankreichs (Tor) gefangen wurde; sonst fehlte sie vollkommen. Um so zahlreicher war die vierte, sogenannte arktische Art, Cup. cara (neun Stationen), die bisher am weitesten nördlich, noch unter dem 82.° n. Br. im Robeson-Kanal am Ausgang des Smith- Sund nachgewiesen worden ist (Moss); leider handelte es sich um schlecht erhaltene Trümmer, so daß meine Hoffnung unerfüllt blieb, die interessante Frage definitiv zu lösen, ob sie identisch ist mit der auch im Mittelmeer heimischen Stephanomia byuga (DELLE ÜHIAJE) der warmen und gemäßigten Zonen, die ihrerseits identisch ist mit Anthemodes canarıensis HaEcKEL, Halıstemma pretum METSCHNIKOFF und Halistemma tergestinum Cuavs. Der direkte Beweis hierfür bleibt somit einer späteren Zeit vorbehalten auf Grund von Vergleichsmaterial entsprechender Herkunft. An dieser Identität ist jedoch kaum zu zweifeln, sowohl nach den verschiedenen Beschreibungen wie auch nach der Verbreitung der, häufig mit ihr vorkommenden „arktischen“ Arten, und nachdem sie nunmehr ge- meinsam mit Physophora hydrostatica ForskAun und Forskalia leuckarti Bevor gefunden wurde, die beide im Mittelmeer ebenfalls heimisch sind. So gehört auch sie zu den kosmopolitischen, gegen Temperatur ganz unempfindlichen Arten. Interessant ist, wie gleich hier bemerkt sei, das Vorhandensein speziell von £. leuckarti in diesem nordischen Material auch von dem Gesichtspunkt aus, daß sie noch niemals, außer jetzt von mir in japanischem Material (Dorzeıs), einwandfrei außerhalb des Mittelmeers und die Gattung überhaupt noch nicht so weit nördlich festgestellt wurde; der betreffende, allerdings einzige Fund lag unter dem 59,25.’ n. Br. Wichtig ist ferner, dab. Hippopodius luteus Q. et G. dreimal unter dem 61.’ und 62.° n. Br. und jedesmal ‘ zahlreich zur Beute kam, während bisher nur ein einziger nordischer a » a ode ’ Fund bekannt war, nämlich von der Plankton-Expedition, aber auch nur vom 47.° n. Br. in der Nähe der englischen Küste. Meine früheren Angaben, daß diese Art sehr unempfindlich ist, finden dadurch ihre Bestätigung, und scheint es nunmehr unzweifelhaft, 170 | FANNY Moser. daß auch sie ein Kosmopolit im weitesten Sinne des Wortes ist, also nicht nur an der warmen Oberfläche der tropischen und ge- mäßigten Zonen und in der kalten Tiefe lebt, sondern ihre hori- zontale Verbreitung nach Nord und Süd unbegrenzt weit ausdehnt. Allerdings gehen beide Erscheinungen durchaus nicht immer Hand in Hand, wie gerade D. sieboldi beweist, denn letztere kommt, trotz der verhältnismäßig engen Begrenzung ihres horizontalen Ausbreitungsgebietes, im Mittelmeer wie im mittleren Atlantischen Ozean vielfach in größeren Tiefen vor, nach den Untersuchungen Crun’s, die auch durch neuere Untersuchungen bestätigt scheinen. Worauf diese Verschiedenheit beruht, ist vorläufig rätselhaft. Die 20 Arten, die Römer seinerzeit im nördlichen Gebiet festgestellt hatte auf Grund des, um Spitzbergen und bei den Bäreninseln von ihm wie von anderer Seite gesammelten Materiales und auf Grund der Literatur, teilte er in 3 Gruppen ein, da die 16 Formen, die nach Ausscheidung der arktischen Arten verblieben, in zwei Gruppen zerfallen sollten. Die eine davon sollte nach ihm nur in mittleren Breiten vorkommen, also im kalten Norden und im warmen Süden fehlen, die andere die echten Warmwasserformen enthalten. Zu der ersteren gehören: Muggiaea atlantica CUNNINGHAM, Galeolaria truncata (Sars), Circalia stephanomia HAEcKEL, Agal- mopsis elegans Sars, Physophora borealis Sars und Stephalia corona Harcker. Tatsächlich ist aber @. truncata ein Kosmopolit wie G.. biloba-australis und Dim, arctica, denn sie wurde vom Gauss ebenfalls so ziemlich auf der ganzen Fahrt, sogar noch in der Gaussbai gefunden, ferner von mir im Mittelmeer nachgewiesen, wo sie, wie erstere, nicht weniger gemein ist als im mittleren Atlantischen Ozean und im Norden. Hier tritt sie zudem ebensoweit nördlich auf, denn sie ist jetzt auch unter dem 62. 37° n. Br. gefangen worden, während die früheren Funde nicht über den 61.° 30° n. Br. hinausgingen. Ganz ähnlich verhält sich Ph. borealis. Sie ist, nach nee Untersuchungen in Villefranche und Neapel und Vergleich mit dem vorliegenden, umfangreichen, wenn auch nicht sonderlich gut er- haltenen Material von 13 Stationen bestimmt identisch mit der Ph. hydrostatica der warmen und gemäßigten Zonen. A priori war ” das nach den zahlreichen Beschreibungen wahrscheinlich und wurde 7 z. B. von Craus, Linko, Cuun und neuerdings von BIGELow an- genommen. Dementsprechend ist sie jetzt nicht nur zusammen 7 mit Forskalia leuckarti, sondern auch mit Hippopodius luteus einer- seits, mit Dim. REES G. trumcata, G. australis andererseits, ge- funden worden, und zwar bis hinauf zum 62. 36° n. Br. Auch - Nordische Siphonophoren. | 171 diese Gemeinsamkeit der Fundstellen läßt einen gewissen Rückschluß auf die Identität zu. Sehr wahrscheinlich ist ferner Agalmopsis elegans Sazs identisch mit der im Mittelmeer und im mittleren Atlantischen Ozean gemeinen Agalmopsis sarsı KÖLLIKER, die BıerLow im östlichen tropisch- pazifischen Ozean feststellen konnte. Ich selbst allerdings habe keine Gelegenheit gehabt, Untersuchungen hierüber vorzunehmen, da entsprechendes Material aus dem Norden nicht zu beschaffen war; auch hier fehlte es. An der Richtigkeit dieser Identifikation Bieerow’s ist jedoch kaum noch zu zweifeln nach dem, was wir nunmehr über die weite Verbreitung der meisten Siphonophoren wissen. Ähnlich verhält sich Muggiaea atlantica, da sie bereits bis zum 10.° s. Br. nachgewiesen wurde. Beide Arten sind also Warmwasserformen, allerdings mit weit ausgedehntem Verbreitungs- gebiet, das jedoch nicht weiter reicht wie bei vielen anderen Arten. Und was die beiden Harcrer’schen Arten anbelangt, die wahr- scheinlich sogar identisch sind, d. h. die eine ist die Jugendform der anderen, so sind sie äußerst selten, so daß ihre wenigen Fund- stellen keinen Bilckschind auf ihr eigentliches Verbreitungsgebiet zulassen. Nicht viel besser verhält es sich mit der anderen Gruppe Römer’s, den echten Warmwasserformen, die, entsprechend ihrer größeren oder geringeren Hmpfindlichkeit gegen Temperatur- erniedrigung, nur gelegentlich, und zwar im Sommer, in die ge- mäßigten Stromgebiete und nach Norden verschleppt werden sollen. Hierher zählen nach ihm Hippopodius luteus Q. et G., Apolemia uvarıa LESUEUR, Agalma elegans Frwres, Nectalia loligo HAECKEL, Physalia und Velella. Aber Ag. elegans ist, nach den sicher richtigen Angaben Bıszrow’s, identisch mit Agalmopsis elegans (Sazs), und ZH. luteus scheint, nach obigem, im Norden mehr als gelegentlich aufzutreten. So bleiben nur 4 Arten übrig, die als echte Warmwasserformen zu bezeichnen sind. Die Dreiteilung Rönmer’s läßt sich also keinesfalls aufrechthalten. Aber auch die Einteilung Bıertow’s entbehrt einer Grundlage. Er unterscheidet: J 1. nordische Arten mit einem Temperaturmaximum von etwa 45°; 2. Warmwasserarten mit eihem Minimum von etwa 50°, die, entsprechend ihrer geringen Empfindlichkeit, auch das Mittel- ' meer bevölkern; 3. tropische Arten mit einem Minimum von etwa 6°, deren Verbreitungsgebiet nach Nord und Süd wenig ausgedehnt ist und die im Mittelmeer fehlen; 172 FAnNnY MosER. 4. Arten mit weitem Verbreitungsgebiet, die jedoch nicht direkt eurytherm sind, da sie in der Arktis nicht vorkommen. Nach meinen eigenen Untersuchungen hat sich dagegen gezeigt, daß alle diese Gruppen auf 3 reduziert werden müssen: l. Warmwasserarten; 2. absolut kosmoplitische Arten, die gegen Temperatur ganz unempfindlich sind, wie z. B. Dim. arctica; 3. Kaltwasserarten, die in den warmen Regionen in der Tiefe leben, um in den kühleren Regionen allmählich an die Ober- fläche emporzusteigen, die sie im Norden hauptsächlich be- völkern. Man kann sie also als kosmopolitische Kaltwasser- arten bezeichnen. Hierher ist z. B. X. serratus Moser zu rechnen. Diese letzte Gruppe war in dem vorliegenden Material nicht vertreten. Y Was die Warmwasserformen anbelangt, zu denen auch alle von VANHÖFFEN in seiner Zusammenstellung des nordischen Plankton aufgezählten Siphonophoren gehören, so dehnen sie ihr Verbreitungs- gebiet allerdings je nach der Jahreszeit und ihrer größeren oder geringeren Empfindlichkeit gegen Temperaturunterschiede mehr oder weniger weit in die kühlen und kalten Regionen aus, wobei sich zahlreiche Abstufungen erkennen lassen, wie am besten aus der Verbreitungstabelle meiner Gauss-Monographie zu ersehen. Jedoch zur Unterscheidung von Gruppen genügen diese Unter- schiede nicht und beruhen teilweise jedenfalls nur auf der Lücken- haftigkeit unserer diesbezüglichen Kenntnisse. Zu diesen Warm- wasserarten mit ausgedehntem Verbreitungsgebiet, d. h. die auch weit nördlich angetroffen wurden, gehören nicht nur die betreffenden 4 Arten der dritten und die beiden der zweiten Gruppe Römer’s, sondern auch Abyla trigona Q. et G., da sie bereits in der Nord- see (s. Gauss) festgestellt wurde; ferner D. dispar CHam. et Eys, ° die BieeLow bei Neufundland nachwies. Sehr wahrscheinlich werden aber dorten noch andere Vertreter gefunden, wenn diese Gegend erst einmal gründlicher durchforscht und zugleich mehr auf die ° zarten Siphonophoren geachtet wird, ‘die bisher meist eine ziemlich stiefmütterliche Behandlung erfuhren, obwohl gerade sie besondere Ansprüche an den Sammeleifer und die Beobachtungsgabe stellen. Zu diesen 3 von mir unterschiedenen Gruppen kommen auf der nördlichen Hemisphäre noch zwei hinzu, von denen allerdings nur die eine, die der echten Tiefseeformen, en vertreten war. Sie lebt offenbar ausschließlich oder hauptsächlich in der Tiefe, sowohl in den warmen und mittleren Breiten wie im hohen Norden, um nur ausnahmsweise in höhere Schichten und sogar bis an die Ober- eg Nordische Siphonophoren. 173 fläche aufzusteigen. Zu ihr ist HZippopodius pentacanthus (KÖLLIKER) zu zählen, der interessanterweise hier von 2 Stationen vorliegt, von welchen sich die eine unter dem 51.° n. Br. befand. Bisher galt diese Art als eine seltene, mittelländische Tiefseeform, da sie nur bei Messina einige Male gefangen worden war. Inzwischen . habe ich sie aber bei Monaco und Neapel nachgewiesen, wo sie in Tiefen. von mehr als 400 m sogar sehr gemein ist. Ebenso kommt sie in der Adria vor. Weiter konnte ich, durch direkten Vergleich, feststellen, daß sie identisch ist mit Vogtia spinosa Kererst. und Ent. aus dem Nord- und Süd-Äquatorialstrom und dem Golf von Biscaya, die einmal auch vom Gauss im mittleren Atlantischen Ozean und neuerdings von BıseLow im tropisch- pazifischen Ozean erbeutet wurde. So erstreckt sich ihr Ver- breitungsgebiet ohne Unterbrechung mindestens vom 40.° s. Br. bis zum 51.’ n. Br. Zugleich mit A. pentacanthus wurde, unter dem 51.° n. Br., eine andere Tiefseeform gefunden, die bisher nur aus den wärmeren Regionen des Atlantik bekannt war: Chuniphyes multidentata Lens und v. R., die interessante Übergangsform zwischen superponierten und oßponier ten Diphyiden. Sie ist eine der wenigen Arten, die noch niemals in geringeren Tiefen nachgewiesen worden sind — der betreffende Fund stammte von einem Zug aus 1350—840 m Tiefe —, während JH. pentacanthus dorten immerhin einige Male, so z. B. im Golf von Biscaya (BıGELow), gefangen wurde. Die 5. Gruppe umfaßt umgekehrt jene Förmen, die ausschließ- lich an der Oberfläche leben, da sie durch ihren Bau am Tauchen verhindert sind, wie z.B. Velella und Physalia. Diese beiden sind offenbar ziemlich empfindliche Warmwasserformen, nach ihrer nörd- lichen und südlichen Verbreitung zu urteilen. Jedenfalls ist keine von ihnen bisher nördlich von der Bay of Fundy resp. von den Hebriden angetroffen worden. Zu diesen 5 Gruppen- tritt auf der südlichen Hemisphäre noch eine 6. hinzu, die der antarktischen Arten. Sie ist sowohl ihrem Umfange wie ihrer Zusammensetzung nach eine der ansehn- lichsten. Die auffallenden Unterschiede, die die Siphonophorenfauna der verschiedenen Teile der Arktis und Subarktis und des angrenzen- den Nordatlantischen resp. Nordpazifischen Gebietes nach meinen früheren Untersuchungen aufweist und die in meiner Gauss- Monographie eine besondere Würdigung erfahren, scheinen nach den vorliegenden Untersuchungen, im Zusammenhang mit meinen 174 FAnny MosEr. Untersuchungen in Neapel, noch stärker zu sein, als es damals den Anschein hatte. Einerseits hat sich die Zahl der auf der westlichen Halbkugel im hohen Norden lebenden oder dorthin verschleppten Arten um 3 vermehrt, indem die beiden Tiefseeformen H. pentacanthus und Chun. multidentata, ferner die Warmwasserform F, leuckarti hin- zukommen, die nur aus wärmeren Breiten bekannt waren. Von diesen ist keine bisher auf der östlichen Halbkugel im Norden zur Beobachtung gekommen. Ebenso hat sich gezeigt, daß AH. luteus auf der westlichen Halbkugel offenbar nicht nur ausnahmsweise in hohen Breiten auftritt, sondern dorten heimisch und also ein ab- soluter Kosmopolit ist, während sich auf der östlichen Halbkugel sein Verbreitungsgebiet nicht über den 35.° n. Br. zu erstrecken scheint. Andererseits hat sich gezeigt, dab in der westlichen Arktis und Subarktis ziemlich bestimmt 2 von jenen Formen fehlen, die in der östlichen heimisch sind, nach den Untersuchungen BiGELow’s, trotzdem sie beide auch im mittleren Atlantischen Ozean leben, die eine zudem in der Antarktis. Letztere ist die kosmopolitische Kaltwasserform HA. serratus Moser, die von der ALBATRoss-Expedition von 1913 fast auf der ganzen Fahrt und recht zahlreich im Berings- Meer und bei Kamtschatka bis hinunter zum Ostchinesischen Meer zur Beobachtung kam, und zwar in geringeren Tiefen (0—300 Faden). Die andere ist Praya cymbifo@mis D. CHIAse, denn nunmehr steht fest, daß die, damals (Ausarross) ebenfalls häufig im. Berings- Meer bis zum Ostchinesischen Meer gefangene und als Praya plicata bestimmte Prayine identisch ist mit dieser Praya. Das gleiche gilt von den meisten anderen, unter verschiedenen Namen beschriebenen Prayinen, denn die 2. Form, die außer ihr existiert, ist nach meinen Untersuchungen tatsächlich, entgegen allen bis- herigen Angaben, auch denen BierLow’s, so verschieden, daß ein Zweifel über die jeweilige Zugehörigkeit nicht möglich ist. So erstreckt sich denn das Verbreitungsgebiet von Pr. eymbiformis im Pazifischen Ozean mindestens vom 33.° s. Br. (Gauss) bis zum 56.’ n. Br. Im Atlantischen Ozean dagegen ist sie nur einmal im Süden, und zwar unter dem.10.° 55‘ s. Br. (CHALLENGER) zur Beobachtung gekommen und außerdem nur noch bei den Kanaren. Hier ist sie also anscheinend überhaupt seltener wie im Indo- Pazifischen Ozean, trotz ihrer Häufigkeit im Mittelmeer. Die merkwürdige und schwer verständliche Verschiedenheit in der Bevölkerung der Arktis und der angrenzenden Gebiete habe ich seinerzeit im Sinne der zirkumtropen Lage des Entwicklungs- Nordische Siphonophoren. 175 zentrums der Siphonophoren zu deuten und dadurch zugleich auch zu erklären versucht. Für alles Nähere verweise ich auf meine diesbezüglichen Ausführungen in der Gauss-Monographie. Jeden- falls stützt das vorliegende Material durchaus meine früher auf- gestellte Behauptung, daß die Siphonophoren viel weniger empfindlich gegen Temperatur sind, als es bisher den Anschein hatte, und die Temperatur als solche im allgemeinen einen viel geringeren Einfluß auf die Verbreitung der holoplanktonischen Lebewelt ausübt, als meist angenommen wird. Zugleich zeigt es uns von neuem, wie unvollkommen unsere diesbezüglichen Kenntnisse noch sind, so daß alle Schlüsse, die aus einzelnen Ergebnissen gezogen werden können, einstweilen nur provisorischen Charakter haben. Eine Zusammenstellung der gemeinsam an den einzelnen Fund- stellen gefundenen Arten ist nicht ohne Interesse, auch im Hinblick auf die bisherigen Einteilungen (RÖMER, Unun, BıGeLow) der nordischen Siphonophoren. T#or 20. VI. 05 Stat. 88 (48° 09' n. Br., 8° 30° w. L.), @. truncata, Dim. arctica. | Taon 16. IX. 05 Stat. 82 ‚(51° 00° n. Br., 11°. 43’ w. L.), Chuniph. multidentata,’ H. pentacanthus. Tuor 11. VII. 04 Stat. 183 (61° 43° n. Br., 17° 08° w. L.), H. luteus, Phys. hydrostatica. | Tuor 2. IX. 04 Stat. 286 (62° 37° n. Br., 17° 52' w. L.), H, luteus, Phys. hydrostatica, @G. truncata, Dim. arctica. ' Taor 22. V. 04 Stat. 100 (61° 21’ n. Br., 10° 59 w. L.), A. luteus, Phys. hydrostatica, @. truncata, @. australis. Taor 19. VI. 04 Stat. 152 (65° 00° n. Br., 28° 10° w. L.), Phys. hydrostatica, Cup. cara. TsaLre 12. V. 08 Stat. 1a (59° 25° n. Br., 22° 56° w. L.), @. truncata, Dim. arctica, Cup. cara, F. leuckartı. _ _ TyaLrE 26. V. 08 Stat. 15 (58° 08‘ n. Br., 39° 24' w. L.), Dim. arctica, Cup. cara. Im folgenden bespreche ich lediglich die Arten, die in dem _ vorliegenden Material vertreten sind. Dabei fasse ich mich kurz, _ verzeichne auch nur die wesentlichen Synonyme, indem ich auf - Bıeztow’s Siphonophoren der beiden letzten ALgarross-Expeditionen, . meine Monographie des Gavss, die Zusammenstellungen von RÖMER und VAnHÖFFENn der nordischen Arten und meine Abhandlung über die Siphonophoren der Adria verweise. Hier sind auch ausführliche j Literaturverzeichnisse zu finden. 176 FAnnY Moser. Familie Diphyidae Quvoy et GAIMARD. Gattung Galeolarıa LEsuEUR. Galeolaria australis LESUEUR. Galeolaria australis LESUEUR, Manuscript 1807. Galeolaria australis QUoY et GAIMARD 1833, p. 43—45, T. V, f. 29-31. Diphyes biloba Sars 1846, p. 45—46, T. VII, f. 16—21. Diphyes turgida GEGENBAUR 1854b, p. 442—448, T. XXIII. Diphyes sarsi GEGENBAUR 1860, p. 42—45, T. XXIV, f. 30, 31. Galeolaria biloba CHuun 1897a, p. 17. Galeolaria biloba RÖMER 1902, p. 173. Galeolaria biloba VANHÖFFEN 1906, p. 16, Textf. 13—15. Galeolaria biloba LENS und VAN RIEMSDIJK 1908, p. 59—60, T, IX, f. 75. Galeolaria australis BIGELOW 1911, p. 238—239 (partim), T. V, f. 8, 9. Galeolaria australis BIGELOW 1913, p. 69—70. Galeolaria australis MOSER, GAUSS. Fundnotizen: Ostgrönländische Expedition: 26. IX. 00 Stat. 405 (60° 13’ n. Br., 9° 42’ w. L.), 18 Ogl. 18—27 mm, 20 Ugl. 24—50 mm. 27. IX. 00 Stat. 415 (60° 36° n. Br., 9° 59' w. L.), 1 Ogl. 17 mm, 1 Ugl. 9] mm. 28. IX. 00 Stat. 421 (60° 13° n. Br., 8° 22’ w. L.), 2 Ogl. 20 mm, 4 Ugl. 20—24 mm. THor 4. IX. 04 (59° 34' n. Br., 5° 41’ w. *L.), 1 Ogl. 24 mm, 4 Ügl. 18—25 mm. THor 22. V. 04 Stat. 100 (61° 21‘ n. Br., 10° 59° w. L.), 1 Ugl. 30 mm. Ein Teil des Materials war schön erhalten, wenn auch stets die Glocken getrennt, wie das bei meinem Material, auch dem selbstgefischten, noch immer der Fall war. Vom Stamm fand sich nur selten ein kleines, glücklicherweise manchmal gestrecktes Bruchstück. Selbst das ist aber eine große Ausnahme, infolge des Mangels eines schützenden Hydrözium in der ÖOberglocke. Dem- entsprechend habe ich bisher, auch in Neapel, keine einzige Glocke untersuchen können, die mehr wie höchstens die Stammwurzel mit einem Büschelchen junger Knospen bewahrt hatte. Immerhin war es jetzt endlich möglich, der wichtigen Frage näherzutreten, ob diese Galeolarie tatsächlich keine Eudoxien hervorbringt, im Gegen- satz zu den meisten anderen Galeolarien, und in dem Fall, was die Ursache dieser. auffallenden Erscheinung ist. Das Ergebnis der, allerdings durch die Spärlichkeit des Materials sehr beschränkten Untersuchuug — es reichte nicht einmal zur Herstellung von Schnitt- serien — war ein recht überraschendes und soll später an anderer Stelle besprochen werden. Dagegen war es leider nicht möglich, über eine zweite, wichtige Frage Aufschluß zu erhalten, nämlich über die Entstehung und Lage der Unterglocke und der Ersatz- glocken, da die Bruchstücke des Stammes meist ziemlich gedreht Nordische Siphonophoren. 777 waren, so daß die ursprünglichen Lagebeziehungen nicht unzwei- deutig zum Ausdruck kamen. Zudem befanden sich diese Bruch- stücke merkwürdigerweise meist an der Unterglocke, eine bei den superponierten Diphyiden ungewöhnliche Erscheinung; sonst findet man den Stamm bei getrennten Glocken immer an der Oberglocke, so bei allen Diphyinen und auch bei @. truncata. Was die Glocken selbst anbelangt, so habe ich meiner früheren (Gauss) Darstellung nichts beizufügen, abgesehen davon, daß ich hier und bei dem Neapler Material häufig im Verhalten des Gefäßsystems kleine Abweichungen fand. So waren bei der Oberglocke die Kommissuren bald lang, bald kurz, dabei oft ungleich auf beiden Seiten. Einmal mündete die eine gegabelt in das Lateralgefäß, die andere dagegen normal, hatte dafür aber einen blinden Ausläufer oben, wie ein kleines Hörnchen. Bei der Unterglocke zeigte sich häufig am unteren Bogen der Lateralgefäße ein kürzerer oder längerer, blinder Fortsatz nach unten, so wie er bei @. quadrıvalvis bäufig ist, nur sehr viellänger. Auch die Somatocyste wies vielfache Abweichungen auf. Meist ist sie sehr klein, nur ein wimziges Röhrchen auf der Glockenbasis, manchmal aber von ganz ansehnlicher Länge und _ Dieke. Ausnahmsweise fehlt sie vollständig, so wie seinerzeit z. B. von GEGENBAUR (D. turgida) beschrieben. Aller dings habe ich selbst bisher nur zweimal, und zwar in Neapel und im Material des Fürsten von Monaco, eine Glocke gefunden, an der die Somato- zyste vollständig fehlte, während sie sonst nur infolge minimaler Größe zu fehlen schien, wie die genauere Untersuchung lehrte. Jedenfalls ist es aber nicht mehr zweifelhaft, daß GEGENBAUR’S D. turgida mit G. australis identisch ist, wie früher schon ver- schiedentlich angenommen. wurde. Galeolarıa truncata (SAaRs). Kolonie: Diphyes truncata SARS 1846, p. 41—45, T. VII, f. 1—15. Diphyes conoidea KEFERSTEIN und EHLERS 1861, p. 16—17, T. III, £. 10. Galeolaria truncata RÖMER 1902, p. 173—174. Galeolaria truncata VANHÖFFEN 1906, p. 15—16, Textf. 1012. Galeolaria subtiloides LENS und van RıEMSDISK 1908, p. 46—48, IT, VL, E59 61, Diphyes fowleri BiGELow 1911, p. 255-—257, T. VIII, £. 4, T. IX, £. 5. _Galeolaria truncata BIGELOW 1913, p. 73—76. Galeolaria truncata MOSER, GAUSsS. Galeolaria truncata MOSER, Japan (DOFLEIN). Galeolaria truncata MosEr 1917, p. 27/28. Eudoxie: „Freie Stammgruppe von D. truncata“ Sars 1846, p. 41—45, T. VII, f. 13, 14. Eudoxie von @. truncata MOSER, GAUSS. Eudoxie von @. truncata Moser 1917, p. 27/28, T. II, £. 1, 2. \ 178 FANNY Moser. . Fundnotizen: 2 MICHAEL SARS 8. VIII. 08 (Börfjord unweit Bergen), 2 Ogl. 12—16 mm, 4 Ugl. 9—14 mm, 1 Dst. 4 mm. Tuor 22. V. 04 Stat. 100 (61° 21’ n. Br., 10° 59° w. L.), 1 Ogl. 7 mm. THor 2. 1X. 04 Stat. 286 (62° 37° n. Br., 17° 5% w. L.), 2 Ogl. 8-12 mm. Taor 20. VI. 05 Stat. 88 (48° 09° n. Br., 8° 30° w. L.), 1 Ogl. 12 mm, TJALFE 12. V. 08 Stat. la (59° 25’ n. Br., 220 56’ w. L.), etwa 20 Ogl., Viele Ugl. Von den vorhandenen stets, wie bei @. australis, getrennten Hauptglocken, die nur zum Teil in gutem Zustand waren, besaßen alle Oberglocken, soweit zu erkennen, die typische, große, keulen- förmige Somatocyste, bis auf die eine Glocke vom THor (Stat. 88); bei dieser war sie statt dessen eine runde Blase, so wie seinerzeit von BıseLow (D. fowlerı) beschrieben und seitdem von mir häufig beobachtet. Ein kleines Bruchstück des Stammes mit einem Büschel Knospen hatte sich bei einigen Oberglocken, ebenso wie bei einem Teil der zahlreichen, von mir in Neapel gefundenen, erhalten, so daß ich nunmehr zum erstenmal bei dieser Art, und überhaupt bei Galeolarien, die Geschlechtsverhältnisse untersuchen konnte, da ich zudem in Neapel eine größere Anzahl Eudoxien fand. Bei zahlreichen Oberglocken, auch denen, die nur noch die Stammwurzel hatten, war der Stummel der abgerissenen Unter- glocke nebst 1—2 größeren oder kleineren Knospen von Ersatz- unterglocken vorhanden. Die Untersuchung ergab die interessante und wichtige, von mir vorausgesagte Tatsache, daß auch hier, und damit jedenfalls allgemein bei allen Galeolarien, die 1. und die folgenden Unterglocken ausschließlich ventrale Bildungen sind; ihre Lagebeziehungen zum Stamm und zur Oberglocke entsprechen daher denen aller anderen, von mir daraufhin untersuchten Calyco- phoren, im Gegensatz zu den Angaben meiner Vorgänger. Die Opposition der Hauptglocken ist also bei Galeolarien ebenfalls keine sekundäre, durch Torsion erworbene (CHun, SCHNEIDER), sondern eine primäre, genetische und der Ausdruck ihrer opponierten Entstehung. Ja, die Opposition von Ober- und Unterglocke ist hier sogar noch vollständiger wie z. B. bei Diphyinen, indem die Unterglocke etwas nach links verschoben ist, so daß sie statt etwas rechts genau in der ventralen Medianlinie des Stammes sitzt. Dadurch ist die Stammknospe ihrerseits entsprechend nach links von der ventralen Medianlinie verschoben. Um den Ansatz der Unterglocke und zugleich die Stammknospe zu zeigen, mub also das Hydrözium der Oberglocke bei Diphyinen von der rechten, bei Galeolarien dagegen mehr von der linken Seite abgebildet werden. Ganz ähnliche Verhältnisse finden wir interessanterweise DEE O3 ME on DEE a u ui EL Nordische Siphonophoren. 179 bei Abylinen und Hippopodinen, wo ebenfalls die Unterglocke genau ventral, die Stammknospe verschoben links daneben hervorsproßt. - Die Ursache für diese auffallende Verschiedenheit erblickte ich bei Abylinen und Hippopodinen in der-sehr frühen Anlage der. ersten Unterglocke, die, nach meinen Untersuchungen, noch vor dem 2. Cormidium und damit sogar vor der Stammknospe auftritt. Sie stellt sich dabei median ein, und dadurch wird die Stamm- knospe gezwungen, in Anpassung an den beschränkten Raum etwas seitlich hervorzusprossen. Bei Diphyinen dagegen tritt die Unter- glocke mehr oder weniger spät auf, mindestens nach Anlage .des 3. Cormidium, und ist daher ihrerseits gezwungen, neben der bereits von der Stammknospe und ihren Abkömmlingen besetzen Median- linie Platz zu nehmen, so daß sie rechts von dieser zu sitzen kommt. Ich vermute, daß die Abweichung bei Galeolarien, über deren Embryologie wir noch so gut wie nichts wissen, eine ähnliche Ursache hat, und also auch bei ihnen die erste Unterglocke vor . der Stammknospe auftritt. Es wird interessant sein zu sehen, ob a ce rin Date =m»® ich mit dieser Annahme recht habe. Des weiteren hat die Untersuchung ergeben, daß die Ersatz- unterglocken auch bei’ Galeolarien, entsprechend meinen ander- weitigen Beobachtungen, indirekt, nicht direkt aus der Ventral- - knospe entstehen, also jede neue Unterglocke immer am Stiel der vorhergehenden, ganz ähnlich wie bei den Gonophoren. Man kann dies hier auch dadurch feststellen, daß man die ältere Unterglocken- knospe abreißt, was bei dem Mangel eines ausgebildeten Hydrözium in der Oberglocke verhältnismäßig leicht gelingt: die jüngere Knospe geht dann immer mit, da sie eben am Stiel der älteren, nicht am Stamme selbst sitzt. Diese indirekte Entstehung der Ersatzunter- glocken ist, nach’ meinen Untersuchungen, ein Hauptunterschied von den Physophoren, bei welchen ausnahmslos alle Unterglocken direkt aus der Ventralknospe sprossen und daher am Stamme selbst sitzen. Letztere erhält sich bei diesen also zeitlebens, statt ' wie bei den Calycophoren restlos in der ersten ER auf- zugehen. Die Zahl der gleichzeitig vorhandenen Ersatzunterglocken- knospen betrug nie mehr als 2, bei allen von mir untersuchten Oberglocken, wobei dann stets die 2. auf dem Stadium eines kleinen, runden und hohlen Bläschens war, höchstens mit dem Beginn der Pfropfenbildung. Manchmal fehlte ‚auch die 2. Knospe, nämlich dann, wenn die erste noch sehr jung war. Im übrigen ist die - Entwicklung, soweit ich sie verfolgen konnte, genau wie bei allen von mir bisher untersuchten Unterglocken (näh. Gauss). 180 FAnNY Moser. Gattung Diphyes CuvıEr. Diphyes sieboldi KÖLLIKER. Kolonie: Diphyes sieboldi KÖLLIKER 1855, p. 36—41, T. XI, f. 1—8. Diphyes acuminata LEUCKART 1853, p. 61—7u, T. I, f. 11—14. Diphyes gracilis GEGENBAUR 1854, p. 18, 2733, 62, T. XVI, £. z, Diphyes bipartita CHuUN 1897, p. 24—25. Diphyes bipartita VANHÖFFEN 1906, p. 18—19, Textf. 19—22. Diphyes appendiculata BIGELOW 1911, p. 248—249, T. VII, f. 5—6 u.f. Diphyes appendiculata BIGELOW 1913, p. 76. Diphyes sieboldi MOSER, Japan (DOFLEIN). Diphyes sieboldi MOSER 1917, p. 29, 30, T. II. Non Diphyes elongata HYNDMAN 1841, p. 164, 166, f. 1—4. Non Diphyes bipartita RÖMER (KÜKENTHAL u. WALTER) 1901, p. 175—176. Eudoxie: Eudoxia campanula LEUCKART 1853, p. 43—49, 66— 70, T. ILL, f. 15—19. Eudoxie von D. sieboldi MOSER, GAUSS. Non „Freie Stammgruppe von @. truncata“ CHuN 1897, p. 16. Non Eudoxia campanula LENS und VAN RIEMSDIJK 1908, p. 48, T. VII, f. 62. Non Eudoxia D. appendiculata BisETow 1911, p. 248—249, T. Xl, f. 9. Eudoxia D. sieboldi MosErR 1917, p. 29-30, T. III. | Fundnotiz: THor 15. V. 04 Stat. 43 (43° 37’ n. Br., 2° 08° w. L.), 1 Ogl. 15 mm. Entsprechend meinen früheren Angaben, daß diese Art eine ausgesprochene Warmwasserform ist, ist sie hier nur durch einen einzigen Fund, und zwar aus dem Golf von Biscaya, vertreten. Gattung Abylopsis CHun. Abylopsis pentagona Q. et S. Kolonie: Abylopsis pentagona LENS und VAN RIEMSDIJK 1908, p.17—26, T. II, f. 16. Abylopsis tetragona BIGELOW 1911, p.224 —226, T.XIV,f.6—8,T.XV,f.2. Abylopsis tetragona BIGELOW 1913, p. 68—69. Abylopsis pentagona MOSER (DOFLEIN). Abylopsis pentagona MOSER, GAUSS, Eudoxie: Abglaisma cuboides LENS und VAN RIEMSDIJK 1908, p.19—21, T. IL, f.21. Eud. Ap. pentagona BIGELOW 1911, p. 224—-226. Eud. Ap. pentagona MOSER, Gauss. Fundnotiz: TJALFE 22. XII. 08 Stat. 15 (40° 04’ n. Br., 19° 06' w. L.), 1 Ex. 26 mm. Wie von .D. sieboldi lag von dieser Art nur ein Fund vor, ebenfalls aus den mittleren Breiten, westlich von Spanien. Gattung Ohuniphyes Lens und v. R. Chuniphyes multidentata Lens und v. R. Chuniphyes multidentata LENS und VAN RIEMSDIJK 1908, p. 13—16, T. I, f. 9—12, T. 11, f. 12—15. Chuniphyes multidentata BIGELOW 1911, p. 262—264, T. II, f. 9 u. £. Chuniphyes multidentata BIGELOW 1913, p. 73. Chuniphyes multidentata MOSER, GAUSS. Fundnotiz: Thor 16. IX. 05 Stat. 82 (51° 00° n. Br., 110 43° w. L.), 1 Ogl. 25 mm. Nordische Siphonophoren. 181 Diese merkwürdige Tiefseeform, die im Atlantischen Ozean bisher nicht mehr nördlich vom Golf von Biscaya nachgewiesen wurde, während sie der Ausartross (1913) im westlichen Pazifischen Ozean noch ungefähr unter dem 53.° n. Br. fand, lag in einer schön erhaltenen Oberglocke vor. Deren Zugehörigkeit war unzweifelhaft, sowohl nach dem charakteristischen Bau, der sie.zu einem Über- ‚gang von den superponierten zu den opponierten Diphyiden stempelt, wie nach der eigentümlichen, bräunlichen Färbung der Kanten und - Ränder, die deutlich hervortrat. Die Somatocyste, die ganz all- - gemein bei dieser Art sehr wechselnd in Form und Größe ist, zeigte etwas andere Verhältnisse, wie BıeeLow und ich sie sonst - beobachtet haben. Die Basalblase war sehr groß und, statt rund- - lieh, mehr biskuitförmig, infolge starker seitlicher Erweiterung, E zugleich mit dorsoventraler Abplattung und dorsaler Krümmung; »so umgab sie die Subumbrella .polsterartig von 3 Seiten. Der schlauchförmige Kanal, der nach oben zur Glockenspitze geht, war ‚dagegen sehr eng, wie ein feines Fädchen. Eine ähnliche Form fand - ich vielfach bei dem Material des Fürsten von Monaco, in welchem Ch. multidentata zahlreich vertreten war. Diese Verschiedenheiten - "sind ohne spezifische Bedeutung und auch unabhängig vom Alter. Vom Stamm hatte sich nichts erhalten, so daß es noch immer zweifelhaft ist, ob Eudoxien produziert werden, wie überhaupt _ dieser, die Cormidien und die Nesselknöpfe gebaut sind. Familie Dimophyidae Moser. ‚Gattung Dimophyes Moser. A EEE Dimophyes arctica (Chun). Kolonie und Eudoxie: Diphyes arctica CHuNn 1897a, p. 19—24, 36, 98 — 2, TR 110. Diphyes arctica RÖMER 1901, p. 174—175, Muggiaea atlantica CLEVE 1904, p. 84, 118, 156. . ° -. Diphyes arctica VANHÖFFEN 1906, p. 17, 18, Textf. 16—18. Diphyes arctica BIGELOW 1911, p. 247, 347. Diphyes arctica BIGELOW 1913, p. 76—77. Dimophyes arctica MOSER, Gauss. Fundnotizen: 'TroR 8. VI. 05 Stat. 72 (87° 47° n. Br, 110 3% w. L), 1 Ogl, 7 mm. Taor 20. VI. 05 Stat. 88 (48° 09° n. Br., 8% 30°‘ w. L.), 2 Ogl. 8 mm. THoR 2. IX. 04 Stat. 286 (620 87° n. Br., 17° 52° w. L.), 2 Ogl. 6—8 mm. TJALFE 12. V.08 Stat. 1a (59° 25° n. Br., 22° 56’ w. L.), etwa 40 Ogl. 5—15 mm. - TsaLrE 17. V.08 Stat. 9 (58° 33° n. Br. „35055 w. L.), etwa 100 Ogl. 510 mm. TJALFE 26. .V.:08 Stat. 15 er 08 n. Br., 39° 24' w. L.). Viele Ogl, 1% mm, Er | | 13 182 FANNY Moser. Diese kosmopolitische Siphonophore scheint die einzige überhaupt zu sein, die alle Teile der Arktis unterschiedslos und teilweise vielleicht allein bevölkert. So ist in der Grönländischen See, nach den Ergebnissen der Belgica, nur sie vertreten, und nur sie wurde von Römer um Spitzbergen gefangen. Allerdings war sie damals sehr spärlich; im ganzen handelte es sich nur um 50 Exemplare von 4 der 82 Stationen der: Expedition. Auch sonst im Norden, so im Karayak-Fjord (VAnHÖFFEn) und westlich von den Hebriden (Plankton-Expedition), war die Ausbeute dürftig. Allerdings hing das jedenfalls zum Teil mit der Fangmethode zusammen. VANHÖFFEN sowohl wie RÖMER hatten seinerzeit nur kleine Netze zur Ver- fügung. Im vorliegenden Material dagegen war sie verhältnismäßig zahlreich. So wurden vom TsaurEr das eine Mal etwa 40, das andere Mal etwa 100 Glocken gefangen. Die südlichste Fundstelle lag dabei unter dem 48.° n. Br. westlich von Nordfrankreich, wo Dim. arctica bisher noch nicht, auch nicht in der weiteren Um- sebung, gefangen worden war, so z. B. im Golf von Biscaya. Jedenfalls spricht auch diese Tatsache dafür, daß diese Art ohne Unterbrechung vom 82.’ n. Br. an über den ganzen Atlantischen Ozean bis hinunter zur Antarktis verbreitet ist. Um so auffallender und merkwürdiger erscheint es, daß sie noch niemals im westlichen Atlantischen Ozean und an den amerikanischen Küsten, selbst nicht in der Bay of Fundy nachgewiesen wurde. Sollte sie dorten wirklich gänzlich fehlen? > Das Material enthielt nur Oberglocken; Unterglocken und Eudoxien fehlten. Die größten Oberglocken hatten eine Länge von 14—15 mm, während die größten, bisher gefundenen nur 12 mm lang waren, so daß diese Art noch etwas größer wird, als es den Anschein hatte. | Familie Polyphyidae Cuvn. Gattung Hippopodius Q. et G. Mit dieser Gattung ist die Gattung Vogtia KÖLLIKER nunmehr vereinigt (s. GAuss). | Hippopodius luteus Q. et G. Hippopodius luteus RÖMER 1902, p. 177. Hippopodius luteus VANHÖFFEN 1904, p. 21—323, Textf. 2680. Hippopodius hippopus BIGELOW 1911, p. 208—210. Hippopodius hippopus BIGELOW 1913, p. 66. Hippopodius luteus MOSER, GAUSS, Fundnotizen: THOR 22. V. 04 Stat. 100 (61° 21° n. Br., 10% 59° w. L.), 1 Kopf und 2 Gl. 15 u. 28 mm. .“ Nordische Siphonophoren. 183 Tuor 11. VII. 04 Stat. 183 (61° 43° n. Br., 170 08° w. L.), 7 Gl. 6—20 mm. Tuor 2. IX. 01 Stat. 286 (62° 37° n. Br., 17° 59° w. L), 1 Kopf und 19 Gl. 5—20 mm. HA. luteus ist in den nördlichen Breiten bisher nur einmal, und zwar von der Plankton-Expedition, gefangen worden, westlich von Nordfrankreich (47° 7’ n. Br., 10°4' w.L.). Die Stelle lag nicht weit von jener, wo zum erstenmal jetzt auch Dim. aretica von THor erbeutet wurde. Sonst wurde er im Atlantischen Ozean nie nördlich vom 44.° n. Br. beobachtet, im Pazifischen Ozean nicht nördlich von Südjapan, Insel Kiushiu (AusAarross). So ist es eine Überraschung ihn dreimal in diesem Material unter dem 61.° resp. 62.° n. Br. und zudem sehr zahlreich zu finden, wenn auch schon VANHÖFFEn vermutet hatte, daß diese Art durch den Golfstrom höher hinauf geführt wird. Sie ist wahrscheinlich ganz unempfind- lich gegen Temperatur und dürfte daher in diesen hohen Breiten heimisch sein und nicht nur durch Strömungen dorthin verschleppt werden. In dem Sinne scheint die Tatsache zu sprechen, daß sie an diesen 3 nordischen Stationen gleich so zahlreich gefangen wurde. Daß sie dorten nicht früher und öfter zur Beobachtung kam, ist kein Einwand gegen diese Annahme, ist doch A. luteus z. B. auch an den amerikanischen Küsten und in Westindien bisher nur zweimal festgestellt worden (Frwers 1882, BıceLow 1911), trotzdem er ganz sicher dorten heimisch ist. Sein Auftreten ist ' eben, wie das der meisten Siphonophoren, ein sehr wechselndes und negative Resultate daher nur mit großer Vorsicht aufzunehmen. Offenbar gehört ZH. luteus ebenfalls zu den absolut kosmopolitischen Formen, wie HZ. truncata und Dim. arctica. Jedenfalls ist zu er- ‘warten, daß man ihm auch sonst noch begegnen wird und seine ' Verbreitung tatsächlich eine viel größere ist, wie es jetzt den N EEE EEE Anschein hat. Hippopodius pentacanthus (KÖLLIKER). Vogtia pentacantha KÖLLIKER 1853, p. 31—32, T. IX, f. 1-8. Vogtia spinosa KEFERSTEIN und EHLERS 1861, p. 24-25, T. V, £. 16, 17. Vogtia pentacantha BIGELOW 1911la, p. 351. Vogtia spinosa BIGELow 1911la, p. 351—352. Vogtia spinosa BIGELOW 1911, p. 210—213, T. int f. 5—12. Hippopodius pentacanthus Moser, GAUSS. .Hippopodius spinosus MOSER, Gauss. Hippopodius pentacanthus Moser 1917, p. 833—85, T. Iv, f. 4, 5. Nön Vogtia pentacantha BIGELOW 1913, p. 66—68. Fundnotizen: THoR 16. IX. 05 Stat. 82 (51° 00° n. Br., 11° 43° w, L.), 1 Ex. TAoR 16. IX. 05 Stat. 66 (?), 2 Gl. 12/17 und 14/19 mm. 13* 184 FANNY Moszr. Wie in der Einleitung bemerkt, wurde diese Art jetzt zum erstenmal in höheren Breiten gefunden. Das von THor Teaser Exemplar ist außerdem das größte, bisher zur Beobachtung ge- kommene und beweist, in Verbindung mit den beiden losen Glocken von Station 66, dab H. pentacanthus bedeutend größer. wird, alas angenommen. Er Nach allen Angaben sollen im ganzen höchstens 6 Glocke vorhanden sein, wobei die einzelne Glocke eine Größe von 10/14 mm nicht überschreite.. Das vorliegende Exemplar hatte aber 11 Glocken und war unten vielleicht sogar abgebrochen. Die größte besaß trotzdem nur eine Länge und Breite von 9/12 mm. Die losen Glocken dagegen waren viel größer (12/17 und 14/19 mm) und sahen dadurch ziemlich verändert aus. An ihrer Zugehörigkeit kann jedoch nicht gezweifelt werden, und entsprechen diese Ver- änderungen durchaus solehen bei alten Glocken, z. B. von Abylinen. Zudem zeigten die ältesten Glocken des ganzen Exemplars gewisse Veränderungen, die zu den losen Glocken überleiteten. So waren ihre apikalen Seitenflächen nicht, wie bei den typischen Glocken, eingesenkt, sondern eben, wodurch die 3 oberen Spitzen nur wenig nach außen vorsprangen, um so mehr, als sie bereits abgestumpft statt spitz waren. Die jungen Glocken dagegen hatten die typische ° Form mit den 5 ausgeprägten, scharfen Spitzen. Die Extreme wurden alsö verbunden durch die mittleren Glocken, so daß sich schrittweise die Umwandlung ‚ er 4 Mia ie “ Aus . “ran . Dr A: 12 ’ . „> re N N h IE ET +.) 2 I 195 Heowic. WEB: ; 21 En glieder, einmalige freiwillige Beiträge leisten zu wollen. Wir hoffen, x daß es uns durch solche Hilfen möglich gemacht wird, die für dieses Jahr noch vorliegenden Arbeiten für die Sitzungsberichte. zum Druck bringen zu können. Um inöglichet vielen unsere Sitzungsberichte zur Veröffent- lichung der Ergebnisse ihrer Forschungen zur Verfügung stellen zu können, müssen wir dringendst ersuchen, daß die uns Te Manuskripte in möglichster Kürze gehalten werden, keinesfalls dem Unter dem Finanzelend leiden wir nicht allein. Von den H 47 deutschen Gesellschaften, mit denen wir im Schrifienaustausch stehen, sind heute nur 30 (1919 waren es 17) in der Lage, uns Gegensendungen zu machen; aus dem ehemaligen Oesterreich sind es 12 statt früher 22. Das neutrale Ausland ist jetzt mit 13 f (früher 25) Gesellschaften am Schriftenaustausch beteiligt. Aus den Reihen unserer Feinde haben sich die ihre Schriften mit = tauschenden Gesellschaften gegen das Vorjahr gemehrt: England 2(1), ° Italien 2 (1), Rußland 1 (0), Nordamerika 7 (3), Südamerika 4 (0), H Japan 1 (0). Es stehen diese Zahlen allerdings noch sehr weit hinter denen der Friedenszeit zurück. Rn Ich schließe den Bericht mit dem Wunsche, daß es unserer altehrwürdigen Gesellschaft mit dem Komme. Jahre Br sein möge, für ihre der Förderung der Naturwissenschaften Be Tätigkeit wieder. die ersprießliche Basis zu gewinnen, welche es uns ermöglichen soll, das reiche Wirken verflossener, glücklicherer Jahre in vollem Umfange wieder aufzunehmen. | 3. °F. POMPECKS,. Experimentelle Untersuchungen zur Thearie der. organischen Symmetrie. Vorläufige Mitteilung. Von Hepwıs WILHELMI, Dahlem. Vorgetragen am 20. Juli 1920, In der Experimentierperiode dieses Sommers habe ich mich bemüht, am Tritonei eine experimentelle Bestätigung zu finden | für meine aus der Analyse zahlreicher Symmetriephänomene ge # wonnene Auffassung über die Symmetrie höherer Organismen. In” einer kürzlich im Archiv für Entwicklungsmechanik!) erschignet nen Arbeit habe ich folgende Hypothese aufgestellt: i 1) 1920, Arch. f. Entw.-Mech., Bd. 46, p. 210 u. 258. - a E 1 = Beperimentelle Untersuchungen zur Theorie der organischen Symmetrie. 196 ‘Neben der bis dahin bekannten abhängigen Differenzierung, ei der von den früher gebildeten Organen Reize ausgehen, die die Bildung späterer Organe auslösen, besteht wahrscheinlich noch _ eine zweite abhängige Differenzierung, die ganz selbständig und _ unabhängig von der erstgenannten arbeitet, nämlich das symme- _ trische Wachstum, das etwa in der Weise erfolgt, daß von der - einen Körperseite Reize ausgehen, die die Bildung ganz gleicher, k spiegelbildlicher Teile der anderen Seite auslösen. Die Selbstän- digkeit dieses Faktors ließ sich nur an anormalen Bildungen er- kennen, da er in der normalen Entwicklung mit der Selbstdiffe- 3 renzierung und der kofrelativen Abhängiekeit von früher gebildeten _ anderen Körperteilen zum gleichen Ziele arbeitet. Die Anord- | nung meines Experiments gründete sich daher auf folgende Über- legungen: Um die Wirksamkeit des symmetrischen Wachstums zu - isolieren, galt es, für das zur Untersuchung erwählte Organ die - Einflüsse früher gebildeter Organe auszuschalten. Wenn ich z. B. zwei rechte Extremitäten aus ihrer .normalen Umgebung entfernte , und an eine beliebige Körperstelle eines 3. Tieres nebeneinander | verpflanzte, so sollte damit die Abhängigkeit von den normaler- ; weise in nächster Umgebung gelegenen Körperteilen aufgehoben sein und eine etwaige gegenseitige symmetrische Beeinflussung rein zu erkennen sein. Ich nehme an, daß im allgemeinen durch diese Abhängigkeit _ von früher gebildeten anderen Körperteilen die Polarität eines Körperteiles oder mit anderen Worten die normale Lagebeziehung seiner verschiedenartigen Teile bestimmt wird. Bei vollkommener oder doch relativ starker Selbstdifferenzierung eines Organes würde "eine solche Abhängigkeit von der engeren Umgebung schon nor- " malerweise wegfallen; dennoch hat es sehr stark den Anschein, als ob auch bei der Entwicklung solcher, zur Selbstgestaltung fähigen Organe Polaritätseinflüsse sich geltend machen. Die Fähig- keit der Amphibienextremitäten zur Entwicklung durch Selbst- differenzierung ist seit längerer Zeit durch die Untersuchungen von BRAUS ”) bekannt. Die letzten Versuche von HARRISON an Axolotl-Extremitäten 2) zeigen nun, wie ich glaube, sehr deutlich, daß auch bei einer aus ihrer normalen Umgebung entfernten Extremität Polaritätseinflüsse wirken können. E- HARRISON hat nämlich die Beobachtung gemacht, daß eine Extremitätenanlage, die in einem Stadium, in dem äußerlich noch keine Knospenbildung zu erkennen ist, unter einer Drehung von 180 ® e: '2) 1904, Verh. d. Anat. Ges., p. 5366 2) 1918, Journ. of experim. Zool., Bd. 25, p. 355— 413. u NY 2 N 3 i Re; # I kan, di: «4. Ya fi Bihielı). z, RN N; ay‘ N 2 NG 2 MAT [4 eg AR Ba 197 H. WILHELMI: Experimentelle Untersuchungen 2. Theorie d. organ. Symmetrie... hinter eine normale Extremität der gleichen Körperseite gepflanzt wurde, die Lateralität der anderen Körperseite annahm, während sie in normaler Lage ihre Lateralität beibehielt. Der Erfolg war in allen Fällen der, daß die ulnare Seite der Extremitäten dorsal gerichtet war. Hier könnte also eine. Einwirkung einer dorso- ventralen Polarität vorliegen, während eine „Vorn-Hinten-Polarität“ offenbar durch die Selbstdifferenzierung überwunden werden kann, da ja die Extremität auch kopfwärts gerichtet sein kann. Meine erste Vermutung, daß auch hier einfach das von mir angenommene symmetrische Wachstum die bei den Extremitäten sehr starke Selbstdifferenzierung überwindet, konnte nieht für alle Beobach- tungen HARRISONS eine Erklärung geben. Wenn auch die Wirksamkeit des symmetrischen Wachstums. auch durch die Versuchsresultate von HARRISON sehr wahrschein- lich wird, so tritt es in denselben doch noch nicht ganz eindeutig in die Erscheinung. In allen den Fällen, die im Enderfolg ein Symmetrieverhältnis zwischen zwei Extremitäten aufweisen, könnte auch eine in ihrer Wirksamkeit bisher noch nicht bestimmbare dorso-ventrale Polarität die auslösende Ursache liefern. Vielleicht handelt es sich dabei um einen Säftestrom, der in bestimmter Richtung fließt und typisch auf einander folgende Reaktionen auslöst. Ich sah mich deshalb veranlaßt, bei meiner Versuchsanord- nung auch alle etwa noch gesondert vorhandenen Polaritätseinflüsse auszuschalten und verpflanzte daher die Extremitäten auf den Bauch, weil sich’in der Mittellinie desselben die Einflüsse der beiden Körperseiten das Gleichgewicht halten müssen. Ich tat dann noch ein übriges, indem ich die Extremitätenanlagen um 90 ® drehte, sodaß der dorsale Teil derselben kopfwärts gerichtet war, die ulnare und radiale Seite der Extremität also nunmehr kopfwärts resp. schwanzwärts liegen müssen. Eine etwaige „Vorn- hinten-Polarität“ wird bei dieser Versuchsanordnung nicht ausge- schaltet. Doch kann dieselbe die Deutung des Versuchs nicht beeinträchtigen, da beide Extremitätenanlagen mit dem dorsalen Teil kopfwärts gerichtet sind und deshalb eine solche Polarität beispielsweise bei zwei rechten Extremitäten gleichsinnig wirken muß und nicht eine Inversion ‘der Lateralität hervorrufen kann. Einflüsse der normalen Extremitäten werden ebenfalls ausgeschaltet, da sie sich in der Mittellinie des Bauches aufheben müssen. I Durch die schönen Versuche von HARRISON wurde mir die Möglichkeit gegeben, gleich eine Anordnung zu finden, die eine eindeutige Beantwortung der Frage ermöglicht. Auch für die Aus RICHARD WEISSENBERG! Lymphocystisstudien. 198 u ö führung der Operation in einem so frühen Entwicklungsstadium h verdanke ich der HARRISON’schen Arbeit die Anregung und die - Kenntnis der dazu nötigen Tatsachen. Die Operationstechnik wurde mir freundlicherweise von Herrn Geheimrat SPEMANN persönlich a gezeigt. | 24 Das Ergebnis des Experimentes stützt nun in der Tat - meine Hypothese. Bei den vielen Operationen, die ich ausgeführt - habe, indem ich zwei rechte oder 2 linke Extremitäten auf den \ Bauch eines 3. Tieres verpflanzte, habe ich bei der oben geschil- * derten Anordnung des Versuchs nur einen Fall gehabt, in dem — beide Extremitäten zur Entwicklung gelangten; diese beiden Glied- ; maßen zeigen aber das geforderte symmetrische Verhältnis. In den Fällen, in denen bei dieser Anordnung des Versuchs nur ein- zelne Extremitäten zur Entwicklung gelangten, wurde keine Um- kehr der Lateralität beobachtet. Damit dieses Experiment end- gültige Beweiskraft gewinnt, bedarf es noch einer Ausarbeitung nach den verschiedensten Richtungen. Analoge Versuche habe ich durch Transplantation zweier gleichseitiger Ohranlagen auf den Bauch eines 3. Tieres gemacht. Diese Versuche sind jedoch ebenfalls noch nicht abgeschlossen. Soweit die Resultate derselben bereits verwertbar sind, werden sie im Zusammenhang mit den übrigen Ergebnissen des Extremi- “ tätenexperimentes dargestellt werden. Q w' Ei a inndien. En. Ahae ng des Netzkörpers der Lymphocystiszellen gegen das GoLGInetz (JOSEPHS Gentrophormium). Von RICHARD WEISSENBERG (Berlin). (Vorgetragen in der Sitzung vom 15. Juni 1920.) Über eine eigentümliche ansteckende Fischkrankheit, die so- - genannte Lymphoeystiskrankheit, und meine an Ostseematerial im anatom.-biol. Inst. Berlin ausgeführten Untersuchungen wurde seit 1914 von mir bereits mehrmals in der Gesellsch. naturf. Fr. vor- getragen. Es handelt sich dabei um perlenartig vorragende Haut- - geschwülste von Flundern, Schollen und Kaulbarschen, die als - wichtigste Komponente riesige im Bindegewebe gelegene einkernige Zellen enthalten. Bei der Flunder können dieselben einen Durch- messer von 2 mm erreichen. Wie ich in meiner ersten diesbezüg- liehen Publikation kurz vor dem Kriege nachwies!), sind diese Ri 1) Weis EISSENBERG, Über infektiöse Zellhypertrophie bei Fischen (Lymphocystis- DR erkrankung). Sitzungsber. Preuss. Akad. d. Wiss, Physik-math. Classe 1914. 199 RICHARD WEISSENBERG: Zellen bis dahin mit Unrecht für parasitische Protozoen gehalten worden (WooDcooK 1904, AWERINZEW 1907, 09, 11). In Wirk- lichkeit stellen sie nichts anderes dar als hypertropische Binde- gewebszellen des Fisches, die unter den Reiz eines intrazellulär sitzenden, aber noch nicht näher bekannten Virus zu riesiger Größe Ri | hypertrophieren. Eine ausführliche Beschreibung dieser eigentüm- | lichen Entwicklung habe ich in einer demnächst im Arch. f. mikr. Anat. erscheinenden Arbeit (Lymphocystisstudien I) gegeben!). Zu völlig der gleichen Auffassung: der Ableitung der Lymphocystis- zellen von hypertrophischen Fischzellen ist inzwischen 1918 auch JOSEPH?) gelangt — eine Bestätigung, die um so wertvoller ist, als seine Untersuchungen an ganz anderem Material (Mittelmeer- fisch Sargus annularıs) und bis zum Abschluß seines Manuskriptes ohne Kenntnis meiner Publikation ausgeführt worden sind. Wäh- rend JOSEPH und ich also in der Gesamtauffassung der Lympho- eystiszellen?) aufs Beste übereinstimmen, weichen wir von einander ab in der Beurteilung eines eigentümlichen Zelleinschlusses, der schon lange die Aufmerksamkeit der Autoren gefesselt hat. Es handelt sich um ein prägnant mit Kernfarbstoffen tingierbares Netz’ im Plasma der L.-zellen, das in den ausgewachsenen Zellen in guirlandenartigen Windungen den Kern umstrickt. Bei den Platt- fischen, wo es am mächtigsten entfaltet ist, stellt es sich mit starken Vergrößerungen untersucht als ein System von Gitterröhren dar, die sich wie Basichromatin färben und in sich eine plasmaartige Grundsubstanz enthalten, die sich von dem übrigen Zelleib durch intensivere Färbung unterscheidet. Während ich 1914, nachdem es mir gelungen war, künstliche Infektionen beim Kaulbarsch hervor- zurufen und die ganze Entwicklung der L.-zellen an Aquariums- fischen zu beobachten, zu dem Resultat gekommen war, daß der Netzkörper eine mit der Zellinfektion unmittelbar zusammenhängende Neubildung in der Zelle darstellt vergleichbar den GUARNIERIschen' | Körperchen in den Corneazellen von Säugetieren, die mit Vacci- nevirus geimpft sind, glaubte JosSEPH zeigen zu können, daß es sich um ein Centrophormium also ein an und für sich normales Zellorgan handele, das nur infolge der Hypertrophie der Zone be- \ mn je >. »' Y v ’ r Re; h {) WEISSENBERG, Lymphocystisstudien, I. Die reifen Geschwälste bei Kaulbarsch und Flunder. Lymphocystisgenese beim Kaulbarsch. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 94 (Hertwigfestschrift), 1920. | | 2) H. JosEPH, Untersuchungen über Lymphocystis Woode. Arch. £. Protis- tenk. Bd. 38, 1918. = ®, Der Name „Lymphocystiszelle“ (fortan als R .zelle abgekürzt) kommt da- her, daß Woopcook 1904 die großen Zellen als Se unter dem NaBae eier jJohnstonei“‘ beschrieben hat. Lymphocystisstudien. - 200 ‘sonders groß und leicht darstellbar geworden wäre. Ich habe be- reits am Schluß meiner als Lymphocystisstudien I bezeichneten Arbeit kurz hervorgehoben, daß ich mich der Josepuschen Deutung nicht anschließen kann. Einer eingehenderen Widerlegung derselben | soll die vorliegende Mitteilung (Lymphocystisstudien IT) dienen. | Indem JosepH den Netzkörper als Centrophormium bezeichnete, brachte er zum Ausdruck, daß er ihn für identisch hielt mit einer - bereits in einer Reihe normaler Gewebszellen in der Umgebung der _ Zentralkörperchensphäre nachgewiesenen korbartigen Zellstruktur. Der Name stammt von BaLLOWITZ, der ihn 1900 für ein in den Zellen der Membrana Descemeti aufgefundenes Korbgeflecht ein- - führte. Aber schon 1893 war ein ähnliches Gerüstwerk von ZIMMER- _ MANN in der Umgebung von Zentralstäbchen von Fischpigmentzellen - beschrieben worden. JOSEPH selber hatte 1909 entsprechende - Strukturen in dem Lymphocyten von Lumbricus in der Umgebung der Sphäre aufgefunden. Seiner Meinung nach händelte es sich - um eine. wohl überhaupt weit verbreitete Zellstruktur, die nur öfters schwer nachweisbar wäre, dagegen stand er beim Schreiben der - Lymphocystisarbeit noch nicht auf dem Standpunkt, daß die Zentral- - körbe identisch wären mit dem von GoOLGI 1398 zuerst in Ganglien- zellen beschriebenen apparato reticulare, der nach der Entdeckung - der Darstellungsmethode mittels Osmiumsäure durch KorscH und ‚ihren weiteren Ausbau durch SJÖVALL in immer zahlreicheren Zell- arten aufgefunden und insbesondere durch J. NUSBAUM und seine Schule durch die ganze Tierreihe verfolgt worden ist. JOSEPH be- gründet seine Bedenken, Centrophormium und apparato retic. zu identifizieren, mit dem Hinweis auf Fälle, bei denen auch bei ein- seitiger Lage des app. zum Kern eine feste topographische Be- ziehung zu den Zentralkörperchen nicht nachgewiesen sei. Ganz besonders verweist er auf den Befund von PEnsa an Knorpelzellen, - der 1901 ein als app. ret. gedeutetes Netz ganz abseits von der - Sphäre liegen fand und bezieht sich im übrigen auf den gleichfalls - skeptischen Standpunkt von DUESBERG, der in seinem Referat - 1912?) sich ebenfalls noch nicht für berechtigt hält, die genannten - Strukturen zu homologisieren. Gerade in neuerer Zeit ist jedoch - in so zahlreichen Fällen festgestellt worden, daß auch die als - app. retic. beschriebenen Strukturen teils dauernd, teils in gewissen 8 BE nbryonalstadien eine feste topographische Beziehung zur Sphäre aufweisen, daß JosEPH heute wohl kaum noch in der Lage sein wird, seinen skeptischen Standpunkt weiter zu vertreten. Nach Fr ’ - u” : f 2 - wehren, u ‘ % . . Bi 2) DUESBERG, Plastosomen, „Apparato reticulare interno“ und Chromidial- _ apparat. Ergebnisse d. Anatom. u. Entwicklungsgesch. 1912. 201 RICHARD WEISSENBERG: der Ansicht einer großen Reihe maßgebender Autoren, die in neuerer Zeit über die in Frage stehenden Strukturen gearbeitet haben, kann es vielmehr keinem Zweifel unterliegen, daß die Zentralkörbe nur einen Sonderfall des GoLGIschen Binnfnnetasz darstellen, nämlich denjenigen, bei dem lange Zeit hindurch die topographische Be- zıehung zur Sphäre gewahrt bleibt. Von Autoren, die sich neuer- dings in diesem Sinne ausgesprochen haben, sind DEINEKA, BARI- NETTI (1912), KOLMER (1916)"), HIRSCHLER (1918)°) zu nennen. DUESBERG selbst hat in seinem zweiten Referat 1914?) den skep- tischen Standpunkt völlig verlassen und ist nunmehr mit Eut- schiedenheit für Homologisierung von Apparate retie. und Gentro- phormium eingetreten. Um nur einige Beweisstücke anzuführen, so ist ein echter app. retic. in der Umgebung der Zentralkörperchen- sphäre u. a. nachgewiesen worden in den Spermio- und Ovocyten (SJÖVALL, WEIGL, PERRONCITO, TERNI), desgleichen in den Neben- nierenmarkzellen (PILAT, KOLMER?). In den älteren Embryonal- zellen des Huhnes entspricht nach SJÖövaLL und V. BERENBERG- (0SSLER allgemein die Lage des app. retic. der der Zentralkörper- chen. Dies gilt insbesondere auch nach SJÖYALL für die Ganglien- zellen, also für das Objekt, an dem der app. ret. zuerst durch (sOLGI beschrieben worden war. Beim Beginn der Teilung des app. ret. weisen ferner nach PERRONCITO und DEINEKA Seine Seg- mente eine regelmäßige Lagebeziehung zu den Centralkörperchen auf. Die Knorpelzelle ist seit dem Nachweis,?) daß das s. Zt. von PENSA dargestellte abseits von der Sphäre liegende Netz den Mito- chondrien angehört und der app. ret. auch hier unmittelbar die Sphäre umgiebt, aus einem Stein des Anstoßes vielmehr eine Stütze für die Lehre von der engen Beziehung von app. ret. u. Sphäre geworden. . Schließlich ist ja bereits durch SJÖVALL 1906 an dem klassischen CGentrophormiumobjekt den Zellen der Membr. Descem. durch Behandlung mit Osmiumsäure der Nachweis geliefert worden, daß die Zentralkörbe hier ausgesprochen die Lipoidreaktion geben, die als spezifisch für den app. retie. gilt. Es war notwendig etwas ausführlicher darauf einzugehen, daß Oentrophormium und Binnenapparat somit homologe Zelistrukturen 1) KOLMER, Anat. Anz. Bd. 48, 1916. 2) HIRSCHLER, Über den Gorgischen Apparat embryonaler Zellen, . Arch. f. mikr. Anat. Bd. 9, 1918. #) DUESBERG, Trophospongien und Goaischer Binnenapparat. Verh. anat. Ges. Innsbruck 1914. Auf das Literaturverzeichnis dieses Referates wird ver- wiesen, soweit hier bei Arbeiten über den app. retic. nur die Autorennamen angegeben werden. *) KOLMER, Arch. f mikr. Anat. Bd. 91, 1918, 5) DUESBERG 1912, BARINETTI 1912, PENSA 1918, KOLMER |. ce. 1916. Lymphocystisstudien. 202 sind, weil aus dieser Betrachtung der Schluß zu ziehen ist, daß alle für den app. retic. ermittelten Kriterien auch für den Sonder- fall der Centrophormien Geltung haben müssen und somit auch für den Netzkörper der L.-zellen zutreffen müßten, falls JosEpHs Deu- tung hier zu Recht bestände.. Was läßt sich nun im Hinblick auf einen Vergleich mit dem uns hier interessierenden Objekt Allge- meines über den app. retic. einer Wirbeltierzelle aussagen? 1) Im Gegensatz zu seiner diffusen Verteilung in den meisten Averte- bratenzellen ist er hier in der Regel zu einem einheitlichen Netz- werk konzentriert, das entweder dem Kern einseitig anliegt oder ihn im Laufe der weiteren Entwicklung allseitig umwächst. Im ersteren Falle entspricht seine Lage wie betont oft der der Sphäre. 2) Nach der Osmiummethode behandelt gibt der Apparat unter tiefer Schwärzung eine Lipoidreaktion, die insbesondere von der NusBAuMschen Schule als spezifisch angesehen wird. Nach HIRScH- LER, der 1918 1. c. den Aufbau der Apparatelemente bei Limnaeus- embryonen eingehend analysiert hat, umgiebt die Lipoidsubstanz dabei als geschlossene Hülle eine noch nicht näher bekannte Innen- substanz. Das Netz würde sich, wenn man diese Vorstellung auf den App. retic. der Wirbeltierzelle übertragen darf, demnach als ein System kommunizierender Lipoidröhren darstellen, die als ge- schlossene Isolationsmembranen den Apparatinhalt gegen das übrige Plasma abschließen würden. 3) Im allgemeinen außer mit der Osmiummethode nur durch komplizierte Silberimprägnierungen dar- stellbar, wird der den Geschlechtszellen zugehörige Apparat in ihrer Wachstumsperiode ausnahmsweise bisweilen auch schon mit Kernfarbstoffen färbbar und seine Balken sind in diesen Fällen schon öfters als „Chromidien* beschrieben worden (POPOFF u. a. Spermiogenese von Helix, JÖRGENSEN!) Oogenese von Proteus), . worauf besonders HIRSCHLER?) aufmerksam gemacht hat. 4) Nur zwei Fälle sind bekannt, in denen der app. retic. bei Wirbeltier- zellen zeitweise die Gestalt eines einheitlichen Netzes aufgiebt und in Segmente zerfällt. Das ist erstens der Fall bei jeder mitotischen Zellteilung (nach PERRONCITO und DEINEKA) zweitens aber in der Wachstumsperiode des Eies (nach SJÖVALL). Auch in den ersten Stadien der Embryonalentwieklung scheint nach der Untersuchung von FANANAS 1912 der Apparat noch in Form einzelner Segmente diffus im Plasma der Embryonalzellen verteilt zu sein. In beiden Fällen, nach der Zellteilung wie im Laufe der weiteren Embryonal- entwicklung, findet aber dann wieder eine Rekonstruktion des Netzes !) JÖRGENSEN, Festschr. Rich. Hertwig Bd. 1. 1910. 2) HIRSCHLER, u. a. 1918 ]. c. S. 148. Bi 14 u“ Ch Koh Da Miu E au re a RICHARD WEISSENBERG: und zwar durch Zusammenlegung der Segmente statt. Wenn es auch nach den Befunden von. HIRSCHLER (1918 1. e. S. 159) sehr wohl möglich ist, daß die einzelnen Segmente sich vor der Zus sammenlagerung durch Wachstum vergrößern, so ist jedenfalls doch daran festzuhalten, daß das Netz sich stets durch die Sammlung zahlreicher Stücke wieder aufbaut Ein allmäliches Aussprossen des Netzes aus einem einzigen Teilstück ist noch nie beschrieben worden. Vergleicht man nun mit diesen aufgeführten Charakteren den Befund des Netzkörpers der L.-zellen, so ist, was zunächst den groben Bau betrifft, allerdings zuzugeben, daß eine weitgehende Ahnlichkeit zu der Anordnung des app. retic. z.B. in den Gang- lienzellen besteht: Entsprechend der von GoLGı für die Ganglien- zellen erwachsener Säuger gegebenen Beschreibung umstrickt ja auch in den erwachsenen L.-zellen der Netzkörper den Kern allseitig und, wie er dort in den Embryonalzellen älterer Föten noch ein- seitig dem Kern anlagernd gefunden wurde, so stimmen auch für die L.-zellen JOSEPH und ich darin überein, daß er in relativ jungen’ Zellen noch eine einseitig dem Kern inliee cende Gitterkalotte dar- stellt. Indessen darf doch dieses EN Verhalten der groben Anordnung in verschiedenen Lebensperioden der Zellen nicht in seiner Bedeutung für eine vergleichende Analyse überschätzt werden. Jedes Netz, das die Tendenz hat, sich im Plasma einer Zelle auszudehnen, wird in Anpassung an den gegebenen Raum allmählich den Kern umfassen müssen. Was das substantielle Verhalten der fraglichen Gebilde anbe- trifft, so hatten wir für den app. retic. vor allem die typische Lipoidreaktion mit Osmiumsäure hervorgehoben. Eine typische Schwärzung nach Behandlung aus Osmiumtetroxyd gibt nun der Netzkörper der L.-zellen ganz und gar nicht. Von der Wichtigkeit dieser Feststellung überzeugt, habe ich in 11 Fällen L.-zellen der verschiedensten Altersstufen teils nach KorscH teils nach SJÖVALL mit Osmiumsäure behandelt, stets mit dem gleichen Resultat, daß eine typische Schwärzung des Netzkörpers nicht eintritt. Seine auffälligste Komponente die in Form von Gitterkörben angeordnete Gerüstsubstanz färbt sich entweder nur bräunlich oder bleibt auf späteren Stadien (regressive Metamorphose) sogar ganz ungefärbt, so daß dann das Gitterwerk sich von der etwas stärker gebräunten Grundsubstanz als negatives Bild abhebt. — Nun war oben bemerkt worden, daß gelegentlich — bisher nur beobachtet in der Wachs- 2 | tumsperiode der Geschlechtszellen — der app. retie. auch mit Kem- farbstoffen tingierbar wird. Mit Kernfarbstoffen darstellbar ist nun . „byınmphocystisstudien. : 204 der Netzkörper der L.-zellen allerdings, aber er ist es in allen Altersstadien und in einer so. prägnanten Weise, daß man seine Gerüstsubstanz von echtem Basichromatin färberisch überhaupt. nicht unterscheiden kann. So läßt er sich nicht nur auf das Leichteste stets mit Haematoxylin, Saffranin u. s. w. färben, sondern die Gerüst- substanz nimmt vor allem in Biondipraeparaten eine leuchtende Methylgrünfärbung an. Diese elektive und ohne jeden Kunstgriff mögliche Darstellbarkeit mit echten Kernfarbstoffen scheint mir doch einen wesentlichen Unterschied gegenüber dem Verhalten des app. retic. zu bedeuten, bei dem nur in der Wachstumsperiode der Geschlechtszellen gelegentlich die Färbbarkeit von Schleifenstücken mit Haematoxylin, Saffranin oder auch nach HEIDENHAIN konstatiert worden ist [Pseudochromosomen HEIDENHAIN (1900), Chromidien PoPoFF (1906), JÖRGENSEN (1910)]. Zu dem abweichenden Verhalten in substantieller nl gesellen sich weiterhin tiefgreifende Unterschiede im feineren Bau. Das GoLGmetz scheint nach den meisten Abbildungen aus soliden Bälkchen zu bestehen, an denen eine feinere Struktur nicht erkennbar ist. Doch sind seine Netzbalken von verschiedenen Autoren!) auch schon als schlauchförmige Gebilde angesprochen worden. Insbe- sondere macht es HIRSCHLER, wie erwähnt, 1918 in seiner Limnaeus- arbeit wahrscheinlich, daß die Stücke des app. retic. zum mindesten ursprünglich Lipoidhohlorgane darstellen, die wielsolationsmembranen eine noch nicht näher analysierte Innensubstanz gegen das Plasma abschließen. Eine Grundsubstanz ist nun allerdings auch an dem Netzkörper der L.-zellen zu unterscheiden, wie besonders deutlich an Flunderzellen hervortritt, wo sie bereits von AWERINZEW als die „Plastinkomponente von Chromidien“ beschrieben und abgebildet worden ist. Diese Grundsubstanz wird aber nicht von einer 'all- seitig geschlossenen Hülle umgeben, sondern nur von dem Gitter- korb der chromatinartigen Gerüstsubstanz. Sie ist auch keineswegs durch den Gitterkorb gegen das Plasma fest abgegrenzt, sondern durchsetzt die Maschen desselben und bildet auf dem Gitterwerk noch einen Überzug. Somit bietet die feinere Struktur des Netz- körpers der L.-zellen keine Vergleichspunkte zu dem für den app. retic. bisher ermittelten Verhalten. Es sei bei dieser Gelegenheit erwähnt, daß HIRSCHLER, einer der besten Kenner des app. retie., als er im Winter 13/14 seine Untersuchungen der Plasmakomponenten im Berliner anat.-biol. Instit. fortsetzte, sich vom vergleichenden Standpunkte aus auch für den Netzkörper der L.-zellen interessiert !) cf. HIRSCHLER 1918 1. c. S. 175. If . DT EN u 205 RICHARD WEISSENBERG:! hat, zu einer Zeit, als für mich die Frage seiner Abgrenzung gegen den app. retic. noch nicht aktuell war, und damals an von ihm selber angefertigten Osmiumpräparaten ebenfalls zu dem Resultat gekommen ist, daß der Netzkörper der L.-zellen nichts mit einem echten app. retic. zu tun hat. Freilich ist zuzugeben, daß das „experimentum erucis“ noch aussteht, das darin bestehen würde, daß neben dem Netzkörper noch der echte app. retie. in der I..-zelle dargestellt wird. Meine diesbezüglichen Untersuchungen sind z. Zt. noch dadurch erschwert, daß die Mitochondrien, die in den L.-zellen eine ausgesprochene Lipoidreaktion mit Osmiumsäure geben, hier in ungeheurer Menge das Plasma erfüllen und daher leicht andere Strukturen verschleiern. Zu den angeführten Gründen, die dagegen sprechen, daß der Netzkörper der L.-zellen etwas mit dem echten app. retic. zu tun hat. gesellt sich schließlich als schwerwiegendstes Argument seine Entwieklungsgeschichte. Nur dadurch, daß JOSEPH in seinem Material die entscheidenden Entwicklungsstadien nicht vorgelegen haben, wird es überhaupt verständlich, daß er auf die Deutung des Netzkörpers als Gentrophormium verfallen konnte. Was den Ausgangspunkt der Entwicklungsreihe anbetrifft, so stimmen JOSEPH und ich noch völlig darin überein, daß in den jüngsten L -zellen, die sich von den hypertrophischen Bindegewebszellen ableiten, der Plasmaeinschluß noch nicht darstellbar ist. Nun kann es aber keinem Zweifel unterliegen, daß die anschwellenden Bindegewebs- zellen schon einen typischen appar. retie besitzen werden, wie ein solcher z. B. in Fibroblasten von tuberkulösen Granulationsgewebe beim Menschen durch Verson mit der GoL@Imethode und zwar mn ziemlicher Ausdehnung in der Zelle nachgewiesen worden ist.?) Auch JoSEPH zweifelt denn auch nicht daran, daß diesen Aus- gangszellen bereits ein ‚„ÜCentrophormium“ zukommt. Nur sei dasselbe nicht in nach gewöhnlichen Methoden hergestellten Prä- paraten sichtbar. An den jüngsten L.-zellen, die also in Haema- toxylinpräparaten noch keine Spur des Netzkörpers erkennen lassen, schließt JoSEPH nun aber unmittelbar etwas größere L.-zellen an, die bereits eine umfangreiche mit Haematoxylin auf Deutlichste gefärbte Netzkalotte um die Zentralkörperchensphäre aufweisen, und zwar glaubt er sich zu diesem überraschenden unmittelbaren Anschluß auf Grund der Hypothese berechtigt, daß nunmehr der fortschreitende Hypertrophieprozeß dazu geführt habe, daß das bereits vorher in ausgedehntem Maße vorhandene aber mit gewöhnlichen 1) cf. GoLGI 1909 Archiv. ital. d. Biol. Bd. 51 Taf. I, Fig. 14. r SA ,; * f ‘ « ” n N Lymphoeystisstudien. 206 Methoden noch unsichtbare Centrophormium nunmehr auch schon mit einfacher Haematoxylinfärbung darstellbar geworden sei. Es kann für mich keinem Zweifel unterliegen, daß JOSEPH hier die eigentlichen Entwicklungsstadien der Netzkörperkalotte entgangen sind, was sich hauptsächlich wohl daraus erklärt, daß er über kein sehr umfangreiches Material verfügt hat. Dagegen war es mir seit der Entdeckung, daß die Krankheit refektiös und auf Kaulbarsche im Aquarium leicht übertragbar ist, von 1913 ab in zahlreichen Versuchsreihen möglich, ein zeitlich genau seriiertes Material zu erhalten und zwar dadurch, daß künstlich infizierten Fischen erkrankte Flossensaumstückchen periodisch, eventuell Wochen und Monate hindurch, exstirpiert wurden. Dabei hat sich mit größter Regel- mäßigkeit immer wieder ergeben, daß der Plasmaeinschluß zuerst gegen Ende der zweiten Woche nach Infektionsbeginn als ein winzig kleines Körperchen im Plasma auftritt. Im Laufe der nächsten beiden Wochen wächst er dann — je nach der Wassertemperatur schneller oder langsamer — zu einem linsenförmigen Einschluß- körperchen heran, das außerordentlich denGUARNIERIschen Körperchen gleicht, wie sie bei der Vaccineinfektion der Kaninchencorneazellen beobachtet werden. Dieses von vornherein mit Kernfarben intensiv tingierbare Körperchen dehnt sich dann allmälich zu einer Scheibe aus, die sich kalottenartig einkrümmt. Die weitere Entwicklung habe ich 1914 mit den Worten beschrieben: „Indem der Rand der Scheibe sich verdickt, die mittlere Partie dagegen bis auf einige Verbindungsbrücken einreißt, entsteht das Bild eines von Brücken durchsetzten Ringes und wenn nun der Rand des Ringes Sprossen zu treiben beginnt, ist aus dem Einschlußkörperchen ein Netzwerk hervorgegangen.“ Nunmehr erst bei mehrere Wochen alten L.-zellen ist das Stadium der gefensterten Kalotte erreicht, das JOSEPH mit Unrecht für das erste Stadium des sichtbar werdenden Netzkörpers gehalten hat. Daß übrigens in seinem Material an offenbar in der Entwicklung zurückgebliebenen Zellen doch auch noch etwas von dem an GUARNIERIkörperchen erinnernden Entwicklungsstadium des Netzkörpers zu sehen ist, scheint mir aus seinen Figuren 20 (kleinste Zelle) und 27 hervorzugehn. Mit der Deutung als einer dem app. retic. homologen Struktur ist der geschilderte Entwicklungs- gang nun völlig unvereinbar. Denn abgesehen davon, daß schon in den Ausgangszellen ein umfangreicher App. retic. anzunehmen ist, entsteht ja in den beiden einzigen Fällen von zeitweiligem - Verlorengehn der Netzanordnung, die wir bisher vom Appar. retic. in Wirbeltierzellen kennen, das neue Netz, wie betont, stets durch Sammlung der Teilstücke des alten, aber nicht durch Aussprossen eines einzigen Körperchens. es \ Ah « ER an ' 2 nn u PR Hr 201 RICHARD ‘WEISSENBERG: | NEM In diesem Zusamsmenhane sei erwähnt, daß beim Kaulbarsch sich garnicht so selten auch mehr als ein Einschlußkörperchen in jungen L.-zellen finden können. So sind 2 Einschlußkörperehen I ein häufiger Befund (vgl. L.-studien I Taf. VII Fig. 21).) In Fig. 2 der vorliegenden. Mitteilung. sind in Zelle ce 3 abgebildet. Auch 4 wurden gelegentlich beobachtet. Aber niemals treten ihre Aussprossungen dann zu einem einheitlichen Netz zu sammen, sondern, falls sie sich überhaupt gleichmäßig weiter- entwickeln, .bilden sie völlig getrennte Netze, Weit häufiger ist es allerdings der Fall, daß mehrfache Anlagen sich ungleichmäßig weiterentwickeln, daß die eine oder andere Netzkörperanlage in der Entwicklung vorsueik oder umgekehrt zurückbleibt. ‘So sind in Fig. 1 drei Anlagen abgebildet, von denen nur eine zu einem Netz- körper ausgesproßt ist, die zweite erst das Stadium der. Kalotte erreicht hat, die dritte aber ganz rudimentär geblieben ist. Dieses Verhalten findet beim App. retic. keine Parallele, weist dagegen Fig. 1. L.-zelle Kaulbarsch ya | (60 x größter Durchmesser) 660: 1 | Ei mit 3 Herminaden weit entwickelten Netzkörperanlagen. eine bis ins Einzelne gehende Übereinstimmung mit Befunden auf, A wie sie sich häufig bei der Vaceineinfektion der Kaninchencornea für die GUARNIERIschen Körperchen erheben lassen. Wenn somit wohl der Beweis als erbracht angesehen werden kann, daß der Netzkörper der L.-zelle nicht, wie es JOSEPH wollte, einem Öentrophormium entspricht, so wäre weiterhin noch darauf a einzugehen, ob denn überhaupt irgend eine feste Lagebeziehung $ von Netzkörperkalotte und Zentralkörperchensphäre sich an meinen 7 Objekten in ähnlicher Weise ermitteln läßt, wie sie JOSEPH für Sargus beschrieben hat. Dabei ist von vornherein zu bemerken, ° daß es bei einer Zelle, wie der L.-zelle, die sich niemals mehr ” teilt, sondern nur fortlaufend wächst, überhaupt eine mißliche 1) Daß auch bei Sargus etwas Entsprechendes vorkommt, scheint mir wa aus JOREFEN Fig. 7 (Taf. VI) hervorzugehen. or Lymphocystisstudier. 208 Sache ist, von einer Struktur mit Sicherheit aussagen zu wollen, daß sie dem Zentralkörperchen entspricht. Immerhin habe ich (L -studien I S. 94—95) an der gleichen Stelle der L.-zelle wie JOSEPH nämlich nahe dem Hilus des oft nierenförmigen Kernes ein gelegentlich auf- gefundenes Stäbchen beschrieben und mich, freilich mit einer ge- wissen Reserve, für die Möglichkeit ausgesprochen, daß es ein . Zentralstäbchen sein könnte. In einigen neuerdings untersuchten Schnittserien finde ich nun bei HEIDENHAINfärbung bisweilen an der gleichen Stelle (Fig. 2a) ein deutliches Doppelstäbchen und in einem etwas ältere L.-zellen aufweisenden Falle (Fig. 2b und c) ein oder mehrere Paare von sehr prägnant hervortretenden Stäb- chen, die namentlich bei Zelle b relativ groß sind, wobei freilich zu beachten ist, daß die Dimensionen in der Zeichnung mit Rück- sicht auf deutliche Reproduktion etwas verstärkt worden sind.) Wenn ich auch im Gegensatz zu JOsEPH keinen besonderen als Sphäre zu deutenden Plasmahof um diese Gebilde bemerkt habe, so ist es immerhin namentlich unter Berücksichtigung des äußerst prägnanten Hervortretens an stärker differenzierten HEIDENHAINprä- paraten hier auch mir wahrscheinlich, daß diese Strukturen Zentri- olenpaare darstellen. Daß sich ihre Zahl mit zunehmendem Zellen- wachstum vervielfältigt (Fig. 2c), wäre ja nicht so ungewöhnlich. , Fig. 2. Jüngere L.-zellen Kaulbarsch (1000:1) a und b mit je einem Diplosom und je einer Netzkörperanlage, ce mit 2 Diplosomen und 3 Netzkörperanlagen. JOSEPH selbst weist in dieser Beziehung auf Befunde bei anderen Riesenzellen hin (Knochenmarkszellen, Riesenspermatogonier, Amö- bocyten von Lumbricus). Wie liegen nun zu diesen als Diplosome aufgefaßten Gebilden die Netzkörperanlagen? Darüber geben die in Fig. 2 abgebildeten Zellen Aufschluß. In Zelle a findet sich ‚die junge Netzkörperanlage in der Tat auf der Hilusseite des Kernes, also auf der gleichen Seite wie das Diplosom, aber doch „ein recht beträchtliches Stück im Plasma von ihm entfernt. Diese !) Nicht für Strichätzung vergröberte Abbildungen der Präparate werden im Handbuch der pathog. Protozoen von v. PROWAZER (Abschnitt Lymphocystis- Krankheit) reproduziert werden. ae Fr a Be 209 RICHARD WEISSENBERG! Lymphocystisstudien. Stellung zum Kernhilus weist die Netzkörperanlage überhaupt: auch sonst, mag nun in der Zelle ein Diplosom sichtbar sein oder nicht, häufig auf. Das ist aber nicht weiter wunderbar, wenn man bedenkt, daß der Kern in der Regel exzentrisch und zwar bei nierenförmiger Gestalt mit dem Hilus nach dem Zellinnern zugekehrt liegt. Auf der Hilusseite des Kernes ist also immer am meisten Platz im Plasma vorhanden. Etwas dichter am Diplosom liegt das größer gewordene Einschlußkörperchen der Zelle b. Betrachtet man aber die Zelle c, so ist es eine greifbare Lage- beziehung der hier in der Dreizahl aufgetretenen Einschlußkörperchen zu den beiden Stäbchenpaaren überhaupt nicht zu konstatieren und so ist es auch noch bei verschiedenen anderen nicht mitabgebildeten Zellen des gleichen Schnittes. Das Verhalten der Zelle b, wo Diplosom und Netzkörperanlage ziemlich dicht zusammenliegen, stellt also keineswegs die Regel dar und meine Befunde lassen sich dahin resumieren, daß ich mich von einer irgendwie gesetz- mäßigen Lagebeziehung von Netzkörperanlage und Zentralkörperchen an meinem Objekt nicht überzeugen kann. Auf diesen Punkt wurde auch darum etwas genauer eingegangen, weil V. SCHILLING wieder- holt!) den Standpunkt vertreten hat, es möchten bei Chlamydozoen- krankheiten auftretende Einschlußkörperchen wie z. B. die GUAR- NIERIschen Körperchen sich auf Archoplasmastrukturen zurückführen lassen, also auf Strukturen, die, allgemein gesagt, in der Umgebung der Zentralkörperchen präformiert sind. Meiner Überzeugung nach steht die L -krankheit der Fische mit ihrem außerordentlich infek- tiösen offenbar sehr kleinen intrazellulären Virus den Chlamydozoen- krankheiten wie Variola, Trachom u. s w. fraglos sehr nahe und der eigentümliche Netzkörper ist, wie ich an andrer Stelle weiter ausführe,?) zweifellos ein Homologon der GUARNIERISchen Körper- chen, aber von irgend einer gesetzmäßigen topographischen Be- ziehung zu den Zentralkörperchen oder dem Archoplasma habe ich mich, wie gesagt, nicht überführen können. Die Einschlußkörper- chen der L.-krankheit — und das Gleiche scheint mir auch für die GUARNIERIschen Körperchen zuzutreffen — leiten sich vielmehr 1) V. ScHiLLING-ToRGAU: Über die mögliche Umwandlung von Strukturen zu Pseudoparasiten, Chlamydozoenkörpern etc. in Erythrocyten und anderen Zellen. Centralbl. f. Bact. u. Parasitenk. Origin. Bd. 63. 1912. Derselbe: Arbeiten über die Erythrocyten II—VII. Folia haematol. Bd. 14. 1912, S. 240. Derselbe: Sitzungsber. Berl. Mikrobiol. GR. 1920 veröffentlicht in der Berl. klin. Wochenschrift. ?) WEISSENBERG:! Hautgeschwülste bei Fischen in ihrer Beziehung zu Chlamydozoenkrankheiten. Vortrag in der Berl. Mikrobiolog. Ges. am 17. Mai 1920 (veröffentlicht in der Berl. klin. Wochenschrift 1920 Nr. 46, S. 1105). \ =. , A en IR 4. r 4 rn r, H Frivz Levy: Ueber verschiedenwertige Spermatozoen bei Amphibien. 210 aller Wahrscheinlichkeit nach überhaupt nicht von in normalen Zellen präformierten Strukturen ab, sondern entstehen epige- ‚netisch offenbar an einer ziemlich beliebigen Stelle des Zelleibes, nämlich dort, wo sich die (zunächst wohl ultravisible) Virus- kolonie angesiedelt hat. Als was der Netzkörper demnach aufzu- fassen ist, wird indessen erst an anderer Stelle!) weiter dargelegt werden. Hier lag mir zunächst daran zu zeigen, daß er nicht darstellt ein Homologen des apparato reticolare oder Centro- phormium. Ueber verschiedenwertige Spermatozoen bei Amphibien. Von FRITZ Levy, Berlin-Dahlem. (Vorläufige Mitteilung.) In einer Fülle von Arbeiten ist über Dimorphismus von Sper- natozoen berichtet worden. Einmal verstehen die Autoren darunter, nämlich bei den Arten, wo das Männchen digamet ist, die Ver- schiedenheit der Spermatozoen mit oder ohne Xchromosomen, oder zwischen denen mit X- und denen mit Ycehromosomen. Dieser genetisch zu verstehende, aber an reifen Spermatozoen kaum je nachzuweisende Dimorphismus soll hier nicht besprochen werden. Schon lange bekannt ist auch eine andere Form. Bei Proso- "branchiern, Schmetterlingen usw. treten eigenartige, wurmförmige Spermatozoen auf, bei denen sich nur wenig oder kein Chromatin darstellen läßt. MEVES hat auf Vorschlag WALDEYERs Spermato- zoen mit einem normalen Kern eupyren, mit chromatinarmem Kern „ligopyren und ohne Chromatin apyren genannt. MONTGOMERY ‚spricht von einer Dimegalie der Spermatozoen. ’ In meinem Vortrag „Über die sogenannten Ureier im Frosch- En habe ich Ihnen berichtet über das Entstehen verschieden- wertiger Kerne und Zellen in allen Zell-Generationen der Samen- bildung. An anderer Stelle habe ich auf Grund weiterer Unter- ‚suchungen ähnliche Verhältnisse im Knochenmark und bei der Entstehung pathologischer Gebilde nachweisen können. Eine weiter Ergänzung möchte ich Ihnen heute vorlegen. Das Gesetz von der Konstanz der Chromosomenzahl und von der Individualität der Chromosomen ist von Anhängern und Gegnern häufig viel zu eng aufgefaßt worden. Abweichende Befunde in einzelnen Fällen beweisen nämlich garnichts gegen diese Gesetze. | 1) Vgl. den Anmerk. Seite 209 zitierten Vortrag sowie Handb. d. pathog. Protoz. I v. PROWAZEK Abschnitt Lymphocystiskrankheit (im Druck). u non 211 Fritz Levy: Ueber verschiedenwertige Spermatozoen bei Amphibien. Jede Tier- und Pflanzenart hat eine ihr eigentümliche Chromo- somen-Garnitur (HEIDER). Diese kann in den verschiedenen Zellen einfach oder zweifach, in atypischen auch dreifach, vierfach oder noch öfter vorkommen. Man nennt dann die Kerne und Zellen haploid, diploid, triploid, tetraploid etc. bis polyploid (WINKLER). Eine Zelle, welche die ihrer Art eigentümliche Chromosomen-Garnitur in der für ihre Generation bestimmten Anzahl enthält, nenne ich orthoploid. Eine heteroploide (WINKLER) Zelle weicht in ihrem Chromosomenbestand von der Regel ab, sie kann z. B. bivalent sein. Kerne und Zellen mit einem Chromosomenbestand, der nicht der Chromosomen-Grarnitur oder ihrem Vielfachen entspricht, also bunt zusammengewürfelt ist, nenne ich - poikiloploid. Im Verlaufe jeder Mitose können Störungen auftreten. Die Häufigsten sind 1. das Unterbleiben der Zytoplasmateilung nach der Kernteilung, 2. die mangelhafte Trennung einzelner Tochter- chromosomen in der Anaphase, 3. das Selbständigwerden einzelner oder einiger Chromosomen. Das Unterbleiben der Zytoplasmatei- lung hat meist die Bildung bivalenter Kerne auf dem Wege der Verschmelzung zur Folge. Wenn also die Präspermatidenteilung nicht durchgeführt wird, entstehen bivalente, d. h. diploide Sper- matiden, aus denen diplöide Spermatozoen entstehen. Diese Riesen- spermatozoen haben entweder zwei orthoploide, d. h. haploide Köpfe oder einen diploiden Riesenkopf. Die mangelhafte Trennung einzelner T'ochterchromosome in der Anaphase führt zu verschieden- wertigen Tochterkernen, von denen der eine mehr, der andere weniger Chromosome hat, als der orthoploide Kern. Aus so ent- standenen poikiloploiden Spermatiden müssen dann poikiloploide Spermatozoen hervorgehen. Hierzu gehört auch z. B. die Non- disjunction der Heterochromosome (BRipGzs). Ähnlich in den Folgen ist der dritte Fall, daß vereinzelte oder einige Chromosome: nicht in die Tochterkerne aufgenommen werden, oder gar größere Tochterkerne überhaupt nicht entstehen. Diesen Vorgang der Teil- kernchenbildung nennt man Karyomerie. Im reifen Spermatozoon kann man die einzelnen Chromosome nicht erkennen. Aber Kernmessungen können uns wichtige An- haltspunkte liefern. Hierzu sind die Amphibien-Spermatozoen | ganz besonders geeignet, da sich ja die Unterschiede an einem zylindrischen Kopf viel leichter und sicherer nachweisen lassen, als an einem mehr der Kugelform sich nähernden. Ich habe bei diesen Untersuchungen mich überwiegend der Dunkelfeld-Methode bedient. »ie bietet die Vorteile der Lebend-Beobachtung, der ” GÜNTHER ENDERLEIN: Neue paläarktische Simulüiden. 2123 scharfen Differenzierung der Teile und der Ausschaltung von Fehlerquellen, wie Fixation und Färbung. Ich beobachtete bei Aana fusca Kopflängen von 4—60 u, Zwischenstücke von 10—16 y, Schwanzlängen von 28—100 u. Das Spitzenstück von etwa 2 u Länge weist keine merkbaren Schwankungen auf. Das normale Spermatozoon hat etwa 2 u Spitzenstück, 40 u. Kopf, 14 u Zwischenstück und 40 u Schwanz. Bei Pelobates fand ich das Spitzenstück etwa 6—9 1. lang, Kopflängen von 22—54 u, Zwischenstück 1—2 u, Schwanzlängen 40—60 u. Das normale Spermatozoon hat etwa 7,5 1 Spitzen- stück, 40 u Kopf, 1 x. Zwischenstück, 50 u Schwanz. Bei Bufo cinerea fand ich etwa 4 y. Spitzenstück, Kopflängen 7—25 u, Zwischenstück 1—2 „u, Schwanzlängen 44—50 u. Das normale Spermatozoon hat etwa 4 y„ Spitzenstück, 22 u Kopf- längen, 1 x. Zwischenstück, 48 u Schwanz. Bei allen drei Arten beträgt der Durchmesser etwa 1 x. Die weit überwiegende Mehrzahl der Spermatozoen entspricht (mit geringfügigen Abweichungen nach oben oder unten in den Werten für die- Längen der einzelnen Teile) dem angeführten Normalspermatozoon. Die geringfügigen Abweichungen können auch bedingt sein in Ernährungszustand und dergl. Die größeren Abweichungen aber beweisen, daß uns poikiloploide Kerne vor- liegen. Riesen-, wie Zwergspermatozoen wiesen bei Dnnkelfeld- Untersuchung lebhafte Eigenbewegung auf. Wie weit sie im Stande sind, ein Ei zu befruchten, kann ich vielleicht beantworten, wenn experimentelle Arbeiten, die im Gange sind, einen Abschluß gefunden haben. Wichtig erscheint mir die Feststellung, daß man keine Klassifikationen der Spermatozoen nach der Größe vornehmen kann, etwa in der Art wie MONTGOMERY von Dimegalie spricht. Neue paläarktische Simuliiden. Von Dr. GÜNTHER ENDERLEIN. . (Zentralstelle für blutsaugende Insekten am Zoologischen Museum der Universität Berlin.) - Von einer Anzahl noch unbekannter zum Teil einheimischer ‘Simuliiden gebe ich nachstehend kurze und vorläufige Diagnosen. Die ausführlicheren RENNER. werden an anderer Stelle tert werden. 4, . . ıZ er d de ae an c P ee GER 13% 213 GÜNTHER ENDERLEIN! Subfam. Simulünae. Tribus: Nevermannuni. Nevermannia ENDERL. 1921. Nevermannia augustifrons nov. spec. 2. Fühler rost- braun. Stirnbreite ca. !/e der Stirnlänge. Thorax schwärzlich mit grauweißlichem Hauch und messinggelber Pubescenz. Abdomen bräunlich rostgelb. Beine hell gelbgrau. Tarsen braun. \Körper- länge 2°/ mm. (Süd-Frankreich.) Nevermannia tristrigata nov. spec. 2. Schwarz mit weißlichem Reif, Rückenschild mit 3 tiefschwarzen Längsstriemen. Beine hell ockergelblich, Spitzenviertel der Schienen und die Tarsen schwärzlich, 1. Hintertarsenglied mit Ausnahme des Spitzendrittels, 2. mit Ausnahme der Spitzenhälfte ockergelblich. Körperlänge 3'/;—3 mm. (Süd-Frankreich und Süd-Spanien.) Nevermannia bulgarica nov. spec. 2. Schwarzbraun, 3.—5. Tergit des Abdomens unten jederseits mit einem winzigen braungelben Fleck. Beine ockergelb, Hinterschenkel mit schwarzem Endsechstel. Vorderschenkel an äußerster Spitze gebräunt. End- viertel der Schienen schwarz. Basalviertel der Vorderschiene leicht. gebräunt. Tarsen schwarz, Basalhälfte des mittleren Metatarsus, das 1. Glied des hinteren Tarsus mit Ausnahme des Enddrittels und die Basalhälfte des 2. Hintertarsengliedes blaß ORDER 7 Körperlänge 3,7 mm. (Bulgarien.) Cnetha ENDERL. 1921. COnetha lapponica nov.spec. g‘. Matt graubraun, Rückenschild mit braungrauer, mäßig dichter Behaarung ohne jeden Glanz. Beine hell rostbraun. Copulationszange mäßig groß. 2. Kopf grau- braun mit weißlichgrauem Reif. Fühler rostbraun. Stirn ca. 3mal so lang wie vorn breit, die-vordere Hälfte schwach, die hintere ° stark nach hinten divergierend.. Thorax und Abdomen mattgrau schwarzbraun, Hinterränder der Abdominalsegmente mit Spuren ei eines roströtlichen Saumes. Pubescenz des Rückenschildes sehr kurz, ziemlich dicht und braungrau; zwei wenig scharfe Längs- striemen werden durch dichtere Anordnung der feinen Pubescenz- härchen erzeugt. Beine chitingelb oder dunkler, 4. und 5. Tarsen- ° glied braun. Körperlänge 2,5—3'/ mm. (Lappland.) (Coll. BECKER. ) Onetha Heymonsi nov. spec. 2. Thorax grauschwarz mit = zerstreuter glänzend grauer Pubescenz. Haltezange des J sehr kräftig und groß, ähnlich wie bei Prosimulium macropyga (LUNDSTR. 1514), Endteil aber viel schlanker. Körperlänge 3 —3°ı ae Neue paläarktische Simulüden. 214 (Norwegen, Finnland). Gewidmet wurde diese Species Herrn Professor Dr. HEYMonSs in Berlin. | Onetha annulus (LUNDSTR. 1911.) (synon: S. costatam FRIED. 1920.) Cnetha trabeata nov. Spec. cd’ sammetschwarz, Rücken- schild vorn und an den Seiten mit goldenen Haaren. 1. Hinter- tarsenglied *,; der Schienenlänge und fast breiter als die Schiene. 2. Kopf und Rückenschild mit diehten, messinggelben Haaren. Abdomen braun. Beine hell, äußerste Spitzen der Schenkel und Schienen dunkelbraun, Tarsen braun; 1. Hintertarsenglied gelblich, ziemlich stark verbreitert. Körperlänge 1,6—2 mm. (Italien.) Wilhelmia ENDERL. 1921. Wühelmia Jalcula nov. spec. d‘. KRückenschild tief- schwarz, ziemlich ‚dicht und gleichmäßig mit goldenen Haaren be- setz. 1. Hintertarsenglied schmal, nicht spindelig verbreitert. 2. Abdomen mit ziemlich dichter gelblich grauweißer Behaarung, Rückenschild mit dichter messinggelber Behaarung und 3 bräun- Ijehen Längsstriemen. Hinterbeine lebhaft gezeichnet. Körper- länge 1,6—2 mm. (Berlin, England.) Simulum augustitarsis Epw. 1921 (nee LUNDSTRÖM 1911) ist diese Species, während S. augustitarsis LUNDSTR 1911 nach dem Originalstück das f von Nevermannia aurea (FRIES). Melusina aurea (FRIES) LUND- STRÖM 1911 (nec FRıES). gZ ist nach den Originalstücken. Wilhelmia lineata (MEIG. 1804), das 2? — Nevermannia aurea (FRIES). Wilhelmia Dahlgrüni nov. spe. 2. Matt schwarz, Rückenschild mit gleichmäßiger spärlicher, äußerst kurzer gelber Pubescenz. Stirn ca. 12:1. Schenkelspitzen und Schienenbasis (*/s) rostgelb. 1. Hintertarsenglied mit Ausnahme des Enddrittels blaßgelb. Vorderschenkel etwas verdickt. Vorderschiene nicht verbreitert. 1. Vordertarsenglied ca. ?/s der Schienenlänge. Kör- perlänge 2,4 mm. (Sardinien.) Gewidmet Herrn Tierarzt DAHL- GRÜN in anöser. | Schönbaueria nov. gen. Typus: S. Matthiesseni nov. spec., Deutschland. Die Unterschiede dieser Gattung von Wilhelmia ENDERL. 1921 sind: | 1. Hintertarsenglied bei f und 2 stark verbreitert und ab- geflacht, Seitenränder nach den beiden Enden zu bei den 2 ein wenig, bei den Z stark konvergierend, die Form also mehr oder weniger spindelig. (Klauen ungezahnt, aber viel kürzer als bei Wilhelmia.) Die 3 Längsstriemen, die sich bei Wilhelmia häufig a EL 215 GÜNTHER ENDERLEIN. finden, fehlen hier stets. Gewidmet wurde diese Gattung dem Andenken SCHÖNBAUER’s, dem Monograph der Columbatscher-Mücke (1795). In diese Gattung gehört noch: $. minutissima (ZELT. 1550) Nordeuropa. Schönbaueria Töomösvaryi nov. spec. 2. Kopf matt schwarz mit dunkelgrauem Reif, Stirn und Scheitel mit ziemlich langer, kräftiger graugelber Pubescenz. Ver- hältnis der Stirnlänge von der Augenecke ab zur Breite vorn ca. 1?/a: 1, Seiten stark nach hinten divergierend. Fühler, Rüssel und Palpen dunkel rostbraun. Thorax matt schwarzbraun mit dunkel schwärzlich grauem Reif. Rückenschild mit ziemlich langer, ziem- lich dichter und kräftiger, graugelber Pubescenz, ohne Spuren von Längsstriemen, Schulterbeulen und Scutellum rostbraun mit eben- solcher Pubescenz. Abdomen matt bräunlich grauschwarz, Ober- ‘ und Unterseite mit langer, kräftiger, ziemlich dichter graugelber Pubescenz. Halteren und Beine mit den Coxen einfarbig rost- braun, mit ziemlich dichter, kräftiger langer gelber Pubescenz. Vorderschienen etwas verbreitert und abgeflacht. 1. Vordertarsen- slied eine Spur abgeflacht, aber nicht verbreitert, /a der Schienen- länge und nahezu nur halb so breit, wie die Schiene. 2. Vorder- tarsenglied ca. 5mal so lang wie breit und halb so lang wie das erste. 3. Vordertarsenglied ea 4:1. 1. Hintertarsenglied °/s der Schienenlänge mit etwa ?°/a der Schienenbreite; 2. Hintertarsen- glied 5:1 und ?/ der Länge des 1. Gliedes. Klauen klein, etwas gekrümmt, etwas kürzer als die Hälfte des 5. Tarsengliedes Adern ockergelb, Costa etwas gebräunt, Membran sehr leicht bräunlich getrübt. Körperlänge 3,4 mm, Flügellänge 2a, mm. Württemberg. 2 3 gesammelt von VON ROSER. Gewidmet wurde diese Species dem ungarischen Dr Bearbeiter der Columbatscher-Mücke. Schönbaueria Matthiesseni nov. spec. dd‘. Fühler schlank dunkelbraun. Rückenschild tief matt sammetschwarz, am Rande mit Ausnahme der Mitte des Vorderrandes mit dichten langen F messinggelben Haaren; auf der übrigen Fläche sind ebensolche ganz kurze Haare sehr spärlich verteilt. Haltere lebhaft ockergelb. Pleuren und Seiten des Rückenschildes mit mattgrauem Ton. Ab- domen sammetartig schwarzbraun, Hinterrandsäume der 4 letzten Tergite ein wenig graubraun getönt. Unterseite hell’ rostbraun. Beine einfarbig rostbraun. 1. Hintertarsenglied. abgeflacht‘ ea. ai, 4 Neue paläarktische Simuliiden. 216 der Schienenbreite, ca. °/s der Schienenlänge und eine unbedeutende Spur spindelig verbreitert. 1. Hintertarsenglied und Hinterschiene hinten mit sehr langen Haaren. Vordertarsus: 1. Glied fast so lang wie die Schiene, 2. Glied 4 mal so lang wie breit, nicht ver- breitert, 3. etwas verbreitert und ca. 2 mal so lang wie breit. 2. Fühler schlank und schwarz. Kopf weißlich grau. Schlufen mit einigen weißen Härchen. Stirn ca. 5 mal so lang wie vorn breit. Rückenschild schwarz mit weißgrauem Reif; Pubescenz spärlich, weißlich, ohne Längsstriemen. Halteren blaß ockergelb. Pleuren unbehaart. Abdomen rostbraun bis braun, matt, Pubescenz ziem- lich spärlich, kurz, vorn in der Mitte fast verschwindend, gelb- lichweiß. Beine gelbbraun, Tarsen braun, Vorderschiene ziemlich stark verbreitert und abgeflacht, Endfünftel scharfbegrenzt braun. Vordertarsus ohne Spur von Verbreiterungen: 1. Glied °/s der Schienenlänge, 2. Glied ca. 4 mal so lang wie breit. Flügeladern einschließlich Costa sehr blaß bräun lichgelb. Körperlänge dJ 2,3 mm. 2 2—3 mm. Flügellänge % 2,5 mm, 2 2,5—2°/ı mm. Berlin. 1 @ gesammelt von TETENS. | Berlin (Straußberg). 1900. 1 2 gesammelt von Dr. G. EX- DERLEIN. | Süd-Rußland (Sarepta). 1 d,2 2 (Coll. LoEw.). Gewidmet wurde diese Species Herrn Regierungs- und Geheimen Veterinärrat MATTHIESSEN in Hannover. der sich um die Erforschung der Kriebelmückenschäden in hohem Maße verdient gemacht hat. Schönbaueria Peetsinov. spec. 2. Kopf schwarz mit starkem grauweißem Reif. Stirn ca. 2!/g mal so lang (von der Hinterecke ab) wie vorn breit; Seiten sehr stark nach hinten divergierend. Thorax sehr stark gewölbt, kurz und fast kugelig; matt schwarz mit grauem Reif; Pubescenz des Rückenschildes kurz, gelblich mit starkem Glanz, mäßig zerstreut, vorn und hinten dichter und länger. Abdomen mattbraun bis dunkelbraun, Pubesesnz weißlichgelb mit starkem Glanz, ziemlich kurz, gleichmäßig verteilt, mäßig zerstreut. Beine gelbbraun, Vorderscheine verbreitert und abgeflacht, Endfünftel leicht gebräunt. Tarsen gebräunt. Vordertarsus: 1. Glied °/a der Schienenlänge, im Querschnitt oval, 2 Glied deutlich verbreitert, und Länge zur Breite 2!/e:1. 3. Glied 2:1. 1. Hintertarsenglied flach, °/; der Schienenlänge und ?/s der Schienenbreite; 2. Glied 2:1. .. . Körperlänge ca, 2 mm. Flügellänge ca..2°/«. mm. | Berlin (Rahnsdorf). 12.5. 1890. 3 2 gesammelt von TETENS. 917 GÜNTHER ENDERLEIN: Berlin 1 2 gesammelt von TETENS. Schweden (Lappland). 1 2. (Museum Stockholm) (Gewidmet wurde diese Species Herrn Lehrer PEETs in Hannover, der sich um die Erforschung der Kriebelmücken in hohem Maße verdient gemacht hat. Tribus: ‚Seimulunı, Odagmia specularifrons nov. spec. 2. Die Unterschiede von O. vartegata (MEIG.) sind: Silberne Zeichnung des Rücken- schildes ohne Widerhaken, Schenkel mit Ausnahme eines kurzen Basalstückes braunschwarz. Abdomen schwarz. 3.—5. Tergit einfarbig sammetschwarz. Stirn poliert glatt schwarz, sehr breit, 3/a:1. Vordertarsus: 1. Glied relativ schmal, */s der Schienenlänge, 2 Glied 3:1, 3. Glied 2%/a :1. Körperlänge 2!/; mm. (Norwegen). Odagmia Wiülhelmiana nov. spec. 2. Die Unterschiede von O. ornata (MEıG. 1818) sind: Abdomen im Leben ockergelb, trocken rostgelb; 3.—5. Tergit matt sammetbraun. Nur die End- drittel der Schenkel und die Endhälfte des Hinterschenkels braun- schwarz. Stirn weißlichgrau :1 (vorn). Vordertarsus: °,s der Schienenlänge, 2. Glied 21:1, 3. Glied 1°/a:1. (Sächs. Erz- gebirge, Oberwiesenthal). Gewidmet Herrn Professor Dr. J. WIL- HELMI in Berlin. Odagmia angustimanus nov. spec. 2. Die Unterschiede von O. ornata (MeıiG.) sind: Widerhaken der silbernen Zeichnung des Rückenschildes fehlen. Abdomen weißlichgrau, 3.—5. Tergit mit je 3 halbkreisförmigen schwarzbraunen Flecken. Vordertarsus lang und schmal, 1. Glied */; der Schienenlänge, 2. Glied 3Y/:1, 3. Glied 21/2 :1. Körperlänge 21); mm. (Sächs. Erzgebirge, Oberwiesenthal.) | Simulium LATR. 1803. Typus: $. reptans (L. 1758), Europa. Simulium Latreille, Hist.-Nat. des Insectes et Crust. XIV 1803, pag. 294. Atractocera MEIGEN, Klassifik. zweifl. Ins. I. 1, 1804, pag. 94 (Typus: A. argyropeza MEIG. 1804 = S. reptans, L. 1758), Eusimulium ROUBAND 1906. ©. R. Acad. Sc. Paris 143, 1906, pag. 521 (Typus: E. reptans. L. 1758). a) 1. Vordertarsenglied des 2 breiter als die Schiene. Hierher gehören: $. latimanus ENDERL. (= 8. reptans BE, WARDS nec. L.), S. morsitans EDw. 1915, S. venustum Say 1828 (= Austeris EDW. Fe g. FG ‚baueri ENDERL. 1921 (Tatra), EN Neue paläarktische Simuliiden. 218 S. alternans ENDERL, 1921 (Tatra), S. Nölleri FrIED. 1920 (=S. subornatum Epw. 1920). Simulium latimanus nov. Spec. Die Unterschiede von S. reptans (L.) sind: Q. Stirn weniger stark nach hinten divergierend, Länge zur Breite ca. 1!/:1. Haltere weißlich. Silberner Schulterfleck scharf und dreieckig. Vordercoxe weißlich. Schenkel schwarz, Basal- sechstel gelblich. Schienen weißlich, schwärzlich ist am Ende im Verhältnis zur ganzen Länge bei der Vorderschiene !/ı, bei der Mittelschiene '!/s und bei der Hinterschiene °/. Tarsen schwarz, gelblich ist an der Basis beim 1. Mitteltarsenglied !/s, beim 1. Hintertarsenglied °/s, beim 2. Hintertarsenglied Y/s. 1. Vorder- tarsenglied ca. °/ı der Schienenlänge und breiter als die Schiene. Länge zur Breite des 2. Vordertarsengliedes 1!/2:1, des dritten 1Y/ :1. 1. Hintertarsenglied °/ı der Schienenlänge, parallel und ziemlich schmäler als die breite Schiene. Körperlänge 1'/’.—2 mm, Flügellänge 2,4—-3 mm. England; Deutschland (Harz, Züllichau). EDWARDS faßt diese Art als S. reptans auf, FRIEDERICHS als S. pietum, MEIG. Simulium Schönbaueri nov. spec. . 2. Kopf schwarz mit grauweißem Reif, Stirn poliert glatt, Länge (von der Augenecke ab) zur Breite vom 1Ys:ı. 1. Fühler- glied ockergelb (die Geißel abgebrochen). Palpen braun, Rüssel rotbraun. Thorax matt schwarz. Rückenschild mit grauweißem Reif: von hinten gesehen ist der Grund grauweiß mit 1 schwarzen feinen Medianlinie und jederseits einem ca 3 mal so breiten Sei- tenstreifen in der Mitte jeder Seitenhälfte; von vorn gesehen wechselt dies so, daß die Färbungen gerade umgekehrt erscheinen; also die schwarzen Stellen erscheinen grauweiß, die grauweißen schwarz, nur der äußerste Seitenrandsaum ist von allen Seiten betrachtet lebhaft silberweiß. Scutellum matt schwarz. Abdomen wie bet S. reptans, aber die Unterseite der ersten Segmente hell- gelblich und die Hinterränder fast aller Tergite schmal dunkel- grau gesäumt. Haltere eitronengelb. Coxen braun. Vordercoxe x h r ockergelb. Trochanter und Schenkel lebhaft ockergelb, Spitzen- sechstel des Hinterschenkels braunschwarz. Oberseite der End- hälfte des Vorderscehenkels ganz undeutlich verdunkelt. Schienen lebhaft ockergelb, ganz an der Basis außen an der Vorderschiene ein winziger Fleck und ihr Spitzenfünftel sowie das Spitzenviertel der Hinterschiene braunschwarz. Vorderschiene außen silberweiß 219 GÜNTHER ENDERLEIN: blitzend, Hinterschiene weißlich bereift. Tarsen schwarz, ockergelb ist an der Basis ?/s des 1. Mitteltarsengliedes, gelblichweiß °/ı des 1. und !/s des 2. Hintertarsengliedes. 1. Vordertarsenglied °/ı der Schienenlänge und etwas breiter als die Schiene. non zur Breite des 2. Vordertarsengliedes 3:1, des dritten 22:1. 1. Hinter- tarsenglied ?/s der Schienenlänge, parallel und wenig ‚schmäler als die Schiene. Adern ockergelb. Körperlänge ca. A mm, Flügellänge 3,2—3!/e mm. Tatra.‘ Juli 11869. 9202 (CoLL. LOEW). Gewidmet wurde dich Species dem Andenken SCHÖNBAUERS, dem Monograph der Columbatscher Mücke (1795); sie hat viel Ähnlichkeit mit Odagmia variegata -«(MEIG.). Simulium Heidenreichi nov. spec. @. Diese Species ist ähnlich $. Schönbaueri, ENDERL. und unterscheidet sich von ihr durch Folgendes: Rückensehild tiefschwarz, matt und mit etwas grauem Reif; Schultern wenig stärker weißlichgrau; eine Spur der alternierenden Zeichnung, wie sie bei S. Schönbaueri vorhanden ist, zeigt sich. Abdomen wie bei 8. reptans, Unterseite aber gänzlich hell ocker- gelblich; 2.—5. Tergit matt dunkel sammetbraun, Hinter- und Vorderränder mit Ausnahme der Mitte mit sehr schmalem hell- braunen etwas grau bereiften Säummen, die sich nach außen verbreitert und an den Seiten zusammenfließen; Oberseite vom 6. Tergit ab poliert glatt braunschwarz. Alle Schenkel ockergelb. Basis der Vorderschiene nicht verdunkelt, Endfünftel aller Schienen "- schwarzbraun. 1. Vordertarsenglied °/ı der Schienenlänge und so breit wie die Schiene. une zur Breite des 2. Vordertarsengliedes 2\/s:1, des dritten 1%/:1. 1. Hintertarsenglied ?/s der Schienen- länge parallel und ca. ?/s der Schienenbreite.. Adern sehr blaß ockergelb. Körperlänge 2°/ı mm. Flügellänge 2°/ı mm. Deutschland (Dessau), 27. 5. 1917. 1 2 gesammelt von 4 HEIDENREICH. Gewidmet wurde diese Species dem Sammler. Simulium alternans nov. Spec. 2. Kopf schwarz, Clypeus dunkelrostbraun mit weißem Reif. "Stirn dunkelbraun, glatt, Seiten etwas nach hinten divergierend, Länge zur Breite vorn ca. 1:1. Thorax matt grauschwarz mit ähnlicher wechselnder Zeichnung wie &. flavifemur. Seutellum matt schwarz (Abdomen z.T. abgebrochen). Haltere schwefelgelblich. Coxen schwarzbraun, Vordercoxe gelblichweiß. Trochanter hell v 3 ! t Neue paläarktische Simuliüden. 220 braungelb. Schenkel braun, Basalsechstel der vier hinteren Beine blau gelblich, Hinterschenkel dunkelbraun. Schienen gelblichweiß, Vorderschienen außen und innen weiß, Spitzenviertel der Vorder- schiene, Spitzendrittel der Hinterschiene schwarzbraun, Spitzen- sechstel der Mittelschiene blaßbraun. Tarsen braunschwarz, Basal- drittel des 1. Mittel- und Hintertarsengliedes blaß gelblich. 1.Vorder- tarsenglied ?/3 der Schienenlänge und deutlich breiter als die Schiene. Länge zur Breite des 2. Vordertarsengliedes 21/:1, des dritten 11/e:1. 1. Hintertarsenglied °/a der Schienenlänge, parallel und ziemlich viel schmäler als die Schiene, Adern sehr blaß chitingelb. Körperlänge ca. 2 mm. Flügellänge 2,5 mm. Tatra, Juli 1869. 12 (CoLL. LOEWw). b) 1. Vordertarsenglied des 2 so breit wie die Schiene. Hierher gehören: $. reptans (L. 1758), $. columbacsense (SCHÖNB. 1795), #. tuberosum (LUNDSTR. 1911), SS. montanum (ENDERL. 1911), 8. tenwifrons (ENDERL. 1921). Simulium reptans (L. 1758.) 2. Kopf matt.schwarz, weißlichgrau bereift. Stirn poliert glatt, Länge zur Breite vorn 1'!/s:1 (von der Augenecke vorn nach hinten zu gemessen), Seiten ziemlich stark nach hinten diver- 'gierend. Thorax matt grauschwarz, Rückenschild mit ziemlich kräftiger anliegender ziemlich dichter gelber Pubescenz; Schultern weißlich bereift, aber ohne ausgesprochenen scharf begrenzenden Silberfleck. Abdomen schwarz, Oberseite: 2.—5. Tergit völlig sammetartig braunschwarz. 6.—9. Tergit glatt. Haltere hell ockergelb. Coxen schwarz, Vordercoxe gelbbraun. Schenkel braunscehwarz, Basis der Mittel- und Hinterschenkel selten eine Spur aufgehellt. Schienen weißlich gelb, schwarzbraun ist am Ende im Verhältnis zur ganzen Länge bei allen Schienen °/s. Vorderschiene außen blitzend silberweiß, ganz an der Basis außen ein kleiner graubrauner Fleck. Tarsen schwarz, gelblich, ist an der Basis beim 1. Mitteltarsenglied '/s, beim 1. Hintertarsenglied ?/s, beim 2. Hintertarsenglied Y%. 1. Vordertarsenglied *s der Schienenlänge und so breit wie die Schiene. Länge zur Breite des 2. Vordertarsengliedes 2:1, des dritten 1!/:1. 1. Hinter- tarsenglied ?/s der Schienenlänge, es und wenig schmäler als die Schiene. Körperlänge 1?/—2 mm. Flügellänge 2,4—2,8 mm. | Lappland (Quikkjokk). 24. 6.—7. 17. 1901. ® in Anzahl (Thurau.) Deutschland ete. Dr Sure a ne x — E 221 GÜNTHER EXDERLEIN: Simulium parvum nov. spec. 2. Kopf braunschwarz, matt, aber ein wenig glatt mit dünnem weißlichen Reif, Stirn poliert glatt, etwa so breit wie lang, mit Spuren von Reif. Fühler einfarbig braun. Palpen dunkel- braun. Thorax matt schwarz mit starkem grauweißlichen Reif ohne weißliche Zeichnung. Behaarung des Rückenschildes lang, wenig dicht, gelb, ziemlich kräftig. Abdomen braun, 2.—5. Tergit sammetbraun, 6.—9. Tergit poliert glatt. Flaltere hell schwefel- gelb. Coxen dunkelbraun, Vordercoxe hell ockergelb. Schenkel einfarbig braun. Schienen blaß gelblich, ein Ende ist braun bei der Vorder- und Mittelschiene '/ı, bei der Hinterschiene ?/s. Vorder- schiene außen blitzend silberweiß, Vordertarsen schwarzbraun, Mittel- und Hintertarsen gelblich weiß mit dunkelbraunem End- drittel. 1. Vordertarsenglied °?/s der Schienenlänge und so breit wie die Schiene. Länge zur Breite des 2. Vordertarsengliedes 2a, 1, des dritten 1'/s:1. 1. Hintertarsenglied der Schienen- länge ein wenig schmäler als die Schiene und an den beiden Enden | | eine Spur verjüngt. Körperlänge 1°/ı mm. Flügellänge 2 mm. Europa. (Genauer Fundort fehlt ) 1 2 (Coll. LOEW.) t Simulium montanum nov. spec. 2. Kopf schwarz, weißlichgrau bereift. Stirn poliert glatt. Länge zur Breite vorn 1’/a:1, aber schmäler als bei S. reptans, ; da die Augen kürzer und die Schläfen breiter sind als dort; Seiten ; etwas weniger stark nach hinten divergierend. Thorax matt grau- ; schwarz, Pubescenz mäßig kräftig, mäßig dicht und gelb. Silberner i Schulterfleck groß abgerundet dreieckig Abdomen wie bei S. reptans. | Halteren lebhaft ockergelb. Vorderschenkel grauschwarz, Basal- | fünftel rostgelb; Schenkel braungelb, Endfünftel scharf begrenzt schwarz. Schienen blaßgelblich, grauschwarz ist am Ende im Ver- hältnis zur Länge bei der Vorderschiene Basal- und Endfünftel, bei der Mittelschiene ?/s, bei der Hinterschiene !/. Vorderschiene innen sehr stark weiß blitzend. Tarsen schwarz schmutzig gelblich und an der Basis bei dem 1. Mitteltarsenglied !/s, bei dem 1. Hinter- tarsenglied '/s; Basaldrittel des 2. Hintertarsengliedes eine Spur gelblich aufgehellt. 1. Vordertarsenglied °/ı der Schienenlänge und so breit wie die Schiene. Länge EN Breite des 2. Vordertarsen- gliedes ca. 3:1, des dritten 2:1. 1. Hintertarsenglied °/,s der Schienenlänge, parallel und so breit wie die ziemlich SPranleN we Schiene. B Körperlänge 2'/a mm. Flügellänge 3,5 mm. Neue paläarktische Simulüiden. g IND 22 Sächsisches Erzgebirge. Oberwiesenthal in der Pöla und in Bächen des Fichtelbergabhanges. (900—1100 m hoch). . Okt. 1920. | Simulium tenuifrons nov. spec. 2. Kopf schwarz, weißlich grau bereift. Stirn poliert glatt, "auffällig schmal, Länge zur Breite vorn 2:1; Seiten nur sehr wenig nach hinten divergierend. Thorax matt grauschwarz; Rückenschild mit sehr feiner grauweißlicher Pubescenz; grauweißlich bereift ist ein Vorderrandsaum und zwei schmale nach hinten zu ziemlich stark divergierende Längsstreifen. Abdomen wie bei $. reptans. Halteren rostgelb, Stiel blau, Vordereoxen braungelb. Schenkel grauschwarz, an der Basis etwas gelblich. Schienen gelblich; Endhälfte, bei den Vorderschienen Endviertel graubraunschwarz. Vorderschiene außen blitzend weiß. Tarsen schwarz, rostgelb ist an der Basis beim 1. Mitteltarsenglied die Hälfte, hellgelblich beim 1. Hintertarsenglied */s und des zweiten !/s.. 1. Vordertarsenglied */a der Schienenlänge und so breit wie die Schiene. Länge zur Breite des 2.Vordertarsengliedes 2!/s : 1, des dritten 2:1. 1. Hinter- tarsenglied °/s der Schienenlänge, parallel und deutlich schmäler als die Schiene. 3 Körperlänge 2!/;, mm Flügellänge 3,3 mm. Deutschland, (Hamburg, gesammelt von WINTHEM, Coll. LoEW). | | c) 1. Vordertarsenglied des 2 etwas bis viel schmäler als die Schiene. | Hierher gehören: $. transcaspicum ENDERL. 1911. S. auricoma MEIG. 1818. $. tenuwimanus ENDERL. 1921. Simulium tenuimanus nov. Spec. @. Kopf matt schwarz, grau bereift, Clypeus weißlich bereitt, Stirn grau mit grauem Reif, ganz matt, Länge zur Breite vorn ca. 2:1 (von der Augenecke vorn nach hinten zu gemessen), Seiten mäßig stark nach hinten divergierend. Kopfpubescenz graugelblich und spärlich. Fühler rostbraun, Rüssel rotgelb, Palpen schwarz. Thorax matt schwarzgrau, Schulterbeulen rostbraun. Rückenschild mit gleichmäßiger wenig dichter, ziemlich dünner gelber Pubescenz, die nach dem Seitenrande zu sehr kurz wird; ein medianer Längs- streif ganz ohne scharfe Begrenzung und undeutlich ist schwächer pubeseiert und in der Grundfarbe dunkler, und im vorderen Drittel ‚ deutlicher; von hinten gesehen: an den Schultern je ein kleiner dreieckiger silberweißer Fleck; von vorn gesehen: je ein Seiten- randsaum matt silberweißlich. Abdomen matt rostbraun bis dunkel- - N £ _. - Pr a a: ie > FnNd; RM Bar du er ' h i 4 Pl Yrem's & ’ N h 2 \ . a. "A % act . " h Dar Dan At a EEE ln. ’ h ENT ' 293 - GÜNTHER ENDERLEIR: braun, Oberseite vom 6. Tergit ab matt grauschwarz mit weißlichem Reif und kurzer, spärlicher, weißlicher Pubescenz; Hinterränder der Tergite fein dunkel rostgelblich gesäumt. Mesopleura oben matt schwarzbraun, ohne Reif und ohne Pubescenz. Halteren sehr blaß selblich. Vordercoxen ockergelb. Schenkel gelbbraun, Hinterschenkel dunkler bis braun. Schienen gelbbraun, Spitzenviertel — beim Hinterbein Spitzendrittel — graubraun. Tarsen schwarz; an der Basis ist gelblich !/ı des 1. Mitteltarsengliedes, °/s des 1. Hinter- tarsengliedes, letzteres ohne eine schwarze Längslinie auf der Innen- seite. - Vorderschiene außen blitzend weiß. 1. Vordertarsenglied */; der Schienenlänge, deutlich schmäler als die Schiene. Länge zur Breite des 2. Vordertarsengliedes 2!/ı:1 (ziemlich stark ver- breitert), des dritten 1?/s:1 (breit). 1. Hintertarsenglied °/ı der Schienenlänge und etwas schmäler als die Schiene. Adern blaß chitingelb. Körperlänge 2'/—2,8 mm. Flügellänge 5—3,2 mm. Berlin (Straußberg). 1900. 1 2 gesammelt von Dr. G. EN- DERLEIN. HR, Finnland (Kangosala). re Das zu dieser Species wahrscheinlich gleiche 5° ist a g von. Sim. Nöllei ähnlich, die Unterschiede sind folgende: Goldene Pubescenz des Rückenschildes spärlicher, 1. Hintertarsenglied | schlank, wenig verbreitert, wenig spindelförmig, im Basal °/s hell- gelblich und °?/s der Schienenlänge. Simulium transcaspicum nov. Spec. 2. Kopf matt weißlich grau, Pubescenz blaß gelblich. Pal- pen dunkelbraun. Fühler lebhaft ockergelb. Stirn sehr breit, etwa so lang von der Augenecke ab wie vorn breit, Seiten gerade und wenig nach hinten divergierend. Thorax schwarz mit sehr dichtem weißgrauen Reif, Rückenschild und Scutellum mit ziemlich dichter anliegender gelblicher mäßig langer Pubescenz. Schultern ohne silbernen Fleck. Pleuren und Unterseite unpubesciert, nur Meso- pleura unter dem Scutellumrand mit wenigen gelblichen Härchen. Haltere lebhaft ockergelb. Abdomen matt, lebhaft ockergelb, mit sehr spärlicher Pubescenz, oben mit schwarzer Fleckenzeichnung, und zwar mit folgenden Flecken: 2. Tergit: jederseits ein breiter dicht vor dem Hinterrande; die übrigen sitzen dem Vorderrande flach auf und sind hinten halbkreisförmig bis flach abgerundet: 3. Tergit: 3, der mittelste halbkreisförmig, 4. Tergit: 3, der mit- telste erreicht den Hinterrand, 5. Tergit: 3 flache, 6. Tergit: 4, die seitlichen klein und flach, Als mittleren an der Bi verschmolzen Neue paläarktische Simuleiden. 224 und den Hinterrand fast tangierend; 7. Tergit: 3, die seitlichen steil, den Hinterrand fast erreichend, der mittlere sehr flach, 8. Tergit: 3 gleichgroße. 1. und 9. Tergit ohne Zeichnung. Beine und alle Coxen lebhaft ockergelb; Hinterschenkel mit Ausnahme von Basal- und Spitzenviertel gebräunt, Unterschiene weißlichgelb, Endviertel braunschwarz, Tarsen schwarz, vom 1. Mitteltarsenglied nur das Endviertel, vom blaßgelben 1. Hintertarsenglied nur das Enddrittel und vom 2. Hintertarsenglied die Endhälfte. 1. Vorder- tarsenglied ?/s der Schienenlänge ziemlich wenig verbreitert und abgeflacht. 2. Vordertarsenglied 4:1 (Länge zur Breite), ziemlich wenig verbreitert und abgeflacht; 3. Vordertarsenglied 3:1. 1. Hin- tertarsenglied °/a der Schienenlänge, etwas verbreitert und wenig abgeflacht. 2. Hintertarsenglied 2:1, drittes 1'/2:1. Adern hell ockergelb, Membran hyalin, eine Spur rötlichbraun getrübt. Körperlänge 3'/ı mm, Flügellänge 4 mm. | Transkaspien. (Aschabad). 28. 4. 1906. 1 2 gesammelt von C. AHNGER. Simulium ochrescentipes nov. Spec. 2. Kopf schwarz mit dichtem weißem Reif, auch die Stirn. Scheitel und Stirn mit gelber Behaarung. Länge zur Breite der Stirn 1Y/s:1. Rüssel und Palpen rostbraun, Fühler dunkel rostgelb, an der Basis etwas heller. Thorax matt schwarz, Pleuren und Schulterbeulen dunkel rostfarben. Rückenschild ohne weiße Flecke und mit dichter, mäßig kurzer, mäßig dicker und glänzend gelber Pubescenz. Scutellum rostfarben mit gelber Pubescenz. Abdomen dunkel, mit sehr dichtem, gelblich grauweißem Reif, Oberseite mit dichter ziemlich kurzer gelber Pubescenz, 3., 4. und 5. Tergit in der Mitte des Vorderrandes mit ockergelbem Querfleck. Haltere hell ockergelb. Coxen dunkelbraun, Vordercoxen ockergelb. Schen- kel und Schienen ockergelblich mit weißlich gelber Pubescenz, Endviertel der Vorder- und Hinterschienen schwarzbraun. Tarsen schwarz, an der Basis des 1. Mitteltarsengliedes °/s ockergelb. Vorderschiene außen nicht silberweiß. 1. Vordertarsenglied ?/« der Schienenlänge und etwas schmäler als die Schiene. Länge und Breite des 2. Vordertarsengliedes 3:1, des dritten 2% :1. (Hintertarsus abgebrochen). Adern blaß chitingelb. Körperlänge 3,5 mm. Flügellänge 3,4 mm Färutza. 5. Juni 1902. 1 2 (AHNGER). 295 W, JANENSCH: Ueber Elaphrosaurus Bambergi und die Megalosaurier aus den Tendaguru-Schichten Deutsch-Ostafrikas. Von W. JANENSCH. Die Ausgrabungen der Tendaguru-Expedition haben eine Aus- beute von Resten carnivorer Saurischier geliefert, die, verglichen mit der von Sauropoden an Umfang nur sehr gering erscheint, aber doch eine erhebliche Bedeutung dadurch erhält, daß sie die Feststellung einer neuen Gattung und mindestens 4 verschie- dener weiterer Arten gestattet. Das Material besteht in Knochen und in einer im Verhältnis zu der Zahl vorhandener Knochen überraschend großen Zahl von einzelnen Zähnen. Das Material von Knochen gliedert sich in die Reste einer ziemlich großen Form aus der Gruppe der Öoelurosaurier Elaphrosaurus Bambergi n. g. n. sp., von der ein großer Teil eines Skelettes vorhanden ist, und in einzelne Knochen oder kleine zusammengehörige Gruppen von Knochen großer Megalosaurier. Der vorliegenden kurzen Mit- teilung soll später die ENSLRST LEN Darstellung des ganzen Materiales folgen. ip Für die Anfertigung der Zeichnungen bin ich Herrn A. Ebert zu Dank verpflichtet. Elaphrosaurus bambergi n. gen. n. Spec. Wirbelsäule: Vorhanden: 7 Halswirbel, 10 Rumpfwirbel, 5 Sakralwirbel, 20 Schwanzwirbel. | Halswirbel: Es fehlen Atlas und Epistropheus und wahr- scheinlich nicht mehr als ein Wirbel zwischen dem 5ten und 6ten der vorhandenen, d. h. der Ste vom Atlas an gezählt. Form nie- drig, langgestreckt; starke Ausbildung umfangreicher pleurozentraler Fig. 1. Elaphrosaurus Bambergi n. g.n. Sp. 7. Halswirbel ja n. Gr. A Gruben, die beim letzten Wirbel verschwinden und auch bei m. 3ten Halswirbel undeutlich sind. Die Postzygapophysen stellen an einander liegende, nach unten offene Rinnen dar. Ar Ueber. Elaphrosaurus Bambergi und die Megalosaurier usw. 226 mit den Wirbeln, ausgenommen beim letzten, knöchern verwachsen; Körper bikonkav. Der vertikale Durchmesser der Endflächen des Körpers wächst von 20 mm beim 3ten auf 42 mm beim 10ten dauernd an. Die Länge des Körpers nimmt von etwa SO mm beim 3ten auf etwa 110 mm beim 4ten stark zu, erreicht beim Tten 119 mm und nimmt beim 9ten auf 112 mm, beim 10ten auf 99 mm ab. Fig. 1 stellt den 7ten Halswirbel dar, der bei sehr gestreckter Form eine Höhe der vorderen Endfläche des Körpers von 28 mm hat. Rumpfwirbel: Körper kräftig eingeschnürt, ohne pleuro- zentrale Gruben, mäßig lang; Güsnorälze flügelartig verbreitert, ventral durch eine Strebe gestützt. Dornfortsatz ziemlich niedrig und lang. Postzygapophysen aus zwei neben einander liegenden, nach unten hohlen Rinnen gebildet. Die Länge der 4 ersten Wirbelkörper ist annähernd gleich, etwa 84 mm, vom ö5ten.ab nimmt sie zu, beim 10ten beträgt sie 108 mm und vermindert sich bei den folgenden auf 103, 96 und 88 mm. Die Körper sind mäßig bikonkav, vorn etwas tiefer ausgehöhlt als hinten. Der letzte Rumpfwirbel ist mit dem Sakrum verwachsen. Die vorhandenen 10 Rumpfwirbel lassen sich zu einer vor- deren Gruppe und einer hinteren von je 5 Wirbeln ordnen, zwischen «denen wohl 3 einzuschalten sein dürften. En x Ann 2 Q A\\\ Wyyynypan zur N \ DITDDIER Din ) Fig. 2. Elaphrosaurus Bambergi n. g. n. sp. 10. Rumpfwirbel !/ n. Gr. Der vertikale Durchmesser der Endflächen des Körpers wächst 'von etwa 4 cm bei den vorderen auf gegen 5!/e cm bei den hin- teren Wirbeln an. Fig. 2 gibt den 10ten Rumpfwirbel wieder. ‘ — nn on | | | L; TE 1 RE ER Amt. Z re ı * BAFER, x ii, 14 Yan a RR FE MH R A r Fr Kr, 4 f . Folh,d 3237 W. JANENSCH! Das Sakrum besteht aus 5 verwachsenen Wirbeln. Zu ihnen 2 tritt der letzte Rumpfwirbel als dorsosakraler; seine mit dem. Dium verwachsenen Querfortsätze tragen wohlerkennbare Fazetten für zweiköpfige Rippen. Die Dornfortsätze der vier vorderen eigentlichen Sakralwirbel sind verwachsen. | Schwanzwirbel: Die vorhandenen 20 Schwanzwirbel ent- stammen den verschiedenen Regionen des Schwanzes. Sie lassen sich zu mehreren Gruppen ordnen. Die vordersten ähneln im Ge- samtumriß den hinteren Rumpfwirbeln; die mittleren haben mäßig gestreckte Körper, auf deren Flanken die Querfortsätze immer weiter herabrücken. Die hinteren Wirbel sind langgestreckt — bis 82 mm Länge des Körpers — und von niedrigem Querschnitt, ohne Dornfortsatz, mit sehr stark verlängerten, sehr kräftigen Präzygapophysen und schwach entwickelten Postzygaphysen (Fig. 3). | Fig. 3. Elophrosaurus Bambergi n. g. n. sp. Hinterer Schwanzwirbel "/ n. Gr. Die Körper sind bei den vordersten Wirbeln. konkav-plan, werden weiterhin biplan und sind in der hinteren Hälfte des Schwanzes wieder konkav-plan; die letzten vorhandenen nähern sich wiederum dem biplanen Typus. Becken: Das Iium ist niedrig und infolge starker Entwick- lung des vorderen und hinteren Flügels langgestreckt. Der hintere Flügel bildet unten eine lateral weit vorspringende rinnenförmige, E nach unten konkave Platte. Über dem Acetabulum sitzt eine lateral kräftig vorragende Überdachung. Die Ischia sind gestreckt, schlank, mit einem wohlentwickelten distalen Schuh versehen und über den größten Teil ihrer Länge hin verwachsen. Das Pubis. ist gleichfalls sehr schlank, gerade, stabförmig; das distale Ende ist nicht erhalten. Die Hinterextremität (Fig.4)ist sehr hochgebaut und schlank. Das 53 cm lange Femur ist ziemlich stark gekrümmt. Die Tibia er en een ist sehr lang (61 cm) und schlank, und besitzt eine stark ent- 1 wickelte Tuberositas. Die Fibula ist in ihrem Schaft sehr schmal g und dünn. Der Astragalus (+ Calcaneus) ist durch schwache Ausbildung eines aufsteigenden Fortsatzes gekennzeichnet. Der Metatarsus ist sehr gestreckt, und. beten aus Ber Malta ha Ueber Elaphrosaurus Bambergi und die Megalosaurier usw. 23938 von denen das mittlere, dritte, eine Länge von 39 cm hat. Das Vorhandensein einer schwachen ersten Zehe ist fraglich. Das dritte Metatarsale weist proximal seitlich vorn Einsenkungen zur Fig. 5. Elaphrosaurus Bambergi n. g.n.sp. Prozimale Ansicht des linken Meta- tarsus. !/ n. Gr Fig. 4. EHlaphrosaurus Bambergi n. @. n. Sp. Linke Hinterextremität. Etwa !/ı n.Gr. Aufnahme der anliegenden Metatarsalia auf, wodurch ersteres einen unregelmäßigen T-förmigen Querschnitt erhält (vgl. die proximale Ansicht des Metatarsus Fig. 5). Zweites und viertes Metatarsale sind also proximal einander genähert und drängen hier 999 W. JANENSCH: das dritte Metatarsale gleichsam in gewissem Maße nach hinten. # Die beiden proximalen Phalangen des zweiten Fingers haben ge- ‚streckte Form. Der Humerus ist kurz (26 em), gerade und schmal; seine Fossa bieipitis ist schwach entwickelt. Die Zurechnung des beschriebenen Coelurosauriers zu einer der bekannten Gattungen erweist sich als nicht möglich. . In der Ausbildung des Metatarsus zeigt sich in gewissem Grade eine Analogie mit den jüngeren Gattungen Ornithomimus und Struthio- mimus insofern, als bei diesen das Zusammenrücken der proximalen Enden der Mt2 und Mt4 auch vorhanden ist, und zwar in so weitgehendem Maße, daß beide sich berühren und das Mt3 ganz nach hinten gedrängt wird. Letzteres ist dabei in seinem proxi- malen Querschnitt stark eingeengt worden; die Spezialisierung ist also viel weiter gegangen, als bei Zlaphrosaurus. Der Sinn der Ausgestaltung des Metatarsus bei allen drei Gattungen ist wohl dahin zu verstehen, daß eine in sich feste und starre proximale Verbindung der drei Metatarsalia geschaffen wird unter Ausdeh- nung der schlanken Säulenform der Tibia auf den proximalen Ab- schnitt des Metatarsus. ‘Ein unmittelbarer oder auch nur entfern- terer direkter genetischer Zusammenhang der afrikanischen Form mit Ornithomimus ist aber wegen des Fehlens von Zwischenformen nicht erweisbar, obwohl keineswegs ausgeschlossen. Die annähernd gleichaltrigen Ornitholestes und Compsognathus scheinen jedenfalls von Elaphrosaurus in Bezug auf die Ausbildung des Fußskeletts stärker abzuweichen. Den genaueren Vergleich mit allen in Frage kommenden Gattungen muß ich mir für später vorbehalten. Nach dem leichtem und hohem, für große Schnelligkeit sprechenden Bau der Hinterextremität benenne ich den Coeluro- saurier von Tendaguru Hlaphrosaurus (eXappös — leichtfüßig) und widme die Art dem treuen und hochsinnigen Freunde und För- Ä derer der Tendaguru-Expedition Herrn Fabrikbesitzer PAUL BAM- BERG in Wannsee bei Berlin. Elaphrosaurus Bambergi weist Eigenschaften hochwertiger Spezialisierung auf: Sehr leichter Bau der langgestreckten Hals- wirbel mit starker Entwicklung der pleurozentralen Höhlungen, ° hohe Zahl der Sakralwirbel, bedeutende Länge der Tibia und der Metatarsalia, Zusammenpressung der proximalen Enden der Meta- tarsalia, Reduktion der Vorderextremität. Dem gegenüber wäre an ursprünglichen Merkmalen zu nennen: Bikonkaver Bau der Hals- wirbel, sehr geringe Entwicklung des aufsteigenden Astes’ des Astragulus. | ne 1 ee re) Ueber Elaphrosaurus Bamberg: und die Megalosaurier usw. 230 Die Rekonstruktion, die in der später erscheinenden ausführ- lichen Beschreibung geliefert werden soll, gibt das Bild eines sehr schlanken, schmalen, langhalsigen, langschwänzigen, auf sehr hohen Hinterbeinen schreitenden Tieres. ; Megalosauriden. Das vorliegende Material an Knochen großer Megalosaurier umfaßt 14 mehr oder weniger vollständige Wirbel, von vier Fund- stellen stammend, und mindestens zwei verschiedenen Formen an- gehörig, an Extremitätenknochen 3 Femora von 2 Arten, vier Tibien von drei Arten, eine Fibula, zwei Phalangen, ein Ilium und ein großes Quadratum. Aus diesem Material greife ich für die Dar- stellung in dieser vorläufigen Mitteilung einige wenige heraus, die für die Feststellung zweier Arten besonders geeignet erscheinen. Zwei wei- tere Arten werden weiter unten durch Zähne gekennzeichnet werden. Allosaurus (?) sp. Eine in ihrem proximalen und einem distalen Abschnitt er- haltene Tibia aus der mittleren Saurierschicht vom: Tendaguru stimmt derart gut mit dem Abguß des nordamerikanischen Allosaurus überein, daß ich sie mit Vorbehalt dieser Gattung anreihe. Die 'Tibia vom Tendaguru ist größer und kräftiger, als die der ameri- kanischen Form; die Länge des Proximalendes, Tuberositas-Con- dylus lateralis, beträgt 272 mm gegenüber 235 mm bei letzterer. Ceratosaurus (?) sp. Es liegen aus der dritten Saurierstufe drei ziemlich kleine Rumpfwirbel vor. Bei allen drei hat sich der nicht mehr vorhan- dene obere Bogen an der Naht abgelöst; das Tier war also nicht ausgewachsen. An einem vorderen Rumpfwirbel sitzt die vordere End- fläche dem kurzen Körper gerade auf, die hintere ist schwach geneigt; beide sind kreisrund, die vordere flach, nur in der Mitte schwach eingesenkt, die hintere deutlich konkav. Körper in der Mitte seitlich stark zusammengedrückt, mit ventralwärts konver- gierenden Flanken, die in einem scharfen medianen Kiel zusammen- laufen. Vor und über der Mitte eine tiefe pleurozentrale Grube. Die Parapophysen-Fazette sitzt am Vorderrande etwas über der “halben Höhe als rundliche Grube. Die Länge des Wirbelkörpers beträgt oben 65 mm, unten 73 mm, die Höhe des vorderen Gelenk- endes des Körpers 69 mm. Die Lage der Parapophyse und der stark entwickelte mediane ventrale Kiel zeigen an, daß der Wirbel einer der vordersten der Rumpfregion ist. Er erinnert stark an 231 W. JANENSCH: Abbildungen von Wirbeln von Ceratosaurus nasicornis MARSH (The Dinosaurs of North America 1896 Tf. IX). Der Rücken- wirbel Fig. 5 bei MARSH besitzt die pleurozentrale Grube in recht ähnlicher Weise. Ich stehe daher nicht an, die Art von Tendaguru, wenn auch mit Vorbehalt, an die an ori a Gattung anzuschließen. Der Körper eines zweiten, wohl als mittleren ee Rumpfwirbels von der gleichen Fundstelle von einer Länge von (oben) 89 mm hat nach unten etwas konvergierende hochovale schwach konkave Endflächen und hochovalen Querschnitt mit kaum angedeuteter ventraler Zuschärfung in seinem mittleren Teil. Über der Mitte der Flanken liegt eine weite flache Mulde mit ausge- sprochener tiefster Stelle knapp vor der Mitte Der Körper eines hinteren Rumpfwirbels von oben 86 mm Länge hat annähernd kreisrunde sehr schwach konkave Endflächen (vorn 35 mm hoch, 83 mm breit). Der mittlere Teil des Körpers ist sehr kräftig — auf 41 mm — eingezogen und von kreisrundem Querschnitt. Über der Mitte liegt eine längliche kräftig eingesenkte Grube, deren scharf umgrenzte lochartige tiefste Stelle, wie bei dem mittleren Rumpfwirbel, knapp vor der Mitte liegt. | Zähne. | Das vorliegende Material an Zähnen umfaßt gegen 230 Stück. Es lassen sich aus ihm zunächst drei Arten leicht ausscheiden. Elaphrosaurus Bambergiı n. g. n. Sp. Kleine Zähne von meist 20—30 mm Länge, nur ausnahms- weise bei vollständigerer Erhaltung der Pulpawandung über 55 mm lang. Der vorherrschende Typus ist stark nach hinten gebogen und ziemlich breit; der Hinterrand schneidend scharf und fein ge- kerbt, der Vorderrand breit gerundet. Fast stets zeigt die Spitze Abnutzung und zwar auf der Vorderseite und auf den Seiten. Selten ist auf dem Vorderrande eine sehr fein gekerbte Schneide erhalten, die aber nur dem oberen Teile der Krone aufsitzt und, bevor sie nach unten erlischt, zur lingualen Seite abbiegt. Seltener sind schmalere, mehr kegelförmige Zähne. Nur einmal vertreten ist ein kleiner nur 12 mm langer Zahn von gänzlich abweichendem' Typus; er ist schmal, seitlich zusammengedrückt, stark nach hinten gebogen mit gerundetem Vorderrande und zwei hinteren Kanten, 4 von denen die eine schwache Kerbung erkennen läßt. Der Zahn zeigt Ahnlichkeit mit einem von LAMBE (New Genera and Species from the Belly River series (Mid-Cretaceous) 1902 Tf. 14, A E| Ueber Elophrosaurus Bambergi und die Megalosaurier usw. 232 Fig. 12, 13) mit Vorbehalt als Vorderzahn von Ornithomimus altus LAMBE beschriebenen. Die Zubehörigkeit des kleinen Zahnes vom Tendaguru als Vorderzahn zu den vorher beschriebenen, zahlreichen vorn und hinten randgekerbten Zähnen vermag ich nicht zu be- weisen, ich halte sie aber für wahrscheinlich und glaube alle diese Zähne zu Elaphrosaurus Bambergi rechnen zu sollen. Die Zähne dieser Art haben sich in der Zahl von etwa 150 in der zweiten und dritten Saurier-Schicht gefunden. Megalosaurus (?) ıngens. n. Sp. Der größte Zahn (Fig. 6) von 15 cm Gesamtlänge mit 12 cm langer Schmelz- bedeckung; mäßig stark gekrümmt; Spitze sich ziemlich allmählich verjüngend. Beide Ränder mit tief hinab reichender, ziemlich grober Kerbung. Form der großen Zähne mäßig breit bis schmal; ein kleinerer sehr niedriger, breiter Zahn dürfte einer der hintersten einer Zahnreihe sein. Durch Art der Kerbung, Form der Spitze und Größe ist dieser Typus klar von den übrigen geschieden. Zähne dieser Art, kommen in allen drei Saurier-Schichten vor. Für einen näheren Vergleich kommen am ehesten die noch gröber gekerbten, wesentlich kleineren Zähne aus dem oberen französischen Jura in Betracht, die als Megalosaurus insignis von LENNIER aus dem unteren Kimmeridge von La Heve nnd von SAUVAGE aus dem mittleren Port- - land von Boulogne abgebildet worden sind. Der große afrikanische Zahntypus weicht durch seine etwas feinere und auf dem Vorderrande weiter herabreichende Kerbung sicher mindestens artlich von den franzö- Fig. 6. sischen Zähnen ab. Ich führe die Art Meansaurus angers n- Sp. ‘ von Deutsch-Ost-Afrika mit Vorbehalt Wr _ unter dem als Sammelbezeichnung dienenden Gattungsnamen = Megalosaurus auf und nenne sie wegen der ungewöhnlichen Größe Megalosaurus (?) ingens n. sp. a An aan, = re DT ent ZEIT ER un N nV. P ee ee a a I "Zn 2 een ES nm — Ei ER DW np 2004 Be Labrosaurus (?) Stechowi n. sp. Dick, kegelförmig (Fig. 7, 8) bis niedrig breit, ziemlich stark Run 335 W. JANENSCH:! gekrümmt; bei den dicksten Zähnen kommt die Breite des Quer- schnittes dessen Länge sehr nahe. Der schmalste Zahn hat einen 7 Querschnitt von 18,0 mm Länge und 11,4 mm Breite. Der längste © Fig. 7. Fig. 8 Labrosaurus (?) Stechovi n. sp. Zahn °/ n. Gr. desgl. Querschnitt. vorliegende Zahn mißt 49 mm bei 45 mm Länge der Schmelz- bedeckung. Die beiden Schneiden sind fein gekerbt, die der Vor- derseite reicht verschieden weit abwärts; an einem plumpen, kegelförmigen Zahn fehlt die vordere Schneide ganz. Bezeichnend ist eine grobe Längsriefung; die Rippen dieser Riefung konver- gieren nur Schwach nach der Spitze zu, nach unten schalten sich kürzere ein; manchmal legt sich eine feine Längsriefung über die grobe. Die beschriebene Skulptur tritt in sehr verschieden starker Ausbildung, meist, nur auf der lingualen Seite, auf. Bei breiteren Zähnen ist sie nur angedeutet, bei den mehr kegelförmigen meist stark ausgeprägt. Eine Zone beiderseits des Hinterrandes ist stets eanz glatt. Es liegen 10 Zähne vor, neun aus der mittleren ” Saurier-Schicht, nur ein konischer, zweiseitig skulptierter. stammt aus der oberen. Eine sehr ähnliche Oberflächenskulptur zeigt ein von MARSH als Labrosaurus suleatus ‚abgebildeter Zahn. (The Dinosaurs of North America, 1896, Tf. XIII, Fig. 1.) Eine generische Zu- 7 sammengehörigkeit der amerikanischen Art mit der ostafrikanischen h | erscheint mir nicht zweifelhaft. Ein zweiter hierhergehöriger Zahn wird von GREPPIN aus der Virgula-Stufe von Münster im Berner Jura als Megalosaurus Meriani abgebildet (Deseription geologique ° du Jura Bernois et de quelques distriets adjacents. Mater. p. la 7 Carte g6ol. de la Suisse 1870, Tf. I, Fig. Ta—c). Die Abbildung 7 zeigt einen kegelförmigen, schwach gekrümmten, dicken Zahn mit 7 nur einer fein gekerbten Schneide, der nur auf einer Seite in der Mitte wenig kräftige Längsriefen zeigt. Die Übereinstimmung an den Zähnen vom Tendaguru ist groß. N Die drei Formen vom Tendaguru, von Nordamerika und aus der Schweiz sind offenbar einer Gattung zuzurechnen; ich möchte für sie mit Vorbehalt den Namen Labrosaurus anwenden. Hay u Fe A TER + Ueber Elaphrosaurus Bambergi und die Megalosaurier usw. 234 (Proc. U. S. Nat. Mus. 35. 1900 S. 352) hat sich allerdings da- für ausgesprochen, daß dieser Name nicht für den amerikanischen Zahn anzuwenden sei, da er bei den Zähnen des Dentale von Labrosaurus, so weit er sie freilegen konnte, komprimierte Gestalt und keine Riefung fand. Doch zeigt das Material vom Tendaguru, daß bei derartigen Zähnen auch schmaler Querschnitt auftreten, die Riefung aber fast ganz zurücktreten kann. So scheint mir die Frage der generischen Zugehörigkeit weiterer Klärung bedürftig, die Berechtigung einer neuen Gattung noch unsicher und — da sie vorläufig nur auf Zähnen begründet werden könnte — uner- wünscht. Die interessante Form von Tendaguru widme ich dem durch seine hochherzige Unterstützung der Tendaguru-Expedition hochverdienten Herrn ÖObergeneralarzt Dr. Stechow in München. Sonstige Zähne von Megalosauriden. Nach Ausscheidung der besprochenen drei Arten, verbleibt ein Material von etwa 40 Zähnen von Megalosauriden-Charakter, das in scharf geschiedene Arten aufzuteilen nicht gelang. Gemein- sam ist allen diesen Zähnen eine feine Kerbung beider Schneiden. Neben seitlich stark zusammengedrückten finden sich solche von mehr kegelförmiger Gestalt, die jedenfalls aus der vorderen Schnauzenpartie stammen. Die Zähne mit schmalem Querschnitt zeigen inbezug auf Breite so viel Verschiedenheit, daß sie wohl nieht aus dem Gebiß einer Art stammen können. Ich nehme viel- mehr an, daß mindestens zwei Arten in ihnen vertreten sind. ‚Ein besonders breiter Typus erreicht in einem Zahn bei 37 mi Breite und 17: mm Dicke an der Basis und einer erhaltenen Ge- samtlänge von 86 mm eine Schmelzlänge von 83 mm. Bei ihm ist der Vorderrand sehr stark gebogen; die feine Kerbung endigt auch auf dem Vorderrande sehr tief. Ein anderer Typus ist sehr viel schmaler und besitzt dementsprechend eine weniger stark gebogene Vorderkontur. Ein derartiger Zahn hat bei 25 mm Breite und 12 mm Dicke an der Basis eine Gesamtlänge von 61 mm, eine Schmelzbedeckung von 53 mm Länge. Die fein gekerbte Schneide reicht auch vorn weit nach unten und zwar bis unter die Höhe der Pulpaspitze hinab. Die Frage, welche der vorhandenen Skeletteile mit den ver- schiedenen Zahntypen artlich zusammengehören dürften, soll hier noch nicht behandelt werden. Die oben auf Zähnen begründeten beiden neuen Arten können jedenfalls nicht mit Ceratosaurus (?) Sp. und Allosaurus (?) sp. zusammenfallen, sodaß mir eine Zahl von mindestens 5 verschiedenen Arten gesichert erscheint. LA: x } 18 # Rt In 70 Fa rn N a £ r er 5 N 7 je % " TR: er IL I RE WER, i a 235 R HEYMmoRS: Das Vorkommen einzelner Zähne an Brian Grabungsstellen aller drei Saurier-Schichten und ihre große Anzahl im Verhältnis zu der der Knochen vermag ich nicht anders zu erklärer, als daß sie zum größten Teil von lebenden Tieren stammen, die sie — vermutlich wohl in erster Linie beim Fressen — verloren. Diese Tiere dürften sich also wohl häufig und in größerer Menge im Ge- biete der Saurier-Schichten aufgehalten haben, sie sind aber offen- bar weit seltener den Umständen zum Opfer gefallen, denen die Sauropoden in so großer Menge erlagen (vergl. W. JANENSCH, Die Gliederung der Tendaguru-Expedition im Tendaguru-Gebiet und die Entstehung der Saurierlagerstätten. Arch. ?. Biontol. I DE B..,202.) | Ueber ein Pferd mit zebroider Zeichnung. Ein Beitrag zur Kenntnis der Baschkirenpferde. (Mit Tafel VL) Von R. HEYMonSs. In einer Mitteilung über das letzte Auftreten des Tarpans in Südrußland hat Fr. von FAtz-FEIN auf eine interessante Natur- rasse von Pferden hingewiesen, die sich im Innern Rußlands, im Gouvernement Orenburg, im Lande der Baschkiren, bis jetzt allem Anschein nach noch so gut wie rein und unvermischt erhalten hat. ‚V. Farz-FEin hatte Gelegenheit gehabt, eine Anzahl solcher Pferde auf einer großen russischen Pferde-Ausstellung zu sehen, die im Jahre 1913 in Kiew stattgefunden hat, und war überrascht zu sehen, wie sehr die dort ausgestellten Baschkiren-Pferde den im Innern Asiens lebenden Wildpferden glichen. Letzteren sahen sie „ver- blüffend ähnlich, waren falbfarbig und von demselben Körperbau. Nur waren die Mähne und der Schweif länger und buschiger. Die meisten hatten einen Aalstrich und Zebroidstreifen an den Pe und eine Stute sogar an der Stirn“. Die Tiere erschienen Herrn von FALZ-FEIN so interessant, daß er vier Stuten von den in Kiwi ausgestellten Baschkiren-Pferden erwarb, sie alsdann jedoch Exeellenz von Oettingen, dem damaligen Preußischen Landstallmeister in Tra- kehnen, auf dessen Wunsch überließ, welcher die Stuten für Zucht- zwecke zu verwenden wünschte, Inzwischen ist jetzt eines der Tiere, und zwar die oben erwähnte Stute mit den Zebroidstreifen an der Stirn, die mit den anderen Pferden zusammen bisher in Trakehnen geblieben war und dort auch Nachkommenschaft LANG i t Kun, wieder an Herrn von Farz-FEin zurückgelangt, leider Pr BETEN, Ueber ein Pferd mit zebroider Zeichnung. Ä 236 schwer krankem Zustande, sodaß die Stute alsbald nach der Rück- lieferung an ihren früheren Besitzer getötet werden mußte. Fell und Skelet sind in den Besitz der Landwirtschaftlichen Hochschule zu Berlin gelangt, und so bin ich jetzt in der Lage, eine Schilde- rung des Tieres zu geben und damit einen Beitrag zur Kenntnis der Baschkiren-Pferde zu liefern, der vielleicht deswegen nicht un- angebracht ist, weil es sich zweifellos um eine dem Aussterben entgegengehende Rasse von Pferden handelt, von denen bereits von FALZ-FEIN meinte, es sei wünschenswert, daß sie „solange sie noch vorhanden sind, näher beschrieben und mit Zguus przewalskı verglichen würden“. Eine verhältnismäßig hohe Kruppe, der niedrige kaum ange- . deutete Widerrist, ein starker Hals und ein schwerer großer Kopf sind die am meisten auffallenden Merkmale des Belchkiren Press das ich Gelegenheit hatte, noch kurz vor seinem Tode zu sehen. Die Mähne ist stark entwickelt, steht aber nicht aufrecht, sondern hängt an einer Seite hinunter. Ein Stirnschopf ist vorhanden. Der buschige Schwanz reicht bis zu den Sprunggelenken. Die Schwanz- wurzel ist nicht erhökt. Die Ohren sind ziemlich kurz. Die Stirn flach. Die Nasenpartie kaum gewölbt. Hornschwielen (Kastanien) kommen an Vorder- und Hinterbeinen vor, sind von länglicher Gestalt aber ziemlich klein. Das Pferd kann als mittelgroß be- zeichnet werden. Messungen am lebenden Tier oder am Leichnam wurden leider nicht vorgenommen. Nach Messungen am Fell be- trägt die Widerristhöhe etwa 152 cm. Der Gesamteindruck ist der eines sehr gut genährten, wohlgepflegten Tiers. Dieser Eindruck darf uns indessen nicht darüber hinwegtäuschen, daß wir es hier doch mit einem Pferde einer primitiven Rasse zu tun haben, worauf, abgesehen von der gleich noch näher zu beschreibenden Farbe namentlich der ziemlich schwere dicke Kopf und die hohe Kruppe hindeuten. Von Herrn von FALZ-FEIN wurde. mir übrigens ver- sichert, daß die in ihrer Heimat unter natürlichen Verhältnissen lebenden Baschkirenpferde keineswegs ein so gut gepflegtes Äußere besitzen. Dort sehen sie viel struppiger aus und bekommen nament- lich im Winter einen dichten zotteligen Haarpelz, von dem unser seit Jahren gut gehaltenes Pferd mit seinem glatten dicht anliegenden kurzen Sommerfell natürlich keine Spur erkennen läßt. | Die Farbe ist ein eintöniges fahles, etwas in das Rötliche spielendes Braungelb, das an den Flanken gänz allmählich in die lichtere Färbung der Unterseite übergeht. Die weichen Partien vorn am Kopf sind dunkel gefärbt. In der Mittellinie des Rückens verläuft ein stark ausgeprägter schwarzer Aalstrich, der von der a m Hz 'stehung von Blutgerinnseln verursacht hatten. An der Gefäßhaut L a 273 fi ıYV,j Js ’w Zur Wr by ir x ‘ a&} Wi) NT HAN ı “ wa « 4 237 R. HEyMmons: Halsmähne bis zur Schwanzwurzel reicht. „In der Verlängerung des Aalstrichs ist letztere in der Mitte schwarz, rechts und links davon grau behaart. Die langen frei am Ende des Schwanzes herunterhängenden buschigen Haare sind schwarz. Auch die. Mähne ist schwarz. An ihrer Bildung nimmt aber, wie sich bei. senauerer Besichtigung zeigt, rechts und links noch ein schmaler Streifen gelblichbrauner Haare teil, während die mittleren Haare, welche die Hauptmenge der Mähnenhaare darstellen, rein schwarz sind. Die Stirnzeichnung besteht aus einer Anzahl schmaler ver- waschener dunkler Streifen, die beiderseits neben den Augen am ddeutlichsten sind und in schräger Richtung nach oben gegen den Scheitel hin sowie nach unten zur Nasenwurzel verlaufen. Auf diese Weise kommt damit ähnlich wie beim Zebra mitten auf der ° Stirn eine Streifenzeichnung zustande, die eine annähernd rhombische (restalt hat und an den Rändern am deutlichsten, in der Mitte da- gegen nur ziemlich undeutlich und verwaschen ist. Ein Schulter- ° streif fehlt, nur eine kaum sichtbare, schattenartige Verdunkelung ist an der betreffenden Stelle vorhanden. Ebenso wie an der Stirn, so ist auch an den Beinen die zebroide Streifung keineswegs be- sonders auffallend, aber doch unverkennbar vorhanden, wie sich bei genauerem Hinsehen zeigt. Sie besteht aus mehreren unvoll- ständigen und zum Teil ineinanderfließenden dunklen Ringen am unteren Ende der Unterschenkel der Vorderbeine und ebenso auch in der Umgebung der Sprunggelenke an den Hinterbeinen. Im übrigen sind die Beine von den Fußgelenken an dunkel. Die an- gegebenen Eigentümlichkeiten der Färbung, namentlich die einheit- liche, in diesem Falle rötlichgelbe fahle Grundfarbe, der schwarze Aalstrich auf dem Rücken und die dunklen Beine sind die be- kannten Merkmale einer sog. „Wildfärbung“, die wir in entsprechen- der Weise auch beim asiatischen Wildpferde finden und mitunter auch bei unseren Hauspferden antreffen können. Ebenso zeichnete sich der ausgestorbene südrussische Tarpan durch einheitliche mause- graue Farbe und einen schwarzen Aalstrich auf dem Rücken aus. Von der Wildfarbe und der zebroiden Zeichnung soll unten noch die Rede sein. 3 Das Alter des uns hier interessierenden Baschkirenpferds konnte ; auf etwa 9 Jahre geschätzt werden. Die tötliche Erkrankung war. durch die Larven eines parasitären Nematoden (Sclerostomum bi- dentatum STICKER) herbeigeführt worden, indem letztere, wie sich bei der Obduktion herausstellte, „eine sackartige Erweiterung ac Hüft-Grimm-Blinddarmarterie“ herbeigeführt und daselbst die Ent- T Ueber ein Pferd mit zebroider Zeichnung. 238. ( haftet, wie es in dem Sektionsbericht!) heißt, „ein walnußgroßer Blutpfropf (Thrombus), von welchem sich Teile abgelöst haben, die mittels des Blutstroms in die Blinddarmarterien geschleudert worden sind. Hierdurch wurde die Blutzirkulation in dem der Blinddarm- spitze zugehörigen Drittel des Blinddarms aufgehoben, sodaß Nekrose der Darmwand mit anschließender Bauchfellentzündung eintrat“. Über das Vorleben der Stute wissen wir, daß sie sich in Trakehnen sehr gut bewährt hat. Der derzeitige Ober-Landstallmeister in Trakehnen, Graf Sponeck, teilte in dieser Hinsicht folgendes mit: „Den Tod der schönen Baschkirenstute bedaure ich ungemein. Sie war nebenbei auch ein ausgezeichnetes Gebrauchspferd. Die Stute hat hier 4 Fohlen gebracht und einmal verfohlt. Die beiden ersten Produkte waren mäßige. Ein 1918 geborener Hengst mit der Vater- schaft eines in Teheran geborenen Vollblutarabers ist sehr gut. Auch eine 1919 geborene Stute von einem in Ungarn geborenen Vollblut- araber ist gut.“ Es sei bemerkt, daß die Stute bei ihrem Tode abermals trächtig war. Sie war 2 Monate vorher von einem Araberhengst gedeckt worden und enthielt einen männlichen Fötus. Unter den gegenwärtigen Umständen bin ich leider nicht in der Lage, mir die einschlägige ausländische Literatur zugänglich zu machen, in der wahrscheinlich nähere Angaben über die Basch- kirenpferde und ihre Lebensweise zu finden sein werden. Das Wenige, was ich in dieser Beziehung erfahren habe, verdanke ich den Mitteilungen der Herren von FALZ-FEIN und GROTE. Demnach leben die Baschkirenpferde in Herden beisammen und so gut wie in vollkommener Freiheit. Die Herden, tabuny, sind im Besitze der Baschkiren, eines türkischen, ehemals nomadisierenden, heut- zutage größtenteils seßhaft gewordenen Volksstamms, welcher gegen- wärtig einen Teil des Cisuralgebiets (Gouvernement Ufa, den nörd- lichen Teil des Gouvernements Orenburg, die östlichen Teile des Gouvernements Samara und die Südteile der Gouvernements Perm und Wjatka) besiedelt, früher aber das ganze zwischen Wolga und Ob gelesene Ländergebiet bevölkerte. ‘Im Winter wohnen die Baschkiren in ihren Ansiedlungen, schlagen aber im Sommer bald hier bald dort ihre leichten Zelte auf. Die meisten von ihnen — es werden wieder Wald- und Steppenbaschkäeeg unterschieden — beschäftigen sich mit Viehzucht, und das Pferd «selt bei ihnen eine sehr große Rolle, zumal Pferdefleisch die hauptsächliche Fleisch- nahrung bildet. Von einer Pferdezucht kann natürlich keine Rede !) Die Sektion wurde in dem unter Leitung des inzwischen verstorbenen _ Herm Geheimrat Prof. Dr. Schürz stehenden Pathologischen Institut der Ber- liner Tierärztlichen Hochschule ausgeführt. | Re ” PN Bi ee 4 win Ar vr TR cn he j » Bi n R 7 an u ; hrs j 239 R. HEYMmons: ‚4 5 x sein, die Tiere pflanzen sich vielmehr in „freiem Sprunge* fort, suchen sich Sommer und Winter selbst ihre Nahrung und sind unglaublich anspruchslos, hart und ausdauernd. Die Farbe ist bei allen Pferden übereinstimmend fahl gelblichbraun mit dunklem Rückenstreif. Baschkirenpferde waren vor dem Kriege auch viel- fach als Gebrauchspferde in den Händen südrussischer Bauern und Kolonisten. Sie waren besonders beliebt wegen ihrer Genügsam- keit, ihrer Leistungsfähigkeit und ihres verhältnismäßig sehr ge- ringen Preises, der sich damit erklärt, daß auf den russischen Märkten die Pferde vielfach nur ihrer Größe nach bewertet werden, wobei die ziemlich kleinen Baschkirenpferde im allgemeinen viel niedriger eingeschätzt wurden, als z. B. die größeren Kirgisen- pferde und Tatarenpferde. I Wie bereits oben gesagt, liegt es nahe, das Baschkirenpferd mit einem Wildpferde zu vergleichen, wobei die beiden Arten, das noch jetzt vorhandene asiatische Wildpferd, Equus przewalskis Pol.!), und das vor einigen Jahrzehnten ausgestorbene südrussische Wildpferd, der Tarpan, in Betracht gezogen werden können. Hier kann es nun gar keinem Zweifel unterliegen, daß das Baschkiren- pferd seiner ganzen äußeren Erscheinung nach, wie auch schon FR. von FALZ-FEIN hervorgehoben hat, dem asiatischen Wildpferde sehr nahe kommt. Der Tarpan war, wie sich an der in Brehms Tierleben (3. Auflage) enthaltenen und von Sachverständigen für durchaus naturwahr erklärten Abbildung ersehen läßt, viel leichter und zierlicher gebaut, hatte einen kleineren Kopf, spitzere Ohren und besaß eine deutliche Ramsnase, während wir beim asiatischen Wild- pferde die schwerere, etwas plumpere Bauart und namentlich den ° großen schweren Kopf wiederfinden, der uns in ähnlicher Weise auch beim Baschkirenpferd aufgefallen war. Allerdings zeichnen sich die asiatischen Wildpferde durch eine aufrecht stehende Mähne, das Fehlen eines Stirnschopfs und einen am Grunde nur kurz behaarten, mitunter bis. zum Boden reichenden Schwanz aus. Diese Eigen- schaften fallen aber vielleicht nicht allzusehr ins Gewicht, wenn wir. zunächst nur einmal den übereinstimmenden Eindruck des ge- samten Körperbaues ins Auge fassen. An Größe übertrifit das’ " Baschkirenpferd etwas das PRZEWALSKIsche Wildpferd. Es kann als mittelgroß bezeichnet werden, während die PRZEwALSKIpferde schon eher die Bezeichnung klein verdienen. Ich gebe hier die Maße der Kreuzeshöhe von einem durch SALENSKY vermiessenen er- 7 !) Ich behalte diese Benennung bei, obgleich HıLzHEIMFR (09) zufolge der Name Equus equiferus PaLL. die Priorität vor Equus przewalskii PoLs. hat. Tr ag Dar, u a Br Ueber ein Pferd mit zebroider Zeichnung. 240 wachsenen Wildhengst und einem von GRUM-GRSHIMAILO gemessenen 10jährigen Tiere (nach SALENSKY) im Vergleich zur Baschkirenstute, wobei ich darauf aufmerksam mache, daß letztere nur nach dem Fell gemessen worden ist, und die Zahl daher nicht auf absolute Ge- nauigkeit Anspruch erheben darf: Höhe im Kreuz Equus przewalskit männlich 124 cm E 5 10jährig 147 cm RN, Baschkirenstute 9Yjährig 158 cm. Ein genauerer Vergleich ist natürlich erst an der Hand osteologischer Merkmale möglich. Betrachten wir die Formverhältnisse des Schädels, so läßt sich sagen, daß letzterer beim Baschkirenpferd im Vergleich zu Hauspferdschädeln ähnlicher Größe bezw. Länge durch seine ver- hältnismäßige Breite und seine flache Stirn, durch einen breiten kräftig entwickelten Schnauzenteil, die wenig gekrümmte Nasen- region und großen Hirnteil ausgezeichnet ist. Hiermit erinnert der Schädel des Baschkirenpferds im ganzen sehr an den des PRZE- WALSKIschen Wildpferds, selbst in der Form der einzelnen Knochen zeigt sich hier, nach der von NOACK (02) und SALENSKY (02) ge- gebenen Darstellung zu urteilen, eine unverkennbare Ähnlichkeit. An dem mir vorliegenden Schädel des Baschkirenpferds sind z B. die Nasenbeine in der Profilansicht betrachtet ungefähr in der Mitte ihrer Länge etwas eingesenkt, an ihrem vorderen Ende dagegen schwach gewölbt, und ebenso gibt NOACK für das PRZEWALSKIpferd an, daß die Nasenbeine in der Mitte „etwas konkav, am distalen Ende etwas konvex“ seien. Beim Baschkirenpferd ist die Stimm, wie schon oben erwähnt, fast vollständig flach. Von einer Einsenkung vorn an der Stirn, wie sie mitunter bei Pferden vorkommt), ist jedenfalls nichts zu sehen, vielmehr zeigt sich median in der Höhe der Orbiten sogar eine ganz schwache Wölbung angedeutet, wodurch an dieser Stelle bei dem ohne Unterkiefer auf horizontaler Unterlage, etwa auf einer. Tischplatte ruhenden Schädel, der höchste Punkt zustande kommt. Das gleiche gilt für das PRZEWALSKIpferd, dessen Stirn Noack als flach bezejehnet und im übrigen noch hervorhebt, daß die Stirnbeine beim erwachsenen Tiere eine „mäßige Erhöhung 2) ” !) Ich kann hier auf eine sehr charakteristische flache dellenförmige Ein- senkung aufmerksam machen, die z. B. bei Isländer Ponnies vorn an der Stirn am Grunde der Nasenbeine gelegen ist und einer entsprechenden Einsenkung gleicht, die bei PRZEwALSKIfohlen vorkommt An einem in der Berliner Landw. Hochschule aufbewahrten Schädel eines solchen Fohlens läßt sich die für letztere schon von NoAcK beschriebene Einsenkung deutlich erkennen. Da die erwachsenen PRZEWALSKIpferde hiervon nichts mehr zeigen (NoAck 02), dürfte sich bei den erwähnten Ponnies in dieser Hinsicht eine infantile Eigenschaft erhalten haben. ku . a 241 R. Heymons in der Mitte“ zeigen. Allerdings soll beim PRZEwALSKIpferde diese Wölbung vor den Augen liegen und würde sich demnach etwas weiter vorn als beim Baschkirenpferd befinden. Es scheint mir jedoch, daß auf die Gestaltung der Stirn nicht allzuviel Gewicht gelegt werden darf, denn die größere oder geringere Wölbung dürfte teils mit Altersunterschieden zusammenhängen, zum Teil aber auch bei Wild- pferden aus verschiedenen Gebieten verschieden sein. Betrachten ' wir nämlich die von EwART (99) gegebene Abbildung eines aus dem Altai südlich von Kobdo stammenden PRZEWALSKIpferdes, so fällt die von dem eben genannten Autor auch ausdrücklich hervor- gehobene beulenförmig gewölbte (bumpy) Gestalt der Stirn sofort ins Auge, während bei erwachsenen PRZEWALSKIpferden aus anderen Ana äußerlich von einer Stirnwölbung ebensowenig etwas wie beim Baschkirenpferd zu sehen ist. Im übrigen erinnert die Ge- staltung des Schädels vom Baschkirenpferd auch an die Form- verhältnisse eines postglazialen Pferdeschädels von der nordsibirischen Ljachowinsel, den TSCHERSKI (92) beschrieben und abgebildet hat. Beim Baschkirenpferd neigen sich nämlich die beiden Nasenbeine in der Mitte ihrer Länge medianwärts“gegeneinander, wodurch dort eine Längsrinne zustande kommt, die nach hinten, d. h. nach der Basis der Nasenbeine allmählich breiter und flacher werdend ver- streicht und ebenso an dem freien gewölbten Ende der Nasenbeine verschwindet. Eine solche mediane Längsrinne zwischen den beider- seitigen Nasenbeinen hat auch TSCHERSKI für das subfossile Pferd von der Ljachowinsel beschrieben. Weiter gleicht der Schädel unseres Baschkirenpferds sehr einem in der Berliner Sammlung befind- ‚ lichen gleichgroßen Pferdeschädel aus dem Gudbrandsdal inNorwegen, wenn auch hier freilich bei genauerer Betrachtung gewisse Unterschiede nicht entgehen können. So sind beim letztgenannten Schädel die Nasen- beine wieder anders geformt, und der höchste Schädelpunkt liegt nicht im'Bereiche derOrbiten, sondern weitervorn am Grunde der Nasenbeine. Immerhinkann man aber sagen, daß beiden verschiedenenhier erwähn- ten Schädeln überall doch eine gewisse Ähnlichkeit im ganzen Habitus vorhanden ist, während die Schädel schwerer westeuropäischer Pferde oder leichter orientalischer Rassen zum Teil viel stärker abweichen ° und andersartige Formverhältnisse besitzen. Da wir aber einst- weilen von den verschiedenen Schädelformen bei Pferden erst sehr 2 wenig wissen, so will ich mich darauf beschränken, die Ergebnisse einiger Messungen folgen zu lassen, die ich am Skelett des Basch- Fe vorgenommen habe. Die nee wurden ARE den 2 gegeben. Ueber ein Pferd mit zebroider Zeichnung. 242 3 I. Schädel. Basilarlänge 512. Scheitellänge 559. Stirnbreite a 213. Hintere Augenlinie 217. Vordere Augenlinie 395. Verhältnis - - der Basilarlänge zur Stirnbreite (Index 1) 240,3. Verhältnis der Scheitellänge zur Stirnbreite (Index 2) 262,4. Verhältnis der hinteren zur vorderen Augenlinie (Index 3) 182,0. Schnauzenbreite - am Oberkiefer (hinter den äußeren Schneidezähnen) 75. Länge ‚des Gesichtsteils (von der Basis der mittleren Schneidezähne bis zum Zusammentreffen der Stirn- und Nasenbeine) 318,5. Schnauzen- höhe (Höhe von m? bis zur Mitte der Nasennaht) 145. Gesichts- breite (Breite an den Gesichtsleisten an der Naht zwischen Ober- kieferbein und Jochbein) 192. Breite am Vorderende der Gesichts- leisten ca. 185. Länge der Nasenbeine 235. Breite der Nasenbeine am Tränenbein 117. Länge der Naht zwischen Tränenbein und _Stirnbein (wegen Verwachsung undeutlich) 26? Länge der Naht zwischen Tränenbein und Nasenbein 35? Länge des Unterkiefers - (hinterer Rand des Gelenkknopfs bis zwischen die mittleren Schneide- zähne) 451 (links), 454 (rechts). Unterkieferhöhe 237 (links), 243 (rechts). Schnauzenbreite des Unterkiefers 68. Länge der Backen- zahnreihe im Oberkiefer (Alveolarrand) 177, 175; (Kaufläche) 170, 169. Länge der Backenzahnreihe im Unterkiefer (Alveolarrand) '179, 180; (Kaufläche) 168, 169. Diastema im Oberkiefer 105. Diastema im Unterkiefer 100. Entfernung vom Foramen magnum bis zum Pflugscharbein 134. Entfernung vom Pflugscharbein bis zum Gaumenbein 106. Schädelbreite am Hinterrand der Alveole - von p! 133. Höhe des Gesamtschädels 309. Schädelbreite zwischen - den Gehöröffnungen 118. Breite zwischen den Jochfortsätzen der - Schläfenbeine 208. Länge des Gehirnteils (hinteres Ende der - _Nasennaht bis zum Oceipitalkamm) 246. Durchmesser der Augen- - höhlen vertikal 58. Durchmesser der Augenhöhlen longitudinal 68. _ Höhe des Hinterhaupts bis zur Crista oceipitalis N. unteren - Rande des Foramen magnum) 99; (vom oberen Rande) 5 | Ich gebe weiter noch die folgenden Schädelmaße im Anschluß - an NEHRING. Von der Mitte des unteren Randes des For. oce. bis - unmittelbar vor den vordersten Backenzahn 379. Von der Mitte _ des Oceipitalkamms bis vor p? direkt gemessen 423 Vom For. - magn. bis zum Hinterende von m? 210. Vom For. magn. bis zur - Vorderecke der Gesichtsleiste 296. Vom hintersten Punkte eines der Hinterhauptskondylen bis vor p? 405. Breite der Hinterhaupts- $ kondylen zusammengenommen 85,5. Breite des Hinterhauptslochs - in seinem oberen Abschnitt 29. Höhe desselben 34. Breite des Oceipitalkamms 60. Breite zwischen den äußersten Gelenkflächen für den Unterkiefer 199. Entfernung vom Unterkiefergelenk bis 243 R. Heymons: zur Vorderfläche der entsprechenden Gesichtsleiste 205. Breite . zwischen den Vorderecken von p? p? 71. Breite des Gaumens auf der Grenze von m? und m? 76. Breite zwischen den ODPEEME (hinteren) Ecken der Foramina infraorbitalia ’95 II. Extremitätenskele. Humerus. Größte Länge 315. Lane vom Gelenkknopf bis zum unteren Gelenk 289. Größte Breite des oberen Teils 99. Breite des Gelenkknopfs oben 67. Größte Breite unten 84. Breite der Gelenkrolle 77. Breite an der schmalsten Stelle 36. Dicke des oberen Gelenkteils 107. Länge von Ulna und Radius zusammen 443. Größte Länge des Radius 359. Mittlere Länge des Radius 349. Länge des Radius an der Außen- seite 341. Größte Breite des Radius oben 85. Breite des Radius. oben am Gelenk 76. Größte Breite des Radius unten 79. Breite des Radius unten am Gelenk 66. Breite des Radius an der schmalsten Stelle 38. Metacarpus. Größte Länge 239. Länge an der Außenseite 230. Breite oben 56. Breite in der Mitte 34. Breite unten 53. Länge des äußeren Griffelbeins 158. Länge des inneren Griffelbeins 166. Femur. Größte Länge 420. Länge vom Caput femoris ab 383. Breite oben in der Höhe des Caput femoris 123. Untere Breite an der Gelenkfläche 88. Breite am Condylus internus 123. Tibia. Länge an der Vorderseite 343. Größte Länge 369. Länge an der Außenseite 342. Breite oberen Teils 99. Breite des unteren Teils 76. Breite des unteren Gelenks 57. Metatarsus Größte Länge ‘280. Länge in der Mittellinie vorn 279. Länge an der Außenseite 275. Breite oben 53. Breite in der Mitte 32. Breite unten 51. Dicke des äußeren Griffelbeins 25. Dicke des inneren Griffelbeins 20. Im Verhältnis der Basallänge des Schädels zur Stimbreite: kann das Baschkirenpferd der üblichen Bezeichnungsweise nach als „mittelstirnig“ bezeichnet werden, denn mit einem Index von 240,3 steht es genau an der Grenze zwischen breitstirnigen und schmalstirnigen Pferden. Die Grenze liegt bei 240. Schädel, welche einen geringeren Längenindex haben, dürfen wir NEHRING zufolge „als breitstirnig bezeichnen, diejenigen mit höherem Längen- index als schmalstirnig“. Der südrussische Tarpan mit einem ent- sprechenden Index von 232,3 und der oben erwähnte postpliocäne Pferdeschädel von der Ljachowinsel mit gleichfalls 232 sind also etwas breitstirniger. Bei den PRZEWALSKIpferden schwanken diese Werte zwischen 228239. Sie können ODPANAEL als mittelstirnig‘ 4 gelten. j Vergleichen wir weiter die oben für das Baschkirenpferd er 4 mittelten Zahlen mit den Maßen, die SALENSKY an den Schädeln 7 Ueber ein Pferd mit zebroider Zeichnung 944 mehrerer erwachsener PRZEWALSKIpferde und an dem einzigen vor- handenen rassereinen Schädel eines Tarpans (Krym’scher Tarpan) gewonnen hat, so fällt besonders auf, daß fast durchweg die Maße bei den PRZEWALSKIpferden geringer sind, als beim Baschkiren- pferd, ein Umstand, der jedoch nicht überraschen darf, weil die asiatischen Wildpferde ebenso wie der Tarpan ja auch an und für sich kleiner sind und dementsprechend natürlich auch absolut kleinere Köpfe haben. Immerhin gilt dies nicht für alle Maße. So sind z B. bei einzelnen der von SALENSKY vermessenen Wild- pferde die Länge des Gehirnteils, die Entfernung des Pflugschar- beins vom Gaumenbein oder die Schnauzenbreite sogar absolut größer als beim Baschkirenpferd. Absolut größer (101—111) ist auch bei allen untersuchten PRZEWALSKIpferden die Höhe des Hinterhaupts vom unteren Rande des Foramen magnum bis zur Höhe des Hinterhauptskamms, worauf ich allerdings weniger Wert legen möchte, weil bei diesem Maße die jeweilige Ausbildung einer Knochenleiste eine Rolle spielt. Das Bild ändert sich jedoch so- gleich, wenn wir nicht die absoluten Zahlen miteinander ver-. eleichen, was bei verschieden großen Tieren wenig beweisen kann, sondern einmal die Schädelgröße des Baschkirenpferds in Beziehung setzen zu derjenigen der Wildpferde. Ich habe hierbei das wich- tigste Schädelmaß der Pferde, die Basilarlänge, zu Grunde gelegt und im Verhältnis der Basallänge des Baschkirenpferds zu der- jenigen der Wildpferde verschiedene Maße des ersteren im Ver- gleich zu den letzteren berechnet. Einige dieser Werte lasse ich hier folgen. Die bei den Angaben für die PRZEWALSKIpferde (Pr.) eingeklammerten Zahlen beziehen sich auf die Katalognummern des Petersburger Museums. Als wichtigstes Ergebnis habe ich auf diesem Wege ermitteln können, daß bei allen bisher untersuchten Wildpferden die Länge des Gehirnteils verhältnismäßig größer ist, als die Länge des Gehirnteils beim Baschkirenpferd: Gehirnlänge Pr. (Nr. 5218) = 241 Baschkir = 231 a 4260505212). ='250 es — 224 = > SU, SDAIR) ==r245 5 ==1232 er SEHEN = n —+218 BR a 5213) = 255 „ — 233 „+ Tarpan — 249 >: Ebenso haben auch die Wildpferde eine relativ erößäre Scheitel- lange als das Baschkirenpferd: 'Scheitellänge Pr. (Nr. 5218) — 543 Baschkir — 525 » OR) = 528 Re 516 ” ” ( „ 5214) = 538 Pr er28 : n | 245 R. HEYMons: Scheitellänge Pr. (Nr. 5216) = 547. Baschkir = 540 ” „ ( „ 5213) 542 ” — 529 is Tarpan ==524 T — 508. Diese Ergebnisse erscheinen um so bemerkenswerter, als das. Verhältnis für die sonstigen errechneten Werte sich ganz anders darstellt. So unterscheiden sich z. B. die für die Gesichtslänge, Gesichtsbreite, Schnauzenhöhe und Schnauzenbreite beim Basch- kirenpferd gewonnenen Zahlen nicht in dieser Weise, sondern sind zum Teil etwas größer, zum Teil etwas kleiner oder zuweilen sogar genau dieselben verglichen mit den entsprechenden Zahlen bei den verschiedenen Individuen von Wildpferden. Hieraus folgt, daß das Baschkirenpferd einen relativ etwas kürzeren Kopf als alle zum Vergleich benutzten PRZEWALSKIpferde und als der Tarpan hat, daß aber diese geringere Kopfgröße nicht etwa durch geringere Entwicklung seines Gesichtsteils, sondern durch den etwas Kirn Hirnteil des Schädels bedingt wird. | Auf dem gleichen Wege hat sich ermitteln lassen, daß das postglaziale Pferd von der sibirischen Ljachowinsel, von dem leider verschiedene Schädelmaße fehlen, eine sehr viel höhere und brei- tere Schnauze als das Baschkirenpferd gehabt haben muß. Ich habe endlich.noch das reiche Material von Pferden, das sich in den Sammlungen der Berliner Landwirtschaftlichen Hochschule befindet, durchmustert, um einen ähnlich gebauten Schädel mit annähernd ent- sprechenden Dimensionen wie beim Baschkirenpferd zu finden und habe schließlich auch einen solchen herausgefunden (Nr. 3785 der hiesigen Sammlung). Der betreffende aus dem Gudbrandsdal in Norwegen stammende und schon oben erwähnte Schädel, der wohl einem als Doppelponnie anzusprechenden Tiere angehört haben dürfte, hat genau die gleiche Basilarlänge (512) wie der von mir untersuchte Schädel des Baschkirenpferds, stimmt in der Bänge des Gehirnteils ° (245,5) fast genau mit letzterem überein, hat allerdings eine größere ® Gesichtslänge (345), zeigt aber auch in den übrigen, zum Teil in ° einer Arbeit von NEHRING (84) bereits angegebenen Maßen, große Ähnlichkeit mit dem Baschkirenpferd. R Es ist nicht ganz leicht, etwas über die verwandtschaftieaen 4 Verhältnisse der Baschkirenpferde zu sagen und festzustellen, welche unter den verschiedenen Arten und Rassen der übrigen Pferde den Baschkirenpferden am nächsten stehen. Der Grund hierfür liegt zum Teil darin, daß als Vergleichsobjekt nur ein einziges Exemplar des Baschkirenpferds zur Verfügung steht, und einigermaßen sichere | Ermittelungen natürlich nur an der Hand eines sehr viel reicheren 4 Vergleichsmaterials möglich sein würden. Die Hauptschwierigk keit. 7 Pk un JE 3 ex Ueber ein Pferd mit zebroider Zeichnung. 246 ist jedoch die, daß wir zur Zeit überhaupt kaum in -der Lage sind, die Rassenmerkmale bei den Pferden mit genügender Schärfe zoologisch zu charakterisieren und namentlich auch in osteologischer Hinsicht genau zu umgrenzen. Nur soviel läßt sich auf Grund des oben mitgeteilten ohne weiteres behaupten, daß die Baschkiren- pferde nichts mit den schweren Pferderassen des westlichen Europas zu tun haben können, und daß sie ebensowenig den leichtgebauten orientalischen Pferden gleichen. Viel größer ist die Alakichkeil mit den Wildpferden, wenngleich sich doch charakteristische Unter- schiede im Vergleich zu den PRZEWALSKIpferden und dem Tarpan feststellen ließen. Auch an norwegische Pferde, die in Größe und Formverhältnissen viel übereinstimmendes zu besitzen scheinen, ist hier zu denken, und in mancher Hinsicht erinnert der Schädelbau des Baschkirenpferds sogar an den eines postglazialen Pferdes von nordsibirischen Ljachowinsel, ohne freilich auch hier wieder Unter- schiede vermissen zu lassen, sodaß man durchaus nicht etwa an eine Abstammung der Baschkirenpferde von jenen nordsibirischen Pferden zu denken braucht. Im ganzen genommen wird man die Baschkirenpferde zu einer Gruppe von ponnieähnlichen Pferden zu stellen haben, die von kleiner oder höchstens mittelgroßer Statur sind und, woraufich noch unten zurückkommen werde, auch in der Färbung und Zeichnung noch mehr oder minderdeutlich ursprüngliche Merkmale zu erkennen geben. Pferde dieser Bauart finden sich in verschie- denen Gegenden, ganz besonders im nördlichen und mittleren Europa und Asien, und wenn es sich hier auch um einen Typus handelt, zu dem in diesem weiten Verbreitungsgebiete recht ver- schiedene Rassen und Arten gehören, so stehen letztere doch alle in einem unverkennbaren Gegensatze zu den leichten trockenen orientalischen Pferden und ebenso auch zu den schweren west- europäischen Pferderassen. Zu den hier. in Rede stehenden ponnie- ähnlichen, verhältnismäßig großköpfigen, im übrigen aber eher klein zu nennenden Pferden können wir außer den PRZEWALSKIschen Wild- pferden manche der sog. „primitiven‘‘ Rassen unseres Hauspferds, unter anderen auch wohl die nordischen Ponnies, die Ponnies Schott- lands, der Hebriden und anderer nordischer Inseln rechnen. Es gehören zu dieser Gruppe also namentlich die von EWART (04) als besondere Unterarten unseres Hauspferdes beschriebenen Pferde, wie der keltische Ponnie (Eguus caballus celticus), der isländische Ponnie, sowie das norwegische Pferd (Equus caballus typicus), von EwWART mit letzterem Namen bezeichnet in der Annahme, daß Linn& gerade dieses Pferd vor Augen hatte, als er es wissen- ; schaftlich benannte. Weiter dürften in diesem Zusammenhange 247 R. Heymons: wohl auch noch die kleinen russisch-polnischen Bauernpferde zu nennen sein k Fragen wir uns nach der Herkunft aller dieser kleinen oder doch nur mittelgroßen Pferde, so können wir das erste Auftreten derartiger Typen bis zur Diluvialzeit zurückverfolgen. So finden sich in südfranzösischen Höhlen Zeichnungen aus paläolithischer Zeit, die in recht charakteristischer Weise verschiedene Formen von Pferden darstellen, darunter auch solche, die auffallend an die asiatischen PRZEWALSKIpferde erinnern. Besonders bemerkenswert in dieser Hinsicht ist eine in der Höhle von La Mouthe aufge- fundene Zeichnung, von der EWART sagt, sie sei eine „fairly accurate representation of the head of PRJEVALSKY’s horse“. Auch in Deutschland gab es damals schon verschiedene Rassen, wie die Beobachtungen von NEHRING erwiesen haben, der darauf aufmerk- sam macht, daß es außer dem schweren Eyuus caballus. fossilis im Diluvium schon Pferde von kleiner mehr zierlicher Bauart, wie z B. die Rasse von Schussenried, gegeben habe. Auch die Be- funde von TSCHERSKI lassen keinen Zweifel, daß es in Sibirien in postglazialer Zeit verschiedene Pferderassen gegeben haben muß, indem außer großen noch mittelstarke und kleine Pferde gefunden worden sind, die ausgewachsenen Individuen angehört haben müssen, Ebenso wie in der Diluvialperiode mit ihren großen klimatischen Änderungen, mit ihrem Wechsel von Eis, Steppe und dem schließ- lichen Auftreten von Wald zahlreiche och heute fortexistierende Säugetiergeschlechter entstanden sind, so dürften sich damals wohl auch die kleinen europäisch-asiatischen Pferdeformen herausgebildet haben. In den meisten Gebieten Europas sind in der Folgezeit freilich diese Pferde wieder verschwunden oder durch Vermischung mit fremden Rassen bis zur Unkenntlichkeit verändert worden, und nur an günstigen Stellen, zu denen die Wogen der späteren Völker- veıschiebungen nicht drangen, konnten sie sich bis heutzutage ziem- lich rein erhalten. Ein hübsches Beispiel hierfür verdanken wir HILZHEIMER (06), der es wahrscheinlich gemacht hat, daß das sog. Schlettstadter Pferd oder Riedpferd, ein kleines Pferd mit im Ver- hältnis zum Körper außergewöhnlich großem Kopf und niedrigem Widerrist, dem alten Pfahlbaupferd nahe steht und vermutlich der nur wenig veränderte Nachkomme eines diluvialen europäischen Wildpferds ist, der auf den unbewaldet gebliebenen Höhen der \ Vogesen Zuflucht fand und Jahrtausende hindurch im großen und | ganzen sein Aussehen beibehalten zu haben scheint. Ähnlich dürfte es wohl auch mit den uns interessierenden Baschkirenpferden. _ liegen. In den unwegsamen und schwer zugänglichen Te) des Ueber ein Pferd mit zebroider Zeichnung. 248 Uralgebirges und den angrenzenden Steppen sind diese Pferde, die dort schon seit prähistorischen Zeiten heimisch sein mögen, von Ausrottung verschont und wohl auch von Vermischung bewahrt geblieben und haben allem Anschein nach ihren ursprünglichen Typus noch bis jetzt so gut wie rein erhalten.!) In dieser Weise glaube ich die Stellung der Baschkirenpferde im Vergleich zu den wilden PRZEWALSKIpferden und den Hauspferden am besten erklären zu können. Die Baschkirenpferde stammen weder von PRZEWALSKI- pferden noch von anderen heutigen Pferderassen ab, stehen auch weder den einen noch den anderen, soweit sich wenigstens bis jetzt beurteilen läßt, besonders nahe, sondern sie sind wie die genannten Wildpferde und wie verschiedene andere primitive Rassen des nördlichen und mittleren Europa und Asiens zurückzuführen auf verhältnismäßig kleine großköpfige Pferde, die schon zur Diluvial- zeit vorhanden waren. Die Wildfarbe, die uns oben an dem Baschkirenpferde inter- essierte, kommt in ähnlicher Weise auch bei vielen anderen Pferden vor und besteht aus einer einheitlichen meist fahlen gelblichen bis rötlichen oder auch mausegrauen Grundfarbe, mit der die folgenden Zeichnungselemente verbunden sein können: 1) ein schwarzer Rückenstreif (Aalstrich), 2) eine mehr oder minder deutlich ausge- 'prägte dunkle Bänderung an den Beinen, 3) dunkle Streifenzeich- nungen an der Stirn, 4) dunkle Schulterstreifen (Schulterkreuz), 5) dunkle, meist vom Aalstrich abwärts ziehende Querstreifen am Rumpf. Das Vorkommen von 2—5 scheint in allen Fällen an das Vorhandensein von 1 gebunden zu sein, und ebenso scheinen 8, 4 und 5 in der Regel nur dann aufzutreten, wenn sich auch 2 findet. Die dunklen Streifenzeichnungen an den Beinen, am Kopf und Rumpf werden vielfach unter dem Namen zebroide Zeich- nungen beschrieben. Das Auftreten derartiger Zeichnungen bei den Hauspferden war bereits DARWIN bekannt, der von einer ganzen Reihe solcher Fälle berichtet. Ich will hier nicht auf die gesamte mittlerweile schon recht umfangreiche Literatur über dieses Gebiet eingehen, sondern möchte nur erwähnen, daß eine mehr oder weniger ausgeprägte zebroide Streifung seither bei- einer großen Anzahl verschiedener Pferde beschrieben worden ist. Man hat sie hauptsächlich gefunden bei norwegischen Pferden, bei den Ponnies Schottlands, der Hebriden und Islands, wobei es sich !) Nach der mir mündlich mitgeteilten Ansicht von Fr. von FALZ-FEIN kann es so gut wie ausgeschlossen gelten, daß sich fremde Pferde den Herden der Baschkirenpferde beigesellen und sich mit letzteren vermischen, weil Haus- pferde gar nicht im stande sein würden, das harte Leben der Baschkirenpferde auszuhalten. 249 R. HEymons: keineswegs nur um vereinzelte seltene Fälle handelt, denn bei Pferden dieser Art, die eine fahlgelbliche Grundfarbe mit schwarzem Rückenstreif haben, bilden Streifen an den Beinen gar nicht etwas sehr außergewöhnliches. Weiter hat man solche Streifungen beob- achtet bei mongolischen Pferden sowie bei indischen Ponnies (Kathiawar-Pferden), und in neuerer Zeit ist auch auf das auf- fallend häufige Auftreten von zebroiden Zeichnungen bei den russisch-polnischen Bauernpferden (Panjepferden), hauptsächlich wieder bei Falben und bei Mausegrauen, aufmerksam gemacht worden, wie aus den Arbeiten von KRIEG und von SCHAUDER hervorgeht. In der Tat ist es gar nicht schwer, Pferde mit der- artigen mehr oder weniger deutlichen zebroiden Streifen zu finden, selbst unter unseren heimischen Gebrauchspferden und Straßen- pferden wird man bei einiger Aufmerksamkeit häufig genug Fälle dieser Art beobachten können, namentlich bei Falben, wobei es sich dann zumeist um Tiere russischer Herkunft handeln dürfte. Wir sehen somit, daß eine zebroide Zeichnung sich besonders häufig bei den zu den sog. primitiven Rassen gerechneten kleinen und mittelgroßen Pferden findet, die im Norden und in der nörd- lichen gemäßigten Zone heimisch sind. Auch das oben genannte Schlettstadter Pferd kann hier wieder in diesem Zusammenhang genannt werden, denn bei ihm zeigt sich wenigstens der schwarze Rückenstreif deutlich, und selbst die Andeutung eines Schulter- kreuzes hat HILZHEIMER bei einem braungrauen Fohlen dieser Rasse beobachten können. Bei der Ahnlichkeit zwischen den vorhin erwähnten kleinen bis mittelgroßen nordischen Pferderassen und den Wildpferden Innerasiens darf es gewiß nicht überraschen, daß zebroide Zeichnungen auch bei letzteren festgestellt sind. Allerdings zerfallen die PRZEwALSKischen Pferde, worauf schon oben hingewiesen wurde, in mehrere verschiedene geographische Formen,!) die sich auch in ihrer Färbung etwas verschieden ver- !) Es handelt sich um drei in verschiedenen Gebieten lebende geographische Formen oder Unterarten von Wildpferden. In den Ebenen westlich von Kobdo (nördlich vom Urungu) kommt die hellste Form mit weißer Schnauzenspitze vor; in den Steppen im Altai, südlich von Kobdo, gibt es eine etwas dunklere Form, und im Gebiete des Zagan-Nor die dunkelste Form mit gewölbter Stirn. Diese drei geographischen Formen sind von EwART (99) und von MATSCHIE (03) genauer beschrieben worden, und letzterer hat für die helle Art aus dem Gebiete des Urungu den Namen Equus hagenbecki vorgeschlagen zum Unterschiede von der dunklen, welcher der Name Equus przewalskii verbleiben würde. So wichtig 4 diese Unterschiede in systematischer Hinsicht sind, so kommen sie doch für die uns hier interessierenden Fragen nicht in Betracht, weil eine zebroide Streifung sowohl bei der hellen als auch bei den dunklen Formen vorkommen kann, wie aus den Angaben von SALENSKY und MATSCHIE über die ersten dank der Tat- kraft von F. von Farz-Feın nach Europa gelangten und dann in Ascania-Nova gehaltenen Wildpferde und den Mitteilungen von EwART über die durch HAGEn- BECK nach England importierten Individuen von Equus przewalskii hervorgeht » = a2 an. mr A. FE Al Ueber ein Pferd mit zebroider Zeichnung. 350 halten, aber einen mehr oder weniger deutlichen schwarzen Rücken- streif haben sie alle, ein Schulterstrich wurde gleichfalls bei ihnen von verschiedenen Autoren (SALENKSY, NOACK, EwWART) beschrieben, und was hier namentlich interessiert, auch die zebroide Streifung an den Beinen bildet bei den Wildpferden Asiens eine häufige Er- scheinung. SALENSKY sagt hierüber: „Auf das Vorhandensein von Querstreifen bei Equus Przewalski hatte schon POLJAKOFF hin- gewiesen; er bezeichnet sie als undeutlich, und in der Tat sind sie bei dem Exemplar, welches als Typus zu seiner Beschreibung ge- dient hatte, nicht deutlich zu sehen, da sie am Winterfell überhaupt wenig bemerkbar sind. Bei erwachsenen, im Sommerkleid befind- lichen Tieren sind sie dagegen sehr deutlich ausgesprochen, werden jedoch lange nicht bei allen Exemplaren angetroffen und variieren außerdem sehr stark an Zahl und Anordnung.“ Wenn ich hier das besonders häufige Vorkommen von zebroiden Zeichnungs- elementen bei den nordischen europäisch-asiatischen Pferden ein- schließlich der PRZEwALSKIschen Wildpferde betont habe, so mag es vielleicht auffallend erscheinen, daß uns doch, wie schon oben erwähnt, gerade auch in einem ganz anderen Faunengebiete, in Östindien, vielfach die gleiche Erscheinung bei Ponnies begegnet und daß namentlich die indischen Kathiawar-Pferde schon seit langem in. dieser Hinsicht berühmt sind. Eine Erklärung hierfür kann ich freilich nicht geben, möchte aber doch darauf aufmerksam machen, daß in Indien ein Pferdematerial recht verschiedenen Ur- sprungs vorkommt. So sagt ZÜRN (02), der sich hierbei auf die Angaben eines Sachverständigen, VON PETERSEN, stützt: „In Indien werden alle möglichen, sowohl aus dem Orient, wie aus dem Oceident importierten Pferde gehalten, eventuell auch weiter gezüchtet.“ Hierbei sei noch erwähnt, daß die vielfach in Indien gehaltenen „Chinaponnies* gar nicht aus China, sondern aus der Mongolei stammen. „In Bezug auf Figur, Typus und kälteres Temperament ähneln sie den europäischen, namentlich den norwegischen Doppel- ponnies.“ | Viel seltener als bei der genannten Gruppe europäisch-asia- 'tischer Pferde wird eine zebroide Zeichnung bei den schweren west- europäischen Pferderassen oder bei den typischen leichten orienta- lischen Pferden beobachtet. Immerhin fehlt es auch hier nicht an Beispielen. DARWIN erwähnt bereits einen derartigen Fall bei einem belgischen Karrenpferd, das beiderseits einen doppelten Schulterstreifen und Streifen an den Beinen hatte. EWART hat Streifung an den Beinen bei arabischen Pferden beobachtet, und SCHAUDER teilt mit, daß er zebroide Streifung am Kopf, nicht nur, 251 : R. Heymors: was nach dem oben gesagten leicht verständlich ist, bei acht A a mausfalben und vier Panjefüchsen, sondern auch an fünf schweren kaltblütigen rasselosen französischen Hell- bezw. Dunkelfalben und bei einem warmblütigen Lehmfuchs gesehen habe. J Bi Die zebraähnliche Zeichnung bei Pferden entspricht nicht nur dem bekannten Streifenmuster der Zebras und den Zeichnungen, die sich bei Wildeseln angedeutet finden, sondern wir haben in ihr offenbar überhaupt einen uralten Säugetiercharakter vor Augen. Biologisch kann die Streifung als Schutzfärbung von Vorteil sein, wie z. B. bei den Zebras in der sonnendurchglühten Grassteppe oder im afrikanischen Buschwalde, und wir verstehen es daher, daß sich gerade bei den Zebras die Streifung durch stärkere Betonung nicht nur der dunklen, sondern auch durch Entwicklung heller Streifen noch wesentlich vervollkommnet hat). Anders bei Pferden. Bei ihnen scheint die ursprüngliche Streifung keinerlei selektiven Wert zu besitzen, und so sehen wir sie kaum ausgeprägt, ja allem Anschein nach mehr und mehr im Schwinden begriffen, indem wie HILZHEIMER (10) es ausdrückt, „die Tendenz der Pferde: zeichnung dahin strebt, die Streifung auszumerzen“. Ebenso wie andere Färbungen und Zeichnungen muß natürlich auch bei den Equiden die zebroide Streifung abhängig von der Erbmasse sein. Es müssen also, um sich der Ausdrucksweise der Vererbungslehre zu bedienen, besondere Erbfaktoren oder Gene vorhanden sein, welche an den betreffenden Stellen eine Pigmententwicklung und Streifung bedingen. Genotypisch wird zweifellos bei allen den oben genannten „primitiven“ kleinen und mittelgroßen Pferderassen Nord- und Mitteleuropas und Asiens die Zebroidstreifung vorhanden sein, und es wird daher nur einer geeigneten Kombination der Erbfak- toren bedürfen, um sie auch phänotypisch zum Ausdruch zu bringen. Man wird aber auch wohl annehmen können, daß selbst im Geno- typus der schweren oceidentalen Pferde und der orientalischen Pferde die Streifung noch enthalten ist, obwohl sie phänotypisch kaum noch hervortritt oder dann doch meist nur noch in Spuren !) Meines Wissens hat DArwın zuerst die Meinung ausgesprochen, daß die gemeinsame Stammform unserer Hauspferde, der Esel Quaggas und Zebras „an animal striped like a zebra“ gewesen sei. Obwohl sich dies nur allgemein auf die Art der Zeichnung und nicht auf die Färbung zu beziehen braucht, begegnet man mitunter der Ansicht, daß die Pferde von Tieren abstammen, die unseren Zebras glichen. Im Streifenkleide der Zebras liegt aber bereits das End- ergebnis einer einseitigen Entwicklungsreihe vor, und wenn wir uns die pliocänen Vorfahren unserer heutigen Pferde vorstellen, wird man wohl richtiger annehmen können, daß sie gar nicht das schwarz und weiß gebänderte Zeichenmuster von Zebras gehabt haben, sondern gefärbt waren. Vielleicht dürften es KTURMERNEE } fl Tiere mit dunkleren Binden gewesen sein. Ya er, Ueber ein Pferd mit zebroider Zeichnung. 252 sich bemerkbar macht. Andeutungen solcher Art sind möglicher- weise die von KoHN an der Schweifwurzel vieler Hauspferde beob- achteten Querbinden. EwART (99) fand Querstreifung namentlich bei Fohlen arabischer Rasse. Die verhältnismäßig wenigen Fälle indessen, in denen auch bei ausgewachsenen Tieren von leichtem orientalischen Typus oder schwerem Körperbau eine gut aus- geprägte und deutliche Streifenzeichnung sichtbar wird, deuten wohl zum großen Teil auf eine Einkreuzung fremdartiger Rassen hin, wie wir ja überhaupt wissen, daß bei der durch die Bastardierung bedingten Neukombination der Erbfaktoren latente oder kaum noch wahrnehmbare Eigenschaften sehr leicht zum Durchbruch kommen und dann mit einem Male sogar sehr deutlich hervortreten können. Höchst wahrscheinlich dürfte diese Erklärung bei dem von DARWIN beschriebenen belgischen schweren Karrenpferd zutreffen, das auber den Beinstreifen noch stark markierte doppelte Schulterstreifen ‚besaß. Damit erinnert dieses Karrenpferd recht sehr an den berühmten von EWART (99) abgebildeten Quaggabastard Lord MORTONS, der ebenfalls außer den Beinstreifen mehrfache Schulter- streifen hatte, und wenn wir leider auch nichts von den Vorfahren jenes von DARWIN geschilderten Karrenpferds wissen, so ist es doch wohl so gut wie sicher, daß die Ascendenten nicht alle reine belgische Karrenpferde waren, sondern daß sich unter den Eltern oder näheren Stammeltern ein Tier fremder Herkunft befand, das vielleicht sogar äußerlich noch eine Streifenzeichnung trug. In diesem Zusammenhange mag auch einmal auf den Zguus (Asınus) egquuleus SMITH hingewiesen werden, eine Species von Pferden, die im Jahre 1841 auf Grund eines einzigen, allerdings sehr charakte- ristischen Exemplars aufgestellt wurde. Es handelt sich um ein etwa mittelgroßes, relativ kurzohriges, von der chinesischen Grenze im. Nordosten von Kalkutta stammendes Tier, von unbändigem Wesen, das sich durch rötlichgelbe Grundfarbe, schwarzen Aalstrich, einen auffallend deutlichen und sehr breiten Schulterstreifen sowie durch dunkle Binden an den Beinen auszeichnete. Niemals wieder hat man Tiere solchen Aussehens in China oder in anderen Teilen Innerasiens gefunden, und es unterliegt für mich kaum einem Zweifel, daß dieser Zguus eguuleus weiter nichts ist als ein Bastard, vermutlich ein Bastard zwischen einem PRZEWALSKIschen Wildpferde und einem Pferde chinesisch-mongolischer Rasse. Meiner Ansicht nach wäre es daher gut, wenn diese „Art“ aus der systematischen Literatur wieder verschwinden würde, jedenfalls solange bis durch etwaige künftige Funde einmal nachgewiesen werden kann, daß es tatsächlich im Innern Asiens freilebende Pferde von dem Aussehen des Zquus equuleus gibt oder doch gegeben hat. R. HEyYMmoss: Kehren wir wieder zu dem oben geschilderten Baschkirenpferd zurück, so ist natürlich daran zu denken, daß die Streifenzeichnung an Kopf und Beinen auch in diesem Falle durch eine Einkreuzung = fremdrassigen Blutes hervorgerufen wurde, daß mithin die Stute ein Bastard ist. Notwendig scheint mir diene Annahme nicht zu sein. Wissen wir doch, daß bei den wilden PRZEwALSsKIpferden die zebroiden Zeichnungselemente bald stärker, bald weniger stark äus- geprägt sind oder zuweilen auch gar nicht mehr sichtbar werden. Daß es bei den PRZEWALSKIpferden aber gelegentlich zu einer Ein- kreuzung fremdartigen Blutes, etwa von Seiten gezähmter Mongolen- pferde kommt, ist kaum anzunehmen, schon das überaus scheue Wesen der Wildpferde und ihr Vorkommen in den abgelegensten öden Gebieten Innerasiens sprechen hiergegen. Die Herden der Wildpferde stellen vielmehr, wie wir mit gutem Grunde sagen dürfen, eine isolierte Population gleichartiger, aber natürlich auch nicht vollkommen in jeder Beziehung ganz übereinstimmender Indi- viduen dar, denen genotypisch die zebroide Zeichnung zweifellos sämtlich zukommt. Bei der Mischung der Tiere untereinander wird es dann von der jeweiligen Verteilung der Erbfaktoren abhängen, ob diese oder jene Eigenschaft und dementsprechend auch die Bindenzeichnungen sei es mehr, sei es weniger deutlich zum Aus- druck gelangen oder zuweilen phänotypisch überhaupt nicht mehr hervortreten. Ganz ähnlich dürfte es bei den Baschkirenpferden liegen, die gleichfalls eine Individuenmenge bilden, die man allem Anschein nach als so gut wie reinrassig ansehen darf. Auch bei diesen Pferden scheinen zebroide Zeichnungen keine Seltenheit zu bilden, wie wenigstens aus den Worten von FALZ-FEIN entnommen werden kann, daß die meisten Baschkirenpferde, die er in Kiew sah, Streifen an den Beinen hatten. FEbensowenig wie bei den PRZEWALSKIpferden brauchen daher bei den Baschkirenpferden Tiere mit Streifenzeichnungen Bastarde von Pferden fremder Rassen zu sein. Immerhin ist es wohl angebracht, noch weitere Beobachtungen abzuwarten, ehe sich in dieser Hinsicht ein endgültiges Urteil fällen läßt. a 3 . Ueber ein Pferd mit zebroider Zeichnung. 254 Literatur. | DARwın, Ch. The origin of species by means of natural selection. EwART, J. C. The Penycuik experiments. London 1899. EwART, J. 6. The multiple origin of horses and ponnies. Trans. of the Highland and Agricultural Society of Scotland. vol. XVI. Edinburgh. 1904. von FALz-FEIn F. Ueber das letzte Auftreten des Wildpferds in Rußland. Sitz.-Ber. Ges. Nat. Freunde Berlin. 1919. HArTwıG, W. 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